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Full text of "Jahrbuch für Landeskunde von nieder-oesterreich"

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B o ught with the income of 
THE KELLERFUND 



Bequeathed in Memory of 

Jasper Newton Keller 

Betty Scott Henshaw Keller 

Mari AN Mandell Keller 

Ralph Henshaw Keller 

CarlTilden Keller 




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für 



Landeskunde yon Nieder-Oesterreicli. 



Herausgegeben 



Vereine für Landeskunde von Nieder-Oesterreich. 



IL Jahrgang. 

8—1869.) 



IMClt 1 Karte und. 8 Holzsclmltten. 



Wien 1869. 

Im Selbstverlage des Vereines. 



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UNIVERSiTYl 
LIBRARY I 



f<Ult^ (p) ^ 



Redigiert von den AnsschussmitgUedern : 

A. Becker, A. Silberstein und K. Weiss. 



Druck von R. V. Waldheün. 



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INHALT. 



Seite 
Zur Geschichte des n. ö. Landtages in der ersten Wahlperiode 

1861—1866 1 

Die Bömer orte in Nieder-Oesterreic h, von Dr. Friedrich Kenner« 

(Mit einer Karte) 119 

Die Alpen im Kreise U. W. W., von Dr. Josef Kr zisch in Neunkirchen 215 

Ueber den Fortschritt in dem Betriebe der Bodencultur inNieder- 

Oesterreich, von F. W. Hofmann, Wirthschaftsrath 267 

Die Fischer'schen Eisenwerke zu St. Egyd am Neuwalde, von 

M. A. Becker 299 

Die Tirna. Historisch -diplomatische Skizze von Ernst Edl. v. Franzens- 
huld. (Mit 8 Holzschnitten) . . - * . . . 325 

Raphael Donner. Ein Beitrag zur Geschichte der Plastik in Wien, von 

K. Weiss 317 

Kleine Mittheilungen. 

1. Das Klima zu Baden. Von K. Fritsch 369 

2. „ n n Gresten. Von K. Fritsch 375 

3. Die Maut am Semmering im Jahre 1545. Mitgetheilt von 

M. A. Becker 386 

4. Zur Geschichte der Jesuiten in Wien 390 



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Zur 

Geschichte des n. ö. Landtages 

in der ersten Wahlperiode 1861 — 1866. 



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In den Landesordnungen, welche im Jahre 1861 — sozu- 
sagen parallel mit der Reichsverfassung — durch die Patente 
vom 26. Februar verliehen worden sind, wurde den Landtagen 
der im Reichsrathe vertretenen Länder theils in Anerkennung der 
öflFentlichen Meinung, 'die eine Decentralisierung der Verwaltung 
begehrte, theils in Anknüpfung und Nachahmung der altständi- 
schen Institutionen ein administrativer Wirkungskreis eingeräumt, 
wie sich in den parlamentarischen Einrichtungen anderer euro- 
päischer Staaten nichts Aehnliches findet. 

Wenn es nun schon von diesem Gesichtspunkte aus gerecht- 
fertigt sein dürfte, die Landtags-Thätigkeit näher zu betrachten, 
so erscheint dies rücksichtlich der ersten Wahlperiode von um so 
grösserem Interesse, als es sich dabei um die eigentliche Besitz- 
ergreifung neuverliehener Rechte und in vielen Fällen, je nach 
der Interpretation des Gesetzes, um die Restringirung und Erwei- 
terung derselben handelte. Wird der Kampf, der in dieser Beziehung 
zwischen der Centralgewalt des Staates und den autonomen Lan- 
desvertretungen herrschte, auch fortbestehen und wird es stets 
die Aufgabe der Regierung sein müssen, scharf zu unterscheiden; 
wo die Reichsinteressen einen einheitlichen Vorgang erheischen 
und wo ohne Gefährdung der Staatsidee die Administration zu 
ihrem eigenen Besten den Ländern übertragen werden kann; so 
ist es doch in der Natur der Sache gelegen, dass die diesfällige 
Bewegung in der ersten Periode, insolange nicht das richtige 
Verhältniss zwischen den beiden Theilen zugewiesenen Geschäften 
annähernd hergestellt ist, am grössten sein musste. 

Ein weiteres Interesse bietet die nähere Betrachtung der 
Landtags-Thätigkeit dadurch, dass dieselbe bei der Unfertigkeit 
der Reichsverfassung, sowie bei dem Umstände, als der eine Theil 



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der Reichsvertretui^g aus den Landtagen hervorgeht, so recht 
eigentlich das Spiegelbild der allgemeinen Zustände ist. 

Der im Herzen der Monarchie tagende Landtag bietet das 
vorbesprochene Doppelinteresse in erhöhtem Masse, und dadurch 
möge diese Arbeit begründet erscheinen. Sie hat sich lediglich 
zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Momente herauszugreifen und 
dabei insbesondere auf die Art und Weise hinzudeuten, wie das 
Ministerium 1861 — 1865 durch die fast regelmässigen Ablehnungen 
der Gesetzentwürfe, durch Verzögerung der Erledigungen, sowie 
durch Widersprüche und Machtsprüche in einzelnen Verfügungen 
der Autonomie der Länder auch in rein administrativen Fragen 
oft in einer nahezu verletzenden Form entgegentrat und vielleicht 
eben dadurch weiter gehende Begehren hervorrief, während das 
Ministerium des Jahres 1866, ungeachtet der Sistirung der 
Reichsverfassung, den Landtagen in Nebenfragen auflfällig entgegen 
kam. Als Gegensatz dieses Vorganges wurde überall, wo in den 
Jahren 1867 und 1868 oft ohne jeden Kampf das effectuirt 
wurde, was man vordem für unmöglich erklärt hatte, darauf 
hingewiesen. 

Diese Auseinandersetzungen sind auf Grund der administra- 
tiven Thätigkeit gemacht, welche hier in nachfolgende Haupt- 
partien zusammengefasst erscheint: 

L Gemeinde-Angelegenheiten. 
IL Oeflfentliche Sicherheit. 
HL Landescultur. 
IV. Schul-Angelegenheiten. 
V. Sanitäts-Angelegenheiteii. 
VI. Strassen- und Wasser-Bauten. 
VII. Verschiedene Gegenstände. 
VIII. Landes vermögen. 

IX. Landes-Verfassung. 
Die daraus hervorgehende Leistung des n. ö. Landtages auf 
dem Gebiete der Selbstverwaltung ist eine namhafte und seine Hal- 
tung in den grossen politischen Fragen eine entscheidende. Die 
Einzelheiten sollen dafür sprechen! — 



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I Gemeinde -Angelegenheiten. 

In Betreff der Gemeinde- Angelegenheiten stehen der Landes- 
Vertretung nach der Landes-Ordnung (§. 18 II, Punkt 1) die 
näheren Anordnungen innerhalb der allgemeinen Gesetze zu. 

Als der Landtag seine Thätigkeit aufnahm, war das Ge- 
meinde-Gesetz vom 17. März 1849 in Wirksamkeit*). Nach 
demselben waren (§. 74) die Bewilligung zur Vertheilung von 
Gemeinde- Vermögen und Gut dem Landtage, dann (§. 79) die 
Bewilligung von 15 Procent Umlage auf die directe, und 20 
Procent auf die indirecte Steuer, sowie (§. 80) die Bewilligung 
zu Darlehen, die das Jahreseinkommen der Gemeinden über- 
schreiten, der Landesgesetzgebung vorbehalten. Nun war zwar 
durch die Ministerial- Verordnung vom Jahre 1852 diese Wirksam- 
keit, insolange eben kein Landtag bestand, der Landesstelle 
und die Bewilligung von Umlagen über 20 Procent der indirec- 
ten Steuer, sowie von Darlehen den Ministerien des Innern und 
der Finanzen vorbehalten. Die Regierung erklärte aber, dass sie sich 
nunmehr, nachdem die Landesvertretung ins Leben gerufen ist, dieser 
Wirksamkeit enthoben ansehe. Der Landes- Ausschuss hat bei der 
unmittelbar nach Schluss der ersten Landtagssession erfolgten 
Geschäftsübernahme in Ermanglung eines neuen Gemeinde-Ge- 
setzes, sowie auch einer ihm ertheilten Instruction, im Interesse 
der Gemeinden und in Anhoffung der Zustimmung des Landtages, 
in dem Zeiträume von der 1. bis zur 2. Session, die nach dem 
citirten Gemeinde-Gesetze dem Landtage zustehende Bewilligung zu 
Veräusserungen von Gemeindevermögen ertheilt und die Gesuche um 
Veräusserungen von Gemeindeeigenthum , von höheren Gemeinde- 
umlagen und von Darlehen unter seiner Zustimmung und im Ein- 
vernehmen mit der Regierung zur A. H. Sanction vorgelegt. 
Der Landtag hat diesem Vorgange nachträglich seine Zustimmung 
ertheilt. Nachdem aber das in der 1863er Session beschlossene Ge- 
meinde-Gesetz die A. H. Sanction nicht erhalten und der Landtag 



*) Von dem 1859 erlassenen Gemeindecresetze war lediglich das Capitel 
über die Zuständigkeit in Wirksamkeit. 



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6 

den Landes-Ausschuss mittelst der inzwischen ertheilten Instruction 
bis zum Zustandekommen des neuen Gremeinde - Gesetzes nui* 
ermächtigt hatte, die nach dem 1849er Gemeinde-Gesetze ihm 
zustehende Bewilligung zu Veräusserungen des Gemeindevermögens 
und Gutes und zu Vertheilungen desselben zu geben, so musste 
sich der Landesausschuss in dem Zeiträume von der 2. bis zur 
3. Session auf die Ertheilung der letzterwähnten Bewilligung be- 
schränken und mussten die zahlreichen eingelangten anderweitigen 
Gesuche zurückbehalten werden. 

Nach dem in der 1864er Session angenommenen und 
am 31. März 1864 A. H. sanctionirten Gemeinde-Gesetze ist 
die Wirksamkeit der Landesvertretung in Gemeinde-Angelegen- 
heiten nachfolgend normirt. 

Die Vereinigung von Gemeinden zu einer Ortsgemeinde hat 
über ihr Ansuchen und insofeme die Landesstelle aus öflfentlichen 
Kücksichten nichts dagegen einzuwenden findet, der Landesaus- 
schuss zu bewilligen (§. 2), wogegen die Trennung einer Orts- 
gemeinde in zwei oder mehrere Ortsgemeinden mit Rücksicht 
auf die Mittel zur Erfüllung des vom Staate übertragenen Wir- 
kungskreises nur durch ein Landesgesetz erfolgen kann (§. 3). 
Die Veränderung der Grenzen einer Ortsgemeinde hat — ebenfalls 
nur, wenn die Landesstelle aus öffentlichen Rücksichten nichts da- 
gegen einzuwenden hat — der Landes-Ausschuss zu genehmigen 
(§. 4)*). Die Bewilligung zur Vertheilung des Stammeigenthums 
unter die Gemeindemitglieder, sowie über die Art der Vertheilung 
erfolgt im Wege der Landes-Gesetzgebung (§. 62). Zur Ausschrei- 
bung von Gemeindeumlagen, die 20 Procent der djrecten und 
25 Procent der indirecten Steuer überschreiten, bedarf es der 
Zustimmung des Landes-Ausschusses (§. 80), während dieselbe 
zu Umlagen über 50 (zur directen Steuer) und 25 (zur indirecten 
Steuer) Procent, sowie zur Einführung und Erhöhung anderer 
Auflagen nur durch ein Landesgesetz erwirkt werden kann. 
(§§. 80 imd 82.) Die Ueberwachung des Stammvermögens der 
Gemeinde bat der Landtag durch seinen ständigen Ausschuss 



*) Der Landes-Ausschuss hat dieses Befugniss so interpretirt, dass in den 
Fällen, wo ein Einverstandniss zwischen beiden Theilen nicht herrscht, die 
Entscheidung nicht von ihm, sondern im Wege der Landesgesetzgebung ge- 
troffen wird. 



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auszuüben, und ist im Gesetze ausdrücklich vorgesehen, dass 
dieser Aufklärungen verlangen, commissionelle Erhebungen an 
Ort und Stelle pflegen, und erforderlichen Falles die entspre- 
chende Abhilfe treffen kann (§. 90). In den Wirkungskreis des 
Landes -Ausschusses gehört femer die Bewilligung zur Veräusse- 
rung, Verpfändung und Belastung einer zum Gemeindeeigenthum 
gehörigen Sache, dann zur Vertheilung der Jahresüberschüsse 
oder deren Verwendung zu Privatzwecken unter und für die 
Gemeindemitglieder, sowie zur Aufnahme eines Darlehens oder 
Uebernahme einer Haftung in einer Höhe, welche die Jahres- 
einkünfte überschreitet (§. 91). Ebenso entscheidet der Landes- 
Ausschuss über alle gegen Beschlüsse des Gemeinde-Ausschusses 
oder gegen auf Grund solcher Beschlüsse getroffene Verfügungen 
des Gemeindevorstandes eingebrachten Berufungen, insoferne es 
sich nicht um vom Staate übertragene Geschäfte handelt (§. 92) *). 
Die Sistirung von Gemeindeausschuss-Beschlüssen, wodurch der 
Wirkungskreis überschritten oder gegen bestehende Gesetze Ver- 
stössen wird, steht der politischen Behörde zu, allein sie hat 
darüber sofort an die Landesstello zu berichten und dieser kommt 
die Entscheidung hierüber „erst nach vorläufiger Einvernehmung 
des Landes-Ausschusses" zu (§. 96) '). 

Wenn auch beklagt werden muss, dass es sich die damalige 
Eegierung gar zu angelegen sein liess, in so vielen Fragen des 
Gemeindelebens ihre Ingerenz ^u wahren, so lässt sich doch 
nicht leugnen, dass der Landtag auf Grund dieser ihm durch 
das Gemeinde-Gesetz eingeräumten Wirksamkeit umsomehr zu 
einer sehr eingreifenden Thätigkeit in Gemeinde-Angelegenheiten 
berufen war, als es ihm ja auch zukommt, die vom Landes- 
Ausschusse getroffenen Verfügungen zu controUiren , und wenn 
auch nicht aufzuheben, so doch nach bestimmten Grundsätzen 
zu regeln. Die ProtocoUe des Landtages, sowie die an den 



*) Berufungen gegen Verfügungen des Gemeindevorstandes, insoferne es 
sich nicht um solche handelt, gegen welche an den Landes-Ausschuss zu recur- 
riren ist, §. 92, und zwar wegen Verletzung oder fehlerhafter Anwendung be- 
stehender Gesetze, sind bei der politischen Behörde einzubringen (§. 97). 

•) In den, den Schulausschüssen (siehe Schulangelegenheiten) zukommen- 
den Geschäften steht dem Landes-Ausschusse dieselbe Kinflussnahme wie in Ge- 



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Landtag vom Landes - Ausschusse für jede Session erstatteten 
Berichte weisen eine lange Reihe von Bewilligungen zu grösseren 
Umlagen u. s. w. nach. Allein selbstverständlich erfolgten diese 
Genehmigungen auf Grund der von den Petenten selbst gemachten 
Vorlagen. In nur wenigen Fällen war es möglich, von den Ver- 
hältnissen unmittelbare Kenntniss zu nehmen und direct einzu- 
wirken, so dass man wohl zugestehen muss, es sei der der 
Landesvertretung in Gemeinde-Angelegenheiten zugewiesene Wir- 
kungskreis ein zu ausgedehnter, und könne demselben insolange 
nicht rasch und eindringlich genug nachgekommen werden, als 
nicht die geeignet erscheinenden Organe hiezu auf dem Lande 
(grosse Gemeinden- und Bezirks-Vertretungen) vorhanden sind. 
Rücksichtlich des Gemeinde- Gesetzes selbst müssen noch die 
Gründe angeführt werden, welche die Regierung bestimmten, 
dasselbe in der Form, in der es in der 1863er Session beschlossen 
war, zur A. H. Sanction nicht vorzulegen. Abgesehen von 
der beanständeten Beeidigung der Gemeindevorsteher auf die 
Verfassung und von mehreren Bestimmungen über das Verhältniss 
der Gemeinden zu den politischen Behörden und über den dies- 
föUigen Beschwerdezug, wobei die Regierung gleichfalls nicht zu- 
stimmen zu können erachtete, war es aber vorzüglich die in 
jenem Gesetzentwurfe zum Ausdruck gelangte Gesammtgemeinde, 
in welcher die Regierung einen Widerspruch mit dem Reichs- 
Gemeindegesetze vom 5. März 1862 zu finden, und nicht darüber 
hinausgehen zu können glaubte, nachdem dem Landtage nach 
der Landesordnung nur innerhalb der allgemeinen Gesetze ein 
Einfluss auf die Gemeinde- Angelegenheiten zusteht, daher auch 
das Landesgesetz nur innerhalb der im Reichsgesetze festgestellten 
Grundsätze zu Stande kommen dürfe. Das erwähnte Reichsgesetz 
hat die Bildung von Bezirks-Gemeinden vorgesehen, welche 
zwischen die Ortsgemeinden und die Landes Vertretungen einzuschie- 
ben wären, und durch die der Wirkungskreis der letzteren nament- 
lich in Gemeinde- Angelegenheiten wesentlich modificirt wird. Der n. ö. 
Landtag hat die Fiage der Bezirks-Vertretungen eingehend erörtert 
und hat sich eine ansehnliche Stimmen zahl dafür, die Majorität aber 
gleichwohl dagegen ausgesprochen. Als Motiv dieser Ablehnung 
wurde der geringe Wirkungskreis angegeben, der nach dem 
Reichsgesetze den Bezirks-Vertretungen eingeräumt wurde, und 



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der mit den Tuateriellen Opfern, welche damit in Verbindung 
wären, in keinem Verhältnisse stünde. Wohl aber schien sich der 
Landtag nicht zu verhehlen, dass eine Zusammenlegung von 
Gemeinden — nicht blos zur Ausübung des vom Staate über- 
tragenen Wirkungskreises — rücksichtlich der ungenügenden 
Kräfte in den kleineren Gemeinden sehr wünschenswerth sei, 
weil ja nach seinem ersten, von der Regierung nicht sanctionirten 
Entwürfe die Gesammtgemeinde constituirt werden sollte. Gleich- 
wohl ist er, als bei dem zweiten, sodann sanctionirten Entwürfe 
von dieser Idee Umgang genommen wurde, nicht auf die Bezirks- 
Vertretungen zurückgegangen und hat sich und seinem ständigen 
Ausschusse den ganzen vorbeschriebenen Einfluss vorbehalten. Es 
ist jedoch als sehr bezeichnend für diese Frage hervorzuheben, 
dass in der letzten Sitzung der Wahlperiode (30. December 1866) 
über einen sehr zahlreich unterstützten Antrag der Landes -Ausschuss 
beauftragt wurde, 1. bezüglich der Nothwendigkeit und Zweck- 
mässigkeit der Errichtung von Bezirks- Vertretungen in Nieder- 
Oesterreich Erhebungen zu pflegen, eventuell über deren Organi- 
sation und Wirkimgskreis, sowie über die hiedurch etwa nöthigen 
Abänderungen der bestehenden Gemeindegesetzgebung vorzu- 
berathen und hierüber in der nächsten Session dem Landtage 
Bericht zu erstatten; 2. im Einvernehmen mit der k k. Statt- 
halterei dahin zu wirken, dass die Bestimmungen der Gemeinde- 
Ordnung vom 31. März 1864 endlich in allen Gemeinden Nieder- 
Oer,terreich8 durchgeführt werden. Hiermit erklärte der Landtag 
am Ende seiner Thätigkeit diese wesentliche Frage nicht nur 
neuerlich als eine offene, sondern es liegt auch in diesem Auftrage 
eine Anerkennung des Ungenügenden der bis dahin geltenden 
Bestimmungen *). 

Es erübrigt bezüglich des Gemeinde -Gesetzes noch anzu- 
führen, dass der Landtag von der durch das Reichsgesetz ge- 



*) Der Landes- Ausscliuss entschied sich für die Bezirks-Vertretnngen und 
legte in der 1868er Session einen Gesetzentwurf zu deren Einführung vor. 
Der Ausschuss, dem derselbe zur Vorberathung zugewiesen wurde, sprach sich 
gleichfalls für Bezirks -Vertretungen aus und legte dem Landtage die Grund- 
sätze vor, nach welchen das Gesetz zu redigiren wäre. Nachdem diese Vorlage 
aber erst in der vorletzten Sitzung zur Verhandlung kam, musste die Be- 
rathung darüber auf die nächste Session vertagt werden. 



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währten Gestattung der Ausscheidung der Gutsgebiete 
als selbstständige Gemeinden keinen Gebrauch machte , so dass 
Nieder- Oesterreich dieser Ausnahmsstellung entbehrt, dass aber 
dagegen allerdings eine Bestimmung aufgenommen worden ist, 
wornach dem Höchstbesteuerten jeder Gemeinde die Virilstimme 
mit dem Rechte der Stellvertretung eingeräumt worden ist. Wenn 
auch nicht verkannt werden kann, dass diese Bestimmung wesent- 
lich mit Rücksicht auf die bestandenen Herrschaften getroffen worden 
sein dürfte, so muss doch auch zugegeben werden, dass dadurch, dass 
keineswegs nur der landtafelmässige Grundbesitz oder auch nur 
der Grundbesitz allein, sondern die Steuerzahlung (auch von 
industriellen Anlagen u. s. w.) überhaupt das Recht der Viril- 
stimme einräumt, jeder feudale Charakter dieser Einrichtung 
benommen ist Es ist nicht bekannt, dass dieselbe einen Anstand 
gefunden habe, im Gegentheile muss zugestanden werden, dass 
durch die Virilstimme mancher Gemeindevertretung ein Element 
der Intelligenz zugeführt wurde, das namentlich bei kleinen 
Gemeinden für dermalen ebenso heilsam wie nothwendig anerkannt 
werden muss.*) 

Nach dem Reichs -Gemeindegesetze können grössere Städte 
und bedeutendere Curorte ihre eigenen Gemeinde-Statuten erhalten. 
Selbstverständlich hat diese Bestimmung vor Allem auf Wien Anwen- 
dung, da die Verhältnisse dieser Stadt als Hauptstadt der Mon- 
archie in der That ganz andere sind. Wien hatte aber das 
lange vor dem Inslebentreten des Landtags erlassene Statut vom 
9. März 1850. Unerachtet dasselbe nun in mehreren Parthien 
durch die inzwischen veränderten allgemeinen Verhältnisse nicht 
mehr in Anwendung kommen konnte und hingegen in ande- 
ren sich sogar im Widerspruch mit den Grundsätzen des Reichs- 
gemeindegesetzes befand , ') haben sich doch weder die Regie- 
rung noch der Landtag bestimmt gesehen, diesfalls die Initiative 

^) Die Einrichtung der Virilstimme ist dann auch in dem Schulcon- 
currenzgesetze vom 12. April 1864 (siehe Schulangelegenheiten) und in den 
Strassenconcurrenz-Gesetzen vom 21. Mai 1863 und 13. Dezember 1866 (siehe 
Strassen- und Wasserbauten) zur Geltung gekommen. 

') Es mag diesfalls nur der Verschiedenheit erwähnt werden, dass in 
allen andern Gemeinden des Landes, und zwar in Uebereinstimmung mit dem 
Beichs-Gemeindegesetze die Gemeindegenossen das Wahlrecht besessen haben, 
während es in Wien nach dem in Geltung befindlichen Gemeindestatute nicht 



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zu ergreifen, nachdem die Vertretung der Commune Wien sich 
nicht veranlasst sah, den Entwurf des veränderten Statutes selbst 
vorzulegen. In einem einzelnen Punkte hat die Gemeinde Wien 
aber deraungeachtet eine Abänderung des Statutes beziehungs- 
weise Uebereinstimmung mit dem allgemeinen Gemeinde-Gesetze 
angestrebt. Während nämlich nach demselben als Bedingung 
der Ausübung des Wahlrechtes rücksichtlich der Steuerzahlung 
lediglich bemerkt ist, dass die Steuer seit wenigstens einem Jahr 
entrichtet werden muss und keineswegs dafür gesorgt ist, dass der- 
jenige sein Wahlrecht verliert , der nicht alle Steuerraten entrichtet 
hat, war in dem alten Wiener Gemeindestatute dieser Vorbe- 
halt allerdings und zwar auch noch mit der Ausdehnung auf 
die vollständige Steuerzahlung im Vorjahre aufgenommen. Bei 
den schlechten Zeitverhältnissen (1865 und 1866) war in Folge 
dessen mehr als '/^ der Wahlberechtigten Wiens ausser Stande 
das Wahlrecht auszuüben und veranlasste eben dies den Ge- 
meinderath um die Abänderung anzusuchen, die auch in dem 
vom Landtage angenommenen und am 8. Juni 1867 A. H. sanc- 
tionirten Gesetze ihren Platz fand. Hier mag auch erwähnt 
sein, dass über Ansuchen der Commune Wien drei Specialgesetze 
vom Landtage angenommen wurden. Es ist dies das Gesetz 
über die Regulirung der Taxen bei Vornahme des 
Augenscheines bei Baulichkeiten (sanctionirt am 13. 
Februar 1866), wodurch eine sehr zweckmässige Zusammen- 
fassung der bis dahin bestandenen verschiedenen Taxen, Commis- 
sions - und Wagengebühren erreicht wurde. Femer gehört hieher 
das (am 15. März 1866 sanctionirte) Gesetz, wornach der Ge- 
meinde Wien unter Aufhebung der bestandenen Bürger- 
lastenreluitions- Taxe das Recht der Einhebung eines 
Zjxschlages von einem Zehntel der vom Staate bei Besitzver- 
änderungen eingehobenen Gebühr eingeräumt wurde. In dieser 
Fassung wurde das Gesetz in der Sitzung vom 7. Februar 1866 
angenommen und am 14. März 1866 A. H. sanctionirt, nachdem 
der in der 1864er Session berathene Entwurf, wonach bei allen 
Realitäten - Besitzveränderungen in Wien eine selbstständige Vor- 



der Fall war. In der 1868er Session ist dieser Widerspruch durch ein in Folge 
einer Regierungsvorlage beschlossenes und am 5. October 1866 bereits sanc- 
tionirtes Gesetz behoben worden. 



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änderutigsgebühr von einem Drittel-Prozent des ganzen Reali- 
tätenwerthes , welcher bei Bemessung der Staatsgebühr erhoben 
wird, einzuheben gewesen wäre, — die A. H. Sanetion nicht 
erhalten hatte. Dasselbe widerfuhr dem gleichfalls vom Gremeinde- 
rathe der Stadt Wien erbetenen und vom Landtage in seiner 
Sitzung vom 21. Februar 1864 angenommenen Gesetze, wonach 
die Wiener Schankwirthe nur in solchen Trinkge fassen alko- 
holische Getränke ausschenken sollten, worauf der Kaum- 
inhalt in mindestens Yg Mass ausgedrückt ist. Der Gemeinderath 
hat übrigens diesen Gesetzentwurf in den beiden noch folgenden Ses- 
sionen der Wahlperiode zur neuerlichen Behandlung nicht vorgelegt» 

Ausser Wien hat auch noch Wiener-Neustadt ein 
eigenes Gemeinde-Statut. Dasselbe wurde am 9. Februar 
1866 Seitens des Landtages beschlossen und am 8. August 1866 
A. H. sanctionirt *). 

Andere Specialgesetze für einzelne Orte des Landes sind — 
die Bewilligung von Zinskreuzern u. s. w. ausgenommen — nicht 
zu Stande gekommen. Zwar kamen die Gemeinden Atzgersdorf, 
Stockerau und Wiener-Neustadt um die Bewilligung zur Ein- 
hebung einer Gebühr für das Halten von Hunden 
ein; allein der Landtag fand (1865/66er Session) nicht sofort 
darauf einzugehen, und beauftragte den Landes - Ausschuss den 
Gegenstand von seiner polizeilichen und financiellen Seite und 
insbesondere in der Richtung in Erwägung zu ziehen und in 
der nächsten Session darüber Bericht zu erstatten, ob es nicht 
im öflFentlichen Interesse wäre, durch die Landesgesetzgebung 
allgemeine Bestimmungen zu treffen und den Gemeinden für die 
von ihnen handzuhabenden polizeilichen Vorkehrungen einen ent- 
sprechenden Antheil an der Gebühr zu überlassen.'* Dieser Be- 
richt erfolgte jedoch in der darauf folgenden letzten Session nicht, 
und da ein neuerliches Einschreiten der Gemeinden an den Land- 
tag nicht gelangte, fand derselbe keinen Anlast, nochmals auf 
den Gegenstand zurückzukommen *). 



') Wegen der bei dem Anlasse vorgenommenen Trennung von kleineren 
Gemeinden, trat dieses Gesetz erst mit 6. Februar 1868 in's Leben. 

•) In der 1868er Session wurde nicht nur diesen, sondern noch 13 
anderen Gemeinden, darunter Wien , eine specielle, jedoch für sie allein ent- 
fallende Hundetaxe von 1 — 4 fl. bewilligt. (A. H. sanctionirt am 26. Dec. 1868.) 



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Als ein mehrere Orte gemeinschaftlich berührendes Special- 
gesetz muss hier noch besonders besprochen werden, das am 
8. März 1866 A. H. sanctionirte Gesetz, womit die bei den 
Fürst Liechtensteinischen Gütern Feldsberg, Rabensburg und Wilf- 
leinsdorf bestandenen Körnerauf gabs-Achtelfon de in Geld- 
vorschusscassen für die betreflfenden Gemeinden unter der Ver- 
waltung von aus ihrer Mitte gewählten Ausschüssen und 
unter der Oberaufsicht des Landes-Ausschusses umgewandelt 
wurden. — 

In der unmittelbarsten Beziehung zu dem Gemeindeleben 
steht auch die Frage der Armenversorgung. Aus Anlass 
der Untersuchung, wie dem Landstreicherunwesen (siehe das Ca- 
pitel über die öffentliche Sicherheit) gesteuert werden könne, be- 
schäftigte sich der Landtag mit derselben wiederholt und ein- 
gehend, ohne dass er jedoch zu einem Resultate gelangen konnte. 
Die Ursache dieses negativen Ergebnisses war der Streit wegen 
Uebergabe der Pfarrarmen-Institute in die Verwaltung der 
Gemeinden, beziehungsweise wegen Auflösung derselben dort, wo 
die Pfarr- und Ortsgemeinden nicht zusammenfallen. Der darauf 
lautende mit einem ausführlichen Gesetze für die Armenpflege 
verbundene Antrag wurde von clericaler Seite und eben so auch 
in der Richtung bekämpft, dass der Landtag zu einer diesfälligen 
gesetzlichen Verfügung nicht competent sei. Unter dem Zusam- 
menwirken der Vertreter dieser beiden Anschauungen fiel der 
Grundsatz der Uebergabe der Pfarrarmen-Institute in der 1864er 
Session und wurde in derselben sodann überhaupt von der Er- 
lassung eines Armen- Versorgungs-Gesetzes Umgang genommen. 
Dagegen wurde der Landes-Ausschuss damals beauftragt, „ge- 
naue Erhebungen über die Beschaffenheit und den Vermögens- 
umfang der dermaligen Armen-Institute zu dem Zwecke zu pfle- 
gen, damit in der nächsten Landtagssession die Revision der In- 
struction für das Armen-Institut vom 24. September 1846 vorge- 
nommen und den Gemeinden der ihnen gebührende Einfluss ein- 
geräumt werde." *) 



*) Nach dieser Instruction hatte die politische Behörde die Oberaufsicht, 
während der Ortsohrigkeit die Leitung und die unmittelbare Verwaltung dem 
Armeninstituts-Vorsteher zusteht. Dies ist der jeweilige Pfarrer und ihm zur 
Seite stehen rücksichtlich der Controle und Mitsperre ein oder zwei Armen- 



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14 

Die Regierung stellte das beziigliclie Materiale *) zwar zur 
Verfügung, allein sie fand es zugleich für angemessen, in der 
nächsten Session mit einem eigenen Gesetzentwurfe entgegen zu 
kommen. Derselbe beschränkte sich eigentlich darauf, die er- 
wähnte 1846er Instruction theils überhaupt in die Form eines 



Väter, die aber von der Obrigkeit ernannt werden. Durch eine nachträgliche 
Verfügung traten an die Stelle der Ortsobrigkeiten die k. k. Bezirksämter, 

^) Die diesfällige Antwort der k, k. n. ö. Statthalterei führt an: 

Im Jahre 1863 bestanden im V. U. W. W. 257 Armen-Institute mit 
einem Vermögen von 657,839 fl. 57 kr. an Obligationen und Privatschnld- 
scheinen; im V. O. W. W. 192 mit 669.537 fl. 59 kr.; im V. ü. M. B. 347 
mit 679.019 fl. 86 kr. und im V. O. M. B. 223 mit 467.302 fl. 32 kr., zu- 
sammen 1019 Armeninstitute mit 2,473.699 fl. 34 kr. Im Jahre 1864 hat sich 
meistentheils durch neue Legate, theilweise auch durch Fructificirung der 
Ueberschüsse vom Jahre 1863 ein Zuwachs von 58.049 fl. 66 kr. ergeben, so 
dass das Gesammtvermögen der Armen-Institute mit Ende 1864, 2,531.749 fl. betrug. 

Die Einnahmen sämmtlicher Armeninstitute betrugen im Jahre 186^ 

329.764 fl. 76 kr. 

die Ausgaben 228.495 fl. 39 kr. 

daher an baarem Gelde mit Ende 1863 noch . . 101.269 fl. 37 kr. 
vorhanden waren. — 

Ausserdem besitzen die Pfarrarmen-Institute Nieder-0 Österreich^ nebst meh- 
reren Grundstücken, Aeckern und Weingärten auch 49 Armenhäuser, wobei 
jedoch bemerkt werden muss, dass hier nur jene Armenhäuser angeführt sind, 
die den Pfarrarmen-Instituten eigenthümlich gehören , während alle übrigen in 
Nieder-Oesterreich noch befindlichen zahlreichen Armenhäuser entweder Eigen- 
thum der Ortsgemeinden sind, oder auf speciellen Stiftungen beruhen. 

Auch rücksichtlich des Vermögens muss bemerkt werden, dass unter 
demselben nur solche Stiftungen begriffen sind, die zu Armeabetheilungen be- 
stimmt sind, dass aber ausserdem noch viele Stiftungen bei den Armen-Instituten 
bestehen, welche abgesondert von dem Armeninstituts-Vermögen verwaltet wer- 
den, wie Stiftungen auf Ausstattungen, unverzinsliche Darlehen, Betheilungen 
bei Wasser- und Feuerschäden etc. 

Im Jahre 1 825 bestanden im V. U. W. W. 234 Armen-Institute mit 260.680 fl. 
und 1 Armenhause; im V. 0. W. W. 157 mit 207.248 fl. und 8 ArmenhSu- 
sern; im V. U. M. B. 312 mit 283.238 fl. und 5 Armenhäusern; im V. 0. M. B. 
153 mit 179.116 fl. und 2 Armenhäusern; zusammen 85G Armeninstitute mit 
930.282 fl. und 16 Armenhäusern, daher im Entgegenhalte mit 1864 sich 
im Erzherzogthume Nieder-Oesterreich ein Zuwachs von 163 Armen-Instituten von 
1,601.467 fl. am Vermögen und von 32 Armenhäusern ergibt. 

Die Pfarrer haben durch Stiftungen viel für die Armen-Institute gethan 
Und manche Armen-Institute verdanken ihr Vermögen einzig und allein den 
Stiftungen und Erbseinsetzungen der Pfarrer, wie z. B. Zobern, Maria-Schutt, 



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15 

Gesetzes zu bringen, theils den Gemeinde- Vertretungen einen 
etwas ausgedehnteren Einfluss zu gestatten. Insbesondere sollte, 
rücksichtlich der Aufsicht (Bechnungsprüfung, Gestattung von Aus- 
lagen, die den Betrag von 100 fl. überschreiten u. s. w.) Alles 
beim Alten bleiben. Der mit der Berathung dieser Regierungs- 
vorlage betraute Ausschuss räumte im Einklänge mit dem 
Gemeinde-Gesetze principiell das Becht der Verwaltung der be- 
züglichen Gemeinde- Vertretung — fiir den Fall, als mehrere Ge- 
meinden bei dem Armen-Institute betheiligt sind einem von den 
Gemeinde- Vertretungen gewählten Ausschusse, — die Aufsicht 
aber dem Landes-Ausschusse ein. Vorsteher des Armen-Institutes 
sollte der Gemeindevorsteher oder der Obmann des von den Ge- 
meinde-Vertretungen gewählten Ausschusses sein. Der Pfarrer 
sollte das Recht — jedoch nicht die Pflicht — haben, sich an 
der Verwaltung des Armen-Institutes, und zwar mit dem Range 
unmittelbar nach dem Obmanne, zu betheiligen. 

Dieser modificirte Gesetzesentwurf erhielt aber abermals 
nicht die Genehmigung des Landtages, indem wieder aus der Na- 



Dornbach, Hochneunkirclien, St Carona, Altkettenhof, Schwarzenbach, Heiligen- 
reich, Fraukenfels, Lilienfeld, Türnitz, Grafendorf, Scheibbs, St Andrä im 
Hagenthal, Bernhardsthal, Dusenhofen, Falkenstein, Steinabrunn, Patzmanns- 
dorf, Hagenberg, Gaubitsch, Eggendorf, Bockfliess, Senning, Grosshaselbach, 
Burgschleinitz, Stockem, Altmelon, Messern, St. Oswald, Raabs, Spitz, Sitzen- 
dorf, Friedersbach und andere. 

Was den territorialen Umfang der Pfarrarmen-Institiite im Vergleiche 
mit den bestehenden Ortsgemeinden betrifft, so ergibt sich aus den Zusammen- 
Ballungen, dass der Bezirk der Pfarrgemeinde, respective des Armeninstitutes 
nur selten mit dem Bezirke einer Ortsgemeinde zusammenfallt, indem diess 
grösstentheils nur bei Lundstädten und grösseren Marktflecken der Fall ist, 
während in der Regel zu einer Pfarrgemeinde zwei bis sechs Ortsgemeinden, 
ja zu den Pfarren St. Valentin (Bezirk Aspang), Külb (Bezirk Mank), Neu- 
stadt (Bezirk Waidhofen a. d. Ybbs), Gföhl und St Andrä (Bezirk TuUn) je 
acht Ortsgemeinden , endlich zu den Pfarren Neunkirchen , Kirchberg am 
Wagram und Steinakirchen 10, U und 12 Ortsgemeinden gehören. Auch ge- 
hört nicht selten eine und dieselbe Ortsgemeinde ganz oder mit ihren ver- 
schiedenen Eatastralgemeinden zu mehreren Pfarren, und es tritt ersterer Fall 
bei 10, letzterer bei 43 Ortsgemeinden des Landes ein, und in der Ortsgemeinde 
Gross-Probenschlag im Bezirke Qross-Gerungs gehören sogar die beiden Ka- 
tastralgemeinden Kronberg und Marchstein zur Pfarre St. Georgen im Walde 
in Oberösterreich. 



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16 

tur der Entstehung der Pfarrarmen-Institute ^) und aus der an- 
geblich mangelnden Competenz des Landtages die Gründe ab- 
geleitet wurden, welche eine, wenn auch nur geringe Majorität 
für den abermaligen Uebergang zur Tagesordnung zu Stande brach- 
ten. Noch in derselben (1865/1 866er) Session wurde ein Antrag ein- 
gebracht, der Angesichts der zweimaligen Ablehnung der Uebergabe 
der Pfarrarmen-Institute auf die Creirung weltlicher Armen-Institute 
neben den Pfarrarmen-Instltuten mit den dieselben betreffenden 
Einnahmen hinzielte. Allein derselbe kam wegen Kürze der Zeit 
in dieser und — vielleicht, weil man doch noch die Uebergabe der 
Pfarrarmen-Institute für möglich hielt — auch in der darauf fol- 
genden letzten Session nicht zur Verhandlung. Ungeachtet sich der 
Landtag demnach in 5 Sitzungen eingehender als mit irgend einer 
andern Frage mit der Regelung des Armenwesens beschäftigt 
hatte, schloss die Wahlperiode gleichwohl, ohne dass dieselbe 
gelöst war *). 

Auch die mit dem Gemeindeleben gleichfalls in we- 
sentlichem Zusammenhange stehende Frage der Aufhebung 
des Eheconsenses kam insoweit zur Sprache, als die Re- 
gierung nach §. 19 der Landesordnung das Gutachten des Land- 
tages einholte , inwieferne gegen diese Aufhebung in Nieder- 
Oesterreich Anstände vorliegen. Der Landtag äusserte sich dahin, 
dass solche Hindemisse nicht vorhanden sind *). 



*) Die Entstehung der Pfarrarmen-Institute ist nachfolgende: Als Kaiser 
Josef II. im Jahre 1782 die sogenannten „Bruderschaften", d. i. „kirchlich gut- 
geheissene Vereine zu Andachtsübungen und guten Werken" auflöste und da» 
nicht unbedeutende Vermögen derselben — das sie sich „im stillen Gange der 
Jahrhunderte" erworben hatten — einzog, wies er die Hälfte desselben den 
von ihm gleichzeitig ins Leben gerufenen Pfarr-Armeninstituten zu. Im Laufe 
der Zeiten erhielten dieselben durch Schenkungen und Vermächtnisse einen 
wesentlichen Zuwachs. Gesetzlich waren ihnen femer die Gebühren für Musik 
und Tanz-Licenzen , sowie die von den Gemeinden eingehobenen Strafgelder 
zugewiesen. 

^) In der 1868er Session wurde der Landesausschuss zur Vorlage des 
bezüglichen Gesetzentwurfes aufgefordert Zugleich stellte man aber die Grund- 
sätze hiezu fest. Von denselben mögen hier nur die Uebergabe des Pfarrarmen- 
Institutes, sowie auch die Vertheilung des vorhandenen Vermögens an die ver- 
schiedenen betheiligten Gemeinden erwähnt sein. 

') In der 1868er Session brachte die Regierung eine darauf bezügliche 



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17 

Nicht blos durch gesetzliche Verfügungen allein hat die 
Landesvertretung einen Einfluss auf die Gemeinden ausgeübt. 
Wiederholt war die Gelegenheit geboten, denselben bei Ele- 
mentar- oder s onstigenUnglücksfällen hilfreich zur Seite 
zu stehen. In jedem Landesfonds-Präliminare sind Summen zu 
diesem Zwecke vorgesehen gewesen und überdies ging keine Session 
vorüber, wo nicht über Petitionen, diedirect an den Landtag gelang- 
ten, Geldbewilligungen erfolgten. Besonders war dies nach den im 
Frühjahre 1862 eingetretenen Hochwasser der Fall, sowie der Land- 
tag, als im Jahre 1863 vorzüglich unter den Webern eine grosse 
Arbeitsnoth war, den Bau von Strassen in der Gegend von 
Gr.-Siegharts, Witis, Scheens und Gmünd bewilligte. Auch wurde 
der Bau der sogenannten TuUner Strasse (von Dornbach über 
Königstetten nach TuUn) damals mit der Absicht begonnen, um 
den Arbeitern von Wien und Umgebung eine Beschäftigung zu 
verschaflFen. Insbesondere trat die Landesverti'etung hölfend ein, als 
nach wiederholten Missernten, namentlich bei den weinbau- 
treibenden Gemeinden, durch den, Ende Mai 1866 eingetretenen 
Frost die letzten Hoffnungen vernichtet waren. Nicht nur, dass 
der. Bau einer Strasse in der besonders hart betroffenen Gegend 
zwischen Langenlois und Krems sofort eingeleitet wurde , so wur 
den auch später, als der Ausfall durch die Missemte, namentlich 
fiir das V. U. M. B. sich immer bedrohlicher herausstellte, Gelder zum 
Ankauf von Saamen bewilligt, um den kleineren Grundbesitzern 
zum Anbau einer zweiten Sommerfrucht die Mittel zu geben. 
Ebenso machte die Landesvertretung Gebrauch von der in Folge 
Allerhöchster Gestattung und Zustimmung des Reichsrathes aus- 
gesprochenen Bereitwilligkeit der Regierung behufs Vorstreckung 
eines zu Nothstands-Strassenbauten zu verwendenden Darlehens. 
Das Land übernahm die Haftung für die Rückzahlung des be- 
treffenden Betrages von 300.000 fl., für welche die Bezirksstras- 
senfonde als die eigentlichen Schuldner erklärt wurden. 30 
Meilen Strassenbauten, grösstentheils im V. U. M. B. — nur 
in 2 Fällen im V. U. W. W. und blos in einem Falle im 



Vorlage ein. Dieselbe wurde vom Landtage angenommen und das betreffende 
Gesetz am 20. September 1868 A. H. sanctionirt. 

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18 

V. O. M. B. — wurden begonnen und dadurch den am härtesten 
betroffenen Gegenden Beschäftigung gewährt. 

Die Unterstützung des Landes wurde aber in diesem un- 
gltlcklichen Jahre durch das, ganz Oesterreich erschütternde E r- 
eigniss des preussischen Krieges und die in seinem 
Gefolge aufgetretenen Uebel nochmals in mehrfacher Richtung 
herausgefordert. Das V. U. M. B., und zwar fast ausschliesslich nur 
in seiner östlichen Hälfte, musste durch mehrere Wochen fast 
die gesammte preussische Armee aufnehmen. Die Feldfinicht, die 
Frost und Hagel verschont hatten, und die eben zum Einführen 
bereit war, wurde entweder verwüstet oder ging sonst zu 
Grund, da sie nicht heimgebracht werden konnte. Das Vieh 
wurde genommen. Die mit grosser Heftigkeit ausgebrochene Cho- 
lera hielt das Andenken an diesen Krieg — der, so human er 
geführt sein mochte, doch mit den peinlichsten und schwersten 
Folgen für die Betroffenen verbunden war — durch das Hinweg- 
raffen oft der Ernährer der Familien in denselben auch dann 
noch fest, als der Feind die Gegend verlassen und seinen Rück- 
zug theils direct nach Mähren, theils durch den südwestlichen 
Theil des V. ü. M. B. und durch das V. 0. M. B. nach Böhmen ge- 
nommen hatte, in allen Orten die verheerende Krankheit mitbrin- 
gend und zurücklassend. 

Noch war der Feind im Lande, und schon entsendete die 
Landesvertretung am ersten Tage als die Passirung der feindli- 
chen Vorposten gestattet war, eines ihrer Organe in die bedroht 
gewesenen und von der Epidemie verheerten Gegenden, um ihre 
Bedürfnisse durch die unmittelbare Besichtigung und Rück- 
sprache kennen zu lernen. Die Strassenbauten sind sofort aufgenom- 
men worden, und Vorschüsse wurden auch für den Winteranbau 
sowie überhaupt im erweiterten Massstabe bewilligt, so dass im Gan- 
zen 238.525 fl. 10 kr. flüssig gemacht worden sind *). Ebenso wur- 
den die von der Regierung mit Beschleunigung eingeleiteten Mass- 
regeln auf Rückersatz der Kriegsschäden, (d. i. eigentlich Ersatz für 



*) Dieselben waren selbstverständlich unverzinslich gewährt und sollten 
nach der nächsten Ernte rückgezahlt werden. Die Haftung übernahmen die 
Gemeinden und obwohl in zahlreichen Fällen Fristen bewilligt wurden, so 
war die Gesammtschuld bis Anfangs November 1868 doch schon bis auf 
89.072 fl. 4OV2 kr. abgetragen. 



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19 

die feindlichen Requisitionen und Lieferungen an die Preussen) 
energisch gefördert. Auf die Auszahlung der eigentlichen Kriegs- 
schäden wurde ebenfalls sowohl vom Landes- Ausschusse als vom 
Landtage eingewirkt, allein die Regierung erklärte fllr denselben 
nach den bestehenden Vorschriften einen Ersatz nicht leisten zu 
können. Das Land konnte dies auch nicht, nachdem ihm ohnehin 
durch Leistung der aus dem Landesfonde zu zahlenden Einquar- 
tierungs-Entschädigung (siehe Militär - Einquartierung) für dieses 
Kriegsjahr eine sehr grosse Last erwuchs, die nicht nur den 
vorhandenen Reservefond aufzehrte, sondern auch die Kräfte des 
Landes in den nächsten Jahren in Anspruch nahm. 

Tief durchdrungen von der grossen Noth des Landes, sowie 
von der Ueberzeugung, dass es unter dem Drucke der damaligen, 
die nationalen Bestrebungen der Slaven sehr begtlnstigenden Re- 
gierung, ein peinliches Gefllhl bei der deutschen, treuergebenen 
Bevölkerung Niederösterreichs hervorrufen müsste, wenn eben diese 
Provinz bei der von Sr. Majestät dem Kaiser in den vom Kriege 
getroffenen Ländern vorgenommenen Reise nicht berührt worden 
wäre, — geschahen die erforderlichen Schritte zur Ausdehnung 
der diesfälligen Route. Dieselben waren insofern von Erfolg -be- 
gleitet, als Se. Majestät geruhten am 9. November 1866 von 
Jetzelsdorf nächst Haugsdorf angefangen über diesen Ort, dann 
über Laa, Poysdorf, Wilfersdorf, Zistersdorf, Gaunersdorf, Pyra- 
warth und Gänsemdorf einen Theil der am härtesten betrof- 
fenen Gegend zu besichtigen. Indem ein Theii der Landesvertre- 
tung Sr. Majestät an der Landesgrenze zu empfangen und zu 
begleiten die Ehre hatte, wurde diese Gelegenheit benützt, die 
Aufmerksamkeit des allergnädigsten Landesherm auf die grosse 
Hilfsbedürftigkeit dieses Landestheiles zu lenken. 

Mit diesem erfreulichen Eindrucke schloss das traurige, dem 
Lande tiefe Wunden schlagende Jahr 1866. Aus den Begeben- 
heiten desselben mögen hier noch zwei Momente Erwähnung finden, 
welche für den Ernst der Zeit wohl am deutlichsten sprechen. 
Als durch das Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 17. Juli die 
Gemeinden des am rechten Donauufers gelegenen Landestheiles 
durch eine Prociamation des Herrn Statthalters zur lebhaftesten 
Betheiligung an den Werbungen in der Art aufgefordert wurden, 
dass eigentlich alle, die nur immer Waffen tragen können, zu densel- 

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20 

ben aufgerufen wurden, da hat sich der Landes- Ausschuss in der 
Ueberzeugung von den Nachtheilen, die durch eine Einrichtung für 
die Bevölkerung entstehen könnte, welche den Charakter eines 
unter völkerrechtlichem Schutze nicht gestellten Landsturmes hat, 
ohne unter den bestehenden Verhältnissen einen Nutzen in Aus- 
sicht zu stellen, — auf das energischste an die Person des Herrn 
Statthalters und des Herrn Staatsministers gewandt, um von 
ihnen die Zurücknahme des erwähnten Aufrufes zu erwirken. 
Diese Bemühung hatte den erwünschten Erfolg, indem die 
Wiener Zeitung vom 18. Juli bereits eine beruhigende Interpre- 
tation des erwähnten Aufrufes brachte. 

Als das zweite denkwürdige Moment jener Zeit mag femer an- 
geführt werden, dass durch eine schriftliche, an Se. Majestät selbst 
gerichtete Darlegung die nachtheiligen Folgen, die mit dem Ver- 
lassen der Amtsorte Seitens dei; Behörden beim Einrücken des 
Feindes verbunden wäre, energisch hervorgehoben wurden, und dass 
dadurch die Verordnung zu Stande kam, wonach die Bezirksvorsteher 
mindestens bis zum letzten Augenblicke zu bleiben angewiesen wur- 
den. Aber auch die Gemeindevorsteher wurden nachdrücklichst zum 
Verbleiben an ihren Plätzen aufgefordert, indem ausdrücklich er- 
klärt wurde, die Landes Vertretung halte es für ihre Pflicht an 
ihrem Platze auszuharren, „komme was da wolle." 

Dadurch hat die Landesvertretung ihrem Beruf, den Gre- 
meinden in schweren Zeiten ebenfalls treu an der Seite zu sein, 
gewissenhaft entsprochen ! 



II. Oeflfentliche Sicherheit. 

Zwar nicht nach einer Bestimmung der Landesordnung, 
aber in Folge einer älteren Verordnung hat der Landesfond ver- 
schiedene Kosten für Einrichtungen zu tragen, die zur Erhaltung 
der öffentlichen Sicherheit bestehen. Hiebei muss aber 
bemerkt werden, dass der Landesvertretung keineswegs ein mass- 
gebender Einfluss auf diese Institutionen gewährt, sondern lediglich 
die Gelegenheit gegeben wurde, bei der Liquidirung dieser Aus- 
lagen thätig zu sein. 



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21 

So obliegt dem Landesfonde für die Gensdarmerie nicht 
nur die erforderlichen Localitäten, sondern auch sämmtliche so- 
genannte Bequartierungsbedürfiiisse gegen bestimmte, ziemlich 
niedrig bemessene Quartiergelder und Schlafkreuzer, zu beschaflfen *). 
In den Zeiten, wo die Gensdarmerie in Oesterreich eine eigen- 
thümliche Gewalt nicht nur für die öflfentliche Sicherheit auf den 
Strassen war, sondern einen ziemlich weitgehenden Einfluss in 
allen Staatsgeschäften übte — war der Begriff der Bequartierungs- 
bedürfiiisse ein sehr ausgedehnter und war die vom Landesfonde 
diesfalls zu tragende Ausgabe keine unbedeutende. So wurde das 
Land zum Ankaufe eines eigenen Gebäudes (in der Wiener Vor- 
stadt Landstrasse) um den Betrag von 120.067 fl. und zu einem 
Erweiterungsbau desselben mit dem Aufwände von 79.558 fl. 28 kr. 
veranlasst. Mit dem 1. September 1860 trat jedoch eine wesentliche 
Reducierung der Gensdarmerie ein. Gleichwohl fand man das 
erwähnte, dem Landesfonde gehörige Haus noch im Sommer 1861 
ganz und gar von Gensdarmerie- Officieren u. s. w. besetzt. 
Die Landesvertretung drang nun vorerst auf die Einschrän- 
kung der einzelnen Gensdarmerie-Organe auf die ihnen system- 
mässig zukommenden Quartiere, und behandelte die überzähligen 
Officiere als gewöhnliche Parteien. Dadurch wurde für den 
Landesfond ein namhaftes Zinserträgniss erzielt. Ebenso wurde 
die Aufhebung der gegen den Wortlaut der Bequartierungs- 
vorschrift vorgenommenen Reducierung der Quartiergelder der 
Gensdarmerie-Ofificiere wiederholt und so lange angeregt, bis dem 
Folge gegeben worden ist. Rücksichtlich der zum Stabe des 
Gensdarmerie - Regimentes gehörigen Officiere und Militär-Par- 
teien participirten noch diejenigen Kronländer, über welche das 
Regiment ausgedehnt war. Bei eingehender Prüfung stellte sich 
heraus, dass circa 17.000 fl. Herstellungskosten aus der Periode 
1859 — 1861 diesen Ländern noch gar nicht zugerechnet waren. 
Die Landesvertretung erzielte die Einzahlimg dieses Betrages. 

Vor Uebernahme der Verwaltung des Landesfondes wurden 
einerseits die demselben aus dem Titel der Gensdarmerie-Ein- 



*) A. H. EntSchliessung vom 25. Juli 1851, £rlass des k. k. Ministerium 
des Innern vom 1. August 1851, Z. 16970, und der k. k. Statth. vom 17. August 
1851, Z. 26530, publiciert im Landesgesetzblatt Nr. 258, pag. 583. 



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22 

quartierung gebührenden Einnahmen direct abgeführt und ander- 
seits die Bedürfiiisse ebenso bestritten. Dadurch vergrösserte sich die 
bezügliche Geschäfts-Gestion. Die Landesvertretung bestimmte nun, 
dass die sogenannten Bequartierungsbedürfhisse pr. Kopf und Mann 
fixirt werden, und überliess sodann die erwähnten Einnahmen dem 
Gensdarmerie-Commando als Geldverlag gegen weitere Verrechnung 
am Ende des Jahres, wo sich sodann die Höhe der Aufzahlung leicht 
bestimmen liess. Durch diese Pauschalirung wurde allen weitergehen- 
den Wünschen vorgebeugt. Die Miethzinse für die Postens-Casemen 
wurden direct vereinbart und bei den Steuerämtem angewiesen. 
Durch diese unmittelbare Verhandlung war die Möglichkeit einer 
Einwirkung auf Herabminderung der Zinse geboten und gelangte 
der grössere Theil des zu Gensdarmerie - Bequartierungszwecken 
geleisteten Landesfonds-Beitrages direct an die Partheien. Diese Ein- 
richtungen verringerten das früher nicht unbeträchtliche Geschäft 
sehr, so dass sich mehrere Provinzen darum anfragen und das k. k. 
Staatsministerium selbst sich bestimmt fand, das betreffende System 
allen Kronländern zu empfehlen. Allein der wesentlichste Vortheil 
lag nicht blos in der Einfachheit des Verkehrs mit der Gensdarmerie 
und in der Verrechnung, sondern insbesondere in der grösseren 
Billigkeit, da nur bei dem Principe der Einzelpauschalirung 
eine einfache aber ausreichende ControUe auch Seitens der mit den 
militärischen Verhältnissen nicht bekannten Civilstelle möglich war. 

Der beste Beweis für die Zweckmässigkeit dieser Verfü- 
gungen liegt wohl darin, dass die vor der Vereinbarung mit 
40.020 fl. angemeldete Anforderung fiir das Jahr 1861/62 sich 
auf Grund derselben mit 12.360 fl. und in den folgenden Jah- 
ren sogar noch wesentlich niedriger herausstellte. 

Die für Gensdarmerie-Bequartierung getragenen Kosten betru- 
gen 1861: 40.020 fl., 1862: 12.360 fl., 1863 13.630 fl., 1864: 
9975 fl., 1865: 9635 fl. und 1866: 11.532 fl. 

Ebenso ist der Landesfond zur Bestreitung der mit dem 
Schub verbundenen Kosten verpflichtet*). So wenig der Land- 



*) Erlässe des Ministeriums des Innern vom 17. Febr. 1858 Zahl 23992 
(Particular-Schab) und 23. April 1858, Zahl 7479 (Hauptschub), dann der k. k. 
Statth. vom 21. Mai 1858, Zahl 19896 (Particular-Schub) und 21. October 1858, 
Zahl 46820 (Hauptschub). 



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23 

tag die Institution des Schulwesens in Schutz zu nehmen geneigt 
war, so musste doch bei dem bedeutenden Aufwände, den derselbe 
verursachte. Alles aufgeboten werden, um denselben nur auf das 
Nothwendige zu beschränken. Insbesondere Veranlassung dazu gab 
der von Wien nach Znaim, Wittingau, Graz, Lijiz und Press- 
burg abgehende Hauptschub *), mit welchem die dazu notionirten 
Individuen an bestimmten Tagen der Woche mittelst Wagen (oder 
Eisenbahn) abgegeben werden, im Gegensatze zu dem Particular- 
Schub, durch welchen die zur Weiterbeförderung bestimmten 
Schüblinge unmittelbar nach ihrem Einlangen, u. z. in der Regel 
zu Fuss und jedenfalls nur bis zur nächsten Schubstation abge- 
sendet werden. 

Das Schubgeschäft ist einer eingehenden Beobachtung und 
Prüfung unterzogen worden und wurden in Folge dessen eine 
Reihe von Uebelständen constatirt. Von denselben sollen hier 
nur einige hervorgehoben werden. So wurde der mährische 
Hauptschub mittelst Wagen innerhalb zweier Tage nach Znaim 
befördert, ungeachtet es schon Jahre lang hindurch möglich gewesen 
wäre, die Eisenbahn nach Lundenburg zu benützen. Durch diese 
Einführung allein wurden für die Folge jährlich circa 6000 fl. 
erspart Für den mittelst Eisenbahn abgehenden Wiener Haupt- 
schub wurden die bis zu und von den Bahnhöfen benutzten 
Wagen so hoch berechnet, dass je zwei Schüblinge um den- 
selben Betrag leicht in separaten Lohnwagen, dahin hätten 
befördert werden können. Bei den diesfalls angeordneten Licita- 
tionen wurde so ein Nachlass erzielt, dass künftighin diese Aus- 
gäbe statt mit 4000 fl. mit 15 — 1600 fl. bestritten werden konnte. 
Die wesentlichste Ausgabe, mindestens beim Hauptschub, ver- 
ursachte die Bekleidung. Dazu kam noch, dass sich in dieser 
Post insbesondere in den letzten Jahren eine auffällige Steigerung 
der Auslagen ergab. Die Ursache wurde darin gefunden, dass die 
Schüblinge oft in einer Weise ausgestattet worden sind, wie dies 
ihren sonstigen Verhältnissen nicht entsprach. In dieser Beziehung 
wurde nun dafür gesorgt, dass sich diese Kleiderbetheilung auf 

^) Die Kosten für den Hauptschub hatten sich in den unmittelbar vor- 
ausgegangenen Jahren um 30,000 fl. (!) gesteigert. 



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24 

das richtige Mass beschränke *). Aber auch dem constatirten Uebel- 
stande, dass Kleider ausgetheilt worden sind, wo die Schüblinge die 
. ihrigen ohnehin besassen, wurde durch die principielle Verfügung 
vorgebeugt, dass künftighin gleich bei der Notionirung, also von 
der ersten dae Schuberkenntniss fällenden Behörde, die Frage der 
Betheilung und des Ausmasses derselben entschieden wird und 
nicht zu einer Zeit, wo das, was der Schübling bei sich hat, 
aus Speculation verheimlicht werden kann, und ebensowenig unter 
Einflussnahme der Diener u. s. w., welche die Schubkleider selbst 
beistellen oder doch den von den Contrahenten beigestellten Vor- 
rath in Aufbewahrung haben , und in deren Vortheil daher der 
grössere Absatz lag. Auch die Verfugungen, dass die Kosten für die 
Anhaltung der aufgegriffenen Individuen, insolange nicht für den 
Schub verrechnet werden dürfen, als nicht das Schuberkenntniss 
gefällt ist, dann dass die Auslagen, welche durch eine unrichtige 
Instradierung erwachsen, von der schuldtragenden Behörde ersetzt 
werden, haben die Schubauslagen nicht unwesentlich herabgemin- 
dert. Durch diese und eine Anzahl anderer hier nicht weiter au£&u- 
führenden Verordnungen, die in der gemeinschaftlich mit der k. k, 
Statthalterei erlassenen Kundmachung vom 30. November 1862 
publicirt worden sind, wurde im Jahre 1863 ein Ersparniss 
von 19.175 fl. gegen das Vorjahr erzielt. Dieses Mindererforderniss 
betrug 1864: 22.506 fl., 1865: 20.249 fl. und 1866: 20.622 fl. — 
Als das wesentlichste Hinderniss einer noch namhafteren Kostenher- 
abminderung für den Schub wurde Seitens der Landesvertretung 
erkannt, dass nicht die Landesfonde der Heimatländer, und ins- 
besondere nicht die Heimatgeraeinden bei den Schubkosten be- 
theiligt sind, nachdem dieselben bei dem bisherigen Stande der 
Dinge gar kein Interesse an der Kostenfrage haben, sondern 
vielmehr oft Mitursache sind , dass die kaum nach Hause Gelangten 
sich wieder auf die Wanderung begeben. Ebenso wurde es auch 
als ein Uebelstand bezeichnet, dass die Schüblinge, selbst auch 

^) Ungeachtet so bedeutende Beträge für diese Schubkleider verrechnet 
wurden, waren dieselben doch nur von schlechten Stoffen und namentlich 
gegen die Winterkälte keinen Schutz bietend. Obwohl nun die Landes-Ver- 
tretung die Vertheilung der Kleider einschränken musste, so wurde doch an- 
derseits die Anschaffung von Mänteln und Filzschuhen und deren Rücknahme 
durch die heimkehrende Schubbegleitung angeordnet. 



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25 

in dem Falle, als sie eiüen Besitz haben, zu den Schubkosten 
nichts beitragen. Allein bei dem Umstände, als gegen diese An- 
stände im administrativen Wege nicht vorgegangen werden konnte, 
war die Möglichkeit nicht vorhanden, gleichzeitig eine Abhilfe zu 
treflfen ^). Ausserdem wurde aber durch Fixierung der einzelnen Aus- 
lagen die früher üblich gewesene Feilbietung der Leistungen für 
die Schubstationen auf dem flachen Lande, die sich bei dem 
Mangel an Concurrenz nicht als vortheilhaft erwiesen hatte, ent- 
behrlich gemacht*). Durch die Stabilität der Gebühren, dann 
dadurch, dass die Schubstationen vorher Geldverläge erhielten, 
die dann mittelst Jahresrechnungen geprüft tmd erledigt werden, 
wurden die früher ziemlich umfangreich gewesenen Amtsgeschäfte 
wesentlich vereinfacht. 

Die für das Schubwesen in der citirten Verordnung u. s. w. 
getroflfenen Bestimmungen fanden in anderen Provinzen Nach- 
ahmung, wie z. B. die erstere Verordnung fast wörtlich in der 
bezüglichen Kundmachung der k. k. Statthalterei für Steiermark 
im Einvernehmen mit dem dortigen Landes-Ausschusse aufge- 
nommen worden ist 

Im Uebrigen hat sich die Landes- Vertretung rücksichtlich 
der bestehenden Schubrouten und insbesondere auch wegen häufi- 
gerer Anwendung des Zwangspasses (gebundene Marschroute) 
wiederholt an die k. k. Statthalterei gewendet und dieselbe auch 
um die Einwirkung auf die notionirenden Behörden angegangen, 
dass nur in den Fällen unumgänglicher Nothwendigkeit mit dem 
Schuberkenntnisse vorgegangen werde. 

Die für den Schub getragenen Kosten betrugen 1861 : 
115.869 fl., 1862: 99.866 fl., 1863: 86.613 fl., 1864: 113.935 fl., 
1865: 92.882 fl. und 1866: 87.120 fl. 

'Gensdarmerie und Schub sollten dem sehr überhand neh- 



') Das Reicbsgesetz vom 12. Mai 1868 (seit 1. Juli 1868 in Wirksam- 
keit) und das auf Grund desselben in der 1868er Landtagssession berathenen 
und am 20. Sept. 1868 A. H. sanctionirte Landesgesetz über Antheilnabme mit , 
dem fünften Theile der Kosten Seitens der n. ö. Heim<atsgemeinden haben 
diese Grundsätze grössten Theils zur Geltung gebracht. 

•) Nachdem sich unter den Verpachtungs-Objecten auch die Schubbe- 
gleitung befand, dieselbe aber wohl kein Gegenstand der öffentlichen Feilbie- 
tung sein sollte, so empfahl sich eine Abänderung auch aus diesem Grunde, 



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26 

menden Bettel-Unwesen steuern. Bereits in der IL Session 
beschäftigte sich der Landtag mit der Untersuchung der vorzüg- 
lichsten Ursachen dieser, namentlich fftr die in den gebirgigen 
Theilen des Landes zerstreut liegenden Häuser höchst peinlichen 
Landplage. Man anerkannte , dass nur durch die Combination 
melirerer Massregeln Abhilfe getroffen werden kann. Als eine 
solche Massregel sah man die Regelung der Armenpflege imd 
die selbstständige Stellung der Gemeinden bei der Verwaltung 
der bisher ihrer freien Verfügung entzogenen Pfarrarmen-Institute 
an. Wie bereits erwähnt (siehe Gkmeinde-Angelegenheitön) , fiihrten 
die wiederholten Berathungen von darauf bezugnehmenden Gesetz- 
entwürfen zwar in der Wahlperiode zu einem Resultate nicht, 
allein, wie ebenfalls schon gesagt, ebneten sie den Boden, damit 
mindestens später ein solches erzielt werden könne. 

Als weitere Massregeln gegen die „Vagabundage" erkannte 
der Landtag auch die Vermehrung der Gensdarmerie-Mannschaft 
und deren zweckentsprechendere Verwendung durch die politische 
Behörde, der sie nicht ausreichend unterstellt war, dann eine 
gesetzliche Verfügung, wodurch das Mitnehmen der Kinder in 
schulpflichtigem Alter von Seite der arbeitenden Classe auf die 
Wanderschaft geregelt werde, endlich um eine eben solche An- 
ordnung, dass ftir die Arbeiter die Arbeitsbücher als Wander- 
bücher eingeführt werden. Obwohl diese beiden letzten Wünsche 
geradezu in der Form ausgesprochen waren, die Regiertmg werde 
angegangen,* die bezüglichen Gesetzesvorlagen in der nächsten 
Reichsrathssessioii einzubringen, so geschah dies doch nicht, ist 
dem Landtage aber auch nicht bekannt gegeben worden, welche 
Hindernisse dem entgegen gestanden sind. 

Auf ein Mittel, als vorzüglich geeignet, arbeitsscheue Indi- 
viduen zeitweise anzuhalten, sie vielleicht auch zu bessern, d. i. 
auf den Bestand zweckmässig eingerichteter Zwangsarbeits- 
häuser wurde gleichfalls hingewiesen, und ist diesfalls ein in 
seinen Folgen vielleicht sehr massgebender Beschluss gefasst 
worden. Vor der Besprechung desselben muss aber angeführt 
werden, was in dieser Richtung von der Landes-Vertretung schon 
vorgefunden wurde. Die Nothwendigkeit der Anhaltung solcher, 
der öffentlichen Sicherheit durch ihre Arbeitsscheu schädlichen 
Leute war der Regierung allerdings auch in der früheren Zeit 



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27 

nicht entgangen. An Stelle der in Wien bestandenen, aufgelösten 
Besserungsanstalt wurde die Unterbringung derartiger arbeits- 
scheuer Individuen für Rechnung des Landesfondes in Zwangs- 
arbeitsanstalten eingeflihrt *). Während man in verschiedenen 
Provinzen auf die Errichtung solcher selbstständiger Institute 
hinwirkte, die denn auch beim Inslebentreten der Landes -Vertre- 
tungen, entsprechend ihrer Dotirung, von diesen in die eigene 
Verwaltung übernommen worden sind, geschah dies in Nieder- 
Oesterreich nicht Man begnügte sich hier, Abtheilungen der 
Straf hau ser dazu zu verwenden. Eine der zu diesem Vorgange 
drängenden Ursachen mag auch das in dem nicht unbeträchtlichen 
Betrage von 115.000 fl. CM. der geistlichen Congregation der Frauen 
zum guten Hirten gewährte unverzinsliche, in Monatsraten von 
630 fl. ö. W. rückzahlbare Darlehen gewesen sein, nachdem 
dadurch die Kräfte des Landesfondes zu diesem Zwecke bereits 
in Anspruch genommen worden sind*). Mit der genannten Congre- 
gation wurde nämlich von der Staatsverwaltung in den ISöOer- 
Jahren ein Vertrag zur Unterbringung weiblicher Sträflinge und 
Zwänglinge abgeschlossen. Die Congregation kaufte das fürst- 
erzbischöfliche Schloss Neudorf nächst Mödling. Zur Adaptirung 
und theilweisen Auszahlung des Kaufschillings wurde nun jenes 
Darlehen bewilligt. Dort waren demnach die nach Nieder-Oester- 
reich zuständigen weiblichen Zwänglinge untergebracht Die 
männlichen Zwänglinge au« Nieder-Oesterreich hingegen befanden 
sich ursprünglich in einer Abtheilung der Strafanstalt in St^in. 
Als dort Platzmangel eingetreten war, gab man sie in die 
Zwangsarbeitsanstalt nach Brunn, und als auch dort Raummangel 
eintrat, nach Karlau nächst Graz, endlich nach Laibach. Für den 
Fall, als auch dort eine UeberfüUung eintreten würde, waren 
bereits die Anstalten in Prag und Lemberg in weitere Aussicht 
genommen. 

Sowie bei der Gensdarmerie die Bequartierungs- und beim 
Schub sämmtliche Kosten, so wurde der Landesfond seiner Zeit 



^) A. H. EntSchliessung vom 22. November 1855, Erlass des Ministe- 
riums des Innern vom 15. December 1855, Zahl 27648 der k. k. Statthalterei. 

*) Die Landesvertretung fand dieses im Jahre 1855 gewährte Darlehen 
im Jahre 1861 nicht grnndbücherlich sichergestellt, drang jedoch darauf. 



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28 

auch verpflichtet, dieselben für die Zwänglinge zu tragen. Bei 
dem Abgange eigener Anstalten in Nieder-Oesterreich, hatte dies 
nur Anwendung bezüglich der Transportskosten, dann der Aus- 
trittsgelder bei der Neudorfer Anstalt *), von der Ausstattung 
mit Kleidern bei den entlassenen männlichen Zwänglingen, und 
endlich hinsichtlich der Verpflegsgelder selbst. Dieselben wurden, 
was die männlichen Zwänglinge betriflft in Karlau mit 43% kr. 
per Kopf und Tag vorgefunden. In Laibach wurden sie dagegen 
bis auf 52 kr. gesteigert. Nach längeren Unterhandlungen wurden 
sie dann auf 45 kr. herabgemindert. In Neudorf fand man sie 
mit 47 y^ kr. bemessen. Durch fortgesetzte Unterhandltmgen ge- 
lang es, sie auf 45, dann 42 und endlich 35 kr. herabzumindern '). 
Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Arbeitskraft der 
Zwänglinge den Anstalten ganz zu gut kam, so dass diese Ver- 
pflegsgebtihren eigentlich höher waren *). 

Der Umstand nun, dass, nach der Berechnung der Verpflegsge- 
bühren zu schliessen, der Zweck „ Anhaltung der Zwänglinge zur Ar- 
beit j das ist Beseitigung des Uebelstandes, wegen dessen sie den 
Anstalten übergeben wurden,^* nicht in's Auge gefasst wurde, be- 
stimmte den Landtag zu dem Beschluss eine eigene Zwangs- 
arbeits-Anstalt in Nieder-Oesterreich zu errichten. Dieselbe sollte 
auf der Grundlage errichtet werden, dass der Zwängling in der 
Anstalt nur die noth wendigste Nahrung*) erhalte und dass er 
gezwungen werde, sich durch die ihm zugewiesene Arbeit einen 



*) Jeder Entlassene weibliche Zwängling erhalt 3 fl. zur Bestreitung 
nothwendiger Auslagen unmittelbar nach seiner Entlassung. 

*) Mit Rücksicht auf diese nachträglichen Zugeständnisse erscheint wohl 
die Behauptung gerechtfertigt, dass sich der Landesfond die Rückzahlungs- 
raten auf das angefahrte unverzinsliche Darlehen durch diese höheren Ver- 
pflegsgebühren mindestens zur Hälfte während der ersten 5 — 8 Jahre selbst 
bezahlte (die andere Hälfte entfiel aber keineswegs auf die Congregation, son- 
dem auf den Staat, der für die Sträflinge ebenfalls zu hohe Verpflegsgebüh- 
ren leistete). 

•) In der Neudorfer Anstalt wurde diese Arbeitskraft nach einem schrift- 
lichen Berichte der Oberin der Ck)ngregation allerdings nur mit Yj^q oder ^'/i^^ kr. 
per Kopf und Tag berechnet. 

*) Das ist eine nahrhafte Suppe some l Pfund Brot. 



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29 

Verdienst und damit eine über dieses Mass des Nothwendig- 
sten hinausgehende Kost zu erwerben. Hievon sollten die ersten 
8 Tage und die Zeit der Erkrankung ausgenommen sein. 
Für jedes Stück fertiger Arbeit sollte der Zwängling nach 
Abzug der Kosten für die erwähnte Nahrung und von 5 kr. 
per Tag flir Kleider- und Wäschbenützung den Arbeitslohn 
baar ausgezahlt erhalten. Der Zwängling soll sich demnach 
in der Anstalt, so weit dies eben erreichbar ist, selbst erhalten 
und soll dadurch wieder an die Arbeit gewöhnt werden. Der 
Landtag beschloss jedoch vorläufig nur den Versuch mit 100 
männlichen Zwänglingen zu machen, um sodann je nach der in 
den ersten Jahren gewonnenen Erfahrung mit einer Erweiterung 
vorzugehen; demgemäss sollte ein Gebäude hiezu auch nur ge- 
miethet werden. Davon wurde jedoch wegen der bedeutenden 
Adaptirungskosten später Umgang genommen und ein eigenes 
Gebäude in dem Wiener Vororte Weinhaus eigenthümlich erwor- 
ben ^). Dieser Kauf konnte erst im Jahre 1866 zu Stande ge- 
bracht werden und erst in der letzten Session der Wahlperiode 
wurde die Adaptirung des gekauften Gebäudes beschlossen, nach- 
dem auch inzwischen die Vereinbarung mit der Regierung über das 
Organisations-Statut mit Involvirung des Principes der Selbster- 
haltung, dann über die Sonntagsheiligung u. s. w., sowie über 
die Ernennung des Directors (dieselbe geschieht von der 
Landesvertretuug, die Bestätigung aber steht der Regierung zn) 
getroffen war. 

Die Erjwobung dieses Systems und seiner Nachwirkungen auf 
das Landstreicher-Unwesen wird erst in der nächsten Wahlperiode 
erfolgen können. Es dürfte hier jedoch am Platze sein, zu bemerken, 
dass bei diesen Beschlussfassungen von vielen Seiten gewichtige Be- 
denken gegen die Zulässigkeit der zwangsweisen Anhaltung ohne 
richterliches Urtheil und zwar auf unbestimmte Zeit — nament- 
lich mit Rücksicht auf das Reichsgesetz über den Schutz der 
persönlichen Freiheit vom 27. October 1862 vorwalteten *). Nur 

') Es ist dies der sogenannte Klosterhof mit einem alten 7649 Qua- 
drat-Klafter grossen Garten. Der Kaufpreis betrug 44,000 fl., die Adaptirungs- 
kosten beziiferten sich mit 35,690 fl. (Einrichtungskosten: 18064 fl). 

•) Diese Bedenken werden wohl bei Verfassung des Polizei-Strafgesetzes 
behoben werden. Bis dahin wurde denselben wesentlich gesteuert durch das in 



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30 - 

die practische Rücksicht auf das Begehren des flachen Landes 
nach einer solchen Detentions-Anstalt bestimmte den Landtag 
gleichwohl zu diesem Beschlüsse. 

Zu erwähnen ist ferner noch, dass aus dem Landesfonde 
auch die Kosten für die Unterbringung verwahrloster Knaben 
in dem diesfälligen, aus den Mitteln eines Privatvereines errich- 
teten Rettungshauses zu Penzing (per Kopf 150 fl., später 
200 fl. im Jahre) bestritten wurden. 

Die Anzahl der in diesen verschiedenen Zwangshäusem un- 
tergebrachten Zwänglinge betrug während der 6 Jahre der Wahl- 
periode 





Männer 


Weiber 


Knaben 


1861 


: 264 


121 


7 


1862 


206 


149 


9 


1863- 


78 


52 


12 


1864: 


136 


57 


17 


1865: 


105 


63 


14 


1866: 


66 


85 


15. 



Die vom Landesfonde dafür getragenen Kosten betrugen 
im Jahre 1861: 83768 fl., 1862: 66026 fl., 1863: 55443 fl., 1864: 
42768 fl., 1865: 29874 fl. und 1866: 29487 fl. 

Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass die Notioni- 
rungen sowohl zum Schub als zur Anhaltung in einer Zwangs 
arbeits-Anstalt den politischen Behörden vorbehalten blieb, daher 
der Landesvertretung in diesen Angelegenheiten sowie bezüglich 
der Gensdarmerie, wie bereits gesagt, eigentlich nur die Kosten- 
bestreitung und daher nur indirect im Wege derselben, eine Ein- 
flussnahme auf die Regelung der öffentlichen Sicherheit zukam. 



der 1868er Session beschlossene und am 25. Oetober 1868 A. H. sanctio- 
nirte Landesgesetz, betreffend die Anhaltung gemeinschädlicher Personen, 
Durch dasselbe wurden die veralteten Bestimmungen in eine klare Form zu* 
sammengefasst, und mehrere neue Anordnungen getroffen, so dass nunmehr die 
in eine Zwangsarbeitsanstalt abzugebenden Personen genauer bezeichnet sind, 
(so z. B. sind Personen davon ausgeschlossen, die auch zu leichteren Arbeiten 
nicht geeignet sind, wogegen Schubrevertenten allerdings aufgenommen werden 
können,) ferner dass ihnen die Möglichkeit des Recurses geboten ist, dann 
dass die Gemeinden die reinen Yerpflegskoston zu tragen, dagegen auch bei 
der Abgabe und Zurücknahme eine Ingerenz haben, insbesondere aber, dass 
das Maximum der Zeit der Notionirung angegeben ist. 



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31 



III. Landescultur. 

Wenngleich die Landesordnung (§ 18 I. Punkt 1) die 
Landescultur unter denjenigen Gegenständen aufzählt, bezüg- 
lich deren „alle Anordnungen" — also nicht mit der Beschrän- » 
kung „inner den Grenzen der allgemeinen Gesetze" — dem 
Landtage zustehen, so war auch hier ein Competenz- Bedenken 
die Ursache, dass es in der wesentlichsten Frage zu keiner 
Entscheidung kam. Die Landesvertretung verkannte näm- 
lich nicht, welche Fesseln der Bodencultur durch den Bestif- 
tungszwang auferlegt werden. Sie sprach sich auch am 
10. Mai 1864 für Aufhebung des Bestifkungszwanges aus, allein 
ersuchte zugleich die Regierung die bezügliche Gesetzesvorlage, 
was das Prinzip und ebenso was die Aufhebung der über die 
Erbfolge und Erbtheilung bei Bauerngütern in dem kais. Patente 
vom 29. December 1790 enthaltenen Bestimmungen betrifft, bei dem 
engeren ßeichsrathe, und nur die Regierungsvorlage bezüglich 
der Durchführung der Aufhebung des Bestifkungszwanges beim 
Landtage einzubringen. Die Regierung kam diesem Wunsche nicht 
nach und nachdem durch die eingetretene Verfassungssistirung 
das Zusammentreten des Reichsrathes ganz in Frage gestellt 
war, erklärte sich der Landtag am 10. Februar 1866 selbst 
zur Lösung der Frage für competent, indem er einen, die Auf- 
hebung des Bestiftungszwanges und der bäuerlichen Erbfolge u. s. w. 
umfassenden Gesetzes-Entwurf beschloss, welchem jedoch wegen 
Aufnahme der letzteren, auch von der damaligen Regierung der 
Competenz des Reichsrathes vorbehaltenen Bestimmung, die A. H. 
Sanction nicht zu Theil wurde. Ebensowenig Erfolg erzielte 
der Landtag mit seinen Bestrebungen, die in landwuihschaft- 
licher Beziehung hochwichtige Arrondirung einerseits über- 
haupt gesetzlich zu regeln, anderseits die thunlichsten Er- 
leichterungen bei vorkommenden Grundtauschfällen zu schaffen. 
Am 10. Mai 1864 wurde die Regierung wegen Einbringimg 
der bezüglichen Vorlagen angegangen und wurden zugleich die 
Grundsätze ausgesprochen , nach denen dabei vorzugehen wäre. 
Am 10. Jänner 1866 wurde dieser Antrag erneuert. Allein 



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32 

auch in dieser Beziehung sah sich die Regierung zu einem Vor- 
gehen nicht veranlasst. Die Wahlperiode wurde demnach ge- 
schlossen, ohne dass in diesen Hauptfragen der Landwirthschaft 
ein Schritt zum Besseren wirklich geschehen wäre. Gleichwohl 
darf man behaupten, dass die diesfalls geführten Verhandlungen 
nicht fruchtlos waren und dass sie vorbereitend wirkten für Re- 
sultate, die einer späteren Zeit vorbehalten waren *). Bios in einem 
Falle der agrarischen Gesetzgebung erzielte der Landtag einen 
Erfolg, indem das am 30. März 1863 beschlossene Gesetz, wo- 
mit „das Verbot, dass Niemand zugleich zwei oder mehrere 
bestiftete Bauerngüter besitzen dürfe'* aufgehoben wird, wenn 
auch spät, aber doch am 21. October 1865 die A. H. Sanc- 
tion erhielt. Wenn auch diese Frage nicht von wesentlicher 
Bedeutung für den Verkehr gewesen sein dürfte, so war das Ver- 
bot doch eine Beschränkung desselben, die durch das Gesetz 
zeitgemäss beseitigt wurde. 

Bezeichnend für die Stellung, welche die Regierung dem Länd- 
tage gegenüber in seiner ersten Session einnahm, ist auch die 
verweigerte Ausfolgung des seit 1853 aus den wegen Forstfrevel 
eingehobenen Strafgeldern gebildeten Landescultur-Fondes. 
Nicht die Rücksicht überwog bei der Regierung, dass eben alle 
Landescultur-Angelegenheiten Sache der Landes- Vertretung sind, 
sondern die Erwägung, dass ein Fond, der nicht aus Landes- 
mitteln (aus Staatsmitteln war er aber noch weniger entstanden) 
errichtet wurde, nicht unter diejenigen Fonde gehöre, welche 
von den Regierungsbehörden abzutreten sind.') 

Die Thätigkeit des Landtages in landwirthschaftlichen Ge- 



*) Bekanntlich erfolgte seither darch ein Reichsgesetz die Aufhehung 
der häuerlichen Erbfolge u. s. w., und wurde dem vom Landtage in der 
ersten Session der zweiten Wahlperiode neuerlich herathenen Gesetze wegen 
Aufhebung des Bestiffcungszwanges bereits am 5. Oktober 1868 die A. H. 
Sanktion zu Theil, so dass nunmehr der Verkehr mit Grund und Boden in 
der That frei ist. 

*) Es kann hier nur Ton einer principiellen Bedeutung die Rede sein, 
weil der Fond selbst unbedeutend ist, indem er laut Rechnungs-Abschlusses 
vom Jahre 1865 nur 3805 fl. in Staatspapieren besass. Charakteristisch ist 
übrigens, dass derselbe Fond, ungeachtet der früher angeblich bestandenen 
Hindernisse, in der 2. Wahlperiode unter dem seit 1868 im Amte befindlichen 
Ministerium gleichwohl übergeben werden konnte. 



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33 

genständen beschränkte sich demnach auf Unterstützungen 
aus dem Landesfonde und auf Bevorwortung der einen 
oder der andern Massregel bei der Kegierung. In ersterer Be- 
ziehung ist zu erwähnen die Subventionirung der Landwirth- 
schafts-Gesellschaft in Wien '), sowie des Vereines der Bienen- 
zucht *), dann die Preisausschreibung eines für das Volk be- 
stimmten Lesebuches, femer die besonderen Geldbewilligungen 
zur Herausgabe einer landwirthschaMichen Statistik '), sowie zur 
Verbreitimg von gelungenen Abbildungen landwirthschaftlicher 
Gegenstände bei den Bezirks- Vereinen, Gemeinden, Schulen und 
kleineren Gutsbesitzern. 

Eine besondere Aufmerksamkeit wendete der Landtag den 
Mitteln zu, welche der immer bedrohlicher um sich greifenden 
Viehseuche steuern sollten. Nicht nur, dass alljährlich die 
Kosten für die durch Militär oder durch eigene Wächter be- 
wirkte Grenztiberwachung gegen Ungarn aus dem Landesfonde 
getragen wurden, sondern dass durch Aufstellung von zwölf, an 
geeigneten Punkten ^) des Landes stationirten und aus Landesmit- 
teln subventionirten Landes-Thierärzten die raschere Entdeckung 
der Seuche im Innern des Landes ermöglicht ist, dürfte von dem 
ernsten Willen des Landtages Zeugniss geben, in einer für die 
ländlichen Interessen so wichtigen Sache mit aller Entschieden- 



*) Derselben wurden nicht nur weitläufige Localitäten nahezu ganz in 
dem Umfange belassen, wie sie ihr von den n. ö. Ständen seit Erbauung des 
Landhauses eingeräumt waren ; sondern sie erhielt auch eine jährliche Subvention 
von 5000 fl., die zu Prämien für die Homviehzucht und fiir Obstbau, dann 
theilweise auch aur Förderung der Drainage, und ferner zur Herausgabe einer 
landwirthschaftlichen Zeitung sowie zur Bestreitung von Regiekosten der Ge- 
sellschaft verwendet werden soll. 

*) Die weitgehenden Bitten dieses Vereines wurden zwar vorzüglich aus 
dem Grunde abgelehnt, weil die Bienenzucht doch nur ein Zweig der Land- 
wirthschaft, diese aber durch die ohnehin aus Landesmitteln subventionirte 
Gesellschaft vertreten ist. Gleichwohl wurde dieselbe auch behufs unentgelt- 
lichen Unterrichtes der Präparanden bei St. Anna in Wien unterstützt 

*) Als ein nennenswertes erstes Ergebniss dieser Arbeiten ist eine sehr 
gelungene Karte über die Verbreitung des Weinbaues in Nied.-Oesterr. her- 
vorzuheben. 

♦) Amstetten, Brück a. d. Leitha, Gross-Enzersdorf, Hörn, Korneuburg, 
Mistelbach, Mödling, Neunkirchen, Oberhollabrunn, St. Polten, Waidhofen a. d. 
Thaia, Zwettl. 

3 



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34 

heit einzuwirken. Der diesfällige Beschluss war bereits am 14. 
Mai 1864 gefasst, allein mit der Anstellung der Thierärzte 
konnte erst 1866 vorgegangen werden , weil der Landtag 
begehrt hatte^ dass die Landes-Thierärzte den Commissionen, 
welche über die Anwendung der Keule zu entscheiden haben, 
beigezogen werden, die Staaatsverwaltung aber sich längere Zeit 
dagegen sträubte, da die in Folge der Anwendung der Keule 
zu leistenden Entschädigungen aus Staatsmitteln gezahlt werden '). 

Ebenso wirkte der Landtag darauf ein, dass die den 
Viehbesitzem zuerkannten Entschädigungs - Beträge ohne Ver- 
zögerung ausgezahlt, sowie die Seuchenvorschriften gesammelt, 
veröflFentlicht und zur Kenntniss der Viehbesitzer gebracht wer- 
den, endlich dass die Eisenbahnverwaltungen zur genauen Be- 
achtung der für den Transport von Schlachtvieh erlassenen Vor- 
schriften verhalten werden. 

Ausserdem ist noch zu erwähnen, dass der Landtag auch 
alljährlich der Wiener Thierarzneischule eine Subvention von 
840 fl. bewilligte, um seinerseits auch zur Heranbildung tüchtiger 
Thierärzte beizutragen. — 

Zu den wesentlichsten Förderungsmitteln der Landescultur 
in Nieder-Oesterreich dürften die beiden landwirthschaftlichen 
Lehranstalten des Landes, d. i. die Ackerbauschule zu 
örossau und die Weinbauschule zu Klosterneuburg 
gehören. Beide Anstalten bestanden bereits vor dem Jahre 1861, 
vorzüglich durch Unterstützung aus den der Landwirthschafts- 
gesellschaft zur Verfügung gestandenen Mitteln, dann aber auch 
dadurch, dass Private die Kosten für Zöglinge übernahmen, end- 
lich durch die Bereitwilligkeit der Gutsinhabung von Grossau, sowie 
des Stiftsabtes von Klosterneuburg. In der Erkenntniss, dass auf 
die Opferwilligkeit der letzteren länger wohl nicht mehr gezählt 
werden konnte, dann dass bei den nur nothdürftig zu Gebote 
stehenden Mitteln die in jeder Beziehung nothwendige Erwei- 
terung der Anstalten nicht thunlich war, vor Allem aber in der 
Erwägung, dass diesen Schulen der Charakter der Stabilität gege- 

^) Was die Regierung in den Jahren 1861 — 1865 demLandtage auch 
in diesem Punkte verweigern zu müssen erachtete, das bewilligte das in admi- 
nistrativen Fragen der Autonomie der Länder bekanntlich mehr Zugeständnisse 
machende Sistirungsministerium. 



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35 

ben werden musste, wenn auf eine allseitig gedeihliche Wirksam- 
keit gerechnet werden sollte, — beschloss der Landtag, dieselben 
zu Landesanstalten zu erklären, nachdem er die Vortheile an- 
erkannte, welche für die Landescultur entsteht, einerseits durch 
tüchtig ausgebildete Wirthschafter und anderseits dadurch, dass 
für den Weinbau, eine der wichtigsten Culturgattungen des 
Landes, eine rationelle, den vorgeschrittenen Ländern gleichkom- 
mende Methode sowohl im Bau selbst, als auch vorzüglich in 
der Kellerwirthschaft vorbereitet wird *). 

In beiden Fällen war die Landesvertretung nicht genöthigt 
die Versuchs Felder und Gärten als Eigenthum zu erwerben, 
sondern es wurden auf Grund der vorgefundenen Verhältnisse 
mit dem Besitzer des Gutes Grossau und mit dem Stift Kloster- 
neuburg entsprechende Verträge abgeschlossen. Aus dem Lan- 
desfonde wurden die Gehalte der Directoren und Lehrer*), dann 
die Kosten für die Lehrmittel (Laboratorien u. s. w.), einschlüssig 
neuer Maschinen, und ausserdem die Kosten für Freiplätze *) über- 
nommen. In Grossau werden für die Ueberlassung der Localitäten, 
dann für Fahrnisse und Versuchsfelder ebenso wie für Beheizung, 
Beleuchtung und Kanzleiauslagen Pauschalien entrichtet. Mit der 
dortigen Ackerbauschule ist auch ein Cursus für (zu Gutsverwaltun- 
gen u. s. w. berufenen sogenannten) Oeconomie-Praktikanten 
verbunden. Es ist dies jedoch mehr ein Privatunternehmen, da 
aus Landesmitteln dazu nur insoferne etwas beigetragen wird, 
als die bezüglichen Vorlesungen von denselben Professoren ge- 
halten werden und als die Mitbenützung der Versuchsfelder, Ma- 
schinen u. s. w. stattfindet. Mit der Weinbauschule in Kloster- 
neuburg ist ein alljährlich im Herbste abgehaltener Cursus 



*) Der diesen beiden Schulen zu Grund liegende Zweck ist somit die 
praktische Ausbildung. Obwohl daher der theoretische Unterricht nicht über- 
sehen werden darf, wird doch der grösste Wert auf die unmittelbare Bethei- 
ligung der Zöglinge an allen Gattungen von Arbeiten gelegt, worin ein we- 
sentlicher Unterschied gegen landwirthschaftliche Hochschulen zu suchen ist. 

*) Dieselben wurden überdies auch ausdrücklich zu Landesbeamten 
erklärt. 

^) In Grossau bestehen 40 Landesplätze, wovon 8 als Halbfreiplätze ver- 
geben werden. In Klosterneuburg richtet sich die Zahl der Landesplätze nach 
der Zahl der Privat-Freiplätze, welche dort bestanden und nach und nach ein- 
gezogen werden ; vorläufig bestehen 11 Landesplätze. 

3* 



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36 

für Obstbaumzucht in der Art in Verbindung gebracht, dass 
aus Landesmittehi an VolksschuUeher 10 Stipendien zu 40 fl. 
behufs Besuches der Vorlesungen und Anwohnung bei den prac- 
tischen Versuchen in dem zur Verfügung stehenden Obstgarten 
verliehen werden. — 

Bei den Fällen, wo Landesmittel für die Landescultur ver- 
wendet wurden, können die unverzinslichen Vorschüsse zum An- 
kauf des Saamens für den Winteranbau 1866 und theil weise 
auch zum Sommeranbau 1867 nicht übersehen werden, (siehe 
Gemeindeangelegenheiten) da dadurch viele kleine Gutsbesitzer vor 
dem Untergange gerettet wurden. 

Was die Bevorwortung von Massregeln zur Hebung der 
Landwirthschaft betrifft, so hat der Landtag um die Revision des 
Forstgesetzes angesucht, so wie er anderseits die Land wiith- 
schafts-Gesellschaft aufforderte die Mittel zur Heranbildung 
eines geeigneten Forstschutzpersonales anzugeben. Ferner hat er in 
einer eigenen Adresse die Unzweckmässigkeit der 1861 bestandenen 
Weinsteuer behufs deren Aufhebung angegeben, dann den Wunsch 
nach einer Revision des Weinlandes behufs Ermässigung 
der Steuer wiederholt. Ebenso hat der Landtag zum Schutze der 
Obstbaumzucht die Regierung in der 4. Session ange- 
gangen, die bestehenden politischen Verordnungen in die Form 
eines Gesetzes, und dieses in der nächsten Session zur Vorlage 
zu bringen. In der letzten Session der ersten Wahlperiode ist 
das aber so wenig geschehen, als die Vorlage eines neuen Forst- 
gesetzes beim Reichsrathe und somit muss das Resultat dieser Anre- 
gung auch in dem Falle der Zukunft vorbehalten werden '). 

Bezüglich der Abtheilung „Landescultur" ist noch zu er- 
wälmen, dass der Landtag der Gartenbaugesellschaft zur Grün- 
dung ihres Vereinshauses in Wien einen Beitrag von 1000 fl. 
bewilligte. Ferner ist noch einer Stiftung für niederöster- 
reichische Grundbesitzer zu gedenken. Dieselbe wurde 
mit dem namhaften Capitale von nahe* 40000 fl. ausgestattet 



*) In der That wurden in der 1868er Session Regierungsvorlagen einge- 
bracht und vom Landtage angenommen mittelst zweier Gesetze, betreffend „den 
Schutz der Bodencultur gegen Raupenschäden und Maikäfer", sowie „den Schutz 
der kleinen Vögel" (A. H. sanctionirt am 28. December 1868). 



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37 

und hat den wohlthätigen Zweck, Grundbesitzern zu einem billi- 
gen Zinsfusse (bis auf weiteres mit STi,) Capitalien vorzüglich 
zur Melioration der Wirthschaften zu verschaffen. Die Zinsen 
sollen durch 100 Jahre ganz, und durch weitere 30 Jahre zur 
Hälfte zum Capital geschlagen und ebenso verwaltet werden. 
Nach Ablauf der Zeit sind die Zinsen zu beliebigen Landes 
zwecken zu verwenden *). Diese bereits in ihrer Anlage wohlthä- 
tige und für die Zukunft grossartige Stiftung rührt von dem für 
die erste Wahlperiode des n. ö. Landtages bestellten Landmarschalle 
Sr. Durchlaucht dem Herrn Fürsten Colloredo -Manns feld hör, 
der mittelst des in der Sitzung vom 20. März 1863 übergebenen 
Stiftsbriefes, die ihm als Abgeordneten zukommenden Diäten 
sowie den ihm als Landmarschall angewiesenen Jahresgehalt zu 
diesem Zwecke widmete. Der Landtag genehmigte den Stiftbrief 
und sprach Sr. Durchlaucht den Dank für dieses namhafte Ge- 
schenk aus. 



IV. Schulangelegenheiten. 

Im §. 18, n der Landesordnung, wo diejenigen Gegen- 
stände aufgezählt sind, welche als Landes-Angelegenheiten erklärt 
werden, jedoch nur insoweit es die „näheren Anordnungen inner 
den Grenzen der allgemeinen Gesetze" betriflft, sind im Punkte 2 
auch die Kirchen- und Schul- Angelegenheiten aufgeführt. 

Im Laufe der ganzen sechsjährigen Wahlperiode kamen 
die allgemeinen Gesetze, auf welche hier hingewiesen ist, 



*) Bezeichnend bei dieser Stiftung ist die stiftsbriefmässige Bestimmung, 
dass die Gebahrung mit dem Capitale, sowie mit den Zinsen dem Landes- Ausschusse 
in der Art übertragen wurde, dass er hiefär ausdrücklich „einzig und allein den 
n.-öst. Landtag verantwortlich" erklärt, dass ferner die Verfügung getroffen ist, dass 
für den Fall, als das Institut des Landes-Ausschusses aufgehoben würde, die vor- 
handenen Capitalien an die „nächst niederen autonomen Körperschaften des 
Landes, mögen sie nun Kreise, Bezirke, Gemeinden oder wie immer heissen** 
überzugehen, bei einer etwaigen späteren Wiederherstellung des Institutes 
des Landes-Ausschusses aber wieder an diesen zurück zu kommen habe«. 



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38 

nicht zu Stande. Rücksichtlich der Kirchen-Angelegenheiten ver- 
lautete nicht einmal, ob die Regierung sich mit der Frage be- 
schäftige. Wohl aber wurde in der 2. und 3. Session ein Ki rch on- 
patronats-Gresetz eingebracht und hat die Regierung den Land- 
tag hiezu competent erklärt, ohne dass ein diesfälliges Reichsge- 
setz vorhanden war. Der Landtag ist jedoch auf die diesfällige 
Berathung nicht eingegangen, in der Voraussetzung, dass die 
Regierung in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorlegen 
werde, „welcher auf der Basis einer facultativen Ablösung der 
Patronatslasten, jedoch unter unveränderter Aufrechthaltung des 
geistlichen und dem Religionsfonde zustehenden Patronates zu be- 
ruhen hätte." Nachdem diese Voraussetzung in den beiden darauf 
folgenden Sessionen (IV. u. V.) nicht erfüllt wurde, blieb der 
Gegenstand auf sich beruhen. Wenn somit die Thätigkeit des 
Landtages in dieser Richtung nur eine negative war, so lässt 
sich doch nicht läugnen, dass durch das Nichteingehen auf das der 
Regierungsvorlage zu Grunde liegende Princip von den Gemein- 
den eine wesentliche Belastung abgewendet wurde, ohne dass der 
Bestand der Kirchengebäude dadurch in Frage gestellt wor- 
den wäre. 

Bezüglich der Schul-Angelegenheiten brachte die Regierung 
zwar schon in der 2. Session das Schulpatronats- Gesetz 
ein, allein auch in diesem Falle ohne Grundlage eines Reichsge- 
setzes. Der Landtag ging auf die Berathung desselben ein, un- 
geachtet dadurch den Gemeinden auch nicht unbedeutende Lei- 
stungen zur Last fallen, da von Seite mancher Patrone für 
die SchuUocalitäten nichts geschah, und der ohnehin aus an- 
dern Ursachen zurückgebliebene Unterricht auch von dieser 
Seite gefährdet war. Allein der Landtag willigte dazu nur gegen 
dem ein, dass den Gemeinden für diese neuen Lasten auch das 
Recht der Präsentation des Lehrers, insoweit es eben der Patron 
besessen hat, zugesprochen wurde. Wenn auch Seitens der klei- 
neren Gemeinden ein besonderer Werth darauf nicht gelegt wird, 
ja wenn auch offen zugegeben werden muss, dass die Anwen- 
dung dieses Rechtes bisher nicht immer eine sachlich richtige 
war, so lässt sich doch die principielle Bedeutung dieses Be- 
schlusses nicht verkennen und war derselbe gleichwohl für 
grössere Gemeinden und insbesondere für die Stadt Wien von 



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39 

Wichtigkeit, nachdem erst durch dieses Gesetz der mehrjährige 
Streit über das Emennungsrecht der Lehrer im Sinne der für 
die Schulen so namhafte Opfer bringenden Stadt beigelegt wurde. 
Die Bedeutung des Gesetzes wurde auch von den Gegnern 
jeder freien Bewegung, insbesondere aber auch in Schulsachen, 
wohl erkannt. Die Anstrengungen, welche gegen die Sanctioni- 
rung desselben gemacht wurden, waren bekanntermassen nicht 
geringe, wie dieselbe ja auch in der That, obwohl das Gesetz am 
30. März 1863 vom Landtage angenommen worden war, erst unterm 
12. April 1864 erfolgte. Das damalige Ministerium darf diesen von 
der liberalen Partei lebhaft begrüssten Erfolg zu den geringen 
Resultaten des Fortschrittes zählen, die während seiner Amtirung 
erreicht wurden. 

Sowie nun der Landtag in dieser Angelegenheit, wenn 
auch nicht sich, so doch den Gemeinden einen Einfluss in Schul- 
sachen erkämpfen musste, so war er in Schulsachen im Ganzen 
zu derselben Thätigkeit verurtheilt. Anbelangend zunächst das 
Volksschulwesen forderte er die Regierung in der 2., 3. und 5. 
Session auf, der Reichsvertretung die betreffende Vorlage zu 
machen, wodurch einerseits die den Gemeinden nach Artikel V 
des Reichsgesetzes vom 5. März 1862 gebührende Einflussnahme 
geregelt und anderseits den Landes -Vertretungen möglich gemacht 
würde, in die ihnen nach §. 18 der Landesordnungen zustehende 
verfassungsmässige Wirksamkeit einzutreten. Leider waren diese 
Aufforderungen von keinem Erfolge begleitet. Ebenso wenig kam 
die Regierung dem in der Sitzung vom 12. Februar 1863 aus- 
gesprochenen Wunsche nach Uebergabe des Normalschul- 
fond e s nach. Durch die Verwaltung desselben würde die Lan- 
des- Vertretung auch noch vor der eintretenden verfassungsmässi- 
gen Einflussnahme eine Ingerenz auf das Schulwesen erhalten 
haben. Allein die Regierung bestritt, dass der Normalschulfond 
aus Landesmitteln entstanden sei — dass er sich jedoch aus 
Staatseinkünften gebildet, wurde gleichwohl nicht behauptet — und 
folgerte daraus, dass er nicht zu den in die Verwaltung des 
Landes zu übergebenden Fonden gehöre. 

Obwohl nun die Ansicht, dass man insolange nichts für die 
Volks-Schule Seitens des Landtages thun könne, als demselben kein 
Einfluss auf das Unterrichtswesen zustehe, von hervorragender 



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40 

Seite vertreten wurde, so hat doch im Allgemeinen die Ansicht 
vorgewaltet, dass man gleichwohl dort helfen solle, wo sozusagen 
die Noth am grössten war, d. i. bei den Einkünften der 
Schullehrer. So gewährte denn der Landtag in allen Fällen, 
wo die Congrua des Pfarrschullehrers unter 300 fl. , des Filial- 
schuUehrers unter 280 fl. und des Gehilfen unter 160 fl. nach- 
gewiesen wurde, die Aufbesserung der Bezüge auf diese Minimal- 
beträge aus Landesmitteln. Er knüpfte jedoch daran die Bedingung, 
dass einerseits diese Aufbesserung nur dort einzutreten hat, wo 
die betrefi^enden Gemeinden sie zu leisten nicht vermögen, und 
wo der Landes-Ausschuss die Lehrer dieser Unterstützung für 
würdig erkennt. Zwar hat der Regierungs Vertreter diese Einfluss- 
nähme als eine unzulässige bezeichnet, allein der Landtag Hess 
sich in seinem Beschlüsse nicht irre machen und insoweit es eben 
bei den mangelnden selbstständigen weltlichen Aufsichtsorganen 
möglich war, wurde auf diesem Wege nicht nur den ärmsten 
Lehrern eine Unterstützung zugeführt, sondern auch ein Einblick 
gewährt, den die übrigen Landesvertretungen unser'fes Wissens 
noch nicht besassen. Die Regelung der Einkünfte der Volksschul- 
lehrer beschäftigte den Landtag überhaupt zu wiederholten Malen. 
Erkennend, dass durch die Einsammlung der Naturalgiebigkeiten 
das Ansehen des Lehrers wesentlich leidet, forderte der Landtag 
auch in dieser Beziehung die Regierung zur Einbringung einer 
Vorlage behufs der Ablösung dieser fassionsmässigen Gebühren 
auf Bereits früher hat der Landtag durch ein specielles Gesetz *) 
vorgesorgt, dass die Schulgelder von den Gemeinden einzuheben 
und dem Lehrer in Quartalsraten auszuzahlen, sowie davon nur 
10% für die Kranken und am Schulbesuche dauernd verhinder- 
ten Kinder und 10% für die Schulgeldbefreiungen abzuziehen 
sind *). Auch der Uebelstand, dass der Lehrer bei dem Umstände, 



*) Sitzung vom 8. Febfuar 1866. Sanction vom 3. Sept. 1866. 

') So wohlthätig es ist, dass der Lehrer mindestens nicht gesetzlich 
verpflichtet ist, das Schulgeld selbst einzusammeln, so hat doch die durch 
dieses Gesetz getroffene Bestimmung die Schattenseite, dass der mit der 
Einhebung des Schulgeldes betraute Bürgermeister dem Schullehrer abgeneigt 
wird, wenn dieser ihn etwa öfters wegen der Geldabfuhr mahnt. Leider ist 
der vom Special - Ausschusse gestellte Antrag abgelehnt worden, wonach 



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41 

als für keine Pension gesorgt ist, bis ins hohe Alter dienen 
müsse, und darunter der Unterricht leidet oder durch Schul- 
provisoren geholfen werden muss, entging der Aufmerksamkeit 
des Landtages nicht. Mindestens wurde der Landes-Ausschuss 
noch in der letzten Session beauftragt, wegen Creirung eines 
Pensionsfondes für die Volksschullehrer des flachen Landes die 
Erhebungen zu pflegen und darüber zu berichten; den gleichen 
Auftrag erhielt der Landes-Ausschuss auch rücksichtlich der 
bestehenden Präparandencurse und eines zu gründenden Lehrer- 
seminares. Auch der Witwen der Lehrer, die bei dem Mangel 
eines Pensionsfondes von den Gemeinden nur nach dem äusserst 
kärglichen Massstabe der Armenportionen versorgt werden, ge- 
dachte der Landtag, indem er alljährlich einen Betrag*) zur 
Vertheilung an die Hilfsbedürftigsten bewilligte. 

Als eine wesentliche Unterstützung der Lehrer muss noch 
angeführt werden, dass, als im Jahre 1866 viele Gemeinden, 
namentlich im V. U. M. B. durch Missernten (siehe Gemeinde- 
Angelegenheiten) ausser Stand gesetzt waren, die Giebigkeiten zu 
leisten oder das Schulgeld einzuzahlen, die Landes- Vertretung 



zwar auch die Gemeinde für die Einhebung haften dem Lehrer jedoch das 
Schulgeld monatlich abführen, und dieser berechtigt sein sollte, wenn eine 
2. Rate ausständig geblieben, sich an das politische Amt zu wenden, damit 
dieses den Betrag feststelle und einerseits den Landes-Ausschuss wegen vor- 
schussweiser Flüssigmachung aus dem Landesfonde beim nächsten Steueramte 
angehen, anderseits aber den schuldigen Betrag im Wege der politischen Exe- 
cution von der säumigen Gemeinde eintreibe. Indessen würde auch dies dem 
Lehrer keine erträgliche Lage in der Gemeinde bereiten und es lässt sich 
nicht läugnen, dass das einzige den Lehrer am meisten sichernde und am 
wenigsten dem Unwillen der Gemeinde aussetzende Mittel darin bestände, 
wenn das Schulgeld gleichzeitig mit der Steuer oder gar eine eigene, alle 
Gemeinde-Angehörigen treflfende Schulsteuer eingehoben würde. 

*) Die Gesammtsumme, welche aus dem Landesfonde für die Unter- 
stützung der Lehrer sowie deren Witwen und Waisen verwendet wurde, 
betrug: 

1863: 24.470 fl. 54 kr. 

1864: 26.650 fl. 39 kr. 

1865: 29.023 fl. 53 kr. 

1866: 31.147 fl. 39 kr. 



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42 

aus dem Landesfonde unverzinsliche Vorschüsse gegen Gutstehung 
der Gemeinden bewilligte. 

Ausser diesen Unterstützungen der Lehrer glaubte die 
Landes- Vertretung, vorzüglich auch in Berücksichtigung der ihr 
zur Verfügung stehenden unzureichenden Mittel, für die Volks- 
schulen nichts thun zu können. Namentlich ist dies der Fall rück- 
sichtlich der wiederholten Gesuche um Unterstützung bei Schul- 
bauten gewesen. Gleichwohl wurden in zwei ganz besonders 
berücksichtigungswürdigen Fällen, Darlehen zu dem Zwecke be- 
willigt. 

Von noch durchgreifenderer Wirkung war die Thätigkeit 
des Landtages bezüglich der Mittelschulen. Zwar musste er 
sich bezüglich derselben ebenso wie bei den Volksschulen dar- 
auf beschränken, die Regierung wegen gesetzlicher Regelung 
der Einflussnahme der Gemeinde und des Landes auf dieselben 
anzugehen. Allein die Geldopfer, welche er für die Mittelschulen 
brachte, konnten der Natur der Sache nach eigenen Anstalten 
zugewendet werden, und es konnte daher auch von einer nicht 
unwesentlichen Einwirkung die Rede sein. Im Zusammenwirken ') 
mit den Stadtgemeinden Baden, Krems, St Polten und Wiener- 
Neustadt wurde 1863 die Errichtung von drei Ober -Realschulen 
in den drei letzteren Städten, und einer Unter-Realschule in 
Baden beschlossen'). Wenn man sich erinnert, wie mühevoll die 
Errichtung zweier 1. f. Ober-Realschulen seiner Zeit in Wien 
vor sich ging, und wie selbst die Commune Wien sich auf diesem 
Gebiete sehr bedachtsam bewegte, so wird wohl Jedermann zu- 
geben müssen, dass dieser Landtagsbeschluss besonders hervor- 
gehoben zu werden verdient. In der nächsten Session folgten 



') Die Städte, wo die Oberrealschulen errichtet wurden, stellten die 
Localitäten (Krems und St. Polten ganz neue, schöne Gebäude) bei, sowie 
sie auch zur Beschaffung der Lehrmittel und aller übrigen Bedürfhisse sich 
verpflichteten, während der Landesfond sämmtliche Gehalte und dereinstigen 
Pensionen übernahm. Bei Baden tritt nur der Unterschied ein, dass die Ge- 
meinde überdiess noch den 3. Theil der Kosten an Gehalten zu tra- 
gen hat. 

•) Eigentlich wurde auch die Errichtung einer Unterrealschule in Hom 
beschlossen. Da aber die Gemeinde erklärte die ihr zufallenden Kosten (den 
3. Theil, wie bei Baden) nicht tragen können, so kam der Beschluss nicht 
zur Ausführung. 



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43 

noch die Unter - Realschulen in Ober-Hollabrunn, Stockerau und 
Waidhofen a. d. Ybbs. Es war die Errichtung von 7 Mittelschulen 
binnen zwei Jahren und in einem verhältnissmässig kleinen 
Lande der sprechendste Beweis von der Bedeutung, die man im 
Landtage dem Unterrichte beilegte, und es drängte sich unwill- 
kürlich die Frage auf, ob etwa nur in Nieder-Oesterreich so 
viel Versäumtes nachzuholen war, weil Seitens der übrigen Lan- 
des- Vertretungen in dieser Richtung nichts geschah. Auch wurde 
damit das Vorurtheil, dass die Bildungsstätten sich nur in der 
Hauptstadt befinden, in gewiss vortheilhafter Weise gebrochen *)• 

Die Gründung dieser Landes-Mittelschulen hatte eine sehr 
nachhaltige Wirkung schon in der ersten Zeit nach ihrer Gründung, 
und zwar durch den Lehrplan. Von da ging die Anregung zur 
Gründung der Realgymnasien aus, da St. Polten, Baden, Sto- 
ckerau und Ober-Hollabrunn, wo sich nicht nebenbei auch Gymna- 
sien befinden, den Werth der Einrichtung von Real-Gymnasien, 
an welchen die Berufswahl erst in ein späteres Alter verlegt ist, 
am ehesten zu erkennen in der Lage waren. Ueber ihre Ge- 
suche wurde die Frage in dem Wiener Vereine „Mittelschule" 
verhandelt und acceptirte auch der Wiener Gemeinderath den 
dabei berathenen Lehrplan für zwei neugegründete Anstalten. 
Auch der Landtag genehmigte sodann die Umwandlung der 
Realschulen in den letzterwähnten Orten in Real-Gymnasien und 
so kann es sehr leicht sein, dass für die dereinstige definitive 
Organisirung der Mittelschulen überhaupt, dadurch eine entschei- 
dende Grundlage gewonnen ist. 

Rücksichtlich der Verwaltung dieser Landes-Mittelschulen 
wusste sich das Land so selbstständig zu stellen, dass der Re- 
gierung nur das Aufsichtsrecht geblieben ist. So findet die Ernen- 
nung der Professoren Seitens des Landes- Ausschusses statt und steht 
der Regierung nur ein Veto zu. Rücksichtlich des Lehrplanes hat 
man sich Abweichungen im Einzelnen ausdrücklich vorbehalten *). 

*) Der Gründung beziehungsweise Uebernahme der Kosten auf den 
Landesfond der Ackerbauschule zu Grossau und der Weinbauschule zu Kloster- 
neuburg ist bei der Besprechung der Landescultur gedacht worden. 

*) Der von dem Bischöfe von St. Polten begehrte tägliche Besuch 
des Gottesdienstes wurde, ungeachtet der oft lebhaftesten Einwirkung der Re- 
gierung, mit aller Entschiedenheit abgelehnt. 



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44 

Mit den Landes - Mittelschulen wurden durch Gewährung 
von Subventionen auch Gewerbeschulen in Verbindung ge- 
bracht. Dieselben wurden nach dem Muster der Wiener Gewerbe- 
schulen eingerichtet y hatten aber auch gleich diesen mit dem 
mangelhaften und unregelmässigen Schulbesuche der Lehrlinge 
zu kämpfen. Wegen dieses Uebelstandes, sowie wegen mehreren 
anderen Modificationen beschloss der Landtag die Regierung 
wegen Regelung der Gewerbeschulverhältnisse, was die Beiträge, 
die Art der Einhebung, den Schulzwang, den Lehrplan und die 
Leitung betriflEt, zu einer Enquete einzuladen *). 

Anlässlich der Gewerbeschulen wurde die Regierung auch 
angegangen, dem Wiederholungsunterrichte aus dem 
Grunde eine grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden, damit die in 
die Gewerbeschulen aufgenommenen Lehrlinge besser vorbereitet 
wären. 

Noch einen andern sehr wichtigen Uebelstand bei Mittel- 
schulen hat der Landtag in Betrachtung gezogen. Bei dem 
Uebelstande nämlich, als in Nieder-Oesterreich , ausser Wien, 
wo sich übrigens auch zwei sogenannte geistliche Gymna- 
sien befinden, noch 5 solche Lehranstalten bestehen, wurde die 
Thatsache, dass nur wenige an diesen Mittelschulen bestellte 
Professoren die vorgeschriebene Lehramtsprüfung abgelegt hatten, 
als ein fühlbarer Mangel bezeichnet und die Regierung wieder- 
holt gemahnt, demselben im Sinne der bestehenden Gesetze ab- 
zuhelfen. Diese Einwirkung scheint keine ganz unglückliche 
gewesen zu sein, indem nicht nur die Unterrichtsbehörde davon 
Anlass nahm, auf der Erfüllung der Bedingungen der Oeffent- 
lichkeit zu bestehen, sondern auch die H. Aebte diesen vor 
derOeffentlichkeit ausgesprochenen Tadel der Unwissenschaftlichkeit 
dadurch abwehrten, dass sie alle Vorbereitungen trafen, um mindestens 
für die Folge Professoren an den von ihnen erhaltenen Anstalten 
zu bestellen, welche dieselben Prüfungen bestanden haben, wie 
dies bei den Mitgliedern der Lehrkörper an den weltlichen Gym- 
nasien der Fall ist 

Bei der Thätigkeit des Landtages im Unterrichtswesen 

*) Dieselbe fand 1867 statt und führte in der 1868er Landtags-Session 
zur Feststellung aller dieser Momente im Wege des Gesetzes (sanctionirt am 
28. November 1868). 



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45 

darf fliglich auch nicht der Einfluss übergangen werden, den 
derselbe auf die Verbreitung des Turnunterrichtes, sowohl 
an Volks- als an Mittelschulen genommen hat. Bereits in der 
II. Session wurde beschlossen, diesen Unterricht an Landes- und 
Gemeinde-Mittelschulen, sowie an den Volksschulen der Städte 
und Märkte, ferner an den Präparanden-Cursen als freien Gegen- 
stand einzuführen und die Regierung um dieselbe Verfiigung bei 
den aus Staatsmitteln erhaltenen Mittelschulen in Nieder-Oester- 
reich zu ersuchen. Als Bedingung des Unterrichtes wurde jedoch 
gefordert, dass die Turnlehrer eine fachliche Ausbildung erhalten 
haben. Um nun diese in etwas zu erleichtern, wurden sogenannte 
Tumstipendien aus Landesmitteln, behufs Besuches des beim 
Wiener Turnverein eigens eingeleiteten alljährlich in den Herbst- 
monaten abgehaltenen Lehrcurses, gegründet. 

Damit jedoch auch die Hochschule nicht ausser Acht ge- 
lassen werde, hat der Landtag wiederholt sein Augenmerk auch auf 
die beiden Wiener Hochschulen (Universität und Polytechnicum) 
gerichtet. Den Untersttitzungsvereinen der juridischen und philo- 
sophischen Facultät an der Universität, sowie dem am Poly- 
technicum, dann demICranken-Unterstützungsvereine für Studierende 
beider Hochschulen wurden stets Subventionen aus Landesmitteln 
zu Theil. Endlich betheiligte sich der Landtag nicht nur mit 
einem namhaften Betrage als Subvention zu den bezüglichen 
Feierlichkeiten bei der Universitäts - Jubelfeier im Jahre 1865, 
sondern es wurde auch, in Anerkennung des höchst misslichen 
Umstandes, dass ein eigentliches, flir alle Facultäten berechnetes 
Universitätsgebäude mangle, der lebhafte Wunsch ausgesprochen, 
dass die Regierung sich mit der Wahl des Bauplatzes und Fest- 
stellung des Bauplanes beeilen möge, damit das 500jährige Jubi- 
läum der Wiener Universität, mindestens mit der Grundsteinlegung 
zu dem künftigen Universitätsgebäude festlich begangen werden 
könne '). 



*) Als Bestrebungen die Wissenschaft zu unterstützen, können hier noch 
angeführt werden , die Subventionirung des zoologisch - botanischen Vereines, 
der überdies für seine wertvollen als Eigenthum des Landes erklärten Samm- 
lungen unentgeltlich auch ein Locale im Landhause erhielt, sowie des Ver- 
eines der Landeskunde für Nieder- Oesterreich, der gleichfalls im Landhause unter- 
gebracht wurde. Der erstere Verein betheilte die Landesmittelschulen wieder- 



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46 



V. Sanitäts-Angelegenheiten« 

Der §. 18, I., Punkt 3 der Landes-Ordnung bezeichnet 
femer unter denjenigen Landes-Angelegenheiten, bezüglich deren 
der Landes- Vertretung alle Anordnungen zustehen, die ,,aus 
Landesmitteln dotirten Wohlthätigkeits - Anstalten" '). 
Diese Institute waren in Nieder-Oesterreich fast durchgcängig 
viel länger vorhanden als in den andern Provinzen. Zum 
Theil aus diesen Ursachen , zum Theil aber auch , weil in 
Nieder-Oesterreich wegen der Hauptstadt Wien der provin- 
zielle Charakter am wenigsten hervortrat, vorzüglich aber wegen 
des Zusammenströmens der Angehörigen aus allen Provinzen, 
sowie vieler Fremden, — waren diese Anstalten seit ihrer Er- 
richtung Reichs-Institutionen und blieben dies auch nach dem 
Inslebentreten der Landesfonde (1851). Wohl aber wurde die 
Bestimmung getroffen, dass der n. ö. Landesfond an den ge- 
sammten Ausgaben der Irren-Anstalten, sowie der Gebär- und 
Findel - Anstalt mit dem dritten Theile participirte. Bei der 
Uebergabe der Geschäfte an den Landes-Ausschuss wurde 
nun das Uebereinkommen getroffen, dass rücksichtlich aller 
Personal- und Verwaltungs- Angelegenheiten dieser Anstalten 
die Wohlmeinung des Landes-Ausschusses eingeholt werden solle. 
Daran wurde auch festgehalten mit Ausnahme eines die Findel- 
anstalt betreffenden Falles. Ohne nämlich den Landes-Ausschuss 
auch nur von der Absicht einer derartigen Verfügung unterrich- 
tet zu haben, wurde eine A. H. Entschliessung dahin er- 
wirkt, dass künftighin die Findelkinder nicht mehr mit dem 
vollendeten 10., sondern 6. Jahre den Zuständigkeits-Gemeinden 
zu übergeben sind. Die Landes-Vertretung hat gegen diesen, dem 
getroffenen Uebereinkommen zuwiderlaufenden Vorgang, Verwah- 
rung eingelegt, und sowohl aus diesem Grunde als aus, gegen 
das Meritorische jener Entscheidung gerichteten Zweckmässig- 



holt mit Sammlungen; der letztere beschäftigt sich mit Herausgabe eines 
topografischen Lexicons, sowie einer Administrativ - Karte des grössten Mass- 
stabes. 

*) Mit diesem Amts- Ausdrucke werden Spitäler, Gebär- und Findel-Anstal- 
ten, gowie Irrenanstalten u. s. w. herkömmlicher Weise bezeichnet. 



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4T 

keitsgründen *) wurde das Ansinnen tvegen Aufhebung dieser 
Verfügung gestellt. Allein die Regierung lehnte dies beharrlich 
ab und ebenso war mit Ablauf der Wahlperiode das weiters 
begehrte Zugeständniss, dass diese Verfügung mindestens nicht 
zurückwirke und nicht die seiner Zeit durch Erlag der Taxe 
erworbenen Rechte verletzt werden, nicht erreicht *). 

Dieses Verhältniss der genannten Anstalten oder Reichs- 
Institute ist durch das Reichsgesetz vom 17. Februar 1864, mit 
Ausnahme der Findelanstalt, geändert worden, indem nach dem- 
selben beide Irren-Anstalten zu Wien am Brünnlfelde (einschliessig 
des Irrenthurms und der Filiale in Klosterneuburg), sowie in 
Ybbs und die Grebär-Anstalt in Wien, in die Landes- Verwaltung 
übergingen und zugleich gesetzlich geregelt worden ist, dass für 
die zahlungsunfähigen Kranken die bezüglichen Landesfonde zu 
zahlen haben. In die Verwaltung des Landes sind diese Institute 
mit 1. Jänner 1865 übergegangen '*). 

Bei der Uebergabe kamen Forderungen von Staat und 
Land zur Sprache, die wegen der bedeutenden, dem letzteren 
damit zugedachten Lasten, sowie die Eigenthums-Verhältnisse 
überhaupt hier besonders erwähnt werden sollen. Was nun 
zunächst die Irren- Anstalten betrifft;, so muss vorerst bemerkt 
werden, dass zu Ybbs schon allerdings sehr lange, und 
zwar in einer gewissen Verbindung mit dem dortigen alten 
Versorgungshause der Stadt Wien, eine zur Wiener Irren- Anstalt 
zählende Abtheilung von Irren untergebracht war. Die Regierung 
hatte nun 1859 den Bau einer eigenen Irren-Heil- und Pflege- 



^) Darunter mögen hier insbesondere aufgeführt werden, dass mit dem 
6. Jahrö die Kinder der eigentlichen häuslichen Leitung noch nicht entwachsen 
sind und noch in kein Geschäft eingeführt werden können, während dies aller- 
dings mit dem 10. Jahre der Fall ist, und dass ferner die Gemeinden dadurch 
zu sehr belastet sind. 

*) Die diesfällige Verständigung erfolgte erst im März 1867. 

') Die gestellte Bedingung, dass die Direktoren von Sr. Majestät über 
Vorschlag des Landes - Ausschusses ernannt werden, wurde dahin modificirt, 
dass die von dem Landes -Ausschusse erfolgte Ernennung der A. H. Bestäti- 
gung bedürfe. Auch wurde der Landesvertretung ein Einfluss bei Ernennung 
der als Professoren an der Gebäranstalt fungirenden Primarärzte, u. s w. 
gewahrt. 



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48 

Anstalt zu Ybbs in der Art angeordnet ^), dass in demselben 
Verhältnisse wie die Irren- Verpflegskosten zwischen Staat und 
Land repartirt wurden, von dem ersteren zwei und von dem 
letzteren ein Dritttheil zu den Kosten beigetragen werde. Zugleich 
wurde bestimmt, dass der Landesfond auch die auf den Staat 
entfallenden zwei Dritttheile — jedoch nur vorschussweise — zu 
tragen habe •). Anlässlich der üebergabe wurden aber im Gegen- 
satze zu dieser Forderung des Landesfondes auch Forderungen 
des Staates erhoben, und zwar mit 1,046.304 fl. 79 kr. von dem 
(1852 vollendeten) Bau des Wiener Irrenhauses ') und mit 
832.642 fl., welche laut der beztlglichen Finanz-Gesetze in den 
Jahren 1862, 1863 und 1864 nur vorschussweise für die vom 
Lande nicht getragenen Kosten geleistet worden sind. Die 
Landes- Vertretung machte namentlich gegen die letztere For- 
derung geltend, dass durch die Finanz-Gesetze allerdings fest- 
gestellt wurde, dass diese Kosten vom Staate nur vorschussweise 
geti'agen werden, dass aber damit noch keineswegs gesagt wurde 
und nach der Natur der Sache auch nicht gesagt werden konnte, 
dass den Ersatz eben das Land zu leisten habe. Der Zeitpunkt, 
von dem die Irren- Anstalten, sowie die Gebär- Anstalt, Landes- 
Anstalten geworden seien und von welchem angefangen in der 
Kostenbestreitung eine Aenderung einzutreten hat, wurde eben 
erst durch das erwähnte Reichsgesetz bestimmt; für die frühere 
Periode, sowie für die Findol- Anstalt, die nicht zur Landes- An- 
stalt erklärt wurde, müssten daher auch die bestandenen Ver- 
ordnungen massgebend sein. Was die Irren- Anstalten, sowie die 
Gebär-Anstalt betrifft, so anerkannte zwar die Staats-Verwaltung 
die Berechtigung dieser Anschauung und gab ihre Zustimmung, 
dass diese Vorschüsse sowie der Vorschuss zum Bau der Wiener 



') Beendet 1862. 

*) Die Gesammt- Baukosten betrugen 499.400 fl. 7 Vj kr., und stellte sich 
daher der vom Laude geleistete Vorschuss, nach Abrechnung des vom Staate 
geleisteten Betrages pr. 37.197 fl. 98V2 kr., mit 295.735 fl. 40 kr. heraus. 

*) Die Gesammt -Kosten beliefen sich auf 1,184.780 fl. 10 kr.; die vom 
Staate nicht getragenen Kosten (138.476 fl. 31 kr.) wurden vom Irrenfonde 
übernommen. Im J. 1820 worden dazu die Anstaltsgründe um 50.000 fl. an- 
gekauft. Im J. 1848 wurde im Monate Mai mit den Planirungen, im Monate 
Juli mit dem eigentlichen Bau begonnen. 



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49 

Irren-Anstalt gegen dem abgeschrieben werden, dass anderseits 
auch von der Rückzahlung des Vorschusses vom Landesfond e, 
anlässlich des Baues des Ybbser Irrenhauses, Umgang genommen 
werde. Allein rücksichtlich der Findel-Anstalt wurde die Forde- 
rung aufrecht erhalten und war diese DiflFerenz bei Ablauf der 
Wahlperiode noch nicht ausgeglichen. Hiezu kam aber noch eine 
weitere Meinungsverschiedenheit, bezüglich des Titels für das 
Eigenthum der in die Landes- Verwaltung tibergegangenen An- 
stalten, indem die Landes- Vertretung darauf bestand, dass das 
Land an das Eigenthum derselben geschrieben werde, die Re- 
gierung aber nur die Gewährsanschreibung der Anstalten selbst 
zugestehen wollte. Das Ende der Wahlperiode sali auch diese 
Frage ungelöst. 

Rücksichtlich der Verwaltung dieser Anstalten möge hier 
blos erwähnt werden, dass der Landtag die Regierung anging 
die gänzliche Reform des Findelwesens in zweckmässiger Weise, 
einverständlich mit dem Landes-Ausschusse, in die Hand zu 
nehmen und dahin zu wirken, dass dem Landtage eine entspre- 
chende Vorlage gemacht werden könne *), dass ferner der Land- 
tag sich dafür ausgesprochen hat^ dass die Benützung der aut 
den klinischen Abtheilungen *) entbindenden Wöchnerinnen fllr 
den Unterricht nur mit allen durch die Zwecke der Sanität wie 
Humanität gebotenen Vorsicht eingerichtet werde *), und dass 
endlich der Landtag beschloss, den alten noch vor Kaiser Josef II. 
erbauten Irrenthurm, wegen seiner vielfachen Uebelstände für die 
Kranken aufzulassen, indem er gleichzeitig die Zusammensetzung 
einer Enquetecommission anordnete, die über den Ersatz desselben 



*) Zur Erfüllung dieses, in der Sitzung vom 19. Jänner 1866 ausgesproche- 
nen Wunsches, wurden keine Vorkehrungen getroffen, so dass in der am 19. 
November 1866 eröffneten letzten Session eine Vorlage nicht gemacht wurde. 

*) Dieselben sind zugleich Gratisabtheilungen, 

*) Die beiden an den Gebärkliniken fungirenden Professoren sowie das 
ganze Professoren-CoUegium der medicinischen Facultät protestirten zwar gegen 
diese Einmengung in Unterrichtssachen und die Beschränkung der Wissen- 
schaft; die Landesvertretung beharrte aber bei ihrer Anschauung und erklärte 
sich unter Aufrechthaltung des Wunsches nach Anstellung einer grösseren 
Anzahl von Assistenten zur Ueberwachung der Studierenden erst zufrieden, als 
dargethan wurde, dass durch Einführung eines Turnus die möglichst geringste 
Anzahl von Studierenden bei jedem Krankenbette erzielt wurde. 

4 



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50 

— ob Zubau zu der neuen Wiener Anstalt oder Neubau in abso- 
luter oder relativer Trennung von derselben — 7A\ berathen hatte '). 

Zu erwähnen kommt ferner noch, dass der Landtag am 
15. Februar 1866 beschlossen hat, Frauenspersonen, ohne Rück- 
sicht auf das Religion s-Bekenntniss, in der Qebär-AnsLalt aufzuneh- 
men, und auch den unentgeltlich Aufgenommenen zu gestatten, 
die Taufen ihrer Kinder nach akatholischem Ritus vorzunehmen, 
ferner aber auch die Regierung anzugehen, die bei der Findol- 
Anstalt bestehende Einrichtung aufzuheben, wonach jüdische Kinder 
in dieselbe gar nicht, nach akatholischem Ritus getaufte Kinder 
jedoch nur entgeltlich aufgenommen werden. Nachdem die Regie- 
rung, mit Berufung auf ein bestehendes, dagegen lautendes Hof- 
kanzleidecret, diesem Begehren keine Folge geben zu können erklärte, 
wandte sich der Landtag mit Beschluss vom 2L December 1866 in 
einer eigenen Adresse deshalb an Se. Majestät. Bei Schluss der 
Wahlperiode war eine Entscheidung nicht herabgelangt '). 

Ausser dieser durch die Landesordnung gesicherten Ein- 
flussnahme auf Sanitäts- Angelegenheiten ist noch das Verhältniss 
zu den Spitälern und zur Kuhpockenimpfung zu besprechen. 
Was die ersteren betrifft, so hat sich die Regierung, ungeachtet 
das allgemeine Spital in Wien sammt Filialen aus Staatsmitteln 
auch nicht theilweise erhalten wird '), nicht veranlasst gesehen, 
die Verwaltung desselben abzutreten. Anfänglich wurde bei jeder 
Personal- und Verwaltungs-Massregel die Wohlmeinung des Lan- 
des-Ausschusses eingeholt, allein später ging man auch davon ab 
und trat das allgemeine Krankenhaus zu der nieder-österreichi- 
schen Landesfonds-Verwaltung in dasselbe Verhältniss wie zu 
jedem anderen, etwa in einer andern Provinz gelegenen Spitale. 
Dasselbe beschränkte sich auf die Zahlung der von den Verwal- 



') In der 1868er Session wurde der Bau eines Irren-, Siechen- und Ver- 
sorgungshauses statt des Thurraes beschlossen. 

*) Diese Frage wurde durch den auf Grund der Reichsgrundgesetze 
erlassenen Verordnung des Kultusministers vom 31. Jänner 1868 im Sinne 
der Religionsfreiheit entschieden. 

') Die Kosten werden aus den Ersätzen der Landesfonde, aus beson- 
deren Einkommensquellen (Verlassenschaftsgebühren, Zuschläge zur Holz- und 
Kohlen-Steuergebühr u. s. w.) und aus den Interessen der vorhandenen Stif- 
tungen bestritten. 



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51 

tungen der Krankenhäuser nachgewiesenen Kosten für in denselben 
verpflegte nach Nieder-Oesterreich zuständige Kranke. Eine Ein- 
wendung dagegen, Seitens des Landtages, wurde nicht erhoben, 
wohl aber protestirte er in einem Falle gegen die einseitig vorge- 
nommene Erhöhung der Verpflegsgebühren. In Folge der beträcht- 
lichen, aus den Verlassenschaftsgebühren sowie aus Holz- und Koh- 
len-Steuerzuschlägen*) fliessenden Einnahmen*) des allgemeinen Spi- 
tales, bestand nämlich seit jeher der Gebrauch, dass für die nach 
Wien zuständigen Kranken nur eine geringere Verpflegsgebühr 
gezahlt wurde. Die Regierung steigerte diese Gebühr, wie sich 
herausstellte, vorzüglich aus dem Grunde, weil ein Theil der 
Wiener Localzuflüsse nicht zur Bestreitung der Verpflegskosten, 
sondern zur Verzinsung und Abzahlung der namhaften Schulden 
des Spitalsfondes verwendet wurde; Schulden, die nicht durch- 
gehends für Spitalskosten entstanden waren'). 

Um jedoch dem Spitale die Mittel zu den laufenden Aus- 
lagen nicht zu entziehen, gestattete die Landes- Vertretung Vor- 
schüsse zu leisten, indem sie zugleich mit der Regierung verhan- 
delte über einen Amortisationsplan zur Bezahlung der vorhan- 
denen Schulden, und über die von den Einnahmsqn eilen hiezu 
anzuweisenden Beträge, und endlich über die sohin festzustellen- 
den Verpflegsgebühren. Die Regierung wahrte zwar das Recht 
der Feststellung der letzteren als eine lediglich ihr zukommende 
Verwaltungsmassregel, allein sie trat gleichwohl in Verhandlungen 
ein und setzte die Verpflegsgebühren in der That im Sinne der, 
Seitens des Landes-Ausschusaes abgegebenen Wohlmeinung pro- 
visorisch fest, indem sie sich zugleich bereit erklärte, rücksicht- 
lich der definitiven Feststellung eine neuerliche Berathung ein- 



') Das Wiener Btirgerapital trägt 55000 fl., der Jahannis-Spitalfond 
758 fl. bei. Der Holz- und Kohlenaufschla^ wird mit 75000 fl. und die Ver- 
lassenschaftsgebühr mit 82000 fl. berechnet, so dass diese jährlichen Localzu- 
flüsse den namhaften Betrag von 212.758 fl. herausstellen. 

•) Mit A. H. EntSchliessung vom 20 April 1803 wurde dem Kranken- 
hause die Einhebung einer Gebühr (nach einem bestimmten Tarife) von allen, 
den Betrag von 1000 fl. übersteigenden Verlassenscliaften sowie von zwei 
Groschen von jeder Klafter Holz und mit der A. H. Entschliessung vom 
Jahre 1807 auch ein Kohlenaufschlag gestattet. 

^) So z. B. aus Anlass des Baues der pathologisch-anatomischen Anstalt, 
deren Herstellung vielmehr dem Btudieufonde oblegen wäre. 

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52 

zuleiten, bis zur gründlichen Beurtheilung des laufenden Erfor- 
dernisses die unentbehrlichen Daten während der Jahre 1866 und 
1867 erfahrungsmässig festgestellt sein werden. Hierüber hat der 
Landtag jedoch erklärt auch auf eine derartige provisorische 
Feststellung vorläufig nicht eingehen und lediglich auf Leistung 
weiterer Vorschüsse sich einlassen zu können. Mit Schluss der 
Wahlperiode blieb diese Frage daher noch ungelöst 

Bezüglich der von Gemeinden errichteten Spitäler wahrte 
sich der Landtag das Recht der Zustimmung bei der Oeffentlichkeits- 
erklärung und der Feststellung der Verpflegsgebühren derselben, 
nachdem der Landesfond dabei wesentlich betheiligt ist Wäh- 
rend dieser Wahlperiode wuchsen als öffentliche Spitäler die An- 
stalten von Penzing, Waidhofen an der Thaia und Feldsberg zu. 
Dem Wohlthätigkeitshause in Baden wurde in Anerkennung der 
besondem localen Verhältnisse eine Subvention von jährlich 800 fl. 
bewilligt. *) Ausser diesen dem Landesfonde obliegenden Ver- 
pflichtung zur Kostenübernahme fiir nach Nieder-Oesterreich zu- 
ständige in einem öffentlichen Spitale verpflegte Kranke gab 
der Landtag noch seine Zustimmung, dass nach Nieder-Oesterreich 
zuständige Kranke, die in einem öffentlichen Spitale in Steier- 
mark verpflegt werden, erforderlichen Falles eines der dortigen 
landschaftlichen Bäder für Rechnung des niederösterreichischen 
Landesfondes gebrauchen können und bewilligte er ferner, dass 
hierländige Kinder gegen ein mit der Verwaltung vereinbartes 
Pauschale ') das Bad in Hall gebrauchen können. 

Rücksichtlich der Verpflegskosten für zahlungsunfähige Nie- 
derösterreicher sowohl in den Wiener Spitälern als in der Ge- 
bär- oder in einer Irren-Anstalt muss noch bemerkt werden, dass 
die Regierung die Judicatur, inwieferne die Zahlungsunfähigkeit 
in einzelnen Fällen nachgewiesen ist — für sich in Anspruch 
nahm. Mit dem 1. Jänner 1866 ging jedoch die Prüfung der 
Zahlungsfähigkeit von Kranken auch an den Landes-Ausschuss über. 

Bezüglich der Verpflegsgebühren in den verschiedenen An- 



^) Hieran wurde die Bedingung geknüpft, dass den nach Nieder-Oester- 
reich zuständigen armen Kranken die Bäder unentgeltlich überlassen werden. 

*) Gegen den Betrag von 100 fl. wird das Kind von der betreffenden 
Station der Elisabeth - Eisenbahn abgeholt, sowie dorthin zurückgestellt und 
werden auch die Verpflegung sowie die Bäder bestritten. 



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53 

stalten überhaupt musste eine Erhöhung derselben vorgenommen 
werden, um die Einnahmen der Institute den Ausgaben gleichzu- 
stellen und eine Zuzahlung des diesseitigen Landesfondes, noch 
ausser den Verpflegskosten für die nach Nieder-Oesterreich Zu- 
ständigen, zu verhüten. Es^ erschien diese Massregel um so noth- 
wendiger, als die Anzahl der nach andern Kronländern Zustän- 
digen die der einheimischen Kranken nahezu überwiegt, dem 
Lande dadurch ohnehin durch Beschaffung der erforderlichen Lo- 
calitäten grosse Opfer auferlegt werden, und als es wohl nicht 
angeht, auch noch bei den reinen Verpflegskosten fiir Fremde zu- 
zuzahlen ^). 



*) Ausweis 

über die Verpflegsgebühren per Kopf und Tag in den nachbenannten 

Anstalten. 
I. In derWiener Irren- Anstalt. 

a) Vom Jahre 1861 bis 30. April 1863 

1. Classe 2 fl. 63 kr. 

2. „ 1 » 26 „ 

3. „ — „ 56 „ (in der Heil-Anstalt) 

„ „ - „ 45% „ (in der Pflege- Anstalt) 

b) Vom 1. Mai 1863 bis 31. December 1865 

1. Classe 2 fl. 63 kr.. 

2. „ 1 n 26 „ 

3. „ — „ 66 „ (in der Heil- Anstalt) 

„ „ — „ 57 „ (in der Pflege-Anstalt) 

c) Vom 1. Jänner 1866 angefangen 

1. Classe 2 fl. 63 kr. 

2. „ 1 n 26 „ 

3. „ — „ 66 „ (in der Heil-Anstalt) 

„ „ — „ 60 „ (in der Pflege- Anstalt). 

n. In der Ibbser Irren-Anstalt. 
a) Vom Jahre 1861 bis 30. April 1863 

1. Classe 1 fl. 40 kr. 

2. „ - n 89% kr. 

3. n - n 45»A « 

h) Vom 1. Mai 1863 angefangen 

1. Classe 2 fl. — kr. 

2. n 1 » 10 „ 

3. n — » Ö3 „ 

UI. In der Gebar- Anstalt. 
a) Vom Jahre 1861 bis 31. December 1865 
1. Classe 3 fl. 50 kr. 



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54 

Die Theilnahmebei der Kulipockenimpfung beschränkte 
sich auf die Bestreitung der Reisekosten der Impfärzte, und der 
denselben zuerkannten Prämien aus dem Landesfonde. Die Be- 
rechnung der ersteren, sowie die Zuerkennung der letzteren, nahm 

die Landesvortretung für sich in Anspruch. Was nun die Impf- 

• 

2. aasse 1 fl. 92»/^ kr. 

3. „ - „ 52y, „ 

h) Vom 1. Jänuer 1866 anget'finj^en 

■ 1. Classe 3 a. 50 kr. 

2. „ 2 „ - , 

3. , _ „ 70 „ 

IV. In der Finde 1-A n s t a 1 1. 
a) In der Anstalt selbst 
1861 u. 1862 25 '/32 kr. für Kinder bis zum 1. Lebensalter, 
„ „ „ ^S'Yie „ „ « vom 2. bis z. volleud. 6. Lebensalter, 

„ „ „ ^6>Vie » « n • ^^^ 7. bis z. „ 10. „ u. darüber 

1863, 1864, 1865 u. 1866 SO'/ai kr. für Kinder b. z. vollend. 1. 

„ „ „ „ 48*/^ „ „ ^ vom 2. b. z. vollend. 6. Lebensalter 

n •'>l*yie« » n n 7. bis z. „10. „ 

und darüber. 
h) In der auswärtigen Pflege. 

Vom Jahre 1861 ab angefangen 

143/ii kr. für Kinder bis zum vollendeten 1. Lebensalter, 

IIV3 V « . n vom 2. bis zu dem vollendeten 2. Lebensalter 

8/4„n V ^«^«nn« n 6. „ 

•"^ /6 rt T r, ,, 7. ,,„„ „ 10. ,, 

14y,.j „ „ „ „ 10. „ zur Entlassung aus der Anstalt. 

Ueberdies erhält die Pflegepartei als Kemuneration den Betrag von 
4 fl. 20 kr., wenn dieselbe das Kind bis zum 1. Lebensalter gebracht, und 
dasselbe ununterbrochen durch volle 8 Monate verpflegt hat. 

c) Für im Set. Anna - Kinderspitale behandelte Kinder wird ohne Unter- 
schied des Alters eine tägliche Gebühr von 35 kr. vom Jahre 1861 ab bis 
gegenwärtig gezahlt. 

Aufnahms-Taxen. 
Vom Jahre 1861 bis 31. December 1862 

1. Classe 308 fl. 70 kr. 

'^' 105 „ - , 

^^. „ 52 „ 50 „ 

4. „ 21 „ - „ 

Vom 1. Jänner 1863 bis 31. October 1865. 

1. Classe 308 fl. 70 kr. 

2. „ 120 „ - „ 

3. - 60 „ - „ 

4. „ 25 „ - „ 



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55 

prämien betriflft, so wollte dies ursprünglich nicht zugestanden 
werden, da man diese Prämirung als ein Recht der Executive 
ansah. Allein der Landtag beharrte auf seiner Anschauung, wel- 
cher sodann auch die Regierung beistimmte, wobei übrigens be- 
merkt wurde, dass der diesfällige Ausspruch der Landes Vertre- 
tung ohnehin nur auf Grund des von der Landes -Medicinalbe- 
hörde gemachten Vorschlages geschah. — Allein auch in dem 
Falle hat diese Kostenantheilname zu einer weitergehenden Ein- 
flussname geführt. Einerseits hat sich der Landtag über die von 
der Regierung gestellte Anfrage, in wiefeme dem von einem an- 
dern Landtage gestellten Ansinnen um Einführung des Impf- 
zwanges zu entsprechen wäre, gegen den Zwang ausgesprochen *), 
und anderseits hat er der Revaccination der Kuhpocken-Lymphe 
sein Augenmerk zugewendet. Es wurden nämlich dem Inhaber 



Vom 1. November 1865 angefangen 

1. Classe 308 fl. 70 kr. 

2. ^ 140 „ ~ „ 

3. „ 80 „ - „ 

4. n 35 „ - , 

V. In den Wiener Krankenhäusern 

a) Vom Jahre 1861 bis 30. November 1863 

1. Classe 2 fl. — kr. 

2. „ 1 „ 40 „ 

3. „ — „ 63 „ für Niederösterreicher des flachen Landes, 
„ „ — «42 „ r> zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten, 
y, „ — „ ISVa ., „ zahlungsunfähige Wiener. 

b) Vom 1. Deceinber 1863 bis 31. August 1866. 

1. Classe 3 fl. — kr. 

2. „ 1 „ 40 , 

3. „ „ — 66 „ für Niederösterreicher des flachen Landes, 
„ „ „ — 45 „ für zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten, 
„ „ — «31 «für zahlungsunfähige Wiener. 

c) Vom 1. September 1866 angefangen 

1. Classe 3 fl. — kr. 

2. . 1 „ 50 „ 

3. „ — „ 70 „ für Nieder Österreicher des flachen Landes, 

yj „ — ^ 47 „ „ zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten, 
„ „ - „ 33 „ „ zahlungsunfähige Wiener. 

*) Die abgegebene Erklärung ging dahin, dass eine zweckmässige Re^ 
Vision und Erneuerung- der für die Impfung bestehenden Vorschriften hin- 
reichen dürfte, um die Theilnahme für die Impfung beim Volke zu sichern. 



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56 

einer Privatanstalt von frischer Kuhpocken-Lymphe in Wien Sub- 
ventionen aus dem Landesfonde, jedoch gegen dem gegeben, dass 
er die Impfärzte entsprechend betheile. Da sich nun nach den 
eingeholten Berichten über zweijährige Versuche herausstellte, 
dass nur bei 60% eine Haftung des Impfstoffes erfolgte, so wurde 
später davon Umgang genommen, zugleich aber die Reiseauslagen 
des Primararztes der Findelanstalt nach Wieselburg zur Beschaf- 
fung von originären Lymphen auf den Landesfond übernommen, 
damit die Revaccination bei dem Haupt-Impfinstitute selbst vor- 
genommen werden könne. 



VI. Strassen- imd Wasserbauten. 

Nach §. 18 I. Punkt 2 der Landesordnung sind die öffent- 
lichen Bauten, welche aus Landesmitteln bestritten werden, als 
Landesangelegenheit erklärt. In Befolgung dessen übergab die 
Regierung gleichzeitig mit der Verwaltung des Landesfondes auch 
die Administration einer aus demselben gebauten und erhaltenen 
Strasse und einer Brücke. 

Irgend eine Beschränkung bei dieser Verwaltung, wie z. B. 
die Eventualität, diese Strasse oder Brücke nicht mehr erhalten 
zu wollen, war hiebei nicht angedeutet, da es sich ja um eine 
selbstständige Verfügung über Landesmittel handelte und auch 
die Landesordnung in dieser Beziehung keine Schranken kennt. 
In einem Widerspruche hiemit stand eine Hauptbestimmung des 
von der Regierung in der II. Session eingebrachten Entwurfes 
eines Gesetzes für die Herstellung und Erhaltung der nichtära- 
rischen öffentlichen Strassen, nachdem darin die Form des Lan- 
desgesetzes für die Erklärung und Auflassung von Strassen als 
Landesstrassen, d. i. solchen Strassen, deren Kosten ganz aus dem 
Landesfonde getragen werden, oder für deren Einreihung in eine 
andere Categorie von Strassen in Antrag gebracht und unge- 



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57 

achtet des lebhaften Kampfes dagegen auch daran festgehalten 
wurde. *) 

Die sonstige Wirksamkeit des Landtages in Strassen Sachen 
trat nur in Folge des auf Grund einer Regierungsvorlage be- 
schlossenen und am 21. Mai 1863 A. H. sanctionirten Ge- 
setzes ein. 

Nach demselben hatten ausser den Landesstrassen noch 
zwei Categorien nicht ärarischer öffentlicher Strassen, und zwar 
der Concurrenz- und Gemeindestrassen zu bestehen. 

Zwar hatte die Regierung durch die Vorlage dieses Gesetz- 
entwurfes dem Landtage die Competenz der diesfälligen Gesetz- 
gebung nach §. 18 in der Landesordnung zuerkannt, allein das 
Recht der selbstständigen Erklärung von Strassen zu Concurrenz- 
strassen und zur Auflassung derselben, räumte sie ihm so wie 
bezüglich der Landesstrassen nur insofern ein, als dieselbe im 
Wege der Landesgesetzgebimg stattfinden sollte. Die Landes- 
vertretung wollte dieses Recht ebenfalls dem Landtagsbeschlusse 
allein vorbehalten, weil dadurch eine viel leichtere Bewegung für 
den Landtag, rücksichtlich der oft rasch hintereinander folgenden 
Aenderungen möglich gewesen wäre und weil durch die Art 
dieser Entscheidung über die Concurrenzstrassen ein wesentlicher 
Einfluss auf die Anzahl der Landesstrassen, also auch auf den 
Landesfond genommen wird. Der diesfällige Widerstand des 
Landtages war von keinem Erfolge. ') Ebenso wenig wollte die 
Regierungsvorlage der Landesvertretung einen Einfluss auf die 
Beaufsichtigung der Gemeinde- und Concurrenzstrassen einräu- 
men. Rücksichtlich der ersteren nahm der Landtag auch gar 
nicht in Anspruch, dass ein solcher im Strassengesetze festge- 
stellt werde, nachdem dadurch, dass die Herstellung und Erhal- 



^) In dem in der 1868er Session revidirten und unterm 3. November 
1868 A. H. sanctionirten Strassengesetze wurde die Form des Landesgesetzes 
lediglich für die gänzliche Auflassung beibehalten, dagegen die Erklärung 
einer Strasse zur Landesstrasse oder deren Eintheilung in eine andere Cate- 
gorie von Strassen ganz allein von dem Landtags - Beschlüsse abhängig 
gemacht. 

*) Dagegen ist in dem neuen Strassengesetze vom 3. November 1888 
allerdings der Landtagsbeschluss als ausreichend für diese Bestimmungen über 
die Concurrenzstrassen anerkannt worden. 



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58 

tung der Gemeindestrassen nach §. 26 des Gemeindegesetzes 
in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinden gehört und 
eine Beschwerde hingegen ohnehin an die Landesvertretung gelangen 
muss *). Dagegen wurde darauf bestanden, dass der Landesver- 
tretung die Beaufsichtigung der Concurrenzstrassen eingeräumt 
werde. Es war dies wohl die noth wendige Folge der regel- 
mässigen Beiträge von Subventionen, welche nach dem Gesetze 
aus dem Landesfonde für diese Strasse geleistet werden sollten *). 
Das mehrerwähnte Strassengesetz trat mit dem in demsel- 
ben vorgesehen gewesenen Termine vom 1. August 1863 nur 
theilweise ins Leben. Was die Landes- und Concurrenzstrassen 
betrifft, war der Landtag in der 1863er Session nicht in der 
Lage, die auf Grund des Strassengesetzes erforderlichen Special- 
gesetze zur Feststellung der einzelnen Strassen-Kategorien gleich- 
zeitig zu berathen. Bis zur 1864er Session waren allerdings 
mehrfache Vorberathungen gepflogen und wurde sich in dersel- 
ben nicht nur über die Landesstrassen geeinigt, sondern würde man 
sich ohne Zweifel auch über die erforderliche Auswahl der Con- 
currcnz-Strassen schlüssig gemacht haben. Da jedoch zugleich für 
jede derselben die Concurrenz, d. K die Anzahl der zu jeder ein- 
zelnen Strasse beitragspflichtigen Gemeinden sowie das Ausmass der 
Leistung bestimmt werden sollte, musste davon auch in diesem Zeit- 
punkte Umgang genommen werden, nachdem hierzu abermalige und 
zwar sehr umständliche Erhebungen zu pflegen waren. Da nun 
in dem Gesetze vom 21. Mai 1863 §. 35 festgesetzt war, dass 
die früher bestandenen Kreisfonds-Umlagen nur mehr bis 30. April 
1864 fortbestehen sollten, musste auf ein Provisorium bis zur nächsten 
Session gedacht werden. Der Landtag berieth daher ein Gesetz, 
womit eine Verlängerung des Termines für den Fortbestand der 
Kreisfonds-Umlagen bis Ende 1864 ausgesprochen und zugleich 



*) Die Regierung gab dieser Auslegung erst in der späteren Zeit Kaum. 
In dem neuen Strassengesetze ist übrigens die Aufsicht über die Gemeinde- 
Strassen ausdrücklich den Strassenausschüssen und in oberer Linie dem Lan- 
des-Ausschusse zuerkannt. 

'^) Die Einräumer-Löhnungen sollten zum grössten Theile auf den 
Landesfond übernommen werden und hätte derselbe wahrscheinlich auch alle 
8% der directen Steuer übersteigende Auslagen zu tragen gehabt, nachdem 
08 im Gesetze hiess, dass eine höhere Umlage nicht bestehen dürfe. 



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59 

der Landes- Aiisschuss zui* Feststellung provisorischer Concurren- 
zen im Einvernehmen mit der Statthalterei bis zur nächsten Ses- 
sion ermächtigt wurde. Allein dieses Gesetz erhielt mit der A. H. 
EntSchliessung vom 21. October 1864 „wegen der die Befugnisse 
des Landes - Ausschusses zu weit ausdehnenden Bestimmungen" 
die Sanction nicht. Zu gleicher Zeit geruhten Se. Majestät den 
weiteren Fortbestand der Kreisfonds-Umlagen anzuordnen. Da 
nun diese Fortdauer Seitens des Landtages nur bis Ende 1864 
beschlossen war, dessen Einberufung im Jahre 1865 erst Ende 
des Monates November erfolgte, konnte die Ausschreibung dieser 
Umlagen mit Zustimmung der Landes-Vertretung nur für den 
II. Semester 1864 stattfinden, und musste dieselbe pro 1865 ohne 
eine solche erfolgen (siehe Landesvermögen). 

Bis zur 1865er Session waren nun zwar in der That sehr 
umständliche Erhebungen bei sämmtlichen Gemeinden gepflogen. 
Allein das Ergebniss war derart, dass sich die Durchführung der 
im 1863er Strassengesetze vorgesehenen Einzelconcurrenzen nicht 
empfahl. Indem der Landtag die Ausschreibung der Kreisfonds- 
Umlagen pro 1865 daher nachträglich genehmigte, stellte er 
Bezirks-Concurrenzen fest, welche mit dem Jahre 1867 in^s Leben 
treten sollten, und beschloss er die nochmalige Ausschreibung der 
genannten Umlagen pro 1866. Aber auch dem diesfälligen Ge- 
setze wurde die A. H. Sanction nicht zu Theil, weil die Regierung 
die mitaufgenommene Bestimmung, dass zur Auflassung einer 
Bezirks-Strasse nicht mehr ein Landesgesetz, sondern ein Landtags- 
Beschluss genüge, beanständen zu müssen erachtete *). Die Folge 
dieses neuerlichen Aufschubes war, dass der Landtag erst in der 
1866er Session das Gesetz in der unbeanstandeten Form beschlies- 
sen konnte und dass sodann, nachdem die A. H. Sanction am 
13. December 1866 erfolgt war, die auf Grund desselben zu 
fassenden Beschlüsse nur knapp vor Schluss der Session und 
Wahlperiode zu Stande kamen. Dieselbe endete daher zwar mit 
der Vorbereitung zur endlichen Durchführung des wesentlichsten 
Theiles des Strassen - Gesetzes, und durch vier Jahre war sie 
durch wiederholte Gesetzesablehnungen hintangehalten! 



*) Wie bereits erwähnt, hat dieselbe Bestimmung keinen Anstand zu 
der am 3. November 1808 erfolgten Sanction des neuen Strassengesetze s 
geboten ! 



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60 

Hingegen erhielt das Gesetz über die einzelnen Landes- 
Strassen am 18. März 1866 die A. H. Sanetion, nachdem es 
bereits in der 1864er Session vom Landtage beschlossen, damals aber 
A. H. Ortes nicht sanctionirt wurde , weil der diesfäUige Landtags- 
beschluss unter der bestimmten Voraussetzung der gleichzeitigen 
Sanetion des unter Einem hiezu vorgelegten Mauthgesetzes gefasst 
war, diese Voraussetzung aber nicht in Erfüllung ging, nachdem die 
Mauthtarife zu hoch erschienen sind und die Einbeziehung der 
Mauthbefreiungen in dieses Gesetz wegen der Competenz des 
Reichsrathes beanständet wurde. 

Nichts zeigte die Entbehrlichkeit der Seitens der Regierung 
so beharrlich in Anspruch genommenen Form eines Landes- 
gesetzes für die Landesstrassen deutlicher, als — die Praxis. Als 
nämlich in der 1864er und 1865er Session das Gesetz über die 
einzelnen Strassen angenommen war, stellte der Landtag in die 
Landesfonds- Voranschläge pro 1865 und ebenso dann auch pro 
1866 die entsprechenden Summen ein. Ungeachtet nun die Sane- 
tion das erste Mal gar nicht und das zweite Mal erst im Monate 
März 1866 erfolgte, so wurden diese Strassen doch aus dem 
Landesfonde dotirt und genau so erhalten, als ob sie schon da- 
mals Landesstrassen gewesen wären. Die Re^erung konnte die 
Verwendung des Landesfondes für bestimmte Strassen, nachdem 
sie einmal die Einhebung der Landesumlage in der beschlossenen 
Höhe genehmigt hatte, nicht beanständen, ja, sie hat sogar aus- 
drücklich bei der Bemessung der Höhe der pro 1865 auszuschrei- 
benden Kreisfonds - Umlagen auf diese Bedeckung eines Theiles 
der Strassen- Auslagen aus dem Landesfonde Rücksicht genommen. 

Würde die Regierung die Kreisfonde gleich dem Landes- 
fonde u. s. w. übergeben haben, so hätte die Thätigkeit der 
Landes - Vertretung in Strassensachen bereits im Jahre 1861 
begonnen. Dieselbe wäre sodann zur Zeit der Berathung des 
Strassengesetzes mit den erforderlichen Erfahrungen ausgerüstet 
gewesen, und würde ihrerseits in der Lage gewesen sein, auf 
manche in der Regierungsvorlage enthaltenen Punkte nicht ein- 
zugehen, welche bei der practischen Durchführung Hindemisse 
boten. Jedenfalls hätte der Landtag die Möglichkeit gehabt, dem 
Drängen der Regierung auf die in vielfacher Beziehung so 
hinderliche Form der Landes-Gesetzgebung damit ausreichend zu 



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61 

begegnen, dass er von der Erklärung von Landes- und Bezirks- 
Strassen ganz abgesehen, und die Verwaltung der Kreisfonde 
bis auf weiteres fortgeführt hätte. Allein die Regierung übergab 
die Bjreisfonde im Jahre 1861 nicht, indem sie vorgab, dass die- 
selben nicht aus Landesmitteln entstanden seien, sowie, dass sie 
insolange nicht der Landes- Vertretung übergeben werden können, 
als nicht bestimmt ist, dass in Nieder-Oesterreich keine Kreis- 
Vertretungen eingeführt werden. Diese Auffassung musste um so 
auffälliger erscheinen, als der Regierungs-Vertreter in der ersten 
Session diese Fonde ebenfalls als einUebergabs-Object bezeichnet, die 
Voranschläge für das Jahr 1862 vorgelegt und die Landes - 
Vertretung zur Ausschreibung der Umlage aufgefordert hatte. 

Nachdem nun diese Uebergabe erst mit dem im Strassen- 
gesetze vom 21. Mai 1863 vorgesehenen Zeitpunkte, d. i. am 
1. August 1863, erfolgte, erhielt die Landes - Vertretung , erst 
2*/^ Jahre nachdem sie in^s Leben getreten war, die zwei bereits 
früher aus dem Landesfonde erhaltenen Objecto ausgenommen, 
einen Wirkungskreis in Strassensachen, und hatte sie, wie eben 
auseinander gesetzt wurde, auch dann noch insoferne mit Schwie- 
rigkeiten bis zum Ende der Wahlperiode zu kämpfen, als nicht 
einmal die Categorisirung der Strassen innerhalb dieses Zeit- 
raumes vollzogen war, die Feststellung der Voranschläge fast 
durchgängig nur spät erfolgte, u. s. w., u. s. w. 

Was nun die Einrichtungen bei der Strassen- 
Verwaltung betrifft, welche von der Landes- Vertretung ge- 
troffen worden sind, so muss zunächst bemerkt werden, dass man 
an der vorgefandenen Organisation bis Ende des Jahres 1864 
nichts änderte. Diese bestand in 18 Administrationen, welche 
thoils von Bezirks-Bauämtem *) , theils von Bezirks-Aemtern *) 
unter Intervention der Bezirks-Bauämter geführt worden sind. 
In einem einzigen Falle — Mariazeller-Strasse — bestand eine 
Privat- Administration, jedoch ebenfalls einem Bezirks - Amte ') 
unterstellt In mehreren Fällen war die Administration auf eine 



*) Brack a. d. Leitha, Hitzing, Komeuburg, Poysdorf und Wr.-Neustadt. 
•) Feldsberg, Hörn, Krems, Waidhofen a. d. Thaia uud a. d. Ybbs, 
Gammig, Herzogenburg, Mautern, Neulengbach, St. Peter, Scheibbs, Tulln. 
») St. Polten. 



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62 

einzige Strasse und in mehreren auf einen Complex von Strassen 
ausgedehnt. Als Hilfsorgane amtirten im V. U. W. W. und zum 
Theile auch 0. W. W., sowie O. M. B. sogenannte Wegmeister*), 
dann im V. U. M. B. und grösstentheils auch im V. O. M. B. 
Strassen-Commissäre und in dem erstgenannten Viertel unter den- 
selben noch Obereinräumer, welche ausser der eigenen Wegstrecke 
noch eine Anzahl anderer Einräum er zu überwachen hatten. Die 
Strassencommissäre waren keine eigens angestellten Organe, sondern 
in der Regel Vertrauensmänner aus der Bevölkerung. Sie bezogen 
zuweilen Remunerationen, hatten aber an der eigentlichen Strassen - 
Verwaltung gar keinen Antheil, indem sie lediglich zur Aufsicht 
verwendet werden sollten. Weil sie aber eben den Geschäften fremd 
gestellt blieben, deshalb verschwand ihre Wirksamkeit an vielen 
Orten ganz, so dass meistens von der Existenz des Strassen- 
Commissärs gar nichts bekannt war. 

Während nun in andern Ländern diese oder ähnliche vor- 
gefundenen Einrichtungen wegen Mangel eigener Organe beibe- 
halten worden sind, und die Landes-Vertretungen mit den 1. f. 
Organen weiter verwalteten, organisirte der n. ö. Landtag den 
technischen Landesdienst und insbesondere die Strassenverwal- 
tung ganz selbstständig. 

Nachdem schon im Jahre 1863 zwei Ingenieure zur Besor- 
gung der bei der Centralleitung vorkommenden technischen 
Geschäfte bestellt worden sind, wurden 1864 für den unmittel- 
baren Dienst am Lande weitere fünf Ingenieure*) berufen. Diese 
exponirten technischen Landesorgane hatten aber keineswegs 



*) Empirisch gebildete Techniker — grössten Theils gewesene Unter- 
oflficiere militärisch - technischer Korps — mit verschiedenen Gehaltsbeziigen 
3 — 500 fl. und sogenannten Weggeldern. Diese Einrichtung wurde in den 
1850er Jahren bei Organisirung des Staatsbau - Dienstes für die ärarischen 
Strassen zuerst getroffen; dermalen gibt man sie ebcndort wieder auf. 

^) Mit den Amtssitzen zu Brück a. d. Leitha und Wr. - Neustadt im 
V. U. W. W., zu Scheibs im V. O. W. W., zu Krems im V. O. M. B. und 
zu Korneuburg in V. U. M. B. Daran wurde im J. 1867 insoferne etwas 
geändert, als die Stelle in Brück a. d. Leitha einging, und der Amtssitz des 
Ingenicures für das V. O. W. W. von Schoibbs nach St. Polten verlegt wurde, 
Uebrigens muss dabei noch bemerkt werden, dass die nächst Wien gelegenen 
Strassen von den dort stationirten Ingenieuren versehen wurden. 



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63 

die Strassen Verwaltung selbst. Es wurde vielmehr principiell der 
Grundsatz aufgestellt, dass sie nur die Cellaudirungen vorzu- 
nehmen und überhaupt die ControUe darüber zu führen hatten, 
dass die Strassen in gutem Zustande erhalten werden. Die un- 
mittelbare Strassenaufsicht , sowie die Verrechnung und sämmt- 
liche Auszahlungen fiihrten die für jede einzelne Strasse eigens 
bestellten Administratoren. Dieselben waren Vertrauensmänner 
aus der bei der betreffenden Strasse betheiligten Bevölkerung, 
denen für ihre Mühewaltung und insbesondere für ihre haaren 
Auslagen Pauschalien bewilligt wurden. Durch vorhinein bewil- 
ligte Verlagsgelder *), und durch die Gestattung eine Reihe von 
Ausgaben innerhalb der Grenzen des Voranschlages bewerk- 
stelligen zu können, sowie dadurch, dass den Administratoren 
eine gewisse Selbstständigkeit — sie waren den Ingenieuren 
keineswegs unterordnet, hatten aber die Verantwortung für Mass- ' 
regeln zu tragen, die sie etwa gegen den Rath derselben treffen 
würden, die Einräumer waren von ihnen zu bestellen und konnten 
auch von ihnen entlassen werden — eingeräumt wurde, gelang 
es, eine wesentliche Vereinfachung des Strassengeschäftes für die 
Centralleitung herbeizuführen, ungeachtet die unmittelbare Auf- 
sicht der Strassen, die vorher eigentlich nur unvollkommen be- 
standen hat, in der nöthigen Ausdehnung ermöglicht wurde. 

Der Werth dieser Einrichtungen lag vorzüglich darin, dass 
nun die obere Aufsicht nicht mehr als Nebenaufgabe, wie vorher, 
sondern als der eigentKche Beruf der Landes-Ingenieure ausgeübt 
wurde, insbesondere aber darin, dass durch eine permanente 
Aufsicht der Einräumer den Strassen jene unausgesetzte Pflege 
zugewendet werden konnte, welche allein wesentliche Ersparnisse, 
namentlich in der Verwendung von Schottermateriale herbeizu- 
führen vermag. Auch kann nicht verkannt werden, dass durch 
die Abnahme der Geldgebahrung von den Ingenieuren diese 
nicht nur vor der fast permanenten Übeln Nachrede geschützt 



*) Die Beiträge für die Schotter - Lieferungen wurden den Unter- 
nehmern bei den Steuerämtern separat jedoch auch vorhinein und der 
Art angewiesen, dass dieselben nach Massgabe der vollzogenen Lieferung 
über einfache Vidirungen der Strassen - Administratoren behoben werden 
konnten. 



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64 

werden, sondern auch durch die Uebertragung dieses Geschäftes 
an einen aus der Mitte der unmittelbar betheiligten Bevölkerung 
hervorgegangenen Vertrauensmann die bisher oft nicht vorhandene 
Ueberzeugung von dem wirklichen Bedarf einer Strasse in der 
Bevölkerung hervorgerufen wurde. 

Das öflfentliche Urtheil über diese Einrichtungen war, in 
Folge der bald danach eingetretenen Wirkungen eines besseren 
Zustandes der Strassen, wohl zustimmend, allein insoweit gleich- 
wohl Bedenken Raum gebend, als der Kostenaufwand zu bedeu- 
tend erschien. 

Der Landtag hat auch diese Frage eingehend erörtert und 
hat sich dabei nachfolgendes Resultat herausgestellt. Die für die 
früliere Aufsicht getragenen Kosten beziflferten sich im Jahre 1863, 
wo die Verwaltung noch in Händen der Statthalterei war, mit 
13.522 fl. und in der 14monatlichen Verwaltungsperiode 1864, 
wo die Leitung der Geschäfte bereits an die Landes-Vertretung 
abgegeben war, mit 14.600 fl. Im Jahre 1865, das ist eben in 
dem ersten Jahre, wo die neuen Einrichtungen Platz griffen, 
wurden für die Ingenieure an Gehalten und Reisepauschalien 
20.433 fl. ausgelegt. Danach stellt sich nun allerdings eine Mehr- 
ausgabe von 6911 fl. gegen das Jahr 1863, 7933 fl. gegen das 
Jahr 1864 (wenn man nur eine 12monatliche Periode mit 12.500 fl. 
annimmt) heraus. Für das Jahr 1866 wurden die Reisepauscha- 
lien der Ingenieure, nach den inzwischen gemachten Erfahrungen 
in etwas herabgemindert, so dass deren Gesammtbeztige nur 
mehr 16.606 fl. betrugen. Danach stellt sich die Mehrausgabe 
gegen 1863 nur mehr mit 3084 fl. und gegen 1864 mit 4106 fl. 
heraus. Dieser Mehraufwand wäre aber schon damit hinreichend 
gerechtfertigt, dass die Ingenieure zu vielen Bauten und Ge- 
schäften mitwirkten, welche sich nicht auf die Strassenconser- 
vation bezogen und dass namentlich die bei der Centralleitung 
bestellten Ingenieure zu vielen administrativen Arbeiten verwen- 
det wurden, zu deren Versehung eben andere Organe hätten be- 
rufen werden müssen. Allein der weit gewichtigere Rechtferti- 
gungsgrund liegt darin, dass der Strassenzustand anerkannter- 
massen ein besserer war, und gleichzeitig die Gesammt- Erhal- 
tungskosten geringer wurden. In dieser Beziehung constatirte 
der Landtag, dass dieselben Strassen, welche im Jahre 1863 



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65 

402.139 fl. 64 kr. und 1864, bereits nach Richtigstellung für 
12 Monate, 407.503 fl. 19 kr. erforderten, im Jahre 1865 nur 
368.563 fl. 66 kr. und 1866 387.104 fl. 57 kr. kosteten, so dass 
sich beim Vergleich mit 1865 ein Ersparniss herausstellt gegen 
1863 mit 33.575 fl. 98 kr., ferner gegen 1864 mit 38.939 fl. 
5.^ kr. und bei der Parallele mit 1866 gegen 1863 mit 15.035 fl. 
7 kr., sowie gegen 1864 mit 20.398 fl. 62 kr.; Ersparnisse, wo 
die Gesammtkosten für die Ingenieure ihre mehr als ausreichende 
Bedeckung finden '). 

So sehr sich demnach diese Einrichtungen im Allgemeinen 
bewährt haben, so verschloss sich die Land es -Vertretung doch 
nicht der Nothwendigkeit von einigen Aenderungen. Dieselben 
stellten sieh nun in soweit als wünschenswert heraus, als die 
Strassen-Administratoren, obwohl sie, nicht Beamte und besoldet 
waren, doch in mehren Fällen, lediglich darum, weil sie eben er- 
nannt wurden — wobei leicht eine Fehlwahl getroffen sein mochte, 
gewiss aber der Neid von dritten Personen hervorgerufen wurde, 
— nicht mehr die Stellung als Vertrauensmänner auch der Be- 
völkerung einnahmen, welche ihnen um so notli wendiger war, als 
ein Theil ihrer Geldgebarung ihnen selbstständig überlassen bleiben 
musste und sie daher mannigfachen Anfeindungen ausgesetzt waren. 
Die Landes- Vertretung erachtete, dass dem vorgebeugt werde, wenn 
diese Functionäre von der Bevölkerung selbst gewählt wüi'den, 
wo dann auch die Unannehmlichkeit wegfiel, Ernennungen vor- 
zunehmen, deren Unfehlbarkeit natürlich nie zu verbürgen ist. Es 
erschien dies vereinbar mit den Strassen- Ausschüssen, welche, 
nach dem bereits erwähnten modificirten Strassengesetze, für die 
Strassen- Concurrenz-Bezirke gewählt werden sollten. Damit bot 
sich zugleich der Vortheil, dass die der Landes- Vertretung un- 
mittelbar zustehende Strassen-Verwaltung (d. i. nur die der Lan- 
desstrassen) nicht mehr einer einzelnen Person, sondern einem 
ganzen Ausschusse, daher auch mit erhöhtem Vertrauen, eventuell 



') Ausser den Auslagen für die Ingenieure sind allerdings noch die Kosten 
für die Administratoren zu erwähnen. Da jedoeh dies(dhen in den Auslagen 
für die einzelnen Strassen jeweilig miteinbezogen sind, so kann um so weni- 
ger von einer Mehrauslage die Rede sein, als ja, wie eben gesagt, der Con- 
servations aufwand sammt diesen Kosten für die Administratoren noch ein gei'in- 
gerer war, als in den früheren Jahren. 

5 



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66 

ohne Rechnungslegung, lediglich gegen ein bestimmtes Pauschale, 
also unter wesentlichen Greschäfts - Vereinfachungen tibergeben 
werden kann. In Würdigung dieser Umstände beschloss der 
Landtag, die in das bereits erwähnte Strassen-Nachtrags-Gesetz 
vom 13. December 1866 einbezogene Bestimmung, dass künftig- 
hin die Verwaltung der Landesstrassen den Bezirks-Strassen- Aus- 
schüssen übergeben werden kann. Nachdem nun dieses Gesetz 
erst mit 1. Jänner in's Leben trat, konnte auch diese Bestim- 
mung in der 1. Wahlperiode, nicht Platz gegriflfen haben und 
wird erst die Folge zeigen, inwiefern dieselbe die Aufstellung 
der Strassen-Administratoren ganz oder grössten Theils entbehr- 
lich macht *). 

Zur Beurtheilung inwiefern für die Provinz Nieder-Oester- 
reich durch Strassen überhaupt — abgesehen von ihrem Zustande 
— bis zum Jahre 1863 vorgesorgt war, und was an diesem 
Verhältnisse seither geändert wurde, mögen hier einige statisti- 
sche Daten ihren Platz finden. 

Seit Ende des vorigen und Anfang dieses Jahr- 
hundertes gab es in Nieder-Oesterreich 131 Meilen Strassen, 
die aus Staatsmitteln erhalten wurden. Es lässt sich nicht läugnen, 
dass hiemit der Anfang im Strassenwesen überhaupt gemacht 
wurde, denn es kann als ausgemacht auch für die ersten flint 
Decenien dieses Jahrhundertes gelten, dass, wenn nicht aus Staats- 
oder Privat-Mitteln eine Strasse errichtet wurde, dies nur den 
Gemeinden oder eigentlich den bis zum Ende des fünften Dece- 
niums bestandenen Herrschaften überlassen blieb, um — in der 
tiberwiegenden Mehrzahl von Fällen nicht zu geschehen. Aus dem 
Grunde lässt es sich erklären, warum unter diesen Staatsstrassen 
sich auch solche befinden, welche keineswegs wegen eines grösse- 
ren Verkehres oder wegen der Verbindung mit anderen Kron- 
ländern, sondern in Berücksichtigung von Staatsbesitzungen (Wal- 
dungen) seinerzeit hergestellt wurden. 

Bei dem in unserer Zeit zu Tage tretenden Bestreben, den 



') Im Jahre 1867 wurde von dieser Bestimmung nur in vereinzelten 
Fällen Gebrauch gemacht. Im Jahre 1868 wurde die Verwaltung der Lan- 
des -Strassen grösstentheils bereits den Bezirks - Strassen - Ausschüssen über- 
geben. Eine Ausnahme wurde bisher nur noch mit mehreren Strassen 
nächst Wien sowie mit mehreren neugebauten Strassen gemacht. 



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67 

Staatsschatz von allen Lasten zu befreien, zu denen er nicht 
strenge berufen ist, hat man nun allerdings den Versuch gemacht, 
eine Anzahl solcher Strassen zu excammeriren. Hiebei ging man 
von der Ansicht aus, dass künftighin nur mehr die, die Haupt- 
stadt mit den Grenzen, d. i. mit andern Provinzen verbindenden 
Strassen aus Staatsmitteln erhalten werden sollen. Der Landtag 
hat sich bezüglich der diesfälligen 38 Meilen betreffenden Vor- 
lage Ende 1865 gegen die sofortige Uebemahme dieser Stras- 
sen und bei der Erneuerung derselben — im Jahre 1866 — 
dahin ausgesprochen, dass mit dieser Excammeririmg nicht vor 
Ende 1868 vorgegangen, dann dass ein entsprechender Theil der 
an diesen Strassenzügen liegenden Wiener Linienmauthen dem 
Landesfonde zugewiesen, endlich dass die Donaubrücke bei 
Stein auch fernerhin als Staatsobject behandelt werde *). 

Ausser den Staatsstrassen gab es noch 48 Meilen Privat- 
strassen. Darunter befanden sich auch mehrere Meilen in der 
nächsten Umgebung der kaiserlichen Lustschlösser, die von dem 
Hoförar erhalten wurden, endlich aber auch die Eingangs dieser Ab- 
theilung über Strassen- Angelegenheiten erwähnte, aus dem Lan- 
desfonde anlässlich eines sehr bedeutenden Elementarereignisses 
hergestellte und erhaltene (Kremsthal-) Strasse. 

Mit dem Ende der Patrimonial-Herrschaften 1850 musste 
für die Strassen in einer andern Weise vorgesorgt werden. Es 
geschah dies aus den, nach dem Umfange der damals in's Leben 
getretenen Bezirks-Hauptmannschaften mittelst besonderer Umla- 
gen gebildeten Bezirksfonden. Dieselben bestanden, wie bereits 
erwähnt, zu verschiedenen gemeinschaftlichen Auslagen, aber vor- 
züglich auch zu Strassenkosten. Zum ersten Male wurden aus 
öffentlichen Geldern Beiträge zu den sogenannten Vicinalstrassen 
— wozu damals eben Alles zählte, das nicht Staatsstrasse 
war — geleistet. Dieselben konnten der Natur der Sache nach 
nicht gross sein, und es mussten sehr bedeutende Naturalleistim- 
gen ergänzen. 



') Diesen Wünschen wurde entsprochen und deingemäss erklärte der 
Landtag sich in der 1868er Session, vorbehaltlich der Eintheilung der ein- 
zelnen Strassen in die verschiedenen Categorien von Landes -und Bezirks- 
Strassen, zur Uebernahme mit Ende 1868 bereit. 

5* 



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68 

Indessen ist gar nicht zu läugnen, dass in diese Periode 
der Anfang des eigentlichen Strassenwesens fällt, und dass dort, 
wo energische Bezirks -Hauptleute an der Spitze standen, viel 
geschah. Als nun bei der Auflösung der Bezirks-Hauptmannschaf- 
ten die Bezirksfonde aufhörten und in Kreisfonde zusammenge- 
zogen wurden (1854), welche bald die ausschliessliche Bestim- 
mung zu Strassenzwecken erhielten, da war in einer Baziehung 
ein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung des Strassenwe- 
sens in Nieder-Oesterreich geschehen, weil nunmehr auf ein 
systematisches Ineinandergreifen der einzelnen Strassen gesehen 
werden konnte, und weil die den Strassen zugewendeten Zuflüsse 
regelmässig zur Verfügung waren; aber bei der Unzulänglichkeit 
des einen oder andern Kreisfondbs — je nach der Höhe der 
Steuersummen — und bei dem zwar nicht überall, aber gleich- 
wohl sich geltend machenden Bestreben alle Auslagen aus dem- 
selben zu bestreiten, sowie bei der vorherrschenden Neigung der 
Strassen- Concentration um die Kreis-Hauptorte, war das Insleben- 
treten der Kreisfonde nicht für alle Gegenden des Landes von 
gleichmässig guten Folgen. 

Im V. 0. W. W. musste man sich so ziemlich mit dem 
beschränken, was schon da war, d. i. mit den in den Längenthälern 
vorhandenen und nur in einen besseren Zustand zu versetzenden 
Strassen. Im V. U. M. B., wo ein sehr schlechter Strassenzustand 
war, so dass noch vor nicht allzulanger Zeit mehrere Tagreisen 
erforderlieh gewesen sind, um kurze Strecken zu Wagen zurück 
zu legen, und wo die Natur den Strassenbau durch Bergrücken, 
welche sich quer durch's Land ziehen, sehr erschwert, die 
Strassenerhaltung aber bei dem auf ganze Distrikte ausgedehn- 
ten Mangel an Schotter gewiss nicht erleichtert, — hier entwickelte 
das Kreisamt durch die Tracirung der wichtigsten Strassen eine 
allerdings nicht zu unterschätzende Thätigkeit. Allein die verfüg- 
baren Kräfte reichten, ungeachtet die Gemeinden für mehrere 
dieser neuen Strassen gegen ein geringes Entgelt den Schotter 
beistellen raussten, zur soliden Herstellung nicht aus, und es war, 
insofern als dann nur mehr durch die grössten Anstrengungen bei 
der Conservation nachgeholfen werden konnte, der Zukunft eine 
grosse Leistung nnheim gegeben. — Die Extreme in dem Strassen- 
zustande fanden sich aber in dem V. O. M. B. und V. U. W. W. 



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69 

vor. Einerseits war in dem letzteren Kreise seit den ältesten Zei- 
ten durch eine grössere Cultur, vorzüglich aber durch die verschie- 
denen industriellen Aulagen ein besserer Strassenzustand vor- 
handen, anderseits geschah aber auch mehr für das Strassen- 
wesen , und war diess aus mehrfachen Gründen mit weniger 
Schwierigkeiten als anderwärts verbunden. Die Gegend ist zu 
zwei Drittheilen eben, und hat grossentheils Schottergrund, dann 
ist die Steuersumme, welche zur Kreisuralage zu dienen hatte, 
um mehr als das Dreifache grösser als im V. O. M. B. so , dass 
mehr Mittel zur Verfügung waren, und endlich ist man hier 
nicht nur mit grosser Energie vorgegangen, sondern hat man 
es auch insbesondere verstanden, die Gemeinden sowohl beim 
Bau als bei der Erhaltung der Strassen zu Naturalleistungen her- 
beizuziehen, dadurch aber nicht sowohl die Preise für Schotter 
herabzudrücken als auch die Mittel des Fondes selbst zu scho- 
nen und zu anderen Leistungen bereit zu halten. — 

Ganz entgegen gesetzt waren aber die Verhältnisse im 
V. O. M. B. Es gab eigentlich im ganzen Kreise vordem nur 
eine grössere öffentliche Strasse. Die ungünstigsten Terrain Ver- 
hältnisse und in einigen Gegenden auch Schottermangel er- 
schwerten Strassenbau und Erhaltung, die Strassenumlage war 
bei derselben Höhe wie in den andern Kreisen, wegen der ge- 
ringen Steuersumme sehr unausgiebig, die Bevölkerung wurde zu 
Naturalleistungen nicht herbei gezogen, und endlich wurden die 
vorhandenen Gelder fast ausschliesslich zum Bau von Strassen 
nächst Krems verwendet, so dass der überwiegende Theil des 
Kreises aller Strassen nahezu baar vorgefunden wurde. — 

Dem entsprechend war die Anzahl der Meilen Kreis- 
Strassen oder der aus den Kreisfonden subvcntionirten Ge- 
meindestrassen in jedem Viertel. Im Jahre 1863, das ist in dem 
letzten Jahre der früheren Strassenverwaltung wurden ganz oder 
theilweise aus den Kreisfonden erhalten, im: 

V. 0. M. B 54 y« Meilen 

V. U. M. B 74 y, „ 

V. O. W. W 79 y, „ 

V. U. W. W 86 % „ 

also im Ganzen 295 V Meilen. 



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70 

Der Landtag war nun bemüht durch Neubauten und densel- 
ben gleichkommende Reconstructionen von einer Anzahl Ge- 
meindewegen, oder schwer fahrbarer Strecken anderer Strassen, die 
Anzahl der Verbindungswege möglichst zu vermehren, oder die 
Benützung der vorhandenen zu erleichtern. In dieser Beziehung 
sind als neu hergestellt anzuführen, im: 

V. 0. M. B 27 y« Meilen 

V. U. M. B 25 V; ^ 

V. 0. W. W 10 — „ 

V. U. W. W 15 % „ 

also zusammen 78 Vs Meilen, 

eine Leistung, bei der insbesondere berücksichtigt werden muss, 
dass sie sich eigentlich nur auf die letzten 3 Jahre vertheilt 

Bei der Auswahl der zu reconstruirenden und neu zu er- 
bauenden Strassen wurde anfänglich wohl nur von Fall zu Fall 
vorgegangen. Allein alsbald erkannte man die Nothwendigkeit, 
eines planmässigen Vorganges. Es wurde daher nach der bereits 
erwähnten commissionellen Verhandlimg mit allen Gemeinden ein 
Strassennetz entworfen, mit dessen Entwicklung allmälig vor- 
gegangen werden sollte. Als daher im Jahre 1866 plötzlich Noth- 
standsbauten in der Ausdehnung von mehr als 30 Meilen in 
Angriff genommen werden mussten, konnte sofort dabei im 
Sinne des Strassennetzes vorgegangen werden. Nach demselben 
sollten sich die Strassen vertheilen. 

auf das V. O. M. B. mit 101*4 Meilen 
„ „ V. ü. M. B. „ 102-5 „ 
„ „ V. O. W. W. „ 108-8 „ 
, „ V.U.W.W.Q, , 83-3 , 
Es erscheinen daher im Ganzen 396 Meilen 



') Dass im V. U. W. W. nach dein Strassennetze keine Vermehrung, 
sogar eine Verminderung gegen den Stand von 1863 eintreten soll, hat 
seinen Grund darin, dass nicht alle früher aus dem Kreisfonde subventionirten 
Gemeinde-Strassen in das Netz aufgenommen worden sind und dass anderseits 
die in diesem Viertel liegenden Landessirassen durchaus aus der Reihe der 
Kreisstrassen genommen wurden, was z. B. im V. O. M. B. keineswegs 
der Fall war. 



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71 



in demselben aufgenommen. Eechnet man noch dazu die 113 
Meilen Landesstrassen, so stellt sich das vom Lande abhängige 
Gesammtstrassennetz mit 509; also mit 214 Meilen mehr heraus, 
als im Jahre 1863. 

Zählt man femer die 131 Meilen Staatsstrassen und 19 Meilen 
von den erwähnten Privatstrassen, die eben nicht in die' Cate- 
gorie der Landes- oder Bezirks-Strassen eingetheilt worden sind, 
dazu, so ergibt sich die Gesammtsumme von 659 Meilen öffent- 
licher Strassen. 

Berechnet man, in welchem Verhältnisse diese Anzahl 
zu dem Flächeninhalte und zu der Einwohnerzahl steht, so 
ergibt sich*), dass nicht ganz zwei Meilen Strassen auf eine 
Quadratmeile und auf ungefähr 4000 Seelen (von der Bevöl- 
kerung des flachen Landes •) kommen. In welchem Verhält- 
nisse demnach Nieder-Oesterreich bezüglich seiner Strassen zu 
den andern Provinzen der öst. Monarchie sich befindet, das 



Kreise 


CA 

a 

et 

.35 




1 


•c 


dg 

II 


Es entfallen auf eine Quadrat- 
meile von den 


Auf je 1000 See- 
len entfällt eine 
Strassenlänge 


c 

9 
b. 

Q 

c 
< 


i 




OD 

'n 


> 


ff 


Strassen 


Meilenlänge 


Strassen 


in Meilen 


in Meilen 


0. W. W. 


58.9 


24.4 


83.2 


13 


179.6 


0.75 


31 


1.05 


0.17 


2.32 


0.422 




0. W. W. 


25.7 


26.1 


108.8 


4.5 


165.1 


0.29 


0.29 


1.21 


0.05 


1.09 


0.526 




0. 1. ß. 


23.5 


34 


102.5 


1.5 


161.5 


0.27 


0.29 


1.18 


0.02 


1.95 


0.520 


0. 1. B. 


22.9 


28.9 


101.4 


— 


153.2 


0.26 


0.32 


1.14 


— 


1.74 


0.487 


Hs 


Summe 


131 


113.4 


396 


19 


659.4 


0.18 


0.12 


1.25 


0.05 


1.90 


0.488 





•) Die Bevölkerung der Hauptstadt ist hier^nicht mitgerechnet. Würde 
dies aber geschehen, so wäre das Verhältniss ein noch viel ungünstigeres. 



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72 



geht am deutlichsten aus der hier angeschlossenen Tabelle *) 
hervor. Darnach stellt sich heraus, dass Nieder - Oesterreich , was 
die Repartirung der vorhandenen Strassen nach dem Flächenin- 
halt betrifft, nur den östlich gelegenen, sowie den Grebirgsländern, 
d. i. einerseits Galizien, Bukowina, Ungarn, Croatien und Slavo- 
nien, Siebenbürgen und Dalmatien, anderseits Salzburg, Steier- 
mark, Kärnten und Tirol an Strassen überlegen ist, dagegen 
den Ländern Böhmen, JMähren, Schlesien, Ober-Oesterreich, Krain 
und Istrien darin zurücksteht. Diese Parallele mit den andern 
österreichischen Provinzen ist aber thatsächlich eine noch viel 
ungünstigere, wenn man nicht das erst zur Verwirklichung für 
die Folge bestimmte, sondern das factisch vorhandene Strassen- 
netz von Nieder-Oesterreich der Vergleichung zu Grunde legen 
würde und wenn man bei den andern Provinzen, die seit jener 
Berechnung hinzugekommenen neuen Strassen noch mitbei*ech- 
net. Ein Vergleich endlich mit andeni europäischen in der Cultur 
vorgeschrittenen Ländern würde bei der grossen Vervollkommnung 
des Communicationswesens ebendort insbesondere zeigen, dass 
Nieder-Oesterreich — das noch vor nicht langer Zeit den trau- 
rigen Kuhm hatte, unmittelbar vor den Thoren der Hauptstadt 



*) Nach Czöriiigä ^ 


Handbuch 


,das östr. Budget für 


1862." 






FJächen- 


Aerarial- 


Andere 


Strassen 


listige 




inlialt 


Slrasson 


Strassen 


Zusammen 


112 = « 


Namen der Kronläii'ler 


in 







. 






Quadratmeii. 


Längfc 


. in Meilen a 


4000" 


Entfäll 

auf ein« 

mcile 

Strasj 

von 


Ober-Oesterreich . 


208.47 


90.61 


110.82 


1.094.43 


5.25 


Salzlmrg .... 


124.52 


47 . 03 


46.02 


93.05 


0.75 


Steiermark .... 


390.19 


110.01 


553.15 


663.16 


1.83 


Kärnteu 


180.26 


65 73 


122.00 


187.73 


1.04 


Kraiii 


173.57 


70.41 


309.00 


376.41 


2.17 


Triest, Görz u.Gradiska, 












Istrien .... 


138.82 


75.79 


400.44 


476.23 


3.43 


Tirol und Vorarlberor . 


509.82 


173.92 


123.40 


297.32 


0.58 


Böhmen 


902.85 


560.02 


1.808.36 


2.368.38 


2 62 


Mähren 


386.29 


160.37 


682.23 


788.60 


2.04 


Schlesi'^n .... 


89.45 


43.74 


113.64 


187.38 


2.09 


Galizien .... 


1.362.06 


393.60 


819.40 


1.213.00 


0.88 


Bukowina 


181.61 


53.92 


211.35 


265.27 


1.46 


Dalmatirn .... 


222.30 


117.50 


173.25 


290.75 


1.35 


IFn.^arn 


.3.727 67 


514.42 1 


1 .876.9*. 


2.191.38 


0.61 


Croatien und Silnvonien 


331.92 


68.37 ! 


96.75 


165.12 


0.50 


Siebcnhilro^en . 


954.85 


159.99 1 


450.19 


610.18 


0.61 



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73 

nahezu unfahrbare Strassen zu haben, und in dem ungefähr 
der 4. Theil (V. O. M. B.) dem Verkehre gar nicht aufge- 
schlossen war — auch dann noch auf eine Erweiterung seines 
Strassennetzes zu denken hat, wenn einst dasselbe, wie es der- 
malen noch als Programm besteht, in Ausführung gekommen 
sein wird. — 

Bei dem Umstände als Nied.-Oesterreich durch die Donau 
fast regelrecht in zwei Hälften getheilt ist, sowie auch die March 
theilweise die Grenze gegen Ungarn bildet und endlich aus den 
Voralpen kommend, ansehnliche Flüsse einzelne Theile des 
Landes durchschneiden, ist der Brücken besonders zu gedenken. 

Vorerst ist zu erwähnen, dass sich der Landtag des beklagens- 
werthen Umstandes, dass die Donau nur an einer Stelle, d. i. 
bei Floridsdorf, u. z. durch einen bei Eisgängen stets gefährdeten 
219 Klafter langen Holzbau überbrückt ist, wohl bewusst war. 
Nicht nur, dass auf raschere Abfertigung der verzehrungssteuer- 
pflichtigen Parteien, soweit dies eben bei dem grossen Andränge 
möglich ist, eingewirkt wurde, sondern es wurde auch die endliche 
Herstellung einer Steinbrücke bei Wien und zweier anderer 
Brücken nächst der Hauptstadt in's Auge gefasst. Was die 
Herstellung eines stabilen, den Wassergefahren nicht preisge- 
gebenen Donau - Ueberganges betrifft, hängt dies lediglich von 
der Donauregulirung ab, von der später gesprochen werden 
wird. Die Landes- Vertretung konnte daher hierauf nur indirect 
einwirken. Ebenso war es wegen Benützung des Ueberganges 
der Wien-Znaimer Eisenbahn nur möglich, auf die Opportunität 
hinzuweisen, die Brücke auch zugleich für den Wagen Verkehr 
und für Fussgänger zu ei^weitem. Ungeachtet dessen, und 
obwohl in wiederholten Zuschriften der Regierung dies anerkannt 
wurde, hat das 1866 im Amte gewesene Ministerium dennoch 
bei der betreffenden, ohne Zustimmung der Reichsvertretung er- 
theiltenEisenbahn-Concession diesen für die Hauptstadt so wichtigen 
Umstand ausser Acht gelassen. Es musste dies umsomehr befrem- 
den, als bei der Feststellung der Franz Josef -Eisenbahn mit dem 
Uebcrgange bei Tulln darauf allerdings Rücksicht genommen 
und festgestellt worden war, dass die Eisenbahn - Gesellschaft gegen 
Vergütung der Mehrkosten zur Verbreiterung der Brücke ver- 
pflichtet wurde. Der Landtag sorgte auch dafür, dass die Mehr- 



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74 

kosten *) gedeckt wurden und daher das Unternehmen mit Ende 
der Wahlperiode, als gesichert erscheinen durfte*). 

Eine Brücke von ansehnlicher Länge (260^ lang) ist ferner 
die Marchbrticke zwischen Schlosshof und Neudorf. Dieselbe war 
bis zum Jahre 1848 Privat-Object ; damals abgebrannt, wurde 
sie 1855 aus den Landesfonden von Ungarn und Nieder-Oester- 
reich (mit dem Betrage von 126.000 fl.) hergestellt Laut §. 2 
des Gresetzes vom 18. März 1866 wurde diese Brtlcke bezüglich 
der auf Nieder-Oesterreich entfallenden Hälfte als Landes- Object 
erklärt. Sie wurde neuerlich anlässlich der preussischen Invasion 
abgebrannt Der Staat ^ird dafür, sowie für einige andere 
Brücken, die gleichfalls damals zerstört worden sind, den Ersatz 
nach dem ermittelten Werthe leisten*). 

Rücksichtlich der kleineren Brücken über die übrigen Flüsse 
ist nur des Brückenbaues bei Kematen im Zuge der Strasse von 
Waidhofen a. d. Ybbs nach Amstetten zu erwähnen, nachdem 
dieselbe über 40® lang, ganz von Stein und in einer bedeutenden 
Höhe zur Umgehung der früheren Berge so gebaut wurde, dass 
der mittlere Pfeiler über 100' hoch ist*). 

Anbelangend die Kosten für den Strassen- und 
Brückenbau, sincL dabei die Conservation und der Neubau 
oder die demselben gleichkommende Reconstruction zu unter- 
scheiden. Betreffend die Erhaltungsauslagen, bieten die 
Kosten für die Landesstrassen den besten Anhaltspunkt zur 
Beurtheilung, nachdem dieselben jedenfalls bedeutender sind als 



*) Dieselben wurden bei dem projektirten Holzbau mit 110.000 fl. appro- 
ximativ geschätzt; davon erklärte der Landtag 60.000 fl. auf den Landesfond 
zu übernehmen, während 50.000 fl. von der Stadt Tulln zugesagt worden sind. 

•) Bei dem Umstände, dass man 1868 die Idee einer steinernen Brücke 
aufnahm , die dabei für die Verbreiterung erforderlichen Mehrkosten vom Land- 
tage und von der Stadt nicht aufgebracht werden können, ist dies dermalen 
noch immer sehr in Frage. 

') Die kleineren Brücken wurden noch 1866 hergestellt. Bezüglich der 
Marchbrücke wurden noch Verhandlungen wegen des Standortes geführt. Die 
Wiederherstellung dürfte 1870 erfolgen. 

*) Es verdient bemerkt zu werden, dass der Bau nur 56.400 fl. kostote. — 
Noch im Jahre 1866 beschlossen, aber erst 1867 ausgeführt wurde femer 
ein 25 Klafter langer Steinbrückenbau über die Traisen bei LilienfeH 
(18.400 fl.). 



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75 

die Auslagen für Strassen zweiten Fanges und daher auch ein 
Durchschnitt aller Strassen eine geringere Jahresquote ergeben 
würde. Für die Landesstrassen wurde nun fiir eine Meile 2500 fl. 
im Jahre 1865 und 2351 fl. im Jahre 1866') ausgegeben'). 

Hiermit sind die Staatsstrassen zu vergleichen, welche 
im Jahre 1863, wo man bereits mit dem Deckmateriale ausser- 
ordentlich zurückhielt u. s. w., bei 130 Meilen 729.670 fl. ko- 
steten, wonach auf eine Meile circa 5500 fl. entfallen. Wenn 
man auch Brückenauslagen in Abrechnung bringt, dann wenn 
man auch erwägt, dass die ärarischen Strassen in der Regel 
breiter und frequenter sind, welch' letzteres Moment wohl auch 
nur für einige gelten und damit aufgewogen sein dürfte, dass 
auch einige Landesstrassen eine grössere Frequenz haben, — so 
dürfte doch nicht in Abrede gestellt werden, dass die letzteren 
billig erhalten wurden. 

Die Gesammtkosten fiir Strassen-Erhaltung und Bau be- 
tragen somit: 

Kreisfond Zusammen 

397.913 fl. 441.960 fl. 

492.294 fl. 521.242 fl. 

457.652 fl. 626.449 fl. 

520.958 fl. 716.109 fl. 

230.451 fl. 655.446 fl. 

385.142 fl. 923.882 fl. 





Landesfond 


1861: 


44.047 fl. 


1862: 


28.948 fl. 


1863: 


168.797 fl. 


1864: 


195.150 fl. 


1865: 


424.994 fl. 


1866: 


538.739 fl. 



Zusammen . . 3,885.090 fl. 
Dieselben minderten sich in etwas durch die Mauthen 



Im Jahre IS^*^ stieg der Bedarf wieder auf 2514 fl., wobei zu be- 
rücksichtigen kommt , dass mehrere neuerbaute, eine wesentliche Nachschot- 
terung in Anspruch nehmende Strassenstrecken (10 Meilen) in diesem Jahre 
übernommen waren. 

*) Im Jahre 1865 war bei 92 Meilen präliminirt 280.000 fl; ausgege- 
ben wurden 230.620 fl. 7 V, kr., daher das Erspamiss 49.380 fl. betrug; 1866 
prUliminirte man bei 94 Meilen 247.120 fl., das Erforderniss war 221.325 fl. 
78 kr., daher sich ein Erspamiss von 25.795 fl. ^herausstellte ; 1867 prälimi- 
nirte man bei 104 Meilen 265.280 fl., welcher Summe sich, bei dem Umstände, 
als man den Bedarf bereits richtiger zu beurtheilen vermochte und dass 10 Mei- 
len neugebaute Strassen sehr viel Schotter in Anspruch nahmen, das Erfor- 
derniss bereits mit 261.454 fl. 35 kr. näherte, so dass nur mehr ein Erspar- 
niss von 3826 fl. eintrat. 



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76 

herab. Bezüglich deren stellte das Landes-Gesetz vom 21. Mai 1863 
fest, dass die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen in die Compe- 
tenz der Landesgesetzgebung gehören *). So wenig der Landtag 
sich für das Mauthwesen eingenommen zeigte, und so sehr die 
mit demselben zusammenhängenden Ges9häfte dieses Besteuerungs- 
system als irrationell zeigten, so schien doch fast unmittelbar 
nach der Uebemahme der StrasSenverwaltung nicht der Moment 
an die Verzichtleistung dieser Einnahmen zu gehen. An dem Systeme 
vorläufig festhaltend, hielt es der Landtag ftir zweckmässig, ein 
für alle Mal die Bemauthung der Landesstrassen festzustellen, 
während dieselben bei den Concurrenz- (Bezirks-) Strassen von 
Fall zu Fall im Wege der Landesgesetzgebung imd nur über 
Ersuchen der Strassen- Ausschüsse bewilligt werden sollte. Zu- 
gleich wurde für die Mauthen bei den Landesstrassen die Auf- 
hebung der gewöhnlichen Brückenmauthen und dagegen die 
Erhöhung des Tarifes von 2 kr. auf 3 kr. per Pferd und Meile 
beschlossen '). Der Landtag ging dabei von dem Gründsatze aus, 
dass Brücken in demselben Masse zur Strasse gehören, wie 
Stützmauern, Canitle und andere Objecto, und dass es insbeson- 
dere unbillig ist, nicht den Verkehr auf der ganzen Strasse, für 
den die Brücke eben auch unerlässlich ist, sondern nur eine kurze 
Strecke zu besteuern. Das diesfälHge, erst in der 1864er Session 
beschlossene Gesetz wurde theils wegen dieser Bestimmung, theils 
wegen Aufnahme der Mauthbefreiungen nicht sanctionirt. Nach- 
dem dasselbe jedoch mit Ausscheidung der letzteren (Bezugnahme 
auf die bei Staats-Mauthen geltenden Befreiungen) in der 1865/66er 
Session abermals angenommen war, wurde es von dem 1866 
amtirenden Ministerium der A. H. Sanction dennoch zugeführt "*). 
(17. Mai 1866). Die Mautheinnahmen betrugen: 



*) Die Regierungsvorlage behauptete zwar das Recht für den Staat, 
allein der Landtag bequemte sich dieser Auffassung nicht an. 

•; Bei den Mauthen für die Kreisstrassen wurden Tarife unter 2 bis 
4 kr. vorgefunden. Der Tarif von 2 kr. ist in dem Reichsgesetze vom Jahre 
1853, womit die für die andern Länder bestehenden Bestimmungen auch für 
Ungarn als giltig erklärt wurden , sozusagen als Normal-Tarif aufgestellt 
worden. 

®) Bisher wjaren bemauthot von den Landesstrassen TO'/g und von den 
ehmaligcn Kroisstrasscn öB'/g Meilen. Das Erträgniss stellte sich daher per 



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77 





Landesfond 


Kreisfond 


Zusammen 


1861 • 


— 


101.081 fl. 


101.081 fl. 


1862 


: — 


103.488 fl. 


103.48S fl. 


1863 


8950 Ü. 


114.679 fl. 


123.630 fl. 


1864; 


9058 fl. 


120.344 fl. 


129.402 fl. 


1865 


78.517 fl. 


29.485 fl. 


107.902 fl. 


1866 


: 75.623 fl. 


28.464 fl. 


104.088 fl. 



Die Gresammt-Ausgabe für Strassen und Brücken in d6r 
Periode 1861/66 im Betrage von 3,885.091 fl. minderte sich dem- 
nach durch die Mautheinnahmen auf 3,215.497 herab. Es lässt 
sich nicht läugnen, dass diese Summe eine sehr bedeutende ist 
und dass dem n. ö. Landtage das Zeugniss einer erheblichen 
Anstrengung für diese productive Auslage nicht versagt werden 
kann. Allein so vortheilhatt diese auch angewendet wurde, 
so anerkennend und dankbar die öffentliche Meinung diese Thä- 
tigkeit des Landtages anerkannte, so sehr muss es betont wer- 
den, dass hierin noch eine grosse Aufgabe zu lösen ist, um das 
Land nur von seinem Rufe weniger und schlechter Communi- 
cationen zu befreien und der Bevölkerung, insbesondere auch der 
Hauptstadt die Wohlthat guter Zufahrtsstrassen mindestens nur 
in dem Ausmasse zu gewähren, wie dies in den Nachbar-Pro- 
vinzen Mähren und Oberösterreich der Fall ist. — 

Auch zu Wasserbauten wurden die Kräfte des Landes 
und zwar umsomehr in Anspruch genommen , als Reguli- 
rungen der Gewässer entweder nicht existirten oder die vorhan- 
denen viel zu thun übrig Hessen. 

Bei mehreren Grewässern, wie z. B. bezüglich des P e r s c h- 
ling- so wie des grossen und kleinen Tullner-Baches, 
dann der Thaia, Ybbs und Zaya kam es zu einem thatsächli- 
chen Eingreifen nicht, da rücksichtlich des erst- und letztgenann- 
ten Baches die Ausarbeitung der Projecte sowie Erhebungen an- 
derer Art stattfinden mussten, welche vor Schluss der Wahlpe- 
riode nicht beendigt waren, und da bezüglich der Thaia und 
Ybbs Hindernisse eintraten, die von der Landesvertretung nicht 



Meile im Durchschnitt mit 833 fl. 9 kr. heraus. Bei den Staatsstrassen ergibt 
sich von den reinen Wegmauthen (die Linienmauthen Wiens abgerechnet) per 
Meile ein Betrag von circa 1200 fl. Die Marchbrücke war mit 14 kr. per 
Pferd beraauthet und ist diese Einnahme beim Landesfond einbezogen. 



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78 

bewältigt werden konnten. Bei diesen beiden Flüssen wurden 
Beiträge *) zur Wiederherstellung der Regulirungs- . und zur 
Herstellung der erforderlichen neuen Schutzwerke bewilligt, 
ohne dass sie zur Verwendung kamen. Bei der Ybbs, wo 
es sich vorzüglich um den Schutz der gleichnamigen Stadt han- 
delte, waren die Verhandlungen über die einzuleitende Concurrenz 
mit Schluss der Wahlperiode noch nicht beendigt. Bei der Thaia 
trat der Umstand in den Weg, dass dieselbe an der mährischen 
Grenze liegt, zum Theile sie selbst die Grenzlinie bildet, und dass 
daher umsomehr im Einvernehmen mit dem Nachbarlande vor- 
gegangen werden musste, als einerseits bei der regulirten Strecke 
(nächst Laa) mährische Gemeinden bei der schon bestehenden Con- 
currenz betheiligt sind und anderseits zwischen dieser Strecke und 
der letzten Meile des Flusslaufes, welche wieder ganz und gar in Nie- 
der-OesteiTcich liegt, sich eine gänzlich in Mähren liegende Strecke 
befindet. Leider wurde bei der mährischen Landes- Vertretung nicht 
die gleiche Bereitwilligkeit zur Ordnung dieser Frage vorgefun- 
den. Der mährische Landtag machte dieselbe von der Marchregu- 
lirung abhängig. Für diese wurde zwar die Ausarbeitung eines 
Projoctes in Angriff genommen, allein weder war dasselbe vor 
Ablauf der Wahlperiode beendigt, noch war die mährische Lan- 
des- Vertretung wie die diesseitige bereit, zur Wiederherstellung der 
bedrohten ReguHrungswerke einen Beitrag zu leisten. Somit 
stagnirte diese Angelegenheit, und ist das sehr zu bedauern, 
da es sich dabei um eine Grundfläche von 10.000 Joch han- 
delt, die durch die seinerzeit durchgeführte Regulirung aus 
Sumpfland zu fruchtbaren Aeckern umgestaltet wurden , nun- 
mehr aber durch die zunehmende Verengung des Flussprofiles 
und die immer grösseren Wasserrückstauungen wieder nach und 
nach devastirt werden, so dass die grossen Summen, welche ur- 
sprünglich und seither darauf verwendet wurden, allmälig ganz 
unnütz verausgabt sein werden. Die Landes- Vertretung war sich 
dieser traurigen Verhältnisse wohl bewusst '), allein sie war leider 

') Für die Thaia 20.000 fl. in der II. und für die Ibbs 4000 fl. in der 
IV. Session. 

') Zeuge dessen der auf Grund der weitzurückgehenden Verhandlungen, 
sowie auf Grund besonderer technischen Erhebungen bereits in der 1863er 
Session erstattete umständliche Bericht. 



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79 

nicht in der Lage, die entgegenstehenden Hindernisse zu besei- 
tigen *). Die Verwaltung des Thaia-Regulierungsfondes und die 
Leitung der bezüglichen Angelegenheiten hatte dass k. k. Bezirks- 
amt Laa und die k. k. n. ö. Statth alterei. Die Landes- Vertretung 
wirkte auf die Einsetzung eines von der betheiligten Bevölkerung 
gewählten Ausschusses ein und nahm die Oberleitung für sich in 
Anspruch. Die k. k. Statthalterei stimmte dem zu, allein es er- 
gab sich zwischen den mährischen und n. ö. Gemeinden wegen 
der Anzahl und Repartirung der Comit6mitglieder eine Mei- 
nungsdifferenz, die erst bis nach Vollendung der von der Lan- 
des -Vertretung angeregten Inundationsausmittlung, daher nicht vor 
Schluss der Wahlperiode ausgetragen werden konnte. 

Bezüglich mehrerer anderer Flüsse wurden Subventionen 
zur Durchfuhrung partieller Schutz werke bewilligt, so bezüglich 
der Krems, dann der Pielach und Traisen. Die Krems wurde 
anlässlich des nach dem grossen Wolkenbruche im Jahre 1855 
stattgehabten Strassenbaues in der unteren Strecke regulirt. Zur 
Erhaltung dieser Werke und zur theilweisen Fortsetzung in der 
oberen Strecke wurden Beiträge geleistet. 

Die Pielach befindet sich in nicht regulirtem Zustande. 
Zur Herstellung eines Schutzwerkes nächst Grafendorf und Ran- 
nersdorf wurde ein Beitrag von 1500 fl. bewilligt. 

Eine solche Unterstützung im Betrage von 6000 fl. wurde 
verschiedenen an der Traisen liegenden Gemeinden bewilligt, 
und zwar für die unterste Strecke bei Stollhofen und Traismauer 
dann für die Strecke zwischen der Ochsenburger Brücke und 
dem Windpassinger Gemeindegebiete. 

Ein ganz abgesondertes Regulirungs-Object bildet der im 
V. U. M. B. liegende Russbach, mit alF seinen Nebenbächen 
u. s. w. in einer Länge von mehr als 20 Meilen und auch in 
der regulirten Strecke über 8 Meilen lang. Die Verwaltung be- 
fand sich in Händen der k. k. Statthalterei, die Concurrenz 



') In der 1868er Session wurde auf Grund der seither revidirten 
Februar- Verfassung §. 12 lit. n des Gesetzes über die Reichsvertretung vom 
21. Dezember 1867, die Regierung angegangen, in der nächsten Reichraths- 
session ein die beiden Länder Mähren und Nieder-Oesterreich zur gemein- 
schaftlichen Durchführung der Thaiaregulirung verpflichtendes Reichsgesetz 
einzubringen. 



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80 

leistete Beiträge, welche zur Bestreitung der Räumung und son- 
stigen Kosten, besonders bei grösseren Dammdurchbriiehen nicht 
genügten und der Korneuburger Kreisstrassen- sowie der Lan- 
desfond leisteten Vorschüsse. Bereits im Jahre 1862 nach dem 
grossen Frühjahrs-Hochwasser wurde die Landes- Vertretung von 
der k. k. Statthalterei zur Intervention eingeladen. Dieselbe er- 
folgte und waren mannigfache Vorschläge, insbesondere aber ein- 
gehende technische Erhebungen über die diesem Regulirungs-Ob- 
jecte zu Grunde liegenden Uebel die Folge. Bei dem Umstände 
als der Landesfond alljährlich einen Beitrag von 3000, später 
von 4000 fl. leistete, nahm die Landes- Vertretung die Verwal- 
tung des Russbachfondes und die Leitung der Russbach-Reguli- 
rungs - Angelegenheiten für sich in Anspruch. Dieselbe fand 
auch mit dem Jahre 1866 statt. In Folge eines bis auf den Ur- 
sprung der Regulirung zurückgehenden Berichtes wurde das am 
1. Mai 1867 A. H. sanctionirte Gesetz über die Einsetzung eines 
eigens unter der Oberaufsicht des Landes- Ausschusses den Russ- 
bachfond verwaltenden, aus der Mitte der betheiligten Bevöl- 
kerung gewählten Ausschusses beschlossen. In Folge dessen ist 
eine Aenderung der Umlage im Verhältnisse zum Nutzen u. s. w., 
dann aber auch die sich als unumgänglich nothwendig her- 
ausstellende Einbeziehung der oberen Strecken durchführbar 
und wird nunmehr auch die Frage der regelmässigen Räu- 
mung, Dammerhöhung imd Verbesserung, sowie Durchstechung 
mehrerer Serpentinen im Einvernehmen mit der Bevölkerung zu 
lösen sein. 

Wichtiger waren die durch die Leitharegulirung her- 
vorgerufenen Geschäfte. 

Nachdem die Leitha zwischen Neunkirchen und Trautmanns- 
dorf vor längerer Zeit regulirt war, bestimmten mehrere Hoch- 
wässer in den 1850er Jahren die Regierung zur Fortsetzung der 
Regulirung. Mit einem zum grossen Theile aus dem Landesfonde 
^gedeckten Aufwände wurde ein neues Bett bei Pachfurt unter- 
halb Brück a. d. Leitha gegraben und sollte die alte Leitha als 
Mühlbach verwendet werden. Für die Fortsetzung von Pachfurt 
bis zur Landesgrenze war dies Project mit Zugrundelegung des 
gleichen Systems und mit Beseitigung mehrerer Mühlen (Ge- 
sammtkostenbetrag circa 420.000 fl.) bereits vorbereitet und auch 



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81 

principiell genehmigt. Ehe noch die fertige Strecke eröfl&iet werden 
konnte, trat das 1862er Hochwasser ein. Durch dasselbe hatten 
mehrere an dieser Strecke liegende Ortschaften sehr gelitten. 
Drängte nun einerseits der Wunsch eine Wiederholung dessen 
für die Folge zu verhüten zur Eröffiiung des neuen Bettes, so 
stand dem wieder der Protest der unterhalb Pachfurt liegenden 
Gemeinden entgegen, der durch die begründete Furcht vor einer 
Vermehrung der Wassergefahr, insolange eben in der untern Strecke 
der serpentinirende Flusslauf beibehalten wurde, — hervorgerufen 
worden ist. Bei dem Umstände nun, als die Mittel zur Fortsetzung 
der Regulirung von Pachfurt abwärts, abermals aus dem Lan- 
desfonde beschafft werden sollten, lud die Statthalterei die Lan- 
des- Vertretimg erst zur Flüssigmachung eines weiteren Vorschusses 
von 20.000 fl. fiir die Vollendung und Erhaltung der Strecke 
Trautmannsdorf- Pachfurt, und etwas später zur Entscheidung über 
die Frage der Fortsetzung der Regulirung von Pachfurt abwärts 
ein. Indem dem ersteren Ersuchen Folge gegeben wurde, ent- 
schied sich die Landes- Vertretung unter den obwaltenden Ver- 
hältnissen allerdings für die Fortsetzung — aber nicht nach dem 
von der k. k. Baubehörde vorbereiteten Projecte. Nachdem näm- 
lich eine Enquete von erfahrenen Hydrotechnikern eingeleitet 
wurde, erkannte man das Durchstechen der vorhandenen Serpen- 
tinen, dann das Eindämmen nur dort, wo der Werth der zu schüt- 
zenden Grundstücke im richtigen Verhältnisse zu den Herstellungs- 
kosten steht, ferner das Belassen der für die Gegend sehr noth- 
wendigen Mühlen gegen Erbauung eines geeigneten Wehres für 
ausreichend. In dem Bestreben, noch vor dem nächsten Frühjahr- 
hochwasser die Eröffiiung des Trautmannsdorfer Bettes bewerk- 
stelligen zu können, wurde, ungeachtet so manche Förmlichkeiten 
dabei zu überwinden waren, dann ohne dass ein Detailproject 
vorgelegen wäre oder sonstige Vorbereitungen mit Accords- und 
Grundeinlösungs- Verhandlungen eingeleitet werden konnten, ja 
ohne dass die Landes-Vertretung bereits über eigene technische 
Organe verfügte, 20 Durchstiche — Verkürzung des Flusslaufes 
um 1800 Klft. — mit den entsprechenden Dämmen in einer 
Gesammterdbewegung von 23.000 Kub.-Klft., sowie der Beton- 
Wehrbau bei Rohrau (23.000 Zentner) in weniger als 3 Mona- 
ten durchgeführt! Somit konnte, ungeachtet die Arbeiten erst im 



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82 

Herbste *) angefangen worden sind, doch noch vor Eintritt des 
eigentlichen Winters das neue Flussbett von Trautraannsdorf 
abwärts eröffnet werden. Die Q-esammtkosten beliefen sich auf 
circa 90.000 fl., so dass mit dieser in so kurzer Zeit ausgeführten, 
und seither bei mehreren Hochwässern vollkommen bewährt be- 
fundenen Arbeit 330.000 fl. dem Lande erspart und der Gegend 
die Mühlen erhalten wurden. 

Mit dem am 11. Juni 1863 A. H. sanctionirten Gesetze 
wurde bestimmt, dass sowohl von den Herstellungs- als Erhal- 
tungskosten *) der Landesfond zwei und die Anrainer ein Dritttheil 
beizutragen haben. Rücksichtlich der oberen Leitha blieb das 
alte Concurrenz-Verhältniss, wonach der ärarische Wasserbaufond 
auch fernerhin die Hälfte der Kosten beizutragen hat, aufrecht. 

Die Leitung der Leitha-Regulirungs-Geschäfte ist für den 
ganzen Fluss, die oberste Strecke (Schwarzafluss) mit eingerechnet, 
an die Landes - Vertretung übergegangen. Rücksichtlich der 
Schwarza wurde auf die Finalisirung der Feststellung der 
Concurrenzen in einzelnen Sectionen, wo dieselbe noch in der 
Schwebe war, eingewirkt und bewilligte der Landtag Subventionen 
zur Durchführung mehrerer Schutzbauten. 

Für die Leitha wurden demnach anlässlich der Regulirung 
definitiv 280.030 fl. 58^/ kr. und vorschussweise 39.778 fl. 5% kr. 
dann an Jahrbeiträgen von 1863—1866: 12.031 fl. 17 kr. auf den 
Landesfond übernommen. 

Was endlich die Donau-Regulirung betrifft, so bat der 
Landtag dieser grossen Frage in vier Sessionen beharrlich seine 
Aufmerksamkeit zugewendet. Er . stellte an die Regierung das 
Ersuchen: 1. nach Feststellung eines einheitlichen Regulirungs- 
planes für das ganze Land mit Zuziehung von Vertretern der 
Interessenten ; 2. nach Näherlegung des Hauptstromes gegen Wien, 
unter voller Bedachtnahme auf Schutz gegen Ueberschwemmungen 
sowohl für die Hauptstadt als für das Marchfeld, endlich 3. nach 
Bezeichnung derjenigen Arme, deren Abbauung Privaten über- 
lassen werden könnte. Auf Grund der A. H. Entschliessung vom 



*) Am 15. September 1862 geschah der erste Schaufelstich. In grösserem 
Umfange konnten die Arbeiten erst Ende September aufgenommen werden. 

*) Dieses Beitrags verhältniss wurde jedoch nur für die nächsten 10 
Jahre festj^estellt. 



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83 

4. Februar 1864 trat am 24. Februar 1866 ( ! ) die mit Vertre- 
tern der Interessenten verstärkte Ministerial-Commission zur Be- 
rathung des einzuhaltenden Regulirungsplanes zusammen. Ihre 
Thätigkeit wurde durch die Kriegsereignisse des Jahres 1866 
unterbrochen. Der Landtag sprach in seiner letzten Session um 
so dringender den Wunsch nach deren Wiederzusammentritt, 
unter Wiederholung der erwähnten Punkte, nochmals aus. Wenn 
das grosse Werk der Näherlegung der Donau gegen Wien, sowie 
die Verhütung von Ueberschwemmungen der Hauptstadt und des 
Marchfeldes in der nächsten Zeit in Angriff genommen und durch- 
geführt wird, dann hat der n. ö. Landtag in seiner ersten Wahl- 
periode den Grundstein zu einem der grössten Unternehmen 
unserer Zeit gelegt'). 

Die Thätigkeit der n. ö. Landes-Vertretung in Strassen- und 
Wasserbauten umfasste das ganze Land, wie ja eben die Donau- 
Kegulirung insbesondere zu Nutzen und Frommen seines Mittel- 
punktes, der Hauptstadt Wien, im Auge behalten war. Mögen 
auch die Auslagen gross gewesen sein, sie waren productive, sie 



') Das Sistirangs-Ministerium hat diese volkswirthschaftliche Frage 
nicht gewürdigt. Bereits erklärte der Vertreter des k. k. Staats mini steriums 
in einer am 19. Jänner 1867 wegen Fixirung des Donauüberganges der 
Wien Laaer-Eisenbahn unter Intervention eines Mitgliedes der Landesver- 
tretung abgehaltenen Sitzung, dass die Näherlegung der Donau aus strategischen 
Gründen unzulässig befunden wurde! Von dem nachfolgenden Ministerium 
wurde im Juni 1867 die Ministeria 1-Commisssion wieder zusammen gerufen. 
Dieselbe beendete ihre Thätigkeit am 27. Juli 1868, indem sie mit allen ge- 
gen 2 Stimmen sich für die Berücksichtigung der Wünsche des Landtages 
aussprach. Erwähnt muss werden, dass aus Baden, England und Preussen 
Hydrotechniker von Bedeutung berufen worden waren, welche dieses Votum unter- 
stützten. Unter der energischen Leitung des seit 1868 amtirenden Ministeriums ge- 
ruhten Se. Majestät die Regulirung der Donau mit Näherlegung des Hauptstro- 
mes am 12. September 1868 zu genehmigen und eröffnete die Regierung in der 
1868er Landtagssession mittelst einer eigenen Vorlage beim Reichsrathe die 
Uebemahme 1 Drittheiles der Kosten Seitens des Staates befürworten zu wol- 
len, wenn anderseits das Land und die Stadt Wien je 1 Drittheil der Auslage 
übernehmen. Der Landtag erklärte sich bereit und beschloss diesfalls ein die 
financielle Seite der Frage regelndes Gesetz. Kurz darauf fasste der Wiener 
Gemeinderath einstimmig denselben Beschluss. Der Behandlung und entgil- 
tigen Regelung derselben Angelegenheit im Reichsrathe wird dermalen noch 
entgegen gesehen. 

6* 



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84 



haben das lauteste Zeugniss dafür abgelegt, dass die zur Ver- 
waltung des Landesvermögens gelangten frischen Kräfte den 
Verkehr von alten Hindernissen befreien zu müssen glaubten ! 



VII. Verschiedene Oegenstände. 

Im Sinne der §§. 18 und 19 der Landesordnung hat sich 
der Landtag noch mit vielen Gegenständen beschäftigt, welche in 
den vorstehenden, nach Hauptgesichtspunkten fest gestellten Ab- 
theilungen ihren Platz nicht gefunden haben. Von diesen Gegen- 
ständen sollen hier noch mehrere besprochen werden. 

Nach dem §. 26 der Gemeindeordnung gehört die BaH- 
polizei, die Handhabung der Bauordnung und Ertheilung der 
polizeilichen Baubewilligungen in den selbstständigen V^irkungs- 
kreis der Gemeinde. Die Regierung brachte auch in der 1864er 
Session den Entwurf einer eigenen Bauordnung ein. Da nun 
einerseits diese Vorlage kurz vor Schluss der Session geschah, 
und einer Berathung nicht mehr unterzogen werden konnte, ander- 
seits aber für die Zeit nach dem damals bevorgestandenen Ins- 
lebentreten des neuen Gemeindegesetzes eine Vorkehrung ge- 
troflFen werden musste, hat der Landtag die k. k. Statthalterei 
angegangen, die verschiedenen älteren diessfalls bestehenden Ver- 
ordnungen zu sammeln und den Gemeinden bis zur Erlassung 
einer Bauordnimg bei Ausübung des erwähnten Wirkungskreises 
als Leitfaden an die Hand zu geben. Die genannte Landesstelle 
kam diesem Wunsche nach, die Sammlung wurde mit einer 
Unterstützung aus dem Landesfonde in Druck gelegt und jeder 
Gemeinde zugemittelt 

Inder 1865/66er Session kam dann unterm 28. März 1866 das 
Landesgesetz über eine Bauordnung zu Stande. Dasselbe hatte 
auf die Hauptstadt keine Anwendung. Bezüglich einer Bauordnirtig 
für Wien wurde der endgiltig vom Gemeinderathe dieser Residenz- 
stadt angenommenen Vorlage bis zum Ende der Session vergeblich 
entgegen gesehen *) 



') In der 1868er Session kam auch die Bauordnung ftir die Hauptstadt 
zu Stande. Dieselbe wurde am 2. December 1868 A. H. sanctionirt. 



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85 

Die nach dem M i li t är - E in quarti er ungs- Gesetze vom 
15. Mai 1851 der Bevölkerung Nied.-Oe8terreichs in Wien und andern 
Landestheilen auferlegte Last wurde vom Landtage als eine so 
drückende angesehen, dass er eine Erleichterung zu gewähren 
beschloss. In dieser Beziehung ging er aber von der Idee der 
Erbauung einer grossen Caserne ab, ungeachtet zu dem Zwecke 
von der früheren Landesfonds-Verwaltung schon mehrere Jahre 
Beträge in den Landesfonds- Voranschlag einbezogen waren, weil 
sich aus eingehenden bis in die älteste Zeit zurückgehenden 
Erhebungen herausgestellt hat, dass Casemen nur als Aufforde- 
rung zu ihrer Belegung angesehen und nebenher doch immer 
noch Truppen in den Wohnhäusern einquartiert werden. Dagegen 
entschloss sich der Landtag zur Erhöhung der bisher vom Staate 
geleisteten Einquartierungs- Entschädigungsbeträge in der Art, 
dass eine Landeszulage immer nur gleichzeitig mit dem Staats- 
beitrage, u. z. vorschussweise vom Militär- Aerar getragen werde '). 
Die diessfälligen Bestimmungen wurden in den von Sr. Majestät 
am 28. Februar 1863 A. H. sanctionirten Gesetze aufgenom- 
men •). Die hiedurch vom Lande übernommene Last ist in 
Friedensjahren keineswegs unerschwinglich, steigert sich jedoch 
in Kriegszeiten, wie eben das Jahr 1866 gezeigt hat, auf solche 
Weise, dass dadurch die Landesmittel vollends in Anspruch ge- 
nommen werden*). Wenn man bedenkt, dass diese Zuzahlung 



') Diese Zuzahlungen au» Landes mittein beziffern sich per Tag und 
Kopf: für einen Officier in Wien und dem weiteren Marschbezirke 24, sonst 
14 kr.; für die Mannschaft gleichmässig in allen Orten 6 kr. und in Fällen, 
wo der Mann vom Quartierträger verpflegt werden muss, noch überdies: in 
Wien 8 kr., in den zum weiteren Marschbezirke gehörigen Orten 7 kr. und 
in allen übrigen Orten 6 kr., endlich für je 1 Pferd gleichmässig in allen 
Orten 2 kr. 

*) In Folge eines bei der Durchführung dieses Gesetzes entstandenen 
Zweifels wurde durch ein am 17. März 1866 A. H. sanctionirtes Landes- 
gesetz festgestellt, dass diese Entschädigung aus Landesmitteln auch den 
Gemeinden gebührt, insoferne sie die den einzelnen Quartierträgeru obliegende 
Last der Einquatierung erfüllen. 

*) Für das Jahr 1866 kostete die Militär-Einquartierung dem Lande 
794.723 fl. 72 Vj» kr. und in Folge des Kriegsjahres betrug sie auch 1867 
noch 156.649 fl. 26%» kr. während sich diese Auslage in früheren Jahren 
bezifferte mit 25.404 fl. im Jahre 1863, 33.223 fl. im Jahre 1864 und 26.667 fl. 
im Jahre 1865. Ausserdem stiegen die vom Lande nach Landes-Gesetzblatt 



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86 

fliglich nur gleichzeitig mit dem Staatsbeitrage, also im Wege 
der militärischen Organe ausgezahlt werden kann, und die ein- 
zelnen Beträge in der Regel wieder nur durch untergeordnete 
Gemeindeorgane den Quartierträgern ausgefolgt werden, dass 
daher erfahrungsmässig die höhere Gesammtentschädigung den 
letzteren keineswegs immer und regelmässig zukömmt, so entsteht 
allerdings die Frage, ob nicht bei dem Umstände, als dieser 
Aufwand zu dem damit erreichten Nutzen kaum in dem rich- 
tigen Verhältnisse zu stehen scheint, eine Veränderung in diesen 
Bestimmungen in der Folge sich als zweckmässig darstellen 
möchte. 

Auch kommt hier noch zu erwähnen, dass der Landtag die 
Einbeziehung einer Reihe von Ortschaften nächst Wien in dem 
sogenannten weiteren Marschbezirk der Hauptstadt bewirkte, 
wodurch denselben eine grössere Entschädigung vom Staate ge- 
sichert ist, sowie, dass sich die Landes- Vertretung wiederholt bei der 
Regierung über Ansuchen einzelner Gemeinden wegen Abwechs- 
lung und Verringerung der Einquartierungslast verwendete. 

Ebenso stellte der Landtag aus zwei besonderen Anlässen 
Ansuchen an die Regierung wegen Erleichterung der 
Heerespflicht für die Studierenden, da nämlich nach 
dem Heeres-Ergänzungs-Gesetze vom 29. September 1858 die 
Studierenden der Ober-Realschulen und technischen Lehranstalten 
nur dann vom Militärdienste befreit waren, wenn sie durchgängig 
Vorzugsclassen hatten, während von den Schülern des Ober- 
Gymnasiums nur die zurückgelegte Maturitätsprüfung, bei den 
Hörern der Universität aber das Zeugniss über ein zurückgelegtes 
CoUoquium oder über eine Staatsprüfung (Rigorosura) gefordert 
wurde, so petirte der Landtag für die erstere Gattung von Stu- 
dierenden um Aufhebung dieser Beschränkung umsomehr, als es 
eben bei den verschiedenen heterogenen technischen Fächern viel 
schwieriger ist, durchgängig Vorzugsclassen zu erhalten. Die 
Regierung fand sich jedoch nicht bestimmt, diesem Antrage Folge 



Nr. 3 von 1855 theilweise zu tragenden Kosten für Militär- Vorspann im 
Jahre 1866: 46.481 fl. 7% kr., während »ich dieselben beliefen auf im Jahre 
1861: 26.922 fl., 1862: 25.041 fl., 1863: 10.530 fl., 1864: 5613 fl. und 1865: 
5625 fl. 



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87 

zu geben'). Dagegen war die Landes- Vertretung glücklicher mit 
dem ebenfalls an die Regierung gestellten Ansinnen, die Schüler 
des Ober-Gymnasiums, wenn sie noch vor Ablegung der Maturi- 
tätsprüfung in das Stellungspflichtige Alter kommen, bis dahin, 
und die Schüler der Landes-Ackerbau- und Weinbau-Schulen 
bis zur Vollendung ihrer Studien zu beurlauben und die letzteren 
sodann zur Militär-Gestüts-Branche zu assentiren. 

Unter die verschiedenen Auslagen, welche bei einem der 
Hauptcapitel noch nicht besprochen wurden, dürfte die Stiftung 
für im Krieg Verwundete, deren Witwen und Waisen, mit 
einem Capital von 5000 fl. (drei, höchstens fünf Pensionen; die Ver- 
mehrung derselben bei einem Wachsen des Capitals ist vorbehalten) 
gehören. Ebenso ist zu erwähnen, dass der Landtag die von den 
Ständen aus den Domesticalfonden dotirten Plätze in den Mili- 
tärinstituten (Militär-Erziehungshäuser ausgenommen), sowie in 
dem Officierstöchter-Institute zu Hernais aus dem 
Landesfonde ferner erhalten zu wollen erklärte. Dasselbe beschloss 
er bezüglich des Civil-Mädchen-Pensionates in Wien, 
während er die betreffenden Plätze in dem Erziehungs-Insti- 
tute der englischen Fräuleins zu St. Polten, sowie in 
der theresianischen Academie in Wien, welche eben- 
falls nicht auf Grund von Stiftungen bestanden hatten, nicht mehr 
zur Besetzung gelangen liess. 

Als Unterstützungen, welche der Landtag der Kunst 
zuwendete, mpgen die Beiträge zu dem in Wien erbauten Künst- 
lerhause (6000 fl.), sowie zu dem Fonde für Errichtung eines, dem 
Andenken des Tondichters Schubert gewidmeten Denkmales (500 fl.) 
hier noch erwähnt werden. 

Zu wiederholten Malen beschäftigte sich der Landtag mit 
der Steuergebühren- und Zinsenfrage. 

Rücksichtlich der Grundsteuer gab der Landtag über 
die in der zweiten Session an ihn ergangene Aufforderung der 
Regierung sein Gutachten ab über die Vorlage der von der diessfälli- 



') Es musste dies um so mehr auffallen, als der Herr Staatsminister, 
in dessen Ressort nach der damaligen Geschäftseintheilung sowohl die Heeres - 
ergänzungs- als Studien- Angelegenheiten gehörten, sich bestimmt fand im 
Landtage, dessen Mitglied er war, den Dank der Studierenden für den citirten 
Landtagsbeschluss besonders zum Ausdrucke zu bringen. 



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88 

gen Immediat-Commission entworfenen Instruction für die Revision 
des in Nied.-Oesterreich bestehenden Grundsteuer-Catasters. Hiebei 
wurden jedoch auch die Anschauungen des Landtages über die 
Grundsätze für den im Reichsrathe einzubringenden Gesetzent- 
wurf „über die Revision, beziehungsweise Reform der Grundbe- 
steuerung und über die Behebung der diessfalls in den Steuer- 
grundlagen bestehenden Ungleichheiten" bekannt gegeben. Nach 
denselben sprach sich zwar der Landtag gegen den in früherer 
Zeit projectirt gewesenen Realitäten-Werthcataster und für die 
Beibehaltung des Parcellen- Grundertrags -Catasters aus, betonte 
es aber als das Wichtigste, dass bei Durchführung der Revision 
des Catasters den Steuerträgem selbst durch ihre ausgiebige 
Theilnahme an den Landes-, Kreis- und Bezirks-Commissionen ein 
entscheidender Einfluss gesichert werde. Die sehr eingehende 
Darstellung schloss mit dem Wunsche, dass bei dieser Reform an den 
im Patente vom 23. December 1817 hervorgehobenen Gesichtspunk- 
ten d. i. „die Anwendung des Begriffes der strengsten Gerechtig- 
keit, die vorzüglich durch ein richtiges Ausmass der Grund- 
steuern bedingte Aufmunterung der Landescultur und die möglichste 
Beförderung ihrer heilsamen Fortschritte" festgehalten werde. 

Hinsichtlich der Verzehrungssteuer beschloss der 
Landtag aus Anlass eines aus der Mitte des Landtages gestellten 
Antrages: „Es sei das h. k. k. Finanzministerium zu ersuchen, 
von weiterer Steigerung der Forderungen an Verzehrungssteuer 
für Wien bei nicht geänderten Verhältnissen abzustehen und die 
Zuziehung von Vertrauensmännern aus den betreffenden Gemein- 
den bei Behandlung der Verzehrungssteuer mit einzelnen Steuer- 
pflichtigen zu veranlassen." 

Bezüglich der Einkommensteuer wurde der Landtag 
gleichfalls zu einem Einschreiten veranlasst. Als nämlich das 
Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf beschlossen hatte, wonach 
künftighin die Eisenbahnen u. s. w., deren Einkommensteuer in 
Folge des Umstandes, dass sie in Wien ihren Geschäftssitz haben, 
bisher daselbst bemessen worden war, je nach den Ländern und 
Gemeinden in dem Masse besteuert werden sollen, als dieselben von 
diesen Unternehmungen berührt werden, legte der Wiener Gemein- 
derath eine dagegen gerichtete Denkschrift vor. Der Landtag 
übermittelte dieselbe nun der Staatsregierung, indem er den darin 



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89 

entwickelten Ansichten vollkommen beipflichtete und auf das 
eindringlichste befürwortete, dass an den bisher beobachteten, dem 
Rechte wie den volks- und staatswirthschaftlichen Interessen ent- 
sprechenden Grundsätzen in Ansehung der Bemessung und Ein- 
hebung der Landes- und Gemeindezuschläge zur Erwerb- und 
Einkommensteuer um so sicherer festgehalten werde, je unausführ- 
barer die beantragte Abänderung derselben sich darstellt*). 

Ueber einzelne, im Landtage gestellte Anträge hat derselbe 
ferner im Sinne der §§. 18 und 19 der Landesordnung be- 
schlossen: 

1. Die Staatsregierung zu ersuchen, dem Reichsrathe „ein 
Gesetz zur Reform der Wucher- und Zinsengesetze') 
vorzulegen, und eine weitere Vorlage einzubringen, dass nach 
§. 9 der kais. Verordnung vom 9. Februar 1858 die cumula- 
tiven Waisencassen®) angewiesen werden, Darleihen — 
unter Vorbehalt der halbjährigen Kündigung — auf Annuitäten 
von 10, 20 oder 30 Jahren zu geben, wobei dem Schuldner frei- 
gestellt werde, mehrere Annuitäten auf einmal zu entrichten." 

2. An die Regierung den Antrag zu stellen: Dieselbe wolle 
dem Reichsrathe ein „die volks wirthschaftlichen nicht minder als 
die fiscalischen Interessen berücksichtigendes, vor Allem aber ver- 
einfachtes Gebühren- undStempelgesetz*) zur verfassungs- 
mässigen Behandlung vorlegen." 

') Wenn die Einkommensteuer der Eisenbahnen und anderer industrieller 
Gesellschaften nach den verschiedenen Ländern u. s. w. vertheilt wird, so ver- 
liert der n. ö. Landesfond nach einer ungefähren Schätzung bei der bis- 
herigen Umlage eine Einnahme von jährlich mindestens 70.000 fl. — Bekann- 
termassen erhielt der erwähnte Gesetzesentwurf die Zustimmung des Herren- 
hauses nicht. 

'^) Die Regierung hat diesem Wunsche nicht entsprochen. Erst von dem 
1868 in's Amt getretenen Ministerium, wurde derselbe aufgenommen und erhielt 
das diessfällige Gesetz am 14. Juni 1868 die A. H. Sanction. 

') Diesem Ansinnen ist bisher nicht entsprochen worden. 

*) Das letzte diessfällige Gesetz datirt vom 29. Februar 1864 und ist 
demnach allerdings nach diesem Ersuchen zu Stande gekommen. Ob durch das- 
selbe aber die volkswirthschaftlichen Interessen ihre Berücksichtigung gefunden 
haben, möge hier unerörtert bleiben, dass jedoch damit keine Vereinfachung 
herbeigeführt wurde, dürfte schon jetzt behauptet werden können, nachdem es 
sich dabei keineswegs um ein neues Gesetz, sondern nur um Modificationen 
einiger gesetzlichen Bestimmungen handelte. 



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90 

3. „Der n. ö. Landtag erkennt als Bedürfniss fiir 
Oesterreich unter der Enns, dass die Entscheidung über schwere 
Verbrechen, sowie über alle politischen und die durch die Presse 
begangenen Verbrechen und Vergehen Greschwornengerich- 
t e n *) zugewiesen werde , und er ersucht das k. k. Ministerium 
eine diesem Bedürfnisse entsprechende neue Strafprocess-Ordnung 
dem Reichsrathe zur verfassungsmässigen Behandlung vorzulegen." 

4. „Es sei die Regierung zu ersuchen, wenigstens in Nieder- 
Oesterreich mit bedingnissweisen Entlassungen von Sträf- 
lingen*) aus den Strafhäusern vor gesetzlicher Regelung 
der Grefängnissreform und den Strafvollzugsanordnungen auch nicht 
versuchsweise vorzugehen." 

Bezüglich der Vermehrung der Eisenbahnen auch in 
Nieder-Oesterreich hat die Landes-Vertretung nicht unter- 
lassen, beizutragen, soweit dies eben in ihrem Wirkungskreise 
gelegen war. So wurden über Einladung der Regierung als höchst 
wünschenswerthe Bestandtheile des Eisenbahnnetzes bezeichnet 
ausser den beiden Hauptbahnen, d. i. der durch das Waldviertel 
ziehenden Franz - Josefs- und der Wien-Laaer- Eisenbahn , die 
Seitenbahnen a) von der Franz Josefsbahn nach Kjrems, b) von 
St. Polten nach Mautern, c) von Leobersdorf über Kaumberg und 
Wilhelmsburg nach St. Polten, d) von Gramat-Neusiedl nach 
Wiener-Neustadt und e) von Reichramming über Weyer und 
Waidhofen a. d. Ybbs nach Aschbach, sowie von St. Peter nach 
Steyer. Die Concessionirung *) der Franz Josefsbahn und die end- 
liche Inangrifihahme dieses Baues hat der Landtag wiederholt bei 
der Regierung befürwortet. 



') In dem Staatsgrandgesetze vom 21. Dezember 1867 über die richter- 
liche Gewalt bestimmen die Artikel 10 und 11, dass die Verhandlungen vor 
dem erkennenden Richter in Civil- und Strafrechts-Angelegenheiten mündlich 
und öffentlich sind, sowie, dass bei den mit schweren Strafen bedrohten Ver- 
brechen, welche das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen oder 
durch den Inhalt einer Druckschrift verübten Verbrechen und Vergehen Ge- 
schworene über die Schuld des Angeklagten entscheiden. 

•) So weit bekannt wurde, fanden Entlassungen von Sträflingen in der 
That nur nach Ablauf ihrer Strafzeit, oder nach A. H. Gnadenakten statt. 

*) Dieselbe erfolgte mittelst des Reichsgesetzes vom 9. August 1865 und 
ist in demselben die Verpflichtung zur Erweiterung der Brücke gegen Ersatz 
der Mehrkosten aufgenommen. 



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91 

Schliesslich ist noch zu bemerken, dass der Landtag die 
von der Regierung nach §.19 der Landes-Ordnung gewünschten 
Gutachten über eine neue Grundbuchsordnung, sowie über 
den Gesetzentwurf über Benützung, Leitung und Ab- 
wehr der Gewässer*) in sehr ausfiihrlicher Weise erstattete, 
dagegen die 1865 gemachte Vorlage eines Entwurfes über die 
politische Organisirung als nicht entsprechend ablehnte, 
einerseits sich vorbehaltend, Vorschläge zu machen, „wenn die 
Möglichkeit der verfassungsmässigen Behandlung solcher Vor- 
schläge wieder vorliegen wird", und anderseits den Wunsch aus- 
sprechend, dass die politische Organisation in Nieder-Oesterreich 
zugleich mit der Organisirung der Justiz- und Steuerbehörden 
und im verfassungsmässigen Wege der Gesetzgebung vorgenom- 
men werde. •) 



VIII. Landesvermögen. 

Unter die im Jahre 1861 von der Staats-Verwaltung über- 
nommenen Geschäften gehört selbstverständlich die Verwal- 
tung der beiden Hauptfonde, d. i. des Grundentlastungs- 
fondes und des speciellen Land e sfon des. 

Was nun den Grundentlastungs - Fond betrifft, 
so wurde derselbe erst mit 1. November 1861 übernommen, nach- 
dem vorher entschieden werden musste, in wieferne die Grund- 



') Es erübrigte in der betreffenden Session nicht mehr die Zeit, das von 
dem Spezial-Ausschusse erstattete Gutachten durchzuberathen. Der Landtag 
begnügte sich, dasselbe der Regierung zur Kenntniss zu bringen. In der 1868 
im Abgeordnetenhause eingebrachten diessfälligen Regierungs-Vorlage sind die 
Hauptgrund Züge dieses Gutachtens angenommen. 

*) Durch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 „über die Reiclis- 
vertretung" wurde anerkannt, dass die Grundzüge dieser Organisirung im Wege 
der Reichsgesetzgebung zu erfolgen haben. In der That erflossen die Gesetze vom 

10. Juli 1868 über die Organisirung der politischen Behörden und vom 

11. Juni 1868 über die Organisirung der Gerichte erster Instanz. Diese Orga- 
nisirung trat mit 31. August 1868 ins Leben, somit gleichzeitig für die poli- 
tischen und Justiz-Behörden. Rücksichtlich der Steuerbehörden trat eine Aen- 
derung bisher nicht ein. 



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92 

entlastungs-Fonds-Cassa fernerhin auch nur von Monat zu Monat 
aus den im Wege der k. k. Steuerämter eingehenden Umlags- 
geldem „nach Bedarf" dotirt, und der Ueberschuss wie bisher 
gegen Erlag der Empfangscheine an die Staats-Depositen-Cassa 
abgeführt werden solle. Die Landes- Vertretung weigerte sich unter 
dieser^ in Folge eines Staatsministerial-Erlasses gestellten Bedin- 
gung die Verwaltung des Grundentlastungs-Fondes anzutreten, 
indem sie geltend machte, dass ihr nach der Landesordnung die 
unbeschränkte Verwaltung dieses Fondes gebühre, die gestellte 
Bedingung aber ein sehr wesentliches Recht der Regierung vor- 
behalte. Obwohl das k. k. Staatsministerium ursprünglich sich 
für diese Beschränkung ausgesprochen hatte, liess es von dersel- 
ben in Folge der vom Landes-Ausschusse dagegen erhobenen 
Verwahrung ab und wurde sonach der Grundentlastungs Fond 
zu dem genannten Zeitpunkte übernommen. 

Bereits in der ersten, nur wenige Sitzungen umfassenden 
Session hat der Landtag den Umstand in's Auge gefasst, dass 
die Staats-Depositen-Cassa bedeutende Befrage — damals bei 9 
Millionen bekannt — an den Örundentlastungs-Fond schulde. 
Es wurde sich daher gleich bei der Uebernahme vorbehalten, we- 
gen der Rückzahlung dieser Schuld mit dem Staate in Verhand- 
lung zu treten. Bei derselben war das k. k. Finanz-Ministerium 
Anfangs nur zu solchen Ratenzahlungen bereit, dass der Fond 
nach Ablauf der zu der ganzen Greschäftsabwicklung bestimmten 
Zeit von 40 Jahren befriedigt wäre und wollte die Staatsverwal- 
tung auch die Verbindlichkeit übernehmen, Mehrbeträge in ein- 
zelnen Fällen des Bedarfes zu leisten. Es gelang dem Landes- 
Ausschusse jedoch, das Zugeständniss der Rückzahlung in 20 
Annuitäten zu erreichen und trat diese Vereinbarung, nachdem 
die ganze Schuld des Staates ziflFermässig mit 9,173.043 fl. 77 kr. 
richtig gestellt war, und nachdem der Landtag seine Zustim- 
mung gegeben hatte, mit dem Jahre 1865 in's Leben. 

Ausserdem hat die Landes-Vertretung wiederholt auf die 
Beendigung der Arbeiten der noch in Thätigkeit vorgefundenen 
Grundlasten- Ablösungs- und Regulirungs-Commissionen in Gaming 
und Wiener-Neustadt, sowie in Waidhofen an der Ybbs gedrun- 
gen. Die letztere beendigte auch ihre Geschäfte während der 
Wahlperiode, so dass mit deren Ablauf nur noch die ersteren in 



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93 

Thätigkeit waren. Bei der Aufregung, welche eben in Gaming 
auf Seite der Verpflichteten gegen die ehemalige Herrschaft vor- 
waltete *), betonte der Landtag insbesondere die Dringlichkeit der 
Beendigung der dortigen Erhebungen und waren auch in dem 
Falle Ende 1866 alle Anstalten getroffen, dass dort ebenfalls dem 
Abschlüsse derselben ehestens entgegengesehen werden konnte *). 
Es kann somit die begründete Hoffnung ausgesprochen werden, 
dass in Nieder-Oesterreieh in nicht allzu ferner Zeit die Grrund- 
lasten-Ablösungen durchgängig ausgemittelt sein werden. 

Der richtigen Liquidirung der k. k. Steuerämter bei der 
Vorschreibung der von den Verpflichteten geleisteten Einzahlun- 
gen wurde die erforderliche Aufmerksamkeit in der Art zuge- 
wendet, dass in Fällen besonders grosser Rückstände oder wo 
sonstige Bedenken vorlagen, Seitens des Landes- Ausschusses eigene 
Untersuchungs-Commissionen zur Richtigstellung der Bücher ent- 
sendet worden sind. Auch wurde durch Q-ewährung von Remu- 
nerationen an die bei den k. k. Steuerämtern mit den Grund- 
entlastungs-Greldern beschäftigten Beamten, dann durch die Be- 
Mrilligung von Aushilfskräften für Rechnung des Grundentlastungs- 
fondes auf raschere Einzahlungen hingewirkt. 

Für besonders berücksichtigungswerthe Fälle hat der Land- 
tag den Landes- Ausschuss ermächtigt, Fristen und Nachsichten 
für die von den Verpflichteten einzuzahlenden Beträge und ins- 
besondere Nachsichten von auferlaufenen Verzugszinsen zu be- 
willigen. Davon wurde namentlich in den Fällen, wo durch Miss- 
wachs und Elementarunfälle, dann durch Epidemie und Seuche, 
sowie in Folge der Livasion die Zahlungsfähigkeit notorisch ver- 
ringert war, Gebrauch gemacht. 

Bezüglich der von allen Steuerträgern des Landes gleich - 
massig zur Grundentlastung zu leistenden Beiträge ist zu er- 
wähnen *), dass für das Jahr 1861, wo noch die Regierung die 

*) Als vorzüglichste Ursache dieser Aufregung erscheint der Umstand, dass 
das Hauptgrundbuch durch längere Zeit nicht aufgefunden werden konnte. 

') Die Commission in Wr.-Neustadt stellte ihre Thätigkeit am 16. No- 
vember, und jene in Gaming am 23. Dezember 1867 ein. 

') Die gesammte, nach dem Verlosungs-Plane innerhalb 40 Jahre, vom 
Jahre 1856 angefangen, rückzuzahlende Schuldsumme wurde mit 45.045,000 fl. 
B. V. angenommen. (Demgemäss wurden Obligationen im Nennwerthe von 
46.942,927 fl. ausgegeben). Davon waren bis Ende 1866 eingelöst: 



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94 

betreffende Umlage festgesetzt hat, 97^ kr. von jedem Gulden 
directer Steuer eingehoben wurden *). Seitens der Landes- Vertre- 
tung wurde diese Landes-Umlage bemessen: 

für das Jahr 1862 mit 8 kr. 
„ „ „ 1863 \ 

, „ „ 1865 j ^^* J^ 6 ^ 

„ „ „ 1866 I 

„ „ „ 1867 mit 4 „ 

Die vom Lande durch diese Umlage zu leistende Schuld 
wurde auf den Zeitraum von 40 Jahren vertheilt, so, dass vom Jahre 
1856 angefangen bis 1895 jährlich 810,000 fl. abzustatten sind. 

Nachdem nun bei der Höhe der in Nieder-Oesterreich entrich- 
teten directen Steuern im Betrage von über 1 3 Millionen eine Um- 
lage von 6 kr. zur Aufbringung dieser Jahresquote genügt, so 
stellte sich die von der Staatsverwaltung eingehobene Umlage 
als zu gross heraus. Bei Bemessung derselben für das Jahr 1862 
wurde sie bereits nur mehr mit 8 kr. bestioimt. Dagegen ist der 
Landtag für die folgenden 4 Jahre auf 6 kr. herunter gegangen. 
Die nächste Veranlassung zu diesem Schritte hat die Noth- 
wendigkeit gegeben, die Umlage für den Landesfond zu er- 
höhen, und es muss als zweckmässig bezeichnet werden, dass 
diese Erhöhung mit einer anderseits zulässigen Herabminderung 
beim Grundentlastimgs-Fonde compensirt und somit die Gesammt- 
leistung des Landes nicht gesteigert wurde. 

Auch wurde dadurch nur in den Jahren 1863 und 1864 eine 
Verringerung der zum börsenmässigen Einkauf von Obligationen 
bestimmten Summe herbeigeführt, nachdem vom Jahre 1865 an- 
gefangen, die Forderung an die Staats-Depositen -Cassa zur Beglei- 
chung gelangte und der ganze Betrag zum Einkauf von Obligationen 
verwendet werden konnte. Ueberdies könnte dieser Einkauf 



Durch Verlosung fl. 5.400,040 

Durch börsenmässige Einlösung . . . „ 4.628,070 

Durch AnnuUirung „ 58,270 

Daher zusammen 10.086,380 fl. 
*) In den früheren Jahren waren diese Umlagen wie folgt bemessen: 
1851:5, 1852:9; 1853:9; 1854:9; 1855: 9y4, 1856:9«/»; 1857:9*74 
1858:7 1859 :9V2; 1860:8; 1861:9%; 1962:8; 1863:6; 1864:6; 1865:6 
1866 : 6 kr. 



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95 

auch ganz unterbleiben, ohne dass dadurch die Verpflichtungen 
des Fondes leiden würden, da derselbe ursprünglich gar nicht 
vorgesehen war und die Mittel dazu lediglich nur durch grössere 
Landesumlagen und durch Vorausbezahlungen der Verpflichte- 
ten beschaflft wurden. Aus dem letzteren Grunde konnten daher 
auch ungeachtet der geringeren Umlagen in den Jahren 1863 
und 1864 solche Einkäufe stattfinden, wie dieselben auch in 
den Jahren 1865 und 1866 vorgenommen wurden. Es konnte 
diess sogar für das Jahr 1867 ebenfalls mit einem Betrage von 
nahezu 200.000 fl. in Aussicht genommen werden, ungeachtet 
die Landesumlage bis auf 4 kr. herabgemindert wurde. Dem 
Rechte der Obligationsbesitzer wurde demnach dadurch nicht 
nahe getreten und ebensowenig wurden die Verpflichtungen des 
Landes dadurch hintangesetzt, dass für das Jahr 1867 eine um wei- 
tere 2 kr. geringere Umlage ausgeschrieben wurde, als zur Aufbrin- 
gung jener zur Abzahlung der Landesschuldigkeit innerhalb 40 
Jahren berechneten Jahresquote von 810.000 fl. erforderlich ist, 
nachdem eben in früheren Jahren um so viel höhere Umlagen 
ausgeschrieben worden waren, und nicht nur die Verpflichtungen 
des Fondes erfiillt, sondern auch noch darüber hinausgehende 
Rückkäufe vorgenommen werden konnten. 

Dass übrigens für 1867 nur 4 kr. ausgeschrieben wurden 
geschah ausdrücklich nur für dieses Jahr und war dies lediglich 
nur veranlasst durch die höhere Umlage, welche für den Landes- 
fond anlässlich des vorausgegangenen Kriegsjahres erforderlich 
wurde, ein Ereigniss, das nach dreijähriger Missemte, und in 
Begleitung von Epidemie und Elementarunfällen, die Steigerung 
der Gesammtleistimg des Landes in diesem Zeitpunkte ganz 
unmöglich machte. 

üeber den Vermögensstand des n. ö. Grundent- 
lastungs fondes mag die nachfolgende Tabelle den entspre- 
chenden Aufschluss gewähren. 



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96 



Vermögens-Stand 

des n. ö. Grundentlast ungs-Fondes in den Jahren 1861 bis einschliesslich 1866. 





bei Beginn || am Schlüsse 


VermSsrens | 




des Jahres 


Vermehrungl 


Verminder. 1 




fl. 


>r- 


II fl. 


kr. 


«• 


_krj 


fl. 


kr. 


1861 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 
der Passiven 


44,066.947 
43,523.446 


75V, 
56 


42,254.393 
42,728.731 


46V, 
42 


_ 


— 1,812.554 

— 794.715 


29 
14 


ergibt sich eine .... 

1862 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine .... 

1863 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine .... 

1864 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 
der Passiven ........ 

ergibt sich eine .... 

1865 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine .... 

1866 
Stand der Activa ...... 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine .... 

Zusammenziehung pro 1861 bis 
incl. 1866 

Hiezu durch Rectifizirung in den 

Jahren 1864 und 1865 .... 

Summe 


543.501 

42,254.393 
42,728.731 


19V. 

46V. 
42 


474.337 

42,721.036 
42,045.373 


95V, 

56 
51 


466.6^13 


— 1,017.839 

9% - 

— 683.357 


15 
91 


474,337 

42,721.036 
42,045.373 


95V, 
51 


675.663 

41,879.620 
41,084.665 


5 

88 
28 


1,150.001 


V. - 

— 841.415 

— 960.718 


68 
23 


675.663 

• 
»41,948.160 

41,084.655 


5 

52 

28 


794.965 

40,569.820 
39,613.183 


60 

13 

68V, 


119.302 


55 — 

- 1,378.340 

— 1,471.471 


39 

59V, 


794.965 

»40,569.862 
39,613.183 


60 

13 

68V, 


956.636 

39,575.230 
38,435.802 


44V, 

19V, 
22V, 


93.131 


20Vj| - 

— 994.631 

— 1,177.381 


93V, 
46 


956.678 

39,575.230 
38,435.802 


44V, 

19V. 
22V, 


1,139.427 

38,911.703 
37,664.683 


97 

57 

77V, 


182.749 


52V, - 

— 663.526 

— 771.118 


62V, 
45 


1,139.427 


97 


1,247.019 


79V, 


107.591 


82% - 


- 


543.501 


19V, 


1,247.019 


79V, 


634.936 
68.581 


96 
64 


- 


i 


703.518 


60 



Die Activa dieses Fondes bestanden am Schiasse des Jahres 1866 aus : 

a) der Schuld der Verpflichteten 3,718.139 fl. IS'/j kr. 

b) „ „ des Landes 12,326.089 „ 93 „ 

c) „ „ des Staates 13,860.167 „ 32 ^ 

d) „ „ der Staatsdepositencasse 8,679.645 „61 „ 

e) den aushaftenden Vorschüssen und bei anderen 

Gassen schwebend verbliebenen Geldern ... 27.881 „ 04Va w 

/) dem Cassareste 299.780 „ 53 „ 

Summe 38,911.703 „ 57 „ 



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97 

Die Passiva bestanden ans : 

aj im Umlaufe befindlichen Grundentlastungsobligatio- 
nen sammt aushaftenden Interessen .... 37,653.195 fl. 7% kr. 

b) liquidirten aber nicht bedeckten Forderungen der 
Berechtigten für Urbariallasten und Laude- 
mialbezüge, nickständigen Renten hievon, rück- 
ständigen Regiekosten und Vorauszahlungen der 

Verpflichteten . • • 11.488 70 „ 

Summe 37,664.683 77*/, „ 

Der Landesfond wurde mit 31. Juli 1861 in die unbe- 
schränkte Verwaltung der Landes- Vertretung übernommen. Es 
muss bemerkt werden, dass dabei 313.070 fl. in Barem und 
339.470 fl. in Obligationen vorhanden waren. 

Nachdem neben dem Landesfonde der Doraesticalfond 
fortbestanden hatte, beschloss der Landtag die Auflösung des- 
selben, indem die vorhandenen Capitalien *) in den Landesfond 
tibertragen wurden, und indem femer bestimmt wurde, dass 
künftighin die dem Domesticalfonde eigenthümlich gehörigen Drit- 
telsteuer-Entschädigungsrenten-Beträge von jährlich 4971 fl. 9 kr., 
beziehungsweise von 2852 fl. 14 kr., dann die Urbarsteuer-Ent- 
schädigungsrenten-Beträge von jährlich 16 fl. 67 kr. in den Landes- 
fond einzufliessen haben. 

Rücksichtlich der Geldgebarung mit dem Landesfonde muss 
vorerst der Landes-Umlagen Erwähnung gesohohen. 

In dem letzten von der Regierung festgestellten Voranschlage 
(d. i. pro 1861) war die Umlage mit 8 kr. für jeden Gulden 
directer Steuer festgestellt *). Für das Jahr 1862, wo eigentlich 



^) Dieselhen bestanden in 

Nat.-Anlehen-Oblig. per fl. 19,000.— 

n. ö. Grundentl-Oblig. per « 10,860.—- 

Bankpfandbriefe „ 9,000,— 

an barem Geld „ 146.46 

*) Seit dem Bestände des Landesfonds gab es folgende Umlagen: 
im Jahre 1861 fttr Wien 2 /^ kr., für das flache Land 3 kr. 

„ „ 1862 „ „2/4„„„ n r» ^An 

„ „ 1853 „ „3„„nn w^n 

t» « 1864 „ n ^ n n n r^ n^w 

n I» 1855 „ „ Sy^ n rt n n n 6V4 „ 

» » 1856 „ „ 5*/fc n n n n » ^V* n 

ff ff 1867 „ „ 5V* ff ff ff tt ff 6*/* ff 

7 



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98 

eine Aenderung mit dem noch von der Regierung vorgelegten Vor- 
anschlage gar nicht vorgenommen wurde, blieb die Umlage die- 
selbe. Für die Jahre 1863 und 1864 jedoch, wo die Voranschläge 
(im Jahre 1861 hatte das Erfordemiss 970.564 11. betragen) zum 
Theil wegen der Auslagen fiir die Landes-Vertretung *), vorzüglich 
aber wegen der Kosten für Schulen •) und öffentliche Bauten ') auf 
1,405.400 und 1,649.000 fl. gestiegen waren, musste die Umlage be- 
reits um 2 kr. erhöht werden. Nachdem aber vom Jahre 1862 ange- 
fangen um 1 Yj kr. an Umlage flir den Grundentlastungsfond weniger 
ausgeschrieben wurde, war die Gesammtleistung des Landes im Jahre 
1862 um ly, kr. weniger und vom Jahre 1863 angefangen um */, 
kr. höher. In den Jahren 1865 und 1866 stieg die Landesfonds- 
Umlage abermals um 2 kr., da die Kosten filr die Strassen sich 
auf 512.790 fl. steigerten. Wie bereits erwähnt, wurde gleich- 
zeitig auch mit der Umlage für den Grundentlastungsfond von 
8 auf 6 kr. herabgegangen , so dass ungeachtet der Landesfonds- 
Umlage von 12 kr. die Gesammtleistung des Landes doch nur 
18 kr. betrug. Hiezu konnte sich um so eher entschlossen werden, 
als das Land — mit Ausnahme von Wien — auf einer andern 
Seite die Herabminderung an der Steuerleistung beinahe in gleichem 
Massstabe erfahr. Es bestanden nämlich noch aus der Zeit der 
Kreisämter vom Jahre 1854 her die sogenannten Kreisstrassen- 
fonde*). Nachdem nun eine Anzahl von Strassen (als Landes- 



im Jahre 1868 für Wien 6/4 kr., für das flache Land 6 kr. 

n n 1869 „ n n it n n rt n * Aon 

« f» 1860 Yf n n rt n r> n n * n 

1) Hiefttr waren pro 1863 90,200 fl. und pro 1864 (14 monatliche Pe- 
riode) 110,400 fl. veranschlagt, während für das Vorjahr diese Auslage fehlte. 

•) Hiefür waren pro 1863: 65,773 fl. und pro 1864 (14monatliche Pe- 
riode) 103,683 fl. veranschlagt, während für das Vorjahr diese Auslage gar 
nicht vorkam. 

5) Hiefür waren pro 1863 239,150 fl. pro 1864 (Umonatliche Periode) 
234,000 fl. dagegen pro 1861 nur 67,272 fl. veranschlagt. 

*) Als im Jahre 1861 Bezirks-Hauptmannschaften eingeführt wurden, 
bestanden auch Bezirks-Umlagen und Fonde, aus denen Recrutirnngs- und 
Cimentirungs- und andere gemeinschaftliche Auslagen, insbesondere auch für 
Strassen bestritten wurden. Als im Jahre 1854 die Bezirks-Hauptmannschaften 
aufgelöst wurden, zog man diese Bezirks-Fonde in Kreis-Fonde zusammen und 
wurden dieselben ausschliesslich zu Strassen-Fonde erklärt. Die diessfälligen 
Umlagen waren, so lange diese Fonde bestanden : 



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99 

Strassen) auf den Landesfond übernommen wurden, (daher auch 
die bedeutende Steigerung der Auslagen bei diesem), so konnten 
anderseits die Kreisfonde erleichtert werden. In der That betrug 
die Herabminderung der Kreisfonds - Umlage in den Vierteln 
O. M. B. u. O. W. W. 2 kr. (von 6 auf 4 kr.) in dem Viertel 
U. M. B. 2/, kr. (2*/, von 6 kr.) und in dem Viertel U. W. W. 
IV, kr. (5y, von 7 kr.). Leider musste für das Jahr 1867 aber- 
mals eine Steigerung der Landesfonds-Umlage um weitere 2 kr., 
d. i. von 12 auf 14 kr., beschlossen werden. Die Ursache dazu 
lag lediglich in der grossen Ausgabe für Militär-Einquartierung und 
Vorspann aus Anlass des 1866er Krieges. Wie aber bereits bei 
Besprechung der Umlagen für den Grundentlastungsfonds erwähnt, 
wurde diese, in Berücksichtigung der ungünstigen, zur Erhöhung 
der Gesammtleistung nicht geeigneten Zeitverhältnisse, wieder um 
2 kr. herabgemindert, so dass die Umlage flir Grundentlastungs- 
und Landesfonds zusammengenommen den Betrag von 18 kr. wie- 
der nicht überschritt. 

Die Thatsache, dass die Ursache der für das Jahr 1865 vor- 
genommenen Erhöhung der Umlage des Landesfondes fast nur in 
den gesteigerten Strassenauslagen gelegen war, hat Veranlassung 
zur Erörterung der Frage über die Gleichmässigkeit der 
Umlage ftir alle Orte und Steuergattimgen gegeben. Da nämlich 
von den Vertretern der Stadt Wien geltend gemacht worden ist, 
dass dieselbe weder vor noch während derselben dem Bestände der 
Kreisfonde zu den Strassen auf dem flachen Lande — einzelne periodi- 
sche Beiträge in den letzten Jahren abgerechnet — beigetragen habe, 
während sie nunmehr in Folge des Strassengesetzes überhaupt, 
insbesondere aber wegen der Landesstrassen mittelst ihrer be- 
deutenden Beisteuern zum Landesfonde stark in die Theilnahme 
gezogen werde; wurden von verschiedenen Seiten Anträge ge- 
bracht, entweder die in Wien besonders vertretene Hauszinssteuer 
in Nied.-Oester. von der Landesfonds-Umlage auszunehmen oder 
die Umlage für die Stadt Wien um 1 kr. niedriger zu bemessen. 

1856 1856 1857 1868 1859 1860 1861— 64 1865 u. 1866 

V.U.W.W.3V, 4»V,oo ß'V.oo öV.oo aVi 5 7 5'/, 

V.O. W.W. 3% 6'V,o, 5*»A^ 7 5 6'/, 6 4 

V. U. M. B. 3V, 4»Viao ^Vio ^'/xo 3 3 5 2% 

V. O. M. B. 3»/^ 6»y,oo ö'V.oo 5^A,, 5 5 6 4 

7 * 



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100 

Aus der oben geschehenen Anfuhrung der Umlagen seit 1851 geht 
hervor, dass letzterer Unterschied in den Jahren 1853 — 57 in 
der That bestand, derselbe 1852 sogar ly, kr. und gleich im 
ersten Jahre, 1851, Va ^r. betrug, so dass also in den ersten 7 
Jahren die Landesfonds Umlage ftir die Stadt Wien principiell 
geringer bemessen wurde. Der Landtag erkannte aber in beiden 
Anträgen eine Gefährdung des Principes der gleichmässigen Be- 
steuerung im ganzen Lande, lehnte dieselben daher ab, und be- 
schloss : „der Landesfondszuschuss sei noch ferner, wie bisher, auf 
alle Steuergattungen gleichmässig umzulegen". Weiters wurde sich 
aber für Gewährung einer Summe von 75.000 fl. als Beitrag zur 
Erhaltung jener Strassen innerhalb Wien*s, die als Fortsetzung der 
Landesstrassen angesehen werden können, entschieden *). 

Unter den einzelnen, dem Landesfonde obliegenden Zahlun- 
gen befindet sich auch die Post „Landes schulden", für 
welche in allen Voranschlägen eine, über 57.000 fl. betragende 
Summe einbezogen erscheint. Diese Schulden stellen sich sozusagen 
als das Passivum des ehemaligen Domesticalfondes heraus und 
datiren daher aus älterer Zeit, und zwar: 1. aus der Schuld vom 
Jahre 1767 (4,466.100 fl. 18 kr. C. M. ausgegeben), ursprünglich 
mit 4, seit dem Finanzpatente des Jahres 1811 aber nur mehr 
mit 2 Procent in Wiener Währung verzinslich ') ; 2. aus dem 
Dominicalanlehen vom Jahre 1799 (ausgegeben mit 446.065 fl. 
Obligationen), ursprünglich mit 6, seit dem Finanzpatente vom 
Jahre 1811 mit 3 Procent in Wiener Währung verzinslich*); 
3. aus dem Zwangsanlehen vom Jahre 1805 (6,161.268 fl. C. M. 
Bancozettel ausgegeben) ursprünglich mit 6, seit dem Finanz- 



') Diese Bestimmung wurde übrigens in das Landesgesetz vom 18. Mai 
1866, womit die Landesstrassen festgestellt wurden, ausdrücklich aufgenommen. 

*) Die älteren stand. Schulden — durchaus entstanden aus der Leistung 
der dem Lande obliegenden Leistungen oder aus der Erwerbung von Ver- 
mögensrechten des Domesticalfondes (als zum Ankauf der Urbar- oder Drittel- 
steuer,<^ sowie zum Erlag des Vicedomischen Kaufschillings) — wurden auf 
Grund des A. H. Patentes vom 1. Mai 1766 in diese 4proz. Schuld convertirt. 

•) Diese Schuld ist eigentlich eine Kriegssteuer gewesen, zu der sich 
aber die Dominicalbesitzer freiwillig erboten hatten. Sie war daher ursprünglich 
eine Specialschuld der Gültenbesitzer, wurde aber später dadurch eine Domesti- 
calschuld, dass zu ihrer Tilgung, sowie zur Bestreitung der Zinsen ein beson- 
derer Zuschlag auf den Dominical-Steuergulden eingehoben wurde. 



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101 

patente vom Jahre 1811 mit 3 Procent in Wiener Währung 
verzinslich"); 4. aus dem 5procentigen Anlehen vom Jahre 1805 
aus der freiwilligen Conversion eines Theiles des letzgenannten 
Anlehens entstanden (115.481 fl. Bancozettel ausgegeben), seit 
dem Finanzpatente vom Jahre 1811 nur mehr mit 2% Procent 
in Wiener Währung verzinslich ; 5. aus dem Zwangsanlehen vom 
Jahre 1809 (sogenanntes Angles^sches Anlehen, von dem ein Be- 
trag von 863.182 fl. in Silber ausgegeben wurde), ursprünglich 
mit 6 Procent in Silber, seit dem Finanzpatente vom Jahre 1811 
mit 3 Procent in Wiener Währung verzinslich •) ; 6. aus dem zur 
Einlösimg ständischer Tratten ausgegebenen 2procentigen Anlehen 
des Jahres 1811 (1809) im Nominalbetrag von 1,477.100 fl. Wr. 
Währung. 

Was nun die Tilgung dieser Schulden betriflft, so wurde 
für die ad 1 aufgeführte ein eigener Amortisationsfond gebildet 



') Die unter 3 — 6 angeführten Schulden datiren aus der Zeit der französi- 
schen Invasion. In derselben obla^^ es dem stand. Verordneten-Collegium die 
dem Lande auferlegten Kriegscontributionen zu beschaffen. Das Collegium ging 
jedoch dabei nur mit Zustimmung des in Wien verbliebenen 1. f. Hofcommis- 
särs vor. Auch waren den Verhandlungen, die diesen Anlehens-Aufnamen vor- 
ausgingen, Vertreter des Magistrates der Stadt Wien beigezogen, da dieselbe 
das grösste Interesse an der regelmässigen Aufbringung der Contribution hatte ; 
w esshalb auch bestimmt wurde, dass ein später zu ermittelnder Theil von ihr 
zu tragen sei. — Das ad 3 erwähnte Anlehen wurde unter Garantie der Stände 
nciit Patent vom 2. Dezember 1805 ausgeschrieben, in der Art, dass die Besitzer 
von Dominicalrealitäten, sowie die Hauseigenthümer der Stadt Wien, mit dem 
einjährigen Betrage ihrer Steuer, sämmtliche Bewohner Wiens, die 100 fl. oder 
mehr Wohnungsmiethe bezahlten, mit einem halbjährigen Zinsbetrage, endlich 
die Geistlichkeit, die Wechsler, die verschiedenen Gremien mit einem vom Hof- 
commissariate festgesetzten Pauschalbetrage beizutragen hatten. 

•) Die dem Lan^e Nieder-Oesterreich im Jahre 1809 auferlegte Kriegs- 
contribution betrug — bei einem durchschnittlichen Silbercurse von 300 fl. — 
23,344,321 fl« 20 kr. Bancozetteln. Die Beschaffung geschah auf die verschiedenste 
Art, durch Requisitions- und Hypothekar-Tratten, sowie durch ein Zwanganlehen, 
das durch die fünffache Dominicalsteuer hereingebracht wurde. Das ad 5 er- 
wähnte, ebenfalls dazu gehörige Anlehen — von dem frz. Intendanten Angles, 
der die betreffenden Anordnungen traf, benannt — wurde in Wechseln auf 
fremde Plätze, auf die Banquiers und Kaufleute Wiens in Silber ausge- 
schrieben, und musste das Land die Garantie zur Zahlung, aber nur die eine 
Hälfte, übernehmen, während die andere Hälfte von der Stadt Wien über- 
nommen wurde. 



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102 

alljährlich dotirt mit 50, später 55000 fl., die durch Umlage auf 
das ganze Land aufgebracht wurden) und aus demselben bis zum 
Jahre 1831, wo seine Thätigkeit eingestellt worden ist, ein Be- 
trag von 1,908.812 fl. eingelöst, so dass am Schlüsse des genann- 
ten Jahres noch 2,557.287 fl. 24 kr. im Umlauf waren und zur 
ferneren Verzinsung vei*blieben. 

Die ad 2 aufgeführte Schuld wurde durch eine eigene Um- 
lage auf den Dominicalsteuergulden eingelöst. Da aber diese 
Einnahme während der Kriegsjahre auch zu andern Zwecken ver- 
wendet wurde, so waren mit dem Jahre I83I noch 68.909 fl. 
uneingelöst, ungeachtet solche Obligationen auch aus dem ad 1 
angeführten Amortisations-Fonde durch Rückkauf an der Börse 
eingelöst wurden. 

Seitdem durch das A. H. Patent vom Jahre 1819 die 
Verlosung der älteren Staatsschuld angeordnet wurde, wodurch 
den Staatsgläubigem ein theilweiser Ersatz für den ihnen in 
Folge des Finanz-Patents vom Jahre 1811 zugefügten Schaden 
in Aussicht gestellt war, hatten auch die Stände von Nieder- 
Oesterreich angesucht den Inhabern der ständischen, von den An- 
lehen aus den Jahren 1767 und 1799 herrührenden Obligationen 
gleichfalls einen Ersatz gewähren zu dürfen. Zwar wurden die 
diesfalls gemachten Vorschläge nicht acceptirt, allein im Jahre 
1840 wurde die Einbeziehung dieser Obligationen in die Ver- 
loosung der älteren Staatsschuld in der Art gestattet, dass 
904.946 fl. 54 kr. Obligationen ständischer Schulden gegen den 
gleichen Betrag von verloosbaren Obligationen der älteren Staats- 
schuld, welche Eigenthum des Domestical-Fondes waren, getilgt 
wurden und nur der noch verbleibende Theil der Schuld per 
1,721.249 fl. 30 kr. in die Verloosung der älteren Staatssehuld 
eingetheilt wurde. Während bei diesem Arrangement ausdrück- 
lich die Bestimmung getroffen wurde, dass die Zinsen, inso- 
lange die Obligationen nicht gezogen sind, auch femer vom Do- 
mestical-Fonde zu tragen sind, behielt sich die Staatsverwaltung 
vor, für die durch diese Eintheilung der ständischen Obligatio- 
nen in die Verloosung der älteren Staatsschuld den Ständen 
gewährte Unterstützung den Ersatz seiner Zeit in Anspruch zu 
nehmen. 

Soviel über die sogenannte ältere ständische Schuld, welche 



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103 

bereits bei dem Inslebentreten der Landes- Vertretung nahezu 
getilgt war *). 

Anbelangend die Tilgung der Invasionsschuld, fand die- 
selbe nur tbeilweise, und zwar durch Credit-Operationen des 
Staates, durch besondere Landesumlagen und durch Abstattung 
von Jahresquoten aus dem bereits erwähnten Amortisations-Fonde ') 
statt, so dass sich Ende des Jahres 1866 in Händen des Pub- 
licums befanden: 

vom 3 proct Anlehen vom Jahre 1805 2,752.514 fl. 44 kr. 
„ 3 „ „ „ „ 1809 749.485 „ - „ 

n 2%„ „ „ „ 1805 82.315 „ - „ 

, 2 „ n . n 1811 1,444.361 , 24 , 

daher in Summa 5,028.676 fl. 8 kr. 
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass das Land 
den Anspruch auf den vollen Rückersatz hat, da ja diese Schul- 
den nur im Reichsinteresse contrahirt wurden. Die Stände haben 
diesfalls auch wiederholt reclamirt, und zwar nicht nur wegen 
Uebernahme des noch vorhandenen Restes der Schuld, sondern 
auch wegen Rückersatzes aller jener Beträge, die zur Einlösung 
des bereits getilgten Theiles dieser Schulden aus Landesmitteln 
aufgewendet worden sind. Die Staatsverwaltung hat diese Forde- 
rungen auch keineswegs abgelehnt, aber zu einer Richtigstellung 
der Ziffer sowie zu einem Uebereinkommen bezüglich der Abzahlungs- 
modalitäten war es gleichwohl nicht gekommen "). Der Landtag hat 



') Ende 1866 blieben vom Jahre 1767 noch ungetilgt: 250 fl. 

') Dessen Thätigkeit stellte man mit dem Jahre 1840 ein, und wurden 
die vorhandenen Gelder zum Bau des Landhauses verwendet. 

*) Durch ein Hofdekret vom Jahre 1810 wurde der Grundsatz ausge- 
sprochen, dass die von den Franzosen gemachten Ausschreibungen zum Aus- 
gleiche geeignet wären, wegen des Schlüssels hiezu aber die weitere A. H. 
EntSchliessung erst nachfolgen werde. Im Jahre 1811 wurde durch ein Hof- 
dekret der Stadt Wien, die von den Ständen aufgefordert worden war, ihren 
Zahlungsverbindlichkeiten nachzukommen, dies aber wegen Mangel an Mittel 
nicht thun zu können erklärte — die Zusicherung ertheilt, dass Verhandlungen 
wegen dieses Ausgleiches im Zuge seien, und das Erforderliche zur Deckung 
der geleisteten und noch zu leistenden Zahlung angeordnet werden würde. Es 
wurde dann durch ein weiteres Hofdekret vom Jahre 1832 mitgetheilt, dass 
die Frage, nach welchem Verhältniss die Provinz und die Stadt Wien zu dem 
geaammten Tnvasionsanlehen zu concurriren haben werden, dann ob und in 



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104 

sich daher verpflichtet gefühlt, diese Angelegenheit wieder aufzuneh- 
men. In der zweiten Session beauftragte er den Landes- Ausschuss 
„einen ausführlichen Bericht über die bestehende Domesticalschuld 
sowie Vorschläge zu deren Regelung zu erstatten." Auf Grund dieses 
Berichtes ') hat der Landtag den Landes-Ausschuss in der dritten 
Session weiters beauftragt „mit dem k. k. Finanz-Ministerium wegen 
Uebemahme der ständischen Invasionsschulden auf den Staat und 
Anerkennung der dem Lande Nieder-Oesterreich aus denselben 
zustehenden Ersatzansprüche in Unterhandlung zu treten und das 
diesfalls getroffene Uebereinkommen dem Landtage" zur Ratifi- 
cation vorzulegen. Dies ist in den beiden noch eingetretenen Ses- 
sionen der Wahlperiode nicht geschehen, nachdem einerseits vor 
der Geltendmachung der Anforderungen dieselben einer genauen 
ziffermässigen Revision unterzogen werden mussten, und nachdem 
dieselbe Ueberprüfiing bei einer vom Staate aus einem andern 
Titel abgeleiteten Forderung an das Land vorzunehmen, übri- 
gens das Kriegsjahr 1866 zur Durchfährung der ersteren An- 
sprüche nicht geeignet war. 

Die vom Staate an das Land gestellten Ansprüche wurden 
aus den noch nicht finalisierten Abrechnungen des sogenannten 
„Landwehr-Fon d es" aus der Periode vom Jahre 1808 bis 
letzten October 181 8 abgeleitet. Die Landes- Vertretung fand diese 
Angelegenheit in der Schwebe, da das ständische Verordneten- 
Collegium im Jahre 1859 von der k. k. Statthalterei ersucht 
worden war, zu der Liquidirungs-Commission Abgeordnete zu 



wie weit diese Schuld auf den Staatsschatz zu übernehmen wäre, nach 
Herablangung eines in Händen Sr. Majestät befindlichen Operates über das In- 
vasions-Schuldenwesen einer umständlichen Erörterung unterzogen werden würde. 
Mit dem Hofdekret vom Jahre 1841 wurde den Ständen bedeutet, Se. Majestät 
habe anzuordnen geruht, es seien die Verhandlungen über die Rückvergütung 
der ständischen Invasionsschuld da, wo sie haftet, mit allem Nachdrucke zu 
betreiben, daher diese Angelegenheit postenweise, da wo sie haftet, aufzu- 
nehmen und in Vortrag zu bringen sei. Der letzte Verkehr endlich, der mit 
der Staatsbehörde diesfalls statthatte, war die 1847 erfolgte Erledigang einer 
Eingabe der Stände um endliche Entscheidung in Betreff der Invasionsschul- 
den, dahin gehend, dass die Verhandlungen über die Regelung der aus den 
Invasionsepochen herrührenden Domesticalschuld noch nicht beendet seien. 

*) Demselben sind die vorstehenden Daten über die Landes schuld Ver- 
hältnisse entnommen. 



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105 

entsenden, welche in Aiisflihrung der A. H. Entschliessung vom 
20. Mai 1828 wegen provincieller Abrechnung und Ausgleichung 
der gegenseitigen Ansprüche des Aerars und der Landwehr- 
Fonde reactivirt worden war, diese Beschickung zwar stattfand, aber 
bei der Verhandlung eine specielle Prüfung der Allegate durch 
die einzelnen Commissions-Mitglieder sich als nothwendig heraus- 
stellte, und nachdem nunmehr im August 1860 der ganze 
Act mit den Bemerkungen der Vertreter des Militär-Aerars 
sowie mit den Erläuterungen der Staatsbuchhaltung an das 
Verordneten-CoUegium gelangte, wo derselbe im April 1861 
bei der Geschäftsübergabe noch unerledigt vorgefunden wurde. 

Im Jahre 1862 sprach das k. k. Staats-Ministerium den 
Wunsch nach Beschleunigung dieser Angelegenheit aus, indem 
zugleich bemerkt wurde, dass zwischen den Gentralstellen die 
Vereinbarung getroffen wurde, dass es sich bei der diesßllligen 
Abrechnung nicht um Anforderung einer Baarzahlung des sich 
etwa ergebenden Guthabens des Staatsschatzes, sondern nur um 
die nicht länger zu verschiebende Austragung einer Rechnungs- 
Verhandlimg und schliesslich um ein Compensations-Object für 
den Fall handle, als das Land eine Anforderung an den 
Staatsschatz zu stellen in der Lage war. 

Die Landes- Vertretung erachtete aber bei der Höhe der 
vom Staate gestellten Anforderung — 287.782 fl. 26 kr. von der 
Staatsbuchhaltung und 310.501 fl. 3y,o kr. von den Vertretern 
des Militärärars beziffert, — den Gegenstand keineswegs auf 
Kosten einer eingehenden Prüfung, Seitens der Landesbuchhaltung 
übereilen zu sollen. In der That stellte sich bei der genauen Prüfung 
heraus, dass das Operat mit Ignorirung bereits stattgehabter Ab- 
rechnungen für die Periode 1808 — 1812 zu weit zurückgreife und 
das dasselbe die liquiden Forderungen des Landes nicht berück- 
sichtigt habe. Nach der Berechnung der Landes -Buchhaltung stellte 
sich bei einer genauen Abrechnung zwischen Staat und Land aus 
diesem Anlasse eine Forderung des letzteren an den ersteren *) 
heraus. In dieser Richtung wurde nun die Aeusserung an die 
Regierung erstattet. Hierüber wurde neuerlich commissionell ver- 



*) Dieselbe wurde ursprünglich mit 27.452 fl. OVs kr. W. W., später 
nach Würdigung der Gegenbemerkungen, mit 11.529 fl. 90*/j<j kr. beziffert. 



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106 

handelt und stellte sich als das Endergebniss heraus, dass der 
Staat seine Forderung mi* 236.925 fl. 21 kr. richtig stellte. Die 
betreflFende Note der k. k. Statthai terei vom 22. April 1866 theilte 
mit, dass das k. k. Siaats-Ministerium einverständlich mit dem 
Kriegs- und Finanz-Ministerium beschlossen habe, diese liquidirte 
Forderung als Compensationsobject für eventuelle Forderungen des 
Landes Nieder-Oesterreich an das Aerar vormerken zu lassen und 
diese Abrechnung hiemit als abgethan zu erklären. Die Landes- 
Vertretung erklärte aber, sich mit dieser Liquidirung vorläufig 
nicht einverstanden erklären zu können. 

Indem hier noch bemerkt wird, dass wegen Kürze der 1866er 
Session der Gegenstand nicht zur Verhandlung gelangte imd somit 
weitere Schritte der nächsten Wahlperiode vorbehalten blieben *), 
fügt man noch hinzu, dass der Landtag den an die Stadt Wien 
aus Anlass von deren Betheiligung an dem Zwangsanlehen vom 
Jahre 1805 und an dem zur Einlösung der Tratten im Jahre 1811 
ausgegebenen Anlehen eine Forderung nicht stellen zu sollen 
glaubte, nachdem die diesfälligen Ansprüche verjährt sind, dass 
aber die Stadt Wien vom Jahre 1812 angefangen, die Hälfte der 
Jahreszinsen für das Angles'sche Anlehen (1809) regelmässig an 
den Landesfond abführte. 

Als Gegensatz zu diesen vorgefundenen Passiven sind die 
vorgefundenen Activen des Landesfondes zu erwähnen. Von 
der Aufzählung verschiedener in Raten rückzuzahlender Darlehen 
kann hier wohl Umgang genommen werden. Hervorgehoben 
müssen dabei aber die dem Landesfonde gehörigen Realitäten 
werden. Dazu ist in erster Linie das Landhaus zu zählen, das 
an der Stelle des alten Landhauses in den Jahren 1838 — 1845 
von den Ständen mit den dem Amortisationsfonde entnommenen 
Geldern im Betrage von circa 800.000 fl. erbaut worden ist. Die 
Landes- Vertretung fand dieses Gebäude mit mehreren unentgelt- 
lich untergebrachten kaiserlichen Aemtern und Vereinen, sowie 



*j In der 1868er Session wurde beschlossen, die vom Staate aus Anlass 
der Landwehr-Ausriistungskosten geltend gemachten Forderung von 236.925 fl. 
21 kr. für den Fall als Compensationsobjekt gelten zu lassen, wenn die aus 
den Invasionsjahren 1805 und 1809 dem Lande Nieder-Oesterreich gebührenden 
Forderungen an das Aerar im Betrage von 5,251.986 fl. 74 kr. ö. W., und 
6,028.676 fl. 10 kr. in Obligationen anerkannt würden. 



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107 

mit Naturalwohnungen für einen Landesbeamten (Syndikus) und 
den Hausinspector beset/.t. Auch hatte das ständische Verordneten - 
Coliegium in der letzten Zeit seiner Wirksamkeit dem Herren- 
hause des Reichsrathes eine Reihe von Localitäten zu seinen 
Bureaux sowie die Landtagssäie zu den Berathungen unentgeltlich 
überlassen. 

Die Landes-Vertretung bestand jedoch auf der Entrichtung 
eines Zinsbetrages für das Herrenhaus, nachdem die Kosten für 
dasselbe nicht von Nieder-Oesterreich allein getragen werden 
können, bewirkte die Ausquartierung der kais. Aemter, verlieh 
die beiden Naturalwohnungen nicht weiters, unterbrachte die auch 
fernerhin in unentgeltlicher Unterkunft belassenen Vereine zum 
Theile in minder werthvoUen, theilweise erst adaptirten Locali- 
täten *), und vermiethete die auf diese Art gewonnenen Räum- 
lichkeiten, so dass, während für das Gebäude im Jahre 1860 an 
Miethe nur 1050 fl. eingenommen wurden, dieser Betrag im 
Jahre 1866, ungeachtet die Kanzleien des Landes-Ausschusses 
wesentlich grössere Räume in Anspruch nahmen, und ungeachtet 
die Regiekosten nicht beträchtlich vermindert wurden '), sich auf 
12.907 fl. steigerte. 

Die zweite, dem Landesfonde gehörige und für diesen schon 
während seines Bestandes erworbene Realität ist ein im Jahre 
1855 zur Unterkunft der Gensdarmerie, um den Betrag von 
120.067 fl. gekauftes, in der Wiener Vorstadt Landstrasse 
gelegenes und im Jahre 1857 mit einem Kosten- Aufwände 
von 79.558 fl. 28 kr. erweitertes Gebäude sammt Garten. 

Ungeachtet durch die mit dem 1. September 1860 einge- 
tretene Reducirung des Standes der Gensdarmerie die Verpflich- 
tung des Landes zur Unterbringung von Officieren und Mann- 



*) Der Landwirthschafts- Gesellschaft und dem zoologisch - botanischen 
Vereine wurden die früheren Localitäten belassen. Dem Vereine der Landes- 
kunde, dem central-statistischen Vereine und dem Kreuzervereine wurden Lo- 
calitäten in einem Trakte des Erdgeschosses angewiesen. 

•) Die Stelle eines Hausinspektors, eines Heizers und zweier Hausknechte 
wurden nicht besetzt, dagegen die Stelle eines Hausbesorgers creirt. Die baareu 
Ausgaben für die Ersteren betrugen im Jahre 1860: 2470 fl. 50 kr.; die letz- 
teren im Jahre 1866: 869 fl. 50 kr., daher darin allein ein Ersparniss von 
1611 fl, erzielt wurde, wozu aber noch 1000 fl. kommen, die für die Ver- 
miethung der durch diese Reducirung verfügbaren Localitäten erzielt wurden. 



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108 

Schaft wesentlich geringer war, fand die Landes- Vertretung doch 
noch im Sommer 1861 sämmtliche Räumlichkeiten in Verwen- 
dung der Gensdarmerie, und war insbesondere die k. k. Gensdar- 
merie-General-Inspection in dem Gebäude erst seit Frühjahr 1861 
untergebracht. Die Landes Vertretung drang, wie bereits erwähnt 
(siehe Capitel über „öffentliche Sicherheit") auf Einschränkimg 
der Gensdarmerie-Organe imd insbesondere auch auf Entrichtung 
von Zins für die Gensdarmerie- General-Inspection, nachdem die 
Kosten für dieselbe nicht vom Lande Nieder-Oesterreich allein 
getragen werden könnten. Der auf diese Weise gewonnene Zins 
beUef sich auf 6085 fl., wobei jedoch bemerkt werden muss, dass 
die erforderlich gewordene Adaptirung 12.456 fl. 11 kr. kostete. 
Die Landes-Vertretung constatirte ferner, dass ausserdem dem 
Landesfonde noch das Eigenthum auf die Hälfte der Gensdar- 
merie- und Finanzwach-Caserne in Ober-Hollabrunn zu- 
komme, nachdem im Jahre 1855 mit Zustimmung der Ministerien des 
Innern und der Finanzen für den Landes- und Finanzwach-Fonds 
auf einem zum k. k. Bezirksamts-Gebäude in Ober-Hollabrunn 
gehörigen Grunde das diesfällige Gebäude hergestellt wurde. Die 
vom Landesfonde diesfalls getragenen Kosten betrugen 4*795 fl. 
61*/^ kr. Nachdem dieses Verhältniss anlässlich von Reparaturs- 
Kosten, die aus dem Landesfonde in Anspruch genommen wurden, 
actenmässig ermittelt wurde, drang die Landes-Vertretung auf die 
grundbücherliche Sicherstellung des Eigenthumsrechtes des Landes- 
fondes. Derselben stellten sich Schwierigkeiten entgegen, nachdem 
der Grund und Boden Eigenthum des Aerars war, und das 
Ministerium in einen Verkauf der entsprechenden Hälfte desselben 
nicht willigen, sondern nur zugestehen wollte, dass das Recht der 
Landes-Vertretung, die Gensdarmerie in der Hälfte des fraglichen 
Gebäudes unterzubringen, so lange eben ein Gensdarmerieposten 
in Ober-Hollabrunn besteht, grundbücherlich einverleibt werde. 
Nachdem aber erklärt wurde, darauf nicht eingehen zu können, 
wurde sieh endlich geeinigt, dass auf dieser Realität die Erklä- 
rung der Staatsverwaltung grundbücherlich einverleibt werde, 
dass das Recht der Landesvertretung, die Gensdarmerie in diesem 
Staatsgebäude, insolange in Ober-Hollabrunn ein Gensdarmerie- 
posten besteht, unterzubringen, anerkannt werde; dass ferner ftlr 
den Fall als die Widmung dieses Gebäudes zur Unterbringung 



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109 

der Gensdarmerie von der Staatsverwaltung aus was imm.er für 
Ursachen geändert werden sollte, die betreflfende Gensdarraerie- 
und Finanzwach-Gebäude-Hälfte für andere vom Landesfonde zu 
bestreitende Zwecke verwendet werden könne, und dass, wenn 
dies unthunlich sein sollte, der n. ö. Landesfond eine angemessene 
von beiden Theilen zu vereinbarende Vergütung des Werthes der 
dem Landesfonde entgehenden Benützung des obigen Gensdar. 
merie- und Finanzwach-Gebäudetheiles als Entschädigung aus dem 
Staatsschatze zu fordern berechtigt sei. Der nach der Reducirung 
des Gendarmerie-Status entbehrlich gewordene Theil dieser ITaus- 
hälfte wurde flir Rechnung des Ländesfondes vermiethet. 

Neuerworben in das Eigenthum des Ländesfondes wurde 
ausser einer Anzahl von Mauthhäusem noch die zum Zwangs- 
arbeitshaus adaptirte Realität in Weinhaus (siehe Capitel 
über öffentliche Sicherheit). 

Ueber den Vermögensstand des nied.-österr. Ländesfondes 
mag die nachfolgende Tabelle Auskunft geben. 

Das Ergebniss der Gebahrung des n. ö. Lande-sfondes in deu Jahren 
1861 bis inclusive 1866 stellt sich folgender Weise dar: 

Summe der reellen Einnahmen 8,809.338 fl. 58 kr. 

,i n n Ausgaben 8,646.545 fl. 73Va kr. 

Es beträgt somit die reelle Mehreinnahme 162.792 fl. 84'/a kr. 

Hiezn die Vermehrung der Rückstände bei den Ein- 
nahmen : 

zu Anfang des Jahres 1861 133.608 fl. 34V, ^^- 

„ Ende „ „ 1866 441.109 fl. 72 kr. 807.501 fl. 37'/» kr. 

470.294 fl. 22 kr. 
Die Vermehrung der Rückstände bei den Ausgaben 

beträgt : 

zu Anfang des Jahres 1861 226.664 fl. 34 kr. 

r, Ende „ „ 1866 1,136.279 fl. 40 kr. 909.616 fl. 6 kr. 
Mithin ergibt sich eine Vermögensverminderung von 439.320 fl, 84 kr. 
Werden nun von dieser Summe, die in den Jahren 1861 

bis inclusive 1866 verlosten n. ö. Domestical- 

Obligationen pr. 185.148 fl. 55 kr. W. W. oder 

in Oe. Währ, umrechnet mit 77.762 fl. 54*/^ kr. 

abgezogen, so stellt sich mit Ende 1866 die auch 

jenseits durch den Vermögensstand ausgewiesene 

Abnahme des Fondsvermögens von 361.558 fl. 29 Va kr. 

heraus. 



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110 



Vermögent-Stand 

des n. ö. Laudesfondes iu den Jahreu 1861 bis einschliessig 1866. 





bei Beginn 11 am Schlüsse 


II Vermdsrens || 


des Jabres 


Vermehrung 


II Ver minder. 1 


fl. 


kr. 


II 11. 1 kr. 


fl. 1 kr. 


i fl. Ikr.ll 


1861 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine Yermögensver- 

mehrung 

1862 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 
der Passiven 

ergibt sich eine Vermögensver- 
mehrung . . • 


3,070.738 
1,445.378 


48 
91 


3,100.811 43 
1,463.087 88 


30.072 
17.708 


95 
97 


- 





1,625.359 

3,100.811 
1,463.087 


57 

43 

88 


1,637,723 55 

3,176.790 17V» 
1,467.42018 


12.363 

75.978 
4.332 


98 

74V, 
30 


- 


- 


1,637.723 

3,176.790 
1,467.420 


55 

177. 


1,709.369 

3,014,770 
1,386.744 


99V, 
13 


71.646 


44V, 


162.019 
80.676 


52V, 
5 


1863 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 
der Passiven • 

minderung 

1864 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine Vermögensver- 

mehrunir 


1,709.369 

3,014.770 
1,386.744 


99'/, 

65 
13 


1,628.026 

3,325.245 
1,399.744 


52 

65V, 
6 


310.475 
12.999 


V, 
93 


81.'343 


47V, 


1,628.026 

3,325.245 
1,399.744 


52 

66V, 
6 


1,925.501 

3,563.173 
1,468.799 


59V, 

29V, 
12 


297 475 

237.927 
69.055 


77. 

64 
6 


- 


- 


1865 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 
der Passiven 

ergibt sich eine Vermögensver- 
mehrung 

1866 

Stand der Activa 

Im Vergleiche mit der Summe 

der Passiven 

ergibt sich eine Vermögensver- 
minderung 

pro 1861 bis incl. 1866 


1,925.501 

3,563.173 

1,468.799 


59% 

29V, 
12 


2,094.374 

3.714.904 
2,451.103 


nv. 


168.872 

151.731 

982.304 


58 

19V, 
9V, 


; 


\ 


2,094.374 


nv, 


1,263.801 


27V, 








830.572 


90 


1,625.359' 


57 


1,263.801! 


27V» 


1 


-| 


361.558 


wv» 



Einer besondem Erwähnung bedarf die AussehreH3ung 
der Umlagen für den Grundentlastungs- und Lan- 
desfond. Nach dem §. 22 der Landesordnung ist der Landtag 
zur Beschlussfassung solcher Zuschläge zu den directen landesflirst- 
lichen Steuern bis auf 10 Procente berufen. Höhere Zuschläge zu 
einer directen Steuer oder sonstige Umlagen bedürfen der kai 
serlichen Genehmigung. Der Fall, dass in Abwesenheit des Land- 
tages der Kaiser allein oder mit Zustimmung des Landes-Aus- 



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111 

Schusses diese Zusehläge festzustellen hat, ist nicht vorgesehen. 
Gleichwohl wurde für die Jahre 1862 und 1863 in einer andern 
Weise vorgegangen. In der kurzen 1861er Session konnte eine 
Berathung des Landes-Budgets nicht vorgenommen werden. Der 
Landtag ermächtigte nun den Landes-Ausschuss hiezu, indem er 
denselben zu diesem Zwecke durch weitere 6 Mitglieder ver- 
stärkte, und indem er die Maximalhöhe der Umlagen bestimmte. 
Eine kaiserliche Genehraigimg zu diesem ausnahmsweisen Vorgang 
wurde nicht eingeholt, wohl aber wurde dieselbe der von die- 
sem verstärkten Landes-Ausschuss vollzogenen Ausschreibung zu 
Theil. Zugleich muss bemerkt werden, dass Seitens der Regie- 
rung die citirte Bestimmung der Landesordnung keineswegs so 
ausgelegt wurde, dass das Recht der Landes- Vertretung der Aus- 
schreibung bis zu 10 Procent für jeden Fonds an sich , sondern 
gemeinschaftlich fiir alle Fonde zu gelten habe. 

Der verstärkte Landes-Ausschuss hatte jedoch dieses Recht 
der Ausmittlung der Landesumlagen nur für 1862 erhalten. Für 
das Jahr 1863 war eben nicht vorgesorgt Als nun der letzte 
Monat des Verwaltungsjahres 1861/1862 begonnen hatte, ohne 
ohne dass der Landtag zur Ausübung seines verfassungsmässigen 
Rechtes einberufen wurde, hielt sich der Landes-Ausschuss ver- 
pflichtet die Regierung geradezu darum anzugehen. Dem wurde je- 
doch keine Folge gegeben, indem sich die Regierung darauf be- 
rief, dass der Reichsrath tage und desshalb die Landtage nicht ein- 
berufen werden können. Wohl aber wurde der Landes-Ausschuss 
selbst zur Ausschreibung der pro 1862 und 1863 in dem Aus- 
masse des Vorjahres auszuschreibenden Umlagen unter Zustim- 
mung Sr. Majestät eingeladen. Der Landes-Ausschusa sah sich ge- 
zwungen^ davon Gebrauch zu machen, nachdem er instructions- 
mässig zur Erfüllung der dem Landesfonde gesetzlich obliegenden 
Zahlungen verpflichtet ist, und fiir den Fall, als er die Ausschrei- 
bung ablehnen wtlrde, dieselbe Seitens der Regierungs-Or- 
gane vorgenommen worden, dann aber dem Landes-Ausschuss 
die noch schwierigere Lage bereitet worden wäre, Gelder zu ver- 
wenden, die auf Grund einer jedenfalls nicht landesordnungs- 
mässig erfolgten Ausschreibung der Umlagen eingehoben wurden. 
Indem ferner bemerkt wird, dass die Ausschreibung vorbehalt- 
lich der weitern Bestimmung des Landtages ausgeschrieben wurde 



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112 

(— derselbe hat thatsächlich die Ausschreibung in der Art geän- 
dert, dass statt 8 kr. nur 6 kr. für den Grundentlastungs- und 
10 kr für den Landes-Fonds ausgeschrieben wurden — ), ist noch 
zu erwähnen, dass der Landtag in der unmittelbar darauf folgen- 
den 1863er Session „die für 1863 gegen die verfassungsmässige 
Competenz geschehene Ausschreibung der Umlagen für diesen ein- 
zelnen Ausnahmsfall absolvirend" genehmigt hat 

Ein ganz gleicher Vorgang musste mit den für 1865 auszu- 
schreibenden Kreisstrassen-Fonds-Umlagen (siehe Strassen-Angele- 
genheiten) eingehalten werden, indem der Landes- Ausschuss auch 
hier diese Umlagen, jedoch unter Berufung auf die A. H. 
EntSchliessung ausschrieb. Auf den Vorschlag der Regierung 
einzurathen, in wieferne in Folge dieser Ausschreibung eine Ab- 
änderung der vom Landtag pro 1865 beschlossenen Landes- 
fonds-Umlage eintreten könne, wurde jedoch nicht eingegangen, 
und wurde in Folge dessen die A. H. G-enehmigung gege- 
ben, diese letzten im vollen Umfange zur Ausschreibung zu brin- 
gen. Der Landtag genehmigte auch diese Ausschreibung und den 
letzterwähnten Vorgang in der 1865/1866er Session nachträglich. 

Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass nach dem Bei- 
spiele der Staatsverwaltung vom Jahre 1864 angefangen, das 
Verwaltungsjahr (früher vom 1. November bis 31. October) mit 
dem Solarjahr in Uebereinstimmung gebracht wurde '). 



IX. Landesverfassung. 

Bei der Besprechung der Thätigkeit des Landtages in Be- 
ziehung auf die eigene Constituirung und Bestellung seiner 
Organe, sowie in Hinsicht auf die Entwicklung und Sicherstellung 
verfassungsmässiger Zustände muss vorerst erwähnt werden, dass 
gleich bei der Aufstellung der Geschäfts-Ordnung eine 



*) Die neue Einrichtung begann eigentlich mit 1865, denn das Jahr 1864 
aU Uebergangsjahr, fing mit 1. November 1863 an und hörte mit 31. Dezem- 
ber 1864 auf, umfasste also eine 14monatliche Periode. 



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113 

Meinungsdifferenz mit der Regierung sich darüber ergab, inwie- 
feme das Recht derselben durch ihre Vertreter bei den Verhand- 
lungen aller Ausschüsse theilnehmen zu können, ausgesprochen 
werden solle. Der Landtag anerkannte nicht, dass aus dem §. 37 
der Landes-Ordnung, der dem Statthalter oder den von ihm 
bestellten Commissären das Recht einräumt, „im Landtage zu 
erscheinen und jederzeit das Wort zu nehmen" dieselbe Befugniss 
auch für die Ausschüsse abgeleitet werden könne und es wurde, 
ungeachtet des Widerspruches der Regier ungs- Vertreter, in die Ge- 
schäftsordnung blos aufgenommen, das Recht in allen Ausschüssen, 
bei allen Berathungen über Angelegenheiten der Landesgesetzgebung 
zu erscheinen, um in Ansehung von Regierungsvorlagen oder 
sonstigen Berathungsgegenständen Aufklärung und Auskunft zu 
geben, jedoch ohne der Schlussverhandlung und Abstimmung 
beizuwohnen. Gleich in der ersten Session wurde ferner ein die 
Immunität der Landtagsabgeordneten für ihre Thätigkeit 
im Landtage und seinen Ausschüssen u. s. w. feststellendes Gesetz 
berathen. Allein dieser Entwurf erhielt die A. H. Sanction nicht, 
nachdem das alsbald vom Reichsrathe beschlossene diesfällige 
für denselben, sowie für alle Landtage gleichmässig geltende 
Gesetz vom 3. October 1861 die Erlassung eines Specialgesetzes 
entbehrlich machte. -— Das Recht der Entscheidung ob wegen 
der Verurtheilung eines Abgeordneten in Folge eines 
Pressvergehens derselbe sein Wahlrecht verloren und der Statt- 
halter das Recht hat, ohne den Landtag weiters zu fragen, eine 
Neuwahl auszuschreiben, — bewahrte sich der Landtag anlässlich 
eines vorgekommenen Falles, in dem er sich zwar auch für den 
Verlust des Mandates und ftir die Ausschreibung einer Neuwahl 
aussprach, aber das Recht der Entscheidung darüber für sich in 
Anspruch nahm. — Die Zuerkennung von Diäten an die 
Landtagsabgeordneten, welche in der Landesordnung nicht vor- 
gesehen ist, wurde in der zweiten Session mit der weiteren Be- 
stimmung beschlossen, dass einerseits kein Abgeordneter darauf 
verzichten könne, und anderseits bei einer länger als 8 Tage 
dauernden Unterbrechung der Landtagssitzungen dieser Bezug 
sistirt wird. Im Uebrigen muss bemerkt werden , dass die jewei- 
ligen Inhaber der 3 Virilstimmen mit Rücksicht darauf keine 
Diäten beziehen, dass der Landtagsbeschluss nar von Abgeord- 

8 



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1J4 

neten spricht, sie aber nach dem Wortlaute des §. 3 der Landes- 
ordnung allerdings Mitglieder des Landtages, nicht aber gewählte 
Abgeordnete sind. 

Hinsichtlich der Bestellung seiner Organe hat der 
Landtag den Landes-Ausschuss mit einer Dinstesinstruction ver- 
sehen, den Status der demselben beizugebenden Beamten, sowie 
die Normalien flir dieselben, wie die Dienstespragmatik, der Q-e- 
bührentarif flir Uebersiedlungen und Reisegebühren, dann die 
Bestimmung über die Art der Pensionierung u. s. w. festgestellt. 

Ueber die Frage, wer über die Form der Kundma- 
chung der Landesgesetze (Landesgesetzgebung) zu 
entscheiden hat, entwickelte sich ebenfalls eine verschiedene An- 
schauung zwischen Landtag und der Regierung. Der erstere nahm 
die Bestimmung, wer über die Art der Publicirung von Landes- 
gesetzen zu entscheiden hat, eben auch flir die Landesgesetz- 
gebung in Anspruch. Die Regierung erachtete aber, dass diese 
Bestimmung nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen könne 
und erwirkte diesfalls, unmittelbar zu demselben Zeitpunkte der 
diesfälligen Verhandlung im Landtage, eine auf Grund des §. 13 
der Februarverfassung in diesem Sinne erlassene A. H. Verord- 
nung. Der Landtag erklärte sich aber auch dann in dieser Frage 
competent, und ersuchte die Regierung, „hierüber auch die Be- 
schluasfassung des h. Reichsrathes und eventuell die Entschei- 
dung Sr. k. k. Apost Majestät nach §.11 der Reichsverfassung 
einzuholen.'' Die Regierung ist jedoch diesem Ersuchen nicht 
nachgekommen, ungeachtet dasselbe in einer zweiten Session 
wiederholt wurde. 

Was die Entwicklung der Landesverfassung be- 
trifft, so beschränkt sich dieselbe nur auf wenige Punkte. Un- 
geachtet nämlich um mehrfache Abänderungen, namentlich der 
Landtags- Wahlordnung petitionirt wurde, und ungeachtet der 
Landtag wiederholt Ausschüsse einsetzte, die sich mit der Revi- 
sion der Landesverfassung beschäftigen sollten, wurde doch auch 
nicht einmal der Versuch zu einer wesentlicheren Abänderung 
gemacht. Viel mochte dazu die Unfertigkeit der staatlichen Ver- 
hältnisse der Monarchie beigetragen haben, jedenfallß aber war 
auch die Haltung der Regierung bei den geringen Modificationen, 
die gleichwohl beschlossen wurden, nicht darnach angethan, um 



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115 

für einen entschiedenen Vorgang einen Erfolg in Aussicht zu stellen. 
So wurde in vier (!) Sessionen die Abänderung des §. 17-lit. a der 
Landtags- Wahlordnung *) und in zwei Sessionen die Einführung der 
geheimen schriftlichen Wahlen für den Landtag beschlossen, ohne 
dass sich die Regierung bestimmt fand, dafür die A. H. Sanction 
zu erwirken. Bezeichnend -ist es, dass die dennoch zu Stande ge- 
kommenen Abänderungen der Landes- Verfassung , u. z. in der 
Richtung einer Erweiterung des Wahlrechtes, von einer Regie- 
rung begünstigt wurden, welche die Reichsverfassung untergrub, 
und zwar in Nachahmung der Massregeln in Prankreich dem 
allgemeinen Stimmrechte zusteuernd, alle Einrichtungen aber ab- 
lehnte, welche für die stetige Entwicklung der constitutionellen 
Principien eine sichere Garantie zu bieten schienen. 

Diese factischen Abänderungen beschränken sich darauf, 
dass nunmehr bei den Städten und Märkten, welche noch ausser 
Wien unmittelbar in den Landtag wählen (§. 12 L.-W.-O.) nicht 
blos die in den 1. u. 2. Wahlkörper gehörigen, sondern alle 
Gemeindeglieder das Wahlrecht haben, die mindestens 10 fl- 
directe Steuer zahlen *) oder — und das wurde ausdrücklich auch 



') Nach §. 17 lit a der L -W.-O. sind Personen vom „Wahlrechte und 
von der Wählharkeit zum Landtage ausgeschlossen, welche eines Verbrechens 
oder Vergehens, odi^r einer aus Gewinnsucht oder gegon die öffentliche Sitt- 
lichkeit begangenen Uebertretung schuldig erkannt, oder wegen eines Verbre- 
chens oder Vergehens, oder wegen einer aus Gewinnsucht begangenen Ueber- 
tretung blos aus Unzulänglichkeit der Beweismittel von der Anklage freige- 
sprochen worden sind.** Nach der vom Landtage viermal vergeblich beschlos- 
senen Abänderung wären ausgeschlossen gewesen: „Personen, welche wegen 
eines Verbrechens, oder wegen eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen oder 
die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, oder wegen einer solchen 
Uebertretung schuldig erkannt worden sind, wenn im Falle der Verurtheilung 
wegen Vergehen oder Uebertretung seit dem Zeitpunkte der rechtskräftigen 
Verurtheilung noch nicht ein Zeitraum von 10 Jahren verstrichen ist. Das, 
was zwei verschiedenen Ministerien unmöglich war, schien dem seit 1868 im 
Amte befindlichen Ministerium so zulässig, dass dasselbe sogar eine mit dem 
citirten Entwürfe zusammenfallende und noch weiter gehende Regierungsvorlage 
in der 1868er Session eingebracht hat. 

*) Für Wien blieb demnach der Wahlcensiis auf 20 ä. beschränkt. Die 
Petition des Wiener Gemeinderathes um Herabsetzung dieses Census ebenfalls 
auf 10 fl., wurde vom Landtage nicht beschlossen, ungeachtet die damalige 
Regierung (1866) eben diese Ausdehnung des Wahlrechtes Angesichts der bevor- 
gestandenen neuen Wahlen offenbar auch wünschte. 

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116 

auf Wien ausgedehnt — nach ihrei* persönlichen Kgenschaft das 
Wahlrecht in der Gemeinde besitzen und dass femer ganz dieselbe 
Ausdehnung des Wahlrechtes auch bezüglich der Wahlmänner 
Wahlen eingeräumt wurde (§. 14. L.-W.-O.). 

Hieher gehört auch die Abänderung der §§. 30 und 31 
des Wiener Gemeinde- Statutes , wonach künftighin Steuerrück- 
stände kein Ausschliessungsgrund mehr von der Wahl zur Ge- 
meinde- und daher auch zur Landesvertretung sein sollten. 

Eine Ausdehnung des Wahlrechtes in gewisser Beziehung 
muss es ferner genannt werden, dass die Gesetze (§. 3 der 
Landesordnung und §. 1 des Anhanges zur Landesordnung, dann 
§§. 2, 4 und 8 der L.-W.O.), womit für die Stadt Wien ein 13. 
Bezirk Margarethen) ^) und für den Landgemeinde - Wahlbezirk 
Hietzing ein 2. Abgeordneter zu wählen kommen, der A. H. Sanc- 
tion zugeführt wurden. 

Um aber das im §. 53 der L.-W.-O. eingeräumte Recht^ 
dass zu einer Aenderung derselben innerhalb der 1. Wahlperiode 
nur die absolute Stimmenmehrheit des nach §. 38 der Landes- 
ordnung überhaupt beschlussfähigen Landtages erforderlich ist, 
auch für die 2. Wahlperiode vorzubehalten, wurde ein darauf 
abzielender Zusatz zu den erstgenannten §. der L.-W.-O. beschlos- 
sen und hatte die damalige Regierung keinen Grund bei ihren An- 
schauungen über die Ausdehnbarkeit des Wahlrechtes dem ent- 
gegen zu treten, so dass dafür gleichfalls die A. H. Sanction 
erfolgte ^). 

Nach §.16 der Landesordnung ist der Landtag berufen 
gewesen, die durch §. 6 des bestandenen Grundgesetzes über die 



*) Fast unmittelbar nach Schluss der letzten Session, in welcher auch 
dieses Gesetz berathen worden war, wurde der Landtag aufgelöst und die Neu- 
wahlen ausgeschrieben. In dem Gemeindebezirk Margarethen war die Wahl 
eines der Sistirungspolitik der damaligen Regierung nicht abgeneigten Abgeord 
neten in Aussicht. 

*) Diese Abänderung erfolgte mittelst des Gesetzes vom 8. April 1866, 
die Modificationen des §. 3 der L.-O. und Punkt I des Anhanges zur L.-O., 
dann der §§. 2, 4, 8, 12 und 14 der L.-W.-O. erwuchsen durch vier specielle 
unterm 8. Jänner 1867 erflossene Landesgesetze, sowie die Abänderung der 
§§. 30 und 31 des Wiener Gemeinde-Statutes durch das Landesgosetz vom 
21. Jänner 1867 in Kraft. 



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1[17 

Keichsvertretung festgesetzte Zahl von 18 Mitgliedern in das 
Haus der Abgeordneten zu wählen. In der Ueberzeugung , dass 
bei dem Abgange directer Wahlen auf diesem Wege allein eine 
Reichsvertretung zu Stande kommen könne, hat der Landtag 
diese Wahlen stets vorgenommen '). Es geschah dies auch dann, 
als in Folge des A. H. Manifestes vom 20. September 1865 die 
Reichs- Verfassung sistirt wurde , indem der Landtag entgegen den 
Wünschen der Regierungs- Vertreter in den Sessionen 1865/66 
und 1866 die durch TodesMle erledigten Stellen ausdrücklich 
durch Wahl wieder besetzte. Der Landtag verhehlte es nicht, 
dass er damit beabsichtige seiner Ansicht von der Rechtswidrigkeit 
der Sistirung am unzweideutigsten Ausdruck zu geben. 

Allein, er hielt sich auch verpflichtet, dies durch ehrfurchts- 
volle Adressen an den Stufen des Thrones direct auszusprechen. 
Sowie der Landtag in der 1. Session Sr. Apost. Majestät für die 
Gewährung der in der verliehenen Verfassung zur Anerkennung 
gelangten constitutionellen Principien den unterthänigsten Dank 
ausdrückte, indem er zugleich die Entwicklungs- und Ausbildungs- 
Fähigkeit der Februarverfassung betonte; so stand es ihm auch 
zu, gegen die Sistirung derselben einzutreten. Den Anlass gaben 
hiezu die Mittheilung des A. H. Manifestes vom 20. Septem- 
ber 1865 und vom 13. October 1866, mit welch' letzterem Se. 
Majestät den Dank für die Haltung der Bevölkerung während 
der traurigen Periode des preussischen Krieges bekannt zu geben 
geruhten. In beiden Adressen hat der Landtag in ehrerbietiger, 
aber offener Sprache gegen die Sistirung der Verfassung seine 
Stimme erhoben und naihentlich in der vom Jahre 1866 auf die 
Nothwendigkeit hingewiesen, durch die Reichs- Vertretung die Mittel 
zu suchen, welche den financiell zerrütteten, durch die neuesten 
Schicksalsschläge schwer geprüften Staat zu erhalten vermögen. 
Der n. ö. Landtag ist mannhaft für das Verfassungsrecht der 



*) Als ein Curiosum mag hier noch erwähnt werden, dass die Regierung 
in der 1, Session auch zur Vornahme der Wahlen von Ersatzmännern für den 
Reichsrath aufforderte, ungeachtet die Februarverfassung diese Einrichtung gar 
nicht kannte. Der Landtag kam dieser Aufforderung zwar nach, allein das 
Abgeordnetenhaus berief keinen Ersatzmann ein, und die Regierung bewirkte 
ebensowenig eine diesbezügliche Modification des Gesetzes über die Reichs^ 
Vertretung. 



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Ii8 

ganzen Monarchie eingetreten und bei dem wesentlichen Einflüsse, 
welchen diese zu rascher und allgemeiner Publicität gelangenden 
Verhandlungen in Wien auf die Provinzen ausübten, dürfte es wohl 
nicht geleugnet werden können, dass dieselben einer der stärksten 
Wälle waren, welche die Sistirungspolitik vorfand, dass sie femer das 
glänzende Resultat bei den zu Anfang 1867 vorgenommenen 
neuen, fast durchgehends gegen die Sistirung ausgefallenen Wahlen 
vorbereiteten, und dass sie daher in erster Linie zum Sturze 
dieser den Gesammtstaat geradezu bedrohenden Politik mächtig 
beitrugen. In diesen denkwürdigen Verhandlungen wurde der 
Keim zum Besseren gelegt. Möge er sich mächtig entwickeln 
und möge namentlich die Ueberzeugung wurzeln, dass eine einmal 
gegebene Verfassung nicht mehr zurückgenommen werden kann, 
dass sie — um sich eines Satzes aus den erwähnten Debatten 
zu bedienen — alsbald zum lebendigen Organismus wird und 
„dass es tödten heisst, wenn man sistiren will den Kreislauf 
des Blutes und den Schlag des Herzens!" 



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Die Römerorte 

in Nieder-Oesterreich. 

(Mit einer Karte.) 



Von 



Dr. Friedrich Kenner. 



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JL/ie nachfolgende Darstellung soll ein Bild von dem Bestände 
der römischen Niederlassungen im Lande Oesterreich unter der 
Enns geben; um dieser Absicht zu entsprechen, darf sie sich nicht 
auf die Ortsnamen beschränken, die in den alten Reisehaad- 
büchern, auf der Strassenkarte und in Inschriften erscheinen oder 
von alten Q-eographen und Qeschichtschreibern genannt werden. 
Denn dieser sind so wenige, dass es sich kaum lohnen würde, 
sie in einer Karte zu verzeichnen. Auch finden sich alle oder doch 
die meisten in der Richtung der Heeresstrasse, also in den mehr 
am Donaustrome gelegenen Gegenden. Landeinwärts kann nur 
ein Römerort mit Namen nachgewiesen werden. Es ist aber 
kein Zweifel — und die in verschiedenen Gegenden gemachten 
Funde bestätigen es — , dass auch landeinwärts römische Ansied - 
lungen bestanden, deren Namen wir nicht kennen. Selbst an der 
Donau lassen sich befestigte Posten nachweisen, die wir nirgends 
genannt finden. 

Daher würde das topographische Bild unseres Landes sehr 
dürftig und unvollständig sein, wenn es sich nur auf die überlie- 
ferten römischen Ortsnamen stützen würde. Es müssen noch zwei 
andere Quellen benützt werden ; diese sind die archäologischen 
Funde, soweit sie sichergestellt sind und römische Alterthümer 
betreffen ; für Gegenden, wo auch diese fehlen oder nicht entschei- 
dend sind, wie die vereinzelt gefundenen Münzen und Anticaglien, 
geben gewisse Ortsnamen einen freilich nur indirecten Finger- 
zeig, insoferne als sie nicht bloss in unserem, sondern auch in 
den Nachbarländern deutscher Zunge auf die wenigstens in früherer 
Zeit noch sichtbaren Spuren römischer Orte hindeuten. Derart 
sind die Namen: Burg, Burgstall, Stadt und Stadtfeld, Mauer, 
Oed, Stein, Strass, und die sowol mit diesen, als mit dem häufig 



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122 

vorkommenden „Heiden" zusammengesetzten Bezeichnungen. Sie 
können immer nur als mittelbare, nicht als unmittelbare Beweise 
gelten, dürfen aber keineswegs gering geschätzt oder völlig über- 
sehen werden. Sind doch auch von Orten aus dem Mittelalter die 
Fälle nicht gar selten, dass ihre ehemalige Existenz nurmehr in 
den Namen einzelner Terrainstellen sich verräth. 

Von diesen drei Quellen werden die beiden ersteren am Ende 
der Abhandlung in zwei gesonderten Verzeichnissen mit den be- 
treffenden Belegstellen aufgeführt werden und erscheinen auf der 
beiliegenden Karte so, dass die römischen Ortsnamen und Stras-- 
senzüge durch rothe, die heutigen Namen der Fundorte durch 
schwarze Farbe kenntlich sind. Dagegen auf die Ortsnamen, 
welche die dritte Quelle ausmachen, wird nur an den betreffenden 
Stellen des Textes hingewiesen werden. 

Nach den angeführten Quellen wird der Bestand der 
Kömerorte unseres Landes in der Weise dargestellt werden, 
dass die bisher gewonnenen Resultate der antiquarischen Forschun- 
gen ersichtlich und zugleich jene Erscheinungen veranschaulicht 
werden, welche in kulturgeschichtlicher Beziehung an die Herr- 
schaft der Römer im Gebiete des Wiener Waldes sich knüpfen; 
sie beruhen auf dem Gegensatze, in welchem einerseits das römi- 
sche Leben im imteren zu jenem im oberen Viertel des Wiener 
Waldes, und andererseits die Kultur in den Stromebenen zu jener 
in dem gebirgigen Theile des Landes steht. 

Da die Vertheidigungsanstalten der Römer überhaupt die 
Grundlage für ihre Ansiedlungen in unserem Lande bilden, so 
geht die Uebersicht ihrer Entwicklung fiiglich den anderen Betrach- 
tungen voran. Ihr folgt die Uebersicht der Festungen und Strassen, 
ihrer strategischen Bedeutung und Function mit Rücksicht auf 
die Bodengestaltung des Landes; endlich folgt eine Zusammen- 
stellung jener Symptome, nach welchen die eben genannten 
kulturgeschichtlichen Gegensätze erkannt und beurtheilt werden 
können. 



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L üebersicht der Entwicklung der römischen 
Vertheidigungs-Anstalten in Nieder-Oesterreich. 



1. Die Eroberung von Noricum und seine Stellung 
zu den Nachbarprovinzen. 

Das alte Königreich Noricum kann als die Hauptmacht der 
Donaukelten betrachtet werden; in den Fällen der Vereinigung 
mehrerer Stämme unter eine Oberherrschaft hatte es eine weit 
grössere Ausdehnung als die römische Provinz dieses Namens, 
welche vom Inn und der Leitha, und den diesen Flüssen entspre- 
chenden Linien im Westen und Osten*) begrenzt war; im Norden 
bildete die Donau, im Süden eine schwankende Scheidelinie gegen 
ItaUen und Pannonien hin ihre Grenze. Die keltischen Ansiedlun- 
gen erstreckten sich namentlich gegen Osten viel weiter in das 
ungarische Tiefland hinein ; wir finden nicht bloss zwischen Leitha 
imd Saab keltische Ortsnamen, wie Scarabantia Sabaria, sondern 
selbst an der Donaustrecke zwischen dem Ofnergebirge und der 
Savemündung, wie: Aiinamantia, Lussomurrij Ctmbriana, Tricctana 
Taurunum u. s. w. 

Seine hervorragende Bedeutung verlor Noricum kurze Zeit 
vor der Ankunft der Römer durch einen überaus blutigen Eüieg, 
mit welchem der daeische Eroberer, König Boerebistes, Boier und 
Taurisker (Noriker) überzog. Die Niederlage der letzteren war so 
schwer, dass sie bei den Griechen für gänzlich vernichtet galten*), 



') lieber die westUche Grenze von Noricum siehe Büdinger) Gesch. 
V. Oesterr. I. S. 9, die östliche Grenze hat Dr. Richard Knabl aus 
Denkmälern der zehnten und der zweiten italischen Legion bestimmt (Mitth. 
d. bist. V. f. Steierm. XIV., 72). 

*) Strabo VII., p. 304. 



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124 

was zwar allerdings nicht der Fall war, allein geschwächt blieb 
die Kraft des Volkes für immer, zumal da um jene Zeit zwei 
mächtige Feinde auftraten, diesseits und jenseits der Donau, die 
sich weiterhin um die Oberherrschaft an diesem Strome stritten. 
Am linken Ufer entstand das germanische Reich der Marko- 
mannen, welche aus den Gegenden am Main in das heutige 
Böhmen vorgedrungen waren und die alten Einwohner desselben, 
die Boier, verjagt hatten. Am rechten Donauufer begannen die 
Unternehmungen der Römer gegen die Keltenländer. Jene am 
Rhein hatte schon Caesar unterworfen, unter seinem Nachfolger 
sollten auch die an der Donau überwältigt werden. Das ge- 
schwächte norische Reich konnte den Römern um so weniger 
widerstehen, als sie nicht mit einem directen Angriffe vorgingen, 
sondern durch Isolirung des Landes jeden Widerstand unmöglich 
zu machen suchten. Schon die Eroberung Pannoniens durch 
Octavian und seine Feldherren im Jahre 35 vor Christi, war ein 
vorbereitender Schritt zu jener von Noricum selbst, insofeme als 
die östliche Flanke dieses Reiches dadurch umgangen und die 
Flussthäler der Save, Drau und Raab besetzt wurden, welche 
die östlichen Pforten von Noricum bildeten. Als nun auch Raetien 
und Vindelicien in Folge des Feldzuges vom Jahre 15 vor Christi 
in die Hände der Römer fielen, war auch die westliche Flanke, 
nach der Linie des Innflusses hin, in ihrer Gewalt. So von allen 
Seiten eingeschlossen, und im Norden von den Germanen bedroht, 
verlor das norische Reich jede freie Bewegung und jede Möglich- 
keit einer erfolgreichen Gegenwehr; nach einem kurzen Kampfe 
mit den Ambisontiem im Pinzgau fiel es, wie ein Anhang von 
Raetien, den Römern zu*). Es scheint sich willig ergeben zu haben, 
da es noch auf einige Jahrzehente hinaus wie ein verbündetes 
Königreich behandelt wurde, das unter römischem Schutze stand, 
die auferlegten Steuern ruhig zahlte (Strabo IV. p, 206) , seine 
Söhne, obwohl als römische Soldaten, im Lande behielt, und sein 
eigenes Fürstengeschlecht hatte. Auch der Name „regnum Nort- 
cum^^ blieb neben der Benennung ,yprovmcia Noi^ica^* noch lange 
Zeit in Gebrauch*). 



') y^Alpinis Omnibus victis Noricorum provinciae accesserunt*^ Rufus, breviar. 
c. 7. — Vgl. Büdinger I. 5. 

*) Der Ausdruck regnum N. begec^net bei Vellejas Paterculus, II. 109 



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125 

Die völlige Umgestaltung, welche das Verhältniss der Län- 
der Mitteleuropas zu einander in Folge der Unterwerfang der 
Keltenstämme unter das römische Joch erfuhr, zeigte sich zumal 
in der Stellung, die Noricum weiterhin zu den Nachbarprovinzen 
einnahm. Da diese eigentlich nichts anderes waren , als Militär - 
grenzländer, so wurde für ihre Verwaltung das strategische Motiv 
das vorwiegende. In dieser Hinsicht waren aber die beiden Nach- 
barländer, Pannonien und das obere Germanien, von weit grösserer 
Bedeutung, als die zwischen ihnen liegenden Länder Raetien mit 
Vindelicien und Noricum. Denn bei der neuen Gestaltung der 
Dinge, durch welche Germanen und Römer an der Donau sich 
gegenüber zu stehen kamen, wurde die geographische Lage 
und die Terrainbildung des mittleren Donaugebietes von grosser 
Bedeutung. Pannonien nun bildete die Nordostecke des Reiches, es 
hatte die Flanke desselben an einer leicht verwundbaren Stelle 
zu decken. Jenseits des Stromes liegen die ausgedehnten Ebenen 
an der March, Waag, Neutra und Gran, endlich das ungarische 
Tiefland gegen die Theiss hin. Diese Ebenen boten gelegene 
Sammelplätze und Schlachtfelder für die streitsüchtigen Barbaren- 
stämme, die sich zu wiederholten Malen gegen die Römer verbün- 
deten und längs der ganzen Donaulinie gewissermassen zu einer 
compacten Macht zusammenwuchsen, welche ihre Angriffe von 
allen Seiten auf Pannonien richteten. Dagegen war Noricum zwar 
von der grössten ökonomischen Wichtigkeit für das gesammte 
Donaugebiet, dessen Rüstkammer es wegen seiner Eisenwerke 
genannt werden kann; allein in strategischer Beziehung hatte es 
keine selbstständige Bedeutung, da es nicht blos in den Flan- 
ken gedeckt, sondern auch gegen plötzliche und massenhafte 
Ueberfälle von Seite der jenseits des Stromes wohnenden Barbaren 
durch ein weit gedehntes Bergland gesichert war, das von der Michl 
bis an den Kampfluss fast durchaus steil an den Strom abfällt 
und nur von wenigen unwegsamen Thalschluchten unterbrochen 

(1. Viertel des I. Jalirh.), Suetonius, Tib. 16 (I. Viertel des II. Jahrb.), und 
auf Inscbriftsteinen aus der Zeit von 218 (Orelli Henzen, Nr. 495) und 239 
n. Chr. (Nr. 2348, vgl. 3574). Dagegen gebraueben Tacitus ann. II. 63 (im 
I. Viertel des II. Jabrb.) und eine Inscbrifk, die aus der Zeit vor 105 stammt 
(Orelli 798), den Ausdruck provincia Norica, Beide Bezeicbnungen waren also 
zu gleicber Zeit im Gebrauebe. 



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126 

wird. Nur die Strecke von der Traisenmündung bis zum Eahlen- 
berge, namentlich aber das dem Marchfelde gegenüberliegende 
Viertel unter dem Wiener Wald waren dem Feinde offener und zu- 
gänglicher. Während aus diesen Gründen Pannonien von vorne herein 
mit einer wohlberechneten Truppenaufstellung und einem Systeme 
von festen Punkten geschützt und streng militärisch organisirt wurde, 
waren die Vertheidigungsanstalten im Uferlande von Noricum 
auf lange Zeit hinaus von durchaus untergeordneter Art Dieser 
Umstand entschied die Stellung, welche unser Land in geschicht- 
licher Hinsicht und in Beziehung auf seine Kultur eingenommen hat 
In politischen und militärischen Dingen stand es ganz unter dem 
Einfluss des grossen pannonischen Heeres, dessen Druck es nicht 
widerstehen konnte. So finden wir in den Bürgerkriegen zwischen 
Otho und Vitellius, dann in jenem zwischen VitelUus und Vespa- 
sian die Statthalter von Noricum stets auf der Seite jenes Prä- 
tendenten, zu welchem sich die Heerführer in Pannonien geschla- 
gen hatten (Jahr 68 auf 69, Tacüus hist I. 70, IIL 6, vgl L 11). 
Ja als nacheinander die Donaustrecken im untern Viertel, dann 
die obere bis an den Inn in Folge der Ausdehnung der Barbaren- 
bündnisse eine genauere Ueberwachung und eine grössere Ent- 
wicklung der Defensive erheischten, wurde das erstere gänzlich in 
die Provinz Pannonien einverleibt^ das Uferland vom Kahlenberge 
aufwärts, wenigstens in militärischen Dingen, dem Oberbefehl eines 
der pannonischen Legaten unterstellt In solcher Weise hat sich 
Noricum, das zur Zeit der Autonomie das angesehenste und 
bedeutendste der mittleren Donauländer gewesen war, nach der 
Occupation durch die Römer als eine friedfertige, auf den Gang 
der Geschichte keinerlei directen Einfluss nehmende Provinz 
erwiesen, es hat vielmehr seine alte Bedeutung an Pannonien 
abgetreten und eine unselbstständige Rolle gespielt. 

Nebenher folgt aus dem Gesagten, dass wir in Niederösterreich 
einen norischen und pannonischen Theil zu unterscheiden 
haben, ein Unterschied, der sich auf die Kultur des Landes 
erstreckt. Die Einverleibung des Viertels unter dem Wiener Wald 
in die Provinz Pannonien hatte die Aufstellung einer reichen 
Truppenmenge in derselben und diese wieder ein schnelleres und 
kräftigeres Aufnehmen des Römerthums zur Folge. Dagegen blieb 
im oborn Uferlande und im gebirgigen Theile von Niederöster- 



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127 

reich, wo die militärischen Einrichtungen weniger nachhaltig 
wirkten, das einheimische keltische Element selbstständiger, zumal 
als dieser Theil von Noricum des Contactes mit Italien mehr 
entbehrte als das Binnenland am Südabhange der Alpen. Auch 
haben dort vor dem Aufblühen des Römerthums mannichfache 
orientalische Kulturelemente Einfluss erlangt, wie wir noch sehen 
werden, so dass die römische Bildung im Lande ober dem Wiener 
Walde nicht blos später, sondern auch viel ärmlicher erscheint 
als jene im unteren Viertel. Dieser Gegensatz, der für die Kennt- 
niss des Römerthums in unserem Lande nicht unwichtig ist, wird 
sich klarer herausstellen, wenn wir das militärische und bürger- 
liche Leben, soweit es für die Topographie von Bedeutung ist, in 
seinen Hauptzügen betrachten. 

2. Einrichtungen des K. Claudius. Procuratur und 
älteste Begründungen. 

Die milde Behandlung des Landes nach der Eroberung, 
welche eine Folge seines geringen Widerstands und wohl auch 
seiner untergeordneten strategischen Bedeutung war, dauerte kaum 
zwei Menschenalter hindurch, vom Jahre 15 vor Christi, bis zur 
Regierungsepoche des K. Claudius (41 — 54). Dieser wirthschaftliche 
Herrscher war nach der masslosen Verschwendang seines Vor- 
gängers auf dem Throne, Caligula, von dem Bestreben geleitet, 
der Krone neue Einkünfte zu verschaffen und verwandelte aus 
diesem Grunde die letzten scheinbar autonomen Bundesländer in 
Krongüter; es sind lauter Gebiete, deren strategische Wichtigkeit 
nicht gross, deren natürliche Reichthümer aber ansehnlich waren, 
wie: Thracien, Mauretanien und das Gebiet der Seealpen'). Die 
administrative Form dafür war die Procuratur d. h. es standen 
der Verwaltung solcher Länder Procuratores Augusti vor, 
Beamte der höchsten Gehaltstufe, seit K. Claudius durch die Ab- 
zeichen der consularischen Würde (ornamenta consularia) aus- 
gezeichnet, deren Thätigkeit in der finanziellen Verwaltung ihres 
Landes den Schwerpunkt fand, die aber zur Durchführung der- 
selben in Stellvertretung des Kaisers auch die oberste richterliche 

') Mitth. der k. k. Central-Comm. IX., p. LXV. — Aehnliches war schon 
yon Augastns über Aegrypten und Cappadocien vcrfdgt. 



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Gewalt {jus gladii) und den Oberbefehl über die Truppen des 
Landes (imperium) ausübten'). 

Auch Noricum wurde von K. Claudius*) in eine solche Pro 
curatur umgewandelt, offenbar um die Keichthümer des Landes 
Gold; Eisen und Salz für den Kronschatz zu verwerthen. Dass die 
norischen Procuratoren das Imperium wirklich ausübten, lehrt 
das Beispiel des Procurators Petronius Urbicus, welcher in dem 
Bürgerki-iege zwischen Otho und Vitellius (68 auf 69) der Partei 
des ersteren sich anschloss, die Hilfstruppen concentrirte und die 
Brücken über die Flüsse abbrechen Hess, also sein Verwaltung3- 
gebiet gegen die Heerführer der Vitellianischen Partei völlig in 
Vertheidigungszustand setzte.*) (Tac, histor, L 70.) Ein zweites 
Beispiel finden wir in Sextilius Felix, der zwar nicht ausdrücklich 
Procurator genannt wird, aber an zwei Stellen bei Tacitus (Hist 
JII. 5 und IV. 70) unter Verhältnissen erscheint, welche diese 
Stellung für ihn wahrscheinlich machen. Das erste Mal (69) im 
Kriege zwischen Vitellius und Vespasian musste er mit der ala 
Aurtana, acht Cohorten und der juventas Noricorum den Innfluss 
besetzen und den Procurator von Raetien, der zu Vitellius hielt, 
beobachten. Das andere Mal (Jahr 70 im Kriege gegen Civilis) 
rückte er mit Cohorten von Bundesgenossen durch Raetien nach 
Ober-Germanien vor. 

Mit der Einrichtung der Procuratur stand in Verbindung 
die Begründung römischer Standlager, die gleichfalls von K. Clau- 
dius verfligt wurde. Das untere Uferland zwischen Enns und 



') A. a. 0. p. LXVII. 

*) Eine Inschrift in Cividale (Orelli-Henzen 6988) nennt den C. Baehius 
Aäicus als Procurator Tiberii Claudii Caesaris Germanici in Norico, also noch 
za Lebzeiten des Kaisers; er ist der älteste bekannte Procurator von Noricum. 

*) In den meisten Codices steht an jener Stelle nicht ^Petronium Urbicum 
procuratorem'* y sondern ^Petronium urbi (oder urbisj procuratorem.*^ Nach einer 
Randglosse, die sich in einigen Codices findet, muss statt „wrÄt" furbisj ein 
Eigenname gestanden haben, als welchen Freinshemius eben „Urbicum*^ vor- 
schlug. (Vgl. die Ausgabe von Orelli). Dass hiebei nur an den Procurator von 
Noricum gedacht werden kann, ergibt der Zusammenhang der Erzählung; auch 
der Umstand, dass die Amtsthäti^ keit des Procurator „in urbe**, der sich übrigens 
inschriftlich nur einmal (Orelli-Henzen, 5530) nachweisen lässt, unbestimmt ist 
und wahrscheinlich nur Civilangelegenheiten betraf, spricht für die Beziehung 
der angeführten Stelle auf den Procurator von Noricum. 



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129 

Leitha, welches wir in's Auge fassen müssen, erhielt deren zwei; 
das eine wurde an der Mündung der Erlaf in die Donau bei 
Harlanden in der Nähe von Gross - Pechlarn angelegt und mit 
Veteranen der legio sexta Victrix besetzt, die ihr Standlager zu 
Arelate (Arles in Frankreich) hatte. Darnach wurde der Ort gleich- 
falls Arelate oder zum Unterschied von dem altern Standlager, 
welches nach den Münzen auch Colonia Julia Paterna hiess, mit 
vollem Namen : Sextanorum Arelatensmm Colonia Claudia benannt*). 
Die andere claudianische Begründung ist Vindomana oder Vin- 
dohona (Wien) am Kahlenberge, das • aber nicht den Titel einer 
Kolonie führt. Die Besatzungen, welche in diese Festungen gelegt 
wurden, waren Hilfstruppen, welche sich nicht näher bestimmen 
lassen, doch waren darunter wenigstens Theile der einheimisch 
norischen Kriegsmacht und Abtheilungen von Truppenkörpem aus 
den Nachbarländern*). 

3. Einrichtungen des K. Vespasian. Eintheilung des 
untern Viertels in die Provinz Pannonien. Neue 

Gründungen. 

Von grösserer Wichtigkeit sind die Einrichtungen, welche 
K. Vespasian (69 — 79) im norischen Uferlande traf. Der Bürger- 
krieg zwischen Galba, Otho und Vitellius wurde von den jenseits 
des Grenzstromes wohnenden Volksstämmen, vorzüglich den Mar- 
komannen, Quaden, Jazygen und Daciern, zu einer grossen Unter- 
nehmung gegen die römische Herrschaft an der Donau benützt; 
sie schlössen ein Bündniss, um die römischen Grenzländer zu über- 
fallen, während der Thronstreit selbst die Kraft und Aufmerksam- 
keit der Regenten von ihrem Beginnen ab- und der inneren Lage 
zuwendete. Für die Markomannen war es ein leichtes, ihre Macht 
im Marchfelde zu sammeln, längs der alten Bernsteinstrasse über 



*) Aschbach, Sitzungsher. d. k. Akad. d. W., phil.-hist. Cl. XXXV., 8. 

*) Nach der oben angeführten Stelle aus Tacitus {Eist, L 70) hat der 
Procurator Petronius Urbicus die Hilfstruppen gesammelt (auxiliia concitia 
ist der Ausdruck), woraus hervorgeht, dass die Besatzung von Noricum in jener 
Zeit aus Hilfstruppen bestanden habe. Das Corps, welches nach Tacitus (Eist, 
IV, 70) SextiUus Felix im Jahre 70 nach Christi befehligte, gibt ein Bild der 
Elemente der norischen Besatzung; wir ersehen, dass die juvmtas Noricorum 
dazu gehörte. 

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130 

Oarnuntum (Petronell) nach Pannonien einzubrechen und gegen 
Italien vorzudringen; der Angriff erfolgte auch in der That, 
während die Dacier zugleich darangingen, nachdem sie die klei- 
neren Standlager in Moesien genommen hatten, die grösseren zu 
belagern*). Freilich gelang es, die Letzteren zu vertreiben und 
die Ersteren einzuschüchtern, wozu der kriegerische Ruf des von 
den Legionen im Orient proclamirten Fl. Vespasianus, der mit 
seiner Heeresmacht nach Italien marschierte, das Meiste beige- 
tragen haben mag. Allein für den Kaiser war die eben beschwo- 
rene Gefahr der Donauländer ein Fingerzeig, ihren Schutz zu 
vervollständigen und namentlich die Stromstrecke zwischen dem 
Kahlenberge und dem Ofiiergebirge ausreichend zu befestigen. 
Es konnte aber, so lange der eine Theil derselben — jener vom 
Kahlenberge bis zur Leitha — unter dem Oberbefehl des Pro- 
curators von Noricum, der andere donauabwärts gelegene unter 
dem des pannonischen Legaten stand, an eine Einheit in der 
Leitung der Grenzvertheidigung, die für ihre Wirksamkeit doch 
so nothwendig war, nicht gedacht werden. Wohl aus diesem 
Grunde schied K. Vespasian die Donaustrecke vom Kahlenberge 
bis zur Leitha sammt dem entsprechenden Hinterlande von Nori- 
cum aus und vereinigte sie mit Pannonien'). 



») Tac. Bist III. 46. 

•) Der Beweis dafür liegt vorzüglich in dem Umstände, dass als die 
natürliche Grenze zwischen Pannonien und Koricum entweder die Leitha oder 
der Höhenzug des Kahlenberges gedacht werden muss, dass sich hingegen nicht 
annehmen lässt, es sei jemals die Grenze zwischen beiden durchgelaufen, etwa 
nach der Linie der Schwechat oder der Fischa. Auch im Mittelalter ist das 
Gebiet des Wienerbeckens niemals in dieser Weise getheilt worden; um so 
weniger lässt sich solches für die von den Römern geübte Art der Grenzbe- 
stimmung annehmen. Nun nennt Plinius, dessen Naturgeschichte im Jahre 77, 
also noch unter der Regierung Yespasians vollendet wurde, in einem früheren 
Theile seines Werkes (III. 24, 27) Vianiomina (Vindomana oder Vindobona) 
eine norische Stadt; in einem spätem Theile (IV, 80 und XXXVII, 46) erscheint 
Carnuntum (Petronell) als ein Standlager und eine Stadt P anno niens. Da 
nun die Grenze sicher nicht zwischen beiden Orten gezogen war, so müssen 
zur Zeit, da Plinius das dritte Buch abfasste, Vindobona und Oarnuntum noch 
zu Noricum, zu jener Zeit aber, als er das 4. und 37. Buch schrieb, beide 
schon zu Pannonien gehört haben; danach muss die Einverleibung des Wie- 
nerbeckens in die Provinz Pannonien vor dem Jahre 77 verfügt worden sein. 
Femer hat sich in Klostemeuburg ein aus dem Jahre 80 nach Ohristi stam- 



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131 

Mit dieser neuen Grenzbestimmung war eine Truppenauf- 
stellung in grösserem Massstabe verbunden. So weit sie das Wie- 
nerbecken betraf, lag ihr Schwerpunkt in der norischen Handels- 
stadt Camuntum, da sich dort auf weite Strecken stromauf- und 
abwärts der gelegenste Punkt zur Uebersetzung der Donau findet, 
— weshalb schon im Jahre 5 nach Christi Tiberius bei diesem 
Orte die Heeresmacht gesammelt hatte, mit welcher er auf das 
jenseitige Ufer übergehen sollte, um den Markomannenkönig Mar- 
bod anzugreifen*). In Carnuntum wurde ein Standlager errichtet 
in welches Vespasian die fünfzehnte Legion (le,gio X V. Apollinaris) 
verlegte, die sich bei dem Sturme auf Jerusalem (70) ausge- 
zeichnet hatte. 

Auch in Vindobona wurde das Standlager vergrössert und 
mit einer Legion, der dreizehnten (hgio XIIL gemina)^ besetzt*), 
welcher Vespasian wegen der Parteinahme für ihn und gegen 
Vitellius geneigt war. Mit ihr garnisonierte daselbst bis zum Ende 
des I. Jahrhunderts ein britannisches Reitergeschwader*). Zwischen 



mendes Militärdiplom (Ameth, 12 röm. Militärdiplome, S. 33, Orelli-Henzen 
5428) gefunden, aus dessen Inhalt mit Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass 
eben am Fundorte ein kleines Standlager der Cohora L Montanorum sich befand, 
welches unter dem Oberbefehle des pannonischen Legaten stand. (Vgl. Be- 
richte und Mittheilungen des Wiener Alterthumsver. IX Jahrgang, S. 160.) Es folgt 
daraus, dass die damalige Grenze zwischen Noricum und Pannonien mit dem 
bei Greifeustein an die Donau abfallenden Höhenzuge zusammentraf, also das 
Viertel unter dem Wiener Walde damals schon zu Pannonien gehörte. Auch 
hat, wie wir sehen werden, Vespasian in Vindobona eine Legion stationiert, die, 
wenn dieser Punkt damals noch norisch geblieben wäre, unter dem Pro- 
curator gestanden hätte. Dies lässt sich aber durchaus nicht annehmen; wir 
treffen den Procurator nur an der Spitze von Hilfstnippen, können aber keinen 
nachweisen, dem eine Legion, oder dem der Befehlshaber einer Legion unterge- 
ben gewesen wäre. Schon darin liegt e'n Fingerzeig, dass mit der Stationierung 
einer Legion nach Vindobona dieses und sein Gebiet unter den Befehl des 
Legaten von Pannonien gekommen sei. — Ausdrücklich nennt erst Ptolemaeos 
(U, 12) den Mona Cetius als östliche Grenze von Noricum. 

*) Vell. Paterc. H. 109. 

*) Ber. unä Mittheilungen des Wiener Alterthums-Vereins, V, 245, IX 
157, X, 204). 

') Dies war die ala I Flavia Britannica civium Romanorum ; sie kam von 
hier aus In den Orient. (Vgl. d. Militärdipl. von PetronelL Frh. v. Sacken, 
Sitzgsber. XI, 358, Orelli-Henzen, 6857.) 

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132 

beiden Standlagern erstanden sicher schon damals kleinere Posten, 
mindestens einer, an der Mündung der Fischa, der späterhin unter 
dem Namen Aequinoctium auftaucht; auch oberhalb Vindobona ist 
ein kleines, das Thal von Kierling beherrschendes Standlager bei 
Klosterneuburg schon um jene Zeit nachweisbar*), in welchem die 
cohora I Montanorum lag, die mit zu den Hilfstruppen der drei- 
zehnten Legion gehörte. 

Die norische Uferstrecke erhielt ebenfalls von K. Vespasian 
eine Reihe fester Punkte. Da er zum ersten Male und nach dro- 
hender Kriegsgefahr diese Strecke ausreichend befestigte, so ist es 
wahrscheinlich, dass schon unter ihm alle vorzüglichen Punkte 
angelegt wurden, deren Namen wir erst im Itinerarium und auf 
der Tabula treffen. Mit Bestimmtheit lässt sich dies freilich nicht 
nachweisen, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die 
Befestigung damals im Zusammenhang mit den pannonischen 
Werken und vollständig durchgeführt worden sei. Zudem deuten 
die meisten Posten des Uferlandes durch ihre Namen auf Besatzun- 
gen aus dem Oriente hin, die entweder in irgend einer Beziehung 
zu K. Vespasian stehen oder von denen doch geschlossen werden 
kann, dass sie unter diesem und nicht später in unser Land ver- 
legt worden seien. 

An die Westseite des Kahlenberges wurde eine wahrschein- 
lich auch zur dreizehnten Legion gehörige cyprische Gehörte ver- 
legt*), in die Nähe eines Ortes, der unzweifelhaft einen keltischen 
Namen führte'), welcher römisch ^fietiurn/^ lautete. Die Namens- 
ähnlichkeit mit der Hauptstadt ihrer Heimat Citium und die 
Sitte der Soldaten, ihre Posten nach den Erinnerungen aus dem 



*) Vgl. oben S. 12 Note 2 und das Verzeichniss der Fundorte. Die XIII. 
Legion, von der man Ziegel hier fand, war nur von etwa 70 — 100 in dieser 
Gegend. 

*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV, 10. 

•) Die Existenz eines keltischen Gottes mit Namen Cetius beweist der 
interessante Votivstein von Seckau (Knabl, Mitt. d. bist. Ver. flir Steierm. Xm, 
S. 119, die Correcturen im Heft XV, und Fundchronik, Archiv XXXVIII, 53) ; 
dass nach ihm eine Oertlichkeit benannt worden sei, igt nach derselben Inschrift 
gleichfalls sehr wahrscheinlich, indem von den vier andern dort genannten 
keltischen Gottheiten zwei, Latobius und Toutates^ in dem Stammnamen Latohici 
und im norischen Ortsnamen Toutatio wiederkehren. In derselben Weise steht 
wohl auch Cetiumy mona Cetius mit dem Gotte Cetius in Verbindung. 



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133 

Vaterlande zu benennen, bewirkte die Veränderung des Namens 
in,^(y^Y^ww"; dieser begegnet auf der Tabula, während der Posten 
im Itlnerar und auf den Inschriften durchwegs nur „Cetmm" 
heisst. Weiter aufwärts an der Mündung der TuUn wurde eine 
Cohorte aus Commagene (die Nummer ist unbestimmt) ins Quar* 
tier gelegt, das davon Comagena genannt ward; sie steht in- 
soferne zu K. Vespasian in einer Beziehung, als dieser es war, 
welcher das Land Commagene zur Provinz des römischen Reiches 
machte*). Die andern Posten sind: Locus Veneris felicis (Oehling 
an der Url)*) und Ad Pontem Ises mit unbestimmter Besatzung, 
dann Ad Mauros (b. Melk), ein Lager für mauretanische Reiter. 
Von ihnen deutet Locus Veneris felicis nach seinem Namen auf 
eine ursprünglich orientalische Besatzung, wahrscheinlich war es 
ein Theil jener cyprischen Cohorte, die in Cetium lag, oder eine 
zweite Cohorte aus Cypern, die aus dem Vaterlande den dort 
berühmten Venuskult in unsere Gegend brachte und darnach den 
Posten benannte. Der andere Posten Ad Mauros erscheint als Ad 
Muros zwar erst in der Notitia\ der Name ist sicher nicht erst 
in jener Zeit, d. i. um 400 nach Christi, sondern schon früher 
entstanden, als mauretanische Reiter in diesen Posten gelegt wurden. 
Wann dieses geschah, ist freilich mit Sicherheit nicht zu erweisen, 
es kann unter K. Vespasian geschehen sein, es kann dies aber 
auch nicht der Fall sein. Dagegen bestimmt lässt sich annehmen, 
dass der Posten schon unter diesem Kaiser begründet wurde, 
indem ein zu Melk befindlich gewesener, nun aber verlorener 
Inschriftstein') die Cohors 1 Flavia Brittonum namhaft macht, 
welche um 114 nach Ob'erpannonien verlegt wurde*), so dass ihre 
Anwesenheit in dem Posten an der Mündung der Bielach in die 
Zeit von 70 bis 114 nach Christi fallen muss. 



') lieber diesen und die folgenden Posten siehe Aschbach a. a. O. 

•) Der Name Locus Felicis im Itinerarium Ant. und Lacu felicis in der 
Notitia ist von Aschbach (a. a. O.) als Locus Veneris felicis trefflich ergänzt 
worden, lieber seine Lage siehe weiter unten. 

•) Der von Apian p. 406 und Seidl, Fundchronik im Archiv für Kunde 
österr. Geschichtsquellen IX, 1. S. 96 (vgl. Steiner Codex 3344) als in Melk 
befindlich angeführte und dort oder doch in nächster Nähe gefundene Grabstein 
soll nach Lazius in Pechlam ausgegraben worden sein, was aber Keiblinger, 
Geschichte von Melk I, 11 als einen Irrthum nachweist. 

*) Militärdiplom von Petronell. Frh. v. Sacken, Sitzgsber. XI, 853. 



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134 

Auch Ad pontem Ises wurde gewöhnlich als ein Posten orien- 
talischer, d. h. aegyptischer Truppen betrachtet, indem man eigen- 
thümlicher Weise , ohne irgend einen stichhältigen Grrund dafür 
zu haben, von jeher den Ortsnamen für Ises (oder Isidis) las 
und auf die Göttin Isis deutete. Er erscheint nur auf der Tabula 
und lautet hier ganz bestimmt Ad ponte(m) l8es\ Ises ist oflFen- 
bar als Genitiv eines Eigennajnens zu fassen, der im Nominativ 
Ise lautet Unter den römischen Ortsnamen, die mit pons zusam- 
mengesetzt sind, findet sich keiner, der den Namen einer Gottheit 
enthielte, höchstens Namen historischer Persönlichkeiten kommen 
vor, wie Pons Aureolt (Pontirolo) Pons Drusiusw.^). Dagegen finden 
sich sehr häufig Flussnamen mit pons verbunden , was auch das 
;j|ittlrliche ist*), so dass auch im Namen ad pontem Ises ein solcher 
vorausgesetzt werden muss, dies um so mehr, als es genug Fluss- 
namen gibt mit der Stammsilbe „i^^ und „is^'% 

Es ist darnach sehr wahrscheinlich, dass Ise der alteinhei- 
mische Name des Ipsflusses sei*). Endlich lässt sich nicht nach- 
weisen, dass aegyptische Truppen, zumal im I. Jahrhundert, wie 
die Hilfsvölker anderer Nationen ausserhalb ihres Landes stationiert 
wurden. Es finden sich Hilfstruppen aus Mauretanien, Gaetulien, 
„Lybien", Cyrenaica u. s. w., aber aus Aegypten begegnen wir ihrer 
nicht*). Möglicherweise hängt dies mit der administrativen Sonder- 
stellung zusammen, welche Aegypten unter den übrigen Provinzen 
des römischen Reiches einnahm. 

Eß muss daher als noch völlig unerwiesen und als unwahr- 
scheinlich gelten, dass in dem Posten Ad pontem Ises aegyptische 
Truppen lagen. Die Besatzung kennen wir überhaupt nicht; aber 

*) Hin, Eieroaol, 558 Wess. 

•) Z. B. P. Aeni, Avfidi, Isari, Neviae, Hheni, Sealdis, Secies, Sontii u, s. w. 

•) Vgl. Bergmann in d. Wiener Jahrb. d. Lit. CVI, Anzeigebl. S. 36, 
Note 2. Beispiele sind: Eisenach Clsen-Achjf von dem der Stadtname Imy ab- 
zuleiten ist, (Pauly, Beschreib, des Oberamtes Wangen, S. 197). Isar, Ishre, 
Eisack (Isach)^ Isel, Ister u. s.w. 

*) In einigen Gegenden am Flusse wird dieser mundartlich noch Oia 
genannt. Schweickhardt, X, 215, 242. 

*) Erst in der Notitia Dignitatum (c. 400 n. Christi) begegnet eine Cohora 
Äegyptiorum zu Valle Diocletiana in Phönicien und die ala II nova Äegyptioi-um 
in Mesopotamien, Die gleichnamige ala I hatte die Grenzwache in Aegjpten zu 
yersehen. (Not, orient, c. 25, 31, 34,) 



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135 

es lässt sich vermuthen, dass hier so gut als in Cetium und Coma- 
gena irgend eine Reiterschaar aus dem Oriente lagerte. — 

Vergleicht man nun diese Gründungen untereinander, so 
erscheint der pannoniseh gewordene Theil von Niederösterreich 
sehr stark befestigt und mit Truppen besetzt; es finden sich hier 
auf verhältnissmässig kleiner Distanz zwei Legionen mit den ent- 
sprechenden Hilfstruppen. Dagegen im norischen Uferlande findien 
wir nur einige wenige Gehörten und Alen von Bundesvölkern. 
Auf der ganzen Uferstrecke zwischen Greifenstein und der Enns 
lässt sich keine Legionsabtheilung, viel weniger eine ganze Legion 
nachweisen. Aus diesem durchaus ungleichen Verhältniss der Be- 
satzungsmengen erhellt^ welch' grosse strategische Bedeutung man 
dem unteren Viertel des Wiener Waldes im Vergleiche mit dem 
oberen beilegte. 

Unter den folgenden Kaisern änderte man nichts Wesent- 
liches in den Einrichtungen des K. Vespasian. Das einzige 
kriegerische Ereigniss, welches für unsere Gegenden innerhalb 
der nächsten achtzig Jahre von Bedeutung war, nämlich die 
dacischen Kriege des K. Trajan verursachten nur insofeme eine 
Aenderung, als die XIII. und XV. Legion') ihre Standlager ver- 
liessen, um bei dieser glorreichen Unternehmung mitzuwirken, 
und sodann bleibend in der neueroberten Provinz stationiert zu 
werden. An ihre Stelle kamen um 105 nach Christi die legio X 
und XIV — beide geminae — jene nach Vindobona, diese wahr- 
scheinlich nach Carnuntum. Ueber das Lager der letzteren kann 
indessen ein Zweifel bestehen, indem der Geograph Ptolemeaos, der 
in der ersten Hälfte des II. Jahrhundertes lebte, Flexum (Ung.- 
Altenburg) als ihr Quartier angiebt. Ob sie nun schon von K. 
Trajan, oder von seinem Nachfolger dahin verlegt worden sei, 
bleibt fraglich. 

Von K. Antoninus Pius (138 — 161) wissen wir durch die 
bei Klein-Schwechat und Inzersdorf aufgefundenen Meilensteine, 
dass er in beiden Richtungen Heeresstrassen ^ angelegt habe. Ohne 
Zweifel bestand schon seit Vespasian eine solche, die Vindobona 

*) Militärdiplom von Petronell. Frh. v. Sacken, Sitzungsber. XI, 353. 

*) Zugleich mit der XIII. Legion kam auch die cyprische Cohorte aus 
Cetium nach Dacien, wo sie im Militärdiplom v. K. Trajan vom Jahre 110 
(Orelli-Henzen, 5443) erwähnt wird. Aschbach, Sitzgsber. XXXV, S. 10, Kote 1), 



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136 

in der einen Richtung mit Carnuntumy in der andern mit Scara- 
bantta (Oedenburg) verband, so dass an einen Neubau derselben 
durch Antoninus Pius nicht wohl gedacht werden kann. Anderer- 
seits fehlt auf den Meilensteinen jede Hinweisung auf eine Restau- 
ration der Strassen, die regelmässig durch den Zusatz j,vias^^ oder 
„v^as et pontes vestutate collapsos restituit^^ angemerkt ist Am 
nächsten liesse sich dieser Widerspruch so erklären, dass die 
Strasse unter Antoninus Pius theilweise umgelegt worden sei. 
Femer erscheint unter des letztern Regierung (J. 154) die ala L 
TJlpia Contariorum civium Romanorum, die früherhin in Dacien lag, 
in der Umgebung von Vindobona*). Vielleicht gleichzeitig und 
ebendaher kam die cohors L Aelia sagittariorum (thracische Bo- 
genschützen) in den Posten zu Klosterneuburg*). Auch im nori- 
schen Uferlande finden wir einen neuen Posten, der damals oder 
schon früher gegründet wurde, dessen Name von seiner Lage am 
30. Meilensteine (von Arelate gerechnet) ad Triceszmum (h. Trais- 
mauer) lautete. Wir finden diesen Namen aber erst im III. Jahr- 
hundert in der Tabula. Eine kurze Zeit vorher hatte er' ihn mit 
dem Namen Cetium vertauscht, unter dem er im Reisehandbuch 
{Itinerarium Antonmi) aus dem Beginne des III. Jahrhunderts 
erscheint, um späterhin wieder den älteren Namen, entstellt in 
Trigisamumj anzunehmen. 

Es lag hier die Ala I Augusta Thracum, welche dem K. 
Antoninus Pius ein Denkmal widmete*). Ausserdem mögen vor- 

^) Ein Beitergeschwader, das von seinen langen Speeren den Namen 
Contariorum führte. Die inschriftlichen Belege siehe in Ber. u. Mittheil, des Wien. 
Alterthumsver. IX. Band. S. 164, 165, Note 1. 

•) Am eben angeführten Orte, S. 164, Note 3 und 4. 

*) Katancsich, Isiri adcolae, I, 301, 6. Muratori, 237, 4. Steiner, Codex 
p. 640. — Ein zweiter von Steinbüchl in den Wiener Jahrbüchern Bd. 51, 
Anzeige-Blatt S. 46, von Steiner im Codex IV Nr. 3334 aufgeführter und in 
Zimmermannes Zeitschrift 1838, Seite 943 besprochener Inschriftstein, welcher 
Veteranen derselben ala nennt, findet sich gleichfalls in Traismauer. Sehr 
wahrscheinlich ist dies Geschwader dasselbe, welches in dem angeblich aus 
Klausenburg stammenden Militärdiplome aus der Zeit des Kaisers Domitian 
(81 — 96) ala I Thracum Mauretana genannt wird und zur Zeit der Abfassung 
des Diplomes in Judäa lag. Ackuer-Müller, römische Inschriften in Dacien 
Nr. 864. — Ein Theil derselben ala lag gleichfalls unter Kaiser Antoninus 
Pias im Salzburgischen; in Aigeni fand sich ein dem oben genannten ganz 
ähnliches Denkmal. (J. v» Heffher, Denkschr. der k. Akademie der Wissen 
Schäften Bd. I., Nr. 13.) 



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137 

tibergehend kleine Detachements, etwa einzelne Cohorten oder 
Theile solcher von den Legionen in Vindobona und Carnuntum 
in die wichtigeren Posten des Uferlandes verlegt worden sein; 
ihre Commandanten, Tribunen oder Centurionen standen, sowie 
die Soldaten, so lange sie detachiert blieben, zur Disposition des 
Procurators*). 

4. Einrichtungen derKaiser Marcus Aurelius und Sep- 
timius Severus. — Ufernoricum in militärischer 
Beziehung unter pannonischen Oberbefehl gestellt. 
— Aenderungen in denFestungen undBesatzungen. 

Weitaus den grössten Einfluss auf eine bleibende Gestal- 
tung der militärischen Einrichtungen in unserem Lande haben 
die Markomannenkri<*ge ausgeübt. Wir wählen zur Darstellung 
dieser Einrichtungen die Regierüngsepoche des K. Septimius 
Severus (193 - 211) aus. Wohl hat schon Marcus Aurelius (161 — 180) 
ohne Zweifel die Grundlage dazu gelegt; allein vollends durch- 
geführt und vollendet sind sie erst worden unter seinem für den 
Grenzschutz in den Donauländem überaus eifrig besorgten Nach- 
folger und Nachahmer Severus. Im Viertel unter dem Wiener- 
Walde führten die Erfahrungen, die man in diesen Kriegen 
gemacht hatte, darauf, zu den Dispositionen des K. Vespasian 
zurückzukehren, d. h. man verlegte das Quartier der XIV. Legion 
von Flexum (Ung. -Altenburg) wieder nach Carnuntum, an den 
wichtigen Uebergangspunkt über die Donau; im zweiten Kriege 
hatte Marc Aurel daselbst sein Hauptquartier. Von den Zwischen- 
posten zwischen Vindobona und Carnuntum kann aus dem Itine- 
rarium das* Standlager Ala nova, an der Mündung der Schwechat, 
angemerkt werden. 

Während also im Wienerbecken die Posten im Wesent- 



^) Einen Beweis dafür gibt der Linzer Inschriftstein (J. Gaisberger in 
d. Beitr. zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. VIII. S. 66, Nr. 68), 
der einen Soldaten der X. Legion als hen^ciariua procuratoris bezeichnet. 
Da diese Legion um 105 ins Standlager nach Vindobona kam und um 170 
die zweite italische Legion errichtet wurde, die vorzüglich im norischen 
Uferlande vertheilt lag, so muss die Errichtung des oben genannten Steines in 
die Zeit von 105—170 fallen. 



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138 

liehen die alten blieben, oder doch auf den früheren Bestand 
zurückgefiihrt wurden, erhielten im norischen Uferlande die Ein- 
richtungen eine völlig neue Grestalt; es geschah hier dasselbe, 
was schon Vespasianus mit dem Uferland zwischen dem Kahlen- 
berg und der Leitha verfügt hatte. 

Im Laufe der Markomannenkriege hatte es sich einmal 
ereignet, dass Gefolgschaften der Grermanen über Noricum und 
Raetien einbrachen, während weiter unten an der Donau die 
Hauptmacht der Römer und jene der Barbaren sich gegenüber 
standen. Offenbar konnte sich damals der Procurator mit den 
Bundesvölkern des Uferlandes der Feinde nicht erwehren. Der 
Kaiser musste seinen Legaten Pertinax mit der legto I Adjutrix 
die ftlr gewöhnlich zu Bregaetium in Pannonien (0-Szöny) ihr 
Quartier hatte, entsenden, um die Feinde aus jenen Ländern zu 
verjagen, was letzterem auch gelang*). 

Dieser und vielleicht noch andere ähnliche Fälle zeigten, dass 
die unwegsamen Schluchten des Manhartsberges und des unteren 
Mühlviertels, sowie sich die Barbarenbündnisse nach Westen aus- 
dehnten, nicht mehr geeignet waren ^ den Feind vom norischen 
Uferlande abzuhalten. Solche Einfälle konntön aber, abgesehen 
von der Verwüstung des letzteren, in den Fällen eines Grrenz- 
krieges in Pannonien bedenkliche Folgen haben; nicht blos 
stand Italien, das alsdann meist von Truppen entblösst war, den 
Barbaren offen, sondern es konnte auch die linke Flanke des 

*) Capitolin, Pert c. 2. — Von einem ähnlichen Anlasse aus früherer 
Zeit findet sich nur eine Spur, welche überdies den Fall noch sehr im Unklaren 
lässt. Ein Hastatus der X. Legion errichtete, als diese noch in Spanien lag, 
einem grossen Herrn — Tib. Claudius Candidus wird er genannt — ein Denk- 
mal, welches die gesammte Titelfolge des letzteren enthält Dieser zufolge war, 
er legatu8 Auguaiorum pro praetore nacheinander in der Provinz Hispania 
cüei-ior, Asia^ item Noricae (provinciae) u. s. w. Dies kann sich nur auf eine 
vorübergehende Function beziehen, die in einem einzelnen Falle ihm über- 
tragen wurde, da sonst nur procuratores von Noricum, keine legati erscheinen. 
Der Stein, der in Tarragona sich befindet, muss vor dem Jahre 105 gesetzt 
worden sein, da um diese Zeit die zehnte Legion nach Yindobona kam. Damit 
widerlegt sich Orelli*s Vermuthung (798), dass der genannte Candidus der 
Consal des J. 106 gewesen sei. Abgesehen davon, was Orelli selbst bemerkt, 
dass der Vorname des Consuls Julius, nicht Claudius gewesen ist, war Julius 
Candidus Consul im J. 105, unser Candidus (Claudius) aber war zur Zeit der 
Errichtung des Denkmals (vor 105) schon Consular. 



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139 

römisclien Heeres bedroht und umgangen werden. Daher war es 
angezeigt, auch die norische Donaustrecke in die pannonische 
Operationslinie einzubeziehen , um die Vertheidigung derselben 
einheitlich zu gestalten. Dass dies schon von Marc Aurel geschehen 
sei, ist im höchsten Grade wahrscheinlich; er errichtete (vor 170) 
wie für Raetien, so für Noricum zwei speciell zur Bewachung 
dieser Länder bestimmte Legionen, beide die italischen genannt, 
von denen die zweite Noricum, die dritte Raetien zu bewachen 
hatte *). Der grössere Theil der ersteren wurde in einzelnen 
Abtheilimgen in den Castellen des Uferlandes postiert; auch 
ihr Hauptstandlager fand sich daselbst in Laureacum, wie dies 
schon das Itinerarium andeutet*). Durch die Aufstellung dieser 
Legion erhielt das Uferland einen von dem früheren wesentlich 
verschiedenen militärischen Charakter. Die älteren Besatzungen 
hatten keinen anderen Zweck gehabt als den der Grenzhut gegen 
vereinzelte Ueberfälle von Seite der Barbaren und nebenbei 
die Unterstützung des Procurators in seiner vorwiegend finan- 
ziellen Thätigkeit, für welche er übrigens bei dem friedfertigen 
Charakter der Noriker nur selten militärischen Beistandes bedürftig 
gewesen sein mag. Nim aber hatte sich während der Markoman- 
nenkriege gezeigt, dass die Einfälle ins norische Uferland keines- 
wegs mehr zufällig und vereinzelt seien, sondern mit den kriege- 
rischen Actionen der östlichen Barbarenstämme zusammenhingen« 
Auch das norische Uferland erhielt dadurch militärische Wich- 
tigkeit. Der Gefährdung desselben konnte nur so begegnet werden, 
dass wie die AngriflFe, so auch deren Abwehr einheitlich geleitet 
und in Verbindung mit den Defensivanstalten gebracht ward, die 
längs der unteren Donaustrecken ins Werk gesetzt wurden. Diesen 
und keinen andern Sinn kann es haben, wenn Marc Aurel für 
Raetien und für Noricum je eine Legion neu errichtet. Der 
Befehlshaber derselben kann aber nicht wohl der Procurator 



*) Dio Cassius 55, 24. — Die Errichtung muss in die Jahre zwischen 
166 — 170 fallen, da in ersterem der Markomannenkrieg begann, aus letz- 
terem die älteste bekannte Inschrift der zweiten italischen Legion (Grater 260, 
5 Spoleto) stammt. 

*) Pag. 249. Wess. Der Beisatz „leg. III " ist kein Fehler, sondern 
muss in „leg. II I** aufgelöst und dieses als legio II ItaUca gelesen werden. 
Aschbach, Sitzber. XXXV S. 14, Note 1. 



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140 

gewesen sein, dessen militärisches Ansehen hiefür viel zu gering 
war, und der wie es bei Behörden dieser Art häufig vorkam, 
durch Eifersucht gegen den mächtigeren Legaten im benachbarten 
Pannonien die einheitliche Grenzvertheidigung leicht stören imd 
illusorisch machen konnte. Die Legion des Uferlandes musste 
vielmehr, wenn die Absicht, die ihrer Errichtung zu Grunde lag, 
erreicht werden sollte, dem Legaten von Ober-Pannonien unter- 
stellt werden, d. h. es musste die Oberleitung der militärischen 
Angelegenheiten im Uferlande von der Competenz des Procurators 
ausgeschieden und jener des Legaten von Ober-Pannonien zuge- 
theilt werden. 

Der innere Zusammenhang macht es wahrscheinlich, dass 
diese Massregel zugleich mit der Errichtung der legio II Italica 
für Noricum, also noch von K. Marc Aurel verfügt worden sei *). 
Allein wir können dies weder aus den alten Geschichtschreibem 
noch aus Denkmälern nachweisen. Erst aus der Zeit des Beginnes 
des in. Jahrhunderts stammen die Inschriften, welche dafür 
beweiskräftig sind. Die Meilensteine von Mösendorf bei Vekla- 
bruck in Ober-Oesterreich •), dann jener von Hüttau, jene von 
Tweng und Mautemdorf (ersterer am nördlichen, letzterer am süd- 
lichen Abhänge des Rastädter Tauern im Salzburgischen*) nennen 



') Eine treffliche Parallele hiezu bietben die beiden Inschriftsteine aus 
Karlsburg (Ackner-Müller 409, 453), welche einen legatus pro praetore der 
Provinz Raetia nennen. Auch diese Provinz war ursprünglich eine Procuratur 
und nur ausnahmeweise mag es geschehen sein, dass der Procurator die Stelle 
eines Legaten vertrat, wie der Inschriftstein in Verona (Orelli 488) beweist. 
Die Umwandlung der Procuratur von Raetien in eine Legatur dürfte nach dem 
oben genannten Steinen entweder in die Periode der Regierung Marc Aureis 
und L. Verus' (161 — 169) oder in jene von Septimius Severus und Caracalla 
(198—211) fallen, da auf dem einen von ihnen von Augustis (von zwei Kaisern, 
AVQG) die Rede ist, der andere aber aus der Zeit Gordianus' m. stammt. 
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Ernennung eines Legaten 
von Raetien mit der Errichtung der legio III Italica (Dio Cass. 65, 24) zu- 
sammenfällt und, sowie in Noricum die Unterstellung des unteren Uferlandes 
unter den pannonischen Legaten, entweder von Marc Aurel oder doch von 
Septimius Severus verfügt wurde. 

•) Fundchronik (IX. Fortsetzung) Archiv der k. Ak. d. W, XXXVIII 
Nr. 34. 

») Jos. V. Heffner im I. Bd. d. Denkschriften der Wiener Akademie 
Nr. 20, 21, 22,; 



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141 

als Oberleiter des Strassenbaues den legaius pro praetore Marcus 
luventius Surus Proculus, der nach der Lage der Länder nur 
Legat von Ober-Pannonien gewesen sein kann; der Bau von 
Heeresstrassen gehört aber zum militärischen Ressort; es muss 
also geschlossen werden, dass wenigstens schon unter Septimius 
Severus das Uferland unter dem Oberbefehle jenes Legaten, nicht 
unter dem des Procurators stand *). Auch nennt der Votivstein 
von Wemstein*) einen Soldaten der 11. italischen Legion als 
beneßciarius consularisj d. h. er hatte die Befreiung von den 
niederen Soldatendiensten dem Legaten , welcher hier schlechtweg 
Consular genannt wird, zu verdanken; wäre der Procurator der 
Verleihende gewesen, so müsste der Beisatz ,fieneficiariH8 procu- 
ratoris Augusti^^ oder wenigstens ^yprocuratoris^^ lauten, wie er 
auf zahlreichen Lischriftsteinen aus Cilli vorkommt*) und auf 
dem oben berührten Grabsteine in Linz erscheint. 

Seither verblieb das norische Uferland in steter Verbindung 
mit Pannonien. Nur ein Fall ist aus dem dritten Jahrhunderte 
bekannt, aus dem auf eine vorübergehende Unterstellung der 
Truppen des norischen Uferlandes unter den Legaten oder Dux 
von Raetien geschlossen werden könnte ; dies ist die Stellung, 
die nach Eutropius (IX, 7) Valerian vor der Pifoclamation zum 
Kaiser einnahm*). Das mag, obwohl der Fall selbst noch keines- 
wegs ausgemacht ist, einmal ausnahmsweise geschehen sein; in 
der Regel aber stand das norische Uferland unter dem Feld- 



') Auch aus dem Binnenlande von Noricum ist ein Meilenstein, jener 
von Krenzerhof zwischen Völkermarkt und Klagenfart in Kärnthen, bekannt, 
welcher in ähnlicher Textiernng wie die schon genannten, denselben Juventins 
Procains aufführt. Bjiabl Im Archiv für vaterländische Geschichte und Topo- 
graphie von Kärnthen IV. Jahrg. (1858) S. 54. 

') J. Gaisberger in den Beiträgen zur Landeskunde von Oesterreich 
ob der Enns 1864, unter Wemstein. Vergl. Fundchronik, Archiv XXXV 111, 
Nr. 43. 

*) Mittheilangen der k. k. Central-Comm. f. Erf. d. Baudenkm. IX. 
p. LVII f. 

*) Die Worte „tn Baetia et Korico agens^ können wohl nur auf eine 
militärische Thätigkeit bezogen werden; allein sie lassen völlig unbestimmt, 
ob Valerian in beiden Ländern eine besondere, nicht weiter mit seiner Stellung 
zu ihnen verbundene Action durchzuführen, oder ob er als Legat des einen 
auch im andern den Oberbefehl inne gehabt habe. 



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142 

herm, der in Ober-Pannonien commandierter, und wenn, was zeit- 
weise auch geschah, ganz Illyricum d. i. Moesien, Pannonien und 
Dalmatien unter den Befehl eines Feldherm gestellt wurde, so 
stand das Uferland indirect auch unter diesem ; daher kommt es, 
dass der betreflFende Legat bald nur mit praetorischem , bald 
mit consularischem Range erscheint. 

Mit dieser Unterstellung ward, wie schon bemerkt, eine 
Auftheilung der ursprünglich einheitlichen Competenz des Pro- 
curators in eine militärische und bürgerliche verbunden , von 
denen die erstere weiterhin dem Legaten von Ober-Pannonien 
zukam, während die letztere dem Procurator verblieb. Damit 
wurde jener Zustand der Administration factisch erreicht, wie wir 
ihn zum ersten Male oflEiciell bestätigt finden, in der ßeichs- 
organisation des K. Diocletianus (297)*). Der Umstand, dass 
letztere die früheste Quelle ist, die von einer Trennung der 
Competenzen spricht, darf uns aber nicht irre machen, die Unter- 
stellung von Noricum unter Pannonien in die Zeit des Kaisers 
Marc Aurel zu versetzen. Denn die Organisation des Kaisers 
»Diocletian hat eben nicht von vorneherein einen neuen Zustand 
der Dinge geschaflFen, sondern hat die im Laufe des III. Jahr- 
hunderts nothwendig gewordenen und factisch schon bestehenden 
Veränderungen bestätigt. Bekanntlich hat sie mit der Thei- 
lung der Militär- und der Civilgeschäffce in den einzelnen 
Statthaltereien eine Aenderung auch in den Titeln verbunden, 
so dass der Militärgouverneur den Titel dux, der Civilgouverneur 
den Titel praeses erhielt. Für einzelne Fälle waren beide Titel 
schon früher gebräuchlich gewesen. Namentlich um die Mitte des 
zweiten Jahrhunderts finden wir häufig duces erwähnt, so heisst 
Kegalianus dtix Illyrici) Claudius f actus est dux et dux totius 
Illyrici*)j Ulpius Cinnttus wird dux lllyrianici Itmitis^), Bonosus 
dux Baetici limitis genannt, welcher Titel auch dem Fulvius Bojus 
zukam*). Und schliesslich erhielten unter Kaiser Probus alle 



') Th. Mommsen in den Abhandig. d. kgl. Akad. d. W. in Berlin 
1862, S. 489 f. 

») Treb. PolUo Claud. 15. 

^ FL Vop. Aurelian c. 13. 

*) Tr. PoUio, trigint, tyr. c. 13, c. l4. 



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143 

praesides das jus praetorium ^)j ebenso wie schon Alexander 
Severus (222 — 235) alle praetorischen Provinzen in „Praesidiales" 
verändert hatte*). Auch das Schreiben, womit der Senat die 
Absetzung des Kaisers Maximinus und die Erhebung der Gor- 
diane zu Kaisern aussprach (237), richtet sich an die Behörden 
aller Grade und Competenzen, indem es nacheinander procon- 
sules, praestdes, legati, duces u. s. w. anredet'). Alle diese Fälle 
sind ein Beweis dafür, dass schon lange vor Kaiser Diocletian 
die Theilung der Competenzen und die neuen Titel factbch 
bestanden haben, wenn sie auch nicht systematisch überall 
angewendet wurden. Ebenso müssen wir annehmen, dass die 
Theilung der Competenz des norischen Procurators, soweit sie 
das Uferland betraf, und die Unterstellung des letzteren unter 
den militärischen Oberbefehl des pannonischen Heerführers schon 
unter Marc Aurel geschehen sei, wenngleich erst durch Diocletian 
(298) ein praeses Norici ripmsis für Civilangelegenheiten officiell 
bestellt ward und wenngleich erst in der notitia (c. 400) der dux 
Pannoniae primae systemmässig als solcher auch fär Noricum 
ripense erscheint*). — Diese Unterstellung dauerte selbstver- 
ständlich so lange, als die sie verursachenden Verhältnisse 
bestanden, d. h. so lange als Pannonien römische Provinz war. Als 
diese aber in die Gewalt der Gothen und Hunnen gelangte, war 
die natürliche Folge, dass die beiden Theile von Noricum wieder 
vereinigt und von einem Statthalter versehen wurden*). 

*) Fl. Vop., Probus e. 13. 

•) Lamprid. Alex. Sev. c. 24. 

•) Capitol. Maximini. c. 16. 

*) Die Annahme Aschbach'ß, dass die Unterstellung von Ufernoricum 
unter pannonischen Oberbefehl nur eine zeitweilige, vorübergehende war 
(Sitzgsbr. XXXV. S. 19, Note 8) scheint uns gegen die Verhältnisse des Landes 
und gegen die Entwicklung der Defensivanstalten in demselben zu sprechen. 
Ohne Zweifel gab es derartige Cumulirungen von mehreren Statthalterposten 
auf kurze Zeit ; allein sie hiengen immer von besonderen Verhältnissen ab und 
betrafen hervorragende Persönlichkeiten. Eben darum sind sie als Abweichun- 
gen vom Verwaltungssysteme, nicht als Regel zu betrachten. Die Vereinigung 
des Oberbefehls in Oberpannonien und Ufemorikum erscheint aber als syste- 
misiert im Verwaltungsschema (in der Notitia) und ist deshalb als bleibend 
anzusehen. 

') Vgl. die vou Muchar, Böm. Noricum I. 135 angefahrten Fälle bei 
Priscus Bhetor Script. Byz. p. 56, wo Primutus um 449 rri; ^foptxr^ apx^^ 



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144 

Im Einzelnen ist auch im Uferlande ß,n der Truppenauf- 
stellung wenig geändert worden. Das Standlager bei Cetium 
(Zeiselmauer), welches im ersten Markomannenkriege hart gelitten 
haben mochte, wurde ganz aufgelassen und auf einen Posten 
oberhalb an der Donau (Traismauer) verlegt *) , an dem schon 
zu Antoninus Pius' Zeiten ein Eeitergeschwader im Quartier 
gelegen hatte ; auch der Name Cetium wurde dahin tibertragen, 
so dass wir von nun an ein altes und neues Cetium zu unter- 
scheiden haben. Die übrigen Standlager verblieben, mögen aber 
mannigfach restauriert und neu befestigt worden sein. Neugründun- 
gen können dagegen nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden, 
es ist selbstverständlich, dass man in Kriegszeiten zwischen den 
einzelnen Posten die wir kennen, je nach Bedarf kleinere Warten 
errichtete, welche (Vegetius III. 8, Commentar von Stewechius) 
an besonders gefährdeten Strecken nur eine römische Meile von 
einander entfernt waren; ihre Kenntniss ist aber von keinem 
grossen Belange, da ihre Function sich aus jener der grösseren 
Nachbarposten, die wir kennen, ergiebt. Auch liegt es nahe, 
anzunehmen, dass man, durch die Erfahrungen in den Mar- 
komannenkriegen belehrt, die Mündungen der Krems und 
des Kamp in die Donau nicht unbewacht gelassen habe, damit 
der in den Thalschluchten, die sie bildeten, vorrückende Feind 
nicht plötzlich und unvermerkt ans Stromufer gelange. Für die 
Mündung der Krems genügte ein Posten bei dem heutigen Mautem, 
wo man auch in der That rönaische Gräber und Ziegel mit dem 
Stämpel der IL italischen Legion getroffen hat'). Dagegen ist 
es wahrscheinlich, dass der Kampfluss von einem Posten auf 
dem linken Donauufer beobachtet wurde; denn die Ausdehnung 

Xitopctf genannt wird, und Hierocles Gramm, in Script. Bjz. XXIV. p. 52, wo 
von einer '««apx'« Nwpwou die Rede ist; beide Male erscheint die Provinz in der 
Einzahl, ali|o als ungetheilt. 

*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV., S. 13. Die Annahme von zwei Posten 
mit Namen Cetium gründet sich auf den Umstand, dass in Itinerarium Cetium 
oberhalb, auf der Tabula unterhalb von Commagena erscheint. Die Literatur 
über die Frage der beiden Cetia siehe bei Keiblinger Gesch. v. Melk I. 9. 
Jordan nahm Cetium für die älteren Namen von Trigisamum an, Fuhrmann 
setzte zwei Cetia voraus, vgl. Hormayr Gesch. d. Stadt Wien I. 2, S. 131. 
Völlig erklärt und wahrscheinlich gemacht hat diese Hypothesen erst Aschbach. 

*) Siehe unten das Verzeichniss der Fundorte. 



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145 

des Stromes und die mannigfachen Auen erschwerten von dem 
gerade gegenüberliegenden Cetium (Traismauer) aus die Bewachung. 
Die Namen beider Posten kennen wir nicht; der letztere ist 
möglicherweise' Sraitisch mit dem in der Notitia genannten Canna- 
biaca, welches WWt für eine Verunstaltung von Cannanefatium 
castra gehalten wird*). 

Endlich muss noch der Donauflotille gedacht werden, durch 
welche der Vertheidigungszustand des Uferlandes seine Vollendung 
erhielt Auch sie ist in der Zeit, von welcher hier die Rede ist, 
nicht erst errichtet worden, wie namentlich die Flotillenstation 
bei Camuntum nothwendigerweise schon während der Marko- 
mannenkriege, wenn nicht schon früher, fungiert haben muss ; wir 
finden den Beweis dafür in den Darstellungen der Columna 
Antoniniana zu Rom*). Allein es ist wahrscheinlich, dass jene 
Organisation der Flotille, die wir noch zu Beginn des V. Jahr- 
hunderts in der Notitia in Wirksamkeit finden, aus dem Anfang 
des III. Jahrhunderts stammt. Die Stationen im pannonischen 
Theile von Nieder-Oesterreich waren Camuntum und Vindobona, 
beide unter einenl Präfect, der bald in der einen, bald in der 
andern Stadt fungierte; die Stationen an der norischen Ufer- 
strecke sind Arelate (Gross-Pechlarn) und (Neu-) Cetium (Trais- 
mauer); auch diese beiden standen unter einem Präfect, der 
aber bleibend im letzteren Orte sich befand. An erstere schloss 
sich weiter westlich die Hauptstation der Flotille des oberen 
Uferlandes Laureacum (bei Enns) an. 

5. Aenderungen im III. und IV. Jahrhunderte. — 

Rückblick. 

Mit dieser Regelung der Grenzwache haben die militärischen 
Einrichtungen der Römer im heutigen Nieder-Oesterreich ihren 
Höhepunkt und eine bleibende Gestaltung erlangt, in der wir sie 
kennen, so lange ihre Herrschaft dauert. Die Aenderungen, die 
im Laufe des IH. und IV. Jahrhunderts verfügt wurden, betreffen 
nur die Details, nicht das Wesen der Sache. Derart ist die Ent- 
sendung eines Theiles der zehnten Legion nach Judaea, die zu 

*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV., 21, Note 1. 
*) Bellori Columna Antoniniana ^ Blatt 5, 21, 23 u. s. w. 

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146 

Lebzeiten des Dio Cassius, also unter Alexander Severus (222 
bis 235) schon vollzogen war (55, 23), dann die abermalige 
Besetzung des früher aufgelassenen alten Cetium (Zeiselmauer), das 
zwischen 211 und 222 nach Christi zum zweiten Male unter dem alten 
Namen ersteht '), wogegen der Posten an der Mündung der Traisen 
seinen Namen (Neu-) Cetium gegen den Namen Trigisamum ver- 
tauscht Weiterhin verliert auch der Posten bei Zeiselmauer den 
altangestammten Namen Cetium und erhält, wahrscheinlich von 
einer asturischen Cohorte, den Namen Asturis, unter dem er noch 
um die Mitte des V. Jahrhunderts in der vita S. Severini erscheint 
Endlich verschwindet auch der Name Trigisamum, für welchen 
der Name Fafiana auftaucht; wahrscheinlich war auch davon 
die Ursache ein Wechsel der Besatzung*), Wichtiger, aber leider 
der Zeit nach nicht bestimmbar, ist die Errichtung einer neuen 
Legion, von der Theile im oberen Uferlande nachweisbar sind, 
der legio I Noricorum, Dio Cassius führt (55, 24) unter den von 
dem Nachfolger des Kaisers Augustus bis auf seine Zeit neu 
errichteten Legionen ihren Namen nicht auf; zum ersten Male 
erscheint sie in der Notitia (c. 400), nach welcher die Präfectur 
der für den Flotillendienst ausgehobenen Mannschaft dieser Legion 
zu Fafiana (Traismauer) das Quartier hatte. Ein Ziegel mit 
ihrem Stempel fand sich in den Ruinen eines kleinen Standlagers 
bei Mauer an der Url. 

Nebenher zieht sich durch den grössten Theil des III. Jahr- 
hunderts die Restauration der Heeresstrassen , wovon die bei 
Wien und Schwechat gefundenen Meilensteine Zeugniss geben. 
Die Kaiser, welche auf ihnen genannt werden, sind: Septimius 
Severus (^ Wienerberg, Schwechat), Maximinus (235 — 237, Schwechat) 
Gordianus III. (237—244, Schwechat), Philippus (244—249, 



^) Asciibach, Sitzgsber. XXXV. 15 f. 

•) Aschbach (a. a. O. S. 25) leitet den Namen FafianU oder FavianU aas 
Paphianis ab und vermuthet, dass der letztere, wie der Name CommageiiU für 
das Standlager einer eohora Commagenorum gebraucht worden sei , ebenso aus 
castra Faphiorum entstanden sei, wofür man abgekürzt Faphianis gesagt habe. 
Der Entstehungsgrund des neuen Namens wäre demnach die Einquartierung 
einer cyprischen Cohorte, von welcher der grössere Theil der Soldaten aus 
Faphoa gestammt und daher den Posten darnach benannt habe , ebenso wie 
Cetium (Zeiselmauer) nach der Hauptstadt Cypem CUium genannt worden war. 



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147 

Vösendorf), Trajanus Decius (vom Jahre 249, Wienerberg und 
Schwechat) *), Salonmus (258 — 260, St. Marx, Wienerberg und 
Schwecliat), Licinius (aus der Zeit von 307 — 323, Wienerberg). 
Von den traurigen Schicksalen, denen die Donauländer, wie 
das gesammte Eeich in der Regierungsepoche des Kaisers Grallie- 
nus (260 — 268) ausgesetzt waren, zu sprechen, ist hier nicht 
der Ort. Ob der von letzterem an die Markomannen abgetre- 
tene bedeutende Landstrich von Ober-Pannonien der zwischen 
Kahlenberg und Leitha, oder der zwischen Leitha und Raab 
gelegene war , muss dahingestellt bleiben ') , da hiefür alle 
Anhaltspunkte der Beurtheilung fehlen, ebenso wie für den Zeit- 
punkt der Rückeroberung. Wahrscheinlich fällt dieser mit dem 
grossen Siege des Kaisers Aurelianus über die Juthungen (270), die 
mehrfach durch Noricum nach Oberitalien eingebrochen waren, 
zusammen. Ueberdies begegnen wir noch zweimal einer Her- 
stellung der (rrenzfestungen. Die eine verfügten Kaiser Probus 
und Diocletian, welcher selber in Camuntum sich aufhielt; von 
letzterem rührt auch jene oben angezogene Organisation des 
Reiches her, die den im Laufe des III. Jahrhunderts gewordenen 
Veränderungen die officielle Sanction ertheilte und namentlich 
die Aufstellung eines Civilgouverneurs für das Uferland systemi- 
sierte. Die andere im letzten Viertel des IV. Jahrhunderts wurde 
durch den grossen Einfall der Quaden (374), welcher mehreren 
Grenzfestungen den Untergang gebracht hatte, bewirkt, und von 
Kaiser Valentinianus bewerkstelligt, der sich zu diesem Behufe 
gleichfalls durch längere Zeit in Carnuntum aufhielt '). Wir kennen 



*) Unter ihnen sind jene von Saloninus insoferne merkwürdig, als er 
Caesar genannt wird und in dieser Stellung nur etwa drei Jahre in Gallian 
verlebte, wo er (260) ermordet wurde, ohne je in unseren Gegenden gewesen 
zu sein. 

*) Als wahrscheinlich muss angenommen werden, dass man den Ger- 
manen den strategisch minder wichtigen Theil zwischen Leitha und Baab 
geräumt hat, der alsdann zwischen Pannonia inferior (von der Raab bis zum 
Ofnergebirge) und dem unteren Viertel des Wienerwaldes eingeschlossen war 
und von hier aus. beherrscht werden konnte, so dass aus der Abtretung gerade 
kein Unheil zu entstehen brauchte. 

*) Muchar schreibt die letzte Befestigung Noricums dem Generidus (um 
409) zu. Die Sorgfalt desselben dürfte aber mehr auf die Stellung genügender 
Besatzungen, als auf die Herstellung nruer Fes'ungen sich bezogen haben. 

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148 

die Beschaffenheit der letzteren indirect aus der Notitia; dem 
in dieser mitgetheilten Verzeichniss der Vertheidigungsanstalten 
hat, so weit es unser Land betrifft, ohne Zweifel der Bestand 
derselben zu Grunde gelegen, wie ihn die Restauration des 
Kaisers Valentinianus schuf, und da wir hierin dieselben Ein- 
richtungen finden, welche seit den Markomannenkriegen bestanden, 
so lässt sich wohl schliessen, dass im Laufe des lEL und IV. 
Jahrhunderts nichts wesentliches daran geändert worden ist. Nur 
die Beschaffenheit der Besatzungen der kleineren Posten hat im 
Sinne der späteren das gesammte römische Heerwesen betreffen- 
den Organisationen eine Veränderung erfahren. Nach der Notitia 
(occ. c. 33) bildete im Wienerbecken ohne Zweifel wegen der vor- 
angegangenen Zerstörung von Camuntum durch die Quad^n im 
Jahre 375 nicht mehr dieses, sondern Vindobona, oder wie es in 
der Notitia heisst, Vindomana den Mittelpunkt, in welchem der 
Präfect der zehnten Legion stationiert war. Auch diese war nicht 
mehr vollzählig; ein Theil lag noch damals im Orient (Not. c. 6), ein 
anderer Theil im Standlager zu Arrabona (Raab). In Camuntum 
dagegen erscheint nur der Commandant einer Gehörte der vier- 
zehnten Legion, welche für den Flotillendienst bestimmt war, sowie 
der Commandant der Flotille selbst, mit dem Beisatze, dass dieser 
(zeitweise) auch in Vindomana sich befand. Von den Bundes- 
völkern werden nur die eqmtes Dalmatae (leichte Reiterei) in 
den Posten Ala nova (Schwechat) und Äeqmnoctium (Fischamend) 
aufgeführt *). 

Im norischen Uferland, soweit es Nieder-Oesterreich betrifft, 
finden wir zunächst die Präfectur der für den Flotillendienst 
bestimmten Mannschaft der ersten norischen Legion zu Fafiana 
(Traismauer) und die Stationen der Donauflotllle selbst zu Arlape 
(G^.-Pechlarn) und Comagena (Tuln), beide unter einem Präfect. 
Von den Bundesvölkern lagen eqmtes promoti im Lager ad Mauros 
(bei Melk) und zu Comagena (Tuln), equites sagittarn (berittene 
Bogenschützen) in locus Veneris felicis (Oehling), equites Dalmatae 

*) Ob die Posten Arrianis und Caratensis (?), in welchen je eine in die 
Legionen nicht eingetheilte Cohorte mit ihren Tribunen lag, in dem jenseits der 
Leitha gelegenen Theile von Pannonia prima oder im Wienerbecken gesucht 
werden müssen, ist fraglich. Sicher ist nur, dass sie nicht im norischen Ufer 
lande gesucht werden dürfen. 



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149 

in Arlape (Gr.-Pechlarn) und Augustiana (Ips) *). Dazu kamen 
noch zwei Cohorten mit ihren Tribunen, die eine in Asturis 
(Zeiselmauer), die andere in Cannabiaca (vielleicht an der Mün- 
dung des Kampflusses). — 

Ueberblickt man die Entwickelung der römischen Verthei- 



*) In der Notitia finden wir dieselben Posten wie auf der Tabula und 
im Itinerarium. Nur sind die Namen bei einigen andere geworden; so hat 
Aschbach nachgewiesen, dass das alte Trigisamum in der Notitia Fafiana, das 
alte Cetium (Zeiselmauer) Asturis heisst. Ebenso finden wir in der Notitia 
den Posten Ad pontem Ises nicht mehr genannt, dafür aber einen Ortsnamen 
„Augustiana**, den unterzubringen schwierig ist. Wir erlauben uns die Ver- 
muthung auszusprechen, dass mit dem Posten Ad pontem Ises gleiches der 
Fall gewesen sei, wie mit Trigisamum und Cetium, d. h. er verblieb, erhielt 
aber einen andern, wohl auch von einer neu dahin verlegten Besatzung stam- 
menden Namen: Augustiana castra. Der Grund dafür ist hauptsächlich die 
Nothwendi^keit, den strategisch wichtigen Punkt der Ipsmündung fort- 
währehd besetzt zu denken ; es bleibt nur übrig, den Posten unter dem Namen 
Augustiana zu suchen oder für aufgehoben zu betrachten ; da sich aber letzteres 
nicht denken lässt, muss wol das erstere zugegeben werden. Auch deutet die 
Art der Besatzung von Augustiana, die aus sogenannten „dalmatischen Reitern** 
bestand, auf ein ebenes Terrain hin, wie jenes an dem Ipsflusse ist; hier 
sowohl als im nahen Arlape standen solche Geschwader, sie werden wol auch 
deshalb in der Notitia nebeneinander aufgeführt. Aschbach (Sitzg^er. XXXV, 
S. 20) sucht den Posten im oberen Uferlande an der Donaustrecke zwischen 
Euns und lun, da von den 13 norischen Posten doch vier auf das obere 
Uferland entfallen müssten; allein die Vertheilung der Postenanzahl ist, wenn 
man Augustiana abrechnet, in beiden Theilen ziemlich gleich ; es sind im oberen 
fünf, im unteren sieben, davon hier wie dort je zwei Doppelstationen. Im 
oberen Uferlande lässt sich nur ein strategisch wichtiger Punkt, die Mündung 
des Aschachbaches bei Efferding in die Donau, als Motiv für die Anlage eines 
Castelles denken; eben dort findet sich auf der Tabula der Ort Marinia- 
num. Man müsste also, wenn das Augustiana der Notitia im oberen Uferlande 
lag, annehmen, es sei derselbe Posten wie das Marinianum der Tabula gewesen. 
Vergleicht man aber die beiden Punkte (Ips und Marinianum) untereinander, 
so erhellt, dass jener an der Mündung der Ips eine um vieles grössere strate- 
gische "Wichtigkeit hatte als jener an der Mündung der Aschach , der seiner 
Natur nach recht wohl so klein gedacht werden kann, dass seine Besetzung von 
Lentia aus besorgt werden konnte. Darum scheint es uns wahrscheinlich, dass 
Augustiana im unteren Uferlande lag Und an die Stelle des älteren „ad pontem Ises** 
getreten sei. Böcking in der berühmten Ausgabe der Notitia schwankt; ersucht 
(annot. p. 741) Augustiana bald im unteren Uferlande an der Stelle von 
Trigisamum, was schon Schweickhardt (Darstellung des V. O. W. W. III, 271) that 
bald im oberen an der Stelle von Stanaco, das er für verderbt aus (Augu)- 



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150 

digungsanstalten in unserem Lande, so gewahrt man zwei Stufen 
in derselben. Die eine wird bezeichnet durch die Einrichtungen 
des Kaisers Vespasian; diese können als die Grundlage aller 
folgenden gelten, was die Auswahl der Punkte betrifft, an denen 
Militärposten angelegt wurden. Wenn auch zeitweise aufgegeben, 
kehrt man doch immer wieder zu ihnen zurück, ein Beweis für 
den Takt und Scharfsinn, mit welchem die Organisation der 
Defensive unter diesem Kaiser, den Tacitus mit Recht „einen 
ganzen Kriegsmann" *) nennt, durchgeführt wurde. Die andere 
Stufe ward mit den Einrichtungen erreicht, welche während und 
nach den Markomannenkriegen die Kaiser Marc Aurel begründet 
und Septimius Severus durchgeführt haben. Diese Einrichtungen 
verblieben im Wesentlichen bis an das Ende der Römerherrschaft. 
Beide Organisationen gehen von dem Motive des Grenzschutzes 
gegen die immer mächtiger auftretenden Germanen aus und sind 
uns insofeme ein Ausdruck nicht blos für die Entwickelung der 
Defensive, sondern indirect auch für die Ausdehnung und Ver- 
mehrung der Offensive von Seite der Barbaren. Beide führen 
endlich darauf hinaus, nicht mehr einzelnen Bundesvölkern, son- 
dern ganzen Legionen den Grenzschutz anzuvertrauen, womit 
wieder verbunden ist, dass nacheinander, erst das untere, dann 
das obere Viertel des Wienerwaldes unter pannonischen Ober- 
befehl gestellt wui'de. Der Grund dafür liegt so wol in der bedeutenden 
militärischen Organisation der Provinz Pannonien, die ihrer grossen 
strategischen Wichtigkeit entsprach, als auch in der Stellung von 
Noricum zu ihr; fUr sich von weit grösserer ökonomischer als 
strategischer und politischer Bedeutung kam letzteres naturgemäss 
unter den Einfluss der ersteren, nachdem es überhaupt seine Selbst- 

stanaca (stra) hält (p. 742) ; doch gibt er zu, dass der Name in allen Codices 
des Itinerars Stanaco nicht Stanaca heisse. Kleinmayrn (Juvav. I, p. 26) setzt 
Augustana (sie) castra zwischen Regenshurg und Passau, auf welcher Strecke 
das Itinerar (Wess., p. 249) allerdings ein Augustis nennt. Allein nach der 
Eintheilung der Länder, wie sie in der Notitia vorliegt, gehört diese Strecke 
nach Raetia, nicht nach Noricum ripense; schon daraus erhellt, dass beide 
Posten nicht identisch sein können. 

*) Acer müUiae, anteire agmen^ locum caatris capere, nociu diuque eon- 
silio, ac H res posceretj manu hostibus obniti, cibo foriuito, veste habituque vix 
a gregario milite düd-epans; prorsus ai avarUia, abesset^ antiquU ducibus par, 
mat.^ II, 6. 



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151 

ständigkeit verloren hatte. Dieses Verhältniss zwischen Pannonien 
und Noricum gleicht ganz jenem, das zwischen dem Procurator von 
Judäa und der Provinz SjTien bestand. Der Legat der letzteren unter- 
stützte, wo es nothwendig war, mit seinen Truppen den ersteren, sowie 
Pertinax im Markomannenkriege mit einer pannonischen Legion 
den Norikem zu Hilfe eilen musste. Dagegen führte der syrische 
Legat, freilich stets auf speciellen Befehl des Kaisers eine Art 
Oberaufsicht über den Procurator in Judäa. Sowie der Legat 
Vitellius die Procuratoren Pontius Pilatus und Kaiphas (Jos. 
Antiqu. 18, 4, 2), ferner der Legat Quadratus den Procurator 
Felix (Tac. Ann. 12, 54) absetzte, als über sie geklagt wurde, 
ebenso lieferte Sabinus, der Statthalter im oberen Pannonien war 
(Dio Cass. 78, 13), den Procurator Polenius Sebennus, über dessen 
Regierung sich die Noriker beklagten, den letzteren zur Bestrafung 
aus (230 nach Christi, Dio Cassius 76, 9). 



IL Uebersicht der Festungen und Strassen, 
deren strategische Bedeutung und Functionen. 

Zu demselben Resultate, welches die Betrachtung der all- 
mähligen Entwicklung der Vertheidigungsanstalten in unserem 
Lande uns ergab, gelangen wir auch, wenn wir Castelle und 
Strassenzüge mit Rücksicht auf ihre Functionen in's Auge fassen. 

Dabei muss vor Allem bemerkt werden, dass es eine ver- 
gebliche Mühe wäre, die Römerstrassen in unserem Lande und 
die im Itinerarium Antonini ^ sowie in der tabula Peutingeriana 
verzeichneten Distanzen der Römerorte flir sich allein und selbst- 
ständig zu betrachten; denn ihre Anlage schliesst sich enge an 
die Bodengestaltung an und beruht auf der strategischen Wichtig- 
keit der Landstriche, in denen sie liegen; aus dieser muss jene 
erklärt werden. Daher müssen die Strassen und Stationen in Grup- 
pen betrachtet werden, die sie nach den eben genannten Merk- 
malen zusammen bilden. 



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152 

In dieser Hinsieht zerfällt die gesammte Strecke zwischen 
der Leitha und der Enns in drei Theile: in den pannonischen 
Theil oder das Viertel unter dem Wiener Walde von der Leitha 
bis zum westlichen Ausläufer des Kahlenberges, dann in den nori- 
schen Theil, welcher wieder in den Landstrich zwischen dem Kah- 
lenberge und der Erlaf, und in jenen zwischen der Erlaf und der 
Enns abgetheilt werden kann. 

6. Die pannonische Donaustrecke von Hainburg bis 

Grreif enstein. 

Der erste Theil ist, wie schon öfter bemerkt wurde, in strate- 
gischer Beziehung der wichtigste gewesen, vermöge seiner Lage 
gegenüber dem Marchfeld, weshalb wir hier schon im letzten 
Viertel des ersten Jahrhunderts eine Truppenmenge aufgestellt 
finden, die im Verhältniss zu denen, welche in anderen, auch in mili- 
tärischer Beziehung wichtigen Landstrichen stationierten, eine 
ausserordentlich grosse genannt werden muss. Es ist selbstver- 
ständHch, dass damit eine diesen Besatzungen entsprechende Befe- 
stigung der Stromstrecke zwischen dem Kahlenberg und den Höhen 
von Deutsch- Altenburg verbunden war. Die Basis derselben bildet 
ein von der Natur geschaffener Wall, durch welchen das ebene 
Wienerbecken an der nördlichen Fronte gegen die Donau zu 
geschlossen wird. Dort findet sich nämlich ein erhöhter Uferrand; 
durch den Wienfluss von den Ausläufern des Kahlenberges getrennt 
beginnt er mit dem Wiener- und Laaerberg und setzt sich in 
allmäliger Steigerung gegen Petronell fort, um mit den Höhen 
zwischen Deutsch - Altenburg, Hainburg und Wolfsthal abzu- 
schliessen. Nur an zwei Stellen wird dieser erhöhte TJferrand unter- 
brochen durch die Rinnsale der Schwechat und der Fischa. 

Dies natürliche Bollwerk schliesst nun nicht vollkommen 
knapp alle Zugänge in die Ebene des Hinterlandes ab. Zwischen 
dem Kahlenberge und dem Wienfluss bleibt ein freier, ebener 
Zugang. Auch im Osten zwischen Hainburg und Pressburg ver- 
flacht sich der Boden; dieser Umstand ist hier um so gefährlicher, 
als der jenseitige Uferrand höber als der diesseitige ist, also ein 
Versuch den Strom vom linken Ufer aus zu übersetzen, leicht 
gewagt werden kann. Auch mündet gerade gegenüber von dieser 



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153 

flachen Stelle ein schmales Thal aus, welches am linken Ufer 
zwischen dem Thebnerkogel und den Bergen bei Pressburg gegen 
Norden sich erstreckt und für den das Wienerbecken bedrohenden 
Feind einen trefflich geschützten Zugang zu der Uebergangstelle 
bei dem heutigen Pressburg bildet, wo das Donaubett ziemUch 
schmal whd. Gelang es dem Feinde, hier den Strom zu über- 
setzen, so konnte er die östliche Flanke des Uferrandes umgehen 
und die Defensivanstalten auf demselben im Rücken angreifen, 
oder, ihnen ausweichend, durch Pannonien hinab gegen Italien 
vorrücken. — Endlich bilden die Thalwege der Schwechat und 
Fischa zwei andere natürliche Pforten, die durch den Uferrand 
hindurch in die Ebene führen. 

Diese Mängel des natürlichen Walles suchten die Römer 
durch künstliche Befestigungen zu paralysieren. An den Flanken 
des Uferrandes wurden die beiden Standlager Vindobona und 
Carnuntum (Wien und Petronell), jedes für eine Legion errichtet. 
Das erstere war im Westen wohl durch eine Warte auf dem 
Leopoldsberge und durch ein kleines sicher nachweisbares 
Castell bei Klosterneuburg geschützt, welch' letzteres zugleich den 
Thalweg zwischen Kierling und St. Andrä beherrscht; dadurch 
wurde der einzige Zugang vom Tulnerfeld in das Wienerbecken, 
welcher auf einen ziemlich grossen Umkreis den Barbaren mög- 
lich gewesen wäre, abgesperrt. — In der Nähe des andern Stand- 
lagers, von Carnuntum, findet sich bei Deutsch - Altenburg eine 
treffliche Stelle zum Uebergang über die Donau vom rechten auf 
das linke Ufer; hier wurden befestigte Brückenköpfe angelegt; 
von dem jenseitigen haben sich Spuren im „öden Schloss" bei 
Stopfenreut gefunden; der diesseitige befand sich in Deutsch- 
Altenburg') und mochte durch eine Warte auf der Höhe hinter 
diesem Orte geschützt worden sein. Endlich, wenn auch schon 
auf ungarischem Boden gelegen, so doch zur Befestigung der 
östlichen Flanke des natürlichen Walles dienten auf dem rechten 
Ufer der Donau Gerolata (Kroatisch Jahrendorf j*), auf dem linken 

') Der Vorsprung des Berges an dieser Stelle heisst „am Stein". 

*) Von einer Specula «gegen Theben an der Mündung der March in die 
Donau" spricht Hormayr in der Geschichte von Wien I, 2, S. 151. Ob diese 
auf dem rechten oder linken Donauufer lag, bleibt nach der Ortsangabe Hor- 
mayr's unbestimmt. 



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154 

die in dem Defii^e zwischen der March und den Höhen von Press- 
burg angelegten Vorwerke, von welchen jedoch nur eines, das 
bei Stampfen gelegene, aus Funden nachweisbar ist. — Auch die 
Thalwege der Schwechat und Fischa wurden durch kleinere 
Castelle gesperrt, die an den geschützten Stellen nahe bei ihrer 
Mündung angelegt waren ; das eine, Ala nova, bei Klein-Schwechat, 
das andere, Äequinoctiumy bei Fischamend, beide wahrscheinlich 
von Reitern besetzt, worauf der Name Ala nova hindeutet*). 

Diese Festungswerke verband die Reichsheeresstrasse , der 
Limes, welcher auf dem erhöhten Uferrande hinlief). Die Distan- 
zen'*) im Itinerartum Ant, und auf der Tabula sind: 
A) Itineranum (p, 248 Wess,) B) Tabula, 

Camuntum Caimuntum 

a) — Aequinoctio XIIIL 

b) — Villa Gai XIIIl 

c) Aequinoctio et Ala nova in Vindobona IUI, 
medio Vindobona XXVIIL 



') Diese Ansicht sprachen schon Jordan (Orig. Slav. T. II. p. III. pg. 97). 
und Magnus Klein (Notitia Austr. 11. p. 43) aus. Der Name Aequinoctium ist 
schwer zu erklären und wohl nicht der ursprüngliche, sondern ein vielleicht 
durch Abschreiber entstellter ; wenigstens lässt sich schwer absehen, auf welche 
Weise der Begriff der Nachtgleiche zur Bezeichnung eines kleineren Postens 
an der Grenze gebraucht werden konnte. Offenbar ging der ursprüngliche 
Name auf die Lage des Ortes in der Mitte der Entfernung zwischen Vindobona 
und Camuntum, von welchen beiden es genau 14 römische Meilen (Sy^ deutsche 
Meilen) abliegt; es mag also der Ortsname in der ursprünglichen Fassung den 
Begriff der Hälfte (des Weges) ausgedrückt haben, wie das spätlateinische 
Aequilancium im Glossar. Isidor. (Vergl. Du Gange s. v.) Ob nun dieser Aus- 
druck dem Ortsnamen zu Grunde liegt, oder irgend ein anderer der Vulgär- 
sprache, den wir nicht kennen, — gewiss zielt der Sinn des ersten Thelles des 
Namens (aequi-) auf die Lage des Postens am halben Wege zwischen Vindo- 
bona und Camuntum. 

') Darauf deutet der angebliche Ueberrest des Limes bei Wildungs- 
mauer (s. das Verz. d. Fundorte), noch mehr die Bezeichnung: „ubi adhuc 
magna exatant rudera antiquiaaimi muri^* in Urkunden, welche sich auf das 
gesammte Donauufer von Petronell bis Wien bezieht. Hormayr, Geschichte 
von Wien I, 2, S. 127. — Südlich von Wildungsmauer bei Scharndorf findet sich 
der in der Umgebung häutig vorkommende Name : Haidäcker, auch Heidenäcker 
geschrieben. 

*)Es wird dabei die alte römische Meile, d. i. ein mille pasauum zu 24 Minu- 
ten angenommen, so dass also fünf millia paaauum auf eine deutsche Meile gehen. 



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155 

Nach A) beträgt die Entfernung von Carnuntum nach Vin- 
dobona 28, nach B) 32 römische Meilen. Da die Angabe A) der 
Wirklichkeit vollkommen entspricht, so muss in B) ein Fehler 
unterlaufen, der leicht nachzuweisen ist. Aequinoctium — an der 
Mündung der Fischa gelegen — steht genau in der Mitte zwischen 
beiden Endpunkten, liegt also von beiden 14 römische Meilen 
ab. Die Distanz beträgt nach B b und c 18 römische Meilen; 
offenbar ist in Angabe B b das Zeichen IUI irrthtimlich aus 
Angabe B a wiederholt worden und es muss in B b statt XIIII, 
heissen: X. Für die Zwischen posten Aequinoctium und Ala nova 
gibt Angabe A keine Distanzen, sie werden nur einfach erwähnt 
um die Richtung der Strecke von Carnuntum nach Vindobona 
zu bezeichnen. Wie eben gezeigt wurde lässt sich der erstere der 
beiden Posten Aequinoctium bestimmen, der andere wird in der 
Tabula gar nicht genannt. Doch hat seine Bestimmung keine 
Schwierigkeit; er lag nach Angabe A c zwischen Aequinoctium 
und Vindobona; auf dieser Strecke findet sich aber kein Punkt, 
der für die Anlage eines Postens gelegener wäre, als Klein-Schwechat 
an der Mündung der Schwechat; diese liegt fast genau in der 
Mitte zwischen Vindobona und der Mündung der Fischa, von beiden 
also 7 römische Meilen entfernt. Die in der Tabula genannte 
Villa Gai liegt wieder fast in der Mitte zwischen Vindobona und 
Ala nova, um eine römische Meile näher bei letzterem; es dürfte 
auf der Simmeringer Haide zwischen dem sogenannten Himmel- 
reich und dem „Neugebäu" gestanden haben. Aus dem Vorhan- 
densein dieses offenbar sehr kleinen Postens wird man mit Recht 
schliessen, dass die ganze Strassen strecke zwischen Vindobona und 
Carnuntmn in sieben bis acht Abstände zu je 3*/, bis 4 römischen 
Meilen zerfiel, an deren Endpunkten grössere und kleinere Posten, 
letztere wohl nur in Kriegszeiten, aufgestellt wurden. Wir werden 
demnach auch auf der Strecke zwischen Aequinoctium und Carnun- 
tum solche kleinere Posten annehmen können; so: oberhalb Elend*), 
bei Regelsbrunn und bei Wilflingsmauer. 



') Der Abt Klein spricht (II, 42) von den Ueberresten eines ungewöhn- 
lich grossen Castelles auf halbem Wege zwischen Elend und Fischamend, 
etwas landeinwärts, das auch Graf Marsigli im Danubius aufnahm. Jordan 
(Orig. Slav. T, II, pars. III, pag. 97) leugnet den römischen Charakter der Reste 
und hält sie für Theile eines mittelalterlichen Baues. Allein nach dem , was 



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156 

Die Strassen in der Umgebung von Vindobona und Carnun- 
tum sind schon an einem andern Orte ausführlicher besprochen 
worden*). Es sei hier nur bemerkt, dass vom Standlager von Car- 
nuntum aus die Heeresstrasse in südöstlicher Richtung über Prel- 
lenkirchen durch die sogenannten Heidenfelder fortlief, bis sie bei 
Parendorf auf die von Scarahantia (Oedenburg) herankommende 
Hauptheeresstrasse stiess, mit welcher vereinigt sie über Kittsee 
und Kroatisch -Jahrendorf weiter zog. Zugleich ging ein anderer 
Theil des Limes vom Standlager weg über Deutsch - Altenburg, 
Hainburg und Wolfsthal nach Kittsee. Neben diesen dem militäri- 
schen Verkehr dienenden Strassen führten zwei blos zum bürger- 
lichen und zum Handelsverkehre bestimmte Strassen, die eine 
von Regelsbrunn hinter dem Standlager von Camuntum vorbei 
nach Kittsee, die andere von der Civilstadt Camuntum nach Pam- 
dorf. Der Zweck dieser beiden Strassen war die Umgehung der 
militärischen Werke von Carnuntum für den Waarenverkehr. Ihr 
Kreuzungspunkt ist Agv Janus quadrtfrons (heute das Heidenthor 
genannt) in der Nähe von Petronell. 

In solcher Art war die Fronte des Uferrandes mit Trup- 
pen, Festungswerken und mit der Heeresstrasse bestellt. Allein 
dies genügte in einer strategisch so wichtigen Grenzstrecke noch 
nicht ; es musste auch der Rücken der Truppenaufstellung gedeckt, 
namentlich mussten die beiden Hauptpunkte, die zwei Legions- 
lager, mit den tiefer in Pannonien gelegenen Reservepunkten in 
Verbindung gesetzt werden. In der That sind wir im Stande, drei 
Strassen nachzuweisen, welche nur diesen Zweck gehabt haben 
können, und die wir deshalb die Reservenstrassen nennen. 

Das Vorhandensein der ersten lässt sich nur aus Funden 
constatiren. Am südlichen Abhang des öfter genannten Uferrandes 
zieht sich eine Reihe von Fundstellen hin, an denen man Gräber, 
Grabsteine, selbst Mithrassteine gefunden hat ; sie beginnt im Westen 



Klein über ihr Aussehen und die Aehnlichkeit mit den Resten des Stand- 
lagers bei Petronell vorbringt, scheinen ^ie doch römischen Ursprunges 
zu sein. 

') Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines, Bd. IX, S. 190 und 
jBd. X, S. 192. 



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167 

bei Vösendorf und bewegt sich östlich über Maria Lanzendorf*), 
Schwadorf, Stixneusiedl nach Brück, wo man Spuren einer Römer- 
strasse fand •), und nach Pamdorf. In Vösendorl fand sich nur ein Mei- 
lenstein, welcher ohne Zweifel der auch im Itinerarium aufgeführten 
Koute angehört, die von Vindobona über Aquae (Baden) nach 
Scarabantia (Oedenburg) fiihrte. Ueber Pamdorf lief die von 
Scarabantia nach Camuntum zielende Strasse^). Zwischen beiden 
Strassenzügen liegt nun jene geradlinige Folge von inschriftlichen 
Funden, so stetig markiert wie sonst im ganzen Viertel unter dem 
Wiener Walde keine mehr. Das darf uns wohl ein Anhaltspunkt 
sein, in dieser Linie eine Strasse anzunehmen, welche die beiden 
Legionslager miteinander verband und, da sie die Rinnsale der 
Fischa und Schwechat durchschritt, auch die Zwischenposten 
Aequinoctium und Ala nova, sowohl untereinander als mit den 
Legionslagern in Verbindung setzte. Ihr Zweck konnte nur der 
sein, im Rücken des natürlichen Uferwalles den militärischen 
Verkehr zwischen den einzelnen Truppenabtheilungen zu ermög- 
lichen. 

Die Richtung der zweiten Reservestrasse ist uns im Itine- 
rarium erhalten. Es ist eben die von Vindobona über Aquae nach 
Scarabantia führende, deren Lauf über Gumpendorf, Inzersdorf 
und Vösendorf durch die bei diesen Orten geftmdenen Meilensteine 
bezeugt ist*). Der weitere Zug dieser Strasse ergibt sich aus dem 

^) Ueber die Sagen, die sich an die Wallfahrtskirche von Maria-Lanzen- 
dorf knüpfen (St. Lucas Predigt, Mark Aureis Sieg) s. Kirchl. Topographie 
m, 245. 

') Freiherr von Hormayr, Geschichte von Wien I. 2, S. 129. Man fand 
die Spuren bei Stixneusiedl und Brück. Auch die Inschriften von Höflein und 
Göttlesbrunn, sowie die Benennungen: Dorf Steinabrunn zwischen Hundsheim 
und Deutsch-Altenburg (Weiskem, nied.-österr. Topographie, H, 206) jetzt zerstört, 
dann oberer und unterer Heiden berg zwischen Höflein und Brück, dann 
Hei den Wiesfelder, obere und untere He id wiesen, östlich von Brück bis zur 
alten Schanze bei Parndorf, Heidenfelder, Heidenäcker bei Qötzendorf, Gall- 
brunn, Scharndorf, Höflein, Göttlesbrunn , deuten auf mannigfache römische 
Funde hin. (Vergl. die Generalstabskarte „Umgebung von Brück a. d. Leitha.) 

•) Berichte und Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines, X. Jahr- 
gang, S. 192. 

*) Ueber jenen von Gumpendorf, der im XVI. Jahrhunderte noch in 
Bruchstücken, jetzt nicht mehr vorhanden ist, vergl. Berichte und Mittheilungen 
des Wiener Alterthumsvereins IX. Jahrcrang. S. 191 Note 3. Die anderen 



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158 

Itinerartuvij das ihrer dreimal gedenkt; erstlich (a) auf der Route 
Vindobona — Sabarta (Steinamanger), p. 266 (Wess.): 

(^Scarabantia) 

Muteno XVIII 

Vindobona XXXVI j 

dann (J) im Iter a Sirmio Gallias per Sopianas et Lauriacum 

p. 283 {Wes8)\ 

{Scarabantia) 

Muteno XII 

Vindobona XXII j 

endlich (c) auf der Strecke a Vindobona . Poetovione{m) p. 261 
{Wess.): 

{Vindobona) 

Aquis XXVIII 

Scarabantia XXXL 

Diese Angaben weichen um ein Bedeutendes von einander 
ab ; in jeder steckt ein Fehler. Um die Correctur derselben zu 
finden, müssten wir wenigstens einen der beiden Punkte zwischen 
Vindobona und Scarabantia, entweder Aquae oder Mutenum, sicher 
bestimmen können. Da in dem Namen Aquae selbst eine Hin- 
weisung auf ein Heilbad liegt, und da man in Baden die un- 
zweifelhaften Spuren für die Benützung seiner Heilquellen in 
römischer Zeit *) gefunden hat, so ist kein Zweifel, dass Aquae 
mit dem heutigen Curort Baden bei Wien zusammentriflft und 
es ist auch von keinem der neueren Gelehrten bestritten wor- 
den. Die Richtung der Strasse, die von Vindobona dahin führte, 
kennen wir bis Vösendorf Da man ferner in Gumpoldskirchen 
die Spuren römischer Gräber fand*), so darf als ebenso gewiss 
erachtet werden, dass die Strasse von Vösendorf weg in möglichst 
gerader Richtung über Neudorf nach Gumpoldskirchen und weiter 
nach Baden gegangen sei. Alsdann beträgt die Entfernung zwischen 



Steine siehe in y. Sacken und K. Sammlungen des k. k. Münz- und Antiken- 
kabinets S. 101, Nr. 5, 10, 18, 20, 22 und Nr. 16. — In der Nähe des 
Fundortes der Inzersdorfer Meilensteine findet sich noch heute der „Steinhof". 

*) Vergl. das Verzeichnigs der Fundorte. 

•) Vergl. das Verzeichniss der Fundorte. 



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159 

Vindobona und Aquae 18 römische Meilen, womacli in der An- 
gabe c) XXVIII in XVIII zu corrigieren ist, welche Zahl sich 
denn auch in einem verlässlichen Parisercodex — Parthey und 
Pin der bezeichnen ihn mit D — erhalten findet. 

Die Angabe c) setzt weiter die Entfernung von Aquae nach 
Scarahantia (Oedenburg) auf 31 römische Meilen an, in welcher 
alle Codices, mit Ausnahme eines einzigen, zusammentreffen. In 
der That ist dies die noch jetzt nachweisbare Entfernung beider 
Orte, wenn man die Strassenlinie von Baden aus quer durch die 
Ebene, sei es über Pottendorf oder Ebenfurt, nach Gross -Höflein 
gehend denkt, wo sie mit der jetzigen Poststrasse zusammentrifft 
und weiter mit dieser nach Oedenburg geht. In keiner andern 
Richtung erhält man die in zwanzig Codices (unter 21) gleich 
angegebene Meilenzahl so genau. 

Die Entfernung zwischen Vindobona und Mutenum wird nach 
Angabe a) auf 36, nach b) auf 22 römische Meilen bestimmt; 
dass letztere Entfernung unrichtig ist, fällt sofort auf. In der That 
hat auch ein Codex an dieser Stelle statt XXII, XXXII, so dass 
die Differenz zwischen beiden Angaben nur mehr 4 römische 
Meilen beträgt. Von ihnen verdient die Angabe a), in der alle 
Codices übereinkommen, das meiste Vertrauen. Da nach ihr 
Mutenum von Vindobona 36 Meilen entfernt war und da wir 
wissen, dass Aquae von Vindobona 18 und von Scarahantia 31 
Meilen abstand, so muss Mutenum 18 Meilen von Aquae und 13 
Meilen von Scarahantia entfernt gewesen sein, was genau mit 
Gross-Höflein zusammentrifft*). Darnach muss in Angabe a) statt 



*) Die Vermuthung Jordans (Orig. Slav. T. II., vergl. Hormayr, 
Geschichte der Stadt Wien I. 2, S. 131), Mutenum sei kein Ortsname, sondern 
bedeute „mutatio** und sei bei Dundelskirchen gelegen, mag dahingestellt 
bleiben. Die Bestimmung von Mannert und Beichard auf Eisenstadt (Kis 
Marton) trifft ziemlich nahe; der letztere Ort liegt aber zu weit gegen den 
Neusiedlersee ab. Die Bestimmung von Lapie auf Wiener-Neustadt ist keine 
glückliche; abgesehen davon, dass die Distanz von Mutenum und Scarahantia 
alsdann viel grösser wäre, ist die Lage von Wiener-Neustadt fast mitten in 
einer ausgedehnten Ebene zu wenig geschützt, als dass sie für die Anlage 
eines römischen Postens hätte gewählt werden können. Auch steht die Sago 
dass die Gegend um Neustadt ein Sumpf gewesen sei, die sehr verbreitet und 
sehr wahrscheinlich ist, dem entgegen. Vergl. Böheim Wiener-Neustadt I, 
12 f. Endlich sind in Wiener-Neustadt nur einzelne Münzen gefunden worden. 



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160 

Muteno XVIII, Muteno XIII, in Angabe h) statt Muteno XII, 
Muteno XIII und statt Vindobona XXII, Vindobona XXXVI, 
endlich in Angabe c) statt Aqms XXVIII, Aquts XVIII geschrie- 
ben werden, lauter Fehler, deren Entstehung beim Abschrei- 
ben sehr leicht erklärbar sind. 

Der Zweck dieser Strasse war nun kein anderer als Vindo- 
bona auf einem kürzeren Wege mit dem Sttitzpimkte Scarahantia 
zu verbinden, als jener über Camuntum gewesen wäre. 

Endlich finden sich noch die Spuren einer dritten Reser- 
venstrasse in mehreren Funden angedeutet, theils inschriftlichen, 
theils von Gräbern. Dahin gehören die Inschriftsteine von Neu- 
dörfl bei Wiener- Neustadt, Froschdorf und Katzelsdorf, die Römer- 
spuren in Scheiblingkirchen und Sebenstein*), also den Leitha- 
und Pittenfluss aufwärts gegen die Wasserscheide zwischen Leitha 
und Raab zu. Jenseits derselben fangen die Funde, soweit bisher 
bekannt ist, bei Friedberg an (Grabsteine und Reliefs) und ziehen 
sich nach dem Pinkabach abwärts über Dechantskirchen und 
Ehrenhausen fort^). Bei Friedberg hat sich auch der Name „Hoch- 
strasse" erhalten, der gewöhnlich auf Römerstrassen deutet. Die 
Strasse, die nun in der Richtung der genannten Fundstellen gedacht 
werden muss, mündete auf österreichischem Boden in die Strasse 
von Aquae nach Mutenum, welche sie etwa bei Ebenfurt erreicht ; 
auf ungarischem Boden konnte nur Saharia (Steinamanger) ihr 
Ziel sein. Sie verband also Vindobona mit Sabaria, dem innersten 
Stütz- und Reservepunkt für die Truppenaufstellung an der Donau 
gegenüber dem Marchfeld. Sie mag nicht dieselbe Wichtigkeit 
gehabt haben, wie die Strecke Vindobona-Mutenum-Scarabantia; 
allein, wenn es sich darum handelte, in das von Feinden bedrohte 



') Vergl. Böheim, Wiener-Neustadt. Zweite Auflage, I 13 f. Die alte 
Sakristei der Kirche in Sebenstein soll ein römischer Tempel gewesen sein 
am Eingange in die Kirche zu Scheiblingkirchen ist ein kaum mehr zu ent- 
ziffernder Grabstein eingemauert. Auch diese Kirche soll ein Heidentempel 
gewesen «ein. Unwillkürlich erinnert der Name „Scheiblingkirchen" an 
römisches Bauwerk, wie ja auch der gescheibte Thurm bei Botzen ein römischer 
Bau ist. Vergl. Mitteilungen der k. k. Central-Komm. 1857. S. 57 f. und VI. 
Fortsetzung der Fundchronik im XXIV. Bd. des Archives der k. Akademie 
der Wissenschaften, S. 279. 

*) Ueber die Funde in Mitteilungen der k. k. Centi-al-Komm. für 
Erforschung der Baudenkm. 1866, p. CVIII. 



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161 __ 

Wienerbecken schnell eine möglichst grosse Anzahl von Truppen 
zu werfen, so war es von einigem Gewichte, während die schweren 
Fusstruppen über Mutenum vorrückten, einen zweiten Weg zur 
Verfügung zu haben, der zwar über Gebirge führend, doch für leichte 
Fusstruppen und leichte Cavallerie gut zu passieren war. Es wurde 
sowol in diesem Falle, als in jenem, dass aus dem Wienerbecken 
Truppen zurückgezogen werden mussten, durch die Anlage dieser 
Strasse eine beträchtliche Zeiterspamiss erzielt. 

Erinnern wir uns, dass wie Vindobona indirect, so Carnun- 
tum dii'ect durch die Hauptheeresstrasse- in Pannonien mit Scara- 
hantia und Saharia in Verbindung stand, so vervollständigt sich 
uns das Bild der Strassenanlage im Viertel unter dem Wiener 
Walde. Die Stränge derselben bilden drei in einander geschobene 
Dreiecke, welche zur gemeinschaftlichen Basis die gefährdete Strom- 
strecke zwischen dem Kahlenberge und der Leitha haben und ihre 
Scheitelpunkte in den hintereinander gelegenen Reservepunkten, 
dem heutigen Brück an der Leitha, dann in Scardbantia und 
Sabaria finden. 

Wir erkennen in ihr ein System, dessen Hauptzielpunkt war, 
eine vielfältige und möglichst gedeckte Verbindung der einzelnen 
Posten in der Fronte der Truppenaufstellung sowohl untereinan- 
der, als mit ihren Reserven herzustellen, lun den Zu-, imd Abzug 
der Truppen so rasch als möglich bewerkstelligen zu können. 

Neben diesen dem militärischen Gebrauche zunächst gewid- 
meten Strassen sind die Spuren einer vierten Strasse nachweis- 
bar, die wohl nur ein Handelsweg gewesen ist und über den 
Semmerin^ in's norische Binnenland führte. Sie zieht sich am 
östlichen Bergrand des Wiener Waldes von Baden über Vöslau 
und Leobersdorf*) gegen Steinabrückl. Von hier lief ein Zweig 

*) In der Nähe von Leobersdorf auf der Mitte des Weges nach Matzen- 
dorf gibt es ein „Stadtfeld", auf welchem man mehrere zubehauene Steine aus- 
gegraben hat. Daran knüpft sich die Ueberlieferung , dass der jetzige Markt 
Leobersdorf einst eine Stadt gewesen sei. Kirchl. Topographie V. S. 116, 
wo der Name „Stadtfeld" daher erklärt wird, dass über dieses Feld der Weg nach 
Wiener-Neu s t a d t gehe, eine Erklärung die uns gänzlich unrichtig scheint. Der 
Ausdruck „Stadt" findet sich auch für ein Feld bei Scheibbs, wo man Qötter- 
figuren in Bronze fand (Fundchronik, Archiv XXXVIII Nr. 16), ferner in Hollen- 
burg und Niederwallsee, s. u. In ähnlicher Weise mag der Name „Stadtfeld" 
die Erinnerung an einst noch sichtbare Ruinen eines römischen Qrtes enthalten« . 

11 



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162 

über WöUersdorf und „die Oed'* nach Pernitz im Piestingthal, 
ein anderer nach Muthmannsdorf *) ; die Hauptstrasse ging über 
Fischau*), Brunn und Neunkirchen *) gegen den Semraering zu. 
Dieselbe Richtung hielt die alte sogenannte Salzstrasse ein, auch 
finden sich längs dieser Linie die meisten und die ältesten Ort- 
schaften der Umgegend, endlich haben sich bei den obengenann- 
ten Punkten in früherer Zeit unzweifelhafte Kömerfunde gezeigt, 
welche von Böheim in seinem oben angeführten Werke über 
Wiener-Neustadt (I 11) und nach ihm in dem beiliegenden Ver- 
zeichniss der Fundorte aufgezählt erscheinen^). 

7. Die norische Donaustrecke. Der Landstrich von 
Greifenstein bis zur Traisen. 
Um vieles einfacher, für uns aber nicht minder wichtig, 
sind die Vertheidigungsanstalten im norischen Uferlande. Der eine 
Theil desselben , den wir vorerst zu betrachten haben, erstreckt 
sich von dem westlichen Rande des Wiener Waldes bis zur Mün- 
dung der Erlaf und zerfällt in zwei Hälften, welche in Beziehung 
auf die Plastik des Bodens einander geradezu entgegengesetzt 
werden können. Die eine bis zur Mündung der Traisen reichende 
Hälfte zeigt unmittelbar am Strome eine gestreckte schmale Ebene 



') Südlich und nördlich von Muthmannsdorf finden sich Abhänge, welche 
den Namen „BurgstalUeithen" führen. Vergl. die Administrativkarte des Ver- 
eines fdr Landeskunde von Nieder-Oesterreich, Blatt Wiener-Neustadt Auch 
will man daselbst die Spuren einer römischen Strasse und die Fundamente 
eines praediums gefunden haben; siehe noch das Verzeichniss der Fundorte. 

*) Die Strasse von Fischau nach Steinabrückl , die weiter über Hölles 
nach Baden führt, heisst noch jetzt die „Römerstrasse". Keiblinger, Geschichte 
von Melk. II, 712. Note. 

*) Die Funde von Neunkirchen siehe im Verzeichniss der Fundorte; in 
der Nähe von Pottschach führt ein Feld den Namen ,»iin Burgstall". 

*) Muchar spricht in seinem römischen Noricum (I 307) ebenfalls die 
Vermuthung aus, dass eine Strasse über den Semmering geführt habe, und 
wiederholt diese Hypothese mit grösserer Bestimmtheit in seiner Geschichte d. 
Steiermark, I, 92. — lieber die Funde im Murthal zu MOrzzuschlag (Münzen) 
und Pischk bei Brück, vgl. J. G. Seidl, Fun<lchronik in Schmiedls Blätter für 
Literatur und Kunst. 1846 (Separatabdr. I, S. 11 und 12.) — Spuren finden 
sich auch auf der steirischen Seite des Semmering beim (Cerewalder) Spital 
ober Mürzzuschlag. Vgl. Hormayrs Archiv für Geogr. 1827, S. 27, wo die 
Bömerstrasse von Baden weg fast nach denselben Richtungen wie von uns 
Termuthet wird. 



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163 

— das Tulnerfeld — und ist gegen Süden in einem Halbbogen 
von den Ausläufern des Wiener Waldes begrenzt. Diese Ebene 
steht also gegen den Strom hin offen, welcher hier zahllose Inseln 
und Auen bildet. Ihr entspricht am jenseitigen Ufer eine ebenfalls 
in die Länge gedehnte schmale Ebene, indem auch die Ausläufer 
des Manhartsberges in einem Halbbogen zurücktreten und nur an 
den Endpunkten der Fläche, bei Stein und LangEnzersdorf an 
den Strom vorspringen. Am oberen Ende der Ebene münden die 
Krems und Kamp in die Donau, zwei Flüsse, die tief in die ber- 
gige Gegend des oberen „Waldviertels" hineinflihren und zwar 
rauhe, aber verborgene Zugänge zum Strome bilden. Sowohl das 
jenseitige als das diesseitige Stromufer können demnach auf dieser 
Strecke als ein Gegenstück zu jenen im unteren Viertel des 
Wiener Waldes, freilich in verkleinertem Massstabe gelten, sie 
sind gewissermassen eine Fortsetzung der letzteren und gaben, wie 
diese für die kriegerischen Actionen der Römer und Barbaren 
der Hauptschauplatz gewesen sind, ein gut gelegenes Terrain für 
Neben Operationen und Flankenbewegungen ab. Nur darin liegt ein 
Unterschied, dass die untere Ebene an der Schwechat und Fischa 
durch den erhöhten Uferrand von Natur aus gesichert war, wäh- 
rend das Tulnerfeld eines solchen Schutzes entbehrte. Das letztere 
hatte also, wenn auch nicht eine selbstständig hervorragende 
militärische Bedeutung, doch eine grosse Wichtigkeit für den Schutz 
der linken Flanke der Truppenaufstellung im Wienerbecken, auch 
war es nothwendig dem gänzlichen Mangel natürlichen Schutzes 
durch künstliche Befestigung nachzuhelfen. Das Tulnerfeld wird 
von drei kleinen Wässern quer durchschnitten, es sind die beiden 
Tulnbäche, der grosse und der kleine, von denen nur der erstere 
in Betracht kommt, und die Perschling; dann sind die Traisen 
auf der einen und der Höhenzug, der bei Greifenstein an die 
Donau abfällt, auf der anderen Seite günstige Punkte für die 
Anlage fester Posten, deren also die Ebene im Ganzen vier enthält. 
Zwei von ihnen wurden schon unter K. Vespasian benützt, welcher 
ah dem Ausgange des Thaies von Kierling und zu dessen Schutz 
den Posten Cetium (Zeiselmauer)'), weiter an der Mündung des 



*) Von dem Castell, das auf einer etwas erhöhten Terrainstelle liegt, 
gewahrte man noch um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts das gleichseitige 

11* 



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164 

gros en Tulnbaches Commagena (Tuln) anlegte ; von diesen Orten 
muss dererstere als der Hauptpunkt gelten, indem K. Hadrian 
die in der Nähe liegende Civilstadt zum Municipinm erhob. 

Der Punkt an der Traisenmündung wurde wohl auch damals 
schon befestigt, wenn gleich wir erst unter Antoninus Pius (138 
— 1611 ein thracisches Reitergeschwader dort nachweisen können. 
Der Name dieses Postens war wahrscheinlich schon von der Grün- 
dung an: ,yad Tricesimum (lapidemf^ da der Punkt von der 
Hauptstadt des unteren Uferlandes, Arelate (Gross - Pechlam), 
30 römische Meilen abliegt; er erscheint aber erst auf der Tabula, 
in den Namen Trtgisamum entstellt. 

Im Markomannenkriege muss sich nun dieser letztere Punkt 
als besonders wichtig herausgestellt haben ; wahrscheinlich hat eine 
germanische Schaar aus dem Kampthale vorbrechend, das kleine 
Gasteil eingenommen und sich dadurch zum Herrn des Tulner- 
feldes und des Traisenthales gemacht ; ja, da an letzteres sich das 
Thal der Türnitz anschliesst, das in der Richtung über Maria- 
zeil in das binnenländische Noricum hinabführte, so stand auch 
dieses mit seinen Eisen- und Waffen werken der Raubschaar offen. 

Auch der Posten Cettum muss damals zerstört und damit die 
linke Flanke der Position Vindobona gefährdet worden sein. Wir 
können auf ein solches Ereigniss aus dem Umstände schliessen, 
dass die Befestigung, durch welche in der Folgezeit das Tulner- 
föld geschützt wurde, gerade den Punkt an der Traisenmündung 
zum Hauptpunkte machte. Es mag damit dessen ausgedehntgre 
Befestigung verbunden gewesen sein. Zugleich wurde das munici- 
pium Cetium an diesen (Jrt verlegt, wovon der letztere auch den 
Namen Cetium erhielt. Noch vor oder spätestens unter Alexander 
Severus wurde aber das alte Cetivm (Zeiselmauer) , wie schon 
bemerkt, wieder hergestellt, was übrigens auf das jüngere Cetium 



Mauerviereck von 480 Fuss Länge und Breite, also 6400 Klafter Flächen- 
inhalt, nebst den Ueberresten der Thürme. Jordan, Orig. Slav. (1745) T. ü, 
pars III, p. 66. (Er hält Zeiselmauer für das alte Commagena, sicher mit 
Unrecht.) Das nahe am Orte Z, gegen Süden gelegene „Steinfeld" dürfte wohl 
seinen Namen von dort befindlich gewesenen Ueberresten von Cetium haben. 
Vergl. über d. Reste auch Schweickhard (V. O. W. W. I, 37), der vorzüglich 
die Qegend gegen Osten nach Doi^ Wördem hin als Fandstelle alten Mauer- 
werkes angibt. 



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165 

keinen anderen Einfluss ausübte, als dass es wieder mit dem 
älteren Namen, entstellt in THgisamum^ bezeichnet ward. — Auch 
an dem vierten Punkte des Tullnerfeldes , an der Mündung der 
Perschling, wurde, wahrscheinlich nach dem Markomannenkrieg, ein 
Castell errichtet, das wohl von den Krümmungen des Baches den 
Namen ad Pirum tortum oder Pirus tortus (Pischelsdorf) erhielt. 
In gleiche Zeit mag femer die Erbauung eines Beobach- 
tungsposten an der Mündimg der Kamp fallen (Cannahiaca?) 
Alle diese Festungen blieben fortbestehen, nur dass der Haupt- 
punkt bei Traismauer späterhin den Namen Faßanae und das 
Castell bei Zeiselmauer den Namen Asturis erhielt 

8. Der Landstrich vonder Traisen bis zur Erlaf. 
Wie das Land zwischen dem Kahlenberg und der Traisen, 
so besteht auch jenes zwischen der Traisen und Erlaf aus einem 
ebenen und aus einem gebirgigen Theil, doch liegt hier nicht der 
ebene Theil am Strome, sondern der gebirgige. Eine ziemlich hohe 
und steil an die Donau abfallende Bergreihe, welche sich von 
Mautern bis zum Kloster Schönbüchel erstreckt, schützt die Trai- 
senebene und das Rinnsal der Bilach, die bei Melk in die Donau 
mündet; wir haben also auch hier eine ähnliche Bodengestaltung, 
wie jene zwischen dem Kahlenberg und der Leitha. Nur ist die 
obere Strecke entfernt nicht von der militärischen Bedeutung, wie 
die untere, sowohl weil hier die Ebene kleiner ist, als auch weil 
das entsprechende linke Donauufer keine Fläche, wie das March- 
feld, bildet, sondern ein steil an den Strom abfallendes Hochland, 
aus dem nur die bei Spitz, Aggsbach und Weiteneck mündenden 
kleinen Wässer an die Dondu führen. Daher ist zwar im Ganzen 
die Anlage fester Punkte hier so eingerichtet, wie auf dem Ufer- 
rande zwischen Vindobona und Carnuntum, aber sie sind hier 
selbstverständlich nicht so weitläufig und ansehnlich wie unten. 
Es genügten am Ufer der Donau zwei Warten, gegenüber von 
Spitz und Aggsbach'), um die Pforten des jenseitigen Berglandes 



') Es lassen sich Castelle diesen Punkten gegenüber voraussetzen, weil 
bei ihnen kleine Wässer aus dem Manhartsberge in die Donau münden. Die 
Castelle mussten oberhalb Arnsdorf gegenüber von Spitz und bei Aggsbach 
(am rechten Ufer) gelegen haben; beide Orte erscheinen schon im IX. Jahr- 
hunderte wieder, wie denn überhaupt die ältesten Ortschaften unseres Landes 
auf den Besten oder im Umfange der Bömerorte entstanden sind. 



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16« 

zu überwachen. Dagegen mussten die Endpunkte des romantischen 
Stromthaies sorgfältig befestigt werden, um die Zugänge an dem 
unteren in das Thal der Traisen, an dem oberen in das der Bilach 
zu decken. An ersterem hatte diese Function das Castell bei 
Mautern zu versehen, welches auch die Kremsmündung bewachte 
und wohl durch kleinere Warten zu Hollenburg'), vielleicht auch 
auf dem Hügel von Qöttweih mit Trigisamum correspondirte. 
Den Namen des Postens bei Mautem kennen wir nicht; er mag 
eben mit den anderen Werken an der Traisenmündung zusammen 
die Position Trigisamum gebildet haben, so wie ja auch Carnun- 
tum aus mehreren Werken bestand. Dagegen ist der Posten am 
oberen Endpunkt dem Namen nach bekannt; es ist ad Mauros 
(in der Tabula entstellt ,,^amare^*) , bei Melk*), an der Mündung 
der Bilach. Ohne Zweifel war der schroff gegen die Donau vor- 



^) Nach einer Bemerkung des Abtes Magnus Klein (Notitia Aust. II, 
p. 52) fand sich noch au seiner Zeit in der Nähe von Mautern bei Hollen- 
burg ein viereckiger Thurm auf einem Felsen an der Donau, den man für 
einen römischen Bau hielt. Auch geht in Hollenburg, wie in manch' andern 
ehemaligen Römerorten die Sage, dass hier eine Stadt gewesen sei. (Schweick- 
hardt IX, 203.) Da Hollenburg gerade fünf römische Meilen von Traismauer 
entfernt liegt, so ist nicht unwahrscheinlich, dass es derselbe Punkt sei, 
welcher in der vita S, Severini von Eugippius (c. 5) erwähnt wird. Der 
Heilige, sagt letzterer, habe sich öfter an einen einsamen Ort, der fünf 
Meilen von Fafianis (Traismauer) entfernt ist, und von den Ein- 
wohnern Purgum genannt wird, zurückgrezogen, um ungestörter und 
inniger mit Gott verkehren zu können. Ohne Zweifel war es, wie der Name 
darauf hinweist, ein kleines Castell, ein monopi/rcjmm oder ,,hurijvs'-*'^ der 
Erbauung eines solchen bei Laureacum (im Jahre 370) gedenkt eine in Enns 
gefundene Inschrift (Gaisberger in den Beitr. z. Landesk. von Oesterr. o. d. 
Enns, VIII, S. 60); auch praesidia hiessen dergleichen Festungswerke; vergl* 
die Inschrift aus Erdy, Orelli-Henzen, 4987. 

*) Den Posten ad Mauros (in der Notitia „a^Z Muros'-'-) suchte man 
nach dem ähnliche^ Namen häufig bei Mauer in der Nähe von Melk, und 
bei Mauer an der ürl gegenüber von Oehling, beides mit Unrecht. Wohl 
darf man bei Ortsnamen, die „Mauer" lauten oder mit diesem Worte zu- 
sammengesetzt sind, aut* die Existenz römisclier Orte schliessen, wie: Wilflings- 
maucr, Zeiselmauer, Traismauer, nicht aber auf den beistimmten, einzelnen 
Ort ad Mauros. Die Namen „Mauer" deuten auf Ueborrestc von altem Mauer- 
werke, aber eine Bewahrung des Volksnamens y^Mauri**^ im deutschon Mauer 
ist ganz unwahrscheinlich. Die Bezeichnung „OffÄ^e/? /m /«errmni" für das Oasteil 
bei Melk taucht erst in der Zeit der nia^yarischon Herrschaft auf. Vergl. 
darüber Keiblinger Gesch. v. Melk I. 107. 



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167 

springende Felsen, auf dem jetzt die Abtei steht, mit einer Warte 
bestellt. Allein das in der Notitia genannte Standlager ad Mawros 
muss unter demselben in der Ebene gestanden haben, da ja als 
seine Besatzung equites ]yromoti (auserlesene Reiter) genannt wer- 
den, deren Quartier auf einer schroflfen Höhe keinen Zweck ge- 
habt hätte. 

Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass auch an dem 
landeinwärts gelegenen Punkte, wo das Traisen- und Bilachthal sich 
am nächsten kommen,- bei dem heutigen St. Polten, wenigstens in 
Kriegszeiten ein Posten bestanden habe, der als Verbindungs- und 
Reservepunkt, wie man ihn nennen kann, zwischen den Posten 
Trigisamum, ad Mauros und Vindohona diente. Die Funde deuten 
dort auf einen grösseren Civilort *) , der ein Collegium fabrorum 
aufweist, welches wohl das längs des Tümitzthales aus den Eisen- 
werken um Maria-Zeil herbeigeführte Rohmateriale verarbeitet haben 
mag ; allein da die bisher gefundenen Objekte einen ausgesprochen 
militärischen Charakter nicht haben, so kann diese Voraussetzung 
nur als eine Vermuthung gelten, auf die wir weiter unten noch 
einmal zurückkommen werden. 

9. Die Strassen von dem Wienflusse bis zur Erlaf. 

Die Strasse, welche von der Mündung des Wienflusses zu 
jener der Erlaf führte, findet sich im Itmerarium Antomm zwei- 
mal (p. 234 und 248), sodann in der Tabula erwähnt; die Bestim- 
mung ihrer Richtung bietet einige Schwierigkeiten dar, zu deren 
Beseitigung die Auffindung von Punkten zunächst nothwendig ist, die 
mit völliger Sicherheit bestimmt werden können. Solche sind Vin- 
dobona, dessen Lage in der nordwestlichen Hälfte der heutigen 



*) In der kirchlichen Topographie von Nieder- Oesterreich (I. Abtheil., 
Bd. VII, S. 3, vergl. 9) findet sich die Sage erwähnt, da^s das Stift St. Polten 
anf den Ueberresten einer römischen Festung sich erhoben und dass diese 
von dem Traisenflusse den Namen Traisma geführt habe (der- Name St. Polten 
taucht erst in der 2. Hälfte des XI. Jahrhunderts auf). — Schönwiesner und 
Schau kegl Huden sich veranlasst, Cotium nach St. Polten zu verlegen (Uor- 
mayr, Gesch. d. Sta«It Wien, 1, 2, S. 135), was aber ganz unrichtig ist. — In 
dem Winkel, den die nach Melk mit der nach Süden führenden Strasse bildet, 
liegt ein „liurgfeld" in der Richtung gegen Ilafing. Vorgl. auch das Verzeich- 
niss ihr Fundorte. 



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163 

inneren Stadt Wien ausser Zweifel steht"), ferner das ältere Cetium 
(Asturis) das sich als Cetil mui-us y Zeizinmüre im Mittelalter 
erhielt und dessen Lage bei Zeiselmauer nicht bestritten werden 
kann, endlich das jüngere Cetium ^ dessen Narae Trigisamum auf 
Traismauer hindeutet. Die Richtung der Strasse, welche die beiden 
Cetia verband, ist von Natur aus gegeben. Im Einzelnen nennt 
nur die Tabula die an derselben gelegenen Orte: 

a) Von Citio nach Comagema . VII miUia passuum 

b) „ Commagenis nach Ptrotorto VIII „ ;, 

c) „ Ptrotorto nach Trigisamo VIII „ „ 

Die Angaben a) und c) treffen genau mit den heutigen Ent- 
fernungen zwischen Zeiselmauer und Tuln, und zwischen Dürren- 
rohr und Traismauer zusammen, Die Angabe b) bietet eine 
Schwierigkeit, denn einerseits fällt der achte Meilenstein von Tuln 
weg auf den Ort Dürrenrohr, andererseits ist die Lage des letz- 
teren Punktes so, dass ein Castell an demselben sich nicht füg- 
lich annehmen lässt. 

Nach der constant beobachteten Art der Kömer, feste Punkte 
in den Winkeln anzulegen, welche von zwei zusammen fliessenden 
Wässern gebildet werden, damit die Fronte und mindestens eine 
Flanke des Castells einen natürlichen Schutz habe, muss Pii-uh 
tortus bei Pischelsdorf an der Perschling gelegen haben, worauf 
auch der Name deutet. Dies liegt aber nur fünf Meilen von 
Commagena ab. Dass nun in der Tabula sieh an dieser Stelle 
ein Fehler finde und die Zahl VIII in V umgeändert werden 
müsse, ist aus dem Grunde unwahrscheinlich, weil, wie wir sehen 
werden, die Orte an der Strasse zwischen Vindobona und Trigis- 
amum constant genau abgemessene Abstände von je 7 bis 8 
römischen Meilen zeigen. Wir vermuthen, dass das Castell ,,Piro 
torto^' thatsächlich bei Pischelsdorf gelegen habe, und dass der 
Pirus tortus der Tabula ein, drei römische Meilen weiter auf- 
wärts errichtetes Vorwerk dieses Postens gewesen sei, das auch 
mit dem Namen des Hauptwerkes bezeichnet und zugleich als 
Mansio eingerichtet worden war*). 



') Ber. u. Mittheil, des Wiener Alterthumsvereines, Bd. IX, 178 f. 

*) Abt M. Klein (Not. Austr., II, p. 51) verlegt die Station ^piro torto'^ 
nach Bierbanm, weiter aufwärts von Dürrenrohr gegen Traismauer zu. Der 
Käme hat allerdings einen ähnUchen Klang. Allein es spricht dagegen erstlich 



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169 

Die Strasse, welche die beiden Cetia verband, lief demnach 
von Zeiselmauer in gerader Richtung westwärts, bis sie mit der 
Strasse zusammentrifft, die heutigen Tages Tuln und Tulbing ver- 
bindet, dann in der Richtung der letzteren über Pischelsdorf, 
Dürrenrohr und Gemeindelebarn, wo man den Grabstein eines 
Veterans der in Trigisamum stationirten Ala prima Augusta 
(Thraciim) fand, nach Traismauer; der Theil der Strasse zwischen 
Pischelsdorf und Traismauer heisst noch heute die „Zeiselstrasse", 
eine Benennung, welche wie „Zeiselmauer" auf den alten Orts- 
namen Cetzum hinweist. Jordan') bezeichnet sie als eine sehr alte 
Strasse. 

Die östliche Fortsetzung der Heeresstrasse bis Vindobona 
lässt sich nun leicht bestimmen. Das Jtinerarium und die Tabula 
geben folgende Distanzen: 

A. Itin. p. 234. B. Itin. p. 248. C. Tabula 

Vindobona Vindobona Vindobona 

a) — — Citio VI 

b) Commagenis XXIIII Commagenis XX Commagenis VII 

c) — — Piro torto VIII 

d) Ceiio XXIIII Cetio XXX ' Trigisamo VIII 

Die Summe der Distanzen beträgt flir die Angabe A 
48, für B 50, für C 29 römische Meilen, die alle nicht zutreffen. 

Um die Correcturen zu finden, muss wieder von einem 
bestimmt nachweisbaren Punkte zwischen Cetium (Zeiselmauer) 
und Vindobona ausgegangen werden. Als solchen finden wir das 
durch Funde genugsam bestätigte Castell bei Klostemeuburg. Die 
Richtung der Strasse von Vindobona dahin führte über Währing 
und Döbling; sie ist durch ein Grab im Hofe des Militärspitals 
und durch Ziegel aus Döbling bezeugt; weiter ging sie in der 
einzig möglichen Richtung, welche auch die jetzige Donaustrasse 
einhält, nach Klosterneuburg. Das Castell daselbst lag sonach am 
neunten Meilenstein von Vindobona aus; es würde ohne Zweifel 



die in der Tabula angemerkte Entfernung, dann der Umstand, daas sich be 
diesem Orte kein lebendiges Wasser fand, also die Anlage eines Postens hier 
weniger gerechtfertigt war, als an der Perschling. Um vieles wahrscheinlicher 
ist die Ansicht von Aschbach, der den Ortsnamen von den vielen Windungen 
der Perschling (Pirus) ableitet. (Sitzungsber. XXXV, S. 16.) 

') Orig. Slav. T. 11, pars III, p. 63, ^jantiquiaaimam viam^*. 



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170 

nach dem Normale der Distanzen (von acht Meilen) an der Mün- 
dung des Weidlingbaches, welcher Wien um eine römische Meile 
näher liegt, angelegt worden sein, wenn nicht die Absicht, das 
wichtigere Thal des Kierlingbaches zu beherrschen, den Ausschlag 
gegeben hätte, es an der Mündung des letzteren anzulegen, also 
ein mille passuum über das Normale zuzugeben. Vom Castell in 
Klosterneuburg aus konnte die Strasse in zweifacher Richtung 
nach Zeiselmauer geführt werden; entweder an der Donau fort, 
über Greifenstein, also um den Bergvorsprung von Qreifenstein 
herum, oder im Kücken desselben durch das Thal von Kierling- 
Alle Umstände sprechen für die Wahl der letzteren Route; sie 
war kürzer, verband die beiden Posten in fast gerader Linie, 
war durch sie selbst und den Bergvorsprung gegen feindliche 
Ueberfälle und gegen Hochwasser vollkommen geschützt *). Die 
Entfernung zwischen beiden Posten längs des Thaies von Kier- 
ling beträgt wenig mehr als sieben römische Meilen, also die Ent- 
fernung von yindobona nach Cetüim sechszehn (9 -|- 7). Da wir 
die Distanzen zwischen Cetium und Trigisamnm kennen, so erge- 
ben sich nun folgende Entfernungen: 

Von Yindohona nach Cetium XVI 

„ Cetium nach Commagena VII 

„ Commagena nach Firus tortus. . VIII 
„ Pirus tortus nach Trigüamum . . VIII 
Die Entfernung von Vindobona nach Commagena beträgt 
also XXni, jene von Commagena nach Trigisamum (Cetium des 
Itinerars) XVI, endlich die gesammte Distanz zwischen Vindobona 
und Trigisamum XXXIX römische Meilen, womach die Correc- 
turen der oben aufgeführten Angaben gemacht werden müssen. 
In Angabe A l muss.die Zahl XXIIII in XXIII, m A d XXIIII 
in XVI, ferner in Angabe B h muss die Zahl XX in XXIII, in 
B d muss XXX in XVI geändert werden ; am richtigsten bringt 



*) Auch Jordan, Orii,'. Slav. T. II, pars III, p. 65, vermuthet, dass die 
Strasse durch das Thal von Kierling' nach (Vt.inm g^cführt habe. Horniayr, 
Grsch. V. Wien, I, 2, S. 131, führt sie üher Greifenstein unl St. AndrH und 
beruft sich auf den Ausdnick ,ylapis pandcns^' in einer Urkunde Ludwig des 
Frommen, der in nra montia (hmmaffcui sich fand. Oh damit ein Meilenstein 
g^emeint war, oder in wiefern diese Stelle als Beweis für die Kichtaug der 
Strasse angesehen werden kann, bleibe dahingestellt. 



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171 

die Tabula die Distanzen ; nur ist in C a statt VI, XVI zu setzen, 
ein Fehler, der sich leicht durch den Ausfall des X erklären lässt, 
auch geht aus diesen Distanzen hervor, dass der Name des neuen 
Cetmm „ad tricesimum'^ oder „Trigisamiim^^ der von seiner Lage 
am 30. Meilensteine herrührt, nicht auf die Distanz des Ortes von 
Vindobona, von dem es 39 Meilen absteht, sondern auf jene von 
Arelate sich bezieht. 

Die Richtung der Heeresstrasse von Tvigisamum aufwärts 
nach Arelate j von der Mündung der Traisen bis zu jener der 
Erlaf konnte entweder an der Donau fort über Mautern , Rossatz 
und Schönbüchl an die Mündung der Bilach, oder sie konnte 
landeinwärts durch das Thal der Traisen geführt werden. Wir 
müssen uns auch hier für die letztere Route entscheiden, denn 
die Heeresstrasse an dem Ufer der Donau führen, wo kaum 
Platz für sie war, hatte keinen Zweck. An der Donau selbst 
lag kein bedeutender Römerort, dem eine Strasse zugute ge- 
kommen wäre, jenseits ging kein Handelsweg. Man hätte damit 
nur einen schwierigeren Strassenbau und einen längeren, der 
Ueberschwemmung bei Hochwassem ausgesetzten Weg erzielt, so 
dass gerade im Frühjahr, wo die Germanen gewöhnlich ihre Feind- 
seligkeiten begannen, die Verbindung der Posten gelitten hätte. 
Ohne Zweifel ging die Strasse in der kürzesten Richtung von 
Traismauer nach Melk. Wir haben für die Bestimmung ihrer 
Trace keinen andern Anhaltspunkt als den Namen Trigisamum 
d. h. ad tncenmum lapidem für das Castell an der Traisenmün- 
dung. Der 30. Meilenstein von Arölate (Gr. - Pechlarn) weg, fällt 
zufolge dieses Namens in den Bereich des heutigen Traismauer. 
Da Gross-Pechlarn von der Mündung der Bielach, wo ad Mauros 
lag, etwas mehr als 7 (beiläufig 7'/^ römische Meilen abliegt, so 
muss die Distanz zwischen letzteren und Trigisamum 22 oder 
genauer 22*/^ römische Meilen betragen. Genau diese Distanz 
ergiebt sich, wenn man die natürlichste und nächste Linie für den 
Lauf der Strasse voraussetzt; dies i^^t die Linie über Lizersdorf 
Absdorf nach Weyersdorf, wo sie die erste Terrasse der Ausläufer der 
Bergreihe am Uferrande besteigt; weitergeht sie von Weyersdorf *) 

*) Jiri Wpyersdorf firulen sich im WaMo zwei TerminstpUen , welrho 
„Barjrstall- hei.sson. Vcrgl. die rom Vereine für Landeskutide von Nieder- 
Oüsterreich herausgegebene Adininistrativkarte, Umgebungen von St. Polten. 



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172 

über Hoheneck *) und um den südlichen Abhang des Dim- 
kelstoiner Waldes herum nach Mauer und fällt von hier, die 
gerade Kichtung auf die Mündung der Bilach einhaltend, in die 
Ebene herab '). Itinerarium und Tabula zeigen auf dieser Strecke 
Fehler, welche leicht zu verbessern sind; ihre Angaben lauten: 

A) Itin. p. 234. B) hin, p. 248. C) Tabula. 

Cetio Cetio Trtgüamo 

a) — — Namare XVI 

h) Arlape XXII Arlape XX Arelate VII 

Es mussin Angabe Ca statt XVI, heissen XXIII; in den 
Angaben A und B ist ein X ausgefallen, es muss also in Angabe 
A b statt XXII, XXX, in Angabe B b statt XX ebenfalls XXX 
heissen. 

Von der Hauptstrasse weg liefen die Verbindungswege quer 
über das Gebirge an die Donau, zu den kleineren Warten, die 
sich gegenüber von Spitz und Aggsbach voraussetzen lassen. Auch 
auf dieser Landesstrecke wird eine Keservestrasse voraus- 
gesetzt werden müssen, welche weiter landeinwärts die Posten Trigisa, 
mum und ad Mauros mit dem von uns vermutheten Posten bei dem 
heutigen St. Polten und weiterhin diesen selbst mit Trzgisamum 
über Unterradelberg und St. Andrä, dann mit Vindobona verbun- 
den habe ; letztere hat die Linie über Purkersdorf und von hier aus 
höchst wahrscheinlich jene über Neulengbach und Böheimkirchen 
eingehalten und zugleich von Purkersdorf aus einen Verbindungs- 
weg über Tulbing nach Cetium, von Neulengbach einen andern 
längs des grossen TuUnbaches nach Commagena entsendet ; wahr- 
scheinlich stand auch Pirus tortus mit ihr durch eine kleine 



') Bei Hoheneck findet sich ein „Steindorf«, Wisgrill, II, 20^, ferner 
auf der Höhe über dem Schlosse ein Dorf „Oed". (Schweickhart, VIII, 34.) 

*) Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, 7, hält für den wahrscheinlichsten 
gleichfalls den Weg im Rticken der Gebirge über Osterburg, Hafnerbach 
Qoldegg und Karlstetten. Zugleich deutet er auf die Spuren einer Strasse 
(„Hochstrasse**), die über Mauer und Gansbach bis Mautem (vergl. darüber Hor- 
mayrs Archiv, 1824, Seite 59) führt. Offenbar war dies nicht die Reichsheeres- 
strasse, da man hier eine Entfernung von reichlich 28 röm. Meilen zwischen 
Trigisamum und ad Mauros, also mindestens 35 zwischen eräterom und 
Arelate erhielte. Wohl aber kann in dieser Richtung eine kleinere Strasse 
gelaufen sein, welche über die Bergreihe hin die Flankenposten und die Warten 
am Stromufer verband. 



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173 

Strasse im Perschlingthale, über Perschling hin in Verbindung. 
Endlich mag der letztgenannte Punkt über Hasendorf imd Unter- 
Einöd mit jener Strasse in Verbindung gestanden haben , welche 
am rechten Ufer der Traisen St. Polten mit Traismauer verband'). 
Nach dem heutigen Bestand der Funde ist die Existenz dieser 
Strassen freilich nicht bündig nachweisbar ; ihre Annahme gründet 
sich auf Ortsnamen, vor allem aber auf die Analogie der Strassen- 
anlage im unteren Viertel und auf die Noth wendigkeit , dass der 
Römerort bei dem heutigen St. Polten sowohl von Vindobona als 
auch von Trigtsamum auf gebahntem Wege zu erreichen war. 

10. Orte und Strassen zwischen der Erlaf und der 
Enns. — Eückblick. 

Die andere Hälfte des norischen Uferlandes, soweit dieses 
in den Bereich unserer Betrachtung gehört, zeigt den meist un- 
ebenen, kleinhügeligen Boden zwischen der Erlaf und Enns ; nur 
die Rinnsale des Ipsflusses und des Urlbaches, der bei Amstetten 
in erstere sich ergiesst, bilden schmale Ebenen. Gegen die Donau 
zu ist dies für grössere Operationen wenig geeignete Terrain von 
einem erhöhten Uferrande besäumt, welcher südlich bis zu den 
Rinnsalen der genannten Wässer ins Land zurückreicht. In 
wechselnderbald grösserer bald geringerer Erhebung von Ips bis St. 
Valentin sich erstreckend , schützt er das Hinterland wie ein natür- 
licher Wall. Die Furchen, welche kleine, der Donau zueilende 
Bäche in seine nördlichen Abhänge einschneiden, sind nicht so 



*) Es soll nicht unbemerkt bleiben, dass sich nordöstlich von Neuleng- 
bach am Buchberg ein „Burgstall* befindet, an einem Höhenpunkte, welcher 
das Thal des grossen Tulnbaches beherrscht ; in der Nähe trifft man zwei Ort- 
schaften mit dem Namen Oed. (15. Blatt der Qeneralstabskarte von Ober- und 
Unter-Oesterreich u. Schweickhardt, V. O. W. W., L, S. 87, 121). Die Richtung 
einer Strasse von Vindobona über Purkersdorf nach Zeiselmauer vermuthet 
Jordan (Orig. Slav. T. II, pars III, p. 66). Auch zwischen dem Thal des grossen 
Tulnbaches und der Traisen findet sich ein „Burgstall", nordwestlich von Ha- 
sendorf (Weiskem, I. 98) ferner ein Oedenthal (Weiskern, U, 46), und Unter- 
Einöd; in dieser Richtung führt noch jetzt eine kleine Strasse nach Unter- 
Einöd an der Traisen. Wichtig scheint uns, dass in der Nähe davon, 1*/, 
Stunden nördlich von Perschling, zwischen Hasendorf und Ratzersdorf ein Dorf 
„Venusberg** sich findet, ähnlich wie bei Traismauer; es wird davon noch wei- 
ter die Rede sein. (Schweickhardt, V. 0. W. W., HI, 289.) 



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174 

tief, und führen nicht so weit zurück, dass feindliche Schaaren 
durch dieselben hätten hereinbrechen können. Dies ganze 
Gebiet hat also für sich keine grosse militärische Bedeutung; 
wohl aber erhielt es durch die Gestaltung des linken Ufers der 
Donau einiges Gewicht. Hier enden die steilrandigen Ausläufer 
des Manhartsberges, aus denen auf der kurzen Strecke von Per- 
senbeug bis Grein mehrere Bäche kommen, die grosse und kleine 
Isper, die Sarraing, der Augbach, so dass es hier mehrere Thal- 
schluchten gibt, welche wie Ausfallpfortcn aus dem jenseitigen 
Berglande an die Donau herausführen. Weiter von Grein aufwärts 
bis Mauthausen eröffnet sich eine kleine Ebene, nördlich umstan- 
den von den sachte verlaufenden Bergreihen des unteren Mühl- 
viertels, aus welchem die zwei Hauptwässer des letzteren, der 
grosse Naarnbach und die in ein Bett vereinigten Aistbäche, die 
Feld- und Waldaist, der Donau zufliessen. Diese Ebene lag nun 
trefflich für die Barbaren, sich zu sammeln, die Schififahrt auf 
dem Strome zu belästigen oder selbst Angriffe auf jene Stellen 
des erhöhten Randes am rechten Ufer zu machen, wo er niedri- 
ger war. Um solches zu verhüten, musste ein Posten auf den 
Uferrand selbst verlegt werden; am geeignetsten war dazu jener 
Vorsprung desselben, welcher der Mitte der jenseitigen Ebene 
beinahe gegenüber liegt, dies ist Wallsee ; man übersieht von hier 
das linke Donauufer sehr wohl; auch wird gerade unterhalb des 
Vorsprungs der Uferrand etwas niedriger und war deshalb gefähr- 
deter. Eben auf diesem Vorsprung muss ein Posten zur Beobach- 
tung des jenseitigen Ufers angenommen werden '). Von Wallsee 
weg biegt der erhöhte Rand des rechten Ufers gegen Süden ein 
und lässt eine kleine Ebene zwischen sich und dem Strome; erst 
bei Ardacker tritt er wieder an diesen heran, so dass Wallsee 
und Ardacker an den Endpunkten des Bogens liegen, welchen 
der Uferrand bildet. 

Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch bei dem letztgenannten 
Orte eine Warte bestand''). Doch sind die Namen dieser beiden 



*) lieber die Funde, die man beim Brechen von Mahlsteinen in Nieder- 
Wallsee gemacht, vgl. das Verzeichniss der Fundorte. 

*) Auch von diesem Orte erzählt die Sage, wie von Hollenburg und 
Leobersdorf, dass hier einst eine vornehme Stadt gewesen sei. (Schweickhardt^ 
V. 0. W. W., XI, 53.) 



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175 

Posten, weder jenes bei Wallsee noch jenes bei Ardacker bekannt; 
man hat zwar den Ort loctis VeneHs felicis bald bei dem einen, 
bald bei dem andern gesucht *), allein ganz mit Unrecht. Nicht 
blos das Bedenkliche auf so steilem, mannigfach von Thälern unter- 
brochenem Uferrande eine Strasse anzunehmen, spricht dagegen, 
sondern vor Allem der Umstand, dass Locvs F. felicis in der 
Notitia als ß e i t e r Station erscheint und es doch nicht angenom- 
men werden kann, dass man auf solches Terrain eine Reiter- 
schaar postiert habe, deren doch sonst immer in den ebenen 
Gegenden getroflfen werden *). Es wird unten nachzuweisen sein, 
dass der genannte Ort in der That in der Ebene gesucht wer- 
den müsse. 

Das Thal der Ips beherrschte der Posten Ad pontem Ises 
(später Augustiana)j der an der Mündung des Ipsflusses lag; 
sein Name hat sich noch in dem Klang des heutigen Ortsnamens 
Ips erhalten. An der Mündung der Erlaf endlich lag der schon 
öfter genannte Posten Arelate (Arlape), der älteste im norischen 
Uferlande ^); sein NamQ klingt noch heute in dem Namen des 
Dorfes Harlanden oder Harlant bei Pechlarn nach*). 



*) Mannert und Lapie suchen den Posten Locus (V.) felicis bei Ard- 
acker; Muchar u. Reichhardt bei Nieder- Wallsee. 

•) Die kleine, vom Strome und dem JJferranl umschlossene Eben^ zwi- 
schen Wallsee und Ardacker kann nicht wohl als passend für einen Reiter- 
posten angenommen werden, da jeder Zugang von ihr aus in das Hinterland 
über den Uferrand führte. 

®) Die Ueberreste römischer Bauten nimmt man bei Pechlarn im Do- 
naustrome wahr, wenn sein Wasser klar ist. Jordan, Orig. Slav. T. II, pars 
m, p. 72. Aehnliches ist bekanntlich auch mit den Resten der Civilstadt von 
Camuntum bei Petronell der Fall. Unrichtig ist es, wenn Reichhardt Arelate 
in Mauer bei Melk sucht. 

*) Aschbach, Sitzgsbr. XXXV. 9. Ueber das hier gefundene Hypocau- 
stum vgl. das Verzeichniss der Fundorte. Harlanden liegt eine Viertelstunde 
von Pechlarn südwärts an der nach Kemmelbach führenden Strasse. Inwie- 
ferne Schmieders Ansicht in Hormayr's Archiv f. Geogr. (1824, S. 53), dass 
der Raum zwischen Harlanden und Pechlarn der alte nunmehr versandete Ha- 
fenplatz der clasais Arelntmsin sei, richtig ist, mag dahin gestellt bleiben. Das 
Vorhandensein von Mauertrümmern im Donaustrom beweist, dass die Donau 
späterhin gegen das rechte Ufer vorgetreten, nicht aber, dass sie zurückge- 
treten sei. — Uebrigens muss bemerkt werden, dass der Ortsname „Harlanden** 
nicht allein bei Gr.-Pechlam erscheint ; auch bei Brunn seitwärts von Staders- 
dorf (in der Nähe von St. Polten) liegt ein Harlandj ebenso erscheint im Ip$- 



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176 

Die Richtung der Heeresstrasse zwischen Arelate und 
Laüroacum ist von ersterem Orte bis ad pontem Ises nicht schwer 
zu bestimmen. Die Tabula gibt die Distanz auf acht Meilen an; 
wäre nun die Strasse hart am Strom über Seisenheim gegangen, 
so würde die Entfernung um reichlich zwei milHa mehr betragen 
haben; dagegen trifft die von der Tabula angegebene Distanz 
ziemlich genau zu, wenn die Strasse in der Richtung angenom- 
men wird, die heute noch die Poststrasse verfolgt; sie mngeht 
den Bergvorsprung im Rücken und läuft über Rührapoint, Ober- 
Aigen und Sarning nach Ips. Allerdings ist der Unterschied 
zwischen beiden Routen kein sehr erheblicher. 

Schwieriger ist die Strecke zwischen Ad pontem hes und 
Laureacum zu bestimmen. Es wird zwischen beiden nur ein 
Posten locus (Venens) felicis genannt. Die Angaben der Distanzen 
sind im Itinerarium und auf der Tabula folgende: 

A) Hin. p, 234. B) Itm. p, 248. C) Tabula, 

V. Arlape nach v. -Arlape n. t. Arelate n. 

a) — — adponteheaVIII 

b) Loco felicis XXVI Loco felicis XXV Elegio XXIII 

c) Lauriaco XX Lauria co XX Blaboit'ciaco XIII 
Die Summe der Distanzen beträgt in Angabe A 46, in 

Angabe B 45, in Angabe C 44 millia, sie variiren also im 
Ganzen nur um 1 — 2 millia. A und B finden sich, man kann 
sagen in völliger üebereinstimmung. C weicht dagegen entschieden 
ab; es nennt (unter b) anstatt Locus (V) felicis^ das von Arelate 
nur 25 — 26 millia entfernt ist, ein Ehgiunty das von ad pontem 
Ises 23, also von Arelate 31 millia abstände. Die älteren Topo- 
graphen -suchten beide Orte, locus V. felicis und Elegium am 
Uferrande; man nahm Elegium für Erlach*), Locus V. felicis für 
Niederwallsee. Um den tüchtigsten Vertreter dieser Ansichten zu 
nennen, Jordan, so nimmt er zwei verschiedene Strassenrouten an*); 



thale nicht weit von Ips, bei Karlsbach und St. Martin ein Dorf „Harland** 
und ein „Harlandberg**, bei Ensdorf an der Ens findet sich gleichfalls ein 
„Harland** und bei Alt-Lengbach im Wiener- Walde ein „Harlandbauer.** 

*) Mttchar I, 266. Reichhardt suchte es bei Achleiten, Mannert, S. 639, 
bei Strengberg. 

») Orig. Slav. Tom. II, pars m, p. 73 f. — Seiner Ansicht folgt Hor- 
mayr (Geach. d. Stadt Wien, I, 2), indem er S. 145, 146 die Richtung der 



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177 

jene des Itinerarium versetzt er in die Ebene der Ips, die Strasse sei 
in derselben bis Amstetten gegangen, von hier aus habe sie mit der 
heufigen Poststrasse den Uferrand bestiegen, um nach Wallsee 
und weiter nach Laiireacum zu gelangen. Dagegen die Route 
der Tabula sei schon von Ips aus auf den Uferrand gestiegen und 
diesem folgend nach Ardacker und weiter nach Wallsee gegangen, 
und hier mit der Route des Itmerarium zusammengetroffen; so 
erklärten sich die abweichenden Angaben des Itinerarium und der 
Tabula. In neuester Zeit hat dagegen Aschbach die Vermuthung ' 
aufgestellt '), Locus (Veneris) felicis und Ehgium seien nicht zwei 
verschiedene, sondern ein und derselbe Ort; der letztere Name 
sei durch Entstellung aus dem ersteren entstanden, indem der 
eine Theil ausfiel (statt Locus V. FELICIS, ELEGIO). Wenn man 
berücksichtigt, dass die Tabula alle im Itinerar vorkommenden 
Orte nennt, nur manchesmal entstellt (wie Namare statt ad Mauros, ' 
Blajboriciaco statt Lauriaco), und dass sie zwischei^ Arelate und 
Laureacum statt Locus V. f. Ehgium setzt, so gewinnt diese 
Ansicht eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit Die Lage von Locus 
V. jdicis bestimmt Aschbach nicht, er bemerkt nur im Allge- 
meinen, dass die Lage von Wallsee für ein römisches Castellum 
sehr passend war. 

Um eine Wahl zwischen den Ansichten von Jordan und 
Aschbach zu treffen, muss ein wichtiger Umstand in's Auge 
gefasst werden, der gegen des ersteren Ansicht spricht Das 
Itinerarium ist, wenn gleich erst um 300 abgeschlossen*), doch 
hauptsächlich in der Zeit Caracalla's (211 — 217), also kurz nach 
und vielleicht noch während der Restauration des Strassenwesens 
abgefasst worden, die nach den Markomannenkriegen vorzüglich 
durch K. Septimius Severus in unseren Gegenden durchgeführt 
wurde; es gibt also die Route zwischen Arelate und Laureacum 
wie sie am Beginne des III.^ Jahrhunderts bestand. Die Tabula 
entstand der Hauptsache nach — abgesehen von späteren Ein- 
zeichnungen — unter Alexander Severus (222 — 235). Folgt man 



Hauptstrasae über Amstetten und Strengberg nach Ens annimmt und zugleich 
S. 140, 22, eine kleine, die Posten bei Ardacker und Nieder- Wallsee verbin- 
dende Uferstrasse voraussetzt. 

i) Sitzgsbr. XXXV. S. 16. 

*) Bernhardy, Gesch. der Rom. Literatur, S. 660, 1. cf. 655, Note 527. 

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178 

nun Jordan, so muss man annehmen, die Route der Tabula über 
den steilen Uferrand sei neu angelegt worden neben der älteren 
Route des Itinerars, die nach seiner Ansieht über Amstetten 
führte, obwohl die letztere kaum ein halbes Menschenalter vor- 
her restauriert worden war. Dies ist aber durchaus unwahrscheinlicL 
Die Anlage einer Heeresstrasse erforderte keine geringe Arbeit, 
sie geschah nach langwierigen Vorarbeiten und Vermessungen, 
nach kluger Auswahl der sichersten ,und kürzesten Linie und 
jvar häufig mit mühsamen Aufmauerungen verbunden ; es ist nicht 
wahrscheinlich, dass man neben der kaum restaurierten älteren, 
eine ganz neue geführt hätte. Man müsste nur annehmen, die 
Strasse des Itinerars sei durch Feindesgewalt oder durch Ele- 
mentarereignisse zerstört worden. Allein gerade in dem Zeit- 
räume zwischen den Regierungen von Caracalla und Alexander 
Severus herrschte Frieden im Lande und Elementarereignisse 
lassen sich in jener Gegend viel weniger annehmen, als etwa an 
dem Donauufer; Es ist also kein Grund vorhanden, anzuneh- 
men, dass man schon 11 Jahre nach dem Tode des Kaisers 
Septimius Severus die alte Heeresstrasse aufgegeben und eine 
neue über steile Gebirge gebaut habe ; vielmehr ist es wahrschein- 
lich, dass beide Routen, jene des Itinerarium und jene der Tabula 
identisch, also auch Elegium derselbe Ort sei, wie Locus Veneria 
felicis. 

In einem anderen Punkte scheint uns aber die Ansicht Jordan's 
den Vorzug vor allen anderen zu verdienen, nämlich darin, dass 
sie die Heeresstrasse von Ad pontem Ises weg durch das Thal der 
Ips landeinwärts und erst von Amstetten auf den üferrand hinauf 
führt, der in der oberen Gegerd nicht mehr so steil ist, als in 
der untern ; darnach würde die schwierigere Partie desselben im 
Rücken umgangen, Zeit und Mühe gespart worden sein. Der 
Nachweis für die Richtigkeit dieser Ansicht hängt zusammen mit 
der Bestimmung von Locus V, felicis. Es sind schon oben die 
Gründe angegeben worden, warum dieser Posten weder auf Wall- 
see, noch auf Ardacker entfallen könne. Dafür sprechen noch 
die Distanzen des Itinerarium. Es zählt nach den Angaben A 
und B von Arelate nach Locus V. f. 26 (Angabe Ab) und 25 
millia (Angabe Bb). Darin ist die Entfernung von Arelate nach 
Ad pontem Ises mit 8 millia, welche die Tabula gibt (Angabe C a) 



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179 

und welche der factischen Entfernung entspricht, inbegriffen; 
mithin entfallen für die Entfernung zwischen Ad pontem Ises und 
Locus V. f. nach Angabe Ab 18, nach Angabe Bb 17 milUa, 
Das trifft aber weder mit Ardacker noch mit Wallsee zusammen, 
indem ersteres von Ips 13, letzteres 22 milUa abliegt. Es kann 
also Locus F. / auch aus diesem Grunde nicht auf dem üfer- 
rande gelegen haben; da es nun aber doch auf der Route Arelate- 
Laureacum aufgeführt wird, so bleibt kein anderer Weg als jener 
am Westrande des Ipsthales übrig. In dieser Eichtung hin (über 
Karlsbach, Blindenmarkt *), Amstetten) trifft der 17., höchstens je 
nach den Krümmimgen, der 18. Meilenstein von Ips weg auf 
Oehling an der Url, welchem Orte gegenüber die Reste eines 
Castelles in Mauer sich finden*). Dies stimmt mit den Angaben 
des Itinerars genau überein. Es kann demnach als sicher angenom- 
men werden, dass Locus F. felicis hier gelegen habe, und zwar das 
Castell etwa am rechten Ufer der Url bei Mauer, nicht sehr weit 
von deren Mündung in die Ips, in dem Winkel, welcher von 
beiden Wässern gebildet wird, während ein älterer einheimischer 
Ort oder die römische Oivilstadt, eine kleine Veteranenansiedlung, 
am linken Ufer bei Oehling lag. Von hier weg lief sodann die 
Heeresstrasse über Oed nach Strengberg*) und weiter mit der 
heutigen Poststrasse nach Laureacum (bei Ens), so dass der 
20. Meilenstein übereinstimmend mit den Angaben Ac und Bc 



*) Bei Blindenmarkt am linken Ipsufer findet sich ein „Burgstall'', ein 
Ortsname, der gewöhnlich auf das Vorhandensein der Ueberreste eines römi- 
schen Castelles hindeutet. (Generalstabskarte XV. Blatt). 

•) In der sogenannten „Burg**. Vgl. das Verzeichniss d. Fundorte. lieber das 
hohe Alter von „Murum** s. I. Bd. dieses Jahrbuchs S. 163. Die Ansicht, dass 
Elegium das heutige Oehling sei, finde ich nur einmal (Wiener Jahrb. d. Lit. 51, 
Anzeigebl. 47) ; sie gründet sich wohl auf die Aehnlichkeit im Klange der Na- 
men. Wenn „Elegium** nicht aus Locus V, FELICIS entstanden wäre, sondern 
ein zweiter Name für letztem Ort war, so würde die Ableitung nicht unwahr - 
scheinlich sein. 

") Jordan a. a« O. erwähnt unterhalb Strengberg einen „Burgstallberg**, 
der nach dem Worte „Burgstall** auf die Beste eines Castells daselbst deutet ; 
auch begegnet schon um 1011 der Name „Hochstrass** för die über Streng- 
berg führende Beichsstrasse (v. Meiller im I. Band, Jahrb. d. Vereins f. Landesk. 
von Niederösterreich, S. 160 nach Mon. Boic. VI., 158). Zwischen Erla und der 
Ens findet sich ein Dorf mit Namen „Burgstall** (Weiskem, Niederösterr. To- 
pographie, I. 98) und ein anderes mit Namen „Stein** (Weiskern, I. 206). 

13* 



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180 

gerade bei Laureacum zu stehen kam. Die Warten bei Ardacker 
und Niederwallsee mögen durch Querstrassen, die bei Amstetten 
und unterhalb Strengberg auf die Heeresstrasse trafen , verbunden 
gewesen sein. Auch ist nicht unwahrscheinlich, dass Ad pontem 
Ises mit dem Posten bei Ardacker direct, also tlber den Uferrand, 
in Verbindung stand, nur war die betreffende Strasse nicht die 
Heeresstrasse, sondern eine kleinere*). Was flir die Annahme 
der Route über Oehling endlich noch einen weiteren Grund ab- 
gibt, ist die unverkennbare Analogie derselben mit jener von 
Trigisamum bis ad Mauros. Auch hier findet sich ein steiler 
Uferrand am Strome, auch hier lief die Heeresstrasse im Bücken 
desselben hin und sendete Ausläufer, Querstrassen, nach den 
Warten, die bei Aggsbach und Arnsdorf vorausgesetzt werden 
müssen. Darnach sind die Angaben der Tabula zu ändern 
wahrscheinlich hat zwischen Cb und Cc eine Verwechslung 
von X und V stattgefunden, so dass es dort statt XXIH ursprüng- 
lich hiess XVm und hier statt XHI (XVHI) XX. 

Mit Sicherheit kann für die Strecke von Arelate nach Lau- 
reacum das Vorhandensein einer Reservenstrasse angenommen 
werden, welche von Oehling aus westlich und östlich dort gegen 
das heutige Steier, hier gegen St Polten zu lief. In westlicher 
Richtung finden sich die Spuren einer römischen Strasse (Heiden- 
Strasse) bei Hametsberg, Edlach, Hochbruck (hier besonders deut- 
lich)*) gegen Assbach zu, von welch' letzterem Orte man Inschrif- 
ten kennt; weiter mag sie wohl über St Peter nach Steier zu 
gegangen sein'). Oestlich von Oehling finden sich das sehr alte Steina- 
kirchen, dessen Name, wie alle mit Stein zusammengesetzten auf 



*) In der That häufen sich auf dieser Strecke solche Ortdnamen, wie sie 
gerne an den SteUen der Römerorte auftreten. Ober Karlsbach bei Ips gegen 
St. Martin zu begegnet man ein Dorf „Gräbern**, weiter ein Dorf „in der Burg** 
genannt, nicht sehr ferne von Willersbach an der Donau ; weiter gegen Ardacker 
zu trifft man bei Neustadt auf ziemlich engem Räume ein Oed, Hieselöd, Steinöd, 
Stelzenöd und Burgkogl. 

*) Nach den Angaben Schaukegels. Vgl. Hormayrs Gesch. ▼. Wien, I, 
2, 146, Gaisberger in den Beiträgen f. Landesk. ▼. Oesterr. ob d. Ens 1866, 
Separatabdruck, S. 73. ~ Fundchronik im Archiv XXXVin. Nr. 17. 

') In den Gegenden an den Ufern der Ens mögen noch um die Mitte 
des YIL Jahrh. die Reate von mehreren grösseren und kleineren Römerorten 



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181 

eine alte Römerstätte weist'), dann die Inschriftsteine vonFerschnitz*) 
(bei Blindenmarkt), ferner der Name des gräfl. Auerspergischen 
Schlosses „Purgstall" an der Erlaf, weiter die Inschriften von 
St Leonhard am Forst an der Mündung des Mankbaches in die 
Melk, wo auch ein „ Burgstall *^ zu treffen ist*), daran reihen sich 
wieder östlich gegen den Sirmingbach zu die Inschriftsteine von 
Hürm und Grafendorf*), so dass die östliche Richtung der Reserve- 
strasse von Oehling nach Ulmerfeld *) und weiter über Steina- 
kirchen nach Schloss Purgstall, endlich über St. Leonhard und 
Hürm nach St Polten als ziemlich wahrscheinlich sich heraus- 
stellt Noch heutzutage ftlhrt in dieser Richtung eine Seitenstrasse, 
die nur zwischen Steinakirchen und Purgstall imterbrochen ist 
und von St Leonhard am Forst, nicht den näheren Weg über 
Hürm, sondern den weiteren über Külb*), nach Grafendorf und 
St Polten verfolgt. 

Neben der Heeres- und der Reservestrasse mögei^ noch vor- 



sichtbar gewesen sein, wie die Stelle in der viia S, Emerami acta SS. m. Sept. 
Tora. VI, 474 f. beweist , wo es von der Verödung jener Gegenden in Folge 
der Feindschaft zwischen Bojoaren und Avaren heisst, sie sei so gross gewesen, 
^ut circa Anesim fluvium urbes et hca olim cultissima tantis bestiarum imma- 
nüaiibus horrerent^ ne viarUibus quidem uUua tranaeundi aditus paieret,* — In 
der Pfarre Haidershofen an der Ens findet sich ein Dorf „Burg", von welchem 
Schweickhardt (V. O. W. W., X, 98} die Sage erzählt, dass hier die Ens den 
Leichnam des hl. Florianus, der 304 in den Fluss gestürzt wurde (was in 
Laurcacum bei Eus geschah) an^s Land getragen habe. 

*) Man vgl. Stein am Anger (Sabaria), Steinabrückl bei Wiener-Neustadt, 
am Stein bei Deutsch-Altenburg u. v. a. 

•) Vgl. unten das Verzeichniss d. Fundorte. 

*) Koch von Sternfeld, Münchener gel. Anz , 1842, 1, S. 86. In der Um- 
gebung von St. Leonhard bei Ruprechtshof en , wo man Münzen ausgrub und 
Römersteine zum Thurmbau verwendete, findet sich ein „Oed.** (Schweickhardt, 
XII, 62, 46, 65), femer die Dörfer „Strass" (a. a. 0. VI, 82 und „Hochstrass«* 
(a. R. O., XII, 40), endlich an der von Wieselburg nach St. Leonhard füh- 
renden Militärstrasse (Qochstrasse genannt) ein „Oed** am rothen Kreuz 
*/* Stunden von Wieselburg entfernt (a. a. 0.) 

*) lieber den angeblich römischen Wartthurm im Schlosse in Ulmerfeld 
s. Schweickhardt, Vm, 114. 

•) Ueber die angeblichen Funde zu Grossaigen bei Külb, vgl. das Vsr- 
zeichniss der Fundorte. 



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182 

zugsweise dem Handel dienende kleinere Strassen bestanden haben, 
die mit jener über den Semmering im unteren Viertel in Ver- 
gleichung kommen können. In St. Polten bestand ein inschriftiieh 
nachweisbares collegium fdbrorum, als ein Verein von Eisenarbei- 
tern, welche das aus der heutigen Steiermark kommende Roh- 
materiale verarbeiteten; wahrscheinlich bezogen sie dasselbe aus 
den Bergen um Maria Zell imd auf dem Wege längs des Thaies 
welches die Türnitz bis nahe an die Grenze von Steiermark 
bildet*). Ebenso mögen auch in dem Thale der grossen ErlaP), 
wo die Funde bis Scheibbs reichen, ferner in jenem der kleinen 
Erlaf, in welchem zu Pemeck ein merkwürdiger Gelübdestein 
gefunden wurde, selbst in jenem der Ips kleine Strassen in's 
Hochgebirge geführt haben, auf denen das Eoheisen aus den nahen 
Werken der nördlichen Steiermark (von Eisenerz und Maria Zell) 
herausgebracht werden konnte. Wichtigkeit hatten diese Wege 
in strategischer Beziehung nicht, auch nicht in mercantiler Hinsicht 
flir den Grosshandel, sondern nur für die in jenen Gegenden ein- 
heimische Eisenindustrie, von der noch zu reden sein wird. — 

Wenn man im Ganzen die Vertheilung der acht grösseren, im 
Itinerar und auf der Tabula genannten Posten des norischen üfer- 
landes übersieht, so findet man vier von ihnen, also die Hälfte 
(Cetiurriy Commagena, Pirus tortus, Trigzsamum) auf dem Tulner- 
feld, darunter den weitau'^gedehnten und wichtigen an der Trai- 
senmündung. Auch die drei nächstgelegenen Posten (ad Mauros^ 
Arelate, Ad pontem hes) finden sich auf dem verhältnissmässig 
engen Raum zwischen Melk und Ips. Gerade an diesen Stellen 
besteht kein natürliches Bollwerk für das Stromufer; es sind das 
Tulnerfeld und die Mündungen der Ips und Erlaf, welche mit 
den grösseren Posten besetzt werden. Dagegen, wo am diesseitigen 
Ufer eine Bodenerhebung und am jenseitigen geschlossenes Berg- 



*) In einem waldigen Seitenthale bei Wilhelmsdorf liegt ein Dorf „Hoch- 
strass^ ; es ist nicht unwahrscheinlich, dass von der Strasse im Tümitzthale 
ein sehr alter Verkehrsweg über das heutige Hainfeld und Altenmarkt einerseits 
in das Thal der Triesting und von hier in jenes der Piesting lief; in* letzte- 
rem Thale reichen die Funde bis Pernitz thaleinwärts. 

*) Noch heutzutage heisst die durch Purgstall an der Erlaf führende Strasse 
die „Eisenstrasse** von dem Transport des Bohmateriales. (Schweiokhardt, V. 
O^W. W.) ' 



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183 

land sich zeigt,' da finden sich auch keine grösseren Standlager 
sondern können nur kleinere Warten vorausgesetzt werden. Es 
concentrierte sich also der Dienst der Grenzwache vorzüglich auf 
das Tulnerfeld, das seinerseits wieder den Zugang in das Wie- 
nerbecken von Westen her ermöglicht; die ganze starke Befesti- 
gung des Tulnerfeldes kommt einer Sicherung der linken Flanke 
der Festungsreihe im Wienerbecken oder einer Erstreckung der 
linken Flanke vom Wienfluss an den Traisenfluss gleich. Dies 
war der Hauptzweck der Stromwache im untern üferland von 
Noricum. Auch die drei Posten zwischen der Bilach und der Ips 
trugen, indem sie den Zugang ins Traisenthal verschlossen, indirect 
zur Erreichung dieses Zweckes bei, wenn sie gleich nebenher auch 
das obere üferland und etwa noch die Wege in das eisenreiche 
Gebirgsland zu schützen hatten. Aus diesem Umstände lässt sich 
abnehmen, dass ihrem innersten Wesen nach die Bewachung 
der norischen Donaustrecke ein nothwendiges CoroUar der 
Grenzwache in Pannonien bildete, dass beide zusammengehörten 
und in einander greifen mussten, dass also die Unterstellung des 
norischen Uferlandes unter den pannonischen Oberbefehl nur eine 
natürliche Consequenz der strategischen Bedingungen war, die 
in beiden Ländern bei der damaligen Sachlage vorwalteten. 

Das System der Strassen besteht, wie es sich für alle Theile 
der Uferstrecke voraussetzen, für einige auch nachweisen lässt, 
aus zwei parallellaufenden Strängen', von denen der äussere der 
Limes meist am Stromufer hingeht, zumal, wenn eine massige 
Bodenerhebung am Uferrande vorhanden ist; nur grössere Krüm- 
mungen und sehr hohe Bergvorsprünge sucht er im Kücken zu 
umgehen, um die kürzeste Linie zu gewinnen. Der innere Strang 
oder die Eeservestrasse bewegt sich im Rücken des Limes, führt 
meist durch völlig gedeckte Thalwege und steht durch kleinere 
Querstrassen mit den Hauptpunkten des Limes in Verbindung. 
Im pannonischen Theile von Niederösterreich sind die Eeserve- 
strassen entsprechend der grösseren strategischen Bedeutung des 
Landstriches und der Nähe der wichtigen Orte Scarabantza und 
Sabaria zahlreicher und beherrschen die Ebene bis in die Gebirge 
hinein. Bezüglich der Distanzen ist schon hervorgehoben worden, 
dass sie auf der Strecke Vindohona-Camuntum in vier Theile zu 
je sieben, auf der Strecke Vindohonä-Trigisamum in fünf Theile 



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184 

zu sieben oder acht mülia zerfallen. Auf der Route Ad 
Mauroa — Locus V. felicis finden sich zwei einfache Distanzen zu 
7!/j und 8 mi'Uia und eine doppelte zu 17 mülia '^ die Distanzen 
Tingisamum — Ad Mauros und Locus V. felicis — Laureacum von 
22% und 20 millia finden sich nirgends detailliert, können aber 
nach Analogie der anderen als dreifache zu 7 und 7'/, milUa 
angesehen werden. Auf der ganzen Uferstrecke zwischen Leitha 
und Ens kann demnach ein Ausmass von 7 — 8 millia als Nor- 
male für die Distanzen betrachtet werden. Der Grund davon 
kann nicht blos ein strategischer sein; denn es ist ein Zufall^ 
dass die Wässer, welche die Anlage fester Punkte bedingten, 
durchschnittlich 7 — 8 millia von einander entfernt sind. Wahr- 
scheinlich gab die Eintheilung der Poststationen dabei den Aus- 
schlag, indem eine doppelte Distanz von 14—16 m£llia (2*/. bis 
3% deutsche Meilen) eine mutatio ausmachte. Die Handelsstrassen 
über den Semmering, dann in den Thalwegen der Tümitz, Erlaf 
und Ips sind keine Heeresstrassen und haben auch als einfache 
Verkehrswege nur einen localen Charakter; sie mögen uralte, 
schon vor Ankunft der Römer benützte Verbindungswege gewesen 
sein zwischen dem Ufer- und dem Binnenlande. 



in. Entwicklung der römischen Cultur in Nieder- 

Oesterreich. 

11. Einfluss der römischen Truppen. — Verhältnis 
der in beiden Vierteln gefundenen Inschriftsteine. 

Es ist oben bemerkt worden, dass nicht blos in Rücksicht 
auf die militärischen Einrichtungen unseres Landes ein norischer 
und pannonischer Theil unterschieden werden muss, sondern dass 
der Unterschied zwischen beiden Theilen auch auf die Entwicklung 
des Römerthums im bürgerlichen Leben des Landes sich erstreckte. 
Auch wenn fdr diese Erscheinung keine praktischen Belege bei- 



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185 

gebracht werden könnten, würde sie sich als eine nothwendige 
Consequenz aus der Beschaffenheit und Menge der Truppen 
ergeben, die in beiden Theilen aufgestellt wurden. 

Es ist unzählige Male der charakteristische Spruch aufge- 
führt worden, dass der Römer wohne, wo er gesiegt habe *). Die 
militärischen Gründungen in den sogenannten Barbarenländem 
bilden überall die Grundlagen für das Aufblühen — man kann 
nicht sagen einer rein römischen Bildung, wohl aber einer 
römisch-barbarischen Mischbildung. Der Legionär ist als Soldat 
im Standlager, noch mehr als Veteran der Verbreiter und För- 
derer der römischen Cultur. Je mehr Elemente der letzteren nun 
in Folge der Truppenaufstellung in ein Barbarenland kamen, 
desto rascher imd tiefer wird das Römerthum Wurzel geschlagen, 
desto schneller die Mischbildung sich entwickelt haben. 

Nun finden sich im Viertel unter dem Wiener-Walde seit 
seiner Eintheilung in die Provinz Pannonien als Besatzung zwei 
Legionen und neben diesen hinter einander zwei Reitergeschwader, 
ein britannisches und ein aus den Tapferen verschiedener Nationen 
ausgewähltes, die ala I Ulpia Contariorwn, welche beide aus 
Soldaten bestanden, die das römische Bürgerrecht besassen, also 
der römischen Cultur schon näher standen, als reine Barbaren. Es 
sammelten sich demnach in dem pannonischen Theile von Nieder- 
österreich schon vom letzten Viertel des L Jahrhunderts ab die 
Elemente römischer Bildung in so reicher Anzahl und auf ver- 
hältnissmässig so engem Räume, dass nicht blos eine Paralysierung 
roherer Elemente, die etwa mit anderen Hilfstruppen oder mit 
germanischen Colonien ins Land gekommen sein mögen, sondern 
deren völlige üeberwindung zum Vortheile der römischen Bildung 
leicht vorausgesetzt werden kann. 

Anders verhält es sich im oberen Viertel, im norisch 
gebliebenen Theile des Landes. Zwar befand sich hier die sehr 
alte Claudianische Veteranen-Colonie der VI. Legion zu Arelate. 
Allein die Anzahl römischer Bürger, die hier angesiedelt wurden, 
sowie der Einfluss, den sie nehmen konnte, war doch um vieles 
geringer und beschränkter, als wenn zwei oder auch nur eine 
Legion dort einquartiert gewesen wäre. Auch ist nichts von einer 



1) übicunque Romanus vicU, Somanua habittUf Seneea de re ru$Hc L 2 



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186 

Verstärkung oder Erneuerung der Colonie bekannt und selbst, 
wenn eine solche geschah, reichte sie nur dazu aus, in dem 
nächsten Umkreise römische Bildung einzuflihren. Weiterhin 
war diese isoliert und blieb durch mehr als ein Jahrhundert bis 
auf die Zeit der Markomannenkriege umgeben von den barbari- 
schen Hilfstruppen, welche durch so lange Zeit die einzige Be- 
satzung des Landes bildeten. Diese stammten ursprünglich fast 
alle aus dem Orient, von Cypem und Commagene, dann aus 
Mauretanien. Dazu kommen weiterhin Thracier und Brittonen. 

Ohne Zweifel haben die orientalischen Truppen auf die Cultur 
des Landes zurückgewirkt, wofür die Pflege orientalischer Culte 
spricht, wie des cyprischen Venusdienstes in Fafiana *), des com- 
magenischen Cultus des Jupiter Dolichenus in Commagena, von 
denen man den Ortsnamen „Venusberg" bei Traismauer*) und 
selbst den Namen Tuln ableitet*). Dadurch, dass in der ein- 
heimisch keltischen Religion ein in der Verehrung von Sonne 
und Mond sich offenbarender Naturdienst ^), also ein verwandter 
Zug vorhanden war, mögen diese orientalische Culte eine grössere 
Verbreitung im Lande gefimden und sich tiefer eingelebt haben. 

Erst nach den Markomannenkriegen, am Ende des zweiten 



*) Einen zweiten Ort mit Namen Yenasberg erwähnt Schweickhardt (V. 
O. W. W., m, 289) Bwischen Hasendorf und Ratzersdorf, 1% Stunden nörd- 
lich V. Perschling. 

*) Hieher gehören wohl auch die Atysbilder, welche die Grabinschrift 
eines Reiters der Ala I. Augusta (zu Gemeindelebarn) schmücken ; sie verrathen 
dem Cult der „grossen Mutter^ der Cybele , dem der Begrabene, der wahrscheinlich 
aus Syrien stammte, huldigte. S. Fundchronik im Archiv f. K. ö. G. IX. 97. 

*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV, 26. Vielleicht lässt sich auch für das 
ältere Cetium (das spätere Asturis, heutige Zeiselmauer), das ja auch mit cyprischen 
Soldaten besetzt war, eine Spur des Venusdienstes in der vUa Severini von 
Eugippius (c. 1) finden, wo es heisst, dass die Einwohner von Asturis, deren 
Gemüther halsstarrig waren und der Sinnlichkeit fröhnten, den Weis- 
sagungen des hl. Mannes keinen Glauben schenkten. 

*) Darauf werden bekanntlich die auf Geräthschaften aus dem sogenannten 
Bronzealter häufig vorkommenden Sonnenräder und Schwäne bezogen. Für den 
Cult des localnorischen Sonnengottes Belenus haben sich inschriftliche Spuren 
in Kieder-Oesterreich bisher nicht gefunden. Koch von Sternfeld (Münch. gel. 
Anz. XrV. 102 f.) sucht Hindeutungen in den Namen Beil- oder Peilstein, 
Peillenstein (bei St. Leonhard), die ihm gleichbedeatend mit Bel-Stein sind 
imd dasselbe besageiii wie: Sonnen-Stein. 



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187 

Jahrhunderts, wurde eine Legion im üferlande stationiert, eine 
in Italien ausgehobene, also eine aus reinen Elementen der classi- 
schen Bildung bestehende. Mit ihrer Einführung muss es verbunden 
werden , dass in der That erst während des dritten Jahrhunderts 
im oberen Lande eine grössere Regsamkeit römischen Lebens 
beginnt, wie dies aus der überwiegenden Mehrzahl der archäolo- 
gischen Funde sich erweisen lässt, namentlich jener, die auf 
Luxusbauten zurückweisen. Dazu gab wohl die Ausdehnung 
pannonischen Oberbefehles bis an den Innfluss den Anstoss, 
indem namentlich die Einwohner der Uferstädte dadurch in eine 
unmittelbare Theilnahme an dem bereits aufgeblühten Römer- 
thume Pannoniens und in engere Berührung mit demselben 
gelangten. Noch mehr steigerte sich römisches Leben mit der 
Errichtung der ersten norischen Legion, die wohl in das Ende 
des dritten Jahrhunderts föllt und von der sich vermuthen lässt, 
dass sie aus dem Binnenlande von Noricum sich recrutierte, wo 
die römische Bildung in Folge des stetigen Contactes mit Italien 
einen höheren Grad der Entwickelung erreicht hittte. Es kann 
also schon nach einer oberflächlichen Abschätzung der Zahl und 
Nationalität der Besatzungen vorausgesetzt werden, dass der 
norische Theil des Landes in der Entwicklung des Römerthumes 
dem Grade der Intensivität nach, wahrscheinlich auch der Zeit 
nach, hinter dem pannonischen zurückgeblieben sei. 

Die Symptome, welche diese Voraussetzung bestätigen, sind 
die Zahl und Beschaffenheit der in beiden Laudestheilen gefun- 
denen römischen Inschriften und die Begründung von Municipicn 
und Colonien. Die Menge der Inschriftsteine ist im unteren Viertel 
um vieles grösser als im oberen. Abgerechnet die Ziegel- tmd 
Töpferstämpel beträgt die Zahl der in ersterem gefundenen un- 
geföhr 130, von welchen etwa 45 auf Wien*), 85 auf Camun- 
tum *), (bei beiden das entsprechende Hinterland inbegriffen) ent* 
fallen. Die Zahl der im oberen Viertel gefundenen, so weit sie 
bekannt geworden sind, beträgt 21. Auch der übrige Theil des 
norischen Uferlandes zwischen Ens und Inn-Salzach ist arm; 



*) Berichte des Wiener Alterthumsvereines. IX. Band, Abhandlung über 
Vindobona. 

*) Frh. y. Sacken in den Sitzungsberichten der k. Akad. d. W. IX. u. 
XI. Bd. 



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188 

man kennt hier 103 Steine, von welchen 32 auf Ober-Oesterreich') 
71 auf das Salzburgische entfallen'); die zwei letzteren Landes- 
theile werden heute in je drei, zusammen also in sechs Kreise 
getheilt, auf deren einen mithin durchschnittlich 17 Steine zu 
rechnen sind, was der Zahl der Inschriftsteine aus dem Viertel 
ober dem Wiener- Walde (21) ganz nahe kommt Es können diese 
Zahlen unserer Betrachtung umsomehr zu Grunde gelegt werden, 
als in früherer Zeit die Ungunst der Verhältnisse, Verschleu- 
derung und Nichtachtung, alle Theile des Uferlandes ziemlich 
gleichmässig betroffen hat. Das Ergebniss der Vergleichung ist 
nun, dass aus allen 7 Kreisen, in welche dermal? das ehemalige 
nörische Uferland zerfällt, zusammen 121, dagegen aus dem 
Viertel unter dem Wiener- Walde , also aus dem pannonischen 
Antheile von Nieder - Oesterreich , 130 Inschriflateine bekannt 
geworden sind, ein Verhältniss, das mit Rücksicht auf den viel 
grösseren Flächeninhalt der ersteren ein für dieselben überaus 
ungünstiges Resultat ergibt*). Es gehört nur ein kleiner Teil 
von den Inschriften aus dem Viertel unter dem Wiener- Walde 
den letzten Decennien des ersten Jahrhunderts, der Zeit von 
Vespasian bis Trajan (69 — 98) an, auch im zweiten Jahrhunderte 
erscheinen im unteren, wie im oberen Viertel verhältnissmässig 
nicht viele, in jenem aber selbstverständlich mehr als in diesem. 
Die Mehrzahl in den beiden letztgenannten Vierteln und in den 
anderen Theilen des norischen Uferlandes gehört in die Epoche 
nach den Markomannenkriegen bis zur zweiten Hälfte des 
dritten Jahrhundertes. Bis zu diesem Zeitpunkte muss also, wie 
aus dem Verhältnisse der Inschriftsteine zu schliessen ist, die 
echt-römische Sitte, solche Denkmäler aus Anlass von Gelübden 
und Todesfällen zu errichten, im unteren Viertel weit häufiger 



*) Jos. Gaisberger in den Beitr. f. Landeskunde v. Oesterr. ob d. Ens, 
Linz, VIII. Liefrg., 1853 u. IX. Fortsetzung der Fundchronik im Archiv f. Kunde 
österr. Geschichtsquellen XXXVIII. Bd. Nr. 84 u. 43. 

•) J. V. Heffner im I. Bande der Denkschr. d. kais, Akad. d. W. 

*) Ebenso ungünstig würde sich das Verhältnis? zwischen norischem 
Ufer- und Binnenland stellen, wenn wir hier näher in den Bestand der In- 
schriften des letzteren eingehen könnten; Steiermark und Kärnthen sind mit 
einer sehr grossen Anzahl vertreten, was wohl aus der Nähe Italien*s und 
dessen directerem Einfluss bu erklären ist 



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189 

geübt worden sein, als im oberen , ein Beweis , dass dort das 
römische Leben tiefere Wurzeln gefasat und grössere Ausdehnung 
als hier gewonnen hat. 

Zugleich gibt diese Erscheinung einen Beweis dafür, dass 
die beiden grossen Kriege des K M. Aurelius ungeachtet der 
Verheerungen, die bei ihrem Beginne angerichtet wurden, in 
ihren weiteren Folgen fördernd auf die Entwickelung des Römer- 
thums eingewirkt haben; es wird dies erklärlich, wenn man 
bedenkt, dass auf die Kriege eine Restauration und Vermehrung 
der Defensivanstalten folgten, und ausser M. Aurel namentlich 
K. Septimius Severus für die Hebung derselben in den Donau- 
ländem sehr thätig war. 

12. Die Municipien und Colonien in beiden 
Vierteln. 

Die Einwirkungen der Kriege lassen sich auch an den 
bürgerlichen Begründungen der Römer in unserem Lande nach- 
weisen. Es muss dabei von der ältesten Colonie, dem claudiani- 
schen Arelate (Pechlam) abgesehen werden, denn diese ist eine 
Colonie alten Styles imd daher nicht ein Symptom der gesche- 
henen, sondern ein Symptom der angestrebten Entwickelung 
des Römerthums an dem Ufer der Donau*). Dagegen die Be- 
gründung von Municipien imd Colonien, wie sie im Laufe des 
zweiten Jahrhunderts vollzogen wurde, ist als eine formelle Aus- 
zeichnung anzusehen, womit grösseren Gemeindewesen je nach 
der Stufe ihrer Ausbildung der zweite und endlich der erste 
Rang unter den Städten eines und desselben Landes zuerkannt 
wurde; als solche Auszeichnungen sind sie ein Symptom der 
Zunahme des Römerthimis in dem entsprechenden Lande. Im 
zweiten Jahrhunderte findet sich ober imd unter dem Wiener- 
Walde nur je ein Municipium, beide aus derselben Zeit, aus der 
Regierungsepoche des Kaisers Hadrian, stammend; das eine ist 
Camuntum im pannonischen , das andere Cetium im norischen 
Antheil von Nieder-Oesterreich; das letztere muss als die einzige 



^) Sie dienten dazu durch Ansiedlung^ von Veteranen wichtige Punkte in 
den eroberten Ländern zu sichern, ausgediente Soldaten zu entlohnen und den 
Ueberschuss der armen Volksklassen von der Hauptstadt Bornas abzuleiten. 



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190 

derartige Begründung des Uferlandes vor den Markomannen- 
kriegen gelten, da Juvavum immer nur als eine civitas *) erscheint, 
von Ovilaha (Wels) und Laureacum (Ens) aber deren Erhebung 
zu Munieipien aus keinem Denkmale nachgewiesen werden kann. 
Im ganzen norischen üferlande erlangte also nur der an der 
äussersten Ostgrenze gelegene Ort den Rang eines Municipiura; 
dies weist darauf hin, dass gerade die Nähe von Pannonien mit 
seinem weiter vorgeschrittenen Römerthume-auf die Entwickelung 
des römischen Lebens im angrenzenden norischen Theile zurück- 
gewirkt habe. 

Nach den Markomannenkriegen hingegen finden wir Car- 
nuntum schon als eine Colonie ^), seine Nachbarstädte Bregaetium 
(0-Szöny) und Vindobona als Munieipien ; auch tauchen im oberen 
Uferland Ovilaba und Laureacum plötzlich als Colonien auf, eine 
seltsame Erscheinung, die wohl nur daraus erklärt werden kann, 
dass K. Marc Aurel durch diese Auszeichnung die genannten 
Städte für die im Kriege erlittenen Verwüstungen entschädigen, 
vielleicht auch flir treue Mithilfe bei Abwehr der Feinde beloh- 
nen wollte. Dagegen erreichte im Lande ober dem Wiener- Walde 
Cetium damals diese Stufe nicht. Wie schon öfter bemerkt, wurde 
die strategische Function und der Name dieses Postens auf jenen 
an der Traisenmündung übertragen, nachdem der ältere im 
Kriege zerstört worden war. Auch das Gemeinwesen der Bürger- 
stadt wurde dorthin verlegt und derselben neuerdings der Rang 
als Municipium verliehen*). — Nach den Markomannenkriegen 
finden sich also im pannonischen Theile unseres Landes eine 
Colonie und ein Municipium, im norischen nur ein Municipium; im 
übrigen ausgedehnten Uferlande von Noricum bestanden sonst nur 

') Der Beisatz Colonia Hadriana aaf einer Salzbarger Inschrift (Heffnor 
a. a. O. er. 14) wird von Zumpt, Comm. epigr. p. 417, Note mit Recht als 
eine Interpolation verdächtigt. 

*) Ber. u. Mitth. des Wiener Alterthumsv. IX. Bd. S. 

*) Das ältere Cetium (Zeiselmauer) führt von dem Stifter des Munici- 
piam, Hadrian, den Beinamen Municipium Adium, Das jüngere (Traismauer) 
erscheint genannt auf einem Inschriftsteine aus Karlstetten (Fundchronik, IX. 
Forts, im XXXVllI. Band des Archivs d. k. Akad. d. W. er. 13) bezeichnet 
mit den Siglen M. A. C. (Municipium Äntoninianum Cetium)^ welche Namen 
auf Kaiser M. Aurel hinweisen, ein Zeichen, dass die Bürgerstadt von diesem 
wohl den Municipalrang, nicht aber den einer Colonie erhielt. 



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191 

noch die Nachbarcoloni^i Ovilaba und Laureacum. Zahl und Lage 
dieser Begründungen weisen also auch, wie die Funde von In- 
schriften darauf hin, dass wenigstens bis zur zweiten Hälfte des 
dritten Jahrhunderts eine rasche und intensivere Ausbreitung der 
römischen Cultur nur im unteren Viertel des Wiener- Waldes 
stattgeftinden hat 

Dass in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts die 
Entwickelung der römischen Bildung im norischen Uferlande noch 
weiter zugenommen habe, dafiir können freilich die Inschrift- 
steine keinen Beleg mehr abgeben; denn gerade von dieser Zeit 
an nimmt in den Grenzländem ihre Zahl sehr merklich ab. 
Dagegen findet sich daftir ein Beweis in der Reichsorganisation 
des EL Diocletian (297), nach welcher für das Uferland ein 
eigener Civilgouvemeur (praeses) bestellt wurde, der von dem 
praeses des Binnenlandes unabhängig war und zufolge der Legende 
des heiligen Florianns in Laureacum residierte. Zu jener Zeit 
muss also die Administration und die Rechtspflege im Uferlande 
schon so belangreich gewesen sein, dass sie die Aufstellung eines 
eigenen Statthalters erheischte. 

13. Fortdauer des Eeltenthums In den gebirgigen 
Theilen des Landes. 

Neben diesem Gegensatze lässt sich noch ein zweiter nach- 
weisen, der in topographischer Hinsicht nicht ohne Wichtigkeit 
ist und aus dem Verhältnisse der römischen zur einheimischen 
Cultur sich ergibt. 

In den Donauebenen und in den Thälem der Nebenflüsse 
des Stromes, der Fischa, Schwechat, Traisen, Erlaf und Ips hat 
das Römerthum, wie eben dargelegt wurde, den Sieg errungen, 
wenn gleich nicht tiberall zur selben Zeit und mit denselben Erfolgen. 
In diesen Ebenen befanden sich die Festungen; es erstanden 
neben diesen die Veteranenansiedlungen und Btlrgerorte, sowohl 
wdl man naturgemäss die Nähe befestigter Orte aufsuchte, um 
an ihnen in Zeiten der Feindesgefahr einen Schutz zu finden, 
als auch weil in den ebenen Gegenden der Ackerboden ausge. 
dehnter und ergiebiger ist, als im Hügel- und Bergland. Dagegen in 
dem letzten sind die Spuren römischer Ansiedlungen äusserst dürftig ; 



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192 

nur in jenen Linien, in welchen die Reservestrassen und alten 
Handelswege sich vermuthen lassen, reichen inschriftliche Funde 
tiefer in's Land hinein, wie ein Blick auf die beiliegende Karte 
lehrt In dem südlichen gebirgigen Theile hat sich ako — so 
muss geschlossen werden — die einheimisch norische Sitte und 
Bildung gegenüber der römischen selbständiger erhalten. 

Dieser Gegensatz spiegelt sich recht deutlich in den Orts- 
und Personennamen und in dem Inhalte der Votivsteine ab. Am 
Stromufer finden sich überwiegend römische Ortsnamen und nur 
wenige celtische oder orientalische in römischer Form, wie 
Aequinoctio, Ah, nova, Cetium, Commagenaj ad Mauros, Locus 
Veneris Jelicü. Nur die vorzüglichsten Punkte die schon vor Ankunft 
der Römer als grössere keltische Ansiedlungen betrachtet werden 
müssen'), behalten ihren alten Namen in römischer Form bei, 
wie: Camuntum^ Vindobonay hie und da auch noch ein Fluss oder 
ein Bach*). Dagegen im gebirgigen Theile des Uferlandes haben 
sich die alten Ortsnamen, wie: Juvavum, femer TutattOy Emo- 
latio^ Qabromagus, Cucullae, Tarnanto u. s. w. erhalten. Ebenso 
finden sich im Binnenland von Noricum, das vorzüglich Ge- 
birgsland ist, bei Ptolomaens*) gar keine römischen, sondern 
lauter romanisierte keltische Namen, wie: Gabavodurumj Oesodvr 
nuntj Bedaium^ Aguntum u. s. w. Was nun im Binnenland und 
im oberen Uferland der Fall war, das darf auch im unteren, im 
Viertel ober dem Wiener Walde vorausgesetzt werden. Zwar ist 
ein Ortsname aus dem letzteren nicht überliefert, weder ein 
keltischer noch ein römischer. Dagegen finden sich in dem gebir- 
gigen Theile von Nieder-Oesterreich mehr keltische Personen- 
namen als in den Donauebeneu, wenngleich sie überhaupt nicht 
häufig vorkommen. 

So nennt der beim Bau der Guttensteinerstrasse gefundene 
Inschriftstein *), wenn der Text richtig gelesen ist, einen Aemacio, der 

*) Dass dies mit Ganumtam der Fall ist, beweist Vell. Paterc. II. 109. 

*) So der Bach Dicuncia bei Traismauer. Vita S. Sey. c 4. Auch der 
Name der Traisen — Tragisa, wemi die Inschrift von St. Polten (Fnndchronik im 
Archiv t K. Ost G. XXXVIII Nr. 12) richtig gelesen ist, dürfte keltisch sein. 
Dass der flossname Ise (Ips) alteinheimisch sei, davon war oben die Rede. 
(S. 184). 

») n, c. 12. 

*) Böheim Qesch. t. Wiener-Neostadt 



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193 

mit hundert Jahren, und seine Tochter JoveaSeca, die mit achtzig 
Jahren starb. Auf dem Steine zu Katzelsdorf bei Neudörfl erscheint ein 
Cassus Musa, der hundert Jahre alt wurde, und seine Frau Stu- 
bilo (?), die Tochter eines Sgalleo, die achtzig Jahre zählte. Auch 
die Kelten, deren Grabsteine sich bei Vösendorf (Mannertus Ateius) 
imd zu Maria-Lanzendorf (PomaruSy Üo, Brogimarj fanden, 
mögen aus dem gebirgigen Hinterlande abgestammt sein. Ebenso 
dürfte der Grabstein eines Mascius Jantumari filius und eines 
Senecio, dessen Weib Monia Seeundina hiess, in dem letzteren 
gefiinden sein, wie der Ausdruck Apian's (p. 407) j^epitauia 
ex limitihus patrimomalibus ducatus Aastrtae^ erkennen lässt 
Dagegen die Soldatennamen: Attius Coneri filius von der Cohors I. 
Aelia Sagitariorum (Inschr. in Klosterneuburg), Seccms Secundmus 
von der 11. italischen Legion (Inschr. v. Ferschnitz), T. Aelius 
Quartio von der ala I Augusta (Thracum) (Inschr. von Trais- 
mauer) und Tercius Sennonts filius von der Cohorte der Brittonen 
(Inschr. v. Melk), sowie der Name des Veteran M. Ulpius Melei 
filius (Inschr. v. Pechlarn), der Name Vtnda von der Frau 
eines Aedils von Cetium (Inschr. v. St. Leonhard), endlich der 
Name Ajuccio (Inschr. v. Gossam) — alle diese Namen können 
nicht in Betracht gezogen werden, weil ihre Träger als Soldaten 
und die eine Frau, als angeheiratet auch aus anderen keltischen 
Ländern in unsere Gegenden gekommen sein können und weil 
der ursprüngliche Fundort des. letztgenannten Denkmals nicht 
völlig sicher ist. Eine treffliche Parallele zu den genannten Namen 
bilden die in grösserer Fülle aus salzburgischen und steiermär- 
kischen Inschriftsteinen') bekannt gewordenen Keltennamen, die 
in Verbindung mit den niederösten-eichischen zu demselben Er- 
gebnis führen, das aus der Vergleichung der Ortsnamen erfolgt. 
Auch die Votivsteine werfen auf das Verhältniss der römi- 
schen zur einheimischen Cultur einiges Licht. Aus den Stromge- 
genden des oberen Viertels von Niedcr-Oesterreich sind nur 
Grabsteine und Ehrendenkmäler übrig geblieben, aus denen man 
— um zunächst von den römischen Götterculten zu sprechen — 



*) Für Salzburg vgl. J. v. Hefner im I. Bande der Denkschriften d. 
k. Ak. d. W. ; für Steiermark Dr. Fried. Pichler, Steirischos . Münzrepertorium 
I. Bd, S. 224-— 238, letzteres Verzeichniss besonders reich und sorgfältig ab- 
gefasst 

13 



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194 

nur den Cult des Hercules und der Diana in dem festen Punkt 
bei Göttweih, wo Bruderschaften (coUegta) ihrer Verehrer be- 
standen *), dann des Neptunus *) nachweisen kann. Dafür gewähren 
aber die Inschriftsteine von Carnuntum eine reiche Ausbeute für 
die Kenntnis des römischen Lebens in den Uferstädten, das sich 
wohl in allen ähnlich , wenn auch nicht in demselben hohen Grade 
der Entwickelung dargestellt hat. Es ist hier nicht der Ort, 
näher in das Bild, das sie davon gewähren, einzugehen, doch 
muss der für unsere Frage wichtigste Zug daraus hervorgehoben 
werden. Es begegnen nämlich auf den Votivsteinen von Carnuntum 
Widmimgen an römische Götter in buntester Mischung, namentlich 
an die echt römischen: an den Jupiter Optimus Maximus, den 
Genius loci, Fortuna, Venus u. s. w. Zumeist aber erscheint 
Silvanus und Silvanus Domesticus auf den Votivsteinen, der Gott 
also, welcher das Gedeihen ländlicher Fluren , den Segen der 
Bodenwirthschaft gewährt Fast die Hälfte aller Gelübde, die uns 
auf jenen Denkmälern erhalten blieben, richtet sich an diese 
Gottheit *). Das lässt auf eine sehr stark entwickelte Landwirth- 



*) Steiner, Codex insc, Rhen. et Danuh, 3336 nach den Wiener Jahrb. 
d. Lit., Bd. 51. Anz. Blatt, S. 46. Vgl. auch Osann in Zimmermannes Zeitschrift, 
1835, S. 94. 

•) Der Stein ist sehr verwittert und macht in der von Duellius über- 
lieferten Lesung keinen ganz befriedigenden Eindruck, wenn wir gleich nicht 
an seiner Echtheit zweifeln dürfen. Die Widmung an den Meeresgott Neptu- 
nus in einer Gegend, wie St. Polten, darf nicht überraschen, insoferne es 
sich offenbar um einen Wasserbau handelte, der den wilden Gebirgsfluss, die 
Traisen, von der Stadt abhalten sollte und Anlass war, den Votivstein aufzu- 
stellen. Auch in Celeja (Cilli), das von den Ueberschwemmungen des San- 
flusses zu leiden hatte, findet sich ein Votivstein an Neptunus. Vgl. über den 
Stein V. St. Polten Fandchronik (IX. Fortsetzg.) im XXXVIII. Bde. des Ar- 
chivs f. K. öst. G., Nr. 12 ; über jenen von Cilli Mitth. der k. k. Centr.-Comm 
IX. Bd., p. LXm. — Zur t^rmel ^Neptuno aquarum potenti*^ auf dem St. Pölt- 
ner Steine finden sich Parallelen in zwei Inschriften von Lambessa in Africa, 
wo Jupiter und die „Venti** „bonarum und divinarum tempeatatium potentes'*^ 
genannt werden. R^nier, Imcr. de VArg6He, Tom I, Nr. 6 und 7. — Der Name 
des Gottes, welchem der Votivstein von Karlstetten bei St. Polten galt, ist 
verwittert 

«) VgL die Inschriften Nr. XIII, bis XXHI in Frh. v. Sacken's Carnun- 
tum. Sitzgsber. d. k. Ak. d. W., IX. Bd. Von 28 Votivsteinen entfallen eilf 
auf Silvan. 



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Schaft, Ackerbau, wie Obstcultur schliessen, welche neben dem 
Handel, den aber nur die Freigelassenen trieben, wohl vorzüglich 
die Thätigkeit der Bürger in den Uferstädten in Anspruch nahm. 
Es passt dies ebensogut zu dem natürlichen Hange der Römer 
und ßömlinge für Landwirthschaft , als zur Bodenbeschaflfenheit 
der Sti'omebenen. Dabei muss auch an die Spuren des Weinbaues 
in Nieder-Oesterreich erinnert werden, die freilich nicht weiter, 
als bis eben in das Ende des dritten Jahrhunderts hinaufgehen 
und wohl an die Versuche des grossen Nationalökonomen auf 
dem römischen Throne, des K. Probus anknüpfen. . Die eine Spur 
findet sich in den rohen Reliefs auf grossen Steinen, mit denen 
ein römisches Grab zu Parndorf ausgelegt war; es scheinen 
dieselben Trümmer eines älteren Sarcophages zu sein und werden 
ihre bildlichen Darstellungen auf* Winzer und Weinbereitung 
bezogen*). Die andere Spur findet sich in dem Ortsnamen yjAd 
Vmeas^ in der vita jS. /Severim (c. 5) ; der betreflfende Ort wird, 
als in „einiger Entfernung" von Faßanis (Traismauer) liegend, 
angegeben und kann jetzt wohl nicht mehr bestimmt werden'). 

Es zeigen sich* also in den Gegenden an der Donau vor- 
wiegend römische Bildung, römischer Göttercult, fast durchgehends 
römische Namen und in Verbindung mit diesen Symptomen eines 
entschiedenen Sieges der römischen Cultur ein sehr reich ent- 
wickelter Landbau, Ausbeutung sowohl des Getreidebodens, als 
auch der Obst- und selbst der Weincultur. 

Aus den „Bergen" unseres Landes lässt sich dagegen bis 
jetzt nur ein Votivstein nachweisen, jener von Perwart bei 
Steinakirchen, welcher an den keltischen Gott Marmogius *) gerichtet 
ist. Der Gelobende führt keinen keltischen, sondern den völlig 
römischen Namen Rutümsj er war also Römer oder romanisierter 



*) Frh. V. Sacken im XI. Bd. der Sitzgsber. d. k. Ak. d. W. 

•) Auch von Wirflach bei Neunkirchen wird eine uralte Weincultur ge- 
rühmt und zu bemerken ist, dass „die gegen Norden von Weidling gelegenen 
Weingärten Spuren der ältesten Cultur an sich tragen." Kirchl. Topogr., I, 135. 

«) Schweickbardt, V. O. W. W., Xin., 281 und M. A. Becker, der Oetscher 
u. s. Gebiet ü. 108. Der Gott heisst nach der dort gegebenen und nachträg- 
lich verglichenen Abschriften des gut erhaltenen Steines MARMOGIVS; wahr- 
scheinlich ist es derselbe Gott wie HARMOGIVS, der auf dem, bei St. Veit 
unterhalb Pettau im Drauflusse gefundenen Steine (Muchar, Steierm. I., 408. 
Orelli-Henzen, 6072) wiederkehrt. 

18 * 



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196 

Kelte. Der Stein ist die einzige Urkunde in Nieder-0 esterreich 
aus der eine auch unter römischer Herrschaft und trotz eindrin- 
gender römischer Cultur fortdauernde Verehrung einer norischen 
Gottheit bewiesen werden kann. Eine mythologische Bestimmung 
der Gottheit ist bis jetzt nicht möglich, wie etwa bei dem norischen 
Belenusy dessen apollinisches Wesen ausser Zweifel steht. Es muss 
vorläufig genügen, dass in jener Gegend sein Ciiltüs gegenüber 
dem eindringenden Römerthume sich erhalten hat. 

Verbindet man diesen Umstand mit der Erhaltung keltischer 
Personennamen im Gebirge, so gewinnt der Gegensatz zwischen 
dem culturgeschichtlichen Charakter der Ebene und jenem der 
Berge mehr Lebendigkeit. Ohne Zweifel hängt diese Fortdauer 
des Keltenthums in den Bergen zusammen mit der Alpen wirthschaft 
und Verarbeitung des Eisens* welche Erwerbzweige hier schon 
vor der Ankunft der Eömer bestanden und, da sie für den süd- 
lichen Theil des Landes die einzig möglichen waren, den Ein- 
wohnern auch während der römischen Occupation verblieben. Die 
römischen Kaiser gaben die Bergwerke, mit Ausnahme jener auf 
Gold, und die Viehweiden in Pacht; nur die Waffenfabriken in 
Laureacum und Carnuntum waren ärarisch. Für Ackergeräthe 
imd Handwerkzeuge lassen sich daher Privatgewerke, welche das 
Rohmateriale vom kaiserlichen Pächter bezogen, sehr wohl vor- 
aussetzen. Im Gebiete des Oetschers finden sich nun seit dem 
hohen Mittelalter, seit den Zeiten der Babenberger, die ältesten 
Eisenwerke des Landes, die bis in den Beginn unseres Jahrhun- 
dertes blühten, wie in Ippsitz, Gaming, Gresten, Scheibbs, Lunz, 
Gössling, Hollenstein ^). Gerade in dieser Gegend reichen die 
Kömerfunde tief in^s Bergland hinein, gerade hier hat der Cult 
einer keltischen Gottheit sich in römischer Zeit erhalten. In Sanct 
Polten bestand, wie schon oben bemerkt wurde, ein collegium fahro- 
rumj welches das Rohmaterial wahrscheinlich aus den Bergen um 
Maria Zell erhalten hat *), sowie es die mittelalterlichen Gewerke 



') M. A. Becker a. a. O., I., 279. — Vgl. Gottfried Fries Geschichte d. 
Stadt Waidhofen an d. Ibbs im I. Band dieses Jahrbuches, S. 12 f. 

•) AUerdings ist das k. k. Gusswerk bei .Maria-Zeil eines der jüngsten 
in der Umgebung. Dies hindert aber nicht vorauszusetzen, dass die Eisenge- 
winnung von den Römern hier schon betrieben worden sei. Muchar in der 
Geschichte der Steiermark nimmt sowohl in der Gebend von Eisenerz als von 



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197 

in dem Oetschergebiete aus Eisenerz bezogen. Wenn nun schon 
in dem an der Stelle von St. Polten gelegenen Römerorte ein 
römisches Eisenwerk bestanden hat, um wie viel mehr lässt sich 
schliessen und alle vorhandenen Spuren sprechen dafür, dass 
auch im Berglande die überlieferte Bearbeitung des Eisens fort- 
gedauert hat. Mit ihr erhielten sich in jener Gegend die nori- 
sehen Sitten und Gebräuche, Orts- und Personennamen und die 
alten Götterculte, so dass die römische Bildung, wenn sie gleich 
auch in diese abgelegenen Thäler eindrang, doch nicht mehr das 
Uebergewicht erlangen konnte, wie in den Stromebenen. 

14. Die Germanencolonie, der Mithrascult und das 
Christenthum im untern Viertel. 

Wenn aus Allem, was bisher vorgebracht wurde, geschlossen 
werden muss, dass die römische Bildung im pannonischen Theile 
unseres Landes, also im Viertel unter dem Wiener Walde, und 
zwar in den Stromgegenden tiefer wurzelte, als im oberen nori- 
schen Theile und im Gebirge, so erklärt es sich auch, dass eben 
in dem untern Viertel jene Symptome wahrgenommen .werden 
können, welche mit dem specifischen Römerthume in Verbindung 
stehen. 

Dies sind die Existenz einer germanischen Colonie, dann 
das Auftauchen des Mithrasdienstes und des Christenthums. Schon 
Kaiser Marc Aurel, nochmehr Septimus Severus und Caracalla 
haben Germanen in die Uferländer an der Donau aufgenommen, 
theils Ueberläufer, theils verarmte vom Hause vertriebene Fami- 
lien, späterhin ganze Stämme. Tacitus erwähnt derartiges schon 
aus der Regierung des Kaisers Claudius *), indem damals der Sue- 
venkönig Vannius nach langjähriger Regierung mit den Seinigen 
in Folge einer Stammesfehde aus dem Lande gejagt, als Schutz- 
flehender zwischen der Leitha und Raab Zuflucht und Lände- 
reien erhielt. Auf einen ganz ähnlichen Fall weist ein interessan- 



Maria-ZeU Eisen- und Salzwerke an (Gesch. d. Steiermark, L, S. 117, 126. 
Vgl, seine Karte) und noch jetzt findet sich ein Ort Namens „Hallthal" bei 
Maria-Zeil (Hormayr's Archiv, 1830, S. 1), eine Bezeichnung, welche wie Hall, 
Hallein, Hallstatt auf uralte Salz werke hindeutet. Ebenso findet sich bei Klein 
Maria-Zeil (V. U. W. W.) ein Hallbach. (Kirchl. Topogr., VI, 366.) 
»; Annal., XH, 29. 



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198 

ter Grabstein aus Petronell hin *); er nennt einen Septimius 
Aistomodius rex Germanorum, dem seine Brüder Philippus und 
Heliodorus, beide gleichfalls mit dem Vornamen Septimius, einen 
Grabstein setzten. WahrscheinHch war dieser König „Aistmut" — 
man denkt bei diesem Namen unwillkürlich an die Aistbäche 
des unteren Mühlviertels — der Häuptling einer germanischen 
Gefolgschaft, was die Römer mit rex übersetzten, ein Titel, den 
sie gering schätzten und freigebig ertheilten. Von Hause vielleicht 
durch innere Fehden vertrieben und etwa in Folge einer bun- 
desfreundlichen Handlung gegen die Römer bei diesen in gün- 
stigem Rufe stehend, mögen Ais tmut und seine Brüder vom Kaiser 
Septimius Severus ein Asyl in Camuntum und das römische 
Bürgerrecht erhalten haben; darauf deutet der sonderbare Um- 
stand, dass alle drei Brüder den Vornamen des Kaiser „Septi- 
mius" führen. 

Auch grössere Schaaren wurden namentlich im Laufe des 
ni. Jahrhunderts angesiedelt; sowohl zum Ackerbau als zur 
Grenzvertheidigung verwendet, nahmen diese „Gentiles" eine nie- 
drige Stufe ein, sie standen noch unter den Hilfstruppen und 
blieben 'unter militärischer Oberleitung. Daher begegnet noch am 
Ende des IV. Jahrhunderts ein tribunus gentis Marcomannorum 
— so hiess die Colonie — der sehr wahrscheinlich in Vindobona 
seinen Sitz hatte *). Wie es charakteristischer Zug der Germanen 
ist, so haben derartige Colonien der römischen Bildung keinen 
Eintrag gethan, sondern sind schnell romanisiert worden. Schon 
der Grabstein des „Aistomodius" ist ein Beweis dafür; er und 
seine Brüder sind aus einem angesehenen germanischen Ge- 
schlechte und bequemen sich demungeachtet durchaus der römi- 
schen Sitte; nur einer behält den germanischen Namen, die an- 
dern nehmen einen römischen und §inen griechischen an; sie 
setzen ihrem Bruder einen lateinischen Grabstein, ja sie gebrau- 
chen darauf einen echt römischen Ausdruck der Pietät, indem 
sie diesen als ihren „unvergleichlichen Bruder" bezeichnen (fra- 
trt incomparabili). Mit dem Römerthum des pannonischen An- 



*) Der Stein be findet sich im Besitze des Herrn Anton Widder in Wien ; 
in der Fundchronik (Archiv f. K. österr. Geschqu., 1849, IL, 192) wurde er in 
Folge eines Versehens unter dem Fundort Vinco vcze au%efil hrt 

•) Böcking, Notitia, U., p. 1044*. 



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199 

theik von Nieder-Oesterreich hängt diese Germanencolonie inso- 
ferne zusammen, als dergleichen selbstverständlich nur in jene 
grösseren Orte verlegt wurden, wo eine vorgeschrittene römische 
Bevölkerung und eine zahlreiche Besatzung sich befand , wo also 
die Romanisierung der Germanen beschleunigt und etwaige Er- 
hebungsgelüste der Colonisten im Zaum gehalten werden konnten. 
Auch der Mithrascultus, obwohl an sich orientalischen 
Ursprungs, zeigt keineswegs von etwaigen Einflüssen raorgenlän- 
discher Bildungselemente, sondern ist, wo er in den Grenzländem 
auftritt, das Symptom einer kräftigen Entwicklung des echt römi- 
schen Soldatenlebens. Seit Kaiser Hadrian in Rom eingebürgert, 
wurde er in der Folgezeit, namentlich durch die Kaiser Commo- 
dus (180—192) und Septimius Severus (193 -211) absichtlich in 
den Soldateukreisen verbreitet, da die Einweihung in diesen Cult 
mannigfache Proben männlichen Muthes, Enthaltsamkeit und 
Selbstüberwindung voraussetzte, mithin als eine gute Schule für 
militärische Disciplin gelten musste. Zumal in den Grenzländern, 
deren Vertheidigung die Anwesenheit grösserer Truppenkörper 
erheischte, wie am Rheine und an der Donau wurde er eine Art 
von standesmässiger Religionsübung für die Soldaten. In Schwa- 
dorf, Petronell, Deutsch- Altenburg und Stixneusiedl *), also gerade 
an dem strategisch wichtigen Uferrand gegenüber dem March- 
felde fanden sich mehrere Cultbilder und Inschriftsteine, welche 
von Mithras-Grotten und Mithras-Priestem sprechen und aus den 
nächsten Decennien nach den Markomannenkriegen stammen, aber 
auch von der Pflege des Cultes noch am Ende des HI. Jahr- 
hunderts Zeugniss geben. Ihre Zahl ist an den genannten Orten, 
wie in Deutsch- Altenburg, wo man fünf Votivaltäre im einge- 
stürzten Heiligthume fand, so gross, dass auf eine ziemlich eifrige 
Pflege des Cultes geschlossen werden darf. Im oberen Viertel 
begegnet man keine Spur dieses Dienstes, was wohl mit der viel 
geringeren Regsamkeit militärischen Lebens daselbst zusammen- 
hängen dürfte.') 



^) V&'« ^*^ Verzeichniss der Fundorte. 

•) Aach aus dem oberen Uferlande ist bisher nur eine Votivinschrift zu 
Ehren des Mithras, jene zu Höglwörth im Salzburgischen, (Hefher, I. Bd. d. 
Denkschr. d. k. Akad. d. W. Nr. 9), bekannt geworden. Möglicherweise deuten 
die bei Wels gefundenen Portalfiguren, Löwen aus Sandstein, deren man häu- 



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Endlich muss noch der ältesten Spuren des Christen- 
thumes erwähnt werden, die uns in zwei Inschriftsteinen aus 
Petronell und aus Inzersdorf begegnen. Es darf als bekannt vor- 
ausgesetzt werden, dass das Christenthiim gerade dort die ersten 
Wurzel gefasst hat, wo eine dichtere römische Bevölkerung und 
länger eingelebte römische Bildung bestand; zumeist ist es von 
den Landstädten ersten Ranges, von den Colonien ausgegangen, 
wie von Sirmium (Mitrovic,) Siscia (Sisseg) Laureacum, Poetovio *); 
die Martyrien in Celeja (Cilli) und Sabaria (Steinamanger) sind 
nicht völlig sicher. Und zwar traten hier die unerschrockenen 
Blutzeugen der christlichen Lehre so ziemlich um dieselbe Zeit 
auf, während der Christenverfolgung unter Kaiser Diocletian 
(304); von der um die Mitte des dritten Jahrhunderts stattge- 
habten unter Kaiser Decius (249 — 251) finden sich keine Spuren 
in unseren Ländern. 

Bisher galt als die einzige und älteste christliche Inschrift 
im Erzherzogthum Oesterreich die Grabschrift der Witwe Valeria 
in St. Florian '), welche nach den epigraphischen Kriterien 
zwischen das vierte und fünfte Jahrzehend des IV. Jahrhunderts 
gehört. Doch finden sich aus dem pannonischen Theile von Nie- 
derösterreich auf den genannten Inschriftsteinen zwei freilich 
verdeckte Spuren von einem viel älteren Bekenntnis des Christen- 
thums. Beide Steine sind leider versttlmmelt, verrathen sich aber 
als christliche durch die Formel DEFunctus (Inzersdorfer-Stein) '), 
die auf dem Petroneller Stein *) voll ausgeschrieben erscheint: 
DEFVNCTVS IN (pace). Die Inzersdorfer Inschrift zeigt am Ein- 



fig in Mithras- Tempeln findet, auf einen solchen dortselbst. (Gaisberger in 
den Beitr. zur Landesk. v. Oester. ob d. Ens, XII. u. VI. Fortsetz. d. Fund- 
chronik im Archiv f. K. ö. G., XXIV, 256); allein es muss bemerkt werden, 
dass der Fundort die Gräberstätte des alten Ovilaba ist. Ein Cultbild, wie man 
sie in den genannten Orten Nieder- Oesterreichs fand, ist unseres Wissens bis- 
her im ganzen norischen Uferlande nicht zu Tage gekommen. 

*) Vgl. Bödinger, öster. Geschichte, I., 33. 

•) Gaisberger in den Beiträgen zur Landeskunde von Oesterreich ob der 
Ens, 1864. Vgl. Fundchronik, IX. Fortsetzung im Archiv f. K. ö. G., XXXVUI., 
Nr. 28. 

») Siehe Fundchronik im Archiv f. K. österr. G., XXIX., S. 194. 

*) Der Stein nennt einen Aeduer. Frhr. v. Sacken, Wiener Sitzungsber, 
Bd. IX, Nr. XXXXrX. 



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201 

gange die Siglen D M d. i. Düs Manibus, also die Eingangs 
formel heidnischer Grabsteine. Diese begegnet man auf christlichen 
Steinen in Rom und seiner Umgebung *) äusserst selten, in den 
Provinzen nicht oft, am häufigsten erscheinen sie im Cimeterium 
der heiligen Katharina zu Ohiusi *), dessen Gründung in die 
Zeiten der Antonine, also in die Mitte des II. Jahrhunderts zu- 
rück reicht. Inschriften mit diesen Siglen gehen demnach in das 
II. und III. Jahrhundert zurück, sie finden sich bestimmt im IV. 
nicht mehr. ^) Es gehört also auch die Inzersdorfer Inschrift späte- 
stens dem III. Jahrhundert, wenn nicht einer noch älteren Epoche 
an. Da sie einen Soldaten der zehnten Legion betrifft, und da 
sich annehmen lässt, dass der Begrabene — sein Name ist auf 
dem Steine leider nicht mehr erhalten — nicht vereinzelt als 
Christ in der Legion gestanden habe, so muss gefolgert werden, 
dass diese mehrere Christen in ihren Reihen gezählt hat. Jeden- 
falls werden die beiden genannten Denkmäler als die ältesten 
christlichen in unserem Lande gelten müssen, und sind ein weite- 
rer indirecter Beleg dafür, dass in dem pannonischen Theile von 
Niederösterreich das römische Leben sehr tiefe Wurzel geschla- 
gen habe *). 



*) Rossi inscr, Christ, urhis Rom, I., Nr» 1192. In dem genannten Werke 
findet sich nur dies eine aus Velletri stammende Beispiel. 

*) Cavedoni Cimit. Chius., p. 93. 

•) Rossi de Christians monumentis IXOYN exhibeiitibvs, Paris, 1855, p. 7. 
Vgl. auch Martigniy dictionnaire des antiquitds chrStiennes, Paris, 1865, unter DM. 

*) Es darf nicht unbemerkt bleiben, dass in einer Salzburger Urkunde 
von 1020 von den sehr alten Mauern einer vor Zeiten bei Fischau nächst 
Neustadt errichteten Kirche die Rede ist. (Kirchl. Topogr., I. Abth., VIII, 
S. 105. Juvavia, I, 362. — Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Ausdrücke 
^vetustiisimi antiquitus exstrtictae ecclesiae muri*^ auf die Zeit Karls des Grossen 
zurückgehen, nach dessen Siegen gegen die Avarcn hier eine Kirche erbaut 
worden sein könnte. Der Zwischenraum bis i5ur Abfassung jener Urkunde 
(etwa 250 Jahre) ist dafür zu kurz, um die Bezeichnungen eines sehr hohen 
Alters zu rechtfertigen, auch würde sich wohl die Erinnerung daran erhalten 
haben. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Erbauung dieser Kirche in das 
IV. oder V. Jahrhundert zurückgehe. — Bezüglich der Sage vom heil. Zeno, 
der vor Antritt des Episcopates in Verona (269) in der Gegend von Hoheneck 
und Hafnerbach bei Melk gepredigt haben soll, vgl. die Version von Keiblin- 
ger, Gesch. von Melk, I, 48, welcher sie auf einen frommen Priester der 
Avarenzeit bezieht, der wegen der Namensähnlichkeit späterhin mit dem Bischof 
St. Zeno verwechselt worden sein dürfte. 



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202 



15. Funde jenseits der Donau. 

Die Donau, als der Grenzstrom des römischen Reiches, bil- 
det selbstverständlich die Grenze auch für das Gebiet bleibender 
römischer Ansiedlungen. Es darf daher nicht überraschen, dass 
aus den Vierteln ober und unter dem Manhartsberge keine er- 
heblichen Kömerfunde bekannt geworden sind. Die Inschrift von 
Pasdorf, welche im Schlosse daselbst eingemauert ist und jene 
von Gossam *) (Pfarre Emmersdorf) sind dem Fundorte nach 
unbestimmt; es ist nicht unmöglich, dass man sie an den ge- 
nannten Orten selbst gefunden habe; wahrscheinlicher aber bleibt 
es immer, dass sie absichtlich dahin gebracht wurden, jedenfalls 
stehen sie ganz vereinzelt 

Der Münzfiind von Sachsengang (700 römische Münzen, 
darunter angeblich einige goldene) ist im Detail leider nicht be- 
kannt geworden; das bei Eggenburg gefundene Goldstück von 
Alexander dem Grossen und das bei Gföhl ausgegrabene Gold- 
stück von Kaiser Nero — die silbernen wurden verschleppt — 
sind, wenn auch vereinzelt, immer beachtenswerthe Zeichen eines, 
zum Theil sehr alten Handelsverkehres der südlichen Cultur- 
Länder mit dem Barbarengebiete von Mitteleuropa. 

Dagegen befremdlich scheint es, dass man keinerlei Spuren 
von kleinen römischen Castellen am jenseitigen Stromufer gefun- 
den hat. Es sind ihrer sowohl von Kaiser Marc Aurel nach dem 
ersten Markomannenkriege '), als auch in IV. Jahrhundert von 
Kaiser Valentinian ') im jenseitigen Uferland angelegt worden; 
von Transaquincum gegenüber von Altofen und Contra Tautantum, 
dessen Lage zweifelhaft ist, sowie von Odiabum (Mündung der 
Gran) und Burgum contra Florentiam (bei Mohacz) kennen wir 
die .Besatzungen. *) Von einem derartigen Castell in Stampfen haben 

') Keiblinger folgert aus dem Vorhandensein dieser Inschrift, dass bei 
Gossam ein Castell gestanden habe (Gesch. v. Melk, I, 34); dafür reicht nach 
unserer Ansicht eine Inschrift allein noch nicht aus und muss die Bestätigung 
von weitern etwa gemachten Funden abgewartet werden', die bis jetzt noch 
nicht bekannt geworden sind; vielleicht ist in dem Namen des nahen Dorfes 
„Burg** die Spur eines Castelles zu suchen. 

*) Dio Cassius, 71, 20. 

*) Ammianus, 29, 6. 
; Notitia occid,^ c. 32. 



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203 

sich die Reste gefunden (siehe S. 154), welche zugleich beweisen, 
wie tief solche Posten in das Feindesland hineinreichten. An 
geeigneten Punkten für die Anlage von derartigen Werken 
fehlte es weder im Marchfeld, noch weiter aufwärts am linken 
Donau-Ufer *) auch die Wichtigkeit ist hier ohne Zweifel eben 
so gross als dort. Allein, man hat, wie gesagt, bisher keine 
Spuren davon aufgefunden, oder wenigstens sind deren nicht 
bekannt geworden. Aus diesem Grunde möge darauf hingewie- 
sen werden, dass auf beiden Seiten des Manhartsberges in seiner 
Nähe, ausser dem Ortsnamen Strass (bei Hadersdorf, nördlich von 
der Kampmündung) der Name Burgstall öfter erscheint, so im 
untern Viertel bei Oberwölb in der Pfarre Ravelsbach, im oberen 
Viertel zwischen Wiesent und Rann in der Nähe von Meissau 
(Klein Burgstall); dann findet sich ein Burg bei Kottis in der 
Nähe von Spitz, Burgwiese und Gross-Burgstall bei Hörn *) 
und ein Burg bei Gossam. Dass diese Ortsnamen auf mittel- 
alterliche Burgen deuten, ist nicht wahrscheinlich, da sich in die- 
sem Falle weit mehr solcher Namen in den beiden Vierteln des 
Manhartsberges finden mtissten; sie erscheinen aber nur an den 
angegebenen Punkten. Freilich soll mit diesen Namen, zumal wo 
andere Anhaltspunkte fehlen, kein Beweis geliefert werden, dass 
an diesen Punkten römische Posten wirklich bestanden haben, 
allein es wird immerhin als auffallend zu gelten haben, dass jener 
Ortsname, der diesseits der Donau regelmässig in der Nähe ein- 
stiger Römerorte oder doch in der Richtung von Römerstrassen 
auftritt, sich, wenn auch nur vereinzelt, jenseits wieder findet, und 
zwar an Stellen, die nicht sehr weit auseinander liegen, von denen 
die meisten der Richtung der heutigen Hauptstrasse zwischen Hom 
und Krems folgen, deren Lage also nicht ungeeignet war, die 
Bewegungen der Feinde zu beherrschen. 



*) Bekannt ist, dass ältere Antiquare Asturis an das linke Donauufer 
(nach Stockeratf) versetzt haben. — Keiblinger hält für geeignete Punkte am 
linken Donauufer den Michaelsberg bei Haselbach, den Bisamberg und die 
Höhe von Kreuzen. 

•) Weiskem, I, 99. Der nördlichste Punkt ist die „Burgwiese" bei Hom, 
ein Ort, der in den Landkarten auch „Burgwiesen" genannt wird. 



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204 



I. Verzeichniss der Bömerorte in Nieder- 
Oesterreich. 

Abkürzungen: I. A. = Itinerarium Antonini (edid. Parthey und Finder, die 
Seitenzahl nach Wesseling). — Not. = Notitia dignitatum imperii (edid. Böcking). 
— Tab. P. = Tabula Peutingeriana, 

Ad poilte(m) Ises, Ips, tab. P. Wahrscheinlich schon von Kaiser Vespasian 
angelegt, in der Not. c. 33 unter dem Namen Augustianis. S. oben S. 134, 
176, und S. 149, Note 1. 

Aequinootium, Fischamend, I. A. 248. — Not. c. 33 (Aequinocliae\ Abthei- 
lung dalmatischer Reiter. — S. 132, 148, 154. 

Ala nova, Klein-Schwechat, I. A. 248. — Not. c. 33, Abtheilung dalmati- 
scher Reiter. — S. 187, 148, 154'. 

Ar6lat6, colonia Claudia Sexta Ärelaiensium , gegründet von Kaiser Clau- 
dius (41 — 54 n. Chr.) für Veteranen der Ze^rto FI vic^riic (Aschbach, Sitzungs- 
ber. XXXV, 8). — 'ApaXaTY), Ptolem. H, 12. — Arlape, I. A. 234, 248. — 
Arelate, Tab. P. — Arlape, Not. c. 33. Station eines Theiles der Donau- 
flotille und dalmatischer Reiter. — Reichhardt sucht es bei Erlaph, Lapie 
bei St. Leonhard, beide mit Unrecht, denn die Erinnerung an den alten 
Namen ist noch erhalten im Ortsnamen Harlant oder Harlanden bei 
Gross-Pechlam. — S. 129, 145, 149, 175. 

(Arrlana) ') 

Asturls (Zeiselmauer), not. c. 33. — Sitz eines Tribunus einer nicht in die 
Legion eingetheilten Cohorte. — Vita S. Severini c. 1. — Vgl. Cetium I. 
Koch V. Sternfeld (Münch. gel. Anz.) verlegt es nach dem heutigen Oster- 
burg im Bilachthale bei Melk, wogegen die Stelle der vita Severini spricht, 
in welcher der Ort als norische Grenzstadt gegen Pannonien hin erscheint, 
'- Hormayr (Gesch. der Stadt Wien, II, 134) sucht es zu Höflein und Grei- 
fenstein. — Lambeck und Jordan (Hormayr a. a. O.) verlegen es auf das 
linke Donauufer, was ganz gegen den Text der vita Severini ist. — S. 149. 

Ang^nstlana (castra), Notitia c. 33, Abtheilung dalmatischer Reiter, nach 
unserer oben S. 149, Note entwickelten Ansicht ein späterer Name für ad 



*) Arriana (castra), welches Frhr. v. Hormayr (Gesch. der Stadt Wien, I, 2, S. 137) 
bei Mautem sucht, lag sicher nicht in Noricum, sondern in Pannonia prima und sehr wahr- 
scheinlich im Theile unterhalb der Leitha. 



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205 

pontem Isea (Ips). Frhr. v. Hormayr, Qesch. v. Wien, I, 2, S. 137, hält es 
für einen Brückenkopf von Trigisamum (Traismauer). 

Oannablaoa, Not. c. 33, Sitz eines Tribunus einer nicht in die Legion ein- 
getheilten Cohorte. Böcking leitet den Kamen von Canabis ab (not. dignit. 
rH, 753), Aschbach hält ihn für eine Entstellung aus Cannanefatium castra 
und vermuthet darin ein Standlager am linken Donauufer an der Mündung 
des Kampflusses (Sitzungsber. XXXV, 21, Note 1). — Hormayr, Gesch. der 
Stadt Wien, I, 2, 138) nimmt es für Schönbichl an der Bilach. — S. 144« 

(Oaratensls) '). 

Garnnntam, von Vellejus Paterculus (II, 109) als norischer Ort {locus Norici 
regni) benannt, bei Ptolemaeos (11, 13) Kotp^ou<. — I. A. p. 247, 262, 266, 
267 Camuntnm. — Tab. P. Carnuntura. — Not. c. 33. Sitz des Präfectes 
der „oberen" Abtheil ung der XIV. Legion {Ubumarii), neben Vindobona 
auch des Präfectes der classis histrica. — Seit Vespasian (69—79) Stand- 
lager der XV., seit c. 100 n. Chr. der XIV. Legion. Nach der Not. war hier 
eine Schildfabrik und wahrscheinlich auch der Sitz eines Tribunus gentis 
Marcomanorum, wenn letzterer, was zweifelhaft ist, nicht auf Vindobona zu 
beziehen ist. Die Civilstadt, von Kaiser Hadrian (117 — 138) zum Municipium, 
von Kaiser M. Aurel, c. 180, zur Colonie erhoben, wurde 375 zerstört. Die 
Civilstadt bei Petronell, das Standlager bei Deutsch- Altenburg , daselbst 
auch der Brückenkopf. Vgl. v. Sacken, Carnuntum, Sitzungsber. IX u. XI. 
- Femer meine Abhandlung in den Ber. des Wiener AI terthumsver., S. 185 f. 
Auch in Petronell findet sich bei den Umwohnern die Sage von dem ein- 
stigen Bestände einer grossen Stadt, es soll die Stadt „Troja" gewesen 
sein. Steinbtichl bringt sehr treffend diese Sage mit dem Namen Trojer in 
Verbindung, welchen die Taurisker bei Stephan. Byzant. führen, so dass 
in jener Sage eine Erinnerung an den Bestand einer keltischen (tauriski- 
schen oder trojischen) Ansiedlung versteckt wäre. Vgl. Hormayr's Archiv 
fürGeogr., etc. 1816, S. 661, Note 7. ~ S. 131, 135, 137, 145, 148, 153. 

Oetlnm I, das ältere, heute Zeiselmauer, seit Kaiser Vespasian (69 — 79) 
Standort einer cyprischen Cohorte (Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 10), die 
dabei liegende Civilstadt von Kaiser Hadrian zum Municipium (mit dem 
inschriftlich nachweisbaren Namen Aelium) erhoben. Das Castell, im Mar- 
komannenkriege zerstört, aufgelassen und an die Traisenmündung verlegt 
(vgl. Cetium II), wurde bald (am Beginne des III» Jahrh.) wieder herge- 
stellt und erscheint mit dem alten Namen Citium auf der Tab. P. Später 
erhielt es Von einer Cohorte spanischer Soldaten aus Asturien den Namen 
Asturis, vgl. diesen. Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 18. — S. 132, 144, 
146, 164, 169. 
Cetium II, das jüngere, heute Traismauer. I. A. 234, 248. (Reichhardt 
sucht es bei St. Polten, Mannert und Lapie bei Mautem.) Im II. Jahr- 
hundert eine Reiterstation {ala 1 Avgusta Thracum), wahrscheinlich nii 



*) Not. c. 33. Sitz des Tribunus einer nicht in die Legion eingetheilten Cohort©. Die 
Bestimmung ist bisher nicht möglich, sicher ist nur, dass der Posten in Pannonia prima lagj 
ob diesseits oder jenseits der Leitha ist fraglich. 



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206 

dem Namen Tricesimum {ad lapidem irieesimum) von der Lage am 30. Mei- 
lenstein von Arelate (Gross-Pechlarn), wurde es vergrössert^ als das ältere 
Cetium nach den Markomannenkriegen aufgelassen wurde und bekam 
dessen Namen, mit dem es im Itin. Anton, erscheint. Nach Wiederherstel- 
lung des älteren Cetium erhielt es den alten Namen, welcher in der tab. P. 
in Trigisamum entstellt erscheint. Späterhin erhielt es von einer cy pri- 
schen Cohorte aus Paphos den Namen castra Paphiana, woraus, wie ver- 
muthet wird, der Name Pafiana entstand. (Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 
23 f.) Dieser Name wurde im Mittelalter fälschlich auf das römische Wien 
übertragen. Vgl. darüber Aschbach a. a. O.) Als Fafiana erscheint der 
Punkt in der Not. c. 33, wo er als Sitz des Präfectes der norischen Legion, 
erste Abtheilung für den Flottendienst bezeichnet wird. — S. 136, 146, 168. 

Oetlus mOIlS, B/rtov opoc. Bei Ptolem. II, 14 als Grenze zwischen Pannonia 
und Noricum. Vgl. über ihn, Schmiedl, Sitzungsber. XX, p. 338, 362 und 
Hormayr, Gesch. v. Wien, I, 2, S. 182. — S. 131. Note. 

Oommag^ena, Comagena, heute Tuln. I. A. 234, 248. — T. P. — Viia 
Severini c. 1, 3. Seit Vespasian (69 — 79) Standort einer Cohorte aus Com- 
magene. Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 10. Nach der Not. c. 33 Station 
einer Abtheilnng der equites promoti und eines Theiles der Donauflotille. 
Mannert sucht es mit den älteren Gelehrten, wie Jordan in Zeiselmauer, 
Reichhard und Lapie mit Recht in Tuln. — S. 133, 164, 168. 

Dlcunola, vita 8* Severini c. 4, Name eines Baches, zwei römische Meilen 
(•/g deutsche) von Fafiana entfernt, also südwestlich oder östlich von Trais- 
mauer. Die Beziehung auf die Schwechat (Muchar, II, 172 nnd Frhr. v. 
Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, I, 3, S. 68) beruht auf der älteren unhalt- 
baren Meinung, dass Pafiana und Vindobona identisch seien. — S. 192, Note 2. 

Sleglanii s. Locus felicis; es wird von Manchem desshalb für Oehling an 
der Url gehalten, weil eine äusserliche Aehnlichkoit im Klang der Namen 
besteht. S. 179, Note 2. 

Fafiana, not. c. 33. — VHa 8, 8everini c. 30 u. 35, späterer Name von 
Cetium II, vgl. dieses oder Trigisamum, heute Traismauer. — S. 146, Note 2. 

Il6i Name des Flusses Ips, erhalten in dem Ortsnamen ad pontem Ises in der 
Tabula. S. 134. 

LoOUa fellolSy I. A. 234, 248, loco Felicis, von Aschbach (Sitzungsber. XXXV, 
16) mit grosser Wahrscheinlichkeit ergänzt als „locus (Veneris) felicis*^ y 
erscheint entstellt als.^eZe^to** in der Tab. P. und als „lacu felicis** in der 
Not. c. 33, wo es als Standort einer Abtheilung von berittenen Bogenschützen 
(equites sagittarii) genannt wird; heute Oehling bei Amstetten. — - S. 133, 177. 

XllTOS ada Not. c* 33. Standort einer Abtheilung der equites promoti^ nach 
Aschbach derselbe Ort, welcher in der Tab. P. als „Namare" erscheint; 
von Kaiser Vespasian begründet, ward der Posten unter seiner Regierung 
der Standort der Cohors I Fl. Brittonum, später einer Abtheilung von mau- 
retanischen Reitern. Heute an der Mündung der Bilach in die Donau, bei 
Melk. — S. 133. 

Hamarei s. ad Maros. 



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207 

Pirna tortnSi tab. P. Pischelsdorf an der Perschling mit einem Vorwerk. — 
8. 165, 168. 

Pons XseSy s. ad ponte(m) Ises. 

Purs^niüy vita 8ev, c. 6, fünf Millia von Fafiana (Traismaner) entfernt» 
heute Hollenburg. Die Vermuthnng von Weisskem, der „Burgum** am 
Kahlenberge sucht (nieder-österr. Topogr. , I, S. 99 und 296) sowie 
jene von Hormayr, der^ es (Gesch. v. Wien, I, 3, S. 60) in die Nähe von 
Sievring verlegt, beruhen auf der falschen Ansicht, Fafiana sei identisch 
mit Wien. Auch die Meinung, es sei das heutige Purkersdorf, beruht dar- 
auf. — S. 166, Note 1. 

Tragisa (?) j. Traisen. Inschrift in St. Polten. Archiv XVIII, Nr. 12. — 
Orelli, 1331. 

Trigisamum {ad tricesimum lapidem), Tab. P. Vgl. oben Cetium II. 

Villa Oai, Tab. P. Heute bei Siramering. — S. 154. 

Vlndobona, eine Gründung des Kaisers Claudius (41- 54), Plinius, III, 24, 
27 (Vianiomina), bei Ptol. II, 13 OjtXto/Sova; im I. A. 233, 248, 261, 266 
u. T. P. Vindobona ; in der not. c. 33 Vindomana. Seit Vespasian (69 — 79) 
Standlager der XIII., seit 105 n. Chr. der XIV. Legion, späterhin, wahrschein- 
lich abwechselnd mit Carnuntum, Sitz des Präfectes der Donauflotille und 
beständig Station derselben. Vgl. m. Abband. Vindobona im IX. Bd. d. 
Ber. u. Mitth. d. Wiener Alterthumsver. — S. 129, 131, 135, 154, 169, 198. 

Ad Vineas, vUa 8, 8ev, c. 5 von unbestimmter Lage, da es a. a. O. nur 
heisst, es sei ein von Fafiana „weiter entfernter** Ort gewesen; wichtig als 
Beweis der Weincultur, s. oben S. 195. Muchar, II, 172 und Hormayr 
(Gesch. V. Wien, I, 3, S. 60) setzen diesen Ort an die Stelle des heutigen 
Sievering, was mit der unrichtigen Ansicht von der Identität von Fafiana 
und Vindobona zusammenhängt. — 



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208 



II. Verzeichniss der Fundorte römischer Alter- 
thümer in Nieder-Oesterreich. 

Abkürzungen : Archiv = Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde 
in der österr. Monarchie im Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, herausg. 
von der k. Akad. d. Wissensch. — Fundchronik = die ersten dieser Beiträge, 
erschienen in Schmiedrs Blättern f. Lit. u. Kunst. — v. Sacken u. K. = die 
Sammlungen des k. k. Münz- und Antiken-Cahinetes, beschrieben von Frhr. v. 

Sacken u. F. Kenner. 

Abetsberg^ bei Mauer a. d. Url, Spuren einer römischen Strasse. Frhr. v. 
Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, I, 2, S. 146. 

Ag^g^sbaob an der Donau. Münzen und Anticaglien, Acten des k. k. M. u. 
A. C. 1804. — Archiv XXIV, 237. — Hormayr's Archiv f. Geogr. etc., 
1824. S. 59. 

Amsteiten, Gefässe, v. Sacken und K. S. 145, 4. — 149, 5. 

Andrä St. bei Herzogenburg. MünzenJ" Archiv XXIX, 202. 

Arnsdorf zwischen Mautern und Melk an der Donau. Münzen, Hormayr's 
Archiv f. Geogr. etc. 1824, S. 59. 

Assbaoh.bei Seitenstetten. Inschriften (Grabsteine) s. in Hormayer's Archiv 
f. Geogr. etc. 1827, S. 27. — Münzen, III. Jahrb., Archiv XIII, v^5. 

Baden« Estrich beim Cursalon im Park, Ziegel der X. u. XIV. Legion bei 
den Ursprungsbädern, Grab in der Franzensgasse Nr. 155. Archiv, IX, 91, 
XV, 248. Schmiedl, Wiens Umgebungen, III, 419. — Ueber dieselben 
Funde, darunter ein Ziegel mit dem Stempel AQVAE, ferner ein Hypo- 
caustum, Strassenpflaster, ein älteres und jüngeres, das letztere über den 
ergteren, und Münzen, siehe kirchl. Topogr. von Nieder-Oesterr. (I. Abth. 
Bd. IV, S. 30, 52 f. und Mayer's Miscellen über den Curort Baden (1819) 
I, 98, 99. Die Münzen reichen vom I. bis ins III. Jahfh. 

BalSOhlng^ und Waldegg im Piestingthale. Münze. Archiv XXIX, 1?5. 

Bmok an der Leitha. Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Geschichte 
der Stadt Wien, I, 2, S. 129. — Gräber mit Inschrift. Archiv IX, 94. — 
Sitzungsber. XI, 363. Münzen und Anticaglien, Archiv XIII, 80. 

Brunn und Fischau. Grundmauern zwischen beiden Ortschaften, Böheim, 
Wiener-Neustadt, 2. Aufl., I, S. 13. 

Brann am Gebirge (bei Mödling). Spüren einer Wasserleitung, Mitth. do^ 
k. k. Central-Comm. f. Erf. d. Baudenkm. 1867, p. XXVIII. 



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209 

Bursrstall an der Mönk. Casiell. Koch-Sternfeld. MOnch. gel. Ans., 1842, 
8. 80 f. 

Demtsoh-AltMlblirg, Heilbad, Archiv XTTT, 80. Sitzungsber. XI, 347. Mithrae- 
um, Archiv; XV, 252, Sitzungsber. XI, 336 f. Inschriften, Fundchronik 
in Schmiedrs Blätter f. Lit u. Kunst, 1848 (Separatabdr. III, 9), Archiv 
XXIX, 197. — XXXm, 19. V. Sacken, Carnuntum, Sitzungsber. Bd. IX, 
Nr. 32, 84, 62. Vgl. das Fundörterverzeichniss in v. Sacken und K. Die 
Sammlungen des k. k. MQnz- und Antiken-Cab. S. 490. 

Döblini^ bei Wien. Ziegel der XIY. Leg. u. m. Privatstempel. Ber. d. Wr. 
Alterthumsver. IX, 168, Note. — Münze des I. Jahrb., Archiv XV, 244. 

Sdlaohy Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch. v. Wien, I, 2.S. 146. 

Si^l^enbliri^, V. O. M. B. Goldmünze von Alexander dem Grossen. Archiv 
1851, I, 216. 

FerschnltX bei Blindenmarkt. Inschriften. Mitth. des Frhrn. v. Sacken. 

Flsoham^nd an der Mündung der Fischa. Inschriften. Steiner, Codex, 3357 
— lieber die Beste ansehnlicher, vermuthlich römischer Festungswerke 
zwischen Fischamend und Eilend, siehe Jordan, Orig. Slav., T. 11, pars 
III, p. 97. Sie sind von Fischamend 1589, von Eilend 944 Klafter entfernt 
und erstrecken sich 256 Klafter die Donau entlang. Jordan leugnet, Magn. 
Klein (Not. Austr. n, 42) behauptet deren römischen Ursprung. 

FiSOhau, 8. Brunn. 

Frosohdorf (Frohsdorf) bei Wr.-Neustadt. Inschriftstein im Schlosse, Inschrift 
unbekannt. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VIII, S. 133. 

Gemelndelebarn bei Traismauer. Inschrift. Archiv IX. 97. Keiblinger, 
Gesch. V. Melk, I. Fig. 6. 

OfShly nördlich von Krems. Münze des I. Jahrh. Fundchronik im Archiv 
XXIX, 210. 

Gossaniy Pfarre Emmersdorf, O. M. B. Inschrift, ungewiss, Ob dort gefunden. 
Archiv, IX, 99. — Keiblinger, Gesch. von Melk, I, 34, Note 1, Fig. 9. 

Göttweih bei Mautem. Gebäudereste, Wall und Graben, im XI. Jahrh. gef. 
bei der Gründung des Stiftes. Vita B. Altmann. Pez I, col. 127. — In- 
schrift im Wiener Jahrb. d. Lit. B. 51, Anzeigebl. S. 46. Zimmermann's 
Zeitschr. 1835, S. 94. — Steiner, 3336. 

Göttelsbrunil bei Brück a. d. Leitha. Inschrift. Fundchronik in SchmiedVs 
Blätter f. Lit. u. Kunst. 1848. Separatabdr. III, 10. 

Grafendorf bei St. Polten. Inschriftstein. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VII, 
S. 322. 

Grlllenberi^. Münzen des IV. Jahrh., Keiblinger, Ge^ch. von Melk, II, 711. 

GrOSS-AlgeD, Dorf in der Pfarre Külb bei St. Polten. Schweickhardt V. O- 
j W. W., IX, 138, 139 verzeichnet die Sage, dass hier eine Stadt gestanden 
habe und bemerkt, dass man in der That an mehreren Stellen Säulen, 
Grabsteine u. dgl. ausgegraben habe. Keiblinger, Gesch. von Melk, II, 
165, der nie etwas dergleichen von diesem Orte gehört, glaubt, es müsse 
diese Notiz von einem andern gleichnamigen Orte gelten und sei von 
Schweickhardt irrig auf diesen bezogen worden. 

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210 

Chunpendorf bei Wien. Bruchstücke eines Meilensteines. Ber* des Wiener 
Alterthurasver., IX, 191, Note 8. 

Gnmpoldskirchen bei Baden. Sarg mit Inschrift. Archiv IX, 90. 

Chitteiuiteliier Strasse, s. Steinabrückl. 

Hainburg. Wasserleitungsröhren, Ziegel der XIV. Legion, im Thal des 
Teichberges, y^ Stunde südlich von Hainburg. Acten des k. k. Münz- und 
Antiken-Cab. — Schmuckgegenstände, Pundchronik in Schmiedl's Blätter 
f. Lit. u. Kunst. 1846. Separatabdr. I, 9 u. v. Sacken und K. 8. 356, 
Nr. 162, 166. — Lambeck fand auf der Höhe ein zerfallenes Castell, das 
er für römisch hielt, was wenigstens bezüglich der Grundmauern sehr 
wahrscheinlich ist; derselbe sucht hier den vorrömischen Ort Camuntum» 
Add. in lib. II, comment. Bibl. Caes. Vind. p. 997. 

Hametsberg bei Oehling, Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch. 
d. Stadt Wien, I, 2. S. 146. 

Harlanden bei Gross-Pechlam. Hypocaustum, Archiv XXIV, 238. — In- 
schriften. Wiener Ztg. 1856, 15. Oct — Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 
S. 8, Note 3 (jetzt in der Pfarrkirche von Pechlam). Auch die in Pech- 
lam befindlichen Inschriften kamen aus Harlanden dahin. Hormayr's 
Archiv f. Geogr. etc., 1824, S. 58. 

Hlmberi^ zwischen Klein-Schwechat und Laxenburg. Grab mit Gefassen 
v. Sacken und K. S. 247. Archiv XXIX, 126. Mitth. der k. k. Central- 
Comm. V, 300. — Münzen. Archiv, IX. 93. 

Hoohbruok bei Oehling. Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch. 
d. Stadt Wien, I, 2. S. 146. 

Höfleln bei Brück a. d. Leitha. Inschrift, Ziegel der XIV. Legion, Fund- 
chronik in Schmiedl's Blätter f. Lit. u. Kunst. 1 848. Separatabdruck IH, 10. 

HÜrm bei Melk. Inschrift, Duellius Excerpt. Genealog, p. 303. Abbildung auf 
Tab. n, Fig. IX. Muchar, Rom. Noric. I. 268. Keiblinger, Gesch. von 
Melk, I, 14, Note 2, 3. 

bsersdorf bei Wien. Meilensteine. Fundchronik in Schmiedl's Blätter f. 
Lit. u. Kunst 1846. Separatabdruck I, 6; v. Sacken u. K. S. 101, 5. — 
S. 105, 10. — 108, 18, 20. — 109, 22. — Christlicher Grabstein, Archiv 
XXIX, 194. — Gräber. Archiv XV, 247, XXIV, 235, XXIX, 194, XXXUI, 
17, XXXVni, Nr. 8. 

Xps. Münzen. Acten des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets. 1830. — Von 
mehreren, auch von Keiblinger (Gesch. v. Melk, l, S. 33) wird der In- 
schriftstein aus dem J. 870, welcher die Erbauung eines Burgum durch 
die Äuxüiares Laureacenses verewigt, als in Ips gefunden betrachtet, wäh- 
rend Galles den Fundort in die Nähe von £ns verlegt. Auch Gaisberger 
rechnet ihn zu den an letzterem Orte gefundenen Inschriftsteinen. Beitr. 
z. Landesk. v. Oesterr. ob d. Enns, VIII, Nr. 5. 

Xarlstettan bei St. Polten. Inschrift. Archiv XXXVHI, Nr. 13. — Münzen, 
m. Jahrh. I. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VII, S. 309. 

Katielsdorf bei Wr.-Neustadt Inschriften. Archiv, 1849, n, 163. — XXIV, 235. 



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211 

KlOStemeuburir ^^ Wien. Militärdiplom. Arneth, 12 römische Militärs- 
diplome. S. 33. — Orelli-Henzen, 5428. — Steiner, Codex, 3340 f. — 
Inschriften und Ziegel, Wiener Jahrh. d. Lit. 86, Anzeigebl. ß. 61, 70 f. 
Steiner, Codex 3347 f. Archiv I, S. 216. 

laeobersdorf bei Wr.- Neustadt. Znbehauene Steine , ausgegraben auf dem 
„Stadtfelde.** Kirchl. Topogr. V, 116. 

St. Leonhard am Forst (Bezirk Scheibbs). Inschriften. Archiv IX, 99. Vgl. 
oben Burgstall. Steinbüchl, Wiener Jahrb. der Lit, Bd. 51, Anzeigebl. 
S. 46 nennt als Fundort Peillenstein bei St Leonhard, Koch-Stemfeld 
den Burgstall an der Mönk. Mttnch. gel. Anz. 1842, S. 80 f. — Gruter 
gab unrichtig bald Siscia (617, 6), bald Liburnia (469, 8) als Fundort, 
Muratori nennt ihn richtig nach den (icta Lipsiensia erudUarum Peillen- 
stein (854, 3). Abgebildet sind die Steine bei Keiblinger, Gesch. v. Melk, 
I. Bd., Fig. 7, 8. — Münzen, II. Jahrh. Keiblinger a. a. O. I, 26, Note 2. 

— rV. Jahrh. Mitth. des Hrn. Theodor Fetter. 
Xilesini^ bei Wien. Wasserlei tungscanal, Archiv XXIX, 194. 
XiOOSdorf bei Melk. Manzen, IV. Jahrh. Acten des k. k. Münz- u. Antiken-Cab. 
Mahlleitan zwischen dem Marchgraben (bei Wöllersdorf, wo er in das 

Piestingthal mündet), der Zweierwiese und dem Pfaffenkogel-Plateau mit 
Gefässscherben und Ziegeltrümmem, Archiv, XIII, 79. 

Bf annersdorf. Inschrift. Acten des k. k. Münz- u. Antiken-Cab. Text un- 
bekannt 

Maria Lanzendorf bei Wien. Inschi-ift. Archiv 1849, II, 170. 

Matxlelnsdorf bei Melk. Münzen, l\ Jahrh. v. Chr. Archiv XXXYIII, Nr. 15. 

Mauer bei Melk. Inschriften. Archiv IX, 98 ; Hormayr^s Archiv f. G^ogr. etc., 
1824, S. 69. — Abgebildet bei Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, Fig. 10. 

Mauer an der Uil, bei Oehling. Die „Burg** (das Castell), abgebUdet bei 
Hormayr, Gesch. d. Stadt Wien, I, 2. Vgl. J. Gaisberger in den Beitr. 
z. Landesk. v. Oesterr. ob d. Enns 1864. Separatabd. S. 73, die Wie- 
ner Jahrbücher d. Lit III, 298, 299 erwähnen Ziegel mit A. MVR (?), die 
Lesung verdächtig wegen der naheliegenden Bedeutungen AD MVROS = 
ad Mauros (Not.), welchen Posten man bei Mauer gesucht hat. Münzen, 
s. Gaisberger a. a. O. und Archiv Xin, 84. — Ziegel mit LEG I NOR 
ebenda u. Archiv XXXVIII, Nr. 17. Die Grabstätten mit Sarkophagen 
ohne Inschrift in der nahen „Schüttgrabe**, vgl. W. Jahrb. d. Lit a. a. O. 
Nach Hormayr's Gesch. v. Wien, T, 2, 8. 146 ist Mauer nach Camnntum 
der ergiebigste Fundort in Nieder-Oesterreich ; es werden als dort gefunden : 
Meilensteine^ Inschriften, Wasserleitungsröhren u. s. w. erwähnt. 

Mauer bei Wien. Münzen. Archiv IX, 89. — Inschrift, Steiner, Codex 3870. 

— Wasserleitungscanal, Archiv XXIX, 194. 

Mautem, gegenüber v. Krems. Gräber, Archiv XIII, 84. — Vgl. Hormayr's 
Archiv f. Geogr. etc., 1825, S. 29, mit dem Bruchstück einer Inschrift und 
Legionsziegeln (LEG 11. ITAL). — Einen ähnlichen Bericht wohl nach 
dem eben Angeführten gibt Schweickhardt. V. O. W. W. X, 32 f. (Münzen 
des IV. Jahrh., Basrelief und Grabschrift.) — In Göttweih wird ein angeb-^ 

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lieh aus Maatern stammender Ziegel bewahrt, der über einer Tuba und 
zwei Palmzweigen den Stempel der XXII. Legion zeigt. Diese Erscheinung 
ist um so überraschender, als die genannte Legion bleibend in Oberdeutsch- 
land (Mainz und Umgebung) stationiert war. 

Xeidling bei Wien. Inschrift. Archiv, XIII, 7$. v. Sacken und K. 8. 82, 
212 d. 

Velk. Inschrift. Archiv IX, 95. Steiner, 3343. Münzen (V. Jahrb.), Archiv 
XXXVIII, Nr. 14. Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, 17. 

Xuthmannsdorf bei Wr.-Neustadt. Inschrift. Böheim, Wr.-Neustadt, 2. Auf- 
lage I, S. 12. Jetzt in Wr.-Neustadt. — Mauertrümmer. Hormayr's Archiv, 
1822, S. 448. — Spuren einer Römerstrasse und Fundamente, angeblich 
eines präedium. Kirchl. Topogr., I. Abth. Bd. VIII, S. 140. 

Heulengbach im Wr. W. Münzen, Mittheilung des Hrn. Prof Dr. Jeitteles. 

Heanklrohen. Inschrift. Muchar, Nor. I, 307. Böheim a. a. O. I, 12 f., später 
nach Schwarzau bei Pitten gebracht, als hier befindlich erwähnt, im Archiv 
1849, I, 216. — Ausgedehnte Römerspuren, die beim Bau der dortigen 
Spinnfabrik in vandaliacher Weise zerstört wurden (darunter viele Inschrift- 
steine), erwähnt Böheim a. a. O. 

Ockling^ an der Url bei Amstetten. Inschriften. Wiener Jahrb. der Lit 51, 
Anzeigebl. S. 47. Steiner, Codex, 3338 f., jetzt in Seitenstetten. 

Pasdorf bei Mistelbach V. O. M, B. Inschrift (Fundort zweifelhaft). Archiv 
XIII, 86. 

Peillensteln, s. St. Leonhard. 

Peoklam (Gross-). Ruinen in der Donau, Jordan, Orig. Slav. T. II, pars HI, 
p. 72. Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, 1, 2, 136. ^ Inschriften zu St. Peter, 
beiPechlam Apian, p. 406. Steiner, Codex 3345, versehwunden; sie stammen 
ursprünglich aus Harlanden (vgl. dieses). — Neun Reliefs, theilweise frag- 
mentirt, abgebildet bei Duellius Excerpt. genealog. Tab. IV, V, VI, Nr. 
14—22 und in Hormayr's Archiv f. Geogr. etc., 1824, S. 58. Es werden 
dort neunzehn Reliefs und das Fragment eines Meilensteines angeführt. 
Münzen, I— IV. Jahrh. Duellius a. a. O., p. 307. 

Pemltz im Piestingthale. Münzen, Grabreste, Bruchstücke von Denkmälern. 
Hormayer's Archiv f. Geogr. etc. 1826, 19. 

Perwart bei Steinakirchen. Inschrift. M. J. Becker, der Oetscher und sein 
Gebiet II, 104. Vgl. Schweikhardt (V. O. W. W. XIII, 281). 

Petronell bei Deutsch- Altenburg. v. Sacken; Camuntum. Sitzungsber. Bd. IX« 
und XI, dazu Archiv XV, 248; XXIX, 196 (Mosaik). Ber. d. Wiener 
Alterthumsver. X, 185 f. (Heidenthor). 

St. Polten. Inschrift. Archiv XXXVTII, Nr. 12. Orelli 1381. — Münzen, 
Duellius Excerpt. geneal. p. 838 (m. Grablampe) Archiv XV, 254. — 
XXIV, 237. ~ XXIX, 201. — XXXIH, 20 f. — Anticagl., -v. Sacken und 
K. S. 291, 290. — Aus der Umgebung (Stammersdorf ?) Gefässe und Mün- 
zen, Duellius a. a. O. 337. 

Purkersdorf. Münzen. (I. bis III. Jahrh.) Archiv XIII, 80. XXIV, 236. 

Beselsbrunn bei Petronell. Gefäss. Archiv, XIII, 80. 



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BmprecktsllOfeB bei St. Leonhurd. Römersteine beim Bau des Kirchthnrmes 
verwendet Schweikhardt V. O. W. W. Xu, 8. 64, 66. Münzen des in. 
Jahrb. Keiblinger, Qescb. v. Melk, I, 25, Note 2. 

Saohsengani^ im Marchfeld zwischen Wittan und Oberhansen bei Gross- 
Enzersdorf. Münzen. Fundchronik in SchmiedPs Blätter f. Lit u. Knnst, 
1847. Separatabd. II, 13. 

SohaUaburg bei Melk. Anticaglien, Archiv XXIX, 208. 

Sohalladorf bei Melk. Gräber, Archiv XXIY, 238. 

SoharfeneSTff ^m rechten Leithaufor. — Inschrift v. Sacken und K., S. 50, 
Nr. 243. — Der Ortsname findet sich nicht auf der Karte verzeichnet, da 
Scharfenegg eine Ruine auf der Höhe des Leithagebirges ist, und der Name 
des Schlosses nur noch in juridischem Sinne die Gesammtheit der demselben 
untergebenen Ortschaften bezeichnet. Daher ist auch der Fundort nicht 
bestimmt, wahrscheinlich aber in der nächsten Umgebung von Manners- 
dorf zu suchen. 

Sohelbbs. Broncefignren. Archiv XXXVIII, 16. 

Sokelbllngklrchen bei Sebeustein. Inschrift an der Kirche. Böheim, Wr.- 
Neustadt, 2. Auflage I, S. 14. 

Sohottwien römische „Denkmale.*^ Mnchar, Noric. unter den Römern I, 807, 

Sohwadorf. südlich von Fischamend. Inschrift. Archiv, 1849, I, 216. — 
Mithrasmonument. Archiv Xm, 80. 

(SchwatxaUy s. Neunkirchen.) 

Sohweohat (Klein-). — Meilensteine, y. Sacken n. K., S. 101, Nr. 4. -^ 
103, Nr. 7. — 106, Nr. 12, 13. — 107, Nr. 17. — 108, Nr. 19. — 

Seitenstetten. Schmuck, v. Sacken u. K. S. 337, Nr. 82. 

Stelnabrttckl bei Wr.-Neustadt. Sargdeckel mit Inschrift zwischen St und 
Wöllersdorf, 1808, beim Bau der Feuerwerkscorps-Caseme und der Gutten- 
Steinerstrasse gef., jetzt in Wr.-Neustadt, Böheim, Wr.-Neustadt, 2. Auf- 
lage I, S. 12. 

Stlxiieiisiedl bei Brück a. d. Leitha. Spuren einer römischen Strasse Hor- 
mayr, Gesch. d. Stadt Wien I, 2, 129. Mithrasreliefs, v. Sapken und K., 
S. 29, Nr. 45. — S. 49, Nr. 230. — Inschrift, a. a. O., S. 81, Nr. 212. — 
S. 85, Nr. 217. — S. 92, Nr. 230., — S. 98. Nr. 250. — Ueber die Mithras- 
Denkmäler, siehe auch Hormayr's Archiv f. Geogr. etc., 1816, S. 651. — 

Stopfenreut gegenüber von Deutsch-Altenbnrg. Spuren eines Brückenkopfes 
beim „Öden Schloss** mit Ziegeln der XV. Legion, v. Sacken, Sitzgsber. XL 

Traismauer. Inschriften. Steinbüchl, Wr. Jahrb. d. Lit. 51. Anzeigebl. S. 46. 
— Zimmermanns Zeitschrift, 1838, S. 943. — Steiner, Codex, 3334. — 
Muratori 237, 4. Kataneich htri adcolae I, 801, 5. 

Tulbi&iTi südlich von Tuln. Inschrift, gef. am Fusse des Berges.' Jordan. 
Orig. Slav. Tom. II, pars III, pag. 71. 

Tuln« Die Kirche soll auf den Resten eines heidnischen Tempels (Büsching, 
Erdbeschr. III, 1, S. 359) stehen, welcher nach Aschbach (Sitzgsber. 35, 
S. 27) möglicher Weise ein Heiligthum des Jupiter Dolichenus (Dolocenum) 
war. Schweickhardt, (V. O. W. W.) I, 77 leugnet den römischen Charakter 



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214 

des Unterbaues der Kirche vollständig. — Münzen des !• IT. und IV. 

Jahrh. bei Schweiekhardt a. a. O., S. 190. 
Tnlnerfeld. Münze. Archiv, 1849, I, 216. 
Unterradelberg bei Herzogenburg. Inschrift. Mitth. d. k. k. Gentral-Comm. 

IV, 143. — Archiv XXIX, 208. 

Vösendorf bei Laxenjburg. Meilen- und Grabstein. Archiv 1849, II, 164. — 

V. Sacken und K., S. 84, Nr. 216 b. — S. 110, Nr. 26. — Kirchl. Topogr. 
III, 291. 

Wallsee (Nieder-). Mauern und Särge mit Münzen. Wr. Jahrb. d. Lit HI, 299. 

Wien. Die Funde bis 1866 zusammengestellt in ro. Abhandlung Vindobona 
im IX. Bde. der Ber. des Wr. Alterthumsver. Vgl. das Verzeichniss d. Fund- 
orte in V. Sacken und K. Sammlungen des k. k. Münz- u. Antiken-Cab., 
S. 494. Ausserdem Münzen und Anticaglien, Fundchronik in Schmiedrs 
Blätter f. Lit. u. Kunst, 1846. Separatabd. I, 5 f. H, 11, 1848. Separatabd. 
III, 5 f. — Archiv: 1849 H, 163, 1851, 216. — IX, 87. — XIH, 77. — 
XV, 243. — XXIV, 234. — XXIX, 191 f. — XXXIH, 11 f. — XXXVIII, 
Nr. 1 bis 7 a. — 

Wr-Neustadt. Inschrift. Fundort (ungewiss), aufbewahrt in „Coemelerio pa- 
rochiali,*^ Apian pag. 404. Steiner, Codex 3389; — eine zweite s. Muth- 
mannsdorf. — Münzen: Archiv XIII, 78. — XXIV, 235. 

Wildongsmauer (Wilflingsmauer) bei Petronell. Hormayr, Gesch. v. Wien 
I, 2, S. 151 erwähnt hier eines noch sichtbaren Theiles des Limes. 

Wöllersdorf. Münzen, Reste von Gräbern und Bruchstücke von Denkmälern, 
Hormayr's Archiv f. Geogr., 1826, 19. 1827, 27. Die Gräber ähnlich wie 
in Brück a. d. Leitha. 

Zelselmauer. Mauern und Castell, Hormayr, Gesch. d. Stadt Wien I, 2, S. 134. 
Jordan, Orig. Slav. T. II, pag. m, pars 64—68. — Muchar Noric. I, 270. 

— Inschrift jetzt im Dominikanerkloster zu Tuln. Archiv IX, 1, S. 101. 

— Steiner, Codex, 8342. — Münzen, Archiv XV, 253. 
Zwentendorf bei Tuln. Münzen, I. Jahrh. Fundchronik in SchmiedPs Bl. 

f. Lit. U.Kunst, 1847, Separatabd. n, 11. 



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Die Alpen im Kreise TJ. ¥. ¥. 

mit Rücksicht auf ihre 
HShenverhältnisse, geologische BeschafTenheit, 
örtliche Eigenthümlichkeiten, Bewässerung, Klima, 
die Be?dlkeriiiig 

und die 

auf ihnen vorkommenden Pflanzen. 



Von 

Dr. Josef Krziseh 

ii NeukircliM. 



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In den Quellengebieten der Ibbs, Erlaf, Mürz und der 
Schwarza Hegt das eigentliche Alpenland Nieder-Oesterreichs, von 
welchem uns in der nachfolgenden Abhandlung nur das Fluss- 
gebiet der Schwarza, des kalten Ganges und der Pitten mit seiner 
Umgebung, insoweit dieselbe innerhalb der Q-renzen des V. U. 
W. W. gelegen ist, beschäftigen soll. 

Es sei hier kurz erwähnt, dass die Alpen Nieder-Oester- 
reichs die letzten Ausläufer der norischen Alpen sind, als deren 
Anfang die Dreiherrenspitze, vom Grossglockner westlich, ange- 
nommen werden kann, welche anfänglich die südliche Grenze von 
Salzburg verfolgt, dann Obersteiermark in nordwestlicher Rich- 
tung durchsetzt, und über die Wildalpe bei Maria-Zeil auf den 
GöUer nach Nieder-Oesterreich zieht. 

Vom GöUer geht vom Hauptstamme ein Seitenast nach We- 
sten über die Hofalpe auf den Gippel, von wo er abermal zwei 
Aeste, einen nordöstlichen und einen südöstlichen Zug bildet. 

Zu dem nordöstlichen Zuge gehört der Schneeberg, die 
höchste Alpe Nieder-Oesterreichs mit seinen Voralpen und Ber- 
gen, dem Gutensteiner Geschaid, dem Rohrerberg, Gahns, Feuch- 
ter, Hingst u. s. w., zu dem südöstlichen Zuge gehört die ganze 
Rax-Alpe, der Thrasikogel, Semmering, Sonnwendstein und der 
Wechsel, und pflegt dieser Zug als die Fortsetzung des Haupt- 
rtickens der norischen Alpen betrachtet zu werden. 

I. Die Höhenverhältniflse. 

Die gemessenen Höhenpunkte in der Region des Hochge- 
birges, der Voralpen und Alpen, stellen sich folgendermassen dar : 

1. Im südöstlichen Zuge: 

1. Kranichberg, Schloss (ürkalk) 2514' 

2. Oberer Atlitzgraben (Grauwacke) 2717' 

3. Semmering, höchster Eisenbahn-Tunnel (Grauwacke). 2788 



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218 

4. Hartberg, östlich von Mönichkirchen (Urgebirge) . . 2808' 

5. Hutwisch bei Hochneunkirchen (Urgebirge) . . 2830' 

6. Raachberg, südlich von Gloggnitz (Grauwacke) . . . 286^ 

7. HoUabrunner Riegel, nordwestlich von Aspang (Urge- 
birge) 2912' 

8. Mönichkirchen im Amtsbezirke Aspang (Urgebirge) . 2994' 

9. Eselsberg (Möselberg), nördlich von Earchberg (Grau- 

wacke) 3070' 

10. Semmering, Gasthaus zum Erzherzog Johann (Grau- 

wacke) 3081' 

11. Preiner Geschaid (Grauwacke) 3114' 

12. Hubnerisches Geschaid zwischen dem Preinthal und 

Neuwald (Kalk) 3714' 

13. Kogelberg, südwestlich von Aspang (Urgebirge) . . 4068' 

1 4. Siebenbrunnenwiese am Fusse der Rax- Alpe (Grauwacke) 4122' 

15. Otterberg, südöstlich von Schottwien (Grauwacke) . . 4287' 

16. Semmering, höchste Spitze (Grauwacke) 4416' 

17. Kampstein, östlich vom Wechsel (Urgebirge) .... 4638' 

18. Salblberg, südwestlich von Kirchberg (Urgebirge)'. . 4736' 

19. Sonnenwendstein (Göstritz) bei Schottwien (Grauwacke) 4818' 

20. Sattelberg, südwestlich von Kirchberg (Urgebirge). . 4932' 

21. Thrasikogel, südwestlich von Prein, die höchste Er- 

hebung der Grauwackenzone 4940' 

22. Eishüttenalpe in der Prein (Kalk) 5052' 

23. Vorauer-Alpe am Wechsel (Urgebirge) 5265' 

24. Jakobs -Kogel des Grünschacher auf der Rax -Alpe 

(Kalk) 5489' 

25. Hoher Umschuss des Wechsel, höchste Spitze des 

Urgebirges 6497' 

26. Wetterkogel der Rax- Alpe (Kalk). ........ 5880' 

27. Hohe Lehne (Scheibwaldhöhe) der Rax-Alpe (Kalk) . 6140' 

28. Heukuppe, höchste Spitze der Rax-Alpe (Kalk). . . 6338' 

2. Im nordöstlichen Zuge: 

1. Weissjagel bei Gloggnitz (Grauwacke) , 2549' 

2. Rohrer-Berg, westlich von Gutenstein (Kalk) .... 2726' 

3. Gutensteiner Geschaid zwischen Gutenstein und Rohr 
(Kalk) 2730' 



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4. Kressenberg, westlich vonRiesting (Kalk) 2802' 

5. Gösing bei Stixenstein (Kalk) . 2843' 

6. Bodenwiese des Gahns (Kalk) 3022' 

7. Hochberg nordöstlich von Puchberg (Kalk) . . . 3027' 

8. Hengst, Voralpe des Schneeberges (Kalk) 3294' 

9. Strimling, südwestlich von Gutenstein (Kalk) .... 3322' 

10. Almesbrunn, nordöstlich von Gutenstein (Kalk) ... 3416' 

11. Plackles, südwestlich von der Wand (Kalk) .... 3590' 
J2. Triefel, nördlich von Gutenstem (Kalk) . . . . 3597' 

13. Bürschhof am Gahns (Kalk) 3798' 

14. Jochartberg, nördlich von Rohr (Kalk) 4006' 

16. Unterberg, nordwestlich von Gutenstein (Kalk) . . . 4243' 

16. Schwarzenberg, höchster Punkt des Gahns (Kalk) . 4274' 

17. Handlesberg, nordöstlich von Schwarzau (Kalk). . . 4331' 

18. Feuchterberg, Voralpe des Schneeberges (Kalk) . . 4365' 

19. Obersberg, westlich von Schwarzau (Kalk) 4629' 

20. Alpl am Schneeberg (Kalk) 4782' 

21. Ochsenboden am Schneeberg (Kalk) 5796' 

22. Kuhschneeberg (Kalk) 6928' 

23. Waxriegel, erste Spitze des Schneeberges (Kalk) . . 5961' 

24. Kaiserstein, zweite Spitze des Schneeberges (Kalk) . 6517' 

25. Alpengipfel (Klosterwappen), höchste Spitze des 
Schneeberges und der Kalkzone 6566' 

IX. Oeologiache BeschaflFenheit. 

Nach den Gebirgsarten, aus welchen die eben genannten 
Berge gebildet sind, gehören dieselben drei verschiedenen Zonen 
an, ujid zwar: 

1. jener des Urgebirges oder den krystallinischer Schiefer-, 

2. der Grauwacke- und 

3. der Kalkzone. 

ad 1. Das Urgebirge, welches zwischen Trattenbach und 
Priedberg als krystallinischer Schiefer aus Steiermark nach Nieder- 
Oesterreich vordringt, und den südöstlichen Theil des V. U. W. W. 
ausfüllt, ist durch vorherrschende Wald- und Wiesenbildung, 
und durch eine von vielen quelligen Stellen genährte reichliche 
Bewässerung ausgezeichnet, erscheint aber nur als ein niedriges 



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Gebirge, mit abgerundeten kuppenförmigen Bergen und oft weit 
sich hinziehenden Hochebenen. Sein Landschaftsbild ist ein mehr, 
weniger emförmiges, es entbehrt, obwohl es steinig ist, der Fels- 
wände, nur seine höheren Kuppen ragen in die Kegion der Vor- 
alpen, und nur die höchsten Erhebungen des Wechsel überschrei- 
ten die Alpengrenze. Insofeme ist es mit dem ürgebirge der Alpen 
in anderen Gegenden, welches dort durch seine Grossartigkeit 
imponirt, nicht zu vergleichen; selbst in floristischer Beziehung 
drückt diese Gegend keinen alpinen Charakter aus, indem das 
Krummholz, dann alle alpinen Arten der Salicmeerij Saxifragaceen, 
Primulaceeny Ranunculaceen^ Cruciferen etc, durchaus fehlen. 

Seiner Zusammensetzung nach besteht es vorherrschend aus 
Gneiss und Glimmerschiefer, welche Gesteine wechsellagemd auf- 
treten und durch Uebergangsformen mit einander verbunden 
sind ; als untergeordnete Gesteinarten kommen Homblendeschiefer, 
Talkschiefer, kömiger oft dolomitischer Kalk, grosse reine Quarz- 
trümmer, Eisenerz und Forellenstein vor. 

ad 2. Die Grauwackenzone dringt nördlich vom Preiner 
Geschaid längs des Fusses der Kax-Alpe über Reichenau, St. 
Christof, Prüglitz bis Pottschach reichend, nach Nieder-Oesterreich 
vor, grenzt östlich an die Schieferzone und wird dort von tertiären 
Gebilden theilweise überlagert. Die höchste Bergsjitze dieser 
Zone ist der Thrasikogel in der Prein. 

Weder in landschattlicher noch vegetativer Beziehung bietet 
diese Region etwas Eigen thümliches dar, indem die dahin gehörigen 
Berge verhältnissmässig niedrig, nach den bei ihnen vorherrschen- 
den Kalk oder Schiefergesteinen sich entweder als schroffe Fel- 
senbildungen des Alpenkalkes, bis wohin manche Bergesspitzen 
reichen, oder als abgerundete, bewaldete, niedrige Berge darstellen, 
wo in ihnen die krystallinischen Schiefer auftreten. 

Die Grauwackengesteine bestehen teils aus dunklem Thon- 
schiefer und dunkelgrauem Kalkstein, welcher in Dolomit und 
Rauhwacke übergeht, kalkigen, dolomitisch^n, talkigen und quar- 
zigen Schiefem mit eingelagertem Gyps, und teils aus hellen 
grauen Kalken, grünlichen Grauwackenschiefem mit Massen von 
Magnesitfels und Spatheisenstein, dann Grauwackenkalk und Quarz. 

ad 3. Die Kalkzone ist von allen dreien die mächtigste 
und ausgedehnteste, nimmt den ganzen südwestlichen Theil des 



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V. U. W. W. ein und ist an ihren Rändern meist von tertiären 
Gebilden überlagert, und bildet unser eigentliches schönes Alpen- 
land mit seinen malerisch scharfen Gebirgskämmen, den schroff 
abstürzenden Felsenwänden, seinen finsteren, ausgewaschenen, 
engen Schluchten, den moosigen Nadelwäldern und grün gefärbten 
Flüssen und Bächen. 

Die ganze Zone besteht aus Kalksteinen verschiedenen 
Alters, die bald fest und dicht, bald zerklüftet und in Felstrüm- 
mern durcheinander geworfen erscheinen und deren verschiedene 
Färbung als lichter oder dunkler graue, rothe und gelbe Abhänge 
sich darstellen. 

Der Alpenkalk bildet überall steil abfallende Wände, an 
deren Fusse die durch Verwitterung oder durch die Gewässer 
herabgestürzten Trümmergesteine als „Schütten" sich aufhäufen, 
welche letztere oft von grosser Mächtigkeit und Ausdehnung sind, 
wie die Schutt der Griesleiten an der Preiner Wand, der Rax- 
Alpe, und jene am sogenannten „breiten Riss" bei Puchberg am 
Schneeberg; auch setzt derselbe eigenthümlich geformte Felsen 
und Höhlungen an. 

Der Schneeberg, die Rax-Alpe und das ganze Schwarza-, 
Sieming- und Piestingthal sind durchaus aus diesem Alpenkalke 
gebildet. 

IIL Oertliohe Eigenthümlichkeiten. 

I. Die Schneeberg Alpe, zwischen den Quellen des kalten Ganges 
und der Schwarza liegend, besteht aus fünf, mit einander 
zusammenhängenden Bergen, dem Gahns, Feuchterberg mit 
der Knofelebene und dem Alpl, dem Hengst, dem hohen 
Schneeberg und dem Kuhschneeberg. 

1. Die ausgedehnteste Voralpe des Schneeberges ist der 
Gahns, welcher auf der einen Seite das Schwarzathal von Reich enau 
bis Gloggnitz begrenzt, seine Wände über St. Christof, Prüg- 
litz und Birg fortsetzt, gegen das Sierningthal weiter geht und 
sich bei Rohrbach im Graben vom Hengst scheidet. Der Umfang 
dieser Voralpe beträgt über drei Meilen. 

2. Der Feuchterberg mit der Knofeleben, dem Alpl und mit 
seinem sonnigen Mittagstein, am rechten Eingange des HöUen- 
thales stehend, wird durch die vom Thalhofe bei Reichenau auf 



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das Alpleck führende Holzriese vom Gahns, und durch den vom 
Kaiserbrunnen im HöUenthale aufsteigenden Krummbachgraben 
vom hohen Schneeberg geschieden. 

3. Der Hengst, die kleinste der Voralpen des Schneeberges, 
im Puchberger Thale gelegen, führt über das „kalte Wasser" 
und den „Sattel" auf den Waxriegel des Schneeberges, imd schei- 
det sich durch den tiefen ßohrbachgralben vom G-ahns. 

An jener Stelle, wo diese drei Berge: der Gahns, das Alpl 
und der Hengst zusammenstossen, erhebt sich 

4. der Waxriegel, die erste Spitze des hohen Schneeberges, 
welche sich über den „Lux" und „Ochsenboden" ab eine von 
Schneegruben imterbrochene Hügelreihe, auf den Kaiserstein und 
den Alpengipfel oder das Klosterwappen, die höchste Bergspitze 
des Alpenkalkes und von Nieder-Oesterreich, hinanzieht. Die Spitze 
des Kaisersteines stürzt in einer fast senkrechten Wand, „den 
breiten Riss", in das Puchberger Thal hinab, der Alpengipfel 
aber, in Schluchten und Klippen zertrümmert, ist mit seiner „Bock- 
grube" und dem „Saugraben" gegen das Höllenthal gerichtet, 
von denen die letztere Felsenschlucht vom „Krummbachgraben" 
zwischen der „Heu-" und „Kuhplegge" auf den „Ochsenbodeu" 
führt. 

5. Der „Kuhschneeberg" endlich, als eine plateauförmige, 
durch den „Kuhschneegraben" vom hohen Schneeberg geschiedene 
Fortsetzung desselben, fällt steil gegen das obere „Höllenthal" 
und die „Vois" ab und bildet auf seiner Südseite die bekannte 
„Frohnbachwand" mit dem „Frohnbachgraben". 

n. Die Kax-Alpe stellt einen weitläufigen, plateauförmigen Ge- 
birgsstock dar, der von allen Seiten steil abfällt und des- 
halb keine ausgedehnten Voralpen hat Obgleich etwas nied- 
riger als der Schneeberg, übertriflft sie gleichwohl letzteren 
weit an Ausdehnung ihres Alpengebietes, an weiten, tiefen 
Schneegruben imd auch an Pflanzenreichthum. 

Vom „Wetterkogel" ausgehend, scheiden sich von dem- 
selben vier Höhenzüge, nämlich: der „Grünschacher", die 
„hohe Lehne", der „Scheibwald" und die eigentliche „Rax- 
Alpe". 
1. Der „Grünschacher", nordöstlich vom Wetterkogel, bildet 

einen Bergrücken, welcher in senkrechten Wänden gegen die 



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223 

Prein abfällt, bei der Schutt der Griesleiten die bekannte 
„Königsschusswand" aufgethürmt und mächtige Lager von Fel- 
senschutt angehäuft hat. 

2. Diesem gegenüber liegt die „hohe Lehne" mit ihren aus- 
gedehnten, steil abfallenden Felsenkämmen, höher als der „Grün- 
schacher" und mit diesem parallel auf den „Kloben" laufend, 
südöstlich in steilen Wänden gegen das „Gaisloch" in den Fel- 
senkessel des „grossen Höllenthales" abstürzend. 

3. Der „Scheibwald", als dritter Hauptzweig, geht nördlich 
vom „Wetterkogel" aus, wird einerseits von den Felswänden der 
„hohen Lehne" begrenzt und fällt andererseits, in unzugängliche 
Klippen zerklüftet, gegen das „Bärenloch" und die Quellen der 
„Nass" senkrecht ab. Die nördliche waldige Abdachung dieses 
Bergplateaus ist als die einzige Voralpe des Rax- Alpenstockes zu 
erwähnen. 

4. Die eigentliche Rax-Alpe ist der höchste Ast des „Wet- 
terkogels", der sich von der „Lichtenstegalpe" zur „Heukuppe", 
der höchsten Erhebung dieses Gebirgsstockes, aufthürmi Dieselbe 
stürzt als steile breite Wand gegen das Altenberger Thal in 
Steiermark ab. 

HL Der „Wechsel", dessen sogenannter „Umschuss" die höchste 
Spitze des Urgebirges bildet, ist mit seinen Vorbergen in 
einer halbmondförmigen Gestalt von Trattenbach bisMönich- 
kirchen in eine Länge von nahe 5 Meilen ausgedehnt. 

Von dem steinigen Umschuss gehen vier Bergäste aus, 
von denen der nördliche über die Kranichberger und Steyers- 
berger Schwaig auf den „Salblberg" gegen Trattenbach zieht, 
und einen nordöstlichen Ast, den „Saurücken", gegen Kirch- 
berg aussendet Der östliche Ast zieht über die Feistritzer 
Schwaig auf den „Kampstein" mit der Abdachung gegen 
Aspang, der westliche geht in den „Sattelberg" über, stellt 
die Verbindung mit dem „Sonnenwendstein" her und dringt 
gegen das Mürzthal in Steiermark vor; endlich nimmt der 
vierte Ast eine südöstliche Richtung längs der steirischen 
Grenze und stellt eine Hochebene dar, auf welcher die zwei 
höchsten Kuppen: der „Hochwechsel" (Umschuss) imd die 
„Vorauer Alpe", beide schon in Steiermark liegen, und von 
letzterer sich der Kamm des Gebirges über den „Möselberg" 



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22» 

nach Mönichkirchen herabzieht. Die waldig steinigen Thäler 
von Neuwald und der Klause voti Mariensee trennen den 
Wechsel vom Kampstein.- 

ad I. Der Schneeberg kann bestiegen werden: 

1. Vom Vöstenhof bei Pottschach, über die Q-ansleiten auf 
die Vorwiesen, Hübelwiese, den Bürschhof auf dem Gahns rechts 
lassend, entweder zum Alpleck imd Baumgartner oder zum kal- 
ten Wasser, Sattel, auf den Waxriegel, zum Kaiserstein und 
Alpengipfel. 

2. Von Rohrbach im Graben, an der Hengstleiten zum kal- 
ten Wasser, Sattel, Baumgartners Hütte links lassend, zum Wax- 
riegel u. s. w. 

3. Von Puchberg durch das Hengstthal über den Hengst 
zum kalten Wasser, wie Nr. 2. 

Diese beiden Wege, obwohl sehr bequem, sind flir den Bo- 
taniker höchst langweilig, da auf der langen Tour bis zum kalten 
Wasser gar nichts Interessantes zu finden und nur zu bemerken 
ist, dass der Weg Nr. 2 um eine Stunde näher als der Nr. 3 ist. 

4. Von Puchberg nach Schneebergdörfel, von dort durch 
den Schneidergraben direct auf den Sattel, und dann weiter, wie 
Nr. 2 und 3. 

Dieser Weg, obwohl selten begangen, ist sehr empfehlens- 
werth, denn da man von Puchberg nach Schneebergdörfel fast 
eben geht, das Steigen durch den Schneidergraben zum Sattel zwar 
ein sehr steiles ist, aber nur Eine Stunde dauert und vom Sattel 
zum höchsten Gipfel des Schneeberges nirgend mehr eine ähnliche 
Steigung zu überwinden ist, so erscheint die Tour vom Sattel 
angefangen wie ein Spaziergang im Vergleiche zu dem bei üeber- 
windung des Schneidergrabens vergossenen Schweisse. 

5. Von Puchberg über die Maumauwiese auf den „Faden", 
Kuhschneeberg und zum Gipfel des hohen Schneeberges. 

Die drei Stunden dauernde Wiesen-Tour über die „Maumau" 
und den „Faden" ist auf gar keiner Seite des Schneeberges in 
dieser Art zu geniessen ; dieser Weg ist zwar um 2 — 3 Stunden 
länger, aber in Anbetracht des Umstandes, dass man die Schnee- 
bergmauer ihrer ganzen Ausdehnung nach anf dem langen schö- 
nen Wege überall zur Seite hat, stundenlang über Wiesenmatten 



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225 

schreitet, deren Floren-Charakter überall bereits ein entschieden 
subalpiner ist, kann dieser Weg jedem Natur- und Pflanzenfreunde 
nur auf das Nachdrücklichste empfohlen werden, lässt seine stel- 
lenweise Beschwerlichkeit bald gänzlich vergessen und leicht 
überwinden. 

6. Aus der Vois vom „Höhbauer" auf den Kuhschneeberg 
zu der bekannten Höhbauer Alpenhütte und von dort auf den 
Gipfel. Dieser Weg ist reich an botanischen Seltenheiten. 

7. Von der „Singerin" im Höllen thale über die „Schnee- 
bergleiten" an der „Frohnbachwand" auf den Kuhschneeberg und 
weiter, wie Nr. 6. 

8. Aus dem Höllenthale durch den „Studentengraben", die 
„Bockgrube" rechts lassend, über die „Krottenseehütte" auf den 
„Ochsenboden" und den Gipfel; ein sehr steiler grober Geröllweg, 
aber in botanischer Rücksicht höchst lohnend. 

9. Aus deni Höllenthale vom „Kaiserbrunnen" durch den 
„Krummbachgraben" und die „Miesleiten" zu Baumgartners 
Hütte und auf den Gipfel, ein grossentheils sehr grober Geröllweg. 

10. Von Hirschwang über den „Feuchter", die „Knofel- 
eben", „Wassersteig" zu Baumgartner, wie Nr. 9. 

11. Von Reichenau über den „Thalhof" Scheiterplatz, die 
„Eng" auf den „Lackerboden" zum Alpleck und die „AlpUeiten" 
zu Baumgartners Hütte oder zum kalten Wasser über den Sattel 
auf den Waxriegel u. s. w. 

12. Von Payerbach über den „Geierstein" des Gahns auf 
die „Boden wiese" zum Baumgartner u. s. w. Auf diesem Wege 
muss die eine volle Stunde lange „Bodenwiese",, der schönste 
subalpine botanische Garten, ganz überschrittien werden, für den 
Botaniker eine der wichtigsten Stellen auf den Kalkalpen. 

13. Von Schlögelmühle über St. Christof auf die „Boden- 
wiese", zum Baumgartner u. s. w. Dieser Weg trifft unterhalb 
der „Boden wiese" mit dem vorigen zusammen. 

14. Von Gloggnitz durch den „Rehgraben" oder den „Stup- 
pachgraben" nach Prüglitz, Gasteil und von dort über die Vor- 
wiesen, wie bei Nr. 1. 

ad II. Die Rax-Alpe kann bestiegen werden: 
1. Von Reichenau, Edlach oder Hirschwang direct auf den 
„Grünschacher" und weiter auf dem Plateau bis zur „Heukuppe," 

15 



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226 

2. Aus dem Höllenthal durch das „grosse Höllenthal", das 
„Q-auloch" zu den „ Eishütten '^j der „Grünschacher- Alpe" und 
weiter. 

3. Aus dem Höllenthal durch den „Kesselgraben" auf den 
„Kloben", „Kesselboden" und die „Scheibwaldhöhe." 

4. Von der „Singerin" auf das „Haferfeld", den „Kessel- 
boden" und weiter. 

5. Aus der Prein über das „Geschaid" zur „Siebenbrunnen- 
wiese" und von dort entweder links durch das „Geflötz" auf den 
„Schlangenweg" oder rechts auf den „Wetterkogelsteig" zum 
Plateau der Alpe und weiter. 

6. Aus der Prein über die „Schutt der Griesleiten" an der 
„Königsschusswand" aufwärts zur „rothen Wand", den „Eishütten" 
und weiter. 

ad in. Der Wechsel ist zu besteigen: 

1. Von Trattenbach über den „Saurücken" zur Kranich- 
berger Schwaig, der bequemste und kürzeste Weg. 

2. Von Kirchberg über den „Saurücken" zur Steiersberger 
und Kranichberger Schwaig; dieser Weg ist seiner ganzen Länge 
nach ohne Aussicht, da man immer fort im Walde und in einem 
tiefen Hohlweg gehen muss. 

3. Von Feistritz über den „Kampstein", an der „Bärenlacke" 
und den Feistritzer Schwaig vorüber auf die Höhe; ein sehr zu 
empfehlender Weg, da man stundenlang die herrlichste Aussicht 
geniesst. 

4. Von Aspang durch die „Klause" nach „Mariensee" über 
die „Frauenalpe" uAd Aspanger Schwaig auf die Höhe. 

6. Von Mönichkirchen zur „Glashütte" auf die Vorauer 
Schwaig und von dort auf den Gipfel. 

6. Von Mönichkirchen zum „Lichteneck", die „steinerne 
Stiege" und auf den Gipfel. 

Es liegt ausser dem Zwecke dieser Abhandlung, die sämmt- 
liehen hier angegebenen Routen in ihren Eigenthümlichkeiten 
näher zu schildern, und ist nur die Bemerkung zu machen, dass 
jede derselben, dem gewünschten Ziele zuführend, ihre besonderen 
Vorzüge und Schönheiten aufzuweisen hat, deren näheres Bekannt- 
werden dem individuellen Geschmacke anheimgestellt bleiben muss. 



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227 

Es sei nebenbei erwähnt, dass alle hier verzeichneten Wege, 
obwohl ein und der andere mehr oder weniger beschwerlich, 
für den Besteiger als ganz gefahrlos zu erklären sind, wenn die 
zu diesem Zwecke aufgenommenen Führer die nothwendige Ter* 
ritorialkenntniss besitzen. 

Als Aussichtspunkte in den Alpen nach Sonklars Ab- 
handlung im Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines vom 
Jahre 1867, pag. 4 und 5, werden der Wechsel, Schneeberg und 
die Rax-Alpe ganz besonders hervorgehoben, und verdienen es 
mit vollem Rechte. Eine eingehende Schilderung erscheint hier 
um so überflüssiger, als diese Gegenden allgemein bekannt, häufig 
besucht, und von gewandteren Federn, als dieselbe dem Verfasser 
dieser Abhandlung zu Q-ebote steht, längst geschildert sind; doch 
mag hier nur berührt werden, dass vom Kaiserstein des Schnee- 
berges, wenn man einen Tag mit günstiger Beleuchtung trifft, 
Bergspitzen sichtbar werden und dann eine Aussichts weite dar- 
stellen, welche die bekannten Panoramen von demselben weit 
übertreffen, indem die hinter dem Dachstein hervorragenden 
Gipfel, zu der auf den Panoramen fehlenden Gruppe des Hoch- 
Golling zählen, und die noch weiter sichtbar aufsteigenden Spitzen 
dem Hochalmspitz und dem Hafhereck angehören müssen. Aller- 
dings gehören Tage mit solcher Fernsicht zu den seltenen, glück- 
lichen Höhengenüssen, welche sich mit Wahrscheinlichkeit nur 
der Anwohner des Berges, wenn er mit dem Charakter der Wit- 
terung und Luftschichtungen auf 24 Stunden voraus vertraut zu 
sein versteht, verschaffen kann. 

IV. Die Bewässerung des Alpengebietes. 

Diese wird gebildet durch die Flussgebiete der Pitten, 
Schwarza und der Piesting. 

I. Die Pitten entspringt im Urgebirge des Wechsel nahe 
der steirischen Grenze aus mehreren Quellen, heisst von ihrem 
Ursprünge bis nach Scheiblingkirchen im Amtbezirke Neunkir- 
chen „grosser Pöschinggraben" und nimmt erst bei diesem Orte 
den Namen „Pitten" an; fliesst über Sebenstein, Pitteü nach 
Haderswörth, bei welchem Orte sie sich nach einem 4% Meilen 
langen Laufe mit der Schwarza vereinigt, und dann die Leitha 
bildet 

15 * 



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^28 

Sie niHimt in ihrem Laufe nachfolgende Bäche auf: 

1. Den kleinen Pöschinggrabenbach, welcher auf dem Kamp- 
stein entspringt, und bei Ober-Aspang in den grossen Pösching- 
grabenbach mündet. 

2. Den Murtholbach, welcher in der Rotte Unterhöfen am 
Kogel in der Ortsgemeinde Aspang entspringt, und bei Ober- 
Aspang in den grossen Pöschinggraben einmündet. 

3. Den Kothgrabenbach in der Ortsgemeinde Aspang, wel- 
cher auf dem Hartberg entspringt und bei Ober-Aspang ein- 
fliesst. 

4. Den Edlitzbach in der Ortsgemeinde Edlitz, welcher 
südlich von Thonn entspringt und westlich von Kamerallen in 
den Pöschinggraben geht. 

5. Den Feistritzbach (auch Otterbach und Thalbach genannt) 
welcher auf dem B^p'ücken „Sattel^ im Amtbesdrke öloggnitz 
entspringt und nördlich von Höll am Wanghofe in den Pösching- 
graben einmündet. 

6. Deii Ungerbach, welcher am Spitzerriegel an der steiri- 
schen Grenze entspringt und bei Ober-Aspang in den Pösching- 
graben fliesst 

7. Den Kunstgrabenbach, welcher auf dem Grimmenstein 
entspringt und in der Gemeinde gleichen Namens in den Pösching- 
graben geht 

. 8* Den Beifbach, auf dem Grimmenstein entspringend und 
in die Gemeinde gleichen Namens einmündend. 

9. Den Schlattenbach, welcher bei Stickelberg im Amtbezirk 
Kirchschlag entspringt und bei Scheiblingkirchen in den Pitten- 
fluss mündet 

10. Den Hassbach, welcher in der Lichtenau bei Hassbach 
entspringt und bei Warth im Amtbezirke Neunkirchen einfliesst 

11. Die Schwarza entspringt auf der Westseite des Rohrer- 
berges im Amtsbezirke Gutenstein, und heisst die Hauptquelle 
dieses Alpenflusses der Rohrbach. Anfangs einen nOrdwestlidien 
Lauf nehmend, biegt sie sich bei dem Dorfe Rohr nach Süden 
und fliesst durch das offene quellige Thal: „die Schwarzau" in 
das Höllenthal, durchfliesst dieses in einer Ausdehnung von zwei 
Meilen, tritt bei Hirschwang in den Reichenauer Tl^ilkessel her- 
aus, durchfliesst ihn und geht über Payerbach, Schlögelmühlei. 



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229 

Gloggnit^ und Neunkirchen in die Ebene des Steinfeldes, wo sie 
nach längerem Laufe bei Haderswörth sich mit der Ktten ver- 
einiget und als Leitha weiter geht 

Sie nimmt in ihrem. Laufe von ihrem Ursprünge bis nach 
Neunkirchen nachfolgende Bäche auf: 

1. Die Vois, welche am Geschaid in der Ortsgemeinde 
Schwarzau am Kuhschtieeberge entspringt, über die Trenkwiese, 
den Höhbauer und andere Gehöfte fliessend, beim „Baumeck" fn 
die Schwarza mündet 

2. Die Nass entspringt auf dem Haferfeld der Bax-Alpe/ 
fliesst über die Felsen des Scheibwaldes durch den Nasswald zum 
Reithof, und fällt bei der Singerin am oberen Eingang in das 
Höllenthal in die Schwarza. 

3. Die Prein, welche aus zwei Quellen auf der Siebenbrun- 
nenwiese und einigen auf der Griesleiten entspringt, und durch 
mehrere Giessbäche im Preiner Thale Zuflüsse erhält, ßlllt öst- 
lich von Hirschwang in die Schwarza. 

4. Die Göstritz hat ihren Ursprung am Sonnenwendstein, 
nimmt bei Schottwien am Fusse der Ruine Klamm den, den At- 
litzgraben durchfliessenden Bach, die „kalte Rinne" auf, bildet 
mit diesen unterhalb Schottwien den Weissenbach , der am west- 
lichen Ende von Gloggnitz in die Schwarza mündet 

5. Der Stuppachgrabenbach, der oberhalb Prieglitz aus drei 
Quellen entspringt, den Stuppachgraben durchfliesst und südöst- 
lich von Stuppach in die Schwarza geht. 

6. Der Sirnbach, welcher seinen Ursprung südlich vor 
Kranichberg hat und östlich von Gloggnitz in die Schwarza 
mündet 

7. Der Payerbach, welcher am Kreuzberg entspringt und 
bei Payerbach in die Schwarza fliesst 

8. Der Sirning oder Sebastianibach, auf der Maumauwiese, 
hinter Puchberg entspringend, mehrere Wildbäche, wie den Losen- 
heimerbach, Hengstbergerbach, Schoberbach, JPfennigwiesenbach 
und den Rohrbach in seinem Laufe aufiiehmend, münd-et östlich 
von Ternitz in die Schwarza. 

Der Kehrbach, welcher unterhalb Neunkirchen aus der 
Schwarza tritt, und direct nach Neustadt fliesst, verbindet die 
Schwarza mit der kleinen Fischa. 



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230 

Die Schwarza ist ein sehr reissender Alpenfluss, denn ihr 
Gefälle beträgt 110 Fuss auf die Meile, bei einer Stromlänge 
von 9*/, Meilen. 

HL Die Piesting oder der kalte Gang hat ihren Ursprung 
am Kuhschneeberg und vereinigt sich in Gutenstein mit der 
Steina- und Länga-Piesting, heisst von ihrem Ursprung bis Gu- 
tenstein „Klosterbach" und erst von Gutenstein über Pemitz, 
Oed, Waldeck, Piesting bis Wöllersdorf, „Piesting." 

Das von diesem Bache durchflossene Thal ist 6 Meilen 
lang. 

Die Piesting nimmt nachfolgende Bäche auf: 

1. Den Miesenbach, welcher am Fusse des Hutberges und 
der dürren Wand entspringt, und nordöstlich von Waidmanns- 
feld in die Piesting mündet. 

2. Den Mirabach, welcher aus dem im Innern des Unterber- 
ges befindlichen Teiche entspringt, bei Muckendorf einen kleinen 
Wasserfall bildet und bei Pemitz in die Piesting fällt 

3. Den Feuchtenbach, welcher in der Ortsgemeinde Pernitz 
bei dem Dorfe Feuchtenbach entspringt und östlich von Pernitz 
in die Piesting geht. 

4. Den Dürnbach, welcher nordöstlich von Scheuchenstein 
entspringt und östlich von Waldeck in die Piesting mündet. 

Die Piesting theilt sich oberhalb Ebreichsdorf in zwei Arme, 
von denen der östliche stärkere Arm unter dem Namen Piesting 
über Moosbrunn bei Marienthal in die Fischa fliesst, der west- 
liche aber unter dem Namen „kalter Gang" oberhalb Manns- 
wörth in die Donau fällt. 

Die Wasserkraft dieser drei Flussgebiete mit Rücksicht auf 
ihre Verwendung zu technischen Zwecken, ist häufig benützt, 
denn durch die Pitten werden 94, 
„ Schwarza „ 174, 
„ Piesting „ 123 
Industrie - Etablissements betrieben, und zwar: 
12 Baumwollspinnfabriken, 
4 Papierfabriken, 
1 Türkische Kappenfabrik, 
1 Kautschukwaarenfabrik, 
1 Kattundruckfabrik, 



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231 





1 Schraubenfabrik, 








2 Blechwalzwerke, 








34 Hammerwerke, 








21 Lohstampfen, 








7 Oelstampfen, 








5 Gypsstampfen, 








2 Walkmühlen, 








1 Eisenwerk, 








3 Drahtzüge, 








3 Pulverstampfen, 








1 Metallwaarenfabrik, 








1 Kupferhammerwerk, 








1 WaflFenfabrik, 








148 Getreidemühlen, 








142 Sägemühlen, in Summa 391 


Industrie ■ 


■ Etablisse- 


mentS; 


f deren movirende Kraft den diesen Gewässern als Geburts- 


Stätte 


dienenden Alpen zu verdanken ist. 







V. Das Klima des Alpenlandes. 

Was die klimatischen Verhältnisse in dem Alpenlande an- 
belangt, so sind in denselben nur zwei Jahreszeiten bemerkbar, 
nämlich ein kurzer Sommer und ein langer Winter. Die Monate 
Jänner, Februar und März sind reich an Schneestürmen, im Jän- 
ner herrscht in der Regel die grösste Kälte und der höchste 
Barometerstand, erst Ende April schmilzt der Schnee von den 
hochgelegenen Berg-Aeckern. Der Mai ist gewöhnlich noch kalt 
und unfreundlich, häufig von Schneefällen begleitet, an wind- 
stillen sonnigen Tagen manchmal schon grosse Hitze, bei der 
nächsten Bewölkung des Himmels, oft an demselben Tage em- 
pfindliche Kälte. Erst im Juni werden die Tage und manchmal 
auch schon die Nächte wärmer, der Schnee der Alpen kommt in 
diesem Monate zum Schmelzen, was den Juli hindurch fort- 
dauert, an schneefreien Plätzen entwickelt sich dann die Vege- 
tation mit aller Macht und pflegt sehr schnell vorzuschreiten. 

Juli und Augast haben die heissesten Tage mit vielen Ge- 
wittern und oft wolkenbruchartigen Niederschlägen; September 
und die erste Hälfte October bringen gewöhnlich andauernd 
schönes Herbstwetter, wohl schon häufig von Nebeln unterbrochen, 



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232 

und von der Mitte Oetober hinein übt wieder der starre Winter 
seine strenge Herrschaft, während die Monate November und 
December besonders an vielen Nebeln und Schneeiällen reich 
sind. Es ist anzunehmen, dass hier der Juni Frühling, Juli und 
August Sommer, September Herbst und alle übrigen acht Monate 
Winter sind. 

Etwas milder gestaltet sich zwar das Klima in den Alpen- 
tbälern, doch ist es auch hier nöthig durch acht Monate im Jahre 
die Stuben zu heizen. 

Nach der Häufigkeit der herrschenden Winde reihen sich 
dieselben in nachfolgender Weise aneinander : 

Nordwest — West — Südost — Nord-Süd — Südwest — 
Ost — Nordost. — 

Gewöhnlich hat der Nordwest und West nasskalte Witte- 
rung, im Sommer Gewitter mit anhaltendem Regen, im Winter 
Schneefälle im Gefolge. 

Südostwind bringt heiteres trockenes Wetter, im Winter 
grosse Kälte, im Sommer abnorme Hitze. 

Nord- und Nordostwind bringen Kälte und haben in der 
Regel den höchsten Barometerstand im Gefolge, dabei abwech- 
selnd Regen und heiteren Himmel 

Süd- und Südwestwind sind schwül und bringen gewöhn- 
lich im Sommer heftige Gewitter mit starken Niederschlägen. 

Auf den sonnigen Abhängen der Bergäcker gedeihen 
Gerste und Hafer als Hauptfrucht, auch wohl noch Korn und 
Weizen. Flachs, Kartoffeln, Weisskraut und die Stoppelrübe wer- 
den auch noch gebaut. 

Obstbäume finden sich gleichfalls in allen Thälem, Aepfel, 
Birnen, Zwetschken, Vollnüsse, Kirschen sind kultivirt, letztere 
jedoch in der Umgebung des Wechsel, häufig noch im August 
nicht reif. In der Regel zerstören Spätfröste die Blüten der Obst- 
bäume, selten kommt ein Jahrgang vor, in welchem nicht ein 
und die andere Gattung vernichtet worden wäre. Der Weinstock 
findet am Gloggnitzer Silberberge im Wiener - Becken seine 
Grenze. 

Unter den Waldbäumen kommen Weiss- und Rothbuchen, 
Ulmen, Erlen, Ahorne, Birken, Vogelbeeren, Weiden, Eschen, 
sehr selten Eichen, von den Nadelhölzern die Lärche, Tanne, 



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233 

Fichte, die gemeine und Schwarzföhre, die Zwergföhre, wild, und 
in der Nähe der Orte hin und wieder die Zirbelnusskiefer ange- 
pflanzt vor. 

Welche Ausbeute den Botaniker auf unsern Alpen erwartet, 
werden wir später sehen. 

Die ganze Landschaft der Alpenthäler gewährt durch die 
Masse hölzerner Zäune, mit welchen die einzelnen Wald-, Feld* 
und Wiesenstrecken eingeplankt sind, einen ganz eigenthümlichen 
Anblick. Millionen von Stangen und Brettern sind verwendet, um 
das Eindringen fremden Viehes auf den Aeker-, Wiesen- und Wald- 
theilen der Besitzer abzuwehren, denn der Werth des Futters, 
ja jedes noch so geringe Stackchen davon, ist für die auf Vieh- 
zucht angewiesene Bevölkerung ein grosser. Es werden Rinder, 
Ziegen, Schafe und Schweine gezüchtet; die Milchwirthschaft ist 
aber im Ganzen mehr für den Hausbedarf berechnet, die Butter- 
und Käsebereitung nirgends von besonderer Bedeutung. 

Die Rinder sind ein rothbrauner Gebirgschlag und fast in 
allen Gegenden gleich, zwar klein aber sehr milchergiebig; mit 
Ausnahme der Klauen- und Maulwehseuche kommen auf den 
Alpen Erkrankungen unter denselben höchst selten vor. 

Die Ziegen sind klein, werden rotten- oder gemeindeweise 
täglich bis hoch in's Gebirge auf die Weide getrieben, des Abends 
wieder nach Hause geleitet und sind die privilegirten Waldver- 
derber. 

Unter den gezüchteten Schafen findet sich nur das grob- 
woUige Thier; die Schweine sind die gewöhnliche langgestreckte 
hochbeinige deutsche RaQC. 

VI. Die Bevölkerung des Alpengebietes und deren 
Lebensverhältnisse. 

Das rauhe Klima der Alpengegenden, die sehr spärlichen 
und häufig gefährlichen Erwerbs Verhältnisse , die Abgeschieden- 
heit der Landschaft, und die Beschwerlichkeit aller Arbeiten, 
wodurch die Körperkräfte frühzeitig abgenützt und consumirt 
werden, üben auf die Bevölkerung des Alpenlandes einen mäch- 
tigen Einfluss. 

Zwar ist der Körperbau der Bewohner ein kräftiger und 
ßtai'ker zu nennen, die Jugend heiter und froh, zu Excessen ge» 



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234 

neigt, die Weiber nicht unschön, aber die schon frühzeitig, vor 
der Entwicklung des Körpers vorzunehmenden schweren Arbeiten, 
die nur vegetabilische grobe Nahrung, die rauhen klimatischen 
Einflüsse, die Insalubrität der Wohnungen im Winter, so wie 
die landesübliche Unreinigkeit in der Pflege des Körpers verur- 
sachen ein vorzeitiges Altern. Rüstige Greise, wie man sie in 
anderen Gegenden findet, sucht man hier vergebens; Mann und 
Weib sehen oft schon mit 40 und 50 Jahren greisenhaft aus, 
oder erscheinen immer älter, als sie wirklich sind. In den Thä- 
lern des Schiefergebirges findet man auch häufig genug jene 
schwach- und blödsinnigen, bedauernswerthen Wesen, die ab 
Cretinen zu bezeichnen und für die Zwecke der menschlichen 
Gesellschaft verloren sind. 

Es fehlt dem Alpenvolke sowohl die physische, als die 
psychisch moralische Erziehung, in beider Hinsicht bleibt noch 
alles zu wünschen übrig, namentlich aber ist es die geistige Auf- 
klärung, welche über die Dämme von Vorurtheilen, Indolenz und 
Aberglauben nicht vorschreiten und durchdringen kann. Es ist 
dies ein Thema, wo man warm werden und locale Interessen 
berühren müsste, die vorläufig besser unerörtert bleiben sollen. 

Nebst den Arbeiten des Ackerbaues, beschäftigen die Be- 
wohner das ganze Jahr hindurch das Holzfällen, Flössen, Pechen, 
Kohlen, die Vorrichtungen in den Bergwerken und Kohlengruben, 
die Leistungen in den Brettsägen, Hammerwerken und den ander- 
weitigen in den Gebirgsthälem betriebenen Industrie-Etablisse- 
ments. 

Alle diese Arbeiten sind im hohen Grade mühevoll und 
beschwerlich, nützen die Körperkräfte vor der Zeit ab, und 
geben Veranlassung zu einer Menge Körpergebrechen und Krank- 
heiten, von denen Leistenbrüche, pathologische Zustände der 
Athmungsorgane, wie Emphyseme, Oedeme, chronische Catarrhe, 
gastische Affectionen, Kröpfe, organische Herzleiden und chronische 
Fussgeschwüre in Folge vorhandener Varicositäten die häufigsten 
sind; nebstbei bleiben Sie Bewohner auch noch einer Menge von 
Unglücksfällen bei diesen Arbeiten exponirt, die leider häufig 
genug vorkommen. 

Die Nahrung der Alpenbevölkerung ist höchst einfach und 
nicht sehr anziehend. Frisches Fleisch gehört zu den Festtag- 



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235 



speisen, das Brot ist noch das beste aller Nahrungsmittel des 
Gebirgsvolkes, die eigenthümlichen fetten Mehlspeisen, geräucher- 
tes Schweine- und Schaffleisch, Speck und verschiedene Gattun- 
gen Suppen erfordern einen sehr exercirten Gebirgsmagen um 
gehörig verdaut zu werden. 

Von Getränken dienen der Branntwein, schlechtes leichtes 
Bier, der schlechteste Wein und verschiedene Sorten Obstmost, 
als Labsal; das allerbeste, weil reinste, und überall in erster 
Qualität vorhandene Getränk, ist in allen Gegenden das vortreflF- 
liche Wasser. Der Genuss von Surrogat-Caffee ist allgemein ver- 
breitet. 

Die Kleidung der Bevölkerung ist nach den einzelnen Ge- 
birgsthälem verschieden. 

Der Anwohner des Schneeberges in der Gegend von Puch- 
berg, Grtinbach u. s. w., jene aus der Prein, oder aus einem 
Thale des Wechsel sind auf den ersten Blick an ihrer Kleidung 
zu erkennen, und darnach zu bestimmen, wo sie zu Hause sind. 
Ihren Costumegewohnheiten am treuesten sind die Puchberger 
mit ihren schwarzen"oder dunkelblauen Tuchröcken, bockledemen 
schwarzen Hosen, den hohen Stiefeln, der bunten Weste und 
dem rundspitzigen schwarzen Hute; die Bewohner der übrigen 
Thäler sind in ihrer Tracht bereits durch die Mode etwas beein- 
flusst Auch der weibliche Theil der Puchberger indigenen Be- 
völkerung hat ein unwandelbar eigenthüinliches Costume, was an- 
derswo nirgend so getragen wird. 

Die Einwohnerzahl in den Gebirgspfarrbezirken beträgt: 



In Gutenstein 

jj Rohr. . . 

„ Schwarzau 

„ Grünbach. 

„ Puchberg . 

„ Prüglitz . 

„ Prein . . 

„ Payerbach 

„ Pottschach , 

„ Maria Schutz 



Einwohner 

1649 
1155 
1.631 
1250 
2102 
963 

loor 

3870 

1333 

268 



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236 







Einwohner 


In Gloggnitz 4050 


„ Trattenbach. . 






740 


„ Baach . . . 






381 


„ St. Peter . . . 






802 


„ Mönichkircben 






832 


„ Eranichberg 






445 


„ Kirchberg . . 






3597 


„ Feistritz . . 






1068 


» Aspang. . . 






. 2293 


„ ELlamm . . . 






722 


„ Schottwien . . 






921 



Zusammen 31,069 Seelen. 

Das Sterblichkeitsverhältniss schwankt nach den einzebien 
Pfarrbezirken von 1,5%. — 3 Perzent, die mittlere Sterblichkeit 
2,2 Perzent, wobei bemerkt werden muss, dass die Hälfte von 
allen Verstorbenen auf die Kiider im Alter unter 10 Jahren 
entMlt, was wohl den besten Beweis für die widersinnige Kinder- 
erziehung und die vernachlässigte Pflege in vorkommenden KxaDk- 
heiten liefert Um wie viel günstiger würde sich somit das abso- 
lute Sterblichkeitsverhältniss stellen, wenn das Kind von der 
Geburt an bis zum 10. Lebensjahre besser und vernünftiger er- 
zogen und bei Erkrankungen nicht so vernachlässiget würde. Zu 
der grossen Sterblichkeit in den ersten Lebensjahren tragen er- 
fahrungsgemäss nachfolgende Potenzen bei: 

1. Das Ueberbringen der kleinen zarten Geschöpfe nach 
der Geburt in die oft 2 — 3 Stunden entfernte Pfarrkirche zur 
Taufe während der 8 Monate dauernden Winterzeit. 

2. Die ganz fehlerhafte Ernährung, wodurch die Kinder, 
auch wenn sie von der Mutter gesäugt werden, nach alt herge- 
brachter Gewohnheit noch immer mit dem consistenten Mehlbrei 
angestopft zu werden pflegen. 

3. Die Uebelstände in den Wohnungen des Gebirgsvolkes 
zur Winterszeit, wo Menschen und Vieh einen kleinen, nie ven- 
tilirten Raum die ganze Zeit über zu bewohnen pflegen. 

4. Die vernachlässigte rechtzeitige ärztliche Hilfe bei ein- 
tretenden Krankheiten, von denen croupöse Entzündungen der 



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237 

Luftwege ga-äde jene BLrankheitsfol'm shid, welche bei rechtzeitig 
in Anspruch genommener ärztlicher Hilfe geheilt werden könnten, 
und die vorzüglichsten und häufigsten Ursachen des erfolgten 
Todes sind, wie dies durch die Todtenmatrikel jeder Pfarre be- 
wiesen werden kann. 

6. Die Entfernung der Wohnhäuser von den Schulen, durch 
welchen Umstand die kleinen Kinder nach dem 6. Lebensjahre 
oft durch fusshohen Schnee stundenlang watend, in die Schule 
kommen, dort wieder viele Stunden sitzen, und sich häufig noch 
immer durchnässt, wieder auf den Heimweg begeben müssen, 
und hiedurch die Ursache zu sehr vielen tödtlich verlaufenden 
Krankheiten gegeben wird. Berücksichtiget man, dass die Kinder 
nicht der Jahreszeit angemessen bekleidet sind, und ohne eine 
warme Speise, mit einem Stücke trockenen Brotes und einigen, 
gewöhnlich gefrorenen Aepfeln in der Tasche, diese Schülexcur- 
sion täglich unternehmen müssen, so ist die Schädlichkeit dieses 
Umstandes für die körperliche Entwicklung und Gesundheit die- 
ser armen Geschöpfe leicht zu begreifen. Sieht man im Winter, 
wie es dem Gefertigten bei Bercisungen oft genug vorgekommen 
ist, diese armen Kinder im Schnee waten, so möchte mancher 
glauben, die Kinder der Gebirgsbewohner sind doch sehr abge- 
härtet, um dies Alles ertragen zu können; leider thut man diesen 
Ausspruch nur, weil man diese Kinder mit ihren frischen, von 
der Kälte roth gefärbten Wangen auf den Wegen heiter gehen, 
aber dieselben nicht, oft nach einigen Tagen, in den Gebirgstuben 
in Folge dieser Schädlichkeiten lange krank liegen und sterben 
sieht. — 

Was die Unterkunftsvorbereitungen ftlr den Reisenden auf 
unseren Alpen anbelangt, so ist dieselbe bei uns eine gleiche, wie 
auf dem ganzen A^enzuge vom Schneeberge bis zum Gross- 
glockner, das heisst eine solche, dass man, alle Anforderimgen 
des gewöhnlichen Comforts bei Seite setzend, seine ermüdeten 
Glieder unter einem rauchigen Dache, geschützt vor dem aussen 
oft tobenden Unwetter bergen kann, sonst aber auf jede bequeme 
Behaglichkeit verzichten, und sich mit ^em begnügen muss, was 
man findet; auch kann man zur Restaurirung der Körperkräfte 
Alles jene frei gemessen, was man sich mittragen lässt. Auf dem 
Schneeberge bestehen Baumgartners und Höhbauers Alpenhütten, 



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238 

in denen man primitiv eingerichtete Betten und alpinisch culinare 
Elementarerzeugnisse findet, auf der Rax-Alpe existiren einige 
schmutzig gehaltene rauchige Hütten, in denen man übernachten 
kann, wenn die betreffende Sennin ihre Lagerstätte abzutreten 
sich geneigt findet, und dann der neue Ankömmling von Alpen- 
insekten verschiedener Gattung bewillkommt und die Nacht hin- 
durch als genussreiches Object verwendet wird; auf dem Wechsel 
ist verhältnissmässig noch die beste Unterkunft, da die Kranich- 
berger und Steyersberger Schwaigen ziemlich rein gehaltene 
Alpenwirthschaften vorstellen, in denen man sich bei der Unter- 
kunft behaglicher befindet und nur zu bedauern ist, dass der 
Pächter der Kranichberger Schwaig, Namens Moser und seine 
Frau, schon im vorigen Jahre die Wirthschaft auf dieser Alpe, 
zum Bedauern aller Besucher, aufgegeben hat. 

Die Ursache, weshalb die Wechsel Schwaigen in einem 
besseren Zustande sich befinden , als die Hütten auf den Kalk- 
alpen, liegt in dem dort zu Gebote stehenden Ueberflusse an 
vortrefflichem Quellwasser, welches den Kalkalpen fehlt, und wohl 
als das grösste Hinderniss für eine ordentliche Alpeiiwirthschaft 
anzusehen ist. 

Auf dem Schneeberge ist oberhalb Baumgartners Hütte und 
dem Kuhschneeberge nirgend wo mehr eine Quelle, der ganze 
Rax- Alpenstock hat gar kein Trinkwasser und müssen die dort 
gehaltenen Nutzthiere während der Aufenthaltzeit daselbst durch 
aufgethauten Schnee getränkt und so erhalten werden. 

Die Herbeischaffung dieses Schnees, welchen die Senninen 
aus den Schneegruben in tafelförmigen grossen Stücken aushauen, 
auf die Tragstellen festbinden und so zur Hütte in solcher Menge 
bringen müssen, dass das durch Aufthauen gewonnene Wasser 
zum Tränken des Viehes, zur Abkochung der demselben vorzu- 
schüttenden Nahrungsmittel und zum sonstigen häuslichen Bedarfe 
hinreicht, ist eine der beschwerlichsten Arbeiten, welche dieselben 
Tag für Tag zu verrichten haben. 

Aus der Erwähnung dieses herrschenden Wassermangels 
wird es begreiflich, dass sich auf diesen Alpen eine eingerichtete 
Wirthschafl niemals bewerkstelligen lassen, auch sich nie ein 
Unternehmer finden wird, der eine Gastwirthschafi; zu betreiben 
sich bestimmt finden könnte« Für den Alpenbesucher hat das 



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aufgethaute Schneewasser auch noch den besonderen Nachtheil, 
dass es Magendrücken, Erkältungen und Diarrhöen verursacht, 
demnach zur Befriedigung des Durstes nur sehr vorsichtig, am 
besten mit einigen Tropfen Rum oder Kirschenwasser versetzt, 
gebraucht werden kann. 

Nach einer im Jahre 1865 vorgenommenen Zählung wurden 
auf unsern Alpen 385 Rinder, 560 Schafe und Ziegen und 220 
Schweine den Sommer über erhalten. 

Der Auftrieb der Nutzthiere zu den Alpen erfolgt in der 
Regel Ende Juni oder Anfang Juli, der Abtrieb Ende August 
oder Anfang September, daher die Dauer des Sommerlebens oben 
sich auf 8 — 10 Wochen beschränkt. Während dieser Zeit kommen 
die Sennen in der^Regel nicht zu Thal, da ihnen die Wartung und 
Pflege der Hausthiere anvertraut ist, und dieselben täglich, schon 
vor Anbruch des Tages bis zum Eintritte der Nacht, sehr müh- 
selige und höchst beschwerliche Arbeiten zu verrichten haben, 
wozu namentlich das Aufsuchen der Rinder zur Mittagsmelke, was 
im Freien geschieht, die Herbeischaffung des Schnees, die täg- 
liche Reinigung der Ställe und Thiere^ die Verwerthung der Milch 
zu Butter oder Käse, und noch eine Menge anderer Geschäfte zu 
zählen sind. Bei allen diesen beschwerlichen Verrichtungen, den 
so häufig eintretenden Witterungsimbilden, der nur aus Milch, 
Brot und sonstigen groben Mehlspeisen bestehenden Nahrung ist 
der Gesundheitszustand dieser Menschen ein guter zu nennen und 
gehören Erkrankungen derselben zu den grossen Seltenheiten; 
man findet namentlich auf der Rax-Alpe Senninen, welche seit 
15 und mehr Jahren regelmässig ihr Sommerleben oben verbringen. 

VU Die auf den Alpen vorkommenden Pflanzen. 

Ich gehe nun zur Aufzählung der auf unseren Alpen vor- 
kommenden Pflanzen über, indem ich die Bemerkung beifüge, dass 
in derselben nur die eigentlichen Alpenpflanzen berücksichtiget, 
und solche, die auf den Alpen, gleichzeitig aber auch in den 
Ebenen vorkommen, nicht genannt sind. 

Es sei hier erwähnt, dass unsere Alpen in floristischer Be- 
ziehung ein sehr genau durchforschtes und nach allen Richtungen 
beschriebenes Terrain darstellen, wie es nicht leicht eine zweite 
Region geben dürfte. 



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Seit Clusius, 1573, haben zur Kenntniss der Flora unserer 
Alpen : 

Joachim Burser, Kaspar Bauhin, W. N. Kramer, die 
beiden : Nikolaus und Josef Freiherm von Jacquin, HL J. 
Crantz, Nikolaus H o s t, Josef Schultes, Leopold Trattini k, 
Stefan Endlicher, August Neilreich, F. X. Unger, Eduard 
Fenzl, Johann Zahlbruckner, Georg Dolliner, Friedrich 
Welwitsch, Alois Putterlik, Ludwig E. v. Heufler, Alois 
und Franz Pokorny, W. Heinrich Keichardt, Konstantin v. 
Ettinghausen, Dominik Bilimek, Karl R. v. Enderes. 
Julius Helm, Josef Redtenbacher, Johann Egger, Heinrich 
Schott, Graf Johann Zichy, Franz Hillebrandt, Robert 
Rauscher, Theodor Kotschy, Johann Ortmann, Jacob 
Juratzka, KarlFritschj Bruno Wohlmann, Siegfriad Reis- 
sek, Josef Freiherr v. Leithner, Alexander Skofitz, Julius 
V. Kovats, Karl Meyerhofjer, K.J. Kreutzer, Gustav Lo- 
rin s er, Josef Boos und noch Andere das meiste beigetragen. 
Das südöstliche Schiefergebirge ist trotzdem noch dasjenige 
Terrain, auf welchem in botanischer Beziehung noch manches zu 
leisten, neu festzustellen und aufzuklären wäre. 

Wie bereits erwähnt, besteht a,uf den Alpen für die Vege- 
tation nur eine kurze Zeit, der Frühling mit dem Beginne des 
Juni, und der Somnier im Juli und August, wobei im Juli die 
Vegetation der Alpen ihren Höhenpunkt erreicht, während am 
Rande der schmelzenden Schneefelder eine fortwährende Früh- 
lingsvegetation bemerkbar bleibt Mit Ende August, oder Anfang 
September, erhält durch eintretende Kälte und Schneefälle die 
Vegetation gewöhnlich schon ein frühes Ende. Der Vicedirector 
der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, 
Herr Karl Fritsch, hat ^eine phänologischen Beobachtungen 
auch über den periodischen Wechsel d«r Flora des Schneeberges 
und der Rax-Alpe im Vergleiche zu jenem der Flora von Wien 
ausgedehnt und diese höchst lehrreiche und interessante Arbeit 
im Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines vom Jahre 1865 
pag. 303 veröffentlicht. 

Wir wollen im Folgenden die Region von 4000' bis 6566' 
Höhe, wie sie unsere A Ipen bietet, mit Bezug auf das Vorkommen 
von Pflanzen besuchen, wobei wir bemerken, dass nur die höch- 



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sten Spitzen der, Kalkgebirge und des Wechsel, sich über eine 
Höhe von 5000' und sonach in die eigentliche alpine Region er- 
hoben. In der Höhe zwischen 5000' und 6000' hört der freie 
Wuchs der Coniferen auf, dieselben werden verkrüppelte Ge- 
sträuche und räumen dem BLrummholze den Platz. In der Höhe 
von 6000' verschwindet auch dieses, und am Boden fortkriechende 
niedergedrückte G-esträuche stellen den Holzwuchs dar. Der bunte 
Grasteppich der Alpenwiesen ist längst verschwunden, nacktes 
Felsengestein wird der Standort der Gewächse und nur wo die 
Schneefelder schmelzen, bedecken in dieser Höhe grünende blü- 
hende Stellen von sehr geringer Ausdehnung den Boden. 

Auf unseren Alpen, welche in ihrer Erhebung die Schnee- 
grenze, die beiläufig etwas über 8000' situirt wäre, nirgends er- 
reichen, besteht zwischen der Flora des Krummholzes und der, der 
höchsten Spitzen kein Unterschied. 

Es kommen nachfolgende Pflanzen vor: 

Polypodiaceen. 

1. Polipodium alpestre Hop^pe, „Voralpen-Tüpfelfam" 
auf dem Kuhschneeberg, im Scheibwald, auf der hohen Lehne der 
Baxalpe. 

2. Aspidium LonchitiS Sw., „LanzenfÖrmiger Schild- 
farn. ^ Auf buschigen Plätzen in der Kmmmholzregion, manchmal durch 
Felsenschutt in subalpine Thäler hinabgeführt. 

Die Blätter dieser Pflanze werden unter dem Namen „grosses 
Milzkraut" von den Alpenbewohnern bei wiederkehrendem Milzstechen 
als Heilpflanze benützt. 

3. CystopteriS montana Link, ^B e r g-B lasenfam." Im Sau- 
graben und in den Wäldern des Alpls am Schneeberge, auf dein Kuh. 
schneeberge bei der Höhbauerhütte, auf der Baxalpe am Schlangenwege 
und bei der Lichtensteghütten. 

4. SCOlopendrium Officinarum Sw., „Gemeine Hirschzunge.** 
Bei dem Kaiserbrunnen im Krumbachgraben aufwärts in Menge, auf dem 
Grünschacher der Baxalpe, dient als Volksmittel bei. chronischem Husten 
und Diarrhoen, auch als Wundmittel ist die Pflanze gebräuchlich. 

5. Blechnum Spicant Roth^ „Gemeiner Bippen farn." Das 
angebliche Vorkommen dieser Pflanze in der Prein und auf dem Kuh- 

16 



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242 

Bcbneeberge erscheint zweifelhaft; dagegen wächst die Pflanze im Thale 
der Wechsel-Klause oberhalb Mariensee ziemlich häufig; ich fand sie 
einmal bei einem Wurzelgräber in grosser Menge, welcher sie mit dem 
Namen ^kleines Milzkraut^ benannte und mich belehrte^ dass er mit 
einer Abkochung dieser Pflanze bei Milz- und Leberverhärtungen, „wo 
kein Doctor mehr helfen konnte,^ Wunder gewirkt habe. 

Lycopodiaceen. 

6. LyCOpodium SelagO £., „Tannenblättriger Bärlapp.** 
An mehreren Stellen der Kalk- und Schieferalpen, auf dem hohen Um- 
schuss des Wechsel, auf der Heukuppe der Bax. 

Die Pflanze gilt bei den Alpenbewohnem als ein drastisches, bre- 
chenerregendes und wurmwidriges Mittel. Kinder erhalten die Abkochung 
mit der gleichen Menge Honig vermischt. Der Geschmack dieser Pflanze 
ist bitter, und hinterlässt ein starkes Zusammenziehen im Schlünde. 

7. LyCOpodium alpinum L., „Alpen-Bärlapp.^ Kommt auf 
den Kalkalpen selten vor und wurde häufiger bisher nur auf dem Wech- 
sel gefunden. 

8. Selaginella spinulosa A. Braun, „Gezähnelter Moos- 
farn.^ Gemein auf allen Kalk- und Schieferalpen. 

Gramineen. 

9. Phleum Michelii AUion, „Michelis Linschgras.^ Ver- 
einzelt auf allen Alpen. 

10. Phleum alpinum L., ^Alpen-Linschgras.^ In der Nähe 
der Schwaighütten auf den Kalk- und Schieferalpen. 

11. AgrOStis alpina Scop,, „Alpen-Wlndhalm.^ Auf allen 
Kalk- und Schieferalpen gemein. 

12. AgrOStiS rupestris AUion, ^Felsen-Windhalm.^ Mehr' 
vereinzelt, aber auf allen Alpen vorkommend. 

13. Avena CaespItOSa Grtessel, „Rosiger Hafer.^ 

f. alpina. 
Auf den Kalk- und Schieferalpen. 

14. Avena flavescens Gaud.y „Gelblicher Hafer." 

ß. alpestris. 
In der Krummholzregion aller Kalkalpen. 



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15. Avena distichOphylla Fe?;., „Fächerblättriger Hafer." 
Eine der eeltenen Alpenpflanzen, als deren Standorte nur die Abstürze 
der hohen Lehne gegen das Geisloch und die Schutt der Griesleiten auf 
der Kaxalpe bekannt sind. 

16. Avena SempervirenS Vül, „immergrüner Hafer." Bis- 
her nur auf den Kalkalpen beobachtet, und zwar im Saugraben, auf der 
Heu- und Kuhplagge des Schneeberges, auf dem Grünschacher, der Heu- 
kuppe und der Eishüttenalpe der Bax. 

17. Poa alpina L., „Alpen-Rispengras". 

ß. genuina. 
Die gemeinste Grasart auf den Kalkalpen. 

Y« supina. 
Am schmelzenden Schnee auf dem Ochsenboden des Schneeberges, 
dann auf dem Plateau der Rax. 

18. Poa Cenisia AUion, „Zweizeiliges Rispengras." Bis- 
her nur auf der Raxalpe, und zwar auf der Schutt der Griesleiten beob- 
achtet. 

19. FestUCa OVina i., „Schaf-Schwingel." 

ß. alpina. 
Ein auf den Alpen sehr verbreitetes Gras. 

20. FestUCa Varia Hanke, „Bunter Schwingel." Im Sau- 
graben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf der Heukuppe 
und der hohen Lehne der Rax. 

21. FestUCa ScheuChzeri Oaud,, „Scheuchzers Schwingel." 
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf dem Wet- 
terkogelsteig und bei den Eishütten der Rax. 

Cyperaceen. 

22. Carex rupestris Älhm, „Felsen- Segge." Sehr selten 
vorkommend, bisher nur im Saugraben des Schneeberges und auf den 
Abstürzen der Raxalpe gegen das Raxenthal. 

23. Carex mucronata AUwn, „stachelspitzige Segge." 
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf der Heu- 
kuppe, hohen Lehne, Eishüttenalpe und auf der Griesleiten der Rax. 

24. Carex atrata L., „Schwarze Segge." Sehr verbreitet 
auf allen Kalkalpen. 

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25. Carex ferruginea Scop., „Rostfarbene Segge.** Am 
Wassersteig und im Saugraben des Schneeberges, auf dem Grünschacber 
und im Geflötz der Kax. 

26. Carex tenuis Host, „Feinblättrige Segge." Auf dem 
Wassersteig des Schneeberges, auf der Griesleiten und im G^flötz der 
Bazalpe. 

27. Carex Sempervirens ViH,, „immergrüne Segge." In 
dichten Eosen oft weite Strecken der Alpen überziehend, z. B. auf der 
Heuplagge des Schneeberges. 

28. Carex capillariS L., „Haar stielige Segge." Allgemein 
verbreitet auf dem Schneeberge und der Eaxalpe. 

29. Carex firma Äosf., „steifblättrige Segge." Auf allen 
Alpen die am häufigsten vorkommende Art dieser Gattung. 

Juncaceen. 

30. LuZUla Spadicea JJC, „Braunblütige Hainsimse." Im 
Saugraben, auf der Heuplagge, dem Ochsenboden des Schneeberges, auf 
dem Schlangenwege der Heukuppe, hohen Lehne und dem Kloben der 
Razalpe. 

31. LuZUla CampestriS DC, „Gemeine Hainsimse." 

Y» congesta. 

Im Saugraben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf 
dem Schlangenweg, der hohen Lehne und dem Wetterkogel der Rax. 

Der Wurzelstock der Hainsimsen, namentlich der weissblütigen, 
Luznla Alhida DC., wird von den Alpenbewohnem in saturirter Abko- 
chung gegen Gries und Steinbeschwerden angewendet. 

32. JunCUS Jacqulni L,, „Jacquins- Simse." Eine seltene 
Pflanze, welche bisher nur auf dem Ochsenboden des Schneeberges in 
seinen Abstürzen gegen den Saugraben und die Bockgrube beobachtet 
wurde. 

33. JunCUS trifidUS L,, „Dreispaltige Simse." Allgemein 
verbreitet auf allen Kalk- und Schieferalpen. 

Auch die Wurzeltheile der Simsen werden von den Alpenbewoh- 
nem als harntreibendes Mittel, so wie gegen Gries und Steinbeschwerden 
verwendet. 



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Melanthaeeen. 

34. Jofjeldia CalyCUlata Wahlh., „KelchblütligeTofjeldie.^ 

ß. minor.] 
Auf Felsen der höchsten Alpengipfel des Schneeberges und der Rax. 

35. Veratrum album i., „Weisser Gerber.« 

ß. virescens. 

Vereinzelt auf den Kalkalpen, wie auf der Kuhplagge des Schnee- 
berges und auf der Eishüttenalpe der Rax. 

Der Wurzelstock wird von den Alpenbewohnem als weisse Niess- 
wurz bei Wassersuchten und Stockungen^ im Unterleibe verwendet; das 
getrocknete Pulver desselben erregt heftiges Niessen. 

Orchideen. 

36. OrchiS Spitzeln Saut, „Spitzels Knabenkraut.^ Diese 
seltene Pflanze wurde bisher nur auf den Abstürzen des Ochsenbodens 
zwischen dem Saugraben und der Bockgrube, auf dem Schneeberge 
beobachtet. 

37. Gymnadenia albida 22ec^., ^WeisslichblühendeNackt- 
drüse.^ Allgemein verbreitet auf den Kalk- und Schieferalpen. 

38. Gymnadenia odoratiSSima Rieh., „Wohlriechende Nackt- 
drüse. ^ Vereinzelt im Saugraben und auf der Heuplagge des Schnee- 
berges, auf dem Grünschacher und im Geflötz der Rax. 

39. Nigritella angustifolia RicK „SchmaibiättrigesKohi- 

r ÖS eben." Auf der Heuplagge und dem Ochsenboden des Schneeberges, 
auf dem Grünschacher, im GeflÖtz der Bax, auf der Maumau- und Boden- 
wiese. 

40. Nigritella SUaveolenS Koch, „Wohlriechendes Kohl- 
röschen." Auf der Raxalpe und der Maumauwiese. 

41. ChamOrchlS alpina Richy „Alpen-Zwerg-Orche." Auf 
dem Kaiserstein und Alpengipfel des Schneeberges, auf dem Wetterkogel, 
der hohen L^hne und Heukuppe der Rax. 

Coiiiferen. 

42.- PinuS INughuS Scop,j „Zwerg-Föhre." Das Krumm- oder 
Knieholz der Alpen, auch Zerben und Locken genannt, allgemein auf 
den Kalkalpen verbreitet, auf den Schieferalpen aber gänzlich fehlend. 



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Salicineen. 

43. Salix glabra Scop,^ „Glanzblättrige Weide." Auf dem 
Kuhschneeberge, bei der Höhbauerhütte, auf dem Schlangenwege und der 
Schutt der Grriesleiten der Rax. 

44. Salix grandifolia Ser,y „Grossblättrige Weide." Auf 
den Voralpen die am häufigsten vorkommende Art dieser Gattung, bis in 
die Krummholzregion. 

45. Salix arbUSCUla /^., „Bäumchen artige Weide." Im Sau- 
graben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf dem Grünscha- 
cher, der hohen Lehne und Heukuppe der Rax. 

46. Salix myrsiniteS />., „Myrthenblättrige Weide." Auf 
allen Kalkalpen weit verbreitet und oft weite Strecken rasenformig über- 
ziehend. 

47. Salix retiCUlata Z/., „Netzadrige Weide." Die zierlichste 
der Alpenweiden, welche auf allen Kalkalpen sehr häufig vorkommt. 

48. Salix retUSa L., „Gestutztblättrige Weide." Formirt 
auf den Kalkalpen überallvorkonmiende, ausgebreitete Rosen. 

49. Salix herbacea i., „Krautige Weide." Diese Pflanze 
wurde bisher nur auf den letzten Erhebungen des Schneeberges beob- 
achtet. 

Poligoneen. 

50. RumeX alpinUS i., „Alpen-Ampfer." Auf den Kalk- und 
Schieferalpen allgemein verbreitet, besonders in der Nähe der Schwaig- 
hütten. 

51. RumeX AcetOSa />., „Gemeiner Ampfer." 

ß. arifolius. 
Auf allen Voralpen und Alpen. 

52. Polygonum Bistorta i., „Nattem-Knöterich." Auf 
allen Voralpen biß in die Gegend des Krummholzes. 

Diese Pflanze mit ihren schönen rothen Blumenähren, hat eine 
dicke rothbraune Wurzel, welche geruchlos ist, aber stark zusammen- 
ziehend schmeckt, Gerbstoff, Gallussäure, Sauerkleesäure und Stärkmehl 
enthält und von den Alpenbewohnern als ein kräftig wirkendes, adstrin- 
girendes Mittel gekannt, häufig gesammelt und verwendet ist. 



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53. Potigmiuni Viviparum /^.^ „Spitakeimendcr Knöterich." 
Auf allen Kalkalpen in der Krummholzregion verbreitet, auch in aub- 
lüpine Gegenden herabsteigend, wie auf die Maumau- und Bodenwiese. 

Plumbagiueen. 

54. Armeria alpina Wüld,j „Alpen-Grasnelke.^ Auf allen 
Kalkalpen in und oberhalb der Krummholzregion weit verbreitet. 

Die Pflanze ist bei den Alpenbewohnem gegen Diarrhoen, starke 
Menstruation und als adstringirendes Gurgelwasser in einem Rufe. 

Valerianeen. 

55. Valeriana SaxatiliS i., „st ein -Baldrian." Auf allen 
Kalkvoralpen verbreite 

Die Wurzel dieser Pflanze hat einen sehr starken Geruch und 
ein^n bitteren scharfen Geschmack, wird von den Alpenbewohnem als 
krampfwidriges, schweiss- und harntreibendes Heilmittel angewendet. 

56. Valeriana elongata Jacq., „VerJängerter Baldrian." 
Diese seltene Pflanze kommt im Saugraben und auf dem Kaiserstein des 
Schneeberges, auf den Abstürzen der hohen Lehne gegen das Gaisloch, 
und in einer Schlucht von den Lichtensteghütten zum Wetterkogel auf 
der Baxalpe, am letzteren Orte häufig vor. 

Compositen. 

57. AdenOStyleS alpina />o;/., „Alpen-Drüsengriffel." Eine 
ansehnlich schöne Pflanze mit rosenrothen, trugdoldig stehenden grossen 
Blüten; auf den Voralpen und Alpen. 

Das Kraut wird von den Alpenbewohnem als Blätterthee gegen 
chronischen Husten gebraucht. 

58. Homogyne disCOlor Cass,, „Zweifarbiger Alpenlat- 
tig." Truppenweise auf feuchten Stellen der Kalkalpen. 

59. Homogine alpina (7a89., „Gemeiner-Alpenlattlg." Häu- 
fig auf den Triften der Kalk- und Schieferalpen. 

60.' Aster alpinUS L., „Alpen-Aster." Ueberäll auf den Kalk- 
alpen des Schneeberges und der Baz. 

61. Bellidiastrum Michelii Cass., „Gemeine Stemliebe." 
Auf Kalk- und Schieferalpen, so wie den Voralpen allgemein verbreitet. 



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62. Erigeron alpinum i., „Alpen-Berufungkraut." Auf 
allen Kalkalpen. 

63. Achillea Clavenae L., „Bittere Schafgarbe.^ Sehr häu- 
fig auf allen Kalkalpen. 

64. Achillea atrata 2^., „Schwarzkelchige Schafgarbe." 
Auf den hohem Regionen der Kalkalpen. 

Diese Pflanze ist bei den Alpenbewohnem als ein kräftig stimu- 
lirendes und tonisches Heilmittel geschätzt. Dieselbe macht auch das 
hauptsächlichste Ingredienz des sogenannten Schweizerthees aus. 

65. Tanacetum LeUCanthemum Schultz, „Weisser Ronifam." 

ß. alpinum. 
In der Krummholzregion der Kalkalpen weit verbreitet. 

66. Gnaphalium Leontopodium I., „sternförmiges Röhr- 
kraut." Das bekannte Edel weiss der Alpenbewohner und von ihnen 
als Hutzierde sehr geschätzt. Auf der Heu- und Kuhplagge und dem 

. Waxriegel des Schneeberges, auf dem Jakobskogel, der Eishütten- Alpe, 
der hohen Lehne und der* Heukuppe der Rax. Schöne Exemplare dieser 
Art, muss man auf den weit abseits liegenden Felsen suchen. 

67. Gnaphalium SilvatiCUm L., „Wald- Ruhrkraut" 

Y. alpinum. 
Auf den letzten Erhebungen des Schneeberges und der Rax. 

68. Gnaphalium SUpinum i., „Niedrigel-Ruhrkraut." Auf 
den Kalk- und Schiefer- Alpen , auf dem Ochsenboden des Schneeberges, 
dem Grünschacher, Wetterkogel, der Heukuppe der Rax und auch auf 
den höheren Kuppen des Wechsel. 

69. AroniCUm ClUSii Koch, „Schmalblättriges Schwin- 
delkraut.'' Weit verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen 

Der Wurzelstock ist bitter, mit einem scharfen etwas pfefferartigen 
Geschmack. 

70. DoroniCUm aUStrlaCUm Jacq., „Oester reichische Gems- 
wurz." Auf dem Schneeberge, der Raxalpe und dem Wechsel. 

Die Wurzel dieser Pflanze hat ähnliche Eigenschaften, wie die 
Amica, und wird deren Abkochung von den Alpenbewohnem für ein 
Gegenmittel wider den Biss der auf den Alpen lebenden giftigen Kreuz- 
otter gehalten. 



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71. SeneciO abrotanifolius L.y „Stabwnrsblättriges Kreuz- 
kraut.^ Im Felsenschutte aller Kalkalpen. 

72. SeneciO alplnUS Koch, „Alpen-Kreuzkraut^ Auf allen 
Kalk- und Schieferalpen. 

73. Centaurea montana L., „Berg-Piockenbiume." 

a. viridis. 
In Schluchten der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der 
Alpen überall verbreitet 

74. Carduus PerSOnata «/ac^., „Klettenartige Distel.^ Im 
Saugraben und auf der Kuhplagge des Schneeberges, dann auf dem 
Kuhschneeberge. 

75. Cirsium ErisithaleS 8cop,y „Klebrige Kratzdistel." 
Auf den Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen überall 
verbreitet 

76. SaUSSUrea diSCOlor DC.y „Zweifarbige Saussurie"^. 
Im Saugraben auf dem Luxboden und Waxriegel des Schneeberges, auf 
dem Grrünschacher, Wetterkogel, auf der hohen Lehne und Eishütten- 
alpe der Rax. 

77- SaUSSUrea pygmaea Sprengel, „Z wVr g-S a u s s u r i e." Auf 
dem Waxriegel des Schneeberges, auf dem Plateau des Grrünschacher,'.an 
den Felswänden zwischen der Eishütten und Lichtenstegalpe, auf dem 
Wetterkogel und der hohen Lehne der Rax. 

78. Leontodon taraxaci Loisch, „Schwarzköpfiger Lö- 
wenzahn." Im Saugraben, auf dem Ochsenboden, Kaiserstein und 
Alpengipfel des Schneeberges, auf der hohen Lehne und der Heukuppe 
der Rax. 

79. Leontodon pyrenaiCUS Gouan., „Pyrenäischer Löwen- 
zahn." Eine seltene Pflanze, die vereinzelt auf den Kalk- und Schiefer- 
alpen vorkommt 

80. TaraxaCUm Ofllcinale Wigg., „Officinelles Pfaffen- 
röslein." 

ß. a 1 p i n u m. 
Auf den hohen Alpentriften allgemein verbreitet 

81. Willemetia apargioides Lese., „Löwenzahnartige Wil- 
lemetie." Im Saugraben deö Schneeberges, auf dem Plateau de» Kuh- 
schneeberges; auf der Griesleiten und dem Geflötz der Rax. 



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82. Mlrigedium alpiniim Less., „Alpen-Milchkraut" Auf 
den Voralpen und Alpen der Kalk* und Schieferzone. 

83. CrepiS aurea Ca88.y „Saffranfarbener Pippau.^ Auf 
den Triften der Kalkalpen und Yoralpen verbreitet. 

84. CrepiS blattarioides Villj „Schabenkrautblättrlger 
Pippau." Auf dem Alpl, im Saugraben und in dor Bockgrube des 
Scbneeberges , auf dem Kubschneeberge, auf dem Gränschachcr, im Gre- 
flötz und auf der Heukuppe der Bax. 

85. CrepiS SUCCisaefoiia Taibsch, „Abbissblättriger Pip- 
pau." Auf dem Wassersteig der Heu- und Kuhplagge und dem Wax- 
riegel des Schneeberges, auf der Griesleiten und im Geflötz der Bax. 

86. CrepiS Jacquini Tausch y „Jacquins Pippau." Auf dem 
Schnfeebergc und. der Baxalpe allgemein verbreitet. 

87. Hieracium VillOSUm Jac^., „Zottiges Habichtskraut." 
Auf allen Kalkvoralpen und Alpen verbreitet. 

88. Hieracimn alpinum i^., „Alpen-Habichtskraut." Wurde 
bisher nur auf den Schieferalpen des Wechsel beobachtet, ist aber dort 
sehr verbreitet. 

89. Hieracium prenanthoides VilL, „Hascniattigartiges 

Habichtskraut." Eine seltene Pflanze, die bisher nur auf dem Schnee- 
berge an einigen Stellen, wie auf dem Waxriegel im Saugraben und 
auf der Heuplagge beobachtet wurde. 

Campanulaceen. 

90. Campanulla pulla L., „Dunkelblaue Glockenblume." 
Im Felsenschutte der Kalkalpen allgemein verbreitet. 

91. Campanula rotundifolia L., „Rundblätterige Glocken- 
blume." 

a. pusilla. 
Im Felsenschutte der Kalkalpen und Vorälpen allgemein verbreitet 

ß. grandiflora. 
Gemein auf den Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der 
Alpen. 

92. Campanula thyrSOidea //., „StraussbUttrige Glocken- 
blume." Auf dem Grünschacher , im Geflötz und auf der Schutt der 
Griesleiten auf der Bax, auch auf der Boden wiese des Gahns. 



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251 

93. Campanula alpina L., „Alpen -Glockenblume.^ Auf 
den letzten Erhebungen aller Kalkalpen verbreitet. 

Bubineeeii. 

94. Asperula Cynanchica L.^ „Gemeiner Waldmeister.^ 

ß. alpina. 
Im Saugraben des Schneeberges und auf der Schutt der Gries- 
leiten der Rax, sonst kein Standort bekannt. 

Lonicereen. 

95. Lonicera nigra L,y „Schwarze Heckenkirsche.^^ Auf 
den Schiefer- und Kalkvoralpen. 

96. Lonicera aipigena L., „Voralpen-Heckenklrsche.^ 
Auf allen Abstürzen der Kalkvoralpen verbreitet. 

Geuti^naceen^ 

97. Gentiana pannonica Scop., „Ungarischer Enzian." 
Auf dem Schneeberge, der Raxalpe und dem Wechsel, eine grosse Pflanze 
mit prachtvoller Blüte, deren Wurzel als rothe Enzianwurzel bei den 
Alpenbewohnem gegen verschiedene Krankheiten der Menschen und 
Thiere gebräuchlich ist und viel gegraben wird, sie dient auch zur Be- 
reitung des Enzianbranntweines, wird bei Gicht, Wechselfieber und 
Schwäche der Verdauung angewendet. 

98. Gentiana aSCiepiadea L., „Schwalbenwurzartiger 
Enzian." Auf Schiefer- und Kalkvoralpen, auf diesen dann hinauf bis 
in die Krummholzregion sehr verbreitet. 

99. Gentiana pumiia Jacq,^ „Niedriger Enzian." Auf den 
letzten Erhebungen des Schneeberges und der Raxalpe häufig. 

100. Gentiana UtriCUlOSa L., „Bauchiger Enzian." Bisher 
nur auf dem Wetterkogelsteig der Raxalpe beobachtet. 

101. Gentiana nivalis L., „Schnee^Enzian." Auf den hohen 
Triften der Kalkalpen zwar überall aber mehr vereinzelt. 

Labiaten. 

102. Betonica AlopeCUrUS L-, „W eissgelbe Betonie." 
Allgemein verbreitet in der Krummholzregion der Kalkalpen. 

Die Wurzel, Blätter und Blüten dieser Pflanze werden von den 



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252 

Alpenbewohnem gegen VerBchleimnngen und gichtisclie Leiden angewen- 
dety das Kraut schmeckt bitterlich herbe und riecht schwach gewürzhaft 

103. Ajuga pyramidalis £., „Pyramidenförmiger Günsel." 
Bisher nur auf den Schieferalpen des Wechsel beobachtet. 

Globularieeu. 

104. Globularia nudicauliS L, „NacktstengUge Kugelblume." 
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, dann auf dem 
Grrünschacher der Bax. 

Scrofulariaceen* 

105. Linaria alpina Mill, „Alpen-Leinkraut." Im Felsen- 
schutte aller Kalkalpen und Voralpen allgemein verbreitet 

106. Veronica apliyiial/., „Kurzstengliger Ehrenpreis." 
In der Krummholzregion der Kalkalpen allgemein verbreitet. 

107. Veronica alpina L., „Alpen -Ehrenpreis." Auf den 
Triften der Kalkalpen in und oberhalb der Krummholzregion, am häufig- 
sten am schmelzenden Schnee. 

108. Veronica frutiCUlOSa Zi., „Halbstrauchiger Ehren- 
preis." Im Felsenschutte der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion 
der Alpen. 

109. Bartsia alpina L., ,,Alpen-Bartsie." Im Felsenschutte 
der Kalkalpen und Voralpen allgemein verbreitet. 

110. PediCUlariS Jacquini Kochy „Jacquins Läusekraut" 
In der Krummholzregion der Kalkalpen überall verbreitet 

111. PediCUlariS PortenSChlagii Saut, ,,Portenschlags Läuse- 
kraut." Auf den Abstürzen des Ochsenbodens gegen die Bockgrube, 
auf dem Grünschacher, der Eishüttenalpe und der Heukuppe der Rax. 

112. PediCUlariS incarnata Jac^., „Fleischfarbenes Lause- 
kraut" Auf der Heu- und Kuhplagge, im Saugraben und der Bock- 
grube des Schneeberges, auf dem Wetterkogel, Schlangenweg und auf 
der Heukuppe der Rax. 

113. PedicularlS reCUtita L,, ,,Trübrothes Läusekraut" 
Auf dem Plateau des Kuhschneeberges, auf dem Grünschacher und im 
Gaisloch der Rax. 

114. PediculariS rOSea Wulf, „Rosenrothes Läusekraut" 



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263 

Auf dem Waxriegel, Ochsenboden, Kaiserstein und Alpengipfel des Schnee- 
berges. 

115. PediCUlaris Verticillata Z., „Quirliges Läusekraut" 
Gemein im Felsenschutte aller Kalkalpen. 

116. PediCUlariS foliOSa L, „Belchblättriges Läusekraut" 
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf dem Kuh- 
schneeberge, auf der Schutt der G-riesleiten und auf der südlichen Ab- 
dachtmg der Raz. 

Alle Arten dieser Gattung besitzen viel Schärfe, riechen unange- 
nehm und schmecken sehr scharf, welches wohl die Ursache ist, dass 
dieselben von dem Viehe nicht abgeweidet werden, da es die Pflanzen 
verschmäht 

Nach der mitgetheilten Erfahrung der Aelpler verursacht das Fres- 
sen der frischen Pflanze bei den Bindern und Schafen Entzündungen 
des Darmkanals und Bluthamen, und sollen diese Pflanzen nur für die 
Ziegen unschädlich sein. Die Abkochung dieser Pflanzen wird von den 
Alpenbewohnem zur Tödtung des Kopfungeziefers mit Erfolg angewendet. 

117. RhinanthUS alpinUS Baumg., „Alpen-Klappertopf." 
An felsigen Stellen der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion, auch 
auf den Schieferalpen. 

118. ToZZia alpina L.y „Alpen-Tozzia." An den Abfällen 
des Waxriegels gegen die Kuhplagge und im Saugraben, so wie auf der 
Heuplagge des Schneeberges, dann auf dem Plateau des Kuhschneeberges. 

Utrieularieen« 

119. PinguiCUla alpina L.^ ^Alpen-Fettkraut" An waldigen 
Stellen der Voralpen Ws in die Krummholzregion der Alpen. 

Die Blätter dieser Pflanze besitzen die Eigenschaft, die Milch 
sehr dick und wohlschmeckend zu machen; es werden zu diesem Zwecke 
einige frische Blätter des Alpenfettkrautes auf das Milchseihtuch gelegt, 
die frisch gemolkene, warme Milch wird darüber durchgeseiht und bleibt 
dann 1 — 2 Tage ruhig stehen, bis sie säuert; dadurch erlangt diese 
Milch eine weit grössere Zähigkeit und Dichtigkeit und die Molke son- 
dert sich nicht ab. Von der so bereiteten Milch braucht man zu anderer 
Milch nur einen halben Löffel hinzuzugeben, um ihr gleiche Eigenschaften 
mitzutheilen. 



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254 



Priniulaceen. 

120. AndrOSace Chamaejasme Host, „Haariger Manns- 
schild.^ In der Krummholzregion der Kalkalpen und auf den Voralpen 
allgemein verbreitet. 

121. AndrOSaCe Obtusifolia ^7/2077. „Flaumiger Mannsschild.^ 
Eine auf unseren Kalkalpen selten vorkommende Pflanze^ die nur ver- 
einzelt im Saugraben, auf dem Ochsenboden, Kaiserstein und Alpengipfel 
des Schneeberges, dann auf dem Schlangenwege und der Heukuppe der 
Raxalpe beobachtet wurde. 

122. AndrOSaCe laCtea L,, „Milchweisser Mannsschild.^ 
Auf allen Kalkalpen und deren Voralpen allgemein verbreitet. 

123. Primula Clusiana Tausch, „Rothe Primel." Mit ihren 
dunkelgrünen, glänzenden Blättern und hell purpurrothen Blumen eine 
der schönsten Alpenpflanzen und eine wahre Zierde der Alpenflora. Im 
Felsenschutte aller Kalkalpen und besonders am schmelzenden Schnee all- 
gemein verbreitet, und mit der nachfolgenden eine der am frühesten 
zur Blüte kommenden Alpenblumen. 

124. Primula auriCUla X., „Aurikel." Obwohl diese Pflanze 
auch auf niedriger gelegenen Felsen vorkommt, auf den Alpen aber bis 
zu 6000' hoch blüht, von den Alpenbewohnem „Peter Gstamm" genannt 
und von ihnen mit Kraut und Blüten als Thee gegen Husten und 
Seliwindsucht, so wie zur Stärkung des Kopfes gegen Schwindel häufig 
verwendet wird, so glaubte ich dieselbe doch unter die Alpenpflanzen 
aufnehmen zu sollen. 

12n. Primula minima L.y Kleinste Primel." Auf dem Schnee 
berge, besonders in der Nähe der Schneefelder sehr häufig, auf der Rax- 
alpe sehr selten. 

126. CortUSa Matthioli L., „Mattiolis Cortuse." Wurde 
bisher nur auf der Höhe des Scheibwaldes der Raxalpe gefunden. Man 
schreibt dieser Pflanze besondere Heilkräfte, bei Gliederschwäche, Krank- 
heiten der G-elenke, wie auch gegen Nieren und Blasensteine zu. 

127. Soldanella alpina //., ^Gemeines Alpen-Glöckchen." 
ß. minor. 

Auf den Kalk- und Schiefer-Alpen am schmelzenden Schnee all- 
gemein verbreitet. 



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255 

128« SolfbaeUa pusttia Baumg.y „Nledrigea Alpe^glöi^k- 
(ßhen." Auf allen Kalkten in der Nahe der Schneefeldef. i 

129. Soldanella mmiina Hoppes „Kleinste» Alpenglöekclien.'' 
Noch häufiger als die vorige an denselben Standorten der iKalkalpen. 

Das Kraut aller Arten dieser Gattung ist beiden Alpenbewohnem 
wegen seiner gelind purgirenden Eigenschaften bekannt. 

Ericaceeu. 

130. Azalea prOCUmbenS L^ „Liegende Azalea.^^ Auf .den 
Triften aller Kalk- und Schieferalpen mit ihren zierlichen rothen Bösen 
oft weite Strecken, polsterformig überziehend. Die Pflanze enthält xiarko- 
tisch scharfe Stoffe. 

131. Rhododendron ferruglneum L,, „Rostfarbene Alpen- 
rose.^ Auf den Kalk- und Schieferalpen, hier selten. Auf dem oberen 
Ochsenboden des Schneeberges und auf dessen Abdachung gegen den 
Kuhschneeberg, auf dem Grünschacher, Kloben, hohen Lehne, Eishütten- 
Alpe, dann am Fusse der Heukuppe in der Nahe der Lichtensteghütten, 
auf dem Wechsel gegen den Pfaffen zu. Blüht immer früher als die 
folgende Art, die Blumensaat rosenroth, die Blätter unterseits zimmtbraun. 

Von diesem Alpenstrauche, der wie die folgenden narkotisch scharfe 
Stoffe enthält, werden die Blätter in Abkochung als ein zuverlässiges 
Mittel bei ^teinbeschwerden, und im Aufgüsse von fettem Gele über die 
jungen Knospen als ein äusserliches Heilmittel bei Gliederreissen und zur 
Heilung von Geschwüren von den Alpenbewohnem benützt, und die 
Pflanze deshalb häufig gesammelt 

132. Rhododendron hIrSUtum Z^., „Ge wimp er te Alpenrose.^ 
Nur auf den Kalkalpen und den höheren Voralpen überall gesellschaft- 
lich und allgemein verbreitet, auf den Alpen eine der schönsten Land- 
sehaftspflanzen, die mit ihren lang gestielten rosenrothen Doldentrauben, 
im Stadium der vollen Blüte, und oft ausgedehnte Gebüsche bildend, 
einen prachtvollen Anblick gewährt. 

133. Rhododendron Chamaecistus £., „Zwerg-Aipenrose.^ 

Ein niedergestreckter Strauch mit aufsteigenden Aesten, der mit seinen 
hellrosenfarbenen grossen Blüten und purpurschwarzen Antheren im Blüte- 
Stadium sehr auffällig und über den Felsenschutt aller ELalkalpen bis 
unter die Grenie des Krummholzes herab weit verbreitet ist. 

134. ArCtOataphylOS aipma 8po,j „Alpen -Bärentraube.*^ 



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256 

Die reifen Steinfrüchte im ersten Jahre grfin, dann roth, erst im näch- 
sten Frühjahre reifend, und dann blauschwarz. An buschigen Stdlen 
der Kalkalpen und Yoralpen überall verbreitet. 

135. ArctOStaphylOS OfTicinaliS W. & E.y „Gemeine Bären- 
traube.^ Auf Kalk und Schiefer der Yoralpen bis in die Krummholz- 
region der Alpen in dicht ausgebreiteten Basön. Die Blumenkrone klein, 
wachsartig, rosenfarben oder weiss, die Steinfrüchte scharlachroth schon 
im ersten Jahre reifend. 

Die Blätter dieser beiden Arten sind geruchlos, schmecken aber 
zusammenziehend bitter und wird deren Abkochung bei Blasen- und 
Nierenleiden, so wie bei atonischer Diarrhoe von den Alpenbewohnem 
benützt. 

Umbellifereu* 

136. Pimpineila Saxifraga I/., ;,aemeine Biebemell.^ 
S. alpestris. 

Allgemein verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen und der an- 
grenzenden Voralpen. Die Pflanze enthält ein blassgelbes ätherisches 
Oel und einen doppelten £xtractivstoff, wird von den Alpenbewohnem 
als ein bekanntes Mittel bei veralteten Catarrhen und Asthma ange- 
wendet. 

137. Athamanta cretenais L., „Aipen-Augenwurz.^ 

a. minor. 
In der höheren Kalkalpenregipn allgemdn verbreitet Die ganze 
Pflanze, und besonders die Früchte besitzen einen sehr angenehm ge- 
würzhaffcen Geruch und Geschmack und w^r^en von den Alpenbewohnem 
als magenstärkendes und hustenlösendes Arzneimittel angewendet und 
diese Pflanze sehr häuflg gesammelt 

138. Meum atiiamantiCUin Jacq., ^H aar buttrige Bären- 
wurz.^ Die ganze Pflanze, besonders aber die Wurzel hat einen star- 
ken durchdringenden Fenchelgeruch, findet sich auf allen Kalkalpen, be- 
sonders in der Krummholzregion, häufig. 

139. Meum Mutellina Oartn., ^Alpen-Bärenwurz.^ Auf den 
hohen Triften der Kalkalpen allgemein verbreitet. Auch die Wurzel 
dieser Pflanze riecht stark gewürzhaft balsamisch und schmeckt scharf. 
Beide Arten .dienen zur Bereitung des Alpenkräuterliqueurs und werden 
als magenstärkendes Bfittel sehr häufig angewendet. 



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257 

140. Pachypieiirum Simplex Eeühb.y „Einfacher Flügel- 
ame." Eine der seltenen Alpenpflanzen, welche bisher nur auf dem 

Waxriegel des Schneeberges gegen den Sattel zu, dann etwas häufiger 
auf der hohen Lehne und auf dem Plateau der Bax zwischen der Eis- 
hüttenalpe und den Lichtenstemhütten beobachtet wurde. 

141. Peucedanum Ostruthuim Koch, „Meisterwurzartiger 
Haarstrauch/' Auf den Kalk- und Schiefervoralpen, dem Kampstein 
und Saurücken des Wechsel, auf dem Kuhschneeberge und den Abfällen 
des Gahns gegen das Schwarzathal zu, beobachtet. Die Wurzel riecht 
stark aber angenehm gewürzhaft und schmeckt bitter, enthält ein ätheri- 
sches Oel, ein scharfes Weichharz und bitteren Extractivstoff, imd wird 
von den Alpenbewohnem als magenstärkendes, schleimzertheilendes Heil- 
mittel angewendet. 

142. Heracleum Sphondylium L., „Gemeines Heilkraut." 

ß. angustifolium. 
Auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen 
verbreitet, im Saugraben des Schneeberges, auf dem Grrünschacher und 
der Eishüttenalpe der Rax. 

143. Heracleum aUStriaCUm i., „Oesterreichisches Heil- 
kraut." Weit verbreitet in der Elrummholzregion der Kalkalpen und den 
angrenzenden Voralpen. Die Wurzel ist scharf, gewürzhaft, schmeckt 
süsslich und wird als reizendes, gelind eröflEnendes Mittel dann gegen 
Blutflüsse von den Alpenbewohnem angewendet. 

144. AnthrlSCUS SilvestriS Hofm,, „Grosses Kerbelkraut." 
ß. alpestris. 

Auf allen Schiefer- und Kalkvoralpen bis in die Bjrummholzregion 
der Alpen überall verbreitet. 

145. PleurOSpermum aUStriaCUm Hoffm., ,.Oesterreichischer 
Rippensame." Auf den Kalkvoralpen bis in die Knimmholzregion der 
Alpen allgemein verbreitet. 

Crastulaceen. 

146. Sedum atratum i., „Rothbraune Fetthenne." Ver- 
einzelt und sehr zerstreut auf den Kalkalpen und angrenzenden Voralpen. 

Saxifragaceen. 

147. Saxifraga Caesia L., ,,Blaugrauer Steinbrech." All- 
gemein verbreitet im Felsenschutt aller Kalkalpen. 

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258 

148. Saxifraga BurSeriana L., „Bursens Steinbrech.^ Hier 
sehr selten, und zwax nur auf den Abstürzen des Ochsenbodens in den 
Saugraben am Schneeberge beobachtet. 

149. Saxifraga aiZOideS L,, „immergrüner Steinbrech.^ 
Auf den höheren Erhebungen aller Kalkalpen verbreitet. 

160. Saxifraga mUSCOideS Wulf, „Moosartiger Stein- 
brech." Auf allen Triften der Kalkalpen in und oberhalb der Krumm- 
holzregion. 

151. Saxifraga StenOpetaJa Gaud, „Schmalblättriger Stein- 
brech." Sehr selten, und zwar bisher nur auf dem Kaiserstein am Bande 
der Puchberger Wand, an schwer zugängigen Stellen beobachtet. 

Diese Pflanze wird von den Anwohnern des Schneeberges fälsch- 
lich für Saxifraga sedoides L., die wahre Gemswurzel gehalten, 
die aber auf unseren Alpen gar nicht vorkommt, und statt letzterer ge- 
sammelt. Auch die Wurzel der Saxifraga stenopelata wird ge- 
kaut für ein magenstärkendes und die Leichtigkeit des Bergsteigens 
beförderndes Mittel gehalten, so verwendet und eifrig gesammelt. 

152. Saxifraga andrOSacea L,, „Mannsschildartiger Stein- 
brech." Im Felsenschutte aller Kalkalpen, besonders in der Nähe der 
schmelzenden Schneefelder gemein. 

153. Saxifraga StellariS 2^.) „Sternblütiger Steinbrech." 
Auf allen unseren Kalkalpen, wie die vorige an denselben Standorten; 
ein sehr zierliches Pflänzchen. 

154. Saxifraga adSCendenS L,, „Aufsteigender Stein- 
brech." Auf allen Triften der Kalkalpen und höheren Voralpen. 

155. Saxifraga rotundifolia L., „Rundblättriger Stein- 
brech." Von den Abstürzen der Schiefer- und Kalkvoralpen bis auf 
die höchsten Alpengipfel verbreitet. 

Ribesiaceen. 

156. RibeS alpinum L,, „Alpen-Johannisbeere." In der 
unteren Knunmholzregion der Kalkalpen und der Schieferalpen verbreitet. 

157. RibeS petreum Wulf, „Felsen-Johannisbeere." Sehr 
selten vorkommend. Bisher nur auf der Heukuppe der Baxalpe und auf 
dem Saurücken des Wechsel gegen Trattenbach. 



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259 



Bununculaceen. 

158. Atragene alpina L., „Gemeine Alpenrebe.^ In der 
unteren Krummholzregion der Kalkalpen nicht häufig. Im Kesselgraben 
der Rax vom Höllenthale aus, dann im Saugraben und Krummbachgraben 
des Schneeberges. Im Sommer 1868 wurde von mir diese Pflanze in 
unmittelbarer Nahe des Bürschhofes auf dem Gahns, am Rande der nach 
Osten liegenden Felsen gefunden. 

159. Anemone alpina £., „Alpen- Windblume." Weit ver- 
breitet auf allen Kalkalpen und den angrenzenden Voralpen. 

160. Anemone narciSSiflora L., „Narzissenblütige Wind- 
blume." An denselben Standorten wie die vorige. 

161. RanunCUlUS alpestriS L., „Alpen- Hahnefuss." Auf 
Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders am schmelzenden 
Schnee allgemein verbreitet. 

162. RanunCUlUS hybridUS Pma, „Bastard-Hahne fuss.^ 
Im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders in der Krummholzregion, im 
Saugraben und der Lockgrube des Schneeberges, auf der Griesleiten, 
Eishüttenalpe, Wetterkogel und im G«flötz der Rax. 

163. RanunCUlUS montanUS i., „Berghahnefuss." Weit 
verbreitet auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen. 

164. Aconitum NapellUS Zi., „Wahrer Eisenhut." Auf Trif- 
ten der Kalkalpen und angrenzenden höheren Voralpen, um die Rinder- 
ställe auf den Kalkalpen in Formation, eine ansehnliche Lahdschafts- 
pflanze, und narkotisch ^charfes Arzneigewächs, welches gegen Gicht, 
Rheumatalgicn, Drüsengeschwülste, Lähmungen u. s. w. angewendet wird. 

Papaveraceen. 

166. Papaver alpinum i»., „Alpen-Mohn." Hier sehr selten, 
und nur im Saugraben, dann auf den Abstürzen des Kaisersteines gegen 
Puchberg auf dem Schneeberg, und auf den Abdachungen der Heukuppe 
der Rax beobachtet. 

Cruciferen. 

166. ArabiS alpina i., „Alpen-Gänsekraut." Allgemein 
verbreitet auf den Schiefer und Kalkvoralpen, auf den letzteren bis in 
die Krummholzregion. 

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260 

167. ArabiS Ciliata R* Br., „Gewimpertes Gänsekraut.^ 
Vereinzelt auf den höheren Ealkvoralpen bis in die Erummholzregion 
der Alpen. 

168. ArabiS caerulea Hancke, ^Blaublühendes Gänse- 
krauf Sehr selten vorkommend, und bisher nur auf den Kalkalpen 
im Saugraben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf der Eis- 
hüttenalpe, von den Lichtensteghütten zur Heukuppe der Bax beobachtet, 
während die Pflanze anderswo, vorzugsweise auf Schiefer vorkommend ist. 

169. Arabis pumila Facq.y „Niedriges Gänsekraut.^ Weit 
verbreitet in der Erummholzregion der Kalkalpen. 

170. Cardamine resedifolia L., „Besedablättrlges Schaum, 
kraut.^ Sehr selten und vereinzelt auf dem Abhänge des hohen Schnee- 
berges gegen den Kuhschneeberg und auf dem Schlangenwege der 
Razalpe. 

171. Draba pyrenaica I'., „Pyrenäisches Hungerblümchen.^ 
lüt seinen grossen, rosen- oder lilafarbenen, nach Vanille duftenden 
Blumen, oft in ausgedehnten Basen ganze Felsenstücke auf den hohen 
Kalkalpentriften überziehend. 

172. Draba aiZOideS L,, „ImmergrünesHungerblümchen.^ 
Auf allen Kalkalpen, besonders in der Krummholzregion weit verbreitet. 

173. Draba Stellata J^cf., „sternhaariges Hungerblüm- 
chen.*^ Mehr vereinzelt auf dem Waxriegel, im Saugraben und dem 
Kaiserstein des Schneeberges, auf der Baxalpe, und zwar vom Grün- 
schacher bis zur Heukuppe verbreitet. 

174. Thiaspi alpinum Crantz, „Alpen-Täschelkraut." All- 
gemein verbreitet in der Krummholzregion der Alpen. 

175. Thiaspi rotundifolium öaTfcü, „Bundblättriges Täschel- 
kraut.^ In der höchsten Alpenregion des Schneeberges und der Bax. 

166. HutSChinsia alpina R. Br,, „Alpenhutschinsie." An 
den schmelzenden Schneeflächen der höheren Kalkalpen verbreitet. 

Cistineen. 

177. Hellanthemum OelandiCUm Wahlhg., „Oelandlsches Son- 
nenröschen.^ 

ß. hirtum. 
In der ELrummholzregion der Kalkalpen häufig. 



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261 

178. Heiianthemum vulgare Oärtruy ^Gemeines Sonnen- 
röschen." 

a. glabrescens. 
In der Krummholzregion der Kalkalpen und höheren Voralpen. 

Violaceen. 

179. Viola alpina Jacq., „Alpen- Veilchen." Allgemein ver- 
breitet auf den felsigen Triften der Kalkalpen in und oberhalb der 
Krummholzregion. 

180. Viola biflora L,, „Zweiblütiges Veilchen." In den 
höheren Voralpenwäldem und im Krummholze der Alpen auf Kalk und 
Sc)^iefer. 

Garyophylleen« 

181. Sagina saxatiliS Wimm,, „Felsen -Mostkraut." Auf 
den Alpen und höheren Voralpen des Kalk- und Schiefergebirges. 

182. Alsine Cherleri Fenzl „Cherlers Miere." Ist weit 
verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen und kommt in grossen dicht 
zusammen gepressten Basen vor. 

183. Alsine verna Barth „Frühlings-Miere." 
ß. alpina. 

Sehr häufig in der Kmmmholzregion der Elalkalpen. 

184. Alsine austriaca il^. cEr i?., „Oesterreichische Miere." 
Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders in der Krumm- 
holzregion sehr häufig. 

185. Alsine laricifolla Wdhlh,, „Lärchenbaumblättrige 
Miere." Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkvoralpen bis in die 
Kmmmholzregion der Alpen weit verbreitet. 

186. Möhringia polygonoides M. & K., „Knöterigartige 

Möhringie." Eine hier selten vorkommende Pflanze, welche bisher nur 
im Saugraben und auf dem Wazriegel des Schneeberges, dann auf der 
Baxalpe von der hohen Lehne bis zur Heukuppe vereinzelt beobachtet 
wurde. 

187. Arenaria grandiflora AUton, „Grossbiütiges Sand- 

kraut.^ Ebenfalls sehr selten und bisher nur auf der Grriesleiten, am 
Wett^kogelsteig und Schlangenweg der Baxalpe beobachtet. 



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262 

188. Cerastiumtrigynum FeZ/., „Dreigriffligea Hornkraut" 
Gleichfalls sehr selten und bisher nur auf den Abstürzen des Ochsen- 
bodens gegen den Saugraben, auf dem Schneeberg und auf der Raxalpe 
gegen das Bärenloch zu beobachtet. 

189. Cerastium triviale Lmky „Gemeines Hornkraut" 
S. alpinum. 

In der Krummholzregion der Kalkalpen, besonders in der Nähe 
der Schwaighütten. 

190. Cerastium arvense /^., „Acker- Hornkraut« 
Y. latifolium. 

Kur auf den hohen Triften der Kalkalpen in der Nähe der Schwaig- 
hütten. 

191. Cerastium CarinthiaCUm Fest., „Kärntnerisches Horn- 
kraut." Im Felsenschutte aller Kalkalpen weit verbreitet 

192. GypSOphila repens L., „Kriechendes Gipskraut" 
Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, hier selten, auf der 
Schutt der Griesleiten, und auf dem Haferfeld der Raxalpe. 

193. Dianthus alpinus X., „Alpen-Nelke.'^ Weit verbreitet 
auf allen Kalkalpen und den höheren Voralpen. 

194. Silene inflata xSVn., „Aufgeblasenes Leimkraut" 
ß. alpina. 

Im Felsenschutte der Kalkalpen und angrenzenden Voralpen. 

195. Silene acauliS Z., „stengelloses Leimkraut" Mit 
seinen grasgrünen ausgebreiteten Basen, und der wie eingestickten, zahl- 
reichen, rosenrothen oder hellpurpumen Blüten ganze Felsenstücke der 
Kalkalpen malerisch schön überziehend. 

196. HeliOSperma quadrifidum A. Branuy „Vlerzähniger 
Strahlensame." An steinig, buschig, moosigen Stellen der Kalkalpen 
und Voralpen gemein. 

197. HeliOSperma alpestre ABraun^ „Voralpen-Strahlen- 
same." In ^ der Krummholzregion der Kalkalpen gemein. 

Empetreen. 

198. Empetrum nigrum L., „Schwarze Rausch beere." 
Auf den Kalk- und Schieferalpen verbreitet. 

Die Beeren, welche sauer und nicht angenehm schmecken, gelten 
bei den Alpenbewohncm als ein diuretisches Mittel. 



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Geraniaceen« 

199. Geranium Silvaticum i., „Wald-Storchschnabel.« 
Auf den Abstürzen der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der 
Alpen weit verbreitet. 

Lineen. 

200. Linum aUStriaCUm L. „Oesterreichischer Flachs.^ 
ß. alpinum. 

Im Felsenschutte der Kalkalpen und an lichten Stellen im Krumm- 
holze allgemein verbreitet und auch in subalpine Thäler herabsteigend. 

Oenothereen. 

201. Epiiobium trigonum /ScAranÄ;, „Dreikantiges Weide- 
röschen." Auf allen Triften der höheren Kalkvoralpen, bis in die 
Krummholzregion der Alpen. 

202. Epilobium alsinefolium ViU. „Mierenblättriges Weiden- 
röschen." Auf den Kalk- und Schieferalpen aber seltener und nur ver- 
einzelt vorkommend, wie auf dem Wechsel, Grrünschacher imd im Grais- 
loche der Bax, auf dem Kuhschneeberge und dem Alpl des Schnee- 
berges. 

203. Epilobium alpinum L., „Alpen-Weidenröschen." Auf 
allen Kalkalpen, besonders an den schmelzenden Schneefeldem allgemein 
verbreitet 

Rosaceen. 

204. Alchemilla aipina Z., „Alpen -Löwenfuss." Sehr selten 
auf unseren Kalkalpen, und zwar bisher nur auf der Abdachung des 
hohen Schneeberges zum Kuhschneeberg beobachtet. 

205. Potentiila ClUSiana Jacq,, „Clusisches Fünf finge r- 
krant." 

Im Felsenschutte der höheren Kalkalpen und der angrenzenden 
VoraJpen allgemein verbreitet, mit ihren grasgrünen, gedrungenen Blät- 
tern, purpurn überlaufenen Blütenstielen und Kelchen, milchweissen, gros- 
sen Blumen, eine kleine, aber malerisch schöne Alpenpflanze. 

206. Potentiila aurea i., „Goldgelbes Fünffingerkraut." 
Auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen, und auch 
auf den Schieferalpen allgemein verbreitet 



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264 

207. Potentilla minima HaU., „Kleinstea-Fünffinger- 
kraut.^ Selten vorkommend auf den Alpentriften oberhalb der Ejrumm- 
holzregion, am Rande der schmelzenden Schneefelder, auf dem Alpl und 
Kaiserstein des Schneeberges, auf den höchsten Erhebungen der Baxalpe, 
vom Grünschacher bis zur Heukuppe. 

208. Geum montanum L., „Berg-Benedlktenkraut." All- 
gemein verbreitet auf allen Kalk- und Schieferalpen. 

Die Wurzel hat einen schwach gewürznelkenartigen Greruch und 
ist als bitteres adstringirendes Mittel bei Durchfallen und Magenbeschwer- 
den im Arzneischatze der Alpenbewohner gebräuchlich. Dem Biere bei- 
gemengt soll es demselben den gewürzhaften Greruch mittheilen und be- 
wirken, dass es sich länger hält und nicht so leicht sauer vdrd* 

209. DryaS OCtopetala L,, „Gemeine Silberwurz.^ Ist im 
Felsenschutte der Kalkalpen allgemein verbreitet, und gibt, in flache 
Basen niedergestreckt, mit seinen immergrünen, zierlich gefügten, am 
Rande umgerollten, rückwärts weissfilzigen, oberhalb dunkelgrünen Blät- 
tern, und seinen einzelnen, endständigen, grossen, weissen Blumen, das 
Bild einer sehr schönen Alpenpflanze. Die Pflanze wirkt adstringirend 
und wird von den Alpenbewohnem in Abkochung bei heftiger auftre- 
tenden Diarrhoen mit gutem Erfolge gebraucht, wird gesammelt und als 
bewährtes Heilmittel aufbewahrt 

Papilionaceen. 

210. Phaca frigida X., „Kalte Bergllnse.^ Eine hier sehr selten 
vorkommende Pflanze, welche bisher nur auf dem Ochsenboden des Schnee- 
berges vom Wazriegel bis an den Fuss des Kaisersteines und am Aus- 
gange des Saugraben beobachtet wurde. 

211. Oxytropis montana DC, „Berg-Spitzkiel." Allgemein 
verbreitet auf den Triften aller Kalkalpen in und über der Krummholz- 
region. 

212. Hedysarum ObSCUrum L.y „Dunkler Hahnenkopf^ 
Vereinzelt auf Triften und felsigen Stellen in der Krummholzregion der 
Kalkalpen, auf dem Waixiegel und Ochsenboden des Schneeberges, auf 
der Abdachung des Kaisersteines gegen den Kuhschneeberg, auf dem 
Schlangenweg und der Heukuppe der Bax. 



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265 



Bentttste Quellen: 

Neilreich August, Nachträge zur Flora von Wien, 1851. 

Neilreich August, Flora von Niederösterreich. Wien, 1859. 

Die Mittheilungen und Jahrbücher des österreichischen Alpenvereines 
vom Jahre 1863 bis 1867. 

Die Benützung der Berge und fliessenden Wässer in Nieder-Oester- 
reich, herausgegeben von der niederösterr. Handelskammer. Wien, 1857. 

Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt Wien, 1850, S. 522 — 36. 

Senoner, Zusammenstellung der Höhenmessungen in Oesterreich 
unter der Enns. 

Koristka EI. 1852. 3. Heft, S. 94—119. 

Greologische Karte von Nieder-Oesterreich, aufgenommen von der 
geologischen Beichsanstalt. Wien, 1852. 

Stur, geologische Uebersichtskarte der tertiären Diluvial- und 
Alluvialablagerungen in den nordöstL Alpen. Wien, 1855. 

Jahrbücher der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmag- 
netismus. 



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Ueber den 



Fortschritt in dem Betriebe 



der 



Bodencultur in Nieder-Oesterreich 



in den Jahren 1848—1868. 



Von 

F. W. Hofmann« 

WirthschajRsrath in Wien. 



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Jbiin Zeitraum von zwanzig Jahren bietet schon in dem Be- 
reiche jeder Thätigkeit namhafte Veränderungen zu Gunsten der 
Ergebnisse derselben, und dies um so viel mehr in dem Betriebe 
der Landwirthschaft, in welchem Millionen von Q-rundbesitzern, 
gestützt auf den Grundlagen der Wissenschaft und auf die selbst- 
gewonnenen Resultate der praktischen Durchftihrungen , einheit- 
lich in dem Streben nach gleichem Ziele , unausgesetzt thätig 
sind; und es ist gewiss wünschenswerth die Ergebnisse einer 
solchen Periode und die Erfolge solcher hervorragenden Mass- 
nahmen kennen zu lernen, welche hier zur Geltung gebracht 
wurden, um daraus fllr die Zukunft Nutzen zu ziehen. Der Zweck 
der vorliegenden Aufzeichnungen ist die Darstellung der Erfolge 
aus dem Betriebe der Landwirthschaft im Verlaufe der Periode 
der Jahre 1848 bis 1868 im Allgemeinen^ und es bieten die Re- 
sultate dieser Forschungen um so gewisser grosses Interesse, als 
mit dem Jahre 1848 durch die Entlastung des Grundes und der 
Arbeitskraft des Bauernstandes dem Fortschritte in dem Betriebe 
der Landwirthschaft des Klein-Grundbesitzers die breitesten Bah- 
nen eröffnet wurden, wenn damit die Frage gelöst wird, in wel- 
cher Höhe sich der Einfluss beziffert, welchen die Grundent- 
lastung auf die Bodenkultur des Landes genommen hat. 

Öeit dem denkwürdigen Jahre 1781, in welchem die Leib- 
eigenschaft aufgehoben und an deren Stelle die gemässigte Un 
terthänigkeit eingefiihrt wurde, ist in den Verhältnissen des Be- 
sitzstandes Oesterreich's keine so tief eingehende Veränderung 
eingetreten als in dem Jahre 1848, in welchem mit Einmal mit 
den veralteten Systemen gebrochen, Land und Leute völlig frei 
geworden sind. 

Bis zu dem Jahre 1848 war der Grundbesitz des Bauern- 
standes und seine Arbeitskraft belastet ; er selbst war jener Herr- 
schaft Unterthan, in deren Territorium sein Besitzstand gelegen 



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270 

war; er war dieser Herrschaft grund-, zehent-, dorf-, berg-, 
vogt-, gerichts-, zins- und robotpflichtig. Nebst diesen Verpflich- 
tungen hatte der Elein-Grundbesitz auch noch an Pfarren, Schu- 
len und andern Titeln Gibigkeiten zu leisten. 

Die Grösse dieser Belastungen der unterthänigen Gründe 
der 43c>0 Dörfer mit einem Grundausmasse von circa 1.000.000 
Joch, mit welchen 258.146 Verpflichtete den 822 Dominien oder 
Herrschaften gegenüber, die ein Flächenmass von 1,010.363 Joch 
besitzen, pflichtig waren, ergibt sich aus der diesfälligen Zusam- 
menstellung des Herrn Hofrathes Rubin, welchem wir unter dem 
Titel „Die Grundentlastung in Oesterreich 1857" die genaue- 
sten Aufzeichnungen über die Ablösungen aller vorgenannten 
Verbindlichkeiten zu danken haben. 

Bezüglich der Jochanzahl und der Bevölkerung dieser Dorf- 
schaften ist eine richtige Ziffer nicht zu eruiren, weil nebst Wien 
und den Bezirken noch 34 Städte und 227 Märkte mit ihrem 
Grundbesitze und Bevölkerung von dem Gesammtflächenmasse 
Nieder-Oesterreich's per 3,444.400 Joch in Abschlag zu bringen 
wären, die theils gar nicht, theils nur zins- und gerichtspflich- 
tig waren, und diese Ziffern ungeachtet emsiger Forschung in 
Zusammenstellungen nicht aufzufinden sind. 

Nach Rubin waren die Unterthanen Nieder-Oesterreich's 
pflichtig: 

1. mit Fuss- oder Handrobot für . . . 6,177.184 Tage 

mit Pferden, einspännig 542.062 „ 

jy „ zweispännig 542.062 „ 

„ Ochsen, einspännig 108.843 „ 

„ „ zweispännig 762.983 „ 

„ „ vierspännig 258.226 „ 

mit Zehent im Werthe von 1,552.370 fl. 

mit Naturalgaben und fixen Leistungen f(ir 360.852 „ 
2. mit Besitzveränderungsgebühren, welche Leistungen an 
den Staat übergangen sind, im durchschnittlichen Betrage von 
919.862 Gulden. 

Mit Ausschluss der Besitzveränderungs-Gebühren wurden 
diese Verpflichtungen als Gruudentlastungs-Rente mit 1,5S9.846 fl. 
beziffert, und mit einem Entschädigungs-Rapitale von 31 ,998.920 fl. 
berechnet 



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271 

Aus den vorstehenden Aufzeichnungen geht hervor, dass 
bis zu dem Jahre 1848 jedes Joch des unterthänigen Grund- 
besitzes filr ledige Verpflichtungen den Herrschaften gegenüber 
mit beiläufigen 30 fl. oder mit einer jährlichen Leistung im Werthe 
von 1*6 fl. belastet war. 

Da nun in Nieder-Oesterreich ein Bauem-Ganzlehe durch- 
schnittlich 72, — ein Halblehe 36 — und so weiter herab im 
Ausmasse umfasset; so ist diese Belastung von 108 fl., 54 fl. u. s. w. 
herab, welche die Bauern wirthschaften an Zehent, Geld und 
Robot pflichtig gewesen sind, umsomehr von grosser Bedeutung 
gewesen, als der Reinertrag einer selbst späteren Periode (siehe 
F. W. Hofmann's Statistik der Nahrungspflanzen, pag. 91 in der 
Statistik der Volkswirthschaft 1855 — 1866) in Nieder-Oesterreich 
nur 3 fl. 7 kr. erreicht, während solche für 1861 behördlich auf 
4 fl. 16 kr. berechnet wurde. 

Aber so schwer auch diese Belastung des unterthänigen 
Grundes an sich als Leistung den Besitzer des Grundes gedrückt 
haben mag, so war es doch nicht der eigentliche Werth dieser 
Leistungen allein, welcher dem Fortschritte in der Bodencultur 
bäuerlicher Wirthschaften Hemmnisse entgegensetzte ; weitaus nach- 
theiliger wirkte die Art der Verpflichtung: denn jährlich den 
zehnten Theil an Stroh, nahezu den zehnten Theil der Arbeits- 
kraft einer Wirthschaft entnommen, hinzugerechnet noch das Ver- 
hältniss, dass jede Verbesserung in der Bodencultur , jede Besse- 
rung in der Qualität des Arbeitsviehes immer wieder einem 
zehnprozentigen Abzüge durch die Zehent- und Robotpflicht unter- 
worfen war — so sind diese Abflüsse, welche jeden Aufschwung 
derselben nahezu unmöglich machen, und es war deshalb wahr- 
haft ein Segen der Zeit, dass mit dem Jahre 1848 die Ent- 
lastung des Grund und Bodens und der Arbeitskraft in's Leben 
getreten ist. 

Wenn wir nun die Ernten und den Viehstand von 1848 
den von 1868 entgegenhalten, wie solche in den statistischen Ta- 
bellen verzeichnet sind (siehe die Statistik der österreichischen 
Monarchie dieser Jahrgänge, herausgegeben von den k. k. sta- 
tistischen Bureaus, und die Statistik der Volkswirthschaft der 
Handelskammer, 1867, Abtheilung Nahi'ungsstoffe, von F. W. Hof- 
mann), so ergeben sich bedeutende üeberschüsse zu Gunsten 



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272 



der letzteren Periode, währeud welcher aller Boden frei war. 
Leider hat bei allen diesen Au&ahmen eine Sonderung der Pro- 
ductionen des Gross- und des Klein-Qrundbesitzers nicht statt- 
gefiinden; diese Ueberschüsse müssen aber dennoch dem Klein- 
Grundbesitze mindestens zur Hälfte zugerechnet werden, weil 
beide Theile nahezu ein gleiches Flächenmass besitzen, anderseits, 
weil der Gross Grundbesitzer mit seiner eben gleich grossen Bo- 
denfläche nach der Ablösung ohnehin schon jahrelang befliessen 
sein, und die aus der Grundentlastung eingehenden Gelder grössten- 
theils wieder aufwenden musste, um nur den Ausfall an Stroh 
und Arbeitskraft für seinen Besitzstand zu decken, welche dem 
Gute durch Auflassung des Zehents und der Robot mit Einmal 
abgängig wurden. 



Die Bodenproduction und der Viehstand in Nieder- 

Oesterreich von 1848 und von 1868. 

1848 1868 Differenz. 

Weizen 1,207.000 Mtz. 1,351.000 144.000 Mtz. mehr 

Roggen 5,211.000 „ 7.321.000 2,110.000 „ 

Gerste 1,059.000 „ 1,624.000 665.000 „ „ 

Hafer 6,352.000 „ 7,617.000 2,266.000 „ „ 

Mais 26.000 „ 79.000 53.000 „ 

Heidekorn 86.000 „ 282.000 197.000 „ „ 

Hiise 4.000 „ 47.000 43.000 „ „ 

Hülsenfrüchte . . . 87.000 „ 61.000 26.000 „ weniger 

Summe der Früchte : 13,03 1.000 Mtz. 18,382.000 Mtz. 5,377.000 Mtz. mehr 

Kartoffel 4,278.000 Mtz. 8,562.000 716.000 Mtz. weniger 

Rüben 882.000 „ 1,513.000 631.000 „ mehr 

Kraut 483.000 „ 501.000 68.000 „ „ 

Obst 106.000 „ 1,209.000 1,104.000 „ „ 

Wein 3,120.000 Eim. 1,500,000 1,620.000 Eim. weniger 

Futter 16,864.000 Ctr. 27,260.000 Ctr. 10,396.000 Ctr. mehr 

Stroh 20,537.000 „ 26,788.000 „ 6,251.000 „ „ 

Flachs 16.000 „ 18.000 „ 2.000 „ „ 

Leinsamen 11.000 „ 12.000 „ 1.000 „ „ 

Hanf 7.000 ,, 4.000 „ 3.000 „ weniger 

Hanfsamen 3.600 - 1.900 „ 1.700 « 



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273 



1848 



1868 



Tabak Ctr. 90 Ctr. 

Hopfen „ * 600 „ 

Rüps 1.000 , 6.000 „ 

Holz 1,806.000 Klftr. 1,060.000 Klftr. 



Honig 1.800 Ctr. 

Wachs 500 „ 

Milch 3,121.000 Eim. 



Käse n. Butter. 
SchafviroUe .... 

Fleisch 

Pferde 

Rinder .' . . 

Schafe 



101.000 Ctr. 
11.000 „ 

880.000 „ 
68.000 Stk. 

833.000 „ 

605.000 „ 

Ziegen j wurden nicht 

Schweine i gezählt 

Seidecocons 

Bienenstöcke 12.000 Stk. 



2.800 Ctr. 
700 „ 
5,091,000 Eim. 
124.000 Ctr. 

7.000 n 
625.000 „ 
84.000 Stk. 
529.000 „ 
860.000 „ 
39.000 „ 
444.000 „ 

25 Ctr. 
18.000 Stk. 



Differenz. 

90 Ctr. mehr 
500 „ , 
5,000 „ „ 
246.000 Klftr. \veniger 
1.000 Ctr. mehr 
200 , , 
1,970.000 Eim. „ 
23.000 Ctr. „ 
4.000 „ weniger 
245.000 „ mehr 
16.000 Stk. „ 
196.000 , „ 
145.000 „ weniger 



25 Ctr. mehr 
6.000 Stk. „ 



Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich als zuerst her- 
vortretend, dass seit 20 Jahren gegenwärtig an Mehlfrüchten 

um 5,000.000 Mtz. 

Stroh um 600.000 Ctr. 

und Futter 1 10.000 Ctr. 

jährlich mehr produzirt werden, dass femer 

Pferde um 16.000 Stack 

Rinder „ . .^ 196.000 „ 

mehr, dagegen Schafe um 146.000 „ 

weniger eingestellt sind. 

Bezüglich der Verhältnisse, welche als Erfolge der Grund- 
entlastung zur Q-eltung kommen, ist aus dem Vorstehenden nach- 
gewiesen, dass der Klein -Grundbesitzer, den Erwartungen ent- 
sprechend, seine freigewordene Arbeitskraft und die ihm daraus 
zur Verfiigung gebliebenen Bodenproducte der Verbesserung sei- 
ner Grundstücke zugewendet, dass er seine Arbeitskraft in Vieh 
noch vermehrt, und die Production der Gesammtwirthschaft be- 
reits weit über 10 Prozente gesteigert habe. 

Aber auch der Berechtigte, der Gross-Grundbesitz hat mit 
dieser Aenderung thatsächlich gewonnen, wenn gleich die Ablö- 
sungssummen scheinbar eben nur eine massige Entschädigung 
bezifferten , denn die Zwangsarbeit hatte wenig Werth, die Grund- 

18 



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^74^ 

stücke wurden schlecht bestellt und der dadurch herabgeminderte 
Ertrag der Herrschaftsgründe war theilweise kaum durch den 
Natural-Zehentbezug wieder ausgeglichen, fUr welchen überdiess 
auch noch Zahlungen zu leisten waren. 

Und so haben sich auch die Güter des Gross-Grundbesitzes 
alle ungeachtet dieser Ausfälle an Arbeitskraft und Zuschüssen 
von Stroh (und Körnern) nicht nur in der Höhe ihrer früheren 
Productionen, und in ihren Erträgnissen, die sie vor 1848 gelie- 
fert haben, erhalten, sondern im gleichen Masse wie im Klein- 
Grundbesitze erhöht, ungeachtet die Grundentlastungs-Capitalien 
noch lange nicht vollständig zu Gunsten der Feldbaugründe des 
Gross-Grundbesitzes zur Verwendung gebracht wurden. 

Die Ergebnisse der Grundentlastung haben sich somit für 
beide Theile in dieser Periode als sehr günstig erwiesen, und 
es ist ein fernerer Aufschwung in der Production um so siche^ 
rer zu gewärtigen, als die bereits eiTeichten Resultate jeden Grund- 
besitzer aneifem werden, auf den betretenen Bahnen fortzu- 
schreiten. 

Wenn gleich alle statistischen Erhebungen für Bodenpro- 
ductionen, wo eine Zählung gar nicht stattfinden kann, sondern 
diese nur auf beliebigen Angaben der Produzenten beruhen 
können, so tragen die vorstehenden Ziffern dennoch den Stem- 
pel der Wahrscheinlichkeit, weil die früher hier verzeichnete 
Production von Futter und Stroh mit den Bedürfnissen jener 
Anzahl des Viehstandes ziemlich übereinstimmt, welche hier an- 
gegeben und eben das Resultat einer vorgenommenen Zählung 
ist. Diese Aufzeichnungen können somit als der Wirklichkeit 
sehr nahe stehend angenommen werden. Daran knüpfend, über- 
gehen wir auf die einzelnen Verhältnisse der Culturen und son- 
stigen Betriebs-Zweige der Landwirthschaft : 

Es liegt hier vor, dass wohl der grösste Theil der Produc- 
tionen im Verlaufe von 20 Jahren einen sehr bedeutenden Auf- 
schwung genommen habe, dass dagegen andere überraschend tief 
gesunken sind. Zur Untersuchimg der Gründe dieser Erschei- 
nungen wollen wir der Reihe nach vorschreiten und zugleich bei 
jedem einzelnen Zweige mit Rücksicht auf den Verfasser zuge- 
wiesenen Raum auch die sonstigen Verhältnisse berühren, 'welche 
ein hervorragendes Interesse bieten. 



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275 



Weilen. 

Die grössten Mengen von Weizen werden im Kreise U. M. B., 
die geringsten davon in dem KJreise U. W. W. gewonnen ; der Lage- 
rung der Bodenfläche nach : die grösste Menge im Hügellande, am 
wenigsten im Hochalpengebiete. In Gaming wird Weizen auf 3000 
Fuss Höhe cultivirt. Der Schwerste, daher Mehl- und Stickstofireichste 
(mit dem reichsten Gehalte an Kleber) wird im JÄarchfelde im Ge- 
wichte bis 90 Pfunde perösterr. Motzen gewonnen. Es entfallen per 
Joch 15 — 25 N.-Oesterr. Motzen. Zumeist wird der Banater Grannen- 
Weizen cultivirt. Ausfuhr nach Wien, Steiermark, Ober-Oester- 
reich, Salzburg und Baiem. Durch die wohlfeile Production des 
Weizens im Banate und die wohlfeile Fracht kann Oesterreich 
bei seinen theuren Productionen kaum mehr concurriren. Daher 
die Cultur dieser Mehlfrucht der Menge nach selbst im Ablaufe 
von 20 Jahren eines weiteren Aufschwunges nicht mehr fähig 
gewesen ist. 

; Roggen. 

Auch an Roggen liefert der Kreis U. M. B. die grössten 
Mengen, der Lagerung nach das Berggebiet des Manharts ; natur- 
gemäss am wenigsten die Hochalpe. Den schwersten griffigsten 
(glatten) Roggen bis 82 Pfunde liefert das Marchfeld. Ausfuhr 
an die Nachbar-Provinzen zumeist ' nach Wien. Roggen wird um 
das Drei- biö Vierfache mehr erzeugt als Weizen. Per Joch wer- 
den 15 — 25 österr. Motzen gewonnen. 

Gerste. 

Der Menge nach gleich dem Weizen, davon hervorragend 
ita Kreise U. W. W. in den Ebenen des Wiener Beckens, 
dann annähernd 0. W. W.; der Lagerung des Bodens nach im 
Htigellande. St. Leonhard liefert Gerste mit 75 Pfunden per österr. 
Motzen, Ausfuhr nach Wien, Ober- Oesterreich, Baiern und Steier- 
mark. 

Hafer. 

Der Haferbau steht der Metzenzahl nach über die Menge 
des Roggens; nicht so nach dem Flächenmasse, da per Joch eine 



18 



* 



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276 

grössere Metzenanzahl entfällt. Im V. ü. M. B., dann O. W. W., 
anderseits der Lagerung nach im Hügellande und am Manhart 
wird am meisten Hafer erzeugt. Im Aipengebiete wird auch Ha- 
fer, nur in geringen Mengen gewonnen. Per Joch wurden 20 bis 
40 Metzen, im Q-ewichte von 40—60 Pfund erzielt. 

Hirse, Mais und Heidekorn. 

Im G-anzen unbedeutend; werden zumeist im Kreise U. M. B. 
und in den Ebenen des Wiener Beckens gewonnen. Hirse wird 
grösstentheils geschält als sogenannter BreiQ; Heidekom als 
Q-rütze verspeiset, grösstentheils aber gleich dem Maise verfüt- 
tert. Ausfuhr nach Wien. 

Httlsenfk^ttehte. 

Die Cultur der Hülsenf5rüchte ist wegen Ueberhandnahme 
der Wippel (Bruchus piai), ein Erbsenkäfer, und Bruchus gra- 
naiHus in den verschiedenen Hülsenfrüchten vorkommend, sehr 
herabgekommen. Man kann die Früchte, da sie grösstentheils Lar- 
ven dieser Käfer enthalten, welche ihre Eier In die noch jungen 
Schoten legen, nur zu Viehfutter verwenden. Die Speiseerbsen 
und Linsen, so wie Fisolen bezieht Oesterreich, besonders Wien 
aus Böhmen, Mähren und theils aus Ober-Oesterreich. 

Kartoffel. 

Seit die Branntweinbrennerei auf dem Lande wegen 
der Art der Steuererhebung (siehe unter Spiritus - Erzeugung) 
aufgelassen werden musste, hat auch die Cultur der Kartoffel 
abgenommen. Die meisten werden im Kreise O. M. B., die wenig- 
sten im Kreise U. W. W., die .besten in dem Sandboden des 
Marchfeldes erzeugt. Absatz nach Wien für sehr gute Preise, 
namentlich die Frühkartoffel. 

Kraut und RQben. 

Kreis Ü. M. B. liefert die meisten Rüben, am wenigsten 
der Kreis ü. W. W. Die grösste Menge und das beste Kraut 
wird im Kreise O. W. W., am wenigsten davon im Kreise U. 
M. B. erzeugt. 

In dieser Production concurrirt, unterstützt durch die wohl- 



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27T 

feile Wasserfracht, Ober-Oesterreich mit Vortheil auf dem Wiener 
Markte. 

Feineres Gemttse. 

Diese werden in bedeutenden Mengen bei Laa erzeugt, bei 
5000 Ctr. Spargel, bei 4000 Ctr. liefert das Marchfeld; es deckt 
grösstentheils den Wiener Markt mit sehr guten Erzeugnissen, 
und führt sehr viel nach Ungarn. Zwiebel, Carfiol, Kohl, Salat, 
die kleine Kohlrübe, gelbe Rübe, Krenn und Rettiche; und der- 
gleichen werden in der Umgebung von Wien und innerhalb den 
Linien ziemlich viel, für den Bedarf aber nicht ausreichend er- 
zeugt; — sehr viel wird aus Ober-Oesterreich, Mähren und Böh- 
men, von dort besonders Krenn eingeführt. Nieder-Oesterreich ist 
in der Cultur dieser Artikeln noch sehr weit zurück. Die Bewäs- 
serung des Marchfeldes oder mindestens die* Regelung des Do- 
naubettes würde diesen Culturen Thür und Thor öffiien. (Siehe 
Bewässerung.) Sehr viel Gemtlse, namentlich Carfiol wird aus den 
südlichen Ländern bezogen. 

Obst. 

Die Obstcultur hat sich von Ja}ir zu Jahr gehoben, und 
verspricht fUr die Zukunft immer reichere Productionen und höhere 
Erträgnisse, als der Absatz nach der Reichshauptstadt sich rasch 
steigend aufschwingt. Die Obstpflanzen sind durch den Einfluss der 
Klosterneuburger Obstbauschule bereits daran, an die Stelle der 
wenigen edlem und schmackhaften Sorten bessere auszusetzen, 
oder ihre noch jungen Bäume zu veredeln. Aber die Erzeugung 
im Lande reicht noch lange nicht aus, den Bedarf zu decken. 
Mehr als die Hälfte des hier verspeisten Obstes wird aus Steier- 
mark, Mähren und Ober-Oesterreich, sehr viel Obst aber im 
Frühjahre aus Dalmatien und Italien bezogen. Das meiste Obst 
liefert das Hügelland und der Kreis O. W. W. ; am wenigsten jener 
U. W. W. — An Obstmost wird im Kreise 0. W. W. bei 1 20.000 Eimer 
erzeugt Ausgezeichnetes Obst liefert Langenzersdorf am Bisamberge. 
Beerenobst wird in grossen Mengen in der Umgegend von Wien ge- 
wonnen. Edle Kastanien der kleinen Sorte werden in Marken- 
stein, Gloggnitz, St Polten und Felsberg nur in einer Menge von 
etwa 200 Ctr. erzeugt. Interessant sind die uralten EUuitanien- 



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278 

bäume in Merkenstein bei Baden. Es stehen dort nebst 200 jün- 
geren, verschiedene ältere, deren 6 Stücke von drei bis sieben 
Fuss Stamm durchmesser ; die Letzteren sind, den Holzringen nach, 
bei 600 Jahre alt geworden, und noch immer ertragfähig. Eben- 
daselbst steht nebst zahlreichen jungen, auch noch ein Strimk 
eines türkischen Haselnussbaumes (corilus columa) von fünfzig 
Zoll Stammdurchmesser. Der Baum hatte ein Alter von 1 50 Jah • 
ren erreicht, und zuletzt (1856) noch 10 Motzen Haselnüsse 
getragen. Diese Nüsse wurden vom Besitzer Graf Münch-Bel- 
linghausen an verschiedene Gross-Grundbesitzer zur Cultur ver- 
theilt und werden jetzt davon in Böhmen, Mähren und Oester- 
reich Tausende von Exemplaren dieses so prachtvollen Baumes 
gezogen. 

Wein. 

Die Weincultur, welche im Jahre 1848 in Nieder-Oester- 
reich noch mit einem Ausmasse von 80.000 Jochen verzeichnet 
erscheint, hat im Verlaufe dieser 20 Jahre, Jahr für Jahr und 
im Ganzen um 20.000 Joch abgenommen, weil der Aufschwung 
in der Bierconsumtion die Preise des Weines herabdrückte, und 
mehrere einander folgende Missjahre den Weinbauertrag im hohen 
Masse verkümmerten. Im Jahre 1868 bestehen in Nieder-Oester- 
reich nur noch 60.000 Joch Weinland. 

In verschiedenen Lagen erzeugt Nieder-Oesterreich vorzüg- 
liche Weine, grösstentheils aber nur Mittel- und geringere Sor- 
ten; weil dort der Satz (die Weinpflanzung) mit wohl reichtra- 
genden, aber meist späterreifenden "Sorten gemischt bestellt ist. 

In neuester Zeit sind aber die Weinpflanzer Nieder-Oester- 
reichs, angeregt von den hervorragenden Erfolgen, welche aus 
'den vorzüglichen Einführungen des Baron Babo, Directors der 
KJostemeuburger Obst- und Weinbauschule hervorgingen, mit allem 
Aufwände an Thätigkeit daran ihren Weingarten mit besseren, 
entsprechenden, früher reifenden Sorten zu bepflanzen, die Gärten 
besser zu pflegen und dadurch bessere Weine zu erzeugen. 

Die grössten Mengen von Wein erzeugt der Kreis U. M. 
B., hierauf folgt U. W. W. , dann O. M. B.; den wenigsten 
O. W. W. 

Roth wein (blaue Portugieser Traube) im Grossen wird nur 



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279 

in Vöslau und Matzen gewonnen. Der Ruf des Vöslauer Weines 
ist weltbertlhmt, der Matzner, dem Vöslauer zunächst stehend, 
wird dem besten Ofner gleichgehalteü. Die Burgunder Traube 
ist nur wenig verbreitet. 

Weissweine: der Veltliner, Zirfandler, Gutedl, Silvaner, 
Rothgipfler, Muskateller, Traminer und Riesling, sind die vor- 
züglichsten Rebsorten; werden in den besten Weingegenden cul- 
tivirt. Gumpöldskirchen, Klosterneuburg, Pfaffstätten und andere 
niederösterreichische Weissweine erfreuen sich gleich den Roth- 
weinen dieses Landes, des besten Rufes im In- und Auslande. 
Aus dem rothen Vöslauer wird in dem Etablissement des Schlum- 
berger daselbst Schaumwein fabrizirt. 

Der Schnitt des Weines ist grösstentheils der Eahl- 
schnitt mit 1 Zapfen zu einem, und einem zweiten zu zwei Augen. 
Per Joch 10.000 Stöcke, im Marchfelde selbst 20.000 Stöcke per 
Joch ä 1600 D Klafter. 

Die Weingärten sind sogenannte ewige, sie werden durch 
Vorgruben (Niederlegen und Vorgraben der alten Stöcke) auf 
50 bis 100 Jahre im Stande gehalten. Düngung, mit abgefaultem 
Mist und Compostdünger. In neuerer Zeit auch mit allen Abfäl- 
len aus den Weingärten und mit Kunstdünger. Absatz nach Ober- 
Oesterreich, Mähren, Wien. Nach dem Auslande nur die besten. 
Ertrag per Joch 25 bis 75 Eimer. Preise, je nach guter Qua- 
lität und Jahrgang, 5 bis 80 fl. 

Futterbau. 

Wiesen und Feldfutter. 

Der Futterbau hat seit 20 Jahren bedeutend zugenommen. 
Man hat eine grosse Anzahl trockene Wiesen aufgerissen , und 
diese im Turnus zumeist dem Feldfutterbau zugewiesen, wodurch 
viel mehr Futterstoffe gewonnen werden; überdies wird in letz- 
ter Zeit der Feldfutterbau in grösserer Ausdehnung betrieben, 
imd gegenwärtig der Bewässerung der Wiesen viele Sorgfalt zu- 
gewendet. Die grössten Mengen an Futter gewinnt der Kreis 
0. W. W., dann 0. M. B., U. W. W.; und das wenigste wird 
im Kreise U. M. B. gewonnen. Absatz nach Wien bedeutend. 
Der Feldfutterbau wird dadurch hocheinträglich, dass in Klee 



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280 

zugleich Gräser eingesäet werden ; aber es ist zu wünschen, dass 
diese Cultur noch weit grössere Ausdehnung gewinne, und der 
Getreidebau mehr eingeschränkt werde, weil nur durch die Er- 
zeugung, der grössten Futtermengen die Production des Bodens 
so gehoben werden kann, dass dann auch Nieder-Oesterreich in 
allen Productionen mit Ungarn auf dem Markte concurriren kann. 

Stroh. 

Die Erzeugung an Stroh hat mit dem Getreidebaue in allen 
dort bezeichneten Kreisen bedeutend zugenommen. Vorzüglich 
einträglicher Absatz nach Wien, welcher die Landwirthe leider 
bestimmt, immer und immer wieder Mehlfrüchte zu cultiviren, 
und damit der Erhöhung der Bodenkraft und der Aufschwang 
in der Production zum grössten Nachtheile des Landes stets 
erneuert Jahr um Jahr verzögert wird. 

Flachs und Hanf. 

Die Leincultur wird im Hügellande, Kreis O. W. W., dann 
0. M. B. und U. W. W. — ; am geringsten im Kreise U. M. B. 
betrieben. 

In neuester Zeit hat die k. k. Land wirthschafts - Gesell- 
schaft, unterstützt durch Beiträge aus dem Landesfonde, thätigst 
dahingewirkt, dass diese Cultur erblühe. Es wurden Rigaer Sam- 
men vertheilt^ Wasserrösten auf Kosten dieser Subvention errich- 
tet, und die besten Brechraaschinen angeschafft. Auf Kosten der 
Gesellschaft wurde ein Mann nach Schlesien geschickt um die 
dortigen Flachsbereitungs-Methoden kennen zu lernen und hier aus- 
zuüben. Endlich werden auf Kosten derselben dieses Jahr die 
flachsbautreibenden Gegenden durch einen Commissär bereiset, um 
die örtlichen Verhältnisse, Mängel und Vortheile in Evidenz zu 
tragen, und dort Nachhilfe zu leisten, wo solche Noth thut Es 
wird vorzüglich darauf Rücksicht genommen, dass die Land- 
wirthe alten, 4 bis 6jährigen Samen ihrer eigenen Erzeugung 
aus Bigaer Abkunft säen, da nachgewiesen ist, dass aus altem 
österreichischen Samen längerer und mindestens eben so langer, 
feiner und kräftig elastischer Flachs gewonnen wird, als aus dem 
theuern Rigaer Samen, welcher nur für den Beginn der meh- 



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281 

reren Verbreitung der Leincultur in Nieder-Oesterreich von der 
Gesellschaft angekauft und vertheilt wird. 

Die Cultur des Hanfes ist im Abnehmen, weil in der Ver- 
werthung des Productes die Concurrenz mit Ungarns reicher und 
berühmter Hanfproduction nicht lohnend aufrecht erhalten werden 
kann, welche auf dem Reichthum einer auf Jahrhunderte uner- 
schöpflichen Bodenkraft gründet. 

Tabak. 

Um die Production des Tabakes, welche bisher in den west- 
lichen Ländern des Staates nicht gestattet war, auch für Nieder- 
Oesterreich und die Schwesterprovinzen zu gewinnen, hat der 
Verfasser Dieses im Jänner 1868 die Land wirthschafts-Gcsellschaft 
aufgefordert, bei dem Ministerium vorläufig die Concession für 
Versuchsculturen zu erwirken, welche in allen jenen Bezirken 
durchgeführt werden sollten, in welchen voraussichtlich Tabak 
im Grossen cultivirt werden kann. Die Gesellschaft ist darauf 
eingegangen, und der Erfolg vorläufig wohl nicht vollkommen, 
doch insoferne günstig gewesen, als nicht nur für Nieder-Oester- 
reich, sondern auch für die übrigen KrDnländer Concessionen für 
je 5 Joch Versuchsculturen bewilligt wurden. Nachträglich er- 
hielten in Nieder-Oesterreich noch zwei Gutsinhabungen die Con- 
cession für je 1 Joch Probecultur, und deshalb sind in dem vor- 
stehenden Ausweise für 1868 von 7 Joch Tabakpflanzung, 90 Ctr. 
Tabakemte in Nieder-Oesterreich gleichsam auch als eine Denk- 
würdigkeil des Bruches mit veralteten Systemen verzeichnet. 

Die Wichtigkeit dieser Einführung gründet auf den Ab- 
fluss des Geldes aus Nieder-Oesterreich im Betrage von nahezu 
einer halben Million Gulden, welche wir jährlich für 35.000 Ctr. 
Rohtabakblätter (den feineren Tabak, vom Auslande bezogen, un- 
gerechnet) nach Ungarn bisher zu bezahlen gezwungen waren, 
Summen, die wir aber im Lande selbst verdienen müssen, und 
nicht ferner gehalten werden sollen, die Arbeitskräfte des Schwe- 
sterlandes auf unsere Kosten zu beschäftigen. (Siehe F. W. Hof- 
mann's Tabakcultur m Oesterreich. Wien, Gerold, 1868). 



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282 



Rübsen. 

Die Cultur des Rübsens findet in Nieder Oesterreich nicht 
die Ausdehnung, welche ihr eingeräumt werden sollte. Es werden 
davon im Allgemeinen doch nur geringe Mengen erzeugt, unge- 
achtet seit 20 Jahren in dieser Cultur eine Steigerung in der 
Production 'eingetreten ist. Die Ursache liegt in der Uebung, dass 
man den Dünger zuerst dem Mehlfruchtbau zuwendet, und von 
der irrigen Ansicht noch nicht lassen will, dass der frische 
Dünger mit dem grössten Vortheile durch den Getreidebau aus- 
genützt werde, — statt denselben im ersten Jahre nur dem Fut- 
ter und dem Rübsenbaue zuzuwenden. Im Kreiße 0. und CT. M. 
wird die Cultur des Rübsens zumeist betrieben; in den anderen 
Kreisen wird nur wenig Rübsen gewonnen. Absatz nach Wien. 

Die HepfencuHur. 

Die Hopfencultur wurde durch Intervenirung des Verfas- 
sers in Nieder-Oesterreich eingeführt und prosperirt im erfreu- 
lichsten Masse. Seit 3 Jahren damit begonnen, werden 1868 schon 
500 Ctr. erzeugt und stehen für 1869 bereits durch rasche Aus- 
dehnung dieser Cultur bei 1000 Ctr. Hopfen in einem Werthe 
von 100.000 fl. in Aussicht; und da man 1867 bereits 95 Pro- 
cente des Preises der böhmischen Hopfen für nieder-österreichi- 
sches Product erreichte^ so ist es nunmehr zweifellos feststehend, 
dass der Jahresbedarf Nieder-Oesterreich's von 25.000 Ctr. in 
einem Werthe von 3 bis 4 Millionen Gulden aus der eigenen 
Production im Laufe der nächsten 10 Jahre vollständig gedeckt 
werden könne. Dieser rasche Aufschwung einer für Nieder-Oester- 
reich ganz neuen, Cultur wurde dadurch ermöglicht, dass die 
Statthalterei über einen Vorschlag des Verfassers darauf einge- 
gangen ist, durch 5 Jahre der Landwirthschafts-Gesellschaft jähr- 
lich 1000 fl. zur Hebimg^der Hopfencultur aus demj. Landesfonde 
anzuweisen, deren Verwendung dahin benützt wurde : bei 300.000 
Stück Hopfen - Stecklinge aus Saaz einzukaufen undfdiese im- 
entgeltlich zu vertheilen ; alle Partien Hopfen, welche unter 
einem Centner daraus gewonnen wurden, gegen einen lohnen- 
den Werth (80 bis 100 fl. per Ctr.) einzulösen, und etwaig sich 
ergebenden Ausfall bei dem Verkauf aus den Subventionsgeldem 



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283 

zu decken; während die üeberschüsse aus dem Verkaufe dem 
Pflanzer noch als Prämie über den limitbten Preis ausgezahlt 
wurden. Die erzielten Preise stellten sich 1866 auf 100 fl., somit 
auf nur 40 % des damaligen Preises der böhmischen Hopfen 
per 250 fl. Im Jahre 1867 schon aiif 957i, des böhmischen Hopfen- 
preises dieses Jahrganges per 100 fl. In allgemeiner Anerken- 
nung der guten Qualitäten des nieder-österreichischen Hopfens 
haben die Pflanzer selbst die kleinsten Partien noch höher als 
die limitirten Preise verkauft. Zeuge dessen: dass 1866 von der 
ganzen Ernte für den Limitopreis von 100 fl. nur 150 Pf, im 
Jahre 1867 nur 75 Pf der Gesellschaft zur Uebemahme zuge- 
kommen sind. 

Im Jahre 1867 wurden bereits aus 72 Ortschaften in 32 
Bezirken der Niederungen des Hügellandes und Mittelgebirges 
Proben ausgezeichneter und guter Qualität eingesendet. Von ge- 
ringer Qualität in Folge unrichtiger Behandlung des Productes 
waren nur 10, von Natur aus schlechter Qualität nur 3 Proben 
eingesendet. Es ist somit der Hopfencultur in Nieder-Oesterreich 
ein erfreuliches Gedeihen in Aussicht gestellt Für den •Betrieb 
der Hopfencultur wurde eine populär gehaltene Schrift von Sei- 
ten der Landwirthschafts-Gesellschaft herausgegeben : Die Hopfen- 
cultur in Nieder-Oesterreich von F. W. Hofmann. 

Holz. 

Die Holzgewinnung aus den in Nieder-Oesterreich beste- 
henden Forsten hat während des Ablaufes von 20 Jahren aus 
dem Grunde bedeutend abgenommen, weil in früherer Zeit die 
Wälder übermässig ausgeschlagen wurden, und gegenwärtig hun- 
derttausende von Waldjochen, namentlich im Hoch- und Mittel- 
gebirge noch unaufgeforstet, und deshalb ertraglos geblieben sind. 
Auch hat die erleichterte und wohlfeile Zufuhr der Kohle aus 
anderen Ländern und die Wohlfeilheit derselben das Consumo 
an Holz bedeutend vermindert, und die Erträgnisse den zuge- 
führten Hölzern nach Wien aus Wäldern, welche entlegen und 
nicht durch Wasser oder Bahn mit der Hauptstadt in Verbin- 
dung stehen, bedeutend geschmälert. Aus diesem Grunde wurden 
in der Forstsection der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft die einge- 
hendsten Becatliungen gepflogen : wie der Ausfall an Reinerträgnissen 



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284 

bei dem Brennholzverkaufe durch andere Massnahmen zu decken 
sei? Es wurde diessfalls vorgeschlagen: je nach örtlichen Ver- 
hältnissen, die Wälder theilweise aufzulassen und der landwirth- 
schaftlichen Bewirthschaftung entweder für immer, oder jeden einzel- 
nen geeigneten Holzschlag auf einige Jahre zuzuflihren. Zeug- 
und geschnittenes Nutzholz in Massen zur Versendung in grös- 
sere Feme zu erzeugen ; gleich der Schwarzföhre auch die Fichte 
vor dem Abtriebe durch Auspechen auszunützen, — Waldbaum- 
samen zu gewinnen, — Grassamen in den Schlägen zu erzeugen 
— und wo örtlich möglich an den gedehnten Waldsäumen, und 
zwischen Hau- und Hochholz , wenn auch nur vorübergehend auf 
einige Jahre in der möglichst extensiven Weise Hopfen zu ge- 
winnen, das ist: dass man gute Stecklinge eben nur an den Bäu- 
menaussatz, und ausser dem jährlichen Beschneiden der Stöcke 
und Abreissen der überflüssigen Triebe ohne jeden weiteren Auf 
wand eben nur erntet. Dass man endlich die Kosten der Wald- 
culturen auf das geringste, aber immerhin dem Forstnutzen ent- 
sprechende Mass reduzire, um nicht ein grosses oder gar über- 
mässig hohes Ausforstungs-Capital während der Abtriebsperiode 
verzinsen zu müssen. 

Rinder. 

In den Gebirgsgegenden wird die Mürzthaler Ra§e als Nutz- 
und Zugvieh gehalten; in den Ebenen der Oesterreicher Land- 
schlag als Zucht, die ungarische RaQc als Zugvieh gehalten. 
Ueberdies werden die Mährischen, Tiroler, Montfoconer, Schwei- 
zer, Holländer und anderen Ra9en mit mehr oder weniger Vor- 
theil gehalten, je nachdem der Besitzer es versteht die Individuen 
der RaQcn erfolgreich auszuwählen. 

Um die Racjen zu veredeln, und überhaupt die Rinderzucht 
zu heben, ist über Anregung der k. k. Land wirthschafts- Gesell- 
schaft bereits mit gutem Erfolge die Stierhaltung als Gegenstand 
der Prämirung aufgenommen worden, und man ist eben daran 
in dieser Richtung noch eingehenderen Einfluss zu nehmen. 

Milch und KAse. 

Die Production von Milch, Butter und Käse ist in Folgei 
grösserer Ausdehnung des Futterbaues gestiegen. Butter und Käse 



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285 

werden aber noch massenhaft aus anderen Ländern, — nament- 
lich der Schweiz, dann aus Böhmen, Mähren, Schlesien und Un- 
garn eingeführt; weil sämmtliche Milch auf 20 Bahnmeilen um 
Wien hierher geführt und zu hohem Preise (k 20,-24 kr. per 
Mass) verkauft wird. Die Erträgnisse, welche aus der Milch- 
wiii;h8chaft fliessen, sind wirklich so hoch, dass z. B. in Wien 
hunderte von Milchwirthschaftem dadurch dennoch reich werden, 
ungeachtet sie bei einer Aufstellung von nur etwa 20 Kühen, 
bei hohem Stall- und Wohnzins, hohe Steuern zahlen und alles 
Futter, besonders Biertreber, theuer kaufen müssen ; aber sie ver- 
stehen es eben, zweckmässig zu füttern. Sie melken von Wech- 
selkühen durchschnittlich 10 Mass, also täglich für 2 fl. Milch. 

Fleisch. 

Obschon die Fleisehproduction, aus gleichem Grunde wie 
die übrigen Thierproductionen, bedeutend gestiegen ist, was theil- 
weise auch der sorgfältigeren Wahl der Individuen aus den ver- 
schiedenen RaQcn zu danken ist, bedürfen wir noch immer die 
Einfuhr von 548.000 Ctr. Fleisch. Wien consumirt allein 660.000 
Ctr.; das übrige Land Nieder-Oesterreich 574.000 Ctr. — Sobald 
man in Nieder-Oesterreich die übermässig grosse Mehlfrüchten- 
Cultur beschränken und noch mehr Futter gewinnen und besser 
flittem wird; dann werden wir auch mehr und noch besseres 
Fleisch mit bedeutendem Reingewinn erzielen. Alle Hügel und 
Gebirgslagen in Nieder-Oesterreich erzeugen in der Zucht des 
Gross- und Kleinviehes viel Fleisch, in den Niederungen und na- 
mentlich um Wien wird im grossen Masse die Milchwirthschaft 
betrieben. 

Schafe. 

Die Schafhaltung hat seit der Grundentlastung bedeutend 
abgenommen. Früher hatten die Herrschaften das Mitweide-Recht 
(Composqual- Weiderecht) auf allen unterthänigen Gründen. Nach 
Aufhebung dieser Grundbelastung ist für die grossen Herden an 
der Sommerweide Mangel eingetreten, und so mussten auch die 
Winterstände beschränkt werden. Die Schafzucht hat nun auch 
in der Hand des Grundbesitzers, der früher nur feinwollige Schafe 
züchtete, eine andere Richtung genommen, und man ist jetzt dar- 



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286 

auf bedacht, theils hochfeine Wollen von Merino-Thieren , theils 
bei Erzeugung von Mittel- und gröberen Wollen Fleischschafe zu 
ziehen. Der Bauer züchtet das Landschaf mit Benützung der 
Zweischur. -Die Schafzucht ist im ganzen Lande ziemlich gleich 
vertheilt, nirgends mehr auffällig hervortretend. Wollpreise 1868, 
per Ctr. Zweischur 50—70 fl., Einschur Mittelwellen 100 — 126 ft., 
feine 140—160 fl., hochfeine 170—180 fl. Die Preise waren 
1848 um 15 Procent niederer in allen Gattungen, in dem Jahre 
1860 aber um 30 Procente höher als 1868. 

ZiegeiK 

Diese sind . in den Ebenen und im Hügel lande nur das 
Nutzthier der Taglöhner und der Häusler, im Gebirge werden 
sie in grösseren Mengen allgemein gezüchtet. 

Schweine. 

Die Schweinzucht ist hier wie überall, in jeder Wirthschaft, 
sie mag die des Taglöhners oder des grössten Grundbesitzers 
sein, sehr stark vertreten, und ist auch allenthalben das nützlichste 
Hausthier. Dennoch aber werden jährlich wiederholt sehr viele 
junge Schweine aus Ungarn nach Nieder-Oesterreich eingeführt, 
und hier angefiittert und zum Selbst verbrauche geschlachtet Vor 
wenigen Jahren waren besonders die englischen Ra^en hier sehr 
beliebt, indess scheint man davon wieder abgekommen zu sein. 
Die Ursache dieses Abkommens mag daran liegen, dass diese 
Ra§en heiklicher sind, und eher den Seuchen unterliegen als die 
heimischen und die ungarischen Ila9en. Nach neuen Berechnun- 
gen (siehe Statistik der Volkswirthschaft) wird an Schweinefleisch 
mehr consiimirt, als an Fleisch von Rindern. Es ist das Schwein 
zumeist die Fleischnahrung des Besitzlosen. 

Bieneniucht.* 

Durch die Anregung des Pfarrers Dzierzon in Preussen: 
die Bienenzucht mit beweglichem Wabenbaue zu betreiben, hat 
das Interesse an derselben, wie überall, auch hier bedeutend er- 
höht. Eine weitere Unterstützung ist damit geboten, dass schon 
in sehr vielen Schulen über die Bienenzucht Vorträge gehalten 
wurden. Endlich ist auch der von J. Kolb (bereits verstorben) 



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287 

gegründete nieder -österreichische Bienenzucht- Verein thätig, um 
den Betrieb der Bienenzucht zu heben, und es werden an dem 
Lehrer- Seminar bei St Anna in Wien den Präparanden über den 
Betrieb der Bienenzucht Vorträge gehalten. Die Honiggewinnung, 
welche Jedermann auf dem Lande zugänglich ist^ da die Biene 
tiberall gedeckten Tisch findet, ist die einträglichste Thierzucht 
des armen besitzlosen Häuslers in Nieder-Oesterreich. Sie ist aber 
auch einträglich für den Grundbesitzer, bietet jedem einen rei- 
chen Beitrag zur Steuerzahlung. Der Absatz ist ein unbeschränkt 
grosser, und hat deshalb bereits einen entsprechenden Aufschwung 
genommen. 

Die Bienenzucht wird in Nieder-Oesterreich sowohl als Stand, 
als Wanderbienenzucht betrieben. Im ersten Falle bleiben die 
Bienenstöcke das ganze Jahr hindurch auf ihren Standorten. Im 
zweiten Falle werden die Stöcke im Hochsommer zur Zeit der 
Heidekorntlüte unmittelbar auf diesen Feldern aufgestellt und 
erst im Herbste wieder auf den Hausstand zurückgeführt. 

Besonders ist das Marchfeld mit viel Heidekorn besäet, und 
der Tummelplatz der Bienen, oft von 10.000 Bienenstöcken. Doch 
ist der Heidekomhonig weder schön, er ist braun, noch gut; da- 
her auch sehr mindere Preise dafür gezahlt werden. Der beste 
Honig wird in den Gebirgsgegenden. Nieder - Oesterreichs ge- 
wonnen. 

Scideiizucht* 

Der Betrieb der Seidenzucht wird durch die Landwirth- 
schafts-Gesellschaft, die Handels- und Gewerbekammer, den Ge- 
werbeverein, dann durch die Statthalterei , und neuerlich durch 
das Ministerium unterstützt, und wird in jeder möglichen Weise 
gefördert. Nieder-Oesterreich zählt bereits zwei Millionen von jun- 
gen Bäumen für künftig reiche Zuchten. Leider aber hemmt die 
allgemein verbreitete Raupenseuche den sonst schon jetzt mög- 
lichen, rascheren Aufschwung; iiidess ist vorauszusehen, dass 
gleich anderen Seuchen mit den Jahren auch diese wieder erlö- 
schen werde. Nach dem Verluste Italiens ist man von Seiten der 
hohen Regierung daran, die Seidencultur in allen Kronländem mit 
Macht zu heben. Zu dem Ende wurde für 1867 ein Seidenbau- 
Congress ausgeschrieben, dieser in Wien abgehalten und darin 



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288 

beschlossen, und darauf angetragen in den Westländem der Mon- 
archie jährlich 25.000 Gulden zur Subvention dieser Cultur zu 
verwenden, eine Seidencultur- Versuchsstation, dann derlei Fi- 
lialen zu gründen, Preise von 5000 fl. für die beste Schrift über 
die Seidencultur und für die Erfindung eines Mittels gegen die 
Raupenseuche auszuschreiben, welche nun schon seit Jahren in 
ganz Europa ungemein verheerend auftritt; ferner Jahr für Jahr 
neuerlich gesunde Eier aus Japan einführen zu lassen, welche 
bisher vortrefflich gediehen, und wovon selbst die Reproducirten 
nichts zu wünschen erübrigen. Die hohe Regierung hat diese An- 
träge des Congresses entsprechend gewürdigt, und sind die Aus- 
führungen derselben grösstentheils im vollen Sinne der Proponen- 
ten im Zuge. Neuerlichst hat man daran gedacht einen Stellver- 
treter in der Seidenerzeugung, einen Eichenspinner (yama-mai) 
zu züchten und auch von diesem Eier aus Japan kommen lassen. 
Indess sind diese Zuchten bisher noch nicht vollkommen gedie- 
hen — ja bei einigen hat dieselbe Seuche überhand genommen, 
welche dem Maulbeerspinner bis zur Auflassung der Zucht ein- 
zelner Ra9en nachtheilig wurde. Wird endlich mit der Zeit 
diese Seuche erlöschen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass wir 
auch im Kaiserthume Oesterreich den ganzen Bedarf an Seide erzeu- 
gen. Bis dahin werden Millionen von Maulbeerbäumen, Laub im 
reichen Masse produziren, und wir werden diesfalls Italien nicht 
mehr vermissen, dem wir jetzt jährlich mit Millioj[ien Gulden für 
Seide pflichtig sind, und wir werden dieser Seuche um so früher 
ledig sein, wenn nicht ferner aus kranken Zuchtraupen Eier ge- 
zogen und wieder verwendet werden, wodurch zumeist diese ver- 
heerende Seuche so rasch verbreitet wurde, und an Intensität ge- 
wonnen hat. (Siehe F. W. Hofmann's Cultur des Maulbeerbau- 
mes und der Seidenzucht, herausgegeben von der Section der 
k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft für Seidencultur, Wien, 1867.) 

Die Bewirthschaftunji^ der Grundbesitze. 

Die Bewirthschaftung des Kleinbesitzes basirt in den meisten 
Bezirken Nieder-Oesterreichs grösstentheils noch auf der Dreifelder- 
wirthschaft mit reiner Brache. Doch verdrängt die Cultur von Futter, 
Jahr für Jahr fortschreitend die Brachlialtungen und dies be- 
sonders in der Nähe der Meiereien der Gross-Grundbesitzer, wo 



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die Erfolge rationeller Betriebsweisen in allen Culturen den bäuer- 
lichen Nachbar zur Nachahmung bestimmt. 

Die Düngerwirthschaft liegt im allgemeinen nicht ganz 
selten auch bei dem Gross-Grundbesitzer noch im argen; die 
Jauche fliesst noch immer den Bächen zu, ja die meisten Dün- 
gerstätten sind so schlecht angelegt, dass das Regenwasser selbst 
den Dünger durchzieht, und aus diesem auch noch die besten 
Stoffe mit hinwegschwemmt. Trotz aller Belehrung wurde hierin 
eine bessere Wirthschaft in der Düngergewinnung nicht erreicht, 
was um so mehr zu beklagen ist, als damit mindestens 25 Pro- 
cente der Gesammtproduction , Jahr für Jahr nicht gewonnen 
werden, für deren Gewinnung das Materiale bereits in der Hand 
des Producenten gelegen war, der es eben in unverzeihlicher Weise 
unbenutzt wieder verschwinden lässt. Ja es ist dieser Misstand ge- 
rade in Nieder-Oesterreich um so auffälliger, als in jedem ein- 
zelnen Orte mindestens 2 — 3, ja 20 — 30 Mitglieder der Land- 
wirthschafts-Gesellschaft hausen, deren Pflicht es doch sein würde, 
die einfachsten und nothwendigsten Massnahmen in dem Betriebe 
der Wirthschaft in ihren Kreisen zur ö-eltung zu bringen. 

Einigen Aufschwung hat dagegen die Thierernährung aber 
erst in den letzten Jahren dieser 20-jährigen Periode genommen, 
wodurch der endlosen Vergeudung des Futters in grösstentheils 
lediger Mehrverwendung als Erhaltungsfutter theilweise Einhalt 
gethan wird ; eine Vergeudung, deren Werthe Jahr aus bei einer 
Verwendung von 30,000.000 Ctr. Heu-Futterwerth in Nieder- 
Oesterreich, Verluste imd Entgänge sichern Gewinnes von Millionen 
Gulden beziffert, — ja sammt der masslosen Verschwen- 
dung des Düngers die Ursache der tief zu bekla- 
genden Zustände derniede r-ö sterreichischenBoden- 
production ist. 

Es ist gelungen, neue Culturen, z. B, die Seidenzucht, die 
Hopfencultur u. s. w. einzuführen, aber das, was jeder versteht 
und jeder begreift: die entsprechende Verwendung von Futter 
und Dünger im allgemeinen zur Geltung zu bringen, daran 
scheitert bis jetzt noch jede Bemühung. So hat die k. k. Land- 
wirthschafts - Gesellschaft schon vor 15 Jahren über Anregung 
des Verfassers eine ganz populär gehaltene kleine Schrift des- 
selben über Düngerwirthschaft verbreitet, und die k. k. nieder- 

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290 

österreichische Statihalterei 1000 Exemplare derselben durch die 
Bezirksbehörden im Lande vertheilen lassen — aber alles ist bis 
zur Stunde jfruchtlös geblieben. 

Eticksichtlich der Tiefebenen des Landes, die in Folge gänz- 
licher Baumlosigkeit den heftigsten Windströmungen ausgesetzt sind 
imd dadurch der Trockenheit so sehr verfallen, dass jedes dritte 
Jahr eine Missemte zu verzeichnen ist, wurde seit Jahren darauf 
hingewiesen, Baumwände zum Schutze der Fluren zu pflanzen, 
wodurch zugleich die Luft an Feuchtigkeit gewinnen würde, welche 
den Culturen dieser Gegenden so sehr zuträglich wäre; aber 
auch diese Eathschläge sind noch -der Durchführung gewärtig. 

Endlich wurde gleich vergeblich auch die Bewässerung des 
Marchfeldes schon wiederholt in Anregung gebracht, deren Durch- 
führbarkeit nach den Resultaten der Messungen der Höhe des 
Wasserstandes der Donau und der Tieflage von 25.000 Jochen 
dieser Ebenen auf der* Hand liegt. Doch ist in neuester Zeit die 
HofBiung der endlichen Inangriflhahme dadurch wieder belebt 
dass für die Regulirung der Donau eine k. k. Commission tagt, 
welche zugleich auch die Bewässerung des Marchfeldes in den 
Kreis ihrer Berathungen aufnehmen wird. 

Die Bierbraueret 

Auf die Erzeugnisse der landwirthschaftlichen Industrie über- 
gehend, tritt die Biererzeugung Nieder-Oesterreich's in den Vor- 
dergrund. Diese hat sich seit dem Jahre 1848 von 1,400.000 
Eimer auf 3,000.000 Eimer gehoben. Der Grund für diese Er- 
scheinung, an welcher heutzutage die ganze Welt participirt, 
beruht lediglich auf den Fortschritten, welche in der Erzeugung 
dieses Getränkes stattgefunden haben. Auf diesen Wegen ist 
Baiern vorangegangen, Böhmen gefolgt, aber erst nach Ablauf 
mehrerer Jahre ist es auch in Nieder-Oesterreich gelungen, ein 
gutes und geschmackvolles Bier herzustellen. Seitdem aber hier 
einmal die richtige Bahn für die Erzeugung betreten wurde, wozu 
namentlich mein verstorbener Freund Balling durch Herausgabe 
seines berühmt gewordenen "Werkes die „Gährungs - Chemie" 
mächtig beigetragen hat; seit dieser Periode hat die Wiener Bier- 
erzeugung den Sieg über alle Länder errungen. Während noch 



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291 

vor 30 Jahren jeder Ausländer das Wiener Bier verschmähen 
musste, wird dieses jetzt in alle Welt versendet. 

So sehr aber diese Steigerung der Biererzeugung der Gross- 
brauereien im Lande einerseits die günstigste Rückwirkung auf 
die Bodenproduction Nieder-Oesterreich's äussert, weil dadurch 
Gerste und Hopfen hochpreisig hier verbraucht werden, und die 
aus den Brauereien zu beziehenden so vorzüglichen Abfälle den 
Milchwirthschaften zu gute kommen, — so bereiten diese Glanz- 
punkte der Grossindustrie für die Erträgnisse der kleineren Braue- 
reien im flachen Lande, welche dem Gross -Grundbesitzer oder 
Landstädter gehören, schwere Sorgen. Diesen ist es fast unmög- 
lich geworden, mit ihren Erzeugnissen den Grossbrauereien ge- 
genüber Stand zu halten. Die Grossindustrie erdrückt auch hier 
das Kleingewerbe, was für den Gross-Grundbesitz gerade in die- 
sem Falle, um so empfindlicher wird, als bei dem endlich ge- 
drungenen Auflassen der Gutsbrauereien ihnen auch jener Theil 
des secundären Nutzens entgeht, welcher durch den Verbrauch 
der Abfälle der Bierbrauerei in der Milcherzeugung und Dün- 
gerwirthschafk, und schliesslich in der Feldbauwirthschaft so gün- 
stige Resultate herbeigeführt hat. 

Der Verbrauch an Bier wird noch Jahrelang zunehmen. 
Wir erinnern hier nur daran, dass z. B. in Baiem per Kopf der 
Gesammt-Bevölkerung jährlich 2*/, — in München sogar 7 Eimer, 
in Oesterreich nur 15 Mass, in Wien 2y, Eimer Bier entfallen, 
und es wird daher gerathen sein, dass der Gross-Grundbesitz 
durch Association auch grosse Brauetablissements errichtet, wenn 
es vermieden werden will, dass die Biererzeugung, gänzlich in 
die Hand der Industriellen übergehend, aus dem Bereiche land- 
wirthschaftlicher Industrie, aus dem Bereiche ihrer Güter gänz- 
lich verschwinde. 

Die Brantweinbreimerei. 

Die Brantwein- oder Weingeist-Ei^eugung auf den Gütern 
musste nahezu gänzlich eingestellt werden; weil der Modus der Besteue- 
rung „die Besteuerung imAbfindungswege" es nur Brennereien mit 
unausgesetztemBetriebe im Grossen ermöglicht denSpiritus mit Nutzen 
zu produzieren, Fabrikanten, die eben alle Chancen des Ge- 
schäftes auszunützen in der Lage sind. Wie sehr diese Geschäfte 

19 * 



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292 _ 

im Grossen prosperiren, beweiset, dass, ungeachtet seit den letz- 
ten Jahren in Nieder-Oesterreich 161 Brennereien eingestellt wer- 
den mussten , die Steuererträge dennoch von 4 auf 500.000 
Gulden, also um 20 Procente gestiegen ist. Die Menge der Er- 
zeugung ist unbekannt, da die Steuer im Wege der Abfindung 
entrichtet wird. 

Durch die gedrungene Auflassung so vieler Brennereien 
ist neben dem grossen Verluste an den Werthen der Baufüh- 
rungen und Einrichtungen derselben, welcher wohl Millionen Gul- 
den beziffert, noch weit mehr der Entgang an den Erträgnissen 
einer zweifachen Ausnützung jener Rohstoffe zu beklagen, welche 
statt' zuerst durch die Brennerei zu gehen, nur direet dem Thiere 
als Nahrung vorgelegt werden müssen. — Dadurch entgeht dem 
Lande das Geld für die Production und der sonst mögliche hö- 
here Aufschwung in den Erträgnissen der Landwirthschaften. 
Dieser Zweig der landwirthschaftlichen Industrie, durch welchen 
im Auslande hunderttausende von Gütern prosperiren, wird für 
unsere Landwirthschaft so lange unbenutzt bleiben müssen, bis 
der Reichstag endlich sich veranlasst finden wird, für die Pro- 
duction des Spiritus aus der in der Landwirthschaft selbst er- 
zeugten Rohstoffen dem Landwirth ein gewisses Prozent Steuer- 
nachlass per Grad (siehe Hofmann's Statistik,' pag. 32) zu bewil- 
ligen, damit er seinerseits mit den Fabriken ganzjährigen Betrie- 
bes Concurrenz halten kann. Diese Mehrerzeugung würde eben 
ein Ausfuhrartikel werden , es würden dadurch die einzelnen 
Wirthschaften und das Land gewinnen. 

Die Zuckerfabricatiou. 

Während der Brennereibetrieb den Wirthschaften nahezu 
gänzlich entzogen ist, sind seit dem Ablaufe von 20 Jahren die 
Zuckerfabriken in Aufschwung gekommen. Wo diese in Folge gün- 
stiger Boden- und Arbeiter - Verhältnisse und wohlfeiler Brenn- 
raateriale etablirt werden, dort herrscht auch in wenigen Jahren 
Segen im ganzen Umkreise ihrer Thätigkeit. Diese Fabriken sind 
die hervorragendsten Träger der Bodenverbesserung. Leider bie- 
tet Nieder-Oesterreich nur an wenigen Orten die Bedingungen 
m Vereine, unter welchen die Anlage einer Zuckerfabrik mög- 
lich ist; und wir zählen deshalb im ganzen Lande nur 5 Fabri- 



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293 

ken mit einer Gesammtverarbeitung vou nur einer halben Million 
Centner Rüben. — Taglohn und Kohle sind hier eben zu theuer. 

Allgciiieiiie Beiiierkuiig;eii. 

Während Nieder Oesterreich in seiner Gesammtproduction, 
theils der geringeren Productions-Fähigkeit des Landes, als Ge- 
birgsland weniger, theils aus Selbstverschulden wegen Vergeu- 
dung der Düngstoflfe auf gleicher Fläche weniger, daher theurer 
producirt, als z. B. Mähren oder Ungarn, — so ist es anderseits 
in der höchst günstigen Lage, seine sämmtlichen Producte für 
die gangbaren Preise nach Wien absetzen zu können, dessen 
Bewohner weit mehr brauchen als der Gesammtüberschuss der 
Bodenproduction Nieder - Oesterreichs beträgt. Diesem allerdings 
günstigen Verhältnisse auch die Thatsache entgegengehalten, dass 
das Land mit einem Theile seiner Rohstoflfe namentlich mit Wei- 
zen und Roggen mit der ungarischen Production selbst dann auf 
dem Wiener Markte nicht Concuri'enz halten kann, wenn der 
Weizen oder das Mehl bis aus dem Banate hieher gebracht wird, 
weil wie z. B. im vorigen Jahre im Banate der Weizen an Selbst- 
kosten mit 1 fl. 60 kr., in Nieder-Oesterreich mit 4 fl. Selbst- 
kosten per österr. Metzen erzeugt wurde; daher das Banat trotz 
der grossen Entfernung selbst das Mehl um Preise nach Wien 
zuzustellen vermag, für welche in Nieder-Oesterreich noch nicht 
das Getreide gewonnen wird, — so ist damit der österreichische 
Landwirth offenbar im Nachtheile, aber noch immer nicht in einer 
so schhmmen Lage, die eine Besserung der Verhältnisse aus- 
schliesst. Er muss nur bemüht sein, die ihm sonst zu Gebote 
stehenden Verhältnisse völlig auszunützen; er muss seine Arbeit 
verwerthen, indem er Handelspflanzen cultivirt ; statt des Weizens 
und Roggens, mit welchem er am Markte geschlagen wird, muss 
er mehr Futter erzeugen, und theuer gezahlte Thierproducte 
nach Wien bringen, was um so lucrativer sein wird, als Ungarn 
und Galizien das Schlachtvieh hundert Meilen weit hierher sen- 
den muss. Das Futter gedeiht in dem Hügellande im Mittelge- 
birge viel besser und ist weit nahrhafter als jenes der Ebenen; 
er wird selbst das Fleisch wohlfeiler erzeugen als der Ungar auf 
seiner Weide. Er wird dadurch viel Dünger gewinnen. Die Fel- 
der werden dann eben so reiche Ernten produciren, als jene im 



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294 



Banale, und er wird durch diesen Vorgang in der Wirthschaft 
noch eine Reihe Ton Jahren selbst mit seinem Weizen auf dem 
Markte mit den ungarischen Erzeugnissen noch zu seinem Vor- 
theile concurriren können. 

Einwohner. 

Die Anzahl der Einwohner in Nieder-Oesterreich ist wäh- 
rend des Ablaufes von 20 Jahren: 

in ganz Nieder-Oester- \ 

reich von . . . 1,533.000 auf 1,864.000 somit um 331.0001 in^yj^^jgn 

davon in Wien von . 320.000 „ 614.000 „ „ 194.000? ^^ ^^ 

1,350.000 „ „ 138.000) ^^ ®^^ ' 



davon auf d. Lande von 1,212.000 



Oonsmntlon der Bevölkerung In Hieder-Oesterrelcli« 

Aj Stadtbevölkerung von Wien mit 514.000 Individuen, 1867. 

Im Ganzen Ein Individuum 



jährlich 
Centner 
An Mehl und Hülsenfrüchten oder an 

Brot u. z. 100 Pfund Mehl zu 1,40 Pfund 

Brod oder sonstigen MehlproducteQ • 938.000 
An Gemüsen: 

Kartoflfel 117.000 

Kraut 117.000 

Rüben 59,000 

Sonstige Gemüse: 

Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzel etc. 59.000 

an Obst 117.000 

Zucker und Syrup 117.000 

Kaffee, Giehorie, Gewürze 17.000 

an Rindfleisch 473.000 

an Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch 

und Federvieh 175.000 

Wild 10.000 

Fische nach Schätzung gleich dem Wilde 10.000 
Milch, Käse und Butter von 1,160.000 

Eimer Milch, ii6Loth Butterund Käse 

per 1 Mass Milch, täglich 0.« Seitel per 

Kopf = 1.,,, Loth feste Stoffe . . . 87.000 
Eier per Kopf tägUch O.^j Stück, 10 Stück 

= t Pfand, 44,000.000 Stück. . . 44.000 

Honig, meistens in Lebkuchen . . . 2000 

ß*l« , . 29.00 

Im Ganzen an Speisen: 2,371.000" 



jährUch 
pfände 



182., 



17., 



tägUeh 
Loth 



16.C 



22., 


2^ 


22., 


2.« 


12., 


1.« 


12.. 


l-M 


22., 


2.0. 


22., 


2-0. 


8.» 


0.« 


68.» 


»•« 


34.. 


3.«, 


2-. 


o.„ 


2.. 


0,0 



8.7 


0.» 


0.. 


0.« 


K 


0-00 , 



441., 



40.. 



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295 



Getränke: Eimer Mass Seitel 

Wein- und Obstmost 350.000 27.» O.jo 

Bier 1,171.000 91., 1.^ 

Spirituosen 12.000 1.^ O.«! 

Im Ganzen an Getränke: 1,533.000 11 9.5 T^^ 

Ompplrung: der Nahrungsitoffe fär die Bevölkerung: der 

Stadt Wien. 

jährl. tägl. jährl. tÄgl. von 100 Gewichts- 

Pftind Loth Pfund Loth theilen 

An Mehl I82.5 I6.00J Pflanzenstoffe 

« Gemüsen 93., 8.00 1 ^'^^"' ^'^•'^ = ^^-to 

„ Fleisch und Fischen . lOO.^ 11*40 j 

„ Milchproducten, Eiern, J 132.^ 13.,^ Thierstoffe^ 

Honig 26., 2.3^1 ' "" ^^•»» 

n Kaffee, Zucker, Ge- J Verschied. 

würzen .... 26.2 2.^) 32.^ 2.go Nahrungs- 

„ Salz 5.g 0.^1 Stoffe = 6.g„ 

Summe 440.ß 40.5^ nach Percentea = IOO.Q0 

B) Landberölk^rung mit 1,350.000 Individuen, 1867. 

Im Ganzen Ein Individuum 

jährUeh j&hrUch tägUch 

Centn«r Pfixnd« Loth 

An Mehl und Hülsenfrüchten oder an 
Brot, ü. z. 100 Pfund Mehl zu 140 Pfund 

Brot oder sonstiger Mehlproduction. . 3,079.000 228.i 20.oo 

An Gemüsen: 

Kartoffeln 1,554.000 IIS.^ lO.jo 

Kraut 1,023.000 76., 6.55 

Rüben 384.000 28.5 2.50 

An sonstigem Gemüse: 

Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzeln. 247.000 18.8 l.«o 

An Obst 307.000 22.. 2.^ 

Zucker und Syrup 45.000 3.^ 0.^ 

Kaffee, Cichorie und Gewürze .... 16.000 l.j O.io 

An Fleisch: 

Rindfleisch 236.000 17., 1.«, 

Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch und 

Federvieh . 289.000 2I.4 l.„ 

Wild . . 50.000 3.^ 0.„ 

Fische, nach Schätzung gleich dem Wilde 50.000 3.7 0.^ 
Milch, Käse und Butter, 2.693.000 Eimer 

Milch, k 6 Loth Qutter und Käse per 



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296 



Im Ganzen Ein Individuum 



1 Mass Milch täglieh O.« Seitel per Kopf 
= l.eo Loth feste Stoffe = feste Stoffe 

Eier, per Kopf täglich O-i» Stück = 1 Pfund 
70,000.000 Stück = 

Honig, meistens Lebkuchen .... 

Salz 

Im Ganzen an Speisen 

Getränke : 

Wein upd Obstmost 1,215.000 

Bier 

Spirituosen 

Im Ganzen an Getränke 2,935.000 



jährlich 


jährlich 


Uglich 


Gentner 


Pfände 


Loth 


202.000 


16.. 


1-« 


70.000 


5., 


0... 


13.000 


1-. 


o.„ 


108.000 


8.. 


0.,. 


7,673.000 


•569., 


49.» 


Eimer 


Mass 


Seitel 


1,215.000 


36.0 


0.» 


1,687.000 


50., 


o.„ 


33.000 


1-. 


0-0. 



87.0 



0.« 



Gruppirung der Nahrungssto ffe für die Bevölkerung auf dem 

Lande. 





jährl. 


tägl. 


jährl. 


tägl. 


von 100 Gewichts- 




Pfunde 


Loth 


Pfunde 


Loth 


theilen 


An Mehl 

n Gemüsen . . . . 


228.1 
260.5 


20.00 j 

22.851 


488.« 


42.« 


Pflanzenstoffe 

= 85.^ 


„ Fleisch und. Fische . 
„ Eier, Honig ... 


46., 
21., 


4.0*1 

1.9oi 


68.0 


6.« 


Thierstoffe 

= 11.90 


„ Kaffee, Zucker, Ge- 










Verschied. 


würzen .... 


U 


0.40 


12.0 


1..0 


Nahrungs- 


„ Salz 


8.0 


0.70 






stoffe = 2.20 


Summe 


569.2 


49.«« 




Nach Percenten = lOO.oo 



CJ Consumtion von Land und Stadt; 1,864.000 Individuen, 1867. 

Jährlicher Bedarf der 

An Mehl und Hülsenfrüchten oder an 
Brod, u. z. 100 Pfd. Mehl zu 140 Pfd. 
Brod oder sonstiger Mehlproduction . 

An Gemüsen: 

Kartoffel 

Kraut 

Kuben 

Sonstige Gemüse: 
Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzeln . 
An Obst. . 

„ Zucker und Syrup ..... 117.000 

^ Kaffee, Cichorie, Gewürze 



Stadt 


Land 


Summe 
Centner 


938.000 


3,079.000 


4,017.000 


117.000 


1,554.000 


1,671.000 


117.000 


1,023.000 


1,140.000 


59.000 


384.000 


443.000 


59.000 


247.000 


30&.000 


117.000 


307.000 


425.000 


117.000 


45.000 


162.000 


17.000 


16.000 


33.000 



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297 

Jährlicher Bedarf der 
Stadt Land Snmme 

Gentnef 
An Fleisch, Rindfleisch jährlich p.r. 

90.000 OchBen 473.000 236.000 709.000 

Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch und 

Federvieh 175.000 289.000 464.000 

Wild 10.000 50.000 60.000 

Fische nach Schätzung gleich dem Wilde 10.000 50.000 60.000 
Milch, Butter, Käse, 3,853.000 Eimer 

Milch, k 6 Loth Butter und Käse pr. 

1 Mass Milch täglich 0.^ Seidel pr. 

Kopf = l.eo Loth feste Stoffe == 87.000 202.000 289.000 

Eier, 10 Stücke = 1 Pfd., 114,000.000 St. 44.000 70.000 114.000 

Honig, meistens in Lebkuchen . . . 2.000 13.000 15.000 

Salz 29.000 108.000 137.000 

Summe 2,371.000 7,673.000 10,044.000 

Getränke. Eimer 

Wein und Obstmost 350.000 1,215.000 1,565.000 

Bier 1,171.000 1,687.000 2,858.000 

Spirituosen 12.000 33.000 45.000 

Summe 1,533.000 2.935.000 4,468.000 

Anmerkung: 42.000 Zentner Zucker aus den in Nieder-Oesterreich ge- 
wonnenen Zukerrüben. 

Von Bier werden aus der Gerste, welche in Nieder-Oesterreich erzeugt 
wird, bei 100.000 Eimer erzeugt. 

Die Ausfuhr an Wein nach den Provinzen und dem Auslande dürfte 
70.000, — jene des Bier's 7.000 Ztr. betragen. Eine zuverlässige Angabe ist 
gleich der Einfuhr unmöglich, weil an den Grenzen Nieder-Oesterreichs als 
Binnenprovinz ein Zoll nicht erhoben wird. 

Die Preise der vorzüglichsten Verbrauchsartikel in Wien von 

1848 bis 1868. 
Weizen der Metzen von 3 fl. 31 kr. ö. W.*) auf 6 fl. — kr. ö.W. gestiegen 

Roggen „ „ „3„18„ „ „4„60„„ „ 

Kartoffel „ „ „— „65„ „ „2„ — „„ „ 

Hafer „ „ „ 1„22„ „ „2„ — n» n 

Heu „ Zentner „— „89„ „ „1„60„„ „ 

Fleisch das Pfund „— „16„ „ „— „32„„ „ 

Wein die Mass „— „24„ „ ^—^48»» » 

Bier „ n n »13n » j» j»2o„ „ „ 

Holz , weiches, d. Klft. „ 10 „ 74 „ „ „ 16 „ — „ „ „ 

hartes »„» 16„35„ „ „22„ — „ „ „ 

Kohlen der Zentner „ 1„50„ „ „ 1„ — „ gefallen. 

*) Die damalige Couventionsmünze hier in österr. Währ, umgerechnet. 



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298 



Die Zukunft« 



Die Ergebnisse aus dem Betriebe der Bodencultur der letz- 
ten Jahre sind im grossen Ganzen wohl befriedigend , indess muss 
hier immer thätig vorwärts geschritten werden müssen, mn 
nicht durch Stillstand von andern überflügelt zu werden. Aber 
auch darin sind wir in der Ausführung vorzüglicher Massnah- 
men bereits im Zuge. Obenan steht die Reform der Volksschule, 
die Errichtung landwirthschaftlicher Feldbildungsschulen für den 
Bauer. So gebührt dem Herrn F. X. Grutsch, Vorstand des Möd- 
linger landwirthschaftlichen Bezirksvereines das Verdienst, da- 
selbst die erste Fortbildungsschule, und eben dort die erste Forst- 
schule für die Bauernsöhne durch selbstgeschaffene Mittel errich- 
tet, und damit die Anregung gegeben war, dass von Seite des 
hohen Ministeriums für Ackerbau in Nieder-Oesterreich noch wei- 
tere 100 ähnliche Fortbildungsschulen errichten werden wollen. 
Dadurch haben wir die erfreuliche Aussicht gewonnen, dass in 
einem weiteren Ablaufe einer zwanzigjährigen Periode eine nam- 
hafte Anzahl der jungen Landwirthe herangebildet sein wird, welche 
im Stande sein werden, landwirthschaftliche Kenntnisse zu verbreiten ; 
auch werden sich immer mehr einzelne Männer berufen finden, ihre 
Kenntnisse zu Gunsten des allgemeinen Wohles auszubeuten, und da- 
mit Wissen und Nutzen verbreiten. Noch mehr der Sicherstellung bie- 
ten die Ergebnisse des Jahres 1868 in der Creirung eines Ministe- 
riums fUr Ackerbau, an dessen Spitze Männer anerkannten Rufes ste- 
hen, welche die Interessen der Landwirthschaft wahren imd för- 
dern, während uns die breitesten Wege für den Fortschritt durch 
die endlich gewährte Lehr- und Lernfreiheit eröffnet 
sind. 



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Die FischeK^^'^®" Eisenwerke 



zu st Egyd am Neuwald. 



Von 



M. A. Becker* 



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U m die altberühmte Fundgrube norischen Eisens, den Erz- 
berg in Obersteier, hatten sich in früher Zeit Ansiedelungen von 
Grewerbthätigkeit gruppiert, welche die Verarbeitung des Koh- 
metalles zu ihrer Aufgabe machten. Es geschah dies im Norden 
des Erzberges zunächst in den Thälem der Mürz und der stei- 
rischen Salza und auf nieder-österreichischer Seite in den Quell- 
bezirken der Erlaph, der Ips und der Schwarz a, von denen 
die ersten beiden unmittelbar der Donau zufliessen, die letztere 
nach ihrer Vereinigung mit dem Püttenbache, der auch schon 
in früher Zeit Eisenhämmer in Bewegung setzte, den heute viel- 
genannten Gränzfluss Oesterreichs- gegen Ungarn bildet. 

Oestlich der Erlaph und dieser parallellaufend, zieht das 
Thal^ der T r a i s e n zur Donau. An Wasserreichthum ist es dem 
der Erlaph, wenn nicht überlegen, gewiss gleich, und zur Anlage 
von Industriewerken nicht minder einladend; dem genannten 
Fundorte des Eisens liegt es mit seinem Quellgebiet so nahe wie 
dieses, und weiset in seinem untern Theile an Culturstätten aus 
römischer wie nachrömischer Zeit mehr und einflussreichere auf, 
als jedes andere Seitenthal der Donau in Nieder-Oesterreich ; 
man denke nur an Traismauer, St. Polten, Lilienfeld. 
Dennoch blieb das Traisenthal trotz dieser anscheinend günstigen 
Umstände noch zu einer Zeit, wo die Thäler der Erlaph und 
Ips durch Eisenwerke schon eine stetige Bedeutung gewonnen 
hatten, von diesem Zweige der Industrie fast unberührt. 

Lag dies theilweise in eigenthümlichen Verhältnissen, unter 
denen sich hier die Cultur entwickelte — ihre Erörterung wäre 
nicht am Platz, — so wird man gewiss auch, zum wenigsten 
für den Quellbezirk der Traisen, der gegen Steiermark hin von 
schwer zugänglichen Höhen geschlossen ist, den Mangel eines 
geeigneten Verkehrsweges in Anschlag bringen müssen, auf wel- 



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302 

ehern das Roheisen. herbeizuschaffen war. Die Strasse von Maria- 
zell über den Annaberg (Tannberg) gehört der neuern, die 
von Mariazell über den Sattelberg nach St Egyd in einem 
zum Transport geeigneten Zustande der neuesten Zeit an; und 
ehe beide diesem Zweck dienen konnten, hatten das Erlaph- imd 
Ipsthal auf der sogenannten Eisenstrasse, das Schwarzathal 
auf der Semme ring Strasse schon Jahrhunderte lang den Be- 
darf an Roheisen aus erster Hand gedeckt. 

Je nachdem die Bedingungen gegeben sind, geht die Ent- 
Wickelung der Industrie wie der Cultur überhaupt ihren kürzern 
oder längeren Schritt; und die örtlichen Schwierigkeiten, die ihr 
entgegenstehen, können nur so lange wirken, als nicht der Un- 
ternehmungsgeist mit seinem ausdauernden Muthe sie zum Ziel- 
pimkt des Kampfes macht. 

Betrachten wir das Traisenthal heute. Es ist mit Industrie- 
werken, und vornehmlich mit solchen, die der Verarbeitung des 
Eisens dienen, bis in seine innersten Winkel besetzt, und Nie- 
mand wird zugestehen, dass es in dieser Beziehung durch den 
historischen Ruf seiner Nebenthäler beeinträchtigt werde. Was 
dort unter günstigen Localverhältnissen mehr als fünf Jahrhun- 
derte der Entwickelung in Anspruch nahm, wurde hier in den 
letzten hundert Jahren zu Wege gebracht; allerdings unter 
der Gunst des Umstandes , dass diese hundert Jahre einen un- 
gleich reicheren Vorrath von Erfahrung und Einsicht zur Ver- 
fügung hatten, und dass sie in die Zeit einer grossen Fürstin 
zurückreichen, die im Fortschritte der Industrie eine Lebens- 
bedingung des Staates wahrnahm. 

Für den Culturhistoriker , der einstens die Greschichte der 
Industrie in Oesterreich zum besonderen Studium macht, wird 
die Periode dieser hundert Jahre einen dankbaren Stoff liefern, 
und es ist sehr zu bedauern, dass er nicht jetzt schon zu lehr- 
reichen Betrachtungen vorliegt. Er würde den merkwürdigen Un- 
terschied in den Bedingungen kennzeichnen, die zur Begründung 
industrieller Unternehmungen damals gegen heut gegeben waren, 
imd er würde namentlich für Nieder-Oesterreich eine Reihe von 
industriellen Anfängen constatiren, die mitten in der politischen 
und finanziellen Noth der Zeit einzig in dem hellen Kopf 
und der rüstigen Thatkraft des ersten Unterneh- 



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303 

mers ihren Stützpunkt fanden; wie dieser, zum grossen Theil 
ein Fremder im Land und aus dem „Reich" zugewandert, mit 
unscheinbaren Mittein seine Kraft in Bewegung setzte, und wie 
BIraft und Mittel wuchsen an der Kenntnis des Bedürfnisses, dem 
er zu dienen, an kluger Berechnung der Mittel, über die er zu 
verfügen hatte. Unsere grossen industriellen Firmen, die aus jener 
Zeit herstammen, weisen fast ohne Ausnahme auf einen solchen 
Anfang zurück, und man begreift das Selbstbewusstsein, womit sie 
den Begründer ihres Werkes als einen ganzen Mann im vollen 
Sinne des Wortes preisen. 

Das hier gesagte findet eine volle Anwendung auf die 
Fischerschen Eisenwerke zu St. Egyd am Neuwalde, 
die wir heut unbedenklich als die wichtigste Industrie-Untenieh- 
mung im Traisenthale, und als eine der bedeutendsten dieser Art 
auf dem Continente bezeichnen dürfen. 

Auch ihre Geschichte reicht in die angedeutete Zeit hinauf; 
auch ihre Gründung hatte einen kleinen, nur von derThatkraft 
des Unternehmers gestützten Anfang und knüpft sich an das 
Wirken eines Mannes, der für die bezeichnete Gattung als Bild, 
vielleicht als Vorbild dienen kann. 

In den letzten Regierungsjahren Maria Theresiens begann 
der Grossvater des jetzigen Werksbesitzers, Jacob Fischer^ 
seine industrielle Laufbahn in Oesterreich als schlichter Arbeiter 
in abhängiger Stellung und ohne Glücksgüter, ausser jenen, die 
ein heller Kopf in die arbeitstüchtige Hand legt. Aber er war 
mit sich im Klaren, was er wollte und was er leisten konnte; 
und indem er sich zunächst auf die Erzeugung einer Waare warf, 
die damals ein herrschendes Bedürfniss war — Säbelklingen 
für die Armee — und dieser einen Grad von Vollkommen- 
heit zu geben wusste, wie sie ihn früher nicht hatte, war ihm 
bald die Möglichkeit geboten, sein industrielles Talent selbstän- 
dig und in wachsender Ausdehnung wirken zu lassen. Die Ver- 
trauenswürdigkeit des Charakters hatte daran einen guten Theil, 
und will man annehmen, er sei auch vom Glück begünstigt ge- 
wesen, so war dies wenigstens ein anderes Glück, als das in- 
dustrielle Glück unserer Tage, das ohne Einsatz eines grossen 
Capitals selten Bestand hat und in hundert Fällen dem schöpfe- 
rischen Talente, wenn es geldlos ist, die Entfaltung ver- 



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304 

wehrt oder es verurtheilt, dem seichten Geldmann zum Schämel 
seines erschwindelten Ruhmes zu dienen. 

Es wird weiter unten erzählt werden, dass Jacob Fischer 
nach mehreren Versuchen einer industriellen Ansiedelung in Nie- 
der-Oesterreich die innerste Bucht des Traisenthales sich zum 
Mittelpunkt seiner Unternehmungen ausersah. Der Reichthum an 
Wasserkraft und Holz und die Nähe des ärarischen Gusswerkes 
bei Mariazell, um von dort das Roheisen zu beziehen, waren die 
nächsten Beweggründe dazu. Ob die örtliche Lage und der land- 
schaftliche Reiz der Umgegend mit in's Gewicht gefallen sei, 
wissen wir nicht. Aber sie verdienen hier zur Orientierung mit 
einigen Zügen erwähnt zu werden. 

Ungleich den andern Nebenflüssen der Donau in Nieder- 
Oesterreich ist die Traisen in ihrem Oberlauf in zwei, an Wasser- 
gehalt, Länge des Laufes und Stärke des Gefälles beinahe 
gleiche Bäche desselben Namens geschie den, die eine 
Wegstunde ober Lilienfeld im sogenannten Freiland zusam- 
menfliessen, nahe einer Stelle, die den Wanderer durch das ma- 
lerisch angelegte Wohnhaus der Fruhwürt haschen Gewehr- 
fabrik fesselt. Zwischen beiden streicht ein Höhenzug, zuerst 
unter dem Namen Traisenberge (höchster Punkt 3744') als 
langer bewaldeter Bergrücken von West nach Ost, dann über 
die Grabenalm (3904') nach Nord, und erreicht im Tür- 
nitzer Höger (4328'), seine höchste Erhebung. Er hat gegen 
Nord und West ziemlich weit vorspringende Seitenarme mit zahl- 
reichen Wasseradern und fällt gegen Süd und Ost, mit einer ein- 
zigen geringen Ausnahme, überall kurz ab. 

Der von Südwest kommende Traisenbach — die eigent- 
liche Traisen — erhält seine Wässer grösstentheils von den 
genannten Höhen; nur einen, und zwar den entferntesten (Tür- 
nitzerbach) von der Höhe des Annaberges (2934'), der mit 
den Traisenbergen durch ein langgestrecktes niederes Joch ver- 
bunden ist. 

Sein Thalgrund ist vor seinem etwas schroffen Anstiege 
zum Annaberg — Türnitz liegt 1386', Annaberg 2934' über dem 
Meere — von niedrigen Höhen gesäumt, die^ meist zurücktretend, 
der Bodencultur Raum lassen, und seit der zweiten Hälfte des 
vorigen Jahrhunderts zieht die Eeichsstrasse durch, die von St. Polten 



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305 

ter über TCirnitz und Annaberg den Verkehr mit dem 
steirlschen Oberlande vermittelt und seit ihrer Errichtung neben 
dem Wallfahrtsziele Mariazell auch wohl der Verfrachtung 
des Roheisens zu dienen hatte, das im ärarischen Gu sswer k bei 
Mariazell erzeugt wurde. 

Unter ähnlichen Verhältnissen, wie die eigentliche Traisen, 
entsteht der von Süden kommende Traisenbach, den der Volks - 
mund bezeichnend die unrechte Traisen nennt; nur ist hier 
die Terrainform ausgeprägter, der landschaftliche Charakter gross- 
artiger, da er mit seiner innersten, merkwürdig ausgeweiteten 
Thalbucht in die Voralpen hinanreicht. Diese Thalbucht wird im 
Süden durch einen, den Traisenbergen parallellaufenden, jedoch 
bedeutend höheren Gebirgszug geschlossen, aus welchem — von 
West nach Ost der GöUer (5571'), der Gippel (5274') und 
das Pr ei neck (c. 4400') massig emporsteigen, und der, vom 
Preineck gegen Nord gewendet, in wechselnder Erhebung, aber 
durchwegs niedriger, an der rechten Thalseite fortzieht Der 
höchste und zugleich durch seine Femsicht lohnendste Punkt auf 
dieser Seite ist die Hoch- oder Reisalpe (4424'), in gleicher 
geogr. Breite mit dem Ausgang des Thaies. 

Auch die unrechte Traisen erhält ihre Quellbäche, dar- 
unter einige gleich beim Ursprung merkwürdig stark, von Süden 
her aus den Sammelbecken des Göller und Gippel, und sie ver- 
einigen sich bei dem Markte St. Egyd (1768'), der am nörd- 
lichen Rande der innern Thalbucht liegt Unterhalb des Ortes, 
unter dem Fischer'schen Werke beginnt die Verengung des nach 
Nord gewendeten Thaies und dauert bis nach H o h e n b e r g (1501'). 
Von dort ab bis zu seinem Ausgange in Freiland wird das Thal 
wohl stellenweise breiter, aber nicht in dem Masse, dass die 
Thalsohle zu einer ausgiebigen Bodencultur benützt werden könnte. 
Auch längs der unrechten Traisen zieht eine — jetzt gut erhal- 
tene — Landstrasse, die in Freiland von der Türnitz-Mariazeller 
abzweigt. Aber sie war bei ihrer Regelung — in den 50ger Jah- 
ren des vorigen Jahrhunderts — nur für Hohenberg und 
St. Egydi berechnet, und ging in letzterem Orte aus. Der ge- 
regelte Verkehr von St. Egyd aus einerseits mit Obersteier, an- 
dererseits mit dem Schwarzathal in Nieder Oesterreich ist ein 
Werk der neuesten Zeit und steht mit dem Fischer'schen Unter- 

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306 

jiehhien in unmittelbarer Beziehung. Jetzt führt nämlich von 
St. Egyd eine Strasse über den Sattelberg nach Mariazeil, 
eine andere über den Gaisruck nach Schwarzau, zum An- 
schluss an Reich enau-Gloggnitz *). 



^) Seit die Fischer'schen Werke in St. E^d bestehen, ist die Verbin- 
dung einerseits mit Mariazeil, andererseits mit dem Schwarzathale zur 
Krleichterung des Verkehres geregelt worden. 

Ein Fahrweg von St. Egyd nach Mariazell bestand seit undenklichen 
Zeiten, und zwar in derselben Linie, die er grösstentheils noch jetzt einhält — 
über den Kemhof, Ahomhof, den Sattelhof am Gscheid, Ober- und Unter- 
Knollenhals nach Terz und im Hallthal an der Salza abwärts. In der Schlucht 
der Salza vor Terz, — sie heisst die „HöUenseige** — sieht man in den Fels- 
platten des Flussbettes noch die tiefen Geleisespuren, die auf eine frühere und 
lange Benützung des Weges hindeuten. Zu Anfang dieses Jahrhunderts scheint 
man die Bachsohle verlassen zu haben, und führte den Weg von der H5he 
des Sattelberges über die Salzaleiteu und den Terzberg, und dieser wurde im 
Jahre 1830 auf Kosten Daniel Fische r's theil weise umgelegt. In den Vier- 
ziger Jahren Hess die Herrschaft Hohenberg die noch immer steile Stelle 
unmittelbar bei Terz aus den damaligen Strassenfonds -Geldern umlegen. Im 
Jahre 1850 übernahm Anton Fischer die Strassenadministration gegen Be- 
zug de» Mauterträgnisses und vorwendete auf die Eegulierung der Strasse, die 
durchaus breiter gemacht und in gutem Stand erhalten wurde, während 15 Jah- 
ren mehr als 20.000 fl. Im Jahre 1865 ging die Verwaltung der Strasse auf 
die Gemeinden Egyd und Hohenberg über. Von Terz in der Richtung 
Egyd können nun Lasten von 25 — 30 Centner ohne Vorspann geführt werden ; 
und CS Hesse sich die Strecke von Terz bis aufs Gscheid mit einem massi- 
gen Kostenaufwand so herstellen, dass keine höhere Steigung als 1 Zoll auf 
die Klafter zu tiberwinden wäre, wenn man dem Wasserlauf der Salza durch- 
aus folgen würde. Die Strecke von Freiland über Hohenberg, St. Egyd nach 
Terz ist jetzt Bezirksstrasse und heisst die Fröiland-Terzer Strasse. 

Ein Verbindungsweg zwischen St. Egyd und Schwarzau über den 
Gaisruck bestand schon im vorigen Jahrhundert; aber er war »o steil und 
unzweckmässig angelegt, dass auf demselben kaum Holzkohle in geringer 
Fracht überführt werden konnte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts liess Daniel 
Fischer die steilste Strecke (beim Bauerngut Hintereck) umlegen, so dass 
es nun möglich wurde, ihn mit leichten Wagen zu befahren. Damit war aber 
für den Verkehr noch immer zu wenig gethan, da die ganze Anlage des We- 
ges von Grund aus einer Erneuerung bedurfte. Abgesehen von der mangelhaf- 
ten Grundlage, wodurch seine Fahrbarkeit vom Wetter abhängig wurde, hatte 
er über den Berg eine Steigung von durchschnittlich 16 Zoll auf die Klafter 
und keine grössere Breite als 5 bis 6 Fuss. Am östlichen Gehänge des G a i s- 
ruckberges, in der Katastralgemeinde T rauch zu Schwarzau, führte er 
auf einer Strecke von 650 Klaftern durch eine Schlucht, „das Wasserthal **, 
in welcher das Bett des Baches zugleich die Fahrbahn bildete, und man musste 



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307 

Für den Touristen ist das berührte Terrain, abgesehen von 
seiner industriellen Bedeutung, eine der interessantesten Partien 
im nieder-östen-eichischen Berglande. Neben den Fahrwegen, die 
wir bezeichnet haben, und von denen jeder seine besonderen 
Naturreize bietet, lassen sich noch einige Fusswege nach St. Egyd 
angeben, die der Naturfreund gewiss nicht ohne Befriedigung 
zurücklegen wird, z. B. der Weg vom Reithof im Nassthale 
(Reichenau, Singerin) am Preinbach aufwärts über das P rein- 
eck, oder von Mariazell, die Salza und den Walsterbach 
aufwärts über den Knollenhals und Sattelhof, odqr von 
Türnitz, den Traisenbach hinauf über den Giglhof. Von 
St. Egyd aus steht aber imter den Ausflügen die Besteigung des 
Göller in erster Linie, da er durch seine imposante Gestalt, 
reiche Flora und höchst interessante Rundsicht die volle Auf- 
merksamkeit in Anspruch nimmt. 

So viel zur Orientierung über die Oertlichkeit , die der 
Gründer der Fischer'schen Eisenwerke zum Mittelpunkt seines 
industriellen Wirkens machte. Wie mannigfach anregend und die 
Cultur fördernd wieder das Industriewerk auf die Oertlichkeit 



diese ganze Strecke bis zum Ortner im Wasser fahren. Von dort weg war 
wieder ein steiler Berg, der Trauch, zu überwinden. — Anton Fischer 
nahm die völlige Regulierung dieses Weges in die Hand und fahrte die Ar- 
beiten im Jahre 1866 und 1867 aus. Der Bach im „Wasserthal*^ erhielt ein 
anderes Gerinne und der Trauchberg wird jetzt umgangen, indem der Weg, 
in einer Breite von 15 Fuss angelegt, vom Ortner über das sogenannte „Keitl" 
in einer Länge von 1180 Klaftern zum Ottersbauer-Kreuze führt und 
an den steilsten Stellen des Gaisruckberges in Serpentinen niedriger gelegt 
ist. Die neuangelegten Strecken ergeben eine Länge von 3500 Klaftern, wäh- 
rend die ganze Länge des Weges von St. Egyd bis Schwär zau 5410 Klafter 
beträgt. Die Gemeinde Schwarzauleistete dazu einen Beitrag von 250 fl. Ost. Wäh. 
Unter den Verbindungswegen von St. Egyd aus verdient der nach Anna- 
berg erwähnt zu werden. Er zweigt auf die Höhe des Gscheides von der 
vorgenannten Bezirksstrasse ab und führt über Ulreichsberg nach Annaberg 
in der Schmolz, wo er in die Landesstrasse (Mariazeller Strasse über Türnitz) 
mündet, und zwar nahe der Stelle, wo mit dieser auch die nach Scheibs führende 
Buchenstubner Bezirksstrasse zusammentrifft. Er führt beinahe eine Meile 
weit über gräfl. Hojosische Waldgriinde und wurde 1867 von Anton Fischer 
neu hergestellt. Durch diesen Weg ist die ununterbrochene Verbindung von 
Gloggnitz mit Scheibs über Beichenau, Schwarzau, St. Egyd, Annaherg 
und Buchenstuben längs der Landesgrenze hergestellt, und es wäre dies gewiss 
eine Aufforderung, ihn der öffentlichen Fürsorge zu empfehlen. 

20 * 



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308 

zurückgewirkt habe, indem es der Arbeitskraft der Bewohner 
eine Richtung gab, den Erwerb steigerte und dem Wohlstand 
neue Quellen bot, wird sich aus seiner Geschichte beurtheilen 
lassen, die wir im Folgenden kurz erzählen. 

Jacob Fischer gehörte einer Familie in Thüringen an, die 
im siebzehnten Jahrhundert zuSchmalkalden bedeutende Eisen- 
werke besass und die Producte ihrer Hochöfen und Hämmer zu- 
meist nach Leipzig absetzte. 

Als in der Folge widrige Verhältnisse den Geschäftsbetrieb 
ins Stocken brachten und die Mittel der Familie nicht hinreichten, ihn 
wieder zu heben, verliess JacoVs Vater, Martin Fischer, von 
Glücksgütern entblösst, seine Vaterstadt und siedelte sich als 
Büchsenmacher in Suhl an, wo er unter beschränkten Verhält- 
nissen bis an sein Ende verblieb und seinen einzigen Sohn in 
seiner Profession ausbildete. 

Jacob kam auf seiner Wanderschaft nach Oesterreich und 
fand hier bald einen Wirkungskreis, der seiner Fähigkeit ent- 
sprach. Zum Kriegsdienste angeworben, wurde er der Militär- 
Monturs-Commission, welche damals zu Und — zwischen Krems 
und Stein — ihren Sitz hatte, als Büchsenmacher zugetheilt. 
Der fleissige und geschickte Arbeiter erregte die Aufmerksam- 
keit seiner Vorgesetzten, die ihn zu wichtigeren Arbeiten ver- 
wendeten und seiner technischen Einsicht, die hier mit einem 
durchaus verlässlichen Charakter vereinigt war, allmählich einen 
grösseren Spielraum gewährten. So kam es, dass Fischer in nicht 
langer Zeit sich bei der Monturs-Commission eine ganz ausnahms- 
weise Stellung errang. Es wurde ihm die Leitung der Feuer- 
arbeiten als Oberschlosser übertragen und nebenbei die be- 
sondere Befugniss ertheilt, auf eigene Rechnung Säbelklingen 
und Monturstücke zu erzeugen , welche ihm das Aerar käuflich 
abnahm. Der Grund dieser Begünstigung lässt sich historisch 
nicht feststellen; doch werden wir kaum irren, wenn wir anneh- 
naen, man habe damit einer von Fischer vorgeschlagenen Ver- 
besserung im Erzeugen von Säbelklingen die Bahn ebnen wollen, 
ohne die Gefahr des Unternehmens zu wagen. 

Jacob Fischer errichtete zu Rehberg bei Krems') einen 

*) Die Zeit lässt sich aus dem rorliegenden Material nicht genau fest- 
stellen. Wahrscheinlich zwischen 1776 — 1780. 



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301> 

Hammer und betrieb dort die Erzeugung von Stahl und Stabl- 
Werkzeugen, namentlich Bohrer stahl, Feder stahl, Feder- 
messer, Feilen und Säbelklingen. Der Erfolg war so 
günstig, dass die Bestellungen bald von dem kleinen Werke 
nicht mehr befriedigt werden konnten. Insbesondere kamen die 
von ihm erzeugten Feilen und Säbelklingen schnell in Ruf. 
Letztere wurden in der Armee mit Vorliebe gesucht, und noch 
in später Zeit von Veteranen wegen ihrer trefflichen Eignung 
als Keliquien gehegt. In den Preussen- und Türkenkriegen hatten 
die „Fischerklingen" ihre Probp bestanden. 

Als zu Anfang der Neunzigerjahre die Rüstung zum Kriege 
gegen Frankreich begann, war der bescheidene Hammer zu Reh- 
berg für den Bedarf an Säbelklingen zu klein geworden, und 
Jacob Fischer siedelte sich in einem Seitenthale der Traisen, zu 
Hainfeld an der Gelsen an, wo reichlicher Brennstoff und 
eine ergiebige Wasserkraft die Ausbreitung des Geschäftes zu- 
Hessen. Dort betrieb er die Erzeugung von Säbelklingen in grös- 
serem Massstabe und sammelte die technischen Erfahrungen 
zum fabriksmässigen Betriebe des Geschäftes. Aber bald zeigte 
sich in dem mangelhaften Zustand der Communication , wodurch 
die Zufuhr des Rohmateriales erschwert wurde, auch dort ein 
Hindemiss, welches dem unternehmenden Mann das Verbleiben 
an der neuen Arbeitstätte verleidete *). 

Der nächste Bezugsort von Roheisen war damals das ära- 
rische Gusswerk bei Mariazeil. Um diesem näher zu sein, kaufte 
Fischer im Jahre 1794 die Kettenschmiede mit dem dazu gehö- 
rigen Bauerngute Birbisthal zu St. Egyd am Neuwald') 



') Der Ankauf des Hammerwerkes zu Hainfeld geschah im Jahre 1788 
oder 1789. Verkauft wurde es von Jacob Fischer im Jahre 1800 oder 1801 
an einen gewissen Oehlgast. Später kam es in die Hand des Werkbesitzers 
Zeillinger, mit dem JacoVs Sohn Daniel verschwägert war. Jetzt ist es 
Eigenthum des Herrn Hüfl. 

•) Aus einer Eirchenrechnung von 1626 geht hervor, dass bei dem Hause 
schon von altersher ein Eisenhammer bestanden hatte , denn es heisst dort, das 
Christoph Hammerschmied vom Pttrbesthal der Kirche 10 Gulden 
schulde; unterm 5. April 1647 wird ein Kind des Simon und der Eva Harn* 
merschmid getauft; unterm 23. November 1648 wird Katharina Zeberacher^ 
Kind des Sebastian Zeberacher, Schmidtknechtes ,^beim Pirbesthaler" 
getauft (Pfarrarchiv zu St. Egjd). In der Schreibung des Namens Egjd fol- 



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310 __ 

und richtete sich dort zum grösseren Betriebe der Stahlfabrikation 
nach seinem Sinne ein. 

Das war die Grundlage zu seiner weiteren Unternehmung 
und der Ausgangspunkt des festbegründeten Rufes, den sein 
Haus in der Eisenindustrie Oesterreichs bis auf den heutigen 
Tag bewahrt. 

Es müsste einer Biographie dieses merkwürdigen Mannes 
vorbehalten sein, die Schwierigkeiten darzulegen, mit denen er 
bei der Anlage des Werkes zu kämpfen hatte, und die Conse- 
quenz eines durchaus ehrenhaften Charakters hervorzuheben, die 
endlich über alle Schwierigkeiten den Sieg davontrug. Das ab- 
geschiedene Gebirgsthal zwischen dem Göller und den T ra- 
senbergen wurde durch ihn, so zu sagen, der Cultur geöflfhet, 
insofern diese in der Gewöhnung an stetige, den Lebensbedarf 
deckende Arbeit ein kräftiges Hilfsmittel der Entwicklung findet. 
Der Verkehr hob sich, die arbeitsfähige Jugend fand lohnende 
und zugleich ihr Leben regelnde Beschäftigung, der vermehrte 
Verbrauch von Lebensmitteln erzeugte das Bedürfhiss, für Er- 
zeugung und Herbeischaffung derselben thätig zu sein, die Ge- 
werbe vermehrten sich, dem Wohlstand floss eine neue Quelle zu. 

Ehe noch alle Gebäude seines Betriebswerkes unter Dach 
waren, war Jacob Fischer im weiten Umkreise von St. Egyd 
der populärste Mann. Sein gerader, offener Sinn, seine strenge 
Redlichkeit, seine Herzensgüte, die zu rathen und zu helfen, wo 
CS Noth that, nie müde ward, hatten ihm die Herzen der Be- 
wohner zugewendet, noch ehe er in die Lage kam, ihnen durch 
die Wirkung seiner industriellen Bestrebungen nützlich zu sein. 

Als er im Jahre 1809 starb *), konnte er den Trost mit in's Grab 



gen wir dem jetzt, und zwar schon lange herrschenden Gebrauche, der auch 
den Zusatz „am Neuwald** eliminiert hat. In den Pfarrbüchem heisst der Ort 
von altersher St. Aegyd am Neuwalde. 

*) Ein schneller Tod ereilte ihn während seines Aufenthaltes in Wien. 
Die Inschrift der Gedenktafel über dem Fischer'schen Wohnhaus© zu St. Egyd, 
die aus seinem Todesjahre herrührt, macht den Eindruck, als ob sie von ihm 
selbst angegeben sei. Sie lautet: Die Zeit wird kommen noch — dass 
ich auch werd* verwesen — mein Name zeigt es doch — dass 
einst war hier gewesen — Jacob Fischer aus Sulla in SaxeD, 

Seine Gattin Anna, eine geborene Mühlecker, überlebte ihn um 



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311 

nehmen, dass der Ruf seines Hauses auf festem Grunde stehe, 
nicht nur durch die weitgertihmten Leistungen seiner Stahlwerke, 
sondern auch durch den Werth eines makellosen Lebens, das dem 
Gemeinwohl gewidmet war. 

Jakob Fischers Schöpfungen zu St. Egyd nahmen einen 
raschen Aufschwung. Schon im Jahre 1801 hatte er den Furt- 
hof (nördlich von Egyd an der Strasse nach Hohenberg) käuflich 
an sich gebracht, um dort eine Klingenschmiede anzulegen; 
zwei Jahre später kaufte er das Eisenbergwerk Niederalpel 
(an der Strasse von Mtirzsteg nach Mariazell), um seiner Fabrik 
den Bedarf an Roheisen zu sichern. In seine letzten Lebensjahre 
fällt die fabriksmässige Erzeugung jener Feilen, die nach ihrem 
Fabrikszeichen „Anker feilen" genannt wurden, und deren 
vorzügliche Beschaffenheit den Ruf seiner Fabrik weit über die 
Gränzen Deutschlands trug. Sie haben durch nachhaltige Ver- 
besserungen und besondere Pflege des dazu verwendeten Urstoffes 
jetzt einen Grad von Vollkommenheit erreicht, dass die Fischer'sche 
Fabrik — sie beschäftigt dabei allein an 300 Arbeiter — mit 
jedem ähnlichen Unternehmen in die Schranken treten kann. 

Nach Jacob Fischer's Tode führte sein einziger Sohn Da- 
niel, der schon bei Lebzeiten des Vaters am Werke betheiligt 
war, die Unternehmungen fort. Die Fabrik erhielt eine grössere 
Ausdehnung, da einerseits für die Deckung des immer zuneh- 
menden Bedarfes an Säbelklingen vorgesorgt werden miisste, 
andererseits der Versuch nahe lag, ausser den Feilen auch andere 
Handelswaaren , als Streckeisen, Draht und Eisenblech 
fabriksmässig zu erzeugen; das letztere wurde zu jener Zeit 
noch gehämmert 

Im Jahre 1819 errichtete Daniel Fischer sein Blechwalzen- 
werk zu St. Egyd — es war das zweite in Nieder-Oesterreich *) 



13 Jahre. Sie starb am 18. August 1821 in Furthof und liegt in St. Egyd 
begraben. Das Geburtsjahr Jacob*» ist nicht bekannt und ebenso wenig das 
Jahr, in welchem er nach Oesterreich kam. Da er aber bei seinem Tode 
66 Jahre alt war, so wird man nach seinen durch Tradition überkommenen 
Lebensverhältnissen kaum irregehen, wenn man den Anfang seiner industriellen 
Thätigkeit in Oesterreich in die Jahre 1766—1776 setzt. 

^) AndreasTöpperin Scheibs hat das erste Blech walzenwerk in Nieder- 
Oesterreich im Jahrs 1816 erbaut und 1818 oder 1819 in Betrieb gesetzt. 



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312 

— und legte damit den Grund zu jenem Werke, welches von 
seinem Sohne und Nachfolger Anton Fischer im Jahre 1845 
zu Furthof erbaut und mit allen Verbesserungen der Neuzeit aus- 
gestattet wurde. 

So wie die Industrie überhaupt der Zeit zu dienen hat, so 
kann sie sich auch dem Wechsel in den Anschauungen der Zeit 
nicht entziehen. Bei einigen Industriezweigen entscheidet die wech- 
selnde Mode, bei andern Krieg oder Friede. 

Als mit dem Ende des grossen europäischen Krieges das 
Säbelgeklirr verstummte, war auch den Fischer'schen Fabrikaten 
eine friedliche Richtung vorgezeichnet, und Daniel besass genug 
von dem Scharfblick seines Vaters, um den geänderten Verhält- 
nissen gerecht zu werden. 

Zugleich verfolgte er mit aufmerksamem Auge den Auf- 
schwung, der sich, namentlich in England und Frankreich, in 
den Hilfsmitteln der Erzeugung seiner Fabrikate kundgab, und 
strebte rastlos, sich denselben nutzbar zu machen. Mitten unter 
d6n Vorbereitungen zur Verbesserung seiner Werke, starb er im 
Jahre 1833*). 

Wenn man nach dem Andenken schliessen darf, welches 
von ihm bei denen, die ihn kannten, fortlebt, so war er in Allem 
ein treues Bild seines verewigten Vaters. Derselbe klare, von 
ruhiger Einsicht getragene Blick im geschäftlichen Leben, mit 
der Entschiedenheit des Handelns und der Zuversicht des Gelin- 
gens; dieselbe Treue der Gesinnung, der das gegebene Wort als 
Siegel der Wahrheit und des Vertrauens gilt; dasselbe wohl- 
wollende Herz, das im Geben und Helfen seine Befriedigung findet. 

Die Bedrängnisse der Kriegszeit bürdeten ihm manches 
schwere Opfer auf, um den für die Armee übernommenen Lie- 
ferungen zu genügen. Er trugls mit patriotischer Hingebung; 
denn seine Pflicht war ihm heilig, und sein Muth erstarkte an 
der treuen Anhänglichkeit seiner Arbeiter, die er sich geschult. 



*) Daniel Fischer war zweimal verehelicht, zum erstenmal (1799, 
mitGleonora Josefa Fürst, Sensenge werkstochter von Gaming, die, im 31. Jahre 
ihres Lehens, 1809 za St. Egyd starh; zum zweitenmal mit Elisabeth Zeil- 
linger, Sensengewerkstochter zu Bamsau bei Hainfeld an der Gelsen, die 
ihn überlebt, und (jetzt 80 Jahre alt) noch lebt. Aus der ersten Ehe blieben 2, 
aus der zweiten 10 Kinder nach ihm zurück. 



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313 

an der dankbaren Zuneigung der Bewohner, denen er ein hilf- 
reicher Vater war. • 

Nach Daniels Tod übernahmen seine Söhne Daniel und 
Anton die Fortführung der industriellen Werke. Sie waren 
(1836) übereingekommen, den Nachlass des Vaters zu theilen, 
so dass dem altem, Daniel, die Eiserigruben mit dem Schmelz- 
werke Niederalpel, dem jungem, Anton, die Werkrealitäten 
in St. Egyd und Furthof zufielen. Im Jahre 1846 aber er- 
folgte der Rückkauf des Besitzes von Niederalpel durch Anton 
Fischer, der seither alleiniger Besitzer aller Fischer'schen Werke 
ist. Durch seine Heirat mit Marie von Ebenthal kam 1847 
noch das für den Betrieb der anderen Werke höchst wichtige 
Radwerk zu Vordernberg (in Obersteier) hinzu. 

Wenn man die Verhältnisse in Anschlag bringt, unter denen 
Daniel Fischer's Nachfolger die Leitung des väterlichen Geschäf- 
tes übernahm, so war seine Mission eine nichts weniger als nei- 
denswerthe. Die einzelnen Zweige der Fabrikation, welche die 
Fischer'schen Werke lieferten, hatten wohl durch des Vaters er- 
finderischen Geist jene technischen Hilfsmittel des Betriebes er- 
halten, die ihnen zu seiner Zeit den Vorrang vor ähnlichen 
Erzeugnissen sicherten. Aber die Zeit war eine andere geworden. 
Der mächtige Fortschritt der Naturwissenschaften, vom wieder- 
gekehrten Frieden begünstigt, regte nach jeder Richtung hin zu 
Erfindungen und Verbesserungen an, die beim technischen Be- 
trieb der Gewerbe einen totalen Umschwung in der Methode 
herbeiführten. So wie die Maschine überhaupt schon Herr über 
die Menschenhand geworden war, so überbot sich nachgerade 
der Erfindungsgeist in der Mannigfaltigkeit der Maschinen für 
denselben Zweck, um der Waare, die erzeugt werden sollte, 
in Bezug auf Qualität und Billigkeit einen möglichst grossen 
Vortheil zu sichern. England und Frankreich hatten ihre Eisen- 
fabriken dem neuen Principe angepasst und damit auch dort, wo 
das Rohmaterial unserem inländischen an Güte nachstand und 
die Ortsverhältnisse der Erzeugung minder günstig waren als in 
Oesterreich, im Geschäftsbetrieb einen Vorsprung gewonnen, der 
dem inländischen Fabrikate empfindlich werden musste, wenn es 
nicht schnell an die Verbesserung der Methode ging. 

Bei den Fischer'schen Werken ergab sich noch eine beson- 



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314 

dere Schwierigkeit. Ihr wichtigster Artikel, die Säbelklingen, 
waren auf den Krieg berechnet, und hatten während der langen 
Dauer des Krieges durch massenhaften Verbrauch den grössten 
Theil der technischen Einrichtung so wie der Arbeitskräfte für 
sich in Anspruch genommen. 

Mit dem Frieden war diesem Zweige der Fabrikation die Fort- 
existenz in Frage gestellt. Hatten sich die Bestellungen des Aerars 
seit 1815 bedeutend gemindert, so hörten sie zur Zeit, wo An- 
ton Fischer die Leitung der Werke übernahm, ganz auf, und 
es handelte sich um die Frage, wie einerseits die Fabrik im 
Stand zu erhalten sei, bei allfälliger kriegerischer Conjunctur den 
Bedarf schnell und ausgiebig zu decken, andererseits die zahl- 
reichen Arbeiterfamilien, die bei Erzeugung jenes Artikels ihren 
Lebensunterhalt gefunden hatten, vor Verarmung zu schützen. 

Um solchen Schwierigkeiten Herr zu werden, boten damals 
die öffentlichen Zustände in Oesterreich, die Verhältnisse des 
Oeld Verkehrs, der geringe Schutz der Industrie von oben herab 
wenig Ermunterung. 

Für die Charakteristik des Mannes, in dessen Hand unter 
solchen . Umständen das Geschick einer der grössten industriellen 
Unternehmungen Oesterreichs gelegt war, wäre es gewiss inter- 
essant, den Wegen nachzugehen, die er zur ConsoUdirung sei- 
ner Bestrebungen einschlug ; der Kämpfe zu gedenken, unter denen 
er seine reformatorischen Ideen zur Geltung brachte, so wie des 
Opfermuthes, der ihm um manche, anscheinend verlorene Sache 
auferlegt ward. Der Raum dieser Skizze, so wie die Rücksicht 
gegen persönliche Verhältnisse, die uns auferlegt ist, versagen 
dies. Aber der Erfolg dessen, was klares Verständniss der Zeit 
mit persönlicher Anstrengung, was kluge Berechnung der Um- 
stände mit unverzagter Ausdauer bei widrigen Conjuncturen, 
was endlich treuer Berufseifer mit patriotischer Hingebung sol- 
chen Schwierigkeiten gegenüber zu leisten vermögen, liegt in 
dem heutigen Zustande der Fischer'schen Werke offen zu Tage. 

Ihr Realbesitz hat seit der Zeit, wo Anton Fischer an 
die Spitze des Geschäftes trat, ausser dem berührten Zawachs 
des Radwerkes in Vordemberg noch andere Veränderungen er- 
fahren. 

Der Hochofen zu Niederalpel wurde nach Ablauf des 



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mit Neuberg abgeschlossenen Holzstockungs- Vertrages aufgelassen, 
und dafür zu Aschbach bei Wegscheid (Steiermark) ein neues 
Werk mit durchaus zeitgemässer Construction aufgeführt, welches 
Anton Fischer im Jahre 1857, da es dem Aerar zur Ver- 
einigung mit dem Gusswerk von Mariazeil günstig lag, an dieses 
verkaufte. 

Die Säbelklingenfabrik zu St. Egyd wurde noch 
fortgefiihrt, als der Ertrag schon lange nicht mehr dem aufge- 
wendeten Anlage- und Betriebscapital entsprach,, um bei all- 
fälliger kriegerischer Conjunctur wohlgeschulter Arbeiter versichert 
zu sein; und als endlich die consolidirt friedlichen Verhältnisse 
ihre Auflassung bedingten, war der Ausfall des Fabrikates mitt- 
lerweile schon durch die Erzeugung anderer Commerzialwaaren 
ohne Nachtheil für die Arbeiter ersetzt worden. 

Der jüngste Zuwachs zu den Fischer'schen Unternehmun- 
gen fällt in das verhängnissvolle Kriegsjahr 1866, wo alle In- 
dustrie darnieder lag und die Gewalt der Ereignisse jeder ge- 
schäftlichen Combination den Weg abschnitt. In diesem Jahre, 
und unter den misslichsten Umständen, die dasselbe mit sich brachte, 
baute Anton Fischer das grosse Eisenwerk zu Aumühl bei 
Kindberg (Steiermark) und setzte es mit seinen andern Wer- 
ken zu St. Egyd und Furthof derart in Beziehung, dass dort 
die Erzeugung von Draht in grösserer Masse, von allen Gat- 
tungen Stab- und Feineisen und von Cementstahl betrie- 
ben wird. 

Es liegt in der Thatsache des mächtigen Aufschwunges, 
den die Fischer'schen Werke in der letzten und schwierigsten 
Epoche ihres Bestehens nahmen, dass sie in allen Zweigen des 
technischen Betriebes einer durchgreifenden Reform imterzogen 
wurden, die nach sorgfältiger Prüfung des Bestehenden das Zweck- 
mässige aufnahm. 

Ein Ueberblick ihrer Haupterzeugnisse, wie sie sich vom 
Beginn bis auf den jetzigen Zustand entwickelt ha- 
ben, wird diese Thätigkeit am besten in's Klare setzen. 

1. Feilen. Die Fischer'schen „Ankerfeilen" sind in JBezuf 
auf Härte des Materiales und Reinheit der Schärfe bisher vo) 
keinem ähnlichen Fabrikate übertroffen, mit Ausnahme Englands 
wo aber der höhere Preis mit in die Wagschale fällt. Da dieses 



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Werkzeug in der grössten Maschinenfabrik wie in der kleinsten 
Schlosserwerkstatt gleich unentbehrlich ist, So stellt sich der Ver- 
trieb nach allen Riphtungeü bedeutend, insbesondere nach Italien 
und nach dem Orient. Der gute Ruf des Erzeugnisses schreibt 
sich aber schon vom Beginn des Jahrhunderts her, wo Jacob 
Fischer, wie oben berührt wurde, die ersten, mitunter sehr 
kostspieligen Versuche mit gutem Erfolg machte und die fabriks- 
mässige Erzeugung der Feilen zuerst in der Monarchie einge- 
führt hat 

Einen besonderen Aufschwung nahm die Fabrikation der 
Feilen seit 1850, als Anton Fischer durch ausschliessliche 
Verwendung von selbsterzeugtem Gussstahl sich von der nicht 
immer verlässlichen Beschaflfenheit jener Stoflfe, die ihm von 
fremden Erzeugern geliefert wurden, unabhängig zu machen 
wusste. 

2. Draht. Die Erzeugung des Drahtes war vor 30 Jah- 
ren im Inlande noch sehr unvollkommen, während das Ausland 
darin durch Combination eines geeigneten Materiales und durch 
Anwendung vervollkommter Maschinen damals schon Vorzüg- 
liches leistete. 

Anton Fischer lernte auf seinen Reisen, namentlich in 
Frankreich, die zweckmässigen Methoden der Fabrikation ken- 
nen, nahm dort geschickte Arbeiter auf, die seine eigenen Leute 
in der Manipulation zu unterweisen hatten, liess die erforder- 
lichen Maschinen aus Frankreich kommen, und begründete nach 
diesen Vorbereitungen, die mit empfindlichen Opfern verbunden 
waren, 1839 den ersten Drahtzug in Oesterreich nach 
neuem Prinzip und mit Anwendung der französischen 
Frischmethode, welche damals nur auf einigen Gewerken 
Kärntens als eine vielfach angezweifelte Neuerung Eingang ge- 
funden hatte. 

Der Erfolg entsprach den Erwartungen. Das mit dem neuen 
Verfahren gewonnene Erzeugniss stand an Güte des Materiales, 
an technischer Verwendbarkeit und billigem Preise hoch über 
dem altern, und der rasch gesteigerte Absatz machte Vorkehrun- 
gen zur Erweiterung des Betriebes nöthig, um den Bestellungen 
zu genügen. 

Die Eisendraht - Erzeugung in den Fischer'scl^en Werken 



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nimmt jetzt anerkannt den ersten Platz in Oesterreioli ein, nicht 
nur in Bezug auf die Quantität der erzeugten Waare, son- 
dern auch in Bezug auf die Mannigfaltigkeit der für die verschie- 
denen technischen Zwecke berechneten Sorten, von dem billig- 
sten, sogenannt „ordinären" Draht, der aus Puddlingeisen auf 
dem Werke zu Kindberg erzeugt wird, bis zu der feinsten 
Waare, wobei die „Extra-Drähte" für besondere technische 
Verrichtungen als ein ganz eigenthümliches Product mitzurech- 
nen sind. 

3. GewalzteFeineisen. Die Nothwendigkeit und Wich- 
tigkeit dieses Materiales, das im Inlande wenig und mangelhaft 
erzeugt wurde, nahm Anton Fischers Aufmerksamkeit schon 
frühzeitig in Anspruch. Nach manchem Versuch erzielte er die 
fabriksmässige Erzeugung im Jahre 1840 mit einer neuen Ein- 
richtung aus Frankreich,^ wo dieser Fabrikszweig damals am höch- 
sten stand. Die Feineisen-Sorten wurden bis in die neueste Zeit 
in St Egyd erzeugt, und das Walzwerk stand mit dem Draht- 
werke daselbst in Verbindung. Oertliche Verhältnisse und na- 
mentlich die Fürsorge, das Werk mit den neuesten Verbesserun- 
gen in der Technik des Verfahrens auszustatten, bewogen den 
Besitzer, dasselbe nach Aumühl bei Kindberg zu verlegen. 

4. Drahtstifte. Das Verdienst, die Fabrikation dieses 
jetzt sehr verbreiteten Artikels in Aufiiahme gebracht zu haben, 
gebührt den Fischer'schen Werken insofern, als Anton Fischer 
im Jahre 1839 der erste war, der eine Maschine zur Drahtstift- 
Erzeugung aus Frankreich nach Oesterreich brachte, und der- 
selben, wiewohl nach mancherlei Schwierigkeiten und Bedenken 
die gebührende Anerkennung verschaffte. 

5. Gärbstahl. Schon Jacob Fischer hatte die Wichtig- 
keit dieses für die Fabrikation von Klingen und Feilen so we- 
sentlichen Artikels erkannt, und er erzeugte ihn fabriksmässig 
schon zu einer Zeit, wo die Stahlbereitung überhaupt noch auf 
schwankem Grunde stand, in einer jede Concurrenz besei- 
tigenden Vorzüglichkeit. Anton Fischer bewahrte den von sei- 
nem Qrossvater überkommenen Ruf des Fabrikates, bis dasselbe 
in der letzten Zeit wegen der hohen Bestehungskosten aufgelas- 
sen und sein Bedarf durch den in seinem Werke erzeugten Guss- 
stahl ersetzt wurde. 



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6. Gewalzte Bleche. Auch dieser Artikel war schon 
vom Vater des jetzigen Werkbesitzers begründet, und unter man- 
cherlei Kämpfen gegen die Ungunst früherer Verhältnisse zur 
Geltung gebracht worden. Anton Fischer hat die Fabrikation 
durch einen grossen Aufbau in Furthof erweitert, und dem 
neuen Blechwalzwerk die Verbesserungen der Neuzeit zukom- 
men lassen. 

7. Drahtseile. Dieses in Oesterreich neue Fabrikat kam 
überhaupt erst zu der Zeit in Aufnahme, wo man bei der Stein- 
kohlengewinnung seinen Gebrauch schätzen lernte, um die Kohle 
aus den Schachten zu fördern. 

Die Fischer'schen Werke liefern dasselbe seit 1845, und 
haben somit dem Bedarf in Oesterreich gewissermassen vorge- 
baut, der sich hier nur allmählich und nach dem Mass der Er- 
kenntniss seiner Wichtigkeit Bahn brach, während dieses Er- 
zeugniss im Auslande schon lang die verdiente Würdigung fand. 
Nachdem wir nun des Unternehmens gedacht, das St. Egyd 
zu einem in der iYidustriellen Welt gut klingenden Namen ver- 
half, wird es sich der Mühe lohnen, den Ort auch topographisch 
näher in's Auge zu fassen. 

St. Egyd (oder St. Gilgen) am Neuwalde (nach 
Littrow, Beiträge zur Landeskunde, 1832, unter 33° 13' 7" öst- 
licher Länge von Ferro und 47° 51' 2 '^ nördlicher Breite) wird in 
Weiskerns Topographie (1773) als „ein Pfarrdorf mit einer 
k. k. Filialmauth" bezeichnet, welches letztere offenbar falsch 
ist, da sich in den Gedenkbüchern der ehemaligen Herrschaft 
Hohenberg bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinauf keine 
Spur von einer Maüth findet 

Jetzt gilt St. Egyd für einen Markt. Aber es liegt nichts 
vor, was auf die Ertheilung des Marktrechtes schliessen Hesse. 
Wenn der Umstand, dass die Bewohner in den altern Tauf- 
büchern cives genannt werden, hier eine Berechtigung hat, so 
mttsste das Marktrecht dem Orte schon im 17. Jahrhundert zu- 
gestanden haben. Bei dem Abgang jeder urkundlichen Beglau- 
bigung liegt es jedoch näher, die Bezeichnung Markt, wie bei 
anderen Pfarrdörfern in der Umgebung z. B. Hohenberg, Schwar- 
zau, Rohr^ im Laufe der Zeit aus der Gewohnheit herzuleiten, 
dass die Bewohner am Kirchenort zum Gottesdienst zusammen- 



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kamen und dort zugleich die Geschäfte abwickelten. 
Die vorgenannten Orte heisaen jetzt auch Märkte, ohne ein förm- 
liches Marktprivilegium zu besitzen, und dasselbe ist bei der 
Mehrzahl der im Gebirge Nieder-Oesterreichs bestehenden Märkte 
der Fall. 

Die Seelenzahl der Gemeinde (mit Weissenbach, Mit- 
terbach, Kehr und Unrechttraisen) wird nach der letzten 
Conscription , die aber nicht mehr zutrifft, mit 2750 beziffert. 
Heute kann man gut 3200 setzen. Sie vertheilen sich auf 111 
grössere Realitäten (sogenannte Stammhäuser und Bauern- 
güter) und 80 — 100 Kleinhäuser (mit so viel Grund, als zu 
einem Garten oder zur Haltung einer Kuh erforderlich ist). Diese 
Klleinhäuser entstanden durchweg seit dem Bestände der 
Fischerschen Werke. 

Zu den bedeutenden Realitäten im Markt gehört das zweite 
Industriewerk, die Miller'sche Gussstahl-Fabrik. Sie wurde 
durch Daniel Fischer begründet, der 1825 die Hackenschmiede 
des Augustin Mittendorfer ankaufte, imd dort im Verein mit 
Martin Miller einen von diesem neu construirten Ofen zur 
Erzeugung von Gussstahl erbaute, der 1827 in Betrieb gesetzt 
wurde. 

Im Jahre 1832 ging die Untemehmimg, nachdem das Com- 
pagnie-Geschält gelöst war, in Martin Millers alleinigen Besitz 
über und wurde nach dessen Tode von seinen Söhnen Martin 
und Lorenz fortgeführt. Die Fabrik steht im besten Betrieb 
und ihre Erzeugnisse haben einen begründeten Ruf. 

Der Haupterwerb der Bewohner beruht auf der Vieh- 
zucht, auf der Holzgewinnung, die leider nicht durchwegs 
nach forstlichen Prinzipien geübt wird, und auf der Tagarbeit 
bei den Industriewerken. Ackerbau wird wenig betrie- 
ben, da Boden und Klima ihm nicht günstig sind. Versuche mit 
Obstcultur haben bisher fehlgeschlagen. 

Die Pfarre ist jedenfalls sehr alt, doch kann die Zeit 
ihrer Errichtung nicht festgestellt werden. Die kleinere Thurm- 
glocke, deren Jahreszeichen A. D. XXXIH man mit 1033 deu- 
tete, muss den Ruhm dieses hohen Alters leider abgeben, da im 
eilften Jahrhunderte nie, wohl aber im 15. und 16. Jahrhundert 
häufig das Tausendzeichen (M) weggelassen erscheint und sie dem- 



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nach entweder aus dem Jahre 1433 oder 1533 herrührt. Eine 
urkundliche Andeutung über den Bestand der Kirche in älterer 
Zeit folgt weiter unten. 

Die Pfarrkirche in ihrer jetzigen Form scheint zu Ende 
des 17. Jahrhunderts hergestellt zu sein; doch trägt sie Spuren 
eine's viel älteren Baues an sich. Im Pfarrhofe findet man am 
Durchzugsbalken die Jahrzahl 1621 in's Holz eingebrannt Die 
vorhandenen Tauf-, Sterbe- und Trauungsregister beginnen mit 
dem Jahre 1647, nur eine Kirchenrechnung ist noch aus dem Jahre 
1626 übrig, aus welcher oben constatiert wurde, dass auf dem 
jetzt F i s c h e r'schen Hause schon damals ein Eisenhammer 
bestanden habe. Das Sterberegister enthält (unter dem Jahre 1647) 
eine schwer leserliche und von einem nachmaligen Dechant durch- 
strichene Stelle, worin der Pfarrer erwähnt, der Verstorbene (der 
-Name ist nicht zu entzifFem) habe bei der Vertreibung des 
Pfarrers mitgewirkt und sei bis zu seinem Ende ein heimli- 
cher Protestant gewesen. (Der Dechant schrieb darunter: 
„De mortms nil nisi bene^)» — Die Kirche besitzt eine silberne 
Kelch-Patene , auf deren Unterseite das Wappen der Jörg er 
von Kreusbach in guter Arbeit des 16. Jahrhunderts zu sehen 
ist. Das älteste Grabmal in der Kirche ist das des Pfarrers 
Simon Lucas Krenn, der 1738 starb und in der von ihm er- 
bauten Gruft begraben wurde. 

Mit den vorstehenden Angaben lässt sich zur Geschichte 
von St. Egyd Folgendes sagen: 

Nach dem Aufhören der Magyareneinfälle im 10. Jahrhun- 
dert, begannen die Culturbewegungen auch im Traisenthal imter 
dem Einfluss deutscher Ansiedelung. An sie knüpft sich der Name 
des Geschlechtes de Traisma (von der Traisen). Einem Enge 1- 
dich de Traisma verleiht Kaiser 1 1 o HI. (Rom, 29. April 998) 
ein Landgebiefc an der (untern) Traisen zwischen dem Tulner- 
und Anzbach. (Der Zusatz in der Urkunde: ut Traismae clau- 
suram habeat — ist gefälscht und hier nicht weiter zu beach- 
ten). Das Geschlecht erweiterte allmählich seinen Besitz im Trai- 
senthal aufwärts über den Rücken des Wienerwaldes ins Schwarza- 
und Piestingthal bis Starhemberg und über die Umgebung 
so wie auch an der Südseite der steirischen Grenzberge. Ein 
Zweig desselben waren die Herren von Lengbach. Während 



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321 

die von Traisen um die Mitte des 12. Jahrhunderts im Manns- 
stamm erloschen, starb der letzte von Lengbach, Otto V. als 
Domvogt von Regensburg am 21. October 1235 („occisus^). 
Trotz der spärlichen Andeutungen lässt sich mit Wahrscheinlich- 
keit annehmen, dass das reichbegüterte Geschlecht reichsunmit- 
telbar war und weder mit den Babenbergern , noch mit den 
traunganischen Markgrafen in einem Lehensverband gestanden 
habe. 

Um die Mitte des 1 3. Jahrhunderts erscheint an der obern Traisen 
das Geschlecht der von Hohenberg begütert und zwar urkund- 
lich erst nach dem Aussterben der Babenb erger, da der 
Ulricus de Hohenberg in der Babenbergischen Urkunde (vom 
1. Juli 1236) ein gefälschter Ulricus deHintperg ist. (Vergl. 
Meiller, die Herren von Hintberg, Seite 16 und Rechenmacher im 
Archivfür 1867). Ueber den Ursprung dieses Geschlechtes so wie über 
seine frühesten Schicksale an der Traisen sind die Acten noch nicht 
geschlossen, wiewohl dasselbe von Caroline Pichler unter 
der Aegyde des Historikers (?) Hormayr in einem dickleibigen 
Roman illustrirt wurde imd Schweighardt (Darstellung des 
Erzherzogthums Oesterreich u. d. Ens, Band 6, Seite 210 u. s.w.) 
nach Angaben der Herrschaft über den Gründer der 
Stammburg Hohenberg im 11. Jahrhundert zu erzählen weiss, 
und die Besitzer und Träger des Namens von da ab bis zu deren 
Aussterben (1529) ununterbrochen fortführt Jedenfalls knüpft 
sich an das Geschlecht der Hohenberge die älteste Kunde von 
der Kirche zu St. Egyd am Neuwalde. Der Lonsdorfer Co- " 
dex enthält nämlich im Verzeichnis der Pfarren der Passauer DIö- 
cese aus der Zeit Bischofs Otto von Lonsdorf (1254—1265) 
folgende Stelle: „Ziem ecclesiam in Tretsim (die Pfarrkirche zu 
Lilienfeld) confert ille de Hohenberchj quam habet ab ecclesta 
Patauiensiy qui etiam una cum dnce habet fundum ab ecclesta 
in feodo et decimas ibidem. In eadem etiam parochia situm est 
daustrum in Lilenuelde. Item ecclesiam apud novam syluaiu 
confert Dietricus de Hohenberch et fundus est episcopi^ et decimi 
ibidem j usque ad fines Styrie* Item ecclesia in Schwarzach etc}^ 
(Monum. Boica XXVIII, p, 2, pag. 481). Hier kann unter der 
ecclesia ad nouam syluam ivohl keine andere gemeint sein, als 
die Kirche im heutigen St. Egyd am Neu walde, welcher Neu- 

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322 

wald (noch jetzt im Volksmunde) die Grenze gegen Steiermark 
bildet und zunächst auch an Schwarzau grenzt. 

Im Besitz der Hohenberge blieb St. Egyd bis zum Jahre 
1529, wo mit Erasmus von Hohenberg der Mannsstamm 
des Geschlechtes erlosch. Durch seine Tochter Anna kam Ho- 
henberg mit Egyd (1552) an Wilhelm den jungem von Rog- 
gendorf, nach diesem durch Kauf um 1580 an die Freiherren 
von Jörger zu Kreusbach (bei LilienfeldX 

Es wird kaum verfehlt sein, anzunehmen, dass diese Zeit 
für die Bewohner des abgeschiedenen Gebirgsthales die beweg- 
teste war. Luthers Lehre hatte in Oesterreich Eingang gefunden 
und die Jörger waren die eifrigsten Anhänger und Förderer der 
neuen Lehre. Dem Beispiele auf ihren Gütern folgten die gleich- 
gesinnten Standesgenossen mit Verdrängung der katholischen 
Pfarrer und Umwandlung des Gottesdienstes, wozu noch der 
Umstand kam. dass die Jiirs^er ])ei ihrer engen Verbindung mit 
dem protestantischen Deutschland in der Lage waren, Praedikan- 
ten auf dem kürzesten Wege herbeizuschaffen. Auch in St. Egyd 
wurd^, wie aus dem oben angeführten Sterberegister hervorgeht, 
der Pfarrer vertrieben und evangelischer Gottesdienst eingerich- 
tet. Ob die Kelchpatene mit dem Jörge r'schen Wappen 
noch aus der katholischen Zeit herrührt, oder als Ueberbleibsel 
eines Kelches zu betrachten sei, den die Familie Jörger dem 
Gottesdienste nach der „neuen Lehre" gewidmet, kann bei dem 
Mangel jeder weiteren Angabe nicht entschieden werden. Die 
letztere VermUthung lässt sich um so weniger ausschliessen , als 
bekanntlich der Laienkelch eine wesentliche Fo^-dorung der Neu- 
gläubigen und der Gebrauch desselben in den ro^«rmirten Ort- 
«chaften so populär geworden war, dass man später, als seitens 
der katholischen Macht die sogenannte „Geg(?nroformation" er- 
folgte, auf die Kelche der Protestanten ein besonderes Augen- 
merk warf. Die ßeformations-Commissäre wurden instructions- 
mässig verpflichtet, nach den Kelchen zu fahnden und vor allem 
diese wegzuschaffen. 

Die Jörger verloren ihren Bosltz; durch die Folgen ihrer 
poHtischen Haltung. Helmhardt Jörger hatte sich der extrem- 
sten Partei der österrcicliischen Stände angeschlossen und war 
unter jenen, die (IL Juni 1619j den Kaiser Ferdinand 11. in 



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323 

der Hofburg bedrängten. Seine Güter wurden eonfiscirt Kreus- 
bach kam an den Abt (Ignaz Kraft) von Lilienfeld, Hohenberg 
mit St. E g y d an den Hofkammer-Präsidenten Hans Baltassar 
von Hojos, Freiherm von Guttenstein und Stüchsenstein , 'und 
zwar theils durch Kauf, theils als Lehen. Die diesfälligen Ver- 
handlungen wurden 1617 begonnen und gelangten 1625 zum 
Abschluss. 

So wie der Abt Ignaz Kraft auf den Jörger'schen Gütern 
Kreusbach, Araberg, Bergau, liess sich auch Ha^ns Baltassar 
von Hojos, der 1628 von Kaiser Ferdinand IL in den Gra- 
fenstand erhoben wurde, in Hohenberg und St. Egyd die 
Gegenreformation besonders anliegen. In Egyd scheint die Wie- 
dereinsetzung des katholischen Pfarrers 1625 oder 1626 erfolgt 
zu sein, da aus dem letzteren Jahr eine Kirchenrechnung vor- 
liegt und vor dem erstem Hojos noch nicht im factischen Besitz 
war. Der Abgang älterer Kirchendocumente findet wohl in der 
Aufregung der dabei zunächst Betheiligten eine ungezwungene 
Erklärung; sie wurden, als man den katholischen Pfarrer ver- 
trieb, von diesem bei Seite geschafft, und der protestantische 
that, als ihm ein gleiches Schicksal widerfuhr, desgleichen. 

Die gräflich Hojos'sche Familie blieb im Besitz von Hohen- 
berg mit St. Egyd bis auf unsere Tage. 



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Die Tirna. 



Historisch-diDlomalische Skizze 



Ernst Edlen von Franzenshuld. 



(Mit 8 Holzschnitten.) 



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Jüer Name dieses alten, reichen, in Niederösterreich ange- 
sessenen und um Wien verdienten ritterlichen Geschlechtes wird 
in den Quellen sehr verschieden geschrieben und kommt in den 
Formen Tymavia, Tyma, Tirna, Tierna, Tirnach, Tirnaw, Türna, 
Tüema und Tümach vor. 

Woher die Familie denselben geschöpft, und wo sie sich 
ursprünglich aufgehalten, darüber herrschen verschiedene An- 
sichten. 

Lazius *) sagt, er wisse nicht, ob sie den Namen von der 
Stadt Tirnav (Tirnau) in Ungarn, oder von einem Gut Tirna 
nächst Gars in Nieder-Oesterreich angenommen habe. Hanthaler *) 
hält es dagegen für gewiss, dass der Name nicht von der unga- 
rischen Stadt, sondern von einem der beiden Landsitze, welche 
das obere und untere Türna hiessen, herrühre. Dessgleichen be- 
hauptet Bermann*), dass die Tirna ihren Stammsitz im heutigen 
Thiernau bei Drosendorf im V. O. M. B., dicht an der mähri- 
schen Grenze hatten, wo ihre Burg nun bereits vei'fallen ist. — 
Ihr österreichischer Ursprung kann als sicher angenommen wer- 
den, indem gar keine Andeutungen einer fremden Herkunft vor- 
liegen, und viele gleichzeitige Geschlechter sich nach ihren Gü- 
tern und Heimatsorten nannten. 

Die Tirna kamen im Laufe des XIH. Jahrhunderts nach 
Wien ; Perger *) glaubt zu Zeiten des Königs Ottokar von Böhmen, 



*) Dr. Wolffgang Lazius, historische Beschreibung der weltbe- 
rühmten kaiserlichen Hauptstadt Wien in Oesterreich etc. In's Deutsche über- 
setzt durch M. Heinricum Abermann. Wienn, 1619, IV. Buch, pag. 7 u. 8. 

•) P. Chrysostomus Hanthaler, Recensus Diplomatico Genealogicus 
Ärehivii Campililienais etc^ Vi&nnae, 1820, Tomua Il.y pag, 286. 

®) Moritz Bermann, Geschichte der Wiener Stadt und Vorstädte. 
Wien, 18G6, pag. 110. 

*) Anton Ritter von Perger, der Dom zu Sanct Stephan in Wien. 
Tricst, 1854, pag. 63. 



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328 

was jedenfalls die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ihre 
Blüte umfasst die zweite Hälfte des XIIL, das XIV. und XV. 
Jahrhundert 

Ausser etwa der erwähnten Stammburg besassen die Tima 
die Herrschaften und Vesten Ebreichsdorf, Enzersdorf a. d. 
Fischa, Falkenstein, Ludweigs, Mannsdorf, Schrannabaten, Sieden- 
dorf, den Werd an der Donau bei Wien, ferner Grund und Bo- 
den in Matzleinsdorf, dann in der Stadt selbst den grossen Fe- 
derlhof am Lugeck (alt Nr. 768, neu Nr. 3), damals „des von 
Tirna Haus" sonst auch „unter den Fleischpenkhen" genannt, 
welcher nachher Eigenthum der von Edlasberg wurde, das Prag- 
haus am Kienmarkt, das Haus zum Strobelkopf in der Strobel- 
gasse (alt Nr. 866), die Hälfte des Mariazellerhofes in der Johan- 
nisgasse, ein Haus auf dem alten Kohlmarkt und ein halbes Haus 
in der Herrengasse (alt Nr. 25). Bezüglich dieses letzteren nennt 
sie Schimmer*) neben vielen anderen, früheren und späteren 
Besitzern, zwischen den Jahren 1595 und 1686, was wohl un- 
richtig ist, da das Geschlecht noch im XV. Jahrhundert erlosch. 
Es versteht sich, dass dies alles nicht auf einmal und in einer 
Hand vereinigt war. 

Der erste, quellenmässig nachweisbare Ahnherr dieses Hau- 
ses dürfte der bei Hueber *) in einer Urkunde vom Jahre 1256 
angeführte Wichardus de Tyerna sein. 

Dieser erscheint nämlich als Zeuge in einem Document, 
durch welches König Ottokar das Kloster Melk in vielen Din- 
gen eximirt, d. d. Wien 1256, 4. Idus Decembris. 

Femer findet sich in den Zwettler Annalen*), dass die 
Herrin Wilfhildis, hinterlassene Wittib des Herrn Wickar- 
dus von Tyma (wahrscheinlich der obige) dem Kloster Geras 
den Meierhof zu Mezeleinslag mit dem dabeiliegenden Mühlen- 
grund geschenkt habe; Zeugen sind Walther von Tyma 
und sein Bruder Wernhard; dann Dietrich und Wern- 
hard, Gebrüder von Tirna, Söhne des Hugo; und 



*) Carl August Schimmer: Ausführliche Häuserchronik der inneren 
Stadt Wien etc. Wien, 1849, pag. 17. 

*) PhilibertusHueber, Austria ex arckivis Mellicmsihua UlmtrcUa etc. 
Lipaiae, 1722, pog. 24, Nr, 6, 

') Link, Annales Clarevallis Auatriac, vnlgo Zwetly I. Bd. pag. 375. 



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329 

Wolfhart und Walther, Söhne des Walther von Tyr- 
n a. Dann aber kaufte sie jenes Gut vom Kloster Geras wieder 
zurück, und schenkte es an Zwettl, anno 1265; dabei sind als 
Zeugen Wemhard, Sohn des Oheims (also Vetter) des Wichard 
von Tyma, und desgleichen Walther Ritter von Tyrna. 

Dann erscheint Wemhard vonTirna*) als Zeuge in einer 
Schenkung der Herren von Seveld und Veldsperch, d. d. Wien, 
29. März 1260; und abermals in einem Verkaufsbriefe des Wi- 
chard von Peugen, d. d. Krems, 1. Juli 1268. 

Ein Ulrich von Tirna, seine Gemalin Bertha und 
seine Schwestern Adelheid und Elisabeth werden von meh- 
reren Autoren als um 1326 in Wien lebend angegeben, und 
ihnen, jedoch irrigerweise, die Gründung der Timakapelle bei 
St Stephan um jene Zeit zugeschrieben. Hievon wird weiter 
unten die Rede sein. 

Eine Urkunde, in welcher der Tirna ^) blos gedacht wird, 
ist jene des Wiener Bürgers Marchard Jan, d. d. Wien, 29. Juni 
1334, wo es heisst: 

„— Auff Meinhartes Haus des Prvnner an dem Ho - 

henmarchte ze wienne ze naechst des Tyerna Haus. — " 

Offenbar ist mit diesem Hause kein anderes gemeint, als 
jenes, das an der Stelle des grossen Federlhofes stand; dem- 
nach fallen auch die verschiedenen Angaben über eine Behau- 
sung dieses Geschlechtes am Lugeck und am Hohen Markt in 
eins zusammen. 

Bald darauf sehen wir die Tirna als Besitzer des Werd an 
der Donau, der früher dem mächtigen Ritter und Wiener Bürger 
Otto Haymo von Neuburg gehörte. Der Werd — die heutige^ 
Leopoldstadt — fiel nämlich laut Vertrag, nach Ottenhaims Ab- 
leben an die Herzoge Albrecht und Otto, welche das Territorium 
am 1. Mai 1337 um 600 dl. den Wiener Bürgern gegen Wieder- 
einlösung versetzten. Einige der reichen Bürger aber und Ritter 
Tirna gaben dem ßath die Ablösungssumme, und brachten den 



*) Hanthaler, a. a. O. 

*} Hormayr, AVien's Geschichte uud seine Denkwürdigkeiten. 2. Titel: 
Wien, seine Geschicke und seine Denkwürdigkeiten. Wien, 1823, Urkunde 
Nr, 299. 



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330 

Werd an sich. Später verkauften ihn die Tirna wieder an den 
„gewaltigen Hofmeister" Hans von Liechtenstein-Nikolsburg. 

Diann finden wir um das Jahr 1346 einen Johann von 
Tirna (nach Laz und Tschischka *) als Stadtrichter, welcher 
jedoch von Freih. v. Hormayr „Jakob" genannt wird. 

Anno 1348 — 49 war Friedrich von Tirna Bürger- 
meister von Wien'). Derselbe war anno 1354 mit einer Mar- 
garet ha vermalt und hatte eine Tochter Mechtild. 

Hans von Tirna, der bekannteste seines Q-eschlechtes, 
möglicherweise identisch mit dem Stadtrichter war von 1358 — 
1370*), nicht wie hie und da vorkommt von 1356 — 1373 Münz- 
meister, und Mader spricht die Ansicht aus, dass die Buchstaben 
H. T. rechts und links vom Wiener-Stadtwappen auf einer häu- 
fig vorkommenden alten Wiener Münze *) sich auf ihn beziehen. 
Allein Hanthaler *) ist nicht dieser Meinung, da er das H. T. für 
ein A. T. von alter Form erklärt, und die so bezeichneten Pfen- 
nige von sehr verschiedenem Alter sind. 

Dass dieser Tirna sich des besonderen Vertrauens seines 
Herzogs, Rudolf des Stifters erfreute, ersehen wir aus folgendem 
Umstand : 

Als der Herzog für seine in der Burg oder in dem Thurm 
neben dem Widmerthore gestiftete Kapelle wegen Abhaltung des 
Gottesdienstes eine Verordnung ®) erliess, d. d. Wien, am Montag 
nach St. Egyditag, 1357, enipfahl er die Obsorge hierüber dem 
Pfarrer von St. Stephan, Leopold von Sachsengang und „dem 
Hannsen von Timach, Burger allhier". Zugleich geht hieraus 
hervor, dass dieser in jenem Jahr noch nicht Münzmeister war, 
da er sonst sicher als solcher ausdrücklich in der Urkunde auf- 
geführt wäre. 



*) Tschischka, Geschichte der Stadt Wien. Stuttgart, 1847, pag. 272. 

•) Nach Tschischka. Hormayr nennt ihn zugleich mit Dietrich 
Flussfaart von 1348 — 1353, was ungenau ist. 

*) Nach Hu eher, a. a. O. 

*) Vide auch Hormayr a. ä. O. 3. Bd. Münztafel Nr. 18. 

*) P. Chrysostomus Hanthaler: Verzeichnung bisher bekannten Alt- 
und Neuer Merkwürdiger Wienerischer Schau-, Denk- und Laufmüntzen. Lintz, 
1745, pag. 15. 

•) Joseph Ogesser, Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Ste- 
phan in Wien. Wien, 1779, pag. 164. 



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331 

Hingegen stellt Jans von Tirnach, Hubmeister *) und Münz- 
meister schon d. d. Wien 1358, „des nechsten Montags an Sanct 
Agnes Tag" eine Urkunde aus, durch welche das Kloster Melk 
3 Weingärten in „Prun" unter gewissen Bedingungen vom Zehn« 
ten befreit. 

Anno 1362 — 63 war derselbe Tirna Bürgermeister von 
Wien *). Es existirt eine Stiftungsurkunde *), durch welche Niclas 
der Dratlauf der Kirche zu Maria Stiegen für eine ewige Messe 
Weingärten zu Beitensee und Grundzinse übergibt, und welche 
Hans von Tirna , Bürgermeister und Münzmeister als erster 
Zeuge fertigt. Demnach Mit das Datum des Briefes in die Jahre 
1362 — 63. Bei der unter Herzog Rudolf IV. erlassenen Fleisch- 
hacker-Ordnung für die Stadt Wien *) , durch welche audi die 
Aufhebung der Zechen und Innungen der geschlossenen Hand- 
werke erneuert wird — fertigt unser „Jans von Tirna" als 
Hubmeister in Oesterreich neben einer Unzahl von Fürsten, 
Grafen und Ritter, d. d. Feldlager bei Ried, 28. August 1364. 

„Joannes de Tyrnavia Magister Gubarum" zeichnet und 
siegelt neben vielen Herren und Baronen die Urkunde, durch 
welche Rudolf IV. die Universität zu Wien ins Leben ruft. d. d. 
12. März 1365. 

Hans von Tirna, Münzmeister ist Zeuge in einer Urkunde, 
dur^h welche Herzog Albrecht III. mit dem Zopf den Wiener 
Bürgern zwei Jahre Steuerfreiheit gewährt, d. d. Wien, 25. No- 
vember 1365. 

Anno 1367 am Prechentag (Lichtmessen) stifteten *) Sighart 
der Grueber nebst seiner Hausfrau Agnes und Herr Hanns von 
Tirna, Gubmeister in Oesterreich zur Kapelle des Schlosses Luf- 
tenberg in Ober-Oesterreich für eine ewige Messe zwei Güter, 
behielten sich aber 4 Hühner zum Vogtdienste vor. 

') Hueber, a. a. O., pag. 83, no. 6. 

*) Nach Tschiflchka. Hormayr nennt ihn in' dieser Würde zu- 
gleich mit Hannold Schttchler. 

*) Hormayr, a. a. O. II. Jahrgang, 2. Bd., 1. Heft, pag. 61. 

*) Hormayr, a. a. O. Urkunde Nr. 146. 

•) Johann Georg Adam Freiherr von Hoheneck, die Löbliche 
Herren Herren Stände deas Erz-Hertzogthumb Oesterreich ob der Ennss. Passau, 
1732, II. Bd., pag. 449. 



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332 

Die beiden Häuser Tir na und Grueber waren mitsam- 
men verschwägert, Hans von Tirna hatte Agnes Grueber*), 
Tochter des obenerwähnten Sighart zur Gemalln; auch wai; zu 
Anfang des XV. Jahrhunderts eine Barbar avon Tirna ver- 
malt mit Andreas Grueber zu Lufftenberg *). 

Im Jahre 1370 wurden neben anderen Herrn Jansen von 
Tierna, Hub- und Münzmeister des Herzogs Albrecht von Oester- 
reich, zur Tilgung der herzoglichen Schulden (der H. Albrecht 
und Leopold) -— alle Land- und Herrschaften auf ein Jahr 
übergeben. 

Nach einem kurzen Intervalle von 2 Jahren sehen wir 
diesen wackern Mann neuerdings an der Spitze der Hausgenossen 
(Münzer) von 1373 — 89 als Münzmeister. 

Auch aus diesem Decennium ist uns eine Urkunde ') erhalten 
in welcher Herr Jans von Tyrna als Zeuge siegelt, nämlich der 
Brief, durch welchen der Jude Hätschel von Herzogenburg 
Wernhart dem Truchsessen von Reichersdorf die Zehenten zu 
Talern, Demperg und Pansee verkauft, d. d. Montag vor Sanct 
Jakob, 1376. 

Im nämlichen Jahre erhielt Hans von Tirna, 
welcher auch die Veste Enzersdorf a. d. Fischa erbaute, einen 
Ritterbrief, welcher sich angeblich im Archiv der n. ö. Stände 
befinden soll. (?) 

Endlich existirt eine Urkunde d. d. Wien, 1385, ausgefer- 
tigt von Hans von Tozenbach und seinem Enkel Moriz von To' 
zenbach ; das Kloster Melk *) hatte dieser Familie die Wiese, ge- 
nannt Paumgartnerin, zu Erbpacht verliehen; diesen Brief feiiiigt 
und siegelt als Zeuge Herr Hans von Tyrna. 

Aus diesem Schriftstück ersehen wir, dass dieser Tyrna 
eine von Tozenbach zur Gemalin hatte; da ihn aber der Gross- 
vater Hans von Tozenbach Eidam — „Ayden" — der Enkel 



*) Franz Carl Wiss grill, Schauplatz des landsässigen nieder-öster- 
reich'sclien Adels vom Herren- und Ritterstande. Wien, 1797, III. Band, 
pag. 409 f. 

•) Hohen eck, a. a. O. IL, pag. 603 u. f. 

') J. E. Schlager, Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. Wien, 1836, 
2. Bd., pag. 181 n. f. 

*) Hu eher, a. a. O., pag. 91, no. 35 u. tab. 19, Nr. 21. 



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333 

IMoriz V. T. hingegen Schwager nennt, so ist nicht ganz klar, ob 
er eine Muhrae oder eine Schwester des letzteren geheira- 
tet hatte. 

Möglicherweise ist nun dieser Tima der Ritterstandser Wer- 
ber, welcher (in erster Ehe) mit Agnes Grueber zu Luflftenberg 
vermalt war; wo nicht, so könnte es nur der weiter unten er- 
wähnte Münzmeister Hans von Tima sein, welcher anno 1397 
vorkommt, und wären dann diese, gleiche 
Namen und Würden tragenden Männer, zwei 
verschiedene Personen. 

Sein Siegel enthält auf damascirtem ' 
Grund nur das Oberwappen: einen linksge- , 
wendeten Kübelhelm mit abfliegender Decke ; 
als Kleinod einen Flügel mit dem Balken, 
darüber zwei auswärts gekehrte Monde. 
Umschrift: 5. 3ol)ttllttt0 bc Jtertttt. (Fig. 1.) ^^^' ^^ 

In den 80er Jahren des XIV, Jahrhunderts erlitt das Ge- 
schlecht der Tima mehrere schwere Schicksalsschläge ?). In jener 
fehdeliebenden Zeit, und zwar etwa um 1380 geschah es, dass 
böhmische Edelleute einige vornehme Wiener, und unter ihnen 
zwei Junker Tirna niederwarfen imd nach Prag schleppten; 
letztere wurden hierauf von einer Veste zur andern gebracht, 
und dort gefangen gehalten, schliesslich nur gegen das Gelübde 
grossen Lösegeldes entlassen. Bei ihrer Heimkehr liess sie der 
Herzog von Oesterreich wieder greifen, und auf die Stromveste 
Kreuzenstein gefangen setzen, und zwar nur deshalb, um sie zu 
verhindern, das viele Lösegeld ausser Landes zu schicken. In 
Folge dieser neuen gänzlich unerwarteten Haft wurde der eine 
der beiden jungen Männer wahnsinnig, worauf man doch den 
andern freiliess. 

Noch zwei besondere Unglücksfälle aus jenen Tagen sind 
zu verzeichnen. Einen Tirna, Vater einer zahlreichen Familie 
traf, da er eben von Maria Stiegen nach dem Kienmarkte heim- 
kehrte, auf der Gasse der Schlag; und ein anderer Paul von 
Tirna, der durch eine reiche Heirat seinem Hause neuen Glanz 



') Hormayr, a. a. O., 3. Bd., 3. Heft., pag. 36 u. Realis, Curios.- u. 
Memorab.-Ler:, 11. Bd., pa^. 118. 



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334 

verschafft hatte, wurde durch eine Leiter im Thurm zu St. Ste- 
fan erschlagen. 

„Dieses traurige Ereigniss" sagt Herr von Perger *) war 
vermuthlich die Ursache der später erfolgenden Errichtung der 
Tima'schen Kapelle". Anno 1391 wird ein Maler Jakob von 
Tyrna erwähnt*), welcher ein Haus am alten Kohlmarkt 
besass. 

Und im nämlichen Jahre verkaufte Friedrich von 
Tirna") der Stadt Wien seine Häuser, Baumgärten, Klaubhöfe 
und Teichstätten vor dem Werderthor, unter den Fischern und 
Lederem, und unter den Segnern im oberen Gries. 

Ueber die Tirna in den 90er Jahren des XIV. Säculums 
gibt auch das Wiener Hoffrohnbuch (d. a. 1370) durch seine 
Aufzeichnungen mannigfachen Aufschluss. 
So heisst es dort zum Jahre 1393: 

„Reindel von Fryesing front Hrn. Rudolphen vonTyrna 
die vest Eberstorff*). 

„Frohnen" bedeutet hier soviel als mit Gerichtszwang be- 
legen. Und weiter im selben Jahre ^) : „Der Jurist Meister Conrad 
frohnt im Namen Raimunds des Schottenabtes und des ganzen 
Conventes Hm. Rudolf Tyrna seine Veste Ebereichstorff." 

Anno 1394 *) : „H^ans von Stayna frohnt Hrn. Friedrich von 
Tyrna die Veste Sydendorf " 

Im selben Jahre: „Hans der Eudolffoher frohnt dem Lud- 
wig von Tyrna die Veste Ludweigs.'* 

Aus einer Urkunde des Melker -Stiftes '') d. d. 1394 ergibt 
sich, dass Rudolf von Tyrna dem Ulrich von Waise einen Zehn- 
ten zu „Ebrechtsdorff^ verkaufte. 

Anno 1395 (bei Schlager irrig 1393)®): „Friedrich von 



') P erger, a. a. O., pag. 11. 

^) Berichte und Mittheilungen des Alterthiims- Vereines 
zu Wien. III. Bd., pag. 249. Jos. Feil: Wien's ältere Kunst- und Gewerbs- 
ihätigkeit. 

*) Hormayr, a. a. O., IL Jahrgang, 1. Bd., 1. Heft, pag. 153. 

*) Schlager, a. a. O., 2. Bd., pag. 103. 

*) Loco citato, pag. 104. 

•) L. c, pag. 106. 

'') Hueber, a. a. O., pag. 94, no. 12. 

®) Schlager, a. a. O., pag. 112. 



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335 

Kranichsberg frohnt dem Rudolf von Tyrna die Veste enzedorf 
auf der Vischa". 

Dasselbe thut er dem Ludwig von Tirna. 

Rudolf von Tyrna seinerseits frohnt wieder Niqlas dem 
Pillunger von sand Gilgenberg seine Vesten zu sanet Gilgenberg 
zu dem Wasen und zu Chadown. 

Und eben anno 1395 frohnt er auch dem Leslein dem He- 
ring die Veste Walcheskirchen *). 

Ueber das nächste Jahr schweigt das Hofirohnbuch. Dafür 
finden wir bei Hueber') eine Urkunde d. d. Wien 1396, durch 
welche ,,Ruedolff von Tierna und Ludweig von Tiemau sein Bru- 
der*^ ihre Zehnten in GunderstoriBF dem Heinrich von Sparpacli 
mit Genehmigung des Melker Abtes verkaufen. 

Anno 1397 *) frohnt Ulrich der Flekch dem Rudotf von 
Tyrna sein Haus zu Wien „unter den Fleischtischen'^. Mit diesem 
Gläubiger scheint die Sache aber noch im nämlichen Jahre begli- 
chen worden zu sein. Wenigstens lesen wir *) : 

„H. Rudolph von Tyrna hat seinen Richtern aufgezaigt 
Ulreich den Flekch payde Hertzogen, vmb seine Geltschuld.*' 

Vom selben Jahre hören wir, dass die Klage zwischen Phi- 
lipp dem Hasenheimer und Rudolf von Tyrna aufgeschoben ist 
— offenbar war diese Angelegenheit auch finanzieller Natur — 
und von Herzog Albrecht oder einem von diesem abgeordneten 
Richter entschieden werden soll. 

Noch immer anno 1397 *) frohnt Ulrich von Dachsperg, 
Landmarschall in Oesterreich den Herren Rudolf und Ludwig 
von Tyrna die Veste Schrannabaten. 

Und Rudolf von Tyrna frohnt dafür Niclas dem Eybenstei- 
ner seine Veste Eybenstein, und Jöstlein dem Rachendorffer die 
Veste Chrozz. 

Soviel aus dem Hoffrohnbuch. Aber aus dem Jahre 1397 
findet sich auch die Angabe ^), dass Herzog Wilhelm vom Münz- 



') L. c, pag. 113. 

•) H ueber, a. a. O., pag. 94, no. 16. 

») L. c, pag. 122. 

*) L. c, pag. 123. 

*) L. c, pag. 124—25. 

*) Hormayr, a. a. O., II. Jahrgang, 2. Bd., 1. Heft, pag. Cl. 



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336 

meister Hanns von Tima das Praghaus nächst St Ruprecht am 
Kienmarkt, mit dem Setzstock erkauft habe. Wenn dies Datum 
richtig, imd dieser Tima derselbe wie der oben genannte ist, so 
muss er jedenfalls ein hohes Alter erreicht haben. 

Es scheint aus all* dem hervorzugehen, dass dieses Ge- 
schlecht gegen Ende des XIV. Jahrhunderts wiederholt in be- 
deutende Schulden gerieth, und zwar einestheils wegen ausstehen- 
der und schwer einzutreibender Guthaben, anderestheils aber 
vielleicht auch wegen kostspieliger kirchlicher Stiftungen, welche 
die Familie eben zu jener Zeit machte. 

Vom Schlüsse dieses Säculums ist noch ein Brief zu be- 
merken, durch welchen Anna, die Hausfrau des Jörgen Fläming 
dem Vorsteher des Klosters Melk *) ein Haus in Melk verkauft, 
imd wo der „Erbare Ludweig von Tümau" zeigt, d. d. 1400 an 
St Luciatag. 

Ueber die Erbauung der Timakapelle bei St Stefan links 
vom Haupteingange, auch Siebenbürger, Eugen- und Kreuzka- 
pelle genannt, haben sich bis auf die neueste Zeit sehr abwei- 
chende Meinungen geltend gemacht. Lazius sagt, ein Ulrich von 
Tima habe sie mit seiner Gemalin Bertha und seinen Schwestern 
Adelheid und Elisabeth anno 1326 erbaut Dem schliesst sich 
such Ogesser*) an. Hormayr nennt den Mtinzmeister Hans von 
Tirna als Gründer. Tschischka aber glaubt, dass die Timakapelle 
anno 1326 schon erbaut gewesen sei') — „also schon 33 Jahre 
früher, als Rudolf IV. den Grundstein zu dem Neubau des 
St. Stefansmtinsters legte; es stimmt aber weder mit den Urkun- 
den noch mit der Bauweise dieser Kapelle." 

Die richtige Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung 
der Timakapelle schulden wir Herrn von Perger*), welcher sich 
dahin ausspricht: 

„Diese Kapelle erhielt um 1394 ihre spätere Geätalt, welche 
sie den Brüdern Rudolph und Ludwig von Tirna verdankte, die 



') Hneber, a. s. O., pag. 95. no. 3. 
*) Ogesser, a. a. O., pag. 26. 

•) Jos. Feil, in teinen „Belegen" zu R. v. Perger's Dom zu St. Ste- 
phan, Nr. 159. 

•) Perger, a. a. O., pag. 62. 



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ausdrücklich als Stifter derselben genannt werden, und deshalb 
an den drei Aussenpfeilem ihre Wappen anbrachten. ** 

Dazu gibt wieder Feil *) ein Citat aus dem Wiener-Buch 
der Käufe, D. fol. 246: 

„Rudolph vnd Ludwig gebrüder von Tyma habent gemacht 
vnd gegeben zu zwayn messen In ir Kapellen dacz sand Stephan 
ze wienn In den em des heiligen herrn sand Morant gestiffifc 
haben. — actum 1403." 

üebrigens haben auch frühere Tirna St. Stefan mit from- 
men Stiftungen bedacht So heisst es in einem Auszug *) aus dem 
Codex des Schottenklosters über die Dekanate und Archidiako- 
nate des Bisthums Lorch oder Passau d. a. 1476 — dass ein 
Tirna die missa regis Friderici*) zu St. Stefan, und ein Tür na 
die missa Stephan glaser ebendort angeordnet haben. Die Bezeich- • 
nung „Timakapelle" hat sich noch eine Weile nach dem Aus- 
sterben der Familie in Gebrauch erhalten, wie wir aus der Ord- 
nung der Gottsleichnamsbruderschaft zu Wien*) d. a. 1505 ent- 
nehmen, wo angeführt ist, dass zum Schluss der, durch diese 
fromme Gesellschaft veranstalteten Spiele Christus vom Kreuz 
genommen, und „in des von Tirnaw Capelle" getragen wurde. 
Noch ein anderes Gotteshaus wurde von jenen beiden frommen 
Brüdern ins Leben gerufen. Ludwig und Rudolf Ritter von Tirna 
und des Letzteren Gemalin Anna bauten nämlich laut dem dom- 
pröbstlichen Archiv, anno 1395 in ihrem Hof zu Matzleinsdorf 
eine Kapelle zu Ehren des heiligen Florian, und machten sich 
verbindlich, dem Probste bei St. Stefan jährlich 1 Pfd. dl. zu ge- 
ben, wenn der Kaplan nebst Messelesen und Wasserweihen noch 
eine andere pfarrliche Vemchtung vornehmen würde*). 

Die Worte: „Ich RudolfTvon Tyerna Ritter, und ich Ludweig 
von Tyema Prüder für uns und alle unsere geschwestreyde — - — '^ 



') Belege, a. a. O., Nr. 158. — Vide auch Ogesser, a. a. O., pag. 13. 

*) Horraayr, a. a. O., Urkunde Nr. 22. 

•) Offenbar kann hierunter nur Friedrich der Schöne verstanden sein, 
der 1330 starl». 

*) Schlager, a. a. O., 3. Bd., pag. 296. 

*) Ogesser, a. a. O., pag. 18 u. 14 und die vollständige Urkunde im 
Anhang, jsag^. 105 u. f. 

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338 

mit welchen die betreffende Urkunde beginnt, beweisen übrigens, 
dass sie noch andere Geschwister hatten. 

Hieher gehört noch, dass das Kloster St. Nicola vor dem 
Stubenthor Grundrechte auf die Fleischbänke der Tima besass *). 

Jene beiden Brüder waren auch Eigenthümer des Hauses 
zum Strobelkopf in der heutigen Strobelgasse (alt Nr. 866), ver- 
wandelten es aber in eine Stiftung, über welche Bürgermeister 
und Rath Lehensherren waren'). 

Ueber die Tirna des XV. Jahrhunderts sind die Angaben 
schwankend, verworren und höchst lückenhaft. Dr. Wolfgang La- 
zius sagt, auf Johannes und Friedrich von Tirna seien 
Rudolf, Leopold, Georg und Conrad gefolgt. 

Rudolf hinterliess eine Tochter Anna, welche durch Ver- 
mittlung Bernhards Marschalk von Reichenau des Grossvaters, 
und Eberhard's M. v. R. des Vaters dem Walther Mar- 
schalk von Reichenau vermalt wurde. Einer ihrer Nachkom- 
men war Joachim Marschalk, welcher anno 1546 noch lebte, 
und dem von König Ferdinand I. wegen seiner Verwandtschaft 
und Verdienste das Wappen der erloschenen Tirna verliehen ward 
„zu vnseren Denckzeiten" wie Lazius- Abermann hinzusetzen. 

Anno 1405 kommt ein Georg von Tirna vor, welcher laut 
städtischem Grundbuch den vorderen Theil des Mariazellerhofes 
in der Johannesgasse zu Wien besass'). 

Der alte Mariazellerhof (alt Nr. 984) soll nach Primisser*) 
und Tschischka') durch Schenkung eines Stefan von Hohenberg 
und eines Georg von Tirna anno 1482 an die Benediktiner 
von Klein-Mariazell gekommen sein. Diese Angabe ist — inso- 
fern sie einen Tirna nennt — unrichtig. Denn erstlich war die- 
ses Geschlecht um 1482 höchst wahrscheinlich schon erloschen. 
Dann besass damals laut Wiener Grundbuch ') Stefan von Hohen- 



*) Primisser bei Hormayr, a. a. O., II, Jahrgang, 1. Bd., 3. Heft, 
]>ag. 44. 

•) Schimmer, a. a. O., pag. 161. 

») L. c, pag. 189. 

*) Primisser, die alten Kunstdenkmale Wiens, bei Hormayr, a. a. 0., 
:i. Jahrgang, 1. Bd,, 1. Heft, pag. 114 u. f. 

*) Tschischka, a. a. O., pag. 245. 

•) Schimmer, a. a. O., pag. 189. 



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339 

berg das ganze Haus, indem er den rückwärtigen Theil dessel- 
ben seinem Halbbruder Jobann von Hohenberg abgelöst hatte. 
Und endlich liefert jenes Wappen, auf welches man sich in der 
Sache zu berufen gewöhnt war, gerade den schlagendsten Gegen- 
beweis. 

Es befindet sich nämlich rechts im Hofe des Gebäudes, 
ober dem Eingang zum k. k. Hofkamm er- Archiv ein trefflich ge- 
arbeitetes Steinbild, welches sich auf die Schenkung des Hauses 
an das Kloster Klein- Mariazeil nächst Heiligenkreuz in Nieder- 
Oesterreich, bezieht. 

Die Sculptur stellt die h. Maria mit dem Kinde, unter 
einem gothischen Baldachin sitzend, vor; zu beiden Seiten des 
Thrones zeigen sich Mönche, Nonnen und Laien; zu seinen Stu- 
fen, zur Rechten der h. Jungfrau kniet ein Mann, ihr das Modell 
eines, aus zwei Trakten bestehenden Hauses darbietend; links 
von ihr ein Abt mit einer Schrift in den Händen. Zu Beider 
Füssen lehnt ein Wappenschild. 

Was die Person des Ersteren anbelangt, so stimmen alle 
Autoren überein, indem sie ihn als den Geber aus der Familie 
von Hohenberg bezeichnen; auch sein Wappen, ein heraldischer 
Panther, gehörnt und flammensprühend, ist ganz richtig erkannt 
worden. Die Hohenberg führten '), als Abkömmlinge der steiri- 
schen Herzoge, einen Panther von Silber in Schwarz. 

In dem andern Knieenden wollten aber auch Alle sonderba- 
rer Weise einen Tirna sehen, und blasonirten ohne Ausnahme 
die Figur seines Schildes als „Schweinskopf". Diese Annahmen 
enthalten nun drei Unrichtigkeiten. 

Einmal ist dies, wie schon oben auseinandergesetzt, nicht 
ein zweiter Schenker, sondern offenbar der damalige Abt von Klein- 
Mariazell mit der Schenkungsurkunde in der Hand. Ferner enthält 
das vollkommen deutlich gearbeitete Wappen keinen Schweins- 
kopf sondern eine Flachs- oder Hanf breche (Fig. 2) wie sie am 
Lande noch heute allgemein üblich ist, eine in der Heraldik selten 
vorkommende Figur, welche unseres Wissens in Oesterreich nur 



*) Laziiis, de Aliquot Gentium Migratlonihua, Baaileaey 1572fP,ag,245. 
— Hanthalcr, Fasii Campilienses ^ tom. 11^ pars IL Titelkupfer. — Han- 
thaler, Recensus etc. tom. Ily pag, 26 ff, tob, S4. — Wissgrill, a. a. O., 
IV. Bd., pag. :JS6 und 388. — Hueber, a. a. O., tab. 27, Nr. 13 u. 14. 

22 * 



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840 

•zwei alte ganz und gar ver- 
schollene niederösterreichische 
Familien führten, nämlich die 
Gottesfelder und Nesstaler *), 
von denen noch Urkunden aus 
dem XIV. Jahrhundert existi- 
~ T! ren. Endlich drittens zeisH; das 

(Flg. 2.) ° , 

Tima'sche Wappen wedereinen 
Schweinskopf, noch eine Hanfbreche sondern ist gänzlich ver- 
schieden, wie weiter unten zu sehen ist 

Der Verfasser vorliegenden Aufsatzes hat jenes schöne Re- 
lief selbst an Ort und Stelle genau in Augenschein genommen, 
wodurch er in der Lage ist, diese sich durch alle betreffenden 
Werke ziehenden Irrthümer zu berichtigen. 

Die in Rede stehende Person stellt demnach den damals 
regierenden Abt von Klein-Mariazell, mit seinem Wappen, einer 
Hanfbreche, vor; es kann nur noch die Frage entstehen, ob er 
dieselbe als sein Geschlechtswappen, oder blos im Namen des 
Klosters führte. 

Im Verlaufe unserer Nachforschungen stiessen wir zuletzt 
auf eine bezeichnende Siegelabbildung und Stelle bei Hanthaler') 
welche wir zum Schlüsse dieses Excurses in Uebersetzung fol- 
gen lasi^en. 

„Augustin Abt, Thomas Prior und der Convent') 
nehmen uns*) in die Gemeinschaft der Wohlthäter auf. 
d. d. 25. April 1491." 
Hiezu Anmerkung h : 

„Wir bringen das Abtssiegel dieses uns sonst unbe- 
kannten Augustinus zugleich mit dem des Conventes, auf 
Tafel 13, no. 2 und 10. In dem ersten grösseren erscheint 
der Abt mit der — (zurückgeschlagenen) — Kapuze unter 
einem gothischep Tempel, ohne Mitra, mit dem Erummstab 
und Buch. Zu unterst aber siehst du das Wappen seines 

') Hanthsler, Eeeenaua ete. tom. I, pag, 329, tah, 32 xm& tom. JI^ 
jmg. ISO, tah. 38, 

») L. c, tom. I, pag. 123, tab. 13, no. 2. 

') Von Klein-Mariazell, 

*) Nämlich das Kloster Lilienfeld. 



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341 




(Fig. 3.) 



Klosters, (Fig. 3) einen Schild mit der Flachs- 
breche, mit welcher, wie bekannt, die Bauern 
den Flachs zu brechen pflegen. Ob einst die 
Gründer *) Schwarzenburg dieses Wappen ge- 
braucht haben, ist uns nicht klar. Indessen 
produciren wir unter unseren Familien einen Heinrich von 
Gottesveld und einen Christian Nesstaler, gleichen Wappens. 
Man könnte vielleicht auf die Meinung verfallen , dass 
dieses Wappen eben nur jenes des Abtes ^) gewesen sei, 
wenn uns nicht für gewiss bekannt wäre, dass sich das 
Kloster selbst desselben bedient. Die Umschrift lautet : 

S . igillum . 3lugu0titti . ^Iblialid . (Kelle. S . ante . iUarie." — 

Für die Richtigkeit dieser Behauptung Hanthalers liefern 
uns zwei bei Hueber abgebildete Siegel den schlagendsten Be- 
weis. Erstlich jenes des Mariazeller Abtes Leupold an einer Ur- 
kunde, durch welche er und der Convent dem Kloster Melk einige 
Einkünfte der Pfarrei Hofstetten verkauft, d. d. 1393 am h. Drei- 
königtag*). Das Siegel stellt den Abt mit Buch und 
Bischofsstab, unbedeckten Hauptes unter einem gothi- 
schen Baldachin vor. Zu seinen Füssen ist der Schild 
mit der Hanfbreche. Umschrift: S. UopolM t abliatt0 t 

teile t öaticte : marie t (Fig. 4). 

Dann das Siegel von Johannes *), Abt 
von Klein -Mariazell d. a. 1479 — stellt 
wieder die Hanfbreche vor, obgleich in 
etwas veränderter Form. Der Schild ruht 
innerhalb eines Dreipasses, und ist von 
Blumen-Damast umgeben. Umschrift: 5. 

tn^rutnis abbatis teile marie. (Fig. 5.) 

Bei dem Intervall von nicht mehr als 
3 Jahren, wäre es auch möglich, dass die- 
ser Abt Johannes und jener auf dem 
ein und dieselbe Persönlichkeit ist. 




(Fig. 4.) 




(Fig. 5.) 
Steinbild dargestellte 



') Des Sfciftes Elein-Mariazell, anno llSß, Heinrich und Bapoto ▼on Seh. 
*) D. h., flass der Abt aus dem Geschlechte der Gottesfeld oder Kesstaler war. 
*j Huebor, a. a. O., pag. 94, no. II, tab. 2'), no. 10. 
*) Hueber, a. a. O., pag. 202 u. 216, tab. 31, no. 8. 



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:u2 



Anno 1447 existirte ein Leopolt von Tirna*), welcher 
vielleicht einer der vier, von Lazius erwähnten Brüder gewesen ist. 
Kaiser Friedrich des IV. (III.) Kammermeister, Hans Un- 
gnad von Weissenwolf verrechnet *) unter dem Wein, den er fiir 
den Kaiser gebraucht, während dieser sich in Graz aufhielt, 
anno 1 452 : 

„It von dem Hans von Tierna ain Dreyling vnd 
ein halbs vas wein umb 27 tt." 

Auch über den Abgang dieses Geschlechtes ist gar viel 

gestritten worden, und der ultimus stirpis noch immer nicht mit 

voller Sicherheit bekannt. 

Hormayr meint, die Tima erloschen bald nach Mathias 

von Tirna; der Letzte ihres Geschlechtes war ein Passauer 

Domherr. — 

Was nun den Ersteren anbelangt, 

so befindet sich das Original- Wachssiegel 

eines „mathes de tyma" in unserem Be- 
sitz; in grünem Wachs ein unten runder 

Schild, darin ein Balken, belegt oder 

überzogen mit zwei auswärtsgekehrten 

Monden, ohne Oberwappen, mit der Na- 

mens-Umschrift. (Fig. 6.) 

Vielleicht ist dies das Siegel eines (Fig. 6.j 

der letzten Tima, obschon die Sitte, blos das Schild als Wappen 

zu führen, bedeutend älter ist. Primisser sagt bei Hormayr 

Geschichte Wiens, im Jahre 1824 Folgendes: 

„Die Tirnakapelle hatte auch noch vor einem halben 
Jahrhundert — (also etwa noch um 1770?) — ein Epitaph 
vom letzten Tirna mit dem Familienwappen des Mondes^) 
über dem Querstreif; nicht ohne Zweifel gegen die Angabe 
Lazius und Anderer zu wecken, dies Haus sei mit einem 
Domherrn — (Conrad f 1492) — von Passau erloschen 
denn hier war er in vollem Harnisch abgemalt: 




^) Alterthums- Verein zu Wien, a. a. O., I. Bd,, pag. 241. 
*) Schlager, a. a. O., *i. Bd., pag. 47. 
•) Sollte wohl heissen: dor Monde. 



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343 

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bem ®ott (Snabt, unb igt geet« ;?lo. D. 

1468 am 5. ^Igneötag. 

A. Ritter v. Perger theilt diese Ansicht, gibt jedoch wie 
das Trautsohnische Manuscript und Ogesser als Todesjahr 1478 
an, was auch darum mehr Wahrscheinlichkeit für sich haben 
dürfte, weil ein Jörg von Tirnach noch in einer Urkunde d. a. 
1472 unter den niederösterreichischen Edeln, welche Gegner 
Kaiser Friedrich des IV. (III.) waren, vorkommt. 

Wie aber mit dem Allen die Angabe bei Freiherrn von 
Hoheneck*), dass ein Jakob von Tierna mit Margaretha 
örabmerin, des Herrn Jörg Grabmer zu Jochlawitz und 
Frauen Gertraud Kölberharterin Tochter^), vermalt war, welche 
nach ihres Mannes Tode den Herrn Reinprecht von Sin- 
zendorf zu Fridau anno 1492 heiratete und vor 1499 starb, 
zu vereinbaren ist, steht noch nicht fest. 

Das Haus des letzten Tirna 
fiel angeblich an das Schotten- 
kloster. 

Mehrere Tirna sind auch 
in der Minoritenkirche zu Wien, 
nächst dem Landhause begraben 
worden. 

Das Andenken an diese 
einst so bedeutende Familie 
wird kaum mehr durch die 
drei Steinwappen erhalten, die 
bald ein halbes Jahrtausend 
von den altersschwarzen Pfei- 
lern des Münsters zu St. Stefan 




(Fig. 7.) 



auf die Wandlungen der Zeit herniederschauen. 

An. der Stirnseite des Domes, an der Ecke nächst dem 
Bischofhof'), in ziemlicher Höhe schräg unter dem Standbild 



*) L. c, II. Bd., pag. 449. ' 

*) Wiss grill, welcher dieselbe Familie im HI. Bd., pag. 367 u. f. 
unter dem Namen „Grubner" behandelt hat, weiss nichts von dieser Margaretha. 
«) Perger, a. a. O., pag. 29 u. 49. 



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344 

eines Schildträgers ist das Oberwappen derer von Tirna ange- 
bracht, nämlich: ein Kübelhelm mit der Decke, darauf das 
Kleinod, ein Flug belegt mit 2 Halbmonden. (Fig. 7.) 

Gleich um die Ecke, an der Nordseite der Kirche, an 
den beiden ersten Strebepfeilern sieht man in gleicher Höhe 
zweimal den Tirna'schen Schild — worin ein Balken und darüber- 
geÄOgen zwei auswärts gewendete Monde — scheinbar an einem 
Nagel aufgehangen, so dass diese drei Wappen um die beiden Aus- 
senseiten der, von den 
Tirna gestifteten Kapelle 
grupphi sind. (Fig 8.) Bei 
Lazius - Abermann, welche 
beide im Blasoniren nicht 
sehr stark waren, heisst 
es, die Tirna „führten einen 
weissen Mond in einem 
Schildt , so mit schwartzer 
und roter Färb vnderschai- 
den wardt." Ogesser ^) gibt 
schon genaueren Auf- 
schluss, wenn er erklärt, 
dass dieses adeliche Ge- 
schlecht in ihrem schwar- 
zen und durch die Mitte 
rothgetheilten Wappen 
Schilde, zween rückwärts zusammengekehrte Halbmonde geführt 
habe, wie solches auch im Steine ausgehauen an den dreyen Pfei- 
lern dieser Kapelle ') auswendig noch zu sehen. 

Aus diesen einzelnen Angaben, Denkmälern und Siegeln 
ergibt sich nun folgendes Tirna 'sehe Wappen*): 

Schild, schwarz mit einem rothen Balken, und darüberge- 
zogen 2 silberne auswärtsgekehrte Monde. Kleinod, ein wie der 
Schild tiügirter Flug, jederseits mit einem auswärts sehenden 




(Fig. 8.) 



*) L. c. pag. 13, Anmerkung mit *JBernfung auf Lazius. 
') Nämlich der Tirnakapelle. 

•) Vide auch bei Hu eher, a. a. O., tab. 19, Nr. 21, das Siegel des 
Johann von Tirna mit dem Oberwappen. 



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345 

silbernen Mond belegt. Decken schwarz und roth, oder schwarz 
und silber. 

Es ist mit den vorliegenden Zeilen unseres Wissens der 
erste Versuch gemacht worden, die Geschichte der nieder-öster- 
reichischen Ritterfamilie von Tima quellenmässig, mit Bertlck- 
sichtigung der Diplomatik, Sphragistik, Heraldik und Archäologie 
aufzustellen. Da es uns jedoch bei der Lückenhaftigkeit des vor- 
handenen Quellenmaterials noch nicht möglich war, eine sichere 
genealogische Tafel beizufügen, so wollten wir es wenigstens 
nicht unterlassen, eine chronologische oder Zeittafel dieses Ge- 
schlechtes anzuhängen, welche theils eine Ueborsicht aller be- 
kannten Tirna gewährt, theils späteren Spezialforschem Anhalts- 
pimkte zu einer genealogischen Stammtafel dieser interessanten, 
einheimischen Familie bieten dürfte. 



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RAPHAEL DONNER. 



Ein Beitrag zur Geschichte der Plastilc in Wien. 



Von 



Karl Weiss. 



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Wenn ich es unternehme einen Etickblick auf das Leben 
Raphael Donner's zu werfen, so kommt es mir dabei nicht 
in den Sinn, die äusseren Lebensschicksale dieses Mannes zum 
Gegenstande der Darstellung zu machen, sondern ich will ver- 
suchen das Verhältniss des Künstlers zu der Epoche, welche ihm 
voranging und zu der Zeit, in der er selbst lebte, zu beleuchten. 

Ueber den Lebenslauf ßaphael Donner's hat bereits Schla- 
ger, veranlasst durch einen von Dr. Ludwig Fr an kl im Jahre 
1844 ausgeschriebenen Preis auf eine erschöpfende Biographie 
des Künstlers, einiges Licht verbreitet^) und so lückenhaft auch 
das gesammelte Material ist, so verdanken wir doch diesem fleis- 
sigen Forscher die ersten ausführlicheren Nachrichten über Don- 
ners Aufenthalt in Pressburg und Wien, und seinen von Kummer 
und Sorgen begleiteten Lebenslauf. 

Das von Schlager entrollte Bild hat einen wehmüthigen 
Eindruck hervorgebracht; es sind darin Züge enthalten, welche 
das menschliche Gemüth tief berühren. Donner lebte in einer 
Zeit, in welcher firemde Kunst noch überwiegenden Einfluss hatte, 
und unsere Grossen sich mit Vorliebe ausländischen Künstlern 
zuwandten. Und so sehr auch unsere Kunsthistoriker, im Rechte 
sein mögen, zu demonstriren, dass dieses Stadium ein naturnoth- 
wendiges war, um den Entwickelungsgang der heimatlichen Kunst 
zu fördern, so erweckt doch das Individuum, welches das Ge- 
schick mitten in den Kampf hineingestellt hat, das um seine Exi- 
stenz gerungen^ nur mit Mühen und Anstrengungen sein Talent 
zur Geltung zu bringen vermochte, unsere wärmste Sympathie, 
eingedenk der Worte des Dichters, dass Ruhmeskränze, welche 
dem Künstler im Leben vorbehalten blieben, und erst die Stirne 
seiner Marmorbtiste beschatten, ein Denkmal menschlicher Schwäche 



*) Schlager J. E. Georg Eaph. Donner. Ein Beitrag zur österrei- 
chischen Kunstgeschichte. Wien, 1B48. 



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350^ 

und UnvoUkommenheit bilden. So ungefähr sprach sich auch 
schon die literarische Beilage der Wiener Zeitung vom Jahre 
1763 über das Missgeschick aus, welches damals deutsche Künst- 
ler in Wien verfolgte. 

Es ist bekannt, dass Michel Angelo, der ungefähr 200 Jahre 
vor Raphael Donner lebte, einen bedeutsamen Wendepunkt in 
der Entwicklung der modernen Plastik bildet. Man nennt ihn 
das Fatum der modernen Kunst, weil seine Schöpfungen der 
Änlass waren, der später lebende Künstler unaufhaltsam zur Un- 
natur und Manier, das ist, zu den hässlichsten Auswüchsen des Barock- 
styles fährte. Aber als Ktlnstler für sich betrachtet, als Schöpfer de» 
wundervoll gedachten Grabdenkmales für Papst Julius 11. in Rom, 
und der grossartigen Medicäergräber in Florenz, ohne Rückwir- 
kung auf seine Epigonen, gilt Michel Angelo unbestritten als 
der genialste, gewaltigste Bildhauer der neueren Zeit. 

Die universelle Bedeutung des Florentiner Meisters lässt sich 
in den Worten zusammenfassen, dass er der Idee einen über- 
wiegenden Einfluss über die Form einräumte, dass er seine 
innersten Inspirationen, die wunderbaren Gebilde seines Seelen- 
lebens unvermittelt und unbeirrt von den bisher beobach- 
teten Grenzen in der Darstellung menschlicher Körperformen auf 
seine Gestalten übertrug, dass das subjective Gefühl die pla- 
stische Schönheit beherrschte. Ob eine Bewegung natürlich, un- 
gezwungen war, diess galt dem Meister gleich, wenn sie nur das 
ergreifend ausdrückte, was seiner Gedankenwelt vorgeschwebt. 
Er formte die menschliche Gestalt, bildete oft bestimmte Theile 
übertrieben mächtig in's Colossale, steigerte die Kraft der Mus- 
keln und vernachlässigte wieder andere Partien, wie beispielsweise 
den Hinterkopf seiner Statuen, so dass es oft den Anschein hat, 
als ob er dem menschlichen Körper neue Gesetze vorschreiben 
wolle. Aber die ganz eigenthümliche Darstellung seiner Gestalten , 
welche seinen Vorgängern Pisano und Ghiberti unbekannt war, 
entsprang nicht etwa aus einer schrullenhaften einseitigen Auf- 
fassung der Formenschönheit — denn wir wissen ja, dass er ein 
genauer Kenner der Antike war — oder aus einer mangel- 
haften Kenntniss der Anatomie des menschlichen Körpers, son- 
dern weit mehr aus der Unzulänglichkeit der Kraft, seine gewal- 
tigen Gedanken vollendet zum Ausdruck zu bringen, aus der 



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351 

fast zu geringen Macht des erhabenen Geistes über den spröden 
Stoff, aus dem Siege der Idee über die Form. Michel Angelo 
stellte der Plastik zuweilen Aufgaben, welche sie ihrer Natur 
nach nicht zu lösen vermochte; aber sein mit Begeisterung er- 
fasstes Studium der Antike schützte ihn vor einer Ueberschrei- 
tung der Grenzen der Schönheit, der grosse Ideengehalt bewahrte 
seine Gestalten vor kleinlicher manierirter Auffassung. In küh- 
nen mit grossen Linien gezeichneten Formen stellte er eine höhere 
Art von Wesen vor uns hin, vor deren Anblick alles Niedrige 
von uns abfällt. „Wir ahnen noch mehr in ihnen," bemerkt ein 
neuerer Kunstforscher, „als was wir in ihnen schauen." 

Das Beispiel Michel Angelo's wirkte um so mächtiger, als 
es die leidenschaftliche Bewunderung seiner Zeitgenossen beglei- 
tete. Solch einer gesteigerten Subjectivität zu folgen, war aber 
auch im hohen Grade verführerisch. Es lag ihr ein neues Kunst- 
princip zu Grunde, und wo immer ein solches auftritt , zieht es 
mit magischer Kraft die Geister in seinen Bann. Aber nur we- 
nige der Nachfolger Michel Angelos konnten sich rühmen seiner 
Gedankentiefe, seiner gewaltigen künstlerischen Gestaltungskraft. 
Noch wenigere zogen den Entwickelungsgang des grossen Mei- 
sters in Betracht. Michel Angelo begann mit dem Studium der 
besten damals bekannten antiken Vorbilder, und gelangte nach 
hartem Kampfe zwischen den Traditionen und dem Ringen sei- 
nes Geistes nach individuellem Ausdruck seiner Ideen zu jener 
Lösung plastischer Aufgaben, die ich bereits hervorgehoben. Seine 
Nachahmer fingen dort an, wo Michel Angelo aufhörte, unter 
ihnen voran Bernini, das vielbewunderte und mit fürstlichen 
Ehren überhäufte Schoosskind seiner Zeit. Seit Michel Angelo 
hielt sich jeder Künstler berechtigt, seine Gefühle, seine Ideen 
und Anschauungen zur Geltung zu bringen, unbekümmert um 
die Gesetze der Schönheit, die allgemeine Giltigkeit gewisser 
l^^ormen und die Grenzen der Plastik. Solch eine schrankenlose 
Subjectivität führte aber zur Unnatur. 

Unnatürlich war jedoch — und das dürfen wir nicht ver- 
gessen — nicht blos die bildende Kunst, sondern auch die Poe- 
sie wie überhaupt die ganze Gefühls weise des XVII. Jahrhun- 
derts. Wer kennt nicht die geschmacklose Uebertreibung und 
Unwahrheit der Schäferpoesien dieses Zeitraumes, hervorgegangen 



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aus dem Bestreben nach äusserem Glänze und blendender Wir- 
kung. Dieses Hervorsuchen greller Effecte, die Neigung zu einem 
falschen Pathos verpflanzte sich bis in die Kirche, und die Trä- 
ger des Katholicismus, darunter vor Allem die Jesuiten, gefielen 
sich darin, die religiösen Gefühle mit dem Aufwände wahrhaft 
heroischer Mittel zu steigern, ihre Beredsamkeit auf der Kanzel 
mit den wunderlichsten Geberden und Actionen zu begleiten. 
Jesuiten waren es auch, welche mit Vorliebe Apostel und Heili- 
genstatuen vor die Paijaden der Kirche, ja selbst im Räume des 
Allerheiligsten in Form jener exstatisch erscheinenden Statuen 
stellten, die uns heute wie eine Profanation der edelsten Gefühle 
erscheinen. 

Gesteigerte Gefühle und Empfindungen, wie jene der Trauer 
und des Schmerzes, der Freude und Sinnlichkeit durch lebhaf- 
ten Geberdenausdruck zur Darstellung zu bringen, in der An- 
ordnung der Gruppen einen äusserlichen auf das profane Auge 
berechneten Effect zu erzielen, Porträte derb-naturalistisch, Cha- 
rakterkOpfe gemein-heroisch und die menschliche Gestalt, wo sie 
nackt erscheint, in einem weichen schwülstigen, durch eine glän- 
zende Politur noch mehr gehobenen Fette zu formen, das Gewand 
in weiten fliegenden Massen und flatternden Enden anzuordnen, 
sowie die Falten in stark gebrochenen Linien und bauschiger 
Aneinanderhänfong zu drapiren, — das war der Grundzug der 
Plastik jener Zeit die auf Michel Angelo folgte. 

Wie am kaiserlichen Hofe vorzugsweise in der zweiten 
Hälfte des 17. Jahrhunderts italienische Musik und Poesie ge- 
pflegt wurde, so erstreckte sich diese Neigung auch auf die bil- 
dende Kunst; auch sie fand an den Fürsten und Prinzen des 
kaiserlichen Hauses begeisterte Verehrer, und der italienische 
'Einfluss, weldier in der Geschichte unserer Stadt sich seit dem 
Xin. Jahrhundert verfolgen lässt, gelangte zu einer die vornehme 
Gesellschaft völlig beherrschenden Geltung. Während aber im 
XIU. und XIV. Jahrhunderte vorzugsweise Handelsinteressen 
Wien mit Italien verbanden, und reiche, mächtige Kaufherren 
der Lagunenstadt Wien besuchten, mithin die bürgerlichen Krdse» 
diese Verbindung mit warmem Eifer pflegten, waren es im 
XVn. Jahrhunderte Architekten, Maler, Bildhauer, Musiker, Poe- 
ten, Sänger (Kastraten), die sehnsuchtsvoll ihre Blicke auf die 



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353 

Kaiserstadt richteten, nun waren es Hof und Adel, welche die 
Beziehungen mit Italien erneuerten. Was aber zum Frommen 
der Musik war, gereichte nicht zum Segen der bildenden Kunst. 
In dieser Richtung hatte Italien bereits seine Rolle ausgespielt. 

Nur selten begegnen wir in jener Zeit den Namen eines 
deutschen Künstlers, und wenn es ja der Fall ist, so war seine 
Carriere erst dann gesichert, wenn er nachweisen konnte, das» 
er von einem italienischen Meister ausgebildet wurde. Nicht blos 
der Hof und der Adel, sondern auch die Klöster sandten junge 
Leute nach Venedig oder Florenz und Rom, um sie dort in eitiei 
der Meisterschulen eintreten zu lassen. Dazu trieb sie aber keines- 
wegs ausschliessend der herrschende Geschmack. Wollten junge 
Leute ernste und gründliche Studien in der Architektur, Malerei 
oder Plastik anstellen, ja selbst sich blos umfassende Kenntnisse 
in der technischen Ausübung der verschiedenen Kunstgebiete 
erwerben, so erübrigte für sie nur Italien, da Wien noch keinen 
Mittelpunkt für einen geregelten Kunstunterricht hatte, die Samm- 
lungen geringfügig und nicht der öffentlichen Benützung über- 
geben waren, und die jungen Leute sonst der Führung meist 
sehr mittelmässiger Künstler überlassen blieben. Es lässt sieh der 
überwiegende italienische Einfluss auf die Bildhauerkunst in 
Wien an Beispielen verfolgen. Ich will mich jedoch darauf be- 
schränken, nur solche Werke namhaft* zu machen, welche zur 
Charakteristik der Epoche, die unmittelbar jener von Raphael 
Donner vorausging, beitragen sollen. 

Im Innern des St. Stefansdomes, an dem aus kostbaren 
Marmor erbauten Hauptaltare, stehen zu beiden Seiten des Altar- 
blattes vier lebensgrosse, aus Marmor gemeisselte Statuen, welche 
die Heiligen Leopold, Sebastian, Florian und Rochus vorstellen. 
Nach Ogessers Angabe sind sie das Werk des Bildhauers Johann 
Bock^ eines, wenigstens dem Namen nach deutschen Künstlers, 
der um das Jahr 1640 die Statuen anfertigte. Sie sind ein für 
jene Zeit vorzügliches Werk und athmen einen Styl, der noch 
weit entfernt ist von der Aufgedunsenheit der Barockzeit In der 
plastischen Greschlossenheit der Gestalt Leopolds liegt unverkenn- 
bar, Würde und Seelenruhe, und jene des heil. Sebastian zeigt 
einen seltenen Formensinn und ein genaues Studium des mensch- 
lichen Körpers. Nur die manierirte Bewegung der Figuren ver- 

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354 

räth das lebendige Gefühl für den herrschenden Geschmack 
jener Zeit. 

Tritt man dagegen auf den Hof vor die Denksäule der 
Immaculata, welche im Jahre 1668, mithin kaum 30 Jahre 
nach den Bock'schen Figuren bei St. Stefan gegossen wurde, so 
. fühlt man wohl heraus, dass hier ein ganz anderes künstlerisches 
Gefühl thätig war. Auf einer übermässig hohen Säule steht dort 
das Bild der heil. Maria in Erz gegossen; ihre Hände sind ge- 
faltet, das Antlitz mit dem Ausdrucke des innersten Seelenkam- 
pfes nach Oben hin gewendet und die ganze Haltung des Kör- 
pers sehr bewegt und geziert. Das ganze Werk verräth die Sucht 
nach sehr wirksamen — weder der Plastik im Allgemeinen noch 
dem Gegenstande der Darstellung zusagenden Effecten, dem 
Ausdruck jener falschen zur Schau getragenen Empfindung, in 
der »ich, wie ich schon angedeutet, der Kunstsinn der Jesui- 
ten des XVn. Jahrhunderts gefiel. Dazu kommt noch die ganz 
missrathene Darstellung der vier Nebenfiguren, bestehend aus 
kleinen unförmlichen Engeln, die, im Eittercostume dargestellt, 
Drachen unter ihren Füssen vernichten. Solch eine carrikierte 
Darstellungsweise muss schon an sich den ernsten Eindruck des 
Werkes gründlich vernichten. 

Damit sind wir aber noch keineswegs an dem Gipfelpunkte 
der barocken Wiener Plastik angelangt. Man kann mit Recht 
einwenden, dass man es hier nur mit dem Werke eines ganz 
mittelmässigen Künstlers zu thun hat, der keinen . Massstab fiir 
die Beurtheilung einer ganzen Kunstrichtung abgibt. Und aus 
diesem Grunde will ich noch ein anderes Werk ins Auge fassen, 
anmessen Ausführung einer der gefeiertsten Künstler der Leo- 
poldinischen Epoche gearbeitet hatte. Es ist die sogenannte Drei- 
faltigkeits-Säule am Graben. Durch einen Irrthum Fuhr- 
mannes hat man bisher dieses Werk dem Architekten Ludwig 
Burnacini zugeschrieben. In der That rührt aber von diesem 
nur die Zeichnung zu dem Postamente her, während der Ent- 
wurf zu dem eigentlichen Denkmale und die Modelierimg der 
Figuren das Werk des berühmten Paul v. Strudel sind, des- 
öelben Künstlers, welchen Kaiser Leopold mit seinen Brüdern in 
dem ihm ertheilten Adelsbriefe mit Praxiteles, Phidias und Archi- 
medes verglich. 



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Die Dreifaltigkeits-Säule ist bekanntlich ein Denkmal der 
Dankbarkeit für das Aufhören der Pest, das Leopold errichten 
Hess. Sie ragt 70 Fuss hoch empor und zeigt mithin schon die 
Eigenthümlichkeit der meisten Denkmale dieser Epoche, dass die 
gewöhnlich auf der Spitze angebrachte Figurengruppe entweder 
nur mit äusserster Anstrengung des Halsgelenkes oder aus einer 
solchen Entfernung betrachtet werden kann, in der blos die Um- 
risse der Figuren zu erkennen sind. Aber 60 — 70 Fuss hoch- 
musste wenigstens eine Figur stehen, welche der überirdischen 
Welt angehörte. 

Ist schon die Composition eine verworrene, und der Gedanke 
ein sehr unglücklicher, eine Pyramide mit steinernen Wolken zu 
umwinden, die, an einzelnen Stellen schwer und wuchtig heraus- 
wachsend, den Platz zur Anbringung der Figuren abzugeben 
bestimmt sind, so tritt an keinem Monumente Wiens das verfehlte 
Bestreben, malerische Motive in die Plastik hereinzuziehen, so 
störend wie bei der Dreifaltigkeits-Säule in den Vordergrund. 
Vergebens hat man sich daher auch bemüht, die Idee des Mo-^ 
numentes in ihrem ganzen Umfange zu ergründen; man ist in 
Zweifel was ein Engel mit der Mandoline, ein zweiter nachden- 
kend und in einem Buche blätternd, und der dritte gehamischte 
Engel mit dem Speere zu bedeuten habe. In den dünnen schmäch- 
tigen Körperformen einzelner Grestalten, namentlich aber in der 
an die Carrikatur grenzenden Figur Kaiser Leopold's und der 
widerwärtigen Allegorie der Pest spricht sich so recht der Man- 
gel an gesundem plastischen Sinne, an einem Studium mensch- 
licher Körperformen aus. Bedenkt man, dass derselbe Künstler auch 
die Mehrzahl der Standbilder im Habsburger Saale des alten 
Ritterschlosses zu Laxenburg angefertigt hat, Werke, die doch 
eine ganz respectable Leistung sind, so ist man fast versucht zu 
zweifeln, ob Paul v» Strudel wirklich der geistige Eigenthtlmer 
jenes Denkmales ist, als welchen er sich selbst in dem Adels - 
briefe bekennt, und ob nicht doch von ihm und seinen Schülern 
nur die erträglich modelierten Figuren herrühren. 

Von anderen plastischen Werken dieser Epoche wollen wir 
schweigen. Die Kunst geht bei uns in dieser Zeit wie ander- 
wärts mit resoluter Verzweiflung an ihr Tagewerk. Hier sehen 
wir einen Hinligen mit einem Hunde in Conversation, dort einen 

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356 

Apostel heftig in einem Buche blättern ; Veronica läuft mit ihrem 
Schweisstuch, so dass man fürchtet, sie stürzt über das Gesimse 
der Predella herab. Dort fährt sich ein Heiliger wie in somnam- 
bulen Zustande wirr durch die Haare, und einen heil. Aloisius sehen 
wir schwärmerisch in die Knie sinken, mit einem solchen Blick nach 
Oben, dass man wenig mehr als Nasenspitze und Kinnbacken 
bemerkt. Wer kennt endlich nicht die treffenden Satyren auf die 
zahllosen aus Böhmen zu uns verpflanzten Johannesstatuen mit 
ihren typischen Koptbewegungen , — sie sind die letzten Ausläu- 
fer dieser sonderbaren Geschmacksrichtung. 

Auch Raphael Donner (geb. 25. Mai 1692 zu Esslingen 
im Marchfeld) — und dies will ich gleich vorausschicken, — war in 
der ersten Periode seines künstlerischen Schaffens nicht frei von jener 
manierirten unschönen — weil unwahren Darstellungsweise sei- 
ner Zeit. Ich erinnere an den heil. Franciscus und die Kreuz- 
abnahme, welche die spätere Entwicklung Donners nicht ahnen 
lassen. Wie konnte dies aber auch anders sein ! Donner erlernte 
die Anfangsgründe seiner Kunst, die Handhabung des Meisseis 
bei Giuliani, einem ganz mittel massigen , als Laienbruder im 
Stifte Heiligenkreuz lebenden Bildhauer. Schon als Stiftszögling 
ergriff Donner ein eigenthtimlicher Trieb zur Kirnst, er stahl die 
Kerzen um das Wachs zu kneten und daraus Figuren zu for- 
men, er verschaffte sich zinnerne Krugdeckel, um auf die Flächen 
Ornamente und Figuren zu zeichnen, und ein Verdienst Giulianis 
Witt* es jedenfalls, dass er in Donner den Trieb zur Kunst sorg- 
fältig nährte, — wer aber die von Giuliani angefertigten Grup- 
pen auf dem Kreuzwege in Heiligenkreuz näher betrachtet hat, 
wird zugeben, dass dieser Künstler nicht der Mann war, in Don- 
ner einen feineren Formensinn zu wecken. 

Vielleicht fühlte Donner selbst das Ungenügende seiner 
Kenntnisse, vielleicht' waren es auch nur Bande der Liebe, welche 
ihn aus dem Stifte, wo er als Gehilfe Giulianis arbeitete, fort- 
trieb — genug, wir wissen, dass er zwischen den Jahren 1712 
bis 1715 Heiligenkreuz verliess. Das Bezeichnende aber ist, dass 
er nicht, wie es allgemein Uebung war, nach Italien ging, son- 
dern nach Wien, um hier sein Fortkommen zu suchen. Italien 
sollte er überhaupt niemals sehen. Ob er bereits zu einer Zeit 
in Wien war, wo Peter v. Strudel noch lebte und die Kunst- 



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B57 

akademie noch bestand, lässt sich nicht nachweisen; aber kein 
Zweifel dürfte darüber bestehen, dass er dem Einflüsse der aka- 
demischen Richtung nicht ferne stand. Peter v. Strudel liess 
sich aber in Bezug auf die Plastik von Grundsätzen leiten, 
die auf die Entwickelung der jüngeren Künstler bedeutenden 
Einfluss ausüben mu^sten; er empfahl nämlich: das Studium 
nach der Natur und nach antiken Kunstwerken. Plötzlich be- 
gann man sich wieder zu erinnern, aus welchen Quellen die 
grössten und vollendetsten Meister der neuem Plastik geschöpft 
hatten. Der Euf zur Rückkehr nach der Natur wurde aber nur 
von Wenigen gewürdigt, da die Italiener wie Cuvanese, Sta- 
netti und Stöber, in deren Händen fast ausschliessend alle 
grossen Arbeiten für den Hof und den Adel waren, noch fest 
an älteren Traditionen festhielten und auch die ganze Empfin- 
dungsweise in Sitte und Religion jenem Streben nach äusserlicher 
Wirkung entsprach. 

Donner gehörte zu den wenigen Künstlern, welche sich von 
den Grundsätzen Strudels lebhaft angezogen fühlen mussten. In 
einer Beschreibung über Wien aus dem verflossenen Jahrhundert 
wird auch bemerkt, dass Donner mit Vorliebe nach der Antike 
und der Natur seine Studien machte. Unklar mögen allerdings 
noch die auf diesem Auge gewonnenen Eindrücke in der Seele 
des Künstlers gewesen sein. So wenig die Wachsfiguren, welche 
der Knabe in einem unbestimmten Drange zur Kunst formte^ 
schon einen bestimmten Schluss auf sein Talent zur Bildhauerei 
schliessen liessen, so wenig wusste wahrscheinlich schon damals 
Donner, auf welches Ziel er lossteuerte. Aber der Umstand, dass 
er, die ausgetretenen Bahnen verlassend, von den ungeahnten 
Schönheiten einer neuen Welt sich mächtig angezogen fühlte, dass 
er es vorzog in stiller Betrachtung vor den auf van Schuppens 
Veranlassung nach Wien gebrachten antiken Sculpturen mit Vor- 
liebe verweilte , während die Masse noch mit Bewunderung an den 
falschen Göttern hing, däss er selbst in seiner Seele den Kampf 
zwischen dem Herkömmlichen und Neuen heraufbeschwor, zeigt 
schon die ganz eigenthümliche Organisation seines Talentes, und 
musste bestimmend auf dessen Entfaltung einwirken. 

Dass für Donner unter den bestandenen Verhältnissen iö 
Wien keine Aussicht auf eine glänzende Zukunft vorhanden war, 



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358 

kann nicht überraschen. Er erhielt kleinere Aufträge, welche ihm 
den Titel „Kaiserlicher Galanterie-Bildhauer" verschafiEten. Aber 
die feststehende Thatsache, dass er bei keinem der grösseren 
Werke — ich erinnere an die Ausschmückung der Carlskirche, 
das Monument am hohen Markte und die zahlreich gebauten Pa- 
läste auch nur in untergeordneter Stellung beschäftigt wurde, 
zeigt die spärliche Anerkennung des Talentes. 

Verdriesslich und gekränkt kehrte Donner unserer Stadt, 
ungefähr in einem Alter von 34 Jahren (1725) den Rücken und 
wanderte gemeinschaftlich mit Schletterer und seinem Bruder 
FranZ; seinen beiden Gehilfen an den bischöflichen Hof nach 
Salzburg, wo eben der Bau des Schlosses Mirabell vollendet- wor- 
den war. Es ist nicht unmöglich, dass er einem an ihn ergange- 
nen Rufe gefolgt war; denn wir sehen ihn dort, gemeinschaftlich 
mit seinen Begleitern die ersten bedeutenden Aufträge vollfüh- 
ren, nämlich die Ausschmückung des Stiegenhauses im Schlosse 
Mirabell. Welchen Antheil aber Raphael Donner an dieser Arbeit 
hat, ist noch nicht festgestellt. 

Was Mielichhofer in Frankls „Sonntagsblättern" v. J. 
1847 (Kunstblatt Nr. 15) darüber bringt, steht nicht in Ueber- 
einstimmung mit einem mir darüber zugekommenen Briefe. Wäh- 
rend Mielichhofer davon spricht, dass der grössere Theil der Fi- 
guren von Raphael Donner ausgeführt wurde, heisst es in dem 
Briefe, dass nur nach der Tradition zwei Figuren im Vestibüle 
R. Donner zugeschrieben werden. Mit derartigen Traditionen 
steht es aber bekanntlich oft schlimm. 

Donner verweilte nur zwei Jahre in Salzburg, von dort aus 
führte ihn sein Geschick nach Pressburg. Sein Aufenthalt in dieser 
Stadt bildet den wichtigsten Abschnitt seines Lebens. 

Wie er den Weg von Salzburg in diese Stadt gefunden, 
ob er einem Rufe dahin folgte oder auf gutes Glück hin sich 
daselbst ansiedelte ist noch unaufgeklärt. Wahrscheinlich ist es, 
dass er noch während seines Aufenthaltes in Wien, den damals 
als ungarischen Hofkanzler fungir enden Fürsten Emerich Ester- 
hazy kennen lernte und als dieser Primas von Ungarn wurde, 
einem Rufe desselben folgte um in Pressburg dem gewöhnlichen 
Aufenthaltsorte Esterhazys — mehrere Aufträge zu voUfilhren, 
worauf er dort ganz verblieb. 



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359 

"Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass Pressburg da- 
mals eine andere Bedeutung wie heute hatte. Als Krönungsstadt 
und Sitz des ungarischen Landtages war sie der Sammelpunkt 
aller Magnaten des Landes, fast das Centrum alles geistigen Ver- 
kehres in Ungarn. Sowie Donner schlugen nicht wenige Künstler 
und Gelehrte in jener Zeit ihren Wohnsitz in Pressburg auf, 
weil es ihnen dort nicht an Beschäftigung und Anerkennung 
fehlte. Unter den Künstlern nenne ich nur Oeser, den Lehrer 
Winkelmanns, der dort seine Ausbildung empfing und Franz 
Messerschmidt jene eigenthümliche Künstlernatur, die noch 
heute ein ungelöstes Räthsel ist. 

Donner verweilte 10 Jahre in dieser Stadt und eine Reihe 
von Arbeiten, welche sich, gegenwärtig in Wien finden, wie die 
Büste Kaiser Carl VI. im kaiserlichen ßelvedere, die Mehrzahl 
der Basreliefs im österreichischen Museum und selbst die Mittel- 
Gruppe an dem Brunnen am neuen Markte in Wien rühren aus 
der Zeit seines Aufenthaltes in dieser Stadt. Sein mächtigster und 
einflussreichster Gönner war dort der Primas von Ungarn, ein 
leidenschaftlicher Kunstfreund. Diesem verdankte er auch seine 
Stellung als fürstlich Esterhazy'scher Baudirector, ja noch mehr, 
Fürst Emerich Esterhazy gab ihm die Mittel zur vollen Entfal- 
tung seines Talentes an die Hand, indem er ihm in seinem eige- 
nen Garten die Einrichtung eines Gusshauses gestattete. Von 
Pressburg aus verbreitete sich Donners Ruf in weitere Kreise, 
von dort aus erschütterte er die Allmacht der Italiener am hiesi- 
gen Hofe. Wenn der Kaiser und mit ihm die Erzherzoge in Press- 
burg ihre Residenz aufschlugen, so hatten sie im Dome wie in 
Palästen des ungarischen Adels Gelegenheit, die Werke des 
Künstlers zu betrachten und es musste ihnen klar werden, dass 
sich darin ein anderer Geist als in jenen Mathiellis und Ca- 
vanese's kundgab. Wollen wir daher gerecht sein, so haben wir 
nicht Ursache uns einen zu grossen Antheil an dem Ruhme des 
Künstlers zuzuwenden. Nur dem Wiener Stadtrathe gebührt das 
Verdienst, dass er Donners Bedeutung erkannte und ihn im 
Jahre 1739 durch zwei grössere Aufträge veranlasste, nach Wien 
zurückzukehren. 

Würde Donner durch die Ausführung der vier — am Rande 
des Beckens angebrachten Brunnen-Figuren am neuen Markte 



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360 

nicht genöthigt gewesen sein, nach Wien zu übersiedeln, so bleibt 
es immerhin fraglich ob er je in unserer Stadt seinen bleibenden 
Aufenthalt genommen hätte. 

In Pressburg haben sich noch heute drei grössere "Werke 
erhalten. Am Thore der Domkirche steht die in Erz gegossene 
Gruppe des heil. Martin mit dem Bettler und in Verbindung da- 
mit zwei knieende Engel; in dem Stiegenhause des vor der Stadt 
auf der Strasse zur Eisenbahn gelegenen fürstlich Grassalcovits'schen 
Palastes vier lebensgrosse aus Sandstein gemeisselte Figuren, 
die vier Jahreszeiten vorstellend und auf dem Calvarienberge, 
einem Andachtsorte auf den Weingebirgen bei Pressburg, ein in 
Erz gegossener Christus am Kreuze. 

Nächst den Brunnenfiguren in Wien ist das Reiterstandbild 
des heil. Martin unzweifelhaft das bedeutendste uns bekaimte 
Werk Donners. 

St. Martin geniesst wie in Frankreich so auch in Ungarn 
die grösste Verehrung. Nach der Legende war er ein tapferer 
heidnischer Krieger, Als er an einem rauhen Wintertage durch 
den Wald ritt, begegnete ihm von Frost und Kälte durchschüttelt 
ein Bettler. Von Mitleid ergriffen schnitt er seinen Mantel mitten 
entzwei und reichte ihm von seinem Rosse herab die Hälfte. Da 
gab sich ihm der Bettler zu erkennen. Es war Christus der mit 
dem halben Mantel angethan zum Himmel emporstieg und ihm 
die Worte zurief: „Was du dem armen Manne gethan, das hast 
du mir gethan," 

Getreu der Legende hat Donner den heil. Martin dargestellt. 
Er sitzt in Gestalt eines kräftigen Kriegers auf dem sich aufbäu- 
menden Pferde; zu seinen Füssen liegt ein nackter Bettler, der 
mit dem Ausdrucke des Schmerzes zu dem Krieger aufblickt. 
St Martin neigt sich zu ihm herab und ist eben im Begriffe, mit 
dem Schwerte seinen Mantel zu durchschneiden. Die ganze 
Gruppe ist mit grossem Verständnisse angeordnet, sie wird von 
schön gezogenen Linien begrenzt; sie ist bewegt und doch nicht 
zu unruhig, charakteristisch in der Auffassung und doch nicht 
von falscher, forcirter Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks. Das 
Unplastische der Darstellung mit dem Mantelzerschneiden tritt 
nicht störend in den Vordergrund und wenn wir etwas vermissen 
80 ist es die Modellirung des Kopfes des heil. Martin, die uns 



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361 

nicht edel und kräftig genug erscheint. Ebenso hat Donner zu 
massiv und schwerfällig im Verhältnisse zu der Figur die Gestalt 
des Pferdes geformt. Vollendet in der Darstellung ist dagegen 
der nackte Bettler. Der leidende Ausdruck des Kopfes, die Er 
Schöpfung des Körpers, die Natürlichkeit der Bewegung sind so 
glücklich wiedergegeben, dass sie kaum schöner und wahrer ge- 
dacht werden können. Was aber der ganzen Gruppe ein eigen- 
thümliches Gepräge gibt, ist das Realistische in der AuflFassung- 
Nicht nur der Kopf des heil. Martin trägt den Typus der magya- 
rischen Race, sondern Donner ist noch weiter gegangen; er hat 
ihn auch im nationalen Costume dargestellt und daraus erklärt 
sich die grosse Popularität, dessen sich das ganze Werk in und 
um Pressburg noch heute erfreut. Für die Zeit, in welcher der 
Künstler lebte, bleibt dieser Realismus sehr bemerkenswerth ; er 
gibt uns den Schlüssel für das ernste Streben Donners, seinen 
Zeitgenossen verständlich zu sein, an die Hand. 

Die vier Jahreszeiten im Grassalcovits'schen Palais 
füllen gegenwärtig die vier Ecknischen des Vestibüle. Die Alle- 
gorie erscheint einfach und frei behandelt. Der Frühling ist eine 
leicht beschwingte weibliche Gestalt mit einem Blütenkranze in 
den Haaren und einem Rosenstrausse zu den Füssen. Zart und 
anmuthig in den Formen, bedeckt den Körper ein leichtes durch- 
sichtiges Gewand; völler und üppiger ist die Gestalt des Som- 
mers mit der Sichel in der Rechten und dem Garbenbündel in 
der Linken. Der Herbst, eine jugendliche männliche Gestalt 
hat den Kopf mit Weinlaub bekränzt und stützt den linken Arm 
auf einen schwer mit Reben behängten Traubenstock. Der Win- 
ter erscheint als ein Greis mit scharf markirten Zügen und 
einer Dornenkrone auf dem Kopfe. Insoweit sich die Figuren in 
ihrer gegenwärtigen Uebertünchung , wodurch zartere Linien 
jedenfalls gelitten haben, beurtheilen lassen, erscheinen mir der 
Sommer und der Herbst am glücklichsten und vollendetsten dar- 
gestellt. In ihnen entwickelte Donner . seinen feinen Formensinn 
am mächtigsten; es lebt in ihnen etwas von dem Geiste classi- 
scher Schönheit. Um so störender wirkt dagegen in den vier 
Jahreszeiten die Abhängigkeit Donners von dem Geschmacke 
seiner Zeit in Bezug auf die Anordnung der Gewandung. In den 
flatternden Enden und den stark gebrochenen, verworrenen und 



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362 

schwerßllHgen Falten wirkte noch die Tradition der Schule zu- 
rück. Man merkt, dass der Künstler damals in dieser Beziehung 
nicht selbständig war, noch keine einjgehenden Costüm-Studien 
gemacht hatte. 

Ich habe bei diesen beiden Werken etwas länger verweilt, 
weil sie wenig gekannt und doch für eine Beurtheilung Donners 
von grösster Bedeutung sind. Vergleicht man mit diesen eine Anzahl 
kleiner Werke, die aus derselbien Zeit herrühren — ich erinnere 
an die im Jahre 1866 im österreichischen Museum für Kunst und 
Industrie ausgestellten Eeliefs Kebecca am Brunnen, Urtheil 
des Paris, Thetis bei Vulkan, den sterbenden Fechter und Pro- 
metheus, dann an die Büste Kaiser Carl VL im Belvedere*) — 
so lässt sich die Eigenthümlichkeit des Künstlers scharf kenn- 
zeichnen. Sein Ringen nach Vollendung, sein Abstreifen veralte- 
ter Ueberlieferungen, seine naturalistische Auffassung von Cha- 
rakterköpfen, seine einfache Verkörperung mythologischer Scenen, 
dabei aber auch seine Mängel in der Anordnung der Costüme 
sowie seine unwillkürliche Gestaltung gewisser, dem Barockstyl 
eigenthümlicher Bewegungen der Figuren, — alle diese Züge 
lassen sich nicht verläugnen. Hat man aber den heil. Martin in 
Pressburg aufinerksam betrachtet, so drängen sich unwillküi*lich 
Bedenken auf, ob eine Schöpfung Eaphael Donners auch das Mo- 
dell zu einem Monumente der Kaiserin Katharina von Russland 
ist, welches gleichfalls im österreichischen Museum ausgestellt war. 
Es spricht dafür nichts als die Tradition. Raphael Donner traf 
aber gleich seinem Zeitgenossen Fischer von Erlach das Geschick 
eine fast mythische Person geworden zu sein. Alles was in ihrer 
Zeit an plastischen und architektonischen Werken geschaffen 
wurde und wofür sich ein bestimmter Künstlername nicht nach- 
weisen lässt, wurde bisher ihnen zugeschrieben, daher auch so 
viele Werke von Raphael Donner und Fischer von Erlach be- 
stehen, die noch einer genaueren Prüfung bedürfen. 

Ich komme nun auf seine beiden Hauptwerke in Wien — 



') Die „Mittheilungen des österr. Museums für Kunst und Industrie** 
J. 1866, S. 30 enthalten ein vollständiges Yerzeichniss der im Museum aus- 
gestellten Werke; es ergänzt mehrfach das von Schlager mitgetheilte Yerzeich- 
niss. Uebrigens sollen sich auch noch in der Dresdner Kunstkammer, in 
der Pfarrkirche zii Raab Werke von Donner befinden. 



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363 

auf die Bfunnenfiguren am neuen Markte und das Brunnenrelief 
im Rathhause zu sprechen deren Entstehung in die Jahre 1739 
bis 1740 fallen, ihnen verdankt der Künstler fast ausschliessend 
seinen weit verbreiteten Ruf, und an diese will ich daher auch 
meine Betrachtung über Donner's Verhältniss zu seiner Zeit knüpfen. 

Die Brunnenfiguren am neuen Markte sind kein einheitlich 
gedachtes Werk. Ursprünglich hatte Donner nur den Auftrag, 
den Brunnen mit einer Gruppe zu schmücken. Er wählte hiezu 
eine sitzende weibliche Figur, die „Vorsehung" darstellend, und 
umgab diese mit vier reizenden Kindergestalten, welche an den 
Brunnen- Auslaufen Fische emporhalten. Erst nachdem diese Gruppe 
aufgestellt und deren Ausführung die Stadträthe entzückt hatte, 
ertheilten sie Donner den Auftrag auch die Ränder des Beckens 
mit Figuren auszustatten. So erklärt sich, dass zwischen der 
Hauptgruppe und den Randfiguren kein innerer Zusammenhang 
besteht, dass die überaus kräftig und bewegtgeformten Allego- 
rien der vier vorzüglichsten Seitenflüsse der Donau mit der ruhi- 
gen, mild-ernsten Auffassung der weiblichen Hauptfigur lebhaft 
contrastiren. Wenn aber auch die Brunnenfiguren am neuen 
Markte keine einheitliche Composition sind, so bleiben sie doch 
von unvergänglichem Werthe durch die einfache, ungekünstelte 
Verkörperung der ihnen zu Grunde liegenden Ideen, durch die 
Wahrheit im Ausdrucke, die sinnliche Schönheit der Körperfor- 
men und die überaus fleissige technische Ausführung. Ihnen 
zur Seite steht an Vollendung nur das Brunnenrelief im Rath- 
hause, welches Andromeda an einen Felsen geschmiedet darstellt, 
wie sie von Perseus erlöst wird. Die schlanke, im schönsten 
Ebenmasse geformte weibliche Gestalt mit der ungemein gra- 
ziösen und ausdrucksvollen Wendung des Körpers reicht zu den 
schönsten Werken der neueren Plastik heran. 

In beiden Werken sehen wir Donner auf der Höhe seines 
künstlerischen Schaffens angelangt. Als Jüngling in der Werk- 
Stätte eines Meisters herangebildet, der an den Traditionen der 
Schule Bernini^s festhielt, trieb ihn ein tieferes Eindringen in die 
höchsten Aufgaben der Plastik zu eifrigen Studien an der Natur 
und zur Verehrung für die Antike. Aber noch unklar in seinen 
Kenntnissen, kämpfte er längere Zeit mit der besseren Einsicht 
seines natürlichen Gefühles gegen die herrschende Geschmacks- 



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364 

rlchtung. Ohne mächtige Gönner, welche die aufbrechenden Keime 
seines Talentes sorgfältig pflegten, mit Mühen und Entbehrungen 
um das tägliche Brod ringend, hemmt in seinen ersteren Wer- 
ken eine mehr handwerksraässige Thätigkeit die Freiheit seines 
Geistes und er fiigt sich den conventionellen Formen. Sowie er 
jedoch bald auf die Gefahr, den Ruf eines Sonderlings sich zu 
erwerben, die Perrücke und den Haarpuder von seinem Kopfe 
entfernte, die gekrauste Halsbinde hasste, und im Gegensatze zur 
herrschenden Mode sein natürliches Haar über die Schultern 
wallen liess, und mit entblösstem Halse einherging, so entfernte 
er auch von seiner Kunst den Flitter seiner Zeit, die falsche ge- 
künstelte Empfindung. Er suchte die Schönheit in der Wahrheit 
auf und führte die menschliche Gestalt auf einfache, natürliche 
Verhältnisse zurück. Vergleicht man die Allegorie der vier Jah- 
reszeiten mit den Brunnenfiguren und der Andromache, so zeigt 
sich darin am besten der grosse Fortschritt des Künstlers. Dort 
stört noch das Gesuchte mancher Bewegung, wie beispielsweise 
bei der Gestalt des Frühlings, sowie das Barocke in der Anord- 
nung des Costumes den Gesammt-Eindruck ; hier tritt uns die 
Allegorie der Vorsehung mit dem Ausdrucke milden Ernstes 
und bedächtiger Ruhe entgegen, imd die Gewandung, welche 
sich den edlen Körperformen anschmiegt, ist einfach und nat(jlr- 
lich. Bei der Gruppe des heil. Martin überrascht zwar die Schön- 
heit der Anordnung, die nationale Auflassung der Legende ; aber 
den Bewegungen fehlt noch Freiheit und Ungezwungenheit, und 
die beiden Cherubine tragen die Fesseln des herkömmlichen Styles. 
Bei den vier Flüssen am neuen Markte tritt schon das Streben 
nach scharfer Charakteristik mit vollständig freier Behandlung 
der Motive, Kraft und Energie der Bewegung, und die Wirkung 
grosser und einfacher Linien mächtig in's Auge. 

Donner^s Bedeutung für die Wiener Plastik lässt sich daher 
im Folgenden zusammenfassen: Er war einer der Ersten, wenn 
nicht der Erste, welcher mit den Ueberlieferungen der entarte- 
ten, geistig verkümmerten italienischen Schule brach, einem hoh- 
len, von falschem Pathos getragenen Idealismus den Rücken kehrte, 
und mit feinem Gefühle auf Wirkungen verzichtete, welche ausser- 
halb der Aufgaben und auch ausserhalb der Grenzen plastischer 
DarstelhiDg Begen. Er machte an den wenigen, ihm zu Gebote 



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gestandenen Vorbildern einen Einblick in den Geist hellenischer 
Kunst, und erkannte den hohen Werth derselben für die Bele- 
bung des Formgefühles und die Gestaltung einfacher und edler 
Linien. Mit dieser Erkenntniss reifte aber auch in ihm das Be- 
dürfniss eines eifrigen Studiums der Natur, um an ihnen die 
höchste Schönheit, das reinste Ebenmass des menschlichen Kör- 
pers zu empfinden. Er strebte nach Wahrheit des Ausdruckes, 
nach Anmuth und Grazie der Bewegung, nach leicht verständ- 
licher Wiedergabe seiner Ideen. Um uns eines heute geläufigen 
Ausdruckes zu bedienen, er ist Eealist in der Plastik; er dringt 
in den Geist griechischer Kunst, ohne aber dabei zu vergessen, 
dass der Künstler, in den Gestalten, welche er schaffit, nicht die 
Sitten, Gefühle und Anschauungen seiner Zeit verläugnen kann 
und darf. 

Damit will ich aber keineswegs aussprechen, dass Donner 
das Höchste in seiner Kunst auch erreicht hat; das Wollen ist 
unverkennbar, das Erreichen lag aber ausser den Grenzen seiner 
Kraft. Er war kein bahnbrechendes Genie; dazu fehlt seinen 
Werken die Hoheit der Ideen, der künstlerische Schwung in der 
Auffassung. Um wahrhaft Grosses und Bedeutendes zu leisten, 
fehlte es ihm aber auch an der Lösung bedeutender Aufgaben. 
Ihm war es nicht, wie Schlütter in Berlin vergönnt, ein Rei- 
terstandbild, wie jenes des grossen Kurfürsten auszuführen. Sein 
grösstes und unsterbliches Verdienst wird immer darin liegen: 
der unermüdete Vorkämpfer für eine bessere und edlere Rich- 
tung der Kunst in esterreich gewesen zu sein. 

Und die Verehrung für Donner ist umso berechtigter, wenn 
wir noch einen Umstand in*s Auge fassen. Der Künstler starb 
bereits im Jahre 1741. Erst zwanzig Jahre später trat Winkel- 
mann mit seiner Geschichte der alten Kunst, noch später Les- 
sing mit seinem Laokoon in die Oeffentlichkeit. Beide stellten 
Principien auf, die schon in der Brust unseres Künstlers, wenn 
auch noch unklar gährten. Ja noch mehr, Oeser, welcher die 
ersten Schritte Winkelmanns im Studium der Antike leitete, war 
ein Schüler Donners. Ist es nicht eigenthümlich, dass die Keime, 
welche Donner in die Seele Oesers pflanzte, auf einen Boden 
fielen, auf dem die schönsten Früchte wissenschaftlicher Forschung 
reiften ? D<ass sein Name auch verbunden ist, mit jenem gewal- 



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366 

tigen Umschwünge in den Kunstanschauungen, die zwei der 
grössten Q-eister des verflossenen Jahrhunderts, Lessing und Win- 
'kelmann vorbereitet hatten? Auch Donner erkannte unzweifel- 
haft die hohe Bedeutung der griechischen Plastik für die mo- 
derne Kunst. Aber sie war ihm nicht mehr als Mittel zum Zweck. 
Er bewunderte an den Griechen das zur Einheit geschlossene Ver- 
hältniss der menschlichen Gestalt, den harmonischen Ausdruck 
von Seele und Körper. Den falschen Classicismus, das Nachahmen 
äusserer leerer Formen, welches keinen anderen Zweck hat als 
eine fremde Cultur auf unsere Zeit zu übertragen; jenen Classi- 
cismus, in welchen die Mehrzahl der Künstler der zweiten Hälfte 
des vorigen Jahrhunderts verfiel, würde er dagegen gewiss ver- 
mieden haben. 

Eaphael Donner starb am 15. Februar 1741 im Manna- 
getta'schen Gartenhause am Heumarkte in Wien unter nicht gün- 
stigen Verhältnissen. Sein Verlust wurde tief betrauert, sein grosses 
Talent aber erst nach seinem Tode vollständig gewürdigt. Gegen- 
wärtig beschäftigt die künstlerischen Kreise lebhaft die Frage 
über die Conservirung des Brunnendenkmals am neuen Markte. 
Es wäre ein untilgbarer Makel für Wien, wenn nicht sorgfältig 
darüber gewacht werden würde, dass sein grösstes Werk, die 
Brunnenfiguren am neuen Markte, der Nachwelt eAalten bleiben. 



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Kleine Mittheilungen. 



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I. 

Notiz über das Clima von Baden bei Wien. 

Von Carl Fritsch. 

Nicht ohne Grund wird die folgende Darstellung nur eine Notiz genannt, 
da sie sich nur auf ITmonatliche Beobachtungen von October 1861 bis ein- 
schliesslich Februar 1863 gründen konnte. 

Diese Beobachtungen verdanken wir einem langjährigen eifrigen Cor- 
respondenten der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie, dem Herrn Dr. Josef 
Krzisch, früher k. Comitats-Physicus in Tyrnau, wo er in den Jahren 1854 
bis 1861 Beobachtungen anstellte'). In Folge der bekannten Ereignisse in Un- 
garn übersiedelte Herr Dr. Krzisch nach Baden, wo die Beobachtungen ange- 
stellt worden sind, welche hier eine Besprechung finden sollen. Als k. k. Kreis- 
arzt nach Neunkirchen berufen, hat er sodann noch im Laufe des Jahres 1863 
seine Beobachtungen wieder aufgenommen, und nach seiner Uebersiedlung nach 
Wiener-Neustadt, Anfang 1869, auch da noch fortgesetzt. 

Die Beobachtungsreihe in Baden ist natürlich viel zu kurz, um daraus 
unmittelbar Normalwerthe für diesen Curort ableiten zu können. Wegen der 
grossen Nähe Badens bei Wien, ist die erwähnte Beobachtungsreihe bei einer 
gewissen Behandlung der sich zwischen beiden Orten ergebenden Differenzen 
immerhin ausreichend, die fraglichen Normalwerthe mit einiger Sicherheit zu 
bestimmen. Baden ist eben einer von den Orten in Nieder-Ocsterreich, für wel- 
chen die erwähnten Normalwerthe vorzugsweise erwünscht sein dürften. 

Die Beobachtungen wurden mit Instrumenten der k. k. Central-Anstalt 
angestellt. Die Beobachtungs-Zeiten waren 8 U. Morg., 2 U. und 10 U. Abends, 
Beobachtet wurden,- Luftdruck, Temperatur, Bewölkung, die Richtung und 
Stärke des Windes und einige andere Erscheinungen, welche das Wetter 
constituiren. 

Aus den correspondirenden, d. h. denselben Beobachtungszeiten für Wien 
und Baden abgeleiteten Monatmitteln wurden zunächst die Differenzen be- 
stimmt, welche mit -|- bezeichnet sind, wenn das Mittel von Wien grösser 
war, im Qegenfalle mit — , dies ging nur an für den Luftdruck, die Tempera- 
tur und Bewölkung. 

Um die Anomalien zu entfernen, durch welche der jährliche Gang der 



*) Aach schon für das Jahr 1853 liegen von Herrn Dr. Krzisch Beobachtungen aus 
Holitsch vor. 

24 



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370 

ersten Differenzen noch entstellt war, wurden je drei solcher aufeinander folgen- 
den Differenzen, wieder in ein Mittel gezogen und diese Operation noch 
ein zweites Mal mit den neuerdings gewonnenen Mittelwerthen wiederholt. 

Werden z. B. mit b\ b\ 6', 6* die monatlichen Mittel werthe von 

Baden, mit w\ lo', ic', to*. . . . die correspondirenden von Wien bezeichnet, wobei 
die Exponenten, wie sich von selbst versteht, nur Stellenzeiger sind, so erge- 
ben sich die ersten Differenzen /\^ = w^ — i*, /\^ = «?' — b\ /\* = w;* 
— ^', A* = W5* — Ä*, . . . ., die verbesserten Differenzen /\' = Va 

(A" + A* + A'), A". = '/a (A* + A' + A'), 

und die nenerdings verbesserten: 

AS = y. (A". + A\ + A'.), A". = Va (A"\ + A\ + A'.)- 

Durch diese doppelte Operation erhält man für jeden Monat nur einen 
Werth der Differenz, obgleich die Beobachtungen 16 — 17 Monate umfassen und 
demnach eben so viele erste Differenzen erhalten werden, nämlich für den 
Luftdruck z. B. welcher in 16 Monaten beobachtet worden ist, in den Monaten 
Jänner, Febmar, dann November und December je zwei, in den übrigen je 
eine. Die Gewichte der zuletzt für die einzelnen Monate erhaltenen Differenzen 
bleiben sich demnach gleich. Auf diese Weise erhielt ich folgende Differenzen 
für den 

Luftd ru c k p. L. 
(in Wien höher als in Baden)'). 

Lin. Lin. 

1) Jänner 1-76 Juli 157 

Februar 1*67 August 1-50 

März 1 67 September 1*58 

April 1-70 October 1-69 

Mai 1-72 November 1-79 

Juni 1-66 December 1-83 
Jahr 1-68. 

Werden diese Grössen von den Normalmitteln für Wien, wie sich die 
selben aus stündlichen Aufzeichnungen eines Autografen in den Jahren 1852 
bis 1867 ergeben, abgezogen, so erhält man folgende Normalmittel des Luft- 
druckes für Baden. 

Linien Linien 

2) Jänner 328-97 Juli 328-33 

Februar 28-51 August 28*41 

März 27-36 September 29-13 

April 27-73 October 28-55 

Mai 27-51 November 28*59 

Juni 27-96 December 28-89 

Jahr 328-33 Grad. 



») In den Uebersichten der Witterung für .1862 und 186,'» ist die Seehöhe der Beob- 
achtungsstation Baden mit 121 Toisen angegeben. 



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371 



3) 





Tempera 


Ltur R. 






W - 


B. 






Grad 






Grad 


Jänner 


+ 0-89 






Juli — 0-29 


Februar 


+ 0*82 






August — 0-61 


März 


+ 0-36 






September — 0*67 


April 


+ 003 






October — ()-35 


Mai 


0-00 






November + 0*04 


Juni 


— 0-04 






December -}- 0-37 



Jahr + 0-05 Grad. 

Die Temperaturdifferenz zwischen Baden und Wien würde hiernach 
einer periodischen Aenderung im Laufe des Jahres unterliegen, in Folge wel- 
cher in den Monaten November bis April das Clima von Wien wärmer in 
den Monaten Juni bis October hingegen kälter wäre, als jenes von Wien. 
Ersteres wäre demnach vorzugsweise im Winter, theilweise auch im Frühling 
der Fall, letzteres im Sommer und Herbste. Am meisten im Vorsprung gegen 
Baden wäre Wien im Jänner und Februar, am meisten zurück im September 
und August. 

Ob diese Differenzen und die periodische Aenderung derselben wirklich 
bestehen oder nur Folge sind der ungleichen Aufstellung der Instrumente an 
beiden Stationen, lässt sich nicht entscheiden, da mir die Art der Aufstellung 
des Instrumentes in Baden nicht bekannt ist und wenn auch eine Planskizze 
vorgelegen wäre, die Ansicht an Ort und Stelle erwünscht ist. 

Werden die Grössen der Tafel 3) von den Normalmitteln für Wien aus 
24 stündigen Beobachtungen in den Jahren 1852 bis 1867 abgezogen, so erhält 
man für Baden folgende Normalmittel. 

4) 



5) 





Grad 








Grad 


Jänner 


— 1-75 






Juli 


16-41 


Februar 


— 0-63 






August 


16-27 


März 


+ 2-99 






September 


13-42 


April 


8.00 






October 


9-04 


Mai 


11-78 






November 


-h 2-55 


Juni 


15-12 






December 


— 1-01 




Jahr 


7 67 Grad. 






B 


ew 


ölk 


ung. 




Ganz 


wolkenlos 


= 


0-0 


ganz trüb = 


100 






W. — 


B, 




Jänner 


0-00 






Juli 


+ 0-03 


Februar 


— 0-08 






August 


+ 0-36 


März 


+ 0-14 






September 


+ 0-54 


April 


+ 0-20 






October 


+ 0-59 


Mai 


+ 0-03 






November 


4- 0-34 


Juni 


— 0-06 






December 


+ 0-17 




Jahr 


-r 


019. 





24* 



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372 

Werden diese Grössen abgezogen von den Mitteln für Wien, abgeleitet 
aus den Beobachtungen um 6 U. Morg., 2 und 10 U. Abds.*) in den Jahren 
1853—1867, so erhält man folgende Mittel für Baden: 

6) Jänner 7-18 Juli 4-53 

Februar 6-70 August 4-10 

März 5-98 September 4-20 

April 4-90 October 4-96 

Mai 5-17 November 7-06 

Juni 4-70 December 7-00 

Jahr 5-54. 
Im Spätsommer und Herbst scheint demnach der Himmel über Wien 
erheblich mehr getrübt zu sein, als über Baden, während in den übrigen 
Jahreszeiten der Unterschied unerheblich ist. Eine Personalgleichung der Be- 
obachter an beiden Stationen ist nicht wohl anzunehmen, es müsste denn sein? 
dass in Baden im Spätsommer und Herbst ein Wechsel stattfand. 

Eine Bestätigung des Ergebnisses ist jedenfalls erwünscht Besteht die 
erwähnte Verschiedenheit des Bewölkungsgrades in der That, so könnte die 
Ursache in der ungleichen Wärmestrahlung liegen, welche bei der freieren 
Lage Wiens mehr begünstiget ist, als in Baden. Es müsste dann die Ver- 
schiedenheit der Bewölkung vorzugsweise in den Morgenstunden hervortreten. 
Man muss hiebei erinnern, dass im Spätsommer und Herbste die Luft ziem- 
lich feucht ist und daher ein Niederschlag, als Nebel in den ersten Morgen- 
stunden, leichter möglich wird. Bei der Darstellung des Clima's anderer Statio- 
nen von ähnlicher Lage, z. B. von Kalksburg, wird sich zeigen, ob meine 
Annahme richtig ist. 

Der verstorbene Burkhardt, welcher in Mauer, also nahe bei Kalksburg 
wohnte und beobachtete, fand wenigstens den Himmel über Wien in den Mor- 
genstunden oft durch Nebel, Rauch, vielleicht auch Staub getrübt, während 
sich über Mauer das schönste blaue Firmament wölbte. 

Vertheilung der Winde. 

Indem ich aus der ^ jedenfalls viel zu kurzen Beobachtungsreihe von Ba- 
den eine solche Vertheilung ableitete, hatte ich vorzugsweise die tägliche 
Periode im Auge. Bei der Lage Badens sollte man meinen, eine Art Wechsel 
zu treffen, ähnlich jenem der Land- und Seewinde. Die folgenden Zahlen mö- 
gen lehren, ob dies der Fall ist. 

Für die Monate October bis Februar, also im Spätherbste und Winter 
sind die Ergebnisse zweijährige Mittel, in den übrigen Monaten nur aus ein- 
jährigen Beobachtangen abgeleitet. 

O SO S 

31 3 

34* 3 

34* 5 

*) Leider liegt für die Stande 8 U. Morg, kein Mittelwerth der Bewölkung von Wien vor. 







N 


NO 


7) 


8 U. 


3 


10 


Jänner 


2 U. 


3 


9 




10 U. 


8 


8 



SW 


W 


NW 


16 




37* 


20 


1 


29 


15 




81 



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373 







N. 


NO. 


0. SO. 


S. 


SW. 


W. NW. 




8 U. 


1 ^^ 


11 


14 




10 


47* 


Februar 


2 U. 


8 


7 


23 


, 


7 


2 54* 




10 U. 


1 20 


2 


14 


. 


6 


59* 




8 U. 


10 


6 10 52* 


3 


10 


10 


März 


2 U. 


3 


10 3 64* 


6 




13 




10 U. 


6 


10 6 58* 


3 




16 




8 U. 


1 ^ 


10 


30 


7 


3 


47» 


April 


2 U. 


7 




43 


1 


. 


47* 




10 U. 


1 3 


13 


27 


7 


10 


40* 




8 U. 




3 


19 


, 


29 


46* 


Mai 


2 U. 




6 


29 


, 


36* 


29 




10 U. 




6 


29 


3 


16 


3 43* 




8 U. 




3 


33 


, 


13 5 48» 


Juni 


2U. 




6 


29 


, 


35* 


29 




10 ü. 




7 


27 


. 


13 5 48* 




8 U. 




26 


39* 


3 


7 


26 


Juli 


2 U. 




19 


39* 


3 


10 


29 




10 U. 




29 


42* 


3 


. 


26 




8 U., 


• 


27 S 


! 32 




3 


35* 


August 


2 U. 


. 


15 2 


\ 42* 




7 


35 




10 U. 




16 


26 




10 


48* 




8 U. 




20 


40* 






33 


September 


2 U. 




7 


60* 




. 


33 




10 U. 


10 


3 


47* 




3 


37 




8 U.| 


• 


10 


49* 


3 


7 


32 


October 


2 U. 


, 


13 1 


54* 


3 


6 


23 




10 u.l 




10 


54* 


. 


6 


30 




8 U. 




6 S 


5 37 


2 


8 1 


L 46» 


November 


2 U. 




6 1 


49* 


, 


11 1 


[ 30 




10 u. 




11 


40* 


1 


8 6 


\ 32 




8 U. 


11 


18 


26 


, 


13 


32* 


December 


2 U. 


6 


11 1 


38* 


, 


13 


31 




10 U. 


6 


12 


37* 


. 


13 


33 



Wir sehen in allen Monaten vorzugsweise um die Herrschaft kämpfen, 
wie in Wien, den SO. und NW., selten nur erlangt der SW. das Uebergewicht. 
Besteht wirklich eine tägliche Periode des Windwechsels, so wird sie bei die- 
sen Winden daher auch am auffallendsten hervortreten. 

Der SO. war in 8 Monaten vorherrschend, darunter sind jedoch nur 4, 
in welchen er zu allen drei Beobachtungsstunden herrschte. In 3 Monaten 



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374 

war dies der Fall in den beiden Stunden nach Mittag, in 1. blos in der Stunde 
um 2 Uhr. 

Der NW. war ebenfalls iu 8 Monaten vorherrschend, jedoch nur in 2 
zu allen Stunden, in 3 bei der Morgen- und Abend-Beobachtung, in eben so 
viel blos bei der Morgen-Beobachtung. 

SW. Winde erlangten nur in 2 Monaten und in diesen nur um 2 Uhr 
die Oberherrschaft. 

Stellen wir diese Ergebnisse übersichtlich zusammen, «o finden wir die 
drei dominirenden Windrichtungen in folgender Anzahl 
8 U. 2 U. 10 U. 

SO 4 8 7 

NW 8 2 5 

SW 2 ^_0 

Summa 12 12 12 

Der SO. ist demnach besonders um 2 U. herrschend, während der NW. 
zu dieser Stund am seltensten herrschend wird. Die Frequenz des SO. 
und SW. zusammen compensirt jene des NW. vollständig, beide Gruppen der 
Winde stehen demnach in Wechselwirkung und stellt sich also ganz entschie- 
den ein periodischer täglicher Wechsel der Windrichtung, wie wir vermuthe- 
ten, heraus. 

Ob derselbe aber eigen ist für Baden, wird sich erst entscheiden lassen, 
bis der normale tägliche Gang der Windrichtung fClr Wien aus den Autografen- 
Zeichuungen abgeleitet sein wird. 

Besteht wirklich eine tägliche Periode, so muss dieselbe an heiteren 
Tagen und im Sommer auffallender sein, als im Winter und an trüben Tagen. 
Es ist daher angezeigt, eine Sonderung der Ergebnisse vorzunehmen, am 
besten für den Semester October-März und April-September. Wir erhalten dann 
für den 

Wintersemester 

2 U. 10 U. 

5 5 

1 1 


Sommer Semester 

3 2 

1 4 

2 

Rechnen wir wieder den SW. zum SO., so tritt allerdings im Sommer- 
semester die tägliche Periode markirter hervor als im Wintersemester. 





8 U, 


SO 


2 


NW 


4 


SW 





so 


1 
2 


NW 


4 


SW 






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IL 
Das Clima von Gresten. 

Dargestellt von Carl Frltsch. 

Die Beobachtungen, welche dieser Darstellung zu Grunde liegen, sind 
S. H. dem Herrn Beneficiaten Paul Urlinger zu danken, welcher sie mit Eifer, 
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit anstellte. Seinfe Beobachtungen umfassen den 
Zeitrauna von December 1855 bis einschliesslich October 1860 und hören nun 
auf in Folge der Berufung des Herrn P. Urlinger als Pfarrer nach Scheibbs, 
wo von ihm eine neue Beobachtungsreihe begonnen worden ist. 

Die geographische Breite von Gresten ist 47® 59', die Breite 32® 40', 
die Seehöhe 211 Toisen*). Die Station liegt in einem Thalkessel, von beiläu- 
fig y^ Stunde im Durchmesser, welcher auf der Nord- und Ostseite von 2200' 
und 2500', auf der Westseite von 2700—2800' auf der Südseite von 3400' bis 
3500' hohen Bergen gebildet wird. 

Iq Bezug auf die Aufstellung der Instrumente wird Folgendes bemerkt« 
Da das Wohnhaus des Herrn Beneficiaten eine Fronte gegen NW, die andere 
gegen NO. wendet, und das Thermometer daher in den Morgen- oder Abend- 
stunden von der Sonne beschienen worden ist, so musste es durch eine schmale 
Wand gegen die Insolation geschützt werden. Es war mit dem Psychrometer 
2 Fuss weit von der Mauer entfernt. Der Rezipient des Regenmessers wurde 
in der Mitte des Hausgartens, an einer von Bäumen ganz entblössten Stelle 
aufgestellt. 

Die Beobachtungen wurden mit Instrumenten der k. k. Central-Anstalt 
für Meteorologie angestellt, die Beobachtungszeiten waren 7 U. Morg. 2 und 
9 U. Abds. Da die Beobachtungsreihe 1855 — 1860 zu kurz ist, um daraus di- 
rect Normalmittel ableiten zu können, so wurden zunächst, so weit dies anging, 
aus den correspondirenden Daten (Mittelwerthen) von Wien die Differenzen 
(W — G) abgeleitet und diese von den Normal mitteln von Wien abgezogen, um 
die Normalmittel von Gresten zu erhalten. 



*) Abgeleitet von P. Urlinger aus 38 Barpmeter-Beobachtungen auf verschiedenen vom 
k. k. General-Stabe trigonometrisch gemessenen Bergen der nächsten Umgebung und den 
Correspondirenden in Gresten. Die Hälfte dieser Beobachtungen stimmen mit dem Mittel auf 
5 Fuss überein, nur vrcnige variiren um 20 Fuss. (Briefl. Mittheilung). 



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376 

Luftdruck bei 0« Temp. 
in Pariser Linien. 
Der constante Fehler des Barometers — 0*2 1 Lin., d. h. das Barometer 
von G. stand um diese Grösse höher als das Normalbarometer der Anstalt, 
wurde in Rechnung gebracht. 

Normalmittel des Luftdruckes. 

Lin. Lin. 

1) Jänner 32230 Juli 322*17 

Februar 321-75 August 322-04 

März 320-82 September 322-63 

April 321-18 October 321*91 

Mai 321-14 November 321-90 

Juni 321-87 December 32236 
Jahr 321-84 Lin! 

Normalmittel der Maxima des Luftdruckes. 



2) 





Lin. 




Lin. 


Jänner 


327-68 


Juli 


325-14 


Februar 


26-32 


August 


25 17 


März 


26-48 


September 


26-05 


April 


25-73 


October 


26-45 


Mai 


24-74 


November 


26-79 


Juni 


24-74 


December 


28-13 



Jahr 329-26 Lin. 
Normalmittel der Minima des Luftdruckes. 



5) 





Lin. 




Lin. 


Jänner 


314*90 


Juli 


318-27 


Februar 


14*80 


August 


18-68 


März 


15-14 


September 


18-14 


April 


15-46 


October 


16-66 


Mai 


16-27 


November 


16-44 


Juni 


17-68 


December 


14-69 



Jahr 312-83 Lin. 
Aus 2) und 3) erhält man folgende 

Normale Aenderungeu des Luftdruckes. 



4) 





Lin. 




Lin. 


Jänner 


12-78 


Juli 


6-87 


Februar 


11-52 


August 


6-49 


März 


11-34 


September 


7-91 


April 


10-27 


October 


9-79 


Mai 


8-47 


November 


10-35 


Juni 


706 


December 


13-44 




Jahr 16-43 Liu. 





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377 

Temperatur R. 
Aus der Vergleichung der gleichzeitigen dreistündigen Beobachtungen 
von Wien und Gresten erhält man folgende Unterschiede, um welche die Tem- 
peratur von Gresten niedriger ist, als in Wien. 

Mittlerer Unterschied gegen Wien. 
Gresten kälter. 

Grad Grad 

5) Jänner 1-67 Juli 2*33 
Februar 1*51 August 2*44 
März 1-49 September 208 
April 1-80 October 1-83 
Mai 1*97 November 1*41 
Juni 2-33 December 1-38 

Jahr 1-85 Grad. 

Werden diese Grössen von den Normalmittoln abgezogen, welche für 
Wien aus 24sttindigen Beobachtungen in den Jahren 1852—1867 gefolgert 
worden sind, so erhält man die folgenden 

Normalmittel der Temperatur für Gresten. 
Grad Grad 

6) Jänner — 2-53 Juli + 13-79 
Februar — 1-32 August + 13*22 
März + 1-86 September-}- 10-67 
April -f 6-17 October + 6-86 
Mai + 9-81 November -f- 1-18 
Juni -|- 12'75 December — 2-12 

Jahr 5-87 Grad. 

Mittlerer Unterschied des Maximums gegen Wien. 
Gresten kälter. 
Grad Grad 

7) Jänner -f 1-24 Juli -f 2-46 
Februar — 0-36 August -|- 1-88 
März — 0-02 September -|- 1-50 
April -f 1-08 October -|- 1-34 
Mai -f- 0-86 November + 0-10 
Juni -f 1 40 December -}- 0-62 

Jahr 1-98 Grad. 

Werden diese Grössen von den Normalmitteln, wie sich dieselben aus 
den Ausschreibungen des Register- Thermometers (Max.-Min.-Thetmometer) an 



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378 



der k. k. Sternwarte*) von den Jahren 1829 — 1862 ergaben, abgezogen, so erhält 
man folgende 

Nor mal mit tel der Maxima der Temperatur für Gresten: 

Grad Grad 

8) Jänner 6-47 Juli 23-79 
Februar 9*44 August 23-74 
März 13-42 September 20-46 
April 1756 October 16-28 
Mai 21-32 November 11-38 
Juni 2406 December 731 

Jahr 25-40 Grad. 

Mittlerer Unterschied des Minimums gegen Wien: 
Gresten kälter als Wien. 

Grad Grai 

9) Jänner 4-58 Juli 1*88 
Februar 4*06 August 2- 16 
März 3-07 September 2-66 
April 1-50 October 166 
Mai 1-76 November 3*12 
Juni 1-56 December 4*62 

Jahr 4-30 Grad. 

Auf dieselbe Weise wie bei dem Maximum erhält man folgende 

Normalmittel der Minima der Tempe ratur fürGresten: 

Grad Grad 

10) Jänner — 15-20 Juli -\- 6-88 
Februar — 13-07 August -j- 5-81 
März — 8-75 September + 1-38 
April — 3'03 October ~ 1-50 
Mai + 1-38 November— 7-97 
Juni + 5-83 December— 13-57 

Jahr — 16-91 Grad. 

Die Temperatur ist ein so wichtiges und einflussreiches Element, dass 
wir noch einige Zeit bei den Betrachtungen über das Verhältniss beider Statio- 
nen verweilen wollen. 

Schon bei der mittleren Temperatur zeigt sich, dass die Differenz zwi- 
schen Gresten und Wien einem jährlichen Wechsel in den einzelnen Monaten 
unterliegt. In den Monaten November bis März ist sie kleiner, in den Mona. 



*) Ueber den Grund, warum hier den Beobachtungen der k. k. Central-Anstalt jene 
der k. k. Sternwarte substituirt werden, s., Fritsch: „Das Clima von Wiener Neustadt.^ 



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379 

ten Mai bis September grösser als die mittlere des Jahres, die man in den 
Monaten April und October triflft, welche die Wintermonate von den Sommer- 
monaten scheiden. Der Einfluss, der durch die Besonnung der Häusermassen 
in Wien im Sommer hier bewirkten Erhöhung der Lufttemperatur ist nicht 
zu verkennen. Schwieriger hält es für die verhältnissmässige Depression der 
Temperatur von Wien im Winter einen Erklärungsgrund zu finden, wahrschein- 
lich wirken mehrere Ursachen, welche sich theilweise compensiren können. 

Viel deutlicher noch ist der Einfluss der Häuser massen auf die Tempe- 
ratur-Verhältnisse in Wien, in den Differenzen des Maximums der Temperatur 
ausgeprägt. Während die Grössen der Tabelle 8) nur höchstens um 
2-44« — 1-38« = 1060 variiren, geben jene der 10) 2-46« — (— 0-32«) = 2-78 
als grösste Differenz, und stellt sich zugleich mit grösserer Bestimmtheit her- 
aus, dass beim Ausgange des Winters die Häusermassen in Wien auf die Tem- 
peratur-Verhältnisse deprimirend wirken. 

Noch grösser sind die Unterschiede beim Maximum der Temperatur (12) 
und gehen bis 4*58® — V50^ = 3-08*. Da das Maximum der Temperatur 
vorzugsweise unter dem Einflüsse der Wärmestrahlung während einer heiteren 
Nacht steht, welche bekanntlich in der Nähe der Schneedecke weit grösser ist, 
als schon in geringer Höhe über derselben, so zeigen sich auch die grössten 
Unterschiede gegen Wien in den Wintermonaten. Ich muss hier in's Qedächt- 
niss zurückführen, dass das Thermometer in Wien in bedeutender Höhe über 
dem Boden ausgesetzt ist. 





D un s 


tdruck *) 






In Pariser Linien. 




Normalmittel 


des 


Dunstdruckes. 




Tiin. 






Lin. 


11) Jänner 


1-49 




Juli 


4-95 


Februar 


1-62 




August 


500 


März 


1-93 




September 


4-24 


April 


2-48 




October 


3-29 


Mai 


3-66 




November 


204 


Juni 


4-87 




December 


1-54 




Jahr 


309 


Lin. 




Normalmittel der Maxima des Dunstd 


r ucl 




Lin. 






Lin. 


12) Jänner 


2-94 




Juli 


6-92 


Februar 


311 




August 


7-47 


März 


3-29 




September 


7-13 


April 


4-66 




October • 


5-86 


Mai 


6-99 




November 


4-02 


Juni 


7-84 




December 


2-79 




Jahr 


7-76 Lin. 





*) Dunstdruck und Feuchtigkeit wurden aus den bekannten Psychronometer-Beob- 
achtungen abgeleitet. 



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380 



13) 



rmalmitt 


el der 
Lin. 


Mini m a 


des Du nstd 


[rucl 
Lin. 


Jänner 


0-48 




Juli 


2-90 


Februar 


0-69 




August 


3-21 


März 


0-87 




September 


2-20 


April 


111 




October 


1-57 


Mai 


1-84 




November 


0-81 


Juni 


3-17 




December 


0-38 




Jahr 0-28 Tiin, 





Feuchtig keit. 
In Perceuten der Dunstsättigung ausgedrückt. 

Mittlerer Unterschied gegen Wien. 

In Qresten die Feuchtigkeit immer grösser. 

Perc. Perc. 

14) Jänner 6-62 Juli 15-18 

Februar 7*28 August 15-14 

März 9-30 September 13*84 

April 10-76 October 10-92 

Mai 12-62 November 7-45 

Juni 14-96 December 5-04 

Jahr 10-68 Perc. 

Werden diese Gröbsen zu den Normalmitteln addirt, wie sich dieselben 
aus den stündlichen Aufzeichnungen in Wien von den Jahren 1853—1867 
ergeben, so erhält man folgende 

Normalmittel d er Feuchtigk ei t für Qresten: 
15) 





Perc. 




Perc. 


Jänner 


90-0 


Juli 


77-7 


Februar 


87-0 


August 


811 


März 


79-9 


September 


83-1 


April 


73-7 


October 


87-4 


Mai 


77-2 


November 


88-6 


Juni 


79.0 


December 


87-9 




Jahr 


82-7 Perc. 





Mittlere Unterschiede der Maxima gegen Wien. 

öresten immer feuchter. 

Perc. Perc. 

16) Jänner 0-2 April 48 

Februar 2-6 Mai 4-4 

März 30 Juni 110 



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381 

Prc. Prc. 

Juli 9-2 October 2-6 

August 9-8 November 10 

September 5*0 December 0*2 

Jabr 100*0 Perc. »). 

Werden diese Grössen addirt zu den Normalmitteln des Maximums in 
Wien, gefolgert aus 248tündigen Beobachtungen in den Jahren 1853—1867, 
so erhält man folgende 

Normalmittel der Maxima der Feuchtigkeit für Gresten: 

17) 





Perc. 




Perc 


Jänner 


1000 


Juli 


93-3 


Februar 


99*4 


August 


96*2 


März 


98*5 


September 


96*3 


April 


95*8 


October 


99-6 


Mai 


961 


November 


99-7 


Juni 


950 


December 


100*0 



Jahr 100*0 Perc. 

Mittlere Unterschiede der Minima gegen Wien. 

W, — Q, 

Perc. Perc. 

18) Jänner — 3*8 Juli — 9*4 

Februar — 2*0 August — 12*8 

März -f- 2*2 September — 10*6 

April -f- 2*0 October — 12*8 

Mai — 11*8 November — 13*8 

Juni — 10-4 December — 10*2 

Jahr — 60 Perc. 

Werden diese Grössen abgezogen von den Normalmitteln der Minima 
für Wien, gefolgert aus stündlichen Aufzeichnungen in den Jahren 1853 — 1867, 
so erhält man folgende 

Normalmittel der Minima der Feuchtigkeit für Gresten: 
19) 





Perc. 




Perc, 


Jänner 


46*8 


JuU 


36*0 


Februar 


411 


August 


42-4 


März 


33*0 


September 


39*6 


April 


24*6 


October 


48*7 


Mai 


37*1 


November 


64*7 


Jani 


37-9 


December 


58*9 




Jahr 23*2 Perc. 





>) Biese Uebereinstimmnng der Maxima des Jahres könnte auffallen, man mnss sich 
aber gegenwärtig halten, dass die Sättigung der Luft mit Dünsten, Feuchtigkeit (= 100 Perc.) 
wenn auch selten anhaltend, sich selbst in dem trockenen Clima Wien's in jedem Jahre 
einstellt. 



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382 

Wir sehen, class die Feuchtigkeits-VerhäUnisse Grestens ziemlich abwei- 
chend sind, von jenen in Wien. Eine nicht entsprechende Behandlung des 
Psychrometers ist an der Station Gresten wenig wahrscheinlich. Es scheint 
vielmehr die beträchtlich grössere Feuchtigkeit gegen Wien dem Clima in 
Gresten eigen zu sein oder vielmehr das Clima von Wien, wenigstens theil- 
weise, aus demselben Grunde trockener zu sein, aus welchem im Sommer die 
Temperatur hier gesteigert, in den ersten Frühlingsmonaten deprimirt wird. 
Die grössere Entfernung der Waldbestände und ihre geringere Ausdehnung 
mag nicht wenig hiezu beitragen. 

Bewölkung. 
Ganz heiter = 0*0. Ganz trübe = 10*0. 



20) 



Mittl 


ere Untersc 


hiede 


gegen Wien. 






W. 




0. 




Jänner 


— 0-54 








Juli _ 1-00 


Februar 


~ 0-22 








August — 1-00 


März 


'— 0-66 








September — 0-9Q 


April 


— 0-42 








October — 0-74 


Mai 


— 1-08 








November — 0-56 


Juni 


— 1-34 








Decembcr — 004 




Jahr 




0-71 


,, 



Die grösser^ Bewölkung steht im Einklänge mit der grösseren Feuch- 
tigkeit in Gresten. 

Werden obige Grössen von den Normalmitteln für Wien abgezogen, wie 
sich dieselben aus den Beobachtungen um 6 Uhr Morg , 2 Uhr und 10 Uhr 
Abds. ergeben*), so erhält man folgende 

Normalmittel der Bewölkung für Gresten: 
21) 



Jänner 


7-72 






Juli 


6-56 


Februar 


6-84 






August 


5-46 


März 


6-68 






September 


5-72 


April 


5-52 






October 


6-29 


Mai 


6-28 






November 


7-96 


Juni 


6-98 


Jahr 


6-44. 


Deceraber 


7-21 



Winde. 

Ausgedrückt in Percenten der Gesammtzahl des Monates oder Jahres. 

Die Anzahl der Zwischen- Winde NNO., ONO., OSO. u. s. w. wurde 

halbirt und auf die nächsten Hauptrichtungen vertheilt. Also NNO. = V» 

N. + Vi NO.; ONO. = % NO. + Wi O.; OSO. == »/t O + 'A SO. u. s. w. 



*) Dieses Verfahren ist zwar kein ganz genaues, ich glaube aber nicht, dass die 
Resultate deshalb erheblich geändert worden sind. Eigentlich hätten Beobachtungen um 
7 Uhr und 9 Uhr statt jenen um 6 Uhr und tO Uhr verwendet werden sollen, zu den ersteren 
Stunden werden aber in Wien keine Beobachtungen über Bewölkung angestellt. 



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383 



Normale 


monatl 


iche und 


jä 


hrliche 


Verth 


eilnng 


der W 


inde 


22) 


N. 


NO. 


0. 


80. 


S. 


SW. 


W. 


NW. 


Jänner 


8 


23* 


6 


8 


10 


16 


18* 


12 


Februar 


6 


25* 


2 


6 


9 


11 


26* 


14 


März 


6 


18* 


3 


6 


10 


11 


26* 


20 


April 


8 


19* 


5 


7 


15 


14 


16* 


15 


Mai 


7 


21* 


4 


7 


15 


12 


19* 


17 


Juni 


8 


19* 


3 


6 


12 


13 


24* 


14 


Juli 


7 


13* 


2 


5 


12 


15 


28* 


19 


August 


9 


13* 


5 


6 


17 


15 


18* 


17 


September 


14 


18* 


5 


5 


14 


11 


17 


18* 


October 


13 


25* 


8 


5 


15* 


13 


11 


11 


November 


9 


28* 


4 


4 


10 


18* 


9 


16 


December 


4 


24* 


5 


4 


12 


14 


21* 


16 


Jahr 


8 


20* 


4 


6 


13 


13 


19* 


16 



Es zeigen sich demnach in jedem Monate zwei Maxima der Wind-Ver- 
theilung, das erste fällt auf NO., das zweite auf W., mit Ausnahme der Herbst- 
monate jedoch. Im September nämlich fällt das zweite Maximum auf NW., 
im October auf S. und im November auf SW. 

Die Kessellage von Qresten scheint hiebei nicht von erheblichem Ein- 
flüsse zu sein. Der nordöstliche Theil des Bergkranzes, welcher diesen Kessel 
umgibt, ist nicht unbedeutend niedriger als der südwestliche, und dennoch sind die 
Winde der ersteren Hälfte des Horizontes beträchtlich seltener als jene der 
zweiten, etwa in dem Verhältnisse, wie man es ziemlich allgemein antrifft in 
unseren Gegenden, wenn locale Einflüsse sich nicht besonders geltend machen. 

Stürme. 
Unter 30 Stürmen, welche zur Zeit der regelmässigen drei Beobachtun- 
gen in der ganzen Beobachtungsreihe vorgekommen sind, entfallen auf: 

23) SW. W. WNW. NW. NO. 

1 21 3 4 1 

Nimmt man aber Rücksicht auf die Anzahl der Sturmtage, welche nur 
24 beträgt, so stellen sich die Verhältnisse, wie folgt: 

SW. 



W. 



WNW. NW. 



NO. 



Vs !«•/» 2 4 1 

Auf die Jahreszeiten vertheilen sich die 30 Stürme so : 



Winter 
20 


FrühHng 
5 


Sommer 
2 


Herbst 
3 


turmtage 


hingegen : 






Winter 
16 


Frühling 
4 


Sommer 
2 


Herbst 
2 



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384 

Die Stürme aus W, haben demnach über jene anderer Richtungen ein 
grosses Uebergewicht. Dasselbe gilt von den Stürmen des Winters im Ver- 
gleich zu den übrigen Jahreszeiten. 

Niederschlag 
in Pariser Linien und Zollen 

Mittlere Regenmenge von Gresten nach der unmittelbaren 

Beobachtung. 

Lin. Lin. 

24) Jänner 18S0 Juli 63-31 
Februar 17-58 August 6510 
März 40-07 September 54 02 
April 36-40 October 27-70 
Mai 55-90 November 42*93 
Juni 56- 18 December 26 43 

Jahr 41-16 Zoll. 

Mittleres Maximum der Regenmenge von Gresten nach der 

unmittelbaren Beobachtung. 

Lin. Lin. 

25) Jänner 4-84 Juli 11-94 
Februar 4*89 August 15-94 
März 7-21 September 16-64 
April 9-87 October 7-87 
Mai 14-38 November 13-16 
Juni 15-27 December 6- 16 

Jahr 2209 Lin. = 1-84 Zoll. 

Sehr wahrscheinlich würden die Werthe der beiden vorstehenden Ta- 
bellen sich noch bedeutend ändern, wenn die Ergebnisse neuer Beobachtun- 
gen einbezogen werden sollten. 

Mittlere Anzahl der Tage mit Nebel. 



26) 


Jänner 


50 




Juli 


10 




Februar 


57 




August 


1-0 




März 


1-5 




September 


2-0 




April 


2-0 




October 


110 




Mai 


1-2 




November 


11-7 




Juni 


0-4 


Jahr 47-5. 


December 


50 



Mittlere Anzahl der Tage mit Regen. 
27) Jänner 5-3 April 12-1 

Februar 4-0 Mai 161 

März 6-7 Juni 150 



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385 



28) 



Juli 


15-2 






October 10-6 


Auguät 


16-2 






November 6*4 


September 


13-8 


* 




December 5-1 




Jahr 


126-4. 




Mittlere 


Anza 


hl d 


er Ta 


Ige mit Schnee. 


Jänner 


7-9 






Juli 0-0 


Februar 


8-4 






August 00 


März 


7-3 






September 0-0 


April 


1-9 






October 0-5 


Mai 
Juni 


0-3 
0-0 






November 5*5 
December 6-Q 



Jahr 38-4. 
Die Regentage zu den Schneetagen addirt, geben die Zahl der Tage 
mit Niederschlägen, dividirt man mit letzteren in die Niederschlagsmengen, so 
erhält man die mittlere Menge der letzteren für einen Tag. 

Mittlere Anzahl der Tage mit Hagel, 

29) 



Jänner 


0-6 


Juli 


0-6 


Februar 


00 


August 


0-6 


März 


0-4 


September 


0-2 


April 


0-4 


October 


00 


Mai 


1-4 


November 


0-2 


Juni 


0-8 


December 


00 



Jahr 5-2. 
Hierunter sind auch die Tage mit Kräupeln begriffen, eine Form de« 
Niederschlages, welche sich von jener des Hagels mit Sicherheit nicht tren- 
nen lässt. 

Mittlere Anzahl der Tage mit Gewitter: 
30) Jänner 0*8 Juli 4.2 



31) 



Februar 


02 




August 8-4 


März 


0-4 




September 2*4 


April . 


1-5 




October 08 


Mai 


4-8 




November 0*0 


Juni 


70 


Jahr 30-3. 


December 0*2 


tlere Anza 


hl der Tage mit Wetterleuch 


Jänner 


0-2 


' 


Juli 1-0 


Februar 


0-9 




August 1*8 


März 


0-0 




September 1*0 


April 


0-2 




October 0-0 


Mai 


0-4 




November 00 


Juni 


0-6 




December 00 



Die Tage sind hier nur dann gezählt, wenn an demselben Tage nicht 

o'ui Gewitter stattfand. 

•in 



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III. 

Die Maut am Semmering im Jahre 1545. 

Mitgetheilt von M. A. Becker*). 

Vermerckt die Mautt vnnd Auffschlag zu Schatwienn, wie die 
genomen werden, der Zeit alls Herr Sigmund Freyherr zu Herber- 
stain, Neyperg vnnd Guettenhag etc. die Herrschafft Clam, sambt Mautt 
vnnd Auffschlag Eingenomen hat vnnd vnnzt her furo Eingenomen worden. 

Darfüer ist Niemanndt gefreyt, derhalben so Wein vber den Perg ge- 
fürt worden, Ausserhalb der Neustetter, Inhallt aines Vertrags, zwischen dem 
Fiierstenthumb Steyr vnnd Innen aufgericht, Nemblichen Zwayhundert Vass, 
was sy darüber füern, dauon geben sy Mautt vnnd Aufschlag wie Annder. 

Die Pharr zu Spitäll Innhalb des Semring, fiieren Jre wein frey vber, 
Allein das sy järlichen ain grossen Khaß gen Clam diennen. 

Die Priorin zu Khirchperg fürt järlichen frey Sechzig Fueder saltz von 
Aussee zu Irem Closter. 

Hernach volgt was von Jeglicher Waar genomen wirdt. 
Von beschlagen guett was das sey in Palln vnnd strikhen, von ainem Centen, 
ain Schilling, fünfzehen dl. 

Rainfl von ainem langen Vaß 2 Fl. dl. 

Maluasier „ ainer Ampher 1 Fl. dl. 

Muscatell „ ainer halben Ampher 4 ß dl. 

Pingnoll „ ainem Rosß 2 ß dl. 

Wälschwein der nit süess ist, ain Rosß zwen Schilling Idest . 2 ß dl. 
Zuekher ain Centen. 
Feigen von ainer lagl 

Poxhömdl von groß Panndt 2 ß dl. 

Weinpeer von ainem Rosß 

Manndl von ainem Rosß 1 ß 10 dl. 

Aneiss von ainer grossen lagl 2 ß dl. 



*) Aus einer Handschrift : Vermerckht die herschafft Clam under dem Semring, sambt 
der Znegehörungen, Herrlichkheiten, Diennsten, Pantädingen und Mautten, wie die alle ge- 
halten unnd gebraucht sein worden bey Inhabung Herrn Sigmunden Freyherrn zu Her- 
berstein Neiperg vnnd Guetenhag etc. Seit des Tausent fünfhundert vnnd achtzehenden 
Jahre alls er die eingenomon, hinzt in das Tausent fünff hundert acht vnnd vierzigist Jar. 



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387 



Wälisch Chilmel von ainem Rosß Iß 

Lemony von aim Rosß Iß 

Margranöpfl „„ „ Iß 

Pomaranzen „ „ ^ Iß 

Paumbwollen ain Scheiben 4 ß 

Paumb Oell ain Rosß Iß 

Allaun ain grosse lagl Iß 

Gallus ain Vaß 4 ß 

Gallus ain lagl 2 ß 

Khessten ain grosse lagl Iß 

Schwebl ain grosse lagl 2 ß 

Schwebl ain Rosß Iß 

Saiffen ain grosse lagl 2 ß 

Vitriol von aim Cennten 

Lasur von aim Cennten Iß 

Waidgam ain Rosß Iß 

Papier ain säm groß Panndt 4 ß 

Papier ain Rosß Iß 

PaumbwoU ain wagen sam vier Schilling .... Idest 4 ß 

PCiecher ain Vaß ain Phundt Phenning . . Idest 1 Fl. dl. 

Saffran ain Phundt, dauon acht Phening Idest 

Speckh von aim Cennten zwelff Phening Idest 

Honig von aim Vaß ain Phundt Phening . . Idest 1 FL dl. 
Huetrauch von aim Cennten zwelfF Phening .... Idest 

Wax von aim Cennten Sechzehen Phening Idest 

Thuech geschlagen nach seinem werdt Sechzehn oder vier vnnd 

zwainzig Phening Idest 16 od. 

Quecksilber von aim Cennten ain Schilling zwen Pheuing . Idest 1 ß 

Pley von aim Cennten sechs Phening Idest 

Zynn von aim Cennten vier vnnd zwainzig Phening . . Idest 
Eisen von aim Cennten geschlagenes vier Phening . . Idest 
Eisen von aim Cennten gezogenes vier vnnd zwainzig Phe- 
ning Idest 

Eisen von ainer Wa^genschwär Nämligs zwen Schilling . Idest 2 ß 
Hausen von ainem Cennten einen Schilling zwen Phening Idest 1 ß 
Haring von ainer Tunnen ain Schilling zwen Phening . Idest 1 ß 

Salz ain Ortt ain Phening Idest 

Har von aim Cennten Sechzehn Phening Idest 

Khreyden von aim Cennten Sechzehen Phening . . . Idest 

Plech von aim Cennten sechs Phening Idest 

Schoflfwollen von aim Cennten Sechzehen Phening . . Idest 

Schmer von aim Cennten Acht Phening Idest 

Ynnslit von aim Cennten Acht Phening Idest 

Leinwath von aim Stuckh zwelff Phening Idest 

Von aim Mülstain vier vnnd zwainzig Phening . . . Idest 

25 * 



2 dl. 


10 dl. 


10 dl. 


10 dl. 


10 dl. 


6 dl. 


dl. 


dl. 


10 dl. 


20 dl. 


2 dl. 


dl. 


6 dl. 


15 dl. 


10 dl. 


dl. 


10 dl. 


dl. 


8 dl. 


12 dl. 


12 dl. 


16 dl. 


24 dl. 


2 dl. 


6 dl. 


21 dl. 


4 dl. 


24 dl. 


dl. 


2 dl. 


2 dl. 


1 dl. 


16 dl. 


16 dl. 


6 dl. 


16 dl. 


8 dl. 


8 dl. 


12 dl. 


24 dl. 



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388 

Schmalz dauon aim Augster dauon ain Phening . . . Idest 1 dl. 

Khessl, darnach Er werth ist. 

Kbäss ain, dauon ain Phening Idest 

Schlayr ain Rosß, dauon zwen Schilling dl Idest 

Phannen von aim schockh Acht Phening Idest 

Oepfl ain Rosß drey Phening Idest 

Rosß darnach es gilt, Acht, Zwelff, Sechzehen Phening, oder 

vier Schilling ...... Idest 8, 12, 16 dl. oder 

Ochsen, von aim Acht Phening Idest 

Oastraun von aim zwen oder drey Phening .... Idest 

Schwein von aim drey Phening ... ^ ... . Idest 

Von aim Pachen Fleisch vier Phening Idest 

Haussrath, von ainem wagen vier vnnd zwj^inzig Phening Idest 

Von ainem gannzen Khozen vier Phening Idest 

Von aim halben Khozen zwen Phening Idest 

Federn von aim Cennten achtzehn Phening .... Idest 

Von aim Federpeth vier Phening Idest 

Schüssl vnnd teilet von aim Wagen acht Phening . . Idest 

Höflten ain Wagen, zway Hoffen Idest 

Hoffen von aim Säm, ain Haffen Idest 

Schinndl von aim Tausent vier Phening Idest 

Von ainer Rauchen Haut drei Phening Idest 

Haut aine gewerchte, dauon vier Phening ..... Idest 

Fell ain Paschen dauon vier Phening Idest 

Khtirschen ain Puschen gewenndt, dauon vier Phening . Idest 

Fuxpälger ain Hundert, dauon zwelff Phening . . . Idest 12 dl. 

Maderpälger von ainem Phundt werth vier Phening . Idest 4 dl. 

Schönberg ain tausend, dauon drey Schilling .... Idest 3 ß 

Trayd ain mezen, dauon ain Phening Idest 1 dl. 

Von ainem Bohemischen Wagen glaß , vier Schilling 

Phening. Idest 4 ß 

Von ainem Kharrn zwen Schilling Phening .... Idest 2 ß 

Khragsen, dauon sechs Phening . j Idest 6 dl. 

Glaßtruhen Venedigisch, dauon vier Schilling .... Idest 4 ß 

Glaß ain Rosß zwen -Schilling Idest 2 ß 

Weingartsteckhen ain Wagen, dauon zwen Phening . . Idest 2 dl. 

Raiffholz ain wagen, dauon zwen Phening .... Idest 2 dl. 

Weinstain ain Vass, dauon vier Schilling Idest 4 ß 

Weinstain ain Cennten, dauon Sechzehn, Phening . . Idest 16 dl. 

Wein ain Vaß, dauon syben Schilling Idest 7 ß 

Wein ain Stortin, dauon drey Schilling funffzehen Phening Idest 3 ß 15 dl. 

Wein ain Rosß, dauon Sechzehen Phening Idest 16 dl. 

Weinper ain Rosß, dauon Sechzehen Phening .... Idest 16 dl. 

Schotten oder Walchen mit ainem Rosß, zwen Schilling 

Phening Idest 2 ß dl. 





1 dl. 


2 


ß dl. 




8 dl. 




3 dl. 


4 


ß dl. 




8 dl. 


2 


od. 3 dl. 




3 dl. 




4 dl. 




24 dl. 




4 dl. 




2 dl. 




18 dl. 




4 dl. 




8 dl. 




2 höffl 




1 Haffen 




4 dl. 




3 dl. 




4 dl. 




4 dl. 




4 dl. 



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389 

Ruebkhörb, dauon drey Phenin^ Idest 3 dl. 

Juden geunndt, zwen Phening Idest 2 dl. 

Vnnd von Khanffmannsgüettem, alls vill alls von ainem Christen 

Juden Keittund 4 dl. 

Sannst gibt man gemainlich von andern güettern, je von ainem 

Phundt Phening werth vier Phening Idest 4 dl. 

Alle Vischer von der Nenstatt geben am dnrchfüern, ain Visch 

vom Vaß. 
Das geschlagene Eisen füern allein die von MuerZnschlag lautt Irer Freyheit. 



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IV. 
Zur Geschichte der Jesuiten in Wien. 

Wir entnehmen den Originalgedenkbüchem der Jesuiten nachfolgenden 
Beitrag zur Geschichte der Kirche am Hof und damit zugleich einen Bei- 
trag zur Geschichte der Jesuiten in Wien: 

„Das von den Carmelitem Leer gewordene Kloster sambt Kirche und 
Gebäude übergab 1554 Kaiser Ferdinand I. sowohl um den unterlassenen Got- 
tes Dienst wieder zu erheben, als auch um den Jesuiten einen eigenthumlichen 
Orth zu verschafen, letzteren, und beförderte den noch vorfindigen letzten Car- 
meliter, welcher inzwischen Weltpriester geworden, zum Pfarrer nach Weis- 
berg ohnweit Korneuburg. 

„Zu Ende May 1554 nahmen die Jesuiten von der Kirche, und den Klo- 
ster Besitz. Es war aber dieses Gebäude, und Kirche eben so schadhaft als 
ihre Vorige Wohnung. Ihre erste Sorge war also die Kirche zu säubern und 
selbe zum Gottes Dienst tauglich zu machen, die zweyte sich mit der Erzie- 
hung der Kinder abzugeben. Schon den 4. Juni 1555 nahmen Sie 4 Knaben 
in die Kost, womit sie zugleich den Anfang zu den nachher entstandenen Con- 
vict legten. Kaiser Ferdinand sorgte auch indessen für ihren Täglichen Unter- 
halt, und widmete für Sie jährlich 1200 fl. auf den Mauthgefälle zu Lintz. 
Er unterstüzte das entstandene Convict und vertraute den Jesuiten seine Sin- 
ger-Knaben zu erziehen. Durch seine Unterstützung und durch das Eifrige 
bemühen der Jesuiten nahm das Convict den besten Fortgang, und bewegte 
1558 den Jesuiten P. Victoria mit Hülf einiger Gutthäter auch in den neu ent- 
standenen Collegio für arme studirende ein Seminarium zu errichten. In 
folgenden Jahr 1559 Hess Kaiser Ferdinand auch das verfallene Kloster, und 
Kirche erheben, und vermehrte zugleich die Einkümpfte dieser Geistlichen, 
jedoch gegen die Verbündlichkeit, dass zwey Theologi aus ihnen auf der Uni- 
versitaet Vorlesungen halten sollen. Endlich 1560 tibergab er zur Obsorge 
auch den Jesuiten das zur Landschaft-Schulle erkaufte Schromze- 
rische Haus sambt der Schul le, und die Jesuiten vereinten ihre Con- 
victores mit selben. In eben diesen Jahr 1660 und in den folgenden kauften 
die Jesuiten von einen gewissen Jordan drey Häuser auf den Juden Platz» 
mit Vorbehalt des Wieder Einlösungs Rechtes. Nach dem Tode des Kai. 
ser Ferdinands wurde zwahr den Jesuiten den 28. April 1565 von seinen Nach- 



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391 

folger Maximiliano II eine Vorlesung von der Theologiae abgenohmen, und 
diese den aus Hungam vertriebenen, und nach Wienn geflohenen Bischof von 
Modrusch tibergeben, und gleich darauf in November ihnen anbefohlen: Die 
Landschaft Schulle von ihren Con Victoren zu räumen, und in falle 
Sie einige beybehalten wollten, selbe in einen andern Orth unterzubringen^ 
Die Jesuiten versuchten zwahr ihre Convictoren in die erkauften J o r d a n i- 
schen Häuser zu erhalten, aber der Magistrat widersezte sich ihren Unterneh- 
men, und bemächtigte sich mit gewalt ihrer Häuser unter den Vor wand, das 
sie selbe zur Wohnung der Frembden, welche zu den Exequien des Kaisers 
nach Wienn komen, Bedurften, eigentlich war aber ihnen zu thuen, darmit 
eine Unterkunft für die Viellen Lutheraner zu erhalten; die Je- 
suiten übergaben dahero den 9. Mai den Landschaftlichen Comissarien die 
Landschaftliche Schulle und entliessen ihre Convictores bis auf einige, welche 
Sie in ihr Collegium unterbrachten. Aber eben^ dieser Kaiser zeigte sich in 
andern Fällen gegen die Jesuiten sehr geneigt — denn kaum erführe selber 
das ungerechte Unternehmen des Magistrats, so befahl er den 17. August 1565 
denselben , ihnen die abgezwungenen Häuser also gleich zurückzustellen. — 
Gleich hierauf an 20. September 1568 legte er auch eine besondere Gewogen- 
heit gegen Sie an Tag, das er ihnen von Ferdinando gemachte Geschänke, 
mit der Carmeliter Kirche, Kloster und Gebäude, welches schon Pabst Grego- 
rius der 13te 1560 begnehmiget hatte, dann die Stiftung von 1500 fl. auf 
die Mautli Lintz, sambt die Stipendien für die zwey Proffessores auf der Uni- 
versitaet, von welchen zwahr nur einer Vorlesungen halten durfte, bestättigte, 
auch die Kaiserin Maria bezeigte ihr Wohlwollen, diesen Orden in Jahr 1569 
mit einen Geschenk von 1500 Thallem, von welchen Sie, und mit weiterer 
Unterstützung des Kaisers und der Kaiserin das Convict aufzubauen anfingen. 
Nach diesen hohen Beyspill flössen von allen Seiten Unterstützungen den neu 
entstandenen Orden zu, und nebenbey wurd von den Landesfürsten ihnen bey 
mindester Noth mit Lebens Mitein , Korn — Salz — beygesprungen , oder 
selbst mit Geld unterstützet. So hatte Kaiser Maximilian der 2te dieser sich 
immer mehrenden Gesellschaft 1571 zu ihrer Erhaltung aus den Einkümpften 
des verfallenen S. Clarae Kloster bey S. Anna jährlich 1500 fl. zugewiesen, und 
2 jähr darauf 1573 räumte er ihr das Kloster und die Kirche S. Anna, sambt 
den Pillgrim Haus ganz ein. In eben diesen Jahr starb obgedachter Bischof 
von Modrusch, und die Jesuiten erhielten den zweyten LehrstuU der Theo- 
logiae wieder, und sie fingen, wie ihnen schon 1570 erlaubt worden, nebenbey 
in ihren Collegio die Theologiam, Philosophiam, die Poesie und Rhetoric öfent- 
lich zu lehren an und ertheilten selbst auf der Theologie ihren Geist- 
lichen die Doctors Würde. Endlich hatten auch die Jesuiten in den 
Collegio die Congregation Stae. Barbarae, nach Art des deutschen CoUegy in 
Rom errichtet. So wie die Jesuiten durch diese und die schon ehehin errichtete 
Congregation B. M. Virginis den Eifer der Katholischen für die Religion zu 
erheben trachteten, ebenso wendeten die Irrgläubige alles an ihr unternehmen, 
und gute Absicht in fortgang zu hemmen. Sie versuchten noch in diesen Jahr 
die Jesuiten wider von den Lehr Stühlen auf der Universitaet ganz zu entfer- 



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392 

nen. Es erfolgte aber auf ihre Vorstellnno^ von Kaiser Max II den 5 May 1574 
in Bezug auf die Resulution von 28teu April 1565 blos der Entschluss : das 
die Jesuiten auf die Academie solche Männer zu ihren Vorlesungen stellen 
sollten, welche der deutschen Sprache kundig sind, und ausser den 
zwey lehrern nicht mehrere auf der Universitaet anstellen, und diese ge- 
halten sein sollen, sich in allen den Statuten der Universitaet zu 
unterziehen. 

Unter dieser Zeit 1558 und nachhin 1633 und 1667 wiederhollten die 
Carmeliter das Gesuch um Biickstellnng ihres ehemaligen Klosters, 
oder als Entschädigung statt selben ihnen die Kirche zu S. Peter und dem 
Vicedom Ambt zu übergeben. 

Sie wurden aber mit diesen Gesuch auf immer abgewisen. 

1607 am weissen Sonntag traf die Collegium das Unglück, das es 
sambt den Convict und Seminarium bis auf den untern Theil abbrante, 
die Jesuiten aber brachten es mit ihren Eifer für den Gottes - Dienst bald 
dahin, das schon am Pfingst Sonntag die Kirche in Innern hergestellet und 
tauglich war den Gottes Dienst wieder abzuhalten. Gleich hierauf legten Sie 
den Grundstein zum Collegium, welches Sie in ein Vier ek zu erbauen be- 
schlossen haben. 1608 war sohin durch Ihr bemühen, und durch rastlose Bey, 
träge der Wohlthäter besonders des Kaiser Rudolphs, des Erzherzogs Mathias 
und Leopolds, wurden schon drey Theile bis unter das Tach gebracht. Unter 
der Regierung Kaisers Mathias fiengen die Zeiten für die Jesuiten ge- 
neigter zu werden an. Sie erh'alten von der Gräfin Margaretha Trionelci 
1609 die Herrschaft Mauer zum Geschenk und 1616 den Kaiserlichen Befehl 
ihre Philosophischen Vorlesungen statt in Collegio, auf der Univer- 
sitaet an solchen Stunden abzuhalten, an welchen die nemlichen Vor- 
lesungen von anderen angestellten Proffessoren, nicht gehindert werden, und 
1617 den weiteren Befehl:' das Sie für die Theologie zwey, und für die Philo- 
sophie 3 lehrer auf der Universitaet anstellen, und diese als Mitglieder 
der Universitaet anganohmen werden selten. Sie bestellten daher für jedes 
Fach die Lehrer und stellten noch besonders den P. Stephan Corvinus als 
lehrer der Sententiarum an. Auf diesen Befehl folgte den 21 October 1622 ein 
weiterer von Kaiser Ferdinand den Uten das die Universitaet ihren Col- 
legio auf ewig uniret, und incorporiret, Ihnen das Collegium Archi 
Ducale — die Bursen andrer Gebäude, sambt der Landschaftlichen 
Sc hülle eingeandwortet, und das Gebäude zu* ihren Collegium und Kirche 
zugerichtet werden solle. In folge dessen bezogen den 22 November 1622 an 
S. Leopold Abend die Proffessores das eingeräumte Collegium, in der Gegend, 
wo ehehin die Bibliothec wäre und fiengen an 22 November in eben die- 
sen Jahr den Unterricht in denen untern sechs Schnellen, dann die 
Vorlesungen in der Theologie, Metaphisic, Physic, Logic, Mathematic, und 
Hebräischen Sprache, Endlich nach hergestellten Gebäude den 
12 März 1625 trennten sich auch der Rector Marcus Noelius mit 45 Pristern 
und Brüdern von ihren Vorigen Collegio auf den Hof nahmen alle Güther mit 
sich und betohen Nachmittag das neu errichtete )ind schon .1624 in Bau 



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393 

hcrfijestellte Collegium. Das ehemalige Collog^iuni wurde zu den 
Profess Haus bestimmt, und in selben als Minister P.Albertus Wilpenhoffer, 
und zu ainen Procurator P. Gregorius Preininger erwählet. Von diesen 
Augenblick an, sehen wir die Jesuiten in diesen Haus von 
allen Einkünften entblössot, ihren künftigen Unterhalt von denen 
Gutthätem samlen. Noch an diesem Nachmittag gieng der neue Vorsteher mit 
den P. Alphons Sindetti mit einen auf der Schulter hangenden 8ack 
aus, sich Allmosen zu erbitten. In ersten Tag erhielten Sie 37 fl. — in 
folgenden Tag aber von Kaiser Ferdinand II 70 fl. und von den Herrn Car- 
dinal wurden Sie mit Fleisch, Fisch und Mehl, dann mit 100 fl. unterstützet 
Kaiser Ferdinand der II und seine Gemahlin Kaiserin Eleonora suchten auch 
in diesen Monath und Jahre ihren Zustand zu erleichtern. Er bestimmte für 
das neu entstandene Professhaus ein 4teljähriges Allmosen von 300 fl. — und 
beyde höchsten Majestäten fügten in der« Folge noch vielle, und sehr ansehn- 
liche Geschänke bey, verbesserten das Kloster, und Kirchen Gebäude und be- 
schenkten selbe mit kostbaren Ornaten, und andern Kirchen Geräthen. Der 
Stadt Magistrat erklärte sich zu einen jährlichen Allmosen von 600 fl. und 
mehrere Wohlthäter legten, die ansehnlichsten Beyträge in das Profess 
Haus nieder, und es wurden theils durch das Wethoyfernde Bemühen der 
Wohlthäter, des Höchsten Hofes, und auch durch das Sammlen der Jesuiten 
der unterhalt den Profess Haus so reichlich verschaflfet, das noch in ersten 
Jahr in diesen Haus 40 Geistliche erhalten wurden. Auf dieses Jahr 1625 ist 
noch ein merkwürdiger Vorfall zu berühren. 

Es entstand nämlich in diesen Jahr der Orden Militae Christianae 
unter der Regel des Francisci in Ehren der unbeflekten Mutter Gottes, des 
Erzengel Michael, und das heiligen Pasyli zur Vertheitigung der Katholischen 
Kirche. Dieser Orden wurde von Pabst Urbano den 8ten bestättiget, und 
den 28ten December 1625 der Stifter desselben Michael Adolph Graf von 
Althan als erster Ordens Meister in der Profess Haus Kirche eingeweihet ; 
Anno 1647 ist für das Profess Haus eines der merkwürdigsten Jahren. Es 
legte nemlich in diesen Jahr dem 18ten Mai Kaiser Ferdinand III in ihrer 
Kirche das ofi'entliche Gelübte ab, der unbefleckten Empfängniss Mariae auf 
dem Hof eine Säule zu erbauen. Das abgelegte Gelübd wurde in das Fussge- 
stell bey dieser Säule zum ewigen Andenken eingegraben, zugleich befahl der- 
selbe : das jährlich von seinen Nachfolgern an diesen Tage 
bey S. Stephan die Ve rth eidigung der heiligsten unbeflekten 
Empfängniss eidlich angelobet und auf der Universitaet Nie- 
mand zur Doctors Würde befördert werden solle, welcher nicht eben 
diesen Eid (welchen Kaiser Joseph II aufgehoben) geleistet werden würde. 
In Jahre 1650 machte Rudolph Graf von Taüfenbach zu den Jesuiten in den 
Profess Haus eine Stiftung von jährlich 1000 fl. zur Erhaltung der Professoren 
von den 4 untern Lateinischen Schullen, mit welchen sie, und mit einen von 
Kaiser Ferdinand den Ulten erhaltenen Bey trag von 8000 fl. ein Haus neben 
den Seltzer Hof erbaueten, und in selbes die Schullen aus ihren Haus 
tibersezten. Endlich verlohren die Jesuiten 1655 den 27ten Juni mit dem Todt 



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394 

der Kaiserin Eleonora eine ihrer grössten Stützen. Sie hatte noch bey ihren 
Lebzeiten ihnen zur Herstellung des Kirchen Frontispitz 3000 fl. geschenket, 
und nach ihren Todt zu diesen noch 13000 fl. bestimmt. Es wurde aber erst 
mit der innern neuen Auszierung der Kirche 1663 zu Stande gebracht und zur 
ewigen Dankbarkeit die Innschrift aufgestellet : Anna Eleonora Augusta Deoy 
Eeginaegue Angelorum poauii. ALD,C,LXII. 

In Jahr 1662 erhielt die Kirche mit der von Erzherzog Leopold Wil- 
helm erbauten Capelle einen herrlichen Zuwachs. Diese Capelle befindet sich 
links an Eingang der Kirche, und über dieser lieset man die Innschrift : I>ivn 
Zeopoldo Patriae Patrij Marchioni Austriae, Leopuldus guüiemus Archidnx 
Austriae^ Sacellvm hoc Struxii et Porticum quem vides exomavit MDLXII. 

In Jahre 1744 und 1745 wurden durch Verwendung des Jesuiten Pater 
Joseph de aegidi den 4 untern Schullen auch die lehrer der Wissenschaften 
von der Dicht Kunst und Beredsamiceit beygefüget, und 1763 durch den 
P. Ignatz Langetl das Kloster mit den dritten Stok erhöhet. Endlich wurde 
dieses Profess Haus, sambt allen Jesuiten in den Erblanden vermög der 
Pullae ddo. 14 September 1773 aufgehoben, und selbes dann den K. K. Hof- 
kriegs Rath eingeraumet. Dieses Hofkriegsräthliche Gebäude wurde 1775 her- 
gestellet und mit dieser Innschrift versehen : Josephus II et Maria Theresia 
Augg, Salutis Puhlicae Tutelae, He Militari novis incrementis aucta, has aedes 
Dedicanmt, MDCQ.LXXV, 

Das Jahr 1783 Hess Kaiser Joseph das Bild des Helden Londons von 
Marmor von den Künstler Czerachi verfertigen und in den Hof Kriegs Raths- 
Sale mit der Innschrift aufstellen : Gedeonis Laudony summi Castrorum Prae- 
fecti, semper Sirenui, fortis, felicis Militis, et civis optimi Exemplum, quod 
Duces Militesque imituniur, Josephus II Ang, in ejus effigie proponi voluif. 

Anno Cia IQ. CC.LXXXIIL 

Das Hoch Altar Blatt, der heiligsten Jungfrau Maria, als eine Königin 
der Engeln vorgestellt, ist von den Jesuiten Frater Pozzo gemahlen. 
In der zweiten Capelle rechter Hand seynd das Altar Blatt, die Vermählung 
Mariae, und die andern Altar Blätter, die Flucht in Aegypten, und die Opfe- 
rung in den Tempel von S a n d r a t , die Blätter : die Erziehung Mariae, das 
Kind Jesu, der Heilige liborius, seynd von Ludwig Carazzi gemahlen. 



Auf dem Jesuiten Platz Kr. 242 und 243 (nach der 2. Conscription K. 447 
und 448 (nach der 3. Conscription C. N. 415, 416) waren die ersten Schul- 
len der Jesuiten. Sie haben zwar gleich bey ihrer Ankunft bey den 
Dominicanern die 4 untersten Klassen zu lehren angefangen, ihre Öfentlich- 
keit erhielten selbe aber erst in Jahre 1554, als die Jesuiten das Kloster der 
Karmeliten bezogen, und hatten schon 120 SchüUer. Die sich immer mehren- 
den SchtiUer bewegten die Jesuiten nach hin für selbe einen bequemen Orth, 
besonders da in ihren Haus bey sich mehrender Gesellschaft auch für sie, und 



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395 



ihre Convictores der Platz zu enge wurde, aufzufinden, und erbaueten mit Bey- ' 
hülf Ferdinand! I 1559 auf ihren Freydhof rukwärts des alten Klosters 
ein eigenes Haus gegen der goldenen Schlangen, heut Stanislai Kappelle. 
Zur Beeiferung und Bildung der studierenden Jugend, dann zur Beschäftigung 
derselben ausser ihren Studien, suchten sie selbe in der Mimic abzurichten, 
und brachten es dahin, das sie mit ihnen alljährlich Lust- und Trauer- 
spielle ofentlich aufführen konnten, und durch dieses mochten die Jesui- 
ten wohl zur nachmahliger Entstehung der Theater in Wienn den Grund ge- 
leget haben. Gleich hierauf 1569 haben sie zur Erhebung der Wis- 
senschaften auch für diese Schüller eine eigene Buchdrukerey erkaufet. 
1579 haben sie dieses Haus um einen Stock erhöhet, mit einen 
Thurn undGloken versehen, und zur Aneiferung der studirenden eine 
Austheilung von Praemien an die vorzüglichste eingeführet, und selbe den 
7 November 1579 das erstemahl ausgetheilet. In Jahr 1620 wurden alle 
Studendten auf den Bursen bei der Academie mit den Schüllem 
bey den Jesuiten vereiniget, und in diesen SchuUhaus wurde ihnen nun der 
Unterricht bis auf das Jahr 1622 gegeben, in welchen Jahr die Jesuiten das 
Collegium Archi Ducale, die Bursen sambt der Landschafts 
Schulle auf immer eingeraumet worden, und diese SchuUen dahin mit 
sambt den Professoren übersetzet worden. Es hörten also die SchuUen in die- 
sen Haus ganz auf, und zu ihrer neuen Entstehung 1650 war nicht nur die 
sich mehrende studierende Jugend, die weite Entlegenheit der Universitaet für 
jene welche in der Gegend der Burg, Graben und Schottenthor wohnten, son- 
dern auch eine von Rudolph Grafen von Tettfenbach für die 4 untern La- 
teinischen SchuUen gemachte Stiftung in dass Profess Haus von jährlich 
1000 fl. die ursach, wovon sie 1654 und 1657 mit einen Beitrag 
von Kaiser Ferdinand III mit 8000 fl. das Haus neben den 
Seitzerhof Nr. 331 St. C. 455 erkauften, und für die SchuUen er- 
baueten. Ihr Scbnllbaus aber auf den Jesuiten Platz verkauften Sie 
1657 an Vincentium Fux, und da selbes nach seinem Todt wider zurückfiel 
1674 an die Cecilia Gräfin von Stahrenberg. Endlich 1744 und 45 
durch die obbemeldete Verwendung des Josephi de Aegidi ist zu den 4 untern 
SchuUen die Poesie und Rethorik gestiftet worden. Nach Aufhebung der So- 
cietet haben an diesen Ort die SchuUen aufgeh?>ret und sind nach S. Anna 
übersetzet worden. Das Gebäude bezoh sohin ein Theil des Hof Kriegs 
Räthlichen Kanzley Personals, muste aber dieses Haus — der Ober 
Polizey Direktion überlassen. 



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Sach-, Ort- and Personen-Register. 



Abetsberg. 208. 

Andrä, Set. 172. 

Absdorf. 171. 

Ackerbauschule, Grossau. 84. 

Ad vineas. 195. 

Aequinoctium (Fischament), Römerort. 

132. 148. 154. 155. 204. 
Aggsbach. 180. 208. 
Ala nova (Schwechat). 149. 154. 
Alma nova, Kömerort. 204. 
Almesbrunn. 219. 
Alpen im V. U. W. W. 215. 
Alpengipfel, Höhenlage. 219. 
Alpenpflanzen im V. ü. W. W. 239. 
Alpl, Höhenlage. 219. 
Altenburg (ung.). 135. 137. 
Amstetten. 177. 178. 179. 208. 
Andrä. 208. 
Ankerfeilen. 311. 
Annaberg. 304. 306. 
Antoninus Pius, K. 135. 
Aquae. 175. 158. 159. 160. 
Ardacker. 174. 180, 
Arelate, röm. Standlager. 129. 161- 

171. 176—178. 180. 182. 185. 204. 

Donauflotille. 145. 
Arlape. 148. 149. 
Armeninstitute in Nieder-Oeatejrreich, 

Revision der Instruction. 13. Zahl 

und Vermögensstand derselben. 14. 
Armenversorgung in Nieder - Oester- 

reich. 13. 
Arrabona (Raab). 148. 
Arriana, Römerort.. 204. 



Amsdorf. 208. 

Aschbach. 315. 

Aspang, Bevölkerung. 236. 

Assbach. 208. 

Asturis (Zeiselmauer). 149. 167. . 168. 

Atzgersdorf, Hundesteuer. 12. 

Atlitzgraben (oberer), Höhenlage. 217. 

Augustiana, (Ips). 149. 204. 

Aumühl. 315. 

Baden, Errichtung einer Unter-Real- 
schule. 42. Deren Umwandlung in 
ein Realgymnasium. 43. Wohlthä- 
tigkeitshaus zur Römerzeit. 157. 
158—160. 208. 

Baden. Clima. 369. 

Baisching. 208. 

Bauaugenscheins-Taxen. Gesetz für 
Wien. 11. 

Bauerngüter. Aufhebung des Bestift- 
ungszwanges. Arrondirung dersel- 
ben. 31. 

Bauordnung für Nied.-Oest. 84, 

Bevölkerung in Nied.-Oest. 294. Cha- 
rakter derselben im Alpengebiete des 
V. U. W. W. 233. 

Bewässerung der Alpen im V. U. W. 
W. 227. 

Bewirthschaftung derGrundbesitze. 288» 

Bestiftungszwang bei Bauerngütern» 
Dessen Aufhebung. 31. 

Bettel-Unwesen. Massregeln dagegen.26^ 

Bezirksgemeinden. Verhandlungen über 
deren Errichtung. 8. 



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398 



Birbisthal. 309. 

Bienenzucht in Nied.-Oest. 286. 

Bienenzucht in Nied.-Oest. 273. 290. 

Bienenzucht - Verein. Dessen Unter- 
stützung durch den Landtag. 33. 

Bildhauerei in Wien. Beitrag zu deren 
Geschichte. 353. 

Blaboriciaco. 177. 

Blech, gewalztes. 318. 

Blindenmarkt. 179. 

Bock Job., Bildhauer. 353. 

Bodencultur in Oied.-Oest. 267. 

Bodenproduction in Nied.-Oest. 272. 

Bodenwiese. Höhenlage. 219. 

Böheimkirchen. 172. 

Brandweinbrennerei in Nied.-Oest. 290. 

Bregentium. (0-Szöny). 138. 190. 

Brück a. d. L. 157. 208. 

Brücken wesen in Nied.-Oest. 73. Ko- 
sten derselben. 75. 

Brunn a. d. G. 162. 208. 

Buchensteiner-Bezirksstrasse 306. 

Burg. 180. 

Bürgerlasten-Reluitionstaxe für Wien. 
Deren Aufhebung. 11. 

Burgwiese. 203. 

Burgstall. 173. 179. 203. 209. 

Burgum contra Florentiam 202. 

Bumacini, Ludwig. 354. 

Btirschhof. Höhenlage. 219. 

Cannabiaca. Römerort. 149. 165. 205. 
Caratensis. Römerort. 205. 
Carnuntum, röm. Standlager. 131. 147. 

148. 153—156. 183. 189. 190. 192. 

194. 205. Donauflotille. 146. 
Celeja. 194. 200. 
Cetium (Zeiselmauer). Römerort. 144. 

163. 164. 168—170. 172. 182. 189. 

190. Mons Cetius. 130. 132. 206. 

Donauflotille. 145. 
Christliche Ansiedlungen zur Römer- 
zeit in Oesterreich. 200. 
Cilli. Inschriftsteine. 141. 
Claudius, Kais. Dessen Einrichtungen 

in Oesterreich 127. 



Colloredo-Mannsfeld, Fürst Landmar- 
schall. Gründung eines Fondes für 
arme Grundbesitzer. 37. 

Colonien, röm. in Oesterreich. 189. 

Comagena, Römerort. 133. 148. 164. 
168. 169. 170. 172. 182, 206. 

Commagena, Cultus des Jupiter Doli- 
chenus. 186. 

Consumtion in Nied.-Oest. 294. 

Contra Tautantum. 202. 

Cultur, röm., in Oesterreich. 184. 

Deutsch-Altenburg. 153. 199. 209. 

Dianencultus in Oesterreich. 194. 

Dicuncia. 206. 

Döbling. 209. 

Domes ticalfond für Nied.-Oest. 97. 

Donaubrücken 73. 

Donauflotille, röm. 145. 

Donauregulirung. 83. 

Donner Raphael, Bildhauer. 347. 356. 

Drahterzeugung. 316. 

Drahtseilerzeugung. 318. 

Drahtstifterzeugung. 31 7. 

Düngerwirthschaft in Nied.-Oe8t. 289. 

Dürrenrohr. 169. 

Dux, dessen Bedeutung. 142. 

Edlach. 180. 209. 

Eggenburg. 202. 209. 

Egyd, Set., am Neuwald, Fischer'sche 
Eisenwerke. 299. 305. 306. 310. 313. 
315. 
Geschichte des Ortes. 318. 

Eheconsens, Gesetz wegen dessen Auf- 
hebung. 16. 

Einkommensteuer, deren Regulirung. 
89. 

Eisenbahnen, deren Vermehrung in Nd.- 
Oest. 90. 

Eisengewerke in Oesterr., alte. 196. 

Eisenhämmer: Set. Egyd. 299. Rech- 
berg. 309. Hainfeld a.d. Gelsen. 309. 
Birbisthal. 309. Furthof. 311. Nie- 
deralpel. 311. Vordemberg 313. 
Aschbach. 315. Aumühl. 315. 



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399 



Eisenschmiede, alte, in Oesterr. 196. 

Eisenstadt. 159. 160. 

Eishüttenalpe. Höhenlage. 218. 

Elegio. 176. 177. 206. 

Euns (Laureacum). 190. 

Ernten, schlechte, im J. 1866. 17. 

Eselsherg. Höhenlage. 218. 

Fafiana (Traismauer) 146. 148. 206. 
Fafiana, cyprischer Venusdienst. 186, 
Feilenerzeugung. 315. 
Feineisen, gewalztes. 317. 
Feistritz, Bevölkerung. 236. 
Feldsberg. Umwandlung des Körner- 

aufgabsachtelfondes. 13. 
Ferschnitz. 181. 193. 209. 
Festungen, röm. 151. 
Feuchterberg, örtliche ^ßigenthtimlich- 

keit. 221. Höhenlage. 219. 
Findelkinder, deren Behandlung. 46, 
Findelkinder. Anstalten zu deren Ver- 
pflegung. 49. Verpflegsgebühren. 54. 
Fischament (Aequinoctium). 148. 154, 

158. 209. 
Fischer'sche Eisenwerke zu Set. Egyd 

am Neuwald. 299. 303. Fischer 'sehe 

Familie. 303-315. 
Flachsbau in Nied.-Oe8terr. 272. 281. 
Fleischgewinnung in Nied.-Oest. 270. 

285. 
Flexum (ung. Altenburg). 135. 137. 
Florian, Set. 200. 

Fluasregulierung in Nied.-Oest. 77. 
Forstgesetz, dessen Revision. 36. 
Freiland. 804. 

Freiland-Terzer-Strasse, 306. 
Friedberg. 160. 
Fritsch K. 240. 
Froschdorf. 160. 209. 
Furthof. 311. 313. 315. 
Futtererzeugung in Nied.-Oest. 272. 

278. 

Gärbestahl. 317. 
Gaisruck. 306. 

Gebärhaus in Wien. 47. 48. 50. Ver- 
pflegsgebühren, 53. 



Gebühren- und Stempelgesetz, Abän- 
derung desselben. 89. 

Gemeindelebarn. 169. 209. 

Gemeinden, deren Unterstützung bei 
Elementar- und sonstigen Unglücks- 
fällen. 17. Bei den Kriegsschäden 
d, J, 1866. 18. 

Gemeindegesetz v. J. 1849. 5. 

Gemeindegesetz v. J. 1864. Wirkungs- 
kreis des Nied.-Oest. Landtages. 6 

— Bezirksgemeinden. 8. 
Gemeindegesetze für Wien. 10. 

— für Wiener-Neustadt. 12. 
Gemüseernte in Nied.-Oest. 277, 
Gensd'armerie, deren Kosten 21. 
Geologische Beschaffenheit der Alpen 

im V.U. W.W. 219, 
Germanencolonie in Oesterr. 197, 
Gerolata (Kroatisch- Jahrendorf) 153. 
Gerste-Erzeugung in Nied.-Oest. 272. 

275, 
Geschwornengerichte,deren Einführung. 

90. 
Gewerbeschulen,derenSubventioniruug. 

44. 
GfÖhl. 209. 
Göller. 305. 307. 
Gossam. 193. 202. 209. 
Göttlesbrun. 157, 209. 
Göttweih. 209. 
Giglhof. 307. 
Gippel. 305. 

Gloggnitz, Bevölkerung. 236. 306. 
Gösing, Höhenlage. 219, 
Grabenalm. 304. 
Gräbern. 180. 
Grabner Margaretha. 343. 
Grafendorf. 181. 209. 
Gresten, Clima. 374. 
Grillenberg. 209. 
Grössau. Ackerbauschule. 34. 
Gross-Aigen. 209. 
Grüubach, Bevölkerung. 235. 
Grundausmass, Belastung desselben in 

Nied,-Oesterr. 270. 
Grundbesitz, Bewirthschaftung der. 288. 



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400 



Grundbesitzer, Fond zu deren Unter- 
stützung. 36. Dessen Gründung durch 
Fürst Colloredo-Mannsfeld. 37. 

Grundbuchsordnung, neue. 91. 

Grundentlastung in Nied.-Oest. 270. 

Grundentlastungsfond für Nied.-Oester- 
reich. 91. 

Grundsteuer - Regulirung in Nieder- 
Oesterreich. 87.* 

Grünschacher, örtl. Eigenthümlichkeit. 
222. 

Giuliani L. 356. 

Gumpoldskirchen. 158. 210. 

Gumpendorf. 167. 210. 

Gutenstein. Bevölkerung. 235. 

Gutenstainer Gschaid. Höhenlage. 218. 

Gscheid. 306. 

Gymnasien, geistliche. 44. 

Hafererzeugung in Nied.-Oest. 272. 275. 

Haidekornerzeugung in Nied.-Oest. 272. 

Hainburg. 210. 

Hainfeld a. d. Gelsen. 309. 

Hall, Bad. .52. 

Hallthal. 197. 

Hametsberg. 180. 210. 

Hammerschmied Chr., Gewerksbesitzer. 

309. 
Handlesberg, Höhenlage. 219. 
Hanfbau in Nied.-Oest. 280. 
Hanferzeugung in Nied.-Oest. 272. 

Hanfsamen - Erzeugung in Nied.-Oest. 
272. 

Harlanden, röm. Standlager. 129. 175. 
210. 

Hartberg, Höhenlage. 218, 

Hengst, Höhenlage. 219. 0er tl. Eigen- 
thümlichkeit. 222. 

Heukuppe, Höhenlage. 218. 

Heidekomemte in Nied.-Oest. 276. 

Hercules-Cultus in Oest. 194. 

Hernais, Officiers-Töchter-Institut. 87. 

Heiligen- Kreutz, Stift. Raph. Donner. 
356. 

Himberg. 210. 



Hirseerzeugung in Nied.-Oest. 272. 276. 

Hochalpe. 305. 

Hochberg, Höhenlage. 219. 

Hochbruck. 180. 210. 

Hochstrass. 181. 182. 

Höflein. 157. 210. 

Höglwörth. 199. 

Höhenverhältnisse der Alpen im V. 

U. W. W. 217. 
Hohe Lehne, Höhenlage. 218. Oertl. 

Eigenthümlichkeit. 223. 
Hohenberg, Herrschaft. 305. 306. 318. 

321. 
Hoheneck. 172. 
Hollenburg, Römerort. 207. 
Höllensteige. 306. 

Hollerbrunner Riegel, Höhenlage. 218. 
Holzgewinnung in Nied.-Oest. 283. 273. 
Honigerzeugung in Nied.-Oest. 273. 
Hopfenerzeugung in Nied.-Oest. 273. 

282. 
Hoyos, Hans Baltasar, Freih. 323. 
Hubnerisches Gschaid, Höhenlage. 218. 
Hüftl, Gewerksbesitzer. 309. 
Hülsenfrüchte - Erzeugung in Nieder- 

Oesterr. 272. 276. 
Hundesteuer , deren Einführung in 

mehreren Landgemeinden. 12. 
Hürm. 181. 210. 
Hüttau, röm. Meilenstein. 140. 
Hutwisch, Höhenlage. 218. 

Jakobs-Kogel, Höhenlage. 218. 

Impfung der Kinder. 54. 

Industrie-Etablissements im Alpenge- 
biete des V. U. W. W. 230. 

Inschriftsteine, röm. in Oesterreich. 187. 
193. 

Inzersdorf, röm. Meilensteine. 135. 157. 
171. 200. 210. 

Jochartsberg, Höhenlage. 219. , 

Jörger' sehe Familie zu St. Egyd. 322. 

Ips (Augustiana). 149. 175. 176. 210. 

Ips, Fluss (Ise). 134. 

Irrenhäuser in Landesanstalten umge- 
wandelt. 47. Verpflegsgebübren. 5iJ. 



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401 



Isea (Ad pontem). 133. 134. 175. 176. 

178. 179. 180. 182. 204. 206. 
Itinerarium Au^usti. 151. 
Jupiter-Gultos in Oest. 194. 
Jupiter-Cultus in Oest. 186. 194. 
Jesuiten in Wien. 390. 

Kaiaerstein, Höhenlage. 519. 

Kaienberg. 130. 

Kampstein, Höhenlage. 218. 

Karlsbach. 179. 

Karlstetten, röm. Fundort. 194. 210. 

Kartoffelerzeugung in Nied.-Oest. 272. 
276. 

Käse- und Butter-Erzeugung in Nied.- 
Oesterr. 273. 284. 

Katzelsdori^ röm. Fundort. 160. 193. 
210. 

Keitl. 307. 

Kelten in Oesterreich. 123. 191. Kel- 
tische Orts- und Personennamen. 
192. 193. 

Keltischer Cultus in Oest. 195. 

Kematen, Brücke. 74. 

Kierling. 170. 

Klimatische Verhältnisse. Baden. 369. 
Gresten. 376. 

Kirchenpatronats-Gesetz, Verhandlun- 
gen darüber. 38. 

Kirchberg, Bevölkerung. 236. 

Kittsee. 156. 

Klamm, Bevölkerung. 236. 

Klima des Alpengebietes im V.U.W. W. 
231. 

Klostemeuburg, röm. , Fundort. 130. 
132. 135. 153. 170. 193. 211. 
Weinbauschule. 34. Irrenanstalt 47. 

Knollenhals. 307. 

Kögelberg, Höhenlage. 218. 

Kömeraufgabsachtelfonde, deren Um- 
wandlung in Geldvorschusskassen 
auf mehreren Liechtensteinischen 
Gütern. 13. ' 

Kranichberg, Bevölkerung. 236. Höhen- 
lage. 217. 

Krankenhäuser in Kied.-Oest. 50. 



Kraut-Erzeugung in Nied.-Oest. 272. 

276. 
Krems, Errichtung einerOberreaUohule. 

42. 
Krems-Fluss-Regulirung. 79. 
Kressenberg, Höhenlage. 219. 
Krpuzerhof, röm. Meilenstein. 141. 
Kroatisch-Jahrendorf (Gerolata). 158. 

156. 
Kuhpocken-Impfung. 54. 
Kuhschneeberg, Höhenlage. 219, örtl. 

Eigenthümlichkeit. 222. 
Külb. 181. 

liandsturm im J. 1866. 19. 
Landtage, Wirkungskreis. 3. 
Landesculturfond, Verhandlung wegen 

dessen Uebergabe an den Landtag. 

32. 
Landesfond für Nied.-Oest 97. 
Landesverfassung von Nied.-Oe8terr.: 

Geschäftsordnung des Landtages. 112. 

Immunität der Abgeordneten. 113. 

Verurtheilung eines Abgeordneten. 

113. Diäten. 113. Landesausschuss. 

114. Kundmachung der Landes- 
gesetze. 114. Abänderungen der 
Landesordnung. 115. 

Landesvermögen für Nied.-Oe8t. 91. 
Landwehrfond für Nied.-Oest. 104. 
Landwirthschafbliche Anstalten und 

Vereine, deren Förderung durch den 

Landtag, 33. 34. 
Landwirthschaftsgesellschaft , deren 

Subventionirung. 33. 
Landwirthschaftliche Statistik, Heraus- 
gabe derselben. 33. 
Langenzersdorf. 163. 
Laureacum (Enns). 176. 177—180. 

184. 190. 191. 200. Donauflotille. 

145. 
Legionen, röm. Standorte. 129. 131. 

132. 133. 136. 136. 137. 138. 189. 

140. 144. 145. 146. 185. 187. . 
Leinsamen-Erzeugung in Kied.-Oest 

272. 

26 



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402 



Leonbard, Set. 181. 193. 
Leitha, Fluss; Regulirung. 80. 
Leoberadorf, röm. Fundort. 161. 211. 
Leonbard, Set., röm. Fundort. 211. 
Liesing, röm. Fundort. 211. 
Linz, Grabstein. 141. 
Locus veneria felicis (Oehrling). Römer- 
ort. 138. 148. 176—179. 184. 206. 
Loosdorf, rönu Fundort 211. 

Mablleiten. röm. Fundort. 211. 
Maiaerzeugung in Nied»-Oebterr. 272. 

276. 
Mannersdorf, röm. Fundort. 211. 
Marcus Aurelina, K. 137. 
Marcbbrücke zwiacben Scblosabof und 

Neudorf. 74. 
Maria Lanzendorf, röm. Fundort. 157. 

211. 
Mariaacbutz. 235. 
Maria Zell, Guaswerk. 196. 305. Kloater. 

341. 
Mariazellerbof in Wien, Deutung des 

Baareliefk. 338. 
Marmogius, 6h)tt. 195. 
Marx, Set,, röm, Meilenatein, 147. 
Matzleinsdorf, röm. Fundort. 211. 
Mauroa (ad), röm. Posten. 133. 148. 

166. 171. 179. 180. 184. 206. 211. 
Mauer a. d. Ubrl, röm. Fundort. 211. 
Mauer bei Wien, röm. Fundort. 211. 
Mautben, Semmering. 386. 
Mautem, röm. Fundort 144. 211. 166. 
Mautemdorf, röm. Meilenatein. 140. 
Mauthwesen in Nied.-Oest. 76. 
Meldung, röm. Fundort. 212. 
Melk, röm. Fundort. 148. 193. 212. 341. 
Meaaeraebmidt L. 359. 
Milcberzeugung in Nied.-Oe8terr. 273. 

284. 
Militär-Dienatleiatung, Erleichterung 

für Studierende. 86. 
MiHtär-Einquartierung in Nied.-Oe8t 

85. 
Mifler'acbe Gusaatablfabrik in Set Egjd. 

319. 



Mitbraacultus in Oesterreich. 199. 
Mittelachulen, deren Errichtung. 42. 
Möniebkirehen, Höhenlage. 218. 236, 
Mösendorf, röm. MeilensteiB. 140. 
Municipien, röm., in Oesterreieh. 189. 
Mutenum. 158, 159. 160. 
Mutbmannadorf. 162. 212. 

Namare. 206. 

Neptuncultus. 194. 

Neudörfl. 160. 

Neulengbacb, röm. Fundort 172. 212, 

Neunkircben, röm. Fundort. 162. 212. 

Niederalpel. 311. 313. 314. 

Norieum. Bewachung der Donaustrecke 

162. 
Norieum, keltiacbe Anaiedhingen und 

deaaen Eroberung durch die Römer. 

123. Einrichtungen des K. Claudius. 

127. 
Normalscbulfond. 39. 

Ober-Aigen. 176. 

Oberhollabrunn. Gensdarmerie- und 
Finanzwaeh - Kaaeme. 108. Real- 
gymnasium. 43. 

Oberaberg, Höhenlage. 219. 

Obsteultur in Nied.-Oeat. 272. 276. 

Obstbaumzucht, Hebung derselben. 36. 

Ochsenboden, Höhenlage. 2-19. 

Oed. 162. 173. 179. 

Oedenburr^ (Scarabantia). 136. 156v 
159. ' 

Oehling a. d. Url. röm. Ort. 133. 148. 
179. 18a. 181. 212. 

Oeliabrun. 202. 

Oeser E. 865. 

Oesterreich (Nieder-) zur Römerzeit. 
123. 184. Einrichtungen des K. CHaii- 
dius. 127. Einrichtungen des K. 
Vespasian, 129^. 

Ortner. 807. 

0-Szöny (Brägentium). 138. 

Otterberg, Höhenlage. 218. 

Ottersbauerkreuz. 307. 

Ovilaba (Wels). 190. 191. 



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403 



Pannonien, Vereinigung des V.U. W.W. 
mit demselben. 126. 130. 

Parndorf. 157. 195. 

Pasdorf, röm, Fundort 202. 212. 

Payerbach, Bevölkerung. 235. 

Pechlam. 148. 164. 171. 175. 193. 212. 

Peillenstein, röm. Fundort. 212. 

Penzing, Rettungshaus. 30. 

Perneck. 182. 

Pernitz, röm. Fundort. 162. 212. 

Perschling Bach, Regulirung. 77.173. 

Perwart, röm. Fundort. 195. 212. 

Peter, Set, Bevölkerung. 236. 

Petronell, röm, Standlager. 130. 131. 
198. 199. 200. 212. 

Pferdezucht in Nied.-Oest 273. 

Pflanzen in dem Alpengebiete des 
V.U. W.W. 239. 

Pielach, Fluss-Regulirung. 79. 

Piesting-Fluss. 230. 

Pirus tortus, Römerort. 165. 168. 169. 
170. 172. 182. 207. 

Pischelsdorf. 165. 168. 

Pitten-Fluss. 227. 

Plackles, Höhenlage. 219. 

Politische Verwaltung in Nied.-Oest 
91. 

Polten, Set., röm. Fundort 212. 

Pontario. 200. 

Pottschach, Bevölkerung. 235. 

Prein, Bevölkerung. 235. 

Preinek. 807. 

Preiner Gscheid, Höhenlage. 218. 

Preussischer Krieg. Unterstützung der 
Gemeinden aus Anlass der Kriegs- 
schäden. 18. 

Prüglitz, Bevölkerung. 235. 

Plastik, vrgl. Bildhauerei. 

Polten, St. Errichtung einer Oberreal- 
schule. 42. Deren Umwandlung in 
ein Realgymnasium 43. 

Polten, St, Institut der englischen 
Fräuleins. 87. 

Polten, St, röm. Fundort. 172. 181. 
182. 194. 196. 

Praeses, dessen Bedeutung. 142. 



Pressburg. Arbeiten des Baph. Donner 

359. 360. 
Procutoreä in Oesterreich. 127* 
Puchberg, Bevölkerung. 235. 
PurgstaU. 181. 
Purgum, Römerort 207. 
Purkersdorf, röm. Fundort. 172. 212. 

Raab. (Arrabona). 148. 
Raach, Bevölkerung. 236. 
Rachberg, Höhenlage. 218. 
Rabensburg, Umwandlung des Körner- 

aufgab-Achtelfondes. 13. 
Raetien. 141. 
Raxalpe, örtliche Eigenthümlichkeit. 

222. 223. Ueber deren Besteigung. 

225. 
Realschulen, deren Errichtung. 42. 
Rechberg. 308. 

Regelsbrunn, röm. Fundort. 212. 
Reisalpe. 305. 
Reithof. 307. 

Rettungshaus in Penzing. 30. 
Rinderzucht in Nied.-Oest 273. 248. 
Roggenerzeugung in Nied*-Oest. 272. 

275. 
Rohr, Bevölkerung. 235. 
Rohrerberg, Höhenlage. 218. 
Rübenerzeugung in Nied.-«068t 272. 

276. 
Rüpserzeugung in Nied.-Oestr 273. 

282. 
Rührapoint 176. 

Ruprechtshofen, röm. Fundort. 213. 
Russbach, Regulirung. 79. 

Sabaria. 158. 161. 183. 200. 
Säbelklingen-Fabrikation. 311. 
Saciisengang, röm. Fundort. 202. 213. 
Salblberg, Höhenlage. 218. 
Salzburg. Raph. Donner 358. 
Salzstrasse, alte. 162. 
Sarning. 176. 
Sattelberg. 218. 306. • 
Sattelhof. 307. 



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404 



Scarabantia (Oedenburg). 136. 166. 
159. 160. 161. 183. 

Schafwollerzeugung in Nied.-OeBt. 
273. 286. 

Schallaburg, röm. Fundort. 213. 

Schalladorf, röm. Fundort. 213. 

Scharf enegg, röm. Fundort. 213. 

Schamdorf, röm. Fundort 154. 

Scheiblingskirchen, röm. Fundort. 160- 
213. 

Scheibbs, röm. Fundort. 213. 306. 

Scheibwald, örtliche Eigenthümlich- 
keit. 223. 

Schletterer, L. 358. 

Schneeberg-Alpe, örtliche Eigenthüm- 
lichkeit. 221. Ueber deren Bestei- 
gung. 224. 

Schottwien, röm. Fundort. 213. Bevöl- 
kerung. 236. 

Schulgeld, Bestimmungen über dessen 
Einhebung. 40. 

Schubkosten- Verminderung. 22. 

Schullehrer, Verbesserung der Ein- 
künfte derselben. 40. 

Schulpatronatsgesetz, neues. 38. 

Schulwesen. Regelung des Volksschul- 
wesens. 39. 
Normalschulfond. 39. 
Verbesserung der Gehalte der Leh- 
rer. 39. 
Errichtung von Realschulen. 42. 
Errichtung von Gymnasien. 43. 
Gewerbschulen. 44. 
Gymnasien, geistliche. 44. 
Turnunterricht. 45. 

Schwadorf. 156. 199. 213. 

Schwarza, Fluss. Regulirung. 82. 228. 

Schwarzau, röm. Fundort. 213. 

Schwarzau, Bevölkerung. 235. 306. 

Schwarzenberg, Höhenlage. 219. 

Schwechat (Ala nova). 146. 148. 213. 

Schweinezucht in Nied.-Oest. 273. 286. 

Sebenstein. 160. 

Seidecocons in Nied.-Oest. 273. 

ßeidenzucht in Nied.-Oest. 287. 



Seitenstetten, röm. Fundort. 213. 

Semmering. 162. Höhenlage. 217. 218. 

Semmering. Mauth. 386. 

Septimius Severus, K. 137. 

Siebenbrunnenwiese. 218. 

Siegel der Stifte Melk und Mariazeil. 

341. 
Silvanus-Cultus in Oest. 194. 
Sinzendorf , Reinprecht v. 343. 
Sirinium. 200. 
Siscia. 200. 
Sissek. 200. 

Sonnenwendstein, Höhenlage. 218. 
Spitäler in Nied.-Oest. 51. 
Stampfen, röm. Befestigung. 164. 203. 
Statistik, landwirthschaftliche, deren 

Herausgabe. 33. 
Steier. 180. 
Stein. 163. 

Steinabrückl, röm. Fundort. 162. 213. 
Steinakirchen. 180. 181. 
Steinamanger. 158. 
Stiftungen: für im Krieg Verwundete 

in Nied. - Oest. 87. Plätze in den 

Militär-Instituten. 87. 
Stixneusiedl, röm. Fundort. 157. 199. 

213. 
Stockerau, Hundesteuer. 12. 43. 
Stopfenreut, ödes Schloss. 153. 213. 
Sträflinge, deren Entlassung. 90. 
Strass. 181. 
Strasse von St. Egyd nach Mariazell. 

306. 
Strassen, röm. 151. 
Strassenwesen in Nied.-Oest. 56. 

Landesgesetze in Strassensachen. 57. 
68. 59. 60. 

Einrichtung der Strassenverwal- 
tung. 61. 

Bestand der Strassen zu Ende des 
vorigen und Anfangs dieses Jahr- 
hunderts. 66. 

Stand der Kreisstrassen. 69. 

Neuhergestellte Strassen. 70. 

Entwerfung eines Strass^i^etzes. 70. 

Staatsstrassen. 71. 



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405 



Strassenwesen. Parallele mit dem 
Strassenwesen der anderen Pro- 
vinzen. 72. 
Kosten der Strassen. 75. 

Strengberg. 179. 180. 

Strimling, Höhenlage. 219. 

Strohemte in Nied.-Oe8t. 280. 

Stroherzeugung in Nied.-Oest. 272. 

Strudel, Paul v. 354. 

Strudel, Peter v. 357. 

Tabakbau in Nied.-Oest. 281. 272. 
Tabula Peutingeriana. 151. 
Thaja-Fluss-Regulirung. 77. 78. 
Thrasi-Kogel, Höhenlage. 218. 
Tima. Geschichte des Geschlechtes 

derselben. 327. 
Tragisa, Römerort. 207. 
Trajan K. 135. 
Traisen, Römerort. 207. 
Traisen, Fluss; Regulirung. 79. 304. 
Traisenberg. 304. 
Traisenthal. 301. 302. 
Traismauer, röm. Fundort (Tricesi- 

mum). 136, Neu-Cetium. 146. Fa- 

fiana. 146. 148. 186. 193. 205. 213. 
Transaquincquum. 202. 
Trattenbach, Bevölkerung. 236. 
Trauch. 307. 

Tricesimum, ad (Traismauer). 136. 
Triefel, Höhenlage. 219. 
Trigisamum, Römerort. 164. 165. 166. 

167. 168. 170—172. 180. 182. 183. 

207. 
Tulbing, röm. Fundort. 213.* 
Tuln, röm. Fundort 148. 164. 186. 

206. 213. 
Tullnerbach, Regulirung. 77. 
Tulnerfeld, röm. Fundort 163. 214. 
Tümitz. 307. 
Türnitzer-Höger. 304. 
Turnunterricht, dessen Einfährung. 45. 
Tweng, röm. Meilenstein. 140. 

Ulmerfeld. 181. 
Ulrichsberg. 306. 



Und. 308. 

Unterberg, Höhenlage. 219. 

Unterradelberg, röm. Fundort 172. 214. 

Valentinianus K. 147. 148. 

Venusberg. 173. 186. 

Venusdienst, cyprischer, in Oest. 186. 

Verein fär Landeskunde. Unterstützung 
des Landtages. 45. 

Verzehrungssteuer. Regulirung in Nied.- 
Oest 88. 

Vespasian , dessen Einrichtungen in 
Oesterreich. 129. Vereinigung des 
V. U. W. W. mit Pannonien. 130. 

Viehseuche. Massregeln zu deren ra- 
schen Entdeckung. 33. 

Villa Gai, Römerort. 207. 

Vindobona, Römerort 145. 148. 153 
bis 155. 158. 160—161. 167. 169. 
170. 183. 187. 190. 193. 198. 207. 

Vineas (Ad), Römerort. 207. 

Volksschulwesen, dessen Regelung. 39. 
Normalschulfond. 39. 

Vorauer Alpe, Höhenlage. 218. 

Vordemberg. 313. 

Votivsteine. 193. 

Vösendorf, röm. Meilenstein. 147. 157. 
193. 214. 

Wachserzeugung in Nied.-Oest. 273. 
Waisencassen-Regulirung. 89. 
Wallsee, röm. Fundort. 174. 214. 
Wappen. Feststellung des Tirna'schen 

Wappens. 344. 
Wasserrecht. 91. 
Wasserthal. 307. 
Waxriegel, Höhenlage. 219, örtliche 

Eigenthümlichkeit 222. 
Wechsel, örtl. Eigenthümlichkeit 218. 

223, über dessen Besteigung. 226. 
Weiubauschule zu Klosterneuburg. 34. 
Weincultur, röm., in Oest. 195. 
Weincultur in Nied.-Oest 272. 278. 
Weinhaus. Errichtung der Zwangs- 

Arbeitsanstalt 28. 109. 
Weinland, Revision desselben. 36, 



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406 



Weissjagel, Höhenlage. 218. 

Weizenerzeugnng in Nied. -Oest. 272 
bis 276. 

Wels (Ovilaba). 190. 191. 199. 

Wernstein, Votivsteln. 141. 

Wetterkogel, örtl. lägentbümliekkeit. 
222. 

Weyersdorf. 171. 

Wiederholungs-Unterriebt, dessen Re- 
gelung. 44. 

Wien, röm. Standlager. 129. 130. lai. 
135. 214. 

Wien. Das GescWeeht def Tima. 329. 
St. Stephan. Erbawing der Tima- 
kapelle. 336. Hochaltar. 353. Maria- 
zellerhof. Erklärung des Basreliefb. 
338. 

Wien. Qemeindestatut. Abänderung ein- 
zelner Bestimmungen. 10. 
Gesetz über die Bauaugenscheins- 
taxen. 11. 

Aulhebung der Bllrgerlasten-Relui- 
tionstaxe. 11. 

Gesetz wegen des Ausschenkens al- 
koholischer Getränke. 12. 

Wien, Irrenhaus. 47. Auflassung des 
Irrenthurmes. 49. Verpflegsgebtthren. 
53. 

Gebärhaus. 47. 48. 60. Verpflegs- 
gebühren. 63. 

Findelhaus. 46. 48. Verpflegsgebtth- 
ren. 54. 

Krankenhaus, allg. 50. Verpflegsge- 
btthren. 55. 

Wien, Universität und Polytechnikum. 
Subventionirung der Untersttttzungs- 
yereine durch den Landtag. 45. 

Wien, Donaubrttcke. 73. 

Wien. Civil-Mädchen-Pensionat. 87. 
Theresianum. 87; 

KttBstlerhaus. Beitrag des Landta- 
ges. 87. 



Wien. G^nsd^urmerie-G^bäude im Be- 
zirk Landstrasse. 107. 

Wien. Beitrag zur Geschichte der Pla- 
stik. 347. Denksäule am Hofl 354. 
Dreifaltigkeitssäule am Graben. 354. 
Raph. Domiers Werke. 362. 

Wien. Kirche am Hof. 390. Zur Gto- 
schichte der Jesuiten. 300. 

Wienerberg, röm. Meilenstein. 146. 147. 

Wiener-Neustadt, röm. Fundort 214. 

Wiener - Neustadt. Gemeindestatut, 
neues. 12. 
Hundesteuer 12. 
Oberrealschule. 42. 

Wildungsmauer, röm. Fraport. 154. 
214. 

Wilfleinsdorf. Umwandlung des Kör- 
neraufgabachtelfondes. 13. 

Wirflech bei Neunkirchen. 195. 

Wöllersdorf. 162. 214. 

Wohlthätigkeitsanstalten in Nied.-Oe>t. 
46. Verpflegsgebtthren. 54. 

Wucher und Zinsengesetze. Deren Auf- 
hebung. 89. 

Ybbs. Irrenanstalt. 47. Trennung von 
dem Versorgungshause. 47. Verpflegs- 
gebtthren. 53. 

Ybbs. Regulirung des Flusses. 77. 78. 

Zaya. Fluss. Regulirung. 77. 
Zeillinger. Gewerksbesitzer. 309. 
Zeiselmauer (Cetium) 144. 146. 149. 

163. 168. 169. 190. 204. 214. 
Ziegenzucht in Nied.-Oest. 273. 286. 
Zoologisch-botanischer Verein. Untor- 

sttttzung des Landtages. 45. 
Zuckerfabrication in Nied.-Oest. 292. 
Zwangsarbeitshäuser. Stand derselben. 

27. Errichtung einer Anstalt in 

Weinhaus. 28. 
Zwentendorf. 214. 



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