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B o ught with the income of
THE KELLERFUND
Bequeathed in Memory of
Jasper Newton Keller
Betty Scott Henshaw Keller
Mari AN Mandell Keller
Ralph Henshaw Keller
CarlTilden Keller
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für
Landeskunde yon Nieder-Oesterreicli.
Herausgegeben
Vereine für Landeskunde von Nieder-Oesterreich.
IL Jahrgang.
8—1869.)
IMClt 1 Karte und. 8 Holzsclmltten.
Wien 1869.
Im Selbstverlage des Vereines.
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i\aS H^.h 10 (a)
UNIVERSiTYl
LIBRARY I
f<Ult^ (p) ^
Redigiert von den AnsschussmitgUedern :
A. Becker, A. Silberstein und K. Weiss.
Druck von R. V. Waldheün.
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INHALT.
Seite
Zur Geschichte des n. ö. Landtages in der ersten Wahlperiode
1861—1866 1
Die Bömer orte in Nieder-Oesterreic h, von Dr. Friedrich Kenner«
(Mit einer Karte) 119
Die Alpen im Kreise U. W. W., von Dr. Josef Kr zisch in Neunkirchen 215
Ueber den Fortschritt in dem Betriebe der Bodencultur inNieder-
Oesterreich, von F. W. Hofmann, Wirthschaftsrath 267
Die Fischer'schen Eisenwerke zu St. Egyd am Neuwalde, von
M. A. Becker 299
Die Tirna. Historisch -diplomatische Skizze von Ernst Edl. v. Franzens-
huld. (Mit 8 Holzschnitten) . . - * . . . 325
Raphael Donner. Ein Beitrag zur Geschichte der Plastik in Wien, von
K. Weiss 317
Kleine Mittheilungen.
1. Das Klima zu Baden. Von K. Fritsch 369
2. „ n n Gresten. Von K. Fritsch 375
3. Die Maut am Semmering im Jahre 1545. Mitgetheilt von
M. A. Becker 386
4. Zur Geschichte der Jesuiten in Wien 390
->a>63<t;*^ —
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Zur
Geschichte des n. ö. Landtages
in der ersten Wahlperiode 1861 — 1866.
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In den Landesordnungen, welche im Jahre 1861 — sozu-
sagen parallel mit der Reichsverfassung — durch die Patente
vom 26. Februar verliehen worden sind, wurde den Landtagen
der im Reichsrathe vertretenen Länder theils in Anerkennung der
öflFentlichen Meinung, 'die eine Decentralisierung der Verwaltung
begehrte, theils in Anknüpfung und Nachahmung der altständi-
schen Institutionen ein administrativer Wirkungskreis eingeräumt,
wie sich in den parlamentarischen Einrichtungen anderer euro-
päischer Staaten nichts Aehnliches findet.
Wenn es nun schon von diesem Gesichtspunkte aus gerecht-
fertigt sein dürfte, die Landtags-Thätigkeit näher zu betrachten,
so erscheint dies rücksichtlich der ersten Wahlperiode von um so
grösserem Interesse, als es sich dabei um die eigentliche Besitz-
ergreifung neuverliehener Rechte und in vielen Fällen, je nach
der Interpretation des Gesetzes, um die Restringirung und Erwei-
terung derselben handelte. Wird der Kampf, der in dieser Beziehung
zwischen der Centralgewalt des Staates und den autonomen Lan-
desvertretungen herrschte, auch fortbestehen und wird es stets
die Aufgabe der Regierung sein müssen, scharf zu unterscheiden;
wo die Reichsinteressen einen einheitlichen Vorgang erheischen
und wo ohne Gefährdung der Staatsidee die Administration zu
ihrem eigenen Besten den Ländern übertragen werden kann; so
ist es doch in der Natur der Sache gelegen, dass die diesfällige
Bewegung in der ersten Periode, insolange nicht das richtige
Verhältniss zwischen den beiden Theilen zugewiesenen Geschäften
annähernd hergestellt ist, am grössten sein musste.
Ein weiteres Interesse bietet die nähere Betrachtung der
Landtags-Thätigkeit dadurch, dass dieselbe bei der Unfertigkeit
der Reichsverfassung, sowie bei dem Umstände, als der eine Theil
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der Reichsvertretui^g aus den Landtagen hervorgeht, so recht
eigentlich das Spiegelbild der allgemeinen Zustände ist.
Der im Herzen der Monarchie tagende Landtag bietet das
vorbesprochene Doppelinteresse in erhöhtem Masse, und dadurch
möge diese Arbeit begründet erscheinen. Sie hat sich lediglich
zum Ziel gesetzt, die wesentlichen Momente herauszugreifen und
dabei insbesondere auf die Art und Weise hinzudeuten, wie das
Ministerium 1861 — 1865 durch die fast regelmässigen Ablehnungen
der Gesetzentwürfe, durch Verzögerung der Erledigungen, sowie
durch Widersprüche und Machtsprüche in einzelnen Verfügungen
der Autonomie der Länder auch in rein administrativen Fragen
oft in einer nahezu verletzenden Form entgegentrat und vielleicht
eben dadurch weiter gehende Begehren hervorrief, während das
Ministerium des Jahres 1866, ungeachtet der Sistirung der
Reichsverfassung, den Landtagen in Nebenfragen auflfällig entgegen
kam. Als Gegensatz dieses Vorganges wurde überall, wo in den
Jahren 1867 und 1868 oft ohne jeden Kampf das effectuirt
wurde, was man vordem für unmöglich erklärt hatte, darauf
hingewiesen.
Diese Auseinandersetzungen sind auf Grund der administra-
tiven Thätigkeit gemacht, welche hier in nachfolgende Haupt-
partien zusammengefasst erscheint:
L Gemeinde-Angelegenheiten.
IL Oeflfentliche Sicherheit.
HL Landescultur.
IV. Schul-Angelegenheiten.
V. Sanitäts-Angelegenheiteii.
VI. Strassen- und Wasser-Bauten.
VII. Verschiedene Gegenstände.
VIII. Landes vermögen.
IX. Landes-Verfassung.
Die daraus hervorgehende Leistung des n. ö. Landtages auf
dem Gebiete der Selbstverwaltung ist eine namhafte und seine Hal-
tung in den grossen politischen Fragen eine entscheidende. Die
Einzelheiten sollen dafür sprechen! —
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I Gemeinde -Angelegenheiten.
In Betreff der Gemeinde- Angelegenheiten stehen der Landes-
Vertretung nach der Landes-Ordnung (§. 18 II, Punkt 1) die
näheren Anordnungen innerhalb der allgemeinen Gesetze zu.
Als der Landtag seine Thätigkeit aufnahm, war das Ge-
meinde-Gesetz vom 17. März 1849 in Wirksamkeit*). Nach
demselben waren (§. 74) die Bewilligung zur Vertheilung von
Gemeinde- Vermögen und Gut dem Landtage, dann (§. 79) die
Bewilligung von 15 Procent Umlage auf die directe, und 20
Procent auf die indirecte Steuer, sowie (§. 80) die Bewilligung
zu Darlehen, die das Jahreseinkommen der Gemeinden über-
schreiten, der Landesgesetzgebung vorbehalten. Nun war zwar
durch die Ministerial- Verordnung vom Jahre 1852 diese Wirksam-
keit, insolange eben kein Landtag bestand, der Landesstelle
und die Bewilligung von Umlagen über 20 Procent der indirec-
ten Steuer, sowie von Darlehen den Ministerien des Innern und
der Finanzen vorbehalten. Die Regierung erklärte aber, dass sie sich
nunmehr, nachdem die Landesvertretung ins Leben gerufen ist, dieser
Wirksamkeit enthoben ansehe. Der Landes- Ausschuss hat bei der
unmittelbar nach Schluss der ersten Landtagssession erfolgten
Geschäftsübernahme in Ermanglung eines neuen Gemeinde-Ge-
setzes, sowie auch einer ihm ertheilten Instruction, im Interesse
der Gemeinden und in Anhoffung der Zustimmung des Landtages,
in dem Zeiträume von der 1. bis zur 2. Session, die nach dem
citirten Gemeinde-Gesetze dem Landtage zustehende Bewilligung zu
Veräusserungen von Gemeindevermögen ertheilt und die Gesuche um
Veräusserungen von Gemeindeeigenthum , von höheren Gemeinde-
umlagen und von Darlehen unter seiner Zustimmung und im Ein-
vernehmen mit der Regierung zur A. H. Sanction vorgelegt.
Der Landtag hat diesem Vorgange nachträglich seine Zustimmung
ertheilt. Nachdem aber das in der 1863er Session beschlossene Ge-
meinde-Gesetz die A. H. Sanction nicht erhalten und der Landtag
*) Von dem 1859 erlassenen Gemeindecresetze war lediglich das Capitel
über die Zuständigkeit in Wirksamkeit.
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den Landes-Ausschuss mittelst der inzwischen ertheilten Instruction
bis zum Zustandekommen des neuen Gremeinde - Gesetzes nui*
ermächtigt hatte, die nach dem 1849er Gemeinde-Gesetze ihm
zustehende Bewilligung zu Veräusserungen des Gemeindevermögens
und Gutes und zu Vertheilungen desselben zu geben, so musste
sich der Landesausschuss in dem Zeiträume von der 2. bis zur
3. Session auf die Ertheilung der letzterwähnten Bewilligung be-
schränken und mussten die zahlreichen eingelangten anderweitigen
Gesuche zurückbehalten werden.
Nach dem in der 1864er Session angenommenen und
am 31. März 1864 A. H. sanctionirten Gemeinde-Gesetze ist
die Wirksamkeit der Landesvertretung in Gemeinde-Angelegen-
heiten nachfolgend normirt.
Die Vereinigung von Gemeinden zu einer Ortsgemeinde hat
über ihr Ansuchen und insofeme die Landesstelle aus öflfentlichen
Kücksichten nichts dagegen einzuwenden findet, der Landesaus-
schuss zu bewilligen (§. 2), wogegen die Trennung einer Orts-
gemeinde in zwei oder mehrere Ortsgemeinden mit Rücksicht
auf die Mittel zur Erfüllung des vom Staate übertragenen Wir-
kungskreises nur durch ein Landesgesetz erfolgen kann (§. 3).
Die Veränderung der Grenzen einer Ortsgemeinde hat — ebenfalls
nur, wenn die Landesstelle aus öffentlichen Rücksichten nichts da-
gegen einzuwenden hat — der Landes-Ausschuss zu genehmigen
(§. 4)*). Die Bewilligung zur Vertheilung des Stammeigenthums
unter die Gemeindemitglieder, sowie über die Art der Vertheilung
erfolgt im Wege der Landes-Gesetzgebung (§. 62). Zur Ausschrei-
bung von Gemeindeumlagen, die 20 Procent der djrecten und
25 Procent der indirecten Steuer überschreiten, bedarf es der
Zustimmung des Landes-Ausschusses (§. 80), während dieselbe
zu Umlagen über 50 (zur directen Steuer) und 25 (zur indirecten
Steuer) Procent, sowie zur Einführung und Erhöhung anderer
Auflagen nur durch ein Landesgesetz erwirkt werden kann.
(§§. 80 imd 82.) Die Ueberwachung des Stammvermögens der
Gemeinde bat der Landtag durch seinen ständigen Ausschuss
*) Der Landes-Ausschuss hat dieses Befugniss so interpretirt, dass in den
Fällen, wo ein Einverstandniss zwischen beiden Theilen nicht herrscht, die
Entscheidung nicht von ihm, sondern im Wege der Landesgesetzgebung ge-
troffen wird.
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auszuüben, und ist im Gesetze ausdrücklich vorgesehen, dass
dieser Aufklärungen verlangen, commissionelle Erhebungen an
Ort und Stelle pflegen, und erforderlichen Falles die entspre-
chende Abhilfe treffen kann (§. 90). In den Wirkungskreis des
Landes -Ausschusses gehört femer die Bewilligung zur Veräusse-
rung, Verpfändung und Belastung einer zum Gemeindeeigenthum
gehörigen Sache, dann zur Vertheilung der Jahresüberschüsse
oder deren Verwendung zu Privatzwecken unter und für die
Gemeindemitglieder, sowie zur Aufnahme eines Darlehens oder
Uebernahme einer Haftung in einer Höhe, welche die Jahres-
einkünfte überschreitet (§. 91). Ebenso entscheidet der Landes-
Ausschuss über alle gegen Beschlüsse des Gemeinde-Ausschusses
oder gegen auf Grund solcher Beschlüsse getroffene Verfügungen
des Gemeindevorstandes eingebrachten Berufungen, insoferne es
sich nicht um vom Staate übertragene Geschäfte handelt (§. 92) *).
Die Sistirung von Gemeindeausschuss-Beschlüssen, wodurch der
Wirkungskreis überschritten oder gegen bestehende Gesetze Ver-
stössen wird, steht der politischen Behörde zu, allein sie hat
darüber sofort an die Landesstello zu berichten und dieser kommt
die Entscheidung hierüber „erst nach vorläufiger Einvernehmung
des Landes-Ausschusses" zu (§. 96) ').
Wenn auch beklagt werden muss, dass es sich die damalige
Eegierung gar zu angelegen sein liess, in so vielen Fragen des
Gemeindelebens ihre Ingerenz ^u wahren, so lässt sich doch
nicht leugnen, dass der Landtag auf Grund dieser ihm durch
das Gemeinde-Gesetz eingeräumten Wirksamkeit umsomehr zu
einer sehr eingreifenden Thätigkeit in Gemeinde-Angelegenheiten
berufen war, als es ihm ja auch zukommt, die vom Landes-
Ausschusse getroffenen Verfügungen zu controUiren , und wenn
auch nicht aufzuheben, so doch nach bestimmten Grundsätzen
zu regeln. Die ProtocoUe des Landtages, sowie die an den
*) Berufungen gegen Verfügungen des Gemeindevorstandes, insoferne es
sich nicht um solche handelt, gegen welche an den Landes-Ausschuss zu recur-
riren ist, §. 92, und zwar wegen Verletzung oder fehlerhafter Anwendung be-
stehender Gesetze, sind bei der politischen Behörde einzubringen (§. 97).
•) In den, den Schulausschüssen (siehe Schulangelegenheiten) zukommen-
den Geschäften steht dem Landes-Ausschusse dieselbe Kinflussnahme wie in Ge-
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Landtag vom Landes - Ausschusse für jede Session erstatteten
Berichte weisen eine lange Reihe von Bewilligungen zu grösseren
Umlagen u. s. w. nach. Allein selbstverständlich erfolgten diese
Genehmigungen auf Grund der von den Petenten selbst gemachten
Vorlagen. In nur wenigen Fällen war es möglich, von den Ver-
hältnissen unmittelbare Kenntniss zu nehmen und direct einzu-
wirken, so dass man wohl zugestehen muss, es sei der der
Landesvertretung in Gemeinde-Angelegenheiten zugewiesene Wir-
kungskreis ein zu ausgedehnter, und könne demselben insolange
nicht rasch und eindringlich genug nachgekommen werden, als
nicht die geeignet erscheinenden Organe hiezu auf dem Lande
(grosse Gemeinden- und Bezirks-Vertretungen) vorhanden sind.
Rücksichtlich des Gemeinde- Gesetzes selbst müssen noch die
Gründe angeführt werden, welche die Regierung bestimmten,
dasselbe in der Form, in der es in der 1863er Session beschlossen
war, zur A. H. Sanction nicht vorzulegen. Abgesehen von
der beanständeten Beeidigung der Gemeindevorsteher auf die
Verfassung und von mehreren Bestimmungen über das Verhältniss
der Gemeinden zu den politischen Behörden und über den dies-
föUigen Beschwerdezug, wobei die Regierung gleichfalls nicht zu-
stimmen zu können erachtete, war es aber vorzüglich die in
jenem Gesetzentwurfe zum Ausdruck gelangte Gesammtgemeinde,
in welcher die Regierung einen Widerspruch mit dem Reichs-
Gemeindegesetze vom 5. März 1862 zu finden, und nicht darüber
hinausgehen zu können glaubte, nachdem dem Landtage nach
der Landesordnung nur innerhalb der allgemeinen Gesetze ein
Einfluss auf die Gemeinde- Angelegenheiten zusteht, daher auch
das Landesgesetz nur innerhalb der im Reichsgesetze festgestellten
Grundsätze zu Stande kommen dürfe. Das erwähnte Reichsgesetz
hat die Bildung von Bezirks-Gemeinden vorgesehen, welche
zwischen die Ortsgemeinden und die Landes Vertretungen einzuschie-
ben wären, und durch die der Wirkungskreis der letzteren nament-
lich in Gemeinde- Angelegenheiten wesentlich modificirt wird. Der n. ö.
Landtag hat die Fiage der Bezirks-Vertretungen eingehend erörtert
und hat sich eine ansehnliche Stimmen zahl dafür, die Majorität aber
gleichwohl dagegen ausgesprochen. Als Motiv dieser Ablehnung
wurde der geringe Wirkungskreis angegeben, der nach dem
Reichsgesetze den Bezirks-Vertretungen eingeräumt wurde, und
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der mit den Tuateriellen Opfern, welche damit in Verbindung
wären, in keinem Verhältnisse stünde. Wohl aber schien sich der
Landtag nicht zu verhehlen, dass eine Zusammenlegung von
Gemeinden — nicht blos zur Ausübung des vom Staate über-
tragenen Wirkungskreises — rücksichtlich der ungenügenden
Kräfte in den kleineren Gemeinden sehr wünschenswerth sei,
weil ja nach seinem ersten, von der Regierung nicht sanctionirten
Entwürfe die Gesammtgemeinde constituirt werden sollte. Gleich-
wohl ist er, als bei dem zweiten, sodann sanctionirten Entwürfe
von dieser Idee Umgang genommen wurde, nicht auf die Bezirks-
Vertretungen zurückgegangen und hat sich und seinem ständigen
Ausschusse den ganzen vorbeschriebenen Einfluss vorbehalten. Es
ist jedoch als sehr bezeichnend für diese Frage hervorzuheben,
dass in der letzten Sitzung der Wahlperiode (30. December 1866)
über einen sehr zahlreich unterstützten Antrag der Landes -Ausschuss
beauftragt wurde, 1. bezüglich der Nothwendigkeit und Zweck-
mässigkeit der Errichtung von Bezirks- Vertretungen in Nieder-
Oesterreich Erhebungen zu pflegen, eventuell über deren Organi-
sation und Wirkimgskreis, sowie über die hiedurch etwa nöthigen
Abänderungen der bestehenden Gemeindegesetzgebung vorzu-
berathen und hierüber in der nächsten Session dem Landtage
Bericht zu erstatten; 2. im Einvernehmen mit der k k. Statt-
halterei dahin zu wirken, dass die Bestimmungen der Gemeinde-
Ordnung vom 31. März 1864 endlich in allen Gemeinden Nieder-
Oer,terreich8 durchgeführt werden. Hiermit erklärte der Landtag
am Ende seiner Thätigkeit diese wesentliche Frage nicht nur
neuerlich als eine offene, sondern es liegt auch in diesem Auftrage
eine Anerkennung des Ungenügenden der bis dahin geltenden
Bestimmungen *).
Es erübrigt bezüglich des Gemeinde -Gesetzes noch anzu-
führen, dass der Landtag von der durch das Reichsgesetz ge-
*) Der Landes- Ausscliuss entschied sich für die Bezirks-Vertretnngen und
legte in der 1868er Session einen Gesetzentwurf zu deren Einführung vor.
Der Ausschuss, dem derselbe zur Vorberathung zugewiesen wurde, sprach sich
gleichfalls für Bezirks -Vertretungen aus und legte dem Landtage die Grund-
sätze vor, nach welchen das Gesetz zu redigiren wäre. Nachdem diese Vorlage
aber erst in der vorletzten Sitzung zur Verhandlung kam, musste die Be-
rathung darüber auf die nächste Session vertagt werden.
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währten Gestattung der Ausscheidung der Gutsgebiete
als selbstständige Gemeinden keinen Gebrauch machte , so dass
Nieder- Oesterreich dieser Ausnahmsstellung entbehrt, dass aber
dagegen allerdings eine Bestimmung aufgenommen worden ist,
wornach dem Höchstbesteuerten jeder Gemeinde die Virilstimme
mit dem Rechte der Stellvertretung eingeräumt worden ist. Wenn
auch nicht verkannt werden kann, dass diese Bestimmung wesent-
lich mit Rücksicht auf die bestandenen Herrschaften getroffen worden
sein dürfte, so muss doch auch zugegeben werden, dass dadurch, dass
keineswegs nur der landtafelmässige Grundbesitz oder auch nur
der Grundbesitz allein, sondern die Steuerzahlung (auch von
industriellen Anlagen u. s. w.) überhaupt das Recht der Viril-
stimme einräumt, jeder feudale Charakter dieser Einrichtung
benommen ist Es ist nicht bekannt, dass dieselbe einen Anstand
gefunden habe, im Gegentheile muss zugestanden werden, dass
durch die Virilstimme mancher Gemeindevertretung ein Element
der Intelligenz zugeführt wurde, das namentlich bei kleinen
Gemeinden für dermalen ebenso heilsam wie nothwendig anerkannt
werden muss.*)
Nach dem Reichs -Gemeindegesetze können grössere Städte
und bedeutendere Curorte ihre eigenen Gemeinde-Statuten erhalten.
Selbstverständlich hat diese Bestimmung vor Allem auf Wien Anwen-
dung, da die Verhältnisse dieser Stadt als Hauptstadt der Mon-
archie in der That ganz andere sind. Wien hatte aber das
lange vor dem Inslebentreten des Landtags erlassene Statut vom
9. März 1850. Unerachtet dasselbe nun in mehreren Parthien
durch die inzwischen veränderten allgemeinen Verhältnisse nicht
mehr in Anwendung kommen konnte und hingegen in ande-
ren sich sogar im Widerspruch mit den Grundsätzen des Reichs-
gemeindegesetzes befand , ') haben sich doch weder die Regie-
rung noch der Landtag bestimmt gesehen, diesfalls die Initiative
^) Die Einrichtung der Virilstimme ist dann auch in dem Schulcon-
currenzgesetze vom 12. April 1864 (siehe Schulangelegenheiten) und in den
Strassenconcurrenz-Gesetzen vom 21. Mai 1863 und 13. Dezember 1866 (siehe
Strassen- und Wasserbauten) zur Geltung gekommen.
') Es mag diesfalls nur der Verschiedenheit erwähnt werden, dass in
allen andern Gemeinden des Landes, und zwar in Uebereinstimmung mit dem
Beichs-Gemeindegesetze die Gemeindegenossen das Wahlrecht besessen haben,
während es in Wien nach dem in Geltung befindlichen Gemeindestatute nicht
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zu ergreifen, nachdem die Vertretung der Commune Wien sich
nicht veranlasst sah, den Entwurf des veränderten Statutes selbst
vorzulegen. In einem einzelnen Punkte hat die Gemeinde Wien
aber deraungeachtet eine Abänderung des Statutes beziehungs-
weise Uebereinstimmung mit dem allgemeinen Gemeinde-Gesetze
angestrebt. Während nämlich nach demselben als Bedingung
der Ausübung des Wahlrechtes rücksichtlich der Steuerzahlung
lediglich bemerkt ist, dass die Steuer seit wenigstens einem Jahr
entrichtet werden muss und keineswegs dafür gesorgt ist, dass der-
jenige sein Wahlrecht verliert , der nicht alle Steuerraten entrichtet
hat, war in dem alten Wiener Gemeindestatute dieser Vorbe-
halt allerdings und zwar auch noch mit der Ausdehnung auf
die vollständige Steuerzahlung im Vorjahre aufgenommen. Bei
den schlechten Zeitverhältnissen (1865 und 1866) war in Folge
dessen mehr als '/^ der Wahlberechtigten Wiens ausser Stande
das Wahlrecht auszuüben und veranlasste eben dies den Ge-
meinderath um die Abänderung anzusuchen, die auch in dem
vom Landtage angenommenen und am 8. Juni 1867 A. H. sanc-
tionirten Gesetze ihren Platz fand. Hier mag auch erwähnt
sein, dass über Ansuchen der Commune Wien drei Specialgesetze
vom Landtage angenommen wurden. Es ist dies das Gesetz
über die Regulirung der Taxen bei Vornahme des
Augenscheines bei Baulichkeiten (sanctionirt am 13.
Februar 1866), wodurch eine sehr zweckmässige Zusammen-
fassung der bis dahin bestandenen verschiedenen Taxen, Commis-
sions - und Wagengebühren erreicht wurde. Femer gehört hieher
das (am 15. März 1866 sanctionirte) Gesetz, wornach der Ge-
meinde Wien unter Aufhebung der bestandenen Bürger-
lastenreluitions- Taxe das Recht der Einhebung eines
Zjxschlages von einem Zehntel der vom Staate bei Besitzver-
änderungen eingehobenen Gebühr eingeräumt wurde. In dieser
Fassung wurde das Gesetz in der Sitzung vom 7. Februar 1866
angenommen und am 14. März 1866 A. H. sanctionirt, nachdem
der in der 1864er Session berathene Entwurf, wonach bei allen
Realitäten - Besitzveränderungen in Wien eine selbstständige Vor-
der Fall war. In der 1868er Session ist dieser Widerspruch durch ein in Folge
einer Regierungsvorlage beschlossenes und am 5. October 1866 bereits sanc-
tionirtes Gesetz behoben worden.
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änderutigsgebühr von einem Drittel-Prozent des ganzen Reali-
tätenwerthes , welcher bei Bemessung der Staatsgebühr erhoben
wird, einzuheben gewesen wäre, — die A. H. Sanetion nicht
erhalten hatte. Dasselbe widerfuhr dem gleichfalls vom Gremeinde-
rathe der Stadt Wien erbetenen und vom Landtage in seiner
Sitzung vom 21. Februar 1864 angenommenen Gesetze, wonach
die Wiener Schankwirthe nur in solchen Trinkge fassen alko-
holische Getränke ausschenken sollten, worauf der Kaum-
inhalt in mindestens Yg Mass ausgedrückt ist. Der Gemeinderath
hat übrigens diesen Gesetzentwurf in den beiden noch folgenden Ses-
sionen der Wahlperiode zur neuerlichen Behandlung nicht vorgelegt»
Ausser Wien hat auch noch Wiener-Neustadt ein
eigenes Gemeinde-Statut. Dasselbe wurde am 9. Februar
1866 Seitens des Landtages beschlossen und am 8. August 1866
A. H. sanctionirt *).
Andere Specialgesetze für einzelne Orte des Landes sind —
die Bewilligung von Zinskreuzern u. s. w. ausgenommen — nicht
zu Stande gekommen. Zwar kamen die Gemeinden Atzgersdorf,
Stockerau und Wiener-Neustadt um die Bewilligung zur Ein-
hebung einer Gebühr für das Halten von Hunden
ein; allein der Landtag fand (1865/66er Session) nicht sofort
darauf einzugehen, und beauftragte den Landes - Ausschuss den
Gegenstand von seiner polizeilichen und financiellen Seite und
insbesondere in der Richtung in Erwägung zu ziehen und in
der nächsten Session darüber Bericht zu erstatten, ob es nicht
im öflFentlichen Interesse wäre, durch die Landesgesetzgebung
allgemeine Bestimmungen zu treffen und den Gemeinden für die
von ihnen handzuhabenden polizeilichen Vorkehrungen einen ent-
sprechenden Antheil an der Gebühr zu überlassen.'* Dieser Be-
richt erfolgte jedoch in der darauf folgenden letzten Session nicht,
und da ein neuerliches Einschreiten der Gemeinden an den Land-
tag nicht gelangte, fand derselbe keinen Anlast, nochmals auf
den Gegenstand zurückzukommen *).
') Wegen der bei dem Anlasse vorgenommenen Trennung von kleineren
Gemeinden, trat dieses Gesetz erst mit 6. Februar 1868 in's Leben.
•) In der 1868er Session wurde nicht nur diesen, sondern noch 13
anderen Gemeinden, darunter Wien , eine specielle, jedoch für sie allein ent-
fallende Hundetaxe von 1 — 4 fl. bewilligt. (A. H. sanctionirt am 26. Dec. 1868.)
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Als ein mehrere Orte gemeinschaftlich berührendes Special-
gesetz muss hier noch besonders besprochen werden, das am
8. März 1866 A. H. sanctionirte Gesetz, womit die bei den
Fürst Liechtensteinischen Gütern Feldsberg, Rabensburg und Wilf-
leinsdorf bestandenen Körnerauf gabs-Achtelfon de in Geld-
vorschusscassen für die betreflfenden Gemeinden unter der Ver-
waltung von aus ihrer Mitte gewählten Ausschüssen und
unter der Oberaufsicht des Landes-Ausschusses umgewandelt
wurden. —
In der unmittelbarsten Beziehung zu dem Gemeindeleben
steht auch die Frage der Armenversorgung. Aus Anlass
der Untersuchung, wie dem Landstreicherunwesen (siehe das Ca-
pitel über die öffentliche Sicherheit) gesteuert werden könne, be-
schäftigte sich der Landtag mit derselben wiederholt und ein-
gehend, ohne dass er jedoch zu einem Resultate gelangen konnte.
Die Ursache dieses negativen Ergebnisses war der Streit wegen
Uebergabe der Pfarrarmen-Institute in die Verwaltung der
Gemeinden, beziehungsweise wegen Auflösung derselben dort, wo
die Pfarr- und Ortsgemeinden nicht zusammenfallen. Der darauf
lautende mit einem ausführlichen Gesetze für die Armenpflege
verbundene Antrag wurde von clericaler Seite und eben so auch
in der Richtung bekämpft, dass der Landtag zu einer diesfälligen
gesetzlichen Verfügung nicht competent sei. Unter dem Zusam-
menwirken der Vertreter dieser beiden Anschauungen fiel der
Grundsatz der Uebergabe der Pfarrarmen-Institute in der 1864er
Session und wurde in derselben sodann überhaupt von der Er-
lassung eines Armen- Versorgungs-Gesetzes Umgang genommen.
Dagegen wurde der Landes-Ausschuss damals beauftragt, „ge-
naue Erhebungen über die Beschaffenheit und den Vermögens-
umfang der dermaligen Armen-Institute zu dem Zwecke zu pfle-
gen, damit in der nächsten Landtagssession die Revision der In-
struction für das Armen-Institut vom 24. September 1846 vorge-
nommen und den Gemeinden der ihnen gebührende Einfluss ein-
geräumt werde." *)
*) Nach dieser Instruction hatte die politische Behörde die Oberaufsicht,
während der Ortsohrigkeit die Leitung und die unmittelbare Verwaltung dem
Armeninstituts-Vorsteher zusteht. Dies ist der jeweilige Pfarrer und ihm zur
Seite stehen rücksichtlich der Controle und Mitsperre ein oder zwei Armen-
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Die Regierung stellte das beziigliclie Materiale *) zwar zur
Verfügung, allein sie fand es zugleich für angemessen, in der
nächsten Session mit einem eigenen Gesetzentwurfe entgegen zu
kommen. Derselbe beschränkte sich eigentlich darauf, die er-
wähnte 1846er Instruction theils überhaupt in die Form eines
Väter, die aber von der Obrigkeit ernannt werden. Durch eine nachträgliche
Verfügung traten an die Stelle der Ortsobrigkeiten die k. k. Bezirksämter,
^) Die diesfällige Antwort der k, k. n. ö. Statthalterei führt an:
Im Jahre 1863 bestanden im V. U. W. W. 257 Armen-Institute mit
einem Vermögen von 657,839 fl. 57 kr. an Obligationen und Privatschnld-
scheinen; im V. O. W. W. 192 mit 669.537 fl. 59 kr.; im V. ü. M. B. 347
mit 679.019 fl. 86 kr. und im V. O. M. B. 223 mit 467.302 fl. 32 kr., zu-
sammen 1019 Armeninstitute mit 2,473.699 fl. 34 kr. Im Jahre 1864 hat sich
meistentheils durch neue Legate, theilweise auch durch Fructificirung der
Ueberschüsse vom Jahre 1863 ein Zuwachs von 58.049 fl. 66 kr. ergeben, so
dass das Gesammtvermögen der Armen-Institute mit Ende 1864, 2,531.749 fl. betrug.
Die Einnahmen sämmtlicher Armeninstitute betrugen im Jahre 186^
329.764 fl. 76 kr.
die Ausgaben 228.495 fl. 39 kr.
daher an baarem Gelde mit Ende 1863 noch . . 101.269 fl. 37 kr.
vorhanden waren. —
Ausserdem besitzen die Pfarrarmen-Institute Nieder-0 Österreich^ nebst meh-
reren Grundstücken, Aeckern und Weingärten auch 49 Armenhäuser, wobei
jedoch bemerkt werden muss, dass hier nur jene Armenhäuser angeführt sind,
die den Pfarrarmen-Instituten eigenthümlich gehören , während alle übrigen in
Nieder-Oesterreich noch befindlichen zahlreichen Armenhäuser entweder Eigen-
thum der Ortsgemeinden sind, oder auf speciellen Stiftungen beruhen.
Auch rücksichtlich des Vermögens muss bemerkt werden, dass unter
demselben nur solche Stiftungen begriffen sind, die zu Armeabetheilungen be-
stimmt sind, dass aber ausserdem noch viele Stiftungen bei den Armen-Instituten
bestehen, welche abgesondert von dem Armeninstituts-Vermögen verwaltet wer-
den, wie Stiftungen auf Ausstattungen, unverzinsliche Darlehen, Betheilungen
bei Wasser- und Feuerschäden etc.
Im Jahre 1 825 bestanden im V. U. W. W. 234 Armen-Institute mit 260.680 fl.
und 1 Armenhause; im V. 0. W. W. 157 mit 207.248 fl. und 8 ArmenhSu-
sern; im V. U. M. B. 312 mit 283.238 fl. und 5 Armenhäusern; im V. 0. M. B.
153 mit 179.116 fl. und 2 Armenhäusern; zusammen 85G Armeninstitute mit
930.282 fl. und 16 Armenhäusern, daher im Entgegenhalte mit 1864 sich
im Erzherzogthume Nieder-Oesterreich ein Zuwachs von 163 Armen-Instituten von
1,601.467 fl. am Vermögen und von 32 Armenhäusern ergibt.
Die Pfarrer haben durch Stiftungen viel für die Armen-Institute gethan
Und manche Armen-Institute verdanken ihr Vermögen einzig und allein den
Stiftungen und Erbseinsetzungen der Pfarrer, wie z. B. Zobern, Maria-Schutt,
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15
Gesetzes zu bringen, theils den Gemeinde- Vertretungen einen
etwas ausgedehnteren Einfluss zu gestatten. Insbesondere sollte,
rücksichtlich der Aufsicht (Bechnungsprüfung, Gestattung von Aus-
lagen, die den Betrag von 100 fl. überschreiten u. s. w.) Alles
beim Alten bleiben. Der mit der Berathung dieser Regierungs-
vorlage betraute Ausschuss räumte im Einklänge mit dem
Gemeinde-Gesetze principiell das Becht der Verwaltung der be-
züglichen Gemeinde- Vertretung — fiir den Fall, als mehrere Ge-
meinden bei dem Armen-Institute betheiligt sind einem von den
Gemeinde- Vertretungen gewählten Ausschusse, — die Aufsicht
aber dem Landes-Ausschusse ein. Vorsteher des Armen-Institutes
sollte der Gemeindevorsteher oder der Obmann des von den Ge-
meinde-Vertretungen gewählten Ausschusses sein. Der Pfarrer
sollte das Recht — jedoch nicht die Pflicht — haben, sich an
der Verwaltung des Armen-Institutes, und zwar mit dem Range
unmittelbar nach dem Obmanne, zu betheiligen.
Dieser modificirte Gesetzesentwurf erhielt aber abermals
nicht die Genehmigung des Landtages, indem wieder aus der Na-
Dornbach, Hochneunkirclien, St Carona, Altkettenhof, Schwarzenbach, Heiligen-
reich, Fraukenfels, Lilienfeld, Türnitz, Grafendorf, Scheibbs, St Andrä im
Hagenthal, Bernhardsthal, Dusenhofen, Falkenstein, Steinabrunn, Patzmanns-
dorf, Hagenberg, Gaubitsch, Eggendorf, Bockfliess, Senning, Grosshaselbach,
Burgschleinitz, Stockem, Altmelon, Messern, St. Oswald, Raabs, Spitz, Sitzen-
dorf, Friedersbach und andere.
Was den territorialen Umfang der Pfarrarmen-Institiite im Vergleiche
mit den bestehenden Ortsgemeinden betrifft, so ergibt sich aus den Zusammen-
Ballungen, dass der Bezirk der Pfarrgemeinde, respective des Armeninstitutes
nur selten mit dem Bezirke einer Ortsgemeinde zusammenfallt, indem diess
grösstentheils nur bei Lundstädten und grösseren Marktflecken der Fall ist,
während in der Regel zu einer Pfarrgemeinde zwei bis sechs Ortsgemeinden,
ja zu den Pfarren St. Valentin (Bezirk Aspang), Külb (Bezirk Mank), Neu-
stadt (Bezirk Waidhofen a. d. Ybbs), Gföhl und St Andrä (Bezirk TuUn) je
acht Ortsgemeinden , endlich zu den Pfarren Neunkirchen , Kirchberg am
Wagram und Steinakirchen 10, U und 12 Ortsgemeinden gehören. Auch ge-
hört nicht selten eine und dieselbe Ortsgemeinde ganz oder mit ihren ver-
schiedenen Eatastralgemeinden zu mehreren Pfarren, und es tritt ersterer Fall
bei 10, letzterer bei 43 Ortsgemeinden des Landes ein, und in der Ortsgemeinde
Gross-Probenschlag im Bezirke Qross-Gerungs gehören sogar die beiden Ka-
tastralgemeinden Kronberg und Marchstein zur Pfarre St. Georgen im Walde
in Oberösterreich.
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16
tur der Entstehung der Pfarrarmen-Institute ^) und aus der an-
geblich mangelnden Competenz des Landtages die Gründe ab-
geleitet wurden, welche eine, wenn auch nur geringe Majorität
für den abermaligen Uebergang zur Tagesordnung zu Stande brach-
ten. Noch in derselben (1865/1 866er) Session wurde ein Antrag ein-
gebracht, der Angesichts der zweimaligen Ablehnung der Uebergabe
der Pfarrarmen-Institute auf die Creirung weltlicher Armen-Institute
neben den Pfarrarmen-Instltuten mit den dieselben betreffenden
Einnahmen hinzielte. Allein derselbe kam wegen Kürze der Zeit
in dieser und — vielleicht, weil man doch noch die Uebergabe der
Pfarrarmen-Institute für möglich hielt — auch in der darauf fol-
genden letzten Session nicht zur Verhandlung. Ungeachtet sich der
Landtag demnach in 5 Sitzungen eingehender als mit irgend einer
andern Frage mit der Regelung des Armenwesens beschäftigt
hatte, schloss die Wahlperiode gleichwohl, ohne dass dieselbe
gelöst war *).
Auch die mit dem Gemeindeleben gleichfalls in we-
sentlichem Zusammenhange stehende Frage der Aufhebung
des Eheconsenses kam insoweit zur Sprache, als die Re-
gierung nach §. 19 der Landesordnung das Gutachten des Land-
tages einholte , inwieferne gegen diese Aufhebung in Nieder-
Oesterreich Anstände vorliegen. Der Landtag äusserte sich dahin,
dass solche Hindemisse nicht vorhanden sind *).
*) Die Entstehung der Pfarrarmen-Institute ist nachfolgende: Als Kaiser
Josef II. im Jahre 1782 die sogenannten „Bruderschaften", d. i. „kirchlich gut-
geheissene Vereine zu Andachtsübungen und guten Werken" auflöste und da»
nicht unbedeutende Vermögen derselben — das sie sich „im stillen Gange der
Jahrhunderte" erworben hatten — einzog, wies er die Hälfte desselben den
von ihm gleichzeitig ins Leben gerufenen Pfarr-Armeninstituten zu. Im Laufe
der Zeiten erhielten dieselben durch Schenkungen und Vermächtnisse einen
wesentlichen Zuwachs. Gesetzlich waren ihnen femer die Gebühren für Musik
und Tanz-Licenzen , sowie die von den Gemeinden eingehobenen Strafgelder
zugewiesen.
^) In der 1868er Session wurde der Landesausschuss zur Vorlage des
bezüglichen Gesetzentwurfes aufgefordert Zugleich stellte man aber die Grund-
sätze hiezu fest. Von denselben mögen hier nur die Uebergabe des Pfarrarmen-
Institutes, sowie auch die Vertheilung des vorhandenen Vermögens an die ver-
schiedenen betheiligten Gemeinden erwähnt sein.
') In der 1868er Session brachte die Regierung eine darauf bezügliche
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17
Nicht blos durch gesetzliche Verfügungen allein hat die
Landesvertretung einen Einfluss auf die Gemeinden ausgeübt.
Wiederholt war die Gelegenheit geboten, denselben bei Ele-
mentar- oder s onstigenUnglücksfällen hilfreich zur Seite
zu stehen. In jedem Landesfonds-Präliminare sind Summen zu
diesem Zwecke vorgesehen gewesen und überdies ging keine Session
vorüber, wo nicht über Petitionen, diedirect an den Landtag gelang-
ten, Geldbewilligungen erfolgten. Besonders war dies nach den im
Frühjahre 1862 eingetretenen Hochwasser der Fall, sowie der Land-
tag, als im Jahre 1863 vorzüglich unter den Webern eine grosse
Arbeitsnoth war, den Bau von Strassen in der Gegend von
Gr.-Siegharts, Witis, Scheens und Gmünd bewilligte. Auch wurde
der Bau der sogenannten TuUner Strasse (von Dornbach über
Königstetten nach TuUn) damals mit der Absicht begonnen, um
den Arbeitern von Wien und Umgebung eine Beschäftigung zu
verschaflFen. Insbesondere trat die Landesverti'etung hölfend ein, als
nach wiederholten Missernten, namentlich bei den weinbau-
treibenden Gemeinden, durch den, Ende Mai 1866 eingetretenen
Frost die letzten Hoffnungen vernichtet waren. Nicht nur, dass
der. Bau einer Strasse in der besonders hart betroffenen Gegend
zwischen Langenlois und Krems sofort eingeleitet wurde , so wur
den auch später, als der Ausfall durch die Missemte, namentlich
fiir das V. U. M. B. sich immer bedrohlicher herausstellte, Gelder zum
Ankauf von Saamen bewilligt, um den kleineren Grundbesitzern
zum Anbau einer zweiten Sommerfrucht die Mittel zu geben.
Ebenso machte die Landesvertretung Gebrauch von der in Folge
Allerhöchster Gestattung und Zustimmung des Reichsrathes aus-
gesprochenen Bereitwilligkeit der Regierung behufs Vorstreckung
eines zu Nothstands-Strassenbauten zu verwendenden Darlehens.
Das Land übernahm die Haftung für die Rückzahlung des be-
treffenden Betrages von 300.000 fl., für welche die Bezirksstras-
senfonde als die eigentlichen Schuldner erklärt wurden. 30
Meilen Strassenbauten, grösstentheils im V. U. M. B. — nur
in 2 Fällen im V. U. W. W. und blos in einem Falle im
Vorlage ein. Dieselbe wurde vom Landtage angenommen und das betreffende
Gesetz am 20. September 1868 A. H. sanctionirt.
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V. O. M. B. — wurden begonnen und dadurch den am härtesten
betroffenen Gegenden Beschäftigung gewährt.
Die Unterstützung des Landes wurde aber in diesem un-
gltlcklichen Jahre durch das, ganz Oesterreich erschütternde E r-
eigniss des preussischen Krieges und die in seinem
Gefolge aufgetretenen Uebel nochmals in mehrfacher Richtung
herausgefordert. Das V. U. M. B., und zwar fast ausschliesslich nur
in seiner östlichen Hälfte, musste durch mehrere Wochen fast
die gesammte preussische Armee aufnehmen. Die Feldfinicht, die
Frost und Hagel verschont hatten, und die eben zum Einführen
bereit war, wurde entweder verwüstet oder ging sonst zu
Grund, da sie nicht heimgebracht werden konnte. Das Vieh
wurde genommen. Die mit grosser Heftigkeit ausgebrochene Cho-
lera hielt das Andenken an diesen Krieg — der, so human er
geführt sein mochte, doch mit den peinlichsten und schwersten
Folgen für die Betroffenen verbunden war — durch das Hinweg-
raffen oft der Ernährer der Familien in denselben auch dann
noch fest, als der Feind die Gegend verlassen und seinen Rück-
zug theils direct nach Mähren, theils durch den südwestlichen
Theil des V. ü. M. B. und durch das V. 0. M. B. nach Böhmen ge-
nommen hatte, in allen Orten die verheerende Krankheit mitbrin-
gend und zurücklassend.
Noch war der Feind im Lande, und schon entsendete die
Landesvertretung am ersten Tage als die Passirung der feindli-
chen Vorposten gestattet war, eines ihrer Organe in die bedroht
gewesenen und von der Epidemie verheerten Gegenden, um ihre
Bedürfnisse durch die unmittelbare Besichtigung und Rück-
sprache kennen zu lernen. Die Strassenbauten sind sofort aufgenom-
men worden, und Vorschüsse wurden auch für den Winteranbau
sowie überhaupt im erweiterten Massstabe bewilligt, so dass im Gan-
zen 238.525 fl. 10 kr. flüssig gemacht worden sind *). Ebenso wur-
den die von der Regierung mit Beschleunigung eingeleiteten Mass-
regeln auf Rückersatz der Kriegsschäden, (d. i. eigentlich Ersatz für
*) Dieselben waren selbstverständlich unverzinslich gewährt und sollten
nach der nächsten Ernte rückgezahlt werden. Die Haftung übernahmen die
Gemeinden und obwohl in zahlreichen Fällen Fristen bewilligt wurden, so
war die Gesammtschuld bis Anfangs November 1868 doch schon bis auf
89.072 fl. 4OV2 kr. abgetragen.
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19
die feindlichen Requisitionen und Lieferungen an die Preussen)
energisch gefördert. Auf die Auszahlung der eigentlichen Kriegs-
schäden wurde ebenfalls sowohl vom Landes- Ausschusse als vom
Landtage eingewirkt, allein die Regierung erklärte fllr denselben
nach den bestehenden Vorschriften einen Ersatz nicht leisten zu
können. Das Land konnte dies auch nicht, nachdem ihm ohnehin
durch Leistung der aus dem Landesfonde zu zahlenden Einquar-
tierungs-Entschädigung (siehe Militär - Einquartierung) für dieses
Kriegsjahr eine sehr grosse Last erwuchs, die nicht nur den
vorhandenen Reservefond aufzehrte, sondern auch die Kräfte des
Landes in den nächsten Jahren in Anspruch nahm.
Tief durchdrungen von der grossen Noth des Landes, sowie
von der Ueberzeugung, dass es unter dem Drucke der damaligen,
die nationalen Bestrebungen der Slaven sehr begtlnstigenden Re-
gierung, ein peinliches Gefllhl bei der deutschen, treuergebenen
Bevölkerung Niederösterreichs hervorrufen müsste, wenn eben diese
Provinz bei der von Sr. Majestät dem Kaiser in den vom Kriege
getroffenen Ländern vorgenommenen Reise nicht berührt worden
wäre, — geschahen die erforderlichen Schritte zur Ausdehnung
der diesfälligen Route. Dieselben waren insofern von Erfolg -be-
gleitet, als Se. Majestät geruhten am 9. November 1866 von
Jetzelsdorf nächst Haugsdorf angefangen über diesen Ort, dann
über Laa, Poysdorf, Wilfersdorf, Zistersdorf, Gaunersdorf, Pyra-
warth und Gänsemdorf einen Theil der am härtesten betrof-
fenen Gegend zu besichtigen. Indem ein Theii der Landesvertre-
tung Sr. Majestät an der Landesgrenze zu empfangen und zu
begleiten die Ehre hatte, wurde diese Gelegenheit benützt, die
Aufmerksamkeit des allergnädigsten Landesherm auf die grosse
Hilfsbedürftigkeit dieses Landestheiles zu lenken.
Mit diesem erfreulichen Eindrucke schloss das traurige, dem
Lande tiefe Wunden schlagende Jahr 1866. Aus den Begeben-
heiten desselben mögen hier noch zwei Momente Erwähnung finden,
welche für den Ernst der Zeit wohl am deutlichsten sprechen.
Als durch das Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 17. Juli die
Gemeinden des am rechten Donauufers gelegenen Landestheiles
durch eine Prociamation des Herrn Statthalters zur lebhaftesten
Betheiligung an den Werbungen in der Art aufgefordert wurden,
dass eigentlich alle, die nur immer Waffen tragen können, zu densel-
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ben aufgerufen wurden, da hat sich der Landes- Ausschuss in der
Ueberzeugung von den Nachtheilen, die durch eine Einrichtung für
die Bevölkerung entstehen könnte, welche den Charakter eines
unter völkerrechtlichem Schutze nicht gestellten Landsturmes hat,
ohne unter den bestehenden Verhältnissen einen Nutzen in Aus-
sicht zu stellen, — auf das energischste an die Person des Herrn
Statthalters und des Herrn Staatsministers gewandt, um von
ihnen die Zurücknahme des erwähnten Aufrufes zu erwirken.
Diese Bemühung hatte den erwünschten Erfolg, indem die
Wiener Zeitung vom 18. Juli bereits eine beruhigende Interpre-
tation des erwähnten Aufrufes brachte.
Als das zweite denkwürdige Moment jener Zeit mag femer an-
geführt werden, dass durch eine schriftliche, an Se. Majestät selbst
gerichtete Darlegung die nachtheiligen Folgen, die mit dem Ver-
lassen der Amtsorte Seitens dei; Behörden beim Einrücken des
Feindes verbunden wäre, energisch hervorgehoben wurden, und dass
dadurch die Verordnung zu Stande kam, wonach die Bezirksvorsteher
mindestens bis zum letzten Augenblicke zu bleiben angewiesen wur-
den. Aber auch die Gemeindevorsteher wurden nachdrücklichst zum
Verbleiben an ihren Plätzen aufgefordert, indem ausdrücklich er-
klärt wurde, die Landes Vertretung halte es für ihre Pflicht an
ihrem Platze auszuharren, „komme was da wolle."
Dadurch hat die Landesvertretung ihrem Beruf, den Gre-
meinden in schweren Zeiten ebenfalls treu an der Seite zu sein,
gewissenhaft entsprochen !
II. Oeflfentliche Sicherheit.
Zwar nicht nach einer Bestimmung der Landesordnung,
aber in Folge einer älteren Verordnung hat der Landesfond ver-
schiedene Kosten für Einrichtungen zu tragen, die zur Erhaltung
der öffentlichen Sicherheit bestehen. Hiebei muss aber
bemerkt werden, dass der Landesvertretung keineswegs ein mass-
gebender Einfluss auf diese Institutionen gewährt, sondern lediglich
die Gelegenheit gegeben wurde, bei der Liquidirung dieser Aus-
lagen thätig zu sein.
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So obliegt dem Landesfonde für die Gensdarmerie nicht
nur die erforderlichen Localitäten, sondern auch sämmtliche so-
genannte Bequartierungsbedürfiiisse gegen bestimmte, ziemlich
niedrig bemessene Quartiergelder und Schlafkreuzer, zu beschaflfen *).
In den Zeiten, wo die Gensdarmerie in Oesterreich eine eigen-
thümliche Gewalt nicht nur für die öflfentliche Sicherheit auf den
Strassen war, sondern einen ziemlich weitgehenden Einfluss in
allen Staatsgeschäften übte — war der Begriff der Bequartierungs-
bedürfiiisse ein sehr ausgedehnter und war die vom Landesfonde
diesfalls zu tragende Ausgabe keine unbedeutende. So wurde das
Land zum Ankaufe eines eigenen Gebäudes (in der Wiener Vor-
stadt Landstrasse) um den Betrag von 120.067 fl. und zu einem
Erweiterungsbau desselben mit dem Aufwände von 79.558 fl. 28 kr.
veranlasst. Mit dem 1. September 1860 trat jedoch eine wesentliche
Reducierung der Gensdarmerie ein. Gleichwohl fand man das
erwähnte, dem Landesfonde gehörige Haus noch im Sommer 1861
ganz und gar von Gensdarmerie- Officieren u. s. w. besetzt.
Die Landesvertretung drang nun vorerst auf die Einschrän-
kung der einzelnen Gensdarmerie-Organe auf die ihnen system-
mässig zukommenden Quartiere, und behandelte die überzähligen
Officiere als gewöhnliche Parteien. Dadurch wurde für den
Landesfond ein namhaftes Zinserträgniss erzielt. Ebenso wurde
die Aufhebung der gegen den Wortlaut der Bequartierungs-
vorschrift vorgenommenen Reducierung der Quartiergelder der
Gensdarmerie-Ofificiere wiederholt und so lange angeregt, bis dem
Folge gegeben worden ist. Rücksichtlich der zum Stabe des
Gensdarmerie - Regimentes gehörigen Officiere und Militär-Par-
teien participirten noch diejenigen Kronländer, über welche das
Regiment ausgedehnt war. Bei eingehender Prüfung stellte sich
heraus, dass circa 17.000 fl. Herstellungskosten aus der Periode
1859 — 1861 diesen Ländern noch gar nicht zugerechnet waren.
Die Landesvertretung erzielte die Einzahlimg dieses Betrages.
Vor Uebernahme der Verwaltung des Landesfondes wurden
einerseits die demselben aus dem Titel der Gensdarmerie-Ein-
*) A. H. EntSchliessung vom 25. Juli 1851, £rlass des k. k. Ministerium
des Innern vom 1. August 1851, Z. 16970, und der k. k. Statth. vom 17. August
1851, Z. 26530, publiciert im Landesgesetzblatt Nr. 258, pag. 583.
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quartierung gebührenden Einnahmen direct abgeführt und ander-
seits die Bedürfiiisse ebenso bestritten. Dadurch vergrösserte sich die
bezügliche Geschäfts-Gestion. Die Landesvertretung bestimmte nun,
dass die sogenannten Bequartierungsbedürfhisse pr. Kopf und Mann
fixirt werden, und überliess sodann die erwähnten Einnahmen dem
Gensdarmerie-Commando als Geldverlag gegen weitere Verrechnung
am Ende des Jahres, wo sich sodann die Höhe der Aufzahlung leicht
bestimmen liess. Durch diese Pauschalirung wurde allen weitergehen-
den Wünschen vorgebeugt. Die Miethzinse für die Postens-Casemen
wurden direct vereinbart und bei den Steuerämtem angewiesen.
Durch diese unmittelbare Verhandlung war die Möglichkeit einer
Einwirkung auf Herabminderung der Zinse geboten und gelangte
der grössere Theil des zu Gensdarmerie - Bequartierungszwecken
geleisteten Landesfonds-Beitrages direct an die Partheien. Diese Ein-
richtungen verringerten das früher nicht unbeträchtliche Geschäft
sehr, so dass sich mehrere Provinzen darum anfragen und das k. k.
Staatsministerium selbst sich bestimmt fand, das betreffende System
allen Kronländern zu empfehlen. Allein der wesentlichste Vortheil
lag nicht blos in der Einfachheit des Verkehrs mit der Gensdarmerie
und in der Verrechnung, sondern insbesondere in der grösseren
Billigkeit, da nur bei dem Principe der Einzelpauschalirung
eine einfache aber ausreichende ControUe auch Seitens der mit den
militärischen Verhältnissen nicht bekannten Civilstelle möglich war.
Der beste Beweis für die Zweckmässigkeit dieser Verfü-
gungen liegt wohl darin, dass die vor der Vereinbarung mit
40.020 fl. angemeldete Anforderung fiir das Jahr 1861/62 sich
auf Grund derselben mit 12.360 fl. und in den folgenden Jah-
ren sogar noch wesentlich niedriger herausstellte.
Die für Gensdarmerie-Bequartierung getragenen Kosten betru-
gen 1861: 40.020 fl., 1862: 12.360 fl., 1863 13.630 fl., 1864:
9975 fl., 1865: 9635 fl. und 1866: 11.532 fl.
Ebenso ist der Landesfond zur Bestreitung der mit dem
Schub verbundenen Kosten verpflichtet*). So wenig der Land-
*) Erlässe des Ministeriums des Innern vom 17. Febr. 1858 Zahl 23992
(Particular-Schab) und 23. April 1858, Zahl 7479 (Hauptschub), dann der k. k.
Statth. vom 21. Mai 1858, Zahl 19896 (Particular-Schub) und 21. October 1858,
Zahl 46820 (Hauptschub).
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23
tag die Institution des Schulwesens in Schutz zu nehmen geneigt
war, so musste doch bei dem bedeutenden Aufwände, den derselbe
verursachte. Alles aufgeboten werden, um denselben nur auf das
Nothwendige zu beschränken. Insbesondere Veranlassung dazu gab
der von Wien nach Znaim, Wittingau, Graz, Lijiz und Press-
burg abgehende Hauptschub *), mit welchem die dazu notionirten
Individuen an bestimmten Tagen der Woche mittelst Wagen (oder
Eisenbahn) abgegeben werden, im Gegensatze zu dem Particular-
Schub, durch welchen die zur Weiterbeförderung bestimmten
Schüblinge unmittelbar nach ihrem Einlangen, u. z. in der Regel
zu Fuss und jedenfalls nur bis zur nächsten Schubstation abge-
sendet werden.
Das Schubgeschäft ist einer eingehenden Beobachtung und
Prüfung unterzogen worden und wurden in Folge dessen eine
Reihe von Uebelständen constatirt. Von denselben sollen hier
nur einige hervorgehoben werden. So wurde der mährische
Hauptschub mittelst Wagen innerhalb zweier Tage nach Znaim
befördert, ungeachtet es schon Jahre lang hindurch möglich gewesen
wäre, die Eisenbahn nach Lundenburg zu benützen. Durch diese
Einführung allein wurden für die Folge jährlich circa 6000 fl.
erspart Für den mittelst Eisenbahn abgehenden Wiener Haupt-
schub wurden die bis zu und von den Bahnhöfen benutzten
Wagen so hoch berechnet, dass je zwei Schüblinge um den-
selben Betrag leicht in separaten Lohnwagen, dahin hätten
befördert werden können. Bei den diesfalls angeordneten Licita-
tionen wurde so ein Nachlass erzielt, dass künftighin diese Aus-
gäbe statt mit 4000 fl. mit 15 — 1600 fl. bestritten werden konnte.
Die wesentlichste Ausgabe, mindestens beim Hauptschub, ver-
ursachte die Bekleidung. Dazu kam noch, dass sich in dieser
Post insbesondere in den letzten Jahren eine auffällige Steigerung
der Auslagen ergab. Die Ursache wurde darin gefunden, dass die
Schüblinge oft in einer Weise ausgestattet worden sind, wie dies
ihren sonstigen Verhältnissen nicht entsprach. In dieser Beziehung
wurde nun dafür gesorgt, dass sich diese Kleiderbetheilung auf
^) Die Kosten für den Hauptschub hatten sich in den unmittelbar vor-
ausgegangenen Jahren um 30,000 fl. (!) gesteigert.
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das richtige Mass beschränke *). Aber auch dem constatirten Uebel-
stande, dass Kleider ausgetheilt worden sind, wo die Schüblinge die
. ihrigen ohnehin besassen, wurde durch die principielle Verfügung
vorgebeugt, dass künftighin gleich bei der Notionirung, also von
der ersten dae Schuberkenntniss fällenden Behörde, die Frage der
Betheilung und des Ausmasses derselben entschieden wird und
nicht zu einer Zeit, wo das, was der Schübling bei sich hat,
aus Speculation verheimlicht werden kann, und ebensowenig unter
Einflussnahme der Diener u. s. w., welche die Schubkleider selbst
beistellen oder doch den von den Contrahenten beigestellten Vor-
rath in Aufbewahrung haben , und in deren Vortheil daher der
grössere Absatz lag. Auch die Verfugungen, dass die Kosten für die
Anhaltung der aufgegriffenen Individuen, insolange nicht für den
Schub verrechnet werden dürfen, als nicht das Schuberkenntniss
gefällt ist, dann dass die Auslagen, welche durch eine unrichtige
Instradierung erwachsen, von der schuldtragenden Behörde ersetzt
werden, haben die Schubauslagen nicht unwesentlich herabgemin-
dert. Durch diese und eine Anzahl anderer hier nicht weiter au£&u-
führenden Verordnungen, die in der gemeinschaftlich mit der k. k,
Statthalterei erlassenen Kundmachung vom 30. November 1862
publicirt worden sind, wurde im Jahre 1863 ein Ersparniss
von 19.175 fl. gegen das Vorjahr erzielt. Dieses Mindererforderniss
betrug 1864: 22.506 fl., 1865: 20.249 fl. und 1866: 20.622 fl. —
Als das wesentlichste Hinderniss einer noch namhafteren Kostenher-
abminderung für den Schub wurde Seitens der Landesvertretung
erkannt, dass nicht die Landesfonde der Heimatländer, und ins-
besondere nicht die Heimatgeraeinden bei den Schubkosten be-
theiligt sind, nachdem dieselben bei dem bisherigen Stande der
Dinge gar kein Interesse an der Kostenfrage haben, sondern
vielmehr oft Mitursache sind , dass die kaum nach Hause Gelangten
sich wieder auf die Wanderung begeben. Ebenso wurde es auch
als ein Uebelstand bezeichnet, dass die Schüblinge, selbst auch
^) Ungeachtet so bedeutende Beträge für diese Schubkleider verrechnet
wurden, waren dieselben doch nur von schlechten Stoffen und namentlich
gegen die Winterkälte keinen Schutz bietend. Obwohl nun die Landes-Ver-
tretung die Vertheilung der Kleider einschränken musste, so wurde doch an-
derseits die Anschaffung von Mänteln und Filzschuhen und deren Rücknahme
durch die heimkehrende Schubbegleitung angeordnet.
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in dem Falle, als sie eiüen Besitz haben, zu den Schubkosten
nichts beitragen. Allein bei dem Umstände, als gegen diese An-
stände im administrativen Wege nicht vorgegangen werden konnte,
war die Möglichkeit nicht vorhanden, gleichzeitig eine Abhilfe zu
treflfen ^). Ausserdem wurde aber durch Fixierung der einzelnen Aus-
lagen die früher üblich gewesene Feilbietung der Leistungen für
die Schubstationen auf dem flachen Lande, die sich bei dem
Mangel an Concurrenz nicht als vortheilhaft erwiesen hatte, ent-
behrlich gemacht*). Durch die Stabilität der Gebühren, dann
dadurch, dass die Schubstationen vorher Geldverläge erhielten,
die dann mittelst Jahresrechnungen geprüft tmd erledigt werden,
wurden die früher ziemlich umfangreich gewesenen Amtsgeschäfte
wesentlich vereinfacht.
Die für das Schubwesen in der citirten Verordnung u. s. w.
getroflfenen Bestimmungen fanden in anderen Provinzen Nach-
ahmung, wie z. B. die erstere Verordnung fast wörtlich in der
bezüglichen Kundmachung der k. k. Statthalterei für Steiermark
im Einvernehmen mit dem dortigen Landes-Ausschusse aufge-
nommen worden ist
Im Uebrigen hat sich die Landes- Vertretung rücksichtlich
der bestehenden Schubrouten und insbesondere auch wegen häufi-
gerer Anwendung des Zwangspasses (gebundene Marschroute)
wiederholt an die k. k. Statthalterei gewendet und dieselbe auch
um die Einwirkung auf die notionirenden Behörden angegangen,
dass nur in den Fällen unumgänglicher Nothwendigkeit mit dem
Schuberkenntnisse vorgegangen werde.
Die für den Schub getragenen Kosten betrugen 1861 :
115.869 fl., 1862: 99.866 fl., 1863: 86.613 fl., 1864: 113.935 fl.,
1865: 92.882 fl. und 1866: 87.120 fl.
'Gensdarmerie und Schub sollten dem sehr überhand neh-
') Das Reicbsgesetz vom 12. Mai 1868 (seit 1. Juli 1868 in Wirksam-
keit) und das auf Grund desselben in der 1868er Landtagssession berathenen
und am 20. Sept. 1868 A. H. sanctionirte Landesgesetz über Antheilnabme mit ,
dem fünften Theile der Kosten Seitens der n. ö. Heim<atsgemeinden haben
diese Grundsätze grössten Theils zur Geltung gebracht.
•) Nachdem sich unter den Verpachtungs-Objecten auch die Schubbe-
gleitung befand, dieselbe aber wohl kein Gegenstand der öffentlichen Feilbie-
tung sein sollte, so empfahl sich eine Abänderung auch aus diesem Grunde,
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menden Bettel-Unwesen steuern. Bereits in der IL Session
beschäftigte sich der Landtag mit der Untersuchung der vorzüg-
lichsten Ursachen dieser, namentlich fftr die in den gebirgigen
Theilen des Landes zerstreut liegenden Häuser höchst peinlichen
Landplage. Man anerkannte , dass nur durch die Combination
melirerer Massregeln Abhilfe getroffen werden kann. Als eine
solche Massregel sah man die Regelung der Armenpflege imd
die selbstständige Stellung der Gemeinden bei der Verwaltung
der bisher ihrer freien Verfügung entzogenen Pfarrarmen-Institute
an. Wie bereits erwähnt (siehe Gkmeinde-Angelegenheitön) , fiihrten
die wiederholten Berathungen von darauf bezugnehmenden Gesetz-
entwürfen zwar in der Wahlperiode zu einem Resultate nicht,
allein, wie ebenfalls schon gesagt, ebneten sie den Boden, damit
mindestens später ein solches erzielt werden könne.
Als weitere Massregeln gegen die „Vagabundage" erkannte
der Landtag auch die Vermehrung der Gensdarmerie-Mannschaft
und deren zweckentsprechendere Verwendung durch die politische
Behörde, der sie nicht ausreichend unterstellt war, dann eine
gesetzliche Verfügung, wodurch das Mitnehmen der Kinder in
schulpflichtigem Alter von Seite der arbeitenden Classe auf die
Wanderschaft geregelt werde, endlich um eine eben solche An-
ordnung, dass ftir die Arbeiter die Arbeitsbücher als Wander-
bücher eingeführt werden. Obwohl diese beiden letzten Wünsche
geradezu in der Form ausgesprochen waren, die Regiertmg werde
angegangen,* die bezüglichen Gesetzesvorlagen in der nächsten
Reichsrathssessioii einzubringen, so geschah dies doch nicht, ist
dem Landtage aber auch nicht bekannt gegeben worden, welche
Hindernisse dem entgegen gestanden sind.
Auf ein Mittel, als vorzüglich geeignet, arbeitsscheue Indi-
viduen zeitweise anzuhalten, sie vielleicht auch zu bessern, d. i.
auf den Bestand zweckmässig eingerichteter Zwangsarbeits-
häuser wurde gleichfalls hingewiesen, und ist diesfalls ein in
seinen Folgen vielleicht sehr massgebender Beschluss gefasst
worden. Vor der Besprechung desselben muss aber angeführt
werden, was in dieser Richtung von der Landes-Vertretung schon
vorgefunden wurde. Die Nothwendigkeit der Anhaltung solcher,
der öffentlichen Sicherheit durch ihre Arbeitsscheu schädlichen
Leute war der Regierung allerdings auch in der früheren Zeit
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nicht entgangen. An Stelle der in Wien bestandenen, aufgelösten
Besserungsanstalt wurde die Unterbringung derartiger arbeits-
scheuer Individuen für Rechnung des Landesfondes in Zwangs-
arbeitsanstalten eingeflihrt *). Während man in verschiedenen
Provinzen auf die Errichtung solcher selbstständiger Institute
hinwirkte, die denn auch beim Inslebentreten der Landes -Vertre-
tungen, entsprechend ihrer Dotirung, von diesen in die eigene
Verwaltung übernommen worden sind, geschah dies in Nieder-
Oesterreich nicht Man begnügte sich hier, Abtheilungen der
Straf hau ser dazu zu verwenden. Eine der zu diesem Vorgange
drängenden Ursachen mag auch das in dem nicht unbeträchtlichen
Betrage von 115.000 fl. CM. der geistlichen Congregation der Frauen
zum guten Hirten gewährte unverzinsliche, in Monatsraten von
630 fl. ö. W. rückzahlbare Darlehen gewesen sein, nachdem
dadurch die Kräfte des Landesfondes zu diesem Zwecke bereits
in Anspruch genommen worden sind*). Mit der genannten Congre-
gation wurde nämlich von der Staatsverwaltung in den ISöOer-
Jahren ein Vertrag zur Unterbringung weiblicher Sträflinge und
Zwänglinge abgeschlossen. Die Congregation kaufte das fürst-
erzbischöfliche Schloss Neudorf nächst Mödling. Zur Adaptirung
und theilweisen Auszahlung des Kaufschillings wurde nun jenes
Darlehen bewilligt. Dort waren demnach die nach Nieder-Oester-
reich zuständigen weiblichen Zwänglinge untergebracht Die
männlichen Zwänglinge au« Nieder-Oesterreich hingegen befanden
sich ursprünglich in einer Abtheilung der Strafanstalt in St^in.
Als dort Platzmangel eingetreten war, gab man sie in die
Zwangsarbeitsanstalt nach Brunn, und als auch dort Raummangel
eintrat, nach Karlau nächst Graz, endlich nach Laibach. Für den
Fall, als auch dort eine UeberfüUung eintreten würde, waren
bereits die Anstalten in Prag und Lemberg in weitere Aussicht
genommen.
Sowie bei der Gensdarmerie die Bequartierungs- und beim
Schub sämmtliche Kosten, so wurde der Landesfond seiner Zeit
^) A. H. EntSchliessung vom 22. November 1855, Erlass des Ministe-
riums des Innern vom 15. December 1855, Zahl 27648 der k. k. Statthalterei.
*) Die Landesvertretung fand dieses im Jahre 1855 gewährte Darlehen
im Jahre 1861 nicht grnndbücherlich sichergestellt, drang jedoch darauf.
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auch verpflichtet, dieselben für die Zwänglinge zu tragen. Bei
dem Abgange eigener Anstalten in Nieder-Oesterreich, hatte dies
nur Anwendung bezüglich der Transportskosten, dann der Aus-
trittsgelder bei der Neudorfer Anstalt *), von der Ausstattung
mit Kleidern bei den entlassenen männlichen Zwänglingen, und
endlich hinsichtlich der Verpflegsgelder selbst. Dieselben wurden,
was die männlichen Zwänglinge betriflft in Karlau mit 43% kr.
per Kopf und Tag vorgefunden. In Laibach wurden sie dagegen
bis auf 52 kr. gesteigert. Nach längeren Unterhandlungen wurden
sie dann auf 45 kr. herabgemindert. In Neudorf fand man sie
mit 47 y^ kr. bemessen. Durch fortgesetzte Unterhandltmgen ge-
lang es, sie auf 45, dann 42 und endlich 35 kr. herabzumindern ').
Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Arbeitskraft der
Zwänglinge den Anstalten ganz zu gut kam, so dass diese Ver-
pflegsgebtihren eigentlich höher waren *).
Der Umstand nun, dass, nach der Berechnung der Verpflegsge-
bühren zu schliessen, der Zweck „ Anhaltung der Zwänglinge zur Ar-
beit j das ist Beseitigung des Uebelstandes, wegen dessen sie den
Anstalten übergeben wurden,^* nicht in's Auge gefasst wurde, be-
stimmte den Landtag zu dem Beschluss eine eigene Zwangs-
arbeits-Anstalt in Nieder-Oesterreich zu errichten. Dieselbe sollte
auf der Grundlage errichtet werden, dass der Zwängling in der
Anstalt nur die noth wendigste Nahrung*) erhalte und dass er
gezwungen werde, sich durch die ihm zugewiesene Arbeit einen
*) Jeder Entlassene weibliche Zwängling erhalt 3 fl. zur Bestreitung
nothwendiger Auslagen unmittelbar nach seiner Entlassung.
*) Mit Rücksicht auf diese nachträglichen Zugeständnisse erscheint wohl
die Behauptung gerechtfertigt, dass sich der Landesfond die Rückzahlungs-
raten auf das angefahrte unverzinsliche Darlehen durch diese höheren Ver-
pflegsgebühren mindestens zur Hälfte während der ersten 5 — 8 Jahre selbst
bezahlte (die andere Hälfte entfiel aber keineswegs auf die Congregation, son-
dem auf den Staat, der für die Sträflinge ebenfalls zu hohe Verpflegsgebüh-
ren leistete).
•) In der Neudorfer Anstalt wurde diese Arbeitskraft nach einem schrift-
lichen Berichte der Oberin der Ck)ngregation allerdings nur mit Yj^q oder ^'/i^^ kr.
per Kopf und Tag berechnet.
*) Das ist eine nahrhafte Suppe some l Pfund Brot.
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Verdienst und damit eine über dieses Mass des Nothwendig-
sten hinausgehende Kost zu erwerben. Hievon sollten die ersten
8 Tage und die Zeit der Erkrankung ausgenommen sein.
Für jedes Stück fertiger Arbeit sollte der Zwängling nach
Abzug der Kosten für die erwähnte Nahrung und von 5 kr.
per Tag flir Kleider- und Wäschbenützung den Arbeitslohn
baar ausgezahlt erhalten. Der Zwängling soll sich demnach
in der Anstalt, so weit dies eben erreichbar ist, selbst erhalten
und soll dadurch wieder an die Arbeit gewöhnt werden. Der
Landtag beschloss jedoch vorläufig nur den Versuch mit 100
männlichen Zwänglingen zu machen, um sodann je nach der in
den ersten Jahren gewonnenen Erfahrung mit einer Erweiterung
vorzugehen; demgemäss sollte ein Gebäude hiezu auch nur ge-
miethet werden. Davon wurde jedoch wegen der bedeutenden
Adaptirungskosten später Umgang genommen und ein eigenes
Gebäude in dem Wiener Vororte Weinhaus eigenthümlich erwor-
ben ^). Dieser Kauf konnte erst im Jahre 1866 zu Stande ge-
bracht werden und erst in der letzten Session der Wahlperiode
wurde die Adaptirung des gekauften Gebäudes beschlossen, nach-
dem auch inzwischen die Vereinbarung mit der Regierung über das
Organisations-Statut mit Involvirung des Principes der Selbster-
haltung, dann über die Sonntagsheiligung u. s. w., sowie über
die Ernennung des Directors (dieselbe geschieht von der
Landesvertretuug, die Bestätigung aber steht der Regierung zn)
getroffen war.
Die Erjwobung dieses Systems und seiner Nachwirkungen auf
das Landstreicher-Unwesen wird erst in der nächsten Wahlperiode
erfolgen können. Es dürfte hier jedoch am Platze sein, zu bemerken,
dass bei diesen Beschlussfassungen von vielen Seiten gewichtige Be-
denken gegen die Zulässigkeit der zwangsweisen Anhaltung ohne
richterliches Urtheil und zwar auf unbestimmte Zeit — nament-
lich mit Rücksicht auf das Reichsgesetz über den Schutz der
persönlichen Freiheit vom 27. October 1862 vorwalteten *). Nur
') Es ist dies der sogenannte Klosterhof mit einem alten 7649 Qua-
drat-Klafter grossen Garten. Der Kaufpreis betrug 44,000 fl., die Adaptirungs-
kosten beziiferten sich mit 35,690 fl. (Einrichtungskosten: 18064 fl).
•) Diese Bedenken werden wohl bei Verfassung des Polizei-Strafgesetzes
behoben werden. Bis dahin wurde denselben wesentlich gesteuert durch das in
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die practische Rücksicht auf das Begehren des flachen Landes
nach einer solchen Detentions-Anstalt bestimmte den Landtag
gleichwohl zu diesem Beschlüsse.
Zu erwähnen ist ferner noch, dass aus dem Landesfonde
auch die Kosten für die Unterbringung verwahrloster Knaben
in dem diesfälligen, aus den Mitteln eines Privatvereines errich-
teten Rettungshauses zu Penzing (per Kopf 150 fl., später
200 fl. im Jahre) bestritten wurden.
Die Anzahl der in diesen verschiedenen Zwangshäusem un-
tergebrachten Zwänglinge betrug während der 6 Jahre der Wahl-
periode
Männer
Weiber
Knaben
1861
: 264
121
7
1862
206
149
9
1863-
78
52
12
1864:
136
57
17
1865:
105
63
14
1866:
66
85
15.
Die vom Landesfonde dafür getragenen Kosten betrugen
im Jahre 1861: 83768 fl., 1862: 66026 fl., 1863: 55443 fl., 1864:
42768 fl., 1865: 29874 fl. und 1866: 29487 fl.
Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass die Notioni-
rungen sowohl zum Schub als zur Anhaltung in einer Zwangs
arbeits-Anstalt den politischen Behörden vorbehalten blieb, daher
der Landesvertretung in diesen Angelegenheiten sowie bezüglich
der Gensdarmerie, wie bereits gesagt, eigentlich nur die Kosten-
bestreitung und daher nur indirect im Wege derselben, eine Ein-
flussnahme auf die Regelung der öffentlichen Sicherheit zukam.
der 1868er Session beschlossene und am 25. Oetober 1868 A. H. sanctio-
nirte Landesgesetz, betreffend die Anhaltung gemeinschädlicher Personen,
Durch dasselbe wurden die veralteten Bestimmungen in eine klare Form zu*
sammengefasst, und mehrere neue Anordnungen getroffen, so dass nunmehr die
in eine Zwangsarbeitsanstalt abzugebenden Personen genauer bezeichnet sind,
(so z. B. sind Personen davon ausgeschlossen, die auch zu leichteren Arbeiten
nicht geeignet sind, wogegen Schubrevertenten allerdings aufgenommen werden
können,) ferner dass ihnen die Möglichkeit des Recurses geboten ist, dann
dass die Gemeinden die reinen Yerpflegskoston zu tragen, dagegen auch bei
der Abgabe und Zurücknahme eine Ingerenz haben, insbesondere aber, dass
das Maximum der Zeit der Notionirung angegeben ist.
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III. Landescultur.
Wenngleich die Landesordnung (§ 18 I. Punkt 1) die
Landescultur unter denjenigen Gegenständen aufzählt, bezüg-
lich deren „alle Anordnungen" — also nicht mit der Beschrän- »
kung „inner den Grenzen der allgemeinen Gesetze" — dem
Landtage zustehen, so war auch hier ein Competenz- Bedenken
die Ursache, dass es in der wesentlichsten Frage zu keiner
Entscheidung kam. Die Landesvertretung verkannte näm-
lich nicht, welche Fesseln der Bodencultur durch den Bestif-
tungszwang auferlegt werden. Sie sprach sich auch am
10. Mai 1864 für Aufhebung des Bestifkungszwanges aus, allein
ersuchte zugleich die Regierung die bezügliche Gesetzesvorlage,
was das Prinzip und ebenso was die Aufhebung der über die
Erbfolge und Erbtheilung bei Bauerngütern in dem kais. Patente
vom 29. December 1790 enthaltenen Bestimmungen betrifft, bei dem
engeren ßeichsrathe, und nur die Regierungsvorlage bezüglich
der Durchführung der Aufhebung des Bestifkungszwanges beim
Landtage einzubringen. Die Regierung kam diesem Wunsche nicht
nach und nachdem durch die eingetretene Verfassungssistirung
das Zusammentreten des Reichsrathes ganz in Frage gestellt
war, erklärte sich der Landtag am 10. Februar 1866 selbst
zur Lösung der Frage für competent, indem er einen, die Auf-
hebung des Bestiftungszwanges und der bäuerlichen Erbfolge u. s. w.
umfassenden Gesetzes-Entwurf beschloss, welchem jedoch wegen
Aufnahme der letzteren, auch von der damaligen Regierung der
Competenz des Reichsrathes vorbehaltenen Bestimmung, die A. H.
Sanction nicht zu Theil wurde. Ebensowenig Erfolg erzielte
der Landtag mit seinen Bestrebungen, die in landwuihschaft-
licher Beziehung hochwichtige Arrondirung einerseits über-
haupt gesetzlich zu regeln, anderseits die thunlichsten Er-
leichterungen bei vorkommenden Grundtauschfällen zu schaffen.
Am 10. Mai 1864 wurde die Regierung wegen Einbringimg
der bezüglichen Vorlagen angegangen und wurden zugleich die
Grundsätze ausgesprochen , nach denen dabei vorzugehen wäre.
Am 10. Jänner 1866 wurde dieser Antrag erneuert. Allein
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auch in dieser Beziehung sah sich die Regierung zu einem Vor-
gehen nicht veranlasst. Die Wahlperiode wurde demnach ge-
schlossen, ohne dass in diesen Hauptfragen der Landwirthschaft
ein Schritt zum Besseren wirklich geschehen wäre. Gleichwohl
darf man behaupten, dass die diesfalls geführten Verhandlungen
nicht fruchtlos waren und dass sie vorbereitend wirkten für Re-
sultate, die einer späteren Zeit vorbehalten waren *). Bios in einem
Falle der agrarischen Gesetzgebung erzielte der Landtag einen
Erfolg, indem das am 30. März 1863 beschlossene Gesetz, wo-
mit „das Verbot, dass Niemand zugleich zwei oder mehrere
bestiftete Bauerngüter besitzen dürfe'* aufgehoben wird, wenn
auch spät, aber doch am 21. October 1865 die A. H. Sanc-
tion erhielt. Wenn auch diese Frage nicht von wesentlicher
Bedeutung für den Verkehr gewesen sein dürfte, so war das Ver-
bot doch eine Beschränkung desselben, die durch das Gesetz
zeitgemäss beseitigt wurde.
Bezeichnend für die Stellung, welche die Regierung dem Länd-
tage gegenüber in seiner ersten Session einnahm, ist auch die
verweigerte Ausfolgung des seit 1853 aus den wegen Forstfrevel
eingehobenen Strafgeldern gebildeten Landescultur-Fondes.
Nicht die Rücksicht überwog bei der Regierung, dass eben alle
Landescultur-Angelegenheiten Sache der Landes- Vertretung sind,
sondern die Erwägung, dass ein Fond, der nicht aus Landes-
mitteln (aus Staatsmitteln war er aber noch weniger entstanden)
errichtet wurde, nicht unter diejenigen Fonde gehöre, welche
von den Regierungsbehörden abzutreten sind.')
Die Thätigkeit des Landtages in landwirthschaftlichen Ge-
*) Bekanntlich erfolgte seither darch ein Reichsgesetz die Aufhehung
der häuerlichen Erbfolge u. s. w., und wurde dem vom Landtage in der
ersten Session der zweiten Wahlperiode neuerlich herathenen Gesetze wegen
Aufhebung des Bestiffcungszwanges bereits am 5. Oktober 1868 die A. H.
Sanktion zu Theil, so dass nunmehr der Verkehr mit Grund und Boden in
der That frei ist.
*) Es kann hier nur Ton einer principiellen Bedeutung die Rede sein,
weil der Fond selbst unbedeutend ist, indem er laut Rechnungs-Abschlusses
vom Jahre 1865 nur 3805 fl. in Staatspapieren besass. Charakteristisch ist
übrigens, dass derselbe Fond, ungeachtet der früher angeblich bestandenen
Hindernisse, in der 2. Wahlperiode unter dem seit 1868 im Amte befindlichen
Ministerium gleichwohl übergeben werden konnte.
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genständen beschränkte sich demnach auf Unterstützungen
aus dem Landesfonde und auf Bevorwortung der einen
oder der andern Massregel bei der Kegierung. In ersterer Be-
ziehung ist zu erwähnen die Subventionirung der Landwirth-
schafts-Gesellschaft in Wien '), sowie des Vereines der Bienen-
zucht *), dann die Preisausschreibung eines für das Volk be-
stimmten Lesebuches, femer die besonderen Geldbewilligungen
zur Herausgabe einer landwirthschaMichen Statistik '), sowie zur
Verbreitimg von gelungenen Abbildungen landwirthschaftlicher
Gegenstände bei den Bezirks- Vereinen, Gemeinden, Schulen und
kleineren Gutsbesitzern.
Eine besondere Aufmerksamkeit wendete der Landtag den
Mitteln zu, welche der immer bedrohlicher um sich greifenden
Viehseuche steuern sollten. Nicht nur, dass alljährlich die
Kosten für die durch Militär oder durch eigene Wächter be-
wirkte Grenztiberwachung gegen Ungarn aus dem Landesfonde
getragen wurden, sondern dass durch Aufstellung von zwölf, an
geeigneten Punkten ^) des Landes stationirten und aus Landesmit-
teln subventionirten Landes-Thierärzten die raschere Entdeckung
der Seuche im Innern des Landes ermöglicht ist, dürfte von dem
ernsten Willen des Landtages Zeugniss geben, in einer für die
ländlichen Interessen so wichtigen Sache mit aller Entschieden-
*) Derselben wurden nicht nur weitläufige Localitäten nahezu ganz in
dem Umfange belassen, wie sie ihr von den n. ö. Ständen seit Erbauung des
Landhauses eingeräumt waren ; sondern sie erhielt auch eine jährliche Subvention
von 5000 fl., die zu Prämien für die Homviehzucht und fiir Obstbau, dann
theilweise auch aur Förderung der Drainage, und ferner zur Herausgabe einer
landwirthschaftlichen Zeitung sowie zur Bestreitung von Regiekosten der Ge-
sellschaft verwendet werden soll.
*) Die weitgehenden Bitten dieses Vereines wurden zwar vorzüglich aus
dem Grunde abgelehnt, weil die Bienenzucht doch nur ein Zweig der Land-
wirthschaft, diese aber durch die ohnehin aus Landesmitteln subventionirte
Gesellschaft vertreten ist. Gleichwohl wurde dieselbe auch behufs unentgelt-
lichen Unterrichtes der Präparanden bei St. Anna in Wien unterstützt
*) Als ein nennenswertes erstes Ergebniss dieser Arbeiten ist eine sehr
gelungene Karte über die Verbreitung des Weinbaues in Nied.-Oesterr. her-
vorzuheben.
♦) Amstetten, Brück a. d. Leitha, Gross-Enzersdorf, Hörn, Korneuburg,
Mistelbach, Mödling, Neunkirchen, Oberhollabrunn, St. Polten, Waidhofen a. d.
Thaia, Zwettl.
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heit einzuwirken. Der diesfällige Beschluss war bereits am 14.
Mai 1864 gefasst, allein mit der Anstellung der Thierärzte
konnte erst 1866 vorgegangen werden , weil der Landtag
begehrt hatte^ dass die Landes-Thierärzte den Commissionen,
welche über die Anwendung der Keule zu entscheiden haben,
beigezogen werden, die Staaatsverwaltung aber sich längere Zeit
dagegen sträubte, da die in Folge der Anwendung der Keule
zu leistenden Entschädigungen aus Staatsmitteln gezahlt werden ').
Ebenso wirkte der Landtag darauf ein, dass die den
Viehbesitzem zuerkannten Entschädigungs - Beträge ohne Ver-
zögerung ausgezahlt, sowie die Seuchenvorschriften gesammelt,
veröflFentlicht und zur Kenntniss der Viehbesitzer gebracht wer-
den, endlich dass die Eisenbahnverwaltungen zur genauen Be-
achtung der für den Transport von Schlachtvieh erlassenen Vor-
schriften verhalten werden.
Ausserdem ist noch zu erwähnen, dass der Landtag auch
alljährlich der Wiener Thierarzneischule eine Subvention von
840 fl. bewilligte, um seinerseits auch zur Heranbildung tüchtiger
Thierärzte beizutragen. —
Zu den wesentlichsten Förderungsmitteln der Landescultur
in Nieder-Oesterreich dürften die beiden landwirthschaftlichen
Lehranstalten des Landes, d. i. die Ackerbauschule zu
örossau und die Weinbauschule zu Klosterneuburg
gehören. Beide Anstalten bestanden bereits vor dem Jahre 1861,
vorzüglich durch Unterstützung aus den der Landwirthschafts-
gesellschaft zur Verfügung gestandenen Mitteln, dann aber auch
dadurch, dass Private die Kosten für Zöglinge übernahmen, end-
lich durch die Bereitwilligkeit der Gutsinhabung von Grossau, sowie
des Stiftsabtes von Klosterneuburg. In der Erkenntniss, dass auf
die Opferwilligkeit der letzteren länger wohl nicht mehr gezählt
werden konnte, dann dass bei den nur nothdürftig zu Gebote
stehenden Mitteln die in jeder Beziehung nothwendige Erwei-
terung der Anstalten nicht thunlich war, vor Allem aber in der
Erwägung, dass diesen Schulen der Charakter der Stabilität gege-
^) Was die Regierung in den Jahren 1861 — 1865 demLandtage auch
in diesem Punkte verweigern zu müssen erachtete, das bewilligte das in admi-
nistrativen Fragen der Autonomie der Länder bekanntlich mehr Zugeständnisse
machende Sistirungsministerium.
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ben werden musste, wenn auf eine allseitig gedeihliche Wirksam-
keit gerechnet werden sollte, — beschloss der Landtag, dieselben
zu Landesanstalten zu erklären, nachdem er die Vortheile an-
erkannte, welche für die Landescultur entsteht, einerseits durch
tüchtig ausgebildete Wirthschafter und anderseits dadurch, dass
für den Weinbau, eine der wichtigsten Culturgattungen des
Landes, eine rationelle, den vorgeschrittenen Ländern gleichkom-
mende Methode sowohl im Bau selbst, als auch vorzüglich in
der Kellerwirthschaft vorbereitet wird *).
In beiden Fällen war die Landesvertretung nicht genöthigt
die Versuchs Felder und Gärten als Eigenthum zu erwerben,
sondern es wurden auf Grund der vorgefundenen Verhältnisse
mit dem Besitzer des Gutes Grossau und mit dem Stift Kloster-
neuburg entsprechende Verträge abgeschlossen. Aus dem Lan-
desfonde wurden die Gehalte der Directoren und Lehrer*), dann
die Kosten für die Lehrmittel (Laboratorien u. s. w.), einschlüssig
neuer Maschinen, und ausserdem die Kosten für Freiplätze *) über-
nommen. In Grossau werden für die Ueberlassung der Localitäten,
dann für Fahrnisse und Versuchsfelder ebenso wie für Beheizung,
Beleuchtung und Kanzleiauslagen Pauschalien entrichtet. Mit der
dortigen Ackerbauschule ist auch ein Cursus für (zu Gutsverwaltun-
gen u. s. w. berufenen sogenannten) Oeconomie-Praktikanten
verbunden. Es ist dies jedoch mehr ein Privatunternehmen, da
aus Landesmitteln dazu nur insoferne etwas beigetragen wird,
als die bezüglichen Vorlesungen von denselben Professoren ge-
halten werden und als die Mitbenützung der Versuchsfelder, Ma-
schinen u. s. w. stattfindet. Mit der Weinbauschule in Kloster-
neuburg ist ein alljährlich im Herbste abgehaltener Cursus
*) Der diesen beiden Schulen zu Grund liegende Zweck ist somit die
praktische Ausbildung. Obwohl daher der theoretische Unterricht nicht über-
sehen werden darf, wird doch der grösste Wert auf die unmittelbare Bethei-
ligung der Zöglinge an allen Gattungen von Arbeiten gelegt, worin ein we-
sentlicher Unterschied gegen landwirthschaftliche Hochschulen zu suchen ist.
*) Dieselben wurden überdies auch ausdrücklich zu Landesbeamten
erklärt.
^) In Grossau bestehen 40 Landesplätze, wovon 8 als Halbfreiplätze ver-
geben werden. In Klosterneuburg richtet sich die Zahl der Landesplätze nach
der Zahl der Privat-Freiplätze, welche dort bestanden und nach und nach ein-
gezogen werden ; vorläufig bestehen 11 Landesplätze.
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für Obstbaumzucht in der Art in Verbindung gebracht, dass
aus Landesmittehi an VolksschuUeher 10 Stipendien zu 40 fl.
behufs Besuches der Vorlesungen und Anwohnung bei den prac-
tischen Versuchen in dem zur Verfügung stehenden Obstgarten
verliehen werden. —
Bei den Fällen, wo Landesmittel für die Landescultur ver-
wendet wurden, können die unverzinslichen Vorschüsse zum An-
kauf des Saamens für den Winteranbau 1866 und theil weise
auch zum Sommeranbau 1867 nicht übersehen werden, (siehe
Gemeindeangelegenheiten) da dadurch viele kleine Gutsbesitzer vor
dem Untergange gerettet wurden.
Was die Bevorwortung von Massregeln zur Hebung der
Landwirthschaft betrifft, so hat der Landtag um die Revision des
Forstgesetzes angesucht, so wie er anderseits die Land wiith-
schafts-Gesellschaft aufforderte die Mittel zur Heranbildung
eines geeigneten Forstschutzpersonales anzugeben. Ferner hat er in
einer eigenen Adresse die Unzweckmässigkeit der 1861 bestandenen
Weinsteuer behufs deren Aufhebung angegeben, dann den Wunsch
nach einer Revision des Weinlandes behufs Ermässigung
der Steuer wiederholt. Ebenso hat der Landtag zum Schutze der
Obstbaumzucht die Regierung in der 4. Session ange-
gangen, die bestehenden politischen Verordnungen in die Form
eines Gesetzes, und dieses in der nächsten Session zur Vorlage
zu bringen. In der letzten Session der ersten Wahlperiode ist
das aber so wenig geschehen, als die Vorlage eines neuen Forst-
gesetzes beim Reichsrathe und somit muss das Resultat dieser Anre-
gung auch in dem Falle der Zukunft vorbehalten werden ').
Bezüglich der Abtheilung „Landescultur" ist noch zu er-
wälmen, dass der Landtag der Gartenbaugesellschaft zur Grün-
dung ihres Vereinshauses in Wien einen Beitrag von 1000 fl.
bewilligte. Ferner ist noch einer Stiftung für niederöster-
reichische Grundbesitzer zu gedenken. Dieselbe wurde
mit dem namhaften Capitale von nahe* 40000 fl. ausgestattet
*) In der That wurden in der 1868er Session Regierungsvorlagen einge-
bracht und vom Landtage angenommen mittelst zweier Gesetze, betreffend „den
Schutz der Bodencultur gegen Raupenschäden und Maikäfer", sowie „den Schutz
der kleinen Vögel" (A. H. sanctionirt am 28. December 1868).
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und hat den wohlthätigen Zweck, Grundbesitzern zu einem billi-
gen Zinsfusse (bis auf weiteres mit STi,) Capitalien vorzüglich
zur Melioration der Wirthschaften zu verschaffen. Die Zinsen
sollen durch 100 Jahre ganz, und durch weitere 30 Jahre zur
Hälfte zum Capital geschlagen und ebenso verwaltet werden.
Nach Ablauf der Zeit sind die Zinsen zu beliebigen Landes
zwecken zu verwenden *). Diese bereits in ihrer Anlage wohlthä-
tige und für die Zukunft grossartige Stiftung rührt von dem für
die erste Wahlperiode des n. ö. Landtages bestellten Landmarschalle
Sr. Durchlaucht dem Herrn Fürsten Colloredo -Manns feld hör,
der mittelst des in der Sitzung vom 20. März 1863 übergebenen
Stiftsbriefes, die ihm als Abgeordneten zukommenden Diäten
sowie den ihm als Landmarschall angewiesenen Jahresgehalt zu
diesem Zwecke widmete. Der Landtag genehmigte den Stiftbrief
und sprach Sr. Durchlaucht den Dank für dieses namhafte Ge-
schenk aus.
IV. Schulangelegenheiten.
Im §. 18, n der Landesordnung, wo diejenigen Gegen-
stände aufgezählt sind, welche als Landes-Angelegenheiten erklärt
werden, jedoch nur insoweit es die „näheren Anordnungen inner
den Grenzen der allgemeinen Gesetze" betriflft, sind im Punkte 2
auch die Kirchen- und Schul- Angelegenheiten aufgeführt.
Im Laufe der ganzen sechsjährigen Wahlperiode kamen
die allgemeinen Gesetze, auf welche hier hingewiesen ist,
*) Bezeichnend bei dieser Stiftung ist die stiftsbriefmässige Bestimmung,
dass die Gebahrung mit dem Capitale, sowie mit den Zinsen dem Landes- Ausschusse
in der Art übertragen wurde, dass er hiefär ausdrücklich „einzig und allein den
n.-öst. Landtag verantwortlich" erklärt, dass ferner die Verfügung getroffen ist, dass
für den Fall, als das Institut des Landes-Ausschusses aufgehoben würde, die vor-
handenen Capitalien an die „nächst niederen autonomen Körperschaften des
Landes, mögen sie nun Kreise, Bezirke, Gemeinden oder wie immer heissen**
überzugehen, bei einer etwaigen späteren Wiederherstellung des Institutes
des Landes-Ausschusses aber wieder an diesen zurück zu kommen habe«.
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nicht zu Stande. Rücksichtlich der Kirchen-Angelegenheiten ver-
lautete nicht einmal, ob die Regierung sich mit der Frage be-
schäftige. Wohl aber wurde in der 2. und 3. Session ein Ki rch on-
patronats-Gresetz eingebracht und hat die Regierung den Land-
tag hiezu competent erklärt, ohne dass ein diesfälliges Reichsge-
setz vorhanden war. Der Landtag ist jedoch auf die diesfällige
Berathung nicht eingegangen, in der Voraussetzung, dass die
Regierung in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorlegen
werde, „welcher auf der Basis einer facultativen Ablösung der
Patronatslasten, jedoch unter unveränderter Aufrechthaltung des
geistlichen und dem Religionsfonde zustehenden Patronates zu be-
ruhen hätte." Nachdem diese Voraussetzung in den beiden darauf
folgenden Sessionen (IV. u. V.) nicht erfüllt wurde, blieb der
Gegenstand auf sich beruhen. Wenn somit die Thätigkeit des
Landtages in dieser Richtung nur eine negative war, so lässt
sich doch nicht läugnen, dass durch das Nichteingehen auf das der
Regierungsvorlage zu Grunde liegende Princip von den Gemein-
den eine wesentliche Belastung abgewendet wurde, ohne dass der
Bestand der Kirchengebäude dadurch in Frage gestellt wor-
den wäre.
Bezüglich der Schul-Angelegenheiten brachte die Regierung
zwar schon in der 2. Session das Schulpatronats- Gesetz
ein, allein auch in diesem Falle ohne Grundlage eines Reichsge-
setzes. Der Landtag ging auf die Berathung desselben ein, un-
geachtet dadurch den Gemeinden auch nicht unbedeutende Lei-
stungen zur Last fallen, da von Seite mancher Patrone für
die SchuUocalitäten nichts geschah, und der ohnehin aus an-
dern Ursachen zurückgebliebene Unterricht auch von dieser
Seite gefährdet war. Allein der Landtag willigte dazu nur gegen
dem ein, dass den Gemeinden für diese neuen Lasten auch das
Recht der Präsentation des Lehrers, insoweit es eben der Patron
besessen hat, zugesprochen wurde. Wenn auch Seitens der klei-
neren Gemeinden ein besonderer Werth darauf nicht gelegt wird,
ja wenn auch offen zugegeben werden muss, dass die Anwen-
dung dieses Rechtes bisher nicht immer eine sachlich richtige
war, so lässt sich doch die principielle Bedeutung dieses Be-
schlusses nicht verkennen und war derselbe gleichwohl für
grössere Gemeinden und insbesondere für die Stadt Wien von
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Wichtigkeit, nachdem erst durch dieses Gesetz der mehrjährige
Streit über das Emennungsrecht der Lehrer im Sinne der für
die Schulen so namhafte Opfer bringenden Stadt beigelegt wurde.
Die Bedeutung des Gesetzes wurde auch von den Gegnern
jeder freien Bewegung, insbesondere aber auch in Schulsachen,
wohl erkannt. Die Anstrengungen, welche gegen die Sanctioni-
rung desselben gemacht wurden, waren bekanntermassen nicht
geringe, wie dieselbe ja auch in der That, obwohl das Gesetz am
30. März 1863 vom Landtage angenommen worden war, erst unterm
12. April 1864 erfolgte. Das damalige Ministerium darf diesen von
der liberalen Partei lebhaft begrüssten Erfolg zu den geringen
Resultaten des Fortschrittes zählen, die während seiner Amtirung
erreicht wurden.
Sowie nun der Landtag in dieser Angelegenheit, wenn
auch nicht sich, so doch den Gemeinden einen Einfluss in Schul-
sachen erkämpfen musste, so war er in Schulsachen im Ganzen
zu derselben Thätigkeit verurtheilt. Anbelangend zunächst das
Volksschulwesen forderte er die Regierung in der 2., 3. und 5.
Session auf, der Reichsvertretung die betreffende Vorlage zu
machen, wodurch einerseits die den Gemeinden nach Artikel V
des Reichsgesetzes vom 5. März 1862 gebührende Einflussnahme
geregelt und anderseits den Landes -Vertretungen möglich gemacht
würde, in die ihnen nach §. 18 der Landesordnungen zustehende
verfassungsmässige Wirksamkeit einzutreten. Leider waren diese
Aufforderungen von keinem Erfolge begleitet. Ebenso wenig kam
die Regierung dem in der Sitzung vom 12. Februar 1863 aus-
gesprochenen Wunsche nach Uebergabe des Normalschul-
fond e s nach. Durch die Verwaltung desselben würde die Lan-
des- Vertretung auch noch vor der eintretenden verfassungsmässi-
gen Einflussnahme eine Ingerenz auf das Schulwesen erhalten
haben. Allein die Regierung bestritt, dass der Normalschulfond
aus Landesmitteln entstanden sei — dass er sich jedoch aus
Staatseinkünften gebildet, wurde gleichwohl nicht behauptet — und
folgerte daraus, dass er nicht zu den in die Verwaltung des
Landes zu übergebenden Fonden gehöre.
Obwohl nun die Ansicht, dass man insolange nichts für die
Volks-Schule Seitens des Landtages thun könne, als demselben kein
Einfluss auf das Unterrichtswesen zustehe, von hervorragender
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Seite vertreten wurde, so hat doch im Allgemeinen die Ansicht
vorgewaltet, dass man gleichwohl dort helfen solle, wo sozusagen
die Noth am grössten war, d. i. bei den Einkünften der
Schullehrer. So gewährte denn der Landtag in allen Fällen,
wo die Congrua des Pfarrschullehrers unter 300 fl. , des Filial-
schuUehrers unter 280 fl. und des Gehilfen unter 160 fl. nach-
gewiesen wurde, die Aufbesserung der Bezüge auf diese Minimal-
beträge aus Landesmitteln. Er knüpfte jedoch daran die Bedingung,
dass einerseits diese Aufbesserung nur dort einzutreten hat, wo
die betrefi^enden Gemeinden sie zu leisten nicht vermögen, und
wo der Landes-Ausschuss die Lehrer dieser Unterstützung für
würdig erkennt. Zwar hat der Regierungs Vertreter diese Einfluss-
nähme als eine unzulässige bezeichnet, allein der Landtag Hess
sich in seinem Beschlüsse nicht irre machen und insoweit es eben
bei den mangelnden selbstständigen weltlichen Aufsichtsorganen
möglich war, wurde auf diesem Wege nicht nur den ärmsten
Lehrern eine Unterstützung zugeführt, sondern auch ein Einblick
gewährt, den die übrigen Landesvertretungen unser'fes Wissens
noch nicht besassen. Die Regelung der Einkünfte der Volksschul-
lehrer beschäftigte den Landtag überhaupt zu wiederholten Malen.
Erkennend, dass durch die Einsammlung der Naturalgiebigkeiten
das Ansehen des Lehrers wesentlich leidet, forderte der Landtag
auch in dieser Beziehung die Regierung zur Einbringung einer
Vorlage behufs der Ablösung dieser fassionsmässigen Gebühren
auf Bereits früher hat der Landtag durch ein specielles Gesetz *)
vorgesorgt, dass die Schulgelder von den Gemeinden einzuheben
und dem Lehrer in Quartalsraten auszuzahlen, sowie davon nur
10% für die Kranken und am Schulbesuche dauernd verhinder-
ten Kinder und 10% für die Schulgeldbefreiungen abzuziehen
sind *). Auch der Uebelstand, dass der Lehrer bei dem Umstände,
*) Sitzung vom 8. Febfuar 1866. Sanction vom 3. Sept. 1866.
') So wohlthätig es ist, dass der Lehrer mindestens nicht gesetzlich
verpflichtet ist, das Schulgeld selbst einzusammeln, so hat doch die durch
dieses Gesetz getroffene Bestimmung die Schattenseite, dass der mit der
Einhebung des Schulgeldes betraute Bürgermeister dem Schullehrer abgeneigt
wird, wenn dieser ihn etwa öfters wegen der Geldabfuhr mahnt. Leider ist
der vom Special - Ausschusse gestellte Antrag abgelehnt worden, wonach
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als für keine Pension gesorgt ist, bis ins hohe Alter dienen
müsse, und darunter der Unterricht leidet oder durch Schul-
provisoren geholfen werden muss, entging der Aufmerksamkeit
des Landtages nicht. Mindestens wurde der Landes-Ausschuss
noch in der letzten Session beauftragt, wegen Creirung eines
Pensionsfondes für die Volksschullehrer des flachen Landes die
Erhebungen zu pflegen und darüber zu berichten; den gleichen
Auftrag erhielt der Landes-Ausschuss auch rücksichtlich der
bestehenden Präparandencurse und eines zu gründenden Lehrer-
seminares. Auch der Witwen der Lehrer, die bei dem Mangel
eines Pensionsfondes von den Gemeinden nur nach dem äusserst
kärglichen Massstabe der Armenportionen versorgt werden, ge-
dachte der Landtag, indem er alljährlich einen Betrag*) zur
Vertheilung an die Hilfsbedürftigsten bewilligte.
Als eine wesentliche Unterstützung der Lehrer muss noch
angeführt werden, dass, als im Jahre 1866 viele Gemeinden,
namentlich im V. U. M. B. durch Missernten (siehe Gemeinde-
Angelegenheiten) ausser Stand gesetzt waren, die Giebigkeiten zu
leisten oder das Schulgeld einzuzahlen, die Landes- Vertretung
zwar auch die Gemeinde für die Einhebung haften dem Lehrer jedoch das
Schulgeld monatlich abführen, und dieser berechtigt sein sollte, wenn eine
2. Rate ausständig geblieben, sich an das politische Amt zu wenden, damit
dieses den Betrag feststelle und einerseits den Landes-Ausschuss wegen vor-
schussweiser Flüssigmachung aus dem Landesfonde beim nächsten Steueramte
angehen, anderseits aber den schuldigen Betrag im Wege der politischen Exe-
cution von der säumigen Gemeinde eintreibe. Indessen würde auch dies dem
Lehrer keine erträgliche Lage in der Gemeinde bereiten und es lässt sich
nicht läugnen, dass das einzige den Lehrer am meisten sichernde und am
wenigsten dem Unwillen der Gemeinde aussetzende Mittel darin bestände,
wenn das Schulgeld gleichzeitig mit der Steuer oder gar eine eigene, alle
Gemeinde-Angehörigen treflfende Schulsteuer eingehoben würde.
*) Die Gesammtsumme, welche aus dem Landesfonde für die Unter-
stützung der Lehrer sowie deren Witwen und Waisen verwendet wurde,
betrug:
1863: 24.470 fl. 54 kr.
1864: 26.650 fl. 39 kr.
1865: 29.023 fl. 53 kr.
1866: 31.147 fl. 39 kr.
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aus dem Landesfonde unverzinsliche Vorschüsse gegen Gutstehung
der Gemeinden bewilligte.
Ausser diesen Unterstützungen der Lehrer glaubte die
Landes- Vertretung, vorzüglich auch in Berücksichtigung der ihr
zur Verfügung stehenden unzureichenden Mittel, für die Volks-
schulen nichts thun zu können. Namentlich ist dies der Fall rück-
sichtlich der wiederholten Gesuche um Unterstützung bei Schul-
bauten gewesen. Gleichwohl wurden in zwei ganz besonders
berücksichtigungswürdigen Fällen, Darlehen zu dem Zwecke be-
willigt.
Von noch durchgreifenderer Wirkung war die Thätigkeit
des Landtages bezüglich der Mittelschulen. Zwar musste er
sich bezüglich derselben ebenso wie bei den Volksschulen dar-
auf beschränken, die Regierung wegen gesetzlicher Regelung
der Einflussnahme der Gemeinde und des Landes auf dieselben
anzugehen. Allein die Geldopfer, welche er für die Mittelschulen
brachte, konnten der Natur der Sache nach eigenen Anstalten
zugewendet werden, und es konnte daher auch von einer nicht
unwesentlichen Einwirkung die Rede sein. Im Zusammenwirken ')
mit den Stadtgemeinden Baden, Krems, St Polten und Wiener-
Neustadt wurde 1863 die Errichtung von drei Ober -Realschulen
in den drei letzteren Städten, und einer Unter-Realschule in
Baden beschlossen'). Wenn man sich erinnert, wie mühevoll die
Errichtung zweier 1. f. Ober-Realschulen seiner Zeit in Wien
vor sich ging, und wie selbst die Commune Wien sich auf diesem
Gebiete sehr bedachtsam bewegte, so wird wohl Jedermann zu-
geben müssen, dass dieser Landtagsbeschluss besonders hervor-
gehoben zu werden verdient. In der nächsten Session folgten
') Die Städte, wo die Oberrealschulen errichtet wurden, stellten die
Localitäten (Krems und St. Polten ganz neue, schöne Gebäude) bei, sowie
sie auch zur Beschaffung der Lehrmittel und aller übrigen Bedürfhisse sich
verpflichteten, während der Landesfond sämmtliche Gehalte und dereinstigen
Pensionen übernahm. Bei Baden tritt nur der Unterschied ein, dass die Ge-
meinde überdiess noch den 3. Theil der Kosten an Gehalten zu tra-
gen hat.
•) Eigentlich wurde auch die Errichtung einer Unterrealschule in Hom
beschlossen. Da aber die Gemeinde erklärte die ihr zufallenden Kosten (den
3. Theil, wie bei Baden) nicht tragen können, so kam der Beschluss nicht
zur Ausführung.
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noch die Unter - Realschulen in Ober-Hollabrunn, Stockerau und
Waidhofen a. d. Ybbs. Es war die Errichtung von 7 Mittelschulen
binnen zwei Jahren und in einem verhältnissmässig kleinen
Lande der sprechendste Beweis von der Bedeutung, die man im
Landtage dem Unterrichte beilegte, und es drängte sich unwill-
kürlich die Frage auf, ob etwa nur in Nieder-Oesterreich so
viel Versäumtes nachzuholen war, weil Seitens der übrigen Lan-
des- Vertretungen in dieser Richtung nichts geschah. Auch wurde
damit das Vorurtheil, dass die Bildungsstätten sich nur in der
Hauptstadt befinden, in gewiss vortheilhafter Weise gebrochen *)•
Die Gründung dieser Landes-Mittelschulen hatte eine sehr
nachhaltige Wirkung schon in der ersten Zeit nach ihrer Gründung,
und zwar durch den Lehrplan. Von da ging die Anregung zur
Gründung der Realgymnasien aus, da St. Polten, Baden, Sto-
ckerau und Ober-Hollabrunn, wo sich nicht nebenbei auch Gymna-
sien befinden, den Werth der Einrichtung von Real-Gymnasien,
an welchen die Berufswahl erst in ein späteres Alter verlegt ist,
am ehesten zu erkennen in der Lage waren. Ueber ihre Ge-
suche wurde die Frage in dem Wiener Vereine „Mittelschule"
verhandelt und acceptirte auch der Wiener Gemeinderath den
dabei berathenen Lehrplan für zwei neugegründete Anstalten.
Auch der Landtag genehmigte sodann die Umwandlung der
Realschulen in den letzterwähnten Orten in Real-Gymnasien und
so kann es sehr leicht sein, dass für die dereinstige definitive
Organisirung der Mittelschulen überhaupt, dadurch eine entschei-
dende Grundlage gewonnen ist.
Rücksichtlich der Verwaltung dieser Landes-Mittelschulen
wusste sich das Land so selbstständig zu stellen, dass der Re-
gierung nur das Aufsichtsrecht geblieben ist. So findet die Ernen-
nung der Professoren Seitens des Landes- Ausschusses statt und steht
der Regierung nur ein Veto zu. Rücksichtlich des Lehrplanes hat
man sich Abweichungen im Einzelnen ausdrücklich vorbehalten *).
*) Der Gründung beziehungsweise Uebernahme der Kosten auf den
Landesfond der Ackerbauschule zu Grossau und der Weinbauschule zu Kloster-
neuburg ist bei der Besprechung der Landescultur gedacht worden.
*) Der von dem Bischöfe von St. Polten begehrte tägliche Besuch
des Gottesdienstes wurde, ungeachtet der oft lebhaftesten Einwirkung der Re-
gierung, mit aller Entschiedenheit abgelehnt.
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Mit den Landes - Mittelschulen wurden durch Gewährung
von Subventionen auch Gewerbeschulen in Verbindung ge-
bracht. Dieselben wurden nach dem Muster der Wiener Gewerbe-
schulen eingerichtet y hatten aber auch gleich diesen mit dem
mangelhaften und unregelmässigen Schulbesuche der Lehrlinge
zu kämpfen. Wegen dieses Uebelstandes, sowie wegen mehreren
anderen Modificationen beschloss der Landtag die Regierung
wegen Regelung der Gewerbeschulverhältnisse, was die Beiträge,
die Art der Einhebung, den Schulzwang, den Lehrplan und die
Leitung betriflEt, zu einer Enquete einzuladen *).
Anlässlich der Gewerbeschulen wurde die Regierung auch
angegangen, dem Wiederholungsunterrichte aus dem
Grunde eine grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden, damit die in
die Gewerbeschulen aufgenommenen Lehrlinge besser vorbereitet
wären.
Noch einen andern sehr wichtigen Uebelstand bei Mittel-
schulen hat der Landtag in Betrachtung gezogen. Bei dem
Uebelstande nämlich, als in Nieder-Oesterreich , ausser Wien,
wo sich übrigens auch zwei sogenannte geistliche Gymna-
sien befinden, noch 5 solche Lehranstalten bestehen, wurde die
Thatsache, dass nur wenige an diesen Mittelschulen bestellte
Professoren die vorgeschriebene Lehramtsprüfung abgelegt hatten,
als ein fühlbarer Mangel bezeichnet und die Regierung wieder-
holt gemahnt, demselben im Sinne der bestehenden Gesetze ab-
zuhelfen. Diese Einwirkung scheint keine ganz unglückliche
gewesen zu sein, indem nicht nur die Unterrichtsbehörde davon
Anlass nahm, auf der Erfüllung der Bedingungen der Oeffent-
lichkeit zu bestehen, sondern auch die H. Aebte diesen vor
derOeffentlichkeit ausgesprochenen Tadel der Unwissenschaftlichkeit
dadurch abwehrten, dass sie alle Vorbereitungen trafen, um mindestens
für die Folge Professoren an den von ihnen erhaltenen Anstalten
zu bestellen, welche dieselben Prüfungen bestanden haben, wie
dies bei den Mitgliedern der Lehrkörper an den weltlichen Gym-
nasien der Fall ist
Bei der Thätigkeit des Landtages im Unterrichtswesen
*) Dieselbe fand 1867 statt und führte in der 1868er Landtags-Session
zur Feststellung aller dieser Momente im Wege des Gesetzes (sanctionirt am
28. November 1868).
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darf fliglich auch nicht der Einfluss übergangen werden, den
derselbe auf die Verbreitung des Turnunterrichtes, sowohl
an Volks- als an Mittelschulen genommen hat. Bereits in der
II. Session wurde beschlossen, diesen Unterricht an Landes- und
Gemeinde-Mittelschulen, sowie an den Volksschulen der Städte
und Märkte, ferner an den Präparanden-Cursen als freien Gegen-
stand einzuführen und die Regierung um dieselbe Verfiigung bei
den aus Staatsmitteln erhaltenen Mittelschulen in Nieder-Oester-
reich zu ersuchen. Als Bedingung des Unterrichtes wurde jedoch
gefordert, dass die Turnlehrer eine fachliche Ausbildung erhalten
haben. Um nun diese in etwas zu erleichtern, wurden sogenannte
Tumstipendien aus Landesmitteln, behufs Besuches des beim
Wiener Turnverein eigens eingeleiteten alljährlich in den Herbst-
monaten abgehaltenen Lehrcurses, gegründet.
Damit jedoch auch die Hochschule nicht ausser Acht ge-
lassen werde, hat der Landtag wiederholt sein Augenmerk auch auf
die beiden Wiener Hochschulen (Universität und Polytechnicum)
gerichtet. Den Untersttitzungsvereinen der juridischen und philo-
sophischen Facultät an der Universität, sowie dem am Poly-
technicum, dann demICranken-Unterstützungsvereine für Studierende
beider Hochschulen wurden stets Subventionen aus Landesmitteln
zu Theil. Endlich betheiligte sich der Landtag nicht nur mit
einem namhaften Betrage als Subvention zu den bezüglichen
Feierlichkeiten bei der Universitäts - Jubelfeier im Jahre 1865,
sondern es wurde auch, in Anerkennung des höchst misslichen
Umstandes, dass ein eigentliches, flir alle Facultäten berechnetes
Universitätsgebäude mangle, der lebhafte Wunsch ausgesprochen,
dass die Regierung sich mit der Wahl des Bauplatzes und Fest-
stellung des Bauplanes beeilen möge, damit das 500jährige Jubi-
läum der Wiener Universität, mindestens mit der Grundsteinlegung
zu dem künftigen Universitätsgebäude festlich begangen werden
könne ').
*) Als Bestrebungen die Wissenschaft zu unterstützen, können hier noch
angeführt werden , die Subventionirung des zoologisch - botanischen Vereines,
der überdies für seine wertvollen als Eigenthum des Landes erklärten Samm-
lungen unentgeltlich auch ein Locale im Landhause erhielt, sowie des Ver-
eines der Landeskunde für Nieder- Oesterreich, der gleichfalls im Landhause unter-
gebracht wurde. Der erstere Verein betheilte die Landesmittelschulen wieder-
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V. Sanitäts-Angelegenheiten«
Der §. 18, I., Punkt 3 der Landes-Ordnung bezeichnet
femer unter denjenigen Landes-Angelegenheiten, bezüglich deren
der Landes- Vertretung alle Anordnungen zustehen, die ,,aus
Landesmitteln dotirten Wohlthätigkeits - Anstalten" ').
Diese Institute waren in Nieder-Oesterreich fast durchgcängig
viel länger vorhanden als in den andern Provinzen. Zum
Theil aus diesen Ursachen , zum Theil aber auch , weil in
Nieder-Oesterreich wegen der Hauptstadt Wien der provin-
zielle Charakter am wenigsten hervortrat, vorzüglich aber wegen
des Zusammenströmens der Angehörigen aus allen Provinzen,
sowie vieler Fremden, — waren diese Anstalten seit ihrer Er-
richtung Reichs-Institutionen und blieben dies auch nach dem
Inslebentreten der Landesfonde (1851). Wohl aber wurde die
Bestimmung getroffen, dass der n. ö. Landesfond an den ge-
sammten Ausgaben der Irren-Anstalten, sowie der Gebär- und
Findel - Anstalt mit dem dritten Theile participirte. Bei der
Uebergabe der Geschäfte an den Landes-Ausschuss wurde
nun das Uebereinkommen getroffen, dass rücksichtlich aller
Personal- und Verwaltungs- Angelegenheiten dieser Anstalten
die Wohlmeinung des Landes-Ausschusses eingeholt werden solle.
Daran wurde auch festgehalten mit Ausnahme eines die Findel-
anstalt betreffenden Falles. Ohne nämlich den Landes-Ausschuss
auch nur von der Absicht einer derartigen Verfügung unterrich-
tet zu haben, wurde eine A. H. Entschliessung dahin er-
wirkt, dass künftighin die Findelkinder nicht mehr mit dem
vollendeten 10., sondern 6. Jahre den Zuständigkeits-Gemeinden
zu übergeben sind. Die Landes-Vertretung hat gegen diesen, dem
getroffenen Uebereinkommen zuwiderlaufenden Vorgang, Verwah-
rung eingelegt, und sowohl aus diesem Grunde als aus, gegen
das Meritorische jener Entscheidung gerichteten Zweckmässig-
holt mit Sammlungen; der letztere beschäftigt sich mit Herausgabe eines
topografischen Lexicons, sowie einer Administrativ - Karte des grössten Mass-
stabes.
*) Mit diesem Amts- Ausdrucke werden Spitäler, Gebär- und Findel-Anstal-
ten, gowie Irrenanstalten u. s. w. herkömmlicher Weise bezeichnet.
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4T
keitsgründen *) wurde das Ansinnen tvegen Aufhebung dieser
Verfügung gestellt. Allein die Regierung lehnte dies beharrlich
ab und ebenso war mit Ablauf der Wahlperiode das weiters
begehrte Zugeständniss, dass diese Verfügung mindestens nicht
zurückwirke und nicht die seiner Zeit durch Erlag der Taxe
erworbenen Rechte verletzt werden, nicht erreicht *).
Dieses Verhältniss der genannten Anstalten oder Reichs-
Institute ist durch das Reichsgesetz vom 17. Februar 1864, mit
Ausnahme der Findelanstalt, geändert worden, indem nach dem-
selben beide Irren-Anstalten zu Wien am Brünnlfelde (einschliessig
des Irrenthurms und der Filiale in Klosterneuburg), sowie in
Ybbs und die Grebär-Anstalt in Wien, in die Landes- Verwaltung
übergingen und zugleich gesetzlich geregelt worden ist, dass für
die zahlungsunfähigen Kranken die bezüglichen Landesfonde zu
zahlen haben. In die Verwaltung des Landes sind diese Institute
mit 1. Jänner 1865 übergegangen '*).
Bei der Uebergabe kamen Forderungen von Staat und
Land zur Sprache, die wegen der bedeutenden, dem letzteren
damit zugedachten Lasten, sowie die Eigenthums-Verhältnisse
überhaupt hier besonders erwähnt werden sollen. Was nun
zunächst die Irren- Anstalten betrifft;, so muss vorerst bemerkt
werden, dass zu Ybbs schon allerdings sehr lange, und
zwar in einer gewissen Verbindung mit dem dortigen alten
Versorgungshause der Stadt Wien, eine zur Wiener Irren- Anstalt
zählende Abtheilung von Irren untergebracht war. Die Regierung
hatte nun 1859 den Bau einer eigenen Irren-Heil- und Pflege-
^) Darunter mögen hier insbesondere aufgeführt werden, dass mit dem
6. Jahrö die Kinder der eigentlichen häuslichen Leitung noch nicht entwachsen
sind und noch in kein Geschäft eingeführt werden können, während dies aller-
dings mit dem 10. Jahre der Fall ist, und dass ferner die Gemeinden dadurch
zu sehr belastet sind.
*) Die diesfällige Verständigung erfolgte erst im März 1867.
') Die gestellte Bedingung, dass die Direktoren von Sr. Majestät über
Vorschlag des Landes - Ausschusses ernannt werden, wurde dahin modificirt,
dass die von dem Landes -Ausschusse erfolgte Ernennung der A. H. Bestäti-
gung bedürfe. Auch wurde der Landesvertretung ein Einfluss bei Ernennung
der als Professoren an der Gebäranstalt fungirenden Primarärzte, u. s w.
gewahrt.
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Anstalt zu Ybbs in der Art angeordnet ^), dass in demselben
Verhältnisse wie die Irren- Verpflegskosten zwischen Staat und
Land repartirt wurden, von dem ersteren zwei und von dem
letzteren ein Dritttheil zu den Kosten beigetragen werde. Zugleich
wurde bestimmt, dass der Landesfond auch die auf den Staat
entfallenden zwei Dritttheile — jedoch nur vorschussweise — zu
tragen habe •). Anlässlich der üebergabe wurden aber im Gegen-
satze zu dieser Forderung des Landesfondes auch Forderungen
des Staates erhoben, und zwar mit 1,046.304 fl. 79 kr. von dem
(1852 vollendeten) Bau des Wiener Irrenhauses ') und mit
832.642 fl., welche laut der beztlglichen Finanz-Gesetze in den
Jahren 1862, 1863 und 1864 nur vorschussweise für die vom
Lande nicht getragenen Kosten geleistet worden sind. Die
Landes- Vertretung machte namentlich gegen die letztere For-
derung geltend, dass durch die Finanz-Gesetze allerdings fest-
gestellt wurde, dass diese Kosten vom Staate nur vorschussweise
geti'agen werden, dass aber damit noch keineswegs gesagt wurde
und nach der Natur der Sache auch nicht gesagt werden konnte,
dass den Ersatz eben das Land zu leisten habe. Der Zeitpunkt,
von dem die Irren- Anstalten, sowie die Gebär- Anstalt, Landes-
Anstalten geworden seien und von welchem angefangen in der
Kostenbestreitung eine Aenderung einzutreten hat, wurde eben
erst durch das erwähnte Reichsgesetz bestimmt; für die frühere
Periode, sowie für die Findol- Anstalt, die nicht zur Landes- An-
stalt erklärt wurde, müssten daher auch die bestandenen Ver-
ordnungen massgebend sein. Was die Irren- Anstalten, sowie die
Gebär-Anstalt betrifft, so anerkannte zwar die Staats-Verwaltung
die Berechtigung dieser Anschauung und gab ihre Zustimmung,
dass diese Vorschüsse sowie der Vorschuss zum Bau der Wiener
') Beendet 1862.
*) Die Gesammt- Baukosten betrugen 499.400 fl. 7 Vj kr., und stellte sich
daher der vom Laude geleistete Vorschuss, nach Abrechnung des vom Staate
geleisteten Betrages pr. 37.197 fl. 98V2 kr., mit 295.735 fl. 40 kr. heraus.
*) Die Gesammt -Kosten beliefen sich auf 1,184.780 fl. 10 kr.; die vom
Staate nicht getragenen Kosten (138.476 fl. 31 kr.) wurden vom Irrenfonde
übernommen. Im J. 1820 worden dazu die Anstaltsgründe um 50.000 fl. an-
gekauft. Im J. 1848 wurde im Monate Mai mit den Planirungen, im Monate
Juli mit dem eigentlichen Bau begonnen.
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Irren-Anstalt gegen dem abgeschrieben werden, dass anderseits
auch von der Rückzahlung des Vorschusses vom Landesfond e,
anlässlich des Baues des Ybbser Irrenhauses, Umgang genommen
werde. Allein rücksichtlich der Findel-Anstalt wurde die Forde-
rung aufrecht erhalten und war diese DiflFerenz bei Ablauf der
Wahlperiode noch nicht ausgeglichen. Hiezu kam aber noch eine
weitere Meinungsverschiedenheit, bezüglich des Titels für das
Eigenthum der in die Landes- Verwaltung tibergegangenen An-
stalten, indem die Landes- Vertretung darauf bestand, dass das
Land an das Eigenthum derselben geschrieben werde, die Re-
gierung aber nur die Gewährsanschreibung der Anstalten selbst
zugestehen wollte. Das Ende der Wahlperiode sali auch diese
Frage ungelöst.
Rücksichtlich der Verwaltung dieser Anstalten möge hier
blos erwähnt werden, dass der Landtag die Regierung anging
die gänzliche Reform des Findelwesens in zweckmässiger Weise,
einverständlich mit dem Landes-Ausschusse, in die Hand zu
nehmen und dahin zu wirken, dass dem Landtage eine entspre-
chende Vorlage gemacht werden könne *), dass ferner der Land-
tag sich dafür ausgesprochen hat^ dass die Benützung der aut
den klinischen Abtheilungen *) entbindenden Wöchnerinnen fllr
den Unterricht nur mit allen durch die Zwecke der Sanität wie
Humanität gebotenen Vorsicht eingerichtet werde *), und dass
endlich der Landtag beschloss, den alten noch vor Kaiser Josef II.
erbauten Irrenthurm, wegen seiner vielfachen Uebelstände für die
Kranken aufzulassen, indem er gleichzeitig die Zusammensetzung
einer Enquetecommission anordnete, die über den Ersatz desselben
*) Zur Erfüllung dieses, in der Sitzung vom 19. Jänner 1866 ausgesproche-
nen Wunsches, wurden keine Vorkehrungen getroffen, so dass in der am 19.
November 1866 eröffneten letzten Session eine Vorlage nicht gemacht wurde.
*) Dieselben sind zugleich Gratisabtheilungen,
*) Die beiden an den Gebärkliniken fungirenden Professoren sowie das
ganze Professoren-CoUegium der medicinischen Facultät protestirten zwar gegen
diese Einmengung in Unterrichtssachen und die Beschränkung der Wissen-
schaft; die Landesvertretung beharrte aber bei ihrer Anschauung und erklärte
sich unter Aufrechthaltung des Wunsches nach Anstellung einer grösseren
Anzahl von Assistenten zur Ueberwachung der Studierenden erst zufrieden, als
dargethan wurde, dass durch Einführung eines Turnus die möglichst geringste
Anzahl von Studierenden bei jedem Krankenbette erzielt wurde.
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— ob Zubau zu der neuen Wiener Anstalt oder Neubau in abso-
luter oder relativer Trennung von derselben — 7A\ berathen hatte ').
Zu erwähnen kommt ferner noch, dass der Landtag am
15. Februar 1866 beschlossen hat, Frauenspersonen, ohne Rück-
sicht auf das Religion s-Bekenntniss, in der Qebär-AnsLalt aufzuneh-
men, und auch den unentgeltlich Aufgenommenen zu gestatten,
die Taufen ihrer Kinder nach akatholischem Ritus vorzunehmen,
ferner aber auch die Regierung anzugehen, die bei der Findol-
Anstalt bestehende Einrichtung aufzuheben, wonach jüdische Kinder
in dieselbe gar nicht, nach akatholischem Ritus getaufte Kinder
jedoch nur entgeltlich aufgenommen werden. Nachdem die Regie-
rung, mit Berufung auf ein bestehendes, dagegen lautendes Hof-
kanzleidecret, diesem Begehren keine Folge geben zu können erklärte,
wandte sich der Landtag mit Beschluss vom 2L December 1866 in
einer eigenen Adresse deshalb an Se. Majestät. Bei Schluss der
Wahlperiode war eine Entscheidung nicht herabgelangt ').
Ausser dieser durch die Landesordnung gesicherten Ein-
flussnahme auf Sanitäts- Angelegenheiten ist noch das Verhältniss
zu den Spitälern und zur Kuhpockenimpfung zu besprechen.
Was die ersteren betrifft, so hat sich die Regierung, ungeachtet
das allgemeine Spital in Wien sammt Filialen aus Staatsmitteln
auch nicht theilweise erhalten wird '), nicht veranlasst gesehen,
die Verwaltung desselben abzutreten. Anfänglich wurde bei jeder
Personal- und Verwaltungs-Massregel die Wohlmeinung des Lan-
des-Ausschusses eingeholt, allein später ging man auch davon ab
und trat das allgemeine Krankenhaus zu der nieder-österreichi-
schen Landesfonds-Verwaltung in dasselbe Verhältniss wie zu
jedem anderen, etwa in einer andern Provinz gelegenen Spitale.
Dasselbe beschränkte sich auf die Zahlung der von den Verwal-
') In der 1868er Session wurde der Bau eines Irren-, Siechen- und Ver-
sorgungshauses statt des Thurraes beschlossen.
*) Diese Frage wurde durch den auf Grund der Reichsgrundgesetze
erlassenen Verordnung des Kultusministers vom 31. Jänner 1868 im Sinne
der Religionsfreiheit entschieden.
') Die Kosten werden aus den Ersätzen der Landesfonde, aus beson-
deren Einkommensquellen (Verlassenschaftsgebühren, Zuschläge zur Holz- und
Kohlen-Steuergebühr u. s. w.) und aus den Interessen der vorhandenen Stif-
tungen bestritten.
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tungen der Krankenhäuser nachgewiesenen Kosten für in denselben
verpflegte nach Nieder-Oesterreich zuständige Kranke. Eine Ein-
wendung dagegen, Seitens des Landtages, wurde nicht erhoben,
wohl aber protestirte er in einem Falle gegen die einseitig vorge-
nommene Erhöhung der Verpflegsgebühren. In Folge der beträcht-
lichen, aus den Verlassenschaftsgebühren sowie aus Holz- und Koh-
len-Steuerzuschlägen*) fliessenden Einnahmen*) des allgemeinen Spi-
tales, bestand nämlich seit jeher der Gebrauch, dass für die nach
Wien zuständigen Kranken nur eine geringere Verpflegsgebühr
gezahlt wurde. Die Regierung steigerte diese Gebühr, wie sich
herausstellte, vorzüglich aus dem Grunde, weil ein Theil der
Wiener Localzuflüsse nicht zur Bestreitung der Verpflegskosten,
sondern zur Verzinsung und Abzahlung der namhaften Schulden
des Spitalsfondes verwendet wurde; Schulden, die nicht durch-
gehends für Spitalskosten entstanden waren').
Um jedoch dem Spitale die Mittel zu den laufenden Aus-
lagen nicht zu entziehen, gestattete die Landes- Vertretung Vor-
schüsse zu leisten, indem sie zugleich mit der Regierung verhan-
delte über einen Amortisationsplan zur Bezahlung der vorhan-
denen Schulden, und über die von den Einnahmsqn eilen hiezu
anzuweisenden Beträge, und endlich über die sohin festzustellen-
den Verpflegsgebühren. Die Regierung wahrte zwar das Recht
der Feststellung der letzteren als eine lediglich ihr zukommende
Verwaltungsmassregel, allein sie trat gleichwohl in Verhandlungen
ein und setzte die Verpflegsgebühren in der That im Sinne der,
Seitens des Landes-Ausschusaes abgegebenen Wohlmeinung pro-
visorisch fest, indem sie sich zugleich bereit erklärte, rücksicht-
lich der definitiven Feststellung eine neuerliche Berathung ein-
') Das Wiener Btirgerapital trägt 55000 fl., der Jahannis-Spitalfond
758 fl. bei. Der Holz- und Kohlenaufschla^ wird mit 75000 fl. und die Ver-
lassenschaftsgebühr mit 82000 fl. berechnet, so dass diese jährlichen Localzu-
flüsse den namhaften Betrag von 212.758 fl. herausstellen.
•) Mit A. H. EntSchliessung vom 20 April 1803 wurde dem Kranken-
hause die Einhebung einer Gebühr (nach einem bestimmten Tarife) von allen,
den Betrag von 1000 fl. übersteigenden Verlassenscliaften sowie von zwei
Groschen von jeder Klafter Holz und mit der A. H. Entschliessung vom
Jahre 1807 auch ein Kohlenaufschlag gestattet.
^) So z. B. aus Anlass des Baues der pathologisch-anatomischen Anstalt,
deren Herstellung vielmehr dem Btudieufonde oblegen wäre.
4*
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zuleiten, bis zur gründlichen Beurtheilung des laufenden Erfor-
dernisses die unentbehrlichen Daten während der Jahre 1866 und
1867 erfahrungsmässig festgestellt sein werden. Hierüber hat der
Landtag jedoch erklärt auch auf eine derartige provisorische
Feststellung vorläufig nicht eingehen und lediglich auf Leistung
weiterer Vorschüsse sich einlassen zu können. Mit Schluss der
Wahlperiode blieb diese Frage daher noch ungelöst
Bezüglich der von Gemeinden errichteten Spitäler wahrte
sich der Landtag das Recht der Zustimmung bei der Oeffentlichkeits-
erklärung und der Feststellung der Verpflegsgebühren derselben,
nachdem der Landesfond dabei wesentlich betheiligt ist Wäh-
rend dieser Wahlperiode wuchsen als öffentliche Spitäler die An-
stalten von Penzing, Waidhofen an der Thaia und Feldsberg zu.
Dem Wohlthätigkeitshause in Baden wurde in Anerkennung der
besondem localen Verhältnisse eine Subvention von jährlich 800 fl.
bewilligt. *) Ausser diesen dem Landesfonde obliegenden Ver-
pflichtung zur Kostenübernahme fiir nach Nieder-Oesterreich zu-
ständige in einem öffentlichen Spitale verpflegte Kranke gab
der Landtag noch seine Zustimmung, dass nach Nieder-Oesterreich
zuständige Kranke, die in einem öffentlichen Spitale in Steier-
mark verpflegt werden, erforderlichen Falles eines der dortigen
landschaftlichen Bäder für Rechnung des niederösterreichischen
Landesfondes gebrauchen können und bewilligte er ferner, dass
hierländige Kinder gegen ein mit der Verwaltung vereinbartes
Pauschale ') das Bad in Hall gebrauchen können.
Rücksichtlich der Verpflegskosten für zahlungsunfähige Nie-
derösterreicher sowohl in den Wiener Spitälern als in der Ge-
bär- oder in einer Irren-Anstalt muss noch bemerkt werden, dass
die Regierung die Judicatur, inwieferne die Zahlungsunfähigkeit
in einzelnen Fällen nachgewiesen ist — für sich in Anspruch
nahm. Mit dem 1. Jänner 1866 ging jedoch die Prüfung der
Zahlungsfähigkeit von Kranken auch an den Landes-Ausschuss über.
Bezüglich der Verpflegsgebühren in den verschiedenen An-
^) Hieran wurde die Bedingung geknüpft, dass den nach Nieder-Oester-
reich zuständigen armen Kranken die Bäder unentgeltlich überlassen werden.
*) Gegen den Betrag von 100 fl. wird das Kind von der betreffenden
Station der Elisabeth - Eisenbahn abgeholt, sowie dorthin zurückgestellt und
werden auch die Verpflegung sowie die Bäder bestritten.
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53
stalten überhaupt musste eine Erhöhung derselben vorgenommen
werden, um die Einnahmen der Institute den Ausgaben gleichzu-
stellen und eine Zuzahlung des diesseitigen Landesfondes, noch
ausser den Verpflegskosten für die nach Nieder-Oesterreich Zu-
ständigen, zu verhüten. Es^ erschien diese Massregel um so noth-
wendiger, als die Anzahl der nach andern Kronländern Zustän-
digen die der einheimischen Kranken nahezu überwiegt, dem
Lande dadurch ohnehin durch Beschaffung der erforderlichen Lo-
calitäten grosse Opfer auferlegt werden, und als es wohl nicht
angeht, auch noch bei den reinen Verpflegskosten fiir Fremde zu-
zuzahlen ^).
*) Ausweis
über die Verpflegsgebühren per Kopf und Tag in den nachbenannten
Anstalten.
I. In derWiener Irren- Anstalt.
a) Vom Jahre 1861 bis 30. April 1863
1. Classe 2 fl. 63 kr.
2. „ 1 » 26 „
3. „ — „ 56 „ (in der Heil-Anstalt)
„ „ - „ 45% „ (in der Pflege- Anstalt)
b) Vom 1. Mai 1863 bis 31. December 1865
1. Classe 2 fl. 63 kr..
2. „ 1 n 26 „
3. „ — „ 66 „ (in der Heil- Anstalt)
„ „ — „ 57 „ (in der Pflege-Anstalt)
c) Vom 1. Jänner 1866 angefangen
1. Classe 2 fl. 63 kr.
2. „ 1 n 26 „
3. „ — „ 66 „ (in der Heil-Anstalt)
„ „ — „ 60 „ (in der Pflege- Anstalt).
n. In der Ibbser Irren-Anstalt.
a) Vom Jahre 1861 bis 30. April 1863
1. Classe 1 fl. 40 kr.
2. „ - n 89% kr.
3. n - n 45»A «
h) Vom 1. Mai 1863 angefangen
1. Classe 2 fl. — kr.
2. n 1 » 10 „
3. n — » Ö3 „
UI. In der Gebar- Anstalt.
a) Vom Jahre 1861 bis 31. December 1865
1. Classe 3 fl. 50 kr.
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54
Die Theilnahmebei der Kulipockenimpfung beschränkte
sich auf die Bestreitung der Reisekosten der Impfärzte, und der
denselben zuerkannten Prämien aus dem Landesfonde. Die Be-
rechnung der ersteren, sowie die Zuerkennung der letzteren, nahm
die Landesvortretung für sich in Anspruch. Was nun die Impf-
•
2. aasse 1 fl. 92»/^ kr.
3. „ - „ 52y, „
h) Vom 1. Jänuer 1866 anget'finj^en
■ 1. Classe 3 a. 50 kr.
2. „ 2 „ - ,
3. , _ „ 70 „
IV. In der Finde 1-A n s t a 1 1.
a) In der Anstalt selbst
1861 u. 1862 25 '/32 kr. für Kinder bis zum 1. Lebensalter,
„ „ „ ^S'Yie „ „ « vom 2. bis z. volleud. 6. Lebensalter,
„ „ „ ^6>Vie » « n • ^^^ 7. bis z. „ 10. „ u. darüber
1863, 1864, 1865 u. 1866 SO'/ai kr. für Kinder b. z. vollend. 1.
„ „ „ „ 48*/^ „ „ ^ vom 2. b. z. vollend. 6. Lebensalter
n •'>l*yie« » n n 7. bis z. „10. „
und darüber.
h) In der auswärtigen Pflege.
Vom Jahre 1861 ab angefangen
143/ii kr. für Kinder bis zum vollendeten 1. Lebensalter,
IIV3 V « . n vom 2. bis zu dem vollendeten 2. Lebensalter
8/4„n V ^«^«nn« n 6. „
•"^ /6 rt T r, ,, 7. ,,„„ „ 10. ,,
14y,.j „ „ „ „ 10. „ zur Entlassung aus der Anstalt.
Ueberdies erhält die Pflegepartei als Kemuneration den Betrag von
4 fl. 20 kr., wenn dieselbe das Kind bis zum 1. Lebensalter gebracht, und
dasselbe ununterbrochen durch volle 8 Monate verpflegt hat.
c) Für im Set. Anna - Kinderspitale behandelte Kinder wird ohne Unter-
schied des Alters eine tägliche Gebühr von 35 kr. vom Jahre 1861 ab bis
gegenwärtig gezahlt.
Aufnahms-Taxen.
Vom Jahre 1861 bis 31. December 1862
1. Classe 308 fl. 70 kr.
'^' 105 „ - ,
^^. „ 52 „ 50 „
4. „ 21 „ - „
Vom 1. Jänner 1863 bis 31. October 1865.
1. Classe 308 fl. 70 kr.
2. „ 120 „ - „
3. - 60 „ - „
4. „ 25 „ - „
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55
prämien betriflft, so wollte dies ursprünglich nicht zugestanden
werden, da man diese Prämirung als ein Recht der Executive
ansah. Allein der Landtag beharrte auf seiner Anschauung, wel-
cher sodann auch die Regierung beistimmte, wobei übrigens be-
merkt wurde, dass der diesfällige Ausspruch der Landes Vertre-
tung ohnehin nur auf Grund des von der Landes -Medicinalbe-
hörde gemachten Vorschlages geschah. — Allein auch in dem
Falle hat diese Kostenantheilname zu einer weitergehenden Ein-
flussname geführt. Einerseits hat sich der Landtag über die von
der Regierung gestellte Anfrage, in wiefeme dem von einem an-
dern Landtage gestellten Ansinnen um Einführung des Impf-
zwanges zu entsprechen wäre, gegen den Zwang ausgesprochen *),
und anderseits hat er der Revaccination der Kuhpocken-Lymphe
sein Augenmerk zugewendet. Es wurden nämlich dem Inhaber
Vom 1. November 1865 angefangen
1. Classe 308 fl. 70 kr.
2. ^ 140 „ ~ „
3. „ 80 „ - „
4. n 35 „ - ,
V. In den Wiener Krankenhäusern
a) Vom Jahre 1861 bis 30. November 1863
1. Classe 2 fl. — kr.
2. „ 1 „ 40 „
3. „ — „ 63 „ für Niederösterreicher des flachen Landes,
„ „ — «42 „ r> zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten,
y, „ — „ ISVa ., „ zahlungsunfähige Wiener.
b) Vom 1. Deceinber 1863 bis 31. August 1866.
1. Classe 3 fl. — kr.
2. „ 1 „ 40 ,
3. „ „ — 66 „ für Niederösterreicher des flachen Landes,
„ „ „ — 45 „ für zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten,
„ „ — «31 «für zahlungsunfähige Wiener.
c) Vom 1. September 1866 angefangen
1. Classe 3 fl. — kr.
2. . 1 „ 50 „
3. „ — „ 70 „ für Nieder Österreicher des flachen Landes,
yj „ — ^ 47 „ „ zahlungsfähige Wiener u. Dienstboten,
„ „ - „ 33 „ „ zahlungsunfähige Wiener.
*) Die abgegebene Erklärung ging dahin, dass eine zweckmässige Re^
Vision und Erneuerung- der für die Impfung bestehenden Vorschriften hin-
reichen dürfte, um die Theilnahme für die Impfung beim Volke zu sichern.
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56
einer Privatanstalt von frischer Kuhpocken-Lymphe in Wien Sub-
ventionen aus dem Landesfonde, jedoch gegen dem gegeben, dass
er die Impfärzte entsprechend betheile. Da sich nun nach den
eingeholten Berichten über zweijährige Versuche herausstellte,
dass nur bei 60% eine Haftung des Impfstoffes erfolgte, so wurde
später davon Umgang genommen, zugleich aber die Reiseauslagen
des Primararztes der Findelanstalt nach Wieselburg zur Beschaf-
fung von originären Lymphen auf den Landesfond übernommen,
damit die Revaccination bei dem Haupt-Impfinstitute selbst vor-
genommen werden könne.
VI. Strassen- imd Wasserbauten.
Nach §. 18 I. Punkt 2 der Landesordnung sind die öffent-
lichen Bauten, welche aus Landesmitteln bestritten werden, als
Landesangelegenheit erklärt. In Befolgung dessen übergab die
Regierung gleichzeitig mit der Verwaltung des Landesfondes auch
die Administration einer aus demselben gebauten und erhaltenen
Strasse und einer Brücke.
Irgend eine Beschränkung bei dieser Verwaltung, wie z. B.
die Eventualität, diese Strasse oder Brücke nicht mehr erhalten
zu wollen, war hiebei nicht angedeutet, da es sich ja um eine
selbstständige Verfügung über Landesmittel handelte und auch
die Landesordnung in dieser Beziehung keine Schranken kennt.
In einem Widerspruche hiemit stand eine Hauptbestimmung des
von der Regierung in der II. Session eingebrachten Entwurfes
eines Gesetzes für die Herstellung und Erhaltung der nichtära-
rischen öffentlichen Strassen, nachdem darin die Form des Lan-
desgesetzes für die Erklärung und Auflassung von Strassen als
Landesstrassen, d. i. solchen Strassen, deren Kosten ganz aus dem
Landesfonde getragen werden, oder für deren Einreihung in eine
andere Categorie von Strassen in Antrag gebracht und unge-
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57
achtet des lebhaften Kampfes dagegen auch daran festgehalten
wurde. *)
Die sonstige Wirksamkeit des Landtages in Strassen Sachen
trat nur in Folge des auf Grund einer Regierungsvorlage be-
schlossenen und am 21. Mai 1863 A. H. sanctionirten Ge-
setzes ein.
Nach demselben hatten ausser den Landesstrassen noch
zwei Categorien nicht ärarischer öffentlicher Strassen, und zwar
der Concurrenz- und Gemeindestrassen zu bestehen.
Zwar hatte die Regierung durch die Vorlage dieses Gesetz-
entwurfes dem Landtage die Competenz der diesfälligen Gesetz-
gebung nach §. 18 in der Landesordnung zuerkannt, allein das
Recht der selbstständigen Erklärung von Strassen zu Concurrenz-
strassen und zur Auflassung derselben, räumte sie ihm so wie
bezüglich der Landesstrassen nur insofern ein, als dieselbe im
Wege der Landesgesetzgebimg stattfinden sollte. Die Landes-
vertretung wollte dieses Recht ebenfalls dem Landtagsbeschlusse
allein vorbehalten, weil dadurch eine viel leichtere Bewegung für
den Landtag, rücksichtlich der oft rasch hintereinander folgenden
Aenderungen möglich gewesen wäre und weil durch die Art
dieser Entscheidung über die Concurrenzstrassen ein wesentlicher
Einfluss auf die Anzahl der Landesstrassen, also auch auf den
Landesfond genommen wird. Der diesfällige Widerstand des
Landtages war von keinem Erfolge. ') Ebenso wenig wollte die
Regierungsvorlage der Landesvertretung einen Einfluss auf die
Beaufsichtigung der Gemeinde- und Concurrenzstrassen einräu-
men. Rücksichtlich der ersteren nahm der Landtag auch gar
nicht in Anspruch, dass ein solcher im Strassengesetze festge-
stellt werde, nachdem dadurch, dass die Herstellung und Erhal-
^) In dem in der 1868er Session revidirten und unterm 3. November
1868 A. H. sanctionirten Strassengesetze wurde die Form des Landesgesetzes
lediglich für die gänzliche Auflassung beibehalten, dagegen die Erklärung
einer Strasse zur Landesstrasse oder deren Eintheilung in eine andere Cate-
gorie von Strassen ganz allein von dem Landtags - Beschlüsse abhängig
gemacht.
*) Dagegen ist in dem neuen Strassengesetze vom 3. November 1888
allerdings der Landtagsbeschluss als ausreichend für diese Bestimmungen über
die Concurrenzstrassen anerkannt worden.
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58
tung der Gemeindestrassen nach §. 26 des Gemeindegesetzes
in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinden gehört und
eine Beschwerde hingegen ohnehin an die Landesvertretung gelangen
muss *). Dagegen wurde darauf bestanden, dass der Landesver-
tretung die Beaufsichtigung der Concurrenzstrassen eingeräumt
werde. Es war dies wohl die noth wendige Folge der regel-
mässigen Beiträge von Subventionen, welche nach dem Gesetze
aus dem Landesfonde für diese Strasse geleistet werden sollten *).
Das mehrerwähnte Strassengesetz trat mit dem in demsel-
ben vorgesehen gewesenen Termine vom 1. August 1863 nur
theilweise ins Leben. Was die Landes- und Concurrenzstrassen
betrifft, war der Landtag in der 1863er Session nicht in der
Lage, die auf Grund des Strassengesetzes erforderlichen Special-
gesetze zur Feststellung der einzelnen Strassen-Kategorien gleich-
zeitig zu berathen. Bis zur 1864er Session waren allerdings
mehrfache Vorberathungen gepflogen und wurde sich in dersel-
ben nicht nur über die Landesstrassen geeinigt, sondern würde man
sich ohne Zweifel auch über die erforderliche Auswahl der Con-
currcnz-Strassen schlüssig gemacht haben. Da jedoch zugleich für
jede derselben die Concurrenz, d. K die Anzahl der zu jeder ein-
zelnen Strasse beitragspflichtigen Gemeinden sowie das Ausmass der
Leistung bestimmt werden sollte, musste davon auch in diesem Zeit-
punkte Umgang genommen werden, nachdem hierzu abermalige und
zwar sehr umständliche Erhebungen zu pflegen waren. Da nun
in dem Gesetze vom 21. Mai 1863 §. 35 festgesetzt war, dass
die früher bestandenen Kreisfonds-Umlagen nur mehr bis 30. April
1864 fortbestehen sollten, musste auf ein Provisorium bis zur nächsten
Session gedacht werden. Der Landtag berieth daher ein Gesetz,
womit eine Verlängerung des Termines für den Fortbestand der
Kreisfonds-Umlagen bis Ende 1864 ausgesprochen und zugleich
*) Die Regierung gab dieser Auslegung erst in der späteren Zeit Kaum.
In dem neuen Strassengesetze ist übrigens die Aufsicht über die Gemeinde-
Strassen ausdrücklich den Strassenausschüssen und in oberer Linie dem Lan-
des-Ausschusse zuerkannt.
'^) Die Einräumer-Löhnungen sollten zum grössten Theile auf den
Landesfond übernommen werden und hätte derselbe wahrscheinlich auch alle
8% der directen Steuer übersteigende Auslagen zu tragen gehabt, nachdem
08 im Gesetze hiess, dass eine höhere Umlage nicht bestehen dürfe.
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59
der Landes- Aiisschuss zui* Feststellung provisorischer Concurren-
zen im Einvernehmen mit der Statthalterei bis zur nächsten Ses-
sion ermächtigt wurde. Allein dieses Gesetz erhielt mit der A. H.
EntSchliessung vom 21. October 1864 „wegen der die Befugnisse
des Landes - Ausschusses zu weit ausdehnenden Bestimmungen"
die Sanction nicht. Zu gleicher Zeit geruhten Se. Majestät den
weiteren Fortbestand der Kreisfonds-Umlagen anzuordnen. Da
nun diese Fortdauer Seitens des Landtages nur bis Ende 1864
beschlossen war, dessen Einberufung im Jahre 1865 erst Ende
des Monates November erfolgte, konnte die Ausschreibung dieser
Umlagen mit Zustimmung der Landes-Vertretung nur für den
II. Semester 1864 stattfinden, und musste dieselbe pro 1865 ohne
eine solche erfolgen (siehe Landesvermögen).
Bis zur 1865er Session waren nun zwar in der That sehr
umständliche Erhebungen bei sämmtlichen Gemeinden gepflogen.
Allein das Ergebniss war derart, dass sich die Durchführung der
im 1863er Strassengesetze vorgesehenen Einzelconcurrenzen nicht
empfahl. Indem der Landtag die Ausschreibung der Kreisfonds-
Umlagen pro 1865 daher nachträglich genehmigte, stellte er
Bezirks-Concurrenzen fest, welche mit dem Jahre 1867 in^s Leben
treten sollten, und beschloss er die nochmalige Ausschreibung der
genannten Umlagen pro 1866. Aber auch dem diesfälligen Ge-
setze wurde die A. H. Sanction nicht zu Theil, weil die Regierung
die mitaufgenommene Bestimmung, dass zur Auflassung einer
Bezirks-Strasse nicht mehr ein Landesgesetz, sondern ein Landtags-
Beschluss genüge, beanständen zu müssen erachtete *). Die Folge
dieses neuerlichen Aufschubes war, dass der Landtag erst in der
1866er Session das Gesetz in der unbeanstandeten Form beschlies-
sen konnte und dass sodann, nachdem die A. H. Sanction am
13. December 1866 erfolgt war, die auf Grund desselben zu
fassenden Beschlüsse nur knapp vor Schluss der Session und
Wahlperiode zu Stande kamen. Dieselbe endete daher zwar mit
der Vorbereitung zur endlichen Durchführung des wesentlichsten
Theiles des Strassen - Gesetzes, und durch vier Jahre war sie
durch wiederholte Gesetzesablehnungen hintangehalten!
*) Wie bereits erwähnt, hat dieselbe Bestimmung keinen Anstand zu
der am 3. November 1808 erfolgten Sanction des neuen Strassengesetze s
geboten !
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60
Hingegen erhielt das Gesetz über die einzelnen Landes-
Strassen am 18. März 1866 die A. H. Sanetion, nachdem es
bereits in der 1864er Session vom Landtage beschlossen, damals aber
A. H. Ortes nicht sanctionirt wurde , weil der diesfäUige Landtags-
beschluss unter der bestimmten Voraussetzung der gleichzeitigen
Sanetion des unter Einem hiezu vorgelegten Mauthgesetzes gefasst
war, diese Voraussetzung aber nicht in Erfüllung ging, nachdem die
Mauthtarife zu hoch erschienen sind und die Einbeziehung der
Mauthbefreiungen in dieses Gesetz wegen der Competenz des
Reichsrathes beanständet wurde.
Nichts zeigte die Entbehrlichkeit der Seitens der Regierung
so beharrlich in Anspruch genommenen Form eines Landes-
gesetzes für die Landesstrassen deutlicher, als — die Praxis. Als
nämlich in der 1864er und 1865er Session das Gesetz über die
einzelnen Strassen angenommen war, stellte der Landtag in die
Landesfonds- Voranschläge pro 1865 und ebenso dann auch pro
1866 die entsprechenden Summen ein. Ungeachtet nun die Sane-
tion das erste Mal gar nicht und das zweite Mal erst im Monate
März 1866 erfolgte, so wurden diese Strassen doch aus dem
Landesfonde dotirt und genau so erhalten, als ob sie schon da-
mals Landesstrassen gewesen wären. Die Re^erung konnte die
Verwendung des Landesfondes für bestimmte Strassen, nachdem
sie einmal die Einhebung der Landesumlage in der beschlossenen
Höhe genehmigt hatte, nicht beanständen, ja, sie hat sogar aus-
drücklich bei der Bemessung der Höhe der pro 1865 auszuschrei-
benden Kreisfonds - Umlagen auf diese Bedeckung eines Theiles
der Strassen- Auslagen aus dem Landesfonde Rücksicht genommen.
Würde die Regierung die Kreisfonde gleich dem Landes-
fonde u. s. w. übergeben haben, so hätte die Thätigkeit der
Landes - Vertretung in Strassensachen bereits im Jahre 1861
begonnen. Dieselbe wäre sodann zur Zeit der Berathung des
Strassengesetzes mit den erforderlichen Erfahrungen ausgerüstet
gewesen, und würde ihrerseits in der Lage gewesen sein, auf
manche in der Regierungsvorlage enthaltenen Punkte nicht ein-
zugehen, welche bei der practischen Durchführung Hindemisse
boten. Jedenfalls hätte der Landtag die Möglichkeit gehabt, dem
Drängen der Regierung auf die in vielfacher Beziehung so
hinderliche Form der Landes-Gesetzgebung damit ausreichend zu
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begegnen, dass er von der Erklärung von Landes- und Bezirks-
Strassen ganz abgesehen, und die Verwaltung der Kreisfonde
bis auf weiteres fortgeführt hätte. Allein die Regierung übergab
die Bjreisfonde im Jahre 1861 nicht, indem sie vorgab, dass die-
selben nicht aus Landesmitteln entstanden seien, sowie, dass sie
insolange nicht der Landes- Vertretung übergeben werden können,
als nicht bestimmt ist, dass in Nieder-Oesterreich keine Kreis-
Vertretungen eingeführt werden. Diese Auffassung musste um so
auffälliger erscheinen, als der Regierungs-Vertreter in der ersten
Session diese Fonde ebenfalls als einUebergabs-Object bezeichnet, die
Voranschläge für das Jahr 1862 vorgelegt und die Landes -
Vertretung zur Ausschreibung der Umlage aufgefordert hatte.
Nachdem nun diese Uebergabe erst mit dem im Strassen-
gesetze vom 21. Mai 1863 vorgesehenen Zeitpunkte, d. i. am
1. August 1863, erfolgte, erhielt die Landes - Vertretung , erst
2*/^ Jahre nachdem sie in^s Leben getreten war, die zwei bereits
früher aus dem Landesfonde erhaltenen Objecto ausgenommen,
einen Wirkungskreis in Strassensachen, und hatte sie, wie eben
auseinander gesetzt wurde, auch dann noch insoferne mit Schwie-
rigkeiten bis zum Ende der Wahlperiode zu kämpfen, als nicht
einmal die Categorisirung der Strassen innerhalb dieses Zeit-
raumes vollzogen war, die Feststellung der Voranschläge fast
durchgängig nur spät erfolgte, u. s. w., u. s. w.
Was nun die Einrichtungen bei der Strassen-
Verwaltung betrifft, welche von der Landes- Vertretung ge-
troffen worden sind, so muss zunächst bemerkt werden, dass man
an der vorgefandenen Organisation bis Ende des Jahres 1864
nichts änderte. Diese bestand in 18 Administrationen, welche
thoils von Bezirks-Bauämtem *) , theils von Bezirks-Aemtern *)
unter Intervention der Bezirks-Bauämter geführt worden sind.
In einem einzigen Falle — Mariazeller-Strasse — bestand eine
Privat- Administration, jedoch ebenfalls einem Bezirks - Amte ')
unterstellt In mehreren Fällen war die Administration auf eine
*) Brack a. d. Leitha, Hitzing, Komeuburg, Poysdorf und Wr.-Neustadt.
•) Feldsberg, Hörn, Krems, Waidhofen a. d. Thaia uud a. d. Ybbs,
Gammig, Herzogenburg, Mautern, Neulengbach, St. Peter, Scheibbs, Tulln.
») St. Polten.
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einzige Strasse und in mehreren auf einen Complex von Strassen
ausgedehnt. Als Hilfsorgane amtirten im V. U. W. W. und zum
Theile auch 0. W. W., sowie O. M. B. sogenannte Wegmeister*),
dann im V. U. M. B. und grösstentheils auch im V. O. M. B.
Strassen-Commissäre und in dem erstgenannten Viertel unter den-
selben noch Obereinräumer, welche ausser der eigenen Wegstrecke
noch eine Anzahl anderer Einräum er zu überwachen hatten. Die
Strassencommissäre waren keine eigens angestellten Organe, sondern
in der Regel Vertrauensmänner aus der Bevölkerung. Sie bezogen
zuweilen Remunerationen, hatten aber an der eigentlichen Strassen -
Verwaltung gar keinen Antheil, indem sie lediglich zur Aufsicht
verwendet werden sollten. Weil sie aber eben den Geschäften fremd
gestellt blieben, deshalb verschwand ihre Wirksamkeit an vielen
Orten ganz, so dass meistens von der Existenz des Strassen-
Commissärs gar nichts bekannt war.
Während nun in andern Ländern diese oder ähnliche vor-
gefundenen Einrichtungen wegen Mangel eigener Organe beibe-
halten worden sind, und die Landes-Vertretungen mit den 1. f.
Organen weiter verwalteten, organisirte der n. ö. Landtag den
technischen Landesdienst und insbesondere die Strassenverwal-
tung ganz selbstständig.
Nachdem schon im Jahre 1863 zwei Ingenieure zur Besor-
gung der bei der Centralleitung vorkommenden technischen
Geschäfte bestellt worden sind, wurden 1864 für den unmittel-
baren Dienst am Lande weitere fünf Ingenieure*) berufen. Diese
exponirten technischen Landesorgane hatten aber keineswegs
*) Empirisch gebildete Techniker — grössten Theils gewesene Unter-
oflficiere militärisch - technischer Korps — mit verschiedenen Gehaltsbeziigen
3 — 500 fl. und sogenannten Weggeldern. Diese Einrichtung wurde in den
1850er Jahren bei Organisirung des Staatsbau - Dienstes für die ärarischen
Strassen zuerst getroffen; dermalen gibt man sie ebcndort wieder auf.
^) Mit den Amtssitzen zu Brück a. d. Leitha und Wr. - Neustadt im
V. U. W. W., zu Scheibs im V. O. W. W., zu Krems im V. O. M. B. und
zu Korneuburg in V. U. M. B. Daran wurde im J. 1867 insoferne etwas
geändert, als die Stelle in Brück a. d. Leitha einging, und der Amtssitz des
Ingenicures für das V. O. W. W. von Schoibbs nach St. Polten verlegt wurde,
Uebrigens muss dabei noch bemerkt werden, dass die nächst Wien gelegenen
Strassen von den dort stationirten Ingenieuren versehen wurden.
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63
die Strassen Verwaltung selbst. Es wurde vielmehr principiell der
Grundsatz aufgestellt, dass sie nur die Cellaudirungen vorzu-
nehmen und überhaupt die ControUe darüber zu führen hatten,
dass die Strassen in gutem Zustande erhalten werden. Die un-
mittelbare Strassenaufsicht , sowie die Verrechnung und sämmt-
liche Auszahlungen fiihrten die für jede einzelne Strasse eigens
bestellten Administratoren. Dieselben waren Vertrauensmänner
aus der bei der betreffenden Strasse betheiligten Bevölkerung,
denen für ihre Mühewaltung und insbesondere für ihre haaren
Auslagen Pauschalien bewilligt wurden. Durch vorhinein bewil-
ligte Verlagsgelder *), und durch die Gestattung eine Reihe von
Ausgaben innerhalb der Grenzen des Voranschlages bewerk-
stelligen zu können, sowie dadurch, dass den Administratoren
eine gewisse Selbstständigkeit — sie waren den Ingenieuren
keineswegs unterordnet, hatten aber die Verantwortung für Mass- '
regeln zu tragen, die sie etwa gegen den Rath derselben treffen
würden, die Einräumer waren von ihnen zu bestellen und konnten
auch von ihnen entlassen werden — eingeräumt wurde, gelang
es, eine wesentliche Vereinfachung des Strassengeschäftes für die
Centralleitung herbeizuführen, ungeachtet die unmittelbare Auf-
sicht der Strassen, die vorher eigentlich nur unvollkommen be-
standen hat, in der nöthigen Ausdehnung ermöglicht wurde.
Der Werth dieser Einrichtungen lag vorzüglich darin, dass
nun die obere Aufsicht nicht mehr als Nebenaufgabe, wie vorher,
sondern als der eigentKche Beruf der Landes-Ingenieure ausgeübt
wurde, insbesondere aber darin, dass durch eine permanente
Aufsicht der Einräumer den Strassen jene unausgesetzte Pflege
zugewendet werden konnte, welche allein wesentliche Ersparnisse,
namentlich in der Verwendung von Schottermateriale herbeizu-
führen vermag. Auch kann nicht verkannt werden, dass durch
die Abnahme der Geldgebahrung von den Ingenieuren diese
nicht nur vor der fast permanenten Übeln Nachrede geschützt
*) Die Beiträge für die Schotter - Lieferungen wurden den Unter-
nehmern bei den Steuerämtern separat jedoch auch vorhinein und der
Art angewiesen, dass dieselben nach Massgabe der vollzogenen Lieferung
über einfache Vidirungen der Strassen - Administratoren behoben werden
konnten.
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64
werden, sondern auch durch die Uebertragung dieses Geschäftes
an einen aus der Mitte der unmittelbar betheiligten Bevölkerung
hervorgegangenen Vertrauensmann die bisher oft nicht vorhandene
Ueberzeugung von dem wirklichen Bedarf einer Strasse in der
Bevölkerung hervorgerufen wurde.
Das öflfentliche Urtheil über diese Einrichtungen war, in
Folge der bald danach eingetretenen Wirkungen eines besseren
Zustandes der Strassen, wohl zustimmend, allein insoweit gleich-
wohl Bedenken Raum gebend, als der Kostenaufwand zu bedeu-
tend erschien.
Der Landtag hat auch diese Frage eingehend erörtert und
hat sich dabei nachfolgendes Resultat herausgestellt. Die für die
früliere Aufsicht getragenen Kosten beziflferten sich im Jahre 1863,
wo die Verwaltung noch in Händen der Statthalterei war, mit
13.522 fl. und in der 14monatlichen Verwaltungsperiode 1864,
wo die Leitung der Geschäfte bereits an die Landes-Vertretung
abgegeben war, mit 14.600 fl. Im Jahre 1865, das ist eben in
dem ersten Jahre, wo die neuen Einrichtungen Platz griffen,
wurden für die Ingenieure an Gehalten und Reisepauschalien
20.433 fl. ausgelegt. Danach stellt sich nun allerdings eine Mehr-
ausgabe von 6911 fl. gegen das Jahr 1863, 7933 fl. gegen das
Jahr 1864 (wenn man nur eine 12monatliche Periode mit 12.500 fl.
annimmt) heraus. Für das Jahr 1866 wurden die Reisepauscha-
lien der Ingenieure, nach den inzwischen gemachten Erfahrungen
in etwas herabgemindert, so dass deren Gesammtbeztige nur
mehr 16.606 fl. betrugen. Danach stellt sich die Mehrausgabe
gegen 1863 nur mehr mit 3084 fl. und gegen 1864 mit 4106 fl.
heraus. Dieser Mehraufwand wäre aber schon damit hinreichend
gerechtfertigt, dass die Ingenieure zu vielen Bauten und Ge-
schäften mitwirkten, welche sich nicht auf die Strassenconser-
vation bezogen und dass namentlich die bei der Centralleitung
bestellten Ingenieure zu vielen administrativen Arbeiten verwen-
det wurden, zu deren Versehung eben andere Organe hätten be-
rufen werden müssen. Allein der weit gewichtigere Rechtferti-
gungsgrund liegt darin, dass der Strassenzustand anerkannter-
massen ein besserer war, und gleichzeitig die Gesammt- Erhal-
tungskosten geringer wurden. In dieser Beziehung constatirte
der Landtag, dass dieselben Strassen, welche im Jahre 1863
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65
402.139 fl. 64 kr. und 1864, bereits nach Richtigstellung für
12 Monate, 407.503 fl. 19 kr. erforderten, im Jahre 1865 nur
368.563 fl. 66 kr. und 1866 387.104 fl. 57 kr. kosteten, so dass
sich beim Vergleich mit 1865 ein Ersparniss herausstellt gegen
1863 mit 33.575 fl. 98 kr., ferner gegen 1864 mit 38.939 fl.
5.^ kr. und bei der Parallele mit 1866 gegen 1863 mit 15.035 fl.
7 kr., sowie gegen 1864 mit 20.398 fl. 62 kr.; Ersparnisse, wo
die Gesammtkosten für die Ingenieure ihre mehr als ausreichende
Bedeckung finden ').
So sehr sich demnach diese Einrichtungen im Allgemeinen
bewährt haben, so verschloss sich die Land es -Vertretung doch
nicht der Nothwendigkeit von einigen Aenderungen. Dieselben
stellten sieh nun in soweit als wünschenswert heraus, als die
Strassen-Administratoren, obwohl sie, nicht Beamte und besoldet
waren, doch in mehren Fällen, lediglich darum, weil sie eben er-
nannt wurden — wobei leicht eine Fehlwahl getroffen sein mochte,
gewiss aber der Neid von dritten Personen hervorgerufen wurde,
— nicht mehr die Stellung als Vertrauensmänner auch der Be-
völkerung einnahmen, welche ihnen um so notli wendiger war, als
ein Theil ihrer Geldgebarung ihnen selbstständig überlassen bleiben
musste und sie daher mannigfachen Anfeindungen ausgesetzt waren.
Die Landes- Vertretung erachtete, dass dem vorgebeugt werde, wenn
diese Functionäre von der Bevölkerung selbst gewählt wüi'den,
wo dann auch die Unannehmlichkeit wegfiel, Ernennungen vor-
zunehmen, deren Unfehlbarkeit natürlich nie zu verbürgen ist. Es
erschien dies vereinbar mit den Strassen- Ausschüssen, welche,
nach dem bereits erwähnten modificirten Strassengesetze, für die
Strassen- Concurrenz-Bezirke gewählt werden sollten. Damit bot
sich zugleich der Vortheil, dass die der Landes- Vertretung un-
mittelbar zustehende Strassen-Verwaltung (d. i. nur die der Lan-
desstrassen) nicht mehr einer einzelnen Person, sondern einem
ganzen Ausschusse, daher auch mit erhöhtem Vertrauen, eventuell
') Ausser den Auslagen für die Ingenieure sind allerdings noch die Kosten
für die Administratoren zu erwähnen. Da jedoeh dies(dhen in den Auslagen
für die einzelnen Strassen jeweilig miteinbezogen sind, so kann um so weni-
ger von einer Mehrauslage die Rede sein, als ja, wie eben gesagt, der Con-
servations aufwand sammt diesen Kosten für die Administratoren noch ein gei'in-
gerer war, als in den früheren Jahren.
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66
ohne Rechnungslegung, lediglich gegen ein bestimmtes Pauschale,
also unter wesentlichen Greschäfts - Vereinfachungen tibergeben
werden kann. In Würdigung dieser Umstände beschloss der
Landtag, die in das bereits erwähnte Strassen-Nachtrags-Gesetz
vom 13. December 1866 einbezogene Bestimmung, dass künftig-
hin die Verwaltung der Landesstrassen den Bezirks-Strassen- Aus-
schüssen übergeben werden kann. Nachdem nun dieses Gesetz
erst mit 1. Jänner in's Leben trat, konnte auch diese Bestim-
mung in der 1. Wahlperiode, nicht Platz gegriflfen haben und
wird erst die Folge zeigen, inwiefern dieselbe die Aufstellung
der Strassen-Administratoren ganz oder grössten Theils entbehr-
lich macht *).
Zur Beurtheilung inwiefern für die Provinz Nieder-Oester-
reich durch Strassen überhaupt — abgesehen von ihrem Zustande
— bis zum Jahre 1863 vorgesorgt war, und was an diesem
Verhältnisse seither geändert wurde, mögen hier einige statisti-
sche Daten ihren Platz finden.
Seit Ende des vorigen und Anfang dieses Jahr-
hundertes gab es in Nieder-Oesterreich 131 Meilen Strassen,
die aus Staatsmitteln erhalten wurden. Es lässt sich nicht läugnen,
dass hiemit der Anfang im Strassenwesen überhaupt gemacht
wurde, denn es kann als ausgemacht auch für die ersten flint
Decenien dieses Jahrhundertes gelten, dass, wenn nicht aus Staats-
oder Privat-Mitteln eine Strasse errichtet wurde, dies nur den
Gemeinden oder eigentlich den bis zum Ende des fünften Dece-
niums bestandenen Herrschaften überlassen blieb, um — in der
tiberwiegenden Mehrzahl von Fällen nicht zu geschehen. Aus dem
Grunde lässt es sich erklären, warum unter diesen Staatsstrassen
sich auch solche befinden, welche keineswegs wegen eines grösse-
ren Verkehres oder wegen der Verbindung mit anderen Kron-
ländern, sondern in Berücksichtigung von Staatsbesitzungen (Wal-
dungen) seinerzeit hergestellt wurden.
Bei dem in unserer Zeit zu Tage tretenden Bestreben, den
') Im Jahre 1867 wurde von dieser Bestimmung nur in vereinzelten
Fällen Gebrauch gemacht. Im Jahre 1868 wurde die Verwaltung der Lan-
des -Strassen grösstentheils bereits den Bezirks - Strassen - Ausschüssen über-
geben. Eine Ausnahme wurde bisher nur noch mit mehreren Strassen
nächst Wien sowie mit mehreren neugebauten Strassen gemacht.
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67
Staatsschatz von allen Lasten zu befreien, zu denen er nicht
strenge berufen ist, hat man nun allerdings den Versuch gemacht,
eine Anzahl solcher Strassen zu excammeriren. Hiebei ging man
von der Ansicht aus, dass künftighin nur mehr die, die Haupt-
stadt mit den Grenzen, d. i. mit andern Provinzen verbindenden
Strassen aus Staatsmitteln erhalten werden sollen. Der Landtag
hat sich bezüglich der diesfälligen 38 Meilen betreffenden Vor-
lage Ende 1865 gegen die sofortige Uebemahme dieser Stras-
sen und bei der Erneuerung derselben — im Jahre 1866 —
dahin ausgesprochen, dass mit dieser Excammeririmg nicht vor
Ende 1868 vorgegangen, dann dass ein entsprechender Theil der
an diesen Strassenzügen liegenden Wiener Linienmauthen dem
Landesfonde zugewiesen, endlich dass die Donaubrücke bei
Stein auch fernerhin als Staatsobject behandelt werde *).
Ausser den Staatsstrassen gab es noch 48 Meilen Privat-
strassen. Darunter befanden sich auch mehrere Meilen in der
nächsten Umgebung der kaiserlichen Lustschlösser, die von dem
Hoförar erhalten wurden, endlich aber auch die Eingangs dieser Ab-
theilung über Strassen- Angelegenheiten erwähnte, aus dem Lan-
desfonde anlässlich eines sehr bedeutenden Elementarereignisses
hergestellte und erhaltene (Kremsthal-) Strasse.
Mit dem Ende der Patrimonial-Herrschaften 1850 musste
für die Strassen in einer andern Weise vorgesorgt werden. Es
geschah dies aus den, nach dem Umfange der damals in's Leben
getretenen Bezirks-Hauptmannschaften mittelst besonderer Umla-
gen gebildeten Bezirksfonden. Dieselben bestanden, wie bereits
erwähnt, zu verschiedenen gemeinschaftlichen Auslagen, aber vor-
züglich auch zu Strassenkosten. Zum ersten Male wurden aus
öffentlichen Geldern Beiträge zu den sogenannten Vicinalstrassen
— wozu damals eben Alles zählte, das nicht Staatsstrasse
war — geleistet. Dieselben konnten der Natur der Sache nach
nicht gross sein, und es mussten sehr bedeutende Naturalleistim-
gen ergänzen.
') Diesen Wünschen wurde entsprochen und deingemäss erklärte der
Landtag sich in der 1868er Session, vorbehaltlich der Eintheilung der ein-
zelnen Strassen in die verschiedenen Categorien von Landes -und Bezirks-
Strassen, zur Uebernahme mit Ende 1868 bereit.
5*
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68
Indessen ist gar nicht zu läugnen, dass in diese Periode
der Anfang des eigentlichen Strassenwesens fällt, und dass dort,
wo energische Bezirks -Hauptleute an der Spitze standen, viel
geschah. Als nun bei der Auflösung der Bezirks-Hauptmannschaf-
ten die Bezirksfonde aufhörten und in Kreisfonde zusammenge-
zogen wurden (1854), welche bald die ausschliessliche Bestim-
mung zu Strassenzwecken erhielten, da war in einer Baziehung
ein wesentlicher Fortschritt in der Entwicklung des Strassenwe-
sens in Nieder-Oesterreich geschehen, weil nunmehr auf ein
systematisches Ineinandergreifen der einzelnen Strassen gesehen
werden konnte, und weil die den Strassen zugewendeten Zuflüsse
regelmässig zur Verfügung waren; aber bei der Unzulänglichkeit
des einen oder andern Kreisfondbs — je nach der Höhe der
Steuersummen — und bei dem zwar nicht überall, aber gleich-
wohl sich geltend machenden Bestreben alle Auslagen aus dem-
selben zu bestreiten, sowie bei der vorherrschenden Neigung der
Strassen- Concentration um die Kreis-Hauptorte, war das Insleben-
treten der Kreisfonde nicht für alle Gegenden des Landes von
gleichmässig guten Folgen.
Im V. 0. W. W. musste man sich so ziemlich mit dem
beschränken, was schon da war, d. i. mit den in den Längenthälern
vorhandenen und nur in einen besseren Zustand zu versetzenden
Strassen. Im V. U. M. B., wo ein sehr schlechter Strassenzustand
war, so dass noch vor nicht allzulanger Zeit mehrere Tagreisen
erforderlieh gewesen sind, um kurze Strecken zu Wagen zurück
zu legen, und wo die Natur den Strassenbau durch Bergrücken,
welche sich quer durch's Land ziehen, sehr erschwert, die
Strassenerhaltung aber bei dem auf ganze Distrikte ausgedehn-
ten Mangel an Schotter gewiss nicht erleichtert, — hier entwickelte
das Kreisamt durch die Tracirung der wichtigsten Strassen eine
allerdings nicht zu unterschätzende Thätigkeit. Allein die verfüg-
baren Kräfte reichten, ungeachtet die Gemeinden für mehrere
dieser neuen Strassen gegen ein geringes Entgelt den Schotter
beistellen raussten, zur soliden Herstellung nicht aus, und es war,
insofern als dann nur mehr durch die grössten Anstrengungen bei
der Conservation nachgeholfen werden konnte, der Zukunft eine
grosse Leistung nnheim gegeben. — Die Extreme in dem Strassen-
zustande fanden sich aber in dem V. O. M. B. und V. U. W. W.
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69
vor. Einerseits war in dem letzteren Kreise seit den ältesten Zei-
ten durch eine grössere Cultur, vorzüglich aber durch die verschie-
denen industriellen Aulagen ein besserer Strassenzustand vor-
handen, anderseits geschah aber auch mehr für das Strassen-
wesen , und war diess aus mehrfachen Gründen mit weniger
Schwierigkeiten als anderwärts verbunden. Die Gegend ist zu
zwei Drittheilen eben, und hat grossentheils Schottergrund, dann
ist die Steuersumme, welche zur Kreisuralage zu dienen hatte,
um mehr als das Dreifache grösser als im V. O. M. B. so , dass
mehr Mittel zur Verfügung waren, und endlich ist man hier
nicht nur mit grosser Energie vorgegangen, sondern hat man
es auch insbesondere verstanden, die Gemeinden sowohl beim
Bau als bei der Erhaltung der Strassen zu Naturalleistungen her-
beizuziehen, dadurch aber nicht sowohl die Preise für Schotter
herabzudrücken als auch die Mittel des Fondes selbst zu scho-
nen und zu anderen Leistungen bereit zu halten. —
Ganz entgegen gesetzt waren aber die Verhältnisse im
V. O. M. B. Es gab eigentlich im ganzen Kreise vordem nur
eine grössere öffentliche Strasse. Die ungünstigsten Terrain Ver-
hältnisse und in einigen Gegenden auch Schottermangel er-
schwerten Strassenbau und Erhaltung, die Strassenumlage war
bei derselben Höhe wie in den andern Kreisen, wegen der ge-
ringen Steuersumme sehr unausgiebig, die Bevölkerung wurde zu
Naturalleistungen nicht herbei gezogen, und endlich wurden die
vorhandenen Gelder fast ausschliesslich zum Bau von Strassen
nächst Krems verwendet, so dass der überwiegende Theil des
Kreises aller Strassen nahezu baar vorgefunden wurde. —
Dem entsprechend war die Anzahl der Meilen Kreis-
Strassen oder der aus den Kreisfonden subvcntionirten Ge-
meindestrassen in jedem Viertel. Im Jahre 1863, das ist in dem
letzten Jahre der früheren Strassenverwaltung wurden ganz oder
theilweise aus den Kreisfonden erhalten, im:
V. 0. M. B 54 y« Meilen
V. U. M. B 74 y, „
V. O. W. W 79 y, „
V. U. W. W 86 % „
also im Ganzen 295 V Meilen.
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70
Der Landtag war nun bemüht durch Neubauten und densel-
ben gleichkommende Reconstructionen von einer Anzahl Ge-
meindewegen, oder schwer fahrbarer Strecken anderer Strassen, die
Anzahl der Verbindungswege möglichst zu vermehren, oder die
Benützung der vorhandenen zu erleichtern. In dieser Beziehung
sind als neu hergestellt anzuführen, im:
V. 0. M. B 27 y« Meilen
V. U. M. B 25 V; ^
V. 0. W. W 10 — „
V. U. W. W 15 % „
also zusammen 78 Vs Meilen,
eine Leistung, bei der insbesondere berücksichtigt werden muss,
dass sie sich eigentlich nur auf die letzten 3 Jahre vertheilt
Bei der Auswahl der zu reconstruirenden und neu zu er-
bauenden Strassen wurde anfänglich wohl nur von Fall zu Fall
vorgegangen. Allein alsbald erkannte man die Nothwendigkeit,
eines planmässigen Vorganges. Es wurde daher nach der bereits
erwähnten commissionellen Verhandlimg mit allen Gemeinden ein
Strassennetz entworfen, mit dessen Entwicklung allmälig vor-
gegangen werden sollte. Als daher im Jahre 1866 plötzlich Noth-
standsbauten in der Ausdehnung von mehr als 30 Meilen in
Angriff genommen werden mussten, konnte sofort dabei im
Sinne des Strassennetzes vorgegangen werden. Nach demselben
sollten sich die Strassen vertheilen.
auf das V. O. M. B. mit 101*4 Meilen
„ „ V. ü. M. B. „ 102-5 „
„ „ V. O. W. W. „ 108-8 „
, „ V.U.W.W.Q, , 83-3 ,
Es erscheinen daher im Ganzen 396 Meilen
') Dass im V. U. W. W. nach dein Strassennetze keine Vermehrung,
sogar eine Verminderung gegen den Stand von 1863 eintreten soll, hat
seinen Grund darin, dass nicht alle früher aus dem Kreisfonde subventionirten
Gemeinde-Strassen in das Netz aufgenommen worden sind und dass anderseits
die in diesem Viertel liegenden Landessirassen durchaus aus der Reihe der
Kreisstrassen genommen wurden, was z. B. im V. O. M. B. keineswegs
der Fall war.
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71
in demselben aufgenommen. Eechnet man noch dazu die 113
Meilen Landesstrassen, so stellt sich das vom Lande abhängige
Gesammtstrassennetz mit 509; also mit 214 Meilen mehr heraus,
als im Jahre 1863.
Zählt man femer die 131 Meilen Staatsstrassen und 19 Meilen
von den erwähnten Privatstrassen, die eben nicht in die' Cate-
gorie der Landes- oder Bezirks-Strassen eingetheilt worden sind,
dazu, so ergibt sich die Gesammtsumme von 659 Meilen öffent-
licher Strassen.
Berechnet man, in welchem Verhältnisse diese Anzahl
zu dem Flächeninhalte und zu der Einwohnerzahl steht, so
ergibt sich*), dass nicht ganz zwei Meilen Strassen auf eine
Quadratmeile und auf ungefähr 4000 Seelen (von der Bevöl-
kerung des flachen Landes •) kommen. In welchem Verhält-
nisse demnach Nieder-Oesterreich bezüglich seiner Strassen zu
den andern Provinzen der öst. Monarchie sich befindet, das
Kreise
CA
a
et
.35
1
•c
dg
II
Es entfallen auf eine Quadrat-
meile von den
Auf je 1000 See-
len entfällt eine
Strassenlänge
c
9
b.
Q
c
<
i
OD
'n
>
ff
Strassen
Meilenlänge
Strassen
in Meilen
in Meilen
0. W. W.
58.9
24.4
83.2
13
179.6
0.75
31
1.05
0.17
2.32
0.422
0. W. W.
25.7
26.1
108.8
4.5
165.1
0.29
0.29
1.21
0.05
1.09
0.526
0. 1. ß.
23.5
34
102.5
1.5
161.5
0.27
0.29
1.18
0.02
1.95
0.520
0. 1. B.
22.9
28.9
101.4
—
153.2
0.26
0.32
1.14
—
1.74
0.487
Hs
Summe
131
113.4
396
19
659.4
0.18
0.12
1.25
0.05
1.90
0.488
•) Die Bevölkerung der Hauptstadt ist hier^nicht mitgerechnet. Würde
dies aber geschehen, so wäre das Verhältniss ein noch viel ungünstigeres.
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72
geht am deutlichsten aus der hier angeschlossenen Tabelle *)
hervor. Darnach stellt sich heraus, dass Nieder - Oesterreich , was
die Repartirung der vorhandenen Strassen nach dem Flächenin-
halt betrifft, nur den östlich gelegenen, sowie den Grebirgsländern,
d. i. einerseits Galizien, Bukowina, Ungarn, Croatien und Slavo-
nien, Siebenbürgen und Dalmatien, anderseits Salzburg, Steier-
mark, Kärnten und Tirol an Strassen überlegen ist, dagegen
den Ländern Böhmen, JMähren, Schlesien, Ober-Oesterreich, Krain
und Istrien darin zurücksteht. Diese Parallele mit den andern
österreichischen Provinzen ist aber thatsächlich eine noch viel
ungünstigere, wenn man nicht das erst zur Verwirklichung für
die Folge bestimmte, sondern das factisch vorhandene Strassen-
netz von Nieder-Oesterreich der Vergleichung zu Grunde legen
würde und wenn man bei den andern Provinzen, die seit jener
Berechnung hinzugekommenen neuen Strassen noch mitbei*ech-
net. Ein Vergleich endlich mit andeni europäischen in der Cultur
vorgeschrittenen Ländern würde bei der grossen Vervollkommnung
des Communicationswesens ebendort insbesondere zeigen, dass
Nieder-Oesterreich — das noch vor nicht langer Zeit den trau-
rigen Kuhm hatte, unmittelbar vor den Thoren der Hauptstadt
*) Nach Czöriiigä ^
Handbuch
,das östr. Budget für
1862."
FJächen-
Aerarial-
Andere
Strassen
listige
inlialt
Slrasson
Strassen
Zusammen
112 = «
Namen der Kronläii'ler
in
.
Quadratmeii.
Längfc
. in Meilen a
4000"
Entfäll
auf ein«
mcile
Strasj
von
Ober-Oesterreich .
208.47
90.61
110.82
1.094.43
5.25
Salzlmrg ....
124.52
47 . 03
46.02
93.05
0.75
Steiermark ....
390.19
110.01
553.15
663.16
1.83
Kärnteu
180.26
65 73
122.00
187.73
1.04
Kraiii
173.57
70.41
309.00
376.41
2.17
Triest, Görz u.Gradiska,
Istrien ....
138.82
75.79
400.44
476.23
3.43
Tirol und Vorarlberor .
509.82
173.92
123.40
297.32
0.58
Böhmen
902.85
560.02
1.808.36
2.368.38
2 62
Mähren
386.29
160.37
682.23
788.60
2.04
Schlesi'^n ....
89.45
43.74
113.64
187.38
2.09
Galizien ....
1.362.06
393.60
819.40
1.213.00
0.88
Bukowina
181.61
53.92
211.35
265.27
1.46
Dalmatirn ....
222.30
117.50
173.25
290.75
1.35
IFn.^arn
.3.727 67
514.42 1
1 .876.9*.
2.191.38
0.61
Croatien und Silnvonien
331.92
68.37 !
96.75
165.12
0.50
Siebcnhilro^en .
954.85
159.99 1
450.19
610.18
0.61
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73
nahezu unfahrbare Strassen zu haben, und in dem ungefähr
der 4. Theil (V. O. M. B.) dem Verkehre gar nicht aufge-
schlossen war — auch dann noch auf eine Erweiterung seines
Strassennetzes zu denken hat, wenn einst dasselbe, wie es der-
malen noch als Programm besteht, in Ausführung gekommen
sein wird. —
Bei dem Umstände als Nied.-Oesterreich durch die Donau
fast regelrecht in zwei Hälften getheilt ist, sowie auch die March
theilweise die Grenze gegen Ungarn bildet und endlich aus den
Voralpen kommend, ansehnliche Flüsse einzelne Theile des
Landes durchschneiden, ist der Brücken besonders zu gedenken.
Vorerst ist zu erwähnen, dass sich der Landtag des beklagens-
werthen Umstandes, dass die Donau nur an einer Stelle, d. i.
bei Floridsdorf, u. z. durch einen bei Eisgängen stets gefährdeten
219 Klafter langen Holzbau überbrückt ist, wohl bewusst war.
Nicht nur, dass auf raschere Abfertigung der verzehrungssteuer-
pflichtigen Parteien, soweit dies eben bei dem grossen Andränge
möglich ist, eingewirkt wurde, sondern es wurde auch die endliche
Herstellung einer Steinbrücke bei Wien und zweier anderer
Brücken nächst der Hauptstadt in's Auge gefasst. Was die
Herstellung eines stabilen, den Wassergefahren nicht preisge-
gebenen Donau - Ueberganges betrifft, hängt dies lediglich von
der Donauregulirung ab, von der später gesprochen werden
wird. Die Landes- Vertretung konnte daher hierauf nur indirect
einwirken. Ebenso war es wegen Benützung des Ueberganges
der Wien-Znaimer Eisenbahn nur möglich, auf die Opportunität
hinzuweisen, die Brücke auch zugleich für den Wagen Verkehr
und für Fussgänger zu ei^weitem. Ungeachtet dessen, und
obwohl in wiederholten Zuschriften der Regierung dies anerkannt
wurde, hat das 1866 im Amte gewesene Ministerium dennoch
bei der betreffenden, ohne Zustimmung der Reichsvertretung er-
theiltenEisenbahn-Concession diesen für die Hauptstadt so wichtigen
Umstand ausser Acht gelassen. Es musste dies umsomehr befrem-
den, als bei der Feststellung der Franz Josef -Eisenbahn mit dem
Uebcrgange bei Tulln darauf allerdings Rücksicht genommen
und festgestellt worden war, dass die Eisenbahn - Gesellschaft gegen
Vergütung der Mehrkosten zur Verbreiterung der Brücke ver-
pflichtet wurde. Der Landtag sorgte auch dafür, dass die Mehr-
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74
kosten *) gedeckt wurden und daher das Unternehmen mit Ende
der Wahlperiode, als gesichert erscheinen durfte*).
Eine Brücke von ansehnlicher Länge (260^ lang) ist ferner
die Marchbrticke zwischen Schlosshof und Neudorf. Dieselbe war
bis zum Jahre 1848 Privat-Object ; damals abgebrannt, wurde
sie 1855 aus den Landesfonden von Ungarn und Nieder-Oester-
reich (mit dem Betrage von 126.000 fl.) hergestellt Laut §. 2
des Gresetzes vom 18. März 1866 wurde diese Brtlcke bezüglich
der auf Nieder-Oesterreich entfallenden Hälfte als Landes- Object
erklärt. Sie wurde neuerlich anlässlich der preussischen Invasion
abgebrannt Der Staat ^ird dafür, sowie für einige andere
Brücken, die gleichfalls damals zerstört worden sind, den Ersatz
nach dem ermittelten Werthe leisten*).
Rücksichtlich der kleineren Brücken über die übrigen Flüsse
ist nur des Brückenbaues bei Kematen im Zuge der Strasse von
Waidhofen a. d. Ybbs nach Amstetten zu erwähnen, nachdem
dieselbe über 40® lang, ganz von Stein und in einer bedeutenden
Höhe zur Umgehung der früheren Berge so gebaut wurde, dass
der mittlere Pfeiler über 100' hoch ist*).
Anbelangend die Kosten für den Strassen- und
Brückenbau, sincL dabei die Conservation und der Neubau
oder die demselben gleichkommende Reconstruction zu unter-
scheiden. Betreffend die Erhaltungsauslagen, bieten die
Kosten für die Landesstrassen den besten Anhaltspunkt zur
Beurtheilung, nachdem dieselben jedenfalls bedeutender sind als
*) Dieselben wurden bei dem projektirten Holzbau mit 110.000 fl. appro-
ximativ geschätzt; davon erklärte der Landtag 60.000 fl. auf den Landesfond
zu übernehmen, während 50.000 fl. von der Stadt Tulln zugesagt worden sind.
•) Bei dem Umstände, dass man 1868 die Idee einer steinernen Brücke
aufnahm , die dabei für die Verbreiterung erforderlichen Mehrkosten vom Land-
tage und von der Stadt nicht aufgebracht werden können, ist dies dermalen
noch immer sehr in Frage.
') Die kleineren Brücken wurden noch 1866 hergestellt. Bezüglich der
Marchbrücke wurden noch Verhandlungen wegen des Standortes geführt. Die
Wiederherstellung dürfte 1870 erfolgen.
*) Es verdient bemerkt zu werden, dass der Bau nur 56.400 fl. kostote. —
Noch im Jahre 1866 beschlossen, aber erst 1867 ausgeführt wurde femer
ein 25 Klafter langer Steinbrückenbau über die Traisen bei LilienfeH
(18.400 fl.).
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75
die Auslagen für Strassen zweiten Fanges und daher auch ein
Durchschnitt aller Strassen eine geringere Jahresquote ergeben
würde. Für die Landesstrassen wurde nun fiir eine Meile 2500 fl.
im Jahre 1865 und 2351 fl. im Jahre 1866') ausgegeben').
Hiermit sind die Staatsstrassen zu vergleichen, welche
im Jahre 1863, wo man bereits mit dem Deckmateriale ausser-
ordentlich zurückhielt u. s. w., bei 130 Meilen 729.670 fl. ko-
steten, wonach auf eine Meile circa 5500 fl. entfallen. Wenn
man auch Brückenauslagen in Abrechnung bringt, dann wenn
man auch erwägt, dass die ärarischen Strassen in der Regel
breiter und frequenter sind, welch' letzteres Moment wohl auch
nur für einige gelten und damit aufgewogen sein dürfte, dass
auch einige Landesstrassen eine grössere Frequenz haben, — so
dürfte doch nicht in Abrede gestellt werden, dass die letzteren
billig erhalten wurden.
Die Gesammtkosten fiir Strassen-Erhaltung und Bau be-
tragen somit:
Kreisfond Zusammen
397.913 fl. 441.960 fl.
492.294 fl. 521.242 fl.
457.652 fl. 626.449 fl.
520.958 fl. 716.109 fl.
230.451 fl. 655.446 fl.
385.142 fl. 923.882 fl.
Landesfond
1861:
44.047 fl.
1862:
28.948 fl.
1863:
168.797 fl.
1864:
195.150 fl.
1865:
424.994 fl.
1866:
538.739 fl.
Zusammen . . 3,885.090 fl.
Dieselben minderten sich in etwas durch die Mauthen
Im Jahre IS^*^ stieg der Bedarf wieder auf 2514 fl., wobei zu be-
rücksichtigen kommt , dass mehrere neuerbaute, eine wesentliche Nachschot-
terung in Anspruch nehmende Strassenstrecken (10 Meilen) in diesem Jahre
übernommen waren.
*) Im Jahre 1865 war bei 92 Meilen präliminirt 280.000 fl; ausgege-
ben wurden 230.620 fl. 7 V, kr., daher das Erspamiss 49.380 fl. betrug; 1866
prUliminirte man bei 94 Meilen 247.120 fl., das Erforderniss war 221.325 fl.
78 kr., daher sich ein Erspamiss von 25.795 fl. ^herausstellte ; 1867 prälimi-
nirte man bei 104 Meilen 265.280 fl., welcher Summe sich, bei dem Umstände,
als man den Bedarf bereits richtiger zu beurtheilen vermochte und dass 10 Mei-
len neugebaute Strassen sehr viel Schotter in Anspruch nahmen, das Erfor-
derniss bereits mit 261.454 fl. 35 kr. näherte, so dass nur mehr ein Erspar-
niss von 3826 fl. eintrat.
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76
herab. Bezüglich deren stellte das Landes-Gesetz vom 21. Mai 1863
fest, dass die darauf Bezug nehmenden Bestimmungen in die Compe-
tenz der Landesgesetzgebung gehören *). So wenig der Landtag
sich für das Mauthwesen eingenommen zeigte, und so sehr die
mit demselben zusammenhängenden Ges9häfte dieses Besteuerungs-
system als irrationell zeigten, so schien doch fast unmittelbar
nach der Uebemahme der StrasSenverwaltung nicht der Moment
an die Verzichtleistung dieser Einnahmen zu gehen. An dem Systeme
vorläufig festhaltend, hielt es der Landtag ftir zweckmässig, ein
für alle Mal die Bemauthung der Landesstrassen festzustellen,
während dieselben bei den Concurrenz- (Bezirks-) Strassen von
Fall zu Fall im Wege der Landesgesetzgebung imd nur über
Ersuchen der Strassen- Ausschüsse bewilligt werden sollte. Zu-
gleich wurde für die Mauthen bei den Landesstrassen die Auf-
hebung der gewöhnlichen Brückenmauthen und dagegen die
Erhöhung des Tarifes von 2 kr. auf 3 kr. per Pferd und Meile
beschlossen '). Der Landtag ging dabei von dem Gründsatze aus,
dass Brücken in demselben Masse zur Strasse gehören, wie
Stützmauern, Canitle und andere Objecto, und dass es insbeson-
dere unbillig ist, nicht den Verkehr auf der ganzen Strasse, für
den die Brücke eben auch unerlässlich ist, sondern nur eine kurze
Strecke zu besteuern. Das diesfälHge, erst in der 1864er Session
beschlossene Gesetz wurde theils wegen dieser Bestimmung, theils
wegen Aufnahme der Mauthbefreiungen nicht sanctionirt. Nach-
dem dasselbe jedoch mit Ausscheidung der letzteren (Bezugnahme
auf die bei Staats-Mauthen geltenden Befreiungen) in der 1865/66er
Session abermals angenommen war, wurde es von dem 1866
amtirenden Ministerium der A. H. Sanction dennoch zugeführt "*).
(17. Mai 1866). Die Mautheinnahmen betrugen:
*) Die Regierungsvorlage behauptete zwar das Recht für den Staat,
allein der Landtag bequemte sich dieser Auffassung nicht an.
•; Bei den Mauthen für die Kreisstrassen wurden Tarife unter 2 bis
4 kr. vorgefunden. Der Tarif von 2 kr. ist in dem Reichsgesetze vom Jahre
1853, womit die für die andern Länder bestehenden Bestimmungen auch für
Ungarn als giltig erklärt wurden , sozusagen als Normal-Tarif aufgestellt
worden.
®) Bisher wjaren bemauthot von den Landesstrassen TO'/g und von den
ehmaligcn Kroisstrasscn öB'/g Meilen. Das Erträgniss stellte sich daher per
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77
Landesfond
Kreisfond
Zusammen
1861 •
—
101.081 fl.
101.081 fl.
1862
: —
103.488 fl.
103.48S fl.
1863
8950 Ü.
114.679 fl.
123.630 fl.
1864;
9058 fl.
120.344 fl.
129.402 fl.
1865
78.517 fl.
29.485 fl.
107.902 fl.
1866
: 75.623 fl.
28.464 fl.
104.088 fl.
Die Gresammt-Ausgabe für Strassen und Brücken in d6r
Periode 1861/66 im Betrage von 3,885.091 fl. minderte sich dem-
nach durch die Mautheinnahmen auf 3,215.497 herab. Es lässt
sich nicht läugnen, dass diese Summe eine sehr bedeutende ist
und dass dem n. ö. Landtage das Zeugniss einer erheblichen
Anstrengung für diese productive Auslage nicht versagt werden
kann. Allein so vortheilhatt diese auch angewendet wurde,
so anerkennend und dankbar die öffentliche Meinung diese Thä-
tigkeit des Landtages anerkannte, so sehr muss es betont wer-
den, dass hierin noch eine grosse Aufgabe zu lösen ist, um das
Land nur von seinem Rufe weniger und schlechter Communi-
cationen zu befreien und der Bevölkerung, insbesondere auch der
Hauptstadt die Wohlthat guter Zufahrtsstrassen mindestens nur
in dem Ausmasse zu gewähren, wie dies in den Nachbar-Pro-
vinzen Mähren und Oberösterreich der Fall ist. —
Auch zu Wasserbauten wurden die Kräfte des Landes
und zwar umsomehr in Anspruch genommen , als Reguli-
rungen der Gewässer entweder nicht existirten oder die vorhan-
denen viel zu thun übrig Hessen.
Bei mehreren Grewässern, wie z. B. bezüglich des P e r s c h-
ling- so wie des grossen und kleinen Tullner-Baches,
dann der Thaia, Ybbs und Zaya kam es zu einem thatsächli-
chen Eingreifen nicht, da rücksichtlich des erst- und letztgenann-
ten Baches die Ausarbeitung der Projecte sowie Erhebungen an-
derer Art stattfinden mussten, welche vor Schluss der Wahlpe-
riode nicht beendigt waren, und da bezüglich der Thaia und
Ybbs Hindernisse eintraten, die von der Landesvertretung nicht
Meile im Durchschnitt mit 833 fl. 9 kr. heraus. Bei den Staatsstrassen ergibt
sich von den reinen Wegmauthen (die Linienmauthen Wiens abgerechnet) per
Meile ein Betrag von circa 1200 fl. Die Marchbrücke war mit 14 kr. per
Pferd beraauthet und ist diese Einnahme beim Landesfond einbezogen.
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78
bewältigt werden konnten. Bei diesen beiden Flüssen wurden
Beiträge *) zur Wiederherstellung der Regulirungs- . und zur
Herstellung der erforderlichen neuen Schutzwerke bewilligt,
ohne dass sie zur Verwendung kamen. Bei der Ybbs, wo
es sich vorzüglich um den Schutz der gleichnamigen Stadt han-
delte, waren die Verhandlungen über die einzuleitende Concurrenz
mit Schluss der Wahlperiode noch nicht beendigt. Bei der Thaia
trat der Umstand in den Weg, dass dieselbe an der mährischen
Grenze liegt, zum Theile sie selbst die Grenzlinie bildet, und dass
daher umsomehr im Einvernehmen mit dem Nachbarlande vor-
gegangen werden musste, als einerseits bei der regulirten Strecke
(nächst Laa) mährische Gemeinden bei der schon bestehenden Con-
currenz betheiligt sind und anderseits zwischen dieser Strecke und
der letzten Meile des Flusslaufes, welche wieder ganz und gar in Nie-
der-OesteiTcich liegt, sich eine gänzlich in Mähren liegende Strecke
befindet. Leider wurde bei der mährischen Landes- Vertretung nicht
die gleiche Bereitwilligkeit zur Ordnung dieser Frage vorgefun-
den. Der mährische Landtag machte dieselbe von der Marchregu-
lirung abhängig. Für diese wurde zwar die Ausarbeitung eines
Projoctes in Angriff genommen, allein weder war dasselbe vor
Ablauf der Wahlperiode beendigt, noch war die mährische Lan-
des- Vertretung wie die diesseitige bereit, zur Wiederherstellung der
bedrohten ReguHrungswerke einen Beitrag zu leisten. Somit
stagnirte diese Angelegenheit, und ist das sehr zu bedauern,
da es sich dabei um eine Grundfläche von 10.000 Joch han-
delt, die durch die seinerzeit durchgeführte Regulirung aus
Sumpfland zu fruchtbaren Aeckern umgestaltet wurden , nun-
mehr aber durch die zunehmende Verengung des Flussprofiles
und die immer grösseren Wasserrückstauungen wieder nach und
nach devastirt werden, so dass die grossen Summen, welche ur-
sprünglich und seither darauf verwendet wurden, allmälig ganz
unnütz verausgabt sein werden. Die Landes- Vertretung war sich
dieser traurigen Verhältnisse wohl bewusst '), allein sie war leider
') Für die Thaia 20.000 fl. in der II. und für die Ibbs 4000 fl. in der
IV. Session.
') Zeuge dessen der auf Grund der weitzurückgehenden Verhandlungen,
sowie auf Grund besonderer technischen Erhebungen bereits in der 1863er
Session erstattete umständliche Bericht.
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nicht in der Lage, die entgegenstehenden Hindernisse zu besei-
tigen *). Die Verwaltung des Thaia-Regulierungsfondes und die
Leitung der bezüglichen Angelegenheiten hatte dass k. k. Bezirks-
amt Laa und die k. k. n. ö. Statth alterei. Die Landes- Vertretung
wirkte auf die Einsetzung eines von der betheiligten Bevölkerung
gewählten Ausschusses ein und nahm die Oberleitung für sich in
Anspruch. Die k. k. Statthalterei stimmte dem zu, allein es er-
gab sich zwischen den mährischen und n. ö. Gemeinden wegen
der Anzahl und Repartirung der Comit6mitglieder eine Mei-
nungsdifferenz, die erst bis nach Vollendung der von der Lan-
des -Vertretung angeregten Inundationsausmittlung, daher nicht vor
Schluss der Wahlperiode ausgetragen werden konnte.
Bezüglich mehrerer anderer Flüsse wurden Subventionen
zur Durchfuhrung partieller Schutz werke bewilligt, so bezüglich
der Krems, dann der Pielach und Traisen. Die Krems wurde
anlässlich des nach dem grossen Wolkenbruche im Jahre 1855
stattgehabten Strassenbaues in der unteren Strecke regulirt. Zur
Erhaltung dieser Werke und zur theilweisen Fortsetzung in der
oberen Strecke wurden Beiträge geleistet.
Die Pielach befindet sich in nicht regulirtem Zustande.
Zur Herstellung eines Schutzwerkes nächst Grafendorf und Ran-
nersdorf wurde ein Beitrag von 1500 fl. bewilligt.
Eine solche Unterstützung im Betrage von 6000 fl. wurde
verschiedenen an der Traisen liegenden Gemeinden bewilligt,
und zwar für die unterste Strecke bei Stollhofen und Traismauer
dann für die Strecke zwischen der Ochsenburger Brücke und
dem Windpassinger Gemeindegebiete.
Ein ganz abgesondertes Regulirungs-Object bildet der im
V. U. M. B. liegende Russbach, mit alF seinen Nebenbächen
u. s. w. in einer Länge von mehr als 20 Meilen und auch in
der regulirten Strecke über 8 Meilen lang. Die Verwaltung be-
fand sich in Händen der k. k. Statthalterei, die Concurrenz
') In der 1868er Session wurde auf Grund der seither revidirten
Februar- Verfassung §. 12 lit. n des Gesetzes über die Reichsvertretung vom
21. Dezember 1867, die Regierung angegangen, in der nächsten Reichraths-
session ein die beiden Länder Mähren und Nieder-Oesterreich zur gemein-
schaftlichen Durchführung der Thaiaregulirung verpflichtendes Reichsgesetz
einzubringen.
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leistete Beiträge, welche zur Bestreitung der Räumung und son-
stigen Kosten, besonders bei grösseren Dammdurchbriiehen nicht
genügten und der Korneuburger Kreisstrassen- sowie der Lan-
desfond leisteten Vorschüsse. Bereits im Jahre 1862 nach dem
grossen Frühjahrs-Hochwasser wurde die Landes- Vertretung von
der k. k. Statthalterei zur Intervention eingeladen. Dieselbe er-
folgte und waren mannigfache Vorschläge, insbesondere aber ein-
gehende technische Erhebungen über die diesem Regulirungs-Ob-
jecte zu Grunde liegenden Uebel die Folge. Bei dem Umstände
als der Landesfond alljährlich einen Beitrag von 3000, später
von 4000 fl. leistete, nahm die Landes- Vertretung die Verwal-
tung des Russbachfondes und die Leitung der Russbach-Reguli-
rungs - Angelegenheiten für sich in Anspruch. Dieselbe fand
auch mit dem Jahre 1866 statt. In Folge eines bis auf den Ur-
sprung der Regulirung zurückgehenden Berichtes wurde das am
1. Mai 1867 A. H. sanctionirte Gesetz über die Einsetzung eines
eigens unter der Oberaufsicht des Landes- Ausschusses den Russ-
bachfond verwaltenden, aus der Mitte der betheiligten Bevöl-
kerung gewählten Ausschusses beschlossen. In Folge dessen ist
eine Aenderung der Umlage im Verhältnisse zum Nutzen u. s. w.,
dann aber auch die sich als unumgänglich nothwendig her-
ausstellende Einbeziehung der oberen Strecken durchführbar
und wird nunmehr auch die Frage der regelmässigen Räu-
mung, Dammerhöhung imd Verbesserung, sowie Durchstechung
mehrerer Serpentinen im Einvernehmen mit der Bevölkerung zu
lösen sein.
Wichtiger waren die durch die Leitharegulirung her-
vorgerufenen Geschäfte.
Nachdem die Leitha zwischen Neunkirchen und Trautmanns-
dorf vor längerer Zeit regulirt war, bestimmten mehrere Hoch-
wässer in den 1850er Jahren die Regierung zur Fortsetzung der
Regulirung. Mit einem zum grossen Theile aus dem Landesfonde
^gedeckten Aufwände wurde ein neues Bett bei Pachfurt unter-
halb Brück a. d. Leitha gegraben und sollte die alte Leitha als
Mühlbach verwendet werden. Für die Fortsetzung von Pachfurt
bis zur Landesgrenze war dies Project mit Zugrundelegung des
gleichen Systems und mit Beseitigung mehrerer Mühlen (Ge-
sammtkostenbetrag circa 420.000 fl.) bereits vorbereitet und auch
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principiell genehmigt. Ehe noch die fertige Strecke eröfl&iet werden
konnte, trat das 1862er Hochwasser ein. Durch dasselbe hatten
mehrere an dieser Strecke liegende Ortschaften sehr gelitten.
Drängte nun einerseits der Wunsch eine Wiederholung dessen
für die Folge zu verhüten zur Eröffiiung des neuen Bettes, so
stand dem wieder der Protest der unterhalb Pachfurt liegenden
Gemeinden entgegen, der durch die begründete Furcht vor einer
Vermehrung der Wassergefahr, insolange eben in der untern Strecke
der serpentinirende Flusslauf beibehalten wurde, — hervorgerufen
worden ist. Bei dem Umstände nun, als die Mittel zur Fortsetzung
der Regulirung von Pachfurt abwärts, abermals aus dem Lan-
desfonde beschafft werden sollten, lud die Statthalterei die Lan-
des- Vertretimg erst zur Flüssigmachung eines weiteren Vorschusses
von 20.000 fl. fiir die Vollendung und Erhaltung der Strecke
Trautmannsdorf- Pachfurt, und etwas später zur Entscheidung über
die Frage der Fortsetzung der Regulirung von Pachfurt abwärts
ein. Indem dem ersteren Ersuchen Folge gegeben wurde, ent-
schied sich die Landes- Vertretung unter den obwaltenden Ver-
hältnissen allerdings für die Fortsetzung — aber nicht nach dem
von der k. k. Baubehörde vorbereiteten Projecte. Nachdem näm-
lich eine Enquete von erfahrenen Hydrotechnikern eingeleitet
wurde, erkannte man das Durchstechen der vorhandenen Serpen-
tinen, dann das Eindämmen nur dort, wo der Werth der zu schüt-
zenden Grundstücke im richtigen Verhältnisse zu den Herstellungs-
kosten steht, ferner das Belassen der für die Gegend sehr noth-
wendigen Mühlen gegen Erbauung eines geeigneten Wehres für
ausreichend. In dem Bestreben, noch vor dem nächsten Frühjahr-
hochwasser die Eröffiiung des Trautmannsdorfer Bettes bewerk-
stelligen zu können, wurde, ungeachtet so manche Förmlichkeiten
dabei zu überwinden waren, dann ohne dass ein Detailproject
vorgelegen wäre oder sonstige Vorbereitungen mit Accords- und
Grundeinlösungs- Verhandlungen eingeleitet werden konnten, ja
ohne dass die Landes-Vertretung bereits über eigene technische
Organe verfügte, 20 Durchstiche — Verkürzung des Flusslaufes
um 1800 Klft. — mit den entsprechenden Dämmen in einer
Gesammterdbewegung von 23.000 Kub.-Klft., sowie der Beton-
Wehrbau bei Rohrau (23.000 Zentner) in weniger als 3 Mona-
ten durchgeführt! Somit konnte, ungeachtet die Arbeiten erst im
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82
Herbste *) angefangen worden sind, doch noch vor Eintritt des
eigentlichen Winters das neue Flussbett von Trautraannsdorf
abwärts eröffnet werden. Die Q-esammtkosten beliefen sich auf
circa 90.000 fl., so dass mit dieser in so kurzer Zeit ausgeführten,
und seither bei mehreren Hochwässern vollkommen bewährt be-
fundenen Arbeit 330.000 fl. dem Lande erspart und der Gegend
die Mühlen erhalten wurden.
Mit dem am 11. Juni 1863 A. H. sanctionirten Gesetze
wurde bestimmt, dass sowohl von den Herstellungs- als Erhal-
tungskosten *) der Landesfond zwei und die Anrainer ein Dritttheil
beizutragen haben. Rücksichtlich der oberen Leitha blieb das
alte Concurrenz-Verhältniss, wonach der ärarische Wasserbaufond
auch fernerhin die Hälfte der Kosten beizutragen hat, aufrecht.
Die Leitung der Leitha-Regulirungs-Geschäfte ist für den
ganzen Fluss, die oberste Strecke (Schwarzafluss) mit eingerechnet,
an die Landes - Vertretung übergegangen. Rücksichtlich der
Schwarza wurde auf die Finalisirung der Feststellung der
Concurrenzen in einzelnen Sectionen, wo dieselbe noch in der
Schwebe war, eingewirkt und bewilligte der Landtag Subventionen
zur Durchführung mehrerer Schutzbauten.
Für die Leitha wurden demnach anlässlich der Regulirung
definitiv 280.030 fl. 58^/ kr. und vorschussweise 39.778 fl. 5% kr.
dann an Jahrbeiträgen von 1863—1866: 12.031 fl. 17 kr. auf den
Landesfond übernommen.
Was endlich die Donau-Regulirung betrifft, so bat der
Landtag dieser grossen Frage in vier Sessionen beharrlich seine
Aufmerksamkeit zugewendet. Er . stellte an die Regierung das
Ersuchen: 1. nach Feststellung eines einheitlichen Regulirungs-
planes für das ganze Land mit Zuziehung von Vertretern der
Interessenten ; 2. nach Näherlegung des Hauptstromes gegen Wien,
unter voller Bedachtnahme auf Schutz gegen Ueberschwemmungen
sowohl für die Hauptstadt als für das Marchfeld, endlich 3. nach
Bezeichnung derjenigen Arme, deren Abbauung Privaten über-
lassen werden könnte. Auf Grund der A. H. Entschliessung vom
*) Am 15. September 1862 geschah der erste Schaufelstich. In grösserem
Umfange konnten die Arbeiten erst Ende September aufgenommen werden.
*) Dieses Beitrags verhältniss wurde jedoch nur für die nächsten 10
Jahre festj^estellt.
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83
4. Februar 1864 trat am 24. Februar 1866 ( ! ) die mit Vertre-
tern der Interessenten verstärkte Ministerial-Commission zur Be-
rathung des einzuhaltenden Regulirungsplanes zusammen. Ihre
Thätigkeit wurde durch die Kriegsereignisse des Jahres 1866
unterbrochen. Der Landtag sprach in seiner letzten Session um
so dringender den Wunsch nach deren Wiederzusammentritt,
unter Wiederholung der erwähnten Punkte, nochmals aus. Wenn
das grosse Werk der Näherlegung der Donau gegen Wien, sowie
die Verhütung von Ueberschwemmungen der Hauptstadt und des
Marchfeldes in der nächsten Zeit in Angriff genommen und durch-
geführt wird, dann hat der n. ö. Landtag in seiner ersten Wahl-
periode den Grundstein zu einem der grössten Unternehmen
unserer Zeit gelegt').
Die Thätigkeit der n. ö. Landes-Vertretung in Strassen- und
Wasserbauten umfasste das ganze Land, wie ja eben die Donau-
Kegulirung insbesondere zu Nutzen und Frommen seines Mittel-
punktes, der Hauptstadt Wien, im Auge behalten war. Mögen
auch die Auslagen gross gewesen sein, sie waren productive, sie
') Das Sistirangs-Ministerium hat diese volkswirthschaftliche Frage
nicht gewürdigt. Bereits erklärte der Vertreter des k. k. Staats mini steriums
in einer am 19. Jänner 1867 wegen Fixirung des Donauüberganges der
Wien Laaer-Eisenbahn unter Intervention eines Mitgliedes der Landesver-
tretung abgehaltenen Sitzung, dass die Näherlegung der Donau aus strategischen
Gründen unzulässig befunden wurde! Von dem nachfolgenden Ministerium
wurde im Juni 1867 die Ministeria 1-Commisssion wieder zusammen gerufen.
Dieselbe beendete ihre Thätigkeit am 27. Juli 1868, indem sie mit allen ge-
gen 2 Stimmen sich für die Berücksichtigung der Wünsche des Landtages
aussprach. Erwähnt muss werden, dass aus Baden, England und Preussen
Hydrotechniker von Bedeutung berufen worden waren, welche dieses Votum unter-
stützten. Unter der energischen Leitung des seit 1868 amtirenden Ministeriums ge-
ruhten Se. Majestät die Regulirung der Donau mit Näherlegung des Hauptstro-
mes am 12. September 1868 zu genehmigen und eröffnete die Regierung in der
1868er Landtagssession mittelst einer eigenen Vorlage beim Reichsrathe die
Uebemahme 1 Drittheiles der Kosten Seitens des Staates befürworten zu wol-
len, wenn anderseits das Land und die Stadt Wien je 1 Drittheil der Auslage
übernehmen. Der Landtag erklärte sich bereit und beschloss diesfalls ein die
financielle Seite der Frage regelndes Gesetz. Kurz darauf fasste der Wiener
Gemeinderath einstimmig denselben Beschluss. Der Behandlung und entgil-
tigen Regelung derselben Angelegenheit im Reichsrathe wird dermalen noch
entgegen gesehen.
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84
haben das lauteste Zeugniss dafür abgelegt, dass die zur Ver-
waltung des Landesvermögens gelangten frischen Kräfte den
Verkehr von alten Hindernissen befreien zu müssen glaubten !
VII. Verschiedene Oegenstände.
Im Sinne der §§. 18 und 19 der Landesordnung hat sich
der Landtag noch mit vielen Gegenständen beschäftigt, welche in
den vorstehenden, nach Hauptgesichtspunkten fest gestellten Ab-
theilungen ihren Platz nicht gefunden haben. Von diesen Gegen-
ständen sollen hier noch mehrere besprochen werden.
Nach dem §. 26 der Gemeindeordnung gehört die BaH-
polizei, die Handhabung der Bauordnung und Ertheilung der
polizeilichen Baubewilligungen in den selbstständigen V^irkungs-
kreis der Gemeinde. Die Regierung brachte auch in der 1864er
Session den Entwurf einer eigenen Bauordnung ein. Da nun
einerseits diese Vorlage kurz vor Schluss der Session geschah,
und einer Berathung nicht mehr unterzogen werden konnte, ander-
seits aber für die Zeit nach dem damals bevorgestandenen Ins-
lebentreten des neuen Gemeindegesetzes eine Vorkehrung ge-
troflFen werden musste, hat der Landtag die k. k. Statthalterei
angegangen, die verschiedenen älteren diessfalls bestehenden Ver-
ordnungen zu sammeln und den Gemeinden bis zur Erlassung
einer Bauordnimg bei Ausübung des erwähnten Wirkungskreises
als Leitfaden an die Hand zu geben. Die genannte Landesstelle
kam diesem Wunsche nach, die Sammlung wurde mit einer
Unterstützung aus dem Landesfonde in Druck gelegt und jeder
Gemeinde zugemittelt
Inder 1865/66er Session kam dann unterm 28. März 1866 das
Landesgesetz über eine Bauordnung zu Stande. Dasselbe hatte
auf die Hauptstadt keine Anwendung. Bezüglich einer Bauordnirtig
für Wien wurde der endgiltig vom Gemeinderathe dieser Residenz-
stadt angenommenen Vorlage bis zum Ende der Session vergeblich
entgegen gesehen *)
') In der 1868er Session kam auch die Bauordnung ftir die Hauptstadt
zu Stande. Dieselbe wurde am 2. December 1868 A. H. sanctionirt.
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85
Die nach dem M i li t är - E in quarti er ungs- Gesetze vom
15. Mai 1851 der Bevölkerung Nied.-Oe8terreichs in Wien und andern
Landestheilen auferlegte Last wurde vom Landtage als eine so
drückende angesehen, dass er eine Erleichterung zu gewähren
beschloss. In dieser Beziehung ging er aber von der Idee der
Erbauung einer grossen Caserne ab, ungeachtet zu dem Zwecke
von der früheren Landesfonds-Verwaltung schon mehrere Jahre
Beträge in den Landesfonds- Voranschlag einbezogen waren, weil
sich aus eingehenden bis in die älteste Zeit zurückgehenden
Erhebungen herausgestellt hat, dass Casemen nur als Aufforde-
rung zu ihrer Belegung angesehen und nebenher doch immer
noch Truppen in den Wohnhäusern einquartiert werden. Dagegen
entschloss sich der Landtag zur Erhöhung der bisher vom Staate
geleisteten Einquartierungs- Entschädigungsbeträge in der Art,
dass eine Landeszulage immer nur gleichzeitig mit dem Staats-
beitrage, u. z. vorschussweise vom Militär- Aerar getragen werde ').
Die diessfälligen Bestimmungen wurden in den von Sr. Majestät
am 28. Februar 1863 A. H. sanctionirten Gesetze aufgenom-
men •). Die hiedurch vom Lande übernommene Last ist in
Friedensjahren keineswegs unerschwinglich, steigert sich jedoch
in Kriegszeiten, wie eben das Jahr 1866 gezeigt hat, auf solche
Weise, dass dadurch die Landesmittel vollends in Anspruch ge-
nommen werden*). Wenn man bedenkt, dass diese Zuzahlung
') Diese Zuzahlungen au» Landes mittein beziffern sich per Tag und
Kopf: für einen Officier in Wien und dem weiteren Marschbezirke 24, sonst
14 kr.; für die Mannschaft gleichmässig in allen Orten 6 kr. und in Fällen,
wo der Mann vom Quartierträger verpflegt werden muss, noch überdies: in
Wien 8 kr., in den zum weiteren Marschbezirke gehörigen Orten 7 kr. und
in allen übrigen Orten 6 kr., endlich für je 1 Pferd gleichmässig in allen
Orten 2 kr.
*) In Folge eines bei der Durchführung dieses Gesetzes entstandenen
Zweifels wurde durch ein am 17. März 1866 A. H. sanctionirtes Landes-
gesetz festgestellt, dass diese Entschädigung aus Landesmitteln auch den
Gemeinden gebührt, insoferne sie die den einzelnen Quartierträgeru obliegende
Last der Einquatierung erfüllen.
*) Für das Jahr 1866 kostete die Militär-Einquartierung dem Lande
794.723 fl. 72 Vj» kr. und in Folge des Kriegsjahres betrug sie auch 1867
noch 156.649 fl. 26%» kr. während sich diese Auslage in früheren Jahren
bezifferte mit 25.404 fl. im Jahre 1863, 33.223 fl. im Jahre 1864 und 26.667 fl.
im Jahre 1865. Ausserdem stiegen die vom Lande nach Landes-Gesetzblatt
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86
fliglich nur gleichzeitig mit dem Staatsbeitrage, also im Wege
der militärischen Organe ausgezahlt werden kann, und die ein-
zelnen Beträge in der Regel wieder nur durch untergeordnete
Gemeindeorgane den Quartierträgern ausgefolgt werden, dass
daher erfahrungsmässig die höhere Gesammtentschädigung den
letzteren keineswegs immer und regelmässig zukömmt, so entsteht
allerdings die Frage, ob nicht bei dem Umstände, als dieser
Aufwand zu dem damit erreichten Nutzen kaum in dem rich-
tigen Verhältnisse zu stehen scheint, eine Veränderung in diesen
Bestimmungen in der Folge sich als zweckmässig darstellen
möchte.
Auch kommt hier noch zu erwähnen, dass der Landtag die
Einbeziehung einer Reihe von Ortschaften nächst Wien in dem
sogenannten weiteren Marschbezirk der Hauptstadt bewirkte,
wodurch denselben eine grössere Entschädigung vom Staate ge-
sichert ist, sowie, dass sich die Landes- Vertretung wiederholt bei der
Regierung über Ansuchen einzelner Gemeinden wegen Abwechs-
lung und Verringerung der Einquartierungslast verwendete.
Ebenso stellte der Landtag aus zwei besonderen Anlässen
Ansuchen an die Regierung wegen Erleichterung der
Heerespflicht für die Studierenden, da nämlich nach
dem Heeres-Ergänzungs-Gesetze vom 29. September 1858 die
Studierenden der Ober-Realschulen und technischen Lehranstalten
nur dann vom Militärdienste befreit waren, wenn sie durchgängig
Vorzugsclassen hatten, während von den Schülern des Ober-
Gymnasiums nur die zurückgelegte Maturitätsprüfung, bei den
Hörern der Universität aber das Zeugniss über ein zurückgelegtes
CoUoquium oder über eine Staatsprüfung (Rigorosura) gefordert
wurde, so petirte der Landtag für die erstere Gattung von Stu-
dierenden um Aufhebung dieser Beschränkung umsomehr, als es
eben bei den verschiedenen heterogenen technischen Fächern viel
schwieriger ist, durchgängig Vorzugsclassen zu erhalten. Die
Regierung fand sich jedoch nicht bestimmt, diesem Antrage Folge
Nr. 3 von 1855 theilweise zu tragenden Kosten für Militär- Vorspann im
Jahre 1866: 46.481 fl. 7% kr., während »ich dieselben beliefen auf im Jahre
1861: 26.922 fl., 1862: 25.041 fl., 1863: 10.530 fl., 1864: 5613 fl. und 1865:
5625 fl.
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87
zu geben'). Dagegen war die Landes- Vertretung glücklicher mit
dem ebenfalls an die Regierung gestellten Ansinnen, die Schüler
des Ober-Gymnasiums, wenn sie noch vor Ablegung der Maturi-
tätsprüfung in das Stellungspflichtige Alter kommen, bis dahin,
und die Schüler der Landes-Ackerbau- und Weinbau-Schulen
bis zur Vollendung ihrer Studien zu beurlauben und die letzteren
sodann zur Militär-Gestüts-Branche zu assentiren.
Unter die verschiedenen Auslagen, welche bei einem der
Hauptcapitel noch nicht besprochen wurden, dürfte die Stiftung
für im Krieg Verwundete, deren Witwen und Waisen, mit
einem Capital von 5000 fl. (drei, höchstens fünf Pensionen; die Ver-
mehrung derselben bei einem Wachsen des Capitals ist vorbehalten)
gehören. Ebenso ist zu erwähnen, dass der Landtag die von den
Ständen aus den Domesticalfonden dotirten Plätze in den Mili-
tärinstituten (Militär-Erziehungshäuser ausgenommen), sowie in
dem Officierstöchter-Institute zu Hernais aus dem
Landesfonde ferner erhalten zu wollen erklärte. Dasselbe beschloss
er bezüglich des Civil-Mädchen-Pensionates in Wien,
während er die betreffenden Plätze in dem Erziehungs-Insti-
tute der englischen Fräuleins zu St. Polten, sowie in
der theresianischen Academie in Wien, welche eben-
falls nicht auf Grund von Stiftungen bestanden hatten, nicht mehr
zur Besetzung gelangen liess.
Als Unterstützungen, welche der Landtag der Kunst
zuwendete, mpgen die Beiträge zu dem in Wien erbauten Künst-
lerhause (6000 fl.), sowie zu dem Fonde für Errichtung eines, dem
Andenken des Tondichters Schubert gewidmeten Denkmales (500 fl.)
hier noch erwähnt werden.
Zu wiederholten Malen beschäftigte sich der Landtag mit
der Steuergebühren- und Zinsenfrage.
Rücksichtlich der Grundsteuer gab der Landtag über
die in der zweiten Session an ihn ergangene Aufforderung der
Regierung sein Gutachten ab über die Vorlage der von der diessfälli-
') Es musste dies um so mehr auffallen, als der Herr Staatsminister,
in dessen Ressort nach der damaligen Geschäftseintheilung sowohl die Heeres -
ergänzungs- als Studien- Angelegenheiten gehörten, sich bestimmt fand im
Landtage, dessen Mitglied er war, den Dank der Studierenden für den citirten
Landtagsbeschluss besonders zum Ausdrucke zu bringen.
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88
gen Immediat-Commission entworfenen Instruction für die Revision
des in Nied.-Oesterreich bestehenden Grundsteuer-Catasters. Hiebei
wurden jedoch auch die Anschauungen des Landtages über die
Grundsätze für den im Reichsrathe einzubringenden Gesetzent-
wurf „über die Revision, beziehungsweise Reform der Grundbe-
steuerung und über die Behebung der diessfalls in den Steuer-
grundlagen bestehenden Ungleichheiten" bekannt gegeben. Nach
denselben sprach sich zwar der Landtag gegen den in früherer
Zeit projectirt gewesenen Realitäten-Werthcataster und für die
Beibehaltung des Parcellen- Grundertrags -Catasters aus, betonte
es aber als das Wichtigste, dass bei Durchführung der Revision
des Catasters den Steuerträgem selbst durch ihre ausgiebige
Theilnahme an den Landes-, Kreis- und Bezirks-Commissionen ein
entscheidender Einfluss gesichert werde. Die sehr eingehende
Darstellung schloss mit dem Wunsche, dass bei dieser Reform an den
im Patente vom 23. December 1817 hervorgehobenen Gesichtspunk-
ten d. i. „die Anwendung des Begriffes der strengsten Gerechtig-
keit, die vorzüglich durch ein richtiges Ausmass der Grund-
steuern bedingte Aufmunterung der Landescultur und die möglichste
Beförderung ihrer heilsamen Fortschritte" festgehalten werde.
Hinsichtlich der Verzehrungssteuer beschloss der
Landtag aus Anlass eines aus der Mitte des Landtages gestellten
Antrages: „Es sei das h. k. k. Finanzministerium zu ersuchen,
von weiterer Steigerung der Forderungen an Verzehrungssteuer
für Wien bei nicht geänderten Verhältnissen abzustehen und die
Zuziehung von Vertrauensmännern aus den betreffenden Gemein-
den bei Behandlung der Verzehrungssteuer mit einzelnen Steuer-
pflichtigen zu veranlassen."
Bezüglich der Einkommensteuer wurde der Landtag
gleichfalls zu einem Einschreiten veranlasst. Als nämlich das
Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf beschlossen hatte, wonach
künftighin die Eisenbahnen u. s. w., deren Einkommensteuer in
Folge des Umstandes, dass sie in Wien ihren Geschäftssitz haben,
bisher daselbst bemessen worden war, je nach den Ländern und
Gemeinden in dem Masse besteuert werden sollen, als dieselben von
diesen Unternehmungen berührt werden, legte der Wiener Gemein-
derath eine dagegen gerichtete Denkschrift vor. Der Landtag
übermittelte dieselbe nun der Staatsregierung, indem er den darin
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89
entwickelten Ansichten vollkommen beipflichtete und auf das
eindringlichste befürwortete, dass an den bisher beobachteten, dem
Rechte wie den volks- und staatswirthschaftlichen Interessen ent-
sprechenden Grundsätzen in Ansehung der Bemessung und Ein-
hebung der Landes- und Gemeindezuschläge zur Erwerb- und
Einkommensteuer um so sicherer festgehalten werde, je unausführ-
barer die beantragte Abänderung derselben sich darstellt*).
Ueber einzelne, im Landtage gestellte Anträge hat derselbe
ferner im Sinne der §§. 18 und 19 der Landesordnung be-
schlossen:
1. Die Staatsregierung zu ersuchen, dem Reichsrathe „ein
Gesetz zur Reform der Wucher- und Zinsengesetze')
vorzulegen, und eine weitere Vorlage einzubringen, dass nach
§. 9 der kais. Verordnung vom 9. Februar 1858 die cumula-
tiven Waisencassen®) angewiesen werden, Darleihen —
unter Vorbehalt der halbjährigen Kündigung — auf Annuitäten
von 10, 20 oder 30 Jahren zu geben, wobei dem Schuldner frei-
gestellt werde, mehrere Annuitäten auf einmal zu entrichten."
2. An die Regierung den Antrag zu stellen: Dieselbe wolle
dem Reichsrathe ein „die volks wirthschaftlichen nicht minder als
die fiscalischen Interessen berücksichtigendes, vor Allem aber ver-
einfachtes Gebühren- undStempelgesetz*) zur verfassungs-
mässigen Behandlung vorlegen."
') Wenn die Einkommensteuer der Eisenbahnen und anderer industrieller
Gesellschaften nach den verschiedenen Ländern u. s. w. vertheilt wird, so ver-
liert der n. ö. Landesfond nach einer ungefähren Schätzung bei der bis-
herigen Umlage eine Einnahme von jährlich mindestens 70.000 fl. — Bekann-
termassen erhielt der erwähnte Gesetzesentwurf die Zustimmung des Herren-
hauses nicht.
'^) Die Regierung hat diesem Wunsche nicht entsprochen. Erst von dem
1868 in's Amt getretenen Ministerium, wurde derselbe aufgenommen und erhielt
das diessfällige Gesetz am 14. Juni 1868 die A. H. Sanction.
') Diesem Ansinnen ist bisher nicht entsprochen worden.
*) Das letzte diessfällige Gesetz datirt vom 29. Februar 1864 und ist
demnach allerdings nach diesem Ersuchen zu Stande gekommen. Ob durch das-
selbe aber die volkswirthschaftlichen Interessen ihre Berücksichtigung gefunden
haben, möge hier unerörtert bleiben, dass jedoch damit keine Vereinfachung
herbeigeführt wurde, dürfte schon jetzt behauptet werden können, nachdem es
sich dabei keineswegs um ein neues Gesetz, sondern nur um Modificationen
einiger gesetzlichen Bestimmungen handelte.
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90
3. „Der n. ö. Landtag erkennt als Bedürfniss fiir
Oesterreich unter der Enns, dass die Entscheidung über schwere
Verbrechen, sowie über alle politischen und die durch die Presse
begangenen Verbrechen und Vergehen Greschwornengerich-
t e n *) zugewiesen werde , und er ersucht das k. k. Ministerium
eine diesem Bedürfnisse entsprechende neue Strafprocess-Ordnung
dem Reichsrathe zur verfassungsmässigen Behandlung vorzulegen."
4. „Es sei die Regierung zu ersuchen, wenigstens in Nieder-
Oesterreich mit bedingnissweisen Entlassungen von Sträf-
lingen*) aus den Strafhäusern vor gesetzlicher Regelung
der Grefängnissreform und den Strafvollzugsanordnungen auch nicht
versuchsweise vorzugehen."
Bezüglich der Vermehrung der Eisenbahnen auch in
Nieder-Oesterreich hat die Landes-Vertretung nicht unter-
lassen, beizutragen, soweit dies eben in ihrem Wirkungskreise
gelegen war. So wurden über Einladung der Regierung als höchst
wünschenswerthe Bestandtheile des Eisenbahnnetzes bezeichnet
ausser den beiden Hauptbahnen, d. i. der durch das Waldviertel
ziehenden Franz - Josefs- und der Wien-Laaer- Eisenbahn , die
Seitenbahnen a) von der Franz Josefsbahn nach Kjrems, b) von
St. Polten nach Mautern, c) von Leobersdorf über Kaumberg und
Wilhelmsburg nach St. Polten, d) von Gramat-Neusiedl nach
Wiener-Neustadt und e) von Reichramming über Weyer und
Waidhofen a. d. Ybbs nach Aschbach, sowie von St. Peter nach
Steyer. Die Concessionirung *) der Franz Josefsbahn und die end-
liche Inangrifihahme dieses Baues hat der Landtag wiederholt bei
der Regierung befürwortet.
') In dem Staatsgrandgesetze vom 21. Dezember 1867 über die richter-
liche Gewalt bestimmen die Artikel 10 und 11, dass die Verhandlungen vor
dem erkennenden Richter in Civil- und Strafrechts-Angelegenheiten mündlich
und öffentlich sind, sowie, dass bei den mit schweren Strafen bedrohten Ver-
brechen, welche das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen oder
durch den Inhalt einer Druckschrift verübten Verbrechen und Vergehen Ge-
schworene über die Schuld des Angeklagten entscheiden.
•) So weit bekannt wurde, fanden Entlassungen von Sträflingen in der
That nur nach Ablauf ihrer Strafzeit, oder nach A. H. Gnadenakten statt.
*) Dieselbe erfolgte mittelst des Reichsgesetzes vom 9. August 1865 und
ist in demselben die Verpflichtung zur Erweiterung der Brücke gegen Ersatz
der Mehrkosten aufgenommen.
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91
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass der Landtag die
von der Regierung nach §.19 der Landes-Ordnung gewünschten
Gutachten über eine neue Grundbuchsordnung, sowie über
den Gesetzentwurf über Benützung, Leitung und Ab-
wehr der Gewässer*) in sehr ausfiihrlicher Weise erstattete,
dagegen die 1865 gemachte Vorlage eines Entwurfes über die
politische Organisirung als nicht entsprechend ablehnte,
einerseits sich vorbehaltend, Vorschläge zu machen, „wenn die
Möglichkeit der verfassungsmässigen Behandlung solcher Vor-
schläge wieder vorliegen wird", und anderseits den Wunsch aus-
sprechend, dass die politische Organisation in Nieder-Oesterreich
zugleich mit der Organisirung der Justiz- und Steuerbehörden
und im verfassungsmässigen Wege der Gesetzgebung vorgenom-
men werde. •)
VIII. Landesvermögen.
Unter die im Jahre 1861 von der Staats-Verwaltung über-
nommenen Geschäften gehört selbstverständlich die Verwal-
tung der beiden Hauptfonde, d. i. des Grundentlastungs-
fondes und des speciellen Land e sfon des.
Was nun den Grundentlastungs - Fond betrifft,
so wurde derselbe erst mit 1. November 1861 übernommen, nach-
dem vorher entschieden werden musste, in wieferne die Grund-
') Es erübrigte in der betreffenden Session nicht mehr die Zeit, das von
dem Spezial-Ausschusse erstattete Gutachten durchzuberathen. Der Landtag
begnügte sich, dasselbe der Regierung zur Kenntniss zu bringen. In der 1868
im Abgeordnetenhause eingebrachten diessfälligen Regierungs-Vorlage sind die
Hauptgrund Züge dieses Gutachtens angenommen.
*) Durch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 „über die Reiclis-
vertretung" wurde anerkannt, dass die Grundzüge dieser Organisirung im Wege
der Reichsgesetzgebung zu erfolgen haben. In der That erflossen die Gesetze vom
10. Juli 1868 über die Organisirung der politischen Behörden und vom
11. Juni 1868 über die Organisirung der Gerichte erster Instanz. Diese Orga-
nisirung trat mit 31. August 1868 ins Leben, somit gleichzeitig für die poli-
tischen und Justiz-Behörden. Rücksichtlich der Steuerbehörden trat eine Aen-
derung bisher nicht ein.
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92
entlastungs-Fonds-Cassa fernerhin auch nur von Monat zu Monat
aus den im Wege der k. k. Steuerämter eingehenden Umlags-
geldem „nach Bedarf" dotirt, und der Ueberschuss wie bisher
gegen Erlag der Empfangscheine an die Staats-Depositen-Cassa
abgeführt werden solle. Die Landes- Vertretung weigerte sich unter
dieser^ in Folge eines Staatsministerial-Erlasses gestellten Bedin-
gung die Verwaltung des Grundentlastungs-Fondes anzutreten,
indem sie geltend machte, dass ihr nach der Landesordnung die
unbeschränkte Verwaltung dieses Fondes gebühre, die gestellte
Bedingung aber ein sehr wesentliches Recht der Regierung vor-
behalte. Obwohl das k. k. Staatsministerium ursprünglich sich
für diese Beschränkung ausgesprochen hatte, liess es von dersel-
ben in Folge der vom Landes-Ausschusse dagegen erhobenen
Verwahrung ab und wurde sonach der Grundentlastungs Fond
zu dem genannten Zeitpunkte übernommen.
Bereits in der ersten, nur wenige Sitzungen umfassenden
Session hat der Landtag den Umstand in's Auge gefasst, dass
die Staats-Depositen-Cassa bedeutende Befrage — damals bei 9
Millionen bekannt — an den Örundentlastungs-Fond schulde.
Es wurde sich daher gleich bei der Uebernahme vorbehalten, we-
gen der Rückzahlung dieser Schuld mit dem Staate in Verhand-
lung zu treten. Bei derselben war das k. k. Finanz-Ministerium
Anfangs nur zu solchen Ratenzahlungen bereit, dass der Fond
nach Ablauf der zu der ganzen Greschäftsabwicklung bestimmten
Zeit von 40 Jahren befriedigt wäre und wollte die Staatsverwal-
tung auch die Verbindlichkeit übernehmen, Mehrbeträge in ein-
zelnen Fällen des Bedarfes zu leisten. Es gelang dem Landes-
Ausschusse jedoch, das Zugeständniss der Rückzahlung in 20
Annuitäten zu erreichen und trat diese Vereinbarung, nachdem
die ganze Schuld des Staates ziflFermässig mit 9,173.043 fl. 77 kr.
richtig gestellt war, und nachdem der Landtag seine Zustim-
mung gegeben hatte, mit dem Jahre 1865 in's Leben.
Ausserdem hat die Landes-Vertretung wiederholt auf die
Beendigung der Arbeiten der noch in Thätigkeit vorgefundenen
Grundlasten- Ablösungs- und Regulirungs-Commissionen in Gaming
und Wiener-Neustadt, sowie in Waidhofen an der Ybbs gedrun-
gen. Die letztere beendigte auch ihre Geschäfte während der
Wahlperiode, so dass mit deren Ablauf nur noch die ersteren in
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93
Thätigkeit waren. Bei der Aufregung, welche eben in Gaming
auf Seite der Verpflichteten gegen die ehemalige Herrschaft vor-
waltete *), betonte der Landtag insbesondere die Dringlichkeit der
Beendigung der dortigen Erhebungen und waren auch in dem
Falle Ende 1866 alle Anstalten getroffen, dass dort ebenfalls dem
Abschlüsse derselben ehestens entgegengesehen werden konnte *).
Es kann somit die begründete Hoffnung ausgesprochen werden,
dass in Nieder-Oesterreieh in nicht allzu ferner Zeit die Grrund-
lasten-Ablösungen durchgängig ausgemittelt sein werden.
Der richtigen Liquidirung der k. k. Steuerämter bei der
Vorschreibung der von den Verpflichteten geleisteten Einzahlun-
gen wurde die erforderliche Aufmerksamkeit in der Art zuge-
wendet, dass in Fällen besonders grosser Rückstände oder wo
sonstige Bedenken vorlagen, Seitens des Landes- Ausschusses eigene
Untersuchungs-Commissionen zur Richtigstellung der Bücher ent-
sendet worden sind. Auch wurde durch Q-ewährung von Remu-
nerationen an die bei den k. k. Steuerämtern mit den Grund-
entlastungs-Greldern beschäftigten Beamten, dann durch die Be-
Mrilligung von Aushilfskräften für Rechnung des Grundentlastungs-
fondes auf raschere Einzahlungen hingewirkt.
Für besonders berücksichtigungswerthe Fälle hat der Land-
tag den Landes- Ausschuss ermächtigt, Fristen und Nachsichten
für die von den Verpflichteten einzuzahlenden Beträge und ins-
besondere Nachsichten von auferlaufenen Verzugszinsen zu be-
willigen. Davon wurde namentlich in den Fällen, wo durch Miss-
wachs und Elementarunfälle, dann durch Epidemie und Seuche,
sowie in Folge der Livasion die Zahlungsfähigkeit notorisch ver-
ringert war, Gebrauch gemacht.
Bezüglich der von allen Steuerträgern des Landes gleich -
massig zur Grundentlastung zu leistenden Beiträge ist zu er-
wähnen *), dass für das Jahr 1861, wo noch die Regierung die
*) Als vorzüglichste Ursache dieser Aufregung erscheint der Umstand, dass
das Hauptgrundbuch durch längere Zeit nicht aufgefunden werden konnte.
') Die Commission in Wr.-Neustadt stellte ihre Thätigkeit am 16. No-
vember, und jene in Gaming am 23. Dezember 1867 ein.
') Die gesammte, nach dem Verlosungs-Plane innerhalb 40 Jahre, vom
Jahre 1856 angefangen, rückzuzahlende Schuldsumme wurde mit 45.045,000 fl.
B. V. angenommen. (Demgemäss wurden Obligationen im Nennwerthe von
46.942,927 fl. ausgegeben). Davon waren bis Ende 1866 eingelöst:
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94
betreffende Umlage festgesetzt hat, 97^ kr. von jedem Gulden
directer Steuer eingehoben wurden *). Seitens der Landes- Vertre-
tung wurde diese Landes-Umlage bemessen:
für das Jahr 1862 mit 8 kr.
„ „ „ 1863 \
, „ „ 1865 j ^^* J^ 6 ^
„ „ „ 1866 I
„ „ „ 1867 mit 4 „
Die vom Lande durch diese Umlage zu leistende Schuld
wurde auf den Zeitraum von 40 Jahren vertheilt, so, dass vom Jahre
1856 angefangen bis 1895 jährlich 810,000 fl. abzustatten sind.
Nachdem nun bei der Höhe der in Nieder-Oesterreich entrich-
teten directen Steuern im Betrage von über 1 3 Millionen eine Um-
lage von 6 kr. zur Aufbringung dieser Jahresquote genügt, so
stellte sich die von der Staatsverwaltung eingehobene Umlage
als zu gross heraus. Bei Bemessung derselben für das Jahr 1862
wurde sie bereits nur mehr mit 8 kr. bestioimt. Dagegen ist der
Landtag für die folgenden 4 Jahre auf 6 kr. herunter gegangen.
Die nächste Veranlassung zu diesem Schritte hat die Noth-
wendigkeit gegeben, die Umlage für den Landesfond zu er-
höhen, und es muss als zweckmässig bezeichnet werden, dass
diese Erhöhung mit einer anderseits zulässigen Herabminderung
beim Grundentlastimgs-Fonde compensirt und somit die Gesammt-
leistung des Landes nicht gesteigert wurde.
Auch wurde dadurch nur in den Jahren 1863 und 1864 eine
Verringerung der zum börsenmässigen Einkauf von Obligationen
bestimmten Summe herbeigeführt, nachdem vom Jahre 1865 an-
gefangen, die Forderung an die Staats-Depositen -Cassa zur Beglei-
chung gelangte und der ganze Betrag zum Einkauf von Obligationen
verwendet werden konnte. Ueberdies könnte dieser Einkauf
Durch Verlosung fl. 5.400,040
Durch börsenmässige Einlösung . . . „ 4.628,070
Durch AnnuUirung „ 58,270
Daher zusammen 10.086,380 fl.
*) In den früheren Jahren waren diese Umlagen wie folgt bemessen:
1851:5, 1852:9; 1853:9; 1854:9; 1855: 9y4, 1856:9«/»; 1857:9*74
1858:7 1859 :9V2; 1860:8; 1861:9%; 1962:8; 1863:6; 1864:6; 1865:6
1866 : 6 kr.
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95
auch ganz unterbleiben, ohne dass dadurch die Verpflichtungen
des Fondes leiden würden, da derselbe ursprünglich gar nicht
vorgesehen war und die Mittel dazu lediglich nur durch grössere
Landesumlagen und durch Vorausbezahlungen der Verpflichte-
ten beschaflft wurden. Aus dem letzteren Grunde konnten daher
auch ungeachtet der geringeren Umlagen in den Jahren 1863
und 1864 solche Einkäufe stattfinden, wie dieselben auch in
den Jahren 1865 und 1866 vorgenommen wurden. Es konnte
diess sogar für das Jahr 1867 ebenfalls mit einem Betrage von
nahezu 200.000 fl. in Aussicht genommen werden, ungeachtet
die Landesumlage bis auf 4 kr. herabgemindert wurde. Dem
Rechte der Obligationsbesitzer wurde demnach dadurch nicht
nahe getreten und ebensowenig wurden die Verpflichtungen des
Landes dadurch hintangesetzt, dass für das Jahr 1867 eine um wei-
tere 2 kr. geringere Umlage ausgeschrieben wurde, als zur Aufbrin-
gung jener zur Abzahlung der Landesschuldigkeit innerhalb 40
Jahren berechneten Jahresquote von 810.000 fl. erforderlich ist,
nachdem eben in früheren Jahren um so viel höhere Umlagen
ausgeschrieben worden waren, und nicht nur die Verpflichtungen
des Fondes erfiillt, sondern auch noch darüber hinausgehende
Rückkäufe vorgenommen werden konnten.
Dass übrigens für 1867 nur 4 kr. ausgeschrieben wurden
geschah ausdrücklich nur für dieses Jahr und war dies lediglich
nur veranlasst durch die höhere Umlage, welche für den Landes-
fond anlässlich des vorausgegangenen Kriegsjahres erforderlich
wurde, ein Ereigniss, das nach dreijähriger Missemte, und in
Begleitung von Epidemie und Elementarunfällen, die Steigerung
der Gesammtleistimg des Landes in diesem Zeitpunkte ganz
unmöglich machte.
üeber den Vermögensstand des n. ö. Grundent-
lastungs fondes mag die nachfolgende Tabelle den entspre-
chenden Aufschluss gewähren.
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96
Vermögens-Stand
des n. ö. Grundentlast ungs-Fondes in den Jahren 1861 bis einschliesslich 1866.
bei Beginn || am Schlüsse
VermSsrens |
des Jahres
Vermehrungl
Verminder. 1
fl.
>r-
II fl.
kr.
«•
_krj
fl.
kr.
1861
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
44,066.947
43,523.446
75V,
56
42,254.393
42,728.731
46V,
42
_
— 1,812.554
— 794.715
29
14
ergibt sich eine ....
1862
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine ....
1863
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine ....
1864
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven ........
ergibt sich eine ....
1865
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine ....
1866
Stand der Activa ......
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine ....
Zusammenziehung pro 1861 bis
incl. 1866
Hiezu durch Rectifizirung in den
Jahren 1864 und 1865 ....
Summe
543.501
42,254.393
42,728.731
19V.
46V.
42
474.337
42,721.036
42,045.373
95V,
56
51
466.6^13
— 1,017.839
9% -
— 683.357
15
91
474,337
42,721.036
42,045.373
95V,
51
675.663
41,879.620
41,084.665
5
88
28
1,150.001
V. -
— 841.415
— 960.718
68
23
675.663
•
»41,948.160
41,084.655
5
52
28
794.965
40,569.820
39,613.183
60
13
68V,
119.302
55 —
- 1,378.340
— 1,471.471
39
59V,
794.965
»40,569.862
39,613.183
60
13
68V,
956.636
39,575.230
38,435.802
44V,
19V,
22V,
93.131
20Vj| -
— 994.631
— 1,177.381
93V,
46
956.678
39,575.230
38,435.802
44V,
19V.
22V,
1,139.427
38,911.703
37,664.683
97
57
77V,
182.749
52V, -
— 663.526
— 771.118
62V,
45
1,139.427
97
1,247.019
79V,
107.591
82% -
-
543.501
19V,
1,247.019
79V,
634.936
68.581
96
64
-
i
703.518
60
Die Activa dieses Fondes bestanden am Schiasse des Jahres 1866 aus :
a) der Schuld der Verpflichteten 3,718.139 fl. IS'/j kr.
b) „ „ des Landes 12,326.089 „ 93 „
c) „ „ des Staates 13,860.167 „ 32 ^
d) „ „ der Staatsdepositencasse 8,679.645 „61 „
e) den aushaftenden Vorschüssen und bei anderen
Gassen schwebend verbliebenen Geldern ... 27.881 „ 04Va w
/) dem Cassareste 299.780 „ 53 „
Summe 38,911.703 „ 57 „
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Die Passiva bestanden ans :
aj im Umlaufe befindlichen Grundentlastungsobligatio-
nen sammt aushaftenden Interessen .... 37,653.195 fl. 7% kr.
b) liquidirten aber nicht bedeckten Forderungen der
Berechtigten für Urbariallasten und Laude-
mialbezüge, nickständigen Renten hievon, rück-
ständigen Regiekosten und Vorauszahlungen der
Verpflichteten . • • 11.488 70 „
Summe 37,664.683 77*/, „
Der Landesfond wurde mit 31. Juli 1861 in die unbe-
schränkte Verwaltung der Landes- Vertretung übernommen. Es
muss bemerkt werden, dass dabei 313.070 fl. in Barem und
339.470 fl. in Obligationen vorhanden waren.
Nachdem neben dem Landesfonde der Doraesticalfond
fortbestanden hatte, beschloss der Landtag die Auflösung des-
selben, indem die vorhandenen Capitalien *) in den Landesfond
tibertragen wurden, und indem femer bestimmt wurde, dass
künftighin die dem Domesticalfonde eigenthümlich gehörigen Drit-
telsteuer-Entschädigungsrenten-Beträge von jährlich 4971 fl. 9 kr.,
beziehungsweise von 2852 fl. 14 kr., dann die Urbarsteuer-Ent-
schädigungsrenten-Beträge von jährlich 16 fl. 67 kr. in den Landes-
fond einzufliessen haben.
Rücksichtlich der Geldgebarung mit dem Landesfonde muss
vorerst der Landes-Umlagen Erwähnung gesohohen.
In dem letzten von der Regierung festgestellten Voranschlage
(d. i. pro 1861) war die Umlage mit 8 kr. für jeden Gulden
directer Steuer festgestellt *). Für das Jahr 1862, wo eigentlich
^) Dieselhen bestanden in
Nat.-Anlehen-Oblig. per fl. 19,000.—
n. ö. Grundentl-Oblig. per « 10,860.—-
Bankpfandbriefe „ 9,000,—
an barem Geld „ 146.46
*) Seit dem Bestände des Landesfonds gab es folgende Umlagen:
im Jahre 1861 fttr Wien 2 /^ kr., für das flache Land 3 kr.
„ „ 1862 „ „2/4„„„ n r» ^An
„ „ 1853 „ „3„„nn w^n
t» « 1864 „ n ^ n n n r^ n^w
n I» 1855 „ „ Sy^ n rt n n n 6V4 „
» » 1856 „ „ 5*/fc n n n n » ^V* n
ff ff 1867 „ „ 5V* ff ff ff tt ff 6*/* ff
7
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98
eine Aenderung mit dem noch von der Regierung vorgelegten Vor-
anschlage gar nicht vorgenommen wurde, blieb die Umlage die-
selbe. Für die Jahre 1863 und 1864 jedoch, wo die Voranschläge
(im Jahre 1861 hatte das Erfordemiss 970.564 11. betragen) zum
Theil wegen der Auslagen fiir die Landes-Vertretung *), vorzüglich
aber wegen der Kosten für Schulen •) und öffentliche Bauten ') auf
1,405.400 und 1,649.000 fl. gestiegen waren, musste die Umlage be-
reits um 2 kr. erhöht werden. Nachdem aber vom Jahre 1862 ange-
fangen um 1 Yj kr. an Umlage flir den Grundentlastungsfond weniger
ausgeschrieben wurde, war die Gesammtleistung des Landes im Jahre
1862 um ly, kr. weniger und vom Jahre 1863 angefangen um */,
kr. höher. In den Jahren 1865 und 1866 stieg die Landesfonds-
Umlage abermals um 2 kr., da die Kosten filr die Strassen sich
auf 512.790 fl. steigerten. Wie bereits erwähnt, wurde gleich-
zeitig auch mit der Umlage für den Grundentlastungsfond von
8 auf 6 kr. herabgegangen , so dass ungeachtet der Landesfonds-
Umlage von 12 kr. die Gesammtleistung des Landes doch nur
18 kr. betrug. Hiezu konnte sich um so eher entschlossen werden,
als das Land — mit Ausnahme von Wien — auf einer andern
Seite die Herabminderung an der Steuerleistung beinahe in gleichem
Massstabe erfahr. Es bestanden nämlich noch aus der Zeit der
Kreisämter vom Jahre 1854 her die sogenannten Kreisstrassen-
fonde*). Nachdem nun eine Anzahl von Strassen (als Landes-
im Jahre 1868 für Wien 6/4 kr., für das flache Land 6 kr.
n n 1869 „ n n it n n rt n * Aon
« f» 1860 Yf n n rt n r> n n * n
1) Hiefttr waren pro 1863 90,200 fl. und pro 1864 (14 monatliche Pe-
riode) 110,400 fl. veranschlagt, während für das Vorjahr diese Auslage fehlte.
•) Hiefür waren pro 1863: 65,773 fl. und pro 1864 (14monatliche Pe-
riode) 103,683 fl. veranschlagt, während für das Vorjahr diese Auslage gar
nicht vorkam.
5) Hiefür waren pro 1863 239,150 fl. pro 1864 (Umonatliche Periode)
234,000 fl. dagegen pro 1861 nur 67,272 fl. veranschlagt.
*) Als im Jahre 1861 Bezirks-Hauptmannschaften eingeführt wurden,
bestanden auch Bezirks-Umlagen und Fonde, aus denen Recrutirnngs- und
Cimentirungs- und andere gemeinschaftliche Auslagen, insbesondere auch für
Strassen bestritten wurden. Als im Jahre 1854 die Bezirks-Hauptmannschaften
aufgelöst wurden, zog man diese Bezirks-Fonde in Kreis-Fonde zusammen und
wurden dieselben ausschliesslich zu Strassen-Fonde erklärt. Die diessfälligen
Umlagen waren, so lange diese Fonde bestanden :
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99
Strassen) auf den Landesfond übernommen wurden, (daher auch
die bedeutende Steigerung der Auslagen bei diesem), so konnten
anderseits die Kreisfonde erleichtert werden. In der That betrug
die Herabminderung der Kreisfonds - Umlage in den Vierteln
O. M. B. u. O. W. W. 2 kr. (von 6 auf 4 kr.) in dem Viertel
U. M. B. 2/, kr. (2*/, von 6 kr.) und in dem Viertel U. W. W.
IV, kr. (5y, von 7 kr.). Leider musste für das Jahr 1867 aber-
mals eine Steigerung der Landesfonds-Umlage um weitere 2 kr.,
d. i. von 12 auf 14 kr., beschlossen werden. Die Ursache dazu
lag lediglich in der grossen Ausgabe für Militär-Einquartierung und
Vorspann aus Anlass des 1866er Krieges. Wie aber bereits bei
Besprechung der Umlagen für den Grundentlastungsfonds erwähnt,
wurde diese, in Berücksichtigung der ungünstigen, zur Erhöhung
der Gesammtleistung nicht geeigneten Zeitverhältnisse, wieder um
2 kr. herabgemindert, so dass die Umlage flir Grundentlastungs-
und Landesfonds zusammengenommen den Betrag von 18 kr. wie-
der nicht überschritt.
Die Thatsache, dass die Ursache der für das Jahr 1865 vor-
genommenen Erhöhung der Umlage des Landesfondes fast nur in
den gesteigerten Strassenauslagen gelegen war, hat Veranlassung
zur Erörterung der Frage über die Gleichmässigkeit der
Umlage ftir alle Orte und Steuergattimgen gegeben. Da nämlich
von den Vertretern der Stadt Wien geltend gemacht worden ist,
dass dieselbe weder vor noch während derselben dem Bestände der
Kreisfonde zu den Strassen auf dem flachen Lande — einzelne periodi-
sche Beiträge in den letzten Jahren abgerechnet — beigetragen habe,
während sie nunmehr in Folge des Strassengesetzes überhaupt,
insbesondere aber wegen der Landesstrassen mittelst ihrer be-
deutenden Beisteuern zum Landesfonde stark in die Theilnahme
gezogen werde; wurden von verschiedenen Seiten Anträge ge-
bracht, entweder die in Wien besonders vertretene Hauszinssteuer
in Nied.-Oester. von der Landesfonds-Umlage auszunehmen oder
die Umlage für die Stadt Wien um 1 kr. niedriger zu bemessen.
1856 1856 1857 1868 1859 1860 1861— 64 1865 u. 1866
V.U.W.W.3V, 4»V,oo ß'V.oo öV.oo aVi 5 7 5'/,
V.O. W.W. 3% 6'V,o, 5*»A^ 7 5 6'/, 6 4
V. U. M. B. 3V, 4»Viao ^Vio ^'/xo 3 3 5 2%
V. O. M. B. 3»/^ 6»y,oo ö'V.oo 5^A,, 5 5 6 4
7 *
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100
Aus der oben geschehenen Anfuhrung der Umlagen seit 1851 geht
hervor, dass letzterer Unterschied in den Jahren 1853 — 57 in
der That bestand, derselbe 1852 sogar ly, kr. und gleich im
ersten Jahre, 1851, Va ^r. betrug, so dass also in den ersten 7
Jahren die Landesfonds Umlage ftir die Stadt Wien principiell
geringer bemessen wurde. Der Landtag erkannte aber in beiden
Anträgen eine Gefährdung des Principes der gleichmässigen Be-
steuerung im ganzen Lande, lehnte dieselben daher ab, und be-
schloss : „der Landesfondszuschuss sei noch ferner, wie bisher, auf
alle Steuergattungen gleichmässig umzulegen". Weiters wurde sich
aber für Gewährung einer Summe von 75.000 fl. als Beitrag zur
Erhaltung jener Strassen innerhalb Wien*s, die als Fortsetzung der
Landesstrassen angesehen werden können, entschieden *).
Unter den einzelnen, dem Landesfonde obliegenden Zahlun-
gen befindet sich auch die Post „Landes schulden", für
welche in allen Voranschlägen eine, über 57.000 fl. betragende
Summe einbezogen erscheint. Diese Schulden stellen sich sozusagen
als das Passivum des ehemaligen Domesticalfondes heraus und
datiren daher aus älterer Zeit, und zwar: 1. aus der Schuld vom
Jahre 1767 (4,466.100 fl. 18 kr. C. M. ausgegeben), ursprünglich
mit 4, seit dem Finanzpatente des Jahres 1811 aber nur mehr
mit 2 Procent in Wiener Währung verzinslich ') ; 2. aus dem
Dominicalanlehen vom Jahre 1799 (ausgegeben mit 446.065 fl.
Obligationen), ursprünglich mit 6, seit dem Finanzpatente vom
Jahre 1811 mit 3 Procent in Wiener Währung verzinslich*);
3. aus dem Zwangsanlehen vom Jahre 1805 (6,161.268 fl. C. M.
Bancozettel ausgegeben) ursprünglich mit 6, seit dem Finanz-
') Diese Bestimmung wurde übrigens in das Landesgesetz vom 18. Mai
1866, womit die Landesstrassen festgestellt wurden, ausdrücklich aufgenommen.
*) Die älteren stand. Schulden — durchaus entstanden aus der Leistung
der dem Lande obliegenden Leistungen oder aus der Erwerbung von Ver-
mögensrechten des Domesticalfondes (als zum Ankauf der Urbar- oder Drittel-
steuer,<^ sowie zum Erlag des Vicedomischen Kaufschillings) — wurden auf
Grund des A. H. Patentes vom 1. Mai 1766 in diese 4proz. Schuld convertirt.
•) Diese Schuld ist eigentlich eine Kriegssteuer gewesen, zu der sich
aber die Dominicalbesitzer freiwillig erboten hatten. Sie war daher ursprünglich
eine Specialschuld der Gültenbesitzer, wurde aber später dadurch eine Domesti-
calschuld, dass zu ihrer Tilgung, sowie zur Bestreitung der Zinsen ein beson-
derer Zuschlag auf den Dominical-Steuergulden eingehoben wurde.
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101
patente vom Jahre 1811 mit 3 Procent in Wiener Währung
verzinslich"); 4. aus dem 5procentigen Anlehen vom Jahre 1805
aus der freiwilligen Conversion eines Theiles des letzgenannten
Anlehens entstanden (115.481 fl. Bancozettel ausgegeben), seit
dem Finanzpatente vom Jahre 1811 nur mehr mit 2% Procent
in Wiener Währung verzinslich ; 5. aus dem Zwangsanlehen vom
Jahre 1809 (sogenanntes Angles^sches Anlehen, von dem ein Be-
trag von 863.182 fl. in Silber ausgegeben wurde), ursprünglich
mit 6 Procent in Silber, seit dem Finanzpatente vom Jahre 1811
mit 3 Procent in Wiener Währung verzinslich •) ; 6. aus dem zur
Einlösimg ständischer Tratten ausgegebenen 2procentigen Anlehen
des Jahres 1811 (1809) im Nominalbetrag von 1,477.100 fl. Wr.
Währung.
Was nun die Tilgung dieser Schulden betriflft, so wurde
für die ad 1 aufgeführte ein eigener Amortisationsfond gebildet
') Die unter 3 — 6 angeführten Schulden datiren aus der Zeit der französi-
schen Invasion. In derselben obla^^ es dem stand. Verordneten-Collegium die
dem Lande auferlegten Kriegscontributionen zu beschaffen. Das Collegium ging
jedoch dabei nur mit Zustimmung des in Wien verbliebenen 1. f. Hofcommis-
särs vor. Auch waren den Verhandlungen, die diesen Anlehens-Aufnamen vor-
ausgingen, Vertreter des Magistrates der Stadt Wien beigezogen, da dieselbe
das grösste Interesse an der regelmässigen Aufbringung der Contribution hatte ;
w esshalb auch bestimmt wurde, dass ein später zu ermittelnder Theil von ihr
zu tragen sei. — Das ad 3 erwähnte Anlehen wurde unter Garantie der Stände
nciit Patent vom 2. Dezember 1805 ausgeschrieben, in der Art, dass die Besitzer
von Dominicalrealitäten, sowie die Hauseigenthümer der Stadt Wien, mit dem
einjährigen Betrage ihrer Steuer, sämmtliche Bewohner Wiens, die 100 fl. oder
mehr Wohnungsmiethe bezahlten, mit einem halbjährigen Zinsbetrage, endlich
die Geistlichkeit, die Wechsler, die verschiedenen Gremien mit einem vom Hof-
commissariate festgesetzten Pauschalbetrage beizutragen hatten.
•) Die dem Lan^e Nieder-Oesterreich im Jahre 1809 auferlegte Kriegs-
contribution betrug — bei einem durchschnittlichen Silbercurse von 300 fl. —
23,344,321 fl« 20 kr. Bancozetteln. Die Beschaffung geschah auf die verschiedenste
Art, durch Requisitions- und Hypothekar-Tratten, sowie durch ein Zwanganlehen,
das durch die fünffache Dominicalsteuer hereingebracht wurde. Das ad 5 er-
wähnte, ebenfalls dazu gehörige Anlehen — von dem frz. Intendanten Angles,
der die betreffenden Anordnungen traf, benannt — wurde in Wechseln auf
fremde Plätze, auf die Banquiers und Kaufleute Wiens in Silber ausge-
schrieben, und musste das Land die Garantie zur Zahlung, aber nur die eine
Hälfte, übernehmen, während die andere Hälfte von der Stadt Wien über-
nommen wurde.
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102
alljährlich dotirt mit 50, später 55000 fl., die durch Umlage auf
das ganze Land aufgebracht wurden) und aus demselben bis zum
Jahre 1831, wo seine Thätigkeit eingestellt worden ist, ein Be-
trag von 1,908.812 fl. eingelöst, so dass am Schlüsse des genann-
ten Jahres noch 2,557.287 fl. 24 kr. im Umlauf waren und zur
ferneren Verzinsung vei*blieben.
Die ad 2 aufgeführte Schuld wurde durch eine eigene Um-
lage auf den Dominicalsteuergulden eingelöst. Da aber diese
Einnahme während der Kriegsjahre auch zu andern Zwecken ver-
wendet wurde, so waren mit dem Jahre I83I noch 68.909 fl.
uneingelöst, ungeachtet solche Obligationen auch aus dem ad 1
angeführten Amortisations-Fonde durch Rückkauf an der Börse
eingelöst wurden.
Seitdem durch das A. H. Patent vom Jahre 1819 die
Verlosung der älteren Staatsschuld angeordnet wurde, wodurch
den Staatsgläubigem ein theilweiser Ersatz für den ihnen in
Folge des Finanz-Patents vom Jahre 1811 zugefügten Schaden
in Aussicht gestellt war, hatten auch die Stände von Nieder-
Oesterreich angesucht den Inhabern der ständischen, von den An-
lehen aus den Jahren 1767 und 1799 herrührenden Obligationen
gleichfalls einen Ersatz gewähren zu dürfen. Zwar wurden die
diesfalls gemachten Vorschläge nicht acceptirt, allein im Jahre
1840 wurde die Einbeziehung dieser Obligationen in die Ver-
loosung der älteren Staatsschuld in der Art gestattet, dass
904.946 fl. 54 kr. Obligationen ständischer Schulden gegen den
gleichen Betrag von verloosbaren Obligationen der älteren Staats-
schuld, welche Eigenthum des Domestical-Fondes waren, getilgt
wurden und nur der noch verbleibende Theil der Schuld per
1,721.249 fl. 30 kr. in die Verloosung der älteren Staatssehuld
eingetheilt wurde. Während bei diesem Arrangement ausdrück-
lich die Bestimmung getroffen wurde, dass die Zinsen, inso-
lange die Obligationen nicht gezogen sind, auch femer vom Do-
mestical-Fonde zu tragen sind, behielt sich die Staatsverwaltung
vor, für die durch diese Eintheilung der ständischen Obligatio-
nen in die Verloosung der älteren Staatsschuld den Ständen
gewährte Unterstützung den Ersatz seiner Zeit in Anspruch zu
nehmen.
Soviel über die sogenannte ältere ständische Schuld, welche
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103
bereits bei dem Inslebentreten der Landes- Vertretung nahezu
getilgt war *).
Anbelangend die Tilgung der Invasionsschuld, fand die-
selbe nur tbeilweise, und zwar durch Credit-Operationen des
Staates, durch besondere Landesumlagen und durch Abstattung
von Jahresquoten aus dem bereits erwähnten Amortisations-Fonde ')
statt, so dass sich Ende des Jahres 1866 in Händen des Pub-
licums befanden:
vom 3 proct Anlehen vom Jahre 1805 2,752.514 fl. 44 kr.
„ 3 „ „ „ „ 1809 749.485 „ - „
n 2%„ „ „ „ 1805 82.315 „ - „
, 2 „ n . n 1811 1,444.361 , 24 ,
daher in Summa 5,028.676 fl. 8 kr.
Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass das Land
den Anspruch auf den vollen Rückersatz hat, da ja diese Schul-
den nur im Reichsinteresse contrahirt wurden. Die Stände haben
diesfalls auch wiederholt reclamirt, und zwar nicht nur wegen
Uebernahme des noch vorhandenen Restes der Schuld, sondern
auch wegen Rückersatzes aller jener Beträge, die zur Einlösung
des bereits getilgten Theiles dieser Schulden aus Landesmitteln
aufgewendet worden sind. Die Staatsverwaltung hat diese Forde-
rungen auch keineswegs abgelehnt, aber zu einer Richtigstellung
der Ziffer sowie zu einem Uebereinkommen bezüglich der Abzahlungs-
modalitäten war es gleichwohl nicht gekommen "). Der Landtag hat
') Ende 1866 blieben vom Jahre 1767 noch ungetilgt: 250 fl.
') Dessen Thätigkeit stellte man mit dem Jahre 1840 ein, und wurden
die vorhandenen Gelder zum Bau des Landhauses verwendet.
*) Durch ein Hofdekret vom Jahre 1810 wurde der Grundsatz ausge-
sprochen, dass die von den Franzosen gemachten Ausschreibungen zum Aus-
gleiche geeignet wären, wegen des Schlüssels hiezu aber die weitere A. H.
EntSchliessung erst nachfolgen werde. Im Jahre 1811 wurde durch ein Hof-
dekret der Stadt Wien, die von den Ständen aufgefordert worden war, ihren
Zahlungsverbindlichkeiten nachzukommen, dies aber wegen Mangel an Mittel
nicht thun zu können erklärte — die Zusicherung ertheilt, dass Verhandlungen
wegen dieses Ausgleiches im Zuge seien, und das Erforderliche zur Deckung
der geleisteten und noch zu leistenden Zahlung angeordnet werden würde. Es
wurde dann durch ein weiteres Hofdekret vom Jahre 1832 mitgetheilt, dass
die Frage, nach welchem Verhältniss die Provinz und die Stadt Wien zu dem
geaammten Tnvasionsanlehen zu concurriren haben werden, dann ob und in
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104
sich daher verpflichtet gefühlt, diese Angelegenheit wieder aufzuneh-
men. In der zweiten Session beauftragte er den Landes- Ausschuss
„einen ausführlichen Bericht über die bestehende Domesticalschuld
sowie Vorschläge zu deren Regelung zu erstatten." Auf Grund dieses
Berichtes ') hat der Landtag den Landes-Ausschuss in der dritten
Session weiters beauftragt „mit dem k. k. Finanz-Ministerium wegen
Uebemahme der ständischen Invasionsschulden auf den Staat und
Anerkennung der dem Lande Nieder-Oesterreich aus denselben
zustehenden Ersatzansprüche in Unterhandlung zu treten und das
diesfalls getroffene Uebereinkommen dem Landtage" zur Ratifi-
cation vorzulegen. Dies ist in den beiden noch eingetretenen Ses-
sionen der Wahlperiode nicht geschehen, nachdem einerseits vor
der Geltendmachung der Anforderungen dieselben einer genauen
ziffermässigen Revision unterzogen werden mussten, und nachdem
dieselbe Ueberprüfiing bei einer vom Staate aus einem andern
Titel abgeleiteten Forderung an das Land vorzunehmen, übri-
gens das Kriegsjahr 1866 zur Durchfährung der ersteren An-
sprüche nicht geeignet war.
Die vom Staate an das Land gestellten Ansprüche wurden
aus den noch nicht finalisierten Abrechnungen des sogenannten
„Landwehr-Fon d es" aus der Periode vom Jahre 1808 bis
letzten October 181 8 abgeleitet. Die Landes- Vertretung fand diese
Angelegenheit in der Schwebe, da das ständische Verordneten-
Collegium im Jahre 1859 von der k. k. Statthalterei ersucht
worden war, zu der Liquidirungs-Commission Abgeordnete zu
wie weit diese Schuld auf den Staatsschatz zu übernehmen wäre, nach
Herablangung eines in Händen Sr. Majestät befindlichen Operates über das In-
vasions-Schuldenwesen einer umständlichen Erörterung unterzogen werden würde.
Mit dem Hofdekret vom Jahre 1841 wurde den Ständen bedeutet, Se. Majestät
habe anzuordnen geruht, es seien die Verhandlungen über die Rückvergütung
der ständischen Invasionsschuld da, wo sie haftet, mit allem Nachdrucke zu
betreiben, daher diese Angelegenheit postenweise, da wo sie haftet, aufzu-
nehmen und in Vortrag zu bringen sei. Der letzte Verkehr endlich, der mit
der Staatsbehörde diesfalls statthatte, war die 1847 erfolgte Erledigang einer
Eingabe der Stände um endliche Entscheidung in Betreff der Invasionsschul-
den, dahin gehend, dass die Verhandlungen über die Regelung der aus den
Invasionsepochen herrührenden Domesticalschuld noch nicht beendet seien.
*) Demselben sind die vorstehenden Daten über die Landes schuld Ver-
hältnisse entnommen.
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105
entsenden, welche in Aiisflihrung der A. H. Entschliessung vom
20. Mai 1828 wegen provincieller Abrechnung und Ausgleichung
der gegenseitigen Ansprüche des Aerars und der Landwehr-
Fonde reactivirt worden war, diese Beschickung zwar stattfand, aber
bei der Verhandlung eine specielle Prüfung der Allegate durch
die einzelnen Commissions-Mitglieder sich als nothwendig heraus-
stellte, und nachdem nunmehr im August 1860 der ganze
Act mit den Bemerkungen der Vertreter des Militär-Aerars
sowie mit den Erläuterungen der Staatsbuchhaltung an das
Verordneten-CoUegium gelangte, wo derselbe im April 1861
bei der Geschäftsübergabe noch unerledigt vorgefunden wurde.
Im Jahre 1862 sprach das k. k. Staats-Ministerium den
Wunsch nach Beschleunigung dieser Angelegenheit aus, indem
zugleich bemerkt wurde, dass zwischen den Gentralstellen die
Vereinbarung getroffen wurde, dass es sich bei der diesßllligen
Abrechnung nicht um Anforderung einer Baarzahlung des sich
etwa ergebenden Guthabens des Staatsschatzes, sondern nur um
die nicht länger zu verschiebende Austragung einer Rechnungs-
Verhandlimg und schliesslich um ein Compensations-Object für
den Fall handle, als das Land eine Anforderung an den
Staatsschatz zu stellen in der Lage war.
Die Landes- Vertretung erachtete aber bei der Höhe der
vom Staate gestellten Anforderung — 287.782 fl. 26 kr. von der
Staatsbuchhaltung und 310.501 fl. 3y,o kr. von den Vertretern
des Militärärars beziffert, — den Gegenstand keineswegs auf
Kosten einer eingehenden Prüfung, Seitens der Landesbuchhaltung
übereilen zu sollen. In der That stellte sich bei der genauen Prüfung
heraus, dass das Operat mit Ignorirung bereits stattgehabter Ab-
rechnungen für die Periode 1808 — 1812 zu weit zurückgreife und
das dasselbe die liquiden Forderungen des Landes nicht berück-
sichtigt habe. Nach der Berechnung der Landes -Buchhaltung stellte
sich bei einer genauen Abrechnung zwischen Staat und Land aus
diesem Anlasse eine Forderung des letzteren an den ersteren *)
heraus. In dieser Richtung wurde nun die Aeusserung an die
Regierung erstattet. Hierüber wurde neuerlich commissionell ver-
*) Dieselbe wurde ursprünglich mit 27.452 fl. OVs kr. W. W., später
nach Würdigung der Gegenbemerkungen, mit 11.529 fl. 90*/j<j kr. beziffert.
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106
handelt und stellte sich als das Endergebniss heraus, dass der
Staat seine Forderung mi* 236.925 fl. 21 kr. richtig stellte. Die
betreflFende Note der k. k. Statthai terei vom 22. April 1866 theilte
mit, dass das k. k. Siaats-Ministerium einverständlich mit dem
Kriegs- und Finanz-Ministerium beschlossen habe, diese liquidirte
Forderung als Compensationsobject für eventuelle Forderungen des
Landes Nieder-Oesterreich an das Aerar vormerken zu lassen und
diese Abrechnung hiemit als abgethan zu erklären. Die Landes-
Vertretung erklärte aber, sich mit dieser Liquidirung vorläufig
nicht einverstanden erklären zu können.
Indem hier noch bemerkt wird, dass wegen Kürze der 1866er
Session der Gegenstand nicht zur Verhandlung gelangte imd somit
weitere Schritte der nächsten Wahlperiode vorbehalten blieben *),
fügt man noch hinzu, dass der Landtag den an die Stadt Wien
aus Anlass von deren Betheiligung an dem Zwangsanlehen vom
Jahre 1805 und an dem zur Einlösung der Tratten im Jahre 1811
ausgegebenen Anlehen eine Forderung nicht stellen zu sollen
glaubte, nachdem die diesfälligen Ansprüche verjährt sind, dass
aber die Stadt Wien vom Jahre 1812 angefangen, die Hälfte der
Jahreszinsen für das Angles'sche Anlehen (1809) regelmässig an
den Landesfond abführte.
Als Gegensatz zu diesen vorgefundenen Passiven sind die
vorgefundenen Activen des Landesfondes zu erwähnen. Von
der Aufzählung verschiedener in Raten rückzuzahlender Darlehen
kann hier wohl Umgang genommen werden. Hervorgehoben
müssen dabei aber die dem Landesfonde gehörigen Realitäten
werden. Dazu ist in erster Linie das Landhaus zu zählen, das
an der Stelle des alten Landhauses in den Jahren 1838 — 1845
von den Ständen mit den dem Amortisationsfonde entnommenen
Geldern im Betrage von circa 800.000 fl. erbaut worden ist. Die
Landes- Vertretung fand dieses Gebäude mit mehreren unentgelt-
lich untergebrachten kaiserlichen Aemtern und Vereinen, sowie
*j In der 1868er Session wurde beschlossen, die vom Staate aus Anlass
der Landwehr-Ausriistungskosten geltend gemachten Forderung von 236.925 fl.
21 kr. für den Fall als Compensationsobjekt gelten zu lassen, wenn die aus
den Invasionsjahren 1805 und 1809 dem Lande Nieder-Oesterreich gebührenden
Forderungen an das Aerar im Betrage von 5,251.986 fl. 74 kr. ö. W., und
6,028.676 fl. 10 kr. in Obligationen anerkannt würden.
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mit Naturalwohnungen für einen Landesbeamten (Syndikus) und
den Hausinspector beset/.t. Auch hatte das ständische Verordneten -
Coliegium in der letzten Zeit seiner Wirksamkeit dem Herren-
hause des Reichsrathes eine Reihe von Localitäten zu seinen
Bureaux sowie die Landtagssäie zu den Berathungen unentgeltlich
überlassen.
Die Landes-Vertretung bestand jedoch auf der Entrichtung
eines Zinsbetrages für das Herrenhaus, nachdem die Kosten für
dasselbe nicht von Nieder-Oesterreich allein getragen werden
können, bewirkte die Ausquartierung der kais. Aemter, verlieh
die beiden Naturalwohnungen nicht weiters, unterbrachte die auch
fernerhin in unentgeltlicher Unterkunft belassenen Vereine zum
Theile in minder werthvoUen, theilweise erst adaptirten Locali-
täten *), und vermiethete die auf diese Art gewonnenen Räum-
lichkeiten, so dass, während für das Gebäude im Jahre 1860 an
Miethe nur 1050 fl. eingenommen wurden, dieser Betrag im
Jahre 1866, ungeachtet die Kanzleien des Landes-Ausschusses
wesentlich grössere Räume in Anspruch nahmen, und ungeachtet
die Regiekosten nicht beträchtlich vermindert wurden '), sich auf
12.907 fl. steigerte.
Die zweite, dem Landesfonde gehörige und für diesen schon
während seines Bestandes erworbene Realität ist ein im Jahre
1855 zur Unterkunft der Gensdarmerie, um den Betrag von
120.067 fl. gekauftes, in der Wiener Vorstadt Landstrasse
gelegenes und im Jahre 1857 mit einem Kosten- Aufwände
von 79.558 fl. 28 kr. erweitertes Gebäude sammt Garten.
Ungeachtet durch die mit dem 1. September 1860 einge-
tretene Reducirung des Standes der Gensdarmerie die Verpflich-
tung des Landes zur Unterbringung von Officieren und Mann-
*) Der Landwirthschafts- Gesellschaft und dem zoologisch - botanischen
Vereine wurden die früheren Localitäten belassen. Dem Vereine der Landes-
kunde, dem central-statistischen Vereine und dem Kreuzervereine wurden Lo-
calitäten in einem Trakte des Erdgeschosses angewiesen.
•) Die Stelle eines Hausinspektors, eines Heizers und zweier Hausknechte
wurden nicht besetzt, dagegen die Stelle eines Hausbesorgers creirt. Die baareu
Ausgaben für die Ersteren betrugen im Jahre 1860: 2470 fl. 50 kr.; die letz-
teren im Jahre 1866: 869 fl. 50 kr., daher darin allein ein Ersparniss von
1611 fl, erzielt wurde, wozu aber noch 1000 fl. kommen, die für die Ver-
miethung der durch diese Reducirung verfügbaren Localitäten erzielt wurden.
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108
Schaft wesentlich geringer war, fand die Landes- Vertretung doch
noch im Sommer 1861 sämmtliche Räumlichkeiten in Verwen-
dung der Gensdarmerie, und war insbesondere die k. k. Gensdar-
merie-General-Inspection in dem Gebäude erst seit Frühjahr 1861
untergebracht. Die Landes Vertretung drang, wie bereits erwähnt
(siehe Capitel über „öffentliche Sicherheit") auf Einschränkimg
der Gensdarmerie-Organe imd insbesondere auch auf Entrichtung
von Zins für die Gensdarmerie- General-Inspection, nachdem die
Kosten für dieselbe nicht vom Lande Nieder-Oesterreich allein
getragen werden könnten. Der auf diese Weise gewonnene Zins
beUef sich auf 6085 fl., wobei jedoch bemerkt werden muss, dass
die erforderlich gewordene Adaptirung 12.456 fl. 11 kr. kostete.
Die Landes-Vertretung constatirte ferner, dass ausserdem dem
Landesfonde noch das Eigenthum auf die Hälfte der Gensdar-
merie- und Finanzwach-Caserne in Ober-Hollabrunn zu-
komme, nachdem im Jahre 1855 mit Zustimmung der Ministerien des
Innern und der Finanzen für den Landes- und Finanzwach-Fonds
auf einem zum k. k. Bezirksamts-Gebäude in Ober-Hollabrunn
gehörigen Grunde das diesfällige Gebäude hergestellt wurde. Die
vom Landesfonde diesfalls getragenen Kosten betrugen 4*795 fl.
61*/^ kr. Nachdem dieses Verhältniss anlässlich von Reparaturs-
Kosten, die aus dem Landesfonde in Anspruch genommen wurden,
actenmässig ermittelt wurde, drang die Landes-Vertretung auf die
grundbücherliche Sicherstellung des Eigenthumsrechtes des Landes-
fondes. Derselben stellten sich Schwierigkeiten entgegen, nachdem
der Grund und Boden Eigenthum des Aerars war, und das
Ministerium in einen Verkauf der entsprechenden Hälfte desselben
nicht willigen, sondern nur zugestehen wollte, dass das Recht der
Landes-Vertretung, die Gensdarmerie in der Hälfte des fraglichen
Gebäudes unterzubringen, so lange eben ein Gensdarmerieposten
in Ober-Hollabrunn besteht, grundbücherlich einverleibt werde.
Nachdem aber erklärt wurde, darauf nicht eingehen zu können,
wurde sieh endlich geeinigt, dass auf dieser Realität die Erklä-
rung der Staatsverwaltung grundbücherlich einverleibt werde,
dass das Recht der Landesvertretung, die Gensdarmerie in diesem
Staatsgebäude, insolange in Ober-Hollabrunn ein Gensdarmerie-
posten besteht, unterzubringen, anerkannt werde; dass ferner ftlr
den Fall als die Widmung dieses Gebäudes zur Unterbringung
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109
der Gensdarmerie von der Staatsverwaltung aus was imm.er für
Ursachen geändert werden sollte, die betreflfende Gensdarraerie-
und Finanzwach-Gebäude-Hälfte für andere vom Landesfonde zu
bestreitende Zwecke verwendet werden könne, und dass, wenn
dies unthunlich sein sollte, der n. ö. Landesfond eine angemessene
von beiden Theilen zu vereinbarende Vergütung des Werthes der
dem Landesfonde entgehenden Benützung des obigen Gensdar.
merie- und Finanzwach-Gebäudetheiles als Entschädigung aus dem
Staatsschatze zu fordern berechtigt sei. Der nach der Reducirung
des Gendarmerie-Status entbehrlich gewordene Theil dieser ITaus-
hälfte wurde flir Rechnung des Ländesfondes vermiethet.
Neuerworben in das Eigenthum des Ländesfondes wurde
ausser einer Anzahl von Mauthhäusem noch die zum Zwangs-
arbeitshaus adaptirte Realität in Weinhaus (siehe Capitel
über öffentliche Sicherheit).
Ueber den Vermögensstand des nied.-österr. Ländesfondes
mag die nachfolgende Tabelle Auskunft geben.
Das Ergebniss der Gebahrung des n. ö. Lande-sfondes in deu Jahren
1861 bis inclusive 1866 stellt sich folgender Weise dar:
Summe der reellen Einnahmen 8,809.338 fl. 58 kr.
,i n n Ausgaben 8,646.545 fl. 73Va kr.
Es beträgt somit die reelle Mehreinnahme 162.792 fl. 84'/a kr.
Hiezn die Vermehrung der Rückstände bei den Ein-
nahmen :
zu Anfang des Jahres 1861 133.608 fl. 34V, ^^-
„ Ende „ „ 1866 441.109 fl. 72 kr. 807.501 fl. 37'/» kr.
470.294 fl. 22 kr.
Die Vermehrung der Rückstände bei den Ausgaben
beträgt :
zu Anfang des Jahres 1861 226.664 fl. 34 kr.
r, Ende „ „ 1866 1,136.279 fl. 40 kr. 909.616 fl. 6 kr.
Mithin ergibt sich eine Vermögensverminderung von 439.320 fl, 84 kr.
Werden nun von dieser Summe, die in den Jahren 1861
bis inclusive 1866 verlosten n. ö. Domestical-
Obligationen pr. 185.148 fl. 55 kr. W. W. oder
in Oe. Währ, umrechnet mit 77.762 fl. 54*/^ kr.
abgezogen, so stellt sich mit Ende 1866 die auch
jenseits durch den Vermögensstand ausgewiesene
Abnahme des Fondsvermögens von 361.558 fl. 29 Va kr.
heraus.
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110
Vermögent-Stand
des n. ö. Laudesfondes iu den Jahreu 1861 bis einschliessig 1866.
bei Beginn 11 am Schlüsse
II Vermdsrens ||
des Jabres
Vermehrung
II Ver minder. 1
fl.
kr.
II 11. 1 kr.
fl. 1 kr.
i fl. Ikr.ll
1861
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine Yermögensver-
mehrung
1862
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine Vermögensver-
mehrung . . •
3,070.738
1,445.378
48
91
3,100.811 43
1,463.087 88
30.072
17.708
95
97
-
1,625.359
3,100.811
1,463.087
57
43
88
1,637,723 55
3,176.790 17V»
1,467.42018
12.363
75.978
4.332
98
74V,
30
-
-
1,637.723
3,176.790
1,467.420
55
177.
1,709.369
3,014,770
1,386.744
99V,
13
71.646
44V,
162.019
80.676
52V,
5
1863
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven •
minderung
1864
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine Vermögensver-
mehrunir
1,709.369
3,014.770
1,386.744
99'/,
65
13
1,628.026
3,325.245
1,399.744
52
65V,
6
310.475
12.999
V,
93
81.'343
47V,
1,628.026
3,325.245
1,399.744
52
66V,
6
1,925.501
3,563.173
1,468.799
59V,
29V,
12
297 475
237.927
69.055
77.
64
6
-
-
1865
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine Vermögensver-
mehrung
1866
Stand der Activa
Im Vergleiche mit der Summe
der Passiven
ergibt sich eine Vermögensver-
minderung
pro 1861 bis incl. 1866
1,925.501
3,563.173
1,468.799
59%
29V,
12
2,094.374
3.714.904
2,451.103
nv.
168.872
151.731
982.304
58
19V,
9V,
;
\
2,094.374
nv,
1,263.801
27V,
830.572
90
1,625.359'
57
1,263.801!
27V»
1
-|
361.558
wv»
Einer besondem Erwähnung bedarf die AussehreH3ung
der Umlagen für den Grundentlastungs- und Lan-
desfond. Nach dem §. 22 der Landesordnung ist der Landtag
zur Beschlussfassung solcher Zuschläge zu den directen landesflirst-
lichen Steuern bis auf 10 Procente berufen. Höhere Zuschläge zu
einer directen Steuer oder sonstige Umlagen bedürfen der kai
serlichen Genehmigung. Der Fall, dass in Abwesenheit des Land-
tages der Kaiser allein oder mit Zustimmung des Landes-Aus-
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111
Schusses diese Zusehläge festzustellen hat, ist nicht vorgesehen.
Gleichwohl wurde für die Jahre 1862 und 1863 in einer andern
Weise vorgegangen. In der kurzen 1861er Session konnte eine
Berathung des Landes-Budgets nicht vorgenommen werden. Der
Landtag ermächtigte nun den Landes-Ausschuss hiezu, indem er
denselben zu diesem Zwecke durch weitere 6 Mitglieder ver-
stärkte, und indem er die Maximalhöhe der Umlagen bestimmte.
Eine kaiserliche Genehraigimg zu diesem ausnahmsweisen Vorgang
wurde nicht eingeholt, wohl aber wurde dieselbe der von die-
sem verstärkten Landes-Ausschuss vollzogenen Ausschreibung zu
Theil. Zugleich muss bemerkt werden, dass Seitens der Regie-
rung die citirte Bestimmung der Landesordnung keineswegs so
ausgelegt wurde, dass das Recht der Landes- Vertretung der Aus-
schreibung bis zu 10 Procent für jeden Fonds an sich , sondern
gemeinschaftlich fiir alle Fonde zu gelten habe.
Der verstärkte Landes-Ausschuss hatte jedoch dieses Recht
der Ausmittlung der Landesumlagen nur für 1862 erhalten. Für
das Jahr 1863 war eben nicht vorgesorgt Als nun der letzte
Monat des Verwaltungsjahres 1861/1862 begonnen hatte, ohne
ohne dass der Landtag zur Ausübung seines verfassungsmässigen
Rechtes einberufen wurde, hielt sich der Landes-Ausschuss ver-
pflichtet die Regierung geradezu darum anzugehen. Dem wurde je-
doch keine Folge gegeben, indem sich die Regierung darauf be-
rief, dass der Reichsrath tage und desshalb die Landtage nicht ein-
berufen werden können. Wohl aber wurde der Landes-Ausschuss
selbst zur Ausschreibung der pro 1862 und 1863 in dem Aus-
masse des Vorjahres auszuschreibenden Umlagen unter Zustim-
mung Sr. Majestät eingeladen. Der Landes-Ausschusa sah sich ge-
zwungen^ davon Gebrauch zu machen, nachdem er instructions-
mässig zur Erfüllung der dem Landesfonde gesetzlich obliegenden
Zahlungen verpflichtet ist, und fiir den Fall, als er die Ausschrei-
bung ablehnen wtlrde, dieselbe Seitens der Regierungs-Or-
gane vorgenommen worden, dann aber dem Landes-Ausschuss
die noch schwierigere Lage bereitet worden wäre, Gelder zu ver-
wenden, die auf Grund einer jedenfalls nicht landesordnungs-
mässig erfolgten Ausschreibung der Umlagen eingehoben wurden.
Indem ferner bemerkt wird, dass die Ausschreibung vorbehalt-
lich der weitern Bestimmung des Landtages ausgeschrieben wurde
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112
(— derselbe hat thatsächlich die Ausschreibung in der Art geän-
dert, dass statt 8 kr. nur 6 kr. für den Grundentlastungs- und
10 kr für den Landes-Fonds ausgeschrieben wurden — ), ist noch
zu erwähnen, dass der Landtag in der unmittelbar darauf folgen-
den 1863er Session „die für 1863 gegen die verfassungsmässige
Competenz geschehene Ausschreibung der Umlagen für diesen ein-
zelnen Ausnahmsfall absolvirend" genehmigt hat
Ein ganz gleicher Vorgang musste mit den für 1865 auszu-
schreibenden Kreisstrassen-Fonds-Umlagen (siehe Strassen-Angele-
genheiten) eingehalten werden, indem der Landes- Ausschuss auch
hier diese Umlagen, jedoch unter Berufung auf die A. H.
EntSchliessung ausschrieb. Auf den Vorschlag der Regierung
einzurathen, in wieferne in Folge dieser Ausschreibung eine Ab-
änderung der vom Landtag pro 1865 beschlossenen Landes-
fonds-Umlage eintreten könne, wurde jedoch nicht eingegangen,
und wurde in Folge dessen die A. H. G-enehmigung gege-
ben, diese letzten im vollen Umfange zur Ausschreibung zu brin-
gen. Der Landtag genehmigte auch diese Ausschreibung und den
letzterwähnten Vorgang in der 1865/1866er Session nachträglich.
Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass nach dem Bei-
spiele der Staatsverwaltung vom Jahre 1864 angefangen, das
Verwaltungsjahr (früher vom 1. November bis 31. October) mit
dem Solarjahr in Uebereinstimmung gebracht wurde ').
IX. Landesverfassung.
Bei der Besprechung der Thätigkeit des Landtages in Be-
ziehung auf die eigene Constituirung und Bestellung seiner
Organe, sowie in Hinsicht auf die Entwicklung und Sicherstellung
verfassungsmässiger Zustände muss vorerst erwähnt werden, dass
gleich bei der Aufstellung der Geschäfts-Ordnung eine
*) Die neue Einrichtung begann eigentlich mit 1865, denn das Jahr 1864
aU Uebergangsjahr, fing mit 1. November 1863 an und hörte mit 31. Dezem-
ber 1864 auf, umfasste also eine 14monatliche Periode.
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113
Meinungsdifferenz mit der Regierung sich darüber ergab, inwie-
feme das Recht derselben durch ihre Vertreter bei den Verhand-
lungen aller Ausschüsse theilnehmen zu können, ausgesprochen
werden solle. Der Landtag anerkannte nicht, dass aus dem §. 37
der Landes-Ordnung, der dem Statthalter oder den von ihm
bestellten Commissären das Recht einräumt, „im Landtage zu
erscheinen und jederzeit das Wort zu nehmen" dieselbe Befugniss
auch für die Ausschüsse abgeleitet werden könne und es wurde,
ungeachtet des Widerspruches der Regier ungs- Vertreter, in die Ge-
schäftsordnung blos aufgenommen, das Recht in allen Ausschüssen,
bei allen Berathungen über Angelegenheiten der Landesgesetzgebung
zu erscheinen, um in Ansehung von Regierungsvorlagen oder
sonstigen Berathungsgegenständen Aufklärung und Auskunft zu
geben, jedoch ohne der Schlussverhandlung und Abstimmung
beizuwohnen. Gleich in der ersten Session wurde ferner ein die
Immunität der Landtagsabgeordneten für ihre Thätigkeit
im Landtage und seinen Ausschüssen u. s. w. feststellendes Gesetz
berathen. Allein dieser Entwurf erhielt die A. H. Sanction nicht,
nachdem das alsbald vom Reichsrathe beschlossene diesfällige
für denselben, sowie für alle Landtage gleichmässig geltende
Gesetz vom 3. October 1861 die Erlassung eines Specialgesetzes
entbehrlich machte. -— Das Recht der Entscheidung ob wegen
der Verurtheilung eines Abgeordneten in Folge eines
Pressvergehens derselbe sein Wahlrecht verloren und der Statt-
halter das Recht hat, ohne den Landtag weiters zu fragen, eine
Neuwahl auszuschreiben, — bewahrte sich der Landtag anlässlich
eines vorgekommenen Falles, in dem er sich zwar auch für den
Verlust des Mandates und ftir die Ausschreibung einer Neuwahl
aussprach, aber das Recht der Entscheidung darüber für sich in
Anspruch nahm. — Die Zuerkennung von Diäten an die
Landtagsabgeordneten, welche in der Landesordnung nicht vor-
gesehen ist, wurde in der zweiten Session mit der weiteren Be-
stimmung beschlossen, dass einerseits kein Abgeordneter darauf
verzichten könne, und anderseits bei einer länger als 8 Tage
dauernden Unterbrechung der Landtagssitzungen dieser Bezug
sistirt wird. Im Uebrigen muss bemerkt werden , dass die jewei-
ligen Inhaber der 3 Virilstimmen mit Rücksicht darauf keine
Diäten beziehen, dass der Landtagsbeschluss nar von Abgeord-
8
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1J4
neten spricht, sie aber nach dem Wortlaute des §. 3 der Landes-
ordnung allerdings Mitglieder des Landtages, nicht aber gewählte
Abgeordnete sind.
Hinsichtlich der Bestellung seiner Organe hat der
Landtag den Landes-Ausschuss mit einer Dinstesinstruction ver-
sehen, den Status der demselben beizugebenden Beamten, sowie
die Normalien flir dieselben, wie die Dienstespragmatik, der Q-e-
bührentarif flir Uebersiedlungen und Reisegebühren, dann die
Bestimmung über die Art der Pensionierung u. s. w. festgestellt.
Ueber die Frage, wer über die Form der Kundma-
chung der Landesgesetze (Landesgesetzgebung) zu
entscheiden hat, entwickelte sich ebenfalls eine verschiedene An-
schauung zwischen Landtag und der Regierung. Der erstere nahm
die Bestimmung, wer über die Art der Publicirung von Landes-
gesetzen zu entscheiden hat, eben auch flir die Landesgesetz-
gebung in Anspruch. Die Regierung erachtete aber, dass diese
Bestimmung nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen könne
und erwirkte diesfalls, unmittelbar zu demselben Zeitpunkte der
diesfälligen Verhandlung im Landtage, eine auf Grund des §. 13
der Februarverfassung in diesem Sinne erlassene A. H. Verord-
nung. Der Landtag erklärte sich aber auch dann in dieser Frage
competent, und ersuchte die Regierung, „hierüber auch die Be-
schluasfassung des h. Reichsrathes und eventuell die Entschei-
dung Sr. k. k. Apost Majestät nach §.11 der Reichsverfassung
einzuholen.'' Die Regierung ist jedoch diesem Ersuchen nicht
nachgekommen, ungeachtet dasselbe in einer zweiten Session
wiederholt wurde.
Was die Entwicklung der Landesverfassung be-
trifft, so beschränkt sich dieselbe nur auf wenige Punkte. Un-
geachtet nämlich um mehrfache Abänderungen, namentlich der
Landtags- Wahlordnung petitionirt wurde, und ungeachtet der
Landtag wiederholt Ausschüsse einsetzte, die sich mit der Revi-
sion der Landesverfassung beschäftigen sollten, wurde doch auch
nicht einmal der Versuch zu einer wesentlicheren Abänderung
gemacht. Viel mochte dazu die Unfertigkeit der staatlichen Ver-
hältnisse der Monarchie beigetragen haben, jedenfallß aber war
auch die Haltung der Regierung bei den geringen Modificationen,
die gleichwohl beschlossen wurden, nicht darnach angethan, um
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115
für einen entschiedenen Vorgang einen Erfolg in Aussicht zu stellen.
So wurde in vier (!) Sessionen die Abänderung des §. 17-lit. a der
Landtags- Wahlordnung *) und in zwei Sessionen die Einführung der
geheimen schriftlichen Wahlen für den Landtag beschlossen, ohne
dass sich die Regierung bestimmt fand, dafür die A. H. Sanction
zu erwirken. Bezeichnend -ist es, dass die dennoch zu Stande ge-
kommenen Abänderungen der Landes- Verfassung , u. z. in der
Richtung einer Erweiterung des Wahlrechtes, von einer Regie-
rung begünstigt wurden, welche die Reichsverfassung untergrub,
und zwar in Nachahmung der Massregeln in Prankreich dem
allgemeinen Stimmrechte zusteuernd, alle Einrichtungen aber ab-
lehnte, welche für die stetige Entwicklung der constitutionellen
Principien eine sichere Garantie zu bieten schienen.
Diese factischen Abänderungen beschränken sich darauf,
dass nunmehr bei den Städten und Märkten, welche noch ausser
Wien unmittelbar in den Landtag wählen (§. 12 L.-W.-O.) nicht
blos die in den 1. u. 2. Wahlkörper gehörigen, sondern alle
Gemeindeglieder das Wahlrecht haben, die mindestens 10 fl-
directe Steuer zahlen *) oder — und das wurde ausdrücklich auch
') Nach §. 17 lit a der L -W.-O. sind Personen vom „Wahlrechte und
von der Wählharkeit zum Landtage ausgeschlossen, welche eines Verbrechens
oder Vergehens, odi^r einer aus Gewinnsucht oder gegon die öffentliche Sitt-
lichkeit begangenen Uebertretung schuldig erkannt, oder wegen eines Verbre-
chens oder Vergehens, oder wegen einer aus Gewinnsucht begangenen Ueber-
tretung blos aus Unzulänglichkeit der Beweismittel von der Anklage freige-
sprochen worden sind.** Nach der vom Landtage viermal vergeblich beschlos-
senen Abänderung wären ausgeschlossen gewesen: „Personen, welche wegen
eines Verbrechens, oder wegen eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen oder
die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, oder wegen einer solchen
Uebertretung schuldig erkannt worden sind, wenn im Falle der Verurtheilung
wegen Vergehen oder Uebertretung seit dem Zeitpunkte der rechtskräftigen
Verurtheilung noch nicht ein Zeitraum von 10 Jahren verstrichen ist. Das,
was zwei verschiedenen Ministerien unmöglich war, schien dem seit 1868 im
Amte befindlichen Ministerium so zulässig, dass dasselbe sogar eine mit dem
citirten Entwürfe zusammenfallende und noch weiter gehende Regierungsvorlage
in der 1868er Session eingebracht hat.
*) Für Wien blieb demnach der Wahlcensiis auf 20 ä. beschränkt. Die
Petition des Wiener Gemeinderathes um Herabsetzung dieses Census ebenfalls
auf 10 fl., wurde vom Landtage nicht beschlossen, ungeachtet die damalige
Regierung (1866) eben diese Ausdehnung des Wahlrechtes Angesichts der bevor-
gestandenen neuen Wahlen offenbar auch wünschte.
8*
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116
auf Wien ausgedehnt — nach ihrei* persönlichen Kgenschaft das
Wahlrecht in der Gemeinde besitzen und dass femer ganz dieselbe
Ausdehnung des Wahlrechtes auch bezüglich der Wahlmänner
Wahlen eingeräumt wurde (§. 14. L.-W.-O.).
Hieher gehört auch die Abänderung der §§. 30 und 31
des Wiener Gemeinde- Statutes , wonach künftighin Steuerrück-
stände kein Ausschliessungsgrund mehr von der Wahl zur Ge-
meinde- und daher auch zur Landesvertretung sein sollten.
Eine Ausdehnung des Wahlrechtes in gewisser Beziehung
muss es ferner genannt werden, dass die Gesetze (§. 3 der
Landesordnung und §. 1 des Anhanges zur Landesordnung, dann
§§. 2, 4 und 8 der L.-W.O.), womit für die Stadt Wien ein 13.
Bezirk Margarethen) ^) und für den Landgemeinde - Wahlbezirk
Hietzing ein 2. Abgeordneter zu wählen kommen, der A. H. Sanc-
tion zugeführt wurden.
Um aber das im §. 53 der L.-W.-O. eingeräumte Recht^
dass zu einer Aenderung derselben innerhalb der 1. Wahlperiode
nur die absolute Stimmenmehrheit des nach §. 38 der Landes-
ordnung überhaupt beschlussfähigen Landtages erforderlich ist,
auch für die 2. Wahlperiode vorzubehalten, wurde ein darauf
abzielender Zusatz zu den erstgenannten §. der L.-W.-O. beschlos-
sen und hatte die damalige Regierung keinen Grund bei ihren An-
schauungen über die Ausdehnbarkeit des Wahlrechtes dem ent-
gegen zu treten, so dass dafür gleichfalls die A. H. Sanction
erfolgte ^).
Nach §.16 der Landesordnung ist der Landtag berufen
gewesen, die durch §. 6 des bestandenen Grundgesetzes über die
*) Fast unmittelbar nach Schluss der letzten Session, in welcher auch
dieses Gesetz berathen worden war, wurde der Landtag aufgelöst und die Neu-
wahlen ausgeschrieben. In dem Gemeindebezirk Margarethen war die Wahl
eines der Sistirungspolitik der damaligen Regierung nicht abgeneigten Abgeord
neten in Aussicht.
*) Diese Abänderung erfolgte mittelst des Gesetzes vom 8. April 1866,
die Modificationen des §. 3 der L.-O. und Punkt I des Anhanges zur L.-O.,
dann der §§. 2, 4, 8, 12 und 14 der L.-W.-O. erwuchsen durch vier specielle
unterm 8. Jänner 1867 erflossene Landesgesetze, sowie die Abänderung der
§§. 30 und 31 des Wiener Gemeinde-Statutes durch das Landesgosetz vom
21. Jänner 1867 in Kraft.
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1[17
Keichsvertretung festgesetzte Zahl von 18 Mitgliedern in das
Haus der Abgeordneten zu wählen. In der Ueberzeugung , dass
bei dem Abgange directer Wahlen auf diesem Wege allein eine
Reichsvertretung zu Stande kommen könne, hat der Landtag
diese Wahlen stets vorgenommen '). Es geschah dies auch dann,
als in Folge des A. H. Manifestes vom 20. September 1865 die
Reichs- Verfassung sistirt wurde , indem der Landtag entgegen den
Wünschen der Regierungs- Vertreter in den Sessionen 1865/66
und 1866 die durch TodesMle erledigten Stellen ausdrücklich
durch Wahl wieder besetzte. Der Landtag verhehlte es nicht,
dass er damit beabsichtige seiner Ansicht von der Rechtswidrigkeit
der Sistirung am unzweideutigsten Ausdruck zu geben.
Allein, er hielt sich auch verpflichtet, dies durch ehrfurchts-
volle Adressen an den Stufen des Thrones direct auszusprechen.
Sowie der Landtag in der 1. Session Sr. Apost. Majestät für die
Gewährung der in der verliehenen Verfassung zur Anerkennung
gelangten constitutionellen Principien den unterthänigsten Dank
ausdrückte, indem er zugleich die Entwicklungs- und Ausbildungs-
Fähigkeit der Februarverfassung betonte; so stand es ihm auch
zu, gegen die Sistirung derselben einzutreten. Den Anlass gaben
hiezu die Mittheilung des A. H. Manifestes vom 20. Septem-
ber 1865 und vom 13. October 1866, mit welch' letzterem Se.
Majestät den Dank für die Haltung der Bevölkerung während
der traurigen Periode des preussischen Krieges bekannt zu geben
geruhten. In beiden Adressen hat der Landtag in ehrerbietiger,
aber offener Sprache gegen die Sistirung der Verfassung seine
Stimme erhoben und naihentlich in der vom Jahre 1866 auf die
Nothwendigkeit hingewiesen, durch die Reichs- Vertretung die Mittel
zu suchen, welche den financiell zerrütteten, durch die neuesten
Schicksalsschläge schwer geprüften Staat zu erhalten vermögen.
Der n. ö. Landtag ist mannhaft für das Verfassungsrecht der
*) Als ein Curiosum mag hier noch erwähnt werden, dass die Regierung
in der 1, Session auch zur Vornahme der Wahlen von Ersatzmännern für den
Reichsrath aufforderte, ungeachtet die Februarverfassung diese Einrichtung gar
nicht kannte. Der Landtag kam dieser Aufforderung zwar nach, allein das
Abgeordnetenhaus berief keinen Ersatzmann ein, und die Regierung bewirkte
ebensowenig eine diesbezügliche Modification des Gesetzes über die Reichs^
Vertretung.
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Ii8
ganzen Monarchie eingetreten und bei dem wesentlichen Einflüsse,
welchen diese zu rascher und allgemeiner Publicität gelangenden
Verhandlungen in Wien auf die Provinzen ausübten, dürfte es wohl
nicht geleugnet werden können, dass dieselben einer der stärksten
Wälle waren, welche die Sistirungspolitik vorfand, dass sie femer das
glänzende Resultat bei den zu Anfang 1867 vorgenommenen
neuen, fast durchgehends gegen die Sistirung ausgefallenen Wahlen
vorbereiteten, und dass sie daher in erster Linie zum Sturze
dieser den Gesammtstaat geradezu bedrohenden Politik mächtig
beitrugen. In diesen denkwürdigen Verhandlungen wurde der
Keim zum Besseren gelegt. Möge er sich mächtig entwickeln
und möge namentlich die Ueberzeugung wurzeln, dass eine einmal
gegebene Verfassung nicht mehr zurückgenommen werden kann,
dass sie — um sich eines Satzes aus den erwähnten Debatten
zu bedienen — alsbald zum lebendigen Organismus wird und
„dass es tödten heisst, wenn man sistiren will den Kreislauf
des Blutes und den Schlag des Herzens!"
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Die Römerorte
in Nieder-Oesterreich.
(Mit einer Karte.)
Von
Dr. Friedrich Kenner.
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JL/ie nachfolgende Darstellung soll ein Bild von dem Bestände
der römischen Niederlassungen im Lande Oesterreich unter der
Enns geben; um dieser Absicht zu entsprechen, darf sie sich nicht
auf die Ortsnamen beschränken, die in den alten Reisehaad-
büchern, auf der Strassenkarte und in Inschriften erscheinen oder
von alten Q-eographen und Qeschichtschreibern genannt werden.
Denn dieser sind so wenige, dass es sich kaum lohnen würde,
sie in einer Karte zu verzeichnen. Auch finden sich alle oder doch
die meisten in der Richtung der Heeresstrasse, also in den mehr
am Donaustrome gelegenen Gegenden. Landeinwärts kann nur
ein Römerort mit Namen nachgewiesen werden. Es ist aber
kein Zweifel — und die in verschiedenen Gegenden gemachten
Funde bestätigen es — , dass auch landeinwärts römische Ansied -
lungen bestanden, deren Namen wir nicht kennen. Selbst an der
Donau lassen sich befestigte Posten nachweisen, die wir nirgends
genannt finden.
Daher würde das topographische Bild unseres Landes sehr
dürftig und unvollständig sein, wenn es sich nur auf die überlie-
ferten römischen Ortsnamen stützen würde. Es müssen noch zwei
andere Quellen benützt werden ; diese sind die archäologischen
Funde, soweit sie sichergestellt sind und römische Alterthümer
betreffen ; für Gegenden, wo auch diese fehlen oder nicht entschei-
dend sind, wie die vereinzelt gefundenen Münzen und Anticaglien,
geben gewisse Ortsnamen einen freilich nur indirecten Finger-
zeig, insoferne als sie nicht bloss in unserem, sondern auch in
den Nachbarländern deutscher Zunge auf die wenigstens in früherer
Zeit noch sichtbaren Spuren römischer Orte hindeuten. Derart
sind die Namen: Burg, Burgstall, Stadt und Stadtfeld, Mauer,
Oed, Stein, Strass, und die sowol mit diesen, als mit dem häufig
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122
vorkommenden „Heiden" zusammengesetzten Bezeichnungen. Sie
können immer nur als mittelbare, nicht als unmittelbare Beweise
gelten, dürfen aber keineswegs gering geschätzt oder völlig über-
sehen werden. Sind doch auch von Orten aus dem Mittelalter die
Fälle nicht gar selten, dass ihre ehemalige Existenz nurmehr in
den Namen einzelner Terrainstellen sich verräth.
Von diesen drei Quellen werden die beiden ersteren am Ende
der Abhandlung in zwei gesonderten Verzeichnissen mit den be-
treffenden Belegstellen aufgeführt werden und erscheinen auf der
beiliegenden Karte so, dass die römischen Ortsnamen und Stras--
senzüge durch rothe, die heutigen Namen der Fundorte durch
schwarze Farbe kenntlich sind. Dagegen auf die Ortsnamen,
welche die dritte Quelle ausmachen, wird nur an den betreffenden
Stellen des Textes hingewiesen werden.
Nach den angeführten Quellen wird der Bestand der
Kömerorte unseres Landes in der Weise dargestellt werden,
dass die bisher gewonnenen Resultate der antiquarischen Forschun-
gen ersichtlich und zugleich jene Erscheinungen veranschaulicht
werden, welche in kulturgeschichtlicher Beziehung an die Herr-
schaft der Römer im Gebiete des Wiener Waldes sich knüpfen;
sie beruhen auf dem Gegensatze, in welchem einerseits das römi-
sche Leben im imteren zu jenem im oberen Viertel des Wiener
Waldes, und andererseits die Kultur in den Stromebenen zu jener
in dem gebirgigen Theile des Landes steht.
Da die Vertheidigungsanstalten der Römer überhaupt die
Grundlage für ihre Ansiedlungen in unserem Lande bilden, so
geht die Uebersicht ihrer Entwicklung fiiglich den anderen Betrach-
tungen voran. Ihr folgt die Uebersicht der Festungen und Strassen,
ihrer strategischen Bedeutung und Function mit Rücksicht auf
die Bodengestaltung des Landes; endlich folgt eine Zusammen-
stellung jener Symptome, nach welchen die eben genannten
kulturgeschichtlichen Gegensätze erkannt und beurtheilt werden
können.
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L üebersicht der Entwicklung der römischen
Vertheidigungs-Anstalten in Nieder-Oesterreich.
1. Die Eroberung von Noricum und seine Stellung
zu den Nachbarprovinzen.
Das alte Königreich Noricum kann als die Hauptmacht der
Donaukelten betrachtet werden; in den Fällen der Vereinigung
mehrerer Stämme unter eine Oberherrschaft hatte es eine weit
grössere Ausdehnung als die römische Provinz dieses Namens,
welche vom Inn und der Leitha, und den diesen Flüssen entspre-
chenden Linien im Westen und Osten*) begrenzt war; im Norden
bildete die Donau, im Süden eine schwankende Scheidelinie gegen
ItaUen und Pannonien hin ihre Grenze. Die keltischen Ansiedlun-
gen erstreckten sich namentlich gegen Osten viel weiter in das
ungarische Tiefland hinein ; wir finden nicht bloss zwischen Leitha
imd Saab keltische Ortsnamen, wie Scarabantia Sabaria, sondern
selbst an der Donaustrecke zwischen dem Ofnergebirge und der
Savemündung, wie: Aiinamantia, Lussomurrij Ctmbriana, Tricctana
Taurunum u. s. w.
Seine hervorragende Bedeutung verlor Noricum kurze Zeit
vor der Ankunft der Römer durch einen überaus blutigen Eüieg,
mit welchem der daeische Eroberer, König Boerebistes, Boier und
Taurisker (Noriker) überzog. Die Niederlage der letzteren war so
schwer, dass sie bei den Griechen für gänzlich vernichtet galten*),
') lieber die westUche Grenze von Noricum siehe Büdinger) Gesch.
V. Oesterr. I. S. 9, die östliche Grenze hat Dr. Richard Knabl aus
Denkmälern der zehnten und der zweiten italischen Legion bestimmt (Mitth.
d. bist. V. f. Steierm. XIV., 72).
*) Strabo VII., p. 304.
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was zwar allerdings nicht der Fall war, allein geschwächt blieb
die Kraft des Volkes für immer, zumal da um jene Zeit zwei
mächtige Feinde auftraten, diesseits und jenseits der Donau, die
sich weiterhin um die Oberherrschaft an diesem Strome stritten.
Am linken Ufer entstand das germanische Reich der Marko-
mannen, welche aus den Gegenden am Main in das heutige
Böhmen vorgedrungen waren und die alten Einwohner desselben,
die Boier, verjagt hatten. Am rechten Donauufer begannen die
Unternehmungen der Römer gegen die Keltenländer. Jene am
Rhein hatte schon Caesar unterworfen, unter seinem Nachfolger
sollten auch die an der Donau überwältigt werden. Das ge-
schwächte norische Reich konnte den Römern um so weniger
widerstehen, als sie nicht mit einem directen Angriffe vorgingen,
sondern durch Isolirung des Landes jeden Widerstand unmöglich
zu machen suchten. Schon die Eroberung Pannoniens durch
Octavian und seine Feldherren im Jahre 35 vor Christi, war ein
vorbereitender Schritt zu jener von Noricum selbst, insofeme als
die östliche Flanke dieses Reiches dadurch umgangen und die
Flussthäler der Save, Drau und Raab besetzt wurden, welche
die östlichen Pforten von Noricum bildeten. Als nun auch Raetien
und Vindelicien in Folge des Feldzuges vom Jahre 15 vor Christi
in die Hände der Römer fielen, war auch die westliche Flanke,
nach der Linie des Innflusses hin, in ihrer Gewalt. So von allen
Seiten eingeschlossen, und im Norden von den Germanen bedroht,
verlor das norische Reich jede freie Bewegung und jede Möglich-
keit einer erfolgreichen Gegenwehr; nach einem kurzen Kampfe
mit den Ambisontiem im Pinzgau fiel es, wie ein Anhang von
Raetien, den Römern zu*). Es scheint sich willig ergeben zu haben,
da es noch auf einige Jahrzehente hinaus wie ein verbündetes
Königreich behandelt wurde, das unter römischem Schutze stand,
die auferlegten Steuern ruhig zahlte (Strabo IV. p, 206) , seine
Söhne, obwohl als römische Soldaten, im Lande behielt, und sein
eigenes Fürstengeschlecht hatte. Auch der Name „regnum Nort-
cum^^ blieb neben der Benennung ,yprovmcia Noi^ica^* noch lange
Zeit in Gebrauch*).
') y^Alpinis Omnibus victis Noricorum provinciae accesserunt*^ Rufus, breviar.
c. 7. — Vgl. Büdinger I. 5.
*) Der Ausdruck regnum N. begec^net bei Vellejas Paterculus, II. 109
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Die völlige Umgestaltung, welche das Verhältniss der Län-
der Mitteleuropas zu einander in Folge der Unterwerfang der
Keltenstämme unter das römische Joch erfuhr, zeigte sich zumal
in der Stellung, die Noricum weiterhin zu den Nachbarprovinzen
einnahm. Da diese eigentlich nichts anderes waren , als Militär -
grenzländer, so wurde für ihre Verwaltung das strategische Motiv
das vorwiegende. In dieser Hinsicht waren aber die beiden Nach-
barländer, Pannonien und das obere Germanien, von weit grösserer
Bedeutung, als die zwischen ihnen liegenden Länder Raetien mit
Vindelicien und Noricum. Denn bei der neuen Gestaltung der
Dinge, durch welche Germanen und Römer an der Donau sich
gegenüber zu stehen kamen, wurde die geographische Lage
und die Terrainbildung des mittleren Donaugebietes von grosser
Bedeutung. Pannonien nun bildete die Nordostecke des Reiches, es
hatte die Flanke desselben an einer leicht verwundbaren Stelle
zu decken. Jenseits des Stromes liegen die ausgedehnten Ebenen
an der March, Waag, Neutra und Gran, endlich das ungarische
Tiefland gegen die Theiss hin. Diese Ebenen boten gelegene
Sammelplätze und Schlachtfelder für die streitsüchtigen Barbaren-
stämme, die sich zu wiederholten Malen gegen die Römer verbün-
deten und längs der ganzen Donaulinie gewissermassen zu einer
compacten Macht zusammenwuchsen, welche ihre Angriffe von
allen Seiten auf Pannonien richteten. Dagegen war Noricum zwar
von der grössten ökonomischen Wichtigkeit für das gesammte
Donaugebiet, dessen Rüstkammer es wegen seiner Eisenwerke
genannt werden kann; allein in strategischer Beziehung hatte es
keine selbstständige Bedeutung, da es nicht blos in den Flan-
ken gedeckt, sondern auch gegen plötzliche und massenhafte
Ueberfälle von Seite der jenseits des Stromes wohnenden Barbaren
durch ein weit gedehntes Bergland gesichert war, das von der Michl
bis an den Kampfluss fast durchaus steil an den Strom abfällt
und nur von wenigen unwegsamen Thalschluchten unterbrochen
(1. Viertel des I. Jalirh.), Suetonius, Tib. 16 (I. Viertel des II. Jahrb.), und
auf Inscbriftsteinen aus der Zeit von 218 (Orelli Henzen, Nr. 495) und 239
n. Chr. (Nr. 2348, vgl. 3574). Dagegen gebraueben Tacitus ann. II. 63 (im
I. Viertel des II. Jabrb.) und eine Inscbrifk, die aus der Zeit vor 105 stammt
(Orelli 798), den Ausdruck provincia Norica, Beide Bezeicbnungen waren also
zu gleicber Zeit im Gebrauebe.
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wird. Nur die Strecke von der Traisenmündung bis zum Eahlen-
berge, namentlich aber das dem Marchfelde gegenüberliegende
Viertel unter dem Wiener Wald waren dem Feinde offener und zu-
gänglicher. Während aus diesen Gründen Pannonien von vorne herein
mit einer wohlberechneten Truppenaufstellung und einem Systeme
von festen Punkten geschützt und streng militärisch organisirt wurde,
waren die Vertheidigungsanstalten im Uferlande von Noricum
auf lange Zeit hinaus von durchaus untergeordneter Art Dieser
Umstand entschied die Stellung, welche unser Land in geschicht-
licher Hinsicht und in Beziehung auf seine Kultur eingenommen hat
In politischen und militärischen Dingen stand es ganz unter dem
Einfluss des grossen pannonischen Heeres, dessen Druck es nicht
widerstehen konnte. So finden wir in den Bürgerkriegen zwischen
Otho und Vitellius, dann in jenem zwischen VitelUus und Vespa-
sian die Statthalter von Noricum stets auf der Seite jenes Prä-
tendenten, zu welchem sich die Heerführer in Pannonien geschla-
gen hatten (Jahr 68 auf 69, Tacüus hist I. 70, IIL 6, vgl L 11).
Ja als nacheinander die Donaustrecken im untern Viertel, dann
die obere bis an den Inn in Folge der Ausdehnung der Barbaren-
bündnisse eine genauere Ueberwachung und eine grössere Ent-
wicklung der Defensive erheischten, wurde das erstere gänzlich in
die Provinz Pannonien einverleibt^ das Uferland vom Kahlenberge
aufwärts, wenigstens in militärischen Dingen, dem Oberbefehl eines
der pannonischen Legaten unterstellt In solcher Weise hat sich
Noricum, das zur Zeit der Autonomie das angesehenste und
bedeutendste der mittleren Donauländer gewesen war, nach der
Occupation durch die Römer als eine friedfertige, auf den Gang
der Geschichte keinerlei directen Einfluss nehmende Provinz
erwiesen, es hat vielmehr seine alte Bedeutung an Pannonien
abgetreten und eine unselbstständige Rolle gespielt.
Nebenher folgt aus dem Gesagten, dass wir in Niederösterreich
einen norischen und pannonischen Theil zu unterscheiden
haben, ein Unterschied, der sich auf die Kultur des Landes
erstreckt. Die Einverleibung des Viertels unter dem Wiener Wald
in die Provinz Pannonien hatte die Aufstellung einer reichen
Truppenmenge in derselben und diese wieder ein schnelleres und
kräftigeres Aufnehmen des Römerthums zur Folge. Dagegen blieb
im oborn Uferlande und im gebirgigen Theile von Niederöster-
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reich, wo die militärischen Einrichtungen weniger nachhaltig
wirkten, das einheimische keltische Element selbstständiger, zumal
als dieser Theil von Noricum des Contactes mit Italien mehr
entbehrte als das Binnenland am Südabhange der Alpen. Auch
haben dort vor dem Aufblühen des Römerthums mannichfache
orientalische Kulturelemente Einfluss erlangt, wie wir noch sehen
werden, so dass die römische Bildung im Lande ober dem Wiener
Walde nicht blos später, sondern auch viel ärmlicher erscheint
als jene im unteren Viertel. Dieser Gegensatz, der für die Kennt-
niss des Römerthums in unserem Lande nicht unwichtig ist, wird
sich klarer herausstellen, wenn wir das militärische und bürger-
liche Leben, soweit es für die Topographie von Bedeutung ist, in
seinen Hauptzügen betrachten.
2. Einrichtungen des K. Claudius. Procuratur und
älteste Begründungen.
Die milde Behandlung des Landes nach der Eroberung,
welche eine Folge seines geringen Widerstands und wohl auch
seiner untergeordneten strategischen Bedeutung war, dauerte kaum
zwei Menschenalter hindurch, vom Jahre 15 vor Christi, bis zur
Regierungsepoche des K. Claudius (41 — 54). Dieser wirthschaftliche
Herrscher war nach der masslosen Verschwendang seines Vor-
gängers auf dem Throne, Caligula, von dem Bestreben geleitet,
der Krone neue Einkünfte zu verschaffen und verwandelte aus
diesem Grunde die letzten scheinbar autonomen Bundesländer in
Krongüter; es sind lauter Gebiete, deren strategische Wichtigkeit
nicht gross, deren natürliche Reichthümer aber ansehnlich waren,
wie: Thracien, Mauretanien und das Gebiet der Seealpen'). Die
administrative Form dafür war die Procuratur d. h. es standen
der Verwaltung solcher Länder Procuratores Augusti vor,
Beamte der höchsten Gehaltstufe, seit K. Claudius durch die Ab-
zeichen der consularischen Würde (ornamenta consularia) aus-
gezeichnet, deren Thätigkeit in der finanziellen Verwaltung ihres
Landes den Schwerpunkt fand, die aber zur Durchführung der-
selben in Stellvertretung des Kaisers auch die oberste richterliche
') Mitth. der k. k. Central-Comm. IX., p. LXV. — Aehnliches war schon
yon Augastns über Aegrypten und Cappadocien vcrfdgt.
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Gewalt {jus gladii) und den Oberbefehl über die Truppen des
Landes (imperium) ausübten').
Auch Noricum wurde von K. Claudius*) in eine solche Pro
curatur umgewandelt, offenbar um die Keichthümer des Landes
Gold; Eisen und Salz für den Kronschatz zu verwerthen. Dass die
norischen Procuratoren das Imperium wirklich ausübten, lehrt
das Beispiel des Procurators Petronius Urbicus, welcher in dem
Bürgerki-iege zwischen Otho und Vitellius (68 auf 69) der Partei
des ersteren sich anschloss, die Hilfstruppen concentrirte und die
Brücken über die Flüsse abbrechen Hess, also sein Verwaltung3-
gebiet gegen die Heerführer der Vitellianischen Partei völlig in
Vertheidigungszustand setzte.*) (Tac, histor, L 70.) Ein zweites
Beispiel finden wir in Sextilius Felix, der zwar nicht ausdrücklich
Procurator genannt wird, aber an zwei Stellen bei Tacitus (Hist
JII. 5 und IV. 70) unter Verhältnissen erscheint, welche diese
Stellung für ihn wahrscheinlich machen. Das erste Mal (69) im
Kriege zwischen Vitellius und Vespasian musste er mit der ala
Aurtana, acht Cohorten und der juventas Noricorum den Innfluss
besetzen und den Procurator von Raetien, der zu Vitellius hielt,
beobachten. Das andere Mal (Jahr 70 im Kriege gegen Civilis)
rückte er mit Cohorten von Bundesgenossen durch Raetien nach
Ober-Germanien vor.
Mit der Einrichtung der Procuratur stand in Verbindung
die Begründung römischer Standlager, die gleichfalls von K. Clau-
dius verfligt wurde. Das untere Uferland zwischen Enns und
') A. a. 0. p. LXVII.
*) Eine Inschrift in Cividale (Orelli-Henzen 6988) nennt den C. Baehius
Aäicus als Procurator Tiberii Claudii Caesaris Germanici in Norico, also noch
za Lebzeiten des Kaisers; er ist der älteste bekannte Procurator von Noricum.
*) In den meisten Codices steht an jener Stelle nicht ^Petronium Urbicum
procuratorem'* y sondern ^Petronium urbi (oder urbisj procuratorem.*^ Nach einer
Randglosse, die sich in einigen Codices findet, muss statt „wrÄt" furbisj ein
Eigenname gestanden haben, als welchen Freinshemius eben „Urbicum*^ vor-
schlug. (Vgl. die Ausgabe von Orelli). Dass hiebei nur an den Procurator von
Noricum gedacht werden kann, ergibt der Zusammenhang der Erzählung; auch
der Umstand, dass die Amtsthäti^ keit des Procurator „in urbe**, der sich übrigens
inschriftlich nur einmal (Orelli-Henzen, 5530) nachweisen lässt, unbestimmt ist
und wahrscheinlich nur Civilangelegenheiten betraf, spricht für die Beziehung
der angeführten Stelle auf den Procurator von Noricum.
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Leitha, welches wir in's Auge fassen müssen, erhielt deren zwei;
das eine wurde an der Mündung der Erlaf in die Donau bei
Harlanden in der Nähe von Gross - Pechlarn angelegt und mit
Veteranen der legio sexta Victrix besetzt, die ihr Standlager zu
Arelate (Arles in Frankreich) hatte. Darnach wurde der Ort gleich-
falls Arelate oder zum Unterschied von dem altern Standlager,
welches nach den Münzen auch Colonia Julia Paterna hiess, mit
vollem Namen : Sextanorum Arelatensmm Colonia Claudia benannt*).
Die andere claudianische Begründung ist Vindomana oder Vin-
dohona (Wien) am Kahlenberge, das • aber nicht den Titel einer
Kolonie führt. Die Besatzungen, welche in diese Festungen gelegt
wurden, waren Hilfstruppen, welche sich nicht näher bestimmen
lassen, doch waren darunter wenigstens Theile der einheimisch
norischen Kriegsmacht und Abtheilungen von Truppenkörpem aus
den Nachbarländern*).
3. Einrichtungen des K. Vespasian. Eintheilung des
untern Viertels in die Provinz Pannonien. Neue
Gründungen.
Von grösserer Wichtigkeit sind die Einrichtungen, welche
K. Vespasian (69 — 79) im norischen Uferlande traf. Der Bürger-
krieg zwischen Galba, Otho und Vitellius wurde von den jenseits
des Grenzstromes wohnenden Volksstämmen, vorzüglich den Mar-
komannen, Quaden, Jazygen und Daciern, zu einer grossen Unter-
nehmung gegen die römische Herrschaft an der Donau benützt;
sie schlössen ein Bündniss, um die römischen Grenzländer zu über-
fallen, während der Thronstreit selbst die Kraft und Aufmerksam-
keit der Regenten von ihrem Beginnen ab- und der inneren Lage
zuwendete. Für die Markomannen war es ein leichtes, ihre Macht
im Marchfelde zu sammeln, längs der alten Bernsteinstrasse über
*) Aschbach, Sitzungsher. d. k. Akad. d. W., phil.-hist. Cl. XXXV., 8.
*) Nach der oben angeführten Stelle aus Tacitus {Eist, L 70) hat der
Procurator Petronius Urbicus die Hilfstruppen gesammelt (auxiliia concitia
ist der Ausdruck), woraus hervorgeht, dass die Besatzung von Noricum in jener
Zeit aus Hilfstruppen bestanden habe. Das Corps, welches nach Tacitus (Eist,
IV, 70) SextiUus Felix im Jahre 70 nach Christi befehligte, gibt ein Bild der
Elemente der norischen Besatzung; wir ersehen, dass die juvmtas Noricorum
dazu gehörte.
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Oarnuntum (Petronell) nach Pannonien einzubrechen und gegen
Italien vorzudringen; der Angriff erfolgte auch in der That,
während die Dacier zugleich darangingen, nachdem sie die klei-
neren Standlager in Moesien genommen hatten, die grösseren zu
belagern*). Freilich gelang es, die Letzteren zu vertreiben und
die Ersteren einzuschüchtern, wozu der kriegerische Ruf des von
den Legionen im Orient proclamirten Fl. Vespasianus, der mit
seiner Heeresmacht nach Italien marschierte, das Meiste beige-
tragen haben mag. Allein für den Kaiser war die eben beschwo-
rene Gefahr der Donauländer ein Fingerzeig, ihren Schutz zu
vervollständigen und namentlich die Stromstrecke zwischen dem
Kahlenberge und dem Ofiiergebirge ausreichend zu befestigen.
Es konnte aber, so lange der eine Theil derselben — jener vom
Kahlenberge bis zur Leitha — unter dem Oberbefehl des Pro-
curators von Noricum, der andere donauabwärts gelegene unter
dem des pannonischen Legaten stand, an eine Einheit in der
Leitung der Grenzvertheidigung, die für ihre Wirksamkeit doch
so nothwendig war, nicht gedacht werden. Wohl aus diesem
Grunde schied K. Vespasian die Donaustrecke vom Kahlenberge
bis zur Leitha sammt dem entsprechenden Hinterlande von Nori-
cum aus und vereinigte sie mit Pannonien').
») Tac. Bist III. 46.
•) Der Beweis dafür liegt vorzüglich in dem Umstände, dass als die
natürliche Grenze zwischen Pannonien und Koricum entweder die Leitha oder
der Höhenzug des Kahlenberges gedacht werden muss, dass sich hingegen nicht
annehmen lässt, es sei jemals die Grenze zwischen beiden durchgelaufen, etwa
nach der Linie der Schwechat oder der Fischa. Auch im Mittelalter ist das
Gebiet des Wienerbeckens niemals in dieser Weise getheilt worden; um so
weniger lässt sich solches für die von den Römern geübte Art der Grenzbe-
stimmung annehmen. Nun nennt Plinius, dessen Naturgeschichte im Jahre 77,
also noch unter der Regierung Yespasians vollendet wurde, in einem früheren
Theile seines Werkes (III. 24, 27) Vianiomina (Vindomana oder Vindobona)
eine norische Stadt; in einem spätem Theile (IV, 80 und XXXVII, 46) erscheint
Carnuntum (Petronell) als ein Standlager und eine Stadt P anno niens. Da
nun die Grenze sicher nicht zwischen beiden Orten gezogen war, so müssen
zur Zeit, da Plinius das dritte Buch abfasste, Vindobona und Oarnuntum noch
zu Noricum, zu jener Zeit aber, als er das 4. und 37. Buch schrieb, beide
schon zu Pannonien gehört haben; danach muss die Einverleibung des Wie-
nerbeckens in die Provinz Pannonien vor dem Jahre 77 verfügt worden sein.
Femer hat sich in Klostemeuburg ein aus dem Jahre 80 nach Ohristi stam-
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Mit dieser neuen Grenzbestimmung war eine Truppenauf-
stellung in grösserem Massstabe verbunden. So weit sie das Wie-
nerbecken betraf, lag ihr Schwerpunkt in der norischen Handels-
stadt Camuntum, da sich dort auf weite Strecken stromauf- und
abwärts der gelegenste Punkt zur Uebersetzung der Donau findet,
— weshalb schon im Jahre 5 nach Christi Tiberius bei diesem
Orte die Heeresmacht gesammelt hatte, mit welcher er auf das
jenseitige Ufer übergehen sollte, um den Markomannenkönig Mar-
bod anzugreifen*). In Carnuntum wurde ein Standlager errichtet
in welches Vespasian die fünfzehnte Legion (le,gio X V. Apollinaris)
verlegte, die sich bei dem Sturme auf Jerusalem (70) ausge-
zeichnet hatte.
Auch in Vindobona wurde das Standlager vergrössert und
mit einer Legion, der dreizehnten (hgio XIIL gemina)^ besetzt*),
welcher Vespasian wegen der Parteinahme für ihn und gegen
Vitellius geneigt war. Mit ihr garnisonierte daselbst bis zum Ende
des I. Jahrhunderts ein britannisches Reitergeschwader*). Zwischen
mendes Militärdiplom (Ameth, 12 röm. Militärdiplome, S. 33, Orelli-Henzen
5428) gefunden, aus dessen Inhalt mit Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass
eben am Fundorte ein kleines Standlager der Cohora L Montanorum sich befand,
welches unter dem Oberbefehle des pannonischen Legaten stand. (Vgl. Be-
richte und Mittheilungen des Wiener Alterthumsver. IX Jahrgang, S. 160.) Es folgt
daraus, dass die damalige Grenze zwischen Noricum und Pannonien mit dem
bei Greifeustein an die Donau abfallenden Höhenzuge zusammentraf, also das
Viertel unter dem Wiener Walde damals schon zu Pannonien gehörte. Auch
hat, wie wir sehen werden, Vespasian in Vindobona eine Legion stationiert, die,
wenn dieser Punkt damals noch norisch geblieben wäre, unter dem Pro-
curator gestanden hätte. Dies lässt sich aber durchaus nicht annehmen; wir
treffen den Procurator nur an der Spitze von Hilfstnippen, können aber keinen
nachweisen, dem eine Legion, oder dem der Befehlshaber einer Legion unterge-
ben gewesen wäre. Schon darin liegt e'n Fingerzeig, dass mit der Stationierung
einer Legion nach Vindobona dieses und sein Gebiet unter den Befehl des
Legaten von Pannonien gekommen sei. — Ausdrücklich nennt erst Ptolemaeos
(U, 12) den Mona Cetius als östliche Grenze von Noricum.
*) Vell. Paterc. H. 109.
*) Ber. unä Mittheilungen des Wiener Alterthums-Vereins, V, 245, IX
157, X, 204).
') Dies war die ala I Flavia Britannica civium Romanorum ; sie kam von
hier aus In den Orient. (Vgl. d. Militärdipl. von PetronelL Frh. v. Sacken,
Sitzgsber. XI, 358, Orelli-Henzen, 6857.)
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beiden Standlagern erstanden sicher schon damals kleinere Posten,
mindestens einer, an der Mündung der Fischa, der späterhin unter
dem Namen Aequinoctium auftaucht; auch oberhalb Vindobona ist
ein kleines, das Thal von Kierling beherrschendes Standlager bei
Klosterneuburg schon um jene Zeit nachweisbar*), in welchem die
cohora I Montanorum lag, die mit zu den Hilfstruppen der drei-
zehnten Legion gehörte.
Die norische Uferstrecke erhielt ebenfalls von K. Vespasian
eine Reihe fester Punkte. Da er zum ersten Male und nach dro-
hender Kriegsgefahr diese Strecke ausreichend befestigte, so ist es
wahrscheinlich, dass schon unter ihm alle vorzüglichen Punkte
angelegt wurden, deren Namen wir erst im Itinerarium und auf
der Tabula treffen. Mit Bestimmtheit lässt sich dies freilich nicht
nachweisen, aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die
Befestigung damals im Zusammenhang mit den pannonischen
Werken und vollständig durchgeführt worden sei. Zudem deuten
die meisten Posten des Uferlandes durch ihre Namen auf Besatzun-
gen aus dem Oriente hin, die entweder in irgend einer Beziehung
zu K. Vespasian stehen oder von denen doch geschlossen werden
kann, dass sie unter diesem und nicht später in unser Land ver-
legt worden seien.
An die Westseite des Kahlenberges wurde eine wahrschein-
lich auch zur dreizehnten Legion gehörige cyprische Gehörte ver-
legt*), in die Nähe eines Ortes, der unzweifelhaft einen keltischen
Namen führte'), welcher römisch ^fietiurn/^ lautete. Die Namens-
ähnlichkeit mit der Hauptstadt ihrer Heimat Citium und die
Sitte der Soldaten, ihre Posten nach den Erinnerungen aus dem
*) Vgl. oben S. 12 Note 2 und das Verzeichniss der Fundorte. Die XIII.
Legion, von der man Ziegel hier fand, war nur von etwa 70 — 100 in dieser
Gegend.
*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV, 10.
•) Die Existenz eines keltischen Gottes mit Namen Cetius beweist der
interessante Votivstein von Seckau (Knabl, Mitt. d. bist. Ver. flir Steierm. Xm,
S. 119, die Correcturen im Heft XV, und Fundchronik, Archiv XXXVIII, 53) ;
dass nach ihm eine Oertlichkeit benannt worden sei, igt nach derselben Inschrift
gleichfalls sehr wahrscheinlich, indem von den vier andern dort genannten
keltischen Gottheiten zwei, Latobius und Toutates^ in dem Stammnamen Latohici
und im norischen Ortsnamen Toutatio wiederkehren. In derselben Weise steht
wohl auch Cetiumy mona Cetius mit dem Gotte Cetius in Verbindung.
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Vaterlande zu benennen, bewirkte die Veränderung des Namens
in,^(y^Y^ww"; dieser begegnet auf der Tabula, während der Posten
im Itlnerar und auf den Inschriften durchwegs nur „Cetmm"
heisst. Weiter aufwärts an der Mündung der TuUn wurde eine
Cohorte aus Commagene (die Nummer ist unbestimmt) ins Quar*
tier gelegt, das davon Comagena genannt ward; sie steht in-
soferne zu K. Vespasian in einer Beziehung, als dieser es war,
welcher das Land Commagene zur Provinz des römischen Reiches
machte*). Die andern Posten sind: Locus Veneris felicis (Oehling
an der Url)*) und Ad Pontem Ises mit unbestimmter Besatzung,
dann Ad Mauros (b. Melk), ein Lager für mauretanische Reiter.
Von ihnen deutet Locus Veneris felicis nach seinem Namen auf
eine ursprünglich orientalische Besatzung, wahrscheinlich war es
ein Theil jener cyprischen Cohorte, die in Cetium lag, oder eine
zweite Cohorte aus Cypern, die aus dem Vaterlande den dort
berühmten Venuskult in unsere Gegend brachte und darnach den
Posten benannte. Der andere Posten Ad Mauros erscheint als Ad
Muros zwar erst in der Notitia\ der Name ist sicher nicht erst
in jener Zeit, d. i. um 400 nach Christi, sondern schon früher
entstanden, als mauretanische Reiter in diesen Posten gelegt wurden.
Wann dieses geschah, ist freilich mit Sicherheit nicht zu erweisen,
es kann unter K. Vespasian geschehen sein, es kann dies aber
auch nicht der Fall sein. Dagegen bestimmt lässt sich annehmen,
dass der Posten schon unter diesem Kaiser begründet wurde,
indem ein zu Melk befindlich gewesener, nun aber verlorener
Inschriftstein') die Cohors 1 Flavia Brittonum namhaft macht,
welche um 114 nach Ob'erpannonien verlegt wurde*), so dass ihre
Anwesenheit in dem Posten an der Mündung der Bielach in die
Zeit von 70 bis 114 nach Christi fallen muss.
') lieber diesen und die folgenden Posten siehe Aschbach a. a. O.
•) Der Name Locus Felicis im Itinerarium Ant. und Lacu felicis in der
Notitia ist von Aschbach (a. a. O.) als Locus Veneris felicis trefflich ergänzt
worden, lieber seine Lage siehe weiter unten.
•) Der von Apian p. 406 und Seidl, Fundchronik im Archiv für Kunde
österr. Geschichtsquellen IX, 1. S. 96 (vgl. Steiner Codex 3344) als in Melk
befindlich angeführte und dort oder doch in nächster Nähe gefundene Grabstein
soll nach Lazius in Pechlam ausgegraben worden sein, was aber Keiblinger,
Geschichte von Melk I, 11 als einen Irrthum nachweist.
*) Militärdiplom von Petronell. Frh. v. Sacken, Sitzgsber. XI, 853.
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Auch Ad pontem Ises wurde gewöhnlich als ein Posten orien-
talischer, d. h. aegyptischer Truppen betrachtet, indem man eigen-
thümlicher Weise , ohne irgend einen stichhältigen Grrund dafür
zu haben, von jeher den Ortsnamen für Ises (oder Isidis) las
und auf die Göttin Isis deutete. Er erscheint nur auf der Tabula
und lautet hier ganz bestimmt Ad ponte(m) l8es\ Ises ist oflFen-
bar als Genitiv eines Eigennajnens zu fassen, der im Nominativ
Ise lautet Unter den römischen Ortsnamen, die mit pons zusam-
mengesetzt sind, findet sich keiner, der den Namen einer Gottheit
enthielte, höchstens Namen historischer Persönlichkeiten kommen
vor, wie Pons Aureolt (Pontirolo) Pons Drusiusw.^). Dagegen finden
sich sehr häufig Flussnamen mit pons verbunden , was auch das
;j|ittlrliche ist*), so dass auch im Namen ad pontem Ises ein solcher
vorausgesetzt werden muss, dies um so mehr, als es genug Fluss-
namen gibt mit der Stammsilbe „i^^ und „is^'%
Es ist darnach sehr wahrscheinlich, dass Ise der alteinhei-
mische Name des Ipsflusses sei*). Endlich lässt sich nicht nach-
weisen, dass aegyptische Truppen, zumal im I. Jahrhundert, wie
die Hilfsvölker anderer Nationen ausserhalb ihres Landes stationiert
wurden. Es finden sich Hilfstruppen aus Mauretanien, Gaetulien,
„Lybien", Cyrenaica u. s. w., aber aus Aegypten begegnen wir ihrer
nicht*). Möglicherweise hängt dies mit der administrativen Sonder-
stellung zusammen, welche Aegypten unter den übrigen Provinzen
des römischen Reiches einnahm.
Eß muss daher als noch völlig unerwiesen und als unwahr-
scheinlich gelten, dass in dem Posten Ad pontem Ises aegyptische
Truppen lagen. Die Besatzung kennen wir überhaupt nicht; aber
*) Hin, Eieroaol, 558 Wess.
•) Z. B. P. Aeni, Avfidi, Isari, Neviae, Hheni, Sealdis, Secies, Sontii u, s. w.
•) Vgl. Bergmann in d. Wiener Jahrb. d. Lit. CVI, Anzeigebl. S. 36,
Note 2. Beispiele sind: Eisenach Clsen-Achjf von dem der Stadtname Imy ab-
zuleiten ist, (Pauly, Beschreib, des Oberamtes Wangen, S. 197). Isar, Ishre,
Eisack (Isach)^ Isel, Ister u. s.w.
*) In einigen Gegenden am Flusse wird dieser mundartlich noch Oia
genannt. Schweickhardt, X, 215, 242.
*) Erst in der Notitia Dignitatum (c. 400 n. Christi) begegnet eine Cohora
Äegyptiorum zu Valle Diocletiana in Phönicien und die ala II nova Äegyptioi-um
in Mesopotamien, Die gleichnamige ala I hatte die Grenzwache in Aegjpten zu
yersehen. (Not, orient, c. 25, 31, 34,)
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es lässt sich vermuthen, dass hier so gut als in Cetium und Coma-
gena irgend eine Reiterschaar aus dem Oriente lagerte. —
Vergleicht man nun diese Gründungen untereinander, so
erscheint der pannoniseh gewordene Theil von Niederösterreich
sehr stark befestigt und mit Truppen besetzt; es finden sich hier
auf verhältnissmässig kleiner Distanz zwei Legionen mit den ent-
sprechenden Hilfstruppen. Dagegen im norischen Uferlande findien
wir nur einige wenige Gehörten und Alen von Bundesvölkern.
Auf der ganzen Uferstrecke zwischen Greifenstein und der Enns
lässt sich keine Legionsabtheilung, viel weniger eine ganze Legion
nachweisen. Aus diesem durchaus ungleichen Verhältniss der Be-
satzungsmengen erhellt^ welch' grosse strategische Bedeutung man
dem unteren Viertel des Wiener Waldes im Vergleiche mit dem
oberen beilegte.
Unter den folgenden Kaisern änderte man nichts Wesent-
liches in den Einrichtungen des K. Vespasian. Das einzige
kriegerische Ereigniss, welches für unsere Gegenden innerhalb
der nächsten achtzig Jahre von Bedeutung war, nämlich die
dacischen Kriege des K. Trajan verursachten nur insofeme eine
Aenderung, als die XIII. und XV. Legion') ihre Standlager ver-
liessen, um bei dieser glorreichen Unternehmung mitzuwirken,
und sodann bleibend in der neueroberten Provinz stationiert zu
werden. An ihre Stelle kamen um 105 nach Christi die legio X
und XIV — beide geminae — jene nach Vindobona, diese wahr-
scheinlich nach Carnuntum. Ueber das Lager der letzteren kann
indessen ein Zweifel bestehen, indem der Geograph Ptolemeaos, der
in der ersten Hälfte des II. Jahrhundertes lebte, Flexum (Ung.-
Altenburg) als ihr Quartier angiebt. Ob sie nun schon von K.
Trajan, oder von seinem Nachfolger dahin verlegt worden sei,
bleibt fraglich.
Von K. Antoninus Pius (138 — 161) wissen wir durch die
bei Klein-Schwechat und Inzersdorf aufgefundenen Meilensteine,
dass er in beiden Richtungen Heeresstrassen ^ angelegt habe. Ohne
Zweifel bestand schon seit Vespasian eine solche, die Vindobona
*) Militärdiplom von Petronell. Frh. v. Sacken, Sitzungsber. XI, 353.
*) Zugleich mit der XIII. Legion kam auch die cyprische Cohorte aus
Cetium nach Dacien, wo sie im Militärdiplom v. K. Trajan vom Jahre 110
(Orelli-Henzen, 5443) erwähnt wird. Aschbach, Sitzgsber. XXXV, S. 10, Kote 1),
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in der einen Richtung mit Carnuntumy in der andern mit Scara-
bantta (Oedenburg) verband, so dass an einen Neubau derselben
durch Antoninus Pius nicht wohl gedacht werden kann. Anderer-
seits fehlt auf den Meilensteinen jede Hinweisung auf eine Restau-
ration der Strassen, die regelmässig durch den Zusatz j,vias^^ oder
„v^as et pontes vestutate collapsos restituit^^ angemerkt ist Am
nächsten liesse sich dieser Widerspruch so erklären, dass die
Strasse unter Antoninus Pius theilweise umgelegt worden sei.
Femer erscheint unter des letztern Regierung (J. 154) die ala L
TJlpia Contariorum civium Romanorum, die früherhin in Dacien lag,
in der Umgebung von Vindobona*). Vielleicht gleichzeitig und
ebendaher kam die cohors L Aelia sagittariorum (thracische Bo-
genschützen) in den Posten zu Klosterneuburg*). Auch im nori-
schen Uferlande finden wir einen neuen Posten, der damals oder
schon früher gegründet wurde, dessen Name von seiner Lage am
30. Meilensteine (von Arelate gerechnet) ad Triceszmum (h. Trais-
mauer) lautete. Wir finden diesen Namen aber erst im III. Jahr-
hundert in der Tabula. Eine kurze Zeit vorher hatte er' ihn mit
dem Namen Cetium vertauscht, unter dem er im Reisehandbuch
{Itinerarium Antonmi) aus dem Beginne des III. Jahrhunderts
erscheint, um späterhin wieder den älteren Namen, entstellt in
Trigisamumj anzunehmen.
Es lag hier die Ala I Augusta Thracum, welche dem K.
Antoninus Pius ein Denkmal widmete*). Ausserdem mögen vor-
^) Ein Beitergeschwader, das von seinen langen Speeren den Namen
Contariorum führte. Die inschriftlichen Belege siehe in Ber. u. Mittheil, des Wien.
Alterthumsver. IX. Band. S. 164, 165, Note 1.
•) Am eben angeführten Orte, S. 164, Note 3 und 4.
*) Katancsich, Isiri adcolae, I, 301, 6. Muratori, 237, 4. Steiner, Codex
p. 640. — Ein zweiter von Steinbüchl in den Wiener Jahrbüchern Bd. 51,
Anzeige-Blatt S. 46, von Steiner im Codex IV Nr. 3334 aufgeführter und in
Zimmermannes Zeitschrift 1838, Seite 943 besprochener Inschriftstein, welcher
Veteranen derselben ala nennt, findet sich gleichfalls in Traismauer. Sehr
wahrscheinlich ist dies Geschwader dasselbe, welches in dem angeblich aus
Klausenburg stammenden Militärdiplome aus der Zeit des Kaisers Domitian
(81 — 96) ala I Thracum Mauretana genannt wird und zur Zeit der Abfassung
des Diplomes in Judäa lag. Ackuer-Müller, römische Inschriften in Dacien
Nr. 864. — Ein Theil derselben ala lag gleichfalls unter Kaiser Antoninus
Pias im Salzburgischen; in Aigeni fand sich ein dem oben genannten ganz
ähnliches Denkmal. (J. v» Heffher, Denkschr. der k. Akademie der Wissen
Schäften Bd. I., Nr. 13.)
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tibergehend kleine Detachements, etwa einzelne Cohorten oder
Theile solcher von den Legionen in Vindobona und Carnuntum
in die wichtigeren Posten des Uferlandes verlegt worden sein;
ihre Commandanten, Tribunen oder Centurionen standen, sowie
die Soldaten, so lange sie detachiert blieben, zur Disposition des
Procurators*).
4. Einrichtungen derKaiser Marcus Aurelius und Sep-
timius Severus. — Ufernoricum in militärischer
Beziehung unter pannonischen Oberbefehl gestellt.
— Aenderungen in denFestungen undBesatzungen.
Weitaus den grössten Einfluss auf eine bleibende Gestal-
tung der militärischen Einrichtungen in unserem Lande haben
die Markomannenkri<*ge ausgeübt. Wir wählen zur Darstellung
dieser Einrichtungen die Regierüngsepoche des K. Septimius
Severus (193 - 211) aus. Wohl hat schon Marcus Aurelius (161 — 180)
ohne Zweifel die Grundlage dazu gelegt; allein vollends durch-
geführt und vollendet sind sie erst worden unter seinem für den
Grenzschutz in den Donauländem überaus eifrig besorgten Nach-
folger und Nachahmer Severus. Im Viertel unter dem Wiener-
Walde führten die Erfahrungen, die man in diesen Kriegen
gemacht hatte, darauf, zu den Dispositionen des K. Vespasian
zurückzukehren, d. h. man verlegte das Quartier der XIV. Legion
von Flexum (Ung. -Altenburg) wieder nach Carnuntum, an den
wichtigen Uebergangspunkt über die Donau; im zweiten Kriege
hatte Marc Aurel daselbst sein Hauptquartier. Von den Zwischen-
posten zwischen Vindobona und Carnuntum kann aus dem Itine-
rarium das* Standlager Ala nova, an der Mündung der Schwechat,
angemerkt werden.
Während also im Wienerbecken die Posten im Wesent-
^) Einen Beweis dafür gibt der Linzer Inschriftstein (J. Gaisberger in
d. Beitr. zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. VIII. S. 66, Nr. 68),
der einen Soldaten der X. Legion als hen^ciariua procuratoris bezeichnet.
Da diese Legion um 105 ins Standlager nach Vindobona kam und um 170
die zweite italische Legion errichtet wurde, die vorzüglich im norischen
Uferlande vertheilt lag, so muss die Errichtung des oben genannten Steines in
die Zeit von 105—170 fallen.
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138
liehen die alten blieben, oder doch auf den früheren Bestand
zurückgefiihrt wurden, erhielten im norischen Uferlande die Ein-
richtungen eine völlig neue Grestalt; es geschah hier dasselbe,
was schon Vespasianus mit dem Uferland zwischen dem Kahlen-
berg und der Leitha verfügt hatte.
Im Laufe der Markomannenkriege hatte es sich einmal
ereignet, dass Gefolgschaften der Grermanen über Noricum und
Raetien einbrachen, während weiter unten an der Donau die
Hauptmacht der Römer und jene der Barbaren sich gegenüber
standen. Offenbar konnte sich damals der Procurator mit den
Bundesvölkern des Uferlandes der Feinde nicht erwehren. Der
Kaiser musste seinen Legaten Pertinax mit der legto I Adjutrix
die ftlr gewöhnlich zu Bregaetium in Pannonien (0-Szöny) ihr
Quartier hatte, entsenden, um die Feinde aus jenen Ländern zu
verjagen, was letzterem auch gelang*).
Dieser und vielleicht noch andere ähnliche Fälle zeigten, dass
die unwegsamen Schluchten des Manhartsberges und des unteren
Mühlviertels, sowie sich die Barbarenbündnisse nach Westen aus-
dehnten, nicht mehr geeignet waren ^ den Feind vom norischen
Uferlande abzuhalten. Solche Einfälle konntön aber, abgesehen
von der Verwüstung des letzteren, in den Fällen eines Grrenz-
krieges in Pannonien bedenkliche Folgen haben; nicht blos
stand Italien, das alsdann meist von Truppen entblösst war, den
Barbaren offen, sondern es konnte auch die linke Flanke des
*) Capitolin, Pert c. 2. — Von einem ähnlichen Anlasse aus früherer
Zeit findet sich nur eine Spur, welche überdies den Fall noch sehr im Unklaren
lässt. Ein Hastatus der X. Legion errichtete, als diese noch in Spanien lag,
einem grossen Herrn — Tib. Claudius Candidus wird er genannt — ein Denk-
mal, welches die gesammte Titelfolge des letzteren enthält Dieser zufolge war,
er legatu8 Auguaiorum pro praetore nacheinander in der Provinz Hispania
cüei-ior, Asia^ item Noricae (provinciae) u. s. w. Dies kann sich nur auf eine
vorübergehende Function beziehen, die in einem einzelnen Falle ihm über-
tragen wurde, da sonst nur procuratores von Noricum, keine legati erscheinen.
Der Stein, der in Tarragona sich befindet, muss vor dem Jahre 105 gesetzt
worden sein, da um diese Zeit die zehnte Legion nach Yindobona kam. Damit
widerlegt sich Orelli*s Vermuthung (798), dass der genannte Candidus der
Consal des J. 106 gewesen sei. Abgesehen davon, was Orelli selbst bemerkt,
dass der Vorname des Consuls Julius, nicht Claudius gewesen ist, war Julius
Candidus Consul im J. 105, unser Candidus (Claudius) aber war zur Zeit der
Errichtung des Denkmals (vor 105) schon Consular.
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römisclien Heeres bedroht und umgangen werden. Daher war es
angezeigt, auch die norische Donaustrecke in die pannonische
Operationslinie einzubeziehen , um die Vertheidigung derselben
einheitlich zu gestalten. Dass dies schon von Marc Aurel geschehen
sei, ist im höchsten Grade wahrscheinlich; er errichtete (vor 170)
wie für Raetien, so für Noricum zwei speciell zur Bewachung
dieser Länder bestimmte Legionen, beide die italischen genannt,
von denen die zweite Noricum, die dritte Raetien zu bewachen
hatte *). Der grössere Theil der ersteren wurde in einzelnen
Abtheilimgen in den Castellen des Uferlandes postiert; auch
ihr Hauptstandlager fand sich daselbst in Laureacum, wie dies
schon das Itinerarium andeutet*). Durch die Aufstellung dieser
Legion erhielt das Uferland einen von dem früheren wesentlich
verschiedenen militärischen Charakter. Die älteren Besatzungen
hatten keinen anderen Zweck gehabt als den der Grenzhut gegen
vereinzelte Ueberfälle von Seite der Barbaren und nebenbei
die Unterstützung des Procurators in seiner vorwiegend finan-
ziellen Thätigkeit, für welche er übrigens bei dem friedfertigen
Charakter der Noriker nur selten militärischen Beistandes bedürftig
gewesen sein mag. Nim aber hatte sich während der Markoman-
nenkriege gezeigt, dass die Einfälle ins norische Uferland keines-
wegs mehr zufällig und vereinzelt seien, sondern mit den kriege-
rischen Actionen der östlichen Barbarenstämme zusammenhingen«
Auch das norische Uferland erhielt dadurch militärische Wich-
tigkeit. Der Gefährdung desselben konnte nur so begegnet werden,
dass wie die AngriflFe, so auch deren Abwehr einheitlich geleitet
und in Verbindung mit den Defensivanstalten gebracht ward, die
längs der unteren Donaustrecken ins Werk gesetzt wurden. Diesen
und keinen andern Sinn kann es haben, wenn Marc Aurel für
Raetien und für Noricum je eine Legion neu errichtet. Der
Befehlshaber derselben kann aber nicht wohl der Procurator
*) Dio Cassius 55, 24. — Die Errichtung muss in die Jahre zwischen
166 — 170 fallen, da in ersterem der Markomannenkrieg begann, aus letz-
terem die älteste bekannte Inschrift der zweiten italischen Legion (Grater 260,
5 Spoleto) stammt.
*) Pag. 249. Wess. Der Beisatz „leg. III " ist kein Fehler, sondern
muss in „leg. II I** aufgelöst und dieses als legio II ItaUca gelesen werden.
Aschbach, Sitzber. XXXV S. 14, Note 1.
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140
gewesen sein, dessen militärisches Ansehen hiefür viel zu gering
war, und der wie es bei Behörden dieser Art häufig vorkam,
durch Eifersucht gegen den mächtigeren Legaten im benachbarten
Pannonien die einheitliche Grenzvertheidigung leicht stören imd
illusorisch machen konnte. Die Legion des Uferlandes musste
vielmehr, wenn die Absicht, die ihrer Errichtung zu Grunde lag,
erreicht werden sollte, dem Legaten von Ober-Pannonien unter-
stellt werden, d. h. es musste die Oberleitung der militärischen
Angelegenheiten im Uferlande von der Competenz des Procurators
ausgeschieden und jener des Legaten von Ober-Pannonien zuge-
theilt werden.
Der innere Zusammenhang macht es wahrscheinlich, dass
diese Massregel zugleich mit der Errichtung der legio II Italica
für Noricum, also noch von K. Marc Aurel verfügt worden sei *).
Allein wir können dies weder aus den alten Geschichtschreibem
noch aus Denkmälern nachweisen. Erst aus der Zeit des Beginnes
des in. Jahrhunderts stammen die Inschriften, welche dafür
beweiskräftig sind. Die Meilensteine von Mösendorf bei Vekla-
bruck in Ober-Oesterreich •), dann jener von Hüttau, jene von
Tweng und Mautemdorf (ersterer am nördlichen, letzterer am süd-
lichen Abhänge des Rastädter Tauern im Salzburgischen*) nennen
') Eine treffliche Parallele hiezu bietben die beiden Inschriftsteine aus
Karlsburg (Ackner-Müller 409, 453), welche einen legatus pro praetore der
Provinz Raetia nennen. Auch diese Provinz war ursprünglich eine Procuratur
und nur ausnahmeweise mag es geschehen sein, dass der Procurator die Stelle
eines Legaten vertrat, wie der Inschriftstein in Verona (Orelli 488) beweist.
Die Umwandlung der Procuratur von Raetien in eine Legatur dürfte nach dem
oben genannten Steinen entweder in die Periode der Regierung Marc Aureis
und L. Verus' (161 — 169) oder in jene von Septimius Severus und Caracalla
(198—211) fallen, da auf dem einen von ihnen von Augustis (von zwei Kaisern,
AVQG) die Rede ist, der andere aber aus der Zeit Gordianus' m. stammt.
Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Ernennung eines Legaten
von Raetien mit der Errichtung der legio III Italica (Dio Cass. 65, 24) zu-
sammenfällt und, sowie in Noricum die Unterstellung des unteren Uferlandes
unter den pannonischen Legaten, entweder von Marc Aurel oder doch von
Septimius Severus verfügt wurde.
•) Fundchronik (IX. Fortsetzung) Archiv der k. Ak. d. W, XXXVIII
Nr. 34.
») Jos. V. Heffner im I. Bd. d. Denkschriften der Wiener Akademie
Nr. 20, 21, 22,;
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als Oberleiter des Strassenbaues den legaius pro praetore Marcus
luventius Surus Proculus, der nach der Lage der Länder nur
Legat von Ober-Pannonien gewesen sein kann; der Bau von
Heeresstrassen gehört aber zum militärischen Ressort; es muss
also geschlossen werden, dass wenigstens schon unter Septimius
Severus das Uferland unter dem Oberbefehle jenes Legaten, nicht
unter dem des Procurators stand *). Auch nennt der Votivstein
von Wemstein*) einen Soldaten der 11. italischen Legion als
beneßciarius consularisj d. h. er hatte die Befreiung von den
niederen Soldatendiensten dem Legaten , welcher hier schlechtweg
Consular genannt wird, zu verdanken; wäre der Procurator der
Verleihende gewesen, so müsste der Beisatz ,fieneficiariH8 procu-
ratoris Augusti^^ oder wenigstens ^yprocuratoris^^ lauten, wie er
auf zahlreichen Lischriftsteinen aus Cilli vorkommt*) und auf
dem oben berührten Grabsteine in Linz erscheint.
Seither verblieb das norische Uferland in steter Verbindung
mit Pannonien. Nur ein Fall ist aus dem dritten Jahrhunderte
bekannt, aus dem auf eine vorübergehende Unterstellung der
Truppen des norischen Uferlandes unter den Legaten oder Dux
von Raetien geschlossen werden könnte ; dies ist die Stellung,
die nach Eutropius (IX, 7) Valerian vor der Pifoclamation zum
Kaiser einnahm*). Das mag, obwohl der Fall selbst noch keines-
wegs ausgemacht ist, einmal ausnahmsweise geschehen sein; in
der Regel aber stand das norische Uferland unter dem Feld-
') Auch aus dem Binnenlande von Noricum ist ein Meilenstein, jener
von Krenzerhof zwischen Völkermarkt und Klagenfart in Kärnthen, bekannt,
welcher in ähnlicher Textiernng wie die schon genannten, denselben Juventins
Procains aufführt. Bjiabl Im Archiv für vaterländische Geschichte und Topo-
graphie von Kärnthen IV. Jahrg. (1858) S. 54.
') J. Gaisberger in den Beiträgen zur Landeskunde von Oesterreich
ob der Enns 1864, unter Wemstein. Vergl. Fundchronik, Archiv XXXV 111,
Nr. 43.
*) Mittheilangen der k. k. Central-Comm. f. Erf. d. Baudenkm. IX.
p. LVII f.
*) Die Worte „tn Baetia et Korico agens^ können wohl nur auf eine
militärische Thätigkeit bezogen werden; allein sie lassen völlig unbestimmt,
ob Valerian in beiden Ländern eine besondere, nicht weiter mit seiner Stellung
zu ihnen verbundene Action durchzuführen, oder ob er als Legat des einen
auch im andern den Oberbefehl inne gehabt habe.
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herm, der in Ober-Pannonien commandierter, und wenn, was zeit-
weise auch geschah, ganz Illyricum d. i. Moesien, Pannonien und
Dalmatien unter den Befehl eines Feldherm gestellt wurde, so
stand das Uferland indirect auch unter diesem ; daher kommt es,
dass der betreflFende Legat bald nur mit praetorischem , bald
mit consularischem Range erscheint.
Mit dieser Unterstellung ward, wie schon bemerkt, eine
Auftheilung der ursprünglich einheitlichen Competenz des Pro-
curators in eine militärische und bürgerliche verbunden , von
denen die erstere weiterhin dem Legaten von Ober-Pannonien
zukam, während die letztere dem Procurator verblieb. Damit
wurde jener Zustand der Administration factisch erreicht, wie wir
ihn zum ersten Male oflEiciell bestätigt finden, in der ßeichs-
organisation des K. Diocletianus (297)*). Der Umstand, dass
letztere die früheste Quelle ist, die von einer Trennung der
Competenzen spricht, darf uns aber nicht irre machen, die Unter-
stellung von Noricum unter Pannonien in die Zeit des Kaisers
Marc Aurel zu versetzen. Denn die Organisation des Kaisers
»Diocletian hat eben nicht von vorneherein einen neuen Zustand
der Dinge geschaflFen, sondern hat die im Laufe des III. Jahr-
hunderts nothwendig gewordenen und factisch schon bestehenden
Veränderungen bestätigt. Bekanntlich hat sie mit der Thei-
lung der Militär- und der Civilgeschäffce in den einzelnen
Statthaltereien eine Aenderung auch in den Titeln verbunden,
so dass der Militärgouverneur den Titel dux, der Civilgouverneur
den Titel praeses erhielt. Für einzelne Fälle waren beide Titel
schon früher gebräuchlich gewesen. Namentlich um die Mitte des
zweiten Jahrhunderts finden wir häufig duces erwähnt, so heisst
Kegalianus dtix Illyrici) Claudius f actus est dux et dux totius
Illyrici*)j Ulpius Cinnttus wird dux lllyrianici Itmitis^), Bonosus
dux Baetici limitis genannt, welcher Titel auch dem Fulvius Bojus
zukam*). Und schliesslich erhielten unter Kaiser Probus alle
') Th. Mommsen in den Abhandig. d. kgl. Akad. d. W. in Berlin
1862, S. 489 f.
») Treb. PolUo Claud. 15.
^ FL Vop. Aurelian c. 13.
*) Tr. PoUio, trigint, tyr. c. 13, c. l4.
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praesides das jus praetorium ^)j ebenso wie schon Alexander
Severus (222 — 235) alle praetorischen Provinzen in „Praesidiales"
verändert hatte*). Auch das Schreiben, womit der Senat die
Absetzung des Kaisers Maximinus und die Erhebung der Gor-
diane zu Kaisern aussprach (237), richtet sich an die Behörden
aller Grade und Competenzen, indem es nacheinander procon-
sules, praestdes, legati, duces u. s. w. anredet'). Alle diese Fälle
sind ein Beweis dafür, dass schon lange vor Kaiser Diocletian
die Theilung der Competenzen und die neuen Titel factbch
bestanden haben, wenn sie auch nicht systematisch überall
angewendet wurden. Ebenso müssen wir annehmen, dass die
Theilung der Competenz des norischen Procurators, soweit sie
das Uferland betraf, und die Unterstellung des letzteren unter
den militärischen Oberbefehl des pannonischen Heerführers schon
unter Marc Aurel geschehen sei, wenngleich erst durch Diocletian
(298) ein praeses Norici ripmsis für Civilangelegenheiten officiell
bestellt ward und wenngleich erst in der notitia (c. 400) der dux
Pannoniae primae systemmässig als solcher auch fär Noricum
ripense erscheint*). — Diese Unterstellung dauerte selbstver-
ständlich so lange, als die sie verursachenden Verhältnisse
bestanden, d. h. so lange als Pannonien römische Provinz war. Als
diese aber in die Gewalt der Gothen und Hunnen gelangte, war
die natürliche Folge, dass die beiden Theile von Noricum wieder
vereinigt und von einem Statthalter versehen wurden*).
*) Fl. Vop., Probus e. 13.
•) Lamprid. Alex. Sev. c. 24.
•) Capitol. Maximini. c. 16.
*) Die Annahme Aschbach'ß, dass die Unterstellung von Ufernoricum
unter pannonischen Oberbefehl nur eine zeitweilige, vorübergehende war
(Sitzgsbr. XXXV. S. 19, Note 8) scheint uns gegen die Verhältnisse des Landes
und gegen die Entwicklung der Defensivanstalten in demselben zu sprechen.
Ohne Zweifel gab es derartige Cumulirungen von mehreren Statthalterposten
auf kurze Zeit ; allein sie hiengen immer von besonderen Verhältnissen ab und
betrafen hervorragende Persönlichkeiten. Eben darum sind sie als Abweichun-
gen vom Verwaltungssysteme, nicht als Regel zu betrachten. Die Vereinigung
des Oberbefehls in Oberpannonien und Ufemorikum erscheint aber als syste-
misiert im Verwaltungsschema (in der Notitia) und ist deshalb als bleibend
anzusehen.
') Vgl. die vou Muchar, Böm. Noricum I. 135 angefahrten Fälle bei
Priscus Bhetor Script. Byz. p. 56, wo Primutus um 449 rri; ^foptxr^ apx^^
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Im Einzelnen ist auch im Uferlande ß,n der Truppenauf-
stellung wenig geändert worden. Das Standlager bei Cetium
(Zeiselmauer), welches im ersten Markomannenkriege hart gelitten
haben mochte, wurde ganz aufgelassen und auf einen Posten
oberhalb an der Donau (Traismauer) verlegt *) , an dem schon
zu Antoninus Pius' Zeiten ein Eeitergeschwader im Quartier
gelegen hatte ; auch der Name Cetium wurde dahin tibertragen,
so dass wir von nun an ein altes und neues Cetium zu unter-
scheiden haben. Die übrigen Standlager verblieben, mögen aber
mannigfach restauriert und neu befestigt worden sein. Neugründun-
gen können dagegen nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden,
es ist selbstverständlich, dass man in Kriegszeiten zwischen den
einzelnen Posten die wir kennen, je nach Bedarf kleinere Warten
errichtete, welche (Vegetius III. 8, Commentar von Stewechius)
an besonders gefährdeten Strecken nur eine römische Meile von
einander entfernt waren; ihre Kenntniss ist aber von keinem
grossen Belange, da ihre Function sich aus jener der grösseren
Nachbarposten, die wir kennen, ergiebt. Auch liegt es nahe,
anzunehmen, dass man, durch die Erfahrungen in den Mar-
komannenkriegen belehrt, die Mündungen der Krems und
des Kamp in die Donau nicht unbewacht gelassen habe, damit
der in den Thalschluchten, die sie bildeten, vorrückende Feind
nicht plötzlich und unvermerkt ans Stromufer gelange. Für die
Mündung der Krems genügte ein Posten bei dem heutigen Mautem,
wo man auch in der That rönaische Gräber und Ziegel mit dem
Stämpel der IL italischen Legion getroffen hat'). Dagegen ist
es wahrscheinlich, dass der Kampfluss von einem Posten auf
dem linken Donauufer beobachtet wurde; denn die Ausdehnung
Xitopctf genannt wird, und Hierocles Gramm, in Script. Bjz. XXIV. p. 52, wo
von einer '««apx'« Nwpwou die Rede ist; beide Male erscheint die Provinz in der
Einzahl, ali|o als ungetheilt.
*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV., S. 13. Die Annahme von zwei Posten
mit Namen Cetium gründet sich auf den Umstand, dass in Itinerarium Cetium
oberhalb, auf der Tabula unterhalb von Commagena erscheint. Die Literatur
über die Frage der beiden Cetia siehe bei Keiblinger Gesch. v. Melk I. 9.
Jordan nahm Cetium für die älteren Namen von Trigisamum an, Fuhrmann
setzte zwei Cetia voraus, vgl. Hormayr Gesch. d. Stadt Wien I. 2, S. 131.
Völlig erklärt und wahrscheinlich gemacht hat diese Hypothesen erst Aschbach.
*) Siehe unten das Verzeichniss der Fundorte.
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des Stromes und die mannigfachen Auen erschwerten von dem
gerade gegenüberliegenden Cetium (Traismauer) aus die Bewachung.
Die Namen beider Posten kennen wir nicht; der letztere ist
möglicherweise' Sraitisch mit dem in der Notitia genannten Canna-
biaca, welches WWt für eine Verunstaltung von Cannanefatium
castra gehalten wird*).
Endlich muss noch der Donauflotille gedacht werden, durch
welche der Vertheidigungszustand des Uferlandes seine Vollendung
erhielt Auch sie ist in der Zeit, von welcher hier die Rede ist,
nicht erst errichtet worden, wie namentlich die Flotillenstation
bei Camuntum nothwendigerweise schon während der Marko-
mannenkriege, wenn nicht schon früher, fungiert haben muss ; wir
finden den Beweis dafür in den Darstellungen der Columna
Antoniniana zu Rom*). Allein es ist wahrscheinlich, dass jene
Organisation der Flotille, die wir noch zu Beginn des V. Jahr-
hunderts in der Notitia in Wirksamkeit finden, aus dem Anfang
des III. Jahrhunderts stammt. Die Stationen im pannonischen
Theile von Nieder-Oesterreich waren Camuntum und Vindobona,
beide unter einenl Präfect, der bald in der einen, bald in der
andern Stadt fungierte; die Stationen an der norischen Ufer-
strecke sind Arelate (Gross-Pechlarn) und (Neu-) Cetium (Trais-
mauer); auch diese beiden standen unter einem Präfect, der
aber bleibend im letzteren Orte sich befand. An erstere schloss
sich weiter westlich die Hauptstation der Flotille des oberen
Uferlandes Laureacum (bei Enns) an.
5. Aenderungen im III. und IV. Jahrhunderte. —
Rückblick.
Mit dieser Regelung der Grenzwache haben die militärischen
Einrichtungen der Römer im heutigen Nieder-Oesterreich ihren
Höhepunkt und eine bleibende Gestaltung erlangt, in der wir sie
kennen, so lange ihre Herrschaft dauert. Die Aenderungen, die
im Laufe des IH. und IV. Jahrhunderts verfügt wurden, betreffen
nur die Details, nicht das Wesen der Sache. Derart ist die Ent-
sendung eines Theiles der zehnten Legion nach Judaea, die zu
*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV., 21, Note 1.
*) Bellori Columna Antoniniana ^ Blatt 5, 21, 23 u. s. w.
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Lebzeiten des Dio Cassius, also unter Alexander Severus (222
bis 235) schon vollzogen war (55, 23), dann die abermalige
Besetzung des früher aufgelassenen alten Cetium (Zeiselmauer), das
zwischen 211 und 222 nach Christi zum zweiten Male unter dem alten
Namen ersteht '), wogegen der Posten an der Mündung der Traisen
seinen Namen (Neu-) Cetium gegen den Namen Trigisamum ver-
tauscht Weiterhin verliert auch der Posten bei Zeiselmauer den
altangestammten Namen Cetium und erhält, wahrscheinlich von
einer asturischen Cohorte, den Namen Asturis, unter dem er noch
um die Mitte des V. Jahrhunderts in der vita S. Severini erscheint
Endlich verschwindet auch der Name Trigisamum, für welchen
der Name Fafiana auftaucht; wahrscheinlich war auch davon
die Ursache ein Wechsel der Besatzung*), Wichtiger, aber leider
der Zeit nach nicht bestimmbar, ist die Errichtung einer neuen
Legion, von der Theile im oberen Uferlande nachweisbar sind,
der legio I Noricorum, Dio Cassius führt (55, 24) unter den von
dem Nachfolger des Kaisers Augustus bis auf seine Zeit neu
errichteten Legionen ihren Namen nicht auf; zum ersten Male
erscheint sie in der Notitia (c. 400), nach welcher die Präfectur
der für den Flotillendienst ausgehobenen Mannschaft dieser Legion
zu Fafiana (Traismauer) das Quartier hatte. Ein Ziegel mit
ihrem Stempel fand sich in den Ruinen eines kleinen Standlagers
bei Mauer an der Url.
Nebenher zieht sich durch den grössten Theil des III. Jahr-
hunderts die Restauration der Heeresstrassen , wovon die bei
Wien und Schwechat gefundenen Meilensteine Zeugniss geben.
Die Kaiser, welche auf ihnen genannt werden, sind: Septimius
Severus (^ Wienerberg, Schwechat), Maximinus (235 — 237, Schwechat)
Gordianus III. (237—244, Schwechat), Philippus (244—249,
^) Asciibach, Sitzgsber. XXXV. 15 f.
•) Aschbach (a. a. O. S. 25) leitet den Namen FafianU oder FavianU aas
Paphianis ab und vermuthet, dass der letztere, wie der Name CommageiiU für
das Standlager einer eohora Commagenorum gebraucht worden sei , ebenso aus
castra Faphiorum entstanden sei, wofür man abgekürzt Faphianis gesagt habe.
Der Entstehungsgrund des neuen Namens wäre demnach die Einquartierung
einer cyprischen Cohorte, von welcher der grössere Theil der Soldaten aus
Faphoa gestammt und daher den Posten darnach benannt habe , ebenso wie
Cetium (Zeiselmauer) nach der Hauptstadt Cypem CUium genannt worden war.
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Vösendorf), Trajanus Decius (vom Jahre 249, Wienerberg und
Schwechat) *), Salonmus (258 — 260, St. Marx, Wienerberg und
Schwecliat), Licinius (aus der Zeit von 307 — 323, Wienerberg).
Von den traurigen Schicksalen, denen die Donauländer, wie
das gesammte Eeich in der Regierungsepoche des Kaisers Grallie-
nus (260 — 268) ausgesetzt waren, zu sprechen, ist hier nicht
der Ort. Ob der von letzterem an die Markomannen abgetre-
tene bedeutende Landstrich von Ober-Pannonien der zwischen
Kahlenberg und Leitha, oder der zwischen Leitha und Raab
gelegene war , muss dahingestellt bleiben ') , da hiefür alle
Anhaltspunkte der Beurtheilung fehlen, ebenso wie für den Zeit-
punkt der Rückeroberung. Wahrscheinlich fällt dieser mit dem
grossen Siege des Kaisers Aurelianus über die Juthungen (270), die
mehrfach durch Noricum nach Oberitalien eingebrochen waren,
zusammen. Ueberdies begegnen wir noch zweimal einer Her-
stellung der (rrenzfestungen. Die eine verfügten Kaiser Probus
und Diocletian, welcher selber in Camuntum sich aufhielt; von
letzterem rührt auch jene oben angezogene Organisation des
Reiches her, die den im Laufe des III. Jahrhunderts gewordenen
Veränderungen die officielle Sanction ertheilte und namentlich
die Aufstellung eines Civilgouverneurs für das Uferland systemi-
sierte. Die andere im letzten Viertel des IV. Jahrhunderts wurde
durch den grossen Einfall der Quaden (374), welcher mehreren
Grenzfestungen den Untergang gebracht hatte, bewirkt, und von
Kaiser Valentinianus bewerkstelligt, der sich zu diesem Behufe
gleichfalls durch längere Zeit in Carnuntum aufhielt '). Wir kennen
*) Unter ihnen sind jene von Saloninus insoferne merkwürdig, als er
Caesar genannt wird und in dieser Stellung nur etwa drei Jahre in Gallian
verlebte, wo er (260) ermordet wurde, ohne je in unseren Gegenden gewesen
zu sein.
*) Als wahrscheinlich muss angenommen werden, dass man den Ger-
manen den strategisch minder wichtigen Theil zwischen Leitha und Baab
geräumt hat, der alsdann zwischen Pannonia inferior (von der Raab bis zum
Ofnergebirge) und dem unteren Viertel des Wienerwaldes eingeschlossen war
und von hier aus. beherrscht werden konnte, so dass aus der Abtretung gerade
kein Unheil zu entstehen brauchte.
*) Muchar schreibt die letzte Befestigung Noricums dem Generidus (um
409) zu. Die Sorgfalt desselben dürfte aber mehr auf die Stellung genügender
Besatzungen, als auf die Herstellung nruer Fes'ungen sich bezogen haben.
10*
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148
die Beschaffenheit der letzteren indirect aus der Notitia; dem
in dieser mitgetheilten Verzeichniss der Vertheidigungsanstalten
hat, so weit es unser Land betrifft, ohne Zweifel der Bestand
derselben zu Grunde gelegen, wie ihn die Restauration des
Kaisers Valentinianus schuf, und da wir hierin dieselben Ein-
richtungen finden, welche seit den Markomannenkriegen bestanden,
so lässt sich wohl schliessen, dass im Laufe des lEL und IV.
Jahrhunderts nichts wesentliches daran geändert worden ist. Nur
die Beschaffenheit der Besatzungen der kleineren Posten hat im
Sinne der späteren das gesammte römische Heerwesen betreffen-
den Organisationen eine Veränderung erfahren. Nach der Notitia
(occ. c. 33) bildete im Wienerbecken ohne Zweifel wegen der vor-
angegangenen Zerstörung von Camuntum durch die Quad^n im
Jahre 375 nicht mehr dieses, sondern Vindobona, oder wie es in
der Notitia heisst, Vindomana den Mittelpunkt, in welchem der
Präfect der zehnten Legion stationiert war. Auch diese war nicht
mehr vollzählig; ein Theil lag noch damals im Orient (Not. c. 6), ein
anderer Theil im Standlager zu Arrabona (Raab). In Camuntum
dagegen erscheint nur der Commandant einer Gehörte der vier-
zehnten Legion, welche für den Flotillendienst bestimmt war, sowie
der Commandant der Flotille selbst, mit dem Beisatze, dass dieser
(zeitweise) auch in Vindomana sich befand. Von den Bundes-
völkern werden nur die eqmtes Dalmatae (leichte Reiterei) in
den Posten Ala nova (Schwechat) und Äeqmnoctium (Fischamend)
aufgeführt *).
Im norischen Uferland, soweit es Nieder-Oesterreich betrifft,
finden wir zunächst die Präfectur der für den Flotillendienst
bestimmten Mannschaft der ersten norischen Legion zu Fafiana
(Traismauer) und die Stationen der Donauflotllle selbst zu Arlape
(G^.-Pechlarn) und Comagena (Tuln), beide unter einem Präfect.
Von den Bundesvölkern lagen eqmtes promoti im Lager ad Mauros
(bei Melk) und zu Comagena (Tuln), equites sagittarn (berittene
Bogenschützen) in locus Veneris felicis (Oehling), equites Dalmatae
*) Ob die Posten Arrianis und Caratensis (?), in welchen je eine in die
Legionen nicht eingetheilte Cohorte mit ihren Tribunen lag, in dem jenseits der
Leitha gelegenen Theile von Pannonia prima oder im Wienerbecken gesucht
werden müssen, ist fraglich. Sicher ist nur, dass sie nicht im norischen Ufer
lande gesucht werden dürfen.
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149
in Arlape (Gr.-Pechlarn) und Augustiana (Ips) *). Dazu kamen
noch zwei Cohorten mit ihren Tribunen, die eine in Asturis
(Zeiselmauer), die andere in Cannabiaca (vielleicht an der Mün-
dung des Kampflusses). —
Ueberblickt man die Entwickelung der römischen Verthei-
*) In der Notitia finden wir dieselben Posten wie auf der Tabula und
im Itinerarium. Nur sind die Namen bei einigen andere geworden; so hat
Aschbach nachgewiesen, dass das alte Trigisamum in der Notitia Fafiana, das
alte Cetium (Zeiselmauer) Asturis heisst. Ebenso finden wir in der Notitia
den Posten Ad pontem Ises nicht mehr genannt, dafür aber einen Ortsnamen
„Augustiana**, den unterzubringen schwierig ist. Wir erlauben uns die Ver-
muthung auszusprechen, dass mit dem Posten Ad pontem Ises gleiches der
Fall gewesen sei, wie mit Trigisamum und Cetium, d. h. er verblieb, erhielt
aber einen andern, wohl auch von einer neu dahin verlegten Besatzung stam-
menden Namen: Augustiana castra. Der Grund dafür ist hauptsächlich die
Nothwendi^keit, den strategisch wichtigen Punkt der Ipsmündung fort-
währehd besetzt zu denken ; es bleibt nur übrig, den Posten unter dem Namen
Augustiana zu suchen oder für aufgehoben zu betrachten ; da sich aber letzteres
nicht denken lässt, muss wol das erstere zugegeben werden. Auch deutet die
Art der Besatzung von Augustiana, die aus sogenannten „dalmatischen Reitern**
bestand, auf ein ebenes Terrain hin, wie jenes an dem Ipsflusse ist; hier
sowohl als im nahen Arlape standen solche Geschwader, sie werden wol auch
deshalb in der Notitia nebeneinander aufgeführt. Aschbach (Sitzg^er. XXXV,
S. 20) sucht den Posten im oberen Uferlande an der Donaustrecke zwischen
Euns und lun, da von den 13 norischen Posten doch vier auf das obere
Uferland entfallen müssten; allein die Vertheilung der Postenanzahl ist, wenn
man Augustiana abrechnet, in beiden Theilen ziemlich gleich ; es sind im oberen
fünf, im unteren sieben, davon hier wie dort je zwei Doppelstationen. Im
oberen Uferlande lässt sich nur ein strategisch wichtiger Punkt, die Mündung
des Aschachbaches bei Efferding in die Donau, als Motiv für die Anlage eines
Castelles denken; eben dort findet sich auf der Tabula der Ort Marinia-
num. Man müsste also, wenn das Augustiana der Notitia im oberen Uferlande
lag, annehmen, es sei derselbe Posten wie das Marinianum der Tabula gewesen.
Vergleicht man aber die beiden Punkte (Ips und Marinianum) untereinander,
so erhellt, dass jener an der Mündung der Ips eine um vieles grössere strate-
gische "Wichtigkeit hatte als jener an der Mündung der Aschach , der seiner
Natur nach recht wohl so klein gedacht werden kann, dass seine Besetzung von
Lentia aus besorgt werden konnte. Darum scheint es uns wahrscheinlich, dass
Augustiana im unteren Uferlande lag Und an die Stelle des älteren „ad pontem Ises**
getreten sei. Böcking in der berühmten Ausgabe der Notitia schwankt; ersucht
(annot. p. 741) Augustiana bald im unteren Uferlande an der Stelle von
Trigisamum, was schon Schweickhardt (Darstellung des V. O. W. W. III, 271) that
bald im oberen an der Stelle von Stanaco, das er für verderbt aus (Augu)-
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150
digungsanstalten in unserem Lande, so gewahrt man zwei Stufen
in derselben. Die eine wird bezeichnet durch die Einrichtungen
des Kaisers Vespasian; diese können als die Grundlage aller
folgenden gelten, was die Auswahl der Punkte betrifft, an denen
Militärposten angelegt wurden. Wenn auch zeitweise aufgegeben,
kehrt man doch immer wieder zu ihnen zurück, ein Beweis für
den Takt und Scharfsinn, mit welchem die Organisation der
Defensive unter diesem Kaiser, den Tacitus mit Recht „einen
ganzen Kriegsmann" *) nennt, durchgeführt wurde. Die andere
Stufe ward mit den Einrichtungen erreicht, welche während und
nach den Markomannenkriegen die Kaiser Marc Aurel begründet
und Septimius Severus durchgeführt haben. Diese Einrichtungen
verblieben im Wesentlichen bis an das Ende der Römerherrschaft.
Beide Organisationen gehen von dem Motive des Grenzschutzes
gegen die immer mächtiger auftretenden Germanen aus und sind
uns insofeme ein Ausdruck nicht blos für die Entwickelung der
Defensive, sondern indirect auch für die Ausdehnung und Ver-
mehrung der Offensive von Seite der Barbaren. Beide führen
endlich darauf hinaus, nicht mehr einzelnen Bundesvölkern, son-
dern ganzen Legionen den Grenzschutz anzuvertrauen, womit
wieder verbunden ist, dass nacheinander, erst das untere, dann
das obere Viertel des Wienerwaldes unter pannonischen Ober-
befehl gestellt wui'de. Der Grund dafür liegt so wol in der bedeutenden
militärischen Organisation der Provinz Pannonien, die ihrer grossen
strategischen Wichtigkeit entsprach, als auch in der Stellung von
Noricum zu ihr; fUr sich von weit grösserer ökonomischer als
strategischer und politischer Bedeutung kam letzteres naturgemäss
unter den Einfluss der ersteren, nachdem es überhaupt seine Selbst-
stanaca (stra) hält (p. 742) ; doch gibt er zu, dass der Name in allen Codices
des Itinerars Stanaco nicht Stanaca heisse. Kleinmayrn (Juvav. I, p. 26) setzt
Augustana (sie) castra zwischen Regenshurg und Passau, auf welcher Strecke
das Itinerar (Wess., p. 249) allerdings ein Augustis nennt. Allein nach der
Eintheilung der Länder, wie sie in der Notitia vorliegt, gehört diese Strecke
nach Raetia, nicht nach Noricum ripense; schon daraus erhellt, dass beide
Posten nicht identisch sein können.
*) Acer müUiae, anteire agmen^ locum caatris capere, nociu diuque eon-
silio, ac H res posceretj manu hostibus obniti, cibo foriuito, veste habituque vix
a gregario milite düd-epans; prorsus ai avarUia, abesset^ antiquU ducibus par,
mat.^ II, 6.
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151
ständigkeit verloren hatte. Dieses Verhältniss zwischen Pannonien
und Noricum gleicht ganz jenem, das zwischen dem Procurator von
Judäa und der Provinz SjTien bestand. Der Legat der letzteren unter-
stützte, wo es nothwendig war, mit seinen Truppen den ersteren, sowie
Pertinax im Markomannenkriege mit einer pannonischen Legion
den Norikem zu Hilfe eilen musste. Dagegen führte der syrische
Legat, freilich stets auf speciellen Befehl des Kaisers eine Art
Oberaufsicht über den Procurator in Judäa. Sowie der Legat
Vitellius die Procuratoren Pontius Pilatus und Kaiphas (Jos.
Antiqu. 18, 4, 2), ferner der Legat Quadratus den Procurator
Felix (Tac. Ann. 12, 54) absetzte, als über sie geklagt wurde,
ebenso lieferte Sabinus, der Statthalter im oberen Pannonien war
(Dio Cass. 78, 13), den Procurator Polenius Sebennus, über dessen
Regierung sich die Noriker beklagten, den letzteren zur Bestrafung
aus (230 nach Christi, Dio Cassius 76, 9).
IL Uebersicht der Festungen und Strassen,
deren strategische Bedeutung und Functionen.
Zu demselben Resultate, welches die Betrachtung der all-
mähligen Entwicklung der Vertheidigungsanstalten in unserem
Lande uns ergab, gelangen wir auch, wenn wir Castelle und
Strassenzüge mit Rücksicht auf ihre Functionen in's Auge fassen.
Dabei muss vor Allem bemerkt werden, dass es eine ver-
gebliche Mühe wäre, die Römerstrassen in unserem Lande und
die im Itinerarium Antonini ^ sowie in der tabula Peutingeriana
verzeichneten Distanzen der Römerorte flir sich allein und selbst-
ständig zu betrachten; denn ihre Anlage schliesst sich enge an
die Bodengestaltung an und beruht auf der strategischen Wichtig-
keit der Landstriche, in denen sie liegen; aus dieser muss jene
erklärt werden. Daher müssen die Strassen und Stationen in Grup-
pen betrachtet werden, die sie nach den eben genannten Merk-
malen zusammen bilden.
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152
In dieser Hinsieht zerfällt die gesammte Strecke zwischen
der Leitha und der Enns in drei Theile: in den pannonischen
Theil oder das Viertel unter dem Wiener Walde von der Leitha
bis zum westlichen Ausläufer des Kahlenberges, dann in den nori-
schen Theil, welcher wieder in den Landstrich zwischen dem Kah-
lenberge und der Erlaf, und in jenen zwischen der Erlaf und der
Enns abgetheilt werden kann.
6. Die pannonische Donaustrecke von Hainburg bis
Grreif enstein.
Der erste Theil ist, wie schon öfter bemerkt wurde, in strate-
gischer Beziehung der wichtigste gewesen, vermöge seiner Lage
gegenüber dem Marchfeld, weshalb wir hier schon im letzten
Viertel des ersten Jahrhunderts eine Truppenmenge aufgestellt
finden, die im Verhältniss zu denen, welche in anderen, auch in mili-
tärischer Beziehung wichtigen Landstrichen stationierten, eine
ausserordentlich grosse genannt werden muss. Es ist selbstver-
ständHch, dass damit eine diesen Besatzungen entsprechende Befe-
stigung der Stromstrecke zwischen dem Kahlenberg und den Höhen
von Deutsch- Altenburg verbunden war. Die Basis derselben bildet
ein von der Natur geschaffener Wall, durch welchen das ebene
Wienerbecken an der nördlichen Fronte gegen die Donau zu
geschlossen wird. Dort findet sich nämlich ein erhöhter Uferrand;
durch den Wienfluss von den Ausläufern des Kahlenberges getrennt
beginnt er mit dem Wiener- und Laaerberg und setzt sich in
allmäliger Steigerung gegen Petronell fort, um mit den Höhen
zwischen Deutsch - Altenburg, Hainburg und Wolfsthal abzu-
schliessen. Nur an zwei Stellen wird dieser erhöhte TJferrand unter-
brochen durch die Rinnsale der Schwechat und der Fischa.
Dies natürliche Bollwerk schliesst nun nicht vollkommen
knapp alle Zugänge in die Ebene des Hinterlandes ab. Zwischen
dem Kahlenberge und dem Wienfluss bleibt ein freier, ebener
Zugang. Auch im Osten zwischen Hainburg und Pressburg ver-
flacht sich der Boden; dieser Umstand ist hier um so gefährlicher,
als der jenseitige Uferrand höber als der diesseitige ist, also ein
Versuch den Strom vom linken Ufer aus zu übersetzen, leicht
gewagt werden kann. Auch mündet gerade gegenüber von dieser
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153
flachen Stelle ein schmales Thal aus, welches am linken Ufer
zwischen dem Thebnerkogel und den Bergen bei Pressburg gegen
Norden sich erstreckt und für den das Wienerbecken bedrohenden
Feind einen trefflich geschützten Zugang zu der Uebergangstelle
bei dem heutigen Pressburg bildet, wo das Donaubett ziemUch
schmal whd. Gelang es dem Feinde, hier den Strom zu über-
setzen, so konnte er die östliche Flanke des Uferrandes umgehen
und die Defensivanstalten auf demselben im Rücken angreifen,
oder, ihnen ausweichend, durch Pannonien hinab gegen Italien
vorrücken. — Endlich bilden die Thalwege der Schwechat und
Fischa zwei andere natürliche Pforten, die durch den Uferrand
hindurch in die Ebene führen.
Diese Mängel des natürlichen Walles suchten die Römer
durch künstliche Befestigungen zu paralysieren. An den Flanken
des Uferrandes wurden die beiden Standlager Vindobona und
Carnuntum (Wien und Petronell), jedes für eine Legion errichtet.
Das erstere war im Westen wohl durch eine Warte auf dem
Leopoldsberge und durch ein kleines sicher nachweisbares
Castell bei Klosterneuburg geschützt, welch' letzteres zugleich den
Thalweg zwischen Kierling und St. Andrä beherrscht; dadurch
wurde der einzige Zugang vom Tulnerfeld in das Wienerbecken,
welcher auf einen ziemlich grossen Umkreis den Barbaren mög-
lich gewesen wäre, abgesperrt. — In der Nähe des andern Stand-
lagers, von Carnuntum, findet sich bei Deutsch - Altenburg eine
treffliche Stelle zum Uebergang über die Donau vom rechten auf
das linke Ufer; hier wurden befestigte Brückenköpfe angelegt;
von dem jenseitigen haben sich Spuren im „öden Schloss" bei
Stopfenreut gefunden; der diesseitige befand sich in Deutsch-
Altenburg') und mochte durch eine Warte auf der Höhe hinter
diesem Orte geschützt worden sein. Endlich, wenn auch schon
auf ungarischem Boden gelegen, so doch zur Befestigung der
östlichen Flanke des natürlichen Walles dienten auf dem rechten
Ufer der Donau Gerolata (Kroatisch Jahrendorf j*), auf dem linken
') Der Vorsprung des Berges an dieser Stelle heisst „am Stein".
*) Von einer Specula «gegen Theben an der Mündung der March in die
Donau" spricht Hormayr in der Geschichte von Wien I, 2, S. 151. Ob diese
auf dem rechten oder linken Donauufer lag, bleibt nach der Ortsangabe Hor-
mayr's unbestimmt.
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154
die in dem Defii^e zwischen der March und den Höhen von Press-
burg angelegten Vorwerke, von welchen jedoch nur eines, das
bei Stampfen gelegene, aus Funden nachweisbar ist. — Auch die
Thalwege der Schwechat und Fischa wurden durch kleinere
Castelle gesperrt, die an den geschützten Stellen nahe bei ihrer
Mündung angelegt waren ; das eine, Ala nova, bei Klein-Schwechat,
das andere, Äequinoctiumy bei Fischamend, beide wahrscheinlich
von Reitern besetzt, worauf der Name Ala nova hindeutet*).
Diese Festungswerke verband die Reichsheeresstrasse , der
Limes, welcher auf dem erhöhten Uferrande hinlief). Die Distan-
zen'*) im Itinerartum Ant, und auf der Tabula sind:
A) Itineranum (p, 248 Wess,) B) Tabula,
Camuntum Caimuntum
a) — Aequinoctio XIIIL
b) — Villa Gai XIIIl
c) Aequinoctio et Ala nova in Vindobona IUI,
medio Vindobona XXVIIL
') Diese Ansicht sprachen schon Jordan (Orig. Slav. T. II. p. III. pg. 97).
und Magnus Klein (Notitia Austr. 11. p. 43) aus. Der Name Aequinoctium ist
schwer zu erklären und wohl nicht der ursprüngliche, sondern ein vielleicht
durch Abschreiber entstellter ; wenigstens lässt sich schwer absehen, auf welche
Weise der Begriff der Nachtgleiche zur Bezeichnung eines kleineren Postens
an der Grenze gebraucht werden konnte. Offenbar ging der ursprüngliche
Name auf die Lage des Ortes in der Mitte der Entfernung zwischen Vindobona
und Camuntum, von welchen beiden es genau 14 römische Meilen (Sy^ deutsche
Meilen) abliegt; es mag also der Ortsname in der ursprünglichen Fassung den
Begriff der Hälfte (des Weges) ausgedrückt haben, wie das spätlateinische
Aequilancium im Glossar. Isidor. (Vergl. Du Gange s. v.) Ob nun dieser Aus-
druck dem Ortsnamen zu Grunde liegt, oder irgend ein anderer der Vulgär-
sprache, den wir nicht kennen, — gewiss zielt der Sinn des ersten Thelles des
Namens (aequi-) auf die Lage des Postens am halben Wege zwischen Vindo-
bona und Camuntum.
') Darauf deutet der angebliche Ueberrest des Limes bei Wildungs-
mauer (s. das Verz. d. Fundorte), noch mehr die Bezeichnung: „ubi adhuc
magna exatant rudera antiquiaaimi muri^* in Urkunden, welche sich auf das
gesammte Donauufer von Petronell bis Wien bezieht. Hormayr, Geschichte
von Wien I, 2, S. 127. — Südlich von Wildungsmauer bei Scharndorf findet sich
der in der Umgebung häutig vorkommende Name : Haidäcker, auch Heidenäcker
geschrieben.
*)Es wird dabei die alte römische Meile, d. i. ein mille pasauum zu 24 Minu-
ten angenommen, so dass also fünf millia paaauum auf eine deutsche Meile gehen.
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155
Nach A) beträgt die Entfernung von Carnuntum nach Vin-
dobona 28, nach B) 32 römische Meilen. Da die Angabe A) der
Wirklichkeit vollkommen entspricht, so muss in B) ein Fehler
unterlaufen, der leicht nachzuweisen ist. Aequinoctium — an der
Mündung der Fischa gelegen — steht genau in der Mitte zwischen
beiden Endpunkten, liegt also von beiden 14 römische Meilen
ab. Die Distanz beträgt nach B b und c 18 römische Meilen;
offenbar ist in Angabe B b das Zeichen IUI irrthtimlich aus
Angabe B a wiederholt worden und es muss in B b statt XIIII,
heissen: X. Für die Zwischen posten Aequinoctium und Ala nova
gibt Angabe A keine Distanzen, sie werden nur einfach erwähnt
um die Richtung der Strecke von Carnuntum nach Vindobona
zu bezeichnen. Wie eben gezeigt wurde lässt sich der erstere der
beiden Posten Aequinoctium bestimmen, der andere wird in der
Tabula gar nicht genannt. Doch hat seine Bestimmung keine
Schwierigkeit; er lag nach Angabe A c zwischen Aequinoctium
und Vindobona; auf dieser Strecke findet sich aber kein Punkt,
der für die Anlage eines Postens gelegener wäre, als Klein-Schwechat
an der Mündung der Schwechat; diese liegt fast genau in der
Mitte zwischen Vindobona und der Mündung der Fischa, von beiden
also 7 römische Meilen entfernt. Die in der Tabula genannte
Villa Gai liegt wieder fast in der Mitte zwischen Vindobona und
Ala nova, um eine römische Meile näher bei letzterem; es dürfte
auf der Simmeringer Haide zwischen dem sogenannten Himmel-
reich und dem „Neugebäu" gestanden haben. Aus dem Vorhan-
densein dieses offenbar sehr kleinen Postens wird man mit Recht
schliessen, dass die ganze Strassen strecke zwischen Vindobona und
Carnuntmn in sieben bis acht Abstände zu je 3*/, bis 4 römischen
Meilen zerfiel, an deren Endpunkten grössere und kleinere Posten,
letztere wohl nur in Kriegszeiten, aufgestellt wurden. Wir werden
demnach auch auf der Strecke zwischen Aequinoctium und Carnun-
tum solche kleinere Posten annehmen können; so: oberhalb Elend*),
bei Regelsbrunn und bei Wilflingsmauer.
') Der Abt Klein spricht (II, 42) von den Ueberresten eines ungewöhn-
lich grossen Castelles auf halbem Wege zwischen Elend und Fischamend,
etwas landeinwärts, das auch Graf Marsigli im Danubius aufnahm. Jordan
(Orig. Slav. T, II, pars. III, pag. 97) leugnet den römischen Charakter der Reste
und hält sie für Theile eines mittelalterlichen Baues. Allein nach dem , was
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Die Strassen in der Umgebung von Vindobona und Carnun-
tum sind schon an einem andern Orte ausführlicher besprochen
worden*). Es sei hier nur bemerkt, dass vom Standlager von Car-
nuntum aus die Heeresstrasse in südöstlicher Richtung über Prel-
lenkirchen durch die sogenannten Heidenfelder fortlief, bis sie bei
Parendorf auf die von Scarahantia (Oedenburg) herankommende
Hauptheeresstrasse stiess, mit welcher vereinigt sie über Kittsee
und Kroatisch -Jahrendorf weiter zog. Zugleich ging ein anderer
Theil des Limes vom Standlager weg über Deutsch - Altenburg,
Hainburg und Wolfsthal nach Kittsee. Neben diesen dem militäri-
schen Verkehr dienenden Strassen führten zwei blos zum bürger-
lichen und zum Handelsverkehre bestimmte Strassen, die eine
von Regelsbrunn hinter dem Standlager von Camuntum vorbei
nach Kittsee, die andere von der Civilstadt Camuntum nach Pam-
dorf. Der Zweck dieser beiden Strassen war die Umgehung der
militärischen Werke von Carnuntum für den Waarenverkehr. Ihr
Kreuzungspunkt ist Agv Janus quadrtfrons (heute das Heidenthor
genannt) in der Nähe von Petronell.
In solcher Art war die Fronte des Uferrandes mit Trup-
pen, Festungswerken und mit der Heeresstrasse bestellt. Allein
dies genügte in einer strategisch so wichtigen Grenzstrecke noch
nicht ; es musste auch der Rücken der Truppenaufstellung gedeckt,
namentlich mussten die beiden Hauptpunkte, die zwei Legions-
lager, mit den tiefer in Pannonien gelegenen Reservepunkten in
Verbindung gesetzt werden. In der That sind wir im Stande, drei
Strassen nachzuweisen, welche nur diesen Zweck gehabt haben
können, und die wir deshalb die Reservenstrassen nennen.
Das Vorhandensein der ersten lässt sich nur aus Funden
constatiren. Am südlichen Abhang des öfter genannten Uferrandes
zieht sich eine Reihe von Fundstellen hin, an denen man Gräber,
Grabsteine, selbst Mithrassteine gefunden hat ; sie beginnt im Westen
Klein über ihr Aussehen und die Aehnlichkeit mit den Resten des Stand-
lagers bei Petronell vorbringt, scheinen ^ie doch römischen Ursprunges
zu sein.
') Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines, Bd. IX, S. 190 und
jBd. X, S. 192.
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bei Vösendorf und bewegt sich östlich über Maria Lanzendorf*),
Schwadorf, Stixneusiedl nach Brück, wo man Spuren einer Römer-
strasse fand •), und nach Pamdorf. In Vösendorl fand sich nur ein Mei-
lenstein, welcher ohne Zweifel der auch im Itinerarium aufgeführten
Koute angehört, die von Vindobona über Aquae (Baden) nach
Scarabantia (Oedenburg) fiihrte. Ueber Pamdorf lief die von
Scarabantia nach Camuntum zielende Strasse^). Zwischen beiden
Strassenzügen liegt nun jene geradlinige Folge von inschriftlichen
Funden, so stetig markiert wie sonst im ganzen Viertel unter dem
Wiener Walde keine mehr. Das darf uns wohl ein Anhaltspunkt
sein, in dieser Linie eine Strasse anzunehmen, welche die beiden
Legionslager miteinander verband und, da sie die Rinnsale der
Fischa und Schwechat durchschritt, auch die Zwischenposten
Aequinoctium und Ala nova, sowohl untereinander als mit den
Legionslagern in Verbindung setzte. Ihr Zweck konnte nur der
sein, im Rücken des natürlichen Uferwalles den militärischen
Verkehr zwischen den einzelnen Truppenabtheilungen zu ermög-
lichen.
Die Richtung der zweiten Reservestrasse ist uns im Itine-
rarium erhalten. Es ist eben die von Vindobona über Aquae nach
Scarabantia führende, deren Lauf über Gumpendorf, Inzersdorf
und Vösendorf durch die bei diesen Orten geftmdenen Meilensteine
bezeugt ist*). Der weitere Zug dieser Strasse ergibt sich aus dem
^) Ueber die Sagen, die sich an die Wallfahrtskirche von Maria-Lanzen-
dorf knüpfen (St. Lucas Predigt, Mark Aureis Sieg) s. Kirchl. Topographie
m, 245.
') Freiherr von Hormayr, Geschichte von Wien I. 2, S. 129. Man fand
die Spuren bei Stixneusiedl und Brück. Auch die Inschriften von Höflein und
Göttlesbrunn, sowie die Benennungen: Dorf Steinabrunn zwischen Hundsheim
und Deutsch-Altenburg (Weiskem, nied.-österr. Topographie, H, 206) jetzt zerstört,
dann oberer und unterer Heiden berg zwischen Höflein und Brück, dann
Hei den Wiesfelder, obere und untere He id wiesen, östlich von Brück bis zur
alten Schanze bei Parndorf, Heidenfelder, Heidenäcker bei Qötzendorf, Gall-
brunn, Scharndorf, Höflein, Göttlesbrunn , deuten auf mannigfache römische
Funde hin. (Vergl. die Generalstabskarte „Umgebung von Brück a. d. Leitha.)
•) Berichte und Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines, X. Jahr-
gang, S. 192.
*) Ueber jenen von Gumpendorf, der im XVI. Jahrhunderte noch in
Bruchstücken, jetzt nicht mehr vorhanden ist, vergl. Berichte und Mittheilungen
des Wiener Alterthumsvereins IX. Jahrcrang. S. 191 Note 3. Die anderen
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Itinerartuvij das ihrer dreimal gedenkt; erstlich (a) auf der Route
Vindobona — Sabarta (Steinamanger), p. 266 (Wess.):
(^Scarabantia)
Muteno XVIII
Vindobona XXXVI j
dann (J) im Iter a Sirmio Gallias per Sopianas et Lauriacum
p. 283 {Wes8)\
{Scarabantia)
Muteno XII
Vindobona XXII j
endlich (c) auf der Strecke a Vindobona . Poetovione{m) p. 261
{Wess.):
{Vindobona)
Aquis XXVIII
Scarabantia XXXL
Diese Angaben weichen um ein Bedeutendes von einander
ab ; in jeder steckt ein Fehler. Um die Correctur derselben zu
finden, müssten wir wenigstens einen der beiden Punkte zwischen
Vindobona und Scarabantia, entweder Aquae oder Mutenum, sicher
bestimmen können. Da in dem Namen Aquae selbst eine Hin-
weisung auf ein Heilbad liegt, und da man in Baden die un-
zweifelhaften Spuren für die Benützung seiner Heilquellen in
römischer Zeit *) gefunden hat, so ist kein Zweifel, dass Aquae
mit dem heutigen Curort Baden bei Wien zusammentriflft und
es ist auch von keinem der neueren Gelehrten bestritten wor-
den. Die Richtung der Strasse, die von Vindobona dahin führte,
kennen wir bis Vösendorf Da man ferner in Gumpoldskirchen
die Spuren römischer Gräber fand*), so darf als ebenso gewiss
erachtet werden, dass die Strasse von Vösendorf weg in möglichst
gerader Richtung über Neudorf nach Gumpoldskirchen und weiter
nach Baden gegangen sei. Alsdann beträgt die Entfernung zwischen
Steine siehe in y. Sacken und K. Sammlungen des k. k. Münz- und Antiken-
kabinets S. 101, Nr. 5, 10, 18, 20, 22 und Nr. 16. — In der Nähe des
Fundortes der Inzersdorfer Meilensteine findet sich noch heute der „Steinhof".
*) Vergl. das Verzeichnigs der Fundorte.
•) Vergl. das Verzeichniss der Fundorte.
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Vindobona und Aquae 18 römische Meilen, womacli in der An-
gabe c) XXVIII in XVIII zu corrigieren ist, welche Zahl sich
denn auch in einem verlässlichen Parisercodex — Parthey und
Pin der bezeichnen ihn mit D — erhalten findet.
Die Angabe c) setzt weiter die Entfernung von Aquae nach
Scarahantia (Oedenburg) auf 31 römische Meilen an, in welcher
alle Codices, mit Ausnahme eines einzigen, zusammentreffen. In
der That ist dies die noch jetzt nachweisbare Entfernung beider
Orte, wenn man die Strassenlinie von Baden aus quer durch die
Ebene, sei es über Pottendorf oder Ebenfurt, nach Gross -Höflein
gehend denkt, wo sie mit der jetzigen Poststrasse zusammentrifft
und weiter mit dieser nach Oedenburg geht. In keiner andern
Richtung erhält man die in zwanzig Codices (unter 21) gleich
angegebene Meilenzahl so genau.
Die Entfernung zwischen Vindobona und Mutenum wird nach
Angabe a) auf 36, nach b) auf 22 römische Meilen bestimmt;
dass letztere Entfernung unrichtig ist, fällt sofort auf. In der That
hat auch ein Codex an dieser Stelle statt XXII, XXXII, so dass
die Differenz zwischen beiden Angaben nur mehr 4 römische
Meilen beträgt. Von ihnen verdient die Angabe a), in der alle
Codices übereinkommen, das meiste Vertrauen. Da nach ihr
Mutenum von Vindobona 36 Meilen entfernt war und da wir
wissen, dass Aquae von Vindobona 18 und von Scarahantia 31
Meilen abstand, so muss Mutenum 18 Meilen von Aquae und 13
Meilen von Scarahantia entfernt gewesen sein, was genau mit
Gross-Höflein zusammentrifft*). Darnach muss in Angabe a) statt
*) Die Vermuthung Jordans (Orig. Slav. T. II., vergl. Hormayr,
Geschichte der Stadt Wien I. 2, S. 131), Mutenum sei kein Ortsname, sondern
bedeute „mutatio** und sei bei Dundelskirchen gelegen, mag dahingestellt
bleiben. Die Bestimmung von Mannert und Beichard auf Eisenstadt (Kis
Marton) trifft ziemlich nahe; der letztere Ort liegt aber zu weit gegen den
Neusiedlersee ab. Die Bestimmung von Lapie auf Wiener-Neustadt ist keine
glückliche; abgesehen davon, dass die Distanz von Mutenum und Scarahantia
alsdann viel grösser wäre, ist die Lage von Wiener-Neustadt fast mitten in
einer ausgedehnten Ebene zu wenig geschützt, als dass sie für die Anlage
eines römischen Postens hätte gewählt werden können. Auch steht die Sago
dass die Gegend um Neustadt ein Sumpf gewesen sei, die sehr verbreitet und
sehr wahrscheinlich ist, dem entgegen. Vergl. Böheim Wiener-Neustadt I,
12 f. Endlich sind in Wiener-Neustadt nur einzelne Münzen gefunden worden.
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160
Muteno XVIII, Muteno XIII, in Angabe h) statt Muteno XII,
Muteno XIII und statt Vindobona XXII, Vindobona XXXVI,
endlich in Angabe c) statt Aqms XXVIII, Aquts XVIII geschrie-
ben werden, lauter Fehler, deren Entstehung beim Abschrei-
ben sehr leicht erklärbar sind.
Der Zweck dieser Strasse war nun kein anderer als Vindo-
bona auf einem kürzeren Wege mit dem Sttitzpimkte Scarahantia
zu verbinden, als jener über Camuntum gewesen wäre.
Endlich finden sich noch die Spuren einer dritten Reser-
venstrasse in mehreren Funden angedeutet, theils inschriftlichen,
theils von Gräbern. Dahin gehören die Inschriftsteine von Neu-
dörfl bei Wiener- Neustadt, Froschdorf und Katzelsdorf, die Römer-
spuren in Scheiblingkirchen und Sebenstein*), also den Leitha-
und Pittenfluss aufwärts gegen die Wasserscheide zwischen Leitha
und Raab zu. Jenseits derselben fangen die Funde, soweit bisher
bekannt ist, bei Friedberg an (Grabsteine und Reliefs) und ziehen
sich nach dem Pinkabach abwärts über Dechantskirchen und
Ehrenhausen fort^). Bei Friedberg hat sich auch der Name „Hoch-
strasse" erhalten, der gewöhnlich auf Römerstrassen deutet. Die
Strasse, die nun in der Richtung der genannten Fundstellen gedacht
werden muss, mündete auf österreichischem Boden in die Strasse
von Aquae nach Mutenum, welche sie etwa bei Ebenfurt erreicht ;
auf ungarischem Boden konnte nur Saharia (Steinamanger) ihr
Ziel sein. Sie verband also Vindobona mit Sabaria, dem innersten
Stütz- und Reservepunkt für die Truppenaufstellung an der Donau
gegenüber dem Marchfeld. Sie mag nicht dieselbe Wichtigkeit
gehabt haben, wie die Strecke Vindobona-Mutenum-Scarabantia;
allein, wenn es sich darum handelte, in das von Feinden bedrohte
') Vergl. Böheim, Wiener-Neustadt. Zweite Auflage, I 13 f. Die alte
Sakristei der Kirche in Sebenstein soll ein römischer Tempel gewesen sein
am Eingange in die Kirche zu Scheiblingkirchen ist ein kaum mehr zu ent-
ziffernder Grabstein eingemauert. Auch diese Kirche soll ein Heidentempel
gewesen «ein. Unwillkürlich erinnert der Name „Scheiblingkirchen" an
römisches Bauwerk, wie ja auch der gescheibte Thurm bei Botzen ein römischer
Bau ist. Vergl. Mitteilungen der k. k. Central-Komm. 1857. S. 57 f. und VI.
Fortsetzung der Fundchronik im XXIV. Bd. des Archives der k. Akademie
der Wissenschaften, S. 279.
*) Ueber die Funde in Mitteilungen der k. k. Centi-al-Komm. für
Erforschung der Baudenkm. 1866, p. CVIII.
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161 __
Wienerbecken schnell eine möglichst grosse Anzahl von Truppen
zu werfen, so war es von einigem Gewichte, während die schweren
Fusstruppen über Mutenum vorrückten, einen zweiten Weg zur
Verfügung zu haben, der zwar über Gebirge führend, doch für leichte
Fusstruppen und leichte Cavallerie gut zu passieren war. Es wurde
sowol in diesem Falle, als in jenem, dass aus dem Wienerbecken
Truppen zurückgezogen werden mussten, durch die Anlage dieser
Strasse eine beträchtliche Zeiterspamiss erzielt.
Erinnern wir uns, dass wie Vindobona indirect, so Carnun-
tum dii'ect durch die Hauptheeresstrasse- in Pannonien mit Scara-
hantia und Saharia in Verbindung stand, so vervollständigt sich
uns das Bild der Strassenanlage im Viertel unter dem Wiener
Walde. Die Stränge derselben bilden drei in einander geschobene
Dreiecke, welche zur gemeinschaftlichen Basis die gefährdete Strom-
strecke zwischen dem Kahlenberge und der Leitha haben und ihre
Scheitelpunkte in den hintereinander gelegenen Reservepunkten,
dem heutigen Brück an der Leitha, dann in Scardbantia und
Sabaria finden.
Wir erkennen in ihr ein System, dessen Hauptzielpunkt war,
eine vielfältige und möglichst gedeckte Verbindung der einzelnen
Posten in der Fronte der Truppenaufstellung sowohl untereinan-
der, als mit ihren Reserven herzustellen, lun den Zu-, imd Abzug
der Truppen so rasch als möglich bewerkstelligen zu können.
Neben diesen dem militärischen Gebrauche zunächst gewid-
meten Strassen sind die Spuren einer vierten Strasse nachweis-
bar, die wohl nur ein Handelsweg gewesen ist und über den
Semmerin^ in's norische Binnenland führte. Sie zieht sich am
östlichen Bergrand des Wiener Waldes von Baden über Vöslau
und Leobersdorf*) gegen Steinabrückl. Von hier lief ein Zweig
*) In der Nähe von Leobersdorf auf der Mitte des Weges nach Matzen-
dorf gibt es ein „Stadtfeld", auf welchem man mehrere zubehauene Steine aus-
gegraben hat. Daran knüpft sich die Ueberlieferung , dass der jetzige Markt
Leobersdorf einst eine Stadt gewesen sei. Kirchl. Topographie V. S. 116,
wo der Name „Stadtfeld" daher erklärt wird, dass über dieses Feld der Weg nach
Wiener-Neu s t a d t gehe, eine Erklärung die uns gänzlich unrichtig scheint. Der
Ausdruck „Stadt" findet sich auch für ein Feld bei Scheibbs, wo man Qötter-
figuren in Bronze fand (Fundchronik, Archiv XXXVIII Nr. 16), ferner in Hollen-
burg und Niederwallsee, s. u. In ähnlicher Weise mag der Name „Stadtfeld"
die Erinnerung an einst noch sichtbare Ruinen eines römischen Qrtes enthalten« .
11
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162
über WöUersdorf und „die Oed'* nach Pernitz im Piestingthal,
ein anderer nach Muthmannsdorf *) ; die Hauptstrasse ging über
Fischau*), Brunn und Neunkirchen *) gegen den Semraering zu.
Dieselbe Richtung hielt die alte sogenannte Salzstrasse ein, auch
finden sich längs dieser Linie die meisten und die ältesten Ort-
schaften der Umgegend, endlich haben sich bei den obengenann-
ten Punkten in früherer Zeit unzweifelhafte Kömerfunde gezeigt,
welche von Böheim in seinem oben angeführten Werke über
Wiener-Neustadt (I 11) und nach ihm in dem beiliegenden Ver-
zeichniss der Fundorte aufgezählt erscheinen^).
7. Die norische Donaustrecke. Der Landstrich von
Greifenstein bis zur Traisen.
Um vieles einfacher, für uns aber nicht minder wichtig,
sind die Vertheidigungsanstalten im norischen Uferlande. Der eine
Theil desselben , den wir vorerst zu betrachten haben, erstreckt
sich von dem westlichen Rande des Wiener Waldes bis zur Mün-
dung der Erlaf und zerfällt in zwei Hälften, welche in Beziehung
auf die Plastik des Bodens einander geradezu entgegengesetzt
werden können. Die eine bis zur Mündung der Traisen reichende
Hälfte zeigt unmittelbar am Strome eine gestreckte schmale Ebene
') Südlich und nördlich von Muthmannsdorf finden sich Abhänge, welche
den Namen „BurgstalUeithen" führen. Vergl. die Administrativkarte des Ver-
eines fdr Landeskunde von Nieder-Oesterreich, Blatt Wiener-Neustadt Auch
will man daselbst die Spuren einer römischen Strasse und die Fundamente
eines praediums gefunden haben; siehe noch das Verzeichniss der Fundorte.
*) Die Strasse von Fischau nach Steinabrückl , die weiter über Hölles
nach Baden führt, heisst noch jetzt die „Römerstrasse". Keiblinger, Geschichte
von Melk. II, 712. Note.
*) Die Funde von Neunkirchen siehe im Verzeichniss der Fundorte; in
der Nähe von Pottschach führt ein Feld den Namen ,»iin Burgstall".
*) Muchar spricht in seinem römischen Noricum (I 307) ebenfalls die
Vermuthung aus, dass eine Strasse über den Semmering geführt habe, und
wiederholt diese Hypothese mit grösserer Bestimmtheit in seiner Geschichte d.
Steiermark, I, 92. — lieber die Funde im Murthal zu MOrzzuschlag (Münzen)
und Pischk bei Brück, vgl. J. G. Seidl, Fun<lchronik in Schmiedls Blätter für
Literatur und Kunst. 1846 (Separatabdr. I, S. 11 und 12.) — Spuren finden
sich auch auf der steirischen Seite des Semmering beim (Cerewalder) Spital
ober Mürzzuschlag. Vgl. Hormayrs Archiv für Geogr. 1827, S. 27, wo die
Bömerstrasse von Baden weg fast nach denselben Richtungen wie von uns
Termuthet wird.
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163
— das Tulnerfeld — und ist gegen Süden in einem Halbbogen
von den Ausläufern des Wiener Waldes begrenzt. Diese Ebene
steht also gegen den Strom hin offen, welcher hier zahllose Inseln
und Auen bildet. Ihr entspricht am jenseitigen Ufer eine ebenfalls
in die Länge gedehnte schmale Ebene, indem auch die Ausläufer
des Manhartsberges in einem Halbbogen zurücktreten und nur an
den Endpunkten der Fläche, bei Stein und LangEnzersdorf an
den Strom vorspringen. Am oberen Ende der Ebene münden die
Krems und Kamp in die Donau, zwei Flüsse, die tief in die ber-
gige Gegend des oberen „Waldviertels" hineinflihren und zwar
rauhe, aber verborgene Zugänge zum Strome bilden. Sowohl das
jenseitige als das diesseitige Stromufer können demnach auf dieser
Strecke als ein Gegenstück zu jenen im unteren Viertel des
Wiener Waldes, freilich in verkleinertem Massstabe gelten, sie
sind gewissermassen eine Fortsetzung der letzteren und gaben, wie
diese für die kriegerischen Actionen der Römer und Barbaren
der Hauptschauplatz gewesen sind, ein gut gelegenes Terrain für
Neben Operationen und Flankenbewegungen ab. Nur darin liegt ein
Unterschied, dass die untere Ebene an der Schwechat und Fischa
durch den erhöhten Uferrand von Natur aus gesichert war, wäh-
rend das Tulnerfeld eines solchen Schutzes entbehrte. Das letztere
hatte also, wenn auch nicht eine selbstständig hervorragende
militärische Bedeutung, doch eine grosse Wichtigkeit für den Schutz
der linken Flanke der Truppenaufstellung im Wienerbecken, auch
war es nothwendig dem gänzlichen Mangel natürlichen Schutzes
durch künstliche Befestigung nachzuhelfen. Das Tulnerfeld wird
von drei kleinen Wässern quer durchschnitten, es sind die beiden
Tulnbäche, der grosse und der kleine, von denen nur der erstere
in Betracht kommt, und die Perschling; dann sind die Traisen
auf der einen und der Höhenzug, der bei Greifenstein an die
Donau abfällt, auf der anderen Seite günstige Punkte für die
Anlage fester Posten, deren also die Ebene im Ganzen vier enthält.
Zwei von ihnen wurden schon unter K. Vespasian benützt, welcher
ah dem Ausgange des Thaies von Kierling und zu dessen Schutz
den Posten Cetium (Zeiselmauer)'), weiter an der Mündung des
*) Von dem Castell, das auf einer etwas erhöhten Terrainstelle liegt,
gewahrte man noch um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts das gleichseitige
11*
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164
gros en Tulnbaches Commagena (Tuln) anlegte ; von diesen Orten
muss dererstere als der Hauptpunkt gelten, indem K. Hadrian
die in der Nähe liegende Civilstadt zum Municipinm erhob.
Der Punkt an der Traisenmündung wurde wohl auch damals
schon befestigt, wenn gleich wir erst unter Antoninus Pius (138
— 1611 ein thracisches Reitergeschwader dort nachweisen können.
Der Name dieses Postens war wahrscheinlich schon von der Grün-
dung an: ,yad Tricesimum (lapidemf^ da der Punkt von der
Hauptstadt des unteren Uferlandes, Arelate (Gross - Pechlam),
30 römische Meilen abliegt; er erscheint aber erst auf der Tabula,
in den Namen Trtgisamum entstellt.
Im Markomannenkriege muss sich nun dieser letztere Punkt
als besonders wichtig herausgestellt haben ; wahrscheinlich hat eine
germanische Schaar aus dem Kampthale vorbrechend, das kleine
Gasteil eingenommen und sich dadurch zum Herrn des Tulner-
feldes und des Traisenthales gemacht ; ja, da an letzteres sich das
Thal der Türnitz anschliesst, das in der Richtung über Maria-
zeil in das binnenländische Noricum hinabführte, so stand auch
dieses mit seinen Eisen- und Waffen werken der Raubschaar offen.
Auch der Posten Cettum muss damals zerstört und damit die
linke Flanke der Position Vindobona gefährdet worden sein. Wir
können auf ein solches Ereigniss aus dem Umstände schliessen,
dass die Befestigung, durch welche in der Folgezeit das Tulner-
föld geschützt wurde, gerade den Punkt an der Traisenmündung
zum Hauptpunkte machte. Es mag damit dessen ausgedehntgre
Befestigung verbunden gewesen sein. Zugleich wurde das munici-
pium Cetium an diesen (Jrt verlegt, wovon der letztere auch den
Namen Cetium erhielt. Noch vor oder spätestens unter Alexander
Severus wurde aber das alte Cetivm (Zeiselmauer) , wie schon
bemerkt, wieder hergestellt, was übrigens auf das jüngere Cetium
Mauerviereck von 480 Fuss Länge und Breite, also 6400 Klafter Flächen-
inhalt, nebst den Ueberresten der Thürme. Jordan, Orig. Slav. (1745) T. ü,
pars III, p. 66. (Er hält Zeiselmauer für das alte Commagena, sicher mit
Unrecht.) Das nahe am Orte Z, gegen Süden gelegene „Steinfeld" dürfte wohl
seinen Namen von dort befindlich gewesenen Ueberresten von Cetium haben.
Vergl. über d. Reste auch Schweickhard (V. O. W. W. I, 37), der vorzüglich
die Qegend gegen Osten nach Doi^ Wördem hin als Fandstelle alten Mauer-
werkes angibt.
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165
keinen anderen Einfluss ausübte, als dass es wieder mit dem
älteren Namen, entstellt in THgisamum^ bezeichnet ward. — Auch
an dem vierten Punkte des Tullnerfeldes , an der Mündung der
Perschling, wurde, wahrscheinlich nach dem Markomannenkrieg, ein
Castell errichtet, das wohl von den Krümmungen des Baches den
Namen ad Pirum tortum oder Pirus tortus (Pischelsdorf) erhielt.
In gleiche Zeit mag femer die Erbauung eines Beobach-
tungsposten an der Mündimg der Kamp fallen (Cannahiaca?)
Alle diese Festungen blieben fortbestehen, nur dass der Haupt-
punkt bei Traismauer späterhin den Namen Faßanae und das
Castell bei Zeiselmauer den Namen Asturis erhielt
8. Der Landstrich vonder Traisen bis zur Erlaf.
Wie das Land zwischen dem Kahlenberg und der Traisen,
so besteht auch jenes zwischen der Traisen und Erlaf aus einem
ebenen und aus einem gebirgigen Theil, doch liegt hier nicht der
ebene Theil am Strome, sondern der gebirgige. Eine ziemlich hohe
und steil an die Donau abfallende Bergreihe, welche sich von
Mautern bis zum Kloster Schönbüchel erstreckt, schützt die Trai-
senebene und das Rinnsal der Bilach, die bei Melk in die Donau
mündet; wir haben also auch hier eine ähnliche Bodengestaltung,
wie jene zwischen dem Kahlenberg und der Leitha. Nur ist die
obere Strecke entfernt nicht von der militärischen Bedeutung, wie
die untere, sowohl weil hier die Ebene kleiner ist, als auch weil
das entsprechende linke Donauufer keine Fläche, wie das March-
feld, bildet, sondern ein steil an den Strom abfallendes Hochland,
aus dem nur die bei Spitz, Aggsbach und Weiteneck mündenden
kleinen Wässer an die Dondu führen. Daher ist zwar im Ganzen
die Anlage fester Punkte hier so eingerichtet, wie auf dem Ufer-
rande zwischen Vindobona und Carnuntum, aber sie sind hier
selbstverständlich nicht so weitläufig und ansehnlich wie unten.
Es genügten am Ufer der Donau zwei Warten, gegenüber von
Spitz und Aggsbach'), um die Pforten des jenseitigen Berglandes
') Es lassen sich Castelle diesen Punkten gegenüber voraussetzen, weil
bei ihnen kleine Wässer aus dem Manhartsberge in die Donau münden. Die
Castelle mussten oberhalb Arnsdorf gegenüber von Spitz und bei Aggsbach
(am rechten Ufer) gelegen haben; beide Orte erscheinen schon im IX. Jahr-
hunderte wieder, wie denn überhaupt die ältesten Ortschaften unseres Landes
auf den Besten oder im Umfange der Bömerorte entstanden sind.
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16«
zu überwachen. Dagegen mussten die Endpunkte des romantischen
Stromthaies sorgfältig befestigt werden, um die Zugänge an dem
unteren in das Thal der Traisen, an dem oberen in das der Bilach
zu decken. An ersterem hatte diese Function das Castell bei
Mautern zu versehen, welches auch die Kremsmündung bewachte
und wohl durch kleinere Warten zu Hollenburg'), vielleicht auch
auf dem Hügel von Qöttweih mit Trigisamum correspondirte.
Den Namen des Postens bei Mautem kennen wir nicht; er mag
eben mit den anderen Werken an der Traisenmündung zusammen
die Position Trigisamum gebildet haben, so wie ja auch Carnun-
tum aus mehreren Werken bestand. Dagegen ist der Posten am
oberen Endpunkt dem Namen nach bekannt; es ist ad Mauros
(in der Tabula entstellt ,,^amare^*) , bei Melk*), an der Mündung
der Bilach. Ohne Zweifel war der schroff gegen die Donau vor-
^) Nach einer Bemerkung des Abtes Magnus Klein (Notitia Aust. II,
p. 52) fand sich noch au seiner Zeit in der Nähe von Mautern bei Hollen-
burg ein viereckiger Thurm auf einem Felsen an der Donau, den man für
einen römischen Bau hielt. Auch geht in Hollenburg, wie in manch' andern
ehemaligen Römerorten die Sage, dass hier eine Stadt gewesen sei. (Schweick-
hardt IX, 203.) Da Hollenburg gerade fünf römische Meilen von Traismauer
entfernt liegt, so ist nicht unwahrscheinlich, dass es derselbe Punkt sei,
welcher in der vita S, Severini von Eugippius (c. 5) erwähnt wird. Der
Heilige, sagt letzterer, habe sich öfter an einen einsamen Ort, der fünf
Meilen von Fafianis (Traismauer) entfernt ist, und von den Ein-
wohnern Purgum genannt wird, zurückgrezogen, um ungestörter und
inniger mit Gott verkehren zu können. Ohne Zweifel war es, wie der Name
darauf hinweist, ein kleines Castell, ein monopi/rcjmm oder ,,hurijvs'-*'^ der
Erbauung eines solchen bei Laureacum (im Jahre 370) gedenkt eine in Enns
gefundene Inschrift (Gaisberger in den Beitr. z. Landesk. von Oesterr. o. d.
Enns, VIII, S. 60); auch praesidia hiessen dergleichen Festungswerke; vergl*
die Inschrift aus Erdy, Orelli-Henzen, 4987.
*) Den Posten ad Mauros (in der Notitia „a^Z Muros'-'-) suchte man
nach dem ähnliche^ Namen häufig bei Mauer in der Nähe von Melk, und
bei Mauer an der ürl gegenüber von Oehling, beides mit Unrecht. Wohl
darf man bei Ortsnamen, die „Mauer" lauten oder mit diesem Worte zu-
sammengesetzt sind, aut* die Existenz römisclier Orte schliessen, wie: Wilflings-
maucr, Zeiselmauer, Traismauer, nicht aber auf den beistimmten, einzelnen
Ort ad Mauros. Die Namen „Mauer" deuten auf Ueborrestc von altem Mauer-
werke, aber eine Bewahrung des Volksnamens y^Mauri**^ im deutschon Mauer
ist ganz unwahrscheinlich. Die Bezeichnung „OffÄ^e/? /m /«errmni" für das Oasteil
bei Melk taucht erst in der Zeit der nia^yarischon Herrschaft auf. Vergl.
darüber Keiblinger Gesch. v. Melk I. 107.
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167
springende Felsen, auf dem jetzt die Abtei steht, mit einer Warte
bestellt. Allein das in der Notitia genannte Standlager ad Mawros
muss unter demselben in der Ebene gestanden haben, da ja als
seine Besatzung equites ]yromoti (auserlesene Reiter) genannt wer-
den, deren Quartier auf einer schroflfen Höhe keinen Zweck ge-
habt hätte.
Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass auch an dem
landeinwärts gelegenen Punkte, wo das Traisen- und Bilachthal sich
am nächsten kommen,- bei dem heutigen St. Polten, wenigstens in
Kriegszeiten ein Posten bestanden habe, der als Verbindungs- und
Reservepunkt, wie man ihn nennen kann, zwischen den Posten
Trigisamum, ad Mauros und Vindohona diente. Die Funde deuten
dort auf einen grösseren Civilort *) , der ein Collegium fabrorum
aufweist, welches wohl das längs des Tümitzthales aus den Eisen-
werken um Maria-Zeil herbeigeführte Rohmateriale verarbeitet haben
mag ; allein da die bisher gefundenen Objekte einen ausgesprochen
militärischen Charakter nicht haben, so kann diese Voraussetzung
nur als eine Vermuthung gelten, auf die wir weiter unten noch
einmal zurückkommen werden.
9. Die Strassen von dem Wienflusse bis zur Erlaf.
Die Strasse, welche von der Mündung des Wienflusses zu
jener der Erlaf führte, findet sich im Itmerarium Antomm zwei-
mal (p. 234 und 248), sodann in der Tabula erwähnt; die Bestim-
mung ihrer Richtung bietet einige Schwierigkeiten dar, zu deren
Beseitigung die Auffindung von Punkten zunächst nothwendig ist, die
mit völliger Sicherheit bestimmt werden können. Solche sind Vin-
dobona, dessen Lage in der nordwestlichen Hälfte der heutigen
*) In der kirchlichen Topographie von Nieder- Oesterreich (I. Abtheil.,
Bd. VII, S. 3, vergl. 9) findet sich die Sage erwähnt, da^s das Stift St. Polten
anf den Ueberresten einer römischen Festung sich erhoben und dass diese
von dem Traisenflusse den Namen Traisma geführt habe (der- Name St. Polten
taucht erst in der 2. Hälfte des XI. Jahrhunderts auf). — Schönwiesner und
Schau kegl Huden sich veranlasst, Cotium nach St. Polten zu verlegen (Uor-
mayr, Gesch. d. Sta«It Wien, 1, 2, S. 135), was aber ganz unrichtig ist. — In
dem Winkel, den die nach Melk mit der nach Süden führenden Strasse bildet,
liegt ein „liurgfeld" in der Richtung gegen Ilafing. Vorgl. auch das Verzeich-
niss ihr Fundorte.
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163
inneren Stadt Wien ausser Zweifel steht"), ferner das ältere Cetium
(Asturis) das sich als Cetil mui-us y Zeizinmüre im Mittelalter
erhielt und dessen Lage bei Zeiselmauer nicht bestritten werden
kann, endlich das jüngere Cetium ^ dessen Narae Trigisamum auf
Traismauer hindeutet. Die Richtung der Strasse, welche die beiden
Cetia verband, ist von Natur aus gegeben. Im Einzelnen nennt
nur die Tabula die an derselben gelegenen Orte:
a) Von Citio nach Comagema . VII miUia passuum
b) „ Commagenis nach Ptrotorto VIII „ ;,
c) „ Ptrotorto nach Trigisamo VIII „ „
Die Angaben a) und c) treffen genau mit den heutigen Ent-
fernungen zwischen Zeiselmauer und Tuln, und zwischen Dürren-
rohr und Traismauer zusammen, Die Angabe b) bietet eine
Schwierigkeit, denn einerseits fällt der achte Meilenstein von Tuln
weg auf den Ort Dürrenrohr, andererseits ist die Lage des letz-
teren Punktes so, dass ein Castell an demselben sich nicht füg-
lich annehmen lässt.
Nach der constant beobachteten Art der Kömer, feste Punkte
in den Winkeln anzulegen, welche von zwei zusammen fliessenden
Wässern gebildet werden, damit die Fronte und mindestens eine
Flanke des Castells einen natürlichen Schutz habe, muss Pii-uh
tortus bei Pischelsdorf an der Perschling gelegen haben, worauf
auch der Name deutet. Dies liegt aber nur fünf Meilen von
Commagena ab. Dass nun in der Tabula sieh an dieser Stelle
ein Fehler finde und die Zahl VIII in V umgeändert werden
müsse, ist aus dem Grunde unwahrscheinlich, weil, wie wir sehen
werden, die Orte an der Strasse zwischen Vindobona und Trigis-
amum constant genau abgemessene Abstände von je 7 bis 8
römischen Meilen zeigen. Wir vermuthen, dass das Castell ,,Piro
torto^' thatsächlich bei Pischelsdorf gelegen habe, und dass der
Pirus tortus der Tabula ein, drei römische Meilen weiter auf-
wärts errichtetes Vorwerk dieses Postens gewesen sei, das auch
mit dem Namen des Hauptwerkes bezeichnet und zugleich als
Mansio eingerichtet worden war*).
') Ber. u. Mittheil, des Wiener Alterthumsvereines, Bd. IX, 178 f.
*) Abt M. Klein (Not. Austr., II, p. 51) verlegt die Station ^piro torto'^
nach Bierbanm, weiter aufwärts von Dürrenrohr gegen Traismauer zu. Der
Käme hat allerdings einen ähnUchen Klang. Allein es spricht dagegen erstlich
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169
Die Strasse, welche die beiden Cetia verband, lief demnach
von Zeiselmauer in gerader Richtung westwärts, bis sie mit der
Strasse zusammentrifft, die heutigen Tages Tuln und Tulbing ver-
bindet, dann in der Richtung der letzteren über Pischelsdorf,
Dürrenrohr und Gemeindelebarn, wo man den Grabstein eines
Veterans der in Trigisamum stationirten Ala prima Augusta
(Thraciim) fand, nach Traismauer; der Theil der Strasse zwischen
Pischelsdorf und Traismauer heisst noch heute die „Zeiselstrasse",
eine Benennung, welche wie „Zeiselmauer" auf den alten Orts-
namen Cetzum hinweist. Jordan') bezeichnet sie als eine sehr alte
Strasse.
Die östliche Fortsetzung der Heeresstrasse bis Vindobona
lässt sich nun leicht bestimmen. Das Jtinerarium und die Tabula
geben folgende Distanzen:
A. Itin. p. 234. B. Itin. p. 248. C. Tabula
Vindobona Vindobona Vindobona
a) — — Citio VI
b) Commagenis XXIIII Commagenis XX Commagenis VII
c) — — Piro torto VIII
d) Ceiio XXIIII Cetio XXX ' Trigisamo VIII
Die Summe der Distanzen beträgt flir die Angabe A
48, für B 50, für C 29 römische Meilen, die alle nicht zutreffen.
Um die Correcturen zu finden, muss wieder von einem
bestimmt nachweisbaren Punkte zwischen Cetium (Zeiselmauer)
und Vindobona ausgegangen werden. Als solchen finden wir das
durch Funde genugsam bestätigte Castell bei Klostemeuburg. Die
Richtung der Strasse von Vindobona dahin führte über Währing
und Döbling; sie ist durch ein Grab im Hofe des Militärspitals
und durch Ziegel aus Döbling bezeugt; weiter ging sie in der
einzig möglichen Richtung, welche auch die jetzige Donaustrasse
einhält, nach Klosterneuburg. Das Castell daselbst lag sonach am
neunten Meilenstein von Vindobona aus; es würde ohne Zweifel
die in der Tabula angemerkte Entfernung, dann der Umstand, daas sich be
diesem Orte kein lebendiges Wasser fand, also die Anlage eines Postens hier
weniger gerechtfertigt war, als an der Perschling. Um vieles wahrscheinlicher
ist die Ansicht von Aschbach, der den Ortsnamen von den vielen Windungen
der Perschling (Pirus) ableitet. (Sitzungsber. XXXV, S. 16.)
') Orig. Slav. T. 11, pars III, p. 63, ^jantiquiaaimam viam^*.
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nach dem Normale der Distanzen (von acht Meilen) an der Mün-
dung des Weidlingbaches, welcher Wien um eine römische Meile
näher liegt, angelegt worden sein, wenn nicht die Absicht, das
wichtigere Thal des Kierlingbaches zu beherrschen, den Ausschlag
gegeben hätte, es an der Mündung des letzteren anzulegen, also
ein mille passuum über das Normale zuzugeben. Vom Castell in
Klosterneuburg aus konnte die Strasse in zweifacher Richtung
nach Zeiselmauer geführt werden; entweder an der Donau fort,
über Greifenstein, also um den Bergvorsprung von Qreifenstein
herum, oder im Kücken desselben durch das Thal von Kierling-
Alle Umstände sprechen für die Wahl der letzteren Route; sie
war kürzer, verband die beiden Posten in fast gerader Linie,
war durch sie selbst und den Bergvorsprung gegen feindliche
Ueberfälle und gegen Hochwasser vollkommen geschützt *). Die
Entfernung zwischen beiden Posten längs des Thaies von Kier-
ling beträgt wenig mehr als sieben römische Meilen, also die Ent-
fernung von yindobona nach Cetüim sechszehn (9 -|- 7). Da wir
die Distanzen zwischen Cetium und Trigisamnm kennen, so erge-
ben sich nun folgende Entfernungen:
Von Yindohona nach Cetium XVI
„ Cetium nach Commagena VII
„ Commagena nach Firus tortus. . VIII
„ Pirus tortus nach Trigüamum . . VIII
Die Entfernung von Vindobona nach Commagena beträgt
also XXni, jene von Commagena nach Trigisamum (Cetium des
Itinerars) XVI, endlich die gesammte Distanz zwischen Vindobona
und Trigisamum XXXIX römische Meilen, womach die Correc-
turen der oben aufgeführten Angaben gemacht werden müssen.
In Angabe A l muss.die Zahl XXIIII in XXIII, m A d XXIIII
in XVI, ferner in Angabe B h muss die Zahl XX in XXIII, in
B d muss XXX in XVI geändert werden ; am richtigsten bringt
*) Auch Jordan, Orii,'. Slav. T. II, pars III, p. 65, vermuthet, dass die
Strasse durch das Thal von Kierling' nach (Vt.inm g^cführt habe. Horniayr,
Grsch. V. Wien, I, 2, S. 131, führt sie üher Greifenstein unl St. AndrH und
beruft sich auf den Ausdnick ,ylapis pandcns^' in einer Urkunde Ludwig des
Frommen, der in nra montia (hmmaffcui sich fand. Oh damit ein Meilenstein
g^emeint war, oder in wiefern diese Stelle als Beweis für die Kichtaug der
Strasse angesehen werden kann, bleibe dahingestellt.
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die Tabula die Distanzen ; nur ist in C a statt VI, XVI zu setzen,
ein Fehler, der sich leicht durch den Ausfall des X erklären lässt,
auch geht aus diesen Distanzen hervor, dass der Name des neuen
Cetmm „ad tricesimum'^ oder „Trigisamiim^^ der von seiner Lage
am 30. Meilensteine herrührt, nicht auf die Distanz des Ortes von
Vindobona, von dem es 39 Meilen absteht, sondern auf jene von
Arelate sich bezieht.
Die Richtung der Heeresstrasse von Tvigisamum aufwärts
nach Arelate j von der Mündung der Traisen bis zu jener der
Erlaf konnte entweder an der Donau fort über Mautern , Rossatz
und Schönbüchl an die Mündung der Bilach, oder sie konnte
landeinwärts durch das Thal der Traisen geführt werden. Wir
müssen uns auch hier für die letztere Route entscheiden, denn
die Heeresstrasse an dem Ufer der Donau führen, wo kaum
Platz für sie war, hatte keinen Zweck. An der Donau selbst
lag kein bedeutender Römerort, dem eine Strasse zugute ge-
kommen wäre, jenseits ging kein Handelsweg. Man hätte damit
nur einen schwierigeren Strassenbau und einen längeren, der
Ueberschwemmung bei Hochwassem ausgesetzten Weg erzielt, so
dass gerade im Frühjahr, wo die Germanen gewöhnlich ihre Feind-
seligkeiten begannen, die Verbindung der Posten gelitten hätte.
Ohne Zweifel ging die Strasse in der kürzesten Richtung von
Traismauer nach Melk. Wir haben für die Bestimmung ihrer
Trace keinen andern Anhaltspunkt als den Namen Trigisamum
d. h. ad tncenmum lapidem für das Castell an der Traisenmün-
dung. Der 30. Meilenstein von Arölate (Gr. - Pechlarn) weg, fällt
zufolge dieses Namens in den Bereich des heutigen Traismauer.
Da Gross-Pechlarn von der Mündung der Bielach, wo ad Mauros
lag, etwas mehr als 7 (beiläufig 7'/^ römische Meilen abliegt, so
muss die Distanz zwischen letzteren und Trigisamum 22 oder
genauer 22*/^ römische Meilen betragen. Genau diese Distanz
ergiebt sich, wenn man die natürlichste und nächste Linie für den
Lauf der Strasse voraussetzt; dies i^^t die Linie über Lizersdorf
Absdorf nach Weyersdorf, wo sie die erste Terrasse der Ausläufer der
Bergreihe am Uferrande besteigt; weitergeht sie von Weyersdorf *)
*) Jiri Wpyersdorf firulen sich im WaMo zwei TerminstpUen , welrho
„Barjrstall- hei.sson. Vcrgl. die rom Vereine für Landeskutide von Nieder-
Oüsterreich herausgegebene Adininistrativkarte, Umgebungen von St. Polten.
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172
über Hoheneck *) und um den südlichen Abhang des Dim-
kelstoiner Waldes herum nach Mauer und fällt von hier, die
gerade Kichtung auf die Mündung der Bilach einhaltend, in die
Ebene herab '). Itinerarium und Tabula zeigen auf dieser Strecke
Fehler, welche leicht zu verbessern sind; ihre Angaben lauten:
A) Itin. p. 234. B) hin, p. 248. C) Tabula.
Cetio Cetio Trtgüamo
a) — — Namare XVI
h) Arlape XXII Arlape XX Arelate VII
Es mussin Angabe Ca statt XVI, heissen XXIII; in den
Angaben A und B ist ein X ausgefallen, es muss also in Angabe
A b statt XXII, XXX, in Angabe B b statt XX ebenfalls XXX
heissen.
Von der Hauptstrasse weg liefen die Verbindungswege quer
über das Gebirge an die Donau, zu den kleineren Warten, die
sich gegenüber von Spitz und Aggsbach voraussetzen lassen. Auch
auf dieser Landesstrecke wird eine Keservestrasse voraus-
gesetzt werden müssen, welche weiter landeinwärts die Posten Trigisa,
mum und ad Mauros mit dem von uns vermutheten Posten bei dem
heutigen St. Polten und weiterhin diesen selbst mit Trzgisamum
über Unterradelberg und St. Andrä, dann mit Vindobona verbun-
den habe ; letztere hat die Linie über Purkersdorf und von hier aus
höchst wahrscheinlich jene über Neulengbach und Böheimkirchen
eingehalten und zugleich von Purkersdorf aus einen Verbindungs-
weg über Tulbing nach Cetium, von Neulengbach einen andern
längs des grossen TuUnbaches nach Commagena entsendet ; wahr-
scheinlich stand auch Pirus tortus mit ihr durch eine kleine
') Bei Hoheneck findet sich ein „Steindorf«, Wisgrill, II, 20^, ferner
auf der Höhe über dem Schlosse ein Dorf „Oed". (Schweickhart, VIII, 34.)
*) Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, 7, hält für den wahrscheinlichsten
gleichfalls den Weg im Rticken der Gebirge über Osterburg, Hafnerbach
Qoldegg und Karlstetten. Zugleich deutet er auf die Spuren einer Strasse
(„Hochstrasse**), die über Mauer und Gansbach bis Mautem (vergl. darüber Hor-
mayrs Archiv, 1824, Seite 59) führt. Offenbar war dies nicht die Reichsheeres-
strasse, da man hier eine Entfernung von reichlich 28 röm. Meilen zwischen
Trigisamum und ad Mauros, also mindestens 35 zwischen eräterom und
Arelate erhielte. Wohl aber kann in dieser Richtung eine kleinere Strasse
gelaufen sein, welche über die Bergreihe hin die Flankenposten und die Warten
am Stromufer verband.
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173
Strasse im Perschlingthale, über Perschling hin in Verbindung.
Endlich mag der letztgenannte Punkt über Hasendorf imd Unter-
Einöd mit jener Strasse in Verbindung gestanden haben , welche
am rechten Ufer der Traisen St. Polten mit Traismauer verband').
Nach dem heutigen Bestand der Funde ist die Existenz dieser
Strassen freilich nicht bündig nachweisbar ; ihre Annahme gründet
sich auf Ortsnamen, vor allem aber auf die Analogie der Strassen-
anlage im unteren Viertel und auf die Noth wendigkeit , dass der
Römerort bei dem heutigen St. Polten sowohl von Vindobona als
auch von Trigtsamum auf gebahntem Wege zu erreichen war.
10. Orte und Strassen zwischen der Erlaf und der
Enns. — Eückblick.
Die andere Hälfte des norischen Uferlandes, soweit dieses
in den Bereich unserer Betrachtung gehört, zeigt den meist un-
ebenen, kleinhügeligen Boden zwischen der Erlaf und Enns ; nur
die Rinnsale des Ipsflusses und des Urlbaches, der bei Amstetten
in erstere sich ergiesst, bilden schmale Ebenen. Gegen die Donau
zu ist dies für grössere Operationen wenig geeignete Terrain von
einem erhöhten Uferrande besäumt, welcher südlich bis zu den
Rinnsalen der genannten Wässer ins Land zurückreicht. In
wechselnderbald grösserer bald geringerer Erhebung von Ips bis St.
Valentin sich erstreckend , schützt er das Hinterland wie ein natür-
licher Wall. Die Furchen, welche kleine, der Donau zueilende
Bäche in seine nördlichen Abhänge einschneiden, sind nicht so
*) Es soll nicht unbemerkt bleiben, dass sich nordöstlich von Neuleng-
bach am Buchberg ein „Burgstall* befindet, an einem Höhenpunkte, welcher
das Thal des grossen Tulnbaches beherrscht ; in der Nähe trifft man zwei Ort-
schaften mit dem Namen Oed. (15. Blatt der Qeneralstabskarte von Ober- und
Unter-Oesterreich u. Schweickhardt, V. O. W. W., L, S. 87, 121). Die Richtung
einer Strasse von Vindobona über Purkersdorf nach Zeiselmauer vermuthet
Jordan (Orig. Slav. T. II, pars III, p. 66). Auch zwischen dem Thal des grossen
Tulnbaches und der Traisen findet sich ein „Burgstall", nordwestlich von Ha-
sendorf (Weiskem, I. 98) ferner ein Oedenthal (Weiskern, U, 46), und Unter-
Einöd; in dieser Richtung führt noch jetzt eine kleine Strasse nach Unter-
Einöd an der Traisen. Wichtig scheint uns, dass in der Nähe davon, 1*/,
Stunden nördlich von Perschling, zwischen Hasendorf und Ratzersdorf ein Dorf
„Venusberg** sich findet, ähnlich wie bei Traismauer; es wird davon noch wei-
ter die Rede sein. (Schweickhardt, V. 0. W. W., HI, 289.)
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174
tief, und führen nicht so weit zurück, dass feindliche Schaaren
durch dieselben hätten hereinbrechen können. Dies ganze
Gebiet hat also für sich keine grosse militärische Bedeutung;
wohl aber erhielt es durch die Gestaltung des linken Ufers der
Donau einiges Gewicht. Hier enden die steilrandigen Ausläufer
des Manhartsberges, aus denen auf der kurzen Strecke von Per-
senbeug bis Grein mehrere Bäche kommen, die grosse und kleine
Isper, die Sarraing, der Augbach, so dass es hier mehrere Thal-
schluchten gibt, welche wie Ausfallpfortcn aus dem jenseitigen
Berglande an die Donau herausführen. Weiter von Grein aufwärts
bis Mauthausen eröffnet sich eine kleine Ebene, nördlich umstan-
den von den sachte verlaufenden Bergreihen des unteren Mühl-
viertels, aus welchem die zwei Hauptwässer des letzteren, der
grosse Naarnbach und die in ein Bett vereinigten Aistbäche, die
Feld- und Waldaist, der Donau zufliessen. Diese Ebene lag nun
trefflich für die Barbaren, sich zu sammeln, die Schififahrt auf
dem Strome zu belästigen oder selbst Angriffe auf jene Stellen
des erhöhten Randes am rechten Ufer zu machen, wo er niedri-
ger war. Um solches zu verhüten, musste ein Posten auf den
Uferrand selbst verlegt werden; am geeignetsten war dazu jener
Vorsprung desselben, welcher der Mitte der jenseitigen Ebene
beinahe gegenüber liegt, dies ist Wallsee ; man übersieht von hier
das linke Donauufer sehr wohl; auch wird gerade unterhalb des
Vorsprungs der Uferrand etwas niedriger und war deshalb gefähr-
deter. Eben auf diesem Vorsprung muss ein Posten zur Beobach-
tung des jenseitigen Ufers angenommen werden '). Von Wallsee
weg biegt der erhöhte Rand des rechten Ufers gegen Süden ein
und lässt eine kleine Ebene zwischen sich und dem Strome; erst
bei Ardacker tritt er wieder an diesen heran, so dass Wallsee
und Ardacker an den Endpunkten des Bogens liegen, welchen
der Uferrand bildet.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch bei dem letztgenannten
Orte eine Warte bestand''). Doch sind die Namen dieser beiden
*) lieber die Funde, die man beim Brechen von Mahlsteinen in Nieder-
Wallsee gemacht, vgl. das Verzeichniss der Fundorte.
*) Auch von diesem Orte erzählt die Sage, wie von Hollenburg und
Leobersdorf, dass hier einst eine vornehme Stadt gewesen sei. (Schweickhardt^
V. 0. W. W., XI, 53.)
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175
Posten, weder jenes bei Wallsee noch jenes bei Ardacker bekannt;
man hat zwar den Ort loctis VeneHs felicis bald bei dem einen,
bald bei dem andern gesucht *), allein ganz mit Unrecht. Nicht
blos das Bedenkliche auf so steilem, mannigfach von Thälern unter-
brochenem Uferrande eine Strasse anzunehmen, spricht dagegen,
sondern vor Allem der Umstand, dass Locvs F. felicis in der
Notitia als ß e i t e r Station erscheint und es doch nicht angenom-
men werden kann, dass man auf solches Terrain eine Reiter-
schaar postiert habe, deren doch sonst immer in den ebenen
Gegenden getroflfen werden *). Es wird unten nachzuweisen sein,
dass der genannte Ort in der That in der Ebene gesucht wer-
den müsse.
Das Thal der Ips beherrschte der Posten Ad pontem Ises
(später Augustiana)j der an der Mündung des Ipsflusses lag;
sein Name hat sich noch in dem Klang des heutigen Ortsnamens
Ips erhalten. An der Mündung der Erlaf endlich lag der schon
öfter genannte Posten Arelate (Arlape), der älteste im norischen
Uferlande ^); sein NamQ klingt noch heute in dem Namen des
Dorfes Harlanden oder Harlant bei Pechlarn nach*).
*) Mannert und Lapie suchen den Posten Locus (V.) felicis bei Ard-
acker; Muchar u. Reichhardt bei Nieder- Wallsee.
•) Die kleine, vom Strome und dem JJferranl umschlossene Eben^ zwi-
schen Wallsee und Ardacker kann nicht wohl als passend für einen Reiter-
posten angenommen werden, da jeder Zugang von ihr aus in das Hinterland
über den Uferrand führte.
®) Die Ueberreste römischer Bauten nimmt man bei Pechlarn im Do-
naustrome wahr, wenn sein Wasser klar ist. Jordan, Orig. Slav. T. II, pars
m, p. 72. Aehnliches ist bekanntlich auch mit den Resten der Civilstadt von
Camuntum bei Petronell der Fall. Unrichtig ist es, wenn Reichhardt Arelate
in Mauer bei Melk sucht.
*) Aschbach, Sitzgsbr. XXXV. 9. Ueber das hier gefundene Hypocau-
stum vgl. das Verzeichniss der Fundorte. Harlanden liegt eine Viertelstunde
von Pechlarn südwärts an der nach Kemmelbach führenden Strasse. Inwie-
ferne Schmieders Ansicht in Hormayr's Archiv f. Geogr. (1824, S. 53), dass
der Raum zwischen Harlanden und Pechlarn der alte nunmehr versandete Ha-
fenplatz der clasais Arelntmsin sei, richtig ist, mag dahin gestellt bleiben. Das
Vorhandensein von Mauertrümmern im Donaustrom beweist, dass die Donau
späterhin gegen das rechte Ufer vorgetreten, nicht aber, dass sie zurückge-
treten sei. — Uebrigens muss bemerkt werden, dass der Ortsname „Harlanden**
nicht allein bei Gr.-Pechlam erscheint ; auch bei Brunn seitwärts von Staders-
dorf (in der Nähe von St. Polten) liegt ein Harlandj ebenso erscheint im Ip$-
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176
Die Richtung der Heeresstrasse zwischen Arelate und
Laüroacum ist von ersterem Orte bis ad pontem Ises nicht schwer
zu bestimmen. Die Tabula gibt die Distanz auf acht Meilen an;
wäre nun die Strasse hart am Strom über Seisenheim gegangen,
so würde die Entfernung um reichlich zwei milHa mehr betragen
haben; dagegen trifft die von der Tabula angegebene Distanz
ziemlich genau zu, wenn die Strasse in der Richtung angenom-
men wird, die heute noch die Poststrasse verfolgt; sie mngeht
den Bergvorsprung im Rücken und läuft über Rührapoint, Ober-
Aigen und Sarning nach Ips. Allerdings ist der Unterschied
zwischen beiden Routen kein sehr erheblicher.
Schwieriger ist die Strecke zwischen Ad pontem hes und
Laureacum zu bestimmen. Es wird zwischen beiden nur ein
Posten locus (Venens) felicis genannt. Die Angaben der Distanzen
sind im Itinerarium und auf der Tabula folgende:
A) Hin. p, 234. B) Itm. p, 248. C) Tabula,
V. Arlape nach v. -Arlape n. t. Arelate n.
a) — — adponteheaVIII
b) Loco felicis XXVI Loco felicis XXV Elegio XXIII
c) Lauriaco XX Lauria co XX Blaboit'ciaco XIII
Die Summe der Distanzen beträgt in Angabe A 46, in
Angabe B 45, in Angabe C 44 millia, sie variiren also im
Ganzen nur um 1 — 2 millia. A und B finden sich, man kann
sagen in völliger üebereinstimmung. C weicht dagegen entschieden
ab; es nennt (unter b) anstatt Locus (V) felicis^ das von Arelate
nur 25 — 26 millia entfernt ist, ein Ehgiunty das von ad pontem
Ises 23, also von Arelate 31 millia abstände. Die älteren Topo-
graphen -suchten beide Orte, locus V. felicis und Elegium am
Uferrande; man nahm Elegium für Erlach*), Locus V. felicis für
Niederwallsee. Um den tüchtigsten Vertreter dieser Ansichten zu
nennen, Jordan, so nimmt er zwei verschiedene Strassenrouten an*);
thale nicht weit von Ips, bei Karlsbach und St. Martin ein Dorf „Harland**
und ein „Harlandberg**, bei Ensdorf an der Ens findet sich gleichfalls ein
„Harland** und bei Alt-Lengbach im Wiener- Walde ein „Harlandbauer.**
*) Mttchar I, 266. Reichhardt suchte es bei Achleiten, Mannert, S. 639,
bei Strengberg.
») Orig. Slav. Tom. II, pars m, p. 73 f. — Seiner Ansicht folgt Hor-
mayr (Geach. d. Stadt Wien, I, 2), indem er S. 145, 146 die Richtung der
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jene des Itinerarium versetzt er in die Ebene der Ips, die Strasse sei
in derselben bis Amstetten gegangen, von hier aus habe sie mit der
heufigen Poststrasse den Uferrand bestiegen, um nach Wallsee
und weiter nach Laiireacum zu gelangen. Dagegen die Route
der Tabula sei schon von Ips aus auf den Uferrand gestiegen und
diesem folgend nach Ardacker und weiter nach Wallsee gegangen,
und hier mit der Route des Itmerarium zusammengetroffen; so
erklärten sich die abweichenden Angaben des Itinerarium und der
Tabula. In neuester Zeit hat dagegen Aschbach die Vermuthung '
aufgestellt '), Locus (Veneris) felicis und Ehgium seien nicht zwei
verschiedene, sondern ein und derselbe Ort; der letztere Name
sei durch Entstellung aus dem ersteren entstanden, indem der
eine Theil ausfiel (statt Locus V. FELICIS, ELEGIO). Wenn man
berücksichtigt, dass die Tabula alle im Itinerar vorkommenden
Orte nennt, nur manchesmal entstellt (wie Namare statt ad Mauros, '
Blajboriciaco statt Lauriaco), und dass sie zwischei^ Arelate und
Laureacum statt Locus V. f. Ehgium setzt, so gewinnt diese
Ansicht eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit Die Lage von Locus
V. jdicis bestimmt Aschbach nicht, er bemerkt nur im Allge-
meinen, dass die Lage von Wallsee für ein römisches Castellum
sehr passend war.
Um eine Wahl zwischen den Ansichten von Jordan und
Aschbach zu treffen, muss ein wichtiger Umstand in's Auge
gefasst werden, der gegen des ersteren Ansicht spricht Das
Itinerarium ist, wenn gleich erst um 300 abgeschlossen*), doch
hauptsächlich in der Zeit Caracalla's (211 — 217), also kurz nach
und vielleicht noch während der Restauration des Strassenwesens
abgefasst worden, die nach den Markomannenkriegen vorzüglich
durch K. Septimius Severus in unseren Gegenden durchgeführt
wurde; es gibt also die Route zwischen Arelate und Laureacum
wie sie am Beginne des III.^ Jahrhunderts bestand. Die Tabula
entstand der Hauptsache nach — abgesehen von späteren Ein-
zeichnungen — unter Alexander Severus (222 — 235). Folgt man
Hauptstrasae über Amstetten und Strengberg nach Ens annimmt und zugleich
S. 140, 22, eine kleine, die Posten bei Ardacker und Nieder- Wallsee verbin-
dende Uferstrasse voraussetzt.
i) Sitzgsbr. XXXV. S. 16.
*) Bernhardy, Gesch. der Rom. Literatur, S. 660, 1. cf. 655, Note 527.
12
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nun Jordan, so muss man annehmen, die Route der Tabula über
den steilen Uferrand sei neu angelegt worden neben der älteren
Route des Itinerars, die nach seiner Ansieht über Amstetten
führte, obwohl die letztere kaum ein halbes Menschenalter vor-
her restauriert worden war. Dies ist aber durchaus unwahrscheinlicL
Die Anlage einer Heeresstrasse erforderte keine geringe Arbeit,
sie geschah nach langwierigen Vorarbeiten und Vermessungen,
nach kluger Auswahl der sichersten ,und kürzesten Linie und
jvar häufig mit mühsamen Aufmauerungen verbunden ; es ist nicht
wahrscheinlich, dass man neben der kaum restaurierten älteren,
eine ganz neue geführt hätte. Man müsste nur annehmen, die
Strasse des Itinerars sei durch Feindesgewalt oder durch Ele-
mentarereignisse zerstört worden. Allein gerade in dem Zeit-
räume zwischen den Regierungen von Caracalla und Alexander
Severus herrschte Frieden im Lande und Elementarereignisse
lassen sich in jener Gegend viel weniger annehmen, als etwa an
dem Donauufer; Es ist also kein Grund vorhanden, anzuneh-
men, dass man schon 11 Jahre nach dem Tode des Kaisers
Septimius Severus die alte Heeresstrasse aufgegeben und eine
neue über steile Gebirge gebaut habe ; vielmehr ist es wahrschein-
lich, dass beide Routen, jene des Itinerarium und jene der Tabula
identisch, also auch Elegium derselbe Ort sei, wie Locus Veneria
felicis.
In einem anderen Punkte scheint uns aber die Ansicht Jordan's
den Vorzug vor allen anderen zu verdienen, nämlich darin, dass
sie die Heeresstrasse von Ad pontem Ises weg durch das Thal der
Ips landeinwärts und erst von Amstetten auf den üferrand hinauf
führt, der in der oberen Gegerd nicht mehr so steil ist, als in
der untern ; darnach würde die schwierigere Partie desselben im
Rücken umgangen, Zeit und Mühe gespart worden sein. Der
Nachweis für die Richtigkeit dieser Ansicht hängt zusammen mit
der Bestimmung von Locus V, felicis. Es sind schon oben die
Gründe angegeben worden, warum dieser Posten weder auf Wall-
see, noch auf Ardacker entfallen könne. Dafür sprechen noch
die Distanzen des Itinerarium. Es zählt nach den Angaben A
und B von Arelate nach Locus V. f. 26 (Angabe Ab) und 25
millia (Angabe Bb). Darin ist die Entfernung von Arelate nach
Ad pontem Ises mit 8 millia, welche die Tabula gibt (Angabe C a)
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179
und welche der factischen Entfernung entspricht, inbegriffen;
mithin entfallen für die Entfernung zwischen Ad pontem Ises und
Locus V. f. nach Angabe Ab 18, nach Angabe Bb 17 milUa,
Das trifft aber weder mit Ardacker noch mit Wallsee zusammen,
indem ersteres von Ips 13, letzteres 22 milUa abliegt. Es kann
also Locus F. / auch aus diesem Grunde nicht auf dem üfer-
rande gelegen haben; da es nun aber doch auf der Route Arelate-
Laureacum aufgeführt wird, so bleibt kein anderer Weg als jener
am Westrande des Ipsthales übrig. In dieser Eichtung hin (über
Karlsbach, Blindenmarkt *), Amstetten) trifft der 17., höchstens je
nach den Krümmimgen, der 18. Meilenstein von Ips weg auf
Oehling an der Url, welchem Orte gegenüber die Reste eines
Castelles in Mauer sich finden*). Dies stimmt mit den Angaben
des Itinerars genau überein. Es kann demnach als sicher angenom-
men werden, dass Locus F. felicis hier gelegen habe, und zwar das
Castell etwa am rechten Ufer der Url bei Mauer, nicht sehr weit
von deren Mündung in die Ips, in dem Winkel, welcher von
beiden Wässern gebildet wird, während ein älterer einheimischer
Ort oder die römische Oivilstadt, eine kleine Veteranenansiedlung,
am linken Ufer bei Oehling lag. Von hier weg lief sodann die
Heeresstrasse über Oed nach Strengberg*) und weiter mit der
heutigen Poststrasse nach Laureacum (bei Ens), so dass der
20. Meilenstein übereinstimmend mit den Angaben Ac und Bc
*) Bei Blindenmarkt am linken Ipsufer findet sich ein „Burgstall'', ein
Ortsname, der gewöhnlich auf das Vorhandensein der Ueberreste eines römi-
schen Castelles hindeutet. (Generalstabskarte XV. Blatt).
•) In der sogenannten „Burg**. Vgl. das Verzeichniss d. Fundorte. lieber das
hohe Alter von „Murum** s. I. Bd. dieses Jahrbuchs S. 163. Die Ansicht, dass
Elegium das heutige Oehling sei, finde ich nur einmal (Wiener Jahrb. d. Lit. 51,
Anzeigebl. 47) ; sie gründet sich wohl auf die Aehnlichkeit im Klange der Na-
men. Wenn „Elegium** nicht aus Locus V, FELICIS entstanden wäre, sondern
ein zweiter Name für letztem Ort war, so würde die Ableitung nicht unwahr -
scheinlich sein.
") Jordan a. a« O. erwähnt unterhalb Strengberg einen „Burgstallberg**,
der nach dem Worte „Burgstall** auf die Beste eines Castells daselbst deutet ;
auch begegnet schon um 1011 der Name „Hochstrass** för die über Streng-
berg führende Beichsstrasse (v. Meiller im I. Band, Jahrb. d. Vereins f. Landesk.
von Niederösterreich, S. 160 nach Mon. Boic. VI., 158). Zwischen Erla und der
Ens findet sich ein Dorf mit Namen „Burgstall** (Weiskem, Niederösterr. To-
pographie, I. 98) und ein anderes mit Namen „Stein** (Weiskern, I. 206).
13*
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gerade bei Laureacum zu stehen kam. Die Warten bei Ardacker
und Niederwallsee mögen durch Querstrassen, die bei Amstetten
und unterhalb Strengberg auf die Heeresstrasse trafen , verbunden
gewesen sein. Auch ist nicht unwahrscheinlich, dass Ad pontem
Ises mit dem Posten bei Ardacker direct, also tlber den Uferrand,
in Verbindung stand, nur war die betreffende Strasse nicht die
Heeresstrasse, sondern eine kleinere*). Was flir die Annahme
der Route über Oehling endlich noch einen weiteren Grund ab-
gibt, ist die unverkennbare Analogie derselben mit jener von
Trigisamum bis ad Mauros. Auch hier findet sich ein steiler
Uferrand am Strome, auch hier lief die Heeresstrasse im Bücken
desselben hin und sendete Ausläufer, Querstrassen, nach den
Warten, die bei Aggsbach und Arnsdorf vorausgesetzt werden
müssen. Darnach sind die Angaben der Tabula zu ändern
wahrscheinlich hat zwischen Cb und Cc eine Verwechslung
von X und V stattgefunden, so dass es dort statt XXIH ursprüng-
lich hiess XVm und hier statt XHI (XVHI) XX.
Mit Sicherheit kann für die Strecke von Arelate nach Lau-
reacum das Vorhandensein einer Reservenstrasse angenommen
werden, welche von Oehling aus westlich und östlich dort gegen
das heutige Steier, hier gegen St Polten zu lief. In westlicher
Richtung finden sich die Spuren einer römischen Strasse (Heiden-
Strasse) bei Hametsberg, Edlach, Hochbruck (hier besonders deut-
lich)*) gegen Assbach zu, von welch' letzterem Orte man Inschrif-
ten kennt; weiter mag sie wohl über St Peter nach Steier zu
gegangen sein'). Oestlich von Oehling finden sich das sehr alte Steina-
kirchen, dessen Name, wie alle mit Stein zusammengesetzten auf
*) In der That häufen sich auf dieser Strecke solche Ortdnamen, wie sie
gerne an den SteUen der Römerorte auftreten. Ober Karlsbach bei Ips gegen
St. Martin zu begegnet man ein Dorf „Gräbern**, weiter ein Dorf „in der Burg**
genannt, nicht sehr ferne von Willersbach an der Donau ; weiter gegen Ardacker
zu trifft man bei Neustadt auf ziemlich engem Räume ein Oed, Hieselöd, Steinöd,
Stelzenöd und Burgkogl.
*) Nach den Angaben Schaukegels. Vgl. Hormayrs Gesch. ▼. Wien, I,
2, 146, Gaisberger in den Beiträgen f. Landesk. ▼. Oesterr. ob d. Ens 1866,
Separatabdruck, S. 73. ~ Fundchronik im Archiv XXXVin. Nr. 17.
') In den Gegenden an den Ufern der Ens mögen noch um die Mitte
des YIL Jahrh. die Reate von mehreren grösseren und kleineren Römerorten
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eine alte Römerstätte weist'), dann die Inschriftsteine vonFerschnitz*)
(bei Blindenmarkt), ferner der Name des gräfl. Auerspergischen
Schlosses „Purgstall" an der Erlaf, weiter die Inschriften von
St Leonhard am Forst an der Mündung des Mankbaches in die
Melk, wo auch ein „ Burgstall *^ zu treffen ist*), daran reihen sich
wieder östlich gegen den Sirmingbach zu die Inschriftsteine von
Hürm und Grafendorf*), so dass die östliche Richtung der Reserve-
strasse von Oehling nach Ulmerfeld *) und weiter über Steina-
kirchen nach Schloss Purgstall, endlich über St. Leonhard und
Hürm nach St Polten als ziemlich wahrscheinlich sich heraus-
stellt Noch heutzutage ftlhrt in dieser Richtung eine Seitenstrasse,
die nur zwischen Steinakirchen und Purgstall imterbrochen ist
und von St Leonhard am Forst, nicht den näheren Weg über
Hürm, sondern den weiteren über Külb*), nach Grafendorf und
St Polten verfolgt.
Neben der Heeres- und der Reservestrasse mögei^ noch vor-
sichtbar gewesen sein, wie die Stelle in der viia S, Emerami acta SS. m. Sept.
Tora. VI, 474 f. beweist , wo es von der Verödung jener Gegenden in Folge
der Feindschaft zwischen Bojoaren und Avaren heisst, sie sei so gross gewesen,
^ut circa Anesim fluvium urbes et hca olim cultissima tantis bestiarum imma-
nüaiibus horrerent^ ne viarUibus quidem uUua tranaeundi aditus paieret,* — In
der Pfarre Haidershofen an der Ens findet sich ein Dorf „Burg", von welchem
Schweickhardt (V. O. W. W., X, 98} die Sage erzählt, dass hier die Ens den
Leichnam des hl. Florianus, der 304 in den Fluss gestürzt wurde (was in
Laurcacum bei Eus geschah) an^s Land getragen habe.
*) Man vgl. Stein am Anger (Sabaria), Steinabrückl bei Wiener-Neustadt,
am Stein bei Deutsch-Altenburg u. v. a.
•) Vgl. unten das Verzeichniss d. Fundorte.
*) Koch von Sternfeld, Münchener gel. Anz , 1842, 1, S. 86. In der Um-
gebung von St. Leonhard bei Ruprechtshof en , wo man Münzen ausgrub und
Römersteine zum Thurmbau verwendete, findet sich ein „Oed.** (Schweickhardt,
XII, 62, 46, 65), femer die Dörfer „Strass" (a. a. 0. VI, 82 und „Hochstrass«*
(a. R. O., XII, 40), endlich an der von Wieselburg nach St. Leonhard füh-
renden Militärstrasse (Qochstrasse genannt) ein „Oed** am rothen Kreuz
*/* Stunden von Wieselburg entfernt (a. a. 0.)
*) lieber den angeblich römischen Wartthurm im Schlosse in Ulmerfeld
s. Schweickhardt, Vm, 114.
•) Ueber die angeblichen Funde zu Grossaigen bei Külb, vgl. das Vsr-
zeichniss der Fundorte.
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zugsweise dem Handel dienende kleinere Strassen bestanden haben,
die mit jener über den Semmering im unteren Viertel in Ver-
gleichung kommen können. In St. Polten bestand ein inschriftiieh
nachweisbares collegium fdbrorum, als ein Verein von Eisenarbei-
tern, welche das aus der heutigen Steiermark kommende Roh-
materiale verarbeiteten; wahrscheinlich bezogen sie dasselbe aus
den Bergen um Maria Zell imd auf dem Wege längs des Thaies
welches die Türnitz bis nahe an die Grenze von Steiermark
bildet*). Ebenso mögen auch in dem Thale der grossen ErlaP),
wo die Funde bis Scheibbs reichen, ferner in jenem der kleinen
Erlaf, in welchem zu Pemeck ein merkwürdiger Gelübdestein
gefunden wurde, selbst in jenem der Ips kleine Strassen in's
Hochgebirge geführt haben, auf denen das Eoheisen aus den nahen
Werken der nördlichen Steiermark (von Eisenerz und Maria Zell)
herausgebracht werden konnte. Wichtigkeit hatten diese Wege
in strategischer Beziehung nicht, auch nicht in mercantiler Hinsicht
flir den Grosshandel, sondern nur für die in jenen Gegenden ein-
heimische Eisenindustrie, von der noch zu reden sein wird. —
Wenn man im Ganzen die Vertheilung der acht grösseren, im
Itinerar und auf der Tabula genannten Posten des norischen üfer-
landes übersieht, so findet man vier von ihnen, also die Hälfte
(Cetiurriy Commagena, Pirus tortus, Trigzsamum) auf dem Tulner-
feld, darunter den weitau'^gedehnten und wichtigen an der Trai-
senmündung. Auch die drei nächstgelegenen Posten (ad Mauros^
Arelate, Ad pontem hes) finden sich auf dem verhältnissmässig
engen Raum zwischen Melk und Ips. Gerade an diesen Stellen
besteht kein natürliches Bollwerk für das Stromufer; es sind das
Tulnerfeld und die Mündungen der Ips und Erlaf, welche mit
den grösseren Posten besetzt werden. Dagegen, wo am diesseitigen
Ufer eine Bodenerhebung und am jenseitigen geschlossenes Berg-
*) In einem waldigen Seitenthale bei Wilhelmsdorf liegt ein Dorf „Hoch-
strass^ ; es ist nicht unwahrscheinlich, dass von der Strasse im Tümitzthale
ein sehr alter Verkehrsweg über das heutige Hainfeld und Altenmarkt einerseits
in das Thal der Triesting und von hier in jenes der Piesting lief; in* letzte-
rem Thale reichen die Funde bis Pernitz thaleinwärts.
*) Noch heutzutage heisst die durch Purgstall an der Erlaf führende Strasse
die „Eisenstrasse** von dem Transport des Bohmateriales. (Schweiokhardt, V.
O^W. W.) '
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land sich zeigt,' da finden sich auch keine grösseren Standlager
sondern können nur kleinere Warten vorausgesetzt werden. Es
concentrierte sich also der Dienst der Grenzwache vorzüglich auf
das Tulnerfeld, das seinerseits wieder den Zugang in das Wie-
nerbecken von Westen her ermöglicht; die ganze starke Befesti-
gung des Tulnerfeldes kommt einer Sicherung der linken Flanke
der Festungsreihe im Wienerbecken oder einer Erstreckung der
linken Flanke vom Wienfluss an den Traisenfluss gleich. Dies
war der Hauptzweck der Stromwache im untern üferland von
Noricum. Auch die drei Posten zwischen der Bilach und der Ips
trugen, indem sie den Zugang ins Traisenthal verschlossen, indirect
zur Erreichung dieses Zweckes bei, wenn sie gleich nebenher auch
das obere üferland und etwa noch die Wege in das eisenreiche
Gebirgsland zu schützen hatten. Aus diesem Umstände lässt sich
abnehmen, dass ihrem innersten Wesen nach die Bewachung
der norischen Donaustrecke ein nothwendiges CoroUar der
Grenzwache in Pannonien bildete, dass beide zusammengehörten
und in einander greifen mussten, dass also die Unterstellung des
norischen Uferlandes unter den pannonischen Oberbefehl nur eine
natürliche Consequenz der strategischen Bedingungen war, die
in beiden Ländern bei der damaligen Sachlage vorwalteten.
Das System der Strassen besteht, wie es sich für alle Theile
der Uferstrecke voraussetzen, für einige auch nachweisen lässt,
aus zwei parallellaufenden Strängen', von denen der äussere der
Limes meist am Stromufer hingeht, zumal, wenn eine massige
Bodenerhebung am Uferrande vorhanden ist; nur grössere Krüm-
mungen und sehr hohe Bergvorsprünge sucht er im Kücken zu
umgehen, um die kürzeste Linie zu gewinnen. Der innere Strang
oder die Eeservestrasse bewegt sich im Rücken des Limes, führt
meist durch völlig gedeckte Thalwege und steht durch kleinere
Querstrassen mit den Hauptpunkten des Limes in Verbindung.
Im pannonischen Theile von Niederösterreich sind die Eeserve-
strassen entsprechend der grösseren strategischen Bedeutung des
Landstriches und der Nähe der wichtigen Orte Scarabantza und
Sabaria zahlreicher und beherrschen die Ebene bis in die Gebirge
hinein. Bezüglich der Distanzen ist schon hervorgehoben worden,
dass sie auf der Strecke Vindohona-Camuntum in vier Theile zu
je sieben, auf der Strecke Vindohonä-Trigisamum in fünf Theile
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zu sieben oder acht mülia zerfallen. Auf der Route Ad
Mauroa — Locus V. felicis finden sich zwei einfache Distanzen zu
7!/j und 8 mi'Uia und eine doppelte zu 17 mülia '^ die Distanzen
Tingisamum — Ad Mauros und Locus V. felicis — Laureacum von
22% und 20 millia finden sich nirgends detailliert, können aber
nach Analogie der anderen als dreifache zu 7 und 7'/, milUa
angesehen werden. Auf der ganzen Uferstrecke zwischen Leitha
und Ens kann demnach ein Ausmass von 7 — 8 millia als Nor-
male für die Distanzen betrachtet werden. Der Grund davon
kann nicht blos ein strategischer sein; denn es ist ein Zufall^
dass die Wässer, welche die Anlage fester Punkte bedingten,
durchschnittlich 7 — 8 millia von einander entfernt sind. Wahr-
scheinlich gab die Eintheilung der Poststationen dabei den Aus-
schlag, indem eine doppelte Distanz von 14—16 m£llia (2*/. bis
3% deutsche Meilen) eine mutatio ausmachte. Die Handelsstrassen
über den Semmering, dann in den Thalwegen der Tümitz, Erlaf
und Ips sind keine Heeresstrassen und haben auch als einfache
Verkehrswege nur einen localen Charakter; sie mögen uralte,
schon vor Ankunft der Römer benützte Verbindungswege gewesen
sein zwischen dem Ufer- und dem Binnenlande.
in. Entwicklung der römischen Cultur in Nieder-
Oesterreich.
11. Einfluss der römischen Truppen. — Verhältnis
der in beiden Vierteln gefundenen Inschriftsteine.
Es ist oben bemerkt worden, dass nicht blos in Rücksicht
auf die militärischen Einrichtungen unseres Landes ein norischer
und pannonischer Theil unterschieden werden muss, sondern dass
der Unterschied zwischen beiden Theilen auch auf die Entwicklung
des Römerthums im bürgerlichen Leben des Landes sich erstreckte.
Auch wenn fdr diese Erscheinung keine praktischen Belege bei-
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gebracht werden könnten, würde sie sich als eine nothwendige
Consequenz aus der Beschaffenheit und Menge der Truppen
ergeben, die in beiden Theilen aufgestellt wurden.
Es ist unzählige Male der charakteristische Spruch aufge-
führt worden, dass der Römer wohne, wo er gesiegt habe *). Die
militärischen Gründungen in den sogenannten Barbarenländem
bilden überall die Grundlagen für das Aufblühen — man kann
nicht sagen einer rein römischen Bildung, wohl aber einer
römisch-barbarischen Mischbildung. Der Legionär ist als Soldat
im Standlager, noch mehr als Veteran der Verbreiter und För-
derer der römischen Cultur. Je mehr Elemente der letzteren nun
in Folge der Truppenaufstellung in ein Barbarenland kamen,
desto rascher imd tiefer wird das Römerthum Wurzel geschlagen,
desto schneller die Mischbildung sich entwickelt haben.
Nun finden sich im Viertel unter dem Wiener-Walde seit
seiner Eintheilung in die Provinz Pannonien als Besatzung zwei
Legionen und neben diesen hinter einander zwei Reitergeschwader,
ein britannisches und ein aus den Tapferen verschiedener Nationen
ausgewähltes, die ala I Ulpia Contariorwn, welche beide aus
Soldaten bestanden, die das römische Bürgerrecht besassen, also
der römischen Cultur schon näher standen, als reine Barbaren. Es
sammelten sich demnach in dem pannonischen Theile von Nieder-
österreich schon vom letzten Viertel des L Jahrhunderts ab die
Elemente römischer Bildung in so reicher Anzahl und auf ver-
hältnissmässig so engem Räume, dass nicht blos eine Paralysierung
roherer Elemente, die etwa mit anderen Hilfstruppen oder mit
germanischen Colonien ins Land gekommen sein mögen, sondern
deren völlige üeberwindung zum Vortheile der römischen Bildung
leicht vorausgesetzt werden kann.
Anders verhält es sich im oberen Viertel, im norisch
gebliebenen Theile des Landes. Zwar befand sich hier die sehr
alte Claudianische Veteranen-Colonie der VI. Legion zu Arelate.
Allein die Anzahl römischer Bürger, die hier angesiedelt wurden,
sowie der Einfluss, den sie nehmen konnte, war doch um vieles
geringer und beschränkter, als wenn zwei oder auch nur eine
Legion dort einquartiert gewesen wäre. Auch ist nichts von einer
1) übicunque Romanus vicU, Somanua habittUf Seneea de re ru$Hc L 2
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Verstärkung oder Erneuerung der Colonie bekannt und selbst,
wenn eine solche geschah, reichte sie nur dazu aus, in dem
nächsten Umkreise römische Bildung einzuflihren. Weiterhin
war diese isoliert und blieb durch mehr als ein Jahrhundert bis
auf die Zeit der Markomannenkriege umgeben von den barbari-
schen Hilfstruppen, welche durch so lange Zeit die einzige Be-
satzung des Landes bildeten. Diese stammten ursprünglich fast
alle aus dem Orient, von Cypem und Commagene, dann aus
Mauretanien. Dazu kommen weiterhin Thracier und Brittonen.
Ohne Zweifel haben die orientalischen Truppen auf die Cultur
des Landes zurückgewirkt, wofür die Pflege orientalischer Culte
spricht, wie des cyprischen Venusdienstes in Fafiana *), des com-
magenischen Cultus des Jupiter Dolichenus in Commagena, von
denen man den Ortsnamen „Venusberg" bei Traismauer*) und
selbst den Namen Tuln ableitet*). Dadurch, dass in der ein-
heimisch keltischen Religion ein in der Verehrung von Sonne
und Mond sich offenbarender Naturdienst ^), also ein verwandter
Zug vorhanden war, mögen diese orientalische Culte eine grössere
Verbreitung im Lande gefimden und sich tiefer eingelebt haben.
Erst nach den Markomannenkriegen, am Ende des zweiten
*) Einen zweiten Ort mit Namen Yenasberg erwähnt Schweickhardt (V.
O. W. W., m, 289) Bwischen Hasendorf und Ratzersdorf, 1% Stunden nörd-
lich V. Perschling.
*) Hieher gehören wohl auch die Atysbilder, welche die Grabinschrift
eines Reiters der Ala I. Augusta (zu Gemeindelebarn) schmücken ; sie verrathen
dem Cult der „grossen Mutter^ der Cybele , dem der Begrabene, der wahrscheinlich
aus Syrien stammte, huldigte. S. Fundchronik im Archiv f. K. ö. G. IX. 97.
*) Aschbach, Sitzgsber. XXXV, 26. Vielleicht lässt sich auch für das
ältere Cetium (das spätere Asturis, heutige Zeiselmauer), das ja auch mit cyprischen
Soldaten besetzt war, eine Spur des Venusdienstes in der vUa Severini von
Eugippius (c. 1) finden, wo es heisst, dass die Einwohner von Asturis, deren
Gemüther halsstarrig waren und der Sinnlichkeit fröhnten, den Weis-
sagungen des hl. Mannes keinen Glauben schenkten.
*) Darauf werden bekanntlich die auf Geräthschaften aus dem sogenannten
Bronzealter häufig vorkommenden Sonnenräder und Schwäne bezogen. Für den
Cult des localnorischen Sonnengottes Belenus haben sich inschriftliche Spuren
in Kieder-Oesterreich bisher nicht gefunden. Koch von Sternfeld (Münch. gel.
Anz. XrV. 102 f.) sucht Hindeutungen in den Namen Beil- oder Peilstein,
Peillenstein (bei St. Leonhard), die ihm gleichbedeatend mit Bel-Stein sind
imd dasselbe besageiii wie: Sonnen-Stein.
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Jahrhunderts, wurde eine Legion im üferlande stationiert, eine
in Italien ausgehobene, also eine aus reinen Elementen der classi-
schen Bildung bestehende. Mit ihrer Einführung muss es verbunden
werden , dass in der That erst während des dritten Jahrhunderts
im oberen Lande eine grössere Regsamkeit römischen Lebens
beginnt, wie dies aus der überwiegenden Mehrzahl der archäolo-
gischen Funde sich erweisen lässt, namentlich jener, die auf
Luxusbauten zurückweisen. Dazu gab wohl die Ausdehnung
pannonischen Oberbefehles bis an den Innfluss den Anstoss,
indem namentlich die Einwohner der Uferstädte dadurch in eine
unmittelbare Theilnahme an dem bereits aufgeblühten Römer-
thume Pannoniens und in engere Berührung mit demselben
gelangten. Noch mehr steigerte sich römisches Leben mit der
Errichtung der ersten norischen Legion, die wohl in das Ende
des dritten Jahrhunderts föllt und von der sich vermuthen lässt,
dass sie aus dem Binnenlande von Noricum sich recrutierte, wo
die römische Bildung in Folge des stetigen Contactes mit Italien
einen höheren Grad der Entwickelung erreicht hittte. Es kann
also schon nach einer oberflächlichen Abschätzung der Zahl und
Nationalität der Besatzungen vorausgesetzt werden, dass der
norische Theil des Landes in der Entwicklung des Römerthumes
dem Grade der Intensivität nach, wahrscheinlich auch der Zeit
nach, hinter dem pannonischen zurückgeblieben sei.
Die Symptome, welche diese Voraussetzung bestätigen, sind
die Zahl und Beschaffenheit der in beiden Laudestheilen gefun-
denen römischen Inschriften und die Begründung von Municipicn
und Colonien. Die Menge der Inschriftsteine ist im unteren Viertel
um vieles grösser als im oberen. Abgerechnet die Ziegel- tmd
Töpferstämpel beträgt die Zahl der in ersterem gefundenen un-
geföhr 130, von welchen etwa 45 auf Wien*), 85 auf Camun-
tum *), (bei beiden das entsprechende Hinterland inbegriffen) ent*
fallen. Die Zahl der im oberen Viertel gefundenen, so weit sie
bekannt geworden sind, beträgt 21. Auch der übrige Theil des
norischen Uferlandes zwischen Ens und Inn-Salzach ist arm;
*) Berichte des Wiener Alterthumsvereines. IX. Band, Abhandlung über
Vindobona.
*) Frh. y. Sacken in den Sitzungsberichten der k. Akad. d. W. IX. u.
XI. Bd.
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man kennt hier 103 Steine, von welchen 32 auf Ober-Oesterreich')
71 auf das Salzburgische entfallen'); die zwei letzteren Landes-
theile werden heute in je drei, zusammen also in sechs Kreise
getheilt, auf deren einen mithin durchschnittlich 17 Steine zu
rechnen sind, was der Zahl der Inschriftsteine aus dem Viertel
ober dem Wiener- Walde (21) ganz nahe kommt Es können diese
Zahlen unserer Betrachtung umsomehr zu Grunde gelegt werden,
als in früherer Zeit die Ungunst der Verhältnisse, Verschleu-
derung und Nichtachtung, alle Theile des Uferlandes ziemlich
gleichmässig betroffen hat. Das Ergebniss der Vergleichung ist
nun, dass aus allen 7 Kreisen, in welche dermal? das ehemalige
nörische Uferland zerfällt, zusammen 121, dagegen aus dem
Viertel unter dem Wiener- Walde , also aus dem pannonischen
Antheile von Nieder - Oesterreich , 130 Inschriflateine bekannt
geworden sind, ein Verhältniss, das mit Rücksicht auf den viel
grösseren Flächeninhalt der ersteren ein für dieselben überaus
ungünstiges Resultat ergibt*). Es gehört nur ein kleiner Teil
von den Inschriften aus dem Viertel unter dem Wiener- Walde
den letzten Decennien des ersten Jahrhunderts, der Zeit von
Vespasian bis Trajan (69 — 98) an, auch im zweiten Jahrhunderte
erscheinen im unteren, wie im oberen Viertel verhältnissmässig
nicht viele, in jenem aber selbstverständlich mehr als in diesem.
Die Mehrzahl in den beiden letztgenannten Vierteln und in den
anderen Theilen des norischen Uferlandes gehört in die Epoche
nach den Markomannenkriegen bis zur zweiten Hälfte des
dritten Jahrhundertes. Bis zu diesem Zeitpunkte muss also, wie
aus dem Verhältnisse der Inschriftsteine zu schliessen ist, die
echt-römische Sitte, solche Denkmäler aus Anlass von Gelübden
und Todesfällen zu errichten, im unteren Viertel weit häufiger
*) Jos. Gaisberger in den Beitr. f. Landeskunde v. Oesterr. ob d. Ens,
Linz, VIII. Liefrg., 1853 u. IX. Fortsetzung der Fundchronik im Archiv f. Kunde
österr. Geschichtsquellen XXXVIII. Bd. Nr. 84 u. 43.
•) J. V. Heffner im I. Bande der Denkschr. d. kais, Akad. d. W.
*) Ebenso ungünstig würde sich das Verhältnis? zwischen norischem
Ufer- und Binnenland stellen, wenn wir hier näher in den Bestand der In-
schriften des letzteren eingehen könnten; Steiermark und Kärnthen sind mit
einer sehr grossen Anzahl vertreten, was wohl aus der Nähe Italien*s und
dessen directerem Einfluss bu erklären ist
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geübt worden sein, als im oberen , ein Beweis , dass dort das
römische Leben tiefere Wurzeln gefasat und grössere Ausdehnung
als hier gewonnen hat.
Zugleich gibt diese Erscheinung einen Beweis dafür, dass
die beiden grossen Kriege des K M. Aurelius ungeachtet der
Verheerungen, die bei ihrem Beginne angerichtet wurden, in
ihren weiteren Folgen fördernd auf die Entwickelung des Römer-
thums eingewirkt haben; es wird dies erklärlich, wenn man
bedenkt, dass auf die Kriege eine Restauration und Vermehrung
der Defensivanstalten folgten, und ausser M. Aurel namentlich
K. Septimius Severus für die Hebung derselben in den Donau-
ländem sehr thätig war.
12. Die Municipien und Colonien in beiden
Vierteln.
Die Einwirkungen der Kriege lassen sich auch an den
bürgerlichen Begründungen der Römer in unserem Lande nach-
weisen. Es muss dabei von der ältesten Colonie, dem claudiani-
schen Arelate (Pechlam) abgesehen werden, denn diese ist eine
Colonie alten Styles imd daher nicht ein Symptom der gesche-
henen, sondern ein Symptom der angestrebten Entwickelung
des Römerthums an dem Ufer der Donau*). Dagegen die Be-
gründung von Municipien imd Colonien, wie sie im Laufe des
zweiten Jahrhunderts vollzogen wurde, ist als eine formelle Aus-
zeichnung anzusehen, womit grösseren Gemeindewesen je nach
der Stufe ihrer Ausbildung der zweite und endlich der erste
Rang unter den Städten eines und desselben Landes zuerkannt
wurde; als solche Auszeichnungen sind sie ein Symptom der
Zunahme des Römerthimis in dem entsprechenden Lande. Im
zweiten Jahrhunderte findet sich ober imd unter dem Wiener-
Walde nur je ein Municipium, beide aus derselben Zeit, aus der
Regierungsepoche des Kaisers Hadrian, stammend; das eine ist
Camuntum im pannonischen , das andere Cetium im norischen
Antheil von Nieder-Oesterreich; das letztere muss als die einzige
^) Sie dienten dazu durch Ansiedlung^ von Veteranen wichtige Punkte in
den eroberten Ländern zu sichern, ausgediente Soldaten zu entlohnen und den
Ueberschuss der armen Volksklassen von der Hauptstadt Bornas abzuleiten.
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derartige Begründung des Uferlandes vor den Markomannen-
kriegen gelten, da Juvavum immer nur als eine civitas *) erscheint,
von Ovilaha (Wels) und Laureacum (Ens) aber deren Erhebung
zu Munieipien aus keinem Denkmale nachgewiesen werden kann.
Im ganzen norischen üferlande erlangte also nur der an der
äussersten Ostgrenze gelegene Ort den Rang eines Municipiura;
dies weist darauf hin, dass gerade die Nähe von Pannonien mit
seinem weiter vorgeschrittenen Römerthume-auf die Entwickelung
des römischen Lebens im angrenzenden norischen Theile zurück-
gewirkt habe.
Nach den Markomannenkriegen hingegen finden wir Car-
nuntum schon als eine Colonie ^), seine Nachbarstädte Bregaetium
(0-Szöny) und Vindobona als Munieipien ; auch tauchen im oberen
Uferland Ovilaba und Laureacum plötzlich als Colonien auf, eine
seltsame Erscheinung, die wohl nur daraus erklärt werden kann,
dass K. Marc Aurel durch diese Auszeichnung die genannten
Städte für die im Kriege erlittenen Verwüstungen entschädigen,
vielleicht auch flir treue Mithilfe bei Abwehr der Feinde beloh-
nen wollte. Dagegen erreichte im Lande ober dem Wiener- Walde
Cetium damals diese Stufe nicht. Wie schon öfter bemerkt, wurde
die strategische Function und der Name dieses Postens auf jenen
an der Traisenmündung übertragen, nachdem der ältere im
Kriege zerstört worden war. Auch das Gemeinwesen der Bürger-
stadt wurde dorthin verlegt und derselben neuerdings der Rang
als Municipium verliehen*). — Nach den Markomannenkriegen
finden sich also im pannonischen Theile unseres Landes eine
Colonie und ein Municipium, im norischen nur ein Municipium; im
übrigen ausgedehnten Uferlande von Noricum bestanden sonst nur
') Der Beisatz Colonia Hadriana aaf einer Salzbarger Inschrift (Heffnor
a. a. O. er. 14) wird von Zumpt, Comm. epigr. p. 417, Note mit Recht als
eine Interpolation verdächtigt.
*) Ber. u. Mitth. des Wiener Alterthumsv. IX. Bd. S.
*) Das ältere Cetium (Zeiselmauer) führt von dem Stifter des Munici-
piam, Hadrian, den Beinamen Municipium Adium, Das jüngere (Traismauer)
erscheint genannt auf einem Inschriftsteine aus Karlstetten (Fundchronik, IX.
Forts, im XXXVllI. Band des Archivs d. k. Akad. d. W. er. 13) bezeichnet
mit den Siglen M. A. C. (Municipium Äntoninianum Cetium)^ welche Namen
auf Kaiser M. Aurel hinweisen, ein Zeichen, dass die Bürgerstadt von diesem
wohl den Municipalrang, nicht aber den einer Colonie erhielt.
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noch die Nachbarcoloni^i Ovilaba und Laureacum. Zahl und Lage
dieser Begründungen weisen also auch, wie die Funde von In-
schriften darauf hin, dass wenigstens bis zur zweiten Hälfte des
dritten Jahrhunderts eine rasche und intensivere Ausbreitung der
römischen Cultur nur im unteren Viertel des Wiener- Waldes
stattgeftinden hat
Dass in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts die
Entwickelung der römischen Bildung im norischen Uferlande noch
weiter zugenommen habe, dafiir können freilich die Inschrift-
steine keinen Beleg mehr abgeben; denn gerade von dieser Zeit
an nimmt in den Grenzländem ihre Zahl sehr merklich ab.
Dagegen findet sich daftir ein Beweis in der Reichsorganisation
des EL Diocletian (297), nach welcher für das Uferland ein
eigener Civilgouvemeur (praeses) bestellt wurde, der von dem
praeses des Binnenlandes unabhängig war und zufolge der Legende
des heiligen Florianns in Laureacum residierte. Zu jener Zeit
muss also die Administration und die Rechtspflege im Uferlande
schon so belangreich gewesen sein, dass sie die Aufstellung eines
eigenen Statthalters erheischte.
13. Fortdauer des Eeltenthums In den gebirgigen
Theilen des Landes.
Neben diesem Gegensatze lässt sich noch ein zweiter nach-
weisen, der in topographischer Hinsicht nicht ohne Wichtigkeit
ist und aus dem Verhältnisse der römischen zur einheimischen
Cultur sich ergibt.
In den Donauebenen und in den Thälem der Nebenflüsse
des Stromes, der Fischa, Schwechat, Traisen, Erlaf und Ips hat
das Römerthum, wie eben dargelegt wurde, den Sieg errungen,
wenn gleich nicht tiberall zur selben Zeit und mit denselben Erfolgen.
In diesen Ebenen befanden sich die Festungen; es erstanden
neben diesen die Veteranenansiedlungen und Btlrgerorte, sowohl
wdl man naturgemäss die Nähe befestigter Orte aufsuchte, um
an ihnen in Zeiten der Feindesgefahr einen Schutz zu finden,
als auch weil in den ebenen Gegenden der Ackerboden ausge.
dehnter und ergiebiger ist, als im Hügel- und Bergland. Dagegen in
dem letzten sind die Spuren römischer Ansiedlungen äusserst dürftig ;
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nur in jenen Linien, in welchen die Reservestrassen und alten
Handelswege sich vermuthen lassen, reichen inschriftliche Funde
tiefer in's Land hinein, wie ein Blick auf die beiliegende Karte
lehrt In dem südlichen gebirgigen Theile hat sich ako — so
muss geschlossen werden — die einheimisch norische Sitte und
Bildung gegenüber der römischen selbständiger erhalten.
Dieser Gegensatz spiegelt sich recht deutlich in den Orts-
und Personennamen und in dem Inhalte der Votivsteine ab. Am
Stromufer finden sich überwiegend römische Ortsnamen und nur
wenige celtische oder orientalische in römischer Form, wie
Aequinoctio, Ah, nova, Cetium, Commagenaj ad Mauros, Locus
Veneris Jelicü. Nur die vorzüglichsten Punkte die schon vor Ankunft
der Römer als grössere keltische Ansiedlungen betrachtet werden
müssen'), behalten ihren alten Namen in römischer Form bei,
wie: Camuntum^ Vindobonay hie und da auch noch ein Fluss oder
ein Bach*). Dagegen im gebirgigen Theile des Uferlandes haben
sich die alten Ortsnamen, wie: Juvavum, femer TutattOy Emo-
latio^ Qabromagus, Cucullae, Tarnanto u. s. w. erhalten. Ebenso
finden sich im Binnenland von Noricum, das vorzüglich Ge-
birgsland ist, bei Ptolomaens*) gar keine römischen, sondern
lauter romanisierte keltische Namen, wie: Gabavodurumj Oesodvr
nuntj Bedaium^ Aguntum u. s. w. Was nun im Binnenland und
im oberen Uferland der Fall war, das darf auch im unteren, im
Viertel ober dem Wiener Walde vorausgesetzt werden. Zwar ist
ein Ortsname aus dem letzteren nicht überliefert, weder ein
keltischer noch ein römischer. Dagegen finden sich in dem gebir-
gigen Theile von Nieder-Oesterreich mehr keltische Personen-
namen als in den Donauebeneu, wenngleich sie überhaupt nicht
häufig vorkommen.
So nennt der beim Bau der Guttensteinerstrasse gefundene
Inschriftstein *), wenn der Text richtig gelesen ist, einen Aemacio, der
*) Dass dies mit Ganumtam der Fall ist, beweist Vell. Paterc. II. 109.
*) So der Bach Dicuncia bei Traismauer. Vita S. Sey. c 4. Auch der
Name der Traisen — Tragisa, wemi die Inschrift von St. Polten (Fnndchronik im
Archiv t K. Ost G. XXXVIII Nr. 12) richtig gelesen ist, dürfte keltisch sein.
Dass der flossname Ise (Ips) alteinheimisch sei, davon war oben die Rede.
(S. 184).
») n, c. 12.
*) Böheim Qesch. t. Wiener-Neostadt
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mit hundert Jahren, und seine Tochter JoveaSeca, die mit achtzig
Jahren starb. Auf dem Steine zu Katzelsdorf bei Neudörfl erscheint ein
Cassus Musa, der hundert Jahre alt wurde, und seine Frau Stu-
bilo (?), die Tochter eines Sgalleo, die achtzig Jahre zählte. Auch
die Kelten, deren Grabsteine sich bei Vösendorf (Mannertus Ateius)
imd zu Maria-Lanzendorf (PomaruSy Üo, Brogimarj fanden,
mögen aus dem gebirgigen Hinterlande abgestammt sein. Ebenso
dürfte der Grabstein eines Mascius Jantumari filius und eines
Senecio, dessen Weib Monia Seeundina hiess, in dem letzteren
gefiinden sein, wie der Ausdruck Apian's (p. 407) j^epitauia
ex limitihus patrimomalibus ducatus Aastrtae^ erkennen lässt
Dagegen die Soldatennamen: Attius Coneri filius von der Cohors I.
Aelia Sagitariorum (Inschr. in Klosterneuburg), Seccms Secundmus
von der 11. italischen Legion (Inschr. v. Ferschnitz), T. Aelius
Quartio von der ala I Augusta (Thracum) (Inschr. von Trais-
mauer) und Tercius Sennonts filius von der Cohorte der Brittonen
(Inschr. v. Melk), sowie der Name des Veteran M. Ulpius Melei
filius (Inschr. v. Pechlarn), der Name Vtnda von der Frau
eines Aedils von Cetium (Inschr. v. St. Leonhard), endlich der
Name Ajuccio (Inschr. v. Gossam) — alle diese Namen können
nicht in Betracht gezogen werden, weil ihre Träger als Soldaten
und die eine Frau, als angeheiratet auch aus anderen keltischen
Ländern in unsere Gegenden gekommen sein können und weil
der ursprüngliche Fundort des. letztgenannten Denkmals nicht
völlig sicher ist. Eine treffliche Parallele zu den genannten Namen
bilden die in grösserer Fülle aus salzburgischen und steiermär-
kischen Inschriftsteinen') bekannt gewordenen Keltennamen, die
in Verbindung mit den niederösten-eichischen zu demselben Er-
gebnis führen, das aus der Vergleichung der Ortsnamen erfolgt.
Auch die Votivsteine werfen auf das Verhältniss der römi-
schen zur einheimischen Cultur einiges Licht. Aus den Stromge-
genden des oberen Viertels von Niedcr-Oesterreich sind nur
Grabsteine und Ehrendenkmäler übrig geblieben, aus denen man
— um zunächst von den römischen Götterculten zu sprechen —
*) Für Salzburg vgl. J. v. Hefner im I. Bande der Denkschriften d.
k. Ak. d. W. ; für Steiermark Dr. Fried. Pichler, Steirischos . Münzrepertorium
I. Bd, S. 224-— 238, letzteres Verzeichniss besonders reich und sorgfältig ab-
gefasst
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nur den Cult des Hercules und der Diana in dem festen Punkt
bei Göttweih, wo Bruderschaften (coUegta) ihrer Verehrer be-
standen *), dann des Neptunus *) nachweisen kann. Dafür gewähren
aber die Inschriftsteine von Carnuntum eine reiche Ausbeute für
die Kenntnis des römischen Lebens in den Uferstädten, das sich
wohl in allen ähnlich , wenn auch nicht in demselben hohen Grade
der Entwickelung dargestellt hat. Es ist hier nicht der Ort,
näher in das Bild, das sie davon gewähren, einzugehen, doch
muss der für unsere Frage wichtigste Zug daraus hervorgehoben
werden. Es begegnen nämlich auf den Votivsteinen von Carnuntum
Widmimgen an römische Götter in buntester Mischung, namentlich
an die echt römischen: an den Jupiter Optimus Maximus, den
Genius loci, Fortuna, Venus u. s. w. Zumeist aber erscheint
Silvanus und Silvanus Domesticus auf den Votivsteinen, der Gott
also, welcher das Gedeihen ländlicher Fluren , den Segen der
Bodenwirthschaft gewährt Fast die Hälfte aller Gelübde, die uns
auf jenen Denkmälern erhalten blieben, richtet sich an diese
Gottheit *). Das lässt auf eine sehr stark entwickelte Landwirth-
*) Steiner, Codex insc, Rhen. et Danuh, 3336 nach den Wiener Jahrb.
d. Lit., Bd. 51. Anz. Blatt, S. 46. Vgl. auch Osann in Zimmermannes Zeitschrift,
1835, S. 94.
•) Der Stein ist sehr verwittert und macht in der von Duellius über-
lieferten Lesung keinen ganz befriedigenden Eindruck, wenn wir gleich nicht
an seiner Echtheit zweifeln dürfen. Die Widmung an den Meeresgott Neptu-
nus in einer Gegend, wie St. Polten, darf nicht überraschen, insoferne es
sich offenbar um einen Wasserbau handelte, der den wilden Gebirgsfluss, die
Traisen, von der Stadt abhalten sollte und Anlass war, den Votivstein aufzu-
stellen. Auch in Celeja (Cilli), das von den Ueberschwemmungen des San-
flusses zu leiden hatte, findet sich ein Votivstein an Neptunus. Vgl. über den
Stein V. St. Polten Fandchronik (IX. Fortsetzg.) im XXXVIII. Bde. des Ar-
chivs f. K. öst. G., Nr. 12 ; über jenen von Cilli Mitth. der k. k. Centr.-Comm
IX. Bd., p. LXm. — Zur t^rmel ^Neptuno aquarum potenti*^ auf dem St. Pölt-
ner Steine finden sich Parallelen in zwei Inschriften von Lambessa in Africa,
wo Jupiter und die „Venti** „bonarum und divinarum tempeatatium potentes'*^
genannt werden. R^nier, Imcr. de VArg6He, Tom I, Nr. 6 und 7. — Der Name
des Gottes, welchem der Votivstein von Karlstetten bei St. Polten galt, ist
verwittert
«) VgL die Inschriften Nr. XIII, bis XXHI in Frh. v. Sacken's Carnun-
tum. Sitzgsber. d. k. Ak. d. W., IX. Bd. Von 28 Votivsteinen entfallen eilf
auf Silvan.
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Schaft, Ackerbau, wie Obstcultur schliessen, welche neben dem
Handel, den aber nur die Freigelassenen trieben, wohl vorzüglich
die Thätigkeit der Bürger in den Uferstädten in Anspruch nahm.
Es passt dies ebensogut zu dem natürlichen Hange der Römer
und ßömlinge für Landwirthschaft , als zur Bodenbeschaflfenheit
der Sti'omebenen. Dabei muss auch an die Spuren des Weinbaues
in Nieder-Oesterreich erinnert werden, die freilich nicht weiter,
als bis eben in das Ende des dritten Jahrhunderts hinaufgehen
und wohl an die Versuche des grossen Nationalökonomen auf
dem römischen Throne, des K. Probus anknüpfen. . Die eine Spur
findet sich in den rohen Reliefs auf grossen Steinen, mit denen
ein römisches Grab zu Parndorf ausgelegt war; es scheinen
dieselben Trümmer eines älteren Sarcophages zu sein und werden
ihre bildlichen Darstellungen auf* Winzer und Weinbereitung
bezogen*). Die andere Spur findet sich in dem Ortsnamen yjAd
Vmeas^ in der vita jS. /Severim (c. 5) ; der betreflfende Ort wird,
als in „einiger Entfernung" von Faßanis (Traismauer) liegend,
angegeben und kann jetzt wohl nicht mehr bestimmt werden').
Es zeigen sich* also in den Gegenden an der Donau vor-
wiegend römische Bildung, römischer Göttercult, fast durchgehends
römische Namen und in Verbindung mit diesen Symptomen eines
entschiedenen Sieges der römischen Cultur ein sehr reich ent-
wickelter Landbau, Ausbeutung sowohl des Getreidebodens, als
auch der Obst- und selbst der Weincultur.
Aus den „Bergen" unseres Landes lässt sich dagegen bis
jetzt nur ein Votivstein nachweisen, jener von Perwart bei
Steinakirchen, welcher an den keltischen Gott Marmogius *) gerichtet
ist. Der Gelobende führt keinen keltischen, sondern den völlig
römischen Namen Rutümsj er war also Römer oder romanisierter
*) Frh. V. Sacken im XI. Bd. der Sitzgsber. d. k. Ak. d. W.
•) Auch von Wirflach bei Neunkirchen wird eine uralte Weincultur ge-
rühmt und zu bemerken ist, dass „die gegen Norden von Weidling gelegenen
Weingärten Spuren der ältesten Cultur an sich tragen." Kirchl. Topogr., I, 135.
«) Schweickbardt, V. O. W. W., Xin., 281 und M. A. Becker, der Oetscher
u. s. Gebiet ü. 108. Der Gott heisst nach der dort gegebenen und nachträg-
lich verglichenen Abschriften des gut erhaltenen Steines MARMOGIVS; wahr-
scheinlich ist es derselbe Gott wie HARMOGIVS, der auf dem, bei St. Veit
unterhalb Pettau im Drauflusse gefundenen Steine (Muchar, Steierm. I., 408.
Orelli-Henzen, 6072) wiederkehrt.
18 *
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Kelte. Der Stein ist die einzige Urkunde in Nieder-0 esterreich
aus der eine auch unter römischer Herrschaft und trotz eindrin-
gender römischer Cultur fortdauernde Verehrung einer norischen
Gottheit bewiesen werden kann. Eine mythologische Bestimmung
der Gottheit ist bis jetzt nicht möglich, wie etwa bei dem norischen
Belenusy dessen apollinisches Wesen ausser Zweifel steht. Es muss
vorläufig genügen, dass in jener Gegend sein Ciiltüs gegenüber
dem eindringenden Römerthume sich erhalten hat.
Verbindet man diesen Umstand mit der Erhaltung keltischer
Personennamen im Gebirge, so gewinnt der Gegensatz zwischen
dem culturgeschichtlichen Charakter der Ebene und jenem der
Berge mehr Lebendigkeit. Ohne Zweifel hängt diese Fortdauer
des Keltenthums in den Bergen zusammen mit der Alpen wirthschaft
und Verarbeitung des Eisens* welche Erwerbzweige hier schon
vor der Ankunft der Eömer bestanden und, da sie für den süd-
lichen Theil des Landes die einzig möglichen waren, den Ein-
wohnern auch während der römischen Occupation verblieben. Die
römischen Kaiser gaben die Bergwerke, mit Ausnahme jener auf
Gold, und die Viehweiden in Pacht; nur die Waffenfabriken in
Laureacum und Carnuntum waren ärarisch. Für Ackergeräthe
imd Handwerkzeuge lassen sich daher Privatgewerke, welche das
Rohmateriale vom kaiserlichen Pächter bezogen, sehr wohl vor-
aussetzen. Im Gebiete des Oetschers finden sich nun seit dem
hohen Mittelalter, seit den Zeiten der Babenberger, die ältesten
Eisenwerke des Landes, die bis in den Beginn unseres Jahrhun-
dertes blühten, wie in Ippsitz, Gaming, Gresten, Scheibbs, Lunz,
Gössling, Hollenstein ^). Gerade in dieser Gegend reichen die
Kömerfunde tief in^s Bergland hinein, gerade hier hat der Cult
einer keltischen Gottheit sich in römischer Zeit erhalten. In Sanct
Polten bestand, wie schon oben bemerkt wurde, ein collegium fahro-
rumj welches das Rohmaterial wahrscheinlich aus den Bergen um
Maria Zell erhalten hat *), sowie es die mittelalterlichen Gewerke
') M. A. Becker a. a. O., I., 279. — Vgl. Gottfried Fries Geschichte d.
Stadt Waidhofen an d. Ibbs im I. Band dieses Jahrbuches, S. 12 f.
•) AUerdings ist das k. k. Gusswerk bei .Maria-Zeil eines der jüngsten
in der Umgebung. Dies hindert aber nicht vorauszusetzen, dass die Eisenge-
winnung von den Römern hier schon betrieben worden sei. Muchar in der
Geschichte der Steiermark nimmt sowohl in der Gebend von Eisenerz als von
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197
in dem Oetschergebiete aus Eisenerz bezogen. Wenn nun schon
in dem an der Stelle von St. Polten gelegenen Römerorte ein
römisches Eisenwerk bestanden hat, um wie viel mehr lässt sich
schliessen und alle vorhandenen Spuren sprechen dafür, dass
auch im Berglande die überlieferte Bearbeitung des Eisens fort-
gedauert hat. Mit ihr erhielten sich in jener Gegend die nori-
sehen Sitten und Gebräuche, Orts- und Personennamen und die
alten Götterculte, so dass die römische Bildung, wenn sie gleich
auch in diese abgelegenen Thäler eindrang, doch nicht mehr das
Uebergewicht erlangen konnte, wie in den Stromebenen.
14. Die Germanencolonie, der Mithrascult und das
Christenthum im untern Viertel.
Wenn aus Allem, was bisher vorgebracht wurde, geschlossen
werden muss, dass die römische Bildung im pannonischen Theile
unseres Landes, also im Viertel unter dem Wiener Walde, und
zwar in den Stromgegenden tiefer wurzelte, als im oberen nori-
schen Theile und im Gebirge, so erklärt es sich auch, dass eben
in dem untern Viertel jene Symptome wahrgenommen .werden
können, welche mit dem specifischen Römerthume in Verbindung
stehen.
Dies sind die Existenz einer germanischen Colonie, dann
das Auftauchen des Mithrasdienstes und des Christenthums. Schon
Kaiser Marc Aurel, nochmehr Septimus Severus und Caracalla
haben Germanen in die Uferländer an der Donau aufgenommen,
theils Ueberläufer, theils verarmte vom Hause vertriebene Fami-
lien, späterhin ganze Stämme. Tacitus erwähnt derartiges schon
aus der Regierung des Kaisers Claudius *), indem damals der Sue-
venkönig Vannius nach langjähriger Regierung mit den Seinigen
in Folge einer Stammesfehde aus dem Lande gejagt, als Schutz-
flehender zwischen der Leitha und Raab Zuflucht und Lände-
reien erhielt. Auf einen ganz ähnlichen Fall weist ein interessan-
Maria-ZeU Eisen- und Salzwerke an (Gesch. d. Steiermark, L, S. 117, 126.
Vgl, seine Karte) und noch jetzt findet sich ein Ort Namens „Hallthal" bei
Maria-Zeil (Hormayr's Archiv, 1830, S. 1), eine Bezeichnung, welche wie Hall,
Hallein, Hallstatt auf uralte Salz werke hindeutet. Ebenso findet sich bei Klein
Maria-Zeil (V. U. W. W.) ein Hallbach. (Kirchl. Topogr., VI, 366.)
»; Annal., XH, 29.
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198
ter Grabstein aus Petronell hin *); er nennt einen Septimius
Aistomodius rex Germanorum, dem seine Brüder Philippus und
Heliodorus, beide gleichfalls mit dem Vornamen Septimius, einen
Grabstein setzten. WahrscheinHch war dieser König „Aistmut" —
man denkt bei diesem Namen unwillkürlich an die Aistbäche
des unteren Mühlviertels — der Häuptling einer germanischen
Gefolgschaft, was die Römer mit rex übersetzten, ein Titel, den
sie gering schätzten und freigebig ertheilten. Von Hause vielleicht
durch innere Fehden vertrieben und etwa in Folge einer bun-
desfreundlichen Handlung gegen die Römer bei diesen in gün-
stigem Rufe stehend, mögen Ais tmut und seine Brüder vom Kaiser
Septimius Severus ein Asyl in Camuntum und das römische
Bürgerrecht erhalten haben; darauf deutet der sonderbare Um-
stand, dass alle drei Brüder den Vornamen des Kaiser „Septi-
mius" führen.
Auch grössere Schaaren wurden namentlich im Laufe des
ni. Jahrhunderts angesiedelt; sowohl zum Ackerbau als zur
Grenzvertheidigung verwendet, nahmen diese „Gentiles" eine nie-
drige Stufe ein, sie standen noch unter den Hilfstruppen und
blieben 'unter militärischer Oberleitung. Daher begegnet noch am
Ende des IV. Jahrhunderts ein tribunus gentis Marcomannorum
— so hiess die Colonie — der sehr wahrscheinlich in Vindobona
seinen Sitz hatte *). Wie es charakteristischer Zug der Germanen
ist, so haben derartige Colonien der römischen Bildung keinen
Eintrag gethan, sondern sind schnell romanisiert worden. Schon
der Grabstein des „Aistomodius" ist ein Beweis dafür; er und
seine Brüder sind aus einem angesehenen germanischen Ge-
schlechte und bequemen sich demungeachtet durchaus der römi-
schen Sitte; nur einer behält den germanischen Namen, die an-
dern nehmen einen römischen und §inen griechischen an; sie
setzen ihrem Bruder einen lateinischen Grabstein, ja sie gebrau-
chen darauf einen echt römischen Ausdruck der Pietät, indem
sie diesen als ihren „unvergleichlichen Bruder" bezeichnen (fra-
trt incomparabili). Mit dem Römerthum des pannonischen An-
*) Der Stein be findet sich im Besitze des Herrn Anton Widder in Wien ;
in der Fundchronik (Archiv f. K. österr. Geschqu., 1849, IL, 192) wurde er in
Folge eines Versehens unter dem Fundort Vinco vcze au%efil hrt
•) Böcking, Notitia, U., p. 1044*.
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199
theik von Nieder-Oesterreich hängt diese Germanencolonie inso-
ferne zusammen, als dergleichen selbstverständlich nur in jene
grösseren Orte verlegt wurden, wo eine vorgeschrittene römische
Bevölkerung und eine zahlreiche Besatzung sich befand , wo also
die Romanisierung der Germanen beschleunigt und etwaige Er-
hebungsgelüste der Colonisten im Zaum gehalten werden konnten.
Auch der Mithrascultus, obwohl an sich orientalischen
Ursprungs, zeigt keineswegs von etwaigen Einflüssen raorgenlän-
discher Bildungselemente, sondern ist, wo er in den Grenzländem
auftritt, das Symptom einer kräftigen Entwicklung des echt römi-
schen Soldatenlebens. Seit Kaiser Hadrian in Rom eingebürgert,
wurde er in der Folgezeit, namentlich durch die Kaiser Commo-
dus (180—192) und Septimius Severus (193 -211) absichtlich in
den Soldateukreisen verbreitet, da die Einweihung in diesen Cult
mannigfache Proben männlichen Muthes, Enthaltsamkeit und
Selbstüberwindung voraussetzte, mithin als eine gute Schule für
militärische Disciplin gelten musste. Zumal in den Grenzländern,
deren Vertheidigung die Anwesenheit grösserer Truppenkörper
erheischte, wie am Rheine und an der Donau wurde er eine Art
von standesmässiger Religionsübung für die Soldaten. In Schwa-
dorf, Petronell, Deutsch- Altenburg und Stixneusiedl *), also gerade
an dem strategisch wichtigen Uferrand gegenüber dem March-
felde fanden sich mehrere Cultbilder und Inschriftsteine, welche
von Mithras-Grotten und Mithras-Priestem sprechen und aus den
nächsten Decennien nach den Markomannenkriegen stammen, aber
auch von der Pflege des Cultes noch am Ende des HI. Jahr-
hunderts Zeugniss geben. Ihre Zahl ist an den genannten Orten,
wie in Deutsch- Altenburg, wo man fünf Votivaltäre im einge-
stürzten Heiligthume fand, so gross, dass auf eine ziemlich eifrige
Pflege des Cultes geschlossen werden darf. Im oberen Viertel
begegnet man keine Spur dieses Dienstes, was wohl mit der viel
geringeren Regsamkeit militärischen Lebens daselbst zusammen-
hängen dürfte.')
^) V&'« ^*^ Verzeichniss der Fundorte.
•) Aach aus dem oberen Uferlande ist bisher nur eine Votivinschrift zu
Ehren des Mithras, jene zu Höglwörth im Salzburgischen, (Hefher, I. Bd. d.
Denkschr. d. k. Akad. d. W. Nr. 9), bekannt geworden. Möglicherweise deuten
die bei Wels gefundenen Portalfiguren, Löwen aus Sandstein, deren man häu-
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Endlich muss noch der ältesten Spuren des Christen-
thumes erwähnt werden, die uns in zwei Inschriftsteinen aus
Petronell und aus Inzersdorf begegnen. Es darf als bekannt vor-
ausgesetzt werden, dass das Christenthiim gerade dort die ersten
Wurzel gefasst hat, wo eine dichtere römische Bevölkerung und
länger eingelebte römische Bildung bestand; zumeist ist es von
den Landstädten ersten Ranges, von den Colonien ausgegangen,
wie von Sirmium (Mitrovic,) Siscia (Sisseg) Laureacum, Poetovio *);
die Martyrien in Celeja (Cilli) und Sabaria (Steinamanger) sind
nicht völlig sicher. Und zwar traten hier die unerschrockenen
Blutzeugen der christlichen Lehre so ziemlich um dieselbe Zeit
auf, während der Christenverfolgung unter Kaiser Diocletian
(304); von der um die Mitte des dritten Jahrhunderts stattge-
habten unter Kaiser Decius (249 — 251) finden sich keine Spuren
in unseren Ländern.
Bisher galt als die einzige und älteste christliche Inschrift
im Erzherzogthum Oesterreich die Grabschrift der Witwe Valeria
in St. Florian '), welche nach den epigraphischen Kriterien
zwischen das vierte und fünfte Jahrzehend des IV. Jahrhunderts
gehört. Doch finden sich aus dem pannonischen Theile von Nie-
derösterreich auf den genannten Inschriftsteinen zwei freilich
verdeckte Spuren von einem viel älteren Bekenntnis des Christen-
thums. Beide Steine sind leider versttlmmelt, verrathen sich aber
als christliche durch die Formel DEFunctus (Inzersdorfer-Stein) '),
die auf dem Petroneller Stein *) voll ausgeschrieben erscheint:
DEFVNCTVS IN (pace). Die Inzersdorfer Inschrift zeigt am Ein-
fig in Mithras- Tempeln findet, auf einen solchen dortselbst. (Gaisberger in
den Beitr. zur Landesk. v. Oester. ob d. Ens, XII. u. VI. Fortsetz. d. Fund-
chronik im Archiv f. K. ö. G., XXIV, 256); allein es muss bemerkt werden,
dass der Fundort die Gräberstätte des alten Ovilaba ist. Ein Cultbild, wie man
sie in den genannten Orten Nieder- Oesterreichs fand, ist unseres Wissens bis-
her im ganzen norischen Uferlande nicht zu Tage gekommen.
*) Vgl. Bödinger, öster. Geschichte, I., 33.
•) Gaisberger in den Beiträgen zur Landeskunde von Oesterreich ob der
Ens, 1864. Vgl. Fundchronik, IX. Fortsetzung im Archiv f. K. ö. G., XXXVUI.,
Nr. 28.
») Siehe Fundchronik im Archiv f. K. österr. G., XXIX., S. 194.
*) Der Stein nennt einen Aeduer. Frhr. v. Sacken, Wiener Sitzungsber,
Bd. IX, Nr. XXXXrX.
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201
gange die Siglen D M d. i. Düs Manibus, also die Eingangs
formel heidnischer Grabsteine. Diese begegnet man auf christlichen
Steinen in Rom und seiner Umgebung *) äusserst selten, in den
Provinzen nicht oft, am häufigsten erscheinen sie im Cimeterium
der heiligen Katharina zu Ohiusi *), dessen Gründung in die
Zeiten der Antonine, also in die Mitte des II. Jahrhunderts zu-
rück reicht. Inschriften mit diesen Siglen gehen demnach in das
II. und III. Jahrhundert zurück, sie finden sich bestimmt im IV.
nicht mehr. ^) Es gehört also auch die Inzersdorfer Inschrift späte-
stens dem III. Jahrhundert, wenn nicht einer noch älteren Epoche
an. Da sie einen Soldaten der zehnten Legion betrifft, und da
sich annehmen lässt, dass der Begrabene — sein Name ist auf
dem Steine leider nicht mehr erhalten — nicht vereinzelt als
Christ in der Legion gestanden habe, so muss gefolgert werden,
dass diese mehrere Christen in ihren Reihen gezählt hat. Jeden-
falls werden die beiden genannten Denkmäler als die ältesten
christlichen in unserem Lande gelten müssen, und sind ein weite-
rer indirecter Beleg dafür, dass in dem pannonischen Theile von
Niederösterreich das römische Leben sehr tiefe Wurzel geschla-
gen habe *).
*) Rossi inscr, Christ, urhis Rom, I., Nr» 1192. In dem genannten Werke
findet sich nur dies eine aus Velletri stammende Beispiel.
*) Cavedoni Cimit. Chius., p. 93.
•) Rossi de Christians monumentis IXOYN exhibeiitibvs, Paris, 1855, p. 7.
Vgl. auch Martigniy dictionnaire des antiquitds chrStiennes, Paris, 1865, unter DM.
*) Es darf nicht unbemerkt bleiben, dass in einer Salzburger Urkunde
von 1020 von den sehr alten Mauern einer vor Zeiten bei Fischau nächst
Neustadt errichteten Kirche die Rede ist. (Kirchl. Topogr., I. Abth., VIII,
S. 105. Juvavia, I, 362. — Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Ausdrücke
^vetustiisimi antiquitus exstrtictae ecclesiae muri*^ auf die Zeit Karls des Grossen
zurückgehen, nach dessen Siegen gegen die Avarcn hier eine Kirche erbaut
worden sein könnte. Der Zwischenraum bis i5ur Abfassung jener Urkunde
(etwa 250 Jahre) ist dafür zu kurz, um die Bezeichnungen eines sehr hohen
Alters zu rechtfertigen, auch würde sich wohl die Erinnerung daran erhalten
haben. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Erbauung dieser Kirche in das
IV. oder V. Jahrhundert zurückgehe. — Bezüglich der Sage vom heil. Zeno,
der vor Antritt des Episcopates in Verona (269) in der Gegend von Hoheneck
und Hafnerbach bei Melk gepredigt haben soll, vgl. die Version von Keiblin-
ger, Gesch. von Melk, I, 48, welcher sie auf einen frommen Priester der
Avarenzeit bezieht, der wegen der Namensähnlichkeit späterhin mit dem Bischof
St. Zeno verwechselt worden sein dürfte.
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15. Funde jenseits der Donau.
Die Donau, als der Grenzstrom des römischen Reiches, bil-
det selbstverständlich die Grenze auch für das Gebiet bleibender
römischer Ansiedlungen. Es darf daher nicht überraschen, dass
aus den Vierteln ober und unter dem Manhartsberge keine er-
heblichen Kömerfunde bekannt geworden sind. Die Inschrift von
Pasdorf, welche im Schlosse daselbst eingemauert ist und jene
von Gossam *) (Pfarre Emmersdorf) sind dem Fundorte nach
unbestimmt; es ist nicht unmöglich, dass man sie an den ge-
nannten Orten selbst gefunden habe; wahrscheinlicher aber bleibt
es immer, dass sie absichtlich dahin gebracht wurden, jedenfalls
stehen sie ganz vereinzelt
Der Münzfiind von Sachsengang (700 römische Münzen,
darunter angeblich einige goldene) ist im Detail leider nicht be-
kannt geworden; das bei Eggenburg gefundene Goldstück von
Alexander dem Grossen und das bei Gföhl ausgegrabene Gold-
stück von Kaiser Nero — die silbernen wurden verschleppt —
sind, wenn auch vereinzelt, immer beachtenswerthe Zeichen eines,
zum Theil sehr alten Handelsverkehres der südlichen Cultur-
Länder mit dem Barbarengebiete von Mitteleuropa.
Dagegen befremdlich scheint es, dass man keinerlei Spuren
von kleinen römischen Castellen am jenseitigen Stromufer gefun-
den hat. Es sind ihrer sowohl von Kaiser Marc Aurel nach dem
ersten Markomannenkriege '), als auch in IV. Jahrhundert von
Kaiser Valentinian ') im jenseitigen Uferland angelegt worden;
von Transaquincum gegenüber von Altofen und Contra Tautantum,
dessen Lage zweifelhaft ist, sowie von Odiabum (Mündung der
Gran) und Burgum contra Florentiam (bei Mohacz) kennen wir
die .Besatzungen. *) Von einem derartigen Castell in Stampfen haben
') Keiblinger folgert aus dem Vorhandensein dieser Inschrift, dass bei
Gossam ein Castell gestanden habe (Gesch. v. Melk, I, 34); dafür reicht nach
unserer Ansicht eine Inschrift allein noch nicht aus und muss die Bestätigung
von weitern etwa gemachten Funden abgewartet werden', die bis jetzt noch
nicht bekannt geworden sind; vielleicht ist in dem Namen des nahen Dorfes
„Burg** die Spur eines Castelles zu suchen.
*) Dio Cassius, 71, 20.
*) Ammianus, 29, 6.
; Notitia occid,^ c. 32.
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203
sich die Reste gefunden (siehe S. 154), welche zugleich beweisen,
wie tief solche Posten in das Feindesland hineinreichten. An
geeigneten Punkten für die Anlage von derartigen Werken
fehlte es weder im Marchfeld, noch weiter aufwärts am linken
Donau-Ufer *) auch die Wichtigkeit ist hier ohne Zweifel eben
so gross als dort. Allein, man hat, wie gesagt, bisher keine
Spuren davon aufgefunden, oder wenigstens sind deren nicht
bekannt geworden. Aus diesem Grunde möge darauf hingewie-
sen werden, dass auf beiden Seiten des Manhartsberges in seiner
Nähe, ausser dem Ortsnamen Strass (bei Hadersdorf, nördlich von
der Kampmündung) der Name Burgstall öfter erscheint, so im
untern Viertel bei Oberwölb in der Pfarre Ravelsbach, im oberen
Viertel zwischen Wiesent und Rann in der Nähe von Meissau
(Klein Burgstall); dann findet sich ein Burg bei Kottis in der
Nähe von Spitz, Burgwiese und Gross-Burgstall bei Hörn *)
und ein Burg bei Gossam. Dass diese Ortsnamen auf mittel-
alterliche Burgen deuten, ist nicht wahrscheinlich, da sich in die-
sem Falle weit mehr solcher Namen in den beiden Vierteln des
Manhartsberges finden mtissten; sie erscheinen aber nur an den
angegebenen Punkten. Freilich soll mit diesen Namen, zumal wo
andere Anhaltspunkte fehlen, kein Beweis geliefert werden, dass
an diesen Punkten römische Posten wirklich bestanden haben,
allein es wird immerhin als auffallend zu gelten haben, dass jener
Ortsname, der diesseits der Donau regelmässig in der Nähe ein-
stiger Römerorte oder doch in der Richtung von Römerstrassen
auftritt, sich, wenn auch nur vereinzelt, jenseits wieder findet, und
zwar an Stellen, die nicht sehr weit auseinander liegen, von denen
die meisten der Richtung der heutigen Hauptstrasse zwischen Hom
und Krems folgen, deren Lage also nicht ungeeignet war, die
Bewegungen der Feinde zu beherrschen.
*) Bekannt ist, dass ältere Antiquare Asturis an das linke Donauufer
(nach Stockeratf) versetzt haben. — Keiblinger hält für geeignete Punkte am
linken Donauufer den Michaelsberg bei Haselbach, den Bisamberg und die
Höhe von Kreuzen.
•) Weiskem, I, 99. Der nördlichste Punkt ist die „Burgwiese" bei Hom,
ein Ort, der in den Landkarten auch „Burgwiesen" genannt wird.
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204
I. Verzeichniss der Bömerorte in Nieder-
Oesterreich.
Abkürzungen: I. A. = Itinerarium Antonini (edid. Parthey und Finder, die
Seitenzahl nach Wesseling). — Not. = Notitia dignitatum imperii (edid. Böcking).
— Tab. P. = Tabula Peutingeriana,
Ad poilte(m) Ises, Ips, tab. P. Wahrscheinlich schon von Kaiser Vespasian
angelegt, in der Not. c. 33 unter dem Namen Augustianis. S. oben S. 134,
176, und S. 149, Note 1.
Aequinootium, Fischamend, I. A. 248. — Not. c. 33 (Aequinocliae\ Abthei-
lung dalmatischer Reiter. — S. 132, 148, 154.
Ala nova, Klein-Schwechat, I. A. 248. — Not. c. 33, Abtheilung dalmati-
scher Reiter. — S. 187, 148, 154'.
Ar6lat6, colonia Claudia Sexta Ärelaiensium , gegründet von Kaiser Clau-
dius (41 — 54 n. Chr.) für Veteranen der Ze^rto FI vic^riic (Aschbach, Sitzungs-
ber. XXXV, 8). — 'ApaXaTY), Ptolem. H, 12. — Arlape, I. A. 234, 248. —
Arelate, Tab. P. — Arlape, Not. c. 33. Station eines Theiles der Donau-
flotille und dalmatischer Reiter. — Reichhardt sucht es bei Erlaph, Lapie
bei St. Leonhard, beide mit Unrecht, denn die Erinnerung an den alten
Namen ist noch erhalten im Ortsnamen Harlant oder Harlanden bei
Gross-Pechlam. — S. 129, 145, 149, 175.
(Arrlana) ')
Asturls (Zeiselmauer), not. c. 33. — Sitz eines Tribunus einer nicht in die
Legion eingetheilten Cohorte. — Vita S. Severini c. 1. — Vgl. Cetium I.
Koch V. Sternfeld (Münch. gel. Anz.) verlegt es nach dem heutigen Oster-
burg im Bilachthale bei Melk, wogegen die Stelle der vita Severini spricht,
in welcher der Ort als norische Grenzstadt gegen Pannonien hin erscheint,
'- Hormayr (Gesch. der Stadt Wien, II, 134) sucht es zu Höflein und Grei-
fenstein. — Lambeck und Jordan (Hormayr a. a. O.) verlegen es auf das
linke Donauufer, was ganz gegen den Text der vita Severini ist. — S. 149.
Ang^nstlana (castra), Notitia c. 33, Abtheilung dalmatischer Reiter, nach
unserer oben S. 149, Note entwickelten Ansicht ein späterer Name für ad
*) Arriana (castra), welches Frhr. v. Hormayr (Gesch. der Stadt Wien, I, 2, S. 137)
bei Mautem sucht, lag sicher nicht in Noricum, sondern in Pannonia prima und sehr wahr-
scheinlich im Theile unterhalb der Leitha.
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205
pontem Isea (Ips). Frhr. v. Hormayr, Qesch. v. Wien, I, 2, S. 137, hält es
für einen Brückenkopf von Trigisamum (Traismauer).
Oannablaoa, Not. c. 33, Sitz eines Tribunus einer nicht in die Legion ein-
getheilten Cohorte. Böcking leitet den Kamen von Canabis ab (not. dignit.
rH, 753), Aschbach hält ihn für eine Entstellung aus Cannanefatium castra
und vermuthet darin ein Standlager am linken Donauufer an der Mündung
des Kampflusses (Sitzungsber. XXXV, 21, Note 1). — Hormayr, Gesch. der
Stadt Wien, I, 2, 138) nimmt es für Schönbichl an der Bilach. — S. 144«
(Oaratensls) ').
Garnnntam, von Vellejus Paterculus (II, 109) als norischer Ort {locus Norici
regni) benannt, bei Ptolemaeos (11, 13) Kotp^ou<. — I. A. p. 247, 262, 266,
267 Camuntnm. — Tab. P. Carnuntura. — Not. c. 33. Sitz des Präfectes
der „oberen" Abtheil ung der XIV. Legion {Ubumarii), neben Vindobona
auch des Präfectes der classis histrica. — Seit Vespasian (69—79) Stand-
lager der XV., seit c. 100 n. Chr. der XIV. Legion. Nach der Not. war hier
eine Schildfabrik und wahrscheinlich auch der Sitz eines Tribunus gentis
Marcomanorum, wenn letzterer, was zweifelhaft ist, nicht auf Vindobona zu
beziehen ist. Die Civilstadt, von Kaiser Hadrian (117 — 138) zum Municipium,
von Kaiser M. Aurel, c. 180, zur Colonie erhoben, wurde 375 zerstört. Die
Civilstadt bei Petronell, das Standlager bei Deutsch- Altenburg , daselbst
auch der Brückenkopf. Vgl. v. Sacken, Carnuntum, Sitzungsber. IX u. XI.
- Femer meine Abhandlung in den Ber. des Wiener AI terthumsver., S. 185 f.
Auch in Petronell findet sich bei den Umwohnern die Sage von dem ein-
stigen Bestände einer grossen Stadt, es soll die Stadt „Troja" gewesen
sein. Steinbtichl bringt sehr treffend diese Sage mit dem Namen Trojer in
Verbindung, welchen die Taurisker bei Stephan. Byzant. führen, so dass
in jener Sage eine Erinnerung an den Bestand einer keltischen (tauriski-
schen oder trojischen) Ansiedlung versteckt wäre. Vgl. Hormayr's Archiv
fürGeogr., etc. 1816, S. 661, Note 7. ~ S. 131, 135, 137, 145, 148, 153.
Oetlnm I, das ältere, heute Zeiselmauer, seit Kaiser Vespasian (69 — 79)
Standort einer cyprischen Cohorte (Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 10), die
dabei liegende Civilstadt von Kaiser Hadrian zum Municipium (mit dem
inschriftlich nachweisbaren Namen Aelium) erhoben. Das Castell, im Mar-
komannenkriege zerstört, aufgelassen und an die Traisenmündung verlegt
(vgl. Cetium II), wurde bald (am Beginne des III» Jahrh.) wieder herge-
stellt und erscheint mit dem alten Namen Citium auf der Tab. P. Später
erhielt es Von einer Cohorte spanischer Soldaten aus Asturien den Namen
Asturis, vgl. diesen. Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 18. — S. 132, 144,
146, 164, 169.
Cetium II, das jüngere, heute Traismauer. I. A. 234, 248. (Reichhardt
sucht es bei St. Polten, Mannert und Lapie bei Mautem.) Im II. Jahr-
hundert eine Reiterstation {ala 1 Avgusta Thracum), wahrscheinlich nii
*) Not. c. 33. Sitz des Tribunus einer nicht in die Legion eingetheilten Cohort©. Die
Bestimmung ist bisher nicht möglich, sicher ist nur, dass der Posten in Pannonia prima lagj
ob diesseits oder jenseits der Leitha ist fraglich.
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206
dem Namen Tricesimum {ad lapidem irieesimum) von der Lage am 30. Mei-
lenstein von Arelate (Gross-Pechlarn), wurde es vergrössert^ als das ältere
Cetium nach den Markomannenkriegen aufgelassen wurde und bekam
dessen Namen, mit dem es im Itin. Anton, erscheint. Nach Wiederherstel-
lung des älteren Cetium erhielt es den alten Namen, welcher in der tab. P.
in Trigisamum entstellt erscheint. Späterhin erhielt es von einer cy pri-
schen Cohorte aus Paphos den Namen castra Paphiana, woraus, wie ver-
muthet wird, der Name Pafiana entstand. (Aschbach, Sitzungsber. XXXV,
23 f.) Dieser Name wurde im Mittelalter fälschlich auf das römische Wien
übertragen. Vgl. darüber Aschbach a. a. O.) Als Fafiana erscheint der
Punkt in der Not. c. 33, wo er als Sitz des Präfectes der norischen Legion,
erste Abtheilung für den Flottendienst bezeichnet wird. — S. 136, 146, 168.
Oetlus mOIlS, B/rtov opoc. Bei Ptolem. II, 14 als Grenze zwischen Pannonia
und Noricum. Vgl. über ihn, Schmiedl, Sitzungsber. XX, p. 338, 362 und
Hormayr, Gesch. v. Wien, I, 2, S. 182. — S. 131. Note.
Oommag^ena, Comagena, heute Tuln. I. A. 234, 248. — T. P. — Viia
Severini c. 1, 3. Seit Vespasian (69 — 79) Standort einer Cohorte aus Com-
magene. Aschbach, Sitzungsber. XXXV, 10. Nach der Not. c. 33 Station
einer Abtheilnng der equites promoti und eines Theiles der Donauflotille.
Mannert sucht es mit den älteren Gelehrten, wie Jordan in Zeiselmauer,
Reichhard und Lapie mit Recht in Tuln. — S. 133, 164, 168.
Dlcunola, vita 8* Severini c. 4, Name eines Baches, zwei römische Meilen
(•/g deutsche) von Fafiana entfernt, also südwestlich oder östlich von Trais-
mauer. Die Beziehung auf die Schwechat (Muchar, II, 172 nnd Frhr. v.
Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, I, 3, S. 68) beruht auf der älteren unhalt-
baren Meinung, dass Pafiana und Vindobona identisch seien. — S. 192, Note 2.
Sleglanii s. Locus felicis; es wird von Manchem desshalb für Oehling an
der Url gehalten, weil eine äusserliche Aehnlichkoit im Klang der Namen
besteht. S. 179, Note 2.
Fafiana, not. c. 33. — VHa 8, 8everini c. 30 u. 35, späterer Name von
Cetium II, vgl. dieses oder Trigisamum, heute Traismauer. — S. 146, Note 2.
Il6i Name des Flusses Ips, erhalten in dem Ortsnamen ad pontem Ises in der
Tabula. S. 134.
LoOUa fellolSy I. A. 234, 248, loco Felicis, von Aschbach (Sitzungsber. XXXV,
16) mit grosser Wahrscheinlichkeit ergänzt als „locus (Veneris) felicis*^ y
erscheint entstellt als.^eZe^to** in der Tab. P. und als „lacu felicis** in der
Not. c. 33, wo es als Standort einer Abtheilung von berittenen Bogenschützen
(equites sagittarii) genannt wird; heute Oehling bei Amstetten. — - S. 133, 177.
XllTOS ada Not. c* 33. Standort einer Abtheilung der equites promoti^ nach
Aschbach derselbe Ort, welcher in der Tab. P. als „Namare" erscheint;
von Kaiser Vespasian begründet, ward der Posten unter seiner Regierung
der Standort der Cohors I Fl. Brittonum, später einer Abtheilung von mau-
retanischen Reitern. Heute an der Mündung der Bilach in die Donau, bei
Melk. — S. 133.
Hamarei s. ad Maros.
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207
Pirna tortnSi tab. P. Pischelsdorf an der Perschling mit einem Vorwerk. —
8. 165, 168.
Pons XseSy s. ad ponte(m) Ises.
Purs^niüy vita 8ev, c. 6, fünf Millia von Fafiana (Traismaner) entfernt»
heute Hollenburg. Die Vermuthnng von Weisskem, der „Burgum** am
Kahlenberge sucht (nieder-österr. Topogr. , I, S. 99 und 296) sowie
jene von Hormayr, der^ es (Gesch. v. Wien, I, 3, S. 60) in die Nähe von
Sievring verlegt, beruhen auf der falschen Ansicht, Fafiana sei identisch
mit Wien. Auch die Meinung, es sei das heutige Purkersdorf, beruht dar-
auf. — S. 166, Note 1.
Tragisa (?) j. Traisen. Inschrift in St. Polten. Archiv XVIII, Nr. 12. —
Orelli, 1331.
Trigisamum {ad tricesimum lapidem), Tab. P. Vgl. oben Cetium II.
Villa Oai, Tab. P. Heute bei Siramering. — S. 154.
Vlndobona, eine Gründung des Kaisers Claudius (41- 54), Plinius, III, 24,
27 (Vianiomina), bei Ptol. II, 13 OjtXto/Sova; im I. A. 233, 248, 261, 266
u. T. P. Vindobona ; in der not. c. 33 Vindomana. Seit Vespasian (69 — 79)
Standlager der XIII., seit 105 n. Chr. der XIV. Legion, späterhin, wahrschein-
lich abwechselnd mit Carnuntum, Sitz des Präfectes der Donauflotille und
beständig Station derselben. Vgl. m. Abband. Vindobona im IX. Bd. d.
Ber. u. Mitth. d. Wiener Alterthumsver. — S. 129, 131, 135, 154, 169, 198.
Ad Vineas, vUa 8, 8ev, c. 5 von unbestimmter Lage, da es a. a. O. nur
heisst, es sei ein von Fafiana „weiter entfernter** Ort gewesen; wichtig als
Beweis der Weincultur, s. oben S. 195. Muchar, II, 172 und Hormayr
(Gesch. V. Wien, I, 3, S. 60) setzen diesen Ort an die Stelle des heutigen
Sievering, was mit der unrichtigen Ansicht von der Identität von Fafiana
und Vindobona zusammenhängt. —
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208
II. Verzeichniss der Fundorte römischer Alter-
thümer in Nieder-Oesterreich.
Abkürzungen : Archiv = Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde
in der österr. Monarchie im Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen, herausg.
von der k. Akad. d. Wissensch. — Fundchronik = die ersten dieser Beiträge,
erschienen in Schmiedrs Blättern f. Lit. u. Kunst. — v. Sacken u. K. = die
Sammlungen des k. k. Münz- und Antiken-Cahinetes, beschrieben von Frhr. v.
Sacken u. F. Kenner.
Abetsberg^ bei Mauer a. d. Url, Spuren einer römischen Strasse. Frhr. v.
Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, I, 2, S. 146.
Ag^g^sbaob an der Donau. Münzen und Anticaglien, Acten des k. k. M. u.
A. C. 1804. — Archiv XXIV, 237. — Hormayr's Archiv f. Geogr. etc.,
1824. S. 59.
Amsteiten, Gefässe, v. Sacken und K. S. 145, 4. — 149, 5.
Andrä St. bei Herzogenburg. MünzenJ" Archiv XXIX, 202.
Arnsdorf zwischen Mautern und Melk an der Donau. Münzen, Hormayr's
Archiv f. Geogr. etc. 1824, S. 59.
Assbaoh.bei Seitenstetten. Inschriften (Grabsteine) s. in Hormayer's Archiv
f. Geogr. etc. 1827, S. 27. — Münzen, III. Jahrb., Archiv XIII, v^5.
Baden« Estrich beim Cursalon im Park, Ziegel der X. u. XIV. Legion bei
den Ursprungsbädern, Grab in der Franzensgasse Nr. 155. Archiv, IX, 91,
XV, 248. Schmiedl, Wiens Umgebungen, III, 419. — Ueber dieselben
Funde, darunter ein Ziegel mit dem Stempel AQVAE, ferner ein Hypo-
caustum, Strassenpflaster, ein älteres und jüngeres, das letztere über den
ergteren, und Münzen, siehe kirchl. Topogr. von Nieder-Oesterr. (I. Abth.
Bd. IV, S. 30, 52 f. und Mayer's Miscellen über den Curort Baden (1819)
I, 98, 99. Die Münzen reichen vom I. bis ins III. Jahfh.
BalSOhlng^ und Waldegg im Piestingthale. Münze. Archiv XXIX, 1?5.
Bmok an der Leitha. Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Geschichte
der Stadt Wien, I, 2, S. 129. — Gräber mit Inschrift. Archiv IX, 94. —
Sitzungsber. XI, 363. Münzen und Anticaglien, Archiv XIII, 80.
Brunn und Fischau. Grundmauern zwischen beiden Ortschaften, Böheim,
Wiener-Neustadt, 2. Aufl., I, S. 13.
Brann am Gebirge (bei Mödling). Spüren einer Wasserleitung, Mitth. do^
k. k. Central-Comm. f. Erf. d. Baudenkm. 1867, p. XXVIII.
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209
Bursrstall an der Mönk. Casiell. Koch-Sternfeld. MOnch. gel. Ans., 1842,
8. 80 f.
Demtsoh-AltMlblirg, Heilbad, Archiv XTTT, 80. Sitzungsber. XI, 347. Mithrae-
um, Archiv; XV, 252, Sitzungsber. XI, 336 f. Inschriften, Fundchronik
in Schmiedrs Blätter f. Lit u. Kunst, 1848 (Separatabdr. III, 9), Archiv
XXIX, 197. — XXXm, 19. V. Sacken, Carnuntum, Sitzungsber. Bd. IX,
Nr. 32, 84, 62. Vgl. das Fundörterverzeichniss in v. Sacken und K. Die
Sammlungen des k. k. MQnz- und Antiken-Cab. S. 490.
Döblini^ bei Wien. Ziegel der XIY. Leg. u. m. Privatstempel. Ber. d. Wr.
Alterthumsver. IX, 168, Note. — Münze des I. Jahrb., Archiv XV, 244.
Sdlaohy Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch. v. Wien, I, 2.S. 146.
Si^l^enbliri^, V. O. M. B. Goldmünze von Alexander dem Grossen. Archiv
1851, I, 216.
FerschnltX bei Blindenmarkt. Inschriften. Mitth. des Frhrn. v. Sacken.
Flsoham^nd an der Mündung der Fischa. Inschriften. Steiner, Codex, 3357
— lieber die Beste ansehnlicher, vermuthlich römischer Festungswerke
zwischen Fischamend und Eilend, siehe Jordan, Orig. Slav., T. 11, pars
III, p. 97. Sie sind von Fischamend 1589, von Eilend 944 Klafter entfernt
und erstrecken sich 256 Klafter die Donau entlang. Jordan leugnet, Magn.
Klein (Not. Austr. n, 42) behauptet deren römischen Ursprung.
FiSOhau, 8. Brunn.
Frosohdorf (Frohsdorf) bei Wr.-Neustadt. Inschriftstein im Schlosse, Inschrift
unbekannt. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VIII, S. 133.
Gemelndelebarn bei Traismauer. Inschrift. Archiv IX. 97. Keiblinger,
Gesch. V. Melk, I. Fig. 6.
OfShly nördlich von Krems. Münze des I. Jahrh. Fundchronik im Archiv
XXIX, 210.
Gossaniy Pfarre Emmersdorf, O. M. B. Inschrift, ungewiss, Ob dort gefunden.
Archiv, IX, 99. — Keiblinger, Gesch. von Melk, I, 34, Note 1, Fig. 9.
Göttweih bei Mautem. Gebäudereste, Wall und Graben, im XI. Jahrh. gef.
bei der Gründung des Stiftes. Vita B. Altmann. Pez I, col. 127. — In-
schrift im Wiener Jahrb. d. Lit. B. 51, Anzeigebl. S. 46. Zimmermann's
Zeitschr. 1835, S. 94. — Steiner, 3336.
Göttelsbrunil bei Brück a. d. Leitha. Inschrift. Fundchronik in SchmiedVs
Blätter f. Lit. u. Kunst. 1848. Separatabdr. III, 10.
Grafendorf bei St. Polten. Inschriftstein. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VII,
S. 322.
Grlllenberi^. Münzen des IV. Jahrh., Keiblinger, Ge^ch. von Melk, II, 711.
GrOSS-AlgeD, Dorf in der Pfarre Külb bei St. Polten. Schweickhardt V. O-
j W. W., IX, 138, 139 verzeichnet die Sage, dass hier eine Stadt gestanden
habe und bemerkt, dass man in der That an mehreren Stellen Säulen,
Grabsteine u. dgl. ausgegraben habe. Keiblinger, Gesch. von Melk, II,
165, der nie etwas dergleichen von diesem Orte gehört, glaubt, es müsse
diese Notiz von einem andern gleichnamigen Orte gelten und sei von
Schweickhardt irrig auf diesen bezogen worden.
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Chunpendorf bei Wien. Bruchstücke eines Meilensteines. Ber* des Wiener
Alterthurasver., IX, 191, Note 8.
Gnmpoldskirchen bei Baden. Sarg mit Inschrift. Archiv IX, 90.
Chitteiuiteliier Strasse, s. Steinabrückl.
Hainburg. Wasserleitungsröhren, Ziegel der XIV. Legion, im Thal des
Teichberges, y^ Stunde südlich von Hainburg. Acten des k. k. Münz- und
Antiken-Cab. — Schmuckgegenstände, Pundchronik in Schmiedl's Blätter
f. Lit. u. Kunst. 1846. Separatabdr. I, 9 u. v. Sacken und K. 8. 356,
Nr. 162, 166. — Lambeck fand auf der Höhe ein zerfallenes Castell, das
er für römisch hielt, was wenigstens bezüglich der Grundmauern sehr
wahrscheinlich ist; derselbe sucht hier den vorrömischen Ort Camuntum»
Add. in lib. II, comment. Bibl. Caes. Vind. p. 997.
Hametsberg bei Oehling, Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch.
d. Stadt Wien, I, 2. S. 146.
Harlanden bei Gross-Pechlam. Hypocaustum, Archiv XXIV, 238. — In-
schriften. Wiener Ztg. 1856, 15. Oct — Aschbach, Sitzungsber. XXXV,
S. 8, Note 3 (jetzt in der Pfarrkirche von Pechlam). Auch die in Pech-
lam befindlichen Inschriften kamen aus Harlanden dahin. Hormayr's
Archiv f. Geogr. etc., 1824, S. 58.
Hlmberi^ zwischen Klein-Schwechat und Laxenburg. Grab mit Gefassen
v. Sacken und K. S. 247. Archiv XXIX, 126. Mitth. der k. k. Central-
Comm. V, 300. — Münzen. Archiv, IX. 93.
Hoohbruok bei Oehling. Spuren einer römischen Strasse. Hormayr, Gesch.
d. Stadt Wien, I, 2. S. 146.
Höfleln bei Brück a. d. Leitha. Inschrift, Ziegel der XIV. Legion, Fund-
chronik in Schmiedl's Blätter f. Lit. u. Kunst. 1 848. Separatabdruck IH, 10.
HÜrm bei Melk. Inschrift, Duellius Excerpt. Genealog, p. 303. Abbildung auf
Tab. n, Fig. IX. Muchar, Rom. Noric. I. 268. Keiblinger, Gesch. von
Melk, I, 14, Note 2, 3.
bsersdorf bei Wien. Meilensteine. Fundchronik in Schmiedl's Blätter f.
Lit. u. Kunst 1846. Separatabdruck I, 6; v. Sacken u. K. S. 101, 5. —
S. 105, 10. — 108, 18, 20. — 109, 22. — Christlicher Grabstein, Archiv
XXIX, 194. — Gräber. Archiv XV, 247, XXIV, 235, XXIX, 194, XXXUI,
17, XXXVni, Nr. 8.
Xps. Münzen. Acten des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets. 1830. — Von
mehreren, auch von Keiblinger (Gesch. v. Melk, l, S. 33) wird der In-
schriftstein aus dem J. 870, welcher die Erbauung eines Burgum durch
die Äuxüiares Laureacenses verewigt, als in Ips gefunden betrachtet, wäh-
rend Galles den Fundort in die Nähe von £ns verlegt. Auch Gaisberger
rechnet ihn zu den an letzterem Orte gefundenen Inschriftsteinen. Beitr.
z. Landesk. v. Oesterr. ob d. Enns, VIII, Nr. 5.
Xarlstettan bei St. Polten. Inschrift. Archiv XXXVHI, Nr. 13. — Münzen,
m. Jahrh. I. Kirchl. Topogr., I. Abth., Bd. VII, S. 309.
Katielsdorf bei Wr.-Neustadt Inschriften. Archiv, 1849, n, 163. — XXIV, 235.
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KlOStemeuburir ^^ Wien. Militärdiplom. Arneth, 12 römische Militärs-
diplome. S. 33. — Orelli-Henzen, 5428. — Steiner, Codex, 3340 f. —
Inschriften und Ziegel, Wiener Jahrh. d. Lit. 86, Anzeigebl. ß. 61, 70 f.
Steiner, Codex 3347 f. Archiv I, S. 216.
laeobersdorf bei Wr.- Neustadt. Znbehauene Steine , ausgegraben auf dem
„Stadtfelde.** Kirchl. Topogr. V, 116.
St. Leonhard am Forst (Bezirk Scheibbs). Inschriften. Archiv IX, 99. Vgl.
oben Burgstall. Steinbüchl, Wiener Jahrb. der Lit, Bd. 51, Anzeigebl.
S. 46 nennt als Fundort Peillenstein bei St Leonhard, Koch-Stemfeld
den Burgstall an der Mönk. Mttnch. gel. Anz. 1842, S. 80 f. — Gruter
gab unrichtig bald Siscia (617, 6), bald Liburnia (469, 8) als Fundort,
Muratori nennt ihn richtig nach den (icta Lipsiensia erudUarum Peillen-
stein (854, 3). Abgebildet sind die Steine bei Keiblinger, Gesch. v. Melk,
I. Bd., Fig. 7, 8. — Münzen, II. Jahrh. Keiblinger a. a. O. I, 26, Note 2.
— rV. Jahrh. Mitth. des Hrn. Theodor Fetter.
Xilesini^ bei Wien. Wasserlei tungscanal, Archiv XXIX, 194.
XiOOSdorf bei Melk. Manzen, IV. Jahrh. Acten des k. k. Münz- u. Antiken-Cab.
Mahlleitan zwischen dem Marchgraben (bei Wöllersdorf, wo er in das
Piestingthal mündet), der Zweierwiese und dem Pfaffenkogel-Plateau mit
Gefässscherben und Ziegeltrümmem, Archiv, XIII, 79.
Bf annersdorf. Inschrift. Acten des k. k. Münz- u. Antiken-Cab. Text un-
bekannt
Maria Lanzendorf bei Wien. Inschi-ift. Archiv 1849, II, 170.
Matxlelnsdorf bei Melk. Münzen, l\ Jahrh. v. Chr. Archiv XXXYIII, Nr. 15.
Mauer bei Melk. Inschriften. Archiv IX, 98 ; Hormayr^s Archiv f. G^ogr. etc.,
1824, S. 69. — Abgebildet bei Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, Fig. 10.
Mauer an der Uil, bei Oehling. Die „Burg** (das Castell), abgebUdet bei
Hormayr, Gesch. d. Stadt Wien, I, 2. Vgl. J. Gaisberger in den Beitr.
z. Landesk. v. Oesterr. ob d. Enns 1864. Separatabd. S. 73, die Wie-
ner Jahrbücher d. Lit III, 298, 299 erwähnen Ziegel mit A. MVR (?), die
Lesung verdächtig wegen der naheliegenden Bedeutungen AD MVROS =
ad Mauros (Not.), welchen Posten man bei Mauer gesucht hat. Münzen,
s. Gaisberger a. a. O. und Archiv Xin, 84. — Ziegel mit LEG I NOR
ebenda u. Archiv XXXVIII, Nr. 17. Die Grabstätten mit Sarkophagen
ohne Inschrift in der nahen „Schüttgrabe**, vgl. W. Jahrb. d. Lit a. a. O.
Nach Hormayr's Gesch. v. Wien, T, 2, 8. 146 ist Mauer nach Camnntum
der ergiebigste Fundort in Nieder-Oesterreich ; es werden als dort gefunden :
Meilensteine^ Inschriften, Wasserleitungsröhren u. s. w. erwähnt.
Mauer bei Wien. Münzen. Archiv IX, 89. — Inschrift, Steiner, Codex 3870.
— Wasserleitungscanal, Archiv XXIX, 194.
Mautem, gegenüber v. Krems. Gräber, Archiv XIII, 84. — Vgl. Hormayr's
Archiv f. Geogr. etc., 1825, S. 29, mit dem Bruchstück einer Inschrift und
Legionsziegeln (LEG 11. ITAL). — Einen ähnlichen Bericht wohl nach
dem eben Angeführten gibt Schweickhardt. V. O. W. W. X, 32 f. (Münzen
des IV. Jahrh., Basrelief und Grabschrift.) — In Göttweih wird ein angeb-^
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lieh aus Maatern stammender Ziegel bewahrt, der über einer Tuba und
zwei Palmzweigen den Stempel der XXII. Legion zeigt. Diese Erscheinung
ist um so überraschender, als die genannte Legion bleibend in Oberdeutsch-
land (Mainz und Umgebung) stationiert war.
Xeidling bei Wien. Inschrift. Archiv, XIII, 7$. v. Sacken und K. 8. 82,
212 d.
Velk. Inschrift. Archiv IX, 95. Steiner, 3343. Münzen (V. Jahrb.), Archiv
XXXVIII, Nr. 14. Keiblinger, Gesch. v. Melk, I, 17.
Xuthmannsdorf bei Wr.-Neustadt. Inschrift. Böheim, Wr.-Neustadt, 2. Auf-
lage I, S. 12. Jetzt in Wr.-Neustadt. — Mauertrümmer. Hormayr's Archiv,
1822, S. 448. — Spuren einer Römerstrasse und Fundamente, angeblich
eines präedium. Kirchl. Topogr., I. Abth. Bd. VIII, S. 140.
Heulengbach im Wr. W. Münzen, Mittheilung des Hrn. Prof Dr. Jeitteles.
Heanklrohen. Inschrift. Muchar, Nor. I, 307. Böheim a. a. O. I, 12 f., später
nach Schwarzau bei Pitten gebracht, als hier befindlich erwähnt, im Archiv
1849, I, 216. — Ausgedehnte Römerspuren, die beim Bau der dortigen
Spinnfabrik in vandaliacher Weise zerstört wurden (darunter viele Inschrift-
steine), erwähnt Böheim a. a. O.
Ockling^ an der Url bei Amstetten. Inschriften. Wiener Jahrb. der Lit 51,
Anzeigebl. S. 47. Steiner, Codex, 3338 f., jetzt in Seitenstetten.
Pasdorf bei Mistelbach V. O. M, B. Inschrift (Fundort zweifelhaft). Archiv
XIII, 86.
Peillensteln, s. St. Leonhard.
Peoklam (Gross-). Ruinen in der Donau, Jordan, Orig. Slav. T. II, pars HI,
p. 72. Hormayr, Gesch. der Stadt Wien, 1, 2, 136. ^ Inschriften zu St. Peter,
beiPechlam Apian, p. 406. Steiner, Codex 3345, versehwunden; sie stammen
ursprünglich aus Harlanden (vgl. dieses). — Neun Reliefs, theilweise frag-
mentirt, abgebildet bei Duellius Excerpt. genealog. Tab. IV, V, VI, Nr.
14—22 und in Hormayr's Archiv f. Geogr. etc., 1824, S. 58. Es werden
dort neunzehn Reliefs und das Fragment eines Meilensteines angeführt.
Münzen, I— IV. Jahrh. Duellius a. a. O., p. 307.
Pemltz im Piestingthale. Münzen, Grabreste, Bruchstücke von Denkmälern.
Hormayer's Archiv f. Geogr. etc. 1826, 19.
Perwart bei Steinakirchen. Inschrift. M. J. Becker, der Oetscher und sein
Gebiet II, 104. Vgl. Schweikhardt (V. O. W. W. XIII, 281).
Petronell bei Deutsch- Altenburg. v. Sacken; Camuntum. Sitzungsber. Bd. IX«
und XI, dazu Archiv XV, 248; XXIX, 196 (Mosaik). Ber. d. Wiener
Alterthumsver. X, 185 f. (Heidenthor).
St. Polten. Inschrift. Archiv XXXVTII, Nr. 12. Orelli 1381. — Münzen,
Duellius Excerpt. geneal. p. 838 (m. Grablampe) Archiv XV, 254. —
XXIV, 237. ~ XXIX, 201. — XXXIH, 20 f. — Anticagl., -v. Sacken und
K. S. 291, 290. — Aus der Umgebung (Stammersdorf ?) Gefässe und Mün-
zen, Duellius a. a. O. 337.
Purkersdorf. Münzen. (I. bis III. Jahrh.) Archiv XIII, 80. XXIV, 236.
Beselsbrunn bei Petronell. Gefäss. Archiv, XIII, 80.
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BmprecktsllOfeB bei St. Leonhurd. Römersteine beim Bau des Kirchthnrmes
verwendet Schweikhardt V. O. W. W. Xu, 8. 64, 66. Münzen des in.
Jahrb. Keiblinger, Qescb. v. Melk, I, 25, Note 2.
Saohsengani^ im Marchfeld zwischen Wittan und Oberhansen bei Gross-
Enzersdorf. Münzen. Fundchronik in SchmiedPs Blätter f. Lit u. Knnst,
1847. Separatabd. II, 13.
SohaUaburg bei Melk. Anticaglien, Archiv XXIX, 208.
Sohalladorf bei Melk. Gräber, Archiv XXIY, 238.
SoharfeneSTff ^m rechten Leithaufor. — Inschrift v. Sacken und K., S. 50,
Nr. 243. — Der Ortsname findet sich nicht auf der Karte verzeichnet, da
Scharfenegg eine Ruine auf der Höhe des Leithagebirges ist, und der Name
des Schlosses nur noch in juridischem Sinne die Gesammtheit der demselben
untergebenen Ortschaften bezeichnet. Daher ist auch der Fundort nicht
bestimmt, wahrscheinlich aber in der nächsten Umgebung von Manners-
dorf zu suchen.
Sohelbbs. Broncefignren. Archiv XXXVIII, 16.
Sokelbllngklrchen bei Sebeustein. Inschrift an der Kirche. Böheim, Wr.-
Neustadt, 2. Auflage I, S. 14.
Sohottwien römische „Denkmale.*^ Mnchar, Noric. unter den Römern I, 807,
Sohwadorf. südlich von Fischamend. Inschrift. Archiv, 1849, I, 216. —
Mithrasmonument. Archiv Xm, 80.
(SchwatxaUy s. Neunkirchen.)
Sohweohat (Klein-). — Meilensteine, y. Sacken n. K., S. 101, Nr. 4. -^
103, Nr. 7. — 106, Nr. 12, 13. — 107, Nr. 17. — 108, Nr. 19. —
Seitenstetten. Schmuck, v. Sacken u. K. S. 337, Nr. 82.
Stelnabrttckl bei Wr.-Neustadt. Sargdeckel mit Inschrift zwischen St und
Wöllersdorf, 1808, beim Bau der Feuerwerkscorps-Caseme und der Gutten-
Steinerstrasse gef., jetzt in Wr.-Neustadt, Böheim, Wr.-Neustadt, 2. Auf-
lage I, S. 12.
Stlxiieiisiedl bei Brück a. d. Leitha. Spuren einer römischen Strasse Hor-
mayr, Gesch. d. Stadt Wien I, 2, 129. Mithrasreliefs, v. Sapken und K.,
S. 29, Nr. 45. — S. 49, Nr. 230. — Inschrift, a. a. O., S. 81, Nr. 212. —
S. 85, Nr. 217. — S. 92, Nr. 230., — S. 98. Nr. 250. — Ueber die Mithras-
Denkmäler, siehe auch Hormayr's Archiv f. Geogr. etc., 1816, S. 651. —
Stopfenreut gegenüber von Deutsch-Altenbnrg. Spuren eines Brückenkopfes
beim „Öden Schloss** mit Ziegeln der XV. Legion, v. Sacken, Sitzgsber. XL
Traismauer. Inschriften. Steinbüchl, Wr. Jahrb. d. Lit. 51. Anzeigebl. S. 46.
— Zimmermanns Zeitschrift, 1838, S. 943. — Steiner, Codex, 3334. —
Muratori 237, 4. Kataneich htri adcolae I, 801, 5.
Tulbi&iTi südlich von Tuln. Inschrift, gef. am Fusse des Berges.' Jordan.
Orig. Slav. Tom. II, pars III, pag. 71.
Tuln« Die Kirche soll auf den Resten eines heidnischen Tempels (Büsching,
Erdbeschr. III, 1, S. 359) stehen, welcher nach Aschbach (Sitzgsber. 35,
S. 27) möglicher Weise ein Heiligthum des Jupiter Dolichenus (Dolocenum)
war. Schweickhardt, (V. O. W. W.) I, 77 leugnet den römischen Charakter
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des Unterbaues der Kirche vollständig. — Münzen des !• IT. und IV.
Jahrh. bei Schweiekhardt a. a. O., S. 190.
Tnlnerfeld. Münze. Archiv, 1849, I, 216.
Unterradelberg bei Herzogenburg. Inschrift. Mitth. d. k. k. Gentral-Comm.
IV, 143. — Archiv XXIX, 208.
Vösendorf bei Laxenjburg. Meilen- und Grabstein. Archiv 1849, II, 164. —
V. Sacken und K., S. 84, Nr. 216 b. — S. 110, Nr. 26. — Kirchl. Topogr.
III, 291.
Wallsee (Nieder-). Mauern und Särge mit Münzen. Wr. Jahrb. d. Lit HI, 299.
Wien. Die Funde bis 1866 zusammengestellt in ro. Abhandlung Vindobona
im IX. Bde. der Ber. des Wr. Alterthumsver. Vgl. das Verzeichniss d. Fund-
orte in V. Sacken und K. Sammlungen des k. k. Münz- u. Antiken-Cab.,
S. 494. Ausserdem Münzen und Anticaglien, Fundchronik in Schmiedrs
Blätter f. Lit. u. Kunst, 1846. Separatabd. I, 5 f. H, 11, 1848. Separatabd.
III, 5 f. — Archiv: 1849 H, 163, 1851, 216. — IX, 87. — XIH, 77. —
XV, 243. — XXIV, 234. — XXIX, 191 f. — XXXIH, 11 f. — XXXVIII,
Nr. 1 bis 7 a. —
Wr-Neustadt. Inschrift. Fundort (ungewiss), aufbewahrt in „Coemelerio pa-
rochiali,*^ Apian pag. 404. Steiner, Codex 3389; — eine zweite s. Muth-
mannsdorf. — Münzen: Archiv XIII, 78. — XXIV, 235.
Wildongsmauer (Wilflingsmauer) bei Petronell. Hormayr, Gesch. v. Wien
I, 2, S. 151 erwähnt hier eines noch sichtbaren Theiles des Limes.
Wöllersdorf. Münzen, Reste von Gräbern und Bruchstücke von Denkmälern,
Hormayr's Archiv f. Geogr., 1826, 19. 1827, 27. Die Gräber ähnlich wie
in Brück a. d. Leitha.
Zelselmauer. Mauern und Castell, Hormayr, Gesch. d. Stadt Wien I, 2, S. 134.
Jordan, Orig. Slav. T. II, pag. m, pars 64—68. — Muchar Noric. I, 270.
— Inschrift jetzt im Dominikanerkloster zu Tuln. Archiv IX, 1, S. 101.
— Steiner, Codex, 8342. — Münzen, Archiv XV, 253.
Zwentendorf bei Tuln. Münzen, I. Jahrh. Fundchronik in SchmiedPs Bl.
f. Lit. U.Kunst, 1847, Separatabd. n, 11.
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Die Alpen im Kreise TJ. ¥. ¥.
mit Rücksicht auf ihre
HShenverhältnisse, geologische BeschafTenheit,
örtliche Eigenthümlichkeiten, Bewässerung, Klima,
die Be?dlkeriiiig
und die
auf ihnen vorkommenden Pflanzen.
Von
Dr. Josef Krziseh
ii NeukircliM.
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In den Quellengebieten der Ibbs, Erlaf, Mürz und der
Schwarza Hegt das eigentliche Alpenland Nieder-Oesterreichs, von
welchem uns in der nachfolgenden Abhandlung nur das Fluss-
gebiet der Schwarza, des kalten Ganges und der Pitten mit seiner
Umgebung, insoweit dieselbe innerhalb der Q-renzen des V. U.
W. W. gelegen ist, beschäftigen soll.
Es sei hier kurz erwähnt, dass die Alpen Nieder-Oester-
reichs die letzten Ausläufer der norischen Alpen sind, als deren
Anfang die Dreiherrenspitze, vom Grossglockner westlich, ange-
nommen werden kann, welche anfänglich die südliche Grenze von
Salzburg verfolgt, dann Obersteiermark in nordwestlicher Rich-
tung durchsetzt, und über die Wildalpe bei Maria-Zeil auf den
GöUer nach Nieder-Oesterreich zieht.
Vom GöUer geht vom Hauptstamme ein Seitenast nach We-
sten über die Hofalpe auf den Gippel, von wo er abermal zwei
Aeste, einen nordöstlichen und einen südöstlichen Zug bildet.
Zu dem nordöstlichen Zuge gehört der Schneeberg, die
höchste Alpe Nieder-Oesterreichs mit seinen Voralpen und Ber-
gen, dem Gutensteiner Geschaid, dem Rohrerberg, Gahns, Feuch-
ter, Hingst u. s. w., zu dem südöstlichen Zuge gehört die ganze
Rax-Alpe, der Thrasikogel, Semmering, Sonnwendstein und der
Wechsel, und pflegt dieser Zug als die Fortsetzung des Haupt-
rtickens der norischen Alpen betrachtet zu werden.
I. Die Höhenverhältniflse.
Die gemessenen Höhenpunkte in der Region des Hochge-
birges, der Voralpen und Alpen, stellen sich folgendermassen dar :
1. Im südöstlichen Zuge:
1. Kranichberg, Schloss (ürkalk) 2514'
2. Oberer Atlitzgraben (Grauwacke) 2717'
3. Semmering, höchster Eisenbahn-Tunnel (Grauwacke). 2788
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4. Hartberg, östlich von Mönichkirchen (Urgebirge) . . 2808'
5. Hutwisch bei Hochneunkirchen (Urgebirge) . . 2830'
6. Raachberg, südlich von Gloggnitz (Grauwacke) . . . 286^
7. HoUabrunner Riegel, nordwestlich von Aspang (Urge-
birge) 2912'
8. Mönichkirchen im Amtsbezirke Aspang (Urgebirge) . 2994'
9. Eselsberg (Möselberg), nördlich von Earchberg (Grau-
wacke) 3070'
10. Semmering, Gasthaus zum Erzherzog Johann (Grau-
wacke) 3081'
11. Preiner Geschaid (Grauwacke) 3114'
12. Hubnerisches Geschaid zwischen dem Preinthal und
Neuwald (Kalk) 3714'
13. Kogelberg, südwestlich von Aspang (Urgebirge) . . 4068'
1 4. Siebenbrunnenwiese am Fusse der Rax- Alpe (Grauwacke) 4122'
15. Otterberg, südöstlich von Schottwien (Grauwacke) . . 4287'
16. Semmering, höchste Spitze (Grauwacke) 4416'
17. Kampstein, östlich vom Wechsel (Urgebirge) .... 4638'
18. Salblberg, südwestlich von Kirchberg (Urgebirge)'. . 4736'
19. Sonnenwendstein (Göstritz) bei Schottwien (Grauwacke) 4818'
20. Sattelberg, südwestlich von Kirchberg (Urgebirge). . 4932'
21. Thrasikogel, südwestlich von Prein, die höchste Er-
hebung der Grauwackenzone 4940'
22. Eishüttenalpe in der Prein (Kalk) 5052'
23. Vorauer-Alpe am Wechsel (Urgebirge) 5265'
24. Jakobs -Kogel des Grünschacher auf der Rax -Alpe
(Kalk) 5489'
25. Hoher Umschuss des Wechsel, höchste Spitze des
Urgebirges 6497'
26. Wetterkogel der Rax- Alpe (Kalk). ........ 5880'
27. Hohe Lehne (Scheibwaldhöhe) der Rax-Alpe (Kalk) . 6140'
28. Heukuppe, höchste Spitze der Rax-Alpe (Kalk). . . 6338'
2. Im nordöstlichen Zuge:
1. Weissjagel bei Gloggnitz (Grauwacke) , 2549'
2. Rohrer-Berg, westlich von Gutenstein (Kalk) .... 2726'
3. Gutensteiner Geschaid zwischen Gutenstein und Rohr
(Kalk) 2730'
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4. Kressenberg, westlich vonRiesting (Kalk) 2802'
5. Gösing bei Stixenstein (Kalk) . 2843'
6. Bodenwiese des Gahns (Kalk) 3022'
7. Hochberg nordöstlich von Puchberg (Kalk) . . . 3027'
8. Hengst, Voralpe des Schneeberges (Kalk) 3294'
9. Strimling, südwestlich von Gutenstein (Kalk) .... 3322'
10. Almesbrunn, nordöstlich von Gutenstein (Kalk) ... 3416'
11. Plackles, südwestlich von der Wand (Kalk) .... 3590'
J2. Triefel, nördlich von Gutenstem (Kalk) . . . . 3597'
13. Bürschhof am Gahns (Kalk) 3798'
14. Jochartberg, nördlich von Rohr (Kalk) 4006'
16. Unterberg, nordwestlich von Gutenstein (Kalk) . . . 4243'
16. Schwarzenberg, höchster Punkt des Gahns (Kalk) . 4274'
17. Handlesberg, nordöstlich von Schwarzau (Kalk). . . 4331'
18. Feuchterberg, Voralpe des Schneeberges (Kalk) . . 4365'
19. Obersberg, westlich von Schwarzau (Kalk) 4629'
20. Alpl am Schneeberg (Kalk) 4782'
21. Ochsenboden am Schneeberg (Kalk) 5796'
22. Kuhschneeberg (Kalk) 6928'
23. Waxriegel, erste Spitze des Schneeberges (Kalk) . . 5961'
24. Kaiserstein, zweite Spitze des Schneeberges (Kalk) . 6517'
25. Alpengipfel (Klosterwappen), höchste Spitze des
Schneeberges und der Kalkzone 6566'
IX. Oeologiache BeschaflFenheit.
Nach den Gebirgsarten, aus welchen die eben genannten
Berge gebildet sind, gehören dieselben drei verschiedenen Zonen
an, ujid zwar:
1. jener des Urgebirges oder den krystallinischer Schiefer-,
2. der Grauwacke- und
3. der Kalkzone.
ad 1. Das Urgebirge, welches zwischen Trattenbach und
Priedberg als krystallinischer Schiefer aus Steiermark nach Nieder-
Oesterreich vordringt, und den südöstlichen Theil des V. U. W. W.
ausfüllt, ist durch vorherrschende Wald- und Wiesenbildung,
und durch eine von vielen quelligen Stellen genährte reichliche
Bewässerung ausgezeichnet, erscheint aber nur als ein niedriges
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Gebirge, mit abgerundeten kuppenförmigen Bergen und oft weit
sich hinziehenden Hochebenen. Sein Landschaftsbild ist ein mehr,
weniger emförmiges, es entbehrt, obwohl es steinig ist, der Fels-
wände, nur seine höheren Kuppen ragen in die Kegion der Vor-
alpen, und nur die höchsten Erhebungen des Wechsel überschrei-
ten die Alpengrenze. Insofeme ist es mit dem ürgebirge der Alpen
in anderen Gegenden, welches dort durch seine Grossartigkeit
imponirt, nicht zu vergleichen; selbst in floristischer Beziehung
drückt diese Gegend keinen alpinen Charakter aus, indem das
Krummholz, dann alle alpinen Arten der Salicmeerij Saxifragaceen,
Primulaceeny Ranunculaceen^ Cruciferen etc, durchaus fehlen.
Seiner Zusammensetzung nach besteht es vorherrschend aus
Gneiss und Glimmerschiefer, welche Gesteine wechsellagemd auf-
treten und durch Uebergangsformen mit einander verbunden
sind ; als untergeordnete Gesteinarten kommen Homblendeschiefer,
Talkschiefer, kömiger oft dolomitischer Kalk, grosse reine Quarz-
trümmer, Eisenerz und Forellenstein vor.
ad 2. Die Grauwackenzone dringt nördlich vom Preiner
Geschaid längs des Fusses der Kax-Alpe über Reichenau, St.
Christof, Prüglitz bis Pottschach reichend, nach Nieder-Oesterreich
vor, grenzt östlich an die Schieferzone und wird dort von tertiären
Gebilden theilweise überlagert. Die höchste Bergsjitze dieser
Zone ist der Thrasikogel in der Prein.
Weder in landschattlicher noch vegetativer Beziehung bietet
diese Region etwas Eigen thümliches dar, indem die dahin gehörigen
Berge verhältnissmässig niedrig, nach den bei ihnen vorherrschen-
den Kalk oder Schiefergesteinen sich entweder als schroffe Fel-
senbildungen des Alpenkalkes, bis wohin manche Bergesspitzen
reichen, oder als abgerundete, bewaldete, niedrige Berge darstellen,
wo in ihnen die krystallinischen Schiefer auftreten.
Die Grauwackengesteine bestehen teils aus dunklem Thon-
schiefer und dunkelgrauem Kalkstein, welcher in Dolomit und
Rauhwacke übergeht, kalkigen, dolomitisch^n, talkigen und quar-
zigen Schiefem mit eingelagertem Gyps, und teils aus hellen
grauen Kalken, grünlichen Grauwackenschiefem mit Massen von
Magnesitfels und Spatheisenstein, dann Grauwackenkalk und Quarz.
ad 3. Die Kalkzone ist von allen dreien die mächtigste
und ausgedehnteste, nimmt den ganzen südwestlichen Theil des
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V. U. W. W. ein und ist an ihren Rändern meist von tertiären
Gebilden überlagert, und bildet unser eigentliches schönes Alpen-
land mit seinen malerisch scharfen Gebirgskämmen, den schroff
abstürzenden Felsenwänden, seinen finsteren, ausgewaschenen,
engen Schluchten, den moosigen Nadelwäldern und grün gefärbten
Flüssen und Bächen.
Die ganze Zone besteht aus Kalksteinen verschiedenen
Alters, die bald fest und dicht, bald zerklüftet und in Felstrüm-
mern durcheinander geworfen erscheinen und deren verschiedene
Färbung als lichter oder dunkler graue, rothe und gelbe Abhänge
sich darstellen.
Der Alpenkalk bildet überall steil abfallende Wände, an
deren Fusse die durch Verwitterung oder durch die Gewässer
herabgestürzten Trümmergesteine als „Schütten" sich aufhäufen,
welche letztere oft von grosser Mächtigkeit und Ausdehnung sind,
wie die Schutt der Griesleiten an der Preiner Wand, der Rax-
Alpe, und jene am sogenannten „breiten Riss" bei Puchberg am
Schneeberg; auch setzt derselbe eigenthümlich geformte Felsen
und Höhlungen an.
Der Schneeberg, die Rax-Alpe und das ganze Schwarza-,
Sieming- und Piestingthal sind durchaus aus diesem Alpenkalke
gebildet.
IIL Oertliohe Eigenthümlichkeiten.
I. Die Schneeberg Alpe, zwischen den Quellen des kalten Ganges
und der Schwarza liegend, besteht aus fünf, mit einander
zusammenhängenden Bergen, dem Gahns, Feuchterberg mit
der Knofelebene und dem Alpl, dem Hengst, dem hohen
Schneeberg und dem Kuhschneeberg.
1. Die ausgedehnteste Voralpe des Schneeberges ist der
Gahns, welcher auf der einen Seite das Schwarzathal von Reich enau
bis Gloggnitz begrenzt, seine Wände über St. Christof, Prüg-
litz und Birg fortsetzt, gegen das Sierningthal weiter geht und
sich bei Rohrbach im Graben vom Hengst scheidet. Der Umfang
dieser Voralpe beträgt über drei Meilen.
2. Der Feuchterberg mit der Knofeleben, dem Alpl und mit
seinem sonnigen Mittagstein, am rechten Eingange des HöUen-
thales stehend, wird durch die vom Thalhofe bei Reichenau auf
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das Alpleck führende Holzriese vom Gahns, und durch den vom
Kaiserbrunnen im HöUenthale aufsteigenden Krummbachgraben
vom hohen Schneeberg geschieden.
3. Der Hengst, die kleinste der Voralpen des Schneeberges,
im Puchberger Thale gelegen, führt über das „kalte Wasser"
und den „Sattel" auf den Waxriegel des Schneeberges, imd schei-
det sich durch den tiefen ßohrbachgralben vom G-ahns.
An jener Stelle, wo diese drei Berge: der Gahns, das Alpl
und der Hengst zusammenstossen, erhebt sich
4. der Waxriegel, die erste Spitze des hohen Schneeberges,
welche sich über den „Lux" und „Ochsenboden" ab eine von
Schneegruben imterbrochene Hügelreihe, auf den Kaiserstein und
den Alpengipfel oder das Klosterwappen, die höchste Bergspitze
des Alpenkalkes und von Nieder-Oesterreich, hinanzieht. Die Spitze
des Kaisersteines stürzt in einer fast senkrechten Wand, „den
breiten Riss", in das Puchberger Thal hinab, der Alpengipfel
aber, in Schluchten und Klippen zertrümmert, ist mit seiner „Bock-
grube" und dem „Saugraben" gegen das Höllenthal gerichtet,
von denen die letztere Felsenschlucht vom „Krummbachgraben"
zwischen der „Heu-" und „Kuhplegge" auf den „Ochsenbodeu"
führt.
5. Der „Kuhschneeberg" endlich, als eine plateauförmige,
durch den „Kuhschneegraben" vom hohen Schneeberg geschiedene
Fortsetzung desselben, fällt steil gegen das obere „Höllenthal"
und die „Vois" ab und bildet auf seiner Südseite die bekannte
„Frohnbachwand" mit dem „Frohnbachgraben".
n. Die Kax-Alpe stellt einen weitläufigen, plateauförmigen Ge-
birgsstock dar, der von allen Seiten steil abfällt und des-
halb keine ausgedehnten Voralpen hat Obgleich etwas nied-
riger als der Schneeberg, übertriflft sie gleichwohl letzteren
weit an Ausdehnung ihres Alpengebietes, an weiten, tiefen
Schneegruben imd auch an Pflanzenreichthum.
Vom „Wetterkogel" ausgehend, scheiden sich von dem-
selben vier Höhenzüge, nämlich: der „Grünschacher", die
„hohe Lehne", der „Scheibwald" und die eigentliche „Rax-
Alpe".
1. Der „Grünschacher", nordöstlich vom Wetterkogel, bildet
einen Bergrücken, welcher in senkrechten Wänden gegen die
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Prein abfällt, bei der Schutt der Griesleiten die bekannte
„Königsschusswand" aufgethürmt und mächtige Lager von Fel-
senschutt angehäuft hat.
2. Diesem gegenüber liegt die „hohe Lehne" mit ihren aus-
gedehnten, steil abfallenden Felsenkämmen, höher als der „Grün-
schacher" und mit diesem parallel auf den „Kloben" laufend,
südöstlich in steilen Wänden gegen das „Gaisloch" in den Fel-
senkessel des „grossen Höllenthales" abstürzend.
3. Der „Scheibwald", als dritter Hauptzweig, geht nördlich
vom „Wetterkogel" aus, wird einerseits von den Felswänden der
„hohen Lehne" begrenzt und fällt andererseits, in unzugängliche
Klippen zerklüftet, gegen das „Bärenloch" und die Quellen der
„Nass" senkrecht ab. Die nördliche waldige Abdachung dieses
Bergplateaus ist als die einzige Voralpe des Rax- Alpenstockes zu
erwähnen.
4. Die eigentliche Rax-Alpe ist der höchste Ast des „Wet-
terkogels", der sich von der „Lichtenstegalpe" zur „Heukuppe",
der höchsten Erhebung dieses Gebirgsstockes, aufthürmi Dieselbe
stürzt als steile breite Wand gegen das Altenberger Thal in
Steiermark ab.
HL Der „Wechsel", dessen sogenannter „Umschuss" die höchste
Spitze des Urgebirges bildet, ist mit seinen Vorbergen in
einer halbmondförmigen Gestalt von Trattenbach bisMönich-
kirchen in eine Länge von nahe 5 Meilen ausgedehnt.
Von dem steinigen Umschuss gehen vier Bergäste aus,
von denen der nördliche über die Kranichberger und Steyers-
berger Schwaig auf den „Salblberg" gegen Trattenbach zieht,
und einen nordöstlichen Ast, den „Saurücken", gegen Kirch-
berg aussendet Der östliche Ast zieht über die Feistritzer
Schwaig auf den „Kampstein" mit der Abdachung gegen
Aspang, der westliche geht in den „Sattelberg" über, stellt
die Verbindung mit dem „Sonnenwendstein" her und dringt
gegen das Mürzthal in Steiermark vor; endlich nimmt der
vierte Ast eine südöstliche Richtung längs der steirischen
Grenze und stellt eine Hochebene dar, auf welcher die zwei
höchsten Kuppen: der „Hochwechsel" (Umschuss) imd die
„Vorauer Alpe", beide schon in Steiermark liegen, und von
letzterer sich der Kamm des Gebirges über den „Möselberg"
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22»
nach Mönichkirchen herabzieht. Die waldig steinigen Thäler
von Neuwald und der Klause voti Mariensee trennen den
Wechsel vom Kampstein.-
ad I. Der Schneeberg kann bestiegen werden:
1. Vom Vöstenhof bei Pottschach, über die Q-ansleiten auf
die Vorwiesen, Hübelwiese, den Bürschhof auf dem Gahns rechts
lassend, entweder zum Alpleck imd Baumgartner oder zum kal-
ten Wasser, Sattel, auf den Waxriegel, zum Kaiserstein und
Alpengipfel.
2. Von Rohrbach im Graben, an der Hengstleiten zum kal-
ten Wasser, Sattel, Baumgartners Hütte links lassend, zum Wax-
riegel u. s. w.
3. Von Puchberg durch das Hengstthal über den Hengst
zum kalten Wasser, wie Nr. 2.
Diese beiden Wege, obwohl sehr bequem, sind flir den Bo-
taniker höchst langweilig, da auf der langen Tour bis zum kalten
Wasser gar nichts Interessantes zu finden und nur zu bemerken
ist, dass der Weg Nr. 2 um eine Stunde näher als der Nr. 3 ist.
4. Von Puchberg nach Schneebergdörfel, von dort durch
den Schneidergraben direct auf den Sattel, und dann weiter, wie
Nr. 2 und 3.
Dieser Weg, obwohl selten begangen, ist sehr empfehlens-
werth, denn da man von Puchberg nach Schneebergdörfel fast
eben geht, das Steigen durch den Schneidergraben zum Sattel zwar
ein sehr steiles ist, aber nur Eine Stunde dauert und vom Sattel
zum höchsten Gipfel des Schneeberges nirgend mehr eine ähnliche
Steigung zu überwinden ist, so erscheint die Tour vom Sattel
angefangen wie ein Spaziergang im Vergleiche zu dem bei üeber-
windung des Schneidergrabens vergossenen Schweisse.
5. Von Puchberg über die Maumauwiese auf den „Faden",
Kuhschneeberg und zum Gipfel des hohen Schneeberges.
Die drei Stunden dauernde Wiesen-Tour über die „Maumau"
und den „Faden" ist auf gar keiner Seite des Schneeberges in
dieser Art zu geniessen ; dieser Weg ist zwar um 2 — 3 Stunden
länger, aber in Anbetracht des Umstandes, dass man die Schnee-
bergmauer ihrer ganzen Ausdehnung nach anf dem langen schö-
nen Wege überall zur Seite hat, stundenlang über Wiesenmatten
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schreitet, deren Floren-Charakter überall bereits ein entschieden
subalpiner ist, kann dieser Weg jedem Natur- und Pflanzenfreunde
nur auf das Nachdrücklichste empfohlen werden, lässt seine stel-
lenweise Beschwerlichkeit bald gänzlich vergessen und leicht
überwinden.
6. Aus der Vois vom „Höhbauer" auf den Kuhschneeberg
zu der bekannten Höhbauer Alpenhütte und von dort auf den
Gipfel. Dieser Weg ist reich an botanischen Seltenheiten.
7. Von der „Singerin" im Höllen thale über die „Schnee-
bergleiten" an der „Frohnbachwand" auf den Kuhschneeberg und
weiter, wie Nr. 6.
8. Aus dem Höllenthale durch den „Studentengraben", die
„Bockgrube" rechts lassend, über die „Krottenseehütte" auf den
„Ochsenboden" und den Gipfel; ein sehr steiler grober Geröllweg,
aber in botanischer Rücksicht höchst lohnend.
9. Aus deni Höllenthale vom „Kaiserbrunnen" durch den
„Krummbachgraben" und die „Miesleiten" zu Baumgartners
Hütte und auf den Gipfel, ein grossentheils sehr grober Geröllweg.
10. Von Hirschwang über den „Feuchter", die „Knofel-
eben", „Wassersteig" zu Baumgartner, wie Nr. 9.
11. Von Reichenau über den „Thalhof" Scheiterplatz, die
„Eng" auf den „Lackerboden" zum Alpleck und die „AlpUeiten"
zu Baumgartners Hütte oder zum kalten Wasser über den Sattel
auf den Waxriegel u. s. w.
12. Von Payerbach über den „Geierstein" des Gahns auf
die „Boden wiese" zum Baumgartner u. s. w. Auf diesem Wege
muss die eine volle Stunde lange „Bodenwiese",, der schönste
subalpine botanische Garten, ganz überschrittien werden, für den
Botaniker eine der wichtigsten Stellen auf den Kalkalpen.
13. Von Schlögelmühle über St. Christof auf die „Boden-
wiese", zum Baumgartner u. s. w. Dieser Weg trifft unterhalb
der „Boden wiese" mit dem vorigen zusammen.
14. Von Gloggnitz durch den „Rehgraben" oder den „Stup-
pachgraben" nach Prüglitz, Gasteil und von dort über die Vor-
wiesen, wie bei Nr. 1.
ad II. Die Rax-Alpe kann bestiegen werden:
1. Von Reichenau, Edlach oder Hirschwang direct auf den
„Grünschacher" und weiter auf dem Plateau bis zur „Heukuppe,"
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2. Aus dem Höllenthal durch das „grosse Höllenthal", das
„Q-auloch" zu den „ Eishütten '^j der „Grünschacher- Alpe" und
weiter.
3. Aus dem Höllenthal durch den „Kesselgraben" auf den
„Kloben", „Kesselboden" und die „Scheibwaldhöhe."
4. Von der „Singerin" auf das „Haferfeld", den „Kessel-
boden" und weiter.
5. Aus der Prein über das „Geschaid" zur „Siebenbrunnen-
wiese" und von dort entweder links durch das „Geflötz" auf den
„Schlangenweg" oder rechts auf den „Wetterkogelsteig" zum
Plateau der Alpe und weiter.
6. Aus der Prein über die „Schutt der Griesleiten" an der
„Königsschusswand" aufwärts zur „rothen Wand", den „Eishütten"
und weiter.
ad in. Der Wechsel ist zu besteigen:
1. Von Trattenbach über den „Saurücken" zur Kranich-
berger Schwaig, der bequemste und kürzeste Weg.
2. Von Kirchberg über den „Saurücken" zur Steiersberger
und Kranichberger Schwaig; dieser Weg ist seiner ganzen Länge
nach ohne Aussicht, da man immer fort im Walde und in einem
tiefen Hohlweg gehen muss.
3. Von Feistritz über den „Kampstein", an der „Bärenlacke"
und den Feistritzer Schwaig vorüber auf die Höhe; ein sehr zu
empfehlender Weg, da man stundenlang die herrlichste Aussicht
geniesst.
4. Von Aspang durch die „Klause" nach „Mariensee" über
die „Frauenalpe" uAd Aspanger Schwaig auf die Höhe.
6. Von Mönichkirchen zur „Glashütte" auf die Vorauer
Schwaig und von dort auf den Gipfel.
6. Von Mönichkirchen zum „Lichteneck", die „steinerne
Stiege" und auf den Gipfel.
Es liegt ausser dem Zwecke dieser Abhandlung, die sämmt-
liehen hier angegebenen Routen in ihren Eigenthümlichkeiten
näher zu schildern, und ist nur die Bemerkung zu machen, dass
jede derselben, dem gewünschten Ziele zuführend, ihre besonderen
Vorzüge und Schönheiten aufzuweisen hat, deren näheres Bekannt-
werden dem individuellen Geschmacke anheimgestellt bleiben muss.
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Es sei nebenbei erwähnt, dass alle hier verzeichneten Wege,
obwohl ein und der andere mehr oder weniger beschwerlich,
für den Besteiger als ganz gefahrlos zu erklären sind, wenn die
zu diesem Zwecke aufgenommenen Führer die nothwendige Ter*
ritorialkenntniss besitzen.
Als Aussichtspunkte in den Alpen nach Sonklars Ab-
handlung im Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines vom
Jahre 1867, pag. 4 und 5, werden der Wechsel, Schneeberg und
die Rax-Alpe ganz besonders hervorgehoben, und verdienen es
mit vollem Rechte. Eine eingehende Schilderung erscheint hier
um so überflüssiger, als diese Gegenden allgemein bekannt, häufig
besucht, und von gewandteren Federn, als dieselbe dem Verfasser
dieser Abhandlung zu Q-ebote steht, längst geschildert sind; doch
mag hier nur berührt werden, dass vom Kaiserstein des Schnee-
berges, wenn man einen Tag mit günstiger Beleuchtung trifft,
Bergspitzen sichtbar werden und dann eine Aussichts weite dar-
stellen, welche die bekannten Panoramen von demselben weit
übertreffen, indem die hinter dem Dachstein hervorragenden
Gipfel, zu der auf den Panoramen fehlenden Gruppe des Hoch-
Golling zählen, und die noch weiter sichtbar aufsteigenden Spitzen
dem Hochalmspitz und dem Hafhereck angehören müssen. Aller-
dings gehören Tage mit solcher Fernsicht zu den seltenen, glück-
lichen Höhengenüssen, welche sich mit Wahrscheinlichkeit nur
der Anwohner des Berges, wenn er mit dem Charakter der Wit-
terung und Luftschichtungen auf 24 Stunden voraus vertraut zu
sein versteht, verschaffen kann.
IV. Die Bewässerung des Alpengebietes.
Diese wird gebildet durch die Flussgebiete der Pitten,
Schwarza und der Piesting.
I. Die Pitten entspringt im Urgebirge des Wechsel nahe
der steirischen Grenze aus mehreren Quellen, heisst von ihrem
Ursprünge bis nach Scheiblingkirchen im Amtbezirke Neunkir-
chen „grosser Pöschinggraben" und nimmt erst bei diesem Orte
den Namen „Pitten" an; fliesst über Sebenstein, Pitteü nach
Haderswörth, bei welchem Orte sie sich nach einem 4% Meilen
langen Laufe mit der Schwarza vereinigt, und dann die Leitha
bildet
15 *
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^28
Sie niHimt in ihrem Laufe nachfolgende Bäche auf:
1. Den kleinen Pöschinggrabenbach, welcher auf dem Kamp-
stein entspringt, und bei Ober-Aspang in den grossen Pösching-
grabenbach mündet.
2. Den Murtholbach, welcher in der Rotte Unterhöfen am
Kogel in der Ortsgemeinde Aspang entspringt, und bei Ober-
Aspang in den grossen Pöschinggraben einmündet.
3. Den Kothgrabenbach in der Ortsgemeinde Aspang, wel-
cher auf dem Hartberg entspringt und bei Ober-Aspang ein-
fliesst.
4. Den Edlitzbach in der Ortsgemeinde Edlitz, welcher
südlich von Thonn entspringt und westlich von Kamerallen in
den Pöschinggraben geht.
5. Den Feistritzbach (auch Otterbach und Thalbach genannt)
welcher auf dem B^p'ücken „Sattel^ im Amtbesdrke öloggnitz
entspringt und nördlich von Höll am Wanghofe in den Pösching-
graben einmündet.
6. Deii Ungerbach, welcher am Spitzerriegel an der steiri-
schen Grenze entspringt und bei Ober-Aspang in den Pösching-
graben fliesst
7. Den Kunstgrabenbach, welcher auf dem Grimmenstein
entspringt und in der Gemeinde gleichen Namens in den Pösching-
graben geht
. 8* Den Beifbach, auf dem Grimmenstein entspringend und
in die Gemeinde gleichen Namens einmündend.
9. Den Schlattenbach, welcher bei Stickelberg im Amtbezirk
Kirchschlag entspringt und bei Scheiblingkirchen in den Pitten-
fluss mündet
10. Den Hassbach, welcher in der Lichtenau bei Hassbach
entspringt und bei Warth im Amtbezirke Neunkirchen einfliesst
11. Die Schwarza entspringt auf der Westseite des Rohrer-
berges im Amtsbezirke Gutenstein, und heisst die Hauptquelle
dieses Alpenflusses der Rohrbach. Anfangs einen nOrdwestlidien
Lauf nehmend, biegt sie sich bei dem Dorfe Rohr nach Süden
und fliesst durch das offene quellige Thal: „die Schwarzau" in
das Höllenthal, durchfliesst dieses in einer Ausdehnung von zwei
Meilen, tritt bei Hirschwang in den Reichenauer Tl^ilkessel her-
aus, durchfliesst ihn und geht über Payerbach, Schlögelmühlei.
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229
Gloggnit^ und Neunkirchen in die Ebene des Steinfeldes, wo sie
nach längerem Laufe bei Haderswörth sich mit der Ktten ver-
einiget und als Leitha weiter geht
Sie nimmt in ihrem. Laufe von ihrem Ursprünge bis nach
Neunkirchen nachfolgende Bäche auf:
1. Die Vois, welche am Geschaid in der Ortsgemeinde
Schwarzau am Kuhschtieeberge entspringt, über die Trenkwiese,
den Höhbauer und andere Gehöfte fliessend, beim „Baumeck" fn
die Schwarza mündet
2. Die Nass entspringt auf dem Haferfeld der Bax-Alpe/
fliesst über die Felsen des Scheibwaldes durch den Nasswald zum
Reithof, und fällt bei der Singerin am oberen Eingang in das
Höllenthal in die Schwarza.
3. Die Prein, welche aus zwei Quellen auf der Siebenbrun-
nenwiese und einigen auf der Griesleiten entspringt, und durch
mehrere Giessbäche im Preiner Thale Zuflüsse erhält, ßlllt öst-
lich von Hirschwang in die Schwarza.
4. Die Göstritz hat ihren Ursprung am Sonnenwendstein,
nimmt bei Schottwien am Fusse der Ruine Klamm den, den At-
litzgraben durchfliessenden Bach, die „kalte Rinne" auf, bildet
mit diesen unterhalb Schottwien den Weissenbach , der am west-
lichen Ende von Gloggnitz in die Schwarza mündet
5. Der Stuppachgrabenbach, der oberhalb Prieglitz aus drei
Quellen entspringt, den Stuppachgraben durchfliesst und südöst-
lich von Stuppach in die Schwarza geht.
6. Der Sirnbach, welcher seinen Ursprung südlich vor
Kranichberg hat und östlich von Gloggnitz in die Schwarza
mündet
7. Der Payerbach, welcher am Kreuzberg entspringt und
bei Payerbach in die Schwarza fliesst
8. Der Sirning oder Sebastianibach, auf der Maumauwiese,
hinter Puchberg entspringend, mehrere Wildbäche, wie den Losen-
heimerbach, Hengstbergerbach, Schoberbach, JPfennigwiesenbach
und den Rohrbach in seinem Laufe aufiiehmend, münd-et östlich
von Ternitz in die Schwarza.
Der Kehrbach, welcher unterhalb Neunkirchen aus der
Schwarza tritt, und direct nach Neustadt fliesst, verbindet die
Schwarza mit der kleinen Fischa.
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230
Die Schwarza ist ein sehr reissender Alpenfluss, denn ihr
Gefälle beträgt 110 Fuss auf die Meile, bei einer Stromlänge
von 9*/, Meilen.
HL Die Piesting oder der kalte Gang hat ihren Ursprung
am Kuhschneeberg und vereinigt sich in Gutenstein mit der
Steina- und Länga-Piesting, heisst von ihrem Ursprung bis Gu-
tenstein „Klosterbach" und erst von Gutenstein über Pemitz,
Oed, Waldeck, Piesting bis Wöllersdorf, „Piesting."
Das von diesem Bache durchflossene Thal ist 6 Meilen
lang.
Die Piesting nimmt nachfolgende Bäche auf:
1. Den Miesenbach, welcher am Fusse des Hutberges und
der dürren Wand entspringt, und nordöstlich von Waidmanns-
feld in die Piesting mündet.
2. Den Mirabach, welcher aus dem im Innern des Unterber-
ges befindlichen Teiche entspringt, bei Muckendorf einen kleinen
Wasserfall bildet und bei Pemitz in die Piesting fällt
3. Den Feuchtenbach, welcher in der Ortsgemeinde Pernitz
bei dem Dorfe Feuchtenbach entspringt und östlich von Pernitz
in die Piesting geht.
4. Den Dürnbach, welcher nordöstlich von Scheuchenstein
entspringt und östlich von Waldeck in die Piesting mündet.
Die Piesting theilt sich oberhalb Ebreichsdorf in zwei Arme,
von denen der östliche stärkere Arm unter dem Namen Piesting
über Moosbrunn bei Marienthal in die Fischa fliesst, der west-
liche aber unter dem Namen „kalter Gang" oberhalb Manns-
wörth in die Donau fällt.
Die Wasserkraft dieser drei Flussgebiete mit Rücksicht auf
ihre Verwendung zu technischen Zwecken, ist häufig benützt,
denn durch die Pitten werden 94,
„ Schwarza „ 174,
„ Piesting „ 123
Industrie - Etablissements betrieben, und zwar:
12 Baumwollspinnfabriken,
4 Papierfabriken,
1 Türkische Kappenfabrik,
1 Kautschukwaarenfabrik,
1 Kattundruckfabrik,
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231
1 Schraubenfabrik,
2 Blechwalzwerke,
34 Hammerwerke,
21 Lohstampfen,
7 Oelstampfen,
5 Gypsstampfen,
2 Walkmühlen,
1 Eisenwerk,
3 Drahtzüge,
3 Pulverstampfen,
1 Metallwaarenfabrik,
1 Kupferhammerwerk,
1 WaflFenfabrik,
148 Getreidemühlen,
142 Sägemühlen, in Summa 391
Industrie ■
■ Etablisse-
mentS;
f deren movirende Kraft den diesen Gewässern als Geburts-
Stätte
dienenden Alpen zu verdanken ist.
V. Das Klima des Alpenlandes.
Was die klimatischen Verhältnisse in dem Alpenlande an-
belangt, so sind in denselben nur zwei Jahreszeiten bemerkbar,
nämlich ein kurzer Sommer und ein langer Winter. Die Monate
Jänner, Februar und März sind reich an Schneestürmen, im Jän-
ner herrscht in der Regel die grösste Kälte und der höchste
Barometerstand, erst Ende April schmilzt der Schnee von den
hochgelegenen Berg-Aeckern. Der Mai ist gewöhnlich noch kalt
und unfreundlich, häufig von Schneefällen begleitet, an wind-
stillen sonnigen Tagen manchmal schon grosse Hitze, bei der
nächsten Bewölkung des Himmels, oft an demselben Tage em-
pfindliche Kälte. Erst im Juni werden die Tage und manchmal
auch schon die Nächte wärmer, der Schnee der Alpen kommt in
diesem Monate zum Schmelzen, was den Juli hindurch fort-
dauert, an schneefreien Plätzen entwickelt sich dann die Vege-
tation mit aller Macht und pflegt sehr schnell vorzuschreiten.
Juli und Augast haben die heissesten Tage mit vielen Ge-
wittern und oft wolkenbruchartigen Niederschlägen; September
und die erste Hälfte October bringen gewöhnlich andauernd
schönes Herbstwetter, wohl schon häufig von Nebeln unterbrochen,
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232
und von der Mitte Oetober hinein übt wieder der starre Winter
seine strenge Herrschaft, während die Monate November und
December besonders an vielen Nebeln und Schneeiällen reich
sind. Es ist anzunehmen, dass hier der Juni Frühling, Juli und
August Sommer, September Herbst und alle übrigen acht Monate
Winter sind.
Etwas milder gestaltet sich zwar das Klima in den Alpen-
tbälern, doch ist es auch hier nöthig durch acht Monate im Jahre
die Stuben zu heizen.
Nach der Häufigkeit der herrschenden Winde reihen sich
dieselben in nachfolgender Weise aneinander :
Nordwest — West — Südost — Nord-Süd — Südwest —
Ost — Nordost. —
Gewöhnlich hat der Nordwest und West nasskalte Witte-
rung, im Sommer Gewitter mit anhaltendem Regen, im Winter
Schneefälle im Gefolge.
Südostwind bringt heiteres trockenes Wetter, im Winter
grosse Kälte, im Sommer abnorme Hitze.
Nord- und Nordostwind bringen Kälte und haben in der
Regel den höchsten Barometerstand im Gefolge, dabei abwech-
selnd Regen und heiteren Himmel
Süd- und Südwestwind sind schwül und bringen gewöhn-
lich im Sommer heftige Gewitter mit starken Niederschlägen.
Auf den sonnigen Abhängen der Bergäcker gedeihen
Gerste und Hafer als Hauptfrucht, auch wohl noch Korn und
Weizen. Flachs, Kartoffeln, Weisskraut und die Stoppelrübe wer-
den auch noch gebaut.
Obstbäume finden sich gleichfalls in allen Thälem, Aepfel,
Birnen, Zwetschken, Vollnüsse, Kirschen sind kultivirt, letztere
jedoch in der Umgebung des Wechsel, häufig noch im August
nicht reif. In der Regel zerstören Spätfröste die Blüten der Obst-
bäume, selten kommt ein Jahrgang vor, in welchem nicht ein
und die andere Gattung vernichtet worden wäre. Der Weinstock
findet am Gloggnitzer Silberberge im Wiener - Becken seine
Grenze.
Unter den Waldbäumen kommen Weiss- und Rothbuchen,
Ulmen, Erlen, Ahorne, Birken, Vogelbeeren, Weiden, Eschen,
sehr selten Eichen, von den Nadelhölzern die Lärche, Tanne,
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233
Fichte, die gemeine und Schwarzföhre, die Zwergföhre, wild, und
in der Nähe der Orte hin und wieder die Zirbelnusskiefer ange-
pflanzt vor.
Welche Ausbeute den Botaniker auf unsern Alpen erwartet,
werden wir später sehen.
Die ganze Landschaft der Alpenthäler gewährt durch die
Masse hölzerner Zäune, mit welchen die einzelnen Wald-, Feld*
und Wiesenstrecken eingeplankt sind, einen ganz eigenthümlichen
Anblick. Millionen von Stangen und Brettern sind verwendet, um
das Eindringen fremden Viehes auf den Aeker-, Wiesen- und Wald-
theilen der Besitzer abzuwehren, denn der Werth des Futters,
ja jedes noch so geringe Stackchen davon, ist für die auf Vieh-
zucht angewiesene Bevölkerung ein grosser. Es werden Rinder,
Ziegen, Schafe und Schweine gezüchtet; die Milchwirthschaft ist
aber im Ganzen mehr für den Hausbedarf berechnet, die Butter-
und Käsebereitung nirgends von besonderer Bedeutung.
Die Rinder sind ein rothbrauner Gebirgschlag und fast in
allen Gegenden gleich, zwar klein aber sehr milchergiebig; mit
Ausnahme der Klauen- und Maulwehseuche kommen auf den
Alpen Erkrankungen unter denselben höchst selten vor.
Die Ziegen sind klein, werden rotten- oder gemeindeweise
täglich bis hoch in's Gebirge auf die Weide getrieben, des Abends
wieder nach Hause geleitet und sind die privilegirten Waldver-
derber.
Unter den gezüchteten Schafen findet sich nur das grob-
woUige Thier; die Schweine sind die gewöhnliche langgestreckte
hochbeinige deutsche RaQC.
VI. Die Bevölkerung des Alpengebietes und deren
Lebensverhältnisse.
Das rauhe Klima der Alpengegenden, die sehr spärlichen
und häufig gefährlichen Erwerbs Verhältnisse , die Abgeschieden-
heit der Landschaft, und die Beschwerlichkeit aller Arbeiten,
wodurch die Körperkräfte frühzeitig abgenützt und consumirt
werden, üben auf die Bevölkerung des Alpenlandes einen mäch-
tigen Einfluss.
Zwar ist der Körperbau der Bewohner ein kräftiger und
ßtai'ker zu nennen, die Jugend heiter und froh, zu Excessen ge»
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234
neigt, die Weiber nicht unschön, aber die schon frühzeitig, vor
der Entwicklung des Körpers vorzunehmenden schweren Arbeiten,
die nur vegetabilische grobe Nahrung, die rauhen klimatischen
Einflüsse, die Insalubrität der Wohnungen im Winter, so wie
die landesübliche Unreinigkeit in der Pflege des Körpers verur-
sachen ein vorzeitiges Altern. Rüstige Greise, wie man sie in
anderen Gegenden findet, sucht man hier vergebens; Mann und
Weib sehen oft schon mit 40 und 50 Jahren greisenhaft aus,
oder erscheinen immer älter, als sie wirklich sind. In den Thä-
lern des Schiefergebirges findet man auch häufig genug jene
schwach- und blödsinnigen, bedauernswerthen Wesen, die ab
Cretinen zu bezeichnen und für die Zwecke der menschlichen
Gesellschaft verloren sind.
Es fehlt dem Alpenvolke sowohl die physische, als die
psychisch moralische Erziehung, in beider Hinsicht bleibt noch
alles zu wünschen übrig, namentlich aber ist es die geistige Auf-
klärung, welche über die Dämme von Vorurtheilen, Indolenz und
Aberglauben nicht vorschreiten und durchdringen kann. Es ist
dies ein Thema, wo man warm werden und locale Interessen
berühren müsste, die vorläufig besser unerörtert bleiben sollen.
Nebst den Arbeiten des Ackerbaues, beschäftigen die Be-
wohner das ganze Jahr hindurch das Holzfällen, Flössen, Pechen,
Kohlen, die Vorrichtungen in den Bergwerken und Kohlengruben,
die Leistungen in den Brettsägen, Hammerwerken und den ander-
weitigen in den Gebirgsthälem betriebenen Industrie-Etablisse-
ments.
Alle diese Arbeiten sind im hohen Grade mühevoll und
beschwerlich, nützen die Körperkräfte vor der Zeit ab, und
geben Veranlassung zu einer Menge Körpergebrechen und Krank-
heiten, von denen Leistenbrüche, pathologische Zustände der
Athmungsorgane, wie Emphyseme, Oedeme, chronische Catarrhe,
gastische Affectionen, Kröpfe, organische Herzleiden und chronische
Fussgeschwüre in Folge vorhandener Varicositäten die häufigsten
sind; nebstbei bleiben Sie Bewohner auch noch einer Menge von
Unglücksfällen bei diesen Arbeiten exponirt, die leider häufig
genug vorkommen.
Die Nahrung der Alpenbevölkerung ist höchst einfach und
nicht sehr anziehend. Frisches Fleisch gehört zu den Festtag-
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speisen, das Brot ist noch das beste aller Nahrungsmittel des
Gebirgsvolkes, die eigenthümlichen fetten Mehlspeisen, geräucher-
tes Schweine- und Schaffleisch, Speck und verschiedene Gattun-
gen Suppen erfordern einen sehr exercirten Gebirgsmagen um
gehörig verdaut zu werden.
Von Getränken dienen der Branntwein, schlechtes leichtes
Bier, der schlechteste Wein und verschiedene Sorten Obstmost,
als Labsal; das allerbeste, weil reinste, und überall in erster
Qualität vorhandene Getränk, ist in allen Gegenden das vortreflF-
liche Wasser. Der Genuss von Surrogat-Caffee ist allgemein ver-
breitet.
Die Kleidung der Bevölkerung ist nach den einzelnen Ge-
birgsthälem verschieden.
Der Anwohner des Schneeberges in der Gegend von Puch-
berg, Grtinbach u. s. w., jene aus der Prein, oder aus einem
Thale des Wechsel sind auf den ersten Blick an ihrer Kleidung
zu erkennen, und darnach zu bestimmen, wo sie zu Hause sind.
Ihren Costumegewohnheiten am treuesten sind die Puchberger
mit ihren schwarzen"oder dunkelblauen Tuchröcken, bockledemen
schwarzen Hosen, den hohen Stiefeln, der bunten Weste und
dem rundspitzigen schwarzen Hute; die Bewohner der übrigen
Thäler sind in ihrer Tracht bereits durch die Mode etwas beein-
flusst Auch der weibliche Theil der Puchberger indigenen Be-
völkerung hat ein unwandelbar eigenthüinliches Costume, was an-
derswo nirgend so getragen wird.
Die Einwohnerzahl in den Gebirgspfarrbezirken beträgt:
In Gutenstein
jj Rohr. . .
„ Schwarzau
„ Grünbach.
„ Puchberg .
„ Prüglitz .
„ Prein . .
„ Payerbach
„ Pottschach ,
„ Maria Schutz
Einwohner
1649
1155
1.631
1250
2102
963
loor
3870
1333
268
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236
Einwohner
In Gloggnitz 4050
„ Trattenbach. .
740
„ Baach . . .
381
„ St. Peter . . .
802
„ Mönichkircben
832
„ Eranichberg
445
„ Kirchberg . .
3597
„ Feistritz . .
1068
» Aspang. . .
. 2293
„ ELlamm . . .
722
„ Schottwien . .
921
Zusammen 31,069 Seelen.
Das Sterblichkeitsverhältniss schwankt nach den einzebien
Pfarrbezirken von 1,5%. — 3 Perzent, die mittlere Sterblichkeit
2,2 Perzent, wobei bemerkt werden muss, dass die Hälfte von
allen Verstorbenen auf die Kiider im Alter unter 10 Jahren
entMlt, was wohl den besten Beweis für die widersinnige Kinder-
erziehung und die vernachlässigte Pflege in vorkommenden KxaDk-
heiten liefert Um wie viel günstiger würde sich somit das abso-
lute Sterblichkeitsverhältniss stellen, wenn das Kind von der
Geburt an bis zum 10. Lebensjahre besser und vernünftiger er-
zogen und bei Erkrankungen nicht so vernachlässiget würde. Zu
der grossen Sterblichkeit in den ersten Lebensjahren tragen er-
fahrungsgemäss nachfolgende Potenzen bei:
1. Das Ueberbringen der kleinen zarten Geschöpfe nach
der Geburt in die oft 2 — 3 Stunden entfernte Pfarrkirche zur
Taufe während der 8 Monate dauernden Winterzeit.
2. Die ganz fehlerhafte Ernährung, wodurch die Kinder,
auch wenn sie von der Mutter gesäugt werden, nach alt herge-
brachter Gewohnheit noch immer mit dem consistenten Mehlbrei
angestopft zu werden pflegen.
3. Die Uebelstände in den Wohnungen des Gebirgsvolkes
zur Winterszeit, wo Menschen und Vieh einen kleinen, nie ven-
tilirten Raum die ganze Zeit über zu bewohnen pflegen.
4. Die vernachlässigte rechtzeitige ärztliche Hilfe bei ein-
tretenden Krankheiten, von denen croupöse Entzündungen der
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Luftwege ga-äde jene BLrankheitsfol'm shid, welche bei rechtzeitig
in Anspruch genommener ärztlicher Hilfe geheilt werden könnten,
und die vorzüglichsten und häufigsten Ursachen des erfolgten
Todes sind, wie dies durch die Todtenmatrikel jeder Pfarre be-
wiesen werden kann.
6. Die Entfernung der Wohnhäuser von den Schulen, durch
welchen Umstand die kleinen Kinder nach dem 6. Lebensjahre
oft durch fusshohen Schnee stundenlang watend, in die Schule
kommen, dort wieder viele Stunden sitzen, und sich häufig noch
immer durchnässt, wieder auf den Heimweg begeben müssen,
und hiedurch die Ursache zu sehr vielen tödtlich verlaufenden
Krankheiten gegeben wird. Berücksichtiget man, dass die Kinder
nicht der Jahreszeit angemessen bekleidet sind, und ohne eine
warme Speise, mit einem Stücke trockenen Brotes und einigen,
gewöhnlich gefrorenen Aepfeln in der Tasche, diese Schülexcur-
sion täglich unternehmen müssen, so ist die Schädlichkeit dieses
Umstandes für die körperliche Entwicklung und Gesundheit die-
ser armen Geschöpfe leicht zu begreifen. Sieht man im Winter,
wie es dem Gefertigten bei Bercisungen oft genug vorgekommen
ist, diese armen Kinder im Schnee waten, so möchte mancher
glauben, die Kinder der Gebirgsbewohner sind doch sehr abge-
härtet, um dies Alles ertragen zu können; leider thut man diesen
Ausspruch nur, weil man diese Kinder mit ihren frischen, von
der Kälte roth gefärbten Wangen auf den Wegen heiter gehen,
aber dieselben nicht, oft nach einigen Tagen, in den Gebirgstuben
in Folge dieser Schädlichkeiten lange krank liegen und sterben
sieht. —
Was die Unterkunftsvorbereitungen ftlr den Reisenden auf
unseren Alpen anbelangt, so ist dieselbe bei uns eine gleiche, wie
auf dem ganzen A^enzuge vom Schneeberge bis zum Gross-
glockner, das heisst eine solche, dass man, alle Anforderimgen
des gewöhnlichen Comforts bei Seite setzend, seine ermüdeten
Glieder unter einem rauchigen Dache, geschützt vor dem aussen
oft tobenden Unwetter bergen kann, sonst aber auf jede bequeme
Behaglichkeit verzichten, und sich mit ^em begnügen muss, was
man findet; auch kann man zur Restaurirung der Körperkräfte
Alles jene frei gemessen, was man sich mittragen lässt. Auf dem
Schneeberge bestehen Baumgartners und Höhbauers Alpenhütten,
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in denen man primitiv eingerichtete Betten und alpinisch culinare
Elementarerzeugnisse findet, auf der Rax-Alpe existiren einige
schmutzig gehaltene rauchige Hütten, in denen man übernachten
kann, wenn die betreffende Sennin ihre Lagerstätte abzutreten
sich geneigt findet, und dann der neue Ankömmling von Alpen-
insekten verschiedener Gattung bewillkommt und die Nacht hin-
durch als genussreiches Object verwendet wird; auf dem Wechsel
ist verhältnissmässig noch die beste Unterkunft, da die Kranich-
berger und Steyersberger Schwaigen ziemlich rein gehaltene
Alpenwirthschaften vorstellen, in denen man sich bei der Unter-
kunft behaglicher befindet und nur zu bedauern ist, dass der
Pächter der Kranichberger Schwaig, Namens Moser und seine
Frau, schon im vorigen Jahre die Wirthschaft auf dieser Alpe,
zum Bedauern aller Besucher, aufgegeben hat.
Die Ursache, weshalb die Wechsel Schwaigen in einem
besseren Zustande sich befinden , als die Hütten auf den Kalk-
alpen, liegt in dem dort zu Gebote stehenden Ueberflusse an
vortrefflichem Quellwasser, welches den Kalkalpen fehlt, und wohl
als das grösste Hinderniss für eine ordentliche Alpeiiwirthschaft
anzusehen ist.
Auf dem Schneeberge ist oberhalb Baumgartners Hütte und
dem Kuhschneeberge nirgend wo mehr eine Quelle, der ganze
Rax- Alpenstock hat gar kein Trinkwasser und müssen die dort
gehaltenen Nutzthiere während der Aufenthaltzeit daselbst durch
aufgethauten Schnee getränkt und so erhalten werden.
Die Herbeischaffung dieses Schnees, welchen die Senninen
aus den Schneegruben in tafelförmigen grossen Stücken aushauen,
auf die Tragstellen festbinden und so zur Hütte in solcher Menge
bringen müssen, dass das durch Aufthauen gewonnene Wasser
zum Tränken des Viehes, zur Abkochung der demselben vorzu-
schüttenden Nahrungsmittel und zum sonstigen häuslichen Bedarfe
hinreicht, ist eine der beschwerlichsten Arbeiten, welche dieselben
Tag für Tag zu verrichten haben.
Aus der Erwähnung dieses herrschenden Wassermangels
wird es begreiflich, dass sich auf diesen Alpen eine eingerichtete
Wirthschafl niemals bewerkstelligen lassen, auch sich nie ein
Unternehmer finden wird, der eine Gastwirthschafi; zu betreiben
sich bestimmt finden könnte« Für den Alpenbesucher hat das
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aufgethaute Schneewasser auch noch den besonderen Nachtheil,
dass es Magendrücken, Erkältungen und Diarrhöen verursacht,
demnach zur Befriedigung des Durstes nur sehr vorsichtig, am
besten mit einigen Tropfen Rum oder Kirschenwasser versetzt,
gebraucht werden kann.
Nach einer im Jahre 1865 vorgenommenen Zählung wurden
auf unsern Alpen 385 Rinder, 560 Schafe und Ziegen und 220
Schweine den Sommer über erhalten.
Der Auftrieb der Nutzthiere zu den Alpen erfolgt in der
Regel Ende Juni oder Anfang Juli, der Abtrieb Ende August
oder Anfang September, daher die Dauer des Sommerlebens oben
sich auf 8 — 10 Wochen beschränkt. Während dieser Zeit kommen
die Sennen in der^Regel nicht zu Thal, da ihnen die Wartung und
Pflege der Hausthiere anvertraut ist, und dieselben täglich, schon
vor Anbruch des Tages bis zum Eintritte der Nacht, sehr müh-
selige und höchst beschwerliche Arbeiten zu verrichten haben,
wozu namentlich das Aufsuchen der Rinder zur Mittagsmelke, was
im Freien geschieht, die Herbeischaffung des Schnees, die täg-
liche Reinigung der Ställe und Thiere^ die Verwerthung der Milch
zu Butter oder Käse, und noch eine Menge anderer Geschäfte zu
zählen sind. Bei allen diesen beschwerlichen Verrichtungen, den
so häufig eintretenden Witterungsimbilden, der nur aus Milch,
Brot und sonstigen groben Mehlspeisen bestehenden Nahrung ist
der Gesundheitszustand dieser Menschen ein guter zu nennen und
gehören Erkrankungen derselben zu den grossen Seltenheiten;
man findet namentlich auf der Rax-Alpe Senninen, welche seit
15 und mehr Jahren regelmässig ihr Sommerleben oben verbringen.
VU Die auf den Alpen vorkommenden Pflanzen.
Ich gehe nun zur Aufzählung der auf unseren Alpen vor-
kommenden Pflanzen über, indem ich die Bemerkung beifüge, dass
in derselben nur die eigentlichen Alpenpflanzen berücksichtiget,
und solche, die auf den Alpen, gleichzeitig aber auch in den
Ebenen vorkommen, nicht genannt sind.
Es sei hier erwähnt, dass unsere Alpen in floristischer Be-
ziehung ein sehr genau durchforschtes und nach allen Richtungen
beschriebenes Terrain darstellen, wie es nicht leicht eine zweite
Region geben dürfte.
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Seit Clusius, 1573, haben zur Kenntniss der Flora unserer
Alpen :
Joachim Burser, Kaspar Bauhin, W. N. Kramer, die
beiden : Nikolaus und Josef Freiherm von Jacquin, HL J.
Crantz, Nikolaus H o s t, Josef Schultes, Leopold Trattini k,
Stefan Endlicher, August Neilreich, F. X. Unger, Eduard
Fenzl, Johann Zahlbruckner, Georg Dolliner, Friedrich
Welwitsch, Alois Putterlik, Ludwig E. v. Heufler, Alois
und Franz Pokorny, W. Heinrich Keichardt, Konstantin v.
Ettinghausen, Dominik Bilimek, Karl R. v. Enderes.
Julius Helm, Josef Redtenbacher, Johann Egger, Heinrich
Schott, Graf Johann Zichy, Franz Hillebrandt, Robert
Rauscher, Theodor Kotschy, Johann Ortmann, Jacob
Juratzka, KarlFritschj Bruno Wohlmann, Siegfriad Reis-
sek, Josef Freiherr v. Leithner, Alexander Skofitz, Julius
V. Kovats, Karl Meyerhofjer, K.J. Kreutzer, Gustav Lo-
rin s er, Josef Boos und noch Andere das meiste beigetragen.
Das südöstliche Schiefergebirge ist trotzdem noch dasjenige
Terrain, auf welchem in botanischer Beziehung noch manches zu
leisten, neu festzustellen und aufzuklären wäre.
Wie bereits erwähnt, besteht a,uf den Alpen für die Vege-
tation nur eine kurze Zeit, der Frühling mit dem Beginne des
Juni, und der Somnier im Juli und August, wobei im Juli die
Vegetation der Alpen ihren Höhenpunkt erreicht, während am
Rande der schmelzenden Schneefelder eine fortwährende Früh-
lingsvegetation bemerkbar bleibt Mit Ende August, oder Anfang
September, erhält durch eintretende Kälte und Schneefälle die
Vegetation gewöhnlich schon ein frühes Ende. Der Vicedirector
der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus,
Herr Karl Fritsch, hat ^eine phänologischen Beobachtungen
auch über den periodischen Wechsel d«r Flora des Schneeberges
und der Rax-Alpe im Vergleiche zu jenem der Flora von Wien
ausgedehnt und diese höchst lehrreiche und interessante Arbeit
im Jahrbuche des österreichischen Alpenvereines vom Jahre 1865
pag. 303 veröffentlicht.
Wir wollen im Folgenden die Region von 4000' bis 6566'
Höhe, wie sie unsere A Ipen bietet, mit Bezug auf das Vorkommen
von Pflanzen besuchen, wobei wir bemerken, dass nur die höch-
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sten Spitzen der, Kalkgebirge und des Wechsel, sich über eine
Höhe von 5000' und sonach in die eigentliche alpine Region er-
hoben. In der Höhe zwischen 5000' und 6000' hört der freie
Wuchs der Coniferen auf, dieselben werden verkrüppelte Ge-
sträuche und räumen dem BLrummholze den Platz. In der Höhe
von 6000' verschwindet auch dieses, und am Boden fortkriechende
niedergedrückte G-esträuche stellen den Holzwuchs dar. Der bunte
Grasteppich der Alpenwiesen ist längst verschwunden, nacktes
Felsengestein wird der Standort der Gewächse und nur wo die
Schneefelder schmelzen, bedecken in dieser Höhe grünende blü-
hende Stellen von sehr geringer Ausdehnung den Boden.
Auf unseren Alpen, welche in ihrer Erhebung die Schnee-
grenze, die beiläufig etwas über 8000' situirt wäre, nirgends er-
reichen, besteht zwischen der Flora des Krummholzes und der, der
höchsten Spitzen kein Unterschied.
Es kommen nachfolgende Pflanzen vor:
Polypodiaceen.
1. Polipodium alpestre Hop^pe, „Voralpen-Tüpfelfam"
auf dem Kuhschneeberg, im Scheibwald, auf der hohen Lehne der
Baxalpe.
2. Aspidium LonchitiS Sw., „LanzenfÖrmiger Schild-
farn. ^ Auf buschigen Plätzen in der Kmmmholzregion, manchmal durch
Felsenschutt in subalpine Thäler hinabgeführt.
Die Blätter dieser Pflanze werden unter dem Namen „grosses
Milzkraut" von den Alpenbewohnern bei wiederkehrendem Milzstechen
als Heilpflanze benützt.
3. CystopteriS montana Link, ^B e r g-B lasenfam." Im Sau-
graben und in den Wäldern des Alpls am Schneeberge, auf dein Kuh.
schneeberge bei der Höhbauerhütte, auf der Baxalpe am Schlangenwege
und bei der Lichtensteghütten.
4. SCOlopendrium Officinarum Sw., „Gemeine Hirschzunge.**
Bei dem Kaiserbrunnen im Krumbachgraben aufwärts in Menge, auf dem
Grünschacher der Baxalpe, dient als Volksmittel bei. chronischem Husten
und Diarrhoen, auch als Wundmittel ist die Pflanze gebräuchlich.
5. Blechnum Spicant Roth^ „Gemeiner Bippen farn." Das
angebliche Vorkommen dieser Pflanze in der Prein und auf dem Kuh-
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Bcbneeberge erscheint zweifelhaft; dagegen wächst die Pflanze im Thale
der Wechsel-Klause oberhalb Mariensee ziemlich häufig; ich fand sie
einmal bei einem Wurzelgräber in grosser Menge, welcher sie mit dem
Namen ^kleines Milzkraut^ benannte und mich belehrte^ dass er mit
einer Abkochung dieser Pflanze bei Milz- und Leberverhärtungen, „wo
kein Doctor mehr helfen konnte,^ Wunder gewirkt habe.
Lycopodiaceen.
6. LyCOpodium SelagO £., „Tannenblättriger Bärlapp.**
An mehreren Stellen der Kalk- und Schieferalpen, auf dem hohen Um-
schuss des Wechsel, auf der Heukuppe der Bax.
Die Pflanze gilt bei den Alpenbewohnem als ein drastisches, bre-
chenerregendes und wurmwidriges Mittel. Kinder erhalten die Abkochung
mit der gleichen Menge Honig vermischt. Der Geschmack dieser Pflanze
ist bitter, und hinterlässt ein starkes Zusammenziehen im Schlünde.
7. LyCOpodium alpinum L., „Alpen-Bärlapp.^ Kommt auf
den Kalkalpen selten vor und wurde häufiger bisher nur auf dem Wech-
sel gefunden.
8. Selaginella spinulosa A. Braun, „Gezähnelter Moos-
farn.^ Gemein auf allen Kalk- und Schieferalpen.
Gramineen.
9. Phleum Michelii AUion, „Michelis Linschgras.^ Ver-
einzelt auf allen Alpen.
10. Phleum alpinum L., ^Alpen-Linschgras.^ In der Nähe
der Schwaighütten auf den Kalk- und Schieferalpen.
11. AgrOStis alpina Scop,, „Alpen-Wlndhalm.^ Auf allen
Kalk- und Schieferalpen gemein.
12. AgrOStiS rupestris AUion, ^Felsen-Windhalm.^ Mehr'
vereinzelt, aber auf allen Alpen vorkommend.
13. Avena CaespItOSa Grtessel, „Rosiger Hafer.^
f. alpina.
Auf den Kalk- und Schieferalpen.
14. Avena flavescens Gaud.y „Gelblicher Hafer."
ß. alpestris.
In der Krummholzregion aller Kalkalpen.
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243
15. Avena distichOphylla Fe?;., „Fächerblättriger Hafer."
Eine der eeltenen Alpenpflanzen, als deren Standorte nur die Abstürze
der hohen Lehne gegen das Geisloch und die Schutt der Griesleiten auf
der Kaxalpe bekannt sind.
16. Avena SempervirenS Vül, „immergrüner Hafer." Bis-
her nur auf den Kalkalpen beobachtet, und zwar im Saugraben, auf der
Heu- und Kuhplagge des Schneeberges, auf dem Grünschacher, der Heu-
kuppe und der Eishüttenalpe der Bax.
17. Poa alpina L., „Alpen-Rispengras".
ß. genuina.
Die gemeinste Grasart auf den Kalkalpen.
Y« supina.
Am schmelzenden Schnee auf dem Ochsenboden des Schneeberges,
dann auf dem Plateau der Rax.
18. Poa Cenisia AUion, „Zweizeiliges Rispengras." Bis-
her nur auf der Raxalpe, und zwar auf der Schutt der Griesleiten beob-
achtet.
19. FestUCa OVina i., „Schaf-Schwingel."
ß. alpina.
Ein auf den Alpen sehr verbreitetes Gras.
20. FestUCa Varia Hanke, „Bunter Schwingel." Im Sau-
graben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf der Heukuppe
und der hohen Lehne der Rax.
21. FestUCa ScheuChzeri Oaud,, „Scheuchzers Schwingel."
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf dem Wet-
terkogelsteig und bei den Eishütten der Rax.
Cyperaceen.
22. Carex rupestris Älhm, „Felsen- Segge." Sehr selten
vorkommend, bisher nur im Saugraben des Schneeberges und auf den
Abstürzen der Raxalpe gegen das Raxenthal.
23. Carex mucronata AUwn, „stachelspitzige Segge."
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf der Heu-
kuppe, hohen Lehne, Eishüttenalpe und auf der Griesleiten der Rax.
24. Carex atrata L., „Schwarze Segge." Sehr verbreitet
auf allen Kalkalpen.
16 *
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25. Carex ferruginea Scop., „Rostfarbene Segge.** Am
Wassersteig und im Saugraben des Schneeberges, auf dem Grünschacber
und im Geflötz der Kax.
26. Carex tenuis Host, „Feinblättrige Segge." Auf dem
Wassersteig des Schneeberges, auf der Griesleiten und im G^flötz der
Bazalpe.
27. Carex Sempervirens ViH,, „immergrüne Segge." In
dichten Eosen oft weite Strecken der Alpen überziehend, z. B. auf der
Heuplagge des Schneeberges.
28. Carex capillariS L., „Haar stielige Segge." Allgemein
verbreitet auf dem Schneeberge und der Eaxalpe.
29. Carex firma Äosf., „steifblättrige Segge." Auf allen
Alpen die am häufigsten vorkommende Art dieser Gattung.
Juncaceen.
30. LuZUla Spadicea JJC, „Braunblütige Hainsimse." Im
Saugraben, auf der Heuplagge, dem Ochsenboden des Schneeberges, auf
dem Schlangenwege der Heukuppe, hohen Lehne und dem Kloben der
Razalpe.
31. LuZUla CampestriS DC, „Gemeine Hainsimse."
Y» congesta.
Im Saugraben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf
dem Schlangenweg, der hohen Lehne und dem Wetterkogel der Rax.
Der Wurzelstock der Hainsimsen, namentlich der weissblütigen,
Luznla Alhida DC., wird von den Alpenbewohnem in saturirter Abko-
chung gegen Gries und Steinbeschwerden angewendet.
32. JunCUS Jacqulni L,, „Jacquins- Simse." Eine seltene
Pflanze, welche bisher nur auf dem Ochsenboden des Schneeberges in
seinen Abstürzen gegen den Saugraben und die Bockgrube beobachtet
wurde.
33. JunCUS trifidUS L,, „Dreispaltige Simse." Allgemein
verbreitet auf allen Kalk- und Schieferalpen.
Auch die Wurzeltheile der Simsen werden von den Alpenbewoh-
nem als harntreibendes Mittel, so wie gegen Gries und Steinbeschwerden
verwendet.
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Melanthaeeen.
34. Jofjeldia CalyCUlata Wahlh., „KelchblütligeTofjeldie.^
ß. minor.]
Auf Felsen der höchsten Alpengipfel des Schneeberges und der Rax.
35. Veratrum album i., „Weisser Gerber.«
ß. virescens.
Vereinzelt auf den Kalkalpen, wie auf der Kuhplagge des Schnee-
berges und auf der Eishüttenalpe der Rax.
Der Wurzelstock wird von den Alpenbewohnem als weisse Niess-
wurz bei Wassersuchten und Stockungen^ im Unterleibe verwendet; das
getrocknete Pulver desselben erregt heftiges Niessen.
Orchideen.
36. OrchiS Spitzeln Saut, „Spitzels Knabenkraut.^ Diese
seltene Pflanze wurde bisher nur auf den Abstürzen des Ochsenbodens
zwischen dem Saugraben und der Bockgrube, auf dem Schneeberge
beobachtet.
37. Gymnadenia albida 22ec^., ^WeisslichblühendeNackt-
drüse.^ Allgemein verbreitet auf den Kalk- und Schieferalpen.
38. Gymnadenia odoratiSSima Rieh., „Wohlriechende Nackt-
drüse. ^ Vereinzelt im Saugraben und auf der Heuplagge des Schnee-
berges, auf dem Grünschacher und im Geflötz der Rax.
39. Nigritella angustifolia RicK „SchmaibiättrigesKohi-
r ÖS eben." Auf der Heuplagge und dem Ochsenboden des Schneeberges,
auf dem Grünschacher, im GeflÖtz der Bax, auf der Maumau- und Boden-
wiese.
40. Nigritella SUaveolenS Koch, „Wohlriechendes Kohl-
röschen." Auf der Raxalpe und der Maumauwiese.
41. ChamOrchlS alpina Richy „Alpen-Zwerg-Orche." Auf
dem Kaiserstein und Alpengipfel des Schneeberges, auf dem Wetterkogel,
der hohen L^hne und Heukuppe der Rax.
Coiiiferen.
42.- PinuS INughuS Scop,j „Zwerg-Föhre." Das Krumm- oder
Knieholz der Alpen, auch Zerben und Locken genannt, allgemein auf
den Kalkalpen verbreitet, auf den Schieferalpen aber gänzlich fehlend.
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Salicineen.
43. Salix glabra Scop,^ „Glanzblättrige Weide." Auf dem
Kuhschneeberge, bei der Höhbauerhütte, auf dem Schlangenwege und der
Schutt der Grriesleiten der Rax.
44. Salix grandifolia Ser,y „Grossblättrige Weide." Auf
den Voralpen die am häufigsten vorkommende Art dieser Gattung, bis in
die Krummholzregion.
45. Salix arbUSCUla /^., „Bäumchen artige Weide." Im Sau-
graben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf dem Grünscha-
cher, der hohen Lehne und Heukuppe der Rax.
46. Salix myrsiniteS />., „Myrthenblättrige Weide." Auf
allen Kalkalpen weit verbreitet und oft weite Strecken rasenformig über-
ziehend.
47. Salix retiCUlata Z/., „Netzadrige Weide." Die zierlichste
der Alpenweiden, welche auf allen Kalkalpen sehr häufig vorkommt.
48. Salix retUSa L., „Gestutztblättrige Weide." Formirt
auf den Kalkalpen überallvorkonmiende, ausgebreitete Rosen.
49. Salix herbacea i., „Krautige Weide." Diese Pflanze
wurde bisher nur auf den letzten Erhebungen des Schneeberges beob-
achtet.
Poligoneen.
50. RumeX alpinUS i., „Alpen-Ampfer." Auf den Kalk- und
Schieferalpen allgemein verbreitet, besonders in der Nähe der Schwaig-
hütten.
51. RumeX AcetOSa />., „Gemeiner Ampfer."
ß. arifolius.
Auf allen Voralpen und Alpen.
52. Polygonum Bistorta i., „Nattem-Knöterich." Auf
allen Voralpen biß in die Gegend des Krummholzes.
Diese Pflanze mit ihren schönen rothen Blumenähren, hat eine
dicke rothbraune Wurzel, welche geruchlos ist, aber stark zusammen-
ziehend schmeckt, Gerbstoff, Gallussäure, Sauerkleesäure und Stärkmehl
enthält und von den Alpenbewohnern als ein kräftig wirkendes, adstrin-
girendes Mittel gekannt, häufig gesammelt und verwendet ist.
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53. Potigmiuni Viviparum /^.^ „Spitakeimendcr Knöterich."
Auf allen Kalkalpen in der Krummholzregion verbreitet, auch in aub-
lüpine Gegenden herabsteigend, wie auf die Maumau- und Bodenwiese.
Plumbagiueen.
54. Armeria alpina Wüld,j „Alpen-Grasnelke.^ Auf allen
Kalkalpen in und oberhalb der Krummholzregion weit verbreitet.
Die Pflanze ist bei den Alpenbewohnem gegen Diarrhoen, starke
Menstruation und als adstringirendes Gurgelwasser in einem Rufe.
Valerianeen.
55. Valeriana SaxatiliS i., „st ein -Baldrian." Auf allen
Kalkvoralpen verbreite
Die Wurzel dieser Pflanze hat einen sehr starken Geruch und
ein^n bitteren scharfen Geschmack, wird von den Alpenbewohnem als
krampfwidriges, schweiss- und harntreibendes Heilmittel angewendet.
56. Valeriana elongata Jacq., „VerJängerter Baldrian."
Diese seltene Pflanze kommt im Saugraben und auf dem Kaiserstein des
Schneeberges, auf den Abstürzen der hohen Lehne gegen das Gaisloch,
und in einer Schlucht von den Lichtensteghütten zum Wetterkogel auf
der Baxalpe, am letzteren Orte häufig vor.
Compositen.
57. AdenOStyleS alpina />o;/., „Alpen-Drüsengriffel." Eine
ansehnlich schöne Pflanze mit rosenrothen, trugdoldig stehenden grossen
Blüten; auf den Voralpen und Alpen.
Das Kraut wird von den Alpenbewohnem als Blätterthee gegen
chronischen Husten gebraucht.
58. Homogyne disCOlor Cass,, „Zweifarbiger Alpenlat-
tig." Truppenweise auf feuchten Stellen der Kalkalpen.
59. Homogine alpina (7a89., „Gemeiner-Alpenlattlg." Häu-
fig auf den Triften der Kalk- und Schieferalpen.
60.' Aster alpinUS L., „Alpen-Aster." Ueberäll auf den Kalk-
alpen des Schneeberges und der Baz.
61. Bellidiastrum Michelii Cass., „Gemeine Stemliebe."
Auf Kalk- und Schieferalpen, so wie den Voralpen allgemein verbreitet.
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62. Erigeron alpinum i., „Alpen-Berufungkraut." Auf
allen Kalkalpen.
63. Achillea Clavenae L., „Bittere Schafgarbe.^ Sehr häu-
fig auf allen Kalkalpen.
64. Achillea atrata 2^., „Schwarzkelchige Schafgarbe."
Auf den hohem Regionen der Kalkalpen.
Diese Pflanze ist bei den Alpenbewohnem als ein kräftig stimu-
lirendes und tonisches Heilmittel geschätzt. Dieselbe macht auch das
hauptsächlichste Ingredienz des sogenannten Schweizerthees aus.
65. Tanacetum LeUCanthemum Schultz, „Weisser Ronifam."
ß. alpinum.
In der Krummholzregion der Kalkalpen weit verbreitet.
66. Gnaphalium Leontopodium I., „sternförmiges Röhr-
kraut." Das bekannte Edel weiss der Alpenbewohner und von ihnen
als Hutzierde sehr geschätzt. Auf der Heu- und Kuhplagge und dem
. Waxriegel des Schneeberges, auf dem Jakobskogel, der Eishütten- Alpe,
der hohen Lehne und der* Heukuppe der Rax. Schöne Exemplare dieser
Art, muss man auf den weit abseits liegenden Felsen suchen.
67. Gnaphalium SilvatiCUm L., „Wald- Ruhrkraut"
Y. alpinum.
Auf den letzten Erhebungen des Schneeberges und der Rax.
68. Gnaphalium SUpinum i., „Niedrigel-Ruhrkraut." Auf
den Kalk- und Schiefer- Alpen , auf dem Ochsenboden des Schneeberges,
dem Grünschacher, Wetterkogel, der Heukuppe der Rax und auch auf
den höheren Kuppen des Wechsel.
69. AroniCUm ClUSii Koch, „Schmalblättriges Schwin-
delkraut.'' Weit verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen
Der Wurzelstock ist bitter, mit einem scharfen etwas pfefferartigen
Geschmack.
70. DoroniCUm aUStrlaCUm Jacq., „Oester reichische Gems-
wurz." Auf dem Schneeberge, der Raxalpe und dem Wechsel.
Die Wurzel dieser Pflanze hat ähnliche Eigenschaften, wie die
Amica, und wird deren Abkochung von den Alpenbewohnem für ein
Gegenmittel wider den Biss der auf den Alpen lebenden giftigen Kreuz-
otter gehalten.
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71. SeneciO abrotanifolius L.y „Stabwnrsblättriges Kreuz-
kraut.^ Im Felsenschutte aller Kalkalpen.
72. SeneciO alplnUS Koch, „Alpen-Kreuzkraut^ Auf allen
Kalk- und Schieferalpen.
73. Centaurea montana L., „Berg-Piockenbiume."
a. viridis.
In Schluchten der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der
Alpen überall verbreitet
74. Carduus PerSOnata «/ac^., „Klettenartige Distel.^ Im
Saugraben und auf der Kuhplagge des Schneeberges, dann auf dem
Kuhschneeberge.
75. Cirsium ErisithaleS 8cop,y „Klebrige Kratzdistel."
Auf den Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen überall
verbreitet
76. SaUSSUrea diSCOlor DC.y „Zweifarbige Saussurie"^.
Im Saugraben auf dem Luxboden und Waxriegel des Schneeberges, auf
dem Grrünschacher, Wetterkogel, auf der hohen Lehne und Eishütten-
alpe der Rax.
77- SaUSSUrea pygmaea Sprengel, „Z wVr g-S a u s s u r i e." Auf
dem Waxriegel des Schneeberges, auf dem Plateau des Grrünschacher,'.an
den Felswänden zwischen der Eishütten und Lichtenstegalpe, auf dem
Wetterkogel und der hohen Lehne der Rax.
78. Leontodon taraxaci Loisch, „Schwarzköpfiger Lö-
wenzahn." Im Saugraben, auf dem Ochsenboden, Kaiserstein und
Alpengipfel des Schneeberges, auf der hohen Lehne und der Heukuppe
der Rax.
79. Leontodon pyrenaiCUS Gouan., „Pyrenäischer Löwen-
zahn." Eine seltene Pflanze, die vereinzelt auf den Kalk- und Schiefer-
alpen vorkommt
80. TaraxaCUm Ofllcinale Wigg., „Officinelles Pfaffen-
röslein."
ß. a 1 p i n u m.
Auf den hohen Alpentriften allgemein verbreitet
81. Willemetia apargioides Lese., „Löwenzahnartige Wil-
lemetie." Im Saugraben deö Schneeberges, auf dem Plateau de» Kuh-
schneeberges; auf der Griesleiten und dem Geflötz der Rax.
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82. Mlrigedium alpiniim Less., „Alpen-Milchkraut" Auf
den Voralpen und Alpen der Kalk* und Schieferzone.
83. CrepiS aurea Ca88.y „Saffranfarbener Pippau.^ Auf
den Triften der Kalkalpen und Yoralpen verbreitet.
84. CrepiS blattarioides Villj „Schabenkrautblättrlger
Pippau." Auf dem Alpl, im Saugraben und in dor Bockgrube des
Scbneeberges , auf dem Kubschneeberge, auf dem Gränschachcr, im Gre-
flötz und auf der Heukuppe der Bax.
85. CrepiS SUCCisaefoiia Taibsch, „Abbissblättriger Pip-
pau." Auf dem Wassersteig der Heu- und Kuhplagge und dem Wax-
riegel des Schneeberges, auf der Griesleiten und im Geflötz der Bax.
86. CrepiS Jacquini Tausch y „Jacquins Pippau." Auf dem
Schnfeebergc und. der Baxalpe allgemein verbreitet.
87. Hieracium VillOSUm Jac^., „Zottiges Habichtskraut."
Auf allen Kalkvoralpen und Alpen verbreitet.
88. Hieracimn alpinum i^., „Alpen-Habichtskraut." Wurde
bisher nur auf den Schieferalpen des Wechsel beobachtet, ist aber dort
sehr verbreitet.
89. Hieracium prenanthoides VilL, „Hascniattigartiges
Habichtskraut." Eine seltene Pflanze, die bisher nur auf dem Schnee-
berge an einigen Stellen, wie auf dem Waxriegel im Saugraben und
auf der Heuplagge beobachtet wurde.
Campanulaceen.
90. Campanulla pulla L., „Dunkelblaue Glockenblume."
Im Felsenschutte der Kalkalpen allgemein verbreitet.
91. Campanula rotundifolia L., „Rundblätterige Glocken-
blume."
a. pusilla.
Im Felsenschutte der Kalkalpen und Vorälpen allgemein verbreitet
ß. grandiflora.
Gemein auf den Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der
Alpen.
92. Campanula thyrSOidea //., „StraussbUttrige Glocken-
blume." Auf dem Grünschacher , im Geflötz und auf der Schutt der
Griesleiten auf der Bax, auch auf der Boden wiese des Gahns.
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93. Campanula alpina L., „Alpen -Glockenblume.^ Auf
den letzten Erhebungen aller Kalkalpen verbreitet.
Bubineeeii.
94. Asperula Cynanchica L.^ „Gemeiner Waldmeister.^
ß. alpina.
Im Saugraben des Schneeberges und auf der Schutt der Gries-
leiten der Rax, sonst kein Standort bekannt.
Lonicereen.
95. Lonicera nigra L,y „Schwarze Heckenkirsche.^^ Auf
den Schiefer- und Kalkvoralpen.
96. Lonicera aipigena L., „Voralpen-Heckenklrsche.^
Auf allen Abstürzen der Kalkvoralpen verbreitet.
Geuti^naceen^
97. Gentiana pannonica Scop., „Ungarischer Enzian."
Auf dem Schneeberge, der Raxalpe und dem Wechsel, eine grosse Pflanze
mit prachtvoller Blüte, deren Wurzel als rothe Enzianwurzel bei den
Alpenbewohnem gegen verschiedene Krankheiten der Menschen und
Thiere gebräuchlich ist und viel gegraben wird, sie dient auch zur Be-
reitung des Enzianbranntweines, wird bei Gicht, Wechselfieber und
Schwäche der Verdauung angewendet.
98. Gentiana aSCiepiadea L., „Schwalbenwurzartiger
Enzian." Auf Schiefer- und Kalkvoralpen, auf diesen dann hinauf bis
in die Krummholzregion sehr verbreitet.
99. Gentiana pumiia Jacq,^ „Niedriger Enzian." Auf den
letzten Erhebungen des Schneeberges und der Raxalpe häufig.
100. Gentiana UtriCUlOSa L., „Bauchiger Enzian." Bisher
nur auf dem Wetterkogelsteig der Raxalpe beobachtet.
101. Gentiana nivalis L., „Schnee^Enzian." Auf den hohen
Triften der Kalkalpen zwar überall aber mehr vereinzelt.
Labiaten.
102. Betonica AlopeCUrUS L-, „W eissgelbe Betonie."
Allgemein verbreitet in der Krummholzregion der Kalkalpen.
Die Wurzel, Blätter und Blüten dieser Pflanze werden von den
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Alpenbewohnem gegen VerBchleimnngen und gichtisclie Leiden angewen-
dety das Kraut schmeckt bitterlich herbe und riecht schwach gewürzhaft
103. Ajuga pyramidalis £., „Pyramidenförmiger Günsel."
Bisher nur auf den Schieferalpen des Wechsel beobachtet.
Globularieeu.
104. Globularia nudicauliS L, „NacktstengUge Kugelblume."
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, dann auf dem
Grrünschacher der Bax.
Scrofulariaceen*
105. Linaria alpina Mill, „Alpen-Leinkraut." Im Felsen-
schutte aller Kalkalpen und Voralpen allgemein verbreitet
106. Veronica apliyiial/., „Kurzstengliger Ehrenpreis."
In der Krummholzregion der Kalkalpen allgemein verbreitet.
107. Veronica alpina L., „Alpen -Ehrenpreis." Auf den
Triften der Kalkalpen in und oberhalb der Krummholzregion, am häufig-
sten am schmelzenden Schnee.
108. Veronica frutiCUlOSa Zi., „Halbstrauchiger Ehren-
preis." Im Felsenschutte der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion
der Alpen.
109. Bartsia alpina L., ,,Alpen-Bartsie." Im Felsenschutte
der Kalkalpen und Voralpen allgemein verbreitet.
110. PediCUlariS Jacquini Kochy „Jacquins Läusekraut"
In der Krummholzregion der Kalkalpen überall verbreitet
111. PediCUlariS PortenSChlagii Saut, ,,Portenschlags Läuse-
kraut." Auf den Abstürzen des Ochsenbodens gegen die Bockgrube,
auf dem Grünschacher, der Eishüttenalpe und der Heukuppe der Rax.
112. PediCUlariS incarnata Jac^., „Fleischfarbenes Lause-
kraut" Auf der Heu- und Kuhplagge, im Saugraben und der Bock-
grube des Schneeberges, auf dem Wetterkogel, Schlangenweg und auf
der Heukuppe der Rax.
113. PedicularlS reCUtita L,, ,,Trübrothes Läusekraut"
Auf dem Plateau des Kuhschneeberges, auf dem Grünschacher und im
Gaisloch der Rax.
114. PediculariS rOSea Wulf, „Rosenrothes Läusekraut"
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Auf dem Waxriegel, Ochsenboden, Kaiserstein und Alpengipfel des Schnee-
berges.
115. PediCUlaris Verticillata Z., „Quirliges Läusekraut"
Gemein im Felsenschutte aller Kalkalpen.
116. PediCUlariS foliOSa L, „Belchblättriges Läusekraut"
Im Saugraben und auf der Heuplagge des Schneeberges, auf dem Kuh-
schneeberge, auf der Schutt der G-riesleiten und auf der südlichen Ab-
dachtmg der Raz.
Alle Arten dieser Gattung besitzen viel Schärfe, riechen unange-
nehm und schmecken sehr scharf, welches wohl die Ursache ist, dass
dieselben von dem Viehe nicht abgeweidet werden, da es die Pflanzen
verschmäht
Nach der mitgetheilten Erfahrung der Aelpler verursacht das Fres-
sen der frischen Pflanze bei den Bindern und Schafen Entzündungen
des Darmkanals und Bluthamen, und sollen diese Pflanzen nur für die
Ziegen unschädlich sein. Die Abkochung dieser Pflanzen wird von den
Alpenbewohnem zur Tödtung des Kopfungeziefers mit Erfolg angewendet.
117. RhinanthUS alpinUS Baumg., „Alpen-Klappertopf."
An felsigen Stellen der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion, auch
auf den Schieferalpen.
118. ToZZia alpina L.y „Alpen-Tozzia." An den Abfällen
des Waxriegels gegen die Kuhplagge und im Saugraben, so wie auf der
Heuplagge des Schneeberges, dann auf dem Plateau des Kuhschneeberges.
Utrieularieen«
119. PinguiCUla alpina L.^ ^Alpen-Fettkraut" An waldigen
Stellen der Voralpen Ws in die Krummholzregion der Alpen.
Die Blätter dieser Pflanze besitzen die Eigenschaft, die Milch
sehr dick und wohlschmeckend zu machen; es werden zu diesem Zwecke
einige frische Blätter des Alpenfettkrautes auf das Milchseihtuch gelegt,
die frisch gemolkene, warme Milch wird darüber durchgeseiht und bleibt
dann 1 — 2 Tage ruhig stehen, bis sie säuert; dadurch erlangt diese
Milch eine weit grössere Zähigkeit und Dichtigkeit und die Molke son-
dert sich nicht ab. Von der so bereiteten Milch braucht man zu anderer
Milch nur einen halben Löffel hinzuzugeben, um ihr gleiche Eigenschaften
mitzutheilen.
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Priniulaceen.
120. AndrOSace Chamaejasme Host, „Haariger Manns-
schild.^ In der Krummholzregion der Kalkalpen und auf den Voralpen
allgemein verbreitet.
121. AndrOSaCe Obtusifolia ^7/2077. „Flaumiger Mannsschild.^
Eine auf unseren Kalkalpen selten vorkommende Pflanze^ die nur ver-
einzelt im Saugraben, auf dem Ochsenboden, Kaiserstein und Alpengipfel
des Schneeberges, dann auf dem Schlangenwege und der Heukuppe der
Raxalpe beobachtet wurde.
122. AndrOSaCe laCtea L,, „Milchweisser Mannsschild.^
Auf allen Kalkalpen und deren Voralpen allgemein verbreitet.
123. Primula Clusiana Tausch, „Rothe Primel." Mit ihren
dunkelgrünen, glänzenden Blättern und hell purpurrothen Blumen eine
der schönsten Alpenpflanzen und eine wahre Zierde der Alpenflora. Im
Felsenschutte aller Kalkalpen und besonders am schmelzenden Schnee all-
gemein verbreitet, und mit der nachfolgenden eine der am frühesten
zur Blüte kommenden Alpenblumen.
124. Primula auriCUla X., „Aurikel." Obwohl diese Pflanze
auch auf niedriger gelegenen Felsen vorkommt, auf den Alpen aber bis
zu 6000' hoch blüht, von den Alpenbewohnem „Peter Gstamm" genannt
und von ihnen mit Kraut und Blüten als Thee gegen Husten und
Seliwindsucht, so wie zur Stärkung des Kopfes gegen Schwindel häufig
verwendet wird, so glaubte ich dieselbe doch unter die Alpenpflanzen
aufnehmen zu sollen.
12n. Primula minima L.y Kleinste Primel." Auf dem Schnee
berge, besonders in der Nähe der Schneefelder sehr häufig, auf der Rax-
alpe sehr selten.
126. CortUSa Matthioli L., „Mattiolis Cortuse." Wurde
bisher nur auf der Höhe des Scheibwaldes der Raxalpe gefunden. Man
schreibt dieser Pflanze besondere Heilkräfte, bei Gliederschwäche, Krank-
heiten der G-elenke, wie auch gegen Nieren und Blasensteine zu.
127. Soldanella alpina //., ^Gemeines Alpen-Glöckchen."
ß. minor.
Auf den Kalk- und Schiefer-Alpen am schmelzenden Schnee all-
gemein verbreitet.
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128« SolfbaeUa pusttia Baumg.y „Nledrigea Alpe^glöi^k-
(ßhen." Auf allen Kalkten in der Nahe der Schneefeldef. i
129. Soldanella mmiina Hoppes „Kleinste» Alpenglöekclien.''
Noch häufiger als die vorige an denselben Standorten der iKalkalpen.
Das Kraut aller Arten dieser Gattung ist beiden Alpenbewohnem
wegen seiner gelind purgirenden Eigenschaften bekannt.
Ericaceeu.
130. Azalea prOCUmbenS L^ „Liegende Azalea.^^ Auf .den
Triften aller Kalk- und Schieferalpen mit ihren zierlichen rothen Bösen
oft weite Strecken, polsterformig überziehend. Die Pflanze enthält xiarko-
tisch scharfe Stoffe.
131. Rhododendron ferruglneum L,, „Rostfarbene Alpen-
rose.^ Auf den Kalk- und Schieferalpen, hier selten. Auf dem oberen
Ochsenboden des Schneeberges und auf dessen Abdachung gegen den
Kuhschneeberg, auf dem Grünschacher, Kloben, hohen Lehne, Eishütten-
Alpe, dann am Fusse der Heukuppe in der Nahe der Lichtensteghütten,
auf dem Wechsel gegen den Pfaffen zu. Blüht immer früher als die
folgende Art, die Blumensaat rosenroth, die Blätter unterseits zimmtbraun.
Von diesem Alpenstrauche, der wie die folgenden narkotisch scharfe
Stoffe enthält, werden die Blätter in Abkochung als ein zuverlässiges
Mittel bei ^teinbeschwerden, und im Aufgüsse von fettem Gele über die
jungen Knospen als ein äusserliches Heilmittel bei Gliederreissen und zur
Heilung von Geschwüren von den Alpenbewohnem benützt, und die
Pflanze deshalb häufig gesammelt
132. Rhododendron hIrSUtum Z^., „Ge wimp er te Alpenrose.^
Nur auf den Kalkalpen und den höheren Voralpen überall gesellschaft-
lich und allgemein verbreitet, auf den Alpen eine der schönsten Land-
sehaftspflanzen, die mit ihren lang gestielten rosenrothen Doldentrauben,
im Stadium der vollen Blüte, und oft ausgedehnte Gebüsche bildend,
einen prachtvollen Anblick gewährt.
133. Rhododendron Chamaecistus £., „Zwerg-Aipenrose.^
Ein niedergestreckter Strauch mit aufsteigenden Aesten, der mit seinen
hellrosenfarbenen grossen Blüten und purpurschwarzen Antheren im Blüte-
Stadium sehr auffällig und über den Felsenschutt aller ELalkalpen bis
unter die Grenie des Krummholzes herab weit verbreitet ist.
134. ArCtOataphylOS aipma 8po,j „Alpen -Bärentraube.*^
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Die reifen Steinfrüchte im ersten Jahre grfin, dann roth, erst im näch-
sten Frühjahre reifend, und dann blauschwarz. An buschigen Stdlen
der Kalkalpen und Yoralpen überall verbreitet.
135. ArctOStaphylOS OfTicinaliS W. & E.y „Gemeine Bären-
traube.^ Auf Kalk und Schiefer der Yoralpen bis in die Krummholz-
region der Alpen in dicht ausgebreiteten Basön. Die Blumenkrone klein,
wachsartig, rosenfarben oder weiss, die Steinfrüchte scharlachroth schon
im ersten Jahre reifend.
Die Blätter dieser beiden Arten sind geruchlos, schmecken aber
zusammenziehend bitter und wird deren Abkochung bei Blasen- und
Nierenleiden, so wie bei atonischer Diarrhoe von den Alpenbewohnem
benützt.
Umbellifereu*
136. Pimpineila Saxifraga I/., ;,aemeine Biebemell.^
S. alpestris.
Allgemein verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen und der an-
grenzenden Voralpen. Die Pflanze enthält ein blassgelbes ätherisches
Oel und einen doppelten £xtractivstoff, wird von den Alpenbewohnem
als ein bekanntes Mittel bei veralteten Catarrhen und Asthma ange-
wendet.
137. Athamanta cretenais L., „Aipen-Augenwurz.^
a. minor.
In der höheren Kalkalpenregipn allgemdn verbreitet Die ganze
Pflanze, und besonders die Früchte besitzen einen sehr angenehm ge-
würzhaffcen Geruch und Geschmack und w^r^en von den Alpenbewohnem
als magenstärkendes und hustenlösendes Arzneimittel angewendet und
diese Pflanze sehr häuflg gesammelt
138. Meum atiiamantiCUin Jacq., ^H aar buttrige Bären-
wurz.^ Die ganze Pflanze, besonders aber die Wurzel hat einen star-
ken durchdringenden Fenchelgeruch, findet sich auf allen Kalkalpen, be-
sonders in der Krummholzregion, häufig.
139. Meum Mutellina Oartn., ^Alpen-Bärenwurz.^ Auf den
hohen Triften der Kalkalpen allgemein verbreitet. Auch die Wurzel
dieser Pflanze riecht stark gewürzhaft balsamisch und schmeckt scharf.
Beide Arten .dienen zur Bereitung des Alpenkräuterliqueurs und werden
als magenstärkendes Bfittel sehr häufig angewendet.
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140. Pachypieiirum Simplex Eeühb.y „Einfacher Flügel-
ame." Eine der seltenen Alpenpflanzen, welche bisher nur auf dem
Waxriegel des Schneeberges gegen den Sattel zu, dann etwas häufiger
auf der hohen Lehne und auf dem Plateau der Bax zwischen der Eis-
hüttenalpe und den Lichtenstemhütten beobachtet wurde.
141. Peucedanum Ostruthuim Koch, „Meisterwurzartiger
Haarstrauch/' Auf den Kalk- und Schiefervoralpen, dem Kampstein
und Saurücken des Wechsel, auf dem Kuhschneeberge und den Abfällen
des Gahns gegen das Schwarzathal zu, beobachtet. Die Wurzel riecht
stark aber angenehm gewürzhaft und schmeckt bitter, enthält ein ätheri-
sches Oel, ein scharfes Weichharz und bitteren Extractivstoff, imd wird
von den Alpenbewohnem als magenstärkendes, schleimzertheilendes Heil-
mittel angewendet.
142. Heracleum Sphondylium L., „Gemeines Heilkraut."
ß. angustifolium.
Auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen
verbreitet, im Saugraben des Schneeberges, auf dem Grrünschacher und
der Eishüttenalpe der Rax.
143. Heracleum aUStriaCUm i., „Oesterreichisches Heil-
kraut." Weit verbreitet in der Elrummholzregion der Kalkalpen und den
angrenzenden Voralpen. Die Wurzel ist scharf, gewürzhaft, schmeckt
süsslich und wird als reizendes, gelind eröflEnendes Mittel dann gegen
Blutflüsse von den Alpenbewohnem angewendet.
144. AnthrlSCUS SilvestriS Hofm,, „Grosses Kerbelkraut."
ß. alpestris.
Auf allen Schiefer- und Kalkvoralpen bis in die Bjrummholzregion
der Alpen überall verbreitet.
145. PleurOSpermum aUStriaCUm Hoffm., ,.Oesterreichischer
Rippensame." Auf den Kalkvoralpen bis in die Knimmholzregion der
Alpen allgemein verbreitet.
Crastulaceen.
146. Sedum atratum i., „Rothbraune Fetthenne." Ver-
einzelt und sehr zerstreut auf den Kalkalpen und angrenzenden Voralpen.
Saxifragaceen.
147. Saxifraga Caesia L., ,,Blaugrauer Steinbrech." All-
gemein verbreitet im Felsenschutt aller Kalkalpen.
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148. Saxifraga BurSeriana L., „Bursens Steinbrech.^ Hier
sehr selten, und zwax nur auf den Abstürzen des Ochsenbodens in den
Saugraben am Schneeberge beobachtet.
149. Saxifraga aiZOideS L,, „immergrüner Steinbrech.^
Auf den höheren Erhebungen aller Kalkalpen verbreitet.
160. Saxifraga mUSCOideS Wulf, „Moosartiger Stein-
brech." Auf allen Triften der Kalkalpen in und oberhalb der Krumm-
holzregion.
151. Saxifraga StenOpetaJa Gaud, „Schmalblättriger Stein-
brech." Sehr selten, und zwar bisher nur auf dem Kaiserstein am Bande
der Puchberger Wand, an schwer zugängigen Stellen beobachtet.
Diese Pflanze wird von den Anwohnern des Schneeberges fälsch-
lich für Saxifraga sedoides L., die wahre Gemswurzel gehalten,
die aber auf unseren Alpen gar nicht vorkommt, und statt letzterer ge-
sammelt. Auch die Wurzel der Saxifraga stenopelata wird ge-
kaut für ein magenstärkendes und die Leichtigkeit des Bergsteigens
beförderndes Mittel gehalten, so verwendet und eifrig gesammelt.
152. Saxifraga andrOSacea L,, „Mannsschildartiger Stein-
brech." Im Felsenschutte aller Kalkalpen, besonders in der Nähe der
schmelzenden Schneefelder gemein.
153. Saxifraga StellariS 2^.) „Sternblütiger Steinbrech."
Auf allen unseren Kalkalpen, wie die vorige an denselben Standorten;
ein sehr zierliches Pflänzchen.
154. Saxifraga adSCendenS L,, „Aufsteigender Stein-
brech." Auf allen Triften der Kalkalpen und höheren Voralpen.
155. Saxifraga rotundifolia L., „Rundblättriger Stein-
brech." Von den Abstürzen der Schiefer- und Kalkvoralpen bis auf
die höchsten Alpengipfel verbreitet.
Ribesiaceen.
156. RibeS alpinum L,, „Alpen-Johannisbeere." In der
unteren Knunmholzregion der Kalkalpen und der Schieferalpen verbreitet.
157. RibeS petreum Wulf, „Felsen-Johannisbeere." Sehr
selten vorkommend. Bisher nur auf der Heukuppe der Baxalpe und auf
dem Saurücken des Wechsel gegen Trattenbach.
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Bununculaceen.
158. Atragene alpina L., „Gemeine Alpenrebe.^ In der
unteren Krummholzregion der Kalkalpen nicht häufig. Im Kesselgraben
der Rax vom Höllenthale aus, dann im Saugraben und Krummbachgraben
des Schneeberges. Im Sommer 1868 wurde von mir diese Pflanze in
unmittelbarer Nahe des Bürschhofes auf dem Gahns, am Rande der nach
Osten liegenden Felsen gefunden.
159. Anemone alpina £., „Alpen- Windblume." Weit ver-
breitet auf allen Kalkalpen und den angrenzenden Voralpen.
160. Anemone narciSSiflora L., „Narzissenblütige Wind-
blume." An denselben Standorten wie die vorige.
161. RanunCUlUS alpestriS L., „Alpen- Hahnefuss." Auf
Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders am schmelzenden
Schnee allgemein verbreitet.
162. RanunCUlUS hybridUS Pma, „Bastard-Hahne fuss.^
Im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders in der Krummholzregion, im
Saugraben und der Lockgrube des Schneeberges, auf der Griesleiten,
Eishüttenalpe, Wetterkogel und im G«flötz der Rax.
163. RanunCUlUS montanUS i., „Berghahnefuss." Weit
verbreitet auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen.
164. Aconitum NapellUS Zi., „Wahrer Eisenhut." Auf Trif-
ten der Kalkalpen und angrenzenden höheren Voralpen, um die Rinder-
ställe auf den Kalkalpen in Formation, eine ansehnliche Lahdschafts-
pflanze, und narkotisch ^charfes Arzneigewächs, welches gegen Gicht,
Rheumatalgicn, Drüsengeschwülste, Lähmungen u. s. w. angewendet wird.
Papaveraceen.
166. Papaver alpinum i»., „Alpen-Mohn." Hier sehr selten,
und nur im Saugraben, dann auf den Abstürzen des Kaisersteines gegen
Puchberg auf dem Schneeberg, und auf den Abdachungen der Heukuppe
der Rax beobachtet.
Cruciferen.
166. ArabiS alpina i., „Alpen-Gänsekraut." Allgemein
verbreitet auf den Schiefer und Kalkvoralpen, auf den letzteren bis in
die Krummholzregion.
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167. ArabiS Ciliata R* Br., „Gewimpertes Gänsekraut.^
Vereinzelt auf den höheren Ealkvoralpen bis in die Erummholzregion
der Alpen.
168. ArabiS caerulea Hancke, ^Blaublühendes Gänse-
krauf Sehr selten vorkommend, und bisher nur auf den Kalkalpen
im Saugraben und auf dem Ochsenboden des Schneeberges, auf der Eis-
hüttenalpe, von den Lichtensteghütten zur Heukuppe der Bax beobachtet,
während die Pflanze anderswo, vorzugsweise auf Schiefer vorkommend ist.
169. Arabis pumila Facq.y „Niedriges Gänsekraut.^ Weit
verbreitet in der Erummholzregion der Kalkalpen.
170. Cardamine resedifolia L., „Besedablättrlges Schaum,
kraut.^ Sehr selten und vereinzelt auf dem Abhänge des hohen Schnee-
berges gegen den Kuhschneeberg und auf dem Schlangenwege der
Razalpe.
171. Draba pyrenaica I'., „Pyrenäisches Hungerblümchen.^
lüt seinen grossen, rosen- oder lilafarbenen, nach Vanille duftenden
Blumen, oft in ausgedehnten Basen ganze Felsenstücke auf den hohen
Kalkalpentriften überziehend.
172. Draba aiZOideS L,, „ImmergrünesHungerblümchen.^
Auf allen Kalkalpen, besonders in der Krummholzregion weit verbreitet.
173. Draba Stellata J^cf., „sternhaariges Hungerblüm-
chen.*^ Mehr vereinzelt auf dem Waxriegel, im Saugraben und dem
Kaiserstein des Schneeberges, auf der Baxalpe, und zwar vom Grün-
schacher bis zur Heukuppe verbreitet.
174. Thiaspi alpinum Crantz, „Alpen-Täschelkraut." All-
gemein verbreitet in der Krummholzregion der Alpen.
175. Thiaspi rotundifolium öaTfcü, „Bundblättriges Täschel-
kraut.^ In der höchsten Alpenregion des Schneeberges und der Bax.
166. HutSChinsia alpina R. Br,, „Alpenhutschinsie." An
den schmelzenden Schneeflächen der höheren Kalkalpen verbreitet.
Cistineen.
177. Hellanthemum OelandiCUm Wahlhg., „Oelandlsches Son-
nenröschen.^
ß. hirtum.
In der ELrummholzregion der Kalkalpen häufig.
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178. Heiianthemum vulgare Oärtruy ^Gemeines Sonnen-
röschen."
a. glabrescens.
In der Krummholzregion der Kalkalpen und höheren Voralpen.
Violaceen.
179. Viola alpina Jacq., „Alpen- Veilchen." Allgemein ver-
breitet auf den felsigen Triften der Kalkalpen in und oberhalb der
Krummholzregion.
180. Viola biflora L,, „Zweiblütiges Veilchen." In den
höheren Voralpenwäldem und im Krummholze der Alpen auf Kalk und
Sc)^iefer.
Garyophylleen«
181. Sagina saxatiliS Wimm,, „Felsen -Mostkraut." Auf
den Alpen und höheren Voralpen des Kalk- und Schiefergebirges.
182. Alsine Cherleri Fenzl „Cherlers Miere." Ist weit
verbreitet im Felsenschutte der Kalkalpen und kommt in grossen dicht
zusammen gepressten Basen vor.
183. Alsine verna Barth „Frühlings-Miere."
ß. alpina.
Sehr häufig in der Kmmmholzregion der Elalkalpen.
184. Alsine austriaca il^. cEr i?., „Oesterreichische Miere."
Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, besonders in der Krumm-
holzregion sehr häufig.
185. Alsine laricifolla Wdhlh,, „Lärchenbaumblättrige
Miere." Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkvoralpen bis in die
Kmmmholzregion der Alpen weit verbreitet.
186. Möhringia polygonoides M. & K., „Knöterigartige
Möhringie." Eine hier selten vorkommende Pflanze, welche bisher nur
im Saugraben und auf dem Wazriegel des Schneeberges, dann auf der
Baxalpe von der hohen Lehne bis zur Heukuppe vereinzelt beobachtet
wurde.
187. Arenaria grandiflora AUton, „Grossbiütiges Sand-
kraut.^ Ebenfalls sehr selten und bisher nur auf der Grriesleiten, am
Wett^kogelsteig und Schlangenweg der Baxalpe beobachtet.
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188. Cerastiumtrigynum FeZ/., „Dreigriffligea Hornkraut"
Gleichfalls sehr selten und bisher nur auf den Abstürzen des Ochsen-
bodens gegen den Saugraben, auf dem Schneeberg und auf der Raxalpe
gegen das Bärenloch zu beobachtet.
189. Cerastium triviale Lmky „Gemeines Hornkraut"
S. alpinum.
In der Krummholzregion der Kalkalpen, besonders in der Nähe
der Schwaighütten.
190. Cerastium arvense /^., „Acker- Hornkraut«
Y. latifolium.
Kur auf den hohen Triften der Kalkalpen in der Nähe der Schwaig-
hütten.
191. Cerastium CarinthiaCUm Fest., „Kärntnerisches Horn-
kraut." Im Felsenschutte aller Kalkalpen weit verbreitet
192. GypSOphila repens L., „Kriechendes Gipskraut"
Auf Felsen und im Felsenschutte der Kalkalpen, hier selten, auf der
Schutt der Griesleiten, und auf dem Haferfeld der Raxalpe.
193. Dianthus alpinus X., „Alpen-Nelke.'^ Weit verbreitet
auf allen Kalkalpen und den höheren Voralpen.
194. Silene inflata xSVn., „Aufgeblasenes Leimkraut"
ß. alpina.
Im Felsenschutte der Kalkalpen und angrenzenden Voralpen.
195. Silene acauliS Z., „stengelloses Leimkraut" Mit
seinen grasgrünen ausgebreiteten Basen, und der wie eingestickten, zahl-
reichen, rosenrothen oder hellpurpumen Blüten ganze Felsenstücke der
Kalkalpen malerisch schön überziehend.
196. HeliOSperma quadrifidum A. Branuy „Vlerzähniger
Strahlensame." An steinig, buschig, moosigen Stellen der Kalkalpen
und Voralpen gemein.
197. HeliOSperma alpestre ABraun^ „Voralpen-Strahlen-
same." In ^ der Krummholzregion der Kalkalpen gemein.
Empetreen.
198. Empetrum nigrum L., „Schwarze Rausch beere."
Auf den Kalk- und Schieferalpen verbreitet.
Die Beeren, welche sauer und nicht angenehm schmecken, gelten
bei den Alpenbewohncm als ein diuretisches Mittel.
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Geraniaceen«
199. Geranium Silvaticum i., „Wald-Storchschnabel.«
Auf den Abstürzen der Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der
Alpen weit verbreitet.
Lineen.
200. Linum aUStriaCUm L. „Oesterreichischer Flachs.^
ß. alpinum.
Im Felsenschutte der Kalkalpen und an lichten Stellen im Krumm-
holze allgemein verbreitet und auch in subalpine Thäler herabsteigend.
Oenothereen.
201. Epiiobium trigonum /ScAranÄ;, „Dreikantiges Weide-
röschen." Auf allen Triften der höheren Kalkvoralpen, bis in die
Krummholzregion der Alpen.
202. Epilobium alsinefolium ViU. „Mierenblättriges Weiden-
röschen." Auf den Kalk- und Schieferalpen aber seltener und nur ver-
einzelt vorkommend, wie auf dem Wechsel, Grrünschacher imd im Grais-
loche der Bax, auf dem Kuhschneeberge und dem Alpl des Schnee-
berges.
203. Epilobium alpinum L., „Alpen-Weidenröschen." Auf
allen Kalkalpen, besonders an den schmelzenden Schneefeldem allgemein
verbreitet
Rosaceen.
204. Alchemilla aipina Z., „Alpen -Löwenfuss." Sehr selten
auf unseren Kalkalpen, und zwar bisher nur auf der Abdachung des
hohen Schneeberges zum Kuhschneeberg beobachtet.
205. Potentiila ClUSiana Jacq,, „Clusisches Fünf finge r-
krant."
Im Felsenschutte der höheren Kalkalpen und der angrenzenden
VoraJpen allgemein verbreitet, mit ihren grasgrünen, gedrungenen Blät-
tern, purpurn überlaufenen Blütenstielen und Kelchen, milchweissen, gros-
sen Blumen, eine kleine, aber malerisch schöne Alpenpflanze.
206. Potentiila aurea i., „Goldgelbes Fünffingerkraut."
Auf allen Kalkvoralpen bis in die Krummholzregion der Alpen, und auch
auf den Schieferalpen allgemein verbreitet
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207. Potentilla minima HaU., „Kleinstea-Fünffinger-
kraut.^ Selten vorkommend auf den Alpentriften oberhalb der Ejrumm-
holzregion, am Rande der schmelzenden Schneefelder, auf dem Alpl und
Kaiserstein des Schneeberges, auf den höchsten Erhebungen der Baxalpe,
vom Grünschacher bis zur Heukuppe.
208. Geum montanum L., „Berg-Benedlktenkraut." All-
gemein verbreitet auf allen Kalk- und Schieferalpen.
Die Wurzel hat einen schwach gewürznelkenartigen Greruch und
ist als bitteres adstringirendes Mittel bei Durchfallen und Magenbeschwer-
den im Arzneischatze der Alpenbewohner gebräuchlich. Dem Biere bei-
gemengt soll es demselben den gewürzhaften Greruch mittheilen und be-
wirken, dass es sich länger hält und nicht so leicht sauer vdrd*
209. DryaS OCtopetala L,, „Gemeine Silberwurz.^ Ist im
Felsenschutte der Kalkalpen allgemein verbreitet, und gibt, in flache
Basen niedergestreckt, mit seinen immergrünen, zierlich gefügten, am
Rande umgerollten, rückwärts weissfilzigen, oberhalb dunkelgrünen Blät-
tern, und seinen einzelnen, endständigen, grossen, weissen Blumen, das
Bild einer sehr schönen Alpenpflanze. Die Pflanze wirkt adstringirend
und wird von den Alpenbewohnem in Abkochung bei heftiger auftre-
tenden Diarrhoen mit gutem Erfolge gebraucht, wird gesammelt und als
bewährtes Heilmittel aufbewahrt
Papilionaceen.
210. Phaca frigida X., „Kalte Bergllnse.^ Eine hier sehr selten
vorkommende Pflanze, welche bisher nur auf dem Ochsenboden des Schnee-
berges vom Wazriegel bis an den Fuss des Kaisersteines und am Aus-
gange des Saugraben beobachtet wurde.
211. Oxytropis montana DC, „Berg-Spitzkiel." Allgemein
verbreitet auf den Triften aller Kalkalpen in und über der Krummholz-
region.
212. Hedysarum ObSCUrum L.y „Dunkler Hahnenkopf^
Vereinzelt auf Triften und felsigen Stellen in der Krummholzregion der
Kalkalpen, auf dem Waixiegel und Ochsenboden des Schneeberges, auf
der Abdachung des Kaisersteines gegen den Kuhschneeberg, auf dem
Schlangenweg und der Heukuppe der Bax.
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Bentttste Quellen:
Neilreich August, Nachträge zur Flora von Wien, 1851.
Neilreich August, Flora von Niederösterreich. Wien, 1859.
Die Mittheilungen und Jahrbücher des österreichischen Alpenvereines
vom Jahre 1863 bis 1867.
Die Benützung der Berge und fliessenden Wässer in Nieder-Oester-
reich, herausgegeben von der niederösterr. Handelskammer. Wien, 1857.
Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt Wien, 1850, S. 522 — 36.
Senoner, Zusammenstellung der Höhenmessungen in Oesterreich
unter der Enns.
Koristka EI. 1852. 3. Heft, S. 94—119.
Greologische Karte von Nieder-Oesterreich, aufgenommen von der
geologischen Beichsanstalt. Wien, 1852.
Stur, geologische Uebersichtskarte der tertiären Diluvial- und
Alluvialablagerungen in den nordöstL Alpen. Wien, 1855.
Jahrbücher der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmag-
netismus.
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Ueber den
Fortschritt in dem Betriebe
der
Bodencultur in Nieder-Oesterreich
in den Jahren 1848—1868.
Von
F. W. Hofmann«
WirthschajRsrath in Wien.
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Jbiin Zeitraum von zwanzig Jahren bietet schon in dem Be-
reiche jeder Thätigkeit namhafte Veränderungen zu Gunsten der
Ergebnisse derselben, und dies um so viel mehr in dem Betriebe
der Landwirthschaft, in welchem Millionen von Q-rundbesitzern,
gestützt auf den Grundlagen der Wissenschaft und auf die selbst-
gewonnenen Resultate der praktischen Durchftihrungen , einheit-
lich in dem Streben nach gleichem Ziele , unausgesetzt thätig
sind; und es ist gewiss wünschenswerth die Ergebnisse einer
solchen Periode und die Erfolge solcher hervorragenden Mass-
nahmen kennen zu lernen, welche hier zur Geltung gebracht
wurden, um daraus fllr die Zukunft Nutzen zu ziehen. Der Zweck
der vorliegenden Aufzeichnungen ist die Darstellung der Erfolge
aus dem Betriebe der Landwirthschaft im Verlaufe der Periode
der Jahre 1848 bis 1868 im Allgemeinen^ und es bieten die Re-
sultate dieser Forschungen um so gewisser grosses Interesse, als
mit dem Jahre 1848 durch die Entlastung des Grundes und der
Arbeitskraft des Bauernstandes dem Fortschritte in dem Betriebe
der Landwirthschaft des Klein-Grundbesitzers die breitesten Bah-
nen eröffnet wurden, wenn damit die Frage gelöst wird, in wel-
cher Höhe sich der Einfluss beziffert, welchen die Grundent-
lastung auf die Bodenkultur des Landes genommen hat.
Öeit dem denkwürdigen Jahre 1781, in welchem die Leib-
eigenschaft aufgehoben und an deren Stelle die gemässigte Un
terthänigkeit eingefiihrt wurde, ist in den Verhältnissen des Be-
sitzstandes Oesterreich's keine so tief eingehende Veränderung
eingetreten als in dem Jahre 1848, in welchem mit Einmal mit
den veralteten Systemen gebrochen, Land und Leute völlig frei
geworden sind.
Bis zu dem Jahre 1848 war der Grundbesitz des Bauern-
standes und seine Arbeitskraft belastet ; er selbst war jener Herr-
schaft Unterthan, in deren Territorium sein Besitzstand gelegen
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270
war; er war dieser Herrschaft grund-, zehent-, dorf-, berg-,
vogt-, gerichts-, zins- und robotpflichtig. Nebst diesen Verpflich-
tungen hatte der Elein-Grundbesitz auch noch an Pfarren, Schu-
len und andern Titeln Gibigkeiten zu leisten.
Die Grösse dieser Belastungen der unterthänigen Gründe
der 43c>0 Dörfer mit einem Grundausmasse von circa 1.000.000
Joch, mit welchen 258.146 Verpflichtete den 822 Dominien oder
Herrschaften gegenüber, die ein Flächenmass von 1,010.363 Joch
besitzen, pflichtig waren, ergibt sich aus der diesfälligen Zusam-
menstellung des Herrn Hofrathes Rubin, welchem wir unter dem
Titel „Die Grundentlastung in Oesterreich 1857" die genaue-
sten Aufzeichnungen über die Ablösungen aller vorgenannten
Verbindlichkeiten zu danken haben.
Bezüglich der Jochanzahl und der Bevölkerung dieser Dorf-
schaften ist eine richtige Ziffer nicht zu eruiren, weil nebst Wien
und den Bezirken noch 34 Städte und 227 Märkte mit ihrem
Grundbesitze und Bevölkerung von dem Gesammtflächenmasse
Nieder-Oesterreich's per 3,444.400 Joch in Abschlag zu bringen
wären, die theils gar nicht, theils nur zins- und gerichtspflich-
tig waren, und diese Ziffern ungeachtet emsiger Forschung in
Zusammenstellungen nicht aufzufinden sind.
Nach Rubin waren die Unterthanen Nieder-Oesterreich's
pflichtig:
1. mit Fuss- oder Handrobot für . . . 6,177.184 Tage
mit Pferden, einspännig 542.062 „
jy „ zweispännig 542.062 „
„ Ochsen, einspännig 108.843 „
„ „ zweispännig 762.983 „
„ „ vierspännig 258.226 „
mit Zehent im Werthe von 1,552.370 fl.
mit Naturalgaben und fixen Leistungen f(ir 360.852 „
2. mit Besitzveränderungsgebühren, welche Leistungen an
den Staat übergangen sind, im durchschnittlichen Betrage von
919.862 Gulden.
Mit Ausschluss der Besitzveränderungs-Gebühren wurden
diese Verpflichtungen als Gruudentlastungs-Rente mit 1,5S9.846 fl.
beziffert, und mit einem Entschädigungs-Rapitale von 31 ,998.920 fl.
berechnet
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Aus den vorstehenden Aufzeichnungen geht hervor, dass
bis zu dem Jahre 1848 jedes Joch des unterthänigen Grund-
besitzes filr ledige Verpflichtungen den Herrschaften gegenüber
mit beiläufigen 30 fl. oder mit einer jährlichen Leistung im Werthe
von 1*6 fl. belastet war.
Da nun in Nieder-Oesterreich ein Bauem-Ganzlehe durch-
schnittlich 72, — ein Halblehe 36 — und so weiter herab im
Ausmasse umfasset; so ist diese Belastung von 108 fl., 54 fl. u. s. w.
herab, welche die Bauern wirthschaften an Zehent, Geld und
Robot pflichtig gewesen sind, umsomehr von grosser Bedeutung
gewesen, als der Reinertrag einer selbst späteren Periode (siehe
F. W. Hofmann's Statistik der Nahrungspflanzen, pag. 91 in der
Statistik der Volkswirthschaft 1855 — 1866) in Nieder-Oesterreich
nur 3 fl. 7 kr. erreicht, während solche für 1861 behördlich auf
4 fl. 16 kr. berechnet wurde.
Aber so schwer auch diese Belastung des unterthänigen
Grundes an sich als Leistung den Besitzer des Grundes gedrückt
haben mag, so war es doch nicht der eigentliche Werth dieser
Leistungen allein, welcher dem Fortschritte in der Bodencultur
bäuerlicher Wirthschaften Hemmnisse entgegensetzte ; weitaus nach-
theiliger wirkte die Art der Verpflichtung: denn jährlich den
zehnten Theil an Stroh, nahezu den zehnten Theil der Arbeits-
kraft einer Wirthschaft entnommen, hinzugerechnet noch das Ver-
hältniss, dass jede Verbesserung in der Bodencultur , jede Besse-
rung in der Qualität des Arbeitsviehes immer wieder einem
zehnprozentigen Abzüge durch die Zehent- und Robotpflicht unter-
worfen war — so sind diese Abflüsse, welche jeden Aufschwung
derselben nahezu unmöglich machen, und es war deshalb wahr-
haft ein Segen der Zeit, dass mit dem Jahre 1848 die Ent-
lastung des Grund und Bodens und der Arbeitskraft in's Leben
getreten ist.
Wenn wir nun die Ernten und den Viehstand von 1848
den von 1868 entgegenhalten, wie solche in den statistischen Ta-
bellen verzeichnet sind (siehe die Statistik der österreichischen
Monarchie dieser Jahrgänge, herausgegeben von den k. k. sta-
tistischen Bureaus, und die Statistik der Volkswirthschaft der
Handelskammer, 1867, Abtheilung Nahi'ungsstoffe, von F. W. Hof-
mann), so ergeben sich bedeutende üeberschüsse zu Gunsten
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272
der letzteren Periode, währeud welcher aller Boden frei war.
Leider hat bei allen diesen Au&ahmen eine Sonderung der Pro-
ductionen des Gross- und des Klein-Qrundbesitzers nicht statt-
gefiinden; diese Ueberschüsse müssen aber dennoch dem Klein-
Grundbesitze mindestens zur Hälfte zugerechnet werden, weil
beide Theile nahezu ein gleiches Flächenmass besitzen, anderseits,
weil der Gross Grundbesitzer mit seiner eben gleich grossen Bo-
denfläche nach der Ablösung ohnehin schon jahrelang befliessen
sein, und die aus der Grundentlastung eingehenden Gelder grössten-
theils wieder aufwenden musste, um nur den Ausfall an Stroh
und Arbeitskraft für seinen Besitzstand zu decken, welche dem
Gute durch Auflassung des Zehents und der Robot mit Einmal
abgängig wurden.
Die Bodenproduction und der Viehstand in Nieder-
Oesterreich von 1848 und von 1868.
1848 1868 Differenz.
Weizen 1,207.000 Mtz. 1,351.000 144.000 Mtz. mehr
Roggen 5,211.000 „ 7.321.000 2,110.000 „
Gerste 1,059.000 „ 1,624.000 665.000 „ „
Hafer 6,352.000 „ 7,617.000 2,266.000 „ „
Mais 26.000 „ 79.000 53.000 „
Heidekorn 86.000 „ 282.000 197.000 „ „
Hiise 4.000 „ 47.000 43.000 „ „
Hülsenfrüchte . . . 87.000 „ 61.000 26.000 „ weniger
Summe der Früchte : 13,03 1.000 Mtz. 18,382.000 Mtz. 5,377.000 Mtz. mehr
Kartoffel 4,278.000 Mtz. 8,562.000 716.000 Mtz. weniger
Rüben 882.000 „ 1,513.000 631.000 „ mehr
Kraut 483.000 „ 501.000 68.000 „ „
Obst 106.000 „ 1,209.000 1,104.000 „ „
Wein 3,120.000 Eim. 1,500,000 1,620.000 Eim. weniger
Futter 16,864.000 Ctr. 27,260.000 Ctr. 10,396.000 Ctr. mehr
Stroh 20,537.000 „ 26,788.000 „ 6,251.000 „ „
Flachs 16.000 „ 18.000 „ 2.000 „ „
Leinsamen 11.000 „ 12.000 „ 1.000 „ „
Hanf 7.000 ,, 4.000 „ 3.000 „ weniger
Hanfsamen 3.600 - 1.900 „ 1.700 «
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273
1848
1868
Tabak Ctr. 90 Ctr.
Hopfen „ * 600 „
Rüps 1.000 , 6.000 „
Holz 1,806.000 Klftr. 1,060.000 Klftr.
Honig 1.800 Ctr.
Wachs 500 „
Milch 3,121.000 Eim.
Käse n. Butter.
SchafviroUe ....
Fleisch
Pferde
Rinder .' . .
Schafe
101.000 Ctr.
11.000 „
880.000 „
68.000 Stk.
833.000 „
605.000 „
Ziegen j wurden nicht
Schweine i gezählt
Seidecocons
Bienenstöcke 12.000 Stk.
2.800 Ctr.
700 „
5,091,000 Eim.
124.000 Ctr.
7.000 n
625.000 „
84.000 Stk.
529.000 „
860.000 „
39.000 „
444.000 „
25 Ctr.
18.000 Stk.
Differenz.
90 Ctr. mehr
500 „ ,
5,000 „ „
246.000 Klftr. \veniger
1.000 Ctr. mehr
200 , ,
1,970.000 Eim. „
23.000 Ctr. „
4.000 „ weniger
245.000 „ mehr
16.000 Stk. „
196.000 , „
145.000 „ weniger
25 Ctr. mehr
6.000 Stk. „
Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich als zuerst her-
vortretend, dass seit 20 Jahren gegenwärtig an Mehlfrüchten
um 5,000.000 Mtz.
Stroh um 600.000 Ctr.
und Futter 1 10.000 Ctr.
jährlich mehr produzirt werden, dass femer
Pferde um 16.000 Stack
Rinder „ . .^ 196.000 „
mehr, dagegen Schafe um 146.000 „
weniger eingestellt sind.
Bezüglich der Verhältnisse, welche als Erfolge der Grund-
entlastung zur Q-eltung kommen, ist aus dem Vorstehenden nach-
gewiesen, dass der Klein -Grundbesitzer, den Erwartungen ent-
sprechend, seine freigewordene Arbeitskraft und die ihm daraus
zur Verfiigung gebliebenen Bodenproducte der Verbesserung sei-
ner Grundstücke zugewendet, dass er seine Arbeitskraft in Vieh
noch vermehrt, und die Production der Gesammtwirthschaft be-
reits weit über 10 Prozente gesteigert habe.
Aber auch der Berechtigte, der Gross-Grundbesitz hat mit
dieser Aenderung thatsächlich gewonnen, wenn gleich die Ablö-
sungssummen scheinbar eben nur eine massige Entschädigung
bezifferten , denn die Zwangsarbeit hatte wenig Werth, die Grund-
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^74^
stücke wurden schlecht bestellt und der dadurch herabgeminderte
Ertrag der Herrschaftsgründe war theilweise kaum durch den
Natural-Zehentbezug wieder ausgeglichen, fUr welchen überdiess
auch noch Zahlungen zu leisten waren.
Und so haben sich auch die Güter des Gross-Grundbesitzes
alle ungeachtet dieser Ausfälle an Arbeitskraft und Zuschüssen
von Stroh (und Körnern) nicht nur in der Höhe ihrer früheren
Productionen, und in ihren Erträgnissen, die sie vor 1848 gelie-
fert haben, erhalten, sondern im gleichen Masse wie im Klein-
Grundbesitze erhöht, ungeachtet die Grundentlastungs-Capitalien
noch lange nicht vollständig zu Gunsten der Feldbaugründe des
Gross-Grundbesitzes zur Verwendung gebracht wurden.
Die Ergebnisse der Grundentlastung haben sich somit für
beide Theile in dieser Periode als sehr günstig erwiesen, und
es ist ein fernerer Aufschwung in der Production um so siche^
rer zu gewärtigen, als die bereits eiTeichten Resultate jeden Grund-
besitzer aneifem werden, auf den betretenen Bahnen fortzu-
schreiten.
Wenn gleich alle statistischen Erhebungen für Bodenpro-
ductionen, wo eine Zählung gar nicht stattfinden kann, sondern
diese nur auf beliebigen Angaben der Produzenten beruhen
können, so tragen die vorstehenden Ziffern dennoch den Stem-
pel der Wahrscheinlichkeit, weil die früher hier verzeichnete
Production von Futter und Stroh mit den Bedürfnissen jener
Anzahl des Viehstandes ziemlich übereinstimmt, welche hier an-
gegeben und eben das Resultat einer vorgenommenen Zählung
ist. Diese Aufzeichnungen können somit als der Wirklichkeit
sehr nahe stehend angenommen werden. Daran knüpfend, über-
gehen wir auf die einzelnen Verhältnisse der Culturen und son-
stigen Betriebs-Zweige der Landwirthschaft :
Es liegt hier vor, dass wohl der grösste Theil der Produc-
tionen im Verlaufe von 20 Jahren einen sehr bedeutenden Auf-
schwung genommen habe, dass dagegen andere überraschend tief
gesunken sind. Zur Untersuchimg der Gründe dieser Erschei-
nungen wollen wir der Reihe nach vorschreiten und zugleich bei
jedem einzelnen Zweige mit Rücksicht auf den Verfasser zuge-
wiesenen Raum auch die sonstigen Verhältnisse berühren, 'welche
ein hervorragendes Interesse bieten.
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275
Weilen.
Die grössten Mengen von Weizen werden im Kreise U. M. B.,
die geringsten davon in dem KJreise U. W. W. gewonnen ; der Lage-
rung der Bodenfläche nach : die grösste Menge im Hügellande, am
wenigsten im Hochalpengebiete. In Gaming wird Weizen auf 3000
Fuss Höhe cultivirt. Der Schwerste, daher Mehl- und Stickstofireichste
(mit dem reichsten Gehalte an Kleber) wird im JÄarchfelde im Ge-
wichte bis 90 Pfunde perösterr. Motzen gewonnen. Es entfallen per
Joch 15 — 25 N.-Oesterr. Motzen. Zumeist wird der Banater Grannen-
Weizen cultivirt. Ausfuhr nach Wien, Steiermark, Ober-Oester-
reich, Salzburg und Baiem. Durch die wohlfeile Production des
Weizens im Banate und die wohlfeile Fracht kann Oesterreich
bei seinen theuren Productionen kaum mehr concurriren. Daher
die Cultur dieser Mehlfrucht der Menge nach selbst im Ablaufe
von 20 Jahren eines weiteren Aufschwunges nicht mehr fähig
gewesen ist.
; Roggen.
Auch an Roggen liefert der Kreis U. M. B. die grössten
Mengen, der Lagerung nach das Berggebiet des Manharts ; natur-
gemäss am wenigsten die Hochalpe. Den schwersten griffigsten
(glatten) Roggen bis 82 Pfunde liefert das Marchfeld. Ausfuhr
an die Nachbar-Provinzen zumeist ' nach Wien. Roggen wird um
das Drei- biö Vierfache mehr erzeugt als Weizen. Per Joch wer-
den 15 — 25 österr. Motzen gewonnen.
Gerste.
Der Menge nach gleich dem Weizen, davon hervorragend
ita Kreise U. W. W. in den Ebenen des Wiener Beckens,
dann annähernd 0. W. W.; der Lagerung des Bodens nach im
Htigellande. St. Leonhard liefert Gerste mit 75 Pfunden per österr.
Motzen, Ausfuhr nach Wien, Ober- Oesterreich, Baiern und Steier-
mark.
Hafer.
Der Haferbau steht der Metzenzahl nach über die Menge
des Roggens; nicht so nach dem Flächenmasse, da per Joch eine
18
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276
grössere Metzenanzahl entfällt. Im V. ü. M. B., dann O. W. W.,
anderseits der Lagerung nach im Hügellande und am Manhart
wird am meisten Hafer erzeugt. Im Aipengebiete wird auch Ha-
fer, nur in geringen Mengen gewonnen. Per Joch wurden 20 bis
40 Metzen, im Q-ewichte von 40—60 Pfund erzielt.
Hirse, Mais und Heidekorn.
Im G-anzen unbedeutend; werden zumeist im Kreise U. M. B.
und in den Ebenen des Wiener Beckens gewonnen. Hirse wird
grösstentheils geschält als sogenannter BreiQ; Heidekom als
Q-rütze verspeiset, grösstentheils aber gleich dem Maise verfüt-
tert. Ausfuhr nach Wien.
Httlsenfk^ttehte.
Die Cultur der Hülsenf5rüchte ist wegen Ueberhandnahme
der Wippel (Bruchus piai), ein Erbsenkäfer, und Bruchus gra-
naiHus in den verschiedenen Hülsenfrüchten vorkommend, sehr
herabgekommen. Man kann die Früchte, da sie grösstentheils Lar-
ven dieser Käfer enthalten, welche ihre Eier In die noch jungen
Schoten legen, nur zu Viehfutter verwenden. Die Speiseerbsen
und Linsen, so wie Fisolen bezieht Oesterreich, besonders Wien
aus Böhmen, Mähren und theils aus Ober-Oesterreich.
Kartoffel.
Seit die Branntweinbrennerei auf dem Lande wegen
der Art der Steuererhebung (siehe unter Spiritus - Erzeugung)
aufgelassen werden musste, hat auch die Cultur der Kartoffel
abgenommen. Die meisten werden im Kreise O. M. B., die wenig-
sten im Kreise U. W. W., die .besten in dem Sandboden des
Marchfeldes erzeugt. Absatz nach Wien für sehr gute Preise,
namentlich die Frühkartoffel.
Kraut und RQben.
Kreis Ü. M. B. liefert die meisten Rüben, am wenigsten
der Kreis ü. W. W. Die grösste Menge und das beste Kraut
wird im Kreise O. W. W., am wenigsten davon im Kreise U.
M. B. erzeugt.
In dieser Production concurrirt, unterstützt durch die wohl-
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27T
feile Wasserfracht, Ober-Oesterreich mit Vortheil auf dem Wiener
Markte.
Feineres Gemttse.
Diese werden in bedeutenden Mengen bei Laa erzeugt, bei
5000 Ctr. Spargel, bei 4000 Ctr. liefert das Marchfeld; es deckt
grösstentheils den Wiener Markt mit sehr guten Erzeugnissen,
und führt sehr viel nach Ungarn. Zwiebel, Carfiol, Kohl, Salat,
die kleine Kohlrübe, gelbe Rübe, Krenn und Rettiche; und der-
gleichen werden in der Umgebung von Wien und innerhalb den
Linien ziemlich viel, für den Bedarf aber nicht ausreichend er-
zeugt; — sehr viel wird aus Ober-Oesterreich, Mähren und Böh-
men, von dort besonders Krenn eingeführt. Nieder-Oesterreich ist
in der Cultur dieser Artikeln noch sehr weit zurück. Die Bewäs-
serung des Marchfeldes oder mindestens die* Regelung des Do-
naubettes würde diesen Culturen Thür und Thor öffiien. (Siehe
Bewässerung.) Sehr viel Gemtlse, namentlich Carfiol wird aus den
südlichen Ländern bezogen.
Obst.
Die Obstcultur hat sich von Ja}ir zu Jahr gehoben, und
verspricht fUr die Zukunft immer reichere Productionen und höhere
Erträgnisse, als der Absatz nach der Reichshauptstadt sich rasch
steigend aufschwingt. Die Obstpflanzen sind durch den Einfluss der
Klosterneuburger Obstbauschule bereits daran, an die Stelle der
wenigen edlem und schmackhaften Sorten bessere auszusetzen,
oder ihre noch jungen Bäume zu veredeln. Aber die Erzeugung
im Lande reicht noch lange nicht aus, den Bedarf zu decken.
Mehr als die Hälfte des hier verspeisten Obstes wird aus Steier-
mark, Mähren und Ober-Oesterreich, sehr viel Obst aber im
Frühjahre aus Dalmatien und Italien bezogen. Das meiste Obst
liefert das Hügelland und der Kreis O. W. W. ; am wenigsten jener
U. W. W. — An Obstmost wird im Kreise 0. W. W. bei 1 20.000 Eimer
erzeugt Ausgezeichnetes Obst liefert Langenzersdorf am Bisamberge.
Beerenobst wird in grossen Mengen in der Umgegend von Wien ge-
wonnen. Edle Kastanien der kleinen Sorte werden in Marken-
stein, Gloggnitz, St Polten und Felsberg nur in einer Menge von
etwa 200 Ctr. erzeugt. Interessant sind die uralten EUuitanien-
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278
bäume in Merkenstein bei Baden. Es stehen dort nebst 200 jün-
geren, verschiedene ältere, deren 6 Stücke von drei bis sieben
Fuss Stamm durchmesser ; die Letzteren sind, den Holzringen nach,
bei 600 Jahre alt geworden, und noch immer ertragfähig. Eben-
daselbst steht nebst zahlreichen jungen, auch noch ein Strimk
eines türkischen Haselnussbaumes (corilus columa) von fünfzig
Zoll Stammdurchmesser. Der Baum hatte ein Alter von 1 50 Jah •
ren erreicht, und zuletzt (1856) noch 10 Motzen Haselnüsse
getragen. Diese Nüsse wurden vom Besitzer Graf Münch-Bel-
linghausen an verschiedene Gross-Grundbesitzer zur Cultur ver-
theilt und werden jetzt davon in Böhmen, Mähren und Oester-
reich Tausende von Exemplaren dieses so prachtvollen Baumes
gezogen.
Wein.
Die Weincultur, welche im Jahre 1848 in Nieder-Oester-
reich noch mit einem Ausmasse von 80.000 Jochen verzeichnet
erscheint, hat im Verlaufe dieser 20 Jahre, Jahr für Jahr und
im Ganzen um 20.000 Joch abgenommen, weil der Aufschwung
in der Bierconsumtion die Preise des Weines herabdrückte, und
mehrere einander folgende Missjahre den Weinbauertrag im hohen
Masse verkümmerten. Im Jahre 1868 bestehen in Nieder-Oester-
reich nur noch 60.000 Joch Weinland.
In verschiedenen Lagen erzeugt Nieder-Oesterreich vorzüg-
liche Weine, grösstentheils aber nur Mittel- und geringere Sor-
ten; weil dort der Satz (die Weinpflanzung) mit wohl reichtra-
genden, aber meist späterreifenden "Sorten gemischt bestellt ist.
In neuester Zeit sind aber die Weinpflanzer Nieder-Oester-
reichs, angeregt von den hervorragenden Erfolgen, welche aus
'den vorzüglichen Einführungen des Baron Babo, Directors der
KJostemeuburger Obst- und Weinbauschule hervorgingen, mit allem
Aufwände an Thätigkeit daran ihren Weingarten mit besseren,
entsprechenden, früher reifenden Sorten zu bepflanzen, die Gärten
besser zu pflegen und dadurch bessere Weine zu erzeugen.
Die grössten Mengen von Wein erzeugt der Kreis U. M.
B., hierauf folgt U. W. W. , dann O. M. B.; den wenigsten
O. W. W.
Roth wein (blaue Portugieser Traube) im Grossen wird nur
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279
in Vöslau und Matzen gewonnen. Der Ruf des Vöslauer Weines
ist weltbertlhmt, der Matzner, dem Vöslauer zunächst stehend,
wird dem besten Ofner gleichgehalteü. Die Burgunder Traube
ist nur wenig verbreitet.
Weissweine: der Veltliner, Zirfandler, Gutedl, Silvaner,
Rothgipfler, Muskateller, Traminer und Riesling, sind die vor-
züglichsten Rebsorten; werden in den besten Weingegenden cul-
tivirt. Gumpöldskirchen, Klosterneuburg, Pfaffstätten und andere
niederösterreichische Weissweine erfreuen sich gleich den Roth-
weinen dieses Landes, des besten Rufes im In- und Auslande.
Aus dem rothen Vöslauer wird in dem Etablissement des Schlum-
berger daselbst Schaumwein fabrizirt.
Der Schnitt des Weines ist grösstentheils der Eahl-
schnitt mit 1 Zapfen zu einem, und einem zweiten zu zwei Augen.
Per Joch 10.000 Stöcke, im Marchfelde selbst 20.000 Stöcke per
Joch ä 1600 D Klafter.
Die Weingärten sind sogenannte ewige, sie werden durch
Vorgruben (Niederlegen und Vorgraben der alten Stöcke) auf
50 bis 100 Jahre im Stande gehalten. Düngung, mit abgefaultem
Mist und Compostdünger. In neuerer Zeit auch mit allen Abfäl-
len aus den Weingärten und mit Kunstdünger. Absatz nach Ober-
Oesterreich, Mähren, Wien. Nach dem Auslande nur die besten.
Ertrag per Joch 25 bis 75 Eimer. Preise, je nach guter Qua-
lität und Jahrgang, 5 bis 80 fl.
Futterbau.
Wiesen und Feldfutter.
Der Futterbau hat seit 20 Jahren bedeutend zugenommen.
Man hat eine grosse Anzahl trockene Wiesen aufgerissen , und
diese im Turnus zumeist dem Feldfutterbau zugewiesen, wodurch
viel mehr Futterstoffe gewonnen werden; überdies wird in letz-
ter Zeit der Feldfutterbau in grösserer Ausdehnung betrieben,
imd gegenwärtig der Bewässerung der Wiesen viele Sorgfalt zu-
gewendet. Die grössten Mengen an Futter gewinnt der Kreis
0. W. W., dann 0. M. B., U. W. W.; und das wenigste wird
im Kreise U. M. B. gewonnen. Absatz nach Wien bedeutend.
Der Feldfutterbau wird dadurch hocheinträglich, dass in Klee
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zugleich Gräser eingesäet werden ; aber es ist zu wünschen, dass
diese Cultur noch weit grössere Ausdehnung gewinne, und der
Getreidebau mehr eingeschränkt werde, weil nur durch die Er-
zeugung, der grössten Futtermengen die Production des Bodens
so gehoben werden kann, dass dann auch Nieder-Oesterreich in
allen Productionen mit Ungarn auf dem Markte concurriren kann.
Stroh.
Die Erzeugung an Stroh hat mit dem Getreidebaue in allen
dort bezeichneten Kreisen bedeutend zugenommen. Vorzüglich
einträglicher Absatz nach Wien, welcher die Landwirthe leider
bestimmt, immer und immer wieder Mehlfrüchte zu cultiviren,
und damit der Erhöhung der Bodenkraft und der Aufschwang
in der Production zum grössten Nachtheile des Landes stets
erneuert Jahr um Jahr verzögert wird.
Flachs und Hanf.
Die Leincultur wird im Hügellande, Kreis O. W. W., dann
0. M. B. und U. W. W. — ; am geringsten im Kreise U. M. B.
betrieben.
In neuester Zeit hat die k. k. Land wirthschafts - Gesell-
schaft, unterstützt durch Beiträge aus dem Landesfonde, thätigst
dahingewirkt, dass diese Cultur erblühe. Es wurden Rigaer Sam-
men vertheilt^ Wasserrösten auf Kosten dieser Subvention errich-
tet, und die besten Brechraaschinen angeschafft. Auf Kosten der
Gesellschaft wurde ein Mann nach Schlesien geschickt um die
dortigen Flachsbereitungs-Methoden kennen zu lernen und hier aus-
zuüben. Endlich werden auf Kosten derselben dieses Jahr die
flachsbautreibenden Gegenden durch einen Commissär bereiset, um
die örtlichen Verhältnisse, Mängel und Vortheile in Evidenz zu
tragen, und dort Nachhilfe zu leisten, wo solche Noth thut Es
wird vorzüglich darauf Rücksicht genommen, dass die Land-
wirthe alten, 4 bis 6jährigen Samen ihrer eigenen Erzeugung
aus Bigaer Abkunft säen, da nachgewiesen ist, dass aus altem
österreichischen Samen längerer und mindestens eben so langer,
feiner und kräftig elastischer Flachs gewonnen wird, als aus dem
theuern Rigaer Samen, welcher nur für den Beginn der meh-
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281
reren Verbreitung der Leincultur in Nieder-Oesterreich von der
Gesellschaft angekauft und vertheilt wird.
Die Cultur des Hanfes ist im Abnehmen, weil in der Ver-
werthung des Productes die Concurrenz mit Ungarns reicher und
berühmter Hanfproduction nicht lohnend aufrecht erhalten werden
kann, welche auf dem Reichthum einer auf Jahrhunderte uner-
schöpflichen Bodenkraft gründet.
Tabak.
Um die Production des Tabakes, welche bisher in den west-
lichen Ländern des Staates nicht gestattet war, auch für Nieder-
Oesterreich und die Schwesterprovinzen zu gewinnen, hat der
Verfasser Dieses im Jänner 1868 die Land wirthschafts-Gcsellschaft
aufgefordert, bei dem Ministerium vorläufig die Concession für
Versuchsculturen zu erwirken, welche in allen jenen Bezirken
durchgeführt werden sollten, in welchen voraussichtlich Tabak
im Grossen cultivirt werden kann. Die Gesellschaft ist darauf
eingegangen, und der Erfolg vorläufig wohl nicht vollkommen,
doch insoferne günstig gewesen, als nicht nur für Nieder-Oester-
reich, sondern auch für die übrigen KrDnländer Concessionen für
je 5 Joch Versuchsculturen bewilligt wurden. Nachträglich er-
hielten in Nieder-Oesterreich noch zwei Gutsinhabungen die Con-
cession für je 1 Joch Probecultur, und deshalb sind in dem vor-
stehenden Ausweise für 1868 von 7 Joch Tabakpflanzung, 90 Ctr.
Tabakemte in Nieder-Oesterreich gleichsam auch als eine Denk-
würdigkeil des Bruches mit veralteten Systemen verzeichnet.
Die Wichtigkeit dieser Einführung gründet auf den Ab-
fluss des Geldes aus Nieder-Oesterreich im Betrage von nahezu
einer halben Million Gulden, welche wir jährlich für 35.000 Ctr.
Rohtabakblätter (den feineren Tabak, vom Auslande bezogen, un-
gerechnet) nach Ungarn bisher zu bezahlen gezwungen waren,
Summen, die wir aber im Lande selbst verdienen müssen, und
nicht ferner gehalten werden sollen, die Arbeitskräfte des Schwe-
sterlandes auf unsere Kosten zu beschäftigen. (Siehe F. W. Hof-
mann's Tabakcultur m Oesterreich. Wien, Gerold, 1868).
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282
Rübsen.
Die Cultur des Rübsens findet in Nieder Oesterreich nicht
die Ausdehnung, welche ihr eingeräumt werden sollte. Es werden
davon im Allgemeinen doch nur geringe Mengen erzeugt, unge-
achtet seit 20 Jahren in dieser Cultur eine Steigerung in der
Production 'eingetreten ist. Die Ursache liegt in der Uebung, dass
man den Dünger zuerst dem Mehlfruchtbau zuwendet, und von
der irrigen Ansicht noch nicht lassen will, dass der frische
Dünger mit dem grössten Vortheile durch den Getreidebau aus-
genützt werde, — statt denselben im ersten Jahre nur dem Fut-
ter und dem Rübsenbaue zuzuwenden. Im Kreiße 0. und CT. M.
wird die Cultur des Rübsens zumeist betrieben; in den anderen
Kreisen wird nur wenig Rübsen gewonnen. Absatz nach Wien.
Die HepfencuHur.
Die Hopfencultur wurde durch Intervenirung des Verfas-
sers in Nieder-Oesterreich eingeführt und prosperirt im erfreu-
lichsten Masse. Seit 3 Jahren damit begonnen, werden 1868 schon
500 Ctr. erzeugt und stehen für 1869 bereits durch rasche Aus-
dehnung dieser Cultur bei 1000 Ctr. Hopfen in einem Werthe
von 100.000 fl. in Aussicht; und da man 1867 bereits 95 Pro-
cente des Preises der böhmischen Hopfen für nieder-österreichi-
sches Product erreichte^ so ist es nunmehr zweifellos feststehend,
dass der Jahresbedarf Nieder-Oesterreich's von 25.000 Ctr. in
einem Werthe von 3 bis 4 Millionen Gulden aus der eigenen
Production im Laufe der nächsten 10 Jahre vollständig gedeckt
werden könne. Dieser rasche Aufschwung einer für Nieder-Oester-
reich ganz neuen, Cultur wurde dadurch ermöglicht, dass die
Statthalterei über einen Vorschlag des Verfassers darauf einge-
gangen ist, durch 5 Jahre der Landwirthschafts-Gesellschaft jähr-
lich 1000 fl. zur Hebimg^der Hopfencultur aus demj. Landesfonde
anzuweisen, deren Verwendung dahin benützt wurde : bei 300.000
Stück Hopfen - Stecklinge aus Saaz einzukaufen undfdiese im-
entgeltlich zu vertheilen ; alle Partien Hopfen, welche unter
einem Centner daraus gewonnen wurden, gegen einen lohnen-
den Werth (80 bis 100 fl. per Ctr.) einzulösen, und etwaig sich
ergebenden Ausfall bei dem Verkauf aus den Subventionsgeldem
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283
zu decken; während die üeberschüsse aus dem Verkaufe dem
Pflanzer noch als Prämie über den limitbten Preis ausgezahlt
wurden. Die erzielten Preise stellten sich 1866 auf 100 fl., somit
auf nur 40 % des damaligen Preises der böhmischen Hopfen
per 250 fl. Im Jahre 1867 schon aiif 957i, des böhmischen Hopfen-
preises dieses Jahrganges per 100 fl. In allgemeiner Anerken-
nung der guten Qualitäten des nieder-österreichischen Hopfens
haben die Pflanzer selbst die kleinsten Partien noch höher als
die limitirten Preise verkauft. Zeuge dessen: dass 1866 von der
ganzen Ernte für den Limitopreis von 100 fl. nur 150 Pf, im
Jahre 1867 nur 75 Pf der Gesellschaft zur Uebemahme zuge-
kommen sind.
Im Jahre 1867 wurden bereits aus 72 Ortschaften in 32
Bezirken der Niederungen des Hügellandes und Mittelgebirges
Proben ausgezeichneter und guter Qualität eingesendet. Von ge-
ringer Qualität in Folge unrichtiger Behandlung des Productes
waren nur 10, von Natur aus schlechter Qualität nur 3 Proben
eingesendet. Es ist somit der Hopfencultur in Nieder-Oesterreich
ein erfreuliches Gedeihen in Aussicht gestellt Für den •Betrieb
der Hopfencultur wurde eine populär gehaltene Schrift von Sei-
ten der Landwirthschafts-Gesellschaft herausgegeben : Die Hopfen-
cultur in Nieder-Oesterreich von F. W. Hofmann.
Holz.
Die Holzgewinnung aus den in Nieder-Oesterreich beste-
henden Forsten hat während des Ablaufes von 20 Jahren aus
dem Grunde bedeutend abgenommen, weil in früherer Zeit die
Wälder übermässig ausgeschlagen wurden, und gegenwärtig hun-
derttausende von Waldjochen, namentlich im Hoch- und Mittel-
gebirge noch unaufgeforstet, und deshalb ertraglos geblieben sind.
Auch hat die erleichterte und wohlfeile Zufuhr der Kohle aus
anderen Ländern und die Wohlfeilheit derselben das Consumo
an Holz bedeutend vermindert, und die Erträgnisse den zuge-
führten Hölzern nach Wien aus Wäldern, welche entlegen und
nicht durch Wasser oder Bahn mit der Hauptstadt in Verbin-
dung stehen, bedeutend geschmälert. Aus diesem Grunde wurden
in der Forstsection der k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft die einge-
hendsten Becatliungen gepflogen : wie der Ausfall an Reinerträgnissen
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bei dem Brennholzverkaufe durch andere Massnahmen zu decken
sei? Es wurde diessfalls vorgeschlagen: je nach örtlichen Ver-
hältnissen, die Wälder theilweise aufzulassen und der landwirth-
schaftlichen Bewirthschaftung entweder für immer, oder jeden einzel-
nen geeigneten Holzschlag auf einige Jahre zuzuflihren. Zeug-
und geschnittenes Nutzholz in Massen zur Versendung in grös-
sere Feme zu erzeugen ; gleich der Schwarzföhre auch die Fichte
vor dem Abtriebe durch Auspechen auszunützen, — Waldbaum-
samen zu gewinnen, — Grassamen in den Schlägen zu erzeugen
— und wo örtlich möglich an den gedehnten Waldsäumen, und
zwischen Hau- und Hochholz , wenn auch nur vorübergehend auf
einige Jahre in der möglichst extensiven Weise Hopfen zu ge-
winnen, das ist: dass man gute Stecklinge eben nur an den Bäu-
menaussatz, und ausser dem jährlichen Beschneiden der Stöcke
und Abreissen der überflüssigen Triebe ohne jeden weiteren Auf
wand eben nur erntet. Dass man endlich die Kosten der Wald-
culturen auf das geringste, aber immerhin dem Forstnutzen ent-
sprechende Mass reduzire, um nicht ein grosses oder gar über-
mässig hohes Ausforstungs-Capital während der Abtriebsperiode
verzinsen zu müssen.
Rinder.
In den Gebirgsgegenden wird die Mürzthaler Ra§e als Nutz-
und Zugvieh gehalten; in den Ebenen der Oesterreicher Land-
schlag als Zucht, die ungarische RaQc als Zugvieh gehalten.
Ueberdies werden die Mährischen, Tiroler, Montfoconer, Schwei-
zer, Holländer und anderen Ra9en mit mehr oder weniger Vor-
theil gehalten, je nachdem der Besitzer es versteht die Individuen
der RaQcn erfolgreich auszuwählen.
Um die Racjen zu veredeln, und überhaupt die Rinderzucht
zu heben, ist über Anregung der k. k. Land wirthschafts- Gesell-
schaft bereits mit gutem Erfolge die Stierhaltung als Gegenstand
der Prämirung aufgenommen worden, und man ist eben daran
in dieser Richtung noch eingehenderen Einfluss zu nehmen.
Milch und KAse.
Die Production von Milch, Butter und Käse ist in Folgei
grösserer Ausdehnung des Futterbaues gestiegen. Butter und Käse
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werden aber noch massenhaft aus anderen Ländern, — nament-
lich der Schweiz, dann aus Böhmen, Mähren, Schlesien und Un-
garn eingeführt; weil sämmtliche Milch auf 20 Bahnmeilen um
Wien hierher geführt und zu hohem Preise (k 20,-24 kr. per
Mass) verkauft wird. Die Erträgnisse, welche aus der Milch-
wiii;h8chaft fliessen, sind wirklich so hoch, dass z. B. in Wien
hunderte von Milchwirthschaftem dadurch dennoch reich werden,
ungeachtet sie bei einer Aufstellung von nur etwa 20 Kühen,
bei hohem Stall- und Wohnzins, hohe Steuern zahlen und alles
Futter, besonders Biertreber, theuer kaufen müssen ; aber sie ver-
stehen es eben, zweckmässig zu füttern. Sie melken von Wech-
selkühen durchschnittlich 10 Mass, also täglich für 2 fl. Milch.
Fleisch.
Obschon die Fleisehproduction, aus gleichem Grunde wie
die übrigen Thierproductionen, bedeutend gestiegen ist, was theil-
weise auch der sorgfältigeren Wahl der Individuen aus den ver-
schiedenen RaQcn zu danken ist, bedürfen wir noch immer die
Einfuhr von 548.000 Ctr. Fleisch. Wien consumirt allein 660.000
Ctr.; das übrige Land Nieder-Oesterreich 574.000 Ctr. — Sobald
man in Nieder-Oesterreich die übermässig grosse Mehlfrüchten-
Cultur beschränken und noch mehr Futter gewinnen und besser
flittem wird; dann werden wir auch mehr und noch besseres
Fleisch mit bedeutendem Reingewinn erzielen. Alle Hügel und
Gebirgslagen in Nieder-Oesterreich erzeugen in der Zucht des
Gross- und Kleinviehes viel Fleisch, in den Niederungen und na-
mentlich um Wien wird im grossen Masse die Milchwirthschaft
betrieben.
Schafe.
Die Schafhaltung hat seit der Grundentlastung bedeutend
abgenommen. Früher hatten die Herrschaften das Mitweide-Recht
(Composqual- Weiderecht) auf allen unterthänigen Gründen. Nach
Aufhebung dieser Grundbelastung ist für die grossen Herden an
der Sommerweide Mangel eingetreten, und so mussten auch die
Winterstände beschränkt werden. Die Schafzucht hat nun auch
in der Hand des Grundbesitzers, der früher nur feinwollige Schafe
züchtete, eine andere Richtung genommen, und man ist jetzt dar-
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auf bedacht, theils hochfeine Wollen von Merino-Thieren , theils
bei Erzeugung von Mittel- und gröberen Wollen Fleischschafe zu
ziehen. Der Bauer züchtet das Landschaf mit Benützung der
Zweischur. -Die Schafzucht ist im ganzen Lande ziemlich gleich
vertheilt, nirgends mehr auffällig hervortretend. Wollpreise 1868,
per Ctr. Zweischur 50—70 fl., Einschur Mittelwellen 100 — 126 ft.,
feine 140—160 fl., hochfeine 170—180 fl. Die Preise waren
1848 um 15 Procent niederer in allen Gattungen, in dem Jahre
1860 aber um 30 Procente höher als 1868.
ZiegeiK
Diese sind . in den Ebenen und im Hügel lande nur das
Nutzthier der Taglöhner und der Häusler, im Gebirge werden
sie in grösseren Mengen allgemein gezüchtet.
Schweine.
Die Schweinzucht ist hier wie überall, in jeder Wirthschaft,
sie mag die des Taglöhners oder des grössten Grundbesitzers
sein, sehr stark vertreten, und ist auch allenthalben das nützlichste
Hausthier. Dennoch aber werden jährlich wiederholt sehr viele
junge Schweine aus Ungarn nach Nieder-Oesterreich eingeführt,
und hier angefiittert und zum Selbst verbrauche geschlachtet Vor
wenigen Jahren waren besonders die englischen Ra^en hier sehr
beliebt, indess scheint man davon wieder abgekommen zu sein.
Die Ursache dieses Abkommens mag daran liegen, dass diese
Ra§en heiklicher sind, und eher den Seuchen unterliegen als die
heimischen und die ungarischen Ila9en. Nach neuen Berechnun-
gen (siehe Statistik der Volkswirthschaft) wird an Schweinefleisch
mehr consiimirt, als an Fleisch von Rindern. Es ist das Schwein
zumeist die Fleischnahrung des Besitzlosen.
Bieneniucht.*
Durch die Anregung des Pfarrers Dzierzon in Preussen:
die Bienenzucht mit beweglichem Wabenbaue zu betreiben, hat
das Interesse an derselben, wie überall, auch hier bedeutend er-
höht. Eine weitere Unterstützung ist damit geboten, dass schon
in sehr vielen Schulen über die Bienenzucht Vorträge gehalten
wurden. Endlich ist auch der von J. Kolb (bereits verstorben)
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gegründete nieder -österreichische Bienenzucht- Verein thätig, um
den Betrieb der Bienenzucht zu heben, und es werden an dem
Lehrer- Seminar bei St Anna in Wien den Präparanden über den
Betrieb der Bienenzucht Vorträge gehalten. Die Honiggewinnung,
welche Jedermann auf dem Lande zugänglich ist^ da die Biene
tiberall gedeckten Tisch findet, ist die einträglichste Thierzucht
des armen besitzlosen Häuslers in Nieder-Oesterreich. Sie ist aber
auch einträglich für den Grundbesitzer, bietet jedem einen rei-
chen Beitrag zur Steuerzahlung. Der Absatz ist ein unbeschränkt
grosser, und hat deshalb bereits einen entsprechenden Aufschwung
genommen.
Die Bienenzucht wird in Nieder-Oesterreich sowohl als Stand,
als Wanderbienenzucht betrieben. Im ersten Falle bleiben die
Bienenstöcke das ganze Jahr hindurch auf ihren Standorten. Im
zweiten Falle werden die Stöcke im Hochsommer zur Zeit der
Heidekorntlüte unmittelbar auf diesen Feldern aufgestellt und
erst im Herbste wieder auf den Hausstand zurückgeführt.
Besonders ist das Marchfeld mit viel Heidekorn besäet, und
der Tummelplatz der Bienen, oft von 10.000 Bienenstöcken. Doch
ist der Heidekomhonig weder schön, er ist braun, noch gut; da-
her auch sehr mindere Preise dafür gezahlt werden. Der beste
Honig wird in den Gebirgsgegenden. Nieder - Oesterreichs ge-
wonnen.
Scideiizucht*
Der Betrieb der Seidenzucht wird durch die Landwirth-
schafts-Gesellschaft, die Handels- und Gewerbekammer, den Ge-
werbeverein, dann durch die Statthalterei , und neuerlich durch
das Ministerium unterstützt, und wird in jeder möglichen Weise
gefördert. Nieder-Oesterreich zählt bereits zwei Millionen von jun-
gen Bäumen für künftig reiche Zuchten. Leider aber hemmt die
allgemein verbreitete Raupenseuche den sonst schon jetzt mög-
lichen, rascheren Aufschwung; iiidess ist vorauszusehen, dass
gleich anderen Seuchen mit den Jahren auch diese wieder erlö-
schen werde. Nach dem Verluste Italiens ist man von Seiten der
hohen Regierung daran, die Seidencultur in allen Kronländem mit
Macht zu heben. Zu dem Ende wurde für 1867 ein Seidenbau-
Congress ausgeschrieben, dieser in Wien abgehalten und darin
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beschlossen, und darauf angetragen in den Westländem der Mon-
archie jährlich 25.000 Gulden zur Subvention dieser Cultur zu
verwenden, eine Seidencultur- Versuchsstation, dann derlei Fi-
lialen zu gründen, Preise von 5000 fl. für die beste Schrift über
die Seidencultur und für die Erfindung eines Mittels gegen die
Raupenseuche auszuschreiben, welche nun schon seit Jahren in
ganz Europa ungemein verheerend auftritt; ferner Jahr für Jahr
neuerlich gesunde Eier aus Japan einführen zu lassen, welche
bisher vortrefflich gediehen, und wovon selbst die Reproducirten
nichts zu wünschen erübrigen. Die hohe Regierung hat diese An-
träge des Congresses entsprechend gewürdigt, und sind die Aus-
führungen derselben grösstentheils im vollen Sinne der Proponen-
ten im Zuge. Neuerlichst hat man daran gedacht einen Stellver-
treter in der Seidenerzeugung, einen Eichenspinner (yama-mai)
zu züchten und auch von diesem Eier aus Japan kommen lassen.
Indess sind diese Zuchten bisher noch nicht vollkommen gedie-
hen — ja bei einigen hat dieselbe Seuche überhand genommen,
welche dem Maulbeerspinner bis zur Auflassung der Zucht ein-
zelner Ra9en nachtheilig wurde. Wird endlich mit der Zeit
diese Seuche erlöschen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass wir
auch im Kaiserthume Oesterreich den ganzen Bedarf an Seide erzeu-
gen. Bis dahin werden Millionen von Maulbeerbäumen, Laub im
reichen Masse produziren, und wir werden diesfalls Italien nicht
mehr vermissen, dem wir jetzt jährlich mit Millioj[ien Gulden für
Seide pflichtig sind, und wir werden dieser Seuche um so früher
ledig sein, wenn nicht ferner aus kranken Zuchtraupen Eier ge-
zogen und wieder verwendet werden, wodurch zumeist diese ver-
heerende Seuche so rasch verbreitet wurde, und an Intensität ge-
wonnen hat. (Siehe F. W. Hofmann's Cultur des Maulbeerbau-
mes und der Seidenzucht, herausgegeben von der Section der
k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft für Seidencultur, Wien, 1867.)
Die Bewirthschaftunji^ der Grundbesitze.
Die Bewirthschaftung des Kleinbesitzes basirt in den meisten
Bezirken Nieder-Oesterreichs grösstentheils noch auf der Dreifelder-
wirthschaft mit reiner Brache. Doch verdrängt die Cultur von Futter,
Jahr für Jahr fortschreitend die Brachlialtungen und dies be-
sonders in der Nähe der Meiereien der Gross-Grundbesitzer, wo
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die Erfolge rationeller Betriebsweisen in allen Culturen den bäuer-
lichen Nachbar zur Nachahmung bestimmt.
Die Düngerwirthschaft liegt im allgemeinen nicht ganz
selten auch bei dem Gross-Grundbesitzer noch im argen; die
Jauche fliesst noch immer den Bächen zu, ja die meisten Dün-
gerstätten sind so schlecht angelegt, dass das Regenwasser selbst
den Dünger durchzieht, und aus diesem auch noch die besten
Stoffe mit hinwegschwemmt. Trotz aller Belehrung wurde hierin
eine bessere Wirthschaft in der Düngergewinnung nicht erreicht,
was um so mehr zu beklagen ist, als damit mindestens 25 Pro-
cente der Gesammtproduction , Jahr für Jahr nicht gewonnen
werden, für deren Gewinnung das Materiale bereits in der Hand
des Producenten gelegen war, der es eben in unverzeihlicher Weise
unbenutzt wieder verschwinden lässt. Ja es ist dieser Misstand ge-
rade in Nieder-Oesterreich um so auffälliger, als in jedem ein-
zelnen Orte mindestens 2 — 3, ja 20 — 30 Mitglieder der Land-
wirthschafts-Gesellschaft hausen, deren Pflicht es doch sein würde,
die einfachsten und nothwendigsten Massnahmen in dem Betriebe
der Wirthschaft in ihren Kreisen zur ö-eltung zu bringen.
Einigen Aufschwung hat dagegen die Thierernährung aber
erst in den letzten Jahren dieser 20-jährigen Periode genommen,
wodurch der endlosen Vergeudung des Futters in grösstentheils
lediger Mehrverwendung als Erhaltungsfutter theilweise Einhalt
gethan wird ; eine Vergeudung, deren Werthe Jahr aus bei einer
Verwendung von 30,000.000 Ctr. Heu-Futterwerth in Nieder-
Oesterreich, Verluste imd Entgänge sichern Gewinnes von Millionen
Gulden beziffert, — ja sammt der masslosen Verschwen-
dung des Düngers die Ursache der tief zu bekla-
genden Zustände derniede r-ö sterreichischenBoden-
production ist.
Es ist gelungen, neue Culturen, z. B, die Seidenzucht, die
Hopfencultur u. s. w. einzuführen, aber das, was jeder versteht
und jeder begreift: die entsprechende Verwendung von Futter
und Dünger im allgemeinen zur Geltung zu bringen, daran
scheitert bis jetzt noch jede Bemühung. So hat die k. k. Land-
wirthschafts - Gesellschaft schon vor 15 Jahren über Anregung
des Verfassers eine ganz populär gehaltene kleine Schrift des-
selben über Düngerwirthschaft verbreitet, und die k. k. nieder-
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österreichische Statihalterei 1000 Exemplare derselben durch die
Bezirksbehörden im Lande vertheilen lassen — aber alles ist bis
zur Stunde jfruchtlös geblieben.
Eticksichtlich der Tiefebenen des Landes, die in Folge gänz-
licher Baumlosigkeit den heftigsten Windströmungen ausgesetzt sind
imd dadurch der Trockenheit so sehr verfallen, dass jedes dritte
Jahr eine Missemte zu verzeichnen ist, wurde seit Jahren darauf
hingewiesen, Baumwände zum Schutze der Fluren zu pflanzen,
wodurch zugleich die Luft an Feuchtigkeit gewinnen würde, welche
den Culturen dieser Gegenden so sehr zuträglich wäre; aber
auch diese Eathschläge sind noch -der Durchführung gewärtig.
Endlich wurde gleich vergeblich auch die Bewässerung des
Marchfeldes schon wiederholt in Anregung gebracht, deren Durch-
führbarkeit nach den Resultaten der Messungen der Höhe des
Wasserstandes der Donau und der Tieflage von 25.000 Jochen
dieser Ebenen auf der* Hand liegt. Doch ist in neuester Zeit die
HofBiung der endlichen Inangriflhahme dadurch wieder belebt
dass für die Regulirung der Donau eine k. k. Commission tagt,
welche zugleich auch die Bewässerung des Marchfeldes in den
Kreis ihrer Berathungen aufnehmen wird.
Die Bierbraueret
Auf die Erzeugnisse der landwirthschaftlichen Industrie über-
gehend, tritt die Biererzeugung Nieder-Oesterreich's in den Vor-
dergrund. Diese hat sich seit dem Jahre 1848 von 1,400.000
Eimer auf 3,000.000 Eimer gehoben. Der Grund für diese Er-
scheinung, an welcher heutzutage die ganze Welt participirt,
beruht lediglich auf den Fortschritten, welche in der Erzeugung
dieses Getränkes stattgefunden haben. Auf diesen Wegen ist
Baiern vorangegangen, Böhmen gefolgt, aber erst nach Ablauf
mehrerer Jahre ist es auch in Nieder-Oesterreich gelungen, ein
gutes und geschmackvolles Bier herzustellen. Seitdem aber hier
einmal die richtige Bahn für die Erzeugung betreten wurde, wozu
namentlich mein verstorbener Freund Balling durch Herausgabe
seines berühmt gewordenen "Werkes die „Gährungs - Chemie"
mächtig beigetragen hat; seit dieser Periode hat die Wiener Bier-
erzeugung den Sieg über alle Länder errungen. Während noch
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vor 30 Jahren jeder Ausländer das Wiener Bier verschmähen
musste, wird dieses jetzt in alle Welt versendet.
So sehr aber diese Steigerung der Biererzeugung der Gross-
brauereien im Lande einerseits die günstigste Rückwirkung auf
die Bodenproduction Nieder-Oesterreich's äussert, weil dadurch
Gerste und Hopfen hochpreisig hier verbraucht werden, und die
aus den Brauereien zu beziehenden so vorzüglichen Abfälle den
Milchwirthschaften zu gute kommen, — so bereiten diese Glanz-
punkte der Grossindustrie für die Erträgnisse der kleineren Braue-
reien im flachen Lande, welche dem Gross -Grundbesitzer oder
Landstädter gehören, schwere Sorgen. Diesen ist es fast unmög-
lich geworden, mit ihren Erzeugnissen den Grossbrauereien ge-
genüber Stand zu halten. Die Grossindustrie erdrückt auch hier
das Kleingewerbe, was für den Gross-Grundbesitz gerade in die-
sem Falle, um so empfindlicher wird, als bei dem endlich ge-
drungenen Auflassen der Gutsbrauereien ihnen auch jener Theil
des secundären Nutzens entgeht, welcher durch den Verbrauch
der Abfälle der Bierbrauerei in der Milcherzeugung und Dün-
gerwirthschafk, und schliesslich in der Feldbauwirthschaft so gün-
stige Resultate herbeigeführt hat.
Der Verbrauch an Bier wird noch Jahrelang zunehmen.
Wir erinnern hier nur daran, dass z. B. in Baiem per Kopf der
Gesammt-Bevölkerung jährlich 2*/, — in München sogar 7 Eimer,
in Oesterreich nur 15 Mass, in Wien 2y, Eimer Bier entfallen,
und es wird daher gerathen sein, dass der Gross-Grundbesitz
durch Association auch grosse Brauetablissements errichtet, wenn
es vermieden werden will, dass die Biererzeugung, gänzlich in
die Hand der Industriellen übergehend, aus dem Bereiche land-
wirthschaftlicher Industrie, aus dem Bereiche ihrer Güter gänz-
lich verschwinde.
Die Brantweinbreimerei.
Die Brantwein- oder Weingeist-Ei^eugung auf den Gütern
musste nahezu gänzlich eingestellt werden; weil der Modus der Besteue-
rung „die Besteuerung imAbfindungswege" es nur Brennereien mit
unausgesetztemBetriebe im Grossen ermöglicht denSpiritus mit Nutzen
zu produzieren, Fabrikanten, die eben alle Chancen des Ge-
schäftes auszunützen in der Lage sind. Wie sehr diese Geschäfte
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im Grossen prosperiren, beweiset, dass, ungeachtet seit den letz-
ten Jahren in Nieder-Oesterreich 161 Brennereien eingestellt wer-
den mussten , die Steuererträge dennoch von 4 auf 500.000
Gulden, also um 20 Procente gestiegen ist. Die Menge der Er-
zeugung ist unbekannt, da die Steuer im Wege der Abfindung
entrichtet wird.
Durch die gedrungene Auflassung so vieler Brennereien
ist neben dem grossen Verluste an den Werthen der Baufüh-
rungen und Einrichtungen derselben, welcher wohl Millionen Gul-
den beziffert, noch weit mehr der Entgang an den Erträgnissen
einer zweifachen Ausnützung jener Rohstoffe zu beklagen, welche
statt' zuerst durch die Brennerei zu gehen, nur direet dem Thiere
als Nahrung vorgelegt werden müssen. — Dadurch entgeht dem
Lande das Geld für die Production und der sonst mögliche hö-
here Aufschwung in den Erträgnissen der Landwirthschaften.
Dieser Zweig der landwirthschaftlichen Industrie, durch welchen
im Auslande hunderttausende von Gütern prosperiren, wird für
unsere Landwirthschaft so lange unbenutzt bleiben müssen, bis
der Reichstag endlich sich veranlasst finden wird, für die Pro-
duction des Spiritus aus der in der Landwirthschaft selbst er-
zeugten Rohstoffen dem Landwirth ein gewisses Prozent Steuer-
nachlass per Grad (siehe Hofmann's Statistik,' pag. 32) zu bewil-
ligen, damit er seinerseits mit den Fabriken ganzjährigen Betrie-
bes Concurrenz halten kann. Diese Mehrerzeugung würde eben
ein Ausfuhrartikel werden , es würden dadurch die einzelnen
Wirthschaften und das Land gewinnen.
Die Zuckerfabricatiou.
Während der Brennereibetrieb den Wirthschaften nahezu
gänzlich entzogen ist, sind seit dem Ablaufe von 20 Jahren die
Zuckerfabriken in Aufschwung gekommen. Wo diese in Folge gün-
stiger Boden- und Arbeiter - Verhältnisse und wohlfeiler Brenn-
raateriale etablirt werden, dort herrscht auch in wenigen Jahren
Segen im ganzen Umkreise ihrer Thätigkeit. Diese Fabriken sind
die hervorragendsten Träger der Bodenverbesserung. Leider bie-
tet Nieder-Oesterreich nur an wenigen Orten die Bedingungen
m Vereine, unter welchen die Anlage einer Zuckerfabrik mög-
lich ist; und wir zählen deshalb im ganzen Lande nur 5 Fabri-
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ken mit einer Gesammtverarbeitung vou nur einer halben Million
Centner Rüben. — Taglohn und Kohle sind hier eben zu theuer.
Allgciiieiiie Beiiierkuiig;eii.
Während Nieder Oesterreich in seiner Gesammtproduction,
theils der geringeren Productions-Fähigkeit des Landes, als Ge-
birgsland weniger, theils aus Selbstverschulden wegen Vergeu-
dung der Düngstoflfe auf gleicher Fläche weniger, daher theurer
producirt, als z. B. Mähren oder Ungarn, — so ist es anderseits
in der höchst günstigen Lage, seine sämmtlichen Producte für
die gangbaren Preise nach Wien absetzen zu können, dessen
Bewohner weit mehr brauchen als der Gesammtüberschuss der
Bodenproduction Nieder - Oesterreichs beträgt. Diesem allerdings
günstigen Verhältnisse auch die Thatsache entgegengehalten, dass
das Land mit einem Theile seiner Rohstoflfe namentlich mit Wei-
zen und Roggen mit der ungarischen Production selbst dann auf
dem Wiener Markte nicht Concuri'enz halten kann, wenn der
Weizen oder das Mehl bis aus dem Banate hieher gebracht wird,
weil wie z. B. im vorigen Jahre im Banate der Weizen an Selbst-
kosten mit 1 fl. 60 kr., in Nieder-Oesterreich mit 4 fl. Selbst-
kosten per österr. Metzen erzeugt wurde; daher das Banat trotz
der grossen Entfernung selbst das Mehl um Preise nach Wien
zuzustellen vermag, für welche in Nieder-Oesterreich noch nicht
das Getreide gewonnen wird, — so ist damit der österreichische
Landwirth offenbar im Nachtheile, aber noch immer nicht in einer
so schhmmen Lage, die eine Besserung der Verhältnisse aus-
schliesst. Er muss nur bemüht sein, die ihm sonst zu Gebote
stehenden Verhältnisse völlig auszunützen; er muss seine Arbeit
verwerthen, indem er Handelspflanzen cultivirt ; statt des Weizens
und Roggens, mit welchem er am Markte geschlagen wird, muss
er mehr Futter erzeugen, und theuer gezahlte Thierproducte
nach Wien bringen, was um so lucrativer sein wird, als Ungarn
und Galizien das Schlachtvieh hundert Meilen weit hierher sen-
den muss. Das Futter gedeiht in dem Hügellande im Mittelge-
birge viel besser und ist weit nahrhafter als jenes der Ebenen;
er wird selbst das Fleisch wohlfeiler erzeugen als der Ungar auf
seiner Weide. Er wird dadurch viel Dünger gewinnen. Die Fel-
der werden dann eben so reiche Ernten produciren, als jene im
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Banale, und er wird durch diesen Vorgang in der Wirthschaft
noch eine Reihe Ton Jahren selbst mit seinem Weizen auf dem
Markte mit den ungarischen Erzeugnissen noch zu seinem Vor-
theile concurriren können.
Einwohner.
Die Anzahl der Einwohner in Nieder-Oesterreich ist wäh-
rend des Ablaufes von 20 Jahren:
in ganz Nieder-Oester- \
reich von . . . 1,533.000 auf 1,864.000 somit um 331.0001 in^yj^^jgn
davon in Wien von . 320.000 „ 614.000 „ „ 194.000? ^^ ^^
1,350.000 „ „ 138.000) ^^ ®^^ '
davon auf d. Lande von 1,212.000
Oonsmntlon der Bevölkerung In Hieder-Oesterrelcli«
Aj Stadtbevölkerung von Wien mit 514.000 Individuen, 1867.
Im Ganzen Ein Individuum
jährlich
Centner
An Mehl und Hülsenfrüchten oder an
Brot u. z. 100 Pfund Mehl zu 1,40 Pfund
Brod oder sonstigen MehlproducteQ • 938.000
An Gemüsen:
Kartoflfel 117.000
Kraut 117.000
Rüben 59,000
Sonstige Gemüse:
Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzel etc. 59.000
an Obst 117.000
Zucker und Syrup 117.000
Kaffee, Giehorie, Gewürze 17.000
an Rindfleisch 473.000
an Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch
und Federvieh 175.000
Wild 10.000
Fische nach Schätzung gleich dem Wilde 10.000
Milch, Käse und Butter von 1,160.000
Eimer Milch, ii6Loth Butterund Käse
per 1 Mass Milch, täglich 0.« Seitel per
Kopf = 1.,,, Loth feste Stoffe . . . 87.000
Eier per Kopf tägUch O.^j Stück, 10 Stück
= t Pfand, 44,000.000 Stück. . . 44.000
Honig, meistens in Lebkuchen . . . 2000
ß*l« , . 29.00
Im Ganzen an Speisen: 2,371.000"
jährUch
pfände
182.,
17.,
tägUeh
Loth
16.C
22.,
2^
22.,
2.«
12.,
1.«
12..
l-M
22.,
2.0.
22.,
2-0.
8.»
0.«
68.»
»•«
34..
3.«,
2-.
o.„
2..
0,0
8.7
0.»
0..
0.«
K
0-00 ,
441.,
40..
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Getränke: Eimer Mass Seitel
Wein- und Obstmost 350.000 27.» O.jo
Bier 1,171.000 91., 1.^
Spirituosen 12.000 1.^ O.«!
Im Ganzen an Getränke: 1,533.000 11 9.5 T^^
Ompplrung: der Nahrungsitoffe fär die Bevölkerung: der
Stadt Wien.
jährl. tägl. jährl. tÄgl. von 100 Gewichts-
Pftind Loth Pfund Loth theilen
An Mehl I82.5 I6.00J Pflanzenstoffe
« Gemüsen 93., 8.00 1 ^'^^"' ^'^•'^ = ^^-to
„ Fleisch und Fischen . lOO.^ 11*40 j
„ Milchproducten, Eiern, J 132.^ 13.,^ Thierstoffe^
Honig 26., 2.3^1 ' "" ^^•»»
n Kaffee, Zucker, Ge- J Verschied.
würzen .... 26.2 2.^) 32.^ 2.go Nahrungs-
„ Salz 5.g 0.^1 Stoffe = 6.g„
Summe 440.ß 40.5^ nach Percentea = IOO.Q0
B) Landberölk^rung mit 1,350.000 Individuen, 1867.
Im Ganzen Ein Individuum
jährUeh j&hrUch tägUch
Centn«r Pfixnd« Loth
An Mehl und Hülsenfrüchten oder an
Brot, ü. z. 100 Pfund Mehl zu 140 Pfund
Brot oder sonstiger Mehlproduction. . 3,079.000 228.i 20.oo
An Gemüsen:
Kartoffeln 1,554.000 IIS.^ lO.jo
Kraut 1,023.000 76., 6.55
Rüben 384.000 28.5 2.50
An sonstigem Gemüse:
Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzeln. 247.000 18.8 l.«o
An Obst 307.000 22.. 2.^
Zucker und Syrup 45.000 3.^ 0.^
Kaffee, Cichorie und Gewürze .... 16.000 l.j O.io
An Fleisch:
Rindfleisch 236.000 17., 1.«,
Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch und
Federvieh . 289.000 2I.4 l.„
Wild . . 50.000 3.^ 0.„
Fische, nach Schätzung gleich dem Wilde 50.000 3.7 0.^
Milch, Käse und Butter, 2.693.000 Eimer
Milch, k 6 Loth Qutter und Käse per
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Im Ganzen Ein Individuum
1 Mass Milch täglieh O.« Seitel per Kopf
= l.eo Loth feste Stoffe = feste Stoffe
Eier, per Kopf täglich O-i» Stück = 1 Pfund
70,000.000 Stück =
Honig, meistens Lebkuchen ....
Salz
Im Ganzen an Speisen
Getränke :
Wein upd Obstmost 1,215.000
Bier
Spirituosen
Im Ganzen an Getränke 2,935.000
jährlich
jährlich
Uglich
Gentner
Pfände
Loth
202.000
16..
1-«
70.000
5.,
0...
13.000
1-.
o.„
108.000
8..
0.,.
7,673.000
•569.,
49.»
Eimer
Mass
Seitel
1,215.000
36.0
0.»
1,687.000
50.,
o.„
33.000
1-.
0-0.
87.0
0.«
Gruppirung der Nahrungssto ffe für die Bevölkerung auf dem
Lande.
jährl.
tägl.
jährl.
tägl.
von 100 Gewichts-
Pfunde
Loth
Pfunde
Loth
theilen
An Mehl
n Gemüsen . . . .
228.1
260.5
20.00 j
22.851
488.«
42.«
Pflanzenstoffe
= 85.^
„ Fleisch und. Fische .
„ Eier, Honig ...
46.,
21.,
4.0*1
1.9oi
68.0
6.«
Thierstoffe
= 11.90
„ Kaffee, Zucker, Ge-
Verschied.
würzen ....
U
0.40
12.0
1..0
Nahrungs-
„ Salz
8.0
0.70
stoffe = 2.20
Summe
569.2
49.««
Nach Percenten = lOO.oo
CJ Consumtion von Land und Stadt; 1,864.000 Individuen, 1867.
Jährlicher Bedarf der
An Mehl und Hülsenfrüchten oder an
Brod, u. z. 100 Pfd. Mehl zu 140 Pfd.
Brod oder sonstiger Mehlproduction .
An Gemüsen:
Kartoffel
Kraut
Kuben
Sonstige Gemüse:
Kohl, Salat, Gurken, Melonen, Wurzeln .
An Obst. .
„ Zucker und Syrup ..... 117.000
^ Kaffee, Cichorie, Gewürze
Stadt
Land
Summe
Centner
938.000
3,079.000
4,017.000
117.000
1,554.000
1,671.000
117.000
1,023.000
1,140.000
59.000
384.000
443.000
59.000
247.000
30&.000
117.000
307.000
425.000
117.000
45.000
162.000
17.000
16.000
33.000
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297
Jährlicher Bedarf der
Stadt Land Snmme
Gentnef
An Fleisch, Rindfleisch jährlich p.r.
90.000 OchBen 473.000 236.000 709.000
Schwein-, Schaf-, Kalb-, Ziegenfleisch und
Federvieh 175.000 289.000 464.000
Wild 10.000 50.000 60.000
Fische nach Schätzung gleich dem Wilde 10.000 50.000 60.000
Milch, Butter, Käse, 3,853.000 Eimer
Milch, k 6 Loth Butter und Käse pr.
1 Mass Milch täglich 0.^ Seidel pr.
Kopf = l.eo Loth feste Stoffe == 87.000 202.000 289.000
Eier, 10 Stücke = 1 Pfd., 114,000.000 St. 44.000 70.000 114.000
Honig, meistens in Lebkuchen . . . 2.000 13.000 15.000
Salz 29.000 108.000 137.000
Summe 2,371.000 7,673.000 10,044.000
Getränke. Eimer
Wein und Obstmost 350.000 1,215.000 1,565.000
Bier 1,171.000 1,687.000 2,858.000
Spirituosen 12.000 33.000 45.000
Summe 1,533.000 2.935.000 4,468.000
Anmerkung: 42.000 Zentner Zucker aus den in Nieder-Oesterreich ge-
wonnenen Zukerrüben.
Von Bier werden aus der Gerste, welche in Nieder-Oesterreich erzeugt
wird, bei 100.000 Eimer erzeugt.
Die Ausfuhr an Wein nach den Provinzen und dem Auslande dürfte
70.000, — jene des Bier's 7.000 Ztr. betragen. Eine zuverlässige Angabe ist
gleich der Einfuhr unmöglich, weil an den Grenzen Nieder-Oesterreichs als
Binnenprovinz ein Zoll nicht erhoben wird.
Die Preise der vorzüglichsten Verbrauchsartikel in Wien von
1848 bis 1868.
Weizen der Metzen von 3 fl. 31 kr. ö. W.*) auf 6 fl. — kr. ö.W. gestiegen
Roggen „ „ „3„18„ „ „4„60„„ „
Kartoffel „ „ „— „65„ „ „2„ — „„ „
Hafer „ „ „ 1„22„ „ „2„ — n» n
Heu „ Zentner „— „89„ „ „1„60„„ „
Fleisch das Pfund „— „16„ „ „— „32„„ „
Wein die Mass „— „24„ „ ^—^48»» »
Bier „ n n »13n » j» j»2o„ „ „
Holz , weiches, d. Klft. „ 10 „ 74 „ „ „ 16 „ — „ „ „
hartes »„» 16„35„ „ „22„ — „ „ „
Kohlen der Zentner „ 1„50„ „ „ 1„ — „ gefallen.
*) Die damalige Couventionsmünze hier in österr. Währ, umgerechnet.
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298
Die Zukunft«
Die Ergebnisse aus dem Betriebe der Bodencultur der letz-
ten Jahre sind im grossen Ganzen wohl befriedigend , indess muss
hier immer thätig vorwärts geschritten werden müssen, mn
nicht durch Stillstand von andern überflügelt zu werden. Aber
auch darin sind wir in der Ausführung vorzüglicher Massnah-
men bereits im Zuge. Obenan steht die Reform der Volksschule,
die Errichtung landwirthschaftlicher Feldbildungsschulen für den
Bauer. So gebührt dem Herrn F. X. Grutsch, Vorstand des Möd-
linger landwirthschaftlichen Bezirksvereines das Verdienst, da-
selbst die erste Fortbildungsschule, und eben dort die erste Forst-
schule für die Bauernsöhne durch selbstgeschaffene Mittel errich-
tet, und damit die Anregung gegeben war, dass von Seite des
hohen Ministeriums für Ackerbau in Nieder-Oesterreich noch wei-
tere 100 ähnliche Fortbildungsschulen errichten werden wollen.
Dadurch haben wir die erfreuliche Aussicht gewonnen, dass in
einem weiteren Ablaufe einer zwanzigjährigen Periode eine nam-
hafte Anzahl der jungen Landwirthe herangebildet sein wird, welche
im Stande sein werden, landwirthschaftliche Kenntnisse zu verbreiten ;
auch werden sich immer mehr einzelne Männer berufen finden, ihre
Kenntnisse zu Gunsten des allgemeinen Wohles auszubeuten, und da-
mit Wissen und Nutzen verbreiten. Noch mehr der Sicherstellung bie-
ten die Ergebnisse des Jahres 1868 in der Creirung eines Ministe-
riums fUr Ackerbau, an dessen Spitze Männer anerkannten Rufes ste-
hen, welche die Interessen der Landwirthschaft wahren imd för-
dern, während uns die breitesten Wege für den Fortschritt durch
die endlich gewährte Lehr- und Lernfreiheit eröffnet
sind.
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Die FischeK^^'^®" Eisenwerke
zu st Egyd am Neuwald.
Von
M. A. Becker*
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U m die altberühmte Fundgrube norischen Eisens, den Erz-
berg in Obersteier, hatten sich in früher Zeit Ansiedelungen von
Grewerbthätigkeit gruppiert, welche die Verarbeitung des Koh-
metalles zu ihrer Aufgabe machten. Es geschah dies im Norden
des Erzberges zunächst in den Thälem der Mürz und der stei-
rischen Salza und auf nieder-österreichischer Seite in den Quell-
bezirken der Erlaph, der Ips und der Schwarz a, von denen
die ersten beiden unmittelbar der Donau zufliessen, die letztere
nach ihrer Vereinigung mit dem Püttenbache, der auch schon
in früher Zeit Eisenhämmer in Bewegung setzte, den heute viel-
genannten Gränzfluss Oesterreichs- gegen Ungarn bildet.
Oestlich der Erlaph und dieser parallellaufend, zieht das
Thal^ der T r a i s e n zur Donau. An Wasserreichthum ist es dem
der Erlaph, wenn nicht überlegen, gewiss gleich, und zur Anlage
von Industriewerken nicht minder einladend; dem genannten
Fundorte des Eisens liegt es mit seinem Quellgebiet so nahe wie
dieses, und weiset in seinem untern Theile an Culturstätten aus
römischer wie nachrömischer Zeit mehr und einflussreichere auf,
als jedes andere Seitenthal der Donau in Nieder-Oesterreich ;
man denke nur an Traismauer, St. Polten, Lilienfeld.
Dennoch blieb das Traisenthal trotz dieser anscheinend günstigen
Umstände noch zu einer Zeit, wo die Thäler der Erlaph und
Ips durch Eisenwerke schon eine stetige Bedeutung gewonnen
hatten, von diesem Zweige der Industrie fast unberührt.
Lag dies theilweise in eigenthümlichen Verhältnissen, unter
denen sich hier die Cultur entwickelte — ihre Erörterung wäre
nicht am Platz, — so wird man gewiss auch, zum wenigsten
für den Quellbezirk der Traisen, der gegen Steiermark hin von
schwer zugänglichen Höhen geschlossen ist, den Mangel eines
geeigneten Verkehrsweges in Anschlag bringen müssen, auf wel-
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302
ehern das Roheisen. herbeizuschaffen war. Die Strasse von Maria-
zell über den Annaberg (Tannberg) gehört der neuern, die
von Mariazell über den Sattelberg nach St Egyd in einem
zum Transport geeigneten Zustande der neuesten Zeit an; und
ehe beide diesem Zweck dienen konnten, hatten das Erlaph- imd
Ipsthal auf der sogenannten Eisenstrasse, das Schwarzathal
auf der Semme ring Strasse schon Jahrhunderte lang den Be-
darf an Roheisen aus erster Hand gedeckt.
Je nachdem die Bedingungen gegeben sind, geht die Ent-
Wickelung der Industrie wie der Cultur überhaupt ihren kürzern
oder längeren Schritt; und die örtlichen Schwierigkeiten, die ihr
entgegenstehen, können nur so lange wirken, als nicht der Un-
ternehmungsgeist mit seinem ausdauernden Muthe sie zum Ziel-
pimkt des Kampfes macht.
Betrachten wir das Traisenthal heute. Es ist mit Industrie-
werken, und vornehmlich mit solchen, die der Verarbeitung des
Eisens dienen, bis in seine innersten Winkel besetzt, und Nie-
mand wird zugestehen, dass es in dieser Beziehung durch den
historischen Ruf seiner Nebenthäler beeinträchtigt werde. Was
dort unter günstigen Localverhältnissen mehr als fünf Jahrhun-
derte der Entwickelung in Anspruch nahm, wurde hier in den
letzten hundert Jahren zu Wege gebracht; allerdings unter
der Gunst des Umstandes , dass diese hundert Jahre einen un-
gleich reicheren Vorrath von Erfahrung und Einsicht zur Ver-
fügung hatten, und dass sie in die Zeit einer grossen Fürstin
zurückreichen, die im Fortschritte der Industrie eine Lebens-
bedingung des Staates wahrnahm.
Für den Culturhistoriker , der einstens die Greschichte der
Industrie in Oesterreich zum besonderen Studium macht, wird
die Periode dieser hundert Jahre einen dankbaren Stoff liefern,
und es ist sehr zu bedauern, dass er nicht jetzt schon zu lehr-
reichen Betrachtungen vorliegt. Er würde den merkwürdigen Un-
terschied in den Bedingungen kennzeichnen, die zur Begründung
industrieller Unternehmungen damals gegen heut gegeben waren,
imd er würde namentlich für Nieder-Oesterreich eine Reihe von
industriellen Anfängen constatiren, die mitten in der politischen
und finanziellen Noth der Zeit einzig in dem hellen Kopf
und der rüstigen Thatkraft des ersten Unterneh-
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303
mers ihren Stützpunkt fanden; wie dieser, zum grossen Theil
ein Fremder im Land und aus dem „Reich" zugewandert, mit
unscheinbaren Mittein seine Kraft in Bewegung setzte, und wie
BIraft und Mittel wuchsen an der Kenntnis des Bedürfnisses, dem
er zu dienen, an kluger Berechnung der Mittel, über die er zu
verfügen hatte. Unsere grossen industriellen Firmen, die aus jener
Zeit herstammen, weisen fast ohne Ausnahme auf einen solchen
Anfang zurück, und man begreift das Selbstbewusstsein, womit sie
den Begründer ihres Werkes als einen ganzen Mann im vollen
Sinne des Wortes preisen.
Das hier gesagte findet eine volle Anwendung auf die
Fischerschen Eisenwerke zu St. Egyd am Neuwalde,
die wir heut unbedenklich als die wichtigste Industrie-Untenieh-
mung im Traisenthale, und als eine der bedeutendsten dieser Art
auf dem Continente bezeichnen dürfen.
Auch ihre Geschichte reicht in die angedeutete Zeit hinauf;
auch ihre Gründung hatte einen kleinen, nur von derThatkraft
des Unternehmers gestützten Anfang und knüpft sich an das
Wirken eines Mannes, der für die bezeichnete Gattung als Bild,
vielleicht als Vorbild dienen kann.
In den letzten Regierungsjahren Maria Theresiens begann
der Grossvater des jetzigen Werksbesitzers, Jacob Fischer^
seine industrielle Laufbahn in Oesterreich als schlichter Arbeiter
in abhängiger Stellung und ohne Glücksgüter, ausser jenen, die
ein heller Kopf in die arbeitstüchtige Hand legt. Aber er war
mit sich im Klaren, was er wollte und was er leisten konnte;
und indem er sich zunächst auf die Erzeugung einer Waare warf,
die damals ein herrschendes Bedürfniss war — Säbelklingen
für die Armee — und dieser einen Grad von Vollkommen-
heit zu geben wusste, wie sie ihn früher nicht hatte, war ihm
bald die Möglichkeit geboten, sein industrielles Talent selbstän-
dig und in wachsender Ausdehnung wirken zu lassen. Die Ver-
trauenswürdigkeit des Charakters hatte daran einen guten Theil,
und will man annehmen, er sei auch vom Glück begünstigt ge-
wesen, so war dies wenigstens ein anderes Glück, als das in-
dustrielle Glück unserer Tage, das ohne Einsatz eines grossen
Capitals selten Bestand hat und in hundert Fällen dem schöpfe-
rischen Talente, wenn es geldlos ist, die Entfaltung ver-
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304
wehrt oder es verurtheilt, dem seichten Geldmann zum Schämel
seines erschwindelten Ruhmes zu dienen.
Es wird weiter unten erzählt werden, dass Jacob Fischer
nach mehreren Versuchen einer industriellen Ansiedelung in Nie-
der-Oesterreich die innerste Bucht des Traisenthales sich zum
Mittelpunkt seiner Unternehmungen ausersah. Der Reichthum an
Wasserkraft und Holz und die Nähe des ärarischen Gusswerkes
bei Mariazell, um von dort das Roheisen zu beziehen, waren die
nächsten Beweggründe dazu. Ob die örtliche Lage und der land-
schaftliche Reiz der Umgegend mit in's Gewicht gefallen sei,
wissen wir nicht. Aber sie verdienen hier zur Orientierung mit
einigen Zügen erwähnt zu werden.
Ungleich den andern Nebenflüssen der Donau in Nieder-
Oesterreich ist die Traisen in ihrem Oberlauf in zwei, an Wasser-
gehalt, Länge des Laufes und Stärke des Gefälles beinahe
gleiche Bäche desselben Namens geschie den, die eine
Wegstunde ober Lilienfeld im sogenannten Freiland zusam-
menfliessen, nahe einer Stelle, die den Wanderer durch das ma-
lerisch angelegte Wohnhaus der Fruhwürt haschen Gewehr-
fabrik fesselt. Zwischen beiden streicht ein Höhenzug, zuerst
unter dem Namen Traisenberge (höchster Punkt 3744') als
langer bewaldeter Bergrücken von West nach Ost, dann über
die Grabenalm (3904') nach Nord, und erreicht im Tür-
nitzer Höger (4328'), seine höchste Erhebung. Er hat gegen
Nord und West ziemlich weit vorspringende Seitenarme mit zahl-
reichen Wasseradern und fällt gegen Süd und Ost, mit einer ein-
zigen geringen Ausnahme, überall kurz ab.
Der von Südwest kommende Traisenbach — die eigent-
liche Traisen — erhält seine Wässer grösstentheils von den
genannten Höhen; nur einen, und zwar den entferntesten (Tür-
nitzerbach) von der Höhe des Annaberges (2934'), der mit
den Traisenbergen durch ein langgestrecktes niederes Joch ver-
bunden ist.
Sein Thalgrund ist vor seinem etwas schroffen Anstiege
zum Annaberg — Türnitz liegt 1386', Annaberg 2934' über dem
Meere — von niedrigen Höhen gesäumt, die^ meist zurücktretend,
der Bodencultur Raum lassen, und seit der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts zieht die Eeichsstrasse durch, die von St. Polten
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305
ter über TCirnitz und Annaberg den Verkehr mit dem
steirlschen Oberlande vermittelt und seit ihrer Errichtung neben
dem Wallfahrtsziele Mariazell auch wohl der Verfrachtung
des Roheisens zu dienen hatte, das im ärarischen Gu sswer k bei
Mariazell erzeugt wurde.
Unter ähnlichen Verhältnissen, wie die eigentliche Traisen,
entsteht der von Süden kommende Traisenbach, den der Volks -
mund bezeichnend die unrechte Traisen nennt; nur ist hier
die Terrainform ausgeprägter, der landschaftliche Charakter gross-
artiger, da er mit seiner innersten, merkwürdig ausgeweiteten
Thalbucht in die Voralpen hinanreicht. Diese Thalbucht wird im
Süden durch einen, den Traisenbergen parallellaufenden, jedoch
bedeutend höheren Gebirgszug geschlossen, aus welchem — von
West nach Ost der GöUer (5571'), der Gippel (5274') und
das Pr ei neck (c. 4400') massig emporsteigen, und der, vom
Preineck gegen Nord gewendet, in wechselnder Erhebung, aber
durchwegs niedriger, an der rechten Thalseite fortzieht Der
höchste und zugleich durch seine Femsicht lohnendste Punkt auf
dieser Seite ist die Hoch- oder Reisalpe (4424'), in gleicher
geogr. Breite mit dem Ausgang des Thaies.
Auch die unrechte Traisen erhält ihre Quellbäche, dar-
unter einige gleich beim Ursprung merkwürdig stark, von Süden
her aus den Sammelbecken des Göller und Gippel, und sie ver-
einigen sich bei dem Markte St. Egyd (1768'), der am nörd-
lichen Rande der innern Thalbucht liegt Unterhalb des Ortes,
unter dem Fischer'schen Werke beginnt die Verengung des nach
Nord gewendeten Thaies und dauert bis nach H o h e n b e r g (1501').
Von dort ab bis zu seinem Ausgange in Freiland wird das Thal
wohl stellenweise breiter, aber nicht in dem Masse, dass die
Thalsohle zu einer ausgiebigen Bodencultur benützt werden könnte.
Auch längs der unrechten Traisen zieht eine — jetzt gut erhal-
tene — Landstrasse, die in Freiland von der Türnitz-Mariazeller
abzweigt. Aber sie war bei ihrer Regelung — in den 50ger Jah-
ren des vorigen Jahrhunderts — nur für Hohenberg und
St. Egydi berechnet, und ging in letzterem Orte aus. Der ge-
regelte Verkehr von St. Egyd aus einerseits mit Obersteier, an-
dererseits mit dem Schwarzathal in Nieder Oesterreich ist ein
Werk der neuesten Zeit und steht mit dem Fischer'schen Unter-
20
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306
jiehhien in unmittelbarer Beziehung. Jetzt führt nämlich von
St. Egyd eine Strasse über den Sattelberg nach Mariazeil,
eine andere über den Gaisruck nach Schwarzau, zum An-
schluss an Reich enau-Gloggnitz *).
^) Seit die Fischer'schen Werke in St. E^d bestehen, ist die Verbin-
dung einerseits mit Mariazeil, andererseits mit dem Schwarzathale zur
Krleichterung des Verkehres geregelt worden.
Ein Fahrweg von St. Egyd nach Mariazell bestand seit undenklichen
Zeiten, und zwar in derselben Linie, die er grösstentheils noch jetzt einhält —
über den Kemhof, Ahomhof, den Sattelhof am Gscheid, Ober- und Unter-
Knollenhals nach Terz und im Hallthal an der Salza abwärts. In der Schlucht
der Salza vor Terz, — sie heisst die „HöUenseige** — sieht man in den Fels-
platten des Flussbettes noch die tiefen Geleisespuren, die auf eine frühere und
lange Benützung des Weges hindeuten. Zu Anfang dieses Jahrhunderts scheint
man die Bachsohle verlassen zu haben, und führte den Weg von der H5he
des Sattelberges über die Salzaleiteu und den Terzberg, und dieser wurde im
Jahre 1830 auf Kosten Daniel Fische r's theil weise umgelegt. In den Vier-
ziger Jahren Hess die Herrschaft Hohenberg die noch immer steile Stelle
unmittelbar bei Terz aus den damaligen Strassenfonds -Geldern umlegen. Im
Jahre 1850 übernahm Anton Fischer die Strassenadministration gegen Be-
zug de» Mauterträgnisses und vorwendete auf die Eegulierung der Strasse, die
durchaus breiter gemacht und in gutem Stand erhalten wurde, während 15 Jah-
ren mehr als 20.000 fl. Im Jahre 1865 ging die Verwaltung der Strasse auf
die Gemeinden Egyd und Hohenberg über. Von Terz in der Richtung
Egyd können nun Lasten von 25 — 30 Centner ohne Vorspann geführt werden ;
und CS Hesse sich die Strecke von Terz bis aufs Gscheid mit einem massi-
gen Kostenaufwand so herstellen, dass keine höhere Steigung als 1 Zoll auf
die Klafter zu tiberwinden wäre, wenn man dem Wasserlauf der Salza durch-
aus folgen würde. Die Strecke von Freiland über Hohenberg, St. Egyd nach
Terz ist jetzt Bezirksstrasse und heisst die Fröiland-Terzer Strasse.
Ein Verbindungsweg zwischen St. Egyd und Schwarzau über den
Gaisruck bestand schon im vorigen Jahrhundert; aber er war »o steil und
unzweckmässig angelegt, dass auf demselben kaum Holzkohle in geringer
Fracht überführt werden konnte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts liess Daniel
Fischer die steilste Strecke (beim Bauerngut Hintereck) umlegen, so dass
es nun möglich wurde, ihn mit leichten Wagen zu befahren. Damit war aber
für den Verkehr noch immer zu wenig gethan, da die ganze Anlage des We-
ges von Grund aus einer Erneuerung bedurfte. Abgesehen von der mangelhaf-
ten Grundlage, wodurch seine Fahrbarkeit vom Wetter abhängig wurde, hatte
er über den Berg eine Steigung von durchschnittlich 16 Zoll auf die Klafter
und keine grössere Breite als 5 bis 6 Fuss. Am östlichen Gehänge des G a i s-
ruckberges, in der Katastralgemeinde T rauch zu Schwarzau, führte er
auf einer Strecke von 650 Klaftern durch eine Schlucht, „das Wasserthal **,
in welcher das Bett des Baches zugleich die Fahrbahn bildete, und man musste
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307
Für den Touristen ist das berührte Terrain, abgesehen von
seiner industriellen Bedeutung, eine der interessantesten Partien
im nieder-östen-eichischen Berglande. Neben den Fahrwegen, die
wir bezeichnet haben, und von denen jeder seine besonderen
Naturreize bietet, lassen sich noch einige Fusswege nach St. Egyd
angeben, die der Naturfreund gewiss nicht ohne Befriedigung
zurücklegen wird, z. B. der Weg vom Reithof im Nassthale
(Reichenau, Singerin) am Preinbach aufwärts über das P rein-
eck, oder von Mariazell, die Salza und den Walsterbach
aufwärts über den Knollenhals und Sattelhof, odqr von
Türnitz, den Traisenbach hinauf über den Giglhof. Von
St. Egyd aus steht aber imter den Ausflügen die Besteigung des
Göller in erster Linie, da er durch seine imposante Gestalt,
reiche Flora und höchst interessante Rundsicht die volle Auf-
merksamkeit in Anspruch nimmt.
So viel zur Orientierung über die Oertlichkeit , die der
Gründer der Fischer'schen Eisenwerke zum Mittelpunkt seines
industriellen Wirkens machte. Wie mannigfach anregend und die
Cultur fördernd wieder das Industriewerk auf die Oertlichkeit
diese ganze Strecke bis zum Ortner im Wasser fahren. Von dort weg war
wieder ein steiler Berg, der Trauch, zu überwinden. — Anton Fischer
nahm die völlige Regulierung dieses Weges in die Hand und fahrte die Ar-
beiten im Jahre 1866 und 1867 aus. Der Bach im „Wasserthal*^ erhielt ein
anderes Gerinne und der Trauchberg wird jetzt umgangen, indem der Weg,
in einer Breite von 15 Fuss angelegt, vom Ortner über das sogenannte „Keitl"
in einer Länge von 1180 Klaftern zum Ottersbauer-Kreuze führt und
an den steilsten Stellen des Gaisruckberges in Serpentinen niedriger gelegt
ist. Die neuangelegten Strecken ergeben eine Länge von 3500 Klaftern, wäh-
rend die ganze Länge des Weges von St. Egyd bis Schwär zau 5410 Klafter
beträgt. Die Gemeinde Schwarzauleistete dazu einen Beitrag von 250 fl. Ost. Wäh.
Unter den Verbindungswegen von St. Egyd aus verdient der nach Anna-
berg erwähnt zu werden. Er zweigt auf die Höhe des Gscheides von der
vorgenannten Bezirksstrasse ab und führt über Ulreichsberg nach Annaberg
in der Schmolz, wo er in die Landesstrasse (Mariazeller Strasse über Türnitz)
mündet, und zwar nahe der Stelle, wo mit dieser auch die nach Scheibs führende
Buchenstubner Bezirksstrasse zusammentrifft. Er führt beinahe eine Meile
weit über gräfl. Hojosische Waldgriinde und wurde 1867 von Anton Fischer
neu hergestellt. Durch diesen Weg ist die ununterbrochene Verbindung von
Gloggnitz mit Scheibs über Beichenau, Schwarzau, St. Egyd, Annaherg
und Buchenstuben längs der Landesgrenze hergestellt, und es wäre dies gewiss
eine Aufforderung, ihn der öffentlichen Fürsorge zu empfehlen.
20 *
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308
zurückgewirkt habe, indem es der Arbeitskraft der Bewohner
eine Richtung gab, den Erwerb steigerte und dem Wohlstand
neue Quellen bot, wird sich aus seiner Geschichte beurtheilen
lassen, die wir im Folgenden kurz erzählen.
Jacob Fischer gehörte einer Familie in Thüringen an, die
im siebzehnten Jahrhundert zuSchmalkalden bedeutende Eisen-
werke besass und die Producte ihrer Hochöfen und Hämmer zu-
meist nach Leipzig absetzte.
Als in der Folge widrige Verhältnisse den Geschäftsbetrieb
ins Stocken brachten und die Mittel der Familie nicht hinreichten, ihn
wieder zu heben, verliess JacoVs Vater, Martin Fischer, von
Glücksgütern entblösst, seine Vaterstadt und siedelte sich als
Büchsenmacher in Suhl an, wo er unter beschränkten Verhält-
nissen bis an sein Ende verblieb und seinen einzigen Sohn in
seiner Profession ausbildete.
Jacob kam auf seiner Wanderschaft nach Oesterreich und
fand hier bald einen Wirkungskreis, der seiner Fähigkeit ent-
sprach. Zum Kriegsdienste angeworben, wurde er der Militär-
Monturs-Commission, welche damals zu Und — zwischen Krems
und Stein — ihren Sitz hatte, als Büchsenmacher zugetheilt.
Der fleissige und geschickte Arbeiter erregte die Aufmerksam-
keit seiner Vorgesetzten, die ihn zu wichtigeren Arbeiten ver-
wendeten und seiner technischen Einsicht, die hier mit einem
durchaus verlässlichen Charakter vereinigt war, allmählich einen
grösseren Spielraum gewährten. So kam es, dass Fischer in nicht
langer Zeit sich bei der Monturs-Commission eine ganz ausnahms-
weise Stellung errang. Es wurde ihm die Leitung der Feuer-
arbeiten als Oberschlosser übertragen und nebenbei die be-
sondere Befugniss ertheilt, auf eigene Rechnung Säbelklingen
und Monturstücke zu erzeugen , welche ihm das Aerar käuflich
abnahm. Der Grund dieser Begünstigung lässt sich historisch
nicht feststellen; doch werden wir kaum irren, wenn wir anneh-
naen, man habe damit einer von Fischer vorgeschlagenen Ver-
besserung im Erzeugen von Säbelklingen die Bahn ebnen wollen,
ohne die Gefahr des Unternehmens zu wagen.
Jacob Fischer errichtete zu Rehberg bei Krems') einen
*) Die Zeit lässt sich aus dem rorliegenden Material nicht genau fest-
stellen. Wahrscheinlich zwischen 1776 — 1780.
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301>
Hammer und betrieb dort die Erzeugung von Stahl und Stabl-
Werkzeugen, namentlich Bohrer stahl, Feder stahl, Feder-
messer, Feilen und Säbelklingen. Der Erfolg war so
günstig, dass die Bestellungen bald von dem kleinen Werke
nicht mehr befriedigt werden konnten. Insbesondere kamen die
von ihm erzeugten Feilen und Säbelklingen schnell in Ruf.
Letztere wurden in der Armee mit Vorliebe gesucht, und noch
in später Zeit von Veteranen wegen ihrer trefflichen Eignung
als Keliquien gehegt. In den Preussen- und Türkenkriegen hatten
die „Fischerklingen" ihre Probp bestanden.
Als zu Anfang der Neunzigerjahre die Rüstung zum Kriege
gegen Frankreich begann, war der bescheidene Hammer zu Reh-
berg für den Bedarf an Säbelklingen zu klein geworden, und
Jacob Fischer siedelte sich in einem Seitenthale der Traisen, zu
Hainfeld an der Gelsen an, wo reichlicher Brennstoff und
eine ergiebige Wasserkraft die Ausbreitung des Geschäftes zu-
Hessen. Dort betrieb er die Erzeugung von Säbelklingen in grös-
serem Massstabe und sammelte die technischen Erfahrungen
zum fabriksmässigen Betriebe des Geschäftes. Aber bald zeigte
sich in dem mangelhaften Zustand der Communication , wodurch
die Zufuhr des Rohmateriales erschwert wurde, auch dort ein
Hindemiss, welches dem unternehmenden Mann das Verbleiben
an der neuen Arbeitstätte verleidete *).
Der nächste Bezugsort von Roheisen war damals das ära-
rische Gusswerk bei Mariazeil. Um diesem näher zu sein, kaufte
Fischer im Jahre 1794 die Kettenschmiede mit dem dazu gehö-
rigen Bauerngute Birbisthal zu St. Egyd am Neuwald')
') Der Ankauf des Hammerwerkes zu Hainfeld geschah im Jahre 1788
oder 1789. Verkauft wurde es von Jacob Fischer im Jahre 1800 oder 1801
an einen gewissen Oehlgast. Später kam es in die Hand des Werkbesitzers
Zeillinger, mit dem JacoVs Sohn Daniel verschwägert war. Jetzt ist es
Eigenthum des Herrn Hüfl.
•) Aus einer Eirchenrechnung von 1626 geht hervor, dass bei dem Hause
schon von altersher ein Eisenhammer bestanden hatte , denn es heisst dort, das
Christoph Hammerschmied vom Pttrbesthal der Kirche 10 Gulden
schulde; unterm 5. April 1647 wird ein Kind des Simon und der Eva Harn*
merschmid getauft; unterm 23. November 1648 wird Katharina Zeberacher^
Kind des Sebastian Zeberacher, Schmidtknechtes ,^beim Pirbesthaler"
getauft (Pfarrarchiv zu St. Egjd). In der Schreibung des Namens Egjd fol-
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310 __
und richtete sich dort zum grösseren Betriebe der Stahlfabrikation
nach seinem Sinne ein.
Das war die Grundlage zu seiner weiteren Unternehmung
und der Ausgangspunkt des festbegründeten Rufes, den sein
Haus in der Eisenindustrie Oesterreichs bis auf den heutigen
Tag bewahrt.
Es müsste einer Biographie dieses merkwürdigen Mannes
vorbehalten sein, die Schwierigkeiten darzulegen, mit denen er
bei der Anlage des Werkes zu kämpfen hatte, und die Conse-
quenz eines durchaus ehrenhaften Charakters hervorzuheben, die
endlich über alle Schwierigkeiten den Sieg davontrug. Das ab-
geschiedene Gebirgsthal zwischen dem Göller und den T ra-
senbergen wurde durch ihn, so zu sagen, der Cultur geöflfhet,
insofern diese in der Gewöhnung an stetige, den Lebensbedarf
deckende Arbeit ein kräftiges Hilfsmittel der Entwicklung findet.
Der Verkehr hob sich, die arbeitsfähige Jugend fand lohnende
und zugleich ihr Leben regelnde Beschäftigung, der vermehrte
Verbrauch von Lebensmitteln erzeugte das Bedürfhiss, für Er-
zeugung und Herbeischaffung derselben thätig zu sein, die Ge-
werbe vermehrten sich, dem Wohlstand floss eine neue Quelle zu.
Ehe noch alle Gebäude seines Betriebswerkes unter Dach
waren, war Jacob Fischer im weiten Umkreise von St. Egyd
der populärste Mann. Sein gerader, offener Sinn, seine strenge
Redlichkeit, seine Herzensgüte, die zu rathen und zu helfen, wo
CS Noth that, nie müde ward, hatten ihm die Herzen der Be-
wohner zugewendet, noch ehe er in die Lage kam, ihnen durch
die Wirkung seiner industriellen Bestrebungen nützlich zu sein.
Als er im Jahre 1809 starb *), konnte er den Trost mit in's Grab
gen wir dem jetzt, und zwar schon lange herrschenden Gebrauche, der auch
den Zusatz „am Neuwald** eliminiert hat. In den Pfarrbüchem heisst der Ort
von altersher St. Aegyd am Neuwalde.
*) Ein schneller Tod ereilte ihn während seines Aufenthaltes in Wien.
Die Inschrift der Gedenktafel über dem Fischer'schen Wohnhaus© zu St. Egyd,
die aus seinem Todesjahre herrührt, macht den Eindruck, als ob sie von ihm
selbst angegeben sei. Sie lautet: Die Zeit wird kommen noch — dass
ich auch werd* verwesen — mein Name zeigt es doch — dass
einst war hier gewesen — Jacob Fischer aus Sulla in SaxeD,
Seine Gattin Anna, eine geborene Mühlecker, überlebte ihn um
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311
nehmen, dass der Ruf seines Hauses auf festem Grunde stehe,
nicht nur durch die weitgertihmten Leistungen seiner Stahlwerke,
sondern auch durch den Werth eines makellosen Lebens, das dem
Gemeinwohl gewidmet war.
Jakob Fischers Schöpfungen zu St. Egyd nahmen einen
raschen Aufschwung. Schon im Jahre 1801 hatte er den Furt-
hof (nördlich von Egyd an der Strasse nach Hohenberg) käuflich
an sich gebracht, um dort eine Klingenschmiede anzulegen;
zwei Jahre später kaufte er das Eisenbergwerk Niederalpel
(an der Strasse von Mtirzsteg nach Mariazell), um seiner Fabrik
den Bedarf an Roheisen zu sichern. In seine letzten Lebensjahre
fällt die fabriksmässige Erzeugung jener Feilen, die nach ihrem
Fabrikszeichen „Anker feilen" genannt wurden, und deren
vorzügliche Beschaffenheit den Ruf seiner Fabrik weit über die
Gränzen Deutschlands trug. Sie haben durch nachhaltige Ver-
besserungen und besondere Pflege des dazu verwendeten Urstoffes
jetzt einen Grad von Vollkommenheit erreicht, dass die Fischer'sche
Fabrik — sie beschäftigt dabei allein an 300 Arbeiter — mit
jedem ähnlichen Unternehmen in die Schranken treten kann.
Nach Jacob Fischer's Tode führte sein einziger Sohn Da-
niel, der schon bei Lebzeiten des Vaters am Werke betheiligt
war, die Unternehmungen fort. Die Fabrik erhielt eine grössere
Ausdehnung, da einerseits für die Deckung des immer zuneh-
menden Bedarfes an Säbelklingen vorgesorgt werden miisste,
andererseits der Versuch nahe lag, ausser den Feilen auch andere
Handelswaaren , als Streckeisen, Draht und Eisenblech
fabriksmässig zu erzeugen; das letztere wurde zu jener Zeit
noch gehämmert
Im Jahre 1819 errichtete Daniel Fischer sein Blechwalzen-
werk zu St. Egyd — es war das zweite in Nieder-Oesterreich *)
13 Jahre. Sie starb am 18. August 1821 in Furthof und liegt in St. Egyd
begraben. Das Geburtsjahr Jacob*» ist nicht bekannt und ebenso wenig das
Jahr, in welchem er nach Oesterreich kam. Da er aber bei seinem Tode
66 Jahre alt war, so wird man nach seinen durch Tradition überkommenen
Lebensverhältnissen kaum irregehen, wenn man den Anfang seiner industriellen
Thätigkeit in Oesterreich in die Jahre 1766—1776 setzt.
^) AndreasTöpperin Scheibs hat das erste Blech walzenwerk in Nieder-
Oesterreich im Jahrs 1816 erbaut und 1818 oder 1819 in Betrieb gesetzt.
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312
— und legte damit den Grund zu jenem Werke, welches von
seinem Sohne und Nachfolger Anton Fischer im Jahre 1845
zu Furthof erbaut und mit allen Verbesserungen der Neuzeit aus-
gestattet wurde.
So wie die Industrie überhaupt der Zeit zu dienen hat, so
kann sie sich auch dem Wechsel in den Anschauungen der Zeit
nicht entziehen. Bei einigen Industriezweigen entscheidet die wech-
selnde Mode, bei andern Krieg oder Friede.
Als mit dem Ende des grossen europäischen Krieges das
Säbelgeklirr verstummte, war auch den Fischer'schen Fabrikaten
eine friedliche Richtung vorgezeichnet, und Daniel besass genug
von dem Scharfblick seines Vaters, um den geänderten Verhält-
nissen gerecht zu werden.
Zugleich verfolgte er mit aufmerksamem Auge den Auf-
schwung, der sich, namentlich in England und Frankreich, in
den Hilfsmitteln der Erzeugung seiner Fabrikate kundgab, und
strebte rastlos, sich denselben nutzbar zu machen. Mitten unter
d6n Vorbereitungen zur Verbesserung seiner Werke, starb er im
Jahre 1833*).
Wenn man nach dem Andenken schliessen darf, welches
von ihm bei denen, die ihn kannten, fortlebt, so war er in Allem
ein treues Bild seines verewigten Vaters. Derselbe klare, von
ruhiger Einsicht getragene Blick im geschäftlichen Leben, mit
der Entschiedenheit des Handelns und der Zuversicht des Gelin-
gens; dieselbe Treue der Gesinnung, der das gegebene Wort als
Siegel der Wahrheit und des Vertrauens gilt; dasselbe wohl-
wollende Herz, das im Geben und Helfen seine Befriedigung findet.
Die Bedrängnisse der Kriegszeit bürdeten ihm manches
schwere Opfer auf, um den für die Armee übernommenen Lie-
ferungen zu genügen. Er trugls mit patriotischer Hingebung;
denn seine Pflicht war ihm heilig, und sein Muth erstarkte an
der treuen Anhänglichkeit seiner Arbeiter, die er sich geschult.
*) Daniel Fischer war zweimal verehelicht, zum erstenmal (1799,
mitGleonora Josefa Fürst, Sensenge werkstochter von Gaming, die, im 31. Jahre
ihres Lehens, 1809 za St. Egyd starh; zum zweitenmal mit Elisabeth Zeil-
linger, Sensengewerkstochter zu Bamsau bei Hainfeld an der Gelsen, die
ihn überlebt, und (jetzt 80 Jahre alt) noch lebt. Aus der ersten Ehe blieben 2,
aus der zweiten 10 Kinder nach ihm zurück.
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313
an der dankbaren Zuneigung der Bewohner, denen er ein hilf-
reicher Vater war. •
Nach Daniels Tod übernahmen seine Söhne Daniel und
Anton die Fortführung der industriellen Werke. Sie waren
(1836) übereingekommen, den Nachlass des Vaters zu theilen,
so dass dem altem, Daniel, die Eiserigruben mit dem Schmelz-
werke Niederalpel, dem jungem, Anton, die Werkrealitäten
in St. Egyd und Furthof zufielen. Im Jahre 1846 aber er-
folgte der Rückkauf des Besitzes von Niederalpel durch Anton
Fischer, der seither alleiniger Besitzer aller Fischer'schen Werke
ist. Durch seine Heirat mit Marie von Ebenthal kam 1847
noch das für den Betrieb der anderen Werke höchst wichtige
Radwerk zu Vordernberg (in Obersteier) hinzu.
Wenn man die Verhältnisse in Anschlag bringt, unter denen
Daniel Fischer's Nachfolger die Leitung des väterlichen Geschäf-
tes übernahm, so war seine Mission eine nichts weniger als nei-
denswerthe. Die einzelnen Zweige der Fabrikation, welche die
Fischer'schen Werke lieferten, hatten wohl durch des Vaters er-
finderischen Geist jene technischen Hilfsmittel des Betriebes er-
halten, die ihnen zu seiner Zeit den Vorrang vor ähnlichen
Erzeugnissen sicherten. Aber die Zeit war eine andere geworden.
Der mächtige Fortschritt der Naturwissenschaften, vom wieder-
gekehrten Frieden begünstigt, regte nach jeder Richtung hin zu
Erfindungen und Verbesserungen an, die beim technischen Be-
trieb der Gewerbe einen totalen Umschwung in der Methode
herbeiführten. So wie die Maschine überhaupt schon Herr über
die Menschenhand geworden war, so überbot sich nachgerade
der Erfindungsgeist in der Mannigfaltigkeit der Maschinen für
denselben Zweck, um der Waare, die erzeugt werden sollte,
in Bezug auf Qualität und Billigkeit einen möglichst grossen
Vortheil zu sichern. England und Frankreich hatten ihre Eisen-
fabriken dem neuen Principe angepasst und damit auch dort, wo
das Rohmaterial unserem inländischen an Güte nachstand und
die Ortsverhältnisse der Erzeugung minder günstig waren als in
Oesterreich, im Geschäftsbetrieb einen Vorsprung gewonnen, der
dem inländischen Fabrikate empfindlich werden musste, wenn es
nicht schnell an die Verbesserung der Methode ging.
Bei den Fischer'schen Werken ergab sich noch eine beson-
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dere Schwierigkeit. Ihr wichtigster Artikel, die Säbelklingen,
waren auf den Krieg berechnet, und hatten während der langen
Dauer des Krieges durch massenhaften Verbrauch den grössten
Theil der technischen Einrichtung so wie der Arbeitskräfte für
sich in Anspruch genommen.
Mit dem Frieden war diesem Zweige der Fabrikation die Fort-
existenz in Frage gestellt. Hatten sich die Bestellungen des Aerars
seit 1815 bedeutend gemindert, so hörten sie zur Zeit, wo An-
ton Fischer die Leitung der Werke übernahm, ganz auf, und
es handelte sich um die Frage, wie einerseits die Fabrik im
Stand zu erhalten sei, bei allfälliger kriegerischer Conjunctur den
Bedarf schnell und ausgiebig zu decken, andererseits die zahl-
reichen Arbeiterfamilien, die bei Erzeugung jenes Artikels ihren
Lebensunterhalt gefunden hatten, vor Verarmung zu schützen.
Um solchen Schwierigkeiten Herr zu werden, boten damals
die öffentlichen Zustände in Oesterreich, die Verhältnisse des
Oeld Verkehrs, der geringe Schutz der Industrie von oben herab
wenig Ermunterung.
Für die Charakteristik des Mannes, in dessen Hand unter
solchen . Umständen das Geschick einer der grössten industriellen
Unternehmungen Oesterreichs gelegt war, wäre es gewiss inter-
essant, den Wegen nachzugehen, die er zur ConsoUdirung sei-
ner Bestrebungen einschlug ; der Kämpfe zu gedenken, unter denen
er seine reformatorischen Ideen zur Geltung brachte, so wie des
Opfermuthes, der ihm um manche, anscheinend verlorene Sache
auferlegt ward. Der Raum dieser Skizze, so wie die Rücksicht
gegen persönliche Verhältnisse, die uns auferlegt ist, versagen
dies. Aber der Erfolg dessen, was klares Verständniss der Zeit
mit persönlicher Anstrengung, was kluge Berechnung der Um-
stände mit unverzagter Ausdauer bei widrigen Conjuncturen,
was endlich treuer Berufseifer mit patriotischer Hingebung sol-
chen Schwierigkeiten gegenüber zu leisten vermögen, liegt in
dem heutigen Zustande der Fischer'schen Werke offen zu Tage.
Ihr Realbesitz hat seit der Zeit, wo Anton Fischer an
die Spitze des Geschäftes trat, ausser dem berührten Zawachs
des Radwerkes in Vordemberg noch andere Veränderungen er-
fahren.
Der Hochofen zu Niederalpel wurde nach Ablauf des
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mit Neuberg abgeschlossenen Holzstockungs- Vertrages aufgelassen,
und dafür zu Aschbach bei Wegscheid (Steiermark) ein neues
Werk mit durchaus zeitgemässer Construction aufgeführt, welches
Anton Fischer im Jahre 1857, da es dem Aerar zur Ver-
einigung mit dem Gusswerk von Mariazeil günstig lag, an dieses
verkaufte.
Die Säbelklingenfabrik zu St. Egyd wurde noch
fortgefiihrt, als der Ertrag schon lange nicht mehr dem aufge-
wendeten Anlage- und Betriebscapital entsprach,, um bei all-
fälliger kriegerischer Conjunctur wohlgeschulter Arbeiter versichert
zu sein; und als endlich die consolidirt friedlichen Verhältnisse
ihre Auflassung bedingten, war der Ausfall des Fabrikates mitt-
lerweile schon durch die Erzeugung anderer Commerzialwaaren
ohne Nachtheil für die Arbeiter ersetzt worden.
Der jüngste Zuwachs zu den Fischer'schen Unternehmun-
gen fällt in das verhängnissvolle Kriegsjahr 1866, wo alle In-
dustrie darnieder lag und die Gewalt der Ereignisse jeder ge-
schäftlichen Combination den Weg abschnitt. In diesem Jahre,
und unter den misslichsten Umständen, die dasselbe mit sich brachte,
baute Anton Fischer das grosse Eisenwerk zu Aumühl bei
Kindberg (Steiermark) und setzte es mit seinen andern Wer-
ken zu St. Egyd und Furthof derart in Beziehung, dass dort
die Erzeugung von Draht in grösserer Masse, von allen Gat-
tungen Stab- und Feineisen und von Cementstahl betrie-
ben wird.
Es liegt in der Thatsache des mächtigen Aufschwunges,
den die Fischer'schen Werke in der letzten und schwierigsten
Epoche ihres Bestehens nahmen, dass sie in allen Zweigen des
technischen Betriebes einer durchgreifenden Reform imterzogen
wurden, die nach sorgfältiger Prüfung des Bestehenden das Zweck-
mässige aufnahm.
Ein Ueberblick ihrer Haupterzeugnisse, wie sie sich vom
Beginn bis auf den jetzigen Zustand entwickelt ha-
ben, wird diese Thätigkeit am besten in's Klare setzen.
1. Feilen. Die Fischer'schen „Ankerfeilen" sind in JBezuf
auf Härte des Materiales und Reinheit der Schärfe bisher vo)
keinem ähnlichen Fabrikate übertroffen, mit Ausnahme Englands
wo aber der höhere Preis mit in die Wagschale fällt. Da dieses
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Werkzeug in der grössten Maschinenfabrik wie in der kleinsten
Schlosserwerkstatt gleich unentbehrlich ist, So stellt sich der Ver-
trieb nach allen Riphtungeü bedeutend, insbesondere nach Italien
und nach dem Orient. Der gute Ruf des Erzeugnisses schreibt
sich aber schon vom Beginn des Jahrhunderts her, wo Jacob
Fischer, wie oben berührt wurde, die ersten, mitunter sehr
kostspieligen Versuche mit gutem Erfolg machte und die fabriks-
mässige Erzeugung der Feilen zuerst in der Monarchie einge-
führt hat
Einen besonderen Aufschwung nahm die Fabrikation der
Feilen seit 1850, als Anton Fischer durch ausschliessliche
Verwendung von selbsterzeugtem Gussstahl sich von der nicht
immer verlässlichen Beschaflfenheit jener Stoflfe, die ihm von
fremden Erzeugern geliefert wurden, unabhängig zu machen
wusste.
2. Draht. Die Erzeugung des Drahtes war vor 30 Jah-
ren im Inlande noch sehr unvollkommen, während das Ausland
darin durch Combination eines geeigneten Materiales und durch
Anwendung vervollkommter Maschinen damals schon Vorzüg-
liches leistete.
Anton Fischer lernte auf seinen Reisen, namentlich in
Frankreich, die zweckmässigen Methoden der Fabrikation ken-
nen, nahm dort geschickte Arbeiter auf, die seine eigenen Leute
in der Manipulation zu unterweisen hatten, liess die erforder-
lichen Maschinen aus Frankreich kommen, und begründete nach
diesen Vorbereitungen, die mit empfindlichen Opfern verbunden
waren, 1839 den ersten Drahtzug in Oesterreich nach
neuem Prinzip und mit Anwendung der französischen
Frischmethode, welche damals nur auf einigen Gewerken
Kärntens als eine vielfach angezweifelte Neuerung Eingang ge-
funden hatte.
Der Erfolg entsprach den Erwartungen. Das mit dem neuen
Verfahren gewonnene Erzeugniss stand an Güte des Materiales,
an technischer Verwendbarkeit und billigem Preise hoch über
dem altern, und der rasch gesteigerte Absatz machte Vorkehrun-
gen zur Erweiterung des Betriebes nöthig, um den Bestellungen
zu genügen.
Die Eisendraht - Erzeugung in den Fischer'scl^en Werken
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nimmt jetzt anerkannt den ersten Platz in Oesterreioli ein, nicht
nur in Bezug auf die Quantität der erzeugten Waare, son-
dern auch in Bezug auf die Mannigfaltigkeit der für die verschie-
denen technischen Zwecke berechneten Sorten, von dem billig-
sten, sogenannt „ordinären" Draht, der aus Puddlingeisen auf
dem Werke zu Kindberg erzeugt wird, bis zu der feinsten
Waare, wobei die „Extra-Drähte" für besondere technische
Verrichtungen als ein ganz eigenthümliches Product mitzurech-
nen sind.
3. GewalzteFeineisen. Die Nothwendigkeit und Wich-
tigkeit dieses Materiales, das im Inlande wenig und mangelhaft
erzeugt wurde, nahm Anton Fischers Aufmerksamkeit schon
frühzeitig in Anspruch. Nach manchem Versuch erzielte er die
fabriksmässige Erzeugung im Jahre 1840 mit einer neuen Ein-
richtung aus Frankreich,^ wo dieser Fabrikszweig damals am höch-
sten stand. Die Feineisen-Sorten wurden bis in die neueste Zeit
in St Egyd erzeugt, und das Walzwerk stand mit dem Draht-
werke daselbst in Verbindung. Oertliche Verhältnisse und na-
mentlich die Fürsorge, das Werk mit den neuesten Verbesserun-
gen in der Technik des Verfahrens auszustatten, bewogen den
Besitzer, dasselbe nach Aumühl bei Kindberg zu verlegen.
4. Drahtstifte. Das Verdienst, die Fabrikation dieses
jetzt sehr verbreiteten Artikels in Aufiiahme gebracht zu haben,
gebührt den Fischer'schen Werken insofern, als Anton Fischer
im Jahre 1839 der erste war, der eine Maschine zur Drahtstift-
Erzeugung aus Frankreich nach Oesterreich brachte, und der-
selben, wiewohl nach mancherlei Schwierigkeiten und Bedenken
die gebührende Anerkennung verschaffte.
5. Gärbstahl. Schon Jacob Fischer hatte die Wichtig-
keit dieses für die Fabrikation von Klingen und Feilen so we-
sentlichen Artikels erkannt, und er erzeugte ihn fabriksmässig
schon zu einer Zeit, wo die Stahlbereitung überhaupt noch auf
schwankem Grunde stand, in einer jede Concurrenz besei-
tigenden Vorzüglichkeit. Anton Fischer bewahrte den von sei-
nem Qrossvater überkommenen Ruf des Fabrikates, bis dasselbe
in der letzten Zeit wegen der hohen Bestehungskosten aufgelas-
sen und sein Bedarf durch den in seinem Werke erzeugten Guss-
stahl ersetzt wurde.
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6. Gewalzte Bleche. Auch dieser Artikel war schon
vom Vater des jetzigen Werkbesitzers begründet, und unter man-
cherlei Kämpfen gegen die Ungunst früherer Verhältnisse zur
Geltung gebracht worden. Anton Fischer hat die Fabrikation
durch einen grossen Aufbau in Furthof erweitert, und dem
neuen Blechwalzwerk die Verbesserungen der Neuzeit zukom-
men lassen.
7. Drahtseile. Dieses in Oesterreich neue Fabrikat kam
überhaupt erst zu der Zeit in Aufnahme, wo man bei der Stein-
kohlengewinnung seinen Gebrauch schätzen lernte, um die Kohle
aus den Schachten zu fördern.
Die Fischer'schen Werke liefern dasselbe seit 1845, und
haben somit dem Bedarf in Oesterreich gewissermassen vorge-
baut, der sich hier nur allmählich und nach dem Mass der Er-
kenntniss seiner Wichtigkeit Bahn brach, während dieses Er-
zeugniss im Auslande schon lang die verdiente Würdigung fand.
Nachdem wir nun des Unternehmens gedacht, das St. Egyd
zu einem in der iYidustriellen Welt gut klingenden Namen ver-
half, wird es sich der Mühe lohnen, den Ort auch topographisch
näher in's Auge zu fassen.
St. Egyd (oder St. Gilgen) am Neuwalde (nach
Littrow, Beiträge zur Landeskunde, 1832, unter 33° 13' 7" öst-
licher Länge von Ferro und 47° 51' 2 '^ nördlicher Breite) wird in
Weiskerns Topographie (1773) als „ein Pfarrdorf mit einer
k. k. Filialmauth" bezeichnet, welches letztere offenbar falsch
ist, da sich in den Gedenkbüchern der ehemaligen Herrschaft
Hohenberg bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinauf keine
Spur von einer Maüth findet
Jetzt gilt St. Egyd für einen Markt. Aber es liegt nichts
vor, was auf die Ertheilung des Marktrechtes schliessen Hesse.
Wenn der Umstand, dass die Bewohner in den altern Tauf-
büchern cives genannt werden, hier eine Berechtigung hat, so
mttsste das Marktrecht dem Orte schon im 17. Jahrhundert zu-
gestanden haben. Bei dem Abgang jeder urkundlichen Beglau-
bigung liegt es jedoch näher, die Bezeichnung Markt, wie bei
anderen Pfarrdörfern in der Umgebung z. B. Hohenberg, Schwar-
zau, Rohr^ im Laufe der Zeit aus der Gewohnheit herzuleiten,
dass die Bewohner am Kirchenort zum Gottesdienst zusammen-
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kamen und dort zugleich die Geschäfte abwickelten.
Die vorgenannten Orte heisaen jetzt auch Märkte, ohne ein förm-
liches Marktprivilegium zu besitzen, und dasselbe ist bei der
Mehrzahl der im Gebirge Nieder-Oesterreichs bestehenden Märkte
der Fall.
Die Seelenzahl der Gemeinde (mit Weissenbach, Mit-
terbach, Kehr und Unrechttraisen) wird nach der letzten
Conscription , die aber nicht mehr zutrifft, mit 2750 beziffert.
Heute kann man gut 3200 setzen. Sie vertheilen sich auf 111
grössere Realitäten (sogenannte Stammhäuser und Bauern-
güter) und 80 — 100 Kleinhäuser (mit so viel Grund, als zu
einem Garten oder zur Haltung einer Kuh erforderlich ist). Diese
Klleinhäuser entstanden durchweg seit dem Bestände der
Fischerschen Werke.
Zu den bedeutenden Realitäten im Markt gehört das zweite
Industriewerk, die Miller'sche Gussstahl-Fabrik. Sie wurde
durch Daniel Fischer begründet, der 1825 die Hackenschmiede
des Augustin Mittendorfer ankaufte, imd dort im Verein mit
Martin Miller einen von diesem neu construirten Ofen zur
Erzeugung von Gussstahl erbaute, der 1827 in Betrieb gesetzt
wurde.
Im Jahre 1832 ging die Untemehmimg, nachdem das Com-
pagnie-Geschält gelöst war, in Martin Millers alleinigen Besitz
über und wurde nach dessen Tode von seinen Söhnen Martin
und Lorenz fortgeführt. Die Fabrik steht im besten Betrieb
und ihre Erzeugnisse haben einen begründeten Ruf.
Der Haupterwerb der Bewohner beruht auf der Vieh-
zucht, auf der Holzgewinnung, die leider nicht durchwegs
nach forstlichen Prinzipien geübt wird, und auf der Tagarbeit
bei den Industriewerken. Ackerbau wird wenig betrie-
ben, da Boden und Klima ihm nicht günstig sind. Versuche mit
Obstcultur haben bisher fehlgeschlagen.
Die Pfarre ist jedenfalls sehr alt, doch kann die Zeit
ihrer Errichtung nicht festgestellt werden. Die kleinere Thurm-
glocke, deren Jahreszeichen A. D. XXXIH man mit 1033 deu-
tete, muss den Ruhm dieses hohen Alters leider abgeben, da im
eilften Jahrhunderte nie, wohl aber im 15. und 16. Jahrhundert
häufig das Tausendzeichen (M) weggelassen erscheint und sie dem-
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nach entweder aus dem Jahre 1433 oder 1533 herrührt. Eine
urkundliche Andeutung über den Bestand der Kirche in älterer
Zeit folgt weiter unten.
Die Pfarrkirche in ihrer jetzigen Form scheint zu Ende
des 17. Jahrhunderts hergestellt zu sein; doch trägt sie Spuren
eine's viel älteren Baues an sich. Im Pfarrhofe findet man am
Durchzugsbalken die Jahrzahl 1621 in's Holz eingebrannt Die
vorhandenen Tauf-, Sterbe- und Trauungsregister beginnen mit
dem Jahre 1647, nur eine Kirchenrechnung ist noch aus dem Jahre
1626 übrig, aus welcher oben constatiert wurde, dass auf dem
jetzt F i s c h e r'schen Hause schon damals ein Eisenhammer
bestanden habe. Das Sterberegister enthält (unter dem Jahre 1647)
eine schwer leserliche und von einem nachmaligen Dechant durch-
strichene Stelle, worin der Pfarrer erwähnt, der Verstorbene (der
-Name ist nicht zu entzifFem) habe bei der Vertreibung des
Pfarrers mitgewirkt und sei bis zu seinem Ende ein heimli-
cher Protestant gewesen. (Der Dechant schrieb darunter:
„De mortms nil nisi bene^)» — Die Kirche besitzt eine silberne
Kelch-Patene , auf deren Unterseite das Wappen der Jörg er
von Kreusbach in guter Arbeit des 16. Jahrhunderts zu sehen
ist. Das älteste Grabmal in der Kirche ist das des Pfarrers
Simon Lucas Krenn, der 1738 starb und in der von ihm er-
bauten Gruft begraben wurde.
Mit den vorstehenden Angaben lässt sich zur Geschichte
von St. Egyd Folgendes sagen:
Nach dem Aufhören der Magyareneinfälle im 10. Jahrhun-
dert, begannen die Culturbewegungen auch im Traisenthal imter
dem Einfluss deutscher Ansiedelung. An sie knüpft sich der Name
des Geschlechtes de Traisma (von der Traisen). Einem Enge 1-
dich de Traisma verleiht Kaiser 1 1 o HI. (Rom, 29. April 998)
ein Landgebiefc an der (untern) Traisen zwischen dem Tulner-
und Anzbach. (Der Zusatz in der Urkunde: ut Traismae clau-
suram habeat — ist gefälscht und hier nicht weiter zu beach-
ten). Das Geschlecht erweiterte allmählich seinen Besitz im Trai-
senthal aufwärts über den Rücken des Wienerwaldes ins Schwarza-
und Piestingthal bis Starhemberg und über die Umgebung
so wie auch an der Südseite der steirischen Grenzberge. Ein
Zweig desselben waren die Herren von Lengbach. Während
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die von Traisen um die Mitte des 12. Jahrhunderts im Manns-
stamm erloschen, starb der letzte von Lengbach, Otto V. als
Domvogt von Regensburg am 21. October 1235 („occisus^).
Trotz der spärlichen Andeutungen lässt sich mit Wahrscheinlich-
keit annehmen, dass das reichbegüterte Geschlecht reichsunmit-
telbar war und weder mit den Babenbergern , noch mit den
traunganischen Markgrafen in einem Lehensverband gestanden
habe.
Um die Mitte des 1 3. Jahrhunderts erscheint an der obern Traisen
das Geschlecht der von Hohenberg begütert und zwar urkund-
lich erst nach dem Aussterben der Babenb erger, da der
Ulricus de Hohenberg in der Babenbergischen Urkunde (vom
1. Juli 1236) ein gefälschter Ulricus deHintperg ist. (Vergl.
Meiller, die Herren von Hintberg, Seite 16 und Rechenmacher im
Archivfür 1867). Ueber den Ursprung dieses Geschlechtes so wie über
seine frühesten Schicksale an der Traisen sind die Acten noch nicht
geschlossen, wiewohl dasselbe von Caroline Pichler unter
der Aegyde des Historikers (?) Hormayr in einem dickleibigen
Roman illustrirt wurde imd Schweighardt (Darstellung des
Erzherzogthums Oesterreich u. d. Ens, Band 6, Seite 210 u. s.w.)
nach Angaben der Herrschaft über den Gründer der
Stammburg Hohenberg im 11. Jahrhundert zu erzählen weiss,
und die Besitzer und Träger des Namens von da ab bis zu deren
Aussterben (1529) ununterbrochen fortführt Jedenfalls knüpft
sich an das Geschlecht der Hohenberge die älteste Kunde von
der Kirche zu St. Egyd am Neuwalde. Der Lonsdorfer Co- "
dex enthält nämlich im Verzeichnis der Pfarren der Passauer DIö-
cese aus der Zeit Bischofs Otto von Lonsdorf (1254—1265)
folgende Stelle: „Ziem ecclesiam in Tretsim (die Pfarrkirche zu
Lilienfeld) confert ille de Hohenberchj quam habet ab ecclesta
Patauiensiy qui etiam una cum dnce habet fundum ab ecclesta
in feodo et decimas ibidem. In eadem etiam parochia situm est
daustrum in Lilenuelde. Item ecclesiam apud novam syluaiu
confert Dietricus de Hohenberch et fundus est episcopi^ et decimi
ibidem j usque ad fines Styrie* Item ecclesia in Schwarzach etc}^
(Monum. Boica XXVIII, p, 2, pag. 481). Hier kann unter der
ecclesia ad nouam syluam ivohl keine andere gemeint sein, als
die Kirche im heutigen St. Egyd am Neu walde, welcher Neu-
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wald (noch jetzt im Volksmunde) die Grenze gegen Steiermark
bildet und zunächst auch an Schwarzau grenzt.
Im Besitz der Hohenberge blieb St. Egyd bis zum Jahre
1529, wo mit Erasmus von Hohenberg der Mannsstamm
des Geschlechtes erlosch. Durch seine Tochter Anna kam Ho-
henberg mit Egyd (1552) an Wilhelm den jungem von Rog-
gendorf, nach diesem durch Kauf um 1580 an die Freiherren
von Jörger zu Kreusbach (bei LilienfeldX
Es wird kaum verfehlt sein, anzunehmen, dass diese Zeit
für die Bewohner des abgeschiedenen Gebirgsthales die beweg-
teste war. Luthers Lehre hatte in Oesterreich Eingang gefunden
und die Jörger waren die eifrigsten Anhänger und Förderer der
neuen Lehre. Dem Beispiele auf ihren Gütern folgten die gleich-
gesinnten Standesgenossen mit Verdrängung der katholischen
Pfarrer und Umwandlung des Gottesdienstes, wozu noch der
Umstand kam. dass die Jiirs^er ])ei ihrer engen Verbindung mit
dem protestantischen Deutschland in der Lage waren, Praedikan-
ten auf dem kürzesten Wege herbeizuschaffen. Auch in St. Egyd
wurd^, wie aus dem oben angeführten Sterberegister hervorgeht,
der Pfarrer vertrieben und evangelischer Gottesdienst eingerich-
tet. Ob die Kelchpatene mit dem Jörge r'schen Wappen
noch aus der katholischen Zeit herrührt, oder als Ueberbleibsel
eines Kelches zu betrachten sei, den die Familie Jörger dem
Gottesdienste nach der „neuen Lehre" gewidmet, kann bei dem
Mangel jeder weiteren Angabe nicht entschieden werden. Die
letztere VermUthung lässt sich um so weniger ausschliessen , als
bekanntlich der Laienkelch eine wesentliche Fo^-dorung der Neu-
gläubigen und der Gebrauch desselben in den ro^«rmirten Ort-
«chaften so populär geworden war, dass man später, als seitens
der katholischen Macht die sogenannte „Geg(?nroformation" er-
folgte, auf die Kelche der Protestanten ein besonderes Augen-
merk warf. Die ßeformations-Commissäre wurden instructions-
mässig verpflichtet, nach den Kelchen zu fahnden und vor allem
diese wegzuschaffen.
Die Jörger verloren ihren Bosltz; durch die Folgen ihrer
poHtischen Haltung. Helmhardt Jörger hatte sich der extrem-
sten Partei der österrcicliischen Stände angeschlossen und war
unter jenen, die (IL Juni 1619j den Kaiser Ferdinand 11. in
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323
der Hofburg bedrängten. Seine Güter wurden eonfiscirt Kreus-
bach kam an den Abt (Ignaz Kraft) von Lilienfeld, Hohenberg
mit St. E g y d an den Hofkammer-Präsidenten Hans Baltassar
von Hojos, Freiherm von Guttenstein und Stüchsenstein , 'und
zwar theils durch Kauf, theils als Lehen. Die diesfälligen Ver-
handlungen wurden 1617 begonnen und gelangten 1625 zum
Abschluss.
So wie der Abt Ignaz Kraft auf den Jörger'schen Gütern
Kreusbach, Araberg, Bergau, liess sich auch Ha^ns Baltassar
von Hojos, der 1628 von Kaiser Ferdinand IL in den Gra-
fenstand erhoben wurde, in Hohenberg und St. Egyd die
Gegenreformation besonders anliegen. In Egyd scheint die Wie-
dereinsetzung des katholischen Pfarrers 1625 oder 1626 erfolgt
zu sein, da aus dem letzteren Jahr eine Kirchenrechnung vor-
liegt und vor dem erstem Hojos noch nicht im factischen Besitz
war. Der Abgang älterer Kirchendocumente findet wohl in der
Aufregung der dabei zunächst Betheiligten eine ungezwungene
Erklärung; sie wurden, als man den katholischen Pfarrer ver-
trieb, von diesem bei Seite geschafft, und der protestantische
that, als ihm ein gleiches Schicksal widerfuhr, desgleichen.
Die gräflich Hojos'sche Familie blieb im Besitz von Hohen-
berg mit St. Egyd bis auf unsere Tage.
21
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Die Tirna.
Historisch-diDlomalische Skizze
Ernst Edlen von Franzenshuld.
(Mit 8 Holzschnitten.)
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Jüer Name dieses alten, reichen, in Niederösterreich ange-
sessenen und um Wien verdienten ritterlichen Geschlechtes wird
in den Quellen sehr verschieden geschrieben und kommt in den
Formen Tymavia, Tyma, Tirna, Tierna, Tirnach, Tirnaw, Türna,
Tüema und Tümach vor.
Woher die Familie denselben geschöpft, und wo sie sich
ursprünglich aufgehalten, darüber herrschen verschiedene An-
sichten.
Lazius *) sagt, er wisse nicht, ob sie den Namen von der
Stadt Tirnav (Tirnau) in Ungarn, oder von einem Gut Tirna
nächst Gars in Nieder-Oesterreich angenommen habe. Hanthaler *)
hält es dagegen für gewiss, dass der Name nicht von der unga-
rischen Stadt, sondern von einem der beiden Landsitze, welche
das obere und untere Türna hiessen, herrühre. Dessgleichen be-
hauptet Bermann*), dass die Tirna ihren Stammsitz im heutigen
Thiernau bei Drosendorf im V. O. M. B., dicht an der mähri-
schen Grenze hatten, wo ihre Burg nun bereits vei'fallen ist. —
Ihr österreichischer Ursprung kann als sicher angenommen wer-
den, indem gar keine Andeutungen einer fremden Herkunft vor-
liegen, und viele gleichzeitige Geschlechter sich nach ihren Gü-
tern und Heimatsorten nannten.
Die Tirna kamen im Laufe des XIH. Jahrhunderts nach
Wien ; Perger *) glaubt zu Zeiten des Königs Ottokar von Böhmen,
*) Dr. Wolffgang Lazius, historische Beschreibung der weltbe-
rühmten kaiserlichen Hauptstadt Wien in Oesterreich etc. In's Deutsche über-
setzt durch M. Heinricum Abermann. Wienn, 1619, IV. Buch, pag. 7 u. 8.
•) P. Chrysostomus Hanthaler, Recensus Diplomatico Genealogicus
Ärehivii Campililienais etc^ Vi&nnae, 1820, Tomua Il.y pag, 286.
®) Moritz Bermann, Geschichte der Wiener Stadt und Vorstädte.
Wien, 18G6, pag. 110.
*) Anton Ritter von Perger, der Dom zu Sanct Stephan in Wien.
Tricst, 1854, pag. 63.
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328
was jedenfalls die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ihre
Blüte umfasst die zweite Hälfte des XIIL, das XIV. und XV.
Jahrhundert
Ausser etwa der erwähnten Stammburg besassen die Tima
die Herrschaften und Vesten Ebreichsdorf, Enzersdorf a. d.
Fischa, Falkenstein, Ludweigs, Mannsdorf, Schrannabaten, Sieden-
dorf, den Werd an der Donau bei Wien, ferner Grund und Bo-
den in Matzleinsdorf, dann in der Stadt selbst den grossen Fe-
derlhof am Lugeck (alt Nr. 768, neu Nr. 3), damals „des von
Tirna Haus" sonst auch „unter den Fleischpenkhen" genannt,
welcher nachher Eigenthum der von Edlasberg wurde, das Prag-
haus am Kienmarkt, das Haus zum Strobelkopf in der Strobel-
gasse (alt Nr. 866), die Hälfte des Mariazellerhofes in der Johan-
nisgasse, ein Haus auf dem alten Kohlmarkt und ein halbes Haus
in der Herrengasse (alt Nr. 25). Bezüglich dieses letzteren nennt
sie Schimmer*) neben vielen anderen, früheren und späteren
Besitzern, zwischen den Jahren 1595 und 1686, was wohl un-
richtig ist, da das Geschlecht noch im XV. Jahrhundert erlosch.
Es versteht sich, dass dies alles nicht auf einmal und in einer
Hand vereinigt war.
Der erste, quellenmässig nachweisbare Ahnherr dieses Hau-
ses dürfte der bei Hueber *) in einer Urkunde vom Jahre 1256
angeführte Wichardus de Tyerna sein.
Dieser erscheint nämlich als Zeuge in einem Document,
durch welches König Ottokar das Kloster Melk in vielen Din-
gen eximirt, d. d. Wien 1256, 4. Idus Decembris.
Femer findet sich in den Zwettler Annalen*), dass die
Herrin Wilfhildis, hinterlassene Wittib des Herrn Wickar-
dus von Tyma (wahrscheinlich der obige) dem Kloster Geras
den Meierhof zu Mezeleinslag mit dem dabeiliegenden Mühlen-
grund geschenkt habe; Zeugen sind Walther von Tyma
und sein Bruder Wernhard; dann Dietrich und Wern-
hard, Gebrüder von Tirna, Söhne des Hugo; und
*) Carl August Schimmer: Ausführliche Häuserchronik der inneren
Stadt Wien etc. Wien, 1849, pag. 17.
*) PhilibertusHueber, Austria ex arckivis Mellicmsihua UlmtrcUa etc.
Lipaiae, 1722, pog. 24, Nr, 6,
') Link, Annales Clarevallis Auatriac, vnlgo Zwetly I. Bd. pag. 375.
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329
Wolfhart und Walther, Söhne des Walther von Tyr-
n a. Dann aber kaufte sie jenes Gut vom Kloster Geras wieder
zurück, und schenkte es an Zwettl, anno 1265; dabei sind als
Zeugen Wemhard, Sohn des Oheims (also Vetter) des Wichard
von Tyma, und desgleichen Walther Ritter von Tyrna.
Dann erscheint Wemhard vonTirna*) als Zeuge in einer
Schenkung der Herren von Seveld und Veldsperch, d. d. Wien,
29. März 1260; und abermals in einem Verkaufsbriefe des Wi-
chard von Peugen, d. d. Krems, 1. Juli 1268.
Ein Ulrich von Tirna, seine Gemalin Bertha und
seine Schwestern Adelheid und Elisabeth werden von meh-
reren Autoren als um 1326 in Wien lebend angegeben, und
ihnen, jedoch irrigerweise, die Gründung der Timakapelle bei
St Stephan um jene Zeit zugeschrieben. Hievon wird weiter
unten die Rede sein.
Eine Urkunde, in welcher der Tirna ^) blos gedacht wird,
ist jene des Wiener Bürgers Marchard Jan, d. d. Wien, 29. Juni
1334, wo es heisst:
„— Auff Meinhartes Haus des Prvnner an dem Ho -
henmarchte ze wienne ze naechst des Tyerna Haus. — "
Offenbar ist mit diesem Hause kein anderes gemeint, als
jenes, das an der Stelle des grossen Federlhofes stand; dem-
nach fallen auch die verschiedenen Angaben über eine Behau-
sung dieses Geschlechtes am Lugeck und am Hohen Markt in
eins zusammen.
Bald darauf sehen wir die Tirna als Besitzer des Werd an
der Donau, der früher dem mächtigen Ritter und Wiener Bürger
Otto Haymo von Neuburg gehörte. Der Werd — die heutige^
Leopoldstadt — fiel nämlich laut Vertrag, nach Ottenhaims Ab-
leben an die Herzoge Albrecht und Otto, welche das Territorium
am 1. Mai 1337 um 600 dl. den Wiener Bürgern gegen Wieder-
einlösung versetzten. Einige der reichen Bürger aber und Ritter
Tirna gaben dem ßath die Ablösungssumme, und brachten den
*) Hanthaler, a. a. O.
*} Hormayr, AVien's Geschichte uud seine Denkwürdigkeiten. 2. Titel:
Wien, seine Geschicke und seine Denkwürdigkeiten. Wien, 1823, Urkunde
Nr, 299.
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330
Werd an sich. Später verkauften ihn die Tirna wieder an den
„gewaltigen Hofmeister" Hans von Liechtenstein-Nikolsburg.
Diann finden wir um das Jahr 1346 einen Johann von
Tirna (nach Laz und Tschischka *) als Stadtrichter, welcher
jedoch von Freih. v. Hormayr „Jakob" genannt wird.
Anno 1348 — 49 war Friedrich von Tirna Bürger-
meister von Wien'). Derselbe war anno 1354 mit einer Mar-
garet ha vermalt und hatte eine Tochter Mechtild.
Hans von Tirna, der bekannteste seines Q-eschlechtes,
möglicherweise identisch mit dem Stadtrichter war von 1358 —
1370*), nicht wie hie und da vorkommt von 1356 — 1373 Münz-
meister, und Mader spricht die Ansicht aus, dass die Buchstaben
H. T. rechts und links vom Wiener-Stadtwappen auf einer häu-
fig vorkommenden alten Wiener Münze *) sich auf ihn beziehen.
Allein Hanthaler *) ist nicht dieser Meinung, da er das H. T. für
ein A. T. von alter Form erklärt, und die so bezeichneten Pfen-
nige von sehr verschiedenem Alter sind.
Dass dieser Tirna sich des besonderen Vertrauens seines
Herzogs, Rudolf des Stifters erfreute, ersehen wir aus folgendem
Umstand :
Als der Herzog für seine in der Burg oder in dem Thurm
neben dem Widmerthore gestiftete Kapelle wegen Abhaltung des
Gottesdienstes eine Verordnung ®) erliess, d. d. Wien, am Montag
nach St. Egyditag, 1357, enipfahl er die Obsorge hierüber dem
Pfarrer von St. Stephan, Leopold von Sachsengang und „dem
Hannsen von Timach, Burger allhier". Zugleich geht hieraus
hervor, dass dieser in jenem Jahr noch nicht Münzmeister war,
da er sonst sicher als solcher ausdrücklich in der Urkunde auf-
geführt wäre.
*) Tschischka, Geschichte der Stadt Wien. Stuttgart, 1847, pag. 272.
•) Nach Tschischka. Hormayr nennt ihn zugleich mit Dietrich
Flussfaart von 1348 — 1353, was ungenau ist.
*) Nach Hu eher, a. a. O.
*) Vide auch Hormayr a. ä. O. 3. Bd. Münztafel Nr. 18.
*) P. Chrysostomus Hanthaler: Verzeichnung bisher bekannten Alt-
und Neuer Merkwürdiger Wienerischer Schau-, Denk- und Laufmüntzen. Lintz,
1745, pag. 15.
•) Joseph Ogesser, Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Ste-
phan in Wien. Wien, 1779, pag. 164.
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331
Hingegen stellt Jans von Tirnach, Hubmeister *) und Münz-
meister schon d. d. Wien 1358, „des nechsten Montags an Sanct
Agnes Tag" eine Urkunde aus, durch welche das Kloster Melk
3 Weingärten in „Prun" unter gewissen Bedingungen vom Zehn«
ten befreit.
Anno 1362 — 63 war derselbe Tirna Bürgermeister von
Wien *). Es existirt eine Stiftungsurkunde *), durch welche Niclas
der Dratlauf der Kirche zu Maria Stiegen für eine ewige Messe
Weingärten zu Beitensee und Grundzinse übergibt, und welche
Hans von Tirna , Bürgermeister und Münzmeister als erster
Zeuge fertigt. Demnach Mit das Datum des Briefes in die Jahre
1362 — 63. Bei der unter Herzog Rudolf IV. erlassenen Fleisch-
hacker-Ordnung für die Stadt Wien *) , durch welche audi die
Aufhebung der Zechen und Innungen der geschlossenen Hand-
werke erneuert wird — fertigt unser „Jans von Tirna" als
Hubmeister in Oesterreich neben einer Unzahl von Fürsten,
Grafen und Ritter, d. d. Feldlager bei Ried, 28. August 1364.
„Joannes de Tyrnavia Magister Gubarum" zeichnet und
siegelt neben vielen Herren und Baronen die Urkunde, durch
welche Rudolf IV. die Universität zu Wien ins Leben ruft. d. d.
12. März 1365.
Hans von Tirna, Münzmeister ist Zeuge in einer Urkunde,
dur^h welche Herzog Albrecht III. mit dem Zopf den Wiener
Bürgern zwei Jahre Steuerfreiheit gewährt, d. d. Wien, 25. No-
vember 1365.
Anno 1367 am Prechentag (Lichtmessen) stifteten *) Sighart
der Grueber nebst seiner Hausfrau Agnes und Herr Hanns von
Tirna, Gubmeister in Oesterreich zur Kapelle des Schlosses Luf-
tenberg in Ober-Oesterreich für eine ewige Messe zwei Güter,
behielten sich aber 4 Hühner zum Vogtdienste vor.
') Hueber, a. a. O., pag. 83, no. 6.
*) Nach Tschiflchka. Hormayr nennt ihn in' dieser Würde zu-
gleich mit Hannold Schttchler.
*) Hormayr, a. a. O. II. Jahrgang, 2. Bd., 1. Heft, pag. 61.
*) Hormayr, a. a. O. Urkunde Nr. 146.
•) Johann Georg Adam Freiherr von Hoheneck, die Löbliche
Herren Herren Stände deas Erz-Hertzogthumb Oesterreich ob der Ennss. Passau,
1732, II. Bd., pag. 449.
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332
Die beiden Häuser Tir na und Grueber waren mitsam-
men verschwägert, Hans von Tirna hatte Agnes Grueber*),
Tochter des obenerwähnten Sighart zur Gemalln; auch wai; zu
Anfang des XV. Jahrhunderts eine Barbar avon Tirna ver-
malt mit Andreas Grueber zu Lufftenberg *).
Im Jahre 1370 wurden neben anderen Herrn Jansen von
Tierna, Hub- und Münzmeister des Herzogs Albrecht von Oester-
reich, zur Tilgung der herzoglichen Schulden (der H. Albrecht
und Leopold) -— alle Land- und Herrschaften auf ein Jahr
übergeben.
Nach einem kurzen Intervalle von 2 Jahren sehen wir
diesen wackern Mann neuerdings an der Spitze der Hausgenossen
(Münzer) von 1373 — 89 als Münzmeister.
Auch aus diesem Decennium ist uns eine Urkunde ') erhalten
in welcher Herr Jans von Tyrna als Zeuge siegelt, nämlich der
Brief, durch welchen der Jude Hätschel von Herzogenburg
Wernhart dem Truchsessen von Reichersdorf die Zehenten zu
Talern, Demperg und Pansee verkauft, d. d. Montag vor Sanct
Jakob, 1376.
Im nämlichen Jahre erhielt Hans von Tirna,
welcher auch die Veste Enzersdorf a. d. Fischa erbaute, einen
Ritterbrief, welcher sich angeblich im Archiv der n. ö. Stände
befinden soll. (?)
Endlich existirt eine Urkunde d. d. Wien, 1385, ausgefer-
tigt von Hans von Tozenbach und seinem Enkel Moriz von To'
zenbach ; das Kloster Melk *) hatte dieser Familie die Wiese, ge-
nannt Paumgartnerin, zu Erbpacht verliehen; diesen Brief feiiiigt
und siegelt als Zeuge Herr Hans von Tyrna.
Aus diesem Schriftstück ersehen wir, dass dieser Tyrna
eine von Tozenbach zur Gemalin hatte; da ihn aber der Gross-
vater Hans von Tozenbach Eidam — „Ayden" — der Enkel
*) Franz Carl Wiss grill, Schauplatz des landsässigen nieder-öster-
reich'sclien Adels vom Herren- und Ritterstande. Wien, 1797, III. Band,
pag. 409 f.
•) Hohen eck, a. a. O. IL, pag. 603 u. f.
') J. E. Schlager, Wiener Skizzen aus dem Mittelalter. Wien, 1836,
2. Bd., pag. 181 n. f.
*) Hu eher, a. a. O., pag. 91, no. 35 u. tab. 19, Nr. 21.
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333
IMoriz V. T. hingegen Schwager nennt, so ist nicht ganz klar, ob
er eine Muhrae oder eine Schwester des letzteren geheira-
tet hatte.
Möglicherweise ist nun dieser Tima der Ritterstandser Wer-
ber, welcher (in erster Ehe) mit Agnes Grueber zu Luflftenberg
vermalt war; wo nicht, so könnte es nur der weiter unten er-
wähnte Münzmeister Hans von Tima sein, welcher anno 1397
vorkommt, und wären dann diese, gleiche
Namen und Würden tragenden Männer, zwei
verschiedene Personen.
Sein Siegel enthält auf damascirtem '
Grund nur das Oberwappen: einen linksge- ,
wendeten Kübelhelm mit abfliegender Decke ;
als Kleinod einen Flügel mit dem Balken,
darüber zwei auswärts gekehrte Monde.
Umschrift: 5. 3ol)ttllttt0 bc Jtertttt. (Fig. 1.) ^^^' ^^
In den 80er Jahren des XIV, Jahrhunderts erlitt das Ge-
schlecht der Tima mehrere schwere Schicksalsschläge ?). In jener
fehdeliebenden Zeit, und zwar etwa um 1380 geschah es, dass
böhmische Edelleute einige vornehme Wiener, und unter ihnen
zwei Junker Tirna niederwarfen imd nach Prag schleppten;
letztere wurden hierauf von einer Veste zur andern gebracht,
und dort gefangen gehalten, schliesslich nur gegen das Gelübde
grossen Lösegeldes entlassen. Bei ihrer Heimkehr liess sie der
Herzog von Oesterreich wieder greifen, und auf die Stromveste
Kreuzenstein gefangen setzen, und zwar nur deshalb, um sie zu
verhindern, das viele Lösegeld ausser Landes zu schicken. In
Folge dieser neuen gänzlich unerwarteten Haft wurde der eine
der beiden jungen Männer wahnsinnig, worauf man doch den
andern freiliess.
Noch zwei besondere Unglücksfälle aus jenen Tagen sind
zu verzeichnen. Einen Tirna, Vater einer zahlreichen Familie
traf, da er eben von Maria Stiegen nach dem Kienmarkte heim-
kehrte, auf der Gasse der Schlag; und ein anderer Paul von
Tirna, der durch eine reiche Heirat seinem Hause neuen Glanz
') Hormayr, a. a. O., 3. Bd., 3. Heft., pag. 36 u. Realis, Curios.- u.
Memorab.-Ler:, 11. Bd., pa^. 118.
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334
verschafft hatte, wurde durch eine Leiter im Thurm zu St. Ste-
fan erschlagen.
„Dieses traurige Ereigniss" sagt Herr von Perger *) war
vermuthlich die Ursache der später erfolgenden Errichtung der
Tima'schen Kapelle". Anno 1391 wird ein Maler Jakob von
Tyrna erwähnt*), welcher ein Haus am alten Kohlmarkt
besass.
Und im nämlichen Jahre verkaufte Friedrich von
Tirna") der Stadt Wien seine Häuser, Baumgärten, Klaubhöfe
und Teichstätten vor dem Werderthor, unter den Fischern und
Lederem, und unter den Segnern im oberen Gries.
Ueber die Tirna in den 90er Jahren des XIV. Säculums
gibt auch das Wiener Hoffrohnbuch (d. a. 1370) durch seine
Aufzeichnungen mannigfachen Aufschluss.
So heisst es dort zum Jahre 1393:
„Reindel von Fryesing front Hrn. Rudolphen vonTyrna
die vest Eberstorff*).
„Frohnen" bedeutet hier soviel als mit Gerichtszwang be-
legen. Und weiter im selben Jahre ^) : „Der Jurist Meister Conrad
frohnt im Namen Raimunds des Schottenabtes und des ganzen
Conventes Hm. Rudolf Tyrna seine Veste Ebereichstorff."
Anno 1394 *) : „H^ans von Stayna frohnt Hrn. Friedrich von
Tyrna die Veste Sydendorf "
Im selben Jahre: „Hans der Eudolffoher frohnt dem Lud-
wig von Tyrna die Veste Ludweigs.'*
Aus einer Urkunde des Melker -Stiftes '') d. d. 1394 ergibt
sich, dass Rudolf von Tyrna dem Ulrich von Waise einen Zehn-
ten zu „Ebrechtsdorff^ verkaufte.
Anno 1395 (bei Schlager irrig 1393)®): „Friedrich von
') P erger, a. a. O., pag. 11.
^) Berichte und Mittheilungen des Alterthiims- Vereines
zu Wien. III. Bd., pag. 249. Jos. Feil: Wien's ältere Kunst- und Gewerbs-
ihätigkeit.
*) Hormayr, a. a. O., IL Jahrgang, 1. Bd., 1. Heft, pag. 153.
*) Schlager, a. a. O., 2. Bd., pag. 103.
*) Loco citato, pag. 104.
•) L. c, pag. 106.
'') Hueber, a. a. O., pag. 94, no. 12.
®) Schlager, a. a. O., pag. 112.
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Kranichsberg frohnt dem Rudolf von Tyrna die Veste enzedorf
auf der Vischa".
Dasselbe thut er dem Ludwig von Tirna.
Rudolf von Tyrna seinerseits frohnt wieder Niqlas dem
Pillunger von sand Gilgenberg seine Vesten zu sanet Gilgenberg
zu dem Wasen und zu Chadown.
Und eben anno 1395 frohnt er auch dem Leslein dem He-
ring die Veste Walcheskirchen *).
Ueber das nächste Jahr schweigt das Hofirohnbuch. Dafür
finden wir bei Hueber') eine Urkunde d. d. Wien 1396, durch
welche ,,Ruedolff von Tierna und Ludweig von Tiemau sein Bru-
der*^ ihre Zehnten in GunderstoriBF dem Heinrich von Sparpacli
mit Genehmigung des Melker Abtes verkaufen.
Anno 1397 *) frohnt Ulrich der Flekch dem Rudotf von
Tyrna sein Haus zu Wien „unter den Fleischtischen'^. Mit diesem
Gläubiger scheint die Sache aber noch im nämlichen Jahre begli-
chen worden zu sein. Wenigstens lesen wir *) :
„H. Rudolph von Tyrna hat seinen Richtern aufgezaigt
Ulreich den Flekch payde Hertzogen, vmb seine Geltschuld.*'
Vom selben Jahre hören wir, dass die Klage zwischen Phi-
lipp dem Hasenheimer und Rudolf von Tyrna aufgeschoben ist
— offenbar war diese Angelegenheit auch finanzieller Natur —
und von Herzog Albrecht oder einem von diesem abgeordneten
Richter entschieden werden soll.
Noch immer anno 1397 *) frohnt Ulrich von Dachsperg,
Landmarschall in Oesterreich den Herren Rudolf und Ludwig
von Tyrna die Veste Schrannabaten.
Und Rudolf von Tyrna frohnt dafür Niclas dem Eybenstei-
ner seine Veste Eybenstein, und Jöstlein dem Rachendorffer die
Veste Chrozz.
Soviel aus dem Hoffrohnbuch. Aber aus dem Jahre 1397
findet sich auch die Angabe ^), dass Herzog Wilhelm vom Münz-
') L. c, pag. 113.
•) H ueber, a. a. O., pag. 94, no. 16.
») L. c, pag. 122.
*) L. c, pag. 123.
*) L. c, pag. 124—25.
*) Hormayr, a. a. O., II. Jahrgang, 2. Bd., 1. Heft, pag. Cl.
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336
meister Hanns von Tima das Praghaus nächst St Ruprecht am
Kienmarkt, mit dem Setzstock erkauft habe. Wenn dies Datum
richtig, imd dieser Tima derselbe wie der oben genannte ist, so
muss er jedenfalls ein hohes Alter erreicht haben.
Es scheint aus all* dem hervorzugehen, dass dieses Ge-
schlecht gegen Ende des XIV. Jahrhunderts wiederholt in be-
deutende Schulden gerieth, und zwar einestheils wegen ausstehen-
der und schwer einzutreibender Guthaben, anderestheils aber
vielleicht auch wegen kostspieliger kirchlicher Stiftungen, welche
die Familie eben zu jener Zeit machte.
Vom Schlüsse dieses Säculums ist noch ein Brief zu be-
merken, durch welchen Anna, die Hausfrau des Jörgen Fläming
dem Vorsteher des Klosters Melk *) ein Haus in Melk verkauft,
imd wo der „Erbare Ludweig von Tümau" zeigt, d. d. 1400 an
St Luciatag.
Ueber die Erbauung der Timakapelle bei St Stefan links
vom Haupteingange, auch Siebenbürger, Eugen- und Kreuzka-
pelle genannt, haben sich bis auf die neueste Zeit sehr abwei-
chende Meinungen geltend gemacht. Lazius sagt, ein Ulrich von
Tima habe sie mit seiner Gemalin Bertha und seinen Schwestern
Adelheid und Elisabeth anno 1326 erbaut Dem schliesst sich
such Ogesser*) an. Hormayr nennt den Mtinzmeister Hans von
Tirna als Gründer. Tschischka aber glaubt, dass die Timakapelle
anno 1326 schon erbaut gewesen sei') — „also schon 33 Jahre
früher, als Rudolf IV. den Grundstein zu dem Neubau des
St. Stefansmtinsters legte; es stimmt aber weder mit den Urkun-
den noch mit der Bauweise dieser Kapelle."
Die richtige Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung
der Timakapelle schulden wir Herrn von Perger*), welcher sich
dahin ausspricht:
„Diese Kapelle erhielt um 1394 ihre spätere Geätalt, welche
sie den Brüdern Rudolph und Ludwig von Tirna verdankte, die
') Hneber, a. s. O., pag. 95. no. 3.
*) Ogesser, a. a. O., pag. 26.
•) Jos. Feil, in teinen „Belegen" zu R. v. Perger's Dom zu St. Ste-
phan, Nr. 159.
•) Perger, a. a. O., pag. 62.
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ausdrücklich als Stifter derselben genannt werden, und deshalb
an den drei Aussenpfeilem ihre Wappen anbrachten. **
Dazu gibt wieder Feil *) ein Citat aus dem Wiener-Buch
der Käufe, D. fol. 246:
„Rudolph vnd Ludwig gebrüder von Tyma habent gemacht
vnd gegeben zu zwayn messen In ir Kapellen dacz sand Stephan
ze wienn In den em des heiligen herrn sand Morant gestiffifc
haben. — actum 1403."
üebrigens haben auch frühere Tirna St. Stefan mit from-
men Stiftungen bedacht So heisst es in einem Auszug *) aus dem
Codex des Schottenklosters über die Dekanate und Archidiako-
nate des Bisthums Lorch oder Passau d. a. 1476 — dass ein
Tirna die missa regis Friderici*) zu St. Stefan, und ein Tür na
die missa Stephan glaser ebendort angeordnet haben. Die Bezeich- •
nung „Timakapelle" hat sich noch eine Weile nach dem Aus-
sterben der Familie in Gebrauch erhalten, wie wir aus der Ord-
nung der Gottsleichnamsbruderschaft zu Wien*) d. a. 1505 ent-
nehmen, wo angeführt ist, dass zum Schluss der, durch diese
fromme Gesellschaft veranstalteten Spiele Christus vom Kreuz
genommen, und „in des von Tirnaw Capelle" getragen wurde.
Noch ein anderes Gotteshaus wurde von jenen beiden frommen
Brüdern ins Leben gerufen. Ludwig und Rudolf Ritter von Tirna
und des Letzteren Gemalin Anna bauten nämlich laut dem dom-
pröbstlichen Archiv, anno 1395 in ihrem Hof zu Matzleinsdorf
eine Kapelle zu Ehren des heiligen Florian, und machten sich
verbindlich, dem Probste bei St. Stefan jährlich 1 Pfd. dl. zu ge-
ben, wenn der Kaplan nebst Messelesen und Wasserweihen noch
eine andere pfarrliche Vemchtung vornehmen würde*).
Die Worte: „Ich RudolfTvon Tyerna Ritter, und ich Ludweig
von Tyema Prüder für uns und alle unsere geschwestreyde — - — '^
') Belege, a. a. O., Nr. 158. — Vide auch Ogesser, a. a. O., pag. 13.
*) Horraayr, a. a. O., Urkunde Nr. 22.
•) Offenbar kann hierunter nur Friedrich der Schöne verstanden sein,
der 1330 starl».
*) Schlager, a. a. O., 3. Bd., pag. 296.
*) Ogesser, a. a. O., pag. 18 u. 14 und die vollständige Urkunde im
Anhang, jsag^. 105 u. f.
22
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mit welchen die betreffende Urkunde beginnt, beweisen übrigens,
dass sie noch andere Geschwister hatten.
Hieher gehört noch, dass das Kloster St. Nicola vor dem
Stubenthor Grundrechte auf die Fleischbänke der Tima besass *).
Jene beiden Brüder waren auch Eigenthümer des Hauses
zum Strobelkopf in der heutigen Strobelgasse (alt Nr. 866), ver-
wandelten es aber in eine Stiftung, über welche Bürgermeister
und Rath Lehensherren waren').
Ueber die Tirna des XV. Jahrhunderts sind die Angaben
schwankend, verworren und höchst lückenhaft. Dr. Wolfgang La-
zius sagt, auf Johannes und Friedrich von Tirna seien
Rudolf, Leopold, Georg und Conrad gefolgt.
Rudolf hinterliess eine Tochter Anna, welche durch Ver-
mittlung Bernhards Marschalk von Reichenau des Grossvaters,
und Eberhard's M. v. R. des Vaters dem Walther Mar-
schalk von Reichenau vermalt wurde. Einer ihrer Nachkom-
men war Joachim Marschalk, welcher anno 1546 noch lebte,
und dem von König Ferdinand I. wegen seiner Verwandtschaft
und Verdienste das Wappen der erloschenen Tirna verliehen ward
„zu vnseren Denckzeiten" wie Lazius- Abermann hinzusetzen.
Anno 1405 kommt ein Georg von Tirna vor, welcher laut
städtischem Grundbuch den vorderen Theil des Mariazellerhofes
in der Johannesgasse zu Wien besass').
Der alte Mariazellerhof (alt Nr. 984) soll nach Primisser*)
und Tschischka') durch Schenkung eines Stefan von Hohenberg
und eines Georg von Tirna anno 1482 an die Benediktiner
von Klein-Mariazell gekommen sein. Diese Angabe ist — inso-
fern sie einen Tirna nennt — unrichtig. Denn erstlich war die-
ses Geschlecht um 1482 höchst wahrscheinlich schon erloschen.
Dann besass damals laut Wiener Grundbuch ') Stefan von Hohen-
*) Primisser bei Hormayr, a. a. O., II, Jahrgang, 1. Bd., 3. Heft,
]>ag. 44.
•) Schimmer, a. a. O., pag. 161.
») L. c, pag. 189.
*) Primisser, die alten Kunstdenkmale Wiens, bei Hormayr, a. a. 0.,
:i. Jahrgang, 1. Bd,, 1. Heft, pag. 114 u. f.
*) Tschischka, a. a. O., pag. 245.
•) Schimmer, a. a. O., pag. 189.
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339
berg das ganze Haus, indem er den rückwärtigen Theil dessel-
ben seinem Halbbruder Jobann von Hohenberg abgelöst hatte.
Und endlich liefert jenes Wappen, auf welches man sich in der
Sache zu berufen gewöhnt war, gerade den schlagendsten Gegen-
beweis.
Es befindet sich nämlich rechts im Hofe des Gebäudes,
ober dem Eingang zum k. k. Hofkamm er- Archiv ein trefflich ge-
arbeitetes Steinbild, welches sich auf die Schenkung des Hauses
an das Kloster Klein- Mariazeil nächst Heiligenkreuz in Nieder-
Oesterreich, bezieht.
Die Sculptur stellt die h. Maria mit dem Kinde, unter
einem gothischen Baldachin sitzend, vor; zu beiden Seiten des
Thrones zeigen sich Mönche, Nonnen und Laien; zu seinen Stu-
fen, zur Rechten der h. Jungfrau kniet ein Mann, ihr das Modell
eines, aus zwei Trakten bestehenden Hauses darbietend; links
von ihr ein Abt mit einer Schrift in den Händen. Zu Beider
Füssen lehnt ein Wappenschild.
Was die Person des Ersteren anbelangt, so stimmen alle
Autoren überein, indem sie ihn als den Geber aus der Familie
von Hohenberg bezeichnen; auch sein Wappen, ein heraldischer
Panther, gehörnt und flammensprühend, ist ganz richtig erkannt
worden. Die Hohenberg führten '), als Abkömmlinge der steiri-
schen Herzoge, einen Panther von Silber in Schwarz.
In dem andern Knieenden wollten aber auch Alle sonderba-
rer Weise einen Tirna sehen, und blasonirten ohne Ausnahme
die Figur seines Schildes als „Schweinskopf". Diese Annahmen
enthalten nun drei Unrichtigkeiten.
Einmal ist dies, wie schon oben auseinandergesetzt, nicht
ein zweiter Schenker, sondern offenbar der damalige Abt von Klein-
Mariazell mit der Schenkungsurkunde in der Hand. Ferner enthält
das vollkommen deutlich gearbeitete Wappen keinen Schweins-
kopf sondern eine Flachs- oder Hanf breche (Fig. 2) wie sie am
Lande noch heute allgemein üblich ist, eine in der Heraldik selten
vorkommende Figur, welche unseres Wissens in Oesterreich nur
*) Laziiis, de Aliquot Gentium Migratlonihua, Baaileaey 1572fP,ag,245.
— Hanthalcr, Fasii Campilienses ^ tom. 11^ pars IL Titelkupfer. — Han-
thaler, Recensus etc. tom. Ily pag, 26 ff, tob, S4. — Wissgrill, a. a. O.,
IV. Bd., pag. :JS6 und 388. — Hueber, a. a. O., tab. 27, Nr. 13 u. 14.
22 *
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840
•zwei alte ganz und gar ver-
schollene niederösterreichische
Familien führten, nämlich die
Gottesfelder und Nesstaler *),
von denen noch Urkunden aus
dem XIV. Jahrhundert existi-
~ T! ren. Endlich drittens zeisH; das
(Flg. 2.) ° ,
Tima'sche Wappen wedereinen
Schweinskopf, noch eine Hanfbreche sondern ist gänzlich ver-
schieden, wie weiter unten zu sehen ist
Der Verfasser vorliegenden Aufsatzes hat jenes schöne Re-
lief selbst an Ort und Stelle genau in Augenschein genommen,
wodurch er in der Lage ist, diese sich durch alle betreffenden
Werke ziehenden Irrthümer zu berichtigen.
Die in Rede stehende Person stellt demnach den damals
regierenden Abt von Klein-Mariazell, mit seinem Wappen, einer
Hanfbreche, vor; es kann nur noch die Frage entstehen, ob er
dieselbe als sein Geschlechtswappen, oder blos im Namen des
Klosters führte.
Im Verlaufe unserer Nachforschungen stiessen wir zuletzt
auf eine bezeichnende Siegelabbildung und Stelle bei Hanthaler')
welche wir zum Schlüsse dieses Excurses in Uebersetzung fol-
gen lasi^en.
„Augustin Abt, Thomas Prior und der Convent')
nehmen uns*) in die Gemeinschaft der Wohlthäter auf.
d. d. 25. April 1491."
Hiezu Anmerkung h :
„Wir bringen das Abtssiegel dieses uns sonst unbe-
kannten Augustinus zugleich mit dem des Conventes, auf
Tafel 13, no. 2 und 10. In dem ersten grösseren erscheint
der Abt mit der — (zurückgeschlagenen) — Kapuze unter
einem gothischep Tempel, ohne Mitra, mit dem Erummstab
und Buch. Zu unterst aber siehst du das Wappen seines
') Hanthsler, Eeeenaua ete. tom. I, pag, 329, tah, 32 xm& tom. JI^
jmg. ISO, tah. 38,
») L. c, tom. I, pag. 123, tab. 13, no. 2.
') Von Klein-Mariazell,
*) Nämlich das Kloster Lilienfeld.
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341
(Fig. 3.)
Klosters, (Fig. 3) einen Schild mit der Flachs-
breche, mit welcher, wie bekannt, die Bauern
den Flachs zu brechen pflegen. Ob einst die
Gründer *) Schwarzenburg dieses Wappen ge-
braucht haben, ist uns nicht klar. Indessen
produciren wir unter unseren Familien einen Heinrich von
Gottesveld und einen Christian Nesstaler, gleichen Wappens.
Man könnte vielleicht auf die Meinung verfallen , dass
dieses Wappen eben nur jenes des Abtes ^) gewesen sei,
wenn uns nicht für gewiss bekannt wäre, dass sich das
Kloster selbst desselben bedient. Die Umschrift lautet :
S . igillum . 3lugu0titti . ^Iblialid . (Kelle. S . ante . iUarie." —
Für die Richtigkeit dieser Behauptung Hanthalers liefern
uns zwei bei Hueber abgebildete Siegel den schlagendsten Be-
weis. Erstlich jenes des Mariazeller Abtes Leupold an einer Ur-
kunde, durch welche er und der Convent dem Kloster Melk einige
Einkünfte der Pfarrei Hofstetten verkauft, d. d. 1393 am h. Drei-
königtag*). Das Siegel stellt den Abt mit Buch und
Bischofsstab, unbedeckten Hauptes unter einem gothi-
schen Baldachin vor. Zu seinen Füssen ist der Schild
mit der Hanfbreche. Umschrift: S. UopolM t abliatt0 t
teile t öaticte : marie t (Fig. 4).
Dann das Siegel von Johannes *), Abt
von Klein -Mariazell d. a. 1479 — stellt
wieder die Hanfbreche vor, obgleich in
etwas veränderter Form. Der Schild ruht
innerhalb eines Dreipasses, und ist von
Blumen-Damast umgeben. Umschrift: 5.
tn^rutnis abbatis teile marie. (Fig. 5.)
Bei dem Intervall von nicht mehr als
3 Jahren, wäre es auch möglich, dass die-
ser Abt Johannes und jener auf dem
ein und dieselbe Persönlichkeit ist.
(Fig. 4.)
(Fig. 5.)
Steinbild dargestellte
') Des Sfciftes Elein-Mariazell, anno llSß, Heinrich und Bapoto ▼on Seh.
*) D. h., flass der Abt aus dem Geschlechte der Gottesfeld oder Kesstaler war.
*j Huebor, a. a. O., pag. 94, no. II, tab. 2'), no. 10.
*) Hueber, a. a. O., pag. 202 u. 216, tab. 31, no. 8.
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:u2
Anno 1447 existirte ein Leopolt von Tirna*), welcher
vielleicht einer der vier, von Lazius erwähnten Brüder gewesen ist.
Kaiser Friedrich des IV. (III.) Kammermeister, Hans Un-
gnad von Weissenwolf verrechnet *) unter dem Wein, den er fiir
den Kaiser gebraucht, während dieser sich in Graz aufhielt,
anno 1 452 :
„It von dem Hans von Tierna ain Dreyling vnd
ein halbs vas wein umb 27 tt."
Auch über den Abgang dieses Geschlechtes ist gar viel
gestritten worden, und der ultimus stirpis noch immer nicht mit
voller Sicherheit bekannt.
Hormayr meint, die Tima erloschen bald nach Mathias
von Tirna; der Letzte ihres Geschlechtes war ein Passauer
Domherr. —
Was nun den Ersteren anbelangt,
so befindet sich das Original- Wachssiegel
eines „mathes de tyma" in unserem Be-
sitz; in grünem Wachs ein unten runder
Schild, darin ein Balken, belegt oder
überzogen mit zwei auswärtsgekehrten
Monden, ohne Oberwappen, mit der Na-
mens-Umschrift. (Fig. 6.)
Vielleicht ist dies das Siegel eines (Fig. 6.j
der letzten Tima, obschon die Sitte, blos das Schild als Wappen
zu führen, bedeutend älter ist. Primisser sagt bei Hormayr
Geschichte Wiens, im Jahre 1824 Folgendes:
„Die Tirnakapelle hatte auch noch vor einem halben
Jahrhundert — (also etwa noch um 1770?) — ein Epitaph
vom letzten Tirna mit dem Familienwappen des Mondes^)
über dem Querstreif; nicht ohne Zweifel gegen die Angabe
Lazius und Anderer zu wecken, dies Haus sei mit einem
Domherrn — (Conrad f 1492) — von Passau erloschen
denn hier war er in vollem Harnisch abgemalt:
^) Alterthums- Verein zu Wien, a. a. O., I. Bd,, pag. 241.
*) Schlager, a. a. O., *i. Bd., pag. 47.
•) Sollte wohl heissen: dor Monde.
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343
jQte uukr liegt begraben ber (Ebl.
3 0r9 t>. a^irna, ber letjt bes Idaljmetts,
bem ®ott (Snabt, unb igt geet« ;?lo. D.
1468 am 5. ^Igneötag.
A. Ritter v. Perger theilt diese Ansicht, gibt jedoch wie
das Trautsohnische Manuscript und Ogesser als Todesjahr 1478
an, was auch darum mehr Wahrscheinlichkeit für sich haben
dürfte, weil ein Jörg von Tirnach noch in einer Urkunde d. a.
1472 unter den niederösterreichischen Edeln, welche Gegner
Kaiser Friedrich des IV. (III.) waren, vorkommt.
Wie aber mit dem Allen die Angabe bei Freiherrn von
Hoheneck*), dass ein Jakob von Tierna mit Margaretha
örabmerin, des Herrn Jörg Grabmer zu Jochlawitz und
Frauen Gertraud Kölberharterin Tochter^), vermalt war, welche
nach ihres Mannes Tode den Herrn Reinprecht von Sin-
zendorf zu Fridau anno 1492 heiratete und vor 1499 starb,
zu vereinbaren ist, steht noch nicht fest.
Das Haus des letzten Tirna
fiel angeblich an das Schotten-
kloster.
Mehrere Tirna sind auch
in der Minoritenkirche zu Wien,
nächst dem Landhause begraben
worden.
Das Andenken an diese
einst so bedeutende Familie
wird kaum mehr durch die
drei Steinwappen erhalten, die
bald ein halbes Jahrtausend
von den altersschwarzen Pfei-
lern des Münsters zu St. Stefan
(Fig. 7.)
auf die Wandlungen der Zeit herniederschauen.
An. der Stirnseite des Domes, an der Ecke nächst dem
Bischofhof'), in ziemlicher Höhe schräg unter dem Standbild
*) L. c, II. Bd., pag. 449. '
*) Wiss grill, welcher dieselbe Familie im HI. Bd., pag. 367 u. f.
unter dem Namen „Grubner" behandelt hat, weiss nichts von dieser Margaretha.
«) Perger, a. a. O., pag. 29 u. 49.
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344
eines Schildträgers ist das Oberwappen derer von Tirna ange-
bracht, nämlich: ein Kübelhelm mit der Decke, darauf das
Kleinod, ein Flug belegt mit 2 Halbmonden. (Fig. 7.)
Gleich um die Ecke, an der Nordseite der Kirche, an
den beiden ersten Strebepfeilern sieht man in gleicher Höhe
zweimal den Tirna'schen Schild — worin ein Balken und darüber-
geÄOgen zwei auswärts gewendete Monde — scheinbar an einem
Nagel aufgehangen, so dass diese drei Wappen um die beiden Aus-
senseiten der, von den
Tirna gestifteten Kapelle
grupphi sind. (Fig 8.) Bei
Lazius - Abermann, welche
beide im Blasoniren nicht
sehr stark waren, heisst
es, die Tirna „führten einen
weissen Mond in einem
Schildt , so mit schwartzer
und roter Färb vnderschai-
den wardt." Ogesser ^) gibt
schon genaueren Auf-
schluss, wenn er erklärt,
dass dieses adeliche Ge-
schlecht in ihrem schwar-
zen und durch die Mitte
rothgetheilten Wappen
Schilde, zween rückwärts zusammengekehrte Halbmonde geführt
habe, wie solches auch im Steine ausgehauen an den dreyen Pfei-
lern dieser Kapelle ') auswendig noch zu sehen.
Aus diesen einzelnen Angaben, Denkmälern und Siegeln
ergibt sich nun folgendes Tirna 'sehe Wappen*):
Schild, schwarz mit einem rothen Balken, und darüberge-
zogen 2 silberne auswärtsgekehrte Monde. Kleinod, ein wie der
Schild tiügirter Flug, jederseits mit einem auswärts sehenden
(Fig. 8.)
*) L. c. pag. 13, Anmerkung mit *JBernfung auf Lazius.
') Nämlich der Tirnakapelle.
•) Vide auch bei Hu eher, a. a. O., tab. 19, Nr. 21, das Siegel des
Johann von Tirna mit dem Oberwappen.
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345
silbernen Mond belegt. Decken schwarz und roth, oder schwarz
und silber.
Es ist mit den vorliegenden Zeilen unseres Wissens der
erste Versuch gemacht worden, die Geschichte der nieder-öster-
reichischen Ritterfamilie von Tima quellenmässig, mit Bertlck-
sichtigung der Diplomatik, Sphragistik, Heraldik und Archäologie
aufzustellen. Da es uns jedoch bei der Lückenhaftigkeit des vor-
handenen Quellenmaterials noch nicht möglich war, eine sichere
genealogische Tafel beizufügen, so wollten wir es wenigstens
nicht unterlassen, eine chronologische oder Zeittafel dieses Ge-
schlechtes anzuhängen, welche theils eine Ueborsicht aller be-
kannten Tirna gewährt, theils späteren Spezialforschem Anhalts-
pimkte zu einer genealogischen Stammtafel dieser interessanten,
einheimischen Familie bieten dürfte.
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RAPHAEL DONNER.
Ein Beitrag zur Geschichte der Plastilc in Wien.
Von
Karl Weiss.
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Wenn ich es unternehme einen Etickblick auf das Leben
Raphael Donner's zu werfen, so kommt es mir dabei nicht
in den Sinn, die äusseren Lebensschicksale dieses Mannes zum
Gegenstande der Darstellung zu machen, sondern ich will ver-
suchen das Verhältniss des Künstlers zu der Epoche, welche ihm
voranging und zu der Zeit, in der er selbst lebte, zu beleuchten.
Ueber den Lebenslauf ßaphael Donner's hat bereits Schla-
ger, veranlasst durch einen von Dr. Ludwig Fr an kl im Jahre
1844 ausgeschriebenen Preis auf eine erschöpfende Biographie
des Künstlers, einiges Licht verbreitet^) und so lückenhaft auch
das gesammelte Material ist, so verdanken wir doch diesem fleis-
sigen Forscher die ersten ausführlicheren Nachrichten über Don-
ners Aufenthalt in Pressburg und Wien, und seinen von Kummer
und Sorgen begleiteten Lebenslauf.
Das von Schlager entrollte Bild hat einen wehmüthigen
Eindruck hervorgebracht; es sind darin Züge enthalten, welche
das menschliche Gemüth tief berühren. Donner lebte in einer
Zeit, in welcher firemde Kunst noch überwiegenden Einfluss hatte,
und unsere Grossen sich mit Vorliebe ausländischen Künstlern
zuwandten. Und so sehr auch unsere Kunsthistoriker, im Rechte
sein mögen, zu demonstriren, dass dieses Stadium ein naturnoth-
wendiges war, um den Entwickelungsgang der heimatlichen Kunst
zu fördern, so erweckt doch das Individuum, welches das Ge-
schick mitten in den Kampf hineingestellt hat, das um seine Exi-
stenz gerungen^ nur mit Mühen und Anstrengungen sein Talent
zur Geltung zu bringen vermochte, unsere wärmste Sympathie,
eingedenk der Worte des Dichters, dass Ruhmeskränze, welche
dem Künstler im Leben vorbehalten blieben, und erst die Stirne
seiner Marmorbtiste beschatten, ein Denkmal menschlicher Schwäche
*) Schlager J. E. Georg Eaph. Donner. Ein Beitrag zur österrei-
chischen Kunstgeschichte. Wien, 1B48.
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350^
und UnvoUkommenheit bilden. So ungefähr sprach sich auch
schon die literarische Beilage der Wiener Zeitung vom Jahre
1763 über das Missgeschick aus, welches damals deutsche Künst-
ler in Wien verfolgte.
Es ist bekannt, dass Michel Angelo, der ungefähr 200 Jahre
vor Raphael Donner lebte, einen bedeutsamen Wendepunkt in
der Entwicklung der modernen Plastik bildet. Man nennt ihn
das Fatum der modernen Kunst, weil seine Schöpfungen der
Änlass waren, der später lebende Künstler unaufhaltsam zur Un-
natur und Manier, das ist, zu den hässlichsten Auswüchsen des Barock-
styles fährte. Aber als Ktlnstler für sich betrachtet, als Schöpfer de»
wundervoll gedachten Grabdenkmales für Papst Julius 11. in Rom,
und der grossartigen Medicäergräber in Florenz, ohne Rückwir-
kung auf seine Epigonen, gilt Michel Angelo unbestritten als
der genialste, gewaltigste Bildhauer der neueren Zeit.
Die universelle Bedeutung des Florentiner Meisters lässt sich
in den Worten zusammenfassen, dass er der Idee einen über-
wiegenden Einfluss über die Form einräumte, dass er seine
innersten Inspirationen, die wunderbaren Gebilde seines Seelen-
lebens unvermittelt und unbeirrt von den bisher beobach-
teten Grenzen in der Darstellung menschlicher Körperformen auf
seine Gestalten übertrug, dass das subjective Gefühl die pla-
stische Schönheit beherrschte. Ob eine Bewegung natürlich, un-
gezwungen war, diess galt dem Meister gleich, wenn sie nur das
ergreifend ausdrückte, was seiner Gedankenwelt vorgeschwebt.
Er formte die menschliche Gestalt, bildete oft bestimmte Theile
übertrieben mächtig in's Colossale, steigerte die Kraft der Mus-
keln und vernachlässigte wieder andere Partien, wie beispielsweise
den Hinterkopf seiner Statuen, so dass es oft den Anschein hat,
als ob er dem menschlichen Körper neue Gesetze vorschreiben
wolle. Aber die ganz eigenthümliche Darstellung seiner Gestalten ,
welche seinen Vorgängern Pisano und Ghiberti unbekannt war,
entsprang nicht etwa aus einer schrullenhaften einseitigen Auf-
fassung der Formenschönheit — denn wir wissen ja, dass er ein
genauer Kenner der Antike war — oder aus einer mangel-
haften Kenntniss der Anatomie des menschlichen Körpers, son-
dern weit mehr aus der Unzulänglichkeit der Kraft, seine gewal-
tigen Gedanken vollendet zum Ausdruck zu bringen, aus der
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351
fast zu geringen Macht des erhabenen Geistes über den spröden
Stoff, aus dem Siege der Idee über die Form. Michel Angelo
stellte der Plastik zuweilen Aufgaben, welche sie ihrer Natur
nach nicht zu lösen vermochte; aber sein mit Begeisterung er-
fasstes Studium der Antike schützte ihn vor einer Ueberschrei-
tung der Grenzen der Schönheit, der grosse Ideengehalt bewahrte
seine Gestalten vor kleinlicher manierirter Auffassung. In küh-
nen mit grossen Linien gezeichneten Formen stellte er eine höhere
Art von Wesen vor uns hin, vor deren Anblick alles Niedrige
von uns abfällt. „Wir ahnen noch mehr in ihnen," bemerkt ein
neuerer Kunstforscher, „als was wir in ihnen schauen."
Das Beispiel Michel Angelo's wirkte um so mächtiger, als
es die leidenschaftliche Bewunderung seiner Zeitgenossen beglei-
tete. Solch einer gesteigerten Subjectivität zu folgen, war aber
auch im hohen Grade verführerisch. Es lag ihr ein neues Kunst-
princip zu Grunde, und wo immer ein solches auftritt , zieht es
mit magischer Kraft die Geister in seinen Bann. Aber nur we-
nige der Nachfolger Michel Angelos konnten sich rühmen seiner
Gedankentiefe, seiner gewaltigen künstlerischen Gestaltungskraft.
Noch wenigere zogen den Entwickelungsgang des grossen Mei-
sters in Betracht. Michel Angelo begann mit dem Studium der
besten damals bekannten antiken Vorbilder, und gelangte nach
hartem Kampfe zwischen den Traditionen und dem Ringen sei-
nes Geistes nach individuellem Ausdruck seiner Ideen zu jener
Lösung plastischer Aufgaben, die ich bereits hervorgehoben. Seine
Nachahmer fingen dort an, wo Michel Angelo aufhörte, unter
ihnen voran Bernini, das vielbewunderte und mit fürstlichen
Ehren überhäufte Schoosskind seiner Zeit. Seit Michel Angelo
hielt sich jeder Künstler berechtigt, seine Gefühle, seine Ideen
und Anschauungen zur Geltung zu bringen, unbekümmert um
die Gesetze der Schönheit, die allgemeine Giltigkeit gewisser
l^^ormen und die Grenzen der Plastik. Solch eine schrankenlose
Subjectivität führte aber zur Unnatur.
Unnatürlich war jedoch — und das dürfen wir nicht ver-
gessen — nicht blos die bildende Kunst, sondern auch die Poe-
sie wie überhaupt die ganze Gefühls weise des XVII. Jahrhun-
derts. Wer kennt nicht die geschmacklose Uebertreibung und
Unwahrheit der Schäferpoesien dieses Zeitraumes, hervorgegangen
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352
aus dem Bestreben nach äusserem Glänze und blendender Wir-
kung. Dieses Hervorsuchen greller Effecte, die Neigung zu einem
falschen Pathos verpflanzte sich bis in die Kirche, und die Trä-
ger des Katholicismus, darunter vor Allem die Jesuiten, gefielen
sich darin, die religiösen Gefühle mit dem Aufwände wahrhaft
heroischer Mittel zu steigern, ihre Beredsamkeit auf der Kanzel
mit den wunderlichsten Geberden und Actionen zu begleiten.
Jesuiten waren es auch, welche mit Vorliebe Apostel und Heili-
genstatuen vor die Paijaden der Kirche, ja selbst im Räume des
Allerheiligsten in Form jener exstatisch erscheinenden Statuen
stellten, die uns heute wie eine Profanation der edelsten Gefühle
erscheinen.
Gesteigerte Gefühle und Empfindungen, wie jene der Trauer
und des Schmerzes, der Freude und Sinnlichkeit durch lebhaf-
ten Geberdenausdruck zur Darstellung zu bringen, in der An-
ordnung der Gruppen einen äusserlichen auf das profane Auge
berechneten Effect zu erzielen, Porträte derb-naturalistisch, Cha-
rakterkOpfe gemein-heroisch und die menschliche Gestalt, wo sie
nackt erscheint, in einem weichen schwülstigen, durch eine glän-
zende Politur noch mehr gehobenen Fette zu formen, das Gewand
in weiten fliegenden Massen und flatternden Enden anzuordnen,
sowie die Falten in stark gebrochenen Linien und bauschiger
Aneinanderhänfong zu drapiren, — das war der Grundzug der
Plastik jener Zeit die auf Michel Angelo folgte.
Wie am kaiserlichen Hofe vorzugsweise in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts italienische Musik und Poesie ge-
pflegt wurde, so erstreckte sich diese Neigung auch auf die bil-
dende Kunst; auch sie fand an den Fürsten und Prinzen des
kaiserlichen Hauses begeisterte Verehrer, und der italienische
'Einfluss, weldier in der Geschichte unserer Stadt sich seit dem
Xin. Jahrhundert verfolgen lässt, gelangte zu einer die vornehme
Gesellschaft völlig beherrschenden Geltung. Während aber im
XIU. und XIV. Jahrhunderte vorzugsweise Handelsinteressen
Wien mit Italien verbanden, und reiche, mächtige Kaufherren
der Lagunenstadt Wien besuchten, mithin die bürgerlichen Krdse»
diese Verbindung mit warmem Eifer pflegten, waren es im
XVn. Jahrhunderte Architekten, Maler, Bildhauer, Musiker, Poe-
ten, Sänger (Kastraten), die sehnsuchtsvoll ihre Blicke auf die
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353
Kaiserstadt richteten, nun waren es Hof und Adel, welche die
Beziehungen mit Italien erneuerten. Was aber zum Frommen
der Musik war, gereichte nicht zum Segen der bildenden Kunst.
In dieser Richtung hatte Italien bereits seine Rolle ausgespielt.
Nur selten begegnen wir in jener Zeit den Namen eines
deutschen Künstlers, und wenn es ja der Fall ist, so war seine
Carriere erst dann gesichert, wenn er nachweisen konnte, das»
er von einem italienischen Meister ausgebildet wurde. Nicht blos
der Hof und der Adel, sondern auch die Klöster sandten junge
Leute nach Venedig oder Florenz und Rom, um sie dort in eitiei
der Meisterschulen eintreten zu lassen. Dazu trieb sie aber keines-
wegs ausschliessend der herrschende Geschmack. Wollten junge
Leute ernste und gründliche Studien in der Architektur, Malerei
oder Plastik anstellen, ja selbst sich blos umfassende Kenntnisse
in der technischen Ausübung der verschiedenen Kunstgebiete
erwerben, so erübrigte für sie nur Italien, da Wien noch keinen
Mittelpunkt für einen geregelten Kunstunterricht hatte, die Samm-
lungen geringfügig und nicht der öffentlichen Benützung über-
geben waren, und die jungen Leute sonst der Führung meist
sehr mittelmässiger Künstler überlassen blieben. Es lässt sieh der
überwiegende italienische Einfluss auf die Bildhauerkunst in
Wien an Beispielen verfolgen. Ich will mich jedoch darauf be-
schränken, nur solche Werke namhaft* zu machen, welche zur
Charakteristik der Epoche, die unmittelbar jener von Raphael
Donner vorausging, beitragen sollen.
Im Innern des St. Stefansdomes, an dem aus kostbaren
Marmor erbauten Hauptaltare, stehen zu beiden Seiten des Altar-
blattes vier lebensgrosse, aus Marmor gemeisselte Statuen, welche
die Heiligen Leopold, Sebastian, Florian und Rochus vorstellen.
Nach Ogessers Angabe sind sie das Werk des Bildhauers Johann
Bock^ eines, wenigstens dem Namen nach deutschen Künstlers,
der um das Jahr 1640 die Statuen anfertigte. Sie sind ein für
jene Zeit vorzügliches Werk und athmen einen Styl, der noch
weit entfernt ist von der Aufgedunsenheit der Barockzeit In der
plastischen Greschlossenheit der Gestalt Leopolds liegt unverkenn-
bar, Würde und Seelenruhe, und jene des heil. Sebastian zeigt
einen seltenen Formensinn und ein genaues Studium des mensch-
lichen Körpers. Nur die manierirte Bewegung der Figuren ver-
23
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354
räth das lebendige Gefühl für den herrschenden Geschmack
jener Zeit.
Tritt man dagegen auf den Hof vor die Denksäule der
Immaculata, welche im Jahre 1668, mithin kaum 30 Jahre
nach den Bock'schen Figuren bei St. Stefan gegossen wurde, so
. fühlt man wohl heraus, dass hier ein ganz anderes künstlerisches
Gefühl thätig war. Auf einer übermässig hohen Säule steht dort
das Bild der heil. Maria in Erz gegossen; ihre Hände sind ge-
faltet, das Antlitz mit dem Ausdrucke des innersten Seelenkam-
pfes nach Oben hin gewendet und die ganze Haltung des Kör-
pers sehr bewegt und geziert. Das ganze Werk verräth die Sucht
nach sehr wirksamen — weder der Plastik im Allgemeinen noch
dem Gegenstande der Darstellung zusagenden Effecten, dem
Ausdruck jener falschen zur Schau getragenen Empfindung, in
der »ich, wie ich schon angedeutet, der Kunstsinn der Jesui-
ten des XVn. Jahrhunderts gefiel. Dazu kommt noch die ganz
missrathene Darstellung der vier Nebenfiguren, bestehend aus
kleinen unförmlichen Engeln, die, im Eittercostume dargestellt,
Drachen unter ihren Füssen vernichten. Solch eine carrikierte
Darstellungsweise muss schon an sich den ernsten Eindruck des
Werkes gründlich vernichten.
Damit sind wir aber noch keineswegs an dem Gipfelpunkte
der barocken Wiener Plastik angelangt. Man kann mit Recht
einwenden, dass man es hier nur mit dem Werke eines ganz
mittelmässigen Künstlers zu thun hat, der keinen . Massstab fiir
die Beurtheilung einer ganzen Kunstrichtung abgibt. Und aus
diesem Grunde will ich noch ein anderes Werk ins Auge fassen,
anmessen Ausführung einer der gefeiertsten Künstler der Leo-
poldinischen Epoche gearbeitet hatte. Es ist die sogenannte Drei-
faltigkeits-Säule am Graben. Durch einen Irrthum Fuhr-
mannes hat man bisher dieses Werk dem Architekten Ludwig
Burnacini zugeschrieben. In der That rührt aber von diesem
nur die Zeichnung zu dem Postamente her, während der Ent-
wurf zu dem eigentlichen Denkmale und die Modelierimg der
Figuren das Werk des berühmten Paul v. Strudel sind, des-
öelben Künstlers, welchen Kaiser Leopold mit seinen Brüdern in
dem ihm ertheilten Adelsbriefe mit Praxiteles, Phidias und Archi-
medes verglich.
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355
Die Dreifaltigkeits-Säule ist bekanntlich ein Denkmal der
Dankbarkeit für das Aufhören der Pest, das Leopold errichten
Hess. Sie ragt 70 Fuss hoch empor und zeigt mithin schon die
Eigenthümlichkeit der meisten Denkmale dieser Epoche, dass die
gewöhnlich auf der Spitze angebrachte Figurengruppe entweder
nur mit äusserster Anstrengung des Halsgelenkes oder aus einer
solchen Entfernung betrachtet werden kann, in der blos die Um-
risse der Figuren zu erkennen sind. Aber 60 — 70 Fuss hoch-
musste wenigstens eine Figur stehen, welche der überirdischen
Welt angehörte.
Ist schon die Composition eine verworrene, und der Gedanke
ein sehr unglücklicher, eine Pyramide mit steinernen Wolken zu
umwinden, die, an einzelnen Stellen schwer und wuchtig heraus-
wachsend, den Platz zur Anbringung der Figuren abzugeben
bestimmt sind, so tritt an keinem Monumente Wiens das verfehlte
Bestreben, malerische Motive in die Plastik hereinzuziehen, so
störend wie bei der Dreifaltigkeits-Säule in den Vordergrund.
Vergebens hat man sich daher auch bemüht, die Idee des Mo-^
numentes in ihrem ganzen Umfange zu ergründen; man ist in
Zweifel was ein Engel mit der Mandoline, ein zweiter nachden-
kend und in einem Buche blätternd, und der dritte gehamischte
Engel mit dem Speere zu bedeuten habe. In den dünnen schmäch-
tigen Körperformen einzelner Grestalten, namentlich aber in der
an die Carrikatur grenzenden Figur Kaiser Leopold's und der
widerwärtigen Allegorie der Pest spricht sich so recht der Man-
gel an gesundem plastischen Sinne, an einem Studium mensch-
licher Körperformen aus. Bedenkt man, dass derselbe Künstler auch
die Mehrzahl der Standbilder im Habsburger Saale des alten
Ritterschlosses zu Laxenburg angefertigt hat, Werke, die doch
eine ganz respectable Leistung sind, so ist man fast versucht zu
zweifeln, ob Paul v» Strudel wirklich der geistige Eigenthtlmer
jenes Denkmales ist, als welchen er sich selbst in dem Adels -
briefe bekennt, und ob nicht doch von ihm und seinen Schülern
nur die erträglich modelierten Figuren herrühren.
Von anderen plastischen Werken dieser Epoche wollen wir
schweigen. Die Kunst geht bei uns in dieser Zeit wie ander-
wärts mit resoluter Verzweiflung an ihr Tagewerk. Hier sehen
wir einen Hinligen mit einem Hunde in Conversation, dort einen
23 *
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356
Apostel heftig in einem Buche blättern ; Veronica läuft mit ihrem
Schweisstuch, so dass man fürchtet, sie stürzt über das Gesimse
der Predella herab. Dort fährt sich ein Heiliger wie in somnam-
bulen Zustande wirr durch die Haare, und einen heil. Aloisius sehen
wir schwärmerisch in die Knie sinken, mit einem solchen Blick nach
Oben, dass man wenig mehr als Nasenspitze und Kinnbacken
bemerkt. Wer kennt endlich nicht die treffenden Satyren auf die
zahllosen aus Böhmen zu uns verpflanzten Johannesstatuen mit
ihren typischen Koptbewegungen , — sie sind die letzten Ausläu-
fer dieser sonderbaren Geschmacksrichtung.
Auch Raphael Donner (geb. 25. Mai 1692 zu Esslingen
im Marchfeld) — und dies will ich gleich vorausschicken, — war in
der ersten Periode seines künstlerischen Schaffens nicht frei von jener
manierirten unschönen — weil unwahren Darstellungsweise sei-
ner Zeit. Ich erinnere an den heil. Franciscus und die Kreuz-
abnahme, welche die spätere Entwicklung Donners nicht ahnen
lassen. Wie konnte dies aber auch anders sein ! Donner erlernte
die Anfangsgründe seiner Kunst, die Handhabung des Meisseis
bei Giuliani, einem ganz mittel massigen , als Laienbruder im
Stifte Heiligenkreuz lebenden Bildhauer. Schon als Stiftszögling
ergriff Donner ein eigenthtimlicher Trieb zur Kirnst, er stahl die
Kerzen um das Wachs zu kneten und daraus Figuren zu for-
men, er verschaffte sich zinnerne Krugdeckel, um auf die Flächen
Ornamente und Figuren zu zeichnen, und ein Verdienst Giulianis
Witt* es jedenfalls, dass er in Donner den Trieb zur Kunst sorg-
fältig nährte, — wer aber die von Giuliani angefertigten Grup-
pen auf dem Kreuzwege in Heiligenkreuz näher betrachtet hat,
wird zugeben, dass dieser Künstler nicht der Mann war, in Don-
ner einen feineren Formensinn zu wecken.
Vielleicht fühlte Donner selbst das Ungenügende seiner
Kenntnisse, vielleicht' waren es auch nur Bande der Liebe, welche
ihn aus dem Stifte, wo er als Gehilfe Giulianis arbeitete, fort-
trieb — genug, wir wissen, dass er zwischen den Jahren 1712
bis 1715 Heiligenkreuz verliess. Das Bezeichnende aber ist, dass
er nicht, wie es allgemein Uebung war, nach Italien ging, son-
dern nach Wien, um hier sein Fortkommen zu suchen. Italien
sollte er überhaupt niemals sehen. Ob er bereits zu einer Zeit
in Wien war, wo Peter v. Strudel noch lebte und die Kunst-
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B57
akademie noch bestand, lässt sich nicht nachweisen; aber kein
Zweifel dürfte darüber bestehen, dass er dem Einflüsse der aka-
demischen Richtung nicht ferne stand. Peter v. Strudel liess
sich aber in Bezug auf die Plastik von Grundsätzen leiten,
die auf die Entwickelung der jüngeren Künstler bedeutenden
Einfluss ausüben mu^sten; er empfahl nämlich: das Studium
nach der Natur und nach antiken Kunstwerken. Plötzlich be-
gann man sich wieder zu erinnern, aus welchen Quellen die
grössten und vollendetsten Meister der neuem Plastik geschöpft
hatten. Der Euf zur Rückkehr nach der Natur wurde aber nur
von Wenigen gewürdigt, da die Italiener wie Cuvanese, Sta-
netti und Stöber, in deren Händen fast ausschliessend alle
grossen Arbeiten für den Hof und den Adel waren, noch fest
an älteren Traditionen festhielten und auch die ganze Empfin-
dungsweise in Sitte und Religion jenem Streben nach äusserlicher
Wirkung entsprach.
Donner gehörte zu den wenigen Künstlern, welche sich von
den Grundsätzen Strudels lebhaft angezogen fühlen mussten. In
einer Beschreibung über Wien aus dem verflossenen Jahrhundert
wird auch bemerkt, dass Donner mit Vorliebe nach der Antike
und der Natur seine Studien machte. Unklar mögen allerdings
noch die auf diesem Auge gewonnenen Eindrücke in der Seele
des Künstlers gewesen sein. So wenig die Wachsfiguren, welche
der Knabe in einem unbestimmten Drange zur Kunst formte^
schon einen bestimmten Schluss auf sein Talent zur Bildhauerei
schliessen liessen, so wenig wusste wahrscheinlich schon damals
Donner, auf welches Ziel er lossteuerte. Aber der Umstand, dass
er, die ausgetretenen Bahnen verlassend, von den ungeahnten
Schönheiten einer neuen Welt sich mächtig angezogen fühlte, dass
er es vorzog in stiller Betrachtung vor den auf van Schuppens
Veranlassung nach Wien gebrachten antiken Sculpturen mit Vor-
liebe verweilte , während die Masse noch mit Bewunderung an den
falschen Göttern hing, däss er selbst in seiner Seele den Kampf
zwischen dem Herkömmlichen und Neuen heraufbeschwor, zeigt
schon die ganz eigenthümliche Organisation seines Talentes, und
musste bestimmend auf dessen Entfaltung einwirken.
Dass für Donner unter den bestandenen Verhältnissen iö
Wien keine Aussicht auf eine glänzende Zukunft vorhanden war,
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kann nicht überraschen. Er erhielt kleinere Aufträge, welche ihm
den Titel „Kaiserlicher Galanterie-Bildhauer" verschafiEten. Aber
die feststehende Thatsache, dass er bei keinem der grösseren
Werke — ich erinnere an die Ausschmückung der Carlskirche,
das Monument am hohen Markte und die zahlreich gebauten Pa-
läste auch nur in untergeordneter Stellung beschäftigt wurde,
zeigt die spärliche Anerkennung des Talentes.
Verdriesslich und gekränkt kehrte Donner unserer Stadt,
ungefähr in einem Alter von 34 Jahren (1725) den Rücken und
wanderte gemeinschaftlich mit Schletterer und seinem Bruder
FranZ; seinen beiden Gehilfen an den bischöflichen Hof nach
Salzburg, wo eben der Bau des Schlosses Mirabell vollendet- wor-
den war. Es ist nicht unmöglich, dass er einem an ihn ergange-
nen Rufe gefolgt war; denn wir sehen ihn dort, gemeinschaftlich
mit seinen Begleitern die ersten bedeutenden Aufträge vollfüh-
ren, nämlich die Ausschmückung des Stiegenhauses im Schlosse
Mirabell. Welchen Antheil aber Raphael Donner an dieser Arbeit
hat, ist noch nicht festgestellt.
Was Mielichhofer in Frankls „Sonntagsblättern" v. J.
1847 (Kunstblatt Nr. 15) darüber bringt, steht nicht in Ueber-
einstimmung mit einem mir darüber zugekommenen Briefe. Wäh-
rend Mielichhofer davon spricht, dass der grössere Theil der Fi-
guren von Raphael Donner ausgeführt wurde, heisst es in dem
Briefe, dass nur nach der Tradition zwei Figuren im Vestibüle
R. Donner zugeschrieben werden. Mit derartigen Traditionen
steht es aber bekanntlich oft schlimm.
Donner verweilte nur zwei Jahre in Salzburg, von dort aus
führte ihn sein Geschick nach Pressburg. Sein Aufenthalt in dieser
Stadt bildet den wichtigsten Abschnitt seines Lebens.
Wie er den Weg von Salzburg in diese Stadt gefunden,
ob er einem Rufe dahin folgte oder auf gutes Glück hin sich
daselbst ansiedelte ist noch unaufgeklärt. Wahrscheinlich ist es,
dass er noch während seines Aufenthaltes in Wien, den damals
als ungarischen Hofkanzler fungir enden Fürsten Emerich Ester-
hazy kennen lernte und als dieser Primas von Ungarn wurde,
einem Rufe desselben folgte um in Pressburg dem gewöhnlichen
Aufenthaltsorte Esterhazys — mehrere Aufträge zu voUfilhren,
worauf er dort ganz verblieb.
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"Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass Pressburg da-
mals eine andere Bedeutung wie heute hatte. Als Krönungsstadt
und Sitz des ungarischen Landtages war sie der Sammelpunkt
aller Magnaten des Landes, fast das Centrum alles geistigen Ver-
kehres in Ungarn. Sowie Donner schlugen nicht wenige Künstler
und Gelehrte in jener Zeit ihren Wohnsitz in Pressburg auf,
weil es ihnen dort nicht an Beschäftigung und Anerkennung
fehlte. Unter den Künstlern nenne ich nur Oeser, den Lehrer
Winkelmanns, der dort seine Ausbildung empfing und Franz
Messerschmidt jene eigenthümliche Künstlernatur, die noch
heute ein ungelöstes Räthsel ist.
Donner verweilte 10 Jahre in dieser Stadt und eine Reihe
von Arbeiten, welche sich, gegenwärtig in Wien finden, wie die
Büste Kaiser Carl VI. im kaiserlichen ßelvedere, die Mehrzahl
der Basreliefs im österreichischen Museum und selbst die Mittel-
Gruppe an dem Brunnen am neuen Markte in Wien rühren aus
der Zeit seines Aufenthaltes in dieser Stadt. Sein mächtigster und
einflussreichster Gönner war dort der Primas von Ungarn, ein
leidenschaftlicher Kunstfreund. Diesem verdankte er auch seine
Stellung als fürstlich Esterhazy'scher Baudirector, ja noch mehr,
Fürst Emerich Esterhazy gab ihm die Mittel zur vollen Entfal-
tung seines Talentes an die Hand, indem er ihm in seinem eige-
nen Garten die Einrichtung eines Gusshauses gestattete. Von
Pressburg aus verbreitete sich Donners Ruf in weitere Kreise,
von dort aus erschütterte er die Allmacht der Italiener am hiesi-
gen Hofe. Wenn der Kaiser und mit ihm die Erzherzoge in Press-
burg ihre Residenz aufschlugen, so hatten sie im Dome wie in
Palästen des ungarischen Adels Gelegenheit, die Werke des
Künstlers zu betrachten und es musste ihnen klar werden, dass
sich darin ein anderer Geist als in jenen Mathiellis und Ca-
vanese's kundgab. Wollen wir daher gerecht sein, so haben wir
nicht Ursache uns einen zu grossen Antheil an dem Ruhme des
Künstlers zuzuwenden. Nur dem Wiener Stadtrathe gebührt das
Verdienst, dass er Donners Bedeutung erkannte und ihn im
Jahre 1739 durch zwei grössere Aufträge veranlasste, nach Wien
zurückzukehren.
Würde Donner durch die Ausführung der vier — am Rande
des Beckens angebrachten Brunnen-Figuren am neuen Markte
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360
nicht genöthigt gewesen sein, nach Wien zu übersiedeln, so bleibt
es immerhin fraglich ob er je in unserer Stadt seinen bleibenden
Aufenthalt genommen hätte.
In Pressburg haben sich noch heute drei grössere "Werke
erhalten. Am Thore der Domkirche steht die in Erz gegossene
Gruppe des heil. Martin mit dem Bettler und in Verbindung da-
mit zwei knieende Engel; in dem Stiegenhause des vor der Stadt
auf der Strasse zur Eisenbahn gelegenen fürstlich Grassalcovits'schen
Palastes vier lebensgrosse aus Sandstein gemeisselte Figuren,
die vier Jahreszeiten vorstellend und auf dem Calvarienberge,
einem Andachtsorte auf den Weingebirgen bei Pressburg, ein in
Erz gegossener Christus am Kreuze.
Nächst den Brunnenfiguren in Wien ist das Reiterstandbild
des heil. Martin unzweifelhaft das bedeutendste uns bekaimte
Werk Donners.
St. Martin geniesst wie in Frankreich so auch in Ungarn
die grösste Verehrung. Nach der Legende war er ein tapferer
heidnischer Krieger, Als er an einem rauhen Wintertage durch
den Wald ritt, begegnete ihm von Frost und Kälte durchschüttelt
ein Bettler. Von Mitleid ergriffen schnitt er seinen Mantel mitten
entzwei und reichte ihm von seinem Rosse herab die Hälfte. Da
gab sich ihm der Bettler zu erkennen. Es war Christus der mit
dem halben Mantel angethan zum Himmel emporstieg und ihm
die Worte zurief: „Was du dem armen Manne gethan, das hast
du mir gethan,"
Getreu der Legende hat Donner den heil. Martin dargestellt.
Er sitzt in Gestalt eines kräftigen Kriegers auf dem sich aufbäu-
menden Pferde; zu seinen Füssen liegt ein nackter Bettler, der
mit dem Ausdrucke des Schmerzes zu dem Krieger aufblickt.
St Martin neigt sich zu ihm herab und ist eben im Begriffe, mit
dem Schwerte seinen Mantel zu durchschneiden. Die ganze
Gruppe ist mit grossem Verständnisse angeordnet, sie wird von
schön gezogenen Linien begrenzt; sie ist bewegt und doch nicht
zu unruhig, charakteristisch in der Auffassung und doch nicht
von falscher, forcirter Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks. Das
Unplastische der Darstellung mit dem Mantelzerschneiden tritt
nicht störend in den Vordergrund und wenn wir etwas vermissen
80 ist es die Modellirung des Kopfes des heil. Martin, die uns
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nicht edel und kräftig genug erscheint. Ebenso hat Donner zu
massiv und schwerfällig im Verhältnisse zu der Figur die Gestalt
des Pferdes geformt. Vollendet in der Darstellung ist dagegen
der nackte Bettler. Der leidende Ausdruck des Kopfes, die Er
Schöpfung des Körpers, die Natürlichkeit der Bewegung sind so
glücklich wiedergegeben, dass sie kaum schöner und wahrer ge-
dacht werden können. Was aber der ganzen Gruppe ein eigen-
thümliches Gepräge gibt, ist das Realistische in der AuflFassung-
Nicht nur der Kopf des heil. Martin trägt den Typus der magya-
rischen Race, sondern Donner ist noch weiter gegangen; er hat
ihn auch im nationalen Costume dargestellt und daraus erklärt
sich die grosse Popularität, dessen sich das ganze Werk in und
um Pressburg noch heute erfreut. Für die Zeit, in welcher der
Künstler lebte, bleibt dieser Realismus sehr bemerkenswerth ; er
gibt uns den Schlüssel für das ernste Streben Donners, seinen
Zeitgenossen verständlich zu sein, an die Hand.
Die vier Jahreszeiten im Grassalcovits'schen Palais
füllen gegenwärtig die vier Ecknischen des Vestibüle. Die Alle-
gorie erscheint einfach und frei behandelt. Der Frühling ist eine
leicht beschwingte weibliche Gestalt mit einem Blütenkranze in
den Haaren und einem Rosenstrausse zu den Füssen. Zart und
anmuthig in den Formen, bedeckt den Körper ein leichtes durch-
sichtiges Gewand; völler und üppiger ist die Gestalt des Som-
mers mit der Sichel in der Rechten und dem Garbenbündel in
der Linken. Der Herbst, eine jugendliche männliche Gestalt
hat den Kopf mit Weinlaub bekränzt und stützt den linken Arm
auf einen schwer mit Reben behängten Traubenstock. Der Win-
ter erscheint als ein Greis mit scharf markirten Zügen und
einer Dornenkrone auf dem Kopfe. Insoweit sich die Figuren in
ihrer gegenwärtigen Uebertünchung , wodurch zartere Linien
jedenfalls gelitten haben, beurtheilen lassen, erscheinen mir der
Sommer und der Herbst am glücklichsten und vollendetsten dar-
gestellt. In ihnen entwickelte Donner . seinen feinen Formensinn
am mächtigsten; es lebt in ihnen etwas von dem Geiste classi-
scher Schönheit. Um so störender wirkt dagegen in den vier
Jahreszeiten die Abhängigkeit Donners von dem Geschmacke
seiner Zeit in Bezug auf die Anordnung der Gewandung. In den
flatternden Enden und den stark gebrochenen, verworrenen und
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schwerßllHgen Falten wirkte noch die Tradition der Schule zu-
rück. Man merkt, dass der Künstler damals in dieser Beziehung
nicht selbständig war, noch keine einjgehenden Costüm-Studien
gemacht hatte.
Ich habe bei diesen beiden Werken etwas länger verweilt,
weil sie wenig gekannt und doch für eine Beurtheilung Donners
von grösster Bedeutung sind. Vergleicht man mit diesen eine Anzahl
kleiner Werke, die aus derselbien Zeit herrühren — ich erinnere
an die im Jahre 1866 im österreichischen Museum für Kunst und
Industrie ausgestellten Eeliefs Kebecca am Brunnen, Urtheil
des Paris, Thetis bei Vulkan, den sterbenden Fechter und Pro-
metheus, dann an die Büste Kaiser Carl VL im Belvedere*) —
so lässt sich die Eigenthümlichkeit des Künstlers scharf kenn-
zeichnen. Sein Ringen nach Vollendung, sein Abstreifen veralte-
ter Ueberlieferungen, seine naturalistische Auffassung von Cha-
rakterköpfen, seine einfache Verkörperung mythologischer Scenen,
dabei aber auch seine Mängel in der Anordnung der Costüme
sowie seine unwillkürliche Gestaltung gewisser, dem Barockstyl
eigenthümlicher Bewegungen der Figuren, — alle diese Züge
lassen sich nicht verläugnen. Hat man aber den heil. Martin in
Pressburg aufinerksam betrachtet, so drängen sich unwillküi*lich
Bedenken auf, ob eine Schöpfung Eaphael Donners auch das Mo-
dell zu einem Monumente der Kaiserin Katharina von Russland
ist, welches gleichfalls im österreichischen Museum ausgestellt war.
Es spricht dafür nichts als die Tradition. Raphael Donner traf
aber gleich seinem Zeitgenossen Fischer von Erlach das Geschick
eine fast mythische Person geworden zu sein. Alles was in ihrer
Zeit an plastischen und architektonischen Werken geschaffen
wurde und wofür sich ein bestimmter Künstlername nicht nach-
weisen lässt, wurde bisher ihnen zugeschrieben, daher auch so
viele Werke von Raphael Donner und Fischer von Erlach be-
stehen, die noch einer genaueren Prüfung bedürfen.
Ich komme nun auf seine beiden Hauptwerke in Wien —
') Die „Mittheilungen des österr. Museums für Kunst und Industrie**
J. 1866, S. 30 enthalten ein vollständiges Yerzeichniss der im Museum aus-
gestellten Werke; es ergänzt mehrfach das von Schlager mitgetheilte Yerzeich-
niss. Uebrigens sollen sich auch noch in der Dresdner Kunstkammer, in
der Pfarrkirche zii Raab Werke von Donner befinden.
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363
auf die Bfunnenfiguren am neuen Markte und das Brunnenrelief
im Rathhause zu sprechen deren Entstehung in die Jahre 1739
bis 1740 fallen, ihnen verdankt der Künstler fast ausschliessend
seinen weit verbreiteten Ruf, und an diese will ich daher auch
meine Betrachtung über Donner's Verhältniss zu seiner Zeit knüpfen.
Die Brunnenfiguren am neuen Markte sind kein einheitlich
gedachtes Werk. Ursprünglich hatte Donner nur den Auftrag,
den Brunnen mit einer Gruppe zu schmücken. Er wählte hiezu
eine sitzende weibliche Figur, die „Vorsehung" darstellend, und
umgab diese mit vier reizenden Kindergestalten, welche an den
Brunnen- Auslaufen Fische emporhalten. Erst nachdem diese Gruppe
aufgestellt und deren Ausführung die Stadträthe entzückt hatte,
ertheilten sie Donner den Auftrag auch die Ränder des Beckens
mit Figuren auszustatten. So erklärt sich, dass zwischen der
Hauptgruppe und den Randfiguren kein innerer Zusammenhang
besteht, dass die überaus kräftig und bewegtgeformten Allego-
rien der vier vorzüglichsten Seitenflüsse der Donau mit der ruhi-
gen, mild-ernsten Auffassung der weiblichen Hauptfigur lebhaft
contrastiren. Wenn aber auch die Brunnenfiguren am neuen
Markte keine einheitliche Composition sind, so bleiben sie doch
von unvergänglichem Werthe durch die einfache, ungekünstelte
Verkörperung der ihnen zu Grunde liegenden Ideen, durch die
Wahrheit im Ausdrucke, die sinnliche Schönheit der Körperfor-
men und die überaus fleissige technische Ausführung. Ihnen
zur Seite steht an Vollendung nur das Brunnenrelief im Rath-
hause, welches Andromeda an einen Felsen geschmiedet darstellt,
wie sie von Perseus erlöst wird. Die schlanke, im schönsten
Ebenmasse geformte weibliche Gestalt mit der ungemein gra-
ziösen und ausdrucksvollen Wendung des Körpers reicht zu den
schönsten Werken der neueren Plastik heran.
In beiden Werken sehen wir Donner auf der Höhe seines
künstlerischen Schaffens angelangt. Als Jüngling in der Werk-
Stätte eines Meisters herangebildet, der an den Traditionen der
Schule Bernini^s festhielt, trieb ihn ein tieferes Eindringen in die
höchsten Aufgaben der Plastik zu eifrigen Studien an der Natur
und zur Verehrung für die Antike. Aber noch unklar in seinen
Kenntnissen, kämpfte er längere Zeit mit der besseren Einsicht
seines natürlichen Gefühles gegen die herrschende Geschmacks-
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364
rlchtung. Ohne mächtige Gönner, welche die aufbrechenden Keime
seines Talentes sorgfältig pflegten, mit Mühen und Entbehrungen
um das tägliche Brod ringend, hemmt in seinen ersteren Wer-
ken eine mehr handwerksraässige Thätigkeit die Freiheit seines
Geistes und er fiigt sich den conventionellen Formen. Sowie er
jedoch bald auf die Gefahr, den Ruf eines Sonderlings sich zu
erwerben, die Perrücke und den Haarpuder von seinem Kopfe
entfernte, die gekrauste Halsbinde hasste, und im Gegensatze zur
herrschenden Mode sein natürliches Haar über die Schultern
wallen liess, und mit entblösstem Halse einherging, so entfernte
er auch von seiner Kunst den Flitter seiner Zeit, die falsche ge-
künstelte Empfindung. Er suchte die Schönheit in der Wahrheit
auf und führte die menschliche Gestalt auf einfache, natürliche
Verhältnisse zurück. Vergleicht man die Allegorie der vier Jah-
reszeiten mit den Brunnenfiguren und der Andromache, so zeigt
sich darin am besten der grosse Fortschritt des Künstlers. Dort
stört noch das Gesuchte mancher Bewegung, wie beispielsweise
bei der Gestalt des Frühlings, sowie das Barocke in der Anord-
nung des Costumes den Gesammt-Eindruck ; hier tritt uns die
Allegorie der Vorsehung mit dem Ausdrucke milden Ernstes
und bedächtiger Ruhe entgegen, imd die Gewandung, welche
sich den edlen Körperformen anschmiegt, ist einfach und nat(jlr-
lich. Bei der Gruppe des heil. Martin überrascht zwar die Schön-
heit der Anordnung, die nationale Auflassung der Legende ; aber
den Bewegungen fehlt noch Freiheit und Ungezwungenheit, und
die beiden Cherubine tragen die Fesseln des herkömmlichen Styles.
Bei den vier Flüssen am neuen Markte tritt schon das Streben
nach scharfer Charakteristik mit vollständig freier Behandlung
der Motive, Kraft und Energie der Bewegung, und die Wirkung
grosser und einfacher Linien mächtig in's Auge.
Donner^s Bedeutung für die Wiener Plastik lässt sich daher
im Folgenden zusammenfassen: Er war einer der Ersten, wenn
nicht der Erste, welcher mit den Ueberlieferungen der entarte-
ten, geistig verkümmerten italienischen Schule brach, einem hoh-
len, von falschem Pathos getragenen Idealismus den Rücken kehrte,
und mit feinem Gefühle auf Wirkungen verzichtete, welche ausser-
halb der Aufgaben und auch ausserhalb der Grenzen plastischer
DarstelhiDg Begen. Er machte an den wenigen, ihm zu Gebote
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gestandenen Vorbildern einen Einblick in den Geist hellenischer
Kunst, und erkannte den hohen Werth derselben für die Bele-
bung des Formgefühles und die Gestaltung einfacher und edler
Linien. Mit dieser Erkenntniss reifte aber auch in ihm das Be-
dürfniss eines eifrigen Studiums der Natur, um an ihnen die
höchste Schönheit, das reinste Ebenmass des menschlichen Kör-
pers zu empfinden. Er strebte nach Wahrheit des Ausdruckes,
nach Anmuth und Grazie der Bewegung, nach leicht verständ-
licher Wiedergabe seiner Ideen. Um uns eines heute geläufigen
Ausdruckes zu bedienen, er ist Eealist in der Plastik; er dringt
in den Geist griechischer Kunst, ohne aber dabei zu vergessen,
dass der Künstler, in den Gestalten, welche er schaffit, nicht die
Sitten, Gefühle und Anschauungen seiner Zeit verläugnen kann
und darf.
Damit will ich aber keineswegs aussprechen, dass Donner
das Höchste in seiner Kunst auch erreicht hat; das Wollen ist
unverkennbar, das Erreichen lag aber ausser den Grenzen seiner
Kraft. Er war kein bahnbrechendes Genie; dazu fehlt seinen
Werken die Hoheit der Ideen, der künstlerische Schwung in der
Auffassung. Um wahrhaft Grosses und Bedeutendes zu leisten,
fehlte es ihm aber auch an der Lösung bedeutender Aufgaben.
Ihm war es nicht, wie Schlütter in Berlin vergönnt, ein Rei-
terstandbild, wie jenes des grossen Kurfürsten auszuführen. Sein
grösstes und unsterbliches Verdienst wird immer darin liegen:
der unermüdete Vorkämpfer für eine bessere und edlere Rich-
tung der Kunst in esterreich gewesen zu sein.
Und die Verehrung für Donner ist umso berechtigter, wenn
wir noch einen Umstand in*s Auge fassen. Der Künstler starb
bereits im Jahre 1741. Erst zwanzig Jahre später trat Winkel-
mann mit seiner Geschichte der alten Kunst, noch später Les-
sing mit seinem Laokoon in die Oeffentlichkeit. Beide stellten
Principien auf, die schon in der Brust unseres Künstlers, wenn
auch noch unklar gährten. Ja noch mehr, Oeser, welcher die
ersten Schritte Winkelmanns im Studium der Antike leitete, war
ein Schüler Donners. Ist es nicht eigenthümlich, dass die Keime,
welche Donner in die Seele Oesers pflanzte, auf einen Boden
fielen, auf dem die schönsten Früchte wissenschaftlicher Forschung
reiften ? D<ass sein Name auch verbunden ist, mit jenem gewal-
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tigen Umschwünge in den Kunstanschauungen, die zwei der
grössten Q-eister des verflossenen Jahrhunderts, Lessing und Win-
'kelmann vorbereitet hatten? Auch Donner erkannte unzweifel-
haft die hohe Bedeutung der griechischen Plastik für die mo-
derne Kunst. Aber sie war ihm nicht mehr als Mittel zum Zweck.
Er bewunderte an den Griechen das zur Einheit geschlossene Ver-
hältniss der menschlichen Gestalt, den harmonischen Ausdruck
von Seele und Körper. Den falschen Classicismus, das Nachahmen
äusserer leerer Formen, welches keinen anderen Zweck hat als
eine fremde Cultur auf unsere Zeit zu übertragen; jenen Classi-
cismus, in welchen die Mehrzahl der Künstler der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts verfiel, würde er dagegen gewiss ver-
mieden haben.
Eaphael Donner starb am 15. Februar 1741 im Manna-
getta'schen Gartenhause am Heumarkte in Wien unter nicht gün-
stigen Verhältnissen. Sein Verlust wurde tief betrauert, sein grosses
Talent aber erst nach seinem Tode vollständig gewürdigt. Gegen-
wärtig beschäftigt die künstlerischen Kreise lebhaft die Frage
über die Conservirung des Brunnendenkmals am neuen Markte.
Es wäre ein untilgbarer Makel für Wien, wenn nicht sorgfältig
darüber gewacht werden würde, dass sein grösstes Werk, die
Brunnenfiguren am neuen Markte, der Nachwelt eAalten bleiben.
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Kleine Mittheilungen.
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I.
Notiz über das Clima von Baden bei Wien.
Von Carl Fritsch.
Nicht ohne Grund wird die folgende Darstellung nur eine Notiz genannt,
da sie sich nur auf ITmonatliche Beobachtungen von October 1861 bis ein-
schliesslich Februar 1863 gründen konnte.
Diese Beobachtungen verdanken wir einem langjährigen eifrigen Cor-
respondenten der k. k. Central-Anstalt für Meteorologie, dem Herrn Dr. Josef
Krzisch, früher k. Comitats-Physicus in Tyrnau, wo er in den Jahren 1854
bis 1861 Beobachtungen anstellte'). In Folge der bekannten Ereignisse in Un-
garn übersiedelte Herr Dr. Krzisch nach Baden, wo die Beobachtungen ange-
stellt worden sind, welche hier eine Besprechung finden sollen. Als k. k. Kreis-
arzt nach Neunkirchen berufen, hat er sodann noch im Laufe des Jahres 1863
seine Beobachtungen wieder aufgenommen, und nach seiner Uebersiedlung nach
Wiener-Neustadt, Anfang 1869, auch da noch fortgesetzt.
Die Beobachtungsreihe in Baden ist natürlich viel zu kurz, um daraus
unmittelbar Normalwerthe für diesen Curort ableiten zu können. Wegen der
grossen Nähe Badens bei Wien, ist die erwähnte Beobachtungsreihe bei einer
gewissen Behandlung der sich zwischen beiden Orten ergebenden Differenzen
immerhin ausreichend, die fraglichen Normalwerthe mit einiger Sicherheit zu
bestimmen. Baden ist eben einer von den Orten in Nieder-Ocsterreich, für wel-
chen die erwähnten Normalwerthe vorzugsweise erwünscht sein dürften.
Die Beobachtungen wurden mit Instrumenten der k. k. Central-Anstalt
angestellt. Die Beobachtungs-Zeiten waren 8 U. Morg., 2 U. und 10 U. Abends,
Beobachtet wurden,- Luftdruck, Temperatur, Bewölkung, die Richtung und
Stärke des Windes und einige andere Erscheinungen, welche das Wetter
constituiren.
Aus den correspondirenden, d. h. denselben Beobachtungszeiten für Wien
und Baden abgeleiteten Monatmitteln wurden zunächst die Differenzen be-
stimmt, welche mit -|- bezeichnet sind, wenn das Mittel von Wien grösser
war, im Qegenfalle mit — , dies ging nur an für den Luftdruck, die Tempera-
tur und Bewölkung.
Um die Anomalien zu entfernen, durch welche der jährliche Gang der
*) Aach schon für das Jahr 1853 liegen von Herrn Dr. Krzisch Beobachtungen aus
Holitsch vor.
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ersten Differenzen noch entstellt war, wurden je drei solcher aufeinander folgen-
den Differenzen, wieder in ein Mittel gezogen und diese Operation noch
ein zweites Mal mit den neuerdings gewonnenen Mittelwerthen wiederholt.
Werden z. B. mit b\ b\ 6', 6* die monatlichen Mittel werthe von
Baden, mit w\ lo', ic', to*. . . . die correspondirenden von Wien bezeichnet, wobei
die Exponenten, wie sich von selbst versteht, nur Stellenzeiger sind, so erge-
ben sich die ersten Differenzen /\^ = w^ — i*, /\^ = «?' — b\ /\* = w;*
— ^', A* = W5* — Ä*, . . . ., die verbesserten Differenzen /\' = Va
(A" + A* + A'), A". = '/a (A* + A' + A'),
und die nenerdings verbesserten:
AS = y. (A". + A\ + A'.), A". = Va (A"\ + A\ + A'.)-
Durch diese doppelte Operation erhält man für jeden Monat nur einen
Werth der Differenz, obgleich die Beobachtungen 16 — 17 Monate umfassen und
demnach eben so viele erste Differenzen erhalten werden, nämlich für den
Luftdruck z. B. welcher in 16 Monaten beobachtet worden ist, in den Monaten
Jänner, Febmar, dann November und December je zwei, in den übrigen je
eine. Die Gewichte der zuletzt für die einzelnen Monate erhaltenen Differenzen
bleiben sich demnach gleich. Auf diese Weise erhielt ich folgende Differenzen
für den
Luftd ru c k p. L.
(in Wien höher als in Baden)').
Lin. Lin.
1) Jänner 1-76 Juli 157
Februar 1*67 August 1-50
März 1 67 September 1*58
April 1-70 October 1-69
Mai 1-72 November 1-79
Juni 1-66 December 1-83
Jahr 1-68.
Werden diese Grössen von den Normalmitteln für Wien, wie sich die
selben aus stündlichen Aufzeichnungen eines Autografen in den Jahren 1852
bis 1867 ergeben, abgezogen, so erhält man folgende Normalmittel des Luft-
druckes für Baden.
Linien Linien
2) Jänner 328-97 Juli 328-33
Februar 28-51 August 28*41
März 27-36 September 29-13
April 27-73 October 28-55
Mai 27-51 November 28*59
Juni 27-96 December 28-89
Jahr 328-33 Grad.
») In den Uebersichten der Witterung für .1862 und 186,'» ist die Seehöhe der Beob-
achtungsstation Baden mit 121 Toisen angegeben.
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371
3)
Tempera
Ltur R.
W -
B.
Grad
Grad
Jänner
+ 0-89
Juli — 0-29
Februar
+ 0*82
August — 0-61
März
+ 0-36
September — 0*67
April
+ 003
October — ()-35
Mai
0-00
November + 0*04
Juni
— 0-04
December -}- 0-37
Jahr + 0-05 Grad.
Die Temperaturdifferenz zwischen Baden und Wien würde hiernach
einer periodischen Aenderung im Laufe des Jahres unterliegen, in Folge wel-
cher in den Monaten November bis April das Clima von Wien wärmer in
den Monaten Juni bis October hingegen kälter wäre, als jenes von Wien.
Ersteres wäre demnach vorzugsweise im Winter, theilweise auch im Frühling
der Fall, letzteres im Sommer und Herbste. Am meisten im Vorsprung gegen
Baden wäre Wien im Jänner und Februar, am meisten zurück im September
und August.
Ob diese Differenzen und die periodische Aenderung derselben wirklich
bestehen oder nur Folge sind der ungleichen Aufstellung der Instrumente an
beiden Stationen, lässt sich nicht entscheiden, da mir die Art der Aufstellung
des Instrumentes in Baden nicht bekannt ist und wenn auch eine Planskizze
vorgelegen wäre, die Ansicht an Ort und Stelle erwünscht ist.
Werden die Grössen der Tafel 3) von den Normalmitteln für Wien aus
24 stündigen Beobachtungen in den Jahren 1852 bis 1867 abgezogen, so erhält
man für Baden folgende Normalmittel.
4)
5)
Grad
Grad
Jänner
— 1-75
Juli
16-41
Februar
— 0-63
August
16-27
März
+ 2-99
September
13-42
April
8.00
October
9-04
Mai
11-78
November
-h 2-55
Juni
15-12
December
— 1-01
Jahr
7 67 Grad.
B
ew
ölk
ung.
Ganz
wolkenlos
=
0-0
ganz trüb =
100
W. —
B,
Jänner
0-00
Juli
+ 0-03
Februar
— 0-08
August
+ 0-36
März
+ 0-14
September
+ 0-54
April
+ 0-20
October
+ 0-59
Mai
+ 0-03
November
4- 0-34
Juni
— 0-06
December
+ 0-17
Jahr
-r
019.
24*
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372
Werden diese Grössen abgezogen von den Mitteln für Wien, abgeleitet
aus den Beobachtungen um 6 U. Morg., 2 und 10 U. Abds.*) in den Jahren
1853—1867, so erhält man folgende Mittel für Baden:
6) Jänner 7-18 Juli 4-53
Februar 6-70 August 4-10
März 5-98 September 4-20
April 4-90 October 4-96
Mai 5-17 November 7-06
Juni 4-70 December 7-00
Jahr 5-54.
Im Spätsommer und Herbst scheint demnach der Himmel über Wien
erheblich mehr getrübt zu sein, als über Baden, während in den übrigen
Jahreszeiten der Unterschied unerheblich ist. Eine Personalgleichung der Be-
obachter an beiden Stationen ist nicht wohl anzunehmen, es müsste denn sein?
dass in Baden im Spätsommer und Herbst ein Wechsel stattfand.
Eine Bestätigung des Ergebnisses ist jedenfalls erwünscht Besteht die
erwähnte Verschiedenheit des Bewölkungsgrades in der That, so könnte die
Ursache in der ungleichen Wärmestrahlung liegen, welche bei der freieren
Lage Wiens mehr begünstiget ist, als in Baden. Es müsste dann die Ver-
schiedenheit der Bewölkung vorzugsweise in den Morgenstunden hervortreten.
Man muss hiebei erinnern, dass im Spätsommer und Herbste die Luft ziem-
lich feucht ist und daher ein Niederschlag, als Nebel in den ersten Morgen-
stunden, leichter möglich wird. Bei der Darstellung des Clima's anderer Statio-
nen von ähnlicher Lage, z. B. von Kalksburg, wird sich zeigen, ob meine
Annahme richtig ist.
Der verstorbene Burkhardt, welcher in Mauer, also nahe bei Kalksburg
wohnte und beobachtete, fand wenigstens den Himmel über Wien in den Mor-
genstunden oft durch Nebel, Rauch, vielleicht auch Staub getrübt, während
sich über Mauer das schönste blaue Firmament wölbte.
Vertheilung der Winde.
Indem ich aus der ^ jedenfalls viel zu kurzen Beobachtungsreihe von Ba-
den eine solche Vertheilung ableitete, hatte ich vorzugsweise die tägliche
Periode im Auge. Bei der Lage Badens sollte man meinen, eine Art Wechsel
zu treffen, ähnlich jenem der Land- und Seewinde. Die folgenden Zahlen mö-
gen lehren, ob dies der Fall ist.
Für die Monate October bis Februar, also im Spätherbste und Winter
sind die Ergebnisse zweijährige Mittel, in den übrigen Monaten nur aus ein-
jährigen Beobachtangen abgeleitet.
O SO S
31 3
34* 3
34* 5
*) Leider liegt für die Stande 8 U. Morg, kein Mittelwerth der Bewölkung von Wien vor.
N
NO
7)
8 U.
3
10
Jänner
2 U.
3
9
10 U.
8
8
SW
W
NW
16
37*
20
1
29
15
81
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373
N.
NO.
0. SO.
S.
SW.
W. NW.
8 U.
1 ^^
11
14
10
47*
Februar
2 U.
8
7
23
,
7
2 54*
10 U.
1 20
2
14
.
6
59*
8 U.
10
6 10 52*
3
10
10
März
2 U.
3
10 3 64*
6
13
10 U.
6
10 6 58*
3
16
8 U.
1 ^
10
30
7
3
47»
April
2 U.
7
43
1
.
47*
10 U.
1 3
13
27
7
10
40*
8 U.
3
19
,
29
46*
Mai
2 U.
6
29
,
36*
29
10 U.
6
29
3
16
3 43*
8 U.
3
33
,
13 5 48»
Juni
2U.
6
29
,
35*
29
10 ü.
7
27
.
13 5 48*
8 U.
26
39*
3
7
26
Juli
2 U.
19
39*
3
10
29
10 U.
29
42*
3
.
26
8 U.,
•
27 S
! 32
3
35*
August
2 U.
.
15 2
\ 42*
7
35
10 U.
16
26
10
48*
8 U.
20
40*
33
September
2 U.
7
60*
.
33
10 U.
10
3
47*
3
37
8 U.|
•
10
49*
3
7
32
October
2 U.
,
13 1
54*
3
6
23
10 u.l
10
54*
.
6
30
8 U.
6 S
5 37
2
8 1
L 46»
November
2 U.
6 1
49*
,
11 1
[ 30
10 u.
11
40*
1
8 6
\ 32
8 U.
11
18
26
,
13
32*
December
2 U.
6
11 1
38*
,
13
31
10 U.
6
12
37*
.
13
33
Wir sehen in allen Monaten vorzugsweise um die Herrschaft kämpfen,
wie in Wien, den SO. und NW., selten nur erlangt der SW. das Uebergewicht.
Besteht wirklich eine tägliche Periode des Windwechsels, so wird sie bei die-
sen Winden daher auch am auffallendsten hervortreten.
Der SO. war in 8 Monaten vorherrschend, darunter sind jedoch nur 4,
in welchen er zu allen drei Beobachtungsstunden herrschte. In 3 Monaten
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374
war dies der Fall in den beiden Stunden nach Mittag, in 1. blos in der Stunde
um 2 Uhr.
Der NW. war ebenfalls iu 8 Monaten vorherrschend, jedoch nur in 2
zu allen Stunden, in 3 bei der Morgen- und Abend-Beobachtung, in eben so
viel blos bei der Morgen-Beobachtung.
SW. Winde erlangten nur in 2 Monaten und in diesen nur um 2 Uhr
die Oberherrschaft.
Stellen wir diese Ergebnisse übersichtlich zusammen, «o finden wir die
drei dominirenden Windrichtungen in folgender Anzahl
8 U. 2 U. 10 U.
SO 4 8 7
NW 8 2 5
SW 2 ^_0
Summa 12 12 12
Der SO. ist demnach besonders um 2 U. herrschend, während der NW.
zu dieser Stund am seltensten herrschend wird. Die Frequenz des SO.
und SW. zusammen compensirt jene des NW. vollständig, beide Gruppen der
Winde stehen demnach in Wechselwirkung und stellt sich also ganz entschie-
den ein periodischer täglicher Wechsel der Windrichtung, wie wir vermuthe-
ten, heraus.
Ob derselbe aber eigen ist für Baden, wird sich erst entscheiden lassen,
bis der normale tägliche Gang der Windrichtung fClr Wien aus den Autografen-
Zeichuungen abgeleitet sein wird.
Besteht wirklich eine tägliche Periode, so muss dieselbe an heiteren
Tagen und im Sommer auffallender sein, als im Winter und an trüben Tagen.
Es ist daher angezeigt, eine Sonderung der Ergebnisse vorzunehmen, am
besten für den Semester October-März und April-September. Wir erhalten dann
für den
Wintersemester
2 U. 10 U.
5 5
1 1
Sommer Semester
3 2
1 4
2
Rechnen wir wieder den SW. zum SO., so tritt allerdings im Sommer-
semester die tägliche Periode markirter hervor als im Wintersemester.
8 U,
SO
2
NW
4
SW
so
1
2
NW
4
SW
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IL
Das Clima von Gresten.
Dargestellt von Carl Frltsch.
Die Beobachtungen, welche dieser Darstellung zu Grunde liegen, sind
S. H. dem Herrn Beneficiaten Paul Urlinger zu danken, welcher sie mit Eifer,
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit anstellte. Seinfe Beobachtungen umfassen den
Zeitrauna von December 1855 bis einschliesslich October 1860 und hören nun
auf in Folge der Berufung des Herrn P. Urlinger als Pfarrer nach Scheibbs,
wo von ihm eine neue Beobachtungsreihe begonnen worden ist.
Die geographische Breite von Gresten ist 47® 59', die Breite 32® 40',
die Seehöhe 211 Toisen*). Die Station liegt in einem Thalkessel, von beiläu-
fig y^ Stunde im Durchmesser, welcher auf der Nord- und Ostseite von 2200'
und 2500', auf der Westseite von 2700—2800' auf der Südseite von 3400' bis
3500' hohen Bergen gebildet wird.
Iq Bezug auf die Aufstellung der Instrumente wird Folgendes bemerkt«
Da das Wohnhaus des Herrn Beneficiaten eine Fronte gegen NW, die andere
gegen NO. wendet, und das Thermometer daher in den Morgen- oder Abend-
stunden von der Sonne beschienen worden ist, so musste es durch eine schmale
Wand gegen die Insolation geschützt werden. Es war mit dem Psychrometer
2 Fuss weit von der Mauer entfernt. Der Rezipient des Regenmessers wurde
in der Mitte des Hausgartens, an einer von Bäumen ganz entblössten Stelle
aufgestellt.
Die Beobachtungen wurden mit Instrumenten der k. k. Central-Anstalt
für Meteorologie angestellt, die Beobachtungszeiten waren 7 U. Morg. 2 und
9 U. Abds. Da die Beobachtungsreihe 1855 — 1860 zu kurz ist, um daraus di-
rect Normalmittel ableiten zu können, so wurden zunächst, so weit dies anging,
aus den correspondirenden Daten (Mittelwerthen) von Wien die Differenzen
(W — G) abgeleitet und diese von den Normal mitteln von Wien abgezogen, um
die Normalmittel von Gresten zu erhalten.
*) Abgeleitet von P. Urlinger aus 38 Barpmeter-Beobachtungen auf verschiedenen vom
k. k. General-Stabe trigonometrisch gemessenen Bergen der nächsten Umgebung und den
Correspondirenden in Gresten. Die Hälfte dieser Beobachtungen stimmen mit dem Mittel auf
5 Fuss überein, nur vrcnige variiren um 20 Fuss. (Briefl. Mittheilung).
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376
Luftdruck bei 0« Temp.
in Pariser Linien.
Der constante Fehler des Barometers — 0*2 1 Lin., d. h. das Barometer
von G. stand um diese Grösse höher als das Normalbarometer der Anstalt,
wurde in Rechnung gebracht.
Normalmittel des Luftdruckes.
Lin. Lin.
1) Jänner 32230 Juli 322*17
Februar 321-75 August 322-04
März 320-82 September 322-63
April 321-18 October 321*91
Mai 321-14 November 321-90
Juni 321-87 December 32236
Jahr 321-84 Lin!
Normalmittel der Maxima des Luftdruckes.
2)
Lin.
Lin.
Jänner
327-68
Juli
325-14
Februar
26-32
August
25 17
März
26-48
September
26-05
April
25-73
October
26-45
Mai
24-74
November
26-79
Juni
24-74
December
28-13
Jahr 329-26 Lin.
Normalmittel der Minima des Luftdruckes.
5)
Lin.
Lin.
Jänner
314*90
Juli
318-27
Februar
14*80
August
18-68
März
15-14
September
18-14
April
15-46
October
16-66
Mai
16-27
November
16-44
Juni
17-68
December
14-69
Jahr 312-83 Lin.
Aus 2) und 3) erhält man folgende
Normale Aenderungeu des Luftdruckes.
4)
Lin.
Lin.
Jänner
12-78
Juli
6-87
Februar
11-52
August
6-49
März
11-34
September
7-91
April
10-27
October
9-79
Mai
8-47
November
10-35
Juni
706
December
13-44
Jahr 16-43 Liu.
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377
Temperatur R.
Aus der Vergleichung der gleichzeitigen dreistündigen Beobachtungen
von Wien und Gresten erhält man folgende Unterschiede, um welche die Tem-
peratur von Gresten niedriger ist, als in Wien.
Mittlerer Unterschied gegen Wien.
Gresten kälter.
Grad Grad
5) Jänner 1-67 Juli 2*33
Februar 1*51 August 2*44
März 1-49 September 208
April 1-80 October 1-83
Mai 1*97 November 1*41
Juni 2-33 December 1-38
Jahr 1-85 Grad.
Werden diese Grössen von den Normalmittoln abgezogen, welche für
Wien aus 24sttindigen Beobachtungen in den Jahren 1852—1867 gefolgert
worden sind, so erhält man die folgenden
Normalmittel der Temperatur für Gresten.
Grad Grad
6) Jänner — 2-53 Juli + 13-79
Februar — 1-32 August + 13*22
März + 1-86 September-}- 10-67
April -f 6-17 October + 6-86
Mai + 9-81 November -f- 1-18
Juni -|- 12'75 December — 2-12
Jahr 5-87 Grad.
Mittlerer Unterschied des Maximums gegen Wien.
Gresten kälter.
Grad Grad
7) Jänner -f 1-24 Juli -f 2-46
Februar — 0-36 August -|- 1-88
März — 0-02 September -|- 1-50
April -f 1-08 October -|- 1-34
Mai -f- 0-86 November + 0-10
Juni -f 1 40 December -}- 0-62
Jahr 1-98 Grad.
Werden diese Grössen von den Normalmitteln, wie sich dieselben aus
den Ausschreibungen des Register- Thermometers (Max.-Min.-Thetmometer) an
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378
der k. k. Sternwarte*) von den Jahren 1829 — 1862 ergaben, abgezogen, so erhält
man folgende
Nor mal mit tel der Maxima der Temperatur für Gresten:
Grad Grad
8) Jänner 6-47 Juli 23-79
Februar 9*44 August 23-74
März 13-42 September 20-46
April 1756 October 16-28
Mai 21-32 November 11-38
Juni 2406 December 731
Jahr 25-40 Grad.
Mittlerer Unterschied des Minimums gegen Wien:
Gresten kälter als Wien.
Grad Grai
9) Jänner 4-58 Juli 1*88
Februar 4*06 August 2- 16
März 3-07 September 2-66
April 1-50 October 166
Mai 1-76 November 3*12
Juni 1-56 December 4*62
Jahr 4-30 Grad.
Auf dieselbe Weise wie bei dem Maximum erhält man folgende
Normalmittel der Minima der Tempe ratur fürGresten:
Grad Grad
10) Jänner — 15-20 Juli -\- 6-88
Februar — 13-07 August -j- 5-81
März — 8-75 September + 1-38
April — 3'03 October ~ 1-50
Mai + 1-38 November— 7-97
Juni + 5-83 December— 13-57
Jahr — 16-91 Grad.
Die Temperatur ist ein so wichtiges und einflussreiches Element, dass
wir noch einige Zeit bei den Betrachtungen über das Verhältniss beider Statio-
nen verweilen wollen.
Schon bei der mittleren Temperatur zeigt sich, dass die Differenz zwi-
schen Gresten und Wien einem jährlichen Wechsel in den einzelnen Monaten
unterliegt. In den Monaten November bis März ist sie kleiner, in den Mona.
*) Ueber den Grund, warum hier den Beobachtungen der k. k. Central-Anstalt jene
der k. k. Sternwarte substituirt werden, s., Fritsch: „Das Clima von Wiener Neustadt.^
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379
ten Mai bis September grösser als die mittlere des Jahres, die man in den
Monaten April und October triflft, welche die Wintermonate von den Sommer-
monaten scheiden. Der Einfluss, der durch die Besonnung der Häusermassen
in Wien im Sommer hier bewirkten Erhöhung der Lufttemperatur ist nicht
zu verkennen. Schwieriger hält es für die verhältnissmässige Depression der
Temperatur von Wien im Winter einen Erklärungsgrund zu finden, wahrschein-
lich wirken mehrere Ursachen, welche sich theilweise compensiren können.
Viel deutlicher noch ist der Einfluss der Häuser massen auf die Tempe-
ratur-Verhältnisse in Wien, in den Differenzen des Maximums der Temperatur
ausgeprägt. Während die Grössen der Tabelle 8) nur höchstens um
2-44« — 1-38« = 1060 variiren, geben jene der 10) 2-46« — (— 0-32«) = 2-78
als grösste Differenz, und stellt sich zugleich mit grösserer Bestimmtheit her-
aus, dass beim Ausgange des Winters die Häusermassen in Wien auf die Tem-
peratur-Verhältnisse deprimirend wirken.
Noch grösser sind die Unterschiede beim Maximum der Temperatur (12)
und gehen bis 4*58® — V50^ = 3-08*. Da das Maximum der Temperatur
vorzugsweise unter dem Einflüsse der Wärmestrahlung während einer heiteren
Nacht steht, welche bekanntlich in der Nähe der Schneedecke weit grösser ist,
als schon in geringer Höhe über derselben, so zeigen sich auch die grössten
Unterschiede gegen Wien in den Wintermonaten. Ich muss hier in's Qedächt-
niss zurückführen, dass das Thermometer in Wien in bedeutender Höhe über
dem Boden ausgesetzt ist.
D un s
tdruck *)
In Pariser Linien.
Normalmittel
des
Dunstdruckes.
Tiin.
Lin.
11) Jänner
1-49
Juli
4-95
Februar
1-62
August
500
März
1-93
September
4-24
April
2-48
October
3-29
Mai
3-66
November
204
Juni
4-87
December
1-54
Jahr
309
Lin.
Normalmittel der Maxima des Dunstd
r ucl
Lin.
Lin.
12) Jänner
2-94
Juli
6-92
Februar
311
August
7-47
März
3-29
September
7-13
April
4-66
October •
5-86
Mai
6-99
November
4-02
Juni
7-84
December
2-79
Jahr
7-76 Lin.
*) Dunstdruck und Feuchtigkeit wurden aus den bekannten Psychronometer-Beob-
achtungen abgeleitet.
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380
13)
rmalmitt
el der
Lin.
Mini m a
des Du nstd
[rucl
Lin.
Jänner
0-48
Juli
2-90
Februar
0-69
August
3-21
März
0-87
September
2-20
April
111
October
1-57
Mai
1-84
November
0-81
Juni
3-17
December
0-38
Jahr 0-28 Tiin,
Feuchtig keit.
In Perceuten der Dunstsättigung ausgedrückt.
Mittlerer Unterschied gegen Wien.
In Qresten die Feuchtigkeit immer grösser.
Perc. Perc.
14) Jänner 6-62 Juli 15-18
Februar 7*28 August 15-14
März 9-30 September 13*84
April 10-76 October 10-92
Mai 12-62 November 7-45
Juni 14-96 December 5-04
Jahr 10-68 Perc.
Werden diese Gröbsen zu den Normalmitteln addirt, wie sich dieselben
aus den stündlichen Aufzeichnungen in Wien von den Jahren 1853—1867
ergeben, so erhält man folgende
Normalmittel d er Feuchtigk ei t für Qresten:
15)
Perc.
Perc.
Jänner
90-0
Juli
77-7
Februar
87-0
August
811
März
79-9
September
83-1
April
73-7
October
87-4
Mai
77-2
November
88-6
Juni
79.0
December
87-9
Jahr
82-7 Perc.
Mittlere Unterschiede der Maxima gegen Wien.
öresten immer feuchter.
Perc. Perc.
16) Jänner 0-2 April 48
Februar 2-6 Mai 4-4
März 30 Juni 110
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381
Prc. Prc.
Juli 9-2 October 2-6
August 9-8 November 10
September 5*0 December 0*2
Jabr 100*0 Perc. »).
Werden diese Grössen addirt zu den Normalmitteln des Maximums in
Wien, gefolgert aus 248tündigen Beobachtungen in den Jahren 1853—1867,
so erhält man folgende
Normalmittel der Maxima der Feuchtigkeit für Gresten:
17)
Perc.
Perc
Jänner
1000
Juli
93-3
Februar
99*4
August
96*2
März
98*5
September
96*3
April
95*8
October
99-6
Mai
961
November
99-7
Juni
950
December
100*0
Jahr 100*0 Perc.
Mittlere Unterschiede der Minima gegen Wien.
W, — Q,
Perc. Perc.
18) Jänner — 3*8 Juli — 9*4
Februar — 2*0 August — 12*8
März -f- 2*2 September — 10*6
April -f- 2*0 October — 12*8
Mai — 11*8 November — 13*8
Juni — 10-4 December — 10*2
Jahr — 60 Perc.
Werden diese Grössen abgezogen von den Normalmitteln der Minima
für Wien, gefolgert aus stündlichen Aufzeichnungen in den Jahren 1853 — 1867,
so erhält man folgende
Normalmittel der Minima der Feuchtigkeit für Gresten:
19)
Perc.
Perc,
Jänner
46*8
JuU
36*0
Februar
411
August
42-4
März
33*0
September
39*6
April
24*6
October
48*7
Mai
37*1
November
64*7
Jani
37-9
December
58*9
Jahr 23*2 Perc.
>) Biese Uebereinstimmnng der Maxima des Jahres könnte auffallen, man mnss sich
aber gegenwärtig halten, dass die Sättigung der Luft mit Dünsten, Feuchtigkeit (= 100 Perc.)
wenn auch selten anhaltend, sich selbst in dem trockenen Clima Wien's in jedem Jahre
einstellt.
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382
Wir sehen, class die Feuchtigkeits-VerhäUnisse Grestens ziemlich abwei-
chend sind, von jenen in Wien. Eine nicht entsprechende Behandlung des
Psychrometers ist an der Station Gresten wenig wahrscheinlich. Es scheint
vielmehr die beträchtlich grössere Feuchtigkeit gegen Wien dem Clima in
Gresten eigen zu sein oder vielmehr das Clima von Wien, wenigstens theil-
weise, aus demselben Grunde trockener zu sein, aus welchem im Sommer die
Temperatur hier gesteigert, in den ersten Frühlingsmonaten deprimirt wird.
Die grössere Entfernung der Waldbestände und ihre geringere Ausdehnung
mag nicht wenig hiezu beitragen.
Bewölkung.
Ganz heiter = 0*0. Ganz trübe = 10*0.
20)
Mittl
ere Untersc
hiede
gegen Wien.
W.
0.
Jänner
— 0-54
Juli _ 1-00
Februar
~ 0-22
August — 1-00
März
'— 0-66
September — 0-9Q
April
— 0-42
October — 0-74
Mai
— 1-08
November — 0-56
Juni
— 1-34
Decembcr — 004
Jahr
0-71
,,
Die grösser^ Bewölkung steht im Einklänge mit der grösseren Feuch-
tigkeit in Gresten.
Werden obige Grössen von den Normalmitteln für Wien abgezogen, wie
sich dieselben aus den Beobachtungen um 6 Uhr Morg , 2 Uhr und 10 Uhr
Abds. ergeben*), so erhält man folgende
Normalmittel der Bewölkung für Gresten:
21)
Jänner
7-72
Juli
6-56
Februar
6-84
August
5-46
März
6-68
September
5-72
April
5-52
October
6-29
Mai
6-28
November
7-96
Juni
6-98
Jahr
6-44.
Deceraber
7-21
Winde.
Ausgedrückt in Percenten der Gesammtzahl des Monates oder Jahres.
Die Anzahl der Zwischen- Winde NNO., ONO., OSO. u. s. w. wurde
halbirt und auf die nächsten Hauptrichtungen vertheilt. Also NNO. = V»
N. + Vi NO.; ONO. = % NO. + Wi O.; OSO. == »/t O + 'A SO. u. s. w.
*) Dieses Verfahren ist zwar kein ganz genaues, ich glaube aber nicht, dass die
Resultate deshalb erheblich geändert worden sind. Eigentlich hätten Beobachtungen um
7 Uhr und 9 Uhr statt jenen um 6 Uhr und tO Uhr verwendet werden sollen, zu den ersteren
Stunden werden aber in Wien keine Beobachtungen über Bewölkung angestellt.
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383
Normale
monatl
iche und
jä
hrliche
Verth
eilnng
der W
inde
22)
N.
NO.
0.
80.
S.
SW.
W.
NW.
Jänner
8
23*
6
8
10
16
18*
12
Februar
6
25*
2
6
9
11
26*
14
März
6
18*
3
6
10
11
26*
20
April
8
19*
5
7
15
14
16*
15
Mai
7
21*
4
7
15
12
19*
17
Juni
8
19*
3
6
12
13
24*
14
Juli
7
13*
2
5
12
15
28*
19
August
9
13*
5
6
17
15
18*
17
September
14
18*
5
5
14
11
17
18*
October
13
25*
8
5
15*
13
11
11
November
9
28*
4
4
10
18*
9
16
December
4
24*
5
4
12
14
21*
16
Jahr
8
20*
4
6
13
13
19*
16
Es zeigen sich demnach in jedem Monate zwei Maxima der Wind-Ver-
theilung, das erste fällt auf NO., das zweite auf W., mit Ausnahme der Herbst-
monate jedoch. Im September nämlich fällt das zweite Maximum auf NW.,
im October auf S. und im November auf SW.
Die Kessellage von Qresten scheint hiebei nicht von erheblichem Ein-
flüsse zu sein. Der nordöstliche Theil des Bergkranzes, welcher diesen Kessel
umgibt, ist nicht unbedeutend niedriger als der südwestliche, und dennoch sind die
Winde der ersteren Hälfte des Horizontes beträchtlich seltener als jene der
zweiten, etwa in dem Verhältnisse, wie man es ziemlich allgemein antrifft in
unseren Gegenden, wenn locale Einflüsse sich nicht besonders geltend machen.
Stürme.
Unter 30 Stürmen, welche zur Zeit der regelmässigen drei Beobachtun-
gen in der ganzen Beobachtungsreihe vorgekommen sind, entfallen auf:
23) SW. W. WNW. NW. NO.
1 21 3 4 1
Nimmt man aber Rücksicht auf die Anzahl der Sturmtage, welche nur
24 beträgt, so stellen sich die Verhältnisse, wie folgt:
SW.
W.
WNW. NW.
NO.
Vs !«•/» 2 4 1
Auf die Jahreszeiten vertheilen sich die 30 Stürme so :
Winter
20
FrühHng
5
Sommer
2
Herbst
3
turmtage
hingegen :
Winter
16
Frühling
4
Sommer
2
Herbst
2
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384
Die Stürme aus W, haben demnach über jene anderer Richtungen ein
grosses Uebergewicht. Dasselbe gilt von den Stürmen des Winters im Ver-
gleich zu den übrigen Jahreszeiten.
Niederschlag
in Pariser Linien und Zollen
Mittlere Regenmenge von Gresten nach der unmittelbaren
Beobachtung.
Lin. Lin.
24) Jänner 18S0 Juli 63-31
Februar 17-58 August 6510
März 40-07 September 54 02
April 36-40 October 27-70
Mai 55-90 November 42*93
Juni 56- 18 December 26 43
Jahr 41-16 Zoll.
Mittleres Maximum der Regenmenge von Gresten nach der
unmittelbaren Beobachtung.
Lin. Lin.
25) Jänner 4-84 Juli 11-94
Februar 4*89 August 15-94
März 7-21 September 16-64
April 9-87 October 7-87
Mai 14-38 November 13-16
Juni 15-27 December 6- 16
Jahr 2209 Lin. = 1-84 Zoll.
Sehr wahrscheinlich würden die Werthe der beiden vorstehenden Ta-
bellen sich noch bedeutend ändern, wenn die Ergebnisse neuer Beobachtun-
gen einbezogen werden sollten.
Mittlere Anzahl der Tage mit Nebel.
26)
Jänner
50
Juli
10
Februar
57
August
1-0
März
1-5
September
2-0
April
2-0
October
110
Mai
1-2
November
11-7
Juni
0-4
Jahr 47-5.
December
50
Mittlere Anzahl der Tage mit Regen.
27) Jänner 5-3 April 12-1
Februar 4-0 Mai 161
März 6-7 Juni 150
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385
28)
Juli
15-2
October 10-6
Auguät
16-2
November 6*4
September
13-8
*
December 5-1
Jahr
126-4.
Mittlere
Anza
hl d
er Ta
Ige mit Schnee.
Jänner
7-9
Juli 0-0
Februar
8-4
August 00
März
7-3
September 0-0
April
1-9
October 0-5
Mai
Juni
0-3
0-0
November 5*5
December 6-Q
Jahr 38-4.
Die Regentage zu den Schneetagen addirt, geben die Zahl der Tage
mit Niederschlägen, dividirt man mit letzteren in die Niederschlagsmengen, so
erhält man die mittlere Menge der letzteren für einen Tag.
Mittlere Anzahl der Tage mit Hagel,
29)
Jänner
0-6
Juli
0-6
Februar
00
August
0-6
März
0-4
September
0-2
April
0-4
October
00
Mai
1-4
November
0-2
Juni
0-8
December
00
Jahr 5-2.
Hierunter sind auch die Tage mit Kräupeln begriffen, eine Form de«
Niederschlages, welche sich von jener des Hagels mit Sicherheit nicht tren-
nen lässt.
Mittlere Anzahl der Tage mit Gewitter:
30) Jänner 0*8 Juli 4.2
31)
Februar
02
August 8-4
März
0-4
September 2*4
April .
1-5
October 08
Mai
4-8
November 0*0
Juni
70
Jahr 30-3.
December 0*2
tlere Anza
hl der Tage mit Wetterleuch
Jänner
0-2
'
Juli 1-0
Februar
0-9
August 1*8
März
0-0
September 1*0
April
0-2
October 0-0
Mai
0-4
November 00
Juni
0-6
December 00
Die Tage sind hier nur dann gezählt, wenn an demselben Tage nicht
o'ui Gewitter stattfand.
•in
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III.
Die Maut am Semmering im Jahre 1545.
Mitgetheilt von M. A. Becker*).
Vermerckt die Mautt vnnd Auffschlag zu Schatwienn, wie die
genomen werden, der Zeit alls Herr Sigmund Freyherr zu Herber-
stain, Neyperg vnnd Guettenhag etc. die Herrschafft Clam, sambt Mautt
vnnd Auffschlag Eingenomen hat vnnd vnnzt her furo Eingenomen worden.
Darfüer ist Niemanndt gefreyt, derhalben so Wein vber den Perg ge-
fürt worden, Ausserhalb der Neustetter, Inhallt aines Vertrags, zwischen dem
Fiierstenthumb Steyr vnnd Innen aufgericht, Nemblichen Zwayhundert Vass,
was sy darüber füern, dauon geben sy Mautt vnnd Aufschlag wie Annder.
Die Pharr zu Spitäll Innhalb des Semring, fiieren Jre wein frey vber,
Allein das sy järlichen ain grossen Khaß gen Clam diennen.
Die Priorin zu Khirchperg fürt järlichen frey Sechzig Fueder saltz von
Aussee zu Irem Closter.
Hernach volgt was von Jeglicher Waar genomen wirdt.
Von beschlagen guett was das sey in Palln vnnd strikhen, von ainem Centen,
ain Schilling, fünfzehen dl.
Rainfl von ainem langen Vaß 2 Fl. dl.
Maluasier „ ainer Ampher 1 Fl. dl.
Muscatell „ ainer halben Ampher 4 ß dl.
Pingnoll „ ainem Rosß 2 ß dl.
Wälschwein der nit süess ist, ain Rosß zwen Schilling Idest . 2 ß dl.
Zuekher ain Centen.
Feigen von ainer lagl
Poxhömdl von groß Panndt 2 ß dl.
Weinpeer von ainem Rosß
Manndl von ainem Rosß 1 ß 10 dl.
Aneiss von ainer grossen lagl 2 ß dl.
*) Aus einer Handschrift : Vermerckht die herschafft Clam under dem Semring, sambt
der Znegehörungen, Herrlichkheiten, Diennsten, Pantädingen und Mautten, wie die alle ge-
halten unnd gebraucht sein worden bey Inhabung Herrn Sigmunden Freyherrn zu Her-
berstein Neiperg vnnd Guetenhag etc. Seit des Tausent fünfhundert vnnd achtzehenden
Jahre alls er die eingenomon, hinzt in das Tausent fünff hundert acht vnnd vierzigist Jar.
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387
Wälisch Chilmel von ainem Rosß Iß
Lemony von aim Rosß Iß
Margranöpfl „„ „ Iß
Pomaranzen „ „ ^ Iß
Paumbwollen ain Scheiben 4 ß
Paumb Oell ain Rosß Iß
Allaun ain grosse lagl Iß
Gallus ain Vaß 4 ß
Gallus ain lagl 2 ß
Khessten ain grosse lagl Iß
Schwebl ain grosse lagl 2 ß
Schwebl ain Rosß Iß
Saiffen ain grosse lagl 2 ß
Vitriol von aim Cennten
Lasur von aim Cennten Iß
Waidgam ain Rosß Iß
Papier ain säm groß Panndt 4 ß
Papier ain Rosß Iß
PaumbwoU ain wagen sam vier Schilling .... Idest 4 ß
PCiecher ain Vaß ain Phundt Phenning . . Idest 1 Fl. dl.
Saffran ain Phundt, dauon acht Phening Idest
Speckh von aim Cennten zwelff Phening Idest
Honig von aim Vaß ain Phundt Phening . . Idest 1 FL dl.
Huetrauch von aim Cennten zwelfF Phening .... Idest
Wax von aim Cennten Sechzehen Phening Idest
Thuech geschlagen nach seinem werdt Sechzehn oder vier vnnd
zwainzig Phening Idest 16 od.
Quecksilber von aim Cennten ain Schilling zwen Pheuing . Idest 1 ß
Pley von aim Cennten sechs Phening Idest
Zynn von aim Cennten vier vnnd zwainzig Phening . . Idest
Eisen von aim Cennten geschlagenes vier Phening . . Idest
Eisen von aim Cennten gezogenes vier vnnd zwainzig Phe-
ning Idest
Eisen von ainer Wa^genschwär Nämligs zwen Schilling . Idest 2 ß
Hausen von ainem Cennten einen Schilling zwen Phening Idest 1 ß
Haring von ainer Tunnen ain Schilling zwen Phening . Idest 1 ß
Salz ain Ortt ain Phening Idest
Har von aim Cennten Sechzehn Phening Idest
Khreyden von aim Cennten Sechzehen Phening . . . Idest
Plech von aim Cennten sechs Phening Idest
Schoflfwollen von aim Cennten Sechzehen Phening . . Idest
Schmer von aim Cennten Acht Phening Idest
Ynnslit von aim Cennten Acht Phening Idest
Leinwath von aim Stuckh zwelff Phening Idest
Von aim Mülstain vier vnnd zwainzig Phening . . . Idest
25 *
2 dl.
10 dl.
10 dl.
10 dl.
10 dl.
6 dl.
dl.
dl.
10 dl.
20 dl.
2 dl.
dl.
6 dl.
15 dl.
10 dl.
dl.
10 dl.
dl.
8 dl.
12 dl.
12 dl.
16 dl.
24 dl.
2 dl.
6 dl.
21 dl.
4 dl.
24 dl.
dl.
2 dl.
2 dl.
1 dl.
16 dl.
16 dl.
6 dl.
16 dl.
8 dl.
8 dl.
12 dl.
24 dl.
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388
Schmalz dauon aim Augster dauon ain Phening . . . Idest 1 dl.
Khessl, darnach Er werth ist.
Kbäss ain, dauon ain Phening Idest
Schlayr ain Rosß, dauon zwen Schilling dl Idest
Phannen von aim schockh Acht Phening Idest
Oepfl ain Rosß drey Phening Idest
Rosß darnach es gilt, Acht, Zwelff, Sechzehen Phening, oder
vier Schilling ...... Idest 8, 12, 16 dl. oder
Ochsen, von aim Acht Phening Idest
Oastraun von aim zwen oder drey Phening .... Idest
Schwein von aim drey Phening ... ^ ... . Idest
Von aim Pachen Fleisch vier Phening Idest
Haussrath, von ainem wagen vier vnnd zwj^inzig Phening Idest
Von ainem gannzen Khozen vier Phening Idest
Von aim halben Khozen zwen Phening Idest
Federn von aim Cennten achtzehn Phening .... Idest
Von aim Federpeth vier Phening Idest
Schüssl vnnd teilet von aim Wagen acht Phening . . Idest
Höflten ain Wagen, zway Hoffen Idest
Hoffen von aim Säm, ain Haffen Idest
Schinndl von aim Tausent vier Phening Idest
Von ainer Rauchen Haut drei Phening Idest
Haut aine gewerchte, dauon vier Phening ..... Idest
Fell ain Paschen dauon vier Phening Idest
Khtirschen ain Puschen gewenndt, dauon vier Phening . Idest
Fuxpälger ain Hundert, dauon zwelff Phening . . . Idest 12 dl.
Maderpälger von ainem Phundt werth vier Phening . Idest 4 dl.
Schönberg ain tausend, dauon drey Schilling .... Idest 3 ß
Trayd ain mezen, dauon ain Phening Idest 1 dl.
Von ainem Bohemischen Wagen glaß , vier Schilling
Phening. Idest 4 ß
Von ainem Kharrn zwen Schilling Phening .... Idest 2 ß
Khragsen, dauon sechs Phening . j Idest 6 dl.
Glaßtruhen Venedigisch, dauon vier Schilling .... Idest 4 ß
Glaß ain Rosß zwen -Schilling Idest 2 ß
Weingartsteckhen ain Wagen, dauon zwen Phening . . Idest 2 dl.
Raiffholz ain wagen, dauon zwen Phening .... Idest 2 dl.
Weinstain ain Vass, dauon vier Schilling Idest 4 ß
Weinstain ain Cennten, dauon Sechzehn, Phening . . Idest 16 dl.
Wein ain Vaß, dauon syben Schilling Idest 7 ß
Wein ain Stortin, dauon drey Schilling funffzehen Phening Idest 3 ß 15 dl.
Wein ain Rosß, dauon Sechzehen Phening Idest 16 dl.
Weinper ain Rosß, dauon Sechzehen Phening .... Idest 16 dl.
Schotten oder Walchen mit ainem Rosß, zwen Schilling
Phening Idest 2 ß dl.
1 dl.
2
ß dl.
8 dl.
3 dl.
4
ß dl.
8 dl.
2
od. 3 dl.
3 dl.
4 dl.
24 dl.
4 dl.
2 dl.
18 dl.
4 dl.
8 dl.
2 höffl
1 Haffen
4 dl.
3 dl.
4 dl.
4 dl.
4 dl.
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389
Ruebkhörb, dauon drey Phenin^ Idest 3 dl.
Juden geunndt, zwen Phening Idest 2 dl.
Vnnd von Khanffmannsgüettem, alls vill alls von ainem Christen
Juden Keittund 4 dl.
Sannst gibt man gemainlich von andern güettern, je von ainem
Phundt Phening werth vier Phening Idest 4 dl.
Alle Vischer von der Nenstatt geben am dnrchfüern, ain Visch
vom Vaß.
Das geschlagene Eisen füern allein die von MuerZnschlag lautt Irer Freyheit.
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IV.
Zur Geschichte der Jesuiten in Wien.
Wir entnehmen den Originalgedenkbüchem der Jesuiten nachfolgenden
Beitrag zur Geschichte der Kirche am Hof und damit zugleich einen Bei-
trag zur Geschichte der Jesuiten in Wien:
„Das von den Carmelitem Leer gewordene Kloster sambt Kirche und
Gebäude übergab 1554 Kaiser Ferdinand I. sowohl um den unterlassenen Got-
tes Dienst wieder zu erheben, als auch um den Jesuiten einen eigenthumlichen
Orth zu verschafen, letzteren, und beförderte den noch vorfindigen letzten Car-
meliter, welcher inzwischen Weltpriester geworden, zum Pfarrer nach Weis-
berg ohnweit Korneuburg.
„Zu Ende May 1554 nahmen die Jesuiten von der Kirche, und den Klo-
ster Besitz. Es war aber dieses Gebäude, und Kirche eben so schadhaft als
ihre Vorige Wohnung. Ihre erste Sorge war also die Kirche zu säubern und
selbe zum Gottes Dienst tauglich zu machen, die zweyte sich mit der Erzie-
hung der Kinder abzugeben. Schon den 4. Juni 1555 nahmen Sie 4 Knaben
in die Kost, womit sie zugleich den Anfang zu den nachher entstandenen Con-
vict legten. Kaiser Ferdinand sorgte auch indessen für ihren Täglichen Unter-
halt, und widmete für Sie jährlich 1200 fl. auf den Mauthgefälle zu Lintz.
Er unterstüzte das entstandene Convict und vertraute den Jesuiten seine Sin-
ger-Knaben zu erziehen. Durch seine Unterstützung und durch das Eifrige
bemühen der Jesuiten nahm das Convict den besten Fortgang, und bewegte
1558 den Jesuiten P. Victoria mit Hülf einiger Gutthäter auch in den neu ent-
standenen Collegio für arme studirende ein Seminarium zu errichten. In
folgenden Jahr 1559 Hess Kaiser Ferdinand auch das verfallene Kloster, und
Kirche erheben, und vermehrte zugleich die Einkümpfte dieser Geistlichen,
jedoch gegen die Verbündlichkeit, dass zwey Theologi aus ihnen auf der Uni-
versitaet Vorlesungen halten sollen. Endlich 1560 tibergab er zur Obsorge
auch den Jesuiten das zur Landschaft-Schulle erkaufte Schromze-
rische Haus sambt der Schul le, und die Jesuiten vereinten ihre Con-
victores mit selben. In eben diesen Jahr 1660 und in den folgenden kauften
die Jesuiten von einen gewissen Jordan drey Häuser auf den Juden Platz»
mit Vorbehalt des Wieder Einlösungs Rechtes. Nach dem Tode des Kai.
ser Ferdinands wurde zwahr den Jesuiten den 28. April 1565 von seinen Nach-
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391
folger Maximiliano II eine Vorlesung von der Theologiae abgenohmen, und
diese den aus Hungam vertriebenen, und nach Wienn geflohenen Bischof von
Modrusch tibergeben, und gleich darauf in November ihnen anbefohlen: Die
Landschaft Schulle von ihren Con Victoren zu räumen, und in falle
Sie einige beybehalten wollten, selbe in einen andern Orth unterzubringen^
Die Jesuiten versuchten zwahr ihre Convictoren in die erkauften J o r d a n i-
schen Häuser zu erhalten, aber der Magistrat widersezte sich ihren Unterneh-
men, und bemächtigte sich mit gewalt ihrer Häuser unter den Vor wand, das
sie selbe zur Wohnung der Frembden, welche zu den Exequien des Kaisers
nach Wienn komen, Bedurften, eigentlich war aber ihnen zu thuen, darmit
eine Unterkunft für die Viellen Lutheraner zu erhalten; die Je-
suiten übergaben dahero den 9. Mai den Landschaftlichen Comissarien die
Landschaftliche Schulle und entliessen ihre Convictores bis auf einige, welche
Sie in ihr Collegium unterbrachten. Aber eben^ dieser Kaiser zeigte sich in
andern Fällen gegen die Jesuiten sehr geneigt — denn kaum erführe selber
das ungerechte Unternehmen des Magistrats, so befahl er den 17. August 1565
denselben , ihnen die abgezwungenen Häuser also gleich zurückzustellen. —
Gleich hierauf an 20. September 1568 legte er auch eine besondere Gewogen-
heit gegen Sie an Tag, das er ihnen von Ferdinando gemachte Geschänke,
mit der Carmeliter Kirche, Kloster und Gebäude, welches schon Pabst Grego-
rius der 13te 1560 begnehmiget hatte, dann die Stiftung von 1500 fl. auf
die Mautli Lintz, sambt die Stipendien für die zwey Proffessores auf der Uni-
versitaet, von welchen zwahr nur einer Vorlesungen halten durfte, bestättigte,
auch die Kaiserin Maria bezeigte ihr Wohlwollen, diesen Orden in Jahr 1569
mit einen Geschenk von 1500 Thallem, von welchen Sie, und mit weiterer
Unterstützung des Kaisers und der Kaiserin das Convict aufzubauen anfingen.
Nach diesen hohen Beyspill flössen von allen Seiten Unterstützungen den neu
entstandenen Orden zu, und nebenbey wurd von den Landesfürsten ihnen bey
mindester Noth mit Lebens Mitein , Korn — Salz — beygesprungen , oder
selbst mit Geld unterstützet. So hatte Kaiser Maximilian der 2te dieser sich
immer mehrenden Gesellschaft 1571 zu ihrer Erhaltung aus den Einkümpften
des verfallenen S. Clarae Kloster bey S. Anna jährlich 1500 fl. zugewiesen, und
2 jähr darauf 1573 räumte er ihr das Kloster und die Kirche S. Anna, sambt
den Pillgrim Haus ganz ein. In eben diesen Jahr starb obgedachter Bischof
von Modrusch, und die Jesuiten erhielten den zweyten LehrstuU der Theo-
logiae wieder, und sie fingen, wie ihnen schon 1570 erlaubt worden, nebenbey
in ihren Collegio die Theologiam, Philosophiam, die Poesie und Rhetoric öfent-
lich zu lehren an und ertheilten selbst auf der Theologie ihren Geist-
lichen die Doctors Würde. Endlich hatten auch die Jesuiten in den
Collegio die Congregation Stae. Barbarae, nach Art des deutschen CoUegy in
Rom errichtet. So wie die Jesuiten durch diese und die schon ehehin errichtete
Congregation B. M. Virginis den Eifer der Katholischen für die Religion zu
erheben trachteten, ebenso wendeten die Irrgläubige alles an ihr unternehmen,
und gute Absicht in fortgang zu hemmen. Sie versuchten noch in diesen Jahr
die Jesuiten wider von den Lehr Stühlen auf der Universitaet ganz zu entfer-
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392
nen. Es erfolgte aber auf ihre Vorstellnno^ von Kaiser Max II den 5 May 1574
in Bezug auf die Resulution von 28teu April 1565 blos der Entschluss : das
die Jesuiten auf die Academie solche Männer zu ihren Vorlesungen stellen
sollten, welche der deutschen Sprache kundig sind, und ausser den
zwey lehrern nicht mehrere auf der Universitaet anstellen, und diese ge-
halten sein sollen, sich in allen den Statuten der Universitaet zu
unterziehen.
Unter dieser Zeit 1558 und nachhin 1633 und 1667 wiederhollten die
Carmeliter das Gesuch um Biickstellnng ihres ehemaligen Klosters,
oder als Entschädigung statt selben ihnen die Kirche zu S. Peter und dem
Vicedom Ambt zu übergeben.
Sie wurden aber mit diesen Gesuch auf immer abgewisen.
1607 am weissen Sonntag traf die Collegium das Unglück, das es
sambt den Convict und Seminarium bis auf den untern Theil abbrante,
die Jesuiten aber brachten es mit ihren Eifer für den Gottes - Dienst bald
dahin, das schon am Pfingst Sonntag die Kirche in Innern hergestellet und
tauglich war den Gottes Dienst wieder abzuhalten. Gleich hierauf legten Sie
den Grundstein zum Collegium, welches Sie in ein Vier ek zu erbauen be-
schlossen haben. 1608 war sohin durch Ihr bemühen, und durch rastlose Bey,
träge der Wohlthäter besonders des Kaiser Rudolphs, des Erzherzogs Mathias
und Leopolds, wurden schon drey Theile bis unter das Tach gebracht. Unter
der Regierung Kaisers Mathias fiengen die Zeiten für die Jesuiten ge-
neigter zu werden an. Sie erh'alten von der Gräfin Margaretha Trionelci
1609 die Herrschaft Mauer zum Geschenk und 1616 den Kaiserlichen Befehl
ihre Philosophischen Vorlesungen statt in Collegio, auf der Univer-
sitaet an solchen Stunden abzuhalten, an welchen die nemlichen Vor-
lesungen von anderen angestellten Proffessoren, nicht gehindert werden, und
1617 den weiteren Befehl:' das Sie für die Theologie zwey, und für die Philo-
sophie 3 lehrer auf der Universitaet anstellen, und diese als Mitglieder
der Universitaet anganohmen werden selten. Sie bestellten daher für jedes
Fach die Lehrer und stellten noch besonders den P. Stephan Corvinus als
lehrer der Sententiarum an. Auf diesen Befehl folgte den 21 October 1622 ein
weiterer von Kaiser Ferdinand den Uten das die Universitaet ihren Col-
legio auf ewig uniret, und incorporiret, Ihnen das Collegium Archi
Ducale — die Bursen andrer Gebäude, sambt der Landschaftlichen
Sc hülle eingeandwortet, und das Gebäude zu* ihren Collegium und Kirche
zugerichtet werden solle. In folge dessen bezogen den 22 November 1622 an
S. Leopold Abend die Proffessores das eingeräumte Collegium, in der Gegend,
wo ehehin die Bibliothec wäre und fiengen an 22 November in eben die-
sen Jahr den Unterricht in denen untern sechs Schnellen, dann die
Vorlesungen in der Theologie, Metaphisic, Physic, Logic, Mathematic, und
Hebräischen Sprache, Endlich nach hergestellten Gebäude den
12 März 1625 trennten sich auch der Rector Marcus Noelius mit 45 Pristern
und Brüdern von ihren Vorigen Collegio auf den Hof nahmen alle Güther mit
sich und betohen Nachmittag das neu errichtete )ind schon .1624 in Bau
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hcrfijestellte Collegium. Das ehemalige Collog^iuni wurde zu den
Profess Haus bestimmt, und in selben als Minister P.Albertus Wilpenhoffer,
und zu ainen Procurator P. Gregorius Preininger erwählet. Von diesen
Augenblick an, sehen wir die Jesuiten in diesen Haus von
allen Einkünften entblössot, ihren künftigen Unterhalt von denen
Gutthätem samlen. Noch an diesem Nachmittag gieng der neue Vorsteher mit
den P. Alphons Sindetti mit einen auf der Schulter hangenden 8ack
aus, sich Allmosen zu erbitten. In ersten Tag erhielten Sie 37 fl. — in
folgenden Tag aber von Kaiser Ferdinand II 70 fl. und von den Herrn Car-
dinal wurden Sie mit Fleisch, Fisch und Mehl, dann mit 100 fl. unterstützet
Kaiser Ferdinand der II und seine Gemahlin Kaiserin Eleonora suchten auch
in diesen Monath und Jahre ihren Zustand zu erleichtern. Er bestimmte für
das neu entstandene Professhaus ein 4teljähriges Allmosen von 300 fl. — und
beyde höchsten Majestäten fügten in der« Folge noch vielle, und sehr ansehn-
liche Geschänke bey, verbesserten das Kloster, und Kirchen Gebäude und be-
schenkten selbe mit kostbaren Ornaten, und andern Kirchen Geräthen. Der
Stadt Magistrat erklärte sich zu einen jährlichen Allmosen von 600 fl. und
mehrere Wohlthäter legten, die ansehnlichsten Beyträge in das Profess
Haus nieder, und es wurden theils durch das Wethoyfernde Bemühen der
Wohlthäter, des Höchsten Hofes, und auch durch das Sammlen der Jesuiten
der unterhalt den Profess Haus so reichlich verschaflfet, das noch in ersten
Jahr in diesen Haus 40 Geistliche erhalten wurden. Auf dieses Jahr 1625 ist
noch ein merkwürdiger Vorfall zu berühren.
Es entstand nämlich in diesen Jahr der Orden Militae Christianae
unter der Regel des Francisci in Ehren der unbeflekten Mutter Gottes, des
Erzengel Michael, und das heiligen Pasyli zur Vertheitigung der Katholischen
Kirche. Dieser Orden wurde von Pabst Urbano den 8ten bestättiget, und
den 28ten December 1625 der Stifter desselben Michael Adolph Graf von
Althan als erster Ordens Meister in der Profess Haus Kirche eingeweihet ;
Anno 1647 ist für das Profess Haus eines der merkwürdigsten Jahren. Es
legte nemlich in diesen Jahr dem 18ten Mai Kaiser Ferdinand III in ihrer
Kirche das ofi'entliche Gelübte ab, der unbefleckten Empfängniss Mariae auf
dem Hof eine Säule zu erbauen. Das abgelegte Gelübd wurde in das Fussge-
stell bey dieser Säule zum ewigen Andenken eingegraben, zugleich befahl der-
selbe : das jährlich von seinen Nachfolgern an diesen Tage
bey S. Stephan die Ve rth eidigung der heiligsten unbeflekten
Empfängniss eidlich angelobet und auf der Universitaet Nie-
mand zur Doctors Würde befördert werden solle, welcher nicht eben
diesen Eid (welchen Kaiser Joseph II aufgehoben) geleistet werden würde.
In Jahre 1650 machte Rudolph Graf von Taüfenbach zu den Jesuiten in den
Profess Haus eine Stiftung von jährlich 1000 fl. zur Erhaltung der Professoren
von den 4 untern Lateinischen Schullen, mit welchen sie, und mit einen von
Kaiser Ferdinand den Ulten erhaltenen Bey trag von 8000 fl. ein Haus neben
den Seltzer Hof erbaueten, und in selbes die Schullen aus ihren Haus
tibersezten. Endlich verlohren die Jesuiten 1655 den 27ten Juni mit dem Todt
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394
der Kaiserin Eleonora eine ihrer grössten Stützen. Sie hatte noch bey ihren
Lebzeiten ihnen zur Herstellung des Kirchen Frontispitz 3000 fl. geschenket,
und nach ihren Todt zu diesen noch 13000 fl. bestimmt. Es wurde aber erst
mit der innern neuen Auszierung der Kirche 1663 zu Stande gebracht und zur
ewigen Dankbarkeit die Innschrift aufgestellet : Anna Eleonora Augusta Deoy
Eeginaegue Angelorum poauii. ALD,C,LXII.
In Jahr 1662 erhielt die Kirche mit der von Erzherzog Leopold Wil-
helm erbauten Capelle einen herrlichen Zuwachs. Diese Capelle befindet sich
links an Eingang der Kirche, und über dieser lieset man die Innschrift : I>ivn
Zeopoldo Patriae Patrij Marchioni Austriae, Leopuldus guüiemus Archidnx
Austriae^ Sacellvm hoc Struxii et Porticum quem vides exomavit MDLXII.
In Jahre 1744 und 1745 wurden durch Verwendung des Jesuiten Pater
Joseph de aegidi den 4 untern Schullen auch die lehrer der Wissenschaften
von der Dicht Kunst und Beredsamiceit beygefüget, und 1763 durch den
P. Ignatz Langetl das Kloster mit den dritten Stok erhöhet. Endlich wurde
dieses Profess Haus, sambt allen Jesuiten in den Erblanden vermög der
Pullae ddo. 14 September 1773 aufgehoben, und selbes dann den K. K. Hof-
kriegs Rath eingeraumet. Dieses Hofkriegsräthliche Gebäude wurde 1775 her-
gestellet und mit dieser Innschrift versehen : Josephus II et Maria Theresia
Augg, Salutis Puhlicae Tutelae, He Militari novis incrementis aucta, has aedes
Dedicanmt, MDCQ.LXXV,
Das Jahr 1783 Hess Kaiser Joseph das Bild des Helden Londons von
Marmor von den Künstler Czerachi verfertigen und in den Hof Kriegs Raths-
Sale mit der Innschrift aufstellen : Gedeonis Laudony summi Castrorum Prae-
fecti, semper Sirenui, fortis, felicis Militis, et civis optimi Exemplum, quod
Duces Militesque imituniur, Josephus II Ang, in ejus effigie proponi voluif.
Anno Cia IQ. CC.LXXXIIL
Das Hoch Altar Blatt, der heiligsten Jungfrau Maria, als eine Königin
der Engeln vorgestellt, ist von den Jesuiten Frater Pozzo gemahlen.
In der zweiten Capelle rechter Hand seynd das Altar Blatt, die Vermählung
Mariae, und die andern Altar Blätter, die Flucht in Aegypten, und die Opfe-
rung in den Tempel von S a n d r a t , die Blätter : die Erziehung Mariae, das
Kind Jesu, der Heilige liborius, seynd von Ludwig Carazzi gemahlen.
Auf dem Jesuiten Platz Kr. 242 und 243 (nach der 2. Conscription K. 447
und 448 (nach der 3. Conscription C. N. 415, 416) waren die ersten Schul-
len der Jesuiten. Sie haben zwar gleich bey ihrer Ankunft bey den
Dominicanern die 4 untersten Klassen zu lehren angefangen, ihre Öfentlich-
keit erhielten selbe aber erst in Jahre 1554, als die Jesuiten das Kloster der
Karmeliten bezogen, und hatten schon 120 SchüUer. Die sich immer mehren-
den SchtiUer bewegten die Jesuiten nach hin für selbe einen bequemen Orth,
besonders da in ihren Haus bey sich mehrender Gesellschaft auch für sie, und
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395
ihre Convictores der Platz zu enge wurde, aufzufinden, und erbaueten mit Bey- '
hülf Ferdinand! I 1559 auf ihren Freydhof rukwärts des alten Klosters
ein eigenes Haus gegen der goldenen Schlangen, heut Stanislai Kappelle.
Zur Beeiferung und Bildung der studierenden Jugend, dann zur Beschäftigung
derselben ausser ihren Studien, suchten sie selbe in der Mimic abzurichten,
und brachten es dahin, das sie mit ihnen alljährlich Lust- und Trauer-
spielle ofentlich aufführen konnten, und durch dieses mochten die Jesui-
ten wohl zur nachmahliger Entstehung der Theater in Wienn den Grund ge-
leget haben. Gleich hierauf 1569 haben sie zur Erhebung der Wis-
senschaften auch für diese Schüller eine eigene Buchdrukerey erkaufet.
1579 haben sie dieses Haus um einen Stock erhöhet, mit einen
Thurn undGloken versehen, und zur Aneiferung der studirenden eine
Austheilung von Praemien an die vorzüglichste eingeführet, und selbe den
7 November 1579 das erstemahl ausgetheilet. In Jahr 1620 wurden alle
Studendten auf den Bursen bei der Academie mit den Schüllem
bey den Jesuiten vereiniget, und in diesen SchuUhaus wurde ihnen nun der
Unterricht bis auf das Jahr 1622 gegeben, in welchen Jahr die Jesuiten das
Collegium Archi Ducale, die Bursen sambt der Landschafts
Schulle auf immer eingeraumet worden, und diese SchuUen dahin mit
sambt den Professoren übersetzet worden. Es hörten also die SchuUen in die-
sen Haus ganz auf, und zu ihrer neuen Entstehung 1650 war nicht nur die
sich mehrende studierende Jugend, die weite Entlegenheit der Universitaet für
jene welche in der Gegend der Burg, Graben und Schottenthor wohnten, son-
dern auch eine von Rudolph Grafen von Tettfenbach für die 4 untern La-
teinischen SchuUen gemachte Stiftung in dass Profess Haus von jährlich
1000 fl. die ursach, wovon sie 1654 und 1657 mit einen Beitrag
von Kaiser Ferdinand III mit 8000 fl. das Haus neben den
Seitzerhof Nr. 331 St. C. 455 erkauften, und für die SchuUen er-
baueten. Ihr Scbnllbaus aber auf den Jesuiten Platz verkauften Sie
1657 an Vincentium Fux, und da selbes nach seinem Todt wider zurückfiel
1674 an die Cecilia Gräfin von Stahrenberg. Endlich 1744 und 45
durch die obbemeldete Verwendung des Josephi de Aegidi ist zu den 4 untern
SchuUen die Poesie und Rethorik gestiftet worden. Nach Aufhebung der So-
cietet haben an diesen Ort die SchuUen aufgeh?>ret und sind nach S. Anna
übersetzet worden. Das Gebäude bezoh sohin ein Theil des Hof Kriegs
Räthlichen Kanzley Personals, muste aber dieses Haus — der Ober
Polizey Direktion überlassen.
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Sach-, Ort- and Personen-Register.
Abetsberg. 208.
Andrä, Set. 172.
Absdorf. 171.
Ackerbauschule, Grossau. 84.
Ad vineas. 195.
Aequinoctium (Fischament), Römerort.
132. 148. 154. 155. 204.
Aggsbach. 180. 208.
Ala nova (Schwechat). 149. 154.
Alma nova, Kömerort. 204.
Almesbrunn. 219.
Alpen im V. U. W. W. 215.
Alpengipfel, Höhenlage. 219.
Alpenpflanzen im V. ü. W. W. 239.
Alpl, Höhenlage. 219.
Altenburg (ung.). 135. 137.
Amstetten. 177. 178. 179. 208.
Andrä. 208.
Ankerfeilen. 311.
Annaberg. 304. 306.
Antoninus Pius, K. 135.
Aquae. 175. 158. 159. 160.
Ardacker. 174. 180,
Arelate, röm. Standlager. 129. 161-
171. 176—178. 180. 182. 185. 204.
Donauflotille. 145.
Arlape. 148. 149.
Armeninstitute in Nieder-Oeatejrreich,
Revision der Instruction. 13. Zahl
und Vermögensstand derselben. 14.
Armenversorgung in Nieder - Oester-
reich. 13.
Arrabona (Raab). 148.
Arriana, Römerort.. 204.
Amsdorf. 208.
Aschbach. 315.
Aspang, Bevölkerung. 236.
Assbach. 208.
Asturis (Zeiselmauer). 149. 167. . 168.
Atzgersdorf, Hundesteuer. 12.
Atlitzgraben (oberer), Höhenlage. 217.
Augustiana, (Ips). 149. 204.
Aumühl. 315.
Baden, Errichtung einer Unter-Real-
schule. 42. Deren Umwandlung in
ein Realgymnasium. 43. Wohlthä-
tigkeitshaus zur Römerzeit. 157.
158—160. 208.
Baden. Clima. 369.
Baisching. 208.
Bauaugenscheins-Taxen. Gesetz für
Wien. 11.
Bauerngüter. Aufhebung des Bestift-
ungszwanges. Arrondirung dersel-
ben. 31.
Bauordnung für Nied.-Oest. 84,
Bevölkerung in Nied.-Oest. 294. Cha-
rakter derselben im Alpengebiete des
V. U. W. W. 233.
Bewässerung der Alpen im V. U. W.
W. 227.
Bewirthschaftung derGrundbesitze. 288»
Bestiftungszwang bei Bauerngütern»
Dessen Aufhebung. 31.
Bettel-Unwesen. Massregeln dagegen.26^
Bezirksgemeinden. Verhandlungen über
deren Errichtung. 8.
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398
Birbisthal. 309.
Bienenzucht in Nied.-Oest. 286.
Bienenzucht in Nied.-Oest. 273. 290.
Bienenzucht - Verein. Dessen Unter-
stützung durch den Landtag. 33.
Bildhauerei in Wien. Beitrag zu deren
Geschichte. 353.
Blaboriciaco. 177.
Blech, gewalztes. 318.
Blindenmarkt. 179.
Bock Job., Bildhauer. 353.
Bodencultur in Oied.-Oest. 267.
Bodenproduction in Nied.-Oest. 272.
Bodenwiese. Höhenlage. 219.
Böheimkirchen. 172.
Brandweinbrennerei in Nied.-Oest. 290.
Bregentium. (0-Szöny). 138. 190.
Brück a. d. L. 157. 208.
Brücken wesen in Nied.-Oest. 73. Ko-
sten derselben. 75.
Brunn a. d. G. 162. 208.
Buchensteiner-Bezirksstrasse 306.
Burg. 180.
Bürgerlasten-Reluitionstaxe für Wien.
Deren Aufhebung. 11.
Burgwiese. 203.
Burgstall. 173. 179. 203. 209.
Burgum contra Florentiam 202.
Bumacini, Ludwig. 354.
Btirschhof. Höhenlage. 219.
Cannabiaca. Römerort. 149. 165. 205.
Caratensis. Römerort. 205.
Carnuntum, röm. Standlager. 131. 147.
148. 153—156. 183. 189. 190. 192.
194. 205. Donauflotille. 146.
Celeja. 194. 200.
Cetium (Zeiselmauer). Römerort. 144.
163. 164. 168—170. 172. 182. 189.
190. Mons Cetius. 130. 132. 206.
Donauflotille. 145.
Christliche Ansiedlungen zur Römer-
zeit in Oesterreich. 200.
Cilli. Inschriftsteine. 141.
Claudius, Kais. Dessen Einrichtungen
in Oesterreich 127.
Colloredo-Mannsfeld, Fürst Landmar-
schall. Gründung eines Fondes für
arme Grundbesitzer. 37.
Colonien, röm. in Oesterreich. 189.
Comagena, Römerort. 133. 148. 164.
168. 169. 170. 172. 182, 206.
Commagena, Cultus des Jupiter Doli-
chenus. 186.
Consumtion in Nied.-Oest. 294.
Contra Tautantum. 202.
Cultur, röm., in Oesterreich. 184.
Deutsch-Altenburg. 153. 199. 209.
Dianencultus in Oesterreich. 194.
Dicuncia. 206.
Döbling. 209.
Domes ticalfond für Nied.-Oest. 97.
Donaubrücken 73.
Donauflotille, röm. 145.
Donauregulirung. 83.
Donner Raphael, Bildhauer. 347. 356.
Drahterzeugung. 316.
Drahtseilerzeugung. 318.
Drahtstifterzeugung. 31 7.
Düngerwirthschaft in Nied.-Oe8t. 289.
Dürrenrohr. 169.
Dux, dessen Bedeutung. 142.
Edlach. 180. 209.
Eggenburg. 202. 209.
Egyd, Set., am Neuwald, Fischer'sche
Eisenwerke. 299. 305. 306. 310. 313.
315.
Geschichte des Ortes. 318.
Eheconsens, Gesetz wegen dessen Auf-
hebung. 16.
Einkommensteuer, deren Regulirung.
89.
Eisenbahnen, deren Vermehrung in Nd.-
Oest. 90.
Eisengewerke in Oesterr., alte. 196.
Eisenhämmer: Set. Egyd. 299. Rech-
berg. 309. Hainfeld a.d. Gelsen. 309.
Birbisthal. 309. Furthof. 311. Nie-
deralpel. 311. Vordemberg 313.
Aschbach. 315. Aumühl. 315.
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399
Eisenschmiede, alte, in Oesterr. 196.
Eisenstadt. 159. 160.
Eishüttenalpe. Höhenlage. 218.
Elegio. 176. 177. 206.
Euns (Laureacum). 190.
Ernten, schlechte, im J. 1866. 17.
Eselsherg. Höhenlage. 218.
Fafiana (Traismauer) 146. 148. 206.
Fafiana, cyprischer Venusdienst. 186,
Feilenerzeugung. 315.
Feineisen, gewalztes. 317.
Feistritz, Bevölkerung. 236.
Feldsberg. Umwandlung des Körner-
aufgabsachtelfondes. 13.
Ferschnitz. 181. 193. 209.
Festungen, röm. 151.
Feuchterberg, örtliche ^ßigenthtimlich-
keit. 221. Höhenlage. 219.
Findelkinder, deren Behandlung. 46,
Findelkinder. Anstalten zu deren Ver-
pflegung. 49. Verpflegsgebühren. 54.
Fischament (Aequinoctium). 148. 154,
158. 209.
Fischer'sche Eisenwerke zu Set. Egyd
am Neuwald. 299. 303. Fischer 'sehe
Familie. 303-315.
Flachsbau in Nied.-Oe8terr. 272. 281.
Fleischgewinnung in Nied.-Oest. 270.
285.
Flexum (ung. Altenburg). 135. 137.
Florian, Set. 200.
Fluasregulierung in Nied.-Oest. 77.
Forstgesetz, dessen Revision. 36.
Freiland. 804.
Freiland-Terzer-Strasse, 306.
Friedberg. 160.
Fritsch K. 240.
Froschdorf. 160. 209.
Furthof. 311. 313. 315.
Futtererzeugung in Nied.-Oest. 272.
278.
Gärbestahl. 317.
Gaisruck. 306.
Gebärhaus in Wien. 47. 48. 50. Ver-
pflegsgebühren, 53.
Gebühren- und Stempelgesetz, Abän-
derung desselben. 89.
Gemeindelebarn. 169. 209.
Gemeinden, deren Unterstützung bei
Elementar- und sonstigen Unglücks-
fällen. 17. Bei den Kriegsschäden
d, J, 1866. 18.
Gemeindegesetz v. J. 1849. 5.
Gemeindegesetz v. J. 1864. Wirkungs-
kreis des Nied.-Oest. Landtages. 6
— Bezirksgemeinden. 8.
Gemeindegesetze für Wien. 10.
— für Wiener-Neustadt. 12.
Gemüseernte in Nied.-Oest. 277,
Gensd'armerie, deren Kosten 21.
Geologische Beschaffenheit der Alpen
im V.U. W.W. 219,
Germanencolonie in Oesterr. 197,
Gerolata (Kroatisch- Jahrendorf) 153.
Gerste-Erzeugung in Nied.-Oest. 272.
275,
Geschwornengerichte,deren Einführung.
90.
Gewerbeschulen,derenSubventioniruug.
44.
GfÖhl. 209.
Göller. 305. 307.
Gossam. 193. 202. 209.
Göttlesbrun. 157, 209.
Göttweih. 209.
Giglhof. 307.
Gippel. 305.
Gloggnitz, Bevölkerung. 236. 306.
Gösing, Höhenlage. 219,
Grabenalm. 304.
Gräbern. 180.
Grabner Margaretha. 343.
Grafendorf. 181. 209.
Gresten, Clima. 374.
Grillenberg. 209.
Grössau. Ackerbauschule. 34.
Gross-Aigen. 209.
Grüubach, Bevölkerung. 235.
Grundausmass, Belastung desselben in
Nied,-Oesterr. 270.
Grundbesitz, Bewirthschaftung der. 288.
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400
Grundbesitzer, Fond zu deren Unter-
stützung. 36. Dessen Gründung durch
Fürst Colloredo-Mannsfeld. 37.
Grundbuchsordnung, neue. 91.
Grundentlastung in Nied.-Oest. 270.
Grundentlastungsfond für Nied.-Oester-
reich. 91.
Grundsteuer - Regulirung in Nieder-
Oesterreich. 87.*
Grünschacher, örtl. Eigenthümlichkeit.
222.
Giuliani L. 356.
Gumpoldskirchen. 158. 210.
Gumpendorf. 167. 210.
Gutenstein. Bevölkerung. 235.
Gutenstainer Gschaid. Höhenlage. 218.
Gscheid. 306.
Gymnasien, geistliche. 44.
Hafererzeugung in Nied.-Oest. 272. 275.
Haidekornerzeugung in Nied.-Oest. 272.
Hainburg. 210.
Hainfeld a. d. Gelsen. 309.
Hall, Bad. .52.
Hallthal. 197.
Hametsberg. 180. 210.
Hammerschmied Chr., Gewerksbesitzer.
309.
Handlesberg, Höhenlage. 219.
Hanfbau in Nied.-Oest. 280.
Hanferzeugung in Nied.-Oest. 272.
Hanfsamen - Erzeugung in Nied.-Oest.
272.
Harlanden, röm. Standlager. 129. 175.
210.
Hartberg, Höhenlage. 218,
Hengst, Höhenlage. 219. 0er tl. Eigen-
thümlichkeit. 222.
Heukuppe, Höhenlage. 218.
Heidekomemte in Nied.-Oest. 276.
Hercules-Cultus in Oest. 194.
Hernais, Officiers-Töchter-Institut. 87.
Heiligen- Kreutz, Stift. Raph. Donner.
356.
Himberg. 210.
Hirseerzeugung in Nied.-Oest. 272. 276.
Hochalpe. 305.
Hochberg, Höhenlage. 219.
Hochbruck. 180. 210.
Hochstrass. 181. 182.
Höflein. 157. 210.
Höglwörth. 199.
Höhenverhältnisse der Alpen im V.
U. W. W. 217.
Hohe Lehne, Höhenlage. 218. Oertl.
Eigenthümlichkeit. 223.
Hohenberg, Herrschaft. 305. 306. 318.
321.
Hoheneck. 172.
Hollenburg, Römerort. 207.
Höllensteige. 306.
Hollerbrunner Riegel, Höhenlage. 218.
Holzgewinnung in Nied.-Oest. 283. 273.
Honigerzeugung in Nied.-Oest. 273.
Hopfenerzeugung in Nied.-Oest. 273.
282.
Hoyos, Hans Baltasar, Freih. 323.
Hubnerisches Gschaid, Höhenlage. 218.
Hüftl, Gewerksbesitzer. 309.
Hülsenfrüchte - Erzeugung in Nieder-
Oesterr. 272. 276.
Hundesteuer , deren Einführung in
mehreren Landgemeinden. 12.
Hürm. 181. 210.
Hüttau, röm. Meilenstein. 140.
Hutwisch, Höhenlage. 218.
Jakobs-Kogel, Höhenlage. 218.
Impfung der Kinder. 54.
Industrie-Etablissements im Alpenge-
biete des V. U. W. W. 230.
Inschriftsteine, röm. in Oesterreich. 187.
193.
Inzersdorf, röm. Meilensteine. 135. 157.
171. 200. 210.
Jochartsberg, Höhenlage. 219. ,
Jörger' sehe Familie zu St. Egyd. 322.
Ips (Augustiana). 149. 175. 176. 210.
Ips, Fluss (Ise). 134.
Irrenhäuser in Landesanstalten umge-
wandelt. 47. Verpflegsgebübren. 5iJ.
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401
Isea (Ad pontem). 133. 134. 175. 176.
178. 179. 180. 182. 204. 206.
Itinerarium Au^usti. 151.
Jupiter-Gultos in Oest. 194.
Jupiter-Cultus in Oest. 186. 194.
Jesuiten in Wien. 390.
Kaiaerstein, Höhenlage. 519.
Kaienberg. 130.
Kampstein, Höhenlage. 218.
Karlsbach. 179.
Karlstetten, röm. Fundort. 194. 210.
Kartoffelerzeugung in Nied.-Oest. 272.
276.
Käse- und Butter-Erzeugung in Nied.-
Oesterr. 273. 284.
Katzelsdori^ röm. Fundort. 160. 193.
210.
Keitl. 307.
Kelten in Oesterreich. 123. 191. Kel-
tische Orts- und Personennamen.
192. 193.
Keltischer Cultus in Oest. 195.
Kematen, Brücke. 74.
Kierling. 170.
Klimatische Verhältnisse. Baden. 369.
Gresten. 376.
Kirchenpatronats-Gesetz, Verhandlun-
gen darüber. 38.
Kirchberg, Bevölkerung. 236.
Kittsee. 156.
Klamm, Bevölkerung. 236.
Klima des Alpengebietes im V.U.W. W.
231.
Klostemeuburg, röm. , Fundort. 130.
132. 135. 153. 170. 193. 211.
Weinbauschule. 34. Irrenanstalt 47.
Knollenhals. 307.
Kögelberg, Höhenlage. 218.
Kömeraufgabsachtelfonde, deren Um-
wandlung in Geldvorschusskassen
auf mehreren Liechtensteinischen
Gütern. 13. '
Kranichberg, Bevölkerung. 236. Höhen-
lage. 217.
Krankenhäuser in Kied.-Oest. 50.
Kraut-Erzeugung in Nied.-Oest. 272.
276.
Krems, Errichtung einerOberreaUohule.
42.
Krems-Fluss-Regulirung. 79.
Kressenberg, Höhenlage. 219.
Krpuzerhof, röm. Meilenstein. 141.
Kroatisch-Jahrendorf (Gerolata). 158.
156.
Kuhpocken-Impfung. 54.
Kuhschneeberg, Höhenlage. 219, örtl.
Eigenthümlichkeit. 222.
Külb. 181.
liandsturm im J. 1866. 19.
Landtage, Wirkungskreis. 3.
Landesculturfond, Verhandlung wegen
dessen Uebergabe an den Landtag.
32.
Landesfond für Nied.-Oest 97.
Landesverfassung von Nied.-Oe8terr.:
Geschäftsordnung des Landtages. 112.
Immunität der Abgeordneten. 113.
Verurtheilung eines Abgeordneten.
113. Diäten. 113. Landesausschuss.
114. Kundmachung der Landes-
gesetze. 114. Abänderungen der
Landesordnung. 115.
Landesvermögen für Nied.-Oe8t. 91.
Landwehrfond für Nied.-Oest. 104.
Landwirthschafbliche Anstalten und
Vereine, deren Förderung durch den
Landtag, 33. 34.
Landwirthschaftsgesellschaft , deren
Subventionirung. 33.
Landwirthschaftliche Statistik, Heraus-
gabe derselben. 33.
Langenzersdorf. 163.
Laureacum (Enns). 176. 177—180.
184. 190. 191. 200. Donauflotille.
145.
Legionen, röm. Standorte. 129. 131.
132. 133. 136. 136. 137. 138. 189.
140. 144. 145. 146. 185. 187. .
Leinsamen-Erzeugung in Kied.-Oest
272.
26
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402
Leonbard, Set. 181. 193.
Leitha, Fluss; Regulirung. 80.
Leoberadorf, röm. Fundort. 161. 211.
Leonbard, Set., röm. Fundort. 211.
Liesing, röm. Fundort. 211.
Linz, Grabstein. 141.
Locus veneria felicis (Oehrling). Römer-
ort. 138. 148. 176—179. 184. 206.
Loosdorf, rönu Fundort 211.
Mablleiten. röm. Fundort. 211.
Maiaerzeugung in Nied»-Oebterr. 272.
276.
Mannersdorf, röm. Fundort. 211.
Marcus Aurelina, K. 137.
Marcbbrücke zwiacben Scblosabof und
Neudorf. 74.
Maria Lanzendorf, röm. Fundort. 157.
211.
Mariaacbutz. 235.
Maria Zell, Guaswerk. 196. 305. Kloater.
341.
Mariazellerbof in Wien, Deutung des
Baareliefk. 338.
Marmogius, 6h)tt. 195.
Marx, Set,, röm, Meilenatein, 147.
Matzleinsdorf, röm. Fundort. 211.
Mauroa (ad), röm. Posten. 133. 148.
166. 171. 179. 180. 184. 206. 211.
Mauer a. d. Ubrl, röm. Fundort. 211.
Mauer bei Wien, röm. Fundort. 211.
Mautben, Semmering. 386.
Mautem, röm. Fundort 144. 211. 166.
Mautemdorf, röm. Meilenatein. 140.
Mauthwesen in Nied.-Oest. 76.
Meldung, röm. Fundort. 212.
Melk, röm. Fundort. 148. 193. 212. 341.
Meaaeraebmidt L. 359.
Milcberzeugung in Nied.-Oe8terr. 273.
284.
Militär-Dienatleiatung, Erleichterung
für Studierende. 86.
MiHtär-Einquartierung in Nied.-Oe8t
85.
Mifler'acbe Gusaatablfabrik in Set Egjd.
319.
Mitbraacultus in Oesterreich. 199.
Mittelachulen, deren Errichtung. 42.
Möniebkirehen, Höhenlage. 218. 236,
Mösendorf, röm. MeilensteiB. 140.
Municipien, röm., in Oesterreieh. 189.
Mutenum. 158, 159. 160.
Mutbmannadorf. 162. 212.
Namare. 206.
Neptuncultus. 194.
Neudörfl. 160.
Neulengbacb, röm. Fundort 172. 212,
Neunkircben, röm. Fundort. 162. 212.
Niederalpel. 311. 313. 314.
Norieum. Bewachung der Donaustrecke
162.
Norieum, keltiacbe Anaiedhingen und
deaaen Eroberung durch die Römer.
123. Einrichtungen des K. Claudius.
127.
Normalscbulfond. 39.
Ober-Aigen. 176.
Oberhollabrunn. Gensdarmerie- und
Finanzwaeh - Kaaeme. 108. Real-
gymnasium. 43.
Oberaberg, Höhenlage. 219.
Obsteultur in Nied.-Oeat. 272. 276.
Obstbaumzucht, Hebung derselben. 36.
Ochsenboden, Höhenlage. 2-19.
Oed. 162. 173. 179.
Oedenburr^ (Scarabantia). 136. 156v
159. '
Oehling a. d. Url. röm. Ort. 133. 148.
179. 18a. 181. 212.
Oeliabrun. 202.
Oeser E. 865.
Oesterreich (Nieder-) zur Römerzeit.
123. 184. Einrichtungen des K. CHaii-
dius. 127. Einrichtungen des K.
Vespasian, 129^.
Ortner. 807.
0-Szöny (Brägentium). 138.
Otterberg, Höhenlage. 218.
Ottersbauerkreuz. 307.
Ovilaba (Wels). 190. 191.
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403
Pannonien, Vereinigung des V.U. W.W.
mit demselben. 126. 130.
Parndorf. 157. 195.
Pasdorf, röm, Fundort 202. 212.
Payerbach, Bevölkerung. 235.
Pechlam. 148. 164. 171. 175. 193. 212.
Peillenstein, röm. Fundort. 212.
Penzing, Rettungshaus. 30.
Perneck. 182.
Pernitz, röm. Fundort. 162. 212.
Perschling Bach, Regulirung. 77.173.
Perwart, röm. Fundort. 195. 212.
Peter, Set, Bevölkerung. 236.
Petronell, röm, Standlager. 130. 131.
198. 199. 200. 212.
Pferdezucht in Nied.-Oest 273.
Pflanzen in dem Alpengebiete des
V.U. W.W. 239.
Pielach, Fluss-Regulirung. 79.
Piesting-Fluss. 230.
Pirus tortus, Römerort. 165. 168. 169.
170. 172. 182. 207.
Pischelsdorf. 165. 168.
Pitten-Fluss. 227.
Plackles, Höhenlage. 219.
Politische Verwaltung in Nied.-Oest
91.
Polten, Set., röm. Fundort 212.
Pontario. 200.
Pottschach, Bevölkerung. 235.
Prein, Bevölkerung. 235.
Preinek. 807.
Preiner Gscheid, Höhenlage. 218.
Preussischer Krieg. Unterstützung der
Gemeinden aus Anlass der Kriegs-
schäden. 18.
Prüglitz, Bevölkerung. 235.
Plastik, vrgl. Bildhauerei.
Polten, St. Errichtung einer Oberreal-
schule. 42. Deren Umwandlung in
ein Realgymnasium 43.
Polten, St, Institut der englischen
Fräuleins. 87.
Polten, St, röm. Fundort. 172. 181.
182. 194. 196.
Praeses, dessen Bedeutung. 142.
Pressburg. Arbeiten des Baph. Donner
359. 360.
Procutoreä in Oesterreich. 127*
Puchberg, Bevölkerung. 235.
PurgstaU. 181.
Purgum, Römerort 207.
Purkersdorf, röm. Fundort. 172. 212.
Raab. (Arrabona). 148.
Raach, Bevölkerung. 236.
Rachberg, Höhenlage. 218.
Rabensburg, Umwandlung des Körner-
aufgab-Achtelfondes. 13.
Raetien. 141.
Raxalpe, örtliche Eigenthümlichkeit.
222. 223. Ueber deren Besteigung.
225.
Realschulen, deren Errichtung. 42.
Rechberg. 308.
Regelsbrunn, röm. Fundort. 212.
Reisalpe. 305.
Reithof. 307.
Rettungshaus in Penzing. 30.
Rinderzucht in Nied.-Oest 273. 248.
Roggenerzeugung in Nied*-Oest. 272.
275.
Rohr, Bevölkerung. 235.
Rohrerberg, Höhenlage. 218.
Rübenerzeugung in Nied.-«068t 272.
276.
Rüpserzeugung in Nied.-Oestr 273.
282.
Rührapoint 176.
Ruprechtshofen, röm. Fundort. 213.
Russbach, Regulirung. 79.
Sabaria. 158. 161. 183. 200.
Säbelklingen-Fabrikation. 311.
Saciisengang, röm. Fundort. 202. 213.
Salblberg, Höhenlage. 218.
Salzburg. Raph. Donner 358.
Salzstrasse, alte. 162.
Sarning. 176.
Sattelberg. 218. 306. •
Sattelhof. 307.
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404
Scarabantia (Oedenburg). 136. 166.
159. 160. 161. 183.
Schafwollerzeugung in Nied.-OeBt.
273. 286.
Schallaburg, röm. Fundort. 213.
Schalladorf, röm. Fundort. 213.
Scharf enegg, röm. Fundort. 213.
Schamdorf, röm. Fundort 154.
Scheiblingskirchen, röm. Fundort. 160-
213.
Scheibbs, röm. Fundort. 213. 306.
Scheibwald, örtliche Eigenthümlich-
keit. 223.
Schletterer, L. 358.
Schneeberg-Alpe, örtliche Eigenthüm-
lichkeit. 221. Ueber deren Bestei-
gung. 224.
Schottwien, röm. Fundort. 213. Bevöl-
kerung. 236.
Schulgeld, Bestimmungen über dessen
Einhebung. 40.
Schubkosten- Verminderung. 22.
Schullehrer, Verbesserung der Ein-
künfte derselben. 40.
Schulpatronatsgesetz, neues. 38.
Schulwesen. Regelung des Volksschul-
wesens. 39.
Normalschulfond. 39.
Verbesserung der Gehalte der Leh-
rer. 39.
Errichtung von Realschulen. 42.
Errichtung von Gymnasien. 43.
Gewerbschulen. 44.
Gymnasien, geistliche. 44.
Turnunterricht. 45.
Schwadorf. 156. 199. 213.
Schwarza, Fluss. Regulirung. 82. 228.
Schwarzau, röm. Fundort. 213.
Schwarzau, Bevölkerung. 235. 306.
Schwarzenberg, Höhenlage. 219.
Schwechat (Ala nova). 146. 148. 213.
Schweinezucht in Nied.-Oest. 273. 286.
Sebenstein. 160.
Seidecocons in Nied.-Oest. 273.
ßeidenzucht in Nied.-Oest. 287.
Seitenstetten, röm. Fundort. 213.
Semmering. 162. Höhenlage. 217. 218.
Semmering. Mauth. 386.
Septimius Severus, K. 137.
Siebenbrunnenwiese. 218.
Siegel der Stifte Melk und Mariazeil.
341.
Silvanus-Cultus in Oest. 194.
Sinzendorf , Reinprecht v. 343.
Sirinium. 200.
Siscia. 200.
Sissek. 200.
Sonnenwendstein, Höhenlage. 218.
Spitäler in Nied.-Oest. 51.
Stampfen, röm. Befestigung. 164. 203.
Statistik, landwirthschaftliche, deren
Herausgabe. 33.
Steier. 180.
Stein. 163.
Steinabrückl, röm. Fundort. 162. 213.
Steinakirchen. 180. 181.
Steinamanger. 158.
Stiftungen: für im Krieg Verwundete
in Nied. - Oest. 87. Plätze in den
Militär-Instituten. 87.
Stixneusiedl, röm. Fundort. 157. 199.
213.
Stockerau, Hundesteuer. 12. 43.
Stopfenreut, ödes Schloss. 153. 213.
Sträflinge, deren Entlassung. 90.
Strass. 181.
Strasse von St. Egyd nach Mariazell.
306.
Strassen, röm. 151.
Strassenwesen in Nied.-Oest. 56.
Landesgesetze in Strassensachen. 57.
68. 59. 60.
Einrichtung der Strassenverwal-
tung. 61.
Bestand der Strassen zu Ende des
vorigen und Anfangs dieses Jahr-
hunderts. 66.
Stand der Kreisstrassen. 69.
Neuhergestellte Strassen. 70.
Entwerfung eines Strass^i^etzes. 70.
Staatsstrassen. 71.
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405
Strassenwesen. Parallele mit dem
Strassenwesen der anderen Pro-
vinzen. 72.
Kosten der Strassen. 75.
Strengberg. 179. 180.
Strimling, Höhenlage. 219.
Strohemte in Nied.-Oe8t. 280.
Stroherzeugung in Nied.-Oest. 272.
Strudel, Paul v. 354.
Strudel, Peter v. 357.
Tabakbau in Nied.-Oest. 281. 272.
Tabula Peutingeriana. 151.
Thaja-Fluss-Regulirung. 77. 78.
Thrasi-Kogel, Höhenlage. 218.
Tima. Geschichte des Geschlechtes
derselben. 327.
Tragisa, Römerort. 207.
Trajan K. 135.
Traisen, Römerort. 207.
Traisen, Fluss; Regulirung. 79. 304.
Traisenberg. 304.
Traisenthal. 301. 302.
Traismauer, röm. Fundort (Tricesi-
mum). 136, Neu-Cetium. 146. Fa-
fiana. 146. 148. 186. 193. 205. 213.
Transaquincquum. 202.
Trattenbach, Bevölkerung. 236.
Trauch. 307.
Tricesimum, ad (Traismauer). 136.
Triefel, Höhenlage. 219.
Trigisamum, Römerort. 164. 165. 166.
167. 168. 170—172. 180. 182. 183.
207.
Tulbing, röm. Fundort. 213.*
Tuln, röm. Fundort 148. 164. 186.
206. 213.
Tullnerbach, Regulirung. 77.
Tulnerfeld, röm. Fundort 163. 214.
Tümitz. 307.
Türnitzer-Höger. 304.
Turnunterricht, dessen Einfährung. 45.
Tweng, röm. Meilenstein. 140.
Ulmerfeld. 181.
Ulrichsberg. 306.
Und. 308.
Unterberg, Höhenlage. 219.
Unterradelberg, röm. Fundort 172. 214.
Valentinianus K. 147. 148.
Venusberg. 173. 186.
Venusdienst, cyprischer, in Oest. 186.
Verein fär Landeskunde. Unterstützung
des Landtages. 45.
Verzehrungssteuer. Regulirung in Nied.-
Oest 88.
Vespasian , dessen Einrichtungen in
Oesterreich. 129. Vereinigung des
V. U. W. W. mit Pannonien. 130.
Viehseuche. Massregeln zu deren ra-
schen Entdeckung. 33.
Villa Gai, Römerort. 207.
Vindobona, Römerort 145. 148. 153
bis 155. 158. 160—161. 167. 169.
170. 183. 187. 190. 193. 198. 207.
Vineas (Ad), Römerort. 207.
Volksschulwesen, dessen Regelung. 39.
Normalschulfond. 39.
Vorauer Alpe, Höhenlage. 218.
Vordemberg. 313.
Votivsteine. 193.
Vösendorf, röm. Meilenstein. 147. 157.
193. 214.
Wachserzeugung in Nied.-Oest. 273.
Waisencassen-Regulirung. 89.
Wallsee, röm. Fundort. 174. 214.
Wappen. Feststellung des Tirna'schen
Wappens. 344.
Wasserrecht. 91.
Wasserthal. 307.
Waxriegel, Höhenlage. 219, örtliche
Eigenthümlichkeit 222.
Wechsel, örtl. Eigenthümlichkeit 218.
223, über dessen Besteigung. 226.
Weiubauschule zu Klosterneuburg. 34.
Weincultur, röm., in Oest. 195.
Weincultur in Nied.-Oest 272. 278.
Weinhaus. Errichtung der Zwangs-
Arbeitsanstalt 28. 109.
Weinland, Revision desselben. 36,
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406
Weissjagel, Höhenlage. 218.
Weizenerzeugnng in Nied. -Oest. 272
bis 276.
Wels (Ovilaba). 190. 191. 199.
Wernstein, Votivsteln. 141.
Wetterkogel, örtl. lägentbümliekkeit.
222.
Weyersdorf. 171.
Wiederholungs-Unterriebt, dessen Re-
gelung. 44.
Wien, röm. Standlager. 129. 130. lai.
135. 214.
Wien. Das GescWeeht def Tima. 329.
St. Stephan. Erbawing der Tima-
kapelle. 336. Hochaltar. 353. Maria-
zellerhof. Erklärung des Basreliefb.
338.
Wien. Qemeindestatut. Abänderung ein-
zelner Bestimmungen. 10.
Gesetz über die Bauaugenscheins-
taxen. 11.
Aulhebung der Bllrgerlasten-Relui-
tionstaxe. 11.
Gesetz wegen des Ausschenkens al-
koholischer Getränke. 12.
Wien, Irrenhaus. 47. Auflassung des
Irrenthurmes. 49. Verpflegsgebtthren.
53.
Gebärhaus. 47. 48. 60. Verpflegs-
gebühren. 63.
Findelhaus. 46. 48. Verpflegsgebtth-
ren. 54.
Krankenhaus, allg. 50. Verpflegsge-
btthren. 55.
Wien, Universität und Polytechnikum.
Subventionirung der Untersttttzungs-
yereine durch den Landtag. 45.
Wien, Donaubrttcke. 73.
Wien. Civil-Mädchen-Pensionat. 87.
Theresianum. 87;
KttBstlerhaus. Beitrag des Landta-
ges. 87.
Wien. G^nsd^urmerie-G^bäude im Be-
zirk Landstrasse. 107.
Wien. Beitrag zur Geschichte der Pla-
stik. 347. Denksäule am Hofl 354.
Dreifaltigkeitssäule am Graben. 354.
Raph. Domiers Werke. 362.
Wien. Kirche am Hof. 390. Zur Gto-
schichte der Jesuiten. 300.
Wienerberg, röm. Meilenstein. 146. 147.
Wiener-Neustadt, röm. Fundort 214.
Wiener - Neustadt. Gemeindestatut,
neues. 12.
Hundesteuer 12.
Oberrealschule. 42.
Wildungsmauer, röm. Fraport. 154.
214.
Wilfleinsdorf. Umwandlung des Kör-
neraufgabachtelfondes. 13.
Wirflech bei Neunkirchen. 195.
Wöllersdorf. 162. 214.
Wohlthätigkeitsanstalten in Nied.-Oe>t.
46. Verpflegsgebtthren. 54.
Wucher und Zinsengesetze. Deren Auf-
hebung. 89.
Ybbs. Irrenanstalt. 47. Trennung von
dem Versorgungshause. 47. Verpflegs-
gebtthren. 53.
Ybbs. Regulirung des Flusses. 77. 78.
Zaya. Fluss. Regulirung. 77.
Zeillinger. Gewerksbesitzer. 309.
Zeiselmauer (Cetium) 144. 146. 149.
163. 168. 169. 190. 204. 214.
Ziegenzucht in Nied.-Oest. 273. 286.
Zoologisch-botanischer Verein. Untor-
sttttzung des Landtages. 45.
Zuckerfabrication in Nied.-Oest. 292.
Zwangsarbeitshäuser. Stand derselben.
27. Errichtung einer Anstalt in
Weinhaus. 28.
Zwentendorf. 214.
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> schnitt der Tabula Pen
Ubersicliiskarte
der
römischen
3 OI^TEimp STI^ASSE]^
sowie der
f undorte polnischer Altepfliümer
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HIEDER OESTERREieil
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lith Anstr. F. Koke in Wien.
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