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Full text of "21 jahre in Indien. Aus dem tagebuche eines militärarztes .."

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i 



Dr. H. Breitenstein, 



21 Jahre in Indien. 



2. Thell: Java. 



malayischen Familie. 



21 Jahre in Indien. 



Aus dem Tagebuche eines Militärarztes. 



Zweiter Theil: Java. 



Von 

Dr. H. Breitenstein. 



Mit 1 Titelbild und 29 AbblldvB«:eB. 



Leipzig. 

Th. Grieben^ Verlag (L. Fernau)* 

1900. 






Druck Ton H. Klöppel, Qemrode (Harz). 






Vorwort. 



Der erste Tlieil dieses Werkes „Borneo" hat sehr viele Freunde ge- 
funden; nur von wenigen wurde es getadelt, einige haben es geprie- 
sen, und von sehr vielen wurde es gelobt. 

^Theuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen, 
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll.'' 

Der Tadel galt hauptsächlich der Form^ und ieh bemühte mieh im 
Geiste dieser goldenen Worte Schillers, dem zweiten Theile eine gefällige 
Form zu geben. Ich wählte bessere Abbildungen und mied so viel als 
möglich die Hollandismen im Satzbau. 

Die zahlreichen Freunde des ersten Theiles bitte ich inständigst, mit 
gleicher Nachsicht und gleichem Wohlwollen auch an die Leetüre des 
zweiten Theiles heranzutreten. Ich stand ja vor einer schwierigen Auf- 
gabe. Die Arbeit wuchs mir mit jedem Tage unter den Händen; die 
Fülle des Interessanten, das ich erlebt, gesehen und beobachtet habe, 
musste ich in den engen Rahmen eines Buches zwängen. Ich war von 
dem Wunsche geleitet, nur das Interessanteste zu bringen. Möge ich bei 
der Wahl, die ich deshalb zu treffen genöthigt war, auch glücklich ge- 
wesen sein! 

Vor einigen Monaten erhielt ich von dem Kriegsministerium der Ver- 
einigten Staaten von Amerika zu Puerto -Rico das Ansuchen, das Wich- 
tigste über die Organisation des ärztlichen Dienstes für die Eingeborenen 
auf Java mitzutheilen. So ehrend dieses Ansuchen für mich persönlich 
war, so erfreulich war mir dieser Brief von einem andern allgemeinem 
Gesichtspunkte aus. Er war mir Bürgschaft, dass Amerika den Bewoh- 
nern seiner neuen Colonien das Schicksal der Rothhäute ersparen wolle. 
Es will ihnen die Wohlthaten der Civilisation geben und erholt sieh 



VI Vorwort. 

dazu Rath bei den erfahrenen Holländern. Diesen ist es ja gelangen, ans 
den halbwilden Urbewohnem Javas friedliche und gesittete Bürger zu 
schaffen. Heilig ist auf Java das Eigenthum; das Gesetz schützt 
den kleinen Mann; in hundert Jahren ist die Bevölkerung von 
3 auf 23 Millionen gewachsen; das Land ernährt seine Kin- 
der, und der Reichthum seines Bodens lockt tausende Jünger 
Mercurs aus dem fernen Europa in seine schönen Gefilde; 
Eintracht herrscht unter seinen Fürsten, und Friede und Le- 
benslust kennt der Bauer. 

Slamat tänah Djawa! 

Heil dir, du liebliches Java! 

Karlsbad, im April 1900. Dr. H. Breitenstein. 



Inhaltsverzeichniss. 



I. Gapitel. 



2. CapHel 



8«ito 

Vorwort V 

Gomgenda X 

Meine erste Seereise — Meeresleuchten — Seekrankheit — 
Amor auf dem Schiffe — Gepäcktag — Serenade auf dem 
Schiffe — Deckpassagiere — Die „tausend Inseln** — An- 
kunft im alten Batavia — „Mutter** Spandermann — Indische 
Hotels 1 

Weltevreden — Empfang beim Armee-Commandanten — Ein 
Gorso auf dem Waterlooplatze — Gigerl und Modedame in 
Weltevreden — Der grosste Platz der Welt (?) — Malayisches 
Winken — Ein Handkuss — Ein Abenteuer auf hoher See — 
Dos-k-dos |Und Deeleman <— Altstadt — Kunst und Wissen- 
schaft in Indien — Wissenschaftliche Vereine in Batavia — 
Indische Hausirer — Jagd auf Bhinocerossc — Indische 
Masseuse 14 

3. Capitel. Häufige Transferirungen — Die Vorstadt Simpang — Die ersten 
eingeborenen Patienten — Ein Danaergeschenk — Die „Stadt** 
Surabaya — Das Mittagsschläfchen — Eine Nonna — Eine 
Abendunterhaltung — Die Beri-Beri- Krankheit — Indische 
Militärärzte — Die Insel Bavean und Madura — Besidenties 
Madora und Surabaya 33 

Beise nach Bantam — Malayischer Kutschen — Max Havelaar 

— Fieberepidemie in der Provinz Bantam — Krankenwärter 
mit einem Taggeld von 20 fl. (!) — Eine Stute ab Beitpferd 

— Der Königstiger — Javanische Pferde — Elend während 
einer Fieberepidemie — Auf dem Kreuzwege — Heiden auf 
Java — Begegnung mit einem Königstiger — Behandlung der 
Fussgeschwüre durch die Eingeborenen — Drohende Hungers- 
noth in Bantam — Aussterben der Büffel — Dreimal in Le- 
bensgefahr — Ein ungefährlicher Spaziergang im Regön . . 66 

Fleischspeisen auf Java — Deng-deng — VergiftungsfiUle — 
Bediente — Malaria — Geographie von Bantam 89 

Nach Buiteniorg — Der Berg Salak — Das Schloss des Gou- 
verneur-General — Ein weltberühmter botanischer Garten — 



4. CapHel. 



9. Capitel. 
e. Capitel 



Yin Inhaltsveraeichniss. 



SaiU- 

Batu-tulis = beichriebener Stein — Ein gefahrlicher Kutscher 

— Die Preanger-Provin« — Warme Quellen — Sanatorien — 
Indische Gewürze — Ein reicher Beamter — Das Tanzen (Tan- 
dak) der Javanen — Wl^ang orang = Theater — Wftjang 
tjina = Chinesisches Theater — Wfigang Kulit = Schatten- 
bilder — Spiele der Javanen — Eine Theeplantage — Bam- 
bus-Wunden — Eine langweilige, aber einträgliche Garnison 

— Einfluss der ,, reinen Bergluft'' — Europäische Gemüse auf 
Java — Ein javanischer Fürst verheiratet mit einer europäischen 
Dame — Malayische Gedichte (Panton) — Mischrassen — Ein 
ausgestorbener Krater 99< 

7. Capitel. .Museum und botanischer Garten in Batavia — Beise nach 

Ngawie — Sandhose — „Kykdag" einer Auction — Auction 

— Venduaccepte — Geographie der Provinz Madiun — Vier 
Chefs — Stockschläge in der Armee — Lepra auf den Inseln 
des indischen Archipels — Prophylaxis der Lepra — Eine 
Sylvestemacht auf Java — Eine unangenehme Fahrt — Ein 
Neujahrstag in Solo — Eine Deputation am Hofe zu Djocja 

— Die Stadt Solo — Der Aufschwung der Insel Java — Das 
Militärspital in Ngawie — Ein Spital ohne Apotheker — Cho- 
leraphobie — Meine Conduiteliste — Cholera in Indien — 
ilntstehungsursaohe der Cholera in Indien — Prophylaxis der 
Cholera in Indien — Reisfelder 137* 

8. Gapitol. Die Schiefertafel („Leitje*') — Die Wege der Fama — Lese- 

gesellschafb — Ein humoristischer Landesgerichtsrath — Ab- 
reise von Ngawie — Ambarawa — Nepotismus in der Armee 

— In drei Tagen zweimal transferirt — Vorschuss auf den 
Gehalt — Die Provinz Bagel^en — Essbare Vogelnester — 
In Tjilatjap — Polizeisoldaten — Beamte — Sehenswürdig- 
keiten von IJila^ap — Officiere in Civilkleidung — Eingeborene 
Beamte — Gehalt eines Kegimentsarztes — An Malaria er- 
krankt — Djocja — Der Tempel Bramb&nan — Die „Tausend 
Tempel" — Wieder nach Ngawie — Spitalbehandlung der 
Officiere — Reibereien in kleinen Städten — Die Provinz 
Surakarta — Der Kaffeebanm — Ein Roman auf dem Vulcane 
„Lawu** 206. 

9. Ctpitel . Die Provinz Kedü — Der Berg Tidar — In Magelang — Auf 

demPäsar (= Markt) — Javanische Schönheitsmittel — Haustoi- 
lette der europäischen Damen — Mein „Haus" — Empfang^- 
abende — Magclang — Opiumrauchen — Die Chinesen auf 
Java — Die gerichtliche Medicin der Chinesen — Ein zu 
grosses Militärspital — Die Königin von Siam in Magelang — 
Ein Oberstabsarzt „gestellt" — Nachtheile der Pavillons aus 
Bambus — Organisation des Rechts wesens — Zum Theater- 
director gewählt — Die Journalistik Indiens 273^ 



Inhaltsverzeichniss. IX. 



I 



8«ite 

iO. CapKel. Der Bum Budur — fiiagelang während des Elrieges mit Lom- 
bok — Soldatenfreande — Die Religionen auf Java — 
Schulen für die Javanen — Die Dysenterie — Leberabscesse 

— Eine Expedition in den Tropen — Nochmals von Dienst- 
boten — „Der Garten von Java" 324 

-SehlMt. Abreise von Magelang — Semärang — „Schuttery" — Die 
chinesische Behandlung der Diphtheritis — Das ewige Feuer 

— Salatiga — Abschied von Semärang 364 

•AlllHUif . Die Ansiedelungen der Europäer auf der Insel Java . . . 377 
^aoh- md Nanen-Reglster 395 



Corrigenda. 



Seite 69, 7. Zeile von unten: für Daendel 



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unten: 


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ff 



Labuan 

Naturaltugend 

Jacobs 

welches 

Last 

Berelot 

Njawi 

Fasagrahan 

Nordwest 

Bagelen 



lies: Daendels. 
„ Laban. 

Nationaltugend. 

s. Jacob.* 

welcher. 

Beschwerden. 

Bemelot. 

Ngawie. 

Pesanggrfthan. 

Nord, West. 

Bageleen. 

Veth. • 



it 

ff 
ff 
ff 

M 
ff 
ff 
ff 
ff 



176, 



Vett 

Armauer, Hansen lies: Armauer Hansen, 
der burgerlyken civil lies : de burgerlyke civiel. 
Stipendien lies: Subsidien. 
Sonntag lies: Samstag. . 

Brandy, Soda, • „ Brandy-Soda. 
Garebek lies: G&rebeg (so hoissen die drei 
grossen Festtage, welche den 12. Mulud, den 30. Puwftsa und den 
10. Bes&r gefeiert werden). 
Note: Der Buchstabe & des mittleren und östlichen Javas wird un- 
gefähr wie das deutsche o ausgesprochen. 



ff 


177, 10.5 


Seile 


1 VOD 


L oben : für Gundiks 


lies: 


Gundiks = Beiweiber. 


»> 


187. 16. 


}) 


ii 


unten: „ Semelink 


»» 


Semmelink. 


1» 


199, Note : 




„ Aehren lies: 


Reis noch 


in der Hülse. 


ff 


200, 10. 


ff 


ff 


unten: „ dJBJong 


lies: 


Djagong. 


ff 


202, 18. 


ff 


ff 


„ „ Djioruk 


ff 


I^erug. 


ff 


202, 18. 


ff 


ff 


ff ff Laiyksat 


ff 


Langsat. 


ff 


213, 16. 


ff 


ff 


oben: „ Marbabu 


ff 


Merbabu. 


ff 


215, 16. 


>> 


j> 


unten: „ Zaunspfahl 


»1 


Zaunpfahl. 


)* 


215, 4 


»» 


»j 


oben: „ Bavean 


>» 


Baven. 


t» 


218, 3. 


» 


1» 


„ „ Rechenkamer 


»» 


Rekenkamer. 


ff 


219, 11. 


ff 


ff 


unten: „ Prairiebrände 


ff 


grosse Lauffeuer selten. 


ff 


221, 19. 


ff 


ff 


oben: „ Fagel^n 


ff 


Fagel^en. 


ff 


225, 3. 


ff 


ff 


unten: ,, Officiersclub 


ff 


Club. 


ff 


226, 3. 


ff 


ff 


y, „ Insel Nussa 


ff 


Nussa ( — Lisel). 



Gorrigenda. XI 

Seite 226, 8. Zeile von oben: lies: Along Along lies: Alang Alang. 

„ 230, 6. „ „ „ „ Tragen Givilkleider „ Tragen von Civüklei- 

dern. 

„ 263, 10. ^ „ n n Landgericht „ Landesgericht. 

„ 264, 8. ,, „ unten: „ Alan Alan „ Alang älang. 

„ 265, 3. „ „ n n Cäsarinen-Grotten ; Cäsarinen, Grotten. 

„ 265. Note. Gegenwärtigist neben der europäischen Zeitrechnung auch noch 

die arabische, und in Mitteljava manchmal auch die mohameda- 

nisch-javanischo (= Saka) Zeitrechnung in Gebrauch. Die letztere 

beginnt am 8. Juli 1638 mit dem Jahre 1555. 
„ 278, 19. Zeile von oben: für p&ssar lies: päsar. 

„ 293, 9. „ „ „ „ sni vergleichen „ verglichen. 

„ 305, 19. „ „ n n Java-Chinese ^ Halbchinese. 

„ 310, 10. „ „ n n keinen Arm „ nicht den Arm. 

„ 322, 17. „ „ unten: „ Sabbathisten „ Sabbatarier, 

n 324, 3. „ „ unten: „ Fesanggrahan „ Pesanggr&han. 

„ 327. Ein interessanter Aberglaube ist die Sage von dem Wehrtieger =^ 

Matjan gadungan. 



Verzeichniss der Abbildungen. 

S«ito 

des 
Textet 

Umschlagbild: Ein Regent = der höchste eingeborene Beamte. 
Titelbild: Häusliche Idylle einer malayischen Familie. 

Fig. 1: Ein malayisches Mädchen mit dem silbernen Feigenblatt ... 17 

„ 2: Zwei sundanesische Frauen bei der Bearbeitung der Cacaofrüchte 84 

„ 3: Die Hauptstrasse im chinesischen Viertel zu Buitenzorg .... 101 

„ '4: Der Palast des Gouverneur-General in Buitenzorg (Südseite) . . 104 

„ 5: Ein Kampong (= Dorf) bei Buitenzorg 110 

„ 6: Zwei sundanesische Prinzessinnen mit 2 Bedajas 115 

„ 7: Ein Wäjang Kulit (Schattenbilder) mit der Gamelang und Regisseur 

hinter dem Schirm 120 

„ 8: Eine malayische öffentliche Tänzerin 120 

„ 9: Eine malayische Njai (= Haushälterin) in einfacher Haustoilette . 138 

„ 10: Eine sundanesische Frau in ihrer Haustoilette 136 

„ 11: Sundanesische Fruchtehändlerin 136 

„ 12: Das Wohnhaus eines reichen Chinesen in Batavia 138 

„ 18: Ein javanischer Häuptling mit seiner Frau in Ghdakleidnng . . . 169 
„ 14: Reichsinsignien, getragen von den Serimpis zu Djoqja (nach 

Dr. Gronemann) 168 

16: Eine Gompagnie der „Legionen** des Sultans von Djocja . . . 176 

16: Eine Häpgebrücke aus Bambus bei Bandjar im Serajothal . . . 241 

„ 17: Der Tempel bei Prambänan 249 

„ 18: Eine Scene aus einem Wftjang orang am Hofe zu Djocja (nach 

Dr. Gronemann) 265 

„ 19: Tempel bei Mendüt (Provinz Kedü) 274 

„ 20: Ein malayisches Mädchen mit Sirihdose und Spucknapf aus Messing 282 

„ 2^: In Sarong und Kabaya 283 

y, 22: Am Ziehbrunnen 284 

„ 28: Mein „Haus" 284 

„ 24: Gh*undriss des Militär-Spitals zu Magelang 306 

„ 26 : Buddha-Statue im Innern des Tempels bei Mendut 326 

„ 26: Ein Feld aus dem grossen Fries in den Biauem des Buru Budur 326 

27: Totalansicht des Buru Budur 327 

28: Ein Javane bei der Hausarbeit 366 

29: Ein Ghurduhäuschen := Eine Polizeiwachstube 366 



n 
n 



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Legenda. 

J = Javanisch. 
M = Malayisoh. 
S = Sundanesisch. 



1. CapiteL 

Meine erste Seereise — Meeresleuchten — Seekrankheit — 
Amor anf dem Schiffe — Oepäcktag — Serenade auf dem 
Schiffe — Deckpassagiere — Die ,9taiisend Inseln^^ — Ankunft 
Im alten Batavla — 9,Mutter^^ Spandermann ~ Indische Hotels. 

A m 27. September 1876 schifte ich mich als Oberarzt der holländisch- 
-^^ indischen Armee in Rotterdam ein. Gegenüber dem Yachtclub, 
in welchem sich heute das kleine^ aber interessante coloniale Museum 
))efindet lag die »Friesland«, ^) welche mir, der echten Ijandratte, die 
vorher noch niemals das Meer gesehen hatte, durch ihre Grösse und 
als »Ostindienfahi-er« gewaltig imponirte. Vor der Abfahrt wollte ein 
lietrunkener Matrose nicht zu Schiff; als aber die Dampfpfeife ihren 
schrillen Ton pfiff, eilte er auf die Brücke, welche den Dampfer mit 
dem Lande verband. Aus hundert Kehlen der an Bord befindlichen 
Soldaten drang ein lautes Hurrah iy die Lüfte, das letzte Tau fiel, 
und mit ihm fielen alle Hoffiiungen, welche mich bis nuil an Europa 
geknüpft: hatten. 

Eine gemischtei'e Gesellschaft als diejenige auf einem grossen 
Dampfer findet man am Continent gewiss selten oder niemals bei- 
sammen. Ein Oberlieutenant mit seiner jungen Frau »(einer Berli- 
nerin), 2 Ungarn, 1 Oesterreicher, 10 echte und ebensoviel unechte Ma- 
layimien, Holländer, Franzosen, Engländer, 100 Soldaten aus aller Herren 
lÄndem, ein Mädchen mit chinesischem Typus, ein hoher Beamter, 
dessen Frau eine echte Dajakerin (aus Bomeo) war, waren die einzelnen 
Steine des kaleidoskopischen, ethuQgraphischen Bildes auf der »Fries- 
land« ; und als ich mich den andern Tag an einen der Ofliciere mit der 



* ^) Zwei Jahre später ist dieses Schiff an der spanischen Küste mit Mann 
und Maus anterget^angen; wie mir ein jetziger. Patient, der Eigenthümer des 
Rotterdamer Lloyd, erzählte, war es auf einen Felsen aufgefahren und wurde in 
jTvei Stücke zerrissen. 

Breitenstein, 21 Jahre in Indien n. 1 



Meeresleuchten. Seekrankheit. 



Bitte um eine Ordonnanz wandte, itug er mich: »Was wollen Sie? 
Einen Holländer, Franzosen, Italiener, Deutschen, Türken, Afrikaner 
oder Aegypter?« 

Um 9'/2 Uhr Abends verliessen wir die Mündung der Maas und 
kamen in die Nordsee; das SchiflF schaukelte so, dass wir mit ausge- 
spreizten Pilssen stehen mussten, und beim Grehen schwankte ich wie 
ein Trunkener: die Stösse des Schiffes fühlte ich manchmal wie einen 
directen Stoss auf den Magen, und das Schreckbild der Seekrankheit 
stand, vorläufig nur in der Phantasie, in seiner ganzen Grösse vor mir; 
ich flüchtete in die Cajüte und warf mich in die Arme Morpheus, mu 
am andern Morgen frisch und munter aufioistehen und mit gesundem 
Appetit das Frühstück, bestehend aus Eiern, Fleisch, Butterbrot und 
Kaffee, zu mir zu nelmrien. Zum ereten Mal sah ich das Meeresleuchten, 
jenen hellblauen, glänzenden Kiystall, der, mnsäumt von einem klaren, 
sill)enien und kreideweissen Saume, in einer Länge von vielleicht 
2()00 — 3000 Metern dem Hintertheile des Schiffes sich anschloss. 

Bald erhob sich jedoch ein Wind, graue Wolken zogen inmier 
sclineller und schneller vom Horizont zum Zenith, geschäftig eilten die 
Äfatrosen auf dem Deck hin und her; im Raimie brachten die Kellner 
alles Zerbrechliche in Sicherheit Das Schiff »rollte« von rechts 
nach links, dann »stampfte« es wiedenun. indem das Voi-dertheil von 
einer Welle erhoben und dann wieder in die Tiefe des Wellenthals ge- 
zogen wurde; dann stampfte und rollte es wieder zu gleicher Zeit, 
und schwankend vom Steuer zum Backbord erhob es seinen Kopf über 
den nächsten Wellenberg, um sich im nächsten Moment, getrieben 
vom Stunu und Dampf, in das Wellentlial zu stürzen. Ich selbst 
sMss mit den übrigen Beisegefährten im Speisesalon und hörte theil- 
nahmslos das Grespi-äch über das Entstehen der Seekrankheit an: dass 
dies SchaukeTn eine Blutleere im Gtehim erzeuge, wodurch das Erbrechen 
entstehe; dass, wie ein Anderer behauptete, das Zerren des Magens 
dm*ch die darin befindlichen rollenden Speisereste die Nerven reize 
und dadurch im Gehini Kleinmuth und trostlose Stimmung erzeuge, 
und es daher unrichtig sei, den Magen gefüllt zu erhalten, mid 
viel besser, ihn durch ein Gläschen Cognac zu beruhigen; ein Dritter 
wiedenun verwarf den Alcohol, weil er die Nennen noch mehr reize, 
als es ohnehin schon durch das Stampfen und Rollen des Schiffes 

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geschehe; ein Vierter rieth mir, bei den ersten Erscheuiungen der 
Seekrankheit zu Bett zu gehen und das Kopfyolster wegzuwerfen, 
weil bei der horizontalen Lage das Blut in reichlichem Maasse das 



Die Seekrankheit. 



Gehirn durchströmen und die Anäniie (Blutarmuth) beseitigen könne. 
Meine Theilnahmslosigkeit steigerte sich während und nach diesem 
Gk«pmche noch mehr; »Sie werden ja fürchterlich blass!« rief mir 
die Berlinerin zu; zugleich fühlte ich einen kalten Seh weiss auf der 
Stim, der Magen zog sich krampfhaft zusammen — der Schnitt eines 
Messers konnte nicht schmerzhafter sein — , ich eilte zur Thür und 
bi^achte dem Neptun mein erstes Opfer; ich stieg hinauf aufe Zwischen- 
deck, setzte mich in der Nähe der Maschine auf einen Stuhl und 
stante willenlos über den Bord des Schiffes in die graue, schwarze, 
schäumende See und fluchte dem Schicksal, welches mich unter 
fremde Menschen in die weite fremde Welt warf, die theilnahmslos 
mit dem Fremdling den Kampf ums Dasein tlieilt, da^ tönte es plötz- 
lich wie hinmilische Musik aus dem Munde der Berlinerin zu meinen 
Ohren: »Bitte, nehmen Sie doch ein Glas Wasser.« Keine barm- 
herzige Schwester hat jemals einen innigeren Dank erhalten, als diese 
junge Frau, welche mit dem Glas AVasser in der Hand das erste herz- 
liche und theilnahmsvolle Wort in dieser kleiumüthigen und gedrückten 
Stimmung zu mir sprach. Als ich in den Salon zurückkam, stünnten die 
Bathschläge der erfahrenen E^isenden in Unzahl auf mich ein: der 
Eine rieth mir ein Stück Zwieback in Brandy, der Andere in Cognac 
getaucht zu nehmen, der Dritte empfahl mir ein Gläschen Advocaat 
(d. i. Brandy, Eier und Zucker), ein Anderer bot mir ein Gläschen 
Portwein an u. s. w. Der Wille aller dieser hilfsbereiten Menschen 
war gut; aber mit dem ersten Opfer stellte sich Neptunus nicht zu- 
frieden, und jede Wiederholung war um so schmerzhafter", je leerer der 
Magen war, so dass ich unwillkürlich, und ohne den wohlgemeinten 
llath meiner Reisegenossen abzuwarten, Speisen zu mir nalun, um diesen 
Theil der Seekranklieit weniger schmerzhaft zu machen. 

Ich liatte zwar geimg Leidensgenossen, aber ich dachte nicht ein- 
mal daran, Beobachtungen an ihnen zu machen, z. B. über den Zu- 
stand des Herzens, des Pidses, der Athnmng, des Urinirens u. s. w., 
denn ich war zu krank, zu indolent, zu gleichgiltig und zu apathisch, 
um für irgend etwas Interesse zu baten. Frauen, Männer, Knaben 
und Mädchen — nur nicht Säuglinge, sind zeitweilig das Opfer der 
Seekrankheit Weil Säuglinge davon befreit sind und Erwachsene auch 
bei intensivem Schaukeln dieselben Ki'ankheitserscheiimngen zeigen, 
kann die Seekrankheit mit mehr oder weniger Recht unter die acuten 
Pqrchosen, wie der Schwindel oder lUiusch, gerechnet werden, und zwar 

ab »Folge von mangelndeip Orientinmgsvermögen im Räume« (Eich- 

1* 



Behandlung der Seekrankbeit. 



hörst). Dieses würde auch die Thatsache erklären, dass selbst vom 
Wetter und Stumi abgehärtete Seeleute hm und wieder seekrank wer- 
den und andrerseits zarte Frauen davon verschont bleiben. 

Die Berlinerin, meine barmherzige Schwester, blieb während des 
Sturmes, den wir damals hatten, von der Seekrankheit verschont imd 
während der ganzen Reise, die damals 42 Tage dauerte, war sie keinen 
einzigen Tag unwohl, und wie sie mir nach Jalu^n später erzählte, hatte 
sie vielleicht zehn grosse oder kleine Seereisen gemacht, ohne auch nur 
einen einzigen Augenblick von diesem unheimlichen Gaste heimgesucht 
zu werden. Andrerseits habe ich Damen gekannt, welche in der Furcht 
seekrank zu werden, beim Anfang der Seereise sich niederlegten und 
die ganze Reise hindurch das Bett nicht verliessen. Aber auch dieses 
blieb ohne Erfolg; bei ruhiger See erfreuten sie sich einer ziemlichen 
Gesundheit, um jedoch bei einigennaassen hohem Wellenschlag um so 
mehr dem tückischen Neptunus opfern zu müssen. 

Das Abhärtungssystem hat die besten Erfolge; mit jeder weiteren 
Seefahrt war ich weniger diesen Unbilden ausgesetzt, und auf meiner 
letzten Seereise schmeckte mir (bis auf ehien einzigen Tag) immer 
die Cigarrc. Jede medicamentöse Behandlung dieser Krankheit hat 
bis jetzt im Stich gelassen. Morphium, Cocain, Antipyrin und Phena- 
cetin sind ebenso unwirksam als Chloral u. s. w. Die von dieser 
Krankheit Heimgesuchten befinden sich am besten in der Mitte des 
Schiffes, und zwar womöglich zu Bett Zur Erleichterung des Vomirens 
müssen sie die Appetitlosigkeit überwinden und etwas zu sich nehmen, 
und wäre es nur ein Stückchen Biscuit eine Limonade oder ein Gläs- 
dien Advocaat Das einzige wirksame Mittel bleibt — das feste Land. 
Gegenwärtig wird diesem Factor Rechnung getragen. Wäln^jid a^ff 
meiner ersten Seercise, von Rotterdam bis Port Said, das Schiff in 
keinem Hafen landete, und wir von Aden bis Padang (Sumatra) nichts 
als Himmel und Wasser sahen, ist die jetzige Reise auch diesl)ezüglich 
viel günstiger. Der atlantische Ocean wird nur ausnalimsweise zur 
Reise von und nach Holland benutzt; man schifll sich in G^nua oder 
Marseille ein oder verlässt in einer dieser Hafenstädte das Schiff. 
Auf meiner letzten Reise von Samarang (Java) nach Europa benutzte 
ich einen Dampfer der Messageries maritimes und machte in Batavia, 
Singapore, Colombo, Djibuti, Port Said und Marseille Halt so dass wir 
niemals länger als 6 Tage ununterbrochen auf dem Schiffe blieben, und 
jedes Mai beim Landen in einem Hafen die unglücklichen seekranken 
Schiffsgenossen Zeit hatten, sich voUkommen von ihren Leiden zu 



Von London bis Oporto. 



eAolen. Leider giebt es einzelne Fälle, in welchen nicht einmal diese 
radicale Cur einen Erfolg hat Im Jahre 1883 fuhr ich öfters mit 
einer kleinen Dampfbarcasse längs der Ostküste Sumatraa, und sehr 
oft geschah es, dass ich noch auf dem Lande schwindlig war und es 
Standen lang blieb; dies ist jedoch eine Ausnahme. Die Regel ist, 
dass beim Einlaufen in den Hafen die Seekrankheit ein Ende nimmt, 
und dass ein kurzer Aufenthalt auf dem Lande hinreichend ist, dem 
Seekranken vollkommene Euphorie (Wohlbefinden) zu bringen. 

Den 29. September erreichten wir Southampton und fiihren sofort 
nach London, um am 30. Abends um 9 Uhr mis wieder einzu- 
»chiffen. Es war das erste Mal, dass ich dieses moderne Babylon 
gesehen habe; der Auiienthalt dauerte nur 1^/2 Tag, so dass ich nur 
einen oberflächlichen und zugleich ungünstigen Eindruck von diesem 
Labyrinth von Strassen erhielt 

Der Morgen des 1. October war heiter und hell; ich befand mich 
.wohL ich wagte es sogar, eine Cigarre anzuzünden; doch schon um 
8 Uhr umwölkte sich der Himmel, ,ein starker Wind schaukelte das 
Schiflf; im Schifbraum war die Luft drückend schwül, mid so setzte 
ich mich mit meinem gut geschlossenen Wintenx)ck im Zwischendeck 
in der Nähe der Maschine nieder und ergab mich wieder dem 
ganzen Trübsinn, die Heimath verlassen zu haben, um einer ungewissen, 
unruhigen und gefahrdrohenden Zulomft entgegenzugehen. Wenn 
auch der Rücken durch die Nähe des Dampfkessels erwärmt ward, so 
firätelte es mich dochj mid ängstlich prüfte ich meinen Puls, ob er die 
Nähe des Fiebers, des Typhus oder ähnlicher Unbilden schon verrathe. 
So ging es bis zum 4. October, als in der Nähe Oportos Jupiter pluvius 
uns verliess und heller Soinienschein alle Passagiere auf das Oberdeck 
rief, welches mit einem Zelte uns vor Sonnenschein und vor Regen 
hinreichenden Schutz gewährte. An diesem Tage war es das ei-ste Mal, 
dass ich in vollen Zügen den Reiz einer Seereise genoss. Während 
ich früher mich vergebens bemühte, die ganze Zeit des Diners mid 
Soupers am Tisch zu bleiben und in der Regel schon nach dem zweiten 
Gange hinauf aufe Deck eilen musste, um nicht in dem Speisesälen die 
stürmischen und schmerzhaften Bewegungen menies Magens zu demon- 
striren, koimte ich mich an diesem Tage ungehuidert dem vollen Ge- 
nuas der Tafelfreuden hingeben; dem bunten Leben und Treiben einer 
Schiffijgesellschatt konnte ich mich ungestört Avidmen mid mit voller 
Brust in den Chor der Ofliciere einstimmen, welche mit Vorliebe deutsche 
StudeiitenUeder sangen. Auch Amor, der kleine Schalk, schlüpfte hin 



6 Amor auf dem Schiffe. 



luid wieder zwischen die jungen Damen und Herreu, ohne dass es ihm 
jedoch gelungen wäre, ein festes und dauerndes Band zwischen zwei 
jungen Leuten zu knüpfen. Er hatte zwar tüchtige Bundesgenosse», 
einige junge Frauen,, welche bekanntlich die eifrigsten Ehevermittler 
sind; aber diesmal, d. L auf dieser Seereise, hatte Amor nicht einen 
einzigen Erfolg au&uweisen. Es war z. B. auf dem Schiffe das Fräu- 
lein X., welches zu ihrem Schwager, einem bekaimten Arzte auf Java, 
reiste. Bald hatten die jungen Frauen herausgefimden, dass ich sobald 
als möglich heiraten müsste, weil ein lediger Arzt in Indien niemals 
eine Privatpraxis erlangen köjme, mid weil das Leben eines unver- 
heirateten Mannes in Indien »ein Hundeleben« sei und Fiüulein X. 
alle Tugenden in sich vereinige, welche jemals ein weibUches Greschöpf 
gehabt habe u. s. w. Damit begnügten sich jedoch diese eifrigen Heirats- 
vermittler nicht. So viel als möglich musste ich dieser jungen Dame 
Gresellschaft leisten, und als auch dadurch mein Herz verschlossen blieb 
und die Eiskruste nicht aufthauen wollte, erzählten sie mir, welche 
Bewunderung diese junge Dame memem Stande, meinem Geiste mid 
allem bot, was mir gehörte. Ich will nur noch kurz raittheilen, dass 
auf der Rhede von Batavia alle Passagiere sich gegenseitig Glück 
wünschten, die grosse Seereise glücklich überstanden zu haben, und dass 
mir bei dieser Gelegenheit Fräulein X. mit spottendem Tone eme 
glückliche Zukunft ^Is alter Junggeselle wünschte. 

Am 5. October passirten wir Cap St. Vincent; spanischer Himmel 
wölbte sich über ims, die Sonne sandte heisse Strahlen auf uns, das 
Meer war glatt, und ruhig glitt der Dampfer über dessen sanfte 
Wellen. Zu unserer Linken ragen hohe Felsen bis in die Wolken 
und eine grosse Festung zwischen den Bäumen hervor. In demselben 
Augenblicke gehen auf unsenn Schiff einzelne Flaggen in die Höhe, ein 
Wachihaus am Ufer antwortet in gleicher Weise, und eine halbe Stunde 
später weiss der Botterdamer Lloyd, dass sein Dampfer »Friesland« 
Cap St Vincent glücklich passirt habe und »alles wohl an Bord« sei. 

Hier hatten wir den ersten Bagagetag, d. h. zum ersten Male 
durften wir im Schiffsräume nach unseren Koffern sehen, um etwa 
notliwendig gewordene Ergänzung unserer Wäsche vornehmen zu 
können; die französische Schiffifahrtsgesellschaft ist in dieser Hinsicht 
freigebiger; ein Theil des Schiffsraumes war für das grosse Gepäck 
der Beisenden reservirt, und jeden Tag konnte man zu seinen Koflfeni 
gelangen; diese waren nämlich auf Schrägen schön geordnet, und immer- 
während stand ein Matrose bereit unsere Koffer aus der Unzahl der 



Gepäcktag. Serenade auf dem Schiffe. 



übrigen herauszusuchen; auf den holländischen Dampfern kann dieses 
nur jede Woche einmal geschehen. Als ich zum ersten Male meine 
Koffer revidirte, erschrak ich über die Verheerung, welche das See- 
wasser angerichtet hatte. Beim Beinigen des Schiffes war das See- 
Wasser in diese Bäume und in die Koffer geclrungen; eine Dame 
weinte und schluchzte, als sie sah, dass in den Seidenkleidern, welche in 
einem grossen Korbe sich befanden, das Wasser grosse schmutzig-gelbe 
Flecke ziurückgelassen hatte; späterhin, d. h. bei meiner späteren See- 
reise, waren die Koffer, welche Bücher, Kleider und Instrumente 
enüiielten, mit Zinkblech inwendig bekleidet und nur die Wäsche blieb 
unbeschützt; der Koffer wird ja durch solche Bekleidung zu schwer 
mid erfordert bei den Fahrten auf der Eisenbahn oder beim Transport 
durch Kuh zu hohe Fracht 

Der Mond schuf an diesem Tage auf den Wogen 'des Meeres so 
herrliche Krystalle, so silberglänzende Streifen zogen hinter dem Schiffe 
zum fernen Horizont, dass ich stillvergnügt in die plätschernden Wellen 
imd träumend nach dem bestirnten Himmel blickte. Da erklangen 
heimathliche Klänge aus kräftigen Kehlen zu meinen Ohren: ^Z\x 
Mantua in Banden der »treue Hofer war«; ich entriss mich dem 
Zauber der Nymphen, welche mir aus der Tiefe des Meeres so man- 
(^hes süsse Wort des Trostes mid der Hoffnung zugeflüstert hatten 
— die Seekrankheit war ja vorüber — und ich eilte auf das Vor- 
derdeck. Da waren deutsche und holländische Soldaten, welche deutsche 
VolksUeder sangen, während abwechselnd ihre französischen mid bel- 
gischen Kameraden ihr »Adieu ma belle France« mit ihrem »Allons, 
enfants de la patrie« dem Zephyrwinde anvertrauten, welcher sie der 
Heimath bringen mid dort berichten sollte, dass sie auch in weiter 
Feme treue Söhne ihres Vaterlandes bleiben würden. Wie viele von 
ihnen weilen heute noch miter den Lebenden? Wie viele von meinen 
Beisegenossen der 1. Klasse schlummern schon unter den Palmen ihren 
ewigen Schlaf, mid wie wenigen war das Schicksal ebenso günstig als 
mir, ebenso hold als mir, nach 23 Jahren jenen eine Thräne der Er- 
mnerung weihen zu kömien? 

Unterdessen erhob sich am westlichen Horizont ein Wolke mid 
stieg immer höher und höhei, bis sie als ein dichter Schleiei* den Mond 
verhüllte und das silberweisse Glänzen und Leuchten des »Saug- 
wassers« erlöschen imd in das dunkelblau (coeruleus) der anderen 
Wellen übergehen Hess. 



8 Deckpassagiere. 



Der Gesang der Soldaten verstuninite, ein lauter Applaus der Um- 
stehenden belohnte sie für diese Serenade auf höher See, und wir 
stiegen hinab in das Zwischendeck, um unsere jCajüten au&usucheu. 

Bei den Reisen mit Segelschiffen galt es als eine Empfehlung für 
den Segler, eine »milchgebende Kuh und einen diplomirten Doctor« 
an Bord zu haben, und der holländische Volkswitz veränderte es in 
einen »milchgebenden Doctor und diplomirte Kuh«. Auf der »Fries- 
land« ei-freuten wiü uns -des Besitzes von drei milchgebenden Kühen 
und von fünf diplomirten Aerzten; der Schi£&arzt war ein CSolIege vom 
alten Schlage, dem die moderne Untersuchungsmethode noch nicht 
geläufig war, und der daher seinen eisten Patienten mit Lungen- 
entzündung für einen rheumatisch Erkrankten erklärte; der Patient 
starb, und weinend folgte der Arzt dem Leichenzuge und klagte mir sein 
Leid, dass es in seiner langen Praxis der erste Fall sei, dass er auf 
hoher See einen Patienten verloren habe, der nur an Rheumatismus 
der Brustmuskehi gelitten hätte. 

Interessanter und viel romantischer wai* das Vorderdeck, welches für 
die Passagiere der 2. mid 3. Klasse und füi* das Sclilachtrieh bestinunt 
war. Im Zwischendeck befanden sich drei grosse Milchkühe, ein 
Dutzend Schweine, zwei Dutzend Gänse, die Rettungsboote waren mit 
Fleisch von Rindern, Kälbern und Hammehi gefüllt, und eine grosse 
Zahl Hühner und Enten füllten die langen Käfige auf beiden Seiten 
des Zwischendeckes; heute haben die grossen Indienfiahrer grosse 
Kühlräume für alle Sorten von Fleisch, Gemüse u. s. w. und führen 
lebendes Vieh nm- so weit mit, als die Bequemlichkeit der Deck- 
passagiere danmter nicht leidet; damals jedoch bargen sich zwischen 
den tiestgebundenen Rinder» und den Gänseställen die Soldaten; dort 
hatte ein Schuhmacher seinen Dreifiiss aufgestellt hier übte ein 
französischer Koiporal sein altes Metier und rasirte gegen eine Ent- 
schädigung nicht nur seine Kameraden, sondern auch die Passagiere 
der 1. Klasse; malayische Bediente und javanische Babu's, welche zur 
Begleitung und Aufsicht europäischer Kinder nach Eiux)pa gegangen 
waren luid auf der Rückreise nach der Heimath dieselben Dienste 
leisteten, suchten mit VorUebe den vorderen Theil des Schiffes auf, uni 
vielleicht einen oder den anderen der Unterofificiere oder der Soldaten 
in's Joch der Ehe zu spannen, und nm* zu oft hörten wir die klagenden, 
schmelzenden Töne eines malayischen Liebesliedes, welches den Orang- 
Baru an die braune, plattnasige Schöne fesseln sollte. 



Von Port Said bis Batavia; die „tausend Inseln*'. 9 

Am 6. October kamen wir iii das mittelländische Meer, und am 
13. October 2 Uhr Nachts fuhren wh* in den Hafen von Port Said. 
Die ganze Fahrt durch dieses grosse Wasserb^ken war vom schönsten 
Wetter begünstigt gewesen. Schwacher WeUenschlag, manchmal kaum 
fühlbares Schaukeln des Schiffes, hellblauer Himmel über unserem 
Haupte und sanfte Temperatur bei Tage wechselten mit kühlen Abenden; 
und wenn der Himmel mit seinen MilUonen Sternen in seiner ganzen 
Pracht über uns sich wölbte, wenn die MondesstraHlen in den Fluthen 
sich spiegelten, das Schiff ruhig über die See glitt, und fimkensprühende 
Wellen, mit hellblauem, krystaJlgleichem Schweife, bis an den Hori- 
zont rollten, dann war alles Weh und Leid vergessen, mid in der 
Wahl zwischen Schiff mid Schienenweg — giebt es keine WahL 

Deimoch begrüssten wir den schönen Leuchtthurm von Damiette 
als den Vorboten von Port Said; wir sollten ja bald wieder festen Bo- 
den imter unsere Füsse bekommen. 

Ich bin viermal in Port Said gewesen, und jedesmal ergötzte ich 
mich an dem bunten Bilde des Orientes, imd es kostet mich Mühe, jene 
Blätter meines Tagebuches zu überschlagen, welche sich mit meinem 
damaligen Aufenthalte ui Port Said und IsmaiUa, mit Kairo und Alexan- 
drien, welche ich im Jahre 1884 besuchte, und mit Suez, Djibuti imd 
Aden beschäftigen, denn alle bieten in ihrer Art dem Europäer viel 
Interessantes und Sehenswerthes. 

Indien ist ja aber das Ziel meiner Arbeit 

Am 6. November liefen wir in den Hafen von Padang (West- 
küste von Sumatra) ein. nachdem wir lange vierzehn Tage nur Wasser 
und Himmel gesehen hatten, ftihren durch die Sundastrasse und liessen 
die Insel Krakatau zu unserer Linken, die nichts anderes als ein dicht- 
bewaldeter Vulcan von einigen hmidert Fuss Höhe war, der 160 Jahre 
sich ruhig verhalten hatte, bis er im Jahre 1883 durch seinen Aus- 
bruch die Westküste Javas und die Südküste Sumatras so schwer heim- 
suchte, dass mehr als 2000U Menschen ihr Leben einbüssten. 

Am 8. November, Nachmittags um 5^/2 Uhr, also nach einer 
Reise von 42 Tagen fuhren wir diu-ch die »tausend Inseln«») in den 
Hafen des alten Batavia ein. Von diesen zahlreichen Insebi führen 
viele den Namen hoUäiidischer Städte, als: Leiden, Amsterdam, Hooni, 
Enkhuizen, Edam, Alkmaar, Rotterdam, Schiedam, Haarlem, Monniken- 



') Sic haben eine Grösse von 8.5«s Quadrat-Meüen, während Java 2281.4s, 
Quadrat-Meilen gross ist. 



10 Ankunft im „alten Batavia^. 


dam u. s. w., welche die Eingeborenen nicht acceptirt haben, und von 

welchen diese noch immer die ursprüngliche Benennung gebrauchen. So- 

heisst Leiden Pulu njamuk (Mosquitos-Insel), Amsterdam = P. ontong 

djawa gegenüber dem gleichnamigen Vorgebirge (Javas Glücks-Insel)^ 

Hoorn = P. ajer = Wasserinsel, Rotterdam heisst P. öbi besar = 

Insel der grossen Ejiollen u- s. w. 

Die Sonne war noch nicht untergegangen, als der Anker im Hafen 
in die Tiefe des Meeres fiel Es war jedoch nicht zu erwarten, dasa 
vor Einbruch der Nacht alle Passagiere und ihr Gepäck ausgeschiffi 
sein konnten; der Capitän beschloss also, nur die Briefe an den Wall 
zu senden und den Passagieren die Walil zu lassen, nm* mit ihrem 
Handgepäck das Schiff zu verlassen und am andern Morgen das grosse 
Grepäck abholen zu lassen, oder noch diese eine Nacht seine Gäste zu 
bleiben und den andern Morgen mit dem grossen und kleinen Gepäck 
nach Batavia zu fahren. Ich entscldoss mich zu Ersterem; eine kleine 
Dampfbarcasse nahm die Postsäcke auf mid gestattete mir und eini- 
gen ßeisegenossen. die Fahrt durch den Caiud noch diesen Abend 
anzutreten. 

Eine grosse Fläche lag vor uns; zu unserer Rechten waren Sümpfe,, 
in welchen mein Reisegenosse, Baron Holzschuh, ein Krokodil zu sehen 
glaubte. Dieser Mann, mit dem icli acht Jahre später wieder die Reise 
nach Europa machte, war s. Z. der Begleiter unserer Landsmäimin 
Ida Pfeifer und hatte mir so manche interessante Details über da* 
Leben dieser muthigen IVau mitgetheilt Der Hafen-Canal hat seit 
Vollendung des neuen Hafens Tanjong Piiok seine frühere Bedeutung 
verloren. Ijaugsam fuhren wir durch diesen schmalen Canal, auf wel- 
chem bequem zwei Nachen nebeneinander fahren konnten, bis wir an 
den »kleinen Boom<< = die Douane kamen. Die Zollbeamten begnüg- 
ten sich mit meiner Mittheilung, dass ich keinen Revolver oder euie 
andei'e Schusswaffe zu verzollen hatte, mid weiter ging die Reise. Unter- 
dessen hatten die malayischen Langfinger meinen Militärmantel annec- 
tirt Ich habe zwar späterhin oft Jahre lang kein Bedürfiiiss nach 
demselben gefühlt aber im ersten Augenblicke dieser Entdeckung gab 
ich natüriich meinem Aerger durch die auf dem Schiffe üblichen Schelt- 
worte: »malayisches Diebsgesindel« u. s. w. Ausdiiick. Hier standen 
auch zalilfeiche Wagen mit euiem oder zwei Pferden, um uns in die 
Stadt zu bringen. Es waren alte, schmutzige, von Europäern abge- 
dankte Equipagen, welche je von zwei kleinen alten und schmutzigen 
Pferden gezogen wurden. Lange überlegten es sich diese zwei Pferde, 



Die Fiaker von fiatavia. ^Mutter" Spandermann. H 



welche nicht höher als 115 Centimeter waren, ob sie überhaupt ver- 
pflichtet wären, den grossen Wagen mit den zwei Insassen zu ziehen. Der 
Kutscher, mit seinem farbigen Hemd, ohne Schuhe und Strümpfe, aber 
mit einem Strohhut auf dem Kopfe, der die Form einer kleinen Futter- 
schwinge hatte, schnalzte mit der Zunge, stiess einen undefinirbaren Laut 
aus, sprang vom Bock, schwang die Peitsche über ihre Rücken, die 
kleinen Pferdchen bUeben aber ruhig stehen und drehten manchmal 
ihren Kopf nach uns, offenbar mit der Frage auf den Jjippen, was wir 
demi von ihnen wollten. 

Als aber endlich zwei Kameraden des Kutschers zu Hilfe eilten, 
(L h. je ein Pferd bei der Stange fassten und zogen, und ein Dritter 
hinten den Wagen vorwärts stiess, da endlich erwachte in ihnen das 
Bewusstsein ihrer Pflicht; sie zogen an, und im rasenden Galopp ging es 
vorwärts, wobei der Kutscher ihnen mit der langen Peitsche eine f ürchter- 
liijhe Züchtigung gab. Wir waren im alten Batavia, zu welcher Stadt 
im Jahre 1614 vom General-Gouverneur Pietcr Both der erste Grund- 
stein mit dem Namen »Fort Nassau« gelegt wurde; es ist eine alte 
Stadt mit ein- bis zweistöckigen Häusern xmd zahlreichen Canälen, 
welche heute nur mehr die diversen Comptoirs und Bureaux der Euro- 
\mer enthält, während ihre Wohnungen und Detailgeschäfte in dem süd- 
lich gelegenen Weltevreden sich befinden; dreiviertel Stunden fahr ich 
durch die mit Gas erleuchteten Strassen; ein herrlicher Duft erfüllte 
die Luft, mit Wohlbehagen sog ich sie in grossen Zügen ein, und um 
7^/2* Uhr kamen wir in das Hotel »Java«, wo mis »Mutter Spander- 
mann c leutselig empfing und sofort zur Table d'hote führte. Diese 
gute Frau führte mit Becht den Namen »Mutter«, denn mit mütter- 
licher Fürsorge nahm sie sich jedes »Orang baru« (Neuling) an und 
führte ihn in die Geheimnisse des täglichen Lebens in Java ein mid 
sparte niemals ihre Ermahnungen, wenn man z. B. des Vormittags eine 
Frucht ass oder zu fiüh sein Schiflsbad nahm. Es hat auch lange 
gedauert, bis nach ihrem Tode das Hotel unter der Leitmig der Brü- 
der Garreau sein altes Renomme wieder erhielt 

Nach dem Nachtmalil machte ich eine kleine Spazierfahrt durch 
die Stadt mid kehrte zurück, um mein Bett aufzusuchen. Das Zimmer 
war sehr primitiv eingerichtet, wie im AUgemeinen in Indien die 
Hotels sehr wenig Sorgfalt auf die Möbel verwenden. Mein Zimmer 
liatte kein Fenster, sondern über der Thür nur ein gi'osses Luftloch 
mit eisernen Stäben; der Boden bestand aus Ziegehi, auf welchen vor 
<lem Bette eine kleine Matte lag, ein einfacher Kasten, ein Waschtisch 



t 

X2 Indische Hötelt. Die erste Nacht in Batavia. 

önd ein kleiner viereckiger Tisch, auf welchem ich den Inhalt meiner 
Tasche deponirte, standen in dem Zinmier; an den weissen Wänden 
hingen nebstdem zwei alte, vom Wetter gebräunte und vom Alter 
gelb gewordene Kupferstiche, mid zur Beleuchtung diente — eine 
kleine Oellampe, welche die ganze Nacht brannte. Der Total- 
eindruck war der einer Zelle eines Gefängnisses, weil es nebst den 
ordinären Möbeln durch Mangel an Raum sich auszeichnete. Die erste 
Nacht, welche ich auf Java verbrachte, war «geradezu unangenehm. 
Ein Gekko hatte sich über der Thüre am Luftloche niedergelassen; 
beinahe jede halbe Stunde ertönte sein lautes Gek — ko, Gekko 6 — 7 mal 
hintereinander, und klang in das laute Brummen einer zerspningenen 
Basssaite aus, Grillen und Frösche accompagnirten den Grekko, und 
onglücklicher Weise hatte ich das Mosquitonetz nicht gut geschlossen, 
als ich mich zu Bette legte. Das Summen und Bruimnen der Mos- 
quitos nahm kein Ende, und hin und n^ieder tönte dazwischen das Heulf n 
eines Gladakkers, jener herrenlosen Hunde, welche Abends in die Hotels 
kommen, um Abfälle der Tafel zu suchen. Bei dem matten Scheiji 
des mit Oel gefüllten Lämpchens sah ich zahlreiche Eidechsen auf den 
Mauern auf die Mosquitos mid Larongs Jagd machen, hin und wieder 
steckte der Grekko seinen grossen Kopf in's Zimmer hinein, als ob er 
mit seinen schönen schwarzen Augen den Fremdling erforschen wollte; 
dazu kam eine fürchterliche Transpiration; die Nacht war wann und 
die Luft in meinem Zimmer von der feuchten Mauer dmnpf imd be- 
engend, und bald lag ich gebadet in meinem Seh weisse. Endlich stieg 
ich aus dem Bette und ging hinaus in die schmale Veranda; hier 
stand neben der Thür ein ordinäres Tischchen und ein grosser Lehn- 
stuhl, von dessen beiden Seiten »Füsse« hinaus und nach vorn ge- 
schoben werden konnten; obwohl auf dem Tischchen eine Lampfe stand, 
machte ich doch keinen Gebrauch von derselben; der ti-opische Hinunel 
und Volhnond erleuchteten hinreichend den kleinen Hofraum vor mir, und 
zum ersten Male ergötzte ich mich — nicht an der Pi-acht des süd- 
lichen Kreuzes und der so herrlich scheinenden Venus — an nichts 
dachte i<;h, nichts sah ich, nichts fühlte ich — ich ergötzte mich am 
»Klinuuschiessen«. Ein wohlthuendes Grefühl ist es, die Füsse nicht 
herabhängen, sondern auf den Füssen des Lehnstuhles ungefähr 10 bis 
15 cm über dem Niveau des Beckens ruhen zu lassen. Spiegel erklärt 
das wohlthuende Gefühl dieser Lage dadurch, dass die Füsse »/a Meter 
der Erdelecüicität, welche miterm Aequator enie sehr hohe Spannung 
hätte, entrückt seien. Ich halte jedoch diese Erklärung für eine gesuchte 



Die erste Nacht in Batavia. • y^ 

und möchte auf Grund so mancher Beobachtungen und Erfalirungea 
die Ursache in mir selbst suchen; das Blut der Venen geht nämlich 
in der horizontalen Lage leichter zum Herzen zurück, und das der 
Arterien leichter zur Peripherie des Körpers, weil das Gewicht der 
doppelten Blutsäule ausfällt; denn auch in Europa ist die horizontale 
Lage eine angenehmere^ al§ das Stehen oder Sitzen. 

Ein sanftes ZephjTwehen liess den Schweiss des Körpers ver- 
dsimpfen. und so sass ich in dem tiefen Lehnstuhle, entrückt allen 
bösen Gedanken, und die Mosquitos umschwirrten mich und brummten 
und summten unerbittlich ihr leises Lied in meine Ohren; glücklicher 
Weise verschonten sie mich mit ihren Stichen, und als ich mir eine 
Manilla-Cigarre anzündete, blies ich mit den Bauchwolkeu diese lästigen 
Gäste von mir weg. Endlich forderte die Natur ihr B;echt; die Augen 
wurden schwer, es firöstelte mich, und schUesslich entscliloss ich mich 
wieder, zu Bett zu gehe». Schon glaubte ich einschlafen zu könneor 
als ein Angstgefühl sich meiner bemächtigte, ein kalter Angstschweiss 
auf meine Stime trat und mich aus dem Bette jagte; ich eilte zur kleinen 
Nachtlanipe, sah meine Nägel blau, und Krämpfe der Därme erpressten 
mir den Angstschrei: die Cholera. Doch auch dieses Gespenst meiner 
erregten Phantasie ging vorüber, imd ein gesunder Schlaf beendigte die 
erste Nacht meines Aufenthaltes in Indien. 



2. GapiteL 

Weltevreden — Empfan^r beim Armee-Commandanteii — Ein 
Corso auf dem Waterlooplatze — (ligerl nnd Modedame in 
Weltevreden — Der grOsste Platz der Welt ({) — Malayisehes 
Winken — Ein Handkuss — Ein Abenteuer auf hoher See — 
Dos ä dos und Deeleman — Altstadt — Kunst und Wissen- 
sehaft in Indien — Wissensehaftliehe Vereine in Bataria — 
Indische Hansirer — Jagd auf Rhinocerosse — Indische 

Masseuse. 

1 11 Indien steht nuui um sc^clis Uhr mif,« rief mir »Mutter Spander- 
^ mamis ins Zinnner, > Schlafiiüitze, stellen Sie auf, es ist schon 
sieben I'hr. . Ich öttnete die Thüre, und eine frische, reine und duft- 
reiclie liurt erfüllte das Ziunner. Ein sonderbarer Anblick bot sich 
mir dar; auf beiden Seiten des Hofraumes befand sich eine Reihe von 
Zimmern, und zwischen je zwei l^hüi-en stand ein Tischchen mit einem 
Arm- und ei item Schaukelstuhh», auf denen die Gäste in ihrer Haus- 
toilette sassen; zwischen je zwei Pfälden der Galerie war ein Stinck ge- 
spannt, auf welchem die Leibwäsche zum Trocknen hing, selbst die ge- 
heimsten Toilettestücke der Damen waren hier ausgestellt. Der Be- 
diente brachte mir ungefragt eine Schale Kattee, welcher ziemlich schlecht 
war und doch ein angenehmes Gefühl der Wanne im Mage;i verur- 
s[iclite. Die meisten Heii'en gingen in ilu*er Haustoilette \) und mit 
der CigaiTo im Munde auf und ab. Wie ich später hörte und sali, 
ist dieses eine allgemeine Gewohnheit als vorbei-eitende Ma^issregel, 
um »den Schlaf kamerdden weg zu bringen«. Zwischen 7*^2 bis 
8 Uhr gingen die HeiTen angekleidet und die Damen in ihrer Haus- 
toilette (Sarong und Kabaya) zur Pi-ühstückstüfel; ich wurde niu* ge- 
fragt., ob ich beim Frühstück Thee oder wieder Kaffee gebrauchen 



') „Nachtliose" (Hose aus buntem Kattun) und Kabava (weisses Jicibchon). 



Weite vreden. 15 



wollte; neben meinem Teller standen zwei halbweich gekochte Eier, 
^er Bediente brachte mir hintereinander Butterbrot, Beefeteak, Cer- 
TelatiÄTirst und Käse, und ich folgte dem guten (?) Beispiele meines 
Nachbarn, von allen diesen Speisen ein bis zwei Stücke zu nehmen; 
der Magen ist ja ein elastischer Strumpf, er nahm ohne Widerstreben 
Alles Dargebotene an. Zu meiner Bechten sass der Herr X., wel- 
cher zum Schluss noch .euien halben Teller Nassi Koreng nahm, d. h. Reis 
gemischt mit klein geschnittenem Fleisch, Zwiebehi und Lombok.») Ich 
bekam einen gewaltigen Respect vor diesem Mamie — es war ein 
Creole, d. h. ein Indier von europäischen Eltern geboren — , als er 
beifügte, dass dieses Frühstück keine Mahlzeit zu nennen sei und nm* ge- 
wissenuaassen den Magen für die Hauptmahlzeit vorbereiten müsse, welche 
er um 12\'3 Uhr einnehme; in Indien, fügte er hinzu, müsse (??) man 
sich ki'äftig nähren, um den Einfluss der erschlaffenden Wärme zu 
neutralisiren, und wenn er, was übrigens selten geschehe, Magenbe- 
Rcliwei*den l)ekäme, lasse er sich einige Pisangs (Bananen) in dem Oel 
von Djanikblättern 2) backen; er könne mir dieses Laxans aus eigener 
Erfahnui^ wännstens empfehlen, weil das Wunderöl dadurch seinen 
unangenelunen Geschmack und Geruch verUere. 

Xach dem Fiiilistück ging ich in mein Zimmer mit der Absicht, 
die Eindiiicke des ei-sten Tages aufeuschreiben. Mutter Spandermann 
jedoch erlaul>te es nicht: »Jetzt ziehen Sie Ilu-e Uniform mit der Feld- 
binde an. nehmen eine Equip^ige. fahren zmn Sanitätschef und melden 
sich, wie es sich für jeden Officier geziemt; die Equipage, welche ich 
Urnen flehen werde, l)ehaJten Sie bis zur »Reisbifel«, mid dann werden 
Sie Ihr Mitta^schläfchen halten. Dies thun alle Leute »in de Oost«, 
und Sie müssen es auch thun, sonst liegen Sie binnen Jahresfrist unter 
<lem Klapi)erbaiune (Palme) begraben.« Dieser kategorisch ausge- 
sprochenen Marschordre wagte ich natüriich nicht zu widereprechen. 
Ich stieg also in den sofort herbeigerufenen Wagen, welcher mn nichts 
besser als das Vehikel war, welches mich den vorigen Abend aus der 
alten Stadt in's Hotel gebracht hatte. 

Zunächst kam ich auf die »Sluisbrücke« mid sah zu meiner 
Rechten die alte Citadelle »Prinz Frederik«, welche jetzt nur zmu 
ilaga/ine Wnutzt wird, und kam sodann zu dem Bureau des Landes- 

>) Capsicum aniiuum. 

*) Ricinus communis oder K. rugosus oder R. ruber oder R. spectabiJis, 
w**Icho alle zu der Klasse der Euphorbiaceen gehören. Die Chinesen Javas be- 
ri'iteu ihr häufig gebrauchtes Laxans aus Ricinus ruber. 



X6 Weltevreden. Empfang beim Armee-Commandanten. 

.€!ommandirendeD,^) zu dem Reichs- Aiznei-Magaziii, zu der katholischen 
Kirche und hatte zu meiner Linken den Waterlooplatz mit der unver- 
meidlichen Waterloosäide, und zu meiner Rechten das Bureau des 
PIatz-Gk)mmandanten. Hier revidirte der Adjutant meine MarschOTdre 
und stelltie mich seinem Chef vor. Von hier aus ging es weiter längs 
einiger hübscher Häuser in alt-griechischem Stile, welche von Stabs- 
officieren bewohnt waren, in den Spitalweg, in welchem sich das Arsenal, 
das grosse Mihtärhospital, das Seminar für die Doctor-djawa-Schule, 
einige OfiScierswohnungen und das »hohe Haus« für den Sanitätschef 
befinden, welcher den Rang eines Colonels^) bekleidet Im Militär- 
hospital stellte ich mich dem Landessanitätschef der 1. Militär- Abtheilung 
und im »hohen Hause« dem Sanitätschef vor, welcher mir versprach, 
in einigen Tagen mir meinen ersten Standplatz mittheilen zu lassen. 
Wie der Empfang bei allen diesen Herren gewesen sei, berichten meine 
Reisebriefe mit keinem einzigen Wort; desto ausfültflicher jedoch ist 
die Sdiilderung der. Vorstellung beim Armee-jCommandanten. In der 
Herzogs- Allee (Hertogslaan), welche die zwei grossen Plätze, Waterloo- 
und Königsplatz, verbindet steht sein Bureau und sein »Haus«. — 
Im Stile unterscheidet es sich von den üblichen Wohnungen der 
.OfflSüdere nicht im mindesten; es ist nm* grösser und hat im Innern 
grosse Empfangssäle. Am 11. November bekam ich vom Platz- 
C!ömmandanten.Befehl, den andern Tag in »Marsch tenue« um 9 Uhr 
in seinem Bureau mich einzufinden, um dem ^Armee-Commandanten 
vorgestellt zu werden; natürlich wurde nur den Neulingen diese Ehre 
zu Theil; die anderen Qfiiciere, welche von ihrem Urlaub in Europa 
zurückgekehrt waren, nahmen an diesem Empfang nicht Theil. 

Die »Vorgalerie« war eine schmucklose Säulenhalle, welche, wie 
mir erzahlt wurde, nur bei grossen Emp&ngsabenden von den zahl- 
neichen Gästen benutzt wurde, um »fiische Luft zu schöpfen«, wenn die 
Temperatur im grossen Empfangssaal zu warm wurde; wir wurden in 
einen kleinen Saal geführt und nach Rang und nach der Polgereihe 
der Liste, welche der Platzcommandantf dem Adjutanten von 2. E.^ 
überreichen sollte, aufgestellt Da wir eine Viertelstunde warten muss- 
ten, hatte ich Zeit genug, um das Empfangszimmer etwas genauer zu 
besichtigen. Eine glatte weisse Wand, grosse Spiegel, einige »Wiener« 

*) Java wird mtlitärisch in drei Abtheilungen eingetheilt, welche in Welte- 
.vreden, Samarang und Surabaja ihren Sitz haben. 

') Nur Dr. Wasklewitz hatte als Sanitätschef den Kang eines General». 
^) Nur der General-Gouverneur und der Armee-Commandant sind Excellenzen. 



Fig. 2. Zwei RUDduieaüclie Fraueu bei der Bp&rbeituDg der Cacaofrüobt«. 



Fig. 1. Eiu mulayischca Mädchen in Keiner 
Hsustoilelte. (Dieses sUbcnii; Feigenblatt wird 
Kegenwärti]^ nur selten van den Moloyen auf 
Java, aber häufig auf de ti übrii;eu Inseln getragen.) 



18 Ein Corso auf dem Waterlooplatze. 



(Thonet'sche) Stühle und Divans und ein polirter Tisch in der Mitte 
— das war alles. 

■ 

Seit diesen 23 Jahi-eu hat die europäische Mode die alte Ein- 
fachheit der indischen Wohnung verdrängt; gepolsterte Möbel, schwere 
Tapeten, Phaiitasiestühle und schwere Vorhänge herrs-chen in den 
Privatwohnungen der reichen Euix)päer ebenso wie in Holland. Ich 
habe seitdem das Innere dieses Hauses nicht mehr gesehen; ich weiss also 
nicht, ob auch der Aiinee-Coinmandant für sein kleines Empfangs- 
zimmer sich dieser Mode unterworfen hat. Damals jedoch imponirte es 
mir durch seine Einfachheit und noch mehr durch seine kalte, düstere, 
saubere Ausstattiuig; ebenso kalt und gemessen war die Begrüssung durch 
den Armee-Commandanten van Xeve. Nachdem ich auf diese Weise 
mich meiner »dienstlichen c Verpflichtiuigen entledigt hatte, fuhr ich in 
der Stadt herum, um einen Totaleindnick von ihr zu bekonnnen. 

Zunächst fiihr ich zmück zum Waterlooplatz mit der Waterloo- 
säule und dem Monumente von J. P. Koen (oe = u), welchem (als 
viertem General-Gouverneur) die Gründmig Batavias ») unrichtiger Weise 
zugeschrieben wird. Es ist ein gi'osser viereckiger Platz, welcher von 
drei Seiten mit Häusern umgeben ist; hier werden die Militär-Pai-aden 
abgehalten, und die Stabsmusik hält hier jeden Sonntag Nachmittag 
ein Concert im Freien. Diese Conceiie waren damals das Rendez-vous 
der Haute volee, der jeunesse doree und aller Babu's mit ihren Schutz- 
befohlenen Kindern. Ich hatte späterhin oft Gelegenheit, solchen 
Älilitäi'-Conc^^rten imter freiem Himmel beiwolmen zu kömien. Es ist 
ein buntes Gewimmel und könnte, auf eine Bühne gebracht, ein schönes, 
farbenreiches Ballet darstellen. Zunächst erscheinen die diversen Babu's 
mit europäischen, javanischen, chinesischen und malayischen (Fig. 1-*) 
Kindern; sie selbst haben eine lange, bunte Kabaya, einen bunten Sarong, 
der mit einem gelben oder blauen, seidenen Bande oder einem siU)emen 
oder vergoldeten Gürtel über den Hüften befestigt ist; sie sind braiui 
in allen Schattirungen, hal)en dunkelschwarzes Haar, welches in einen 
Knoten am Scheitel geknüpft ist, mit einer langen, silbernen Nadel 
darin, das Ohrläppchen hat ein IjocIi, beinahe so gross wie ein Zehn- 
Hellerstück, die Augen sind schwarz, die Lippen hin und wieder von 
dem Sirihsaft roth gefärbt, die Zähne sind schwara und abgefeilt, odt^r 
nach europäischer Mode weiss. Die Büste ist voll und der Gang etwas 



1) Vide Schulze, Führer auf Java S. 147. 

^) In dieser Haustoilette sieht man die mahiyischen Mädchen nicht mehr 
auf Java, sondern nur auf den übrigen Insehi auf der Strasse herumgehen. 



Gigerl und Modedame in Weltevreden.*) 19 

kokett die Filsse sind klein, wohlgeformt und ohne Bekleidiuig, und die 
zierlichen, mit Ringen versehenen Hände schwingen wie das Pendel 
einer Uhr auf" und ab. 

'Die jungen Marssöhne gesellen sich selten zu • ihnen, es sei denn, 
dass sie geradezu Heiratspläne haben; denn die Staffage der Küche durch 
einen Soldaten ist nicht üblich. Der eingeborene Soldat leicht an 
seiner Hautferbe und blossen Füssen erkennbar, denkt gar nichts mi da« 
Flirten; er lauscht der Musik und steckt seine Cigarette an (aus 
den Blättern der Nipahpalme koniscli zugedreht) und wirft hin und 
wieder einen Blick jener Schönen zu, welche sein Hera erobert hat 
ohne vorläufig seiner Umgebung auch nm* durch eine Miene den Sturm 
seiner Gefühle zu verrathen. Der eiux)päische Soldat, der neben ihm 
Stent, ist schon weniger schüchteni und zurückhaltend. Er wird seiner 
Bewuudening* oder seinen Gefühlen gewiss Worte verleüien, wird sofort 
^ich ihr nähern und sie vielleicht durch ein leises Lispehi jener zahl- 
reichen -^Panton« verrathen, welche die Liebenden einander zuflüstern. 
Bald erscheint djis halbeuropäische Gigerl, und die »Xonna«; in schönei- 
wei&ser Hose und Rock, mit tadellos glänzenden Lackschuhen und 
grossen Manschetten mit goldenen Knöpfen ist der »Sinju« sich seines 
»Sieges bei den Fi-auen bewusst; er ist interessant, seine blendend weissen 
Zähne, sein rabenschwarzes Haai* und seine glänzenden Augen, sein 
eleganter Bau imd Wuchs lassen seine platte Nase mid hervor- 
stehenden Jochbeine und Oberkiefer ganz vergessen, und als echter 
Don Juan l)eginnt er sofort unter den anwesenden Nonnas die schönste 
sich auszusuchen. Diese sind schön, elegant und geradezu verfiilirerisch. 
Schlank gebaut, haben sie eine schöne Büste und glänzende Augen 
und schwarze Haare, die kleinen zierlichen Füsse stecken in reich 
verzierten chinesischen Pantoffeln mit goldenen Absätzen und mit feinen 
Strümpfen. Ein golddurchwirkter seidener Sarong umschliesst ihre grossen 
Hüften, eine elegante kurze weisse Kabaya mit Spitzen- besetzt verhüllt 
nur theilweise ihre schöne Büste, und zahlreiche Ringe, Ohiringe imd 
Haarnadeln zieren Kopf und Hände und ein dunkelblauer oder dunkel- 
rother Sonnenschinn schützt sie vor d(»n Strahlen der scheidenden 
*Sonne. — Zu Pferde (»rscheint l)ald ein junger Ijieutenant oder ein 
reicher Chinese oder Araber; Equipagen auf Equipagen fähigen vor 
mit europäischen, javanischen, chinesischen oder armenischen Damen, 



*) Weltevreden ist die südliche Vorstadt von Batavia, welche ausschliesslich 
von Europäern bowoluit wird. Oft wird der ganzen Stadt Batavia dieser Name 
gegeben. 



20 ^r grösste Platz der Welt. (?) 

bleiben stehen, und bald umgiebt sie ein Schwärm junger Leute, und 
sie flirten und flirten, bis Cupido seine Köcher erschöpft hat 

Unteixlessen hat die »Stabsmusik« ihr Programm beendet, es ist 
sechs Uhr geworden und der Schwärm ergiesst sich in die benach- 
barten Strassen. 

Auf dem Waterlooplatz fällt das ^> grosse Haus« (= gixwte huis) 
auf, weil es ein Stock hoch ist und beinahe die ganze östliche Front 
des Platzes einnimmt Es wurde Anfangs dieses Jahrhmiderts vom 
Marschall Daendelserbautund vom Burggrafen du Bus deGhisignicK 
vollendet Gregenwärtig beherbergt es den grössten Theil der Gt)uveme- 
mentsbureaux: die Bechnungskammer, da» Kriegs-, Finanz- undCultus- 
ministerium, die Läudeskasse, das Steueramt u. s. w. Die Loge und 
da« Militär-Casino schliessen sich zu beiden Seiten diesem grossen, aber 
nicht schönen Gebäude an; Officierswohnungen, die römische Kirche 
raid die schon «oben erwähnten Gebäude begrenzen den stattlichen^ 
grossen Platz. Auf dem Kreuzwege, welcher auch zum Königsplatz 
führt, steht das imansehnliche DenkmaP) für Bali. 

Ich Hess daim den Kutscher den Weg zum Königsplatz nehmen, 
den mir einige Beisegenossen als den grössten der Welt bezeichnet 
hatten. Soweit meine Erfahnmg reicht, ist dies factisch der Fall; es 
ist ein grosses, grasbedecktes Feld in Trapezform, dessen Schenkel jeder 
ungefähr 1 J/2 km lang ist während die eine der Parallelen nur 1 km* 
imd die zweite (die südliche) ebenfalls in 20 Minuten zu gehen ist 
Ausjfer dem Vorzug, dass dieser Platz mehr als 1,000,000 Q Meter gross 
ist, hat er gar keine schönen Eigenschaften; denn es ist nur eine grosse 
Gnisfläche, welche an der Nordseite durch eine kleine Parkaidage 
(gegenüber dem Palaste des Generalgouverneurs) und einen schönen 
artesischen Brunnen unterbrochen wird. Bei meiner Bundfahrt konnte 
ich nicht einmal unterscheiden, ol) an der gegenüberliegenden Seite" 
ein Mann «der eine Frau gehe; die Gebäude, welche an und für sich 
niediige Häuser ohne Stockwerk sind, werden ebensowenig deutlich 
gesehen, so dass sell>st die Frage offen bleibt, ob die bedeutende Grösse 
dieses Platzes ein Vorzug genannt werden könne. Nebstdem ist er 
besondei-s arm an öffentlichen Gebäuden; die armenische Kirche, die 
Willems-Kirche, eine kleine Eisenbahnstation luid auf der Westseite 
die Museen mit dem :> Elefanten«, einem Geschenke des Königs von 



') Zur Erinnerung an die Eroberung von Bali, einer Insel im Osten Javas. 



Malayisches Winken. 21 



Siam (aiis dem Jahre 1870), sind die einzigen Grebäude, welche von 
dem gewöhnlichen altgriechischen Stile abweichen. 

Ich beendete meine Rundfahrt; es war 1V\^ Uhi% und die Sonne 
war mir schon lästig geworden; ich hatte nämlich die Kappe des 
Mylord zurückgeschlagen, um eine freie Aussicht über alle Strassen 
und Häuser gemessen zu kömien. Ohne es natüj'lich zu ahnen, be- 
fand ich mich in der Nähe des Hotels und fiihr (auf der Nordseite 
des Königsplatzes) in den Hofraum des Hotels bis vor die Thüre meines 
Zimmei-s. Ich stieg aus, zog nicht niu* meine dunkle Uniform, sondern 
auch meine Leibwäsche aus, welche von dem Schweiss geradezu durch- 
tränkt wai\ und ti*at in Haustoilette, d. h. in Nachtliose und Kabaja, 
in die Veranda. Mein Mylorrl stand noch vor der.Thür, und auf dem 
Bocke sass der Kutscher mit unei'schütterlicher Ruhe und Grandezza, 
ohne im Geringsten eine Ueberraschung ob meiner Toilette zu zeigen. 
Mutter Spandermann machte dieser stmumen Pantomime zwischen uns 
Beiden ein Ende durch den Befehl dass ich nach Tisoli zu Hause bleiben 
und schlafen gehen müsse, und dass sie es niclit erlaube, dass ich in 
der Hitze der Mittagssonne wieder spazieren fahren und mir das Fieber 
auf den Leib holen wollte. Ganz bescheiden bemerkte ich, dass ich 
dies auch gar nicht beabsichtige und durch einen Wink dem Kutscher 
angedeutet habe, die Pferde in den Stall zu bringen. »Haben Sie ihm 
ein Trinkgeld gegeben?« »Nein!« »Und wie haben Sie ihm den 
Wink gegeben?« Ich wiederholte meine Handbewegung, ohne ihre 
Frage zu verstellen. Noch mehr überrascht wai- ich, als sich diese dicke 
Diune vor Lachen schüttelte und einmal um das andere Mal rief: 
^Oraiig-Baru, Orang-Bai'u.« Endlich kiuu die Wellenbewegung dieser 
Fleischmasse in Ruhe, und mit verständnissvollem Lächeln gegen den 
Kutscher theilte sie mir mit, dass diese Handbewegung, und zwar mit 
der Fläche nach unten, füi* den Malayen genide das Zeichen sei, näher 
zu kommen oder zu bleiben, und zum Beweise dafür winkte sie in 
gleicher Weise einem fenistehenden Bedienten, herbeizueilen. 

Ich gab dem Kutscher '|4 Gulden Trinkgeld und hatte dafür eine 
doppelte Lection bekommen und zwar: wie man den malayischen Be- 
dienten winke, und dass das Trinkgeld als ein Symptom der Civilisation 
auch nach Indien seinen AVeg gefunden habe. 

Auch für die weitere Eintheilung des Tages sorgte Muttei' Spander- 
niann: »Um 12i|a Uhr wiixl die Glocke füi* die Reistafel geläutet; Sie 
kommen in weissen Kleidern zu Tisch; der Bediente, welcher Ihi- 
Zimmer aufräumt, wird bei der Table d'hote hbiter Ihrem Sessel stehen 



22 ^in fiandkuBS. 



und Ihnen tille Schüsseln zui^ichen, welche Sie als Orang-Baru essen 
dürfen und müssen; ich sage auch müssen, weil Sie sich an die 
indische Küche gewöhnen müssen; wer weiss, wie lange es noch dauert« 
dass Sie in einer grossen Stadt bleiben werden; sobald als mögUch 
weixlen Sie auf die Aussenbesitzungen gesendet, und es bleibt dann die 
I?Vage offen, ob Sie essen werden können, was Sie wünschen, oder ob 
Sie alles essen werden müssen, weil Sie keine Wahl haben werden. 
Doch ä propos; heute ist Empfangsabend l)eim Sanitätschef; um 
6*]2 IThr ziehen Sie sich Frack und weisse Handschuhe an, nehmen 
wiedeiiun einen »Wagen« und faluren nach Parapatan, wo der Sani- 
tätschef Sie seiner Fi*au und allen übrigen Damen vorstellen winL 
Machen Sie mir ja keine Schande, und mac^hen Sie jdlen jungen 
Damen gut den Hof, sonst sind Sie verloivii; denn in die Conduit- 
liste wird von Ihnen wie von jedem Oflicier aufgenommen, ob er sich 
in feiner Gesellschaft gut l)ewegen köime.:^ 

^Ich bin aber der holländischen Sprache noch viel zu wenig mäch- 
tig, um in Damengesellschaft mich >gut bewegen zu können«; ist es 
vielleicht nicht besser, weiui ich deshalb zu Hause bleibe?« 

»Nein, nein, Sie gehen heute dahin; ich habe jetzt keine Zeit, 
weiter mit Ihnen darüber zu sprechen; Sie gehen! Adieu!« 

Aber sie ging nicht, und auf einmal fing sie \vieder so zu lachen 
an, dass ihre gi-osse Fleischmasse wieder in fürchterliche Wellenbewe- 
gungen gerieth, und endlich höile ich sie brummen: .>Eui Mof, ein 
Mof.«i) »Nun ja,«, rief ich, »ich bin ein Mof, was soll aber das Lachen 
l)edeuten?< 

»Hören Sie! Voriges Jalir wohnte bei mir Dr. X., der auch ein 
Mof ist und dem ich befahl, zum Empfangsabend des Armee-Com- 
mandanten zu gehen. Was deiiken Sie, was dieser Mof tliat, als er 
l)ei dem grossen Empfange des Generals B. dessen Frau vorgestellt 
wiu'de? Nein, ich sage es Ihnen nicht, ratlien Sie, so viel kann ich Ihnen 
nur sagen, dass die Fächer idler Damen sofort vor die Augen gehal- 
ten wm-den, und ein Kicheni und ein lüchehi wie ein kleiner Stmiu 
durch den Said sich foi'ti)fianzte, bis endlich eine der Damen selbst 
vom Sessel aufsprang, um in der Vorhalle ihrcr vom Lachen ei'schütteiten 
Leber Luft zu machen. Sie errathen es nicht? Nun, so will ich es 
Ihnen sagen: Er küsste Me\Touw B. die Hand! Das thut man bei 
Euch in Motrica, aber nicht in Holland und nicht Ixm uns in Indien. 



*) SpitÄWort für die Deutschen. 



Ein Abenteuer auf hoher See. 23 

Das darf inaii nidit in Gesellschaft tiiun, das darf maii nur im Gre- 
hennen und verstohlen Üiun, wenn man allein ist das ist eine Liebes- 
erklärung, nein, das ist keine Liebeserklärmig mehr, das ist schon der 
erste Act des liebens selbst, der zweite Act ist das Küssen des Mundes.« 

»Und der dritte Act?< fi-ug ich. 

»Sie Schalk!« (ondeugd) rief sie und wackelte weiter. 

Natürlich folgte ich als geliorsamer Orang-baru (NeuUng) allen 
ihren Anweisungen und. da der Empfang der Familie des Sanitäts- 
chefs und dei" übrigen »hohen« HeiTen und Damen auf mich einen 
günstigen Eindruck gemacht hatte, schloss ich den zweiten Tag meines 
Aufenthaltes in Indien befriedigt in den Armen von Morpheus. 

Der diitte Tag braclite mir ein Abenteuer, dem ich damals mehr 
Gewicht l)eilegte, jds ich es heute thun würde, indem mein Tagebuch 
davon als von einer Ijebensgefahi* ei7,älilt, der ich mit j^rosser Noth 
entronnen war. 

Einer meiner Reisegenossen ging mit der » Friesland ^ nach Sura- 
baya, von wo aus er das Endziel seiner Reise im Innern des Landes 
erreichen sollte. Da ich durcli keine dienstlichen Angelegenheiten ver- 
liindert wai\ wollte ich ihn aufs Schiff begleiten, um noch einmal — 
und zwar zum letzten Male — die Stätte zu sehen, auf welcher ich 
42 Tage lang mit Sehnsucht deji Tag erwartete, an welchem ich die 
grosse Seereise überstanden hatte und eine neue CaiTiere anfangen sollte. 
Nel>stdem konnte ich auch den nördlichen Theil der Neustadt und die 
Altstadt besiclitigen, welche am Tage der Ankunft wegen vorgerückter 
Abendstunde nur in flüchtigen Umrissen sich gezeigt hatten. 

Vor dem Hotel lagen damals die Rails der Tramway, welche bis 
zur Douane in der tUten Stadt führten . Heute ist es eine Dampf- 
tramway mit ziemlich netten AVaggons; damals waren es aJtc» sclnnutzige 
Kasten, welche von drei kleinen mageren Pferden gezogen wurden. 
Mitleid nuisste jeder mit diesen drei > Katzen« haben, welche bei 
»jeder Halt< die grösste Mülie hatten, diese gi-ossen gefüllten Kästen 
in Bewegmig zu bringen. 

Nel)en den Rails lag ein Trottoir, mid daran schloss sich das tiefe 
Bett des Tjiligon, welcher stets ein (von Lehmeixle) gelb gefärbtes 
Walser führt; der Stadttheil an seinem rechten Ufer heisst Noi-dwyk 
(y -^ ei), während das Javiüiotel, das Hotel der Nederlanden, das 
Justiz-Ministerium und das des I iniern, die Bureaux des Palastes des 
(Tcnenü-Gouverneurs (dessen südliche Pi'ont bis auf den Königsplatz 
reicht) und die :>Hannonie< (Civil-Casino) in Ryswyk hegen. Längs 



24 ^s ^ ^^^ ^^^ Dceleman. 



dieser Gebäude ging die Tnunway, welche durch die Vorstadt Molenrliet 
nach der Altstadt führte. Bei der Douaue fand ich den Herrn L., 
welcher mit einigen Freunden auf mich waii;ete. lun gemeinsam in 
einem Kahn auf dem »CanaU die Fahrt nach der Rhede anzutreten. 
Der Herr Ij. war der malayischen Sprache mächtig genug, mn mit 
dem Steuermann des Nachens den Preis von 3.50 fl. für die Hin- und 
Rückreise zu l)edingen. 

Sofort nach unserer Ankunft wurde der Anker aus der Tiefe 
gezogen, die Damp^)feife gab das Signal zur Abreise, und ich verliess 
die »Priesland«, die, wie schon envähnt im Jahre 1878 mit Mann 
und Maus untergiflg. 

Der Dampfer war kaum in Bewegung, als der Steuermann das 
Nachens die Bezahlung des Preises von mir verlangte; ich zog arglos 
meine Börse lieraus und wollte ihm die bedungenen 3.50 fl. bezahlen; 
er aber schüttelte das Haupt und zeigte mir-che fünf Finger seiner Hand; 
ich steckte niliig die Böi'se ein und wies gebieterisch mit der Hand nach 
der Küste. Ebenso ruhig legten aber die Ruderer auf einen Wink des 
Steuermanns die langen Ruder nieder. Es wai- ein kintischer Augenblick; 
ich wusste damals noch nichts von den Mala} en als berüchtigten Seeräubeni, 
welche sie früher waren; aber ich fühlte das Scliaukeln des Kahnes und 
die Haifische haben sich auf der Rhede Batarias schon manchen in's 
Wasser Gefallenen in die Tiefe gezogen. Wir waren von der Küste zu 
weit entfernt, um von den Krokodilen aufgefi'essen zu werden; aber die 
Küste und das >> WaehtschifF« waren so weit entfernt dass mein Hilferuf 
nicht hätte gehört werden können. Endlich wies ich wieder, wie ein 
gewaltiger Feldhen-, mit der Hand nach der Küste, der Steuermann 
hob wieder seine fünf Pinger in die Höhe, und ich nickte bejahend mit 
dem Kopfe. Nach einer Stunde fuhr ich bei der Douiine ein und 
erzählte einem Beamten diesen Vorfall, während ich ihn ersuchte, eine 
10 fL Note mir zu wechseln. Dieser rief den Steuermaim zu sich, hielt 
ihm eine Strafrede, ei-suchte mich auf das Nachdnicklichste, nicht mehr 
als den bedungenen Preis von 3.50 fl. zu bezahlen, und eine tüchtige 
Ohrfeige machte dem Gespräche mit dem Steuermann ein Ende. 

Darauf nahm ich mir ein Dos a dos, mn in der Altstadt oder, 
wie sie in Batavia üblicher Weise genannt wiixl, in der xStad« eine 
Rundfehi't zu machen; diese kleinen Wagen, eine verschlechterte Aus- 
gabe der englischen Dogcart, sind für Batavia geradezu t^-pisch und 
haben sich dort so eingebiUgert. dass sie selbst dureh die Deeleman's 
Kar<; nicht verdrängt wurden. Beide werden in der Regel nur von einem 



Altstadt. — Die Eonst io Indien. 26 

Pferde gezogen und ruhen nur auf zwei Rädeni; während in der 
«rsteren der Passagier mit dem Rücken gegen den Kutscher sitzt, 
macht der Sitz im »Deeleman Kar« einen rechten Winkel zu dem 
des Kutschers. Das Dos k dos ist ein offener Wagen, d. h. es hat 
ein Zeltdach, welches bei Begen durch Vorhänge geschlossen werden 
kann, während der »Deeleman« ein viereckiger Kasten ist In beiden 
sitzt man jedoch so unbequem als möglich, und der :>Deeleman« hat 
ausserdem noch eine niedrige Einsteigtreppe. 

Die Rundfahrt durch die »Stad« bot wenig Neues, Interessantes 
oder Sehenswerthes. Wenn nicht hin und wieder eine^ Palme oder ein 
Pisangbaum uns an die Tropen weit erimierte. weini nicht »unsere 
bramien Brüder« oder Chinesen durch die Sti'assen in grosser Zahl 
ihre Arbeit besorgten, z. B. mit grossen, halbmondförmigen Stöcken 
ihre Lasten trügen oder Eis zum Verkauf anböten, so würde man 
glauben, eine alte, verfallene Hafenstadt Europas vor sich zu haben mit 
zahlreichen Kanälen, welche mit Kähnen und Nachen bedeckt sind; 
die schmuck- und prunklosen, meistens einstöckigen Häuser sind alle 
in europäischem Stil gebaut und grössten Theils im Dienst des »Mercur«. 
Wenn ich von dem Rathhaus mit den Bureaux des Residenten, der 
Polizei, dem Standesamt u. s. w., von dem JiLstizpalast (venia sit dicto!), 
von den grossen Magazmen, der Douane, dem meteorologischen Obser- 
vatorium, dem Postamt, den Spitälern füi* Eingeborene und für 
Chinesen und zwei europäischen Apotheken absehe, fiel mir nur die 
ungeheure Zahl von Handelsfirmen') auf. Es war 12 Uhr geworden; 
ich entliess das Dos a dos und fiihr mit der Eisenbahn von der Station 
>Stadhuis« bis zu der Von Nowlwyk, in deren Nähe sich das Java- 
Hotel befand. 

Progranungemäss sass ich nach meinem Mittagsschläfchen (bis 
4 IJLrj in der »Vorgtderie« bei einer Schale Thee und emem Glas 
Eiswasser, las die Briefe und Zeitungen, welche zum ersten Male Nach- 
richt aus der fernen Heimath brachten, als Mutter Spandennaim sich 
einstellte, mn mir wieder einen Vorti-ag üljer xdas Leben in de Oost« 
zu halten; sie wählte diesmal das Thema: Kunst Nachdem sie sich 
erkundigt hatte, warum ich nicht den Abend vorher die »Comediec 
l)e»ucht, und nm* mitleidvoll den Kopf geschüttelt hatte, als sie hörte, 
diiss ich mich mehr für die Kiuist der Eingeborenen und der Chinesen 



') Schulze briBgt ein vollständiges Verzeichniss aller Gesellschaflen, welche 
in Beta via ihren Sitz oder ihre Vertreter haben. 



26 Kunst und Wissensohaft in Indien. 

als für die der Europäer intei*essire, weil mir diese voraussichtlich nichts 
Neues bieten könnten, da überfiel mich plötzlich eine Eruption eines 
ZomesanMles, den ich von der gutmüthigen alten Frau nicht er- 
wartet hätte. 

»Ja, ja, ich weiss schon, Sie sind auch so ein Totok, so ein grüner 
Europäer, der alles besser weiss mid kaim, als wir Alle in ganz Indien. 
Sie glauben, dass wir Hottentotten sind, dass hier alles schlecht und 
dass alles in Indien onlinär sei. Sie sind auch so ein Weltverbesserer, 
der in Europa kaum der Schulbank entwachsen ist nichts zum Pressen 
hatte, und der kaum in Indien festen Fuss gefasst hat und schon uns 
alten, erfahrenen Eingesessenen Ijectionen und weise Ijehi-en geben mll. 
Haben Sie soeben da.s »Gel)et einer Jungfrau« auf dem Rano spielen 
gehört? Ja? es hat Ihnen getallen! Das glaube ich auch. Wer hat 
es gespielt? Sie, Orang-baru, Sie, Totok? Nicht walu\ nein ! Es war 
meine Tochter Anna, welche. Gott sei Dank, noch niemals das Land 
der Frösche, das kalte, neblige, Hache Holland gesehen hat. Wo hat 
meine Tochter Anna so schön, so reizend, so gefühlvoll gelernt, das 
»Grebet einer Jungfi-au« in das Herz eines jeden veretockten Cölibatäi-s 
dringen zu lassen? Hier in Batayia hat sie es gelernt Sie ist d. h. 
ich bui Mitglied der »Aurora«; sie geht zu jeder Aufführung des 
»Apollo« und der »Eendracht«, und jeden Soimtag nehme ich einen 
Wagen und fahre zum Concert der » Stabsmusik e auf dem Waterloo- 
platz. Ist dieses vielleicht keine schöne Musik ? Haben Sie schon irgend- 
wo aui* der ganzen Welt »an der schönen blauen Donau« reizender 
und schöner spielen gehört, als hier unter der Leitung des bemhmten 
Oapcllmeisters D.? So! Haben Sie hier von der europäischen Kunst 
nichts Neues zu erwarten? Fi'agen Sie Ihren Nachbar, den Capitän der 
»Friesland«, das ist ein sehr gebildeter und viel gereister Mann: er ist 
gestern in »de Comedie« gewesen, fragen Sie ihn, ob in Wien, in ganz 
Mofrica oder in Paris Aida ^) eine schönere Ausstattmig hatte, als gestern 
unser Decorationsmaler Kingsbergen geboten hat? Jji, ich weiss es, dass 
»man« in Holland uns für Schlaraifen hält, die nichts anderes thun. 
als »Heistafelv^ essen, Genevre saufen, den ganzen Tag nn Faidenzer 
sitzen und zwei- bis dreimal des Tages sich zu »simmen«. Glauben 
Sie dieses auch heute nocli, obwohl Sie sehen, dass ich den ganzen Tag 
auf den Beinen bin, und i'actisch nicht einmal Zeit habe, die illustrirte 
Zeitung meiner »Tronnnel« anzusehen. Wenn Sie es in Mofiicii und 



*) Factisch liessen die Decorationen dieser Oper nicht» zu wünschen übri«j, 
wie ich mich einige Tage später überzeugte. 



Wissenschaftliche Vereine in Batavia. 27 



in Amsterdam dann so heiss haben, z. B. im Monat August, sehen 
Sie, hier auf dem Thermometer sind 87 ^ Fahrenheit mid wissen Sie, 
wohin jetzt meine Anna geht? Sie geht in die Tumschule! Ja, trotz ' 
dieser Wärme geht sie turnen; sehen Sie, mid in diesem ekelhaften 
Lande der Frösche nennen sie uns faul, müssig und genusssüchtig.« 
Endlich ktmi Ruhe in diesen Sturm, und es gelang mir, der alten Ma- 
tn>ne zu versicheni, dass ich iimner mit Genuss nach den Klängen des 
* Gebetes einer Jungfrau < gelauscht habe, und dass es mich freue, in 
Batavia so viel Sinn und Liebe f üi* Kunst und Wissenschaft zu fin- 
den. Das Wort » Wissenschaft v< entfesselte aufs Neue den Sü'om ihrer 
Bei^dtsamkeit: »Noch keine 8000 Europäer zälilt Batavia, d. h. nicht 
die Stadt Batavia, sondern die ganze Provinz Batavia hat noch keine 
8000 Emx)päer, und darunter sind auch die Sinju und Nona begriffen, 
welche -»inlandsch Blut« in sich haben und oft gai* nichts Europäisches m 
und an sich haben, und wie viel wissenschaftliche Vereine finden Sie in 
Batavia? Nennen Sie mir eine einzige Stadt in Mofiica oder in Holland, 
welche kaiun 8000 Einwolmer zählt und einen »Verein für Kunst und 
Wissenschaft«, ein königliches Institut für Sprachen, Land- und Völker- 
kunde, und einen naturkundigen Verein, und die Gesellschaft für Industrie 
und Landbau, imd einen ärztlichen Verein, und einen Verein der Juristen, 
der Ingenieure, und ein Afrika-Coniite hat Dann haben wir die Mission 
der christlich-mtbrrairten Kirche, den Verein für imiere und äussere 
Mission, den Verein ziu* Befördemng und Verbreitung christlich-ma- 
layisoher Leetüre. Wir haben auch zwei Ruderclubs, zwei Turnvereine, 
einen Schiessclub; nun, sagen Sie mir einmal, Sie weiser Europäer, 
welche Stadt in Europa, die noch keine 8000 Einwohner zahlt, hat 
s<) viele Vereine für Kunst und Wissenschaft? Sie glauben vielleicht 
gar nicht, dass Batavia so wenig'Eiu'opäer hat, weil es so gross ist; nun ja, 
Batavia ist gross und hat seine 80,000 Einwolmer, darunter sind aber 
20,(XX) Chinesen, imd ich weiss nicht wie viele Eingeborene; ich weiss 
nur aus dem Regierungsahnanach, dass die Residentschaft Batavia 
900,000 Einwohner hat mit 8000 Europäeni, 837,000 Javanen, 
71,000 Cliinesen, 1200 Arabern und 500 »fremden Orientalen«; wie 
viel davon auf die Stadt Batavia entfällt, kann ich Ihnen nicht sagen;') 

^) Aus den MittheiloDgen des Ministeriums der Oolonien vom Jahre 1894 
ist ersichtlich, dass die drei grössten Städte Javas: Batavia, Surahayaund Sama- 
rang folgende Einwohnerzahl im Jahre 1892 hatten: 

Earopier. Chinesen. Araber. Andere Orientalen. Eingeborene. Total. 

Batavia 8618 27,279 2622 104 76,246 = 114,864 

Samarang 3732 11,282 702 998 56,210 = 72,919 

Surabaja 5918 9,160 1931 392 128,294 == 145,690 



28 Indische Hausirer. 



dass aber die Wyken (Stadttheile) der Europäer ho gross sind, trotzdem 
nur wenige Europäer hier leben, hat seine guten Ursachen. Wie Sie 
sehen, hat jedes Haus einen Garten, auch weiui er oft Icauni grösser 
ist, als ein Waringinbaum für seine Luft^iu-zehi Platz nöthig hatc 

Endlich hatte Mutter Spandermann ilu^n Sermon beendigt und 
stolz wie eine Fregatte segelte sie weiter, befriedigt von dem Bewusst- 
. sein, einem *Baar« die Wahrheit gesagt zu haben. 

Unterdessen hatte sich öine Reihe von Hausirern auf der Erde 
niedergelassen, und kaum hatte die Wirthin micli verljissen, als sie 
alle auf mich einstürmten. Dieser Ueberfall übeiraschte mich nicht, 
weil ich in Port Said von den Geldwechslern und EvSeltreibeni dasselbe 
erfahren hatte; zwei Chinesen, ein Javane, ein Malaye und Klingalese 
zeigten mir ihre Waaren und priesen mir . dieselben in malayischer 
Sprache an. Der eine Chinese merkte jedoch bald, dass ich von dem 
Kauderwelsch nichts verstünde und fing in französischer Sprache das 
Loblied seiner Kabayen an, während der Khngalese englisch zu rade- 
brechen anfing. Ich entschloss mich zu dem Kaufe von 6 Kabayen 
und 6 Nachthosen, für welche der eine Chinese 60 fl. verlangte; ich 
bot ihm 16 fl. und — erhielt sie. Bei einem zweiten Chinesen ging 
es mir noch schlechter oder noch besser, wie man es eben nennen 
will. Er bot mir zwei äg}'ptische Vasen, aus Elfenbein geschnitzt, an 
und verlangte dafür 80 fl.; da ich sie nicht zu kaufen l)eabsichtigte 
und von ihm befreit zu werden wünschte, bot ich dafür 80 bidji's 
(= 10 Cts.-Stücke). Erst schwur er hoch und theuer, dass sie ihm 
selbst 40 fl. kosteten, und fing an, seinen Kram einzupacken: schon 
glaubte ich von ihm erlöst zu sein, als er die Holzschachtel nahm 
und mir mit den Worten anbot: Ich habe heute noch kein Ge- 
schäft gemacht; ich habe noch keine ^and voll Reis heute kaufen 
können; ich weiss auch, dass Sie ein gi'osser Hen* sind, also nehmen 
Sie sie um 8 fl.! — Natürlich stellte es sich nachträglich heraus, dass 
die Vasen nicht aus Elfenbein, sondern aus getrocknetem und gepi-es^teni 
präparirten Keis bestanden. 

Interessant war die Bekanntschaft mit meinem Zimmeniachbai*. 
Es war der Herr van S . ., welcher kurz nachher ein Buch üljer die 
»Jagd auf Java« schrieb; er hatte auch den l^iiihmten RhinoceiX)SJäger 



Auch die Provinz Batavia hat seit dieser Zeit stark zugenommen. Sie hatte 
im Jahre 1892 1,160,967 Einwohner (darunter 11,701 Europäer, 80,395 Chinesen, 
3081 Araber, 119 Orientalen und 1,055.661 Eingeborene) und hat einen Flächen- 
inhalt von 122.154 Quadrat-Meilen. 



Jagd auf Rhinocerosse. 29 



Darling gekannt welcher vor ungefähr 43 Jahren auf Java lebte, 
Hen* van S . . hat mir so manches interessante Jagdabenteuer 
erzählt das al)er wenig Jägerlatein enthielt Da ich niemals ein 
Khinoceixhj im Freien gesehen, noch weniger geschossen habe, will ich 
Herrn van S . . für die Richtigkeit seiner "Mittheilungen verant- 
wortlich sein lassen. Die Jagd auf Rhinocerosse sei gewiss sehr ge- 
fährlich, wenn man, wie s. Z. der bekamite Jäger Philippo, schwer 
j»ebaut ist imd sich auf sein Pferd nicht verlassen könne. Herr 
. Philippo habe nämlich an einer Jagd auf Rhinoceix)sse sich betheiUgen 
wollen. Zwötf Mann hoch zogen sie im Süden Javas, und zwar in 
der PreangeiTegentschaft, in der Nähe der Küste auf ein grosses Alang- 
Alang-Feld, in welchem sich nach Mittheilungen der benachbarten Kam- 
l)ongbewohner ein Rhinoceros befände. Sie theilten sich in zwei Gruppen 
von sechs Maim; die eine Gruppe blieb am Anfang des Feldes stehen. 
Die andei-e Hälfte, bei welcher Philippo (wie alle anderen zu Pferde) 
sich befand, ritt auf einem schmalen P&de an das entgegengesetzte 
Ende des Feldes. Auf den kleinen Pferden gelang es ihnen leicht, 
durch das Alang-Alang-Feld ihren Kameraden an jener Seite des 
Feldes entgegenzureiten. Kaum wai'en sie jedoch ungefähr 50 Meter 
in dsis Gebüsch eingednuigen, als sie eine schilfix)hrfreie Fläche sahen, 
auf welcher ein Rhinoceros aus einer Pfütze Wasser trank. Das 
plumpe Thier wurde dm'cli das Geräusch der Reiter aufinerksam^ 
luiterbracli seinen Morgentrank, drehte langsam den Kopf nach den 
Friedensstörern und schaute sie gelassen, ruhig und neugierig an. Der 
Herr Philippo hatte zwar sein Gewehi* mit seiner goldenen Spitzkugel 
l)ei sich, womit er schon so manches Rhinoceros getödtet hatte; diesmal 
wollte er sich jedoch streng an die Gebräuche der Eingeborenen halten 
und als Erster mit dem grossen Messer (parang) die Wade des Unge- 
heuers spalten. Er gab dem Pferde die Sporen, in wenigen Secmiden 
wiu* er dem Waldriesen nahe, schon schwang er das Schwert zum 
Schlage gegen dessen rechtes Hinterbein, als das Pferd mit der schweren 
Last des Reitei*s zusammensank und den Reiter in die Pfütze warf. 
SchwerfiUlig und langsam drehte sich das Rhinoceros nach der Seite 
des Pferdes, ohne dem venmglückten Jäger auch nur ein Haar zu 
krümmen. In demselben Augenblick kam jedoch ein zweiter Reiter 
und schwang mit Erfolg sein Schwert gegen die Wade des Thieres; 
*^ stürzte zusammen und wurde liierauf leicht die Beute der Jäger, 
Philippo war mit dem Schrecken davongekommen. Man zog ihn aus 
dem kleinen Sumpfe, wälirend das plumpe, schwerfälhge Thier sich 



HO Rhinocerosse. 



vergeblich anstrengte, aufzustehen und auf seine Feinde einzustürmen. 
Unterdessen waren auch die übrigen Jiiger herbeigeeilt, und ein Schuss 
in die Mitte der Stinie machte sofort dem Leben des Thiei-es ein 
Ende. 

Auch erzählte mir der Herr van S . ., dass die Kugeln aus den 
Vorderladeni in der Regel die Haut des Rhinoceix>s nicht durchdringen 
und zui' Scheibe abgeplattet herabfallen, dass das Thier jedoch zwei 
schwache Punkte habe, den einen in der Mitte der Stime und den 
zweiten unter dem Blatte über dem Herzen, und dass der HeiT Philippo 
stets eine lange, goldene Patrone von 10 cm für die Jagd auf Rhino- 
cerosse mitnehme, um dm'ch das gi-osse Gewicht der Kugel sicher eine 
penetrirende Wunde zu erzielen. Da er ein geübtes Auge hatte 
imd seines Schusses sicher war, habe er niemals die goldene Kugel 
verloren; er habe sie immer in dem getödteten Thiere meder gefiinden. 
weil sie nicht melu* im Stande war, zum zweiten Male die Haut des 
Thieres zu durchbohren. 

Mir ist nicht bekaimt, was mit der Haut und dem Skelette der 
getödteten Waldriesen in Java geschieht. Ihr Hörn wii'd jedoch viel- 
fach zu therapeutischen Diensten verwendet In die Höhle des Honis 
wird Wasser gegossen und in der freien Luft eine ganze Nacht stehen 
gelassen. Dieses Wasser wird bei ei'schöpfenden Krankheiten den 
Patienten als Roboraus gegeben. Greschabt (Rasura cornu rhinocerotis) 
wurde es in früherer Zeit von den europäischen Aerzteu als »schmerz- 
stillende und stärkende« Arznei vorgeschrieben. Die Chhiesen wenden 
es bei Blutbrechen an. Am häufigsten werden Scheiben des Honis, 
welche in Essig aufbewahrt werden, gegen Schlangenbisse angewendet. 
Auch die Milchzähne dieser Thiere spielen als Amulette gegen Fielx^ 
eine grosse Rolle im Arzneischatz der Javanen ; prophylaktisch verhüten 
sie, auf der Brust getragen, das Entstehen des Fiebei's, und zu ther:«- 
peutischen Zwecken wird der Rücken und die Brust der Patienten 
damit gerieben, bis braune Striemen die Haut bedecken. 

Während Hen* van S . . über die Jagd auf Rhinoc^ix)sse und 
Bantengs (wilde Büffel) sprach, hatte sich eine malayische Frau mit 
ihrem Grusse tabeh tuwan auf die Flur der Veranda der > Vor- 
galerie« niedergelassen, ohne übrigens ein weiteres AVort zu sprechen. 
Jedermann liebt es in Indien, gegenüber den »Neulingen« den Mentor 
zu spielen, und so ging mein -Nachbar auf ein anderes Thema 
in einer wohlgeordneten Rede über, als er meinen fragenden Blick 
sich auf diese neue Erscheinung richten sah. »Das ist eine »tukang 



Indische Masseuse. 31 



pidjitc:. und zwar die beriilimtesU» von ganz Batavia,« l)elehi'te er 
mich und fasst^e die kleine Hand dieser Frau und zeigte sie mir; 
-pidjit«^^ heisst massiren, und das Wort tukang, welches Sie bei jedem 
Handwerk und Gewerbe nennen hören werden, bezeichnet eben den 
Handwerker; so heisst tukang perag (Silber) der Silberschmied, 
tukang mendjähit (nähen) Schneider, tukang mendjahit buku der 
Buchbinder, tukang snapang der Gewelu'macher und tukang obat der 
Apotheker u. s. w. — tukang pidjit ist also ein Masseur oder eine 
Masseuse. Diese kleine Hand überrascht Sie, das Werkzeug einer kräf- 
tigen Masseuse zu sein; aber ich sage Ihnen, kein eui'opäischer Masseur, 
imd hätte er die Hand eines Groliath, kaiui so kräftig als diese kleine 
Hand massiren; sie massirt aber gar nicht mit der Hand, sondern nur 
mit den Fingern, und darin liegt eben ihre Kmist mid ilu^ Kraft; 
wenn ich Doctor wäre, ich würde die Muskeln der Finger einer sol- 
chen Masseuse mitei-suchei», ich bin überaeugt, dass sie doppelt so stark 
entwickelt sind, als die des gi'össten Emx)päers. Ihre Kunst besteht 
in pidjit urut und krok.') Krok ist keine Kunst. Wenn Jemand 
Muskelschmerzen hat oder im Fieber hegt, welches den Patienten 
trotz aller inneren Arzneien* nicht verlassen will, nimmt die tukang 
]>idiit eine Kupfermünze oder ein Stück von dem Home eines Rhino- 
ceros und reibt damit grosse Striemen auf der Haut des Rückens 
und der Brust Schwieriger ist schon das Urut Diese Frau — selten 
thun es Männer — nimmt Cocos- oder Kaju-putih-Oel, bestreicht da- 
mit ihre Hand und reibt dann die Muskeln mit grösserem oder klei- 
nerem Druck. Pidjit jedoch — ist die Kmist aller Künste. Wenn 
ich erschöpft von der Jagd nach Hause komme, oder wenn ich meine 
zehn Stunden in der Zuckerfistbrik hin- und hergegangen bin, oder wenn 
ich Stunden lang im Zuckerrohrfelde die erkrankten Halme heraus- 
gesucht habe, dann bin ich Abends so müde, dass ich nicht in Schlaf 
£üieti kann, bevor nicht die tukang pidjit mich »gepidjit« hat Ich 
habe mich so daran gewöhnt, dass ich jeden Tag um zehn Uhr mich 
dieser 0|)eration unterwerfen muss, will ich nicht Stunden lang auf den 
Schlaf warten. Heute jedoch will ich bei meinem Freunde soupiren 
und darnach ein paar Stunden l'hombre spielen; dies ist die Ursache, 
dass diese Künstlerin schon jetzt um fünf Uhr mich unter die Hände 
nehmen muss. Adieu.« 



^) Das Tapotement (Hackung) und die Vibration (Erschütterung) der euro- 
(»aiscben Masseure üben sie jedoch nicht. 



32 Indische Masseuse. 



Das :»pidjit« ist ein Kiieten aller Muskeln, welche zwischen die 
Finger geiasst werden können, und ein Ma^siren der Hautmuskeln 
und jener dünnen Muskeln, welche auf einer harten Unterlage ruhen, 
wie z. B. auf der Stirn. So schmerzhail dieses Kneten und Beiben des 
ganzen Körpers sein kann, ein so angenehmes Grefühl sind die Folgen 
dieser Operation; unter den Erklärungen für das angenehme Geiühl 
dieser Yolkssitte scheint jene die plausibelste zu sein, welche aimimmt. 
dass mit dieser Operation die Ermüdungsproducte sofort in den Blut- 
strom gebracht werden, und dass die Muskeln daher von einem Ballast 
sofort und für jeden Fall früher befi^it werden, als es durch die Ruhe 
allein mögUch wäre. Da das Schlusstableau jeder Massage dieser 
Frauen eine fordrte passive Bewegung aller grossen und kleinen 
Gelenke ist, so werden auch pathologische Zustände, so z. B. clu'onische 
Entzündungen, rheumatische Schwellungen oder Ablagerungen der Gicht 
günstig durch das »pidjit« dieser Frauen beeinflusst. Ob sie aber im 
Stande seien, kleine imbedeutende Affectionen der Sehnen, Nerven und 
Muskeln, welche der Dia^ose des geübten europäischen Massem*s sich 
entziehen, und welche sie mit dem allgemeinen Ausdi-uck urat sala 
= unrichtige Ader bezeichnen, factiscU mid richtig zu erkennen, 
muss bezweifelt werden und fordert noch die Bestätigung auf wissen- 
schafthcher Basis. Ebenso viel oder wenig muss bezweifelt werden, 
ob die Kunst des »pidjit*: in der Hand der Dukuns so Hervorragendes 
leiste, als im Allgemeinen angenommen wird. Zweitellos steht jedoch, 
wie wir in Band I: 2>Bomeo<s sahen, ihre Geschicklichkeit lest, eine Frau 
nach Beheben steril zu machen, und zwar temporär, um ihr zum er- 
wünschten Zeitpunkt die Fruchtbarkeit wieder zuiückgeben zu könneiu 



3. CapiteL 

HSufige Transferirangen — Bie Vorstadt Slmpang — Die 
ersten eingeborenen Patienten — Ein Banaergesclienk — Die 
^»Stadt^ Sorabaya — Das HittagselilSfchen — Eine Nonna — 
Eine Abendnnterlialtang — Bie Beri-Beri-Kranidieit — Indische 
MUitirirzte — Bie Insel Barean und Madnra — Residenties 

Madara und Snrabaya. 

T\ie Transportveriiältnisse auf Java haben sich seit jener Zeit sehr 
^^ zu ihrem Vortheile verändert. Seit dem Jahre 1891 hat einer- 
seits die indische Dampfechifl&hrts-Gesellschaft mit ihren hohen Preisen 
der billigen Packetfiahrt-Gesellschaft weichen müssen. (Die Reise von 
Batavia nach Samarang kostete damals z. B. 60 fl., nach Surabaya 
90 fl. und nach Telekbetong auf der Südspitze Sumatras bei einer 
Dauer von nicht ganz zwanzig Stunden 70 fl. ! !) Andererseits hat seit 
dieser Zeit das Eisenbahnnetz die grössten Städte dieser Insel unter- 
einander verbunden. 

Ihre Haupthnie geht von Batavia in einem rechten Winkel nach 
Maos, einer Station vor Tjilatjap, dem einzigen Hafen von Bedeutung 
auf der Südküste Javas. Von hier geht sie in einem grossen Bogen 
wieder nach der Nordküste (nach Surabaya). 

Ebenso wenig als es zweckmässig wäre, hier aller Dampfichiff- 
£aJirt8-Gresellschaften zu erwähnen, durch welche Java mit der übri- 
gen Welt in Verbindung steht, oder die Routen anzuführen, mit wel- 
chen die seit dem 1. Januar 1891 ins Leben getretene »Packetvaartr 
maatschappij« im Archipel selbst die zahlreichen grossen und kleinen 
Inseln untereinander verbindet — ebenso him^ichend ist ein Blick auf 
die Karte von Java, um diese HaupÜinie der Eisenbahn zu übersehen. 
Nur muss ich noch erwähnen, dass auf Java Staatsbahnen und Privat- 
bahnen mit verschiedener Spurweite existiren, und dass die Vertheidi- 
gojig Javas viel zu wünschen übrig lassen wird, so lange Truppen, 
welche von Surabaya oder Batavia kommen, in Solo umsteigen müssen, 

JBreitenBtelD, 21 Jahre in Indien IL 3 



34 Häufige Transferirangen. 



weil die Privatbahn Samarang-FUrstenländer schmalspurig ist während 
die Staatsbahneii normale Spmweite haben. 

Meine Abreise von Batayia nach Surabaja hätte am 20. No- 
vember stattfinden sollen; sie musste jedoch aufgeschoben werden, 
weil auf dem Dampfer, der an diesem Tage nach Surabaja ging, 
alle »Hütten« besetzt waren. Ungefähr 60,000 (!!) »Gouvernements- 
passagiere« wurden damals mit der indischen Dampfschiffiahrts- Ge- 
sellschaft jährlich von einem Theiie des Archipels zum andern transpor- 
tirt. Die Transferirungen erfolgten damals nämlich äusserst oft. So 
wurde z. B. einer meiner Bekannten, ein Lieutenant der Infanterie, 
im Jahre 1877 von Batavia nach Surabaja transferirt, wofür an 
Transportkosten (ohne Diäten) 90 fl. bezahlt wurden; zwei Monate 
später ging er nach Menado, welche Reise 330 ä. kostete ; dort blieb 
er drei Monate, um nach Atjeh transferirt zu werden, wofür die 
Dampfschiffifahrts - Gesellschaft 720 fl. in Rechnung brachte. Mit 
Diäten kostete dieser Ofßcier dem »Lande« in diesem einen Jahre 
mehr als 1400 fl.!! Mit der Transferirung der Militärärzte ging es 
s. Z. in gleicher Weise verschwenderisch zu; durchschnittlich war 
ija (!) des Standes auf der Reise begriflfen oder aus anderen Ur- 
sachen nicht activ, und nur wenige haben bei ihrer Pensionirung im 
Durchschnitt ein Jahr in einem Garnisonsort gewohnt. Ich selbst 
habe durch zufällige Umstände in meinen 21 Dienstjahren, inbe- 
griffen drei Jahre Urlaub in Europa, nur in 21 Garnisonplätzen 
Dienst gethan. 

Jeden fünften Tag ging ein Dampfer von Batavia nach Samarang 
und Surabaja, und es blieb mir also nichts weiter übrig, als noch 
fünf Tage in Weltevreden procul negotiis zuzubringen; für diese 
Verzögerung wurde ich reichlich durch die Gesellschaft entschädigt, 
welche ich auf dem Dampfer »Prinz Alexander« fand, als ich endlich 
am 25. November Batavia verlassen konnte. Der Schiffs-Capitän, 
ein gebildeter Mann, war der deutscheu Sprache mächtig, und zeigte 
mir das Leben in den Tropen in einem anderen Lichte, als ich es 
bis jetzt gesehen hatte. Nebstdem befand sich an Bord ein franzö- 
sischer Seeofficier S., welcher sich in Surabaya vor Jahren als 
Commissionär einer grossen französischen Weinfirma angesiedelt 
hatte und mir in der Wahl eines Hotels u. s. w. so manche nütz- 
liche Winke geben konnte ; nebstdem hatte er viele Jahre in Tonking 
geweilt und verglich bei unseren Gesprächen gern das Leben 
Javas mit dem in den französischen Colonien. Wenn ich mir auch 



Die Vorstadt Simpang. 35 



späterhin sagen musste, dass dieser Herr S. oft einseitig, und zwar 
zum Nachtheile der holländischen Colonien, viele Einrichtungen des 
socialen Lebens in Java beurtheilte, so war der Verkehr mit ihm, 
den ich in Surabaya weiter unterhielt, dennoch für mich sehr an- 
regend; denn seine Mittheilungen über das Leben in den franzö- 
sischen Colonien gaben mir einen Maassstab zur Beurtheilung des 
Erlebten und des Gesehenen in den holländischen Colonien. 

Am 29. November kam ich in Surabaya an und bezog in der Vor- 
stadt Simpang das Hotel Wynveldt, welches ob seiner »Rysttafel« be- 
rühmt war und den Vortheil hatte, in der Nähe des grossen Militär- 
spitales zu sein, welchem ich voraussichtlich zugetheilt werden sollte. 

Für 90 fl. bekam ich in diesem Hotel die ganze Verpflegung 
{natürlich ohne Getränke), und 15 fl. bezahlte ich für den Wagen, 
der mich (zugleich mit meinem Nachbar, einem Apotheker) um 
8 ühr nach dem Spitale bringen, um lV\i Uhr von dort abholen 
und Nachmittags um 43|i Uhr wieder dahin führen sollte. Die 
Abendvisite dauerte nicht lange; es war jedoch Usus geworden, nach 
der Visite in der Nähe des Thores mit den Collegen an die »Klets- 
tafel« (= Plaudertisch) sich zu setzen und ein Glas Eiswasser zu 
trinken; unterdessen näherte sich die Sonne dem Horizonte. Ein 
sanfter Seewind zog durch die Strassen, und zu Fuss ging jeder nach 
Hause, und zwar meistens mit dem Hut in der Hand. Aus allen 
Häusern strömten die Spaziergänger, um sich in der frischen Abend- 
luft von der Hitze des Tages zu erholen; offene Equipagen zogen 
durch die Strassen mit Damen (ohne Hüte), um dulce et jucunde 
durch die alte Stadt bis an. ^^Modderlust« einerseits oder über 
Simpang eine Rundfahrt um die südlichen Vorstädte Surabayas 
zu macheu; eine Spazierfahrt in einem offenen Wagen, sei es in 
einem Mylord oder in einer Victoria, ist um diese Zeit geradezu 
ein Genuss. Ein kühler Luftstrom mindert die Wärme, welche von 
dem trockenen Boden aus in dem Luftkreise sich ausbreitet, und da- 
rum findet mau in Surabaya, sowie in ganz Indien nur wenige euro- 
päische Familien, welche sich den Luxus einer eigenen Equipage 
nicht gönnen würden. Dieser Luxus ist allerdings, wie wir später 
sehen werden, nicht gross. 

Simpang ist die reizende Vorstadt von Surabaya, mit Häusern 
derjenigen Europäer, welche nicht in der alten Stadt wohnen müssen. 
Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die alte Stadt von Sura- 
baya ebenso wie die alte Stadt von Batavia und Samarang nur 



36 Simpang. 

mehr die Bureaux der Handelsleate enthalten werde, dass Simpang 
die eigentliche Stadt Surabaya werden und sich bis Wanakrama^ 
welches heute acht Kilometer weit vom Stadthaus der alten 
Stadt entfernt liegt, ausstrecken werde. Ein schöner Park ist das 
Entree dieser Vorstadt. Zwischen Blumenbeeten mit Hibiscus- und 
Nerpenthessorten und kleinen Anlagen von Cicadeen und Fächer- 
palmen ziehen sich schöne Wege mit Götzenbildern aus den Ruinen 
des alten Reiches Madjapahit. Kleine Teiche mit Fischen, Volieren 
mit Vögeln, hohe Bäume mit Orchideen behängt, entzücken das 
Auge und leiten zuletzt zu dem Palaste des Residenten. Ein grosses 
Götzenbild steht vor seinem Thore, Djaka Dölög genannt, welchem 
in früheren 2ieiten von unfruchtbaren Frauen geopfert wurde, um 
Nachkommenschaft zu erhalten. Es ist ein garstiges Denkmal der 
alten Hindnschen Kunst und Religion. Neu -Surabaya hat schöne 
Strassen und Alleen von Tamarinden, Acacien und Waringinbäumen, 
hinter welchen mit zahlreichen Cocos- und Arangpalmen sowie Pisang- 
stauden einzelne Kampongs (Dörfer) der Eingeborenen sich bergen. 
Wenn auch die Häuser der Europäer nur die Villenform haben und 
sich nicht hoch über den Boden erheben, so ist ein Spaziergang des 
Abends durch diese Strassen wirklich ein G-enuss, weil alle Häuser 
weisse Mauern und weisse Säulen haben, von welchen die zahlreichen 
Lampen ein Meer von Licht auf die etwas schwach beleuchteten Strassen 
strömen lassen. Von den grösseren Gebäuden verdienen das Ca- 
sino, die Loge und das grössere Militärspital erwähnt zu werden. 
Dieses ist ein grosses einstöckiges Gebäude mit zahlreichen Sälen 
für + 400 Kranke in der Form eines nach der Hauptstrasse offenen 
Quadrates (n). Der Hof zwischen diesen drei Gebäuden hat zwei 
grosse schöne Waringinbäume. Hinter der quervorlaufenden Front 
fliesst der Goldfluss, an dessen Ufer der Pavillon der Officiere, und 
in einer beträchtlichen Entfernung ein Pavillon für Infectionskrank- 
heiten stehen. Zugleich schliessen sich daran die Mauern der be- 
nachbarten Landes-Irrenanstalt. 

Wie überrascht war ich, als mir nach den üblichen Vorstellungen 
beim Landes-Commandirenden und Platz-Commandanten der Lan- 
des-Sanitätschef mittheilte, dass ich, als lediger Mann im Hotel 
wohnend, gewiss sofort meinen Dienst antreten könne, und dass er 
mir die Abtheilung der eingeborenen »internen Kranken« zuwei- 
sen werde. Unbekannt mit den herrschenden Bestimmungen sollte 
ich sofort eine Abtheilung des Spitals leiten, und unbekannt mit 



Die ersten eingeboreneD Patienten. 37 

der malayischeu Sprache sollte ich 80 bis 100 eingeborene Sol- 
daten behandeln. Ich erlaubte mir gegenüber dem Oberstabsarzt 
L., welcher in coUegialer Weise und in liebenswürdigem Tone mit 
mir sprach, den Zweifel auszusprechen, dass ich wohl einem solchen 
Wirkungskreise mich vorläufig nicht gewachsen fühlte; doch der 
Sanitätschef schnitt mir jede Motivirung dieses Zweifels an meine 
diesbezügliche Fähigkeit mit den Worten ab: ^Wie im Mittelalter 
die Feldherren einen alten Feldwebel zur Seite hatten, der sie in die 
Geheimnisse der Verwaltung einweihen sollte, so bekommen Sie einen 
Ziekenvader = Krankenoberwärter, der Sie nicht nur iu die G-eheim- 
nisse des Dienstes einweihen, sondern Ihnen auch vorläufig ein Dol- 
metsch für die eingeborenen Soldaten sein wird. Vorläufig, d. h. Sie 
müssen sich sofort bemühen, der malayischen Sprache so weit mäch- 
tig zu werden, dass Sie die wichtigsten Fragen an die eingeborenen 
Patienten selbst stellen können, und ich hoffe, nach vierzehn Tagen 
auf Ihre Abtheilung zu kommen, um mich persönlich davon über- 
zeugen zu können. Ich bitte Sie also, morgen früh um acht Uhr 
im Saale Nr. 6 zu erscheinen, wo Ihnen Dr. X. alle Patienten über- 
geben, d. h. alles mittheilen wird, was er aus verschiedenen Ur- 
sachen nicht in der )> Kranken liste« aufgenommen hat. Ich kann 
Ihnen jetzt sofort anrathen, diese :> Krankenlisten« nicht zu vemach« 
lässigen; es ist nicht hinreichend, die Recepte in diese niederzu- 
schreiben, welche dann in der Apotheke verabfolgt werden, sondern 
auch die Anamnese und der ganze Verlauf der Krankheit muss in 
diesen Listen beschrieben werden; jeder Patient besitzt eine solche 
Liste, welche ein vollständiges Bild seiner Krankheit enthalten muss, 
weil es nur zu oft geschieht, dass der behandelnde Arzt krank wird, 
und sein Vertreter ohne diese Notizen keine richtige Einsicht in 
seine Krankheit haben kann.« Verlockend war die Voraussicht nicht, 
ein paar Wochen unter der Leitung eines Krankenwärters zu stehen, 
welcher den Hang eines Feldwebels bekleidete. Ich beschloss also, 
diesem etwas eigenthümUchen Verhältnisse so bald als möglich ein 
Ende zu machen, und fuhr sofort nach der Stadt, um mir zu kaufen : 
Ein ^»Recueil« der gesetzlichen Bestimmungen für die Militär-Spi- 
täler Indiens und eine Grammatik der malayischen Sprache. Als 
Dr. X. den nächsten Tag mir ^den Saal 6<: mit 30 Patienten und 
den »Saal 7« mit 40 Patienten übergab, liess er die in den letzten 
24 Stunden eingelangten Patienten uubesprochen, und mit gewisser 
Selbstbefriedigung besprach ich nach Uebergabe des Dienstes von 



38 Siii Danaergeschenk. 



Seiten meines Vorgängers, mit den neuen Patienten ihre Krankheiten; 
prapa iama sakit? == wie lange bist Du krank? sakit apa? = was 
fehlt Dir? sukkah makan nassi? = hast Du Appetit, oder wörtlich 
übersetzt: Hast Du Lust Reis zu essen? ging mir so flott von den 
Lippen, als ob ich ein geborener Malaye wäre. Ebenso zuversicht- 
lich dictirte ich dem Ejrankenwärter die »Diät« für diese Patienten 
mit den vorschriftsmässigen Abkürzungen: Portie, >l2 Portie, ^j* Portie, 
Diät und i|a D. Wenn mir aber einer der Patienten auf meine 
Fragen eine etwas weifläufige Antwort gab oder Wünsche in Betreff 
des vorgeschriebenen Speisezettels äusserte, verstand ich natürlich 
kein einziges Wort und musste nolens volens die Hülfe der Kran- 
kenwärter in Anspruch nehmen. Als nach vierzehn Tagen der 
Spitalschef zugleich mit dem Landessanitätschef auf meiner Abthei- 
lung erschienen und als stille Zuschauer eine Stunde lang der Be- 
handlung der Patienten folgten, zu gleicher Zeit jedoch hin und wie- 
der einen Blick unter die Kopfpolster warfen, ob darunter kein 
Tabak, Cigarren u. s. w. verborgen . seien, und darnach die Aborte 
und die Baderäume der Abtheilung und die Kästen mit der Wäsche 
inspicirten, merkte ich aus einzelnen aufgefangenen Worten die Zu- 
friedenheit meiner Chefs, und beim Weggehen stellte mir der Lan- 
des-Sanitätschef die Prognose, dass ich sehr bald die Fähigkeiten zu 
einem »Eerstaan wezenden Officier van Gezondheid« zu Muarah-Teweh 
werde erlangen können, welcher in einigen Monaten einen neuen Titularis 
werde erhalten müssen. Nach Ablauf des Dienstes begab ich mich 
in die »Conferentiekamer«, wo die übrigen Aerzte vor Erscheinen des 
Spitalschefs gemüthlich die Tagesfragen besprachen. Stolz auf die Be- 
lobung meines Chefs theilte ich meinen CoUegen mit, dass ich für 
den Posten eines rangältesten Militärarztes zu Muaräh-Teweh de- 
signirt sei. Statt Bewunderung oder Eifersucht sah ich zu meiner 
IJeberraschung auf allen Lippen nur ein spöttisches Lächeln. 

»Ja, ja, dieses ist eine hohe Stellung, welche Ihnen in Aussicht 
gestellt wurde; ich muss Ihnen aber auch mittheilen, dass Sie nicht 
nur der rangälteste Militärarzt, sondern auch der Bangjüngste in 
Muarah-Teweh sein werden, d. h. der einzige Arzt in einem Stück 
Lande, das so gross als ganz Holland ist; Sie werden aber auch 
in einem Hause wohnen, welches das einzige in diesem Bezirke ist^ 
und Ihre ganze Gesellschaft wird aus zwei Officieren bestehen, 
welche in demselben Hause wie Sie wohnen werden. Sie kommen 
in ein Land — . es liegt im Herzen Borneos — , »hinter welchem 



Ein Danaergeschenk. 39 



überhaupt kein Land mehr ist«,i) und da Sie mit den Soldaten nicht 
verkehren dürfen, so können Sie mit den Orang-Utangs oder anderen 
Affen verkehren^ und unter den Kopfjägern, den Dajakern in den 
benachbarten Kampongs, werden Sie vielleicht einen finden, der 
Malayisch spricht; aber es wird rathsam sein, auch diesem einzigen 
gebildeten Dajaker nicht zu viel Vertrauen zu schenken, weil Sie 
sonst Gefahr laufen, Ihren einzigen Kopf eines Tages auf den 
Pfählen seines Kampongs hoch in den Lüften baumeln zu 
sehen.« »Dafür haben Sie,« fügte ein zweiter College ebenfalls in 
spöttischem Tone hinzu, »das erfreuliche Bewusstsein, ein Protegö 
des Sanitätschefs zu sein; als solcher können Sie einer :» schönen« 
Garnison zugetheilt werden, zu welchen z. B. Batavia und Surabaja 
gehören, d. h. Städte, in welchen das gesellschaftliche Leben sich 
wenig von dem einer grossen Stadt in Europa unterscheidet; Sie 
können aber auch eine »gute« Gamisonstadt erhalten, d. h. in einen 
Ort versetzt werden, in welchem Sie eine grosse Privatpraxis er- 
langen können; in Djocja z. B. kann man leicht 5 — 600 fl. monat- 
lich bei seinem Gehalt verdienen ; in Banda (Molukken) selbst 1000 fl. 
So viel werden Sie natürlich in Muarah-Teweh nicht verdienen; Sie 
können aber auch nichts ausgeben. Die Dajaker haben noch keine 
Oper, Tingel-Tangel, und nebstdera sorgt die Begierung auch für 
die Kost der Officiere, weil ausser dem Lieferanten, welcher für die 
Verpflegung der Truppen sorgen muss, kein Kaufmann und kein 
Geschäft sich dort befindet, von welchem Sie etwas kaufen könnten. 
Da Sie im Fort selbst wohnen müssen, so brauchen Sie kein 
Quartiergeld zu bezahlen; und weil die Wohnung nur aus einem 
Zimmer mit Bambuswänden besteht, also nicht den Anforderungen 
einer Officierswohnung entspricht, bekommen Sie das Qnartiergeld, 
70 fl. pro Monat, ausbezahlt. Was die Kost betrifft, erhalten Sie 
diese natürlich nicht aus der Menage der Soldaten, sondern in 
Natura, d. h. die Zubereitung der »Vivres« können Sie sich selbst 
besorgen. Sie erhalten eine »europäische« und zwei »eingeborene« 
Rationen; Sie bekommen z. B. täglich 0*5 + 2x0*6 = 1-7 Kilo 
Reis. Butter, Oel, Pfeffer, Rindfleisch, Petroleum, Salz, Thee 
und Kaffee werden Ihnen in solcher Menge verabfolgt, als ein 
europäischer und zwei eingeborene Soldaten täglich für ihren Lebens- 
unterhalt nöthig haben. Sie sehen also, dass die holländische Re- 
gierung sehr freigebig ist; Sie erhalten für das »süsse Nichtsthun« 



*) Holländische Phrase. 



40 I>ie nStadt** Surabaya. 



Ihren Monatsgehalt von 225 fl. und 30 fl. für zwei Pferde Fonrage 
und 70 fl. Quartiergeld und 50 fl. für die Armenpraxis und gänzliche 
Verpflegung. Sie werden nämlich nicht viel zu thun haben, weil die 
Garnison nur aus einer Compagnie Soldaten (incl. ungefähr 25 
Frauen und einiger Kinder) besteht.« 

Nach diesen Mittheilungen konnte ich nicht viel Erfreuliches 
für die nächste Zukunft erwarten, und arg enttäuscht verliess ich 
um ll^la Uhr das Spital. Da der Apotheker, welcher mit mir den 
Wagen benutzen sollte, >^die Wacht hatte«, d. h. 24 Stunden im 
Spitale bleiben musste, konnte ich den Wagen zu einer Rundfahrt 
in der »Stadt« benutzen (natürlich gegen Beibezahlung von 2 fl.). 

Ein ungefähr zwei Kilometer langer Weg trennt die Vorstadt 
Simpang von »der Stadt«, welche im Jahre 1743 an die Compagnie 
abgetreten und zum Sitz des Grouvemeurs von Javas Osten wurde, 
nachdem schon zwei Mal (1677 und 1679) diese Stadt von den 
Holländern erobert worden war. 

Schon bei dem Officiers-Club »Concordia«, welchen ich sofort 
beim Eintritt in die Stadt zu meiner rechten Hand sah, zeigt sich 
dem Beobachter ein ganz anderes Bild, als dies in Batavia der 
Fall ist. Es ist eine holländische Stadt aus dem Anfange dieses 
Jahrhunderts mit kleinen, niedrigen Häusern, welche ohne Garten die 
Wege begrenzen und in grösserer oder kleinerer Anzahl zu einem 
Gebäudecomplex vereinigt sind; schmale Wege, Stege, Gassen und 
Strassen wechseln mit Grachten (Wassercanälen), und nur die Dreh- 
und Aufzugbrücken fehlen, um das Bild einer alten, schmutzigen 
Kieinstadt in Holland zu vervollständigen. Der Goldfluss (Kali 
Mas) theilt die Stadt in eine östliche und westliche Hälfte, und die 
»rothe Brücke« verbindet den europäischen mit dem chinesischen 
(östlichen) Stadttheil. Gegenüber der Concordia liegt das Haus des 
Regenten mit einem Schlossplatz; hier wird Sonntag Nachmittags 
ein Militär-Concert gegeben, welches die jeunesse doree von Surabaya 
zu einem Rendez-vous einlädt. Ein eigenthümliches Gebäude ist 
die Moschee, welche eine hübsche Combination von griechischem, 
maurischem und gothischem Styl zeigt. Im chinesischen Viertel 
fielen mir die Tempel und die zahlreichen Geschäfte auf; daran 
schloss sich der Kampong der Malayen mit einem grossen Markt- 
platz, auf welchem lange, grosse, auf steinernen Pfeilern ruhende 
Markthallen standen. Hierauf kam ich zu den »Mooren, Bengalesen 
und Arabern«; schmutzige, enge Strassen, schmutzige, kleine Ge- 



Die „Stadt". 41 



Schäfte; wie auf einem alten Tandelmarkt, und noch schmutziger 
waren die weissen Kleider und Turbane der arabischen Bewohner. 

Im Osten und Norden dieser Kampongs der »fremden Orien- 
talen« sind die Eingeborenen, und zwar nach bestimmten Hand- 
werken geordnet; in dem einen Kampong sah ich nur Töpfer, in 
einem zweiten nur Klempner, in einem andern wohnten nur Kamm- 
macher, Mattenflechter u. s. w. In dem Kampong Ampel sah ich eine 
alte Moschee und das Grab von Raden Eachmat, dem ersten 
Su8uhunan>) von Ngampel, welcher hier 1467 >) starb. 

Denselben Weg, d. h. über die »rothe Brücke«, fuhr ich zu- 
rück, um mich in dem europäischen Viertel ein wenig umzusehen. 
Wie in einem Bienenkorb wimmelt es in den Strassen von Hausirem 
mit Waaren aus Elfenbein, Perlmutter, Schildkröten, Hom, Bein, 
Gold, Silber u. s. w., welche den Neuangekommenen auf Schritt 
und Tritt verfolgen. Equipage auf Equipage durchkreuzten die 
Stadt, und auch hier war ich verwundert über die grosse Zahl alter 
und schmutziger Wagen, welche unter dem Namen »Kossongc 
(=r leerer) langsam durch die Strassen fahren, um einen Passagier 
(50 Cts. für eine Tour) zu finden. Es ist ein auffallender Unter- 
schied zwischen den beiden Städten Batavia und Surabaya, welcher 
in vieler Hinsicht an jenen zwischen Haag und Amsterdam er- 
innert Surabaya ist grösser und hat mehr Einwohner als seine 
Schwesterstadt im Westen.^) Batavia ist durch den Sitz der Re- 
gierung eine Beamtenstadt; Beamte und Officiere sind die ton- 
angebenden Kreise. Surabaya ist eine Handelsstadt stricte dictu 
und hat schon seit vielen Jahrzehnten einen ausgesprochenen euro- 
päischen Mittelstand, es ist darum gemüthlicher ; man fühlt sich 
heimischer und läuft nicht Gefahr, in dem ersten besten Euro- 
päer, welchen man im Club kennen lernt, einem Beamten oder Offi- 
eier zu begegnen, welcher ängstlich die Geheimnisse seines Depar- 
tements bewahren und jedes Wort auf die Goldwaage legen muss, um 
nichts von jenen staatsgefährlichen Geheimnissen entschlüpfen zu lassen, 
w^elche den andern Tag durch die Tagespresse orbi et urbi verkündigt 



>) Susuhunan :— Seiner Heiligkeit ist der Titel des Kaisers von Solo. 

*) Seine Mutter stammte von Cambodga, und sein Vater war ein Araber, 
drr ihn in einem Alter von 20 Jahren zu seinem Bruder in Madjopaliit sandte; 
er wurde hier der zweite Apostel des Islam in Java. Der erste war Manlans 
Malik Ibrahim, welcher am 8. April 14t 9 zu G risse starb. 

») Vide Note Seite 27. 



42 Die „Stadt". 



werden. Surabaja ist aber nicht allein eine bürgerliche Handelsstadt^ 
sondern auch eine Fabrikstadt, und zahlreiche grosse Fabriken und 
noch mehr die zahlreichen kleinen europäischen, javanischen und 
chinesischen Werkstätten machen sie zu einem Emporium der In- 
dustrie und des Handels nicht allein der Insel Java, sondern auch 
des ganzen indischen Archipels. Von den zahlreichen grossen Un- 
ternehmungen dieser Stadt will ich keine einzige ausführlich be- 
schreiben, weil ich als Laie in der Technik nur Unvollkommenes 
mittheilen könnte; wie ich aber von Fachleuten hörte, sind einige 
von ihnen, wie z. B. das Marine - Etablissement, die Artillerie 
Constructie Winkel und die pyrotechnische Werkstätte, die vielen 
Privat-Fabriken für Dampfkessel u. s. w., geradezu mustergiltige 
Fabriken, welche in jeder Hinsicht allen Anforderungen der mo- 
dernen Technik Genüge leisten. 

Leider hat Surabaja Mangel an gutem Trinkwasser, und es ist 
bis jetzt noch nicht gelungen, artesisches Wasser zu erhalten, ob- 
wohl die Provinz in ihrem südlichen Theile stattliche und hohe 
Berge besitzt, z. B. den Ardjuno, 3363 Meter hoch, den Berg Pe- 
nanggungan (1650), Welirang (3150), Andjomora (2270) u. s. w.y 
und im Westen die Hügelländer von Tuban (400), von Lamongan, 
Kendeng und Modokasri zahlreiche Quellen besitzen. Demzufolge 
entstehen beinahe jedes Jahr grössere oder kleinere Cholera-Epi- 
demien, welche meistens in der Citadelle ^Prinz Hendrik« ihren 
Ausgangspunkt nehmen. Sie besteht bereits 60 Jahre, ist von 
der Mündung des Goldflusses 1800 Meter entfernt und war der Mit- 
telpunkt einer Vertheidigungslinie von ungefähr zwei Kilometern mit 
17 Bastionen u. s. w. Sie ist ein starkes Fort, welches bequem 
1500 Mann fassen kann, aber — sie muss aus obigen Gründen un- 
benutzt stehen bleiben und kann nur als Magazin der Armee noch 
einige Dienste leisten. 

Sollte es der modernen Technik nicht gelingen, aus den grossen 
Wassermassen, welche der nahe Javasee und die Flüsse der Provinz 
Surabaja, Porong, Brantas (mit den Aesten: Goldfluss, Pluss 
Porong und Perigien) und Solo (mit den Mündungsarmen Fluss 
Ngawen und Miring), Aujer, Pepeh u. s. w. in sich bergen, brauch- 
bares und gesundes Trinkwasser zu schaffen? Ich weiss, dass 
alle modernen Filtrir- Apparate der grossen europäischen Städte noch 
weit von diesem Ziele entfernt sind, weil das Delta-Land, auf wel- 
chem diese Stadt liegt, einen grossen Beichthum an faulenden Stoffen 



Das Mittagschläfchen. 43 



birgt; aber in der Wärme haben wir ja ein ausgezeichnetes Mittel, 
diese radical zu zerstören. Wenn auch viele Europäer das filtrirte 
Wasser V4 ^^^ Va Stunde bei einer Temperatur von 100 — 120«C, 
kochen, so bleibt doch die grosse Menge der Eingeborenen, der Chi- 
nesen und der Orientalen blind für die Gefahren eines ungesunden 
Wassers; für diese muss die Regierung etwas thun. Eine Stadt von 
ungefähr 150,000 Seelen muss ein Trinkwasser haben, welches allea 
Anforderungen der Hygiene entspricht. 

Um 1 Uhr hatte ich meine Rundfahrt durch die Stadt been- 
digt und erquickte mich an der ^»Rysttafel«, welche mit Recht den 
Ruf verdiente, dessen sie sich erfreute; sie bot nicht nur eine 
grosse Wahl der Speisen, ^ sondern auch jede einzelne Schüssel 
war mit Sorgfalt bereitet. Eine Flasche Bier trank ich dazu, in* 
dem ich in ein Glas ein grosses Stück Eis gab und das ßier da- 
rauf goss. Wahre Bierfreunde trinken es unverdünnt durch das 
Wasser des schmelzenden Eises; aber jeder Versuch, reines Bier 
(von einer Temperatur von 22 — 25 ® C.) zu trinken, verleidete mir 
gänzlich diesen Genuss. Gegenwärtig wird jedoch das Bier in den 
Clubs und in manchen Hotels in Eiskübeln frappirt, so dass maa 
den erfrischenden Geschmack des kühlen Bieres erhält, ohne gleich- 
zeitig durch Wasser des schmelzenden Eises seinen Alcoholgehalt zu 
verdünnen. Nach Tisch ging ich zu Bett und befahl dem Bedien- 
ten, mich um 4 Uhr aufzuwecken, weil ich um 5 Uhr wieder im 
Spitale sein musste. Um 4 Uhr wurde ich wach, aber ich fühlte 
mich müde und schwach; in Schweiss gebadet, wechselte ich zu- 
nächst die Kabaya und das Flanellhemd, in welchem ich geschlafen 
hatte, schwankte wie ein Betrunkener zur Thür, öffnete sie und fiel 
in der Veranda auf den Lehnstuhl nieder, als ob ich einen Marsch 
von zehn Kilometern gemacht hätte. Unterdessen hatte mir der Be- 
diente eine Schale Thee, eine Flasche Apollinariswasser und ein 
Glas mit einem Stück Eis gebracht. Der lauwarme Thee und da- 
nach das kalte Apollinariswasser belebten sofort meine schlaffen 
Lebensgeister, ich nahm mein Schiffsbad, 3) zog mir europäische £[lei- 
der an und fuhr nach dem Spitale. Ich hatte einen Zuwachs von 
sechs Patienten, von welchen zwei an Beri-Beri, drei an Malaria 
und einer an Dysenterie litten. Da ich wusste, dass um 5^/a Uhr den 
Patienten das Abendessen gebracht werden sollte und den Neu- 



>) Vido I. Band: Borneo, Seite 68. 
*) t* >f » >f 123. 



44 Eine Nonna. 



aogekommenaiL vom »Doctor der Wacht« bereits Medicinen yoiige- 
■chiieben worden waren, begnügte ich mich damit, für diese sieben 
Patienten die >Diät« für den folgenden Tag dem »Ziekenvader« mit- 
aatheilen,0 giQg zu einzelnen Patienten, welche mich besonders in- 
teresairten, oder welche irgend ein Ansuchen an mich richten woll- 
ten, verliess, nur theilweise befriedigt^ die Krankensäle und setzte 
Blich zu den übrigen Colinen, welche bereits an der »Kletstafel« 
sassen und mich, jeder in seiner Weise, über meinen Beruf als 
Oberarzt der indischen Armee zu belehren suchten. 

Da mir riele, wenn nicht alle ihre Mittheilungen fremd und oft 
sogar unglaublich erschienen, weil ich nicht wusste, wie viele der- 
selben Scherz oder Ernst waren, so steigerte sich noch mehr das 
Gefühl des Unbefriedigtseins in mir, und als um 6 Uhr die CoUegea 
aufstanden, um das Spital zu verlassen, blieb ich beim »Doctor der 
Wacht« zurück, um von ihm das Thatsächliche der Neckereien zu 
erfediren. Zu meiner grössten Ueberraschung entsprach alles der 
Wirklichkeit, und nur der Ton der Erzählungen war ein scherz- 
hafter gewesen; auch hatte ich späterhin oft genug G-elegenheit, 
mich von der Richtigkeit dieser Mittheilungen zu überzeugen. Die 
Sonne war untergegangen, und bevor ich das Hotel erreicht hatte, 
war es finster geworden, und ein Javane lief vor mir, um die 
Petroleumlampen') anzuzünden. Das Hotel stand an der grossen 
Heeresstrasse, welche nach G^dong und Sidoardjo führte. Hier 
standen nur an einer Seite einige europäische Häuser, darunter das 
des Landes-Commandanten Colonel R., welcher das grosse Vor- 
recht hatte, neun Töchter zu besitzen. Ich verliess das Hotel mit 
der Absicht, auf dieser wenig besuchten Strasse mich ganz dem 
Genüsse des Alleinseins zu ergeben und den ersten Tag meiner 
neuen Carri^re einer Kritik zu unterwerfen, und arglos näherte ich 
mich dem Hause des Colonels R. Da traf ein silberheUes Lachen 
meine Ohren, und ein Paar feurige, schwarze Augen suchten mit 
neugierigen Blicken den Fremdling zu erforschen, der sich aus dem 
Getümmel der Stadt in die Ruhe der unbewohnten Poststrasse ge- 
flüchtet hatte. Es war eine reizende Nonna — ihre Grossmuttar 
war eine Javanin gewesen — welche sich an meiner Verlegenheit 



*) Den ersten Tag erhält jeder Patient nur Reis in Milch gekocht. 

') Gegenwärtig wird diese Stadt natürlich durch Gas beleuchtet. Batavia 
hat seit 38 Jahren, Surabaya seit 20 Jahren und Samarang seit 1898 eine 
Oasfabrik. 



Eine Abendimierhaltung. 45 



ergötzte, indem ich nämlich zögernd einen Grass stammelte, nachdem 
ich bereite einen Schritt weit sie passirt hatte. Sie war noch »an- 
gekleidet«:, d. h. noch in indischer Haustoilette; der seidene Sarong 
omschloss die breiten Hüften, die reich gamirte Kabaya bedeckte die 
schön geformte Büste nur zum Theil, weil durch die Spitzen des obe- 
ren Theiles die lichtbraune Haut dnrchschimmeite; das schwarze Btaar 
war nach hinten in einen dicken Knoten (Kond^) gebunden ; bei ihrem 
schalkhaften Lächeln zeigte sie ein elfenbeinernes Gebiss von tadel- 
losen Zähnen, und über den schwarzen Augen wölbten sich ein Paar 
grosse, dichte Augenbrauen. Die Flamme einer Laterne umsäumte 
dieses schöne Bild mit einem goldenen Saume, und während ich, er- 
füllt Ton dieser reizenden Erscheinung, weiter schritt, kicherte Jemand 
hinter mir und zog mich zurück; es war der kleine Schalk Cupido. 
Noch eine halbe Stunde folgte ich der langen Poststrasse, nach- 
dem schon lange kein europäisches Haus zu sehen war und die 
kleinen Petroleumlämpchen der Eingeborenen nur schwach das Linere 
ihrer kleinen Häuschen und die Strasse beleuchteten. Ich kehrte um, 
ging in's Hotel und fand — eine Einladung zu einer Hausunterhaltung 
bei dem Landes-Commandanten. Um 8 Uhr ging ich zur Table 
d'höte, welche uns ein :» europäisches Mahl« bot, d. h. Suppe, Rind- 
fleisch, Gemüse, Braten, Mehlspeise, Kaffee, Obst und Käse, und um 
9 Uhr stand ich, in Frack, schwarzer Hose und weissen Handschuhen 
gekleidet, Tor dem Eingange des Hotels, um zunächst die Theil- 
nehmer an diesem Feste passiren zu sehen. Equipagen auf Equi- 
pagen mit europäischen Damen und Herren in Uniform und Frack 
fahren bei mir vorbei; einzelne Dos ä dos (nur mit einem Pferde 
bespannt) mit jungen Officieren und Beamten kamen in langsamem 
Schritt vorgefahren. Auf dem Bocke einer Victoria sass ein Polizei- 
mann mit dem goldenen Regenschirm (Pajöng) und brachte den 
Residenten der Provinz. Hinter ihm folgte ein Mylord, in welchem 
der Regent, der eingeborene Häuptling, sich befand; auch er hatte 
neben dem Kutscher einen Polizeimann, der einen weiss und gold 
gefärbten Pajöng aufrecht trug. Ein Chinese in Mandarintracht 
folgte mit seiner Frau, welche einen schwer seidenen Sarong und 
Kabaya trug, und endlich wagte ich es, den ersten Schritt in die 
^indische Gesellschaft« zu thun. Ein schöner Anblick bot sich 
mir beim Eintritt in die Thüre der manneshohen Mauer dar, welche 
das Haus und den kleinen Garten des Colonels R. von der Strasse 
trennte. Auf der Treppe, welche zur Säulenhalle des Hauses führte, 



46 ^i'io Abenduoterhaltang. 



fassen die Polizisten der hohen Beamten wie Marmorsäulen und 
hielten den Pajöng aufrecht vor sich. Die Säulenhalle war weiss, 
und die Flammen strahlten in doppelter Helle ihr Licht über den 
Garten; in dieser Halle und dem Saale, welchem sich erstere an- 
schloss, strömten die Menschen auf und ab; sehr viele Uniformen 
und sehr wenige Fracks oder Salonröcke, während die Damen in 
europäischer Salon- oder Balltoilette an Beichthum und Eleganz, 
aber weniger an »Mode« ihre Schwestern in Europa, übertrafen. 
Sofort erschien der Hausherr in seiner wenig kleidsamen Uniform, 
stellte mich seiner Frau und den zwei Damen vor, welche neben 
dieser sassen, und führte mich dann in einen Nebensaal, wo die 
Jugend versammelt war. Das Brummen und Summen der eifrig 
flirtenden Jugend übertönte seine Stentorstimme, als er den i^jüngsten 
Aesculapius von Surabaya« vorstellte, und er verliess mich sofort, 
um seinen Hausherrnpflichten auch anderwärts gerecht zu werden. 
»Sie sind also der grosse Philosoph, welcher vor drei Stunden 
bei unserem Hause, gewiss in weltbewegende Gedanken vertieft, vorbei- 
ging und mich um 6 Uhr, sage um 6 Uhr, noch in Sarong und 
Kabaya gekleidet sah.« Mit diesen Worten trat eine reizende Brünette 
von ungefähr 19 Jahren mir entgegen. Ich wusste nicht, dass es un- 
schicklich sei, wenn junge Damen um 6 Uhr noch in Haustoilette 
sind, ich fand kein holländisches Wort und ich faud auch keine 
deutsche Antwort, als sie mit schalkhaftem Blick diese Frage an mich 
richtete, und pries das Geschick, welches mir in diesem Augenblicke 
den Bedienten mit einer grossen Platte sandte. Schalen mit Kaffee- 
extract und mit Thee, eine grosse Kanne Milch und eine Zucker- 
dose mit pulverisirtem Zucker hielt er mir unter die Nase und frug 
mich in malayischer Sprache, welchen Trank ich vorziehe. Fräulein 
Marie wiederholte seine Fragen in holländischer Sprache, und end- 
lich gelang es mir, den Gesellschaftston zu finden und in einem 
Kauderwelsch, welches weder Deutsch noch Holländisch war, unter- 
hielt ich mich lebhaft mit dieser Schönsten der Schönen. Kaum 
hatte ich den Kaffee ausgetrunken, als ein zweiter Bedienter kam 
und drei Sorten von Liqueuren mir anbot. Wieder war es meine 
reizende Nachbarin, welche die fürchterlich entstellten Namen der 
Liqueure mir übersetzte, und eben wollte ich zu einem Gläschen 
Yanilleliqueur greifen, als aus dem Hintergrunde des grossen Saales 
die lauten Klänge einer Polonaise erschallten. Wie von einem 
electrischen Funken erschüttert sprangen alle jungen Damen und 



Eine Abenduuterhaltung. 47 



Herren von ihren Sesseln auf und gingen Arm in Arm in den 
grossen Saal. Sehr gern wäre ich mit meiner Schönen in dem 
kleinen Saal geblieben^ um noch lange, sehr lange mit ihr zu plau- 
dern, aber ein fragender, selbst vorwurfsvoller Blick erinnerte mich 
an meine Pflicht, ich gab ihr den Arm und folgte dem Zuge ihres 
Armes, der mich hinter den Assistent-Kesidenten brachte, welcher 
die Frau des Kegenten führte. Wie ich später wiederholt sah, 
folgen bei allen Festlichkeiten die Gäste einer bestimmten, nach 
Kang und Würde geordneten Reihe. Der Hausherr eröffnet mit 
der angesehensten Dame den Eeigen, ihm folgte deren Mann mit 
der Hausfrau u. s. w. Erst die dei minorum gen^um schliessen die 
Keihen, ohne sich an den Bang der Tänzer zu halten. Zweimal 
hatte die grosse Colonne den Saal nach dem Tacte der Musik durch- 
schritten, als sie plötzlich einen Walzer anstimmte; einige der alten 
Herren und Damen traten aus; alle Uebrigen — nur ich nicht — 
stürzten sich in den Strudel der walzenden Paare. Wiederum sah 
mich »meine Dame« mit fragenden und vorwurfsvollen Blicken an, 
als ich sie bat, auf einer nahen Causeuse Platz zu nehmen und 
unser unterbrochenes Gespräch fortzusetzen. Zum ersten Male in 
meinem Leben bedauerte ich es, niemals tanzen gelernt zu haben, 
und bevor ich noch diesem elenden Gefühl Worte verleihen konnte, 
näherte sich ein Lieutenant der Infanterie, welcher diese Scene 
beobachtet hatte, und bat um den Walzer. 

»Sehr gerne,« sagte meine Dame mit gehässigem Nachdruck, 
und sofort verschwand das schöne Paar in der Menge der Walzenden. 
»Dieser Oberarzt bleibt nicht lange in Surabaja,« brummte ein alter 
Herr en passant, und als ich mich fragend umblickte, was dieser 
Orakelspruch bedeute, setzte er fort, als ob er einen Monolog hielt, 
und ohne mich anzusehen: »Männer, welche nicht tanzen können, 
gehören nicht in den Salon, auf den Aussenbesitzungen unter den 
Wilden ist ihre Heimath.« Unterdessen sah ich den Hausherrn bei 
den alten Herren und Damen hin und her eilen, um sie zu einer 
Partie Whist, L'hombre oder Quadrille einzutheilen, und wieder 
zogen einige Paare Arm in Arm, jedoch mit gelassenen und ge- 
messenen Schritten in die hintere Veranda und in ein paar kleine Säle, 
wo die Spieltische mit Karten und Marken sie erwarteten. Auch mich 
frag der Colonel, an welchem Spiel ich mich betheiligen wolle, da er 
sehe, dass ich nicht tanzlustig sei. Als ich ibm wieder bekennen 
musste, dass mir das Whistspiel nur dem Namen nach bekannt sei, und 



48 Eine Abendunterhaltung. 



dass ich tob den beiden anderen Spielen nicht einmal die Namen 
kenne, frng er mich erstaunt, wo ich denn meine Erziehung gehabt 
habe, dass ich weder tanzen, noch Karten spielen könne, und liess 
mich stehen. Der zweite Theil der Polonaise war endlich zu Ende, 
und die tanzende Jugend yersammelte sich wieder im kleinen Saal^, 
um zu lachen und zu scherzen und zu flirten. Bediente erschienen 
und präsentirten Bothwein, Rheinwein, Eiswasser, Mineralwasser 
und Brandy-Grog; ich selbst wählte ein Q-las Mineralwasser und trat 
in den kleinen Saal, um wenigstens einen Blick »meiner Dame« zu 
eriiaschen; sie sah midi jedoch nicht, und als ich mich ihr näherte, 
um eines der yielberühmten Ballgespräche mit ihr anzufangen, wandte 
sie sich zu ihrem Tänzer mit der Frage, ob der Walzer oder die 
Polka den höchsten Oenuss ihm biete. Ich war in Ungnade ge- 
£Edlen. Ich verliess diesen kleinen Saal und ging hinaus in die 
Vorhalle, in welcher Alle sassen, welche nicht tanzen konnten und 
wollten, und welche aus verschiedenen Ursachen auch nicht an dem 
Kartenspiele theilnahmen. Gern hätte ich mich mit dem Regenten 
oder mit dem »Major der Chinesen« in ein Gespräch eingelassen, 
aber schon beim Vorstellen sah ich, dass sie der holländischen und 
natürlich noch weniger der deutschen Sprache mächtig waren. Beide 
sprachen wie ihre Frauen die malayische Sprache, die allgemeine 
Umgangssprache zwischen Europäern und Eingeborenen, aber mein 
Wissen und Können dieser Sprache reichte noch nicht weiter, als bis zu 
den einzelnen Fragen um das körperliche Befinden, und so sah ich 
mich gezwungen, andere Gesellschaft aufzusuchen. Endlich wurde 
es zwölf Uhr, und wieder erschienen Bediente, diesmal jedoch mit 
grossen Schüsseln, gefüllt mit Brötchen, gefüllt mit Schinken oder 
Wurst oder Pat6 de foie gras, während ein zweiter Bedienter auf 
der Platte kleine Teller, Messer und Kaffeeservietten anbot. Die 
Tanz-Pause war eingetreten. Der Berg mit belegten Brötchen wurde 
inmier kleiner und kleiner, und der Bediente erschien nun wieder 
mit den diversen Getränken. Ich nahm wieder ein Glas Apollinaris- 
wasser, als plötzlich aus dem Zimmer der tanzlustigen Jugend: 
»Bier her, Bier her, oder ich fall um, juchhe!« zu meinen Ohren 
drang; ich sprang von meinem Stuhle auf, und mit tiefgehaltenem 
Tenor fuhr ich an der Thüre fort: ;i>Soll das Bier im Keller liegen, 
und ich nur ein Wasser kriegen« und — das Eis war gebrochen. 
Von allen Seiten stürmten die Schönen auf mich ein, noch ein anderes 
deutsches Studentenlied zu singen, und nach diesem musste ich ein 



r 



Die Beri-Beri-Krankheit 49 



diittes singen, bis endlich die Accorde eines Lancier die jungen 
Damen und Herren in den Tanzsaal riefen. Der Mohr hatte seine 
Schuldigkeit gethan — ich konnte wieder gehen. 

Um 2 Uhr empfahl sich der Besident und seine Erau dem Gktst- 
geber; ihnen folgten alle Uebrigen, welche nicht tanzten; auch ich 
nalmi Abschied, und als ich auch »meiner Dame«, der jüngsten 
Tochter des Hauses, meinen Dank für den herrlichen Abend aus- 
sprechen wollte, rief sie mir scherzend zu: :&Nein, den Dank begehre 
ich nicht; ein junger Mann, der nicht tanzt, kann sich nicht amüsiren. 
Adieu.« Einen Hut>) hatte ich nicht, ein kühler Nachtwind trocknete 
die triefende Stime, und mit wechselnden Gefühlen ging ich zu 
Bett, unbefriedigt von meinem ersten Thuu im Spitale und unbe- 
friedigt Ton meinem ersten Thun und Lassen im indischen Salon. 



Der Dienst im Spital gefiel mir mit jedem Tage besser. Wenn 
der erste Tag das Gefühl des »Unbefriedigtseins« im hohen Grade 
in mir wach gerufen hatte, so lagen die Ursachen dafür nicht in 
mir, sondern in den herrschenden Verhältnissen. Ich stand 80 
Patienten gegenüber, von denen ich absolut nichts wusste; wenn 
auch mein Vorgänger in der »Ejraukenliste« die Diagnose ihrer 
Krankheit aufgenommen hatte, so war mir damit nur wenig ge- 
holfen; 49 von ihnen litten an Malaria, 20 an Beri-Beri, 3 an 
Dysenterie, und die übrigen 8 hatten Lungenentzündung und andere 
mir geläufige Krankheitsbilder. Von der Beri-Beri-Krankheit hatte 
ich in Europa nicht einmal den Namen, geschweige denn das totale 
Krankheitsbild, den Verlauf und die Ursache gekannt. Unter meinen 
20 Fällen dieser Krankheit befanden sich alle möglichen Formen 
und Stadien der Erkrankung, und vergebens war alle Mühe, aus 
ihnen nur ein einheitliches Bild dieser Krankheit zu bilden. Hier 
lag ein Mann unter den schwersten Symptomen der Herzbeutel- 
wassersucht, und dort stand ein Mann, bei diem ausser einem Puls von 
100 Schlägen in der Minute kein anderes Symptom gefunden wurde; 
der Eine hatte geschwollene Füsse und eine bleiche, krankhafte Haut- 
farbe, und der Andere war »bis auf das Skelet« abgemagert. Beim 
Dritten hatte Dr. C. notirt, dass sein Puls in der Buhe 120 mal 
und nach einiger Bewegung 200 mal in der Minute schlage, und 



^) Seit dieser Zeit bat die Mode den Männeni und den Damen den Ge- 
brauch des Hutes auch nach Sonnenuntergang aufgedrungen. 

Breitenitttin, 21 Jabre in Indien U. ^ 



50 I>i^ Beri-Beri-Krankheit. 



bei einem Vierten war angegeben^ dass er bis über die Mitte des 
Oberschenkels anästhetisch =: unempfindlich sei. Nicht viel besser 
ging es mir mit den Malariapatienten; als den Typus der Malaria 
kannte ich nur das Wechselfieber mit scharf abgegrenztem Hitze- 
und Kältestadinm, und von meinen 49 Malariapatienten zeigte kaum 
ein einziger dieses Bild. Wenn ich an diesem Tage aus den Notizen 
der Krankheitsliste und aus den objectiven Befunden obiger 49 Malaria- 
patienten, unabhängig von dem weiteren Verlaufe der Krankheit, 
die Diagnose hätte stellen müssen, wäre das Wort Malaria kaum in 
10 Fällen ausgesprochen worden. Der Eine zeigte ausgesprochene 
Lungenyerschleimung, der Zweite litt an Diarrhöe; ein Dritter hätte 
mich an Typhus und ein Anderer an Hirnhautentzündung (Meningitis) 
denken lassen; ein Sergeant hatte alle Erscheinungen des Mumps 
(Parotitis) und der letzte Malariapatient hatte selbst das ausge- 
sprochene Bild der Cholera! In diesem Labyrinth der Erscheinungen 
der Malariakrankheit halfen mir theilweise meine Bücher auf den 
richtigen Weg; über die Beri-Beri jedoch musste ich mich von den 
älteren Collegen informiren lassen. Leider waren ihre Informationen 
nur nach einer Richtung hin befriedigend. Wassersucht, verbunden mit 
geringer Lähmung (Parese) der Beine und erhöhter Arbeit des Herzens, 
veranlasste die Diagnose der häufigsten Form der Beri-Beri. Ge- 
ringe Lähmung und hochgradige Abmagerung der Extremitäten gab 
die Diagnose: Beri-Beri kring = trockene Beri-Beri. 

Seit dieser Zeit hat, wie wir im III. Bande mittheilen werden, 
die Frage dieser verheerenden Krankheit vielfach die indische Re- 
gierung und die Gelehrten der medicinischen Welt beschäftigt; aber 
für den denkenden Arzt war es damals geradezu eine beschämende 
Arbeit, Patienten gegenüber zu stehen, von welchen man beinahe 
gar nichts wusste. Welche Bedeutung diese Krankheit für die 
indische Armee hat, will ich an dieser Stelle nur andeuten, und 
zwar durch Abdruck der Ziffern, welche die Verbreitung dieser 
Krankheit in der Armee vom Jahre 1893 — 1897 demoustriren : 





Stand der 


Beri-Beri- i 


in Beri-Beri 


super- 






Armee 


Patienten 


gestorben 


arbitrirt 


Malaria 


1893 


34,186 


6170 — 18«o 


218 


573 


13,332 — 39 <>[o 


1894 


37,532 


4908 — 13 « 


231 


796 


11,631-31*0 


1895 


38,568 


5652 — 14 » 


276 


516 


14,706 — 38% 


1896 


42,782 


5780 — 13 »io 


151 


726 


14,639 = 34 » 


1897 


42,080 


2211— 5% 


92 


442 


17,534 — 41 



Indische Militärarzte. 51 



Ich folgte also, was die Behandlung dieser unglücklichen Patienten 
betraf, dem Beispiele meiner Collegen und nahm die einzelnen Sym- 
ptome zur Basis meiner Becepte; wir können ja leider bei den meisten 
Krankheiten, von welchen wir unter dem Scepter der Bacteriologie 
alles zu wissen glauben, auch nicht viel mehr thun. Auf diese 
Weise habe ich mein ärztliches Gewissen damals beschwichtigt und 
schon nach einigen Wochen mich ebenso sicher oder ebenso unsicher 
wie die übrigen Collegen gegenüber den Beri-Beri-Patienten gefühlt. 
Glücklicher Weise hatte ich noch andere Patienten, wie z. B. 
chirurgische, syphilitische und venerische Fälle oder andere mir geläufige 
Krankheitsformen, wie z. B. Herzfehler, Lungenkrankheiten u. s. w. 
in Behandlung und dadurch auch hinreichendes Material, um das 
Selbstvertrauen in meine ärztliche Kunst nicht allzu stark er- 
schüttert zu sehen. Damals folgte nämlich der Sanitätschef dem 
Principe, dem jungen Arzte alle möglichen Krankheitsformen in 
Behandlung zu geben, um eine vielseitige Ausübung seiner ärztlichen 
Kunst zu ermöglichen. Der Militärarzt in Indien hat ja nur zu 
oft Gelegenheit, ohne Hülfe eines Collegen oder eines Consiliarius, 
alle Zweige der ärztlichen Kunst ausüben zu müssen. Jeder wird für 
kürzere oder längere Zeit in die Aussenbesitzungen gesendet, wo er 
oft in einem Gebiete, das so gross wie eine holländische Provinz ist, 
der einzige Arzt ist, und bei den mangelhaften Verkehrswegen erst 
nach vielen Tagen oder Wochen einen Collegen in's Consilium er- 
langen könnte. Der indische Militärarzt muss also vielseitig entwickelt 
sein und selbständig in allen Fächern der Medicin auftreten können. 
Zu diesem Zwecke erhielten damals die jungen Aerzte nicht Ab- 
theilungen, welche mit bestimmten Krankheitsformen belegt waren, 
sondern Krankensäle, welche, analog der Truppenformation, Euro- 
päer, Eingeborene, ünterofficiere und Officiere^) enthielten. 

Von den Sitten und Gebräuchen der Eingeborenen bekam ich 
in den ersten Monaten meines Aufenthaltes in Indien kein richtiges 
oder besser gesagt gar kein Bild. Eine grosse Kluft trennt sie von 
den Europäern; ich selbst sprach keinen andern Eingeborenen als 



*) In den „ Sälen ^ der Untorofficicre und Officiere befanden sich nur euro- 
päische Patienten. Aus disciplinären Gründen werden nämlich die eingeborenen 
Unterofficiere gemeinsam mit den eingeborenen „Minderen" verpflegt, und die 
eingeborenen Officiere sind in der regulären Armee schon seit vielen Jahr- 
zehnten auf das Aussterbeetat gesetzt. Vor drei Jahren lebte noch der letzte 
«eingeborene Officier'^ pensionirt als hochbetagter Greis in Magelang (Java). 



52 Indische Militfträrzte. 



meinen Bedienten und wechselte mit den Patienten meiner Abthei- 
Inng kein Wort, das nicht uneriässlich für die Behandlnng war. So geht 
es allen Officiereu, vielen Beamten und allen übrigen enropäischen 
Bewohnern Javas. Eine Ausnahme machen hiervon einige junge 
Leute, welche mit einer eingeborenen Frau im Concubinat leben; da 
aber eine solche Njai = Haushälterin aus der Hefe des Volkes ge- 
nommen wird, ist ihr Bildungsgrad ein sehr niedriger, und sie wäre ge- 
wiss die unreinste Quelle, aus der man sein Wissen in der malayischen 
oder javanischen Ethnographie schöpfen könnte. Auch sind einzelne 
und dann meistens halbeuropäische Familien in jeder Stadt, welche 
mit den eingeborenen Häuptlingen gesellschaftlich verkehren; diese 
sind allerdings dann gut auf der Höhe der malayischen oder java- 
nischen Sitten und Grebräuche. Die übrigen Europäer aber haben 
nur ein oberflächliches Wissen von den Gewohnheiten ihrer Stadt- 
genossen und beurtheilen die Eingeborenen nur nach dem äusseren 
Schein und dem oberflächlichen Wellenschlag des täglichen Lebens 
auf der Strasse und auf dem Marktplatz. Mir ging es schon da- 
rum in Surabaya nicht besser, weil mein ärztlicher Beruf ganz an- 
dere Arbeiten als das Studium der Sitten der Eingeborenen mir zur 
Pflicht machte. Ich musste die hoUändische und malayische Sprache 
mir aneignen, musste dem Studium der Tropenkrankheiten und Tropen - 
hygiene mich widmen, und musste mich zunächst in das Leben und 
in die Gebräuche der Holländer einleben. Erst in späteren Jahren 
beschäftigte ich mich auch mit der »Land- und Völkerkunde« der 
Lisel, auf der ich lebte. 

Ende Februar las ich in dem »Locomotief«, dass Dr. F. von 
Muarah-Teweh (im Innern der Insel Bomeo) nach Batavia berufen 
wurde, um dort sein Examen für den Rang eines Regimentsarztes 
abzulegen. Seitdem sind leider diese Prüfungen abgeschafft, welche 
für Indien geradezu ein Bedürfhiss sind ; die jungen Aerzte, welche 
oft viele Jahre in den »Aussenbesitzungen« stationirt sind, haben dort 
ein geringes Material. Es fehlt ihnen der Sporn zu wissenschaft- 
lichen Arbeiten, und sie vergessen daher den grössten Theil 
ihrer auf der Universität erworbenen theoretischen und praktischen 
Wissenschaften. Wenn sie jedoch nach einer gewissen Anzahl von 
Jahren sich wieder einem Examen unterwerfen müssen, dann sind 
sie gezwungen, sich auf der Höhe der Wissenschaft zu halten. Im 
Jahre 1882 wurde die Verpflichtung zu dieser Prüfung für alle 
Doctoren abgeschafft, welche nach dem neuen holländischen Regle- 



Indische Militära,rzte. 53 



ment den Titel Arts = Arzt erworben katten, d. h. Doctores uni- 
versae medicinae geworden waren. Aber auch diese sind nur 
Menschen und werden ohne Sporn zu weiteren wissenschaftlichen 
Arbeiten leicht der Schablone verfallen. In. der österreichischen 
Armee bestehen Prüfungen für den Rang des Stabsarztes; die Gau- 
didaten müssen den Beweis liefern^ dass sie in der Militärhygiene 
wie in der Organisation der Armee u. s. w. ebenso bewandert sind, 
als in jenen Fächern, welche die Physicatsprüfung fordert; sie müssen 
Terrainkarten lesen und die Ausrüstung der Feldspitäler anordnen 
können u. s. w. Wenn sich also eine so grosse Armee 'Sicherheit ver- 
schafft, dass mit dem goldenen Kragen ihrer Aerzte auch ein grösseres 
Quantum von Wissen verbunden sei, als der subalterne Militärarzt in 
der Regel besitzt, so kann oder vielmehr muss auch die indische 
Armee bei den herrschenden Verhältnissen Maassregeln treffen, dass 
ihre Aerzte, welche in der Regel gut vorgebildet die Schule verlassen 
haben, auch weiterhin auf der Höhe der Wissenschaft sich erhalten 
und über jenes Quantum von Wissen verfügen können, welches 
der jeweilige Rang erfordert. (Vide 1. Theil: Bomeo, Seite 34.) 
Mit dieser Zeitung in der Tasche begab ich mich zu dem 
Hospitalchef, der gerade an diesem Tage seinen Jour hatte ; es war 
7 Uhr, als ich in seinem Hause erschien; einige Officiere und Bürger 
waren schon anwesend, und sofort nach der Begrüssung der Haus- 
frau und meines Chefs wurde mir von allen Seiten zu meiner be- 
vorstehenden Transferirung G-lück gewünscht. Das »Surabayische 
fiandelsblattc hatte nämlich nicht nur die Berufung des Dr. F. von 
Muarah-Teweh mitgetheilt, sondern auch die Vermuthung geäussert^ 
dass ich wahrscheinlich sein Nachfolger in jenem von der mensch- 
lichen Civilisation hundert Meilen entfernten Fort wei:den würde. 
Mein Chef, welcher natürlich darüber am besten informirt war, ent- 
hielt sich jeder Aeusserung, weil meine Transferirung ihm noch nicht 
officiell mitgetheilt war, glaubte jedoch einige Worte des Trostes mir 
sagen zu müssen, falls sich diese Vermuthung bewahrheiten sollte. 
>Ach, Sie sind ja ledig, für Sie ist also eine Transferirung eine 
unbedeutende Sache, und Muarah-Teweh wird für Sie eine Vorschule 
des Bivouaclebens sein, wenn Sie späterhin nach Atjeh geschickt 
werden sollten.« Diese Worte waren gerade nicht sehr ermuthi- 
gend, und als ich ihn um 8 Uhr verliess, wollte mir der Wider- 
spruch dieser tröstenden Worte und der Glückwünsche der übrigen 
Officiere nicht recht einleuchten. Am nächsten Tag erhielt der 



54 ^i^ Insel Bavean und Hadura. 

Landes-SaDit&tschef vom Landes-Commandirenden den officiellen Be- 
scheid, dass ich nach Bandjermasing, der Hauptstadt des Südost* 
liehen Bomeos, transferirt sei und mit dem Dampfer, welcher Ende 
März dahingehe, »meiner Bestimmung folgen« sollte. Nach vier- 
monatlichem Aufenthalte auf Java verliess ich diese Insel, welche 
ich erst 3*/a Jahre später, und zwar im October 1880, wieder sehen 
sollte. 

Die ^^Residentie« (= Provinz) Surabaya ist stark bevölkert 
(ungefähr 20,000 Seelen auf die QMeile), und obschon beinahe 
alle Kassen des indischen Archipels in der Hauptstadt und ihrer 
Umgebung vertreten sind, stammt die gross te Zahl von der Insel 
Madura, welche seit vielen Jahrhunderten den ganzen Osten der 
Insel Java mit ihren Bewohnern überschwemmt. 

Die benachbarte Insel Bavean, welche administrativ zur »Re- 
sidentie« Surabaya gehört, erfreute sich niemals eines solchen Ueber- 
schusses an Menschen, dass eine Emigration nach dem Festlande (?) 
= tanah Java stattfinden konnte; sie ist ja nur 3,6 QMeilen gross 
und hat ungefähr 40,000 Seelen; ihre Hauptstadt Sangkapura mit 
einem Assistent-Residenten und einem eingeborenen Häuptling bietet 
nichts Sehenswerthes; desto grösser ist die Zahl der Naturschön- 
heiten, und es ist mir unverständlich, dass beinahe niemals die Euro- 
päer von Surabaya sich die Mühe nehmen, sie zu besichtigen; in 
13 Stunden kann sie ja per Dampfschiff erreicht werden. Die Berge 
Tinggi und Racija sind zwar nicht hoch (600 Meter), aber sie geben 
ein herrliches Panorama über die ganze Insel. Ein Bergsee, unter- 
irdische Gänge, ein Wasserfall (des Tapa-Flusses), eine üppige Flora, 
das interessante Bild wahrer Seemänner, reich verzierte Wohnungen 
der Eingeborenen u. s. w. belohnen in reichem Maasse den Touristen, 
welcher in zwei Tagen diese kleine Insel durchforschen und be- 
sichtigen kann. 

Die Heimath der Maduresen, die Insel Madura, ist 81,i7e 
fn Meilen gross und wurde im Jahre 1892 von 509 Europäern, 4338 
Chinesen, 1595 Arabern, 139 Orientalen und 1,523,639 Eingeborenen 
bewohnt; sie soll noch vor 700 Jahren mit der Insel Java ver- 
bunden gewesen sein. In einem Kahn kann man in einer Stunde 
von Surabaya aus diese Insel erreichen, und dennoch hatte ich nie- 
mals die Gelegenheit, sie zu betreten. Da ich nur jene Provinzen 
(Rensidenties) von Java ausführlich zu beschreiben beabsichtige^ 



Residentie Madnra und Surabaya. 56 

welche ich aus Autopsie kenne, muss ich den wissbegierigen Jieser 
diesbezüglich auf Veth's Java und andere Quellen verweisen ; da 
ich aber im m. Bande von den »Barisans« von Madura sprechen 
will, so muss ich jetzt schon mittheilen, dass dies Hülfstruppen der 
indischen Armee sind, welche die Fürsten dieser Insel auf Ersuchen 
der indischen Begierung in Zeit der Noth einberufen müssen ; sie sind 
1319 Mann mit 34 (eingeborenen) Officieren stark, erhalten jedoch 
Ton der indischen Regierung europäische Instructoren. Es sind 
tüchtige Soldaten, welche zu wiederholten Malen vortreffliche Dienste 
der indischen Begierung geleistet haben. 

Minder zahlreich als die Maduresen sind in der Provinz Su- 
rabaya die Malayen (vide Titelbild). Diese bewohnen die Küsten 
aller Inseln, und ihre Sprache ist die allgemeine Verkehrssprache 
geworden (Vide Band I, Seite 35). Im Ganzen hat diese Provinz 
2,088,303 Einwohner J) bei einer Grösse von 104,463 Q Meilen; 
darunter befanden sich 7546 Europäer, 18,451 Chinesen, 2853 
Araber, 504 »andere Orientalen« und 2,058,949 Eingeborene. 
Wie viel von letzteren Javanen stricte dictu sind, ist nicht bekannt. 
Unter Javanen versteht man eben auf Java nur die Bewohner 
des mittleren Java, welche sich streng abscheiden von jenen des 
Westens, welche Sundanesen heissen, und den Maduresen, welche 
den Osten Javas bewohnen. Der Unterschied in der Sprache, in der 
Literatur (und theilweise in der Kleidung) ist so gross, dass, wie 
wir später sehen werden, eine strenge Scheidung dieser vier Stämme 
gerechtfertigt ist. Wie viel Javanen, Maduresen, und wie viel 
Malayen in dieser Provinz leben, ist eben nicht bekannt; zu oben 
erwähnten zwei Millionen Eingeborenen gehören auch noch die 
zahlreichen Makassaren von Celebes und eine kleine Anzahl von 
Bomeonesen, welche jedoch mit mehr oder weniger Becht zu den 
Malayen gerechnet werden. Unter fremden Orientalen (»vreemde 
oosterlingen«), deren in dieser Provinz 504 vorkommen, versteht 
man in erster Eeihe die Handelsleute, welche von Vorder-Indien 
nach Java kommen und sich dort ansiedeln; andere rechnen auch 
die Armenier und alle Bewohner dazu, welche von den benach- 
harten Inseln Sumatra, Borneo und Molukken abstammen. 

Die Küste der Provinz Surabaya ist sumpfig und sandig im 
östlichen Theil, während von Grisse aus gegen den Nordwesten der 



>) Im Jahre 1893. 



56' Hendeatie Suxabaya. 



Küste der Boden trocken und sandig ist;^) an diese schliessen »ch 
nach dem Süden ein Kalkhügelland und ein weites frachtbares 
Gebirge an. Jodiumquellen, eine Guwa-Üpas, d. h. eine Stickstoff 
enthaltende Höhle (auf dem Dersono), zwei eigMithümUche Moor- 
hügel, aus welchen geruchlose Gase aufsteigen, Sandsteinhügel, aua 
welchen Tortre£Biche Wasserfdtrirapparate gewonnen werden (bei 
Orifls^), Salpetergmben, Höhlen mit essbaren Vogelnestern und 
Petroleum (seit dem Jahre 1863 befinden sich fünf kleine Petroleum- 
Unternehmungen in dieser Provinz), sind die wenigen erwähnens- 
werthen Producte dieser Berge. Seit dem Jahre 1899 weht ein 
liberaler G^ist in der Gesetzgebung des indischen Bergbaues; die 
engherzige Auffassung von dem ausschliesslichen Rechte des Staates 
auf alles, was unter der Oberfläche des Bodens yerborgen liegt, war 
geradezu ein Hemmschuh für eine gedeihliche Entwicklung der 
Bej^baU'Industrie; das neue Gesetz ^j befreit den Unternehmungs- 
geist Ton den Fesseln, auch die Schätze des Bodens in Indien zu 
heben, welche sehr wahrscheinlich auf allen Inseln des ganzen in- 
dischen Archipels sich befinden und bis nun von dem Drachen des 
gewinnsüchtigen und eifersüchtigen Fiscus streng verborgen gehal- 
ten wurden. 

Wie zahlreich sind im Gegensatz zu diesen wenigen Bergbau- 
Unternehmungen, auf der Oberfläche dieser fruchtbaren Berge, die 
Plantagen und Fabriken dieser Provinz, welche von der Regierung 
jeglicher Hülfe und Stütze sich erfreuen! Ich war im Jahre 1897 
in Modjokerto, der zweitgrössten Stadt dieser Provinz; 3) hier ist der 
Sitz des »Vereins der Surabayischen Zuckerfabrikanten ^. Der Fluss 
Brantas hat hier eine grössere Breite als der Rhein in seinem 
Unterlauf, und dennoch ist zu IrrigationszM'ecken eine Schleuse ge- 
baut (welche ein Kunstwerk des modernen Wasserbaues genannt 
werden muss), um nach Bedürfniss einen beliebig grossen Theil oder 
selbst beinahe 3/4 der ganzen Wassermasse in die seitlichen Canäle 



') Im Westen ist die Küste gebirgig ; an diesen Tlieil schliesst sich die Bbene 
▼on Grisse ; im Süden derselben folgen die Gebirgszüge von Lamongan, Kendeng und 
Modjokasri; die grosse Ebene von Djombang geht im Süden in einen mächtigen 
Gebirgs stock über, welcher sich mit zahlreichen Bergriesen über die östliche 
Grenze bis tief in die Provinz Passuruan erstreckt. 

*) Gesetz (Wet) vom 23. Mai 1899 (Staatsblad No. 124). 

^) In den acht Districten dieser Provinz sind nur die Städte Surabaya, 
Griss^, Modjokerto, Djombang und Sidoardjo von Bedeutung. 



Residentie Surabaya. 57 



abzuleiten, ohne dass die Schifffahrt auf dem Flusse selbst nur einen 
Augenblick gestört würde. In diesem Bezirke findet man die 
Ruinen der alten, einstens so mächtigen Stadt Modjopahit, aus deren 
Ruinen viele Zuckerfabriken der Umgebung gebaut sind. Sieben 
Zuckerplantagen mit G-ouvemements-Gontract findet man in diesem 
Districte, zwei in dem Districte Djombang, elf in dem Districte 
Sidoardjo; sieben »Erbpachtländer « giebt es im Districte Mo^jokerto, 
in welchen Kaffee (in einem China« und im neunten Liberia-Kaffee) 
producirt wird; nebstdem giebt es zahlreiche Plantagen, welche mit 
fireiwilligen Contracten der Eingeborenen arbeiten; deren giebt -es 
im Districte Modjokerto fünf, Yon denen die eine in Ngembeh nur 
Tabak pflanzt; in dem Districte Djombang bestehen acht und in dem 
Districte Sidoardjo vier Plantagen. Auch hat diese Provinz noch 
32 Privatgüter, welche Reis, Zucker, Indigo, Kaffee und Tabak pro- 
dudren. 

Die Provinz Surabaya ist eine blühende, reiche Provinz, und 
ihre gleichnamige Hauptstadt ist die grösste Handelsstadt des In- 
guschen Archipels und erfreut sich einer reichen Industrie. 



4. Capitel. 

Reise nach Bantam — Malayischer Kutscher — Max Hayelaar 

— Fieberepidemfe in der Prorinz Bantam — Krankenwirter 
mit einem Taggeld von 30 fl. (!) — Eine Stute als Reitpferd 

— Der ESnigstiger — Jaranische Pferde — Elend wShrend 
einer Fieberepidemie — Auf dem Kreuzwege — Heiden auf 
Jaya — Begegnung mit einem KOnigstiger — Behandlung der 
Fussgeschwflre durch die Eingeborenen — Drohende Hungers- 
noth in Bantam — Aussterben der Bfilfel — Dreimal in 
Lebensgefahr — Ein ungefihrlicher Spaziergang im Regen. 

Tm October 1880 betrat ich zum zweiten Male den Boden Javas. 
^ Aus der Einsiedelei im jungfräulichen Bomeo kam ich bei- 
nahe unvermittelt ins volle Leben einer G-rossstadt, und zwar zunächst 
für zwei Tage nach Surabaya; dann musste ich mich mit einem Local- 
dampfer der indischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft längs der Nord-» 
küste via Samarang nach Batavia begeben, wohin ich transferirt wor- 
den war. Schon im März desselben Jahres sollte ich den »Gar- 
nisonsdienst« in Weltevreden, jener Vorstadt Batavias äbemehmen, 
welche der Sitz der Behörden und der eigentliche Wohnort der 
Europäer ist. Dr. G. aber, welcher angewiesen wurde, mich in 
Buntok abzulösen, weigerte sich, dahin zu gehen, und nahm lieber 
den Abschied aus dem Militärdienste, als Jahre lang auf Bomeo 
leben zu müssen, :»hinter welchem überhaupt kein Land mehr sei«, 
und welches ausser dem Beiz eines jungfräulichen Bodens gar nichts 
biete, was des Menschen — Herz erfreue. Durch diese Verzöge- 
nmg musste ich nicht nur ein halbes Jahr länger auf dieser Insel 
bleiben, sondern fand auch bei meiner Ankunft in Batavia den Gar- 
nisonsdienst von einem anderen Collegen besetzt, während ich dem 
grossen Militär-Spital vorläufig zugetheilt wurde, um in kürzester Zeit 



Reise nach Bantam. 59 



wieder die Stätten der europäischen Givilisation verlassen zu müssen 
und lange fünf Monate im Süden Javas im Dienste des Civil-De- 
partements der Bevölkerung von Labak in ihrer Noth und ihrem 
Elend Hülfe zu bringen. 

Ich werde noch Gelegenheit haben, über Weltevreden und Sa- 
marang einiges mitzutheilen, imd ich eile, obzwar die chronologische 
Reihe der Ereignisse unterbrochen werden muss, zu jenem Theil meiner 
ärztlichen Praxis auf Java, welche mich mitten in das Reich der 
Tiger, aber auch mitten in das Leben der sundanesischen Bauern 
brachte, die durch Malaria, Hungersnoth, Viehpest und Missernte auszu- 
sterben drohten, wenn nicht die Regierung in energischer Weise und 
mit fürstlicher Freigebigkeit dem Elend ein Ende gemacht hätte. 

Am 11. December 1880 wurde ich von der indischen Regierung in 
den Dienst der Civilbehörden der Provinz i) Bantam gestellt. 

• Einige Tage später zog ich dahin, und zwar in einem kleinen 
zweiräderigeu javanischen Wagen, welcher mit drei kleinen javani- 
schen Pferden bespannt war. Bequem sass ich in diesem Vehikel 
nicht; es war ein Wagen, der vielleicht in seiner Länge und Breite 
kaum einen Meter mass, so dass ich mich vorsichtig im Hinter- 
grunde des Wagens an die schmale Lehne drücken musste, um mit 
meinen Knieen nicht gegen den Sitzplatz des Kutschers reiben za 
müssen; nebstdem war es so wenig tief, dass die Kniee ungefähr 
die Höhe der Brust erreichten; aber wie der Sturmwind flogen wir 
über den ebenen Weg, der zunächst nach Tangerang führt, wo ein 
Franzose noch heute jährlich tausend und tausend Strohhüte flechten 
und nach Frankreich ausführen lässt. 

Der Weg ist der westliche Theil jener grossen Heerstrasse, 
welche im Anfange dieses Jahrhunderts unter der autokraten Re- 
gierung des Gouverneur-Generals Daendel über ganz Java in Ro-^ 
bottarbeit gebaut wurde. 

An der Grenze der beiden Provinzen Batavia und Bantam lagen 
die beiden Reisunternehmungen Tjikandi-udig und Tjikandi-ilir; die 
eine gehört einem Amerikaner, während der Eigenthümer von Tji««. 
kandi-ilir ein pensionirter Hauptmann und mit einer deutschen Dame 
verheiratet war. Nur so lange das Umwechseln der Pferde mich 



>) Java wird nämlich in 22 Residenties = Provinzen eingetheilt, welche, von 
Westen nach Osten gezählt, folgende Namen führen : Bantam, Batavia, Krawang, 
Cheribon, Preanger, Banjimias, Tegal, Pekalongan, Samarang, Japara, Kedu, 
Bagelen, Sorakarta, Ejokjakarta, Bembang, Madiun, Kediri, Surabaya, Madura 
(Inflel), Pasuruan, Probolingo und Besoki. 



80 Malajijflßher Kutscher. 



aafhielt, weilte ich b^ diesem Landheirn, um dann meine Beise 
Aach Serang^i) der Hauptstadt der Provinz Bantam^ fortzusetzen, ffier 
«Bgekommen, stellte ich mich zunächst dem Besidenten, d. h. d^n 
Statthalter der Provinz vor, um seine Befehle über meine Tbätig- 
keit zu yerDeluaen. Er war ein liebenswürdiger alter Herr, und es 
flohmeichelte nicht wenig meiner Eitelkeit, als schon den andern Tag 
mir der Resident einen officiellen Qegenbesuch machte. Ich wohnte 
im Hotel, und der Resident kam in seiner Equipage bei mir Tor- 
gefahren, während der Bediente mit dem Pajong stolz als der Banner- 
träger des höchsten Mannes der Provinz neben dem Kutscher sass. 
Der Kutscher war geradezu eine Caricatur eines Menschen zu nennen 
und glich nicht wenig den Affen, welche bei Circusvorstellungen die 
Heiterkeit der Zuschauer erregen. Er war blossfüssig, hatte über 
seine kurze Hose den Toro an, den wir am besten mit einem weiten 
bunten Hemd vergleichen, und auf dem Kopfe waren die langen 
Haare in ein buntes Kopftuch gewickelt, auf welchem ein glänzen- 
der Cylinder schief nach hinten aufsteigend die Oaricatur vollendete. 
Die Affenähnlichkeit fiel darum auf, weil sie, der Kutscher und 
der Bediente, der Wichtigkeit ihrer Stellung bewusst, immer einen 
unverwüstlichen Ernst in ihren Zügen zeigen und niemals ein Läch^ 
•der eine andere Gemüthsbewegung durch ihre Züge verrathen lassen. 
Auch der Bediente war blossfüssig, er hatte aber eine lange Hose 
und einen Frack mit kurzen Schössen und ein Kopftuch an. Die 
Kleider waren dunkelblau mit hochgelben Streifen — er gehörte näm- 
lich der Polizei au — weswegen diese Leute Kanarienvögel genannt 
werden. Der Pajong war ein gewöhnlich grosser chinesischer Sonnen- 
schirm von goldgelber Farbe; wie wir später sehen werden, ist mit 
dem Range eines jeden europäischen oder eingeborenen Beamten 
der Gebrauch eines Pajong von bestimmter Farbe verbunden. Mit 
grosser Behendigkeit sprang der Bediente vom Bock des Wagens 
und geleitete den Residenten mit dem geöffneten Pajong bis an den 
Eingang der Veranda, worauf er ihn schloss und sich auf den Boden 
mit gekreuzten Füssen niedersetzte. Nur eine Viertelstunde blieb 
der Resident bei mir, um dann die anderen Visiten fortzusetzen. Am 
andern Morgen kam Dr. J. an, welcher als Inspector von dem »burger- 
lyk geneeskundige Dienst« beauftragt war, die Oberleitung des 
aussergewöhnlichen ärztlichen Dienstes zu übernehmen und uns drei 



') Serang ist eine kleine Stadt, sie hatte im Jahre 1892 nur 5700 Ein- 
wohner (mit 179 Europäern and 446 Chinesen u. s. w.). 



^Max Havelaar''. 6t 



jungen Aerzten die Standplätze u. s. w. anzuweisen. In Serang selbst 
befand sich nämlich auch ein Landes-Samtätsebef in der Person des 
Regimentsarztes X., welcher nicht nur für die dortigen 100 Mann, 
sondern auch für die Ciyübevölkerung den ärztlichen Dienst mit 
Hülfe seines Oberarztes, Vieharztes und einigen Doctor-djavas Ter* 
sehen sollte. Da diesem Regimentsarzte die Oabe der Initiatire 
durchaus fehlte, sah sich die Regierung genöthigt, einen anderen 
Arzt mit der Leitung des civilärztlichen Dienstes zu betrauen und 
wählte dazu den genannten erfahrenen Civilarzt, der mit Hülfe dreier 
junger Aerzte die schwer heimgesuchte Bevölkerung von Bantam vor 
dem gewissen Aussterben zu retten suchen sollte. 

Mir wurde der Bezirk Lebak angewiesen. Das Wort Lebak 
wird wohl niemals ausgesprochen werden, ohne dabei an den grossen 
Dichter Douwes Dekker zu denken, welcher in Lebak den Grund 
zu seinem späteren Ruhme gelegt hat. Da dieser Dichter und sein 
Hauptveerk :»Max Havelaar« in Deutschland viel zu wenig bekannt 
sind und beinahe gar nicht gewürdigt werden, obwohl bei dem Er- 
scheinen dieses Tendenzromanes »ein Beben« durch ganz Holland 
ging, so glaube ich einige Worte über ihn verlieren zu müssen. 
Wie »Onkel Toms Hütte« nicht nur das ganze Elend des ameri- 
kanischen Sclavenlebens dem verblüfften Europa enthüllte, sondern 
auch eine gründliche Reform dieses Krebsschadens veranlasste, so 
zeigte Douwes Dekker in seinem »Max Havelaar« die ganze Hin- 
fälligkeit der holländischen Colonialpolitik bis zum Jahre 1860, 
welche in der Weisheit des alten Principes: »divide etimpera« und 
>Wer nicht stark ist, muss gescheit (»slim«) sein«^) gipfelte, und 
brach ihre Fesseln in so radicaler Weise, dass Java heute eine 
blühende und glückliche Oolonie geworden ist. Die Reformen, 
welche dieser Dichter für das schöne )>Lisulinde« forderte, deutete 
er in seiner Ansprache an die Häuptlinge seines Districtes an, und 
da diese Rede ein Meisterstück der holländischen Literatur ist, so 
will ich sie hier wörtlich übersetzt mittheilen: 

»Herr Rhaden Adhipatti, Regent von Bantam Kidul und Da, 
Rhaden Dhemang, die Ihr die Häupter seid der Districte in diesem 
Bezirke, und Du, Rhaden Djaksa, der Du das Recht zu Deinem 
Amte hast, und auch Du, Rhaden Kliwon, der Du den Befehl führst 
über die Hauptstadt, und Ihr, Rhaden Mantries, und Ihr Alle, welche 
Ihr Häuptlinge seid im Bezirke Bantam Kidul, seid gegrüsst. 



^) Holländisches Sprichwort. 



62 »Max Ha^elaar"". 



Ich sage Euch, dass mein Herz von Freude erfüllt ist, da ich 
Sndi Ider verdaminelt sehe, lauschend nach den Worten meines Mundes. 

Ich weiss,, daas es unter Euch viele giebt, welche durch grosses 
Wissen und Herzensgute hervorragen; ich hoffe, dass ich mein Wissen 
durch das Eure vermehren werde; denn mein Wissen ist nicht so 
gross, als ich es zu besitzen wünschte. Ich schätze die Herzens- 
gute; aber oft fühle ich es, dass in meinem Herzen Fehler sind^ 
welche die Bravheit überwuchern und ihr Wachsthum hemmen . . . 
Ihr alle wisst ja, wie der grosse Baum den kleinen verdrängt und 
tödtet. Darum werde ich Jenen unter Euch folgen, welche in Tugend 
hervorragen, um besser zu werden als ich bin. 

Ich grüsse Euch! 

Als der Gouverneur-General mir befahl, zu Euch zu gehen, 
am Assistent - Resident dieser Bezirke zu sein, war mein Herz 
erfreut. Es kann Euch bekannt sein, dass ich niemals vorher 
Bantam Kidul betreten habe. Ich liess mir also Schriften geben, 
welche über Euren Bezirk schrieben, und ich habe gesehen, dass 
viel Gutes in Bantam Eadul gefunden wird. Euer Volk besitzt 
Reisfelder in den Thälem, und es stehen Reisfelder auf den Bergen ; 
Ihr wünscht friedfertig zu leben, und Ihr habt kein Verlangen nach 
Ländern, welche von Andern bewohnt werden. Ja, ich weiss, dass 
viel Gutes in Bantam Kidul gefunden wird. 

Aber nicht darum allein war mein Herz erfreut; denn auch in 
anderen Theilen des Landes würde ich viel Gutes gefunden haben. 

Aber ich sah, dass Eure Bevölkerung arm ist, und darüber 
war ich erfreut in der Tiefe meines Herzens. 

Denn ich weiss, dass Allah den Armen liebt, und dass er Reich- 
Ihum dem giebt, den er versuchen will. Aber zu den Armen sendet 
er, der sein Wort spricht, auf dass sie sich in ihrem Elend erheben. 

Giebt er nicht den Regen, wo der Halm verdorrt, und einen 
Thautropfen in den Blumenkelch, der Durst hat? 

und ist es nicht schön, gesendet zu werden, um die Müden zu 
suchen, welche nach der Arbeit zurückblieben und niederfallen 
auf dem Wege, weil ihre Kniee zu schwach waren, um nach dem 
Orte des Lohnes zu* ziehen? Sollte ich nicht erfreut sein, die 
Hand reichen zu können dem, der in die Grube gefallen, und einen 
Stab zu geben dem, der den Berg besteigt! Sollte nicht mein Herz 
sich freuen, dass es auserkoren unter vielen ist, um aus Klagen ein 
Gebet, und Dank aus Jammer zu machen! 



„Max Havelaar^. QQ 



Jsiy ich bin sehr erfireut, berufen zu sein nach Bantam Kidul! 

Ich habe zu der Frau gesagt, welche meine Sorgen theilt und 
mein G-Iück vergrössert: freue dich, denn ich sehe, dass Allah Segen 
auf das Haupt unseres Kindes giebt. Er hat mich hierher gesendet, 
wo nicht alle Arbeit beendigt ist, und er hielt mich würdig hier zu 
sein Yor der Zeit der Ernte. Denn es ist keine Freude, Padie 
(Beishalm) zu schneiden; aber Freude schafft es, Beis zu schneiden, 
den man gepflanzt hat; und die Seele des Menschen wächst nicht 
mit dem Lohne, sondern mit dem Lohne, den die Arbeit erworben. 
Und ich sagte zu ihr: Allah hat uns einen Sohn gegeben, der 
einstens sagen wird: »Wisset, dass ich sein Sohn bin,« und dann 
werden Menschen sein, die ihn mit Liebe grüssen, die Hand auf 
sein Haupt legen und sagen werden: »Setze dich an unseren Tisch, 
bewohne unser Haus, nimm von allem, was wir haben, denn wir 
haben deinen Vater gekannt!« 

Häupter von Lebak! Viel ist zu thun in Eurem Lande! Sagt 
mir, ist der Bauer nicht arm? Beift Euer Reis nicht oft für Jenen, 
der ihn nicht gepflanzt hat? Sind nicht viele Ungerechtigkeiten in 
Eurem Lande? Ist nicht die Zahl Eurer Kinder klein? 

Ist nicht Scham in Eurer Seele, wenn die Bewohner von Ban- 
dong, das hier im Osten Eures Landes liegt, zu Euch kommen und 
fragen: Wo sind die Dörfer und wo sind Eure Landesleute? Und 
warum hören wir die Gamelang nicht, die mit kupfernem Munde 
Freude verkündet, und warum hören wir nicht Eure Töchter den 
Heis stampfen? 

Thut es nicht wehe, von hier zur Südküste zu reisen und Berge 
zu sehen, welche kein Wasser tragen auf ihren Flanken, oder Flächen 
zu sehen, wo nie ein Büffel den Pflug zog? 

Ja, ja, ich sage Euch, dass Eure und meine Seele darüber tief 
betrübt sind, und darum seien wir Allah dankbar, dass er uns die 
Macht gab, um hier zu wirken und zu schaffen. 

Denn wir haben hier Acker für Viele, und nur Wenige leben 
hier, and nicht der Regen ist's, der hier mangelt, denn die Gipfel 
der Berge saugen die Wolken des Himmels zur Erde, und nicht 
überall sind es Felsen, welche den Wurzeln keinen Raum gönnen, 
denn auf vielen Stellen ist der Grund weich und fruchtbar und mflb 
nach dem Saatkorn, das er uns im gebogenen Halm zurückgeben 
will. Es ist kein Krieg, der den Reis zertritt, wenn er noch grün 
ist, und es ist keine Pest, welche die Schaufel ruhen lässt. Auch 



64 »S^«^ Hsvelaar". 



giebt es keine Sonnenstrahlen^ welche heisser sind als es nöthig 
ist, das Kam reifen zu lassen, welches £uch und Eure Kinder nähren 
rnnss, und es ist keine Wassersnoth, welche Euch jammern lässt: 
Zeig mir das Feld, wo ich gesäet habe. 

Wo Allah Wasserströme sendet, welche die Felder mitnehmen, 
— wo er den Ghnnd hart* wie dürren Stein macht, — wo er die 
Sonne glühen lässt zum Verderben ... wo er Krieg sendet, der 
das Feld zerstört ... wo er mit Seuchen schlägt, welche die Hände 
erschlaffen lassen, oder mit Dürre, welche die Aehren tödtet . . . 
da, Häuptlinge von Lebak, beugen wir in Demuth unser Haupt und 
sagen: Sein Wille geschehe. 

Nicht so ist es in Bantam Kidul! 

Ich wurde hierher gesendet, um Euer Freund zu sein, um Euer 
aller Bruder zu sein. Würdet Ihr Euren jungen Bruder nicht warnen, 
wenn Ihr auf seinen Wegen einen Tiger sehen würdet? 

Häupter Von Lebak, wir haben oft gefehlt, und unser Land ist 
am, weil wir so viel gesündigt. 

Denn in Tjikandi, in Bolang, in Krawang und in Batavia sind 
Viele, die, geboren in unserem Lande, unser Land verlassen haben. 

Warum suchen sie Arbeit fem von der Stätte, wo sie ihre Eltern 
bomben? Warum fliehen sie das Dorf, wo sie die Beschneidung 
erhielten? Warum lieben sie mehr die Kühle des Baumes, der dort 
wächst, als den Schatten unserer Haine? 

Und dort im Nordwesten der See sind Viele, welche unsere 
Kinder sein müssten, die jedoch Lebak verlassen haben, um zu 
schwärmen in fremden Ländern mit Messer, Dolch und Schiessgewehr. 

Ich frage Euch, Häuptlinge von Bantam Kidul, warum sind so 
Viele weggegangen, um nicht begraben zu werden dort, wo sie ge- 
boren wurden? Warum fragt der Baum, wo der Mann sei, den er 
als Kind zu seinen Füssen spielen sah?« 

Hier machte der Assistent-Resident eine Pause und rief seinen 
kleinen Sohn Max zu sich, welcher um die Pendoppo ^ herum lief 
und auf diesen Augenblick wartete, unter den Häuptlingen sich be- 
wegen zu dürfen. 

Wuchtige Keulensehläge waren diese Worte ihres neuen Chefs 
auf das Haupt aller anwesenden Beamten; besonders Shaden Wiro 
Kusumo, welcher der Schwiegersohn des Begenten war, schauderte 
zusammen, als er in den Worten des Assistent-Residenten die Be- 



1) = Offene Säulenhalle. 



„Max Havelaar". g5 



weise* sah^ dass der neuemannte Bezirkshauptmann alles bis in die 
kleinsten Details kannte; das er seinen Untergebenen gegenüber ver- 
schuldet hatte. Glücklicherweise brachte der kleine Max in diesem 
Moment der Verlegenheit eine angenehme Störung. Der Djaksa 
(Richter) fasste den Kopf des kleinen Max und zeigte seinem Nach- 
bar den zweifachen Haarwirbel auf dem Scheitel, der, wie er später 
Havelaar mittheilte, die Bestimmung haben soUte, eine Königskrone 
zu tragen. Max Havelaar jedoch liess sein Söhnlein hinausführen 
und sprach weiter: 

2> Häuptlinge von Lebak! Wir stehen alle im Dienste des Königs 
von Holland. Er aber, der gerecht ist und will, dass wir unsere 
Pflicht thun, ist weit von hier. Dreissig mal Tausend mal Tausend, 
ja, noch viel mehr Menschen müssen seinen Befehlen gehorchen; er 
aber kann nicht bei Jedem sein, der ihm ünterthan ist. 

Der grosse Herr (Tuwan Besar) in Buitenzorg ist gerecht und 
will, dass jeder seine Pflicht thue. So mächtig dieser auch ist, 
weil er herrscht über Alle, welche in den Städten und Dörfern Amt 
und Würde haben, und weil er gebietet über die Macht des Heeres 
und der Flotte, so wenig kann er sehen, wo Unrecht geübt wird; 
denn das Unrecht fliehet ihn. 

Aber auch der Resident zu Serang, welcher Herr der Provinz 
Bantam ist, wo fünfmalhunderttausend Menschen wohnen, will, dass 
in seinem Reiche Recht geschehe, und dass Gerechtigkeit herrsche 
in dem Lande, das ihm gehorcht. Doch wo Unrecht ist, da wohnt 
er weit entfernt, und wer Böses thut, verbirgt sich vor seinem Ant- 
litz, weil er Strafe fürchtet. 

Und der Herr Adhipatti, welcher Regent von Süd-Bantom ist, 
will, dass jeder lebe, der das Gute übt, und dass keine Schande 
komme über das Land, das seine Regentschaft ist. 

Und ich, der ich gestern Gott den Allmächtigen zum Zeugen 
anrief, dass ich gerecht und gut sein werde, dass ich Recht ohne 
Furcht imd ohne Hass üben werde, dass ich ein »guter Assistent- 
Resident« sein werde . . . auch ich wünsche zu thun, was meine 
Pflicht ist. 

Häupter von Lebak! Dies wünschen ja wir alle! 

Sollten jedoch unter uns Einige sein, welche ihre Pflicht ver- 
gessen aus Gewinnsucht, welche das Recht für Geld verkaufen oder 
dem Armen den Büffel oder die Früchte dem Hungrigen rauben . . . 
wer wird sie bestrafen? 

Bre it«nttein, 21 Jahre in Indien n. ^ 



86 „Max Havelaar^. 



Falls einer von Euch dies wüsste, er würde es yerhindern; der 
Regent würde ja nicht dulden, da>8s solches in seiner Regentschaft 
geschehe, und auch ich werde es yerhindern; aber — wenn weder 
Ihr, noch der Adhipatti, noch ich davon etwas wissen ... 

Häupter von Lebak! Wer wird dann in Bantam Kidul Recht 
sprechen? ! 

Höret, ich will es Euch sagen, wie dann Gerechtigkeit geübt 
werden wird. Kommen wird der Tag, dass unsere Frauen und 
Kinder an unseren Särgen weinen werden, und dass, die da vorbei-* 
gehen, sagen werden: Ein Mensch ist gestorben; und der da in die 
Dörfer gehen wird, bringt Nachricht von dem Tode, und sein ^irth 
fragt dann: Wer war der Mann, der gestorben ist? Und man 
wird sagen: 

Er war gut und gerecht; er sprach Recht und verstiess den 
Kläger nicht von seiner Thür! Er hörte Jeden geduldig an, der 
zu ihm kam, und gab ihm zurück, was ihm entnommen war; und wer 
den Pflug nicht ziehen konnte durch die Erde, weil der Büffel aus 
dem Stall gestohlen war, dem half er den Büffel suchen; und wo 
die Tochter aus dem Hause der Mutter geraubt war, suchte er den 
Dieb und brachte die Tochter zurück; und wo man gearbeitet hatte, 
hielt er den Lohn nicht zurück; und er raubte die Früchte nicht 
dem, der sie gepflanzt hatte; er kleidete sich nicht mit dem Rocke, 
der Andere decken musste, und nährte sich nicht mit der Speise 
des Armen. 

Dann wird man sagen: Allah ist gross, Allah hat ihn zu sich 
genommen. Sein Wille geschehe: Ein guter Mensch ist gestorben. 

Uttd wiederum geht ein Wanderer zu Einem in 's Haus und 
firagt: Was ist das, dass die G-amelang schweigt und der Gresang 
der Mädchen? Und wiederum wird man sagen: Ein Manu ist ge- • 
sterben. 

Und der da wandert in den Dörfern, sitzt bei seinem Gast^ 
herm, und um sie her die Söhne und Töchter des Hauses, und er 
wird sprechen: 

Es starb ein Mann, der versprach gerecht zu sein, und er ver- 
kaufte das Recht an Jeden, der ihm Geld gab. Er düngte seinen 
Acker mit dem Schweisse der Arbeiter, die er abgerufen hat von 
dem Acker der Arbeit. Er verweigerte dem Arbeiter seinen Lohn 
und nährte sich mit der Speise der Armen. Er ist reich gewordeh 
durch die Armuth der Anderen. Er hatte Gk)ld, Silber und Edel- 



„Max Havelaar". Q^ 



^Steine in Menge, doch der Bauer, welcher in seiner Nachbarschaft 
wohnte, konnte den Hunger seines Kindes nicht stillen. Er lächelte 
wie der Glückliche, aber man hörte das Knirschen der Zähne von 
dem Kläger, der sein Recht suchte. In seinem Gesicht strahlte die 
Zufriedenheit, aber leer war die Brust der Mutter, welche säugte. 

Dann werden die Bewohner der Dörfer rufen: Allah ist gross; 
wir fluchen Niemandem! 

Häupter Ton Lebak! Einmal sterben wir Alle! 

Was wird in den Dörfern gesprochen werden, wo wir herrschten? 
Und was von den Wanderern, welche unser Begräbniss sehen werden? 

Was werden wir antworten, wenn nach unserem Tode die Stimme 
zu unserer Seele spricht und fragt: Warum ist Ellagen und Weinen 
auf den Feldern, und warum verbergen sich die jungen Männer? 
Wer nahm die Ernte aus den Scheuern und wer aus den Ställen 
die Büfifel, welche pflügen sollten? Was hast Du gethan mit dem 
Bruder, den ich Dir anvertraute? Warum ist der Arme traurig, 
und warum flucht er der Fruchtbarkeit seiner Frau?« 

Hier machte Havelaar eiue kleine Pause und schloss folgender- 
maassen : 

>Ich wünschte sehr mit Euch in gutem Einverständniss zu 
leben, und darum bitte ich Euch, in mir Euern Freund zu sehen. 
Wer gefehlt hat, kann auf ein leichtes Urtheil meinerseits rechnen, 
denn, da auch ich so manchmal fehle, so werde ich nicht streng 
sein, wenigstens nicht in den gewöhnHchen Fehlem und Nach- 
lässigkeiten im Dienste. Nur wo Nachlässigkeit zur zweiten Natur 
wird, dort werde ich entgegentreten. Ueber Fehler grober Art, wie 
Unterdrücken und Aussaugen der Menschen — spreche ich nicht. 
So was wird nicht vorkommen; nicht wahr, mein Herr Adhipatti?« 

»O nein, mein Herr Assistent-Resident, so was wird in Lebak 
nicht vorkommen.« 

»Nun, meine Herren Häupter von Bantam Kidul, lasst uns 
erfreut sein, dass unser Bezirk so vernachlässigt und so arm ist. 
Wir haben ein schönes Ziel. Wenn Allah uns am Leben erhält, 
' werden wir sorgen, dass Wohlfahrt in's Land komme. Der Boden 
ist fruchtbar und die Bevölkerung ist gehorsam. Wenn ein Jeder 
in dem Genuss der Frucht seiner Arbeit gelassen wird, besteht kein 
Zweifel, dass in kurzer Zeit die Bevölkerung zunehmen wird, so- 
wohl an Seelenzahl, als an Besitz und Bildung; denn diese gehen 

meistens Hand in Hand. Ich bitte Euch nochmals, in mir einen 

5* 



68 Fieberepidemie in der Provinz Bantam. 

Freund zu sehen, der Euch helfen wird, wo er kann, besonders wo' 
unrecht bekämpft werden muss. Mit diesem empfehle ich auch 
mich Eurer Mithülfe. 

Die erhaltenen Rapporte über Landbau, Viehzucht, Polizei und 
Aechtspfiege werde ich mit meinen Anmerkungen versehen ehestens 
zunickschicken. 

Häupter von Lebak. Ich habe gesprochen. Ihr könnt zu- 
rückkehren, ein Jeder nach seiner Wohnung. Seid nochmals gegrüsst.«- 



Diese Rede, welche Douwes DekkerO im Januar 1856 in 
Rankas Betong in der Versammlung der EUiuptlinge Lebaks hielt, 
war einerseits der Anfang seines physischen und seelischen Iieidens, 
andererseits der Trompetenstoss, welcher Holland aus seiner Lethargie 
riss und den Javanen — Menschenrechte gab, gerade wie das Buch 
»Onkel Toms Hütte <: die Kette der amerikanischen Sklaven ge-> 
brechen hat. 

Aber auch im Jahre 1881 war das Elend gross in Bantam, 
und wieder war es die Schuld der höchsten Beamten, dass das Elend 
eine so grosse Ausbreitung genommen hat. Wie vor 25 Jahren der 
Resident von Bantam dem Streben des Assistent-Residenten Douwes 
Dekker, den Erpressungen und Räubereien der Häuptlinge von 
Lebak ein Ende zu machen, keine Stütze verleihen wollte und konnte, 
weil er selbst (der Resident) bis auf das Eingreifen dieses neuen 
Assistent-Residenten die Regierung über diese traurigen Zustände 
in Unwissenheit liess, so hat im Jahre 1881 der Resident X. 
geschwiegen, als schon hunderte imd tausende von Menschen der 
Malaria zum Opfer gefallen, und tausende von Büffeln der Viehpest 

erlegen waren. Erst als Dr. A eine Inspectionsreise nach Lebak 

unternahm und einen ausführlichen Rapport darüber an die Regie- 
rung einreichte, erst dann erfuhr die Regierung das Elend, welches 
in Bantam herrschte, und die Gefahren, welche der Provinz Bantam 
drohten. Rasche und energische Hülfe that Noth. Zur Ehre der 



') Eduard Douwes Dckkcr, geb. am 2. März 1820 in Amsterdam, schrieb 
mit dem Pseudonym Multatuli oben erwähnten Tendenzroman Max Havelaar, 
Minnebrieven, indrukken van den dag, Ideen, Over vryen arbeid, Duizend cd 
eenige hoofdstukken over speciaÜ teilen, Millionenstudien und ein Drama — 
Vorstenschool — , das noch heute zu den beliebtesten Stücken des Repertoire 
gehört. Er starb am 19. Februar 1887. 



Krankenwärter mit einem Taggeld von 20 fl. (!)' 69 

indischen Regierung muss ich jedoch mittheUen, düss »der grosse 
Moment ein grosses Geschlecht fand«. Ja, noch mehr; die Begie- 
mng that des Guten zu viel. Sie schickte nicht nur vier Aerzte 
dahin, sondern miethete eine Reihe von Krankenwärtern mit einem 
Gehalt von 20 fl. per Tag!!! Diese sollten die Anweisungen der 
Aerzte ausführen, sowohl was die Behandlung der TJuglücklichen als 
auch die Verpflegung derselben betraf; für die vom Hungertyphus 
heimgesuchten Bewohner Bantams wurden auf mein Ersuchen Eier, 
Büchsen mit condensirter Milch, Dendeng (getrocknetes Fleisch) und 
lebendes Schlachtvieh mir gesendet, welches die Krankenwärter zu- 
gleich mit den hunderttausenden Ghininpillen yertheilen sollten. 



Mir wurde also, wie erwähnt, der Süden der Provinz angewie« 
sen, mit Hülfe von vier Krankenwärtern von Kampong zu Kampong 
zu ziehen, die Zahl der Kranken aufzunehmen, die Art der Erkran- 
kung zu diagnosticiren imd bei jedem Patienten die Behandlungs* 
weise dem Krankenwärter mitzutheilen, welche ohne Zwang, jedoch 
mit Ueberredung für das Einnehmen der Medicamente soigen imd 
dort, wo Mangel an Speise und Trank es forderte, die erhaltenen 
Lebensmittel vertheilen sollten. 

Serang ist eine Provinzialhauptstadt von untergeordneter Be- 
deutung. Von den Gebäuden mögen höchstens die Häuser des Re- 
sidenten und des Regenten durch ihre Grösse die Aufmerksamkeit 
der Touristen erregen, während Bantam-lama (das alte Bantam), die 
alte Sultanstadt, seit 1808 verlassen, grosse und schöne Denkmäler der 
alten Baukunst und der alten Grösse dieses Reiches aufzuweisen hat 
Besonders die (renovirte) Sultansmoschee mit den Gräbern der Ban- 
tamschen Sultane und das Mausoleum des Pangeran Hassa-Udin 
verdienen die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher. Sie liegt 
an dem Meerbusen von Bantam und kann daher bequem zur See 
mit einem Dampfer der indischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft er* 
reicht werden. Uebrigens ist die alte Sultanstadt mit Serang durch 
einen guten Landweg verbunden und mit einem gewöhnlichen Reise- 
wagen leicht in ein paar Stunden zu erreichen. 

Leider musste ich so bald als möglich meiner Bestimmung fol- 
gen, so dass ich nicht in der Lage war, die Ruinen des mächtigen 
Reiches Bantam besichtigen zu können. 

Ich konnte zwar bequem bis in die Nähe meines neuen Stand- 



70 Bine Stute als Reitpferd. 



platzes (TjUeles) und selbst bis an die Südküste mit einem Dos-k-doei^ 
gelangen, aber der Besuch der umliegenden Dörfer konnte nur 
zu Pferde geschehen; ich ergriff daher mit Vergnügen das Aner- 
bieten des Thierarztes zu Serang, eines seiner unbenutzten Pferde 
zu kaufen. Vor meiner Reise nach Indien hatte ich ja in dem 
Haag 21 Beitlectiouen genommen^ und hoffte daher, Ton. meiner 
erworbenen Reitkunst in jeder Hinsicht Gebrauch machen zu können. 
Bei den Unterhaudlungen um den Preis desselben glaubte ich ein 
spöttisches Lächeln um die Lippen meines Bedienten schweben 
zu sehen; ich interpellirte ihn darüber auch, aber mit der grössten 
Buhe antwortete er mir: »Tidah, Tuwan lupa = nein, mein Herr 
täuscht sich.« Auch späterhin glaubte ich dieses spöttische Lächeln 
im Gesicht des Eingeborenen zu sehen und schrieb es einer Unbe- 
holfenheit meinerseits zu. Auf unangenehme Weise soUte ich je- 
doch die Ursache dieses Lächelns erfahren. Hoch (?) zu Boss ritt 
ich eines Tages von Tjileles nach Gunung Kentjana, als eine Truppe 
unbewachter Pferde mir nicht nur folgte, sondern auch den Bücken 
meines Pferdes attaquirte; meine Peitsche schaffte mir auch eine 
Zeit lang Buhe, bis ich endlich vom Pferde stieg und einem yor- 
übergehenden Bauer darüber Vorwürfe machte, dass seine Pferde 
ohne Aufsicht herumliefen und andere Menschen belästigten. 

»Ingi Dero!« antwortete dieser = »ja, Euer Wohlgeboren, aber 
Niemand reitet auf einem Weibchen!« Dies ist thatsächlich in In- 
dien der Fall, auch in der ganzen Armee werden nur Hengste zum 
Beiten gebraucht, während die Weibchen nur vor den Wagen ge- 
spannt werden. 

Während mein Pferd mit meinem Bedienten später folgen sollte,, 
miethete ich ein Dos-ä-dos und fuhr zunächst nach Pandaglang,. 
das am Fusse des Vulcans Karang liegt und dann immer (schon von 
Serang aus) in der Bichtung gegen die Südküste nach Bangkas 
Betong, der Hauptstadt des Bezirkes Lebak. Der Assistent-Be- 
sident und der Begent waren in jeder Hinsicht tüchtige Beamte und 
liebenswürdige Menschen. Nur wenige Stunden verweilte ich in 
ihrer angenehmen Gesellschaft und gab dem Dos-ä-dos den Abschiede 
Wenn auch die Strasse bis zum Fusse des Gunung (Berges) Kent- 
jana per Wagen befahren werden konnte, so wählte ich doch das 
Beitpferd zur Beise dahin, um eine bessere Aussicht zu haben. 

Während Bantam im vorigen Jahrhundert hunderte von Zucker- 
fabriken zählte und die Gouvernements - Kaffeecultur (besonders 



Der Königstiger. 71 



Hn. Pandeglang) blühte, zog ich während meiner ganzen Reise Ton 
Serang bis Tjileles und später bis Malimping, bei welchem man 
schon das Bauschen und die Brandung der See hört, durch schwach- 
bebaute Landstriche. Nur selten sah ich ein Reisfeld in Blüthe 
stehen; beinahe überall starrte mir das todte, schmutziggelbe, brach- 
liegende Reisfeld entgegen und zeigte mir das drohende Gespenst 
der Hungersnoth. 

Tjileles lag links zur Seite des Weges nach Gunung Ken^ana. 
Eün kurzer Pfad führte mich bis zur Thüre eines Geheges. Jetzt 
erst sah ich, dass ich am Eingange eines kleinen Kampongs stand, 
der von einem dichten Gehege von grossen Fruchtbäumen umgeben 
war, deren Zwischenräume von einem undurchdringlichen Netze von 
dpmentragenden Schlingpflanzen als Bambu dun u. s. w. erfüllt 
waren. Wie ich später auf meinen Streifzü^eu durch Lebak sah, 
jliatten alle Kampongs ein solches Gehege mit einer kleinen Thür, 
welche in der Nacht geschlossen wurde. 

Dass der Königstiger feige sei, ahnte ich nicht, als ich den 
Kampong betrat und mir meine Wohnung angewiesen wurde. Im 
Hause des Dorf häuptlings sollte ich die vordere Veranda zur Wohn- 
stätte angewiesen erhalten; sie sollte mein Schlaf-, Studier-, Speise- 
und Empfangszimmer sein. Das östliche Ende war von drei Seiten 
mit Bambuswänden umgeben, und die vierte Seite hatte einen Vor- 
hang, hinter welchem mein Bett stand. Der Königstiger ist feige, 
aber dass er so feige sei, um sich durch eine so schwache Schutz- 
mauer von einem nächtlichen Ueberfall abhalten zu lassen, hätte 
ich nicht geglaubt. Keine 15 Meter weit stand mein Schlafzimmer 
von dem Gehege entfernt, welches mich vor einem unerwünschten 
Besuche eines Königstigers schützen sollte. Wenn die Regierung 
für jeden unschädlich gemachten Tiger 100 fl. bezahlt (einen Preis, 
der für einen Kampongbewohner geradezu ein fürstliches Kapital 
ist), welchen Schaden müssen diese Katzen anrichten, wie schwer 
müssen sie zu fangen oder zu tödten sein, und wie zahlreich müssen 
sie hier hausen, dass die Regierung hier 100 fl. bezahlt, während 
sie in anderen Theilen Javas, wo allerdings nicht der Königstiger, 
sondern nur der Matjan tutol am häufigsten gefunden wird, nur 
32 fl. bezahlt. 

Der Eingeborene ist Fatalist; aber auch der Europäer muss es 
werden, da er ja in Indien im Innern des Landes täglich das Damo- 
klesschwert, nicht täglich, sondern immer und immer über seinem 



72 Javanische Pferde. 



Haupte schweben fühlt. Es war nicht die angenehmste Nacht meines' 
Lebens, welche ich an jenem ersten Tage in dieser offenen Veranda 
▼erbrachte. Jedoch kein Rhinoceros, kein wilder Büffel, kein 
Tiger und keine Schlange hatten meinen Schlaf gestört. 



Die javanischen Pferde sind klein aber ausdauernd; sie sind 
häufig nicht höher als 1,10 Meter ;^) in früheren Jahrzehnten haben 
die Pferde aus der Preanger-Begentschaft einen hohen und statt- 
lichen Wuchs gehabt; die Basse degenerirte jedoch mit jedem Tage, 
weil sie kaum erwachsen zum Lastentragen herangezogen wurde. 
Die Begierung sah diese Gefahr imd griff zu dem so häufig ange- 
priesenen Mittel, zu den Wettrennen, um durch das »Spiel« oder 
vielmehr durch das »Wetten« die Eingeborenen zu veranlassen, mehr 
Sorgfalt auf die Zucht der Pferde zu verwenden. Es wurden zu 
Buitenzorg schon vor zwanzig Jahren Wettrennen gehalten; vor 
zehn Jahren wurden dieselben auch in Magelang, der Hauptstadt 
der Provinz Kedu (Mitten-Java), eingeführt, weil auch die »Keduer- 
Pferde« mit jedem Jahre schwächer und kleiner wurden; aber hier 
wie dort blieben die geträumten Bassenverbesserungen aus. Nebst- 
dem kam die Begierung durch diese Wettrennen in ein arges 
Dilemma. Einerseits verbietet sie die Hahnengefechte und das 
Wetten bei denselben, weil es bekanntermaassen die Eingeborenen 
demoralisirt; andererseits hält sie Wettrennen der Pferde und unter- 
stützt sie mit hohen Beträgen. In Magelang steuerte die Begierung 
selbst 1000 fl. jedesmal bei, um z. B. auch dem kleinen Mann es 
möglich zu machen, einige Tage mit seinem Pferde fern von seinem 
Kampong leben zu können. 

Der Besident von Kedu hat das Sterile dieser Methode bald 
eingesehen und die Wettrennen abgeschafft; aber auch in der 
Preanger-Begentschaft hat man andere Mittel gesucht und gefunden, 
um wieder eine gute Pferderasse zu erhalten ; es wurden Deckhengste 
eingeführt, und zwar von einem der eingeborenen Fürsten, welcher 
damit ein gutes Geschäft machte. 

Nach Schulzens Führer auf Java (Leipzig, Th. Grieben's Ver- 
lag 1890) hatte im Jahre 1887 die Insel Java 2,360,600 Büffel, 



^) Im Durchschnitt haben die javanischen Pferde, wenn wir von den impor- 
Urten australischen absehen, eine Höhe von 1,20 Meter. 



Javanische Pferde. 73 



1,973,750 Binder und 701,500 Pferde. Die meisten der eingeführten 
Pferde stammen von den Sandelholz-Inseln Sumba, Sumbawa, Botti, 
Sawa und Timor (welche im Osten der Insel Java liegen), yon 
Makassar (Celebes) und Ton Australien. 

Ich selbst hatte während meines Aufenthaltes auf Jara zwei 
Pferde von Kedu, zwei von Sumba, ein Preanger und zwei Makas- 
saren im Besitz. Die schönsten der auf Java vorkommenden Pferde 
sind die Battaken aus dem Innern Sumatras; sie kommen jedoch 
nur in geringer Zahl vor; nach ihnen kommen die Sandelwood-Pferde 
Ton Sumba, welche einen eleganten Bau besitzen, aber sehr nerrös 
sind. Nebstdem sind sie im hohen Grade eigensinnig. Eines Tages 
fuhr ich in M . . . mit zwei Sandelwood-Pferden zu meinen Patienten, 
als es ihnen plötzlich einfiel, striken zu wollen. J'y suis, j'y reste 
mochten sie gedacht haben; sie blieben stehen, und weder die 
Peitsche noch Zureden brachten sie von Ort und Stelle; endlich 
wollte der Kutscher eine brennende Fackel holen, um sie unter den 
Schweif zu halten. Dies gestattete ich ebenso wenig, als ich jemals 
die drastischen Mittel erlaubte, welche die Eingeborenen bei der Dressur 
der Pferde gebrauchen ; an der Kette wird ein Lederlappen mit zahl- 
reichen kleinen Nägeln angebracht, welche dem Pferde das nach aussen 
Drängen abgewöhnen sollen. Die Deichsel des Wagens bekömmt ein 
gleiches mit Nägeln ausgerüstetes Lederstückchen, um das gegen 
einander Drängen der Pferde unmöglich zu machen u. s. w. Ohne alle 
scharfen und spitzen Instrumente gelang mir jedesmal die Dressur 
meiner Pferde, und zwar mit dem kräftigsten Factor der Dressur: 
mit Geduld. Einige Jahre später bekam ich ein Paar Keduer um 
110 fl.; sie waren für eine Equipage noch nicht abgerichtet und 
hatten vorher nur als Saumthiere im Gebirge Kaffee getragen. 
Zuerst liess ich sie vor einen Grobak (Lastwagen) spannen, welcher 
gewöhnlich von einem Büffel gezogen wird. Diesen Dienst versahen 
sie gerne, weil der Kutscher sie beim Zaum führte und späterhin 
nur mit der Stimme leitete; als sie aber, zum ersten Male vor die 
Equipage gespannt, eine viel leichtere Last als früher zu ziehen 
hatten, stürmten sie ausgelassen vorwärts und hätten beinahe Wagen 
ond Kutscher gegen einen Baum geschleudert. Die schwache aber 
sichere Hand des Kutschers hielt sie jedoch fest; jetzt begann ein 
anderes Spiel; sie begannen sich auf die Hinterbeine aufzustellen 
und fielen mit den Vorderbeinen über die Stränge hinaus. Wüthend 
wollte der Kutscher mit dem hinteren Theil der Peitsche sie für 



74 JftYaniscfae Pferde. 



Eigensian bestrafen; ich erlaubte es jedoch nicht; das ganze 
Arsenal der gransamsten javanischen Abiichtungsmittel brachte er 
nach und nach zum Vorschein; ich erlaubte nur, von Fall zu Fall 
einen Strick zwischen den beiden »Stangen« oder einen Bambus- 
stock festzubinden, wenn sie entweder aus einander oder gegen 
einander drängen wollten. Endlich gelang es mir, aus ihnen gut dressirte 
Pferde zu machen, welche fünf Jahre bei mir schweren Dienst ver- 
sahen, bis auf einen Tag niemals krank waren und bei meiner Ab- 
reise noch 175 fl. erzielten, obzwar sie schon nicht mehr »zeichneten«. 

Ich kann nicht umhin, auch diesen Krankheitsfall zu erwähnen, 
weil er mir den Beweis brachte, dass der Eingeborene nicht nur 
»Gefühk für seinen Herrn, sondern auch für das ihm anvertraute 
Thier hat. 

Es war in Magelang, wo ich jeden Nachmittag um 6 Uhr einen 
Spaziergang machte. Eines Tages überfiel mich auf meinem Spazier- 
gange ein heftiger Sturzregen, wie er auch in den Tropen nicht tag* 
lieh vorkommt. Ich konnte mich flüchten, und zwar in die Woh- 
nung eines mir bekannten Hauptmanns. Wie erwähnt, der Begen 
goss in fürchterlichen Strömen vom Himmel, als ich plötzlich meinen 
Kutscher vor der Veranda stehen sah; überrascht frug ich ihn, was 
er von mir wolle. »Das eine Pferd ist krank, und ich suchte Sie, 
also, tuwan = mein Herr, denn ich weiss ja, dass Sie jedesmal in 
dieser Strasse Ihren Spaziergang machen.« Der Capitän konnte 
nicht weniger als ich seinem Erstaunen Worte verleihen, dass ein 
Eingeborener in einem solchen Wetter 1 ^/a Kilometer weit von Hslus 
zu Haus seinen Herrn suchen geht, weil das Pferd unwohl gewor- 
den war! (Es hatte Retentio nrinae.) Ein europäischer Kutscher 
hätte dieses nicht gethan! 

Eine gerne und viel gebrauchte Rasse sind die von Makassar 
(von Celebes). Sie sind nicht hoch (höchstens 1,25 Meter), aber 
ausdauernd und kräftig. In dem letzten Jahrzehnt wurden vielfach 
australische Pferde unter dem Namen Sydney er in Java eingeführt; 
es sind hoch und kräftig aber nicht elegant gebaute Pferde und 
laufen nicht schnell; sie haben bis jetzt nur als Luxuspferde bei 
den Reichen Eingang gefunden. Was ein europäisches Pferd leisten 
kann, weiss ich nicht aus eigener Erfahrung, meine »Keduer Pferde« 
jedoch, welche ich fünf Jahre lang in Magelang hatte, wurden täg- 
lich gebraucht: wenigstens zweimal des Tages hatten sie mich ins Spital, 
welches IVa Kilometer von meinem Hause entfernt war, zu bringen^ 



Elend während einer Fieberepidemie. 7^ 

Tön dort zu holen und unterwegB meine Privatpatienten zu hesucheki; 
häufig jedoch wurde ich ins chinesische Viertel gerufen, welches jeor 
seits des Weges nach dem Spital lag; dadurch kam es, dass ich oft 
zehn bis zwölf Kilometer im Tag zurücklegte; so haben also mdu^ 
Pferde fünf Jahre lang täglich ohne Ausnahnie im Durchschnitt 
zehn Kilometer zurückgelegt, obwohl sie nur 1,20 Meter hoch watepa 
und einen grossen Mylord zu ziehen hatten. Ihr Futter war tägr 
Hch für beide 120 Kilo Gras und 3 — 4 Küo Reis. , > 



. Im Jahre 1873 wurde ich von der ungarischen Regierung als 
Cholera-Arzt in den Karpathen angestellt, und ich sah damals das 
schaurige Bild eines Landes, welches von der stärksten Cholera- 
epidemie heimgesucht war, welche jemals in Europa gewüthet hat 
Aber grässlicher und ekelhafter war das Bild der durch Malaria und 
Hungertyphus und Viehpest heimgesuchten Provinz Bantam. Dort 
(in Ungarn) lagen einzelne Kranke, welche auf ihreni Marsche von 
der Cholera ergriffen wurden, auf dem Wege cyanotisch sich krüm- 
mend und windend unter den Krämpfen des Bauches. Zahlreich waren 
die Opfer, aber kurz war ihr. Leiden, in wenigen Stunden hatte der To^ 
ihren Schmerzen ein Ende gemacht. Die unglücklichen Bantamer 
jedoch litten Wochen und Monate, die Kräfte erschöpften sich, sie 
magerten zum Skelet ab ; durch die mangelnde Hautpflege, vielleicht 
auch durch die Dyskrasie des BJutes entstanden kleine Eiterbläschen 
(impetiginöser Hautausschlag), welche durch Kratzen und durch ihre 
eigenthümliche Wundbehandlung zu grossen Geschwüren sich ent- 
wickelten, die oft mehr als die Hälfte der Oberfläche des Körpers 
angegriffen hatten; solche von Noth und Elend, vom Hunger und 
Fieber erschöpften, abgemagerte, schmutzige, mit grossen Ge- 
schwüren und Eczemen bedeckte Skelete in hunderten und tausen- 
den täglich sehen und behandeln zu müssen — war ein ekelerregen- 
der Anblick, während die unglücklichen Opfer der CholerarEpidemie 
nur kurze Zeit unsere Theilnahme und Mitgefühl erregten. — 



Es war ein Missgriff der indischen Regierung, den Kranken* 
Wärtern ein so hohes Taggeld (20 fl.) zu geben; dadurch wagten es 
gerade jene Männer nicht, um diese Stelle sich zu bewerben, welche^ 



76 . Krankenwärter mit einem Taggeld von 20 fl. 

irie z. B. abgedankte Militär-KrankeDwUrter und ähnliche Schick- 
salsgenossen, die dazu am meisten geeigneten Personen waren. Meine 
ersten drei Eo-ankenwärter waren ein pensionirter Hauptmann der 
Infanterie, ein pensionirter Intendant (mit dem Bange eines Haupt- 
manns) und ein abgesetzter Notar. Von diesen drei »hohen Herren« 
erfasste nur der erste richtig seinen Beruf; ging in die entlegensten 
KampongS; besuchte alle Patienten, gab nach seinem ürtheil Chi- 
ninpillen, wenn er Zweifel hegte, rief er mich zu den Patienten, und 
yertheilte die erhaltenen Lebensmittel unter die dürftigsten und ärm- 
sten der Armen. Der Zweite jedoch, der pensionirte Intendant, 
blieb auf seinem Standplatz, liess die Häuptlinge der benachbarten 
Kampongs zu sich kommen und gab diesen auf Grund ihrer Be- 
richte die etwa nöthige Menge an Chininpillen und Lebensmitteln, 
sein Standplatz war in M . . . ., und wie überrascht war ich, als 
ich eines Tages seinen Bezirk inspicirte und von allen Patienten, 
die ich untersuchte und frug, zu hören bekam, dass der tuwan (Herr) 
nicht in das Dorf käme; noch mehr war ich überrascht, als dieser 
gute Mann mir auf meine diesbezügliche Frage das stolze Wort zur 
Antwort gab: »Ich kann doch als pensionirter Intendant nicht in 
die Kampongs gehen und den Kulis Essen ins Haus bringen!!« 
Obwohl es ihm gelang, gegenüber dem Dr. J., meinem Chef, meine 
diesbezügliche Mittheilung zu entkräften durch Hinweis auf eine nicht 
existirende Intrigue, so verschwand er bald danach vom Schauplatze, 
weil die Begierung bald das Taggeld auf 5 fl. herabsetzte und dann 
Männer erhielt, welche für diesen Dienst die geeigneten Personen 
waren. Was die Intrigue betrifft, welche in der Phantasie dieses 
Mannes existirte, war sie nur eine faule Ausrede; für den admini- 
strativen Theil der ganzen Hülfsaction wurde nämlich ein Controlor 
angestellt, welcher der Bruder der geschiedenen Frau dieses Kranken- 
wärters war. Dieser Controlor wohnte bei mir, also sei meine 
Anklage eine Intrigue gegen ihn gewesen. Mein Chef hatte aber 
bald Gelegenheit, sich zu überzeugen, dass ich nichts als Thatsachen 
mitgetheilt hatte, welche sein weiteres Verbleiben in dieser Dienst- 
sphäre unmöglich machten. Der dritte meiner Krankenwärter war 
ein pensionirter Notar, welcher zwar genug Pflichtgefühl besass, 
um sich in richtiger Weise seiner Mission zu entledigen, aber seine 
Kräfte waren zu schwach, denn bald nach seiner Ankunft ergriff 
ihn die Malaria, so dass er, vom Fieber erschöpft, nach Batavia 



Auf dem Kreuzwege. 77 



zuröckkehren musste, woUtt und sollte er nicht selbst das Opfer 
des Fiebers werden. 

In einem seiner Fieberanfälle um 1 Uhr Nachmittags liess er 
mich holen; zwischen Tjileles und seinem Standplatze befand sich 
ein kleiner Wald, und ich musste darum genau berechnen, ob ich vor 
Sonnenuntergang zu Hause sein konnte; am helllichten Tage hatte 
ja kurz vorher auf dieser Strasse ein Tiger eine Frau gepackt und 
war mit ihr davongeeilt. Die Entfernung war ungefähr eine Stunde ; 
der Polizist, welcher mich auf meinen Streifzügen stets begleitete, 
war auch der Ansicht, dass wir vor Einbruch der Dämmerung in 
TjUeles zurück sein konnten, und so zögerte ich keinen Augenblick, 
Hülfe zu bringen. Sein Kampong Tjiboga (?) lag ungefähr 500 Meter 
jenseits des grossen Weges. Ich beeilte mich mit meiner Ordination 
und stieg wieder zu Pferde. Als ich jedoch wieder auf dem grossen 
Wege war, sah ich, dass ich keine Cigarren hatte, liess den 
Polizisten warten, ritt im Galopp zurück, erhielt, ohne vom Pferde 
abzusteigen, die Cigarren und eilte wieder im Galopp auf den 
grossen Weg, um den Polizisten einzuholen. Wohin ich blickte, 
nirgends eine menschliche Seele, und nirgends war er zu sehen; 
ich zog weiter und kam endlich auch in den Wald, der den 
Weg kreuzte. Noch immer war kein Polizist zu sehen, auch 
als ich auf einen Kreuzweg stiess, ohne dass ich wusste, welcher 
Weg mich nach Hause führe. Rathlos stand ich da und rief Oppas,') 
Oppas, aber Niemand antwortete mir. Im Dickicht des Waldes war 
die Sonne nicht mehr zu sehen, und die Dämmerung trat ein (welche 
auf Java nicht länger als eine Viertelstunde dauert). 3) Bathlos 
stand ich da und blickte fragend nach allen Seiten, um einen Aus^ 
weg aus diesem Labyrinth zu finden; endlich unterwarf ich mich 
dem Fatum, liess die Zügel des Pferdes fallen und befahl Gott meine 
Seele. Der Gaul kannte den Weg, er »roch den Stall« und brachte 
mich auf die richtige Strasse. 

Einmal sollte ich doch einem Tiger begegnen, ohne dass ich 
ihn jedoch auch gesehen hätte. 

Am 24. Januar schrieb mir der Controlor v. d. P., welcher 
in Malimping in der Nähe der Südküste Javas wohnte, dass sein 
Söhnchen durch eine Wunde am Fusse heftiges Fieber bekommen 
habe, und ersuchte mich, sofort zu ihm zu kommen. Es war 10 ühr 



') Oppas (M.) = Oppasser (H.) = Aufseher. 
«) Tjileles liegt 6 <> 30 ' 8. Br. 



76 Heiden aof Java. 



Vonnittags^ als ich den Brief erhielt. 4ch bestieg mein Pferd und 
zog zunächst nach Gunung Kentjana (276 Meter ^) hoch gelegen), 
irelches 10 Paal = 15,06 Kilometer von meiner Wohnung entfernt 
war. Hier gab mir der Wedono ^) auf Rechnung des Herrn t. d P. 
ein Mittagsmahl (de rysttafel), und unterdessen machten seine Be- 
dienten aus ein paar Bambusstöcken und einem indischen Lehnstuhl 
eine Tragbahre. G«gen 3 Uhr erschien .eine Truppe Kulis mit 
einem Mandur (== Aufseher), und abwechselnd trugen mich Tier Kulis 
auf ihren Schultern. ' 

Noch kaum eine halbe Stunde hinter Gunung Kentjana zeigte 
mir der Mandur den Berg Bongkok (925 Meter ^) hoch), an dessen 
Fusse die Baduwies einige Kampongs bewohnten. 

Wenn wir von ungefähr 3000 eingeborenen Christen s) absehen, 
ist das Gross der Eingeborenen auf Java dem mohamedanischen 
Glauben zugethan. 

Im Jahre 1382 hatten sich die Araber Malik Ibrahim, Sideh 
Mohammad und Said! Rakidin in der Nähe des Goldflusses (Kali 
s= Fluss, Mas = Gold) bei Tandes (dem heutigen Griss^) in der 
Nähe Surabajas als Kaufleute niedergelassen und als Missionare für 
die mohamedanische Beligion eifirig Propaganda, und zwar mit grossem 
Erfolg, gemacht. Die ersten Fortschritte erzielten sie an der Küste 
bis Damak, Ton hier aus begann die gewaltthätige Unterwerfung der 
Eingeborenen, besonders, nachdem im Jahre 1483 das grosse mäch- 
tige Reich von Modjopahit von ihnen erobert worden war und der 
grösste Theil seiner Bewohner den mohamedanischen Glauben an- 
genommen hatte. Seit dieser Zeit hat nach und nach der Islamismus 
sich über ganz Java bis auf zwei Golonien ausgebreitet, welche noch 
heute abgeschieden von den übrigen Kampongs, die eine im Westen 
und die andere im Osten Jayas, sich befinden. 

Da ich niemals im Tengergebirge, welches sich auf der Grenze 
der beiden Provinzen Pasaruan und Probolingo befindet, geweilt 
habe, ich also keinen Anlass haben werde, mich mit dieser Gegend 
zu beschäftigen, so will ich hier auch einiges über die »Heiden« im 
östlichen Java mittheilen. Wie gesagt, sie leben im Tengergebirge 
(2724 Meter hoch), und alle ihre Wohnungen haben die Thüren 



^) Diese Ziffern sind die absolute Höhe, 
s) = Beamtentitel. 

') Der Jahresbericht des Ministeriums der Golonien vom Jahre 18i)4 spricht 
Ton 2789 eyangelischen und 436 römisch-katholischen Eingeborenen auf Java. 



Begegnung mit einem Königstiger. 79 

gegenüber dem Valcane Bit>mo (2290 Meter). Sie sind die Nach- 
kommen der Flüchtlinge des Reiches von Madjopahit, welche unter 
Anführung von Kiai Dadop putti sich dahin zurückgezogen hatten, 
um ihrem Glauben treu bleiben zu können und nicht der Beschnei- 
dung sich unterwerfen zu müssen. Ihre Zahl beläuft sich heute auf 
3 — 4000 friedsame Bürger, welche zurückgezogen von der übrigen 
Bevölkerung von den Erträgnissen des Bodens leben, gute unter- 
thanen sind und jährlich im Sandmeer dem »Gunung Bromo<c ihre 
Opfer bringen. 

Der Mandur wollte mir eben auch etwas Näheres über das Le- 
ben dieser Heiden von Lebak mittheilen, als die Träger der Trag- 
bahre sich plötzlich auf den Boden setzten ; ich fiel zwar nicht vom 
Sessel, aber ein gehöriger Stoss schüttelte mir die Eingeweide gut 
durch, und überrascht frug ich den Mandur, was dieses bedeute. 
Gleichzeitig zeigten alle Kulis mit der Hand nach der rechten Seite 
des Weges und riefen: Dia (= Er), Dia, Dia. Es war ein Tiger, 
der unsem Weg gekreuzt hatte. Leider hatte ich es nicht gesehen, 
80 dass ich auch diesmal, wie überhaupt niemals einen Königstiger 
im Freien gesehen habe. Ich habe zwar späterhin zwei kleine 
Tiger von einem Assistent-Residenten 2um Geschenk erhalten; es 
waren jedoch keine Königstiger, sondern zwei matjan tutul = Panther. 
Bald hatten sich die Kulis von ihrem Schrecken erholt, hoben mich 
wieder in die Höhe und weiter ging es in ruhigen gemessenen 
Schritten über Berg und Thal. Die Sonne ging unter, die'Finster- 
niss trat ein, und die Kulis zündeten ihre Eackeln an. Diese öbors 
sind bei einer Wanderung im Gebirge Bantams unentbehrlich, weil 
sie dem Tiger Furcht einjagen ; natürlich erreicht eine einzelne Fackel 
niemals ihr Ziel, aber in grossen Mengen imponiren sie doch dem 
Tiger, der geradezu feige genannt werden muss. Es war eine thea- 
tralisch-romantische Expedition, die ich damals unternahm. Dazu 
kam noch, dass ein eigenthümliches Hinderniss unseren Zug er- 
schwerte. 

Zur Bekämpfung der Viehpest, welche gleichzeitig das unglück- 
liche Bantam heimgesucht hatte, hatte die Regierung einen Cordon 
um die pestfreien und inficirten Gegenden gezogen, so dass die 
Büffel von der einen Region in die andere nicht gelangen konnten. 
Dieser Cordon bestand aus einem Gehege von Bambus, welches 
von Truppen bewacht wurde. 



80 Behandlung der Fussgeschwure durch die Eingeborenen. 

Gerade auf dem Wege nach Malimping stiessen diese zwei Ge- 
hege zusammen und waren nur durch die Strasse von einandw ge- 
trennt; wenn also auch durch Fackeln der Weg beleuchtet war, so 
geschah es doch oft genug bei den zahlreichen Ejümmungen des 
Weges, dass die Träger vorsichtig zwischen den beiden Gehegen 
layiren mussten, um mich nicht zu FaU zu bringen. 

Wenn wir nämlich von der grossen breiten Strasse absehen, 
welche, ¥rie schon erwähnt, im Anfange dieses Jahrhunderts durch 
schwere Bobottdienste angelegt wurde, sind alle übrigen Landwege 
Javas nur eine Vergrösserung und Verbreiterung der früher bestan- 
denen Pfade. Die Eingeborenen gehen immer hinter einander und haben 
also kein Bedürfiodss für breite Strassen; zum Transport der Lasten 
werden besonders im Gebirge Saumpferde gebraucht. So hat also 
hl früheren Zeiten nur der Pfad oder eine schmale Strasse, welche 
für einen Grobak (Lastwagen der Eingeborenen auf zwei Bädern, 
der von einem oder zwei Büffeln gezogen wird) hinreichend Baum 
bietet, die Verlnndung der einzelnen Kampongs besorgt. 

Endlich um acht ühr Abends kam ich in Malimping an und 
iuDtd bei dem Söhnchen des Herrn v. d. P . . ein Erysipel auf dem 
rechten Unterschenkel in Folge eines vernachlässigten Fussgeschwüres. 
Ob da nicht wieder die Babu (das Dienstmädchen) die Behand- 
tungsweise der Eiageborenen der Frau des Controlors aufgedrungen 
hat, weiss ich nicht; wahrscheinlich war dies der Fall, denn diese 
Dame war in Indien geboren und darum geneigt, der Behandlungs- 
weise der Dukun einen hohen Werth beizulegen. Die Bewohner 
Bantams behandeln die Geschwüre auf gewiss einfache Weise. Eine 
(meistens alte, sdmiutzige) Kupfermünze wird glatt geschlagen, mit 
feinen Löchern siebartig versehen und mit einer Schnur auf dem 
Geschwüre befestigt. Nicht allein europäische Laien, sondern auch 
Aerzte habe ich ein Loblied auf diese Therapie der Geschwüre 
singen höre/iü Die Kupfermünze oxydire und cauterisire durch das 
entstandene Kupferoxyd die Granulationen der Geschwüre!! Unserem 
kleinen Patienten war es dadurch übel ergangen; durch die Oeff- 
nungen in der kupfernen Platte ist zwar der Eiter abgeflossen, aber 
nicht immer geschah dies; pathogene Bacterien fanden durch diese 
kleinen Löcher ihren Weg und Zutritt zum Geschwüre, und ein 
Erysipel = Bothlauf entstand, welches nicht allein das Bein, son- 
dern auch das Leben des kleinen Mannes bedrohte. Es gelang mir^ 
beides unserm Patienten zu erhalten. 



/ 



Fig. 6. Zwei BundaiipBische FrinEeBsinneii mit zwei BedajsK 
(adelige Tänzerinnen ■). 

') Der Photograph hat in richtiger Aufianiung dpr javaniBchen Etiqiifttr 
bei der Aufnahme die Prinzessin nen stehen und die B«d^wi und die Hiinikanteii 
Ritxen iBRBpn. Nicht nur bei ofiiciellen FcBtlichkeiti'n, nondirn aucli im nlllÄg- 
liehen Leben setJtt sich der , kleine Mann" sofort, auf den Boden, wenn er mit 
einem hohen eingeborenen oder pnropäiBchen Beamten, und wäre ob nur für 
wenige Secunden. zu thun hat; j« selbst auf der Strasac wird im Innern des 
Landes der „kleine Mann", selbst wenn er ed Pferde int, sofort absteigen und 
sich auf den Boden setzen, sobald ein Höherer sich nähert. In den Städten 
wird diese Ehrenbezeigung nur im Amte, aber nicht auf der Strasse, und auch 
nur den allerhöchBten Würdenträgem erwiesen. Selbst der Tilel „Kanjeiig tuwan" 
beistt wörtlich übersetzt: Uer Herr (tuwan), welcher steht. 



Heiden auf Java. gl 



Nachdem ich die uöthigen ärztlichen Vorschriften gegeben hatte, 
gingen wir zum Nachtmahle. In der ^ Achtergalerie« sassen wir und 
hatten vor uns den Garten, über welchen ein sanfter Südwind von 
der nahen Küste strich und uns den Duft der Kaffeeblüthe und der 
Orangen, gemengt mit dem Stallgeruche der Beitpferde, in die Veranda 
brachte. Das Zirpen des Heimchen (djangkrig M.), der Gi^lle (andjing 
tanah M.), der Singcicaden mengte sich mit dem Qua-Qua der Frösche, 
imd hin und wieder dröhnte die Brandung der nahen See und das 
Brüllen der wilden Büffel dazwischen; vereinzelt hörten wir die 
Klagelaute des Wau Wau (Hylobates leuciscus) oder das Bellen der 
halbwilden Hunde und das Schnattern unruhiger Gänse. Der ster- 
nenreiche Himmel strahlte in seiner Pracht und wetteiferte mit den 
tausenden und tausenden Leuchtkäfern, welche über dem nahen 
Sawahfeld in hochgehenden Wellen auf und ab schwebten. '^ 

Das Nachtmahl gab mir Zeit und Gelegenheit, iilich bei dem 
Controleur über das Leben und Treiben der Baduwies zu erkun- 
digen, weil mir die Mittheilungen des Mandur nicht zuverlässig 
waren. Dieser hatte von ihnen als Orang Kapir gesprochen, was 
offenbar eine Verdrehung des arabischen Kafir war. Ob es nun 
ein Schimpfwort bedeuten sollte, oder ob damit diese Menschen 
für Heiden erklärt wurden, war mir nicht deutlich. :»Ja, das 
sind Heiden, € erwiderte Herr v. d. P., :» eigentlich kümmern sie 
mich gar nicht, obwohl sie in meinem Bezirk wohnen, denn sie er- 
kennen nur in dem Regenten von Pandeglang ihren Herrn, aber 
glücklicherweise sind es friedliebende Menschen, welche sich niemals 
etwas zu Schulden kommen lassen, so dass meine Amtsthätigkeit in 
diesen Kampongs eine sehr beschränkte ist.« 

)>Ist es wahr, dass die Portugiesen die An Siedlung dieser Baduwies 
im District Lebak veranlassten?« »Ja und nein. Im Jahre 1521 
kamen zwei javanische Fürsten Aling-Aling und Kakaling nach Ma- 
lakka und baten die Portugiesen un^ Hülfe gegen die Mohame- 
daner von Bantam; diese wurde ihnen gewährt, wofür die Portu- 
giesen eine Factorij errichteten, aber Tatelehan vertrieb diese beiden 
Fürsten und die Portugiesen. Die Hindus verliessen den Norden 
der Provinz, zogen nach Gunung Kentjana, wo sie sich noch heute 
befinden.^ 

:»Ist es wahr, dass nur 60 in einem Kampong wohnen dürfen, 
und wenn die Zahl überschritten wird, muss der 61. sich anderswp 
ansiedeln?« 

BreIt«niteiB, 21 Jahre in Indien IL 6 



82 Heiden auf Java. 



»Auch das ist nur theilweise richtig; in TjiObeo, Tji^)kanekes 
und Tjii)samodor leben 60 Personen, wahrscheinlich eine Sorte 
Heilige, ganz abgeschieden von der Aussenwelt. Sobald ein Frem- 
der ihre Wohnung betreten hat, suchen sie ein neues Heim. Da- 
mm darf auch Niemand ohne meine Bewilligung dahin gehen. Sie 
heissen Djelma dalem, im Gegensätze zu den Djelma luwar, welche 
Handelsleute sind und sich in jeder Hinsicht mit den Eingeborenen 
yerbinden. (Das Wort dalem heisst inwendig (M.), und das Wort 
luwar äussere.) 

In jedem EAmpong führen drei Männer einen besonderen Titel, 
und zwar G-iran pohon, welcher wahrscheinlich der Häuptling und 
höchste Priester ist, und zugleich mit dem Pangasuh kokolot für 
Jeden unsichtbar bleibt, während der Giran serat der Minister des 
Aeusseren ist und ab solcher die Gemeinde nach aussen vertritt.« 

»Wie riel Djelmas existiren in Ihrem Bezirke, und kommen 
auch einige auf den benachbarten Inseln Pulu Tjindjil und P. Keiupa 
vor?« »Das erstere kann ich weniger bestimmt als das zweite be- 
antworten. Sie wohnen nur in den drei genannten Kampongs und 
kein Einziger auf diesen beiden Inseln. Da ich nur von den Mit- 
theilungen des Giran serat die Stärke ihrer Mitglieder kenne — un- 
gefähr 2000 alles in allem — , so kann ich nur annähernd diese 
Ziffer angeben, obwohl ich keine Ursache habe, diese Angabe zu be- 
zweifeln.« 



Am andern Morgen borgte mir Herr v. d. P. ein Reitpferd, 
und begleitet von einem Oppas kehrte ich auf demselben Wege zu- 
rück, auf dem ich gekommen war, und erreichte noch denselben 
Abend meine Wohnung in Tjileles. Beinahe den ganzen Tag war 
ich auf dem Pferde gesessen, die Tropensonne hatte mich nicht ge- 
schont, und so begnügte ich mich, einen kleinen Imbiss zu nehmen 
und dann sofort schlafen zu gehen. 

Es mochte ungefähr zehn Uhr gewesen sein, als der Häuptling 
mich aus dem Schlafe weckte mit dem Kufe: tuwan Regent ada = 
Der Herr Regent ist angekommen. 

Der Anlass dazu war folgender: Zu meinen Obliegenheiten ge- 
hörte auch der Rapport, den ich alle zehn Tage über meine Lei- 
stungen und Beobachtungen einreichen ipusste. In einem derselben 



*) Tji ist die Verkürzung von Tjai = "Wasser (S.). 



Drohende Hongersnoth in Bantam. 33 

erwähnte ich auch^ dass ich auf allen meinen Wanderungen nur 
unbebautes Land sah, dass ich nur selten einem Büffel begegnete/ 
und dass Hungersnoth die unrermeidliche Folge sein müsse; der 
grösste Theil der Bevölkerung sei ja von der Fieber-Epidemie er- 
griffen, könne also das Feld nicht bebauen. Die Büffel seien ent- 
weder der Yiehpest erlegen oder dem tödlichen Blei der »Com- 
mittirten«, welche auf Avis des Thierarztes X. alle Büffel todt- 
schiessen mussten, welche sich im Bannkreise von einem Paal 
= 1^/a Kilometer von einem erkrankten Büffel befanden!! Ich 
musste also mein Videant consules, ne quid detrimenti capiat res 
publica der Regierung zurufen. 

Ich stand rasch auf, kleidete mich an und empfing den Regenten, 
der mich interpellirte, wie so ioh das graue Gespenst derHungers- 
noih entrollen konnte und durfte, da ich doch nicht wu«ste, wie 
gross der Vorrath an Reis sei, welcher von der vorjährigen Ernte 
aufgespeichert läge. 

Der Eingeborene ist immer ruhig und höflich, noch mehr aber 
ein Regent, welcher in seiner Würde zu kurz kommen würde, wenn 
er nicht in gemessenen höflichen Worten seine Ansichten aus- 
spräche. Dies that auch der Regent von Lebak, als er mich über 
die Gefahren einer Hungersnoth interpellirte. Nachdem er mir 
mitgetheilt hatte, dass der Zweck seiner Reise sei, von Kampong 
zu Kampong zu gehen, um persönlich die Menge des Yorrathes an 
Reis zu constatiren, lud er mich zu einer Partie Whist ein. 

Es wurde ungefähr zwei Uhr Nachts, bis ich mich wieder 
den Armen Morpheus anvertrauen konnte; ich sehlief am andern 
Morgen um neun Uhr noch den Schlaf des Gerechten, als wiederum 
eine Visite angekündigt wurde. Es war einer der Männer, welche 
bei der Viehpest-Commission angestellt waien, um, wie oben schon er- 
wähnt wurde, nicht nur jeden kranken Büffel zu er^chiessen, sondern 
auch jedes gesunde Thier, welches in der Nähe bis auf einen Paal 
= 1,5 Kilometer von einem kranken Büffel gelebt hatte. Ich muss 
gestehen, dass dieses Gutachten des Thierarztes X. eine radicale 
Cor zur Bekämpfung dieser Epidemie vorschrieb; aber es wurde 
mit dem Bade auch das Kind ausgegossen, und der ganze Vieh- 
stand dieser unglücklichen Provinz war in seiner Existenz bedroht. 

Einstimmig erhob auch die indische Presse einen lauten Pro- 
test gegen diese unpraktische und gefährliche Procedur. 

Zu meiüer Ueberraschung war mein neuer Besuch ein alter 

6* 



84 AusBterben der Büffel. 



Bekannter, ein Pole, den ich firüher in Batavia gesprochen hatte. 
Der Herr D . . ., welcher gegenwärtig ein gut situirter B^ispflanzer 
bei Batavia ist, theilte mir so manches über das Gebaliren dieser 
»Committirten« mit, das geradezu haarsträubend war. Auf seinen 
Inspectionsreisen hat der Thierarzt in der ganzen' Provinz jeden 
»Committirtenc belobt, der den Beweis bringen konnte, gesunde 
Büffel erschossen zu haben. Ob es gerade ein Paal war, in dem sich 
ein kranker Büffel befunden hatte, oder ob es zwei oder drei Elilo- 
meter waren, kümmerte so manchen dieser Herren nicht. Sobald 
sie einen Büffel krank sahen, tödteten sie nicht nur diesen, sondern 
zogen in ihrem Rayon durch alle Kampongs und schössen alle Büffel 
nieder; natürlich- musste die Begierung jeden erschossenen Büffel 
bezahlen. In wenigen Tagen war d^r erhaltene Preis aus den Hän- 
den des armen Bauern verschwunden, und jetzt stand er ohne Büffel 
da, geschwächt durch das Fieber konnte er in persona das Feld 
nicht bebauen — und der Herr Regeni bezweifelte, dass Hungers- 
noth dem unglücklichen Lebak bevorstehe ! Wie sein Gegenbericht 
abgefasst war, weiss ich nicht, aber bald nachher wurde ich nach 
Tjicandi versetzt. 

Während der Regent in jede Scheuer kroch, um den Vorrath 
an Reis zu constatiren, ging ich wie gewöhnlich zu den armen Krau- 
ken, gab ihnen Chininpillen, Chinawein, Carbolwasser, und wo Mangel 
an Lebensmitteln bestand, gab ich Milch, welche aus der conden- 
sirten schweizerischen Milch mit gekochtem Wasser bereitet wurde, 
oder Enteneier und Dengdeng an Reconvalescenten. An demselben 
Tage liess ich einen Büffel schlachten und liess das Fleisch an die 
Unglücklichen vertheUen. Das Bild einer sundanesischen Frau (Fig. 2) 
schwebt mir noch heute vor Augen, welche zwar die Malaria überstanden 
hatte, aber wegen Mangels an Nahrung dem Hungertode nahe war. 
Ich flösste ihr zunächst ein wenig Chinawein ein und liess bei meinem 
Gastgeber eine Hühnersuppe kochen; ich hatte die Genugthuung, 
sie am Leben zu erhalten. Während bei meiner ersten Visite diese 
arme Frau einen fadenförmigen Puls und eine kaum wahrnehmbare 
Stimme hatte, mit schwachen Bewegungen des Armes Fliegen wegfing, 
welche gar nicht bestanden, und schon das unregelmässige Athmen 
hatte, welches nach Cheyne-Stokes den Namen führt u. s.« w., 
kam sie noch vor meiner Abreise aus Lebak zu mir, setzte sich zu 
meinen Füssen nieder, wollte mir die Schuhe küssen und sprach 



Dreimal in Lebensgefahr. §5 



einen langen Segenswunsch aus, der von »Tnwan Allah« ein langes 
Leben und alles Gute erflehen sollte. 

Am andern Morgen kam Dr. J., um gemeinsam mit mir die 
Gegend zu durchreisen und sich persönUch von dem Gange des 
Dienstes zu überzeugen. Wie vorher bestimmt wurde, sollten der 
Begent, der Assistent-Resident und in jedem Unterbezirk der be- 
treflfende Wedono sich daran betheüigen. Wir alle waren zu Pferde, 
jeder you uns hatte einen Bedienten ebenfalls zu Pferde mit sich, 

' nebstdem schloss sich uns (freiwillig) Herr D ... an, so dass eine 
ganze Cayalcade sich in Bewegung setzte, Zunächst ging es nach 
Gunung Eentjana, wo wir eine Stunde ausruhten. Die Pferde muss- 
ten zum weiteren Ritt gewechselt werden, dafür hatte der Wedono 
gesorgt; es wurden andere Pferde gebracht und je nach dem Range 
des Reiters das betreffende Pferd mit dem dazu gehörigen Sattel 
gegeben. Ich war der Niedrigste im Range (Herr D . . . behielt 
sein Pferd, welches kräftig genug war, um nochmals 10 — 15 Paal 
zu laufen), ich bekam abo das schlechteste Pferd und den schlech- 
testen Sattel. Hinter Gunung Kentjana fiel der Weg steil ab, bis 
wir zu dem Flusse Tji-Liman (?) kamen, über den eine Brücke 

I ohne Geländer führte; sie bestand nur aus mehreren aufeinander- 
liegenden Bambus-Matten. Der ganze Zug flog über die Brücke, 
mein Pferd jedoch blieb plötzlich stehen und »steigerte«, d. h. be- 

' gann, sich auf die Hinterbeine zu stellen. Es gelang mir jedoch, 
im Sattel zu bleiben und mit einem kräftigen Hieb der Peitsche 
das Pferd wieder auf die Vorderbeine zu bringen; in demselben 
Augenblick glitt es aber mit den Hint^rfüssen aus imd kam mit 
denselben über den Rand der Brücke. Instinctmässig warf ich mich 
sofort auf den Hals des Pferdes, welches die drohende Gefahr merkte 
und mit starkem Rucke die Hinterfüsse wieder auf die Brücke 
brachte. Der Fluss hatte niedrigen Wasserstand, war vielleicht zehn 
Meter tief, und ich wäre jämmerlich zu Grunde gegangen, wenn es 
dem Pferde nicht gelungen wäre, auf die Brücke seine Hinterfüsse 
zurückzubringen. 

Noch zweimal brachte mich diese Expedition in Lebensge- 
fahr. Ueber Berg und Thal führte uns der Weg nach Tjil^°8*^P- 
Während ich mit einem oder dem andern Herrn im Gespräche 
war, nahm wiederholt mein Pferd einen Anlauf xmd flog wie 
toll unter dem schallenden Gelächter meiner Reisegenossen der 
Truppe voraus. Es war ein jnir unbekanntes Pferd, und diese An- 



86 Dmmal in Leb^nsgefkhr. 



fälle von Wuth zum Gkdopp machten mich zuletzt ängstlich; aber 
das Lachen der übrigen Herren beruhigte mich einigermaassen. 
Wiederum setzte sich ganz unerwartet mein Gaul in gestreckten Galopp^ 
und zwar in einem Augenblick, wo nur ein schmaler Pfad auf den 
Berg führte; zu meiner Rechten war eine steile Wand, und zu 
meiner Linken ein vielleicht 100 Meter tiefer Abgrund. Ein Schwin- 
del erfasste mich schon, es drehten sich mir schon die Bäume vor den 
Augen, und angstvoll drückte ich die Weichen des P^rdes, als hinter 
' mir plötzlich Herr D. erschien und mit dem Kopfe seines Pferdes 
den Hintertheil meines Pferdes gegen die steile Wand drückte. 
»Ja, ich bin ein guter Reiter,« rief er mir zu, und verwundert 
blickte ich ihn an, was dieser Ausruf zu bedeuten hätte. Jetzt ge- 
stand er mir, dass er jedesmal mit seiner Peitsche mein Pferd 
zwischen den Hinterbeinen gekitzelt hätte, und dass dieses die Ur- 
sache des Galoppirens meines alten Gaules gewesen sei! »Sehen 
Sie sich diesen Abgrund an,« autw ortete ich und — drehte ihm d^n 
Rücken. 

In Tjilangap blieben wir nicht lange und kehrten denselben Tag 
zurück. Auf dem Bei^e Gunung Kentjana verliess uds der Assi- 
stent-Resident und der Regent, und ich und Dr. J. wollten weiter 
ziehen. Mein eigenes Pferd war unterdessen von einem Kuli nach 
Tjileles zurückgebracht worden, und ich bekam einen Gaul, der,, 
wie mir der Eigenthümer mittheilte, die Gewohnheit hatte, beim An- 
ziehen der Zügel zu galoppiren; nebstdem trug das Geschirr eine 
Stange, welche mit stumpfen Stacheln versehen war. (Diese Stange 
wird von den Eingeborenen * gebraucht, um wilden und unbändigen 
Pferden das Galoppiren abzugewöhnen.) Wir mussten bergab reiten, 
der Berg war aber nicht so steU, dass wir absteigen mussten. Drohende 
Gewitterwolken zogen sich über unsero Häuptern zusammen, und 
im Gespräche, ob wir vor dem Unwetter noch Tjileles erreichen 
konnten, vergass ich die weisen Lehren, welche mir der Eigen- 
thümer des Pferdes gegeben hatte, und unwillkürlich, wir ritten ja 
bergab, zog ich die Zügel an; die Stacheln der Stange stiessen in 
die Mundwinkel meines Pferdes, und wie ein Spielball flog ich aus 
dem Sattel. Dr. J. überzeugte sich nur für einen Augenblick, dass 
ich mir nichts gebrochen hatte, und verliess mich, um, wenn mög- 
lich, vor Eintritt des Sturmes eine trockene Stätte zu erreichen» 
Ich aber hatte am linken Knie eine so schmerzhafte Contusion er- 
litten, dass ich nicht mehr das Pferd besteigen konnte. Ich erhob 



Dreimal in Lebensgefahr. 87 



VEdch Tom Boden, fasste den Gaul beim Zügel und hinkte weiter. 
Ein Blitzstrahl durchzuckte den Horizont und kündigte einen heftigen 
Sturm an; nirgends eine Hütte, nirgends eine lebende Seele, nichts 
als Urwald zu beiden Seiten des Weges, und vor und hinter mir die 
sckmale Strasse. So hinkte ich weiter, während der Begen in 
schweren Strömen sich über mich ergoss, der Blitz alle fünf Minuten 
das graue Panorama erhellte und der Donner im dreifachen Echo 
Ton einem Berge zum andern rollte. Ich zog hinkend weiter, weil 
ich 14 Kilometer zurücklegen musste, um nicht bei Einbruch der 
Einstemiss in Gottes freier Natur übernachten zu müssen. Ich fand 
zwar ein Wächter-Häuschen (Garduhäuschen), welches eine Baleh- 
baleh, d. h. eine aus Bottang geflochtene Bank hatte, mit einem 
ausgehöhlten Baumstamm, auf welchen mit einer Keule geschlagen 
wird, um das Dorfsignal zu geben; aber kein Wächter war darin; 
die Bank war zwar überdeckt mit einem Dache von Atap, es waren 
aber so grosse Oeffnungen darin, dass ich darunter auch nicht vor 
dem strömenden Hegen geschützt war; ich hinkte also weiter. End- 
lich erreichte ich Tjileles und meine Wohnung; sofort befreite ich 
mich von den Kleidern und von der Wäsche, welche so nass waren, 
ak ob sie aus dem Troge einer Wäscherin gekommen wären. 

Während ich wie der selige Don Quijote mit dem Zügel 
meine Rosinante am Arme unter dem strömenden Regen meines 
Weges hinkte, hatte ich alle Gefahren vor den Augen, welche ein 
solcher Marsch im Regen im Gefolge haben sollte und könnte. 

Vor 18 Jahren spielten die Bacterien noch keine so grosse 
Rolle in der Aetiologie aller Krankheiten, und zahlreich waren die 
Leiden und Schmerzen, welche der )> Erkältung« zugeschrieben wurden. 
Ein solcher Marsch in einem heftigen Regenwetter, welcher einige 
Stunden dauerte, musste nach den damaligen Ansichten ein Fieber, 
einen Rheumatismus, ja selbst :> heftige Affectionen vom Centralnerven- 
system« (Dr. van der Burg) zur Folge haben. Nichts von allem 
diesen geschah mit mir. Es ist eine bekannte Erscheinung, bei 
heftigem Regenwetter eingeborene Knaben und Mädchen, selbst. halb 
europäische und rein europäische Kinder von 4— ö Jahren, in 
Adams Toilette in den Pfützen herumlaufen und spielen zu sehen; 
selbst eine Deukalionsfiuth schrickt keinen Eingeborenen ab, sei es 
Mann oder sei es Frau, in's Bad zu gehen, auch wenn er z. B. 
viele Meter weit zum Fluss hinabsteigen muss, ja noch mehr. In 
der Regel gebraucht der Eingeborene kein Handtuch, trocknet sich 



gg Ein ungefiihrlicher Spaziergang im Regen. 

nicht nach dem Bade ab, sondern läset einfach den Sarong, in dem 
er das Bad genommen hat, fallen, zieht einen trockenen an und 
überlässt es den Sonnenstrahlen, das Trocknen des Körpers sofort 
zu veranlassen. Es ist andererseits kein Zweifel, dass der Europäer 
eine andere Constitution als 'der Eingeborene hat. Aber es ist im 
Auge zu behalten, dass in den Tropen die Temperaturunterschiede 
zwischen der Körpertemperatur und der des Regens nicht so gross 
als in Europa sind, dass die des Regens selbst viel höher ist und 
derselbe viel schneller als in den gemässigten Zonen verdunstet. 
Wenn auch durch das Bad und durch den Regen, welcher sich 
unter den Kleidern ansammelt, die Poren sich schliessen, weil durch 
die Verdampfung des Wassers Kälte erzeugt wird und diese die 
peripheren Blutgefässe sich retrahiren lässt, so dauert dieser Process 
nur kurze Zeit. Sobald die Verdampfung abgelaufen ist, erweitem 
sich wieder die peripheren Blutgefässe, und eine wohlthuende Wärme 
durchströmt die Haut. Wenn auch die »Erkältungstheorien« bis 
jetzt noch zu wenig erforscht und begründet sind, so wenig selbst, 
dass man sie noch nicht in den Rumpelkasten der veralteten Theo- 
rien verweisen kann, so bleibt es immerhin unerklärt, wie z. B. die 
Bacillen der Lungenentzündung unter oben angeführten Verhält- 
nissen in den menschlichen Organismus eindringen sollten; eine solche 
Sündfluth kann unmöglich diese Mikroorganismen in die Luft schwe- 
ben lassen. Man müsste nur annehmen, dass diese Krankheits- 
erreger schon vorher in den Organismus eingedrungen waren und 
durch die Contraction der peripheren Blutgefässe mit der unter- 
drückten Transpiration den Körper nicht verlassen könnten. 

Ich will mich jedoch in solche Theorien nicht weiter einlassen 
und mich auf die Mittheilüng der Thatsache beschränken, dass in 
den Tropen ein Spaziergang im Regen, und selbst in dem stärksten 
Regen, bei gesunden Menschen ein nicht unangenehmes Empfinden 
erzeugt; ich will jedoch betonen, dass ich nur von gesunden Menschen 
spreche und nicht von Patienten, welche durch Fieber oder durch 
Dannerkrankung u. s. w. erschöpft und darum weniger widerstands- 
fähig sind. 



5. CapiteL 



Fleischspeisen auf Jara — Deng-den^ — YergiftaBgsfllle 
Bediente — Malaria — C^eographie ron Bantam. 



Decuniär war mein Aufenthalt in diesem unwirthlichen^ unglück- 
^ liehen Bantam günstig zu nennen; denn neben meinem fixen 
Gehalt bekam ich 6 fl. Diäten und Meilen-Gelder für mich und für 
meinen Bedienten. Es bleibt aber inunerhin ein niagerer Trost, zu 
hören, das »Geld yersüsse die Arbeit«. Dieses erinnert mich an 
die Erzählung, dass Friedrich der Grosse eines Tages in später 
Abendstunde einen Courier empfing und dem Intendanten befahl, 
dem hungrigen Courier etwas zu essen zu geben. Am andern Tage 
erkundigte sich der König nach dem Abendessen des Couriers. Als 
dieser dem König mittheilte, dass er vom Intendanten einen Thaler 
erhalten habe, liess er denselben kommen und steckte ihm einen 
silbernen Thaler in den Mund mit den Worten: >» Jetzt esse Er 
einmal.« 

Auch ich hatte wenig von dem Bewusstsein, während meines 
Aufenthaltes unter diesen unglücklichen Menschen einige hundert 
Gulden mehr fils gewöhnlich zu verdienen; ich bekam zwar täglich 
meinen Reis mit diversen Saucen und einigen Gemüsen und ge- 
trocknetes Fleisch und Huhn; ich musste es mir aber von Serang, 
d. i. ungefähr 60 Kilometer, von einem Kuli bringen lassen. Keine 
frische Milch, keine Erdäpfel zu haben, war ich schon längst ge- 
wöhnt; aber schwer vermisste ich täglich das Brot beim Kaffee und — 
die Zeitung; aber schliesslich war ich zwanzig Jahre jünger als heute, 
und in einem Alter, in dem die Elasticität des Körpers mit der des 
Geistes gleichen Schritt hält, und in dem man sich leicht und 
bequem in veränderte Lebensbedingungen schickt. Während 



90 Fleifichspeisen auf Java. 



meines fünfmonatlichen Anfenthaltes in Bantam habe ich kein ein- 
ziges Mal frisches Bindfleisch bekommen. Wurde für die Bevölke- 
rang hin und wieder ein Büffel geschlachtet, so machte ich aus 
naheliegenden Gründen davon keinen Gebrauch. Die Eingeborenen 
essen es gerne, obzwar das Fleisch einen süsslichen Geschmack hat, 
der nicht Jedermann befiriedigt. (:^ Weisse« Karbouwen, welche 
nicht wei^ sondern ^gelblich weiss sind, werden aber niemals auf 
die Schlachtbank gebracht.) Kalbfleisch wird überhaupt in Indien 
aus mir nicht bekannten Gründen nicht auf den Markt gebracht. 
Aber Schafe, Hirsche, Ziegen, Kidangs (Cervus muntjac), Kantschils 
(Moschus javanicus), ein Sorte Hasen (Lepus nigricollus), Kanin- 
chen (Lepus cuniculus), Schweine, Wildschweine, Pferde, Hunde^ 
Kalongs (Pteropus edulis) kommen hin und wieder auf den 
Tisch. Selbstverständlich waren alle diese mehr oder weniger an- 
genehmen Fleischspeisen aus den verschiedensten Ursachen für mich 
in dieser unglücklichen Provinz unerreichbar. Ich war also auf Fleisch 
aus Conserven angewiesen. Schinken blieb natürlich hors coucours; 
für mich allein einen Schinken kommen zu lassen, um davon einen 
oder zwei Tage zu essen und das andere wegwerfen zu müssen, war 
zu kostspielig; er kostete ja in Batavia 8 — 12 fl., und in Tjileles 
hatte er mich sicher 14 fl. gekostet. (Der Kuli, welcher höchstens 
>/s Pikol = 31^4 Kilo trug, bekam ja für jeden zurückgelegten Paal 
= 1,5 Kilometer 5 Cts.) Würste zu gemessen, hatte ich von jeher 
in Indien abgelehnt; die Würste in Conserven, von denen ich na* 
türlich jetzt spreche, kommen aus Europa und liegen oft Monate 
lang bei einem Importeur in den grossen Städten, und deren Pro- 
venienz ist nicht immer sicher. Sehr häufig werden. Saucis de Bou- 
logne in den Hotels auf den Tisch gebracht, obschon vor einigen 
Jahren ein Fabrikant dieser Würstchen schwer bestraft wurde, weil 
er zur Fabrikation seiner Würstchen das Fleisch kranker Thiere 
verwendet hatte. Uebrigens haben alle Fleischsorten in Conserven 
denselben unangenehmen Geschmack von ausgekochtem Fleisch, und 
deren täglicher Gebrauch ist geradezu unmöglich. Nebstdem fehlen 
in keiner Haushaltung Büchsen mit Sardinen in Oel, Sardellen, 
pati^ de foie gras, worin die Gänseleber oft nur die Grösse einer 
Haselnuss hat, und alle möglichen Sorten von Geflügel, als: Fasanen, 
Lerchen u. s. w. Wenn man sich die Augen zubindet, kann man 
beim Essen dieser Vögel aus Conserven keinen Unterschied finden; 
sie haben alle denselben Geschmack. 



Deng-deng. — Yergifbiuigsfalle. 91 

Ich hatte also in Tjileles während meines Aufenthaltes von fünf 
Monaten keine grosse Abwechselung auf meinem Tische. G-lück- 
licherweise ist das Deng-deng eine so schmackhafte Fleisch^Cou- 
serve, dass ich sie jeder Heeresyerwaltung für den Ejieg em« 
pfehlen würde. Es werden nämlich dünne Scheiben von Fleisch 
(Bind, Hirsehe u. s. w.) von Fett und Sehnen befreit und aul^ 
beiden Seiten mit Salz, Pfeffer, Tamarinde und langkwas gut einge- 
rieben und dann den versengenden Sonnenstrahlen zum Trocknen 
übergeben. Es hält sich Monate lang, ohne an seinem angenehmen 
Geschmack das Geringste zu verlieren. Dieses Deng-deng liess ich 
mir bei jedem Transport von Lebensmitteln kommen und hatte dar 
durch eine kleine Abwechselung mit dem Huhne, welches mir zu- 
guterletzt auch widerstand. Meistens wurde das Deng-deng von 
meiner Hausfrau in Cocosöl oder in Butter gebacken; aber auch 
einfach über dem Feuer, z. B. auf einer B.oste, gebraten, behält es 
seinen guten Geschmack. 

Als Getränke hatte ich für mich einen kleinen Vorrath von 
rothem Wein unfl für meine etwaigen Besucher eine Flasche des 
unentbehrlichen Genevre mit Bitterextract im Hause. Auf meinen 
Wanderungen trank ich stets Klappermilch (tjai duwegan S.). Dies 
lehrte mich Herr v. d. P. mit Hinweis auf die in Multatuli mitge- 
theilten Vergiftungsfälle. Ein Beamter, der zwischen dem Dilemma* 
steht, die Autorität der eingeborenen Fürsten nicht nur zu hand- 
haben, sondern auch durch die Autorität dieser Fürsten zu regieren^ 
andererseits aber gerade die Bevölkerung vor den Erpressungen die- 
ser Fürsten zu beschützen, der kann oft in die Lage kommen, den 
Einen oder den Andern fürchten zu müssen; darum trank Herr 
V. d. P. auf seinen Lispectionsreisen nichts anderes als die Klapper- 
milch aus den Cocosnüsseu, welche in seiner Gegenwart vom Baume 
herabgeholt und von seinem »Oppas« geöffnet wurden. Ich selbst 
hegte diese Furcht nicht, schon darum, weil ich überzeugt war, dass 
die häufigen Vergiftungsfälle in Indien zu den Sagen gehören. 

In N . . sprach ich einen Pflanzer, der die Javanen nicht anders 
als das :»Vieh von Labuan« nannte. Er erzählte mir, dass er eines 
Tages auf dem Sawahfelde mit einem Kuli inspiciren ging, als ihn 
ein heftiger Kegen überfiel, ohne dass er einen Pajong (Regenschirm) 
bei sich hatte,*- »und denken Sie sich, wie brutal so ein Kuli sein 
kann,« fügte er hinzu, »dieser Kuli nahm ein Pisangblatt und be- 
deckte damit seinen Kopf! Sie begreifen, dass ich ihm eine OI)r- 



92 Bediente. 



feige gab, dass ihm Hören und Sehen verging und er nimmemiehr 
einen Regenschirm gebrauchen wird, wenn sein Herr ohne einen 
solchen im Regen gehen mussü« Wenn solche Menschen sich ihres 
Lebens nicht sicher fühlen und, ich möchte fast sagen, überall einen 
Mord wittern, ist es verständlich, aber nicht richtig. Eine ganze 
^iMythologie besteht auf Java über die Vergiftung aus Eifersucht und 
aus Rachsucht; sobald ein Europäer an einer chronischen Erkrankung 
des Darmes, der Lungen u. s. w. leidet, wird die geschwätzige Nach- 
barin bald eine eingeborene Frau gefunden haben, welche früher 
seine Haushälterin war, oder einen Bedienten, dem er früher eine 
Ohrfeige gegeben habe, und welche ihm Gift, und zwar »Pflanzen- 
gifte, welche natürlich bei der Section nicht gefunden werden 
könnende, eingegeben hätten. 

Diese Sucht, Vergiftungsfälle als tägliche Erscheinungen hin- 
zustellen, entspringt in der Regel dem schlechten Gewissen, die ein- 
geborenen Bedienten nicht menschlich zu behandeln; der Javane 
oder Malaye findet es selbstverständlich, dass er bestraft wird, 
selbst durch einen Schlag, wenn er sich ein Vergehen hatte zu 
Schulden kommen lassen; es können aber besonders Damen nicht 
nur in Indien, sondern in der ganzen Welt oft eine solche Un- 
geschicklichkeit zeigen, mit den Dienstboten umzugehen, dass es 
oft unglaublich erscheint, dass sich überhaupt noch Dienstboten 
bei ihnen anmelden. Von Indien kann ich geradezu behaupten, 
dass immer die Frau (oder der Herr) die Schuld tragen, wenn sie 
keine guten Bedienten erhalten können oder jeden Augenblick neue 
Bediente suchen müssen. Der indische Dienstbote ist bescheiden 
in seinen Ansprüchen f er begnügt sich oft mit einem »Zimmer im 
Garten«:, wo sein Kamerad in Europa nicht einmal eine Stunde 
sich aufhalten würde; wenn er nicht geradezu provocirt wird, ver- 
gisst er niemals den Abstand zwischen »Herr und Knecht«; er ist 
gelassen und still, weil er niemals Alcoholica gebraucht und die 
Höflichkeit (besonders bei den Javanen) eine Naturaltugend ist. 
Es ist Regel, dass der Bediente oder der Dienstbote sich mit 3 fl. 
pro Monat für die Kost begnügt, wenn auch sein Gehalt 10 — 15 fl. 
beträgt. Wenn man seinen Bedienten nicht schimpft und nicht 
schlägt, so erhält man immer gute Bediente, welche gewiss Jahre 
lang in demselben Dienste bleiben ; ich habe die Frau* eines Collegen 
gekannt, welche oft fünf bis sechs Befehle auf einmal gab, und wenn 
d^n einer oder der andere vergessen wurde, mit den heftigsten 



Bediente. 93 



Scheltworten den Bedienten empfing. Ein guter Bedienter lässt sich 
nicht schimpfen, und bei einem schlechten hilft es nicht. Ihr Mann 
überhäufte seinen Kutscher mit den heftigsten Vorwürfen und 
Schimpfworten auf der Strasse, weil ein Lederriemen an seinem Wagen 
gebrochen war. Diese sonst so guten und braven Menschen konoten 
keine 14 Tage einen Dienstboten halten, während diese bei mir vier^ 
bis fünf Jahre lang blieben. Eine andere Dame wiederum zog 
nicht nur den Werth eines jeden zerbrochenen Tellers von dem Ge« 
halt des Dienstboten ab, sondern berechnete jede Viertelstimde, 
welche er zu spät »in's Haus« kam,, mit 2 — 5 Gent!! Es ist 
unglaublich, dass diese Dame immer und immer , ihre Klagelieder 
anstimmte ȟhei die indischen Dienstboten, welche schlechter seien 
als das Vieh in Europa;' denn sie lügen und sie stehlen wie die 
Haben«. Die Lüge ist das Lieblingskind der Tyrannei, und der 
Javane war bis vor kurzer Zeit ein Spielball in den Händen seiner 
Fürsten; es ist also wahr, dass sie oft schon aus Höflichkeit lügen; 
dennoch — wollen wir sie darum nicht so strenge verurtheilen wie 
jene Dame, weil die Wahrheitsliebe der europäischen Dienstboten 
auch nicht gar so hoch steht, und weil im täglichen Verkehr dieser 
Fehler sich selten fühlbar macht. Die zahlreichsten Fälle sind 
ja jene, bei welchen der Dienstbote den Preis von irgend einem 
zerbrochenen Glase oder einer Schale ersetzen muss. Mit dem 
ernstesten Gesicht in der Welt wird ein Bedienter in einem solchen ♦ 
Falle die Antwort geben: Sie irren sich, Herr, ich habe es nicht 
gethan; und wenn man vielleicht aufgeregt rufen wird: Wer denn? 
dann wird er, wenn möglich, mit noch ruhigerem und bescheidenerem 
Tone antworten: »tuwan sadja« = der Herr^selbst. Da er doch 
bezahlen muss, nun, so macht es ihm Vergnügen, seinen Herrn in 
Harnisch zu jagen und im Garten bei seinen Kameraden diese 
Gomödie zu besprechen. Wenn er dies nicht zu fürchten hat, d. h. 
wenn er nicht alles und jedes bezahlen muss, was er zufällig zer* 
bricht, dann wird auch seine Wahrheitsliebe ebenso gross sein als 
die eines Europäers. Was das :» Stehlen« betrifiß;, so ist dies einfach 
nicht wahr; der malayische Bediente ist ehrlich und viel ehrlicher 
als sein europäischer College. Er wird bei sehr sparsamen Damen 
vielleicht ein bischen Zucker, Thee oder Kaffee naschen, vielleicht 
wird er bei Sorglosigkeit seines Herrn hin und wieder eine Flasche 
Petroleum verkaufen — aber welch' europäischer Bedienter würde 
dies nicht thun, wenn keine Controle geübt werden würde. Ich 



94 Malaria. 

.■KB ^M^^a I^MM ^ ^^^ II ^ II 

babe einen Adrocaten in Surabaja gekannt, der seine Einnahmen 
HBgezählt und ohne Controle seinem Bedienten übergab, wenn er 
Bach Hause kam, und der Bediente musste das Geld in die Kasse 
einsperren und die täglichen Bedürfnisse damit bestreiten. Ja, wenn 
ein Mann so nonchalant sein kann und yielleicht zu faul ist, um 
nicht einmal in persona das G-eld in die Kasse einzusperren — 
verdiente es dieser Mann nicht, dass er endlich eines Tages be- 
merkte, dass ihm 1400 H. fehlten! Nun, ich will das Capitel »Be- 
diente« nicht schliessen, ohne die Versicherung Jedermann zu geben, 
dass eine bescheidene Controle hinreichend ist, um jeden Bedienten 
als ehrlichen Mann Jahre lang halten zu können. 



Das Fieber, diese Geissei der Tropen, hatte in seinem epi- 
demischen Auftreten die Bewohner Bantams sehr schwer heimgesucht. 
Die Sümpfe sind die Stätte der Malaria — dies bezweifelt Nie- 
mand — ihre aufsteigenden Miasmen verpesten die Luft und bringen 
Menschen und Thieren den tödtlichen Keim — auch dieses be- 
zweifelt Niemand. Wie diese in den menschlichen Organismus ge- 
langen, hat bis auf die jüngste Zeit Niemand bezweifelt; die Luft 
führt das fieberbringende Gift in den Organismus. .Aber Prof. Koch 
hat während seines zweijährigen Aufenthaltes in Englisch-Lidien ein 
« anderes ätiologisches Moment gefunden: die Mosquitos. Pulvirenti 
will den Nachweis bringen, »dass die Krankheit (die Malaria) allent- 
balben dort entstehen kann, wo organische Materien in Fäulniss 
gerathen«. « 

Meine Erfahrungen bestätigen die Beobachtungen Pulvirenti's 
in vollem Maasse, während die des Prof. Koch wahrscheinlich auf 
einem post hoc etiam propter hoc beruhen. 

Wo Mosquitos sind, dort sind Sümpfe, und dort kommen Ma- 
lariafälle vor; aber es giebt auch in den Tropen Landstriche, welche 
frei von Mosquitos sind und doch vom Fieber heimgesucht werden. 
Grassi konnte in allen jenen Gegenden, wo Malaria vorkommt, eine 
eigenartige grosse Mückenspecies nachweisen. Bei der Untersuchung 
dieser Insecten, nachdem sie das Blut von Malariakranken gesogen 
hatten, fand er die Gegenwart von geisseltragenden Elementen im 
Thierleibe.i) Ohne geradezu des Köhlerglaubens mich schuldig zu 



W. M. W. Nr. 47, 1898. 



M&larift. 96 

machen, glaube ich gerne, dass Prof. Koch's Beobachtungen richtig 
seien — sie sind ja im Ganzen und Grossen dieselben als die von 
Orassi, wie wir sahen — aber ich glaube nicht, dass es die ein- 
zige Ursache sei, und dass Luft und Wasser gleichfalls eine grosse 
KoUe spielen in der Aetiologie der Malaria. 

Auch im Gebirge entstehen ja oft verheerende Fieber -Epi- 
demien, ohne dass Mosquitos oder andere Insecten die Vermittler 
derselben sind. Um nur ein Beispiel Ton hundert anderen zu bringen: 
in den Achtziger Jahren wurde in Magelang ein neues Campament 
gebaut, d. h. Casemen mit OfGicierswohnungen, und zahlreiche Fie- 
berfälle kamen unter den Arbeitern vor. Ueberall und ohne Aus- 
nahme tritt in Java eine Fieberepidemie auf, sobald der Boden 
aufgelockert wird, und dieses stimmt auch mit der Behauptung von 
Puivirenti, dass die Malaria dort entstehen kann, wo organische 
Materien in Fäulniss gerathen — Magelang hat keine Mosquitos. 

Auf Bomeo, wo ich an der Grenze des Diluviums sass, hat- 
ten wir keine Mosquitos, zu gewissen Zeiten aber heftige Fieber- 
fälle, ja noch mehr. Die indische Regierung sorgt für eine zweck- 
mässige Irrigation des Landes, um dem Reisbau in allen Theilen 
des Landes eine ergiebige Ernte zu ermöglichen, und wo der Boden 
zu diesem Zwecke aufgewühlt wird, entsteht eine Fieberepidemie, 
ohne dass damit eine Einwanderung von Mosquitos stattfände. Ueber- 
all giebt es auf Java Plätze und Gegenden, welche eine Zeitlang 
ob ihrer »Gesundheit« berühmt sind, um nach einigen Jahren wieder 
von Fieberepidemien heimgesucht zu werden. Wenn auch in vielen 
Fällen dafür eine Ursache gefunden wird, z. B. das Anlegen von 
neuen Beisfeldem oder ausgedehnten Bauten, so fehlen uns dafür 
oft genug nachweisbare Ursachen — Mosquitos waren im Gebirge 
nicht eingewandert. — Es könnten vielleicht (nach Grassi) andere 
Lisecten die Vermittler sein; aber welche? Die Hunde haben in 
Lidien Flöhe, aber nicht die Menschen; Wanzen kommen nur in 
Spitalern und Gefängnissen vor. Auch Fliegen findet man; sie 
stechen aber nicht, und es muss erst der Nachweis gebracht wer- 
den, dass eine intacte Haut den Zutritt der Mikroorganismen ge- 
stattet, abgesehen davon, dass a priori diese Annahme beinahe un- 
möglich ist. 

Professor Koch weilt momentan (December 1899) in Batavia, 
um die Entstehungsursachen der Malaria zu studiren. Das Ueber- 



96 Malaria. — Geographie von Bantam. 

tragen , des Giftes (der Plasmodien) dieser Krankheit durch Mob- 
quitos scheint, nach den spärlichen Berichtßn zu nrtheilen, welche 
mir darüber bis jetzt zugänglich waren, die Hauptfrage tu sein, 
welche diesen Bacteriologen bei seinen Untersuchungen beschäftigt. 
Ich will gerne jurare in verba magistri und das Besultat seiner Ar- 
beiten selbst kritiklos annehmen, weil er der Meister auf diesem Q-e- 
biete ist. Aber trotzdem muss ich wiederholen, was ich im ersten 
Bande, Seite 20 behauptet habe, dass auch das Wasser ein Ver- 
mittler der Malaria ist, und dass die indische Regierung eine grosse 
Unterlassungssiinde begehen ?nirde, wenn sie in der Sorge, das Land 
Ton den xerheerenden Verwüstungen der Malaria zu befreien, sich 
auf die Vernichtung des schädlichen Einflusses der Mosquitos ^) be- 
schränken würde. 



Die Provinz Bantam ist schwach bevölkert. Nach der letzten 
Volkszahlung von 1893 hatte sie nicht mehr als 638,567 Einwohner 
bei einer Grösse von 140,664 Q Meilen, d. h. 4520 auf die geogr. 
QMeile. Darunter befanden sich 275 Europäer, 1657 Chinesen, 
36 Araber, 32 Orientalen und 636,567 Eingeborene (worunter die 
zahlreichen eingewanderten Javaner, Sumatraner, Malayen und Be- 
wohner von West-Bomeo, der Insel Banda u. s. w. inbegriffen 
sind). 

Zahlreiche Gebirgszüge durchziehen das Land, und nur die 
Nordküste ist flach; nur die Vulcane Karang (1600 Meter hoch) 
und Pulusari (1200 Meter), der Trachytkegel Pajung (133 Möter) 
und die Berge Endut (120 Meter) und Tukung (700 Meter) sind 
aus der grossen Zahl der Bei^e dieser Provinz erwähnenswerth.^) 

Grosse Ströme oder Flüsse besitzt Bantam ganz und gar nicht; 
nur wenige Meilen weit in's Innere des Landes sind der Tjikandi 
und der Pontangfluss befahrbar; die kleinen Flüsse Pandan, Tjima- 
nok, Tji-Panimbang und Tji-ßarenoh sind kaum nennenswerthe Ver- 



^) Es ist bereits gelungeo, durch mijjcroskopische Schwämme die Heu- 
schrecken in grossen Massen sterben zu lassen. Yielleicht wird sich ein Mittel 
finden lassen, um auch diese Landplage (die Mosquitos) Indiens durch Vei^if- 
tung mit solchen niedrigen Pflanzen epidemisch zu Grunde gehen zu lassen. 

*) Die Kohlenlager von Bodjong Manick und von Bodjong Mangku sind 
kaum dem Namen nach bekannt. Ein gleiches Schicksal haben die Bittersalz- 
Quellen, Schlamm wellen, warme Quellen und Jodium haltende Wasser dieser 
Provinz. 



Geographie von EaDtam. 97 



kehrswege des übrigenB sehr unbedeutenden Handels mit den Natur-« 
producten des Landes.') 

Eine grosse Zahl Inseln liegt in der Nähe der nördlichen, 
westlichen und südlichen Küste dieser Provinz (die Ostgrenze formt 
die Provinz Preanger); die vdchtigsten darunter sind in der Sunda- 
strasse die Insel Krakatau und im indischen Ocean die Prinzen* 
Inseln (= Pulu Panaitan). Im Jahre 1883 (27. [?] August) erfolgte 
eine so heftige und mächtige Eruption des seit Jahrhunderten 
ruhenden Vulcanes auf der Insel Krakatau, dass die ganze West- 
küste Bantams mit der Hafenstadt Anjer und die Südküste von 
Sumatra fürchterlich heimgesucht wurden ; beinahe 20,000 Menschen 
fielen ihr zum Opfer. Als ich zum letzten Male (im Jahre 1897) 
die Sundastrasse passirte, zeigte die Insel Krakatau nur das un- 
schuldige und liebliche Bild eines kleinen, dicht bewachsenen Hügels 
von vielleicht 80 Meter Höhe, und nichts verrieth mehr die unge- 
heure Verwüstung und Verheerung, welche vor 14 Jahren dieser 
kleine Berg oder diese kleine Insel über das unglückliche Land 
Bantam gebracht hatte. Auch die Insel Panaitan, auf welcher 
schönes Bauholz gefunden wurde, verlor im Jahre 1883 alle ihre 
Bewohner theils durch die glühende Lavamasse, theils durch den 
Hunger. Eine solche ungeheure Bimssteinmasse hatte die ganze 
Sundastrasse bedeckt, dass nur unter den grössten Anstrengungen 
der indischen Regier^g die Schifffahrt -Verbindung mit der Provinz 
Lampong (Süden von Sumatra) am 29. August wieder eröffnet 
werden konnte. Die Insel Panaitan jedoch verlor alle Einwohner, 
weil die Feuermassen alle Lebensvorräthe — pflanzlicher und 
thierischer Herkunft — verbrannt hatten, und erst nach vielen 
Wochen ein Verkehr mit dem festen Lande ermöglicht wurde. 
Heute ist diese Insel wieder gut bevölkert, weil sich dahin alle Be- 
wohner des südlichen Bantams flüchten, welche durch die Tiger in 
ihrem Leben sich bedroht sehen.») 

Keine Provinz Javas hat im Laufe dieses Jahrhunderts von 
allen möglichen Unbilden so viel als diese Provinz gelitten. Fieber- 
Epidemien, Viehpest, Hungersnoth, Ausbruch der Vulcane, Ueber- 
schwemmungen, und nicht am wenigsten Krieg haben in den letzten 



Vide Fassnote 2, Seite 96. 

s) Für die Richtigkeit dieser Nachrichten über die Insel Panaitan will ich 
nicht einstehen, weil sie nur den Mittheüungen eines Häuptlings von Lebak 
entnommen sind. 

Breitenitein, 21 Jahre in Indien II. « 



gg Geographie von Baatam. 



Jahrzehnten zu wiederholten Malen diese unglückliche Provinz heim- 
gesucht. Wie wir im letzten Capitel sehen werden, war der Sultan 
von Bantam ein mächtiger Despot. Der Letzte, Namens Mo- 
hammed Tsafiu 'd-din, regierte vom Jahre 1815 — 1832 und wurde 
wegen Theilnahme an Seeraub von der indischen Regierung abge- 
setzt und nach Surabaja verbannt. Natürlich erhoben sich darauf 
zahlreiche Prätendenten, und nur zu häufig musste Gewalt diese 
Aufstände unterdrücken. Die bedeutendsten darunter waren die von 
den Jahren 1834, 1836, 1839, 1850 und 1888. Seit dieser Zeit 
ist der willkürliche Despotismus der einheimischen Fürsten gebrochen, 
und nur einzehie fanatische — meistens arabische — Priester nähren 
die schwache Gluth der Unzufriedenheit unter entthronten kleinen 
Despoten. Die holländische Regierung steht hier vor einer schönen 
Aufgabe: Eine durch zahlreiche Unglücksfälle in Verfall gerathene 
Provinz zur alten Wohlfahrt zu erheben. Wenn früher Bantam 
durch seine Ausfuhr von Pfeffer, Reis, Indigo, Kaffee u. s. w. 
blühte, so kann es ja durch eine weise Regierung seine frühere Blüthe 
wieder erreichen. Zucker, Gatechu, Thee, Ghinabaum, Muskatbäume 
u. s. w., kurz, alle Producte der Tropenwelt finden in Bantam einen 
üppigen Boden, und in der Tiefe der Gebirge sind noch viele Schätze 
verborgen, welche von unternehmenden Männern gehoben werden 
können. 



6. Oapitel.*) 

Nach Buitenzorg — Der Bei^ Salak — Dm Sehloss des 
Oonremeur-O^eneral — Ein weltberflhinter botaniselier €larteii 
— Batu-tuUs = beschriebener Stein — Ein gefihrlieher 
Kutscher — Die Preanger-Prorinz — Warme Quellen — Sana- 
torien — Indische C^ewBrze — Ein reicher Beamter — Das 
Tanzen (Tandak) der Jaranen — Wi^ang orang = Theater — 
W^Jang IJina = chinesisches Theater — Wftjang Kulit = 
Schattenbilder — Spiele der Jaranen — Eine Theeplantage — 
Bambus -Wunden — Eine langweilige aber einträgliche 
Ctamison — Einfluss der ^reinen Bergluft^ — EuropSische 
Oemllse auf Jaya — Ein Jayanischer Fflrst rerheiratet mit 
einer europäischen Dame — Malayische Gedichte (Panton) — 
Mischrassen — Ein ausgestorbener Krater. 

A m 19. August 1888 yerliess ich Atjeh (Nordküste von Sumatra), 
-^^ kam am 23. in Padang an und erfuhr dort, dass ich in »Ngawie« 
eingetheilt sei, dass ich also von dem )>heissen Atjeh« in die »Hölle 
Javas« versetzt wurde. Wir beide jedoch, ich und meine Frau, hatten 
das Bedürfniss, uns »eine kalte Nase zu holen«, i) d. h. durch die 
kühle und frische Luft im Gebirge unsern durch die Wärme er- 
schlafften Organismus ein wenig aufzufrischen, und ich beschloss 
also, bevor ich nach meinem neuen Standplatze abging, einen 14tägi- 
gen Urlaub anzusuchen. Da ich zwei volle Jahre den beschwer- 
lichen Dienst in Atjeh ununterbrochen versehen hatte, und zwar, 
trotzdem die Beri-Beri mich heimgesucht hatte, ohne auch nur 
einen einzigen Tag mich krank gemeldet zu haben, wurde mir dieser 



>) Indisch'hoüäDdisches Sprichwort. 

*) In der Provinz Preanger bin ich im Jahre 1881 in Garnison gelegen 
und habe sie einige Male als Tourist durchreist. Um Wiederholungen zu ver- 
meiden, muss ich die chronologische Reihe meiner Erlebnisse unterbrechen und 

7* 



100 Nach Bnitenzorg. 



Urlaub bewilligt, und ich unternahm eine Reise in die viel ge- 
priesene und yiel gerühmte Provinz Preanger. Zunächst ging die 
Heise per Eisenbahn nach Buitenzorg (= ohne Sorge = bogor M.). 
Da ich im Jahre 1881 in dieser Residenzstadt des Gouverneur- 
General in Garnison lag, so war mir die Stadt gut bekannt, und 
ich konnte meiner Frau sofort alle Sehenswürdigkeiten beschreiben 
und zeigen. Zunächst muss ich jedem Touristen anrathen, mit 
der Regenzeit zu rechnen. So viel wie in Buitenzorg, regnet es in 
ganz Indien nicht. Zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags beginnt während 
des ganzen Jahres beinahe täglich ein intensiver Tropenregen, und die 
beiden Monsune unterscheiden sich nur dadurch, dass es zur Regenzeit 
oft auch Vormittags regnet, während im Ostmonsun den ganzen Vor- 
mittag und oft bis zur ersten Abendstunde schönes Wetter ist. Der 
August ist der trockenste Monat mit 273 Mm., während im Januar 
534 Mm. Regen fällt. Unter 44 Plätzen im indischen Archipel, in 
welchen die täglich gefallene Regenmenge gemessen wird, hat diese 
Stadt den ersten Rang, und zwar 5208 Mm.,^) während die niedrigste 



nur mit wenigen Worten meine Wanderungen vom Jahre 1881 bis 1888 andeuten: 
Vier Monate blieb ich in der Provinz Bantam. Nachdem ich hierauf elf Monate 
in Buitenzorg, der Besidenz des Unterkönigs (= Gouverneur- General) gedient 
hatte, begann abermals das Wanderleben. Im Jahre 1882 war ich in Welte- 
vreden und in Telok Betong (Süden von Sumatra) in Garnison, musste im Sep- 
tember wiederum nach Weltevreden transferirt werden, um mich einer Prüfung 
für den Rang eines Regimentsarztes zu unterwerfen. Nachdem ich diese mit 
Erfolg abgelegt hatte, wurde ich nach Batu-Djadjur geschickt, wo die grosse 
Schiessstätte der Artillerie sich befand. Ende März 1883 kehrte ich nach Ba- 
tavia zurück und bekam nach zwei Monaten den Auftrag, das zehnte Bataillon 
nach Atjeh zu begleiten. Kaum drei Wochen später wurde ich nach „Polonia*' 
in der heutigen Provinz „Ostküste von Sumatra*' transferirt, wo ich an der 
äussersten Grenze des holländischen Gebietes wieder zehn Monate lang in dem 
Fort Seruway, abseits von der menschlichen Givilisation, mit zwei Officieren 
lebte. Die Einöde dieses Festungslebens machte sich um so fühlbarer, als ich 
schwer krank wurde und meine Abberufung sich verzögerte. Im März 1884 
verliess ich endlich diese einsame und verlassene Gegend, und nach sechswöchent- 
lichem Aufenthalte in dem Spitale zu Weltevreden bekam ich einen zweijähri- 
gen Urlaub nach Europa. Am 19. Juni 1886 kehrte ich nach Indien zurück 
und wurde bei meiner Ankunft in Batavia angewiesen, nach Atjeh (Nord-Sumatra) 
zu gehen, wo die Eingeborenen einen Guerillakrieg gegen die HoUänder führten. 
Hier blieb ich (mit meiner Frau, welche ich im Mai 1886 in Rotterdam gehei- 
ratet hatte) volle zwei Jahre, um hierauf die Insel Java bis zum Jahre 1897 
nicht mehr verlassen zu müssen. 

>) Berechnet nach einem Durchschnitt von 10 Jahren. 



Buitenzorg. IQl 



(in ProboliDgo) nur 1213 Mm. per Jahr aufzuweisen hat. Wenn 
also das Kegenwasser in Buitenzorg während eines Jahres nicht ab* 
laufen könnte, würde es eine Wassersäule von mehr als 6 Metern 
bilden und somit eine wahre Sündfluth darstellen. Dies ist in 
Buitenzorg nicht zu befürchten; es ist hinreichender Abfall der 
Wege vorhanden, und ausserdem ist der Boden so weich, dass 
schon wenige Minuten nach dem stärksten Begengusse ein Spazier- 
gang mögUch ist. 

Wenn ich auch während meines Aufenthaltes in dieser Gar- 
nisonsstadt (im Jahre 1881) von den drei Hotels: Chemin de fer, 
Bellevue und Buitenzorg immer das erstere benutzt hatte, weil es 
«in grosses, schönes Hotel war, dessen Küche mit Recht gerühmt 
wurde, ging ich diesmal doch iu's Hotel Bellevue, welches mitten in 
der Stadt liegt und seinen Besuchern von der hinteren Veranda aus 
ein prachtvolles Panorama des Berges Salak bietet. 

Von der Station führt eine breite Strasse links nach dem Palaste 
des Gouverneur-General mit dem botanischen Garten, und bei diesem 
vorbei rechts nach dem chinesischen Quartier und links nach dem 
»Campameut«. Neben dem Palaste befindet sich ein kleiner Platz 
mit dem Postgebäude und im Hintergrunde das genannte Hotel. Es 
war 6 Uhr Abends, als wir ankamen, der Begen hatte aufgehört, 
und nachdem wir ein erfrischendes Bad genommen und Kleider und 
Wäsche gewechselt hatten, machten wir zunächst einen Spaziergang. 
Beim Postgebäude vorbei kamen wir auf die grosse Strasse, welche 
in das chinesische Quartier und nach Garut führt, von wo ein 
kleiner Weg rechts ab nach Batu-tulis geht (6 Kilometer). Im 
scharfen Bogen krümmt sich der Weg in die Hauptstrasse des chi- 
nesischen Kleinhandels. (Fig. 3.) An der rechten Ecke steht das 
»Spuckhausc, welches ich im Jahre 1881 bewohnt hatte. Es war ein 
grosses Haus, welches früher ein Clubgebäude gewesen war und viele 
Jahre lang unbenutzt stand, weil — jeder frühere Bewohner darin 
gestorben war. Ihm gegenüber war der südliche Eingang zum welt- 
berühmten botanischen Garten und zum Palast des Gouverneur-Ge- 
neral. 

Der kundige und brave Hortulanus S. Binnendyk war seit- 
dem gestorben; jedoch Professor Treub, ein Pllanzenphysiologe von 
europäischer Berühmtheit, schaltete und waltete noch immer mit 
demselben Eifer und Tüchtigkeit, mit welcher er die Botaniker der 



102 Boitenxorg. 



ganzen Welt auf dieses Kleinod des Gartenbaues aufinerksam ge- 
macht hat. Es ist jetzt mit einem physiologischen Laboratorium ver- 
bunden, wohin jährlich europäische Pflanzenphysiologen aus allen 
Theilen der Welt ziehen, um ihren Forschungen und Studien unter 
Leitung und Mithülfe des Prof. Treub obzuliegen. Im Jahre 1819 
Ton dem damaligen Director des Departements »für Landbau^ 
Kunst und Wissenschaft«, dem Prof. Reinwardt, errichtet, um ganz 
praktische Zwecke zu verfolgen, und zwar den Nutzen der grossen 
imd üppigen Flora der inländischen Colonien zu erforschen, trat 
dieses Ziel bald in den Hintergrund, und die Botaniker Hass- 
karl, Teysmann und Treub schufen einen botanischen Grarten, 
welcher seines Gleichen in der ganzen Welt nicht findet. Er wurde 
nicht nur der Sammelplatz aller tropischen Gewächse, welche 
systematisch gepflanzt sind und dennoch den strengsten Anforderungen 
der Aesthetik Rechnung tragen, sondern auch aller subtropischen 
Gewächse und zahlreicher Bäume des kalten E^imas. Es wurden 
nämlich yor 30 Jahren fünf Berge als Adnexe dieses Gartens er- 
wählt, welche mit europäischen Gewächsen bepflanzt wurden, um 
ein ganzes Bild der Weltflora bieten zu können. Diese Berggärten 
heissen: ^TjiOPanas (1050 Meter hoch), Tji») Bodas (1290 Meter), 
TjiO Berem (1460 Meter), Kandang Badak (2370 Meter) und der 
Berg Pangerango (3020 Meter). 

Wie gewöhnlich des Morgens fanden wir am andern Tage 
den Salak wolkenfrei. Unsere 2iimmer mündeten in die hintere 
Veranda, und die kühle Morgenluft entlockte uns, die wir dieser 
Temperatur zwei Jahre lang entwöhnt waren, ein leichtes Frösteln; 
nachdem wir uns durch Unterkleider gegen diese kühle, feuchte 
Luft geschützt hatten, gaben wir uns bei einer Schale heissem 
Kaffee ganz dem Genüsse dieses wunderschönen Panoramas hin* 
An seinem JPuss sieht man das tief gefurchte Thal von dem Tji 
Dani = Danifluss, mit einer hölzernen Brücke. • Das braune Wasser 
ist von allen Seiten von grünen Laubwänden eingeschlossen; vor 
uns eine kleine Landzunge, wo Hütten der Eingeborenen im Gre- 
büsch verborgen sind; zu unserer Rechten ein Hügel mit einer 
Gruppe von Palmen gekrönt, und links eine B^ihe von mächtigen 
Cocospalmen. Der Hintergrund wird eingenommen von der unge- 



1) Genannt nach dem gleichnamigen Flusse, welcher auf diesem Berge ent- 
springt oder wenigstens in seiner Nähe fiiesst. 



Der Berg Salak. 103 



heturen Masse des dreiköpfigen, bis in die Tiefe seines Inneren zer- 
klüfteten Salak, dessen Abhänge, seit seine Glnth erloschen ist, in 
schöner Abwechslung mit Wald und Gartenanlagen geschmückt sind.* 
Neben der höchsten Spitze, dem Elephantenberg,^) zeigt sich im 
Westen der eigentliche Salak und der Berg Tji Apus im Osten; 
thatsächlich gehören diese drei höchsten Punkte zu einem Berg- 
rücken, welcher nichts anderes als der alte Kraterrand eines Vulcanes 
ist. Der Krater läuft gegen Norden hin in einer tiefen Schlucht 
aus, welche durch das Flüsschen Tji Apus dem angesammelten 
Wasser einen Ausweg schafft. Brausend und schäumend bahnt sich 
sein Wasser über Felsenblöcke einen Weg nach der Ebene und ver- 
einigt sich bei Tjampea mit dem Danifluss. Reisfelder und Kaffee- 
gärten bedecken bis zu einer Höhe von 1000 Metern den tief ge- 
legenen Abhang, während die üppigste Vegetation von Palmen und 
anderen stolzen Bäumen von hier aus bis zur höchsten Spitze sich 
erhebt. Links vom Salak sieht man in einiger Entfernung den 
schlanken Kegel des Pangerango sich in die Lüfte erheben. Er 
ist die höchste Spitze 3) des Gebirges Gedöh, welcher Name jedoch 
im engeren Sinne jener weniger hohen, kahlen Felsenwand gegeben 
wird, die eine leicht« Bauchwolke zum Himmel sendet, und im 
Hintergrunde das liebliche Panorama schliesst.^) 

Um i/a8 Uhr nahmen wir unser Schiffsbad, um 8 Uhr unser 
copiöses Frühstück und um 9 Uhr gingen wir, um zunächst den 
botanischen Garten und das Aeussere des Palastes ^) zu besichtigen. 
Ich wählte zum Eintritte das südliche Thor, und eine schöne, breite 
Strasse mit einer Allee von Kastanienbäumen, an denen zahlreiche 
Orchideen in allen Farben und Grössen prangten, führte uns zur 
Südseite des Palastes. Prof. Treub war nicht anwesend, und so 
musste ich darauf verzichten, das Trockenhaus, das Glashaus und 
andere Schuppen, welche sich bei diesem Eingange befinden, be- 
sichtigen zu können. Auch die Wohnungen des Directors und 
Hortulanus befinden sich hier an der Südwestseite des Gartens. 
Diese Allee ist ungefähr einen Ealometer lang und hat an ihrem 
nördlichen Ende einen schönen Teich mit Victoria regia und Lotus- 



Der Qunnng Gadjah = der Elephantenberg ist 2225 Meter hoch. 
*) 3622 Meter hoch. 
») Nach Veth IH, 84. 

^) Buitenzorg ist nämlich seit dem Jahre 1746 die Residenz des Gouverneur- 
General von Holländisch-Indien. 



104 ^M SohloBB des Oouyenieur-General. 



-%- 



blumen, und in seiner Mitte eine kleine Insel, welche dicht mit 
Pandaneae, Palmen u. s. w. bepflanzt ist. Die Front des Schlosses 
(Fig. 4) ist ein schönes Rondean mit zahlreichen Säulen; hier be- 
finden sich auch diejpimmer der Adjutanten und der Intendanten. 
Im Jahre 1881 hatte ich zwei Mal Gelegenheit, das Innere des 
Schlosses zu sehen. Das erste Mal war es ein gewöhnlicher 
Empfaugsabeud, bei welchem der General-Gouverneur, umgeben Yon 
seinen Adjutanten, Gerde hielt. Der Empfangssaal ist gross und schön; 
in den kleinen Sälen hängen die Porträts aller Gouverneur-Generäle, 
welche bis jetzt in Indien im Namen des holländischen Königs 
regiert hatten. Das zweite Mal gab folgender Anlass dem Gouver- 
neur-General Jacobs Gelegenheit mich in Privataudienz zii empfangen. 
Im Jahre 1880 herrschte im Süden der Provinz Bantam eine schwere 
Malaria-Epidemie, und ich wurde, wie früher erzählt wurde, mit 
noch drei anderen Aerzten dahin gesendet, dieser armen Bevölke- 
rung Hülfe zu leisten. Nachdem unsere Mission vollbracht war, 
sollte eine regelmässige Hülfe durch Zusendung von entsprechenden 
Medicamenteu u. s. w. stattfinden. 

Die Regierung fand sich hierbei im Widerspruch mit dem Sani- 
tätschef, und zwar was die Frage betrifft, ob die Eingeborenen über- 
haupt andere Arzneien als das Chinin, welches damals noch sehr 
theuer^) war, einnehmen würden. Vom Intendanten wurde »Seine 
Excellenz«: auf mich aufmerksam gemacht, welcher in dieser Streit- 
frage aus Erfahrung gewiss einiges mittheilen könnte. Eines Tages 
erhielt ich also die Mittheilung, dass Seine Excellenz mich nach der 
Visite im Spitale zu sprechen wünsche, und dass ich zu diesem 
Zwecke ohne Veränderung meiner täglichen Toilette im Palast mich 
einfinden sollte. Um 11 Uhr kam ich in das Schloss und fand die 
drei Adjutanten bei der Thombretafel. Der Marinelieutenant C. 
meldete mich an, und sofort befand ich mich im Arbeitszimmer 
Seiner Excellenz. Es war ein hohes, jedoch nicht besonders grosses 
Zimmer, einfach möblirt, und der grosse Bücherschrank beherrschte 
den Totaleindruck. Der Empfang war ein sehr liebenswürdiger, und 
wenn mich meine Erinnerung darin nicht trügt, bekam ich selbst 
beim Kommen und Weggehen einen Händedruck. Meine Erfahrung 
über oben erwähnte Streitfrage ist seit dieser Zeit dieselbe geblieben. 



*) Im Jahre 1876 zahlte die indische Regierang für ein Küo Chinin 279 fl., 
in letzter Zeit fiel es bis auf 39 fl. 



Das Schlofls des QouTemeur-GeneraL 105 



Der Kampongbewohner wird bei jeder Erkrankung mit seinen ein« 
heimischen Kräutern beginnen, bei langdauemder erfolgloser Be- 
handlung wird er das Chinin, Santonin oder das Bicinusöl der Euro- 
päer sich zu YerschafiPen bemühen, aber ander^/europäische Arzneien 
wird er nur unter dem Hochdruck eines europäischen Arztes oder 
▼ielleicht eines Doctor-djawas ^) nehmen. 

Die anderen inneren Jääumlichkeiten des Palastes habe ich 
niemals besichtigen können. Wenn ein Gouverneur-Oene;ral seinen 
Posten verlässt, werden seine Möbel unter den Hammer gebracht, 
und bei dieser Gelegenheit strömen die kauflustigen Menschen durch 
das ganze Haus. Während meines Aufenthaltes in Buitenzorg hatfe 
dieser Wechsel des Unter-Königs nicht stattgefunden ; zu einem Diner 
wurde ich niemals eingeladen, ich kenne also von diesem Hause nur 
den Empfangssaal und das Arbeitszimmer. In diesem Palaste be- 
finden sich auch die höchsten Aemter der Kegierung, obzwar der 
eigentliche Sitz der Begierung Weltevreden ist. Der streng cen- 
tralistischen Begierungsform Indiens entsprechend, ruhen alle Ent- 
scheidungen in letzter Instanz in der Hand des Gouverneur-Gene- 
ral, und er besitzt darum ein grosses und zahlreiches Bureau- 
personal, welches unter dem Namen »Allgemeines Secretariat« that- 
sächlich die Spindel ist, um die sich alles dreht. Es besteht aus 
einem General-Secretär mit zwei Gouvernements-Secretären, zwei 
Beferendaren, einem ArchiTai, einem Expediteur, sechs »Haupt- 
commis«: und 22 »Commis<i: und anderen Beamten für specielle 
Dienste, z. B. für die Statistik und für die Bedäction des >Staats- 
blattes«.^) 

An der Ostfront des Palastes liegt ein Blumengarten mit einem 
schönen Vogelhause, welches für den Privatgebrauch des Gouver- 
neur-General und seiner Familie abgeschlossen ist. In einem 
Teiche steht ein kleiner Tempel mit den Gebeinen der im Jahre 
1813 verstorbenen Frau des Lieutenant -Gouverneurs von Java, 
Th. Stamford Baffles, und auf der Westseite des Teiches und 
des angrenzenden Weges ist der Begräbnissplatz der jetzigen Be- 
wohner des Palastes. Auch befindet sich in diesem Garten das 
Denkmal des Hortulanus Teysman, welcher zur Zeit meines Aufent- 
haltes in Buitenzorg (1881) noch lebte, kurz darauf starb und einen 



') Vide I. Theil, Seite 167. 

*) Vide L. F. Schulze, Führer auf Java. 



106 Bin weltberühmter botanischer Garten. 

bedeutenden Antheil an der jetzigen Bedeutung dieses botanischen 
Oartens hatte. Die systematische Anordnung nach Familien und 
Unterfamilien der Tropenflora war in erster Reihe im Auge behalten; 
schon dadurch allein ist es ein reizendes Bild. Hier ist eine Gruppe 
Yon Palmen aus allen Ländern des Tropengiirtels ; was für einen 
prachtvollen Anblick giebt uns die Allee von Fächerpalmen! Dort 
ist eine zierliche Gruppe von allen bekannten Sorten des Bambus- 
rohres; über dem Teiche mit der Lotusblume und der Victoria regia 
neigen mächtige Waringinbäume (Ficus religiosa) ihre Wipfel, und 
wie ein Wald in den Lüften schweben ihre Luftwurzeln über die 
Fläche des Wassers. Hier sind Alleen, deren Bäume ein grünes 
lebendes Dach mit ihrem Laube bilden, das kein Sonnenstrahl durch- 
dringen kann, und dort sind mächtige Waldriesen, zwischen denen 
sich Lianen nach allen Seiten kreuzen und uns das Bild eines Ur- 
waldes Yorzaubem. Leider bin ich kein Botaniker und muss es mir 
versagen, von den 300 Pflanzenfamilien mit ihren 2500 Geschlech- 
tern und mit ihren 10,000 Arten auch nur die wichtigsten Vertreter 
anzuführen, und muss mich auf die wenigen Andeutungen beschrän- 
ken, um jedem Botanicus zuzurufen: Gehe hin und sieh selbst! 

Der grosse Weg, welcher auch befahren werden darf, führte 
uns auf der Westseite des Palastes vorbei zum nördlichen Haupt* 
thor und durch dieses in die grosse, schöne Strasse, welche an dem 
neuen Gampament, Militärspitale, dem Officiers-Glub und dem Hause 
des Assistent-Residenten vorbei nach Tjilawar führt; am Ende der 
Stadt steht ein Obelisk, und an diesem vorbei führt östiich ein Weg 
nach Tanah Säreal, wo jährlich bedeutende Wettrennen abgehalten 
werden. 

Der Erfolg der Wettrennen war, abgesehen von Festlichkeiten 
und dem damit verbundenen Zuströmen der Fremden, wie überall 
auch in Buitenzorg kein nennenswerther. Die Preangerpferde, welche 
früher eine grosse Basse, d h. über 1,5 Meter hoch waren, wegen 
ihres schlanken und kräftigen Baues sehr gerne zu Luxuspferden 
gebraucht wurden, haben durch die Wettrennen nicht gewonnen. 
Der Regierung wurde erst durch einen der Häuptlinge der rich- 
tige Weg gezeigt, diesen Pferden ihre frühere Bedeutung wieder 
zu geben. Es wurden in letzter Zeit drei Deckhengste angekauft, 
welche auf Kosten der Begierung von Bezirk zu Bezirk gesendet 
werden, während der früher erwähnte Häuptiing die Verbesserung 
der Basse sich theuer bezahlen Hess. 



Bnhenzorg. 107 

Den Rennplatz verliessen wir bald^ weil er eben wie jeder 
andere nichts Sehenswürdiges bot; andererseits weckte er so manc&e 
Rückerinnerang ans dem Jahre 1881, welche in jeder Hinsicht sehr 
angenehm war. In Bnitenzorg habe ich das glücklichste Jahr 
meines Lebens gehabt. Ich »diente« angenehm; ich hatte eine 
starke Privatpraxis (unter den Chinesen); ich wohnte in einem 
grossen und schönen Hause und hatte einen kleinen, aber sehr an- 
genehmen Kreis von Bekannten. Das Klima der Stadt ist sehr 
gesund und angenehm. Wenn auch bei einer Höhe von 267 
Metern die Durchschnitts - Temperatur niedriger als in Batayia 
war, so hatten wir in Buitenzorg oft genug des Mittags 30 <* C; 
aber der in den Nachmittagsstunden fallende Regen erfrischte und 
reinigte die Temperatur, so dass man um 6 Uhr mit frischen Kräften 
seinen Spaziergang machen konnte, und die Nächte waren immer 
so viel abgekühlt, dass ein erquickender Schlaf neue Kräfte brachte. 
Wenn, wie es auf den Strandplätzen so häufig geschieht, auf die 
warmen Tage keine kühlen Nächte folgen, so ist der Aufenthalt 
hinter dem Mosquitonetze mehr eine Qual als eine Erholung. Man 
transpirirt so stark, dass die Bettwäsche nass wird, man ist ge* 
zwungen, die Leibwäsche zu wechseln, und wenn man endlich in 
später Nachtstunde oder in früher Morgenstunde in den Schlaf fällt, 
so ist er nicht erquickend; müde und matt steht man auf und er- 
frischt sich durch ein Schiffsbad die Glieder, um gegen 8 Uhr wieder 
die starke Transpiration sich erneuern zu sehen. In Buitenzorg 
waren die kühlen Nächte Regel. Leider bot dieser Ort aber sehr 
wenig geistige Genüsse. Selbst den Club konnte ich wenig besuchen, 
weil die angestrengte Praxis mir dazu keine Zeit liess. 

Von dem Obelisk kehrten wir auf demselben Wege zurück und 
verliessen den Garten bei dem Thore an der Westseite, wo sich 
auch eine Wache befand. Diese Wachen werden in Robotdienst 
von den Eingeborenen abgehalten und bestehen aus zwei Mann, welche 
in einer steiuernen Hütte sitzen ; sie halten eine Gabel in der Hand, 
um im gegebenen Falle den Verbrecher beim Halse damit fangen 
zu können, und an der Hütte hängt ein grosser ausgehöhlter Baum- 
stamm, auf den mit einem Knüttel geschlagen wird, entweder um die 
Stunde des Tages anzuzeigen oder Hülfe herbeizurufen. Jeden 
Passanten muss sie bei Nacht mit Werda! anrufen. Dieser Wache 
gegenüber läuft die Stationsstrasse mit dem Clubgebäude zur Rechten 
und einigen europäischen Wohnhäusern und dem grossen Hotel 



108 Batu-tulis = beschriebener Stein. 

Ohemin de fer zur Linken. Von diesem aus geiit eine Strasse neben 
dem Gefängniss und der europäischen Schule nach Empang, dem 
Badeplatz Sukaradja und dem Landgute von Tjiomas, dessen Eigen- 
thümer eine lange Zeit allen Warnungen der Regierung zum Trotze 
seinen Tyrannengelüsten gegenüber der Bevölkerung nicht entsagen 
wollte. Von der Eisenbahnstation geht ein Weg nach Norden zu 
dem Stadttheile Tjikomoh^ in welchem die neue Landesirrenanstalt 
steht, welche allen modernen Ansprüchen au ein solches Gebäude 
entspricht. 

lieber Empang nahmen wir den Weg ins Hotel zurück, stolz 
darauf, »in der Oost« einen so grossen Spaziergang zurückgelegt zu 
haben. Meine Frau nahm ein Schiffsbad (siram) und ging in in- 
discher Toilette i) zur Reistafel; nach derselben gingen wir zu Bett, 
nahmen unsern Thee, um 4 Uhr wieder ein Bad, und um \^25 Uhr 
fuhren wir mit einem Wagen nach Batu-tulis == beschriebener Stein. 
In dem chinesischen Viertel führt neben dem chinesischen Tempel 
rechts ein schmaler Weg, der nur von einem Wagen bequem be- 
fahren werden kann und yier Kilometer lang ist, zu einem wunder- 
schönen Panorama. In früheren Zeiten stand ein Gesuudheits-Eta- 
bliBsement für militärische Reconvalescenten au diesem Orte. Ich 
selbst war im Jahre 1881 diesem Ssugetheilt; ich wohnte in Buiten- 
zorg und fuhr täglich mit meinem Dos-k-dos oder mit meiner 
Victoria dahin. Das Dos-a-dos war mit einem wilden und feurigen 
Sandelwoodpferd bespannt, welches nur mit Mühe zu einem ruhigen 
Trabschritt angehalten werden konnte. Eines Tages fuhr ich nach 
Buitenzorg zurück, und vor mir fuhr der Spitalschef in ruhigem und 
gelassenem Schritt seiner makassarischen Pferde ; meinem Pferde war 
es zu langweilig, so langsam und ruhig traben zu sollen, und es ging 
zum Galopp über. Ich rief dem Kutscher meines Chefs zu, so viel 
als möglich den Wagen zur Seite zu lenken, weil ich mein Pferd 
vom Galopp nicht abbringen könne; mein Eisenschimmel folgte sei- 
nem Willen, und so flogen wir neben dem Coupe des Chefs vor- 
bei, die Gläser klirrten, die Schutzreifen beider Wagen brachen, 
und ein kräftiger Fluch begleitete den Kutscher, der sich in seiner 
majestätischen (?) Ruhe nicht stören liess und nicht um einen Finger 
breit von seiner vorgeschriebenen Route abwich. Bald gelang es 



*) Die schon oft erwähnten Sarong und Kabaya der europäischen Damen 
sind dieselben, welclie die kleinere Prinzessin auf Fig. 6 trägt; mir sind sie 
etwas reichlicher mit Spitzen besetzt. 



Batu-tuÜB. — Ein gefahrlicher Kutscher. 109 

mir, den Uebereifer meines Pferdes zu zügeln, und ich fuhr zunächst 
in die Wohnung des Chefs, um seine Ankunft abzuwarten. Seine 
Frau war eine hochgebildete feine Dame, welche der deutschen 
Sprache sehr gut mächtig war, und als ich ihr den Zweck meiner 
Morgenvisite mittheilte und hinzufügte, dass ich nicht wisse, ob ich 
bei meinem Chef mich über seinen Kutscher beklagen solle, dass er 
so eigensinnig war, nicht ausweichen zu wollen, oder ob ich mich 
entschuldigen müsse, weil ich ihren Kutscher beschimpft und die 
Fenster des Coupes zerbrochen hatte, nahm sie das Air eines 
strengen Richters an, der zunächst eine genaue Untersuchung der 
Affaire halten müsse, und befahl mir im strengen Tone zu warten, 
bis das corpus delicti, der Wagen, der zweite Angeklagte und der 
Kläger, ihr Mann, erschienen seien. Es dauerte kaum eine Viertel* 
stunde, und der Wagen meines Chefs fuhr vor. Wir gingen zur 
Treppe, und auf die Frage der Hausfrau, warum die Fenster des 
Coupes zerbrochen seien, antwortete der Kutscher in seiner uner- 
schütterlichen Kühe: »Der Herr Doctor wollte vorfahren, aber ich 
kann doch nicht gestatten, oder sogar dazu behülflich sein, dass 
Jemand an seinem Vorgesetzten vorbeifahre!« Als wir alle Drei 
gegenüber diesen Argumenten in ein schallendes Gelächter aus« 
brachen, sah uns der Kutscher verwundert an, weil wir diese primi- 
tivste Höflichkeit nicht verstehen wollten, und als ich ihn hierauf 
frug, was er gethan hätte, wenn er dabei vom Bocke gefallen, oder 
mein leichter Wagen von dem Coup^ seines Herrn zerschmettert 
und ich und mein Bedienter den Kopf zerbrochen hätten, fügte er mit 
der grössten Buhe hinzu: >Tuwan Allah Kassih = Gottbescheert es.« 
Das Militär-Beconvalescentenhaus zu Batu-tulis, in welchem ich 
ein Jahr lang thätig gewesen war, bestand aus zwei Reihen Baracken 
aus Bambus, welche bei meinem letzten Besuche bereits abgetragen 
waren. Ihm gegenüber stand der »gläserne Palast«, welcher ein ein- 
stockiges Gebäude aus Steinen war, und dessen erster Stock eine glä- 
serne Veranda hatte. Diese war einem der behandelnden Aerzte zur 
Wohnung angewiesen, während im Parterre der »Administrator« 
wohnte. Das Spital war abgetragen, und der »gläserne Palast« wurde 
nur von einem Wächter bewohnt. Noch einmal, und zwar zum letzten 
Male, entzückte ich mich an dem herrlichen Panorama, welches der 
südwestliche Theil der Veranda mir bot. Schäumend und brausend 
wälzt sich das Wasser des Daniflusses zwischen zahlreichen erratischen 
Blöcken und kleinen Steinen; Kinder spielen und springen lebens- 



110 I^iö Preanger-Provinz. 



firoh in diesem seichten Wasser, über welches sich eine zierliche 
Brücke, nur aus Bambus yerfertigt, zu dem Fusse des Salak zieht. 
Zahlreiche kleine Häuser und Fruchtgärten bedecken den Abhang 
des Berges, und ein riesiger Waringinbaum breitet seine doppelt ge- 
färbte Krone über lachende Fluren. Das Schnauben der Loco- 
motive, welche tief unter mis nach Buitenzorg dampfte, störte uns 
in der Betrachtung dieses schönen Panoramas, welches lieblicher und 
milder ist als jenes, welches der Salakberg den Bewohnern des 
Hotels Bellevue in Buitenzorg bietet. 

Den ersten »beschriebenen Stein« fanden wir zwischen zwei 
Bambushütten; es war ein Stein, auf welchem die Abdrücke zweier 
Füsse sich befanden, und zwar die des Badja Mantri, welcher 
auf diesem Steine so lange gestanden hatte, um nachzudenken, 
welche Bedeutung die vor ihm liegenden beschriebenen Steine 
hätten, bis seine Füsse in dem Stein sich abgedrückt hatten. Die 
übrigen Steine werden von den Alterthumsforschern als sprechende 
Ruinen des alten Reiches Padjadjaran vielfach beurtheilt und ge- 
deutet, und von den Eingeborenen einem mohamedanischen Hei- 
ligen, dem Kean Ansantang, zugeschrieben; leider war die Zeit 
zu kurz, um mich mit diesen Steinen näher zu beschäftigen. 
Die Sonne näherte sich als eine grosse feurige Scheibe dem Hori- 
zonte, immer schneller und schneller sank sie hinter die wald- 
reichen Gipfel des nahen Hügellandes, und als der letzte Sonnen- 
strahl über unsere Köpfe hinweg auf den Abhängen des Salak sich 
zu einem feurigen Fächer verbreitete, mahnte er uns zur Bückreise 
nach Buitenzorg (Fig. 5); denn die Dämmerung dauerte auch hier^) 
nur ungefähr eine Viertelstunde, und der Weg war mit zahlreichen 
Steinen bedeckt. 

Wir kehrten also nach Buitenzorg zurück, um am folgenden 
Morgen die Reise in die »Preangerprovinz« fortzusetzen. Die Nord- 
grenze dieser Provinz zieht über die G-ipfel zahlreicher Bergriesen 
(HaUmun 1921 Meter hoch, Salak 2215 Meter, Gedeh 3022 Meter, 
Sanggabuwana 1298 Meter, Tankubanprahu 2075 Meter, Bukittimpul 
2208 Meter und andere hohe Berge), welche an der Ostgrenze in 
einen spitzen Bogen übergehen und eine zweite Gebirgskette for- 
men, welche beinahe parallel zu der ersten läuft und bei Bandong 
eine grosse und einige kleine Hochebenen einschliesst. Diese 
Provinz erinnert in vieler Hinsicht an die Alpenländer Europas. 



>) Batu-tulis liegt nämlich 6° 35' S. B. 



Die Preanger-Provinz. Hl 



Sie ist zwar die grösste Provinz Javas (37 l,ooi. O Meilen), aber 
auch am wenigsten bevölkert (2,000,033 Einwohner») mit 5391») 
auf die Q] Meile). Sie hat ein herrliches, geradezu südeuropäisches 
Klima, hat unzählbare warme Quellen, eine unerschöpfliche Quelle 
von Naturproducten (zahlreich sind die Plantagen für Thee, China, 
Tabak, Kaffee, Gacao, Vanille, Muscatnuss u. s. w.); aber von 
der Gewinnung von Mineralien ist nirgends die Bede; sollte denn 
nirgends z. B. Gold gefunden werden, da doch so manche Ruine 
<einen grossen Goldreichthum in den ältesten Zeiten vermuthen 
lässt. Eine engherzige und kurzsichtige Gesetzgebung im Berg- 
bauwesen hat bisher die indische Hegierung im Allgemeinen ge- 
zeigt; seit Mai des Jahres 1897 ist sie diesbezüglich liberaler ge*' 
worden. In Semarang, oder vielmehr in der Provinz Semarang, 
wurden reiche Quellen von Petroleum in Betrieb gesetzt, und das 
Leuchtöl der »Dordrechtischen Gesellschaft« hat in China und 
Japan einen grossen Theil des russischen und amerikanischen 
Petroleums verdrängt. Auch in Celebes wurden Goldminen dem 
Handel eröffnet; vielleicht bemächtigt sich der Handel auch des 
Bodens der Provinz Preanger und lässt durch fleissige Untersuchungen 
des Bodens der Berge neue Quellen der Wohlfahrt eröffiien. Kohlen 
befinden sich im Westen Javas; Gold wurde in der Provinz Krawang 
gefunden; Zinn auf einigen kleinen Inseln in der Nähe der Rhede 
von Samarang; Jodium enthalten unzählbare Quellen; Schwefel 
kommt in ungeheurer Masse vor, Marmor im Süden der Provinz 
Madiun. Petrefacten, Basalt, Porphyr, Granit, Kaolin, Kalk, Kohle, 
Eisen, Späth u. s. w. kommen auf Java vor, ohne dass, wenn wir vom 
Petroleum und von einigen heissen Mineralquellen absehen, auch 
nur eine einzige Gesellschaft sich gefunden hätte, um diese ver- 
borgenen Schätze Javas resp. der Provinz Preanger zu heben. 

Einen ungeheuren 'Reichthum an warmen, heissen, kalten, an 
indifferenten, an Salz-, Stahl-, Schwefel- und Jodiumquellen hat 
Java, und die meisten von ihnen sind unbenutzt und unbekannt. 
Die Provinz Preanger allein hat 1 Bittersalzbrunnen (bei Kandang 
Wesi), 1 Mofette auf dem nördlichen Abhang des Telaga Bodas, 
1 Moorwelle auf dem Salak, 1 wannen Brunnen am Ged^h, 3 warme 
Brunnen am Mandalawangi, 2 in Sukabumi, 2 bei Dadap, 1 auf dem 

^) Nämlich: 1699 Europäer, 4166 Chinesen, 109 Araber, 11 Orientalen und 
1,994,049 Eingeborene. 

') Die Provinz Bagelen hat ungefähr 20,000 Seelen pro Quadrat-Meile. 



112 Wanne Qaellen. — Sanatorien. 

Berge Breng Breng, 1 bei dem Flüsschen Tji Madja, 1 Bittersalz- 
bninnen bei Batur, 1 warme Quelle am Berge Patua, 1 heisse und 
1 warme bei Pengalengan, 1 auf dem Tangkuban Prahu, 2 bei 
Lembang, 1 am Berge Guntur, 1 auf dem Papandajang, 1 im District 
Wanakarta. 1 bei Tassikmalaya, 1 im District Karang, 1 bei Tjiwalini, 
1 bei Tjibalang; also diese eine Provinz allein hat 26 warme Quellen, 
wovon 2 Karlsbad eine bedeutende Concurrenz machen könnten, 
wenn — . 

Das Ziel meiner Reise war Sindanglaya, ein mit Recht viel 
gq>riesener Luftcurort Javas. Zunächst kamen wir (um 10 Uhr 
Vormittags) nach Sukabumi, welches ebenfalls ein Reconvalescenten-^ 
Spital für Soldaten besitzt; es liegt 602 Meter hoch, hat ein mil- 
des, leicht warmes Klima und ist besonders geeignet für Recon- 
valescenten nach Erkrankungen der Lungen und nach allen Krank- 
heiten, welche von Diarrhöe begleitet sind. Nebstdem befanden sich 
zwei Pavillons für »Patienten erster Klasse <?c, in welche natürlich 
auch Bürger aufgenommen wurden. Es ist nämlich Eigenthum eines 
Arztes gewesen, der für seine militärischen Patienten einen gewissen 
Betrag berechnete, im Uebrigen -war es in jeder Hinsicht ein Privat- 
Sanatorium. Ich selbst bezog es für eine Nacht, und ich und meine 
Frau hatten eine angenehme Gesellschaft und eine gute Küche für 
diesen einen Tag. 

Was mich jedoch unangenehm berührte, war der wissenschaft- 
liche Indifferentismus, der damals in dieser Anstalt herrschte; ein 
so grosses Material wurde wissenschaftlich nicht verwerthet, und was 
nicht direct mit der Behandlung der Patienten in Verbindung war^ 
wurde ignorirt. Wie viele noch offene Fragen mit Bezug auf das 
Leben in den Tropen könnten in einem solchen Sanatorium ihre 
Lösung finden? Ich will nur auf die besonders praktische und wich- 
tige Frage der Magensäure hinweisen. Fast in keiner Familie fehlt 
das Fläschchen Salzsäure (und Ricinusöl) und wird bei allen mög- 
lichen Formen der gestörten Magenfunction gebraucht. Ich kann 
mir zwar ganz gut vorstellen, dass diese ungeheuren Massen Speise, 
welche bei der Reistafel () dem Magen zugeführt werden, keine ge- 
nügende Menge Salzsäure für die regelmässige Verdauung vorfinden, 
und dass darum eine Nachhülfe mit künstlicher Salzsäure sehr oft 
nöthig ist. Auch ist es auffallend, dass den Aerzten so wenig 



>) Vide I. Theil, Seite 68. 



nu iriftlftyisi'he üffoiitliclii- Täiizcriii mit Ui'i' 
eines TApfiig Biilmknii.') 



') Nur sehr boKcii wird der Tmiriat oiiie mnlnjisphc Stranspntänüerin 
in iihi;rer Toiletto Hfhpn. In ili^r Rcjfol ist üer oKpro TIipü d<T BrusI, Hals und 
\Hi'k<'ii uniii-üeckt. wi'il lior Sarnnn iIhs ciii7i£i' 'Ipwand isl, wcIclifK aie bis 
luibr d)P AclinHn trä}rl und in dur Taille niil i'incm silhenien (lüiipl seliliesst, 

IpIi kann nicht uraliin, nn dieser Stelti' einigüs flhcr dip malayisclie Auf- 
fassiMi}; dm Tanzpx mittutheilen. 

■So pine .Slrnsapn tanze rin gehört zur Hefe des Volkes und ist eine Prustilnee 
ülriclp dictu; eine niiolllndi^ Frau meidpt dpu Taiiü. Dip Rpdajas und Scrinipia 
üIh-u ihre Kunst imiuer i>liiic Männer aus. Der euniyäisehp Einfluns hat in 
diese AuffaHniing dür Eesehloeht liehen Moral nur eine Bresche Beschnsspn. 
Wo die Frau eines Fürtitpn in der europaisehen Gesellsehaft erscheint, nimmt 
sie an der Polonaise Theil; im Uebrigen isl jede Berührung des Mannes in 
Gegenwart Anderer von Mann und Frau ah unsittlich verpönt. 



Indische Gewürze. 1|3 



Magengeschwüre zur Behandlung kommen, und dass so selten Hyper- 
acidität des Magens, d. hi zu grosser Säuregehalt des Magens 
von ihnen diagnosticirt werde; aber dies sind nur aprioristische 
Grundlagen für die Annahme, dass in den Tropen, im Gegensatz zu 
den Ländern mit einem gemässigten Klima, die Hypacidität des 
Magens, d. h. eine zu geringe Entwicklung der Magensäure, eine häufige^ 
ja selbst regelmässig vorkommende Krankheit sein sollte. Pfeffer, 
Senf, Lombok (spanischer Pfeffer = Paprika), Pet^ (Parkia Afri- 
cana), Assem (Tamarinda Indica), Vanille, Tjenke (Caryophyllum 
aromaticum), Päla(Myristica fragrans), Ketümbar(Coriandrum sativum), 
K4pol (Ammonium cardamomum), Kelor (Morynga pterygosperma), 
Künir (Curcuma), Kajumanis (Cinnamomum aromaticum), Sintok 
(C. Sintok), Kerry, welches aus Santen (Fleisch der Cocosnuss), 
Curcuma, Wurzeln von Ingwer, Langkwas (Alpinia galanga), Zwiebeln, 
Paprika, Djinten (Anisodrilus carnosus), Kentjur (Kaempheria ga- 
langa), Ketümbar Sere (Graminea), Lada (Pfeffer) und anderen Pflan- 
zen besteht, sind eine stattliche Aeihe von Gewürzen, welche die 
Rysttafel sehr schmackhaft machen und den Magen zu erhöhter Ar- 
beit reizen. Ob nun darum allein der Magen keine hinreichende 
Menge ^on Magensäure producirt, also eine relative Hypacidität be- 
sitze, oder ob im Allgemeinen die Function des Magens in den 
Tropen eine träge sei und gerade darum zur erhöhten Thätigkeit 
durch diese Gewürze angeregt werden müsse, ist eine der vielen 
physiologischen Fragen, welche in den Tropen selbst entschieden 
werden müssen, und für deren Lösung gerade solche Sanatorien, 
welche über grosses Menschenmaterial verfügen, die geeignetsten 
Orte wären. 

Auch Sindanglaya, wohin ich mich am andern Tag um 10 Uhr 
per Eisenbahn begab, wurde damals wissenschaftlich nicht ausge- 
nutzt; der leitende Arzt war ein Psychiater, welcher, wenn ich mich 
nicht irre, jetzt Professor dieses Faches in Holland ist; aber für die 
vielen hundert offenen Fragen der Biologie in den Tropen ist in 
den Sanatorien Javas bis jetzt gar nichts gethan worden. Das 
bacteriologische Laboratorium in Weltevreden ist die einzige 
Stätte, welche sich über die Grenzen des täglichen praktischen 
Bedürfnisses hinaus mit wissenschaftlichen medicinischen Fragen 
beschäftigt. 

Die weitere Eisenbahnfehrt bot wiederum schöne Panoramen und 
stellenweise Meisterstücke der modernen Eisenbahn-Baukunst. Den Berg 

Breit enitein, 21 Jahre in Indien n. B 



214 Sin reicher Beamter. 



Kantjaua (1240 Meter hoch) umzogen wir iii einem grossen Bogen, bis 
wir in Tjandjur die Hochebene gleichen Namens (459 Meter hoch) er- 
reicht hatten. Hier veriiessen wir die Eisenbahn, wn mit einem Dos- 
ä-dos nach Sindanglaya zu faliren. 

Tjandjur war bis zum Jahre 1864 die Hauptstadt der Provinz Preanger, 
und seit dieser Zeit ist der fiegent dieses Bezirks in jeder Hinsicht ein 
Bivale von seinem CoUegen in Bandong. Wenn ich auch auf dieser Heise 
Bandong, die Hauptstadt der Provinz Bantam, nicht besuchte, sondern von 
Tjandjur direct nach Sindanglaya fiihr, so glaube ich doch aus verschie- 
denen Ursachen hier einige Worte über diese schöne Stadt Javas ver- 
lieren zu müssen. Im Jahi*e 1882 wurde ich nämlich jener Commission 
zugetheilt. welche in Batu-Djadjar, der Artillerie-Schiessstätte auf der 
Hochebene von Bandong, von Krupp erhaltene Kanonen untersuchen 
und einschiessen sollte. 

Hier blieb ich von Mitte December 1882 bis Ende März 1883 
und hatte oft Gelegenheit, die nahe gelegene Hauptstadt der Provinz auf- 
zusuchen. Von Batu-Djadjar gingen zwei Strassen auf die grosse 
Landstrasse; die westliche endete bei der Halte Padalarang, bei welcher 
gewöhnhch die von Batavia kommenden Reisenden ausstiegen; die zweite 
führte zur Halte Tjimahi, wo seit dem Jahre 1896 ein grosses railitä- 
risdies, stabiles Lager») sich befindet In l^/g Stunden konnten wir 
Bandong bequem erreichen. Die Stadt liegt zum grössten Theile zu 
beiden Seiten der grossen Poststrasse und macht einen freundlichen 
Eindruck. Der Regent hat einen schönen Palast, dessen Empfangssaal 
geradezu verschwenderisch ausgestattet ist Weim er auch viel von seiner 
früheren Grösse und Reichthum verloren hat so ist er dennoch der 
reichste Beamte von Java; er bezieht einen (lehalt von 20,000 fl. 
pro Jahr, und für jeden Kkol-) Kaffee, der aus seinem Bezirk abge- 
liefert wird, einen halben Gulden Prämie, welche jedoch 40,000 fl. nicht 
überschreiten darf 60,000 fl. ist ein schönes Einkimnnen für einen 
eingeborenen Fürsten, Von dem Vater des gegenwärtigen Regenten 
ist es bekannt, dass er nicht nm* einen grossen Aufwand fühi-te. son- 
dern auch gegen seine europäischen Gäste in freigebiger imd luxmnöser 
Weise die Gastfreundschaft übte. Er bezog allerdings neben seinem 



*) Die drei „militärischen Abtheilungen" haben im Innern der Insel ihre 
GoncoDtrationspunkte der Truppen: die erste hat l^imahi. die zweite hat Ma- 
gelang in der Provinz Kedü und die dritte hat Malang in der Provinz Pasaruan 
zum Centrum ihrer Truppenmacht. 

«) = 62V, Kilo. 



Ein reicher Beamter. 115 



Gehalt von 20,000 fl. noch eine Personaiziüage von 24,000 fl. und er- 
hielt für jeden exportirten Pikol Kaffee eine Prämie von 1 fl. (bis zu einem 
Betrage von 80,000 fl.). (Dieser hohe Gehalt ist nämlich eine Entschä- 
digung für den Verlust an diversen Steuern, welche der Fürst von Ban- 
dong bis zu seiner Anerkennung der holländischen Souveränität in dieser 
Provinz erhoben hatte.) Der alte Regent war ein grosser Freund von 
einem wohlgefüllten Stall mit arabischen, persischen und birmanesischen 
Pferden; er hielt Pferdewettrennen und Treibjagden in grossem Maass- 
sta))e. Bei seinen häushchen Festen Hess er die fürstlichen Tänzerinnen 
(Bedajas) auftreten (Fig. 6), Turniere halten und grosse Marionetten in 
europäischer Kieidmig den europäischen Tanz persifliren. Auch hatte 
er eine kleine Zahl von Hadjis, welche bei festlichen Gelegenheiten das 
Gedebus zeigten, indem sie unter Anrufen des Propheten und des 
Scheikh Abdul Kadir Djilani und mit wilden Tänzen eiserne Spitzen 
in die Brust stachen. Man muss bei den eingeborenen Eiscamotenren 
nicht so leicht mit dem Worte Schwindel bei der Hand sein. Ich sah 
damals im Club einen Klingalesen, welcher einen Knäuel Zwini ver- 
schluckte, in der Magengegend mit einem Messer die Haut ritzte und 
aus der Wunde vielleicht hundert Meter Zwirn herauszog! 

Den gegenwärtigen Regenten von Bandong sprach ich das erste 
Mal in Batu Djadjar; er war von dem Präsidenten der Commissiou 
eingeladen worden, das Telephon zu besichtigen und zu gebrauchen, 
welches ihm damals (im Jahre 1882) noch unbekannt und zu dem 
Zwecke der Controle der erzielten Treffer auf der Schiessstätte in 
Gebrauch war. Er kam nur mit einem kleinen Gefolge; sein Stell- 
vertreter, der Patti, wurde auf die entfernte Station bei der ersten 
Scheibe geschickt und dann wurden sie mit einander verbunden. 
Als der Regent durch das Telephon die Stimme seines Patti erkannte, 
sprang er im strengsten Sinne des Wortes vor Ueberraschung wie 
ein Nan* hei-uni und rief heran sakäli (Wunder über Wunder), apa 
plntar orang 'blanda (wie weise sind die Holländer!). Da wir, abge- 
sehen von einem giossen Pa>illon (mit doppelten Bambuswänden) für 
die Officiei-Hwohnungeu und einem als Caseme, noch einen gemeinsamen 
Si^eisesaal hatten, der aus den Contributionen der einzelnen Commissionen, 
welche jälirlich hier eintrafen, mit vollkommenem Service für zwölf 
Personen eingerichtet war, wollten wir den Regenten vor seinem Ab- 
schied zur '>Rysttafel« einladen; er nahm es nicht au, lud uns aber 
für den folgenden Sonntag zu seinem Herrenabend ein. 

Zwei Officiere — ich selbst war damals noch ledig — hatten zwar 

8* 



11g Das Tanzen (Tandak) der Javanen. 

ihre Frauen bei sich; sie bekamen aber den erwünschten Urlaub» 
und 80 gingen wir drei Tage später nach Bandong, zwei zu Pferde 
und die übrigen zwei in einem ICähar sewa, d. h. einem kleinen 
zweirädrigen Wagen, welcher die Unbequemlichkeit im Sitzen und im 
Einsteigen bis zum Maximum zeigt Im Hotel Homan nahmen wir 
unser Nachtmahl, und um 9 Uhr fanden wir uns bei dem Regenten 
ein. Es wai- ein schöner, reich mit Gold verzierter Emp&ngssaal, oder 
vielmehr Empfangshalle (Pendoppo M.). Kaum hatten wir den Haus- 
herrn begrüsst, und zwar unter sanften, einschmeichelnden Tönen der 
Gamelang, kam ein Bedienter mit einer grossen Platte, auf welcher echt 
chinesische Schalen mit EjdTee-Extract standen, und Jeder nahm sich von 
dem Zucker und von der Milch nach Belieben. Plötzlich erhob die 
Gamelang einen gewaltigen Spectakel, der Regent eilte von uns zu 
dem Eintritt seines Pendoppo, um den Residenten zu begrüssen, 
dessen Ankunft eben durch diesen Tusch angekündigt wurde. Der 
Bediente des Residenten war mit dem goldenen Pajong erschienen 
und setzte sich auf der Treppe nieder mit hoch aufgerichtetem, jedoch 
geschlossenem Pajong, und wir alle näherten uns dem Vertreter der 
Regierung und wurden ebenso freundlich als leutselig von ihm be- 
grüsst. Auf ein Zeichen des Residenten erschien auch sofort die ei*ste 
Tänzerin, welche eine gewöhnliche Ronggeng war, d. h. eine öffentliche 
Tänzerin, welche zu diesem Zwecke von dem Hausherrn gemiethet 
wurde. Die Gamelang erhob nun ihre sanfte, liebliche Weise, und die 
Ronggeng begann ihren Tanz (?). Sie war nur mit einem Sarong l>e- 
kleidet, welcher mit einem silbernen Gürtel in der Taille geschlossen 
war, wälirend der obere Theil die volle Büste nur theilweise deckte: 
sie hatte keine Schuhe und keine Strümpfe und zeigte einen schönen,, 
wohlgeformten, braunen Fuss; auch die Arme, Schultern und Hals- 
waren unbedeckt; jedoch hübsche Armbänder zierten den Vorderarm^ 
in den Ohren waren dicke, mit Diamanten besetzte Stäbe, und in 
dem üppigen, i^echschwarzen, glänzenden und zu einem Ktioten (Konde) 
gebundenen Haar steckten zahlreiche grosse, mit Edelsteinen l)esetzte 
Haarnadeln. Die Stime war theilweise mit Boreh gelb und die Augen- 
wimpern schwarz gefärbt Sie begann mit kreisdiender Stimme ein 
lied, verschämt lifechelnd brachte sie den Salindang') vor den Mund, 
und, ohne viel von der Stelle zu weichen, drehte sie sich langsam 



^) == eine Schärpe, welche von der rechten Schulter zur linken Seite ge- 
zogen wird. 



Das Tanzen (Tandak) der Javanen. 117 



im Kreise und streckte bald den einen« bald den andern Arm ein 
wenig in die Höhe, wobei die Hand und alle Finger überstreckt waren, 
d. h. das Handgelenk einen Winkel von weniger als 90 <^ und die 
Finger von mehr als 180<^ bildeten. Was sie sang, verstand ich nicht 
und ebensowenig die übrigen Europäer. Aber auch die anwesenden 
eingeborenen Häuptlinge erriethen wahrscheinlich den Inhalt der Lie- 
der mehr als sie ihn verstanden; wenn ich mich nämhch nicht irre, saug 
sie nicht in sundanesischer Sprache, sondern wie die Songgengs im 
eigentUchen Java, in altjavanischer (Elawi) Sprache. Bald bethei- 
hgten sich auch Männer an diesem Tanze. Den Beigen eröffnete der 
fiegent in höchsteigener Person, indem er ebenfalls einen SaUndang 
nahm, einen Kyksdalder (=.2.50 fl.) in die dazu bestimmte Kasse 
warf mid nun den Bewegungen der Bidaja folgte; es lag seinen 
drehenden Bewegungen etwas Caricatm* zu Grunde, ohne dass ich mir 
sagen konnte, was persiflirt werden sollte. Hierauf wurde die Schärpe 
auch einigen eiux)päischen Herren angeboten, welche in gleicher Weise 
1 oder 2,50 fi. in die Kasse warfen und sich Mühe gaben, nach 
den Begehl der Kunst zu »tandaken«. Wenn auch die Tänzerin nur 
wenige und sehr kleine Schritte machte, also gewissermaassen trippelte, 
und nur im Affect in grossen und beschleunigten Schritten im Kreise 
herumUef, so bheb doch der »Tandak«^ der Herren (welche dann Beksos 
genannt werden) immer eine scherzhafte Caricatur der Tänzerin; be- 
sonders die steife Haltung der Arme und Hände wollte den Märuiem 
nicht gehngen; auch gelang es ihnen niemals, das vei*schämte und ver- 
legene Lächeln der Tänzerin zu imitiren, wenn ein besonders starker 
Tabak im Liede — welcher in der Begel die Heroenzeit Javas be- 
singt und stark erotischen Beigeschmack hat — die Tänzerin veran- 
lasste, eine keusche, verlegene Jungirau darzustellen. Diese Scene 
wurde schon darum mit lautem ironischen Lachen der Eingeborenen 
begleitet, weil die Bonggengs als zweites Geschäft die Prostitution üben. 

Jeder angesehene Fürst hält sich jedoch seine Privat-Tänzerin, 
welche, wie z. B. an den Höfen von Solo und Djocja, von hoher Ab- 
kunft und bei ihren Tänzen reich mit Gfold und Edelsteinen geschmückt 
sind. Da nur die schönsten Mädchen dazu erwählt werden, ist damit 
die Wahrscheinlichkeit verbunden, entweder ein Beiweib des Sultans 
oder die Frau eines Prinzen oder eines anderen angesehenen Fürsten 
.zu werden. 

Während des »Taudaken« wurde den europäischen Gästen Bhein- 
wein, rother Wein, ein Brandy- oder Whisky-Grog offeriit, und so man- 



118 W&jang orang = Theater. 



eher der anwesenden eingeborenen Häuptlinge verBchmähte es nichts 
anstatt des ihm angebotenen Thees mit Backwaaren von dem Apolli- 
naris- Wasser mit »ein wenig Cognac«, nur »um den Greschmack zu 
verbessern«, ebenso häufig als seine eurQ|)äischen CoUegen Grebrauch zu 
machen. So ein Herrenabend bei einem eingeborenen Fürsten — 
die keusche Diana würde bei einer Beschreibung desselben ihr Ant- 
litz verhüllen — giebt den anwesenden Bonggengs eine führende 
Rolle, und nachdem der Resident gegen 12 Uhr sich empfohlen 
hatte, ging auch ich in's Hotel. Meine philiströse Anwandlung be- 
dauerte ich am andern Tage lebhaft, weil mir mitgetheilt wurde, dass 
der Regent von Bandong auch ein Wajang orang hatte spielen lassen. 
Ich habe jedoch späterhin, mid zwar in Magelang, ein malayische» 
Theater (Wajang orang) wiederholt besucht, und ich muss gestehen: 
seine Kunst steht hoch. Auf dem Schlossplatz stand ein grosses Zelt, 
in dessen Hintergründe die erhöhte Bühne auf kleinen Pfeilern 
ruhte. Die Coulissen waren ofifenbar europäischen Ursprungs und 
blieben für alle Stücke dieselben. Der Hintergrund war eine Thüre 
mit einem Vorhang, und ein zweiter trennte die Bühne vom Zu- 
schauerramn. In den Coulissen sass ein Mann und spielte die Rebab 
(Violine). Auch eine Versenkung fehlte nicht. Die Schauspieler waren 
halbeuropäischen Ursprungs, sprachen jedoch während des Spielens nui* 
die malayische Sprache imd stellten Scenen aus der Heroenzeit Javas 
dar. Ich wai* dieser Sprache so weit mächtig, dass ich dem Gang der 
Handlung folgen konnte, wenn mir auch manches lied nicht in allen 
seinen Theilen verständlich war. Wahre dramatische Scenen spielten 
sich ab, als z. B. der Awamuko (Teufel) dem Batoro 6uru (dem 
Lehrer des Heroen) zu Füssen fiel, ihm die Schuhe küsste und in weh- 
müthigem liede um Vergebung bat während aus den Coulissen sanfte, 
schmeichelnde und liebliche Töne der Rebab sein Flehen begleiteten, 
oder als z. B. der Fischer den Göttern seine Noth klagte, dass ihn 
Arimuko (ein Fürst der Unterwelt) mit seinem Hasse verfolge mid ihn 
sein Netz immer leer aus den Tiefen des Meeres herau&idien lasse. 
Stets waren es Scenen und Lieder, welche von hoher dramatischer Wir- 
kung waren und die Zuschauer mit Wehmuth und Lust erfüllten. Zum 
letzten Male will er sein Glück probiren und wirft das Netz hinaus in 
die Fluthen (hinter die Coulissen), ungeduldig schreitet er auf und ab mid 
zweifelt und hoffi, dass Amankau (= Arimuko) ihn nicht weiter mit 
seinem Hasse verfolge; endlich wagt er es, das Netz zu heben; es ist 
schwer, hoffnungsvoll zieht er immer stärker und stärker, er stützt 



W^ang tjina = chinesisoheB Theater. It9 



seinen Fnss gegen einen Felsen, beugt sich zurück^ das Gesicht wird 
roth, die Muskeln der Arme schweUen an, und endlich bringt er das 
Netz auf das Land; statt der viel erhofilen Fische ist jedoch eine 
schwere Kiste darin. Das Mienenspiel bei dieser Enttäuschung war ein 
Meisterstück der Pantomime. Plötzlich erhebt sich der Deckel der 
Kiste und Amankau (Arimuko) springt heraus; er hat eine Teuielsmaske 
und tritt dem armen Fischer mit drohenden Worten entgegen. 

Ich muss aber auch bekennen, dass ihre Auffassung von »würde- 
vollem« Auftreten uns Europäern fremd erscheint, und dass ihre Engel 
oder Huris einen geradezu komischen Eindruck machten; sie erschienen 
in weissen Kleideni von europäischer Mode und hatten eine hellfarbige 
Schärpe um die Taille. Da sie nebstdem keine Mieder hatten, und 
die weissen europäischen Kleider offenbai' nicht nach MaaKs bestellt 
waren, so waren diese Engel alles, nur nicht eine engelhafte Er- 
scheinung, wenigstens nach europäischer Vorstellmig. 

Auch ein Wäjaiig tjina habe ich gesehen und natürlich sehr 
häufig den Wäjang Kulit besucht 

Ein chinesisches Tlieater (Wäjang tjinaj sah ich im Jahre 1881 
während meines Aufenthaltes in Buitenzorg. Die Bühne unterschied 
sich wesentlich von der eines javanischen Wäjang orang. Sie hatte 
keinen Vorhang und keine Coulissen; jeder der Schauspieler kam aus 
einer und derselben Thüre im Hintergrunde auf die Bühne, neben 
welcher ein Chinese mit einem grossen Gong saßs. Ein paai* Kisten 
standen zur Seite, welche, wie mir ein Chinese erklärte, die Mauer und 
das Dach eines Nachbarhauses improvisiren sollten. Den Mangel jeder 
Decoration ersetzten die besonders reichen und kostbaren Costüme der 
Schauspieler; sie waren von Seide und strotzten von Gold. Auch die 
weibUchen Bollen wurden damals von Mannen) gegeben. Die Handlung 
war arm und dehnte sich endlos. Auf die Europäer machte Verschiedenes 
einen befremdenden Eindruck, nicht allein, weil wir die Sprache nicht 
verstanden, sondern auch weil die Pantomime der Chinesen uns ganz 
unverständlich war. Offenbar lag sehr viel in den Bewegungen des 
Körpers, wie es die lärmende und rauschende Musik der Gong an- 
deutete; freilich wussten wir nicht, was es bedeutete. Jeder gesprochene 
Satz bekam am Ende das Lärmen der Gong; ja selbst jede Bewegung 
erhielt ein solches stürmisches Finale. 

Am häufigsten sieht man jedoch die Wäjang Kulit d. h. ein 
Marionettentheater mit Figuren aus Leder (Kulit), deren Schatten auf 
eine weisse Fläche geworfen werden. Ein Rahmen aus reich ge- 



120 WäjaDg Kulit = Schattenbilder. 

schnitztem und verziertem Holze, Grewaiig genannt, ist mit weisser 
Leinwand überzogen; auf der einen Seite sind eine grosse Lampe, der 
Regisseur und zwei Stämme von Pisang; in diesen stecken die ledernen 
Figuren, welche von der Hand des Regisseurs längs des weissen 
Schirms bewegt werden. Zxvc Seite desselben sitzt die Musik, bestehend 
aus der Rebäb (Violine), Bambusglockenspiel (Angklong), flöte (Su- 
ling), Holzciavier, welches mit einem Klöppel gespielt wird, Metall- 
clavier, ähnlich dem Spielzeug unserer Kinder, mehreren Becken (Grongs), 
Pauken, Tambourins u. s. w. (Fig. 7.) Der Regisseur (Dalang) brachte 
— es war eben&lls in Buitenzorg im Jahre 1881, dass ich con amoi'e 
die erste Wäjang Kulit beobachten komite und mir die nöthigen Er- 
klänuigen zu Theil wm'den — erst euien Berg zur Ansicht Hierauf 
nahm er aus einer Kiste die pittoresken Figuren, welche auf einem 
Stäbchen befestigt waren; sie sind aus dem Leder der indischen Büffel 
geschnitten und reich mit Farben und Gold verziert; sie haben immer 
die bekannte Form der indischen Pupjien und sehr dünne, magere 
Arme. Er steckte die reichlicher verzierten, die Götter mid Fürsten, 
in den einen Bambusstamm mid die Plebs in den zweiten. Unter- 
dessen spielte die Gamelang ihre Ouvertüre. Mit einem Schlag auf 
die Kiste eröffnete der Regisseur die Vorstellung, die Musik schweigt, 
der Berg wird weggenommen, und halb singend, halb erzählend bringt 
er zunächst die Einleitung. Er beschreibt das Land, in welchem das 
Drama spielt, und erzählt das ganze Vorleben; im richtigen AugenbUck, 
d. h. wo das eigentliche Drama beginnt, nimmt er mit beiden Händen 
die Helden des Stückes von den Bambusstämmen, und ohne bedeutende, 
aber doch deutliche Stimmenveränderung führt er den Dialog der 
Marionetten. 

Der Wäjang gohl^k, welcher aus Holz verfertigte, massive und 
mit Kleidern behängte Figuren haben soll, ist mir aus Autopsie unbe- 
kannt; ebenso wenig hatte ich Gelegenheit, einen Topeng zu sehen, 
welches eine Pantomime von maskirten Männern und Frauen sein soll 
Einen Topeng Babakan sali ich jedoch in Majelang von Haus zu 
Haus ziehen, um auf Verlangen eine Vorstellung zu geben. Ein Mann, 
welcher auf dem Rücken eines gemalten Pterdes aus Papier sass, eine 
Ronggeng und eine kleine Capelle. bestehend aus einer Gamelang, 
einer Gong (Becken) und einer Flöte, war das ganze Personal. (Fig. 8.) 
Die Ronggeng sang einige Pantons mit kreischender Stimme, auf 
welche der Ritter des papienien Pferdes manchmal Wechselgesänge 
folgen Uess. 



Spiele der Javanen. — Eine Theeplantage. 121 



Noch will ich erwähnen, dafis ich weder ein Tigergefecht noch ein 
Turnier zu sehen Gelegenheit hatte. Das Hahnengefecht aber, bei 
dem den kämpfenden Hähnen scharfe Messerchen an den Sporen 
befestigt werden« habe ich wiederholt gesehen, obzwar die holländische 
Regierung sie verbietet und sich alle Mühe giebt, dieses leidenschaftliche 
Spiel auszurotten. Auch Grillen (djankriks) und Wachtehi (burung puju) 
werden zu Wettkämpfen gebraucht Auch das »Drachenfliegen« ist 
ein beliebtes Spiel ei-wachsener Javanen. 



Lieutenant P . . wai* mein Eeisegenosse nach Bandong. Da zwei 
Tage lang das Schiessen ausgesetzt wm^e, gab uns der Präsident der 
Conmiission. welcher den nächsten Tag nach Batu Djadjar zurückkehrte, 
noch einen Tag Urlaub, den wir dsizu benutzten, den Onkel des Lieute- 
nants P . . zu besuchen, welcher noi*döstlich von Bandong die grosse 
Ttieeplantage Djati Nangos (?) administrirte. Die Besitzerin war dar 
mals (1882) ein junges Mädchen, eine Waise, welche in Europa ihre 
Erziehung genoss. Der Administrator, der pensionirte Besident X^ 
wohnte in einem hübschen Landhause in der Nähe von Sumedang. 
Einen besonders interessanten Empfang hatten wir, als wir durch das 
Gehege dieser Plantage fuhren. Rehe sprangen über den Weg und 
bUeben in einer Entfenimig von wenigen Metern stehen, um uns mit 
ihi'en grossen schönen Augen zu fragen^ wer wir seien und was wir 
hier zu thmi hätten. Im Hintergrunde sahen wir selbst einige hundert 
zu einem Rudel vereinigt Der Hen* X. empfing uns in liebens- 
würdiger Weise, und da es gerade vier Uhr war, d. h. die Zeit zum 
Theetrinken, setzte er uns sofort eine Schale seines Eigenbaues vor. 
Wie war er jedoch entrüstet, als ich gewohnheitsgemäss ihn lun ein 
wenig Milch füi* meinen Thee ersuchte; ja er naimte mich sogar einen 
Barbar, der tiel^ ja sehr tief unter einem Chinesen stehe. Nur ein Barbar 
sei im Stande, das herrliche Aroma des Theeblattes durch Zucker, Rum 
oder Milch zu zei-stören! Interessant waren seine Mittheilungen über 
die Einfuhr der ersten Theestauden und der raschen Entwicklung, welche 
diese Pflanze im Laufe von wenigen Jahrzehnten auf Java genommen habe. 
Denn erst vor sechzig Jahren ging ein Amsterdamer Namens Jacobson 
nach China, um dort die Bearbeitung des Thees kemien zu lernen, nachdem 
schon der Gründer des botanischen Gartens zu Buitenzorg, Pro£ Rein- 
hardt, mit gutem Eriblg den Thee auf dieser Insel gepflanzt hatte. In 
einem dickleibigen Buche beschrieb Jacobson die Theecultur, ent- 
sprechend dem damaligen Stande der Wissenschailen, und seine prak« 



122 -Bind Theeplaotage. 



tischen Winke wurden Allgemeingut der javanischen Theepflanzer, 
welche jährlich eine ungeheure Menge produciren und exportiren.^^ 
Leider geschieht dies häufig unter chinesischer Marke, d. h. mit chine- 
sischen Au&chriften und in chinesischer Verpackungsweise. Der Thee 
ist aber so gut, dass er unter keiner felschen Flagge zu Markte zu 
fahren braucht 

Der Anblick eines- Theefeldes ist in keiner Hinsicht rühmenswerth; 
es sind niedrige Sträucher, welche in kleinen Abständen (+ 1-2 Meter 
Entfernung), und zwar in gerader Linie gebaut sind. Zweimal des 
Jahres werden die Blätter gepflückt; die zarten Blätter geben die feinste 
Theesorte, und wenn der Baiun zu alt ist, so werden die Blätter zu 
hart um in den Handel kommen zu können. Die guten Sorten Thee 
werden nur von jmigen Bäumen, und die feinsten Sorten von den 
jüngsten Blättern dieser Sträucher bereitet Die Farbe der in den 
Handel kommenden Thees ist nur von der weiteren Bereitungsweise ab- 
hängig. Ursprünglich hat der Theebaum nur grüne Blätter. Werden 
sie nur an der Sonne getrocknet so behalten sie ihre ursprüugUche 
Farbe; werden sie aber sofort nach dem Pflücken in Säcken oder Lein- 
wandcyhndem über ebiem Kohlenfeuer getrocknet, so werden sie schwarz. 
Während sie in der Dörrpfanne sich befinden, werden sie von Frauen 
besser zusammengerollt^ als es durch den einfiichen Trocknmigsprooess 
geschieht, und je mehr Blätter mit den Fingeni gerollt sind, desto* 
hoher ist der Preis. 

Mit diesen spärUchen Mittheilungen musste ich mich b^nügen^ 
weil ich und mein Beisegenosse bereits den nächsten Tag diese Plan* 
tagen wieder verlassen mussten. In Batu Djadjar sollte das Schiessen 
wieder beginnen, und dies darf nach den gesetzlichen Bestimmungen 
niemals ohne gleichzeitige Anwesenheit eines Arztes stattfinden. Ich 
sah also weder das Pflücken der Blätter, noch das Bösten d^'selben — 
nicht einmal die Dörrschuppen, das Sortiren des Thees, seine Ver* 
Packung u. s. w. 



Mein Aufenthalt auf der Heide von Batu Djadjar war der unan- 
genehmste, weil langweilig, in meiner ganzen indischen Carri^re. Es 
waren im Granzen 40 Mann, welche sich damals an den Arbeiten 
der Commission betheiligten und in den günstigsten hygienischen Ver- 



In den Jahren 1889—1893 wurden 3,492,000, 3,210,000, 2,673,000, 
3,671,000 und 2,712,000 kg Thee exportirt. 



Bambus- Wanden. |23 



hältnissen befanden. Vor ihrer Abreise wurden sie ärztlich untersucht 
und kamen in ein herrhches Klima. Wir hatten in der Morgenstunde 
zwischen 6 mid 7 Uhr oft nicht mehr als 17 ^C, und sofort nach Sonnen- 
Untergang sank die Temperatur so tief, dass ich em-opäische Kleider an- 
ziehen musste. wenn ich mit den übrigen Officieren im Gartenhäuscheu 
die Zeit des Nachtmahles abwarten wollte. Wenn man um 2 Uhr Nach- 
mittags 31 — 32 C. im Schatten hat und die Wärme des Abends aui 
22 — 20 ® C. sinkt, so empfindet man diesen Unterschied der Tempe- 
ratur geradezu als Kalte. Auch bei meiner Beise nach Europa im 
Jahre 1897 hatte ich hn rothen Meere durch die Kälte (? !) Last, ob- 
zwar das Thermometer 16" C. zeigte. 

Die Soldaten hätten sich also einer ausgezeichneten Gesundheit 
erfreut, wenn sie nicht den Unbilden — der Liebe zum Opfer geÜEÜlen 
wären. ») 

Aber auch diese Kranklieiten beschäftigten mich kaum eine Stunde 
täglich. Das Schiessen selbst forderte kein einziges Opfer. Keine 
Kanone war gesprungen und keine Kartätsche hatte Unheil augestiftet 
Rothe Fahnen verkündeten den Bewohnern der benachbarten Kampongs 
die Stunde des Anfanges und des Endes des Schiessens; sie blieben 
also um diese Zeit ausser Schussweite und ausserhalb des verbotenen 
Terrains. Ich blieb jedoch nicht gänzlich von chirurgischen Arbeiten 
verschont. Ein Kanonier schnitt sich eines Tages mit einem Bambus 
in den Goldfinger der Unken Hand. Mit Recht werden von den in- 
dischen Aerzten ^Bambuswunden« sehr gefürchtet Sie veranlassen 
sehr häufig gefährliche Folgekrankheiten, weil ein Stück Bambus nicht 
so scharf ist, um eine gequetschte Wmide zu vermeiden und weil — 
nicht, wie man gewöhnlich annimmt die Ränder mit kleinen Haaren 
bedeckt sind — sondern weil sich auf ihrer rauhen Oberfläche stets 
eine Unzahl schädlicher Bacterien befinden. Dieser Kanonier hatte sich 
an der Schiessstätte, wie gesagt, mit einem scharfen Stück eines Bam- 
busrohres geschnitten; sofort wurde ich telephonisch davon benachrich« 
tigt, und sofort konnte ich die Schnittwunde, welche ziemUch glatte 
Ränder hatte, antiseptisch behandeln mid nähen. Nach 36 Stunden 
zeigtmi die Wundränder eine verdächtige Rötfae und Spaimung. Beim 
Oeffiien der Wundnähte flössen einige Tropfen Eiter aus; seine Tem- 
peratur stieg auf 39 <^, imd bis zum folgenden Morgen war die Eite* 
rung bis zum Handgelenk fortgeschritten (progrediente Phlegmone); ab 



») Vide Band I, Seite 199. 



]24 Eiae langweilige aber einträgliche Garnison. 

nadi abennals 12 Stunden sich am Vorderarme rothe Streifen zeigten, 
der heftige Schmerz und die hohe Temperatur unverändert blieben, 
zögerte ich keinen Augenblick mehr, radical einzuschreiten. Ich ent- 
fernte die Quelle der Eiterung, und das Leben, der Arm und die Hand 
waren gerettet 

Hatte ich als Arzt sehr wenig Beschäftigmig, so gab das gesell- 
schaftliche und das tägUche Leben noch weniger Zerstreuung. Wir 
waren im Ganzen vier Offidere, zwei derselben waren verheiratet und 
hatten ihre Frauen und Kinder bei sich. Wenn des Vormittags die 
Männer auf der Schiessstätte sich befanden, sass die Frau des Bitt- 
meisters X. in dem rechten Flügel des Ofhcier-Pavillons mit ihrem Söhn- 
cfaen von vier Jahren in ihrem Zimmer, im linken Flügel beschäftigte 
sich Frau Y. mit ihrem acht Monate alten Kindchen, mid in der Mitte 
desselben sass ich bei meinen Büchern und las mid las, bis ich dessen 
müde, meinen kleinen Siamang (Hylobates syndactylus *) von meinem 
Bedienten abnahm (an dessen Unterschenkel er stets hing) und vor 
meinem Zimmer herumlaufen liess. Dieser kleine schelmische AÜe 
hielt sich an keine Stunde des Emp&nges oder der Visite, sondern lief 
dann sofort in das Zimmer des Rittmeisters X. imd war dem kleinen 
Wilhelm ein stets willkommener Spielkamerad. Diese zwei neckten 
idch, balgten sich im Hofraum oft Stunden lang herum, und der ärgste 
Hypochonder hätte sich an dem Spiel dieser zwei guten Freunde er- 
götzen müssen. Ich aber sass wieder in meinem Zimmer mid las wie- 
der und las wieder. Gegen die Mittagsstunde kamen die Männer nach 
Hause. Die verheirateten Officiere widmeten sich ihren Vaterpttichten, 
und ich sass noch inuner beim Lesen; denn der dritte Officier, welcher 
meben meinem Zimmer seine Schla&tätte aufgeschlagen hatte, ging nach 
Ablauf seines Dienstes ein Bad nehmen, speisen und sein Mittags- 
schläfchen halten. Gegen 4^9 Uhr brach endlich der Zauberbaim die 
Langeweile. Lieutenant P. kam in seiner indischen Haustoilette bei 
mir seinen Thee trinken, und nachdem wir um 5^2 Uhr unser Bad 
genommen und uns angekleidet hatten, gingen wir spazieren. Wir Beide 
nahmen den Weg nach rechts, Bittmeister X. mit seiner Frau mid 
seinem Sohne nach links, und Lieutenant Y. erging sich mit seiner 
Frau, welche ihr erstes Töchterdien auf einer kleinen Matratze trug, 
auf einem dritten Wege in der erfrischenden kühlen Abendluft. Um 7 Uhr, 
also zur officiellen Visitenzeit, trafen wir ims in dem Gartenhäuschen, 



') Seine Heim^th ist Sumatra. 



Eine langweilige aber eintragliche GamiaoD. 125 



welches vor der Hauptfront des Officier-Pavillons stand, und besprachen 
den Inhalt der Zeitungen, welche unterdessen angekommen waren« Um 
8 Uhr ging Jeder nach seinem Zimmer, um das Nachtmahl zu nehmen, 
und blieb bis zum nächsten Morgen für Jedermann unsichtbar. Inner- 
halb der vier Monate, welche wir auf dieser Hochebene zubrachten, 
kam nur zweimal eine Veränderung in dieses einförmige und lang- 
weilige Leben. Einmal kam, wie schon erwähnt wurde, der Regent von 
Bandong, um das Telephon zu sehen, von dem er Unglaubliches ge- 
hört hatte, und das zweite Mal besuchte mis der Commandant der in- 
dischen Armee. General Bouwmeester gehörte dem Corps der Artillerie 
an und interessirte sich für die neuen » Bergkanonen €, welche bei Krupp 
in Essen gegossen waren. Das erhaltene erste Exemplar zeigte einen sehr 
grossen Fehler; der Schwerpunkt der Kanone fiel nicht mit dem der 
Afiuite in eine Linie; die Folge davon war, dass beim Abfeuern die 
ganze Kanone, wenn sie geremmt wurde, nicht nur sich au&tellte, son- 
dern sogar einen Purzelbaum schlug. Der General kam mit dem Chrf 
der Artillerie und mit dem Commandanten der Berg- Artillerie zu uns, 
um sich persönlich davon zu überzeugen und die Vorschläge des Ritt- 
meisters X. zur Verbesserung dieses Fehlers zu besprechen. ») Wir hatten 
also einige Tage grosse Gesellschaft und gemeinsame Tafel (ohne die 
lieiden Damen). Bei dieser Gelegenheit brachte, wie ich späterhin vom 
Lieutenant P. erftihr, der Vorsitzende der Commission eine Geldfrage 
zur Debatte, welche den drei Oflicieren der Artillerie, aber nicht meiner 
Person zu Gute kommen sollte. 

In Batu Djadjar werden nämhch jährlich die Schiessübungen der 
Artillerie gehalten, und die Officiere, welche daran theilnehmen, be- 
kommen reglementär 1,50 bis 2 fi. Tagegeld; für unseren Fall könne 
dieses Gresetz nicht in Anwendung gebracht werden, weil wir als 
9 Commission« mit einem speciellen Auftrage dahin gesendet worden 
seien; als solche hätten wir Anspruch auf ein Tagegeld von 6 fi 
Diese Angelegenheit hatte Rittmeister X. dem Armee-Commandanten 
zur Unterstützung vorgelegt, und zwar nur im Interesse der drei 
Artillerie-Officiere. Der General Bouwmeester stimmte der ausge- 
sprochenen Ansicht bei und versprach, die betreffende »Reclamation« 
zu unterstützen, obwohl er fürchtete, dass bei dem herrschenden System, 
so viel als möglich der Sparsamkeit zu huldigen, die Aussichten auf 
einen günstigen Erfolg nicht sehr gross seien. Als ich von dieser 



') Sc: Die Affuite nämlich zu verlängern. 



126 Bin® langweilige aber einträgliche Garnison. 



Affaire erfuhr, ärgerte ich mich darüber, dass der Vorsitzende in seinem 
Memorandum meiner mit keinem Worte gedacht hatte^ und machte 
ihm auch darüber in passender Weise Vorwürfe. Rittmeister X. meinte 
jedoch, dass er den »Doctor« ausser Betracht gelassen habe, weil dessen 
Arbeit in beiden Fällen dieselbe sei. Ende März war unsere Arbeit 
abgelaufen, und ich musste mich wegen eines Gelenkleidens wieder in das 
Spital zu Weltevreden aufiiehmen lassen. Einen Schreiber des Hospital- 
chefe ersuchte ich, die »Declaratie« meiner Reise und meines Aufent- 
haltes in Batu Djadjar anzufertigen, und theilte ihm die diesbezügliche 
Debatte mit dem Rittmeister X. mit. Er warf einen Blick in meine 
Marschordre, w^elche dieser Rechnung beigelegt werden musste, und 
rief: »Hen- Doctor, Sie bekommen 6 fl. pro Tag, also 720 ti. für die 
vier Monate, welche Sie in Batu Djadjar zugebracht haben; das Wort 
Commission steht ja darin.« So geschah es auch. Der Zufall wollte 
es, dass ich an demselben Tage, an dem ich die Anweisung von 720 fi. 
an die Steuerkasse zu Batavia erhielt, dem Rittmeister X. begegnete. 
Seine Reclamation hatte keinen Erfolg gehabt, und als er meine An- 
weisung in der Höhe von 720 fl. erblickte, rief er wüthend aus: »Die 
Militärärzte sind ja die Schoosshunde der Regierung«, und Hess mich 
stehen. 

Ende März 1883 verliess ich Batu Djadjar, und ich habe seit 
dieser Zeit die Provinz Preanger nur als flüchtiger Toiu*ist besucht, sei 
es, dass ich mit der Eisenbahn von oder nach Batavia fuhr, sei es — 
um auf den Ausgangspimkt dieses Capitels zurückzukommen — dass 
ich eine Erholungsreise in die Gebirge dieser Provinz machte. Auf 
dieser Reise (im September des Jahres 1888) kam ich per Eisenbahn 
nur bis Tjandjur.') Bei dieser Station macht die grosse Heeresstrasse, 
welche bei Batu Tulis sich in zwei Arme theilt, in einem grossen Bogen 
das Ende eines grossen Kreises, und auf ihrem östlichen Halbkreise 
setzten wir unsere Reise mit einem Dos-ä-dos fort Der Weg führte 
über den Berg Patjet (1122 Meter hoch), während wir den Berg Beser 



^) Leider hatte ich keine Gelegenheit, die grossen und bedeutenden China- 
Anpflanzungen der Preangerprovinz zu sehen. Seit Junghuhn (vor ÖO Jahren) 
auf dem Abhänge des Tankuban Frahu die erste „Kinacultur"' anlegte, hat diese 
unter seinem Nachfolger Berelot Moens in Java einen grossen Aufschwung 
genommen; ja noch mehr: Selbst die Gewinnung des Alkaloid (Chinin) wird seit 
ungeföhr fünf Jahren auf Java fabrikmässig betrieben. In den Jahren 1889 — 1893 
wurden 2,257,000, 2,820,000, 3,090,000, 2,330,000 und 2,710,000 Kilo Chinarinde 
exportirt. 



Einfluss der „reinen Bergloft". 127 

(1390 Meter hoch) mit seinen dicht bewaldeten Abhängen in allen 
Nuancen des Grüns zu unserer Rechten liegen sahen; an den Hügel- 
Gärten Tjipodas und Tjipanas (mit ihren wannen Quellen) zogen wir 
vorbei, und gegen fünf IThr Abends erreichten wir das Ziel unserer 
Beise, den Luflxiurort Sindang-Lajk (1082 Meter hoch). Zwölf Tage 
blieben wir hier und erfrischten unsere durch die Wärme des Nordens 
Sumatras erschlafften Gheder. Des Morgens hatten wir 10® C, und 
erst um elf Uhr wagte ich es, in dem grossen Bassin, welches diut^h 
eine grosse Pantjoran reines Bergwasser erhielt ein Bad zu nehmen; 
in einem dicken Strahl stürzte das Wasser von zwei Meter Hohe 
herab und war so kalt, dass ich keinen Augenblick diese Douche auf 
mich fallen lassen konnte. Dieses Bad nahm ich mehr, mn dem all- 
gemeinen Gebrauch und der Gewohnheit zu folgen, als einem Be- 
dürfiiisse zu entsprechen. Bei einer Temperatiu* von 10® C. schmtzt 
man ja nicht, wenn man keine anstrengenden Arbeiten verrichtet 
Dieses hat wieder einen sehr günstigen Einfluss auf die Abscheidung 
der Nieren, und da der schwächende Einfluss der hohen Temperatur 
auf alle Muskeln sich ersti*eckt und im Gebirge also fehlt, so ist auch 
die Blase kräftiger, der Puls wu'd stäi-ker mid voller, die Athmung ge- 
schieht in tieferen Zügen, die BewegUchkeit aller Gelenke ist leichten 
der Dm'st wird weniger lästig, der Appetit erhöht, mit einem Worte: 
Jjebenslust tritt an die Stelle der häufig künstlich gepflegten energielosen, 
manchmal selbst apathischen Lebensweise in den Tropen. Auch wir ge- 
nossen in vollen Zügen die frische, kühle, reine Bergluft und machten des 
Vormittags von 9 — 12 Uhi* Spaziergänge, ohne zu ermüden und ohne 
von der Tropensonne belästigt zu werden. Dass trotz dieser scheinbar 
bedeutenden Vorzüge diese Luftcurorte nicht regelmässig von allen 
Europäern und den reichen Eingeborenen benutzt werden, so wie z. B. 
die Bewohner der grossen Städte Europas jedes Jahr ihren Sommer- 
aufenthalt im Gebirge nehmen, hat vielfache Ursachen. Die wichtigste 
derselben ist folgende: für die Dauer ist der Aufenthalt im Gebirge 
in der Begel nicht angenehm und — langweilig. Wenn der Reiz der 
Neuheit vorüber ist, machen sich eben die Schattenseiten des G^birgs- 
lebens nur zu sehr fühlbar. In erster Reihe machen die grosse Feuch- 
tigkeit der Luft (oft 900 ^/oo) und die zahlreichen Regenfälle den 
Aufenthalt im Gebirge sehr unangenehm; die Schulte sind jeden Morgen 
beschimmelt die Bettwäsche ist feucht und kühl, und wenn man sich 
zur Ruhe begiebt, bekommt man davon oft ein leichtes Frösteln. Die 
Häuser müssen aus Holz gebaut sein, sonst ist das mitersto Viertel 



128 Earopäische Gemüse auf Java. 

der Mauern mit braunen Flecken und grünem Schimmel bedeckt, und 
erst gegen neun Uhr wird der Aufenthalt in einem solchen Gebäude 
eitträglich, d. h. wenn (in der trockenen Zeit) die Sonne, nicht be- 
hindert durch eine grössere oder kleinere Wolkenschicht, durch ihre 
belebenden und erwärmenden Strahlen die kühle und feuchte, oft nach 
Schimmel riechende Luft aus den steinenien Häusern verdrängt hat 
Menschen mit Affectionen der Lungen und des Darmes befinden sich 
im Gebirge nicht wohl und eilen daher, wemi sie wegen Malaria Er- 
holung ihres geschwächten Oi^nismus im Gebirge gesucht hatten, so- 
bald als mögUdi in minder hoch gelegene Orte, welche, wie z. B. 
Djoqa, minder kalt sind und durch ihr »gleichmässig warmes Klima«c 
den geschwächten Lungen und Däiinen zuträglicher und auch ange- 
nehmer sind. 

In Sindanglaya bestand, wie in Sukabumi, das Sanatorium aus 
zwei räumlich von einander geschiedenen Theilen; der Pavillon für die 
Patienten 1. Classe bestand aus einem grossen hölzernen Gebäude und 
einigen kleineren für ganze Familien. Ein zweiter grosser Pavillon 
diente zur Schla&tätte für Soldaten (3. Classe), und ein kleinerer war 
für Unterofficiere (2. Qasse) eingerichtet, welche je ein kleines Zimmer- 
chen erhielten. In allen Gebäuden wurde Table d'hote gehalten, wie 
überhaupt in allen Hotels Indiens beinahe niemals >) ä la carte gegessen 
wird. Die vorgesetzten Speisen waren gut bereitet und unterschieden 
sich nur wenig von den üblichen Menüs in Europa; schon damals 
wurden nämlich im Gebirge zahlreiche europäische Grünzeuge mit 
Erfolg gepflanzt und seit Vollendung der Eisenbahn im Jahre 1892 
werden auch alle Städte der Küste reichlich mit Erdbeeren, Kraut, 
Salat, Rüben, rothen Rüben, Endivien, Schwarzwurzeln, Pfirsichen, 
Petersilie, Sellerie 2) und Erdäpfeln versehen. Die Preise derselben 
sind nicht besonders hoch. Im Jahre 1881 befand ich mich in Mittel- 
Java (in Njawi) in Garnison; diese kleine Stadt war 9 km von der 
nächsten Eisenbahnstation entfernt In der Nähe, und zwar auf dem 
Berge Tosari in der Provinz Pasaruan lebte ein deutscher Gärtner, 
welcher sich mit dem Anbau der europäischen Grünzeuge beschäf- 
tigte. Nach dem üblichen Gebrauch abonnirte ich mich bei ihm auf 
eine regelmässige Zusendung von europäischem Gemüse. Ich erhielt 



') In der alten Stadt Batavia bcstebt ein ,,K&ifeebaus^, in welchem k la caHa 
Bervirt wird. 

*) Spinat, Bohnen. Gurken, kleine Sorten von Erbsen findet man überall. 



Fig. 9. Ein 



Europäische Gemüse auf Java. X29 

jede Woche einen g^xxa&n Korb, ^rdcher jedodi für zwei Personen 
zu viel enthielt; idh theilte den Inhalt also mit einem liecrteiittit, 
und Jeder von uns bezahlte pro Monat 4 iL 80 Ct = 8 Mark« In 
einer anderen Garnison kam regelmässig jede Woche einmal ein Haa- 
sirer mit Erdbeeren zu uns und verlangte für ein Körbchen mit 7ö Stück 
25 Cents = 42 Pf. Ihr Geschmack war derselbe als' der in EurofMi; 
sie hatten die Grösse von der europäischen Walderdbeere. Auch aUe 
übrigen angeführten Grünzeuge unterschieden sich gar nicht von jenen, 
welche in Eurc^a gepflanzt werden; nur die Pfirsichen sind w^iiger saft- 
reich und die Weintrauben sind ungeniessbar. In Griss^ (bei Sura- 
baya) habe ich sie zum ersten wid zum letzten Male in Indien im 
Jahre 1877 wachsen gesehen. Hin und wieder bek<Hnmt man Wem- 
trauben zu kaufen; sie stammen von Australien, haben eine dicke Schale 
und ihr Geschmack ist nicht angenehm. Auch Aepfel werden von die- 
sem Welttheil auf Java importirt, ohne jedoch einem europäischen Apfel 
an Saft imd Schmackhaftigkeit nahe zu kommen. Seit einigen Jaluien 
besitzen die neuen Schiffe Kühlräume, wie z. B. der vor zwei Monaten 
in Rotterdam erbaute Dampfer. Vielleicht wird es diesem möglich sein, 
Aepfel und Birnen nach Indien zu bringen, obschon für den Importr 
artikel »europäische fVüchtec in Indien gar kein Bedürfiiiss besteht. 
Diese könnten höchstens den Beweis bringen, was manchmal noch be- 
zweifelt wird, dass die indischen Früchte in jeder Hinsicht hoch über 
den in Europa gepflanzten stehen. 

Unser Nadibar im Hotel war Mr. A., ein Advocaat dessen Mutter 
und Vater keine Vollbluteuropäer waren; die Mutter Beider war eine 
javanische Frau gewesen; er gehörte also zu der Rasse Sinju, sowie 
jede Frau, welche, sei es auch im zweiten oder dritten Geschlecht, 
das Blut eines Eingeborenen in sich hat, Nonna genannt wird, während 
seit kurzer 2ieit der Name Creole für die Europäer gebraucht wird, 
welche in Indien von europäischen Eltern geboren werden. Ich muss 
betonen, dass beinahe immer nur von einem europäischen Vater und 
von einer eingeborenen Mutter die Sinjus und Nonna abstammen, und 
dass der umgekehrte Fall, dass nämlich ein Eingeborener eine euro- 
päische Frau geheiratet hätte, zu selten vorkommt, um ihre Kinder in 
eine bestimmte Classe oder unter einen gemeinsamen Namen zu dassi- 
fidren. Wahrscheinlich Vürden sie officiell zu den Eingeborenen ge- 
rechnet werden. Der einzige mir bekannte Fall einer solchen Ehe 
blieb kinderlos. Er war der Sohn eines angesehenen Fürsten von Djocja 
und ging als Knabe mit einem Pastor nach Europa. Hier genoss er 

B7«it«n»t«iii, 21 Jftlm in Indkn II. 9 



130 ^^^ javanischer Fürst verheiratet mit einer europäisohen Dame. 



in der Familie dieses protestantischen Predigers eine sorgfältige Elr- 
ziehung und wurde Ingeniem*. Schon frühzeitig erwachte in ihm die 
Neigung zu der Tochter seines Pflegevaters, welche mehr als Schwester- 
Uche Grefühle für ihn hegte. Ich will den Inhalt des Somanes, in 
welchem Ismangong und seine Frau die Heldenrollen spielen, ganz 
ausser Betracht lassen und mich nur an das Thatsächliche halten, wel- 
ches ich von meinem Freunde Ismangong erfahren habe, fir fühlte 
für die Tochter des Pastors van Steeden eine innige und aufrichtige 
Liebe und — war Mohamedaner; diese war in gleicher Liebe ihm zuge- 
than und war — Protestantin. Weder Ismangong noch seine Braut 
wollten ihrem Glauben untreu werden; ihm drohte der Fluch seiner 
kaiserlichen Familie, ihr machten die diversen Tanten und Nichten die 
Hölle heiss und zeigten die Schreckensbilder der Polygamie in f ürchter- 
hchen Farben. Die Liebe siegte aber über alle Bedenken, und als glück- 
liches Ehepaar zogen sie nach Java. lu Batavia bewarb er sich als 
Ingenieur vom Fach um eine Anstellmig in Staatsdiensten. Beamter 
zu werden, ist ja für die Söhne aller HäupÜinge das Endziel aller 
Wünsche, und gerne dienen sie viele Jahre lang als Magang = Volontär 
in den diversen Bureaux, lun endlich Schreiber mit einem monatlichen 
Gehalt von 30 fl. und zum Tragen eines Pajongs berechtigt zu wer- 
den. Mein Freund Ismangong konnte, als Verwandter der kaiserUchen 
Familie von Djocja, immöglich Privat-Ingenieur werden, und als Ab- 
trünniger angewiesen auf den Erwerb durch sein technisches Wissen 
bat er um eine Stellung beim Ministerimn der öffentlichen Bauten. 
Dieses Gesuch kam der indischen Regierung jedoch sehr ungelegen. 
Ein Javane sollte mit europäischen CoUegen gleichberechtigt die Stufen- 
leiter der hohen Beamten besteigen, um nacli zwei oder drei Jahr- 
zehnten an die Spitze des technischen Departements gestellt werden zu 
müssen!! Damit wären ja zu viel luconvenienzen verbunden gewesen! 
Sie ernannte ihn also zum Adjmict-Inspecteur für die Unterrichts-An- 
stalten der Eingeborenen. (Volksschulen, Ij(?lu*er-Seminar imd Bürger- 
schulen für die Söhne von Häuptlingeu.) In dieser Eigenschaft lernte 
ich ihn im Jahre 1892 in Mti^elang kennen. Seine Frau war ein 
Jahr nach ihrer Ankunft in Java an Lungen tuberculose gestorben, mid 
die böse Welt behauptete, sie sei vergütet worden. Ismangong war 
ein gebildeter Mann und tnig ganz das Ge[)räge eines javanischen 
Fürsten; gelassen mid gemessen im Gespräche und in seinen Bewe- 
gungen imponirte er durch sein allgemeines Wissen, dm'ch seine Be- 
scheidenheit und durch sein liebenswürdiges mid höfliches Benehmen. 
Seine Zwitterstellung als Mohamedaner und >. europäischer Beamter« 



Malayische Gedichte (Panton). 131 

gab nach seinem Tode unerwartete Schwierigkeiten. Sollte er als 
Mohamedaner nach islamitischem Situs begraben werden^ oder sollte 
sein Grab auf dem Friedhofe der Europäer sich befinden? 

Nach dem Tode seiner ersten Frau hatte er eine Prinzessin von 
Djoqa geheh^atet, welche mit dem Regenten von Magelang verwandt war. 
Dieser veranlasste den Residenten^ ein mohamedanisches Begräbniss an- 
zuordnen. Als jedoch das Testament eröffiiet wurde, in welchem der 
Bruder seiner eraten Frau zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde, 
ordnete dieser ein europäisches Begräbniss auf dem Kirchhofe der Euro- 
päer an, und der Resident musste seinen gegentheihgeu Erlass ziuück- 
ziehen. Ismangong war ein Ehrenmaim, der mit Tact und würde- 
vollem Auftreten die Schwierigkeiten seiner Zwitterstellung überwand. 
Requiescat in pace. 

Leider hatten wir in Sindanglaya auch eine Nachbarin, welche 
quasi als Pendant zu dieser gesetzUchen Ehe einer europäischen Frau 
mit einem Eingeborenen den Beweis brachte, dass Gott Amor keine 
Standes- und Iceine Rassenunterschiede kenne. 

Den Abend vor unserer Abreise sass ich lun 12 Uhi* Nachts in 
der Veranda des Hotels. Alle übrigen Gäste hatten sich in ihre 
Zimmer zurückgezogen, die Lampen waren gelöscht, und in majestätische 
Ruhe war alles gehüllt Da klang plötzUch eine scharfe und nicht 
angenehme Stimme aus dem Hintergrunde eines kleinen Pavillons in 
der bekannten sentimentalen Arie der indischen Pantons: 
Djerok whangie, Blimbing Djapara, 
Djangan nangis muka lyang kentara. 
(Duftende Citrone, Blimbing von Japara, 
Weine nicht — Deine Züge würden entstellt) 
Es war eine unglücklich Liebende, welche ihr Leid den Lüften 
klagte, denn die zweite Zeile hätte im anderen Falle von dem Manne 
gesungen werden müssen. Obwohl der Mond beinahe mit Tageshelle 
den Giulen beleuchtete, sah ich keine sterbliche Seele in dem Garten- 
häuschen, aus welchem die Stinmie deuüich zu meinen Ohren drang: 

Burung Kakatuwah 
Terbäng di djand^Ua 
(Der Vogel Kakadu 
Fliegt gegen das Fenster) 
sprach sie hierauf mit ängstlicher Stimme, und die Silbe della Hess sie 
in einem gedehnten Seu&er ausklingen, und noch immer folgte keine 

Antwort; mit wehmüthiger St^nmie endigte sie endlich den Panton: 

9* 



132 Malayigche Gedichte (Panton). 

Nonna suda tawa, 
Gigi tingal duwa. 
(Die Jungfrau, sie ist alt, 
Es blieben ihr der Zähne (nur) zweL) 
Zu gleicher Zeit näherte sich zu, meiner Bechten ein Mann in 
Spitalkleidem; es war ein eingeborener Soldat und nur mit einem blauen 
Sarong bekleidet 

Tanam melatti di tanah miering, 
Di sCnie bau — di sftna bau 
(Pflasee die Melatti auf den Abhang (des Beides), 
Dahin dringt der Duft, dorthin dringt der Duft) 
sang dieser Soldat so laut, dass sofort mit fröhlicher Stimme aus dem 
Strauche die Antwort erfolgte: 

Ini tnwan, topi jang miering, 
Di stni man — di säna mau. 
• (Jener Herr, sein Hut sitzt schief, 
Dahin will er — dorthin will er.) 
Unser Leander antwortete mit fester Stimme: 
« l}m mäna dätangja tschinta 

(Woher kommt die Liebe) 
und eine ausgelassene frohe Stimme antwortete: 
Den m&ta turun di h&ti. 

(Aus dem Aug steigt sie zum Herzen [wörtlich: Leber]. ^) 
Jetzt sah ich in dem Gartenhäuschen von der Bank die (restalt 
der Frau Hauptmann X. sich erheben und ihrem Geliebten entgegen- 
eilen, und während sie ihren schönen blanken Arm um den braunen, 
nackten Hals des Marssohnes schlang, flüsterte sie in neckischem Tone: 

lym mana datang — ja linta 
(Woher kommt der Blutegel) 
und siegesbewusst antwortete er mit der (^egenfrage: 

Deri mana datang — ja tschinta 
und während sie lispelte: 

Deri sawah turun di Kali 

(Von dem Reisfelde steigt er zum Flusse hinab) 
brunmite er zwei Mal: 

Deri mäta turun die hati. 



^) Die Malayen sehen nicht im Herzen, sondern in der Leber den Sitz der 
Gefahle, z. B. sakit hau = kranken heisst wörtlich übersetzt Leber — krank 
u. 8. w. 



• 
Mischrassen. 133 



Diese pflichtvergessene Frau hatte ihren Mann verlassen, als seine 
Ordonnanz, ein eingeborener Soldat zur Erholung seiner durch Fieber 
geschwächten Gesundheit nach Sindanglaja gesendet wurde. Ein ano- 
nymer Brief verständigte einige Tage später den Hauptmann von dem 
Asyl seiner Frau und von der Gresellschaft, in welcher sie die nächt- 
lichen Stunden verbrachte. Da sie bei ihrer Flucht nicht nur den 
Rest seines Grehaltes mitgenommen, sondern auch die Compagnie-Ka^se 
beraubt hatte, welche er ersetzen musste, erstattete er die Anzeige 
gegen Beide. Unser braimer Leander konnte seine Unschuld an dem 
Diebstahl seiner GreUebten beweisen; er Wieb straflos imd behielt — 
seine Greliebte; sie zog zu ihm in die Casemeü 

Wie ich schon andeutete, sind dieses sehr vereinzelte Falle mid 
bestätigen die Begel, dass die, em'opäische Frau für den Javanen zu 
hoch steht, um seine Frau oder seine Greliebte zu werden. Umgekehrt 
sieht man häufig europäische Beamte mit eingeborenen Frauen eine Ehe 
schliessen, nachdem die malayische, chinesische oder javanische Frau als 
Njai (= Haushälterin) (Rg. 9) ihrem Hen'n ein oder mehrei-e Kinder 
geschenkt hat Der Officier darf, so lange er im Dienste ist, »die Mutter 
seiner Kinder« nicht heiraten; aber es giebt zahlreiche pensioÜrte Offi- 
ciere, welche mit dem Dienstrocke auch diese Art von Standesehre ab- 
legen und ihren Kindern durch eine Heirat mit ihrer Mutter officiell 
und gesetzUch den eigenen Namen geben. Diese Sinjus und Nonnas 
tragen den Stempel ihrer Abstammung stets in ihrem Angesicht; die 6e- 
sellschafl; tolerirt sie aber, sobald sie eine hinreichende Bildung erworben 
haben; weim sie jedoch, was vor 20 Jahren noch häufig geschah, kaum 
\ese^ oder schreiben konnten und nm* mangelhaft der holländischen 
Sprache mächtig waren, dann allerdings müssen sehr günstige Verhältnisse 
herrschen, um ihnen den Salon der Europäer zu öffiien. In den 
letzten Jahren ist jedoch ihr Bildungsniveau bedeutend gestiegen, und 
sie bekleiden oft die höchsten Stellen im Staate; nur bleiben sie manch- 
mal mit Recht eine reichliche Quelle von unterdrücktem mitleidigen 
Lächeln und tolerantem Ertragen einiger Eigenthümlichkeiten; so z. B^ 
verwechseln sie gern das g mit dem h. Eine solche halbeuropäische 
Hauptmamisfi*au rief mir eines Tages zu: »Sehen Sie, Herr Doctor, 
hier kommt mein Hans«; nirgends sah ich einen grossen oder kleinen 
Hans; aber ehie dicke fette Gans kam angewackelt 

Noch komischer war folgender lapsus linguae. In grosser Gesell- 
schaft wmde von der grossen Summe Geldes gesprochen, welche der 
langjährige Guerillakrieg in Atjeh gekostet hatte, und plötzlich rief eine 



\ 34 Mischrassen . 



Nonna mit lauter Stimme: »Mein Qoit, wo sind die Helden Atjehs 
geblieben?« Sie wollte 6eld(en) sagen, und ein schallendes Gelächter 
brachte diese Dame so in Verlegenheit^ dass sie entrüstet den Saal ver- 
liess. Ein Officier hatte das Unglück, im Tanzsaale auf die Schleppe 
einer Nonna zu treten und bat um Pardon. Diese Dame drehte sich 
aber entrüstet gegen diesen Schlemihl und sprach das seither geflügelte 
Wort: »Was, Gott verdamm, erst Sie reissen mein Bock in Stücke 
und dann Sie rufen Gk)tt verdamm, Sie Kurang adjar (M. = Lümmel).« 
Diese Typen der indischen Gesellschaft sterben aus; wenigstens in den 
besseren Ständen werden nur ausnahmsweise Frauen gefunden, welche 
der holländischen Sprache nicht vollkommen mächtig sind. 

Auf der Insel Java^) hat nämlich das Unterrichtswesen einen 
solchen Aufechwung in den letzten dreissig Jahren genommen, dass 
nur selten Jemand für die Dauer seine Kinder den Besuch einer Schule 
entbehren lassen muss, und wenn man solchen ungebildeten Frauen oder 
Männern in deft niederen Ständen begegnet, sind diese meistens von 
abgelegenen Inseln abstammend, wo sich nicht überall öffentliche Schu- 
len befinden, und die Eltern waren pecuniär nicht in der Lage, durch 
eine Geii^emante u. s. w. ihren Kindern einen Ersatz für den Mangel 
einer Schule bieten zu können. 

Die Stellung der half-cast ist im Staate vollkommen 
gleichberechtigt mit der der Vollblut-Europäer, und gesell- 
schaftlich ist sie nur von der Individualität des Einzelnen 
abhängig. 

Ein Herr de L. in Batavia war dreimal verheiratet und hatte 
nebstdem zwei »Vorkinder« von einer fiüheren Haushälterin. Seine 
Frauen waren eine Europäerin, eine Nonna und eine Chinesin, d. li. 
eine Frau, welche die Tochter eines Chinesen xmd einer malayischen 
Frau war. Von jeder dieser Frauen hatte er Enden und diese ver- 
trugen sich nicht nur untereinander sehr gut, sondern hatten auch die 
zwei »Vorkinder« in ihren Freundschaftskreis aufgenommen. Die Kin- 
der gaben ein gutes und deutliches Mosaikbild der Ethnographie Javas. 
Herr de L. war — ein Jude. 3) 



Im Jahre 1890 hatte Java 97 europäische Volksschulen (mit 8600 Schü- 
lern), 3 Realschulen (burgers cholen) für Knaben, 1 für Mädchen, 1 Bürger-Abend- 
schule und 18 Privatschulen. 

') Im ganzen indischen Archipel befindet sich kein jüdischer Tempel und 
keine jüdische. Cultusgemeinde, obwohl zahlreiche Juden im Handel, in der Armee 
und im Corps der Beamten ge&nden werden. 



Mischrassen. 135 



Ich kann diese kleinen Skizzen über die Mischrassen aui' Java 
nicht beendigen, ohne auch deren geistige Eigenschaften mit einigen 
Worten beschrieben zu haben. <) Gewöhnlich wird behauptet dass die 
Sinjus und Nonnas nur die Fehler, aber nicht die guten Eigenschaften 
beider Bässen in sich vereinigen. Dies ist ganz unrichtig. Wenn ich 
nur von zwei meiner Bekannten, welche mir momentan vor Augen 
schweben, den Charakter unter das Secirmesser der Kritik bringe, so 
zeigt sich diese Behauptung in ihrer ganzen Nacktheit Der Eine ist 
ein Sinju und war im Jahre 1891 Assistent-Besident zu T. — Er 
war ein intelligenter Mann, ein eifriger Beamter und jeder Zoll ein 
Ehrenmann. Die Zweite war eine Nonna und die Frau eines Stabs- 
arztes in S. Sie war eine liebenswürdige, gebildete Dame und eine 
liebevoUe solide Gattin, und immer führte ich sie als Beweis an, dass 
die Nonnas gerade wie ihre europäischen Schwestern der Bildung des 
Geistes und Herzens zugänglich sind und in gleicher Weise Sinn für 
das Gute und Schöne haben. 



Der Aufenthalt in Sindanglaya bot keine andere Zerstreuung, als 
den Spaziergang und während des Begens die Leetüre und dAi Verkehr 
mit den übrigen Giisten des Hotels. Wenn ich den Mr. A. oben 
(Seite 129) als unsem Nachbai- specieU anführte und seine Abstam- 
mung von halbeuropäischen Eltern zum Ausgangspunkt einiger Bemer- 
kungen über die Sinjus und Nonnas machte, so hat dies zwei Ursachen. 
Sein Vater war ein hoher Beamter, mid ich hatte im Jalu^ 1882 so 
viel Gastfreundschaft von ihm und seiner Frau genossen, dass ich noch 
heute dafür eine dankbare Erinnenuig bewahre. Ich verkehrte also 
viel mit diesem Nachbar. Nebstdem hatte er* so viel dichterischen 
Schwung in seiner Sprache und bestieg so oft den Pegasus, da^ meine 
Frau, welche damals erst zwei Jahre in Indien war und noch wenige 
halbeuropäische Männer von grösserer Bildung kennen gelernt hatte, 
ihre Verwunderung über seine poetische Begabung mir gegenüber äusserte. 
Es lag in seinen Gedichten, welche wir von ihm erhielten, eine Poesie 
und eine Gluih der Leidenschaft, welche wir in den Tropen, denen be- 
kanjitermaassen die Musen nicht besondei's freundschaftlich gesinnt sind, 
niclit erwartet hätten. Seit einigen Jahren ruht er seinen ewigen Schlaf 
unter den Palmen, welche er so schön, wie kein Anderer, besungen und 
gepriesen hat 



>) Vide I. Band, Seite 146. 



{1^6 Ein ausgestorbcDer Krater. 

m 

Der vierzehntägige Uriaub war beendigt und die Pflicht rief mich 
nadi Batavia zurück. Ich wählte die kürzere Route, obw(^ sie nur 
mit dem Dos-ä-dos, und noch dazu über den 1482 Meter hcdien 
PuntjaJk ziuückgeiegt werden konnte; vnr mussten selbst von zwei 
Büffdn unsem kleinen Wagen auf die Spitze des Berges zi^en lassen; 
aber ein herrliches Panorama entzückte unsere Augen. Hier ruhte 
unser Bhck auf den stolzen Gipfehi des Salak, Pängerango und Gedeh, 
zu unserer Rechten hatten wir den Berg Lemo (1862 Meter hodi), 
dort fiel er auf Abhänge, welche mit Sawahfeldern bedeckt waren und 
in ihrem sanften Grün einen schönen Contrast zu dem dunkelgrünen 
Walde formten. In der Nähe der Grenze beider Provinzen lag ein 
B^rgsee, Telaga Warna = Farbensee. welcher mit so warmen Worten 
▼on dem Kutscher gepriesen wurde, dass wir ausstiegen und den einen 
Kik>meter langen Pfad durchschritten, um dieses Naturwunder be- 
sichtigwi zu kömien. Zwei sundanesische Frauen (Fig. 10 u. 11) waren 
unsere Pührerinnen, Wir wurden reichlich für diesen kleinen Marsch 
zu Fuss belohnt Es war ein ausgebrannter Vulcan, in dem das 
Begenwasser zu einem See sich angesammelt hatte, *) der in seiner 
majestätischen Ruhe eine verborgene und verschollene Welt in sich 
schloss. Die Trachitwände dieses Kessels sind mit Farrenbäumen, 
Waringhibäumen und wilden Bananen bedeckt und der Schatten dieser 
dunkelgrünen Bäume spiegelt sich in der Fluth und spielt mit dem 
braunen und grauen Licht des Bodens in einem bunten Farbenkreis, 
welchen die kleinen Fischchen durch ihren unruhigen Marsch in dem 
süssen, krystallhellen Wasser immer weiter und weiter ziehen. Nicht 
das Z^Nitscheni eines bunt gefärbten Vogels, nicht das Zirpen einer 
Grille, nichts störte die Ruhe dieses alten, ausgestorbenen Vulcans, und 
beklommen und ängstlich blickte meine Frau hinauf' zu dem Rande 
des Kraters, lun nur irgend einen Sonnenstmhl zu erhaschen ode^* 
irgend ein lebendes Wesen zu erblicken. Wir Beide waren in dieses 
Sonderbare, Düstere, Lautlose tief versunken, als plötzlich die ^imme 
des Kutschers uns dem Zauber dieses grossen Grabes in der herrlichen 
Tropenvegetation entriss mit der Mahnung, unsere Reise -fortzusetzen. 

Von nmi an ging es inmier bergab, bis wir Gadok (487 Meter) 
erreicliten, wo wir den Kreis der Heeresstrasse schlössen; 1 km. big 
dieser Luftcurort von der Heeresstrasse entfernt, welche, Batu-tulis zm* 
linken Hand passirend, uns \^ieder nach Buitenzorg brachte. 



*) Hier soll der Fluss Tji-Liwong entspringen. 



7. CapiteL 

Xiiseaiii und botanischer €larten in Bataria — Reise naeh 
JT^awle — Sandhose — ..Kykdag^ einer Anetion — Auetion 

— Yenduaccepte — Geograpliie der Prorinz Madion — Vier 
Chefs — StoeksehlSge in der Armee — Lepra auf den Inseln 
•des indischen Archipels — Prophylaxis der Lepra — Eine 
"SylTester-Nacht auf Jara — Eine nnangenehme Fahrt —« Ein 
Ke^Jahrstag in Solo — Eine Deputation am Hofe za BJocJa 

— Die Stadt Solo — Der Aufschwung der. Insel Jara — Das 
SilitSr-Spital in Ngawle — Ein Spital ohne Apotheker — 
Choleraphohie — Meine Condniteliste — Cholera in Indien — 
Entstehnngsnrsache der Cholera in Indien — Cholera — Pro- 
phylaxis der Cholera in Indien — Reisfelder. 

\ m andern Morgen fiihi* ich mit dem Zuge 6 Uhr 55 Min. nach 
-^^ Weltevreden und m*eldete mich noch denselben Vormittag beim 
Platz-Commandanten, welcher mich (und meine Fi'au) bei der »indischen 
Damp&chiffiahrts-Gesellsehaft« zm* Reise nach Samarang einschreiben 
liess, von wo aus ich per Eisenbahn meine Reise nach Ngawie fortsetzen 
sollte. Noch drei Tage konnte ich in Batavia bleiben, mid ich benutzte 
diese Zeit; lun meine Frau den botanischen GarteH und. die Museen 
sehen zu. lassen, welche in Batavia zu wenig gewürdigte Sehens- 
würdigkeiten sind. Das »Batavische Museum« steht auf der West- 
front des Königsplatzes mid wird von dem Vereine »Tot nut vaii't 
algemeen« = zum allgemeinen Nutzen, verwaltet; es ist ein ein&ches 
schmuck- und prunkloses Gebäude ohne Stockwerke und hat vor seiliem 
Haupteingange einen bronzenen Elephanten auf einem steinernen 
Piedestal.^ Es besteht aus drei Abtheilungen: der ethnographischen, 
archäologischen und numismatischen Sanmilmig. Da es mich zu weit 

*) Ein Geschenk des Königs von Slam, welcher im Jahre 1870 Batavia zum 
ersten Male besacht hat. 



138 Museum und botanischer Garten von Batavia. 

führen würde, diese Sammlungen zu beschreiben, so will ich nur be- 
merken, dass die Classification der beiden ersten Abtheilungen viel zu 
wünschen übrig lässt, während die numismatische Sammlung manche 
Lücken aufweist, andererseits aber viele seltene Stücke hat^ welche 
vielleicht ünica sind; z. B. das leinwandene Greld von der Insel 
Buton bei Celebes aus dem 17. Jahrhundert Der zoologisch-bota- 
nische G^urten bot, bis auf einige Schlangen, Vögel und Säugethiere, 
kaum etwas Sehenswerthes, und auch diese sind in so geringer Anzsüil 
vorhanden, dass man eigentlich von diesem stolzen Namen absehen 
sollte. Da jeden Sonntag regelmässig in den Vormittagsstunden, mid 
auch an anderen Abenden hin und wieder Concerte in diesem Garten 
gegeben werden, imd Schaukeln u. s. w. für die Kinder sich dort be- 
finden, so tritt die Sammlung der Pflanzen imd Thiere in den Hinter- 
grundy wird auch so ziemlich vernachlässigt, und dieser Garten ist alsa 
ein schöner ünterhaltungsort der batavischen Jugend und beau monde. 

Nebstdem kauften wir in den G^chäften (Toko M.) von Ryswyt. 
Noordwyk, Molenvlit, Tanah-Bang und Passar-Baru (im chinesischen 
Viertel) (Fig. 12) alle petits riens für unsere Wohnimg in Ngawie, weiL 
wie wir hörten, in dieser Gamisonstadt sich nur ein einziger Toko befand: 

Am 20. September konnte ich Weltevreden mit dem Dampfer 
verlassen, und am andern Tag Abends kamen wir in Samarang an. 
Beglementär war ich nur verpflichtet, am andern Morgen mit dem 
Zuge um 8 Uhr sofort meine Reise nach meinem angewiesenen 
Gamisonsort fortzusetzen; mein militärisch^ Gewissen forderte mich 
jedoch auf, mich persönlich dem Landes-Sanitätschef und dem Lan- 
des-Commandanten der »zweiten Militär- Abtheilung« vorzustellen, und 
ich beschloss also, zu diesem Zwecke in dieser Stadt einen Tag 
zu bleiben; ich wohnte im Hotel Pavillon und erfiihr zu spät, dass in 
diesem Hotel den Tag vorher ein Passagier der Cholera erlegen war. 
Ofienbar unter dem Eindruck dieser Kunde erwachte in der zweiten 
Nacht meine Frau mit allen Erscheinungen dieser Krankheit ohne 
dass im weiteren Verlaute mehr als eine heftige Cholerine daraus 
wurde. Es gelang mir, mit einer grossen Dosis Laudanum alle Sym- 
ptome in kürzester Zeit zu bekämpfen, so dass meine Frau mit Ungeduld 
die Morgenstunden erwartete, um so bald als möglich dieses Hotel und 
die Stadt verlassen zu können. Um 8 Uhr 31 Minuten reisten wir ab. 

Eine drückende Hitze herrschte in den Waggons, welche gar nicht 
dem E^lima der Tropenwelt Rechnmig trugen, sondern, wie die böse 
Welt erzählte, in Europa zurückgestellte und von den holländischen 



Reise nach Ngawie. 139 



Eisenbahnen nicht angenommene Waggons waren. Bei Kedong Djatti 
zweigt sich die Bahn in zwei Aeste, der eine geht nach Wilhehn I^ 
welches damals die stärkste Festung Javas war und heute noch nicht 
mit dem benachbarten Magelaug, der grössten MUitär-Colonie Javas, 
durch eine Eisenbahn verbunden ist und der zweite Ast ging nach 
Solo, der Hauptstadt des Kaiserthums Surokarta. Hier beginnt' die 
Stäatsbahn, welche nach Surabaja führt und eine grössere Spurweite 
ais die Linie von Samarang — Wilhelm I. hat Ich musste also über- 
steigen, nebstdem hatte ich noch Zeit im Stations-G^bäude meine 
»Beistafel« zu nehmen, und kam gegen 2 Uhr nach Paron, welches 
die letzte »Halte« vor Ngawie ist Dunkel sind die Wege der Eisen- 
bahn-Politik. Fächerartig läuft der Lawuberg (3254 Meter hoch) mit 
seinen Abhängen gegen die kleine Hochebene aus, in welcher Ngawie 
liegt; eine schöne breite Heeresstrasse läuft in ihr und mit ihi* in einem 
grossen Bogen von Solo nach Madiun, und doch verlässt die Schiene 
schon im ersten Viertel der Ebene (bei Sragen) das flache Land, um 
in grossen Krümmungen das Gebirge zu durchkreuzen und erst zwei 
Halten vor der Hauptstadt der Provinz Madiun (bei Purwodadi) in die 
Ebene zurückzukehren. Die Zuckerfabriken dieser Provinzen und die 
grosse Holzhandlung der benachbarten Provinz Bembang hätten einen 
gleichmässig vertlieilten Vortheil von dieser Eisenbahn haben können, ohne 
das» Ngawie 10 Kilometer von der Eisenbahn entfernt bleiben musste. 

Uel)errascht') stand ich nämlich bei der kleinen Halte Paron, als 
ich vor mir eine grosse Ebene sah, ein grosser Beisewagen mich, meine 
Frau und meinen Bedienten aufnahm und von Bindern gezogene Fracht- 
wagen meine Koffer und Kisten nach Ngawie bringen sollten. 

Ngawie besitzt nicht niu* eine Strafanstalt für unverbesserliche 
Soldaten, sondern auch eine Pulverfabrik. Wie viel Transportkosten 
jährlich mit den Bedürfnissen von zwei so grossen Etablissements 
verbmiden sind, wird wohl die indische Regienmg bis auf einen 
Kreuzer wissen; dass sie aber dessenungeachtet Ngawie nicht in das 
Netz der Eisenbahnen einbezogen hat lässt mich annehmen, dass sie 
die Existenzfäliigkeit der einen Anstalt überhaupt in Zweifel zieht 
Ngawie soll eine Besserungsanstalt für widerspenstige Soldaten sein und 
liatte bis zum Jahre 1888 nur acht (!!) Soldaten der Armee zurück- 
gegeben. Entweder ist das Princip derselben ein verfehltes, oder die 



Ueberrascht war ich, weil ich bei meiner ADkunft nicht wusste, dass 
Ngawie mit seinen zwei grossen Militär-Etablissements 10 km weit von der 
nächsten Eisenbahnstation entfernt lag. 



140 ^^^ Sandhose. — Ngawie. 



Anwendung des Reglements ist eine tactlose, oder es ist beides der 
Fall. Ich bin zweimal in Ngawie, im Ganzen ungefähr zwei Jahre, 
gewesen und habe während dieser 2ieit drei Commaudanten gehabt; 
ich kann daher eine Ansicht über dieses Institut haben und dari' sie 
darum vielleicht mehr als mancher Andere auch aussprechen. 

Die brennenden Sonnenstrahlen standen während der ganzen Reise 
über tmsem Häuptern, und die ausstrahlende Wärme des Bodens liess 
ims in der Feme die Luft wie die Wellen einer sanftbewegten Meeres- 
fläche erzittern sehen. Es war ein neun Kilometer lauger ebener Weg 
vor uns, auf dem zu beiden Seiten nur junge Bämne standen. Plötz- 
lich erhob sich, ich möchte beinahe sagen unvermittelt, ein Sturmwind, 
und wir sahen bei vollkommen heiterem Himmel einige tausend Meter 
vor uns entfernt eine ungeheure Staubwolke von Westen nach Osten 
unsere Wege kreuzen imd sofort darauf sich zu einer compacten Masse, 
zu einer Sandhose concentriren. Zwei ungeheure Sandkegel standen mit 
ihren Spitzen aufeinandergestellt Die Basis des einen bog sich auf der 
Strasse immer mehr und m^ nach Osten, während die Basis des 
zweiten Kegels hundert Meter hoch über dem Boden dem Hügelland 
in der Provinz Bembang zueilte. Wie ich später hörte, waren niu* 
einige Bäume dieser Windsbraut zum Opfer ge£etllen. 

Nach li/s Stunden gelangten wir nach Ngawie, pa^irten zuerst 
das Gefängniss imd kamen dann auf den Schlossplatz (Alang-älang), 
dessen Nordfront von der Wohnung des Regenten und einer euro- 
päischen Schule eingenommen wurde. In der Mitte stand ein grosser 
Waringinbaum als Wahrzeichen der höchsten Würde, welche der Re«- 
gent in diesem Districte führte. Auf der Ostseite dieser grossen Gras- 
fläche stand das Haus des Assistent-Residenten mit der holländischen 
flagge und daneben das Postamt Hier schloss die Stadt Ngawie 
stricte dictu. An der Westseite begann eine lange Strasse, welche 
nur von Chinesen bewohnt war, und nach der letzten Krümmung dieses 
Weges sah man im Hintergründe das Fort mit seinen Adnexen: zu- 
nächst ein Pulvermagazin zur Rechten und zwei Officiers- Wohnungen 
zur Linken, weiterhin die Cantine und dahinter verborgen von 
Wällen und umgeben von einem Wassercanal das Fort selbst Die 
Pulverfebrik lag ausserhalb der Stadt, im Westen des grossen Gras- 
feldes. Da mein Vor^nger ohne Frau war und nebst seinen Dienst- 
pflichten auch die häuslichen Angelegenheiten zu besorgen hatte, konn- 
ten wir bei ihm nicht logiren, sondern mussten in das Pasagrahan ziehen, 
welches von einem Schreiber des Assistent-Residenten gegen eine staat- 



„Kykdag" = „ßeschautag" einer Auction. 141 

liehe Subvention von 50 fl. pro Monat für die durchreisenden Beamten, 
Officiere und Reisenden schlecht und recht gehalten wurde. Es war 
ein Haus aus Bretterwänden, welche spärUch mit Eilk bedeckt waren. 
Tn dem Zimmer, welches mir und meiner Frau angewiesen wurde, hing 
zu meiner Ueberraschung ein Thermometer, es zeigte 100 *^ F. = 37 ° C. 
Wir eilten in das Badezimmer, um uns, so viel es möglich war, durdb 
ein Schi&bad (Siram M.) zu erfrischen, und setzten uns in der »Vor* 
gaierie« nieder, um durch eine Schale Thee und ein Glas durch Eis 
abgekühltes Mineralwasser unsem Durst zu löschen. Ungefähr ö^s Ulu* 
waren wir wieder angekleidet und zogen nun . aus, um den Ort kennen 
zu lernen. Wir nahmen zunächst unsern Weg durch das chinesisdie 
Viertel. Ist an und für sich beinahe in ganz Indien das Stadtviertel der 
Chinesen ob seines Schmutzet und üblen Geruches berüchtigt, so fan- 
den wir hier noch dazu das abscheuliche Bild einiger Leprösen, welche 
in der Strasse bettelten und ihre iaulenden Gheder nur mangelhaft mit 
schmutzigen Lappen bedeckt hatten. Nach der letzten Krünunung des 
Weges passirten wir das neu errichtete Spital für Prostitu^ imd un* 
gefahr 200 Schritte davon entfernt das Haus des rangältesten MiUtär- 
arztes, welches von meinem Vorgänger bewohnt wurde. Es war ein 
steinernes Gebäude im altgriechischen Stile, hatte vor der Vorderfront 
einen kleinen und an der Ostseite einen grösseren Garten mit zahl- 
reichen Fnichtbäumen. Ein geschäftiges und reges Treiben herrschte 
im Hause selbst imd in dem umgebenden Gurten. Nach landesübUchw 
Weise sollte ja nun von >/27 — 8 Uhr »Beschautag« sein, d. h. es sollte 
die ganze Einrichtung, welche am nächsten Tage unter den Hammer 
kommen sollte, von den Damen mit ihren Männern besichtigt werden, 
während bei der Auction selbst nur die Männer als Käufer auftreten 
können. Zu diesem Zwecke wurden alle Möbel polirt, ihre schad- 
haften Stellen mit Farbe angestrichen, alle Lampen gefüllt und ange- 
zündet, zerbrochene Stühle geleimt, gefärbt und polirt, alte Bücher 
werden auf dem Bücherschrank in Packeten geordnet, alte Wäsche 
mit schönen blauen oder rothen Bändchen zusammengebunden, das 
Küchengeschirr mit Sand fein abgerieben und in der Hintergalerie unter 
dem Tische aufgestellt die Pferde und Kühe wurden schön gewaschen 
und jeder Riss in der Farbe des Wagens verkittet und neu laddrt 

Wir kamen also meinem CoUegen gewissermaassen ungelegen. 
Er schlug uns jedoch vor, ohne sein Geleite die Bäumlichkeiten zu be- 
sichtigen, welche unser zukünftiges Heim werden würden, und ruhig 
die Wahl unter den Möbeln zu treffen, welche den andern Tag bei der 



142 Auction. 

»Vondutie« (Auction) gekauft werden sollten. Wir konnten nebstdem 
das Angenehme mit dem Nützlichen vereinigen. Um 7 Uhr sollten die 
kauflustigen Bewohner Ngawies sich einfinden, und bis zu dieser Stunde 
konnte ich in Ruhe und Müsse mit meiner Frau die Wahl der Möbel 
getroffen haben und danach mit allen Notabein dieser Provinzstadt Be- 
kanntschaft machen. Unterdessen fuhr Dr. X. mit einer gemietheten 
Equipage durch die Stadt, um seine letzten Abschiedsvisiten zu machen. 
Ueberall gönnte er sich kaum Zeit, um sich zu setzen, versicherte, dass 
er von seiner Transferirung nach Surabaja eingenommen sei, dass ihm 
die Vorbereitungen zur Auction so viel Scheerereien gemacht hätten, 
weil seine Frau zufällig nach Batavia zu ihren Eltern abgereist, 
und dass dieses die Ursache sei, dass er keinen Abschiedsempfang halten 
könne und darum jetzt definitiv Abschied nehme; so eilte er weiter zu 
Jedem, dem er »anständiger Weise <c einen Besuch machen konnte; 
denn nur auf diese Weise konnte er hoffen, dass auch die »kleinen«: 
Menschei^ zu der Auction seiner Einrichtung kommen würden und mit 
der Zahl der Käuier auch die £[auflust sich erhöhe. Die strenge Scheide- 
wand zwischen Europäern einerseits und Chinesen, Arabern und Ein- 
geborenen andererseits fällt durch das Zauberwort »Vendutie«. Schon 
am Abend vor der Auction kommen Alt und Jung, Mann und FraiL, 
Araber, Chinesen, Europäer, 6eneral und Soldat in das Haus eines 
Jeden, ob Schreiber oder Besident ob gemeiner Soldat oder Oberst^ 
sie alle durchziehen das Haus, um die hell erleuchteten Räume zu 
durchschnüffeln, zu bekritteln und — von ihren Frauen Aufträge für 
dieses oder jenes Bild, für diesen oder jenen Blumentopf, oder für ein 
Bügeleisen zu erhalten. An diesem »Beschauabend« kommt aber auch 
Freund und Feind. Endlich wird es 8 Uhr; der Schauplatz wird 
leer, die Bedienten löschen die Lampen aus und der Hausherr ist bei 
einem seiner Freunde zum Abendessen eingeladen, weil in seineni 
ganzen Haus kein Plätzchen fi^i ist, auf das er einen Teller oder 
Glas niedersetzen könnte; auf allen Tischen und Kisten liegen die 
Gläser, Teller, alte Hosen, Nippsachen, verrostete Revolver, alte Bücher, 
geflickte Schuhe u. s. w. Endlich bricht der grosse Tag an. Um 
8*/2 Uhr sitzt der Ausrufer mit einem grossen Becken vor dem 
Hause und ruft mit lauten Schlägen die Kauflustigen herbei. Im Foit 
sind alle Dienste beendigt, um den Officieren und Soldaten Gelegenheit 
zu geben, »zur Vendutie des ,Eerstaanwezenden OflSciers van Grezondheid' 
zu gehen«, d. h. wenn der Platz-Conunandant mit dem Cheärzt gut 
befi:«undet war; im anderen Falle sind gerade wichtige Commissionen 



Auction. 143 

an Tagesordre, so dass^ die Officiere u. s. w. erst um 12 Uhr dahin 
gehen können. Ich habe 7 Jahre später es sogar erlebt, dass an dem 
Tage der Auction meiner Einrichtung grosser militärischer Maj^ch an- 
gekündigt wurde, und die Officiere und Soldaten erst um 3 Uhr nach 
Hause kamen. Noch vortheilhafter ist es, den Assistent-Residenten zum 
Freunde zu haben; denn er kann ja alle Beamten seines Bezirices gerade 
an diesem Tage zur »Conferenz« nach der Hauptstadt des Bezirkes ein- 
laden und mit ihnen zur Auction gehen. Im andern Falle schickt er 
gerade an diesem Tage alle Beamten seiner Bureaux zu wichtigen Unter- 
suchungen in die abgelegenen Dörfer oder giebt ihnen sofort zu behandehide 
Sachen; so viel wie mögUch werden jedoch die civilen und miUtärischen 
Häupter des Ortes persönhch auf der Auction erscheinen, ja vielleicht 
selbst mn ein paar Ghilden eine Elleinigkeit kaufen, um den Schein zu 
bewahren, dass die schöne Harmonie zwischen diesen beiden Mächten 
nicht gestört, sei. 

EndUch ist es 9*/a Uhr geworden und die Schlacht beginnt mit 
den grossen Möbehi, Kästen, Betten u. s. w.. auf welche in der Begel 
nur der Nachfolger und andere Neuangekonunene reflectiren; die 
Zahl dieser europäischen Käufer ist natürlich klein, und es ist mit 
Becht zu fürchten, dass das Ertiägniss derselben nicht gross sein 
wird; aber die eingeborenen Beamten, Häuptlinge, und besonders 
die Chinesen, sind die Hauptmacht welche bald mit ihren Reserve- 
truppen, den persönlichen Freunden des Besitzers, und dem Schnaps, 
dem Bier und dem Grog heranrücken, mn ein glänzendes Resultat zu 
ermöglichen. Wehe dem Neuling, welcher zum ersten Male auf diese 
Weise seinen Bedarf an Möbeln, Gläsern, Geschirr u. s. w. decken will 
und muss, ohne diese Intriguen zu kennen. In der Begel kennt er 
den factisdien Ladenpreis dieser Sachen nicht; wenn jedoch wie ein 
Salvenfeuer von ungeübten Becruten von allen Seiten satu rupia = 
ein Gulden gerufen wird, dieses Salvenfeuer Minuten lang anhält, dann 
lässt er sich mitreissen und ruft immer und immer »ein Gulden«; das 
Baketenfeuer beginnt zu erschlaffen, und es folgt jetzt klein Geschütz: 
sa tdngah = 1/2 Gulden, imd endlich bleibt er in diesem edlen Wett- 
streit Sieger imd hat einen alten, wmmstichigen Kasten um einen 
Preis erstanden, für welchen er sicher einen schönen neuen Kasten bei 
einem chinesischen Möbelhändler hätte kaufen können. Die grossen 
Möbel wie Kästen, Tische, Stühle imd Wandgemälde finden in der 
Begel immer einen Käufer, weil der Comfort bis in das kleinste Dorf 
schon gedrungen ist, und man kann — wenigstens auf Java — bei 



144 Auctiün. 

jedem Häuptling einen Schaukelstahi, einen jK>lirten Tisch mit oder 
dune* Tischtuch, eine Petiolramilampe, oder selbst ein eisernes Bett mit 
Mosquitanetz, oder sogar das Porträt des deutsdien Ejuseis finden. 
Mit dem »Aufjagen« der Preise für die gross^i Stiidce haben die 
Freunde des Besitzers ihre Angabe noch nicht geföst; sie haben ja 
untereinander einen Beservefonds von 50 — 100 fl. angelegt, um etwaige 
Verhiste zu dedken, d h. sollte ein Kasten oder Tisch u. s. w. ihnen 
zugeschlagen ivorden sein, weil sidi der »Baar« = zu klug für sie 
erwies, ohne dass Einer oder der Andere dafür Bedürfiiiss hätte, wird 
er nochmals hcitirt und der Unterschied des Prd^es wird durch den 
Beservefonds ausgeliehen. 

Die Hauptschlacht der Freunde wird nämlich beim Tische ge- 
führt, welcher mit den petits riens, mit den Nip^sachen, Büchern, 
Photographien, Lnxusgläaem u. s. w. beladen ist ESs ist unterdessen 
11 1/3 Uhr geworden, die Zeit für das »Bitterchen« ist herangerückt, 
die Luft im Zimmer ist hei« und schwül geworden, und die Gläser mit 
Bier, Bitterchmi, Brandy-Soda und Whisky-Soda ringen in Sdiaaren 
heran (natüriioh traf Kosten des 6«igebigen Hausherm). 

Dicht gedrängt stehen Euroßäer, Chinesen und Eingeborene um 
den Tisch, und mit Mühe drängt sich der Ahrufer und der Schreiber 
durch die Menschenmassen, um einen Platz bei demselben zu finden. 
"Det Notar selbst steht in der Nahe, um zur rechten Zeit in strittigen 
lUUen sein entscheidendes Wort geben zu kömien. Ist die Zahl der 
IVeunde gross, dann wird die Auction in diesem Sinne zu einem ge- 
mtithBdsen, häusUdien, aber auch lebhaften Feste. Von allen Seiten 
werden die liereits rerkauften Stuhle von den Käufern oder von ihren 
Bedienten herbeigeschaflEt, und mit dem Glas Bier oder Brandy-Soda 
vor sich, beginnt das Bieten mit erneuter Kraft. Ein halber, ein 
viertel Gulden ertönt es in allen Tonarten von allen Seiten, dort steht 
ein Maon und winkt dem Abrufer jedesmal zu, hier wieder einer, der 
nur einen Finger an die Nase fuhrt, um ihm zu zeigen, dass er noch 
einen viertel Gulden mehr biete, und endlich fällt der Ruf: Zum 
dritten Male 8 fl. f ür die E^araffe für Herrn X. Nun ruft d&c 
Herr Y.: mir gehört die Elaraffe, denn ich habe 8 fl. dafür ge- 
boten. Das ist nicht wahr, ruft ein Dritter dazwischen, bevc»* der Aus- 
rufer das »dritte Mal« aussprach, habe ich noch einen viertel Gulden 
geboten, sie gehört mir für 8^4 Gulden. Der Notar erscheint, erklärt 
den Elauf für ungültig, und noch einmal beginnt der Kampf. Durch 
den Wettstreit eriiitzt, steigt der Preis diesmal bis auf 15 Gulden, für 



Fig. 10. Eine Biwdanc Bische Frau in ihrer Hsustoilette. 



Auction. 145 

welchen Preis sie dem Herrn X, zufällt (der natürlich zu Hause von 
seiner Frau die heftigsten Vorwürfe bekommt, für einen solchen ^^Schmam« 
15 fl. geboten zu haben). Der Stein ist jedoch jetzt im Bollen, und 
Niemand hiUt ihn auf. Der Vorrath an ;> Kleinigkeiten« droht sich zu 
erschöpfen. Es ist 1 Uhr geworden, wid wenigstens noch eine halbe 
Stunde wollen die Freunde :»dem gemüthlichen Beisammensein« kein 
Ende machen; erst werden also die Maschen Brandy geöffiiet und jedes 
Gläschen unter den Hammer gebracht, bevor es ausgetrunken werden 
darf, und wenn diese geleert sind, werden die i'estirenden Gläser zwei^ 
mal, dreimal, selbst viermal verkauft, bis endlich das Küchengeräthe 
an die Reihe gekommen und die »Vendutie« abgelaufen ist 

Die Glücksgüter sind auf der Erde ungleichmässig vertheilt, und 
auch das Erträgniss der Auctionen varürt sehr — je nachdem man 
in der Gunst des Publicmns steht Nur ausnahmsweise erfreut sich 
ein Lieutenant oder ein Schullehrer einer solchen Popularität oder 
eines solchen grossen Kreises von Freunden, dsss die Auction nahezu 
die Kosten der Anschauung deckt, oder dass er selbst beim Verkauf 
seiner Einrichtung noch einen kleinen Betrag gewinnt Die höchsten 
Beamten und Officiere einer Provinz (Residentschaft), welche durch 
ihre Stellung einen grossen Einfluss auf die Lieferanten der Armee 
und die verschiedenen Aemter haben, sind die vom Glücke begünstigtsten. 
Der Durchschnittspreis der ;>Vendutie« der Residenten kann gewiss 
auf 15 — 20,000 fl. gerechnet werden, wenn wir die Einrichtung seines 
Hauses auf ungefahi* 10,000 fl. anschlagen; ja noch mehr; ich be- 
zweifle es, ob jemals ein Resident an dem Einkau&preis seiner Ein- 
richtung auch nur einen einzigen Gulden verloren, selbst wenn er zehn 
Jahre lang von seinen Möbeln u. s. w. Gebrauch gemacht hat Der 
Chinese kann sich selbst den ehrlichsten Contract ohne Bestechung 
nicht vorstellen. Kommt nun ein neuer Resident ins Amt, der durch 
die Unbescholtenheit seines Charakters bekannt ist, will der Chinese 
ihm zeigen, was er zu erwarten habe, wenn er ihm bei der Ueber- 
nahme einer Lieferung keine Schwierigkeiten in den Weg legt; er be- 
ginnt bei der Auction des abtretenden Residenten sofort, sagen wir 
100 fl. für den ersten Blumentopf mit lauter Stimme zu bieten, oder 
2000 fl. für dessen Reitpferd, jedoch nicht um es nach Hause bringen, 
sondern in dem Stall ^^irrthümUcherweise« stehen zu lassen. In der 
Regel versteht der neue Resident diese Art der Bestechung und schickt 
sofort das »vergessene« Pferd dem £[äuier zu; der Chinese jedoch hat 
seine Captatio benevolentiae gezeigt und ist zufiieden. Aber auch der 

BreitentteiB, 21 Jahre in Indien ü. 10 



146 Venduaccepte. 



europäische Pflanzer will sich um die Grünst des neuen Residenten 
bewerben^ behält sich jedoch Tor, erst am Ende seiner Herrschaft seine 
Dankbarkeit für das entgegenkommende oder vielleicht behülfliche Be- 
nehmen des Residenten mit klingender Münze zu bezeigen. Hat der 
Resident während seiner Amtsthätigkeit die von so arger Fiscalität 
zeugenden Gesetze mit Tact und Billigkeit ausgeführt so zeigen sich 
auch die Zucker- oder Indigopflanzer beim Scheiden des Residenten 
erkenntlich und trinken während der »Vendutie« auf das Wohl des 
abreisenden Residenten Champagner, welchen sie selbst mitgebracht 
haben und glasweise unter den Hammer bringen; 10 — 100 fl. werden 
für das erste Glas Champagner geboten, imd zuletzt werden auch die 
Gläser mit 1 — 1(X) fl. bezahlt aus welchen auf die Gesundheit des 
scheidenden Residenten getrunken wurde. Nur ein Missbrauch dieser 
Einrichtung ist mir bekannt Die zahlreichen eingeborenen Beamten 
werden moralisch gezwungen, bei jeder Auction eines Controleura, 
Assistent-Residenten und Residenten zu erscheinen und zu kaufen; da 
der Grehalt derselben niemals ausreicht, ihre Bedür&isse zu decken, 
weil Jeder von ihnen ein grosses Gefolge hat, das von dessen Erträg- 
nissen lebt, so verfallen sie in Schulden und suchen sich auf andere 
Weise dafür zu entschädigen, und zwar auf Kosten des kleinen Mannes, 
wie wir noch sehen werden. Im Uebrigen entspricht dieses Auctionsamt 
einem tiefgefühlten Bedürfiiisse: 

Wenn auch in den letzten Jahren die Eisenbahn den Norden der 
Insel Java mit dem Süden, und den Osten mit dem Westen verbindet, 
so ist das Netz doch noch nicht hinreichend entwickelt Die Trans- 
portkosten durch Kulis oder Lastwagen sind sehr gross; es ist daher 
der abreisende Beamte, Officier, Lehrer u. s. w. gezwungen, seine Ein- 
richtung zu verkaufen. Er findet in dem Vendu-Departement, wel- 
ches dem Finanzministerium untergeordnet ist, eine ausgiebige Hülfe. 
Mit Hülfe eines Commissionäi-s oder eines Freundes meldet er bei dem 
damit betrauten Beamten seine Auction an, und das Erträgniss wird 
ihm in der Form eines Acceptes, welches nach vier Monaten fälUg ist, 
ausbezahlt; wenn ich mich nicht irre, muss der Verkäufer 2 ®/o des 
Erträgnisses für die Auction bezahlen. Der Eingang des Erträgnisses 
ist ihm so sicher (der Staat übernimmt ja die Bezahlung), dass er in 
der Regel die Auction nicht einmal abwartet, sondern abreist und das 



*) Von den übrigen Inseln des indischen Ai'cliipels hat nur Sumatra Eisezi- 
bahnen und zwar je eine auf der Nordwest- und Ostküste. 



Geographie der Provinz Madiun. 147 



Yenduaccept sich nachfichicken lässt Dieses iivird von allen Priyat- 
banken gerne discontirt Andererseits hat Jedermann, ob er eine 
Frau und zahlreiche Kinder hat oder ledig ist bei der Ankunft aus 
Europa oder einem anderen Orte nicht immer disponibles Geld, um 
sich einrichten zu können; wenn er auch vielleicht bei jedem Möbel- 
macher (NB. wenn einer vorhanden ist was im Innern der Insel 
nicht immer der Fall ist) auf Credit die ganze Einrichtung seines 
Hauses bekommen könnte, so convenirt ihm oft dieses nicht; er kauft 
also das momentan Nothwendige »auf der nächsten Vendutie«, kann 
den Betrag 3 — 4 Monate später bezahlen und bezahlt dafür 6^/o des 
Betrages und 1 ^/oo für den Armenfonds. 

Stilgerecht ist eine solche Wohimng allerdings nicht eingerichtet; 
jene Glücklichen, welche Stil in ihrer Wohnung und in ihrem Hause 
entwickeln wollen, scheuen nicht die grossen Kosten einer neuen Ein- 
richtung; wer aber billig und schnell unter Dach kommen will, der 
kauft »auf Vendutie« alte Möbel und Verzierungen und verkauft sie 
wieder bei der nächsten Transferirung. 

SelbstverständUch machen auch der Handel und die Schiffiahrts- 
gesellschaftien häufig von dem Auctionsamt Gebrauch. 



In den ersten Monaten meines Aufenthaltes in Kgawie hatte ich 
einen Assistenzarzt, dem ich den Dienst in der Apotheke, in der Ca- 
senie und im Frauenspitale anvertraute. Den Officieren Hess ich die 
Wahl, ob sie im ErkrankungsMle ihrer Angehörigen mich oder den 
Assistenzarzt um Hülfe ersuchen wollten, und dennoch war ich von fiüh 
bis abends und oft bis spät in die Nacht mit Arbeiten überladen; ich 
führte nämhch mit allen meinen Vorgesetzten Krieg, und das Geschütz 
waren — Briefe. 

Wenn ich den Dienst im Spitale beendigt hatte, zog ich mich in 
mein Bureau zurück, um anfangs durch das Studiiun des Archivs 
die Auffassung der herrschenden Verhältnisse von Seiten meiner Vor- 
gänglsr mid fiiihereu Chefe kennen zu lernen und späterhin, um auf 
schriftlichem Wege die von mir nöthig erachteten Vorschläge ausein- 
ander zu setzen. 

Als Rangältester war ich der »Eerstaanwezende Officier van Ge- 
2ondheid« und als solcher der verantwortUche Chef für die Abtheilung 
Ngawie und theilweise auch für die Provinz Madiim. 

Diese Provinz ist nicht gross, sie hat lOB^gas Quadrat-Meilen mit 



148 Vier Chefs. 



1,070,074 Einwohnern,») worunter 1276 Europäer und 3904 Chinesen. 
Auf die Q Meile kommen also 10,109 Einwohner oder auf den [~|b» 
ungefähr 236 Seelen. (Der dicht bevölkerte Staat Belgien hat 200 Ein- 
wohner auf den [^km.) Madiun hat also eine ziemlich starke Bevöl- 
kerung. (Die Provinz Bagelen hat sogar 20.000 Einwohner pro QMeile 
oder 365 auf den Qkm.) 

Von den wenigen Flüssen dieser Provinz ist hier nur der Bengawan 
erwähnenswerth, der bei Ngawie an der Grenze der Provinz Bembang 
mit dem Madiunfluss sich vereinigt und unter dem Namen Solofluss 
bei Surabaya sich in den Javasee ergiesst Zahlreiche Berge und grosse 
Gebirgsstöcke durchziehen diese Provinz. Die höchsten Berge sind der 
Berg Lawu (3254 Meter), der Berg Willis (2551 Meter) und der Berg 
Manjutan (1554 Meter). Zahlreiche warme Quellen entspringen dem 
vidcanischen Boden Javas. Schon ungefähr 400 Beschreibungen sind 
bekannt von den in Indien vorkommenden warmen Quellen; so hat 
auch die Provinz Madiun in der Nahe des Berges Willis Brunnen von 
Kohlensäure, neben dem Bergsee Nebel (715 Meter hoch) alcalische 
Säuerlinge, und hinter Ngawie selbst fand ich die warme Quelle Sendäng,*) 
welche in fiüherer Zeit zum Baden gebraucht wurde. Sie ist näm- 
lich von einer ungefähr drei Meter hohen steinernen Mauer umgeben,, 
so dass ich auf einer Leiter hinuntersteigen musste, um sie benutzen 
zu kömien. Die in der Nahe sich befindenden Eingeborenen konnten: 
mir keine Auskunft über das Alter dieser Mauer angeben und wussten 
ntu" mitzutheilen, dass tempo dulu, dulu, d. h. in längstvergangeneu 
Zeiten ein Badeplatz hier bestanden habe. 

Auch Erdöl wird im Bette des Soloflusses gefiinden. 



Meine Vorgesetzten waren folgende: 
1. Der Platz-Commandant, der in allen militärischen Fragen, selbst 
wenn sie das rein Technische des Militärarztes streifen, berech- 
tigt und verpflichtet ist, dem ihm zugetheilten MiUtärarzt die Di- 
rective zu geben. Die Grenzen, wie weit ein solcher Laie geheui 
soll und darf, lassen sich natürhch durch kein Gesetz scharf be- 
zeichnen, und ich habe es erfahren, wie unerträglich, lästig und 
selbst sehr unangenehm ein Haudegen werden kami, wemi er als 



^) Nach dem statistischen Bericht des Ministeriums der Colonien (1894). 
^) Bei dem Dorfe Gang4ngan. 



Vier Chefs. 149 



Platz-Commandant überhaupt keine Grenzen seiner Machtvoll- 
kommenheit kennen wiU. 

2. Der Landes-Sanitätschef, der in Samarang seinen Sitz hatte, war 
de &cto und de jure mein Che£ Er hatte nicht allein den tech- 
nischen Theil meiner Arbeit zu beurtheilen (trotz der örtlichen 
Entfernung), sondern er musste auch die Mittheilungen des Platz- 
Oommandos über mein Benehmen als Mann und Officier zur Zu- 
sammenstellung der Qualificationsliste benutzen. Wenn er auch 
als Chef dem Reglement zufolge das Interesse seiner Unter- 
geordneten beherzigen musste, hat er es doch nie gethan, weil 
er als mein persönhcher Feind geradezu jede Objectivität mir 
gegenüber verlor, und selbst jede Gelegenheit suchte, sein Müth- 
chen an mir zu kühlen, wozu ihm das militärische Disciplinar- 
gesetz reichlich Handhabe bot. 

3. Der Resident (Statthalter) der Provinz Madiun. Jeder MiUtär- 
arzt geniesst je nach seinem Bange für »civile« Dienste eine mo- 
natliche Zulage von 50 — 100 fl. und verpflichtet sich stillschwei- 
gend dadurch, die Armenpraxis zu üben (dazu gehören auch die 
europäischen Beamten, welche weniger als 150 fl. monatlichen 
Gehalt haben), die gerichtlichen Fälle zu begutachten, die Ge- 
fangenen zu behandehi und die Prostituös zu untersuchen u. s. w., 
kurz gesagt, den Dienst eines Polizei-, Armen- und Bezirksarztes 
zu thun; NB. wemi ein Civilarzt nicht anwesend oder aus irgend 
einer Ursache nicht dazu geeignet ist. Durch diese Dienst- 
leistungen tritt der Militärarzt in ein dienstliches Yerhälttiiss auch 

' zum Residenten, ohne jedoch in der Regel mehi', als durch die 
Arbeit nöthig ist, belästigt zu werden. Ich hatte in Ngawie oft;, 
selbst sehr ofl; für diese Zulage von 50 fl. monathch, Arbeiten 
zu leisten, welche in gar keinem Verhältnisse zu dieser Bezahlung 
standen (an anderen Orten aber, wie z. B. in Batavia oder Sa- 
marang, erhält man diese Zulage, ohne auch nur etwas dafür 
leisten zu müssen), und der Assistent-Resident hat als Vertreter 
des Residenten in der Regel für das Verhältnis« des Militärarztes 
zu diesem ein richtiges Verständniss. Die Ausnahmen blei- 
ben nicht aus, wo die zwei Mächte des Staates sich nicht ver- 
tragen, und überall entstehen Streitigkeiten, und immer wird die 
Harmonie des Ortes gestört, wenn der Platz-Commandant im 
Range nicht viel niedriger ist, als der Vertreter der Regierung. 
Diese Rangstreitigkeiten ziehen sich wie ein rother Faden durch die 



150 Stockschläge in dw Armee. 

Chronica scandalosa der Gramisonsplätze, und der Militärarzt 
muss durch seine Stellung nur zu oft das vermittelnde und ver- 
bindende Element in diesem Kriege werden. 
4. Der Inspector des »bürgerhch ärztlichen Dienstes«, welcher im 
Range eines Oberstabsarztes der Adviseur des Sanitätschefe in 
allen hygienischen Fragen der Colonien ist und die Impfung durch 
das grosse Corps der eingeborenen Vaccinateure leitet Als »Eerst- 
anwezend Officier van Gtezondheid« zu Ngawie war ich verpflich- 
tet, die Vaccinateure der Abtheilung Ngawie zu controliren, ihre 
Rapporte entgegenzunehmen und auf dienstlichem Wege diese 
meinem vierten Chef einzusenden. 

Am 24. März 1889 wurde mein Assistenzarzt von Ngawie abbe- 
rufen, und ich musste nun auch den »Gamisondienst« und die Arbeiten 
in der Apotheke auf mich nehmen. Als »Ganiisonsdoctor« musste ich 
auch auf dem Executionsplatze anwesend sein, weim ein Insasse Stock- 
schläge bekam. Widrige Scenen habe ich damals gesehen, aber das- 
maassvolle, ruhige und humane Auftreten der zwei ersten Platz-Com- 
mandanten gab mir keinen Anlass, mit dem herrschenden Princip der 
Stockschläge mich zu beschäftigen. Der Geist des Gesetzes, Soldaten,, 
welche durch kein DiscipUnar-Verfehren zur Zucht und Ordnung her- 
angezogen werden konnten, vielleicht durch die Schläge zu brauchbaren 
Mitgliedern der Armee zu machen, wurde in tactvoller Weise gehand- 
habt Erst als der Major X. eintraf, welcher 1^/2 Jahre später dahin 
versetzt wurde, war meine und die Ruhe aller übrigen Ofiiciere dahin. 
Ist es schon an mid für sich ein Anachronismus, Soldaten, welche 
keine Verbrecher sind, durch Stockschläge zur Reinlichkeit oder zur 
Zucht und Ordnung zwingen zu wollen, und ist diese ganze Anstalt 
geradezu ein Schandfleck der indischen Armee, so erniedrigte dieser 
Conmfiandant durch seinen Uebereifer die Ofiiciere zu einer rohen, herz- 
losen Soldateska, seine Unterofi&ciere zu Henkersknechten imd die Sol- 
daten zu Sciaven. Die Scenen, welchen ich damals beigewohnt habe,, 
widern mich noch heute an. Wenn dieser Major durch die geübte Feder 
seines Vaters in Nr. 208 des »Javabode« vom Jahre 1891 eine Lanze 
für die »Stockschläge« in der Armee einlegen liess, um das Armee- 
Commando in der durch mich angeregten Polemik für sich zu gewinnen,, 
so ist ihm dies gelimgen; er avancirte und mir wurde die Carri^re 
abgeschnitten; ich aber habe nicht den Fluch von hmiderten Soldaten,, 
und gewiss nicht viel weniger Officieren auf mich geladen. Im Nor- 
den der Stadt Ngawie, ungefähr ^a km entfernt von der Mündung 



Stockschläge in der Armee. 151 



des Madiunflusses in den Solofluss, liegt das Fort »General van den 
BoBch«. Zugbrücken, Wälle und Gräben, steinerne Casemen und 
Kasematten sind dieselben, wie sie alle Forts aus jener Zeit haben, 
in welchen die Egonen kaum 1 — 2 km Schussweite hatten. Auf 
der Südseite führte ein grosser Gang in den ersten Hof, in welchem 
sich die Wohnung und das Bureau des Platz-Commandanten und einiger 
Officiere befanden. Der Platz-Adjutant hatte sein Bureau in einem 
Zimmer, welches in diesem Gange auf der rechten Seite lag; in diesem 
Zimmer hielt der Plaüs-Commandant täglich den Bapport bei welcher 
Gelegenheit ihm auch alle Soldaten vorgeführt wurden, welche im 
Laufe der letzten 24 Stmiden sich etwas hatten zu Schulden kommen 
lassen. Nach den für diese Anstalt bestehenden gesetzlichen Bestim- 
mungen, welche auch in daa neue Reglement von 1891 aufgenommen 
sind, existiren für diese, mit Recht will ich sie so nennen, Unglückhchen 
nur zwei Strafen: Cachot und zehn oder zwanzig Stockschläge. Natür- 
lich bleibt es dem Tacte und dem Ermessen des Commandanten über- 
lassen, waiui und ob überhaupt eine dieser beiden Strafen angewendet 
werden soll. Als der genannte Major X. daß Bedürihiss empfand^ 
sein System von seinem Vater (natürUch anonym) m einer Zeitung 
vertlieidigen zu lassen, waren in einem einzigen Monat 10^ jo, sage 
siebzig Procent!') des I. Standes mit zwanzig Stockschlägen bestraft 
worden. Wie weit dieser Major unseligen Andenkens die Abschreckungs- 
theorie des Strafens getrieben hat, werden folgende zwei Beispiele am 
besten illustriren: 

Eines Tages stand ich mit dem einzigen Ofificier, welchem das 
Thun und Lassen unseres Commandanten sympathisch war, in der 
Nähe des Platzbm-eau, als der Rapport einrücken musste. In strammer 
Haltung und im Paradeschritt eines preussischen Grenadiers zog der 
Zug ein Mmm hoch an uns vorbei, mid zwar mit einer Schwenkung 
nach rechts. Einer der Sträflinge drehte jedoch bei dieser Gelegenheit 
reglementswidrig auch seinen Kopf nach i-echts. »Dafür giebt's wiederum 
zwanzig Schläge!« rief frohlockend dieser einzige Bewunderer unseres 
allzu strengen Commandanten, obwohl er als Fachmann wissen musste, 
dass in der Regel niu* links geschwenkt wird, wobei der Kopf rechts 
gedreht werden muss. 

Noch charakteristischer ist folgender Fall, welcher gleichzeitig der 



*) Sein Vorgänger im Jahre 1889 hatte niemals mehr als 15% <1<^ Sträf- 
linge im Spitale. 



152 Siockflchläge in der Armee. 

Anlass zu einer grossen Polemik zwischen Major X. und mir und 
die erste Ursache meines Sturzes wurde. 

Ein Zug von Sträflingen war zum Rapport angetreten. Plötzlich 
bemerkte der Commandant, class einer derselben nicht gerade vor sich 
hinblickte; er rief dem Schuldigen das Commando »lihat trus« (= 
Geradeaus schaun) zu, und als dieser, eingeschüchtert durch den 
strengen Blick des Majors, im folgenden Augenblick wieder den Kopf 
ein wenig zur Seite drehte, legte ihm der Commandant sofort die 
Strafe von 20 Stockschlägen auf. lieblicher Weise wurde der Delin- 
quent zu mir gebracht, lun untersuchen zu lassen, ob kein Hindemiss 
für die Ausführung der Strafe vorliege. 

Als Maassstab zur Beurtheilung dieser Frage hatte ich (und auch 
mein Vorgänger), abgesehen von acuten Krankheiten oder schlechtem 
Allgemeinbefinden u. s. w., den Zustand der Hinterbacken angenommen. 

Dieser Delinquent hatte kurz vorher dieselbe Strafe erhalten, und 
die Wunden waren noch nicht geheilt Ich avisirte also: »Zeitlich un- 
geeignet« Wenige Minuten danach stand der (Kommandant vor mir 
und machte mir die heftigsten Vorwürfe, da er unter diesen Verhält- 
nissen unmöglich Zucht und Ordnmig unter den Insassen erhalten 
könne, dass ich Schuld daran sei, weim eine indLsciplinirte Bande im 
Fort hausen werde. Diesen Sturm der Entrüstmig, gespickt mit Hy- 
perbebi und Uebertreibungen^ liess ich, wie üblich ]m solchen Grelegen- 
heiten, ruhig über mich ergehen, weil er ja nur die Vorrede zu der 
Mittheilung des Thatsächlichen sein sollte. Endlich konnte ich zu 
Worte kommen. Ich theilte dem Commandanten mit dass ich gar 
keine Ahnung hätte, um was es sich handle, und daiTim auch mich 
gar keiner Schuld bewusst fühlte. 

»Nur wenn die Strafe dem Verbrechen auf dem Fusse folgt nur 
dann, Herr Regiments- Arzt kann sie helfen.« 

Da ich in diesem Augenblicke noch nicht wusste, was der Delin- 
quent begangen hatte, mid natürlich an ein factisches Verbrechen denken 
musste, so erinnerte ich den Herrn Major X. daran, dass dies niemals 
und nirgends in Friedenszeiten geschehe, und dass stets der Bestrafung 
die Untersuchmig, die Verhandlung und die Vertheidigung vorangehen. 
Natürlich war ich sehr überrascht als ich das Vergehen dieses unglück- 
lichen Soldaten ertuhr; die militärische Disciplin hielt mich zurück, 
seine Auflassung dieses Vergehens in gebührender Weise zu classiii- 
ciren, iph gab mir jedoch Mühe, den Vorfall in einem günstigeren Lichte 
darzustellen. Der Herr Major X. war ein grosser, schöner Mann und 



Stockschläge in der Armee. 153 

hatte ein imposantes Auftreten. Selbst die Officiere bekamen das 
Gruseln, wenn sie in Dienstsachen zu dem Platz-Commandanten ge- 
rufen wurden, mn wieviel mehr musste es mit so einem armen einge- 
borenen Delinquenten der Fall sein, welcher vor ihm stand und bei- 
nahe mit Sicherheit wusste, dass ihm eine schwere Züchtigung bevor- 
-stehe; er wurde also nervös und unruhig und auf diese Weise das 
Opfer seiner erregten Nerven. 

Anfangs fühlte sich Major X. geschmeichelt^ zu hören, dass er in so 
hohem Maasse den Soldaten und Officieren imponire, aber bald sah er 
i^ mir wieder den Untergeordneten, der niemals eine andere oder sogar 
bessere Auffassung oder Ansicht als er haben durfte, und verlangte 
selbst von mir, dass ich überhaupt niemals einen Delinquenten unge- 
eignet für die Strafe erklären imd nur zum Scheiue das Stethoskop 
auf die Bnist desselben setzen sollte!! Nun war es meine Sache, Ent- 
rüstung zu zeigen. 

»HeiT Major, Sie verlangen etwas von mir, das gewiss mich in 
Ihren Augen herabsetzen würde. Unsere Sträflinge sind ja keine Mör- 
•der oder Räuber, es sind ja meistens nur Schlemihls, welchen es trotz 
ein- bis zweijähriger Recrutenzeit nicht gelungen ist, brauchbare Soldaten 
.zu werden, es sind eingeborene Soldaten, welche noch nicht gelernt 
haben, das Gewehi* sauber zu putzen oder die metallenen Knöpfe glän- 
zend zu erhalten. Das Aergste, was einer dieser Unglücklichen ange- 
stellt hat, war, dass er sich trotz aller Ermahnungen imd Strafen den 
verführerischen Blicken seiner braunen Geliebten bis in die späte 
Nachtstunde ausserhalb der Casenie ohne Erlaubniss seines Com- 
pagnie-Commandanten hingab, oder da&s er im Würfelspiel nicht nur 
sein Baargeld, sondern auch seine zweite Hose verlor. Aber selbst, 
wenn es Räuber und Mörder wären, wäre es meine Pflicht, ihnen meine 
ärztliche Hülfe zu leisten, oder in casu zu verhindern, dass ihnen die 
Stockschläge unheilbares Leiden oder sogar den Tod bringen ; selbst das 
Gesetz verpflichtet mich, bei der StrafroUziehung gegenwäiüg zu sein 
und die Fortsetzimg der Schläge zu verbieten, wenn ich sie gefährlich 
Sir den Delinquenten erachte. Ich habe selbst bis jetzt nm* meine 
Pflicht als Arzt und als Officier gethau, wenn ich einen Delinquenten 
nicht bestrafen Hess, so lange die Wunde der ftaiheren Züchtigung nicht 
geheilt war. 

»Ich will Urnen aber behülflich sein, ganz unbeschränkt nach 
Hirem Ermessen handeln zu können. Schicken Sie mir nicht die De- 
linquenten zur Untersuchung, Sie wissen, dass ich keinen Assistenzarzt 



164 Stockschlage. 



habe tmd mit A]ntq)flichten überhäuft bin, ich habe auch keinen Apo 
theker und muss also den Dienst für drei Officiere verrichten; idi ver* 
gpreche Ihnen, niemals und nirgends mich zu bekümmern, ob ein De- 
linquent tägUch oder einmal im Jahre geprügelt wird. Wenn Sie aber^ 
Herr Major, diese mir zur Untersuchung schicken, dann thue ich es 
gewissenhaft^ und ich kann daher Ihren Vorschlag nicht acceptiren, 
nur »pura pura« (:= zum Schein) zu untersuchen und Jedermami ge- 
eignet fiir die Prügelstrafe zu erklären.« 

Die Mittheilung meiner Erlebnisse ist nicht Selbstzweck, sondern 
hat das Ziel, ein Bild von Land mid Leuten der Inseln des indischen 
Archipels zu geben, und darum will ich mich mit dieser Affaire im 
Weiteren nur kurz £assen. Major X. berichtete darüber an den 
Landes-Commandanten in Samarang und liess durch einen Artikel in 
dem »Javabode« vom 8. September 1891 seinen Vater für die Prügel- 
strafe in der Armee eine Lanze brechen; ich selbst beschränkte mich 
auf die Vertheidigung meines Standpunktes gegenüber dem Landes- 
Sanitätschef, leider ohne Erfolg. Dieser Mami (de mortuis nil nisi 
bene) hatte niemals das Interesse seiner Untergeordneten vertreten, und 
war auch in dieser Affaire nur das Echo des Major X. 

Ueber die Prügelstrafe in der indischen Armee selbst, für welche 
der pensionirte Oberst-Iieutenant X. in so warmen Worten eintrat, 
dass er die Absicht deuüich verrieth, meine )i> falsche Humanität gegen 
den Auswurf der Armee« der Heeresleitung ad oculos zu demonstriren^ 
und seinem Sohne im Kampfe gegen mich Hül&truppen zu senden, 
muss ich auf Grund meiner Erfahrungen unbedingt den Stab brechen. 

Die indische Armee besteht aus zwei ausgesprochenen Elementen: 
Europäern und Nicht-Europäern (von welchen die ambonesischen Soldaten 
auch Christen sind und darum auch alcohoUsche Getränke gebrauchen, 
sie sind aber dennoch sehr nüchtern und müssen nur sehr selten wegen 
Missbrauchs des Alcohol gesü'aft werden). Im Allgemeinen stellt die 
Prügelstrafe dieselben Fragen an uns als die Todesstrafe, und zwar 
die der Abschreckungstheorie, der Besserung und der Repression. Die 
Abschreckungstheorie ist ungerecht und erreicht, wie die Erfährung^ 
lehrt, ihr Ziel nicht; zur Zeit, als die härtesten und grausamsten Strafen 
für Mord und Diebstahl u. s. w. angewendet wiu-den, waren auch die 
gemeinsten Verbreclien an der Tagesordnung. Das Unrecht ist auch 
zweifellos, wenn Jemand für sein Vergehen härter bestraft werden soll^ 
als er es verdient, nur um zu verhindern, dass ein Anderer dasselbe 
Verbrechen begehe. 



Stockschläge. 15ft 



Die Besserongstheorie zerfällt natürlich gegenüber der Todesstrafe 
in ein Nichts. Aber auch die Prügelstrafe hat selten Jemanden g^ 
bessert; bis zum Jahre 1891 waren nur acht Mann, sage acht Maoni! 
gebessert der Armee von Ngawie zurückgegeben worden. 

Die Repressionstheorie hat gar kein Recht zu bestehen, wenigstens 
der Prügelstrafe gegenüber. Wie schon erwähnt, besteht die indische 
Armee aus Europäern*) und Eingeborenen; die grösste Zahl der eurc^ 
päischen unbotmässigen Soldaten war ein Opfer des Alcohols oder eines 
radisüchtigen gemeinen Feldwebels, welcher, unbeschadet der Folge», 
immer und immer über seinen Nebenbuhler Klagen bei seinem Com- 
pagnie-Commandanten führte. Was ein solcher Mann im Stande sei, 
habe ich selbst, weim auch mit minder tragischem Ausgange, erfahren; 
Im Jahre 1887 wurde ich nach einem kleinen Fort an der Grenze 
des feindlichen Landes in Sumatra versetzt Jedes Schriftstück, welches 
ich von dort aus an den Landes-Sanitätschef einreichte, wurde mir als 
fehlerhaft oder schlecht geschrieben zurückgeschickt Eines Tages kam 
ich nach der Hauptstadt und ein College theilte mii* mit, dass der 
Sanitätschef sein Befremden ausgedrückt habe, von mir, dem ältesten 
Arzte, mid nur von mir allein mangelhafte und schauderhaft ge* 
schriebene Rapporte zu erhalten. Es stellte sich heraus, dass der 
Schreiber des Chefs von jedem Arzte, der nach einem Fort gesendet 
wurde, 5 fl. erhielt, und darum die erhaltenen Rapporte, auch wenn 
sie irgend einen Fehler hatten, dem Chef nicht vorlegte. Ich jedoch 
hatte mir die Gunst dieses Feldwebels aus leicht begreiflichen Ursachen 
nicht erkauft, und darum wurde jeder weggelassene Bleistrich, jede 
krumme Linie von diesem Manne roth angestrichen dem Chef unter 
die Augen gebracht Wäre ich kein Ofl&cier, sondeni ein Soldat ge* 
wesen, so wäre ich im Laufe von 1 — 2 Jahren sicher »reif für Ngawiec 
geworden. 

Ich verstehe es, dass man die strengsten Maassregeln gegenüber 
dem Missbrauch des Alcohols nimmt, d. h. präventive Maassregeln 
Hchaift; aber den Säufer durch Stockschläge von seiner Trunksucht zn 
befreien — ist dumm und schlecht Dumm ist es, weil es niemals 
gelingt und schlecht ist es, weil Hunderte von Officieren mit einem 



^) Vor dem Jahre 1891 bestanden zwei Strafanstalten für die Taugenichtse 
der Armee. Die Europäer wurden nach Klatten (Provinz Surakata) geschickt, 
wo das Fort Engelenburg (nomen — omen??) sie beherbergte; seit acht Jahres 
jedoch werden in Ngawie beide Rassen aufgenommen, weil Klatten als Stra^ 
detachement aufgehoben wurde. 



156 Stocksohläge. 



Bausch nach Hause konunen können, ohne Prügel dafür zu erhalten, 
und weil Hunderte, vielleicht Tausende von Soldaten gut angeheitert 
täglich in die Caseme gelangen und ungestraft bleiben, weil es ihnen 
gelang, den Feldwebel der Wache zum Freund sich zu erhalten. 

Bei den eingeborenen Soldaten ist die »Malpropertät« die häufigste, 
und das Verkaufen von Equipementsstücken die vereinzelte Ursache, 
dass sie als unbotmässig und als unverbesserliche Sujets nach Ngawie 
geschickt werden. Wenn Sonnabends um 9 Uhr der Compagnie-Com- 
mandant über die Kleidung und Waffen der Mannschaft Inspection 
hält, ist er ganz und gar von dem guten Willen des Feldwebels ab- 
hängig, um viel oder wenig Unziemlichkeiten zu finden. Dieser hat 
die Pflicht, vor Ankunft des Hauptmanns dafür zu sorgen, dass alles 
nach den Begeln der Vorschriften ausgepackt sei; sieht der humane 
Feldwebel nun bei einem Soldaten, dass sich irgend wo ein kleiner 
Fleck befindet, so lässt er sofort vom Eigenthümer den kleinen Fleck 
abputzen oder er schweigt wenn es schon zu spät ist und überlässt es 
dem Zufalle, dass der inspicirende Hauptmann es sehe »oder übersehe. 
Hat jedoch der betreffende Recrut aus gewissen naheUegenden Ursachen 
sich die Gunst eines inhumanen Feldwebels verscherzt, wird letzterer 
sogar den inspicirenden Hauptmann darauf aufinerksam ihacheu. Ohne 
die diesbezüglichen Witze der Fliegenden Blätter hier zu wiederholen, 
ist es naheliegend, dass ein solcher Unglücklicher in kürzester Zeit 
»reif für Ngawie c wird. 

Wenn der Feldwebel nicht nur für das reglementäi^ Anordnen 
der Kleider u. s. w. bei der Inspection verantwortlich gemacht würde, 
sondern auch für die tadellose Reinheit derselben, so würde die Zahl 
der »unbotmässigen<3c eingeborenen Soldaten auf ein Viertel sinken, 
ja noch mehr: Ngawie wäre in seiner Existenz bedroht Die Zahl der- 
jenigen Soldaten, welche einzelne Kleidungsstücke verkaufen, um Greld 
für die Liebe und das Würfelspiel zu bekommen, ist gegenüber der 
Zahl der »Unreinen« klein, und darum schliesse ich gern diesen Ab- 
schnitt mit dem Rufe: »Weg mit der Prügelstrafe aus der indischen 
Armee!«») 



*) In der deutschen und österreichischen Armee ist sie schon seit Jahr- 
Behnten abgeschafft, und doch wurden im Jahre 1870 in Frankreich, und im 
Jahre 1878 in Bosnien glänzende Siege erfochten. Ich muss noch bemerken, 
dass erst seit dem Jahre 189 L auch die Insassen der Militär- Gefangnisse nach 
Abbüssen ihrer Strafzeit fdr 1 oder 2 Jahre nach Ngawie gesendet werden 
können. 



Lepra auf den Inseln des indischen Archipels. * J57 

Hinter dem Fort führte ein krummer Weg zmn Officiers-Cüub* 
gebäude, welches auf der Landzunge zwischen dem Solo- und dem 
Madiunäusse lag. Das jenseitige Ufer gehörte bereits zur Provhiz Bern* 
bang und war zugleich der Exercierplatz für Feldübungen der Bewachimg»- 
truppe und jener Sträflinge, welche drei Monate lang &ei von Strafen 
geblieben wai'en. Auf dem Wege nach Bembang und noch in der 
nächsten Nahe des Ufers lagen drei kleine Hütten. Eines Tages machte 
ich meinen Spaziergang mit Hülfe der dort befindlichen f^übre ins Ge^ 
biet der benachbarten Provinz und gelangte zu diesen Hütten; sie be* 
standen nur aus Bambusmatten und hatten kein einziges Möbelstück. 
Vor jeder Hütte sass ein — Leprakranker. Ich liess mich mit ihnen in 
ein Grespräch ein, und zwar nur über ihre momentane Lebensweise; 
denn über die Dauer ihrer Erkrankung, über die Entstehungsweise, 
über Heredität und über den Verlauf der Krankheit ist von diesen 
Menschen überhaupt nichts Bestimmtes zu erfahren. Wie lange die 
Lepra im indischen Archipel sei, lässt sich nicht einmal annähernd 
sagen. Nach Hirsch lässt sich in Indien die Lepra bis auf das 
7. Jahrhundert vor Christo verfolgen; nach dem 54. Buche der Gre» 
schichte der liang-Dynastie (502 — 556) und dem 324. Buche der Ming* 
Dynastie, und übereinstimmend mit der javanischen Sagenwelt (Babads) 
hat Prabu Djaja Baja im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung 
eine grosse Colonie von Hindus nach Java gebracht, welche die dort 
befindlichen Urbewohner verdrängt haben. Da von diesen selbst ganz 
und gar keine Ueberlieferungen bestehen, und eine Vergleichung mit 
den auf anderen Inseln im Urzustände jetzt noch lebenden Einge* 
borenen nur ein hypothetisches Ergebniss haben kann, so ist und bleibt 
die Frage der Lepra bei den Urbewohnem Javas unerledigt Da sich 
ein grosser Menschenstrom von Hindostan vom Jahre 78 p. Ch. an 
über alle Insebi des indischen Archipels, und somit auch über Java 
einige Jahrhunderte hindurch ergoss, die Lepra schon seit vielen Jahr- 
hmiderten« in Hindostan bekannt war und die Hygiene dieser Zeit ge* 
wiss der Ausbreitung der Lepra mehr förderUch als hinderUch war, so 
kann mit gewisser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass mit 
dem Strome der Auswanderer auch die Lepra nach Java gekommen ist^) 



') Im Westen Javas führte im 16. Jahrhundert Sjeikh Nuru'd-dün Ibrabim 
ibn Manlana Israil, volgens „Vett Java^ den Islam ein. Auf dem Hügel Djati 
bei Chenbon baute er sich ein Haus und — heilte eine lepröse Frau. Es ist 
also die Mittheilung van Dr. T. Broes van Dort, dass die Hindus und Chinesea 
die Lepra in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeführt hätten, für jeden 
Fall noch einer Kritik zu unterziehen. 



T58 Lepra- 

Ich besass einen Raksassa (Tempelwächter), jetzt im Besitze des 
ethnographischen Museums zu Berlin, welcher bei dem Untergang der 
Hindu-Dynastie auf Bali (im Jahre 1894) in der Residenz des Fürsten 
gefonden wurde. Er hatte über den ganzen Körper vertheilt zahlreiche 
scharf begrenzte Flecken, welche meiner Ansicht nach sehr gut für die 
der maculösen Lepra angesehen werden können. Da die Raksassas 
im Allgemeinen der Heroenzeit der Hindus angehören, so könnte, 
wenn die Deutung der Flecken richtig ist damit gewiss ein sehr altes 
Document für die Zeit der Lepra gegeben sein; vielleicht eben so alt 
als Engel Bey von Aegypten spricht; nach Engel Bey soll nänüich 
sehon 4260 vor Christus in einem Papyrus von Lepra gesprochen werden. 
Wenn in Europa gegenwärtig kein einziger Staat besteht in dem 
sich nicht einzehie f^le oder kleinere oder grössere Herde von 
Lepra befinden, so ist dieses doch bei den Inseln des indischen 
Ardiipels der Fall, und zwar in jenen Theilen, in welchen die Urbe- 
wohner sich so ziemlich rein in der Rasse bis zum heutigen Tage er- 
halten haben, wie z. B. die Alfiiren oder die Dajaker im Innern 
Bomeos. In Muarah Teweh, welches im Herzen Bomeos liegt, habe 
ich während meines dreijährigen Aufenthaltes 'keinen einzigen Fall von 
Lepra gesehen. In den statistischen Ausweisen der Armee konmien 
sehr wenig Leprafälle vor; ich besitze die vom Jahre 1847, in wel- 
chen kein einziger Fall angegeben wird, und vom Jahre J893 bis 1897 
waren je 2, 2, 5, 2 und 2 Soldaten an Lepra erkrankt Nach 
Dr. van der Burg wurden vom Jahre 1882 bis 1885 12 europäische 
und 8 eingeborene Soldaten wegen Lepra in die MiUtärspitäler auf- 
genommen. Dr. Broes van Dort aus Rotterdam hat mit Hülfe der 
efficiellen Bescheide für die Lepra - Conferenz im Jahre 1897 eine 
hübsche Arbeit über die Verbreitung der Lepra auf den Insehi des 
indischen Archipels geschrieben. Nach dieser hat der Westen von Java 
im Jahre 1896 (?) nur 42 Leprafälle, in Mittel-Java sehr wenig Falle, 
wenn wir absehen von dem Sanatorium zu Pelantungan, wo, sich unge- 
fähr 30 bis 32 Lepröse gewöhnlich befinden ; vom Osten Javas wd 
jedoch von 1817 Leprösen und von der Insel Madura von 886 dieser 
Patienten gesprochen. Auf der Insel Bali ist die Zahl der Lepra- 
kranken unbekannt, sie werden zur Isolirung gezwungen, und ihre Lei- 
chen werden verbrannt Von der Insel Lombok ist diesbezüglich nichts 
bekannt Was die Westküste der Insel Sumatra betriflft, so ist die 
Zahl dieser Kranken dort nicht gross; am* stärksten kommen sie im 
Innern des Landes unter den Batakem vor, welche einen bis zwei Fälle 



Lepra. 169 

auf tausend Seelen aufweisen. Im südlichen Theile dieser Insel mit 
imgefähr 128,000 Einwohnern sollen nur 22 Leprakranke vorgekommen 
sein, und zwar unter den Chinesen; man isolirt sie, giebt ihnen aber 
keine Nahrung, so dass sie bald sterben. Die Ostküste Sumatras hat, 
nach Dr. Broes van Dort, bei einer Bevölkerung voh 300,000 Seelen 
1000 Leprafälle. In Deli, der reichsten Provinz Sumatras, befanden 
sich in diesem Jahre 184 Lepra-Patienten, worunter 170 Chinesen. 
Auch in der Provinz Riouw sind es beinahe ausschliesslich chinesische 
KuHs, welche an Lepra leiden. Von den Inseln Bomeo »und Banka 
ist die Zahl der Leprakranken nicht bekannt Auf der Insel Biliton 
mit 40,000 Einwohnern soll diese Krankheit im Jahre 1886 von einem 
Buginesen eingeschleppt worden sein. Von der Insel Oelebes theilt 
Dr. Broes van Dort 87 Fälle mit (von 26,863 Einwohnern), glaubt 
aber, dass diese Zahl zu niedrig gegriffen sei, weil die Eingeborenoi 
die nervöse Form der Lepra nicht kennen, und darum nur die tuberösen 
und ulcerösen Formen mittheilen. In den Molukken ist die Zahl der 
Leprösen auch nicht gross; in Banda musste im Jahre 1872 die Le- 
proserie wegen Mangels an Kranken geschlossen werden. In Bandar 
neira jedoch ist in den letzten fünf Jahren die Anzahl der Kranken 
von 2 auf 20, und in Saparua von 49 auf 63 gestiegen. Auf der 
Insel Amboina mit 30,000 Einwohnern hat der Hauptplatz 308 Leprar 
kranke, darunter 11 Europäer. Auf der Insel Morano &nden sich im 
Jahre 1864 8 verheiratete Leprosen mit 21 Kindern, ohne dass 
eines davon an dieser Krankheit litt Auf der Insel Temate 
befinden sich imgefähr 450 Falle, welche nach der Ansicht von Ya- 
lentyn von Batavia eingeschleppt worden sein sollen. 

Wenn auch diese Ziffern nach vielen Richtungen hin bezweifelt 
werden können, so steht doch das Eine fest, dass in der Gegenwart 
auf den Inseln des indischen Archipels die Lepra nicht verheerend auf- 
tritt) aber immerhin noch zahlreicher vorkommt als in Europa. 

Die Mittheilungen der Leprakranken beschränkten sich auf die 
Unterstützung, welche ihnen von der mohamedanischen Kirchenkasse 
zu Ngawie geboten wurde, und auf die Eintheilung ihres täglichen 
Lebens. Im Ganzen waren sechs Patienten; sie erhielten monatlich 
8 fl. aus der Armenkasse der Messigit; zwei von ihnen waren an die 
Scholle gebunden, weil sie sich durch den Verlust von einigen Zehen 
nicht bewegen konnten; die andern vier fiihren täglich mit der Fähre 
nach Ngawie, wo sie sich meistens im chinesischen Viertel aufhielten 
und bettelten. Ihr Erscheinen erregte nur bei den europäischen Passanten 



160 Lepra. 

"Widerwillen; sorglos verkehrten die eingeborenen und chinesischen Be- 
wohner dieses Viertels mit ihnen« obwohl ihre schwürigeu Extremitäten 
nur mangelhaft mit alten und schmutzigen Lappen bedeckt waren; 
offenbar glauben eben die Eingeborenen von Ngawie nicht an eine 
Uebertragung der Lepra h distance. Ich für meine Person habe s. Z.^ 
ab die Aerzte um ihre diesbezügliche Ansicht von der Begieruiig ge- 
fragt wurden, mich nur bedingungsweise für die Contagiosität der Lepra 
ausgesprochen, und zwar in »nicht höherem Grade als die Syphilis«. 
Das bis jetzt trotz der Untersuchungen von 6. Armauer, Hansen,, 
Neisser u. s. w., noch nicht genau bekannte Gift der Lepra müsse 
eine Porte-d'entr6e bei einem dazu disponirten Individuum finden, um 
sich entwid^ehi zu können. Wer zur Aufiiahme dieses Giftes die 
»Disposition« habe, ist unbekannt Das Gift selbst ist nur theilweise 
oder gar nicht durch den Bacillus von Hansen constatiii. Rein- 
culturen dieser Bacterien sind bis jetzt ebenso wenig ge- 
lungen als Impfungen (ich will die Gründe unbesprochen lassen^ 
warum Kaposi nach seinen Mittheilungen auf der Lepra-Conferenz im 
Jahre 1897 bei zwei Fällen von Lepra keine Bacillen geftmden 
hat; es ist aber keinesfalls erlaubt, wie es damals geschah, zu er- 
klären, dass dies eben keine Leprafalle gewesen sein sollten, und 
Kaposi einen lapsus diagnosidis begangen hätte). Ohne Reinculturen 
ist aber eine Impfung des Lepragift»s überhaupt niemals bewiesen; aber 
noch mehr Zweifel muss sich in Betreff der Contagiosität der Lepra 
aufilrängen, wenn man liest dass Dr. Danielsen, Prof. Profeta imd 
Dr. Bargilli ohne Erfolg mit allen möglichen Stoffen der Lepra* 
kranken Impfungen auf sich und andere Menschen vornahmen. Da 
aber alle Bacteriologen und Dermatologen, wenn auch nicht immer^ 
80 doch in der grossen Zahl der Falle den Bacillus von Hansen bei 
Leprakranken finden, so ist es selbstverständlich, dass dieser Bacillus 
vorläufig als Krankheitserreger der Lepra angesehen wird; dass aber 
tief greifende prophylaktische Maassregeln auf Grund dieser Bacterien 
getroffen werden, ist ebenso selbstverständlich — verfrüht 

Auch die Frage der Heredität ist bis heute noch nicht erledigt 
und wird auch nicht so bald erledigt werden können, weil die Incu- 
bationszeit der Lepra sich üb<er Monate, wenn nicht über Jahre erstreckt 
und immer der Einwurf gerechtfertigt sein wird, dass bei einer so 
langen Incubationszeit vielfach Gelegenheit zur extrauterinären Acquisition 
dw Lepra gegeben war, und darum hat der Ausspruch Virchow's, die 
Lepra sei nicht hereditär, weil niemals ein lepröses Kind geboren 



. 11. SuDdanesiBcbe Früchtebäodlemi. ' 



Prophylaxis der Lepra. Ißl 



wurde, nur bedingungsweise raison d'etre» Leider hat der Altmeister 
der deutschen Medicin bei der erwähnten Lepra-Conferenz in seiner 
andererseits gewiss erschöpfenden und interessanten Rede zur Frage der 
Ansteckungsfähigkeit der Lepra nicht Stellung genommen. Er sagte 
im Anfang: i^Wenn man z. B. im Augenblick vorzugsweise geneigt ist, 
die Lepra zu den Infections-Krankheiten zu rechnen, so ist damit 
noch nicht ausgemacht, dass man sie auch unter die ansteckenden 
Krankheiten stellen müsse,« und fügt später hinzu: »Für strenge An- 
forderungen (sc für ein Contagium) fehlen also noch immer wichtige 
Bindeglieder,« und »dennoch hat der Gedanke, dass der Aussatz eine 
contagiöse Krankheit sei, so schnell viele Gebiete erobert, dass sowohl 
die theoretische als die praktische Lehre auf ihm aufgebaut worden 
ist« — Leider steht nicht einmal fest, durch welches Intermedium die 
LeprarBacillen in den menschlichen Organismus gelangen. Der hol- 
ländisch-indische Arzt Dr. Geill glaubte in den Fusswimden die porte- 
d'entr6e für die Lepra geiunden zu haben, während Georg Sticker 
durch die Nase diese Bacterien in den menschlichen Köiper eindringen 
liess. Mit Bücksicht auf die Verhältnisse Javas und jener der übrigen 
Inseln würde also von der indischen Begierung folgender Standpunkt 
einzunehmen sein: 

1. Die Lepra ist nicht mehr und nicht weniger übertragbar als* die 
Syphilis. 

2. So wie gegen die Syphilis prophylaktische Maassregeln von dem 
* Staate und von der Gemeinde getroffen werden, müssten die- 
selben auch gegen die Leprakranken geschehen. 

3. Da die Leprösen im l^erminalstadium emährungsunfähig und be- 
sonders hülfsbedürftig sind, muss die staatliche Hülfe zur Linde- 
rung der Noth. einschreiten. 

4. Da es durch die Erfahrung und durch die G^chichte erwiesen 
ist, dass die Zahl der Leprösen in einer für das Wohl des 
Staates bedrohlichen Weise zunehmen kann, müssen prophylak- 
tische Maassregeln getroffen werden. 

Dementsprechend müssten: 

1. Alle »Doctoren djawas« und alle »Vaccinateure«, sowie alle 
eingeborenen Beamten eine in der Landessprache verüässte Be- 
lehrung über die Gefahren der Lepra (Kedäl M.) erhalten und 
so viel als möglich unter der Bevölkerung verbreiten. 

2. Die eingeborenen Beamten müssten unter thatsächlicher Con- 

Breiteniteixij 21 Jahre in Indien n. 11 



102 Prophylaxis der Lepra. 



trole der europäiBdien Beamten eine genMie Statntik der Lep«»- 
kranken anlegeiL . 

3. In allen Orten, wo sidi Leprakranke aufkalten« muas für die 
armen Maischen Gelegenheit zur laoUrung gegieben werden, wad 
zwar in einer Hütte ans Bambus, in welcher sich für jedea 
Patienten auch eine Ptitsche befindet Für jeden Kranken, der siok 
dahin begiebt, müssen täglich Va ^<> Beis, 10 Gramm Salz und 
50 Gramm deng-deng (gebrodbietes Fleisch) verabfolgt werden. 
An den Kosten der Ekrichhing solche Leproserien und der Ver- 
pfl^img der Kranken haben sich die Armenkassen aller Be- 
ligions-Genossenschaften zu betheiligen U0d bei etwaigem Manco 
der Staat die nöthigen Stipendien zu leisten. 

4. Wo ein euroj^uscher Arzt oder ein Doctor djawa sich in der 
■ Nähe aufhält, müsste er verpflichtet sein, eine geregelte Behaad- 

lung dieser Unglücklidien aiif sich zu nehmen; in anderen litten 
müsste, je nadi den herrschenden Verkehrsmitteln, ein Arzt aus 
der nächstgelegenen Stadt ein- oder zweimal im Monat dieae 
Leproserien a;u&uchen und die nöthigen Verhaltungsmaassregeln 
u. 8. w. für die folgenden zwei oder vier Wochen vcn-schreiben. 

5. Für die Desinfection nicht nur dieser Leproserien, sondern auch die 
Wohnungen aller jener, welche in der Familie bleiben und das 
traurige Ende ausserhalb dieser Anstalten abwarten wollen, müss- 
ten dieselben Maassregeln getroffen werden, wie für Cholera, 
Blattern u. s. w. 

6. Die Auinahme in eine Leproserie sei tacultativ, d. h. fi^eiwilUg 
für jeden bemittelten Eingeborenen, . und obligatorisch für jeden 
bedürftigen. 

7. Der »Inspecteur van der burgerlykeii civilgeiieeskundige Dienst« 
werde mit der Ausführung und Oontrole alier Maassregeln be- 
traut 

Das Leben in der Grossstadt liat unt<^r undei'eni auch diesen 
Vortheil, dass man sich den kleinen Kreis wählen kann, mit und in 
dem man einen regen Verkehr pflegen will; aber auch in einer kleinen 
Stadt kann man angenehm leben, wenn man nicht zu grosse Ansprüche 
an das Leben stellt Weil man das rauschende mid lebhafte Treiben 
einer grossen Stadt entbehrt, der Geist weder durch die Kirnst noch 
durch die Wissenschaft Anregung und Befriedigung tindet, so ist man 
gezwungen, im Verkehr mit seinen Schicksalsgenossen ein Surrogat für 



^ Eitio Sylvester-Nacht auf Java. 133 

diese gdstigen Genüsse zu suchen, und niu- zu oft gelingt es, einen 
gemüthlichen und freundschaftlichen Bekanntenkreis zu erw^ben, der 
selbst Freundschaftsbande ermöglicht In solchen Verhältnissen rerkehrten 
wir in Ngawie. Klein war die Zahl der europäischen Bewohner; ein 
Assistent-Resident, ein Oontrolor, ein Landesgerichtsrath, ein Notar, 
drei Lehrer und eine Lehrerin, ein Förster und acht Offidere waren 
Ae europäischen Bewohner, mit welchen wir verkehren konnten. Der 
Regent und sein Stellvertreter (Patti) waren die einzigen Eingeborenen, 
welche hin und wieder uns besuchten, und nur selten gab der Regent 
in seinem Paläste (?) (Kabupatten) ein Fest obwohl er doch den nicht 
unansehnlichen Gtehalt von 12,000 ä.^) jährlich bezog. Trotzdem hatten 
wir einen hübschen Club und kamen beinahe jeden Abend voop dem 
Nachtmahle dort zusammen, um bei einem Glase Bier, Portwein, Mi- 
neralwasser oder Genevre ein Stünddien zu verplaudern. Jeden Somi- 
tag Abend war nach dem Nachtmahl (von 9 TJhr ab) Spielabend, 
an welchem sich manchmal auch die Damen betheiUgten. Ein Leier- 
kästen sorgte für die Musik, und in aussergewöhnlichen fallen wurde 
4uich von Jung und Alt bei den etwas üisch gestimmten Klängen 
dieses veralteten Instruments getanzt Dies geschah auch am 31. De- 
cember 1888, der ersten Neujahrsnacht, welche meine Frau auf Java 
zugebracht hatte. Die Pferde, welche ich imterdessen gekauft hatte, 
waren etwas eigensinnig und zugleich wild und feurig. Ich wagte es 
nicht, mit ihnen nach dem Clubgebäude zu fahren, welches ungefähr 
zwei Kilometer von meinem Hause entfernt lag, und wir gingen zu 
Fuss. Es yfiur eine schöne Nacht, und aJä wir um 9^/4 ühr Abends 
dort anlangten, waren bereits alle Notabein des Ortes versammelt. 
Das gewöhnliche Programm solcher »geseUiger Abende« wurde ab- 
gespielt; auf Kosten des Clubs wurde liqueur und Kaffee präsentirt. 
Die Herren setzten sich zur L'hombre-TafeL während die Damen am 
liebsten Whifit spielten, und zwar Whist »met de Klets« = mit Plauschen (!), 
weil natürlich bei diesem Spiel Ruhe die erste Pflicht ist Obwohl 
Auch einige )ZuckerlordR« der Umgebung, welche gewöhnt sind, um 
hohen Prei« zu spielen, anwesend waren, blieb dennoch der Preis ein 
bescheidener. Tm Ij'hombre war das »Capital« = 5 fl., und auch die 
Damen spielten das Hundert um denselben Preis. Im Durchschnitt 



>) Dieser Regent hatte für sich, seine Familie und sein Gefolge, wie er 
mir erzählte, täglich 1 Pikul — 62^/| Kilo! Reis nöthig. Dies erklärt hinrei- 
chend die allgemein bekannte Thatsachc, dass diese Herren oft trotz il)rcs hohen 
Gelialtes noch Schulden machen mQssen. 

11* 



Ig4 ^üie Sylvester-Nacbt auf Java. ^ 

verliert oder gewinnt man bei diesem Tarif 2 — 3 fl. pro Abend, was 
gewiss nicht die Kasse eines Beamten oder Officiers stark in Anspruch 
nimmt Um 12 Uhr erhob sich Jedermann mit dem Glas Bheinwein, 
Brandy, Soda oder Bordeauxwein und stimmte in das Hurrah ein, 
welches der Assistent-Besident nach einem kleinen Toaste auf ein 
glüddiches Neujahr ausgebracht hatte. Das neue Jahr musste mit Tanz 
beginnen; die Damen beendigten den letzten »Robber« und gingen in 
den Tanzsaal. Ce qu'une fenune veut, dieu le veut; die Herren mussten 
eben&lls nolens volens die Karte zur Seite legen, um wenigstens eine 
anständige Polonaise zu Stande zu bringen. Streng nach Rang und 
Anciennität geordnet marschirten die Paare durch den Saal; der Militär- 
Commandant führte die Frau des Assistent^Residenten, während dieser 
die »Commandeuse« am Arm hatte. Der Regent bot meiner Frau, als 
der ältesten Hauptmannsfraiu das Geleite, und in langsamen, gemessenen 
Schritten durchzog der kleine Zug zweimal den Saal; eine neue Rolle 
wurde in den Leierkasten eingelegt, und ein Walzer eröffiiete den 
Reigen der Tänze; in diesem Augenblick verschwanden nicht nur der 
Regent von dem Schauplatz, sondern auch alle Herren, welche entweder 
mehr Freude am Eiirtenspiel als an dem der Terpsichore hatten, oder 
im Allgemeinen »de Oost« als viel zu warm für dieses Vergnügen hielten. 
Die wenigen Herren, welche tapfer genug waren, um in dem Tanzsaal 
zu bleiben, wurden reichlich für ihren Muth belohnt; sie konnten nicht 
nur nach Herzenslust mit den Fräulein und mit den jungen verheirateten 
Damen tanzen, sondern mussten, wollten sie nicht demonstrativ 
werden, auch die alten Damen zum Tanze einladen, welche ihren 
Enkeln versprochen hatten, vom Balle einige »Kwe-Kw^« mitzubringen. 
Aber auch die übrigen Herren, welche sich zur Spieltafel geflüchtet 
hatten, ereilte dasselbe Schicksal. Als nämlich die Klänge des ersten 
Lanciers erschollen, war Leiden in Noth ; vier mal vier Männer waren 
zu vier Figuren nöthig, und nur elf befanden sich im Saal. Die zwei 
Mächte der Stadt, die »Commandeuse« und die Frau des Assistent- 
Residenten, erschienen in der Veranda der Spieler imd forderten kate- 
gorisch Abhülfe dieser peinlichen Situation. Ganz bescheiden erlaubte 
ich mir die Bemerkxmg, dass für Ngawie doch drei, ja selbst zwei 
Figuren hinreichend wären, und dass ich es »mit meinem Gewissen 
nicht vereinigen könne, einem solchen Laster, als der Hochmuth sei, 
vier Figuren herbeizuschaffen, Vorschub zu leisten; nichts half mir, ich 
musste :» Lanciers tanzen«. 

Endlich war ich auch dieser gesellschaßlichen Pflicht entledigt und 



Eine Sylvester-Nacht auf Java. Ig5 

hatte eine halbe Stunde wieder ruhig mit der »Spadille, Manille, Basta, 
Ponte« mich beschäftigen können, als der Ruf: ^»Eine Quadrille« durch 
den Saal schallte. Angstvoll bUckte ich nach der Thüre des Tanz- 
saals und sah zu meinem Schrecken wiederum diese beiden ehrwürdigen 
Damen erscheinen, und hinter ihnen stand meine Frau mit einem 
höhnisch-spöttischen Lächeln um ihre Lippen. Ich hatte noch nie- 
mals mit meiner Frau getanzt, und an diesem Abend mit einer frem- 
den Dame an einem Lanciers mich betheiUgt also — eine Verschwörung. 
Meine Ahnung betrog mich nicht Linea recta segelten diese beiden 
ehrwürdigen Matronen auf mich zu und theilten mir mit, dass meine 
Frau zu der nächsten Quadrille keinen Cavaüer hätte, und dass ich 
also höflichst, aber auch mit dem nöthigen Nachdruck eingeladen werde, 
für eine halbe Stunde mich dem Spielteufel zu entziehen und meine 
eigene Frau »nicht sitzen zu lassen«. Der erste und einzige Lanciers, 
welchen ich diesen Abend getanzt hatte, sass mir noch in den Gliedern. 
Ich wusste, wie toll und wild die letzten Touren der Quadrille in Indien 
von den angesehensten und ältesten Männern getanzt werden. Ich be- 
schloss also, den Angriff dieser zwei Fregatten mit groben Greschützen 
zurückzuschlagen und erklärte einfach, dass ich solchen liebenswürdigen 
Einladungen kein Gehör geben dürfe, weil ich mir bewusst sei, dass 
meine Frau das Haupt einer Verschwörung sei, nämhch mich unter 
den Pantoffel zu bekommen. Ich blieb bei meinem Entschluss, diesen 
Abend und überhaupt nimmermehr zu tanzen, und blieb bei der Thüre 
stehen, um mich wenigstens passiv an diesem Hexentanz zu betheiligen. 
Die ersten drei Touren waren gelassen und ruhig, als aber die »chaine« 
gebildet wurde, kam etwas Aufregung unter die Tänzer, und bei der 
letzten Tour war ein Springen und Laufen und Jagen und ein »Hessen«, 
wie auf einer Kirmess in HoUand. Endlich fielen Alle, Jung und 
Alt, Mann und Frau, erschöpft in die Stühle. Auf diese Quadrille 
folgten wieder Rmidtänze, und endlich um 3 Uhr Morgens verhess 
ich mit meiner Frau das Clubgebäude, während die meisten Anderen 
den Sonnenaufgang bei Tanz und Spiel erwarteten. Ich hatte nämlich 
von dem Leibarzte des E^aisers von Solo eine Einladung erhalten, 
am 1. Januar dahin zu kommen, um dem interessanten EmpjEangs- 
abend des Residenten^ beiwohnen zu können. Der Kaiser sei näm- 
lich verpflichtet, zweimal des Jahres im Gidaaufisuge ausserhalb des 
Kratons zu erscheinen: am 1. Januar und bei dem Garebek- 
feste. Er würde dafür sorgen, dass auch ich eine Einladung zu 
diesem Feste bekäme, an welchem sich alle Eiu:x)päer der Stadt und 



1^ Eine anangeDeluae F«brt 



der Proyinz und alle Häuptlinge der Eingeborenen und der €9iineseii 
jedefimal betheiligen. 

Der Zug, weldier um 6'/« Uhr des Morgens von Madiun abging» 
kam um 7^4 Uhr nach Paron, wir muasten also um 6 Uhr von zu Hau» 
abreisen. Wir benutzten diese wenigen Stunden zunädist, um uns 
der durch den Schweiss durchnässten Kleider zu entledigen, und 
ruhten bis 5 Uhr hn Bette aus. Zur festgesetzten Zeit erschien der 
Mylord mit meinen zwei feurigen Sandelwoodpferden^ welche offenbar 
überrascht waren, in so früher Morgenstunde den warmen Stall ver- 
lassen zu müssen. Wie der Wind flogen sie durch die Strassen der 
Stadt und durch die lange, schattenlose Allee, welche nach Paron 
führt Schon äusserte ich meine Unzufriedenheit, so früh das Haus 
vwlaasen zu haben, als bei Paal ^) 4 die Pferde plötzlich stehen blieben.. 
weil, wie ich später hörte, ein todter Tiger seitwärts im Gebüsche lag,<^ 
und: »J'y suis, j'y reste« mögen sie gedacht haben, denn weder Drohung 
noch die Peitsche, weder gute Worte noch Ziehen an den Zügeln,, 
nichts vermochte sie von ihrem Entschluss abzubringen, bei Paal 4 zu 
bleiben. Endlich stiegen wir Beide und die Babu aus dem Wagen, 
um so lange den Rest des Weges zu Fuss zurückzulegen, bis es dem 
Kutscher gelingen sollte, den Streik meiner Pferde zu beendigen. Wir 
kamen bis zum Paal 5, ohne von unserem Mylord ßtwas zu hören oder 
zu sehen; noch l^a Kilometer (= 1 Paal) weit lag die Station, als 
aus weiter Feme die Damp4>feife erscholl. Der Zug hatte Gen^g, 
die letzte Station vor Paron, verlassen. Im raschen Sdiritt eilten ich 
und meine Frau vorwärts, ohne zu bemerken, dass die Babu, welche 
unser Handgepäck trug, mit echt indischer Indolenz zurückgeblieben 
war. Aber audi meiner IVau wurde es zuletzt unmöglich, im Sturm- 
schritt die letzten 100 Schritte zurückzulegen. Ich wusste, dass bei 
der Station Dos-ä-dos zur Verfügung waren, im Galopp durcheUte 
ich die letzte Krümmung des Weges und kam mit dem Train gleich- 
zeitig im Stationsgebäude an. Sofort liess ich meine Frau durch ßinen 
Dos-ärdos holen und ersuchte den Stationschei« den Train zwei Mi- 
nuten auf meine Frau warten zu lassen und mir die Babu und mein 
Gepäck mit dem Zuge von 11 Uhr nachsenden zu wollen. Nach drei 



1 Paal = 1006,948 Meter. 

*) Die Unglücksfalle durch reissende Thiere scheinen in HoUändisch-Indien 
nicht zahlreich zu sein, wenigstens spricht der Jahresbericht von 1893 nur von 
43 durch Tiger, 39 durch Krokodile und 38 durch Schlangen veranlassten To- 
desfallen. 



Ein Neujahntftg in Solo. 167 



Btundai kam^i wir in Solo an und erhielten nach der Rysttafid die 
Nttchtwisdie iFon mnerer liebenswüidigen Hausfrau geborgt, inn unser 
IfittagiBSchläfchen halten zu können, welches nach d^i gemachten 
Strapazen für uns geradezu ein Bedürfiiiss war. Leider konnte die 
Sieeta nicht lange dauern, weil bemts um 5 Uhr die europäischen 
Giste vom Residenten erwartet wurden. 

Nachdem wir aufgestanden und die Koffer mit den Kleidern und 
der Wäsche thatsäcUich mit dem Mittagstrain angelangt waren« nahm^i 
wir unsem Thee, gingen uns ankleiden und begaben uns mit der Haus- 
frau ins anhegende Haus des Residenten. Auf dem Wege dahin er- 
zäUte sie uns, dass die Eingeborenen schon um 6 Uhr früh ihre 
GMückwünsche dem Residttiten dargebracht hatten und dafür kleine 
Geschenke in Geld oder Kladem erhielten, und dass bis 10 Uhr alle, 
und zwar in Begleitung von Musik, ihre Aufwartung gemadit hatten, 
wekhe durch ihre SteUung sich dazu verpflichtet hielten : die Musikanten 
von der Leibwache des Susuhunan, die Polizeiagenten, die Musikanten 
des Prinzen Mangku Negara, die Führer der Elephanten u. s. w. Als 
Nachbarn des Residenten hatten sie das Vorrecht, den ganzen Morgen 
die Musik zu hören, welche am besten mit den Worten des deutsdien 
Diditers charaktensirt werde: »So ein Lied, das Stein erweichen^ 
Menschen rasend machen kann«. Gtegen 10 Uhr verminderte mch 
dieses Lärmen der Musik, und es erschienen alle europäischen Beamten, 
Offidere, der Prinz Mangku Negara, der Reichsverweser und die ange- 
sefamsten Häuptlinge, um persönlich dem Residenten ihre Glückwünsche 
zum Jahreswechsel auszuq>rechen. 

Unterdessen hatten wir die )»yorgalene« dieses Beamten erreicht 
und erfreuten uns an einem bunten Bilde, welches sich vor dem Hause 
unsem Augen darbot Eiine grosse Allee vbn Tamarindenbäumea 
zog sich in grosser und starker Krümmung gegen den Kraton; zwischen 
je zwei Bäumen be&nd sich ein Flaggenstock, und in regelmässiger 
Entfernung sassen die Tumenggnngs \) oder Bupatis,^) welche nicht dem 
Kraton selbst zugetheilt waren. Jeder von ihnen hatte sein zahlreiches 
Gefolge mit Lanzen und kleinen Fahnen bei sich, und die Farbe der 
Röckchen verrieth den HäuptUng, dem es angehörte. Jeder Bupati 
hatte neben sich seine Gamelang; auch in der Pendqppo, welche vor 
dem Hause des Residenten stand, be&nd sich eine solche und eine 
europäische Musikbande. Die »Vorgalerie« schloss sich an eine grosse 



*) "Würdenträger der Eingoborenen. 



Igg Ein Neiiyahrstag in Solo. 



Halle, in deren Hintergründe zwei Thronsessel auf einem Podium 
standen, und zwar in gleicher Höhe, und senkrecht darauf zwei Reihen 
schöne europäische Stühle. Gegen 5\/s Uhr erschienen zwei Häuptlinge 
mit einem glänzenden Hut auf dem Kopfe (vide Fig. 13), welcher die 
Form eines umgekehrten Blumentopfes hatte, und theilten dem Residenten 
mit, dass der Susuhunan, Paku Buwana, Senapati ing-ngalaga, NgabduV- 
rahman, Sajidin, Panata-gama = Seine Heiligkeit, der Nagel der Welt, 
der höchste Commandant des Ejrieges, der Diener der Barmherzigkeit, 
der Herr der Religion und der Leiter des Gottesdienstes angezogen 
und bereit sei, ihn zu empfangen. Langsam und in demselben ge- 
messenen Schritt, wie sie gekommen waren, kehrten' sie nach dem 
Eraton zurück. Nach einer Weile bestiegen der Resident und der 
Assistent-Resident eine offene Equipage, um den Susuhunan zu holen. >) 
Das Zeichen ihrer Würde, der goldene Sonnenschirm für den Resi- 
denten wid der halb goldene, halb weisse für den Assistent-Residenten, 
wurde ihnen über den Kopf gehalten, und so gelangten sie in den 
Kraton. wo der Resident dem Susuhunan und der Assistent^Resident 
dem Kronprinzen den Arm giebt und zu dem Wagen des Fürsten ge- 
leiten. Es ist eine schöne, gläserne Equipage, von 8 Pferden ge- 
zogen, welche Sammt - Decken, Federbüsche tragen und von einem 
Pikeur geführt werden; die Equipage des Kronprinzen wird nur von' 
6 Pferden gezogen. Oer Zug wird eröfihet von 20 Hofbedienten zu 
Pferde; hinter ihnen folgt eine Truppe mit Wasser, Holzkohle und 
Reis, welche ebenfalls mit einem goldenen Sonnenschirme beschützt 
werden, die europäische Leibwache des Kaisers, dann die javanische 
Leibwache, Hofdamen mit blossen Schultern mit den Reichsinsignien 
(Fig. 14): Ein Vogel (Peksi groeda), ein Hahn (Sawung gaüng), Arda 
wolika (ein Vogel mit "einem Kopf, der halb an einen Menschen, halb 
an eine Schlange erinnert), zwei Elephanten (gadjah), ein Kidang (Reh) 
und eine Gans, welche alle aus massivem Gold verfertigt waren. 
Hinter diesen folgen zwei Herolde, die Equipage des Kaisers, des 
Kronprinzen und die übrigen Häuptlinge zu Pferde und einige Hundert 
zu Fuss. Sobald die Equipage des Kaisers den Kraton veriässt, 
dröhnen vom Fort die Salutschüsse der Kanonen, die Gamelangs er- 
tönen in gemessenen, ruhigen Tönen, und die Häuptlinge mit ihrem 
Gefolge, an welchen der Zug langsam, ruhig, und ich möchte sagen 



*) Seit ungefähr zwei Jahren holt der Resident den Sultan nicht ab, sondern 
erwartet ihn in seinem Hause. 



Ein Nenjahrstag in Solo. 169 



lautlos vorbeizieht, neigen ihren Kopf zur Erde und erheben ihre Hände 
zur Stime (Sembah); dasselbe thun die Häuptlinge (welche auf dem 
Boden mit gekreuzten Füssen sitzen), wenn der Kaiser die Avenue des 
Besidentenhauses erreicht hat und den Wagen verlässt Majestätisdif 
oder besser gesagt ruhig und langsam schreitet der Kaiser am Arm 
des Besidenten und der Kronprinz am Arm des Assistent-Residenten 
durch den Saal zum Throne, der Teppich wird hinter ihnen sofi)rt 
aufgerollt, um nicht durch plebejische Füsse entweiht zu werden, und 
vor dem Thronsessel lassen sich die beiden Grössen von den einge- 
ladenen Eim)päem begrüssen. Die Gamelang wird in die Nahe des 
Thrones gebracht, der Kaiser imd der Resident setzen sich gleichzeitig 
nieder, links von ihnen der Kronprinz und einige angesehene Pangerans, 
während rechts die europäischen Gäste sich niedersetzen und einen ge- 
nügend grossen Raum offen halten für die Serimpis (Bayaderen). Die 
angesehensten HäupÜinge (Pangerans), welche in dem Zuge sich be- 
fiEuklen, haben unterdessen in Galatenue (Fig. 13) ihre Equipage ver- 
lassen oder sind vom Pferde gestiegen und erscheinen nun am Eingange 
des Saales, um dem Kaiser und dem Residenten ihre Huldigung zu 
bringen. Dieses geschieht kriechend, d. L in hockender Stellung 
schob Jeder abwechselnd das rechte und linke Bein vor, wobei er sich 
mit den ausgestreckten Händen auf den Boden stützte und in ruhigen 
und gemessenen Bewegimgen mit dem einen Beiinß den Sarong zurück- 
schleuderte, gerade wie eine Dame der Schleppe ihres Kleides jeden 
AugenbUck ihren Platz anweist In gemessener Entfernung bleibt er 
stehen oder vielmehr sitzen, neigt sein Haupt bis zum Boden, erhebt 
den Körper wiederum und führt die geMteten Hände zur Stime 
(Sembah). Der ICaiser selbst aber sitzt unbewegUch wie eine Statue, 
und ein wohl berechnetes Zwinkern mit den Augenlidern verkündet 
jedem Häuptlinge, in welchem Grade seine Huldigung in den Augen 
seines Herrn Gnade gefunden habe. Ein für den Neuling gewiss hoch- 
interessantes Ballet, das wahrscheinlich beim zweiten Male, aber sidier 
beim dritten Male die Zuschauer ermüden, ja selbst langweilen muss! 
Dasselbe gilt von dem nun folgenden Tanze der Serimpis. Vier ^) 
junge Mädchen erscheinen mit ebenso viel Hofdamen, welche unab- 
lässig mit dem Ordnen der Toilette ihrer Schutzbefohlenen beschäftigt 
waren. Diese Mädchen sind die Töchter von hohen Fürsten und werden 
später die Nebenfrauen des Kaisers; sie haben einen Sarong, der, wie 



') Und nicht nenn, wie es Veth iu seinem „Java^ erzählt, was übrigens 
der Name Serimpi schon andeutet. 



170 Bi^ Ne«j«brfUg in Solo. 



kik hörte, ein nur für Bie bestiiimites Desan hat Das Gleicht» der 
entblöfiBte Hals und Anne sind mit einer gelben Salbe (B(Hreh) be- 
strichen, und die Grenze der Kopfhaare wird durch schwarze Earbe 
nach unten verrückt, ebenso wie der Kronprinz die Augenbrauen durch 
einen dicken, schwarzen Strich gegen die Mitte der Stime vergrönert 
erscheinen Hess. Das Haar der Tänzerinnen hatte zahlreiche mit Diar 
manten und anderen Edelsteinen geschmückte Haarnadeln, und an 
dem 'HsisQ hingen drei goldene Halbmonde. Um die Taille be&nd 
sidi ein Schleier, welchen sie bei den Tänzen zur Unterstützung der 
Anmuth in ihren Bewegungen zieriich zu gebrauchen wussten. 

Was den Tanz dieser hübschen Mädchen betriffl;, so mag er nach 
eurofMoscher AufEftssung kaum so genannt werden; sie verliessen nie 
ihren Ratz, sondern drehten sich abwechselnd unter den sanften, weh- 
müthigen Klängen der Gamelang an Ort und Stelle; heim Auftreten 
und beim Verlassen des Tanzsaales machten sie ihre Sembahs. 

Das ruhige und würdevolle Drehen wurde von steifen Bewe- 
gungen d^ Hände und Füsse begleitet; dabei wurden diese hyperexten- 
dirt, so dass z. B. die Finger und der Ellenbogen in ihren Gelenken 
oft einem Bogen von 190^ entsprachen. 

Wenn auch der Anüang mir gewiss ein gewisses ethnographisches 
Interesse abgewinnen musste, so vmrde doch die Monotonie des Tanzes 
sdion darum ermüdeüd und langweilig, weil er beinahe zwei Stun- 
den (!!) dauerte, und auch die Gamelang nur wenig Abwechslung in 
ihren sentimentalen, rührenden Weisen brachte. Uebrigens fehlte mir 
und audi den übrigen Europäern jedes Verständniss für diesen Tanz. 
Die Tandakmädchen (öffentliche Tänzerinnen) (Fig. 8), welche man 
tä^di auf der Strasse solche Tänze aufführen sieht, sind weniger lang- 
weilig; erstens singen sie dabei Heldenlieder (leider mit kreischender 
Stimme), und zweitens verlassen sie doch theilweise den Platz, auf dem 
sie stehen. Die Bewegungen dieser Tandakmädchen soUen eine cynisdie 
oder erotische Basis haben, und manchmal glaubte ich es auch in 
ihren Bewegungen zu entdecken. Dem Tanze der Serimpis jedoch 
fehlt nach meiner Ansicht diese Basis; hier sind diese seltsamen Be- 
wegungen des Körpers und Verdrehungen der Hände und Füsse Seibet- 
zweck. 

Endlich nahm dieser Tanz sein Ende, die europäische Militär- 
musik stimmte eine Polonaise an, der* Besident gab dem Kaiser, der 
Assistent-Resident dem Kronprinzen den Arm, ihnen schlössen sich der 
Platz-Commandant mit der Frau des Residenten und die übrigen Hono- 



Ein Nei^ahrstag in Solo. 171 



latioreii an und machten zweimal die Bimde durdh den TanzsaaL 
lieblicher Weise war der Schluas der Polonaise für die europäiacbe 
Gesellachaft ein Rundtanz, während der Kaiser ins Nebenzimmer zur 
Whisttafel ging, an welcher die angesehensten und reichsten Laift- 
heiren theilnahmen. Der Kaiser muss nämlich gewinnen, die bSae 
Welt erzählt auch, dass die Farmer untereinandw ein Syndicat sdiUesaen 
und einen Fonds gestiftet haben, um auf Kosten aller Landherren den 
Verlust der Spieler zu decken. >) Ein Souper, welches die indische 
Regierung bezahlt, ist der Schluss des Neujahrsfestes. Für 12 Ufar 
war es bestimmt, aber seine Kaiserliche Hoheit hatte anders beschlossen. 
Der Resident kam schon um 11^2 Uhr in den Spielsalon, um quasi 
den Kaiser an die Zeit des Soupers zu erinnern; der Kaiser liess sich 
jedoch nicht stören. EndUch schlug es 12 Uhr und der Resident gab 
ihm' einen deutlichen Wink, indem er sich an den Eingang des ^el- 
saJons stellte, von wo er ihn per Arm an die Ta&l führen sollte. 
Länger als zehn Minuten, vielleicht eine Viertelstunde hess er den 
Residenten wie einen Bedienten vor der Thüre stehen, bis er endlidi 
sich herabliess, dem Spiel ein Ende zu machen und den gewonnenen 
Preis seiner Whistkunst (?) einzustreichen. Unterdessen hatte sich der 
Kronprinz im Tanzsaale aufgehalten und, wenn auch nicht dem 
Tanze, so doch in echt europäischer Weise den Freuden des Festes 
gehuldigt; namentlich im Flirten mit den europäischen Damea 
leistete er geradezu Erstaunliches, obwohl er durch die Zeichnung ▼(« 
grossen Augenbrauen mehr oder weniger zur Caricatur eines Menschen 
geworden war. Die anderen »Reichsgrössen« verfielen nicht so stalle 
diesem Uebelstand, weil sie bis auf das Kopftuch die Uniform ihres 
Ranges trugen, in dem sie der Armee k la suite zugetheilt waren; der 
Kronprinz jedoch trug nur einen kurzen Sarong über die Lenden, und 
im Uebrigen beinahe ganz europäische Kleider. 

Unterdessen hatte ich oder vielmehr meine Frau dem Ceremonien- 
nieister viel Scherereien verursacht. Die vorige Nacht hatte meine Frau 
nur drei Stunden geschlafen, der forcirte Marsch zu Fuss zum Bahnhof 
hatte sie stark mitgenommen, und da sie aus Mangel an anderen 
Kleidern und Wäsche bis 2 Uhr in denselben Kleidern bleiben musste, 
so brachte ihr das Mittagschläfchen keine hinreichende Erholung. Die 
Schwäche überwältigte sie, und ich ging also zu einem der beide» 



') Weil der Kaiser selbst bis zum frühen Morgen spielen würde, um seines 
etwaigen Verlust wieder surückgewinnen zu können. 



172 ^^ Neujafarstag in Solo. 



Ceremonienmeister und theilte ihm mit, dass wir zu unserem Bedauern 
wegen UnwohlseinB meiner Frau nicht an der Hoftafel theUnehmen 
könnten. Zu meiner grössten Ueberraachung gab er nm* die kurze 
^twort: »Unmöghch€ und eilte weg, um seine weiteren Anordnungen 
zu treffen. Als aber das Unwohlsein meiner Frau zunahm, entfernte 
ich mich unbemerkt brachte sie nach ELause, und da ich die Ursache 
des Unwohlseins in der grossen Ermüdung sah, ging ich beruhigt in 
den Tanzsaal zurück, theilte es dem zweiten Ceremonieimieister mit und 
bat ihn um Aufklärung des Wortes »Unmöglich« von Seiten seines 
AmtscoÜegen. 

»Ich kann jetzt endlich icei Athem schöpfen,« gab er mir zur 
Antwort^ »und Ihnen das non possumus meines CoUegen erkläxen. Sie 
sehen hier zwei grosse Tische, welche in der Form eines "Y" ange- 
ordnet sind; an dem horizontalen Tische sitzt der Kaiser, hat zu seiner 
Rechten den Platz-Oommandanten, zu seiner Linken den Residenten 
und an diesen schliessen sich nach Rang und Würden die übrigen 
europäischen Gäste an. An dem senkrechten Tische sitzen nur ein- 
geborene Fürsten, deren Anzahl so ziemUch feststehend ist; da nebst- 
dem ihr Rang nach Jahrhunderte alten Yorschriftien (hadat) geregelt 
ist, so ergiebt sich, wenn ich es so nennen kann, das Arrangement der 
Sitzplätze von selbst, um so mehr, da diese Fürsten ihre Frauen nicht 
mitbringen. Die Zahl der europäischen Graste ist aber nicht nur 
yariabel im Quantum, sondern auch in der Qualität; bei jeder Hoftafel 
muss daher aufe Neue die Sitzordnung der Gäste geregelt werden. 
Zufällig sind Sie mit Ihrer Frau die jüngsten imd niedrigsten im 
Range, welche noch an diesem Tische Platz nehmen können; die übrigen 
europäischen Gäste erhielten einen zweiten Tisch, an welchem sie sich 
nach Belieben niederlassen können, weil der Rangunterschied derselben 
nicht mehr gross ist Was würde geschehen sein, wenn mein College 
Ihre Absagung angenommen hätte? Der Platz hätte durch einen 
Andern eingenommen werden müssen, aber durch wen? Sie wissen, 
dass wir mit dem Platz-Adjutanten die Rangverhältnisse zwischen den 
Officieren und Civilbeamten u. s. w. regeln; wir haben uns also ge- 
einigt, auf Sie im Range die Civil-Ingenieure folgen zu lassen. Wir 
haben deren zwei, welcher von Beiden hätte an der Hofl;afel sitzen 
sollen? Jedes Jahr bekommen wir Reclamationen über das Arrange- 
ment der Sitzplätze für die Europäer, und heuer sind wir dem glückUch 
entronnen, nur dadurch, dass wir Ihre Absage nicht annahmen. Der 
Sitz blieb leer — und häbis perkära.« (M. die Sache ist erledigt) 



Eine Deputation am Hofe zu Djocja. 173 

Welche Speisen die eingeborenen Fürsten erhielten, habe ich leider 
nicht gesehen, und ebenso habe ich vergessen, ob auch der Kaiser sich 
an den offidellen Toasten betheiligte; nur erinnere ich mich noch, dass 
das erste Glas auf die Gresundheit des Königs von Holland getrunken 
wurde, imd dass das letzte mit den Worten: Salämat tänah Djawa! 
(Heil dem Lande Java!) den tibUchen Schluss der Hoftafel brachte. 
Der Kaiser und alle Gäste erhoben sich, der Resident gab ihm den 
Arm^ dasselbe that der Assistent-Kesident mit dem Kronprinzen, und 
unter den stürmischen Klängen der Gamelang verliess der »Susuhunan« 
das Besidenzgebäude. Auch ich ging nach Hause, und zwar mit dem 
Bewusstsein, in Europa ein schöneres Banket und einen schöneren 
Festzug, aber kein interessanteres Tableau als an dem vergangenen 
Tage jemals gesehen zu haben. 

Im grellen Gegensatze zu der lauten und stürmischen Aufregung, 
welche die Festzüge in Europa charakterisiren, stand die Buhe und 
Gelassenheit in allen Bewegungen der Theilnehmer, und wenn nicht 
die Gamelangs und die verschiedenen Musikchöre Abwechslimg in die 
Monotonie gebracht hätten, wäre Langeweile der Grundton des ganzen 
Schauspieles gewesen. Ich habe zwei Jahre später Gelegenheit gehabt, 
eine solche klang- und sanglose Auffahrt bei Hof in Djocjokerto mitr 
zumachen, wo sich der zweite selbständige Fürst von Java befindet 
Er führt denselben Titel wie der Kaiser von Solo: Sultan, Hamangku 
Buwana, Senapati ing-ngalaga, NgabduV-rahman, Sajidin Panatagama, 
Kalifahillah YILjO nur dass anstatt Susuhunan = Heiligkeit Sultan, 
imd für Paku = Nagel Hamangku = Herrscher der Welt genommen 
wird; auch in anderer Hinsicht ist der Unterschied zwischen dem Hof- 
ceremoniell zu Solo und, dem zu Djocja sehr klein. 

Am 23. November 1890 war der König von Holland gestorben, 
und sofort verständigten der Telegraph und die Post den ganzen 
indischen Archipel von dieser Trauermär. Nebstdem sollte noch ein 
eigenhändiges Schreiben, direct an den Sultan von Djoqa (und natür- 
hch auch an den Susuhunan = Kaiser von Solo) von Holland aus 
gerichtet, den officiellen Bericht bringen, dass König Wilhelm III. ge* 
storben sei und seine Frau, »Konigin Begentes« Emma, im Namen der 
unmündigen Königin Wilhelmina die Begierung über Holland und seine 
Colonien »im Osten von dem Cap der guten Hoffiiung« auf sich ge- 
nommen habe. Dieser Brief kam nach Djocja zur Zeit (Anfangs Ja* 



Seit dem 22. Deccmber 1877 auf dem Throne. 



174 ^üie Deputation am Hofe zu D)ocja. 

noar 1891)^ ab ich mich dort zu meiner Erholung von dem in Tjilatjap 
aoquirirten Malariafieber aufhielt und eines Tages zu dem Besidenten 
lom Nachtmahle eingeladen wurde. Gleichzeitig be&nd sich hier 
der berühmte hcdländische Gelehrte Snouck Hurgronje als zweiter 
Gast, welcher bei dem Besidenten wohnte. Dieser Mann ist, wenn 
nicht in Europa, so doch in Holland der beste Kenner der mohame- 
dänischen Rechte und der Gesetze, ist der arabischen Sprache voll- 
kommen mächtig, und ihm war es auch gelungen, verkleidet als ara- 
bischer Pilger nach Mekka zu kommen und an Ort und Stelle die Gre- 
brauche des Islam in Mekka zu studiren; er war mit seinen reichen 
ErÜAhrungen der holländischen Begierung ein verlässlicher Bathgeber 
in allen Angelegenheiten, des Islam, unter anderem besprachen 
die beiden Männer das Ceremoniell, welches bei der officiellen Mit- 
theilung von dem Tode des Königs gehandhabt werden sollte. Als ich 
hörte, dass es nur aus einer kleinen Deputation bestehen sollte, ^- 
suchte ich den Residenten, ein Mitglied derselben sein zu dürfen. Er 
verwies mich an den Platz-Conunandanten, der natürlich nichts da- 
gegen einzuwenden hatte, und so kam ich zu der seltenen Gelegenheit 
in den Kraton bis in die Gemächer der Sultanin gelangen zu können. 

Unter Kraton versteht man keinen Palast nach europäischer Nomen- 
elatur, sondern einen Complex von Gebäuden, welche mit einer Mauer 
umgeben sind und von jener zahlreichen Menschenmasse bewohnt wer- 
den, die direct oder indirect zum Gefolge des Herrschers gehört Der 
Kraton zu Djocja wird von ungefähr 15,000 Menschen bewohnt ist von 
einer Mauer umgeben, welche 1200 Meter lang und 700 Meter breit 
und 3Va Meter hoch ist 

An dem festgesetzten Tage gegen 11 Uhr erschienen zwei Gala- 
Equipagen, in der ersten nahm nur ein Schreiber des Besidenten Platz, 
welcher ein Polster in den Händen hielt darauf lag in einem Couvert 
aus gelber Seide der officielle Brief der »Konigin-Regentes« mit der 
Nachricht von. dem Tode S. M. des Königs von Holland; im zweiten 
Wagen sass der Resident mit dem Platz-Commandanten, und in den 
folgenden Wagen sassen der officielle Dolmetsch der javanischen Sprache, 
ein Controlor, der Platz-Adjutant <ünd meine Wenigkeit 

Längs dem Fort Rustenburg, ^) in welchem sich ein halbes Ba- 



1) Diesos Fort wurde im Jähre 1760 gleichzeitig mit dem Kraton gebaut. 
Nach der herrschenden Anschauung darf ein Kraton nicht länger als ein (ja- 
Tanisches) Jahrhundert bestehen ; die holländische Regierung gab aber in diesem 



I Jahrhundert zu einem Neubau nicht die Zustimmunof. 



Eine Deputation am Hofe zu Djooja. 17Ö 

taillon In&nterie, eine halbe ONnpagnie ArtiUerie, das Militäropital, 
die Magazine und der grösste Theil der Offiderswohnungen befinden, 
und dem europäischen Clubgebäude kamen wir zunächst auf den Schloes- 
platz mit seinen zwei riesigen Waringinbäumeo, wohin sidi in früherer 
Zeit j^ie unglücklichen (in weisse Kleider gehüllt) flüchteten, weldie 
dem Sultan ebi Bittgesuch überreichen wollten. Auch soll hier stets 
ein Tigerkäfig gestanden haben, in welchem jener Tiger ge&ngen ge- 
halten wurde, welcher bei der Thronbesteigung eines Sultans mit einem 
Büffel '(Karbouw) in Gegenwart des Hofes, der Beamten und des Volkes 
den Kampf aufiiehmen musste. Da d^ Tiger in der Regel durch yiel- 
tägiges Hungern geschwädit war, und die Homer des Büffels spitz ge- 
schliffen wurden, erlag immer d^ Tiger, und der Büffel ging immer 
als Sieger aus dem Kampfe hervor. An der Westseite des Schloss- 
platzes lag eine Moschee (mistigit) von einem Wassergraben (ohne 
Brücke) umgeben, so dass Jeder gezwungen war, entsprechend den Yor- 
schriften des Islams, seine Füsse zu waschen, bevor er das Heiligthum betrat 

Vor der Bansal witana, d. i. dem Zugang zu dem eigentlichen 
Eraton, wdches ein G^g zwischen den zwei grossen (][ebäuden für den 
Crerichtshof war, stieg Alles aus, der Kronprinz erschien und gab dem 
Residenten den Arm, neben ihm ging der Platz-Gommandant, tmd der 
goldene Schirm (Pajong) des Residenten liess den Kopf des Obersten 
unbeschützt Der offene Raum zwischen diesem Thor und dem nächsten, 
Bradjanala^) genannt^ war mit Sc^daten, »den Legionen« des Kaisers, 
ausgefüllt Sofort werden wir uns mit diesen eingehender beschäftigen 
müsseh. weil sie geradezu eine typische und originelle Erscheinung auf 
dem Hofe der beiden Kaiser zu Solo und Djocja bilden. Vor diesem 
Thore hielt ein europäischer Soldat Wache und gab jede Stunde durch 
einen Glockenschlag die Stunde des Tages an. Hier be&nden sich 
auch zwei Pendoppo = offene Hallen, in welchen Gesandte, der Reichs- 
verweser oder andere angesehene Personen warten müssen, um nach 
erhaltener Zustimmung zur Audienz vorgelassen zu werden. Wir ge- 
langten durch das dritte Thor, »Sri Menganti«, welches uns zu den 
Wohnhäusern des Sultans selbst brachte, und vor dem Bangsal Kent- 
jana = dem goldenen Pendoppo kam der E^aiser der Deputation entgegen. 

Auch in der Nahe dieses* Saales standen Soldaten; man muss 
sich vollkommen dem Eindrucke des Hofceremoniells hingeben, wenn 

^) Der Setzer hat bei allen Wörtern mit k nur a genommen; dessen Schuld 
ist es also, daas auch dieses Wort hier geschrieben ist, als ob es aus West- 
Java stammen würde. 



176 ^^i^® Doputation am Hofe zu Djocja. 

man nicht beim Anblick dieser Helden ein lautes Lachen erschallen 
lassen wilL Die Leonen des Sultans sind 3 — 4000 Mann stark und 
in zahlreiche Compagnien eingetheilt mit ihren eigenen Officieren, eigenen 
Umformen, Fahnen; jede hat zwei Tambours und zwei Pfeifer. Die 
eine Compagnie, welche am meisten meine Aufinerksamkeit fesselte, 
hatte einen Officier mit einem gelben fVack, grünen Hosen, grossen, 
schwarzen Kanonenstiefeln, einem dreieckigen Hut mit einem grossen 
Blumenstrauss, einem grossen, breiten Säbel in der Hand und einer 
grossen, grünen Brille auf der Nase. Die Soldaten, welche um ihn 
standen, hatten ungefähr dieselbe Uniform, waren jedoch mit einer 
Lanze bewaflhet und hatten keine Brille, welche übrigens bei allen 
übrigen Offideren offenbar als Zeichen ihrer Würd^ auf der Nase sass. 
Die anderen Compagnien zeigten bedeutende und pittoreske Unter- 
sdiiede; sie waren mit Krissen (Dolchen) oder Schwertern und Schild, 
mit Lanzen oder Gewehr bewaffiiet; sie hatt»n einen Sarong oder kurze 
oder lange Hosen an; dreieckige Hüte oder spitz zulaufende Mützen 
oder Helme aus den diversen Jahrhunderten; der Frack war gelb, roth, 
blau oder schwai^; sie trugen weisse Strümpfe mit Lackschuhen oder 
waren blossfüssig; kurz und gut die^ Uniformen der letzten 300 Jahre 
hatten ihre Vertreter in den Legionen der beiden Kaiser von Java 
(Fig. 15). 

Als Pendoppo hatte dieser Saal keine Wände, und doch sind die 
Säulen, welche das Dach tragen, und dieses selbst sofern es den 
Plaf<md dieser Halle bildet, als alt-javanische Holzschnitzereien von 
grossem historischen und architektonischen Werth. Zur Seite steigt 
das Dach schief nach oben, und seine Balken haben ihre natürliche 
Farbe, welche durch das hohe Alter dunkel und düster wurde. Diese 
Balken jedoch sowie die der Caissons des mittleren Theiles, welcher 
mattblau und roth ist, sind mit zahlreichen Arabesken, Blumen und 
Thieren in Groldfarbe bedeckt; da aber das Gold dieser Verzierungen 
auch nicht mehr neu und also nur mattglänzend war, so machte dieser 
Saal einen düsteren Eindruck. Die Einrichtung bestand nur aus zwei 
Thronsesseln und acht gepolsterten' Stühlen, und der Boden bestand 
aus Marmor. 

Nachdem der Resident dem £[aiser den Brief überreicht hatte, 
Hess dieser den Beichsverweser den Brief öffiien und vorlesen; da- 
nach gingen wir uns setzen und Bheinwein trinken, welcher in schö- 
nen Gläsern herumgereicht wurde. 

Aber einen noch selteneren Empfang sollte ich bei dieser Ge-- 



Die Stadt Solo. 177 



legßnheit mitmachen. Die Deputation wmrde auch von der Sultanin 
emp&ngen. 

Hinter der erwähnten Pendoppo befindet sich eine lange, offene 
Halle, an welche sich rechts die Gedong kuning, das gelbe Haus, die 
Wpl^i]ang des Sultans und die Dalem oder Prabajasa, die Wohnung 
de^ Sultanin anschlössen. Links von der Halle be£Eiiiden sich die 
Ställe für die Pferde tmd Hunde, obwohl die letzteren nach don moha- 
medanischen Anschauungen haram = unnein sind. 

In dem eigentlichen Palaste der ersten Sultanin empfing uns also 
des Sultans Favoritin; seine anderen Frauen und GuDdiks hatten Jiinter 
der Prabajasa ihre Wohnungen, welche den Harem oder Kaputr^n 
bilden und von keinem männlichen Wesen betreten werden dürfen. 
Ajbior auch in die eigentliche Wohnung des Sultans, in das gelbe Haus, 
mag niemals ein Mann ohne directe Einladung kommen, und natürUch 
noph weniger in den Palast der Sultanin. Alle Bedienung geschieht 
in beiden Palästen nur diutih Frauen. Die Veranda, in welcher der 
Empfang der Deputation stattfand, war schlecht beleuchtet Als wir 
eintraten, erhob sich von einem sehr langen Divan, der die ganze 
liLnge der Mauer einnahm, die Sultanin, und der Resident stellte uns 
vor. Hierauf setzten sich die vier Grössen auf den Divan; und wir 
Uebrigen, dii minorum gentium, konnten stehen bleiben. 



Den £[raton zu Solo will ich nicht beschreiben, weil ich nur wie- 
deriiolen müsste, was ich in obigen 2^ilen von dem Palaste in Djocja 
mitgetheilt habe, und weU ich dabei die Mittheilungen und Beschrei- 
bungen Anderer benutzen müsste. Nach dem Feste beim Besidenten 
fuhr ich den nächsten Tag um 10 Uhr mit der Eisenbahn wieder nach 
Ngawie zurück, ohne von der Stadt mehr als den Thiergarten, das 
Fort Vastenburg, das Besidenzgebäude und den schönen Palast des 
Prinzen Mangku-Negoro gesehen zu haben. Die Stadt &atte mehr als 
100,000 Einwohner!) und machte auf midi keinen günstigen Eindruck. 
Vielleicht waren es die zahlreichen Spuren der jährlichen üeber- 
schwemmungen, welche der Stadt geradezu ein schmutziges und un- 
appetitliches Aussehen geben. Sie hegt nämlich an der Mündung des 



') Darunter waren nach dem officiellen Ausweise vom Jahre 1892 1139 
Europäer, 4167 Chinesen, 88 Araber, 241 „andere Orientalen'' und 96,296 Ein- 
geborene. 

Breitenitein, 21 Jahre in Indien ü. 12 



178 ^f Aufschwung der Insel Java. 

kleinen Flusses Pep^ ^) in den Bengawan (= Solo), welcher der grösste 
Fluss Javas ist und in seinem oberen Laufe aus zahlreidien kleinen 
Bergströmen besteht Die Stadt hat aber eine grosse und schöne Zu- 
kunfty weil seit ungefähr sieben Jahren die Eisenbahn, welche Batavia 
mit Surabaja verbindet^ den Fremdenverkehr sehr erleichtert und den 
Strom der Touristen nach diesen zwei höchst interessanten Kaiser- 
reichen «(Djocokarta und Surokarta = Solo) l^nkt Die Provinz ist 
reich an Buinen aus der Hiaduzeit und hat zahlreiche Naturschön- 
heiten (zahlreiche warme Quellen, Mofetten und auf dem Berge Lawu 
eine kleine Bergkluft mit zwei Teichen, aus welchen giftige Gase [Kohlen- 
stofif!] aufsteigen, Schwalbennesterhöhlen u. s. w.). Vielleicht am in- 
teressantesten ist und bleibt die Anwesenheit eines orientalischen Fürsten 
mit seinem ganzen Ho&taate, welcher am G^mgelbande des Residenten 
geht und bemüssigt wird, seinen despotischen Gelüsten nur noch im 
Festhalten äusserer Formen zu genügen. Hatte nämlich die indische 
Begierung grosse Schwierigkeiten, die depossedirten Fürstei anderer Pro- 
vinzen Javas, welche sie als »Begenten« in das Corps der Beamten 
aufiiahm, von ihren despotischen Gewohnheiten zu befreien, so stand 
sie gegenüber den beiden Fürsten von Solo und Diocja. welche äusser- 
lich ihre Selbständigkeit behielten, geradezu vor einem Augiasställe. Ich 
bewundere die Greschicklichkeit und Ausdauer der holländischen Re- 
gierung, welcher es gelang, zwei diametral entgegengesetzte Regierungs- 
principien in ihr Programm au&unehmen und dieses erfolgreich durch- 
zuführen. Diese sind: Die einheimischen Fürsten der unterworfenen 
Stämme an die Spitze der Verwaltung als Beamte zu stellen, um die 
dynastischen Grefühle der grossen Menge des Volkes zu schonen, imd 
andererseits den kleinen Mann vor den despotischen Gelüsten dieser Be- 
amten zu beschützen. 

Der beste Beweis nicht nur für die Richtigkeit dieser Principien, 
sondern auch für den bedeutenden EMolg derselben ist der ungeheure 
Aufschwung, den Java im 19. Jahrhundert genommen hat^ und der 
sich in dem Wachsen der Bevölkerung und in der menschenwürdigen 
Existenz des javanischen Bauers am deutlichsten zeigt Java hatte 
im An£Euige dieses Jahrhunderts ungefähr 3,000;000 Seelen, und heute 
beinahe 23 Millionen« Selbst bis in die abgelegensten Kampongs ist' 
die kleine Petroleumlampe gedrungen, und beinahe jeder Dorfhäuptling 



') Entspringt auf dem Bergsattel z^vischen den beiden Bergriesen Merapi 
und Merbabu. 



Dm MiUtilr-Spital in Ngmwie. 



179 



hat seinen runden Tisch mit einem bunten Tischtuch, einen Schaukel- 
stuhl und seine Hängelampe^ 

Die Provinz Surakarta (= Solo) hat bei einer Grrösse von 112,oo6 
Q] Meilen 1,176,833 Einwohner, also ungefähr 10,000 auf die Quadrat- 
Meile, obwohl der Süden der Provinz von Kalkbergen durchzogen wird 
und nur spärlich bewohnt ist 



Um '/al2 Uhr kam ich wieder in Paron an, und der nädiste Tag 
(3. Januar 1889) sah mich wieder dem tägUchen Leben in *äieser 
kleinen Stadt und dem anstrengenden Dienste im Fort zurückge- 
geben. 

In dem Fort sellftt be£EUid sich das Spital von der 6.^) Bang- 
klasse. Links von dem nördlichen Eingange des Forts be&nd sich 
das einstöckige Gebäude, welches im Parterre das Bureau des Yer- 
waltungsbeamten, die Apotheke mit dem Sprechzimmer des »Eerst^ 
anwezendeu Officiers van G^zondheid«, und im ersten Stock die Säle 
für die Kranken enthielt Diese waren durch eine Brücke mit einem 
zweiten Gebäude verbunden. Das Dach des Spitales war flach und 
konnte eventuell zum Spaziergange von Beconvalescenten verwendet 
werden. Der Eingang zum Spitale selbst war eine Treppe mit einer 
eisernen Thüre, welche zu einem Corridor führte. Die Säle, welche 
für die Sträflinge bestimmt waren,' hatten eigene Thüren aus schweren 
eisernen Stäben, und die Fenster, welche auf den Hofraum sahen, 
eiserne Gitter. Die Säle für die Soldaten des Bewachungs-Detache- 
ments hatten Thüren und Fenster ohne Gitter. Die Einrichtung des 
Spitales bestand aus eisernen Betten mit Strohsäcken für die Patienten 



D. h.: 2680 Europäer, 8068 Chinesen, 83 Araber, 241 Orientalen und 
1,165,771 Eingeborene. 

^ Die indische Armee hat zwei Sorten von Spitälern, solche mit selb- 
ständiger Verwaltung, welche Spitäler heissen, undMarodenzimmer (=: Ziekenzaal), 
welche von dem Platz-Oommandanten verwaltet werden. Die Spitäler werden 
in 6 Klassen und die Marodenzimmer in 4 Klassen, je nach dem durchschnitt- 
lichen Patientenstande, oingotheüt. 

Das Spital 1. Kl. entspricht einem Krankenstande von 650 Mann 4. Kl. 



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180 £in Spitftl ohne Apotheker. 



der 3. und #. Klasse, und mit Mati^atzen mit Kapok ^) gefüllt für die 
Unterofficiere und Offidere und für jene Patienten der 3. und 4. Klasse» 
für welche eine harte Unterlage gefährlich werden konnte, wie z. B. 
bei Erkrankungen des Rückenmarks, bei Typhus u. s. w., bei welchen 
leicht Brand durch Druck entstehen kann. 

Der Stand der E[rankenwärter war entsprechend der 6. Bang- 
klasse : 1 Sergeant (Ziekenvader), 2 Corporate (Bediende), 4 europäische 
Wärter (Oppassers), 4 eingeborene Soldaten (Handlanger), 1 Bürger 
und 10 Sträflinge. 

Von diesen Krankenwärtern mussten einer für die Apotheke, ein 
Koch und ein Unter-Koch bestimmt und ein »Handlanger« als Kutscher 
für den Leichenwagen angewiesen werden. Nebstdem wurden ein Sträf- 
ling der Apotheke und vier der Küche zugptheilt Der Kranken- 
wärter, welcher in der Apotheke die Dienste eines Gehilfen leistete,, 
war schon seit Jahren in Ngawie und hatte sich eine bedeutende 
Fertigkeit im Verfertigen der Becepte u. s. w. angeeignet; das Segle- 

m 

ment verbietet, einen solchen Mann derartige Dienste verrichten zu 
lassen, und gestattet nur, demselben die niedrigsten Dienste eines 
Apothekergehilfen anzuvertrauen, z. B. Papier schneiden, die Pillen- 
masse zu kneten, Pulver zu stampfen u. s. w. Es war möglich, diesem 
Gresetze zu entsprechen, so lange ich einen Assistenzarzt hatte; dieser 
musste die Recepte des Spitals und der Bürger verfertigen, und so 
brauchte ich wirklich den Gehilfen nur die kleinen, von dem Gresetze 
erlaubten Handarbeiten leisten zu lassen. 

Als aber dieser mir abgenonmien wurde, stand ich vor einem 
schwierigen Fall; ich hatte ein Spital mit 40 — 50 Patienten; ich musste 
die Armen-, Civil- und Grerichtspraxis ausüben und gewiss auch die 
erste Hülfe bei den besser situirten Europäern, Chinesen und Ein- 
geborenen leisten, wenn sie den weiteren Verlauf auch dem nächsten Ovil- 
Arzte (in Madiun) hätten anvertrauen wollen ; ich musste das Grefangniss 
täglich besuchen, und, so lange ich keinen Doctor djawa zur Assistenz 
hatte (auch dieser fehlte mir einige Monate), auch die Behandlung der 
Prostitufe auf mich nehmen, und doch bekam ich einen officiellen 
Verweis, als es in Samarang bekannt wurde, dass ich die Recepte von 
diesem nicht diplomirten Apotheker anfertigen Uessü 

Dieses ist in Indien ein sehr beliebtes und gern angewandtes 
Mittel gewisser Officiere, um den Untergebenen aus leicht motivir-^ 



= Pflanzendune vom Wollbanme (Eriodendron anfractaosnm Dec). 



Gholeraphobie. Igl 



baren Gründen die nöthige Assistenz abzunehmen, und dßiin auf diese 
Weise glücklich im Suchen nach Fehlem u. s. w. sein zu können. 
So oft ich nämlich nach Samarang schrieb, man möge mir einen 
Assistenzarzt senden, bekam ich entweder keine Antwort oder ich wurde 
auf den Mangel an Aerzten verwiesen, und dass ich mich so gut als 
möglich ohne Assistenz durchschlagen müsse. 

Ich hatte einen Oberarzt, welcher also Anfangs October 1888 
per Telegramm nach Samarang transferirt wurde, wo durch das epi- 
demische Auftreten der Cholera eine Vermehrung der Militärärzte 
nöthig wurde. 

Es war 3 Uhr Nachmittag, als ich in meinem Mittagschläfchen 
von diesem Oberarzte gestört wurde; mit einem Telegramm in der Hand 
klagte er mir sein Leid, sofort nach Samarang gehen zu müssen, wo 
die Cholera in fürchterlicher Weise herrsche und so zahlreiche Schlachi- 
opfer fordere. Bald sah ich, dass die Furcht vor 4f Cholera ihn 
mehr beherrsche, als es sich für einen Arzt geziemt, und mehr, als es 
für einen Arzt in den Tropen zweckmässig ist wo (besonders in Java) 
die Cholera endemisch ist und oft zu starker Epidemie exacerbirt 

Ich trachtete ihm also die Schwierigkeiten vor Augen zu hal- 
ten, wenn er sich nicht seiner Cholerafurcht widersetze, und machte 
ihn aufinerksam, dass »der Arzt vor ansteckenden Krankheiten ebenso 
wenig als der Soldat vor der feindlichen Kugele sich zurückziehen 
dürfe. {Indlich bekannte er, dass die Furcht vor der Cholera ihn ver- 
anlasse, mich zu bitten, telegraphisch seine Transferirung zurückziehen 
zu lassen, weil die Choleraphobie, die Furcht vor der Cholera, eben 
schon eine Infection durch Choleragift sei. Da jedoch in Ngawie selbst 
die Cholera nicht herrschte, so war seine Furcht vor der Cholera ge- 
wiss nur psychischen Ursprungs, und ich machte ihn darauf aufinerk- 
sam, dass ich zufälligerweise aus eigener ErfEdirung über das Wesen 
der Choleraphobie, welche gewissermaassen eine nervöse Form dieser 
Ejunkheit im leichtesten Grade darstellt^ einen richtigen EinbUck habe. 

Ich selbst hatte nämlich im Jahre 1873 daran gelitten. In 
Wien herrschte in diesem Jahre die Cholera, ohne viel Opfer zu 
fordern. Nur 60 oder 90 Todesfälle waren vorgekonmien, trotz- 
dem die Weltausstellimg Hunderttausende von Menschen dahin ge- 
lockt hatte. Es war an einem warmen Augusttage, als ich in der 
Donau ein Bad nehmen wollte und auf der Treppe von einem be- 
ängstigenden Grefühle ergriffen wurde; ich stieg nicht in's Wasser, son- 
dern kleidete mich an. Dabei hatte ich keinen anderen Gredanken, als 



182 Gholeraphobie. 



den, an der Cholera erkrankt zu sein; ich bekam Zwicken und Kneipen 
in dem Bauch und eilte sofort nach der Stadt» um in einer Apotheke 
zehn Tropfen Laudanum zu nehmen. Die Angst in der Magengrube 
(Fräoordialangst) nahm zu, ich bekam Diarrhöe, und in fürchterlicher 
Aufregung rannte ich in meine Wohnung, ohne durch die angewen- 
deten Hausmittel beruhigt zu werden. Die Nacht brach herein, und ich 
sehnte mich nach dem Schlafe; aber in dem AugenbUcke, als ich ein- 
schlafen sollte, wurden die Schmerzen im Bauche so arg, dass ich aus 
dem Bette sprang mit dem Gedanken: »Jetzt er&sst mich wirklich die 
Cholera.« Endlich gegen 4 Uhr schlief ich ein. Dieser Zustand dauerte 
vier Wochen lang und nichts half dagegen, bis ich endlich einen Ent- 
schluss der Verzweiflung £Eisste: aut — aut, und ich meldete mich für 
Ungarn an — als Choleraarzt Während dieser vier Wochen durflie ich 
das Wort Cholera weder 'hören noch lesen, oder ich bekam die ganze 
Reihe der nerrösen Aufregungen mit oder ohne Diarrhöe; ganze vier 
Wochen lang kam ich nicht vor 4 — 5 Uhr in den Schlaf weil mich 
jedesmal beim Einschlafen das Schreckensgespenst der Ch<]^era aus dem 
Schlafe riss. 

Weiterhin erzählte ich ihm, dass ich diesen Anfällen von Cholera- 
fiircht auch in Ungarn, wo damals eine f ürchterUche Epidemie geherrscht 
hatte, begegnet sei. Bei meiner Ankunft in Eperies wurden mir 
einige Dörfer in den Karpathen zum Platze meiner Thäügkeit ange- 
wiesen, und einer der Beamten begleitete mich, um mich dort zu in- 
stalliren. Zu meinem Standplatz wollte er die Wohnung eines Försters 
wählen, der mitten im Gebirge wohnte und gewiss gern mir Graste 
freundschaft bieten würde. Als wir dahin kamen und dieser junge 
Mann alle diesbezüglichen Winke meines Reisebegleiters nicht verstehen 
wollte, frug ihn dieser zuletzt direct, ob er mich nicht in sein Haus 
aufiiehmen wollte. »O ja, sehr gern,« erwiderte er, »wenn mir der 
Herr Doctor verspricht niemals das Wort Cholera in meinem 
Hause auszusprechen.« Der Mann also, der in den E^arpathen 
allein wohnte, weder Teufel noch Bären noch Wölfe fürchtete, wurde 
schon durch das Wort »Cholera« in Angst versetzt Natürlich er- 
klärte ich hierauf meinen festen Entschluss, irgendwo anders eine Woh- 
nung zu suchen. 

Das sind zwei ausgesprochene Fälle von Choleraphobie, weil beide 
in einer von der Cholera inficirten Gegend auftraten, während mein 
Assistenzarzt keine anderen Symptome als die der Furcht zeigte. Ich 
wies im weiteren Verlaufe auch auf die geringe Gefahr der Ansteckung 



Gholeraphobie. 183 

f 



von Seiten eines Arztes bin, weil er so wenig in directen Contact nut 
den EnÜeeHmgen der Patienten komme. Als in Ungarn im Jahre 
1873 in einigen Dörfern die CholeraJkranken yon ihren gesunden An- 
gehörigen verlassen vnu*den, und dadurch ohne Pflege und ohne Be- 
handlung blieben, legte sich ein Arzt, dessen Name mir leider entfallen 
ist, ins Bett zu einem sterbenden Cholerakranken; dieser Arzt blieb 
am Leben. Wenn auch drei Krankenwärter in Batavia starben, welche 
Cholerakranke verpflegt hatten, so sei darum der Arzt doch nicht mehr 
bedroht^ als alle anderen Menschen, welche in demselben Orte wohnen, 
weil er nur selten oder niemals von den Entleerungen der E[ranken 
beschmutzt werde, und wenn dies zufaUig geschehe, er sich auch so- 
fort reinigen und desinficiren könne. Ja noch, mehr: wie viel Aerzte 
hätten in persona bei Cholerakranken die Tanninklystiere gegeben, ohne 
darum ihre Htilfeleistung mit dem Leben zu bezahlen. Wie oft hätte 
ich selbst, trotz meiner Cholerafiircht, den fürchterhch nervösen Er- 
scheinungen, welche mit Diarrhöe gepaart 'gingen, den Cholerapatienten 
Morphium subcutan eingespritzt (das allerdings nicht resorbirt wurde), 
ich predigte tauben Ohren. Zuletzt erklärte mein Assistenzarzt — er 
sei krank, er leide an einem Darmkatarrh! — 

»So,« erwiderte ich hierauf, »Sie sind krank; in der brennenden 
Sonnenhitze von vielleicht 37^ kommen Sie zu mir, und Sie sind so 
krank, dass Sie Ihrer Transferirung. nicht folgen können?! Nebstdem 
sind Sie^ gestern Abend bis in die späte. Nachtstunde im Club gewesen, 
und Sie haben heute Vormittag nicht nur Ihren Dienst im Fort gethan, 
sondern sind auch in die Stadt zu Ihren Privatpatienten gefahren ... * 
Doch wenn Sie sagen, dass Sie krank seien, muss ich es Ihnen glauben. 
Gehen Sie nach Hause, ich komme um 5 Uhr zu Ihnen, um Sie zu 
untersuchen, und ich bitte Sie, wenn möglich, mich auch Ihren Stuhl 
sehen zu lassen.« 

Als ich um die angegebene Stunde kam, erklärte er mir, seiner 
Transferirung Folge zu geben. 

Vier Tage später kam er zurück, und ein Brief des Landes- 
Sanität8che& machte mir die heftigsten Vorwürfe über meine inhumane 
Handlungsweise, einen Mann den OefEibren der Cholerainfection auszu- 
setzen, der an einem Katarrh des Dünn-, Dick- und Mastdarms leide. 
Ich vertheidigte mich, nach meiner Ansicht, mit vollkommenem Erfolg; 
me überrascht war ich jedoch, am Ende des Jahres in meiner Conduite- 
liste zu lesen: Nicht hinreichend selbständig, hat sich ober- 
flächlich gezeigt in der Erfüllung seiner Pflicht als Chefarzt 



184 Meine Gondniteliste. 



gegenüber seinem Assistenzarzt Sein militärisches Be- 
nehmen ist tadelnswerth; verrichtet seine Dienstpflichten 
mit Eifer, doch nicht immer in passender Weise; er verdient 
also keine Beförderung!! 

Ich reichte meine Yertheidigung an den Armee-Commandatlton 
ein, indem ich die einÜEiche Thatsache mittheilte mit der Bemerkung, 
dass der Soldat ins Feuer und der Arzt zu ansteckenden Krankheiten 
gehen müsse, und dass ich so überzeugt sei, nach Recht und Gfewissen 
gehandelt zu haben, dass ich bei Wiederholung dieses Falles wieder 
in gleicher Weise zu Werke gehen würde. 

Während bis Ende März alle Conduite-Listen bei dem Armee- 
Commandanten eingelangt sein müssen, nachdem der Platz-Commandant, 
der Landes-Sanitätschef, der Landes-Commandant und der Sanitätschef 
ihre etwaigen Zusätze und Anmerkungen hinzugefügt hatten, befremdete 
es mich, im April noch keine Antwort auf diese Yertheidigung er- 
halten zu haben. Bis Ende März müssen, nämlich die Condutte-Listen 
mit den etwaigen Yertheidigungsschriften aus dem ganzen Archipel 
eingegangen sein. Yon Java selbst gelangen diese »Papiere« schon in 
den ersten Wochen des Monats Januar nach Batavia und werden 
sofort erledigt, d. h. entweder im Kriegs-Departement deponirt oder es 
werden in strittigen Fallen zur weiteren Behandlung die Erhebungen 
gepflegt 

Aber Anfangs Juli hatte ich noch keine Antwort; endly^h hiess 
es, dass der Landes-Commandirende, General von KL, kommen sollte, 
über die Garnison von Ngawie Inspection zu halten. 

In üblicher Weise wurde den Officieren und Mannschaften der 
Tag und die Stunde angegeben, an welchen sie ihre etwaigen Ansuchen 
dem Landes-Commandirenden vorbringen konhten. Es war für mich 
eine schwere Arbeit, zu sorgen, dass sich das Spital und die Apotheke 
mit ihren Magazinen in reglementärer Ordnung befanden, und dass alle 
Rapporte bei der Hand waren, welche dem General beim Erscheinen 
im Spitale vorgelegt werden sollten. An den Inspectionen der Casemeu 
und Officierswohnungen musste ich theilnehmen, um etwaige von mir 
angegebene hygienische Uebelstände zu demonstriren oder von anderer 
Seite eingebrachte hygienische Fragen zu begutachten, und ich hatte 
keinen Assistenten, um den Dienst in der Apotheke, im Gefähgniäse, 
im Frauenspitale und in der Gvilbevölkerung von ihm verrichten lassen 
zu können. Im Drange der Gescimfte vei^ass ich also, auch mich 
anzugeben und den Greneral um Mittheilung über den Stand meitiet 



Meine Gondniteliste. 185 



Yörtheidigungsschrift zu bitten. Jedoch an dem Bevolyerschiessen der 
Offidere betheiligte ich mich; ich sollte als letzter an die Reihe kommen 
imd unterhielt mich unterdessen mit dem Adjutanten des Generals, 
einem alten Bekannten aus der Zeit meines Aufenthaltes in Sumatra, 
und frug ihn, ob ihm nichts bekannt sei, welche Erledigung bis jetzt, 
d. h. nach 6 Monaten Zeit, meine »Affaire« genommen hätte. Er. 
glaubte, mir eine ausweichende Antwort geben zu müssen, welche mich 
annehmen hess, dass mein Recurs ungünstig erledigt worden sei; dies 
erregte mich so mächtig, dass ich, aufgerufen, an den Schiessstand zu 
treten, den Revolver bei dem Laufe in die Hand nahm; ein schallendes 
Gelächter weckte mich aus meiner Verlegenheit, doch ich schoss so gut, 
dass die Ehre des ärztlichen Standes als Schütze gerettet wurde. Drei 
Tage später erhielt ich von dem Landes-Sanitätschef die Mittheilung, 
dass der Armee-Commandant 

». . . . mit Rücksicht auf die günstige Conduitebeurtheilung, welche 
»de Ofßcier van Gf«zondheid«, Breitenstein, bis jetzt hatte, die in 
Colonne I mitgetheilte unrichtige Behandlung von Sachen i) als einen 
vereinzelten Irrthum in gutem Glauben angesehen habe« und dass 
»Seine Excellenz auf Grund dieses wünscht, die im Jahre 1887 
gefällte Beurtheilung vorläufig aufrecht gehalten zu sehen . . .« 

Diese Mittheilung des Sanitätsche& war datirt vom 3. Juni 1889, 
wurde einen Monat später auf TJrgenz des Landes-Commandirenden 
mir eingesendet und trug auch die Spuren der Fälschung; Juni war 
verändert in Juli!! 

Es geschieht selten, da^s eine Conduitebeurtheilung von dem Armee- 
Commandanten gänzlich zu Gunsten der Reclamanten abgeändert wird, 
und wenn es geschieht, ist es ein Pyrrhussieg; denn seine Vorgesetzten 
sehen dann mit Recht eine Niederlage, welche sie in ihrer Existenz, 
d. h. in ihrer eigenen Beförderung bedroht und — nehmen Rache. 

Dieser Bescheid des Sanitätschefe zeigt das militärische Leben in 
einem eigenthümlichen Lichte, und es drängt sich die Frage auf, ob die- 
sem ein richtiger Standpunkt zu Grunde liege. 

Das Vergehen, welches so stark war, dass ich »nicht würdig« und 
»nicht geeignet« war, befördert zu werden, wurde vom Armee-Com- 
mandanten als bestehend angenommen, und nur im Gnadenacte wurde 
mir die Strafe für dies Vergehen (??) erlassen, weil ich »in gutem 



^) d. h. die Affaire der Transferirung des Assistenzarztes. 



186 Meine CondniteUBie. 



Glauben geirrt hätte«, d. h. mit anderen Worten, dajsB der Landee- 
Sanitätschef nicht unrichtig mich beurtheilt hätte. Das Princip, 
welches dieser Aeusserung zu Grunde liegt, ist die Wahrung 
der Autorität des Chefs gegenüber seinen untergeordneten. 
Wenn wir von üebertreibungen absehen, ist dieses Princip im mili- 
ISrischen Leben ein richtiges und gesundes, es wird auch mit Becht 
bei allen Disdplinaruntersuchungen angewendet; in strittigen £^en wird 
dem Höheren mehr geglaubt als dem Untergebenen; wird damit ein 
Missbrauch getrieben, so hat jeder Soldat das Becht, auch wegen einer 
auf dem Disdplinarwege aufgelegten Strafe zu reclamiren und die Ent- 
scheidung eines Kriegsgerichts anzurufen, welches jedoch als Jury das 
objective Beweisverfahren übt Es ist auch dafür gesorgt, dass dieser 
Schritt nicht leichtsinnig untemonmien werde. Entscheidet das Kriegs- 
gericht (Krygsraad) zu Ungunsten des Reclamanten, so wird nicht nur 
die primäre Strafe ins Strafregister aufgenommen (die Strafe selbst niuss 
ja nach dem Beglement ^bgebüsst sein, bevor er an das Kriegsgericht 
i^pelliren kann, nebstdem muss der Beclamant die ganze Zeit hin- 
durch Casemenarrest halten), sondern er wird jedenfalls noch einmal 
gestraft, weil er durch seine leichtsinnige Beclamation bewiesen hat, nicht 
die seinem Chef schuldige Ehrfurcht zu besitzen. Officiere müssen 
nebstdem alle Kosten tragen, welche etwaigenfalls damit verbunden 
waren. 

Das Princip ist, ich wiederhole es, ein richtiges, aber die Ausfüh- 
rung desselben lässt vieles zu wünschen übrig. Ich habe in dieser 
»Afbire« correct gehandelt, ich habe mit Ueberleguug gehandelt; ein 
praktischer BUck leitete meinen Eutschluss, den Assistenzarzt ärztlich 
untersuchen zu wollen, da er sich »krank« meldete. Er fürchtete diese 
Untersuchung; wenn mir von Samarang geschrieben wurde, er habe 
ein Leiden des Dünn-, Dick- und Mastdarmes gehabt, so konnte ich nichts 
anderes darauf antworten, als: Bis zur Stunde der Abreise lebte er als 
ein gesunder Mensch, der sich nicht einmal in der Freude des Lebens 
beschränkte. Bei seiner Zurückkunft nach vier! Tagen lebte er wie- 
der wie jeder andere gesunde Mensch; Furcht war also die Ursache 
seines Leidens. Darf es also geschehen, dass die Rachsucht seines 
Che& jenen unglücklichen Glücklichen verfolgt, der in seinem Becurse 
an die höchste militärische Autorität rehabiUtirt wird? Sollte in sol- 
chen Fällen nicht sofort tiie Pensionirung des Chefe erfolgen, welcher 
sich von seinen persönlichen Gefühlen der Antipathie hinreissen lässt, 



Cholera in Indieo. Ig7 



um aus unbegründeten, bei den Haaren herbeigezogenen Ursachen 
einem jungen Manne, die Carri^ abzuschneiden und die ganze Zu- 
kunft zu zerstören! 



Die Cholera beschränkte sich im Jahre 1888 auf Samarang und 
Umgebung und kam nicht nach Ngawie. Ich hatte zwar vier Fälle, 
sie kamen jedoch in yielwöchentlichen Pausen vor und nur bei Säufern. 
Alle vier Patienten waren Gehülfen des Koches und bekamen für die 
AbHeferung der Abfalle der Küche an den chinesischen Schweine- 
händler von ihm tägUch eine Flasche Sagueer^) oder Arac. Solche 
vereinzelten Fälle sind in Indien häufig, weil d\ß Cholera dgrt eben 
endemisch ist und es wahrscheinlich auch immer gewesen ist, wenn 
auch Semelink behauptet, dass vor dem Jahre 1817 die Cholera in 
Indien unbekannt gewesen sei. Die Beweise, welche dieser indische 
Oberstabsarzt in seinem Buche dafür bringt, giilnden sich grösstentheils 
auf philologische Untersuchungen, auf welches Gebiet ich ihm nicht 
folgen kann. Mittheilimgen bacteriologischer Art siud natürlich in die- 
sem sonst fleissig bearbeiteten Buche nicht enthalten, und in der Zahl 
der Todesfälle einen Unterschied zu machen zwischen asiatischer Cholera 
und Cholera nostras hat doch gar keine wissenschaftliche Basis. Wenn 
also Oberstabsarzt Semelink auf philologische Gründe basirt be- 
hauptet, dass vor dem Jahre 1817 auch in Indien die epidemische 
Cholera asiatica nicht vorgekommen sei, imd dass die Beschreibungen 
solcher Fälle an Malaria oder Vergiftungen mit Datura oder Arsenik 
u. s. w. erinnern, so kann dieser Behauptung nicht widersprochen wer- 
den; aber jeder unbe&ngene Leser wird z. B. im folgenden Satze, wel- 
cher auf einem Steine eines alten Tempels sich befand und einem 

■ 

Schüler Buddha's zugeschrieben wurde, in erster Beihe an Cholera und 
nicht an Malaria denken. Dieser Satz lautet:^) :»Die bla^n Lippen, 
das abgemagerte Gresicht, die hohlen Augen, der eingezogene Bauch, 
die zusammengezogenen und gekrümmten Extremitäten, wie wenn sie 
dem Feuer ausgesetzt gewesen wären, charakterisiren die Cholera, welch^ 
durch die boshaften Beschwörungen der Priester niedersteigt, um die 
braven Menschen zu verderben. Der dicke Athem bleibt an dem Ge- 
sichte des Kriegers hängen, seine Finger, sind in verschiedener Weise 



>) Sagueer oder tuwak wird aus dem Safte der BlüUienkolbe der Areng- 
palme (SagaeruB saccharifer) gewonnen. 

>) Nach van der Burg 11, Seite 169. 



Igg Cholera in IndiezL 



8^ü8ainmengez(^giBii und verdreht, er stirbt in Eiümpfen, als Schlacht- 
opfer der Cholera von Siwa.« 

Vielleicht wird ein Bacteriolog sich finden, der z. B. in den 
Gräbern verstorbener Hindus Cholerabacillen finden wird; denn ohne 
diesen Befund wird die Behauptung Semelink's, dass die Cholera vor 
dem Jahre 1817 auch in Indien nicht voi^ekonunen sei, auf wissensdiaft- 
Ucher Basis nicht widerlegt werden können; wenn aber im Jahre 1768 
auf der Küste von Coromandel 60,000 Menschen einer E[rankheit efr- 
legen sind, welche die der Cholera eigenen Symptome hatte, ist es 
schwer, darin eine Malaria-Epidemie zu sehen, weil es gewiss' noch 
niemals vorgekommen« dass die plötzUchen Todesfälle, veranlasst durch 
die Malaria und bekannt unter dem Namen Febris perniciosa, in so 
grosser Zahl vorkommen, als es in dem Charakter der Cholera- 
Epidemien gelegen ist 

Es drängt sich uns eine andere Frage au^ welche der Bactertologe 
momentan vielleicht als steril zurückweisen wird; aber in Zukunft wird 
man auch unsere Ansicht reiflich in Erwägung ziehen müssen. 

Vor dem Jahre 1885 war Atjeh (im Norden Sumatras) die Heim- 
stätte zahlreicher und heimtückischer Malariafonnen; in diesem Jahre 
brach eine fürchterliche Epidemie von Beri-beri aus, welche z. B. das 
Hülfs-Bataillon der Maduresen in drei Monaten Zeit decimirte! 

Ich habe zu wiederholten Malen Malariaformen gesehen, die schwer 
von Lungenentzündung oder Typhus zu unterscheiden waren, ja noch 
mehr, ich habe, ich möchte fast sagen, eine ganze lange Entwicklungs- 
reihe von typischer Malaria bis zu ausgesprochenem Bauchtyphus ge- 
sehen. 

In beiden Fällen musste ich diese Krankheiten »Bruder und 
Schwester« nennen, d. h. verwandte Krankheitsformen auf miasma- 
tischer Basis. 

Sollten also auch nicht Cholera und Malaria miasmatische Krank- 
heiten sein, welche wie Bruder und Schwester mit einander verwandt sind? 
Wenn ich das Bild der wenigen Fälle von Febris perniciosa cholerica 
vor Augen halte, welche ich zu beobachten Gelegenheit hatte, und es 
vergleiche mit jenen der Cholerakrankheit, dann werde ich vielleicht 
mit dem deutschen Bilde, sie gleichen wie ein Ei dem andern, deut- 
licher meine Ansicht ausdrücken ab mit dem holländischen »Bruder 
und Schwester«; aber mit beiden Bildern will ich die Verwandtschaft 
dieser beiden Krankheiten aussprechen und die Polymorphie der Bac- 



Cholera in Indien. ]g9 



terien als Krankheitserreger nur andeuten. Für die Systemi^tik sind die 
Worte: Plasmodien und Cholerabadllus gewiss von hohem Werthe; in 
der Praxis wird uns das Wort Miasmen in der Lehre der Malaria 
be^m Dienst leisten und in der Aetiologie der Cholera den Weg zu 
einer richtigen Prophylaxis zeigen. 

Im Jahre 1817 hat also die Cholera ihre erste grosse Weltreise 
allgetreten; sie dauerte sieben Jahre lang und hatte zu ihrer Ausbrei- 
tung auf den Inseln des indischen Archipels drei Jahre nöthig. In- 
teressantes hierüber theilt der »MiUtär-Krankenrapport über Java und 
Madura« 1847 mit, und darum wird vielleicht ein Auszug von den 
Miitheilungen des Sanitätschefe Dr. W. Bosch aus dieser Zeit nicht 
unerwünschte Beiträge zur Greschiohte der Verbreitung der Cholera 
geben: 

»Schon im vorigen Jahrhundert trat die Cholera bald sporadisch^ 
bald epidemisch auf; immer aber verschwand sie bald, ohne viele Opfer 
zu heischen. Doch im Jahre 1817 trat sie als heftige Epidemie in 
Hindostan auf und raubte Hunderttausenden das Leben. Zuerst brach 
sie in der Umgebung von Calcutta aus und erreichte bald die Stadt, 
wo jede Woche 200 Menschen oder ^/ooo der Bevölkerung daran « 
starben, ohne dass man die Ursache oder den ersten Keim der Ent- 
wicklung entdecken konnte. Von dort pflanzte sie sich nach China 
fort und wüthete in den Hauptstädten Peking und Canton; weiterhin 
zog sie im Jahre 1818 nach Madras und nach der Südküste von 
Coromandel und erreichte am Ende dieses Jahres Ceylon. Weiter be- 
suchte sie die Westküste von Vorderindien, den Grolf von Persien, 
Cochinchina, Manila, Pulu (Insel) Pinang, Singapore, Malacca und im 
Jahre 1820 Mauritius und den Gk)lf von Siam.« 

»Obwohl der Gouverneur von Pulu Pinang und der Prof Rein- 
wardt diese Ejrankheit auf das bestimmteste für nicht ansteckend 
erklärt hatten, glaubte doch unsere Begierung die Ansteckungsfähigkeit 
für zweifelhaft halten zu müssen, und es wurde vorsichtshalber ver- 
ordnet, dass von den Schi£fen, welche aus oben genannten Gregenden 
kamen, Niemand ans Land gehen sollte, bevor eine ärztiüche Commission 
untersucht hatte, ob sich keine verdächtigen Kranken oder Becon- 
valescenten an Bord befanden. Auch sollten die Residenten in Ueber- 
einstimmung mit den Aerzten jene Maassregeln festsetzen, welche die 
localen Verhältnisse erfordern sollten. Zugleich wurde der Bericht des 
Grouvemeurs von Malacca in den batavischen Zeitungen pubUcirtc 



190 Cholera in Indien. 



»In einem Briefe vom 19. Januar 1820 berichtete der Besident 
von Batavia an die Regierung, dass die Brik Fanny, weld^e von 
Mauritius angekommen war, die Nachricht gebracht hatte, dass dort 
die Cholera ausgebrodien war und in drei Wochen 3000 Menschen 
dahingerafft hatte, dass dieses Schiff Quarantaine halten musste, weldie 
Maassregel gebiUigt wurde, ebenso als die Isolirung der Schiffe, welche 
die Strasse yon Sunda passirten. Bald zeigte es sich, dass alle Yor- 
sichtsmaassregeln vergebens genommen waren. In der N^dit vom 22. 
auf den 23. April 1821 ^ brach die Cholera in Mittel-Java, und zwar 
in Samarang aus, ohne dass eine strenge Untersuchung constatiren 
konnte, von wo sie gekommen war und aus welcher UiBache sie sich 

entwickelt hatte . . .< 

• 

»Die Schiffe, welche auf der Rhede von Samarang lagen, wurden 
genau untersucht; aber es meldete der Militärarzt Bakker,') dass 
auf keinem der Schiffe eine Spur der Krankheit zu finden war, so 
dass ihr Entstehen auch hier ein Bäthsel btieb. Aber sicher ist es, 
dass sie nicht über See eingebracht wurde, und dass zu Land kein 
Verkehr mit irgend einem der inficirten Orte beständig) • Unterdessen 
kamen auch einige Cholerafälle in Demak vor, welches im Osten von 
Samarang hegt . . .« 

Von 786 Javanen findet man in dem Staatsarchiv einen sehr 
genauen Rapport, welcher von einem eingeborenen Häuptling ver&sst 
war. Aus diesem ist ersichtlich, dass gestorben waren 

am 22. April 3 Menschen 



23. 


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(NB. Abends Regen) 



>) Ist wakraoheinlioh ein DrackfeMer nnd soll 1820 heissen; denn schon im 
Jahre 1818 hatte sich die Cholera anf Java geseigt. 
*) Anch er fiel später als Opfer der Cholera. 
?? der Uebersetaer. 



Cholera Id Indien. 



191 



Es starben binnen 1 Stande 51 Mens(dien 

2 Stunden 46 



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Die weiteren Mittheilungen des Saniiätschefe Dr. Bosch will ich 
unerwähnt lassen, weil sie nur der Spiegel der damaligen Bathlosigkeit 
sind, was die Aetiologie dieser Krankheit betrifiL 

Wenn ich auch den statistischen Angaben aus dieser Zeit absolut 
keinen Werth beilege, und auch die Mittheilungen über die angeblich 
unternommenen »genauen« Untersuchungen geradezu bezweifle, so glaube 
ich doch, natiirhch ohne weiteren Commentar, die mir zugängUchen 
ZiflSam über die Cholera auf den Inseln des indischen Archipels mit- 
theilen zu sollen. 

Von 1821 bis 1832 starben in der Armee an Cholera 659, 118, 
200, 158, 147, 256, 183, 281, 330, 261, 115, 30 (das erste Halb- 
jahr) = 2638, und 8487 war^n erkranld;. 

Dr. W. Bosch theilt weiter mit, dass vom Jahre 1832 an die 
Bapporte über die Cholera schweigen, so dass »man annehmen muss, 
dass die eigenÜiche Cholera nicht mehr vorgekommen ist«, und dennoch 
— sind unter der Statistik der in der Armee behandelten Krankheiten 
von der ersten Hälfte des Jahres 1847 24 Patienten mit 5 Todesfällen 
angegeben. Da dieser Summirrapport über »das ei'ste halbe Jahr 
1847« erst in 1850 erschien, so lässt äich dieser Widerspruch nicht 
anders erklären, als dass die sporadischen Fälle ausser Betracht 
blieben. 

Wenn wir die weiteren Jahre, deren Berichte mir zug^gUch sind^ 
betrachten, so sehen wir, dass die Cholera in Indien endemisch ist 



192 Cholera in Indien. 



Vom Jahre 18ö2 bis 1885 starben an Cholera in Jaya (uhd 
Madnra) 3122 europäische, 189 afrikanische und 1138 eingeborene 
Soldaten.») 

Vom Jahre 1891 bis 1895 kamen 185, 91^ 41, 1, 1, zusammen 
319 Todesfälle an Cholera vor, während im Jahre 1896 137 und im 
Jahre 1897 229 Bürger dieser Seuche erlagen. 

Die Ziffern des Jahres 1891 bis 1895 sollten beweisen können, 
dass die Cholera auf den Inseln des indischen Archipels nicht ende- 
misch sei, sondern wie in Europa hin und wieder verschwindet imd 
dann wieder entsteht und in der Form einer Epidemie Hunderte und 
Tansende hinwegraSt Das Gregentheil ist richtig. Gerade die That- 
sache, dass in den Jahren 1894 und 1895 nur vereinzelte Falle in der 
Armee vorkamen und sich nicht ausbreiteten, gerade dies ist das 
Charakteristische einer endemischen Krankheit 

Warum jedoch solche vereinzelte Fälle manchmal und glück- 
]icher¥7ei8e nicht . iimner zu grossen Epidemien die Anläufe werd^, da- 
für fehlt uns jedeis Yerständniss. Dies ist ja nicht allein mit der Cholera 
der Fall; es kommen ja in Europa isolirte Fälle von Pockai, Diph- 
theritis, Lungenentzündung, Dysenterie, Typhus und Scharlach vor, und 
in Indien geschieht dasselbe mit der Malaria^ während im anderen 
Jahre diese Infections- K rankheiten epidemisch auftreten und sich rasch 
über grosse Strecken verbreiten. Will man sich mit der Erklärung 
begnügen, dass in dem einen Falle sich weiter keine dazu dispo- 
nirten Menschen &nden, in dem zweiten Falle sich jedoch zahlreich 
solche Individuen einstellten — auch recht: »Wo Begriffe fehlen, da 
stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein«; ich jedoch — bezweifle 
noch immer die Bichtigkeit der herrschenden Infectionstheorie, obwohl 
der Commabacillus in den Def acationen der meisten Cholerakrankeii 
gefunden wird. 

Im Jahre 1882 obducirter ich mit einem CoUegen (Dr. van Th . . .) 
in Batavia einen Soldaten, welcher ins Spital gebracht worden war. 
Wie üblich, machte der damit betraute Soldat die Section, und nur 
einige kleine Handgriffe, wie z. B. das Oeffiien der Herzhöhlen, nahmen 
wir vor. Wir machten die Diagnose: Cholera, und Dr. van Th . . . 



Van der Burg II, Seite 196. 

') Im Jahre 1879 starb kein einziger Soldat, and im Jahre 1880 nar zwei 
an Cholera. 



Fig. 18. Bin javanischer Häuptling mit seiner Fnn in Oalakleidong.') 



') Wenn ich auch bei diesem Fest« zahbeiche Häuptlinge goBehen habe, 
velcbe in obiger Toilette ihre ÄuFmirtuDg dem Kaiaer von Solo und dem Resi- 
denten machten, so war es von den Frauen nur eine Braut, welche ich in obiger 
Oalakloidung in Tjilatjap eu bewundem (?) Gelegenheit hatte. Beide, firautigam 
und Braut, hatten den oberen Thoil der Brust, Hals, Nacken und das Gesicht 
mit Boreh (einer gelben Farbe) bestrichen. Die Kopfbedeckung dieser Häuptlinge 
war schwarz oder durchscheinend weiss. Noch muss ich bemerken, dass der 
Dolch (Kris) nicht nur hei der üalakleidung, sondern za jeder Zeit auf der 
Strasse von den wohlhabenden Javanen, und zwar am Rücken von rechts nach 
links getragen wird. 



Enteteiiangsiinaohe der Cholera in Indien. 193 

b^:am — einen CholeraanfSEdl,^) während ich nur eine Exacerbation 
meines alten Nervenleidens erlitt Ich bekam heftigen Stuhlgang und 
Beklemmung in der Herzgrube (Pracordialangst), ich wurde au%eregt 
und gejagt^ und wiederum raubte mir die Furcht vor der Cholera bei- 
nahe die ganze Nacht den Schlaf! Diese Erkrankung des Dr. van 
Th . . ., sowie die vier oben erwähnten Fälle der Krankenmirter, welche 
der Cholera erlagen, nachdem vier Tage hintereinander je ein Patient 
von der Rhede von Batavia ins Spital geschickt wurde, sind wohl genug 
Beweise, dass Cholera von Person auf Person übertragen werden 
könne, dass sie also eine Infectionskrankheit stricte dictu sei. 

Auf welchem Wege geschieht die Infection durch den Commar 
bacillus? Grossi, Cattam und Tizzoni haben auf Fliegen diese 
Bacterien gefunden; auch auf den Mosquitos Indiens sollen sie ge- 
funden worden sein. Für jeden Fall ist diese Quelle der Infection 
eine ganz geringe, weil auf den Küsten zur Zeit der Cholera-Epidemie 
Tausende und Tausende 10 — 20 Mal und zwar jeden Abend ge- 
stochen werden, ohne die Cholera zu bekommen, und andererseits diese 
Krankheit in Gebirgsgegenden eine verheerende Verbreitung genom- 
men hat, ohne dass Mosquitos oder Fliegen vorgekommen wären. 

Virchow fand in dem Magen von Choleraleichen noch in Ver- 
dauung begriffene Speisereste, wenn die Elrankheit nur 1 — 2 Stunden 
gedauert hatte; der saure Magensaft der Thiere vernichtet die Comma- 
badllen, und darum gelingt es nur ausnahmsweise, Thiere durch 
Fütterung von Beinculturen dieser Bacterien an Cholera erkranken zu 
lassen, und man muss zu diesem Zwecke erst die Säure des Magens 
abstumpfen. Es müssen also mit den Speisen selbst in den von 
Virchow angegebenen Fällen die Bacillen eingeführt worden sein, und 
thatsächlich ist zu allen Zeiten die Nahrung als Vehikel des Cholera- 
giftes angesehen worden; so z. B. sah Tytler den Gebrauch von ver- 
dorbenem Reis als die Ursache des Entstehens der Cholera an; noch 
heute werden unreife Früchte, und von einigen Aerzten sogar auch 
solche, welche ganz reif sind, als die Keimträger der Cholera ange- 
sehen. Als im October 1896 in Atjeh sieben Fälle von Cholera vor- 
kamen, wurde auf Vorschlag des Landes-Sanitätschefe der Verkauf von 
allen Früchten auf dem Markte verboten. Auf allen Speisen können 
zufällig Commabacillen vorkommen. Warum werden dann nicht alle 
Speisen verboten? 



I) Ohne ihm sam Opfer ra fallen. 

Breitenittin, 21 Jahre in Indien II. 13 



194 Eatstehnogsarsiiche der Cholera in ladien. 



Natürlich musste man auch an das Trinkwasser als Vehikel des 
CSioleragiftes denken^ und das Nutzwasser des Bades und der Küdie 
u. 8. w. können in grösserer oder kleinerer Anzahl die Cholerabacterien 
enthalten. 

Wenn wir absehen von den wenigen Städten in Indien, in welchen 
artesisches Wasser gebraucht wird, ist ja die Quelle des Trinkwasseis 
und des N^utzwassei's selten eine reine. Nach von Pettenkofer und 
Anderen sind der alluviale Boden und die tertiäre Formation ausser- 
gewöhnUch günstig zur Entwicklung des Commabacillus; die ganze 
Nordküste Javas ist ja angespültes Land; das Grundwasser derselben 
ist überfüllt von faulenden Stoffen, und der Lehmboden ist ein schlechter 
Filter. Darum ist Surabaja mit Becht eine ungesunde Stadt zu 
nennen. 

Wenn wir absehen von den Pantjorans im Grebirge, welche reines 
Quellwasser führen, so ist das Wasser, welches der »kleine Mann«^ 
gebraucht, beinahe eine Beincultur von allen mögUchen Bacterien und 
somit auch des Ciommabacillus. Er gebraucht das Wasser der Sümpfe 
und der Strassenriolen zum Mischen mit der Milch, zum Trinken, zum 
Kochen seines Beises, zum Baden, zum Mundspülen, zum Waschen 
seines Greschirrs und zum Besprengen des Gemüses und der Früchte, 
welche er auf den Markt bringt, um ihnen ein frisches Aussehen zu 
geben. 

Aber auch die Entleerungen der Menschen und Thiere befördern 
die Verbreitung einer Cholera-Epidemie. In der Begel befinden sich 
die Aborte im Garten neben dem Badezimmer, und die Abfiihr beider 
mündet in eine Senkgrube, welche die verdünnten Fäces dem Bodea 
mittheilt und das Grundwasser verpestet 

Dass die Cholera endemisch in Indien sei, lässt sich kaum be- 
streiten, ohne dass wir die undeutliche Definition dieses Kunstaus- 
druckes, welche im Jahre 1876 von der indischen Begierung den Be- 
amten zur Richtschnur gegeben wurde, zur Basis dieser Behauptung 
nehmen. 

Sie lautet folgendermaassen: ... »zu erklären, dass eine Krank- 
heit dann epidemisch genannt werden müsse, wenn sie den Stand 
aller Krankheiten, wie er in gewöhnlichen Verhältnissen sich zeigt, 
überschreitet, dass aber eine Krankheit dann endemisch zu nennen sei, 
weim sie sich zwar beschränkt auf den Ort, wo sie entsteht, aber 
gleichzeitig eine grosse Zahl Menschen angreift« 



Cholera. 195 

Ich habe in Indien nur eine einzige Choleraleiche seciren sehen; 
ich kann daher darüber nichts mittheilen, ob unter dem Einflüsse des 
Tropenklimas die Befunde der Choleraleichen andere als in Europa 
seien. Was die Symptome dieser Krankheit betrifft, so will ich sie unbe- 
sprochen lassen, weil sie dieselben wie in den gemässigten Zonen sind. 
Ob mehr Europäer oder mehr Eingeborene der Cholera zum Opfer 
fallen, ist deutlich aus den Müitär-Krankenrapporten ersichtlich. Ich 
habe ror mir die Bapporte von den Jahren 1878 bis 1886 und 1891 
bis 1895, also über 13 Jahre, und während jeder Epidemie erlagen 
bedeutend mehr Europäer als Eingeborene dieser Seuche; auch die 
Zahl dör sporadischen Falle spricht zu Gunsten der Eingeborenen«^) 

Europäer. Eingeborene. Europäer. Eingeborene. 



1878 


38 


19 


1891 


190 


89 


1879 


5 


4 


1892 


91 


34 


1880 


7 


2 


1893 


40 


23 


1881 


410 


160 


1894 




2 


1882 


262 


72 


1896 





1 


1883 


326 


128 








1884 


80 


15 








1885 


69 


35 









Die Behandlung der Cholera richtet sich in Indien nach den 
jeweilig herrschenden Ansichten in Europa. So hat z. B. Dr. J. Grone- 
mann, gewesener Leibarzt des Kaisers von Djoqa, mit sehr viel Eifer 
auf Grund der herrschenden Lehre der Bacteriologie die Creoline em- 
pfohlen. Sein grosser Sanguimsmus über den Werth dieses Heilmittels 
hat nicht nur die indische Fresse, sondern auch die von Holland er- 
griffen, und als im Jahre 1897 die Cholera wieder in Surabaya 
epidemisch auftrat, wurde eine Commission dahin geschickt, welche unter 
persönlicher Leitung dieses alten Mannes die Creoline einer wissen- 
schaftlichen Untersuchung und Probe bei Cholerakranken unterziehen 
sollte. Als endlich nach vielen Schreibereien diese Commission zu- 
sammengestellt und mit Dr. Gronemann in Surabaya angekommen 
war, wurden die Choleraf alle mit jedem Tage weniger, so dass sie wegen 
Mangels an Material unverrichteter Sache nach H^use gehen mussten. 
Dr. Gronemann ist kein Charlatan — ich kenne ihn persönlich — 
sondern ein therapeutischer Optimist; in »de Locomotief« Tom 6. No- 



Ich mu88 bemerkeni dass die Zahl der enropftiBchen und eingeborenon 
Soldaten für beide Rassen ca. 16,000 Mann gewesen ist. 

18* 



196 Cholera. 

vember 1896 empfsdil er den Gebrauch (gereinigter) fVüchte zur 
Oholerazeit, und schliesst mit folgenden Worten: 

»Nun noch folgende nicht unwichtige Mittheilung: Ein sehr be- 
kannter und renommirter Doctor-djawa wurde nach einem abseits ge- 
legenen Ort gesendet, wo in wenigen Tagen 40 Eingeborene an C!holera 
(oder an einer der Cholera ähnlichen Krankheit) krank gew(»tlen und 
(Alle) gestorben waren. Er &iid dort 10 neue — nach den Symptomen 
zu urtheilen — an echter Cholera erkrankte Javanen. Eine bacteriologische 
Untersuchung, welche allein ausmachen konnte, ob die £[rankheit wirk- 
lidi die asiatische Cholera oder die Cholera nostras war, konnte nicht ge- 
halten werden. Aber beide Krankheitsformen, welche miteinander nahe 
verwandt sind und unter derselben Erscheinung zum Tode führen, wer- 
den durch Commabacillen verursacht, welche in den Darmcanal ein- 
dringen, dort fortwuchem, untereinander sich nur wenig unterscheiden, 
und auf gleiche Weise schnell und sicher durch Creoline getödtet wer- 
den.« 

»Der Doctor-djawa« gab Allen Creoline nach meiner Methode, 
welche seit mehr denn sieben Jahren von ihm angewandt wird. Von 
diesen 10 Patienten starben noch 4, und 6 von ihnen blieben am 
Leben.« 

»Bjerauf liess er alle Kampongbewohner dieselbe Medicin als Pro- 
phylacticum gebrauchen, indem er ihnen weissmachte, dass es Wasser 
von Rum sei, welches die Teufel austreiben konnte, welche diese Krank- 
heit verursachten und . . . kein einziger wurde wieder von der Krank- 
heit ergriffen.« »Practica est multiplex.« 

Ob seitdem diese Therapie der Cholera in die grosse Menge der 
indischen Bevölkerung gedrungen sei, ist mir nicht bekannt; aber bis 
nim wurde beim Ausbruch einer Cholera-Epidemie von der Regierung 
bis in die kleinsten und abgelegensten Dörfer der »Choleratrank von 
Bleeker« in hunderten und tausenden von Maschen geschickt, w^ die 
Eingeborenen diese »Obat sakit parut« sehr gern nahmen. 

Rp. Olei cajeputi p. U. 

Olei menthae piperit p. III. 
Oxyd, aethyl. c. alcoh. p. XXX. 
Vini opii aromatici p. XV. 
M. D. S. Cholera-Essenz; 

davon 2 Esslöffel auf 1 Weinflasche (= 750 Gramm) filtrirtes Wasser 
und davon jede ^/^ oder ^/a Stunde 1 Esslöffel zu nehmen. 



Plrophylazis der Cholera in Indien. 197 

Die Prophylaxis der Cholera fällt mit der gegen die Malaria 
zusammen, weil beide nicht nur theoretisch in die Klasse der mias- 
matischen Krankheiten gehören, sondern auch &ctisch gleichzeitig vor- 
kommen. Da auch die dritte Geissei der Tropen, die Beri-Beri, eine 
rein miasmatische Krankheit ist^ so müssen alle prophylaktischen Maass- 
regeln des Staates gegen das Entstehen und Ausbreiten der einen 
Krankheit auch den übrigen miasmatischen Krankheiten (worunter wir 
auch in den Tropen den Typhus und die Dysenterie rechnen) zu Statten 
kommen. Um also nicht in Wiederholungen zu verfallen, wird in dem 
weiteren Capitel, welches die übrigen Krankheiten besprechen wird, die 
staatliche Prophylaxis derselben nur angedeutet werden. 

Dieselbe erstreckt sich natürlich auf alle bekannten Quellen der 
Miasmen und muss — Erreichbares anstreben, denn, wer das Höchste 
anstrebt, wird das Hohe erreichen. 

Dazu gehören: Sümpfe, Beisfelder, Irrigation, Wasser, Abfuhr 
von FäcaUen und Abattoirs. 

Sümipfe kommen nicht allein auf der Küste, sondern auch im 
Gebirge vor, wo sie vulcanischen Ursprungs sind; darum sind auch 
nicht alle Berg-Garnisonen frei von Malaria-Epidemien. Ein sprechendes 
Beispiel hierfür ist z. B. die Stadt Ambarawa mit dem Fort Willem I. 
Ausgedehnte Sümpfe (rawah) kommen auf Java in grosser Anzahl vor; 
der berüchtigtste ist im Süden Javas bei Tjilatjap, wo ich im Jahre 
1890 in Garnison lag und von der Malaria stark heimgesucht wurde. 
Dazu kommen die zahlreichen nassen Reisfelder (sawah), welche wie 
ein Mosaikbild die ganze Oberfläche Javas mit Farbennuancen vom 
Hellgelb bis zum Dunkelgrün bedecken. 

Das Austrocknen der Sümpfe und die Beseitigung der nassen 
Beisfelder wäre sicher eine radicale Maassregel; aber — beide sind 
unausführbar. Im Jahre 1747 musste in Nordbrabant bei Steinbergen 
ein solches Unternehmen unterbrochen und das Land wieder unter 
Wasser gesetzt werden, weil die damit entstandene Exacerbation der 
Malaria-Epidemie Tausende hinweggeraift hatte. Wie viel Opfer haben 
der Bau des Hafens Tandjong Priok bei Batavia mid von Tjilatjap 
gekostet, weil die Arbeit in Sümpfen stattfinden musste. Die Sümpfe 
auf Java sind zu gross, um vorläufig nur daran denken zu lassen, sie 
gleichzeitig und in kurzer Zeit trocken legen zu lassen. So viel Geld 
imd so viel Menschenleben würde dieses kosten, dass »de remedie erger 
dan de kwaal« = das Heilmittel ärger als die Calamität wäre. Wir 
haben ja noch andere Mittel, um den schädlichen Einfluss der Sümpfe 



198 Prophylazifl der Ghol<Hra in Indien. 

zu beseitigen oder wenigstens zu verkleinem. Wir können sie sehr 
leicht zu Seen verändern, welche inuner mit einer hohen Wasserschicht 
bedeckt sind. An Wasser ist wahiiiaftig auf den Inseln des indischen 
Archipels kein Mangel; so z. B. hatte Tjilatjap im October 1889 einen 
Begenfedl von 1111 mm, und der geringste Wassei&ll war im Januar, 
in welchem Monat 9 Regentage mit 152 mm sich einstellten; im 
ganzen Jahre waren mehr als 4 Meter Regen gefallen.^) Das Ein- 
dämmen dieser zahlreichen Sümpfe und Umwandeln derselben zu Seen 
erfordern keine grossen Summen Geldes und gewiss nur wenig Menschen- 
leben, so dass diese radicale Cur ins Reich des MögUchen und Erreich- 
baren versetzt werden kann. 

Ein palliatives Mittel ist die theilweise Drainage der Sümpfe in 
der Nähe von Dörfern und Städten durch Graben von Riolen um 
jedes Haus, welche, zweckmässig untereinander verbunden, nicht nur 
das Regenwasser, sondern auch das Grundwasser in grössere Canäle 
leiten und einem Flusse zuführen würden. Soyka sagt nämlich: 
Es lassen sich die Beziehungen der Malaria zum Boden in folgenden 
Factoren zusammenÜGissen: 1. in der physikalischen und geographischen 
Beschaffenheit des Bodens, 2. in der Durchfeuchtung desselben, und 
3. in dem Gehalte an organischen Stoffen. Den ersten Factor »die 
physikalische und geographische Beschaffenheit des Bodens« müssen 
wir natürlich bei so grossen Strecken, wie sie auf Java vorkommen^ 
ausser Betracht lassen; wir können vielleicht den Gtuten eines Hauses 
oder seinen Untergrund oder vielleicht den Boden eines ganzen Dorfes 
in seiner Beschaffenheit verändern, z. B. mit Sand oder einem Gemenge 
von Kalk und Sand oder mit dem sogenannten Concrete pavement 
gegen das Eindringen von Luft, Wärme und Feuchtigkeit schützen; 
aber unmöglich kann von einer Regierung verlangt werden, dieses 
auf Strecken von Millionen von Hectaren anzuwenden. 

Auch die Durchfeuchtung solcher ausgestreckter grosser Län- 
dereien radical zu beseitigen, ist zu theuer; sie kann vermindert wer- 
den durch gute Canalisirung der Städte oder durch Anbau von 
Pflanzen, welche dem Boden viel Wasser entziehen, wie Eucalyptus,. 
Sonnenblumen, Acacia tomentosa u. s. w. 

Wenn aber durch Erdbeben oder durch vulcanische Ausbrüche 



^) Im Durchschnitt von 19 Jahren fielen jährlich in Buitenzorg 4868 mm,, 
in Magelang 2978 mm, in Ijila^ap 8755 mm, in Ngawie 2126 mm Regen. 



Reisfelder. 199 



solche tief liegende Eirdschichten aufgewühlt und auf der Oberfläche 
aufgeworfen werden, welche mit irgend einer Waaserquelle in Ver- 
bindung standen oder noch stehen, dann sind in der Begel diese neu 
entstandenen Sümpfe oder Hützen von so relativ unbedeutender Aus- 
dehnung, dass der Staat einschreiten kann, um das Entstehen einer 
neuen Quelle für miasmatische Krankheiten zu verhüten, sei es durch 
die Anlage eines Dammes, welcher den neuen Sumpf zu einem Teiche 
oder See umwandelt, oder durch Drainage oder andere Wasserwege, 
welche den Sumpf entwässern. Die nassen Beisfelder (sawah), welche 
eben&lls eine reiche Quelle von miasmatischen Krankheiten sind, wer- 
den von der Bevölkerung lieber als die trockenen angelegt, weil das 
Erträgniss derselben reichlicher als die der Ladang (trockenen Beis- 
felder) ist und verdienen darum an dieser Stelle einige Worte der Be- 
sprechung. 

Der Reis ist die Volksnahrung des ganzen Archipels und somit 
auch Javas, und da nebstdem der Reisbau einen nicht unbeträchtlichen 
Einfluss auf die Glesundheit Javas (sowie der übrigen Inseln) nimmt, 
so glaube ich hier einiges über die Oultur, Eintheilung u. s. w. des- 
selben anführen zu müssen, wenn es auch etwas seitwärts von der Frage 
der Prophylaxis der Cholera liegt 

Ungefähr 80 Sorten des Reises soll es geben; darunter sind die 
bekanntesten Kelän (Oryza glutinosa), Oryza sativa (Päddi),i) Päddi rawa 
(Oryza montana), Päddi tipar (Oryza praecox). 

Nach der Farbe des gestampften Reises spricht man von weissem, 
rothem und schwarzem Reis. Beinahe ausschliesslich wird der weisse 
Reis von den besser situirten Eingeborenen und Europäern gegessen; 
der rothe ist viel billiger und wird am häufigsten in den Gefängnissen 
verabfolgt, obzwar der weisse und nicht der rothe Reis nach den 
letzten Untersuchungen das Entstehen der Beri-beri veranlassen soll (??); 
der bras itam (der schwarze Reis) wird nur im NothMle vom Men- 
schen gegessen, weil er einen unangenehmen adstringirenden Ge- 
schmack hat 

Im ersten Theile Seite 70 habe ich bereits von dem hohen 
Nährwerthe des Reises gesprochen und auch seine Bedeutung 
als Yolksnahrung der Eingeborenen hervorgehoben. Ich kann also 



') Die Aehren allein heissen in der malayischen Sprache gaba; der ge- 
droschene Yon den Hülsen befreite Reis wird bras, und der gekochte wird nassi 
genannt 



200 Reisfelder. 



sofort auf die Verhältnisse hinweisen, wodurch die nassen fieisfelder 
zu einer reichlichen Quelle der Malaria und anderer miasmatischer 
Ejrankheiten werden. 

Es ist ein kleines Feld, welches von dem benachbarten durch 
einen schmalen Wall (galengan) getrennt ist. Die Felder liegen ent- 
weder in der Ebene oder auf den Abhängen der Berge, auf wel- 
chen sie dann wie breite Stufen den Berg bedecken. In beiden 
Fällen ist in sinnreicher und kunstvoller Weise gesorgt, dass die 
Bewässerung der einzelnen Reisfelder zu jeder Zeit und nach Be- 
lieben stattfinden könne. Zu diesem Zweck wird einfach ein Loch 
in den G-alengan gebohrt, und wenn der Zufluss nicht mehr er- 
wünscht ist, wird es wieder yerstopft.i) Das Feld hat eine verschie- 
den hohe Schicht Humus, welche durch ihren Beichthum an orga- 
nischen Stoffen durch die herrschende hohe Temperatur und die 
Feuchtigkeit geradezu eine Reincultur für zahlreiche Mikroorganis- 
men und besonders für Miasmen ist. 

Die Aussaat geschieht nur in einem kleinen Theil des Feldes, 
welches zu diesem Zwecke unter Wasser gesetzt wird. Hat der Beis 
eine Höhe von 40 bis 50 Centimeter erreicht, wird der übrige Theil 
unter Wasser gesetzt, und wenn die Erdschicht genug weich gewor- 
den ist, werden die jungen Sprössiinge in gemessener Entfernung in 
den Grund gesetzt, und das Feld bleibt mit einer niederen Wasser- 
schicht bedeckt. Sobald der Beis reif ist, wird das Wasser abge- 
lassen und der Schnitt findet auf dem .ausgetrockneten Felde statt. 
Dies geschieht dreimal in zwei Jahren, und dann bleibt das Feld 
brach liegen, oder wird, was häufiger geschieht, ein »zweites G-e- 
wächs« gepflanzt, wie z. B. Leguminosen, indische Knollenfrüchte 
oder djajong (Mais). Zum Zwecke des neuen Reisbaues wird das 
Feld wieder unter Wasser gesetzt und mit dem Büffel gepflügt. 

In Italien und Frankreich, in den englischen wie in den fran- 
zösischen Colonien wurde vielfach diese Frage ventilirt, d. h. ob 
der Bau der nassen Reisfelder Gefahren für die Yolksgesundheit 
bringe, oder ob diese Gefahren nur auf theoretischer Basis entstan- 
den seien und auf derselben Grundlage von Geschlecht zu Geschlecht 
irrthümlicheni'eise sich überliefern. 

Mit mehr oder weniger Recht kann für Java der Einwand ge- 
macht werden, dass auf dieser Insel trotz der Anwesenheit der 



L) Natürlich ist dies die QueUe vieler Streitigkeiten der jeweiligen Besitzer. 



Reisfelder. 201 



SawaMelder die Bevölkerung in diesem Jahrhundert so bedeutend 
zugenommen habe, dass überhaupt keine Volkskrankheit von Be- 
deutung auf Java herrschen könne. 

Die Mortalität allein kann aber hierin nicht das entscheidende 
Wort sprechen. Die Morbidität und das Allgemeinbefinden sind 
ja auch Factoren, die in dieser Frage mitzusprechen haben. 

In Tjilatjap, der ärgsten Fieberhöhle Yon Java, wohnte eine 
europäische Familie im Jahre 1891 seit 27 Jahren, eine zweite 
Familie seit 12 Jahren u. s. w., ohne durch die dort herrschende 
Malaria zu leiden, auch wenn diese zu der heftigsten Epidemie 
exacerbirte, der Tausende imd abermal Tausende erlagen; diese 
zwei Familien haben ebenso wie Tausend andere der Eingeborenen 
eine gewisse Immunität erworben, die ja, folgert Prof. Koch, regel- 
mässig mit dem Ueberstehen einer Infection verbunden sein soll. 

Wenn man also behaupten will, dass der Sawahbau nicht 
schädlich sei, weil die Bevölkerung trotz desselben mit jedem Jahre 
wachse, so müsste man auch behaupten, dass die Sümpfe unge- 
fährlich seien, und dass die Malaria eine imschädliche Krankheit 
sei, weil trotz derselben die Bevölkerung an Zahl zunehme; ja noch 
mehr; die grossen Sümpfe bei Tjilatjap werden von dem Kinder- 
meer begrenzt, welches, wie ich mich persönlich überzeugt habe, 
seinen Namen mit Becht verdient: Eine Unzahl von Eandem um- 
schwärmte uns, als ich und eine Gesellschaft den Kampong auf- 
suchte, welcher sich auf zwei Meter hohen Pf ählen über der Sumpf- 
fläche des Dorfes erhob. 

Entscheidend für die Schädlichkeiten der Sawahfelder ist allein 
die Frage: Kommen in der Nähe derselben zahlreiche Fieberfälle 
vor, welche aufhören, wenn die Sawahfelder aufgelassen werden? 
Dies ist thatsächlich der Fall, und seit dem Jahre 1875*) wurde 
die Richtigkeit dieser Thatsache und Schlussforderung in zahlreichen 
Fällen nachgewiesen. Die Sawahfelder sind also eine reichliche 
Quelle für die Malaria; sie müssen also entweder abgeschafft oder 
unschädlich gemacht werden. 

Nach dem ganz richtigen Principe der Holländer, die Einge- 
borenen so viel als möglich in ihren Sitten und G-ebräuchen zu 



In diesem Jahre wurde nämlich diese Frage mit Bezug auf das Fort 
Willem I erörtert, welches im Gebirge zwischen zahlreichen Sawahfeldem lag 
und vom Fieber stark heimgesucht wurde. 



202 BeiBfelder. 



lassen, könnte das Abschaffen der Sawahfelder nnr eine Frage der 
Zeit sein, d. h. man könnte durch Belehrungen und durch andere 
Mittel der üeberredung die Jayanen von der Schädlichkeit der 
Sawahfelder überzeugen, und es würde bei dem Conserratismus 
der Javanen der Regierung zunächst gelingen müssen, den Vor- 
theilen des Baues trockener Baisfelder Anerkennung zu verschaffen 
und erst die folgende G^eneration ihn in die Praxis einführen zu 
lassen. 

Wenn jedoch, was mir nicht bekannt ist, das Erträgniss der Sa- 
wahfelder um so viel das der Ladangs überragen sollte, dass dadurch 
das Interesse des Volkes leiden sollte, dann kann man sich mit pallia- 
tiyen Mitteln behelfen. Die Regierung kann ja verbieten, dass in 
einem Umkreise von 250 Metern, welcher die öffentlichen G-ebäude 
und eventuell die Wohnstätte der Europäer und selbst die Kam- 
pongs umfiehen würde, kein nasses Beisfeld angelegt wird; es ist 
zwar richtig, dass ein Streifen Land von 250 Meter Breite und 
vielleicht von 1 bis 2 Kilometer Länge ein respectables Vermögen 
repräsentirt; aber mit diesem Vorschlag ist ja noch nicht gesagt, 
dass dieser Streifen darum auch unbebaut bleiben müsse; im Gegen- 
iheile, er müsste mit Garten- Anlagen versehen, mit Fruchtbäumen 
als: Djioruk, Mangistan, Advocaat, Duku, Lanjksat, Kanaris, Tama- 
rinda, Durian, Nangka u. s. w. bepflanzt werden, um das üeber- 
streichen der Miasmen zu verhüten. 

Die Wasserbesorgung bleibt für Indien immer eine schwie- 
rige Frage, weil selbst artesische Brunnen nicht immer tadelfreies 
Wasser liefern; sie wird weiter unten ausführlicher besprochen 
werden. 

Die Abfuhr der Fäcalien ist in Java sowie auf allen Inseln 
des indischen Archipels noch sehr primitiv. Als das Ideal derselben 
gilt strömendes Wasser, über welchem sich der Abort befindet. 
Ein grosser wasserreicher Strom erfüllt vielleicht (? ?) diesbezüglich 
alle Anforderungen der modernen Hygiene. Solche kommen jedoch 
wenig auf Java vor und können übrigens nur einer kleinen Anzahl 
von Wohnungen hierin gute Dienste leisten; in der Regel durch- 
ziehen Riolen die Stadt, welche zu wenig Wasser haben, um in 
ausgiebiger Weise die deponirten Fäces in den benachbarten Strom 
zu bringen. Sehr häufig besitzen die Häuser Senkgruben, welche 
alle Jahr einmal geleert werden. Natürlich durchdringt der flüssige 



Prophylaxis der Cholera in Indien. 203 

Inhalt den Boden und erreicht oft genug den Brunnen. In den 
grossen Anstalten, Spitalern, Casemen und Gefängnissen ist das 
Tonnensystem in Gebrauch; täglich werden von Sträflingen die yollen 
Tonnen in den nahen Fluss (stromabwärts) entleert und gereinigt 
Die Eingeborenen gebrauchen für ihre Bedürfnisse am liebsten den 
Eluss, auch wenn er selbst 2 — 300 Meter vom Hause entfernt ist; 
im andern Falle haben sie im Garten eine Senkgrube, welche mit 
Brettern gedeckt ist. 

In den iDeckel ist eine Oeffnung geschnitten, so dass *der Ein- 
geborene seine Kunst im Hocken (Djongkok M.) auch bei dieser 
Gelegenheit üben kann. Selbst wenn er als Bedienter bei seinem 
Herrn oder in einem Hotel einen Sitzplatz findet, wird er nur da- 
rauf hockend oder stehend davon Gebrauch machen. Aus hygieni- 
schen und Beinlichkeits-Gründen wäre dieses Jedermann zu em- 
pfehlen, obwohl damit andere Unannehmlichkeiten verbunden wären. 
Es ist aber nicht Jedermanns Sache, hockend einige Minuten auf 
einem Brette stehen zu können oder zu wollen. 

Die Abfuhr der Fäcalien spielt in der Ausbreitung gewisser 
epidemischer Krankheiten, wie z. B. der Cholera, des Typhus, der 
Dysenterie u. s. w. eine grosse B.olle. Ich würde jedoch die Grenzen 
dieses Buches zu weit überschreiten, wenn ich die Mittel besprechen 
wollte, welche Java von dem schädlichen Einfluss dieser mangel«- 
haften Canalisirung der Städte befreien können. 

Von den auf Seite 197 angeführten Factoren, welche in der 
Aetiologie der Cholera eine Bolle spielen, werden die Abattoirs 
in Java am meisten stiefmütterlich behandelt. Das Thier wird in 
einer Schoppe aus Bambus geschlachtet, das Blut wird von dem 
chinesischen und europäischen Schlächter in grossen Töpfen aufge- 
fangen und in der Küche verwendet, während der Eingeboreue es 
in die Biolen abfliessen lässt. Die andern Abfälle werden in die 
nächste Senkgrube geworfen. Die Haut der Binder und die Homer 
werden zu Industriezwecken verwendet, und Niemand kümmert sich 
darum, ob die übrigen Abfälle durch das Faulen in der freien Luft, 
in oder ausserhalb der Senkgruben die Luft verpesten oder in der 
trockenen Zeit austrocknen, oder ob sie von den »Gladakkers« = 
herrenlosen Hunden des nächsten Kampongs verzehrt werden. 

Die individuelle Prophylaxis der Cholera richtet sich in Java 
nach den jeweiligen in Europa herrschenden Ansichten; bald wird 



204 Prophylazit der Cholera in Indien. 

Salzsäure, bald Brandy in das Trinkwasser gegeben, bald wird nur 
gekochtes, bald gar kein Trinkwasser getrunken, bald werden gar 
keine Früchte und bald nar saure Früchte gegessen — auch gegen 
diese endemische £jrankheit Javas erwartet man Ton Europa nicht 
nur die Mittel der Behandlung, sondern auch die der Prophy- 



8. Capitel. 

Die Schiefertafel (^LeUje^) — Die Wege der Fama — Lese- 
gesellseliaft — Ein humoristischer Landesgerichtsrath — Ab* 
reise Ton Ngairie — Ambarawa — Nepotismus in der Armee 
— In drei Tagen zweimal transferirt — Yorschuss auf den 
€^ehalt — Die ProTinz Bagel6en — Essbare Togelnester — In 
l^ilaljap — Polizeisoldaten — Beamte — Sehenswfirdigkeiten 
Yon Tjila^ap — Offleiere in Ciyilkleidung — Eingeborene 
Beamte — behalt eines Begimentsarztes — An Malaria er- 
krankt — DJocJa — Der Tempel Prambinan — Die ^Tausend 
Tempel^ — Wieder nach Ngawie — Spitolbehandlung der 
Offleiere — Beibereien in kleinen StSdten — Die Proyinz 
Surakarte — Der Kaffeebaum — Ein Boman auf dem Yul- 
cane ^^Lawu^. 

A m 10. Januar 1890 wurde meine Transferirung nach Willem I 
-^^ beschlossen. Wie gewöhnlich erfuhr ich dies zunächst aus 
den telegraphischen Nachrichten in der »Locomotief«, der besten, 
täglich erscheinenden Zeitung von Indien. Ahnungslos sass ich 
Nachmittags um vier Uhr beim Thee, als mich ein »Leitje« = 
»Schiefertafel« des Platz-Commandanten dayon verständigte. Es 
wird nämlich in Indien zum geselligen schriftlichen Verkehr kein 
Papier, sondern das »Leitje« gebraucht, welches aus einer doppel- 
ten Schiefertafel besteht Auf die eine schreibt man seine kurze 
Mittheilung, und auf die zweite kann der Empfänger sofort die 
Antwort schreiben, weil sich der Griffel im hölzernen Bahmen be- 
findet. Dies ist eine sehr einfache und praktische Correspondenz, 
welche voraussetzt, dass der Ueberbringer, der Bediente oder die 
Babu (Zofe), es nicht lesen können, und dass kein indiscreter Nach- 
bar sie auffängt Leider ist oft weder das Eine noch das Andere 
der Fall, und werden PriTatgeheimnisse bekannt, ohne dass der Ver- 
räther eines solchen Geheimnisses geahnt wird. 



206 ^^ '^oge d«r Fun». 



Ein solcher Fall trug sich auf Atjeh im Jahre 188 . za. Der 
GouTemeur der Proyinz, General v. T . . .^ beschloss eines Tages, 
am anderen Morgen eine grosse Expedition gegen die Atschinesen 
ausrücken zu lassen, und besprach diese Angelegenheit mit den vier 
anwesenden Bataillons-Commandanten. Diese Expedition musste ge- 
heim gehalten werden, weil der Feind überfallen werden sollte. Am 
andern Morgen wurde um drei Uhr Alarm geblasen, und die vier 
Bataillons*Conunandanten waren nach einer Viertelstunde an der 
Spitze ihrer Truppen. Da trat plötzlich ein Hauptmann zu dem 
Oberst-Lieutenant B. und frug ihn, wie spät er hoffe in Y. zu sein. 
»Wieso wissen Sie es, dass wir nach T. marschiren?« »O, dies 
habe ich gestern im Club gehörte »Was? Sie haben es gestern 
Abend im Club gehört, und wir vier Bataillons-Coifimandanten haben 
dem General y. Th . . das Wort gegeben, die Expedition geheim 
EU halten! Gehen Sie sofort zum General, ihm dieses zu melden; 
denn wenn Sie es schon gestern im Club gehört haben, dann wissen 
es auch schon die Atschinesen, und unsere Arbeit ist umsonst; ,der 
Vogel ist sicher geflogen^«*) Der General war entrüstet, als er von 
diesem Vorfall Rapport erhielt, liess die Truppen in die Caserne 
zurückgehen und befahl dem Oberst-Lieutenant B., eine strenge und 
genaue Untersuchung zu halten, von wem der Verrath ausgegangen 
sei. Alle Officiere, welche den Abend vorher im Club gewesen 
waren, wurden vernommen, und endlich fand man die Quelle des 
Verraths — bei dem Oberst-Lieutenant B., welcher seinem Adju* 
tauten ein »Leitje« mit dem Befehle geschickt hatte, ihn den fol- 
genden Morgen um 3 Uhr von der Wohnung abzuholen. 

Abends um 7 Uhr kamen alle Officiere und bekannte Bürger 
zu mir, um mir zu meiner Transferirung zu »felicitiren«. Die Veranda 
meines Hauses hatte zwei ovale Tische, um welche Schaukelstühle 
und gewöhnliche Stühle standen; diese waren chinesisches Fabrikat 
und aus Djattiholz (Tectonia grandis) verfertigt. An der Mauer 
hingen zwei Oleographien nach Defregger, und dazwischen befanden 
sich einige kleine Etageren für Blumentöpfe. Diese Etageren waren 
von einem Javanen aus dem schweren und harten Djattiholz ge- 
schnitten; sie verriethen ebenso viel Kunstsinn als Geschmack und 
hätten jedem europäischen Holzkünstler Kuhm und viel Geld ein- 
getragen; sie stellten zwei schnäbelnde Tauben dar, welche ein Brett- 



') Holländisches Sprichwort. 



Lesegesellschaft. 207 



chen auf dem Rücken trugen. Der Künstler war damals schon ein 
alter Mann, so dass er leider nur noch kurze Zeit für seine Kunst 
leben konnte. 

Kein einziger der Besucher dachte daran, mir und meiner Frau 
etwas anderes als den Glückwunsch auszusprechen, endlich von diesem 
»Neste« befreit zu werden. Es ist wahr, dass Ngawie eine hohe 
mittlere Temperatur hatte; aber es hatte damals »ein gesundes 
Klima«. Es ist wahr, dass die Zahl der Europäer sehr klein war; 
die Garnison hatte 1 Major, 2 Capitäns und 4 bis 6 Lieutenants; 
Yon den Bürgern konnten mit uns auch nur 8 Familien verkehren, 
so dass der gesellschaftliche Verkehr sich auf 16 Familien be- 
schränken musste; solche kleinen Garnisonen haben aber den Vor- 
theil, dass ein gemüthlicher und geselliger Verkehr leicht zu Stande 
kommt. 

Eine grosse Stadt bietet eine grosse Auswahl im Kreise der 
Bekannten, es giebt in Batayia, Samarang u. s. w. zahlreiche Musik- 
vereine, es besteht eine Theatergesellschaft von Dilettanten, oder es 
kommen hin imd wieder Opern- und Operettengesellschaften aus 
Europa und führen in mittelmässiger Qualität die letzten Novitäten (?) 
in einem dazu bestimmten Gebäude auf, es giebt wissenschaftliche 
Vereine, Museen, welche dem Amateur Sehenswerthes in Hülle und 
Fülle bieten. In den zahlreichen Geschäften können die Damen, 
wenn auch oft nur um hohe Preise, der Mode ihre unvermeidlichen 
Opfer bringen. Die grossen Entfernungen bieten nicht nur zahl- 
reiche Spazierwege, sondern zwingen auch, eine Equipage zu halten, 
um damit auch täglich ausfahren zu können und sich den thatsächlich 
hohen Genuss zu gönnen, sich um ö Uhr beim Scheiden der Sonne 
an dem sanften Zephyrwinde zu erfirischen, der dem in der Equipage 
Sitzenden die Schweisstropfen trocknet. 

Ngawie war dagegen eine kleine Garnison und hatte nur eine 
kleine Auswahl der gesellschaftsfähigen Menschen, während der Ort 
selbst nichts, gar nichts zur Abwechslung in dem täglichen monotonen 
Leben bot; die Menschen schliessen sich also mehr an und — manch- 
mal entwickelt sich ein Freundschaftsverhältniss, das einen Ersatz 
für alle Vorzüge der Grossstadt bietet. Für jeden Fall jedoch wird 
man gezwungen, in »der Familie das Glück zu suchen«. Für die 
2ierstreuung wird durch die »Büchsen« gesorgt. Wo nur zehn Euro- 
päer wohnen, wird eine »Lesegesellschaft« errichtet, welche einen »Di- 
rector« wählt. Durch einen monatlichen Beitrag von 4 bis 5 fl. wird 



208 Leaegesellschaft. 



von den 10 bis 15 Mitgliedern eine hinreichende Summe zusammen- 
gebracht, um auf die bedeutendsten und bekanntesten europäischen 
Wochenschriften in der holländischen, deutschen, französischen und 
englischen Sprache zu abonniren; man wird in jeder Lesegesellschaft 
ebenso gut die »Fliegenden Blätter« als die französische »L'JQlu- 
Btration« oder den englischen »Punch« finden. Die bedeutendsten 
Romane kommen sofort in die Hände des indischen Publieums, und 
nur wenn der »Director« der Lesegesellschaft die Wahl der Bücher 
dem Buchhändler überlässt, konmien Bücher An die Büchsen«, 
welche für ein ganz anderes Publicum bestimmt sind, als für das in 
Iiidien, welches gewöhnt ist, die besten und neuesten Bücher zu lesen, 
auch wenn sie so theuer sind, dass der Einzelne sich bedenken würde, 
sie zu kaufen. Die Wahl der Bücher und Wochenschriften wird 
darum in der Regel den Mitgliedern überlassen; zu diesem Zwecke 
wird in dem Monat September an diese eine Liste aller möglichen 
Wochenschriften gesendet, und Jeder giebt an, von welcher er mi 
neues Abonnement wünscht Der »Director« entscheidet hierauf 
im Verhältnisse zum Stande der Casse, was für das nächste Jahr 
bestellt werden müsse. Dieser hat aber noch eine zweite und eine 
^tte Quelle der Eännahmen. Zunächst haben viele Lesegesell- 
Schäften »Nachlesers«, d. h. Menschen, welche aus verschiedenen 
Ursachen sich begnügen, die Wochenschriften und Romane zu lesen, 
nachdem sie aUe Mitglieder ausgelesen haben. Der Eine thut es, 
weil er als Nachleser nur 2 oder Vj^ fl. monatlich zu bezahlen hat; 
ein Zweiter kann änfach nicht Mitglied werden, weil eine gewisse 
Zahl Mitglieder nicht überschritten werden darf. Um auf dem 
Laufenden der Ehreignisse in Europa zu bleiben, wünscht natürlich 
jedes Mitglied bei Ankunft der Wochenschriften und Bücher sofort 
wenigstens von zwei oder drei derselben das Exemplar zu erhalten. 
Der Director sorgt also dafür, dass jede Woche Jeder der Mit- 
glieder in seiner »Trommel« eine oder zwei Nummern der zuletzt 
erschienenen Zeitschriften erhält; diese »Trommeln« circulicen 
dann jede Woche einmal, und wenn 15 Mitglieder sind, bekommt 
jedes Mitglied die meisten Zeitschriften, wenn sie schon 15 Wo* 
chen alt sind; das ist natürlich selbst für Indien, wo man ge- 
wöhnt ist, erst in 4 bis 5 Wochen einen Brief aus Europa zu 
erhalten, eine veraltete Leetüre. Darum wird eine gewisse Anzahl 
der Mitglieder nicht überschritten, und jeder Candidat wird so lange 
»Nachleser«, bis er zum Mitgliede avanciren kann. Dann giebt es 



Ein hnmorifltischer LandesgerichtBraÜi. 209 

Pflanzer oder Beamte oder selbst Officiere, welche sich allein auf 
abgelegenen Plätzen befinden und wegen grosser Entfernung nicht 
jede Woche eine »Trommel« erhalten können; sobald eine Transport- 
gelegenheit besteht, schickt ihm der Director der Lesegesellschaft 
alle von den Mitgliedern gelesenen Bücher und Zeitschriften, welche 
er seinerseits wieder zurückschicken muss. 

Da für jede Beschädigung eines Buches oder einer Wochen- 
schrift Strafe bezahlt werden muss, so sind dieselben, trotzdem sie 
während 15 Wochen durch die Hände Ton 15 Familien gegangen 
sind, dennoch in einem so guten Zustande, dass sie mit oder ohne 
kleine Beparaturen wieder auf Auction gebracht werden können. 
Der Director halt nämlich am Ende des Jahres eine Versammlung 
der Milglieder ab, um Bericht über den Stand der Casse und 
über die Wahl der Bücher für das nächste Jahr zu erstatten, eine 
Wahl des Directors und Cassirers Yorzimehmen, und zum Schlüsse 
wird bei einem Glas Bier oder einem Gläschen Genevre eine Auction 
der ausgelesenen Bücher und Zeitschriften gehalten. Der Ertrag 
fliesst in die Casse der Lesegesellschaft, und die »Illustrationen« 
wandern in die Kinderstube, um von den Kindern ausgeschnitten zu 
werden, oder in die Zinmier kleiner eingeborener Häuptlinge oder 
europäischer Beamten, oder werden von den Käufern an die Biblio- 
thek des nächsten Spitales oder der nächsten Militär-Cantine ver- 
schenkt. 

Diese »Lesegesellschaftien« sind also für Indien geradezu ein 
bedeutender Factor der Yolkserziehung, und Alt und Jung und Beich 
und Arm lesen in Indien viel mehr, als es ihre Standesgenossen in 
Europa thun. 

Für mich und meine Frau war also der erste Aufenthalt in 
Ngawie keinesfalls bedauemswerth gewesen, und den Glückwünschen 
unserer Bekannten konnten wir das Bedauern entgegensetzen, Ngawie 
verlassen zu müssen, wo wir »gemüthliche und gesellige« Tage ver- 
bracht und gute und brave Menschen zu Freunden erworben hatten. 

unter den Anwesenden befand sich auch der Landesgerichts- 
rath Mr. X . . ., welcher sich stets eines besonders guten Humors 
erfireute, und in dessen Gesellschaft die Langeweile sich niemals ein- 
stellte. Plötzlich erhob er sich von seinem Sessel und verlangte mit 
feierlicher und ernster Miene, das Wort an den scheidenden Kame- 
raden richten zu können; in seiner Eigenschaft als »Präsident van 
den Landraad« müssten ihm alle Geheinmisse der Bewohner Ngawies 

Breit«nttein, 91 Jahn in Indien IL 14 



210 Bu^ humoristischer Inuidesgerichtfrath. 



bekannt seiO; und dank dieser Wissenschaft sei ihm zu Ohren ge* 
kommen, dass ein grosses Fass ungarischen Weines seit * vierzehn 
Tagen in meiner Speisekammer ruhe und nur warte, von seinem 
köstlichen Inhalte befreit, d. h. in Flaschen abgezogen zu werden. 
»Wenn unser Aesculapius,« fuhr er fort, »Ngawie Terlasst, dann 
dürfe dieses Fass, gefüllt mit feurigem Ungar- Wein, diesen Gto*- 
nisonplatz nicht verlassen, es müsse in Ngawie bleiben, wo es durch 
seinen vierzehntägigen Aufenthalt Bürgerrecht erhalten habe und ge- 
wissermaassen Eigenthum der Stadt geworden sei. Wenn die an- 
wesenden Officiere und Bürger das fluchwürdige Vorhaben des 
Hausherrn, den Wein nach Willem I mitnehmen zu wollen, ebenso 
entrüstet verurtheilen und verdammen würden, wie er es thue, dann 
sei er überzeugt, dass eine solche Fahnenflucht nicht werde statt- 
finden können. Er schlage also vor, das Haus des Dr. Bieitenstein 
nicht zu verlassen, sondern aus der Cantine die Korkmaschine holen 
zu lassen und sofort mit vereinten Kräften . ans Werk zu gehen, 
d. h. mit dem Abzapfen des Fasses Wein zu beginnen, c Mit lautem 
Hurrah wurde dieser Vorschlag von Allen angenommen — bis auf 
meine Frau. 

Mit stummem, flehendem Bück sah sie bald mich, bald den Frie- 
densstörer an, der ihr auf diese Weise plötzlich zehn Graste zum 
Abendessen auf den Hals schaffen wollte. Herr X . . . verstand 
diesen stummen, jedoch vielsagenden Bück und fuhr in seiner Rede 
fort: »Meine Herren und Damen; blicken Sie jetzt in das Antlitz 
unserer hochverehrten Hausfrau; ist in diesen edlen Zügen nur ein 
kleines Winkelchen Platz für das schädlichste aller Laster, für den 
G^iz? Ich weiss es durch meine Spione, welche alle Geheimnisse von 
Ngawie verrathen, dass in der Speisekammer dieser Dame herrliche 
Conserven aufgespeichert liegen, und doch erbleicht sie bei dem 
Gedanken, uns bewirthen zu müssen; aus Geiz, nein,- dieser edlen 
Seele sind alle Laster fremd, also auch das des Geizes. Aber meine 
Herren und Damen, mein scharfes Auge durchblickt nicht nur die 
Mauern der Speisekammer, sondern auch die des Herzens unserer 
Hausfrau. Dort, in der Speisekammer, sehe ich nämlich Büchsen 
mit Erbsen, Spargel, geräuchertem Lachs, Sardinen, condensirter 
Milch, Krebsen, amerikanischen Früchten, Erbsensuppe, Kalbsbries 
und geräucherten Heringen; hier in der Tiefe des Herzens sehe ich die 
Sorge der Ohnmacht, eine so ansehnliche Schaar hungriger und 
durstiger Gäste in würdiger Weise nach alter indischer Gastfreund- 



Abreise von Ngawie. 211 



schiaft bewirthen zu können. Meine Heiren und Damen! erleichtem 
■wir aber auch die Sorge und Mühe unserer Gastfirau; es ist beinahe 
8 Uhr; auf Jeden von uns wartet zu Hause eine Schüssel Suppe, 
«in Stück Beefsteak mit Erdäpfehi u. s. w.; lassen wir Boten nach 
allen Bichtungen der schönen und grossen Stadt Ngawie geflügelten 
Fusses eilen, dass uns unser Abendessen hierher gesendet werde, 
und dem improvisirten Picknick folge dann die schöne und süsse 
Arbeit des Abzapfens.« So geschah es. um 9 Uhr begann das im- 
provisirte Souper, und um 10 Uhr die Arbeit. Die Bedienten, welche 
diese Arbeit schon firüher einige Male gethan hatten, wurden sus- 
pendirt, an ihre Stelle traten die Gäste. Der Eine sass am Fuss- 
schemel, um die Flaschen zu füllen, der Zweite nahm sie ihm aus 
4er Hand, ein Dritter brachte sie nach der Korkmaschine, ein 
Lieutenant tauchte sie in das flüssig gemachte Dammar (= Harz) 
u. s. w. Natürlich hatte Jeder sein Glas und benutzte jeden freien 
Augenblick, mit ihm zum Krahn zu gehen imd sich »frisch vom 
Zapfen« den Labetrunk zu holen. Im Hause selbst spielte bald 
meine Frau, bald eine der geladenen Damen am Piano fröhliche 
Studentenlieder, und um 12 Uhr waren 450 Flaschen gefüllt und 
gelackt in der Speisekammer. Als das Fass leer war, wurde es Ton 
Tier Herren auf die Schulter genommen und unter den Klängen des 
Trauermarsches von Chopin rund um das Haus getragen und im 
Oarten begraben. 

Am andern Morgen bekam der Platz-Commandant die ofücielle 
Mittheilung von meiner Transferirung. Dr. X . . . sollte mich ab- 
lösen, und nach Uebergabe des »Dienstes in seinem ganzen Um- 
fange« sollte ich nach Ambarawa gehen und mich unter die Be- 
fehle des »Eerstanwezenden OfElciers van Gezondheid« von Wülem I 
stellen. Da zu erwarten war, dass mein Nachfolger noch vierzehn 
Tage auf sich werde warten lassen, hatte ich genug Zeit, alle yor- 
bereitenden Maassregeln für die Auction meiner Einrichtung treffen 
zu können. Ich konnte mit Sicherheit auf keinen günstigen Erfolg 
meiner Auction rechnen, und besprach also mit dem Auctionator für 
diesen Fall, meine Einrichtungsstücke nicht ä tout prix zu verkaufen. 
Für jedes einzelne Stück »limitirte« ich den niedrigsten Preis und 
besprach zu gleicher Zeit mit dem Stationschef die Miethe eines hal- 
ben Waggons für meine Möbel und Koffer und eines Wagens für 
meine Equipage und für meine beiden Pferde. Endlich kam mein 

Nachfolger Dr. X., dem ich den Dienst sofort übergab, und ich be- 

14» 



212 Abreise von Ngawie. 



kaxa dann vier Tage frei^ nm meine »persönliclien Angelegenheiten 
regeln zu könnenc. Herr ▼. d. V . . . bot mir für die letzten Tage 
meines Aufenthaltes in Ngawie in liebenswürdiger Weise Gastfreund- 
schaft in seinem Hause an und gab den Abend vor meiner Abreise 
mir zu Ehren ein Abschiedsfest. Am 24. Februar war die Auction, 
welche mich insofern befriedigte, als die grossen Stücke, wie Pianino, 
Kasten, Equipage und Pferde zwar keinen Abnehmer gefunden hatten, 
die kleineren Gegenstände aber, als Nippessachen, Service u. s. w. 
doch noch um 817,40 fl. verkauft wurden. Nach der Auction lies» 
ich das Pianino und die übrigen Möbelstücke mit den Kisten auf drei 
Frachtwagen, welche mit Ochsen bespannt waren, laden und sie in 
der Nacht um 3 Uhr von Ngawie wegfahren. Als ich am andern 
Tage, den 25. Januar, um 7 ühr nach Paron kam, war alles bereits 
in den Waggon geladen, und ich verliess Ngawie nach einem Aufent- 
halte von 16 Monaten in einer angenehmen Stimmung. Die Verdriess- 
lichkeiten, welche ich im Dienste erfahren hatte, traten in den Hin- 
tergrund vor den vielen Beweisen der Freundschaft und Sympathie,, 
deren ich mich erfreuen konnte. Für den Transport meiner Möbel, für 
mich, meine Frau und zwei Bediente bezahlte ich 210 fl. 97 Ct.^) 

Die Reise ging mit der Eisenbahn zunächst nach Solo auf der 
Staatsbahn; hier musste ich umsteigen, weil die Privatbahn Sama- 
rang — ^Fürstenländer schmalspurig ist, und musste das Gtepäck mit 
meinen Pferden zurücklassen; der Kutscher erhielt den Befehl, bei 
den Pferden zu bleiben und das üeberladen derselben auf die 
andere Linie zu leiten. Eine halbe Stunde später setzte ich meine 
Reise fort bis Kedong-Djati, wo eine Zweigbahn mich nach Amba- 
rawa mit dem Fort Willem I brachte. Hier kam ich um 6 Uhr 
Abends an und fand zu meiner üeberraschung Dr. K., meinen 
Landsmann und Studiengenossen, welcher bereits im Jahre 1874 
nach Lidien gegangen war, als meinen künftigen Chef vor. 

Obwohl ich mich nur zwei Tage und drei Nächte in Ambarawa 
aufhielt, weil, wie wir sofort sehen werden, ich schon am 28., also 
drei (! !) Tage später nach Tjilatjap transferirt wurde, so glaube ich 
doch einiges über diesen Ort und seine Festung Willem I mittheilen 
zu müssen. 

Ambarawa und das genannte Fort liegen 476 Meter hoch auf 
dem Fusse des üngarang (2048 Meter absoluter Höhe) und grenzen 

1) Ein holländischer Gulden ist ungeföhr so viel als 2 = Kronen ö. W^ 
= 1 Mark 60 Pf. 



Ambarawa. 213 

im Süden an den grossen Sumpf (SAwa Penlng), welcher, wie der 
ganze Thalkessel von Ambarawa, einem Yulcanischen Einstürze sein 
Entstehen verdankte; das von dem umgebenden Berge strömende 
Wasser ergiesst sich in den Sumpf, um weiter als Fluss Tuntang, 
mit dem Fluss Demak vereint, der Javasee zuzuströmen. Ich hatte 
späterhin oft Gelegenheit, von Magelang aus per Wagen nach 
Ambarawa zu fahren, und immer war ich entzückt von dem schönen 
Panorama, welches sich um das Thal von Ambarawa nach allen Sei- 
ten ausbreitete; zahlreiche Dessas (Dörfer) umgeben den Rand des 
Sumpfes und die anliegenden Berghügel, die Sawahfelder in aller 
ihrer Farbenpracht, vom sanften Grün des jungen Beises bis zum 
Dunkelgelb des alten Beisstrohes. Zahlreiche Gemüsefelder und 
Fruchtbäume umsäumen die Peripherie des Sumpfes, welcher durch 
passende Ableitung des Wassers theilweise urbar gemacht war. Im 
Süden erheben der Telamaja (1883 Meter hoch) und der Marbabu 
{3116 Meter hoch) stolz ihre Häupter, und bei reiner Abendluft 
sieht man im Hintergrunde aus dem Merapi (2866 Meter hoch) den 
Bauch zum Himmel steigen. 

AmbarawA selbst besteht aus den vier Ortschaften Pandjang, 
Ambarawa, Losari imd Kupang, während das Fort Willem I Vj^ EjIo- 
meter im Süden dieser Hauptstadt des gleichnamigen Bezirkes liegt. 
Nebst den Eingeborenen befinden sich dort einige hundert Chinesen, 
«inige Araber, Mooren und Bengalesen. Auf dem Berge üngarang 
befindet sich ein Sanatorium, vielleicht in dem schönsten Theile 
Javas gelegen. Veth giebt seiner Bewunderung über dieses schöne 
Panorama mit folgenden Worten Ausdruck: 

»Dieser Bergrücken (sc. Kendil), welcher nicht mehr als Vjz km 
Luftlinie von Ambarawa entfernt ist und sich 300 — 360 Meter über 
das Thal erhebt, bietet eine Aussicht, welche unter die schönsten 
gerechnet werden kann, die Java zu gemessen giebt. Das reich 
bevölkerte Ambarawa, das Lager und die Festung sieht man zu 
seinen Füssen liegen, und wenn man dahinter den Blick über das 
Thal schweifen lässt, sieht man dieses wie ein Schachbrett in 
Fächer vertheilt. Hier wird ein Feld von Karbouwen für die neue 
Ernte gepflügt, dort prangt ein anderes im lichten Grün der jungen 
Beishalme; hier ist ein drittes in das dunkle Kleid von altem Beis 
gehüllt, und ein viertes ist gelb gefärbt von den Aehren, welche 
unter der Last der Beife ihr Haupt neigen. Kleine Wälder von 
Fruchtbäumen, welche die zu Dörfern vereinigten Wohnungen der 



214 Ambarawft. 

Eingeborenen Yerbergen, liegen wie Inseln zerstreut dazwischen. 
Blickt man weiter hinein in den Thalkessel, dann sieht man ein 
grosses, weites, graues Feld, neben grossen Wasserpfützen, welches 
weder Acker noch Haine führt. Es ist der Sumpf, welcher durch 
seine todte Kahlheit ebenso sehr absticht bei der weniger reich be- 
Tölkerten imd bebauten G-egend, welche sich an der anderen Seite 
ausbreitet, als bei jener, welche sie you Ambarawa scheidet. Aber 
was besonders dieses Panorama so ergreifend macht, das sind die 
grossen Bergprofile, welche jenseits den Thalkessel begrenzen: Im 
Vordergrund der Kelir, Wiragama und Telamaja, und fem im Süden 
der breite Scheitel des stolzen Merbabu.€ 

Das Fort selbst wurde im Jahre 1833 you dem General 
Yan den Bosch als Mittelpunkt der Vertheidigung Yon JaYa hier 
angelegt, weil sich hier der grosse Weg Yom Norden nach dem 
Süden in zwei Arme theilt und somit Yon den Kanonen des Forts 
bestrichen werden kann, und weil das Terrain CYentuell unter Wasser 
gesetzt werden kann. Nun, die Vertheidigungsf ähigkeit dieser zwei 
Strassen durch das Fort Willem I wird heutzutage you Niemandem 
mehr anerkannt, und ein europäischer Feind würde mit zwei Mörsern 
und zwei G^birgskanonen, welche sich auf dem Telamaja oder Kelir 
befinden würden, bald das Feuer aus dem Fort zum Schweigen bringen. 

Die Vertheidigung JaYas gegen einen europäischen Feind ist 
schon seit Jahrzehnten die ununterbrochene Sorge der Regierung, und 
die stets wechselnden Armee-Commandanten brachten zwar auch 
stets neue Ansichten, aber das Endresultat ist gleich Null; denn 
das Anlegen you starken Centren in den drei Militär-Abtheilungen 
Yon JaYa im Innern des Landes, Yon wo aus im gegebenen Falle 
di& Truppen nach allen Richtungen der Windrose dirigirt werden 
können, ist alles, was bis jetzt geschehen ist. Der heuer ernannte 
G-eneral-Gk)UYemeur Yon Indien ist ein Militär, und zwar der G-eneral 
Rozeboom, welcher, wie mitgetheilt wird, in Holland durch seine 
Arbeiten auf dem Gebiete der Festungsbauten eine Autorität ist; 
wenn auch während seiner Regierungszeit, ^) welche für fünf Jahre 
festgestellt ist und Yerlängert werden kann, der Wechsel des Armee- 
Commandanten Yielleicht derselbe wie früher sein wird, so kann 
diese Lebensfrage in Indien ernstlich in Angriff genommen werden. 
Im Laufe der letzten Jahre hat das Armee-Gommando sich nur 



* Die General-Gouvemeore werden immer auf fünf Jahre ernannt. 



Nepotismus in der Armee. 215 

mit der »Beorganisation« der Armee i) beschäftigt und die Bolle eines 
Despoten sich angeeignet, wobei natürlich ein Missbrauch dieser 
absoluten G-ewalt nicht ausgeschlossen blieb. Der neue General-Gou- 
verneur kann also die Frage der Vertheidigung Javas selbst in die 
Hand nehmen und hin und wieder den Herrschergelüsten des Armee- 
Commandanten mit seiner Autorität entgegentreten; unter. den frü- 
heren Armee-Commandanten war es bekannt, dass sie keine andere 
Sorge hatten und kannten, als missliebige Personen zu entfernen 
und ihren Freunden ein schnelles Avancement zu besorgen, unter 
dem passenden Verwände: Junge Kräfte und junges Blut in die 
höheren Bangstofen zu bringen. Natürlich trat die Begierung in 
Holland dieser Verschwendung entgegen, welche oft ein bitteres un- 
recht gegen die davon Betroffenen involvirte. Aber sie fanden einen 
Ausweg; was die Oberregierung in Holland officiell verweigerte, er- 
reichten sie durch »hinausekehi«. Dazu sollte manchmal das ärztliche 
Corps Handlangerdienste leisten. Ich sass beinahe fünf Jahre in der 
Superarbitrirungs-Commission und hatte als ältester (nach dem Chef) 
das Beferat auszuarbeiten. Dessen kann ich mich jedoch rühmen: ich 
habe mich immer objectiv gehalten, und wenn auch z. B. in den Zu- 
schriften des Armee-Commandanten mitgetheilt wurde, »dass natür- 
lich unter solchen Verhältnissen nicht zu erwarten sei, dass Haupt- 
mann X. in Zukunft gesund bleiben werde« u. s. w., und wenn auch 
der Chef der Commission diesen Wink mit dem Zaunspfahl verstehen 
wollte, so liess ich mich dadurch in meinem Beferat nicht beirren. 
Da ich auf dieses Widerliche Bild nicht mehr zurückkommen werde, - 
so will ich an dieser Stelle den Nepotismus in der indischen 
Armee skizziren, ohne jedoch in Details zu verfallen. Der Begi- 
mentsarzt X. ist verwandt und befreundet mit dem Armee-Comman- 
danten und möchte gern schnell Stabsarzt werden, ohne solche ausser- 
gewöhnlichen Leistungen aufi^eisen zu können, welche ein ausser- 
tourliches Avancement >) rechtfertigen könnten. Capitän Y. möchte 
gern sobald als möglich den Dienst als Major verlassen, um mit ein^r 
Pension von 2800 fl. in patria in der Kraft seines Lebens noch 
eine Civilstellung annehmen zu können. Die Vordermänner stehen 
ihnen im Wege, es wird also das Leid direct oder indirect dem 
hohen Freund und Gönner geklagt. Dieser spricht natürlich gegen- 

d. h. mit der Pensionirung der sogenannten „alten Herren *'. 
') AusseTtourliche Beförderungen sind in der indischen Armee sehr seltene 
Ausnahmen. 



216 Nepotismu« in der Annee. 



über den Chefs dieser Vordermänner das Bedauern aus, dass seine 
gute Absicht in Holland aus falschen Sparsamkeitsrücksichten nicht 
gewürdigt wurde, und dass also altersschwache i) Männer ohne 
Energie den goldenen Kragen bekämen. Dieser versteht den Wink 
und beginnt zu > suchen c. 

»Wer einen Hund schlagen will, findet immer einen Stocke, 
xmd ich sah oft die unwürdigsten Mittel anwenden, um ein solches 
Hindemiss aus dem Wege zu räumen. Nepotismus und Protection 
kommen leider überall vor; aber in einer kleinen Armee machen 
sie sich mehr als in einer grossen fühlbar und kommen schneller 
zum Bewusstsein aller Officiere; es entwickelt sich dadurch auch ein 
Servilismus, der geradezu lahmend auf den ganzen Dienst wirken 
muss. Es ist zu hoffen, dass das Princip der strengen Anciennität, 
welche das G-esetz vorschreibt, nicht wieder auf so schändliche 
Weise umgangen wird, als es unter den früheren Armee-Comman- 
danten geschah. Doch genug von diesen Uebelständen in der in- 
dischen Armee. 

Die Vertheidigung Javas gegen einen europäischen Feind resp. 
Amerika ist also die Hauptsorge des neuen General-G-ouvemeurs ; 
so wenig es mir möglich ist, mich mit dieser Sache zu beschäftigen, 
so glaube ich auf einen Factor hinweisen zu müssen, der früher als 
Ajdoma galt, heute aber gewiss an Bedeutung verloren hat. Dieses 
Axioma lautet: Die beste Vertheidigung Javas ist — sein Klima; 
ein europäischer Feind, der auf Java landet, würde schon in den 
ersten Tagen ^/s seiner Bemannung durch Fieber, Dysenterie oder 
Cholera verlieren. Dieses war wahr, hat aber heute seine Bichtig- 
keit verloren; die Lehren der Hygiene sind Gfemeingut geworden, 
und die Verluste einer fremden Macht würden nicht viel grösser sein 
als die der indischen Armee. Sie würde, um nur ein Beispiel an- 
zuführen, für gutes Trinkwasser sorgen, und die Morbidität der 
Truppen würde ebenso klein bleiben wie sich die Mortalität nur um 
geringes steigern würde. 

Das Fort Willem I wird gewiss in dem zukünftigen Ver- 
theidigungsplane eine untergeordnete Bolle spielen, z. B. als Depot 
für Kriegsmaterial, wie das benachbarte Banju-Biru, welches jetzt 
die Hauptstation für die Feld- und Berg-Artillerie ist 

Bei meiner Aiukunft wurde mir eine Wohnung ausserhalb des 
Forts angewiesen, und zwar im sogenannten »Campement«; d.h. die 



*) NB. Männer von 45 (!!) Jahren. 



In drei Tagen zweimal traoflferirt 217 

Bureaux und die Wohnungen der Officiere, wel^e im Fort selbst 
keinen Platz hatten, befanden sich yor der ersten Zugbrücke, und 
zwar in der Nähe des grossen Postweges, welcher bei Samarang 
beginnt und bei Bavean sich in zwei Arme theilt. An der Ecke 
des »Campementsc befand sich das »Windhausc, welches mir zu- 
gewiesen wurde, und ich ersuchte »die Genie«, solche Veränderungen 
des Hauses Torzunehmen, dass es von dem Zuge nicht belästigt 
würde. Durch Abschliessen einiger Fenster sollte dies geschehen, 
und so yerliess ich am 28. das Hotel, um meine neue Wohnung 
zu beziehen; meine Möbel, Kisten und Koffer waren am 27. Abends 
angekommen, und ich hatte drei Lastwagen gemiethet, welche sie vom 
Bahnhofe direct ins Haus bringen sollten. Alles war in gutem 
«Zustande angekommen; meine zwei Sandelwood-Pferde begrüssten 
mich mit lautem Wiehern, und so zog ich an der Spitze der kleinen 
Karawane zum »Windhause«. Als ich mich diesem näherte, sah 
ich zu meinem Schrecken Dr. K., mit einem Telegramm in der 
Hand, mit meiner Frau sprechen, welche laut schluchzend und 
weinend mir entgegen lief: »Wieder transfenrt, und zwar nach Tji- 
latjap, dem grössten Fieberherde von Java, wo sich nicht einmal Sol- 
daten befinden, von wo die Garnison yerlegt werden musste, weil 
das Fieber, die Malaria sie mordete, wo selbst die Vertheidigungs- 
kanonen der Küste yerlassen werden mussten, dahin müssen wir 
gehen.« Dr. K. konnte nichts anderes thun als ich, und zwar 
mit den Schultern zucken und sagen: es muss sein. Verblüfft 
sahen mich die Führer der Frachtwagen an, als ich ihnen zurief: 
»Kombäli« (= zurück); ebenfalls die Schultern zuckend, Hessen sie 
die Ochsen umkehren und die Lasten wieder zum Bahnhofe bringen. 
Glücklicherweise war der Zug schon um 6 Uhr Morgens nach Solo 
abgegangen; sonst hätte ich noch denselben Tag abreisen müssen, 
mit oder ohne Reisegepäck, denn es war eine Eildepesche, und als 
ich den andern Tag Abends in Tjilatjap ankam und sofort in die 
Wohnung des Aegimentsarztes W . . . eilte, in der Voraussetzung, 
ihn schwer krank oder yielleicht schon sterbend zu finden, war er 
nicht zu Hausei! Als ich ihn endlich in der Infirmerie fand, kam 
er mir mit den Worten entgegen: »Was kommen Sie hier thun?!l« 
Nach Erhalt des Telegranmies ging ich nach Haus, beruhigte 
meine Frau so yiel ich konnte und ging, mich beim Platz-Comman- 
danten abzumelden. Unterwegs fiel mir aber ein, dass so eine Reise 
nach Tjilatjap wieder Geld und zwar sehr yiel Geld kosten würde. 



218 YonohiMs auf den Gehalt. 



Bei seiner Transferinmg muss nämlich der Officier alles selbst be- 
zahlen und reicht später seine »Declaration« ein, welche jedoch 
niemald sofort beglichen, sondern der »Bechenkammer« zur Beyision 
vorgelegt wird. Der Of&cier kann jedoch 80 <^/o Vorschass anf den 
Betrag seiner eingereichten Rechnung erhalten. Für die Beise von 
Ngawie nach Ambarawa hatte ich meine »Declaration« noch nicht 
eingereicht, von dem E2rtrage meiner Auction hatte ich noch keinen 
Wechsel erhalten; ich war also court d'argent für meine Reise nach 
Tjilatjap, welche gewiss 300 fl. kosten würde. Ich ging also znm 
»Bezahlmeisterc der Garnison nnd ersuchte ihn um einen Vorschuss 
auf meinen Gehalt. Der Zahlmeister, der niemals um einen Witz 
oder um ein scherzhaftes Wort yerlegen war, richtete sich bei meinem 
Ansuchen stolz auf, sah mich mit drohenden Blicken an und rief ent- 
rüstet aus: »Was! ein reicher Doctor, der nicht einmal Kinder hat, 
verlangt Vorschuss auf seinen Gehalt! Das ist reiner Wucher! Sie 
wollen noch mehr Geld in die Sparbank bringen; Sie wollen noch 
immer 2iinsen auf Zinsen auf Ihr Vermögen häufed ! Das ist Schande !< 

»Ja, das ist Schande,« erwiderte ich in demselben Tone der 
Entrüstung; »aber wessen? Da werde ich aus der Mitte Javas 
nach dem Norden der Insel transferirt, und drei Tage später wieder 
vom Norden nach dem Süden; der Regierung kostet dieses 219 fl. 
imd mich über 300 fl. ! Will also die Regierung durch uns Of&ciere 
die Unkosten der Eisenbahnen decken ! Nehmen Sie jetzt an, dass 
ich 6 bis 8 Kinder hätte, wie viel würde ich dann verlieren? Finden 
Sie es also ein Unrecht, dass die Regierung dafür eine kleine Ent- 
schädigung bietet? Ich bekomme nach Recht und Gesetz, weil ich 
verheiratet bin, von vier Monaten, im anderen Falle von drei Monaten 
Gehalt einen Vorschuss, den ich nach drei Monaten in Raten von 
1/4 meines G^altes abzuzahlen anfangen muss; die 1700 fl., welche 
ich jetzt von Ihnen erhalte, tragen im günstigsten Falle 65 fl.^ 
Interessen (zu 4<^/o gerechnet). Ist dieser Betrag nicht so klein, 
dass es eine Schande ist, darüber ein Wort zu verlieren? Setzen 
Sie jedoch den Fall, dass ich 6 oder 8 Kinder hätte; würde es für 
mich nicht geradezu ein Unglück sein, in drei Tagen zweimal trans- 
ferirt zu werden? Ich würde den Verlust nicht verschmerzen können 
und Schulden machen müssen.« 

Diese häufigen Transferirungen sind auch die Schuld, dass sehr 
viele Officiere erst im Range vom Major aus ihren Schulden gegen- 
über der Regierung herausgekommen sind, da sie ihre alte Schuld^ 



ToraoliusB auf den Gehalt. 219 

welche in 19 Monaten und von ledigen Officieren in 15 Monaten 
abbezahlt sein mnss, noch nicht getilgt hatten, wieder transferirt wur- 
den und dabei zunächst die alte Schuld abtragen mussten. 

In früheren Jahren gab die Begierung jedem Arzte, und wenn 
ich mich nicht irre, jedem Officier, der darum das Ansuchen stellte, 
auch für den Ankauf von zwei Reitpferden 400 fl. Vorschuss, welcher 
Betrag (ebenfalls rentelos) in 20 Monaten abgezahlt sein musste. 
Da sich nach und nach der Missbrauch eingestellt, dass von den 
dazu berechtigten Officieren dieser Vorschuss genommen wurde, 
ohne dass sie sich factisch zwei Pferde kauften, wie z. B. in Gami» 
sonen, wo sie sie nicht gebrauchen konnten, so hat die Begierung 
im Jahre 1888 damit ein Ende gemacht, indem sie diesen Vorschuss 
nur für den Fall bewilligte, als der Kauf der Pferde factisch ge- 
schah; zu diesem Zwecke wurde in allen Garnisonen eine Gontrol- 
liste der Officiers-Pferde angelegt. 

Nachdem ich meinen Vorschuss erhalten hatte, ging ich zunächst 
nach dem Bahnhof, um zu sehen, ob mein Gepäck und besonders, 
ob meine Pferde wieder ohne Schaden in den Waggon gebracht 
worden waren. Da diese feurigen Temperamentes waren, gab ich 
ihnen auf die Heise keinen Reis mit, sondern befahl dem Kutscher, 
welcher sie begleitete, jeden Tag 2 Pikol frisches Gras zu kaufen 
= 126 Kilo, wofür ich ihn 20 Ct. verrechnen Hess. Es war ja die 
Begenzeit, und in diesem Monat kann man einen Pikol Gras selbst 
um 6 Ct. = 6 £jreuzer = 10 Pfennige bekommen; in der trockenen 
Zeit steigt der Preis oft bis auf 15 — 20 Cts., weil es dann offc 
weit her, z. B. von den Ufern eines Flusses oder aus schattigen 
Wäldern geholt werden muss. Ganz trocken ist das Gras in Java 
allerdings niemals, weil der Feuchtigkeitsgehalt der Luft immer ein 
hoher ist, und dies ist auch die Ursache, dass Präriebrände in Indien 
niemals vorkommen. Am andern Morgen, den 28. Januar, ging ich 
also um 6 Uhr früh wieder auf die Beise, um 1 Uhr kam ich in 
Djocja an, wo mich der Besident erwartete, dessen Frau eine Schul- 
kameradin meiner Frau war, und lud mich ein, eine Nacht bei ihm 
zu logiren. Ich nahm es nicht an, weil mich das Eiltelegramm des 
Landes-Sanitätschefs das Aergste für den Gesundheitszustand des 
dortigen Arztes befürchten liess. Es war glühend heiss, das Thermo* 
meter zeigte im Schatten 35® C; in der Bestauration des Bahn- 
hofes hatten wir ein ziemlich gutes Beefsteak mit Erdäpfeln ge* 
gössen und eine Flasche Bheinwein geleert, so dass wir gerade nicht 



220 ^^ TrormE Bagel^en. 



leichten Muthes wieder die Reise fortsetzten. Bei dieser hohen 
Wärme ist in Indien das Fahren auf der Eisenbahn ja unerträglich. 
Ich hoffte eine Erleichterung zu finden, wenn ich für mich und meine 
Frau Karten I. Classe nehmen würde, um dadurch ein Ooup^ für 
uns Beide allein erhalten und mich des Bockes und der Schuhe ent- 
ledigen zu können; aber wer kann unsem Schreck schildern, als un- 
mittelbar vor Abgang des Zuges ein Herr sich zu uns gesellte, der, 
wie er mir später erzählte, dieselbe Absicht gehegt hatte. Dieser 
braye Mann ist seitdem gestorben. Ich kann also heute ruhig ge- 
stehen, dass wir Beide alle Flüche und Qualen der Hölle auf 
seinen Kopf erwünschten, natürlich nur im Flüsterton. Endlich 
um 6 1/4 Uhr Abends kamen wir in Tjilatjap an, und mein Vor- 
gänger — erfreute sich der besten Gesundheit!! 



Bei meiner Transferirung von Ambarawa hatte ich die Pro- 
▼inzen Samarang, Surakarta, Djocjacorta, Bagelden und Banjumas 
durchzogen. Die ersten drei und die letzte Provinz werden uns 
weiterhin noch viel beschäftigen, und darum will ich an dieser Stelle 
nur mit wenigen Zeilen der Provinz Bagel^en gedenken, weil ich einer- 
seits sie nur per Eisenbahn durcheilt habe und sie andererseits nicht 
viel Sehens- und Mittheilenswerthes enthält. 

Vor dem grossen Kriege von Java in der ersten Hälfte dieses 
Jahrhunderts war Bagel^en (und Banjumas) ein Theil des westlichen 
Mantjai)-negara,3) und seine Fürsten waren Vasallen des Sultans 
Ton Solo. EBer in Bagel^en, welches jetzt nicht nur die dichtbe- 
Tölkertste Landschaft von Java, sondern vielleicht von der ganzen 
Erde ist [es wohnen ja mehr als 20,000 Menschen auf einer Quadrat- 
meile,>) und es besitzt bei einer Q-rösse von 62,o7 n Meilen einen 
Ort (Purworedjo) mit 20,000 Seelen, 202 Kampongs mit 1000—5000, 
679 Dessas mit 5—1000, 1327 mit 200—600, und 442 Dörfer bis 
200 Seelen], wüthete früher der Despotismus seiner Fürsten mit 
allen seinen Qualen xmd Leiden für den kleinen Mann, und man 



Abgelegen. 

*) = (J.) Landschaft. 

*) Bei einer Grösse von 62io7 Quadratmeilen zählte es im Jahre 189S 
1035 Europäer, 8439 Chinesen, 66 Orientalen und 1,348,204 Eingeborene = 
1362,738. 



Die FroTinz Bagel^n. — Essbare Vogelnester. 221 

muss oft die lebhafte Phantasie bewundern, mit welcher diese kleinen 
Despoten Steuern zu erfinden wussten. Es wurde eine Steuer für 
wohlgefüllte Waden erhoben, die Einäugigen mussten Steuern für 
die Blinden bezahlen, bei jeder Klage wegen Diebstahls musste ein 
gewisser Betrag erlegt werden, für die Wachthütten auf den B^is- 
feldem, welche nicht gebaut wurden, für das Wiegen des Beises, 
welcher als Zehnt eingeliefert werden musste, war ein Zoll festge- 
setzt, obzwar der Beis niemals gewogen wurde, für das 2iählen der 
Beisfelder, was niemals geschah, für das Becht, den Tanzmädchen 
zuschauen zu können, ob man es ausübte oder nicht, wurde eine 
Steuer erhoben, kurz, unter 34 (! !) yerschiedenen Namen wurde der 
kleine Mann in seinem Erträgniss des Bodens gekürzt. Im Jahre 
1830 kam es endlich unter die directe Verwaltung der hollän- 
dischen Begierung; sofort yrurden 24 dieser diversen Steuern ab« 
geschafft, und die üppige Tropenflora im Verein mit der humanen 
europäiBchen Begierung schufen aus den öden, unbebauten, brach- 
liegenden Feldem eine reich beTÖlkerte und reich bebaute Provinz 
mit einer glücklichen und zufriedenen Bevölkerung. 

Der Name dieser Provinz stammt aus dem allgavanischen Pagelön 
= penis und von der linggasäule, welche sich bei Purworedjo, und 
zwar bei dem Dorfe Bagel^en befindet und noch heutzutage von der 
Bevölkerung angebetet wird, üeberhaupt findet man ja in Süd-Java 
viele Spuren des Siva-Dienstes. 

Eine andere Sehenswürdigkeit ist der ausgehöhlte Felsen Karang 
bölang, welcher sich 181 Meter hoch über die See an der Südküste 
erhebt und sich wie ein Dom über die Fläche des Meeres wölbt, 
als Heimath von Tausenden und abermal Tausenden von Schwalben, 
deren essbare Nester unter dem Namen sarong burung ein starker 
und verbreiteter Handelsartikel geworden sind. Im Jahre 1871 
wurde das Erträgniss dieser Höhle auf 25 Jahre für den Betrag von 
37,100 fl. pro Jahr verpachtet. Nach Friedmann sollen jährlich 
500,000 Stück gewonnen werden, i) 

Die Hauptstadt Purworedjo mit dem Gamisonplatz Kedong 
Kebo und mit dem Gunung Wangi (8 Kilom. entfernt) = Berg des 
herrlichen Duftes, >) die Grotte vom Berge Lawaug und Tebasan 

Im Jahre 1894 imrden von ganz lodien für 202,900 fl. = + 360,000 Mark 
Vogelnester exportirt 

') Hier soll R&d^n Djambu zum ersten Male in der Provinz Bagel^en 
den Islam gepredigt haben. 



222 In Ijilmlgap. 



mit den zahlreichen Ueberreaten des Siva-Dienstes, die Umgebung 
Ton Kabumen mit ihren warmen Quellen^ Gombong mit seiner Ca- 
dettenschule und der Grotte Bagadana mit schönen Stalaktiten so- 
wie zahlreiche Alterthümer kann ich nur andeuten^ aber nicht 
beschreiben, weil ich niemals Gelegenheit hatte, aus Autopsie sie 
kennen zu lernen. 

Die Provinz Banjumas, in welcher Tjilatjap liegt, habe ich 
nach vielen Richtungen hin durchzogen, und zwar entweder in dienst- 
lichen Angelegenheiten oder zu meinem Vei^ügen. Am häufigsten 
kam ich nach Babakan, wo sich längs des Meeresstrandes die 
Schiessstätte der Artillerie der zwei militärischen Abtheilungen Javas 
befindet. Nach der Hauptstadt Banjumas kam ich im Ganzen nur 
viermal. Das erste Mal hatte den Zweck, mich dem Residenten 
(Statthalter) der Provinz vorzustellen, weil dieser in civilen Ange- 
legenheiten gewissermaassen mein Chef war. 



Nachdem ich zu meiner üeberraschung meinen Vorgänger nicht 
nur beim besten Befinden getroffen, sondern auch von ihm ver- 
nommen hatte, dass er schon seit einigen Wochen einer relativ 
günstigen Gesundheit sich erfireue, ging ich nach Hause ins Hotel, 
um ein erfrischendes Bad zu nehmen und hierauf trockene Leib- 
wäsche anzuziehen. Das Hotel wurde von Frau X . . . geleitet, 
während ihr Mann gleichzeitig Schiffshändler und Kaufmann war; 
er hatte im Hotel einen Laden, in dem man einfach Alles zu 
kaufen bekam; es war ein »Töko«, wie sie überall in Indien ge- 
funden werden. Abgesehen von einigen Modistengeschäften in den 
grossen Städten, wie Batavia u. s. w., kennt der Detailhandel in 
Indien keine Specialitäten. In einem Töko findet man Papier, 
Bücher, Gewehre, Oonserven, Leinwand, Schuhe, Hüte, Lampen, 
Gläser, Porzellanwaaren, Petroleum, Käse, Butter, Thee, Kaffee u. s.w. 

Natürlich hatte sich wie ein Lauffeuer die Nachricht verbreitet, 
dass ein neuer Arzt angekommen sei, und Jeder beeilte sich, diesen 
zu Gesicht zu bekonmien. Jeder hatte also diesen Abend in diesem 
Töko etwas zu kaufen; der Eine eine Kiste Oigarren, der Andere 
eine Schachtel Maschinenzwim und der Dritte bestellte eine Kiste 
Apollinaris -Wasser u. s. w. 

Die Wirthin, eine schöne und stattliche Nonna,^) sass unter- 



>) Halbeuropäerin. 



Polizeifloldaten. 223 



dessen bei uns in der Veranda und theilte uns yon Jedem, der in 
den Kaufladen trat, alles Wissenswerthe mit; unglaublich schienen 
mir die Mittheilungen über den Herrn D . . .: »37 Jahre befindet er 
sich schon in Tjüatjap und ist nur gesund, wenn er hier ist; jedes 
Jahr geht er auf die Beise, und kaum hat er Tjilatjap hinter sich, 
so beginnt er sich unwohl zu fühlen und bekommt das Fieber. 
Dasselbe ist der Fall mit dem Herrn K . . ., der schon 17 Jahre 
hier wohnt und, wie Sie soeben sahen, sich eines sehr gesunden 
Aussehens erfreut; er hat eine schöne Tochter, welche hier geboren 
ist, und ebenso wie die zwei Töchter des Herrn D . . . nur hin und 
wieder ein paar Tage lang Fieber haben; sie nehmen 20 Chinin- 
pillen und bleiben dann wieder für viele Monate toi^ den Fieber- 
anfällen yerschont.« Dies waren sehr ermuthigende Worte, besonders 
für meine Frau, welche sich früher in den G-edanken eingelebt hatte, 
niemals dieses »verwünschte Fiebemest« bewohnen zu müssen, weil im 
Jahre 1887 die Garnison aus Gesundheitsrücksichten eingezogen 
worden war. Die Begierung schickt jedoch seit dieser Zeit inuper 
einen Militärarzt dahin, weil sich kein Civilarzt bis jetzt dort ange- 
siedelt hat. Die Zahl der Europäer in Tjilatjap und seiner Um- 
gebung und die der Chinesen ist nämlich zu klein, um einen Civil- 
arzt zu veranlassen, für ein Erträgniss, das kaum die Bedürfoisse 
des täglichen Lebens decken würde, Leben und Gesundheit aufs 
Spiel zu setzen. Die Garnison war zwar aufgehoben, aber die 
zahlreichen militären Gebäude bestanden noch; auch die Küsten- 
Batterien, welche den Eingang in den Canal beherrschten, waren 
noch nicht entfernt und bedurften einiger Soldaten zur Bewachung; 
diese wenigen Soldaten standen unter dem Befehl eines Ober- 
lieutenants »der Genie«. Uebrigens vertraten 80 Mann Prad- 
jurits die bawafiEhete Macht; das sind nach europäischen Begriffen 
Polizeisoldaten, welche den Yerwaltungsbeamten zur Seite stehen 
und in erster Beihe den Bewachungsdienst in den Gefängnissen und 
den Transport der Sträflinge zu besorgen haben. Ihre militärische 
Ausbildung erhalten sie von einem europäischen OfQcierstellvertreter, 
und im llebrigen unterstehen sie in allem und jedem dem Assistent- 
Residenten. Nur findet über ihre militärische Ausbildung eine 
jährliche Lispection von Seiten des jeweiligen Adjutanten des Landes- 
Commandirenden statt. Dies ist natürlich eine im Princip ganz 
verfehlte Organisation, wenn der Assistent-Resident es nicht gelernt 
hat, ein Conunando über 80 Mann zu führen. Ich will zwar zu- 



224 PoliseuoldAten. 



gebellt dass, wenn in ernstlichen Fällen der Beamte die Hülfe des 
Militärs anniflby wie es z. B. bei einer Henterei afirikanischer Ma- 
trosen im Hafen geschah^ dieses höchstens ein Beweis für ge- 
ringes Yertränen zn dem Muthe dieser Polizeisoldaten sei; aber es 
ist geschehen, dass der Instnicteur von Dorf zu Dorf gehen und 
jeden einzelnen Mann anfsnchen und überreden musste, sich recht- 
zeitig anf dem Platz der Inspection einzofinden, und dass dem- 
ungeachtet der Inspectenr zor angesagten Stunde nicht die ganze 
Mannschaft anwesend fand, sondern Alle einzeln wie rerirrte Schafe 
erschienen. 

Wenn diese Polizeisoldaten in Casemen wohnten und ihren 
InstmctenreiP auch in jeder Hinsicht, also auch in disciplinaren Ver- 
gehen untergeordnet wären, d. h. mit anderen und wenigen Wor- 
ten, wenn sie G^nsdarmen wären, wie sie in zahlreichen euro- 
päischen Staaten bestehen, dann würden sie nicht nur bessere 
Dienste leisten, sondern auch einem dringenden Bedürfnisse ent- 
sprechen. Der antimilitärische Geist der Holländer macht sich auch 
in dieser Hinsicht in unangenehmer und fühlbarer Weise geltend. 
Der Assistent-Besident X . . ., der damals in Tjilatjap residirte, war 
gewiss ein Ehrenmann, er war als Beamter gewiss, so weit ich 
urtheilen kann, seinen Aufgaben voUkonmiien gewachsen und lebte 
nur für seinen Dienst; und doch waren die Pradjurits damals eine 
Oaricatur von dem, was sie sein sollten; sie machten von der 
Zwitterstellung ihres Instructeurs Missbrauch, und dieser selbst — 
war. froh, jeder Verantwortlichkeit enthoben zu sein. Wenn jedoch 
der Instructeur auch das Becht des Strafens hätte, und wenn sie 
in Oasernen wohnten, welche ebenfalls ein militärisches Begle- 
ment hätten, und wenn alle Befehle des Beamten durch die Hände 
des Instructeurs gingen, dann hätte auch Indien ein« Corps von 
Gknsdarmen, welches nach vielen Seiten hin erspriessliche Dienste 
leisten könnte; denn die Polizisten der grossen Städte und des 
flachen Landes sind nichts anderes als personliche Bediente des 
Beamten und erfreuen sich gar keines Ansehens und gar keiner 
Autorität. — Die Uniform der Pradjurits ist die des Militärs aus 
den siebziger Jahren; dunkelblaue Kleider aus Serge mit einem 
Kopftuche unter dem Käppi; dieses ist nach der Weise der Javanen 
um den Kopf geschlungeix. Die Bewaffnung ist dieselbe wie die 
der Armee; sie haben Hinterlader und Bajonette. 



In TJUa^ap. 225 



Am andern Morgen stellte ich iftich dem Assistent-Besidentei) 
vor und liess den Platz-Commandanten wissen, dass ich angekonmien 
sei, um den Dienst von Herrn Dr. W. zu übernehmen. Beide Herren 
waren nämKch niedriger im Range als ich, und nach den gesetz- 
lichen Bestimmungen ist es hinreichend, dass in einem solchen Falle 
der höhere Offider schriftlich davon Nachricht giebt. Weil der 
Dienst eines Oberarztes reglementär ganz derselbe wie der eines Be- 
gimentsarztes ist, so geschieht es sehr häufig, dass in kleinen Gar- 
nisonen der Platz-Commandant niedriger im Bange oder Anciennität 
ist, als der zugetheilte Militärarzt. Aus einer falsch angebrachten 
Gemüthlichkeit lassen die Militärärzte in der Begel diesen Ban^- 
unterschied aus den Augen und halten sich z. B. mehr an die herr- 
schende bürgerliche Gewohnheit, dass der zuletzt Angekommene bei 
den anwesenden Officieren sich zuerst Yorstelle u. s. w. Dies ist die 
Hauptursache, dass die Officiere der >bewa£fheten Corps« sich so oft 
über das antimilitärische Benehmen der Militärärzte lustig und da- 
von manchmal Missbrauch machen. Es entstehen dadurch unan- 
genehme Streitigkeiten, worunter auch der Gang des Dienstes leiden 
muss. 

Der Platz-Commandant konnte nicht zu mir kommen, weil eit 
am lieber litt und an diesem Tage sich zur Abreise von Tjilatjap 
rastete. Ich ging also zu ihm hin und besprach noch einige Fragen 
über die Abreise meines Vorgängers und über sein Haus, wel- 
ches mir zur Miethe angeboten wurde. Dieses lag nämlich in jenem 
Theile der Stadt, in welchem sich die Casemen und Wohnungen der 
Of&ciere befanden, und welches wegen des dort herrschenden MaTaria- 
Fiebers von der Garnison verlassen werden musste. Das Flüsschen 
(Kali) Osso trennte diese beiden üblicherweise so scharf auseinan- 
der gehaltenen Theile Tjilatjaps und zog hinter dem Hause des 
Lt. G. vorbei. Im Westen dieses Flüsschens lag, wenn ich mich 
dieses Ausdruckes bedienen darf, das bürgerliche Tjilatjap. Einen 
überraschend schönen Anblick bietet die Stadt, wenn man des Mor- 
gens früh aus dem Hotel tritt und sich der Wohnung des Assistent- 
Besidenten nähert; vor uns zieht in gerader Linie eine vielleicht 
mehr als I1/2 Kilometer lange Strasse, begrenzt von hohen, mäch- 
tigen Kanariebäumen (canarie communis). Zur rechten Hand schliesst 
das Haus des Officiersclubs mit der Insel Nussa !^ambangan im 
Hintergrunde diese schöne Allee ab; im Osten derselben liegt das 
Bureau imd das Wohnhaus des Assistent-Besidenten mit wunder« 

Breit entt «in, 21 Jahr« in Indien n. 16 



226 ^^ TJÜAtjap. 



schönen Blumenbeeten im G-arten, und zur Seite desselben eiöffiiet 
sich die AusScht über die schmale Wasserstrasse mit den wildroman- 
tischen Ufern der genannten Inseln im Süden. Das Bauschen der 
Brandung an der jenseitigen Küste erschüttert die Luft um so 
imposanter, als die schäumenden und strömenden Wogen nicht ge« 
sehen werden. Zur Linken zieht diese schöne Allee in beinahe 
geometrisch gerader Linie nach Norden und zeigt uns im Hinter- 
grunde den Palast des Regenten mit seinem grossen Along-*along 
(Schlossplatz). Auf der linken Seite führt eine kleine Strasse zum 
Bahnhof und eine zweite zum neuen Hafen, welcher in der Mün- 
dung des Flusses Donan liegt. Es ist ein Meisterstück des mo- 
dernen Hafenbaues. 

Die Schiffe liegen mit ihrem Bord an dem Bande der Quais, 
und die Waaren, welche in einem Waggon der Eisenbahn ankommen, 
können von diesem direct durch einen Dampfkrahn in das Schiff 
geladen werden. Ich sage: können; denn es geschieht leider nicht. 
Dieser Hafen wurde ursprünglich angelegt, um die Producte des 
Landes, wie Kaffee, Zucker, Thee, Indigo u. s. w. aus Mittel- 
Java bequem und billig nach der See transportiren zu können; es 
wurde aber die Rechnung ohne den Wirth gemacht.' Zahlreiche 
Zuckerfabriken, Kaffeepflanzer u. s. w. arbeiten nicht mit eigenem 
Gteld und haben grosse Vorschüsse von den diversen Banken, 
welche sich in Samarang (Nordküste) befinden. Diese Stadt hat 
jedoch keinen modernen Hafen; die Schiffe liegen vielleicht eine 
Stunde weit von der Küste entfernt. Der Transport der Waaren 
und*der Personen von der Küste auf die Rhode geschieht durch 
Dampf barcassen, welche direct oder indirect im Besitze dieser Banken 
sind. Diese geben also keine Vorschüsse, wenn nicht der Schuldner 
sich verpflichtet, seine Producte auf der Nordküste (in Samarang) ein^ 
schiffen zu lassen. Dadurch wird natürlich das Erträgniss der Trans- 
portgesellschaften in seiner alten Höhe erhalten und — der schöne 
Hafen Tjilatjap wird wenig benutzt. Dazu konmit noch ein zweiter 
Uebelstand. Im Jahre 1890 sollte der letzte Theil der Eisenbahn 
gebaut werden, welcher die Nordküste zwischen Batavia via Tjilatjap 
und Surabaya mit der Südküste verbinden sollte; die Ministerien des 
Krieges, des Innern und der öffentlichen Bauten stritten sich über 
den Punkt, bei welchem der letzte Theil, welcher von Bandong 
kam, sich anschliessen sollte; die Wahl fiel auf Maos, zwei 
Stationen nördlich von Tjilatjap. Die beiden Züge von Batavia 



Sehenswürdigkeiten von Tjilatjsp. 227 

iind Surabaya treffen hier in Maos Abends um 6^3 Uhr ein 
lind fahren in der Nacht nicht weiter. Die Begiterung hat also 
in Maos ein grosses Hotel gebaut und dessen Verwaltung u. s. w. 
einem Pächter übergeben; die Passagiere yerbringen den Abend so 
gut es geht mit Spazierengehen rund um das Hotel und setzen am 
.andern Tage die Beise fort. Zu einem Ausflug nach Tjilatjap 
ist keine Gelegenheit gegeben, und dieser schöne Hafen mit 
seiner reizenden Lage, mit den wundervollen Höhlen auf Nussa- 
Kambanjan bleibt Torschollen und imbeachtet von der grossen Menge 
der Reisenden, welche eine E.eise von Batavia nach ourabaya lieber 
in einem Waggon zurücklegen, als sich vielleicht drei oder vier Tage 
lang auf einem Schiffe den Unbilden der Seekrankheit auszusetzen. 

Wenn sich in Tjilatjap ein unternehmender Mann fände, die 
Sehenswürdigkeiten und Schätze der Umgebung dieser Stadt dem 
grossen Strome der Beisenden zu eröffnen, welche täglich um 6^/a Uhr 
in Maos ankommen, würde es nicht geschehen, dass täglich Hunderte 
von Beisenden an Naturschönheiten vorbeiziehen, welche in Europa 
jährlich Tausende und Tausende von Touristen dahin locken würden, 
und die Stadt würde sich zu einem Emporium der Südküste Javas 
^erheben. Die Tropfsteinhöhle der Insel Nussa-Kambangan und das 
Pfahldorf der Kindersee wird das Ziel des einen Tages, und die 
wildromantische Scenerie von Karang Belang der Endpunkt eines 
izweiten Ausfluges sein. (Leider ist das Beisen in Lidien theuer; 
•eine Fahrt nach der Hauptstadt Banjumas kam auf 20 fl. zu 
stehen, wozu noch die Unkosten des Hotellebens gerechnet werden 
müssen.) Die ganze Provinz ist übrigens reich an Sehenswürdig- 
keiten. Das Dienggebirge (2045 Meter hoch) mit seinen ausge- 
brannten «Vulcanen, mit seinen Solfataren (von Segarawedi), mit 
seiner Mofette (das Todtenthal Pakaraman^) entzücken das Herz 
eines jeden Touristen, und wenn wir ihre Beschreibung in dem 
Meisterwerke des Prof. Veth lesen, können wir nur bedauern, dass 
•dies Wunderspiel der Natur jenseits der grossen Heereswege liegt, 



^) Hier wächst auch der Ilpasbaum (Antiaris toxicarica), dessen Wurzehi 
•einen giftigen Saft enthalten, welcher früher zum Vergiften der Pfeile ange- 
wendet wurde. Selbst seine Ausdünstungen wurden für giftig gehalten; wenn 
sich dieser Baum in der Nähe einer Mofette befindet, kann leicht dieser Irrthum 
«entstehen. 

16* 



228 Sehenswürdigkeiten von Ijilatjap. 

welche mit Eisenbahnen die grossen Städte Javas untereinander 
verbinden. 

Das militärische Tjilatjap lag im Osten des Flüsschens Osso 
und war mit einer steinernen Bracke mit dem »Seestrand« verbun- 
den, welcher von hier ans längs des Officierclnbs nach der Mün- 
dung des Flusses Denan sich mehr als 1 ^/s Kilometer weit erstreckte. 
Kam man über die Brücke, so hatte man zu seiner Rechten das grosse 
Lagerhaus, in welchem der Gouvernementskaffee aufgespeichert und 
von Zeit zu Zeit an den Agenten der »Handelsmaatschappq« abge* 
liefert wurde, weiterhin die Casemen und vis-ä-vis das Militär- 
spital und die Wohnungen der Officiere. 

Das Militärspital war seit dem Verlassen der Garnison zu einem 
Marodensaal degradirt worden und bestand hauptsächlich (gegenüber 
dem Eingänge) aus einer Apotheke, einem Bureau für den »Eerst- 
aanwezenden Officier van G^zondheid« und einem Zimmer für 
kranke Soldaten oder Pradjurits. Bald zeigte sich jedoch die 
Unzulänglichkeit eines Marodensaales. Es wurde nämlich, wie 
schon erwähnt, der letzte Theil des Eisenbahnweges gebaut, welcher 
in einem grossen Bogen die zwei Städte der Nordküste, Batavia und 
Surabaya» mit dem Süden der Insel verbinden sollte. 2iahlreich 
waren die Fälle, dass Arbeiter verunglückten und mir zur Behand- 
lung gebracht wurden. Dies geschah auch von Seiten der Schiffe,, 
welche das Material für den Bau der Eisenbahn u. s. w. in den Hafen 
brachten. In einen Marodensaal dürfen keine bürgerlichen Kranken 
aufgenommen werden. Die ersten Fälle brachten mich also in Ver- 
legenheit, aus welcher mir jedoch der Assistent-B.esident half; es 
waren arme Kulis; ich nahm sie in dem »Ziekenzaal« auf, und auf 
Befehl dieses Magistrates kamen sie in den Bestand des Spitals für 
Prostitues, welches einen halben Kilometer davon entfernt war. 
Sträflinge brachten ihnen die Kost, welche ihnen auf B^chnung 
dieses Spitals verabfolgt wurde, während die Krankenwäsche, Medi- 
camente u. s. w. aus dem Bestände des Marodensaales geliefert wur- 
den. Die Medicin konnte ich de jure verabfolgen. Ich musste 
eo ipso jeden Monat eine Rechnung für (an die arme Bevölkerung) 
abgelieferte Medicamente einreichen, welche dann mit dem Departe- 
ment des Innern verrechnet wurde; im Uebrigen besprach ich diese 
Sache mit dem Platz-Commandanten, welcher im Interesse der Mensch- 
lichkeit keinen Einwand machte, um so weniger, als ich ver- 



Officiere in Giyilkleiduiig. 229 



sprach, die Erhöhung des »Ziekenzaales« zu einem Spitale zu yer- 
anlassen, in welches, de jure, civile Patienten aufgenommen werden 
Jcönnen. 

Grössere Schwierigkeiten bereitete mir jedoch die Aufnahme 
zahlungsfähiger Bürger; diese mussten für ihre Verpflegung selbst 
sorgen, und mir erübrigte nur die ärztliche Hülfe. Als mir jedoch 
eines Tages vom Agenten der Schififahrtsgesellschaft Nederland ein 
KuK geschickt wurde, dem im Schiffsraum das Schienbein zertrüm- 
mert worden war, konnte und woUte ich die Verköstigung dieses Patienten 
nicht auf mich nehmen und vertraute sie dem »Mandur« des Spitals 
für Prostitues an, welcher den Betrag hierfür bei mir jede Woche 
•eincassirte. Sobald als mö^ch leitete ich also die nöthigen Schritte 
ein, um aus dein Marodensaal ein Spital 6. Classe machen zu dürfen, 
uDd am 30. September kam der Bescheid von der Begierung zu- 
rück, welcher dieses erlaubte und gleichzeitig die Vermehrung des 
Dienstpersonals in Aussicht stellte. Denselben Abend aber kam 
auch der Landes-Commandirende an, um Inspection zu halten. Ich 
und der Platz-Commandant erwarteten ihn in Qalatenue an der 
Station. Einige Stunden später kam der Tagesbefehl, »der General 
wünschte, dass wir in unserer »Tenue« blieben, als ob Seine 
Hochwohlgeboren nicht anwesend wäre«, und der Platz-Commandant 
fügte bei: also gewöhnliche Tenue. Als Chef des Maroden- 
zimmers wäre ich für die Beinlichkeit nur dieses einen Saales 
yerantwortUch gewesen; als Chef des Spitals jedoch musste ich 
für die Beinlichkeit des ganzen, alten, halbverfallenen Gebäude- 
Complexes sorgen. Ich hatte aber noch nicht das nöthige Dienst- 
personal. Um jedoch wenigstens den gröbsten Schmutz des alten, 
verlassenen, öden Spitakaumes wegschaffen zu lassen, verschaffte 
ich mir vier Kulis und liess sie um 6 Uhr früh unter Aufsicht eines 
Krankenwärters die Wege fegen u. s. w. Zur grösseren Sicherheit 
jedoch ging ich um 6 Uhr dahin und sorgte, dass unter meiner 
persönlichen Aufsicht so viel als möglich gereinigt werde. Im 
Eifer meiner Arbeit vergass ich die Zeit, und als es 8 Uhr schlug 
— stand der General mit dem Adjutanten und dem Platz-Com- 
mandanten vor der Thür, und ich war noch in Bürgerkleidung (!). 
Dafür bekam ich in die Conduiteliste: Militärisches Benehmen 
tadelnswerth und zeigt Mangel an Diensteifer, weil das Spital 
bei der Inspection des Landes - Commandirenden Spuren von 



230 Officiere in Civilkleidoog. 



mangelhafter Aufsicht trug und er in CÜTilkleidung war, obwohl 
die Inspection angesagt war!! 

Auch wurde ich dafür »unwürdig und ungeeignet« erklärt^ 
einen höheren Bang zu bekleiden. Ja, wenn man einen Hund 
schlagen will, findet man immer einen Stock. 

Das Beglement :»über das Tragen Civilkleider von Officieren« 
gestattet den Officieren der Genie, den Militärärzten, den Zahl- 
meistern, sowie auch den Officieren des Stabes und allen Arten, 
welche nicht unmittelbar loit den Truppen in Beziehung stehen, bef 
ihren täglichen Arbeiten von der Ciyilkleidung Gebrauch zu machen.. 
Diese Erlaubniss erstreckt sich jedoch nicht auf Inspection, es sei,, 
dass das Gegentheil speciell erlaubt wurde. Ob ich in dem ge- 
gebenen Falle im Eifer des Dienstes die gesetzlichen Bestim- 
mungen vergessen und dagegen gesündigt hatte, will ich unerörtert 
lassen. Aber vielfach wurde die Zweckmässigkeit dieser gesetzlichen 
Bestimmung in Frage gestellt, ja noch mehr, man trachtete diese 
Begünstigung (?) der Aerzte in den letzten Jahren direct oder in- 
direct zu beschränken. Man glaubte nämlich, dass dem Militärarzt 
durch die Uniform ein gewisses Prestige gegeben werde, we]chea 
unerlässlich für seine oft schwierige Stellung sei. Dies ist nur 
theoretisch wahr und richtig. Factisch hängt dieses ganz und allein 
von der Individualität des Militärarztes ab, und zwar schon darum, 
weil höchstens »in den ersten Wochen der Dienstzeit die Uniform 
einem Becruten imponirt; weiterhin gewiss nicht mehr; ich kenne 
einen Fall, dass einem Begimentsarzte das Wort Charlatan von 
einem Patienten zugerufen wurde, trotzdem er in Uniform war. 
TCin anderer Einwand ist juridischer Natur. Die Disciplin mus» 
leiden, wenn dem Soldaten bei Uebertretung der Subordination die 
Ausrede gelassen wird, er hätte nicht gewusst, dass der Betreffende 
ein Officier sei, weil er nicht in Uniform war. Wenn es eine Aus- 
rede ist, kann ja das Ejiegsgericht in seinem Urtheil diesem Bech- 
nung tragen. Auch der Truppenofficier geht in seinen dienstfreien 
Stunden in Civükleidung. Es ist nur zu oft geschehen, dass Soldaten 
Officiere in Civilkleidung beleidigten. Da es leicht .nachzuweisen 
war, dass der Uebelthäter diesen Officier als Officier gekannt hat,, 
so wurde diese Ausrede nicht weiter berücksichtigt. 

In der Begel wird dasselbe bei dem Militärarzte der Fall 
sein. Der Delinquent ist in den meisten Fällen in Behandlung: 



Officiere in Ginlkleidimg. 231 



dieses Militärarztes gewesen und kennt ihn. Die mala fides ist also 
bewiesen, und das Ejiegsgericht ist in seinem Urtheile nicht einge- 
schränkt. In den Tropen ist es warm, und man trauspirirt sehr 
stark; der Uniformrock ist also geradezu hinderlich. Ich sah oft 
junge Militärärzte, welche aus leicht begreiflicher Ursache gern die 
Uniform tragen, im Eifer ihres Dienstes den Uniformrock ausziehen, 
wenn er sie in einem gegebenen Augenblicke hinderte, und man sah 
dann ein vom Schweisse durchtränktes Hemd, welcher Anblick gewiss 
ebenso unästhetisch als unangenehm war. Die Bewegung in der Civil- 
kleidung, und besonders im Jaquet, ist freier und auch bequemer, weil 
der Arzt in einem solchen genug Taschen hat, um die unentbehr- 
lichen Instrumente, als : Stethoskop, Hammer und Pravazische Spritze 
und auch seine Gigarrentasche, Sacktuch und event. das Receptbuch, 
dtets bei der Hand zu haben. Es war also bis vor wenigen Jahren 
Usus, dass die Militärärzte in weisser Hose und schwarzem Jacket 
ihren Dienst verrichteten. Mit den Fortschritten der Bacteriologie 
begann vor ungefähr drei Jahren ein Sturm gegen den Gebrauch 
des schwarzen Rockes, als den Träger aller pathogenen Bacterien 
und als den Vermittler aller ansteckenden Krankheiten. Ob dies, 
in dieser Allgemeinheit ausgesprochen, richtig sei oder nicht, 
will ich dahin gestellt sein lassen; aber Thatsache ist, dass in 
allen Operationszimmem und in allen Abtheilungen für ansteckende 
Ejrankheiten Kittel zur Verfügung des Arztes stehen, so dass 
eine solche G-efahr nicht zu bestehen braucht. Itoi Jahre 1894 
wurde eine neue Uniform in der Armee eingeführt, und den Offi- 
cieren für die :&kleinen Dienste« weisser Uniformrock, Hose und 
Helmhut gegeben ; den Militärärzten wurde durch sanften Druck an- 
heim gestellt, von der gesetzlichen Begünstigung, den Spitaldienst in 
Civilkleidem versehen zu können, keinen Gebrauch zu machen, weil 
mit der Einführung der weissen Uniform jede Ursache dazu ge- 
nommen sei, ja noch -mehr, die weissen Kleider seien für den Mi- 
litärarzt geradezu die angezeigte und einzige praktische Kleidung, 
weil sie gewaschen werden könne. Dies ist gewiss unrichtig imd 
falsch; denn zahlreich sind die Gefahren, welche den weissen Böcken 
eines Arztes drohen. Beim Ausspritzen der Ohren, beim Tou- 
chiren der Kehle, beim Beinigen eines Auges u. s. w. kommen 
Flecken von Lapis, Jodtinctur u. s. w. in den Bock. Der Kranken- 
kittel oder die grosse Schürze sollen ihn vor diesen Schädigungen 
seines Bockes schützen, und dennoch — hatte ich z. B. keine ein- 



232 Officiere in Civilkleidiiog. 



adge weisse Hose, welche i^icht schon nach wenigen Wochen Ton 
Jodtinctur,. Tinte u. s. w. gezeichnet war. Dieselbe Gefahr droht dem 
Bock. Reinlichkeit und tadellose Kleider sind aber unTermeidlich 
mit der Idee Uniform verbunden, und wenn ich auch manchen Offi- 
cier kannte, der nach drei Tagen ebenso nette und sauber weisse 
Hosen hatte, als ich nach drei Stunden, so sah ich selten einen 
Arzt ohne Flecken auf seiner weissen Hose. Nebstdem geschieht es 
häufig; daas die Menschen unter den weissen E^leidem kein Flanell- 
leibchen und keine Unterhosen tragen. Greradezu widerlich ist der 
Anblick eines solchen Rockes, welcher durch den Schweiss gezeichnet 
ist, und geradezu gefährlich kann eine solche E^eidung werden, wenn 
ein . kalter Wind die durchnässten Eleider auf dem Körper zum 
raschen Verdunsten bringt. 



Das gesellschaftliche Leben in Tjilatjap beschränkte sich auf 
den Verkehr mit einigen Beamten, dem Platz-Commandanten und 
einigen Handelsleuten. Zu den ersteren gehörten der Assistent- 
Resident und der Chef-Ingenieur der EisenbaJm. 

Der Assistent-Resident C . . . war ein Halbeuropäer. Da er 
seinen Beruf mit voller G-ewissenhafidgkeit erfüllte und oft Anlass 
nahm, mit mir darüber zu sprechen, bekam ich einen Einblick in 
den Wirkungskreis der Verwaltungsbeamten. Ich finde die Stellung 
eines solchen geradezu ideal; er ist ein Patriarch stricte dictu. 
Patriarchalisch ist ja überhaupt die indische Regierung, und der 
Resident der Provinz Banjumas ist gewissermaassen der Ober- 
patriarch über die 1,213,792 >) Einwohner, welche diese Provinz zahlt; 
wenn ich mir jedoch eine Vei^ieichung mit der militärischen Organi- 
sation erlauben darf, so ist der Resident der Bataillons-Commandant 
und der Assistent-Resident der Commandant der Oompagnie. Dieser 
letztere ist also mehr im Contact mit dem kleinen Mann; er lernt 
die Leiden und Freuden seiner Unterthanen aus erster Quelle 
kennen, und das Wohl und Wehe der ganzen Bevölkerung findet 
in ihm einen Beschützer, wenn er seine Stellung richtig erfasst. 
Nominell steht der kleine Mann unter der Herrschaft des einge- 
borenen Fürsten, welcher Beamter der holländischen Regierung ist. 



^) Die Provinz Banjamas ist 10t,oi8 Quadrat-Meilen gross und zählt 989 
Europäer, 5033 Chinesen, 7 Araber, 123 Orientalen und 1,207.690 Eingeborene. 



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I 

.8 



Eingeborene Beamte. 233 



Dieses weiss er und fühlt es täglich. Es ist ihm aber auch bekannt^ 
•dass jener »der jüngere Bruder ist«, dem der europäische Beamte 
als älterer und erfahrener Bruder in allen Verwaltungs-Angelegen- 
heiten rathend zur Seite stehen muss. Der Tact, mit welchem 
der Assistent-Besident dieses Princip in Anwendung bringt, ermög- 
licht ihm, ein Wohlthäter seines Bezirkes zu sein, denn in jedem 
der eingeborenen Fürsten sitzt noch immer der alte Tjrrann, der 
den »kleinen Mann« als recht- und schutzloses Wesen betrachtet. 
Trotzdem sieht dieser in dem Begenten den angestammten recht- 
massigen Herrscher, dessen Antlitz er nicht einmal würdig ist zu 
sehen, und nur sehr selten wird er es wagen, sich über ihn zu be- 
klagen. Dieses Gefühl der Anhänglichkeit an den angestammten 
Herrn wird natürlich genährt von den Fürsten, trotzdem sie Beamte 
mit sehr hohem Grehalt sind, und von der Geistlichkeit. Diese 
sehen sich als Verkünder des reinen Gottesglaubens im Gegensatz 
zu den Kafirs, und sind also per se die Bundesgenossen der Häupt- 
linge. Von der Autorität der eingeborenen Fürsten gegenüber dem 
Gros der Beyölkerung zieht Holland den grössten Nutzen; es ist 
dadurch im Stande, mit einer Armee ron imgefähr 15,000 euro- 
päischen Soldaten nicht nur die 26,000,000 Seelen Javas, sondern 
auch den ganzen indischen Archipel zu beherrschen. Dies ist der 
punctum saliens der indischen Begierungsweisheit, die Autorität der 
Fürsten nicht zu untergraben, und andererseits den kleinen Mann 
gegen die Willkür und Despotismus seiner Häuptlinge zu beschützen; 
dazu gehört Tact und zwar sehr yiel Tact von Seiten des Assistent- 
Besidenten. Dass im Ganzen und Grossen die Mehrzahl dieser 
Beamten diese Boutine besitzt, und dass das Begierungsprincip 
«in richtiges sei, dafür spricht der Erfolg. Indien ist in diesem 
J^Jirhundert ein blühender Staat geworden, und die Sicherheit der 
Person ist — grösser als in Europa. 

Wie viel jedoch ohne Wissen und Willen der Begierung gegen 
das Begierungsprincip der europäischen Beamten gesündigt wird, 
lässt sich schwer beurtheüen; viel ist es nicht, weil vom »Beamten 
zur Verfügung« bis zum Besidenten Jeder seine Spione hat; aber 
es kommt manchmal vor, dass die Politik des Strausses die Bicht- 
schnür eines Beamten ist, weil er sich dadurch viel Arbeit und 
»£lusah«>) erspart. Wenn z. B. der Besident in einen Bezirk zum 



>) r^ Schwierigkeiten. 



234 Eingeborene Beamte. 



Besuche kommt und einige Tage bei dem Regenten wohnt, der unge- 
fähr 12,000 Oülden jährlichen Gehalt hat, so wird dieser Häuptling 
die Hühner für seinen Gast von dem kleinen Mann ohne Bezahlung 
verlangen, weil doch auch dieser »hoch erfreut über die Ehre des 
hohen Besuches sein müsse«, und wenn der Gemüsegarten des 
»Wedono« >) vom Unkraut gereinigt werden muss, so müssen die 
Bewohner der umliegenden Dörfer dieses thun, weil sonst der 
Assistent über die Unreinlichkeit des Dorfes unzufrieden wäre. 
Wenn der Regent eine Scheuer für seinen reifen Reis bauen will, 
die vielleicht 10 fl. kosten würde, könne er unmöglich das Aner- 
bieten (?) der Dorfbewohner zurückweisen, welche ihm damit eine Auf- 
merksamkeit oder Ueberraschung bereiten wollen, und wenn hundert 
Kuüs seinen Acker bepflügen wollen, weü sie gerade an diesem 
Tage keine andere Arbeit hätten, warum sollte er es nicht an- 
nehmen statt sie müssig herumgehen und vielleicht Diebstahl oder 
Mord verüben zu lassen!? (Solche Herrschergelüste haben in früheren 
Jahren auch die europäischen Beamten gehabt; die Journalistik 
deckte jedoch diese Uebelstände schonungslos auf, und sie ver- 
schwanden nach und nach.) Wo solche Erpressungen stattfinden^ 
kennt sie in den meisten Fällen der Controlor oder der Assistent- 
Resident; aber sie wollen sie oft nicht sehen, weil sie nicht immer 
— der Stütze der Regierung resp. des Residenten sicher sind. Wenn 
nämlich die Regierung nicht freie Verfügung über eine genügende 
Truppenmacht hat und fürchten muss, ein energisches Auftreten 
nicht mit einer' oder zwei Compagnien Soldaten unterstützen zu 
können, dann wiU sie von kleinen Missbräuchen der Amtsgewalt 
von Seiten eines einheimischen Fürsten nichts wissen, und wenn der 
Assistent-Resident einen solchen Wink nicht verstehen will, so wird 
er einfach transferirt, und der schuldige Regent bekommt einen 
fürchterlichen Verweis. Die Transferirung des Beamten jedoch ist 
für den Nachfolger des Assistent-Residenten ein deutlicher Befehl, 
durch die Finger zu s^hen, und für den Regenten der deutlichste 
Beweis, in seinem Thun und Lassen von den ewigen Rathschlägen 
seines :&älteren Bruders« sich nicht beirren zu lassen. Zu groben 
despotischen Ausschreitungen der Fürsten« kommt es gegen* 
wärtig auf Java nicht mehr, und bei kleinen Tyrannengelüsten 
schliesst die indische Regierung so lange die Augen, bis sie die 



^) Der Häuptling des Bezirkes mit einem monatlichen Gewalt von 100 — 200 ß. 



Gehalt eines Begimentsarztes. 236 

Macht hat, energisch gegen sie auftreten zu können. Leider ist sie 
diesbezüglich vom Abgeordnetenhaus in Holland abhängig, und be- 
Tor der Schuster und Schneider in dieser »Kammer« das nöthige 
Geld zur Errichtung einiger neuen Bataillone Soldaten bewilligt, 
muss die Noth sehr hoch gestiegen sein. Wenn auch nämlich der 
General-GouTemeur (mit einem jährlichen Q^halt von 120,000 fl« 
und neuer Einrichtung des Palastes in Buitenzorg) als Vertreter des 
Königs von Holland gegenüber den eingeborenen Fürsten das Becht 
über Krieg und Frieden hat und zugleich Oberbefehlshaber der 
Armee und der Marine ist, so untersteht er doch der Oberaufsicht 
des Ministers der Colonien, und dieser ist wiederum der Majorität 
des Abgeordnetenhauses für dessen ganzes Thun und Lassen in den 
Colonien verantwortlich; dieses Verhältniss veranlasste also die in 
Lidien landläufige Phrase: Ueber das Schicksal von Millionen Javanen 
entscheidet der Greisler (Kruidenier) in Holland. 



Der erwähnte Oberingenieur, welcher den Bau der Eisenbahn 
zwischen Tjilatjap und Bandong leitete, ist seit dieser Zeit gestor* 
ben; er war ein tüchtiger Ingenieur, ein Ehrenmann imd hat mich 
zu grossem Danke verpflichtet. Er hat mir nämlich in liebenswür- 
diger Weise staatliche Anerkennung, und zwar in klingender Münze 
verschafft. Die Einkünfte eines Begimentsarztes sind in Lidien 
nicht schlecht; aber ich hatte durch die Erkrankung meiner Frau 
ausserordentliche Ausgaben, und somit waren ausserordentliche 
EiBnahmen mehr als erwünscht. Der Normal-Monatsgehalt eines , 

Begimentsarztes ist nämhch 400 fl. ; nach 8 jähriger ununterbrochener 
Dienstzeit bekommt er die erste Zulage von 25 fl. monatlich, nach 
12jäbriger Dienstzeit weitere 50 fl. und nach 4 Jahren wieder 25 fl. 
Erhöhung; nebstdem bezieht er als Zulagen monatlich: 30 fl. für 
Pferdefourage, 50 fl. für civile Dienste und freie Wohnung oder 
60 bis 100 fl. Quartiergeld, je nachdem er sich in einer grösseren oder 
kleineren Garnison befindet. Für einen ledigen Begimentsarzt, der 
standesgemäss leben will, ist dieser Gehalt mehr als hinreichend; 
denn er kann gewiss jeden Monat wenigstens 100 bis 200 fl. ersparen. 
Ein verheirateter Begimentsarzt kann, wenn er auch zwei bis drei 
Kinder hat, ohne Sorgen davon leben, und selbst bei einer grösseren 
Zahl von Kindern braucht er keine Schulden zu machen, wenn 
er einen bescheidenen Haushalt führt, d. h. keine Equipage hält, 
wenig Conserven gebraucht, kerne feinen Weine trinkt und eventuell 



236 Gehalt eines Begimentsarztes. 

die SQeider seiner Frau aus Europa kommen lässt. Wohnt er in 
einem Orte, wo kein zweiter Arzt ist, dann wird allerdings in den 
meisten Fällen eine Equipage nöthig sein. Die Unkosten einer sol- 
chen sind jedoch nicht hoch, vielleicht 20 bis 30 fl. pro Monat, und 
werden natürlich durch die Privatpraids reichlich aufgewogen. 

Auch ich hatte eine kleine Priyatprazis in Tjilatjap, obwohl mein 
Vorgänger sich dieser Gunst des Schicksals nicht erfreuen konnte. 
Ich schreibe dies der Thatsache zu, dass ich die Bestimmungen der 
Armenpraxis nicht engherzig au£Fasste. Wie schon früher erwähnt, 
haben die Armen und die europäischen Beamten mit einem Ge- 
halte unter 150 fl. pro Monat Recht auf freie ärztliche Behandlung 
und Medicamente. Nach einer Bücksprache mit dem Assistent-Re- 
sidenten war es mir ganz überlassen, diese gesetzlichen Bestimmun- 
gen so weit als möglich auszudehnen, und thatsächlich fand dies- 
bezüglich niemals eine Controle statt. Am Ende eines jeden Mo- 
nats reichte ich die Rechnung für Medicamente ein, welche für das 
Frauenhospital und »die arme Beyölkerung« abgeliefert wurde, und 
diese ging zur »Regulirung« den dienstlichen Weg yom Kriegs-De- 
partement zu dem des Innern. Für die Praxis aurea galten äho- 
üche Bestimmungen. Ich musste am Ende eines jeden Monats eine 
Liste der Arzneien und etwaiger Instrumente -anfertigen, welche ich 
an Privatpersonen verabfolgt hatte, und der Betrag dafür, nach dem 
officiellen Preis-Courant berechnet, wurde um 20 ®/o erhöht von dem 
Zahlmeister der Garnison bei dem nächsten Monatsgehalt einge- 
setzt. Im Grossen und Ganzen ist dies ein Vorgang, der eii^r- 
seits an die Rechtlichkeit des Arztes appellirt, andererseits die Non- 
chalance desselben unberücksichtigt lässt. Häufig geschieht es, dass 
der Arzt am Ende des Monats pour acquit de conscience aus dem 
Gedächtnisse zwei Listen anfertigt, wie es ihm eben einfällt; zu einer 
regelmässigen Buchführung hat er weder die Zeit noch die Müsse, 
und vielleicht auch nicht die Geschicklichkeit; je kleiner die Liste 
ist, die er anlegt, desto besser; denn die Verrechnung von 10 Gramm 
Soda z. B., von dem das Kilo 17 Cts. kostet, oder von 0'15 Gramm 
Morphium ist eine langweilige Arbeit. Nebstdem werden diese Rech- 
nungen in Batavia controlirt, und wenn nur V« Ot. unrichtig ist, 
kommt die Rechnung zurück, und bei Wiederholung derselben schwebt 
das Damoklesschwert der »oberflächlichen und nachlässigen Admini- 
stration« über dem Haupte des Schuldigen. Ich kann nur auf diese 
ungesunden Verhältnisse hinweisen, ohne etwas Besseres dafür mit- 



An Malaria erkrankt. * 237 



theilen zu können; vielleicht ist Jemand anders diesbezüglich glück- 
licher. 

Aber auch auf die Behandlung der Patienten wandte ich daa 
Reglement der Armenpraxis im weitesten Sinne an. 

Alle Arbeiter^ Tagschreiber und Aufseher der Eisenbahnwerke 
behandelte ich gratis^ obschon sie keine Armen und keine Beamten 
waren. Sie waren keine »Armen«, weil sie durch einen Erwerb 
die Bedürfhisse des Lebens deckten, und sie waren keine Beamten, 
weil sie nur per Tag angenommen und auch jeden Tag entlassen 
werden konnten. Dies war das Hauptmotiv für mich, diese ephe* 
meren Existenzen gratis zu behandeln. Der Oberingenieur 0. scheint 
jedoch anders darüber gedacht zu haben, denn im Juli bekam 
ich unerwartet den Erlass der Regierung, dass mir für die Be* 
handlung des Personals, welches beim Bau der Eisenbahnlii^ie 
l^atjap^Bandong beschäftigt war, eine monatliche Zuli^e von 
100 fl. gegeben werde, und einen Monat später kam ein zweiter 
Erlass, dass diese Zulage begonnen habe von dem Tage meiner 
Ankunft in Tjilatjapü Diese Freigebigkeit ist geradezu aufEallend 
gewesen, weil die indische Regierung gegenüber ihren Beamten und 
Officieren schon seit ungefähr zehn Jahren die Sparsamkeit in recht 
unangenehmer Weise anwendet, so z. B. giebt sie dem neueintreten« 
den Apotheker keine Zulage für Pferdefourage, die Zahl der Be«* 
amten wird verkleinert u. s. w. 



Niemand wandelt ungestraft unter den Palmen, und Jedermann 
bekommt in Tjilatjap sein Fieber. In früheren Zeiten war dieser 
Ort selbst ein bevorzugter Verbannungsplatz der Fürsten von Solo 
und Djocja. Missliebige Fürsten wurden von diesen beiden Potentaten 
am liebsten nach Tjilatjap in Verbannung gesendet, weil sie ohne 
Dolch und ohne Gift am schnellsten und am sichersten für ewige 
Zeiten von dort verschwanden. Heute ist es damit nicht so arg 
bestellt. Der Regent z. B. war ein kräftiger, junger Mann, der 
während meines einjährigen Aufenthaltes mich nur einmal con- 
sultirte imd nur dreimal Antipyrin gegen seine Fieberanfälle holen 
liess. 

Ich selbst glaubte von jeher immun gegen Malaria zu sein, nach* 
dem ich 1877 eine schwere Krankheit durchgemacht hatte, welche 
mir zwei Tage lang das Bewusstsein geraubt hatte. Nach dieser Zeit 



238 ^^ Malaria erkrankt. 



kabe ich beinahe jedes Jahr nur einmal einen Fieberanfall Yon 38 bis 
400 init Schiittelfrost gehabt, der ohne Medicamente verschwand und 
nicht wieder zurückkam. Was jedesmal dieser isolirte Fieberanfall 
bedeutete, weiss ich heute ebenso wenig als damals. Ich hielt mich 
also gegen das GKft der Malaria gefeit und lebte unbesorgt in 
Tjilatjap. 

Ich hatte schon die Durchschnittsdauer aller früheren Collegen 
tiberschritten und war schon sieben Monate in Tjilatjap, ohne einen 
Fieberanfall bekommen zu ]^aben; ich war gewöhnt, wie ich soeben 
erwähnt habc; jedes Jahr einmal, und gewöhnlich unter dem SchiffiBbade, 
einen Schüttelfrost zu bekommen mit einer Achsel«Temperatur von 
ongefär 39 ^^ C; auch diese ephemeren Erscheinungen hatten sich 
noch nicht eingestellt; ich fühlte mich jedoch nicht wohl; ich verlor 
den Appetit, vertrug aber das Essen ganz gut; ich wurde leicht 
müde, ich musste wiederholt und selbst in Gesellschaft gähnen, oft 
überfiel mich ein Frösteln, ohne dass die Körpertemperatur 37 <^ C. 
überstieg; die Cigarre schmeckte mir wie immer, aber gegen 11 Uhr 
bekam ich Brechreiz, welcher ausserordentlich schmerzhaft war. 
Der Magen war nämlich leer, seine peristaltischen Bewegungen 
konnten also keinen Inhalt zu Tage bringen; ich hatte dabei das 
Gefühl, als ob ein Dutzend Basirmesser durch die Magenwände 
schnitten. Mir fehlte für diese Erscheinungen das richtige Ver- 
ständniss; wenn ich auch an eine chronische Malariavergiftung dachte, 
so schloss ich sie dennoch aus, weil ich sie für unmöglich hielt, 
ohne dass eine acute Attaque vorausgegangen wäre. Ich schrieb also 
alles dem »S^lima« zu. Aber nur zu bald sollte ich erfahren, dass 
es eben auch eine primäre »chronische Malaria« gebe, und dass 
ich ein Opfer derselben sei. 

Eines Tages erhielt ich von dem Assistent-Besidenten die offi- 
cielle Einladung, mit ihm das Gefängniss zu inspiciren, um etwaige 
hygienische Mängel zu constatiren, und zwar sollte dies um 8 Uhr früh 
stattfinden. Ich hatte meine erste Wohnung im Osten des Flüsschens 
Osso verlassen, weil sie sich in einem öden, verlassenen Viertel be- 
fand, und ein Haus an der grossen, schönen Strasse bezogen, wel- 
ches die Wohnung des Begenten mit dem Hause des Officiersclubs 
verband. Der Assistent-Besident kam, um mich mit seiner Equipage 
abzuholen, und nach Ablauf der Inspection ersuchte ich ihn, en passant 
bei imd mit mir das Frühstück einzunehmen. Bei dieser Gelegenheit 
stellte sich ganz unvermittelt und so unerwartet Erbrechen ein, dass 



An Malaria erkrankt. 239 



die Eruption längs der rechten Seite meines Gastes ihren Weg 
nahm und ihn beschmutzte. Hierauf hatte ich 40 ^ C. Körpertem- 
peratur und zum ersten Male das ausgesprochene Bild eines acuten 
Malariafiebers. 

Jetzt fireilich hatte ich den Beweis, dass es eine primäre chronische 
Malaria gäbe. 

Meine Frau hat jedoch viel später als ich das Entröe de 
campagne bezahlt; während ich Ende des Jahres 1877^ also nach 
einem Aufenthalte von 13 Monaten, in den Tropen die erste nicht 
unbedeutende Erkrankung mitgemacht hatte, blieb meine Frau vier 
Jahre lang vollkommen gesund; ja noch mehr; während sie vor ihrer 
Abreise von Holland 56 Kilo wog, kam sie nach halbjähriger An- 
wesenheit auf das stattliche Gewicht von 73 Kilo und behielt seit- 
dem immer circa 70 Kilo ; bis auf eine kleine Attaque von Masern 
blieb sie auch vollkommen gesuud. Ich schrieb diese rasche und 
grosse Gewichtsztmahme dem bequemen Leben in Indien zu. In 
Holland bewohnt jede Familie ein ganzes Haus mit zwei, oft dr6i 
Stockwerken. Indien hat bis auf nur wenige Ausnahmen nur 
Wohnhäuser ohne Stockwerke. Da nebstdem in Holland, besonders 
in grossen Städten, der Baugrund theuer ist, so werden die Häuser 
hoch, und zwar auf kleiner Basis gebaut. Die Wohnräume vertheilen 
sich also auf zwei oder drei Stockwerke, und die Hausfrau muss 
gewiss zehn bis zwanzig Mal des Tages die Treppen auf- und ab- 
steigen. Dabei sind diese Stiegen oft unglaublich steil. Das Treppen- 
steigen erfordert aber noch mehr Anstrengung der Muskulatur und 
des Herzens als das Bergsteigen, es ist also eine bedeutende Arbeit, 
welche auf Kosten des Gesammtorganismus geleistet werden muss. 
Diese Consumption des Köfperfettes kennen die Frauen in Indien 
nicht, und darum ist es verständlich, wie Prof. Geer nachwies, dass 
die mitüere Lebensdauer der holländischen Damen in Indien grosser 
als in Holland ist. Ich möchte aber bezweifeln, ob diese Sparung 
der Ej*äf(;e vor allem die Ursache ist, dass die Frauen seltener an 
Fieber erkranken als die Männer. Diese Thatsache ist zwar nicht 
allgemein anerkannt; aber wenn ich mein Kranken- Journal zu Bathe 
ziehe, muss meine JBhfahrung dieselbe Thatsache cönstatiren; nebst- 
dem ist a priori das Gegentheil nur schwer zu verstehen und zu 
erklären. In allen Ständen der Gesellschaft setzt sich ja der Mann 
den Schädlichkeiten des Tropenklimas mehr und viel häufiger aus 
als die Frau, imd ob wir nun nach Prof. Koch die Mosquitos be- 



240 An Malaria erkrankt. 
f 



schuldigen, die Träger des Malariagiftes zu sein, oder ob wir Abs 
Trinkwass^, nnd besonders die eingeathmete Luft die Malaria- 
plasknodien in unseren Korper einführen lassen, immer ist der Mann 
durch seine Beschäftigung und durch seine Lebensweise mehr als 
die !EVau deu Gefahren der Ii^ection exponirt. 

Auch meine Frau blieb, wie oben angedeutet wurde, Tom Fieber 
nicht Verschont. Sie hatte aber keinen Frostanfall im Anfange der 
Krankheit, • wie es beim schulgerechten Fall geschieht, sondern wurde 
kurzathmig, bekam Hustenreiz und wurde mttde; sie fühlte sdch 
wie geschlagen, wurde blass im Gesicht, bekam Kopfschmerzen, der 
Puls erreichte die Zahl 120, die Kespiration stieg auf 30 bis 40,' die 
TlHaperatur auf 39 <^, und manchmal stellte sich Diarrhöe ein. 
[Auch Dr. van der Burgi) theilt mit, dass in HoMndisch-Indien 
der Fieberanfall sehr oft ohne Käitestadium verlaufe.] Wenn der 
Puls kräftig war, gab ich in diesem Stadium 1 Gramm Antipyrin, 
und war er minder voll, liess ich das Antipyrin mit einem Gläschen 
Cognac oder Portwein nehmen. Nach wenigen Stunden war die 
Temperatur auf 37*8 oder 38^ gesunken, und es trat ein gewisses 
Wohlbefinden ein, welches die Patientin veranlasste, das Bett zu 
verlassen. Dies dauerte einige Tage hindurch, und manchmal trat 
mit dem Sinken der Temperatur eine starke Transpiration ein. Erst 
als Aach dem Fieberanfalle die Körpertemperatur auf 36*6 ^ gefallen 
war, wusste idi aus Erfahrung bei vielen hundert anderen Patienten^ 
dass der Anfall des Malariafiebers sein Ende erreicht hatte. Vier 
Monatö dauerte das fieberfreie Intervall meiner Frau. Anfangs 
Deoember kam der B.esident mit seiner Frau von Banjumas, um 
petsSnlich mit den europäischen Familien Tjilatjaps Bekanntschaft 
zu machen. Es folgten natürlich Feste auf Feste zu Ehren der 
h<dien Gäste; besonders interessant war der Ausflug nach den Tropf- 
steinhöhlen der Insel Kambangan und nach den Pfahlbauten in 
der Kindersee. Am 6. December war ein Ball im Casino, an 
dem auch meine Frau theilnahm. Aber schon nach dem ersten 
Tanze bekam sie einen so heftigen Frostanfall, dass wir den Ball* 
saal verlassen mussten. Im TJebrigen war der Zustand meiner Frau 
deriselbe als vor vier Monaten, und zwar die *am häufigsten vor- 
kommende Form von Malaria. Nur wurde diesmal die Dauer be- 
deutend abgekürzt; die Frau des Residenten O. hatte beim Abschied 
aus dem Ballisaale ihre Gastfreundschaft angeboten, für den Fall^ 

n. Theil. Seite 73. 



An Malaria erkrankt. 241 



als meine Frau Tjilatjap sollte verlassen müssen. Diese Dame 
kannte nns erst wenige Tage, und dennoch folgte sie der Begung 
ihres guten Herzens, welche ihre Basse charakterisirt, meiner Frau 
für unbestimmt lange Zeit G-astfreundschaft anzubieten, »weil ihr 
Hans im Gebirge lag und gewiss eine sehr geeignete Stätte war, 
einen Malariapatienten von dem Fieber zu befreien«. 

Frau Resident O. war nämlich eine Halbeuropäerin, welche, wie 
allgemein behauptet wird, die Tugenden und Fehler der beiden 
Kassen, der Europäer und der Malayen, in sich vereinigen. 6e¥ris8e 
Europäer, welche in der Beschränktheit ihrer Ekfahrungen sich 
gerne auf die Präponderanz ihrer Basse stützen, um mit Gering- 
schätzung von den indischen Nonnas und Sinjus zu sprechen, 
könnten und müssten noch vieles ^) von jenen Halbeuropäem lernen, 
welche ich z. B. in Tjilatjap kennen gelernt habe, um ihnen an 
Herzensgüte gleich zu kommen. 

Nachdem das Fieber meiner Frau zwei Tage angehalten hatte, 
entschloss ich mich, von der angebotenen Gastfreundschaft der 
Frau O. Gebrauch zu machen und brachte die Patientin nach Ban- 
jumas. Zu diesem Zwecke ersuchte ich den Stationschef zu Maos, 
einen Wagen nach Banjumas für mich zu miethen, welchen der 
Hotelier L. zu diesem Zwecke in dieser Station bereit hielt; es 
war ein alter Landauer, welcher mit vier javanischen Pferden be- 
spannt war. Das Gteschirr war alt und schmutzig, aber mit Windes- 
schnelle flogen die kleinen Pferde über den Weg, ob es bergab oder 
bergauf ging. Mit bewunderungsvrürdiger Sicherheit leitete der 
Kutscher die Pferde. Als wir uns bei Glambongdem Serajothal(Fig. 16) 
näherten, lag zu unserer Linken ein hundert Meter tiefer Abgrund, 
der Weg krümmte sich beinahe zu einem Winkel von 90^^, mit 
unerschütterlicher Buhe trieb der javanische Kutscher die Pferde 
über den Bergrücken, während wir uns krampfhaft an die Wände 
des Wagens fest hielten, weil wir fürchteten, aus dem Wagen in die 
Tiefe des Abhanges geschleudert zu werden. Endlich erreichten wir die 
Hauptstadt der Provinz, welche sich über eine ungeheure Fläche 
ausbreitet. Oft sind tausend Meter zwischen zwei Häusern, so dass 
Jeder eine Equipage halten muss, um nur mit seinem Nachbar ver- 
kehren zu können. Die einzige Sehenswürdigkeit ist das Haus des 
Besidenten, obwohl es sich in seiner Bauart gar nicht von allen 



>) Vide I. Band, Seit6 145. 

Brttii«Bii«|]i, 21 Jahr« Ib ladton n. 16 



242 •A.n &talaria erlmakt. 



übrigen Häaseni unterschied; es war im alt-griechischen Stile ge^ 
baut mit Torderer und hinterer Säulenhalle. Zu seiner Rechten be- 
fand sich der Pavillon für die G-äste^ welcher auch meiner Frau ange- 
wiesen wurde. Es waren fünf Gastzimmer, von denen eins meine 
Frau bezog. Die Babu schlief vor dem fiette auf dem Boden, und 
vor dem Pavillon stand die ganze Nacht die Polizeiwache. 

Bewunderungswürdig war der feine Tact, mit welchem Frau 
O. ihre Rechte und Pflichten als Gastgeberin gegenüber ihren Gästen 
erfüllte; unter dem Verwände, im Allgemeinen meine diätetische Be- 
handlung der Malariakranken hören zu wollen, suchte sie alle Ge- 
wohnheiten und Lieblingsspeisen meiner Frau zu erfahren, und, was 
noch mehr Tact verrieth, sie beschäftigte sich mit meiner Frau nach 
meiner Abreise gerade so viel, dass diese sich weder langweilte, 
noch durch das »zu viel« belästigt fühlte. 

Die Flucht aus dem Malariaherde und der Aufenthalt in Ban- 
jumas ermöglichten eine schnelle Heilung meiner Frau. Schon nach 
zehn Tagen konnte sie ihre Gastgeberin verlassen und hatte bis 
zu dem heutigen Tage keine Attaque von dem Malariafieber mehr, 
weil sie, wie ich behaupte, seit dieser Zeit immer gekochtes Wasser 
getrunken hat oder weil sie, wie Prof. Koch behauptete, immun 
geworden war, trotzdem sie noch Jahre lang in Städten wohnte, 
in welchen die Mosquitos geradezu Orgien feierten. Auf mich 
setzten sich diese Thierchen nur so selten, dass ich glaubt«, gegen 
Mosquitostiche immun zu sein ; überall, wo ich es thun konnte, schlief 
ich mit offenem Mosquitonetze und — bekam einen zweiten An- 
fall von acuter Malaria, so dass ich endlich um ärztliche Hülfe 
resp. um Ablösung von Tjilatjap ersuchen musste. Am 19. Januar 
1891 kam Dr. X. mich untersuchen, und am 20. Januar sass 
ich um 6 ühr Morgens in der Eisenbahn, um in Djocja von 
dem Fieber befreit zu werden, ich hatte kaum die zweite Station 
Ejroja erreicht, als ich die Wohlthat der Flucht aus einem Fieber- 
herde kennen lernte und fühlte. Ein herrliches Wohlbefinden be- 
mächtigte sich meiner, obzwar die Gegend zwischen Maos und Kroja 
noch nicht sumpffrei ist, und das Fieber verliess mich wie mit 
einem Zauberschlage. 

Dr. X., welcher nach Tjilatjap kam, hat mir, ohne es zu 
wissen und auch nur zu ahnen, einige bittere Stunden der Angst 
und Furcht bereitet. Im Jahre 1888 verliess ich nämlich Sumatra 
mit dem geheimen Auftrage, auf meiner Reise in A. zu landen, 



An Malaria erkrankt. 243 



WO Dr. X. in Gramison lag. Obschon es feste Regel war^ dass 
aus dieser Garnison die Officiere nach drei Monaten abgelöst 
worden, weil sie noch ärger als Tjilatjap von der Malaria heimge- 
sacht war, so hatte Dr. X. schon nach vierzehntägigem Aufenthalt 
um Transferirung ersucht mit der Mittheilung, dass er Ton der 
Malaria bereits seit acht Tagen inficirt sei. Ich sollte' also Dr. X. 
untersuchen und je nach dem Befunde ihn eyacuüren und einen 
anderen jungen Oberarzt, welcher mir mitgegeben wurde, den Dienst 
übernehmen oder im anderen Falle den zweiten Oberarzt mit dem 
nächsten Schiffe nach der Hauptstadt zurückkehren lassen. Dr. X. 
klagte mir sein Leid, dass er jeden Tag das Fieber bekomme 
und zwar in den Morgenstunden. Ich nahm die Temperatur auf 
und fand 37*2 ^; ich untersuchte seine Milz und Leber, sie waren 
nicht yergrössert; ich sah mich also zur Erklärung gezwungen, dass 
keine dringende Ursache vorhanden sei, ihn sofort zu evacuiren, 
und befahl also dem mitgekommenen Oberarzt B.. mit dem nächsten 
Schiffe nach K. zurückzukehren. 2^/2 Jahre später kam nun der- 
selbe Dr. X. nach Tjilatjap mit demselben Auftrag, d. h. mir ärzt- 
liche Hülfe zu leisten, mich, wenn es nöthig sein sollte, zu evacuiren 
und den Dienst in diesem verrufenen Orte zu übernehmen, oder aber 
mich weiter in Tjilatjap verbleiben zu lassen. Zu seiner Ehre sei 
es jedoch gesagt, dass er sofort meine Evacuation beschloss und 
den Dienst übernahm; am folgenden Morgen verliess ich diesen 
stärksten Malariaherd von ganz Java nach einem Aufenthalt von 
einem Jahre. 

In Djocjai) wiederholten sich weder bei nur noch bei meiner 
Frau die FieberanfäUe; es besitzt ein herrliches Klima und wird 
mit Hecht von den Aerzten als Luftcurort für Malariapatienten ge- 
priesen; es liegt 113 Meter hoch und ist lange nicht so feucht als 
-z. B. das in der Nähe gelegene Magelang; dadurch transpirirt man 
besser, die Transpiration verdampft schneller und besser; man er- 
müdet nicht so leicht; weil nebstdem die Luft - Temperatur 
niedriger ist, so geht auch die Secretion der Nieren leichter von 
Statten; gerne und sogar mit Vorliebe machte ich vor der »Ryst- 
tafel« um die Mittagsstunde einen Spaziergang, was z. B. in Batavia 
oder Samarang geradezu undenkbar ist. Ich wohnte nämlich im 



Ist die Verkürzung des Namens Jogjakarta, ebenso wie Solo im täglichea 
Leben für Surakarta gebrancfat wird. 



16* 



Djoqjft. 



Hotel TugUy welches sich in der Nähe des Bahnhofes befindet; von 
hier aus ging links eine grosse und breite Strasse, nur von Chinesen 
bewohnt^ zu dem Platze, auf welchem sich einerseits das Fort, 
andererseits das Residenzgebäude und im Hintergrunde der Kraton 
befanden. Nur zu häufig wird man bei seinem Spaziergange durch die 
Stadt an die herrschende Begierungsform erinnert. In kleineren 
Provinzialhauptsfädten, wie z. B. Madiun oder Banjumas, sieht man 
hin und wieder hinter dem Besidenten den »Kanarienvogel« mit 
dem goldenen Pajong (Sonnenschirm) oder hinter dem Klienten 
einen Pajong tragen, welcher halb weiss und halb grün mit ver- 
goldeten Streifen und Spitze ist; in Djocja jedoch wird der Pajong, 
der für jeden der hundert Würdenträger seine bestimmten Farben 
hat, sogar über die Schale Früchte gehalten, welche z. B. der 
Kronprinz dem Conunandanten der Leibgarde zum Geschenke 
schickt; natürlich ist auch die Grösse des Gefolges bei jeder Qte- 
legenheit nach den strengen Gesetzen der Etiquette berechnet; 
in diesem Falle begleiteten fünf Mann den Bedienten, welcher 
die Früchte trug. 

Das Sultanat Djocja besitzt nämlich wie das Elaiserthum von 
Surakarta eine dreifache Regierung, und da sie einander so ziemlich 
ähnlich sind, wird die Beschreibung einer der beiden hinreichen, 
um ein Bild beider Staaten geben zu können. Beide haben nur 
den Schein der Selbständigkeit, auch wenn sie den Eingeborenen 
gegenüber kein Mittel unbenutzt lassen, ihre ganze Macht und Herr- 
lichkeit zur Schau zu tragen; so z. B. geschah es bei einem öffent- 
lichen Empfange, bei welchem der Kaiser von Solo und der Resident 
auf gleichen Thronsesseln sassen, dass unter die Füsse des Thron- 
sessels des Kaisers kleine Stückchen Holz geschoben wurden, wo- 
durch 'dieser höher als der europäische Beamte sass. Beide Reiche 
haben zusammen nicht mehr als 169 Q Meilen und doch noch vier 
Fürsten, d. h. zwei Kaiser mit je einem unabhängigen Prinzen, und 
führen alle vier einen fürstlichen Hof halt. Wie wenig sie regierende 
Fürsten stricte dictu sind, möge Folgendes illustriren: Die Reichs- 
Verweser der beiden Staaten werden vom Gouverneur-General ernannt 
und beziehen von dem holländischen Staat ihren Gehalt. Die Thron- 
folge wird nur mit Wissen und Zustimmung der holländischen Regie- 
rung festgestellt. Die Regierung über die Europäer und »firemdea 
Orientalen«, als Araber, Chinesen u. s. w. geschieht durch den Resi- 
denten. Dieser hat die Aufsicht über die Polizei, Rechtspflege,. 



Djocja- 245 

Steuern der ganzen Provinz. Die Wälder und Vogelnester sowie das 
Opinmmonopol gehören dem holländischen Staate. Das Land 
darf nnr unter jenen Bedingungen an Europäer verpachtet werden, 
welche das Departement des Innern für ganz Indien festgestellt 
hat. Das Strafrecht ist das für ganz Indien giltige. Die unab- 
hängigen Prinzen sind nebstdem Officiere der indischen Armee h la 
suite. Der Prinz Mangku Negara Sohir^) von Solo ist einOolonel 
und erhielt früher einen Gehalt von 36,720 Gulden jährlich und 
Ö3y000 Gulden Subvention für den Unterhalt seiner Truppen, während 
Prinz Paku*Alam von Djocja als Lieutenantcolonel im Ganzen nur 
51,000 fl. erhielt. — Die Leibgarden beider Kaiser stehen unter einem 
europäischen OfGcier und gehören ebenfalls zur indischen Armee. Der 
Susuhunan von Solo erhält als Entschädigung für den Abstand der 
oben angedeuteten Hoheitsrechte und Staatseinkünfte eine Apanage 
von 805,318 fl., und der Sultan von Djocja 471,600 fl. Das sind 
freilich hohe Summen, welche die holländische Begierung für die 
Souveränität über diesen kleinen Theil von Java bezahlt. Den 
holländischen Chauvinisten sind diese zwei Scheinpotentaten mit ihren 
zwei Gegenfürsten ein Dom im Auge, weil sie die letzten Antipoden 
ihrer unbeschränkten Herrschaft über Java sind. Es sei ein Ana- 
chronismus, am Ende des 19. Jahrhunderts solche Despoten mit 
rein mittelalterlicher Regierungsform der europäischen Civilisation 
entgegentreten zu sehen. Das sind natürlich Phrasen. Ein unga- 
rischer Stuhlrichter erlaubt sich, wenn nicht mehr, so doch gewiss 
ebenso viel Willkür gegen die Bürger seines Stuhlrichteramts, als der 
Kaiser von Djocja. Es ist ja eine Scheinregierung, und den For- 
derungen der modernen Rechtspflege, der Sicherheit von Personen 
und Eigenthum wird durch die europäischen Beamten Rechnung 
getragen. Es ist eine Geldfrage und nichts anderes. Holland aber 
hat sich zur Bezahlung dieser Summe verpflichtet, und so lange 
diese Potentaten ihren Verpflichtungen nachkommen, kann und darf 
es der Erfüllung seiner Pflichten sich nicht entziehen. Ja noch 
mehr, der ganze Hofhalt dieser beiden Fürsten, die öffentlichen 
Staatsfeste (gärebegs), das prunkvolle Auftreten in der Oeffentlich- 
keit ist einerseits ein unschuldiges Vergnügen dieser kleinen Poten- 
taten, und andererseits erhöht dies die Machtstellung der holländi- 
schen Begierung nicht nur den Eingeborenen, sondern auch Holland 
und vielleicht ganz Europa gegenüber. 



*) Sein Titel ist: Pangeran, Adipatti Ario Prabu Prang Wedono. 



246 Djocja. 

Was die politische Seite dieser Frage betrifit, so sind ja die 
Gegenfürsten in beiden Reichen eine ausgezeichnete Erfindung 
der holländischen Principien: Divide et impera. Die ganze Ver- 
gangenheit, die ganze Geschichte des grossen Reiches Matarams 
sind ja Bürgschaft genug, dass die letzten Glieder dieses mächtigen 
Fürstenhauses niemals vereint gegen Holland auftreten werden; ja 
noch mehr, wenn die Eifersucht der zahlreichen Fürsten unterein- 
ander nicht immer und immer ein gemeinsames Auftreten gegen 
Holland unmöglich gemacht hätte, würde niemals eine europäische 
Macht dort festen Fuss gefasst haben. Die Deutschen in Afrika, 
die Franzosen in Tonking, die Engländer in Indien u. s. w. hätten 
überhaupt keine Golonien gründen können, wenn die Eingeborenen 
mit vereinten Kräften den Eroberem entgegengetreten wären. Nicht 
die Macht der europäischen Civilisation und nicht die Ueberlegen- 
heit der europäischen, Waffen haben Europas Colonien im fernen 
Osten gegründet, es war die Uneinigkeit der Eingeborenen und ihrer 
Fürsten, welche eine Ansiedlung der Eroberer ermöglicht hat. 

Wenn also jemals einer der beiden Kaiser die Abhängigkeit 
von HoUand lästig finden sollte, lauert schon sein Gegenfürst auf 
die Nachfolge in der Herrschaft, welche ihm durch die Hülfe Hol- 
lands sicher zu Theil werden würde. Sollte einer dieser soge- 
nannten unabhängigen >) Fürsten jedoch mit seinem Confrater ge* 
meinsame Sache gegen Holland machen wollen, so würde er 
unbedingt den Kürzeren ziehen, denn er ist der Stossballen 
zwischen dem Souverän und seinem VasaUen, und er ist sich 
dessen bewusst. 

Die Stadt Djocja mit 58,267 Einwohnern (worunter 1826 Euro- 
päer und 3478 Chinesen sind) hat aber noch aus anderen Ursachen 
ein eigenthümliches Gepräge. Die Beamten und Offidere spielen dort 
keine dominirende Bolle, sie sind ja häufigen Transferirungen 
unterworfen. Tonangebend sind in Djocja die »Landherren«, 
weil sie, wenn auch nicht in der Stadt selbst ihre Fabriken 
und Wohnungen haben, doch ihre freie Zeit im Club oder bei 
Freunden in der Stadt zubringen. Wenn auch die ^»fetten Jahre« 
schon vorüber sind, in denen der Zucker mit 16 fl. per Pikol be- 
zahlt wurde, und sie sich begnügen müssen, wenn sie 8 fi. dafür 



^) Sie sind von dem Sultan, aber nicht von Holland unabhängig. 



Djocja. 247 

.bakommen, so ist z. B. das Spiel um hohe Preise im Glab an der 
Tagesordnung. Ein Pikol KafFee für »das Capitaal« beim l'hombre 
war selbst eine lange Zeit ein gewöhnlicLer Preis. Nebstdem pflan- 
zen die Europäer Indigo. Diese drei Producte werden nach Europa 
exportirt Für den einheimischen Markt werden Keis, Tabak, Mais, 
Pfeffer und Kapok gepflanzt >) An der Südküste befinden sich die 
Höhlen für die essbaren Nester der Schwalbe (hirundo esculenta) 
und 8 Eälometer von Pleret entfernt liegt der alte Kirchhof von 
Imagiri, bewachsen mitNelken ^) undMesuenbäumen, zu dem 360Stnfen 
emporführen. Ein kleiner Teich, zwei Yorhöfe mit Mauern, und 
mit den Gräbern zahlreicher Fürsten (Pängörans) und zweier Frauen 
des Sultans Agung, mit grossen Martavanen (Töpfen) mit heiligem 
Reinigungswasser für die Füsse umgeben das letzte Grab, welches 
mit Zimmt- und Nelkenbäumen beschattet ist. Hier soll Sultan 
Agung selbst den ewigen Schlaf ruhen. 

Am Seestrand liegt eine schöne Grotte, welche in der ganzen 
Geschichte des Mataramschen Reiches eine grosse Rolle gespielt 
hat und noch heute spielt; denn noch Tor einigen Jahren flüchtete der 
Kronprinz von Djocja nach der Grotte der Ratu Lara Kidul — 
dies ist nämlich ihr Name — , um sich hier mit Fasten und 
Beten zum Kampfe igegen die Kafirs vorzubereiten. Die Regierung 
schickte einfach eine Schwadron Cavallerie dahin und störte ihn so 
sanft als möglich in seinen- ascetischen Betrachtungen. Da ich sie 
selbst nicht gesehen habe, wiU ich die von Yeth gegebenen Be- 
schreibungen folgen lassen, obwohl er niemals auf Java gewesen ist 
und sie also auch nicht aus Autopsie kennt. 

2>Die Grotte ist schief, unregelmässig gezackt, lö ' lang, 7 * breit 
und nirgends mehr als 10 ' hoch. Aber von ihrem Gewölbe hängen 
zahlreiche blau-weisse, aus concentrischen Schichten geformte Sta- 
laktiten in der Form von Eiskegeln, Orgelpfeifen oder kleinen Py- 



Die Provinz hat 16 Zuckerplan tagen, 4 Indigo- und. Zuckerplantagen, 
27 Indigoplantagen, 1 Kaffeeplantage, 2 Tabakplantagen, 1 Tabak- und Kaffee- 
plantage und 1 Tabak- und Indigoplantage, ist 66,472 Quadrat-Meilen gross und 
zahlt zu seinen Einwohnern 2128 Europäer, 4110 Chinesen, 86 Araber, 144 Orien- 
talen und 787,774 Eingeborene. (Im Jahre 1892.) 

^) Caryophillus aromaticus wird von den Chinesen unter dem Namen Tin 
sjong als Aphrodisiacum gebraucht, und auch die Liebestranke der Javanen be- 
stehen aus bumbu tschinke (Nelken), Rapatholz (Cleghomia . cymosa) und aus 
Matjaän (Nuces Qnerci infectoiiae). 



248 n Klima schiessen'^. 



famiden herab. Die Wände der Gtrotte haben die Form von Sänlen,« 
^reiche duroh tiefe Furchen Ton einander getrennt sind; von ihren 
Spitzen und Zähnen am Gewölbe tröpfelt immerwährend das Wasser, 
80 dass ein natürliches Tropf- und Regenbad entsteht, welchem sie 
den Namen Karang tr^täs = Tropf höhle verdankt. Das kalk- 
haltende Wasser sammelt sich in kleinen Bächen und fiiesst sanft 
murmelnd nach aussen. An dem Eingang der Grotte wachsen 
Farmkräuter und Moose, welche von unten incrustirtsind, so dass 
sie oben noch wachsen und grün sind, während sie auf der Basis 
zu einer Steinmasse verkalkt sind.« 

Das Dolce far niente der Italiener hat sein Pendant in dem 
»Klima sehiessen« in Indien, in dem »Stündchen der Dämmerung« 
der Holländer und in dem procul negotiis der Römer. Entrückt 
allen Sorgen des täglichen Lebens giebt man sich der vollkommenen 
Ausspannung des Gastes hin, ohne zu denken, ohne zu träumen 
und nur zu fühlen, und zwar dem G^nuss der Kühle der frühen 
Morgenstunde oder dem sanften Zephyrwehen einer kühlen Abendluft. 
Dies ist das »Klima schiessen« der Indier. — Besonders in Djocja 
war es ein herrliches Gefühl, nach dem Abendessen, welches im 
^otel um 9 Uhr beendigt war, in der »Vorgalerie« in einem 
Schaukelstuhle zu sitssen und — nichts zu denken, nicht zu tiäumeu 
und sich ganz dem Genuss der Tropennacht hinzugeben. Die 
Temperatur war in der Regel ungefähr 20 <> C, der Himmel unbe- 
deckt; die Oriongruppe, das südliche Kreuz und die Venus strahlten 
in schillerndem Lichte, und nur selten wurde die Ruhe durch einen 
vorbeifahrenden Wagen gestört. Des Morgens ist ein »Klima 
schiessen« weniger angenehm. Zum richtigen »Klima schiessen« 
gehört ja die indische Haustoilette, Nachthose, Kabaya (Leibchen) 
und Pantoffeln, welche den Körper nirgends beengen; dazu ist es aber 
in Djocja zu kühl; man muss sich Bewegung machen, um die kühle 
Morgenluft von 17 <^ C. angenehm zu finden, oder man muss sich 
»kleiden«. In Djocja sind allerdings die Etiquettenregeln hinsicht- 
lich der Toilette nicht strenge; die Stadt ist ja durch und durch 
»indisch«, d. h. die Mehrzahl der Europäer ist entweder in Indien 
geboren oder ist von gemischter Rasse. Wenn sich auch die 
Männer so ziemlich der europäischen Mode anschliessen, so entziehen 
sich doch die »indischen Damen« so viel als möglich dem Scepter 
der Mode Europas und bleiben so viel als möglich, d. h. oft Tage, 



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Der Tempel Pruabinan. 249 



Wochen, wenn nicht Monate lang in der indischen Toilette: Sarong, 
£[abaya, Kutang^) und Pantoffeln. Sie huldigen dabei ebenso viel 
der Eitelkeit als auch der Bequemlichkeit. Man sieht also in 
Djocja nach 6 Uht firüh die meisten Europäer, nachdem sie ihre Schale 
warmen Kaffee zu sich genommen haben, in indischer Toilette in 
den Strassen spazieren gehen und zwischen 7 oder 7^/a Uhr nach 
fiause zum Frühstück eilen; um 8 Uhr beginnt das Business. 

Für mich waren in Djocja auch die Stunden des Vormittags 
dem Nichtsthun geweiht; wenn man jedoch Jahre lang an 
intensive Arbeit gewöhnt war, dann ist der Müssiggang ein bis zwei 
Tage lang sehr angenehm, den dritten und vierten Tag redet man 
sich ein, dass das Nichtsthun angenehm sei, aber am Ende der 
ersten Woche tritt das Schreckgespenst der Langenweile in. dem 
Hintergrunde des täglichen Lebens auf. Den ganzen Tag zu lesen 
ist ja auch ermüdend, wenn man gesund »am Herzen und der Seele 
ist«. Bekannte oder Freunde kann man ja auch nicht aufsuchen, 
weil sie in ihrem Berufe thätig sind; in dem Club erscheinen erst 
um IV 1^ bis 12 Uhr die Mitglieder; ich besuchte ihn aber nicht 
gern, weil ich nicht gewöhnt war, etwas zu trinken, ich langweilte 
mich also in der ersten Hälfte des Tages. Die zweite Hälfte ging 
jedoch viel rascher vorbei; um 1 Uhr ging ich zur »Rysttafel« und 
nach dieser zu Bett; um 4 Uhr stand ich auf, nahm. meinen Thee 
und ein Glas Eiswasser, las die unterdessen angelangten Briefe und 
medicinischen Zeitungen, ging um 5 Uhr ins Schiffsbad und warf mich 
danach in europäische Kleidung. Der Zustand meiner vergrösserten 
Leber und Milz erlaubte zwar nicht grosse Spaziergänge; eine Stunde 
lang hielt ich es in der^Regel aus, und um 7 Uhr konnte ich meine 
Bekannten aufsuchen, nachdem ich vorher um die Erlaubniss ge- 
beten hatte, )>mit meiner Frau meine Aufwartung machen zu 
können«. Um 8 Uhr ging ich nach Hause, nahm das Abendessen, 
und punkt 11 Uhr begab ich mich zu Bette. 

Schon nach der ersten Woche liessen die Schmerzen in der 
Leber bedeutend nach, so dass ich mich zu grösseren Ausflügen 
entschliessen konnte. Die Provinz Djocja ist ja sehr reich an alten 
Tempeln, besonders in der Nähe der Ghrenze der Provinz Sura- 
karta, und die bedeutendsten sind die von Prambänan (Fig. 17). 
Eines Tages entschloss ich mich also, mit meiner Frau und 
einer Ingenieursfamilie dahin zu gehen; um 7 Uhr 10 Min. 



«) Vide I. Theil, Seite 75. 



250 ^cr Tempel von Prambanan. 

und 12 Uhr 21 Min. geht die Eisenbahn von Djocja nach Sami- 
rang, und nm 9 Uhr 43 Min. nach Solo. Beide Züge konnte ich 
benutzen, weil sie beide in der Station Prambanan anhalten; für die 
Rückfahrt konnte ich die Züge benutzen, welche von Samarang (yia 
Solo) nm 11 Uhr 46 Min. und 3 Uhr 34 Min. oder von Solo allein 
um 6 Uhr 5 Min. ankommen. 

Auf Wunsch unserer Reisegenossen fuhren wir mit dem Zuge 
um 12 Uhr 21 Min. Leider trugen die Waggons den Anforderungen 
des Tropenklimas in keiner Weise Rechnung; ja noch mehr; vielfach 
wird sogar behauptet, dass sie aus zurückgestellten und untauglichen 
Waggons Hollands bestanden. Die zweite Classe hatte zwar hölzerne 
Bänke mit Sitzflächen aus Rohr; sie sollten aber auch Fauteuils 
haben, weil man in Indien noch leichter als in Europa durch eine 
vielstündige Fahrt ermüdet; für VentilatioD ist beinahe gar nicht ge- 
sorgt, und noch weniger für Gränge an den Längsseiten. (Für 
Speisesalonwagen ist bis jetzt noch kein Bedürfniss.) 

Glücklicherweise dauerte die Fahrt nicht länger als ungefähr 
eine Stunde. Die »Halte« Prambanan liegt an der Grenze Sura- 
kartas. Dort mussten wir noch beinahe eine Viertelstunde zu Fuss 
zurückgehen, bis wir nach einer kurzen £jrümmung des Weges 
plötzlich den schönsten Tempel von ganz Java vor uns sahen. Der 
Buru Budur ist grösser, ist colossaler, ist vielleicht zehn bis zwanzig 
Mal so gross als dieser; schöner in den Detailarbeiten ist gewiss der 
von Prambanan. Ich kann leider nur eine Beschreibung des 
Aeusseren aus Autopsie geben, weil mir damals das Treppensteigen 
zu viel Schmerzen verursachte und es mir unmöglich war, das 
Linere zu besichtigen. Li der Mitte des Tempels war nämlich eine 
grosse Oeffi[iung nach Osten, und dahin führte eine steinerne Treppe 
ohne Geländer; die einzelnen Treppen waren vielleicht 40 cm hoch, 
und sofort nach meinem ersten Versuch, hinauf zu kommen, musste 
ich wegen intensiver Schmerzen in der Leber zurückkehren. Doch 
ich sah genug, um die Baukunst der alten Hindu bewundern zu 
köimen und das Bedauern meiner Frau . gegenüber zu äussern, dass 
ganz Europa von diesen wunderschönen Resten alter Sculpturen bei- 
nahe gar keine Ahnung hat. >) Selbst die holländischen Officiere und 
Beamten durchziehen gleichgiltig den ganzen Archipel, ohne sich 
hier, wäre es auch nur für einen Tag, aufzuhalten, und nur wenn 



>) Abgesehen von einigen Fachgelehrten. 



D^e „Tausend Tempel**. 251 



sie., der Dienst zwingt, in Djocja, Solo oder Magelang einige 
Monate oder Jahre zu bleiben, dann nehmen sie sich die Mühe, 
diese Stätte des alten Hindudienstes an&osuchen! Ich habe (im 
Jahre 1884) bei Kairo eine Pyramide und eine Sphinx gesehen, 
und unbefiriedigt zog ich weiter, weil das Massive und das Grosse 
dieser zwei Denkmäler alter Baukunst eben auf mich keinen Ein- 
druck machten. In Prambänan jedoch stand ich entzückt Tor einer 
Schatzkammer der Bildhauerkunst. Der Tempel selbst war vielleicht 20 
bis 25 Meter hoch, und seine. Länge und Breite schätzte ich auf unge- 
fähr 20 Meter. Die Basis hatte übrigens die Form eines russischen 
Kreuzes mit der Längsfront nach Osten; im Süden schloss sich ein 
zweiter noch mehr verfallener Tempel (tjandi J.) an. An dem 
ersteren konnte man noch die ursprüngliche Form vermuthen; sie 
war die eines Kegels; der zweite jedoch war eine. Ruine, welche 
w^dirscheinlich mehr durch den Vandalismus der Mohamedaner als 
durch den Zahn der Zeit gelitten hat und heute eine formlose 
Menge zahlreicher und unzählbarer gemeisselter Steine ist. Ueberall 
zerstreut und offenbar durch die Sorgfalt der jetzigen Regierung 
gegen die Tempel angelehnt liegen wunderschöne Reliefs und Haut- 
reliefs; es sind die bekannten Figuren der indischen Bildhauer; aber 
feiner ausgearbeitet, und jedes einzelne Stück verräth den Meister. 
Einige Stücke, welche sich rechts von dem Eingange an die Grund- 
mauer frei lehnten, würde ein Thorwaldsen nicht besser geliefert 
haben, und diese Schatzkammer der indischen Bildhauerkunst ist 
hier unbewacht und unbeschützt dem Sturm des Wetters und der 
Zeit ausgesetzt!! Das Innere desselben habe ich ebensowenig ge- 
sehen als die »Tausend Tempel«, welche ungefähr 1 Kilometer 
hinter Prambänan liegen; ich lasse also, — natürlich nur auszugs- 
weise — Veth's Beschreibung hier folgen: ^) 

:»Wenn man sich von Djocja nach Solo begiebt, kommt mau 
zunächst an den Tjandi (Tempel) Kalason oder Tj. Kali Bening,^) 
vrelcher einer der schönsten und besten bearbeiteten Tempel von ganz 
Java und ein wenig rechts vom grossen Wege abseits gelegen ist 
Er wurde gebaut in der Form eines griechischen Ejreuzes mit her- 
vorspringenden Ecken und hatte, vier Räume. Das Ganze ruhte 
auf einem Fussstück, welches in schönster Abwechselung von glatten 



' * Vide Veth, Java II, Seite 91 ff. 
' ' *) Kali Bening ist ein häufig vorkommendet Name für kleine Bäche = 
klarem Flüsschen. . i • .. 



252 ^i« „TMuend Tempel' 



Leisten und Bändern mit Blumen und Vasen umzogen war. Da- 
rauf erhoben sich die Wände mit Wunderschön Terzierten Thtiren, 
welche von Fächern mit flachen Nischen flankirt waren. In jeder der- 
selben stand ein beinahe lebensgrosses Bild mit dem Gürtel der Brah- 
manen um die Lenden, und zwar als Hautrelief. Die Eingänge lagen 
nach den Tier Himmelsrichtungen und hatten über dem oberen Bande 
eine nackte Frau, welche mit den Füssen eingeschlagen auf dem 
Boden sass. Man kam auf Treppen dahin, welche jetzt durch Weg- 
nahme der Steine beinahe ganz verschwunden sind. Ein wunder- 
schönes Pilaster und Kronarbeit umfasste die Eingänge, und diese 
waren wiederum nur ein Theil eines zweiten Pilasters, welches sich 
bis an die Kronleiste der ganzen Gebäude erhob. Glatte Leisten 
zogen hier auf zwei colossalen Elephantenköpfen mit hoch erhobenem 
Rüssel herab, welche sich auf jeder Seite des Einganges befanden. 
Sie trugen eine Krone, welche aus kleinen Tempeln mit Pflastern 
und pyramidenförmigen Dächern bestand, und diese waren wieder 
bis zur Spitze mit Figuren bedeckt, welche in der verschiedensten 
Weise die Demuth und Ergebenheit anzeigten. Zwischen der Krone 
und den Leisten über dem Eingange war das gewöhnliche Monster, 
von den Javanen Banaspati genannt, breit, ohne Unterkiefer, mit frei 
hängenden Haaren und fürchterlich hervorstehenden Augen. Darüber 
zog sich um das ganze Gebäude eine massive Elronleiste, welche 
von einer ganzen Reihe Figuren getragen wurde, welche wiederum 
die Hände über dem Kopf, die Küiee und den Nacken gebogen 
hielten.« lieber den letzten Theil des Daches kann man nichts Be- 
stimmtes mittheflen, weil es abgefallen und mit Wucherpllanzen aus- 
gefüllt war; wie auch Fig. 17 zeigt, hatte es Pyramidenform, welche 
die meisten dieser Tempel charakterisirt. 

»Drei Nischen sind noch deutlich zu sehen, und man hat da- 
rin Buddhabilder entdeckt, welche auf dem Lotusthrone sassen. Der 
Eingang gegen Osten war am schönsten verziert, und hier war auch 
der grösste SaaU Vor diesem Zimmer war eine Halle, 3 Meter breit 
und 5 Meter lang, mit drei Nischen für Figuren und mit einem ver- 
schwenderischen Reichthum an Laub und anderen architektonischen 
Verzierungen. Von hier aus kam man in den Hauptsalon von quadra- 
tischer Form, ungefähr 12 — 13 Schritte breit und lang, und gewiss 
20 Meter hoch; eine der Wände ist von einem Piedestal eingenom- 
men, worauf wahrscheinlich der Gott sass, dem der Tempel geweiht 
war. Von diesem ist jetzt keine^ Spur mehr zu finden. Die drei 



Die „TMisend Tempel''. 253 



anderen viel kleineren Zimmer waren in gleicher Weise eingerichtet, 
hatten aber keine Vestibüle. Auch aus diesen sind die Glottesbilder 
Terschwnnden. Die Länge und Breite von dem Gebäude betrug 
20 Meter, und die Höhe wird wohl zur Zeit, als das Dach com* 
plet war, 23 Meter betragen haben.« 

Von den zahlreichen Ruinen, welche in den »Fiirstenländem« 
gefunden wurden, habe ich, wie erwähnt, nur den Tempel Ton Pram- 
bänan gesehen. Leider warmes mir nicht gegönnt, auch die »tau- 
send «c Tempel zu sehen, und ich muss mich daher begnügen, ihrer 
mit einigen Worten aus dem Werke Veth's Erwähnung zu thun. 
Bei Kalasan findet man grosse Ruinen von dem »Palast von Pram- 
bänan«; l>/2 Kilometer weiter ist die Tjandi »Loro Djongrang«; 
ebenso weit ist die Tjandi Söwu und die Tjandi Lumbung. Die 
»tausend Tempel« = Tjandi S^wu ist eine Gruppe von 254 Tem- 
peln, welche wahrscheinlich sowohl dem Dienst Siwah als des Buddha 
geweiht waren. Es fällt mir die Wahl schwer, aus den Beschrei- 
bungen das Interessanteste mitzutheilen, und ich yerlasse dies Thema 
momentan um so lieber, fds ich später Gelegenheit hatte, den Riesen- 
tempel Buru Budur und deji von Mendut in der Provinz Kedu zu 
sehen, welche beide ich sowohl vom ästhetischen als vom historischen 
Standpunkte aus werde beschreiben müssen. 

Die alten Hindu müssen ein Volk von Bildhauern gewesen 
sein. Wenn ich die ungeheure Zahl der Bilder berechnen wollte, 
welche diese tausend Tempel besitzen, ich käme zu Ziffern, welche 
kein Land in Europa aufweisen kann; ich muss es auch wieder- 
holen, ich sah in den Ruinen, welche bei. dem grossen Tempel zu 
Prambdnan zerstreut längs der Mauer lagen, einzelne Reliefs, welche 
an Reinheit der Formen beinahe mit denen einer Broncefigur wett- 
eiferten. Eins verstehe ich nicht, die ganze civilisirte Welt schwärmt 
von den Pyramiden Aegyptens, und niemand spricht von dieser 
reichen Schatzkammer von Sculptur und Architektur, welche Java 
in seiner Mitte birgt. 



Das Fieber hatte sich seit meinem Aufenthalte in Djocja nicht 
wieder eingestellt, der Magen begann wieder regelmässig zu fimctio- 
niren, der Appetit kam zurück, die schnelle und leichte Ermüdung 
wich, und nur ein zeitweiliger Schmerz in der Leber und hin und 
wieder in der rechten Schulter erinnerten mich an die überstandene 



254 Wieder nach Ng^awie. 



Halaria-InfectioD. Regimentsarzt X. besuchte mich einige Male in der 
Woche, und eines Tages entdeckte er — eine Geschwulst im Py- 
lorus! ^) Die häufigsten Geschwülste an dieser Steile sind der Krebs. 
Bo niederschmetternd diese Diagnose für mich auch war, so wenig 
dachte ich an ihre Richtigkeit, ohne es aber wissenschaftlich be- 
gründen zu können. 

Vielleicht hielt mich das Bewusstsein aufrecht, dass sich bei 
einem Carcinom des Magens unmöglich das allgemeine Befinden so 
bessern könnte, wie es bei mir der Fall war. Ich hatte leider dies- 
bezüglich schon einige Erfahrung, solche schweren Diagnosen der 
Collegen mit gewisser Vorsicht aufzunehmen. Im Jahre 1883 litt 
ich an einem Blasenkatarrh und liess mich im Militärspital zu 
Batavia aufnehmen. 

Nach vierwöchentlicher Behandlung bekam ich »wegen Morbus 
Brightii«^) Urlaub nach Europa. Ich hatte im Jahre 1884 kein 
Nierenleiden und ich habe es glücklicherweise heute noch nicht. 
Ich hatte im Jahre 1891 keinen Pyloruskrebs und ich habe ihn heute, 
nach acht Jahren, glücklicherweise auch noch nicht. 

Am häufigsten werden die Officiere, welche an Malaria 
gelitten hatten, auf ärztliches Zeugniss des Garnisondoctors in 
ein »kühles oder Berg -Klima« tränsferirt; für Aerzte gab es 
in der zweiten »Militär - Abtheilung« hinreichende Garnisonen, 
welche diesen Bedingungen entsprachen: Salatiga, wo die Ca- 
yallerie ihren Stab hatte. Magelang, wo 2 bis 4 Bataillone lagen, 
Willem I und Djocjakarta, welches für alle Militärärzte ge- 
radezu ein Eldorado war. Ein herrliches Klima, Gelegenheit zu 
einer Privatpraxis von 800 — 1000 fl. pro Monat, leichter und ange- 
nehmer Dienst, eigenthümlich interessanter Verkehr mit den Fürsten 
der Provinz und mit den Landherren, die günstige Lage an einer 
Eisenbahn, waren Vorzüge, welche selten vereint in einer Stadt in 
Indien gefunden werden. Ich war jedoch kein Fieberpatient, ich 
hatte einen Pyloruskrebs (??); über meine weitere Zukunft musste 
also die Superarbitrirungs-Commission in Samarang entscheiden. Am 
7. Februar ging ich also nach Samarang und liess mich, freiwillig 
gezwungen, in das Militär-Spital aufnehmen. Es besteht nämlich keine 



^) Der Pförtner, das ist der Schliessmoskel, welcher den Magen von dem 
daranliegenden Zwölffingerdarm abschliesst. 

*) Diese Niereherkrankung sollte Ursache meiner Pensionirung werden. ' • 



Wieder nach Ngawie. 255 



YerpflichtuDg für einen Ofificier^ sich im Spitale behandeln zu lassen; 
mit verschiedenen Phrasen zwingt man jedoch jene Officiere dazu, 
welche man maassregeln will. Bei mir war Folgendes der Fall: 
In Ngawie war der Schwager des Sanitätschefs in Garnison, welcher 
> wegen G-esondheitsrücksichten« nach Europa gehen wollte; er er- 
schien mit mir gleichzeitig »Tor der Commission«. Er bekam sein 
diesbezügliches Gesundheitszeugniss und wollte sofort seine Reise 
antreten, worauf er gerechnet hatte. Ich selbst war zur Disposition, 
also sollte und musste ich wiederum nach Ngawie; dafür musste 
jedoch eine Ursache gefunden werden, weil ich Reconvalescent nach 
Malaria war und als solcher ein »kaltes resp. Berg-Klima hätte er- 
halten sollen«. Diese Ursache konnte nur gefunden werden, wenn ich im 
Spitale selbst beobachtet werden konnte. Es wurde mir also nahe gelegt, 
wie zweckmässig für mich eine Behandlung und Beobachtung im 
Spitale wäre, weil die Differentialdiagnose zwischen Lebertumor und 
Magenkrebs auf sichere Basis gestellt werden müsse. 

Ich liess meine Frau bei einer bekannten Ofiiciersfamilie 
Gastfreundschaft gemessen, ging ins Spital, und schon nach drei 
Tagen war die Diarrhöe constatirt, welche es dringend, nöthig 
machte, dass ich wieder nach Ngawie versetzt wurde. Die Com- 
mission constatirte, dass ich keinen Magenkrebs, sondern eine Leber- 
vergrösserung hätte, und diese dürfe, wenn sie mit Diarrhöe gepaart 
ginge, nur in einem )^ warmen Klima« behandelt werden. Ich theUte 
tiem behandelnden Arzte mit, dass ich seit dem Jahre 1886 stets 
in den heissesten Garnisonen gelebt hatte, welche ganz Indien 
kenne, 2 Jahre in Atschin, l^s JsJar in Ngawie und 1 Jahr in 
Tjilatjap, dass ich geradezu Bedürfniss hätte, meinen durch das 
Malariafieber erschöpften Organismus in einem Bergklima Erholung 
zu gönnen, dass der kurze Aufenthalt in Djocja dies bewiesen hätte, 
aber Roma locuta est. Ich wurde wieder nach Ngawie versetzt. 

Für Officiere, welche keine Frau haben, oder für die Be- 
handlung gewisser Krankheiten, welche z. B. eine Operation 
nöthig machen, ist die Spitalsbehandlung in Indien aus vielfachen 
Ursachen der häuslichen Pflege vorzuziehen; denn die Ver- 
pflegungsgebühren für einen Ofiicier sind nicht hoch; er bezahlt 
als Lieutenant 2,50 fl., als Hauptmann 3 fl. und als Stabsofficier 
5 fl. pro Tag und erhält eine in jeder Hinsicht reichliche Tafel mit 
Getränken (Wein, Mineralwasser u. s. w.) und ein grosses Zinmier. 
Natürlich ist es conditio sine qua non, dass der Spitalschef auch für 



256 Spitalbehandlung der Ofüciere. 

Abwechselung in dem Menn sorgt. Wenn in Berlin eine Koch- 
schale als Postulat für Aerzte erklärt wird, wie viel nöthiger sind 
gastronomische Stadien für einen Militärarzt in Indien. In meiner 
ganzen zwanzigjährigen Laufbahn sah ich nur einen einzigen Chef* 
arzt um die Küche des Spitals in gleicher Weise wie um afle 
anderen Zweige seines Dienstkreises besorgt. 

Für verheiratete Officiere wird in Indien die Au&ahme in ein 
Spital nur bei grösseren Operationen eine Nothwendigkeit, und da- 
rum verpflichten die geseteUchen Bestimmungen keinen Ofiicier, ins 
Spital gehen zu müssen. Muss die Superarbitrirungs-Commission 
^ine Entscheidung über einen Urlaub nach Europa^ über Penaioni- 
Tung u. s. w. tre£Feny so ist der bisherige Modus agendi nicht immer 
•zweckmässig. Der betreffende Candidat wird von dem »Garnison« 
doctor« behandelt und beobachtet; dieser erstattet einen ausführ- 
lichen schriftlichen Bericht über seine Beobachtungen, macht seine 
Vorschläge, verfasst eine zweckentsprechende Ejrankengeschichte, und 
auf Grund dieser Berichte entscheidet der Präsident der Commissiou, 
ob und wann sich der Candidat der Commission vorstellen solL 
Sie untersuchen den Patienten auf Grund der erhaltenen Mit- 
theilungen und sind in der Begel in der Lage, ein Urtheil über 
die Vorschläge des Garnisondoctors aussprechen zu können. In 
einzelnen Fallen, ist aber eine längere Observation des Candi- 
daten nöthig und wünschenswerth. Ich erinnere mich folgen- 
den Falles aus der Zeit, als ich Mitglied der Superarbitrirungs* 
commission in S. war. OberstUeutenant X. war in Ungnade beim 
Armeecommandanten verfallen, ohne dass dieser gesetzliche Gründe 
hatte, den missliebigen Officier dem Gouverneur - Gteneral ') zur 
Pensionirung vorzuschlagen. Da er seit längerer Zeit ein Magenleiden 
hatte, welches ihn oft an seinem Dienste verhinderte, erging also an 
den Landescommandanten der Befehl, ihn durch eine ärztliche Com- 
mission untersuchen zu lassen. Mir war bekannt, dass sein Leiden 
in einem Magengeschwür bestanden hatte; zur Zeit seiner »Affairec 
befand er sich vollkommen wohl, d. h. objectiv liess sich nichts 
nachweisen. Zwei objective Symptome hätten uns vielleicht in den 
Stand gesetzt, eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose zu stellen imd zwar 
der Gehalt an Magensäure und der Appetit; die erste Frage erregte 



>) Nur die Generäle werden von dem König in Holland ernannt und ver- 
abschiedet. 



Spitalbehandlung der Officierc. 257 

zweierlei bedeutende Bedenken; der Arzt darf ja nicht zum Zwecke 
einer Diagnose, einen sonst gesunden Menschen mehrere Male, sei 
es durch Medicamente, sei es durch die Magensonde^ zum Erbrechen 
zwingen. Nebstdem ist die chemische Untersuchung allein nicht 
im Stande, mit Sicherheit eine Magenerkrankung auszuschliessen 
oder zu constatiren. Bequemer war natürlich die zweite Frage, die 
des Appetites dieses Patienten (?). Mit Zustimmung des Präsidenten 
nahm ich es auf mich, ihn bei seinen Mahlzeiten zu beobachten,, 
und theilte ihm zu diesem Zwecke mit, dass wir nur ein Mittel 
hätten, ihn für gesund zu erklären, und zwar wenn wir in der Lage 
wären, in unserm Attest unsere Ansichten motiviren zu können. 
Natürlich fügte ich hinzu, dass wir seinen Mittheilungen yoUkommen 
Qlauben schenkten, dass aber das Armee-Commando von uns ein 
objectiy^s find motivirtes Urtheil über den Zustand seines Magens 
erwarte. Oberstlieutenant X. verstand mich sofort und lud mich ein, 
Zeuge seines guten Appetites zu sein. Er ass seine ganze »Reis- 
tafel« und brachte den andern Tag den Beweis, dass diese auch 
ganz verdaut war. Es giebt also zahlreiche Fälle, welche die 
Commission veranlassen, den Candidaten eine längere Zeit hindurch 
zu beobachten, bevor sie ihr endgiltiges Urtheil aussprechen kann, 
und darum sollte die gesetzliche Verpflichtung bestehen, dass alle 
Officiere, über welche die Superarbitrirungs-Commission ein Urtheil 
aussprechen muss^ sich — und wäre es nur für einen Tag — ins 
Spital aufnehmen lassen müssen. Mir sind ja Falle bekannt, dass 
Officiere, welche die Controle der Commission fürchten mussten, 
dem Sirenengesang der Phrasen, es wäre in ihrem eigenen Interesse, 
wenn sie sich zur Observation ins Spital begeben würden, u. s. w. 
nicht Folge leisteten, ja selbst brutal ihre Weigerung mit den Worten 
motivirten, sie hätten keinen Beruf, die Arbeit der ärztlichen Com- 
mission zu erleichtem, und — vollen Erfolg ihrer Pläne hatten. 
Mir wurde also wiederum die Garnison Ngawie angewiesen. 

Die »Hölle Javas« eignete sich aber gar nicht dazu, nüch von 
meiner Vergrösserung der Leber zu befreien; die Schmerzen blieben, 
und zwei Monate später (18. April) ersuchte ich wieder, durch eine 
Commission nach einem :» kalten Klima« transferirt zu werden; es 
wurde mir ebenso wenig als drei Monate später die Gelegenheit ge- 
boten, durch einen längeren Aufenthalt in einem Bergklima von 
meinem Leberleiden befreit zu werden, und eine hochgradige Hypo- 
dMHidrie bemächtigte sich meiner, welche am 18. September den 

BreUanitein, 21 J»bre in Indien n. 17 



258 Spitalbehandlung der Officiere. 



Höhepunkt erreichte. An diesem Tage wurde mir .ein Knabe 
gebracht, weicher von einem tollen Hunde gebissen war und sich 
beim Fallen auf die Erde an der Stirn verletzt hatte; ich liess den 
zufällig anwesenden Doctor-djawa die Wunde reinigen, und da die 
Wunde auf der Stirn glatte Ränder hatte, beabsichtigte ich, sie zu 
nähen. Beim Einfädeln stach ich mich in die Finger. Die ge- 
bissene Wunde hatte ich nicht einmal berührt; dennoch — er- 
wachte ich in der darauf folgenden Nacht mit dem Angstgefühl der 
Lyssa!! Ich hatte Schlundkrämpfe, Speichelfluss und eine fürchter- 
liche Aufregung, verbunden mit dem Gefühle, Lyssa zu haben! 

Wenn ich mir auch das Lächerliche und Unwissenschaftliche des 
Gedankens, inficirt zu sein, vor Augen hielt, weil ich gar nicht in 
Contact mit der gebissenen Wunde gewesen war, und weil die Lyssa 
doch wenigstens 5 — 6 Wochen Zeit zur Entwicklung nötfüg hat (In- 
cubations-Zeit), so blieb doch diese fürchterliche Aufregung Tage 
lang bestehen, und erst nach Jahresfrist kam etwas Ruhe in mein 
Nervenleben. Ich war ein Neurastheniker geworden, und diese un- 
billige Behandlung, wegen eines Leberleidens in ein »warmes Klima« 
versetzt zu werden, weil zufälliger Weise eine solche Stelle offen 
war, war natürlich Oel ins Feuer gegossen. Gleichzeitig hatte ich 
Schwierigkeiten mit dem Platz-Commandanten, welche ich früher 
erzählt habe, und welche mir so viele Schreibereien verursachten, dass 
ich bei meinen anderen vielseitigen Arbeiten oft vor 2 bis 3 Uhr 
nicht schlafen gehen konnte; meine Nerven hielten diesen Choc 
nicht aus. Auch ein Mann mit gesunden Nerven wäre ihm erlegen, 
und so wurde der Ausbruch einer acuten Hypochondrie der 
Vorläufer eines Jahre langen Nervenleidens. Major X. ging mit 
Urlaub nach Batavia und scheint dort über meinen Zustand per- 
sönlich Bericht erstattet zu haben, denn kurz darauf wurde ich nach 
Magelang transferirt, welches in der Provinz Kedu auf einer Höhe 
von 384 Metern liegt. 



Ich hielt also wieder Auction von der Einrichtung meines 
Hauses, welche mir 1200 fl. einbrachte, und zog diesmal nur mit 
einigen Kisten beladen nach Magelang. Es hatte sich nämlich bis 
auf meine Equipage für alle Möbelstücke und auch für meine zwei 
Pferde ein Käufer gefunden. Der Assistent-Resident und der Platz- 
Commandant hatten uns für die letzten Tage unseres Aufenthaltes 



Bcibereien in kleinen Städten. 259 



Oastfreundschaft angeboten. Ich konnte es nicht annehmen, weil 
der Oberlehrer der europäischen Schule, Herr X., sobald meine 
Transferirung bekannt geworden war, sofort zu uns gekommen war 
und als selbstverständlich die Hoffnung und den Wunsch aussprach, 
dass wir auch diesmal vor unserer Abreise seine Gäste seien. Er 
und seine Frau waren ehrenwerthe Menschen, welche von dem 
früheren Assis tent^Besidenten boycottirt waren. 

Zur Illustration des Lebens in den kleinen Städten Indiens 
glaube ich den weiteren Verlauf dieses Boycotts mittheilen zu 
sollen. 

Als ich zum zweiten Male nach Ngawie kam, folgte ich meiner 
Gewohnheit, mich allen kleinlichen und engherzigen Streitigkeiten 
fem zu halten, und da diese Familie während meines ersten Aufent- 
haltes nicht nur meine Patienten waren, sondern geradezu liebens- 
würdige Gastfreundschaft an uns geübt hatten, war es nur selbstyer- 
stÄndlich, dass ich und meine Frau den alten Verkehr mit ihnen wieder 
aufnahmen, obschon »das ganze Fort«, d. h. alle Officiere dem Boy- 
cott durch die Frau des Assistent-Residenten sich angeschlossen hatten. 
Diese für diese braven Menschen unangenehmen Verhältnisse än- 
derten sich sofort, als wir sie in den Kreis unserer Bekannten ein- 
zogen und so unzweideutige Beweise unserer Sympathie gaben. Mau 
muss so etwas gesehen oder mitgemacht haben, um zu verstehen, 
dass ich an dieser Stelle davon spreche. Für den gesellschaft- 
lichen Verkehr bot dieser kleine Platz nichts, absolut nichts als den 
Officiersclub, in welchem auch die Bürger Mitglieder waren. In 
dem Club geschah auch nichts anderes als Kartenspielen und Tan- 
zen bei den EQängen eines alten, verdorbenen Leierkastens. Wenn 
nun, was immer an einem Sonnabend geschah, ein ^^geselliger Abend« 
im Club stattfand, bemühte sich Niemand der Anwesenden mit dieser 
Familie; sie sassen allein. Aber die rächende Nemesis brachte ihr 
bald die grösste Satisfaction. Die Frau des Assistent-Besidenteu, 
welche den Bannfluch über diese braven Menschen ausgesprochen 
hatte, war eine energische Dame und ertrug keinen Widerspruch. 
Kurz nach unserer Ankunft mussten auch ich und meine Frau 
den freundschaftlichen Verkehr mit ihr und ihrem Manne leider 
einstellen. Eines Tages erhielt ich nämlich das Ansuchen, ihrer 
Tochter ärztliche Hülfe zu bringen. Ich kam dahin, und bei der 
Treppe empfing mich diese Dame mit der fertigen Diagnose und 

mit der nöthigen Behandlungsweise. Sie theilte mir nämlich mit, 

IT 



260 Reibereien in kleinen Städten. 



dase ihre Tochter Dysenterie hätte und darum eines Abgusses 
von Simaruba bedürfe. Ihre autokratische Sprechweise war mir 
schon bekannt, und darum fragte ich sie mit officiellem Lächeln 
auf den Lippen, ob sie sich nicht vielleicht in- der Diagnose irre 
und ein unschuldiges Hämorrhoidal-Leiden vorläge, und ob keine 
andere Arznei vorgeschrieben werden dürfe, weil gerade bei der 
Dysenterie Simaruba erst in einem späteren Zeitpunkte gegeben 
werden dürfe. (Patientin, ein hübsches Madchen von zehn 
Jahren, stand daneben und hatte gar keine Spur von Dysenterie.) 
Aber für einen Gedankenaustausch war sie nicht zugänglich. 
In gereiztem Tone antwortete sie: 2>Wenn Sie mir die Simaruba 
nicht geben wollen, lasse ich sie mir von Madiun kommen. < 
Die Sache wäre damit erledigt gewesen. Aber ihr Mann glaubte 
jetzt, mich seine Macht als Assistent-Resident fühlen zu lassen. 
Kurz vorher hatte ich ihn ersucht, frischen Vacdnestoff für die 
Bevölkerung kommen zu lassen. Zwei Tage nach meinem Be- 
suche bei seiner Frau erhielt ich einen offidellen Brief mit der 
Nachricht, dass der Vaccinestoff angekommen sei und ich den nach* 
sten Mittwoch in der »Kabupaten«, d. h. in der Veranda des Re- 
genten einimpfen solle. Ich schrieb zurück, dass ich in meiner 
Stellung nach Staatsblad Nr. 68 vom Jahre 1827 keine Befehle von 
ihm annehmen könne noch dürfe, und dass ich nächsten Montag 
im Fort die Frauen und Kinder der Soldaten impfen werde. Er 
wiederum verbot mir, den Vaccinestoff für »meine Militär-Familien« 
zu gebrauchen, worauf ich telegraphisch den Residenten von Madiun 
um firlaubniss ersuchte, den Vaccinestoff für die »Soldatenkinder« 
gebrauchen zu dürfen. Dieser Federkrieg zwischen uns Beiden ent- 
fremdete uns natürlich so sehr, dass jeder freundschaftliche Verkehr 
abgebrochen wurde. 

Den Sonnabend derselben Woche war wieder gemüthlicher Abend 
im Club. Damals spielte sich eine jener Scenen ab, welche so charak- 
tejristisch und so typisch für das Leben in kleinen Orten sind, dass ich 
sie trotz ihrer Unbedeutendheit mittheilen zu sollen glaube. Das 
Clubgebäude bestand, wie wir oben sahen, aus einer grossen »Binnen- 
gaierie«, welche nach europäischer Anschauung Tanzsalon genannt 
werden kann, und der vorderen und hinteren Veranda. Das unent- 
behrliche Möbelstück für jeden Club ist in Indien die »Kletstafel«,!) 



^) Tratschtisch. 



Reibereien in kleinen Städten. 261 

dfts ist ein grosser runder Tisch^ mit einer Stütze für die Eüsse. 
Wenn die Herren um 11 1/2 Vormittags und um 7 Uhr Abends in 
den Club gehen und kein Billard spielen, vereinigen sie sich alle 
an der »Kletstafel« und besprechen etwaige Ereignisse des Tages 
oder die letzten europäischen Nachrichten, oder bearbeiten die grossen 
und kleinen Fehler der Abwesenden zu einer chronica scandalosa. 
Die hintere Veranda des Clubgebäudes zu Ngawie hatte zwei solche 
Tische. Nach imd nach füllte sich die »achtergallery«, und 
zuletzt erschien der Assistent-Besident mit seiner Frau. Liebens- 
würdig grüssten sie nach allen Seiten und setzten sich an den 
Tisch — an welchem wir nicht sassen. Jetzt kam die erste Ent- 
täuschung. In der Begel eilen sofort alle jungen Mitglieder nach 
ihnen, verbeugen sich und wechseln einen Handdruck. Die ver- 
heirateten Mitglieder theilen sich immer und überall diesbezüglich 
in drei wohl charakterisirte Gruppen. Die eine Gruppe hält an 
dem Grundsatze fest, dass es im Club keinen Rangunterschied gäbe, 
und wer zuletzt käme, habe die Pflicht, zu den Anwesenden zu 
gehen und sie zu begrüssen. Die zweite Gruppe sind wahre Oppor- 
tunisten; für diese ist die Machtstellung des Würdenträgers auch 
im Club anerkannt. Man könne nicht wissen, wie man die )» grossen 
Herren« nöthig hätte, imd sie selbst sind und bleiben »die mindere« und 
eilen dahin, um sie zu begrüssen. Die dritte Gruppe ist wieder 
sehr gewissenhaft in der Beurtheilung des Raagunterschiedes; sie 
kennt allein einen Rangunterschied der Männer und nicht der Frauen, 
sie selbst gehen also sofort zum Assistent-Resident und seiner Frau, um 
sie* zu begrüssen, und erwarten dann, dass auch der Assistent-Resident 
sofort zu ihrer Frau gehen werde, um »Aas CompUment abzustechen«. 
Diesen Abend blieb jedoch alles auf seinem Platz — bis auf den 
Platzcommandant, welcher ledig war und seinen neutralen Stand- 
punkt nicht verleugnen wollte. Diese Earaftprobe der Frau O. war 
also nicht gelungen, und eine zweite sollte die Machtstellung dieser 
Dame rehabilitiren. Nach dem pousse-cafe vereinigen sich die ein- 
zelnen Gruppen zu dem eigentlichen Zwecke der Zusammenkunft. 
Einige der älteren Herren und Damen gehen an die Spieltische zu 
einer Partie Whist, L'hombre oder quadrilliren; die Jugend sucht 
und findet sich zum Flirten oder zum Tanzen — Andere gehen ins be- 
nachbarte Zimmer zum Billard und Einige setzen sich zur »Ellets- 
tafel« und gemessen bei einem Glase Grog, sei es ein Brandy-Soda 
oder sei es ein Whisky-Soda — die herrliche Nachtluft. Das 



262 Reibereien in kleinen Städten. 

Tanzen ist aber in Indien kein bevorzugter Genuss der Jugend; 
Grossväter und Grossmütter sieht man in Indien mit ebenso viel 
Eifer der Kreuzpolka und dem Walzer huldigen, als sie es vor 30 
und 40 Jahren gethan haben. Frau O. gab also bald das Zeichen 
zum Anfang des Tanzes; aber o weh! der Leierkasten war ver- 
dorben und gab nur ohrenzerreissende, schnarrende Töne; sofort 
schickte auf Ersuchen der Frau O. der Platzcommandant einen Be- 
dienten in das Fort und liess einen. Korporal komjnen, welcher 
durch seine Virtuosität auf der Harmonika bekannt war. Mit lautem 
Hurrah wurde seine Ankunft von der Frau des Assistenten begrüsst, 
ohne dass jemand anders in diesen Freudenruf einstimmte. Das 
war ein bedenkliches Symptom!? Aber noch Aergeres geschah. Die 
Harmonika hatte schon die Hälfte der Polonaise gespielt, und noch 
immer blieb alles auf seinen Sesseln. Der Major B. hatte pflicht- 
gemäss die Frau O. ersucht, mit ihr die Polonaise eröffnen zu 
dürfen — sie Beide standen aber allein; die zweite Kraftprobe 
dieser Dame war verunglückt! Sie trachtete in liebenswürdiger 
herablassender Weise durch persönliche Intervention wenigstens 
die ledigen Herren zum Tanzen zu bewegen; jeder derselben 
aber dankte unter irgend einem Vorwande, und sie begnügte sich 
also mit einem Tanze mit dem Platzcommandanten. Die Familie X. 
war also gerächt. 

Solche kindische und kleinliche Beibereien giebt es in allen 
kleinen Orten in Europa und in Asien und in Amerika, überall^ 
wo Menschen auf einem engen Baum beisammen wohnen, so dass 
sich alle ihre Fehler bemerkbar und auch fühlbar machen; es ist 
ja z. B. bekannt, dass dieselben Beibereien auf den grossen Dampfern 
sich einstellen, auf welchen die Passagiere wochenlang beisammen 
leben, und dass dieses noch häufiger auf jenen Seglern geschah, welche 
zu ihrer Beise nach Batavia oft mehr als 100 Tage nöthig hatten* 
Für den Nichtbetheiligten sind sie eine reichliche Quelle von Zer- 
streuung; die davon Betroffenen verbittern sich aber dadurch daa 
Leben und verfeinden sich oft für die ganze weitere Zukunft 
Dieselbe Dame O. scheint in Madiun, wo ihr Mann früher stationirt 
gewesen war, sich auch Feinde gemacht zu baben. An dem Tage 
ihrer Ankunft in Ngawie bekam ich nämlich eine Correspondenzkarte, 
welche mich zwar entrüstete ob der Gemeinheit, welche der Grund- 
ton des kleinen Briefchens war, andererseits aber wirklich ein Unicum 
anonymer Lästersucht darstellte. In der offenen Correspondenz- 



Die Provinz Sarakarta. 263 

karte wurde mir nämlich mitgetheilt, dass mir zwei Stück Käse 
dieser Tage als Geschenk geschickt würden, dass der Absender be* 
daure, keine bessern liefern zu können; der eine und zwar der 
grössere sei nicht übel von Gestalt, aber wurmstichig im Innern; 
der zweite sei in jeder Hinsicht hässlich, ekelhaft und ungeniessbar. 
Arglos und ohne den tiefen Sinn dieser Worte zu ahnen, wollte ich 
den nächsten Tag beim Assistent-Residenten O. diese zwei Käse holen 
lassen ; vielleicht war ein Brief beigepackt, der mir eine Aufklärung 
von einer Bestellung geben sollte, deren ich mich nicht erinnerte. 
Zufällig kam der Präsident des Landgerichts >) denselben Abend zu 
mir, und ich frug ihn, ob er den Schreiber der Correspondenz- 
karte kenne, welcher mir zwei »Präsent-Käse«: schickt, ohne dass 
ich sie bestellt hatte. Glücklicher Weise durchblickte der Rechts- 
gelehrte sofort die Mystification , und niemals hat der seither 
verstorbene Assistent-Resident O. etwas von dieser Correspondenz- 
karte erfahren, und der Schreiber dieses anonymen Schmutz- 
briefes hatte von seiner gemeinen Intrigue nicht den geringsten 
Erfolg. 

Ende October 1891 verliess ich also Ngawie und zwar wiederum 
via Solo. 

Zu wiederholten Malen habe ich Solo passirt und zwei mal für 
einige Stunden mich dort aufgehalten, so dass ich aus eigener An- 
schauung nur wenig über die Stadt selbst, aber mehr über die gleich- 
namige Provinz Surakarta berichten kann. Sie ist die reichste Pro- 
vinz der ganzen Insel Java und hat zahlreiche Plantagen und andere 
Unternehmungen; nicht weniger als 23 Plantagen für Indigo, 13 für 
Indigo und Tabak, 4 für Indigo, Tabak und Kaffee, 7 für Tabak; 
17 für Zucker, 4 für Zucker und Indigo, 20 für Indigo und Kaffee, 
87 für Kaffee, 1 für Kaffee und Tabak, 1 für Kaffee und Chinin 
und 1 für Zucker und Kaffee, also 178 grosse Unternehmungen 
hat diese »Residentie«, obwohl sie nur 112,906 flMeilen gross ist, 
drei grosse Berge hat und zahlreiche kleine Gebirgsketten das Land 
durchziehen. Im Süden der Hauptstadt ist eine grosse Ebene, welche 
in einem grossen Bogen längs dem Solofluss bis weit in das Ge- 
biet der Provinz Madiun sich hinzieht. Drei grosse Berge be- 
grenzen die Provinz als drei mächtige hohe Grenzpfähle im Osten 

') Die EiDgeboreDen werden für ihre Verbrechen vor eine Jury gebracht, 
welche aus einigen Häuptlingen besteht, deren Vorsitzender ein europäischer 
Hechtsgelehrter ist. 



264 ^^® Provinz Surakarta. 

und Westen, lieber die Spitze des Lfawuberges, welcher 3254 Meter 
hoch ist, zieht ihre östliche Grenze zwischen Solo und Madiun, und 
die beiden Bergriesen Merapi (2866 Meter hoch) und der Merbabu 
(3116 Meter hoch) trennen sie von den Provinzen Kadu und Djocjo- 
karta. Der grösste Fluss ist der Solofluss oder, wie er in dieser 
Provinz genannt wird, der Bengawan-Muss, der auf dem Berge Merapi 
entspringt und auch der grösste Fluss der ganzen Insel (Java) ist; er 
ergiesst sich bei Surabaya in die Javasee und wird als billiger 
Transportweg von den Unternehmungen in den Provinzen Surakarta, 
Madiun, Rembang und Surabaya häufig benutzt. Auf dem Berge 
Lawu. auf dessen Gipfel oder vielmehr in der Nähe desselben ich 
als Arzt in einem modernen Romane den rettenden Engel gespielt 
habe, sind neben zahlreichen Ruinen aus der Zeit der Hindus noch 
zahlreiche Mofetten und andere warme Mineralbrunnen bekannt; au 
seiner Westseite findet man z. B. bei dem Dorfe Djurang Djerok 
zwei kleine Teiche, aus denen stets giftige Gase aufsteigen, und bei 
den Dörfern Pablingan und Gamping grosse schwefelhaltige Quellen. 
Die Hauptstadt Surakarta, häufiger Solo genannt, macht keinen 
freundlichen Eindruck. Sie hat zwar einige Sehenswürdigkeiten und 
trägt wie ihre Schwesterstadt Djocjokarta noch ausgesprochener das 
Gepräge einer rein javanischen Fürstenstadt. Sie leidet aber, wie 
ich schon früher erwähnt habe, so oft und so stark durch die 
Ueberströmungen der Solo- und Pepöflüsse, an deren Vereinigungs- 
punkt sie liegt, dass es noch lange dauern wird, bis sie den An- 
forderungen einer reinen, schönen Stadt gerecht werden kann. 

Entsprechend der politischen Eintheilung des Landes hat die 
Hauptstadt eine vierfache Vertretung. Der Kaiser wohnt in seinem 
Palast, Kxaton genannt; dieser ist gerade so wie der zu Djocja, 
eine kleine Stadt mit Mauern und Gräben umgeben und hat seinen 
»Dalem«:, d. i. die Wohnung des Fürsten, den Sitin^l, die grosse 
Halle, wo sich der Fürst dem Volke zeigt, den Alang- Alang = Schloss- 
platz und hunderte kleine Gebäude für das Gefolge. Das zweite statt- 
liche Gebäude ist das Fort Vastenburg, dessen Kanonen den Kraton 
bedrohen. Das dritte ist der Palast des Gegenfürsten Mangku Negoro 
in europäischem Stile, welcher einen sehr schönen und grossen Em- 
pfangssalon mit elektrischer Beleuchtung hat. Das vierte ist das 
Gebäude des Residenten, welches bei Weitem nicht so schön ein- 
gerichtet ist als das seines Collegen in Djocja. Dann folgen zahl- 



Die Provinz SurakarU. 265 

reiche Häuser für die Landherren der Provinz, eine protestantische 
Kirche; der Club, Theatei^bäude, drei Hotels, wovon das eine 
gegenüber dem Fort liegt und » Jungfemheim« genannt wird, weil die 
meisten ledigen Lehrerinnen dort wohnen, der Thiergarten mit pinigen 
exotischen Thieren u. s. w. Natürlich fehlen in Solo weder der 
Hofhalt in allen seinen Abstufungen, wie echte Prinzen mit ihrem 
Oefolge unter Aufsicht des Kronprinzen und unechte Prinzen unter 
Gontrole eines zweiten Sohnes des Sunans, noch die gut abgegrenzte 
Eintheilung des Adels, der Geistlichkeit und des :» kleinen Mannes«. 
Auch wird in Solo so viel als möglich für feierliche Aufzüge, Gala- 
vorstellungen und Empfangsabende, und zwar mit demselben Oere- 
moniell als in Djocja gesorgt. Ebenso wenig fehlte der Wäjang 
orang (Fig. 18). 

Von den übrigen Städten dieser Provinz sind noch zu nennen: 
Kartasura, welches früher die Hauptstadt des Sultanats war,i) 
E[laten, in welchem bis vor einigen Jahren in dem Fort Engelen- 
burg das Strafdetachement für europäische Taugenichtse bestand, 
Bojolali, wo ein altes, verlassenes Fort steht, die Schlucht bei Suka- 
bumi, Patuk Pakis an der Küste mit seinen Schwalbennester- 
höhlen u. 8. w. 

Auf dem Vulcane Lawu, welcher seit seinem letzten Ausbruch 
am 1. Mai 1752 seine jetzige Form und Gestalt bewahrt hat, bin ich 
zweimal gewesen, und jedesmal entzückte mich dieses Bild einer 
wildromantischen Natur, wo mächtige erratische Blöcke, Trachit- 
felsen, Lianen, Gäsarinen-Grotten, heisse Quellen, Mofetten, Ab- 
gründe und kahle, steile Wände in die Wolken gehüllt zu meinen 
Füssen lagen. Es war die Nordostseite, welche ich zu besteigen 



^) Diese sollte nach der javanischen Tradition jede 100 Jahre verlegt wer- 
den; da aber die hollandische Begiemng nicht geneigt war, anch ein neues Fort, 
Residentenhaus, Post und Telegraphenamt u. s. w. zu schaffen, gelang es ihr, in 
beiden Sultanstädten (Solo und Djocja) die Befolgnng dieses Gebranches in die- 
sem Jahrhundert zu hintertreiben: In diesem Falle hätte weder die arabische, 
noch die jetzt allgemein übliche mohamedanisch-javanische Zeitrechnung den Zeit- 
punkt der Uebersiedlong angegeben, sondern man hätte 100 Jahre der „Saka'^ 
genommen, d. h. der alten javanischen Zeitrechnung, welche mit dem Jahre 
78 V. Chr. als beginnt und genannt wird nach dem Fürsten Adji Saka von 
Dcckau, welcher sie auf Java eingefiUirt hat; sie hatte rein Innare Monate und 
hat sich am längsten auf der Insel Bali erhalten. 



266 ^^ Kaffeebanm. 



gezwungen wurde. In Djamus hatte Herr R. . . . eine Kaffeeplan- 
tage; um dahin von Ngawie zu gelangen, musste ich viermal die 
Reise- Vehikel yerändem.« Von Ngawie brachte mich meine Equipage 
nach Paron, wo ich die Eisenbahn bis Walikukung benutzte; hier 
erwartete mich ein Dos-k-dos, mit welchem ich bis Gidoro gelangte, 
ungefähr 1000' hoch, wo Herr K. . . . eine reizende Plantage 
Ton Kaffee, und wenn ich nicht irre, auch von Muscatbäumen hatte. 
So ein gepflegter Kaffeegarten gewährt einen lieblichen, anmuthigen 
Anblick; der Baum wird zwar nicht höher als 6 — 7 Meter (der Liberia- 
Kaffeebaum, den ich in meinem Garten in Magelang hatte, erreicht 
nicht einmal die Höhe von 4 Metern), auch hat er keine stattliche, 
breite Krone, aber jede Baumreihe hat einen grossen Schatten- 
Spender; man wählt dazu am häufigsten den Dadapbaum (Erythrina 
indica), eine Papilionacee, welche grosse, scharlachrothe Blüthen 
hat, deren Blätter und Binde von den Eingeborenen gegen Asthma 
und Fieber und deren Holz als Decoctum gegen Hämaturie ge- 
braucht wird. Die Bliithe des Kaffeebaumes ist schneeweiss, hat 
ein herrliches Jasmin- Aroma und fällt schon nach 8 Tagen auf den 
Boden, der dadurch eine herrlich duftende, schneeweisse Decke 
bekommt. Nach einigen Monaten erscheinen die Früchte in grüner 
Farbe, welche sehr bald kirschroth werden und die Grösse einer 
halben Haselnuss haben. Zu dieser Zeit hat der Kaffeebaum einen 
gefährlichen Feind in dem Paradoxurus Musanga. Die reifeu 
Früchte sind seine Lieblingsspeise, den Kern jedoch verdaut er 
nicht; er begnügt sich mit dem Fleische der Frucht, und die 
überflüssigen Kaffeekömer -^ sind die theuerste und beste Kaffee- 
sorte, NB. nachdem sie den Darm des Musangs verlassen haben. Mir 
wurde ein solches Excrement eines Musangs gezeigt; es bestand aus 
drei Kaffeekömem, welche mit einer schwarzen Masse untereinander 
verklebt waren. Diese Kaffeekömer stehen in so hohem Ansehen^ 
dass sie als besondere Gunstbezeigung den Europäern zum Ge- 
schenke angeboten werden. Wenn die Früchte kirschroth geworden 
sind, werden sie gepflückt und auf Platten aus Rohr dem Fermen- 
tiren überlassen. Hierauf werden sie getrocknet und gestampfL 
Ihre Heimath ist Arabien, von wo sie schon im Jahre 1698 
importirt wurden; doch erst in der ersten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts (seit 1723) nahm die Kaffeecultur einen bedeutenden 
Aufschwung, seitdem die Regierung mit sanftem Druck die Ein- 



Ein Iloman auf. dem Yulcane „Lawa*'. 267 

geborenen zum Bau desselben zwang. ^ Das Erträgniss des Kaffee- 
baumes ist sehr yariabel. Ich erhielt von meinem Baume stets 
mehr als 1 Kilo Bohnen, und wie ich es damals auf dem Lawu 
mittheilen hörte, ist nur alle drei bis vier Jahre eine reiche Ernte 
zu erwarten. 

Bei Herrn K. . . . konnte ich nicht langer bleiben, als die Zeit 
der »Rysttafel« dauerte. Nach dieser konnte ich noch bis Ngrambe 
von dem Dos-k-dos Gebrauch machen. Der Weg war gut und so 
breit, dass selbst ein zweiter Wagen passiren konnte, ohne beson- 
dere Vorsicht gebrauchen zu müssen. Hier wohnten einige Euro- 
päer, und darunter auch die Frau X. Ihr Mann ersuchte mich, 
sie zu untersuchen, weil sie schon seit vielen Jahren durch eine 
Schwäche in den Füssen kaum das Bett, aber niemals das Zimmer 
oder das Haus verlassen hätte. 

Bei meiner Visite fand ich eine alte Dame, welche firischen 
Geistes ihr Leiden mit bewunderungswürdigem Gleichmuth ertrug; 
sie litt an Osteomalacie, d. i. einer Knochenerweichung, welche sie 
nach der letzten Entbindung erhalten hatte. Es war das erste Mal 
und leider auch das letzte Mal, dass ich sie damals sah. Einige 
Wochen später wurde sie ermordet, und die leichtfüssige Fama be- 
schuldigte sie des Selbstmordes! Mir wurden davon während eines 
Festes beim Regenten in Ngawie die einzelnen Details mitgetheilt; 



') Im Jahre 1893 bestand die „Kofficultor" der Regierung entre autre: 
in der Provinz Bantam in 216 Dessas = Dörfer mit 12 262 Familien, 
„ „ - Krawang „ 18 „ „ „ 1 446 „ 

r. « 14 826 

n « 1"93 „ 

« •^— —""ö rt — 9) « n 36626 „ 

„13186 
„ 16400 
•, 6021 , 

Im Ganzen beschäftigten sich 320539 Familien in 3944 Dessas mit dem 
Bau des Kaifees und lieferten ihn an die Regierung. Diese exportirte in dem- 
selben Jahre 13444827 Kilo im Werthe von 12772586 fl., während der Ge- 
sammtezport des Kaffees, d. h. incl. dem der Frivatuntemehmungen, 25861000 
Kilo im Werthe von 24855980 fl. betrug. Im Quinquennium 1889—1893 
wiu^en 41822000, 25169000*, 38758000, 41058000 und 25361000 Kilo aus 
Indien exportirt. 



»77 r, 



Krawang 


n 


18 


Preanger 


n 


618 


Cheribon 


» 


147 


Tegäl 


n 


154 


»Samarang 


r» 


460 


Surabaya 


n 


98 


Kedü 


j» 


297 


Banjumas 


n 


264 


BageMen 


n 


85 



n 



268 ^ui Roman aaf dem Vvlcane |,Lawu^. 

man fand sie im Bette mit durchschnittenem Hals unter einer Bett- 
decke und nebstdem mit einem blutigen Messer im Aermel der 
Kabaya?? Ich theilte dieses dem Assistent-Residenten X. mit und 
erwartete, dass ich sofort mit einer gerichtlichen Commission snir 
Untersuchung dahin gesendet würde; der Herr scheint aber so be- 
stimmte Nachricht von ihrem Selbstmord erhalten zu haben, dass er 
EU einem Einschreiten keinen Anlass fand. Mir freilich konnte es 
nicht einleuchten, dass eine Frau, welche seit vielen Jahren mit 
Knochenerweichung an das Bett gefesselt war, den Muth und die 
physische Kraft haben sollte, sich selbst den Hals durchzuschneiden!? 
Auch in der AfFaire, welche mich nach Djamus führte, hatt« 
Herr X. eine ganz unrichtige Auffassung der Verhältnisse; es war 
rielmehr seine Frau, welche auch den geschäftlichen Ideengang ihres 
Mannes beeinflusste; er weilt nicht mehr unter den Lebenden, und 
80 kann ich etwas ausführlicher in der Mittheilung dieser Affaire 
sein, ohne fürchten zu müssen, jemandem direct oder indirect zu 
schaden. 

In Gendingan konnte ich schon einige sichere Nachrichten 
über die junge Dame erhalten, deren Untersuchung von den 
Eltern von mir verlangt wurde, weil ein Angestellter sie beschuldigte, 
diese eine Tochter — sie hatten deren 7 — zu verwahrlosen und 
unter dem Verwände, dass sie irrsinnig sei, ihrer Freiheit zu berauben ! 
Dieser Privatbeamte schickte mir später die Abschrift der ganzen 
Correspondenz zwischen ihm und dem Vater dieses unglücklichen 
Mädchens; ich besitze sie noch heute, und fast möchte ich glauben, 
wenn ich sie wiederum lese, dass dieser bona fide gehandelt hat. 
In allen Briefen betont er die Nothwendigkeit, die Patientin der 
Einsiedelei auf dem Berge zu entreissen und sie der Gesellschaft 
zurückzugeben. Aber falsch sind die Motive, die er den unglück- 
lichen Eltern in der Behandlung ihrer Tochter unterschiebt. Die 
Plantage gehörte in nomine der Frau, und ihr Mann sollte seine 
eigene Tochter zu dem geistigen Tode verurtheilt haben, um als 
gesetzlicher Vormund ihr Erbe zu werden. Diese Briefe wurden 
dem Assistent-Residenten X. gesendet mit der officiellen Anklage, 
dass der Herr X. seine majorenne Tochter der Freiheit beraube 
und sie durch schlechte Behandlung dem Wahnsinn in die Arme 
führen wolle ! ! Das Traurigste in dieser Affaire ist, dass dieser Be- 
amte oder vielmehr seine Frau diesem Märchen Glauben schenkte, 



Ein Roman auf dem Vtücane ^Lawn*'. 269 



und als ich in dieser Sache als Genchtsai^t yemommen wurde, 
mir die zweifeUose Richtigkeit mit dem nöthigcD Nachdruck vor- 
geleiert wurde. £iii Vater, der sieben Töchter hat, sechs Ton 
ihnen eine gute Erziehung in Europa angedeihen lässt und £ür jede 
derselben mehr als 1000 fl. jährlich bezahlt, ein solcher Vater sollte 
mit dem Wissen und Wülen seiner Frau eine solche Missethat be- 
gehen!? Dieser Einwand blieb ohne Erfolg, und der Assistent-Be- 
sident liess als 2>Hilfso£ficier der Justiz« dem Rechte seinen Lauf. 
Der Herr X. wurde von der gegen ihn erhobenen Anklage verstän- 
digt und beschloss nun, durch mich den Wahnsinn seiner Tochter 
constatiren zu lassen und bat mich, zu ihm zu kommen. Ich firag 
vorher jedoch bei ihm an, ob ich meine Frau mitnehmen könnte, 
welche gern einmal eine Plantage im Hochgebii^ besuchen und 
besichtigen möchte. Im August des Jahres 1889 begaben wir uns 
also auf die Reise, die ich oben bereits angedeutet habe. In 
Ngrambe mussten wir das Dos-a-dos verlassen, weil hinauf ins Ge- 
birge kein Fahrweg bestand. Für mich stand ein kleines Pferd 
und für meine Frau eine Sänfte zur Verfügung. 

Es war ein Fusspfad, den das herabströmende Regenwasser in 
den Berg gegraben hatte; erratische Blöcke, G-eröll und Sand wech- 
selten mit Grasflächen, und sicheren Schrittes trug mich das kleine 
javanische Pferd über alle Hindernisse. Die Begleitung meiner Frau 
bestand aus 6 Kulis, von denen abwechselnd je vier die Sänfte 
bald auf den Schultern, bald mit den Händen tragen, je nachdem 
der Weg eben oder wellenförmig war. Bei jeder Pause erfreute 
uns das herrliche Panorama hinter unserem Rücken. Bald erhob 
sich das grosse Thal des Soloflusses in deutlichen Linien auf dem 
Horizont, hinter welchem das Wellisgebirge seinen breiten Berg- 
rücken uns zeigte, später sahen wir den Smeru und den Kelut am 
östlichen Horizont auftauchen. Auf dem Berge Lawu selbst sahen 
wir nur niedriges Gesträuch, eine sanft aufsteigende Hochfläche, be- 
grenzt von kleinen Hügeln, welche bald Tjemarabäume, bald Acacien, 
Gnaphalien und Vaccinia trugen. 

Nach ungefähr zwei Stunden erreichten wir die Plantage Djamus 
in einer Höhe von 1500 Metern. Tief unter uns lagen dichte, 
schwarze Wolken, aus denen eine zweite Spitze des Lawu hoch 
hervorragte und nur mit Mühe die Schlucht zwischen beiden erkennen 
liess. Die dritte Spitze des Berges habe ich nicht zu Gesicht be- 
kommen. 



270 ^^ Roman auf dem Vulcane „Lawu'^. 

Der Kaffee war gepflückt, fermentirt, getrocknet und gestampft, 
und Frau X. sass mit eingeborenen Frauen, die Kömer zu assor- 
tiren. Unsere Ankunft entriss natürlich die Familie ihrer taglichen 
Beschäftigung, und bald sassen wir in der Veranda, eine Schale 
warmen Thees zu trinken; es war kühl; vielleicht nicht mehr als 
12^ C, und wir Beide kamen aus »der Hölle Javas«. Die Familie 
kam unsem Wünschen entgegen, und wir zogen uns ins Haus zu- 
rück, wo auch die Fenster gescl^ossen werden mussten, um uns von 
dem unangenehmen Gefühl des Frösteins zu befreien. Bald waren 
wir im Gespräche über die unglückliche Tochter, und es war das 
alte Lied: Den Anfang und die Ursache des Wahnsinns zu con- 
statiren, welchen der Laie gern unvermittelt dur6h plötzliche Erup- 
tion, sei es durch Schreck u. s. w. entstehen lässt; das ganze trau- 
tige Familienleben entrollte sich vor mir, das ein irrsinniges Mit- 
glied bedingt, weil der Wahnsinn in seinen ersten Symptomen ver- 
kannt wurde. Die Grenze zwischen psychischer Gesundheit und 
psychischem Ejranksein kann ja von niemandem gezogen werden. End- 
lich wurde mir mitgetheilt, dass die Patientin sich in ihrem Zimmer 
im danebenstehenden Pavillon befinde. Ich ging dahin und sah 
beim Fenster ein Wesen stehen, welches das traurige Bild des 
Wahnsinns in allen seinen Zügen zeigt. Verwahrlost in ihrer Klei- 
dung, mit wirren Haaren, starrte sie mich mit fragenden Blicken 
an, und als ich ihr einen Gruss zurief, antwortete sie mir kurz, dass 
sie einen verheirateten Liebhaber nicht haben wolle, warf die Pan- 
toffeln nach mir und sprang aus dem Fenster der andern Seite und 
verschwand im Gebüsche. Gegen das Abendessen gelang es mir, 
sie in der Nähe zu sehen und zu sprechen. Sie kam in die Küche, 
ihr Nachtmahl zu holen. Ich ging mit dem Vater dahin, und mit 
dem charakteristischen Lächeln des Wahnsinns liess sie mich näher 
kommen, ohne sich im Essen stören zu lassen. Der Schmutz hinter 
den Ohren und die schmutzige Kabaya, sowie die schmutzigen Nägel, 
begründeten meinen Vorschlag, die Unglüi^kliche in eine Anstalt 
aufnehmen zu lassen, in welcher die geschulten Wärterinnen die 
Geschicklichkeit, Tact und Muth haben, solche Patienten zur Rein- 
lichkeit anzuhalten. 

Natürlich kamen auch die Motive zur Sprache, welche den 
Privat-Beamten X. veranlassten, den Anwalt dieser Unglücklichen 
zu spielen. In seinen Briefen ist das Mitleiden mit seiner »Nichte«, 
welche keinen Bruder habe« um ihr Recht zu vertheidigen, der ein- 



Ein Roman auf dem Vulcane „Lawu". 271 



zige Grundton^ und in allen Tonarten äusserte sich 'dieses Mit- 
leiden. Her» X. aber fand ein egoistisches Motiv^ welches mir nicht 
recht einleuchten wollte. Seine Tochter musste wiederholt auer der 
Wohnung des Privat-Beamten X. geholt werden, welche sich am 
FuBse des Berges befand; vielleicht hoffte dieser durch eiue Ehe 
mit dieser Unglücklichen sich dann in den Besitz eines Thefles dieser 
grossen Plantage zu setzen. Es waren im G-anzen 7 Töchter, 
und im günstigsten Falle wäre ^/s Antheil nach dem Tode der 
Mutter dem Manne dieser Irrsinnigen zugefallen; um einen solchen 
Preis eine irrsinnige Frau zu erhalten — wäre eine schlechte 
Speculation. 

Diese Pflanzer waren so an die niedrige Temperatur ihres 
Ortes gewöhnt, dass sie keine Oefen im Hause hatten. Die 
Biologie liegt in allen Fragen darnieder, welche die »Gewohn- 
heit« betreffen. Als ich im Jahre 1897 Ende April durch das 
rothe Meer fuhr, war es so kalt, dass nicht allein ich — dann 
könnte es individuellen Empfindungen zugeschrieben werden, sondern 
alle Passagiere ihre Ueberzieher, Mäntel oder Plaids u. s. w. in 
Gebrauch nehmen mussten, und das Thermometer zeigte 17^ C! 
Es ist richtig, dass wir aus warmen Ländern kamen und dass wir 
80 niedrige Temperatur nicht gewöhnt waren. — Welcher che- 
mische Vorgang erklärt das )» Gewohntsein«? Was geschieht z. B. 
im Bachen oder im Gehirn oder im Magen des jungen Mannes, 
welcher nach der ersten Cigarre den heftigsten Gastricismus be- 
kommt und nach ^/a Jahren anstandslos die schwerste Cigarre 
raucht? U. A. w. g. 

Wir sassen also den ganzen Abend bei geschlossenen Fen- 
stern und Thüren, und für die Nacht holte die liebenswürdige Haus- 
frau alle wollenen Decken herbei, um uns in ihrem Heim nicht eine 
ganze Nacht »frieren« zu lassen. In einem schönen Gedichte hat 
diese Dame den Berg Lawu besungen. Mit Bedauern verliessen 
wir unsem Gastgeber am folgenden Tage, weil mich meine Berufs- 
pflichten nach Ngawie riefen. Aber länger als eine Woche über 
den Wolken nur die bewaldeten Gipfel eines Berges zu sehen — 
NB. ohne Berufspflichten oder andere Arbeit zu haben — d. h. dort 
zu logiren, das wäre doch zu viel verlangt. 

Hierauf beantwortete ich alle Fragen des »Offlciers der Justiz« 
über das Wesen der Krankheit dieser unglücklichen jungen Dame 
und über die Symptome, welche mich bewogen hatten, in diesem 



272 ^^ Romao auf dem Vulcane „Lawu*'. 

Falle den Wahnsinn zn oonstatiren. Sie wurde entmündigt^ ihr Vater 
zum Curator ernannt und der Assistent-Resident X .• wurde nach 
Kudus transferirt. 

Die westlichen Grenzpfahle der Provinz Surakarta, die Berge 
Merapi und Merbabu mit ihrem Ausläufer Telomojo (1883 Meter 
hoch) habe ich fünf Jahre lang beobachten können, und ich will 
ihrer im folgenden Caintel erwähnen. Die :»Fürstenthümer Javas« 
sind reiche Länder und hochinteressant wegen ihrer Veigangenheit 
und zahlreichen Denkmäler aus der Zeit der Hindu-Herrschaft. 



9. CapiteL 

Die Provinz Kcdü — Der Berg Tidar — In Hagelang — 
Auf dem Pftsar (= Xarl^t) — Jaraniselie ScliSnlieitsmittel — 
Haastoilette der enropSisehen Damen — Mein ^Haus^ — 
Empfangsabende — Magelang — Opiumrauehen — Die diine- 
sen auf Java — Die geriehtliche Mediein der Chinesen — 
Ein zn grosses MilitSrspital — Die KSnigin yon Slam in 
Magelang — Ein Oberstabsarzt «^gestellt^ — Naehtheile der 
Parillons ans Bambns — Organisation des Recbtswesens — 
Zum Theaterdireetor gewShlt — Die Journalistik Indiens. 



A uch die Provinz Kedü hat auf ihrer westlichen und östlichen 
^^^ G-renze grosse und mächtige Grenzpfeiler, im Osten die bereits 
erwähnten Merapi, Merbabu und Telomojo, während der Sumbing, 
3336 Meter hoch, der Sindoro, 3124 Meter hoch, uod der Berg 
Bisna, 2363 Meter hoch,, diese Provinz im Westen von der Provinz 
Bagelen scheiden. Die Ausläufer dieser Berge durchziehen die ganze 
Provinz, und selbst die Thäler des Progo- und des Elloflusses sind 
zu schmal, um den gebirgigen Charakter dieser Provinz in hohem 
Grade zu beeinflussen. (Nur von Magelang zieht nach Norden eine 
10 Kilometer grosse Ebene.) Diese Provinz ist reich an Kunst- 
denkmälem, unter denen der schönste, grösste und mächtigste Tem- 
pel vielleicht der ganzen Welt der Buru-Budur ist. Obwohl der 
grösste Theil des Landes Communalbesitz ist, die Provinz bei einer 
Grösse von 37,o6 QJ Meilen ungefähr 800,000 Einwohner, somit mehr 
als 20,000 Seelen auf die Q Meile zählt, so ist sie doch eine arme 
Provinz. Vielleicht wird die Vollendung der Eisenbahn einen gün- 
stigen Einfluss auf die Wohlfahrt des Landes nehmen ; erst vor zwei 
Jahren wurde die Linie Djocja-Magelang gebaut, und es fehlt noch 

Breitenitein, 11 Jalire in Indien n. lo 



274 I>ö«^ Börgr Tidar. 



die Linie Mageiang-Ambarawa, um die ganze ProTinz durch den 
Schienenweg mit dem Norden Javas i) zu verbinden. 

Im Jahre 1891 konnte ich mich bei meiner Transferirung von 
Ngawie nach Magelang, der Hauptstadt dieser Provinz, nur bis Djocja 
der Eisenbahn bedienen. Mein Mylord, welcher bei der Auction in 
Ngawie keinen Käufer fand,' traf zu gleicher Zeit in Djocja ein; 
ich miethete im Hotel Tugu nur vier Pferde (mit Kutscher und 
Palfenir) um 12 fl. und konnte also in meiner bequemen Kutsche 
die Reise fortsetzen. Die Reisewagen, welche man s. Z. in Djocja 
und in Magelang zu dieser mehrstündigen Reise miethen konnte, 
waren alte, hässliche Wagen und hatten eine lothrechte Rückenlehne, 
so dass ich mich oft verwundert frug, woher sie denn diese un- 
praktischen Reise Vehikel in so grosser Zahl auftreiben konnten. 

Bei Salam verliess ich die Provinz Djocja, und sofort fühlte 
ich den Einfluss der holländischen Regierung. Wenn es auch un- 
unterbrochen bergauf ging, so war die Reise doch nicht unange- 
nehm, weil sich der Weg sofort hinter der Grenze in sehr gutem 
Zustande befand. In Muntilan wurden die Pferde gewechselt, 
und noch immer stieg der Weg sanft mit zahlreichen Wellen an, 
so dass wir von der Grenze, welche 331 Meter absolute Höhe hatte, 
hier 355 Meter und in Magelang 384 Meter Höhe, im Ganzen 
53 Meter gestiegen waren. Hinter Muntilan lag eine schöne, wenn 
auch schmale Strasse, welche links ab zu dem schönen Tempel 
Mendut (Fig. 19) und mittelst Fähre über den EUofiuss zum Buru- 
Budur führte. Gegen 5^2 Uhr näherte ich mich der Stadt Mage- 
lang, d. h. ich sah den Berg Tidar, welcher 504 Meter über dem 
Meere und 120 Meter hoch sich über Magelang erhebt. Es ist der 
päku = Nagel oder der pusar = Nabel (= der Mittelpunkt von 
Java), durch dessen Spitze der Nagel getrieben wurde, mit dein 
diese Insel auf der Erde befestigt wurde. Nichts allein auf mibh 
machte dieser Hügel den Eindruck, dass auch er die Ruinen eines 
grossen Tempels bedecke, sondern es wurde so oft diese Vermuthung 
geäussert, dass Ausgrabungen stattfanden, »welche jedoch ein nega- 
tives Resultat hatten. Der »Tidar« musste eben durch seine isolirte 
Stellung zu solchen Vermuthungen Anlass geben; er steht nämlich 



^) Vom strategischen Standpunkte aus ist diese Linie selbst unentbehrlich 
zu nennen. 



In Magelang. 275 



ganz isolirt in der Ebene zwischen den beiden Bergriesen Merapi 
und Sumbing. Auf den Berg Tidar folgte der europäische Kirch* 
faof, für dessen Verschönerung ich späterhin als Präsident der :^Earch- 
faofs-:Commission« zu sorgen hatte, hierauf der grosse Marktplatz, 
das chinesische Quartier -mit der chinesischen Kirche, und am Ende 
dieser Strasse lag der Schlossplatz (Alang-älang) mit der Moschee, *) 
dem Palaste des Begenten, dem Of&ciersclub, der Schule für Häupt- 
lings-Söhne, dem Postamt, einem Hot01 und der Volksschule für 
Eingeborene. 

Der »grosse Weg« führte mich auf der Ostseite des Schloss- 
platzes in eine schöne Allee mit europäischen Wohnungen bis zum 
Anfang des »Campement«, wo auf der einen Seite die Wohnung 
des Commandanten und zur rechten Seite das Hotel Kedü standen. 
Der Eigenthümer dieses Hotels war ein sehr braver Mann, ein 
Deutscher von Geburt, der durch seinen jahrelangen Aufenthalt 
unter den Holländern seine Muttersprache so verlernt hatte, dass 
sein Kauderwelsch dem grössten Philologen ein Bäthsel blieb, weil 
•er seinem deutschen und holländischen Wörterschatz noch englische 
und malayische Wörter beifügte und nach Gutdünken die Wort- 
und Satzbildung dieser vier Sprachen auf seine Bede anwandte. 
Dies ist allerdings eine alltägliche Erscheinung, dass die Deutschen, 
durch die Aehnlichkeit der beiden Sprachen, in den holländischen 
Oolonien ihre Muttersprache verlernen und umgekehrt die Holländer 
nach einem kurzen Aufenthalt in deutschen Ländern die holländische 
Sprache geradezu misshandeln; aber niemand will es glauben, der 
es nicht selbst erfahren hat. Vor vielen Jahren sprach ich in 
Buitenzorg mit der Frau eines Collegen, welche in Preussen ihre 
Wiege gehabt hatte, und erzählte ihr einige drastische Fälle von 
solchem verdorbenen Deutsch unserer Landsleute ; darauf ant- 
wortete sie mir mit einem Seufzer: Ach, wie kann man denn seine 
Mutterz aal vergessen! Die Sprache heisst im Holländischen taal, 
und da viele deutsche Worte mit Z in der holländischen Spräche mit T 



^) Magelang beutet ein chinesisches, mohamedaniscfaes und katholisches 
Gotteshaus, aber keine protestantische Kirche! Die „ambonesischen Soldaten" 
hatten zwar eine kleine Kirche auf dem „grossen Weg^; für die übrigen Pro- 
testanten hielt jedoch der „Domine'', welcher in Djocja seinen Standplatz hatte, 
hin and wieder Gottesdienst, und zwar in einem alten, Verfallenen Tarnsaal 
der Schale für Häuptlings-Söhne, in welchem auch ein Dilettantenverein seine 
Bühne für die „Thalia" errichtete!! 

18* 



276 In Magelang. 



beginnen, glaubte sie deutsch zu sprechen, wenn sie aus taal einfach 
zaal machte. Diese Dame war erst ein Jahr in Indien. Der Grast- 
wirih des Hotels Kedü war als gewesener Corporal und in seiner 
jetzigen Stellung schon Jahrzehnte in Indien und hatte also ein Idiom 
angenonmien, das ein mixtum compositum der vier Sprachen war, 
welche er in seiner Eigenschaft als Wirth täglich am meisten ge- 
brauchen musste. Er empfing mich auch mit den Worten: »Es 
wird Sie freuen, dass Sie fafer geplatzt >) sind, und ich soll Ihnen 
so viel als möglich helfen. «^ Ich hatte jedoch seine Hülfe nicht nöthig, 
weil der Begimentsarzt, welcher mich in Ngawie ablöste, vor seiner 
Abreise aus Magelang auf mein Ersuchen sein »Haus« für mich ge- 
miethet hatte. Dadurch wurde es mir möglich, in kürzester Zeit das 
Hotel yerlassen und mein eignes Heim beziehen zu können. Am folgen- 
den Tage meldete ich mich zunächst beim Platzcommandanten, welcher 
unweit vom Hotel sein Bureau hatte. Eine schöne breite Strasse führte 
in das Campement; die linke (westliche) Seite war von zwei grossen 
OfficierpayUlons eingenommen, und rechts von ihr lag ein grosses schönes- 
Exercierfeld mit Casemen in der Form eines offenen Oblongums 
I I im Hintergrunde. Neben dem Bureau dieses Officiers be- 

fand sich auch das des Zahlmeisters, dem die Abrechnung mit 
seinem Collegen in Ngawie überreicht wurde. Mein Chef in loco, 
ein Stabsarzt, hatte sein Bureau im Spital, welches sich damals am 
Fusse des Berges Tidar befand; ich nahm also eine Equipage, um 
nicht den Weg von l^/a Kilometer zu Fuss zurücklegen zu müssen. 
Ich nahm meine Frau mit, weil ich unterwegs diverse Einkäufe be- 
sorgen wollte. Auf dem »grossen Wege« befanden sich nämlich 
zwei europäische Greschäfte; das eine gehörte einem pensionirten 
Hauptmann, der zu meiner üeberraschung im Geschäft von einem 
der Anwesenden mit Herr General-Major angesprochen wurde. Er- 
staunt blickte ich Beide an, und lächelnd gab mir der Kaufmann die 
Erklärung dieser seltsamen Titulatur; er sei als pensionirter Haupt- 
mann Mitglied des Officierclubs und bespreche natürlich jeden Abend 
schon seit 15 Jahren an der »Kletstafel« das Avancement seiner 
Zeitgenossen ; von jeher wurde er scherzweise mit jenem Titel ange- 
sprochen, den seine Zeitgenossen erlangt hatten, und als einer der- 
selben vor Kurzem General-Major geworden war, wurde auch »auf. 
sein Avancement« getrunken und unter Toasten seine Ernennung 



') Das hoUändieche plafttsen = anstellen. 



In Magelang. 277 



zum General-Major gefeiert. Von dem »grossen Wegec gelangten 
wir auf den Schlossplatz, ohne uns mit der Besichtigung der Moschee 
aufzuhalten, welche wir passiren mussten, um in die Mörderallee zu 
gelangen. Dies war nämlich die Strasse, welche zum Spitale führte, 
und die diesen Namen (mordenaars-laan) erhalten haben soll, weil täg- 
lich die Militärärzte diesen Weg nahmen. Ein reizendes Panorama bot 
sich unsem BUcken dar, welches den Namen »Garten von Javac 
begründete und rechtfertigte. Links war die Strasse von einer Reihe 
hoch liegender europäischer Häuser in altgriechischem Stile begrenzt; 
rechts erhob sich im Hintergrunde der Berg Sumbing, und an seinem 
Fusse spiegelte sich die Sonne in dem farbenreichen Bild alter und 
junger Sawahfelder und zahlreicher Gemüsebeete. Die Mordenaars- 
laan ging über in die grosse Strasse nach Salaman. Vor dem Tidar 
bog jedoch der Weg in einem rechten Winkel noch zweimal, bevor 
man das Spital erreichte. Dieses bestand aus Bambus-Baracken und 
hatte nur zwei steinerne Gebäude; das eine für die Bureaux und 
das andere war — ein Pulvermagazin ! ! Seit dem 2. November 1892 
ist es verlassen und niedergerissen worden, so dass es nicht der 
Mühe werth ist, einige Worte darüber zu verlieren. Nachdem ich 
mich meinem Chef und den übrigen Officieren vorgestellt hatte (meine 
Frau blieb im Wagen, um auf mich zu warten), fuhr ich zurück 
und zwar längs dem Tidar, um von dort in das chinesische Quar- 
tier zu kommen, wo sich die Möbelfabrikanten und zahlreiche Tokos 
befanden. 

Gegen das Ende dieser Strasse mässigte der Kutscher den 
Schritt der Pferde, weil eine grosse Menschenmenge wie ein Bienen- 
schwarm sich hin und her bewegte. Wir befanden uns gegenüber 
dem Marktplatz, und es war )»hari Paing« d. h. Markttag, genannt 
nach dem zweiten Tage der alten javanischen Woche, welche nur 
fünf Tage zählte und zwar Legi, Paing, Pon, Wageh und Eüwon.^) 
Wir waren im Lande des Indigo, >) denn die vorherrschende Farbe 
der Frauenkleider war blau; nur die Haushälterinnen der Soldaten 
und die europäischen Bewohner hatten eine weisse Kabaya mit 
Spitzen besetzt, oder eine dunkle, blaue, rothe oder grüne aus 
Sammet oder Seide. Die Sonnenschirme hatten dieselben grellen 



^} Die ofdcielle Woche hat jetzt 7 Tage and zwar: Ahad oder Minggu (aus 
dem portugiesischen Wort Domingo), Senen, Selassa, Rebü, Kemis, Djumahad 
4ind Septu (portugiesisch). 

^ Im Jahre 1893 wurde ans Indien um 2,224,522 fl. Indigo exportirt. 



278 * J^^^ ^^^ Päsar. 



Farben, und ich muss gestehen, dass das Auge dies nicht unangenehm 
fand. Wie ein Bienenschwarm bewegte sich die Menschenmasse auf 
und ab. Wir stiegen aus dem Wagen, um uns dieses G^woge naher 
zu betrachten. Der Marktplatz bestand aus einfachen Hallen, welche 
mit Schindeln aus gebackenem Lehm bedeckt waren. Früehte, Fische, ^) 
Hühner, Enten, Eier, Gtewürze, Kiichengeräthe, Kalk, Alaun, Arsenik,. 
Kämme aus Hom, Hacken und Messer, Zwirn und Nadeln ü. s. w. 
lagen bunt durcheinander auf kleinen Bäle-bäle, «das sind Bänke 
aus gespaltenem Bambus. Die Gerüche Arabiens waren hier schwach 
vertreten, desto mehr aber ein fürchterlicher Gestank, der den 
längeren Aufenthalt für eine europäische Nase geradezu unangenehm 
machte. Die Ausdünstungen der Menschen, welche ihre Haare mit 
ranzig gewordenem Oel gesalbt hatten, mischten sich mit dem pene- 
tranten Gestank zahlreicher getrockneter Fischsorten (ikan kaju 
= Stockfisch, ikan sepät = Trichopus trichopterus u. T. striatus), 
dem trassi, Durianfrucht, Nangkafirucht, Djambu bldji und last not 
least mit den Blumen des von den Dichtem gepriesenen Melatti- 
baumes (Jasminium Samboc). Alles, was eine indische Schöne für 
die Pflege ihres Körpers nöthig erachtet, bringt der Päsar; aber 
auch alle Gewürze, welche das Krankenzimmer desinficiren sollen^ 
werden hier verkauft, wie dupa (Myrrha).. menjang (Benzoe), stanggie 
(Mixtum compositun aus Rasse [Zibeth]), Kaju f;aru (das Holz von 
ficus procera), Menjang merra (Bothe Benzoe), Kaju tjindana (San-> 
dalum album), Zucker u. s. w., Kanariharz (Canarium commune) u. s. w. 

Die Babu (Zofe), welche uns begleitete, war auf dem Bocke 
neben dem Kutscher zurückgeblieben. Um jedoch fachmännisch in 
die Geheinmisse der javanischen Kosmetik eingeweiht werden zu 
können, liess ich sie holen, und bei jedem Pulver, Salbe u. s. w. 
gab sie uns die Gebrauchsanweisung. Zuerst zeigte sie uns die Be- 
standtheile des x>Kramas<:, d. h. das Waschen des Kopfhaars: Der 
Reishalm wird verbrannt und seine Kohle 24 Stunden lang im Wasser 
aufgelöst und filtrirt. Diese Lauge heisst Merang und wird zum 
Waschen der Haare gebraucht. Das überschüssige Aleali wird 
mit Gitronenwasser (aus Citrus Limonellus) entfernt, in welchem 
sich wohlriechende Blumen, als Melatti u. s. w. befanden; hierauf 
wird wohlriechendes Cocosnussöl. tüchtig in die Haare eingerieben. 



Dr. Bleeker spricht von 380 Sorten Fischen, welche in Indien gegesaen 
■werden. 



Javanische Schönheitsmittel. 279 

• 

Auf dem Toilettentiscfachen befindet sich ein Schalchen mit der* 
fein gestampften Binde von Kapinango (Dysoxylum laxiflorum), mit 
welchem sie nach dem Bade den Körper einschmieren, ein Fläsch^ 
chen Widjenöl (Sesamöl) und Kajaputiöl (Melaleuca leneadendron) 
oder Zimmtöl oder eine grosse Flasche mit Cocosnussöl, in welchem 
sich wohlriechende Blätter oder Blumen befinden. Mit diesen Oel- 
Sorten wird der letzte Act der Körperpflege Torgenommen, Jetzt 
zeigte sie uns aUe Odeurs, welche 'nicht nur mit dem Oel zum Säl- 
ben des Körpers gebraucht, sondern auch zwischen die Kleider und 
Wäsche gelegt oder verbrannt werden, um diese damit zu beräu- 
chern; selbst unter die Kopfpolster des Bettes werden sie gelegt; 
ich konnte mich aber niemals für diesen Gebrauch begeistern. Sie 
riechen so stark, dass sie mir Kopfweh verursachten und ich mich 
genöthigt sah, sie wegwerfen zu lassen. Dazu gehören die akar 
wangi (Wurzel von Andropogon muricatus), die getrockneten, kleinen 
Zweige von Pogostemon, die Blätter von Pandanus odoratissimus, 
die Blüthen von Jasminum, von tandjong (Minusops Elengi), Ka- 
nanga wangie (Uwaria odorata), akar tjampakka (Dianella montana), 
Garuholz (ficus procera) und Lakkaholz (Myristica iners)^) u. s. w. 

Das Bedak fehlt in keinem Haushalt; auch alle europäischen 
Familien gebrauchen dieses Cosmeticum, welches nichts anderes als 
das europäische poudre de riz ist. Auf dem Pasar kommt es je- 
doch in der Form von kleinen, weissen Zeltchen in den Handel, 
welche dann gestampft werden müssen. Sie werden dadurch wohl- 
riechend gemacht, dass sie zwischen wohlriechenden Blättern oder 
Blüthen aufgehoben werden. Hierauf zeigte sie uns die Bestand- 
theile für die Bpreh, für das Schwarzfärben der Zähne, für das 
Sirihkauen, für das Malen der Augenbrauen und das Bothfärben 
der Nägel. Die Babu fühlte sich ausserordentlich geschmeichelt, 
in so zahlreichen Fragen Bathgeberin sein zu können, und zeigte uns 
auch einige »^amn«, welche ihr von den Verkäufern angepriesen 
wurden. Meinem Princip getreu, die abergläubischen Ideen ^er Be- 
dienten mir gegenüber nicht einmal äussern zu lassen, schnitt ich 
ihre diesbezüglichen Mittheilungen mit dem Worte :»sudah« ab und 
ging zu dem nächsten Krämer, welcher mit lauter Stimme rief: 
»patjar kuku«. Es war der Saft von Lawsonia alba, welcher mit 



^) Die wissenschaftlichen Namen sind dem Werke: Dr. van der Burg^ 
De geneesheer in Indien, I. Theil, entnommen. . i ^ 



280 Javamscho SchönheitBmittel. 

Oel gemischt zum Rothf ärben der Nägel 'gebraucht wird. Wer sich 
gut über die Bestandtheile der indischen Panaceen = djamu in- 
formiren will, findet im lU. Theil des Buches von Dr. van der Burg 
eine stattliche Reihe derselben genau beschrieben; sie entsprechen 
ungefähr unsem Thees zur ßlutreinigung und werden von den er- 
wachsenen ISingeborenen entweder täglich oder nur hin und wieder 
genommen. Ich kann nicht umhiD, die Zusammenstellung eines soU 
chen »djamu« nach van der Burg hier mitzutheilen: * 

Djinten (Garum carqi). 

Massooi (Cortex Cinnamonü Eaamis). 

Sintok (Cort. Ginnamomi sintok). 

Saparantu (Fructus Myrsinis avenis). 

Ketümbar (Semina coriandri). 

Fala (Nuces moschatae). 

Mungsi (Semina anethi). 

Tawas (Aluman crudum). 

Tjabe wungu (Gapsicum bicolor). 

Kamunkus (Piper cubebae). 

Maridja (Rper nigrum). 

Kedawoong (Parkia intermedia). 

Tjenkä (Garyophili aromatici). 

Djuruk nipis (Gotrus limonellus). 

Ingu (Asa foetida). 

Kaju manis tjina (Radix liquiritiae). 

Kasoh angin (Saccharum spontaneum?). 

Kajus manis djawa (Gortex Ginnamomi aromatici). 

Kuntji (Radix kampheriae rotundae). 

Rawang merah (Allium cepa). 

Mata Kentjur (Radix kampheriae galangae). 

Dann lampas (Folia Ocimi basilici). 

Dann kasimbukan (Folia Paederiae foetidae). 

IQabet (Golocasia antiquorum). 

Kembang Kasumba (Flores Bixiae orellanae). 

Djongrahap? 
Natürlich wollte ich auch die Mittel kennen lernen, mit welchen 
sie die Zähne schwarz färben; die weissen Zähne sind für den echten 
Javanen so hässUch, dass er sie mit denen emes Hundes vergleicht, 
welcher häram = unrein ist; die Zofe naimte mir zahlreiche Mittel, 
welche zu diesem Zwecke gebraucht werden, flocht aber so häufig An- 



Javanische Schönheitsmittel. 281 

merkungen über das Sirihkäuen und über das Abschleifen der Zähne 
ein, dass ich im Zweifel wai* und blieb, ob denn nicht die H^auptquelle 
in dem Biossiegen der Pulpa der Zahne zu suchen sei. Wenn ich 
auch manchmal die schwarzen Zähne sehr geni sah, so war doch im 
Allgemeinen der Anblick eines solchen Mundes geradezu widerlich; 
der verUebte Javane mag so einen Mund mit einem Granatapfel ver- 
gleichen, den Europäer jedoch wideni die vom Sirih rothgefärbten 
Lippen und^die entblössten Zähne bi hohem Maasse an. Ich glaube 
auch, dass in erster Reihe das Sirihkauen die Zähne förbt; der Saft 
von Tater (Solanum verbascifolium), von Eomerak (Scepasma buxifolia), 
Cocosmilch, worin 8 Tage lang em Stück Eisen gelegen war, und zahl- 
reiche andere Pflanzen sollen diese Procedtu* befördern; aber die Haupt- 
sache bleibt nach meiner Ansicht das Sirihkauen. Der Vorgang desselben 
ist folgender: Zwei oder drei Blätter der Schlingpflanze Chavica siriboa 
werden mit nassem Kalk bestrichen, darauf werden em kleines Stück- 
chen Pinangnuss,!) ein kleines Stückchen Catechu^) und ein wenig fein- 
geschnittener Tabak gelegt und zu einem Kügelchen gefaltet in den 
Mund genommen und stundenlang gekaut; der Speichel wird dadurch 
rothbraun gefärbt Der Javane steht diesbezüglich hoch über dem 
Perser; als im Jahre 1873 der Schah von Persien Gast des öster- 
reichischen Kaisers war, spi^achen die Wiener Blätter von grossen 
braunen Flecken, welche auf den Tapeten der Zimmer geftinden wur- 
den; es war der braune Speichel welchen die Sirihkauer gern in kräf- 
tigem Strahl ausspritzen. Der Javane hat dafür immer seinen grossen 
Spucknapf (tampat luda) bei der Hand. Eines Tages brachte der 
Regent zu Magelang seine junge Frau zu uns. Diese Contrevisite 
war angekündigt, und ich und meine Frau erwarteten also um 7 Uhr 
das jmige Ehepaar in der Veranda. Die Equipage fuhr vor. Es war 
ein offener Mylord mit sechs Personen; auf dem Bocke sass neben dem 
Kutscher ein Bedienter mit dem geschlossenen Pajong; im Wagen 
Sassen zu Füssen des fürstUchen Paares zwei Babus; die eine hatte 
die goldene Sirihschale und die andere die vergoldete Spudcschale in 
den Händen. Sobald der Wagen stehen blieb, sprang der Bediente 
vom Wagen herab und stellte sich rechts zur Seite der Treppe auf^ 
die zwei Babus setzten sich auf den Boden der Veranda und das junge 



*) Vou Areca catcch. 

'^) Eingetrockneter Saft der Blätter von Uncaria gambir oder zahlreichen 
anderen tanninhaltigen Bäumen. 



282 Japanische Schönheitemittel. 

Ehepaar nabm neben uns Platz. Die. Dame machte jedoch weder von 
dem Sirih, noch Ton dem Spncknapf Gebrauch, während der Regent 
die angebotene ManiUacigarre anuahiiL 

Solche Sirihdosen und Spudoiäpfe, welche aus getriebenem Kupfer 
bestandefh, sah ich in grosser Zahl auf dem Päsar. Die letzteren wareu 
beinahe 50 cm hoch und hatten ungefähr die Form unserer Papier- 
körbe. (Fig.-20.) Die Sirihdosen waren kupferne Kistdieu mit einend 
Deckel, auf welchem kleine kupferne Näpfe für die verscfiiedenen In- 
gredienzien standen, und hatten nebstdem eine kleine Zange zum Zer- 
schneiden der Rnaugnuss. Zuletzt zeigte uns die Babu eine schmutzig- 
gelbe Wurzel,!) welche gegen Gelbsucht, bei Stuhlverstopfung, Blasen- 
und Nierensteinen, bei Hämorrhoiden und bei Urethritis von den Ein- 
geborenen in der Form eines Au%usses gegeben wird; nebstdem sei 
sie der am häufigsten gebrauchte Pärbestoff füi* Salben, um den Ober- 
leib und die Anne gelb zu salben. Bei festlichen Grelegenheiten. wie 
z. B. am Hochzeitstage, erscheint nämlich der Mann ohne Bekleidung der 
Brust und Arme und die Braut trägt nm- einen Sarong, welcher über 
der Brust mit einem Gürtel befestigt ist Die unbedeckten Theile werden 
mit Ourcuma gesalbt oder mit dem Safte von Pandamblättem^) eingerieben. 

Diese Vorlesung der Babu hatte schon zu lange gedauert, um sich 
noch länger die javaiiischen Cosmetica und Früchte u. s. w. erkläi^n zu 
lassen, und wir fuhren weiter, bis wir migefähr in der Mitte der Strasse auf 
die Geschäfte einiger chinesischer Möbelfabrikanten stiessen. Vor einem 
derselben sass ein dicker, feister Chinese, nur mit einer schwarzen, dümien, 
weiten Hose bekleidet; die grosse Fleischmasse füllte ganz den grossen 
Faulenzer aus, weil er seine schuhlosen Fasse unter dem Leibe gekreuzt 
hatte. Seine Opiumpfeife hielt er in der Hand, und der lange, 
schwarze Zopf war tun den Kopf geschlungen. Als der Wagen anhielt 
und wir ausstiegen, erhob sich zwar diese unförmliche, halb nackte 
Eleischmasse aus seiner allzu bequemen Lage und starrte uns mit fira- 
genden Blicken an. Gewöhnlich pflege ich mich nicht mit den guten 
oder schlechten Sitten meiner Nebenmenschen zu bemühen. Ich war 
jedoch in Uniform und fend es unschicklich, dass er seinen Zopf nicht 
fallen liess, die Hausschuhe anzog und den nackten Oberleib bekleidete, 
obwohl auch meine Frau sein Geschäft betrat Ich begnügte mich je- 
doch, meinen Blick unverändert auf den um seinen Kopf geschlungenen 



') Von Garcuma longa (eine Zingiberacea). 

*') Die Blätter von Pandamus odoratissimus, von welchen auch das Rampeöl 
(gegen Rheumatismus) gewonnen wird. 



Haustoilett« der europäischen Damen. 283 

Zopf zu richten, er verstand diesen Wink, liess den Zopf fallen und 
holte sich eine Kabaya. Er stammte aus der Stadt Tsjang Tsjowfii 
in der Provinz Fuki-en und war der malayischen Sprache nur sehr 
mangelhaft mächtig. Mit Hülfe eines Nachbars, welcher schon lange 
in Magelang lebte und sich schon ein kleines Vennögen erworben hatte 
und daher mit Bäba titulirt wurde, gelang es uns, uns mit ihm zu ver- 
ständigen. Der grösste Theil unserer Bedürfiiisse wurde aus seinem 
Vorrath gedeckt Das Uebrige bestellten wir, und er versprach uns, es 
in acht Tagen zu liefern. Die Möbel waren schön, solide und billiger, 
als ich sie bei gleicher Qualität in Europa hätte kaufen können. Es 
waren Kasten, Tische und Stuhle aus gutem und schwerem Djattihote 
(Tectonia grandis), welches auch indisches Eichenholz genannt wird. 

Damit war das Programm für diesen Tag erledigt Es war unter- 
dessen 12 Uhr geworden, wir gingen nach Haus, ich zog CivilUei- 
düng an und meine Frau die indische Toilette. Es ist nämlich in den 
Hotels vom ganzen indischen Archipel Sitte, dass die Damen zum 
Lunch, d. h. zur sogenannten »Rysttafel«, in der Haustoilette kommen, 
während den Herren dieses untersagt ist Auch diese Sitte hat ihre 
raison d'etre. Die Damen verwenden im Allgemeinen mehr Sorg&lt 
auf die Toilette als die Herreu, und es wird gewiss keine Dame zur 
Table d'hote gehen, ohne auch in der HaustoUette der Eitelkeit und 
somit auch der Nettigkeit und der Beinlichkeit Rechnung zu tragen. 
Von den Männern kami dies leider nicht immer gesagt werden; zum 
Frühstuck geht Jedermann zwischen 7 — 9 Uhr in der Haustoilette' zur 
Tafel; da sieht man oft Männer in einer Kabaya erscheinen, welche 
das licht der Oeffentlichkeit scheuen sollte. Es geschieht selten, dass 
Viele gleichzeitig ihr erstes Frühstück einnehmen, aber das zweite Früh- 
stück, die Rysttafel, wird gemeinsam von aUen Gästen des Hotels um 
12^2 — 1 Uhr genommen; es ist also besser, dass zur Table d'hote die 
Herren »gekleidet«; kommen. Vielleicht wäre es schicklicher, wenn auch 
die Damen in voller Toilette bei der Rysttafel erschienen. Sarong und 
Kabaya kleidet die Damen (Fig. 21) sehr gut; aber es ist eine Haus^ 
toilette, und es ist gewiss schicklicher, dass man nicht in einer Haus« 
toilette unter Menschen geht Die Engländer finden solches selbst 
shocking, und weder bi Calcutta, noch in Singapore, noch in Ceylon 
sah ich die Ladies anders als in Strassen- oder Salontoilette beim 
zweiten Frühstück Erscheinen. Wer weiss, ob nicht nach abermals 
20 Jahren auch diese Unsitte wegfidlen wird. Ich sah während meines 
20jährigen Aufenthaltes die europäische Mode sich mit solcher Macht 



284 Mein „Haas"". 



in Indien einbürgern^ und nicht immer zum Vortheil, dass ich hofen 
kann, dass sie auch die Haustoilette der Damen bmUs Haus und aufe 
Zimmer beschränken wird. 

Nach der »Bysttafel« nahm ich mein Mittagsschläfchen, darnach 
meinen Thee und mein Bad, kleidete mich in Civilkleidung u^d 
machte mit meiner Frau einen Spaziergang nach der Wohnung, welche 
m«n Nachfolger in Ngawie für mich gemiethet hatte. 

Auf der WestEront des Schlossplatzes zog eine schmale Gasse mit 
starker Neigung hinab zu den Ufeni des Progoilusses. 

Im ersten Drittel des Weges stand das Frauenspital, und ihm 
vis-ärvis das Haus, welches Dr. B . . . vor mir bewohnt hatte. Eis 
stand, wie beinahe alle Häuser in Indien, in einem G-arten, dessen 
vorderer, der Strasse zugekehrter Theil nur Blumen, z. B. Bösen, Be- 
seda, Heliotzx>p, Cactus theils in Töpfen, theils in den Boden gepflanzt, 
während der hinter dem Hause gelegene Theil nur Fruchtbäume ent- 
hielt Ich hatte einen Muscatbaum, zahlreiche Pisangbäume, einen £[affi9e- 
bäum, einige Melonen-, Papaya- und Manggabäume, eine Beihe von 
Ananassträuchem, eine kleine Plantage von Vanille, einige Pompehiuss- 
bäume und einige Palmen. An der Westseite des Hauses stand ein 
Pavillon für G^te, und daran grenzte die Kudang, ^) die Küche und die 
Bedientenzimmer; daneben standen ein zweiter Pavillon für das Bade- 
zimmer und für die Aborte. Hinter diesen stand der Stall für zwei 
Pferde, an diesen grenzte ein Ziehbrunnen (Fig. 22) für mich und 
meine Nachbarn, und an der Ostseite des Hauses stand die Wagen- 
kammer mit einem Zimmer, welches der Kutscher bewohnte. 

Das Hauptgebäude (Fig. 23) bestand aas \ier Zimmeni und zwei 
Veranden, welche durch einen »Gang« zwischen je zwei Zimmern mitr 
einander verbunden waren. Nebstdem hatte ich eine »Binnengalleiy«, 
d. h. ein grosses Zimmer, welches hinter der vorderen Veranda 
die ganze Breite des Hauses einnahm. Bei schlechtem Wetter, d. h. 
wenn der Wind den Eegen in die Veranda trieb, diente sie als Em- 
p&ngszimmer und wurde darnach auch eingerichtet Der Silberkasten 
und das Pianino fanden nebst zahlreichen Phantasiestühlen und kleinen 
Tischchen in diesem Baume Platz. Zum Schla&immer mit dem An- 
kleidezimmer meiner Frau wählte ich die zwei Zimmer im östUchen 
flügel des Hauses, während mein Bm^au und das Gastzimmer an 
der Westseite des Hauses lagen. Die hintere Veranda diente als 
Aufenthalt för meine Frau, wenn sie mit den häuslichen Angelegenheiten 



*) = Vorrathskammer. 



Mein „Haus". 285 



beschäftigt war. Hier war auch daß Speisezimmer mit einem langen 
Tisch, der durch eine Einlage selbst für zwölf Menschen Platz hatte. 
Auch das Büffet und der Speisekasten sowie ein kleiner runder Tisch für 
die Handarbeiten meiner Frau standen in diesem Zimmer. lEs war 
eigentlich ein Salon, denn es hatte an allen vier Seiten Mauern 
und war eine »geschlossene Hinter-Yeranda«. Da diese der Au&nt« 
haltsort für die ganze Familie ist und die Temperatur in Magelang 
des Abends oft bis auf 16 ^ C. sinkt, so ist es in einer offenen Veranda 
zu kalt um in der Haustoilette das Nachtmahl einzunehmen und dann 
noch 1 — 2 Stunden zu lesen. Darum besassen die meisten Häuser von 
Magelang eine geschlossene »Achtergallery«, was beinahe niemals in 
den Städten mit hoher Temperatur, me Batavia, Samarang u. s. w. 
der Fall ist 

Schon nach vier Tagen konnte ich meine Wohnung bezieh^n^ 
d. h. in meinem eigenen Hause essen und schlafen. Das Bett hatte 
ich nämlich von Ngawie mitgenommen und überhaupt niemals unter 
den Hammer bringen lassen, um eben so bald als mögUch in meine 
Wohnung einziehen zu können. Es bestand aus schwarzen Stäben mit 
kupfenien Verzierungen und konnte bequem zu zwei kleinen CoUis ge- 
bunden werden. Die zwei Matratzen, zwei Kop^lster imd zwei Gulings 
(= BoUpoIster) wurden eben&lls zu zwei CoUis in Matten eingerollt, und 
so koimte ich überall sofort nach der Ankunft meine eigene ScMafetätte 
haben, ohne fürchten zu müssen, dass in einem Orte >) kein neues Bett 
zu kaufen war, oder dass erst nach langer Zeit eine Auction stattfin- 
den würde, welche mir Qelegenheit bot, dieses unentbehrliche Möbel- 
Ktück theuer zu erstehen. Glas- und Essservice konnte ich im chine- 
sischen Viertel kaufen, Küchengeräthe verschaffte ich mir vom Fäsar, 
und auf diese Weise gelang es mir, schon am fünften Tage nach meiner 
Ankunft meinen regelmässigen Haushalt zu haben und meiner Frau 
häusliche Thätigkeit zu verschaffen. - Nun traten auch die gesellschaft- 
lichen Pflichten an uns; wir mussten alle EmpÜEUigsabende fi^quentiren 
und so viel als mögUch Antrittsvisiten machen. Diese Empfangsabende 
sind eine sehi* praktische Einrichtung und sollten sich nicht auf die 
Spitzen der Behörden und Officiere beschränken. 

Die Städte sind in Indien gross, weil Jeder ein Haus bewohnt, 
das in der Regel von einem Garten umgeben ist Die Besuchszeit 
ist 7 Uhr Abends, und um diese Zeit regnet es wenigstens in 100 
Tagen des Jahres; es ist sehr unangenehm, wenn man Jemanden be- 



') wie z. B. in Ngawie. 



286 Empfangsabna'de. 



suchen will, vielleicht wegen des Regens eine Equipage nimmt, und 
man findet Niemanden zu Hause. Solche jours fixes fanden in Ifagplang 
zahlreich statt; der Platzcommandant 4 Bataillonscommandanten und 
ihre Adjutanten, der Resident, der Secretair, der Controlor, der Lan- 
desgerichts-Präsident der Director der Schulen für Emuptlings^SöIve, 
einige Oberlehrer und einige Hauptleute. Auch ich entschloss mich« 
einen solchen zu halten, und theilte mit, dass ich »jeden Sonnabend zu 
Hause sei<c. Die Empfangsabende dieser genannten Herren besuchte ich 
mit jneiner Frau, ohne gleichzeitig die jüngeren Collegen zu vergessen, 
welche aus Bescheidenheit keinen jom* fixe hielten. In Magelang war 
es nicht nöthig, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten, aber wehe! 
wenn man dieses in einem kleinen Orte thäte und es wagen sollte, 
erst den Oontrolor imd ^nn den Assistent-Re^sidenten oder erst den 
Adjutant und dann den Platzcommandant zu besuchen; ich glaube 
nicht, dass dies ungestraft geschehen würde. Diese »ersten« Visiten 
thut man nicht unangemeldet, sondeni man theilt im Laufe des Vor- 
mittags mit, »dass man wünscht, Herrn und Frau X. seine Aufwartung 
zu machen, weim dies gelegen käme«. Etwas LangweiÜgeres als solche 
Emp&ngsabende kann man sich kamn vor^Uen. Dazu kommt noch, 
dass das Haus, oder vielmehr die Veranda, des Platzcommandanten in 
Magelang sehr klein war und dass deshalb bei den Empfangsabendeu die 
meisten Herren stehen mussten. Die Damen häuften sich in der einen 
Ecke an und fanden bald Stoft zu einem Discurs; in der andern Ecke 
stand ein runder Tisch, beladen mit Cigarren und Getränken, denen 
die Herren tüchtig zusprachen, um sich hin und wieder in den Kreis 
der Damen zu wagen und bei dieser oder jener ihre Anwesenheit 
durch eine Verbeugung und ein paar Worte in Erinnerung zu bringen. 
Die Jugend fand sehr bald einen Ausweg aus dieser steifen, lang- 
weiligen und ceremoniösen Gesellschaft. Vor dem Hause spielte zwar 
die Militärmusik ihre Salonstücke oder Arien aus verschiedenen be- 
kannten Opern und Operetten; aber in der hinteren Veranda stand ein 
Piano. Die Tochter des Hauses wechselte mit ihrer Mama einen stillen 
Wink und darauf hin zogen die Mädchen und alle jungen Männer 
durch die hellerleuchtete »Biimengalleiy<i: nach der hinteren Veranda. 
Dort konnte die Jugend flirten und tanzen, bis die Mamas sie zur 
Abreise abholten, d. h. bis der Resident aufgestanden war, sich bei dem 
Gastgeber und der Hausfi^u empfohlen hatte und seine Frau am Arme 
des Colonels zu ihrer Equipage gebracht worden war. 

In dieser Hinsicht war der Resident viel günstiger situirt Er 



Empfaugsabeqde. 287 



hatte ein grosses Haus, welches früher dem »chinesischen Major«: ^ ge- 
hört hatte, während das des Coionels das Bureau des Controlors ge- 
wesen sein soll. 

Wenn man der Nordseite des Schlossplatzes folgte, sah man neben 
citm Clubgebäude das Schloss des Begenten und im Anschluss daran 
die Pfarrei, welche mit einigen europäischen Wohnungen parallel mit 
der Eisallee, in welcher mein Haus stand, gegen das Ufer des Progo- 
flusses abfiel, ohne dieses jedodi zu erreichen. Sie endeten in jener 
grossen Strasse, welche unter dem Namen die »kleine Tour« bei der 
Eisfabrik, d. h. am Schlossplatze anfing, auf der grossen Heeresstrasse 
den nördlichsten Punkt der Stadt erreichte, längs des Campements 
zum Schlossplatze zurück den Weg durch das chinesische Viertel nahm 
imd vor dem Berge Tidar und diux;h die Mörderallee bei der Eis&brik 
endigte. Die grosse Tour ]iahm dieselbe Route, ging jedoch hinter dem 
Tidar durch die Landstrasse nach Selaman durch die Mörderallee zu- 
rück; für die erste hatte man ^ji und für die grosse Tour ^j^ Stunden 
mit einer Equipage nöthig, welche in mässigein Schritt fuhr. 

Das Besidentengebäude konnte man jedoch am bequemsten durch 
die Besidentenallee erreichen, welche parallel mit der eben erwähnten 
Strasse und mit der Eisallee lief; auch sie war an ihrem südhchen 
Ende steil abfallend, und bei den Emp&ngsabenden des Residenten war dier 
Auffahrt an dieser Stelle geradezu gefährhch; wenn auch von dem 
nördlichen Theile der »grossen Tour« an diesem Kreuzungspunkte bei 
solchen Gelegenheiten nur ausnahmsweise eine Equipage kam, so ge- 
schah es desto häufiger von dem südhchen Theile her. Sie begegneten 
jenen, welche aus der Besidentallee kamen und diux;h den steilen Fall 
der Strasse nicht in Passschritt fahren konnten. In Galopp ging es 
bei dem Pavillon für Gäste vorbei mid imi die Ecke der Strasse vor 
die Hauptfront des Gebäudes mit der Aussicht auf dea Gurten, der 
damals durch die Reichhaltigkeit der Rosensorten berühmt war; am 
Ende desselben stand eii^ Gartenhäuschen, von welchem «aus man 
eine wunderschöne Aussicht aul beide Ufer des Progoflusses hatte. 
Den Eingang in das Haus bewachten zwei grosse Gtitzenbilder. Er 
führte zu einer »Voorgalleiy«, welche gross genug war, um selbst 
bei aussergewöhnlich besuchten Empfsingsabenden, wie z. B. bei der 
Hochzeitsfeier der Tochter des Residenten, alle Anwesenden bequem 



^) Die Häuptlinge der Chinesen fähren den Titel Lieutenant, Gapitän 
und Major. 



288 Empfangsabende. 



sitzen zu lassen. Ja noch mehr; sehr oft liess der Resident bei »eineu 
Empfangsabenden die Militärmusik im Garten spielen, womit die Ju- 
gend nicht zufrieden war. Die »alten Herren« wurden nach der Pe- 
ripherie d^s Saales gedrängt wo zwei grosse 2>Kletstafeln« standen, die 
»Musik« postirte sich an dem seitlichen Eingang der Veranda; \md 
Allen voran begann der Resident die Polonaise zu eröffiien. Die Ju- 
gend hatte den Sieg über die »alten Herren« eirungen. Dem Bei- 
spiele des Residenten folgte Alles, was kein Zipperlein hatte, und trotz 
einer Temperatur von 25® C. bis 30^ C. wiwJ bis 8^2 Uhr getanzt 
bis endUch der Colonel das Zeichen zum Aufbruch gab. Der Resi- 
dent A. war ein braver und behülflicher Mensch; er war ein tüchtiger 
Beamter. Der Colonel P. war auch ein braver und behülflicher Mensch; 
audi er war ein tüchtiger Officier; in den Augen der weiblichen Jagend 
stand dieser jedoch tief unter dem Residenten. Er war damals gewiss 
schon 65 Jahre und tanzte mehr und besser als alle Lieutenants und 
Gontrolors zusammen! Die weibUche Jugend bewahrt ihm gewiss heute 
noch ein dankbares Andenken. 

Alle meine Antrittsvisiten musste ich mit einem Miethwi^en machen^ 
weil ich zwar meine Equipage, aber noch keine Pferde hatte. Billig 
war es, für einen solchen Abend einen Wagen zu miethen; denn man 
zahlte nur 1,20 fl. = 2 Mark für die Stunde, oder abet, man Ueas 
den Wagen nicht warten, sondern nur »bringen« und um 8^/a Uhr 
holen, wofür nur 1 fl. verlangt wurde. Auf den grossen Plätzen, wie 
Batavia, Samarang u. s. w., sind die Preise zwar nicht höher als 1,20 fl. 
pro Stunde, aber die »Wagenvermiether« geben nur für 3 bis 4 Stun- 
den einien »Wagen ab«, wofür sie sich 2,50 bis 4 fl. zahlen lassen. 
Wegen der Unkosten brauchte ich mich also nicht zu beeilen, Pferde 
anzuschaffen. Aber die gemietheten Wagen waren so alt, so schmutzig 
und . so defeot, dass man glauben sollte, dass äich die Polizei gar nicht 
damit beschäftige. Ich muss auch sagen, dass die öffentlidien MieUi- 
wagen in Singapore und Ceylon viel netter, schöner und besser als in 
ganz holländisch Indien sind. 

Einen Pferdemarkt hatte Magelang nicht; eine Auction war vor- 
aussichtUch vor einigen Wochen nicht zu erwarten, d. h. eine Auction, 
auf welcher, »eiii Span« Pferde verkauft werden sollte. Ich besehloss 
also, Pferde im £[ampong kaufen zu lassen. Bald erftdu* ich die Adresse 
eines chinesischen Pferdeagenten, ich liess ihn zu mir kommen und 
theUte ihm meine Wünsche mit Jeden Tag brachte er mir ein Paar 
Pferde »zur Ansicht«, und endlich wählte ich ein Paar Kedupferde; 



Magelang. 289 

sie waren klein, 120 Centimeter hoch, schwarz, elegant und zierlich 
gebaut, hatten keinen Fehler, wenigstens wie der Agent behauptete, 
und ich konnte sie acht Tage lang probiren; er verlangte für sie 130 fl., 
sie waren vier Jahre alt, und er demonstrirte mir dies an der Form 
der Schneidezahne. Ein Pferdekenner war ich nicht, ein Thierarzt lag 
nicht in Garnison, weil wir weder Cavallerie noch Artillerie hatten. 
Ich wandte mich also an einen Qffider, welcher sich seit vielen Jahren 
ein Reitpferd hielt Dieser bestätigte mir die Angaben des Pferde- 
händlers, dass meine Pferde nicht älter als vier Jahre sein könnten. 
Der freie Band der Schneidezähne schleift sich nämlich im Laufe der 
Jahre ab, und da diese Zähne conisch zur Wurzel ablaufen, so wird 
der abgeschliffene Zahnrand eine wechselnde Form Tmd Ghrösse haben und 
besonders deutlich die Schichten des Zahnes zeigen, welche blossgelegt 
werden. Das geübte Auge kann daraus mit ziemlich grosser Wahrschein- 
lichkeit das Alter des Pferdes bestimmen. Dieser Process hat aber 
seine Grenze, welche ungefähr mit dem neunten Jahre abgeschlossen 
ist Der Zahn schleift sich nicht mehr ab, und von dieser Zeit an 
kann das Alter des Pferdes nicht mehr geschätzt werden; das Pferd 
»zeichnet« nicht mehr. Ich behielt die Pferde acht Tage zur Probe 
und Uess den Kutscher das letzte Wort sprechen^ ob ich sie behalten 
sollte. Dass sie nicht blind oder lahm waren, konnte ich selbst be- 
urtheilen ; ob sie aber Temperamentsfehler oder andere Untugenden be- 
sässen, welche sie für den Gebrauch imgeeignet machen würden — 
komite ich nicht beurtheilen. Bis jetzt waren sie nur Rckulpferde ge- 
wesen, d. h. sie hatten nur Kaffee getragen. Man sieht oft C!olonnen 
von 20 Pferden hintereinander gehen, welche je zwei Säcke Kaffee zu 
beiden Seiten des Bückens tragen; ein solches Pferd muss zum Ziehen 
eines Wagens erst dressirt werden. Zu diesem Zwecke borgte ich mir 
einen Lastwagen, der gewöhnlich von einem Karbouw oder Binde ge- 
zogen wurde. Diese erste Probe gelang ausgezeichnet, ruhig und ge- 
lassen zog jedes Pferd den Lastwagen (Grobak)^). Jetzt sollte es sich 
zeigen, ob sie auch den guten Willen hätten, zusammen und gleich- 
zeitig ihre Dienste zu leisten. Dazu hatten sie jedoch gar keine Lust 
Mit gespreizten Beinen standen sie still, trotzdem die Peitsche nicht 
geschont wurde. Natürlich wollte mein Kutscher die landesüblichen 
grausamen Mittel, wie die Flamme u. s. w., anwenden, um ihren Eigen- 
sinn zu brechen. Ich gestattete aber weder dieses noch andere heroische 



») Vide Seite 73. 

Brelt«Bit6in, 21 Jfthx« in Indi«B IL 19 



290 Opiumniachen. 



Mittel; er durfte uicht einmal mit dem PeitBchenstiel schlagen. Am 
andern Morgen bekamen sie nichts zu fressen und wurden wieder vor 
den Orobak gespannt; ihr Starrsinn blieb derselbe. Ich liess aber das 
G^pann umkehren, so dass sie den Stall und das Futter sehen konn- 
ten; sie zogen den Wagen an, und als sie bei dem Stall angelangt 
waren, bekamen sie einen kleinen Theil des Futters und mussten wie- 
der hinaus auf die Strasse. Dies Mittel hal^ und nach zwei Tagen 
gingen sie mit dem Grobak, wohin ich wollte. Ich hatte jedoch zu 
früh gejubelt Als ich sie vor meinen Mylord lege artis spannte, 
der sich bequem und leicht ziehen Uess, da begann ihr Starrsinn eine 
neue Form anzunehmen. Sie bäumten sich mid drohten den Wagen um- 
zuwerfen, und zuletzt verwirrten sie sich mit den Strängen. Die Hunger- 
cur musste wieder beginnen, und endlich wurde aus ihnen ein tüchtiges 
Paar Dienstpferde, welches mir fünf Jahre lang vortreffliche Dienste 
leistete, obwohl mein Wagen geradezu ein schwerer zu nennen war. 

Die Spitalpraxis brachte die erste Zeit wenig oder vielmehr gar 
nichts Interessantes. Das Spital selbst bestand aus Bambus-Baracken 
und wurde ein Jahr später verlassen; auch darüber lässt sich nichts 
Interessantes mittheilen. In die Privatpraxis konnte ich nur langsam 
kommen, weil sechs Militär-Aerzte hier waren und das europäische 
Publicum zu klein war, um einem einzigen Civil -Arzte hinreichend Be- 
schäftigung zu bieten, wieviel weniger noch, einem neu angekommenen 
siebenten Militär -Arzte Material zuzuführen. Die chinesische Bevölkerung 
jedoch war nicht nur viel grösser, sondern liebte es auch, häufig den Arzt 
zu wechseln. Auf diese Weise bekam ich bald genug Chinesen in Behand- 
lung; einer der ersten chinesischen Patienten war ein gewisser Kau-Sui 
King, welcher von Temanggong kam, mit der Mittheilung, dass er Opio- 
phag sei, tägUch 2 fl. für Opium ausgebe und neben Impotenz an habitueller 
Verstopfung leide; er habe nur alle acht Tage Stuhlgang, er ersuche 
mich also um ein G^egengift, d. h. um eine Arznei^ welche ihn von 
der üblen Gewohnheit des Opiumrauchens abbringen könnte. Ich 
habe später einen zweiten ahnhchen Fall zur Beobachtung und in 
Behandlung bekommen, in welchem der Patient jedoch durch den Miss- 
brauch des Opiums in hohem Maaase heruntergekommen war;>) er 
war mager, hatte eine fisdile Gesichtsfarbe und htt an einem hoch- 
gradigen Emphysem; eine Blutdiairhöe hatte ihn so erschöpft, dass 



>) Das chinesische Gewicht, in welchem das Opium verkauft wird, ist der 
taU = 38*6007 Gramm; 1 tau = 10 tji = 100 hun = 1000 li; ein li = 88-6 
Milligramm. 



Opiamraachen. 291 



-er dem Tode nahe war; der Puls war fadenförmig, der Herzschlag 
schwach zu hören — und doch gelang es mir noch, ihn dem früh- 
zeitigen Tode zu entreissen; ich muss sofort bemerken, dass die 6e&hren 
des massigen Opiumgebrauches für Leib und Seele im Allge- 
meinen zu hoch angeschlagen werden tmd nicht viel grösser als die des 
Alcohols sind. Ich habe vielleicht in 500 chinesischen FamiUen 
(während meines 20jährigen Aufenthaltes in Indien) gewiss 1000 Pa- 
tienten behandelt, ich habe zahlreiche Morphiophagen (leider waren ge- 
rade Aerzte diese unglüddichen Opfer ihrer körperlichen Leiden) unter 
-den Europäern gesehen und ich kann mir daher ein ürtheil in dieser 
Sache erlauben: Der massige Gebrauch des Opiums schadet ebenso 
wenig als der des Alcohols, und der Missbrauch desselben ist ebenso 
pemiciös als der der Spiritualien. Im Jahre 1887 behandelte ich einen 
Oollegen, welcher bis zur tägUchen Dosis von 1 g Morphium gestiegen 
war; der Bauch war von Stichen der Injectionsspritze so bedeckt, dass 
•er die Spritze nicht mehr gebrauchen konnte imd das Morphium in 
Form von Pillen nahm; erst im Jahre 1899, also zwölf Jahre später, 
starb er. Aber auch unter den zahlreichen chinesischen Patienten fiemd 
ich nur vereinzelte Opfer dieses Genussmittels; oben erwähnter Kau- 
8m King hatte bereits ein Jahr lang täglich um 2 fl. Opium gebraucht, 
und nur rekitiv wenig hatte dieses ungeheure Quantum von Ophmi seine 
Körperkraft untergraben ; ebenso wenig als ich den massigen Gebrauch 
•des Alcohols auf Grund meiner Beobachtungen und ErGsduimgen ver- 
urtheilen kann, ebenso wenig möchte ich einen Stein auf den massigen Gre- 
brauch des Opiums werfen, um so weniger, als die Europäer, welche 
sich dem ergeben, in der Regel unglückliche Patienten sind, welchen 
schmerzhaftes Leiden das Leben zur Last macht Aber wie der Miss- 
brauch des Alcohols den Menschen zum Thiere erniedrigt, ebenso sehr 
untergräbt der Missbrauch des Opiums Leib und Seele des Menschen. 
Allerdings muss ich auch noch mehr vor dem massigen Gebrauch des Opiums 
•ah dem des Alcohols meine warnende Stimme ertieben; der massige Ge- 
brauch des Opiums führt beinahe sicher, oder wenigstens viel leichter 
-zum Missbrauch, als dieses der Alcohol thut Wer in der Lage ist, 
und wem es die Geldmittel erlauben, wird sicher dem Morphium oder 
dem Opium zum Opfer fiEÜlen, wenn er einmal ange&ngen hat, zur 
Morphiumspritze zu greifen, um Erleichterung von seinen körperlichen 
Leiden zu finden, und darum rufe ich jedem Arzte zu: gieb keinem Pa- 
tienten die Spritze in die Hand! Principiis obsta! 

Der Opiumhandel ist in Indien in den Händen des Staates; 

19» 



292 Opiummuchen. 



dieses Monopol hat natürlich die widerlichsten und garstigsten Schmuggel^ 
scenen zur Folge, an weldien sich nicht nur Chinesen, sondern leider 
zu oft auch Europäer^) betfaettigen, und gerne stimme ich in den hef- 
tigen Tadel ein, welcher gegen den Schmuggel des »Höllensaftes« er» 
hoben wird; ich würde aber auch und gerade wegen dieser widerlidien 
Schmuggelscenen mit so vielen Andern auch gegen den massigen 
Gebrauch des Opiums meine Stimme erheben und ubeiiiaupt em- 
pfehlen, wie es s. Z. im Westen Javas in der Preangerprovinz der 
fyi war, die Einfuhr von Opium im Allgemeinen zu verUeten; aber 
hat eine Begierung das Becht und die Pflicht dem Volke ein Genuss- 
mittel mit Gewalt zu entziehen, das wie der Alcohol nur durch den 
Missbrauch schädhch wird? Ich weiss es nichts) 

Das Opium ist bekanntlich der getrocknete Saft ein^ Mohnkiq>6el 
aus der Familie der Papaveraceen; als solcher kommt er unter dem 
malayischen Namen Madat (= ampiun J.) in den Handel Er wird 
nun in warmem Wasser aufgelöst, filtrirt, abgedampft und heisst dann 
tjandu. Dieses präpanrte Opium wird mit Zucker und feingesdmittenem 
Tabak oder anderen aromatischen Blättern gemischt und geraudit oder 
getrunken (mit Kaffee) oder gekaut (mit Tabak). Die Pfeifen, au& 
welchen das Opium geraucht wird, bestehen aus einem mehr oder 
weniger verzierten Bambuastock, an dessen Ende sidi eine kleine Oeff- 
nung befindet, mit oder ohne Pfeifenkopf 

Den momentanen Einfluss des Opiumraucbens kann ich aus eigener 
Erfahrung nicht beurtheilen; ich konnte mich niemals entschliessen, 
diesen (^nuss einmal zu probiren; wenn ich die Chinesen, welche ich 
darüber interviewte, gut verstanden habe — es geischah in malayischer 
Sprache — , so ist der Opiumrausch gewissermaassen dem Nirwana der 
Indier zu vergleichen, welcher mit wenigen Warten charakterisirt wird: 
Absolute Buhe, Glückseligkeit, beruhend auf dem Wegfall des 
Gefühls der Existenz, also ein potenzirtes »Elimaschieesen«. 

Die Javanen rauchen (ngesis) auch Opium; ich sprach bis jetzt 
nur von den chinesischen Opiumrauchem, weil ich in diesem Capitel 
mich vorherrschend mit diesem Volke beschäftigen will, welches Jahr- 
hunderte lang, vielleicht 1000 Jahre lang an der Spitze der Civili- 



^) Bei einer grosaeQ europäischen Firma in Surabaya wurden vor wenigen 
Jahren einige Kisten Wein confiscirt, welche anstatt Traubensaft Opium ent- 
hielten. 

') Im Jahre 1893 wurden von Privatleuten um 3,867,4iB0 fl. uBd von der 
Kegierung um 1,541,020 fl. Opium eingeführt. 



Die Chinesen muf Java. 293 



sation stand und wie die Juden noch heute gleich einer ehernen , Säule 
aus den Ruinen der Völker des Alterthums hoch über mehr als die 
Hälfte der Menschen hervorragt; schon zur Zeit Abrahafn's^ Ri^nses' 
und Ljrcurgus' blühte ein chinesisches Reich; »seitdem sind die Aegypter, 
Griechenland und Rom untergegangen. Die Civilisation der altei^ 
Hindus, Chaldäer, Assyrier und Pereer ist verschwunden von dem 
Platz ihrer Entstehung; nur das chinesisdie Volk lebt fort, und unsere 
hochgerühmte Bildung von einem kleinen Theil Europas ist mit seiner 
Civilisation zu vergleichen, als von gestern, d) 

»Fan Tsjhi frug, was Humanität sei; der Meister sprach: Alle 
Menschen heben; er frug, was Wissenschaft sei; der Meister sprach: 
Alle Menschen kennen.« 

Diese Worte des Confiicius^) sind Perlen der Weisheit und 
stammen aus einer Zeit als in Nord-Europa kaum Spuren einer 
menschlichen Gvilisation zu finden waren und im Westen die Bewohner 
noch in den Urwäldern ohne Staatsorganisation als Wilde hausten. 

Heute fi^ihch zeigt das chinesische Volk nur das Bild einer alten, 
versteinerten und verknödierten Masse, welche den Fortschritt des fernen 
Westens nicht begreifen kann und nur mit Gewalt gezwungen der euro- 
päischen Gvihsation die Thore öfihen wird, ob zu seinem Wohl oder 
ob zu seinem Wehe, ist nicht zu entscheiden. 

Dimana gula, disana semüt, wo Zucker, dort Ameisen, sagt der 
Chinese in Java und charakterisirt damit die Macht des Groldes, und 
nur das goldene Kalb betet der heutige Chinese an, wenn auch sein 
Gottesdienst in erster Reihe ein reiner Ahnencultus ist; es ist aber 
unrichtig, zu behaupten, dass dieses Volk baar aller hohen Ideen und 
Gefühle sei, dass nur die nackte Glewalt sie beherrschen könne. AUes, 
was das Menschenherz erregt, ist dem Chinesen nicht fiiemd. Ich 
wurde in Atschin selbst zu einem Selbstmörder gerufen! Die Noth 
aber hatte ihn nicht dazu getrieben. 



Das chinesische Jahr hat 12 Monate zu 29 und 30 Tagen, der 
Rest wird zu einem 13. Schaltznonat vereinigt; sie kennen auch eine 
Eintheilung des Jahres in 24 halbe Monate nach dem jeweiligen Stande 
der Sonne im Thierkreise; die Namen derselben entsprechen den je- 
weiUgen meteorologischen Verhältnissen, sie heissen: An&ng des Früh- 

Vide: Jährliche Feste und Gebrauche der Emoychineeeii von J. J. M. 
de Groot. 

*) = Kon-fu-tse lebte von 550—478 vor Chriiti Geburt. 



294 ^ic Chinesen auf Java. 



lingB (5. Februar), Begenwasser (19. Februar), Wiedergeburt der In- 
Beeten (5. März), Frühlings Tag- und Nachtgleiche (20. März), Beine 
Luft (5. April), Begen über das Korn (20. April), AnÜEmg des Som- 
mers (5. Mai) u. 8. w. 

Die Schrift ist eine Hieroglyphenschrift, oder besser gesagt, ist 
dies ursprünglich gewesen und bis zum heutigen Tage geblieben; da- 
rum können sich die Chinesen durch die Schrift immer verständigen^ 
auch wenn ihre Dialekte so stark abweichen, wie z. B. das Elnglische und 
das Deutsche J) Allgemein ist bekannt, dass sie kein Alphabet haben und 
jedes Wort durch ein bestimmtes Zeichen ausgedrückt wird; es ist Sache 
des Studiums, eine grössere oder kleinere Zahl von Wörtern lesen und 
schreiben zu können. Ich besitze z. B. ein Bild, welches eine Seene 
aus dem Kriege mit den Franzosen bei Tonkin darsteUt; rings um die 
etwas primitiv ausgeführte Zeichnung sind zahlreidie Sprüche, deren: 
Bedeutung mir kein einziger meiner chinesischen Patienten in Magelang 
mittheilen konnte. Endlich wandte ich mich auf Anrathen eines be- 
freundeten Chinesen an den Major-tschina, der ein grosser (jlelehrter 
seL Seinen Mittheilungen über die Bedeutung musste ich um so eher 
Glauben schenken, weil sie thatsächlich controlirt werden konnten; diese^ 
waren die Namen der Städte, des Flusses, an welchem der Kampf statt- 
gefunden hatte, und die Jahreszahlen. 

In Magelang be£and sich der chinesische Tempel auf dem Schloss- 
platz, und zwar am Eingange der Hauptstrasse des chinesischen Quartiere 
— in allen Städten dürfen sie nämlich nur in bestinmiten, in der Begel 
scharf abgegrenzten Stadttheilen wohnen. — Welcher Secte dieser 
Tempel angehörte, und ob die Chinesen dieser Stadt, welche grössten- 
theils von Amoy herstammen, Bekenner des Buddhismus, Taoismus^ 
oder des Confticionismus sind, ist mir nicht bekannt; auch muss ich 
mich enthalten, mich in eine Besprechung dieser drei Secten zu ver- 
tiefen, weil ich darin, ich möchte sagen, gar nicht versirt bin; aber 
ich kann es nicht unterlassen, eines ihrer Feste zu erwähnen, welcheB 
überall mit grossem Pomp gefeiert wird, und welches ich jedes Jahr 
in Magelang zu beobachten Grelegenheit hatte, weil meine Wohnung ia 
der Nähe des Schlossplatzes und des chinesischen Quartiers lag. 

Es ist das Tsäp gow me»9 Fest = (dem Fest) der fün&ehnteft 



') Die wenigen Canton-Chinesen, Hok-Lo- und Hokka-Chinesen, welche auf 
Java vorkommen, können sich mit den Emoy-Ghinesen nur durch die Schrift 
verstandigen. Nach de Groot sprechen sie selbst ganz andere Sprachen al& 
die vom Drachenfluss. 



Die Chinesen auf Java. 295 



Nacht geweiht der Yerehnrng des Herrn der drei Welten = siong goan, 
oder wie es von den Europäeni auch genannt wird: Das Latemenfest 



Was die Medicin der Chinesen auf Java betrifift, kann ich nur 
mittheilen, dass wir in Magelang einen chinesischen Doctor und eine 
chinesische Apotheke hatten. Bis vor Kurzem hatte ich zwei PiUen 
in meinem Besitz, welche zeigten, dass sie in der Technik der Arznei- 
bereitung so ziemhch hoch stehen. Es waren zwei Hohlkugeln aus 
Wachs, welche im Innern je eine grosse Pille enthielten, und in chi- 
nesisdber Schrift die Krankheit mittheilten, für welche sie bestimmt 
waren; mit sakit angin übersetzte es mein Gewährsmann, d. h. für 
Erkältungen. Die Pille selbst hatte etwa die Grösse von drei unserer 
Chininpillen und war mit «Zinnober bestreut; überhaupt spielt das 
Quecksilber bei den Chinesen eine grosse Bolle in ihrer auf der rohe- 
sten Empirie basirten Behandlung der Krankheiten. Die grosse Menge 
des chinesischen Volkes macht noch häufig von den Zauberern Gebrauch, 
welche bei den gebildeten und höheren Ständen geradezu verachtet 
sind. Der Zauberer steht gesellschaftUch in Baim imd Acht, und für 
jeden Fall ausserhalb der vier anständigen Kasten: Gelehrte, Land- 
bauer, Arbeiter und Handelsleute. Es würde mich zu weit führen, 
solche Fälle zu beschreiben, d. h. den Zauberapparat, wie, wann und 
durch wen er bei :& Besessenen« oder bei langdauemden chronischen Er- 
krankungen angewendet wird; dass aber auch die medicinische Wissen- 
schaft als solche noch stark in den Windeln hege und vielleicht nicht 
einmal den Ehrennamen der Wissenschaft verdiene, wird aus dem kleinen 
Au&atz ersichtUch, den ich vor zwei Jahren über die gerichtliche Me- 
dicin bei den Chinesen in der »W. M. W.« veröffentüchte. Da ich 
aus verschiedenen Ursachen dieses Thema nicht ausführUch besprechen 
kann und will, so werde ich mich begnügen, diesen Au&atz hier wörÜich 
zu reproduciren, weil er meiner Ansicht nach den gegenwärtigen Stand 
der medicinischen Wissenschaft in China selbst hinreichend andeutet und 
charakterisirt In Java haben ja, wie wir sofort sehen werden, die 
Chinesen ihre heimatUiche medicinische Wissenschaft grösstentheils ver- 
lassen, und der chinesische Doctor sowie ihre Apotheke werden nur 
von jenen Chinesen in Anspruch genommen, welche den herrschenden 
Sitten und Gebräuchen Javas sich noch nicht angepasst haben. 



296 ^io gerichtliche Mcdicin der Chinesen. 

Die geriehtliche Hedlein bei den Cliinesen. 

Die gerichtliche Medicin war, seitdem unter Karl V. im Jahre 1553 
als Constitutio criminalis Carolinensis das erste Buch über dieses Fach 
erschienen war, zu jeder Zeit und überall der Spiegel der herrschenden 
medicinischen, juridischen, philosophischen und selbst der religiösen An- 
schauungen. Wenn ich also im Anschlüsse an die zwei Au&ätze des 
Herrn Dr. Karl v. Scherzer i) einen kleinen Auszug aus einem Buche 
über gerichtliche Medicin bei den Chinesen bringe und einige Be- 
obachtungen hinzufüge, welche ich bei der Behandlung meiner chinesi- 
schen Patienten auf Java gemacht habe, so wird dadurch vielleicht ein 
Streiflicht geworfen auf die Anschauungen der Chinesen, welche trotz 
der grossen Literatur über ihre Sitten und Gebräuche den Bewohnern 

Europas so gut wie unbekannt sind. 

• 

Bei dem Lesen dieses Buches, welches vor mehr als 30 Jahren 
von dem chinesischen Dolmetsch C. F. M. de Grijs in den Mit- 
theilungen der »Bataviaasch Genootschap van Künsten en Weten- 
schappen« erschien, und von welchem ich mir einen Separatabdnick 
besorgen liess, ging es mh: wie ein Mühlrad im Kopf herum. Denn 
nur wenige seiner Theorien sind dem europäisch geschulten Arzte ver- 
ständlich, und ich kann ruhig sagen: Auf keiner einzigen Zeile dieses 
118 Seiten starken Büchleins ist etwas zu finden, woraus der europä- 
ische Gerichtsarzt neue Belehrung schöpfen könnte. 

Da die letzte Vorrede zu der »Sammlung von ausgewischtem 
Umwehte«, geschrieben von Li-koan-lan den 27. August 1796, 
also schon hundert Jahre alt ist und ich nicht in der Lage war, den 
Herrn de Grijs zu interpelliren, ob seine Uebersetzung die eines noch 
jetzt in China gebrauchten Lehrbuches sei, wandte ich mich an den 
Professor de Groot, welcher in Leyden an der Akademie für indische 
Beamte die chinesische Sprache docirt, mit der Bitte, mir seine An- 
sichten darüber mitzutheilen, und in liebenswürdiger Weise beantwortete 
er diese Frage dahin, dass »China sich niemals viel verändert hat und 
sich niemals verändert«, dass also dieses Büchlein »ein ausgezeichnetes 
Hül&mittel sei, um die chinesischen Anschauungen socialer, juridischer 
und medicinischer Natur kennen zu lernen«. 

In China erschien die erste gerichtliche Medicin unter dem Namen 
»G^ammelte Auszüge von ausgewischtem Unrecht« zur Zeit der Re- 
gierung des Kaisers Jun-yu in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts 



Siehe Nr. 1196Ü und 11941 der „Neuen Freien Presse^ 



Die gerichtliche Medicin der Chinesen. 297 

(1241 — 1255), also 300 Jahre früher als oben erwähnte Constitutio 
criminahs Carolinensis, und erlebte seit dieser Zeit mehrere verbesserte 
und vergrösserte Auflagen. 

In der mir vorliegenden Auflage war es geradezu unmöglich, eine 
wissenschaftliche Grundlage der gerichtlichen Medicin zu entdecken, und ich 
verstehe es, wenn mir Professor de Groot schrieb, dass die chinesischen 
Aerzte sich allerlei Büchlein bedienen, welche auf keiner wissenschaft- 
Uchen Basis beruhen, sondern nur auf philosophischen Speculationen 
und auf einiger Empirie. Ich selbst habe gewiss mehr als tausend 
chinesische Patienten behandelt, und in vielen Fällen war mein ärzt- 
licher Bath erst dann eingeholt worden, nachdem der chinesische 
Doctor ohne Erfolg die Patienten behandelt hatte. Es war mir jedoch 
niemals gelungen, ein deutUehes und einheitUches Bild ihrer Therapie 
zu bekommen. Nach der Lectüre dieses Büchleins jedoch und nach 
dem Lesen des Briefes von Professor de Groot wurde es mir deutlich, 
dass dies eben unmöglich war. Ich kann also in den folgenden Zeilen 
nur eine Blumenlese bringen aus diesem Buche, und es dem Leser über- 
lassen, sich darüber ein Urtheil zu bilden. 

Die Obduction wird nicht von den Gerichtsärzten selbst vorge- 
nommen, sondern von Beamten der niedersten Rangclassen, weldie so 
wenig Vertrauen bei den Gerichtsärzten gemessen, dass £äst durch die 
ganze »Thanathologie« wie ein rother Faden die Warnung vor dem 
Unfug dieser Leute läuft 

»Es geschieht, dass Schreiber oder Todtenbeschauer an die nächsten 
Nachbarn vorher Nachricht geben, wenn eine Obduction soll gehalten 
werden und sie lassen entfliehen, und nur entfernte Nachbarn oder alte 
Leute, Frauen und Eonder, jünger als 16 Jahre, ge&ngen nehmen.c 
Seite 10. 

Auf Seite 19 wird nach einer weitschweifigen Vorrede das Suchen 
nach Wunden folgendermaassen beschrieben: 

»Beim Untersuchen einer Leiche, bei welcher die Wimden noch 
nicht deutUch zu sehen sind, gebraucht man Essig und das r^du (d. i. 
was bei der Weinbereitung im Fasse zurückbleibt) und legt es auf die 
Wunden im Freien, und hält ein fiisch geöltes Tuch oder einen durch- 
sichtigen Sonnenschirm über die Leiche. Will man die Stelle besehen, 
wo die Wunde ist, so hält man den Sonnenschirm gegen die Sonne 
imd schaut dann nach der Wunde, welche hierauf sichtbar wird. Bei 
bewölktem Himmel muss man ein Holzkohlenfeuer machen und dann 
auf gleidie Weise nach den Wunden schauen. Wenn auf diese Weise 



1 

1 

I 



298 ^® gericlitliche Medicin der Chinesen. 



die Wunden noch nicht zn sehen sind, dann nimmt man weisse Zwetschken,, 
welche man fein zerreibt und auf die verwundete SteUe legt, und lässt 
es darauf liegen« u. s. w. 

Auf Seite 24: »Wenn während der heissen Monate an den Oeff- 
nungen des Körpers noch keine Würmer zu sehen sind, und diese zu- 
erst an den Schläfen, dem Atlas, auf den Rippen und auf dem Bauche 
zum Vorschein kommen, dann ist sicher auf dieser Stelle eine Wunde.« 

Auf Seite 26: »Die Todtenbeschauer thun auf Ersuchen ander»*^ 
Leute oft Rubia mangista in den Essig imd reiben damit die ver- 
wundete Stelle ein. Auf diese Weise werden die Wunden unsichtbar.. 
Es giebt Bösewichte, welche Leichen kaufen, sie verwunden und andere 
Leute fälschlich des Mordes beschuldigen . . . ., sie bestechen die 
Todtenbeschauer, um mit Eisenvitriol, Gallnüssen, Sapanholz die nebligen, 
blaurothen Wunden nachzumachen, während die Todtenbeschauer die 
Wunden an die Beamten dictireu.« 

Wenn vor einigen Jahren der deutsche Kaiser die europäischen 
Mächte vor einer mongolischen Invasion warnte, dann verrieth er ebie 
richtige Auffassung der chinesischen Zustände, der chinesischen Aus- 
dauer und der chinesischen Zähigkeit Ja, noch mehr, ich zweifle keinen 
Augenblick, dass in den künftigen Jahrhunderten die mongolische Rasse 
Europa überschwemmen werde. Java ist diesbezüglich eine Demon- 
stration ad oculos; beinahe der ganze Kleinhandel und beinahe der 
ganze Grossgrundbesitz ist heute schon in den Händen der Chinesen. 
Von den Ursachen und Verhältnissen, welche diese Thalsachen ermög- 
lichten, will ich nur die Zähigkeit der Chinesen, so weit sie auch auf 
unser Thema Bezug hat, näher besprechen. Diese ist gross. In ihrem 
Leben spotten sie geradezu allen Regeln der Hygiene, und doch ver- 
mehren sie sich wie — Kaninchen. Eine junge schöne Frau hatte 
z. B. einen so schweren Blutverlust erlitten, dass sie wie ein Wachs- 
bild beinahe pulslos zu Bette lag, als meine ärztliche Hülfe eingeholt 
wurde. Keine wie immer geartete manueUe Hülfeleistung wurde von 
Seite der*Familie erlaubt. 

Der Tod schien mir nach dieser heftigen Hämorrhagie post aber* 
tum unvermeidlich, und doch erholte sie sich nur durch eine medica- 
mentöse Behandlung so vollkonmien, dass sie nach Jahresfrist einem: 
5 Kilo schweren Knaben das Leben gab. (Ich muss bemerken, dass 
auf Java beinahe niemals echte chinesische Frauen gesehen werden, 
sondern solche, die einem eheUchen oder uneheUchen Verhältnisse mit 
einer javanischen Frau entstammen.) Wenn ich absehe von einigen 



Bie gerichtliche Medicin der Chinesen. 299 

sehr reichen Chinesen, welche bereits in zweiter Generation auf Java 
leben und sich den Luxus eines europäischen Haushaltes erlauben, so 
sah ich bei allen anderen fürchterliche ünreinlichkeit und Schmutz. 
Das Schlafidmmer z. B. war bei 90 pCt der von mir besuchten chine- 
sischen Familien nicht länger als das Bett und vielleicht nur um einen 
halben Meter breiter; die Bettwäsche und das Moskitonetz hatten 
durch Alter und Schmutz eine unkennbare Farbe; auf dem Boden 
dieses Zimmerchens, welches weder eine hölzerne, noch eine steinerne 
Bedeckung hatte, wurden die Sputa mid der Inhalt des Magens de- 
ponirt, ohne an eine sofortige Entfernung zu denken. Und doch 
standen noch in diesem kleinen Räume ein kleiner Altar mid die 
G^ldtruhe, worin sich oft Tausende Gulden befanden. Der Chinese 
ist übermässig im Essen und in der Liebe, mid doch wimmelt es im 
chinesischen Viertel von zahUosen Kindern. Magenkatarrhe, Leber- 
krankheiten. Fettsucht Erschöpftmg durch den Missbrauch des Opium« 
rauchens kamen mir ebenso oft zur Behandlung wie die Tropenfieber, 
und doch sieht man zahlreiche chinesische Greise. Ihre Zähigkeit muas 
man also bewundem. 

In dem vorliegenden Büchlein über gerichtliche Medicin um&sst 
die Lehre der Vergiftungen 14 Blattseiten, von welchen ich natürlidi 
nur einige Zeilen mittheilen kann. 

Auf Seite 81 z. B.: »Es kommen nicht wenige Todesfälle vor, 
welche dadurch bedingt smd, dass irrthümlicher Weise solche Speisen 
gegessen werden, deren Charakter miteinander in Streit ist; so mag 
man z. B. frischen Wein nicht gebrauchen mit Honig oder den 
Flussfisch »Tung« mit Russ, welcher aus dem Eiamin ge&llen ist^ 
da dies alles bald den Tod zur Folge haben und den Zweifel errege 
würde, ob nicht eine Vergiftmig vorliege, was ein grosser Irrthura 
sein würde.« 

Auf Seite 82: :»Bei einer Todtenbeschauung von einem Vergifteten 
nehme man eine silberne Exploitivnadel, welche in einem Aufguss von 
Mimosa saponaria^) gewaschen wurde, steckt sie in den Mund der 
Leiche und stopft den Mund mit Papier zu. Wenn man nach einiger 
Zeit die Nadel wieder herauszieht, so ist sie blauschwarz und bleibt es 



^) Die Uebersetzung der chinesischen Namen für Pflanzen, Thiere und 
Mineralien hatte für den Herrn de Grijs manche Schwierigkeiten; da er drei- 
zehn wisBenschaftliche Werke darüber zu Rathe zog, so verdient sie das vollst« 
Vertrauen. 



300 Die gerichtliche Medicia der Chinesen. 

auch, wenn man sie mit demselben Abguss wiederutn wäscht Wenn 
jedoch keine Yeiigiftung geschehen ist, bleibt die Nadel silberweiss.« 

Etwas praktischer ist folgendes Experiment 

Seite 83: »Man nehme etwas gekochten Beis, stopfe ihn in den 
Mund und in die Kehle der Leiche, bedecke den Mund 24 Stunden 
lang mit Papier, nehme dann den Reis aus dem Munde und gebe ihn 
einem Huhn zu essen. Stirbt das Huhn, dann lag eine Vergiftung 
vor.« 

Von dem stärksten Gift, welches ebenfalls durch die Nadelprobe 
erkannt wird und der »Seide essende Wurm« in den Provinzen 
Canton und Kwang-si Joh-sse-ku genannt wird (weil es wie eine Heu- 
schrecke aussieht), wird auf den Seiten 84 und 85 ausführlich ge- 
sprochen. 

»Um dieses Gift zu bereiten, wurden hundert kriechende Thiere 
und Insecten gefangen und in einen Topf gegeben. Nach einem Jahre 
schaut man nach, und es ist nur ein Thier übrig gebUeben, welches die 
andern aufgegessen hat Dieses Thier enthält erwähntes Gift und 
kann sich wie Teufel imd Geister unsichtbar machen. Wenn es sich 
einrollt, sieht es aus wie ein Ring. Es verzehrt alte Seidenstoffe, ge- 
rade wie der Seidenwurm Maulbeerblätter. In Sze-tsuen, Ho-kwang, 
Canton und Tokio giebt es böse Leute, welche diese Würmer in Speise 
und Trank mengen, um die Menschen zu vergiften. Wer dies Gift 
gebraucht, stirbt sofort, was den Würmern Freude schafit, den Beffltzer 
der Würmer täglich reicher imd reicher macht Es ist sehr schwer, 
von diesem Wurm abzukommen, da weder Feuer noch Wasser, weder 
Schwert noch Messer über ihn etwas vermögen. Wenn jedoch der Be- 
sitzer das doppelte Quantum von Gk>ld, Silber mid Seide nimmt den 
Wurm hineinlegt und das Ganze an der Heeresstrasse weglegt dann 
wird ein Vorbeigehender es aufiiehmen und der Wurm wird ihm folgen. 
Wenn der Besitzer dies nicht thut kriecht der Wurm ihm in den 
Bauch, fnsst Magen und Därme auf imd geht dann weg.« 

Zum Schluss will ich nur noch jenen Theil des Capitels bringen, 
in welchem die Blutprobe die Verwandtschaft streitender Parteien be- 
weisen soll. 

Seite 36: »Es ist noch eine Methode, um Blut zu untersuchen; 
zwei Personen geben sich einen Stich und lassen Beide einen Tropfen 
Blut in das Wasser fallen. Sind die Personen fiactisch Vater und 
Kind, Mutter und Kind, oder Mann und Frau, daim fliesst das 
Blut zusammen; besteht jedoch keine Verwandtschaft, dann gesdiieht 



Die Chinesen auf Java. 301 



dies nicht. Will ein Sohn oder eine Tochter das Skelet des Vaters 
oder der Mutter agnosciren, dann befehlen die Beamten, dass der Sohn 
oder die Tochter mit einer Nadel sich stechen und einen Tropfen Blut 
auf das Skelet fallen lassen. Wenn dieses das Blut von einem der 
Eltern ist, dringt das Blut in die Knochen, im anderen Falle nicht 
Wenn jedoch die Knochen mit Salzwasser gewaschen sind, dann wird 
das Blut nicht eindringen, wenn auch eine Verwandtschaft zwischen 
den Beiden bestanden hat Das ist ein Kunstgriff, dessen sich schlechte 
Leute bedienen, und man passe also gut auf.« 

Ich zweifle, ob es einem Anderen gelingen wird, aus dieser Blumen- 
lese oder aus dem ganzen Büchlein über die chinesische gerichtliche 
Medicin, herausgegeben von dem Herrn Li-koan-lan im Jahre 1796, 
eine einheitliche wissenschaftliche Basis heraus zu finden. Mir gelang 
es nicht! 

Jedem Arzte, welcher bei den Chinesen Javas eine grosse Praxis 
erlangen will, möchte ich den Rath geben, sich mit der causalen Be- 
handlung chronischer Ejrankheiten nicht viel einzulassen. Der Chinese 
beurtheilt den Arzt nach dem momentanen Erfolg, und diesem ent- 
spricht am meisten die symptomatische Behandlung; ja noch mehr; 
wenn er auch in Java geboren und bis auf den Zopf beinahe ganz in 
den Sitten und Grebräuchen der Europäer aufgegangen ist, in einer 
holländischen Schule die holländische und firanzösische, und vieUeicht 
auch die englische Sprache erlernt hat, und seine Schwester unter Lei- 
timg einer europäischen Grouvemante selbst das E^lavierspiel sich an- 
eignet, wird er in acuten Krankheiten zwar einen europäischen Ai^ 
zu Rathe ziehen und einige Tage dessen Behandlung sich unterwerfen. 
Bei chronischen Krankheiten oder bei acuten Krankheiten (wie dem 
Typhus z. B.), welche wochenlang dauern, wird er aber gewiss eine 
Dukun kommen lassen, und entweder dem europäischen Arzte den 
Abschied geben oder hinter dessen Rücken die javanische oder halb- 
europäische HeilkünsÜerin zu Rathe ziehen, weil die Behandlungsweise 
dieser Frauen seinen Anschauimgen näher steht, als die des euro- 
päischen Arztes. Will man nicht, wie es einem meiner Collegen passirte, 
die unangenehme Erfahrung machen, dass man am vierten oder fünften 
Tage mit den Worten: Apa mau tuwan? = Was wünscht der Herr? 
empfangen wird, dann stelle man so bald als möglich die Vertrauens- 
frage; so bald es nöthig wiurde, dass ich nach dem vierten Tage kom- 
men sollte, fing ich den Patienten oder einen sein^ Verwandten: 



302 ^^^ Chinesen auf Java. 



»Wünschen Sie, dass ich morgen wieder zu dem Patienten komme?« 
imd in den meisten Etilen bekam ich zm* Antwort: »Wenn es dem 
Patienten nicht besser geht, werde ich den Herrn Doctor davon ver- 
ständigen.« Natürlich giebt es Fälle, in welchen eine solche Ver- 
trauensfrage ganz überflüssig ist Ich behandelte z. B. das Eand eines 
angesehenen chinesischen Kaufinanns, Lie Tiauw Poo war sein Name, 
welches einen eitrigen Erguss in der linken Brusthöhle hatte; den 
10. September 1895 winde ich zu dem kleinen, zweijährigen Patienten 
gerufen, und zwei Tage später hatte ich durch eine Probepunction die 
Bestätigung meiner Diagnose erhalten; ich theilte dem Vater mit, 
dass Eiter niemals aufgesogen werde, dass eine Operation unvermeid- 
lich sei, und dass es vielleicht 2 — 3 Wochen dauern köinie, bis der 
kleine Patient geheilt sein würde. In diesem Falle stellte ich während 
der ganzen Behandlungsdauer niemals die Vertrauensfrage; der Vater 
sah ja ein, dass an&ngs täglich und später in grösserem Zeiträume 
ein Verbandwechsel eintreten müsse; dennoch wundert es mich heute 
noch, dass er es bis zum 3. October, also durch 24 Tage mit mir 
ausgehalten hat; an diesem Tage war die Wunde bis auf die Haut 
geschlossen. Vorsichts halber theilte ich mit, dass jetzt meine Hülfe 
nicht mehr nöthig sei, weil bei dem Gebrauch der Jodoformsalbe auch 
die Hautwunde sich schliessen werde, und erhielt zur Antwort: Baik 
tuwan = gut, mein Herr! 

Die gesellschafUiche Stellung der Chmesen ist stricte dictu eine 
Zwischenstellung zwischen der herrschenden Basse, den Europäern, und 
den Unterthanen, den Malayen, Javanen u. s. w.; wenn es auch viele 
Europäer giebt, welche die Fräponderanz der weissen Rasse über die 
gelbe so viel als möglich auch im alltäglichen Leben geltend machen 
wdlen, so sind andererseits viele — welche mich an einen Hausirer 
erinnern, dem ich im Jahre 1884 in Singapore begegnete. Einige 
Europäer standen im Hotel de TEurope beisammen und besprachen 
die einzelnen Beligionen in Indien; da nahm Einer von ihnen einen 
Dollar aus der Tasche und rief mit Aplomb aus: Dieses ist meine 
BeUgion! Ein durch Opiumschmuggel reich gewordener Chinese gab 
zu Ehren der Hochzeit seiner Tochter ein grosses Pest; er lud alle 
Europäer dazu ein, ob er sie persönlich kannte oder nur vom Hören- 
sagen von ihrem Aufenhalt in Magelang etwas vnisste; es waren 
nur Wenige, welche von dieser Einladung keinen Gebrauch mach- 
ten. Bei diesem Feste wurden die feinsten Weine, Champagner 
ad libitum geschenkt; die besten und theuersten Cigarren standea 



Die Ghinesen auf Java. 303 



h Discretion auf den Tischen^ und so mancher der Anwesenden soll 
^ich die Taschen mit Cigarreu gefüllt und heimlich ganze Flaschen 
den in der Nahe stehenden Bedienten zugesteckt haben!! Solche 
dunklen Ehrenmänner sind die lautesten Schreier, wenn es gilt, einem 
itfiständigen Chinesen auch anständig entgegenzukommen, und diese 
problematischen Naturen sind es, welche von den Chinesen nur in dem 
Terächtlichsten und beschimpfendsten Tone als ekelhaften schweinischen 
Wucherern u. s. w. sprechen. Solche Europäer haben auch dem 
Chinesen das oben erwähnte malayische Sprichwort »dimana gula, disana 
semut« in den Mund gelegt, als er coram publice von diesem Misshrauch 
der Gastfreundschaft Elrwähnung that 

Eine Ehe zwischen einem Chinesen und einer europäischen Dame ist 
meines Wissens nach auf Java noch nicht vorgekommen; umgekehrt halten 
«ich viele europäische Männer oft chinesische Haushälterinnen und hei- 
raten manchmal die Muttei: ihrer Kinder; ob die Regierung jemals die 
Erlaubniss geben würde, dass ein Officier eine Chinesin heirate, ist sehr 
zu bezweifeln. 

Zu Aemteni und Würden werden sie nicht zugelassen; militärisdie 
Dienste leisten sie keine, obwohl die Armee nur aus Freiwilligen be- 
^ht; sie sind eben ein fremdes Element in dem Staate und werden 
es bleiben, so lange — die herrschende Basse es für gut findet i) 

Ihre sociale Stellung ist eine ausgebreitete. Wenn man auch 
beinahe niemals chinesische Bediente in einem Hotel oder in einem 
IVivathause findet, >) weil sie viel höheren Lohn als die Eingeborenen 
verlangen, so findet man sie in allen Zweigen der Industrie und des 
Handels. Sie sind Hausuer, Schneider, Schuhmacher; sie verfertigen 
Wagen und Möbel; sie sind Kulis und Buchdrucker; in den grossen 
Banken sieht man nur chinesische Kassirer; sie sind lichter von Plan- 
tagen imd Bauunternehmer, und gewiss >/4 des Detailhandels ist in 
ihren Händen. Leihhausbesitzer und Wucherer ist Jeder von ihnen in 
grösserem oder kleinerem Maasse. Kaum hat der chinesische Emigrant 
auf Java festen Fuss ge&sst, leistet er Kulidienste oder erhält von seinem 
Tiftndsmann einen kleinen Yorrath an Zwirn, Knöpfen, Band und Na- 
deln und hausirt damit im Innern des Landes. Kaum hat er 5 fi. 



Sie leben, wie schon früher erwähnt, in «inem Ghetto und zahlen nebst 
allen anderen üblichen Steuern 2 — 60 fl. Kopfsteuer je nach ihrer Stellung und 
ihrem Vermögen. 

') Ich spreche nur von Java; auf der Ostküste Sumatras folgen die Tabak- 
pflanser dem englischen Gebrauche und halten auch chinesische Diener. 



304 J^® CbiDesen auf Java. 



erspart, so q>ielt er schon den Wucherer gegenüber den sorglosen Ein* 
geborenen. Der Elrfolg ist immer derselbe, der Javane verannt und der 
CShinese wird reich. Auch yon einem europäischen Wucherer kenne idi 
die Genesis seines Beichthums, und sie giebt uns ein deutliches Bild über 
das, Gebahren dieser Ehrenmenschen (?). Die Eran desselben sass an 
jedem Markttage (haii paing) im Ghrten ihres Hauses, vor welchem 
der Sl]x>m der MaHctbesucher vorbeizog. Die eine Erau brachte sechs 
Hühner auf den Markt, die andere einen Sack Beis, eine dritte ein^i 
Korb Früchte u. & w. Jede von ihnen hoffle von dem Erträgniss ihrer 
Waare einiges für sich selbst zu kaufen; ungewiss, ob und wie spät 
sie in den Besitz desselben kommen werde, fidgte sie gern dem 
Sirenengesang der Babu dieser Dame, welche sich bereit zeigte, ihr 
>'s fl, zu borgen, wofür sie denselben Tag 60 Ct zurückzahlen musste. 
Hatte sie diesen Betrag nicht in baar, war diese Dame immer so 
hobenawürdig (?), auch in Waaren sich bezahlen zu lassen, deren Preis 
natürlich tief unter dem des Marktes stand. Im Laufe der Jahre 
hatte diese Dame damit 75,000 fl. verdient!!! Es ist nicht zu viel ge- 
sägt, dass jeder Chinese bei Gelegenheit ein Wucherer ist, und es ist 
Sache der Begierung^ diesem Unwesen zu steuern. Auch als Kauf- 
leute sind sie sehr unsolide; es ist aber die Sache des Groeshandels^ 
diesem Factor Bechnung zu tragen; die Creditverhältnisse sind im 
Allgemeinen in Java sehr ungesund, und nur ein gemeinsames, ener- 
gisches Zusammengehen der europäischen Grosshändler kann diesen 
Auswüchsen des »leichten Credits« in Indien ein Ende machen. 

IndividueU ist der Chinese auf Java, wenn wir von der Moral ab- 
sehen, allen Anforderungen der Civilisation zugänglich; er ist fleissig 
und spanam und nüchtern, er ist ein Freund des Prunkes und des 
Aufwandes — wenn er die Mittel dazu besitzt; wenn er als Kuli 
'/4 fl. pro Tag verdient, wird er sicher 5 Cent davon zur Seite legen^ 
und wenn er 5 fl. pro Tag erwirbt, wird er niemals das ganze Er- 
trägniss seiner Arbeit verzehren; ist. er jedoch reich, wird er gewiss 
niemals geizen, im Gegentheil, er liebt den Prunk und wird z. B. h&. 
der Hochzeit seiner Tochter 1000 fl. allein für das Feuerwerk be- 
zahlen. 

Vieles von dem bis jetzt Erwähnten passt allerdings nicht in das 
landläufige Bild eines Chinesen; auf Java ist eben dieses Volk aUes^ 
nur keine reine Rasse, weil es keine chinesischen Frauen stricte dictu 
giebt Sie stammen nämhch aus der Provinz Amoy, wo das Aus- 
wandern der Frauen verboten ist Auf anderen Inseln, z. B. auf 



Die Chinesen auf Java. 305 



Sumatra, sah ich einige echt chinesische Frauen, d. L von China ein- 
gewanderte Frauen, welche noch die verkrüppelten Füsse hatten. In 
Java jedoch sind es nur chinesisch-javanische Frauen, und als solche 
pflanzen sie sich als eigene Basse fort Ihre Kinder heissen »chinesische 
Kinder«; der Knabe bekonunt seinen Zopf und das (reiche) Mädchen 
wird der Oeffentlichkeit entssogen; da sie in der Regel wieder unter- 
einander heiraten, bleiben wohl einzelne Basseneigenthümlichkeiten be- 
stehen; aber rein ist die Rasse nicht; es sei denn, dass man auch 
wissenschaftlich von einer chinesisch-javanischen Rasse spricht Ihre 
Hautfarbe ist lange nicht so dunkel, als die der Javanen; die Männer 
haben den Zopf und das bartlose Qesicht; nur bei einigen sind die 
enggeschlitzten Augen noch zu erkennen; die Frauen sind zierliche 
Puppen; sie haben den eleganten Körperbau der javanischen Basse; 
durch die helle Hautfarbe ist oft das zarte Roth der Wangen sehr 
deutlich; sie sind schön gebaut, und viele von ihnen würden die Zierde 
eines jeden Salons sein. 

Vielfach wird behauptet, dass die Chinesen sich nicht in der 
Fremde begraben liessen. Dieses hat wahrscheinlich für die echten 
Chinesen seine Richtigkeit; der Java-Chinese wird auch in Java be- 
graben. Ich erinnere mich nur eines vereinzelten Falles, dass von 
Magelang während meines 5jälirigen Aufenthaltes eine Leiche nach China 
transportirt wurde, die übrigen wurden auf dem chinesischen Ejrchhofe 
begraben, welcher auf dem Wege nach Djocja lag. Wie überall, waren 
die Grabkeller in einen Hügel eingegraben und hatten ein weisses ^ 
Rondeau; je nach dem Vermögen und Stand der Familie ist dieses 
bald gross, bald klein. Der Sarg ist einfach und schmucklos; er be- 
steht aus einem ausgehöhlten Baumstamme, und der Deckel ist dem- 
selben Baumstamme entnommen. Zum Transport wird der darauf gut 
passende Deckel ein&ch mit Pech verklebt und doch belästigt die Ver- 
wesung der Leiche die Umgebung nicht 



Am 1. November 1892 wurde das alte Spital verlassen und das 
neue, welches sich im Norden des Campements be&nd, bezogen. Die 
Uebersiedelung eines solchen Spitales mit ungefähr 500 Soldaten-Pa- 



') Bei ihnen ist die Farbe der Trauer weiss. Weisse Vorhänge und weisse 
Laternen vor dem Eingange des Hauses theilen mit, dass ein Todter im Hause 
sei, und bei einem Leichenbegängnisse sind die trauernden Frauen in weisse 
Kleider gehüllt. 

Breitemtein, 21 Jahre in Indita ü. 20 



306 Bu^ 'u grosses Müitänpital. 

tienten ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden; es musste oder viel- 
mehr soUte alles an einem Tage geschehen, weil sonst die Küche, die 
Apotheke u. s. w. auf zwei Plätzen ihre Arbeiten gleichzeitig verrichten 
mussten; vorher musste also festgestellt werden, wie viel Patienten zu 
Fuss gehen konnten — die beiden Spitäler lagen ja beinahe 3 Kilo- 
meter von einander entfernt — wie viel in einer Sänfte und wie viel 
in einem Wagen transportirt werden sollten; es waren ja selbst einige 
Schwerkranke, welche man im Bette beliess und welche in demselben 
auf den Schultern von 4 Kulis getragen werden sollten. Da der 
Spitalschef alles selbst besorgte, so war der Transport insoweit nicht 
geregelt, als einige Aerzte im neuen Spital werklos auf die Ankunft der 
Kranken warteten, während sich der Spitalschef übermüdete. 

Das neue Spital (Fig. 24) hat eine ungeheure Ausdehnung, weil 
das Pavillonsystem in übertriebener Weise angewendet wurde. Die 
Luftlinie von Norden nach Süden beträgt 4ä0 Meter und von Osten 
nach Westen 200 Meter. Wenn der »Doctor der Wachte ») reglemen- 
tair in der Nacht zweimal die Runde macht, d. h. durch alle Kran- 
kensäle und längs aller Betten geht, hat er jedes Mal 8/4 Stunden dazu 
nöthig, und thatsächlich beträgt dann der zurückgelegte Weg jedesmal 
3 Kilometer. Wie leicht geschieht es, dass bei einem Krankenstand 
von 5 — 600 Mann der »Doctor der Wacht«, ich will sagen nur einmal 
bei einem Patienten Hülfe leisten muss; also wenigstens 7 — 8 Kilometer 
muss er jede Nacht zurücklegen, wenn er seinen Pflichten nachkommen 
wilL Er muss nebstdem den darauf folgenden Vormittag nicht mir 
seinen gewöhnlichen Saaldienst verrichten, sondern es erwarten ihn 
noch andere Obb'egenheiteu. Er muss dreimal nach der Küche gehen, 
um das Essen zu kosten, das eriaunkte Hospitalpersonal muss er ent- 
weder in der Caseme oder |)ei sich im Wartezimmer behandeln und, 
last not least, er muss den Beftmd beschreiben von etwaigen Verwun- 
deten oder Todten, welche in den letzten 24 Stunden ins Spital ge- 
bracht und von ihm behandelt oder operirt wurden. Die Runde des 
»Doctors der Wacht« ist überflüssig; denn andere dazu mehr befugte 
und geeignete Personen können ja dasselbe leisten« d. L durch die 
Runde sich überzeugen, dass die Patienten in ihren Betten hegen mid 
dass die Ej-ankenwärter nicht nur auf ihrem Posten sind, sondern 
auch fitctisch wachen. Das sind nämlich die Krankenoberwärter mit 
dem Bange eines Feldwebels, welche im Allgemeinen einen leichten 



I') = Doctor du jour. 




* 

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308 



Eridaning Eum „GnmdriBS des MilitärlioflpiUls zu Magelang *^. 



ErUirong: tum ^^finuidilss des Hilitlrspltols za Kagelang^« 



I. Hauptgebäude. 

1. Zimmer für die Verwundeten. 

2. „ n n Operationen. 

3. „ » n Instrumente. 

4. BibUothek 

5. Sitaungrtaal. 

6. Bureau für den Chef. 

7. Antichambre. 

8. Bureau des Schreibers. 

9. Wohnzimmer 1 für den Doctor 

10. Schlafzimmer j du jour. 

11. n ^ clen Apotheker du j our. 

12. Tisanerie. 

13. Magazin der Apotheke. 

14. Laboratorium. 

15. Arbeitszimmer des Apothekers. 

16. Bureau des Apothekers. 

17. Apotheke. 

18. Oberkrankenwarter. 

19. Feuerspritze. 

20. Portier. 

21. Hauptthor. 

22. Bureau des Verwalters. 

23. „ ff Schreibers. 

24. Magazine. 

26. Tr 

26. „ 1 für die Uniformen und 

27. „ j Effecten d. Patienten. 

28. Schmutzwische. 

29. Bureau des Magazinmeisters. 

30. Magazin für Strohsäcke. 

31. „ für Holz- u.Eisenffegen8tände. 

32. Zimmer fElr die Wäsche | g* 
38. Magazin für Spitalgegenstände 1 
34. „ „ unbrauchbare ( ^ 

Gegenstände i ^ 
85. „ „ Matratzen und 1 ^ 

Polster j P^ 

IIa. Aborte und Badezimmer für das 

Hospitalpersonal. 
IIb. „ für neue Patienten, 
m. Halle für Schwefelwasserstoff. 
rVa. Abort b. Badezimmer f. d. Doctor 
du jour. 
V. Wagenremise. 
VI. Tolletbaracke für 42 Patienten. 
VII. Küche. 

VIII. 2 Pavillons für 120 Patienten. 
VlUa. Pavillon für Augenkranke mit Ope- 
rationszimmer, Dunkelzimmer 
und 40 Betten. 
IX. Badezimmer und Aborte für Pa- 
tienten der 3. u. 4. Classe. 



X. 

XI. 

XII. 

xin. 

XIV. 
XV. 

xvi. 
xvn. 

xvni. 

XIX. 

XXI. 
XXIL 

xxni 
xxrv. 

XXV. 
XXV I. 

xxvn. 



Officierspavillon. 
Badezimmer und Aborte für 

Ofiiciere. 
Zimmer fftr OfiBciersbediente. 
Pavillon für Damen. 
Officiersküche. 

Pavillon für 20 Unterofficiere. 
idem. 
Badezimmer und Aborte für 

Unterofficiere. 
Pavillon für Soldatenfrauen. 
Badezimmer und Aborte 
für Soldatenfrauen. 
Pavillon flKr Prostituäs. 
Badezimmer u. Aborte für diese. 
Stra&btheilung imd 2 Zellen 

für Irrsinnige. 
Badezimmer u. Aborte für diese. 
Leichenhaus m. Pferdestall^Wa- 

genremise und Laboratorium. 
Gebäude u. Ofen f. Desinfection. 
Pavillon far Infectionskrank- 

heiten. 



1 



Gasernen für die Krankenwärter. 

X XVin . Wohnung d. Aspirantofiüciers. 
XXIX. Abort, Badezimmer u. Küche 
^^ desselben. 

AXX . Oberkrankenwärter(Feldwebel). 

X.XX T. Badezimmer U.Aborte für diese. 

XXXn. Caseme für 57 europäische 

(oppassers), 75 eingeborene 

Krankenwärter(han«Sanger8), 

13 Corporale u. ein Sergeant- 

^^ Major. 

XXX ITT. Nebengebäude. 

a. Frauenhalle. 

b. Badezimmer f. d. verheirateten Frauen. 

c. „ für Frauen. 

d. „ „ Europäer. 

e. „ „ Eingeborene. 

f. Aborte für Eingeborene. 

g. „ „ Europäer. 

. [ Aborte für Frauen. 

k. Küche. 

XXXIV. Arrestlocale und Loffis der 64 
Sträflinge, welche dem Spital 
für die groben Arbeiten za- 
getheilt sind. 
XXXV. Aborte der Sträflinge. 

XXXVI. Wasserreservoir. 

XXXVn. Ofen f. die Wannwasserleitung. 



Ein zu grosses Militarspitftl. -309 

Dienst haben; ein oder zwei Pavillons mit nngefäfar 50 Patienten 
ist das Terrain ihrer Arbeit Sie müssen dafür soi^n^ dass die 
»Handkmgers« (eingeborene Krankenwärter) und »Oppassers« (euro- 
päische Krankenwärter) den >SaaI< rein halten, die Kranken jeden 
dritten Tag mit neuer Leibwäsche verscn'gen; sie verfertigen die Diät- 
listen nach den Mittheilungen des Arztes, sind beim Emp&ng der 
Speisen in der Küche und bei der Vertheilung an die Patienten« und 
halten den kleinen Vorrath von Wäsche in Evidenz, welche sich in 
einem Elasten im Krankensaal befindet Wenn sie auch die ver- 
antwortlichen Personen für alles sind, was der Arzt für die Patienten 
vorschreibt, und für alles, was in Abwesenheit des Arztes »auf dem 
Saale« geschieht, so ist diese Arbeit doch eine sehr beschränkte, und 
es könnte ihnen ausschliesslich die »Runde« überlassen werden und 
dem >Doctor der Wacht« höchstens die Controle dieser Unteroffidere 
anvertraut werden. 

Aber noch andere Inconvenienzen sind mit solchen ausgedehnten 
miumlichkeiten verbimden. Der Krankenwärter ist auch »lieber &ul 
als müde«, wie ein holländisches Sprichwort sagt und überlegt es sich, 
einen Kilometer weit den »Dokter van de Wadit« zu holen. Ich selbst 
habe es er&hren, als ich eines Tages »die Wacht« hatte, dass einer 
meiner Patienten in der Nacht einen Blutsturz bekam, ohne dass mich 
der Krankenwärter davon verständigte. Andererseits ist es wiederholt 
vorgekommen, dass A^rzte dem Krankenwärter einen Vorwurf 
machten, ihn umsonst im Schlafe gestört zu haben, weil sie dem Pa- 
tienten doch nicht helfen konnten. 

Das PaviUonsystem ist gewiss für jedes Spital das richtige System. 
In Magelang ist es jedoch auf die Spitze getrieben worden — zum 
Nachtheil der Patienten. Dieses Spital wird als eine Sehenswürdigkeit 
von Magelang, ja selbst von ganz Indien gepriesen. Als im Jahre 1896 
der König von Siam nach Java kam und den Tempel Buru Budur 
au&uchte, wo er fünf Tage verbUeb, kam er auch nach Magelang, um 
das berühmte Spital zu besichtigen. Es gefiel ihm in so hohem Maasse, 
dass er versprach, auch die Königin dieses Gtebäude besichtigen zu 
lassen. Am 2. Juli 1896 um 4 Uhr sollte Ihre Majestät nach Ma- 
gelang kommen, beim Residenten absteigen und in Gesellschaft des 
Platz-Commandanten und Residenten das Spital besichtigen. Wir Mi- 
litärärzte bekamen natürlich den Auftrag, in Ghdatenue zu dieser unge- 
wöhnlichen Stunde im Spitale »präsent« zu sein. Um S^s Uhr stand 
ich mit dem Adjutanten und einigen Aerzten am Einj;ange des Spitals^ 



310 ^® Königin von Siam im Spitale. 

als ein schmutziger^ alter Beisewagen vorfuhr und stehen blieb. Der 
Flatz-Commandant und der Resident waren nicht zu sehen. Zu unserer 
Ueberraschung stiegen aus dem Wagen' die Königin mit zwei Hof- 
damen und dem Leibarzte Dr. Buyther, einem Belgier von Geburt 
Der Spitalchef sass noch in seinem Bureau, ich eilte also rasch zum 
Wagen und bot der Königin, und der Zahlmeister der ersten Hof- 
dame den Arm. Die Königin nahm den Arm an, und ich führte sie ins 
Gebäude, wobei wir zunächst die Apotheke passirten. Da erscholl in 
deutscher Sprache mit lauter Stentorstimme der Ruf aus der Apotheke: 
»Man giebt einer Königin keinen Arm.« Unterdessen kam der Spi- 
talchef herbeigeeilt und bemühte sich vergebens, die goldenen Schnüre 
an der Uniform zu befestigen. Die Königin, welche ein wenig der eng- 
lischen Sprache mächtig war, ging aber so langsamen und gemessenen 
Schrittes,^) dass der brave Stabsarzt V. endlich die Schnüre befestigen 
konnte; er bot nun der Königin den Arm und ich der Hofdame. Beide, 
die Königin und die Hofdame, waren in europäischer Kleidung, welche 
aus einer ein&chen billigen Sommertoilette bestand; aber der Schmuck 
in den Ohren war kostbar. Eine Stunde dauerte dieser Gang durdi das 
Spital (unterdessen hatte ich Gelegenheit, mit meiner Equipage die 
Spitzen der Behörden wissen zu lassen, dass die Königin sich nicht 
ans Programm gehalten hatte und direct nach dem Spitale geübren 
war), und in dieser ganzen Stunde konnte ich mit dieser Dame kein 
einziges Wort sprechen, weil sie nur der siamesischen Sprache mächtig 
war. Es war eine peinliche Situation, welche einen recht komischen 
Beigeschmack hatte. 

Gegen Ende des Rundgangs platzte endUch die Bombe. Ich 
und die Hofdame ergingen uns in einem schallenden Gelächter, worauf 
sich das vor uns gehende Paar fragend umdrehte. Was die Hofdame 
der Königin antwortete, weiss ich nicht, weil es in siamesischer Sprache 
geschah; ungehalten war sie nicht, denn sie sah mich lächelnd an, und 
beim Einsteigen in den Wagen bekam ich von den beiden «Damen 
einen Händedruck. 

Schön ist die Lage des Spitals, mid schön sind seine Garten- 
anlagen; am südUchsten Ende des Terrains liegt der 0£Scierspavillon; 
es war ein 40 Meter langes Gebäude mit 10 Zmunem, einer gemein- 
samen Vorder«Galerie und gemeinsamem »Tagverbleib«, d. h. einem Cor- 

>) Dieser Schritt wird in Indien der „Besidentenschritt" genannt, weil iu 
der Regel diese Beamten einen schnellen Schritt mit ihrer hohen Stellung nicht 
vereinbar halten. 



Ein zu grosses MiUtärspital. 311 

ridor, in welchem die nicht bettlägerigen Patienten zusammenkamen 
und durch Dominospiel u« s. w. mit ihren Leidensgenoesen verkehren 
konnten. Eün seltsam schönes Panorama bot die Gralerie; von der 
Heeresstrasse nach Bandongan trennte sie nur ein Gitter aus Stachel- 
draht Nur zu oft sahen die jmigen Lieutenants junge Damen hier 
ihren Spaziergang nach den Ufern des tiefer 'gelegenen Elloflusses 
machen, imd ich weiss nicht, ob nicht der kleine Schalk Amor die 
Schritte der jungen Schönen gerade dorthin leitete, wenn, was nur selten 
geschah, einige Lieutenants sich dort befanden. Im Hintergrunde er- 
hoben sich die stolzen Häupter des Merbabu und des stets rauchenden 
Merapis, und als im Januar des Jahres 1894 dieser Vulcau seine 
Feuermassen über den südöstlichen Abhang wälzen liess, hatten gerade 
die Bewohner dieses Officierpavillons die schönste und beste Aussicht 
auf dieses schaurige und romantische Bild. 

Der Stacheldraht ist ein einfaches und billiges Mittel, um ein 
grosses Terrain abzuscUiessen; aber von der praktischen Seite be- 
trachtet, ist er nicht mehr werth, als der Eingang bei dem Hause eines 
Eingeborenen. Das Häuschen desselben hat einen nur einige Meter brei- 
ten Gkrten, welcher durch ein Gehege aus Bambus von der Strasse ge- 
ti^nnt ist Der Eingang in das Gärtchen ist nicht frei, sondern durch 
eine Scheidewand von 30 — 40 Centimeter Höhe behindert Jeder Menteh 
und jedes Thier überschreitet dieses Hindemiss leicht und bequem. Ich 
hielt dies für ein Symbol des Privateigenthiuns. Auf gleiche Weise 
kann das Netz des Greheges, welches das ganze Spital umzog, nicht 
viel mehr, als z. B. ein Pfahl mit der Au&chrift: »Spital« leisten. 
Das Gehege ist 2 Meter hoch und hat Zwischenräume von 30 — 10 Cen- 
timetem; die Stachehi des Drahtes verhindern zwar das Durchschlüpfen 
des einzelnen Patienten, welcher gern eine Nacht befreit von der Zucht 
und Disciplin des Spitals zubringen möchte. Wenn man jedoch ein Brett 
darauf legt, oder wenn ein zweiter Maim die Drähte auseinander zerrt, 
kann mau sehr leicht nach Belieben das Spital verlassen und unbe- 
merkt zurückkommen. Thatsächlich ist die Flucht aus diesem Spitale 
eine häufige Erscheinung gewesen. Warum keine Schildwachen gestellt 
wurden, um dieses unmögÜch zu machen, mit der nöthigen Beleuch- 
tung des Terrains, weiss ich nicht Ein »guter Soldat« ist nicht gern 
im Spitale; er will seinen Dienst thirn, aber auch die Freiheit der 
Bewegung ist ihm kostbar; wenn er eine Krankheit hat, bei wel- 
cher »Leib und Seele gesund« sind, d. h. abgesehen von den örtlichen 
Beschwerden sich nicht krank fühlt, dann meidet der »gute Soldat« 



312 Bi^ >u groases Milit&rapital. 

den Aufenthalt im Sptale und entzieht sich so lange als möglich dem 
forschenden Auge des Arztes. Ich hatte selbst einen Füsilier mit einer 
Blutgeschwulst (aneurysma) im Becken in Behandlung. Der ganze 
linke Schenkel war durch die verhinderte Blutdrculation verdickt; er 
hatte aber keine Schmerzen und fühlte sich gesund; zweimal flüchtete 
er aus dem Spitale, weil ihn, wie ich glaubte, die zarten Bande der 
Liebe und die starken Fesseln des Gtonevers hinauszogen. 

Noch andere Gefidiren birgt ein solches offenes Gebäude. Der 
Schmuggel ^) und Tauschhandel ') mit der Aussenwelt war zum Nachtheile 
der Patienten und — des Spitalfonds in floribus. Der Officier wie der 
Uiiterofficier sind als Patienten ebenso grosse Kinder als der gewöhn- 
Uche Soldat Wie oft findet der Arzt Ursache, den Genever oder die 
Cigarre zu verbieten? (Cigarren kann er im Spital kaufen. »Nach Ab- 
lauf der Visite« erscheint die Frau eines »Ziekenvaders«, welche von 
dem Spitalschef die Erlaubniss erhielt, sich eine kleine Bude zu halten. 
Tinte, Federn, Bleistifte, Streichhölzer, Cigarren, Brie^apier und Couverts, 
europäischen und javanischen Zucker und Tabak mag sie gegen fest- 
st^ende Preise vwkaufen.) 

In den späten Abendstunden erhält mit grosser Leichtigkeit der 
Officier und Unterofficier alle gewünschten Getränke von seiner Hans- 
hätterin oder von seinen Kameraden, und er braucht sich nur etwas 
Mühe zu geben« um die hineingeschmuggelten Waaren vor den Augen 
der inspidrenden Aerzte zu verbergen. Das Personal, d. h. die Kran- 
kenwärter wagen es nicht, den Verräther zu spielen. Im Jahre 1881 
lag ich im Spitale zu Weltevreden als Patient; ein Lieutenant war 
mein Nachbar, dem der behandelnde Arzt erlaubt hatte, den Koflfer 
in seinem Zimmer zu behalten. Dieser war jedoch mit Conserv^i ge- 
füllt, obzwar der Patient an chronischer Dysenterie litt!! Die lästigsten 
Patrone sind diesbezüglich die Unterofficiere. Der gemeine Soldat hat 
vor dem »Ziekenvader« Furcht und Bespect; bei den (Meieren giebt 
es nur wenige, welche sich nicht vor dem Krankenwärter geniren würden, 
Speisen und Getränke hineinzuschmuggeln. Die Unterofficiere jedoch 
glauben, es ihrer Stellung schuldig zu sein, sich so viel als möglich der 
Disciplin, welche im Spitale ebenso nöthig ist, als in der Caseme, zu 
entziehen. Ich war einige Jahre in Magelang mit der Behandlung der 
»zweiten Abtheilung« betraut, und ich war gezwungen, die ganze Strenge 
meiner Stellung gegenüber den Unterofficieren zur Gteltung zu bringen. 



1) von Schnaps. 

*) von Hühnern, Wein und Brot. 



Fig. 25. BuddhB-Statiie im Innern des TempelB bei Mendüt. 



Ein ObenUbsant ^.gestdUt«'. 313 

Einmal kam ich dadmxsh in eine fürchterlich unangenehme Lage gegen- 
über dem Hospitalsche^ dem Oberstabsarzt X.^ welchen ich ohne 
mein Wissen und Willen dem Spott der Unterofficiere blossge- 
stellt habe. 

Der PayiUon der zweiten Abtheilung, d. h. der Unterofficiere, be- 
stand aus zwei Theilen, und jeder derselben hatte zwei Säle, welche 
durch den »Tagrerbleib« von einander getrennt waren. Eines Morgens 
war ich in dem einen Saale mit der Untersuchung der Brust eines 
Feldwebels besdhäftigt, als ich im nächsten Saale sprechen hörte; ich 
wollte mich in der Auscultation nicht stören lassen und rief: »Ruhe 
im andern Zimmer.« Als demungeachtet das Sprechen nicht aufhören 
wollte, ging ich raschen Schrittes in den benachbarten Saal und rief: 
»Wer wagt es zu sprechen, wenn ich »auf dem Saale« bin?« Es war 
der Spitalschef. Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich von seiner 
Anwesenheit nichts gewusst hätte; aber das unterdrückte lücheln der 
Patienten und des Personals verrieth das Komische der Situation, dass 
ein Oberstabsarzt von einem Begimentsarzte in dem heftigsten Tone 
der Buhestörung beschuldigt wurde. Meine Entschuldigung hielt er 
offenbar für eine Ausrede, weil ich gerade zwei Tage vorher seinem 
lästigen Benehmen wissend und wollend entgegengetreten war. Er 
hatte nämUch eine ganz fiälsche Aufihssung von der Verantwortlichkeit 
eines Spitalschefe. Das Gesetz bestimmt entsprechend den herrschenden 
Verhältnissen den Chef als die Person, welche das Spital nach Aussen 
hin vertritt und auch die Verantwortung für alles auf sich nehmen 
muss, was in dem Spitale geschieht, und im gegebenen Falle zum Ein- 
schreiten der militärischen und civilen Behörden Anlass geben kann; 
die Behandlung der einzelnen Aerzte kann und muss natürlich, wenn 
sie sich in gewissen Grenzen bewegt, ihnen überiassen werden. Ober- 
stabsarzt B. glaubte aber auch die »Leitung« der Jüngern Ober- 
Aerzte nicht nur auf deren Diagnosestellung, Behandlungsweise und 
Vorschreiben der Diät ausdehnen, sondern auch den älteren Begi- 
mentsärzten gegenüber dasselbe thun zu müssen. Manche Ober- und 
Begimentsarzte waren so verstandig (?), sich diesem zu unterwerfen, 
und waren nichts mehr und nichts weniger als seine Beceptenschreiber. 
Andere aber wollten ihm gegenüber ihre Selbständigkeit bewahren und 
kamen dadurch in manche Conflicte, wobei sie den Kürzeren ziehen 
mussten. Ich selbst war um ein Jahr älter als mein Chef und glaubte 
ihn manchmal auf diesen unrichtigen Standpunkt aufinericsam machen 
zu müssen, mit dem Hinweis, dass er sich selbst den Dienst erschwere, 



314 Ein Oberstabsarzt „gesteUt"'. 

mn 5 — 600 Patienten zu behandeln. Seine Eitelkeit behielt die Ober* 
hand, und so gesdiah es, dass er während der Zeit der Visite »auf 
alle Säle« ging, die Diagnose, die Behandlung und Diät aller Kranken 
oontrolirte und seine Ansichten dem behandelnden Arzte mittheilte. 
Eines Tages kam er auch »auf meinen Saal«, der 30 Meter lang war 
und für 21 Patienten Betten enthielt Ich war am äussersten Ende des 
»Saales«, als er bei der Thiu* erschien; in militärischem Schritt ging 
ich ihm entgegen, er winkte mir jedoch mit der Hand ab und fügte 
hinzu: :& Lassen Sie sich nicht stören.« Anstatt aber den Saal zu ver- 
lassen, ging er zu den Patienten und begann seine Controle! Ich 
konnte unmöglich etwas anderes sagen oder thun, als meine Arbeit 
einzustellen und zu warten, bis der Oberstabsarzt am Ende des Saales 
sein Gfespiüch beendigt hatte. Wiederum rief er mir zu: »Lassen Sie 
sich nicht stören.« Es war ein Saal mit internen Kranken; beim 
besten Willen konnte ich nicht auscultiren, wenn nicht die grösste Buhe 
im Zimmer herrschte; ich hielt also wieder mit meiner Arbeit ein und 
steUte mich wie ein preussischer Grenadier in ^»Position«. Endlich 
yerliess er den Saal, ohne zu grüssen. (Zwei Tage später geschah 
oben erwähnter Voriall in dem Unterofficierspavillon, und seit dieser 
Zeit blieb ich wahrend der Visite von seiner Anwesenheit verschont) 
Dieser Saal war die Hälfte der sogenannten ToUetbaracken, deren es 
zwei gab, und zwar zu beiden Seiten der Küdie, welche in dem offenen 
Baum gegenüber dem Eingange lag. Diese Baracken (No. VI, Fig. 24) 
sind sehenswerthe Pavillons für ein Spital in den Tropen; sie stehen auf 
kleinen, steinernen Pfeilern von ungefähr 40 cm Höhe und bestehen 
aus zwei Sälen, welche durch »das Tagverbleib« von einander getrennt 
sind. Dieses hat zu beiden Seiten je ein kleines Zinuner für die 
Krankenwärter und einen Bergeplatz für gewisse Greräthe; im Hinter- 
grunde befindet sich der Waschplatz mit zahlreichen Waschbedcen und 
der Wasserleitung. Der Vortheil dieser Baracken besteht in ihrer be- 
deutenden Höhe und dass die Wände aus einer doppelten Beihe von 
Brettern mit einem Zwischenräume bestehen; unten imd oben sind Oeff- 
nungen, durch welche die Luft hinaufziehen und durch die Dachven- 
tilation nach Aussen strömen kann. Drei Fehler zeigten diese Säle. 
Weil sie auf Pfählen standen, dröhnte es fürchterlich, wenn man mit 
militärischem Schritt durch den Saal schritt Mein Vorschlag, diesem 
dadurch abzuhelfen, dass man Laufl»ppiche legen sollte, wurde mit der 
Motivirung zurückgewiesen, dass in Indien solche Laufleppiche die Brut- 
nester zahlreicher Insecten werden würden. Die Hohlräume in der 



Nachdieile der Pavillons aus Bambus. 315 

Wand könnten die Brutstätte von Mäusen und Ratten werden, und 
drittens lag die eine Fensterfront nach dem Westen frei, so dass die 
Sonnenstrahlen in den Saal dringen konnten und thatsächlich die Exan* 
ken stark belästigten. Aus :» ästhetischen Motiven« wurde mein Vor» 
schlag, über den Fenstern kleine Marquisen anzubringen^ abgelehnt 
Leider hatte das Spital nur zwei dieser übrigens sehr praktischen Pavillons. 

Nebstdem befanden sich noch zu beiden Seiten der Küche je drei, 
und parallel mit der Hauptfront des Gebäudes und hinter der Küche ein 
neunter Pavillon. Vier von diesen Pavillons hatten mehr oder weniger 
HolztheUe, während die drei letzten nur aus Bambus bestanden und nicht 
einmal einen steinernen oder hölzernen Flur hatten; diese hiessen tem- 
poräre Gebäude, die übrigen Pavillons, welche nur theilweise aus Bambus 
bestandeh, trugen den stolzen Namen semipermanente, mid die Tollet^ 
baracken waren permanente Grebäude. So lange die Baracken aus Bam- 
bus neu sind, sehen sie ganz hübsch aus, leisten aber in den Tropen 
nicht immer gute Dienste. Durch die Lücken der Matten findet ein 
steter Luftwechsel statt, und bei hoher Temperatur der Aussenluft herrscht 
im Lmem eines solchen Gebäudes eine unerträgliche Hitze. Werden 
sie alt, haben sie eine schmutzige, graue Farbe, Spinnen, Wespen mid 
andere Insecten nisten in ihnen, Staub und Holzmehl bedecken die 
Oberfläche, und jeder geringe Sturm oder Wmd schüttelt dieselben auf 
die Bewohner. Im Jahre 1877 wohnte ich in einem solchen Fort^ 
welches bereits 15 Jahre stand. Jedesmal, wemi das Grebäude durch 
einen etwas heftigen Wind erschüttert wurde, während ich mein Abend- 
mahl verzehrte, musste ich den Pajong über den Suppenteller halten 
lassen, um nicht ein unerwünschtes Gl«würz in meine Speise zu erhal- 
ten. Solche Gebäude sollten also aus BeinUchkeitsursachen alle drei 
bis vier Jahre ganz erneuert werden, was schon ihr Name temporär 
erwarten lässt; aber leider hat kein Spitalschef den Muth, einen dies- 
bezüglichen Vorschlag einzureichen, wie mir s. Z. ein Hauptmann »der 
Genie« mittheilte. Kurz vor meiner Abreise kam ein Fall von Tetanus 
vor, und dennoch wurden die Wände nicht sofort erneuert. 

Auch die Abtheilung für Infectionskrankheiten (No.XXyiI,!Elg. 24X 
welche im äussersten Norden des Terrains lag, hatte solche temporäre 
Gebäude, und zwar mit einem Ciementflur. Es war ganz entsprechend 
den Anforderungen der modernen Wissenschaft für ansteckende Krank* 
heiten eingerichtet, d. h. es war ganz isolirt, hatte einen Desinfections- 
ofen^ der im Grossen und Ganzen gut functionirte, obwohl er irrthüm- 
licher Weise in Magelang nicht an seinem Platze war, aber die Ge- 



316 Bio '^ grosses Militinpital. 

bände wurden nicht erneuert^ wenn vereinzelte E^e von Cholera, Blat- 
tern u. 8. w. vorkamen. Wenn auch die Kosten einer solchen Reno- 
virung geradezu unbedeutend >) zu nennen sind, so wurde mein diesbe- 
züglicher Vorschlag vom Spitalschef jedesmal zurückgewiesen mit der 
Motivirung, dass er unmöglich wegen eines vereinzelten Cholera- 
fidles einen solchen Vorschlag an die Regierung einreichen dürfe. 

Die Hauptfix>nt des Getöudes, mit der Apotheke, Magazinen, 
Bureaux für den Chef und den wachthabenden Doctor und Apotheker 
und Operationszimmer, >) bestand aus Ziegeln. Dieses Spital ist also 
eine Versuchs^ation der indischen Baukunst und kein archi- 
tektonisches Ganzes oder Einheit und gewiss kein monumentales Gre- 
bäude; es ist ein durcheinander geworfenes MosaikbUd aller Bau- 
materialien, welche in den Tropen zum Bau von Gebäuden verwendet 
werden können. »Die Genie« braucht auf dieses Glebäude nicht stolz 
zu sein. 

Die Wasserleitung war gut; in einer Entfernung von ungefähr 
1000 Metern befand sich im Thale des Elloflusses eine Quelle mit 
Gtobirgswasser; ein Pumpwerk trieb das Wasser in das Spital, wo es 
in einem Wasserthurme als Reservoir aufgefiingen und danach mit 
Ri^iren in das ganze Spital geleitet wurde. 

Die Canalisirung war ebenfalls praktisch angelegt; ein grosses 
Ableitungsrohr mündete in bedeutender Entfemtmg in das rechte Ufer 
des Elloflusses. Die Aborte hatten das Tonnensystem, an ihrer hin- 
teren Seite befiknd sich eine kleine Thür, und Sträflinge wechselten täg- 
lich die grossen Tonnen aus dickem Eisen. 

Die Beleuchtung war an&ngs so schlecht als möglich. Die Be- 
leuchtung in den Sälen brauchte nicht stark zu sein, weil die Patien- 
ten um 9 Uhr zu Bette gehen mussten, aber die langen Corridore 
hatten wegen des wellenförmigen Terrains hin und wieder Treppen; 
der erste Spitalschef Hess diese schwarz und weiss anstreichen und 
darüber die »glimmenden Nägel« aufhängen. Die Petroleumlampen 
waren zu klein, um die »Runde« hinreichend zu erleuchten, und ver- 
dienten mit vollem Rechte den Namen »glimmende Nägel«. Um 
diesem Uebelstande abzuhelfen, wurden endlich die Treppen entfernt, 
und die langen Corridore bildeten dann eine sanft auf- und absteigende 



Der Quadratmeter einer solchen Wand wird aaf dem Markt je nach der 
Qualität des Materials am 20 — 50 Cent verkauft 

«) sowie die Pavillons für Frauen und Sträflinge (No. XVIII bis XXIII. 
Fig. 24). 



Ein zu grosses MilitarspiUl. 317 

tiberdeckte Strasse. Im »Tagverbleib« der einzelnen Pavillons und in 
den Zimmern der kranken Officiere und der wachthabenden Aerzte und 
Apotheker befanden sich grosse Stehlampen oder Hängelampen, welche 
hinreichend licht gewährten. 

An die »Wissenschaft« wurde beim Bau des Spitales sehr wenig 
gedacht; ein Häuschen für »Schwefelwasserstoffentwickelung« befand 
sich in der Nähe der Apotheke, wurde aber als Rumpelkammer be» 
nutzt; in der Nähe der Abtheilung für Infectionskrankheiten be&nd 
sich das Leichenhaus mit einem Cabinet^) für mikroskopische Unter- 
suchungen; neben dem »Conferenzzimmer« befEUid sich ein Cabinet mit 
der stolzen Au&chrift: Bibliothek, welches von mir zur Untersuchung 
des Urins eingerichtet wurde; in einem Spitale für 4 — 600 Patienten 
konnten keine chemischen Untersuchungen des Mageninhaltes, keine Blut- 
untersuchungen, keine bacteriologischen Arbeiten gemacht werden; es 
sei denn, man ersuchte einen der Apotheker darum, welcher in der 
Begel mit der Heoeptur so viel zu thun hatte, dass eine specielle Aus- 
bildung in diesen Fächern nicht erwartet werden konnte. 

Wenn ich noch mittheile, dass die »Badekamm^n« audi hölzerne 
Wannen für wanne und heisse Bäder ^) neben den üblichen Douchen 
hatten, dann habe ich nichts vergessen aus dem mit grosser Raumver* 
schwendung errichteten Militärspitale zu Magelang, welches als eine 
Sehenswürdigkeit Javas gepriesen wird. 



Die Harmonie zwischen den beiden Mächten des Staates war in 
Magelang anfangs sehr gut Der Militär- und zugleich Platz-Commandant 
war ein Ehrenmann, der durch die Ruhe seines Charakters und durch die 
Humanität seines Denkens und Fühlens keinen Feind hatte; der Re- 
sident A war, ich möchte sagen, aus demselben Stück Eisen geschmie- 
det; beide Männer füllten mit grosser Grewissenhaftigkeit, aber auch 
mit allem Tact und EhrUchkeit ihre Stellung aus und vermieden durch 
rechtzeitiges Entgegenkommen jeden Conflict; niemals gab es Reibereien. 
Aber unter den Gvilbeamten ist noch eine Kategorie, weldie durch die 
undeutliche Competenzgrenze ihrer Stellung häufig zu Reibereien Anlass 



1) welches aber wegen seiner (Ingünstigen Lage nicht in Gebrauch genom- 
men wurde. 

*) Neben dem Wassertburme stand der grosse Kessel, von welchem das 
warme Wasser für die Bäder in einer zweiten Leitung durch das ganze Spital, 
aber nicht für den Officierspavillon, geleitet wurde. 



313 Organisation des Rechtsweaens. 

giebt, und leider führt dieser Federkrieg oft genug auch zur Entfirem- 
dung der beiden Würdenträger. 

Die jüngste Reorganisation des Bechtswesens hat nämlich den 
Gerichtsbeamten beinahe eine ganz unabhängige und, ich möchte fest sagen, 
isolirte Stellung im indischen Staatswesen eingemumt Die ErSährung 
muss erst den Beweis bringen, ob dieses Princip für die Colonien ein 
richtiges sei; die administrativen Beamten konnten sich bis jetzt nur 
schwer in die neuen Verhältnisse hineinfinden, obwohl ihnen ein grosser 
Theil ihrer Arbeit und der Verantwortung ihrer vielseitigen Leistun- 
gen abgenommen wurde. Die Gerichtsbeamten gewannen dadurch 
so viel Freiheit in ihren Entschlüssen, dass sie vollständig unabhängig 
und selbständig ihren Berufepflichten nachkommen konnten. In be- 
schränkten Köpfen musste diese Freiheit der Stellung eine Begrifib- 
Verwirrung mit der Freiheit der Person veranlassen, und so geschah 
es, dass der Landesgerichtsrath X. zu Magelang neben seinen Beru^ 
pflichten die der Gontrole über den Bedeuten auf sich nahm und zwar 
in der ausgesprochenen Ansicht, dass die Gerichtsbeamten in jedem 
Staate die einzigen und höchsten Stützen und Leiter seien. In recht 
komischer und drastischer Weise bekundete der Herr X. diese An- 
schauung gegenüber einem Major der Infanterie, welcher wegen 
seines universellen Wissens eine sehr geachtete Stellung überall, zu 
jeder Zeit und in jeder Gresellschaft einnahm. 

Diese beiden Männer besprachen das Thema, dass Niemand mit 
seinem Stande zufiieden sei und dass Jedermami seine Kinder eine höhere 
Stellung, als er selbst bekleide, anstreben lasse. Dabei entwickelte 
Herr X. eine gesellschaftliche Leiter imd gab die vorletzte Stufe der- 
selben dem Officier und die höchste und letzte Stufe dem Juristen. 

Leider ist die Organisation des Rechtswesens Schuld an deii zahl- 
reichen Reibereien der betreffenden Beamten. Während die Regie- 
rungsform durch und durch centraUstisch ist, der Absolutismus im wei- 
testen und ausgebreitetsten Sinne das Scepter über die Europäer führt 
und den Eingeborenen nur sehr geringe Communalangelegenheiten in 
eigener Verwalthng überlässt, so dass der Verwaltungsbeamte beinahe 
im strengsten Sinne des Wortes der Patriarch . seines Verwaltungsbe- 
zirkes ist, gab sie den G^richtsbeamten eine zu weit gehende autonome 
Organisation, so dass dies Regierungsprincip in seinen Grundpfeilern 
erschüttert wurde. Die Zulassung der Europäer und »firemden Orien- 
talen« in N.-Indien, die Verbannung von Personen aus N.-Indien, die 
Aufriebt über die Magistratsverordnung und über die Gefängnisse, die 



Organisation des RechUwesens. 319 



Gresttche um Errichtung von Actiengesellschaften oder Vereinen, die 
Naturalisation^ die Aufriebt über die Presse, über Volksversammlungen, 
die Waisen- und Nachlasskammer gehören in das Departement der 
Verwaltungsbeamten, ^) die sich bei ihren Studien in Delft auch eine 
hinreichende Fülle des juridischen Wissens diesbezüglich aneignen. 
Das Polizeiwesen blieb in Händen der Verwaltungsbeamteu, und auch 
die Zuweisung nach den Strafrichtem, welche so viel als möglich die 
diesbezügliche Competenz an sich reissen wollen und dadurch eine un- 
erschöpfliche Quelle von Streitigkeiten geschaffen haben. 

Der Europäer erscheint nämlich nur vor einem Gerichtshof aus 
Europäeni, deren drei auf Java bestehen, und zwar in Batavia, Sama- 
rang und Surabaja, während zahlreiche Landesgerichte mit einem euro- 
päischen Juristen als Präsideuten, einem europäischen Secretär und 
einigen Häuptlingen mit dem Panghulu (mohamedanischen Priester) ab 
Beisitzer über die Eingeborenen die Jurisdiction üben. Es würde midi 
zu weit führen, das Bechtswesen auf Java ausführlich zu beschreiben, 
und ich will daher zu dem Ausgangspunkte dieses Capitels zurückkehren. 

Es herrschte in Magekuig ein gemüthlicher Ton unter der Herr- 
schaft dieser zwei Würdentr^er; als der Colonel P. wegen kör- 
perlicher Gebrechen, denen er leider bald danach erlag, in Pension 
gehen musste. kam ein Misston in das gesellschaftliche Leben der 
Besidenzstadt, und bald standen sich zwei feindliche Parteien gegen- 
über, welcher zwar die Grenzen der Höflichkeit nicht überschritten, aber 
einen gemüthlichen Verkehr derselben unmöglich machte. Lieutenant 
X. war ein Günsthng des Besidenten, welcher ein Schulkamerad seines 
Vaters gewesen war; seine Frau, eine Uebens würdige, schöne und gebil- 
dete Dame, verkehrte daher gern im Hause des Besidenten, und als ihr 
Mann in Conflict mit seinen Vorgesetzten kam, fianden sie beide im 
Hause dieses hohen Beamten Trost und Stütze in ihren Leiden. 

Lieutenant X. war mit seinem Kameraden Y. so befreundet, dass 
sie gelobten, sich tolerant auf die gegenseitigen Fehler aufinerksam zu 
machen und einander in Leid und Freud beizustehen. Doch bald darauf 
bestand keiner von beiden die Feuerprobe ihrer Freundschaft; beide 
standen bei demselben Bataillon und in derselben Compagnie. Beide 
waren OberUeutenants; Lieutenant T. war aber im Bange um acht 
Monate höher und um 6 Jahre älter als Lieutenant X. In Vertretung 
des kranken Oompagnie-Commandanten führte eines Tages Lieutenant T. 



1) und nicht in das der Justiz. 



320 2^^™ Theaterdirector gewählt. 



seine Cbmpagiiie auf das Exercierfeld bei dem Berge Tidar. In einer 
Ruhepause blieb X. reglementswidrig nicht bei der Truppe stehen, son- 
dern begab sich zu seinem Freunde Y. Dieser glaubte dieses rügen zu 
nliissen und sdiickte seinen fVeund X« auf seinen Flatz. Lieutenant 
X. beantwortete diese strenge Auffassung der Dienstvorschriften mit 
linear brüsken Antwort, worauf sein Freund Y. die Sache an den 
Bataillons-Commandanten rapportirte. Lieutenant X. bekam vier Tage 
Arrest und forderte Lieutenant Y. zum Duell. Dieser weigerte sich^ 
das Duell anzunehmen, und theilte dieses wieder höheren Ortes mit; 
in dem weiteren Verhalten in dieser Affaire zeigte sich Lieutenant X. 
so unbotmässig, dass er sich die Sympathie seiner Freunde selbst unter 
den Officieren verscherzte. Der Oolonel beschuldigte jedoch den Besi- 
d^iten, ihn zu seinem indisciplinaren Vorgehen aufgereizt zu haben, 
wofür er, ich zweifle keinen AugenbUck, keinen einzigen objectiven 
Beweis haben konnte. Dies war die Veranlassung zu einem gespannten 
Verhältnisse zwischen diesen beiden Würdenträgem, welche aber ihrer- 
eeits bei öffentlichen Gelegenheiten den äusseren Sch^n des freund* 
schafflichen Verkehrs bewahrten. Dazu gab es sehr oft Gelegen- 
heit Die Soldaten hatten nämlich zwei Theatergesellschaften, weldie 
in der Oantine oft Vorstellungen gaben, und ich selbst hatte unter den 
Offici^^n und Bürgern die »Thalia« errichtet Im Jahre 1893 war 
nämlich in Magelang ein Wettrennen, welches mit einer Ausst^ung 
de? Industriepreducte der Provinz Kedu verbunden war. Nebstdem 
hatten einige Herreu und Damen zu dieser Grelegenheit ein Lustspiel 
einstudirt und für den zweiten Abend einen Tingel-Tangel eröffiiet Das 
Lastspiel und das Cafi^ chantant wurde in der Vorgalerie des Resi- 
denten gegeben, welcher zu diesem Zwecke die Couhssen aus der 
Oantine entlehnt hatten Diese hatten solchen Anklang gefimdffli, dasa 
nach Ablauf der Wettrennen einige Bürger und Offidere zur Gründung 
eines Dilettantentheaters zusammentraten. Zum ersten Diiector wurde 
nüeine Wenigkeit gewählt; jedes Mitglied sollte 1 fl. monatlich bezahlen^ 
und dafür sollten vier Vorstellungen im Jahre gegeben werden. Mit- 
glieder fanden sich in hinreidiender Zahl; ausübende Mitrede* gab 
es auch hinreichend; aber alles Andere fehlte. In erster Reihe machte 
mir die Platzfrage sehr viel Sorge; endlich wurde ich auf die Tum*- 
halle der Schule für die Häuptiingssöhne aufinerksam gemacht; obwohl 
hier jeden zweiten Sonntag von dem »Domine« Grotteedienst gehalt^i 
wurde, der zu diesem Zwecke von Djocja nach Magelang kam, wurde 
mir vom Residenten dieser Saal gerne zu diesem Zwecke abgetreten. 



J 



Zum Theaterdirector gewählt. 321 



Die zweite Frage galt der Beschafihng der Coulissen. Der Verein 
hatte im Anfang keine hinreichenden Gleldmittel, um Coulissen malen 
zu lassen. Ich miethete also für die erste Vorstellung, welche die 
Feuerprobe der Existenzfähigkeit dieses Vereins geben sollte, die Cou- 
lissen des Theaters aus der Cantine; als ich dessen sicher war, berief 
ich die erste Vereammlung der mitwirkenden Mitglieder, und nach 
langer Debatte über die Wahl des Stückes wurde für die erste Auf- 
führung das echt holländische Drama »Janus Tulp«, und für die zweite 
die holländische üebersetzung des deutschen Lustspieles »Der Störe- 
fried« angenommen. Das Lesen und Einstudiren der Bollen brachte 
der Jugend Magelangs gemüthUche und unterhaltende Abende, zu denen 
sich natürlich ganz heimhch auch der kleine Schalk Amor hin und wieder 
einstellte, bis endlich die Opfer seiner Intrigue am Traualtar einander 
ewige Treue schworen. Zahlreich waren die Detailarbeiten und sehr 
lästig für mich, weil ich in die Geheinmisse des Coulissenlebens gar nicht 
eingeweiht war. ElndUch kam der grosse Tag der ersten Aufführung. 
Um 9 Uhr Abends sollte sie stattfinden; ein schwerer Tropenregen 
schaffte ganz unerwartet Hindemisse. Der Tumsaal stand mitten im 
Hofi:^um zwischen den Pavillons für die Zöglinge der Anstalt; zwei 
Zimmer wurden bereitwilligst von dem Director für diesen Abend der 
:» Thalia« zur Verfügung gestellt. Hier sollten die Herren und Damen 
sich schminken lassen und den Toilettenwechsel besorgen. Mit einem 
Regenschirm konnten sie sich gegen den strömenden Regen schützen. 
Wie sollten sie aber durch die entstandenen Pfiitzen trockenen Fusses 
auf die Bühne gelangen? Zwei Stmiden vor dem An&ng nahm ich 
also meine Equipage mid überfiel den Residenten in seinen 'häuslichen 
Arbeiten. Er sollte und niusste als Mäcen den mit Lebensgefeüir (??) 
bedrohten Schauspielerinnen helfen! Der brave Mann schaffte Hülfe. 
Eine Bretterwand stand unbenutzt vor einem vollendeten Gebäude; eine 
»Truppe« Sträflinge (25 Mann) erhielt den Befehl, sofort diese Wand 
abzubrechen und nach dem Tumsaal zu bringen. Der Regen hatte 
um 9 Uhr aufgehört, die entstandenen Pfützen wurden mit den Bret- 
tern bedeckt, und ohne Lebensgefahr (?) konnten die Schauspielerinnen 
und Schauspieler trockenen Fusses auf die Bühne gelangen. Der Er- 
folg übertraf aUe Erwartungen, und stolz rühme ich mich noch heute 
dieser That Janus Tulp^) ist ein echtes Volksstück mit einem kräf- 
tigen Dialog und gesunder Tendenz. Ein Barbier wird durch ein Loos 



') von dem bekannten Dichter Justus van Manrik, 

BreiteotteiB, 21 Jahre in Indien II. 21 



322 ^^® Journalistik Indiens. 



Besitzer eines grossen Vermögens und Ph)tz in optima forma. Seine 
Frau und seine Tochter jedoch bewahren ihre einÜEtchen Sitten und 
kommen dadurch in C!onflict mit den hochfliegenden Plänen ihres Vaters. 
Die Tochter ist die Heldin des Stückes und wurde von der Frau des 
oben erwähnten Lieutenants T. mit solcher Wärme und Natürlichkeit 
gespielt, dass kein Auge trocken blieb. Frau Y. hätte auf jeder Bühne 
Europas eine Zierde sein können. Um IV ji Uhr war das Drama be- 
endigt; zum Nachhausegehen hatte aber Niemand Lust Die Schau- 
spieler beeilten sich, die Schminke abzuwaschen, und schon nach einer 
Viertelstunde formten alle ausübenden MitgUeder miter dem Präsidium 
des Residenten einen Au&ug. Die Militär -Musik, welche in den 
Zwischenacten gespielt hatte, steUte sich an die Spitze, und unter den 
fröhUchen Klängen eines Tararra-bum-Marsches zogen wir Alle in das 
Clubgebäude. Die Lampen wurden angezihidet, die Musik nahm im 
Tanzsaale Platz, und bis zur firühen Morgenstunde ^iirde nmi der Terpsi- 
chore gehuldigt 

Wemi ich nun des Croquetclubs erwähne, welcher manchmal 
einige Wochen oder Monate lang bestand, dami habe ich alles mitge- 
theilt was den Bewohnern Magelangs an Vergnügungen geboten wurde. 
Wollte man also in die Monotonie des tägUchen Lebens Abwechse- 
Imig bringen, dann musste man es in der Leetüre, in gesellschaftUchen 
Zusammenkünften oder im Oenuss der schönen Natur und der zahl- 
reichen ßuuien suchen, an welchen die Provinz Kedu aussei^wöhnlich 
reich ist 

Die tägliche Leetüre war die »Locomotief«, welche in Samarang 
herausgegeben wurde, oder der » Javabode«, welcher in Batavia tägUch 
erscheint; erstere kostete 40 und die Batavische Zeitmig 20 fl. pro Jahr. 
Natürlich erscheinen auf Java auch noch andere Zeitungen, z. B. in 
Surabaja, in Djocja ein in malayischer Sprache geschriebenes Tage- 
blatt u. s. w., welche eine ausgezeichnete Controle der Regierung sind, 
ja noch mehr; wenn auch in militärischen und Beamten-Speisen Jeder- 
mann ein trauriges Stigma hat, welcher »in den Zeitungen schreibt«, 
so findet dennoch die Fama regehnässig ihren Weg in die Redactions- 
Stube, luid manche Unregelmässigkeit, Nachlässigkeit oder üebergrifF 
der Bureaux wird rechtzeitig der Kritik der öffentUchen Meinung 
überiiefert Auch ohne diese stete und ununterbrochene Controle der 
Würdenträger hat die indische Presse geradezu einen bedeutenden Ein- 
fluss und pädagogischen Werth, der nicht hinreichend gewürdigt wird. 
Mit mehr oder weniger Unrecht wird das persönUche Verdienst der 



Die Journalistik Indiens. 323 



Bedacteure hierbei geschmälert^ nämlich durch die Behauptung, dass 
der Scheere der Löwenantheil an diesem Verdienste gebühre; dies 
ist wahrscheinlich richtig; aber die MUdthätigkeit hat auch oft andere 
Quellen als das Verlangen, den Armen zu helfen; wer wird eine mild- 
thätige Stiftung zurückweisen, weil die Eitelkeit an ihrer Wiege sass? 
Ob nun der Bedacteur aus der Tiefe seines Geisteslebens schöpft oder 
mit der Scheere bei seinen europäischen Collegen eine Anleihe macht, 
kümmert den Leser gar nicht; Thatsache ist, dass die indischen Zei- 
tungen sehr instructiy und oft unterhaltend sind. Das Verdienst ist 
um so grösser, weil Indien keine Gremeindevertretmig^) hat, wodurch 
viele locale Blätter in Europa Stoff zu täglichen, meterlangen Mit- 
theilungen erlangen. 

Nebstdem war ich MitgUed zweier Lesegesellschaften; die eine 
hatte ihren Sitz in Magelang und bot ihren MitgUedem eine reiche 
Auswahl in europäischen periodischen Zeitschriften; oft eriiielt ich 
jeden Sonnabend 20 Niuumem, wie z. B. Fliegende Blätter, üeber 
Land und Meer, De aarde en haar volken, London News, Journal 
pour rire, Wiener Caricaturen u. s. w. Die zweite wurde von einem 
Civil- Arzt in Samarang verwaltet und besorgte die Fachlectüre; deutsche, 
holländische und französische medicinische Wochenschriftien wurden jede 
Woche nach Magelang gesendet 



>) Erst im Märe des Jahres 1899 wollte die Regierung einen An&ng mit 
einer Gemeindevertretung machen; sie holte von den drei Residenten zu Ba- 
tavia, Samarang und Surabaja Gutachten ein, um für die beabsichtigte Ein- 
führung einer Gemeindeverwaltung „sofort Gemeindesteuern auszuschreiben für 
die localen Bedürfuisse, z. B. für die Strassenbeleuchtung u. s. w.*^ Vorläufig 
sollten die Ertragnisse dieser Steuern in die Staatskasse fliessen, um sie später, 
wenn die Gemeindevertretungen zu Stande kommen sollten, diesen zu über^ 
geben. Darauf sagt die „Locomotief" vom 4. April: Es handelt sich also mehr 
am eine neue Steuer, ab um eine neue Volksvertretung. 



21* 



10. CapiteL 

Der Bora Budur — Hagelang; wUurend des Krieges mit Lom* 
bok — Soldatenfi-eimde — Die Religionen auf Jara — 
Schulen fflr die Jaranen — Die Dysenterie — Leberabseesse 
— Eine Expedition in den Tropen — Nochmals ron Dienst- 

« 

boten — 99Der 6hirten ron Jaya^. 

T^ie geseUschaftlichen Zusammenkünfte in Magelang waren in der 
■^ Regel sehr amüsant; die erste, welche ich mitmachte, war ein 
Picknick am Fasse des Buru Budur (= Bärä Budur = der unzählbare 
Buddha?). Der Landesgerichtsrath T. hatte keine Kinder, ich hatte keine 
und Dr. A. war kinderlos; wir sechs und die Familie des Dr. S. be- 
schlossen eines Tages, eine gemeinsame »Reistafel« unter den Fahnen 
zu halten und zwar am Fusse jenes 1000 Jahre alten Tempels, wel- 
cher als ehrwürdige Ruine des alten Hindudienstes in seiner Grösse 
und in seinem Reichthum an Bildarbeiten alle Pyramiden Aegyptena 
und alle Ruinen des Alterthums hoch überragt 

So schwer es fällt, da« religiöse Denken der Javanen in semen 
Theilen zu erkemien, d. h. wie viel dem alt-polynesischen Glauben, wie 
viel dem Bramadienste, wie viel dem Buddha-Glauben und wie wenig 
dem Mohamedanismus angehört, so leicht haben sich die Gelehrten 
geeinigt, den Buru Budur als dem Buddhadienste gewidmet anzu- 
erkennen. 

Wir nahmen an einem Sonntag zwei Reisewagen, in welchen 
nicht nur wir zehn Personen Platz hatten, sondern noch zwei Bediente 
mit dem nöthigen G^eschirr auf dem Bock sassen; am Ziele unserer 
Reise war ja ein Passantenhaus, welches von einem ausgedienten Sol- 
daten bewacht wurde; in diesem Pesanggrähan befanden sich nicht nur 
Betten, sondern es bestand auch Glelegenheit, ein Mittagessen einzu- 
nehmen; d. h. Reis, Früchte und Hühner konnten in den verschiedensten 



Der Bora Budur. 325 



Formen den Besuchern geboten werden; die Damen unserer Gresell- 
Schaft Jiatten also nur für einige Speisen zu sorgen; denn auch einige 
Flaschen Bier, ApoUinariswasser und Bothwein hielt er in Vorrath. 
Schönes Wetter begleitete uns; wir nahmen den Weg durch 
die Mörderallee, vorbei an dem Berge Tidar auf die grosse Strasse 
nach Djocja; sie wird von den sie umgebenden Kampongs in gutem 
Zustande erhalten; sobald die Begenzeit eintritt, wird der Schotter, 
welcher in gewissen Abständen zu pyramidenförmigen Haufen längs des 
Weges in Vorrath sich befindet, über die Strasse geworfen, und die 
schweren Lastwagen drücken ihn in den Boden, welcher durch den 
Begen weich geworden ist Ungefähr ein Kilometer vor Muntilan geht 
eine schmale Strasse nach Westen und zwar an das Ufer des ESlo- 
flusses. Kurz vor der Einmündung dieses Flusses in den Progofluss 
sahen wir einen schönen Tempel, es war der Tjandi Mendüt (Fig. 19) 
aus Trachitblöcken. Er hat acht Seiten und vier einspringende Ecken, 
ist pyramidenförmig und hatte vielleicht eine Höhe von 25 Metern, i) 
Er ist erst seit 60 Jahren ausgegraben. Auf der Westseite befindet 
sich ein« Treppe und ein Eingang zu einer Halle von ungefähr 
40 Q] Metern; die Mauer desselben bestand aus porösen Trachitsteinen 
und war an&ngs cylinderförmig und ging in einer Höhe von ungefähr 
vier Metern in die Form einer spitzen P^amide über; ich wusste nichl^ 
was ich zunächst bewundem sollte, die kunstvolle Weise, in welcher 
dieser Saal gebaut war, oder die darin befindlichen Statuen. Jeder 
Stein ruht nämlidi in der angegebenen Höhe so auf seiner Unterlage, 
dass er diese um einige Centimeter überragt; ein weiterer Kitt oder 
Verbindungsmittel der Steine war nicht zu sehen. Durch die Aus- 
brüche des Merapis wurde dieser Tempel so erschüttert, dass der 
Eingang zahlreiche Bisse zeigte, d. h. dass über dem Eingange die 
Würfel-Steine grosse Lücken zeigten, welche den ängstlichen Glemüthem 
der Damen selbst den Eintritt in die Halle verleideten. Im Hinter-» 
gründe derselben sass Buddha mit herabhängenden Beinen und wie 
zum Beten gefalteten Händen; er ist nackt, 4^9 Meter hoch, der 
Gesichtsausdruck erinnert an eine sanfte, gutmüthige Frau (Fig. 25). 
Zu beiden Seiten befinden sich zwei weibUche Figuren, 2^9 Meter 
hoch, mit Bingen an den Armen und Knöcheln imd Tiaras. Sollte 
es, wie Veth») vermuthet, eine ihrem Gotte dargebrachte Huldigung 
z^'eier Halbheüigen sein? 



1) Veth giebt die Höhe auf 60—70' an. 
S) Veth, nJava^ Band H, Seite 85. 



326 ^of Bum Budur. 



Bald verliessen wir diesen Tempel und bestiegen wieder unsere 
Wagen; aber schon nach einigen Minuten erreichten wir den Ello, auf 
welchem sidi zwischen zwei grossen Rottangstricken eine Fäinie be&nd; 
sie war gross genug, um die acht Pferde und die zwei Wagen au&u- 
nehmen. Zunächst wurden diese an das jenseitige Ufer gebracht^ imd 
dann bestiegen wir diese primitive Fahrgelegenheit Noch ungefähr 
zehn Minuten fuhren wir, als wir plötzlich vor einem kleinen Hagel 
standen, wo sich nach links der Weg wandte. Keine hundert Meter 
weit lag der Tempel vor uns. Der erste Eindruck liess mich kalL 
Als ich im Jahre 1884 mit Urlaub nach Europa ging, verliess ich 
bei Ismailia das Schiff und fuhr mit der Eisenbahn nach Kairo, um 
die Cheops-F^amide und die Sphinx zu sehen; auch* das Massenhafte 
und das hohe Alter dieser Denkmaler einer untergegangenen Kunst- 
zeit packten keine Faser meine Nerven. Ich glaubte damals überhaupt 
keinen Sinn für architektonische Schönheit zu besitzen; als idi aber 
zwei Monate später zum ersten Male das neue Rathhaus in Wien sah,. 
da fJGusste mich der Zauber dieses gothischen Baues mit aller Madit 
Ich trat also mehr mit Neugierde als mit Entzücken dem Buru>) 
Budur näher und sah die hunderte Grappen und die tausende Figuren,, 
welche sich an den Wänden dieses Tempels befinden. Diese Basr^efe 
bringen Buddhas oder Verehrer des Buddha in allen möglidien und 
unmöglichen Stellimgen, Scenen aus dem Leben von Fürst^, Biesen,. 
Schlangenkönigen, Eseln, Geistern, Thier&beln. Leider fehlt uns d^* 
Ariadnefaden, der tuis in diesem Labyrinth als Führer dient 

Die Frau des Dr. A. hatte schon wiederholt diesen Tempel be* 
sichtigt; sie nahm also die Pflichten einer Hausfirau auf sidi^ um mit 
Hülfe des Tempelwächters und der mitgenommenen Bedienten für die 
»Beistafel« zu sorgen. Wir Andern bestiegen zunächst die Haupttreiq)ey 
welche von zwei grossen, steinernen Löwen bewacht vrurde und uns zur 
Basis des Tempels brachte, welche die Form eines Quadrates von 151 Metern 
Seitenlänge hatte. Die äusseren Grundmauern bestanden aus Trachit- 
blocken, deren oberster Band eine l^oihe von Basreliefe einnahm (Fig. 26)^ 
welche. den Typus des ganzen Gebäudes charakterisiren. Auf einigen 
Treppen stieg man auf die zweite Terrasse, auf welche wieder eine 



^) Veth nennt ihn Bära und nicht Bura Budur; das javanische ä ist ein 
Mittellaut zwischen a und o; etymologisch ist dies die richtigere Schreibweise 
als mein Burn; in allen malayischen und javanischen Ausdrücken glaubte ich 
aber aus naheliegenden Ursachen der phonetischen Schreibweise folgen zu sollen. 
Ich hörte immer von Bum und niemals von B&r& sprechen. 



Der Bora Budor. 327 



Gralerie folgte, die auch eine Wand nach aussen hatte. Es sind im 
Granzen zwölf Terrassen, und das Gebäude erlangt hierdurch die Höhe 
von ungefähr 50 Metern über dem Fuss des Berges. Diese Terrassen 
oder Galerien sind mit hundert Gruppen von BasreUe6 verziert^ in wel- 
chen Buddha meistens der Mittelpunkt der verschiedensten Scenen ist 
Zahlreich sind die Nischen, in welchen er sitzt, und ebenso zahlreich 
sind die kleinen Kuppeln mit diesem Gh)tte. 

Ein feenhafter Anbhck war es für mich späterhin, wenn ich Abends 
dahm ging und der Mond den ganzen Tempel in seine silbernen Strah- 
len hüllte. Es war ein Zauberschloss, aus welchem von aUen Seiten, 
von allen Ecken mid Winkeln das sanfiie, ruhige Antlitz des Gottes 
Buddha auf mis niederbUckte. 

Auf der Spitze des Tempels stand die grösste Kuppel von 3,6 Meter 
Höhe und 9,9 Meter Breite. Sie hatte eine Spitze von 9 Meter Höhe, 
darin war ein rundes Zimmer, in welchem fiiiher wahrscheinlich das 
grösste Buddhabild, das Allerheiligste, gestanden hat 

Ich kann mich unmöglich in eine weitere Beschreibung dieses 
Riesentempels einlassen; die Photographie desselben (Fig. 27) möge dem 
freundlichen Leser einen schwachen Ersatz dafür bieten, und möge er mit 
mir die hohe Kunst der Javanen bewundem, die vor tausend Jahren 
geblüht und heute unter den fanatischen, kunstfeindlichen Bekennem 
des Islams beinahe bis auf das Niveau der Naturvölker gesunken ist 

Rhaden Saleh, dessen Mutter ich in Magelang behandelte, ist, 
wenn auch ein bedeutender Maler, doch der einzige Künstler, welchen 
Java in der Gegenwart aufweisen kann, natürlich, wenn wir von den 
dort lebenden Europäern absehen. 



Am 2. August des Jahres 1894 war eine andere grosse Gesellschaft 
bei mir versammelt; es wurde 8^/« Uhr, und Alle waren in so fröhlicher 
Laune, dass Niemand daran dachte, nach Hause zu gehen, und man 
das holländische Volkslied anstimmte: »Wir gehen noch lange nicht 
nach Haus«. Die Stunde des Nachtmahles war herangerückt, und eine 
Lehrerin stellte den Antrag, ein Picknick zu improvisiren, dass Jeder 
sein Nachtmahl in mein Haus bringen lasse, um auf diese Weise der 
Hausfrau ihr Amt zu erleichtem. Mit lautem Hurrah wurde dieser 
Vorschlag angenommen, und um 9i/a Uhr sollten wir zu Tisch gehen; 
aber o weh! die zurückgebliebenen Gäste waren 13! Da die eine 
Lehrerin au& Bestimmteste behauptete, unter solchen Verhältnissen nicht 






328 Uagelmng wkhrend des Krieges mit Lombok. 

ZU Tisch geheu zu wollen, liess ich meine Equipage anspannen und 
fuhr in den Officiersclub^ der voraussichtlich noch nicht geschlossen sein 
würde. Ich täuschte mich nicht Der erste Herr, welcher mir ent- 
gegentrat, war Lieutenant d'A . . ., welchem ich die Schwierigkeit meiner 
Lage auseinandersetzte und die Bitte vortrug, eine so verspätete Ein- 
ladung anzunehmen; er fuhr mit mir nach Hause und — drei Wodien 
später war er todt! 

Es war nämhch der Krieg mit Lombok^) ausgebrochen und die 
Truppen waren zum grössten Theil aus der Garnison von Magelaag 
genommen. Lieutenant d'A . . . war eines der ersten Opfer, welche 
der Leichtgläubigkeit des Truppen-Commandanten zum Opfer ge&Uen 
waren. 

Die Sässak hatten schon zu wiederholten Malen bei dem Resi- 
denten von Bulel^ng (auf der Insel Bali) über den Despotismus ihres 
Fürsten geklagt Alle Vorstellungen der holländischen Begierung, seinen 
mohamedanischen Unterthanen, den Sässakem nämlich, einen erträg- 
lichen Zustand zu gönnen, wie sie ihn bei ihren Glaubensgenossen auf 
Java und Bali kannten, fanden unmer ein zustimmendes »Ja-Ja« ; aber 
eine Veränderung brachte der Fürst weder in den politischen noch in den 
socialen Verhältnissen der Sässak, und am 24. Juli 1893 liess er selbst 
einen Controlor sechs Tage lang in Ampenan warten, um die Nach- 
richt ihm zukommen zu lassen, dass er weder ihn, noch einen Brief 
empfangen wolle. Endlich musste Holland sich zur That aufraffen und 
organisirte 1894 eine Expedition, um unter dem Schulze von zwei Ba- 
taillonen Soldaten den Fürsten von Lombok zu einer thatsächlichen 
und radikalen Reorganisation seines Beiches zu zwingen. Unter dem 
Commando des Generals Vetter, dem der Resident Dannenborgh als 
Civil-Commissar und General van Ham als Stellvertreter zugetheilt 
wurde, zogen zwei Bataillone, also ungefähr 1000 Mann, nach Lom- 
bok (6. Juli 1894). Sie wurden aus der Garnison von Magelang ge- 
nonmien. In gehobener Stimmung marschirten sie aus ihren Oasenien, 
am Ende der Stadt erwartete sie eine Commission von Bullern, mit 
dem Residenten A. an der Spitze. Die Soldaten erhielten Cigarren^ 



Lombok ist eine der kleinen Sundainseln, Ö436 Quadrat-Meter gross, 
und hatte ungefähr 500,000 Einwohner, welche zum grasten Theil Mohamedaner 
waren, während das Fürstenhaus mit seinem ganzen Anliange Anhänger des 
Hinduglaubens geblieben waren. Sie liegt zwischen 115 <^ 45 ' und 116 ^^ 48 ' ö. L. 
und zwischen dem 8. und 9. ^ s. Br. Der höchste Berg ist der Piek von Lom- 
bok, .3800 Meter hoch, und zahlreiche kleine Flüsse durchziehen die Insel. 



Magelang wfthrend des Krieges mit Lombok. 329 

Bier und Gtenevie, und den Officieren sprach man bei einem Glase Cham- 
pagner ein herzliches Lebewohl zu, ein dreimaliges Hurrah auf die 
Oesundheit der Königin -Wittwe schloss diese eip:ieifende Scene, und 
unter den Klängen eines Marsches zogen die Soldaten zu Fuss nach 
Willem I. wo sie eben&Us festlich empfangen wurden. Am andern 
Morgen gingen sie per Eisenbahn nach Samarang, wo sie sofort nadi 
<ler Bhede marschirten, um sich zur Beise nach Lombok einzuschiffen. 

Mehrere Bivouacs wurden errichtet: auf dem Landungsplatz Am- 
penan, in der Hauptstadt Mataram und in der Fürstenstadt Tjakra 
negara. Es geschah^ was zu erwarten war. Der Fürst erklärte sich 
zu allem bereit, was die holländische Regierung zu Gunsten der »annen 
Sässakerc verlangte; er trat in Unterhandlung mid verkehrte sehr ge- 
müthlich und freundschaftlich mit den Führern der Expedition, liess sidi 
selbst Arm in Arm mit dem Greneral Vetter photographiren und zog 
die Verhandlungen so in die Länge — bis alles zur Vemichtmig der 
holländischen Armee vorbereitet war. 

Am 26. August, es war ein Sonntag, schickte der Conmiandant 
der Marinetruppen ein Telegramm nach Batavia, dass ein bedeutendes 
Gewehrfeuer auf Lombok gehört werde. Ein zweites Telegramm 
meldete, dass ein Kahn mit der Nachricht von einem Massacre ange- 
kommen war, und dass er sofort die Marine zu Hülfe schicken werde, 
und am 27. August kam die Trauermär, dass in der Nacht vom 
25. auf den 26. August ein Ueber&ll der Lomboker stattgefunden 
habe, bei welchem beinahe die ganze Armee aufgerieben wurde. Das 
7. Bataillon lagerte zwischen Mataram und Tjakra und bekam die 
volle Ladung aus erster Hand. Ahnungslos lagen die holländischen 
Soldaten zwischen den niedrigen Lehmmauem, als aus Hunderten von 
Oeffiiungen von beiden Seiten ein mörderisches Feuer begann; auf 
der Flucht durch Mataram war derselbe schaurige Höllenlärm, und 
erst ausserhalb der Stadt konnten sich die Truppen zur kunstge- 
mässen Vertheidigung vereinigen. Das 6. Bataillon verliess sofort 
sein Bivouac und besetzte die leerstehende »Fun«, in welcher es sich 
zwei lange Tage und drei Nächte ohne Wasser befand und nur von 
den wenigen Speisen lebte, welche die Soldaten in ihren Beuteln 
mitgenonmien hatten. Major B. war Bivouacs - Conmiandant Am 
Abend des 25. August ging er allein, wie er mir später erzählte, 
längs der Schildwachen spaziren und sah plötzUch einen Lomboker 
vor sich stehen, welcher ihm mit geheinmissvoller Stimme zuflüsterte, 
ihm zu folgen; er wolle den tuwan Major zu einem reizenden Mäd- 



330 Magelsng während des Krieges mit Lombok. 

eben bringen, welche alle Bewerbungen bis jetzt verBchmäht habe 
und nur einem :» hohen« Manne ihre jungfräuUchen Reize opfern wolle. 
Zwei Stunden später begann das Schiessen; Major B. Hess sofort die 
zurückgebliebenen Truppen in Alarmstellung treten und pries das Gfe- 
schick, dass er dem Sirenengesang dieses Venäthers nicht Gehör ge- 
geben hatte. Ein Schrei der Entrüstung über die Sorglosigkeit und 
Leichtgläubigkeit der Anführer übertönte den Jammer der zurückge- 
bliebenen Frauen und Kinder der 0£Sciere und Soldaten in Magelang. 
Als die lange liste der Verwundeten und Todten an der Mauer des^ 
Clubs angeschlagen wurde, da entlockte der Schmerz um den ge- 
&llenen Freund mir und jedem anderen Menschenfreunde vieUeicht zu 
scharfe, aber doch verdiente Verwünschungen und Flüche über den 
Vertrauensdusel von Männern, welche sich, an die Spitze eines Feldzuge» 
gerufen, wie kleine Kinder mit allen ihren Truppen in die Falle einea 
schlauen mid verrätherischen Fürsten locken Hessen. Zwei Damen 
fuhren sofort nach Surabaja, um dem Kriegsschauplatze näher zu 
kommen und die Ankunft ihrer Männer abzuwarten; die übrigen bUeben 
in Magelang und zählten die Stunden, bis sie die Detailberichte von 
ihren Männern erhalten konnten. Die Frau des Capitäns K. war di& 
Unglücklichste, der Name ihres Mannes stand mit dem eines Arzte» 
und eines Lieutenants auf der liste der Vermissten. Der Gouvemeur- 
Greneral van Wyk schickte sofort Ersatztruppen, zu denen von Mage- 
lang das 2. Bataillon gehörte. Wiederum geleitete eine Commissioa 
die Truppen bis an das Ende der Stadt, und wiederum leerte der Re- 
sident A. ein Glas Champagner auf das Wohl der Truppen, welche 
diesmal ihre durch den Verrath eines treulosen Fürsten gefallenen 
Kameraden rächen sollten. Ich bedauere, nicht ein Maler gewesen zu 
sein, um eine Scene zu zeichnen, welche mich damals mächtig er- 
schütterte und so ergriff, dass ich trotz aller Mühe die Thränen nicht 
unterdrücken konnte. Der Ausmarsch der Truppen aus den Casemeik 
war begleitet von lautem Jubel und Trompetenschall, besonders die 
Compagnie der Amboinesen gab durch laute Rufe ihrer Freude 
Ausdruck, für Vaterland und Königin den Tod ihrer Kameraden 
und ihrer Fremide rächen zu dürfen. Eine grosse Menschenmenge 
umstand das Exercierfeld vor der Caseme, und in lauter Aufregung 
rief die Menschenmasse ein Glückauf den braven Soldaten zu, welche 
ihr Leben opfern gingen, um die erlittene Schmach auszulöschen — 
und im Hbitergrunde sass auf der Treppe ihrer Wohnung die Frau 
des Capitäns K., in thränenlosem dumpfen Schmerz versunken, brütend 



Magelang während des Krieges mit Lombok. 331 

über die QuaJen und Martern, mit welchen ein grausamer, verräthe- 
rischer Feind ihren Mann in diesem Augenblicke foltern würde. Sie 
war eine schöne, stattliche Dame und sass in ilirem Schmerze ge* 
brochen auf der Treppe. Dort zog eine jubelnde Schaar kräftiger, 
lebenslustiger Manner, begleitet von ihren Freunden, von Frau und 
Kindern, und hier sass verlassen und einsam mit starrem, angstvollem 
BUck wie eine Niobe eine unglückliche Frau, welche das Schrecklichste 
für ihren in den Händen eines Eingeborenen befindlichen Mann 
fürchtete. 

Die braven Soldaten hielten ihr Wort: Mataram und die Fürsten- 
stadt Tjakra negara wurden erobert, ihre Mauern niedergerissen und 
die Schatzkammer nach Holland gebracht Der Fürst wurde nach Ba^ 
tavia verbamit, wo er auch nach kurzer Zeit starb. 

Die zahlreichen Verwundeten, sowie die durch andere Krankheiten 
erschöpften und invahden Soldaten wurden mit einem Dampfer der 
indischen Damp&chiffiahrts- Gesellschaft zunächst nach Surabaja ge* 
bracht Hier hatten sich natürlich ebenfedls Commissionen aus den Bür* 
gern gebildet, um den Opfern des Krieges bei ihrer Ankunft Cigarren, 
erfrischende Getränke, Brie^apier und Couverts u. s. w. zu geben, und 
auch das Bothe E^reuz betheiligte sich mit Lust und Eifer an diesem 
menschenliebenden Werke. Sobald es der Zustand der Patienten er- 
laubte, wurden sie nach dem Gesundheits-Etablissement im Tenger* 
gebirge evacuirt, wo sie sich in der Begel sehr bald von den überstan- 
denen Miseren erholten. So dauerte es einige Wochen, selbst oft zwei 
bis drei Monate, bis sie sich so weit erholt hatten, dass sie auf ihr 
Verlangen wieder nach Lombok geschickt werden, oder aber nach Ma- 
gelang zurückkehren konnten, wo Viele ihre »Frauen« und Kinder 
wieder &nden. Es wurde nämlich, wie bei jedem Feldzuge, beim Ab- 
marsch der Truppen nach Lombok nur 20 Soldaten pro Compagnie, 
also ungefähr 12 o/o, gestattet, ihre Haushalterimien mitzunehmen. Wie 
ich schon an anderer Stelle mittheilte, >) hat man kein Becht, von einem 
anderen Standpunkte als von dem der geschlechtlichen Moral diese 
Frauen zu verurtheilen. Wenn auch die Haushälteriimen der Officiere 
ihre »Männer« manchmal in allem Thuu und Lassen, in ihrem Denken 
und Fühlen auf das Niveau eines Eingeborenen bringen, so sind, wie 
die Erfahrung lehrt, die Haushalterimien der Soldaten geradezu ein 
nothwendiges Element der Disciplin. Die wenigsten Strafen haben SoU 



>) Band I, Seite 216. 



332 Soldatenfreunde. 



daten, welche eine Haushälterin haben, und am wenigsten dem Alcohol 
ergeben sind jene europäischen Soldaten, welche die »N]£u« (mit oder 
ohne Kind) zwingt, von ihrem Solde einige Cents täglich zum ge- 
meinsamen Haushalte abzutreten. Nebstdem giebt es ja viele » Sol- 
datenfrauen c, welche mit den eingeborenen Soldaten gesetzlich veiiiei- 
ratet sind. 

Die zurückgebliebenen »Frauen« waren gewissermaassen versorgt; 
sie konnten in der Caseme wohnen bleiben und erhielten pro Tag 
>/s Kilo Beis und 3 (?) Decagramm Salz. Ein Lieutenant führte das 
Commando über die Frauencompagnie, d. h. er überzeugte sich täglich 
von ihrer Anwesenheit, bei welcher Gelegenheit sie militärmässig vor 
ihrem Bette standen und die Frau eines Sergeanten über d^e Vorfälle der 
letzten 24 Stunden rapportirte. Nebstdem nahm sich die Frau eines 
Hauptmanns der Intendantur, welcher Verwalter des grossen Militärspita- 
les war, der verlassenen Frauen und Kinder an; sie soi^, dass Ae Kin- 
der regelmässig die Schule besuchten, dass sie von Zeit zu Zeit ihrem 
Vater einen Brief schrieben, dass von dem errichteten »Lombokfonds« 
die verwaisten Ejnder mit Kleidern und Wäsche unterstützt wurden, 
dass die zurückgekommenen halbinvaliden Soldaten mit Bier, Wein, 
Cigarreu u. s. w. bewirthet wurden und, last not least, dass die zurück- 
gebliebenen Frauen sich nicht der officiellen Prostitution in die Arme 
warfen. Unterstützt wurde sie in ihrem humanen Werke von einem 
Missionare der Sabbathisten, welcher kurz vorher, von einigen hollän- 
dischen Damen reichlich unterstützt, nach Indien gekommen war, um 
die Moral der europäischen Soldaten auf ein höheres Niveau zu bringen, 
als sie bis jetzt hatten. Die Basis seines Thuns und Lassens war, die 
Macht des Alcohols und der eingeborenen Frau zu brechen. Zu die- 
sem Zwecke errichtete er am nördlichen Ende der Stadt ein Club- 
gebäude für die Soldaten, in welchem zahlreiche illustrirte Blätter auflagen 
und Kaffee, Thee, Chocolade, Limonade u. s. w. für einen sehr massigen 
Preis zu bekommen waren. Diese Concurrenz der militären Cantine 
hatte Erfolg; es waren genug Soldaten, welche dem Alcohol in jed- 
weder Form aus dem Wege gehen woUten; wenn man auch in der 
Cantine Limonade, Syrup mid Mineralwasser erhielt, so war es doch 
sehr schwer, und für willensschwache Individuen geradezu unmöglich, 
dem Alcohol fem zu bleiben. (Sagte mir ja selbst ein deutscher Mi- 
litärarzt, dass er sich dem allgemeinen Glebrauch des Genevre nicht 
entziehen konnte, weil er damit den Schein auf sich genommen hätte^ 
den holländischen Collegen imd übrigen Clubgenossen den Gebrauch 



Soldatenfreunde. 333 



des Q«nevre als Untugend vorzuwerfen.) Es herrschte also in seinem 
Club ein ruhiger und gelassener Ton, und dieser Theil seines Strebens 
und Wirkens hatte gewiss die Sympathie jedes unbefangenen Beur- 
theilers der herrschenden Verhältnisse. 

Der zweite Punkt seines Frogrammes ist jedoch nicht frei von 
Einwand. Die Ertödtung der fleischlichen Gelüste der ledigen Soldaten 
hätte er nicht anstreben sollen; wenn der Herr van der St . . . seine 
Anhänger veranlasst hätte, mit den Töchtern des Landes eine Ehe ein* 
zugehen, so hätte er weder gegen die heiligen Gesetze der Natur, noch 
gegen die christliche Religion gesündigt; er aber verkündigte nur die 
Schändlichkeit des unehelichen Lebens mit den Eingeborenen. 

Von der grossen TruppenzaM, welche in Magelang lag, also von 
ungefähr 4000 Mann,i) hatten nur 13 diesen Theil des Programms an** 
genonmien, und mein Berichterstatter selbst machte mir den Eindruck, 
dass diese gewaltsame Unterdrückung des Gfeschlechtstriebes nur auf 
Kosten der Gresundheit, d» h. gegen Tausch mit dem ekelhaften Laster 
der Onanie erfolgt war. Ich muss aber bekennen, dsss der Herr van 
der St . . . praktisch und tolerant genug war, Jedermann die Thore seines 
Tempels zu öffiien, und die Zahl der Besucher war so gross, dass ge- 
wiss sein Clubgebäude im Laufe der Zeit zu klein wurde. Ja noch 
mehr; er nahm sich jener Kinder an, welche der Vereinigung der Sol* 
daten mit den eingeborenen Frauen ihr Dasein verdankten, und soz^ 
mit seiner Schwester für ihre Erziehung und für ihren Unterricht, 
wenn der Vater durch Krankheit oder durch den Tod seinen Pflichten 
nicht gerecht werden konnte. Leider kam er dabei in Conflict mit den 
Gresetzen des Unterrichts. Eine gewisse Zahl von £[indem darf nur von 
einem diplomirten Lehrer Unterricht erhalten; er wurde also gezwungen, 
alle seine Schutzbefohlenen die öffentliche Schule besuchen zu lassen, 
da er nicht im Stande war, für sie einen diplomirten Lehrer anstellen zu 
können. Jetzt machte sich wieder eine andere Schwierigkeit geltend. Er 
war Sabbathist und hielt als solcher den Sonnabend und nicht den Sonn- 
tag für den von Gott festgestellten Buhetag; demzufolge liess er alle seine 
Zöglinge Sonnabends die Schule nicht besuchen. Da der Unterricht 
in Indien confessionslos ist und unmögUcher Weise eine solche Stö- 
rung des Unterrichtes gestattet werden konnte, musste er den Staats- 
gesetzen sich fügen und seine Pfleglinge Sonnabends in die Schule gehen 



^) Nebstdem hat diese Stadt 2187 chinesische, 108 arabische, 7 orienta- 
lische, 18,984 eingeborene und 496 europäische Bewohner. 



334 ^^^ Religionen auf Java. 



lassen. Seine Arbeit war mir auch so sympathisch, dass ich im Sep- 
tember des Jahres 1896 keinen AugenbUck zögerte, durch meine Unter- 
schrift das segensreiche Unternehmen des Herrn v. d. St ... zu em- 
pfehlen und die Stiftung eines Vereins zu veranlassen, der die ver- 
lassenen Soldatenkinder und Soldatenfrauen zu nützlichen Gliedern des 
Staates erziehen sollte. Dieser Verein sollte allen hülfebedürftigen Sol- 
datenkindem ohne Unterschied der Religion zur Seite stehen und die 
Erziehung eine christliche resp. protestantische sein. 

Die herrschende Religion in Indien ist — der Indifferentismus. 

Zahheiche Juden befinden sich in der indischen Armee, im 
Corps der Beamten, im Handel und miter den Pflanzeni; es besteht 
jedoch keine einzige jüdische Gremeinde, kein einziger jüdischer Tempel, 
und es ist mir nicht bekannt, dass die rituellen Speisegesetze und die 
schönen Familienfeste der Juden jemals in Indien gehalten wurden. 

Die Protestanten sind am zahlreichsten vertreten; aber die 
orthodoxen, »die feinen« Protestanten, sind eine kleine, sehi* kleine 
Schaar. Die Regierung muss sich ja in religiösen Angelegenheiten 
nicht nur wegen der Staatsgrundgesetze, sondern auch wegen der 
Millionen Mohamedaner und Tausende von Heiden, über welche sie 
herrscht, jeder religiösen Propaganda enthalten. Die Art und Weise, 
wie sie sich gegen die Missionare der verschiedenen Religionen benimmt, 
kann geradezu mustergiltig genannt werden; sie hindert nicht im ge- 
ringsten Grade die Freiheit der Religionen und ihrer Missionaife; sie 
tritt aber überall jedem Zelotismus entgegen und duldet nicht den ge- 
ringsten Uebergriff, von welcher Seite er auch konmien möge. Die 
Zahl der Protestanten ist, wie gesagt, sehr gross; wenn eine Regierung 
keinen grossen Eifer in religiösen Angelegenheiten zeigt, so ist auch die 
grosse Masse des Volkes indifferent, und vielleicht ist dieses eine der 
Ursachen, dass sich trotz der grossen Zahl der Protestanten kein reges, 
religiöses Leben in Indien offenbart Nur zu oft geschah es, dass 
ein sterbender Kranker um die Ankunft eiiies »Domine« ersuchen 
liess, was, wie wir sofort sehen werden, bei den »Katholiken c niemals 
nöthig war, weil der »Pastor« täglich das Spital besuchte. Nur zu 
oft konnte dem Verlangen eines sterbenden Protestanten nicht ent^ 
sprochen werden, weil der »Domine« sich in Djocja aufhielt und nur 
alle 14 Tage einmal nach Magelang kam, um etwaige Taufen u. s. w. 
vorzmiehmen. Uebrigens ist der »moderne Domine« ein unglückseliges 
Mittelding zwischen Seelsorger und Geistlicher. Wissenschaft und 
Glauben lassen sich theilweise vereinigen; der »moderne Domine« leug- 



Die Religionen auf Java. 336 



net dieses. Ich hörte einen solchen Domine an die Soldaten, ich 
möchte sagen im Angesicht des Feindes, eine akademische Bede halten, 
dass Jesus »ein braver Mann und nichts mehr als ein braver Mann 
gewesen sei«; ich ärgerte mich über diesen Mami, der zu den Sol- 
daten, welche jeden Augenblick des Ausmarsches gegen den Feind ge- 
wärtig sein mussten, nichts anderes zu predigen wusste, als dass Jesus 
ein braver Mensch gewesen sei. Ihm stand jedoch die Wissenschaft 
höher als der Glaube, so dass er nicht einmal zu den Soldaten auf 
dem Kriegsschauplatze etwas anderes als über den Werth der Wissen- 
schaft zu sprechen wusste. Dieser Maim hatte seinen Beruf verfehlt 

Darum ist der Indifferentismus der Protestanten >) in Indien gross. 
An einigen hohen Feiertagen gehen sie in die Kirche, wenn eine 
solche existirt, im Uft>rigen denken sie weder an Gott noch an die 
Bibel 

Die Katholiken sind an Zahl eine viel kleinere Gemeinde, aber 
sie sind reger und unternehmender; in Magelang hatte »der Pastor« 
ein eigenes Haus mid eine kleine Kirche; zahlreich sind diese über 
ganz Java zerstreut Der Sitz des Bischöfe von Mauricastro ist Ba- 
tavia mit einer schönen Pastone auf dem Waterlooplatze. Selbst in 
Atschln ist eine »Pastorie«:, und der Pastor Verbaak dient dort schon 
seit mehr als einem Jahrzehnt, geehrt und geachtet von Freund und 
Feind. 

Die Mohamedaner sind in Java in grosser Zahl unter den Sol- 
daten vertreten; von ungefähr 17000 eingeborenen Soldaten sind nur 
circa 1800 Christen, und zwar 12 Compagnien ambonesischer Soldaten 
(aus den Molukken). In der civilen Bevölkerung Javas ist der Islam 
die vorherrschende Religion; ungefähr 50000 Europäer und Halb- 
europäer, 220000 Chinesen u. s. w. stehen circa 22 Millionen Moha- 
medanem gegenüber, wovon circa 11000 Araber imd 50C0 Armenier 
und Türken ihre Heimath ausserhalb Javas haben. 

Auch unter den mohamedanlschen Soldaten ist die Basis ihrer 
Beligion Indifferentismus mit einem starken Beigeschmack von Fata- 
lismus. Tuwan Allah K!assih = Gott hat es gegeben, ist das Um 
und Auf ihrer Lebensphilosophie. Ich habe niemals einen eingeborenen 
Soldaten die vorgeschriebenen religiösen üebungen halten gesehen; bei 
der Geburt eines Bandes, beim Tode seiner Frau oder bei der Hoch- 



In der Provinz Pasunian ist eine grosse, protestantische Gemeinde von 
Eingeborenen mit ICissionssohtde in Swaru und Kendal pajak. 



336 ^^ Religionen auf Java. 



zeit seiner Tochter giebt er ein Salämatan,^) dem ein »Hadji« präsidiren 
und durch das Ableiern einiger arabischer Segenssprüche die nöthige 
Weihe geben muss; natürlich unterwerfen sie sich der Beschneidang, 
enthalten sich des Glenusses des Schweinefleisches und trinken manch- 
mal Schnaps, Bier oder Wein, ohne aber Missbrauch davon zu machen; 
d. L wenn bd gewissen Gelegenheiten ein »Freischnaps« gegeben 
wird, finden sich immer einige eingeborene Soldaten, welche davon Gfe- 
brauch machen. 

Der Javane ist nur ausnahmsweise ein Zelote; mein Kutscher 
z. B. war in jeder Hinsicht ein rechtgläubiger Mohamedaner, er ass 
kein Sdiweinefleisch, er trank keinen Alcohol, selbst wenn er ihm als 
Medicament von mir gegeben wurde. Aber das Gebot 3>Du sollst zu 
Gott, dem Herrn, fönfinal des Tages beten« lAfolgte er nicht, denn 
es kostet viel freie Zeit, dieser Vorschrift gerecht zu werden; er muss 
sich vor dem Gebete reinigen, weil man sich nicht im unreinen Zu- 
stande Gott nähern dürfe. Auch dieses Bad ist mit strengen Regeln 
vwknüpfti, so dass man also, wie erwähnt, sehr viel freie Zeit, wie 
z. B. ein Hadji, oder ein Hausirer haben muss, welcher durch die 
Heuchelei seiner ausserordentlichen Frömmigkeit kauflustige Dorfbe- 
wohner locken will. Sein Glaube ist ja nicht echt; er hat noch den 
ganzen Aberglauben der alten Hindureligion, gerade wie die Mytho- 
logie der alten Indier in allen ihren HeldenHedern und ihren W&- 
jangs Kulit forüebt Aber die äusseren Ceremonien befolgt er gern, 
so lange sie ihm nicht zu unbequem sind, z. B. er wird kein Huhn 
von unbefugter Hand schlachten lassen, i^enn ein Mann bei der 
Hand ist, der das für diese Operation angewiesene Grebet sagen 
kann. Ist ein solcher Dorfpriester aber nicht bei der Hand, wird 
er — das Huhn essen, auch wenn es nicht rituell geschlachtet wurde. 
Dasselbe gilt von den Salämatans. Diese werden bei allen Phasen 
des täglichen, gesellschaftlichen und Familienlebens gegeben, und es 
eriiält «der Dor^riester (modin) die Einladung, um bei dem Fest- 
mahle gegenwärtig zu sein, welches zu Ehren eines neugeborenen 
Kindes, des Baues eines neuen Hauses, beim Anlegen eines neuen 
Beisfeldes u. s. w. gegeben wird. Dieses Fest wird durch ein Gebet 
des Hadjis eingeleitet, und treuherzig sagen die Anwesenden bei jeder 
Pause ihr deuüidies und lautes Amin, amin, obwohl sie kein einziges 
Wort von demselben verstanden haben; es ist ihnen auch gleichgiltig. 



1) Vide I. Theil, Seite 220. 



Die Religionen auf Java. 337 



was der Priester bei dieser Grdegenheit vor sich hinbrammt, wenn 
dieser nur in deutlicher und yemehmbarer Sprache den Anlass des 
Festes mitgetheilt hat, -so dass Allah darüber keinen Augenblick den 
. geringsten Zweifel hegen kann« Im Allgemeinen kümmert er sich auch 
mehr um die bösen Geister als um Tuwan Allah (Grott den Herrn), 
weil dieser gut und weise ihm nicht schadet, jene aber durch Geschenke 
(Opfer) bestochen werden müssen, um ihn nicht zu verfolgen. Helfen 
bei Krankheiten diese Opfer nicht, dann muss list gegen List gelHUUcht 
werden. Ist z. B*. ein Kind krank und gelingt es der Dukun nicht, es 
zu heilen, so macht sie eine Puppe z. B. ans einem Stück eines Pisang- 
Stammes, welche mit alten Lappen umgeben wiid. Diese Figur wii^ 
eine Zeit lang vor dem Hause des kranken Kindes liegen gelassen und 
hierauf begraben, um den bösen Geist glauben zu lassen, dass das 
Kind seinen Leiden schon erlegen sei, so dass seine Bemühungen schon 
überflüssig seien. Ein anderer, häufig angewendeter Streich ist folgen- 
der: Der Vater geht nach dem Brunnen, wo das Kind nach seiner 
Ansicht sich erkältet oder im Allgemeinen seine Erkrankung sich zu- 
gezogen hat; an dieser Stelle zündet er Weihrauch an, um den > bösen 
Geist« auf sich aufinerksam zu machen, öffiiet seinen Gürtel und lässt 
das eine Ende ins Wasser fallen; ohne das andere Ende des Biemens 
loszulassen, entfernt er sidi von diesem vom Teufel verhexten Orte 
(angkon), und zwar in einer der Wohnung des kranken Kindes entgegen- 
gesetzten Bichtung; der böse Gteist verliert dadurch die Spur des Kran- 
ken und — dieser ist gerettet 

Im Allgemeinen wird man nicht fehl gehen, wenn man die Q^elle 
aller abergläubischen Gebräuche und Sitten in dem Hinduglauben der 
Vorväter suchen wird; aber ein kleiner Theil derselben ist auch ein 
Importartikel der Araber, und noch mehr der Hadjis. Diese Hadjis 
sind ja keine Priester stricte dictn; es sind nur Mekkapilger, welche 
auf ihrer Beise nach Mekka mit Mohamedanem der ganzen Welt 
verkehrt hatten und durch den Contact mit gleich wenig geschulten 
und gebildeten Männern im Austausch der gegenseitigen Anschau- 
ungen in erster Reihe das Mystische und Transcendentale angenom- 
men haben und erst in zweiter Reihe das Positive und Rationelle 
des mohamedanischen Glaubens nach Hause mitnehmen. Dadurch 
sind sie auch gefährhche Elemente der Javanen geworden; ob aber 
die indische Regierung keinen Missgriff begangen hat, die Pilgerfiahrt 
nach Mekka zu erleichtem, ist noch eine offene Frage. Je mehr 
Hadjis nach Java kommen, desto kleiner soUte ihr Einfluss wer- 

Bf«ittBiteiB, Sl Jahn in Indivu n. 22 



338 ^® Religionen auf Java. 



den; denn der Nimbus schwindet in demselben Verhältnisse, als die 
Zahl der Würdenträger zunimmt; die Er&hrung scheint jedoch da- 
mit nicht übereinzustimmen. Im Jahre 1888 war ein Aufetaad in 
Bantam, der gerade durch den Einfluss der zahlreichen fladjis entstan- 
den war, um das »verhasste Joch der Kafirs« abzuschütteln; die Wohl- 
fehrt des Landes, die Sicherheit des Eigenthums und der Personen, 
welche der Eingeborene unter der Regierung der Holländer geniesst, 
vei^isst der Hadji, wenn er den Ptang sabib (den heiligen Krieg) pre- 
digt; aber die grosse Menge der Javanen ist sich dieser Wohlthaten 
bewusst Darum gelingt es niemals diesen unruhigen Friedensstö- 
rern, ein grösseres Feld für ihre Hetzereien zu finden. Seit dem 
grossen Javakrieg war niemals eine Provinz (Besidentie) oder auch nur 
ein grosser Bezirk auf Java in Au&tand gegen die holländische Re- 
gierung; immer waren es nur einzelne Kampongs, welchen die Hadjis 
* einen solchen Hass gegen die Europäer einimpfen konnten, dass sie zu 
den Waffen griffen. Leider scheint der türkische Consul das Treiben der 
mohamedanischen Priester wenn auch nicht gerade zu ermuthigen, so 
doch sicher auch nicht zu tadeln, obzwar die holländische Regierung 
den Islamismus in jeder Hinsicht unterstützt und hoch hält Es sind 
ja ungefähr 150Ü0 mohamedanische Religiousschulen auf Java mit 
ungefähr 230000 Schülern; also 1 ^/o der Bevölkerung lernt in solchen 
Schulen Schreiben (die arabisiäie Schrift), etwas Rechnen, einzelne Ca- 
pitel aus dem Koran; nebstdem giebt es auch zahlreiche Priesterschulen, 
in welchen die Liturgie, Dialektik und Moral des mohamedanischen 
Glaubens ausführUch gelehrt weiden. « 

Die Stellung dieser Priester ist in den Dörfern keine lucrative, 
weil eben der Javane ausser bei fesüichen Gelegenheiten seinem 
Seelsorger keine Geschenke giebt Der Priester muss also theUweise 
selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen, und zwar durch Handel oder 
Landbau. Am meisten wird der Puasa oder der Fastenmonat gehalten, 
und am Ende desselben bringt wohl Jedermann seine Pitra dem Geist- 
Uchen des Dorfes. In Magelang soUte im Jahre 1895 die Moschee 
einen Neubau erhalten; der Kirchenrath fand es nicht rathsam, dafür 
die eigene E^asse in Anspruch zu nehmen. Bald wurde es jedoch be- 
kannt, dass Jedermann ein gottgefälliges Werk ^ausüben und sicher 
einige Sprossen auf der Leiter zum Himmel erobern kömie, wenn er 
sich an dem Bau betheiligte. Ich hatte damals eine Köchin, die 
vielleicht 60 Jahre alt war. Wenn um 1 Uhr Nachmittags und um 
8 Uhr Abends ihre Arbeit beendigt war, ging sie mit einem kleinen 



Schulen für die Javanen. '339 



Korbe hinab an die Ufer des Progoflusses, füllte ihn mit Steinen und 
brachte sie auf den Bauplatz der Moschee und warf jedesmal einen 
Duit (= ^/e Cent) in die grosse^ hölzerne Kiste, welche zu diesem 
Zwecke als Opferstock am Eingang der Moschee stand; dasselbe thaten 
meine übrigen Bedienten. 

Das sind natürlich Ausnahmefälle, welche die Regel bestätigen, 
dass auf Java die Hadjis in den Dörfern von den Liebesgaben ihrer 
Schutzbefohlenen nicht leben können. 

Ich muss noch bemerken, dass über ganz Java Volksschulen, ver- 
breitet sind, welche sich wesentlich von jenen oben erwähnten unter- 
scheiden, welche quasi reine Beligionsschulen sind. Die Kinder der 
Häuptlinge besuchen oft die Volksschulen der Europäer (im Jahre 1887 
waren nach :»Schulze's Führer auf Java« 256 Eingeborene unter 8500 
Schülern aller Volksschulen), während für das Gros der Eingeborenen 
sich zahlreiche Schulen befinden, in welchen Rechnen, Lesen und 
Schreiben, etwas Naturkunde, Geographie und Geschichte von Ostindien, 
Zeichnen und Singen gelehrt wenjen. Ich selbst habe zu wiederholten 
Malen Bediente gehabt, welche schreiben und lesen konnten. Wie viel 
Analphabeten Java in seiner Einwohnerzahl von ungefähr 25000000 
besitzt, lässt sich nicht einnud annähernd angeben. Diese Zahl kann 
nicht klein sein, weil erst die gegenwärtige Greneration unter dem Ein- 
flüsse der neuen Schulen steht und bei deren Entstehen nicht sofort alle 
Kinder daran iheihiahmen. 

Nebstdem wird ein höherer Unterricht an die Söhne von Häupt- 
lingen ertheilt, welche das Cadre der künftigen Beamten bilden sollen. 
Leider muss auch von diesen Schulen gesagt werden, dass die indische 
'Regierung im Unterrichtswesen, der Eingeborenen des Guten zu viel 
gethan hat; es wird z. B. in den Schulen für eingeborene Leßrer viel 
zu viel auf die naturwissenschaftlichen f^UJier verwendet — ich sah 
ja im Seminarium zu Bandjermasing ein vollständig eingerichtetes 
x^hemisches Laboratorium -^, und in der Schule für die Söhne von Häupt- 
lingen in Magelang wird — Nationalökonomie docirtü Der dafür an- 
gestellte Doctor der Eechte versicherte mir zwar, dass diese Schüler 
der holländischen Sprache vollkommen mächtig seien; aber auf meinen 
Einwand, €ass solche abstracte Theorien in dem Gehirn eines Javanen 
noch keinen Platz hätten und von den 16 — 18jährigen Burschen unmög- 
lich verdaut werden könnten, konnte er mir nur entgegnen, dass in seinen 
Vorträgen mehr der pohtischen Organisation gedacht werde, obwohl er 

ifür di€ 'Nationalökonomie angestellt worden sei. 

22* 



340 Schulen für die Javanen. 



Der Vollstäiidigkeit halber musB ich aach die im ersten Bande: 
Bomeo erwähnten Doctor-djawarSchulen für eingeborene Aerzte und die 
Schule der ambonesischen Christen in Magelang anführen. 

Heiden hat die Insel Java nur sehr wenige; im Osten Javaa 
sind die Bewohner des Tenggergebirges, ungefähr 4000, und im Westen 
auf dem Berge Kentjana ungefähr 2000 Seelen, welche dem Hindu- 
glauben treu geblieben sind. In der Armee ist gegenwärtig die Zahl 
derselben sehr klein, weil die africanischen Compagnien aul^ehoben 
wur4on4 und die Mohren, welche kein Verlangen hatten, in ihre Heimath 
zurückgesendet zu werden, siedelten sich in der Provinz Bagd^n an. 



Nach der Eroberung von Tjäkranegära kehrten die Truppen den- 
selben Weg zurück^ den sie bei ihrem Auszuge genommen hatten. Da» 
Sdiiff brachte sie nach Samarang, dort bestiegen sie die Eisenbahn^ 
und 4 Stunden später kamen sie in WiUem I an, wo sie ebenso herzlich 
als in Samarang begrüsst wurden. Am andern Tage gingen sie zu 
Fuss bis nach Fringsurat, wo für durchgehende Truppen ein ständige» 
Gebäude bestand. Da ein Marschtag 27 Kilometer beträgt und dieser 
Ort von Magelang 25 Kilometer entfernt ist, so konnten sie zwischen 9 und 
10 Uhr in ihrer Garnison anlangen. Auf dem grossen £xercierplats& 
zwischen der Caseme ¥nurden aus Bambus Hallen gebaut, und Jung; 
und Alt, Arm und Beidi war schon um 8 Uhr auf diesem Felde ver- 
sammelt, um die wackeren und braven Soldaten zu begrüssen. Es war 
schon 10 Uhr, als die ersten Töne der Militär-Musik an unsere Ohren 
drangen, und lauter und immer lauter wurde der Jubel, als die Truppen 
zwischen den Häusern der Officierpavillons erschienen. Es war ein 
traurigdlr Anblick, und manches Herz erzitterte bei dem Gedanken^ 
wie viel Elend und Entbehrung diese jungen Männer gelitten haben 
mussten, dass sie so schmutzig, so blass und so verfallen aussahen. 
Dennoch hatte Niemand mit ihnen Erbarmen ; von Allen, die durch ihre 
Stellung sich berechtigt hielten, eine Ansprache zu halten, wollte kein 
Einziger seine schönen Worte der Menschheit vorenthalten, und so 
mussten diese durch Krankheit und den Marsch von 25 Kilometern er- 
müdeten und erschöpften Soldaten noch eine ganze Stunde lang in 
»Habt Acht«-Stellung den gewiss gut gemeinten, aber auch recht un- 
zeitgemäfisen Redestrom über sich ergehen lassen. Endlich hatte der 
letzte Redner sein Hip-hip Hurrah donnernd ihnen zugerufen; das Com- 
mando: Eingerückt, marsdil etscholl, und sie zogen in ihre Oaseme,. 



Die Dysenterie. 341 



WO eine Tafel für sie hergerichtet stand, und umgeben von ihren Frauen, 
Kindern und Freunden Tergassen sie alles Leid, das sie erlitten, und 
alle Entbehrungen, die sie erschöpft hatten. Die Beaction bUeb natür- 
lich nicht aus. Am nächsten Tage kamen Viele ins Spital, und schon 
am zweiten Tage war das Spital überfüllt Hatte die Erwartung, ihre 
Garnison, ihre Freunde, Frau und Kind wiedersehen zu können, sie 
während ihrer Reise »auf den Beinen ertialten«, so forderte nach .dem 
Rausche der ersten Freude des Wiedersehens die Erschlafiimg der über- 
spannten Nerven ihr Recht Die grösste Zahl bestand aus Eikran- 
kungen des Darmes und Fieberpatienten, die Zahl der Dysenteriefälle 
und der Leberabscesse überstieg alle, welche ich seit meinem Aufent- 
halte in Bomeo (1877 — 80) beobachtet hatte. Im 7ahre 1880 herrschte 
im Südosten dieser Insel eine heftige Dysenterie-Epidemie. Unter dem 
Drucke der herrschenden Verhältnisse konnte ich nicht mehr thun, als 
dem Häuptlinge des Districtes und den beiden dort weilenden Missio- 
naren einige Rathschläge für die Behandlung der Patienten und betre& 
der noihwendigen hygienischen Maassregeln zu geben. Ich konnte mir 
weder über den Verlauf der Krankheit, noch über ihre Folgen ein Urtheil 
bilden, ich konnte nichts über die Ursachen und die Entstehungsweise 
er&hren; ich konnte aber aus den officiellen Mittheilungen einen Ueber- 
blick über die geographische Verbreitung dieser Epidemie gewinnen. 
Diesmal war ich unter günstigeren Bedingungen. Mir war Zeit, Ort und 
das Wie des Entstehens bekannt Die meisten der Dysenterief Slle waren 
Recidivisten von Lombok; aber ich bekam auch solche Kranke zur Be- 
handlung, welche diesen Feldzug nicht mitgemacht hatten und nicht 
eiiunal auf Lombok gewesen waren. Diese Fälle bUeben jedoch .glück- 
licher Weise isolirt, und es entstand keine Epidemje, weil in Magelang 
dazu alle Bedingungen fehlten. Nicht locale oder meteorologische Ver- 
hältnisse habe ich dabei im Auge, denn »ohne Einfluss sind Elevation 
und Figüration des Bodens, sowie geologische Formation und physi- 
kalischer Charakter desselbenc i) auf das Entstehen der Dysenterie- 
Epidemie. Ich kann mir auch keinen grösseren geologischen und topo- 
graphischen Unterschied vorstellen, ab den der liuider, aus welchen Be- 
obachtungen von Dysenteriefällen stanmien. In Island und Grönland, 
in Africa,' in Europa, in America und in China und Japan kommen 
Dysenteriefälle entweder vereinzelt oder in grossen Epidemien vor. Ich 
«elbst sah den ersten Fall im Jahre 1873 in den Karpathen am Fusse 



O^Scheube, Di» Krankheiten der warmen Lftnder. 



342 ^^^ Dysenterie. 



des Oletschers Tartara; sieben Jahre später befiwden sich die von mir 
beobachteten Dysen|erirfälle im östlichen Bandgebirge Bomeos mit vor- 
herrschender KaUdbrmaüon. Auf Lombok 1894 war der reinste Typus 
des AlluYium, und in Magelang die schönste tertiäre Formation. Wir 
müssen also dem Krankheitserreger der Dysenterie die Ubiquität stricte 
dictu zuerkennen. Auch seine Lebensdauer ist eine f ürchteriich grosse. 
Schon 2000 Jahre vor Christus wird dieser Krankheit in den indischen 
Schriften Erwähnung gethan, und Herodot wie Hippokrates geben 
schon eine ausführliche Beschreibung dieser Krankheit Dieser fürchter- 
liche Feind der Menschheit hat also einen sehr alten Stammbaum; aber 
auch ihn trifit das Schicksal alles Irdischen; :»er ist werth, dass er 
zu Grunde geht«, und er verschwindet unter dem mächtigen Einfluss 
der Hygiene. Bleeker erzählt in seinem Buche »Dysenteria tropica«, 
dass von 31879 Europäern, welche zwischen den Jahren 1816 — 1832, 
also innerhalb 17 Jahren, nach Indien gegangen waren, 24330 (!!) ge- 
storben sind, und dass 
im Jahre 1819 im Allgemeinen 1175 und an der Dysenterie 597 starben,. 

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Die Zahlen der behandelten Dysenteriepatienten waren') 

im Jahre 1819 5585 Soldaten 

1820 5050 

1821 6963 „ 

1822 5681 





1820 „ 


» 


1316 


(Cholera) 1821 „ 


99 


2260 


1822 „ 


99 


1363 


1823 „ 


99 


1326 


Krieg |1824 „ 


V 


1412 


g^. Celee\l825 „ 


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1869 




1826 „ 


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2409 


Krieg 

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1827 ry 

1828 „ 




3213 
4243 


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1830 „ * 




3492 
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1831 „ 


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1548 



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W 


801 


99 • 


572 


99 


505 


97 


423 


» 


512 


f> 


992 


99 


1199 


9* 


2126 


»^ 


1632 


»• 


1019 


» 


629 


ff 

1 


11479 





Uebertrag 23279 



>) Yide: „Militaire Summierziekenrapport 1847 **, herausgegeben auf Befehl 
der DiederläDdisch-indischen Begierung. Batavia, Lange et Comp. 1860. 



Die Dysenterie. 




343 


Uebertrag 


23279 


Soldaten 




im Jabi« 1823 


6063 


» 




1824 


4393 


»• 




182b 


5719 


T) 


• 


1826 


6414 


» 




1827 


10985 


» 




1828 


12980 


» 


m 


1829 


9818 


» 




1830 


8939 


» 




1831 


6490 


V 

• 





95080 

Es wurden also in diesen 13 Jahren 95080 europäische und ein- 
geborene Soldaten an Dysenterie »inclusive Diarrhöen« behandelt, da- 
von starben 11479, während im Ganzen 27890 mit dem Tode ab- 
gingen; also 41 ^lo (!!) der Gestorbenen fielen in diesem Zeiträume der 
Dysenterie und den Diarrhöen zum Opfer. Interessant ist es, dass 
schon für diese Zeit Bleeker berichtet: »Die dysenterischen £[rank- 
heiten haben sowohl an Extensität als an Intensität bedeutend abge- 
nommen, so dass ihr Charakter und Behandlung viel günstiger gewor- 
den ist« Die Abnahme der Dysenterie in der indischen Armee hält 
gleichen Schritt mit der Entwicklung der Hygiene. Vom Zeiträume 
1878—1885 berichtet Dr. van der Burg von 6324 Dysenteriefällen 
mit 857 Todten, d. L also 107 im Jahre, und in den Jahren 1891 
^ bis 1895 kamen nur 4, 6, 2, 5 und 8 Todesfälle der tropischen Dysen- 
terie vor, '.und wenn wir billiger Weise auch die katarrhale Form 
der Dysenterie nicht vergessen, welche in der Statistik der frühereu 
.Jahre zu der tropischen Form gerechnet wurde, so ist dennoch der 
Unterschied ein grosser. Jm Jahre 1895 wurden in der indischen 
Armee von der tropischen Dysenterie 8 und von der katarrhalen 
Dysenterie 41 Soldaten unter 750 Todten im Allgemeinen hingeraflft; 
d. L 6V2 ®/o der Todten waren Opfer der Dysenterie, während vor 
70 Jahren 41 ^jo daran gestorben waren. So sehr sich alle diese Ziffern 
bestreiten lassen, steht doch diese Thatsache fest, dass die Dysenterie 
in Indien bedeutend an In- und Extensität verloren hat, und nach 
meiner Ansicht spielt die grössere Sorgfalt, welche dem Trinkwasser 
gewidmet wird, darin die Hauptrolle. 

Trotzdem die Bacteriologie bis jetzt eine hohe Entwicklung ge- 
nommen hat, stehen wir in der Dysenteriefrage noch inmier einem 
unsichtbaren und unbekannten Feinde gegenüber. Ob nun Amöben 



344 ^i® Dysenterie. 



(Amoeba coli Lösch) oder Bacterien (Bactmum coli commune) oder 
Paromaecium coli oder Streptokokken die Krankheitserreger d^ Dy- 
senterie seien, ist noch nicht entschieden (denn auch mechanische und 
toxische Reizungen des Dickdarmes [z. B. Stuhlverstopftmgen, Queck- 
silber u. s. w.] erzeugen ruhräbiliche Erkrankungen); und dennoch • 
stehen wir in der Prophylaxis, nicht ohnmächtig der Dysenterie gegen- 
über, wenn wir uns die Verhältnisse vor Augen halten, unter welchen 
big jetzt diese Ejunkheitsform in ihrer verheerenden Macht Einbusse 
erlitten hat Die individuelle Prophylaxis kann bei dieser Krankheit 
mehr leisten, als der Staat helfen kann. Niemand fürchte sich vor dem 
Glenuss der Früchte; denn sie treten der Stuhlverstopfong entgegen und 
lassen im Darme eine solche Menge nicht pathogener Bacterien ent- 
stehen, dass sie die der Dysenterie überwinden können; man trage den 
jeweiligen Temperaturverhältnissen Rechnung. In den kalten Nächton 
oder Morgenstunden trage Jedermann eine Leibbinde. Das Baden 
möge nie mehr als ein Reinigungsmittel sein, d. h. nicht so lange 
daueni, bis ein Frösteln den Eintritt der Erkältung verrätL Jede 
Diarrhöe werde .sofort sorgfältig behandelt, und lässt sich vertnuthen, 
dass eine Anhäufung von Koth die Ursache sei, nehme man Sofort 
ein liqueuigias voll Ricinusöl. In der Wahl der Getränke sei Jeder- 
mann vorsichtig; so wie für die Soldaten im Kriegsfiüle eine be- 
stimmte Menge von Munition und Lebensmitteln mitgenommen wird, 
muss auch für das Trinkwasser gesorgt werden; vor dem Ausmarsch 
vberzeuge sich der Commandant, dass jeder Soldat in seiner Feldflasche * 
Thee oder schwarzen Kaffee oder vollkommen reines Wasser mitge- 
nommen habe. Im Bivouac müssen die grossen Kessel nach dem 
Kochen der Speisen sorgfältig gereinigt werden, oder es müssen eigene 
Kessel mitgenommen werden, in denen eine hinreichend 'grosse Menge 
Wasser 1/4 — 1/9 Stunde lang in der Siedhitze gekocht wird; hat man 
keine Gelegenheit, sich in der Nähe Eis zu verschaffen, so, werden sich 
manche Maassregeln finden lassen, um auch in den Tropen bald die 
Temperatur des abgekühlten Wassers so niedrig als möglich werden zu 
lassen, z. B. die G^f ässe in den kühlen Grund zu senken. Das Ueber- 
schütten in kleinere Grefässe für die einzelnen Unterabtheilungen der 
Armee wird immer hinreichen« um dem gekochten Wasser so viel frische 
Luft beizumischen als nöthig ist, ihm einen erfrischenden Geschmack zu 
geben; ich trinke z. B. noch jetzt nur gekochtes Wasser und habe 
durch dieses VerfEthren niemals den erfrischenden Geschmack desselben 
entibehren müssen. Ich weiss, dass Hunger weh thut und dass der 



f 
Leberabtceaee. 346 



Durst qoält; aber mir ist auch aus Er&hrung bekannt^ daas mit einem 
geringen Maasse von Selbstbeherrsdiung der Durst einige Stunden er- 
tragen werden kann. Der Soldat werde also mit dem nöthigen Nadi- 
druck auf die Gtefiihren des Gebrauchs von ungekochtem Wasser auf 
dem Kriegsterrain aufinerksam gemacht, und er wird es dann über sich 
bringen, lieber einige Stunden Durst zu leiden, als sich der Grefi^ der 
Cholera, Ruhr u. s. w. auszusetzen, üebrigens haben *wir ja in den 
Tropen eine bis jetzt unbekannt gebliebene reichUche Quelle von 
chemisch reinem Wasser: die Lianen. Bei der "Wahl eines Bivouacs 
wird ja immer dafür gesorgt, dass es in der Nahe eines Flusses oder 
Teiches angelegt, die Küche oberhalb und die Aborte und Badehäuser 
unterhalb des strömenden Wassers errichtet werden. äoUte jedoch trotz 
Aller Vorsichtsmaassregeln die Ruhr ausgebrochen sein, dann tritt die 
Desinlection der Entleerungen mit der grössten Strenge und mit allen 
möglichen Mitteln in ihre ^Rechte, .und wenn die Aborte nicht über 
•einen grossen, starken Strom gebaut sind, dann ist es besser, Senk- 
gruben zu errichten, in welche täglich eine 10 cm hohe Schicht von 
Asche, Gyps, KsSk oder Sand geschüttet werden muss. Eine sorg- 
fältig Desinfection dfir Entleerungen wird in der Regel hinreichend sein, 
das Fortschreiten der Ruhrepidemie aufeuhalten, und es überflüssig 
machen, zu dem gewiss nicht unbedenklichen Transferiren des Bivouacs 
nach einer ruhrfreien Gegend übergehen zu müssen. Die Isolirung der 
Kianken und die grösste Reinlichkeit dürfen natürUch in einem solchen 
Falle nicht vergessen werden. 



Wie den Fachleuten bekannt ist, giebt die Ruhr häufig Anlass 
■ZOT Entstehung von Leberabscessen, indem das Gift der Ruhr ins Blut 
-att4;enommen wird und auf dem Wege zur rechten Herzkammer in der 
Leber deponirt wird. Vom Jahre 1876—1894, also während 18 Jah- 
ren, war ich nicht in der Lage, in den Tropen Leberabscesse zu sehen, 
und in den Jahren 1894 und 1895 bekam ich beinahe jeden Monat 
•einen oder den andern Fall dieser Krankheit zur Beobachtung oder 
zur Behandlung. Die grosse Zahl derselben hatte natürlich auch 
zur Folge, dass so mancher interessante Fall vorkam, der auch den 
Fachmann interessiren durfte. Bei einem Europäer z. B. stand ich Tage 
lang im Zweifel, ob eine gewöhnliche Entzündung des Leberüberzuges 
TOiiianden war, oder ob ein Leberabscess die Ursache seiner Schmer- 
.?en sei; während des Gtespräches mit dem Patienten bekommt er plötz- 



346 Leberftbecesse. 



lieh und unvermittelt einen Hustenreiz, auf welchen die starken Brech»^ 
bewegungen folgten; er hustete den typischen Inhalt eines Leberabscesse» 
ans, nach 14 Tagen yerh'ess er geheilt das Spital. Der Abscess hatte* 
das 'Zwerchfell und die Lunge durchbohrt, mündete in einen grossen 
Ast der Luftröhre, brach durch und — heilte. Bei einem zweiten 
Patienten glaubte ich alle Symptome des Leberabscesses vor mir zui 
haben, und trotz wiederholter Probepunction gelang es mir nicht, den 
Sitz des Abscesses zu finden. Erst bei der 7. Probepunction mit einer 
langen Hohlnadel stS^ ich auf den Eiterherd, ein Strom Eiter floss 
aus, ich nahm einen Theil der Rippe weg, um freien Zugang zu dem 
Abscesse zu finden, und ungefähr nach sechs Wochen verliess der 
Patient geheilt das Spital. Der Jahresausweis von 1895 berichtet nur 
von 38 Fällen von Leberabscessen (30 Europäer und 8 'Eingeborene),, 
wovon 9 starben (7 Europäer und 2 Eingeborene). Diese Ziffer ent- 
spricht nicht den thatsächlichen Verhältnissen, weil die Diagnosen für 
jeden Monat festgestellt werden müssen, und der eine Chef nach drei 
Tagen, der andere nach acht Tagen und ein dritter erst am Ende des- 
Monats die Mittbeilung der Diagnosen verlangt. 



Brachte d^ Krieg mit Lombok auch den zurückgebliebenen Offi- 
eieren viel Abwechselung und viel Arbeit, so sollte das Jahr 1896 diesen 
und also auch mir die Miseren des Kriegslebens nicht ersparen. In 
Atschin hatte Tuku Umar seine Maske fallen lassen und sich feierlich 
der Sultan-Partai angeschlossen. Ein neuer Feldzug musste wieder unter- 
nommen werden, und das 6. Bataillon, welches unterdessen auf den com- 
pleten Stand eines vollkommen kriegstüchtigen Feldbataillons ^) gebracht 
worden war, sollte daran theilnehmen. Schon Anfangs April hatte sich 
das Glerücht in Magelang verbreitet dass das 6. Bataillon wieder »nach 
Atjeh gehen werde«; die Gesuche der jungen Lieutenants, diesem 
Bataillon zugetheilt zu werden, kamen von allen Seiten nach Batavia.. 
Wir bekamen Befehl, die Soldaten strenge auf ihre Kriegstüchtigkeit ztr 
untersuchen. Endlich wurde den eingetheilten Officieren of&dell mitge- 



*) Die indische Armee zählt 18 FeldbaUillone mit je 4 CompagDien, 
10 OarniBonsbatailJone, 5 GarniBOoscompagnienf 4 DepotbatailJone, 2 Recruten- 
bataillone und 5 Subsistenten-Caden der Infanterie, 1 Regiment Cavallerie, 
4 Batterien FeldartiJlerie, 4 idem Bergartillerie, 7 Compagnien Festungsartillerie- 
und 8 Compagnien für die Aussenbesitzungen und 2 Compagnien Genietruppen^ 



1 

Eine Expedition in den Tropen. 347 



theilt, sich marschbereit zu halten, und erst als am 23. April der Befehl 
kam, am 24. um 6 Uhr früh abzumarschiren, wurde ich telegrs^hisch 
angewiesen, das 6. Bataillon nach Atjeh »zu bringen«. Ein gleiches 
Schicksal hatten zwei Jahre friäier die Aerzte, welche nach Lombok 
gehen sollten. Die Infanterieofficiere wussten Wochen lang vorher, dass 
sie (mit dem 6. und 7. Bataillon) in den Krieg marschiren mussten; 
die Aerzte bekamen erst 2 — 3 Tage vorher den Marschbefehl. >) Im 
Mobilisirungsplane sind schon Wochen vorher die Zahl und die Namen 
der Aerzte aufgenommen, welche den Feldzug mitmachen müssen; aber 
die Landes-Sanitätschefs halten sich strenge an die »geheime Ordre« 
und theilen die Namen der angewiesenen Aerzte nicht mit; die an- 
deren Corpschefs fürchten sich nicht, ihren Officieren zur rechten Zeit 
einen Wink zu geben. Ich hatte also kaum 24 Stunden Zeit, mich 
marschbereit zu machen. Der Inhalt des Telegramms war nicht deutlidi 
genug, um zu wissen, ob ich das 6. Bataillon nur auf der Beise be- 
gleiten, oder ob ich auch weiterhin den Feldzug mitmachen sollte. Ich 
musste also für alle Falle sorgen und mir verschaffen: Gamaschen, Be* 
volver, dünne Matratze mit Mosquitonetz und Polster, eine Conunishose^ 
einen Hehnhut,^) Militärschuhe, Flanellhemden, Kerzen, Essbesteck, zwei 
Meter Lackleinwand, Feldflasche mit Becheif ^wirn und Nadel und 
Spennnadel und Scheere, Briefpapier, Bleistift und TaschentintenfasSi 
Streichhölzer u. s. w. Dies alles nebst der üblichen Wäsche und den 
Kleideni packte meine Frau in einen Koffer, während ich die dienst- 
lichen Angelegenheiten besorgte. Mein Gärtner erklärte sich bereit^ 
gegen eine Erhöhung seines Lohnes um 5 fi. mit mir zu gehen, und 
so zogen wir am 24. April von Magelang aus. Wieder begleitete eine 
grosse Menschenmasse die Truppen, und am Ende der Stadt, bei dem 
Club des Herrn van der Steur nahm eine (Kommission von Bürgern 
von uns Abschied, mid bei einem Glas Champagner drückte der Re- 
sident die üblichen Glückwünsche für un^r Wohl, für den Sieg unserer 
Waffen im Kampfe gegen den treulosen und verrätherischen Tuku Umar^ 
für Vaterland und Königin in herzlichen Worten aus. 

Unterdessen hatten die Soldaten Zeit und Gelegenheit, von diesem 
ersten »Halt« den möglichst besten Grebrauch zu machen. In d&r Eile 
und Aufregung des Abschiedes von Frau und Kind (auch diesmal 



Bie Aerzte sind nämlich keinem Regiment oder Bataillon, sondern stets 
einer Garnison zugetheilt. 

') welcher damals noch nicht officiell zur Uniform gehörte. 



348 Bi^^ Expedition in den Tropen. 

durften nicht mehr als 20 Frauen per Compagnie mitgehen) war vieles 
vergessen worden, was bei bedächtigem Thun gewiss nicht geschehen 
wäre. Hier öffiiete der Eine den Schuh, dessen Zugriemen ihn druckte, 
dort entfernte sich ein Anderer, um gewissen Bedürfiiissen Genüge zu 
leisten, ein Dritter lüftete die zu straff gebmidene Cravatte, ein Anderer 
lief zum Train, um ein Sacktuch aus dem Tornister zu holen, ohne ihn 
natürlich aus der grossen Menge herausfinden zu können; ein Unter- 
officier bat den Heirn van der Steur, seiner Frau und seinen Kindern 
hülfreich zur Seite zu stehen u. s. w. Es war eben die sogenannte 
»Pishalte«, welche bei dem Ausmarsch von Truppen die erste uner- 
lässliche Pause bedingt Einige Qfficiere und Damen begleiteten uns 
bis zum >Paal« 4. linksab be&nd sich • ein schmaler Weg, welcher 
nach Kali ben^ng führte, welches ein sehr belebter Badeplatz für die 
Bewohner von Magelang ist Eine Quelle mit fri/schem reinen Berg- 
wasser entspringt an dem Fusse eines Hügek; ein Häuschen mit vier 
Cabinetten bietet Gelegenheit zum Auskleiden, und da das Wasser auf 
der einen Seite nicht tiefer ab Vl% Meter wird« ist hier eine will- 
kommene Badegel^enheit für Damen und Kinder. An der andern 
Seite des Häuschens hat der Bach eine grössere Tiefe und wird von 
den Männern gebraucht, Irelche des Schwinmiens kundig sind. Nebst- 
dem befindet sich dort ein europäischer Pächter, welcher auf Verlangen 
Getränke und Speisen Uefert 

Es war unterdessen 8^9 Uhr geworden, die Sonne begaim schon 
lästig zu werden, und d^r Commandant der Truppen, Major X., gab 
Befehl, die Cravatten und Böcke im oberen Theile zu öffiien. 

Major X. war für mich ein unerwünschter Commandant; im 
Jahre 1886 waren wir beide in Atschin und er bekleidete damals 
den Bang eines Oberlieutenants, und ich war schon 4 Jahre Regiments- 
arzt; ich duzte ihn also damals; seit dieser Zeit war er Major ge- 
worden, und ich war noch immer Begimentsarzt, stand unter seinen 
Befehlen, und als Zeichen seiner Herablassung sprach er jetzt gegen 
mich mit jy und jou (= du), ohne dass es mir die DiscipUn erlaubt 
hätte, ein Gleiches zu thun. So ein goldener Kragen vetändert in 
hohem* Maasse den Mann. Ich hatte einen CoUegen, mit dem ich 
Jahre lang im brieflichen Verkehre das »Duc gebrauchte; er wurde 
Stabsarzt und . . . mit Wohlgefallen liess er sich mit Herr Stabsarzt 
und »Sie« tituliren. 

Ich hatte aUe Ursache, auf dem Marsche auf dem vom Reglement 
vorgfl8r.hrifthenen Platze zu bleiben, d. h. ich blieb mit der Ambulanz 



Eine Expedition in den Tropen. 349 

9 - ■ - _ — --^ , I I I I I !■ I - - 

am Schlüsse der Coloime, und hinter mir folgte der Train, welcher aus 
den Of&dersdienem, den Lastwagen, den Kulis und den Soldaten^ 
frauen bestand. Um 10 Uhr kamen wir nach Sedjang, wo uns die 
letzten Begleiter, einige QfiSciere zu Pferde nämlich, verliessen. Bis 
dahin war die Strasse beinahe wie eine Spiegelfläche. Im Hintet* 
gründe erhoben zu unserer Rechten der Telojo und der Merbabu, und 
zu unserer Linken der Sumbing ihre stolzen Häupter. Hier erwartete 
uns der Regent von Temunggung, um uns Glück auf! zu unserer Reise zu 
wünschen. Die Truppen hielten ^4 Stunde Rast, weit wir einen steilen 
Weg zu ersteigen hatten, und um 1 Uhr erreichten wir Medono, das 
Endziel des ersten Tagemarsches. Wir hatten also 18 Paal = 27 Kilo- 
meter zurückgelegt, ohne dass mehr als ein einziges Mal meine Hülfe 
in Anspruch genomnden wurde. Ein Officier hatte mich um ein Stück- 
chen Pflaster für eine Blase an der Ferse ei^ucht (Die Soldaten er- 
halten keine Lappen, sondern Strümpfe.) Hier in Medono hatte der 
»Quartiermacherc, Lieutenant-Kwartiermeester M. für uns gut gesorgt; 
die Soldaten bergen das Bivouac in Prins Surat, und die Oi&ciere* 
fanden bei dem Häuptlinge des Bezirkes nicht nur ein gutes Bett, 
sondern auch ein gutes Essen. 

Zunächst war es meine Pflicht, mich ddh Soldaten zur Verfügung 
zu steUen, und ich ersuchte den Major X., das Signal »für den Doctor« 
geben zu lassen; er sah mich an, als ob ich dem Irrenhause entsprungen 
wäre; er besann sich jedoch nur einen Augenblick, liess »für den Doc- 
tor« blasen und sah zu seinem Erstaunen eine stattliche Reihe von 
Soldaten ankommen, welche meine Hülfe gegen diverse kleine Leiden 
nöthig hatten. Die meisten unter ihnen klagten über Diarrhöe und 
ersuchten mich um »einen Bauchtrank«. Ich hatte zu meiner Ver- 
fügung zwei Verbandtaschen, eine Feldmedicinkiste und eine Feldyer- 
bandkiste, nebstdem hatte ich eine grosse Büchse mit Medicin mitge- 
nommen, welche nicht in der officiellen Liste der Medicamente für 
den Feldgebrauch aufgenommen war, wie z. B. Antipyrin u. s. w. 
Der »Bauchtrank« bestand aus 10 Tropfen der auf Seite 196 erwähnten 
CSioleraessenz oder Laudanumtinctur, welche in dem Feldbecher mit 
Wasser gegeben wurde; aber auch einige 0£ficiere ersuchten mich um 
»ein beruhigendes Mittel für den Bauch«. 

Die Ankunft der Truppen war natürlich vorher bekannt ge- 
wesen, und eine grosse Schaar Klontongs (Hausirer) erwartete uns, 
wodurch das Lagerleben einen romantischen Anstrich bekam. Sehr 



350 ^^"® Expedition in don Tropon. 

Viele eilten natürlich zunSchst nach dem Badehauae,, um durch Siram >) 
den Körper zu erfirischen, Andere belagerten die Klontongs, welche er- 
frischende Gretränke feilboten^ und Einige suchten einen passenden 
Ratz, auf welchem sie das Leder für das Würfelspiel ausbreiten konn- 
ten. Das Würfelspiel (mäin dadu) wird an besonderen Festtagen auch 
in der Casenie gestattet und ist eine Concession an den Charakter der 
eingeborenen Soldaten. Auf dem Marsche ist es eine ervninschte und 
willkommene Zerstreuung in der Ruhepause, und es bleibt in der Hand 
des Cömmandanten, sie bis zu jener Zeit zu gestatten, welche der Nacht- 
ruhe gewidmet werden muss. Selbstverständh'ch betheiligte sich auch 
mancher europäische Soldat an dem Spiel. Die Hausirer mit Früchten, 
erfrischenden Getränken und Bäckereien machten den ganzen Nach- 
mittag und den ganzen Abend ein glänzendes Greschäft; aber auch die 
wandernde Garküche fehlte nicht und erfreute sich eines reichlichen 
Absatzes. Wenn bei Manövern in Europa die Bevölkerung ersucht 
wird, auf der Heeresstrasse für die durchziehenden Truppen Trinkwasser 
-zur Verfügung zu stellen, so lässt sich wenig dagegen einwenden, ja 
vielleicht ist dies sehr empfehlenswerth, weil in den nieisten (??) f^en 
das Wasser rein und gut ist. In Indien wäre ein solches Ersuchen ge- 
radezu gefährlich, weil in den seltensten Fällen ein gesundheitsschädUches 
Wasser ausgeschlossen wäre. Ich muss es jedoch wiederholen, dass für 
das Trinken der Soldaten ebenso viel Sorge als für das Essen getragen 
werden sollte, und dass ebenso wenig die Besorgung des Trink- 
wassers als die des Fleisches der Gunst des Zufalles über- 
lassen werden sollte. 

Gross war die Zahl der Getränke, welche den Soldaten von den 
Hausirem männlichen und weibUchen Geschlechts zum E^auf angeboten 
wurden. Hier sass eine Frau mit einem Bb,ufen alter Cocosnüsse,*) 
deren harte Schale handbreit abgeschlagen war, so dass man das 
weisse Fleisch derselben sehen konnte. Die Milch der Nuss, welche 
Klapperwasser genannt wird, ist ein erfrischendes, kühlendes, süss-säuer- 
Eches Getränk, welches jedoch bei Diarrhöe nicht genommen werden 
darf Jede Nuss hat ungefähr zwei Gläser dieser bisweilen mit 
weissen Flocken getrübten Flüssigkeit Dort stand ein Javane mit 



Vide I. TheU, Seite 123. 

•) Das weisse Fleisch der Cocosnuss giebt in der Küche eine sehr schmack- 
hafte Zuspeise: das santen, aus welchem ein Brei, aber auch eine hj^rrliche Torte 
bereitet wird. Durch Kochen und Verdampfen des santen wird das Cocosnosa- 
•1 gewonnen, welches in Indien eine grössere Rolle als die Butter spielt. 



Eide Expedition in den Tropen. 351 

hinein Pack grosser Bambusstöcke. welche wie eine Schreibfeder zuge- 
spitzt waren; die Namen^ welche er mit kreischender Stimme den 
Passanten zurief, waren mir unbekannt; ich weiss also nicht, was fiir 
ein Getränk er den durstigen Soldaten für einen Cent pro Glas an- 
bot; vielleicht war es nur warmes Zuckerwasser, welches von den Ein- 
geborenen gern getrunken wird. Auch Tjien tjau, Zuckerwasser mit 
Agar-agar und den Körnern der Sulassifrucht (Ocimum gratissimum), 
und Tjien tjau idju wurde verkauft, das ist eine Flüssigkeit von hell- 
gniner Farbe, welche aus den Blättern des Cissampelos hirsuta gewonnen 
wird. Hier stand eine wandernde Garküche: Auf einem Däpur stand 
ein thönemer Topf mit warmem Zuckerwasser imd kleinen Stücken von 
Agar-agar und kleingeschnittenen Blättern von Djeruk purut (Papeda 
BrUmpUn). Selbst Oghio wurde verkauft, d. h. Zuckerwasser mit Agar 
und Eiis, welches die Hausirer aus Magelang mitgebracht hatten; ein 
Chinese rief mit lauter Stinmie St^h als Verkürzung für das herrliche 
Sasat^, das sind kleine Stücke Schweinefleisch (bei den' mohamedanischen 
Eingeborenen wird natürlich Rind-, Ziegen- oder Lammfleisch verwen- 
det), welche in einer Kerrysauce gekocht und mit einem Stäbchen durch- 
bohrt über dem Feuer geröstet werden. 

Es würde mich zu weit führen, von allen Speisen und Gretränken, 
welche hier feilgeboten wurden^ eine ausführliche Beschreibimg zu 
bringen; ich muss mich begnügen, den Totaleindruck dieses roman- 
tiischen Bildes anzudeuten. Um 6^4 Uhr brach so ziemlich unver- 
mittelt die Finstemiss ein, und ein Meer von kleineu lilmpchen be- 
deckte das bunte Lager. Um 7 Uhr kamen alle Officiere in die 
Veranda des Bezirkshäuptlings zum Souper. Als rangältester Haupt- 
mann sass ich neben dem Major X. und betheiligte mich an dem 
lebhaften G^präche, welches so ziemlich zeitgemäss war. Ein junger 
Bramarbas behauptete nämlich, dass derjenige ein schlechter Officier 
sei, der nicht mit Freuden in den Krieg ziehe, und wäre es nur, um 
. eine Gelegenheit zu finden, den militärischen Willemsorden 4. Classe 
verdienen zu können. Major X. glaubte diesem in jeder Hinsicht bei- 
stimmen zu müssen, und entrollte hierauf ein Bild seines G^müthslebens 
von der Stunde an, in welcher er den Marschbefehl erhielt, bis auf 
den jetzigen AugenbUck. Ganz rührend war die Schilderung von dem 
Momente, in welchem er von seinem in Europa weilenden Sohne brief- 
lich Abschied nahm und ihn ermahnte, faUs er im Kriege &llen sollte, 
eine Stütze seiner Mutter und seiner Schwestern zu werden. Sie gab 
mir aber auch Gelegenheit, dem jungen Bramarbas auf Grund meiner 



352 ^^^ Expedition in den Tropen. 

Er&hningen und Beobachtimgen das Unnatürliche setnes Ideengange» 
auseinanderzusetzen. Im Anfange der Debatte hatte dieser junge 
lieutenant ein Wörtchen fallen lassen, welches dem unter den jungen 
Offideren landläufigen Glauben entsprach, dass der Militärarzt »eigent- 
lich kein Officio sei«, weil er »nicht combattant« sei. Bei den alteren 
Officieren fand er damit keine Zustimmung, tceil sie aus dem letzten 
Kriege in Lombok nur zu gut wussten, dass der Militärarzt alle Mis^n 
und alles Elend des Kriegslebens wie jeder and^« Offider mitgemacht 
habe, und dass yoa dem Militärarzt oft mehr als von jedem Andern ge- 
fordert werde; ich selbst hatte vor einigen Monaten Manöver mitgemacht^ 
und musste neunmal den Truppen nachlaufen, weil neunmal Kranke sich 
gemeldet hatten, welchen ich Hülfe leisten musste; die Truppen blieben 
nicht stehen, und ich musste oft 10 — lö Minuten lang in Laufechritt 
nacheilen; dazu kam noch, dass ich nicht wie jeder »Combattant« 
Monate oder Jahre lang vorher im Marschiren geübt und trainirt war. 
Last not least fi-ug ich den jungen Marssohn, wozu denn mehr Muth 
gehöre, im Kampfe mit dem Feinde den Säbel zu schwingen, den Re- 
volver abzuschiessen und im* vollen Eifer und Feuer sein Leben zu 
vertheidigen, oder wie ich es z. B. in Atjeh gethan hatte, unter dem 
Feuer der Truppen ruhig und gelassen den Verwundeten die erste 
Hülfe zu leisten und mit üeberlegung z. B. die Quelle der Blutung zu 
suchen, wahrend die feindlichen Kugeln imi mich flogen und sausten» 
Im weiteren Gtespräche betonte ich, dass nach meiner Ansicht jeder 
nachdenkende Offider den Krieg verabscheuen könne und müsse. Der 
Krieg sd ein nothw^idiges Uebel, und die Soldaten seien verpflichtet,, 
in diesem schaurigen Spiele die erste Bolle zu spielen. Der Officier,. 
welcher für dieses traurige Amt richtige Erkenntniss habe, sei ein 
denkcoider Mensch, und wemi er den Ausmarsch zu dieser Arbeit mit 
Wehmuth und Schmerz antrete, so sei er ein fühlender Offider, und 
nicht, wie der junge Held glaube, ein schlechter Officier. In Betreff 
der individuellen Seite charakterisirt die momentane Stimmung beim 
Ausmarscbe das, Temperament des betreffenden Officiers. Dem Einen 
winkt Ehre und Ruhm, dem Andern Krankheit,. Wunden und Tod; 
der Eine ist darum weder ein Officier mit Leib und Seele, noch ist 
der Andere darum ein schlechter Officier. Der Eine denkt an Frau 
und Kind, und der Andere an — Nichts. Beide iliun ihre Pflicht^ 
vielleicht noch mehr als die Pflicht erfordert, und ich möchte auf zwei 
Thatsachen hinweisen, dass die Sorge um Frau und Kiiid den Muth 
nicht lähme, und dass- der sorglose Blick in die Zukunft nicht immer 



Fig. S8. Ein Javsne bei der Hauurbeit, d. h. ohne den Erie (Dolcb), welchen 
er in der Uefieiitlicbkeit immer trägt, nnd zwar un Rücken, wie e« Fig. 18 zeigt. 



Eine Expedition in den Tropen. 353 

den Muth erhöhe. Der Herr Y. möge nur das Verzeichniss der Ofii- 
ciero nachsehen und nachrechnen, wie viel der Decorirten verheiratet 
seien, und yrie viel von ihnen das Joch der Ehe noch nicht tragen; 
er würde finden, dass die Sorge uni Frau und Kind das Pflichtgefühl 
gewiss nicht einschränke, und zweitens möge er constatireu, ob mehr 
verheiratete oder mehr ledige Officiere — mich heute um ein Medicar 
ment zur Beruhigung des Bauches ersucht haben. 

Nach der Tafel ersuchte uns Major X., bald zu Bett zu gehen, 
weil der Aufbruch der Truppen um fünf Uhr stattfinden werde und 
wir uns daher von dem letzten Marsche gut erholt haben müssteu. 
Als ich darüber einen verwunderten und firagenden Blick auf ihn warf, 
fügte der Major hinzu, dass es in den Tropen rathsam sei, die Truppen 
wegen der herrschenden kühlen Temperatur in den ersten Morgenstun- 
den marschiren zu lassen; ich war jedoch anderer Ansicht Während 
die anderen Officiere uns verliessen, machte ich ihn aufinerksam, dass 
der ganze Weg bis Ambarawa von unzähligen Sawahfeldem umgeben 
sei, dass wir uns also in einem künsÜichen Sumpf befänden, und dass 
gerade in den fiiihen Stunden des Morgens die bacterientödtenden 
Strahlen der Sonne fehlten, dass also gerade durch den Marsch die 
Soldaten den schädlichen Miasmen dieser Felder ausgesetzt seien; 
hierzu komme noch, dass die meisten Soldaten nicht früher in den 
Schlaf fallen würden, als sie seit Jahren gewöhnt seien; wenn um 
fünf Uhr abmarschirt würde, müssten sie schon um vier Uhr au&tehen, 
und könnten sich dann von den Strapazen des vorigen Tages nicht 
erholt haben. Im Emstfeüle kennt man nur ein Ziel: den Sieg, 
und die Gesetze der Hygiene müssten schweigen; aber in Friedens- 
zeiten sei es geradezu Pflicht, so weit als möglich die Kräfl;e der Sol- 
daten zu schonen, um jederzeit für den Ernstfall ungeschwächt die 
Mannschaften ihrem Ziele entgegenführen zu köimen. Major X. gab 
darauf keine Antwort — aber erst um 5 Uhr wurde B^veille geblasen, 
und um 6 Uhr war Alles zum Abmarsch hereit 

Medöno hat eine absolute Höhe von 598 Metern, und Pingit, die 
Grenzstation zwischen den Provinzen Kedü und Samarang, ist 686 Meter 
hoch. Diese 91 Meter müssten wir ersteigen, um dann in diesem Djambu- 
Grebirge immer bergab bis Djambu (492 Meter) und 4 Kilometer weiter 
bis Ambarawa (498 Meter) nur unbedeutende Erhöhungen des Bodens 
überwinden zu müssen. Ich nahm also gerne den Vorschlag des 
»Kwartiermeesters« an, ein Dos-ärdos zu miethen, xun dulce et jucunde 
den letzten Theil miseres Marsches zurücklegen zu können. Das vor- 

Breitenttein, 21 Jahre in Indien 11. 23 



354 S^Q^ Expedition in Indien. 

gespannte Pferd war jedoch öfters ganz anderer Ansicht und blieb 
stehen oder drängte den Wagen nach rückwärts. Sofort kamen 
aber einige Kulis vom Train und zwangen den Graul, anständig mit 
ihnen Schritt zu halten. Auf der Spitze des Berges kam uns ein 
deutscher Pflanzer entgegen und lud die Officiere ein, bei ihm Halt zu 
machen und sich durdi ein Gläschen Champagner zum weiteren Marsch 
zu stärken. Major X. glaubte jedoch dieser wohlgemeinten Einladung 
kein Gehör geben zu sollen, und um circa 12 Uhr kamen wir in 
Djambu an, wo uns eine Commission von Bürgern aus Ambaräwa be- 
grüsste. Zu dieser gehörte der brave Dr. P., weldier mich sofort in 
Beschlag nahm und zur »Beistafelc einlud. Er war in seiner Equipage 
und wollte mich überreden, mit dieser in die Stadt zu fahren. Ich 
blieb jedoch bei der Truppe, und dieser brave College war nun ge- 
zwungen, mit mir 4 Kilometer zu Fuss zurückzulegen. Die Stadt war 
zu unserem Empfiunge geschmückt, und Abends war in dem Club- 
gebäude des Forts Willem I ein Festabend. 

Am andern Morgen brachte uns die Eisenbahn nach Semärang, wo 
wir sofort nach dem Hafen gingen.* Hier war der Resident mit zahlrei- 
chen Damen und Herren anwesend, um uns bei einem Glase Champag- 
ner Glück zu miserer Heise und zu unseren künftigen Heldenthaten zu 
wünschen. Der Landes-Sanitätschef hatte natüriich (?) für mich kein 
einziges herzliches Wort und beschäftigte sich nur mit den »gleich hoch 
stehenden« Stabsofiicieren, und das Benehmen dieses Mannes mir 
gegenüber sollte demonstrativ sein: Weil ich mit »meinem Comman- 
danten« in Ngawie eine Meinungsdifferenz >) gehabt hatte, musste er, der 
als mein Chef mein gutes Recht einer selbständigen Ansicht hätte ver- 
theidigen sollen, urbi et orbi zeigen, dass ich auch ihm eine persona 
ingrata geworden sei« Ob das Prestige des militärärztlichen Dienstes 
dabei gewonnen hat?? 

Ich wurde angewiesen, midi auf jenem Schiff einzuschiffen, welches 
die Cavallerie mit den Mauleseln überführen sollte. Ich konnte also 
noch einige Stunden auf das Einschiffen der Pferde und Maulesel warten. 
Endlich war das letzte dieser störrischen und widerspenstigen Thiere 
an Bord, und ein lauter Pfiff der Damp^feife erinnerte mich und die 
dienstfi^ien Officiere, das Schiff zu besteigen. In Atjeh angelangt, wurde 
mir mitgetheilt, dass meine Transferirung eine zeitliche gewesen wäre, 
und so kehrte ich mit dem nächsten Schiffe nach Java zurück und 



1) Vide 7. Capitel 



Kochmals von Dienatboten. 356 

kam am 13. Mai, nach einer Abwesenheit von 20 Tagen, in Magelang 
wieder an. 

Zu Hause angekommen, erwartete mich ein kleiner häuslicher Krieg. 
Mein Diener Ali hatte im Jahre 1894 einen Officier nach Lombok be- 
gleitet und war bei dem Ueber£edle von Mataram in die Hände der 
Feinde ge&Uen. Wenige Tage danach kam er zurück und wurde auf 
Befehl des Ciommandanten sofort nach Java zurückgeschickt weil der 
mehr oder weniger begründete Verdacht auf ihm ruhte, dass er von dem 
Feinde zurückgeschickt worden sei, um Spionendienste zu leisten. Mir 
wurde dieses von Niemandem erzahlt, als ich ihn in meinen Dienst 
nahm. Mein früherer Bedienter, ein Javane (Fig. 28), mit dem poe- 
tischen Namen Djojo, welcher fünf Jahre bei mir gedient hatte, er- 
klärte mir nämlich eines Tages, er müsste mich verlassen, weil ihn sein 
Dienst bei mir langweile. Gegen dieses Argument wusste oder wollte 
ich nichts einwenden und gab ihm den Abschied. Es that mir leid, 
ihn entlassen zu müssen, denn er war eine treue und ehrliche Seele. 
Im Allgemeinen sind ja die malajrischen Bedienten die besten der 
ganzen Welt, wenn man sie nicht schimpft oder schlägt Sie sind 
ruhig und gelassen, betrinken sich niemals und werden nie den Ab- 
stand zwischen sich und ihrem Herrn vergesseiL Wenn viel&ch über 
die malayischen Bedienten geklagt wird, so geschieht es immer nur 
von Menschen, welche überhaupt keinen Tact haben. YielfGU^h wird 
auch behauptet, man müsste der malayisdien oder javanischen Sprache 
vollkommen mächtig sein, um den Bedienten Bespect einzuflössen. 
Dies ist nicht richtig. Ein solcher Bedienter kennt genau seine Po- 
sition, und es entspricht dem Charakter, den Sitten und Gebräuchen 
^iner Nation, den höheren Bang immer und überall zu respectiren; 
schon die Sprache der Javanen documentirt dies au& deutUchste. Sie 
unterscheidet sich je nach dem Bange ^) des Sprechenden in die Ngoko- 
Sprache imd Kromo-Sprache. In dieser spricht der an Bang oder 
Jahren Höhere gegen den Untergebenen, weldier seinerseits immer 
nur in der Ngoko^)- Sprache gegen seinen Voi^esetzten antworten 
darf; auch die reiche Literatur der Javanen unterscheidet diese zwei 



1) In der malayischen Sprache heachrankt sich dieser Unterschied nur auf 
<den Gebranch der Fürwörter; so wird z. B. das ri^ch" des höher Stehenden ako 
und das ^ich*' des Untergebenen sig'a genannt 

*) Sie hat sehr viele sanskritische, arabische, persische und holländische 
Worter. 

23* 



366 Nochmals von DieoBiboten. 

Sprachen, i) Wenn man der javanischen Sprache mächtig ist, muss 
man also gegen seine Bedienten nur die Ngoko-Sprache gebrauchen, 
sonst glaubt er, dass man ihn höhnen will; merkt er jedoch, dass sie nur 
mangelhaft gesprochen wird, so wird er gewiss die grösste Toleranz zeigen. 
Ich selbst hatte dieses bei meiner Ankunft in Java erfahren; ich ersuchte 
meinen Bedienten um ein Streichhölzchen imd gebrauchte das malay- 
ische Wort ajer = Wasser; ohne mich irgend den lapsus linguae fühlen 
zu lassen, brachte er mir das gewünschte Streichhölzchen. Zwei Jahre 
später kam der Sultan von Kutei (Osiküste von Bomeo) zu mir; ich 
fragte ihn, wie es seinem »Weibe« gehe, indem ich das Wort param- 
puwan gebrauchte; mit keiner Miene deutete er die Betise an, die in 
diesem Worte lag. Später brachte er das Grespräch auf rätu = Königin,, 
ich musste ihn fragen, was das Wort ratu bedeutete, und in den ge* 
lassensten Worten antwortete er: Rätu heisst die Frau des Sultans oder 
Königs. Ich entschuldigte mich wegen meines lapsus linguae, was er 
jedoch als überflüssig zurückwies. Ein Pendant zu diesem Falle er> 
ftihr ein junger Beamter, welcher zum ersten Male den Regenten seines 
Bezirkes beim Empfange des Residenten sprach. Er sprach ihn mit 
lu = »du« an;^) lächelnd wandte sich der Regent, welcher ein sehr 
gebildeter Mann war, gegen den Residenten und sagte in correcter 
und feiner holländischer Sprache: »Die jungen Herren machen in Delft ^) 
bedeutende Fortschritte; vor einigen Jahren kam ein junger Beamter 
zu mir imd sprach mich mit Kowe,^) und Herr X. spricht mich jetzt 
mit lu an.« 

So tief sitzt der Respect gegenüber dem Vorgesetzten in dem 
Yolkscharakter der Javanen, dass es inmier dem Herrn zuzuschreiben 
ist, wenn sein Bedienter sich eines unziemlichen Wortes oder einer un- 
passenden Bewegung schuldig macht Natürlich giebt es auch unter 
den malayischen Dienstboten mauvais sujets — gerade wie in Europa, 
— aber es lässt sich nicht leugnen, dass gute und brave Dienstboten 
sich immer bei jenen Herren melden, welche ihre Bedienten gut be- 
handeln, d. h. bei etwaigen Nachlässigkeiten nicht schimpfen oder selbst 
schlagen. 



^) In der javanischen Sprache beschränkt sich dieser Unterschied nicht 
auf die Fürwörter, sondern erstreckt sich auch auf zahlreiche Haupt- und Bei> 
Wörter. Das Gewehr heisst z. B. in der hochjavanischen Sprache Sendjätä und 
im Ngoko = bedil. 

^ In Delft ist nämlich das Seminarinm für indische Beamte. 

^) Köwe = „du" gegen einen Untergebenen; lu = „du" mit verächtlicher 
Betonung. 



Nochmals von Dienstboten. 357 

Ich will gern noch einmal über die Dienstboten i) sprechen, weil 
ich es geradezu für ein Unglück halte, wenn in einem Hause aller 
14 Tage ein Wechsel der Bedienten stattfindet Es ist richtig, dass 
der malayische Bediente streng auf die Arbeitstheilung hält, und dass 
2. B. die Köchin nicht die Arbeit des Gärtners verrichten will. Dort 
:aber, wo die Verhältnisse es nicht erlauben, mehrere Bediente zu halten, 
verrichtet auch der malayische Dienstbote alles, was man von ihm for- 
dert. Es ist wahr, dass der malayische Dienstbote naschhaft ist, aber 
dagegen giebt es ja ein gutes flül&mittel; entweder sei man nicht zu 
sparsam und gebe ihm ebenso gut Kaffee und Thee, als man es in 
Europa thun muss, oder man schliesse es ab. Es ist wahr, dass der 
malayische Dienstbote mit der Wahrheit auf gespanntem Fusse steht; 
mit der grössten Ruhe wird er z. B. auf die Frage, wer dieses oder 
jenes zerbrochen habe, zur Antwort geben: Sie, mein Herr! Lässt man 
sich dim^h diese Unverfrorenheit zu einer leidenschaftlichen Antwort 
hinreissen, wird er keine Antwort geben, sondern weggehen und, bei seinen 
Kameraden angelangt seiner Freude Ausdruck verleihen, dem Herrn 
einen solchen Streich gespielt zu haben. Zu dieser Gewohnheit gehört 
auch das »indische Taubsein«; der betreffende Dienstbote sitzt in der 
Nahe hockend und starrt in die blaue Luft, er wird gerufen, er giebt 
keine Antwort Nur zu oft lässt sich die europäische Dame hinreissen 
und eilt fluchend und schimpfend zu ihm hin und erhält die einfache 
Antwort: »Ich habe es nicht gehört« Dies ist ein Symptom des Un- 
willens, und dafür giebt es nur ein Heilmittel: Staute pede den Ab- 
schied zu geben. Im Jahre 1883 war ich in einem abgelegenen Fod; in 
«Sumatra in Garnison. Ich war sehr leidend und konnte mich in Folge 
meines Bheumatismus manchmal kaum bewegen. Eines Tages rief ich 
meinen Bedienten, der mich hören musste; er kam nicht; so schlecht 
es ging, erhob ich mich von meinem Lehnstuhl und schleppte mich 
nadi hinten, wo mein Bedienter hockte und mit einem wesenlosen 
Ausdruck seinen Blick m dem unendlichen Weltenraum schweifen Hess. 
Natürlich behauptete er, meinen Ruf nicht gehört zu haben. Ich Uess 
ihn zum Fenster treten, sdiaute in sein Ohr und erklärte ein£EU)h: Ja, 
dies ist richtig, du bist taub, einen tauben Bedienten kann ich nicht 
gebrauchen, du kannst mich sofort veriassen. Das Fort lag an der 
Gtenze des feindlichen Landes Aljeh, es war daher keine Möglichkeit, 
«inen andern Dienstboten zu erhalten, und darum gab er mir kurz die 



Vide Seite 92 ff. 



358 Nochmals von Dienstboten. 

Antwort: Baik tuwan =: gat, mein Herr! Als ich ihn aber kurz darauf 
ins Spital schickte, einen »Handlanger« k(»nnien liess und diesen zu 
meiner »Ordonnanz« ernannte, da hatte ich das Heft in den Händen; 
er setzte sich zu meinen Foissen nieder, faltete die Hände, neigte den 
Kopf und sprach sein minta ämpon = ich flehe um Verzeihung; eif 
war seit dieser Zeit niemals mehr »indisch taub«. Nur die Buhe im- 
ponirt den malayischen Dienstboten. Meine Frau kam mir oft mit 
Klagen über die Nachlässigkeit u. s. w. meines Dienstboten, ich rieth 
ihr in der Begel, Geduld zu haben und zu controliren und wiederum 
zu controliren. Hatte dieses keinen Erfolg, so liess ich ihn zu mir 
auf »das Bureau« kommen und theilte ihm mit, dass es mir unbe» 
greiflich sei, dass meine Frau so oft Anlass zu Tadel über seine Ar- 
beiten hätte, und machte ihn darauf aufinerksam, dass dies das Thun 
und Lassen eines schlechten Bedienten sei. . 

Glaubte ich jedoch Symptome von Unwillen zu sehen, da kannte 
ich kein anderes Mittel als den Abschied. War es nöthig, so deutete 
ich es an und drohte ihm damit, sobald er sich wieder Aehnliches zu 
Schulden kommen liess, und führte meine Drohung im gegebenen Falle 
immer aus. Dieses wussten meine Bedienten, und ich hatte nur sehr 
selten Ursache, sie zu wechseln, obzwar Alle immer einen gewissen 
Betrag des Lohnes in Yorschuss hätten. Sie erhielten nämUch 8 bia 
15 fl. pro Monat Gehalt; 8 fl. erhielt der Grärtner und 15 fl. der 
Kutscher, der »Hausbediente«, die Köchin und die Babu (Zofe) er- 
hielten 10 fl. monatlichen Grehalt; nebstdem erhielt Jeder 3 fl. für die 
Kost; die Ueberreste meiner Mahlzeiten vertheilte die Köchin nach 
ihrem Beheben, und wenn zu dem Beste von Thee oder Kaffee auch 
mandunal ein bischen Zucker »nach hinten« ging und meine Frau 
darüber klagte, gab idi ihr den Rath, durch die Finger :;u sehen oder 
den Zucker hinter Schloss und Riegel zu setzen. Dieser Gehalt war 
in Magelang der landesübUche; ebenso üblich ist es, dass die Dienst- 
boten immer von ihrem Herrn einen Yorschuss haben. Sofort beim 
Eintritt ersuchen sie um einen Yorschuss von 1 — 3 Monaten; in ihrer 
dienstfreien Zeit ist ja alles verpfändet worden, was sie besass^u Der 
Kris =: Doldi der javanischen Bedienten, der Ohrschmuck (= anting- 
anting) der Köchin, der schöne Sarong der Babu ruhen in der chinesisdien 
Pfandleihanstalt und müssen ausgelöst werden, damit sie im Dienst des 
Herrn anständig gekleidet gehen können. Späterhin giebt es zahl- 
reiche Anlässe, um wieder und wieder einen Yorschuss zu verlangen. 
Aber wie ich schon erwähnt habe, dieser Yorsdiuss war für mich nie- 



Nochmals von Dienstboten. 359 

mala ein Hindemiss, meinen Bedienten den Abschied zu geben, obwohl 
es ihnen ganz gut bekannt war, dass damit nur eine civilgerichtliche 
Forderung verbunden war, welche wahrscheinlich niemals hätte eingebracht 
werden können« Wenn ich mich nidit irre, ist dies erst seit ungefähr 
zwölf Jahren der Fall Vor dieser Zeit wurden diese Forderungen 
strafgerichtlidi als Missbrauch des Vertrauens verfolgt mid bestraft, und 
als die Begierung diese Maassregel als unbillig aufhob, erhoben die Han- 
delsleute imd alle möglichen Parteien einen lauten Protest dagegen. Die 
Regierung liess sich dadurch nicht beirren, auch den Eingeborenen diesen 
Rechtsschutz zu gewähren und — es geht ganz gut Ich selbst habe 
z. B. keinen Cent auf diese Weise verloren. Als ich im Jahre 1886 
in Batavia vor meiner Reise nach Ngawie eine Babu aufiiahm, gab ich 
ihr 15 iL Yorschuss. Sie kam aber nicht den Tag vor meiner Abreise 
in den Dienst . Ich ging zu dem Schont = Revierinspector und theilte 
ihm den Vorfall mit Der Hotelbediente, welcher mir diese Babu em- 
pfohlen hatte, kannte ihren Namen und Wohnort, mid am folgenden 
Tage hatte ich mein Geld zurück. Sie selbst erklärte, von ihrem Manne 
keine Bewilligung zur Abreise erhalten zu haben. Andere ^ind vielleicht 
weniger glücklich als ich gewesen und haben bei ihren Bedienten einige 
Gulden verloreiL Ich muss es aber wiederholen, dass eine gute und 
tactvoUe Behandlung der Bedienten auch in Java das einzige Mittel 
sei, um von den kleinen Nadelstichen des Lebens verschont zu bleiben, 
welche der ewige Wechsel der Dienstboten unvermeidlicher Weise mit 
sich bringt 

Der oben angedeutete häusliche Ejieg nahm folgenden Verlauf: 
Sofort nach meiner Ankunft von Atjeh liess sich mein Kutscher durch 
die Babu bei mir anmelden mit den Worten: »Minta bitjära sama 
tuwan« = er wünsche den Herrn zu sprechen. Ich fürchtete im ersten 
Augenblick, etwas von einer Krankheit oder anderem Unglück meiner 
Pferde zu hören, aber wie überrascht war ich, als er mir einfsush mit- 
theilte, dass sein Sohn ein Hühnerei vor meinem Hause eingegraben 
gefimden habe. Mein Hühnerstall stand im hinteren Theile des Gar- 
tens. In der Meinung, dass er das Eigenthumsrecht des Eies für sidi 
resp. fih: seine Henne redamiren wolle, sagte ich ganz kurz, um 
mich nicht wegen eines Eies, das in Magelang zwei Cent kostete, in 
eine Debatte einzulassen, er möge es behalten. Zu meiner Ueber- 
raschung sagte er nicht das übliche »trimah-kassih (= ich danke), son- 
dern warf einen Blick der Verwunderung auf mich, schickte sich zum 
Weggehen an und stotterte endlich die Worte heraus: »Vielleicht weiss 



360 Nochmals voQ Dienstboten. 



der Herr nicht, was dieses bedeutete Jetzt war es meine Sache, yer- 
wundert zu sein. Ich bekannte diesbezüglich meine Unwissenheit und 
erfuhr nun, dass Jemand mich behexen wolle; das Ei sei vor dem 
Hause eingegraben worden mit der Zauberformel, dass das Faulen des 
Eies auch den Bewohner des Hauses treffen möge; er wisse zwar nicht, 
ob ich die Zielscheibe dieses Bannfluches sei; sehr gut könne auch 
er einen Feind haben« der ihm dieses grosse Unglück wünsche, aber 
er halte es für seine Pflicht, mir dieses mitzutheilen; das Ei sei noch 
frisch, das Unheil könne also über mich noch keine Gewalt haben; 
aber ich möge auf meiner Hut sein, weil nicht immer wie diesmal ein 
günstiger Zufall das Faulen des Eies verhüten könne; sein Sohn habe 
es zufällig gesehen, dass Ali, mein Bedienter, dieses Ei eingegraben hätte. 
Mir war alles unverständlich, warum sollte Ali mich verhexen woUen, 
und warum woUte mich der Kutscher vor dieser Verwünschung und 
Bezauberung beschützen. Den Schlüssel zu diesem Räthsel gab mir 
meine Frau, indem sie mir mittheilte, dass sie während meiner Ab- 
wesenheit wiederholt Streitigkeiten zwischen den Bedienten bemerkt zu 
haben glaube. Bei näherer Untersuchmig zeigte es sich, dass alle 
übrigen Dienstboten Ali hassten, weil er ein »Spion der Feinde« ge- 
wesen sei. Getreu meinem Principe, dem Aberglauben meiner Be- 
dienten keinen Werth beizulegen, ohne ihn darum zu verspotten, liess 
ich beide Bediente zu mir auf das Bureau kommen und theUte ihnen 
mit, dass ich mich nicht in ihren Zwist mischen wolle, dass ich sie 
aber eriimere, den Frieden in meinem Hause nicht weiter zu stören, 
und dass sie Beide am Ende des Monats meinen Dienst verfassen 
müssten. Der Kutscher war der grosse Intriguant; durch die nähere 
Untersuchung kam heraus, dass nicht Ali das Ei vor dem Hause ein- 
gegraben hatte, sondern dass es der Kutscher gethan hatte, und dass 
er hierauf sein Söhnlein das Ei suchen und finden liess, und dass also 
Ali nicht den Plan geschmiedet hatte, den bösen Zauber und Fluch 
auf mein unschuldiges Haupt zu laden. Der Frieden hielt nicht an. 
Ich sah selbst den Gärtner sich mit einem Kris auf den »Spion Ali« 
stürzen, und nur durch meine persönliche Intervention ^oude ein Mord 
verhindert Noch vor Ende dieses Monats verliess Ali meinen Dienst, 
und der Frieden war im Hinterhause hergestellt 



Magelang wird mit Recht der »Garten von Java« genannt, und 
alle Beize der Tropenwelt sind dieser von fünf Bergriesen einge- 



,Der Garten von Java**. 361 



schloesenen Provinz verschwenderisch zu Theil geworden. Selbst ein 
ewig brummenden ewig qualmender und rauchender Vulcan erhebt im 
Osten sein stolzes Haupt und ist ein stolzer und eiiiabener Hinter- 
;grund dieses reizenden Panoramas. Der Merapi ist von Wolken um- 
hüllt^ und stets steigt eine grosse Bauchsäule zur Hinmielshöhe, aber 
audi oft wälzt er grosse Feuermassen über seinen kahlen Scheitel Es ist 
mir nicht bekannt wie oft dieses in früheren Jahrhunderten geschehen ist 
Verheerend müssen seine Ausbrüche gewesen sein, wenn wir das Terrain 
auf Abhängen und weit hinein in die drei Provinzen betrachten, über 
welche sich ^in kahles Haupt erhebt Gewaltige erratische Blöcke be- 
decken die Provinzen Kedü, Solo und Djocja. Auch der grosse Buru- 
Budur soll nur aus Steinen erbaut sein, welche in früheren Jahrtausen- 
den in den Tiefen des Merapi geweilt hatten. Im Januar des Jahres 
1894 £a,nd die letzte *) Eruption statt; ein sanfter Zephyr wehte über 
Magelang; der Himmel glänzte in seiner Stemenpracht; die majestär 
itische Buhe der Tropennacht wurde nur durch das Quaken der Frösche 
rund das Zirpen der Grillen gestört Ich ging mit einem Obersten über 
•den Schlossplatz spazieren, als ein unwillkürlicher und zufälliger Blick 
nach dem Osten des Horizontes eine ungeheure feurige Schlange tra^ 
welche sich von dem Gipfel des Merapi in der Bichtung nach Mun- 
tilan, also halbwegs zwischen Djocja und unserer Stadt, hinabwälzte. 
Gleichzeitig fiel ein feiner Aschenregen, der in wenigen Minuten unsere 
Kleider mit einer äusserst feinen und dünnen Schicht bedeckte. Die 
.Zeitungen hatten allerdings schon einige Tage voriier von einer er- 
höhten Thätigkeit des Merapi gesprochen. Da jedoch bei Tage der 
Anblick des Vulcans mit seiner variablen Bauchsäule keine bedeutende 
Veränderung zeigte, so wurde dieser Notiz weiter keine Beachtung ge- 
schenkt, und erst dieser unerwartete Anblick einer riesigen, feurigen 
Schlange, welche sich in zahlreichen Krümmungen über seinen Abhang 
mit unermüdlicher Dauer gegen den kleinen Yorberg wälzte, nöthigte 
uns, immer und wieder den BUck auf ihn zu richten. Tage und 
Wochen lang dauerte dieser Strom der feurigen Masse, und in dunklen 
Nächten war die Bauchsäule von einem feurigen Kern erfüllt, welcher 
jedoch nicht intensiv genug war, um auch das umhegende Terrain zu 
beleuchten. 



') Aus diesem Jahrhundert sind mir zehn Ausbrüche dieses Vulcans be- 
ikannt, und zwar von den Jahren 1823, 1823, 1832, 1837, 1846, 1849, 1863, 
1869, 1872 und 1894. Seit dem Jahre 1897 fehlt mir jede Nachricht über einen 
•etwaigen Aasbruch des Merapi. 



362 »J>^r Gtften Yon Java*'. 



Die Beschreibungen^ welche der deutsche Gelehrte Junghuhn 1} 
von diesem Vulcan bringt, haben, so weit sie die Spitze des Bei^e» 
betreiFeni durch den Ausbruch im Jahre 1872 keinen Werth mehr; der 
ganze Elruptionskegel ist verschwunden; er ist theüweise hinabgestörzt 
und hat am Fusse des Berges so manches Dorf zerschmettert, oder er 
ist in die Tiefen des Vulcans gestürzt, wo, laut Mittheilungen des- 
Dr. Gronemann, der abgebröckelte Kraterrand auf einem grossen; 
Felsen schwebend gehalten wird und der Zeit harrt, durdi einen hin- 
reichend starken Layastrom mit hinausgeschleudert zu werden. Ejinige* 
Ingenieure wollten sich von Djocja aus der Stätte des Feuerstrome^ 
nähern; sie gelangten nicht weiter als bis zur kleinen Bingmauer, welche- 
sich einige hundert Meter am Fusse des Berges hinzieht Aus den 
Spalten des Bodens drangen ihnen heisse Dämpfe entgegen^ und tiefer 
und tiefer sanken die Füsse ihrer Pferde in die au^elagerte Aschen- 
sdiicht, so dass ein weiteres Vordringen unmöglich wurde. 

Sehr oft hatte ich Grelegenheit, dieses »Arcadien Javas« zu sehent 
und zu bewundem; ich wurde nämlich einige Male zu dem Vater eines 
meiner Patienten, Li Tiow Poo, welcher in Temanggoeng wohnte« 
gerufen und ging eines Tages mit einem Agenten der Lebensversiche- 
nmgs-Anstalt »New York« am 25. December 1894 nach Päraan. E» 
fehlt mir an Worten, in würdiger Weise die schönen Landschaftsbilder 
zu beschreiben, welche in langer Reihe vor meinen Augen vorbeizogen«, 
und ich muss es einer fähigeren Feder überlassen; denn ich kann nur* 
mit dürren und mageren Worten den kürzesten Weg beschreiben, wel- 
chen ich nehmen musste, um in einem Tage auf dieser Boute hin und zu^ 
rück zu reisen« Bis Setjäng war der Weg eben; hier wechselte ich die 
vier Pferde und verliess die grosse Heerstrasse, um linksab, d. h. westlich, 
einem kleinen Wege zu folgen, der sich am Fusse des Sumbing über 
Berg und Thal in zahlreichen Windungen hinschlängelt Bei Kräng- 
gan ist eine grosse und schöne Brücke über den Progofluss, und mit 
schaudererregender Greschvöndigkeit zogen die Pferde unsem schweren- 
Beisewagen hinab in das Thal des Flusses; und mit genau berechneter 
Sicherheit erreichten sie die Brücke. Reich bedeckt ist der Sumbing bia 
zu einer Höhe von 900 — 1000 Metern mit Sawahfeldem, weiter sah ich 
europäische Gemüse, Erdbeeren, Kraut, Tabak u. s. w. angepflanzt;, 
der Gipfel des Berges ist jedoch kahl. Der dichte Urwald des Merapi 
fehlt hier; der Raubbau hat diesen Berg, so me den Sindara, seineni 

Dr. Franz Wilhelm Jnnghuhn wurde am 26. October 1812 in Alan»- 
feld geboren und starb am 20. April 1864 in Lembang bei Bandong (Java). 



„Der Garten von Java". 363 



Nachbar, entwaldet, ohne rechtzeitig für einen Nachwuchs zu sorgen, 
und beide Berge sind über der Höhe von 1250 Metern wasserarm; 
kein Bächlein, kein Bergstrom stürzt sich in die Tiefe; nur das »Hirn» 
melwasser« befeuchtet den firuchtbaren Boden dieser beiden ruhenden und 
vielleicht ganz ausgestorbenen Yulcane. Auffallend waren nebstdem 
zahlreiche Hügel, welche in den Sawahfeldem zerstreut lagen und mit 
Gras bedeckt waren; es waren offenbar erratische Blöcke und zwar 
von stattlicher Höhe (10 — 30 Meter!), in historischer 2ieit vielleicht 
aus dem Sumbing herausgeschleudert; man sieht sogar in der Ejuter* 
mauer eine Oeffiiung, aus welcher sie herstammen. Wie Junghuhn 
erzählt, sind es nach der javanischen Sagenweit Reishauten, welche von 
einem erzürnten Grotte in einen Stein verwandelt wurden. 

In Temanggoeng bekamen wir neue Pferde; zwei Wege führen 
von hier aus nach Päraan, dem Ziele unserer Reise; der eine zieht 
in einem grossen Bogen (11 km lang) durch das Dorf Kedl, nach 
welchem die ganze Provinz den Namen erhielt, und der andere (7^9 ^on 
lang) führt direct am Fusse des Berges dahin. Der Kampong ist ein 
langgestrecktes Dorf und beinahe ausschliesslidi von Chinesen bewohnt; 
sie soUen sehr reich sein imd dieses besonders dem Bau des Tabaks 
verdanken. Wir stiegen bei Lie Tiauw Piek ab, welcher ein mit 
Reichthum und chinesischer Eleganz ausgestattetes Haus bewohnte. 
Nachdem wir mit Bami,i) Kimlo^) und einer reichlichen Reistafel mit 
Bier, Wein und Apollinariswasser unsem knurrenden Magen befrie- 
digt hatten, kamen die fünf Candidaten für die Lebensversicherung 
zur Untersuchung, und sdion drohte die Sojuie unter dem Horizonte 
zu verschwinden, als wir unsere Rückreise antraten. Freilich hatten 
misere Pferde gar keine Lust, Päraan zu verlassen; unter lautem 
Schreien halfen die Chinesen den Wagen vorausschieben, um die Pferde 
an ihre Pflicht zu erimiem, sie blieben ruhig stehen. Ein Euli fasst» 
das eine Pferd bei der Stange und zog es vorwärts; als Antwort darauf 
schlug das Pferd mit dem rechten Hinterfusse aus und brach die Stange, 
an welcher die Zugriemen befestigt waren. Sofort wurde ein Stück 
Bambus an der Axe befestigt, die Pferde gaben ihren Widerstand au£ 
und in brausendem G^opp verUesseu wir das Dor£ um 10 Vs Uhr 
kamen wir in Magelang an, und unvergesslich bleibt mir diese Reise; 
ein schöneres und lieblicheres Bild, als diese Reise mir bot habe ich 
niemals gesehen. 



Chinesische Speisen. 



Schluss. 

Abreise ton Magelang — Semirang — ^Sehiittery^ — Die 

ehlneslsehe Behandlung der Diphtherltls — Das ewige Fener 

— Salatlga — Abschied ron Semirang. 



Tn Semärang, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, ^) schloss 
-*- ich meine indische Carrifere. 

Nach lOjähriger, ununterbrochener Dienstzeit hat der Ofiicier 
und Beamte Anspruch auf einen einjährigen Urlaub nach Europa. 
Er bekommt freie Heise bis nach Holland für sich und seine ganze 
Familie und einen Urlaubsgehalt, der je nach dem Bange des Offi- 
ciers zwischen 1350 und 8000 fl. pro Jahr variirt. Im Juli 1896 trat 
für mich dieser Zeitpunkt ein, ohne dass ich aus verschiedenen Ur- 
sachen davon Gebrauch machte. Ich wohnte ja in einer Ghamisonstadt, 
welche ein italienisches Klima hatte; ich hatte einen kleinen, aber 
angenehmen Ejreis von Bekannten und wohnte in einem steinernen 
Hause, welches mir allen Comfort erlaubte. Zweitens sind die 
Sommer- oder Herbstmonate keine erwünschte Zeit für eine Reise 
nach Europa; ungeheure Wärme und heftige Stürme sind keine an- 
genehmen Begleiter einer Seereise. Wer es kann, schiebt seine 
Beise für die Monate März und April auf; thatsächlich habe ich 
auf meiner Beise vom 12. April bis 13. Mai des folgenden Jahres 
das schönste Wetter gehabt, welches man sich denken kann, nur 
einen einzigen Tag war die See ein wenig unruhig. Wer wie ich 
leicht seekrank wird, rechnet gewiss mit diesem Factor. Als ich 
nach Semärang (am 17. August 1896) transferirt wurde, beschloss ich, 
im Frühjahr 1897 von meinem rechtlichen Anspruch auf einen ein- 



^) Diese Provinz ist 93,605 Quadrat-Meilen gross und zählte im Jahre 1893 
6187 europäische, 19205 cliinesische, 7% arabische, 1077 orientalische und 
1407752 eingeborene Bewohner. 



Semärang. 365 

jährigen Urlaub nach Europa Gebrauch za machen. Ich hielt also 
wiederum Auction und gab dem Commissionär den Auftrag, bis auf 
meinen Mylord und meine zwei Pferde, welche ich auch in Semär 
rang würde gebrauchen können, alles, und zwar ä tout prix zu ver- 
kaufen. Besonders mein Bücherkasten hatte einen bedenklichen 
Umfang erhalten. Leider hatte ich versäumt, den Platzcommandan- 
ten um seine Begünstigung zu bitten, und so geschah es, dass ge- 
rade an diesem Tage grosse Feldübungen abgehalten wurden, die 
Officiere erst um ein Uhr nach Hause kamen, und meine Auction 
wegen Mangels an kauflustigen Officieren ein sehr geringes Ertrag« 
niss hatte. 1000 ä. erzielte die ganze Einrichtung meines Hauses, 
Glas und Essservice, alle Kleider und ein Kasten voll Bücher. 
Wagen und Pferde verkaufte ich drei Monate später an einen 
Collegen, der mir 375 fl. dafür bezahlte. In Semärang selbst 
miethete ich kein Haus, sondern zog in das Pavillonhotel, in wel- 
chem ich und meine Frau für 250 ü. monatlich ganze Verpflegung 
und zwei Zimmer erhielten. Leider sollte ich die wenigen Monate 
bis zu meiner Abreise noch viel Miseren zu erleiden haben. Zu- 
nächst befiel mich eine heftige Furunculosis, welche in fünf Mo- 
naten ungefähr 200 Furunkeln, natürlich verschiedener Grösse, und 
zwar von der einer Erbse bis zu der einer Handfläche brachte, 
und zweitens war ein solcher Mangel an Aerzten, dass ich trotz 
meines so schmerzhaften Leidens ausserordentlich intensive Arbeit 
auf mich nehmen musste, und der Sanitätschef mir selbst den Ur- 
laub nach Europa verweigern wollte und bei der Eegierung den 
Vorschlag einreichte, wegen herrschenden Maugels an Aerzten ihnen 
den Anspruch auf einen Urlaub nach Europa zeitlich zu suspen- 
diren. Der Gouverneur-General wies jedoch diese Zumuthung zu- 
rück mit der Motivirung, dass der Sanitätschef rechtzeitig für neue 
Aerzte hätte sorgen sollen, und dass es nicht anginge, in so leicht- 
fertiger Weise einem Officier ein ihm zukommendes Recht zu ver- 
kümmern. 

Das Hotel, in welchem ich wohnte, lag au der letzten Krüm- 
mung des »Bodjong'schen Weges«, einer schönen und breiten Strasse 
von 1^/2 Kilometer Länge, und zwar gegenüber einem Garduhäus- 
chen (Fig. 29); das andere Ende zierte das Haus des Residenten, 
und daneben das des Landes-Commandirenden, welcher den Rang 
eines General-Majors bekleidete. 

Dieser »Bodjong'sche Weg« ist eine Zierde der Stadt, welche im 



366 Sem6rang. 

Uebrigen yieles zu wünschen lässt. Artesische Brunnen und Dampf- 
tramway erinnern uns zwar an ihren Rang als dritte Stadt Javas, 
aber sie ist arm an Sehenswürdigkeiten, sie hat nur sehr wenige 
Plätze, kein einziges monumentales Gebäude, kein einziges Denk- 
mal, keine Museen und nur ein unbedeutendes Theateigebäude, wel- 
ches kaum diesen Namen yerdient, ein Clubgebäude, eine Freimaurer- 
loge und Gotteshäuser für die katholische, protestantische und mo- 
hamedanische Religion. 

Doch ganz im Verborgenen bildet, den Meisten unbekannt, eine 
Perle der modernen Baukunst, die Capelle des katholischen Frauen- 
klosters eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Auf dem grossen 
Wege nach dem Stationsgebäude, welches ebenfalls jedes archi- 
tektonischen Schmuckes baar ist, steht die katholische Kirche zur 
rechten Seite und ihr gegenüber das Kloster der Franziskanerinnen, 
welche hier eine öffentliche Schule halten. Zur Seite der Schule 
steht eine Capelle, im Spitzbogen gebaut, welche im Innern die 
ganze Farbenpracht des maurischen Stiles aufgenommen hat. Es 
ist ein überwältigender Reichthum der Farben, welcher die Augen 
nicht beleidigt, sondern ergötzt. 

Das Stadthaus ist ein einstöckiges Gebäude ohne Stil und ohne 
Schmuck. Ihm gegenüber liegt das Militär-Spital mit einigen Pa- 
Tillons, und an seiner Nordseite schliesst sich die Landes-Irren- 
anstalt an. Das Spital ist zum grössten Theile aus steinernen Ge- 
bäuden, und der Officierspavülon besitzt acht schöne, grosse Zim- 
mer für acht Patienten. Ein kleiner Garten grenzt an diesen und 
an den mittleren Pavillon, in dessen erstem Stock die Krankensäle für 
Gefangene sich befanden. Das Ganze ist mit einem eisernen Gitter 
umgeben und sieht nach dem grossen Platz, welcher von dem er- 
wähnten Stadthause, der Moschee und der Wohnung des Regenten 
begrenzt ist. EQer werden Sonntags um 5 Uhr Nachmittags von 
der Militär-Oapelle oder von der der Landwehr Concerte gegeben, 
zu welchen sich die beau monde von Semärang einstellt. Auf der 
Strasse steht eine doppelte Reihe von Equipagen, und europäische, 
chinesische und arabische Sonntagsreiter und zahlreiche Radfahrer 
vervollständigen dieses schwache Bild eines Oorso. Die alte und 
eigentliche Stadt wird von den angesehenen Europäern nicht be- 
wohnt; diese haben ihre »Häuserc auf dem »Bodjong'schen Wegec, 
im Pontjol und Pendrian, welche sich auf einer beinahe parallel 
mit diesem gelegenen Strasse befinden. »Auf Pontjol« liegt auch 



Sera^rang. 367 

das alte, jetzt verlassene Fort »Prinz von Oranje«; und zwar mitten 
im Sumpfe; von der Strasse aus wird es gar nicht gesehen, weil 
Frucht- und andere Bäume es umgeben und sein Dach über die 
Bäume nicht hervorragt. Die bombensichem Casematten bestehen 
aus meterdicken Mauern, welche den G-eschützen vergangener Jahr- 
zehnte Widerstand bieten konnten; jetzt befinden sich nur die Bureaux 
der Intendantur und der Genie darin. 

Von den Strassen der »Stadt«, welche jenseits des rechten Ufers 
des Flusses Ngaran oder Semärang liegen, lässt sich leider gar nichts 
Rühmenswerthes sagen; sie sind schmal, ohne Bäume^ haben selten 
ein Trottoir, dafür aber offene, stinkende Canäle; ihre Häuser sind 
im altholländischen Stile gebaut, ohne Garten, sie sind noch häss- 
licher als die »alte Stadt von Batavia«. Nebstdem sind sie häufig 
den Ueberstromungen ausgesetzt, so dass nur der eine Wunsch aus- 
gesprochen werden kann, dass die »Stadt« bald verlassen werden 
möge, und dass auf dem grossen Wege von Bandosari, welcher sich 
an den »Bodjong'schen Weg« anschliesst, eine neue Stadt entstehen 
möge. 

Der Hafen ist ein primitiver Landungsplatz, ohne den beschei- 
densten Ansprüchen der modernen Baukunde zu genügen. Auf 
dem Ueberschwemmungscanal (Bandjir-Oanal) ruhen Hunderte von 
Kähnen, welche den Verkehr mit der Bhede vermitteln, und wenn 
wir noch die Tausende und Tausende Mosquitos erwähnen, welche 
sich jeden Abend aus den umgebenden Sümpfen, Sawahfeldem und 
Fischteichen erheben, um blutdürstig die Bewohner Semärangs zu über- 
fallen, und der grossen Schwärme der niedlichen Reisvögel geden- 
ken, welche den Bodjong'schen Weg beleben, dann ist alles Wissens- 
und Sehenswerthe dieser Stadt mitgetheilt. 

Im Spitale war mein Wirkungskreis derselbe wie in Magelang. 
Ich hatte meinen »Saal« zur Behandlung europäischer Patienten 
und war wiederum Mitglied der Superarbitrirungs-Commission. Diese 
hatte sich auch mit bürgerlichen Angelegenheiten insofern zu be- 
schäftigen, als jene Bürger, welche von den Stadtärzten ungeeignet 
zum Dienst für die Bürger- und Feuerwehr erklärt wurden, von uns 
superarbitrirt werden mussten. Diese Bürgerwehr befindet sich nur 
in den fünf Städten Batavia, Semärang, Surabaja, Djocja und Solo 
und hat die ganz richtige und gesunde Idee zur Basis, in Zeiten 
der Gefahr und des Aufruhrs, bei Mangel an Militär bei der Hand- 
habung der Ruhe und Ordnung in diesen Städten zu assistiren; sie 



368 „Schuttery". 



besteht also nur aus Europäern und Halb-Europäem, und der je* 
weilige Resident dieser fünf Provinzen ist der Ober-Commandont der 
Bürgerwehr (Schuttery), welcher im gegebenen Falle seine Truppen 
unter das Commando des militärischen Platz-Commandanten stellea 
kann. Dieses Prindp, dass in Zeiten der Gefahr und der Neth die 
Bürger das Recht oder die Pflicht oder beides haben sollten, ihre 
Stadt zu Tertheidigen und zu beschützen, wird aber nicht consequent 
durchgeführt, und dadurch wird die »Schuttery« zu einem »Vetera- 
nen-Verein« der kleinen Städte Deutschlands degradirt. Wenn es 
Pflicht eines jeden Büigers ist, sein Vaterland oder seine Vater- 
stadt zu Tertheidigen, warum sind davon »Haus- und andere Be- 
diente und Gemeindearme« ausgeschlossen? Wenn es ein Recht 
eines jeden Bürgers ist, sich in den Waffen üben zu dürfen, 
wieder mit dem Zwecke, in Zeiten von Aufruhr und Grefahr 
helfend und beschützend auftreten zu können, warum wird den 
genannten Personen dieses Recht vorenthalten? Warum wird diese 
Pflicht »hohen Beamten, Gerichtspersonen, Predigern, Apothekern^ 
pensioniiten Ofiideren, Eisenbahn- und Tramway-Beamten, Tele- 
phon-, Post* und Telegraphen-Beamten u. s. w. u. s. w.« nicht auf- 
erlegt? Die Kostenfrage spielt keine Rolle; denn die »Schutters« er- 
halten vom Staate nur die Waffen und im Bedarfsfalle einen den 
Soldaten entsprechenden Sold. Selbst die Uniform, welche nur für 
den Officier etwas kostspielig ist, bezahlen sie aus eigenem Ver- 
mögen; sie besteht aus weisser Hose und weissem Röckchen ohne 
Schösse. Die Officiere haben dunkle Kleider aus Tuch oder Serge 
und Epauletten und Fourag^res (Schulterquasten mit Schnüren) aus 
Gold oder Silber. Die weissen Uniformen, aus russischer Leinwand 
oder ähnlichen Stoffen yerfertigt, sind ganz hübsch und zweck- 
mässig auf dem Exercierplatz und bei der Parade; sie haben aber 
den Nachtheil, dass das scharfe lacht der Tropensonne zu stark 
reflectirt wird. (Im abessynischen Ejiege litten die Augen der eng- 
lischen Soldaten dadurch, und sie waren nebstdem eine grosse 2äel- 
scheibe für den Feind.) Schon bei Manövern ist diese weisse Uniform 
unpraktisch, weil der geringste Schmutzfleck deutlich sichtbar ist. 
Im Kriege werden sie natürlich von den Soldaten und Ofßcieren zu 
Hause gelassen, und für die »Schuttery« eine Ursache sein, sich an 
einer offenen Feldschlacht nicht zu betheiligen. 

Wenn dieses Corps nur zu oft die Zielscheibe schlechter Witze 
Ton Seiten der Berufssoldaten und Officiere ist, so däss das Wort 



„Schuttery". 369 



»Schütter« als Prototyp eines indisciplinaren and angeschulten Sol- 
daten in der Caseme heimisch ist, so ist die Organisation derselben 
doch eine richtige. Die Disdplin ist in keiner Armee Selbstzweck, 
sie ist nar Mittel za dem Zwecke, ein geordnetes Zasammenleben 
Yon so yiel Handerten und Taasenden von Männern za ermöglichen, 
and den Mann za einem fügsamen and tauglichen Theil dieses 
grossen Mechanismus zu erziehen. Die »Schatter« sind aber nicht 
casemirt; ein grosser Factor, eine strenge DiscipHn zu handhaben, 
entfällt also. Die Abrichtung und Erziehung des Schutters kann also 
bleiben, wie sie jetzt geübt wird. Aber die Pflicht zum Eintritt in 
die »Schuttery« werde yerallgemeinert und das Ziel derselben möge 
keinem »Soldatenspielerei« sein, sondern alle gesunden Männer zu 
kräftigen Wehrmännern heranziehen, welche in der Zeit der Noth 
sich und dem Staate vortreflfliche Dienste leisten könnten. 

Ich muss noch erwähnen, dass die unvermeidlichen Ausgaben 
der Verwaltung und der Musik aus dem Schutteryfonds gedeckt 
werden, zu welchem die »Befreiten« ihre jährliche Contribution und 
die »Gestraften« ihr Scherflein beitragen. Für die meisten disci- 
plinaren Vergehen werden nämlich Ghld- und keine Freiheitsstrafen 
auferlegt. 

Die Superarbitrirungs-Commission hatte gegenüber diesen Herren 
oft einen sehr schwierigen Standpunkt Einer derselben hatte z. B. 
über einen Herzfehler geklagt, und der Stadtarzt glaubte ihn dafür 
zu dem Dienste der »Schuttery« untauglich erklären zu müssen. 
Der Dienst dieser Leute ist nicht anstrengend; sie haben nur ein- 
mal in ißi Woche von 5 — 6 ühr zu ezercieren und sich in 
einigen Wochen im Jahre an der Scheibe zu üben. Nun, Herzfehler 
und Herzfehler können noch sehr differente Zustände sein. In 
unserm Falle hatte der Recrut, ein junger Halbeuropäer von 19 Jahren, 
ein leichtes Geräusch, wie es bei Anämie (Blutarmuth) vorzu- 
kommen pflegt. Mir ist nicht bekannt, was die Superarbitrirungs- 
Commission beschlossen hatte; dieses geschah im Jahre 1896, als 
ich noch in Magelang sass. Der junge Mann bekam jedoch eines 
Tages Lust, Soldat zu werden, er liess sich anwerben, bekam 300 fl. 
Handgeld, und sofort meldete er sich krank, er könne wegen eines 
Herzfehlers nicht exercierenl Dabei präsentirte er mir das Zeugniss 
des Stadtarztes, welcher ihn selbst für den Dienst bei der »Schut- 
tery« untauglich erklärt hatte. Ich untersuchte ihn genau und fand, 
wie ich schon erwähnt habe, nur ein geringes anämisches Geräusch. 

Breitenitein, Sl Jahn in IndlMi n. 24 



370 ^i^ chinesische Behandlung der Diphtheriüs. 

Entrüstet hielt ich ihm vor^ dass er auf diese Weise den Staat 
um so viel hunderte Gulden beschwindelt habe. Dies Hess ihn 
natürlich kalt. Ich theilte ihm nebstdem mit, dass sein Herz- 
fehler Yon keiner Bedeutung sei, dass er ganz unbesorgt seine dienst- 
lichen Obliegenheiten verrichten könne, und dass ich es für Unwillen 
auffassen würde, wenn er sich jemals wieder wegen dieser fraglichen 
Krankheit dem Dienst entziehen würde. 

Durch ganze zwanzig Jahre hatte ich keinen Diphtheritisfall ge- 
sehen. Wenn auch im Allgemeinen Erwachsene seltener als Ein- 
der von dieser Elrankheit ergriffen werden — der vielfach erwähnte 
Jahresbericht der indischen Armee vom Jahre 1895 weist keinen 
einzigen Fall dieser Krankheit auf — , so muss ich es dennoclf für 
einen besonderen Zufall halten, dass ich in diesem langen Zeiträume 
keine einzige diphtheritische Erkrankung der Kehle zu G-esicht be- 
kam. Der Zufall ist um so merkwürdiger, als in Indien diese Krankheit 
factisch häufig vorkommt und gewissen chinesischen Ourpfuschern 
eine grosse Berühmtheit verschafft hat. Selbst der Chef-Apotheker 
der indischen Armee hatte vor einigen Jahren das Unglück, zwei 
seiner Kinder von dieser tückischen Krankheit ergriffen zu sehen. 
Auch er liess einen berühmten chinesischen Heilkünstler zu sich 
konamen, und trotzdem verlor er seine Kinder. Es ist eine traurige 
Erscheinung, welche ich im ersten Theile Seite 165 besprach, dass 
die Therapie der europäischen Aerzte bis jetzt nicht nur wenig in 
die tiefen Schichten der indischen Eingeborenen eingedrungen ist, son- 
dern dass im Gegentheil die Behandlung vieler Krankheiten, wie sie 
von den Malayen geübt wird, die Europäer und selbst europäische 
Aerzte zu einem Hymnus veranlasst. Auch Dr. van der Burg 
schreibt über die Behandlung der Diphtheritis im zweiten Theile 
seines grossen Werkes, i) Seite 380: . . . Das Publicum setzt grosses 
Vertrauen in die Behandlung von diphtheritischer Kehlentzündung 
durch Chinesen, wodurch manchmal gute Resultate erzielt 
werden. Auch diese chinesischen Heilkünstler huldigen dem Prin- 
cipe aller Ourpfuscher: Die günstigen Erfolge mit allen Glocken 
der Beclame urbi et orbi zu verkündigen; bei den übrigen Fällen 
ist der Best — Schweigen. 

Worauf sind denn die günstigen Erfolge der Chinesen basirt? 
1. Auf die unrichtige Diagnose. Ich selbst habe im Jahre 1889 in 



^) De geneesheer in Nederlandsch Indie. 



Die chinesiBche Behandlung der Diphtheritis. 371 



Ngawie eine Dame mit Erfolg behandelt, welche wegen ihrer »Diph- 
theritis« (??) Yon Geneng zu mir gekommen war; sie hatte eine 
Stomatitis crouposa, d. h. die ganze Mundhöhle war mit einem 
weissen Beschlag bedeckt, welchen sie und ihre Familie für einen 
diphtheritischen erklärten. Auch in Europa wird gegenwärtig die 
Diphtheritis viel häufiger diagnosticirt, als es sein sollte. Die An- 
wesenheit des Löff 1er 'sehen Diphtheritis - Bacillus ist die Basis 
dieser Diagnose, und wenn die Serumtherapie so günstige Er- 
folge aufzuweisen hat, ist zweifellos diese unrichtige Basis der 
Diagnose Diphtheritis, wie auch Kassowitz und Andere mit Recht 
bemerken, der Urheber dieser Erfolge, unschuldige Affectionen 
der Mundhöhle, des Rachens und des Kehlkopfes werden also von 
den chinesischen Curpfuschem als Diphtheritis behandelt, und der 
günstige Verlauf dieser Krankheiten wird von ihnen als Heilung der 
piphtheritis durch ihre Therapie ausgeschrieen. 2. Giebt es zahl- 
reiche Diphtheritisfälle, ja selbst Epidemien dieser Krankheit, welche 
durch ihre »Gutartigkeit« charakterisirt sind, d. h. bei jeder The- 
rapie oft kaum 20 ^jo Todesfälle aufzuweisen haben. Dies gehört in 
Indien zu der Regel; nur selten geht dort der Process yom Rachen 
auf den Kehlkopf über und erfordert den Kehlkopfschnitt. Dies war 
der Fall mit jenem Patienten, welcher von Dr. W. behandelt und 
wegen drohender Erstickungsgefahr in das Spital geschickt wurde, 
und welcher der einzige Fall yon Diphtheritis war, den ich in Indien 
beobachten konnte. 



• 



• 



Der Curiosität halber glaube ich die Behandlung der Chinesen hier 
mittheüen zu sollen, wie sie Dr. van der Burg beschreibt. Auch 
Dr. Vordermann hat s. Z. einige Recepte des chinesischen »Pul- 
vers zum Einblasen« angegeben. Dr. van der Burg schreibt hier- 
über Folgendes: »Es wird von den Chinesen besonders schwache 
Nahrung und schwacher Luftwechsel verlangt; dann blasen sie ein 
röthliches oder grünliches Pulver mit einem dünnen, hohlen Bam- 
busröhrchen auf die ergriffenen Stellen der Kehle . . .« Die 
chemische Untersuchung des am häufigsten gebrauchten Pulvers er- 
gab nach van der Wiel folgendes Recept: 

2 Theile SulphurA arsenici (tsee houang), 

3 „ „ hydrargyri (tju s^), 
^/s r> Sulphas cupri (tan-fan), 

3 „ Borax (pang sha), 
2 „ Kampfer (ping pien), 

24* 



372 ^^ chinesische Behandlung der Diphtheritis. 

1 Theil Moschus (shie hiang), 

3 n Ghloretom natrium (chö j6n), 

3 „ Perlen (tjien tju), 

3 n Bezoarstein 1) (nin hoang), 

2 „ Bambussteine (tschou houang), 

2 „ Badix salviae multiorhizae (tan seng), 

2 „ Galle (?) (hiem täk), 

i/i „ der Baumrinde von? (djie töh)^ 

3 n Excremente von Kakerlaken*) (tay-ka-toi) und 

eingedampftem Urin yon Kindern (jin tchong pe), 
dieses alles wird gemischt, pulverisirt und 2— 3 mal jede Stunde in 
den Mund eingeblasen ! I 

Auch die Diphtheritis fordert in Indien zur Zeit der Kentering s) 
die meisten Opfer. In der BpCgenzeit Verhindern die grossen Wasser- 
massen mechanisch die Entwickelung schädlicher Bacterien, in der 
trockenen Jahreszeit versengen die heissen Strahlen der Tropensonne 
die Keime aller zymotischen Krankheiten. In der üebergangszeit 
dieser beiden Jahreszeiten (Kentering) sind die Tropen ein Biesen- 
Brutkasten für alle Krankheitserreger, und ebenso sind unausge- 
sprochene Monsune, die »trockene« Regenzeit (Westmonsun) und die 
»nasse« trockene Zeit (Ostmonsun) für das einzelne dazu disponirte 
Individuum die gefährlichste Zeit. Leider ging es auch mir während 
des Aufenthaltes in Semärang schlecht. Wir hatten zur Zeit des 
Westmonsuns viele. Ja selbst zahlreiche Tage, an welchen es nur wenige 
Stunden, und noch dazu in kleinen Mengen regnete. Die Feuchtig- 
keit, organische Stoffe und Wärme wai*en in hinreichendem Quan- 
tum vorhanden, um ein üppiges Wuchern aller möglichen schädlichen 
Bacterien zu veranlassen; ich bekam die Furunculosis. So schmerz- 
haft die ersten Furunkeln waren, so wenig störten sie mich in meinen 
täglichen Arbeiten. Das Spital war in der nächsten Nähe; wenn 
ich auch unter Beschwerden den kurzen Weg dahin zurücklegte^ 
und auch die Behandlung von 50 — 60 Patienten immerhin mit 
einiger Bewegung verbunden war, so überwand ich doch die 
Schmerzen, weil einerseits damit keine Gefahr verbunden war, weil ich 



^) Ein Gallenstein aus dem Bauche verschiedener Afifensorten; er spielte 
früher unter dem Namen von Batu galiga auf Bomeo als Exportartikel eine 
grosse BoUe. 

') I^riplaneta orientalis (?) = Schabe. 

») Vide I. Theil, Seite 53. 



Das ewige Feuer. 373 



andererseits zu Hause die Langeweile fürchtete, und weil ein solcher 
Mangel an Aerzten herrschte, dass schon durch den Ausfall Eines 
Arztes die Patienten des Spitals hätten leiden müssen, unterdessen 
(Ende Februar) hatte ich mein Gesuch um einen einjährigen Urlaub 
nach Europa eingereicht und hoffte, da ein solches Gtesuch gewöhnlich 
drei Wochen zu seiner Erledigung nöthig hat, Mitte oder Ende März 
abreisen zu können; sie erfolgte in dieser Frist nicht. Die Furunkeln 
heilten zwar, es kamen aber jedoch immer neue hinzu; ich kam 
herunter und endlich entschloss ich mich, den Dienst einzustellen, und 
der Gamisonsdoctor gab mir ein ärztliches Zeugniss, dass ich wegen 
aligemeiner Furunculosls einen Urlaub ins Gebirge dringend nöthig 
hätte. Am 25. März 1897 ging ich mit der Eisenbahn nach Salatiga. 
Leider habe ich dadurch das »ewige Feuere nicht gesehen, you dem 
Veth eine ausführliche Beschreibung bringt und 5 km entfernt von 
Gubuk gefunden werden soll. Aus Oefhungen in dem Boden strömt 
ein brennbares Gas aus, welches, einmal entzündet, wie Einige be- 
haupten, zwar durch Stampfen in der Umgebung, starkes Blasen 
oder durch Wasser ausgelöscht werden kann, sich aber durch die 
Berührung mit der Luft immer wieder entzündet. Li Kedong 
Djatti, welches seinen Namen den dortigen grossen Wäldern ron 
Djattibäumen (Tectonia grandis) entlehnt, mussten wir umsteigen, 
um die Strecke nach Ambarawa zur weiteren Beise zu benutzen. 
Nur einige Kilometer hinter dieser Station betraten wir bei Gaga 
dalem eine Enclave von Solo, ^) und acht Ealometer weiter erreichten 
wir Bringin, Ton welchem Salatiga auf einer schmalen Strasse zu 
Pferde oder mit einem Dos-ä-dos in ungefähr einer Stunde zu er- 
reichen wäre. So wie die meisten Touristen fuhr ich jedoch weiter bis 
Tuntang, yon wo aus eine schöne breite Strasse über Salatiga nach 
Solo und Djocja und an die Südküste führt. Der grosse Postweg 



1) Auf dem Wege nach Salagatija passirten wir das Dorf Praguman mit 
den Ruinen jenes Tempels, welcher das Grab des Hundes enthielt, von welchem 
die „Kalangs^ abstammen sollen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts waren 
sie ein Nomadenvolk und wurden von dem damaligen Sultan von Mataram ge- 
zwungen, sich anzusiedeln. Bei der Theilung des Beiches im Jahre 1755 er- 
hielten beide Fürsten ungefähr SOGO Familien. Ein Theil dieser „Ealangs*' von 
Solo wohnt gegenwärtig in der Provinz Samarang, welche eine grosse und mehrere 
kleine Enclaven von Solo besitzt. Warum diese „Kalangs** noch gegenwärtig von 
den übrigen Javanen so verachtet werden, dass die Sagenwelt sie bald von einem 
männlichen, bald von einem weiblichen Hunde abstammen lässt, ist mir unbe- 
kannt. 



374 Sftlatigs. 

Javasy welcher längs der Nordküste dieser Insel von Bataria nach 
Surabaja zieht, giebt auch in Semäxang einen Zweig ab, welcher 
sich nördlich Yon Ambarawa (bei Bayen) in zwei Aeste theilt. 
Der eine umkreist die westlichen Abhänge def Grenzgebirge Mer- 
babu, Merapi u. s. w., während der andere im Osten dieser Berge 
nach dem Süden Jayas zieht. In Tuntang stand ein grosser Reise- 
wagen, und gegen 7 Uhr Abends kamen wir in Salatiga an. Im 
»Hotel Taman« fanden wir eine aufinerksame Wirthin, ein hübsches 
Zimmer, eine grosse Veranda mit einer schönen Aussicht und freiem 
Gebrauche des Bades »Kali taman«, und zwar für 8 fl. pro Tag. 
Die Babu bekam von mir täglich 20 Ct., wofür sie sich das Essen 
bezahlte, während eine gastfreundliche Collegin des Hotels ihr 
eine Schlafstätte gratis anbot. Zur Beise hatte sie sich nämlich 
nebst einem fiostchen aus 2iinkblech für ihre Schätze an Sarongs 
u. 8. w. ein Kopfpolster mitgenommen, welches in einer Matte ein- 
gerollt war; diese Matte .wurde das Schlaf lager unserer Babu. 
Am andern Tag besuchte ich sofort das Bad Kali taman, welches 
ungefähr einen Kilometer vom Hotel entfcput war; es bestand 
aus einem grossen Bassin, in welches sich aus einer Höhe yon zwei 
Metern ein mächtiger Strahl yon frischem, hellem imd kühlem Berg- 
wasser stürzte. Ein Schwann Goldfische bewohnte das Bassin, und 
als ich auf der ersten Stufe stand, kamen ein paar Hundert dieser 
zierlichen Fischchen auf mich zugeschwommen. Es fiel mir auf, dass 
die kleinen in Gold-* und Silberfarbe schimmernden Eische in der 
ersten Beihe schwammen, und in der Peripherie die grossen mit 
grauem, mattem Kleide es niemals wagten, sich uns zu nahem. Jetzt 
wurde es mir deutlich, warum mir beim Eintritt der Wächter des 
Bades ein grosses Blatt, gefüllt mit ^gekochtem rothen Reis, um 
2^9 Cent' zum Kauf angeboten hatte. Die Fische waren gewöhnt, 
yon den Badegästen gefüttert zu werden; späterhin yerschaffte es 
mir yiel Vergnügen, die klugen Aeuglein yon Hunderten yon Fischen 
und Fischchen auf mich gerichtet zu sehen, sie wurden so zutraulich, 
dass sie sich bis an meine Füsse heranwagten. 

Salatiga liegt 574 Meter hoch und erinnert in mancher Hin- 
sicht an die Biyiera. Oft hatten wir es in den Morgenstunden nicht 
wärmer als 12 <> und um 12 ühr nur 17 — 18 <> C. Wenn ich in 
der Veranda des Hotels auf meinem »Faulenzerstuhl« sass und 
meinen Blick über den grossen Schlossplatz warf, sah ich im Nord- 
westen den Unarang und im Südwesten den Merbabu ihre stolzen 



SaUrtaga. 376 

Häupter erheben, zwischen welchen Ambarawa eingeschlossen ist, und 
aus welchen sich die herabstürzenden Wassermassen durch eine Berg- 
spalte in den Fluss Tuntang ergiessen. Schon seit 250 Jahren ist 
Salatiga als Luftcurort beJcannt, und wenn die Vasallen zu dem 
grossen Fürsten des Mataramischen Reiches von Semäxang zogen, 
hielten sie ihren ersten Basttag in Unarang und den zweiten in 
diesem lieblich reizenden Bergstädtchen, das nach den drei Tempeln 
(Sel4 tiga), welche hier gestanden hatten und schon im vorigen 
Jahrhimdert niedergerissen wurden, den Namen Salatiga behielt. 
Zahlreiche Pensionäre wohnen hier wegen des italienischen Klimas 
und wegen der Billigkeit seiner Lebensmittel. Der Besitzer des 
Bades Kali taman ujid eines grossen Landgutes kam zu meiner 
grossen üeberraschung vor zwei Jahren nach Karlsbad, und ihm 
verdanke ich so manche Aufklärung über das politische Verhältniss 
der Landherren Javas einerseits zu der indischen Begierung und 
andererseits zu der ansässigen Bevölkerung. Nebstdem hat die 
indische Cavallerie ihren Sitz in Salatiga; der Stab dieses Corps 
liegt mit zwei Escadronen in dieser kleinen Stadt, welche vielleicht 
500 europäische Seelen, 3000 (?) Javanen, 500 Chinesen und 50 (?) 
Araber als Einwohner hat. 

Leider war es mir durch meine Furunkeln unmöglich, grössere 
Ausflüge zu machen, und weder das Gesundheits - Etablissement 
Ungaran noch Fel4ntungan zu besichtigen. Das erstere ist wie Sala- 
tiga ein Luftcurort (318 Meter hoch), während Felintungan grosse 
und reiche jodhaltige Quellen besitzt, wo Lepra- und Syphilis-Fa- 
tienten Heilung von ihren Grebrechen suchen, und sich seit 1844 
eine Militär -Badeanstalt befindet. Noch mehr bedauere ich es, 
dass mir die Gelegenheit genommen war, das viel gepriesene Dieng- 
gebirge mit seinen Naturschönheiten und seinen zahlreichen Buinen 
besuchen zu können. Ich sollte Salatiga, die Provinz Samarang und 
die Lisel Java verlassen, ohne dieses Wunderland (das Dienggebirge) 
auch nur gesehen zu haben. 

Schon im September 1896 hatte ich für mich und meine Frau bei 
der französischen Schiffiahrts-Gesellschaft »Passage besprochene, und 
Ende März 1897 konnte ich auf die Anfirage dieser Gesellschaft, wann 
ich doch meine Anweisung der Begierung für die Unkosten einreichen 
würde, nur ausweichende Antworten geben, weil noch immer keine Er- 
ledigung auf mein Urlaubsgesuch erfolgt war. Ja noch mehr; die 
Zeitungen brachten, wie ich schon erwähnt habe, die Nachricht, dass 



376 Abschied von Sem&rang. 



der Sanitätschef das Ersuchen an die indische Regiening gerichtet 
hatte, wegen grossen Mangels an Militärärzten diesen keinen Urlaub 
nach Europa zu gewähren. 

Endlich erhielt ich am 8. April die telegraphische Nachricht^' 
dass mir der Urlaub ertheilt wurde, und da die Messagerie maritime 
mir auf mein Ersuchen eine Cajüte auf >dem Emest Simon <, wel- 
cher am 20. April von Singapore abgehen sollte, reserrirt hatte, 
eilte ich sofort am folgenden Tage nach Sem&rang, wo es mir durch 
das Entgegenkonunen aller Behörden ermöglicht wurde, am 12. April 
mit dem Reael nach Batavia abreisen zu können. 

Um 3 Uhr fuhr ich mit einem Wagen des Hotels zum Hafen. 
Für den Preis von 2 fl. pro Kopf brachte mich und die übrigen 
Passagiere eine Dampfbarcasse auf die Bhede, wo sich der kleine 
Dampfer Reael auf den Wellen der etwas unruhigen See schaukelte. Um 
4 Uhr wurde der Anker gelöst, und geschützt von der Decke des 
Zeltes richtete ich zum letzten Male meine Blicke hinüber zu dem 
vielköpfigen Merbabu. »Die Stadt mit ihrer baumreichen Umgebung 
und den Bergprofilen im Hintergrund formen ein liebliches Pano- 
rama. Im Südwesten erheben sich der Prahu, der Sindoro und der 
Sumbing, und im Süden taucht der Telemaja auf, hinter welchem 
der breite, vielköpfige Scheitel des Merbabu am Horizonte erscheint. 
Zwischen dem Sumbing und Sindoro tritt der Unarang deutlich in 
den Vordergrund. Seine malerische, trachitische und mit Trachit- 
blöcken bedeckten Vorhügel erstrecken sich bis in die Nähe der 
Stadt, und man kann von der Ehede aus ihre rohen Formen, ihre 
breiten, abgerundeten Scheitel und ihre arme Vegetation mit unbe- 
waffnetem Auge unterscheiden. Hinter diesen ungefähr 250 Meter 
hohen Hügeln erhebt sich der Unarang mit sanft aufsteigenden Ab- 
hängen, welche nach und nach in das Dunkelgrün seines dicht mit 
jungfräulichen Wäldern bedeckten Scheitels übergehen.« 

Lebe wohl, du schönes, liebliches Java! Lebe wohll Slamat 
Tanah Djava! 



Anhang. 

Die Ansiedelangen der Europier auf der Insel JaraJ) 

Wenn auch Marco Polo (aus Venedig) schon am Ende des 
13. Jahrhunderts Sumatras Boden betreten hatte, so hat doch erst 
im Jahre 1323 (?) ein Europäer, und zwar wiederum ein Italiener, 
der Mönch Fra Odorica, zum ersten Male Java aus Autopsie kennen 
gelernt. Was sein Landsmann Nicolo de Conti (1430 ?) von seinen 
Erlebnissen in Java mittheilte, ist nicht der Mühe werth, geschicht- 
lich beurtheilt zu werden, ebenso wenig haben die Mittheilungen von 
LudoYico di Varthema aus Bologna (1505) irgend welchen histori- 
schen Werth. Im Jahre 1512 schickte der Portugiese d'Albuquerque 
den Mohamedaner Nakhoda Ismail mit einer Jonke nach den Mo- 
lukken mit dem Auftrage, die östlichen Inseln zu untersuchen. 
Im folgenden Jahre (1513) kehrte er mit einer Ladung yon Grewürzen 
zurück, landete auf Java, wo bei Tuban sein Schiff strandete, worauf 
Inam Lopez Aluim mit vier Schiffen die Staaten der Nordküste auf- 
suchte. Acht Jahre später kam der Portugiese Antomode Brito mit 
fünf Schiffen nach Java und Madura (wo seine Bemannung eine 
kurze Zeit gefangen gehaltet wurde), und im Januar 1522 Enrique 
Leme (nach Sunda), Garcia Enriquez und der Portugiese Magalhäes. 
Im Jahre 1523 sah Java wiederholt portugiesische Schiffe, und zwar' 



>) Die ältesten Berichte über Java-dwipa (^= Land, Sanskrit) finden wir bei 
Ptulomaeus, und der Name Jara soll von der in Indien wild wachsenden Kern- 
frucht Panicum abstammen. Von der ursprünglichen Bevölkerung dieser Insel 
wird in den javanischen Chroniken (Babads) wenig, und von den alten Hindus 
auf dem Gontingent nicht nur von diesen, sondern überhaupt von der Ansiedelung 
auf Java keine Erwähnung gemacht; so wie die Babads mittheilen, hat schon 
im Jahre 78 p. C. Prabu Djaja Baja eine grosse Colonie Hindus nach Java ge- 
bracht. Von den Chinesen war Fa Hien der erste, welcher (im Jahre 414) auf 
seiner Reise von Ceylon nach China Je-pho-thi = Java besucht hat. Die Araber 
scheinen ^um ersten Male im Jahre 851 in Zabe^j = Jftva gewesen zu sein. 



378 . ^i^ Ansiedelongen der Europäer auf Java. 

in Gris^. Während Simäo de Soresa und Martin Correa einem 
nächtlichen Anfall der Javanen durch rechtzeitige Warnung des 
Manuel Botelho aus Surabaya entkamen, fiel Antonio de Pina, Bo- 
telho selbst und Antonio Fessoa (1524) unter den verrätherischen 
Anfällen der erbitterten Javanen. Die Portugiesen unterliessen es 
hierauf einige Jahre lang, mit den yerrätherischen Javanen des 
Ostens der Insel Handel zu treiben, und besuchten allein Fanamkan 
(1526 unter Antonio de Brito und Joäo de Morene), und im Jahre 
1528 (unter Don Garcia Enriquez), nachdem Francisco de Sä. (1526) 
ebenfalls eine unglückliche Expedition nach »Sunda«') unternommen 
hatte. 3) 

Im Jahre 1536 kam der Spanier' Andres de Urdaneta nach 
Panarukan, nachdem 1532 die Portugiesen dort ein Standbild mit 
dem Wappen des Königs von Portugal und drei E^reuze errichtet 
hatten. Dreizehn Jahre lang fehlen die Nachrichten über die Fahrten 
der Portugiesen nach Java, und erst 1545 kam Femäo Mendez Pinto 
nach Bantam, und mit 40 Mann seiner Flotte betheiligte er sich an 
dem Zuge des Sultans von Bantam nach Demak (Januar 1546), um 
gemeinschaftlich gegen den Sultan von Pasuruan ^u ziehen. Trotz 
der colossalen Heeresmacht (Pinto spricht von 800000 Mann und 
2700 grösseren und kleineren Schiffen) endigte £eser Ejrieg mit 
einer fürchterlichen Niederlage, und die Portugiesen, welche sich 
daran betheiligt hatten, setzten ihre beabsichtigte Reise nach China 
fort. Auf der Bückreise erlitten sie an der Nordküste Javas Schiff- 
bruch, Pinto wurde mit einigen seiner Matrosen als Sclave verkauft, 
später jedoch freigelassen und nach den portugiesischen Schiffen 
gesendet, welche in dem »Hafen von Sunda« lagen. Sir Francis 
Drake kam auf seiner Weltumsegelung (1577 — 80) ebenfalls nach 
Java. Die Holländer kamen zum ersten Mal am 23. Januar 1596 
nach Java (Bantam) und schlössen unter Oomelis de Houtman 
(1. Juli 1596) mit Pangeran Mangku bumi, dem Vormund des un- 
mündigen Fürsten, einen Vertrag, demzufolge Prinz Moritz von 
Nassau, zum grössten Aerger der anwesenden Portugiesen, in Ban- 
tam freien Handel führen konnte, und es gelang diesen auch, die 
Bantamer gegen die Holländer aufzuhetzen. De Houtman wurde 



1) welches damals nicht nur sprachlich, sondern auch geographisch f&r 
eine separate Insel gehalten wurde. 

*) Einer der Schiffscapitäne gerieth in Gefangenschaft des Sultans van 
Pasuruan. 



Die Ansiedelungen der Europäer auf Java. 379 

mit seinen Männern, welche am Strande ein Waarenlager errichtet 
hatten, gefangen genommen, bald aber (2. October) freigelassen und 
konnte unter denselben Bedingungen wie die Portugiesen und Chinesen 
Handel treiben. Aber schon 3 Wochen später mussten sie wieder 
mit Gewalt das Befolgen des Contractes erzwingen; die Flotte 
zog dann längs der Nordküste bis Qris^; bei Sidaju wurde das 
Schiff Amsterdam von feindlich gesinnten Javanen überrumpelt, und 
am 6. December wurden sie bei Arisbaja, auf der Insel Madura, zu 
einem Angriff auf einige Kähne der Javanen durch falschen Arg- 
wohn gezwungen. Nachdem sie in Bayean das unbrauchbare Schiff 
:»Amsterdam« verbrannt hatten, zogen sie nach der Insel Bau 
(Januar 1597), und einen Monat später (27. Februar 1597) zogen 
sie längs der Südküste Javas und Africas nach Holland zurück, 
wozu sie ungefähr 5^3 Monate nöthig hatten. Im Jahre 1598 er- 
schien wieder eine portugiesische Flotte, um die Niederländer, von 
deren Abreise sie nichts wussten, von Java zu vertreiben; die Bau- 
tamer fanden es jedoch zweckmässiger, sich diese ihre Freunde vom 
Halse zu schaffen, überfielen ihre Schiffe, nahmen ihnen das von 
anderen Schiffen^ geraubte Gut wieder ab und empfingen wieder mit 
Freuden die Ankunft einer neuen holländischen Flotte (25. Novem- 
ber 1598). Von den acht Schiffen, unter dem Commando von Jacob 
van Neck, gingen vier voll beladen nach Holland zurück, und die 
übrigen vier fuhren am 8. Januar 1599 nach Madura, wo es ihnen, 
wie ihren Vorgängern, sehr schlecht erging. Fünfzig Mann fielen in 
die Hände der Maduresen und mussten um hohes Lösegeld fireige- 
kauft werden. Nach den Molukken setzten sie ihre Beise fort und 
kamen am 9. August wieder nach Bantam zurück. 

Glücklicher waren in demselben Jahre zwei andere holländische 
Schiffe, welche allerdings acht Monate lang auf die Ernte des 
Pfeffers warten mussten, aber unter Q-erard Leroy am 18. No- 
vember 1599 voll geladen ihre Beise nach Europa antreten konn- 
ten. Das Jahr 1600 sah mehrere holländische Flotten vor Bantam, 
darunter die von Bieter Both, welcher für die Neue Brabant'sche 
Gompagnie in Amsterdam eine Factory errichtete, während kurz 
vorher Wilkens für die alte Gompagnie dasselbe gethau hatte. Als 
im Jahre 1601 die Spanier i) unter Furtado de Mendo^a als Erben 



^) Nach dem Erlöschen der unechten Burgundischen Linie fiel im Jahre 1580 
Portugal an Spanien, um 60 Jahre später (1. December 1640) wieder selbstan^ 
dig zu werden. 



380 ^^^ Assiedelungeu der Europäer auf Java. 

der Portugiesen deren Colonien in Besitz nehmen wollten, befanden 
sich in Bantam bereits vier Factoreien, und es gelang Wolphert 
Haimensz (am 24. December 1601), die starke und weit überlegene 
Flotte der Spanier zum Bückzug zu zwingen, auf der Bhede yon 
Bantam fünf Schiffe mit Gewürzen und Pfeffer toII zu laden und 
nach Europa zu senden, während der Admiral van Heemskerck in 
Demak einen Theil se^er Bemannung verlor und in Djaratan ^) die 
erste holländische Factory im Osten der Insel errichtete (1602). 

Um diese Zeit errichteten auch die Engländer (December 1602) 
eine Factory in Bantam (unt^r Capitän James Lancaster), und zwar 
in demselben Jahre, als die ostindische Compagnie (20. März 1602) 
den Grundstein zu der colonialen Besitzung Hollands gelegt hatte. 
Schon 1603 (29. April) konnte Wybrand van Warwyck in Bantam und 
Gris^ mitten in den Städten Bantam und Gris6 steinerne Ge- 
bäude zur Errichtung der Factory erhalten, während dieses vor 
dieser Zeit höchstens am Ufer des Meeres erlaubt gewesen war. 
En mangeant vient l'appetit. Die Engländer kamen schon im nach- 
sten Jahre (1604) mit zahlreichen Schiffen, und wenn auch anfangs 
diese zwei Seemächte sich freundschaftlich veitrugen, blieb die 
Bivalität nicht aus, und im Jahre 1605 kam es zwischen beiden 
zu einem blutigen Gefecht. Auch mit Spanien machte sich die 
grösste Bivalität geltend, so dass sich die Compagnie endlich zu einem 
weitgreifenden Schritte entschloss. Am 30. Januar 1610 verliess 
Pieter Both mit acht Schiffen Texel, kam 10 ^/s Monate später nach 
Bantam (19. December), besuchte sofort Jakatra, ') wo er eine Fac- 
tory errichtete, welche jedoch nach seiner Abreise ausgeplündert und 
verbrannt wurde. Als er (October 1613 «) von seiner Reise nach 
den Molukken zurückkam und diesen traurigen Zustand erfuhr, er- 
nannte er Jan Pieterszoon Koen zum Director der beiden Facto- 
reien Bantam und Jakatra. Dieser benutzte die Rivalität der beiden 
Höfe von Bantam und Jakatra, um offensiv gegen Bantam und 
die Engländer aufzutreten, welche ebenfalls in Jakatra, und zwar 
am linken Ufer der Tji'I^iv^^? ^^^^ Factory errichtet hatten. Als 



') In der Nähe des heutigen Surabaya. 

') Das heutige Batavia. 

') Im September war er nach Gris^ gekommen, wo seit 1602 eine nieder- 
ländische Factory bestanden hatte und kurz vor seiner Ankunft von Seda Krapjak 
zugleich mit den Städten Gris^ und Djaratan .verwüstet wurde, und stiftete 
hierauf in Djapara eine Loge (Mai 1615). 



Die Ansiedelungen der Europäer auf Java. 381 

die Factoiy yon Djapara ausgeplündert und am folgenden Tage 
selbst das Grebäude zu Jakatra überfallen wurde, entschloss sich 
endlich Koen zu radicalen Schritten und begann am 22. October 1618 
ein Fort in Jakatra zu bauen. Schon am 8. December 1618 er- 
schien eine grosse Flotte der Engländer yor Bantam, bemächtigte 
sich des reich beladenen Schiffes »De zwarte Leeuw« und zog dann 
weiter nach Jakatra, wo sie Batterien aufvarfen. Diese wurden je- 
doch schon am 23. von Koen angegriffen und zerstört. Zu einem 
unentschiedenen Treffen kam es am 2. Januar 1619, worauf Koen 
nach den Molukken eilte, um eine hinreichend starke Flotte zu erhalten, 
und zugleich van den Broek beauftragte, das neue Fort zu yerstärken 
und sich auf die Defensiye gegen die Engländer und Jayanen zu 
beschränken. Dieser liess sich aber durch die Jayanen in die Falle 
locken, und sein Vertreter im Fort, Pieter yan Baey, capitulirte yor 
den Engländern und Jakatraem. In dieser Noth kam unerwartet 
Hülfe yon — Bantam, welche den • Engländern und Jakatraem das 
Becht absprach, sich mit den Holländern zu bemühen. Die darauf 
entstandene Verhandlung zog sich in die Länge, bis im Mai (1619) 
Koen mit 16 Schiffen yor Jakatra erschien, die Jayanen aus ihren 
Bollwerken yertrieb und Batayia, welcher Name am 12. März 
yan Baey dem ganzen Fort, d. h. den yier Bastions Holland, West- 
Friesland, Zeeland und 6elderland, gegeben wurde, als den Mittel- 
punkt des niederländischen Handels in Indien erklärte. Bantam 
widersetzte sich noch einige Monate dieser definitiyen Ansiedelung 
der Holländer in Batayia, ohne nicht einmal die Uebersiedelung 
seiner eigenen Unterthanen (Chinesen und Bantamer) yerhindem zu 
können. Mataram erklärte hierauf die Niederländer zu seinen »Un- 
terthanen c und glaubte ihnen gegenüber dieselben despotischen Ge- 
bräuche wie gegen die Eingeborenen üben zu können. 'Aber schon 
1622 änderte der Fanembahan seine Politik und bat die Nieder- 
länder um Hülfe, Bantam zu unterwerfen. Koen fürchtete, dass nach 
Bantam Batayia an die Reihe kommen sollte, imd gab seiner Ge- 
sandtschaft unter Dr. de Haan den Auftrag, diesbezüglich in Ma- 
taram die nöthige Vorsicht zu üben. Durch die Eroberung yon 
Sukadana auf Bomeo und yon der Insel Madura war der Fürst yon 
Mataram Herr yon beinahe ganz Jaya geworden und yerlangte auch 
yon dem Gesandten Vos,^) die Souzeränität Matarams anzuerkennen. 



des Qouyemear-General de Carpentier, Nachfolgers yon Koen. 



382 ^i® Ansiedelungen der Europäer auf Java. 

Als im August 1626 eine Gesi^ndtschaft nach Mataram abging, wurde 
sie in Karta nicht zugelassen, weil »die Geschenke zu unansehnlich 
waren und die Regierung in ihrem Briefe den Susuhunan nicht hoch 
genug betitelt und sich selbst nicht genug erniedrigt hatte <J) 

Unterdessen hatten die Engländer mit den Niederländern 1619 
einen Contract geschlossen, dem zufolge sie gemeinsam in Bantam 
unter einem »Bath Yon Vertheidigung« die gegenseitigen Handels- 
ifiteressen schützen sollten. Dieser Vertrag zwischen Hund und 
Katze dauerte nur bis 1628, in welchem Jahre sie den Handel in 
Bantam ganz allein in ihre Hände bekamen, um jedoch schon 1684 
Tor der Energie Hollands weichen zu müssen. 

Im Jahre 1627 kam Koen zum zweiten Male als Gouremear- 
General nach Batavia, und hatte bald gegen einzelne Scharen you 
Bantamem Batavia und sein Leben zu vertheidigen und auch einen 
UeberfaU Yon Mataram (22. August 1628) zurückzuschlagen; ein 
zweiter Ueberfall (September 1629) endigte ebenso glücklich für die 
Niederländer, obzwar Koen selbst ein Opfer der Cholera wurde. Jacques 
Specx wurde zu seinem Nachfolger ernannt. Da die Regierung in 
Holland immer und immer wieder die indische Regierung ermahnte, 
mit Bantam und Mataram in Freundschaft zu leben, wurde der Regent 
von Djapara als Vermittler zwischen der Compagnie und dem 
Sultan Ageng (= der Grosse), welchen Titel er von einem ara- 
bischen Scheik aus Mekka erhalten hatte, gewählt, und eine hollän- 
dische Gesandtschaft, aus 25 Mann bestehend, brachte zahlreiche 
Geschenke nach Djapara. Sie wurden jedoch mit ihren Geschenken 
Ton dem Regenten selbst gefangen genommen. Da nebstdem Sultan 
Ageng zahlreiche Räuberbanden nach Batavia sandte, so wollte 
G.-G. Brouwer, der Nachfolger von Specx, die Macht des Sultans 
auf indirecte Weise schwächen und schickte (1633) nach der Insel 
Bali eine Gesandtschaift, um den Fürsten gegen seinen Erbfeind von 
Mataram aufzuhetzen. Da dies nicht gelang, so entschlossen sie sich 
zu dem erniedrigenden Vorgang (October 1634), eine Gesandtschaft 
an den Sultan zu senden und einen jährlichen Tribut zu zahlen, 
»weil die Niederländer auf seinem Lande sich angesiedelt hatten«. a) 
Der Sultan stellte jedoch unerreichbare Forderungen und Antonie 



») Veth, Seite 872. 
») Veth, Seite 886. 



Die Ansiedelungen der Europäer auf Java. 383 

yan Diemen i) gab sich Mühe, wieder mit Bantam auf guten Fuss 
zu gelangen, dessen Fürst ebenfalls aus Mekka eine heilige Fahne 
und den Titel Abu'l, Mofachir Mohamed Abdul Kadir erhielt. Da- 
durch stieg die Biyalität mit dem Sultan Ageng, und nachdem 1639 
die Niederlander ein Schutz- und Trutzbündniss mit dem Sultan 
Yon Bantam geschlossen hatten, entfaltete er die heilige Fahne zum 
Kriege gegen alle Ungläubigen. Obwohl um diese Zeit (1641) 
die Niederländer ihren alten Bivalen, den Portugiesen, auf welche 
Sultan Ageng seine ganze Hoffnung gründete, mit ihrer Hülfe die 
Niederländer von Java zu yertreiben, auf Malacca eine solche Nie- 
derlage beibrachten, dass sie gezwungen waren, diese Colonien auf- 
zugeben, so wurde ihre Lage doch nicht yerbessert, weil wieder die 
Engländer auf dem Kriegsschauplatze erschienen (1642), indem die 
Factory yon Bantam eine Gesandtschaft an den Fürsten yon Ma- 
taram schickte, zu dem Zwecke, die Insel Banka zu erwerben. Einen 
directen Angriff auf Batayia erlebte Sultan Ageng nicht mehr, und 
nach 33jähriger Regierung (1645) starb er und wurde zu Imagiri 
begraben, wo sein Ghrab noch heute yon den Jayanen als Heilig- 
thum yerehrt wird. 

Nach dessen Tode gelang es endlich dem G.-G. Cornelis yan 
der Lijn mit dessen Nachfolger, Amangku-Rat, im Jahre 1647 Frie- 
den zu schliessen. 

Auch in Bantam war der alte Sultan 1661 gestorben, und sein 
Enkel und Nachfolger, Sultan Ageng Tirtajasa, auch Abu'l Fath, 
Abdu'l fattah genannt, nahm sofort nach seiner Thronbesteigung die 
alte feindliche Haltung wieder an; nicht allein, dass er zahlreiche 
Räuberbanden nach Batayia schickte, er griff selbst zwei Schiffe der 
Compagnie an, kurz, alle Mittel des Guerillakrieges wendete er an, 
so dass im Jahre 1656 die Vertreter der Compagnie sich flüchten 
mussten. Die Engländer und Dänen unterstützten den Sultan 
in seinem Widerstände gegen die Holländer; sie gingen zum An- 
griffe über, obwohl eine englische Flotte aus Europa erschien, mit 
einem Briefe der Nied. O. I. Compagnie, in welchem ein Bündniss 
und Frieden mit den Engländern gefordert wurde. Die Nieder- 
länder schlössen also mit Bantam Frieden (1664), ohne jedoch be- 
deutende Vortheile damit zu erzielen. Auch in Mataram spielte die 



^) G.-6. Brouwer wurde wegen des Misserfolges dieser Gesandtschaft 
abberufen. 



384 ^^ AnBiedelungen der Europäer auf Java. 



Co]iq)agnie in dieser Zeit keine würdige Rolle. Obwohl Amangka 
Bat wie ein javanischer Nero seinen Tyrannengellisten freie Zügel 
schiessen liess, so huldigte die Compagnie ihm doch in auffallender 
Weise, indem sie jedes Jahr eine Gesandtschaft an seinen Hof 
schickte, welche ihm jedesmal die bedeutendste Erfindung Europas 
als Geschenk brachte. 

Unterdessen hatten die Makassaren yon den Molukken durch 
ihre Baubzüge die ganze Nordküste Javas geplündert und 1671 
in Bantam günstige Aufnahme gefunden, weil der Sultan hoffte, mit 
ihrer Hülfe seine beiden Bivalen, den Fürsten von Mataram und die 
Holländer, demüthigen zu können. 

Capitän Holsteyn's unglücklicher Feldzug veranlasste die Com- 
pagnie, den Major Poleman (1676) mit SOO Mann nach dem Osten Javas 
zu schicken,, wohin sich die Makassaren zurückgezogen hatten, nach- 
dem sie Bantam wegen Ermordung des Sohnes ihres Häuptlings 
Kraeng Montemarano verlassen hatten. Poleman eroberte alle Boll- 
werke der Makassaren, so dass sie sich ins Innere des Landes 
flüchten mussten. Das Heer des Sultans von Mataram unter Com- 
mando von Pangeran Adipati Anom war jedoch nicht im Stande, 
trotzdem sie ungefähr 60000 Mann stark waren, die vereinigten 
Maduresen und Makassaren aufzuhalten, die ganze Küste von Ost- 
Java fiel wieder in die Hände der Maduresen, der Bundesgenossen 
der Makassaren (bis auf das niederländische Fort Djapara). Der 
Bath von Indien, Comelis Speelman, eilte dieser Factory zu Hülfe, 
imd zwar mit 300 europäischen und 400 eingeborenen Soldaten, und 
auf seinem Zuge verhandelte er mit dem Sultan von Mataram über 
die Entschädigung, welche ihm für diese Hülfeleistung geleistet 
werden sollte. Der Gesandte Couper brachte am 28. März 1677 
ein solch trauriges Bild von den Zuständen in der Hauptstadt imd 
besonders über die innere Zerfahrenheit und die Streitigkeiten der 
vier Söhne des Sultans an Speelman, dass er beschloss, den Kampf mit 
Truna Djaja, dem Anführer der Maduresen, aufzunehmen. Nach 
einigen vergeblichen Versuchen, die Javanen für den Susuhunan zu 
gewinnen, eroberte er das Fort des Truna Djaja und schlug seine 
Truppen in die Flucht, ging dann selbst nach Madura, wo er nur 
unter grossen Opfern Arisbaja eroberte, und wandte sich dann 
wieder nach Java, um dem Sultan von Mataram ausgiebige Hülfe 
gegen die aufständischen benachbarten Provinzen zu bringen. Ma- 
taram erfahr dadurch nur mehr Schaden als Nutzen. Durch das 



Die Aosiedelusgen der Europäer auf Java. 3g5 

Bündniss mit den Holländern gingen Samarang, Kudu, Paü, Demak 
zu Truna Dj^ja, dem Vertheidiger des heiligen Glaubens über, und 
yon dem Sultan, als dem Freund der Kafirs, fielen selbst seine 
nächsten Verwandten ab, so dass er flüchten musste, bis er endlich 
bei seinem ältesten Sohne Pangeran Adipat Anom in Bageleen Asyl 
und Hülfe fand. Truna Djaja hatte nämlich durch seinen Feldherrn 
Mangku Inda die Hauptstadt Mataram erobert und sich den Harem, 
die Pferde, Elephanten, Schatz -Kisten, die B.eichsinsignien und 
die Kanone Satomi nach Kediri bringen lassen. Der Nachfolger 
Amangku Bat II. hatte trotz der grossen Bedrängnisse von Seiten 
seiner Vasallen keine anderen Sorgen als die Liebe, während Speel- 
man sich alle Mühe gab, das Beich Mataram nicht untergehen zu 
lassen, um in seinem Fürsten einen untergebenen Vasallen in Java zu 
besitzen; nebstdem hatte er dem Sultan bereits 310000 Bealen 
(1 B. = 2^3 fl*} vorgeschossen. Der Susuhunan verpflichtete sich also 
(19. October 1677), alle Häfen der Nordküste, von Krawang ange- 
fangen bis an den äussersten Osten, dafür der üompagnie als Pfand 
zu geben, und erweiterte den factischen Besitz der Compagnie bis 
an den Fluss Pamanukan im Osten und an den grossen indischen 
Ocean im Süden. Nebstdem erhielt sie das alleinige Becht von 
Einfahr der persischen Teppiche und Verkauf von allem Zucker in 
den Ländern Djapara, Demak, Grobogan, Pati, Djewana und Kudus. 
Im Jahre 1678 erhielt Speelman nebstdem das Gebiet der Stadt 
Samarang und Umgebung. Leider wurde durch den Tod des Gouver- 
neur-General Maessuyker (4. Januar 1678) Speelman von der 
definitiven Ausführung seiner grossen Pläne abgehalten; er wurde 
nämlich »zum Directeur-General von dem Handel« ernannt und 
musste das Commando an den Hauptmann de St. Martin übergeben. 
Antonie Hurdt, welcher auf seiner Bückreise von den Molukken 
in Djapara gelandet war, um sich von dem politischen Zustande von 
Mittel-Java zu überzeugen, wurde als Civil-Commissar mit de St. Mar- 
tin als Militär-Commandant nach Ost-Java gesendet, um für das 
Beich von Mataram zu kämpfen, weil Bantam erst dessen Unter- 
gang und danach den von Batavia beschlossen hatte. Nach zahl- 
reichen kleinen Gefechten und langen Märschen im Innern des Lan- 
des, das den Europäern noch ganz unbekannt war, gelang es Hurdt, 
wenn auch mit grossen Verlusten, Kediri zu erobern, die alte Königs- 
krone von Ma4jopahit und die Beichsinsignien in die Hände zu be- 
kommen und sie dem Fürsten auf den Kopf zu setzen. Die anderen 

Br«itenit»in, 21 Jahn in Indien IL 26 



386 ^^0 Ansiedelungen der Europäer auf Java. 

feindlichen Truppen der Makassaren und Maduresen gaben den Hol* 
ländem noch viel zu thun, bis endlich Truna Djoja (27. Decem- 
ber 1679) gefangen genommen und von dem Sultan selbst gekrist^) 
wurde. Die javanische Helena, Batu Blitar, um deren Besitz der 
Sultan Yon Mataram alle seine Ejiegszüge unternommen hatte^ wurde 
▼on dem Sultan von Bantam au ihn ausgeliefert, mit dem guten 
Bath, ihren Liebhaber auf das Verächtliche seiner Stellung als 
Freund der Kafirs immer und immer hinzuweisen. Dennoch fiel 
schon 1680 Oheribon in die Macht der Gompagnie, und nach 
einem Vertrag vom 4. Januar 1681 diese Provinz unter den- 
selben Bedingungen wie Mataram unter die Suzeränität der Com- 
pagnie. In Bantam hatte der Kronprinz auf Bath französischer 
und englischer Freunde eine Pilgerfahrt nach Mekka (und nach 
der Türkei) unternommen und wurde bei seiner ZurUckkunft als 
Sultan Hadji von seinem Vater zum Mitregenten eingesetzt. Bald 
trachtete er, seinen Vater zur Seite zu schieben, und zwar mit 
Hülfe des Jacob de Boy, welcher ein desertirter Soldat und Brot- 
bäcker der Compagnie gewesen war, und ihm rieth, die Hülfe der 
Compagnie anzurufen, als ihn sein Vater Sultan Ageng bei Sura- 
sowan belagerte. Bei Tangeran kam es zur entscheidenden Schlacht, 
und in der ersten Aufwallung seiner Freude wollte Sultan Hadji alle 
Freunde seines Vaters, die Engländer, Dänen, Franzosen und Por- 
tugiesen, aus Bantam vertreiben. Der alte Sultan flüchtete sich nach 
dem Süden der Provinz (Lebak) und ergab sich freiwillig (1683), 
nachdem er sein Lustschloss Tirtajasa in der Nacht vom 28. zum 
29. December 1682 in die Luft hatte fliegen lassen. Speelman starb 
1684, und sein Nachfolger, der Gouverneur-General Camphuis, schloss 
am 17. April 1684 mit Sultan Hadji einen Vertrag, demzufolge er 
mit 600000 Byksdaalers seine Schuld an die Compagnie anerkannte 
und dafür das alleinige Becht der Ausfuhr von Pfeffer und Einfuhr 
von persischen Teppichen für Bantam und seine sumatranische Be- 
sitzung an die Compagnie gab. Alle diese Contracte wurden natür- 
lich so oft als möglich — gebrochen; selbst der Sultan von Mataram 
trachtete in dem Aufstande des früheren Sträflings Suropatti das 
Joch der Niederländer abzuschütteln. Dabei hatten diese viele 
tausend Soldaten und so manche treffliche Führer, wie Tak, van 
Vlieth u. s. w. verloren, aber zuletzt musste der Sultan (1689) 
sich wieder unterwerfen; dabei wurde Cheribon nach europäischem 



= mit dem Kris (= Dolch) erstochen wurde. 



Die ADsiedelungen der Europäer auf Java. 387 

Modell organisirt und die Preanger (1698) verpäichtet, gegen fest- 
gesetzte Preise inländische Gewebe, Pfeffer, Indigo, Wachs, Vogel- 
nester, Zimmt und Perlen zu liefern. »Alle Preanger-Menschen 
seien Unterthanen der Compagnie und dürfen weder untereinander 
kämpfen noch das Land sich abnehmen, es sei denn auf Befehl des 
Oouvemeur-Greneral. c 

Suropatti fuhr indessen fort, sowohl seinem westlichen Nachbar, 
dem Sultan von Mataram, als seinem östlichen, dem Susuhunan tou 
Balambangan, lästig zu fallen, und Beide wandten sich um Hülfe an 
die Compagnie. Die Bitte des Sultans Ton Mataram, dessen Re- 
sidenz seit den Tagen von Truna Djiga Kartasura war, musste un- 
berücksichtigt bleiben, weil er nicht einmal seine alte Schuld bezahlt 
hatte, welche auf 1 200000 Reals angewachsen war, und als Amangku 
Rat starb, entstanden in seiner Familie so viel Streitigkeiten, dass 
die Regierung factisch nicht wusste, wer der eigentliche Sultan war. 
Pangeran Puger, der Bruder des alten Sultans, blieb mit Hülfe 
der Compagnie Sieger, wofür er die ganze Provinz Preanger, Cheri- 
bon und die östliche Hälfte von Madura zu einem Vasallenstaate 
der N. Regierung erklärte (5. October 1706). 

Bei Suropatti befand sich auch Sunan Mas, der firühere Kron- 
prätendent von Mataram, und leitete den Widerstand gegen die Hol- 
länder am Ende des Jahres 1706. Suropatti wurde in seinem eigenen 
Lande angegriffen. Der Feldzug hatte nur den einen Erfolg, dass 
Suropatti bei Banggil verwundet wurde und kurz darauf in Pasaruan 
starb. Ln nächsten Jahre jedoch gelang es dem Commandanten 
de Wilde, dem Reiche des Suropatti ein unrühmliches Ende zu be- 
reiten und die Regenten von Madjakerto, Wirasaba, Kediri und Ma- 
diun an Paku Buwana zu unterwerfen. Seine Söhne fanden jedoch 
ein Asyl in Balambangan, von wo aus sie ihre Raubzüge fortsetzten, 
bis im Jahre 1712 die Holländer dagegen energisch auftraten. 

Ln Jahre 1709 sollte eine Conferenz aller Fürsten von Java 
und Madura in Kartasura zusammenkommen, in welcher der Susu- 
hunan mit dem Vertreter der Compagnie, dem Commandanten EjioI, 
feststellen sollte, welche Landesproducte i) und zu welchem Preise 
diese von jedem einzelnen Häuptling an die Compagnie jährlich ge- 
liefert werden sollten; der Dipati von Surabaja — Djageng Rana — 

^) Im Jahre 1696 wurden von Adriaan van Ommen, Commandeur von Ma- 
labar, die ersten Kaffeebäumchen nach Java gesendet, und im Jahre 1712 kam 
die erste Ladung Javakaffee, 894 Pfiind schwer, in Holland auf den Markt. 

26* 



3gg Die Ansiedelungen der Europäer auf Java. 

wurde bei dieser Conferenz heimtückisch Tom Sultan unter Mit- 
wiBsen von dem Commandanten Knol ermordet und sein Reich unter 
zwei seiner drei Söhne getheilt, während der dritte Regent Ton La- 
monga wurde. Auch sie verpflichteten sich zu dem verlangten Tribut 
an die Compagnie und zur Anerkennung des Sultans von Mataram 
als ihres Herrschers, aber — sofort nach ihrer Abreise verbanden 
sie sich mit den Söhnen Suropattis. In einem der zahlreichen Kriege 
der nächsten Jahre fand die Compagnie Anlass, in Kartasura, der 
neuen Hauptstadt des Reiches von Mataram, eine starke Festung 
zu bauen, und im Jahre 1723 erfolgte die Uebergabe der ange- 
sehensten Häupter des Aufstandes, und der Krieg fand ein befirie- 
digendes Ende. 

Gleichzeitig wurde eine Revolution in Batavia selbst entdeckt 
und deren Rädelsführer, Pieter Erberveid, mit 49 Theilnehmem auf 
die grausamste Weise ermordet. 

Von Bantam bekam die Compagnie im Jahre 1731 die Insel 
Pandjang, welche vor dem Bantambusen lag. 

Bald sollten die Sultanate Mataram und Bantam von dem Erdboden 
verschwinden. Den Anlass zum Untergang des Reiches Mataram gab 
der Aufruhr der Chinesen in Batavia, welcher beinahe mit gänz- 
licher Vernichtung der chinesischen Bevölkerung in Batavia endete. 

Während der Susuhunan dem Gesandten der Regierung alle 
mögliche Hülfe versprach, gab der neuemannte Reichsverweser Nata 
Kusumo den chinesischen Häuptlingen seines Reiches die Versiche- 
rung, dass ihnen die Städte der Küste abgetreten und alle Handels- 
vorrechte zugetheilt werden sollten, welche die Compagnie dem Reiche 
Mataram abgerungen hatte — wenn sie die Holländer vertreiben 
würden. Die Chinesen hatten an der Nordküste bedeutende Erobe- 
rungen gemacht, selbst bis nach Surabaja, sodass der Susuhunan 
von Kartasura endlich öffentlich ihre Partei ergriff und zunächst 
die europäischen Soldaten seines Forts entweder ermorden liess oder 
zum Uebertritt zum Islam zwang und als Sclaven verkaufte (20. Juli 
1741). Der Regierung gelang es jedoch schon im November des- 
selben Jahres, die Nordküste zurückzugewinnen, und Paku Buwana 
— kroch zu Kreuze. Nebstdem wurde ein Gegensultan ernannt, 
und zwar ein Enkel des nach Ceylon verbannten Sunan Mas; Mas 
Garendi, mit seinem Königsnamen Sunan Kuning, konnte sich je- 
doch nicht lange seines Thrones erfreuen; seine Anhänger, Chinesen 
und Javaiien, wurden geschlagen, der Anführer der Chinesen, Tai- 



Die Ansiedelungen der Europäer auf Jara. 389 

Wan-Sui, flüchtete sich nach Bali^ und Sunan Kuning übergab sich 
am 3. October 1743 in Surabaja den Beamten der Compagnie, 
wurde nach Ceylon verbannt und Paku Buwana bestieg den Thron 
wieder, was er jedoch mit Aufgabe seiner Selbständigkeit bezahlen 
musste. unter anderm musste er in Zukunft die Wahl eines Beichs- 
Verwesers und aller Regenten von der Zustimmung der Compagnie 
abhängig sein lassen, und bei etwaigen strittigen Fragen musste 
dem Befehl der Compagnie mehr als dem des Susuhunan gehorcht 
werden. 

Der damalige Gouverneur-General van Imhoff bereiste die Pre- 
anger, gründete das heutige Buitenzorg, sorgte für Colonisation von 
Tji Sounas und hinreichende Bebauung des Landes. Nach dem 
Ende des Krieges besuchte er die Ostküste Javas, durchzog das 
Innere Javas nach allen Bichtungen und erstattete einen ausfuhr- 
liehen Bericht nach Holland, der leider niemals in die Oeffentlich- 
keit gelangte. 

Die zahlreichen Prätendenten in Mataram veranlassten den Sul- 
tan Paku Buwana, am 11. December 1749 auf seinem Todtenbette 
dem anwesenden Hohendorff das Reich feierlich zu übergeben und 
der Compagnie die Wahl eines Thronfolgers zu überlassen. 

Hohendorff ernannte den Kronprinzen zum Thronfolger, obzwar 
sein Vater ihn eines Liebesverhältnisses mit einer seiner Gundiks be- 
schuldigt hatte, und obwohl er augenleidend ') war. Natürlich blieb ein 
Gegensultan nicht aus, und zwar in der Person seines Onkels Mangku 
Bumi, welcher sich im Palaste zu Djocja krönen liess. In dem 
darauf folgenden Erbfolgekriege kämpften die Holländer mit ab- 
wechselndem Glücke, selbst dann noch, als wiederum die Maduresen 
ihre gefürchteten Banden der Compagnie zu Hülfe sandten, und als 
selbst die Streitmacht des Mangku Bumi durch Zwist mit seinem 
Schwiegersohn Mas Said von Surabaja geschwächt wurde. Der neue 
Gouverneur-General Mossel wählte zwischen Mas Said, welcher 2>ganz 
Java«, und Mangku Bumi, welcher »halb Java« als Preis der Ver- 
söhnung mit der Compagnie forderte, nicht lange. Er verhandelte 
mit den bescheideneren Ansprüchen des Mangku Bumi und veran- 
lasste (1755) den Susuhunan, sein Reich mit seinem Onkel zu theilen. 
Beide wurden Lehnsfürsten der Compagnie und zugleich die Ahn- 



') Nach mohamedanischer Anschauung muss der Sultan frei von körper- 
lichen Gebrechen sein. 



390 ^^ AnnedeluDgen der Europaer auf Java. 

herren der noch heute bestehenden Kaiserreiche auf Jaya. Paka 
Buwana III. behielt in Solo seine Besidenz, während Mangku Bund 
Djocja oder nach der damaligeji Schreibweise Jogjakarta zur Re- 
sidenz seines neuen Reiches machte. Auch sein Schwiegersohn Ma& 
Said wurde in Ghiaden aufgenommen und erhielt von dem Susuhunan 
Ton Solo im südlichen Gebirge ein kleines Beich als Lehn. 

Da beinahe gleichzeitig auch in Bantam ein Erbfolgekrieg aus- 
gebrochen war, und zwar nach dem Tode des Sultans Zeinu'l-Ariftn,. 
und erst im Jahre 1752 endigte, hatte die Compagnie einen schwie- 
rigen Standpunkt. Aber auch hier siegte ihr Princip: Divido et 
impera. Denn der Kronprinz bestieg zwar als Sultan Abu'n Natsr- 
Mohamed Araf Zeinu'l Asjekin den Thron seiner Voryäter, aber auch 
nur als Lehnsfürst der Compagnie. 

Der östliche Theil Yon Jaya war schon 1743 an die Compagnie 
abgetreten und hatte allerdings in den zahlreichen Erbfolgekriegen 
der Nachbarn yiel zu leiden; auch als die englische ostindische 
Compagnie mit Hülfe der Balinesen und Chinesen in Balambangan 
Opium einführen wollte, und ein Aufstand in diesem Vasallenstaat 
yon Bali 1767 ausbrach, gelang es den Holländern, ihn bald zu 
unterdrücken und selbst die letzten Nachkommen des gefürchteten 
Suropatti zu tödten. Da diese Theile des Landes durch die zahl- 
reichen Kriege erschöpft waren, yeranlasste die Compagnie eine 
grosse Colonisation yon Madura aus und setzte Mas Alit als Begenten 
ein, der als Balinese dem Hinduglauben ei^eben war. 

Am Ende des yorigen Jahrhunderts machte sich eine bedenk- 
liche Schwäche der Compagnie fühl- und bemerkbar, und es kostete 
ihr z. B. schon grosse Anstrengung, bei dem Tode des Sultans 
yon Djocja (1792) die Prinzen des Susuhunan yon Solo und 
die Verwandten des Sultans selbst yon einem neuen Erbfolgekrieg 
abzuhalten und den ältesten Sohn der Sultanin am 2. April als 
Stdtan, und seineu Sohn Mangku Bund als Thronfolger zu ernennen. 
Auch in Solo regelte yan Oyerstraten die Thronfolge. In Bantam 
gelang es ihr auch 1778, die Suzeränität über Sukadana an der 
Westküste Bomeos abgetreten und yon den Lampongs (Südküste 
yon Sumatra) noch mehr Pfeffer zu erhalten, als yon Bantam selbst. 
Aber mit jedem Jahre wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts die 
eingelieferte Quantität kleiner. Während im Jahre 1724 die Com- 
pagnie 19000 Bahars (= Ballen k 7 — 8 spanische Dollars) yon 
Bantam und seinen Vasallenstaaten erhielt, war im Jahre 1796 dieses 



Die AnsiedelaDgeti der Europäer auf Java. 39 1 

Quantom auf 400 gesunken. Leider waren die ganz unrichtigen 
Anschauungen der Handelspolitik von Seiten der europäischen Be- 
amten mehr als der Unwillen der Bevölkerung daran Schuld. Die- 
selben schlechten Erfolge mit dem Kaffee und der Cultur des Indigo 
und des Zuckers waren die Folgen einer kurzsichtigen und egoisti- 
schen Handelspolitik, bei welcher natürlich die Beamten der Com- 
pagnie auch ihre Priyatkasse nicht vergassen. Dies zeigt uns deut- 
lich die Provinz Cheribon, welche anfilnglich vier, im Jahre 1773 
nur zwei Fürsten hatte und zwar Sultan Sepüh und Sultan Anom. 
Die Kronstreitigkeiten haben wie alle übrigen Staaten von Indien 
sehr bald ganz Cheribon zu einem Vasallenstaat der Compagnie 
gemacht, in welchem der Resident — der Tyrann wurde, dem 
Cheribon eine Goldgrube wurde. Nach Veth') lieferte sie jährlich: 
1000 Kojang (= 1 Kojang = 1729 Kilo^) Reis, 500000 Pfund 
Zucker, 20000 Pfd. Wolle, 6—8000 Pfd. Indigo, 14—18000 Pikols 
Kaffee, Pfeffer, Zimmt, Cocosöl, Fisolen, Ba^t, 2000 Balken, 80000 
grosse und 40000 kleine Dauben; der Hafenzoll betrug 16 — 20000 
Kyksdaalers. Die Einkünfte des Residenten waren: 80 fl. monatlicher 
Gehalt, 1500 Ryksdaalers (= 2'/a fl.) von dem chinesischen Fabri- 
kanten der bleiernen Scheidemünzen (pitjis), 2000 Ryksdaalers von 
den Pächtern der Pässe, 10000 Ryksdaalers aus den Holzlieferungen, 
12000 von dem Opium, Salz und Metalleinfuhr, 8000 von dem Ex- 
port des Zuckers, 7000 von dem Reis, 9000 von den übrigen Zöllen 
des Hafens, von dem an die Compagnie gelieferten Kaffee 64000. 
Solche Einkünfte eines einzigen Beamten waren ein Symptom des 
unvermeidlichen Unterganges der Gesellschaft; denn sie waren nicht 
vereinzelt und zeigten den niederen Beamten den Weg, sich auf 
Kosten des kleinen Mannes zu bereichem. Die Einkünfte des Gou- 
verneurs der Nordküste, der in Samarang seine Residenz hatte, 
waren ja beinahe zweimal so gross, als die Einkünfte der Residenz 
von Cheribon. Er hatte zwar nur einen Gehalt von 200 fl. pro Monat, 
aber allein aus dem Handel mit Vogelnestern s) fielen in die Tasche 
dieses Beamten 100000 fl.!! Die Inseln Madura und Bavean wie- 



1) Veth, Seite 226. 

^) Ein Kojang Reis in Batavia = 1667*555 Kilogramm. 

yf n n n Samarang = 1729*316 „ 

„ „ „ „ Surabaya = 1852*839 „ 

3) Von Hirundo esculenta; als Aphrodisiaca sind sie noch heute bei den 
Cliinesen ein beliebter Handelsartikel. 



392 ^ie Ansiedelungen der Europäer auf Java. 

derom waren für den GouTerneur der Nordostküste eine ausgiebige 
Milchkuh, weil bei den yielfachen Thronstreitigkeiten die Ghinst 
dieses Q-ouvemeurs endgiitig in die Waagschale fiel, und diese 
Gunst theuer erkauft werden musste. Die Robotdienste und das Aus- 
saugesystem der einheimischen Fürsten, welche noch heutzutage der 
indischen Regierung sehr viele Sorge bereiten, wurden schon durch 
van Overstraten vor 100 Jahren bekämpft, und Samarang, wo dies 
dem Gouverneur besonders gelang, blühte in so hohem Maasse, dass 
er selbst aus hygienischer Bücksicht der üebervölkerung entgegen- 
treten musste, während die östlichsten Provinzen (bis Balambangan) 
nicht nur ein Auswandern der Bevölkerung sahen, sondern auch zum 
Aufstand gezwungen wurden. Auch »Batavia en Onderhoorighedenc 
zeigte einen bedeutenden Niedergang, weil die Regierung den Land- 
bau aller Naturproducte von einem falschen Standpunkte regelte. 
Im Jahre 1710 hatten z. B. die »Ommelanden« 131 Zuckermühlen, 
jede durfte nicht mehr als 300 Pikols bearbeiten. Als nach dem 
Aufstaude der Chinesen noch 52 Mühlen anwesend waren, gebot 
sie in der Furcht, dass zu viel Zucker fabricirt werde und der Preis 
zu tief sinken würde, dass die Zahl von 70, und im Jahre 1750 
die Zahl von 80 nicht überschritten werde. Im Jahre 1796^) waren 
nur noch 40 in Thätigkeit. 

Es würde das Ziel dieser kurzen Geschichte der europäischen 
Ansiedelungen überschreiten, wenn ich ein Bild der Unterdrückungen 
entrollen würde, welche der »kleine Manne durch seine Fürsten 
mit Wissen und Willen der Beamten der Compagnie zu erleiden 
hatte. Aber erinnern muss ich daran, weil der Verfall der Com- 
pagnie darin seine Begründung hatte. Ja noch mehr; sie zahlte 
ihren Beamten so kleine Gehälter, dass sie sich nach anderen Ein- 
künften umsehen mussten. Es war also der Geiz der Compagnie 
die Ursache ihres Falles. 

Das Privilegium endigte 1774, wurde auf zwei Jahre verlängert 
und dann wieder auf zwanzig Zahre, also bis zum Jahre 1796 er- 
streckt. Die französische Revolution mit dem Ejiege gegen Eng- 
land brachte eine englische Flotte nach Batavia, welche die Stadt 
vom 23. August bis 12. November 1800 blockirte und die Waaren 
der Compagnie auf der Insel Onrust in Brand steckte. Nebstdem 



^) Im Jahre 1893 wurden um 71048*605 Gulden und im Quinquennium 
1889—1893 315750000, 367785000, 463560000, 425367000 mid 507490000 
Kilo Zucker exportirt. 



Die Ansiedelungen der Bnropäer auf Javm. 393 

wurden Ton der holländischen Regierung zahlreiche Commissionen 
nach Jaya zur Untersuchung der herrschenden Verhältnisse geschickt, 
und im Jahre 1800 nahm der Staat alle Colonien, welche sich nicht 
in den Händen der Engländer befanden, in eigene Verwaltung. 

Die Wogen der sturmbewegten Politik, welche im Anfange des 
19. Jahrhunderts Europa in seinen Grundmauern zu erschüttern 
drohten, brachen sich nicht an der Küste Javas. Schon im August 
desselben Jahres mussten die »Schutters« von Batayia ihre Heimath 
gegen 5 englische Kriegsschiffe yertheidigen, und im November 1806 
wurde die ganze holländische Flotte, welche aus 8 Kriegs- und 
20 Handelsschiffen bestand, von den Engländern erobert (nebstdem 
war im Jahre 1802 ein Aufruhr in Cheribon [Nord-Java] unter- 
drückt worden). Im Jahre 1808 hat der ebenso energische als 
itutokrate General Daendels, kaum in Indien angekommen, den bei- 
den Süzeränen Staaten Djocja und Solo die Ueberlegenheit der hol- 
ländischen Regierung fühlen lassen und das Reich Bantam (am 
22. November 1808) dem holländischen Reiche einverleibt, den alten 
Sultan nach Surabaja verbannt, seinen Sohn als besoldeten Sultan 
angestellt, die alte Königsstadt niederreissen lassen und Serang zur 
Hauptstadt des Landes ernannt. 

Als am 17. Februar 1811 die Einverleibung >) Hollands in den 
französischen Staat in Batavia bekannt wurde, trat die französische 
Republik als Gebieterin über Java und die übrigen Inseln des in- 
dischen Archipels auf, ohne sich länger als sieben Monate dieses 
Besitzes erfreuen zu können. Schon am 4. August 1811 landeten 
12000 Engländer unter dem General Auchmuty in Batavia, der 
französische General Jamsens wurde nach einigen unglücklichen 
Schlachten zur Capitulation gezwungen und übergab am 17. Sep- 
tember 1811 die Regierung in die Hände des Lieutenant-Gouverneurs 
Sir Stamford Raffles, als des Vertreters der »englischen Compagnie«, 
unter dem Protectorat der englischen Ejrone. Während dieses kurzen 
Interregnums von fünf Jahren wurde auch nominell das Sultanat 
von Bantam aufgehoben und zu einer gewöhnlichen Provinz (»Resi- 
dentie«) von Java ernannt, dasselbe geschah mit dem Reiche Cheri- 
bon. Auch eine Verschwörung im Reiche Surakarta, um die Eng- 
länder von Java zu vertreiben, wurde entdeckt und unterdrückt 
Am 19. August 1816 übernahm eine holländische Commission die 



^) Sie hatte bereits am 9. Jali 1810 stattgefunden. 



394 ^^ AnsiedelungeD der Europäer auf Java. 

Regierung Javas aus den Händen John Fendall's, des Nachfolgers 
Sir St. Raffles, und seit dieser Zeit weht die holländische Flagge 
nicht nur auf Java, sondern auch auf den übrigen Inseln des in- 
dischen Archipels, bis auf den heutigen Tag. Noch zahlreiche 
Kämpfe musste Holland um den Besitz von Java führen (der grosse 
Javakrieg dauerte vom Jahre 1825 — 1830). Noch zahlreiche Auf- 
stände, meistens von fanatischen Priestern angezettelt, musste es unter- 
drücken, bis es sich ungestört des Besitzes dieser herrlichen Insel 
erfreuen konnte. Tausende und abermal Tausende europäischer Sol- 
daten fielen in diesen Kämpfen durch das todbringende Blei oder 
unter den Schwertern und Lanzen der Javanen. Soch eine köst- 
liche Saat sprosste aus dem mit dem Blute dieser Europäer ge- 
düngten Boden: Ruhe und Frieden unter den zahlreichen Fürsten 
und Despoten dieser Insel und Sicherheit des Lebens und Eigen- 
thums der Eingeborenen. Der Bauer erntet die Frucht seiner Ar- 
beit, der europäische, chinesische und arabische Kaufioiann sendet 
ungestört die Schätze des Landes nach allen Theilen der Erde,^) 
und durch den Segen der europäischen Civilisation, unter der Lei- 
tung der holländischen B.egierung, wurde Java, um das Wort des 
Dichters Multatulli zu wiederholen, das Land, »welches sich wie 
ein Gürtel aus Smaragd um den Gleicher schlingtc. Slamat tanah 
Djawa! 



1) Im Jahre 1893 betrug z. B. die Ausfuhr nach Amerika 24215-538 Gul- 
den, nach Australien 5968*823 Gulden. Der Gesammtexport erreichte die Höh» 
von 191361-780 Gulden. 



Sach- und Namen-Register. 



Abattoir 213 
AbcndimterhaltuDgen 47 
Abenteuer 24 
Abfuhr der Fäcalien 202, 

316 
Abhärtung 4 
Abschiedsvisite 142 
Abschreckungstheorie 154 
Abstammung vom Hunde 

373 
Acacien 36, 198, 269 
Achteigallery 285 
Adhipatti 61 
Adjing tanah 81 
Aepfel 129 
Ahad 277 
Aida-Oper 26 
Akar ^ampakka 279 
Akar wangi 279 
Alaofir alang 140, 264 
Alcalische Säuerlinge 148 
AI caloid der Chinarinde 126 
Alfuren 158 
Aling-Aling 81 
Alter der Pferde 289 
Alpinia galanga 113 
Altstadt von Batavia 24 
„ „ Semärang 366 

n „ Surabaya 35 

Ambarawa 212 
Ammonium cardamomum 

113 
Amor auf dem- Schiffe 5 
Amoy 294 
Ampenan 329 
Ampiun 292 
Analphabeten 339 
Anciennität 216 
Andjomoro (Berg) 42 
Andropogon muricatus 279 
Aneurysma 312 
Angklong 120 
Anisodrilus camosus 113 
Anjer 97 

„ fluss 42 



Ankunft in Batavia 10 
Antiaris toxicarica 227 
Ansiedlung der Europäer 

377 ff. 
Anting-Anting 358 
Antipyrin 4, 240 
Aphrodisiacnm 247 
Apotheker 180 
Araber 27, 142 
Arabien 266 
Arak 187 

Arcadien von Java 362 
Arda wolika 168 
Ardjuno (Berg) 42 
Areca catechu 281 
Areng-Palme 36, 187 
Arimuko 118 
Armenpraxis 40« 149, 180, 

236 
Arsenal 16 

Artesisches Wasser 194, 366 
Artillerie 846 

„ -Schiessstätte 115 
Arts 53 

Assistent-Resident 143, 232 
Atjeh 34 

Atlantischer Ocean 4 
Auction 141 
Auctionsamt 147 
Auction von Büchern 209 
Audienz beim Unterkönig 

104 
Aufstände in Bantam 98 
Ausbruch des Krakatau 97 
y, „ Merapi 361 

Ausgestorbener Krater 186 
Aussenbesitzungen 52 
Aussterben der Büffel 84 
Australien 129 
Arimuko 118 



Babu 18, 278 
Baduwies 78 
Bagagetag 6 
Bagel^en 59, 220 
Bajaderen 169 
Bakker (Dr.) 190 
Bacterien 189 
Bactericide Sonuenstrahlem 

353 
Bacteriologisches Labora- 
torium 113 
Baleh-Baleh 87, 278 
BaU 20, 158, 328 
Bambus-Glockenspiel 120 

„ Häuser 315 

„ Steine 372 

„ Wunden 123 
Bami 363 
Banaspati 252 
Banda 159 
Bandong 114, 226 
Bandongan 311 
Bangsal Kentjana 175 
Banjir-Canal 367 
Banju-Biru 216 
Ba^jumas 241 
Bansal witana 175 
Bantam 59 

„ Kidul 61 

„ lamah 69 
Baracken aus Bambus 316 
BargüU (Dr.) 160 
Barmherzige Schwester 3 
Basalt 111 

Bataker (Pferde) 78, 158 
Batavia 11, 59, 367 

„ -Museum 137 
Batoro Guru 118 
Batu-Djadjar 114, 123 



B. 



Bäba 283 
Babad 157 
Babakan 222 



galiga 878 
Tulii ■ 



„ ^ Jis 108, 126, 136 
Batur 112 
Bauchtrank 349 
Baven 217 

Bouwmeester (General) 126 
Beamte 232 
Beamtengehalt 114 



396 



Sach- und Namen-Register. 



Bed^ja 114 
Bedak 279 
„Bediende«' 180 
Bedienten 92, 356 
Begegnung mit einem Tiger 

79 
Behandlung der Eingebore- 
nen 870 
„ der Fussgeschwüre 80 
„ „ Seekrankheit 4 
Beksos 117 
Bengawan-Fluss 148, 178, 

264 
Benzoe 278 
Bergbau 66 

„ Kanone 125 

„ Klima 264 

„ luft 127 
• „ See Nebel 148 
Ben-Ben 49, 188. 197 

„ kring 60 
Bemolot Moens 126 
Beschautag 141 
Beschriebener Stein 108 
Beser (Berg) 126 
Beeserungsanstalt 139 
Besuki 69 
Bezirksarzt 149 
Bezoarstein 372 
Bier 43 
Binnendyk 101 
Binnengallery 260, 284 
Biologie in den Tropen 112, 

271 
Birnen 129 
Bisna 278 

Bischof von Mauricastro 336 
BittersalequeUe 96, 111 
Bleeker (Dr.) 196, 278, 342 
Boc^ong 365 

j, Manick 96 
„ Bangku 96 
Bohnen 128 
Bojolali 266 
Bongkok (Berg) 78 
Borax 871 
Boreh 116. 170, 279 
Bosch, van den 214 

y, W. (Dr.) 189 
Botanischer Garten 106 
Both, Pieter 11 
Boycott 259 
Brandjanala 176 
Brandy 204, 261 
Brantas (Fluss) 42, 66 
Bras 199 

Brcng-Breng (Berg) 112 
Brille 176 



Bringin 373 

Broes van Dort (Dr.) 157, 

159 
Büchsen 208 
Buddha 326 
Büffel 72, 176 
Buitenzorg 72, 101 
Bukit Limbul (Berg) 110 
Buleleng 328 
Bumba Uchinkä 247 
Bnpatti 167 
Bura:, van der (Dr.) 87, 168, 

187, 240, 279, 343, 370, 

371 
Büi^erschulen 134 

„ kleidnng 229 

„ wehr 367 
Buru Budur 260, 326, 361 
Burung 121 
Bus de Ghisignies 20 

c. 

Oachot 161 
Gäsarinen 266 
Galcntta 189 
Gampement 216, 275 
Ganarie communis 226 
Ganton 189 
Gapellc 866 
Garyophyllum 113 
Gasino in Batavia 20, 23 

„ „ Surabaya 86 
Gatechu 281 
Gattam 198 
Gavallerie 846, 375 
Geylon 189 
Gervus Muntjac 90 
Ghavica siriboa 281 
Gh6 Jen 372 
Gheribon 59 
Gheyne-Stokes 84 
Ghina 189 

4 -anpflanzungen 126 

„ -rinde 126 
Ghinesische Behandlung der 
Diphtheritis 370 
„ Frauen 305 
Ghinesisches Jahr 293 
Ghinesische Givilisation 298 
„ Selbstmörder 298 
Schrift 294 
Pillen 296 
„ Gurpfuscher 870 
Ghinesisches Gewicht 290 
Ghinesische Möbelmacher 

288 
Ghinesisches Quartier in 

Buitenzorg 101 1 



Ghloralhydrat 4 
Gholera 50, 188 

„ bacillen 188, 193 

„ essenz 196 

„ phobie 181 

„ trank von Bleeker 
196 

y, bei Säufern 187 

„ in der Armee 196 
Ghristen auf Java 78 
Gicade 81 
Gicadeen 86 

Ginnamomum aromaticum 

113 
r, Sintok 118 

Gissampolos hirsule 351 
GitadeUe Prinz Frederik 115 

„ „ Hendrik 42 

GivUarzt 149 

„ praxis 180 
Gleghomia cymosa 247 
Gocain 4 
Gocosnussöl 279 
Gocospalme 86 
Golonisation der Europäer 

377 ff. 
„ „ Hindu 157 

Gombattant 352 
Gommabacillen 193 
Gommission 125 
Gommittirte 84 
Goncordia 40 
Goncrete pavement 198 
Gonduite-Liste 21, 183, 229 
„Gonferentiekamer'^ 38 
Gonserven 90, 210 
Gontrol-Liste der Pferde 2 19 
Gordon 79 

Goriandrum sativum 113 
Goromandel 188 
Gorso in Weltevreden 18 
Greditverhältnisse 304 
Greole 15, 129 
Greoline 196 
Groquetclub 322 
Gurcuma 113 

„ longa 282 

D. 

Dadap 111, 266 

Dalang 120 

Daen<&l8 (Marschall) 20, 59 

Daiaker 158 

Daiem 177, 264 

Damak 78 

Damar 211 

Dämmerung auf Java 110 



Sach- und Namen-Register. 



397 



Dampfschifffahrtsgesell- 
schaft 31 
„ tramway 366 

Danaergeschenk 38 

Danielsen (Dr.) 160 

Dani-Fiuss 102 

Dapur 351 

Datura 187 

Deckhengste 72, 106 
„ passagier 8 

„Declaratie" 126, 218 

„Deeleman Kar^ 25 

Deli 159 

Demak (Fluss) 213 

Deng-deng 69, 91 

Departement des Cultas 20 
„ der Finanzen 20 

„ „ Justiz 23 

„ des Krieges 20 

Deputation 173 

Dersono 56 

Desinfection 162 

Dessa = Dörfer 

Dianella montana 279 

Diät 38 

Diäten 125 

Dienggebirge 227, 376 

Dienstboten 355 

Diphtheritis 370 

Bjagong 200 

Djaka Dolog 36 

Djambugebirge 353 

Djamu 280 

Djamus 266 

DjaDgkrig 81, 121 

Djarakblätter 15 

Djati 157 
„ holz 206, 373 
„ Nangos 121 

Djelma dalem 82 
^ luwar 82 

Djeruk purut 351 

Djie töh 372 

Dj inten 113 

Djocja 59, 173, 219, 243, 
367, 378 

Djojo 355 

Djombang 57 

Djonkok 202 

I^umahad 277 

Djurang Djerok 264 

Doktor djawa 161, 196, 340 
„ der Wacht 306 
„ universae medicinae 
53 

Dolmetsch der javanischen 
Sprache 174 

Domine 275 



7) 

r> 



Donan (Fluss) 226 
Dörrpfanne für Thee 122 
Dos-k-Dos 25, 166 
Douwes Dekker 61, 68 
Drachenfliegen 121 

„ fluss 294 
Drainage 198 
Dressur der Pferde 73 
Duit 339 
Dukun 31, 301 
Dupa 278 

Dysenterie 260, 341 
Dysoxylum laxiflorum 278 

E. 

Ei 359 

Eichhorst 3 

Eigensinn der Pferde 78, 290 
Einfluss der Bergluft 127 
Eingeborene 142 

„ Beamte 233 

Eintheilung der Armee 346 
Einwohnerzahl der Insel 

Bavean 54 
der Insel Java 178 
Lombok 328 
Madura 54 
„ Prov. Bagel^en 

220 
„ „ Banjumas232 
„ Bantam 96 
„ Batavia 28 
„ Djocjakarta 

247 
„ Eedu 273 
„ Madiun 148 
„ Preanger 111 
„ Sem&rang364 
„ Snrabaya 55 
„ Surokartal79 
des Eraton von Djocja 

174 
„ von Batavia 27 
„ „ Djocja 286 
„ „ Magelang 333 
„ „ Purworedjo 220 
„ „ Salatiga 375 
yf „ Semärang 27 
„ Serang w 
„ Solo 177 
„ „ Surabaya 27 
Eisen 111 

Eisenbahnen auf Java 33, 146 
„ auf Sumatra 146 
Electricität in den Tropen 12 
Elend während einer Epi- 
demie 74 



n 

n n 

» n 
« 

n » 

» n 

n n 

n » 

n n 

n » 

» » 

n n 

» n 

n V 
n 



n 



Elephanten 137, 168 
„ 'berg 103 
Ellofluss 273 
Emoy-Ghinesen 
Empang 108 
Empfang beim Armeecom* 

mandant 16 
Empfangsabende 286 

„ Zimmer des Armee- 
commandanten 16 
Enclave von Solo 878 
Endemische Krankheit 194 
Endivien 128 
Endut (Berg) 96 
Engel Bey 158 
Entstehungsursache der 
Cholera 193 
„ der Dysenterie 341 
Eperies 182 

Epidemische Krankheit 194 
Erbpachtländer 57 
Erbsen 128 
Erdäpfel 90, 128 
,„ beeren 128 
n öl 148 
Eriodendron anfractuosum 

280 
Erkältung 87 
Emest Simon 376 
Erratische Blöcke 265, 361 
Erythrina indica 266 
Escamoteur 115 
Ethnographie 134 
Eucalyptus 198 
Ewiges Feuer 373 
Expedition in den Tropen 

347 
Export im Allgemeinen 393 
Export von Chinarinde 126 
„ Indigo 277 

„ „ Kaffee 267 

„ „ Schwalben- 
nestern 221 

„ „ Thee 122 

„ „ Zucker 392 

F. 

Fäcalien 202 
Fächerpalme 36 
Fälschung 185 
Fan Tsjhi 293 
Farbensee 136 
Famkräuter 248 
Fasanen 90 
Fatalismus 335 
Febris perniciosa 188 
Feigenblatt aus Silber 17 



398 



Sach- und Namen-Register. 



FeldbaUillon 346 

Fermentiren des Kaffees 266 

Feuchtigkeit der Luft 127 

Feuerwehr 867 

Ficus procera 278 

Fieber 216 

y, epidemie 68 
„ herd 217 

Fische 278 

Fiscus 56 

Flagge 6 

Fleischsorten 90 

Fliegen 193 

Fliegende Blätter 280 

Flöhe 95 

Flöte 120 

Fort Engelenburg 166, 265 
„ General van den Bosch 

161 
^ Nassau 11 
„ Ngawie 151 
„ Prinz von Oraiyo 366 
„ Rustenburg 174 
„ Vastenburg 177, 264 
„ WiUem I 139, 211 

Freimanrerloge in Batavia 

20 
„ in Semftrang 366 
^ „ Surabaya 36 

Friedmann 221 

Friesland (Dampfer) 1 

Frösche 81 

Früchte 129 

Frühstück 15 

Führer der Elephanten 167 

Fürstenländer 263 

Funmculosis 366, 372 

Gt. 

Gaba 199 

Gabel der Polizei 107 

Gadja 168 

„ berg 103 
Gadok 136 
Gaga dalem 373 
Galengan 200 
Gambmg 264 
Gamelang 120 
Gangangan 148 
Gans 168 

Garebegfest 166, 245 
Garnisonsdoctor 160, 266 
Grarduhäuschen 87, 366 
Garten von Java 277, 360 
Garuholz 279 
Gasbeleuchtung 44 
Gastfreundschaft 212, 241 



Gedebus 116 

Ged6h (Berg) 103, 110 

(^dong 44 

„ Guning 177 

Geer (Prof.) 289 

Gefahr des Opiumrauchens 
291 

Gegenfürsten 246 

Gehalt der Bedienten 358 
„ „ Fürsten 246 
„ des Gouvemeur^Ge- 

neral 236 
„ eines Oberarztes 40 
y, „ Regenten 114 
„ „ Regiroentsarztes 
235 

Geill (Dr.) 161 

Gekkö 11 

Gemeindevertretung 823 

Gemüse 128 

Genäschigkeit derDiener368 

Gendingan 268 

Geneng 166, 871 

Genietruppen 846 

Gensdarmen 224 

Genua 4 

Geographie der Insel Lom- 
bok 328 
„ der „Residentie** Ba- 

gelten 220 
„ f, ri Bantam 96 

„ „ „ Banjümas 

227 
„ „ „ Madiun 147 

„ „ „ Preanger 

110 
„ „ „ Surabaya 

66 
„ ^ „ Snrakarta 

264 

Gepäcktag 7 

Gerichtsbeamte 318 

Gerichtshöfe 319 

Gerichtspraxis 180 

Gewang 120 

Gewürze 113 

Gidoro 266 

Gigerl von Batavia 19 

Giran pohon 82 
„ serät 82 

Gladakker 203 

Glambong 241 

Glaspalast 109 

Gnaphalien 269 

Gold auf Java 111 
„ fische 374 

Gombong 222 

Gong 1^ 



Gouvernements-Bureau 20 

„ Passagier 34 

Grachten 40 
Granit 111 
Gras 219 
Grassi 94, 193 
Grüle 81, 121 
Griss^e 78, 129 
Grijs, de 296 
Grobak 73, 80, 289 
Gb-onemann (Dr.) 195, 362- 
Groot, de 293, 296 
Grosses Haus 20 
Grösster Platz der Welt 20 
Grotten 221, 227, 247, 265 
Grundwasser 194 
Gubuk 373 

Gulden, holländischer 212 
Guling 286 
Gundüc 177 
Guntur (Berg) 112 
Gunung Eentjana 70 

„ Wangi 221 
Gurken 128 

H. 

Haarlem (Insel) 9 

Hackung 41 

Hadat 172 

Hadji 115, 336 

Hafen von Tjilatjap 226 

„ „ Semärang 226, 
367 
Hahn 168 

Hahnenkämpfe 72, 121 
Haifische 24 
Halbeuropäer 241 
Half-cast 134 
Half-Chinesen 306 
Halimun (Berg) 110 
Homangku Buwana 183 
Handkuss 21 

„ langer 180, 309 
Hansen Armauer (Dr.) 160 
Hari Palng 277 
Hari-Tag 277 
Hasen 90 
Hassa Udin 69 
Hasskarl 102 

Häuptlinge der Chinesen 287 
Haus des Armee-Gomman- 

danten 16 
Haushälterinnen 62, 133 
Bausirer 28, 41, 349 
Haustoilette 14, 45, 248 

„ der Damen 249, 283 

„ Unterhaltung 46 



8ach- and Namen-Register. 



399 



Havolftar, Max 61 
Heiden auf Java 78, 340 
Heilige Krieg 3B8 
Heimchen 8 
Hengste 70 

Heredität der Lepra 160 
Herudot 342 
Herolde 168 
Herzogs-Allee 16 
Hibiscus 36 
Hi^mtak 372 
Hieroglyphen 2^ 
Hilfso£ficier der Justiz 269 
Hindostan 167, 189 
Hindudienst 251 
Hinterlader 224 
Hippokrates 342 
Hirsch (Prof.) 167 
Hirsche 90 

Hirundo csculenta 247 
Hochebene von Bandong 114 
„ „ TjandjurlU 

Hofceremoniell 173 
Hofdamen 168 
Höhe der javanischen Pferde 

62 
Hok-ho Chinesen 294 

„ ka ^ 294 

Hölle Javas 257 
Höllensaft 292 
Holzciavier 120 

„ Schnitzereien 176 
Hoorn (Insel) 9 
Hotel Java 11 

„ Jungfemheim 265 

„ Kedu 276 

„ Pavillon 365 

„ Taman 374 

„ Tugu 244, 274 

„ Wynveldt 35 
Hon 290 
Hunde 177 
Hungertyphus 69 

„ in Bantam 82 

Huri 119 
Hüte 49 
Hylobates leuciscus 81 

„ syndactylus 124 

Hypacidität des Magens 113 
Hyperacidität „ „ 112 



I. 

Ideen 68 
Ikan kaju 278 
,, sep&t 278 
Illustration 208 
Imagiri 247 



n 



w 



n 



Impfungen der Lepra 160 
Import von Opium 202 
Incubation der Lepra 160 
Indifferentismus 112, 335 
Indigo 57, 247, 277 
„Indisch Taubsein" 367 
Indrukken van den dag 68 
Ingwer 113 
Insel Alkmaer 9 
,, Amboina 159 
,, Amsterdam 9 
,, Bali 158, 328 
„ Banka 159 
„ Bavean 54 
„ Biliton 159 
„ Celebes 73, 159 
y, Edam 9 
„ Haarlem 9 
„ Hoorn 9 
„ Java 54 
Kelupa 82 
Eembangan 227 
Krakatau 9, 97 
Lombok 158, 328, 355 
Madnra 54 
Morano 159 
Ngamuk 10 
Ontong Djawa 10 
Panattan 97 
Pinang 189 
Rotti 73 
Sandclwood 73 
Sawu 73 
Sumatra 9, 158 
Sombawa 73 
Temate 159 
„ Timor 73 
„ Tjindjil 82 
Inspection 184 
Inspector 150 
Irrenanstalt in Buitcnzorg 
108 
in Surabaya 36 
in Semärang 366 
Ismanggung 130 

J. 

Jacobson 121 
Jagd auf Bhinocerosse 29 
Janus Tulp 321 
Japara 59 

Jasminiom Sambok 278 
Javabode 150, 322 
Javane 55, 213 
Javanische Holzschnitze- 
reien 176 
Pferde 72 



n 



« 



» 



Javanische Kunst 327 
„ Sagenwelt 167 
„ Schönheitsmittel 281 
„ Sprache 355 

Javasee 264 

Jin tchong pe 372 

Jodium 96, 111 

Jodiumquelle 56 

Journalistik 322 

Juden 134, 334 

Junghuhn 126, 362 

Justus von Maurik 321 



E. 

Kabaya 14, 248, 283 
Kabumen 222 
Kabup&tten 163, 260 
Kaempheria galanga 118 
Kaffee 57, 266 
Kaffeehaus 128 
Kähar sewa 116 
Kaiser von Solo 169, 244 
Kaju garu 278 
„ manis 113 

putiöl 279 

tjindana 278 
Kakaling 82 
Kakeriaken 372 
Kalang 373 
Kalason 251 
Kalbfleisch 90 
Kali = Fluss 

Bening 251, 348 



r> 



n 



l Mas 40, 78 

„ Osso 225 

„ taman 374 
Kalk 111 
Kalong 90 
Kampfer 371 
Kampong = Dorf 
„ Ampel 41 
KanaDga wangie 279 
Kanarienb&ume 225 
Kanarienharz 278 
Kanarienvögel 60, 244 
Kandang Badak 102 

Wesi 111 
Kanone von Krupp 114 
Kantjana (Berg) 114, 340 
Kantschil 90 
Kaolin 111 
Kapinango 278 
Kapok 180, 247 
Kapol 113 
Kaputren 177 
Karang 112 



400 



Sach- nnd Namen-Register. 



Karang bolang 221 
„ trötös 248 

Karbouwen 90, 175 
„ weisse 90 

Kariasura 265 

Kartenspiel 47, 247 

Käse 263 

Kassowits 871 

Katholiken 385 

Kean Ansantang 110 

Kedal 161 

Kedih 59 

Kedong Djatti 139, 378 
Kebo 221 

Kedu 59. 274, 363 

Kedner Pferde 72, 288 

Kelan 199 

Kelor 113 

Kelat 269 

Kemis 277 

Kendeng 42 

Kendil 213 

Kentering 372 

Kentjur 113 

Ketumbar 113 

„ Ser^ 113 

Kiai Dadop 79 

Kidang 90, 168 

Kimerok 251 

Kimlo 363 

Kindersee 201, 227 

Kirche, armenianische 20 
„ chinesische 275 
„ katholische 16, 275 
„ protestantische 20 

Kirchkasse 159 

Kirchhof der Europäer 275 
„ „ Chinesen 305 

Klatten 155, 265 

Klappermilch 91 

Kletstafel 35, 260 

Klima 111, 216, 238 

Klimaschiessen 248 

Klingalesen 115 

Kliwon 277 

Klontongs 349 

Kloster der Franziskaner 366 

Koch (Prof.) 94, 201, 239, 
242 

Koen, J. F. van 18 

Koffer 7 

„Koffiecultur" 267 

Kohlen 96, 111 

Kond^ 45, 116 

Kon-fu-tse 298 

König von Siam 137, 309 

Königsplatz 16, 20 

Königstiger 71 



Kopgäger 39 

Kopfsteine der Chinesen 303 

Kossong 41 

Kramas 278 

Kranggan 362 

Krankenliste 37 

Krankens&le 51 

Kraton zu Djocja 175, 244 

„ „ Solo 264 
Kraut 128 
Krawang 59 
Kriegsgericht 186 
Kris 176, 358 
Kroja 242 
Krok 31 

Krokodile 10, 24, 166 
Kromo-Sprache 355 
Krygsraad 186 
Kudang 284 
Kunst in Indien 25 
Kupang 213 
Kurang a4jar 137 
Kutang 249 

L. 

Labäk 59, 61 
Laboratorium 113 
Lada 113 
Ladang 199 
Lakkaholz 279 
Lamong^n 42 
Lancior 165 
Landbau 68 
Landeskasse 20 
Landes-Santtatschef 149 
Landherren 246 
Laternenfest 295 
Laudanum 182 
Lawsonia alba 279 
Lawu(Ber^) 189,148,178,264 
Lawang (Berg) 221 
Lebensgefahr 85 
Leber 132 

„ abscesse 341 
Legi 277 

Legionen des Kaisers von 
Solo 175 
„ des Sultans von 
Djocja 175 
Leibwache 167, 244 
Leistung der javanischen 

Pferde 74 
Leitje 205 
Lembang 112, 362 
Lemo (Berg) 136 
Lepra 157, 375 

y, in der Armee 158 
Leproserien 162 



Lerchen 90 
Lesegesellschaft 207 
Leuchtkäfer 81 
L'hombre 168, 247 
Li 290 

Lianen 265, 345 
liang Dynastie 157 
Li koan-Ian 296 
Locomotief 52, 205, 322 
Löffler'scher Bacillus 371 
Loge in Surabaja 36 
Lombok 113, 355, 328 
Loro Djongrang 253 
Losari 213 
Luftcurorte 243, 375 
Lufifenhaftigkeit der Be- 
dienten 357 
Lumbung 253 

H. 

Madat 292 

Madiun 59, 189, 147 

Madjapahit 36, 57 

Madras 189 

Madura 54, 59 

Maduresen 55, 188 

Magang 130 

Magelang 72, 114, 139, 258, 

275, 305 
Magensäure 112. 198 
Mahomc daner 335 
Mahomedanische Religions- 

schulen 338 
Main dädu 350 
Mais 200 

Major der Chinesen 48 
Makassar 55 

^ Pferde 73 
Malacca 81 189 
Malang 114 
Malaria 94, 188, 237 

„ chronische 235 
Malaye 55, 60 
Malayische Kinder 18 
Malayisches Winken 21 
Malik Ibrahim 78 
Malimping 71, 77 
Malpropertät 156 
Mandalangi (Berg) 111 
Mangel an Aerzten 365, 376 
Mangko Negoro 177 
Manjutan (l^rg) 148 
Mautja-nogara 220 
Maos 226, 241 
Marine -Etablissement 42 
Marionetten 114 

„ theater 114 
Marmor 111 



Sach- und Namen-Register. 



401 



Marodencimmer 179, 228 
Marschbefehl 387 
Marscbtag 340 
Marseille 4 
Martavanen 247 
Masern 239 
Masseuse 31 
Mataram 329, 365 
Matjaan 247 
Matjan tutul 79 
Maulesel 364 
Mauritius 190 
Mausoleum 69 
Max Havelaar 61 
Medicin der Chinesen 295 
Medono 349, 853 
Meerbusen von Bantam 69 
Meeresleuchten 2 
Menado 34 

Mendut 253, 274, 325 
Menjang 278 

„ merra 278 
Menschenrechte der Javanen 

68 
Merang 278 
Merapi (Berg) 213, 264, 361, 

374 
Merbabu (Berg) 213, 264, 

374, 376 
Messagerie maritime 4 
Mesnenbäume 287 
Meteorologisches Obser- 
vatorium 25 
Meuterei 224 
Miethwagen 288 
Milchsahn des Rhinoceros 

30 
Militär-Abtheilunffen 114 

„ Aerzte 51, 125, 230 

„ Hygiene 353 

„ Spital zu Batavia 16 

„ „ „ Magelang 

306 
„ „ Ngawie 179 

„ „ „ Pel&ntungan 

875 

n „ „ Semirang 

„ „ „ Surabaja 35 
, „ T5ilayap 228 
Millionenstudien 68 
Mineralquellen 111 
Ming-Dynastie 157 
Minggu 277 
Minnebrieven 68 
Minusops Elengi 279 
Miring-Fluss 42 
Mischrassen 133 



Mischehen 130 
Missbrauch des Opiums 291 
Missigit 175 
Mission für christlich-refor- 

mirte Kirche 27 
Mittagsschläfchen 16, 43 
Mittelstand 41 
Modderlust 35 
Modedame 19 
Moderne Domine 834 
Modin 336 
Mocyokerto 56 
Modokarsi 42 
Mof 21 

Mofette 111, 227, 264 
Mofrica 26 

Mohamad Tsaflnd-din 98 
Mohren 340 
Molenvliet 24, 138 
Monikendam (Insel) 9 
Monsum 372 
Moorwellen 111 
Moos 248 
Morbidität 216 
Mörderallee 277 
Morphin 4 
Moiphiophagen 291 
Morynga pterygosperma 

113 
Moschus 90, 872 
Mosqoitos 94, 193, 239, 242, 

367 
Moschee in Magolang 275 

„ „ Surabaya 40 

Muara Teweh 38, 158 
Multatuli 68 
Muntilan 274, 325 
Musang 266 
Museum 20, 137 
Mutter Spandermann 11 
Myristica fragrans 113 

„ iners 279 
Myrrhe 278 

N. 

Nachleser 208 

Nächte in den Tropen 107 

Nachthose 14 

Nassi 199 

y, Koreng 15 
Nebel (See) 148 
Nepentes 36 
Nepotismus in der Armee 

215 
Neve, van (General) 18 
New York 362 
NgabduV-Rahmann 168, 

173 



Breite nttt in, Sl Jahre in Indien n. 



Ngampel 41 
Ngawen (Fluss) 42 
Ngawie 140, 255 
Ngesis 292 
Ngoko-Sprache 356 
Ngrämbe 267 
Nu>wana 292 
Niu-hoang 372 
Njai 52, 138, 832 
Nonna 19, 44, 129, 241 
Noordwyk 23, 138 
Nnces (^uerci infectoriae 287 

0. 

Obat sakit parut 196 
Obors 79 

Ocimum graüssimum 351 
Officiere der Eingeborenen 

Oghio 361 
Opiumrauchen 290 

„ monopol 245 
Oppas 77 
Opasser 309 
Orang-baru 11, 23 

„ Käpir 81 
Orchideen 36 
Ordonanz 358 
Orientalen 27, 66, 244 
Oryza 199 
Osso (Fluss) 225 
Osteomalacie 267 
Ostmonsum 372 
Over vryen arbeid 68 

P. 

Paal 166 

Fablinffan 264 

Packeliahrtgesellschaft 38 

Padalarang 114 

Padang 9 

Paddi 199 

Padja^jaran 110 

Pagelöen 221 

Paing 277 

Pajong 45, 60, 116, 176, 841 

P%jung (Beif) 96 

Pakaraman 227 

Paku Buwana 221 

Pala 113 

Palast aus Glas 109 

„ des Unterköniffs 104 
Panata-gama 168, 173 
Pandan (Fluss) 96 
Pandanus odoratiasimus 279, 

282 

26 



402 



Sach- uud Namen-Register. 



Pandeglang 70 
Pandjang 213 
Pangasah kokolot 82 
Pangeran 169, 247 
Pangerango (Berg) 103 
Pang 8ha 371 
Panther 79 
Panton 19, 120, 181 
Papeda Rumplin 361 
Paprica 113 
P4raan 362 

ParadoxuruB Musanga 266 
Parkia Africana 113 
ParoD 189, 166, 179, 212 
Pasar 278 

„ Baru 188 
Pasaruan 59, 78. 114, 385 
Pastor Verbaak 385 
Pate de foie gras 90 
Patjar kuka 279 
Paljet (Berg) 126 
Patti 115, 163 
Patua (Berg) 112 
Patuk Pakis 265 
Pauken 120 
Pavillonsystem 306 
Pekalongan 59 
Peking 189 
Peksi gruda 168 
PeUntungan 158, 375 
Penanggungan 42 
Pendoppo 116, 175 
Pendrian 366 
Pengalengan 112 
Pepe-Pluss 42, 178, 264 
Pengien-Fluss 42 
Periplaneta orientalis 372 
Perlen 372 
Pesanggrähan 140 
Pet^ 113 
Petersilie 128 
Petroleum 56, 111 

„ lampe 178 
Pfahlbauten 201, 227 
Pfandleihanstalt 358 
Pfeffer 113 
Pfeifer 176 
Pfeiffer, Ida 10 
Pferde 72, 115, 288 

„ -Fourage 40 
Pfirsiche 128 
Pflanzendune 180 
Phenacetin 4 
Philippe 29 
Pidjet 31 
Picknick 211 
Piek von Lombok 328 
Pikol 114 



Pikolpferde 289 
Pinangnuss 281 
Pingit 353 
Ping piän 871 
Pisang 15 
Pishalte 348 
Plantage 56, 247 ' 
Plasmodien 189 
Pleret 247 
Pogostemon 279 
Polisei 25, 68 

„ arzt 149 

,. Soldaten 223 
Polonaise 47 
Polygamie 130 
Pon 277 

Pontang (Fluss) 96 
Pontjol 366 
Porong (Fluss) 42 
Porphyr 111 
Porte d^Entree der Lepra 

160 
Portugiesen 81 
Postamt 25 
Prabajassa 177 
Prabu Djaja Baja 157 
Pradjurit 223 
Präcor dialangst 182, 193 
Praguman 378 
Prahu (Bei^) 376 
Prambänan 249 
Prang sabib 338 
Präsentkäse 263 
Preanger 59 
Preis des Chinin 104 
Pringsurat 340, 349 
Privatbahnen 33 
guter 57 
Praxis 236 
Probolingo 59, 78 
Pk'ogo (Fluss) 278, 362 
Protestanten 334 
Prophylaxis der Cholera 197 
„ der Dysenterie 344 
„ „ Lepra 161 
Provinz vide Residentie 
Prüfungen der Aerzte 52 
Prügelstrafe 154 
Pteropus edulis 90 
Puasa 838 
Pulu vide Insel 
Pulverfabrik 139 
Pulvirenti 94 
Puntjak 136 
Purworedjo 220 
Pylorus 253 
Pyrotechnische Werkstätte 

42 



I« 



I» 



Quartieigeld für Oberarzte 
40 
, , für Regimentsärzte 235 

Quecksilber bei den Chi- 
nesen 295 

K. 

R&den Djambu 221 
„ Riu;hmat 41 
Radja 54 

„ Mantri 110 
Raksassa 158 
Randosari 367 
Rangklasse der Spitäler 179 

„ unterschiede 261 
Bankas Betone 68 
Rapatholz 247 
Rasse 278 
Rathhaus 25 
Ratu Loro Eidul 247 
Raubbau 362 
Rawa 197 

„ Pening 213 
Rebab 118 
Rebu 277 
„Rekenkamer" 218 
Reconvalescentenspital zu 
BatuTulis 108 
zu Sindanglaya 113 
„ Sukabum 112 
„ „ Unarang 375 
Recueil 37 

Regenmenge auf Java 100, 
198 
in Buitenzorg 198 
„ Magelang 198 
„ Ngawie 198 
„ ISUatjap 198 
Regierungsprincip 233 
Reh 121, 168 
Reibereien in kleinen 

Städten 859 
„ unter Beamten 317 
Reichsverweser 167 
Reinwardt (Prof.) 102, 121, 

189 
Reis 57, 199 
„ falder 199 
„ Vögel 867 
Reise nach Europa 364 
Religionen 334 
Reorganisation der Armee 

215 
Resident 149 

„ schritt 310 



»> 



»» 






»» 



}) 



Saeh- und Namen-Regiater. 



403 



}| 



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II 



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I» 



»» 



I» 



j> 



Residenüe Bageläen 148, 
220, 267 
Biu^iima8232,a67 
Bantam 267 
B&tavia 

Djocjocarta 361 
Kedu 59, 267, 

278, 368 
Madirni 147, 264 
Pasaruan 335 
Preanger 59, 267 
Rembang 148, 

157, 264 
Sem&rang 261, 

364 
Sarokarta59, 155, 
178, 263, 361 

Rhaden Saloh 327 

Biiinoceros 29 

r, horn 30 

BicinuBÖl 105, 112 

Rinder 73 

Rindfleisch 90 

Riolen 202 

Riouw 159 

Rollen der Schiffe 2 

Ronggens 116 

Rothe Brücke 40 

Rothfarben der Nägel 180 

Rotterdam (Ineel) 9 

Rozeboom 214 

Rüben, rothe 128 

Raderclub 27 

Rnnde 306 

Ruyther, Dr. 310 

. s. 

Sabbatarier 882 
SagueruB sacchariferuB 187 
Said Rakidin 78 
Sajidin 168, 173 
Salak (Berg) 103 
Salam 274 
Salaman 277 
Salämatan 336 
Salatiga 373 
Salindang 116 
Salinen 111 
Salpetergruben 56 
Salzsaure 112, 204 
Sanatorien 112 
Sandhose 140 
Sanggabuwana (Berg) 110 
Sangkapura 54 
Sanitatschef 16 
Santen 118, 350 
Santonina 105 



Sardellen 90 
Sardinen 90 
Sarg der Chinesen 305 
Sarong 249, 283 

„ burung 221 
Sas&te 351 
Sassak 328 

Sauds de Boulogne 90 
Säuglinge 3 
Saugwasser 7 

Säuregehalt des Magens 113 
Sawa 195 
Sawiuig galing 168 
Scepasma buxifolia ^81 
Schafe 90 

Schattenspender 266 
Scheikh Abdul Kadir 115 
Scheinpotentaten 245 
Scheube 341 
Schiefertafel 205 
Schiessclub 27 
Schiffsbad 141 
Schimmel 128 
Schinken 90 
Schlammwelle 96 
Schlangen 166 
Schlossplatz 140, 264 
Schmuggeln von Opium 292 
Schout 359 
Schulen 16, 134 
Schulze 25, 72, 339 
Schuttery 368 

„ fonds 369 
Schwalbennesterhöhle 178, 

221, 247, 265 
Schwarzfarben der Zähne 

281 
Schwarzwurzel 128 
Schwefel 111 
Schweine 90 
Section einer Choleraleiche 

192 
Se4j&ng 349 
Seekrankheit 1 
Seffaraweddi 227 
Selassa 277 
Sellerie 128 

Sem&rang 59, 190, 364, 372 
Semb&h 169 
Semelink (Dr.) 187 
Seminar 16 
Senapati ing ngalaga 168, 

173 
Sendäng 148 
Sen^n 277 
Senf 113 
Senkgruben 202 
S^ptu 277 



Serang 60, 69 

Serenaide auf dem Schiffe 7 

Serimpi 169 

Sesamöl 279 

Setjtog 362 

Sewu 253 

Siamang 124 

Sideh Mohamad 78 

Sidoan^o 44, 57 

Simaruba 259 

Sindaüg-laya 113, 127 

Sindoro 278, 362, 376 

Singapore 376 

Singcicade 81 

Sinju 19, 129, 241 

Sintok 113 

Siong goän 295 

Siram 141 

Sirihkauen 281 

„ schale 281 
Sitinggil 264 
Sitz der Gefühle 130 
Siwa 188, 221, 253 
Sluisbrücke 15 
Smeru 269 
Snouk Hurgronje 147 
Solanum verbascifolium 281 
Soldatenfrauen 332 
„ kinder 260 
„• freunde 332 
Solfatoren 227 
Solo 139, 263, 367, 373 

„ fluss 42, 148, 178, 264 
Sonnenblumen 198 

„ schirme 168, 277 
Späth 111 

Spaziergang im Regen 88 
Spiegel 12 
Spiele der Javanen 
Spinat 128 
Spital für Eingeborene 25 

„ „ Chinesen 25 

„ behandlang für Ofß- 
ciere 257 

» weg 16 
SpukhauB 101 
Spurweite der Eisenbahnen 

33, 139 
Sragen 139 
Sri Menganti 175 
Staatsbahnen 88 
Stab der Cavallerie 375 
Stabsmusik 18 
Stacheldraht 311 
Stachelstange 86 
Stadthaus 25, 366 
Stalaktiten 222, 247 
Stamford Raffles 105 

26» 



404 



Sftoh- and Namea-Beg^ier. 



Stampfen des Schiffes 2 
Stand der Armee 195 
Stang^e 278 
Starrsinn der Pferde 290 
Statistik der Lepra 162 
Steeden, van 130 
Steinbergen 197 
Steuer für Einäugige 221 

„ „ Waden 221 
Steueramt 20 
Sticker (Dr.) 161 
Stockfisch 278 
Stockschläge 150 
Stomatitis crouposa 371 
StrafansuJt Ngawie 139 
Sträflinge 180, 321 
Strasse von Sunda 9 
Strassenbeleuchtung 44 
Streitigkeiten 360 
Strohhüte 59 
Sukabumi 111 
Snlassifrucht 351 
Suling 120 
Sultan Ageng 247 
Sultanat von Djocja 244 
Sultanin von Djocja 177 
Sumbing (Berg) 273, 862, 

376 
Sumedang 121 
Sümpfe 197 
Sundanesen 55, 59 

„ frauen 136 
Superarbitrirungscom- 

mission 255 
Surabaja 35, 195 
Surakarta 59, 139, 263 
Susuhunan 41, 167, 245 
Sylvesternacht 163 
SyphUis 375 

T. 

Tabak 57 
TaU 290 

Tamarindenbaum 113 
Tambour 176 
Tambourin 120 
Tampat ludah 281 
Tanah-bang 138 

,, Sereal 106 
Tandaken 160 

„ mädchen 170 
Tandes 78 
Tandjong 279 
Tanjong Priok 197 
Tan-fan 371 
Tangerang 59 
Tankuban Prahu 110 



Tan-seng 872 
Tanzen 262 

Tanzen der Javaneu 116 
Tänzerinnen 114 
Tapafluss 54 
Tapotement 31 
Tassik malaya 112 
Tatelahan 81 
Tater 281 
Taubheit 857 

Tauschhandel im Spital 312 
Tausend Inseln 9 

„ Tempel 251 
Tay-Ka-Toi 372 
Tebäsan 221 

Tectonia grandis 206, 373 
Telaga bodas 110 

Warna 136 
Telephon 115 
Telok Betong 33 
Telomojo (Berg) 213, 272, 

386 
Temanggung 290, 349, 362 
Tempel 134, 249 
Tengergebirge 78, 331 
Teppiche 169 
Teysman 102 
Thalia 820 
Theater 118 

„ director 320 
gesellschaft 320 
Thee 121 

„ plantagen 121 
Thiergarten zu Solo 265 
Tidar 275 
T^er 71, 166 

„ gefechte 121 
Tinggi 54 
Tin-sjong 247 
Tizzoni 193 
Tjtki Duwejan 91 
Tjakra Negara 329, 840 
Tjandi 251 
TJandjur 114 
Tjemarabaum 269 
Tjenkö 113 
Tii 290 
Iji-apus (Ber^) 103 

„ balang 112 

„ barenoh 96 

„ beo 82 

„ berem 102 

„ bodas 102, 127 

„ dani 102 
kandi 84, 96 
ilir 59 
„ udik 59 

„ kan^kes 82 



»I 



)i 



II 



Tji-komoh 108 

„ langap 85 

„ laljap 33, 197, 217, 241 

„ leles 70. 77 

„ ligon 23 

„ ma4jah 112 

„ manok 96 

„ omas 108 

„ panas 102, 127 

„ panimbang 96 

„ samodor 82 

„ walini 112 
l^ien-tju 372 
„ tjau 351 
IJu-s^h 371 
Todtenthal 227 
Toko 138, 222 
ToUetbaracken 314 
Tonnensystem 316 
Topeng 120 
Toro 60 
Totok 26 

Toumiere 114, 121 
Trachitstein 265, 361, 376 
Tramway 23 
Transferirung 34, 218 
Trassi 278 
Treppensteigen 239 
Treub (Prof.) 101 
Trichopus trichopteruB 278 
Trinkgelder 21 

„ wasser 194, 216, 240, 
343 
Trommel 26 

Tropfsteinhöhle 227, 248 
Tsäp gow mdng-Fest 294 
Tschou houang 372 
Tsee houang 371 
Tuban 42 
Tukang pidjit 31 
Tukung (Berg) 96 
Tuku Umar 346 
Tumenggung 167 
Tuntang 213, 373, 375 
Turnschule 27 

„ vereine 27 
Tnwak 187 
Tytler 193 

u. 

Ueberschwemmungs-Canal 

367 
Uncaria gambir 281 
Ungarang 212, 874 
Unglücksfälle durch Thiez« 

166 
Uniform der Militärärzte 231 



Sach- und Namen*Begi8ter. 



406 



Uniform der Prac^urits 234 
„ Schuttery 368 
üpasbaum 227 
Urat sola 82 

Urlaub nach Buropa 364 
Unit 31 
Uyaria odorata 279 

y. 

y^cinateur 150, 161 
Yacoinestoff 260 
Valentyn 159 
VaniUe 113 
Vendutie 142 

„ accept 147 
VerbannungBort 287 
Verbreitung des Islam 78 
Vereine in Batavia 26, 27 
Verein der surabayischen 

Zuckerfabrikanten 56 
Vemftungsfalle 96 
Verhexen 360 
Verpflegsgebuhren 255 
Vertheidigungsschrift 186 
Vertheid^ung yon Java 214 
Veth 157, 213, 227, 247, 

251, 853, 325, 373 
Vetter 328 
Vibration 31 
Viehpest 68, 83 

„ zucht 68 
Violine 118 
Virchow 160, 193 
Vivres 39 
Vogel 168 
Vogelnester 56, 245 
Volksschulen 134, 389 
Vordermann (Dr.) 371 



Vorkinder 134 
Vorschuss 218, 358 
Vorstenschool 68 
Vulcan Bromo 79 
S^arang 96 
Lawu 270 
Merapi 161 



t» 



91 



I» 



?» 



I» 



»♦ 



w. 

Wachtel 121 

Wachthäuschen 87, 107 

Wageh 277 

Wajang gohlek 120 
Eulit 119 
Orang 118, 265 
tjina 119 

WaUkukung 265 

Wanakarta 112 

Wanakrama 36 

Waringinbaum 36, 140 

Warme Quellen 96, 148, 
222, 264 

Wasser 194, 216 

Waterlooplatz 16 
„ säule 16 

Wechsel der Dienstboten 
359 

Wedono 78 

Wege der Fama 206 

Weintrauben 129 

Weisse Röcke 232 
y, Uniform 368 

Welirang 42 

Wellisgebirge 269 

Weltevreden 15, 113 

Westmonsum 872 

Wettrennen 72, 106, 320 

Whisky 261 



Whist 168 
Wi4jen-Oel 279 
Wiel, van der 371 
Wiener Möbel 16 
Willem I 139, 211 
WUlisberg 148 
Wildschweine 90 
Winken der Malayen 21 
Wirogomo 214 
Wohnungen der Europaer 

Wollbaum 180 
Wucherer 304 
Wunderoi 115 * 
Würfelspiel 350 
Würste 90 

z. 

Zahlmeister 218 
Zähne der Pferde 289 

„ „ Malayen 18, 281 
Zauberer 295 
Zibeth 278 
Ziegen 90 
Ziehbrunnen 284 
Ziekenvader 306 
Ziekenzaal 228 
Zinkblech im Xoffer 7 
Zinn 111 

Zoologischer Garten in B*- 
tavia 188 

„ Garten in Solo 266 
Zuckerfabriken 57 

„ plantagen 57 
Zulagen eines Militärärzte! 

285 
Zwiebeln 113 



Inhaltsverzeichniss *) 

des 1. Bandes »Borneo« yon Breitenstein, 21 Jahre in Indien. 



I 



Vorwort V 

I. Capital. Rassen auf Bomeo: Olo-Ott, Dajaker u. s. w. — Heise von 
Surabaya nach Bandjermasing — Insel Madura und Bawean 

— DuBsonfluss — Mosquitos — Oedipussage auf Bomeo — 
Danaus -Seen — Antassan — Rother Hund (eine Haut- 
krankheit) 1 

2. Capitel. Pesanggrähan = Passantenhaus — Ausflug nach der Affen- 

insel — Aberglaube der Eingeborenen — Reise nach Teweh 

— Ein chinesisches Schiff im Innern Bomeos — Trinkwasser 

in Indien — Eis — Mineralwässer IS 

3. Capitel. Amethysten- Verein — Alcohol — Gandruwo, eine Spukge- 

schichte — Polypragmasie der jungen Aerzte — Verpflegung 
in einem Fort — Unselbständigkeit der Militärärzte — Ma- 
layische Sprache — Vergiftung mit Chloralhydrat und Arsenik 

— Krankenwärter und Sträflinge — Amoklaufen — Erste 
Praxis unter den Diyakem — Schwanzmenschen 24 

4. Capitel. Pischschuppen-Krankheit — Tigerschlange — Schlangenbe- 

schwörer — Gibbon — Kentering — Beri-Beri — Simulanten 
beim Militär — Mohammedanisches Neigahr — Tochter von 
Mangkosari — KopQagd — Pfeilgift — Genesungsfest — 

Gesundes Essen — Früchte — Indische Haustoilette — 
« 

Wüthende Haushälterin — Dysenterie — Gewissenlose Be- 
amte — Missionare 45 

5. Capitel. Fort Buntok — Orang-Utang — Operationen — Prostituö bei 

den Affen — Darwinisten — Indische Häuser — Möbelfabri- 
kanten — Französische Mode — Gefahrliche Obstbäume — 
Einrichtung der Häuser — Dajakische Häuser — Götzenbilder 

— Tuwak oder Palm wein — Wittwen stand der Dajaker — 
Opfern der Sclaven — Todtenfest 8S 

6. Capitel. Ameisen und Termiten in den Wohnungen — Verderben der 

Speisevorräthe — Milch-Ernährung der Säuglinge — Aborte 
TJebok — Transpiration in den Tropen — Baden — Siram = 
Schiffsbad — Antimilitärischer Geist der Holländer — Das 
Ausmorden der Bemannung des Kriegsschiffes „Onrust", voA 
den Dajakern erzählt IIS 



*) Zur Orientirung in den bereits besprochenen Fragen der Tropenhygiene 



dürfte eine Wiederholung dieses Inhaltsverzeichnisses vielen Lesern vielleicht 
nicht unwillkommen sein. Der Verleger.