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Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

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JAHRESBERICHT 

über 

die  Fortschritte  der  classisctien 

Alterthumswissenschaft 

herausgegeben 
von 

Conrad  Bursian, 

^  ord.  öffentl.  Prof.  der  claffifchen  Philologie  an  der  Universität  München. 

A c li t u  11  d z  w a n  z i  ii: s t e r    Band. 


Neunter  Jahrgang.    1881. 

Dritte  Abtheilung. 

ALTERTHUMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Abtheilungen. 


BERLIN    1883. 

VERLAG  VON  S.  CALVARV  &  CO. 
W.  Unter  den  Linden    17. 


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Inhalts  -  Verzeichniss 

des  achtundzwanzigsten  Bandes. 


Seite 

Bericht  über  die  Geschichte  und  Encyclopädie  der  classi- 
schen  Alterthumswissenschaft  von  Prof  Dr.  C.  Bur- 
sian  in  München.     (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Berichte  über  Palaeographie  von  Prof.  A.  Reifferscheid 
in  Breslau.    (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  alten  Geographie 
und  die  Literatui-  zu  den  alten  Geographen  vom  Gym- 
nasiallehrer Dr.  C.  Frick  in  Höxter.  (Folgt  im  nächsten  Jahrg.) 

Jahresbericht  über  die  Geographie  und  Topographie 
von  Kleinasien  und  den  griechischen  Inseln  von 
Dr.  R.  Menadier  in  Braunschweig.  (Folgt  im  nächsten  Jahrg.) 

Bericht  über  die  Topographie  von  Attika  von  Ober- 
lehrer Dr.  Ch.  Beiger  in  Berlin.    (Folgt  im  nächsten  Jahrg.) 

Bericht   über   die   Geographie   und   Topographie  des 
übrigen  Griechenland  von   Dr.  R.  Weil  in  Berlin. 
(Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Jahresbericht  über  Geographie  und  Topographie  von 
Unter-Itahen  und  Sicilien  für  1880  und  1881.  Von  Prof. 
Dr.  Adolf  Holm  in  Palermo 108-167 

Unter-Italien  108.  —  Sybaris  und  Thurii  131.  —  Neapel  133. 

—  Pompeji  137.  —  Bajae  138.  —  Sicilien  139.  —  Prähisto- 
risches 139  —  Historisches  193.  —  Caltavuturo  144.  —  Collesano 
144.  —  Palermo  145.  —  Geschichte  Siciliens  148. 

Jahresbericht  über  die  Geographie  der  nördlichen  Provin- 
zen des  römischen  Reiches  von  Direktor  Dr.  D.  Detlefs en 
in  Glückstadt       380—396 

Dacien  380.  —  Dalmatien  380.  —  Noricum  382.  —  Norditalien  382. 

-  Rätien  386.  —  Germanien  388.  —  Gallien  393. 


IV  Inhalts- Verzeichniss. 

Seite 

Bericht  Über  die  Topographie  der  Stadt  Korn  von  Prof, 
H.  Jordan  in  Königsberg  i.  Pr.    (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Jahresbericht  über  Griechische  Geschichte  von  Prof. 
Dr.  Ad.  Holm  in  Palermo.     (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Jahresbericht  über  römische  Geschichte  und  Chronologie  für 

1881.    Von  Dr.  Hermann  Schiller,  Gymnasial-Direktor 

und  Uni versitäts- Professor  in  Giessen 282 — 379 

Zusammenfassende  Darstellungen  der  römischen  Geschichte  282. 
—  Altitalische  Ethnologie  302.  —  Königszeit  und  Uebergang  zur 
Republik  305  —  Die  puuischen  Kriege  und  Unterwerfung  der 
Staaten  am  Mittelmeer  315.  —  Die  Revolution  318.  -  Die  Zeit 
der  lulier,  Flavier  und  Antonine  333.  —  Die  Zeit  der  Verwirrung 
372.  —  Die  Zeit  der  Regeneration  374. 

Jahresbericht  über  griechische  Literaturgeschichte 
von  Prof.  Dr.  E.  H  i  1 1  e  r  in  Halle.  (Folgt  im  nächsten  Jahrg.) 

Jahresbericht  über  römische  Literaturgeschichte  von 
Prof.  Dr.  August  Reiff erscheid  in  Breslau,  (Folgt  im 
nächsten  Jahrgang.) 

Bericht  über  griechische  und  römische  Mythologie  von 
Prof.  A.  Preunerin  Greifswald.  (Folgt  im  nächsten  Jährgang.) 

Bericht  über  die  griechischen  Alterthümer  von  Prof. 
Dr.   H.   Lipsius  in  Leipzig,     (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Bericht  über  die  die  römischen  Privat-  und  Sacral- 
alterthümer  betreffende  Literatur  des  Jahres  1880  resp. 
1879.      Von  Prof.  Dr.  M.  Voigt  in  Leipzig       .     .     .     33—54 

Schriften  allgemeinen  Inhalts  33.  —  Privatalterthümer 
und  Kulturgeschichte  34.  —  Privatleben  34.  —  Sagen  vom 
goldenen  Zeitalter  35.  —  Bürgerrecht  37.  —  Verwandschaft  38  — 
Familie  39.  -  Capitis  deminutio  39.  —  Sklaverei  43,  —  Todteu- 
bestattung 43.  —  Pileus  44.  —  Monatseiutheilung  45.  -  Sacral- 
alterthümer  48.  —  Divi  parentum  et  parentes  48.  —  Fortuna 
49.  —  Haruspices  50.  —  Prodigien  51.  —  Defixio  52.  —  Christ- 
lich-röm,ische  Alterthümer  53. 

Jahresbericht  über  die  römischen  Sta  atsalterthümer 

im  Jahre  1880.     Von  Prof.    Dr.  Hermann  Schiller  in 

Giessen 1 — 32 

Die  Staatsgewalt,  Magistratur  1.  —  Die  Bürgerschaft  6,  —  Die 
Staatsverwaltung  22.  —  Organisation  des  Reiches  22.  —  Die  Fi- 
nanzverwaltung (Colonat)  23.  —  Militärwesen  26.  —  Rechts-  und 
Gerichtswesen  28. 

Jahresbericht  über  die  griechischen  scenischen  Alter- 
thümer von  Prof.  Dr.  N.  Wecklein  in  Bamberg. 
(Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 


Inhalts -Verzeichniss.  V 

Seite 

Jahi^sbericht  über  naturgeschichtliche  Alterthümer 
Von  Prof.  Dr.  Otto  Keller  in  Prag 55—107 

Allgemeines,  Menschen,  Thiere,  Pflanzen,  Steine,  einschliesslich 
Natursymbolik  55    —   Wunderglauben  58.  —  Etymologisches  59 

—  Landwirthschaft  63.  —  Natursymbolik  65.  —  Urmensch  und 
Urthiere  75    —   Verbreitung  d^r  Thiere  79.   —  der  Pflanzen  98. 

—  Metalle  103. 

Jahresbericht  Über  die  exacten  Wissenschaften  im  Alter- 
thum  von  Gymnasial-Oberlehrer  M.  Curtze  in  Thorn. 
(Folgt  im  nächsten  Jahrgang  ) 

Jahresbericht  über  die  Mediciu  bei  den  Griechen  und  Rö- 
mern von  Professor  Dr.  M.  Selig  mann  in  Wien.   (Folgtim 
nächsten  Jahrgang.) 

Bericht  Über  die  griechische  Epigraphik  von  Oberlehrer 
Dr.  H.  Röhl  in  Berlin.    (Folgt  im  nächsten  Jahrgang) 

Bericht  über  rö,mische  Epigraphik  von  Gymnasialdirektor 
Professor  Hang  in  Mannheim.   (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 

Jahresbericht  über  antike  Numismatik  von  Dr.  R.  Weil 
in  Berlin.     (Folgt  im  nächsten  Jahrgang). 

Bericht  über  griechische  Grammatik  von  Professor  Dr. 
B.   Gerth  in  Dresden.    (Folgt  im  nächsten  Jahrgang). 

Jahresbericht  über  das  Kyprische,  Pamphylische   und   Mes- 
sapische  für  1879—1881.    Vom  Direktor  Dr.  W.  Deecke 

in  Strassburg  i.  E '220—229 

Kyprisch  220.  —  Pamphylisch  225.  —  Messapisch  228. 

Jahresbericht  Über  die  lateinische  Grammatik  für  1879 

und  1880.     Von   Direktor  Dr.  W.  Deecke  in  Strassburg 

im  Elsass ,     ....     183-219 

Orthographie  183.  -  Orthoepie  184.  —  Lautlehre  186  —  Sprach- 
geschichte 189.  —  Bedeutungslehre  193.  —  Formenlehre  und  Syn- 
tax 196.  —   Flexion  197.  —  Declination  199.  —  Comparation  202. 

—  Pronomina  204  —  Conjugation  205.  —  Wortbildung  207.  — 
Etymologie  208.  -  -  Casussyntax  210.  —  Numerus  214  —  Adjec- 
tiv-Pronominal- Adverbial-Syntax  214  -  Partikellehre  215.  — 
Verbalsyntax  216.  —  Satzlehre  217.  —  Latinismen  219. 

Jahresbericht   über   die    italienischen   Sprachen,   auch 

das  Altlateinische  und  Etruskische  für  1879 — 1881.     Von 

Direktor  Dr.  W.  Deecke  in  Strassburg  i.  E.      .     .     230—247 

Die  alten  Italer  und  Rom  230.  —  Altlateinisch  232.  —  Arval-  und 

Salierlied  236.    -      Faliskisch  237.    —  Umbrisch  237.   —   Oskisch 

und  Sabellisch  238.  —  Marsisch  240.   -   Etruskisch  241. 

Bericht  Über  das  Vulgärlatein  von  Oberlehrer  Dr.  E.  Lud- 
wig in  Bremen.    (Folgt  im  nächsten  Jahrgang.) 


VI  Inhalts- Verzcichniss. 

Seite 

Jahresbericht  über  die  griechische  und  lateinische  Me- 
trik   von    Oberlehrer   Dr.  R.  Klotz  in  Leipzig.    (Folgt  im 
nächsten  Jahrgang.) 
Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiet  der  antiken 
Musik  für  die  Jahre  1871)  u.   1880.     Von  Oberlehrer  Dr. 
Heinrich  Guhrauer  in  Waidenburg  in  Schlesien    168  —  182 
Nachtrag  zu  1878:  168.  —  1879:  109.  -   1880:  176. 
Jahresbericht  über  lateinische  Lexi cographie  für  1881 
und    1882   (Ende  Juni).     Von   Prof.    Dr.  K.  E.  Georges 

in  Gotha 248-281 

Aligemeines  248.  —  Spezialwörterbücher  249.    —  Sprachgebrauch 
254.  —  Einzelne  Schriftsteller  264. 


Register  über  die  drei  Abtheilungen: 397-419 

I.  Register  der  besprochenen  Schriften 397 

II.  Stellen-Register 410 

Griechische  Autoreu -     410 

Römische  Autoren 413 

III  ^Geographisches  Register       418 


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Jahresbericht  über  die   römischen  Staatsalter- 
thümer  für  das  Jahr  1880. 

Von 

Prof.  Dr.  Heriiianii  Schiller 

in  Giessen. 


A.  Die  Staatsgewalt.     Magistratur. 

P.  Willems,  Le  pouvoir  imperial  pendant  le  trois  premiers  siecles 
de  Fempire  Romain.  Revue  de  l'Instruction  publique  en  Belgique. 
Tome  XXII.    4^  livraison.    p.  251  —  73. 

Der  Verfasser  stellt  die  kaiserliche  Gewalt  in  kurzer  und  über- 
sichtlicher Gruppirung  dar. 

§  1  behandelt  l'origine  du  pouvoir  imperial,  §  2  la  transmission  du 
pouvoir  imperial,  §  3  la  competence  du  pouvoir  imperial,  §  4  le  pouvoir 
imperial  secondaire  et  l'exercice  simultane  du  pouvoir  imperial  par  deux 
empereurs,  §  5  la  maison  et  la  cour  imperiale. 

Wie  bedeutend  Mommseu's  Staatsrecht  auf  die  Darstellung  ein- 
gewirkt hat,  zeigt  eine  Vergleichung  mit  den  congruirenden  Partien  des 
droit  public  romain  von  Willems. 

Neues  ist  nicht  in  der  Arbeit  zu  finden;  S.  255  nimmt  der  Ver- 
fasser gegen  Mommsen  an,  die  Armee  habe  bei  der  Kaisercrnennuug 
keinfe  rechtliche  Mitwirkung  besessen,  wozu  doch  die  Vorgänge  nach 
Aurelian's  Tode  nicht  recht  passen;  an  einigen  Stellen  bringt  er  kleine 
Nachträge. 

H.  F.  Pelham,  Princeps  or  Princeps  Senatus?  The  Journal  of 
Philology.    Vol.  VIII.    No.  16.    p.  323. 

Der  Verfasser  legt  zunächst  aus  Schriftstellern  und  Inschriften  dar, 
dass  sie  den  Titel  princeps  senatus  zur  Bezeichnung  der  Stellung  des 
römischen  Kaisers  nicht  gebrauchen  —  Dio  stand  unter  dem  Eindrucke 
der  Zeit  des  Pertinax,  der  den  obsoleten  und  damals  ungefährlichen  (?) 
Titel  princeps  senatus  wieder  hervorsuchte.  Angustus  konnte  den  Titel 
princeps  senatus  gar  nicht  erstreben,    da    derselbe  zu   jener  Zeit  un- 

Jahresbei-icht  für  Alterthumswissenschaft  XXVIH.  (1881.  III.)  •  1 


2  Römische  Staatsalterthümer. 

politisch  gewesen  wäre  —  er  hätte  stets  an  die  sullanische  Restauration 
oriiincrt;  aber  derselbe  hätte  auch  nicht  das  Wesen  der  augustischen 
Schöpfung  bezeichnet,  die  ja  eine  Wiederherstellung  der  republikanischen 
Verfassung,  nicht  der  Senatsherrschaft  sein  wollte.  Wahrscheinlich  fand 
Augustus  die  Idee  eines  Princeps  schon  vor,  wie  Pelham  aus  Cicero  zu 
erweisen  sucht;  wahrscheinlich  war  damit  gerade  das  Vcrhältniss  zu  den 
cives  bezeichnet,  wie  dessen  häufige  Beziehung  zu  cives  etc.  bei  Ovid, 
Plinius,  Tacitus  etc.  beweist.  Die  Stellung  des  Princeps  konnte  dem 
Augustus  als  die  Verwirklichung  des  Planes  vorschweben,  den  er  mit 
dem  Staate  hatte,  Wicdorherstcllnng  der  republikanischen  Verfassung, 
jedoch  mit  einer  wirksameren  Executivgewalt,  als  sie  in  der  Republik 
bestand. 

Gottfried  Ritter  v.  Rittershain,  Die  Reichspost  der  römi- 
schen Kaiser.  Virchow  und  Holtzendorfif,  Sammlung  gemeinverständl. 
wissenschaftl.  Vorträge.    Serie  XV.    Heft  339.    Berlin  1880. 

Der  Vortrag  —  den  zu  hören  schwerlich  Jemand  die  Geduld  be- 
sitzen möchte  —  enthält  eine  nicht  einmal  besonders  übersichtliche 
Gruppirung  der  bekannten  Thatsachen.  Es  liegt  also  kein  Grund  vor, 
hier  näher  auf  denselben  einzutreten. 

P.  Ciairin,  De  haruspicibus  apud  Romanos.     Paris  1880. 

Der  erste  Theil  behandelt  allgemeine  Fragen:  De  divinitatis  stu- 
dio apud  veteres  populos,  de  divinatione  apud  Romanos,  quid  de  divi- 
natione  haruspicibusque  veteres  scriptores  senserint,  quid  de  haruspici- 
bus Christian!*  senserint;  wenn  auch  hier  nicht  Neues  zu  finden  ist,  so 
ist  doch  namentlich  die  dritte  Frage  in  ziemlich  erschöpfender  und  lehr- 
reicher Weise  behandelt  und  hat  als  Zusammenstellung  für  den  gewöhn- 
lichen Gebrauch  einigen  Werth. 

Der  zweite  Theil,  haruspicum  disciplina,  bespricht  in  fünf  Abschnitten 
folgende  Punkte:  1.  Quid  vox  haruspex  significet,  2.  de  libris  ad  haru- 
spicum artera  pertinentibus,  3.  de  fulminibus,  4.  de  prodigiis,  5.  de  sa- 
crificiis  ad  cognoscendam  voluntatem  deorum  factis.  Zu  1.  stellt  der 
Verfasser  die  verschiedenen  Erklärungen  zusammen;  er  selbst  versucht 
keine  neue,  sondern  schliesst  sich  der  von  Breal  (Acad.  des  Inscr.  11.  fevr. 
1876)  an,  wonach  haru  =  exta  sein  soll.  Bei  2.  schliesst  er  sich  in  der 
Hauptsache  an  0.  Müller  an;  sehr  eingehend  ist  in  3.-5.  so  ziemlich 
alles  behandelt,  was  wir  über  den  Gegenstand  wissen. 

Der  dritte  Theil  giebt  die  Geschichte  der  Haruspicin  (haruspicum 
historia)  in  folgenden  Theilen:  qui  fuerint  haruspices  apud  Romanos, 
quae  eorum  conditio,  quid  de  eis  praescriptum  fuerit  a)  regibus  regnan- 
tibus,  b)  post  exactos  reges  ad  Augusti  principatum,  c)  ab  Augusti  prin- 
cipatu  ad  Coustantini  aetatem,  d)  a  Constantini  aetate.  Auch  dieser  Theil 
ist  eine  recht  brauchbare  Arbeit  und  legt  in  durchaus  befriedigender 
Weise  den  Zustand  der  Haruspicin  in  den  einzelnen  Zeiträumen  dar. 


Magistratur.  3 

Eine  Untersuchung  quid  inter  haruspices  et  quindecimviros  s.  f. 
in  interpretandis  procurandisque  prodigiis  interfuerit  bildet  den  Schluss 
der  im  Ganzen  gelungenen  Arbeit. 

Paul  de  Tissot,   fitude  historique  et  juridique  sur  la  condition 
des  agrimensores  dans  l'ancienne  Rome.    Paris  1879. 

In  der  Einleitung  giebt  der  Verfasser  eine  Uebersicht  über  die 
Litteratur  über  die  Feldmesser;  in  den  deutschen  Arbeiten  über  diese 
Materie  erkennt  er  fleissige  Untersuchung,  geistvolle  Einzelheiten,  um- 
fassende Gelehrsamkeit  an,  aber  er  vermisst  die  wünschenswerthe  Klar- 
heit und  Präcision.  Die  Institution  der  Agrimensoren  ist  etruskischen 
Ursprungs  und  trägt  ursprünglich  durchaus  priesterlichen  Charakter; 
aber  von  der  reichen  etruskischen  Agrimensoren -Litteratur  sind  nur 
zwei  Fragmente  erhalten.  Auch  in  Rom  hat  sie  am  Anfang  diesen 
priesterlichen  Charakter  gehabt  und  war  mit  der  Augural -Disciplin  in 
engem  Zusammenhang;  aber  später  wurde  sie  von  dieser  Abhängigkeit 
gelöst  und  von  eigenen  Praktikern  geübt,  die  Cicero  ziemlich  ver- 
ächtlich metitores,  finitores,  decempedatores  nennt;  die  Periode  der 
Trennung  lässt  sich  nicht  genau  bestimmen,  fällt  aber  jedenfalls  nach 
den  12  Tafeln;  der  Verfasser  ist  geneigt  die  Entstehung  einer  eigenen 
Praxis  in  die  Zeit  zwischen  Sulla  und  Augustus  zu  setzen.  Durch  die 
Vermessungsarbeiten  des  Kaiserreichs  stieg  die  Bedeutung  und  Aestima- 
tion  der  Agrimensores  bedeutend,  doch  nimmt  die  Wissenschaft  mehr 
juristischen  Charakter  an;  die  Praktiker  bildeten  collegia  mit  bestimmten 
Privilegien ;  wohl  zum  Theil  dadurch  stieg  ihr  Ansehen  immer  höher  und 
sie  erreichten  schliesslich  die  Rangstufe  der  Spectabilität.  Die  hohe 
Ehre,  in  welcher  die  Agrimensoren  im  Mittelalter  standen,  kann  man 
aus  §  5  des  ersten  Capitels  ersehen.  Das  zweite  Capitel  beschäftigt  sich 
mit  den  verschiedenen  Arten  der  Mensores,  Cap.  3  mit  den  Functionen 
der  Agrimensores,  welche  denen  unserer  Georaeter  entsprachen  und  sich 
gleichmässig  auf  den  ager  publicus  und  privatus  bezogen.  Dieser  Ab- 
schnitt zerfällt  in  mehrere  Uuterabtheilungen:  1.  Des  agrimensores  au 
Service  de  l'fitat,  in  welchem  die  Limitation  und  Landaustheilung  sowie 
die  Coloniegründuug  ausführlich  erörtert  und  mit  instructiven  Abbildungen 
versehen  ist,  die  Thätigkeit  der  agrimensores  beim  Kataster  geschildert, 
auch  die  Verwendung  derselben  bei  Lagerarbeiten  dargelegt  wird.  Die 
zweite  Unterabtheilung  handelt  des  agrimensores  au  service  des  parti- 
culiers  (controversiae  agrariae)  nach  den  15  Gesichtspunkten,  welche  die 
rei  agrariae  scriptores  dafür  aufgestellt  haben.  Cap.  4  des  bornes  erör- 
tert die  schwierige  Frage  der  Grenzbehandlung;  der  Verfasser  beginnt 
mit  dem  Culte  des  Terminus,  entwickelt  dann  die  Eintheilung  der  Gren- 
zen (b.  du  droit  public,  b.  du  droit  prive,  b.  du  droit  civil  ou  du  droit 
des  gens)  und  die  materiellen  Mittel  zu  ihrer  Bezeichnung  sowie  die 
Bestrafung  der  Grenzverletzung.     Im  5.  Capitel  berücksichtigt   der  Ver- 

1* 


4  Römische  Staatsalterthümer. 

fasser  nocli  die  Honorare  und  die  Verantwortlichkeit  der  Agrimensoren; 
dabei  kommen  die  Fragen  in  Betracht:  wer  hatte  den  Agrimensor  zu 
remuneriren,  was  bedeutet  spccioll  pulvcratica;  der  Verfasser  entscheidet 
sich  mit  Glück  und  liittcr  für  »Diäten«;  das  Rechtsmittel,  welches  dem 
Agrimensor  zur  Verfügung  stand,  um  seine  Bczalilung  zu  erwirken,  war 
die  cognitio  extraordinaria.  Der  Absclmitt  über  die  Verantwortlichkeit 
zeigt,  dass  dieselbe  nicht  gering  war,  sich  aber  auf  dolus  oder  schwere 
Fehler  beschränkte,  dann  aber  verschiedene  Rechtswirkungen  zur  Folge 
hatte.  Den  Schluss  bildet  -  Cap.  6  —  l'enseignement  de  l'ars  mensoria; 
die  Art  der  Ueberlieferung  war  zu  verschiedenen  Zeiten  verschieden;  bald 
erhielten  die  Lehrer  dieser  Kunst  —  einer  ars  erudita  —  Privilegien 
und  Ehren  aller  Art;  manche  derselben  gelangten  zum  Clarissimat  und 
Perfectissimat;  man  sieht,  welchen  Werth  die  Regierung  auf  die  tüch- 
tige Fortbildung  der  Wissenschaft  legte.  In  einem  Anhange  behandelt 
der  Verfasser  die  lex  Mamilia  Roscia  Peducaea  Alliena  Fabia;  er  giebt 
im  Wesentlichen  eine  Kritik  der  bestehenden  Ansichten,  unter  denen 
ihm  die  Rudorff's  am  meisten  zusagt. 

Rudolf  Flex,   Die  älteste  Monatseintheilung  der  Römer.     Diss. 
Jena  1880. 

Der  Verfasser  findet  keine  der  bis  jetzt  aufgestellten  Erklärungen 
über  die  Eintheilung  der  römischen  Monate  befriedigend.  Er  betrachtet 
zu  diesem  Zwecke  die  von  Plutarch  und  Lydus  im  Alterthura,  von  Ideler, 
Mommsen,  Ottfried  Müller,  Huschke  in  der  Neuzeit  gemachten  Versuche, 
von  denen  er*  namentlich  dem  letzteren  eine  ausführliche  Widerlegung 
im  Princip  und  in  Einzelheiten  zu  Theil  werden  lässt. 

Der  Verfasser  erweist  nun  zunächst  zur  Begründung  seiner  eigenen 
Ansicht,  dass  wir  es  bei  der  Untersuchung  des  altrömischen  Monats  in 
der  That  mit  einem  Mondmonat  zu  thun  haben;  er  zieht  zu  diesem  Zwecke 
die  allgemein  indogermanische  Zeitmessung  herbei  und  will  in  dem  Jahre 
des  Numa  unverkennbare  Spuren  lunarer  Einrichtung  erkennen;  ausser- 
dem wird  ausdrücklich  von  den  Alten  der  altrömische  Monat  als  lunarer 
bezeichnet.  Aber  in  diesen  selben  Nachrichten  werden  zwar  überall  die 
Kaienden  mit  dem  neuen  Mondlicht,  die  Iden  mit  dem  vollen  Monde,  nir- 
gends aber  die  Noneu  mit  dem  ersten  Viertel  in  Verbindung  gesetzt.  Das 
weist  auf  eine  ursprüngliche  Zweitheilung  des  römischen  Monats  nach 
dem  zu-  und  dem  abnehmenden  Mondlichte  hin.  Die  nonae  sind  erst 
später  aus  einer  zu  dem  Monde  und  dessen  erstem  Viertel  in  gar  keiner 
Beziehung  stehenden  Veranlassung  zu  einem  besonderen  dritten  Monats- 
stichtage erhoben  worden.  Die  nonae  sind  zweifellos,  wie  die  Alten 
schon  theilweise  richtig  sahen,  dies  ante  nonum  idus,  der  jedesmal  neunte 
Tag  vor  dem  Vollmondstage;  sie  werden  dadurch  nicht  als  etwas  Beson- 
deres, etwa  mit  dem  Mondlichte  im  Zusammenhang  stehendes,  sondern 
deutlich  als  etwas  den  übrigen  Tagen  vor  den  Idus  Coordinirtes  bezeichnet. 


Magistratur.  5 

Von  Macrobius  werden  sie  ausdrücklich  von  der  Zahl  der  feriae  ausge- 
schlossen, zu  denen  kalendae  und  idus  gehören,  und  während  diese 
Tage  den  Lichtgottheiten  lupiter  und  luno  geweiht  waren  und  sich  so 
deutlich  als  die  Tage  des  neuen  und  des  vollen  Mondlichtes  herausstellen, 
idüs  auch  deutlich  eine  Hindeutung  auf  den  Vollmond  enthält,  waren  die 
nonae  keiner  Gottheit  geweiht  (Ovid.  fast.  1 ,  55.  57).  Die  Annahme 
eines  zweitheiligen  Monats  wird  schliesslich  von  dem  Verfasser  noch  durch 
die  Analogie  der  indogermanischen  Zeitrechnuiig  gestützt.  Die  Römer 
haben  so  wenig  wie  die  übrigen  Indogermanen  eine  Mondwoche  gekannt; 
sie  haben  in  älterer  Zeit  gar  keine  Bezeichnung  für  den  Begriff  Woche. 
Der  Verfasser  greift  hier  sogar  noch  weiter,  vermuthet,  dass  die  Woche 
nur  bei  solchen  Völkern  existire,  welche  durch  Ebbe  und  Fluth  auf  die 
Mondphasen  zu  merken  veranlasst  wurden,  und  will  schliesslich  für  den 
Ursitz  der  Indogermanen  das  Binnenland  Asien's  auch  von  dieser  Seite 
gewinnen;  ja  er  glaubt,  dass  sogar  aus  der  langen  Unbekanntschaft  der 
Indogermanen  mit  der  Ttägigeu  Woche  zu  schliessen  sei,  dass  sie  ihre 
Wanderungen  im  Wesentlichen  zu  Lande  gemacht  oder  sich  wenigstens 
nie  längere  Zeit  an  Meeren  aufgehalten  haben,  wo  Ebbe  und  Fluth  in 
grösserer  Stärke  bemerkbar  sind. 

Am  Ende  stellt  der  Verfasser  noch  eine  Vermuthung  auf,  aus  wel- 
cher Veranlassung  und  zu  welcher  Zeit  die  nonae  ein  besonderer  dritter 
Monatsstichtag  geworden  sind.  Anknüpfend  an  Macrob.  Sat.  1,  13,  18 
bringt  er  die  Einführung  mit  dem  Geburtstage  des  Servius  Tullius  in 
Verbindung;  nach  dessen  Tode  feierte  das  Volk  in  dankbarer  Erinnerung, 
da  es  nur  den  Tag  (Nonentag),  nicht  den  Monat  der  Geburt  kannte,  stets 
diesen.  Der  Verfasser  meint  selbst,  dass  für  die  Lösung  dieser  letzten 
Frage  es  offenbar  auf  eine  glückliche  Divination  ankomme;  die  Divina- 
tion  steht  da,  Glück  hat  er  offenbar  mit  derselben  keines  gehabt;  denn 
wer  möchte  glauben,  dass  je  Jemand  auf  die  Idee  gekommen  sei  den 
Geburtstag  eines  noch  so  beliebten  Menschen  alle  Monate  zu  feiern? 

V.  Duruy,  Formation  d'une  religion  officielle  dans  l'Empire  Ro- 
main. C.  R.  des  seances  et  trav.  de  l'Acad.  des  sciences  moralcs  et 
polit.  (Instit.  de  Fr.)  1880  Septembre  -  Octobre  p.  328  ff. 

In  mitten  der  hohen  Cultur  der  augusteischen  Zeit  vollzieht  sich 
das  überraschende  Schauspiel  der  Bildung  einer  Staatsreligion.  Augustus 
begann  mit  der  Reinigung  der  Quellen  der  Staatsreligion,  indem  er  die 
Privatorakelbücher  vernichtete,  die  sibyllinischen  revidirte  und  von  neuem 
in  Ansehen  brachte.  Auf  die  Priesterernennung  gewann  er  entscheidenden 
Einfluss,  die  Annalen  wurden  unter  seinem  Vorsitz  wieder  in  Aufnahme 
und  Ansehen  gebracht,  alte  Bräuche  mit  Sorgfalt  wieder  belebt.  Die 
Divination  wurde  für  die  Zukunft  in  strenge  Schranken  gewiesen,  ägyp- 
tische und  jüdische  Culte  innerhalb  des  Pomoerium  untersagt;  eine  Reihe 
von   neuen  Tempclbauten  gaben  von  dem  religiösen  Eifer  des  Kaisers 


Q  Römische  Staatsalterthümer. 

Kunde,  und  die  Dichter  mussten  dieser  Tendenz  dienstbar  werden.  Aber 
während  Rcichthum  und  Glanz  den  grosseu  Göttern  des  Capitols  zu  Theil 
wurde,  gehörte  des  Kaisers  Herz  den  kleinen,  den  Lares,  deren  Dienst 
von  ihm  organisirt  wurde;  die  Priester  der  viel  bildeten  einen  neuen 
plebeischen  Clerus  unter  den  Priestercollegien  der  alten  aristokratischen 
Religion.  Dabei  war  dieser  neue  Cultus  ganz  besonders  geeignet  das 
Band  zwischen  Rom  und  dem  Westen  des  Reiches  zu  verstärken;  die 
lares  Augusti  fanden  überall  Verehrung,  die  Augustalen,  welche  um  die- 
sen Dienst  entstanden,  werden  eine  höchst  einflussreiche  Körperschaft. 
Wie  hartnäckig  dieser  populäre  Cult  sich  hielt,  zeigen  die  Verbote  des 
Theodosius  392.  Nach  der  Schlacht  bei  Actium  trat  der  Genius  des 
Kaisers  noch  hinzu,  er  nahm  Platz  unter  den  Provincial- Göttern,  die 
durch  Latinisirung  ihrer  Namen  rasch  verschwanden.  Durch  Beschrän- 
kung des  Legirungsrechts  auf  gewisse  Götter  wurden  letztere  ganz  be- 
sonders in  den  Vordergrund  gestellt  (Ulp.  Lib.  Regal.  22,  6).  Aber  über 
alle  trat  der  Kaisercult,  das  Abbild  der  Monarchie  auf  Erden;  der  Prie- 
ster der  Haupt-Verehrungsstätte,  sacerdos  ad  aram  und  flamen  provinciae, 
war  die  erste  Persönlichkeit  der  Provinz  und  hatte  eine  Art  geistlicher 
Gerichtsbarkeit  über  den  Provincial-Clerus.  Bald  war  der  Cult  der  Roma 
und  der  Augusti  die  wahre  Reichsreligion;  auf  die  Göttlichkeit  der  todten 
Kaiser,  auf  den  Genius  der  lebenden  wurde  der  Eid  gestellt.  Da  diese  Prie- 
ster in  ihrer  Heimath  in  der  Regel  Magistrate  waren,  ehe  sie  das  Prie- 
steramt erreichten,  so  blieb  die  Verbindung  von  Staat  und  Kirche  auch 
hierin  gewahrt.  Grossem  Widerstände  scheint  die  neue  Religion  nur  in 
Gallien  und  Jadäa  begegnet  zu  sein.  Duruy  weist  noch  nach,  wie  die 
Einführung  dieses  Kaisercultus  durch  andere  Culte  vorbereitet  war  und 
wie  man  darin  durchaus  kein  Criterium  der  Servilität  allein  erkennen 
darf;  wie  es  bei  dem  todten  Kaiser  in  Rom  etwas  Natürliches  war,  so 
verhielt  es  sich  mit  dem  lebenden  in  den  Provinzen.  Die  Schöpfung  des 
Augustus  ist  ein  Meisterwerk.  Freilich  hat  sie  für  eine  Religion  nur 
kurzen  Bestand  gehabt;  aber  dafür  war  sie  auch  in  erster  Linie  ein  po- 
litisches Werk;  die  Glaubenswärme  und  Begeisterung  des  Orients  ver- 
mochte sie  weder  zu  erzeugen  noch  zu  überwinden. 


Die  Bürgerschaft. 

Wilhelm  Soltau,  Ueber  Entstehung  und  Zusammensetzung  der 
altrömischen  Volksversammlungen.     Berlin  1880. 

Der  Verfasser  will  in  seiner  gründlichen  und  umfangreichen  Schrift 
feststehende  Normen  für  die  Zusammensetzung  aller  Comitien  finden,  das 
Auftreten  einer  jeden  neuen  Gattung  genügend  motiviren,  den  staatlichen 
Einfluss  einer  jeden  den  andern  wie  dem  Senat  gegenüber  hinreichend 
feststellen.    In  der  Hauptsache  hält  er  die  durch  Mommsen  der  altrömi- 


Bürgerschaft.  7 

sehen  Verfassungsgeschichte  gewonnenen  Errungenschaften  fest  und  ver- 
theidigt  sie  namentlich  gegen  Clason  und  Lange;  in  einzelnen  Punkten, 
wo  gegen  Mommsen's  Ansichten  gegründete  Einwürfe  gemacht  wurden, 
sucht  er  eine  befriedigende  Lösung  vorzubereiten.  Wenn  er  dabei  den 
Grundsatz  aufstellt  bezw.  wiederholt,  dass  jede  Untersuchung  von  den 
antiquarischen  und  staatsrechtlichen  Berichten  der  alten  Autoren  auszu- 
gehen habe,  so  wird  er  dabei  geringen,  jedenfalls  weniger  Widerspruch 
finden,  als  in  seinen  Erörterungen  über  Methode  und  Disposition,  deren 
Berechtigung  ihm  die  Gegner  schwerlich  zugestehen  werden. 

Der  erste  Abschnitt  handelt  von  den  Comitia  curiata.  Seit  den 
ältesten  Zeiten  eines  römischen  Staates  fanden  Versammlungen  des  römi- 
schen Volkes,  nach  Curien  geordnet,  statt:  die  comitia  curiata.  Comitia 
waren  Versammlungen,  zu  welchen  1.  das  gesammte  römische  Volk  in 
einer  seiner  politischen  Gliederungen  geladen  wurde,  welche  2.  nach  Ein- 
holung der  Anspielen  unter  feierlichen  Formen  abgehalten  wurden  und 
in  welchen  3.  eine  Abstimmung  vorgenommen  werden  durfte,  ja  soweit 
sie  nicht  zu  der  besonderen  Art  der  comitia  calata  d.  h.  den  Comitien 
gehörten,  in  welchen  keine  Abstimmung  vorgenommen  wurde,  sogar  vop^ 
genommen  werden  musste.  Nie  findet  sich  in  staatsrechtlichen  Formeln 
eine  Vertauschung  der  Begriffe  comitia  concilia  contiones;  somit  kann 
auch  der  von  Niebuhr,  Schwegler,  Clason  festgehaltene  Begriff  des  con- 
cilium  populi  kein  staatsrechtlicher  Terminus,  und  nicht  gleich  com.  cu- 
riata sein.  Vor  Servius  Tullius  gab  es  nur  eine  politische  Eintheilung 
des  ganzen  römischen  Volkes  in  30  Curien.  Die  daneben  festgehaltenen 
drei  Stämme  des  Ramnes,  Tilies  und  Luceres  weisen  auf  eine  vorstaat- 
liche Zeit;  diese  Eintheilung  bezieht  sich  nur  auf  die  grundsässigen  und 
militärpflichtigen  Bürger.  Curia  bezeichnet  1.  ein  Opferhaus,  2.  die  dazu 
gehörige,  vom  Staate  eingerichtete  oder  wenigstens  recipirte  Opferge- 
meinschaft; zu  den  hier  gefeierten  Opfern  hatten  alle  Bürger  Zutritt; 
jede  einzelne  Curie  enthielt  die  durch  Geburt  und  Abkunft  einander 
näherstehenden  Bürgerabtheilungen  —  so  will  der  Verfasser  das  genus 
hominum  des  Laelius  Felix  (Gell.  15,  27,  4)  verstehen.  Er  denkt  dabei 
an  die  Mitglieder  einer  Familie,  einer  gens,  eines  Stammes,  eventuell 
konnten  bei  Vergrösserung  Rom's  die  Genossen  eines  incorporirten  La- 
tinergaues  als  ein  eigenes  genus  hominum  bezeichnet  werden.  Der  Cu- 
rienverband bezweckte  aber  nicht,  wie  Genz  will,  die  Pflege  der  gcntes, 
sondern  im  Gegentheil,  wenn  nicht  die  einzelnen  Curien,  so  doch  gewiss 
die  Curiatcomitien  waren  wesentlich  dazu  berufen,  die  Selbständigkeit 
der  gentes  zu  brechen  und  die  Uebergrifl'e  derselben  unschädlich  zu 
machen;  dies  will  der  Verfasser  hauptsächlich  aus  den  noch  in  späterer 
Zeit  von  den  Curiatcomitien  entschiedenen  Fällen  der  Aufnahme  oder 
Ausschliessung  aus  einer  gens,  der  detestatio  sacrorum,  der  arrogatio 
und  einer  bestimmten  Testamentsart  folgern.  Alle  diese  Momente  zeigen, 
dass  die  comitia  curiata  das  gesammte  Volk  ohne  irgend  welche  Ein- 


3  Römische  Staatsalterthüraer. 

schräukung  enthielten.  Gegen  Ihering's  Annahme,  dass  die  Curie  eine 
dauernde  Ileeresabtlieilung  sei,  sucht  der  Verfasser  die  rein  bürgerliche 
Bestimmung  derselben  zu  erweisen.  Gerade  im  Gegensatz  zu  den  wesent- 
lich sacralen  und  bürgerlichen  Functionen  der  Curien  war  die  Tribus- 
eintheilung  hauptsächlich  für  die  militärischen  Ordnungen  massgebend. 
Der  Verfasser  untersucht  weiter,  ob  einer  der  Begriffe  comitia,  curia, 
populus  oder  der  Umfang  des  populus  Komanus  wesentliche  Verände- 
rungen erlitten  habe,  da  nur,  wenn  letzteres  der  Fall  wäre,  neben  seiner 
Definition  die  gewöhnliche  Annahme  von  ursprünglich  patricischen  Curien 
sich  erhalten  könnte.  Er  erweist  zunächst,  dass  nach  der  annalistischen 
Tradition  über  die  ersten  fünf  Jahrhunderte  Nichtpatricier,  namentlich 
Clieuten  —  doch  kennt  die  Tradition  keinen  Unterschied  hierbei  zwischen 
Plebs  und  Clienten  —  Stimmrecht  in  den  Curiatcomitien  hatten  und  zwar 
nach  einstimmiger  Angabe  der  Quellen  für  die  republikanische  Zeit,  nach 
allgemeiner  Voraussetzung  aber  auch  für  die  Königszeit.  Eine  radikale 
Umgestaltung  der  Curien  und  Comitien  wird  durch  die  Ueberlieferung 
nicht  angenommen,  auch  der  Begriff  des  popiflus  hat  keine  Veränderung 
erlitten,  ist  namentlich  nie  mit  dem  Patriciat  identificirt  worden.  Diese 
Resultate  werden  in  gründlicher  Widerlegung  der  entgegenstehenden 
modernen  Ansichten  gesichert.  Besonders  der  Einwand,  dass  der  demo- 
kratische Abstimmungsmodus  der  Curien  mit  dem  Geiste  der  Zeit  unver- 
einbar sei,  wird  durch  den  Hinweis  beseitigt,  dass  derselbe  unbedenklich 
war  bei  der  geringen  Competenz  der  Comitien,  ihrer  vollständigen  Ab- 
hängigkeit von  den  leitenden  Beamten,  von  den  religiösen  Vorschriften 
und  der  Geschäftsordnung,  Wenn  auch  einige  Klassen  der  freigeborenen 
Bevölkerung,  wie  latini,  foretes  und  sanates,  kein  Stimmrecht  in  den  Cu- 
rien hatten,  so  darf  daraus  nicht  die  Ausschliessung  aller  nicht  adligen 
Elemente  aus  den  Bürgerbezirken  gefolgert  werden  wollen;  vielmehr  Hesse 
sich  die  Annahme  rein  patricischer  Curien  nur  festhalten,  wenn  sich  er- 
weisen liesse,  dass  patrum  auctoritas  als  Curienbeschluss  genommen  wer- 
den dürfte  und  die  Centurienordnung  bei  patricisch-plebeischen  Curiat- 
comitien unmöglich  wäre. 

Der  Verfasser  wendet  sich  im  zweiten  Abschnitte  zur  Untersuchung 
der  Patrum  auctoritas.  In  einer  wesentlich  historisch-polemischen  Unter- 
suchung stellt  er  die  patrum  auctoritas  und  die  lex  curiata  de  imperio 
als  ganz  verschiedene  Acta  dar  und  erweist  nochmals,  dass  patrum 
auctoritas  kein  Curienbeschluss  sein  könne;  er  ist  mit  Mommseu  der 
Ansicht,  dass  die  Identification  der  Curien  und  der  patres  durch 
zahlreiche  und  wichtige  Gegenbeweise  widerlegt  sei.  Im  besonderen 
werden  im  Folgenden  die  Ansichten  von  Schwegler-Clason  und  rectifi- 
cirt  von  Rein -Peter  und  Lange  widerlegt,  welche  patrum  auctoritas  in 
einen  engen  Zusammenhang  mit  der  lex  curiata  de  imperio  brachten  oder 
beide  ideutificirten.  Lange  wird  besonders  berücksichtigt.  Sein  Beweis 
für  die  Identität  von  patres  und  patres  familiarum  gentium  patriciarum 


Bürgerschaft.  9 

wird  zurückgewiesen;  sollte  diese  gelten,  so  müsste  Lange  nachweisen, 
weshalb  gerade  bei  der  patrum  aiictoritas,  beim  Interregnum  und  bei 
den  auspicia  publica  populi  Romani  die  filii  familias  nicht  selbständig 
waren,  während  sie  souverän  genug  waren  in  den  Curiatcomitien  zu 
stimmen,  im  Heere  zu  dienen,  im  Senat  ihr  Gutachten  abzugeben,  als 
Magistrate  eventuell  den  patres  familias  zu  befehlen,  als  Richter  ein  Ur- 
theil  über  alle  Bürger  zu  fällen.  Eine  besondere  gründliche  Widerlegung 
lässt  der  Verfasser  der  von  Lange  aufgestellten  faniilienrechtlichen  Grund- 
lage des  römischen  Staatsrechts  zu  Theil  werden,  aus  der  die  besonderen 
Vorrechte  der  patricischen  Familienväter  hergeleitet  werden  sollen;  nach 
seinen  Ergebnissen  können  die  patres  nicht  ein  Convent  der  patricischen 
Familienväter  sein.  Nicht  minder  eingehend  wird  die  grammatische  und 
rechtliche  Seite  der  Lange'schen  Hypothese  vom  patrum  auctoritas  wider- 
legt; das  Resultat  des  Verfassers  ist,  dass  auctoritas  weder  grammatisch 
noch  rechtlich  sich  auf  einen  folgenden  Comitialbeschluss  beziehen  könne. 
Nun  geht  der  Verfasser  zur  positiven  Entwicklung  seiner  Ansicht  über; 
danach  sind  die  patres  und  patricii  des  Interregnums  und  aller  officiellen 
Formeln  (patres  auctores  fiunt,  coeunt  patricii  ad  interregem  proden- 
dura,  ad  patres  res  redit,  penes  patres  auspicia  sunt)  der  Patriciersenat, 
bezw.  die  Patricier  des  Senats.  Er  kommt  zu  diesem  Ergebnisse,  indem 
er  nach  einander  folgende  Fragen  beantwortet:  1.  Durch  wen  wird  nach 
den  Urtheilen  der  besten  und  genauesten  Quellen  in  historischer  Zeit 
ein  Interregnum  eingesetzt?  Es  wird  an  mehreren  Stellen  die  den  In- 
terrex  bestellende  Versammlung  der  suffragia  populi,  dem  comitiatus  ent- 
gegengestellt, von  Appian  als  Senat,  von  Dio  und  Zonaras  als  die  Patri- 
cier im  Senat  bezeichnet.  2.  Stehen  diese  Berichte,  abgesehen  von  der 
verschiedenen  Deutbarkeit  des  Ausdrucks  patricii,  im  Gegensatz  zu  den 
zwar  historisch  werthlosen,  staatsrechtlich  aber  wichtigen  Darstellungen 
der  ältesten  Interregen'?  Nein.  3.  Wer  kann  Träger  der  auspicia  sein? 
Es  können  nur  die  auspicia  publica  pop.  R.  gemeint  sein;  sie  können 
aus  diesem  Grunde  keineswegs  einem  ganzen  Stande,  einer  Corporation 
zukommen  und  der  Ausdruck  des  Cic.  etc.  auspicia  penes  patres  sunto 
kann  lediglich  bedeuten,  dass  die  Fähigkeit,  Träger  der  auspicia  publica 
populi  Rom.  zu  sein,  für  eine  U^bergangszeit  weniger  Stunden  bei  allen 
zur  Interregenwtirde  qualificirten  patres  ruhte  oder  latent  war;  in  Wirk- 
lichkeit kam  sie  nur  dem  einen  zu  bestellenden  Interrex  zu.  4.  Wel- 
ches ist  die  staatsrechtliche  Bedeutung  von  patres?  Die  ursprüngliche 
Bezeichnung  des  rein  patricischen  Senats  der  Königszeit.  5.  Welche 
staatsrechtliche  Bedeutung  hat  i)atricii?  Es  darf  lediglich  von  einem 
Theile  des  Senats  verstanden  werden,  eben  den  patricischen  Senatoren. 
So  war  es  der  während  der  Königszeit  rein  patricische  Senat,  der  sich 
als  Wächter  der  auspicia  publica  auch  noch  in  republikanischer  Zeit  das 
Recht,  den  Interrex  aus  sich  zu  bestellen,  bewahrt  hatte  und  den  An- 
spruch erhob,  seine  auctoritas  den  Gesetzen  und   den  Wahlen  entweder 


10  Römische  Staatsalterthümer. 

zu  verweigern  oder  zu  gcwähreu.  Unter  dieser  Annahme  erklärt  sich, 
warum  Interregnum  und  patrum  auctoritas  in  der  zweiten  Hälfte  der 
Kepublik  selten  erwälmt  werden;  ersteres  war  mehr  und  mehr  in  Ver- 
gessenheit gerathen  und  wurde  nur  noch  in  den  Jahren  vor  Ausbruch 
des  Kampfes  zwischen  Cäsar  und  Pompeius  von  Beamten  missbräuchlich 
angewandt;  letztere  wurde  werthlos,  als  die  patrum  auctoritas  in  incer- 
tum  comitiorum  eventum  gegeben  werden  musste.  Um  keinen  Einwand 
gegen  sein  Resultat  übrig  zu  lassen,  erweist  alsdann  der  Verfasser,  dass 
während  der  Königszeit,  so  lange  nur  Patricier  im  Senate  sassen,  patrum 
auctoritas  und  senatus  consultuni  nicht  streng  geschieden  waren;  die 
fernere  Frage,  ob  der  Patriciersenat,  da  er  nicht  zu  gleicher  Zeit  ein 
Staatsrath  oder  ein  Cassationshof  sein  konnte,  ursprünglich  dieses  oder 
jenes  gewesen  sei,  wird  im  Sinne  des  consilium  regium  entschieden,  das 
dem  Entschlüsse  des  Königs  seine  Auctoritas  verleihen  konnte,  aber  noch 
nicht  jene  Magistrat  und  Volk  verfassungsmässig  einschränkende  aucto- 
ritas legum  et  magistratuum  rechtlich  besass,  wie  er  auch  schon  oft  bei 
Fällen  befragt  worden  sein  mag,  in  denen  später  die  patrum  auctoritas 
mit  gesetzlicher  Nothwendigkeit  eintrat.  Gegen  Lange  wird  hier  nach- 
gewiesen, dass  später  zwar  senatus  in  Formeln  häufiger  war  als  patres 
und  patres  conscripti,  jedoch  durchaus  nicht  allein  üblich.  Schliesslich 
zieht  der  Verfasser  die  Consequeuzen  des  Satzes,  dass  die  patrum  auc- 
toritas mit  den  Curiatcomitien  in  keinem  Zusammenhange  stehe,  für  die 
Geschichte  des  Senats.  Danach  kann,  wenn  seit  Beginn  der  Republik 
die  patrum  auctoritas  verfassungsmässige  Vorbedingung  zur  Gültigkeit 
legislativer  Velksbeschlüsse  und  comitialer  Wahlacte  war,  der  Beschluss 
des  Gesammtsenats  gleichzeitig  nicht  dieselbe  Bedeutung  und  Wirkung 
gehabt  haben  Zwei  Hauptfragen  blieben  bis  jetzt  unerledigt:  1.  aus 
welchen  Gründen  au  Stelle  der  relativ  demokratischen  Zusammensetzung 
der  Curien  der  volksfreundlichste  König  der  Sage  eine  neue  Volksglie- 
derung geschaffen  habe,  welche  genau  genommen  alles  politische  Ueber- 
gewicht  in  die  Hand  der  höchsten  Censusklasse  legte?  2.  Wie  sich  ein 
zweifaches  Recht  des  patricischen  Senats,  seinen  uumassgeblichen  Rath 
vor  dem  Volksschluss  zu  ertheileu,  nach  demselben  dagegen  seine  streng 
bindende  auctoritas  auszusprechen  oder  zu  verweigern,  gebildet  habe? 
Die  Antwort  erhalten  wir  erst,  nachdem  die  Entstehung  der  übrigen 
Comitien  untersucht  worden  ist,  was  im  dritten  Abschnitte  zunächst  mit 
den  comitia  centuriata  geschieht. 

Der  Verfasser  eröffnet  seine  Untersuchung  mit  einer  Musterung 
der  neueren  Ansichten  und  kommt  zu  dem  Resultate,  dass  sie  alle,  wie- 
fern sie  die  politische  Bedeutung  der  Centurienordnung  zu  erklären  suchen, 
im  Widerspruch  stehen  mit  der  alten  Ueberlieferung  und  mit  der  neuer- 
dings von  Mommsen,  Genz,  J.  J.  Müller  versuchten  militärischen  Deutung 
derselben.  Die  servianische  Reform  steht  zunächst  ausser  allem  Bezug 
zu  einer  directen  Besteuerung.     Centuria  und  classis   sind  ursprünglich 


Bürgerschaft.  1 1 

militärische  Namen;  sie  können  aber  nicht  zu  gleicher  Zeit  militärische 
Körper,  die  nothwendig  jeweils  fest  abgegrenzt  waren,  und  Unterabthei- 
lungen des  populus  universus  bezeichnen,  die  nothwendig  unbegrenzt  waren, 
Ihre  Veränderung  zu  politischen  Zwecken  ist  eine  erst  durch  die  aristo- 
kratische Partei,  welche  die  Revolution  gegen  Tarquinius  Superbus  durch- 
führte, geschaffene  Neuerung.  Die  von  dem  Verfasser  des  weiteren  aus- 
geführten sonstigen  militärischen  Seiten  der  Centurienordnung  bestätigen 
dies  und  zeigen  evident,  dass  dieselbe  vor  allem  eine  Heeresorganisa- 
tion war.  Servius  hat  ein  Corps  von  zwei  Legionen  formirt;  die  gleiche 
Anzahl  der  centuriae  seniorum  und  die  centuria  proletariorum ,  welche 
wirklich  politische  Absichten  des  Gesetzgebers  errathen  lassen,  sind  spä- 
tere Anhängsel  und  Modificationen,  die  mit  der  Zeit  in  Folge  äusserer 
Umstände  durchgesetzt  und  für  politische  Zusammenkünfte  verwandt  wor- 
den sind.  Diese  Annahme  wird  durch  folgende  Momente  bestätigt:  1.  bei 
Livius  und  Dionysius  tritt  der  politische  Theil  der  servianischen  Ver- 
fassung nie  in  Wirksamkeit.  2.  Von  keinem  Gesetz  der  Königszeit  wird 
die  Annahme  in  Centuriatcomitien  berichtet.  3.  Es  würde  in  der  Königs- 
zeit jede  Competenz  für  die  Centuriatcomitien  gefehlt  haben;  die  davon 
abweichende  gemeine  Tradition  ist  vielfach  getrübt  und  theilweise  ten- 
denziös entstellt.  Ueber  die  Verwandlung  des  servianischen  exercitus 
in  eine  politische  Einrichtung  stellt  der  Verfasser  mit  Aenderuug  von 
Liv.  1,  60  iunioribus  qui  ultro  nomina  dabant  in  senioribus  folgende  Com- 
biuation  auf:  Tarquinius  war  vom  Heer  der  Gehorsam  gekündigt,  die 
aristokratische  Partei  hatte  beschlossen,  die  centuriae  iuniorum  d.  h.  das 
vor  Ardea  liegende  Heer  zu  gewinnen  und  durch  dieses  fortan  die  mili- 
tärischen Oberbeamten  wählen  zu  lassen,  mit  der  einzigen  Modificatiou, 
dass  die  im  Felde  stehenden  Compagnien  durch  die  40  +  10  +  10  +  10 
+  14  centuriae  seniorum  jeder  Klasse  verstärkt  werden  sollten.  Diese 
letzteren,  von  Brutus  in's  Lager  geführt,  hätten  nach  Tarquinius  Flucht 
die  Stimmen  des  Heeres  für  diese  Neuordnung  zu  gewinnen  gehabt,  wirk- 
lich gewonnen  und  dann  gemeinsam  die  erste  Abstimmung  des  exercitus 
entweder  noch  vor  Ardea  oder  vor  den  Thoren  Rom's  vorgenommen. 
Der  Decemvirat  führt  weitere  einschneidende  Veränderungen  herbei  und 
trennt  in  Rom  Heer  und  Haupt -Bürger-Versammlung  von  einander;  die 
Centurien  des  Stimmhecres  werden  seitdem  übercomplete  Unterabtheilun- 
gen des  populus  Romanus  Quiritium.  Dieser  Umwandlung  des  alten 
Heeres  mit  politischen  Rechten  in  jene  spätere  allgemeine  Bürgerver- 
sammlung verdanken  wir  die  vielfachen  Doppelbezeichnungen  wie  exer- 
citus-comitia  centuriata,  comitiatus  maximus,  praetor  maximus  (magister 
populi),  dictator,  praetor  consul,  exercitum  imperare-populum  inlicium 
vocare  u.  s.  w.  Die  Heeresrevolution  von  510  v.  Chr.  war  aber  mit  an- 
deren Verfassungsänderungen  verbunden:  die  patrum  auctoritas  wurde 
seitdem  verfassungsmässige  Vorbedingung  aller  Gesetze  und  Wahlcomi- 
tien,   die  lex  de  imperio    verblieb   den  Curien   und  damit  dem  Adel  ein 


12  Römische  Staatsalterthimicr. 

Mittel,  um  einer  etwaigen  Wiederholung  einer  Heeresrevolution  entge- 
gentreten zu  können. 

Im  vierten  Cai^itel  »Manipularheer  und  Aushebung«,  weist  der  Ver- 
fasser zunächst  nach,  wie  das  neuformirte  Manipularheer  sich  aus  dem 
servianischcn  entwickeln  koinite.  Zu  diesem  Zwecke  nimmt  er  zuerst 
Stellung  zu  Liv.  8,  8,  7  -  8;  in  der  ersten  Stelle  werden  die  Worte  ordo 
—  habebat  als  Interpolation  angesehen,  ordines  will  er  von  den  drei  ver- 
schiedenen acies  ebenso  gut  wie  von  den  Unterabtheilungen  der  dritten 
acies  verstanden  wissen ;  in  der  zweiten  Stelle  tritt  er  Mommsen's  Ver- 
werfung der  Worte  earum  sex  liomines  crant  bei.  Die  Berichte  des 
Livius  und  Polybius  über  die  Mauipularordnung  harmoniren  in  allen 
wesentlichen  Punkten;  die  zwischen  beiden  scheinbar  bestehenden  Diffe- 
renzen erklären  sich  dadurch,  dass  Livius  die  verstärkte,  Polybius  die 
normale  Legion  beschrieb.  Der  Bericht  des  Livius  ist  zwar  sehr  gut 
(nach  Entfernung  der  Interpolationen),  aber  selbst  wenn  er  aus  Cincius 
stammt,  so  darf  mau  in  ihm  doch  nicht  eine  Fundgrube  von  alterthümlichen 
Kenntnissen  suchen;  die  normale  Legion  ist  vielmehr  die  des  Polybius. 
Mit  ihr  wird  daher  im  Folgenden  die  Phalanx  verglichen,  nach  ihr  die 
Veränderung  des  römischen  Militärwesens  bemessen,  mit  der  einen  Aus- 
nahme, dass  für  die  frühere  republikanische  Zeit  an  die  Stelle  der  ve- 
lites  jedes  Triariermanipels  je  ein  vexillum  der  rorarii  und  der  accensi 
gesetzt  werden.  Die  Differenzen  zwischen  der  nah  verwandten  Phalanx 
und  Manipularheer  beschränken  sich  auf  vier  Punkte:  1.  Die  erste  Klasse 
muss  ihre  Stellung  in  den  ersten  Reihen  des  Heeres  aufgegeben  haben. 
2.  xienderungen  in  der  Bewaffnung.  3.  Die  Schlachtordnung  muss  anstatt 
in  42  dicht  nebeneinanderstehende  Centurien  später  in  30  Manipel  zu 
120  oder  in  60  Centurien  zu  60  Manu,  die  getrennt  von  einander  aufge- 
stellt waren,  getheilt  worden  sein  und  4.  abgesehen  von  einer  Reserve, 
die  sogar  schon  zur  Zeit  der  Phalanx  abgetrennt  worden  sein  wird,  in 
zwei  Schlachtreihen,  die  hinter  einander  standen,  gespalten  sein.  An 
diesen  vier  Punkten  wird  nun  nachgewiesen,  dass  die  Mauipularordnung 
ohne  Härte  aus  der  servianischen  Centurienordnung  hergeleitet  werden 
konnte;  letztere  war  nur  eine  Heeresorganisation,  die,  als  sie  eine  bür- 
gerliche Verwendung  erfuhr,  allmählich  in  eine  andere  selbständige 
Heeresordnung  übergeleitet  werden  konnte,  die,  ihr  anfangs  nahe  ver- 
wandt, bald  grössteutheils  in  Folge  von  taktischen  Veränderungen  so 
umgestaltet  wurde,  dass  die  Aehnlichkeit  beider  vielfach  verkannt  worden 
ist.  Die  Umwandlung  erfolgte  stufenweise,  die  ersten  Theile  fallen  in 
die  Zeit  des  Decemvirats.  Die  politischen  Rückwirkungen  dieser  Militär- 
organisation, welche  eine  Präsenzstärke  von  vier  Legionen  gestattete, 
waren  bedeutend:  Truppeuzahl  und  Tüchtigkeit  der  Soldaten  nahmen  zu, 
die  unteren  Klassen  wurden  stärker  zum  Kriegsdienste  herangezogen. 
Die  damit  uothwendig  verbundene  Erhöhung  der  Militärausgabeu,  nament- 
lich auch  die  Soldzahlungen,  führten  zur  Regelung  des  Staatshaushaltes 


Bürgerschaft.  13 

und  zur  Einführung  des  Bürgertributum  d.  h.  zur  Censur.  Die  Aus- 
hebung des  Heeres  fand  seit  Alters  nach  Tribus  statt,  jede  Tribus  stellte 
ursprünglich  gleich  viele  Truppen  sowohl  absolut  als  relativ  zu  jeder  Legion. 
Es  ist  denkbar,  dass  durch  Servius  auch  jeder  Centurie  gleiche  Theile  je- 
der Tribus  zugewiesen  worden  sind.  Jedenfalls  muss  diese  Ordnung  aber 
bei  21  Tribus  oder  wohl  schon  bei  der  von  Mommsen  postulirteu  Zahl 
von  20  Tribus  umgeändert  und  an  ihre  Stelle  die  aus  Polybius  be- 
kannte, lediglich  nach  militärischen  Rücksichten  übliche  Bildung  der 
Unterabtheilungen  des  Heeres,  welche  getrennt  von  der  Aushebung 
stattfand,  eingeführt  worden  sein.  Zur  Zeit  der  servianischen  Hecres- 
ordnung  wurde  die  Aushebung  mit  Zuhülfenahme  einer  Aushebuugsliste 
vorgenommen,  welche  die  Tiibulen  einer  jeden  Tribus  zunächst  nach 
Klassen,  dann  nach  dem  Dienstalter  geordnet  enthielt.  Nur  so  geordnete 
tabulae  iuniorum  konnten  für  die  Aushebung  des  servianischen  Heeres 
brauchbar  sein.  Bis  auf  Marius  waren  nur  die  fünf  servianischen  Klassen 
dienstpflichtig;  doch  wurde  der  Begriff  der  Proletarier  allmählich  (späte- 
stens seit  269  V.  Chr.)  auf  die  nicht  unter  4000  As  besitzenden,  seit  Ma- 
rius noch  weiter  beschränkt.  Die  Aushebungsliste  der  servianischen  Ord- 
nung blieb  auch  bei  der  späteren  Aushebung  ex  classibus  in  Verwendung 
und  zwar  in  unveränderter  Gestalt.  Seit  der  Centurienreform  sind  die 
Listen  der  Centuriatcomitien  nichts  anderes  als  die  tabulae  iuniorum 
seniorumque  einschliesslich  der  Proletarierlisten:  dieselben  enthielten  die 
Dienstpflichtigen  und  hernach  wenigstens  Dienstfähigen  und  ausgedienten 
römischen  Bürger  nach  Tribus,  Klassen  und  Dienstalter  geordnet;  diese 
Centurienreform  ist  in  die  Zeit  des  Decemvirats  zu  setzen.  Die  gefun- 
denen Resultate  fasst  der  Verfasser  selbst  also  zusammen.  Die  Cen- 
turienordnung  hat  drei  Entwickelungsphasen  durchgemacht.  Sie  war  an- 
fangs eine  Heeresordnung,  sie  wurde  seit  510  n.  Chr.  mit  Hinzuziehung 
der  seniores  auch  als  comitia  centuriata  verwandt.  Seit  dem  Decemvirat 
wurden  die  comitia  centuriata  zugleich  der  comitiatus  maximus,  eine 
allgemeine  Bürger-Versammlung  des  populus  Romanus  Quiritium  tribu- 
tim  censu  aetate  ordinibus  descriptus.  Stets  beruhten  sie  also  auf  den 
tribus  und  der  tributim  gebildeten  Aushebungsliste.  Mit  dem  letzteren 
Satze  tritt  der  Verfasser  zu  Mommsen  in  entschiedenen  Gegensatz. 

Mit  der  dritten  Gattung  der  Volksversammlungen  und  ihrer  Grund- 
lage, den  Tribus,  beschäftigt  sich  der  fünfte  Abschnitt.  Der  Verfasser 
stellt  zuerst  dasjenige  zusammen,  was  so  ziemlich  allgemein  anerkannt 
ist.  Die  drei  alten  Stamratribus  waren  ursprünglich  eine  Eintheiluug 
der  römischen  Feldmark  und  zugleich  der  römischen  Altbürgerschaft. 
Die  Zugehörigkeit  zu  einem  District  war  unabhängig  vom  Wechsel  des 
Wohnsitzes  und  —  seit  der  Beweglichkeit  der  Immobilien  —  auch  des 
Grundeigenthums.  Die  an  dieselben  geknüpften  Rechte  und  Pflichten 
hafteten  an  der  Person  und  vererbten  sich  auf  ihre  männlichen  Nach- 
kommen.   Ebcndiesselbe  ist  von  den  Tribus  der  späteren  republikaui- 


j^  Römische  Staatsalterthümer. 

sehen  Zeit  auszusagen.    Sie  ruhten  gleichfalls  auf  lokaler  Grundlage  und 
auch  mit  ihnen  waren  alle  politischen  Rechte  eines  Vollbürgers  verknüpft. 
In  beiden  Eintheilungen  ist   die  Einthcilung  der  Personen  das   sachlich 
Massgebende  und  Bleibende.    Der  Verfasser  geht  nun  zur  Entwickelung 
seiner  Ansicht  über,  deren  wesentliche  Ergebnisse  er  im  §  11  zusammen- 
fasst.    Von  den  drei  Arten  der  Tribus,  welche  man  in  der  späteren  Re- 
publik kannte  1.  einem  bestimmten  Theile  des  römischen  ager  privatus, 
2.  allen  in  diesen  Districten  wohnenden  Menschen,   3.  der  vererblicheu 
Heimathsberechtiguug  in  einem  solchen  Districte,  nach  welcher  die  Stel- 
lung im  militärischen  und  bürgerlichen  Heere  bestimmt  wurde  und  wel- 
che eine  Reihe  von  privatrechtlichen  Vortheilen,  das  ius  Quiritium,  ver- 
lieh, rauss  Servius  TuUius  sowohl  die  erste  wie  die  dritte  Art  geschaffen 
haben,   da  er  mit  dem  Eigenthum   an  Ackerland  und  Ackerwirthschaft 
nicht  nur   ursprünglich,   sondern   fortdauernd   die  Dienstpflicht   bei   den 
(im  Uebrigen  hierzu  qualificirten)  Eigenthümern  verknüpft  hatte.    Vorbe- 
dingung zum  Eintritt  in  die  Tribus  war  demnach   vor  Allem  der  Besitz 
oder  die  Verleihung  der  Fähigkeit  zum  ius  Quiritium,  volle  privatrecht- 
liche Selbständigkeit.     Dass  weiter  auch   Eigenthum    am   ager  privatus 
eines  Districts  ursprünglich  ebenfalls  nothwendig  zum  Eintritt  in  die 
Tribus  war,  ist  sicher;  denn  nur  durch  dieses  konnte  ein  Bürger  in  die 
Centurien  des  Heeres  eintreten,  und  eine  Aufnahme  in  die  Tribus  wäre 
von  Seiten  des  Staats  unmotivirt  gewesen,   so  lange  diese  selbst  nichts 
weiter  als  Aushebebezirke  waren.    Gruudeigenthum  war  in  der  serviani- 
schen  Tribus  Vorbedingung  zum  Eintritt  in  dieselbe,  spätestens  seit  dem 
Decemvirat  mcht  mehr.     Stets  müssen  übrigens,   auch   wenn  diese  Vor- 
bedingung später  weggefallen  wäre,  Katasterbücher  jedes  Districts   bei 
Aufstellung  der  tabulae  iuniorum  und   der  Stimmlisten   der  Ceuturiatco- 
mitien  zu  Grunde  gelegt  worden  sein.     Aus  ihnen  konnte   hervorgehen, 
in  wie  weit  ein  jeder  mit  Grund   zur  Dienstpflicht  herangezogen  oder 
eximirt,  zum  Stimmrecht  in  den  Centurien  zugezogen  oder  zurückgewiesen 
werden  konnte.     Ebenso  wenig,    wie  aber   ein   Grundeigenthümer,    der 
einen  Quirlten  von  seinem  Ackergut  verdrängt  hatte,   deshalb   schon  in 
die  Tribus  eintrat,  konnte  auch  die  Zugehörigkeit  zu  einer  Tribus,  das 
bürgerliche  Recht,  ex  iure  Quiritium  zu  handeln,  bei  Verlust  des  Grund- 
eigenthums  verloren  gehen;    das   »nudum  ius   Quiritium«   blieb.     Dem- 
nach waren  zur  Zeit  des  Servius  alle  Bewohner  des  ager  Romanus,  wel- 
ch« Grundeigenthümer  an  demselben  ex  iure  Quiritium  waren,  Mitglieder 
der  Tribus  geworden:    ausgeschlossen   dagegen    waren    alle    diejenigen, 
welchen  wegen  eines  andern  Bürgerrechts  oder  bei  mangelnder  Freiheit 
das  ius  Quiritium  fehlte,  oder  welche  nur  Besitzrechte,   sei  es  am  ager 
publicus  oder  an  solchen  Mobilien  hatten,  die  nicht  dauernd  zur  familia 
gehörten.     Alle  andern  Einwohner  des   römischen  Gebiets   —  mit  allei- 
niger Ausnahme  der  filii  familias  in  potestate  patris,  für  welche  die  bür- 
gerliche Stellung  des  Vaters  entscheidend  war  —  standen  also  ausserhalb 


Bürgerschaft.  15 

der  Tribus.  Diese  Auffassung  der  Tribus  genügt  vollständig,  so  lange 
dieselben  Aushebebezirke  für  die  römischen  Legionen  waren.  In  diesen 
dienten  nur  Bürger  und  zwar  nur  die  assidui  s.  locupletes  d.  h.  die 
grundsässigen,  welche  durch  Servius  nach  der  Grösse  ihrer  Güter  und 
ihres  Viehstandes  in  fünf  Aufgebote  eingetheilt  waren.  Dagegen  genügt 
sie  für  eine  Steuerordnung  nicht;  aber  eine  solche  hat  vor  den  Decemvirn 
auch  nicht  bestanden.  Denn  tributura  kommt  nicht  von  tribus,  wird  nicht 
von  der  Censur,  nicht  in  jeder  Tribus  und  nicht  von  ihren  Vorstehern 
erhoben,  ist  auch  keine  an  den  Grundstücken  der  Tribus  haftende  Grund- 
steuer, sondern  eine  Personalsteuer,  und  die  auf  Grund  des  Tribuska- 
tasters  erfolgte  Classificirung  der  Bürger  steht  im  vollsten  Gegensatze 
zur  Steuer-  und  Censurordnung.  Nur  ein  Bedenken  erhebt  sich  gegen 
diese  Auffassung,  der  Ausschluss  der  proletarii  aus  der  Tribus,  da  eine 
Bewegung  der  Plebeier  seit  493  v.  Chr.  ohne  die  Betheiligung  der  pro- 
letarii kaum  denkbar  ist.  Der  Verfasser  bringt  folgendes  zur  Beseitigung 
dieses  Bedenkens  vor.  Die  Curien,  welche  omnes  cives,  und  die  Tribus, 
welche  omnes  Quirites  enthielten,  deckten  sich  anfangs  nicht.  In  den 
tribus  fehlten  die  cives  proletarii,  dagegen  standen  in  ihnen  viele  Wehr- 
pflichtige, welche  in  die  sacrale  Gemeinschaft  des  populus  K,.  XXX  cu- 
riarum  keine  Aufnahme  gefunden  hatten;  dass  der  letzteren  Klasse  das 
Stimmrecht  in  den  comitia  curiata  fehlte,  konnte  in  den  Zeiten  etruski- 
scher  Eroberer,  welche  die  Thätigkeit  aller  Volksversammlungen  sistirten, 
nicht  als  eine  niedere  Rechtsstellung  angesehen  werden.  Ersatz  dafür 
bot  das  ins  Quiritium.  König  Servius  oder  richtiger  ein  etruskischer 
Eroberer  stellte  neben  die  engere  sacrale  Gemeinschaft  des  populus  XXX 
curiarum  die  umfassendere  der  Wehrmänner  (Quirites),  beschränkte  die 
Thätigkeit  der  comitia  centuriata  und  ersetzte  curiale  Acte  durch  civil- 
rechtliche.  Nachdem  sodann  nochmals  gegen  J.  J.  Müller  die  Zahl  der 
von  Servius  eingerichteten  Tribus  auf  vier  bestimmt  und  deren  innere 
Einrichtung  dargelegt  worden  ist,  giebt  der  Verfasser  eine  übersichtliche 
Darstellung  von  Wesen  und  Zweck  der  gesammten  servianischen  Ver- 
fassung. König  Servius',  des  etruskischen  Eroberers,  Werk  ist  eine  Heeres- 
organisation, die  Stiftung  vermehrter  Aushebebezirke,  mit  der  eine  Ver- 
mehrung der  leistungsfähigen  Grundeigenthümer  verbunden  war,  und  die 
Festsetzung  eines  gemeinen  Landrechts  für  alle  Wehrmänner;  das  waren 
Rechte,  welche  dem  gesunden  Verstände  des  römischen  Bauern  ungleich 
höher  standen  als  actives  Wahlrecht  in  einer  Versammlung,  die,  wie  das 
servianische  Heer,  vollständig  in  der  Hand  der  leitenden  Beamten  und 
der  Reichsten  lagen.  Rechte,  die  unendlich  viel  wichtiger  waren  als  das 
Stimmrecht  in  jenen  alten  Centuriatcomitien,  in  welchen  Beamte  und 
Priester,  adlige  Grossgrundbesitzer  mit  ihrer  Clientel  und  ihren  Vorur- 
theilen  völlig  den  Ausschlag  gaben.  So  kann  er  ein  zweiter  Gründer 
Rom's  genannt  werden:  er  durchbrach  die  Einheit  des  sacraien  römischen 
Gemeinwesens,   indem  er  daneben   die   umfassendere  Einheit  derjenigen 


16  Römische  Staatsalterthtimer. 

setzte,  welche  das  ius  Quiritium  hatten.  Allerdings  gab  er  damit  den 
Anstoss  zu  der  bald  erfolgenden  Ersetzung  des  Comitiats  des  p.  R. 
XXX  curiarum  durch  den  populus  R.  Quiritium;  aber  beabsichtigt  war 
dies  nicht. 

Im  sechsten  Abschnitt  werden  die  Veränderungen  der  servianischen 
Tribus  dargelegt.  Die  Aufnahme  der  Proletarier  fand  nicht,  wie  Momm- 
sen  annimmt,  durch  App.  Claudius  statt  —  denn  die  Ueberlieferung  be- 
zieht sich  hier  nur  auf  Libertini  —  sondern  ist  spätestens  seit  dem  De- 
cemvirat  vorhanden.  Spuren  dieser  Veränderung  zeigen  sich  in  der  Ver- 
mehrung der  Tribus  von  4  auf  20,  die  nur  bei  einer  grossen  Vermeh- 
rung der  Grundeigenthümer  denkbar  ist,  und  in  der  Durchführung  des 
cassischen  Ackergesetzes,  dessen  Bewegung  sich  wohl  nur  durch  die 
Wünsche  der  Proletarier  erklären  lässt,  Grundeigenthura  zu  gewinnen, 
in  eine  Tribus  zu  gelangen  und  des  ius  Quiritium  theilhaftig  zu  werden. 
Aber  es  ist  auch  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  die  plebeischen  Tribus- 
versammlungeu,  welche  das  Recht  hatten,  neue  Mitglieder  in  die  Tribus 
aufzunehmen,  von  diesem  Rechte  zu  Gunsten  der  proletarii  Gebrauch 
gemacht  haben.  Mit  dieser  Deutung  der  Vermehrung  und  Erweiterung 
der  tribus  ist  auch  eines  der  wichtigsten  Motive  des  ältesten  römischen 
Ständekampfs  aufgedeckt.  Die  Proletarier  müssen  damals  Grundeigen- 
thum  und  ius  Quiritium  verlaugt  haben,  das  Streben  nach  voller  privat- 
rechtlicher Selbständigkeit,  nach  sicherer  Ausübung  des  ius  Quiritium 
und  nach  Schutz  der  persönlichen  Freiheit,  der  Wunsch,  die  auf  die 
Sitte  und  sacrale  Ordnungen  sich  stützende  patronatische  Bevormundung 
abzustreifec,  war  eine  der  wichtigsten  Triebfedern  der  ersten  Secession. 
Aber  wichtige  politische  Rechte  hat  die  Secession  der  plebs  nicht 
verschafit.  Denn  erst  die  lex  Publilia  Voleronis  führte  concilia  plebis 
ein,  sie  erst  gab  den  Tribunen  das  ius  cum  plebe  agendi.  Vorher  sind 
in  den  concilia  plebis  Criminalurtheile ,  legislative  Beschlüsse  oder  Tri- 
buneuwahlen  nicht  vorgenommen  worden;  bis  zur  lex  Publilia  haben  die 
Tribunen  ihre  Nachfolger  cooptirt.  Von  allen  Errungenschaften  der  se- 
cessio  ist  ferner  nur  die  Stiftung  des  ius  auxilii  der  Volkstribunen,  der 
Volksädilen  und  plebeischer  Richtercoilegien  authentisch.  Die  wichtigste 
dieser  Errungenschaft  ist  das  Volkstribunat,  das  anfangs  nur  geringe 
Competenz  besass  und  nur  zum  Schutze  einzelner  Bürger  und  ihrer  per- 
sönlichen Rechte,  nicht  zur  Ausübung  weitgehender  politischer  Befugni'-s 
gestiftet  war;  die  weitere  Ausschmückung  der  secessio  ist  meist  späte 
Erfindung.  Von  den  tribus  der  Nachdecemviratzeit  waren  ausgeschlossen 
1.  alle  nicht  kriegsfähigen  Römer  (Weiber  und  Kinder),  2.  alle  nicht 
in  Rom  heimathsberechtigteu  (latini,  socii,  peregrini),  3.  die  municipes, 
welche  nicht  zum  Dienst  in  römischen  Tribus-Legionen  berech^'-^^^^'varen, 
4.  Unfreie,  servi  et  qui  in  libertate  morabantur,  nicht  dagegeri  ..  ''•^i- 
als  solche  und  nicht  die  tribu  moti,  die  kein  Censor  aus  allen  Tribus 
ausstossen,    sondern    nur  in   eine   andere  (städtische)    Tribus   versetzen 


Bürgerschaft.  ]  7 

konnte.  Der  Naclitheil,  welcher  den  von  letzterer  Strafe  Betroffenen 
traf,  war  factisch  ein  schlechteres  Stimmrecht.  Wer  in  seiner  tribus 
getilgt  war,  fehlte  zugleich  auf  den  tabulae  iuniorura,  d.  h.  seine  Dienst- 
zeit wurde  cassirt,  und  er  verlor  das  Stimmrecht  in  seiner  Tribuscen- 
turie,  oft  im  comitiatus  raaxiraus  überhaupt.  In  letzterem  Falle  musste 
er  mit  den  municipes  (Caerites)  Dienste  leisten,  ohne  Sold. 

Der  serviauische  Census  wird  im  siebenten  Abschnitt  besprochen. 
Es  geschielit  dies  wesentlich  in  polemischer  Weise  gegen  die  Vertreter 
der  Ansicht,  welche  mehr  die  finanziellen  Seiten  des  Census  hervorhebt. 
Speziell  gegen  Mommsen's  Ansicht,  dass  die  Steuerliste  die  erste  und 
hauptsächlichste  sei,  und  deren  Begründung,  dass  von  dieser  Hauptliste 
nicht  allein  die  capite  censi,  sondern  auch  die  filii  familias  in  potestate 
patris,  welche  nicht  steuerten,  ausgeschlossen  waren,  sucht  der  Verfasser 
folgende  vier  Thesen  zu  begründen:  1.  Kein  mannbarer  Wehrmann  (Qui- 
ris,  tribulis)  war  von  dem  censorischen  Ladebefehl  und  damit  von  der 
censorischen  Hauptliste  ausgeschlossen,  wohl  dagegen  alle  Frauen  und 
Kinder  der  Bürger,  sowie  sämmtliche  Halbbürger,  Bundesgenossen  und 
Fremde.  2.  Demnach  war  weder  die  Steuer-  noch  die  Aushebungsliste 
die  censorische  Hauptliste;  dies  war  vielmehr  diejenige  der  mannbaren 
Bürger,  soweit  sie  dienstberechtigt  waren.  3.  Jeder  Declarant  hatte 
Namen,  Alter,  Tribus,  Familienverhcältnisse,  Zahl  der  geleisteten  Dienst- 
jahre, Umfang  des  Eigenthums  anzugeben  und  die  speziell  darauf  be- 
züglichen Fragen  der  formula  census  zu  beantworten.  Nach  diesen  An- 
gaben konnten  die  Listen  für  Tribusversammlungen  aufgestellt,  nach 
ihnen  die  tabulae  iuniorura  revidirt  und  dann  als  Resultat  beider  der 
exercitus  quinquennalis  (centuriato),  welcher  zur  Lustration  befohlen 
ward,  aufgestellt  werden.  4.  Erst  später  und  getrennt  von  diesen  Listen 
wurden  unter  censorischer  Aufsicht  von  Gehülfen  derselben  (iuratores) 
Erhebungen  über  das  Vermögen  und  die  nach  der  formula  census  für 
die  Besteuerung  wichtigen  Verhältnisse  aller  Einwohner  angestellt.  Durch 
sie  sollte  in  erster  Linie  die  Steuerkraft  der  Nicht -Quirlten  bemessen 
werden,  und  dementsprechend  sind  seit  dem  Decemvirat  wohl  nur  die 
beiden  Listen  der  aerarii,  welche  aes  dauernd  zahlten,  und  der  orbi  et 
orbae,  deren  Besitzthum  nur  vorübergehend  (zum  aes  equestre)  steuer- 
pflichtig war,  aufgestellt  worden.  Bald  aber  mussten  die  letztgenannten 
Verzeichnisse  noch  in  zwei  anderen  Beziehungen  von  Werth  werden,  näm- 
lich einmal  für  die  ausnalimswcise  steuerpflichtigen,  die  Tribut  zahlen- 
den Bürger  u.id  "odann  für  eine  Zusammenstellung  der  zwar  dienst- 
pflichtigen, aber  nicht  vollberechtigten  Halbbürger  (caerites).  Besondere 
Berücksichtigung  verdient  der  Verfasser  bei  dem  Nachweis,  dass  die 
'^'""■^"'  en  nicht  durch  Addition  der  censorischen  Hauptliste  oder 
utiL  labuiac  iuniorum  entstanden  sind,  sondern  die  Gcsammtzahl  des 
exercitus  urbanus  quinquennalis,  der  Mitglieder  der  rcformirten  Cciituriat- 
comitien,  geben,  gegenüber  der  Ansicht  Mommsen's  und  Beloch's  über  die 

Jahresbericht  Tür  AUcrlhumswisscnscIiurt  XXVUI.  (iS8i.  111.)  O 


18  Römische  Staatsaltorthiimer. 

Zahlen  der  Wehrfähigen  bei  Polybius  2,  13,  welche  verworfen  wird.  Spe- 
ziell der  Zusatz  praeter  orbos  orbasque  ist  erst  in  spät  republikanischer 
oder  augustischer  Zeit  aufgekommen,  nachdem  die  socii  Bürger  gewor- 
den, die  Liste  der  cives  sine  suff'ragio  durch  Ertheilung  der  vollen  Ci- 
vität  an  alle  Bürger  in  Wegfall  gekommen  war  und  bei  der  Zählung 
ein  anderer  Modus  beobachtet  wurde.  Der  servianische  Census  bestand 
also  in  einer  Katastrirung  des  Grundcigcnthums  und  einer  Anfertigung 
von  tabulae  iuniorum.  P]ine  aestimatio  in  Geld  fand  frühestens  seit 
der  Censur  statt,  ebenso  erst  seit  ihr  eine  lustratio  und  eine  directe 
Besteuerung  ex  censu. 

Abschnitt  8  die  servianische  Steuerorduung.  Zunächst  legt  der 
Verfasser  dar,  dass  Servius  allerdings  bereits  eine  direkte  Besteuerung 
eingeführt,  aber  diese  im  Gegensatz  zu  dem  auf  die  Vollbürger  mit  spä- 
ter rcpartirten  tributum  civium  Romanorum  auf  die  Nicht -Tribulen  ge- 
legt hat;  dies  war  das  aes  der  aerarii.  Zu  letzteren  gehörten  die  mit 
einer  nota  belegten  Tribulen,  alle  auf  römischem  Gebiete  vorhandenen 
municipes  socii  und  peregrini,  soweit  sie  nicht  durch  specielle  Privile- 
gien von  der  Steuerzahlung  befreit  waren;  ebenso  gewöhnlich  die  liber- 
tini  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche  in  quiritischera  Eigenthura  römi- 
scher Vollbürger  gestanden  hatten  und  testamento,  censu,  vindicta  manu- 
mittirt  waren  und  in  die  Tribus  aufgenommen  werden  konnten.  Vor 
Appius  Claudius  sind  selbst  die  feierlich  Freigelassenen  nicht  oder  doch 
nur  ausnahmsweise  in  die  Tribus  aufgenommen,  wenn  man  nämlich  die 
Zahl  der  Militärpflichtigen  in  den  Landtribus  vermehren  wollte,  oder 
nur  in  dio  städtischen  Tribus,  was  die  Regel  war ;  in  beiden  Fällen  hatten 
sie  alle  Rechte  mit  den  übrigen  Tribulen  gemein.  Die  Aerarier  haben 
bis  zum  Decemvirat  nur  eine  Kopfsteuer  bezahlt,  nach  dieser  Zeit  eine 
Steuer  ex  censu,  aber  einen  höheren  Procentsatz  als  die  Tribulen;  der- 
selbe betrug  mindestens  3  pro  Mille.  Steuerpflichtig  war  in  Rom  von 
Immobilien  nur  der  ager  privatus  Romanus,  von  Mobilien  alle  auf  römi- 
schem ager  privatus  und  publicus  befindlichen  Gegenstände,  von  den  in 
den  Provinzen  befindlichen  Besitzgegenständen  römischer  Bürger  nur 
die,  welche  nicht  unmittelbar  zum  Wirthschaftsinventar  der  dortigen 
Güter  gehörten.  Die  Aerarier  als  solche  waren  nicht  dienstpflichtig,  da 
für  die  Heerespflicht  nur  die  tribules  assidui,  proletarii  Caerites  und 
socii  navales  in  Betracht  kamen.  Steuerpflicht  und  Dienstpflicht  sind 
nicht  congruent,  also  auch  die  proletarii  tributpflichtig,  soweit  sie  nicht 
capite  censi,  d.  h.  wegen  Armuth  steuerfrei  waren. 

Der  letzte  Abschnitt  »patres  und  plebs  vor  der  Secessio«  bildet  eine 
Ergänzung  zu  dem  Resultat  des  ersten,  wonach  die  plebs  Stimmrecht 
in  den  Curiatcomitien  besass,  insofern  nachgewiesen  wird,  dass  das 
Patriciat  zu  keiner  Zeit  allein  die  Altbürgerschaft  gebildet  haben  könne. 
Die  Gründe,  mit  welchen  den  Clienten  und  Plebeiern  das  volle  Bürger- 
recht abgesprochen  wird,   ersteren  weil  ihnen  als  einer  Art  von  besser 


Bürgerschaft.  ]  9 

gehaltenen  servi  gentilicii  die  volle  Freiheit  und  namentlich   die   volle 
privatrechtliche  Selbständigkeit  gefehlt  habe,  letzteren,  weil  die  Patricier 
allein  alle  sacralen  und  ausserdem  manche  wichtige  bürgerliche  Rechte 
vor  ihnen  voraus  gehabt  haben  sollen,  sind  nicht  stichhaltig.    Die  dien- 
ten sind  stets   durch   die  Bande  der  Sitte   und   der  Religion   mit  ihren 
Patronen   verbunden   gewesen;    aber   schon  im   servianischen   Rom  sind 
sie  als  solche  nicht  mehr  in  völliger  privatrechtlicher  Abhängigkeit,  ohne 
eigene   Rechtsfähigkeit,   ohne  Gruudeigeuthum   gewesen;   in  staatsrecht- 
licher Stellung    sind    sie  mindestens   seit  Servius   der  nicht  in   Clientel 
stehenden  Plebs  gleichgestellt;  alle  Gesetzesbestimmungen  begreifen  die 
Clientel  in  dem  Namen  der  Plebs  mit  ein.     Die  Plebeier  besitzen,  wie 
bekannt,   die  wichtigsten  bürgerlichen  Rechte   (Dienstpflicht -Angehörig- 
keit zu  den  tribus,  Grundeigenthum,  Rechtsfähigkeit,  Erbrecht);  so  könnte 
ihnen  das  Stimmrecht  in  den  Curien  nur  dann  abgesprochen  werden,  wenn 
die  Patricier  in  der  That  wesentliche  andere  bürgerliche  Rechte  vor  der 
plebs    vorausgehabt  hätten.     Nun   stand  aber  schwerlich   das  Recht  auf 
Beamten-,  Senatoren-,  Richter-  und  Priesterstellen  dem  Patriciat  in  der 
Königszeit  ausschliesslich  zu;  wäre  dies  aber  auch  der  Fall,   so  bildete 
dieses  Recht  so  wenig  wie  das  ins  gentiliciura  einen  wesentlichen  Theil 
des  Bürgerrechts,  da  bei  keinem  Volke   die  Adelsrechte   zum  Bürger- 
recht gehören.    So  bestanden  das  römische  Volk  und  der  älteste  Coraitiat 
desselben,  die  concilia  curiata,  stets  aus  Adligen  und  Gemeinen.     Wenn 
nicht   alle   der  in   die   erweiterte  Gemeinde   der   » Wehrmänner «    aufge- 
nommenen Mitglieder  sogleich  in  die  sacrale  Gemeinschaft  des  pop.  XXX 
curiarum  eintraten,   so  darf  man  diesen  Umstand  doch  nicht  zur  Leug- 
nung patriciscb-plebeischer  Curien   benutzen.     Die  Gegensätze   von  Alt- 
und  Neubürgern,  Curialen  und  Nicht-Curialen  decken  sich  nicht  mit  den 
Gegensätzen  von  patres  und  plebs. 

Das  gewonnene  Resultat  sucht  der  Verfasser  noch  durch  allge- 
meine Erwägungen  zu  stützen.  Selten  oder  nie  bestand  eine  Gemeinde 
bloss  aus  adligen  Geschlechtern;  auch  glaubt  er,  dass  sich  nur  aus  sei- 
ner Annahme  das  Wesen  aller  römischen  Volksversammlungen  klar  und 
einfach  ermessen  lässt.  Allmählich  treten  nach  Ausgleich  der  religiösen 
Gegensätze  von  Alt-  und  Neubürgern  auch  letztere  in  die  Curien  ein; 
dieser  Vorgang  war  aber  politisch  unwichtig  und  unwesentlich  für  den 
Ständekampf.  Die  attische  Verfassung  bietet  maiinichfachc  Analogie  zur 
römischen  Entwickelung,  die  Abweichungen  glaubt  der  Verfasser  eben- 
falls leicht  bei  seinen  Annahmen  erklären  zu  können. 

Anhang  I  stellt  die  Volksabthcilungen,  Anhang  II  die  servianischen 
Censussummen  dar;  ein  Register  erleichtert  den  Gebrauch  des  umfang- 
reichen Werkes  (675  S.). 

Wir  mussten  es  uns  bei  dem  grossen  Umfange  des  Werkes  meist 
versagen,  in  die  Untersuchung  selbst  einzutreten;  eine  Erörterung  der 
überall  gründlich  gestützten  Ansichten   kann  hier   noch  weniger  in  Be- 

2» 


20  Römischo  Staatsalterthümer. 

tracht  kommen.  Der  Verfasser  wird  selbstverständlich  nicht  Alle  zu 
seinen  Ansichten  bekehren,  da  auch  er  allerlei  Subiectivitäten  gegenüber 
der  Tradition  zulassen  muss;  aber  allgemein  wird  man  ihm  das  Zeug- 
niss  ertheilen  müssen,  dass  seine  Kenntnisse  gründlich  und  umfassend, 
seine  Deduction  conscquent  und  seine  Resultate,  wenn  man  sich  über 
einige  Grundfragen  mit  ihm  einigen  kann,  wohlbegründet  sind.  Seit 
langer  Zeit  hat  die  Arbeit  die  Untersuchung  dieser  Fragen  wieder  ein- 
mal im  grossen  Stile  aufgenommen;  so  wird  sich  naturgeraäss  die  Litte- 
ratur  der  nächsten  Zeit  um  sie  gruppii'en,  zu  ihr  Stellung  nehmen  müssen. 
Die  Anordnung  hätte  einfacher  und  klarer  sein  können;  jetzt  ist  der 
Verfasser  zu  zahlreichen  Wiederholungen  und  Zerreissungcn  gezwungen, 
welche  die  Durcharbeitung  seines  Buches  nicht  erleichtern. 

Ignaz  Blascl,  Die  allmähliche  staatsrechtliche  Comi^etenzerwei- 
terung  der  Tributcomitien  durch  das  dreimalige  gleichlautende  Gesetz: 
ut  quod  tributim  plebs  iussisset,  omnes  Quirites  teneret.  In  Fest- 
schrift zur  Begrüssung  der  XXXIV.  Versammlung  deutscher  Philolo- 
gen und  Schulmänner  zu  Trier  überreicht  im  Namen  der  XVI.  Vei'- 
sammlung  rheinischer  Schulmänner.     Bonn  1879. 

Bis  zum  Jahre  448  galt  es  als  Usurpation  in  den  Tributcomitien 
allgemeine  Staatsangelegenheiten  zur  Erörterung  und  zur  Beschluss- 
fassung zu  bringen;  mit  diesem  Jahre  erlangen  sie  die  ausdrückliche 
Befugniss  hierzu.  Die  bekannte  Bestimmung  ut  quod  tributim  etc.  über- 
setzt der  Verfasser  »Alle  Beschlüsse  der  Plebeier  in  Tributcomitien  ge- 
fasst,  sollten  Seitens  der  Patricier  respectirt  werden«  und  versteht  dies 
so:  es  wurde  staatsrechtlich  festgesetzt,  »dass  die  Patricier  die  Sonder- 
versammlungen der  Plebeier,  falls  sie  nicht  mit  der  Staatsgewalt  in  Coil- 
flict  gerathen  wollten,  nunmehr  achten  und  ungestört  ihre  Verhandlun- 
gen vor  sich  gehen  lassen  mussten«.  Der  Verfasser  meint,  das  Mittel 
habe  auch  geholfen,  Berathungen  und  Beschlussfassungen  verliefen  von 
nun  an  ruhig,  wozu  allerdings  wohl  ein  weiteres  Moment  noch  beigetra- 
gen haben  mochte:  die  rechtlich  zugestandene  Anwesenheit  von  Patri- 
ciern  in  den  plebeischen  Comitien  oder  vielmehr  in  den  jenen  voran- 
gehenden Centurien«.  Zweierlei  tritt  sofort  gegen  die  Theorie  entgegen: 
1.  der  Verfasser  sagt  selbst,  die  religiöse  Verfluchung  der  leges  sacratae 
habe  factisch  kaum  grosse  Wirkung  gehabt;  ist  anzunehmen,  dass  die 
Stellung  der  Verhandlungen  »unter  den  Schutz  des  bürgei'lichen  Straf- 
rechts« wirksamer  war?  Wer  hatte  dann  die  Execution?  nicht  daran 
scheiterten  die  Verfluchungen  der  leges  sacratae,  dass  sie  den  Frevler 
nicht  schwer  genug  trafen,  sondern  dass  die  Execution  unterblieb.  2.  War 
es  nicht  das  sonderbarste  Mittel  von  der  Welt,  wenn  man  die  Plebeier- 
versammlungen  vor  den  Störungen  durch  Patricier  schützen  wollte,  die- 
sen letzteren   die  Assistenz  —   nach   einer  Anmerkung  glaubt  der  Ver- 


Bürgerschaft.  21 

fasser  sogar  die  rechtliche  Theilnahme,  d.  h.  Betheiliguug  an  der  De- 
batte uud  Beeinflussung  der  Abstimmung  —  zu  gewährleisten?  Der  ge- 
sunde Menschenverstand  würde  sich  doch  unbedenklich  für  den  entgegen- 
gesetzten Weg  entscheiden  müssen,  und  dieser,  niciit  staatsrechtliche 
Tüfteleien,  bestimmt  doch  in  der  Kegel  die  erste  Entwickelung  eines 
Volkes.  So  kann  der  Verlauf  nicht  so  gewesen  sein,  wie  ihn  der  Ver- 
fasser darstellt;  doch  liegt  der  Grundirrthum  in  seiner  Auffassung  des 
Verhältnisses  von  Patriciern  und  Plebeiern  überhaupt.  Es  ist  wahr,  der 
Verfasser  giebt  »in  zweiter  Linie «  dem  valerisch - horatischen  Gesetze 
noch  eine  weitertragende  Bedeutung  »durch  dasselbe  erhielten  die  Tri- 
butcomitien  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  rechtlich  anerkannte  Be- 
fugniss,  über  allgemeine  Staatsangelegenheiten  zu  berathen  und  zu  be- 
schliesseu;  bei  derartigen  Berathungen  wurde  nun  wohl  auch  vielfach 
Patriciern  eine  berathende  Stimme  gestattet«.  Aber  was  fügt  er  hinzu: 
»Rechtliche  Geltung  erhielten  die  Tribusbeschlüsse  allerdings  erst  durch 
Zustimmung  des  Senats,  vor  allem  aber  erst  durch  Zustiunnuug  der  Cu- 
riatcomitien«.  Wie  hat  sich  der  Verfasser  hier  zunächst  das  »vielfach« 
gedacht;  wer  entschied  hierüber;  musste  diese  Frage,  in  das  Belieben 
irgend  eines,  gleichviel  welches  Menschen,  gestellt,  nicht  eine  fortwäh- 
rende Quelle  neuen  Haders  werden?  Und  was  wird  unter  den  nachfol- 
genden Clausein  aus  der  »rechtlich  anerkannten  Befugniss«?  Doch  auch 
dies  ergiebt  sich  als  die  Folge  seiner  Gruudausicht  über  das  Verhältniss 
von  Patriciern  und  Plebeiern. 

Durch  die  publilischen  Gesetze  1.  ut  plebi  scita  omues  Quirites 
teuereut,  2.  ut  legum  quae  comitiis  centuriatis  ferrentur,  ante  inium 
sufiragium  patres  auctores  fierent  wurde  1.  »die  bisher  vielfach  gebräuch- 
liche, ebenso  oft  aber  bestrittene  Praxis:  den  Tributcomitieu  Staatsan- 
gelegenheiten zur  ßerathung  uud  Beschlussfassung  zu  unterbreiten«  als 
gesetzlich  hingestellt,  die  Patricier  erhielten  in  den  Tribus  jetzt  wahr- 
scheinlich das  sufiragium,  2.  »die  Competenz  der  Centuriatcomitien  wurde 
erhöht,  indem  sie  zur  völlig  selbständigen,  höchst  entscheidenden  Ver- 
sammlung erhoben  wurden«.  Der  Verfasser  hat  mit  S.  22  eine  unfrei- 
willige Kritik  seiner  Ansicht  über  das  valerisch -horatische  Gesetz  ge- 
geben, indem  er  eine  Reihe  von  Folgen  aufzählt,  die  wohl  ebenso  viele 
staatsrechtliche  Unklarheiten  genannt  werden  können.  Natürlich  sind 
bei  den  publilischen  Gesetzen  die  patres  die  Curien;  »der  Kaufpreis,  in 
welchem  die  Patricier  den  Plebeiern  die  staatsrechtliche  Anerkennung 
der  publilischen  Verfassungsänderung  zugestanden,  war  dass  die  Tribut- 
comitieu von  jetzt  ab  unter  Beobachtung  von  Anspielen  abgehalten 
wurden«. 

Das  horteusische  Gesetz  endlich  bestimmte,  dass  die  Beschlüsse 
der  Tributcomitieu  von  nun  an  sofortige  Gesetzeskraft  erhalten  sollten, 
unabhängig   von   dem  Widerspruche  oder  der  Zustimmung   der  Curien; 


22  Römische  Staatsalterthümer. 

damit  wurde  die  Volkssouveränität  in    legislativer  Beziehung   unbedingt 
anerkannt«. 

Wir  bezweifeln,  dass  die  Resultate  des  Verfassers  grossen  Beifall 
finden  werden. 

B.    Die    Staatsverwaltung. 

1.   Organisation  des  Reiches. 

Edgar d  Marx,  Essai  sur  les  pouvoirs  du  gouverneur  de  province 
sous  la  rcpublique  Romaine  et  jusqu'a  Diocletien.    Paris  1880. 

Im  ersten  Capitel  giebt  der  Verfasser  die  grundlegenden  Begriffe 
imperiura,  provincia  etc.,  im  zweiten  stellt  er  die  militärischen  und  Ver- 
waltungsbefugnisse des  Statthalters,  im  dritten  die  finanziellen,  im  vier- 
ten die  Leitung  der  öffentlichen  Arbeiten,  im  fünften  die  rechtliche  Ge- 
walt dar.  Cap.  6  handelt  von  der  Verantwortlichkeit  des  Gouverneurs. 
Der  Verfasser  kennt  die  neuere  Litteratur;  Mommsen's  Staatsrecht  hat 
er  gründlich  benützt.  Neues  bietet  die  Untersuchung  nicht,  Klarheit 
und  übersichtliche  Darstellung  kann  man  ihr  nicht  absprechen. 

V.  Duruy,  Fragment  dune  etude  sur  l'admiuistration  provinciale 
d'Auguste.    Revue  critique  1880.    No.  10. 

So  weit  sich  aus  dem  Referat  dies  ersehen  lässt,  trägt  Duruy  nur 
Bekanntes  vor.  In  der  sich  an  sein  Expose  knüpfenden  Discussion  wird 
von  Egger  festgestellt,  dass  sich  eine  Art  Posteinrichtung  schon  in  der 
Republik  finde  in  einer  von  Fronte  citierten  Catostelle.  Desjardins  und 
Duruy  behaupten,  nach  einer  Inschrift  von  122  n.  Chr.  habe  es  in  ganz 
Italien  einen  Postdienst  gegeben,  in  den  Provinzen  einen  solchen  der 
Staatspächter.  Alle  diese  Dinge  sind  längst  bekannt  (Hudemann,  Gesch. 
d.  röm.  Postv/.  S.  8 ff.).  Bezüglich  des  Catasters  behauptet  Perrot,  der- 
selbe habe  in  der  ganzen  Kaiserzeit,  auch  im  Orient,  bestanden  und  die 
Erinnerung  an  diese  Thatsache  sich  bis  heute  erhalten.  Er  habe  bei 
Fragen  nach  topographischen  Dingen  oft  die  Antwort  erhalten,  das  könne 
er  auf  Marmortafeln  in  Konstantinopel  finden.  Henzey  fügt  hinzu,  dass 
thessalische  Karten  des  14.  Jahrb.  beweisen,  dass  noch  zu  dieser  Zeit 
ein  eingerichtetes  Catasterwesen  existirte  mit  Specialbeamten  für  diesen 
Dienstzweig. 

In  No.  11  ist  eine  Fortsetzung  dieser  Studien  Duruy's  enthalten. 
Er  bespricht  darin  die  religiöse  Einigung  der  Provinzen  durch  den 
Kaiserkult,  speciell  die  Ausrottung  des  Druidismus  in  Gallien  auf  die- 
sem Wege.  An  diese  Beobachtung  schliessen  sich  uaturgemäss  die  Pro- 
vinciallandtage  an,  ebenfalls  speciell  wieder  die  Galliens.  Er  erblickt 
darin  die  Anzeichen  eines  Repräsentativsystems  im  Alterthum,  dies  ist 
ja  bekannt  genug;  aber  vielleicht  ist  er  zu  dieser  Ansicht  hauptsächlich 
durch  die  Betrachtung  bewogen  worden,  dass  diese  Versammlungen  das 


Organisation  des  Reiches.     Finanzverwaltung.  23 

Recht  der  Anklage  gegen  den  Statthalter  hatten;  dass  sie  es  häufig 
geübt  und  oft  Erfolg  gehabt  haben,  hat  zwar  Duruy  behauptet;  es  dürfte 
ihm  aber  schwer  werden,  diesen  Beweis  zu  liefern;  leider  war  so  ziem- 
lich das  Gegentheil  der  Fall;  die  Inschrift  von  Torigny  hätte  dafür  lehr- 
reich sein  können.  Auch  das  wird  nicht  zu  bestreiten  sein,  dass  sich 
freiheitliche  Elemente  genug  im  Kaiserreiche  vorfanden ;  dass  die  Kaiser 
dieselben  nicht  weiter  entwickelten,  ist  sicher  ein  grosser  Fehler  ge- 
wesen; aber  ob  dies  sich  so  einfach  hätte  bewerkstelligen  lassen,  wie  es 
nach  Duruy's  Darstellung  erscheint,  wäre  eine  andere  Frage. 

Ludwig  Friedländer,   Städtewesen  in  Italien  unter  den  römi- 
schen Kaisern.     Deutsche  Rundschau  5,  202  if. 

Der  Verfasser  bespricht  in  bekannter  anziehender  und  gründlicher 
Weise  nach  einander  das  Aeussere,  die  Verfassung,  das  Ständewesen, 
Einnahmen  und  Ausgaben,  öffentliche  Wohlthätigkeit,  Vergnügungen  und 
Leben  der  Provincialstädte.  Ueberall  zeigt  sich  die  völlige  Beherrschung 
des  Stoffes,  wie  das  nicht  anders  von  Friedländer  zu  erwarten  ist;  so 
bat  der  Aufsatz  auch  ohne  gelehrten  Apparat  wissenschaftlichen  Werth. 

2.   Die  Finanzverwaltung.   (Colonat). 

Th.  Mommsen,   Decret  des  Commodus  für  den  Saltus  Buruni- 
tauus.     Hermes  15,  385  ff. 

In  dem  Commentare  zu  einer  in  Suk  el  Khmis  auf  der  Strasse 
von  Karthago  nach  Bulla  gefundenen  Inschrift  giebt  Mommsen  einen 
Beitrag  zur  Kenntniss  des  Colonats.  Das  Dokument  ist  eine  an  den 
Kaiser  Commodus  gerichtete  Eingabe  der  beschwerten  Pächter  des 
Saltus  Burunitanus  über  die  kaiserliche  Domänenverwaltung,  an  die  die 
kaiserliche  Randantwort,  wahrscheinlich  zwischen  180 — 183,  sich  an- 
schliesst.  Der  Saltus  ist  eine  von  der  municipaleu  Districtseintheilung 
eximirte,  unter  dem  Verwalter  des  Gutsherrn  stehende  Herrschaft;  ein 
grosser  Theil  der  afrikanischen  saltus  war  kaiserlicher  Besitz.  Die  Be- 
wohner dieser  Herrschaften  sind  in  der  Hauptsache  kaiserliche  Bauern, 
coloni;  von  dem  Leibeigenencolonat  der  späteren  Zeit  findet  sich  in 
der  vorliegenden  Urkunde  noch  keine  Spur.  Diese  Pächter  sind  Voll- 
freie und  zum  Theil  im  Besitz  des  römischen  Bürgerrechts ;  es  mag 
wohl  sein,  dass  die  Bewohner  dieser  Districtc  zum  grösseren  Theil  aus 
Italien  kamen.  Mommsen  weist  weiter  nach,  dass  auch  in  Italien  solche 
saltus  vorhanden  waren;  ja  die  Vermuthung  scheint  wolil  begründet,  dass 
die  Organisation  dieser  ausser  und  neben  den  Stadtbezirken  stehenden 
Herrschaften  in  Italien  zunächst  auf  die  Senatsoligarchie  zurückgeht.  Ob 
die  Einrichtung  im  letzten  Grunde  römisch  oder  karthagisch  war,  lässt 
sich  nicht  entscheiden;  vielleicht  waren  die  Karthager  die  Lehrmeister, 
die  Römer  die  Meister  in  diesem  unseligen  Systeme. 


24  Römische  Staatsalterthümer. 

Municipale  Jurisdiction  giebt  es  iu  diesen  kaiserlichen  Domanial- 
districten  nicht.  Die  Streitigkeiten  zwischen  den  kaiserlichen  Conducto- 
ren  und  den  kaiserlichen  Colonen  entscheidet  lediglich  die  Dornanial- 
verwaltung;  gegen  Rechtsverweigerung  fehlt  jede  praktische  Hülfe.  Es 
scheint  sogar  in  denselben  auch  in  der  Rechtspflege  der  Procurator  an 
die  Stelle  des  Statthalters  getreten  zu  sein. 

Gegenstand  der  Beschwerde  ist  die  Ueberschreitung  der  auf  der 
Herrschaft  aufgestellten  forma  perpetua,  der  seit  Hadrian  bestehenden 
»ewigen  Ordnung«,  durch  welche  dem  colonus  als  Ackerfrohnden  (partes 
agrariae)  und  zwar  theils  als  Hand-  (Operarum  praebitio)  theils  als 
Spanndienst  (iugorum  praebitio)  sechs  Arbeitstage  im  Jahre,  und  zwar 
zwei  Pflüge-  (aratoriae),  zwei  Gate-  (sartoriae),  zwei  Erntetage  (messo- 
riae)  auferlegt  waren,  von  Seiten  des  conductor  unter  Connivenz  des 
kaiserlichen  procurator.  Durch  dieses  Verliältniss  des  conductor  zu  den 
coloni  wird  weiter  klar,  dass  auf  diesen  Herrschaften  neben  einander 
bestanden  die  Parcellenverpachtung  an  Kleinpächter  und  die  Grosswirth- 
schaft  mit  Sklavenbetrieb.  Das  Herrschaftshaus,  die  Villa  des  Frontin, 
und  ein  Theil  der  Ländereien  wurde  Hofland  und  konnte  von  dem 
Grundherrn  selbst  bewirthschaftet  werden.  Zu  dieser  Auffassung  stimmt 
auch  was  über  die  Domanialwirthschaft  der  spätesten  Zeit  aus  den  Con- 
stitutionensammluugen  hervorgeht.  Neben  den  coloni  der  Domänen  er- 
scheinen theils  die  actores  theils  die  couductores,  jene  entsprechen  der 
unmittelbaren,  diese  der  durch  Grosspacht  vermittelten  Bodennutzung. 
Jene  werden  in  der  Regel  kaiserliche  Sklaven  gewesen  sein,  diese  sind 
Personen  von  Stand;  die  dem  colonus  zukommenden  Befreiungen  wer- 
den analog  auch  dem  conductor  gewährt  worden  sein.  Beide,  coloni 
und  couductores,  sind  gleichmässig  Bodeupächter;  man  darf  einen  Unter- 
schied nicht  dadurch  hineinbringen  wollen,  dass  man  eben  das  eine  Ver- 
hältniss  als  Erbpacht,  das  andere  als  Zeitpacht  fasst;  denn  die  Erbpacht 
findet  sich  auch  bei  der  Conduction,  wenngleich  die  Erblichkeit  bei  dem 
Colonat  früher  hinzugetreten  sein  mag.  Trotzdem  besteht  sachlich  und 
sprachlich  ein  präciser  Gegensatz,  insofern  das  Bauernland  ein-  für 
allemal  zur  Verpachtung,  das  Hofland  wenigstens  nach  der  ursprüng- 
lichen Einrichtung  zum  Selbstbetrieb  bestimmt  war;  sprachlich  bezeich- 
net colonus  den  »Bauer«,  und  wenn  das  Hofland  zum  Grossbetrieb  ver- 
pachtet ward,  konnte  man  »Bauer«  und  »Pächter«  so  gut  damals  wie 
heute  einander  entgegenstellen. 

Das  Auftreten  der  Frohnden,  welche  v.  Savigny  noch  für  die  spä- 
teren Colonen  in  Abrede  stellte,  bringt  Mommseu  einerseits  mit  den  Be- 
stimmungen der  Constitution  Cod.  Th.  5,  14,  4  =  C  lust.  11,  66,  2  in  Ver- 
bindung, wo  er  cum  ea  dote  vel  forma,  cui  nunc  habetur  obnoxia  liest, 
und  unter  der  dos  des  Herrschaftshauses  versteht,  dass  ihm  die  Frohn- 
tage  der  Bauern  zu  Gute  kommen;  andererseits  erinnert  er  au  die  fünf 
Tage   Hand-  bezw.  Spanndienst,    welche    nach  der   lex   Col.   Genet.   die 


Finanzverwaltung.  25 

arbeitsfähigen  männlichen  Personen  über  14  und  unter  60  Jahren  jähr- 
lich der  Stadtgemeinde  unentgeltlich  zu  leisten  hatten.  Die  burutani- 
schen  Pächter  gehörten  zu  keiner  Stadtgemeinde;  so  leisteten  sie  ana- 
logen Dienst  dem  Gutsherrn. 

Die  Steuer  entrichtet  regelmässig  der  colonus,  wie  Moramsen  aus 
Dig.  19,  1,  52  pr.  erweist,  in  dessen  Händen  sich  auch  die  Steuerquittun- 
gen befinden;  kommt  es  indess  zur  Klage,  so  richtet  sich  diese  gegen 
den  conductor  saltus  als  den  Vertreter  des  Grundherrn,  der  alsdann 
seinen  Rückgriff  gegen  den  colonus  nimmt  und,  falls  dieser  nicht  be- 
zahlt, befugt  ist,  das  Grundstück  zum  Verkauf  zu  bringen. 

Aber  auch  in  die  Regierung  Hadrian's  gewährt  das  Decret  einen 
wichtigen  Einblick;  wir  erhalten  durch  dasselbe  zum  ersten  Male  eine 
sachliche  Specialerläuterung  zu  den  allgemeinen  Schriftstellernotizen  über 
dessen  Reorganisation  der  Reichsverwaltung  und  insbesondere  der  finan- 
ziellen Ordnungen.  Leider  ist  der  Wortlaut  der  betreffenden  Stelle  aus 
Hadrian's  Gesetz  nicht  mit  aufgefunden  worden;  wir  wissen  jetzt  nur, 
dass  er  die  Frohntage  normirte  und  seineu  Beamten  die  willkürliche 
Steigerung  ein  für  alle  Male  untersagte. 

Schliesslich  spricht  Mommsen  noch  kurz  seine  Ansicht  über  die 
jetzt  vielfach  geführte  Controverse  über  die  sogenannte  Entstehung  des 
Colonats  aus.  Der  Colonat  an  sich,  d.  h.  die  bäuerliche  Kleinpacht,  ist 
so  alt  wie  Italien  und  durch  die  wirthschaftlichen  Verhältnisse  Italiens 
bedingt.  Diese  natürlichen  Verhältnisse  gelten  auch  in  der  Kaiserzeit, 
wie  Mommsen  aus  Inschriften  nachzuweisen  sucht.  Darnach  gab  es  noch 
im  Jahre  176  freie  Zeilpächter,  die  zu  Wohlstand  gelaugten.  Dass  die  in- 
schriftlichen Erwähnungen  verhältuissmässig  selten  sind,  erklärt  sich  daraus, 
dass  Pächter  zu  sein  nicht  in  dem  Sinne  Lebensstellung  war  wie  Zimmer- 
mann oder  Arzt.  Man  wird  aber  aus  diesen  wenigen  Inschriften  folgern 
dürfen,  was  jede  von  anderer  Seite  geführte  Untersuchung  bestätigt, 
dass  ein  beträchtlicher  Theil  der  Bevölkerung  Italiens  und  des  römi- 
schen Reichs  überhaupt  noch  in  der  Kaiserzeit  aus  solchen  Zeitpächtern 
bestanden  hat.  Die  Verschiebungen  des  Grundeigenthuras  haben  haupt- 
sächlich die  quantitative  Ausdehnung  des  Colonats  afficirt;  das  Zusammen- 
schwinden des  Kleiubesitzes  der  römischen  Bauerschaft  liat  die  Zahl 
der  Zeitpächter  wahrscheinlich  gesteigert.  Zerstört  hat  der  Grossgrund- 
besitz jede  Kleiuwirthschaft  nur  da,  wo  er  Sklavenbetrieb  einführte; 
aber  über  quantitative  Einschränkung  des  Colonats  ist  diese  Zerstörung 
weder  in  Italien  noch  in  den  Provinzen  hinausgegangen.  Wie  die  Co- 
lonen zu  Leibeigenen  geworden  sind,  wird  durch  das  bisher  Gesagte  nicht 
berührt.  Ohne  Zweifel  hat  das  Verhältniss  faktischer  Abhängigkeit  vom 
Grundherrn  von  jeher  zum  Wesen  des  Colonats  gehört,  vie  dies  noch 
heute  in  Italien  zu  sehen  ist;  oft  wird  das  Freigclassencnverhältniss  die 
Abhängigkeit  gesteigert  haben.  Aber  eine  tiefe  Kluft  liegt  zwischen 
diesem  Clientelvcrhältniss  und  dem  späteren  Colonat  mit  seiner  Gebuu- 


26  Römische  Staatsalterthümer. 

deriheit  an  die  Scholle  und  Vererbung  dieser  Gebundenheit  auf  die  Kin- 
der. Aber  diese  Frage  kann  nur  in  einem  grösseren  Zusammenhange 
gelöst  werden;  sie  muss  so  gestellt  werden,  wie  und  wann  in  den  Gil- 
den, bei  den  Subaltcrnbeamten,  im  Heerwesen,  im  Decurionat,  überhaupt 
bei  allen  denjenigen  Diensten,  welche  Personen  der  nicht  bevorrechteten 
Stände  dem  Gemeinwesen  direct  und  indirect  leisten,  die  dauernde  Ver- 
pflichtung an  die  Stelle  der  freiwilligen  oder  doch  zeitlich  beschränkten 
Leistung  getreten  ist.  Das  Princip  widerstreitet  durchaus  der  Auffassung 
des  lebendigen  römischen  Rechts  und  ist  der  Grundstein  des  Byzanti- 
nismus. Der  erste  Anstoss  kam  wahrscheinlich  vom  Ausland,  vielleicht 
unter  Marcus,  bei  Gelegenheit  der  Ansiedlung  deutscher  dediticii  auf 
römischem  Gebiet.  Die  Saat  germanischer  Leibeigenschaft  ist  dann  auf 
fruchtbaren  Boden  gefallen  und  hat  weit  über  ihre  ursprünglichen  Scliran- 
ken  hinaus  gewuchert.  Gegen  die  Ansicht  Mommsen's  über  die  Ent- 
stehung des  Colonats  hat  Heisterbergk  in  Z.  f.  d.  ges.  Staatsw.  1880 
S.  582  ft'.  eine  Reihe  von  sehr  beachtenswerthen  Einwänden  vorgebracht. 

H.  T.  Karsten,  De  Inkomsten  en  üitgaven  van  den  Romeinschen 
Staat.     1.  Theil  die  Republik.    Leiden  1880. 

Der  Verfasser  stellt  das  Einkommen  des  Staates  in  zwei  grossen 
Perioden  dar;  die  erste  umfasst  die  ältesten  Zeiten  bis  zum  Jahre  167, 
die  zweite  die  Zeit  von  167  bis  auf  Augustus.  Ein  drittes  Capitel  be- 
handelt die  Erhebung  und  die  Publicanen;  auch  die  zu  Kriegszwecken 
eingeführten  Einforderungen,  die  Verwaltung  der  Staatskasse  und  der 
Betrag  der  Einnahmen  wird  von  dem  Verfasser  dargestellt.  Fast  in 
gleichem  Umfange  werden  die  Ausgaben  behandelt.  Neues  darf  man  in 
der  Schrift  nicht  suchen,  aber  Uebersichtlichkeit  und  Klarheit  zeichnen 
sie  aus.     Marquardt  ist  stark  benutzt. 

/ 
3.    Militärwesen. 

L.  Klopsch,  Der  Dilectus   in  Rom  bis  zum  Beginn  der  bürger- 
lichen Unruhen.     Progr.  der  höheren  Bürgerschule  in  Itzehoe.    1879. 

Zuerst  wird  der  Dilectus  der  Königszeit  dargestellt.  Von  dem- 
selben kann  erst  seit  der  Vereinigung  der  drei  alten  Tribus  die  Rede 
sein.  Für  die  milites  wählte  der  König  im  Kriegsfall  aus  jeder  Tribus 
1000  Mann  aus,  zunächst  aus  den  iuuiores.  Mit  der  Verdoppelung  der 
Reiterei  lässt  der  Verfasser  auch  die  des  Fussvolks  vor  sich  gehen.  Ser- 
vius  ordnet  für  die  Aushebung  vier  tribus  an,  welche  sich  am  Tage 
des  Dilectus  mit  ihren  Vorstehern  versammeln;  aus  diesen  wurden  dann 
die  iuniores  bis  zur  Erreichung  der  erforderlichen  Zahl  aufgerufen;  der 
Aufgerufene  wurde  gleich  einer  der  beiden  Legionen  zugetheilt;  reichte 
der  Bedarf  nicht  aus,  so  wurde  der  Dilectus  wiederholt.  Unter  den 
seniores  fand  kein  Dilectus  statt:  ebensowenig  bei  den  Reitern;  wie  bei 


Militärwesen.  27 

den  fabri  etc.  verfahren  wurde,  ist  unbekannt.  Die  Ernennung  der  Ober- 
Ofliciere  (tribuni  militum  und  celerum)  ging  vom  Könige  aus.  Ueber 
Entschuldigungsgründe  und  Bestrafung  unentschuldigten  Ausbleibens 
wissen  wir  nichts. 

Die  Republik  verfährt  in  der  ersten  Zeit  beim  Dilectus  wie  zur 
Zeit  des  Servius  Tullius;  doch  gab  man  bald  dessen  vier  Aushebungs- 
bezirke auf  und  knüpfte  den  Dilectus  an  die  localen  Tribus.  Der  Ver- 
fasser schildert  nun  die  weiteren  Veränderungen  in  der  Aufhebung  und 
bespricht  eingehender  den  Dilectus  und  den  Tumultus. 

Der  Verfasser  kennt  kaum  die  Litteratur  über  die  von  ihm  be- 
handelte Frage;  deshalb  kann  man  dem  technischen  Theile  zwar  nicht 
allen  Werth  absprechen;  aber  der  staatsrechtliche  entbehrt  allzu  sehr 
der  richtigen  Grundlagen. 

H.  Haupt,  Zur  Geschichte   der  römischen  Flotte.     Hermes  15, 
154  ff. 

Marquardt  R.  St.  V.  2,  482  ist  der  Ansicht,  dass  von  den  drei 
Gruppen,  welche  in  der  Zeit  der  Republik  die  Bemannung  der  römi- 
schen Kriegsschiöe  bildeten,  milites  classic!,  uautae  und  remiges,  die 
letzteren  jederzeit  Sklaven  gewesen  sind.  Der  Verfasser  sucht  nun  zn 
erweisen,  dass  die  bei  Liv.  26,  35  erwähnte  den  Privaten  zugemuthete 
Aufbringung  der  Ruderer  nur  eine  ausserordentliche  Massregel  war  und 
dass  von  Liv.  24,  11  das  Gleiche  gilt.  Der  Verfasser  geht  aber  noch 
weiter  und  ist  der  Ansicht,  dass  es  sich  in  beiden  Fällen  um  die  gleich- 
zeitige Aushebung  von  Ruderern  und  Matrosen  gehandelt  hat  und  dass 
Livius  an  Stelle  der  allgemeinen  Bezeichnung  socii  navales  willkürlich 
und  missbräuchlich  den  engeren  Begriff  uautae  bezw.  remiges  gebraucht 
hat.  Denn  es  wechseln  an  beiden  Stellen  remiges  imd  nautae  mit  der 
Bezeichnung  socii  navales  ab  und  auch  sonst  wird  bei  Livius  remex, 
nauta,  nauticus  als  gleichbedeutend  mit  socius  navalis  gesetzt.  Aber  es 
ist  auch  sachlich  unmöglich,  das  consularische  Edict  von  214  auf  die 
Einziehung  von  nautae  zu  beschränken,  die  ja  nur  einen  ganz  geringen 
Bruchtheil  der  Schiffsbemannung  ausmachten.  Es  würde  sich  in  diesem 
Falle  nur  um  Aufbringung  von  6000  —  7000  Matrosen  gehandelt  haben. 
Wie  bei  dieser  Annahme  die  ausserordentlichen  Bestimmungen  des  consu- 
larischen  Edicts  und  die  spätei'cn  leidenschaftlichen  Khigen  der  Plebs 
unverständlich  bleiben ,  so  wird  deren  Berechtigung  anerkannt  werden 
müssen,  wenn  es  sich  in  dem  kurzen  Zeiträume  von  fünf  Jahren  zweimal 
um  die  Aufbringung  von  40  -  50  000  socii  navales  aus  dem  Sklaveustande 
gehandelt  hat.  So  findet  der  Verfasser  für  die  gewülinlielie  Ansicht,  dass 
remiges  und  nautae  socii  navales  genannt  werden,  weil  in  der  ersten  Zeit 
des  Bestehens  der  römischen  Seemacht  ausschliesslich  die  Bundesgenossen 
für  den  Marinedienst  herangezogen  worden  sind,  in  seiner  Untersuchung 
weitere  Bestätigung. 


28  Römiscbe  Staatsaltcrthümer. 

Arnold  Laugen,  Die  Hecresverpflegung  der  llönicr  im   letzten 
Jylirbundert  der  Republik.    Brieg.    Gymu.-Progr.  1880.    II.  Tlieil. 

Der  Verfasser  hat  iu  dem  ersten  Theile  (1878)  die  Competenzen 
des  römischen  Soldaten  iu  Beziehung  auf  die  Mundverptiegung  erörtert 
und  will  in  dem  zweiten  die  Geldverpflegung  näher  darlegen.  Nach  einem 
historischen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  der  Soldzahluug  geht  die 
Untersuchung  nach  einander  zur  Besprechung  der  Fristen  derselben,  der 
Höhe  des  Soldes  für  die  einzelnen  Waö'engattungen,  die  Chargirten  und 
Elitetruppeu  und  der  Vertheilung  der  Löhnung  über.  Alle  diese  Fragen 
werden  gründlich  und  erschöpfend  besprochen,  und  in  sofern  hat  die 
Arbeit  einen  gewissen  Werth ;  besonders  crwähnenwerthe  Ergebnisse  sind 
nicht  vorhanden. 

4.    Rechts-  und  Gerichtswesen. 

Christian  Petersen,  De  causis  publicis  Romanis  inde  ab  anno 
CXXI  usque  ad  annura  LXXXI  a.  Chr.  n.  actis.     Kiel  1880. 

Der  Verfasser  hat  mit  grosser  Sorgfalt  die  Criminalprocesse  in  dem 
angegebenen  Zeitraum  zusammengestellt.  Im  ersten  Capitel  unterzieht 
er  die  causae  in  quaestionibus  actae  -  48  au  der  Zahl  —  einer  gründ- 
lichen Erörterung.  Im  Verlaufe  seiner  Untersuchung  vertritt  er  gegen 
Zumpt  bezüglich  der  lex  Peducaca  die  gewöhnliche  Ansicht  »roga- 
tione  Peducaea  quaestionem  extraordinariam  non  perpetuam  de  iucestu 
institutam  .esse«.  Die  Zusammenstellung  von  acht  Criminalprocessen  auf 
Grund  der  lex  Varia  maiestatis  giebt  ihm  Veranlassung  zu  einem  Excurse 
über  dieses  Gesetz,  welcher  wieder  in  der  Hauptsache  eine  Polemik  ge- 
gen Zumpt  liefert  und  zu  dem  —  allgemein  angenommenen  —  Ergeb- 
nisse gelaugt:  »legem  Variam  non  fuisse  generalem  perpetuamque  sed 
ad  horum  temporum  conditiouem  promulgatam  qua  iustitueretur  quaestio 
extraordiuaria  de  sociis  concitatis«.  Das  zweite  Capitel  enthält  causae 
apud  populum  actae  —  49—67  — ,  das  dritte  causae  incerti  iudicii  — 
68  76.  Die  Schrift  kann  als  willkommener  Beitrag  zur  Kenntuiss  des 
Criminalprocesses  der  Republik  gelten. 

Jean  Rouquet,    Des  juridictions  criminelles   chez   les   Romains. 
Toulouse  1879. 

Seine  Aufgabe  bestimmt  der  Verfasser  selbst  also:  nous  nous  bor- 
nerons  ä  decrire  soigneusement  l'organisation  des  jurisdictious  qui  fureut 
successivement  chargees  de  la  connaissance  et  de  la  repression  des  cri- 
mes  soit  ä  Rome  soit  dans  les  proviuces.  Er  scheidet  im  ersten  Buche 
die  Gerichtsbehörden  und  das  Verfahren  der  Zeit  vor  den  quaestioues 
perpetuae,  die  durch  die  Einsetzung  der  letzteren  eingetretenen  Aeude- 
rungen  und  die  Kaiserzeit  in  Rom.     Ein  Anhang  bespricht  die  privile- 


Rechts-  und  Gorichtswoseii.  29 

girte  Behandlung  der  höheren  Klassen.  Das  zweite  Buch  behandelt  das 
Criminalgerichtswesen  in  den  Provinzen.  Die  Arbeit  ist  ohne  allen  Werth; 
die  staatsrechtliche  Begründung  fehlt  meist  ganz  oder  wird  in  verfehlter 
Weise  gegeben ;  so  hat  der  Verfasser  von  der  lex  imperii,  der  Gerichts- 
barkeit des  Kaisers  und  des  Senats  ganz  unbegründete  Vorstellungen; 
auch  das  Material  zeigt  keine  eigenen  und  eingehenderen  Studien. 

Ch.  Giraud,  Le  concubinat  en  droit  Romain.  C.  R.  des  seances 
et  trav.  de  l'Acad.  des  sciences  mor.  et  polit.  (Inst,  de  Fr.)  (XIV)  1880 
Nov.  p.  549  ff. 

Gide  hatte  in  derselben  Zeitschrift  XIII.  p.  694  und  860  behauptet, 
dass  das  Concubinat  im  römischen  Rechte  nur  vom  strafrechtlichen,  nicht 
vom  civilrechtlichen  Gesichtspunkte  aus  erwähnt  werde;  Giraud  hält  diese 
Ansicht  für  verkehrt.  Zunächst  erwähnt  er  die  Ansichten  der  Commen- 
tatoren,  die  seit  dem  12.  Jahrhundert  bis  auf  unsere  Zeit  herab  au  dem 
civilrechtlichen  Charakter  des  Concubinats  festgehalten  haben.  Dasselbe 
erklärt  sich  in  der  römischen  Gesellschaft  aus  der  wachsenden  Abneigung 
eine  feste  Ehe  zu  schliessen,  die  durch  die  Schriftstellertradition  und  die 
gesetzgeberischen  Versuche  des  Augustus  vollständig  bezeugt  ist.  Aber 
schon  in  diesen  Gesetzen  ist  das  Concubinat  gesetzlich  bestätigt,  welches 
vorher  weder  einen  bestimmten  Namen  hatte  noch  ein  bestimmtes  Ver- 
hältniss  bezeichnete.  Augustus  musste  einen  Compromiss  zulassen  zwischen 
der  herrschenden  Abneigung  und  seineu  Reformgesetzen.  Stets  erblickte 
der  Römer  in  der  Dauer  des  Verhältnisses  ein  wesentliches  Element  des 
Concubinats;  diese  Seite  ist  es  wahrscheinlich  gewesen,  welche  jenes  dem 
Augustus  annehmbar  erscheinen  Hess. 

Thatsache  ist,  dass  die  höchsten  Personen  des  Reiches,  die  Kaiser, 
wie  Vespasian,  Antoninus  Pius,  Marc  Aurel  im  Concubinate  gelebt  haben, 
die  Inschriften  zeigen  uns  ebenso  in  dem  Concubinate  ein  öffentlich  an- 
erkanntes und  von  jeder  Spur  von  Strafe  befreites  Verhältniss  und  zwar 
in  allen  Schichten  der  Gesellschaft.  Auch  die  Kirche  musste  lange  Zeit 
diese  Einrichtung  bestehen  lassen,  die  christlichen  Kaiser  folgten  nicht 
dem  Vorgange  des  Constantin,  welcher  unter  dem  Namen  Consortium  das 
Concubinat  unterdrücken  wollte;  bis  zum  9.  Jahrhundert,  wo  es  gesetzlich 
abgeschafft  wurde,  werden  nicht  selten  Bezeichnungen  wie  concubinam 
lege  probatam,  lex  illa  etc.  von  den  gesetzlichen  Bestimmungen  über  das 
Concubinat  in  officiellen  Erlassen  angewandt;  auch  die  Concilien  schlössen 
mit  der  bestehenden  Sitte  Compromisse,  und  ihre  letzte  Frucht  ist  die 
morganatische  Ehe. 

So  stehen  auch  heute  im  wesentlichen  die  Resultate  Glück's  (Aus- 
führliche Erörterung  der  Pandecten  im  28.  Bande)  noch  unerschüttert. 

Karl  Georg  Bruns  und  Eduard  Sacliau,  Syrisch -römisches 
Rechtsbuch  aus  dem'fünftcn  Jahrhundert.     Leipzig  1880. 


30  Römische  Staatsalterthümer. 

In  diesem  Buche  liegt  uns  die  letzte  grössere  Arbeit  des  berühmten 
Juristen  vor.  Die  Herausgabe  des  Buches  ist  so  glücklich  dem  Schick- 
sale entgangen,  welches  wiederholt  ihre  Vollendung  gehindert  hat.  Das 
im  Mittelalter  unter  den  Namen  Statuta  Imperatorum  oder  Libri  Basili- 
con  oder  Leges  Constantini  Theodosii  et  Leonis  weit  verbreitete  und 
höchst  angesehene  syrische  Rechtsbuch,  welches  wir  nun  durch  die  Be- 
mühungen der  Herausgeber  in  einer  vortrefflichen  Ausgabe  besitzen,  hat 
zuerst  der  holländische  Orientalist  Land  ganz  ungenügend  im  Jahre  1862 
publicirt.  Darauf  fassten  Rudorff,  Rödiger  und  Petermann  den  Plan 
einer  gemeinsamen  Bearbeitung:  alle  drei  wurden  durch  den  Tod  an  der 
Ausführung  ihres  Planes  gehindert.  So  bekommen  wir  in  der  vorliegen- 
den Arbeit  von  Sachau  und  Bruns  zum  ersten  Male  eine  den  Anforde- 
rungen unserer  Zeit  entsprechende  Ausgabe. 

Der  erste  Theil  enthält  die  syrische  Version  aus  der  Londoner  Hand- 
schrift, das  Fragment  einer  syrischen  Version  aus  einer  anderen  Londoner 
Handschrift,  die  syrische  Version  aus  der  Pariser  Handschrift,  die  arabische 
und  die  armenische  Version,  während  im  zweiten  Theile  die  Uebersetzun- 
gen  der  Texte  gegeben  sind.  Im  dritten  Theile  werden  Erläuterungen 
gegeben  und  zwar  von  Sachau  die  Ueberlieferung  des  Rechtsbuches  im 
Orient  (die  Handschriften,  das  Verhältniss  der  Versionen  zu  einander, 
die  praktische  Behandlung  des  Rechtsbuches  im  Orient),  von  Bruns  die 
Erklärung  der  einzelnen  Paragraphen  des  Rechtsbuches  (A.  die  Para- 
graphen der  Londoner  Handschrift,  B.  die  Paragraphen  der  Pariser  Hand- 
schrift, die  in  der  Londoner  fehlen  und  ein  Anhang :  das  Intestaterbrecht 
des  Rechtsbuches)  und  die  allgemeine  juristische  Beurtheiluug  des  Rechts- 
buches nach  Quellen  und  Entstehung,  sowie  nach  seiner  wissenschaft- 
lichen Bedeutung.  Nur  aus  dem  letzten  Theile  soll  hier  einiges  erwähnt 
werden. 

Die  Grundlage  des  syrisch -römischen  Rechtsbuches  ist  durchaus 
das  römische  Recht.  Aber  die  Arbeit  giebt  nicht  eine  einfache  Samm- 
lung oder  Zusammenstellung  von  Gesetzen  oder  Auszügen  aus  den  Schriften 
des  grossen  Juristen,  sondern  eine  selbständige  Bearbeitung  und  Dar- 
stellung der  römischen  Rechtssätze.  Diese  Bearbeitung  ist  allerdings  oft 
trüb  und  unklar,  ja  zum  Theil  fast  unkenntlich,  aber  sie  bietet  den  Vor- 
theil,  dass  man  das  römische  Recht  hier  in  der  unmittelbaren  praktischen 
Auffassung  und  Anwendung  der  Zeit  und  des  Landes,  in  denen  das  Werk 
entstanden  ist,  dargestellt  sieht  und  ausserdem  auch  Zusätze  aus  der 
eigenen  praktischen  Erfahrung  des  Verfassers  hinzugefügt  findet.  Der 
syrische  Text  ist,  wie  Sachau  nachweist,  eine  Uebersetzung  aus  dem 
Griechischen,  die  älteste  syrische  Handschrift  L,  in  Hierapolis  geschrie- 
ben, aber  nicht  die  Originalhandschrift  der  Uebersetzung,  sondern  nur 
eine  Abschrift  derselben.  Die  Entstehung  des  Rechtsbuches  will  Bruns 
in  die  Regieruugszeit  des  Basiliscus  oder  kurz  nachher,  also  in  das  Jahr 
476  oder  477  setzen.     Der  Verfasser  war  unzweifelhaft   ein  Kenner  des 


Rechts-  und  Gerichtswesen.  31 

Rechts  und  zwar  des  unmittelbar  praktisch  geübten  Rechts,  aber  der- 
selbe hatte  entweder  die  alte  präcise  Technik  gar  nicht  mehr  oder  er 
wollte  absichtlich  populär  schreiben  und  wandte  darum  eine  so  ordinäre 
und  vulgäre  Redeweise  an,  die  sich  bis  zu  völliger  Unverständlichkeit 
steigert.  Er  hat  die  Schriften  der  alten  Juristen  und  die  Kaiser- Con- 
stitutionen als  Hauptquelle  benutzt,  zu  der  nur  verschiedene  eigene  Be- 
merkungen und  Erfahrungen  des  Verfassers  hinzugekommen  sind;  durch 
letztere  bildet  er  selbst  eine  eigentliche  Rechtsquelle.  Wahrscheinlich 
ist  die  erste  griechische  Bearbeitung  ebenfalls  in  Syrien  entstanden;  doch 
hat  man  an  Berytus  nicht  zu  denken;  hier  würde  wohl  eine  so  elende 
Arbeit  nicht  gefertigt  worden  sein;  aber  auch  in  den  Kreisen  der  Richter 
und  Advokaten  wird  der  Verfasser  wohl  nicht  zu  suchen  sein,  sondern 
in  den  Reihen  der  Geistlichkeit.  Diese  hatte  schon  damals  eine  ziem- 
lich ausgedehnte  praktische  Thätigkeit  in  Rechtssachen  und  namentlich 
wird  der  Umfang  der  durch  Valentinian  III.  bewilligten  compromissari- 
schen  Rechtspflege  in  abgelegeneren  Städten  und  Gegenden,  wo  die  Justiz 
der  Provinzialbeamten  schwer  zu  erreichen  war  und  die  Geistlichkeit 
einen  grösseren  Einfluss  hatte,  sehr  gross  und  ausgedehnt  gewesen  sein. 
Dies  war  nun  aber  unzweifelhaft  in  besonders  hohem  Grade  der  Fall  in 
den  östlichen  asiatischen  Provinzen,  wo  ja  das  religiöse  Element  über- 
haupt stets  eine  grössere  Herrschaft  ausgeübt  und  eine  Neigung  zur 
Theokratie  begründet  hat.  Ein  Cleriker  hat  also  wohl  das  Buch  nach 
griechischen  Rechtsquellen  verfasst,  wie  solche  im  Berytus  ausgearbeitet 
worden  waren.  Die  Arbeit  war  vielleicht  für  die  Volkskreise,  wahrschein- 
licher aber  für  die  rechtsprechenden  Bischöfe  bestimmt. 

Die  juristische  Bedeutung  des  Werkes  liegt  einmal  in  dem  über- 
raschenden Aufschluss,  den  es  für  die  Fortdauer  des  römischen  Rechts 
in  den  orientalischen  Ländern  verschafft,  sodann  aber  in  der  Erweiterung, 
welche  die  Kenntniss  des  römischen  Rechts  selber  dadurch  erfährt.  Bruns 
hat  dies  in  seinem  Commentar  im  Einzelnen  und  in  der  zusammenfassen- 
den Schlussbetrachtung  im  Allgemeinen  erwiesen. 

Biagio  Brugi,I  fasti  aurei  del  diritto  Romano.  Pisa  1879. 
Der  Verfasser  hat  eine  ganz  interessante  Darstellung  des  römischen 
Rechts  im  Mittelalter,  in  der  Renaissance  und  in  der  Gegenwart  gege- 
ben; das  Buch  ist  mit  Sachkenntniss  und  mit  Geist  geschrieben;  doch 
ist  sein  Interesse  für  italienische  Verhältnisse  grösser  als  diesseits  der 
Alpen.  Es  muss  hier  genügen  auf  dasselbe  hinzuweisen,  da  es  in  den 
Umfang  des  Jahresberichts  nicht  gezogen  werden  kann. 

Die  meisten  der  unter  die  Staatsalterthümer  gehörigen  Gebiete 
werden  berührt  von 

Hermann  Bender,  Rom  und  römisches  liCben  im  Alterthum. 
Mit  zahlreichen  Abbildungen  nach  Zeichnungen  von  A.  Gnauth,  Di- 
rektor der  Kunstschule  in  Nürnberg,  Professor  Ricss  und  A.  Schill 
in  Stuttgart  und  Anderen.     Tübingen. 


32  Römische  Staatsalterthümer. 

Das  Buch  gicbt  keiiio  eigentlich  wissenscliaftlichen  Untersuchuugen, 
sondern  nur  eine  Zusammenfassung  von  Resultaten  der  Wissenschaft.' 
Das  ganze  Werk  enthält  folgende  Abschnitte:  Das  römische  Volk;  die 
Stadt  Rom;  Sociale  Verhältnisse;  Privatleben;  Die  Familie;  Oeffent- 
lichcs  Leben:  Das  Bad,  Die  Spiele;  Gewerbe,  Industrie,  Kunst,  Handel, 
Landvvirthschaft;  Religiöse  und  sittliche  Verhältnisse;  Litteratur;  Politik- 
Militärwesen.  Die  Abbildungen  sind  recht  scharf  und  sauber;  freilich 
sind  die  heute  beliebten  Restaurationen  selten  geeignet  ein  richtiges  Bild 
des  Gewesenen  zu  erzeugen. 


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Bericht  über  die   die   römischen   Privat-   und 

Sacral-Alterthümer  betreffende   Litteratur  des 

Jahres  1880,  resp.  1879. 

Von 

Professor  Dr.  M.  Voigt 
in  Leipzig. 


I.    Schriften  allgemeinen  Inhaltes. 

1)  Hermann  Bender,  Professor  am  Gymnasium  in  Tübingen, 
Rom  und  römisches  Leben  im  Alterthum.  Mit  zahlreichen  Abbildungen 
nach  Zeichnungen  von  H.  Gnauth,  Direktor  der  Kunstschule  in  Nürn- 
berg, Professor  Riess  und  A.  Schill  in  Stuttgart  und  anderen.  Tübin- 
gen (1880).     Zweiter  Halbband.     S- 273 -599 

enthält  die  Schluss- Abtheilung  des  in  den  Jahresberichten  XIX,  599  f. 
angezeigten  Werkes:  zuerst  den  Rest  des  fünften  Abschnittes:  die  Fa- 
milie, und  zwar:  Erziehung  und  Unterricht  (S.  273—279),  Ehe,  Frauen 
(S.  279-298),  Bestattung  (S.  299— 303),  und  sodann:  6.  öffentliches  Le- 
ben; das  Bad  (S.  304 -313);  7.  die  Spiele  (S.  314-340);  8.  Gewerbe, 
Industrie,  Kunst,  Handel,  Landwirthschaft  ;S.  341—397);  9.  religiöse  und 
sittliche  Verhältnisse  (S.  398-457);  10.  Litteratur  (S.  458-487);  11.  Po- 
litik (S.  488-540);  12.  Militärwesen  (S.  541  582).  Den  Schluss  bilden 
theils  ein  Nachweis  der  in  den  Text  eingeüochtenen  Quellen-  und  Litte- 
raturcitate  (S.  583-595),  theils  ein  Sachregister  (S.  596-599). 

2)  Heibig,  im  Bulletiiio  dell'  Institute  1880.  Juli-  und  August- 
Heft  S.  168 

berichtet  nach  einer  au  ihn  gelaugten  Mittheilung,  dass  in  der  Commune 
Besnate  im  Bezirke  von  Gallarate  unterhalb  eines  Torflagers  in  einem 
Pfahlbaue  eine  bedeutende  Menge  von  far  in  verkohltem  Zustande  auf- 
gefunden worden  sei.  Dieser  Fund  liefert  einen  höchst  wichtigen  Bei- 
trag zu  dem  im  Jahresberichte  XIX,  S.  GOO  ff.  angezeigten  Werke  von 
Heibig,  die  Italiker  in  der  Pocbcne,  und  zu  den  dort  S.  64  f.  besproche- 
nen Kulturverhältnissen:   derselbe  bekundet,  dass  den  Pfahlbaubewohuern 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVUl.  (1881.  Hl.)  3 


34  Römische  Privatalterthümer. 

die  Kultur  des  far  bekannt  war,  wobei  allerdings  die  Frage,  inwieweit 
dabei  zeitliche  oder  örtliche  Verhältnisse  massgebend  waren ,  noch  eine 
offene  ist. 

II.    Schriften  über  Privat-Alterthümer  und  Kultur- 
geschichte. 

3)  Wilhelm  Adolph  Becker,  Gallus  oder  römische  Scenen  aus 
der  Zeit  Augusts  zur  genaueren  Kenntniss  des  römischen  Privatlebens,  neu 
bearbeitet  von  Hermann  Göll.  Berlin  1880.  Erster  Theil.  XIV,  232S. 

Diese  neue  Ausgabe  des  für  die  Wissenschaft  so  werthvollen 
Becker'schen  Gallus  behält  in  der  Hauptsache  die  von  Rein  eingeführte, 
höchst  zweckmässige  Vcrtheilung  des  Stoffes  in  Text,  Anmerkungen  und 
Excurse  bei,  wenn  auch  im  Einzelnen  Abweichungen  getroffen  sind,  so 
dass  kleine  Partieen,  welche  Rein  in  die  Excurse  eingestellt  hatte,  wie- 
der in  die  Anmerkungen  aufgenommen  worden  sind.  So  nun  bietet  der 
obige  Band  den  Text:  die  zwölf  Scenen  nebst  den  dazu  gehörigen  An- 
merkungen. 

Der  Text  ist,  wie  angemessen,  unverändert  geblieben:  lediglich  in 
nebensächlichen  und  isolirten  Punkten  ist  derselbe  entsprechend  dem 
heutigen  Stande  unserer  Wissenschaft  berichtigt  worden:  vgl.  S.  17.  113. 
114.  231. 

Dagegen  in  den  Anmerkungen  sind  eingreifendere  Umgestaltungen 
vorgenommen  worden:  theils  Ausscheidungen,  theils  Zusätze  in  Betreff 
dessen,  was  von  Becker  und  Rein  gegeben  worden  war,  somit  Abände- 
rungen, die  durchgehends  den  Charakter  der  Vervollständigung,  wie  Be- 
richtigung an  sich  tragen  und  deren  Stoff  ebenso  in  neuem  Quellenma- 
terial, wie  in  Litteraturnachweisen  besteht,  die  selbst  bald  allgemeinere 
Werke,  so  von  Hehn,  Blümner,  Friedländer,  Marquardt,  bald  Monogra- 
phieen  und  Aufsätze  in  Sammelwerken  herbeiziehen. 

Endlich  sind  weggelassen  die  Reduktionstabelle  der  Sesterzen, 
welche  seit  Hultsch's  Metrologie  entbehrlich  ist,  wie  die  beiden  litho- 
graphirten  Tafeln,  welche,  einerseits  zu  wenig  bietend,  andrerseits  den 
Preis  des  Werkes  gesteigert  haben  würden. 

Im  Allgemeinen  ist  anzuerkennen,  dass  der  Herausgeber  die  über- 
nommene Aufgabe  mit  Geschick  und  Takt  gelöst  und  mit  umfassen  der  Be- 
lesenheit jenes  für  die  römischen  Privatalterthümer  so  wichtige  Werk 
auf  den  dermaligen  Standpunkt  unserer  Wissenschaft  emporgehoben  hat. 

4)  Rene  Menard,  La  vie  privee  des  anciens;  dessins  d'apres  les 
monuments  antiques  par  Gl.  Sauvagest.  Les  peuples  dans  l'antiquite. 
Paris  1880.     VHI,  622  S. 

Die  obige  Schrift  eröffnet  gleich  als  erster  Band  ein  Werk,  wel- 
ches ebenso  splendid  ausgestattet,  wie  weltumfassend  angelegt  ist:  es 


Privatleben.  35 

sind  noch  in  Aussicht  gestellt  drei  weitere  Bände:  La  famille  dans  I'an- 
tiquite  (im  Jahre  1881  bereits  erschienen),  Le  travail  dans  l'antiquite 
und  Les  iustitutious  dans  l'antiquite.  Und  zwar  ist  die  Ausführung  des 
Werkes  so  gehalten,  dass  ebenso  ein  Text,  wie  zahlreiche  eingedruckte 
Abbildungen  (722  Nummern)  gegeben  sind  und  auf  solche  Weise  denn 
nun  das  Privatleben  der  gesammteu  Kulturvölker  der  alten  Welt  zur 
Darstellung  gebracht  werden  soll:  l'tgypte,  l'Asie,  la  Gröce  und  l'Italie, 
worunter  umfasst  werden  Fltalie  meridionale,  la  Campanie,  l'Italie  cen- 
trale, Rome,  l'Italie  septentrionale,  la  Gaule  und  l'Espagne  et  l'Afrique. 
Allerdings  nun  richtet  das  Werk  sich  nicht  sowohl  an  den  Fachge- 
lehrten, als  vielmehr  an  den  Kreis  der  Gebildeten  im  Allgemeinen:  es  stellt 
sich  nicht  die  Aufgabe  »d'apporter  dans  ce  travail  des  faits  nouveaux  ou 
inconnus« ,  sondern  es  strebt  »ä  vulgariser  les  connaissances  que  nous 
avions  en  les  groupant  dans  un  ordre  particulier  qui  en  facilite  l'etude«. 
Allein  wenn  immer  dies  es  rechtfertigen  würde,  dass  weder  dem  Texte 
Quellen-  oder  Litteratur- Nachweise  beigefügt  sind,  noch  bei  den  Abbil- 
dungen angegeben  ist,  woher  dieselben  entnommen  sind,  so  entschuldigt 
solches  doch  nicht  die  Art  und  Weise,  in  welcher  der  Verfasser  seinen 
Stoff  behandelt.  Denn  wie  im  ganzen  Bande,  so  ist  insbesondere  auch 
in  den  »l'Italie«  betreffenden  Abschnitten  als  Text  ein  ganz  oberfläch- 
liches Machwerk  gegeben,  welches  ebenso  geschmacklos,  wie  von  Irr- 
thümern  und  Missverständnissen  aller  Art  durchsetzt  ist,  während  die 
Abbildungen  mehrfach  fehlerhaft  sind.  Denn  so  ist  z.  B.,  was  das  letz- 
tere betrifft,  auf  S.  478  »tombeau  de  Caius  Sextius«  (!)  der  Querdurch- 
schnitt der  Pyramide  des  G.  Cestius  in  total  falschen  Verhältnissen  dar- 
gestellt, während  in  ersterer  Beziehung  z.  B.  auf  S.  444  die  Bevölkerung 
Italien's  auf  drei  ethnische  Elemente  zurückgeführt  wird:  eine  pelasgi- 
sche  ßace,  Etrusker  und  Hellenen,  so  dass  somit  die  Italiker  selbst  ganz 
fehlen,  und  wiederum  die  Abhandlung  von  dem  römischen  Prätor  auf 
S.  449  dahin  lautet:  le  preteur  est  en  quelque  sorte  le  suppleant  des 
consuls,  auxquels  il  est  pourtant  inferieur,  puisqu'il  u'a  que  dix  licteurs 
au  lieu  de  douze.  Ses  fonctions,  d'ailleurs,  sont  purement  civiles,  et  il 
ne  commande  pas  les  armoes.  Dans  les  affaires  civiles,  il  a  une  robe 
de  pourpre  qu'il  echange  contre  une  robe  noire  dans  les  affaires  qui 
entrainent  la  peine  capitale.  Le  tribuual  oü  siege  le  preteur  est  tou- 
jours  plus  eleve  que  les  bancs  oü  sont  les  juges;  cc  magistrat  a  droit 
au  siege  d'ivoire,  et,  quand  il  rend  la  justice,  on  pose  prös  de  lui  une 
lance  et  une  cpee  pour  marquer  son  pouvoir. 

5)  Eichhoff  in  Duisburg,  lieber  die  Sagen  und  Vorstellungen 
von  einem  glückseligen  Zustande  der  Menschheit  in  der  Gegenwart, 
der  Vergangenl)oit  oder  der  Zukunft  bei  den  Schriftstellern  des  classi- 
schen  Alterthums,  in  Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik 
1879,  CXX,  S.  581-001. 

3* 


36  Römische  Privatalterthümer. 

An  erster  Stelle  giebt  der  Verfasser  eine  Darstellung  der  in  der 
griechischen  Litteratur  weit  verbreiteten,  aber  auch  bei  den  Römern 
liervortretenden  Ucbcrlioferung  von  gewissen  fern  gelegenen  Gefilden, 
welche  der  Wohnsitz  ebenso  bedürfnissloser,  wie  sittenreiuer  und  so  zu- 
gleich glücklicher  Menschen  sind  (S.  581—587). 

Sodann  wendet  sich  derselbe  S.  587  ff.  zur  Erörterung  der  Sage 
von  einer  entschwundenen  glücklichen  Vorzeit  des  Menschengeschlech- 
tes, in  welcher  mit  der  Einfachheit  der  Bedürfnisse,  wie  Lebensverhält- 
nisse ein  Zustand  allgemeinen  Friedens  und  Glückes  sich  verband,  und 
die  selbst  nun  mit  der  allmäligen  Steigerung  der  Kultur  und  der  da- 
mit Hand  in  Hand  gehenden  Entartung  der  Menschen  in  stufeuweiser 
Verschlechterung  der  Zeiten  verloren  ging.  Und  zwar  führt  diese  Vor- 
stellung bis  in  die  ältesten  Ideenkreise  der  Menschheit  zurück,  während 
eine  jüngere  Anschauung  das  Menschengeschlecht  aus  rohen  und  i)rimi- 
tiven  Zuständen  allraälig  zu  höherer  Gesittung  und  Bildung  aufsteigen 
lässt.  Jene  erstere  Sage  nun  verfolgt  der  Verfasser  von  ihrem  frühesten 
Auftreten  bei  Hesiod  abwärts  nach  den  einzelnen  Zügen,  in  denen  die 
Vorstellung  der  classischen  Völker  das  Bild  jener  entschwundenen  glück- 
lichen Zeiten  sich  vergegenwärtigte  und  ausmalte.  Dabei  constatirt  der 
Verfasser  als  charakteristisch  für  die  Bahn,  welche  die  Vorstellung  durch- 
lief, dass  die  früheste  Zeit  von  dem  Bilde  jenes  goldenen  Zeitalters, 
welches  dieselbe  entwarf,  religiöse  und  ethische  Motive  fern  hielt,  viel- 
mehr nur  nach  dem  Massstabe  des  materiellen  Wohlergehens  das  Glück 
jener  Zeiten  bemass  und  würdigte,  wogegen  eine  spätere  Periode,  beeinflusst 
von  den  Lehtsätzen  der  Philosophie,  daneben  zugleich  eine  höhere  ethi- 
sche Vollkommenheit  dem  Menschengeschlechte  jenes  frühesten  Zeitalters 
beimisst.  Und  mit  dieser  Nuancirung  tritt  denn  nun  jene  Sage  bei  den 
Römern:  bei  Aratus,  Ovid,  Vergil,  wie  bei  den  jüngeren  Stoikern 
zu  Tage. 

Seit  den  Zeiten  des  Unterganges  der  Republik  mit  ihrem  wirth- 
schaftlichen  und  sittlichen  Verfalle  der  Völker  gewinnen  sodann  neue 
Vorstellungen  Eingang  in  der  Volksanschauung :  die  Idee  einer  Auswan- 
derung des  besseren  Theiles  der  Bevölkerung  nach  den  glücklichen  In- 
seln wird  von  Hör.  Epod.  16  und  7  ausgesprochen,  während  andrerseits 
die  Verzweiflung  ob  der  gegenwärtigen  Zustände  einen  Trost  in  den 
sibyllinischen  Weissagungen  suchen  lässt.  Und  hier  nun  fand  man  Ver- 
kündungen, welche  auf  eine  Wiederkehr  der  entschwundenen  goldenen 
Zeit  ebenso  hinzuweisen  schienen,  wie  gedeutet  wurden,  und  mit  denen 
dann  schliesslich  die  jüdischen  Verkündungen  einer  zu  erhoffenden  messia- 
nischen  Zeit  zusammentrafen. 

So  ist  es  ein  reiches,  wie  interessantes  Material,  welches  der  Ver- 
fasser zusammenstellt  und  geschickt  gruppirt.  Allein  eine  für  die  ge- 
stellte Aufgabe  doch  immerhin  massgebende  Vorfrage,  ob  nicht  für  die 
3age  von  dem  goldenen  Zeitalter  der  Menschheit  selbst  innerhalb   des 


Sagen  vom  goldenen  Zeitalter.     Bürgerrecht.  37 

Kulturkreises  des  classischeu  Alterthums  iu  Wahrheit  eine  Mehrheit 
von  Sagenkreisen  zu  unterscheiden  sei,  welche,  von  vornherein  durchaus 
unabhängig  von  einander  auftretend,  auf  verschiedene  leitende  Vorstel- 
lungen zurückgehen  und  in  verschiedenen  Zügen  das  Bild  von  dem  gol- 
denen Zeitalter  der  Menschheit  entwerfen,  um  erst  in  jüngeren  Zeiten 
synkretisch  verknüpft  und  verarbeitet  zu  werden;  diese  gewiss  nicht 
unwichtige  Frage  hat  der  Verfasser  weder  aufgeworfen,  noch  beant- 
wortet. 

Referent  selbst  hat  in  seinem  Ins  naturale  III  §  43  drei  verschie- 
dene Relationen  jener  Sage  geschieden:  A.  die  griechische  Sage  und 
zwar  1.  die  Sage  von  den  verschiedeneu  Geschlechtern,  welche  von  He- 
siod  und  von  Aratus,  wie  von  dessen  Bearbeitern,  dann  aber  auch  von 
luvenal  und  Ovid  Met.  vertreten  wird;  2.  die  Sage  von  den  verschie- 
denen Zeitaltern  der  Menschheit,  welche,  zurückgehend  auf  Dicaearch, 
von  Varro,  Verg.  Georg.,  Ov.  Am.,  Sen.  und  Lactant.  überliefert  wird; 
und  dann  ß.  die  altlatinische  und  insbesondere  laurentinische  Sage  von 
den  verschiedenen  Kulturepochen  der  Menschheit,  welche  unter  Anderen 
in  VergiFs  Aeneis,  bei  Tibull,  lustin,  Macrobius,  Arnobius  u.  A.  ausge- 
führt ist. 

6)  Fernand  Linde t,  Avocat  ä  la  Cour  d'appel,  De  Tacquisition 
et  de  la  perte  du  droit  de  cite  romaiue  (überdem:  De  l'acquisition  et 
de  la  perte  de  la  qualite  de  Fran^ais.  207  S.).  These  pour  le  doc- 
torat.     Paris  1880.     158  S. 

Die  Schrift  erörtert  im  ersten  Buche  den  Erwerb  der  römischen 
Civität  und  handelt  insbesondere  in  Kapitel  I  von  den  droits  attaches  ä 
la  qualite  de  citoyen  (S.  9-23)  und  so  nun  in  titre  I:  droit  de  cite 
complet,  und  in  titre  II:  droit  de  cite  incomplet;  dann  in  Kapitel  II  von 
der  ac^uisition  individuelle  (S.  24  —  70)  und  zwar  in  titre  I:  acquisition 
par  la  naissance,  in  titre  II :  acquisition  par  les  esclaves  und  in  titre  III : 
acquisition  par  les  hommes  libres;  endlich  in  Kapitel  III  von  den  con- 
cessions  coUectives  (S.  110  —  138)  und  so  nun  in  titre  I:  propagation  cn 
Italic,  in  titre  II:  concession  ä  toute  l'Italie.  Loi  »Julia«,  iu  titre  III: 
propagation  hors  de  l'Italie  und  in  titre  IV:  extension  a  tous  les  sujets 
de  l'empire.     £dit  de  Caracalla. 

Sodann  das  zweite  Buch  behandelt  den  Verlust  der  römischen  Ci- 
vität und  insbesondere  in  Kai)itel  I:  perte  de  la  cito  par  perte  de  liberte 
(S.  139--151)  und  in  Kapitel  II:  perte  de  la  cite  sans  perte  de  la  liberte 
^S.  151  —  157),  woran  sich  dann  als  Anhang  eine  Betrachtung  der  rein- 
tegration  dans  la  qualite  de  citoyen  (S.  157.  158)  auschliesst. 

Die  Arbeit  ist  klar  und  verständlich  abgefasst  und  übersichtlich 
disponirt.  Allein  weder  bietet  dieselbe  etwas  Neues,  noch  beherrscht 
sie  völlig  die  einschlagenden  Quellen,  wie  Litteratur;  und  ebenso  ist 
dieselbe  im  Einzelnen  nicht  frei  von  Irrthümern. 


38  Römische  Privatalterthümer. 

7)  Henry  Louiclie  -  Desfoiitaines,  De  rcxpatriation  ä  Rome 
(überdem:  Influence  de  rcmigration  sur  l'etat  des  personnes  en  droit 
franc;ais.    263  S.).     These  pour  le  doctorat.     Paris  1879.    72  S. 

Die  Abhandlung  zerfällt  in  zwei  Abschnitte;  deren  erster:  Notions 
historiques  sur  l'expatriation  (S.  3  —  23)  handelt  zuerst  De  l'expatriation 
volontaire  und  zwar  insbesondere  Des  colonies  des  citoyens  romains  und 
Des  colonies  latines,  und  sodann  De  l'expatriation  h  titre  de  peine  und 
so  nun  de  I'interdiction  de  l'eau  et  du  feu  et  de  la  deportation,  sowie 
de  la  relcgation. 

Und  wiederum  der  zweite  Abschnitt:  Des  effets  de  l'expatriation 
(S.  24—72)  erörtert  in  Kapitel  I:  Des  cas,  oü  l'expatriation  ne  porte 
pas  atteinte  au  jus  civitatis  und  so  nun  condition  des  Colons  citoyens 
romains,  und  condition  des  relegues,  und  in  Kapitel  II:  Des  cas,  oü 
l'expatriation  entraine  la  perte  du  jus  civitatis,  und  im  Besonderen  eines- 
theils:  Perte  de  la  cite  und  zwar  perte  des  droits  publics,  perte  des 
droits  prives  und  de  la  capitis  deminutio,  wie  anderntheils:  Condition 
des  expatries  und  so  wiederum:  fimigres  dans  uue  colonie  latine  und 
deportes. 

Die  Schrift  bietet  eine  ganz  lesbare  Zusammenstellung  des  ein- 
schlagenden Materials,  aber  durchaus  keine  eigene  Forschung  und  somit 
auch  keine  neuen  Resultate. 

8)  Dr.  J.  J.  Bachofen,  Antiquarische  Briefe  vornämlich  zurKennt- 
niss  der  ältesten  Verwandtschaftsbegriffe.    Strassburg  1880.    VI,  278  S. 

Der  Verfasser  stellt  sich  in  dieser,  in  die  Form  von  dreissig  Briefen 
eingekleideten  Schrift  die  seinem  Mutterrechte  verwandte  Aufgabe,  eine 
uralte  prärogative  Stellung  der  Schwester  und  des  Schwestersohnes  in- 
nerhalb der  Familie,  so  z.  B.  in  Betreff  der  Succession  in  die  Verlassen- 
schaft darzulegen.  Und  zwar  wird  solche  These  einestheils  in  Bezug  auf 
Völker  ausgeführt,  die  dem  antiken  oder  modernen  Kulturkreise  ganz 
fern  stehen  —  und  mit  diesen  Untersuchungen  hat  Referent  sich  nicht 
zu  befassen;  anderntheils  aber  auch  in  Bezug  auf  die  antiken  Kultur- 
völker, wo  das  Beweismaterial  aus  Sagen  und  Mythen,  wie  aus  histori- 
schen Momenten  entnommen  wird.  Im  Besonderen  für  das  Römische 
dient  dem  Verfasser  als  Stützpunkt  das  sororium  tigillum  (S.  188 — 203), 
welches  als  altes  Heiligthum  der  Aboriginer  gedeutet  wird:  indem  diese 
die  Gottheit  in  Form  von  hölzernen  Pfeilern  darstellten,  vertritt  in  dem 
sororium  tigillum  der  eine  Pfeiler  den  lanus  und  der  andere  die  lana, 
wobei  diese  Beiden  als  Geschwister  aufgefasst  waren,  dementsprechend 
nun  der  die  beiden  Pfeiler  verbindende  Querbalken  sororium  tigillum 
hiess.  Und  mit  dieser  Annahme  verbindet  zugleich  der  Verfasser  Fol- 
gerungen, welche  derselbe  auf  das  Verwandtschafts-Verhältniss  zwischen 
den  Horatiern  und  Curiatiern  stützt. 

Allein  von  allen  diesen  Sätzen  ist  kein   einziger   erwiesen:    weder 


Bürgerrecht,     Verwandtschaft.    Familie.  39 

dass  die  Aboriginer  die  Götter  in  Form  von  Pfeilern  darstellten,  noch 
dass  lanus  und  laua  aborigine  Götter  waren,  da  vielmehr  dieselben  la- 
tinisch sind,  noch  auch  dass  der  zweite  Pfeiler  der  lana  und  nicht  der 
luno  galt,  noch  endlich,  dass  die  dem  männlichen  Gotte  correspoudirende 
weibliche  Gottheit  als  dessen  Schwester  gedacht  worden  sei.  Und  an- 
drerseits würde  auch  solches  Geschwister- Verhältniss  nichts  für  das  thema 
probandum  des  Verfassers  ergeben.  Denn  es  ist  die  römische  Familie 
von  ältester  Zeit  her  —  und  in  der  That  sind  selbst  für  die  Königszeit 
deutliche  Fingerzeige  uns  gegeben  —  auf  die  Ägnation  allein  fundirt, 
wogegen  die  Cognation  im  Rechte  gar  nicht  als  Grundlage  der  Familien- 
ordnung anerkannt  war.  Könnten  daher  um  desswillen  die  Aufstellungen 
des  Verfassers  einen  Werth  nur  für  das  Gräco- Italische  oder  für  das 
Indo-Europäische  gewinnen,  so  stosseu  doch  auch  hier  dieselben  auf  das 
Bedenken,  dass  wir  auch  hier  mit  Sicherheit  eine  abweichende  Familien- 
Ordnung  und  -Gliederung  nachzuweisen  vermögen. 

Ueberdem  bietet  die  Schrift  des  Verfassers  noch  einige  Spezial- 
untersuchungen von  besonderem  Interesse :  eine  Erörterung  der  Inschrift 
in  C.  I.  L.  II  no.  1174  (S.  1—30),  wo  vom  Verfasser  eine  neue  Deutung 
der  pueri  luncini  gegeben  wird,  die  jedoch  ebenso  der  lexikalischen 
Stützpunkte  entbehrt,  als  auch  mit  dem  recipirten  römischen  Sprachge- 
brauche im  Widerspruche  steht;  und  sodann  eine  Besprechung  der  von 
Edmond  Le  Blant  in  der  Academie  des  Inscriptions  erörterten  Inschrift 
eines  Trinkbechers  (S.  113—115):  Si  plus  miseris,  minus  bibes;  si  minus 
miseris,  plus  bibes,  wo  die  von  dem  Verfasser  gegebene  Erklärung  aller- 
dings befriedigender  ist,  als  die  bisher  gegebenen,  schliesslich  aber  doch 
dem  Referenten  selbst  der  Sinn  am  nächsten  zu  liegen  scheint:  vom 
ungemischten  Weine  trinkt  man  am  meisten. 

Im  Allgemeinen  aber  ruhen  die  Untersuchungen  des  Verfassers  auf 
ebenso  grosser  Gelehrsamkeit,  wie  umfassender  Belesenheit. 

9)  J.  Ollivier  Beauregard,   Advocat,   Organisation  de  la  fa- 
mille  sous  la  legislation  romaine.     Paris  1879.    VI,  133  S. 

In  dieser  Schrift  wird  einzig  und  allein  die  römische  Rechtsord- 
nung der  Familie  behandelt,  daher  ihre  Besprechung  nicht  hierher  ge- 
hört. Es  fügt  jedoch  der  Referent  die  Bemerkung  bei,  dass  die  Dar- 
stellung des  Verfassers  den  Eindruck  macht,  als  ob  der  Stoff  einem 
Lehrbuche  des  römischen  Rechts  einfach  entlehnt  sei,  und  weder  irgend 
etwas  Neues,  noch  auch  nur  die  Quellenbelegc  in  genügendem  Masse 
bietet,  überdem  aber  der  Verfasser  weder  mit  den  Quellen,  noch  mit  der 
modernen  Litteratur  irgend  welche  Vertrautheit  bekundet. 

10)  H.  Genz,  Capitis  deminutio,  in  Syrabolac  loachimicac  I,  S.  51 
—  88.    Berlin  1880;  auch  separat,  38  S. 

In  dieser  auch  in  Bd.  XXIII  des  Jahresberichtes  S.  09  ff.  von  Schiller 
angezeigten  Schrift  giebt  der  Verfasser  zunächst  eine  Aufzählung  der  Fälle 


40  Römische  Privatalterthümer. 

der  capitis  deminutio  maxima,  media  und  minima,  welche  etwas  Neues 
nicht  bietet;  dann  S.  12  zu  einer  Wesenbestimmung  der  letzteren  sich 
wendend,  bestimmt  er  dieselbe  als  »die  Veränderung  der  Familienbe- 
ziehung oder  der  Stellung  zur  Familie  in  der  Weise,  dass  eine  Ver- 
tauschung der  Familie  stattfindet«.  Da  indess  der  Ausdruck  Familie 
mehrdeutig  ist,  indem  der  moderne  und  der  antike  Begriff  sich  nicht 
decken  und  wiederum  das  antike  familia  verschiedene  Begriffe  vertritt, 
so  war  zu  erwarten,  dass  der  Verfasser  die  der  gegebenen  Definition  in 
dem  Ausdrucke  Familie  inliegende  Mehrdeutigkeit  durch  eine  Wesen- 
bestimmung dieses  massgebenden  Begriffes  beseitige.  Allein  derselbe 
unterlässt  solches:  an  Stelle  der  Definition  tritt  eine  Exemplification : 
einmal  »es  findet  keine  capitis  deminutio  minima  statt  beim  Tode  des 
pater  familias;  denn  auch  der  Verstorbene  vermittelt  die  Familienbe- 
ziehung« ;  und  sodann  findet  keine  capitis  deminutio  minima  statt  bei 
Caption  des  Flamen,  wie  der  Vestalin,  »wo  die  Familienbeziehung  bei 
der  letzteren  wenigstens  in  der  Gentilität,  bei  dem  ersteren  auch  in  der 
Agnation  erhalten  bleibt«.  Hieraus  hat  daher  der  Leser  die  Sätze  zu 
entnehmen :  da  bei  der  Vestalin  die  capitis  deminutio  minima  nicht  ein- 
tritt, obgleich  dieselbe  ebenso  aus  der  patria  potestas  austritt,  wie  auch 
die  Agnation  verliert,  wohl  aber  dieselbe  ihre  Gentilität  behält,  so  ist 
die  für  die  capitis  deminutio  minima  massgebende  »Familienbeziehung« 
die  Gentilität;  daher  besteht  nach  Massgabe  des  Obigen  deren  Wesen- 
eigenthümlichkeit  in  der  »Veränderung  der  Gentilität  oder  der  Stellung 
zur  gens  in  der  Weise,  dass  eine  Vertauschung  der  gens  stattfindet«. 

Dem  gegenüber  drängen  sich  nun  allerdings  die  Fragen  auf:  wenn 
darin  das  Wesen  der  capitis  deminutio  minima  belegen  ist,  warum  defi- 
niren  die  Quellen  nirgends  uns  dieselbe  als  Wechsel  der  Gentilität?  wie 
konnte  solchenfalls  Cic.  Top.  6  die  Gentilität  so  definiren  wie  geschehen? 
und  wie  konnte  endlich  seit  den  Antoninen,  wo  Verband  und  Verfassung 
der  gentes  bereits  untergegangen  waren ,  von  der  capitis  deminutio  mi- 
nima als  einer  praktischen  Institution  noch  die  Rede  sein?  Allein  diese 
Fragepunkte,  welche  dem  Verfasser  das  Irrige  seiner  Aufstellung  nahe 
geführt  haben  würden,  entgehen  demselben. 

Darauf  wendet  sich  der  Verfasser  S.  13  zu  einer  Prüfung  der  an- 
tiken Definitionen  der  capitis  deminutio  minima,  abschliessend  mit  dem 
Ergebnisse ,  dass  die  dabei  gebrauchten  Ausdrücke  familia  mutatur  und 
Status  hominis  mutatur  völlig  synonym  seien.  Allein  da  der  Ausdruck 
Status  permutatio  zur  Bestimmung  nicht  bloss  der  capitis  deminutio  mi- 
nima, sondern  auch  der  capitis  deminutio  im  Allgemeinen  wiederholt 
verwendet  wird,  so  ist  jenes  Ergebniss  ein  irriges. 

Dann  giebt  S.  15  der  Verfasser  eine  Berichtigung:  trotz  jenes  Aus- 
druckes mutari  nöthigt  die  Bezeichnung  deminutio  in  der  capitis  demi- 
nutio minima  nicht  eine  Veränderung  d.  h.  Vertauschung  der  Familien- 
stellung anzuerkennen,  sondern  nur  »ein  Ausscheiden  aus  der  alten  Fa- 


Capitis  deminutio  minima.  41 

milienbeziehung,  deu  Verlust  der  bisherigen  Familienstellung«.  Somit: 
»die  Veränderung  der  Familienstellung  besagt  nicht,  was  die  capitis  de- 
minutio ist,  sondern  giebt  nur  in  einem  allgemeinen  Ausdrucke  an,  was 
sie  veranlasste  und  als  begleitender  Umstand  mit  ihr  verbunden  war«. 

Nachdem  dann  S.  16  ff.  der  Verfasser  eine  Aufzählung  der  juristi- 
schen Folgewirkungen  der  capitis  deminutio  minima  gegeben  hat,  welche 
nichts  Neues  bietet,  wendet  sich  S.  18  ff.  derselbe  der  Aufgabe  zu,  das 
Wesen  der  capitis  deminutio  im  Allgemeinen  und  den  deren  Klassifica- 
tion  unterliegenden  Eintheilungsgrund  zu  bestimmen.  Der  Verfasser  ge- 
langt hier  zu  dem  Ergebnisse:  der  trichotomischen  Eintheilung  fehlt 
»ebenso  sehr  die  Autorität,  wie  die  innere  Berechtigung;  dieselbe  er- 
weist sich  für  die  Erkenntniss  des  Wesens  und  Begriffs  der  capitis  de- 
minutio als  unfruchtbar« ;  dagegen  die  Eintheilung  von  capitis  deminutio 
magna  und  minor  vermeidet  allerdings  die  in  jener  ersteren  enthaltenen 
Widersprüche,  allein  es  ist  auch  mit  ihr  für  das  Verständuiss  des  all- 
gemeinen Begriffs  capitis  deminutio  nicht  viel  gewonnen.  Vielmehr  ist 
davon  auszugehen,  »dass  wenigstens  ursprünglich  der  Begriff  der  capitis 
deminutio  als  ein  streng  einheitlicher  gefühlt  ward«.  Und  diesen  Satz 
deducirt  denn  nun  der  Verfasser  in  der  Weise,  dass,  indem  unter  caput 
»die  Existenz  innerhalb  der  Familie  und  dadurch  innerhalb  der  Bürger- 
schaft« zu  verstehen  sei,  die  capitis  deminutio  den  »Verlust  der  beson- 
deren Familienstellung  des  Einzelnen  und  seiner  eben  dadurch  bedingten 
besonderen  Stellung  in  der  Bürgerschaft«  bedeute. 

Das  Urtheil  über  diese  Schrift  fasst  sich  dahin  zusammen,  dass 
die  Ausstellungen,  welche  der  Verfasser  au  deu  vorgefundenen  Auffassun- 
gen von  der  capitis  deminutio  und  insbesondere  der  minima  erhebt,  nicht 
unberechtigt  sind;  allein  das,  was  er  selbst  an  deren  Stelle  setzt,  ist 
übeler,  als  das  Getadelte  selbst;  und  Gedanken,  Deductionen,  wie  dog- 
matische Constructionen  des  Verfassers  leiden  an  Unklarheit. 

11)  Dr.  Max  Colin,  Professor  an  der  Universität  zu  Amsterdam, 
Beiträge  zur  Bearbeitung  des  Römischen  Rechts.  Erster  Band,  Heft  II. 
Berlin  1880.  Zweite  Abhandlung:  Zur  Lehre  von  der  capitis  demi- 
nutio S.  41—404. 

Nachdem  auf  S.  41  ■  107  die  capitis  deminutiones  maxima  und 
media  behandelt  sind,  giebt  der  Verfasser  auf  S.  107  132  eine  Erör- 
terung der  capitis  deminutio  minima,  und  zwar  zuerst  eine  Exegese  von 
Gai.  I,  162  (S.  107—116),  dann  eine  Darlegung  der  einzelnen  Fälle  dieser 
capitis  deminutio  (S.  116  -124),  wie  endlich  eine  Wesenbestimraung  der 
letzteren  (S.  124-132):  »jeder  römische  Bürger  gehört  zu  einer  kon- 
kreten römischen  Familie  iln  engeren  Sinne,  es  sei  als  pator  familias, 
bezw.  mater  familias  oder  als  Hauskind  oder  persona  in  mancipio.  Ein 
Ausscheiden  aus  der  konkreten  Familie,  ein  Verlust  der  Zugehörigkeit 
zur  familia  in  diesem  Sinne  ist  c  d.  minima«  (S.  126).    Allerdings  nun 


42  Römisclie  Privatalterthümer. 

wird  von  dieser  Wesenbestimmung  eine  Reihe  von  Vorkommnissen  mit 
umfasst,  welche  gleichwohl  nach  Massgabe  der  Quellen  sicher  keine  ca- 
pitis deminutio  minima  ergeben;  so  z.  B.  das  Ausscheiden  der  Vestalin 
aus  ihrer  Familie;  allein  »der  jetzige  Stand  der  Untersuchung  gestattet 
vielmehr  eine  Entscheidung  der  Frage,  warum  diese  Fälle  von  dem  Ge- 
biet der  c.  d.  ausgeschlossen  sind,  nicht.  Begnügen  wir  uns  damit  zu 
konstatiren,  dass  die  c.  d.  minima  eine  Anzahl  von  Fällen  befasst,  bei 
denen  die  Familienzugehörigkeit  verloren  geht«  (S.  127).  In  dieser 
Wesenbestimmung  der  capitis  deminutio  minima  tritt  somit  der  Verfasser 
der  Aufstellung  von  Böcking,  Pandecten  §  58  bei,  wonach  familia  der 
Rechtskreis  ist,  der  gebildet  wird  durch  den  pater  familias  und  die  in 
dessen  potestas  befindlichen  Freien,  die  capitis  deminutio  minima  aber 
die  Zerstörung  der  Mitgliedschaft  an  solcher  familia  ist;  und  diese  Wesen- 
bestimmung nun  kann  recht  wohl  wahr  und  zutreffend  sein;  indess  es  ist 
dieselbe  nicht  congruent,  vielmehr  zu  weit,  da  sie  die  Sphäre  der  capitis 
deminutio  minima  nicht  deckt,  indem  sie  nicht  zubehörige  Vorkommnisse 
mit  umfasst.  Und  diese  Incongruenz  nun  sucht  der  Verfasser  S.  399  f. 
auf  historischem  Wege  zu  heben. 

Darauf  folgt  auf  S.  132  —  372  eine  sehr  eingehende  und  gründliche 
Erörterung  der  aufhebenden  Wirkungen  der  capitis  deminutio:  deren 
Einwirkung  darlegend  auf  publica  iura  (S.  132-142),  hausväterliche 
Rechte  (S.  142—154),  Tutel  (S.  154—184),  Patronat  (S.  184-210),  Ehe 
(S.  210  —  223),  Anwartschaften  (S.  223  —  235),  Vermögensrechte  (S.  235 
—  291),  wie  Schulden  (S.  291  -344)  und  Rechtsgeschäfte  (S.  344  —  372), 
woran  sich' auf  S.  372  —  387  eine  Widerlegung  der  in  den  Quellen  nicht 
begründeten  Auffassung  anschliesst,  welche  in  der  capitis  deminutio  die 
Zerstörung  der  privatrechtlichen  Persönlichkeit  erbickt,  verbunden  bei 
der  media  und  minima  mit  dem  Wiedererwerbe  einer  anderen  Persön- 
lichkeit, eine  Auffassung,  die  unter  Anderem  dahin  führt,  dass  die  die 
capitis  deminutio  des  Gatten  überdauernde  Ehe  für  den  anderen  Theil 
secundae  nuptiae  sein  würde. 

Endlich  S.  387  —  400  geben  eine  Entwickelungsgeschichte  der  ca- 
pitis deminutio:  der  doctrinelle  Lehrbegrift'  der  capitis  deminutio  ist 
zuerst  an  der  minima  allein  ausgebildet  und  verwendet  worden,  und  ins- 
besondere hat  Cicero  den  Begriff  der  maxiraa  und  media  noch  nicht  ge- 
kannt; ferner  sind  die  arrogatio  und  die  couveutio  in  manum  der  ge- 
waRfreieu  Frau  diejenigen  Vorkommnisse  gewesen,  auf  welche  zuerst  der 
Lehrbegriff  verwendet  wurde,  der  hier  nun  am  frühesten  bei  Qu.  Mucius 
Scaevola  pout.  sich  nachweisen  lässt;  und  daraus  erklärt  sich  dann  end- 
lich zugleich  der  Ausdruck  deminutio  capitis:  denn  jene  beiden  Vor- 
gänge schmälern  in  der  That  die  Rechtsfähigkeit,  wie  Rechtszuständig- 
keit der  Betroffenen.  Allein  die  Beweise  dieser  Sätze  sind  nicht  strin- 
gent,  diese  selbst  aber  sind  bedenklich:  denn  während  z.  B.  caput  als 
ein  Kunstausdruck  für  die  rechtliche  Persönlichkeit  des  römischen  Bür- 


Sclaverei.    Todtenbestattung.  43 

gers  vom  Verfasser  erklärt  wird  (S.  390),  so  wird  man  gleichwohl  in  der 
Litteratur  der  Periode  von  Scaevola  und  Cicero  diesen  Kunstausdruck 
Caput,  abgesehen  von  der  Verbindung  capitis  deminutio,  vergeblich  suchen. 
Referent  vermeint  vielmehr,  dass  der  Verfasser  mit  diesen  historischen 
Untersuchungen  auf  eine  falsche  Fährte  gerathen  ist. 

12)  A.  Tourmagne,   Histoire  de  l'esclavage  ancien  et  moderne. 
Paris  1880.     IV,  464  S. 

Eine  Darstellung  der  Geschichte  der  Sklaverei  im  Alterthum  ist 
allerdings  angewiesen  auf  eine  Benutzung  des  in  diesem  Jahresberichte 
XIX,  S.  607  f.  angezeigten  trefflichen  Werkes  von  Walion.  Allein  das,  was 
der  Verfasser  bietet,  ist  in  der  That  nichts  weiter,  als  eine  reine  und 
dabei  höchst  mangelhafte  Entlehnung  des  Stoffes  aus  Walion.  Dem  Ver- 
fasser selbst  aber  fehlt  es  nicht  allein  an  eigener  wissenschaftlicher  Vor- 
bereitung für  die  von  ihm  unternommene  Aufgabe,  sondern  sogar  an 
genügender  allgemeiner  Kenntniss  des  classischen  Alterthums.  Als  Fol- 
gen hiervon  treten  hervor  ein  Mangel  an  systematischer  Ordnung  und 
Disposition  des  Stoffes,  demzufolge  Wiederholungen  im  Einzelnen,  wie 
eine  unrichtige  Vertheilung  des  Dargestellten  vielfach  sich  vorfinden; 
dann  ein  Mangel  an  neuen  Gesichtspunkten,  wie  neuen  Ergebnissen:  es 
geht  das  Gebotene  nicht  über  den  Kreis  des  von  iinderen  Behandelten 
hinaus,  während  andrerseits  ebenso  zahlreiche,  wie  unentschuldbare  Miss- 
verständnisse im  Detail  hervortreten.  Endlich  sind  die  vom  Verfasser 
gegebenen  Citate  nichts  als  ein  unverständliches  und  von  ihm  selbst  wohl 
kaum  verstandenes  decoratives  Beiwerk.  So  ist  das  obige  Werk  wissen- 
schaftlich werthlos:  der  Verfasser  wollte  da  ernten,  wo  er  nicht  ge- 
sät hat. 

13)  Friedrich  Franz,  Mythologische  Studien,  I.  Buch,  im  elften 
Jahresbericht  des  Staats-Gymnasiums  in  Villach.    Villach  1880.    67  S. 

Gleich  als  den  historischen  Hintergrund  für  das  zu  behandelnde 
Thema  skizzirt  der  Verfasser  zuerst  eiulcitungsweise  die  Pfahlbauten, 
als  Monumente  aus  vorhistorischen  Zeiten,  zu  denen  gewisse  aus  dem 
Alterthume  überlieferte  Angaben  einer  Wasserbestattung,  wie  Mythen 
von  Wassergeistern  in  einer  Bezüglichkeit  stehen.  Denn  indem  der  Fa- 
milienvater und  die  Familienmutter  nach  ihrem  Tode  als  Dii  Manes, 
als  Schutzgeister  des  Hauses  verehrt  wurden  und  von  solchem  Ahnen- 
kultus aus  dann  bei  den  Griechen  und  Könioru  ein  Göttcrkultus  sich 
entwickelte;  indem  ferner  jene  Dii  Manes  als  die  Geister  der  Verstor- 
benen gedacht  wurden,  welche  in  den  verschiedenen  Elementen  eine  neue 
körperliche  Basis  ihres  Seyus  gewannen;  so  ist  nun  in  letzterer  Bezie- 
hung massgebend  die  Bestattungsweise,  die  dem  Verstorbenen  zu  Theil 
ward  (S.  10  -14). 

So  nun  bespricht  der  Verfasser  an  erster  Stelle  die  Bestattung  in 


44  Römische  Privatalterthümer. 

Flüssen  (S.  14  —  23)  und  so  insbesondere  das  Grab  des  Aeneas  und  der 
Anna  Percnna  im  Nuniicius,  wie  die  sexagenarii  de  ponte,  woran  die 
Annahme  geknüpft  wird,  dass  pons  ursprünglich  den  Pfahlbau  bezeich- 
net und  insbesondere  der  pons  sublicius  als  solcher  zur  Bestattung  und 
Verehrung  der  Todten  gedient  habe. 

Dann  erörtert  der  Verfasser  die  Begräbnisse  auf  den  durch  Pack- 
werkbau in  den  Seen  künstlich  hergestellten  Inseln  (S.  23-26),  wobei 
namentlich  der  lacus  Cutiliae,  Velinus  und  Fucinus  als  alte  Begräbniss- 
stätten besprochen  werden,  dann  auf  den  auf  dem  Seeboden  errichteten 
Steinbergen  (S.  27.  28),  wie  auf  See-  oder  Flussinseln  (S.  28—36),  wo- 
bei die  Tiberinsel  als  ein  in  den  prähistorischen  Zeiten  der  Todtenbe- 
stattung  geweihter  Ort  angenommen  wird. 

Endlich  werden  die  Sümpfe  als  Begräbnissstätten  erörtert  (S.  36 
—  67)  und  dabei  der  lacus  Curtius  zwischen  Capitolin  und  Palatin,  das 
Tarentum  und  die  Cupreae  palus  auf  dem  Marsfelde,  der  Sumpf  zwi- 
schen Aventin  und  Palatin,  das  Velabrum  und  die  Doliola  als  alte  Bc- 
gräbnissstätten  hingestellt. 

Ueberdem  enthält  die  Schrift  reiche  Materialien,  wie  mannich- 
fache  mythologische  Motive,  die  indess  von  anderem  Gesichtspunkte,  als 
hier  massgebend,  in  Betracht  kommen. 

14)  Wolfg.  Heibig,  lieber  den  Pileus  der  alten  Italiker,  mit 
zwei  Tafeln,  in  Sitzungsberichten  der  philosophisch-philologischen  und 
historischen  Klasse  der  königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften 
zu  München  1880.     S.  487  —  554. 

Der  Stoff  dieser  Abhandlung  ist  in  drei  Abtheilungen  zerlegt,  de- 
ren erste,  den  pileus  der  Männer  erörternd  (S.  487-513),  von  dem  Satze 
ausgeht,  dass  der  pileus  als  die  älteste  Kopfbedeckung  der  Römer  an- 
zuerkennen ist;  denn  seine  Verwendung  als  Attribut  der  Göttin  Libertas, 
wie  bei  der  Manumission,  sein  Vorkommen  als  priesterliche  Amtstracht 
der  poutifices,  flamines  und  Salii,  sein  Gebrauch  endlich  an  den  Satur- 
nalien bekunden  dies;  denn  der  apex,  tutulus  und  galerus  jener  Priester 
sind  in  der  That  nur   besonders   ausgestattete  Gestaltungen   des  pileus. 

In  Betreff'  der  Form  nun  des  pileus  lässt  die  Thatsache,  dass  in 
den  späteren  Zeiten  derselbe  als  Kappe  aus  Filz  von  Leuten  niederen 
Standes  und  so  auch  von  Sklaven  getragen  wird,  eine  doppelte  Möglich- 
keit zu:  entweder  sind  dieser  und  der  älteste  pileus  in  der  Form  ver- 
schieden gewesen  und  so  nun  bereits  in  ältester  Zeit  gleichzeitig  neben 
einander  in  Gebrauch  gewesen,  oder  aber  der  älteste  pileus  ist  mit  der 
Zeit  von  den  höheren  Ständen  aufgegeben,  dagegen  von  den  niederen 
Ständen  beibehalten  oder  allgemein  aufgenommen,  in  seiner  Form  aber 
verändert  worden.  Der  Verfasser  lässt  solche  Alternative  unentschie- 
den ;  allein  das,  was  über  die  Verwendung  des  pileus  bei  der  Manumission 
berichtet   wird,    dürfte    doch    darauf  hinweisen,    dass,    abgesehen    von 


Pileus.    Monatseintheilung.  45 

der  priesterlichen  Amtstracht,  die  älteste  Zeit  nur  einen  einzigen  pi- 
leus kannte,  welcher  die  allgemeine  prärogative  Tracht  des  civis  Ro- 
raanus  mit  Einschluss  des  Clienteu  und  mit  Ausschluss  des  Sklaven  bil- 
dete: das  geschorene  Haupthaar,  welches  nicht  minder  den  Freien  von 
dem  Sklaven  unterschied,  machte  dort  den  pileus  nöthig,  hier  dagegen 
entbehrlich,  als  Schutz  gegen  Sonne  und  Witterung. 

Insbesondere  nun  der  gemeine  pileus  ist  von  den  Römern  den 
Etruskern  entlehnt  und  erweist  sich  als  eine  hohe,  steife  Kappe  von 
conischer  Form,  welche  in  der  Höhe  des  Scheitels  mit  einem  Bande 
und  etwa  über  der  Stirn  noch  mit  einer  weissen  Binde  umschlungen 
war.  Dagegen  der  pileus  der  Priester  ist  vornämlich  auf  der  Spitze  mit 
einem  stabartigen  Aufsatze,  der  virga,  verziert  und  mit  einem  Sturm- 
bande versehen. 

Sodann  die  zweite  Abtheilung  erörtert  den  pileus  der  Frauen 
(S.  513 — 527),  wobei  zugleich  die  Untersuchung  auf  die  Haartour  und 
Kopfbedeckung  im  Allgemeinen  der  Frauen:  auf  die  sex  crines,  auf 
flammeum  oder  flammeus  und  auf  die  rica  der  fiaminica,  wie  auf  das 
surculum  mit  erstreckt  wird:  es  ergiebt  sich,  dass  der  pileus  der  Frauen 
mit  dem  der  Männer  übereinstimmte,  in  späterer  Zeit  jedoch  zu  Gun- 
sten der  Binde,  vitta,  aufgegeben  wurde. 

Endlich  die  dritte  Abtheilung:  über  die  Herkunft  des  pileus  (S.  527 
—  548)  betrachtet  das  Vorkommen  des  pileus  in  den  semitischen  Kreisen 
Yorderasiens ,  wie  in  den  ältesten  Zeiten  des  hellenischen  Lebens,  und 
gelangt  zu  dem  Ergebnisse ,  dass  die  ältesten  Italiker  den  pileus  den 
Karthagern  entlehnt  haben.  Allein  die  Thatsache,  dass  bereits  in  der 
Periode  des  römischen  Köuigthuras  punische  Waaren  nach  Etrurien,  wie 
nach  Latium  gelangten,  dürfte  doch  nicht  zu  dem  Schlüsse  der  Entleh- 
nung einer  etruskischen  Nationaltracht  von  den  Karthagern  berechtigen ; 
vielmehr  würde  die  Uebereinstimmung  des  semitischen  und  etruskischen 
pileus  als  eine  offene  Frage  zu  betrachten  sein,  an  deren  Lösung  erst 
mit  Lösung  der  etruskischen  Frage  zu  denken  ist. 

Im  grossen  Ganzen  bietet  die  Arbeit  einen  werthvoUen  Beitrag 
zur  ältesten  römischen  Kulturgeschichte,  wobei  namentlich  auch  die  auf 
den  beiden  Tafeln  gegebenen  2G  Abbildungen  eine  ganz  hervorragende 
Bedeutung  gewinnen. 

15)  Rudolf  Elex,  Die  älteste  Monatseintheilung  der  Römer. 
Inaugural- Dissertation  der  philosophischen  Fakultät  zu  Jena  zur  Er- 
langung der  Doktorwürde  vorgelegt.    Jena  1880.     40  S. 

Der  Verfasser  referirt  zuerst  S.  8  ff.  die  von  Ideler  gegebene  Deu- 
tung der  drei  Hauptabschnitte  des  römischen  Monats:  der  kalendae, 
nonac  und  idus,  und  erörtert  und  widerlegt  sodann  S.  10 — 24  die  Ver- 
suche,  die  durch   die  Nundinen   gegebenen   achttägigen  Intervallen   als 


46  Römische  Privatalterthümer. 

Bestandtheile   oder  Grundlage   der  römischen  Monatseintheilung  hinzu- 
stellen. 

Wider  jene  Erklärung  Ideler's,  wonach  die  nonae  durch  das  Ein- 
treten des  ersten  Viertels,  die  idus  durch  das  Eintreten  des  Vollmon- 
des, somit  aber  beide  Abschnitte  unmittol])ar  durch  Mondphasen  be- 
stimmt sind,  während  die  kalendae  nach  einem  an  ihnen  sich  vollziclicn- 
den  sacralrcchtlichen  Akt,  der  calatio,  bestimmt  sind,  wodurch  nach  er- 
folgter Wahrnehmung  des  ersten  Erscheinens  der  Mondsichel  am  abend- 
lichen Himmel  nach  dem  Neumonde  die  Dauer  der  künftigen  nonae  in 
comitia  calata  von  dem  rex  verkündet  wird  wider  diese  Erklärung  er- 
hebt der  Verfasser  auf  S.  10  ein  Bedenken:  »während  das  erste  Viertel 
mit  den  Nonen  in  Zusammenhang  gebracht  wird,  bleibt  das  ihm  ent- 
sprechende letzte  vollständig  unberücksichtigt,  so  dass  drei  Phasen  des 
Mondes  durch  je  einen  Monatsstichtag  im  Kalender  vertreten  sind,  die 
vierte  allein  keine  Bezeichnung  in  demselben  findet.  Diese  zwischen 
den  Lichtveränderungen  des  Mondlichtes  und  den  Stichtagen  des  Monats 
offenbar  stattfindende  Incongruenz  scheint  mir  denn  doch  von  der  Art 
zu  sein,  dass  man  sie  nicht  so  ohne  Weiteres  ganz  ausser  Acht  lassen 
darf,  wie  dies  Ideler  sonderbarer  Weise  gethan  hat,  welcher  das  letzte 
Viertel  gar  nicht  erwähnt,  geschweige  denn  einen  Grund  für  sein  Nicht- 
vertretensein  im  römischen  Kalender  angiebt«. 

Diese  Bedenken  führt  dann  der  Verfasser  S.  24  ff.  dahin  aus,  dass 
zwar  der  Monat  des  Jahres  des  Numa  als  Mondmonat  anzuerkennen  sei, 
die  Quellen  selbst  jedoch  nur  die  kalendae  und  idus,  nicht  dagegen  die 
Nonen  mit"  den  Mondphasen  in  Verbindung  bringen,  daraus  aber  zu  ent- 
nehmen sei,  »dass  vielleicht  ursprünglich  der  römische  Monat  nur  in 
zwei  Hälften,  die  des  zunehmenden  und  des  abnehmenden  Mondlichtes, 
zerfiel,  und  dass  die  Nonen,  wenn  auch  schon  in  früher  Zeit,  so  doch 
später  als  die  kalendae  und  idus,  und  zwar  aus  einer  mit  dem  Monde 
und  dessen  erstem  Viertel  überhaupt  in  gar  keiner  Beziehung  stehen- 
den Veranlassung  zu  einem  besonderen  dritten  Monatsstichtage  erhoben 
worden  sein  möchten«  (S.  30).  Vielmehr  habe  es  eine  Zeit  gegeben, 
»wo  man,  wie  von  den  Kaienden  rückwärts  bis  zu  den  Iden,  so  von  den 
Iden  bis  wiederum  zu  den  Kaienden  ununterbrochen  fortzählte,  und 
dass  erst  später,  nachdem  die  Nonen  ein  besonderer  Stichtag  geworden 
waren,  die  nächsten  Tage  nach  den  Kaienden  und  ihrem  Nachtage  als 
dies  ante  nonas  bezeichnet  worden  sind«  (S.  31). 

Als  Beweismoraente  für  diese  Sätze  führt  dann  der  Verfasser  S.  32  ff. 
an  theils  die  von  den  Quellen  überlieferte  etymologische  Deutung  des 
Wortes  nonae  als  dies  ante  nonum  idus,  welche  darauf  hinweisen,  dass 
die  Nonen  schlechthin  ein  gezählter  Tag  vor  den  Iden  waren,  nicht  aber 
eine  Mondphase  markirt  hätten,  theils  den  Umstand,  dass  zwar  kalen- 
dae und  idus,  nicht  aber  nonae  feriae,  und  zwar  jene,  nicht  aber  diese 
Göttern  geweiht  waren,  theils  endlich  den  Umstand,  dass  bei  allen  indo- 


Monatsei  ntheilung.  47 

germanischen  Völkern  der  Monat  nur  in  zwei  Hälften  getheilt  gewesen 
sei,  eine  weitere  Theihmg  aber  nicht  stattgefunden  habe. 

Endlich  als  Veranlassung  zur  Aufnahme  der  Nonen  in  den  römi- 
schen Kaienden  wird  der  Umstand  bezeichnet,  dass  auf  einen  Nonen- 
Tag  der  Geburtstag  des  Servius  Tullius  gefallen  und  in  Erinnerung 
daran  nun    alle  Nonen  von  dem  Volke  gefeiert  worden  seien  (S.  42  ff.)- 

Eine  Prüfung  dieser  Aufstellungen  des  Verfassers  ergiebt  jedoch 
deren  Unhaltbarkeit. 

Und  zwar  ist  zunächst  der  wider  Ideler  erhobene  Einwand  an  sich 
gar  nicht  zu  der  von  dem  Verfasser  geltend  gemachten  Consequenz  ver- 
werthet  worden:  denn  den  drei  Mondphasen,  auf  welche  der  römische 
Monat  basirt  ist:  der  ersten  Sichel,  des  ersten  Viertels  und  des  Voll- 
mondes correspondirt  nicht  bloss,  wie  der  Verfasser  will,  als  vierte  Phase 
das  letzte  Viertel,  sondern  auch  eine  fünfte  und  sechste  Phase:  das  Ver- 
schwinden der  letzten  Sichel  und  der  Neumond.  Wäre  es  daher  eine 
unabweisbare  Consequenz,  dass  entsprechend  den  in  abnehmender  Con- 
junction  gesetzten  Mondphasen  die  Römer  auch  die  correspondirenden 
Phasen  der  zunehmenden  Conjunction  als  Kalenderabschnitte  zu  setzen 
gehabt  hätten,  so  würde  deren  Monatseintheilung  nicht  sowohl  eine,  als 
vielmehr  drei  Mondphasen  vermissen  lassen,  und  es  würde  die  Erklä- 
rung dieses  kalendaren  Systems  nicht  allein  dadurch  gewonnen  sein, 
dass  man  daraus  die  Nonen  eliminirt,  sondern  dass  man  zugleich  das 
Verschwinden  der  letzten  Sichel  und  den  Neumond  als  für  den  ältesten 
Kalender  bestimmende  Mondphasen  voraussetzte,  die  erst  im  Verlaufe 
der  Zeit  dann  wieder  aufgegeben  worden  seien. 

Sodann  das  aus  der  etymologischen  Deutung  des  Wortes  nonae 
entlehnte  Argument  könnte  eine  Beweiskraft  nur  unter  der  Voraussetzung 
haben,  dass  es  in  der  von  dem  Verfasser  angenommenen  ältesten  Monats- 
rechnung keine  nonae  quintanae  gegeben  habe.  Dann  aber  würden  nicht 
bloss  die  Nonen,  sondern  auch  die  Kalendae  aus  solchem  Kalender  aus- 
fallen müssen,  da  deren  Wesenbestimnumg  doch  nur  darin  beruht,  dass 
an  ihnen  die  calatio  erfolgte,  ob  die  Nonen  quintanae  oder  septimanae 
seien:  es  genügte  dann,  die  idus  als  Mitte  des  Monats  zu  setzen  und 
dann  nun  auf-  und  absteigend  von  diesen  zu  zählen.  Und  dies  allein  ist 
es  denn  auch,  worauf  die  von  dem  Verfasser  herbeigezogene  indische 
Parallele  der  hellen  und  dunkeln  Hälfte  hinweist.  Allein,  wie  gesagt, 
waltet  solcher  Parallelismus  überhaupt  gar  nicht  ob ;  denn  die  Inder 
setzen  nur  eine  Mondphase:  den  Vollmond,  der  alte  römische  Kalender 
aber  beruht  nach  dem  Verfasser  auf  zwei  Phasen:  auf  idus  und  kalen- 
dae. Dann  wieder  das  aus  der  Verschiedenheit  zwischen  idus  und  ka- 
lendae und  zwischen  nonae,  als  feriac  und  gottgeweihter  Tage,  entnom- 
mene Argument  ist  nicht  stringent:  os  sind  andere  Erklärungen  mög- 
lich, so  z.  B.  dass  die  römische  Religion  überhaupt  nur  zwei  Lichtgott- 
heiteu  kannte    und   dem  Erscheinen   der  ersten   Sichel   von   der  Volks- 


48  Römische  Sacralalterthümer. 

anschauung  eine  höhere  Bedeutung  beigelegt  ward,  als  dem  Hervortreten 
des  ersten  Viertels. 

Endlich  die  Erklärung  der  späteren  Einfügung  der  Nonen  in  den 
Monat  durch  Annahme  einer  Bezüglichkeit  derselben  zu  dem  Geburts- 
tage des  Servius  Tullius  ist,  von  Anderem  abgesehen,  verfehlt:  denn 
dies  würde  ergeben,  dass  die  Nonen  feriae  gewesen  seien,  nicht  aber, 
dass  sie  KalendorabschnittCi wurden. 

Im  Uebrigon,  indem  die  Aufstellungen  des  Verfassers,  wie  ob- 
bemerkt,  daraufhinführen,  dass  der  Kalender  des  Numa  keine  nonae 
quintanae  gekannt  habe,  so  ergeben  dieselben  die  erheblichsten  Beden- 
ken in  Bctrctf  der  Jahresrechnung,  Bedenken,  au  welche  der  Verfasser 
gar  nicht  einmal  gedacht  zu  haben  scheint. 

III.    Schriften  über  Sacralalterthümer. 

IG)  V.  Duruy,  Formation  d'une  religion  officielle,  in  Seances  et 
travaux  de  l'Academie  des  sciences  morales  et  politiques  1880.  Nou- 
velle  Serie.    Tom.  XIV  p.  328—347 

ist  dem  Referenten  noch  nicht  zugekommen. 

17)  Jordan,  Zu  dem  Briefe  der  Cornelia  Gracchorum,  in  Her- 
mes  1880.     XV,  S.  530-536 

bespricht  die  in  dem  zweiten  Fragmente  der  Epistola  Corneliae  matris 
Gracchorum  §  4  vorkommende  Passage:  invocabis  deum  parentem.  In 
eo  tempore  non  pudet  te  eorum  deum  preces  expetcre,  quos  vivos  atque 
praesentis  relictos  atque  desertos  habueris?  in  Rücksicht  der  Frage,  ob 
in  jener  Redewendung;  invocabis  deum  parentem  die  Emendation  von 
deum  parentum  geboten  sei,  daran  eine  Erörterung  der  dii  parentum 
und  dii  parentes  anknüi^fend. 

In  Betreff  des  ersteren  Punktes  nun  liegen  die  Verhältnisse  so, 
dass  eine  Emendation  des  deus  parens  keinesfalls  geboten  ist:  parens 
kann  zu  deus  ebenso  exegetisch,  wie  adjectivisch  sich  verhalten,  somit 
dort  in  dem  Sinne  von  deus,  qui  est  parens,  hier  von  deus  parentalis, 
somit  also  von  deus  parentis.  Daher  ist  diese  Stelle  ohne  alle  Beweis- 
kraft in  Bezug  auf  die  dii  parentum  oder  parentes. 

Dagegen  in  Betreff  des  zweiten  Punktes  liegen  die  Verhältnisse 
so,  dass  die  ältesten  Quellen:  zwei  leges  regiae  des  Romulus  und  Ser- 
vius Tullius  bei  Fest.  230  b,  13.  15,  lediglich  divi  parentum,  nicht  aber 
dii  parentes  kennen  und  darunter  nun  eine  Sonderbezeichnung  gewisser, 
nach  ihrer  Bezüglichkeit  zu  einer  gegebeneu  Person  individuell  qualificir- 
ter  dii  Manes  zu  verstehen  ist,  worauf  in  der  That  auch  hinweist  Cic. 
de  Leg.  II,  9,  22:  Deorum  Manium  iura  sancta  sunto:  sos  leto  datos 
divos  habento.  Und  zwar  sind  ebenso  diese  dii  Manes,  wie  jene  divi 
parentum  keineswegs  identisch  mit   dem  Verstorbenen  selbst,  vielmehr 


Divi  parentum  und  parentes.     Fortuna.  49 

von  demselben  verschieden;  denn  hier  besagt  solches  der  Ausdruck 
selbst  divi  parentum,  dort  bezeugt  es  Varr.  bei  Arn.  adv.  nat.  HI,  41, 
der  die  Manes  definirt  als  quidam  genii  et  functorum  animae.  Gleich- 
wie daher  der  Genius  Augusti  verschieden  ist  von  dem  divus  Augustus, 
so  sind  auch  verschieden  die  Manes  und  divi  parentum  von  den  paren- 
tes selbst. 

Dem  treten  nun  gegenüber  in  einer  Anzahl  jüngerer  d.  h.  der 
späteren  Kaiserzeit  angehöriger  Veroneser  und  stadtrömischer  Inschrif- 
ten (dann  auch  in  der  unter  No.  25  besprochenen  Bleitafel  von  Minturnä) 
die  dii  parentes,  welche,  wie  dieser  Ausdruck  ergiebt,  in  der  That  iden- 
tisch sind  mit  den  parentes  selbst,  d.  h.  die  als  apotheosirt  gedachten 
Eltern  selbst  sind. 

Diesem  Sachverhalte  gegenüber  kann  es  nun  nach  Massgabe  der 
Quellen  nicht  dem  leisesten  Zweifel  unterliegen,  dass  einerseits  die  dii 
Manes  und  insbesondere  die  divi  Parentum  allein  der  ältesten  Glaubens- 
lehre Roms  angehören  und  andrerseits  die  divi  Parentes  einer  vom  Oriente 
her  nach  Rom  importirten  Glaubenssatzung  entstammen,  die  selbst  ihren 
prägnanten  Ausdruck  in  der  Apotheosirung  Cäsar's  im  Jahre  725,  wie 
weiterhin  dann  der  Kaiser  gewann,  wogegen  andererseits  wiederum  der 
Divus  Pater  und  die  Diva  Mater  der  ältesten  römischen  Religion  nicht 
sowohl  Ahnengütter  der  Familie,  als  vielmehr  die  Götter  des  Staates 
selbst  sind,  wie  z.  B.  Mars,  Terra  (Preller,  röm.  Myth.  50  f.). 

Gleichwohl  stellt  der  Verfasser  dem  gegenüber  die  Sätze  auf:  Dii 
parentes  ist  die  älteste  und  originale  Ausdrucksweise,  wogegen  der  Aus- 
druck Divi  parentum  »unzweifelhaft  den  Werth  einer  authentischen  Inter- 
pretation« besitze;  und  zwar  seien  jene  divi  parentes  von  den  Manes 
verschieden.  Allein  weder  sind  diese  Sätze  irgendwie  begründet  oder 
etwas  ausgeführt,  noch  sind  dieselben  dem  Referenten  nach  Ausdruck, 
wie  Denkgehalt  auch  nur  verständlich. 

Endlich  bespricht  der  Verfasser  noch  den  Ausdruck  deorum  preces 
expetere,  dessen  Correctheit  auf  die  Annahme  gestützt  wird,  dass  preces 
anstatt  eines  zu  erwartenden  comprecationes  oder  precationes  gesetzt  sei. 

18)  M.  Emmanuel  Fernique,  ancien  eleve  de  l'öcole  normale 
superieure,  ancien  membro  de  l'ecole  fran(;aiso  de  Rome,  professeur 
d'histoire  au  College  Stanislas,  ttude  sur  Preneste  ville  de  Latium. 
These  pour  le  doctorat  es  lettres  presentee  ä  la  P'aculte  des  lettres 
de  Paris.    Paris  1880.     222  S. 

Die  Schrift,  welche  in  vier  Abtheilungen  zerfällt  und  in  der  ersten 
die  Geschichte  Präneste's  von  den  ältesten  Zeiten  bis  herab  während 
der  römischen  Herrschaft  behandelt,  in  der  dritten  und  vierten  aber 
eine  Darstellung  der  Ruinen  Präneste's,  wie  eine  Geschichte  der  prä- 
nestinischen  Kunst  giebt,  erörtert  in  der  zweiten  Abtlieilung  (S.  75—00) 
die  Sacralalterthümer  Präneste's,  und  dies  zwar  in   zwei   Capiteln:    La 

Jahresbericht  fiir  AUcnhiimswisseiischaft  XXVIU.  (1881.  HI.)  ^ 


50  Römische  Sacralalterthümer. 

Fortuno  dans  le  Latium  et  specialement  ä  Pr6neste  (S.  75  —  85)  und: 
Le  culte  de  la  Fortune  ä  Pröncste  et  les  oracles,  qu'elle  y  rendit 
(S.  86-90). 

Im  Besonderen  führt  das  erste  Capitel  aus,  dass  die  Fortuna 
eine  in  Latium  weit  verbreitete  Gottheit  war,  welche  insbesondere  zu 
Präneste  als  Primigenia  (Urerzeugcrin)  verehrt  wurde  und  den  Juppiter 
Puer  und  die  Juno  im  Schoossc  haltend  dargestellt  war.  Dagegen  ge- 
hörte dieselbe  nicht  zu  den  alten  römischen  Staatsgöttern,  sondern  fand 
erst  in  einer  späteren  Zeit  Aufnahme  in  Rom  und  zwar  wohl  durch  Ser- 
vius  Tullius,  welcher  der  Fortuna  Primigenia  auf  dem  Capitole  einen 
Tempel  errichtete,  worauf  dann  der  Cult  der  Fortuna  in  maunichfacher 
Gestalt  in  Rom  sich  ausbreitete. 

Alle  diese  Momente  aber  sind  ebenso  von  religionsgeschichtlichem, 
wie  von  historischem  Interesse;  denn  so,  was  das  erstere  betrifft,  er- 
scheint in  Präneste  die  Fortuna  Primigenia  als  Glied  einer  Göttertrias, 
wie  solche  in  Italien  häufiger  auftreten,  und  zwar  an  der  Stelle,  welche 
in  der  capitolinischen  Trias  die  Minerva  einnimmt;  und  wiederum  in 
letzterer  Beziehung  ist  beachtlich,  dass  es  wieder  Servius  Tullius  ist, 
welcher  den  latinischen  Bund  unter  der  Hegemonie  Roms  und  um  den 
Mittelpunkt  des  Tempels  der  Diana  in  Aventino  stiftete. 

Dagegen  das  zweite  Capitel  liefert  einen  Beitrag  zu  dem  Orakel- 
wesen in  Rom,  wie  Italien. 

19)  J.Jäkel,  Zur  Aeneassage.    Programm  des  Staats-Gyranasiums 
zu  Freistadt.    Freistadt  1879.     27  S. 

Die  Schrift  stellt  sich  die  Aufgabe,  die  Aeneas-Sage  auf  den  ihr 
inliegenden  historischen  Kern  zu  prüfen  und  tritt  so  nun  vornämlich  der 
jener  Frage  von  Schwegler  zu  Theil  gewordenen  Behandlungsweise  ent- 
gegen, daher  denn  dieselbe  im  grossen  Ganzen  nicht  dem  Ressort  des 
Referenten  unterfällt.  Vielmehr  ist  in  der  letzteren  Beziehung  allein 
einschlagend  die  Ausführung  des  Verfassers,  dass  Venus  eine  altlatini- 
sche  Göttin  ist,  deren  Dienst  mit  den  Aeneaden  nach  Latium  gelangt 
war  (S.  7  f.  20  ff.). 

20)  P.  Ciairin,   De    haruspicibus   apud  Romanos.     Paris   1880. 
VI,  89  S. 

Der  behandelte  Stoff  wird  in  drei  Abtheilungen  zerlegt,  deren  erste 
(S.  1—18)  die  Lehre  von  der  Divination  in  vier  Abschnitten  behandelt: 
die  Divination  in  dem  Kreise  der  asiatischen  Culturvölker,  der  Aegypter 
und  der  Griechen;  die  Divination  bei  den  Römern;  die  Ansichten  des 
klassischen  Alterthums  über  den  Werth  der  Divination  und  endlich  die 
Urtheile  der  christlichen  Schriftsteller  über  dieselbe. 

Sodann  die  zweite  Abtheilung  (S.  19  —  41)  stellt  die  Disciplin  der 
haruspices  dar  und  erörtert  1.  die  Etymologie  und  Bedeutung  des  Wortes 


Haruspices.    Prodigien.  51 

haruspex;  2.  die  klassischen  Schriften  über  die  Haruspicin;  3.  die  Lehre 
von  den  Blitzen  und  der  Behandlung  der  Blitzschläge;  4.  die  Lehre  von 
den  Prodigien  und  deren  procuratio;  endlich  5.  die  Lehre  von  der  Ein- 
geweideschau. 

Endlich  die  dritte  Abtheilung  (S.  42  — 86)  giebt  eine  Geschichte 
der  haruspices  und  zwar  1.  in  der  Königszeit;  2.  während  der  Periode 
der  Republik;  3.  in  der  Zeit  von  August  bis  zu  Constantin  d.  Gr.;  end- 
lich 4.  von  Constantin  abwärts. 

Ein  Exkurs  über  die  Stellung  der  haruspices  und  der  XVviri  sa- 
cris  faciundis  gegenüber  der  Deutung  und  Procuration  der  Prodigien 
(S.  87—89)  bildet  den  Schluss. 

Die  Abhandlung  ist  zwar  ganz  gut  geschrieben  und  bietet  eine 
nützliche  Zusammenstellung  des  einschlagenden  Stoffes;  allein  neue  Er- 
gebnisse liefert  dieselbe  nicht,  vielmehr  sind  nicht  einmal  die  Zusätze 
von  Deecke  zu  Müller's  Etrusker  verwerthet,  indem  dieses  Werk  in  der 
ersten  Auflage  benutzt  ist. 

21)  Dr.  Franz  Luterbacher,  Der  Prodigienglaube  und  Prodi- 
gienstil  der  Römer.  Beilage  zum  Jahresbericht  über  das  Gymnasium 
in  Burgdorf.    Burgdorf  1880.     48  S. 

Die  Abhandlung  zerfällt  in  sechs  Abschnitte,  deren  erster;  Bedeu- 
tung der  Prodigien  (S.  3  —  6)  einen  einleitenden  Ueberblick  über  die 
Theorie  von  den  erbetenen  und  den  ungesucht  sich  darbietenden  Zei- 
chen giebt,  durch  welche  die  Götter,  sei  es  ihren  Willen,  sei  es  die  Zu- 
kunft den  Menschen  offenbaren,  dabei  die  Worte  prodigium,  ostentum, 
portentum,  monstrura,  miraculum  und  omen  in  Betracht  ziehend  und  da- 
nach die  gestellte  Aufgabe  präcisirend. 

Dann  Abschnitt  II:  Aufzeichnung  und  Ueberlieferung  der  Prodi- 
gien (S.  6  —  11)  stellt  fest,  dass  von  Alters  her  der  pontifex  maximus, 
dem  von  vornherein  die  procuratio  prodigiorum  obliegt,  dieselben  in  den 
anuales  maximi  verzeichnete,  anfänglich  nur  vereinzelt,  seit  505  d.  St. 
dagegen  regelmässig,  von  wo  aus  dann  die  römischen  und  griechischen 
Schriftsteller  dieselbe  entlehnten,  so  namentlich  Coelius  Antipater,  Si- 
senna,  Valerius  Antias  ,  dann  Livius,  Valerius  Maximus  und  Jul.  Obse- 
quens.  Zugleich  wird  dabei  Ciceros  Stellung  zu  dem  Prodigienwesen 
in  Betracht  gezogen. 

Hierauf  Abschnitt  III:  Die  wichtigsten  Prodigien  (S.  11—18)  giebt 
eine  Uebersicht  der  wichtigsten  und  häufigsten  Prodigien  aus  den  Jahren 
536 — 712  d.  St.:  eigenthümliche  Phänomene  der  Sonne,  wie  anderer  Him- 
melskörper, Blitzschläge,  Regen  oder  Hervorquellen  ungewöhnlicher  Stoffe, 
Austreten  von  solchen  aus  Götterbildern  oder  heiligen  Emblemen,  ge- 
wisse Abnormitäten  menschlicher  oder  thierischer  Geburten,  Erscheinen 
ven  gewissen  Thieren  an  gewissen  Orten,  endlich  Abnormitäten,  welche 
die  Eingeweideschau  ergiebt. 

4* 


52  Römische  Sacralalterthflmer. 

Sodann  Abschnitt  IV:  Slilinung  der  Prodigien  fS.  18—20)  beant- 
wortet die  Fragen,  wer  die  Anmeldung  der  Prodigien  vollziehe,  bei  wem 
solche  erfolgt  sei,  wer  über  den  Thatbestand  des  Prodigium  und  dessen 
Sühnung  entscheide,  endlich  über  die  Formen  der  Sühnung:  precationes, 
loctisternia  und  sacra,  dann  auch  Lustration. 

Wiederum  Abschnitt  V:  Der  Prodigienstil  (S.  20—42)  erörtert  die 
Formeln,  in  denen  die  Aufzeichnung  der  Prodigien  erfolgte. 

Endlich  Abschnitt  VI :  Quellen  des  Livius  für  die  Prodigien  (S.  42 
—  47)  bietet  als  Resultat,  dass  Livius  seine  Angaben  der  Prodigien  in 
der  ersten  Dekade  grossentheils  aus  einer  griechischen  Quelle:  aus  Fa- 
bius  Pictor,  wie  daneben  aus  Lucius  Piso ,  in  der  dritten  Dekade  aus 
Coelius  Antipater  und  Valerius  Antias,  in  der  vierten  Dekade  vornäm- 
lich aus  Valerius  Antias  entlehnte,  womit  der  Verfasser  zu  dem  gleichen 
Resultate  kommt,  wie  Referent  selbst,  der  in  seinen  Leges  regiae  232 
bereits  auf  die  eigenthümliche  Stellung  des  Antias  zu  den  Prodigien 
hingewiesen  hat.  Endlich  in  den  letzten  Büchern  folgt  Livius  verschie- 
denen Quellen  und  unter  Anderen  auch  dem  Sisenna. 

Die  Abhandlung  des  Verfassers  bietet  eine  fleissige  und  gewissen- 
hafte und  namentlich  in  dem  fünften  Abschnitte  sehr  reichhaltige  und 
interessante  Arbeit,  durch  welche  der  einschlagende  Lehrstoff  eine  er- 
hebliche Förderung  erfahren  hat.  In  mehrfacher  Beziehung  beklagens- 
werth  ist  jedoch,  dass  der  Verfasser  die  Ausnutzung  der  Arvalacten  sich 
hat  entgehen  lassen. 

22)  M-  R-  de  La  Blanchere,   Inscriptions  inedites  de  la  Valle 
di  Terracina,  in  Revue  archeologique  1880.    Nouv.  Serie  XII,  302—308 

theilt  mit  und  erörtert  eine  Inschrift,  welche,  gefunden  bei  Terracina, 
davon  Kunde  giebt,  dass  die  Reparatur  eines  Grabmonumentes,  selbst 
wenn  auf  Grund  eines  pontificalen  Dekretes  erfolgt,  doch  die  Darbrin- 
gung eines  piaculum  erforderte,  eine  Ordnung,  welche  durch  diese  In- 
schrift zum  ersten  Male  uns  bekundet  wird. 

Im  Bulletino  dell'  Instituto  1881  S.  03  ist  dann  jene  Inschrift  selbst 
in  berichtigter  Lesung  von  Mommsen  wieder  gegeben  worden. 

23)  Karl  Zangenmeister,   Bleitafel  von  Bath,  in  Hermes  1880 
XV,  588  —  590 

berichtet  über  eine  Bleitafel,  welche,  in  den  Quellen  von  Bath  in  Eng- 
land gefunden,  in  acht  Zeilen  eine  defixio  darbietet,  wodurch  Jemand 
wohl  unter  Aufzählung  der  ihm  verdächtig  erscheinenden  Personen,  die 
Strafe  einer  nicht  genannten  Gottheit  auf  den  Dieb  eines  gestohlenen 
Tischtuches  (mantelium)  herabbeschwört  für  den  Fall,  dass  der  Betreffende 
das  gestohlene  Gut  nicht  zurückerstatte. 

Die  Tafel,  deren  Lesung  nicht  ganz  sicher  ist,  ist  namentlich  in 
sprachlicher  und  paläographischer  Beziehung  von  Interesse. 


Prodigien.     Defixio.     Christenthum.  53 

24)  de  Rossi  im  Bulletino  dell'  Instituto  1880.   S.  6  ff. 

berichtet  über  eine  Bleitafel,  welche,  zwischen  den  Aschenurnen  eines 
columbarium  an  der  via  Aj^pia  niedergelegt  und  im  Jahre  1870  gefunden, 
ebenfalls  eine  defixio  ausspricht.  Dieselbe  bietet  den  umfangreichsten 
Text  derartiger  bisher  bekannter  Schriftstücke  und  ist  überdem  dadurch 
bemerkenswerth,  dass  sie  neben  dem  lateinischen  Haupttexte  auch  einen 
griechischen  Nebentext,  sowie  verschiedene  Bilder  darbietet.  Beide  Texte, 
im  kleinsten  Cursiv  des  zweiten  oder  dritten  Jahrhunderts  geschrieben, 
sind  noch  nicht  vollständig  entziffert. 

25)  C.  Stornaiuolo  im  Bulletino  dell'  Instituto  1880.  S.  188  —  191 

bietet  eine  Bleitafel,  welche,  im  Jahre  1879  in  einem  Grabe  in  der  Nach- 
barschaft von  Minturnä  gefunden,  gleichfalls  eine  defixio  der  Tyche,  Gattin 
des  Charisius  ausspricht. 

Die  Inschrift  ist  interessant  durch  den  darin  zu  Tage  tretenden 
starken  Verfall  der  lateinischen  Sprache. 

26)  Notizie  degli  scavi  di  antichitä,  communicate  alla  R. 
academia  dei  Lincei,  April  1880.  S.  147 

theilt  eine  Bleitafel  mit,  welche,  zu  Cumä  gefunden,  nach  Massgabe  der 
Inschrift  ihrem  Besitzer  als  Schutzmittel  zu  dienen  berufen  war,  um  die 
uachtheiligen  Folgen  einer  defixio  abzuwehren,  welche  etwa  von  einem 
namentlich  genannten  Feinde  ihres  Besitzers  ausgesprochen  werden  sollte. 

IV.    Schriften  über  christlich-römische  Alter thümer. 

27)  Ferdinand  Delauuay,  L'eglise  chretienne  devaut  la  legis- 
lation  romaine  ä  la  fin  du  premier  siecle,  in  Comptes  rendus  des  sean- 
ces  de  l'Academie  des  inscriptions  et  belles-lettres  1879.  4.  serie.  tom.  VII, 
30  —  64. 

Die  Untersuchung  erörtert  drei  Punkte: 

1.  Den  Brief  des  Plinius  an  Traian  96  nach  seiner  Authentie, 
welche  bejaht  wird:  der  Widerspruch,  den  mau  in  dem  Ausdrucke  fla- 
gitia  cohaerentia  nomini  fand,  schwindet,  sobald  man  denselben  nicht 
von  Verbrechen  versteht,  welche  mit  dem  christlichen  Bekenntnisse  noth- 
wendig  sich  verknüpfen,  als  vielmehr  von  Verbrechen,  welche  damit  sich 
verknüpfen  können.  Im  Uebrigen  aber  bietet  der  Brief  durchaus  nur 
die  Anschauungen  eines  aufgeklärten  Heiden,  von  staatsmiinnischer  Un- 
befangenheit durchweht,  ohne  dass  irgend  etwas  nöthigte,  darin  die  Fe- 
der eines  Christen  zu  erblicken. 

2.  Die  durch  den  Brief  angeregten  Rechtsfragen:  das  römische 
Recht  enthielt  kein  Spezialgesetz  wider  das  Christenthum,  und  es  sind 
lediglich   richterliche  Präjudicicu,  auf  Grund  deren  Plinius  gegen  die 


54  Römische  Sacralalterthümer. 

Christen  vorgeht:  deren  Verweigerung  des  Gehorsames  gegenüber  dem 
Magistrate  begründet  eine  strafbare  Handlung. 

3.  Die  durch  den  Brief  angeregten  historischen  Fragen:  das  all- 
gemeinere Vorgehen  der  römischen  Magistrate  gegen  die  Christen  ist 
nicht  sowohl  durch  den  direkten  Nachweis  strafbarer  Handlungen  ver- 
anlasst worden,  als  vielmehr  nur  durch  den  Verdacht  geschlechtlichen  Um- 
ganges bei  der  Feier  des  Liebesmales. 

28)  E.  Le  Blant,  La  richesse  et  le  christianisme  ä  läge  des  per- 
sccutions,  in  Revue  archeologique,  Nouvelle  serie,  21^  annee,  1880. 
April-Heft  no.  IV. 

Der  Verfasser  legt  dar,  dass  es  in  den  ersten  Zeiten  der  christ- 
lichen Kirche  ein  zwiefacher  Grund  war,  welcher  die  Reichen  vom  Ueber- 
tritt  zum  Christcnthum  abhielt:  sowohl  die  Geringschätzung  des  Reich- 
thums  Seitens  der  Bekenner  selbst,  als  auch  die  besondere  Strenge,  mit 
welcher  in  den  Zeiten  der  Verfolgung  wider  die  Reichen  verfahren  wurde. 
Die  Kirchenlehrer  richteten  in  Folge  dessen  ihre  Bestrebungen  darauf, 
diese  Bedenken  zu  bekämpfen,  indem  sie  den  Reichen  Demuth  und  Mild- 
thätigkeit  einschärften. 


Jahresbericht 
über  naturgeschichtliche  Alterthümer. 

Von 

Professor  Dr.  Otto  Keller 

in  Prag. 


Allgemeines,  Menschen,  Thiere,  Pflanzen,  Steine,  ein- 
schliesslich Natursymbolik. 

Da  eine  längere  Pause  seit  meinem  letzten  Jahresbericht  verflossen 
ist,  hat  sich  das  Material  derart  gehäuft,  dass  ich  eine  nicht  unbedeu- 
tende Partie  einschlägiger  Schriften  für  die  nächste  Besprechung 
aufsparen  muss.  Auch  gerade  einige  der  inhaltsreicheren  Bücher 
mussten  aus  diesem  Grunde  zurückgelegt  werden.  Der  Umfang  des  Re- 
ferats wäre  sonst  viel  zu  gross  ausgefallen. 

Grant  Allen,  Der  Farbensinn.  Sein  Ursprung  und  seine  Ent- 
wicklung. Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Psychologie.  Rechtmässige 
deutsche  Ausgabe.  Mit  einer  Einleitung  von  Dr.  Ernst  Krause.  Leip- 
zig 1880.     274  S.  8. 

Es  kommen  für  uns  die  drei  Capitel  11—13  =  S.  193  —  270  in 
Betracht.  Nachdem  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  vom  Standpunkte 
des  Zoologen  und  Darvvinianers  aus  der  Beweis  geführt  worden  ist,  dass 
»alle  höheren  Thiere,  einschliesslich  der  Vierhänder,  mit  einer  der  uns- 
rigen  im  Wesentlichen  entsprechenden  Farbeuwahrnehmung  begabt  sind. 
so  muss  natürlich  der  Mensch,  als  Abkömmling  eines  vorgeschrittenen 
vierhändigen  Typus,  die  nämliche  Fähigkeit  von  der  frühesten  Periode 
seiner  eigenen  Geschichte  an  besessen  haben.  Der  Farbensinn  muss  ein 
dem  ganzen  Menschengeschlechte  in  jeder  Gegend  und  zu  jeder  Zeit 
gemeinsames  Eigenthum  gewesen  sein«.  Damit  ist  der  diametrale  Ge- 
gensatz gegen  Geiger,  Gladstone  und  Magnus  bezeichnet.  Der  Verfasser 
führt  zunächst  aus,  dass  alle  jetzt  existierenden  Kassen  einen  völlig  ent- 
wickelten Farbensinn  besitzen.  Und  wenn  so  niedrig  stehende  Wilde, 
wie  die  von  Allen  erwähnten,  wirklich  ein  sehr  hohes  Farbenunterschei- 


56  Naturgeschichte. 

dungsverraögen  besitzen,  so  dürfen  wir  dasselbe  den  viel  höher  stehenden 
antiken  Culturvolkern  nicht  abstreiten. 

Was  die  Assyrer  bctrilit,  so  muss  eine  Besichtigung  der  Ueber- 
reste  im  Louvre  und  im  Britischen  Museum  auch  den  Zweifelsüchtigsten 
überzeugen,  dass  der  Farbensinn  der  Assyrer  durchaus  identisch  mit  dem 
unsrigen  war  (S.  204). 

Bei  den  Aegypteru  trefien  wir  sogar  hinsichtlich  der  Farben  Be- 
lege »für  eine  ausgebildete  "Wissenschaft,  eine  vollendete  Erfahrung  und 
eine  grosse  Genauigkeit  in  der  Ausführung«  (S.  205).  Den  Höhepunkt 
erreicht  die  Kolorierung  in  der  achtzehnten  und  neunzehnten  Dynastie. 

Für  Griechenland  beweisen  schon  die  mykenischen  Funde  Schlie- 
mann's  einen  namhaft  entwickelten  Farbensinn,  und  wenn  auch  Grün  und 
Blau  auf  den  Gefässen  fehlen,  so  fehlte  es  nicht  an  Sinn  dafür,  sondern 
au  Farbstoff  (S.  201). 

Selbst  für  die  rohen  Völker  der  Steinzeit  haben  wir  Beweise  des 
Farbensinns.  Der  überzeugendste  ist  das  Vorkommen  von  Ocker  in  Grä- 
bern. Dr.  Rollestone  benachrichtigte  Herrn  Allen,  »dass  er  beständig 
Stücke  Röthel  fand,  ohne  Zweifel  zu  persönlicher  Verzierung  bestimmt 
und  zur  Seite  des  Todteu  gelegt.  Er  glaubt,  der  allgemeine  Charakter 
vorgeschichtlicher  Ueberreste  könne  bei  keinem  Sachverständigen  Zweifel 
darüber  lassen,  dass  der  Urmensch  eine  stark  entwickelte  Farbenwahr- 
nehmung besass«  (S.  209). 

Jene  Geiger-Gladstone'sche  Hypothese  stützt  sich  hauptsächlich  auf 
die  Sprache.  Allen  hat  nun  den  Beweis  geliefert,  dass  die  Beobachtung 
der  Natur  bei  den  Thieren  und  bei  den  dem  Naturzustand  nächststehen- 
den Völkern  gegen  die  fragliche  Hypothese  spricht.  »Die  frühesten  ge- 
schichtlichen Nationen  unterschieden  jede  Hauptfarbe  des  Spektrums  und 
brachten  dieselbe  in  Anwendung,  lange  vor  jener  Zeit,  wo,  wie  wir  be- 
lehrt werden,  der  Farbensinn  noch  unbekannt  gewesen  sein  soll.  Durch 
die  ganze  historische  Zeit  ist  in  Aegypten,  Assyrien,  China,  Indien,  Peru, 
Mexiko  und  Westeuropa  die  Farbe  erkannt  und  benutzt  worden,  ganz 
wie  heutzutage.  Und  über  die  ganze  bekannte  Welt,  bei  den  civilisier- 
testen  wie  bei  den  wildesten  Rassen,  erscheint  die  Farbenwahrnehmung 
allen  competenten  Beobachtern  genau  identisch«.  Und  was  die  soge- 
nannte Farbenblindheit  anlangt,  welche  ein  Rest  jener  ursprünglichsten, 
unentwickelten  Zeiten  sein  soll,  so  ist  diese  gerade  bei  den  civilisierte- 
sten  Völkern  am  häutigsten  [also  gleich  der  Kurzsichtigkeit  eine  Civili- 
sationskrankheit].  Ausserdem  betrifft  sie  gerade  das  Roth,  welches  nach 
jener  Theorie  die  unterscheidbarste  aller  Farben  sein  sollte. 

XH.  Capitel.  Die  erste  Benutzung  des  Farbstoffes  ist  das  An- 
streichen von  Haar  und  Körper  (S.  236). 

Das  XHI.  Capitel  behandelt  das  Wachsthum  des  Farbenwort- 
schatzes. 

Der  Urmensch  in  seinem  frühesten  Stadium  wird  Farbenausdrücke 


Naturgeschichte.  57 

überhaupt  nicht  besitzen,  er  wird  nur  von  concreten  Dingen  reden.  Dann 
kam  zunächst  eine  Wurzel  für  »Roth«  auf;  diese  hervorstechendste  und 
für  das  Naturgefühl  schönste  aller  Farben  erhielt  einen  eigenen  Namen 
[rudh].  Alle  anderen  Farben  sind  Vergleichungen  mit  wohlbekannten 
Gegenständen  (S.  247).  Sobald  aber  Blau  eine  anerkannte  Kunstfarbe 
wird,  taucht  auch  ein  Stamm  dafür  auf.  Einer  der  gebräuchlichsten  in 
Europa  ist  Azur,  vom  persischen  lazur,  Lapis  Lazuli.  [Hier  scheint  der 
Verfasser  eine  zufällige  Erscheinung  sehr  später  Zeit  unpassenderweise 
in  seine  Betrachtungen  eingereiht  zu  haben  —  diese  »zweite  oder  roth- 
blaue Periode,  wo  das  Wort  Blau  auch  häufig  für  Grün  gebraucht«  wurde, 
kommt  mir  überhaupt  bedenklich  vor.  Dass  der  Lapis  Lazuli  bei  Theo- 
phrast  und  Plinius  ohne  allen  Zweifel  den  Namen  Sapphir  führt,  dürfte 
auch  beachtet  werden.] 

Der  Farbenwortschatz  der  meisten  halbcivilisierten  Völker,  aller 
Kinder  und  der  grossen  Massen  der  ungebildeten  Erwachseneu  begreift 
bloss  sechs  Farben :  Schwarz  und  Weiss,  Roth  und  Blau,  Grün  und  Gelb. 
Fügen  wir  noch  Grau  und  Braun  hinzu,  so  haben  wir  den  ganzen  Far- 
benwortschatz des  täglichen  Lebens  (S.  250). 

Wenn  wir  nun  weiter  nach  der  Ursache  der  grossen  Unbestimmt- 
heit aller  Farbenausdrücke  fragen,  so  ist  die  Lösung  dieser  Schwierig- 
keiten in  der  »Natur  der  Farbenempfindungen  selbst«  zu  suchen,  »die 
nirgends  durch  bestimmte  Linien  scharf  von  einander  abgegrenzt  sind« 
(S.  252).  Die  Alten  sind  aber  in  diesem  Stücke  durchaus  nicht  incor- 
recter  als  die  Modernen.  Allen  weist  aus  modernen  Dichtern  nach,  »dass 
Roth  um  500  Prozent  poetischer  sei  als  Blau«  (S.  256);  dass  auch  die 
modernen  Dichter  alles  mögliche  roth  nennen,  was  genau  genommen  nicht 
roth  sei  u.  s.  f.  »Die  späteren  Griechen  waren  sich  selbst  ihres  mangel- 
haften Farbenwortschatzes  bewusst,  wie  aus  einer  Stelle  bei  Athenäus 
(XIII  31)  erhellt«  (S.  259).  [Wenn  Allen  S.  262  den  Homer  wegen  des 
Meer- Epithetons  veilchenfarbig  in  Schutz  nimmt,  weil  »nicht  geleugnet 
werden  kann,  dass  die  See  zuweilen,  wenn  auch  selten,  veilchenblau  ist«, 
so  möchte  ich  in  diesem  Stücke  nach  eigener  Anschauung  noch  viel  ener- 
gischer für  Homer  eintreten.  Gerade  die  veilchen-  und  chokoladenfar- 
bigeu  Tinten  sind  ein  charakteristisches  Merkmal  der  griechischen  Meere. 
Sic  unterscheiden  sich  dadurch  wesentlich  z.  B.  vom  Schwarzen  Meer 
und  von  der  Nordsee.]  In  der  Ilias  IV  141  wird  phoinix,  ein  helles 
Scharlach,  als  eine  Farbe  erwähnt,  die  zur  Ausschmückung  von  Elfenbein 
gebraucht  wurde,  das  ein  Zeichen  der  Häuptlingswürdc  bildete;  seine 
Farbe  wird  dort  beschrieben  gleich  frischem  Blute,  das  aus  einer  Wunde 
fliesst.  Nichts  könnte  klarer  oder  deutlicher  sein  als  das,  und  nur  zu 
Gunsten  einer  zurecht  gemachten  Theorie  ist  es  möglich,  jene  Bedeutung 
niisszuverstehen.  Diese  eine  Stelle  ist  vollständig  hinreichend,  um  zu 
zeigen,  dass  die  Griechen  das  Roth  wahrnahmen.  Die  Annahme,  dass 
eine  farbenblinde  Rasse  sich  damit  abgebe,  Farbstoffe  in  Anwendung  zu 


58  Naturgeschichte. 

bringen,  ist  ungefähr  ebenso  rationell  als  die  Annahme,  dass  eine  Rasse 
von  Taubstummen  ihre  Zeit  damit  zubringen  könnte,  Klaviere  zu  machen«. 

»Grün  ist  (bei  Homer)  immer  durch  grasgleich  (j^Xcopög)  bezeichnet, 
abgeleitet  von  y^hWj  Kraut.  Das  Wort  findet  sich  selten  buchstäblich  auf 
grüne  Gegenstände  angewendet,  weil  solche  im  allgemeinen  Blätter  oder 
andere  pflanzliche  Erzeugnisse  sind,  deren  Name  allein  schon  hinreicht, 
um  die  Farbe  zu  bestimmen.  Der  Balladendichtcr  liebt  es,  von  rothem 
Weine,  Scharlaclikleidern,  Pupurteppichen,  goldenen  Helmen,  glänzender 
Bronze  zu  sprechen;  warum  sollte  er  uns  von  gewöhnlichem  Blattgrün 
oder  dem  blauen  Himmel  erzählen?  Diese  Dinge  gehören  zur  Poesie 
des  civilisierten  Menschen,  des  Städtebewohners,  finden  aber  keinen  na- 
türlichen Platz  in  den  rauhen  Gesängen,  welche  vom  wilden  Königthum 
und  blutigen  Schlachten  erzählen.  Hierin  liegt  das  wirkliche  Geheimniss 
der  griechischen  Farbennomenclatur.  Die  vielen  glänzenden  Dinge  draussen 
in  der  Natur,  für  welche  wir  so  verschiedene  Namen  haben  (Blumen, 
Vögel,  Schmetterlinge),  hatten  nur  geringen  Werth  in  den  Augen  jener 
blutdürstigen  Krieger,  deren  grösste  Lust  die  j^a/v^t)^,  die  Kampf begier, 
die  Freude  am  Morden,  war«  (S.  263). 

[Den  Abschnitt  über  die  hebräischen  Farbenwörter  übergehe  ich, 
dagegen  will  ich  noch  einige  Kleinigkeiten  anmerken,  wo  mir  etwas 
fehlerhaft  scheint.  S.  259  ist  statt  Phrynikus  Phrynichus,  S.  261  statt 
typisch  tyrisch  zu  lesen.  S.  260  ist  die  Ausdrucksweise  (Krause's),  man 
leite  das  Wort  i/juhpog  vom  Sanskr.  rudhira  Blut  ab,  unrichtig,  da 
ipoHpog  doch  keinesfalls  ein  Lehnwort  aus  dem  Sanskrit  ist.  Auch  dürften 
beide  Wörter  selbständig  mit  der  gewöhnlichen  Ableitungssylbe  ra  aus 
dem  ursprünglichen  rudh  hervorgegangen  sein,  und  rudh  wird,  wie  oben 
bemerkt  ist,  von  Anfang  an  »roth«  bedeutet  haben.  Somit  wäre  vielmehr 
das  Sanskritwort  rudhira  eine  Modifikation  des  Begriffs  »roth« ,  nicht 
umgekehrt. 

S.  262  wird  gesagt,  dass  baxtvBivoQ  möglicherweise  die  Farbe  un- 
serer Hyazinthe  bedeute.  Allein  bdxcvi^og  bezeichnet  keinesfalls  unsere 
Hyazinthe. 

S.  265  wird  behauptet,  der  Ausdruck  Scharlacken,  hebräisch  ärgä- 
man,  stamme  jedenfalls  aus  dem  Indogermanischen  (sanskr.  näga,  rothe 
Farbe).  Was  hier  für  eine  lautliche  Uebereinstimmung  bestehen  soll, 
ist  durchaus  unverständlich.] 

Fr.  Luterbacher,  Der  Prodigienglaube  und  Prodigienstil  der 
Römer.  Eine  historisch-philologische  Abhandlung.  Beilage  zum  Jahres- 
bericht über  das  Gymnasium  in  Burgdorf.     Burgdorf  1880.     47  S.  4. 

1.  Bedeutung  der  Prodigien.  2.  Aufzeichnung  und  Ueberlieferung 
der  Prodigien.  3.  Die  wichtigsten  Prodigien.  4.  Sühnung  der  Prodigien. 
5.  Prodigienstil.  6.  Quellen  des  Livius  für  die  Prodigien  (Hauptquelle 
Valerius  Antias,  wie  auch  Vollmer  vermuthet  hatte). 


Naturgeschichte.  59 

Am  werthvollsten  ist  wohl  das  5.  Capitel,  wo  die  specifischen  Aus- 
drücke recht  gut  und  übersichtlich  zusammengestellt  sind.  Für  das 
Uebrige  will  ich  einige  wenige  Beiträge  geben. 

S.  4  ist  gesagt,  dass  bei  keinem  andern  Volk  der  Verkehr  mit 
den  Göttern  durch  Kontrolierung  und  Behandlung  der  Vorzeichen  so 
ausgebildet  gewesen  sei,  als  in  Rom ;  hier  möchte  ich  die  Etrusker  doch 
ausnehmen. 

S.  6  wird  gesagt,  cogitare  sei  =  co-ig-itare,  bei  sich  besprechen, 
^pd^£<7&ac,  von  agh,  ajo  sagen.  Es  ist  dies  eine  sehr  unwahrscheinliche 
Hypothese.  Warum  soll  es  nicht  von  ag  treiben,  »betreiben«  herkommen  ? 
con  würde  die  Verstärkung  bedeuten,  wie  in  collaudare,  in  couficere 
u.  dgl.;  dass  omen  mit  audire  verwandt  sei,  steht  auch  nicht  sicher. 

S.  11  wären  zu  den  über  Prodigien  berichtenden  Schriftstellern 
besonders  noch  Phlegon,  Plutarch  und  Ammianus  Marcellinus  nachzu- 
tragen. Bei  letzterem  z.  B.  findet  sich  u.  a.  die  erste  Notiz  über  das 
Ominöse  des  Eulenschreies.  Auch  Sueton  und  die  Scriptores  historiae 
augustae  hätten  etliches  Interessante  geboten. 

S.  18  heisst  es:  »Wie  die  Erscheinung  eines  Uhu,  war  gefürchtet 
diejenige  eines  Brandvogels  (Avis  incendiaria),  d,  h.  wohl  jedes  Vogels, 
welcher  Kohle  von  einem  Altar  wegtrug«.  Da  aber  dieser  Vogel  in  den 
etruskischen  Büchern  abgebildet  war,  so  muss  es  mindestens  ursprünglich 
eine  bestimmte  Art  Vögel  gewesen  sein.  Uebrigens  wurde  das  Thier 
nach  dem  Jahr  der  Stadt  645  überhaupt  nicht  mehr  gesehen.  Ohne 
Zweifel  war  es  eine  bestimmte  Art  Eule,  deren  Erscheinen  Feuersbrunst 
bedeutete;  und  es  wird  ja  auch  wirklich  überliefert,  dass  es  Feuersbrunst 
bedeute  (Servius),    wenn  eine  Eule  ein  Stück  Holz  auf  ein  Haus  trage. 

Die  interessante  und  recht  besonnen  gearbeitete  Schrift  behandelt 
im  Vorbeigehen  auch  einige  Liviusstellen. 

S.  14  wird  für  Liv.  27,  11,  2  die  sehr  plausible  Emendation  ostium 
lacus  für  das  widersinnige  Ostiae  lacus  vorgebracht. 

S.  23  wird  bei  Liv.  40,  59,  7  Dükers  Vermuthung  in  fanis  für  in 
foris  gebilligt  und  gestützt. 

S.  27  wird  für  Liv.  40,  19,  2  Lanuvini  für  Lanuvii  empfohlen,  gewiss 
auch  mit  Recht. 

Im  Capitel  über  den  sermo  prodigialis  interessiert  uns  hier  die 
Bemerkung  über  serpens  und  auguis.  Ersteres  kommt  erst  im  nach- 
klassischen Prodigienstil  vor.     Livius  braucht  serpens   von  Ungeheuern. 

G.  A.  Saalfeld,  Italograeca.  Kulturgeschichtliche  Studien  auf 
sprachwissenschaftlicher  Grundlage  gewonnen.  I.  Heft:  Vom  ältesten 
Verkehr  zwischen  Hellas  und  Rom  bis  zur  Kaiserzeit.  Hannover  1882. 
49  S.   8. 

Der  Verfasser  sucht  die  Entlehnung  griechischer  Wörter  in  der 
lateinischen  Sprache  in  culturgeschichtlicher  Weise  zu  verwerthen,  indem 


60  Naturgeschichte. 

er  daraus  auf  die  Belehrung  der  alten  Römer  durch  die  Griechen  hin- 
sichtlich der  betreffenden  Begriffe  schliesst.  Wir  heben  aus  der  sehr 
originellen  und  lesenswerthen  Zusammenstellung  das  Wenige  heraus,  was 
sich  auf  Thiere  und  Pflanzen  bezieht. 

S.  38  myropola,  der  Parfümeriehändler,  aus  /lufjorrw^g  (schon  bei 
Plautus). 

S.  39  conger,  yoyypog,  Meeraal  (Plautus). 

—  lopas,  ^e~dg,  Napfschuecke  (Plautus). 

—  siser,  ahapov,  Zuckerwurzel,  Möhre  (Varro). 

—  trugonus,  zpnyöjv^  Stachelroche  (Plautus). 

—  fungus,  GiföyyoQ,  anuyyog^  essbarer  Pilz  (Plautus). 
S.  40  amurca,  äiiupyrj,  Oelschaum  (Cato). 

[Meine  Ableitung  von  remus,  resp.  resmus  (triresmus  auf  der  col. 
rostr.,  resina  =  pfi~^'>'fj)  aus  epzriiög  halte  ich  trotz  S.  24  immer  noch 
für  wahrscheinlicher  als  die  durch  Saalfeld  vorgezogene  von  ar  pflügen, 
also  von  einer  hochpoetischen  Phrase  »Pflügen  des  Meeres«.  Einen  Be- 
weis gegen  supparum  =  amapog  sehe  ich  gleichfalls  noch  nicht  erbracht. 
Ueber  die  Verwerfung  der  Ableitung  von  malus  Mastbaum  aus  iio.Xea  bin 
ich  mit  Saalfeld  durchaus  einverstanden,  habe  auch  die  fragliche  Ety- 
mologie längst  zurückgenommen  (in  den  Wiener  Studien)  und  durch  eine 
andere  zu  ersetzen  gesucht,  woraus  die  Verwandtschaft  mit  unserem 
»Mast«  hervorgehen  würde.]  Niemand  wird  Saalfeld's  Studien,  von  denen 
wir  hier  nur  im  Vorbeigehen  Notiz  nehmen  können,  ohne  das  Gefühl 
sehr  anregender  Belehrung  aus  den  Händen  legen. 

Parallel  mit  diesen  »Studien«  Saalfeld's  sind  die 

Bemerkungen  zu  den  griechischen  Lehnwörtern  im  Lateinischen. 
Von  Dr.  Max  Rüge.    Berlin  1881.     32  S.    8. 

Hier  werden  die  Wörter  aber  nicht  nach  culturelien  Begriffsgruppen 
geordnet,  wie  bei  Saalfeld,   sondern  nach  sprachlichen  Gesichtspunkten. 

S.  6  wird  meiner  Etymologie  inuleus  =  iveXog  (Hirsch)  beigestimmt. 

S.  7  '/^alßäwj  =  galbanum,  ipälaiva  =  balaena,  xiSpog  =  citrus, 
fungus  =  aföyyog^  laena  =  yXatva^  alpoptg  =  muria,  ptjztvrj  resina,  ;^a/-!y 
=  saeta,  pavo  =  rawg,  r.pdoov  =  porrum,  Xdptvov  =  lardura,  Xstptov 
=  lilium. 

S.  9  xo^Xtag  =  Cochlea,  apydog  =  argilla  [auch  ich  halte  das  Wort, 
gegen  Vanicek,  für  ein  Lehnwort],  xr^pog  =  cera,  xpoxiuzog  =  crocota, 
jiüprog  =  murtus,  xukopßog  =  columba. 

S.  10  xoxxog  =  coccum,  Ißiaxog  =  hibiscum,  opzr/akxog  =  aurichal- 
cum,  pdpjiapog  =  marmor  [auch  dieses  Wort  halte  ich  mit  dem  Verfasser 
gegen  Vanicek  für  ein  Lehnwort],  p-opp-upog  =  mormyr  [wobei  auch  die 
Nebenform  p-op/xu^og  und  das  davon  abgeleitete  mirmillo  zu  erwähnen 
scheint],  Xaadpcov  =  laser. 

S.  11  y6(l>og  =  gypsum.    [Auf  dieser  Seite  war  clatri  statt  clathri 


Naturgeschichte.  61 

wie  oben  inuleus  statt  innuleus  zu  drucken.  Dass  einzig  clatri  richtig 
lateinisch  ist,  habe  ich  in  Fleckeisen's  Jahrbüchern  103  S.  5.59  nachge- 
wiesen, vgl.  auch  Brambach]. 

S.  12  pistacium  =  Ticazdxcov,  lov  =  viola,  xpdvov  =  cornus  (Kor- 
nelkirsche),  dieses  Wort  ist  nicht  entlehnt. 

S.  13  populus  und  ulmus  waren  ursprünglich  Masculina. 

S.  14  xpuxog  =  crocus,  crocum,  mcrog,  rJaov  =  pisum,  ipißtvS^og, 
öpoßoQ  =  ervum,  nä^og  =  buxus,  buxum,  xoazog  —  costus,  costum, 
xptKTraUog  =  crystallum,  crystallus,  iUeßopog  =  elleborus,  elleborum. 

S.  15  vdpnog  —  nardus,  nardum,  ßdxxaptg  =  baccaris,  baccar  [hier 
wird  auch  das  oben  erwähnte  supparum,  supparus  =  amapog,  ai<papog 
aufgeführt],  oarpsov  =  0'&ivQ\xm,  ostrea,  /xy/^ro?  ===  murtum,  murta,  xdma 
=  caepe,  caepa,  olvog  =  vinum,  vinus,  l^og  =  viscum,  viscus. 

S.  16  Tiav&rjp  =  panthera,  Tupustg  (Käsekuchen)  =  turunda  (Brei) 
[gewiss  richtig],  op-oq  =  ortyga,  ortygia,  iXifag  ■=  elephantus,  oek(ptg 
=  delphinus,  ypo^'  =  grypus.  [Warum  man  S.  1 7  gewarnt  wird,  crepida 
direkt  neben  xprjTuda  zu  stellen,  ist  nicht  abzusehen.  Als  ob  die  Quan- 
tität das  unveränderlichste  wäre  in  der  Entwickelung  der  Sprachen!  Es 
wirkt  da  immer  noch  der  alte  starre  Standpunkt  der  früheren  metrischen 
Schulen  nach.  Vgl.  die  eigenen  Beispiele  des  Verfassers  S.  10:  upzriaX- 
xog  =  aurichalcum,  ßpayTtov  =  bracchtum,  S.  4  ^r^p  =  ferusj. 

S.  18  xüyypog  =  conger. 

S.  19  ovaypog  =  onager,  ßioXhr^g  =  boletus. 

S.  20  xapuäJTcg  =  caryota  (caryotis),  pd^avig  [lies  pa(favig]  =  ra- 
phanus,  wo  wohl  eine  Verwechslung  mit  pdcpavog  (Kohl)  vorliege,  xoy/^ug 
=  conchis,  (fopßij  =  forbea,  ailipiov  =  sirpe,  dpdxojv  =  draco,  ataapov 
=  siser,  nimpc  =  piper,  ^u&og  =  zythum  [scutum  halte  auch  ich  für 
Lehnwort  aus  axuzog-^  mit  obscurus  und  custos  hat  scutum  keine  Ver- 
wandtschaft].   Tipoup-vri  =  prunus. 

S.  21  iiöpov  und  p-iöpov  =  morum  Maulbeere. 

S.  23  caballus  =  xaßdXhjg,  ruta  =  püzr^ ;  jyncurium  =  Xoyxoöpcoi), 
dieses  letztere  aus  ligurium  entstanden,  welches  in  veränderter  Form 
als  Lehnwort  wieder  in's  Lateinische  zurückgekehrt  ist.  Der  Name  su- 
cidum  für  Bernstein,  welcher  erst  spät  vorkommt,  scheint  gelehrten  Ur- 
sprungs zu  sein.  Der  gewöhnliche  Name  ist  electrum  =  rj^exrpov,  sicher- 
lich zusammenhängend  mit  rjXixzwp.  Dieser  Sachverhalt  erklärt  sich 
vielleicht  so,  dass  die  Römer  den  Bernstein  wenig  beachteten,  später 
aber  von  den  Griechen  ihn  als  Schmuckgegenstand  bearbeiten  und  schätzen 
lernten  und  dann  auch  den  griechischen  Namen  dafür  aimahmen.  Soviel  ist 
jedenfalls  gewiss,  dass  der  Name  in  diesem  Falle  nicht  beweist,  dass  der 
Bernstein  überhaupt  erst  aus  Griechenland  nach  Italien  gekommen  ist. 

S.  25.  Gewiss  richtig  ist  die  Ansicht  des  Verfassers,  dass  der  Wein 
kein  »voritalisches  Besitzthum«  gewesen  sei.  Er  führt  dafür  u.  a.  die 
Milchspenden   für  Pales,   Ceres,   Silvanus  u.  s.  w.  au.     [Was   aber  S.  27 


62  Naturgeschichte. 

über  die  Einführung  des  Weins  in  Italien  gesagt  wird,  ist  zwar  im  AU- 
gemeincü  richtig,  aber  doch  nach  dem  zum  Buche  Thudichum's  Ange- 
merkten zu  modificierenj. 

S.  28.  (prjyÜQ  bedeutet  nicht  Buche,  da  sie  im  alten  Griechenland 
und  in  den  italischen  Pfahlbauten  nicht  vorkam.  S.  29.  Es  bedeutet 
schon  in  ältester  Zeit  Kastanie,  wofür  später  xdaTo.vov,  xaaravia  =  ca- 
stanea  in  Gebrauch  kam.  Besonders  kommt  in  Betracht,  dass  schon  die 
Pfähle  der  italischen  Terremare  zum  Theil  aus  Kastanienholz  sind. 

Schliemann's  in  so  vieler  Beziehung  höchst  verdienstliches  Buch 
Ilios,  Stadt  und  Land  der  Trojaner,  Leipzig  1881,  enthält  u.  a. 
zwei  Capitel:  Zoologie  und  Flora  der  Troas,  S.  129—138  von  Schlie- 
manu,  und  S.  804—813  ein  ausführliches  Verzeichniss  der  bis  jetzt  aus 
der  Troas  bekannten  Pflanzen,  nach  den  Sammlungen  von  R.  Virchow 
und  J.  Schmidt  und  den  literarischen  Quellen  zusammengestellt  von 
P.  Ascherson,  Th.  von  Heldreich,  F.  Kurtz.  Es  ergeben  sich  zwar  bis 
jetzt  bloss  etwa  500  Pflanzenarten,  eine  Zahl,  die  höchstens  V*— Va  der 
wirklich  daselbst  vorkommenden  Gefässpflanzen  ausmachen  dürfte,  aber 
auch  so  ist  die  Arbeit  äusserst  dankenswerth.  Die  Sprachforscher  machen 
wir  auf  die  mehrfach  eingestreuten  neugriechischen  Volksbezeichnungen 
der  Pflanzen  aufmerksam. 

Was  die  Zoologie  anlangt,  so  werden  aus  Webb  und  Tchihatcheff 
zusammengestellt: 

1.  (Webb)  Bären,  Wölfe,  Schakale,  selbst  vielleicht  Tiger  [letzteres 
gewiss  nicht,  höchstens  ein  sporadischer  Panther  und  auch  dies  kaum]. 

2.  («Tchihatcheff)  Bären,  Wölfe,  Schakale,  Löwen,  Panther;  jetzt 
fehlen  Löwen  und  Panther  (und  wie  es  scheint  auch  Bären  und  Wölfe). 
Wildschweine  sehr  häufig;  Pferde,  Rinder,  Büffel,  Dammhirsch  und  Reh 
sehr  häufig,  Edelhirsch  selten;  zweihöckeriges  Kamel.  Krähen,  Raben, 
Rebhühner  (rothe  und  graue),  Wachteln,  Störche  in  grosser  Menge; 
Kraniche. 

Mehrere  Arten  Geier ;  eine  (schwarzbraune)  Art  Adler.  Sehr  viele 
Schlangen,  darunter  auch  giftige;  Land-  und  Wasserschildkröten;  Pferd e- 
und  Blutegel  sehr  viele  in  den  Teichen  der  troischen  Ebene.  Wander- 
heuschrecken lassen  sich  oft  mehrere  Jahre  hintereinander  sehen.  Die 
Kermesschildlaus ,  Coccus  ilicis,  lebt  auf  der  immergrünen  Eiche  und 
der  Quercus  coccifera. 

Virchow  hat  alle  einzelnen  Conchylienarten  der  Troas  zusammen- 
gestellt: Landschnecken,  Süsswasserconchylien  und  Meeresconchylien. 

Endlich  werden  die  auf  der  Ausgrabungsstelle  zu  Hissarlik  selbst 
gefundenen  Conchylien  zusammengestellt.  Wir  haben  da  Murcx  trun- 
culus  und  Purpura  haemastoma,  beide  einst  zum  Purpurfärben  benutzt. 
Purpura  haemastoma  dient  noch  heute  den  Fischern  von  Minorca  zum 
Zeichnen  ihrer  Hemden.    Virchow  sagt,  es  sei  bis  jetzt  noch  kein  zwei- 


Naturgeschichte.  63 

tes  aus  dem  Alterthum  erhaltenes  Exemplar  bekannt.  [Vgl.  dagegen 
unten]. 

Viele  der  zu  Hissarlik  ausgegrabenen  Muscheln  dienten  zum  Essen, 
so  Trocbus,  Patella,  Ostrea,  Spondylus,  Pecten,  Cardium,  Venus,  Tapes, 
Solen  und  Cerithium,  Andere  dienten  wohl  den  Trojanern  als  Zierrath 
oder  Spielzeug,  so  Columbella  und  Trochus  articulatus. 

Von  den  Btäuraen  ist  Quercus  aegilops  am  meisten  vertreten,  wel- 
che die  Valoneaknopperu  liefert;  dann  Quercus  infectoria,  Qu.  pseudo- 
coccifera,  Qu.  crinita. 

Die  von  Homer  genannten  Pflanzen:  Lotos,  Eppich,  Ulmen,  Wei- 
den, Tamarisken,  Riedgras,  Galgant  kommen  heute  noch  vor.  Weiter 
ist  zu  erwähnen:  Nerium  Oleander,  Platanus  orientalis,  Vitex  agnus- 
castus,  Dianthus,  Centaurea,  Crocus,  Colchicum  autumnale  und  variegatum, 
Ophrys  spiralis  u.  s.  w.  Diese  Notizen  über  die  Flora  S.  135  ff.  sind 
aus  P.  Barker  Webb,  Topographie  de  la  Troade  ancienue  et  moderne. 
Es  ist  also  für  uns  nur  von  Werth,  dass  Schliemann  die  Angaben  mit 
seinen  eigenen  Beobachtungen  nicht  widersprechend  gefunden  hat. 

Die  Angaben  über  die  Mineralien  sind  leider  nicht  zusammen- 
gestellt, sondern  versprengt.  Die  Einzelheiten  können  in  dem  am  Schlüsse 
des  Buches  beigegebenen  musterhaften  Register  nachgesehen  werden. 
Von  den  Nephritfunden  ist  S.  496  ff.  ausführlichst  die  Rede. 

A.  Thaer,  Die  altägyptische  Landwirthschaft.    Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Agricultur.    Mit  sechs  Tafeln.  Berlin  1881.  36  S.  gr.  8. 

Es  wird  behandelt:  l.  Der  Nil  und  seine  Kulturbedeutung.  2.  Die 
Ueberschwemmungen.  3.  Der  Staat  und  die  Bewässerung.  4.  Abgren- 
zung des  Jahres  durch  die  Ueberschwemmung.  5.  Bodeubilduug  im  Nil- 
thal. 6.  Bestellung  des  überschwemmten  Landes.  7.  Kultur  des  künst- 
lich bewässerten  Landes.  8.  Die  Ackerwerkzeuge.  9.  Die  Kulturpflan- 
zen, besonders  der  Weizen.  10.  Viehzucht.  11.  Agrarpolitik.  12.  Die 
königlichen  Ländereien  der  Bauern  auf  den  Domänen.  13.  Die  geist- 
liche und  weltliche  Gruudaristokratie.  14.  Die  Agrarverwaltuug.  Die 
Abbildungen  sind  sehr  praktisch  ausgewählt.  Die  ägyptischen  Denk- 
mäler bieten  ja  einen  ungemeinen  Reichthum  gerade  an  technischen  land- 
wirthschaftlichen  Darstellungen.  Im  Texte  zeigt  der  Verfasser  gute  Kennt- 
nisse und  vernünftiges  Urtheil.  S.  10  wird  mit  Recht  die  Hypothese  von 
Fraas  bezweifelt,  dass  Aegypten  früher  ein  kühleres  Klima  gehabt  haben 
müsse.  [Man  darf  nur  an  die  sozusagen  völlig  nackten  ägyptischen  Skla- 
vinnen erinnern,  wie  sie  regelmässig  auf  den  Denkmälern  erscheinen,  so 
ergiebt  sich  schon  ein  sehr  warmes  Klima  für  das  älteste  Aegypten]. 

S.  11  wird  vom  landwirthschaftlichen  Standpunkte  aus  mitgetheilt, 
dass  das  Schwein  zum  Eintreten  der  Saat  besonders  geeignet  gewesen 
sei ,  weil  es  mit  seinen  Afterklauen  ähnlich  wie  eine  Egge  auf  den  Erd- 
boden wirke.    Das  Rind  würde  mehr  Schaden  als  Nutzen  gestiftet  haben. 


64  Naturgeschichte. 

Es  sei  also  bei  Herodot  ganz  richtig  'tat  überliefert,  die  Conjectur  ßo'jai 
wäre  saclilich  falsch. 

S.  18.  »Plinius  erwähnt  ausser  der  Gerste  noch  drei  Getreidearten 
als  gewöhnlich  in  Aegypten  wie  im  Orient,  Zea,  Olyra  und  Tiphe.  Diese 
drei  Pflanzen  sind  botanisch  und  landwirthschaftlich  schwer  zu  bestimmen. 
Wir  fassen  sie  am  besten  unter  dem  Namen  Spelze  zusammen,  d.  h. 
Weizenarten,  deren  Korn  von  den  Deckblättern  so  fest  eingeschlossen 
ist,  dass  es  nur  durch  ein  besonderes  Mahlverfahren  daraus  zu  trennen 
ist.  So  wenigstens  kann  man  die  Z^cä  und  oh()a  des  Dioscorides  auf- 
fassen, und  dazu  das  adoreum  des  Columella  und  far  des  Plinius  ein- 
schliesscn.  Das  Quantum  der  Aussaat,  welches  Plinius  XVIII  24,  55 
verlangt,  nämlich  10  Modien  auf  ein  lugerum,  also  das  Doppelte  des 
nackten  Weizens,  stimmt  mit  der  heutigen  Stärke  der  breitwüriigen  Aus- 
saat der  Spelze.  Die  Umwandlungen  der  Spelze  ineinander,  welche  bei 
der  Kultur  stattfinden  sollen,  Plin.  XVIII  10,  39  die  fast  absichtliche 
Verwischung  der  eigentlichen  Namen  beweisen  uns,  dass  auf  die- 
sem Felde  der  alten  Botanik  und  Pflanzenkultur  schwerlich  Klarheit  zu 
schaffen  ist.  Plinius  wirft  hier  arinca  zusammen  mit  olyra,  nimmt  die 
Abwesenheit  oder  das  Vorhandensein  der  ziemlich  gleichgiltigen  Granneu 
(aristae)  als  Specieskennzeichen  auf,  nennt  dann  »alles  der  oryza  ähn- 
lich«, und  behauptet  zum  Schluss,  dass  auch  die  tiphe  sich  in  orj^za 
verwandle,  und  wenn  sie  dann  gestampft  gesät  werden,  dann  wird  aus 
ihnen  wieder  frumentum,  aber  nicht  gleich,  sondern  erst  im  »dritten 
Jahr«,  um  die  Unglaublichkeit  vollständig  zu  machen.  Einen  weit  siche- 
reren Führer  gibt  uns  eine  Abbildung  .  .  .  Die  Farbe  des  hier  dargestell- 
ten Getreides  ist  gelb,  mit  rothen  Aehren,  und  kennzeichnet  eine  noch 
heute  besonders  in  Oberägypten  allgemein  gebaute  Getreidepflanze,  die 
Durrah  (Holcus  sorghum  L.)  mit  mehreren  Varietäten.  Auch  in  Mumien- 
gräbern sind  Körner  derselben  gefunden  worden«. 

S.  23.  Die  Darstellungen  des  Traubenpfiückens  und  Traubentretens 
in  Gräbern  aus  der  zwölften  Dynastie  (2380  v.  Chr.),  ja  noch  an  tau- 
send Jahre  früher,  sind  ein  Beweis  des  höchsten  Alters  der  Weinkultur 
in  Aegypten. 

S.  29.  Die  altägyptische  Pferderasse  zeichnet  sich  durch  Grösse 
vor  der  arabischen  und  syrischen  aus;  sie  hat  sich  in  Dongolah  rein  er- 
halten und  wird  südwärts  von  Syene  noch  heute  angetroffen.  [Vgl.  da- 
gegen unten  Hommel]. 

S.  29.  Vom  Büffel  ist  keine  Abbildung  bekannt  geworden.  [Seine 
Einführung  in  Europa  datiert  aus  der  Zeit  der  Völkerwanderung  und 
erst  später  scheint  er  nach  Aegypten  verpflanzt  worden  zu  sein,  Hom- 
mel, Südsemit.  Säugethiere  229].  Dagegen  treffen  wir  eine  Rinderrasse 
ohne  Hörner  und  mit  einem  Höckeransatz  (S.  27).  Die  Gazellen  waren 
als  Schlachtvieh  im  Gebrauch  (S.  28).  Bei  den  Schafen  treffen  wir  das 
Merinoschaf  in  Aegypten  ganz  deutlich  erwähnt  schon  in  der  Odyssee 


Naturgeschichte.  65 

VI  85  (S.  28).  Vom  Schwein  findet  man  zwei  Rassen,  eine  kurzohrige 
und  eine  langohrige  (S.  2s).  Von  Hundsrassen  begegnen  wir  dem  Pin- 
scher, dem  Dachshund,  mehreren  Varietäten  des  Windhunds,  vielen  und 
guten  Exemplaren  unseres  Hühnerhunds  (setter  und  pointer),  dem  Fuchs- 
hund nach  Art  der  in  England  jetzt  üblichen,  und  dem  stärkeren  Wolfs- 
hund. Dagegen  Bernhardiner  u.  dgl.  sieht  man  auf  den  Denkmälern 
nicht  (S.  30).  Das  von  Diodor  erzählte  künstliche  Ausbrüten  der  Hühner- 
eier ist  auf  den  Denkmälern  nicht  dargestellt;  überhaupt  begegnen  wir 
dem  Huhn,  einem  indischen  Importthiere,  erst  sehr  spät.  Dagegen  lieb- 
ten die  alten  Aegypter  Enten,  Gänse,  Tauben,  Wachteln.  Vom  Stopfen 
der  Gänse  gibt  Taf.  VI  Fig.  31  ein  Bild.  [S.  27  wird  dies  als  »medi- 
cinischer  Vorgang«  gedeutet,  was  ich  für  verfehlt  halte].  S.  35  ist  von 
»Ratten«  die  Rede,  welche  in  urältester  Zeit  auf  den  ägyptischen  Fel- 
dern hausten.  Allein  diese  Thiere  kamen  erst  später  vom  Pontus  nach 
Griechenland  und  hiessen  pontische  Mäuse.  Auch  die  Kjökken- 
möddings  und  die  Pfahlbauten  kennen  die  Ratte  nicht.  Ich  selbst  habe 
weder  auf  den  altägyptischen  Denkmälern  noch  auf  assyrischen,  griechi- 
schen oder  römischen  Bildwerken  eine  Ratte  bemerkt.  Die  »rattenarti- 
gen Thiere« ,  welche  Jahn  auf  einer  schwarzfigurigen  Vase  der  Vasen- 
sammlung König  Ludwig's  (947)  wahrnehmen  wollte,  sind  gewiss  keine 
wirklichen  Ratten.  Somit  dürfte  das  fragliche  ägyptische  Wort  ein  an- 
deres Thier  bedeuten]. 

Zur  Volkskunde,  Alte  und  neue  Aufsätze  von  Felix  Liebrecht. 
Heilbronu,  Henninger  1879.     522  S.    8. 

S.  22  ff.  finden  wir  allerlei  über  die  Bedeutung  des  Hundes  in  Sage 
und  Symbolik  bei  Griechen,  Römern,  Persern  (Kyrossage),  Serben,  In- 
dianern, Neuseeländern  etc.  Interessant  ist  die  Zusammenstellung  der 
Hunde-Abbildungen  auf  Sarkophagen  und  Grabstelen  mit  dem  zoroastri- 
schen  Glauben,  dass  Hunde  den  Pfad  des  Jenseits  bewachen.  »Dies 
ist,  sagt  Justi,  ein  bei  den  arischen  Völkern  gemeinsamer  Glaube,  wo- 
von sich  Spuren  auch  bei  den  Hindu,  Griechen  und  Germanen  finden; 
der  Blick  des  Hundes  scheucht  die  bösen  Wesen  zurück«. 

S.  25  wird  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  auch  in  der  römi- 
schen Gründungssage  ursprünglich  statt  der  Wölfiu  eine  Hündin  figuriert 
habe.  Später,  als  man  die  ursprüngliche  »höhere  Stellung«  des  Hundes 
vergessen  hatte  oder  sich  derselben  zu  schämen  anfing,  sei  die  Wölfin 
entstanden.  [Aber  auch  in  der  arkadischen  Gründungssage  säugte  eine 
Wölfin  die  ausgesetzten  göttlichen  Zwillinge;  und  ebenso  treffen  wir  zu 
Milet  und  Kydon  auf  Kreta  den  gleichen  Legendentypus :  Abstammung 
des  Gründers  von  einem  Gott  und  einer  Sterblichen,  Aussetzung  und 
Ernährung  durch  das  dem  göttlichen  Vater  geheiligte  Thier, 
den  Wolf,  darauf  Nachstellung  vo«  Seiten  eines  ältorei;  Verwaudteii, 
endlich  Gründung  einer  Colouie.     Nach   diesem  Schema  ist  meines  Er- 

JahiesbcriclU  für  Altcrthumswissenschaft  XXVHI.    (1881.  UI)  Ö 


66  Naturgeschichte. 

achtens,  vielleicht  duich  Diokles  von  Peparethos,  die  römische  Gründungs- 
sagc  erfunden  worden.  Die  ein  Menschenkind  säugende  Wölfin  haben 
wir  ausserdem  in  einem  esthnischcn  Märchen,  über  welches  de  Gubernatis 
(mythol.  Zoologie  II  451)  berichtet.  Auf  einer  kretensischen  Münze  ist 
das  Säugen  der  Wölfin  dargestellt  bei  Eckhel  doctr.  numm.  I  2,  310. 
Diokles  von  Peparethos  war  der  erste,  welcher  über  die  Gründung  Roms 
schrieb  und  für  Fabius  Pictor  und  indirekt  wohl  auch  für  Ennius  eine 
Quelle  M'ar;  er  lebte  um  das  Jahr  300  v,  Chr.  Er  sagte,  nach  Festus 
p.  2G9  M.:  Romulum  et  Remum  a  lupa  lactatos  et  a  pico  Martio  nutri- 
tos  esse.  Die  Sage  von  Romulus  und  Remus  ist  eine  der  gewöhnlichsten 
Gründungssagen,  wonach  eine  Stadt  ihren  Ursprung  einem  oder  zwei 
wunderbar  geretteten  Halbgöttern  verdankt.  In  dieser  wunderbaren 
Rettung  liegt  ausgesprochen  der  besondere  Schutz  der  Gottheit,  unter 
dem  die  Stadt  steht.  Hier  bei  Rom  sind  zwei  Sagtypen  vermengt:  er- 
stens die  beiden  Kinder  werden  von  Verwandten  im  Walde  (Rea  Silvia) 
ausgesetzt  und  durch  ein  wildes  Thier  gesäugt  (ist  es  bloss  ein  Hund, 
so  fällt  das  Wunderbare  weg,  und  das  scheint  mir  eher  eine  Verschlech- 
terung der  Sage  als  eine  Verbesserung);  zweitens  die  beiden  Kinder 
werden  in  einer  Wanne  ins  Wasser  gesetzt  und  an's  Land  gespült  (beim 
ficus  Ruminalis).  Diese  beiden  Geschichten  lassen  sich  sehr  leicht  zu 
einer  einzigen  verschmelzen.  Uebrigens  ist  die  zweite  Variation  nicht 
dem  Diokles  angehörig,  sondern  Festus  sagt  ausdrücklich:  alii  dicunt .  . . 
sie  seien  in  ripa  Tiberis  ausgesetzt  worden;  ibi  lupam  iis  praebuisse 
mammam,  monte  vicino  desceudentem.  Wolf  und  Specht  wurden  in  der 
ältesten  Version  gewählt  als  wilde  und  dem  Mars  geweihte  Thiere;  sie 
standen  dem  kriegerischen  Volk  und  seinen  Gründern  am  besten  an.  Mit 
unserer  Auffassung  dürfte  es  auch  harmonieren,  dass  der  ruminalische 
Feigenbaum  in  der  historischen  Zeit  —  seit  Attus  Navius  angeblich  — 
an  einer  ganz  andern  Stelle  (auf  dem  Comitium)  stand,  als  er  der  Sage 
nach  stehen  musste ;  somit  gehörte  er  wohl  ursprünglich  gar  nicht  zu  der 
Sage.  Im  Grunde,  so  paradox  es  klingen  mag,  stehe  ich  eigentlich  auf 
dem  gleichen  Standpunkte  mit  Liebrecht.  Er  möchte  den  Hund  in  un- 
serer Sage  haben  als  heiliges  Thier;  aber  so  gut  bei  den  Persern,  in 
der  Kyrossage,  der  Hund  als  heiliges  Thier  an  seiner  Stelle  ist,  ebenso 
richtig  ist  hier  in  der  römischen  Sage  der  Wolf  als  heiliges  Thier  von 
dem  Erfinder  der  Sage  gewählt  worden.  Liebrecht  selbst  führt  aus  dem 
unglaublichen  Schatze  seiner  Gelehrsamkeit  S.  18  und  19  noch  verschie- 
dene andere  Stammvätersagen  an  von  Iren,  Türken,  nordamerikanischen 
Indianern,  Mongolen  etc.,  wo  die  betreffenden  kriegerischen  Völker  von 
einem  Wolf  oder  einer  Wölfin  abzustammen  glaubten.] 

S.  .55.  Zu  der  Sage  von  Rhoikos  aus  Knidos,  welcher  von  einer 
Hamadryade,  deren  Baum  er  geschützt  hatte,  geliebt  wurde,  bemerkt 
Liebrecht:  Die  Biene,  welche  in  dieser  Sage  als  Botin  gebraucht  wird, 
sei  ursprünglich  die  Waldnymphe  selbst  gewesen,  die  ihren  Geliebten  in 


Naturgeschichte.  67 

dieser  Gestalt  besuchte.  [Dies  unterschreibt  Haberland;  ich  möchte  so- 
gar noch  weiter  gehen.  Diese  iiikt-za  ist  wohl  niemand  anders  als  die 
MuXcrza,  oder  eine  Priesteriu  der  Mylitta,  wie  die  ij-ihaau.'.  genannten 
Priesterinnen  der  Artemis  zu  Ephesos.] 

S.  75  f.  wird  der  Gebrauch  Töpfe  mit  Schlangen  auf  die  Belagerer 
zu  schleudern  besprochen,  ein  sonderbarer,  aber  aus  dem  griechischen 
Alterthum  mehrfach  erzählter  Gebrauch. 

S.  88.  Die  Heuschrecke  auf  der  athenischen  Akropolis  wird  als 
Talisman  gedeutet  und  durch  Parallelen  bestätigt.  Auch  der  Zauberer 
Virgilius  vertrieb  durch  eine  eherne  Heuschrecke  alle  dergleichen  Thiere 
aus  Neapel,  Gervasius  ed.  Liebrecht  S.  98. 

S.  90  gibt  Liebrecht  eine  vortreffliche  Deutung  der  Fanesii  (Pa- 
noti)  des  Pliuius  und  Mela,  welche  auch  die  griechischen  Autoren  unter 
mancherlei  Namen  erwähnen.  Es  wird  gezeigt,  dass  wirklich  noch  heute 
bei  gewissen  Aethiopen  die  Sitte  herrscht,  sich  die  Ohren  colossal  zu 
vergrössern.  Daraus  erklärt  sich  auch,  was  von  dem  Pharao  El-Rajjäu 
berichtet  wird,  dass  er  in  die  Südländer  Afrikas  zog  und  dort  Leute 
sah,  wie  Aifen  gestaltet  und  mit  Flügeln,  in  die  sie  sich  ein- 
hüllten. 

S.  111  wird  über  die  verschiedenen  Variationen  der  Sage  von  den 
kardianischeu  Pferden  gehandelt,  welche  durch  unzeitiges  Tanzen  nach 
der  Musik  während  einer  Schlacht  die  Niederlage  ihrer  Herren  veran- 
lassen. Es  wird  noch  eine  zweite  griechische  und  eine  indische  Sage 
dieser  Art  erwähnt. 

S.  261  ff.  Die  Bedeutung  von  Fuchs  und  Eichhörnchen  in  religiöser 
Beziehung  wird  besi)rochen,  unter  Beiziehuug  aller  möglichen  Völker 
und  Zeiten.  Die  Sitte  einen  Fuchs  anzuzünden  und  durch  das  Feld  zu 
jagen  geht  in  das  fernste  Alterthum  zurück;  es  ist  überall  ein  Frühlings- 
fest, wenn  auch  da  und  dort  ein  anticipiertes.  Die  Fuchshetze  im  römi- 
schen Circus  ist  eine  späte  Variation  davon. 

S.  267  ff.  wird  die  Sitte  des  Steinwerfens  abgehandelt.  Die  auf 
Gräber  hingeworfenen  oder  gelegten  Steine  sind  eigentlich  ein  aus  ver- 
schiedenen Gründen  den  Seelen  der  Todten  dargebrachtes  Opfer;  da 
jene  ebenso  wie  deren  Cultus  sich  mit  den  Göttern  und  der  diesen  ge- 
zollten Verehrung  mehrfach  berührten,  so  finden  wir  auch  die  Verehrung 
gewisser  Götter  und  Dämonen  durch  Steinopfer  der  genannten  Art,  wie 
des  Hermes  bei  den  Griechen.  [Sollte  nicht  unsere  heutige  Sitte,  ins 
offene  Grab  Erdschollen  hinunterzuwerfen,  ein  Rest  des  heidnischen  (auch 
jüdischen)  Brauches  sein.  Steine  oder  Erdschollen  als  Zeichen  der  Ver- 
ehrung auf's  Grab  zu  werfen  oder  zu  legen'?] 

S.  290  ff",  ist  von  Thier-  und  Menschenköpfen  die  Rede,  die  zur 
Abwehr  böser  Einflüsse  auf  Burgeu  und  Thoren  angebracht  waren.  Auf 
die  Sage  vom  Capitol  (caput  Toli  oder  Oli)  fällt  damit  ein  neues  Licht. 
Natürlich  sind  wieder   eine  Masse  Belege   für  die  Allgemeinheit   dieses 

ö* 


f)8  Naturgeschichte. 

Gebrauchs  aus  Island,  Deutschland  etc.  beigebracht.  Die  hauptsächliche 
Erklärung,  wonach  der  Brauch  auf  Menschenopfer,  resp.  diese  ersetzende 
Thicropfcr  zurückgeht,  ist  sehr  einleuchtend.  So  fasst  also  Liebrecht 
u.  a.  auch  die  Sage  von  dem  am  Dianentempel  zu  Rom  befindlichen 
Rinderhaupte,  dem  spätere  Deutung  einen  anderen  Ursprung  verlieh 
(Liv.  I  45.  Val.  Max.  7,  31.  Vict.  de  vir.  ill.  7.  Plut.  quaest.  Rom.  4). 
Auch  der  beim  October  equus  an  einem  Gebäude  angenagelte  Rosskopf 
gehört  hierher  (S.  295).  Diese  Deutung  ist  viel  einfacher  und  ansprechen- 
der, als  die  von  Mannliardt,  Antike  Wald-  und  Feldkulte  II  315  —  317. 

S.  3 IG "318  finden  wir  zu  dem  römischen  Glauben:  Augurium  aquae 
intercessu  disrumpitur  (Serv.  zur  Aen.  9,  24)  die  Erklärung  in  der  als 
allgemein  nachgewiesenen  Vorstellung,  dass  das  "Wasser  auch  eine  Grenze 
für  höhere  Wesen,  Geistor,  Zauberkräfte  u.  dgl.  sei.  S.  322  werden  zu 
dem  Verbote  Knoten  in  seine  Kleidung  zu  machen,  welches  in  Rom  den 
Flamen  Dialis  betraf,  interessante  Parallelen  selbst  von  der  Südsee  ge- 
boten; ebenso  aus  dem  fernsten  Norden  zu  dem  den  Alten  bekannten 
Zusammenknüpfen  der  Hände  um  die  Kniee,  wodurch  eine  Entbindung 
verhindert  werden  soll. 

S.  336  wird  der  eherne  Wagen  erwähnt,  welcher  nach  Antigonus 
parad.  c.  15  zu  Kranon  [lies  Krannon]  in  Thessalien  bei  anhaltender 
Dürre  unter  Gebet  geschüttelt  wurde,  worauf  dann  Regenwetter  eintrat. 
[Hier  möchte  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dass  das  Schütteln 
gerade  eines  ehernen  Wagens  zu  allernächst  auf  Gewitter  und  Donner 
Bezug  haben  dürfte,  erst  als  Consequenz  auf  den  ruhigen  Regen.] 

S.  3-f2  wird  gesagt,  dass  auch  schon  die  alten  Römer  eine  Varia- 
tion des  jetzt  noch  z.  B.  in  Deutschland  herrschenden  Aberglaubens 
hatten,  durch  Annageln  einer  Eule  über  einem  Thore  werden  böse  Geister, 
Zauberei  u.  dgl.  abgehalten.  Apulei.  met.  III,  23  p.  218  Oud.:  »Quid  quod 
istas  nocturnas  aves,  cum  penetraverint  larem  quempiam,  sollicite  pre- 
hensas  foribus  videmus  adfigi,  ut  quod  iufaustis  volatibus  familiae  minan- 
tur  exitium,  suis  luant  cruciatibus?« 

S.  395  wird  Ovid.  fast.  II  441  der  Vers: 

»Italidas  matres,  inquit,  caper  hirtus  [sacer  hircus  ed.  Merk.]  inito«. 

als  wirkliches,  bei  gewissen  Festen  vorkommendes  Factum  gefasst  und 
durch  ähnliche  Ceremonien  bei  den  alten  Aegypteru  und  den  nordameri- 
kanischen, jetzt  ausgestorbenen  Mandanen  belegt.  [Mir  ist  die  Sache 
bei  dem  im  ganzen  so  erustreligiösen  und  strengsittlichen  Charakter  der 
älteren  Römer  nicht  wohl  denkbar.] 

S.  401  wird  zur  symbolischen  und  prophylaktischen  Bedeutung  der 
Muscheln  bei  den  Alten  eine  arabische  Parallele  beigebracht. 

S.  402  wird  das  Einpflöcken  von  Krankheiten  in  Bäume  oder  in 
die  Erde  als  allgemeiner  Brauch  besprochen  —  selbst  bei  den  Guinea- 
Negern  -  und  damit  die  römische  Sitte  vom  Einnageln  der  Pest  durch 


Naturgeschichte.  69 

einen  eigens  hierzu  gewählten  allerhöchsten  Staatsbeamten,  den  Dictator, 
auf's  schönste  beleuchtet.  Auch  die  Pliniusstelle  nat.  bist.  28,  6,  17  wird 
dadurch  erklärt:  »Clavuui  ferreum  defigere,  in  quo  loco  primum  caput 
defixerit  corruens  morbo  comitiali,  absolutoriura  eius  mali  dicitur«. 

S.  423  wird  der  Ausdruck:  »ubi  tu  Gaius,  ibi  ego  Gaia«  in  der 
römischen  Heiratsformel  besprochen;'  er  bedeutet:  »wo  du  Stier  bist, 
da  bin  ich  Kuh«.  Es  ist  eine  deutliche  Anspielung  auf  die  symbolische, 
sehr  weit  verbreitete  Bedeutung  des  Stiers  als  des  Befruchtenden,  der 
Kuh  als  der  Empfangenden. 

S.  490  f.  werden  die  Schenkel-  und  Fingergeburten  der  griechischen 
Sage  unter  Beibringung  von  Parallelen  besprochen. 

Wir  haben  hier  nur  das  auf  Naturgeschichte  und  Natursymbolik 
Bezügliche  aus  dem  reichhaltigen  Buche  ausgehoben ;  da  mir  aber  der 
Verleger  mittheilt,  dass  überhaupt  bis  jetzt  keine  specifisch  philologische 
Zeitschrift  das  doch,  wie  man  gesehen  haben  wird,  uns  Philologen  sehr 
interessierende  Buch  besprochen  hat,  so  will  ich  wenigstens  noch  die 
zwei  Lesarten  hier  mittheilen,  welche  Liebrecht  S.  289  und  309  empfiehlt. 
Nach  den  realen  Zusammenstellungen  bei  Liebrecht  S.  289  ist  es  aller- 
dings äusserst  wahrscheinlich,  dass  statt  em  vielmehr  ii^;' zu  lesen 
ist  in  folgender  Stelle: 

Anthol.  Gr.  IX  805 : 

Jug  azYjkrjv  'Apswg  xs^ojafxivrjv  iv  Op-^xjj. 
El'croxs  ^oupcog  ourog  inl  (lies  ivl)  ^ßovc  xexXczac ''Ap/jg, 
OuTtoza  OpTjcxirjg  emßijaezai  i&vsa  faz^cov. 

Ferner  ist  nach  den  realen  Ausführungen  S.  308  f.  die  Aenderung 
Köchly's  von  hvotpxit  in  Xtvuzpyit  bei  Nonnus  Dionys.  26,  55  durchaus 
überflüssig. 

0.  Keller,  Ueber  den  Entwicklungsgang  der  antiken  Symbolik. 
Graz  1876.  24  S.  8.  (Bis  jetzt,  so  viel  mir  bekannt,  nirgends  be- 
sprochen.) 

In  dXexzpimv  steckt  vielleicht  der  semitische  Artikel  (al),  und  das 
Thier  wurde  durch  semitische  Händler  zuerst  nach  dem  griechischen 
Westen  gebracht,  vgl.  iX  i<fag  ursprünglich  =  Elfenbein,  ebenfalls  ein 
Gegenstand,  der  wohl  zuerst  durch  semitische  (phönicische)  Händler  nach 
dem  Westen  gebracht  wurde. 

Achilleus  ist  der  wilde  Waldstrom. 

Der  Stein  des  Tantalos  war  auf  dem  Sipylosgcbirgc  zu  sehen.  Ich 
trage  nach,  dass  in  der  Normandic  sich  drehende  Felsstücko,  die  kelti- 
schen Wackel-  oder  Wagsteine,  verehrt  werden. 

Das  Herabschlcudern  des  Ilephästos  auf  die  Erde  durch  Zeus  und 
das  Hinken  des  Feuergottes  geht  ursprünglich  auf  den  Blitz. 

Die  durch  den  Biss  toller  Hunde  entstehcndo  Tobsucht  heisst  XüaiTo 


70  Naturgeschichte. 

d.  i.  h»ija  Wolfskrarikheit:  der  Wolf  ist  der  Wuthkrankheit  unterworfen. 
"Wird  der  Mensch  von  einem  solchen  wüthcnden  Thicrc  gebissen,  sei  es 
ein  Hund  oder  ein  Wolf,  etwa  auch  ein  Hund,  den  ein  wüthender  Wulf 
gebissen  und  dadurch  mit  der  Wuthkrankheit  angesteckt  hat,  dann  wird 
der  Mensch  von  der  Wolfssucht  befallen,  ztuu  Wolf  in  Menschengestalt, 
zum  Wchrwolf,  hjxdvHpconog. 

In  dem  Mythus  von  Hippolytos  und  Phaedra  ist  jener  die  Personi- 
fikation des  Abends,  vielleicht  des  Abendsterns,  eigentlich  die  Zeit,  wo 
die  Rosse  vom  Wagen  gelöst  werden. 

In  Folge  der  Ränke  der  Phaedra,  der  Mondgöttin  —  der  Mond 
ist  auch  sonst  nachstellend,  verbirgt  sich  hinter  den  Wolken,  um  plötz- 
lich loszubrechen  wie  aus  einem  Hinterhalt,  vgl.  de  Gubernatis,  mytho- 
log.  Zoologie  —  findet  der  schöne  Abendstern*)  sein  frühes  Grab  im 
Meere. 

Parallel  damit  ist  Ikaros,  nach  Hesychius  =  Hund,  also  wohl 
Hundsstern.  Auch  er  ertrinkt  mit  all'  seiner  Jugendpracht  und  Hoffart 
im  Meere. 

Die  Sage  von  der  lernäischen  Hydra  bedeutet  die  Austrockuuug 
und  Gesundmachung  jener  quellenreichen  Sumpfgegend  durch  die  Civili- 
sation  (Herakles). 

Die  griechische  Sphinx  ist  der  schnürende  {a(pl.yY<j))  Fieberdämon 
au  den  böotischen  Sümpfen.  Erst  König  Oedipus  von  Theben  löste  die 
schwierige  Frage  der  Entsumpfung  und  befreite  das  Land  von  der  Plage. 
Die  Aepfel  der  Hesperiden  gehören  ursprünglich  zu  den  Reise- 
märchen, es  sind  Quitten  oder  Pomeranzen;  ebenso  die  Pygmäen,  welche 
sich  auf  wirkliche  noch  jetzt  existierende  Zwergvölker  am  xiequator  be- 
ziehen; desgleichen  die  Amazonen  und  die  Kentauren:  ersteres  waren 
wirkliche  waffentragende  priesterliche  Jungfrauen  Kleinasiens,  dieses  die 
mit  dem  Pferde  gleichsam  verwachsenen  Steppenvölker  Osteuropas.  Die 
Cyklopeu  sind  ursprünglich  Bergleute.  Das  schreckliche  feurige  Auge 
auf  der  Stirn  ist  einfach  das  runde  Grubenlicht,  welches  sie  nach  Dicäareh 
£v  Tu)  nsTWTToj  tragCH.  Einäugige  Riesen  kennt  die  übrige  indogerma- 
nische Sagenbilduug  nicht.  Wie  aus  den  Männlein  Riesen  wurden,  ist 
in  der  Abhandlung  gezeigt. 

Eines  der  bekanntesten  Reisemärchen  ist  der  Argonautenzug.  Die 
Argonauten  sind  die  dpcujovaurat  oder  äpr^jo-vwjxai,  Helfer  der  Schiffer, 
Kastor  und  Pollux.  Daraus  erst  ist  durch  Missverständniss  später  ein 
Schiff  'Apyüj  geworden.  Die  Dioskuren  selbst  sind  die  Retter  aus  Stur- 
mesnoth,  ihre  Gegenwart  zeigen  sie  durch  das  S-  Elmsfeuer,   ein  eigen- 


*)  Im  Texte  der  Abhandlung  habe  ich  Hippolytos  und  Phaedra  etwas 
anders  aufgefasst.  Ich  halte  aber  jetzt  die  obige  Deutung  für  die  richtigere, 
besonders  wegen  des  allgemein  ränkesüchtigen  Charakters  des  Mondes  in  den 
indogermanischen  Mythen. 


Naturgeschichte.  71 

thümliches  elektrisches  Leuchten  an  den  Spitzen  der  Mäste  und  Segel- 
stangen. 

Das  schwarze  Meer  hiess  eigentlich  phrygisches  (askauisches)  Meer, 
-ovTos  'Affxdva^,  daraus  wurde  durch  Hellenisierung  ein  ttJv-o?  r^hvog, 
später  aus  Euphemismus  su^acuog.  Vgl.  'Acrxdvcog  Sohn  des  Aeneas  und 
der  Kreusa;  troische  Stadt  'Acrxavta;  'Acrxavca  Xc/ivrj  See  von  Nikaea  in 
Bithynien;  sein  Ausfluss  in  die  Bai  von  Modania  heisst  Ascaniusfluss. 
Ein  zweiter  Askanischer  See  war  in  Phrygien  oder  Pisidien  zwischen 
Sagalassus  und  Kelaenae.    Ascanius  portus  zwischen  Phokaea  und  Kyrae. 

Der  wilde  Stier,  den  Jason  bändigen  musste,  hat  sich  im  Auer- 
ochsen noch  heute  im  Kaukasus  erhalten;  das  goldene  Vliess  bezeichnet 
die  kolchischen  Goldwäschereien,  wobei  Schaffelle  gebraucht  wurden. 

Die  griechische  Lehre  vom  Todtenschiffer  und  die  Mitgabe  eines 
Geldstücks  zur  Bezahlung  der  Ueberfahrt  stammt  aus  der  Zeit  der  per- 
sischen Herrschaft  über  Aegypten,  also  nach  525.  Dies  beweist  der 
technische  Name  des  dem  Todteu  mitgegebenen  Geldstücks:  Danake, 
eine  kleine  persische  Münze,  welche  nicht  viel  über  einen  Obolos  werth 
war.  Uebrigens  ist  auch  Obolos  ägyptischen  Ursprungs,  nach  Stahr, 
Torso  2 1  49. 

Charon,  nach  Diodor  ein  ägyptisches  Wort  =  Fährmann,  ist  ur- 
sf)rünglich  der  wirkliche  menschliche  Todtenschiffer  in  Theben,  der  gegen 
geringes  Entgelt  täglich  die  Mumien  über  den  Nilstrom  führte  zur  rie- 
sigen Nekropolis  auf  der  rechten  Stromseite. 

Der  Kerberos,  der  niemals  ein  einfacher  Hund,  sondern  stets  ein 
Unthier  ist,  ist  aus  dem  nilpferdartigen  Unthier,  dem  »Fresser  des  Amen- 
thes«,  hervorgegangen,  das  den  ägyptischen  Amenthes  (Unterwelt)  be- 
wachte. 

Auch  die  Idee  der  Lethe  als  eines  Tranks  ist  ägyptisch  und  geht 
dort  auf  den  Saft  der  Sykomore,  des  heiligen  Baumes  der  Hathor;  erst 
durch  das  Trinken  davon  werden  die  Seelen  des  ewigen  Lebens  theil- 
haftig.     Die  Entwicklung  der  Symbolik  ist  historisch  nachgewiesen. 

Die  Schlange  der  Pallas  und  ihr  heiliger  Baum  auf  der  Burg  zu 
Athen  sind  gleichfalls  ägyptisch. 

xisklepios  ist  schon  durch  seinen  Namen  als  Schlangcngott  be- 
zeichnet. In  manchen  Tempeln  sollte  Asklepios  in  Gestalt  einer  Schlange 
erscheinen  und  Heilungen  bewirken,  die  Römer  haben  die  heilige  Acs- 
culap- Schlange  auch  in  die  Römerbäder  ihrer  Provinzen  vcrpüauzt,  wo 
sie  noch  heutzutage,  z.  B.  in  Baden-Baden  und  Schlangenbad  vorkommt. 
Die  Schlange  ist  das  Sinnbild  der  Heilgötter  und  der  Verjüngung,  weil 
sie  jedes  Jahr  ihre  alte  Haut  abwirft.  Ueber  die  Entwicklung  der  Sym- 
bolik siehe  den  Aufsatz  selbst. 

Die  Schildkröte  der  Venus  Urania  ist  eigentlich  die  Wasserschild- 
kröte und  gehört  der  Göttin  nach  syrischer  Erfindung  als  der  Beherr- 
scherin des  feuchten  Elements. 


72  Naturgeschichte. 

Spindel  und  Rocken  in  der  Hand  der  Pallas  Athene  bedeutete 
ursprünglich  die  gewaltige  Schicksalsspinnerin,  spät  erst  die  Beschützerin 
der  Industrie. 

»Der  Knahe  mit  der  Gans«  ist  hervorgegangen  aus  der  vorder- 
und  innorasiatischen  Vorstellung  der  Gottheit,  welche  Thiere  würgt:  so 
erwürgt  der  kleinasiatische  Sonnengott  die  Löwen,  der  assyrische  Gott 
Assur  ein  Paar  Strausse.  Das  gleiche  Motiv  kehrt  im  ältesten  Vasen- 
stile wieder,  dem  vorderasiatischen;  hier  sehen  wir,  dass  aus  den  zwei 
Straussen  zwei  Schwäne  geworden  sind;  in  der  etrurischen  Bildnerei 
wurden  aus  den  zwei  Schwänen  zwei  Gänse.  Es  ist  verkehrt,  unmetho- 
disch, die  Composition  von  Anfang  an  als  ein  Genrebild  aufzufassen, 
statt  sie  im  Zusammenhang  mit  den  älteren  analogen  Darstellungen  zu 
deuten. 

Auch  Apollou  Sauroktonos  ist  herzuleiten  von  einem  uralten  Cult- 
bilde,  wo  der  Gott  der  Soramersonnenglut  die  schädlichen  oder  doch 
verhassten  Thiere  tödtet:  Heuschrecken,  Feldmäuse  etc.  Speciell  die 
Eidechse  wurde  zum  Sonnengott  in  solche  Beziehung  gesetzt:  dies  zei- 
gen die  Münzen  von  Thasos  und  Rhodos.  So  entstand  das  uralte  Tem- 
pelbild von  Apollo  dem  Eidechsentödter.  Aber  in  jener  Blüthezeit  der 
griechischen  Bildhauerei,  aus  welcher  die  uns  erhaltenen  Statuen  des 
Sauroktonos  stammen,  wusste  mau  nicht  mehr  den  ursprünglichen  Sinn 
des  Motivs,  imd  so  entstand  das  halb  ernst,  halb  spielende  genreartige 
Bildwerk. 

Kronos,  der  seine  Kinder  verschlingt,  ist  erst  durch  spätere  Um- 
deutung  zu  der  Zeit  geworden,  die  ihre  eigenen  Kinder  frisst.  Ursprüng- 
lich ist  es  der  Baal  Moloch,  dem  in  Phönicien  und  Karthago  wirkliche 
lebendige  Kinder  zu  fressen  gegeben,  geopfert  wurden.  Dieser  steckt 
auch  im  Zeus  Meilichios,  dem  noch  in  historischer  Zeit  Menschenopfer 
fielen. 

Erinys,  vedisch  Saraujüs,  ist  eigentlich  die  Gewitterwolke,  später  die 
Rachegöttin.  Die  Rache  »hinkt«,  in  Folge  der  alterthümlichen  Dar- 
stellungsweise, Avo  das  »Eilen«  durch  starkgebogene  Kniee  ausgedrückt 
wurde.  So  sehen  wir  z.  B.  Astarte  auf  Münzen  von  Marion  auf  Cypern. 
So  ist  auch  die  'EpLv'jg  mit  stark  gebogenen  Knieen  gebildet  worden,  als 
xa/j.<l'c7:oug,  daher  nennt  sie  Äeschylus  in  den  Sieben  gegen  Theben  y.aji- 
if'cTioug  'Epcvog. 

Das  Scepter  und  der  Heroldstab  des  Hermes  ist  ursprünglich  der 
rohe  Hirtenstachel.  Die  ältere  Form  seines  Stabes  entbehrt  auch  der 
Schlangen.  Aber  schon  unter  den  mykenischen  Alterthümern  haben  sich 
die  Reste  eines  schuppigen  Drachen,  wahrscheinlich  von  einem  axr^nrpov, 
gefunden. 

Die  poetischen  Naturanschauungen  der  Griechen,  Römer  und  Deut- 
schen in  ihrer  Beziehung  zur  Mythologie.  Zweiter  Band.  Wolken 
und  Wind,  Blitz  und  Donner.     Ein  Beitrag  zur  Mythologie  und  Cul- 


Naturgpschiclifp.  73 

turgeschichte  der  Urzeit  von  Dr.  F.  L.  W.  Schwartz,  Professor  und 
Director  zu  Posen.     Berlin,  Hertz,  1879.     207  S.  8. 

Obgleich  ich  priucipiell  nicht  die  bekannte  Anschauung  des  Ver- 
fassers theile,  dass  alle  nur  denkbaren  mythologischen  Figuren,  Symbole 
und  Sagen  als  ursprünglich  am  Himmel. vorgehend  gedacht  werden  müssen, 
als  atmosphärische  und  meteorische  Erscheinungen,  so  ist  ja  doch  zuzu- 
geben, dass  gar  Manches  in  der  That  so  aufgefasst  werden  rauss,  und 
ich  will  also  versuchen,  dasjenige  von  Natursymbolik  aus  dem  Buche 
auszuheben,  was  mir  besonders  bemerkenswerth  und  richtig  erscheint. 

I.  Capitel:  Wolken. 

Das  Aufthürmen  der  Berge  durch  Giganten,  Titaueu  etc.  ist  theil- 
weisc  von  Wolkenbergen  zu  verstehen. 

Die  Marsyaslegcnde  kann  mit  anderen  Sagen  von  hängenden  Göt- 
tern zusammengestellt  werden;  Marsyas  ist  ein  Windgott,  darauf  führt 
sein  Pfeifen,  sein  Schlauch  (auch  abgezogene  Haut),  seine  Marter  an  dem 
Baum :  der  Wind  heult  und  pfeift  in  den  Bäumen.  [Sonach  gehört  mei- 
nes Erachtens  diese  Mythe  eigentlich  in's  folgende  Capitel].  Eine  Va- 
riation der  Marsyassage  ist  die  von  Chorikos,  der  zerfleischt  und  in 
einen  Schlauch  verwandelt  wurde  (S.  40.  41).  [Uebrigens  halte  ich  Namen 
und  Sage  von  Marsyas  nicht  für  echt  hellenisch]. 

n.  Capitel:  Wind. 

Er  erscheint  nach  allgemein  menschlicher  Symbolik  geflügelt. 
Homer  aber  steht  schon  nicht  mehr  auf  diesem  naiven  Standpunkte,  son- 
dern auf  einem  civilisierteren.  Die  homerischen  Winde  brauchen  die 
Flügel  nicht,  sie  schwingen  sich  wie  Götter  mit  Zauberkraft  durch 
die  Luft. 

Das  Sausen  und  Toben  des  Windes  auf  den  Gipfeln  der  Berge 
gab  Anlass  zu  der  Sage,  dass  Zagreus  mit  den  Mänaden  daselbst  sich 
herumtreibe  (S.  4o):  eine  Variation  der  »wilden  Jagd«.  »Der  wilde  Jä- 
ger ist  der  Sturm,  der  die  Wolken  jagt,  mag  er  Wodan  oder  Apollon 
'Aypsüg  oder  Dionysos  Zagreus  sein«  (S.  61). 

HI.  Capitel:  Blitz. 
Mit  Recht  wird  gleich  vorangestellt:  »Blitz  als  Schlange,  Drache«. 
»Blitz  als  Wetzen  eines  weissen  Zahns  resp.  eines  weisszahnigen  Thicres 
in  den  Wolken«.  [Wenn  schliesslich  aus  dem  Eber  eine  Maus  wird,  so 
ist  natürHch  nur  noch  der  Begriff  des  »Huschens«  geblieben,  nicht  das 
Moment  der  weissen  Zähne:  denn  weisszahnig  ist  sozusagen  jedes  Thier, 
das  Zähne  hat;  es  handelt  sich  aber  doch  von  »Hauern«]. 

IV.  Capitel:  Donner. 
»Dröhnen  von  Pferdehufen«.    »Donner  rollt,  als  Rad,  Wagen,  Ku- 
gel«.    Illicr  ist  die   oben  erwähnte  Stolle  aus  Antigomis    iiaciizutragenj. 


74  Naturgoscbichte. 

V.  Capitcl:  Gewitter. 

»Wilde  Jiigd«.  »Gewittcrdraclic«  [identisch  mit  dem  Blitzdrachen). 
»Gewitter  als  Säinaiiii«  (fällt  in  der  Triptolcmossage  mit  dem  Gewitter- 
drachen zusammen].  [Die  Lähmung  von  Gewitterwesen  (S.  145)  möchte 
ich  aus  einer  Entwickelung  des  Causativcn  in's  Passive  erklären;  sie 
werden  selbst  lahm,  weil  der  Blitz  lähmt]. 

VI.  Capitel:  Eegenbogen. 

[Bei  dem  Regenbogen  als  Brücke  war  zu  erwähnen,  dass  diese 
Anschauung  offenbar  auch  urgriechisch  ist,  und  die  Vorstellung  von  Iris, 
der  zu  den  Menschen  herabsteigenden  Himmelsbotin,  eben  auf  der  ur- 
griechischen Vorstellung  des  Regenbogens  als  Brücke  zwischen  den 
Göttern  und  Menschen  beruht]. 

VII.  Capitel:  Regen. 

Giessen  oder  Sieben  vom  Himmel.  Für  die  Allgemeinheit  dieser 
Vorstellung  wird  einiges  Dankenswerthe  beigebracht.  (Während  aber 
z.  B.  der  schlechte  Witz  bei  Aristophaues  otä  xoayJvoo  oupslv  mehr  als 
genug  besprochen  wird  —  wir  erfahren  dabei,  dass  auch  der  Kamtscha- 
dale in  ähnlicher  Weise  seine  rohe  Phantasie  spielen  lässt  wie  der  feine, 
aber  nach  Cynismen  haschende  Aristophaues  —  vermisst  man  die  Sage 
von  den  Danaiden.  Ich  habe  sie  in  dem  soeben  erwähnten  Aufsatze 
»über  den  Entwickelungsgang  der  alten  Symbolik«  als  Personification  des 
Regnens  aufgefasst].  Interessant  ist  das  Regen  erzeugen  der  Priester  des 
Zeus  Lykaios  (S.  121).  [Gerade  die  Arkadier  zeigen  viel  gemeinsam 
Indogermanisches.  Das  Regenzaubern  kommt  jetzt  noch  in  Steiermark 
vor].  Ansprechend  erscheint  ferner  die  Deutung  des  Feuers  bei  der 
Feuertaufe  Achill's  als  Gewitterfeuer  (S.  145);  die  Deutung  des  Riesen, 
der  sich  an  der  Himmelskönigin  vergreift,  als  des  Sturms,  der  das  Wol- 
kengewand des  Himmels  zerreisst  (S.  65);  die  Deutung  aufgehängter 
überirdischer  Wesen  als  Wolken,  Avelche  eine  falsche  Naturanschauung 
als  von  der  magnetischen  Kraft  der  Sonne  angezogen  und  aufgehängt 
betrachtete  (S.  41).  Unrichtig  aber  scheint  mir  u.  a.  die  Deutung  der 
Schale,  welche  Aesculap  und  der  indische  Götterarzt  in  der  Hand  hal- 
ten, als  Sonnenschale  (S.  176):  ich  halte  es  für  eine  Arzneischale.  Ebenso 
halte  ich  die  xlßcatg  des  Hermes  (S.  3)  für  eine  einfache  Botentasche. 
Ich  glaube,  dass  nur,  wenn  man  eben  von  vornherein  in  jeder  mytholo- 
gischen Anschauung  etwas  Meteorisches  finden  zu  müssen  glaubt,  so  weit 
von  der  naivereu  Auffassung  abgegangen  werden  kann,  dass  man  auch  in 
solchen  einfältigsten  und  einfachsten  Anthropomorphismen  des  Volksglau- 
bens etwas  Meteorisches  entdeckt.] 

Karl  Silberschlag,  Ansichten  des  klassischen  Alterthums  über 
Entstehung  der  Welt  und  der  organischen  Wesen.  In  der  Viertel- 
jahrsschrift für  Volkswirthschaft,  Politik  und  Kulturgeschichte  von  Ed. 
Wiss.     VIII.  Jahrg.    2.  Bd.    Berlin  1881.    S.  83-93. 


Naturgeschichte  75 

Es  werden  die  bezüglichen  Ansiebten  von  Diodorus  Siculus,  Lu- 
cretius,  einigen  Philosophen  und  schliesslich  einiges  aus  der  ägyptischen 
und  griechischen  Mythologie  besprochen.  Der  Kronoslegende  soll  »eine 
eigenthüniliche  naturwissenschaftliche  Anschauung«  zu  Grunde  liegen, 
nämlicli  die  Anschauung:  »dass  die  Zeit  erst  nach  Entstehung  der  Him- 
melskörper geworden  ist,  dass  der  zerstörenden  Gewalt  der  Zeit  Alles 
unterliegt,  was  entstanden  ist,  mit  Ausnahme  der  herrschenden  Gewalten 
des  Weltalls,  und  dass  durch  die  Macht  der  Zeit  der  Himmel  die  Macht 
der  Schöpfung  neuer  Wesen  verloren  hat;  mit  anderen  Worten,  dass 
die  Entstehung  neuer  Gattungen  lebender  Wesen  aufgehört  hat«  [s.  da- 
gegen meine  Abhandlung  über  den  EntAvickelungsgang  der  antiken  Sym- 
bolik]. Mau  möchte  wünschen,  dass  das  nicht  uninteressante  Thema  in 
einer  viel  ausführlicheren  und  wissenschaftlicheren  Weise  behandelt  würde. 
Mehrere  Druckfehler  auf  den  wenigen  Seiten  (Leekii)p  S.  83,  procudre 
S.  85,  7ran9'  und  sv*^'  ohne  Accente  S.  86)  und  die  Weglassung  jedes 
genauen  Citates  berühren  einen  philologischen  Leser  nicht  angenehm. 

Reinhold  Schröter,  De  draconibus  Graecarum  fabularum  par- 
ticula  1.     56  S.    8.     Breslauer  Doctordissertation. 

Wenn  man  auf  der  letzten  Seite  unter  den  Thesen  liest,  dass  La- 
cedaemon  xrjzosaaa.  (so  ist  gedruckt  statt  xr^zdjzaaa)  »a  nubibus  nebu- 
lisque«  genannt  sei,  und  dass  I'boy^vcuq^  das  Beiwort  Nestor's,  von  yiuavog 
abgeleitet  werden  müsse,  dass  die  Sphinx  den  »Winter«  bedeute,  so 
wird  man  schon  darauf  gefasst  sein,  in  der  Dissertation  selbst  alles  Mög- 
liche in  Wolken,  Wind  und  Winter  aufgelöst  zu  sehen.  Und  so  ist  es 
auch.  Es  wird  uns  gezeigt,  dass  die  Titanen,  Giganten  und  Typhon  [der 
Glutwind]  hiemalia  moustra  sind  (S.  20),  welche  gegen  den  Frühlings- 
gott  Zeus  anstürmen,  also  »Wind  und  Winter«.  Die  Gorgonen,  von  wel- 
chen das  zweite  Capitel  handelt,  sind  Winter-  und  Gewitterwesen  (S.  26). 
Die  Cyclopen,  Gcwitterdämoneu  (speciell  die  Frtihlingsstürme  S.  50), 
wohnen  in  Hyperia,  d.  1.  oben  in  der  Luft  und  haben  unzählige  Ziegen, 
d.  i.  Wolken ;  ihr  Eines  Auge  bedeutet  den  Blitz  (S.  30).  0oyxug  ist 
upxog  und  dieses  =  epxog  =  Orcus  (S.  30).  Man  bemerke  die  Auf- 
erstehung von  Creuzer's  etymologischem  System,  wie  es  in  seiner  Sym- 
bolik zu  lesen  war. 

Von  Athene  heisst  es  verna  deae  vis,  ex  qua  nomen  'ABr^w.  traxisse 
vidctur  (S.  35).  Die  P^ülilingsgöttcr  wurden  im  Winter  J'jxa?o:  oder 
Juxzloi  genannt  (S.  50)  u.  s.  w.  Da  ich  nicht  glauben  kann,  dass  man 
die  ganze  griechische  Mythologie  als  Gewittcrlchrc  auffassen  darf,  so 
bleibt  mir  bloss  übrig  den  grossen  Flciss  anzuerkennen ,  den  der  Ver- 
fasser, wie  ich  glaube,  auf  ein  missglücktes  Tlienia  verwendet  hat. 

PL  v.  Holder,   Oberraedicinahatli   in  Stuttgart,   Die  Skclcte  des 
römischen  Bcgräbnissplatzes  in  Ilegcusburg.    Mit  2  TalVlii  und   l  Karte 


76  Natiirgeschichle. 

von   ßegensburg.     Arcliiv   für  Anthropologie.     Bd.  XIII.    Supplement. 

51  S.  gr.  4. 

Der  Verfasser  ist  einer  der  ersten  Kraniologen  der  Gegenwart  und 
Besitzer  einer  vorzüglichen  Schädelsammlung.  Früher  ist  u.  a.  von  ihm 
erschienen  »Zusammenstellung  der  in  Württemberg  vorkommenden  Schä- 
delfornien«.     Mit  einer  Karte  und  sechs  Tafeln.     Stuttgart  1876. 

In  jener  Schrift  war  ausgeführt  worden,  dass  es  historische  und 
kraniologische  Beweise  für  das  Vorhandensein  nichtindogerraanischer 
Volkselemente  in  Deutschland  gebe.  Die  Indogermanen  und  besonders 
die  Germanen  sind  dolichocephal.  »Das  deutsche  Volk,  so  wie  es  seit 
der  Völkerwanderung  sich  gestaltet  hat,  gleicht  einer  grossartigen  Völker- 
ruine,  deren  zerfallene  Theile  mit  Bausteinen  fremder  Art  wieder  in 
wohnlichen  Zustand  gebracht  worden  sind.  Immer  weiter  sind  diese 
fremden  Elemente  in  das  Germanische  herein  gewachsen;  ob  sie  es  über- 
wuchern und  ersticken  werden,  wird  davon  abhängen,  ob  sie  neuen  Zu- 
sclmss  von  aussen  erhalten.  Bis  jetzt  ist  es  noch  nicht  geschehen;  denn 
so  schwer  sie  auch  dem  germanischen  Typus  in  den  Gliedern  liegen,  so 
langsam  und  mühevoll  er  sich  aus  der  fremden  Beimischung  heraus- 
windet, noch  ist  er  in  dieser  langen  Ueberfluthung  nicht  zu  Grunde  ge- 
gangen. Mit  der  unverwüstlichen  Zähigkeit,  welche  ihm  eigen  ist,  kommt 
er  selbst  in  den  am  meisten  brachycephalen  Bezirken  Deutschlands  immer 
wieder  auf  die  Oberfläche,  wie  die  von  Holder  zusammengestellten  Misch- 
formenreihen zeigen«.  Da  in  dem  Buche  keine  römischen  Schädel  vor- 
kommen, sondern  nur  germanische  Reihengräberschädel  und  spätere,  so 
habe  ich  es  seiner  Zeit  nicht  besprochen.  Doch  erlaubte  ich  mir  mit 
einem  Worte  darauf  zurückzukommen,  weil  sich  der  Verfasser  in  der 
jetzigen  Abhandlung  mehrfach  auf  die  frühere  Arbeit  bezieht. 

Der  Verfasser  hat  93  Schädel  des  römischen  Begräbnissplatzes  in 
Regensburg  studiert  und  86  davon  gemessen  und  auch  von  diesen  86 
waren  20  so  defect,  dass  ihre  Maasse  nicht  die  wünschenswerthe  Sicher- 
heit bieten.  Die  Periode,  aus  welcher  sie  stammen,  reicht  vom  Jahre  170 
bis  ungefähr  400  n.  Chr.  Dazu  kommt  noch  ein  vorrömisches  Skelet 
aus  der  Hallstädterperiode  (einst  beritten  und  mit  eiserner  torques  mit 
Bronzeköpfen  versehen):  es  zeigt  germanischen  Typus.  Herr  von  Holder 
unterscheidet  überhaupt  drei  Typen:  1.  den  dolichocephalen,  germani- 
scheu; 2.  den  turanischen  brachycephalen  und  3.  den  rätosarmatischen 
(sarmatischen)  oder  leptoproseu  brachycephalen.  Sehr  viele  Schädel  aber 
gehören  den  Mischformen  zwischen  diesen  drei  Typen  au. 

Unter  seinen  94  Schädeln  fand  der  Verfasser  nur  Einen  ganz  fremd- 
artigen, 39  gehörten  der  typischen  rätosarmatischen  und  den  primären 
und  secundären  Mischforraen  an.  Germanische  Reihen  gräberformen  fan- 
den sich  33,  darunter  22  typische  Germanen  und  16  [11??]  dieser  sehr 
nahe  stehende  Mischformeu.  Die  typische  turauische  Form  war  gar 
nicht  vertreten,   ebenso  wenig  die  ihr  zunächst  stehenden  Mischformen, 


Naturgeschichte.  77 

von  den  entfernten  primären  und  secundären  Mischformen  aber  fanden 
sich  21  Exemplare:  sie  stehen  alle  dem  sarmatischen  Typus  näher  als 
dem  turanischen.  Betrachtet  man  die  44  Schädel  aus  dem  vierten  und 
dem  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  gesondert,  so  finden  sich  unter 
ihnen  18  Reihengräberformen  mit  13  typischen  Germanen  und  16  Räto- 
sarmaten  mit  3  typischen.  Unter  den  aus  dem  zweiten  bis  Ende  des 
dritten  Jahrhunderts  stammenden  50  Schädeln  fanden  sich  20  Reihen- 
gräberformen, darunter  9  reine  Germanen  und  11  Mischformen,  welche 
auch  sonst  in  Reihengräbern  angetroffen  werden.  Wir  finden  die  allmäh- 
liche Mischung  des  rätosarmatischen  Typus  mit  dem  germanischen,  die 
immer  steigende  Beimischung  germanischer  Formen  (also  auch  Volks- 
elemente) zu  den  römischen  Brachycephalen.  Die  Räto-Vindelicier  waren 
von  rätosarmatischem  Schädeltypus,  hatten  dunkle  Haare  und  Augen  und 
waren  kleiner  als  die  Germanen:  die  beiden  weiblichen  Skelette  des 
Regensburger  Begräbnissplatzes  mit  typischen  rätosarmatischen  Schädeln 
waren  kleiner  als  die  der  germanischen  Frauen  desselben. 

Unter  den  untersuchten  Schädeln  werden  einige  wenige  wirklichen 
Römern  angehört  haben:  einen  besonderen  römischen  Schädeltypus  gibt 
es  aber  nicht;  sie  müssen  unter  den  rätosarmatischen  Schädeln  sein. 
Der  germanische  T3pus  des  römischen  Begräbnissplatzes  ist  identisch 
mit  dem  in  allen  Grabstätten  der  Germanen:  alle  Germanen  der  Rei- 
hengräberzeit hatten  einen  einheitlichen  (dolichocephalen)  Schädeltypus. 
Ganz  verkehrt  ist  die  Annahme  bayerischer  Anthropologen,  die  in  den 
germanischen  Reihengräbern  Bayerns  gefundenen  wenigen  Brachycepha- 
len seien  Bajuvaren:  denn  auch  die  Bajuvaren  waren  dolichocephal.  Eher 
dürften  jene  Schädel  auf  Vermischung  mit  der  räto-römischen  Bevölkerung 
hinweisen.  —  Zu  bedauern  ist  die  an  den  Schädeln  der  S.  Michaelskapelle 
nachgewiesene  ausserordentliche  Verminderung  des  germanischen  Scliädel- 
typus  (und  Elements^  in  Regensburg.  Die  sogenannten  Turanier  dagegen 
haben  sich  enorm  vermehrt.  —  Vielleicht  wäre  es  praktisch,  wenn  der  Ver- 
fasser seine  Benennungen  der  Schädeltypen  umänderte  und  dem  Princip  der 
Benennung  a  parte  potiori  folgend  seine  Räto-Sarmaten  vielleicht  in  »Ro- 
manen« und  seine  Turanier  in  »Semiten«  oder  ein  anderes  greifbares 
aus  Asien  stammendes  Volk  verwandelte,  wie  ja  auch  die  Dolichocepha- 
len bereits  von  ihm  »Germanen«  a  parte  potiori  benannt  worden  sind. 
Was  den  Excurs  über  die  Keltenfrage  betrifft,  so  hat  er  in  seiner  Auf- 
stellung der  kclto- germanischen  Dolichocephalen,  welche  z.  B.  unter 
Brennus  Rom  verbrannten  und  in  Galatien  einen  König  Dieterich  = 
Theodorich  =  Deiotarus  hatten,  ganz  gewiss  Recht  gegenüber  jenen, 
welche  zwischen  Kelto-Britten  und  Kelto-Germanen  nicht  unterscheiden, 
sondern  die  entschieden  germanischen,  blonden,  grossen,  starken,  blau- 
äugigen, dolichocephalen  Kelten  (Gallier)  der  römisch-griechischen  Auto- 
ren in  Einen  Topf  werfen  mit  den  Iren  und  Bretagncrn,  die  kleiner, 
schwächer,   dunkelhaarig,    dunkeläugig,    brachycephal   sind   und   waren. 


78  Naturgeschichte. 

Diese  Ansicht  habe  auch  ich  in  Bacmeisters  keltischen  Briefen  vertreten 

und  sie  allein  ist  trotz  dem  Widorspruch  meiner  damaligen  RcccnsenteJi 
spradilich,  historisch  und  naturgescliiclitlicli  (kraniologisch)  betrachtet 
die  wahre  Lösung  der  sogenannten  Kcltenl'ragc. 

Zu  corrigieren  sind  mehrere  Druckfehler.  So  stimmen,  wie  wir 
sahen,  die  Zahlen  nicht  immer  überein,  obgleich  die  Schrift  in  den  Messun- 
gen und  Kcchnungen  gewiss  sehr  pünktlich  ausgearbeitet  war.  Auch 
einige  Namen  sind  falsch  gedruckt.  So  wird  Widersheim  gedruckt  statt 
»(von)  Wietersheim«  (S.  29),  wiederholt  Hafner  statt  »(von)  Hefner«,  auch 
ist  vom  Schälzkirchhof  zu  Estlingen  die  Rede :  es  wird  der  Schelzwasen- 
kirchhof  von  Esslingen  in  Württemberg  gemeint  sein. 

Pellegrino  Strobel,    Le  razze   del  cane  nelle   terremare  delF 
Emilia,  Reggio  dell'  P^milia  1880.     62  S.    8.     1  Tabelle  und  2  Tafeln. 

Es  ist  sehr  verdienstlich,  dass  der  Verfasser  die  Hundsschädel,  die 
in  den  Terremare  der  Emilia  gefunden  worden  sind,  einer  wissenschaft- 
lichen Untersuchung  unterzogen  hat.  Die  Schrift  macht  den  Eindruck 
grosser  Genauigkeit  und  kritischen  Scharfblicks.  Das  Hauptresultat  ist, 
dass  die  Terremarebewohner  drei  sogenannte  Rassen  des  Haushundes 
besassen:  Canis  Spalletti,  Canis  palustris  und  Canis  matris  optimae. 
Dazu  kommt  noch  eine  vierte  Rasse:  Canis  intermedius,  welche  zwar 
nicht  bei  den  Terremarebewohnern,  aber  bei  jenen  Menschen  gefunden 
wird,  welchen  die  Schachtgräber  (pozzi  sepolcrali)  von  Servirola  bei  San 
Polo  im  Reggianischen  gehören:  die  Ueberreste  dieser  letzteren  Men- 
schen werden  sogar  noch  in  frühere  Zeit  datiert  als  die  Terremare- 
bewohner.   Diese  Schachtgrabmenschen  hatten  auch  den  Canis  palustris. 

Am  gewöhnlichsten  in  der  Vorzeit  Ober-Italiens  von  der  Steinzeit 
bis  zur  Eisenzeit  war  überhaupt  der  Canis  palustris,  der  Urahne  unseres 
Jagdhundes  (bracco).  In  Vergleich  damit  sind  die  Ueberreste  der  an- 
deren Rassen  selten.  Man  hat  den  Sumpfhund  in  den  Höhlen  Belgiens, 
in  den  Schweizer,  Bayerischen  und  Pommerischen  Pfahlbauten,  im  Torf 
von  Olmütz,  in  den  Gräbern  von  Lycopoiis  in  Aegyptea,  in  den  römi- 
schen Resten  von  Mainz  aufgefunden.  Der  Canis  palustris  war  somit 
Begleiter  des  Menschen  von  der  Quaternärzeit  bis  zur  römischen  Epoche. 
Wenn  er  gleichzeitig  mit  dem  Mammuth  vorkommt,  dürfte  die  z.  B.  von 
Jeitteles  aufgestellte  Hypothese,  dass  er  vom  Schakal  (sciacallo  selvatico) 
abstamme,  sehr  unwahrscheinlich  sein.  Auch  hat  mau  von  wirklichen 
Knochen  eines  Schakals  in  den  Alpengegenden  keine  Spur  gefunden. 

Der  zweite  Terremarehund,  Canis  matris  optimae,  ist  auch  in  ge- 
wissen mährischen  und  bayerischen  Höhleu,  ferner  im  Torf  und  in  den 
Pfahlbauten  der  Schweiz,  Deutschlands,  Oesterreichs  angetroffen  werden, 
stets  in  Ansiedelungen  der  Bronzezeit,  wie  auch  in  der  Emilia.  Man  be- 
hauptete seine  Einführung  aus  Aegypten  oder  Innerasien  durch  die  Phö- 
nicier  oder  Etrusker  und  seine  Entstehung  aus  dem  gezähmten  indischen 


Naturgeschichte.  79 

Wolfe;  allein  die  Terreniarebewohuer  repräsentieren  eine  frühere  Epoche, 
für  welche  eine  derartige  Hypothese  äusserst  bedenklich  bleibt. 

lieber  Canis  Spalletti  fehlt  es  noch  an  weiteren  Beobachtungen  und 
Beispielen. 

Vom  Canis  interraedius  findet  der  Verfasser  eine  Abbildung  im  Bul- 
lettino  die  paletuologia  Ital.  VI,  tav.  VI,  fig.  10:  es  ist  eine  Bronze-Situla 
aus  einem  euganeischen  Grabe  der  frühesten  Eisenzeit.  Er  ist  ähnlich 
dem  Canis  rudo. 

Anhangsweise  bespricht  der  Verfasser  auch  die  Ueberreste  von  Wöl- 
fen und  Füchsen  in  den  Terremare  der  Emilia  und  kommt  zu  dem  Re- 
sultat, dass  der  Wolf  unser  gewöhnlicher  Wolf  war,  während  der  Fuchs 
grösser  und  stärker  war  als  der  jetzt  lebende. 

Auf  zwei  Tafeln  sind  genaue  Abbildungen  der  in  der  Emilia  ge- 
fundenen prähistorischen  Hundsschädel  beigegeben. 

Des  coquillages  ä  pourpre  et  des  anciennes  usines  ä  teinture  en 
Afrique,  ä  propos  d'une  inscription  decouverte  ä  l'enchir  Fegousia, 
par  M.  Heron  de  Villefosse.  Note  de  M.  Ä.  Papier.  —  Im  Bul- 
letin de  l'Academie  d'Hippone.    Bone  1879,  No.  14,   S.  8—11. 

Es  wird  nachgewiesen,  dass,  während  am  adriatischen  Meere  Murex 
brandaris,  zu  Tyrus  und  Sidon  Murex  trunculus  zur  Purpurfabrikation 
benutzt  wurde,  der  gätulische  Purpur  mittelst  Murex  haemostoma  dar- 
gestellt worden  ist.  Der  algierische  Gelehrte  hat  sich  durch  diese  Ent- 
deckung ein  wirkliches  Verdienst  erworben  und  die  Wissenschaft  gefördert. 

Fritz  Hommel,  Die  Namen  der  Säugethiere  bei  den  südsemiti- 
schen Völkern  als  Beiträge  zur  arabischen  und  äthiopischen  Lexiko- 
graphie, zur  semitischen  Kulturforschung  und  Sprachvergleichung  und 
zur  Geschichte  der  Mittelmeerfunde.  Mit  steter  Berücksichtigung  auch 
der  assyrischen  und  hebräischen  Thiernamen  und  geographischen  und 
literaturgeschichtlichen  Excursen.    Leipzig,  Hinrichs,  1879.    472  S.   8. 

Das  Buch  zeugt  von  ernstem  Studium  und  bietet  den  Fachgelehr- 
ten viel  Neues.    Uns  interessieren  hier  am  meisten  einige  Excurse. 

S.  46  ff.  Die  vorchristlichen  Araber  scheinen  bei  oberflächlicher  Be- 
trachtung der  Ucberlieferung  keine  Pferde  gehabt  zu  haben.  Aber  es 
bleibt  zu  erwägen,  »dass  die  den  Alten  bekannten  Araber  nur  die  an 
den  nördlichen  Grenzen  von  Arabien  hausenden  Beduinen  waren,  meist 
Bewohner  unvvirthlicher  Wüstengegenden,  für  welche  Striche  gerade  das 
Kamel,  und  nur  dieses,  wie  geschaffen  war,  und  wir  also  aus  jenem  Schwei- 
gen noch  nicht  auf  das  gänzliche  Fehlen  der  Rosse  in  Arabien  schliesscu 
dürfen.  In  den  schönen  Weideländern  von  Nedschd,  dem  Hochland  des 
inneren  Arabiens,  fanden  sich  schon  vor  und  zu  Muhamcd's  Zeit  wie  noch 
jetzt  die  besten  und  meisten  Kamele  und  Pferde,  und  nichts  hindert  uns 
in  Nedschd  auch  schon  im  zweiten  Jahrtausend  v.  Chr.,  an  dessen  Endo 


80  Naturgeschichte. 

wir  viellciclit  die  Einwanderung  semitischer  Stämme  in  die  arabische 
Halbinsel  zu  setzen  haben,  mit  diesen  ersten  semitischen  Kinwandorern 
Rosse  anzunehmen.  Ehen  in  Nedschd  wird  der  Ort  zu  suchen  sein,  wo 
im  Laufe  zweier  Jahrtausende  die  Zucht  und  Veredlung  des  zunächst 
von  Mesopotamien  (dorthin  aber  von  den  Stejipcn  Ilochasiens)  gebrach- 
ten Thicres  still  und  abgeschlossen  von  der  übrigen  Welt  vor  sich  ge- 
gangen, bis  mit  dem  Islam  auch  die  arabischen  Pferde  in  der  ganzen 
Welt  bekannt  geworden  sind.  Nur  so  erklärt  sich  das  aus  der  Sprach- 
vergleichung gewonnene  Resultat  [wonach  die  noch  vereinigten  Semiten 
auch  auf  Streitrossen  ihre  Raubzüge  unternahmen  S.  46],  und  in  um  so 
helleres  Licht  tritt  dann  die  bekannte  Thatsache,  dass  erst  seit  der 
Hyksosherrschaft  (etwa  dem  19.  Jahrhundert  v.  Chr.)  auf  den  ägypti- 
schen Denkmälern  das  Ross  vorkommt,  welches  seit  der  18.  Dynastie 
und  im  ganzen  iieuen  Reich  so  unzertrennlich  mit  der  ägyptischen  Krieg- 
führung verbunden  erscheint.  Die  Hik-sos  (=  Hirtenkönige)  .  .  .  sind 
Semiten.  Nach  S.  422  f.  ist  besonders  zu  beachten,  dass  die  ägyptischen 
Pferde  viel  schwächer  und  feiner  gebaut  seien,  als  die  assyrischen  und 
persischen,  und  dass  erstere  auffallend  an  die  arabische  Rasse  erinnern 
[s.  dagegen  oben  Thaer  S.  64]. 

S.  113.  Der  Esel  war  im  alten  Aegypten  ein  vielgebrauchtes  Thier. 
Vielleicht  bezieht  sich  die  dadurch  widerlegte  Stelle  Plutarch's  (Isis), 
dass  der  Esel  bei  den  Aegyptern  ein  geringgeschätztes  und  unreines 
Thier  gewesen  sei,  auf  den  Maulesel. 

S.  139  wird  die  Ableitung  von  ovog  oder  asinus  von  semitischem 
atänu  »Eselin«  für  unmöglich  erklärt.  [Aber  die  Lehnwörter,  besonders 
in  sehr  alter  Zeit,  zeigen  oft  unfassliche  Verstümmelungen  und  Verän- 
derungen der  Laute;  ich  erinnere  an  Catamitus  =  Ganyraedes,  Meler- 
panta  =  Bellerophontes,  coluber  =  axoXoTievopa,  cinnus  =  x'jxscöv  (Misch- 
trank), woher  concinnus  und  concinuare,  Codes  =  lüxXwil',  Munichia 
vom  hebräischen  (resp.  phönicischen)  Hnji?  =  unblutiges  Opfer,  wie  ich 
einst  im  Rheinischen  Museum  nachgewiesen  habe,  und  sehr  viele  andere. 
Namentlich  der  Uebergang  von  atanu  zu  asinus  kommt  mir  nicht  un- 
möglich vor,  sofern  das  hebräische  Pi  auch  sonst  in  einen  S-Laut  übei'- 
geht;  sagen  doch  z.  B.  viele  Juden  gegenwärtig  Schawes  für  HSt^'. 
Hinsichtlich  der  Verkürzung  von  ä  zu  i  vgl.  stilus  =  azoXog  u.  v.  a.]. 

[S.  139 if.  Bei  dem  langen  Aufsatz  über  das  Kamel,  wie  auch  bei 
dem  über  das  Pferd,  habe  ich  jede  Erwähnung  der  Vorarbeiten  Hara- 
mer-Purgstall's  vermisst,  und  doch  besitzen  wir  von  diesem  sehr  ausführ- 
liche und  interessante  Abhandlungen  über  diese  zwei  Thiere  bei  den 
Arabern]. 

S.  217.  Wenn  Agatharchides  um  120  v.  Chr.  das  Kamel  in  Ara- 
bien noch  wild  gesehen  haben  will,  so  beruht  dies  auf  einer  Täuschung ; 
er  hielt  frei  umherweidende  Kamele  für  wilde. 

S.  217.    Die  Semiten   müssen   sclion   zur  Zeit   ihrer  ältesten  Wan- 


Naturgeschichte.  •  81 

derungen  das  Kamel  gehabt  haben,  nämlich  das  einhöckerige;  ohne  das 
Kamel  wären  die  meisten  dieser  Wanderungen  gar  nicht  möglich  und 
ganz  undenkbar  gewesen. 

[S.  219  wird  aus  der  angeblichen  Kirgisenmütze  der  Kamelführer 
auf  dem  schwarzen  Obelisk  des  Salmanassar  der  Schluss  gezogen,  dass 
es  sich  um  nordbaktrische  Kamele  handele.  Aber  nach  den  beigefügten 
Thieren:  Nashorn  (einhörniges,  indisches),  Elefant  (indischer),  Affen 
(Huleman,  indisch),  Yackochse  (nordindisch- tibetanisch)  kann  es  sich 
nicht  um  Nordbaktrien  handeln,  sondern,  wenn  schon  nicht  um  Indien 
selbst,  um  ein  Grenzland  Indiens,  etwa  um  Afganistan]. 

S.  290  f.  wird  ausgeführt,  dass  ein  Zusammenhang  zwischen  urindo- 
germauischen  liw,  laiwa  oder  Ijawa  »Löwe«  und  ursemitischem  labi'atu, 
lib'atu  »Löwin«  bestehe;  die  Ursitze  der  Indogermauen  und  der  Semiten 
können  aus  diesem  und  anderen  Gründen  nicht  weit  weg  von  einander 
gewesen  sein.     [Und  zwar  sicherlich  in  Asien,  nicht  in  Europa]. 

S.  303 ff.  wird  di'bu"  mit  Schakal  erklärt  und  eigenthümlicher  Weise 
trotzdem  mit  Wolf  übersetzt.  [Da  diese  Thiere  nach  den  an  anderen 
Orten  beigebrachten  Stellen  sich  regelmässig  an  Schafen ,  gelegentlich 
aber  selbst  an  Kamelen  vergreifen  (S.  173),  so  verstehe  ich  die  Erklä- 
rung des  Wortes  mit  Schakal  und  damit  die  Ueberschrift  dieses  Capitels 
überhaupt  nicht  recht,  ßrehm,  Thierleben^  1545  sagt  nur:  »Unter  Um- 
ständen machen  sie  (die  Schakale)  sich  auch  über  ein  vereinzeltes  Her- 
denthier,  über  Lämmer  und  Ziegen  her,  verfolgen  ein  kleines  Wild  oder 
plündern  die  Obstgärten  und  Weinberge«.  Dies  passt  durchaus  nicht 
auf  den  dibu  der  Araber.  Vielleicht  darf  man  die  Vermuthung  aus- 
sprechen, dass  bei  den  Alt -Arabern  der  Wolf  auch  in  Districten  noch 
existierte,  aus  denen  er  später  verjagt  war  —  wie  dies  ja  auch  in  Europa 
sich  nachweisen  lässt  —  und  dass  die  Alt-Araber,  z.  B.  Amrulkai,  wirk- 
lich, übereinstimmend  mit  dem  Assyrischen  und  mit  dem  Ursemiti- 
schen, unter  dibu  den  Wolf  verstanden  haben]. 

S.  326  und  330  erklärt  sich  der  Verfasser  für  die  Ableitung  des 
griechischen  eXi<fag  von  sanskrit.  ibha;  wenn  auch  die  Bedeutung  ibha 
=  Elefant  im  Veda  noch  fehle,  so  beweise  das  nichts;  kapi  (=  xr^nu?) 
Aft'e  komme  auch  nicht  im  alten,  echten  Rigveda  vor.  Dem  ibha  und 
i.ki(faQ  entspreche  semitisch   ab,   al-ab,    D^2n''Jti'. 

[S.  340  wird  duldulu"  nicht  sowohl  eine  grössere  Igelart  mit  be- 
sonders langen  Stacheln,  sondern  geradezu  das  Stachelschwein  sein. 
Das  Thier  ist  ja  für  Arabien  durch  Palgrave  ganz  ausdrücklich  bezeugt]. 

[S.  341  f.  wird  aus  Damiri's  Leben  der  Thiere  ein  Capitcl  über  das 
von  ihm  fahdu"  genannte  Thier  eingeschaltet  und  dasselbe,  wie  ich  glaube 
mit  Unrecht,  als  Gepard  gedeutet.  Denn  es  ist  der  vielbcstrittcne  thös 
des  Aristoteles,  und  die  Stelle  ist  nur  aus  Aristoteles  abgeschrieben. 
Da  übrigens  Damiri  dem  vierzehnten  bis  fünfzehnten  Jahrhundert  n.  Chr. 

Juhresbeiicht  für  Alteithumswissenschaft  XXVUl    (1881.  UI.)  6 


82  Naturgeschichte. 

angehört  —  er  starb  ira  Jahre  1405  zu  Kairo  —  so  ist  seine  Ansicht 
für  die  Kenntniss  des  classischen  Alterthums  nicht  von  Werth]. 

[S.  367  wird  gesagt:  dass  die  Aethiopen  unter  dem  Einhorn  sich 
das  Nashorn  dachten,  beweist  Hiob  39,  9,  wo  iiu'M)y.ii)U)g  (so  auch  S.  382) 
—  es  war  aber  jxovoxepojg  zu  drucken  —  überhaupt  sind  manche  Fehler 
in  den  griechischen  Wörtern,  so  S.  306  f'xr^s,  cxzcoog,  S.  367  xäarojpog, 
S.  362  ßaalXtaxov  u.  a.)  durch  das  äthiopische  Wort  für  Nashorn  wieder- 
gegeben wird.  Dabei  ist  mir  nur  bedenklich,  dass  das  äthiopische  Nas- 
horn zwei  hörnig  ist,  nur  das  indische  ist  einhörnig]. 

[S.  376 f.  »Er  stürzte  sich  mitten  in's  Meer,  dass  ihn  die  Fische 
frässen  und  die  Wale  und  die  demmatät« ;  sollte  da,  fragt  der  Verfasser, 
an  eine  besondere  Art  Seekatzen  zu  denken  sein?«  Mir  sind  bloss 
Meerkatzen  bekannt  und  dies  sind  harmlose  landbewohnende  Affen. 
Dies  hätte  im  Druckfehlerverzeichniss  richtig  gestellt  werden  sollen]. 

S.  390.  Das  bei  Plautus  vorkommende  addax,  welches  von  Plinius 
ausdrücklich  als  afrikanisches  Lehnwort  bezeichnet  wird,  ist  aus  äthio- 
pischem dasken  oder  desken  Mendesantilope  hervorgegangen. 

S.  414  f.  Das  Wort  für  Wein  ist  urindogermanisch  waina,  urserai- 
tisch  wainu,  ausserdem  sind  die  Wörter  für  Stier,  Hörn  und  Löwe  engst- 
verwandt,  auch  für  Gold  und  Silber.  S.  448 :  ip'jaöq  ist  kein  semitisches 
Lehnwort,   sondern  weist  auf  urindogermanisches   gharata  und  gharana. 

S.  444  wird  erwähnt,  dass  xpox68zdog  nach  Herodot  ursprünglich 
der  ionisch -griechische  Name  der  gewöhnlichen  kleinen  Eidechse  sei. 
»Entschieden  ist  dadurch  freilich  die  Herkunft  des  Wortes  noch  immer 
nicht«.  [Warum?  Es  wurde,  wie  Herodot  selbst  angibt,  von  den  in  Aegyp- 
ten  sehr  zahlreichen  ionischen  Griechen  dem  Nilkrokodil  wegen  seiner 
Aehnlichkeit  mit  dem  heimischen  Thiere  trotz  aller  Verschiedenheit  der 
Grösse  gegeben.  lieber  die  Etymologie  des  griechischen  Wortes  siehe 
den  folgenden  Aufsatz  über  die  Thiernamen]. 

0.  Keller,  Griechische  und  lateinische  Thiernamen.   Ausland  1879. 
N.  23.  24. 

xepxomBrjxog  =  Affe  mit  langem,  biegsamem  Schwänze,  Meerkatze. 

fircus,  hircus  vielleicht  =  struppiges  Thier. 

X^p,  erinaceus  (Igel)  =  das  (von  Stacheln)  starrende  Thier. 

glis,  bei  Aristoteles  ihtog,  Siebenschläfer  =  das  glatte  Thier. 

i^Tvog  =  der  Stachlige. 

dsX^cg  =  der  Fisch  mit  Bärmutter  (ds^^ug),  der  lebendige  Junge 
gebärende  Fisch. 

(fdlaiva^  balaena  =  ein  plumpes  Ungethüm,  germanisch  fifla,  See- 
Uugethüm. 

ardea  =  der  Hohe. 

falco,  von  den  sichelförmigen  Klauen. 


Naturgeschichte.  83 

^eXwvrj  und  testudo  =  Schalthier. 

Cochlea,  ebenso. 

xpoxüSedog  =  Thier  mit  beweglichem  Schwänze;  auch  Leviathan 
bezeichnet  die  Beweglichkeit  seines  mächtigen  Schwanzes. 

rubeta,  Kröte,  venv.  rubi  Brombeeren,  weil  ihre  warzenbedeckte 
Haut  dieser  gleicht  (einige  Lexikographen  leiten  das  Wort  von  rubetum, 
Brombeergebüsch  her,  weil  das  Thier  daselbst  lebe!).  Dies  wird  durch 
spanisches  escorzon,  Kröte,  von  scortum  rauhe  Lederhaut  gestützt. 

zyyehjg,  anguilla  =  kleine  Schlange. 

ßpooyoQ^  ßpoüxoQ,  eine  Heuschreckenart,  hat  von  den  Rafizähnen 
den  Namen. 

-pr/_[q^  f^ucaaa^  Haarfischchen,  eine  kleine  Fischart,  von  ihren  haar- 
feinen Gräten. 

xia-pa^  xzarpsÜQ,  der  Hammerfisch,  zatvca  Bandfisch  und  Band- 
wurm, xi<faloq  eine  Art  Meeräsche,  ^nptaq  Schwertfisch,  -npiaztg  Sägfisch, 
x'zscg  und  pecten  Kammmuschel,  noh'moog  Vielfuss,  platessa  Plattfisch, 
xzpdozrjg  Hornviper,  damg  Schildviper,  uarrjp  Seesteru  u.  a.  von  ihrer 
Gestalt  benannt. 

a(prj^  (Wespe)  =  die  Eingeschnürte. 

oopxdg  von  den  schönen  Augen  =  Reh  (so  bei  den  europäischen 
Schriftstellern  wie  Aristot.  und  Xenoph.),  nicht  =  Gazelle.  Dagegen 
heisst  xejjÄQ  Gazelle. 

yifxatpa  wahrscheinlich  »Schneethier«  =  Wildziege. 

damma  meistens  =  Gemse,  nie  =  Damhirsch. 

opdxiüv  von  seinem  fascinierenden  Blick. 

yXaü^,  Käuzchen,  von  seinen  strahlenden  Augen. 

(jxü}(}>  Zwergohreule,  eigentlich  =  Spottvogel,  Gluper,  von  der  son- 
derbaren Art,   wie  sie  mit  den  Augen   sozusagen  eine  Grimasse   macht. 

h'jy^  von  luk  sehen,  wegen  fabelhaft  scharfer  Augen. 

Der  altdeutsche  Scheich  bedeutet  ein  schielendes  Thier,  den  Auer- 
ochsen, nicht  den  Riesenhirsch.  In  Oberdeutschland  hat  es  gewiss  nach 
Christi  Geburt  auch  nicht  Einen  Riesenhirsch  mehr  gegeben.  Aus  dem 
Scheichen  (schielenden)  Wiesent  sind  zwei  Thiere  geworden,  wie  aus  dem 
kreisenden  Habicht  Yprj-  xipxog  Homer's. 

■npu^  gesprenkelt  =  Damhirsch. 

jaXrj  scheckig  =  Wiesel. 

xvfjxtaQ  fahl  =  Wolf. 

ndpdog  (semitisch)  gcfieckt  =  Panther,  ebenso  ndpocov  Giraffe. 

aquila  schwarzbraun  =  Adler. 

nipxvog  schwarz,  schwarzbraun  =  Adler. 

TisXapyög  grauweiss  =  Storch. 

/lehaypcg  schwarzweiss  =  Perlhuhn. 

milvus  bleigrau  =  Habicht. 

niXeta  grau  =  Taube. 

6» 


84  Naturgeschichte. 

grus  grau  =  Kranich. 

(paXaptq  und  fulica  =  Blässhuhn. 

xeyifHQ  ein  Secvogel  mit  hirsenartigen  Punkten. 

(pocvixÜTiTEpoq  der  rothflügelige  =  Flamingo. 

nofxpupig  und  Ttopipupaov  =  purpurrothe  Vögel. 

epof^fx'moug  Rothfuss. 

xzßXrjTioptg  vielleicht  Distelfink,   ein  Vogel   mit  feuerrothem  Kopf. 

(poivcxoopog  Rothschwauz. 

^iLoptQ  Grünling. 

^Xcopuov  der  gelbe  =  Pirol. 

olvdg  weinfarbig  =  Holztaube. 

p.zlayxopucpoQ  schwarzköpfig  =  Sumpfmeise. 

xüavog  blau  =  Blauamsel. 

Xe'jxzpojdidg  Weissreiher  =  Löffelreiher. 

TiöyapyoQ  Weisssteiss  =  Steinadler;  bei  Archilochus  erscheint  da- 
gegen ein  Adler  Schwarzsteiss,  pEMjiwjyog. 

pe?MvdeTog  =  Aquila  niinuta  der  heutigen  Zoologie. 

ya^Eiörr^g  die  »scheckige«  Eidechse. 

dazspcag,  stelio  =  Sterneidechse. 

äpyr^s  silberweiss  =  eine  Schlangenart. 

aurata  oder  orata  =  Goldforelle. 

ypuauxdvBapog  =  Goldkäfer. 

equus  und  In-og  eigentlich  das  schnelle. 

zaycvag  lakonisch  =  Hase. 

vivei'ra  das  quecksilberartig  sich  bewegende  Thier. 

voltur  von  volvere  —  der  kreisende;  ebenso  xtpxog,  eine  Art 
Habicht. 

accipiter  für  acipiter  =  wxundTrjg,  eigentlich  »Schnellflieger«. 

zpo'/c7og  eigentlich  »Schnellläufer«,  der  Krokodilwächter  in  Aegyp- 
teu  und  unser  Zaunschlüpfer. 

opzu-  für  vortyx  zu  vert,  der  sich  drehende  =  Wachtel. 

avis  tarda  =  Trappe,  mittellateinisch  bistarda,  französisch  outarde. 

ypuil^,  gryps,  gryphis  vom  arischen  arg'ipya  hochstrebend,  baktrisch 
erezifya,  hochstrebeud  und  Adler,  altpersisch  äpqtfog. 

ßdaxa  »watschelnd«,  eine  Eutenart  (vgl.  das  Portugiesische,  Spa- 
nische, Albauesische). 

lutra  Fischotter  =  die  badende,  sich  waschende,  vgl.  spanisch- 
portugiesisch lavauco  Baderiu  —  Wildente. 

Ente,  anas,  vr^aaa  =  Schwimmerin,  Wurzel  na,  nat  schwimmen, 
wie  natrix  Wasserschlange.  Die  Ableitung  Anderer  von  an  schnaufen 
ist  verkehrt. 

mergus  »Taucher«. 

xazappdxzTfjg  »Sturz«möve. 


Naturgeschichte.  85 

xdpaßog  krabbelnd,  Krebs,  Krabbe  =  die  Languste,  ein  stach- 
liger Meerkrebs. 

Vom  gleichen  krab  =  krabbeln  kommt  auch  axopmog,  xdpaßog 
Bockkäfer,  scarabaeus. 

serpens,  archaisch  serpula,  aip<pog  Insektenlarve  von  serp  krie- 
chen, ebenso  ipnerov. 

volucra  Wickelraupe  von  volvere. 

vermis,  »Wurm«,  i^pcg  für  i^/Mvßg  Eingeweidewurm  von  vel,  ver 
wälzen. 

xdp.n7j,  campa  die  Schmetterlingsraupe,  eigentlich  die  sich  krüm- 
mende. 

axioXrj^  =  sich  bewegende  Insektenlarven  aller  Art,  von  (txeX,  wo- 
her oxoXiüg  und  axilog  =  ein  sich  krümmendes  Thier. 

xöimpog^  »Hummer«,  eigentlich  der  Gekrümmte. 

vespa,  indogermanisch  vapsä  von  vap  weben,  in  unruhiger  Bewe- 
gung sein. 

formica  von  fervere  wimmeln.  Das  Französische  hat  aus  dem  Be- 
griff Ameise  wieder  das  Wort  fourmiller,  wimmeln,  entwickelt. 

pulex,  (l'üXXog,  </>üXXa,  »Floh«  bedeutet  »Springer«,  von  der  im 
Sanskrit  mit  specifisch  sanskritischem  r  vorliegenden  indogermanischen 
Wurzel  sphul  springen. 

papilio,  ^dXacva  »flatternd«  =  Schmetterling.  Das  Flattern  wird 
gerne  durch  Reduplication  gemalt,  daher  papilio,  deutsch  fifalter,  ita- 
lienisch fanfalla  und  farfalla  Schmetterling,  Falter;  lateinisch  palpitare 
zappeln. 

dpxTog,  ursus  vielleicht  =  Brummer. 

xüojv,  canis  für  cvanis  =  Wuwumacher. 

ßoüg,  bos  Brüller. 

vacca  =  Schreierin. 

^(og  Schakal,  eigentlich  Schreier. 

sorex,  upa^  die  Pfeifende  =  Spitzmaus. 

(Tßcv&og  die  Piepende  =  Maus;  mintrirc  lat.  —  piepen  von  der 
Maus.  Diesem  Piepen  zulieb  haben  auch  die  Italiener  aus  vespertilio 
ein  pipistrcUo  gemacht. 

Unglaublich  viele  Vogelnamcn  sind  onomotopoctisch,  z.B.: 
xoxxu^,  cuculus  und  enoip,  upupa  Wicdhopf  gehen  fast  durch  alle 
Sprachen.  Selbst  die  assyrische  Keilschrift  soll  den  Kukuk  in  onomo- 
topoetischer  Form  erwähnen.  Diese  Sprachmalerci  beruht  grösstentheils 
auf  den  Vocalen  und  auf  einer  bestimmten  Sylbenzahl*):  also  ein  sehr 
anderes  Princip  als  die  in  den  meisten  Wörtern  herrschenden  cinsyl- 
bigen  fast  bloss  consonantisch  bestimmten  Wurzeln.  Die  Missachtung 
dieser  Thatsache  hat  schon  viele  unrichtige  Etymologien  erzeugt. 

*)  Z.  B.  hudhud  arabisch  =  Wicdhopf,  indogermanisch  upup. 


86  Naturgeschichte. 

Z.  B.  Timw,  ein  zwitscherndes  Vögelchen,  hat  mit  dem  litauischen 
pcpala,  Wachtel,  nichts  zu  thun;  letzteres  malt  mit  den  drei  Lauten 
e  -  a  -  a  sehr  hübsch  den  Wachtelschlag. 

Onomotopoetisch  sind: 

turtur  Turteltaube. 

ulula  Kauz. 

bubo  »Uhu«. 

rixTt^  für  rtzrt^,  vgl.  rcTTußt^a}  zirpe. 

^puyäog,  fringilla  Fink. 

pipio,  junge  Taube,  woher  französisch  pigeon. 
xlxippoQ,  cicirrus    Hahn   (Hesych).     In   diesen  Wörtern  ist 
i  -  i,  in  den  ersteren  u  -  u  die  Hauptsache. 

xpcyrj  Käuzchen  von  seinem  schrillen  Ton. 
xepxvfjQ  Thurmfalk  von  seinem  heiseren  Ton. 
perdix  von  seinem  schnarrenden  Ton;  mittellateinisch,  fran- 
zösisch, englisch  etc.  mit  bezeichnender  Einschiebuug  eines  weiteren  r: 
perdrix,  partridge. 

Wespe,  Hummel,  Drohne,  Käfer,  Schnecke  sind  in  verschie- 
denen indogermanischen  Sprachen  nach  dem  Summen  benannt, 
locusta  Schwätzerin  =  Heuschrecke. 

rana  Ra  -  macher  (sein  Laut  ist  am  ähnlichsten  dem  vocali- 
schen  r)  =  Frosch. 

xvinoXoyoQ,  Insektensammler  =  Baumläufer. 
(fpovoXoyog  Krötensammler  =  eine  Art  Weihe. 
liihoaa  Honigsammlerin, 
ficedula  Feigenfresserin  =  Feigendrossel. 
dandXai,  axdlofp,  talpa  schaufelnd,  grabend  =  Maulwurf, 
cuniculus,  xovtxXog  Höhlenthier  =  Kaninchen, 
simia  verw.  similis,  p-ijui)  Nachahmer  =  Affe. 
anovdüXrj,  ursprünglich  der  Stinkkäfer  von  seiner  wirtelartigen  Ge- 
stalt, dann  attisch  auch  das  Wiesel,  weil  es  ebenfalls  einen  Gestank  von 
sich  gibt,  wenn  es  verfolgt  wird,  wie  jener  Käfer, 
putosius  Marder  von  putere  verfaulen,  stinken. 
xauvdxTj  Marderfell  von  kun,  knu  stinken. 
c'xTcg  zu  xTBivu)  wie  Marder,  martes,  zu  morden. 
Xöxog^  lupus  Zerreisser  von  vrk,  vlk,  valk  zerreissen. 
Dazu  gehört  auch  volpes,  was  sich  nach  dem  Gesetz  der  Differen- 
zierung daraus  entwickelt  hat. 

bufo,  die  fauchende  =  Kröte. 

caper  und  xd-rtpoq  eigentlich  stark  ausdünstende  Thiere. 
scrofa,  ypoiupdQ  Schwein  vom  »Schürfen«  und  Wühlen. 
SpuoxoXdnm^g,  dpuoxönog  Baumklopfer  =  Specht. 


Naturgeschichte.  87 

picus,  »Specht«  vom  Picken,  Spicken  =  Aufklopfen ;  weniger  wahr- 
scheinlich ist  die  geraeine  Ableitung  vom  »Spähen«. 

ossifraga  Knochenzerschmetterer  =  ein  nicht  sicher  zu  bestimmen- 
der Raubvogel. 

anipyooXog,  Sperling,  eigentlich  »prasselnd«  von  sparg  prasseln. 

anguis  und  s;^;?  hängen  mit  angere,  anxius,  eng,  ängstigen  zusam- 
men, wie  »Schlange«  mit  »schlingen«. 

Tiapscag  »Backen« schlänge. 

sepia  verwandt  mit  unserem  »Saft«;  ebenso  seps. 

mugil  Schneuzfisch  von  dem  widerlichen  schleimigen  Ueberzng  sei- 
ner Haut. 

limax  ebenfalls  vom  »Schleim«  *)  benannt. 

aipoupa  den  Schwanz  emporhebend  =  ein  Nilfisch. 

s^syr^tg  Schiffshalter,  ein  Fisch. 

noßmlog  Begleiter  (der  Schiffe),  ein  Fisch. 

vdpxrj  Zitterroche,  zum  deutschen  snirhan  erstarren. 

hirudo  Blutegel,  der  Packende,  verwandt  altlat.  hir  ix^^'p)  Hand. 

xpo-cuv  Hundslaus,  vom  Kratzen  und  Jucken  benannt;  ebenso 

xovc'g  »Niss«,  Lausei. 

xopig  stechend,  schneidend  von  xscpco  =  Wanze. 

äpäyyr^^  arauea  und  arcus  Bogen  von  ark,  arch  spannen,  verwandt 
spinnen. 

^)yv  von  0aa»,  Gallwespe,  vom  Anstechen,  Aubeissen. 

xv/^,  ö-xv/^,  auch  axlvi<lf  Schabe,  vom  Nagen  und  Schaben. 

tarmes,  ztprßiüv  Bohrwurm  von  ter,  tar  bohren. 

XajiTiupcg  für  Xapnsnuptg  Feuerglänzer  =  Glühwurm. 

cicindela  von  cand,  eigentlich  glänzend  =  Glühwurm. 

vitulus  Kalb,  eigentlich  Jährling. 

veßpüg  Hirschkalb  von  vsog  jung. 

vespertilio  von  vesper  Abend. 

vt)xzepcg  Nachtthier,  Nachtvogel  =  Fledermaus. 

vox~aXu)nr^^,  vuxrixöpa^. 

oupeüg,  opsüg  Bergthier  =  Maulthier. 

opo^cag  eigentlich  unter  das  Dach  gehörig,  die  Hausschlange. 

aXxuwv  fälschlich  durch  attische  Volksetymologie  aspiriert,  sonst 
richtiger  d^ixuwv.    Der  Eisvogel  ist  nämlich  gar  kein  Meervogel. 

Tc^Tj  Wasserspinne,  lateinisch  tipula,  hängt  zusammen  mit  T:(fog 
Teich. 

axo^omvopa  ist  im  Lateinischen  zu  colubra  und  coluber  geworden. 

sUipag  wahrscheinlich  Bastardbildung  aus  semitischem  Artikel  al 
und  indischem  ibha  Elefant. 


*)  Im  Text  selbst  steht  durch  Druckfehler  »Schlange«  statt  »Schleimigeu. 


88  Naturgeschichte. 

panthcra  ist  aus  pardus  hervorgegangen;  dieses  kommt  aus  dem 
Semitischen. 

aaTiipdrjg  eine  Art  Sardelle,  aus  dem  Pontischen. 

urus,  bison,  tarandus,  alces  aus  den  nordischen  Sprachen. 

vcrtragus  Windhund,  aus  dem  Keltischen,  »Schncllfuss«. 

Africana  seil,  bestia  =  Panther  bei  Livius;  vgl.  lucanische  Ochsen 
=  Elefanten,  persischer  Vogel  —  Hahn. 

0aatav6g  Fasan;  eigentlich  Phasisanwohner. 

[lovztxoi  seil,  jwzg  Ratten,  eigentlich  Pontusmäuse. 

'ApyöXat  eine  im  pelasgischen  Argos  gemeine  Schlangenart. 

völJ.<p7j,  wiKfkZa  Braut,  im  Spätgriechischen  =  Wiesel.  Daraus 
hat  sich  die  babrianiscli- äsopische  Fabel  (Babr.  :52)  entwickelt,  wo  das 
Wiesel  {yo.^)  von  Aphrodite  in  eine  Braut  (miJ.(frj)  verwandelt  wird.  Die 
vielfachen  Zärtlichkeitsausdrücke  für  das  Wiesel  (über  die  andern  Sprachen 
s.  die  Abhandlung  selbst)  erklären  sich  aus  seiner  Verwendung  als  Haus- 
thier  an  Stelle  der  späteren  Katze.  Der  provenralische  Eigenname  Ray- 
nart  für  Fuchs  zeigt  eine  entschiedene  Einwirkung  der  Thicrfabel  auf 
die  Namengebung  eines  Thieres.  Man  kann  daher  fragen,  ob  nicht  auch 
jenes  griechische  vf^/x^jy,  Braut,  unter  Einwirkung  der  erwähnten  äsopi- 
schen Fabel  sich  eingebürgert  hat. 

xalliaq  Schönmännchen  =  Affe. 

Tiämioq  Grossväterchen  =  ein  attischer  Vogel,  nicht  mehr  zu  be- 
stimmen. 

amma  bei  Isidor,  Grossmutter  =  Nachteule. 

ßaadiaxog,  regulus  Zaunkönig. 
Volksetymologie  liegt  vor  in 

ivoSpoQ  »Imwasserthier«  statt  u8pog  Otter. 

'j^apaopioq  statt  ^jj'a/j^o/joo?  eigentlich  »gelber  Läufer«,  Regenpfeifer. 

Meerkatze,  impxo'i^iaMÖq  von  sanskrit.  markata  Aife. 

accipiter  (s.  oben),  spätlateinisch  sogar  acceptor. 

lipa^,  erst  nach  Homer,  Hesiod  und  Herodot  aus  "(pr^^  entwickelt. 

Die  iiiXtaam^  die  Artemispriesterinnen  zu  Ephesos,  hatten  ihren 
Namen  von  Mylitta:  denn  es  gab  eine  Zeit,  wo  die  ephesische  Artemis 
noch  deutlich  eine  Mylitta  (d.  i.  Eileithyia)  war. 

gallus  ist  ohne  Zweifel  unter  Einwirkung  eines  Volkswitzes  ent- 
standen ;  man  verglich  den  streitlustigen  Hahn  einem  behelmten  und  be- 
spornten Gallier.  In  gleichartiger  Anwandlung  wurde  die  Wachtel  zu 
einem  Kothurn- Vogel  gemacht:  coturnix  von  coturnus. 

p.slzayp{Q  Perlhuhn  ist  aus  ptXapytg  oder  iizlavapyiq  (schwarzweisser 
Vogel)  unter  Anlehnung  an  den  berühmten  mythischen  Jäger  Meleagros 
entstanden,  gleichsam  »Nimrodsvögel«. 

Eine  auffallende  Confusion  zeigt  sich  bei  ciconia  und  x'jx\/og\  xux- 
vtag  angeblich  ein  weisser  am  Wasser  lebender  Adler;  auch  das  ent- 
sprechende sanskritische  Wort  bezeichnet  einen  gewissen  grösseren 
weissen  (?)  Wasservogel. 


Naturgeschichte.  89 

Dem  Vogelnamen  zirpac,  bei  welchem  die  Wörterbücher  an  Auer- 
hahn  und  Perlhuhn  herumrathen,  entspricht  lautlich  das  lateinische  tetrao 
Birkhuhn,  ein  kirchenslavisches  und  ein  neupersisches  Wort  für  Fasan, 
ein  indisches  für  Rebhuhn,  ein  litthauisches  und  preussisches  Wort  für 
Birkhuhn:  es  ist  also  eine  Hühnerart,  wobei  Haushuhn  und  Pfau  sicher 
ausgeschlossen  sind. 

xixxdßrj  und  xoxxoßdpTi  bedeutet  die  Nachteüle;  der  Lateiner  sagt 
cucubare  vom  Eulenschrei. 

Venantius  Fortunatus  nennt  das  wilde  Pferd  einen  Wildesel,  onager. 

0.  Keller,  Das  Kamel  im  klassischen  Alterthum.    Ausland  1881 
No.  8. 

xdixriXog,  camelus  bedeutet  Höckerthier  und  ist  ein  semitisches 
Fremdwort.  Die  Slaven,  Skandinavier  und  Altdeutschen  bezeichnen  das 
Thier  als  Elefanten,  gothisch  ulbaudus,  aber  mit  einer  Diiferenzierung, 
indem  stets  o  oder  u  für  das  anlautende  E  gesetzt  wird.  Es  ist  ein 
Irrthum,  wenn  man  glaubt,  die  Gothen  haben  wirklich  Kamel  und  Ele- 
fanten als  ihnen  ganz  unbekannte  Thiere  confundiert,  oder  vielmehr  sie 
haben  das  ihnen  unbekannte  Kamel  nach  dem  ihnen  bekannten  Elefanten 
benannt.  Das  Kamel  war  ihnen  mit  nichten  unbekannt:  in  ihren  Wohn- 
sitzen in  Südrusslaud  und  der  Krim  konnten  sie  sehr  wohl  Kamele  halten 
—  steigt  doch  das  baktrische  Kamel  bis  zum  fünfzigsten  Grad  nördlicher 
\Breite  (Pallas)  -  und  als  sie  in  den  Jahren  376  und  386  n.  Chr.  über 
C'ie  Donau  gingen  und  von  Theodosius  besiegt  wurden,  führten  sie  no- 
torisch Kamele  bei  sich,  von  denen  sie  ihre  Götterbilder  tragen  Hessen. 
Unsere  Bezeichnungen  baktrisches  Kamel  für  das  zweihöckerige  und  ara- 
bisches für  das  einhöckerige  sind  uralten  Datums;  neben  der  Bezeich- 
nung »baktrisch«  kommt  auch  der  Name  »persisch«  vor  für  die  zwei- 
höckerige Gattung,  Besonders  schnell  laufende  Kamele  hiessen  droma- 
des,  Dromedare. 

Sprüchwörtlich:  npojxzog  xafxrjlo')  für  das  Abscheulichste,  bei  Ari- 
stophanes;  ebenso  (f'cupcwaa  xdiirjXog,  räudiges  Kamel  (Epistolograph. 
Graec).  Das  Kamellanim  (xd/xr^kig  diivog)  bei  Aristoph.  Vögel  1566 
(1558),  welches  Peisandros  opfert,  bedeutet  etwas  unförmliches,  abscheu- 
liches wie  Elefantenkalb  oder  Nilpferdjunges*). 

Die  Geschichte  des  dritten  Buchstabens  unseres  Alphabets  spricht 
dafür,  dass  für  die  älteren  Aegypter  das  Kamel  nicht  existierte;  denn 
das  hebräische  Gimel  d.  h.  Kamel,  woraus  griechisch  Gamma  gemacht 
worden  ist,  ist  eine  semitische  Neuerung.  Das  Aegyptische  hatte  an 
dieser  Stelle  ein  Hausgeräthe.  Auch  als  Sternbild  ist  das  Kamel  den 
Aegyptern  fremd. 

Der  Hauptinhalt  des  Aufsatzes  bezieht  sich  auf  die  historische  Ver- 
wendung des  Kamels,  namentlich  in  den  Kriegen  des  Alterthums. 


*)  Die  Stelle  wird  häufig  missverstanden. 


90  Naturgeschichte. 

S.  144  wird  eine  Reihe  Kameldarstellungen  in  der  antiken  Kunst 
besprochen.  Auf  dem  römischen  Landschaftsbiide  der  Livia  auf  dem 
Palatin  (Woermann,  Die  Landschaft  in  der  Kunst  der  alten  Völker  S.  339) 
bezeichnet  es  die  Scenc  als  eine  orientalische.  Die  besten  Darstellungen 
sind  solche  des  arabischen  Kamels  auf  assyrischen  Basreliefs  des  sieben- 
ten Jahrhunderts  v.  Chr.  und  des  baktrischen  auf  einem  Londoner  Scara- 
bäus.  Die  meisten  sicher  griechischen  oder  römischen  Darstellungen 
sind  mittelmässig.     Auf  Münzen  bedeutet  es  bekanntlich  Arabien. 

Zum  Schluss  werden  Fabeln  erwähnt,  wo  es  eine  Rolle  spielt,  und 
Irrthümer  der  Alten  (selbst  des  Aristoteles  und  Plinius)  über  seine  Natur. 

0.  Keller,  Die  Affen  im  Alterthum.    Ausland  188 L    No.  14. 

In  den  historischeu  Zeiten  gab  es  keine  Affen  in  Europa.  Die  jetzt 
auf  dem  Felsen  von  Gibraltar  noch  gehegten  Thiere  dürften  durch  die 
Maureu  eingeführt  worden  sein.  Dagegen  müssen  in  der  Dämmerungszeit 
der  Geschichte  auf  den  »Affeniuseln«  bei  Italien  solche  Thiere  gewesen 
sein,  und  die  Sage  von  den  Kerkopen  d.  i.  Geschwänzten  bezieht  sich 
auf  sie.  Auch  bei  Karthago  war  eine  »Affenbucht«,  nSrjKwv  xökno^.  Im 
Lande  der  Gyzanten  wimmelte  es  von  Affen.  Auch  die  bildlichen  Dar- 
stellungen werden  wieder  besprochen.  Nach  assyrischen,  ägyptischen, 
etruskischen,  rhodischen,  uuteritalischeu  Bildwerken  scheint  er  in  allen 
diesen  Gegenden  als  Luxushausthier  gehalten  worden  zu  sein.  Die  Schrift- 
steller bezeugen  es  ferner  für  Rom  und  Griechenland. 

Für  die  Behauptung,  dass  das  lat.  simia  mit  absichtlichem  An- 
klang an  similis  gebildet  sei,  werden  beigezogen  griech.  jxtjuö  »Nach- 
ahmer«, ägyptisch  An  (Affe)  »Nachahmer«,  auch  das  deutsche  nach»äffen« 
könnte  erwähnt  werden. 

Die  Anekdote  Phlegon's  von  der  römischen  Magd,  die  einen  Affen 
gebar,  wird  auf  eine  überaus  hässliche  Missgeburt  bezogen. 

Die  Specktersche  Fabel  von  dem  Fang  der  Affen  durch  Stiefel, 
welche  sie  anziehen,  wird  aus  Diodor  nachgewiesen;  die  Fabel  von  der 
Affenliebe,  von  der  gesund  machenden  Kraft  des  Affeufleisches  etc.  be- 
sprochen. 

Schliesslich  die  verschiedenen  den  Alten  bekannten  Affenarten: 
1)  der  Hundsaffe,  auch  türkischer  Affe  genannt,  Inuus  ecaudatus  Geoff., 
gewöhnlich  unter  nc9r;xog  zu  verstehen. 

2)  Pavian,  Cyuocephalus  hamadryas  Desm. ,  antik:  xuvoxi^ahg, 
cynocephalus.  In  Aegypten  war  er  wegen  seines  auffallenden  Benehmens 
gegen  den  Mond  dem  Mondgotte  (später  Gott  der  Wissenschaft)  gehei- 
ligt. Gelegentlich  wird  die  betreffende  Stelle  des  Plinius  richtiger  über- 
setzt als  bei  Külb,  der  den  Sinn  ganz  verkehrt  wiedergibt. 

3)  Babuin,  eine  Nebenart  des  Pavian,  Cynocephalus  babuin  Desm., 
xijßog,  bisweilen  auf  ägyptischen  Bildern. 

4)  Meerkatze,  Cercopithecus,  xspxom&rjxog,  auch  xr^ßog,  xr^nog^  xtj- 


Naturgeschichte.  91 

ßug.  Speciell  zeigt  sich  unter  den  ägyptischen  Gemälden  die  rothe  Meer- 
katze aus  Sudan,  Cercopithecus  ruber  Geoff.  Die  grüne  Meerkatze  scheint 
auf  einem  Nimruder  Relief  (nach  885)  dargestellt.  ludische  Meerkatzen, 
Simia  faunus,  bei  Ktesias. 

5)  -(fiyysg,  Sphinxe  werden  zwei  Arten  genannt.  Die  grosseren, 
in  Nubien  oder  Abessynien,  sind  vielleicht  Paviane;  die  kleineren  Tiepl 
zijv  yr^v  zujv  Maxdpw^  sind  wahrscheinlich   westafrikanische  Meerkatzen. 

6)  cercolopis  (cercolophus?),  bei  den  Griechen  ein  y.rj^Sög  mit  Löwen- 
schweif:  man  kann  an  den  abessynischen  Colobus  Guereza  denken. 

7)  Vielleicht  den  gleichen  Affen  meinten  Plinius  und  Solinus  mit 
Callithrix. 

8—10)  Gorilla,  Schimpanse,  Orang-Utang. 

Gorillas  waren  wohl  die  Affenmenschen  Hanno's,  die  äthiopischen 
Cephi  bei  den  Spielen  des  Pompeius  und  das  Uavixuv  !^wo'>  des  Hierax. 

Schimpansen  meint  wohl  Diodor  III  24,  vielleicht  auch  Theophrast 
in  den  Charakteren,  ebenso  Plinius  und  Solinus  unter  den  afrikanischen 
Satyri,  deren  Wesen  als  dem  der  boshaften  Paviane  entgegengesetzt  ge- 
schildert wird. 

Die  bei  Plin.  VII  2,  24  erwähnten  Satyrn  der  indischen  Gebirge 
werden  gewöhnlich,  aber  vielleicht  mit  Unrecht,  als  Orang-Utange  aufge- 
fasst.  Letztere  leben  nur  in  Borneo.  Gelegentlich  wird  die  Uebersetzung 
der  Stelle  bei  Brehm  berichtigt. 

0.  Keller,  Der  Schakal  im  Alterthum.     Ausland  1881  S.  G91  ff. 

Das  Thier  existierte  im  Alterthum  weder  im  europäischen  Grie- 
chenland noch  in  Italien;  heut  soll  es  sich  in  Griechenland  und  auf  eini- 
gen griechischen  Inseln  finden. 

Es  ist  überliefert,  dass  der  Wolf,  wie  der  byzautinische  Lexiko- 
graph confundirend  statt  Schakal  angibt,  in  Phrygien  daos  (davos?)  genannt 
wurde;  daher  der  (phrygische)  Sklavenname  Davus  des  römisch-griechi- 
schen Lustspiels.  Dieses  daos,  »Schreier«,  entspricht  vollständig  dem 
gemeingriechischen  ^lüg;  denn  das  Phrygische  hat  eine  Abneigung  gegen 
die  Aspiraten.     Von  &wg  kommt  Howaaoj  schreien. 

Hinsichtlich  des  fremdländischen  Thiers  (der  syrischen  Wüste) 
waren  die  Begriffe  der  Griechen  unklar,  wie  auch  bei  manchen  anderen 
fremden  Thieren.  So  sind  Giraffe  und  Gepard  im  '.--dpocov  confundiert 
worden,  die  Beschreibung  des  Hippopotaujus  hat  durch  Beimischung  von 
Zügen  des  Gnu  empfindlich  gelitten,  dem  indischen  Rhinoceros  sind 
Gallenblase  und  Knöchel  der  Antilope  picta  zugetheilt  worden  u.  s.  w. 
Eine  solche  Verwechslung  findet  nun  aucii  bei  üppian  von  Syrien  und 
bei  Arrian  hinsichtlich  des  ^wg  statt.  Jener  sagt,  der  Biüg  sei  eine  aus 
der  Vermischung  von  Wolf  und  Pantherweibchen  entstandene  Thicrart, 
die  dem  Felle  nach  der  Mutter,  der  Gestalt  uach  dem  Vater  gleiche]; 
und   Arrian  Indic.  15,  3  spricht  von  Thieren,  welche  fälschlich  Tiger  ge- 


92  Naturgeschichte. 

iiannt  werdon,  während  es  scheckige  I^weq  seien  von  ansehnlicherer  Grösse 
als  die  anderen  Bivec:.  Opjjian  meint  damit  eine  Art  Lnchs,  Lynx  cali- 
gatus  oder  Lynx  chaus,  welche  beide  in  Vorderasien  heimisch  sind,  oder 
den  Step])enhund,  Canis  pictus,  den  man  noch  leichter  mit  dem  Schakal 
verwechseln  konnte;  Arrian  aber  hat  bei  seiner  Schilderung  wohl  den 
Gepard  im  Auge.  Wie  hier  Arrian  von  mehreren  Arten  Uwzg  spricht, 
so  versteht  auch  Aristoteles  unter  öwc  nicht  bloss  den  gemeinen  Scha- 
kal, sondern  er  begreift  ausdrücklich  mehrere,  offenbar  wesentlich  ver- 
schiedene Thierarten  unter  dem  Gesammtnamen  Hweq;  daher  kommt  es 
auch,  dass  seine  Beschreibung  zwar  im  allgemeinen  auf  den  Schakal  zu- 
trifft, aber  nicht  in  allen  Einzelheiten.  Sicher  zu  weit  gegangen  aber 
ist  es,  wenn  Aubert  und  Wimmer  (Aristoteles'  Thiergeschichte)  vermuthen, 
dass  Aristoteles  überhaupt  bei  seinen  Angaben  über  den  fkog  nicht  den 
Schakal,  sondern  eine  Viverre,  zunächst  die  Genette,  im  Auge  gehabt 
habe.  Dieses  Thier  ist  viel  zu  klein;  es  hat  nur  anderthalb  Fuss  Kör- 
perlänge, war  den  Alten  fast  unbekannt  und  wird  nur  ganz  spät  —  im 
VI.  Jahrhundert  —  von  dem  spanischen  Isidor  erwähnt  und  ausserdem 
zur  Zeit  Karl  Martell's,  bei  dessen  Sieg  zu  Tours  im  Jahre  732  eine 
Menge  Giusterkatzeufelle,  die  wohl  aus  Spanien  und  Nordwestafrika 
stammten,  erbeutet  wurden.  Ihre  eigentliche  Heimat  ist  das  Atlasgebirge. 
Noch  weniger  als  an  die  Geuettkatze  wird  man  an  die  Civett-  und  an 
die  Zibetkatze  denken  können;  jene  hat  ihre  Heimat  in  Guinea,  diese 
in  Indien  und  den  ostindischen  Inseln.  Schliesslich  lassen  sich  denn 
doch  die  An'gaben  des  Aristoteles,  wenn  mau  nur  will,  auf  den  viel  näher 
liegenden  Schakal  beziehen,  mit  einziger  Ausnahme  des  Irrthums,  dass 
er  zur  Winterszeit  dichtere  und  andersfarbige  Haare  bekomme,  weshalb 
man  —  wie  Aristoteles  meint  —  irrthümlicher  Weise  mehr  Arten  des 
Schakals  annehme,  als  wirklich  existieren.  Diese  Eigenschaft  der  Ab- 
färbung  besitzen  auch  die  Viverreu  nicht:  wir  kommen  also  mit  jener 
Hypothese  keinen  Schritt  vorwärts;  und  was  sollten  wir  von  Aristoteles 
denken,  wenn  er  wiederholt  allerlei  Untergeordnetes  von  den  Genetten 
oder  Zibeten  berichten  würde  und  dabei  ihre  merkwürdigste  Eigenschaft, 
den  Zibet  in  ihren  Afterdrüsen,  mit  keiner  Sylbe  erwähnt  hätte! 

Im  allgemeinen  verstehen  die  griechischen  Schriftsteller  aller  Zei- 
ten und  Länder  unter  dwg  den  Schakal. 

S.  G92  werden  dann  die  Abbildungen  besprochen,  darunter  vor- 
treffliche ägyptische,  ferner  seine  Verwendung  in  der  ägyptischen  Götter- 
lehre. 

In  Griechenland  tritt  statt  seiner  als  Sternbild  der  »Hund«  auf. 
Die  Ersetzung  des  hiuterasiatischen  Schakalsterues  durch  den  Hunds- 
stern ist  wohl  in  Mesopotamien  vorgegangen,  wo  der  Sirius  nicht  als 
schädliches  Gestirn  galt,  sondern  als  Verkünder  der  ersehnten  Ueber- 
flutung  des  Landes. 

Zweitens  ist  der  Schakal  durch  den  Fuchs  ersetzt  worden  bei  der 


Naturgeschichte.  93 

Ceremonie  des  Fuchsbrennens,  einer  Festlichkeit  die  bei  den  Römern 
zur  Reinigung  und  Segnung  der  Getreidefelder  abgehalten  wurde.  Sira- 
sonlegende. 

Endlich  wird  die  Umsetzung  des  indischen  Schakals  in  einen  euro- 
päischen Fuchs  in  den  alten  Fabeln  besprochen  (s.  des  Verfassers  Un- 
tersuchungen über  die  Geschichte  der  griechischen  Fabel). 

0.  Keller,  Der  Damhirsch  im  classischen  Alterthum.    Neue  Freie 
Presse  No.  6069  =  21.  Juli  1881. 

Dama,  richtiger  damma  —  denn  so  ist  die  regelmässige  handschrift- 
liche Schreibung  —  ist  weder  nach  lautlichen  Gesetzen  =  Damhirsch 
noch  materiell  damit  identisch.  Es  bezeichnet  durchaus  nicht  ein  zu 
den  Hirschen,  sondern  ein  zu  den  Antilopiua  gehöriges  Thier,  technisch 
eine  Art  Antilope,  bei  Dichtern  auch  die  Gemse.  Für  den  Damhirsch 
dagegen  finden  wir  im  Lateinischen  nur  den  Ausdruck  cervus  palmatus 
(entsprechend  neugriechisch  nXarwvi,  spanisch  paleto)  Fächerhirsch,  mit 
einem  Geweih,  welches  der  offenen  Hand  (palma)  gleicht;  bei  Plinius 
kommt  auch  einmal  die  Bezeichnung  cervus  platyceros,  breithörniger 
Hirsch,  vor.  Capitolinus  spricht  von  cervus  palmatus  an  einer  Stelle, 
die  gleich  so  mancher  andern  von  Lenz  in  seiner  Zoologie  der  alten 
Griechen  und  Römer  S.  90  durch  einen  groben  Missgriff  verunstaltet 
worden  ist.  Aus  dem  »Verzeichnisse«  von  200  durch  Gordian  in's  Am- 
phitheater gebrachten  Damhirschen  hat  Lenz  ein  »Bild«  gemacht.  Dies 
ist  die  einzige  sichere  Erwähnung  des  Damhirsches  bei  den  Römern; 
in  Italien  war  eben  das  Thier  damals  nicht  heimisch  und  ebensowenig 
offenbar  im  europäischen  Griechenland.  Um  so  häufiger  war  es  in  ganz 
Vorderasien  zu  treffen. 

Es  war  das  Opferthier  der  ephesischen  Artemis  und  fand  wahr- 
scheinlich mit  ihren  Cultgebräuchen  zuerst  den  Weg  nach  dem  Westen. 
Auf  sämmtlichen  mir  zu  Gesicht  gekommeneu  Münzen  von  der  ältesten 
Periode  bis  zur  Kaiserzeit  ist  kein  Edelhirsch,  sondern  der  Damhirsch. 

Er  mit  seinem  gefleckten  Fell  war  auch  das  den  Sternenhimmel 
bedeutende  Symbol  der  grossen,  in  Vorderasien  vielfach  verehrten  Arte- 
mis Tauropolos,  der  auf  dem  riesigen  Taurusgcbirge  waltenden  Göttin 
des  Mondes,  der  Nacht,  des  Waldes  und  der  Jagd. 

Vom  Löwen  zermalmt  bedeutet  der  Damhirsch  auf  syrischen  und 
kilikischen  Münzen  —  mit  phönicischer  Schrift  —  die  Nacht  im  Kampf, 
im  glücklicherweise  missliiigcndcn  Kampf  gegen  die  Macht  des  Lichts, 
der  Sonne,  deren  Hauptrepräsentant  der  Löwe  ist. 

Auch  der  Greif  kommt  vor,  wie  er  den  Damhirsch  frisst;  ebenso 
der  Wolf,  und  statt  des  Damhirschs  steht  oft  der  Stier,  der  mit  seinen 
Hörnern  Symbol  des  Mondes  ist.  Mindestens  wird  in  der  abendländischen 
Kunst  aus  dem  ursprünglichen  asiatischen  Damhirsch  der  europäische 
Edelhirsch. 


94  Naturgeschichte 

Auch  Hercules  (Sonnengott),  der  die  schlafende  Hirschkuh  d.  i. 
den  Nachthimmel  überwältigt,  gehört  in  diese  Symbolik. 

Eine  Insel  bei  Kyzikos,  deren  Münzen  deutlich  den  Damhirsch 
zeigen,  führte  den  Namen  llpoxövrjaog  d.  h.  Damhirschinse)  (tt/jö^,  s.  oben, 
=  Damhirsch;  auch  das  Sanskrit  bildete  von  der  gleichen  Wurzel  zwei 
Namen  für  den  nach  Damhirschart  gefleckten  Axishirsch  [schwerlich  für 
Gazellen,  wie  von  den  Sanskritgelehrten  behauptet  wird]).  Die  gleiche 
Insel  hiess  auch  'EXaifüvrjöog.  Man  sieht  also,  dass  zXa^og  bei  den  klein- 
asiatischen Griechen  auch  den  Damhirsch  bezeichnen  konnte. 

Es  wird  dann  die  schwierige  Stelle  des  Aristoteles  besprochen,  dass 
der  d^attvr^g  genannte  Hirsch  seine  Galle  am  Schwanz  habe:  dies  kann 
nur  auf  den  Edelhirsch  bezogen  werden. 

In  Troas  haben  Schlieraanu  und  Calvert,  ohne  eine  Ahnung  der 
obigen  Verhältnisse,  nur  Reste  vom  Damhirsch  gefunden,  nicht  vom  Edel- 
hirsch. Man  pflegte  das  Fleisch  zu  essen  und  häufig  wurde  das  Geweih 
von  den  Trojanern  zu  Pfriemen  zugespitzt.  Damit  stimmen  die  bild- 
lichen Darstellungen  (besonders  Münzen)  von  Hirschen  aus  Pontus,  lo- 
nien,  Lydien,  Karien,  Kilikien,  Syrien  und  Rhodus.  Die  Numismatiker 
und  sonstigen  Archäologen  vom  Fach  registrieren  bis  jetzt  selbst  den 
deutlichsten  Damhirsch  gewöhnlich  als  cervus  oder  capreolus  oder  gar, 
was  auch  vorkommt,  als  Ziege. 

Auch  in  Mykenae  zeigen  die  gewiss  importierten  Edelsteine  und 
Goldschmucksacheu  nur  den  Damhirsch  -  man  beachte  die  Wichtigkeit 
solcher  Uut'ersuchungen  für  die  Frage  nach  der  Herkunft  dieser  Objecte! 
—  während  eine  rohe,  gewiss  an  Ort  und  Stelle  geformte  Figur  aus  Blei 
und  Silber  ebenso  bestimmt  den  Edelhirsch  aufweist.  Hiermit  stimmen 
die  ältesten  europäischen  Vasenbilder,  besonders  die  aus  Korinth  und 
Athen,  welche  im  Gegensatz  zu  den  asiatischen  Fabriken  den  Edelhirsch 
zeigen;  ebenso  thun  es  die  plastischen  Denkmäler  entschieden  europäischer 
Erfindung,  wie  die  Bildwerke  von  Phigalia.  Die  italischen  und  sicilischen 
Vasen  weisen  gleichfalls  bloss  den  Edelhirsch  auf  und  ebenso  die  etru- 
rischen  Grabwandbilder;  über  die  zum  Theil  variierenden  italienischen 
Vasen  siehe  die  Abhandlung  selbst. 

Bei  Besprechung  der  pompejauischen  Bilder  wird  berührt,  dass 
man  unter  den  pompejauischen  Bildern  (Heibig  Wandgemälde  N.  1554) 
auch  eine  Truthenne  anzuführen  pflegt,  während  dieser  Vogel  erst  zur 
Reformationszeit  aus  Central-Amerika  nach  Europa  kam. 

Auch  die  uordafrikanischen  Mosaiken  und  die  ägyptischen  Bild- 
werke werden  besprochen  und  schliesslich  als  Hauptresultat  aufgestellt, 
dass  der  Damhirsch  aus  dem  westlichen  Asien  (Assyrien  und  Kleinasien) 
stammt,  keinesfalls  aus  Nordafrika,  und  dass  er  in  Europa  während  der 
ganzen  klassischen  Zeit  bis  zum  Untergang  des  römischen  Kaiserreichs 
sich  nicht  nachweiseu  lässt. 


Naturgeschichte.  95 

0.  Keller,  Steinbock  und  Gemse  im  klassischen  Alterthura.    Glo- 
bus XL  No.  10  (1881). 

Dass  das  Tbier  jemals  in  Italien  oder  Griechenland  gewohnt  habe, 
lässt  sich  nicht  erweisen.  »Ibex«  ist  aus  dem  Indogermanischen  nicht 
zu  erklären,  stammt  wohl  von  einem  Alpenvolke.  Plinius  tischt  über  ihn 
ein  lächerliches  Märchen  auf,  was  auch  nicht  auf  persönliche  Bekannt- 
schaft mit  der  Natur  des  Thieres  schliessen  lässt.  Der  Grieche  coufun- 
diert  den  Steinbock  beharrlich  mit  der  Gemse  und  verwilderten  Ziege 
und  nennt  unter  Umständen  alle  drei  atyaypog  oder  al~  äyptog. 

Der  eigentliche  Steinbock  und  der  Paseng  oder  die  Bezoarziege 
sind  zu  unterscheiden.  Ersterer  hat  ein  schönes,  regelmässig  gezacktes 
Gehörn,  das  des  Pasengs  ist  unregelmässig  gezackt  und  in  eine  schneidige 
Form  zusammengedrängt.  Für  Griechenland  kommt  nun  der  Paseng  in- 
sofern in  Betracht,  als  er  auf  einigen  Inseln,  besonders  in  Kreta,  vor- 
kam, ja  theilweise  heute  noch  vorkommt,  ebenso  in  Kleinasien. 

Neben  dem  Adler  des  Gebirgs  gehörte  der  Paseng  dem  Höhengotte 
Zeus  als  treffendstes  Symbol;  daher  Münztypus  mehrerer  kretischer 
Städte.  Auf  einer  Münze  von  Elyris  hat  der  Paseng  den  einen  Fuss 
auf  einen  Strauch  gestellt:  dies  ist  Potentilla  speciosa,  jetzt  dyp'.ij/r/^oprov 
(nicht  Origanum  dictamnus).  Ein  Weibchen  des  kretischen  Steinbocks 
war  es  (jetzt  sieht  sich  die  Sache  erst  wirklich  poetisch  an),  dessen 
Milch  das  Zeuskind  in  der  Felsengrotte  des  kretischen  Ida  trank:  sie 
ist  reicher  und  süsser  als  die  Milch  der  Hausziegen.  Der  erwachsene 
Zeus  aber  wird  gedacht  als  Ideal  des  Kreters,  als  siegreicher  Steinbock- 
jäger, angethan  mit  dem  Fell  des  erlegten  Thieres,  der  Aegis, 
der  stolzesten  Trophäe  der  weltberühmten  kretischen  Schützenkunst. 
Wie  die  Griechen  Ziegenfell  und  Steinbockfell  confundieren,  sieht  man 
am  Worte  l^a^,  Steinbockfell,  was  Hesychios  als  alyog  oopd,  Ziegen- 
haut, erklärt.  Auch  der  Beiname  des  Dionysos  alyoßu).og  gehört  wohl 
hierher. 

Die  Stelle  von  Pandaros  Ilias  IV  105  ff.  wird  zum  Beweise  beige- 
zogen, dass  auf  den  lydisch-phrygischen  Gebirgen  zur  Zeit  der  Ilias  der 
Paseng  existierte.  Weiter  ist  er  für  Troas  durch  einen  Schliemann'schen 
Thonwirtel  bezeugt  (vergl.  auch  die  äsopischen  Fabeln),  für  Südklein- 
asien durch  ein  unzweideutiges  römisches  Mosaik  von  Ilalikarnass  und 
durch  die  Sage  von  der  Chimaera:  noch  jetzt  ist  das  Thier  im  Taurus 
sehr  häufig. 

In  der  Iliasstelle  sei  nicht  ein  Speerschuss  (wie  die  Erklärer  wollen), 
sondern  ein  Pfeilschuss  gemeint. 

Darstellungen  des  Pasengs  oder  des  Steinbocks  finden  wir  in  Rho- 
dus,  Cypern,  Commagene,  der  syrischen  Dekapolis  u.  s.  w. 

Eigentliche  Steinböcke  giebt  es  sieben  Arten,  welche  S.  158  auf- 
gezählt werden.    Vorderasiatische  sehen  wir  in  allen  möglichen  Situa- 


96  Naturgeschichte. 

tionen  auf  Kunstobjekten;  am  häufigsten  vertreten  ist  die  Situation  des 
grasenden  Steinbocks  auf  archaischen  (braunfigurigen,  gelbgrundierten) 
Vasen:  die  Muster  und  die  Vasen  grosscnthcils  selbst  werden  aus  phö- 
nicischen  Fabriken  stammen.  Den  sibirischen  Steinbock  haben  wir  auf 
einem  skythischen  Diadem,  den  siuaitischen  auf  den  ägyptischen  Denk- 
mälern. 

Gemse  heisst  a?^  (Lypioq^  aijajfwq^  alya-fpiiov^  ■/Jjio.iija,  a^a,  }''jp$, 
rupicapra,  darama,  cai)ra  und  caprea.  Im  alten  Lacedämon  häufig;  in 
Nordgriechenland  durch  eine  Münze  von  Ismene  in  Boeotien  bezeugt;  in 
Euböa  der  alten  Sage  nach;  am  Iris  in  Kleinasieu  (nach  Basilius);  in 
Sicilien  für  die  älteste  Zeit  gleichfalls  wahrscheinlich  (Münze  von  Agy- 
rium;  Homer's  Schilderung  der  Cyclopeninsel  d.  i.  Siciliens). 

In  Italien  existierte  sie  auf  dem  Soracte  und  Fiscellus  (Appcnnin) 
und  auf  verschiedenen  »Ziegeninseln«.  In  den  Alpen  (Pliuius),  in  Spanien 
(Inschrift  von  Leon). 

Dagegen  sind  die  Thiere  auf  den  Reliefs  von  Kuyundschik  Antilo- 
pen, nicht  Gemsen. 

Beide  Thiere,  Antilope  und  Gemse,  wurden  von  den  gewöhnlichen 
Römern  unter  dem  Namen  damma  zusammengeworfen. 

K.  Haberland,  Biene  und  Honig  im  Volksglauben.   Globus  XXXIX 
No.  14.  15  (1881). 

Die  Verborgenheit  ihres  geschlechtlichen  Lebens  liess  die  Biene 
als  besonders  reines  Thier  erscheinen,  als  ein  Liebling  der  Götter,  als 
ein  Symbol  der  unbefleckten  Seele.  Sie  war  der  Demeter,  dem  Apoll, 
dem  Pan,  der  Mellonia,  der  ephesischen  Artemis  heilig.  [Als  Grund  für 
letzteres  wird  angegeben,  dass  sie  den  Seeweg  von  Attika  nach  lonien 
gezeigt  habe;  es  war  aber  vielmehr  ein  Wortspiel  zwischen  /isÄcrza  und 
M'jÄtzza,  was  zu  Grunde  lag.  Damit  stimmt,  dass  nach  Porphyrios  der 
Mond  auch  iiihaaa  genannt  wurde.] 

Neuplatonisch  galt  die  Biene,  die,  obgleich  ausfliegend,  doch  der 
Heimat  nicht  vergisst,  als  Symbol  der  sich  im  Leben  rein  erhaltenden, 
auf  ihre  Rückkehr  in  höhere  Sphären  denkenden  Seele. 

Für  die  griechische  Anschauung  von  der  Geburt  der  Bienen  aus 
dem  Stierleibe  sind  die  ältesten  Zeugen  griechische  Dichter  aus  dem 
Zeitalter  der  Ptolemäer.  Aelter  ist  die  hebräische  Simsonsage,  wo  ein 
Bienenschwarm  in  dem  zerrisseneu  Löwen  nistet.  Auch  in  den  dionysi- 
schen Mysterien  erscheint  die  Bienenentstehung  aus  dem  Stierleibe,  so- 
fern der  Gott  selbst,  nachdem  er  in  Gestalt  eines  Stiers  zerrissen  wor- 
den, als  Biene  wiedergeboren  worden  sein  sollte. 

Alte  und  moderne  Völker  schreiben  den  Bienen  grosse  Vorliebe 
für  Musik  zu.  Auch  allerlei  Antipathien  des  Thieres  (nach  Plinius,  Varro 
u.  a.)  werden  besprochen. 

Als  besonders  reine  Thiere  greifen  sie  nach  Plutarch  und  Aelius 


Naturgeschichte.  97 

Personen  an,  die  von  einem  unkeuschen  Umgang  kommen  u.  dgl.  Bei 
unfreundlicher  Behandlung  sterben  die  Stöcke  aus  (Plinius). 

Für  das  ausserordentlich  hohe  Ansehen  der  Biene  liefert  Yergil 
georg.  IV  den  besten  Beweis,  indem  er  Wahres  und  Falsches  unterein- 
ander erzählt. 

Grosse  Bedeutung  hatte  der  Bienenschwarm  als  vorbedeutendes 
Zeichen.  Es  werden  Beispiele  sowohl  für  günstige  als  für  ungünstige 
Vorbedeutung  angeführt,  und  zwar  ist  die  letztere  häufiger,  gerade  wie 
im  deutschen  Aberglauben. 

Nach  antiker  Anschauung  kommt  der  Honig  bei  Tagesanbruch  oder 
beim  Aufgang  der  Gestirne  oder  wenn  ein  Regenbogen  am  Himmel  steht, 
aus  der  Luft,  und  er  Avird  verschiedenartig  bald  als  ein  Ausschwitzen 
des  Himmels,  bald  als  ein  Ausspucken  der  Sterne,  bald  als  eine  Reini- 
gung der  Luft  selbst  erklärt;  je  besser  der  Blumenkelch,  welcher  ihn 
aufbewahrt,  je  schöner  und  reiner  ist  auch  der  Honig.  Nur  der  Honig 
fällt  aus  der  Luft,  das  Wachs  müssen  die  Bienen  aus  den  Blumen,  das 
Vorwachs  aus  den  ausschwitzenden  Säften  der  Bäume  bereiten.  Kein 
Wunder,  dass  diesen  liimmelentstammten  Saft  Pindar  neben  der  Milch 
als  die  zarteste,  als  die  feinste  Speise  bezeichnet  und  ihn  den  hundert- 
sten Theil  der  Unsterblichkeit  nennt.  Auch  Ibykus  preisst  ihn  hoch, 
und  er  war  eine  beliebte  Speise  der  homerischen  und  persischen  Könige, 
der  persischen  Priester;  selbst  die  griechischen  Götter  assen  den  Extrakt 
der  feinsten  Theile  des  Honigs  nach  Porphyrios. 

Eigenthümlich  waren  die  Verwendung  des  Honigs  zum  Einbalsa- 
mieren und  die  von  Dioskorides,  Plinius  und  den  Pythagoreern  empfohlene 
Verwendung  desselben  als  Medicin  bei  Augenkrankheiten. 

Auch  die  Wichtigkeit  des  Honigs  bei  den  Todtenopfern  der  Grie- 
chen und  Römer  wird  erwähnt  und  eine  russische  Parallele  dafür  beige- 
bracht. Ueberhaupt  ist  es  ein  Vorzug  des  fleissigen  Aufsatzes,  dass  aus 
allen  möglichen  andern  Culturkreisen  und  -zeiten  Analogien  für  die  An- 
schauungen des  Alterthums  beigebracht  sind.  Die  Litteratur  ist  um- 
fassend, wenn  auch  nicht  ganz  vollständig,  benutzt  und  die  Belegstellen 
sind  angegeben.  Man  vergleiche  namentlich  noch  Magcrstedt,  Bilder  aus 
der  römischen  Landwirthschaft  VI.  Heft,  die  Bienenzucht  und  die  Bienen- 
pflanzen der  Römer,  Sondershausen  1863,  338  S.  8.  und  Friedreich,  Sym- 
bolik und  Mythologie  der  Natur  S.  631  ff.  Des  Referenten  Artikel  Apes 
in  Pauly's  Realencyclopädie  P  S.  1230.  1231  hätte  den  Verfasser  auf 
diese  Bücher  aufmerksam  gemacht. 

P.  Stengel,  Pferdeopfer  der  Griechen.  Philologus  XXXIX  Heft  1 

S.  182  ff. 

Die  Pferdeopfer,  welche  die  Griechen  einzelnen  Gottheiten,  beson- 
ders dem  Helios  und  Poseidon,  darbrachten,  sind  von  den  Persern  oder 
auch  von  den  Skythen  entlehnt.    Die  einzelnen  Stellen  werden  sorgfältig 

Jahresbericht  für  Alterthiimswi^senschaft  XXVHI.    (1881.  HI.)  7 


98  Naturgeschichte. 

aufgezählt.  Die  Skythen  liatten  ganz  gewöhnlich  Pferdeopfer,  ebenso 
opferten  die  Perser  dem  Sonnengotte  und  Stromgöttern  Rosse.  Die  Farbe 
der  Rosse  ist  weiss,  selbst  bei  entschiedenen  Todtenopfern ,  wie  Lucian. 
Scyth.  2,  was  sonst  durchaus  ungriechisch  ist. 

Theobald  Fischer,  Die  Dattelpalme.     Ergänzungsheft  No.  G4 
zu  Petermann's  Mittheilungen.    Gotha  1881.     85  S.  gr.  4. 

Es  war  ein  sehr  zcitgemässer  Gedanke,  die  in  vielen  Stücken  längst 
überholte  Epoche  machende  Arbeit  Karl  Rittcr's  über  die  Dattelpalme*) 
durch  eine  neue  Abhandlung  zu  ersetzen.  Dies  ist  in  sehr  erfreulicher 
Weise  in  obiger  Schrift  geschehen.  Uns  interessiert  der  grösste  Theil 
des  ersten  Abschnitts  über  die  Geschichte  der  Dattelkultur:  unterstützt 
wird  derselbe  durch  eine  genaue  Karte  über  die  geographische  Verbrei- 
tung des  Baumes. 

Die  Dattelpalme  stammt  nicht,  wie  Georg  Schweinfurth  glaubte, 
von  der  wilden  Dattelpalme,  Phoenix  spinosa,  des  tropischen  Afrika;  sie 
ist  vielmehr  als  dem  Wüstengebiet  ureigenthümlich  anzusehen  (S.  2). 
In  verschiedenen  Gegenden  desselben  giebt  es  Bestände  von  wilden  oder 
verwilderten  Dattelpalmen,  aber  stets  sind  es  ziemlich  unansehnliche  Ge- 
wächse; das  Bild  des  säulenartig  schlank  emporsteigenden  Palmbaums 
mit  seinen  schweren  rothen  oder  goldgelben  Datteltrauben  ist  ein  Er- 
zeugniss  sorgfältiger  Pflege,  nicht  der  Natur  (S.  3).  Der  Botaniker 
E.  Kämpfer,  der  im  9.  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts  mehrere  Jahre 
im  südlichen  Persien  lebte,  unterscheidet  sehr  scharf  zwischen  der  ge- 
pflegten, von  ihm  Palma  hortensis  genannten,  und  der  wilden,  Palma 
silvestris,  welch'  letztere  stets  niedrig  und  struppig  sei,  härtere  Blätter 
habe  und  daher  besonders  zu  Flechtwerk  verwendet  werde ;  ihre  Früchte 
seien  ungeniessbar,  der  Araber  nenne  sie  daher  »den  Ignoranten«,  leite 
aber  die  veredelte  Dattelpalme  von  ihr  her  (S.  4). 

Indem  sich  somit  der  Verfasser  an  Grisebach  anschliesst,  der  gleich- 
falls eine  Einführung  der  Dattelpalme  aus  der  Fremde  nach  der  Sahara 
leugnete,  fragt  er:  wo  ist  dieser  Baum  zuerst  veredelt  worden?  Jeden- 
falls im  Osten  der  Sahara,  vielleicht  in  Aegypten?  Den  alten  Aegyptern 
diente  der  Palmbaum,  weil  er  angeblich  jeden  Monat  ein  neues  Blatt 
ansetzt,  zur  Bezeichnung  des  Jahrescyclus  mit  den  Monaten.  Schon  tief 
im  3.  Jahrtausend  vor  unserer  Zeitrechnung  war  der  Dattelbaum  in 
Aegypten  ein  edler  Fruchtbaum:  wir  finden  ihn  unter  den  Hieroglyphen. 
Die  Nachahmung  von  Palmenstämraen  und  Palmenblättern  und  -  fruchten 
in  den  Säulen  der  altägyptischen  Tempel  ist  wohl  davon  abzuleiten,  dass 
ursprünglich  die  Tempelsäulen  aus  wirklichen  Palmenstämmen  bestanden, 
wie  von  Mohammed  berichtet  wird,  dass  er  als  die  ersten  Säulen  der 
Moschee  zu  Medina  Palmenstämme  in  einer  Erdmauer  aufrichtete.   Auch 


•)  Erschienen  1847  im  XIII.  Bande  seines  »Asien«,  98  S.  umfassend. 


Naturgeschichte.  99 

das  Dachgesiras  erscheint,  uamentlich  bei  älteren  Bauten,  meist  als  Nach- 
ahmung einer  Reihe  dicht  nebeneinandergestellter  Palmblätter.  Auf  zahl- 
reichen Darstellungen  in  Theben,  deren  Zeit  freilich  nicht  sicher  bestimmt 
ist,  sehen  wir  die  Dattelpalme  mit  mächtigen  Fruchttrauben  beladen  von 
den  Aegyptern  gepflegt  und  bewässert.  Auch  Dattelbrode  und  getrock- 
nete Datteln  hat  man  in  den  Gräbern  von  Theben  gefunden  (S.  5).  Jeden- 
falls aber  war  die  Dattel  nur  in  dritter  Linie  Nahrungszweig,  keineswegs 
in  erster,  wie  Buckle  behauptet  hat,  der  auf  diese  massenhafte  und  billige 
Nahrung  die  Verdichtung  der  Bevölkerung  und  die  ganze  Culturentwick- 
lung  Aegyptens  zurückführen  möchte  (History  of  civilization  in  England 
I  p.  78).  Palmwein  kam  aus  Mesopotamien  nach  Aegypten  und  feine 
Datteln  aus  den  Oasen  der  libyschen  Wüste,  besonders  aus  Siuah,  wel- 
che Oase  die  der  Amu  d.  i.  Palmen  genannt  ward.  In  ganz  Unterägypten 
und  namentlich  im  Delta  gediehen  die  Datteln  schlecht,  vorzüglich  da- 
gegen in  der  Thebais,  und  hier  wieder  am  besten  auf  einer  Nilinsel, 
welche  ehemals  den  Königen,  später  den  römischen  Statthaltern  gehörte 
und  grosse  Revenuen  abwarf  (S.  6). 

Was  Assyrien  und  Chaldäa  betrifft,  so  hat  man  in  dem  uralten 
Ur  (Mugheir)  in  Chaldäa  Gefässe  mit  Dattelkernen  in  den  Gräbern  ge- 
funden. Diese  Dattelkerne  kommen  nur  zusammen  mit  Stein-  und  Bronze- 
werkzeugen vor  und  sind  vielleicht  dem  3.  Jahrtausend  v.  Chr.  zuzu- 
schreiben. Dattelpflückende  Frauen  sind  auf  den  babylonischen  Denk- 
mälern abgebildet.  Viel  jünger  sind  die  Skulpturen  von  Kujundschik, 
wo  Gastmähler  dargestellt  sind,  bei  denen  Büschel  reifer  Datteln  aufge- 
tragen werden ;  ferner  eine  Landschaft,  wie  es  scheint  am  unteren  Euphrat, 
wo  fruchtbeladene  Dattelpalmen  von  den  Kriegern  umgehauen  werden. 
Diese  Darstellungen  sind  nicht  älter  als  aus  dem  Ende  des  8.  Jahrhun- 
derts V.  Chr.  Etwas  älter,  nicht  viel  nach  dem  Jahre  1000  v.  Chr.,  sind 
Kujundschiker  Skulpturen,  welche  dattelpalmenumgebene  Tempel  und 
einen  königlichen  Dattelhain  des  Asshur-bani-pal  zeigen.  Xenophon's 
10,000  Griechen  fanden  in  den  babylonischen  Dörfern,  westlich  vom  heuti- 
gen Bagdad,  wo  jetzt  unbewohnter  Sumpf  und  Steppe  sich  ausdehnt, 
Datteln  und  Dattelweiu  die  Fülle.  Auch  Strabo  erwähnt  Mesopotamien 
als  Dattelpalmenland  (S.  7);  ebenso  war  Mesopotamien  zur  Zeit  Ammian's 
noch  ganz  voll  von  Palmen  und  man  fand  Honig  und  Wein  von  Palmen 
und  Reben  im  Ueberfluss;  Weinreben  umrankten  die  Palmen.  Doch  kam 
die  Dattelpalme  auch  in  Mesopotamien  als  Nahrungsmittel  entschieden 
nach  dem  Getreide  in  Betracht  (S.  8). 

Dagegen  in  Arabien  ist  die  Dattel  Nährfrucbt  ersten  Ranges  (S.  10); 
hier  auch  hat  sich  die  culturhistorisch  so  folgenreiche  Thatsache  der 
Veredlung  der  Palme  vollzogen  (S.  11). 

So  sehr  auch  die  Dattelpalme  von  den  Hebräern  gepriesen  wird, 
und  obgleich  schon  vor  der  Eroberung  des  Landes  die  Eingeborenen  bei 
Jericho  Palmencultur  trieben,  so  ist  es  doch  ausser  aller  Frage,  dass  für 

7* 


]00  Naturgoschichto. 

Judäa,  Syrien  und  Phönicien  der  Raum  im  Ganzen  nur  mehr  noch  als 
Zierbaum  figuriert.  Die  Gegend  von  Jericho  mit  ihren  besonders  fein 
culti vierten,  delicatcn  Datteln  war  wie  eine  Oase.  Tadmor-Palmyra,  die 
Palmcnstadt  Nordsyriens,  bezeichnet  die  Polargrenze  der  Dattelcultur, 
und  dieselbe  war  hier  viel  jünger  als  zu  Jericho  (S.  12).  Unter  den 
Waaren,  welche  die  Phönicier  den  Griechen  zuführten,  waren  auch  Dat- 
teln, und  der  Frucht  folgte  dann  auch  der  Baum,  wie  es  ähnlich  mit 
dem  Olivenöl  und  dem  Oelbaum,  dem  Johannisbrodbaum,  den  Limonen 
und  andern   edlen  Fruchtbäumen   des  Mittelmeergebietcs   geschehen  ist. 

[Der  Verfasser  meint  dann  gewiss  mit  Recht,  dass  der  griechische 
Name  ipotvt^  für  Dattel  eigentlich  eben  die  phönicische  Frucht  besagen 
wolle,  und  dass  nicht  umgekehrt  die  Phönicier  ihren  Namen  von  der 
Dattel  —  Dattelmänncr  erhalten  haben.  Wenn  er  nun  aber  weiter  den 
Namen  der  Phönicier  selbst  =  Rothmänner  auf  die  rothe  Farbe  des  von 
ihnen  bewohnten  Terrains  zurückführt,  trotzdem  er  selber  einräumt,  dass 
manches  andere  Gebiet  um  das  Mittelmeerbecken  herum  mit  grösserem 
Rechte  »Rothland«  genannt  werden  könnte,  so  möchte  ich  ihm  hierin 
nicht  folgen.  Ich  glaube,  dass  die  Phönicier  von  ihrer  Purpur- 
fabrikation so  benannt  worden  sind.  Vollends  unglaublich  ist  die 
Behauptung  (S.  15),  dass  ddxTo^^og  Dattel  auf  das  semitische  nachl  zu- 
rückzuführen sei.  Auch  dass  palma  aus  semitischem  tamar  entstanden 
sei,  würde  ich  nicht  unterschreiben.] 

Die  Verbreitung  der  Dattelpalme  von  Phönicien  aus  über  die  grie- 
chisch-römische Welt  wird  im  Anschlüsse  au  V.  Hehn  besprochen,  S.  14  ff. 

Georg  Thudichum,  Traube  und  Wein  in  der  Culturgeschichte. 
Tübingen,  Laupp  1881.     106  S.  8. 

Es  wird  behandelt  1)  der  Weinstock  und  seine  Herkunft,  2)  der 
Weinbau  in  Asien,  3)  in  Afrika,  4)  in  Amerika  und  Australien,  5)  »Ob 
Wanderung  der  Pflanzen«,  6)  Weinbau  in  Europa. 

Im  ersten  und  fünften  Capitel  polemisiert  der  Verfasser  energisch 
gegen  Hehn  und  die  andern  Anhänger  der  Wanderungs-  und  Entlehnuugs- 
theorie,  und  dies  ist  eben  der  interessanteste  Theil  des  Buches.  Hören 
wir  die  Meinung  des  Verfassers. 

S.  3  ff.:  Es  ist  eine  vielverbreitete,  durch  die  berühmtesten  Namen 
vertretene  Ansicht,  dass  die  wichtigsten  Thiere  und  Pflanzen  aus  einem 
einzelnen  Ursprungslande  die  Menschen  über  die  Erde  begleitet  hätten. 
Liunaeus  leitete  die  ganze  Vegetation  der  Erde  von  einem  der  höchsten 
Gebirge  der  Erde  ab.  Das  von  Humboldt  bezweifelte  Vorkommen  wilder 
Arten  unseres  Getreides  an  verschiedenen  Orten  melden  neuere  Reisende 
und  er  selbst  scheint  es  auch  zuzugestehen,  wiewohl  er  vorher  ausspricht, 
wie  die  Früchte  der  Ceres,  so  seien  Stier  und  Ross  dem  Menschen  über 
den  Erdkreis  gefolgt.  Der  europäische  Ochse  ist  zwar  über  viele  Län- 
der verbreitet,  Oken  aber  glaubt  ihn  in  asiatischen  Ländern  noch  wild 


Naturgeschichte.  101 

vorhanden  und  hält  doch  mit  Recht  den  jetzt  fossilen  Ochsen,  den  Urus 
der  Deutschen  bei  Cäsar,  für  den  Stammvater  unseres  Rindes.  Und 
haben  nicht  verschiedene  Länder,  Indien,  Ungarn,  Amerika  u.  s.  w.  ein- 
geborene Rinder  als  Hausthiere'?  Und  wilde  eingeborenen  Pferde,  nicht 
verwilderte,  wie  in  Amerika,  gab  es  noch  zu  Plinius  Zeiten  im  Norden, 
in  Scythien  [auch,  sogar  später  noch,  in  Spanien],,  heerdenweise,  wie  sie 
sich  jetzt  noch  jenseits  des  kaspischen  Meeres  finden.  Auch  das  Ge- 
burtsland des  Hundes  ist  nicht  zu  ermitteln  (in  Amerika  und  Europa 
dieselbe  Rasse).  Unser  Schwein  stammt  vom  einheimischen  Wildschwein 
(so  urtheilt  schon  Varro  [ebenso  BrehmJ).  Bleibt  nun  hier  Alles  un- 
sicher oder  im  Widerspruch,  so  sind  wir  nicht  zu  kühn,  wenn  wir  an- 
nehmen, der  Weinstock,  das  edelste  Gewächs,  ist  ursprünglich 
daheim  in  allen  Regionen,  wo  er  überhaupt  gedeihen  kann;  gleich- 
sam neu  geschaffen  wurde  er,  nachdem  der  Mensch  sein  Wesen  erkannt 
hatte  und  ihn  genoss,  benutzte  und  veredelte.  Veredlung  bedarf  er 
überall,  in  den  weniger  günstigen  Gegenden  die  meiste;  der  Schnitt 
ist  zur  Vollkommenheit  der  Früchte  nothwendig.  Wir  behaui)ten,  die 
alten  Deutschen  genossen  am  Rhein  ausser  dem  Feldobst,  als  Aepfeln, 
Birnen,  Schwarzkirschen,  Pflaumen  u.  s.  w.  und  neben  den  übrigen  Beeren 
auch  Trauben,  soweit  sie  essbar  waren.  Wann  und  wie  soll  das  Getreide 
aus  Asien  gekommen  sein ,  das  schon  in  der  Steinzeit,  die  auf  70  Jahr- 
hunderte zurückgeht,  in  den  Pfahlbauten  als  Weizen,  Gerste,  Hirse  u.  s.  w. 
gefunden  wird?  Und  wenn  sich  vollends  bestätigen  sollte,  dass  die  Natur 
den  Menschen  zu  verschiedenen  Zeiten  und  an  verschiedenen  Orten  her- 
vorgebracht habe,  so  verlöre  der  Gedanke  von  Thieren  und  Pflanzen, 
die  den  Menschen  begleitet  haben  sollen,  seine  hauptsächlichste  Be- 
deutung. 

Der  Weinstock  ist  älter  als  alle  Geschichte,  älter  als  die  Mensch- 
heit auch  an  der  Grenze  seines  nördlichen  Gebiets  in  Deutschland ;  seine 
Blätter  und  Früchte  zeigt  das  Braunkohlenbergwerk  zu  Salzhausen  in 
der  Wetterau.  Die  Thäler  des  Rheins,  der  Donau,  des  Amur  am  Ost- 
ende Asiens,  Italien,  Sicilien,  Portugal,  Mexico  und  Nordamerika  weisen 
wild  wachsende  Reben  auf,  mit  guten  und  mit  schlechten  Beeren  (Bron- 
ner sammelte  und  cultivierte  36  wilde  Sorten  mit  verschiedenem  Erfolg; 
ihre  Trauben  ungeniessbar,  mittelmässig,  gut  und  vorzüglich).  Jene  ge- 
ben überall  Wein,  in  Deutschland  wie  am  Orontes.  Verwildert  will  man 
sie  nennen,  aber  der  Beweis  dafür  fehlt,  und  auch  Candolle  findet  die 
Unterscheidung  zwischen  cultivee  und  spontance  unthunlich,  wiewohl  er 
doch  alsdann  wieder  Armenien  für  die  patrie  originaire  de  l'espcce  er- 
klärt. Und  warum  soll  hier  das  Vaterland  sein,  also  von  hier  aus  die 
Pflanze  sich  verbreitet  haben?  Antwort:  weil  dort  die  gewaltigsten 
Weinstöcke  von  Menscheudicke  und  Baumhöhe  ungepflegt  die  grösstcn 
Trauben  von  gutem  Geschmack  hervorbringen.  Aber  ähnlich  wachsen 
sie  in  Campanien,  am  kaspischen  Meer,  in  Kaschmir,  am  Libanon,  wo 


102  Naturgeschichte. 

Schulz  .  .  .  eine  halbfussdicke  Rebe  mit  12  Pfund  schweren  Trauben  fand. 
Und  Meyen  dagegen  sucht  in  Cyrenaica  das  Vaterland.  Nein,  die  über- 
grosse Naturkraft  und  Fülle  des  Wachsthums  entscheidet  hier  nicht;  in 
massigem  Klima,  auf  künstlich  verbessertem  Boden,  von  kleinen  Trauben, 
werden  in  guten  oder  besten  Jahren  die  köstlichsten,  theuerstcn  Weine 
der  "Welt  gezogen.  Der  Geist  des  Menschen  feiert  hier  seine  Triumphe. 
Der  gezähmte  Stier,  der  Genosse  der  europäischen  Menschen,  hat  gegen 
den  Urstier,  seinen  Stammvater,  eine  gesteigerte  Kopfbildung,  rundere 
Stirne,  mehr  nach  vorn  gekehrte  Augen,  vollkommeneren  Gehörgang  und 
kleinere  Hörner;  ebenso  veredelt  sich  der  Weinstock  unter  der  Hand 
des  Menschen,  während  der  wilde,  mit  geringeren  Früchten  in's  Unge- 
heuere auswächst.  Ungepflegt,  wie  auch  aus  Samen  gezogen,  bringt  er 
verhältnissmässig  geringere  Früchte,  gleich  unserem  jetzt  veredelten 
Obste. 

Die  Frage  über  wild  und  verwildert  ist  im  einzelnen  Falle  nicht 
zu  entscheiden.  Ja  der  botanische  Unterschied  zweier  Gattungen,  den 
schon  die  Alten  machten,  den  unsere  botanischen  Lehrbücher  noch  immer 
fortführen,  nämlich  zahm  und  wild,  Vitis  vinifera  und  Vitis  labrusca,  steht 
auf  schwachen  Füssen.  Die  labrusca  oder  silvestris  soll  kleine  und  un- 
schmackhafte Beeren  tragen,  aber  die  verwilderte  Rebe  hat  sie  eben- 
falls ;  dass  sie  auch  unfruchtbar  sei,  sagen  Alte  und  Neue ;  wirklich  nur 
männlich  blühende  hat  Bronner  gefunden.  Denkt  man  sich  aber  unter 
der  labrusca  oder  silvestris  eine  zum  Wein  unbrauchbare  Art,  so  ist  das 
mehrfach  widerlegt.  Die  Catawba  und  die  Herbermond,  nach  Darlington 
Varietäten  der  in  den  nördlichen  Unionsstaaten,  nicht  in  Virginien,  ein- 
geborenen Vitis  labrusca,  hat  man  den  dort  nicht  gedeihenden  europäi- 
schen Sorten  der  Vitis  vinifera  mit  bestem  Erfolg  substituiert,  während 
auf  der  californischen  Seite  Weinberge  mit  europäischen  Reben  prospe- 
rieren. Der  nordamerikanische  Weinstock  wetteifert  aber  in  der  Grösse 
mit  denen  von  Vorderasien.  Und  wenn  als  Charakter  der  labrusca  Wolle 
oder  Flaum  angegeben  wird,  so  haben  diesen  auch  andere  Reben,  schon 
bei  Plinius,  und  Link  setzt  mehrere  wilde  Arten  voraus  nach  der  Be- 
haarung. 

Ist  nun  der  Weiustock  .  .  .  überall  in  den  geeigneten  Klimaten  der 
Erde  daheim,  hat  er  seine  Menschen  überall,  wo  es  geschehen  konnte, 
erwartet,  um  von  ihnen  seine  Vollendung  zu  empfangen,  wozu  denn  auch 
die  Erweiterung  des  Gebietes  seiner  Cultur  nach  allen  Seiten  innerhalb 
seiner  Zone  und  über  dieselbe  hinaus  zu  rechnen  ist,  so  kann  die  Frage 
nicht  mehr  auf  die  Herkunft  desselben  gerichtet  werden,  sondern  ledig- 
lich auf  die  Geschichte  des  Anbaues  der  Rebe  und  der  Fertigung  des 
Weines.  Die  .  .  .  offenbar  verwandten  Namen  des  Weines  in  mehreren 
Sprachen  scheinen  auf  den  Orient  zu  deuten,  und  es  ist  auch  das 
Natürlichste  und  Wahrscheinlichste,  dass  diejenigen  Länder,  in  welchen 
der  Weinstock  in  grosser  Vollkommenheit  und  Fülle  ungepflegt  aufwächst, 


Naturgeschichte.  103 

zuerst  durch  Zufall  oder  Reflexion,  auf  die  Weinbereitung  und  auf  die 
Cultur  der  Rebe  gekommen  sind.  Allein  ob  diese  Kunst  von  Einem 
Punkt  ausgegangen  sei  .  .  .  oder  ob  unabhängig  an  verschiedenen  Orten 
die  Entdeckung  gemacht  Avorden,  dies  bleibt  unentschieden.  .  .  .« 

[Also,  Reben  sind  an  sehr  vielen  Orten  der  Welt  spontan  entstan- 
den. Auch  in  den  uraltitalischen  Terremare  hat  sich  die  unveredelte 
Rebe  gefunden;  aber  die  Cultur  des  Weines,  die  Erfindung  der  Wein- 
bereitung dürfte  denn  doch  aus  dem  inneren  Vorderasien  stammen,  wo- 
hin ja  auch  die  Sagen  von  Noah  und  von  Dionysos  weisen.  Die  Chinesen 
hatten  nach  S.  9  ausdrücklich  die  Tradition,  dass  ihre  Reben  aus  dem 
Westen  zu  ihnen  gebracht  worden  seien.  —  Für  den  griechischen  und 
römischen  Weinbau  speciell  ist  wenig  oder  nichts  neues  aus  dem  Buche 
zu  lernen;  es  dürfte  dies  mit  der  Nichtbenutzung  der  speciellsten  Vor- 
arbeiten zusammenhängen.  Man  vermisst  nämlich  z.  B.  das  ausführliche 
Buch  von  Magerstedt,  Weinbau  der  Römer,  Sondershausen  1858,  224  S.  8. 
und  eine  Reihe  von  Specialabhandlungen.  Ausserdem  wäre  Varabery,  pri- 
mitive Cultur  des  turkotatarischen  Volkes  (1879)  S.  219  zu  beachten  ge- 
wesen, wo  behauptet  wird,  dass  ausser  den  Gegenden  südlich  vom  Süd- 
rand des  kaspischen  Meeres  jedenfalls  noch  die  Oasenländer  östlich  von 
diesem  Meere  als  Heimat  des  Weinstocks  anzusehen  seien.  Weiter  war 
hinsichtlich  Armeniens  wohl  zu  beachten,  dass  Koch  (der  jahrelang  dort 
war)  selbst  bei  den  jetzt  mitten  in  Wäldern  wachsenden  sogenannten 
wilden  Weiustöcken  ein  deutliches  Zeichen  ursprünglicher  römischer 
Cultur  wahrgenommen  hat"*"),  sofern  sie  in  der  Quincunxform  gepflanzt 
sind,  die  uns  aus  den  lateinischen  Landwirthschafts-Schriftstellern  so  be- 
kannt ist.  Die  griechische  Dionysoslegende  endlich  dürfte  auf  uralten, 
vielleicht  urältesten  Weinbau  in  Kaschmir  oder  einem  andern  Lande 
nördlich  von  Indien  zurückgehen.] 

Alexander  Del  Mar,  formerly  Director  of  the  Bureau  of  Sta- 
tistics  of  the  United  States,  A  history  of  the  precious  metals  from 
the  earliest  times  to  the  present.     London  1880.    373  S.  8. 

Das  Buch  ist  für  die  Kulturgeschichte  überhaupt  von  grossem  In- 
teresse. Die  Vorrede  ist  datiert  aus  San  Francisco  in  Californien,  und 
der  Autor  sass  also  vollständig  »an  der  Quelle«,  als  er  seine  Geschichte 
und  Naturgeschichte  des  Gold-  und  Silbergrabens  schrieb.  Welche  Masse 
von  teuflischem  Verrath,  cannibalischer  Grausamkeit  und  Mordgier,  er- 


*)  Anders  freilich  urtheilt  auch  Grisebach  in  der  Recension  von  V.  Hehn's 
Kulturpflanzen  in  den  Gottinger  gel.  Anz.  1872  S.  1773:  »Ganz  verschieden 
verhalten  sich  die  Sprossen  verwilderter  Weinstöcke  auf  verlassenen 
Weinbergen,  als  die  Reben  in  den  Wäldern  des  rontns;  die  orsteren 
dringen  nicht  ein  in  die  Formationen  der  ursprünglich  einheimischen  Vegeta- 
tion«. Es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  Botaniker  selbst  über  diese  Verwilde- 
rungsfrage einig  würden. 


]  04  Naturgeschichte. 

bärmlichstcr  Niedertracht  überhaui)t  tritt  uns  in  diesen  Blättern  ent- 
gegen! Wer  sich  überzeugen  will,  welcher  Fluch  am  Golde  haftet,  dem 
rathen  wir  in  diese  blutrünstigen  Geschichten  einen  Blick  zu  werfen. 
Aber  die  schrecklichsten  Geschichten  sind  nicht  aus  dem  Alterthume, 
und  wir  haben  uns  hier  bloss  mit  diesem  zu  beschäftigen.  Im  Ganzen 
sind  jedoch  eben  die  vielen  Parallelen,  die  uns  aus  dem  Mittelalter  und 
der  neuesten  Zeit  für  Berichte  des  Alterthums  geboten  werden,  von  un- 
gemeinem Werth  auch  für  einen  Philologen,  dorn  es  um  die  Kritik  der 
antiken  Berichte  zu  thun  ist.  Ich  will  nun  einige  der  wichtigsten  Sätze 
herausheben,  ohne  entfernt  damit  alles  erschöpfen  zu  können. 

Ein  Hauptgedanke  des  ganzen  Buches  ist,  dass  die  meisten  sehr 
grossen  Umwälzungen  in  der  Weltgeschichte  auf  der  Goldgier  des  Men- 
schen beruhen.  Nicht  bloss  von  Columbus,  der  eigentlich  Japan's  Gold 
haben  wollte,  und  von  ähnlichen  sicheren  Goldraubzügen*)  oder  Argo- 
nautenfahrten gilt  dies,  sondern  auch  von  den  Kriegen  Alexander's  gegen 
Persien,  Rom's  gegen  Hannibal  (um  Spanien),  Cäsar's  gegen  Gallien:  in 
allen  handelte  sich's  im  Grunde  um  Gold  und  Silber.  Bei  Alexander, 
der  allerdings  eine  fast  völlig  leere  Gasse  hatte,  als  er  gegen  Darius 
zog,  ist  dies  nicht  unwahrscheinlich;  auch  Cäsar  hatte,  als  er  gegen  die 
Gallier  rückte,  Schulden  genug,  so  dass  beim  Triumphzug  die  Soldaten 
auf  ihn  saugen: 

Aurum  in  Gallia  effutuisti,  hie  sumpsisti  mutuum. 

Und  dass  den  Römern  beim  Kampf  mit  Karthago  das  Monopol  der  spa- 
nischen Gold-  und  Silberbergwerke  und  des  äusserst  lucrativen  Handels 
nach  Indien  Hauptsache  gewesen  ist,  wird  man  dem  Verfasser  auch  zu- 
geben. 

2)  Ein  sehr  interessanter  und  evident  nachgewiesener  Satz  ist  es 
ferner,  dass  bei  freier  Arbeit  die  Gold-  und  Silberproduction  nicht  loh- 
nend sei,  nur  bei  Sklavenarbeit.  Nur  bei  grausamster  Ausnutzung  der 
Arbeiter  —  wie  dies  ja  auch  aus  dem  Alterthum  überliefert  ist  —  konnte 
ein  ansehnlicher  Gewinn  erzielt  werden. 

3)  Die  gewöhnliche  Folge  grosser  Goldausbeute  ist  für  das  be- 
treffende Volk  grosse  Demoralisation:  dies  wird  u.  a.  an  dem  Zeugniss 
der  Alten  über  die  Entartung  der  Lydier  und  an  der  Selbstmord-  und 
Verbrecheustatistik  von  Californien  nachgewiesen. 

4)  Mit  grellen  Farben  wird  aus  eigener  Anschauung  die  furchtbare 
Zerstörung  fruchtbaren  Landes  geschildert,  eine  Zerstörung  für  die  Ewig- 
keit, in  Folge  der  rücksichtslosen  Ausbeutung  durch  die  Goldgräber: 
meilenweit  und  ellenhoch  wird  der  Humus  unter  Geröll  vergraben,  die 
schönsten   Waldungen  vernichtet,   segensreiche  Ströme  trocken  gelegt. 


*)  Gold,  Gewürze   und  Sklaven  waren  der  Zweck  der  spanischen  Ent- 
deckungszüge. 


Naturgeschichte.  ]  05 

Daran  ist  namentlich  der  hydraulische  Minenbetrieb  schuld,  den  wir  aber 
schon  im  antiken  Spanien  finden.  Solche  Golddistrikte  verfallen  ewiger 
Verödung  und  Unfruchtbarkeit.  Auch  die  Gegend  des  Paktolos  an  der 
Stelle  des  alten  Sardes  bietet,  wie  ich  aus  Augenschein  hinzufügen  kann, 
das  Bild  einer  kleinen  Wüste. 

6)  Die  merkwürdige  Angabe  des  Agatharchides,  dass  der  Silber- 
werth  in  Altarabien  einst  das  Zehnfache  vom  Goldwerth  betragen  habe, 
erscheint  dem  Verfasser  nicht  unmöglich,  wenn  mau  sie  durchaus  auf 
den  Orient  und  auf  die  Zeit  vor  Erschliessung  der  griechischen  Silber- 
bergwerke bezieht;  und  er  stützt  dies  wieder  durch  eine  Parallele,  so- 
fern in  Peru  zur  Zeit  der  ersten  Landung  der  Spanier  das  Gold  weniger 
werth  war  als  das  Kupfer.  Ich  verweise  übrigens  auf  Schliemann's  Ilios 
S.  525  f.,  woraus  erhellt,  dass  es  auch  in  Vorderasien  selbst,  ganz  ab- 
gesehen von  Laurion,  Silber  genug  gegeben  haben  muss.  Es  kann  sich 
also  nur  von  einem  völlig  ausser  dem  gemeinen  Verkehr  stehenden  Be- 
zirke Altarabiens  handeln. 

Weitere  Einzelheiten  will  ich  nicht  anführen.  Damit  aber  der 
Leser  dieser  Anzeige  doch  einen  vollständigen  allgemeinen  Ueberblick 
über  das  ihm  wahrscheinlich  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommene  Buch 
erhalte,  will  ich  jetzt  noch  die  Ueberschriften  der  einzelnen  Capitel,  in 
welche  es  zerfällt  und  deren  fast  jedes  auch  einen  grösseren  oder  klei- 
neren Passus  über  das  classische  Alterthum,  mindestens  wichtige  Analo- 
gien dafür,  enthält,  mittheilen. 

I.  Die  Argonauten  des  Alterthums. 

IL  Gold-  und  Silbergewinnuug  im  frühereu  Alterthum. 

III.  Kämpfe  um  die  spanischen  Bergwerke. 

IV.  Römische  Kriege  um  Gold  und  Silber. 

V.  Gold-  und  Silbergewinnung  im  Mittelalter. 

VI.  Amerika;  Anhang:  Spanische  Münzen,  Gewichte  und  Werth- 
verhältniss  von  Gold  und  Silber  zueinander  in  der  Periode  der  Ent- 
deckung. 

VII.  Die  Jagd  nach  Gold  in  Ilispaniola. 

VIII.  Des  weissen  Mannes  Gott;  Anhang:  Grausamkeit  der  Europäer. 

IX.  Darien. 

X.  Panama. 

XI.  Mexico.     Anhang:    Amerikanischer  Glaube   au   einen  Messias. 

XII.  Yucatan  und  Honduras. 

XIII.  Guatemala. 

XIV.  Pizarro. 

XV.  Peru. 

XVI.  Brasilien.  Anhang:  Notizen  zum  Verzeichuiss  der  Goldpro- 
duction  Brasiliens. 

XVII.  Japan. 

XVIII.  Die  spanisch-amerikanische  Revolution. 


106  Naturgeschichte. 

XIX.  Russland. 

XX.  Califoniien  und  die  Pacific-Küste. 

XXI.  Australien. 

XXII.  Statistik  der  Edelmetallproduction  der  westlichen  Hemisphäre. 

XXIII.  Statistik  des  Verbrauchs  der  Welt. 

XXIV.  Metallgeldabfluss  (flow  of  species)  von  Europa  nach  dem 
Orient. 

XXV.  Edolmetallvorrath  der  Welt;  Anhang  A:  Römische  Methode 
der  Bezeichnung.     Anhang  B:   Münzvorrath  einzelner  Länder. 

XXVI.  Verhältniss  von  Gold-  und  Silberwerth  (the  ratio)  zueinan- 
der im  Alterthum ;    Anhang:  Tabelle  dieses  Verhältnisses. 

XXVII.  Dieses  Verhältniss  in  der  Neuen  Zeit;  Anhang:  Tabellen 
darüber. 

XXVIII.  Die  Production  der  Edelmetalle  ist  keiner  Controlle  un- 
terworfen. 

XXIX.  Kosten  des  freien  Bergbaues. 

XXX.  Abhängigkeit  des  Werthes  von  der  Quantität. 

XXXI.  Weitere  Betrachtungen  über  Kosten  und  Werth. 

XXXII.  Drei  Arten  des  Betriebs,  welche  die  technischen  Namen 
führen  l)  placer  —  2)  vein  —  3)  hydraulic  raining. 

XXXIII.  Verwüstung  durch  die  Goldgräberei. 

XXXIV.  Störung  regelrechter  Industrie  durch  die  Goldgräberei. 

XXXV.  Sociale  Wirkungen  der  Goldbergwerke;  Anhang:  Die  Ge- 
sellschaft in  der  Nähe  der  Minen. 

XXXVI.  Mühsal,  Kost  und  Entbehrungen  in  den  Minen. 

XXXVII.  Der  hazardartige  Charakter  der  Goldgräberei. 

XXXVIII.  Die  Goldgräberei  befördert  Verrücktheit  und  Verbrechen. 

XXXIX.  Die  Goldgräberei  aus  Staatsklugheit  verboten  (Policy  of 
closing  the  Mines). 

XL.  Schluss:    Rückblick  auf  die  Hauptresultate. 

Für  eine  zweite  Auflage  möchten  wir  den  Verfasser  u.  a.  auf  Momm- 
sen's  Geschichte  des  römischen  Münzwesens  aufmerksam  machen.  Eine 
Reihe  Specialschriften  wären  wir  bereit  ihm  brieflich  namhaft  zu  machen. 
Bis  jetzt  hat  er  von  deutschen  Büchern  eigentlich  nur  Böckh's  Staats- 
haushaltung der  Athener  beigezogen. 

Referat  über  »H.  R.  Goeppert,  suir  ambra  di  Sicilia  e  sugli  og- 
getti  in  essa  rinchiusi.     Roma  1879«  in  Ule's  Natur  1879  No.  51. 

Es  sei  wunderbar,  dass  der  Bernstein  Siciliens,  eine  so  kostbare 
Substanz,  dem  klassischen  Zeitalter  der  Griechen  und  Römer  unbekannt 
geblieben  sei.  Theophrast  de  lapid.  §  29  sagt  nur,  man  habe  ihn  als 
ein  Mineral  zu  betrachten,  welches  in  Ligurien  gegraben  werde,  ohne 
irgend  eine  Oertlichkeit  bestimmter  anzugeben.  Doch  habe  er  seine 
Fähigkeit,    leichte  Körper  anzuziehen,   bereits   gekannt.     Plinius  habe 


Naturgeschichte.  1 07 

zwar  diese  Stelle  des  Theophrast  gekannt  und  wiedergegeben,  sonst  aber 
nur  hinzugefügt,  dass  Philemou  von  zwei  Orten  spreche,  an  denen  in 
Sicilien  Bernstein  gegraben  werde:  weisser  und  wachsfarbiger  an  dem 
einen,  goldfarbiger  an  dem  anderen.  Er  selbst  scheine  nur  an  den 
Bernstein  Preussens  und  Indiens  geglaubt  zu  haben.  Nach  ihm  habe 
damals  als  die  kostbarste  Sorte  eine  von  der  Fcärbung  des  Falernerweins 
gegolten,  weshalb  man  selbige  auch  Falernum  genannt  habe,  und  diese 
werde  demnach  wohl  von  weinrother  oder  dunkelrother  Farbe  gewesen 
sein.  [Sehr  anders  und  gewiss  richtiger  urtheilt  hierüber  Weber,  de 
agro  et  vino  Falerno,  Marburg  1855  S.  51:  Vinum  Falernum  numquam, 
quantum  sciam,  album  dicitur,  sed  xtppöv^  quod  est  gilvum,  subflavum, 
melinum,  colori  sucini  sive  electri  simile,  quamobrem  et  sucinum  ipsum, 
moUi  fulgore  perspicuum,  nominatura  est  Falernum.]  Wann  und  von 
wem  der  sicilianische  Bernstein  zuerst  erwähnt  wurde,  habe  Verfasser 
nicht  auffinden  können.  Nur  Brand  in  seinem  Traite  des  pierres  pre- 
cieuses  (Paris  1808)  sage,  dass  er  an  der  Mündung  einiger  Flüsse  er- 
scheine, in  grossen  Stücken  in  der  des  Giaretla  bei  Catauia,  bei  Licata, 
Girgenti,  Capo  d'Orto  und  Terra -nuova.  [Ich  füge  bei,  dass  gleicher- 
weise auch  der  Eridanos  in  Venetien  an  seiner  Mündung  einst  Bernsteia- 
stücke  gehabt  haben  dürfte*).] 

A.  Serpieri,  II  terremoto  di  Rimini  della  iiotte  l7.— 18.  Marzo 
1875  e  considerazioni  generali  sopra  varie  teorie  sismologichc,  discorso 
letto  nella  universitä  di  Urbino  per  I'apertura  dell'  anno  scolastico 
1877—78.     Urbino  1878.     95  S.  8. 

Mit  den  vielen  seit  1180  aufgezcählten  Erdbeben  in  der  Gegend 
von  Rimini  (S.  32)  harmoniert  eine  Notiz  bei  Plutarch  Antonius  c.  10 
über  ein  Erdbeben  in  dem  benachbarten  Pesaro  (Pisaurum).  Die  Schrift 
macht  den  Eindruck  accurater  Forschung,  berührt  aber  ausser  diesem 
angeführten  Punkte  und  einem  Citat  der  Phädonstelle  von  den  Lava- 
strömen  der  Unterwelt  unsere  Wissenschaft  nicht. 

Mvsca  nrjyrjg  mTpe^acou  napa  //^.o'jzdpj^a).  In  der  athenischen  Zeit- 
schrift llapvaaaog,  röfiog  y'  ~eo-/ug  cß'  Jzxd/ißpmg  1879,  S.  1010. 

Es  wird  erwähnt,  dass  in  der  englischen  Zeitschrift  Athenaeum  ein 
Aufsatz  stehe,  in  welchem  die  Notiz  Plutarch's  im  Leben  Alexanders 
besprochen  sei,  wonach  an  den  Ufern  des  Oxus  PctroleunKiuellcn  exi- 
stierten. Es  wäre  der  Mühe  werth,  diesen  Pctroleumquellcn  nachzu- 
spüren. 


*)  [Vgl.  dazu  G.  F.  Unger,  Der  Eridanos  in  Vouctioii,  in  tl(Mi  Sitzungs- 
berichten d.  i)hilos.-phiIol.  n.  histor.  ('lasse  d.  k.  bayor.  Akailoniio  d.  Wiss.  zu 
München  1878,  Bd.  II,  S.  2ülff.,  besonders  S.  aü3f.].  Anni.  d.  Kod. 


Jahresbericht  über  Geographie  und  Topographie 
von  UnteritaHen  und  Sicilien  für  1880  und  1881. 


Von 

Professor  Dr.  Adolf  Holm 

in  Palermo. 


Unteritalien. 

Wir  beginnen  mit  einem  Buche,  das  die  ältesten  Zeiten  des  Lan- 
des behandelt: 

Ueber    den   Namen  Italien.     Eine    historische  Untersuchung    von 
Beruh.  Heisterbergk.    Freib.  und  Tübingen  1881.    IV,  166  S.   8. 

Gegenstand  dieser  Schrift  ist  zunächst  die  ursprüngliche  Ausdeh- 
nung des  Namens  Italien,  in  einer  Zeit,  da  man  noch  nicht  an  die  apen- 
ninische Halbinsel  als  ein  Ganzes  dachte,  und  sodann  die  sprachliche 
Herleitung  des  Wortes.  Seine  ursprüngliche  Bedeutung  beschränkt  sich 
nach  Antiochos  auf  die  westliche  der  beiden  Zungen,  in  welche  Italien 
ausläuft,  und  die  Frage  ist  hauptsächlich  die,  ob  der  Name  sich  von 
Süden  nach  Norden,  von  der  Meerenge  aus,  verbreitet  habe,  oder  von 
Norden  nach  Süden,  nach  der  Meerenge  zu.  Antiochos  scheint  für  die 
erstere  der  beiden  Annahmen  zu  sprechen,  obschon  freilich  Niebuhr  ge- 
meint hat,  dass  bei  Dionys  von  Halikaruass  I,  73  Anhaltspunkte  dafür 
vorhanden  seien,  zu  glauben,  dass  Antiochos  vielmehr  die  umgekehrte 
Ansicht  gehabt  habe.  Heisterbergk  zeigt  nun,  dass  die  fraglichen  Worte 
nicht  Antiochos,  sondern  Dionys  angehören  und  somit  für  Antiochos  nichts 
beweisen  (S.  V2S.);  sie  beziehen  sich  überdies  nach  Heisterbergk  viel- 
mehr auf  Oenotrien  als  auf  Italien.  Das  Bestreben  nachzuweisen,  dass 
auch  Antiochos  den  Namen  Italia  sich  von  Norden  nach  Süden  verbrei- 
ten lasse,  hängt  mit  dem  Wunsche  zusammen,  auf  diese  Weise  einen 
Beweis  mehr  dafür  zu  finden,  dass  er  eigentlich  aus  der  Tibergegend 
stamme  und  die  Italer  mit  den  Sikelern  identisch  seien.  Auch  dafür 
hat  man  Antiochos  bei  Dion.  Hai.  als  Beweis  herbeigezogen;  Heisterbergk 
meint  jedoch,  dass  gerade  aus  der  von  Antiochos  (Dion.  Hai.  I,  12)  her- 
vorgehobenen chronologisch eu  Folge:  Italos,  Morges,  Sikelos,  hervor- 


Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien.  109 

gehe,  dass  die  Sikeler  später  auftraten  als  die  vorausgegangenen  Italer. 
Heisterbergk  ist  sogar  versucht  Zöller  darin  beizustimmen,  dass  es  auf 
dem  Festland  überhaupt  keine  Sikeler  gegeben  habe  (S.  30.  31).  Wir 
brauchen  auf  diese  Ansicht  Zöller's,  die  wir  nicht  für  richtig  halten,  hier 
um  so  weniger  einzugehen,  weil  eigenthümlicher  Weise  Heisterbergk  selbst 
nachher  nichts  mehr  darauf  giebt  und  im  Gegentheil  (S.  52.  53)  im 
südwestlichen  Italien  noch  in  historischer  Zeit  Sikeler  als  wohnhaft  an- 
nimmt. Der  Wunsch,  Beweise  für  die  Verbreitung  des  Namens  Italien 
von  Norden  nach  Süden  zu  finden,  wird  nun  aber  besonders  bei  denen 
geweckt,  welche  mit  Niebuhr  annehmen,  dass  Italia,  Italus  mit  vitulus 
zusammenhängen,  einem  Wort  der  gewöhnlich  als  italisch  bezeichneten 
Sprachenfamilie.  Es  wird  von  diesen  darauf  hingewiesen,  dass  Italia,  wie 
die  Münzen  der  gegen  Rom  verbündeten  Italiker  beweisen  sollen,  bei  diesen 
Völkerschaften  in  der  Form  Vitelio  vorkam,  also  um  so  mehr  italus  = 
vitulus  sein  müsse.  Heisterbergk  sucht  nun  die  verschiedenen  Forscher, 
die  diesen  Gedanken  sich  angeeignet  und  in  mannigfaltiger  Weise  ge- 
schichtlich verwerthet  haben,  zu  widerlegen.  Er  macht  sich  viel  mit 
Nissen  zu  thun,  dessen  Hypothese  von  einer  alten  Samniterwanderung 
nach  dem  Südwesten  Italiens  er  so  zu  bekämpfen  sucht,  dass  er  nach- 
weist, sie  könne  weder  vor,  noch  mit,  noch  nach  der  Sikelerwauderung 
stattgefunden  haben.  Auf  die  hier  sehr  anfechtbaren  Details  Heister- 
bergk's  können  wir  an  dieser  Stelle  unmöglich  eingehen.  Er  benutzt 
aber  diese  Gelegenheit,  um  in  scharfsinniger  Weise  aus  den  verschiede- 
nen Nachrichten  über  die  Sikeler  und  ihre  Beziehungen  zu  den  Opikern 
einerseits  und  den  Oenotreru  und  Japygern  andererseits  eine  authentische 
Geschichte  der  Sikelerwauderung  durch  Unteritalien  zu  konstruiren.  Diese 
von  ihm  konstruirte  Geschichte  ist  jedoch  nicht  ohne  bedenkliche  Punkte. 
Nach  Heisterbergk  S.  50  sind  die  Oenotrer  von  der  Halbinsel  (d.  h.  süd- 
lich von  der  Landenge  bei  Skylletion)  schon  vor  der  Niederlassung  der 
Griechen  durch  die  Sikeler  verdrängt,  und  zwar  theils  nach  Osten,  theils 
nach  Sicilien.  »In  dem  Besitz  dieser  nördlich  von  der  Landzunge  ge- 
legenen, binnenländischen  Landschaften  behaupteten  sich  die  Oenotrer 
dadurch,  dass  sie,  wie  Antiochus  nach  Strabo  und  Dionysius  berichtet, 
die  von  Norden  her  eingedrungenen  Siculer  und  Morgeteu  gegen  Süden 
hin  vertrieben;  aber  die  Landzunge  blieb,  wie  aus  Thucydides  und  Po- 
lybius  hervorgeht,  im  dauernden  Besitz  der  nach  der  Insel  abziehenden 
Siculer«  (Heisterbergk  S.  51).  Aber  was  sagt  denn  eigentlich  Str.  257? 
Er  spricht  von  Rhegion :  'Avrco^og  Sk  ro  naXaihv  änav-za  zuv  runov  zoürov 
olxrjaat  (prjOi  2\xe^ous  xal  Mopyr^rag,  oiäpac  o'  eig  -nyv  2\xskav  üa-zpov 
kxßXrjd-ivraQ  um)  ziuv  Ocvwrpujv.  Also  die  Sikeler  sind  aus  der  Gegend 
von  Rhegion  durch  die  Oenotrer  vertrieben;  somit  sitzen  gerade  die  Oeno- 
trer innerhalb  der  Landzunge.  Dass  auch  Sikeler  dort  sassen,  und  zwar 
bei  Lokri,  wissen  wir  aus  Polybius.  Folglich  sassen  in  der  Landzunge  so- 
wohl Sikeler  wie  Oenotrer  und  mit  der  von  Heisterbergk  S.  51     53  aus- 


]]0  Unteritalien. 

einandcrgesetzten,  sehr  scharfsinnigen,  aber  schon  an  sich  etwas  detail- 
lirter,  als  es  die  alten  Zeiten  gestatten,  ausgearbeiteten  Systematik  der 
Sikelcr-  und  Oenotrerbewegungen,  die  fast  den  Charakter  eines  Schach- 
spiels annehmen,  ist  es  schon  aus  diesem  Grunde  schwach  bestellt.  Heister- 
bcrgk  ist  indess  nun  einmal  der  Ansicht,  dass  die  Sikeler  in  Italien  von 
Reggio  bis  Catanzaro  geblieben  seien.  Nun  war  der  Name  Italien  nach 
Autiochos  (Reihenfolge:  Oenotrer,  Italos,  Morges,  Sikelos)  vor  den  Sike- 
lern  da,  knüpft  sich  also  an  ein  Volk  »welches  zur  Zeit  der  ersten  grie- 
chischen Landungen  auf  der  südwestlichen  Halbinsel  dort  bereits  als 
solches  zu  bestehen  aufgehört  hatte«  (S.  55).  —  Sodann  sucht  Heister- 
bergk  (S.  57  ff.)  den  Ungrund  der  Annahme  zu  zeigen,  dass  Italia  etwas 
mit  vitulus  zu  thun  haben  könne.  Es  ist  dieselbe  Etymologie  wie  bei 
Böotien,  in  beiden  Fällen  von  Hellanicus  herrührend;  aber  während  für 
jenes  das  Rind  jetzt  definitiv  ausser  Dienst  gestellt  ist,  befindet  sich  sein 
italisches  Rind  »noch  in  allen  seinen  Functionen«  (S.  62).  Die  Bundes- 
genossenmünzen beweisen  nichts;  Heisterbergk  kommt  zu  dem  berech- 
tigten Schlüsse,  dass  deren  Aufschrift  im  besten  Falle  eine  linguistische 
Conjectur  ist,  die  nicht  dadurch  bewiesen  werden  kann,  dass  sie  »von 
Papier  auf  Silber  übertragen«  wird  (S.  74).  Heisterbergk  prüft  weiter 
das  kulturgeschichtliche  Gebäude:  das  Land  vom  Rinde  benannt,  welches 
Symbol  des  den  Ackerbau  lehrenden  Gottes  ist ;  er  findet  aber  mit  Recht, 
dass  das  durch  die  Münzen  mit  dem  menschenköpfigen  Stier  nicht  be- 
wiesen wirct  Wenn  Städte  danach  benannt  würden,  so  ginge  es  noch; 
aber  von  Städten  wissen  wir  es  nur  wenig;  und  das  älteste  Italien  war 
nach  Heisterbergk  mehr  für  Viehzucht  geeignet  als  für  Ackerbau.  Von 
S.  100  an  sucht  Heisterbergk  zu  zeigen,  dass  ein  Volk  Namens  Italoi 
überhaupt  nie  existirt  habe.  Nach  Heisterbergk  kennt  Antiochos  nur 
den  Namen  Italieten.  Wir  gestatten  uns  die  Bemerkung,  dass  das  er- 
stens nicht  bewiesen  ist,  da  dasselbe  Volk  ja  mit  beiden  Namen  benannt 
worden  sein  könnte,  und  dass  zweitens  nach  unserer  Meinung  die  selt- 
same Form  Italietes  nur  durch  irrthümliche  Erinnerung  an  das  vorher- 
gehende Morgetes  in  den  Text  gekommen  ist  und  gar  keine  Existenz- 
berechtigung hat.  Wenn  Heisterbergk  S.  HO  sagt,  wenn  es  je  Italoi 
gegeben  hätte,  so  müsste  man  sie  in  Sicilien  finden,  so  ist  das  kein 
Grund.  Erstens  brauchten  sie  nicht  mit  dahin  zu  ziehen,  und  zweitens 
wenn  sie  es  thateu,  nicht  nothwendig  dort  in  der  Geschichte  vorzukom- 
men. Uebrigens  ist  auf  den  Namen  Italoi  kein  Gewicht  zu  legen,  und 
Heisterbergk  hat  ganz  Recht,  wenn  er  sagt,  dass  Italia  nicht  nothwendig 
Italoi  als  Volk  voraussetzt.  —  Heisterbergk  denkt  nun  an  einen  phöni- 
cischen  Ursprung  des  Namens  Italia,  der  mit  dem  auf  Kreta  vorkommen- 
den Namen  Itanos  zusammenhinge,  welcher  sich  auch  bei  Clem.  AI.  Strom. 
I,  76  in  dem  eines  Samniters  Itanos  wiederfinde.  Er  nimmt  ohne  Weiteres 
an  (S,  143),  dass  »man  einräumte«,  dass  dieser  Samniter  Itanus  und  der 
Heros  Italiens  Italus  sachlich  identisch   seien.     Sollte  das  wirklich  Je- 


Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien.  1 1 1 

raand  einräumen?  Dass  der  Name  phönicischen  Ursprungs  sei,  wäre  ja 
darum  immer  noch  möglich. 

Wenn  wir  zum  Schluss  unser  Urtheil  über  die  Schrift  des  Herrn 
Heisterbergk  zusammenfassen  sollen,  so  geht  es  dahin,  dass  er  in  seiner 
Kritik  der  Ansichten  anderer  vortrefflich  ist,  und  dass  er  insbesondere 
gezeigt  hat,  dass  weder  Münzen  noch  Sagen  beweisen,  dass  der  Name 
Italia  wirklich  vom  Centrum  des  Landes  ausgegangen  ist.  Es  bleibt  da- 
bei, und  das  scheint  uns  von  Heisterbergk  nachgewiesen  zu  sein,  dass 
er  ursprünglich  nur  der  südwestlichen  Landzunge  zukam.  —  In  seinen 
positiven  Aufstellungen  dagegen  können  wir  ihm  weniger  beipflichten. 
Wir  haben  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  er  eine  Stelle  über  die 
Beziehungen  zwischen  Sikelern  und  Oenotrern  in  der  südwestlichen  Land- 
zunge falsch  gedeutet  hat.  Aber  auch  abgesehen  davon  sind  seine  An- 
sichten über  die  Völkerverschiebungen  im  südwestlichen  Italien  deswegeu 
nicht  als  nothwendig  zu  betrachten,  weil  sie  voraussetzen,  dass  wir  bei 
Antiochos,  Hellanicus  und  anderen  Autoren  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
der  Wahrheit  entsprechende  chronologisch  zu  ordnende  Nachrichten  über 
Begebenheiten  haben,  die  wenigstens  circa  700  Jahre  vor  ihnen  lagen. 
Was  für  Quellen  konnten  sie  darüber  haben?  Es  kann  ja  sein,  dass 
die  Sikeler  in  doppelter  Richtung  weggeschoben  sind  (S.  51),  zuerst  nach 
Süden,  von  den  Oskern,  und  dann  nach  Westen,  von  den  Oenotrern; 
aber  beweisen  lässt  sich  das  nicht.  Heisterbergk's  Italos  =  Itanos  will 
uns  als  nicht  mehr  erscheinen,  als  wie  eine  jener  Hypothesen,  die  jeder 
als  sinnreich  gelten  lässt,  für  die  aber  schliesslich  Niemand  eintritt,  als 
ihr  Urheber.  —  Wir  halten  die  Möglichkeit  immer  noch  fest,  dass  Italia 
seinen  Namen  wirklich  von  haXög  =  vitulus  habe,  dass  dieser  Name 
aber  dem  Lande  von  den  Sikelern  gegeben  wurde  als  sie  sich  aus  ihm 
entfernten.  — 

Nachdem  das  Vorhergehende  bis  auf  einige  die  Form  des  Aus- 
drucks betreffende  Modifikationen  geschrieben  war,  bekam  Referent  die 
Philol.  Wochenschrift  vom  7.  Januar  1882  zu  Gesicht.  Es  findet  sich 
hier  eine  Anzeige  des  Buches  von  Heisterbergk,  in  welcher  Referent  mit 
Vergnügen  einen  der  von  ihm  angedeuteten  Punkte  ebenfalls  hervorge- 
hoben findet  (Spalte  4  No.  1).  Für  No.  3  auf  Spalte  5  und  6  muss  man 
dem  Recensenten  sehr  dankbar  sein.  -  Es  wird  schliesslich  dabei  blei- 
ben, dass  Heisterbergk's  Buch  eine  sehr  tüchtige  kritische  Leistung  ist. 

La  Grande-Grece  paysages  et  histoire  par  Fran(;ois  Lenormant, 
professeur  d'archeologio  pres  la  Bibliotheque  Nationale.  —  Littoral  de 
la  mer  Jonienne.  —  T.  I  und  II.    Paris  1881.   VIII,  474  und  466  S.  in  8. 

Herr  Lenormant  hatte  im  Jahre  1879  eine  Reise  durch  Grossgrie- 
chenland gemacht,  über  deren  archäologische  und  historische  Ergebnisse 
er  bereits  in  der  »Academy«  vom  Jahre  1880  einen  vorläufigen  Bericht 
erstattete.    Er  hat  sich  entschlossen  auch  ein  Buch  über  denselben  Gc- 


112  TIntcritalion 

genstand  zu  schreiben,  dessen  zwei  erste  Bünde  uns  vorliegen.  Dies 
Buch  ist  aus  verschiedenen  Gründen  von  grosser  Bedeutung.  Es  ist 
vielleicht  das  erste  Mal,  dass  Grossgriechenland  den  Stoff  einer  Arbeit 
bildet,  welche,  von  einem  namhaften  Gelehrten  herrührend,  in  zusammen- 
hängender Weise  jene  schönen  Gegenden  historisch  und  geographisch 
schildern  will.  Um  besser  verstehen  zu  können,  welche  Stellung  das 
Lenormant'sche  Buch  in  der  Wissenschaft  einnimmt,  scheint  es  Referenten 
angemessen,  zun.ächst  die  in  der  Sache  liegenden  Schwierigkeiten  her- 
vorzuheben, sodann  zu  sehen,  was  Lenormant  zu  leisten  verspricht,  und 
schliesslich  was  er  leistet.  Wir  stellen  uns  natürlich  speciell  auf  den 
geographischen  und  historischen  Standpunkt;  so  können  unsere  Bemer- 
kungen eine  Ergänzung  zu  der  kurzeu  aber  inhaltreichen  Anzeige  des 
Werkes  durch  Bursian  im  Lit.  Centralbl.  1881  No.  46  bilden. 

Die  Geographie  und  Geschichte  von  Grossgriechenland  ist  ein  in- 
teressanter und  noch  nicht  gehörig  behandelter  Theil  der  Alterthums- 
wissenschaft.  Es  ist  indess  aus  mehr  als  einem  Grunde  nicht  leicht, 
diese  Geschichte  zu  schreiben. 

1.  Der  Gegenstand  ist  schwer  abzugränzen.  Die  Bezeichnung 
Grossgriechenland  ist  in  verschiedenem  Sinne  genommen  worden.  Wenn 
man  aber  auch  zunächst  nur  die  Städte  von  Rhegion  bis  Tarent  darunter 
begreift,  so  wird  man  doch  gezwungen,  die  Colonien  dieser  Städte  am 
tyrrhenischeu  Meere  mitzunehmen,  und  Grossgriechenlaud  wird  bis  Paestum 
ausgedehnt..  Nun  liegt  aber  das  Hauptinteresse  der  Geschichte  von 
Grossgriechenland  in  dem  culturhistorischen  Theile,  und  da  ist  es  wieder 
schwer,  Elea  auszuschliessen,  das  überdies  nicht  so  weit  nördlich  liegt, 
wie  Paestum.  So  kommt  man  dazu,  überhaupt  die  Hellenen  Unteritaliens 
unter  der  Bezeichnung  Grossgriechenlaud  zusammenzufassen,  und  da  wird 
Campanien  einen  wichtigen  Abschnitt  des  Ganzen  bilden.  Und  in  den 
Griechen  selbst  liegt  nicht  die  einzige  Schwierigkeit  dieser  Art.  Es  muss 
nothweudig  die  Urbevölkerung  berücksichtigt  wei'den.  So  kommen  wegen 
Tarent  Messapier,  Peuketier,  Daunier  hinein,  und  wir  gelangen  auf  die- 
ser Seite  bis  an  den  M.  Gargano.  Ausgeschlossen  bleibt  dagegen  auf 
alle  Fälle  das  Bergland,  das  die  oberen  Thäler  des  Calor  und  Aufidus 
umfasst,  der  Wohnsitz  der  Völker,  welche  den  Anstoss  zum  Untergange 
Grossgriechenlands  gaben,  ein  feindlicher  Keil,  hineingetrieben  in  die 
grossgriechischen  Ebenen,  das  moderne  Principato  ultra,  begränzt  im 
Osten  durch  den  Mons  Vultur,  im  Westen  durch  die  Berge  oberhalb 
Eboli's. 

2.  Wenn  man  nun  so  auch  dazu  gelangt,  das  Gebiet  geographisch 
abzugränzen,  so  bleibt  für  die  Behandlung  die  grosse  Schwierigkeit,  dass 
es  nie  auch  nur  annähernd  eine  politische  Einheit  gebildet  hat,  und  dass 
es  in  wichtigen  Epochen  seiner  Geschichte  von  Aussen  beeinflusst,  ja 
zum  Theil  beherrscht  worden  ist,  ohne  je  als  Ganzes  dagegen  zu  rea- 
giren.  Es  fehlt  die  ursprüngliche  Einheit,  und  die  spätere  Einigung 
verschwindet  schnell  wieder. 


Unteritalien.  123 

3.  Diese  Geschichte  zu  behandeln  ist  aber  ausserdem  schwer  in 
Anbetracht  des  Zustandes  der  vorhandenen  Quellen  und  der  Natur  des 
Stoöes.  Man  hat  sich  mit  dem  Wesen  der  Ureinwohner  zu  beschäftigen, 
das  grösstentheils  nicht  leicht  zu  erkennen  ist.  Man  hat  sich  mit  der 
Frage  auseinanderzusetzen,  inwieweit  den  zahlreich  vorhandenen  Sagen 
von  griechischen  Colonien  aus  der  Zeit  des  trojanischen  Krieges  thät- 
sächliche  Beziehungen  zwischen  Italien  und  Griechenland  in  ältester  Zeit 
zu  Grunde  liegen  können.  Mau  steht  endlich  vor  der  grossen  Schwierig- 
keit, die  eine  der  interessantesten  Erscheinungen  Grossgriechenlands,  der 
pythagoreische  Bund,  bietet.  Die  uns  überlieferten  Nachrichten  über 
Pythagoras  und  die  Pythagoreer  sind  aus  später  Zeit;  in  wie  weit  sind 
sie  zuverlässig?  Und  das  ist  von  Bedeutung  nicht  blos  für  die  Cultur- 
geschichte.  Denn  auch  die  politische  Geschichte  der  Zeit  vor  und  um 
500  V.  Chr.  ist  eng  verflochten  in  die  Schicksale  der  Pythagoreer  und 
wird  selbst  schwankend,  wenn  diese  nicht  feststehen.  —  Wir  müssen  hin- 
zufügen, dass  die  Quellen  sehr  spärlich  fliessen.  Allgemeine  Werke  über 
grossgriechische  Geschichte  gab  es  selbst  im  Alterthum  nicht,  und  auch 
die  Geschichte  der  einzelnen  Gemeinden  ward  mehr  gelegentlich  behan- 
delt. Wir  aber  haben  von  Allem  nur  gei'inge  Fragmente.  Ungemein 
wichtig  sind  freilich  die  Ueberbleibsel  antiker  Technik  in  Grossgriechen- 
land, z.  B.  in  den  Gräberfunden.  Aber  die  Sprache  die  ihre  Darstel- 
lungen reden,  wird  nicht  von  Allen  gleichmässig  gedeutet.  Die  unver- 
dächtigsten Zeugen  dieser  Art  sind  noch  die  Münzen  und  einige  Inschriften. 

Die  modernen  Leistungen  für  die  Geschichte  von  Grossgriechen- 
land sind  von  sehr  verschiedenem  Charakter  und  Werthe.  Wir  haben 
specielle  Werke  von  Localforschern  und  fremden  Gelehrten;  wir  haben 
allgemeinere  Schriften  theils  geographischen,  theils  historischen  Inhalts; 
wir  haben  endlich  neuerdings  gute  Karten  und  einen  Anfang  archäolo- 
gisch-topographischer Durchforschung  des  Landes. 

Fragen  wir  nun,  was  Lenorraant  uns  geben  will.  Er  verspricht 
von  der  Grande  Grece  zu  handeln  und  scheint  das  Littoral  de  la  mer 
Jonienne  nur  als  eine  ünterabtheilung  derselben  zu  fassen.  Er  will  pay- 
sages  et  histoire  geben;  jedoch  nicht  als  reiner  Gelehrter,  sondern  als 
ein  für  die  Gebildeton  überhaupt  Schreil)eiider.  Wir  würden  deshalb 
ihm  hier  nicht  viel  Kaum  zu  widmen  haben,  da  uns  blos  populäre  Schriften 
wenig  in  dieser  Zeitschrift  angehen,  wenn  er  nicht  doch  auch  den  Ge- 
lehrten und  der  Wissenschaft  etwas  zu  leisten  verspräche,  ja  sogar  ziemlich 
viel.  Er  verspricht  p.  111  und  IV  die  Geschichte  der  griechischen  Städte 
von  Untcritalien  zu  schreiben  Ȋ  un  point  de  vue  d'ensemble  et  avec  un 
developpement  süffisant«  —  also  offenbar  nicht  blos  die  der  Küste  des 
ionischen  Meeres,  und  die  Geschichte  derselben  Gegenden  »pcudant  los 
six  siecles  de  la  domination  byzantinc«.  Er  fügt  p.  IV  die  Bemerkung 
hinzu:  »11  nc  m'a  pas  fallu,  non  i)lus,  longtemps  de  Iccturc  sur  le  ter- 
rain  du  texte  des  öcrivains  antiques  qui  ont  parl6  de  la  Grande -Grece 

Jahresbericht  fiir  Alterthiiiii>iwlssensdi.ift  XXVIII.  (1881.  Ul.)  Q 


]14  Geographie  von  (hiteritalien   niul  Sicilien. 

et  de  ses  villes,  pour  arriver  ä  la  convictiüii  que  la  geographie  historique 
et  comparative  de  ce  pays  devait  etre  entierement  revisee,  et  qu'en  se 
laissant  trop  souvent  guider  par  les  aSsertions  suspectes  et  les  fantaisies 
arbitraires  des  erudits  calabrais  de  la  Renaissance,  tels  que  Barrio  et 
Marafioti,  la  science  a  acccpte  uue  quantite  d'crreurs  tout  ä  fait  fächeu- 
ses,  dont  il  n'est  que  temps  de  faire  severe  justice.  J'ai  donc  ete  aussi 
conduit  ä  reprendre  ab  ovo  presque  toutes  les  questions  de  topographie 
et  de  geographie  antique  de  la  Grande- Grece  et  ä  en  proposer  dans 
bien  des  cas  des  Solutions  nouvelles.  Y  ai-je  reussi?  Les  maitres 
competents  en  jugeront  —  — «.  Wir  haben  es  also  mit  einem  Buche 
zu  thun,  das  Irrthümer  von  fast  300 jähriger  Dauer  ausrotten  und  die 
historische  Geographie  von  Unteritalien  auf  bessere  Basis  stellen  will. 
Wir  dürfen  schon  etwas  eingehend  bei  seiner  Kritik  sein. 

Lenormaut  bezeichnet  p.  VI  seine  Arbeit  als  »une  oeuvre  de  science 
serieuse  et  consciencieuse«  in  welcher  er  auf  zwei  Punkte  ein  besouderes 
Gewicht  gelegt  habe,  auf  den  Nutzen  der  Münzen  für  die  Kenntniss  von 
Grossgriechenland  im  Alterthum,  und  (p.  VII):  »la  nouvelle  hellenisation 
de  ritalie  meridionale  sous  la  doniination  des  empereurs  de  Constanti- 
nople,  du  VIII«  au  XP  siecle«.  Lenorraant  hat  nicht  für  passend  ge- 
halten, seine  Angaben  durch  genaue  Quellencitate  zu  belegen.  Er  ver- 
theidigt  dies  Verfahren  damit,  dass  er  p.  V  bemerkt,  er  habe  in  andern 
Arbeiten  bewiesen,  dass  er  »un  erudit  exact  et  consciencieux«  sei,  dass 
seine  Quellen  Schriftsteller  seien  »qui  se  trouvent  ä  la  portee  de  tous, 
qu'un  erudit  doit  sans  cesse  lire  et  relire«.  Das  Urtheil  über  dies  Ver- 
fahren kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Wer  die  Wissenschaft  fördern  und 
nicht  blos  zur  Unterhaltung  und  Belehrung  des  grösseren  Publikums 
schreiben  will,  muss  Quellencitate  geben ;  sonst  erschwert  er  den  Mitfor- 
scheru  unnöthig  die  Arbeit.  Diese  Erschwerung  hat  Lenormant  uns  be- 
reitet. Wer  sein  Buch  studirt  um  es  auf  seinen  Werth  für  die  Wissen- 
schaft zu  prüfen ,  braucht  wenigstens  die  doppelte  Zeit  als  wenn  der 
Verfasser  Citate  gäbe,  und  die  Zeit  ist  kostbar.  Dass  die  Quellen  Schrift- 
steller sind,  die  ein  Gelehrter  »lesen  und  wieder  lesen«  müsse,  sagt  nichts. 
Es  handelt  sich  um  eine  Menge  kleiner  Notizen,  und  deren  Ort  weiss 
Niemand  auswendig,  wenn  er  auch  noch  so  viel  die  Schriftsteller  liest. 
Wenn  Lenormant  Recht  hätte,  könnte  das  Citiren  überhaupt  aufhören, 
denn  wenn  es  bei  Fragen  der  historischen  Geographie  überflüssig  ist, 
giebt  es  überhaupt  keine  Nöthigung  mehr  dafür. 

Sehen  wir  jetzt,  was  Lenormant  leistet.  Er  hat  sein  Werk  der 
Form  der  Reisebeschreibung  angepasst;  mit  Tarent  beginnend  kommt 
er  im  ersten  Bande  bis  zum  Thal  des  Neaithos,  im  zweiten  bis  Squillace. 
Tarent  wird  im  ersten  Capitel  S.  1  —  114  des  ersten  Bandes  behandelt. 
Er  beginnt  mit  einer  Schilderung  des  gegenwärtigen  Zustandes  der  Stadt, 
wobei  er  besonders  eingehend  die  Schätze  des  Mare  piccolo,  der  Meeres- 
bucht, bespricht,  unter  denen  die  pinna  marina  merkwürdig  ist,  die  den 


Unteritalien.  115 

Stoff  für  feine  Zeuge  liefert.  Hierauf  geht  er  zur  Geschichte  von  Tarent 
über.  Wenn  er  S.  22  sagt:  »La  critique  remarque  que  la  principale  aven- 
ture  racontee  sur  ce  heros  (Taras),  celle  qui  a  fourni  le  type  consacre 
de  sa  representation  dans  la  Numisraatique  de  Tarente,  le  depeint  fai- 
sant  naufrage  et  sauve  par  uu  dauphin  qui  le  porte  sur  son  dos  jusqu  ä 
terre«  so  hätte  er  sich  genau  so  ausdrücken  sollen:  Taras  ist  in  der 
Sage  ein  einheimischer  Heros;  da  er  aber  auf  Münzen  auf  einem  Del- 
phin reitend  dargestellt  wird  ,  so  können  wir  annehmen,  dass  man  von 
ihm  eine  ähnliche  Sage  erzählte,  wie  von  Phalanthos  und  von  Arion.  — 
Den  Fragen  über  den  historischen  Charakter  der  Partheniai  und  über 
ein  vielleicht  anzunehmendes  stark  achäisches  (amykläisches)  Element 
in  den  Tarentinern  (Lorentz,  Doehle)  ist  Lenormant  nicht  näher  getre- 
ten. —  S.  28  sagt  Lenormant,  dass  nach  der  Schlacht,  in  der  die  Ta- 
rentiner  und  Rheginer  besiegt  wurden,  die  Messapier  »au  dire  de  Timee« 
mit  den  Fliehenden  in  die  Stadt  Rhegion  eindrangen.  Er  hätte  sagen 
sollen:  au  dire  de  Diodore  (XI,  52);  es  ist  doch  blosse  Vermuthung, 
dass  diese  Nachricht  von  Timaeus  herstammt.  —  S.  29  spricht  Lenor- 
mant von  dem  nun  folgenden  Kriege  der  Tarentiner  gegen  die  Messapier, 
und  sagt:  »L'episode  le  plus  horrible  en  fut  le  sac  de  Carbina«,  aber 
es  ist  doch  nur  Vermi^thung,  z.  B.  von  Lorentz  (Tar.  r.  g.  I,  5),  dass 
diese  Episode  eben  in  jenen  Krieg  gehört.  —  S.  30  hätte  Lenormant 
sagen  sollen,  man  nehme  an,  dass  es  in  Tarent  Ephoren  gegeben  habe. 
—  S.  38  erzählt  Lenormant  nach  dem  Tode  des  Archidamos  (338  v.  Chr.) 
folgendes :  (Tarente)  »put  rassembler  uue  armee  föderale,  ä  laquelle  eile 
joignit  ses  propres  troupes,  pour  essayer  de  porter  secours  aux  villes 
grecques  de  la  rive  Orientale  de  la  mer  Tyrrhenienne-,  menacees  par  les 
Lucaniens.  La  bataille  se  livra  pres  de  Laos  et  le  desastre  fut  complet. 
A  la  suite  de  cette  bataille,  les  Lucaniens  s'emparerent  de  Laos  et  de 
Posidonia  ä  laquelle  ils  donnerent  le  nom  de  Paestum.  —  —  Les  Brut- 
tiens  se  jeterent  sur  Crotone  et  Caulonia,  les  Lucaniens  vainqueurs 
presserent  plus  que  jaraais  Tarente,  cnfin  les  Apuliens  abandonnerent 
l'alliance  des  Tareutins«.  Hierüber  ist  Folgendes  zu  bemerken:  Die 
grosse  Niederlage  der  Griechen  bei  Laos  war  nicht  nach  338  v.  Chr., 
sondern  390  v.  Chr.  (Diod.  XIV,  101.  2).  In  welcher  Zeit  Poseidonia 
barbarisch  wurde,  wissen  wir  nicht;  Strab.  VI,  254  spricht  darüber  ganz 
unbestimmt.  Dass  die  ßruttier  sich  nach  338  auf  Caulonia  geworfen, 
davon  wissen  wir  gar  nichts;  dass  sie  zwischen  dem  Zuge  des  Archi- 
damos und  dem  des  Alexander  von  Epirus  sich  auf  Kroton  geworfen, 
ist  ebenfalls  nicht  bekannt.  Lenormanfs  so  unbefangen  factisch  klin- 
gende Erzählung  besteht  somit  aus  thatsächliclicn  Irrthümern  und  un- 
beweisbaren Vennuthungen.  —  S.  44  spricht  Lenormant  von  der  Cavalerie 
der  Tarentiner  und  sagt:  »Le  trait  esscnticl  qui  la  distinguait  des  autros 
cavalcrics  grecques  consistait  en  ceci:  (jue  cha<iuc  honime  y  mcnait  deux 
chevaux«  etc.    Dass  dies  für  die   tarentinische  Reiterei  charakteristisch 


116  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien 

war,  wird  wenigstens  nicht  durch  Poll.  1,  I3l  bestätigt.  Vgl.  Lorentz, 
Civ.  Tar.  p.  53.  —  S.  03  sagt  Lenormant  bei  Gelegenheit  der  Eroberung 
von  Tarent  durch  Fabius,  dass  dieser  »ordonna  a,  ses  soldats  de  ne  tou- 
cher  h  aucune  des  Images  sculpturales  qui  reprcsentaient  les  Olympiens 
dans  une  attitude  menarante«.  Wenn  dies  sich  auf  die  Worte  des  Livius 
(XXVIl,  16)  stützen  soll:  di  sunt  suo  quisque  habitu  in  modum  pugnan- 
tium  formati,  so  sind  wir  der  Ansicht,  dass  Livius  selbst  das  Wort  des 
Fabius,  der  deos  iratos  Tarentinis  relinqui  iussit,  falsch  verstanden  hat. 
Dii  irati  sind  sie  nicht,  weil  sie  in  drolienden  Stellungen  stehen,  sondern  weil 
sie  Tarent  nicht  gerettet  haben.  —  Interessant  erzählt  ist  die  Geschichte 
Tarent's  im  Mittelalter.  —  Von  S.  8.5  an  haben  wir  eine  Beschreibung  der 
Uebcrreste  des  alten  Tarents  und  eine  Charakterisirung  dessen  was  noch  von 
seiner  alten  Kunst  vorhanden  ist,  wobei  bemerkenswcrth  ist,  dass  Lenor- 
mant den  Bronzekopf  des  sogenannten  Piaton  (oder  Bacchus)  des  Neapeler 
Museums  für  einen  tarentinischen  Poseidon  erklärt.  Eine  gewisse  Klasse 
von  schwarzfigurigen  Vasen,  die  in  Etrurien  gefunden  werden,  ist  nach 
Lenormant  tarentiuischer  Herkunft,  und  ebenso  sind  die  sogenannten 
apulischen  Vasen  tarentinisch  (S.  93).  Der  »Führer  durch  die  könig- 
lichen Museen,  herausgegeben  von  der  Gcneralverwaltung«,  Berlin  1881, 
spricht  ebenfalls  S.  217  aus:  »in  Tarent,  von  wo  ganz  Apulien  mit  Vasen 
versorgt  worden  zu  sein  scheint«  und  zustimmend  äussert  sich  auch  Hei- 
big, Bull.  d.  Inst.  1881  S.  201.  -  S.  97  — 103  haben  wir  einen  inter- 
essanten Excurs  über  das  Vorkommen  der  Katze  auf  den  antiken  Kunst- 
werken. —  S.  104 ff.:  Topographie  des  alten  Tarent.  S.  108  sagt  Lenor- 
mant, man  nehme  gewöhnlich  an,  dass  das  alte  Tarent  südöstlich  von 
der  Citadelle  (an  der  Hafenmündung)  gelegen  habe;  das  könne  wahr 
sein  nur  für  die  römische  Stadt,  die  »meme  de  ce  cote  n'occupait  plus 
qu'une  partie  du  site  de  la  ville  grecque«  denn  Strabo  bemerke,  dass 
»de  son  temps,  il  y  avait  uu  vaste  espace  desert  entre  les  quartiers 
habites  et  la  ligne  des  anciens  remparts«.  Nach  Lenormant  gab  es  auch 
im  Westen  der  Mündung  einen  Stadttheil.  Nun  sagt  Str.  VI,  278:  wa-' 
im  ■^Eppovrjau)  xsTadac  tt^v  nohv  —  —  zo  iikv  oov  riaXaiov  zzTyoQ  xöxXov 
E'/^Zi  jiiyav,  wv\  o'  ixXiXzinrru  zo  TxXiov  zo  Tipog  ro»  laBjXü),  zo  oh  nphg 
zS)  crzo/xazc  zo~)  Xiixivog^  xaB'  o  xai  rj  axponolcg,  ai)Hp.ivEi  pdysßog  dqio- 
Xuyou  TToXsojg  ixTilr^poüv.  Danach  setzt  wenigstens  Strabo  die  alte  Stadt 
nur  östlich  von  der  Mündung  des  Hafens,  denn  nur  da  ist  die  Cherro- 
nesos.  —  S.  108-114.  Abhandlung  über  die  Folgen  des  Bisses  der  Ta- 
rantel. —  Wir  hätten  gewünscht,  dass  Lenormant  sich  etwas  mehr  auf 
die  Bedeutung  des  tarentinischen  Handels  eingelassen  hätte,  nach  Mass- 
gabe von  Lorentz,  Civ.  Tar.  S.  14.  —  Chap.  II  behandelt  Metapont  (S.  115 
—  160).  Es  beginnt  mit  der  Geschichte,  gegen  deren  ersten  Theil  wir 
viel  einzuwenden  haben.  Der  ursprüngliche  Name  der  Stadt  war  Alybas 
»mentionne  dans  l'Odyssecff.  Wir  können  nicht  zugeben,  dass  dies  eine 
Thatsache  ist.    Dann  wurde  nach  Lenormant  der  Name  Alybas  umgeän- 


ünteritalien.  117 

dert  iu  Metabos  »dont  les  Grecs  ont  fait  Metapontos«.  S.  368  sagt  er: 
Metapontou.  Beides  falsch:  die  Stadt  biess  Metapoution.  Der  Heros 
Alybas  gehört  nach  Leuormaut  der  ältesten  Mythologie  dieser  Gegeuden 
an.  Er  erscheint  nach  ihm  in  den  .Sagen  von  Temesa.  Es  ist  aber 
doch  sehr  zweifelhaft,  ob  bei  Paus.  VI,  6,  11  nicht  Lykas  zu  lesen  ist. 
Derselbe  Name,  Alybas,  sagt  Leuorraant  »est  quelquefois  donue  comme 
celui  d'un  fleuve  des  enfers«.  Das  ist  nicht  ganz  richtig;  nicht  dh'jßag, 
sondern  dXtßaQ  kommt  in  dieser  Bedeutung  vor,  —  Lenormant  spricht  wei- 
ter über  die  Sagen  von  den  Helden  des  troiauischen  Krieges,  die  nach 
Italien  kamen  (S.  120.  121)  und  zieht  iu  interessanter  Weise  die  Le- 
genden von  der  Ankunft  von  Verkündigern  und  von  Feinden  des  Christen- 
thums  im  südlichen  Gallien  zur  Vergleichung  herbei.  —  S.  122.  Fort- 
setzung der  Geschichte  von  Metapout:  Zerstörung  der  Stadt  durch  Bar- 
baren ;  NeugründuDg  durch  eine  achäische  (sybaritische)  Colonie  unter 
Leukippos.  Lenormant  (S.  123)  sagt,  dass  damals  Siris  »recerament  fon- 
dee«  war.  Wir  nehmen  nach  Strab.  264  an,  dass  damnls  die  Siritis  noch 
frei  war.  Nun  erobern  Sybariten,  Krotouiaten  und  Metapontiner  zusam- 
men Siris.  Pythagoras  kommt  nach  Metapont.  Die  metapontinische  Ge- 
gend war  durch  ihren  Kornreichthum  berühmt,  wie  auch  die  Kornähre 
auf  den  Münzen  der  Stadt  beweist.  Wenn  auf  der  Aehre  bisweilen  eine 
Heuschrecke  sitzt,  so  kommt  dies  nach  Lenormant  daher,  dass  dh'ßag 
auch  die  Bedeutung  Heuschrecke  hat.  —  S.  133  schildert  Lenormant 
den  gegenwärtigen  Zustand  der  Gegend  von  Metapont;  er  beschreibt  die 
Ruinen  der  Masseria  di  Sansone,  die  ein  üeberrest  des  Tempels  des 
Apollon  Lykeios  sind  (S.  323),  und  die  sogenannte  Tavola  dei  Paladiui, 
von  der  Lenormant  vermuthet,  dass  sie  ein  Tempel  der  Demeter  war. 
—  S.  142  stellt  Lenormant  die  Vermuthung  auf,  dass  die  sogenannte 
Basilica  von  Paestum  ein  Doppeltempel  war,  gewidmet  der  Demeter  und 
der  Persephone.  —  Sodann  spricht  Lenormant  von  dem  Cult  der  De- 
meter als  Göttin  der  Erde  und  der  Unterwelt.  Er  giebt  S.  157  die 
Lage  der  Nekropolis  von  Metapont  au,  die  auf  der  Karte  des  Herzogs 
von  Luynes  nicht  verzeichnet  ist,  und  vermuthet  (S.  158)  die  Existenz 
eines  runden  Kriegshafens,  der  durch  einen  Kanal,  welcher  von  langen 
Mauern  geschützt  war,  mit  der  Stadt  in  Verbindung  stand. 

Chap.  III  behandelt  Heraklea  und  Siris  (S.  163  -  209).  S.  163  nimmt 
Lenormant  an,  dass  zw'ei  Flüsse  im  Alterthum  den  Namen  Acalandrus 
führten,  von  denen  der  eine  der  Acalandrus  des  Plinius,  der  heutige 
Salandrella  ist,  der  andere,  den  Strabo  280  nennt,  der  jetzige  Raganello. 
Heraklea  lag  unweit  des  heutigen  Policoro.  Lenormant  bespricht  die 
herakleischen  Tafeln,  wobei  er  interessante  Bemerkungen  über  die  Wappen 
der  Beamten  macht.  Geschichte  von  Heraklea,  das  unter  Archytas  Sitz 
der  Bundesregierung  wird.  Unter  den  Römern  befand  sich  Heraklea  iu 
günstigen  Verhältnissen,  üb  der  berühmte  Zenxis  aus  diesem  Heraklea 
war'?    Die  ganze  Gegend  goluht  jetzt  dem  Fürsten  von  Gcrace,  bei  wcl- 


1  ]  8  Geographie  von  Untcritalien  und  Sicilien. 

eher  Gelegenheit  Leiiormant  (S.  172-185)  treffliche  Bemerkungen  über 
die  Schädlichkeit  der  modernen  Latifundien  macht.  S.  185  ff.  bespricht 
Lcnormant  die  Schlacht  bei  Heraklca  und  die  Anwendung  der  Elefanten 
in  den  Heeren  der  Alten.  Das  lucanische  Paadosia  wird,  in  Uebcrein- 
stimmung  mit  den  modernen  Geographen,  von  Lenormant  (195)  nach 
S.  Maria  d'Anglona  gesetzt.  —  S.  201  geht  Lenormant  zu  Siris  über, 
dessen  Lage  feststeht,  und  das  im  7.  Jahrhiindert  (etwas  nach  Metapont, 
nach  Ref.)  gegründet  worden  ist.  Der  Luxus  der  Sybariten  war  be- 
rüchtigt; Lenormant  geht  bei  dieser  Gelegenheit  auf  die  Tracht  der 
Griechen  jener  Zeit,  im  Anschluss  an  die  Helbig'schen  Forschungen,  ein 
(S.  203—205).  Siris  ward  von  den  Sybariten  kurz  vor  der  Schlacht  am 
Flusse  Sagra  unterworfen  (S.  206);  doch  existirte  es  fort,  wie  Münzen 
beweisen.  432  v.  Chr.  wurden  die  Siriten  von  den  Tarentinern  weiter 
in's  Innere,  nach  Heraklea  geschafft;  doch  blieb  Siris  der  Hafen  der 
neuen  Stadt. 

Chap.  IV  ist  überschrieben:  De  Siris  h  Sybaris  (S.  211-246).  Hier 
macht  Lenormant  S.  212  folgende  allgemeine  Bemerkung.  Die  Reise- 
handbücher (Guides  du  voyageur)  sagen:  Wenn  die  modernen  Ortschaf- 
ten der  unteritalischen  Küste  nicht  dicht  am  Ufer,  sondern  auf  etwas  ent- 
fernten Anhöhen  liegen,  so  haben  wir  in  diesen  Punkten  die  Stätte  der  alten 
Akropolen  zu  erkennen.  Das  ist,  nach  Lenormant,  falsch.  »Malgre  la 
creance  dont  jouit  une  teile  opinion,  eile  est  radicalement  fausse.  Aussi 
la  topograjphie  des  villes  de  la  Grande  Grece,  qui  a  eu  jusqu'ici  pour 
base  cette  maniere  de  voir,  doit-elle  etre  revisee  presque  sur  tous  les 
points«.  Dass  erregt  grosse  Erwartungen  in  Betreff  der  zu  hoffenden 
Leistungen  Lenormant's.  Sie  werden  leider  im  ersten  Bande  nicht  be- 
friedigt. Wir  haben  kein  Beispiel  gefunden,  wo  Lenormant  nachgewie- 
sen hätte,  dass  eine  bisher  für  die  Akropolis  einer  griechischen  Stadt 
gehaltene  Localität  es  nicht  war.  Er  führt  allerdings  S.  212  als  Bei- 
spiel an,  dass  »tout  ce  qui  restait  d'habitants  ä  Copia  (originairement 
Thurioi)  se  retira  a  Cassano  ou  ä  Tarsia,  ceux  de  Locres  ä  Gerace.  De 
la  meme  fagon,  sur  la  cote  de  la  mer  Tyrrheuienne  la  population  de 
Medma  emigra  ä  Rosarno,  celle  de  Velia  ä  Vallo  et  celle  de  Paestura 
ä  Capaccio«.  Wer  dies  nach  dem  Vorhergehenden  so  verstehen  wollte, 
dass  man  bisher  geglaubt  habe,  die  Akropolis  von  Thurii  sei  Cassano 
oder  Tarsia  gewesen,  die  von  Locri  Gerace  u  s.  w. ,  und  Lenormant 
habe  dies  als  irrig  nachgewiesen,  der  würde  sich  sehr  irren;  es  ist 
wenigstens  Forschern  von  Bedeutung  nicht  eingefallen,  die  Akropolen 
der  griechischen  Städte  an  jene  Punkte  zu  setzen.  Wo  sind  also  die 
Irrthümer,  die  vollständig  beseitigt  werden  müssen,  und  wo  beseitigt  Le- 
normant sie?  Lenormant  scheint  bisweilen  unbezweifelte  Wahrheiten  für 
eigene  Entdeckungen  zu  halten.  Wir  nehmen  natürlich  an,  dass  er  wirklich 
diese  Entdeckungen  gemacht  hat,  und  dass  die  von  ihm  benutzten  Gui- 
des du  voyageur  jene  Irrthümer  enthielten;  es  ist  nur  Schade,  dass  er 


Unteritalien.  119 

soviel  Kraft  aufgewandt  hat.  um  zu  thun,  was  die  Franzosen  »enfoncer  des 
portes  ouvertes«  nennen.  —  Im  Folgenden  giebt  sich  Leuormant  Mühe 
mit  der  geographischen  Bestimmung  von  Punkten,  die  nur  oder  fast  nur 
bei  Lykophron  vorkommen.  So  sucht  er  den  Kylistarnos  zu  bestimmen, 
den  Mannert  S.  229  einfach  als  von  unbekannter  Lage  bezeichnet.  (Son- 
derbar ist,  dass  Bartels,  Reise  I,  201  ein  Gebirge  Cilisterno  kennt  in 
der  Nähe  von  Campo  Tenese).  Die  Stadt  Lagaria  ist  nach  Len.  219 
Trebisacce;  nach  Mann.  228:  Rocca  imperiale;  möglich  ist  Beides.  — 
S.  220  erwähnt  Lenormant,  dass  Barrio  den  Ort  Cerchiara  für  das  von 
Diodor  erwähnte  Arponion  nehme.  Aber,  sagt  Lenormant,  »rien  au 
moude  ne  justifie  cette  identification.  Le  texte  de  Diodore  semble  pla- 
cer  Arponion  entre  Teriua  et  Thurioi,  ce  qui  iuduirait  ä  le  chercher 
avec  bien  plus  de  vraisemblance  dans  Aprigliano,  au  dessus  de  Cosenza«. 
Wie  schade,  dass  hier  Lenormant  bei  Diod.  XVI,  15  den  Handschriften 
und  alten  Ausgaben  folgt,  während  er  Band  II,  127  die  längst  als  richtig 
anerkannte  Verbesserung  Hipponion  adoptirt.  Wenn  man  den  Ausbruch 
der  Entrüstung  liest,  mit  dem  Len.  I,  450  ein  ähnliches  Verfahren  des 
armen  Barrio  verurtheilt,  der  nicht  gemerkt  hat,  dass  Pumentum  nur 
eine  faute  de  copiste  war  für  Grumentum:  »il  faut  en  finir  avec  d'aussi 
miserables  meprises  que  la  science  ne  devrait  plus  avoir  besoin  de  re- 
futer«  so  muss  man  lächeln,  dass  Lenormant  sich  selbst  das  Urtheil 
spricht.  Und  Barrio  und  die  ihm  folgten  hatten  doch  weder  die  Kennt- 
nisse noch  die  Hülfsmittel,  die  Lenormant  hat!  S.  223  finden  wir  präch- 
tige Schilderungen  der  Gegend.  Wenn  Lenormant  zur  alten  Geographie 
übergeht,  kommt  wieder  bisweilen  etwas  Bedenkliches  zu  Tage.  S.  228 
sagt  er:  »Castrovillari  est  l'Abystron  des  Grecs,  l'Aprustum  des  Romains, 
dont  on  faisait  remonter  l'origine  jusqu'aux  plus  anciennes  epoques  des 
populations  ausoniennes  ou  oenotriennes«.  Wer  sind  diese  »on«V  Re- 
ferent kennt  den  Ort  aus  Plin.  3,  98  und  Ptolemaeos  und  von  alten  Zei- 
ten und  dem  Ursprung  steht  da  nichts.  —  S.  230  spricht  Lenormant 
über  die  bei  Liv.  30,  10  vorkommenden  Ortsnamen;  darauf  kommen  wir 
noch  zurück.  Er  tadelt  Barrio's  Ansetzung  der  önotrischcn  Ortsnamen 
bei  Steph.  Byz.  und  setzt  sie  selbst  anders.  Sie  kommen  in  der  Geschichte 
meistens  nicht  vor;  es  ist  deshalb  schwer  sie  zu  fixiren.  Wenn  Lenor- 
mant S.  230  von  Malanios  sagt:  »qui  est  süremcnt  Magliano«,  so  ver- 
kennt er  die  Regeln  der  Ableitung:  Magliano  ist  Manlianuni,  weiter 
nichts.  Es  sind  solche  Ansetzungen,  wie  Lenormant  (von  anderen)  richtig 
sagt:  identifications  de  fantaisie.  Lenormant  hat  übrigens  Recht,  wenn 
er  behauptet,  dass  man  den  Bezirk,  in  den  die  von  Steph.  Byz.  aus  Heka- 
taios'  Europe  citirten  Orte  gehören,  nicht  zu  eng  ziehen  muss.  Notizen 
über  die  Kultur  der  Mannaesche  und  über  die  Albanesen  in  Unteritalieu 
machen  den  Schluss. 

Chap.  V  behandelt  Sybaris  und  Thurii  (S.  247     327).     Hier  stellt 
Lenormant   über   die   älteste  Geschichte  Italiens  Betrachtungen  an,  die 


120  Geographie  von  Uuteritalieii  und  Sicilien 

wir  nicht  billigen  können.  Lange  vor  dem  troianischen  Krieg  sei  nach 
traditions  indigoncs  aus  der  Balkanhalbinsel  eine  doppelte  Strömung  pe- 
lasgischcr  Einwanderung  gekommen :  unter  Peuketios  und  Oinotros.  Die 
Oenotrcr  gaben  dem  Lande  den  wesentlich  pelasgischen  Namen  Argessa. 
Die  Oenotrer  dehnten  sich  bis  zum  Tiber  aus,  »car,  lä  encore,  nous 
trouvons  aux  preniieres  origines  le  souvenir  de  la  colonie  de  l'Arcadien 
l*]vandre  et  de  sa  ville  de  Pallantee,  fondec  sur  la  colline  (lui  fut  plus 
tard  le  Palatin  et  nommee  d'aprcs  la  ville  de  Pallantion  en  Arcadie« 
(S.  249).  Wir  glauben  im  Gegentheil,  dass  keine  tradition  indigene  den 
Historikern  solche  Thatsachen  mittheilte ,  dass  das  Wort  Argessa  bei 
Lykophron  nichts  beweist,  und  dass  die  Ableitung  des  Wortes  Palatiura 
von  Pallantion  nicht  auf  einem  souvenir  beruht,  sondern  auf  etymologi- 
scher Spielerei.  Die  Oenotrer  brachten  nach  Lenormant  den  Cult  einer 
chthonischen  Gottheit  mit,  deren  Symbol  der  Stier  war,  der  sich  bei  der 
Berührung  mit  den  Griechen  mit  dem  chthonischen  stierförmigen  Dionysos 
idcntilicirte.  Damit  amalgamirte  sich  die  Sage  von  den  von  Herakles 
geholten  Stieren;  es  ist  nach  Lenormant  merkwürdig,  dass  die  Orte,  an 
denen  Herakles  schlecht  aufgenommen  sein  soll,  Lokri  und  Krotöu,  den 
Stier  auf  ihren  Münzen  nicht  haben.  Aber  war  Herakles  nicht  der 
Oikistes  von  Kroton?  Lenormant  baut  auf  den  Namen  Vitelio  —  nach 
Heisterbergk  geht  das  wohl  nicht  mehr  an.  —  S.  253  macht  Lenormant 
die  Bemerkung,  die  Sikuler  müssten  den  Umbro- Latinern  »plus  appa- 
rentes«  gewesen  sein  »que  ne  l'admet  l'opinion  habituellement  repandue«. 
Und  nun  kommen  als  Beweis  die  bekannten  Aehnlichkeiten  von  gela  und 
gelu  u.  s.  w.  Für  wen  schreibt  denn  Herr  Lenormant?  Seit  Schwegler 
wenigstens  ist  das  gerade,  wie  uns  scheint,  die  opinion  habituellement  re- 
pandue. —  S.  254.  255  hübsche  Darstellung  der  Zustände  von  Italien  im 
8.  Jahrhundert  v.  Chr.,  als  die  Griechen  sich  dort  niederliessen.  Geschichte 
von  Sybaris;  Sagen  von  dem  Ungeheuer  Sybaris,  wobei  Lenormant  S.  258 
sagt:  »Plusieurs  ecrivains  antiques  diseut  formellement,  que  c'est  par  des 
Locriens  que  ce  mythe  de  la  Locride  fut  Importe  ä  Sybaris«.  Es  ist  Schade, 
dass  Lenormant  keine  Quellen  citirt.  Man  möchte  gerne  wissen,  wer  die 
plusieurs  sind,  aber  wo  soll  man  suchen?  Nicht  jeder  hat  eine  Biblio- 
thek zur  Verfügung,  und  Zeit,  sie  zu  benutzen.  Sollten  es  dieselben 
sein,  die  er  S.  228  »on«  nannte?  —  S.  259  spricht  Lenormant  über  die 
Lage  der  Stadt  Laos  und  beweist,  dass  sie  an  der  Mündung  des  gleich- 
namigen Flusses  lag.  »On  place  d'ordinaire,  ä  la  suite  de  Chuvier  (soll 
heissen  Cluvier)  Laos  ä  Laino  superiore«  etc.  Kiepert,  Lehrbuch  der 
alten  Geographie,  Berlin  1878,  hat  schon  dieselbe  Ansicht,  wie  Lenor- 
mant, und  wunderbarer  Weise  sagt  auch  Cluver  ganz  ausdrücklich,  dass 
Laus  »ad  ostium«  des  Flusses  lag.  Freilich  hatte  schon  Corcia,  Stör. 
d.  due  Sic.  HI,  69  Cluver  falsch  verstanden,  aber  das  ist  doch  kein  Grund 
für  Lenormant,  denselben  Irrthum  zu  begehen.  Lenormant  hat  auch  hier 
eine  garnicht  allgemein  getheilte  irrige  Meinung  bekämpft,  die  besseren 


Uateritalien.  121 

Arbeiten  nicht  selbst  angesehen,  und  dann  gemeint,  eine  Entdeckung  ge- 
macht zu  haben.  —  In  der  Geschichte  von  Sybaris  ist  ein  ausgezeich- 
netes Capitel:  S.  263  — 275.  Warum  wurde  Sybaris  so  reich?  Eigenen 
Seehandel  hatte  es  nicht.  Es  stand,  nach  Athen.  XII,  519,  in  enger  Ver- 
bindung, einerseits  mit  Milet,  andererseits  mit  Etrurien.  Nun  macht 
Lenormant  sehr  wahrscheinlich,  dass  bis  zur  Mitte  des  6.  Jahrhunderts 
V.  Chr.,  während  der  Handel  durch  die  Meerenge  von  Sicilien,  soweit 
er  von  Griechen  betrieben  wurde,  hauptsächlich  in  den  Händen  der  Chal- 
kidier  war,  die  Milesier  es  theils  der  Chalkidier,  theils  der  Karthager 
wegen,  vermeiden  mussten,  sie  zu  passiren,  während  andererseits  die 
Etrusker  nicht  in's  ionische  JMeer  gelangten.  So  musste  der  Handel 
zwischen  Milet  und  Etrurien  über  die  Landwege  betrieben  werden,  die 
Sybaris  beherrschte.  Die  milesischen  Schiffe  kamen  nach  Sybaris,  die 
etruskischen  nach  den  sybaritischen  Häfen  des  tyrrheunischen  Meeres; 
Sybaris  endlich  zog  den  Profit  vom  Landtransporte  zwischen  den  Häfen. 
Referent  möchte  zur  Unterstützung  der  Ansicht  Lenormant's  noch  Fol- 
gendes bemerken.  Milet  ist  im  lelantischeu  Kriege  auf  Seiten  Eretria's, 
es  ist  also  Chalkis  feindlich;  um  so  ^Yeniger  konnten  milesische  Schiffe 
durch  die  Meerenge  fahren.  Wir  stehen  nicht  an ,  zu  behaupten,  dass 
Sybaris  geradezu  als  milesische  Factorei  zu  betrachten  ist.  Und  noch 
etwas:  Milet  ist  athenische  Colonie;  das  erklärt  vielleicht  mit,  weshalb  nach- 
her Athen  Thurii  gründet.  Die  Seiten  263—79  bei  Lenormant  sind  eine 
Bereicherung  der  historischen  Wissenschaft;  sie  entschädigen  den  Kri- 
tiker für  alle  die  übereilten  historisch-geographischen  Bemerkungen,  die 
er  im  Buche  lesen  muss.  S.  281  — 290  Schilderung  des  Luxus  der  Sy- 
bariten,  wo  wir  es  unterlassen  Detailkritik  auszuüben.  Aber  S.  290  kann 
man  nicht  ohne  Protest  hingehen  lassen,  wenn  Lenormant  von  den  Sy- 
bariten  sagt:  »Le  pretendu  Scylax  nous  apprend  qu'un  jour  ils  debar- 
qucrent  ä  l'embouchure  de  l'Alphce  et  pillerent  les  trcsors  d'Olympic«. 
Das  ist  eine  so  auffallende  Sache,  dass  man  sich  durch  den  Text  des 
Scylax  von  ihrer  Richtigkeit  überzeugen  möchte.  Der  hat's  aber  nicht. 
Wer  denn?  Scymnus  auch  nicht.  Man  verfällt  auf  Dionysius  Pericg. 
Da  steht  es  zwar  auch  nicht,  aber  v.  372  etwas,  was  dem  Eustathius 
Veranlassung  gegeben  hat,  mit  Unrecht  zu  schreiben:  —  hpoauhjxg,  i^v 
iv  TU)  xazä  llzXoTzovvY^auv  ßwiuo  xuu  \l'A<fsioh  TiOrajwu  inh^ii/j-sh^tTav  — 
was  freilich  aucli  noch  nicht  das  ist,  was  Lenormant  sagt,  aber  woraus 
ein  flüchtig  Lesender  es  doch  wenigstens  inthümlicher  Weise  entnehmen 
kann.  Man  kann  wirklich  nicht  mit  einem  Buche  zufrieden  sein,  mit  dem 
man,  wenn  es  sich  um  die  Controlle  mancher  Einzelliciten  handelt,  seine 
Zeit  so  ohne  Nutzen  verliert  und  das  durch  seine  angenehme  Form  recht 
dazu  geeignet  ist,  Irrthümern  eine  weite  Verbreitung  zu  geben.  —  In 
der  Geschichte  von  Thurii  finden  wir  S.  309  die  Bemerkung  »Un  certain 
nombre  d'ecrivains,  de  dale  rehitivement  reccnte,  pretendent  que  Chn- 
rondas  fut  le  legislateur  de  Thurioi.  II  y  a  la  un  gros  unachronisme, 
que  l'on  s'etonne  de  rencontrer  sous  la  plume  de  Plutaniue«.    Wo  sagt 


122  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

das  Plutarch?  Referent  weiss  es  nicht.  Sollte  de  curios.  8  gemeint  sein? 
Da  steht  aber  nicht  der  Name  Charondas,  und  wir  wissen  nicht,  ob  er 
gemeint  war.  Dass  Andere  den  Plutarch  in  dieser  Hinsicht  citirt  haben, 
ist  für  einen  Lenormant,  von  dem  man  eigene  Forschung  erwartet,  eine 
schwache  Entschuldigung. 

S.  310  bringt  Lenormant  in  die  Geschichte  von  Thurii  eine  heil- 
lose Confusion.  Er  erzählt  die  von  Diod.  XIV,  101  berichtete  Begeben- 
heit, wobei  er  die  Vermuthung  ausspricht,  sie  habe  bei  Lagaria  stattgefun- 
den; das  durch  wahrscheinliche  Conjectur  hineingekommene  Laos  erwähnt 
er  nicht.  Dann  sagt  er  (S.  311):  »Protegee  par  Archytas,  tant  qu'il  pre- 
sida  aux  affaires  de  Tarente,  la  ville  de  Thurioi  finit,  apres  sa  mort, 
par  tomber  sous  le  joug  des  Lucaniens,  ä  une  date  qui  demeure  incer- 
taine.  Ce  fut  probablement  ä  la  suite  de  la  grande  defaite  subie  par 
les  confederes  grecs  aupres  de  Laos«,  Diese  grosse  Niederlage  bei  Laos 
war  eben  die  von  Diod.  XIV,  101  besprochene,  aus  der  Lenormant  so- 
mit zwei  gemacht  hat,  und  die  Unterwerfung  von  Thurii  geschah,  nach 
Diod.  XVI,  15  (zum  Jahre  356)  durch  die  Bruttier,  nicht  durch  die  Lu- 
kanier.  —  S.  317  ff.  berichtet  Lenormant  über  die  Nekropolis  von  Thurii 
nach  den  Forschungen  Cavallari's,  mit  dem  er  vollkommen  übereinstimmt; 
nur  hätte  er  ihn  nicht  S.  320  als  »de  Cosenza«  bezeichnen  sollen.  Zu 
S.  323  vergl.  S.  385  wegen  einer  ähnlichen  Inschrift  auf  einer  Goldplatte. 
S.  327  spricht  Lenormant  den  sehr  berechtigten  Wunsch  aus,  dass  man 
das  in  Scjilamm  und  Erde  begrabene  Sybaris  ausgraben  möchte. 

Chap,  VI  Rossano  (S.  331  —  366),  Beschreibung  des  Silawaldes.  Hier 
hätte  Lenormant  die  Verschiedenheit  der  antiken  und  der  modernen  Be- 
gränzung  des  Namens  Sila  hervorheben  können,  denn  während  jetzt  das 
Gebirge  nördlich  von  der  Landenge  von  Tiriolo  Sila  heisst,  beschreibt 
es  Strabo  VI,  261  bei  Lokri.  Das  defile  von  Labula  (oder  -ulla)  bei 
Proc  b.  goth.  3,  28  entspricht  nach  Lenormant  auch  lautlich  dem  mo- 
dernen Lipuda,  Wichtigkeit  von  Rossano  in  byzantinischer  Zeit;  Ge- 
schichte des  Heil.  Nilus;  der  Codex  Rossanensis, 

Chap.  Vn.  Die  Städte  Philoktet's  (S.  367  -  424).  Es  handelt  sich 
hauptsächlich  um  Krimisa,  Petelia  und  Makalla,  aber  Lenormant  benutzt 
die  Gelegenheit,  um  andere  wichtige  Fragen  zu  behandeln,  z.  B.  die  von 
dem  Dionysoscult  und  den  Mysterien  in  Grossgriechenland.  —  Er  sucht 
S.  370  die  Lage  von  Arinthe  bei  Steph.  Byz.  zu  bestimmen:  »entre  deux 
cours  d'eau  voisins«.  Es  ist  aber  nicht  zu  bezweifeln,  dass  bei  Arinthe, 
wie  bei  anderen  der  oenotrischen  Städte  zu  lesen  ist,  nicht  iv  jitaoTM- 
Tafiia^  sondern  iv  iLeaoysca.  Es  fällt  also  das  Kennzeichen  der  Lage  zwi- 
schen zwei  Flüssen  weg.  —  S.  372  nimmt  Lenormant  das  heutige  Ca- 
riati  für  Chone  nach  Strabo:  »Chöne  —  —  que  Strabon  place  dans  ces 
envirous  et  dont  on  n'a  pas  encore  determine  la  Situation  precise«. 
Warum  hat  Lenormant  nicht  die  Worte  Strabo's  berücksichtigt:  Kptjuaaav 
äxpav  olxcoai  xal  XwWjV  tmXiv  ur.kp  abrr^g'}    Nun  ist  Terravecchia  bei 


ünteritalien.  ]  23 

Cariati,  wo  nach  Lenormant  Chone  gelegen  haben  soll,  wenigstens  16  Kilo- 
meter von  dem  Vorgebirge  dell'  Alice  entfernt  und  von  demselben  durch 
ein  Flussthal,  das  des  Fiumenica,  getrennt.  Wenn  nun  nähere  Punkte 
vorhanden  sind,  die  man  als  oberhalb  des  Vorgebirges  gelegen  bezeich- 
nen kann,  so  sind  doch  diese  eher  für  Chone  in  Anspruch  zu  nehmen. 
Das  ist  aber  der  Fall  mit  Giro,  was  auch  Mannert  214  für  Chone  hält. 
Warum  ignorirt  Lenormant  diese  allen  Anforderungen  entsprechende 
»Situation  precise«?  —  S.  374  will  Lenormant  allerdings  »aupres  de 
Giro«  ein  Temesa  setzen.  Was  Lenormant  über  Temesa  sagt,  kann  Re- 
ferent hier  nicht  alles  erörtern;  es  ist  aber  jedenfalls  unberechtigt,  zu 
sagen,  dass,  wenn  es  ein  Temesa  am  ionischen  Meere  gab,  es  nur  bei 
Giro  gelegen  haben  könne.  S.  378  giebt  Lenormant  au,  dass  Marincola- 
Pistoja  unterhalb  Giro  die  Stadt  Krimisa  gefunden  habe,  und  Mannert 
214  hält  überdies  Krimisa  und  Chone  für  identisch.  —  S.  377  sagt  Le- 
normant, dass  die  Lage  des  Tempels  des  Apollou  Halios  fest  stehe,  »puis- 
que  tous  les  temoiguages  s'accordent  ä  dire  qu'il  etait  a  l'extremite  du 
cap«.  Wie  schade,  dass  Lenormant  nicht  diese  »tous«  angeführt  hat! 
Ob  es  wohl  eine  grosse  Zahl  ist?  Ob  überhaupt  eines?  —  S.  383  und 
folgende  spricht  Lenormant  von  Petelia,  das  in  der  Nähe  von  Strongoli 
lag.  S.  386  ist  statt  »VI«  siecle«  offenbar  IV«  siecle  zu  lesen.  —  S.  395 
-  424  spricht  Lenormant  über  die  dionysischen  Mysterien  Unteritaliens. 
Es  ist  nicht  unsere  Sache,  hier  darauf  einzugehen. 

Chap.  VIII.  Das  Thal  des  Neaithos  (S.  425  -  456).  Dies  Capitel 
enthält  manches  Interessante  für  die  Geschichte  des  Mittelalters  und 
der  Neuzeit,  z.  B.  zur  Geschichte  der  Familie  Simonetta  und  des  Ordens 
von  Fiore.  S.  442  folgt  dann  eine  Abhandlung  über  die  Lage  von  Pau- 
dosia,  die  wir  zu  prüfen  haben.  Pandosia  ist  der  Ort,  in  dessen  Nähe 
Alexander  von  Epirus  seinen  Tod  fand,  er  lag  in  der  Nähe  von  Cosenza, 
nach  Strab.  256.  Lenormant  prüft  nun  die  bisherigen  Ansetzungen  von 
Pandosia  und  findet  sie  unbefriedigend;  er  stellt  selbst  eine  neue  auf, 
nach  der  Pandosia  im  oberen  Thal  des  Mucone  lag,  und  er  ist  mit  sei- 
ner Ausetzuug  so  zufrieden,  dass  er,  obschon  er  das  Charakteristische  der 
Lage  von  Pandosia,  die  drei  Hügel,  wegen  Mangel  an  Lokalkcnntniss 
dort  nicht  nachweisen  kann,  doch  (S.  454)  ausruft:  »raais  jaflirme  que 
c'est  lä  qu'il  faut  chercher  Pandosia,  lä  qu'on  en  retrouvera  l'emplacc- 
ment.  Elle  n'a  pu-etre  que  lä  et  nulle  part  ailleurs«.  Seine  Gründe 
sind  folgende  (S.  452  -54):  Pandosia  lag  in  der  Nähe  von  Cosenlia  (.das 
wird  allgemein  anerkannt);  es  war  aber  keine  der  Städte  des  oberen 
Crathis  »que  Tite-Live  enumere  de  la  manicre  suivante  dans  son  XXX^ 
livre:  Uffugum  (Fagnano),  Besidiae  (Bisignano),  Iletricuhim  (Lattarico), 
Sypheum  (Montalto),  Argcutanum  (San  Marco  Argentaro).  Nun  schreibt 
Liv.  30,  19:  Ad  Cn.  Servilium  consulem,  qui  in  Bruttiis  erat,  Cousentia 
Aufugum  Bergae  Besidiae  Ocriculum  Lymphaeum  Argontanum  Glampctia 
multique  iguobiles  populi  —   -     defecere.     So  werden   die  Namen  jetzt 


124  Geographie  vou  Unteritalicü  und  Sicilien. 

gelesen;  Lenormant  hat  die  der  alten  Angaben  vorgezogen.  Aber  wo 
iu  aller  Welt  steht  denn,  dass  diese  Orte  am  oberen  Crathis  lagen? 
Und  wenn  das  da  stände,  wo  steht,  dass  keine  anderen  da  lagen?  wo 
ist  also  ein  Schatten  eines  Beweises,  dass  wegen  dieser*  Aufzählung  Pan- 
dosia  nicht  am  oberen  Crathis  gelegen  haben  könne?  Pandosia  soll  also 
am  Mucone  gelegen  haben.  Das  wird  bewiesen  durch  den  letzten  Marsch 
Alexander's  bei  Liv.  8,24  vermittelst  der  »cnumeration  des  localites  touchees 
par  la  derniere  campagne  du  roi  des  Molosses« ,  welche  bei  Livius  »de 
la  prccision  geographique  la  plus  satisfaisante«  ist  (S.  454).  »II  prend 
Cosentia,  et  de  lä,  descendant  d'abord  la  vallce  du  Crathis.  puis  remon- 
tant  Celle  du  Mucone,  il  passe  par  Sypheum  (Montalto),  Acerina  ou  Ache- 
rentia  (Acri)  pour  atteindre  Pandosia  sur  la  partie  superieure  du  cours 
de  la  riviere  Acherou.  Je  u'hesite  donc  pas  a  recounaltre  cette  riviere 
dans  le  Mucone«.  Dass  Livius  (8,  24)  nicht  Sypheum  hat,  sondern  Sipontum, 
thut  weniger;  Lenormant  sagt,  man  müsse  emendiren.  Aber  wo  hat  Le- 
normant seine  Augen  gehabt,  als  er  die  Stelle  des  Liv.  8,  24  las  und 
S.  445  selbst  übersetzte,  wo  nach  acreutinam  oder  acerinam  noch  folgt: 
»alias  inde  Messapiorum  ac  Lucanorum  cepisset  urbes«?  Also  ist  Alexan- 
der nach  der  Einnahme  der  von  Lenormant  aufgezählten  Orte  noch  sogar 
in  Messapien  gewesen,  ehe  er  nach  Pandosia  kam,  und  es  nutzt  die 
Aufzählung  von  Orten,  die  möglicherweise  in  der  Nähe  des  Mucone  la- 
gen, für  die  Bestimmung  von  Pandosia  garnichts,  wenn  er  von  ihnen  noch 
einen  Abstecher  nach  Messapien  macht.  So  kann,  nebenbei  gesagt,  Sipon- 
tum auch  'ganz  gut  stehen  bleiben.  Mit  dieser  negativen  Leistung  Le- 
normant's  in  der  Revision  der  antiken  Geographie  Unteritaliens  schliesst 
der  erste  Band. 

Band  IL    Wir  kommen  nun  zu  Kroton. 

Chap.  IX  Kroton  und  der  Pythagorismus  (S.  1—101).  Hier  treffen 
wir  S.  6  die  Notiz,  dass  »certains  ecrivains  antiques«  sagen,  Kroton  sei 
inmitten  der  Sikeler  gegründet;  doch  sei  ihre  Autorität  sehr  »inferieure 
ä  Celle  de  Strabon«  und  dessen  Quelle,  Ephoros,  wonach  Japyger  dort 
wohnten.  Wer  mögen  wohl  diese  »certains«  sein?  —  S.  9  und  10  er- 
wähnt Lenormant,  dass  nach  »quelques  historiens«  die  Krotouiaten  durch 
Spiele  bei  sich  die  olympischen  Spiele  zu  ersetzen  gesucht  haben.  Es 
sagt  es  Timaeus  bei  Ath.  XII,  522,  und  es  folgt  gleich  darauf:  ol  os  lu- 
ßapczag  rouzo  noc^aac  Äsyouaiv,  was  zeigt,  dass  dieselbe  Geschichte  von 
beiden  Städten  erzählt  wurde,  aber  offenbar  nur  in  einer  passirt  ist.  Wer 
wohl  die  anderen  Autoren  sind?  denn  zu  »quelques«  gehören  doch  mehr 
als  einer.  —  S.  18  ist  wenig  klar,  wie  Siberene  zu  den  stets  bewohnten 
Lokalitäten  gehören  kann  »dont  on  ignore  les  noms  anciens«.  Siberene 
ist  doch  ein  »nom  aucien«.  Und  ebenso,  wie  Acerentia  dazu  gehören 
kann,  wenn  Lenormant  doch  I,  451  gesagt  hat,  es  sei  das  a;lte  Ache- 
rontia?  —  Ueber  den  Fluss  Caicinos  =  Ancinale  (S.  19)  sprechen  wir 
unten.  —  S.  20  will  Lenormant  nicht  zugeben,  dass  die  irpwi^sg  TuÄ-^acoc 


Unteritalien.  125 

bei  Lycophr.  993  von  Barrio  richtig  bestimmt  seien ;  Lenormant  erklärt 
die  Berge  von  Tiriolo  dafür;  er  könnte  Recht  haben.  Aber  wie  wird 
es  dann  weiter?  Lenormant  S.  23  sagt,  dass  Lykophron  die  Stadt  Klete 
als  nicht  fern  von  den  Tylesischen  Bergen  gelegen  angebe  »sur  le  pro- 
montoire  allonge  de  Linos,  qui  ne  saurait  etre  que  le  cap  Suvero  appele 
aussi  Tylesion«.  Ich  weiss  nicht,  wie  man  beweisen  will,  dass  dies  Cap 
auch  Tylesion  hiess,  und  wenn  es  so  hiess,  warum  dann  auch  die  Gegend 
von  Tiriolo  so  geheissen  haben  soll.  Was  kann  man  überhaupt  mit  sol- 
chen Namen  bei  Lykophron  machen?  —  S.  32  verspricht  Lenormant 
später  zu  zeigen,  dass  der  Fluss  Sagras,  an  dem  die  berühmte  Schlacht 
zwischen  Kroton  und  Lokri  stattfand,  der  Turbolo  war.  —  S.  34  macht 
Lenormant  folgende  Bemerkung:  »II  y  a  quelque  interet  ä  remarquer 
que  la  numismatique  atteste  une  etroite  alliance  entre  Locres  et  Himera 
dans  le  V^  siecle«.  Diese  kurzen  Worte  enthalten  eine  sehr  wichtige  No- 
tiz, von  der  nur  zu  bedauern  ist,  dass  der  Verfasser  sie  nicht  ausführ- 
licher gegeben  hat.  Die  Laien  in  der  Numismatik,  zu  denen  auch  Refe- 
rent sich  leider  rechnen  muss,  kannten  Lokrische  Münzen  erst  aus  dem 
4.  Jahrb.  v.  Chr..  und  man  kann  wenigstens  soviel  versichern,  dass  solche 
aus  dem  fünften,  den  himeräischen  ähnliche,  von  denen  Lenormant  hier 
spricht,  nur  sehr  Wenigen  bekannt  sein  dürften ;  es  wäre  also  sehr  passend 
gewesen,  eben  zur  Belehrung  der  Nicht-Kenner,  wenn  Lenormant,  der  ja 
bekanntlich  ein  bedeutender  Numismatiker  ist,  über  diese  Lokrischeu,  den 
Himeräischen  älmlichen  Münzen  des  5.  Jahrhunderts  etwas  mehr  gesagt 
hätte.  Die  Numismatik  ist  eine  für  die  Geschichte  so  sehr  wichtige  Wissen- 
schaft und  kann  andererseits  ihrer  Natur  nach  von  so  Wenigen  beherrscht 
werden,  dass  es  um  so  Wünschenswerther  ist,  wenn  diese  Wenigen  auch 
dem  grösseren  Gelehrtenpublikum  gegenüber  etwas  freigebiger  mit  ihrem 
Wissen  sind,  als  Lenormant  sich  in  diesem  Falle  gezeigt  hat.  —  S.  35 
und  folgende  erzählt  Lenormant  die  Geschichte  des  Pythagoras  und  er 
ist  geneigt,  in  der  uns  gewordenen  Ueberlieferung  über  ihn  den  Cha- 
rakter, welchen  die  Thätigkeit  des  Pythagoras  wirklich  hatte,  ausgedrückt 
zu  finden.  Wir  meinen,  dass  Lenormant  noch  etwas  mehr  die  gediegene 
Arbeit  von  E.  Rohde,  Die  Quellen  des  lamblichus  in  der  Biographic 
des  Pythagoras,  Rhein.  Mus.  1871  und  1872,  hätte  berücksichtigen  sol- 
len. Es  findet  sich  in  dieser  Abhandlung  doch  manches,  was  uns  in 
den  Stand  setzen  kann,  die  älteren  Elemente  der  Tradition  von  den  jün- 
geren abzuscheiden.  Wir  glauben,  dass  Lenormant  mit  Hülfe  der  Arbeit 
Rohdc's  dazu  gekommen  wäre.  Einiges  von  dem  zu  streichen,  was  er 
noch  dem  Pythagoras  zuzusclircibcn  geneigt  ist.  Dabei  bleibt  immerhin 
die  Aufzählung  der  Eigenschaften,  welche  Pythagoras  in  sich  vereinigte 
(S.  43),  sehr  bemerkenswerth.  S.  64  wird  in  interessanter  Weise  die 
Frage  behandelt,  warum  Pythagoras  gerade  Kroton  als  Wohnsitz  wählte. 
Sollten  nicht  übrigens  auch,  wie  zwischen  Milct  und  Sybaris,  so  zwischen 
Samos  und  Kroton  engere  Beziehungen  stattgefunden  haben?  —  S.  70. 


126  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicüien. 

Die  iiiimi  incusi  sind  nach  Lenormant  eine  Schöpfung  des  Pythagoras. 
—  S.  78  legt  Lenormant  Gewicht  auf  die  apollinische  Sendung  des  Py- 
thagoras. Auch  andere  bedeutende  Historiker  haben  bekanntlich  daran 
geglaubt;  wir  möchten  nach  den  Ausführungen  Rohde's  in  dem  erwähn- 
ten Aufsatze  das  nicht  mehr  als  ein  geschichtliches  Factum  betrachten. 
Die  Ansicht  von  dem  engen  Zusammenhang  zwischen  Pythagoras  und 
Apollon  hat  Lenormant  dazu  gebracht  (S.  97—101),  in  den  auf  den  älte- 
ren krotonischen  Münzen  angebrachten  Darstellungen  und  Symbolen  di- 
reete  Zeichen  des  Pythagorismus  zu  sehen.  Nach  Lenormant  ist  der 
Dreifuss  durch  Pythagoras  auf  die  Münzen  gekommen.  Aber  warum  soll 
ein  so  einfaches  apollinisches  Symbol  pythagoreisch  sein?  Und  wenn  auf 
den  Münzen  dargestellt  ist,  wie  Apoll  den  Python  tödtet,  so  soll  das 
deswegen  geschehen  (S.  100),  weil  nach  Pythagoras  Apoll,  ehe  er  den 
Python  tödtete,  selbst  von  ihm  erstickt  wurde.  Das  ist  doch  wieder  zu 
weit  hergeholt.  Nach  Len.  98  ist  der  Adler  ebenfalls  pythagoreisch. 
Er  verschwindet  mit  dem  Sturz  des  pythagoreischen  Bundes  und  kommt 
im  5.  Jahrhundert  wieder  »quand  l'ecole  pythagoricienne  reprend  la  pre- 
ponderance  dans  les  conseils  de  la  cite«.  Woher  Lenormant  wohl  weiss, 
dass  damals  die  Pythagoreer  wieder  in  Kroton  mächtig  wurden?  Und 
drittens  der  Kranich,  der  um  475  -  450  auf  den  Münzen  von  Kroton  er- 
scheint. Aber  warum  kommt  er,  wenn  er  pythagoreisch  ist,  erst,  als 
Pythagoras  nicht  mehr  da  ist?  Mir  scheint,  dass  in  dieser  Weise  sich 
Alles  aus  Allem  machen  lässt,  und  jede  Spur  von  Sicherheit  aufhört. 

Chap.  X  Fortsetzung  von  Kroton  (S.  103—204).  Lenormant  spricht 
von  den  Krotouiatischen  Aerzten,  von  dem  Luxus  von  Kroton,  von  den 
Künstlern  der  Stadt,  von  dem  Einfluss  des  Zeuxis  auf  die  Münzkunst 
der  damaligen  Zeit  (S.  116.  117)  und  geht  S.  117  auf  die  Zeit  des  Dionys 
über,  die  den  unteritalischen  Griechen  verderblich  wurde.  S.  120  setzt 
Lenormant  die  von  Polyb.  2,  39  erwähnte  Organisation  des  Bundes  der 
Griechen  Unteritaliens  um  397;  Hermann,  Staatsalterth.  90,  13  setzte  sie 
früher;  auch  Grosser,  Kroton,  S.  47  um  das  Jahr  442.  Wegen  Pol.  2,  39 
nimmt  Lenormant  an,  dass  schon  früher  der  Tempel  des  Zeus  Homa- 
gyrios  in  Aigion  Vereinigungspunkt  der  Achäer  des  Peloponnes  war.  — 
S.  121.  122  stellt  Lenormant  die  Fälle  zusammen,  in  denen  befreite  Städte 
den  die  Schlangen  würgenden  Herakles,  nach  Zeuxis,  auf  ihre  Münzen 
setzten.  Man  kann  diese  Münzen  jetzt  in  dem  Catalog  der  Electrotypen 
des  Brit.  Museums  abgebildet  finden  und  kann  daraus  noch  Zakynthos 
zu  den  von  Lenormant  angeführten  Orten  hinzufügen  (PI.  23  No.  34).  — 
S.  127  sagt  Lenormant:  »Les  premieres  villes  grecques  dont  les  Brut- 
tiens  s'emparerent,  des  353,  Terina  et  Temesa,  sur  la  mer  Tyrrhenienne, 
Pandosia,  dans  l'interieur  des  terres,  etaient  des  colonies  de  Crotone«. 
Wo  steht  das?  Diod.  XVI,  15  nennt  Terina,  Hipponion,  Thurii  (356  v.  Chr.), 
Temesa  wird  von  Strab.  6,  255  und  Liv.  34,  45  genannt,  aber  ohne  Jahres- 
angabe. -    S.  131.  132  sind  interessant  durch  genaue  Bestimmung  eines 


ünteritalien.  1 27 

im  Jahre  1879  bei  Kroton  gemachten  Münzfundes;  S.  134  —  136  durch 
Bemerkungen  über  die  Münzen  der  Bruttier;  S.  140.  141  durch  solche 
über  römische  Münzprägung.  Wir  kommen  zur  Geschichte  Kroton's  in 
römischer  Zeit;  im  Mittelalter,  wo  es  sich  durch  seine  vortreffliche  Lage 
gegen  die  Saracenen  hält;  in  der  Neuzeit  —  interessante  Mittheilungen 
über  den  Briganten  Re  Marcone,  über  den  berüchtigten  Cardinal  Ruffo, 
über  die  Brüder  Bandiera.  Lenormant  giebt  interessante  Beschreibun- 
gen der  Gegend  und  S.  200  ff.  Bemerkungen  über  die  Bohne  in  der 
griechischen  Religion. 

Chap.  XI.  Der  Tempel  der  Hera  Lacinia  (S.  205  —  234).  Es  be- 
ginnt mit  schönen  landschaftlichen  Schilderungen  und  feinen  dahingehöri- 
gen Bemerkungen.  Aber  kann  Lenormant  S.  206  mit  Recht  behaupten, 
dass,  wenn  man  von  Achaia  nach  Italien  fuhr,  man  noch  nicht  Cephallenia 
aus  dem  Gesicht  verloren  hatte,  wie  man  schon  das  Silagebirge  sah? 
Die  directe  Entfernung  beträgt  40  geographische  Meilen.  Sollte  man 
von  der  Oberfläche  des  Meeres  aus  wirklich  die  je  20  Meilen  entfern- 
ten Berge  sehen  können?  —  Nach  S.  216  und  218  hatte  der  Tempel 
48  Säulen,  wie  der  Tempel  C  von  Selinus.  Aber  der  Tempel  C  hat 
46.  —  Woher  hat  Lenormant  (S.  206.  207.  221),  dass  die  Athene  in 
der  Nähe  des  iapygischen  Vorgebirges  Leucadia  hiess?  Man  kann  eigent- 
lich nicht  einmal  sagen,  dass  das  iapygische  Vorgebirge  von  dem  Tem- 
pel »gekrönt«  war;  das  iapygische  Vorgebirge  ist  doch  nur  das  heutige 
Gap  Leuca,  und  da  stand  der  Tempel  nicht.  —  S.  222  sagt  Lenormant 
Lacinia  komme  von  dem  »vieux  mot  pelasgique  lakis,  enregistre  par 
les  lexicographes  grecs  comme  signifiant  terre«.  Wer  wohl  diese  Lexi- 
cographen  sind?  Referent  kann  nicht  behaupten,  keinen  übersehen  zu 
haben;  er  giebt  zu,  dass  einer  da  sein  kann,  der  das  sagt,  was  Lenor- 
mant behauptet;  aber  er  will  doch  erwähnen,  dass  er  bei  Hesych  ge- 
funden hat:  Xaxlg  ^ßovog-  ydaim  yrjQ.  —  S.  222  sagt  Lenormant,  dass 
er  die  alten  Beziehungen  zwischen  Kroton  und  Himera  constatirt  habe. 
Wo?  Wenn  er  docli  nur  citiren  wollte!  Man  verliert  eine  unglaubliclie 
Zeit  mit  Suchen!  —  S.  223  spricht  Lenormant  von  der  Thatsache  (fait), 
dass  die  Here  Lakinia  einen  Tempel  in  Agrigcnt  hatte.  Das  haben 
schon  Manche  behauptet  und  sich  dabei  auf  Plin.  35,  64  berufen.  Le- 
normant aber  nennt  S.  225  die  Beziehung  auf  Agrigcnt  bei  Plinius  eine 
confusion  manifeste;  worauf  basirt  dann  noch  jenes  »fait«?  —  S.  232. 
233  ist  es  Lenormant  recht  wunderbar  gegangen.  In  der  Nähe  des  la- 
kinischen  Vorgebirges  wird  von  Scylax  eine  Insel  der  Kalypso  erwähnt 
und  »Procope,  dans  son  livre  sur  la  guerre  gothique,  parla  encore  de 
cette  ile«,  welche  also  nebst  anderen  zwischen  dem  VI.  Jahrhundert  »oü 
ecrivait  Procope«  und  dem  XV. ,  wo  man  wieder  genauere  Nachrichten 
über  die  Küsten  Italiens  bekommt,  »se  scront  abimcs  au  sein  des  eaux«. 
Was  sagt  nun  Procop  (B.  G.  IV,  22)?  Zwischen  der  Charybdis  und  Ker- 
kyra  ist  keine  bewohnte  Insel,  oiars  nnXXäx«;  iydj  ivzauHu  yzvojjisvng  tlir^- 


128  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

TiopoüiJ-YiV  0717]  nork  äpa  rrfi  Kahx^'oTtq  vrjuog  ec/j  •  raürrjg  yu.()  r^c  HaXdaarjQ 
aijoatirj  vrjrrov  zeHiaiiat,  ori  jxrj  rpeTg  oh  noXkw  ano&ev  rr^g  0acay.toog,  d^r 
o(Tov  drjj  (jraouov  rptaxoauov  äy^tazd  nrj  dk)i7jXu}V  o'Saag.  Also  sagt  Pro- 
cop  gerade,  dass  keine  Insel  der  Kalypso  da  ist!  Wie  in  aller  Welt  nur 
Lenormant  auf  seine  Behauptung  gekommen  ist?  Und  das  nennt  er  »re- 
prendre  ab  ovo«  die  geographischen  Fragen! 

Chap.  XII.  Von  Kroton  nach  Catanzaro  (S.  235  —  270).  S.  241  meint 
Lenormant,  dass  »un  dcplacement  manifeste  des  noms  dans  le  texte  de 
Pline  mentionue  Petelia  dans  l'interieur  des  terres,  aupres  du  fleuvc 
Targines«.  Das  ist  falsch;  bei  Plin.  (3,96)  werden  die  Flüsse  aufge- 
zählt; dann  kommt  ein  oppidum,  das  nicht  bei  dem  zuletzt  genannten 
Flusse  zu  liegen  braucht.  —  S.  242  vermuthe  ich  mehrfache  Confusion, 
die  in  einem  Falle  nachweisbar  ist.  Lenormant  sagt,  die  Einwohner  von 
Policastro  hätten  sich  1647  von  Philipp  IV.  als  »Erben  der  Petelinercr 
proclamiren  lassen ;  nach  Corcia  Stör,  delle  due  Sic.  III,  268  hat  es  Fer- 
dinand von  Neapel  1467  gethan.  Wer  von  Beiden  wohl  Recht  hat? 
Sicher  ist  sodann,  dass  die  Stadt  Policastro,  die  Robert  Guiscard  1065 
nahm,  das  bekannte  Policastro  am  tyrrhenischen  Meer  und  nicht  das 
obscure  Policastro  in  der  Nähe  von  Cotrone  ist,  wie  Lenormant  242 
meint.  Die  weiteren  Schicksale  dieses  Policastro  werden  allerdings  so, 
wie  Lenormant  angiebt,  von  L.  Giustiniani,  Dizionario  geograf.  del  regno 
di  Napoli,  vol.  X,  im  Nachtrag,  erzählt;  aber  auch  hier  scheinen  Ver- 
wechslungen mit  dem  grösseren  Policastro  unterzulaufen.  —  S.  244  er- 
eifert sich  Lenormant  sehr  über  Irrthümer  des  armen  Barrio.  Wer  wird 
denn  alle  Fehler  der  Geographen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  wider- 
legen! —  S.  253  spricht  Lenormant  von  Resten  einer  alten  Stadt  am 
rechten  Ufer  des  Corace.  Marincola-Pistoja  (S.  256)  erkennt  darin  Cro- 
talla,  was  Lenormant  nicht  zugiebt;  denn  »pour  la  soutenir  (seine  An- 
sicht) cet  erudit  est  oblige  d'admettre, que  le  Carcines  de  Pline 

est  le  meme  que  le  Caicinos  de  Thucydide,  d'Elien  et  de  Pausanias, 
fleuve  qui  formait  la  fronticre  entre  les  territoires  de  Caulonia  et  de 
Cotrone,  au  temps  oü  ce  dernier  comprenait  Scylletion.  Mais  c'est  ce 
que  je  ne  saurais  admettre«.  Hier  ist  Lenormant  in  einem  schwer  er- 
klärlichen Irrthum.  Wie  kann  er  sagen,  dass  der  Caicinos  des  Thucy- 
dides,  Aelian  und  Pausanias  die  Grenze  zwischen  Caulonia  und  Scylletion 
bildete?  Nach  Thuc.  III,  103  fliesst  er  im  Gebiet  der  Lokrer  und  nach 
Paus.  VI,  6,  4  trennt  er  Lokris  und  Rhegine.  Lenormant  hat  sich  diese 
Stellen  offenbar  nicht  angesehen.  Dann  fährt  Lenormant  fort:  Wenn 
man  den  Crotalus  mit  dem  Corace  identificirt,  muss  man  den  AUi  ohne 
Namen  lassen,  und  bei  Plinius,  dem  Admiral,  eine  Ungenauigkeit  in  der 
Beschreibung  der  Küsten  annehmen.  Und  es  kann  nicht  ein  Zufall  sein, 
dass  Plinius  »donne  precisement  cinq  noms  de  fleuves  pour  le  littoral 
entre  Scylacium  et  la  saillie  du  mont  Clibanus ,  oü  cinq  cours  d'eau  se 
jettent  dans  la  mer:  le  Corace-Carcines,  l'Alli-Crotalus,  le  Simmer-Semirus, 


üuteritalien.  129 

le  Crocchio-Arocha  et  le  Tacino-Targinös«.  Das  ist  wieder  falsch.  Diese 
Flüsse  bei  Plinius  sind  nicht  die  von  Scylacium  an,  sondern  vom  Vor- 
gebirge Cocinthus  (Stilo).  »Je  maintiens  donc  la  distinction  entre  le 
Carcines,  coulant  au  nord  de  Scylletion,  et  identique  au  Corace  actuel, 
et  le  Caicinos  coulant  ä  quelque  distance  au  sud  de  la  meme  ville  et 
correspondant  ä  l'Ancinale  de  nos  jours«.  Den  Ancinale  für  den  Kai- 
kinos zu  halten,  ist  kein  Grund  mehr  vorhanden,  wenn  man  den  Carcines 
des  Plinius  für  den  Corace  erklärt,  denn  der  Carcines  bei  Plinius  und 
der  Caicinus  sind  identisch ,  verschiedene  Lesarten  desselben  Namens. 
»Et  j'hesite  d'autant  moins  ä  le  faire  que  Pomponius  Mela  mentionne 
sur  la  cote  du  golfe  Scylacien  une  ville  de  Carcinos,  juste  au  meme 
point  oü  Pline  met  son  fleuve  Carcines,  c'est  ä  dire  ä  l'embouchure  du 
Corace,  au  nord  de  Scylacium«.  Mela  sagt  (S.  48  Parthey),  dass  am 
scylacinischen  Golfe  Petelia,  Carcinus,  Scyllaceum,  Mystiae  liegen.  Wie 
da  von  »juste  au  meme  point«  die  Rede  sein  kann,  mag  ein  anderer 
begreifen.  »Maintenant  le  site  oü  Pomponius  Mela  met  Carcinos  est 
exacteraent  le  meme  oü  Pline  mentionne  les  Castra  Hannibalis,  entre  Scy- 
lacium etle  Carcines«.  Plinius  giebt  den  Namen  sinus  Scylacius,  nennt  die 
Stadt,  von  der  der  Sinus  den  Namen  hat,  und  weil  hier  Italien  am  schmäl- 
sten ist,  den  Ort,  an  dem  das  stattfindet:  castra  Hannibalis,  dann  die 
Flüsse,  dann  eine  Stadt  im  Innern,  einen  Berg,  ein  Vorgebirge.  Dass 
daraus  hervorgehe,  dass  Plinius  die  C.  Hann.  zwischen  Scylacium  und 
den  Carcines  setze,  kann  nur  der  glauben,  der  nicht  Zeit  gehabt  hat, 
das  Princip  der  Aufzählung  bei  Plinius  zu  berücksichtigen.  Lenormant 
setzt  die  Castra  Hann.  auch  deshalb  an  den  Corace,  weil  hier  wirklich 
Italien  am  schmälsten  ist  »Que  l'on  regarde  sur  la  carte«  sagt  Lenor- 
mant (S.  258).  Wir  haben  das  gethan  und  finden,  dass  dieser  schmälste 
Punkt  vielmehr  südlich  von  Squillace  ist,  wie  auch  Mannert  annimmt.  — 
S.  258  ist  statt  3000  citoyens  zu  lesen  300.  —  S.  259  hat  Lenormant 
noch  einen  anderen  Grund  für  die  Ansetzung  der  C  Hann.  nördlich  von 
Squillace,  nämlich  dass  an  diesem  Punkt  Dionys  seine  Mauer  zog  »Le 
simple  bon  sens  indique  que  le  mur  de  Denys,  destine  a  protöger  contre 
les  incursions  des  Lucanieus  le  territoire  qu'il  veuait  de  cröer  k  ses 
allies  de  Locres,  devait  embrasser  le  canton  de  Scylletion,  qu'il  Icur 
avait  donne«.  Die  Sache  ist  doch  nicht  so  einfach,  wie  Lenormant  meint; 
Dionys  machte  seine  Mauer  um  die  Südspitzc  von  Italien  abzuschneiden ; 
es  kam  nicht  darauf  an,  ob  die  Lokrer  ein  paar  Quadratmeilen  mehr 
geschützt  erhielten  oder  nicht.  Die  Seiten  256  —  259  sind  ein  Muster, 
wie  man  historische  Geographie  nicht  betreiben  muss.  —  S.  261  ff.  spricht 
Lenormant  von  Tiriolo  und  Scip.  Cicala,  dem  berühmten  Renegaten. 

Chap.  XIII  Catanzaro  (S.  271-328)  behandelt  das  Mittelalter  und 
die  Neuzeit.  Bemerkenswerth  ist  das  Museum  unter  der  Leitung  des 
verdienstvollen  Herrn  Marincola-Pistoja,  dessen  historische  Schriften  Le- 
normant vielfach  zu  Rathe  gezogen  hat. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVHI,    (i88j.   HI.)  9 


130  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

Chap.  XIV  Squillace  (S.  329  — 447).  Wir  finden  hier  eine  inter- 
essante Abhandlung  über  das  alte  Skylletion.  Lcnormant  macht  die  tref- 
fende Bemerkung,  dass  schon  der  Name  den  ionischen  Ursprung  der 
Stadt  zeigt,  freilich  weiss  man  nicht,  wann  sie  gegründet  wurde;  etwa 
als  Kolophon  Siris  gründete?  —  S.  330  finden  wir  anziehende  Betrach- 
tungen über  Athene  als  Meeresgöttin,  die  Lenormant  nach  Lykophron 
Skyletria  nennen  möchte.  Wenn  Lenormant  339  von  der  absence  de  tout 
monnayage  de  cette  ville  spricht,  so  möchte  man,  dass  er  sich  über 
Sambon2  S.  358 ,  Planche  24,  37  geäussert  hätte,  wo  doch  eine  Münze 
von  Skylletion  angenommen  wird;  und  zwar  entspricht  ihr  Revers  ge- 
rade dem,  was  Lenormant  als  charakteristisch  für  Skylletion  bezeichnet. 
—  S.  360  ff.  behandelt  Lenormant  die  Frage,  wo  das  alte  Skylletion  lag. 
Einige  Neuere  haben  geglaubt,  dass  das  moderne  Squillace  die  Lage 
der  alten  Stadt  hat,  Andere,  dass  das  alte  Skylletion  am  Meere  lag. 
Lenormant  unterscheidet  sehr  scharfsinnig:  die  griechische  Stadt  lag  am 
Meere;  die  römische  im  Lande  an  der  Stelle  des  heutigen  Squillace. 
Lenormant  bestimmt  auch  den  Ort  des  berühmten  Monasterium  Viva- 
riense  (von  den  von  Cassiodor  angelegten  vivaria  so  genannt).  Das  grie- 
chische Skylletion  ist  wahrscheinlich  von  Dionys  zerstört  worden.  —  Nun 
folgen  höchst  interessante  Betrachtungen  über  die  Hellenisirung  dieser 
Gegend  im  Mittelalter.  Zur  Zeit  Cassiodor's  ist  hier  alles  lateinisch;  im 
11.  Jahrhundert  alles  griechisch.  Die  Ursache  zur  Umwandelung  gab 
die  Bilderzerstörung  des  Leo  Isauricus,  der  merkwürdiger  Weise  in  Italien 
tolerant  war,  so  dass  die  Mönche  schaarenweise  dahin  auswanderten. 
Neue  Einwanderungen  von  griechisch  Redenden  im  9.  und  10.  Jahrhundert 
erfolgten  als  die  Feldherren  Basilius'  I.  und  seiner  Nachfolger  Apulien,  Terra 
d'Otranto,  Basilicata  und  Calabrien  den  Saracenen  wieder  abnahmen; 
nur  Apulien  wollte  nicht  wieder  griechisch  werden.  Lenormant  entwickelt 
auch  die  weiteren  Schicksale  des  griechischen  Elements  in  diesen  Gegen- 
den bis  in  die  Neuzeit.  Er  schliesst  mit  Notizen  über  die  Familie  Pepe, 
die  in  Squillace  ansässig  war. 

Das  Werk  Lenormaut's  ist  höchst  anregend,  und  vortrefflich  in  der 
Schilderung  der  Natur  und  der  modernen  Verhältnisse,  in  den  allge- 
meinen historischen  Betrachtungen  und  in  der  Anwendung  der  Numis- 
matik auf  die  Geschichte  (hier  jedoch  mit  Ausnahmen),  endlich  in  der 
Benutzung  und  Verarbeitung  der  neuesten  Forschungen  Anderer.  Man 
sieht,  dass  der  Verfasser  weite  Gebiete  mit  Leichtigkeit  beherrscht, 
wie  wenig  andere  Gelehrte.  Die  historische  Geographie  hat  er  jedoch 
nur  insoweit  gefördert,  als  er  die  Resultate  der  Localforschung  mit- 
theilt und  gut  wiedergiebt,  und  durch  eigene  Forschung  in  Betreff  der 
Stadt  Skylletion.  Was  dagegen  die  eigentlich  gelehrte  Arbeit  in  der 
historischen  Geographie,  d.  h.  die  Benutzung  der  antiken  Schriftquellen 
betrifft,  so  berechtigt  sie  durchaus  nicht  zu  der  von  ihm  aufgestellten 
Behauptung,  eine  Revision  dieser  Wissenschaft  für  Grossgriechenland 
vorgenommen  zu  haben,  und  sie  ist  in  einzelnen  Fällen  so  ungenügend, 


Unteritalien.  131 

dass  sie  der  hohen  Stellung  des  Verfassers  überhaupt  nicht  mehr  ent- 
spricht. Quellencitate  mit  on  (1,  228),  plusieurs  (1,  258),  tous  (1,  377), 
certains  (2,  6),  quelques  (2,  10),  les  lexicographes  grecs  (2,  222),  hinter 
denen  nichts  oder  wenig  steckt  und  die  nur  mit  stundenlangem  Suchen 
als  leere  Phrasen  nachzuweisen  sind,  sollten  doch  besser  vermieden  wer- 
den. Und  trotz  alledem  muss  Jeder,  der  sich  mit  der  Geschichte  und 
Geographie  von  Grossgriechenland  beschäftigt,  das  Werk  lesen!  "Was 
könnte  der  Verfasser  leisten,  wenn  er  weniger  flüchtig  arbeiten  wollte! 
Und  vielleicht  will  er  es  in  den  noch  zu  erwartenden  Bänden! 

Zu  einzelnen  Punkten  Unteritaliens  übergehend,  erwähnen  wir  zu- 
nächst: 

Sybaris  und   Thurii. 

Von  allen  berühmten  griechischen  Städten  ist  fast  keine  so  spurlos 
und  vollständig  vom  Erdboden  verschwunden  wie  Sybaris.  Von  wirk- 
lichen Ueberresten  garnicht  zu  reden,  sind  nicht  einmal  die  offenliegen- 
den Terrainverhältnisse  der  Art,  dass  man  sagen  müsste:  hier  lag  Sy- 
baris. Manuert  (Italien  II,  218)  setzt  es  »etwas  westlich  vom  heutigen 
Dorfe  Polinara«,  was,  wie  sich  jetzt  gezeigt  hat,  nicht  richtig  ist.  Die 
für  die  Erforschung  und  Erhaltung  der  heimischen  Alterthüraer  so  sehr 
thätige  italienische  Regierung,  speciell  die  dem  hochverdienten  Commend. 
Fiorelli  anvertraute  Generaldirection  der  Museen  und  Ausgrabungen,  beauf- 
tragte deshalb  den  bewährten  Erforscher  Siciliens,  den  Ingenieur  Sav.Caval- 
lari,  mit  Ausgrabungen  in  der  Gegend,  in  welcher  Sybaris  liegen  musste. 
Dieselben  wurden  im  Frühjahr  1879  unternommen  und  haben  interessante 
Ergebnisse  geliefert,  über  welche  berichtet  worden  ist  in  den  Notizie 
degli  scavi  di  antichitä,  comunic.  alla  R.  Accad.  dei  Lincei  p.  ord.  di 
S.  E.  il  ministro  della  Pubb.  Istruzione.  Anno  1879.  Roma  1880.  p.  49 
—52.  77-82.  122-124.  245-253  nebst  Tav.  V  und  VI,  sowie  S.  156 
—  159,  ferner  Anno  1880.  Roma  1881.  S.  68.  152.  152—162  nebst  Tav. 
VI  fig.  1—3.  Den  eingehendsten  und  für  die  Topographie  werthvollsten 
Bericht  enthalten  die  Seiten  245  —  53  des  Jahrgangs  1879,  wozu  die 
Tav.  V  die  Karte  der  Gegend  und  Tav.  VI  die  Details  des  Grabes  lie- 
fert, das  die  interessanten  Goldplättchen  enthielt;  die  Seiten  49—52  und 
77—82  besprechen  die  Ausgrabungen  selbst. 

Cavallari's  Forschungen  waren  in  doppelter  Hinsicht  werthvoll.  Ein- 
mal stellten  sie  die  Lage  von  Sybaris  fest,  und  zweitens  lehrten  sie 
merkwürdige  Grabanlagen  kennen.  In  erster  Hinsicht  hat  Cavallari  mit 
Recht  die  Thatsache  berücksichtigt,  dass  nach  Strab.  263  die  Krotouiaten, 
als  sie  Sybaris  erobert  hatten,  es  dadurch  zerstörten,  dass  sie  den  Fluss 
Krathis  ablenkten  und  sich  über  die  Stadt  ergiessen  Hessen.  Nun  hat 
Cavallari  festgestellt,  dass  der  Crati  in  dem  letzten  Thoile  seines  Lau- 
fes, ehe  er  sich  mit  dem  Coscile  (Sybaris)  vereinigt,  eine  durch  keine 
Bodenerhebungen  motivirte  Zickzacklinie  bildet,   während  daneben   ein 

9* 


132  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

Thal  bleibt,  das  als  Crati  vecchio  bezeichnet  wird,  und  sich  in  gerader 
Linie  nach  Osten  hinzieht.  Er  hat  mit  Recht  hieraus  geschlossen,  dass 
wir  in  dem  Crati  vecchio  den  Lauf  des  Krathis  zur  Zeit  der  Existenz 
von  Sybaris  haben,  in  der  Zickzacklinie  den  durch  die  Krotoniaten  geän- 
derten Lauf,  und  dass  wir  somit  um  diesen  letzteren  das  Terrain  der 
Stadt  Sybaris  selbst  suchen  müssen.  Es  ist  somit  die  Lage  von  Sy- 
baris nun  endlich  festgestellt  Das  zweite  interessante  Ergebniss  der 
Thätigkeit  Cavallari's  war  die  Erforschung  eines  der  vielen  Tumuli,  die 
sich  von  der  Südgreuze  der  alten  Stadt  Sybaris  bis  zum  Meere  hinzie- 
hen, und  die,  wie  Cavallari  sogleich  erkannte,  Gräber  sind.  Er  öffnete 
im  Februar  und  März  1879  nun  den  grössten  derselben,  den  sogenann- 
ten Timpone  grande,  der  noch  eine  Höhe  von  9,  50  ot  hatte,  und  fand 
auf  dem  Boden  desselben  ein  Grab,  worin  neben  verbrannten  mensch- 
lichen Ueberresten  und  einigen  anderen  Gegenständen  zwei  zusammen- 
gebogene Goldplättchen  mit  griechischen  Inschriften  gefunden  wurden. 
Die  Inschriften  sind  von  Coraparetti  untersucht  worden,  der  auf  den  oben 
angeführten  Seiten  156—59  des  Jahrgangs  1879  darüber  berichtet  hat. 
Die  eine  ist  unverständlich,  indem  die  griechischen  Buchstaben  keine 
Worte  bilden,  die  einen  Sinn  geben,  die  andere  ist  von  Comparetti  ge- 
lesen und  erklärt  worden.  Sie  bezieht  sich  auf  den  Zustand  nach  dem 
Tode  und  zeigt  den  Todten  als  in  gewisse  Mysterien  eingeweiht.  Die 
Untersuchungen  wurden  später  unter  der  Leitung  anderer  Ingenieure 
fortgesetzt,  und  in  drei  anderen  Timponi,  welche  geöffnet  wurden,  drei 
weitere  Gofdplättchen  mit  Inschriften  entdeckt,  über  welche  Comparetti 
in  den  Notizie  des  Jahres  1880  S.  156  —  62  eingehend  und  genau  ge- 
sprochen hat.  Nach  Comparetti  ist  an  pythagoreische  Lehren  hier  nicht 
zu  denken,  sondern  an  die  sogenannten  Orpheotelesten,  von  denen  Plato 
de  Rep.  II,  364  spricht.  Wir  hatten  schon  etwas  ähnliches  in  dem  Gold- 
plättchen von  Petelia,  herausgegeben  im  C.  I.  Gr.  5772  und  von  Kaibel, 
Epigr.  gr.  ex  lap.  p.  453.  Comparetti  macht  wahrscheinlich,  dass  alle 
diese  mystischen  Verse  der  vormacedonischen  Zeit  angehören.  Wir  haben 
also  hier  werthvolle  Denkmäler  der  Cultur  der  ersten  Hälfte  des  vierten 
Jahrhunderts  v.  Chr.  Zugleich  sehen  wir  hier,  was  auch  schon  Caval- 
lari andeutete,  dass  diese  merkwürdigen  Kegelgräber,  die  in  ihrer  Form 
so  sehr  an  den  Orient  erinnern,  nicht  etwa  der  Stadt  Sybaris  angehören. 
Cavallari  hatte  schon  auf  das  Fehlen  älterer  Vasenscherben  aufmerksam 
gemacht.  Wir  haben  hier  also  Gräber  von  Bewohnern  von  Thurii,  und 
zwar  sehr  angesehener  Bewohner,  denn  wie  sollten  sich  sonst  die  un- 
geheuren Aufschüttungen  über  dem  Grabe  erklären?  Cavallari  hat  schon 
in  seiner  topographischen  Abhandlung  Beiträge  zur  Frage  gegeben,  wo 
Thurii  lag,  und  auf  die  Fönte  del  Fico  nördlich  vom  Timpone  grande 
als  wahrscheinlich  identisch  mit  der  Quelle  Thuria,  nach  der  die  Stadt 
den  Namen  hatte,  hingewiesen. 

Nach  dem  Vorhergehenden   ist  der  Wunsch  wohl  berechtigt,  es 


Unteritalien.  1 33 

möchte  nun  versucht  werden,  an  dem  Punkte,  der  als  der  von  Sybaris 
festgestellt  ist,  die  Ueberreste  der  Stadt,  die  vorhanden  sein  müssen, 
aufzudecken.  Der  Krathis  ist  hinübergeleitet  worden;  muss  die  von  ihm 
abgesetzte  Erde  nicht  vieles  zugedeckt  und  so  erhalten  haben?  Lenormant's 
Wunsch  ist,  dass  es  versucht  werden  möge;  und  man  möchte  glauben, 
dass  er  wenigstens  zum  Theil  erfüllt  werden  könnte;  für  die  Gegend 
nördlich  vom  Crati  hält  freilich  Cavallari  alle  Arbeit  für  verlorene  Mühe; 
da  man  in  der  Tiefe  von  1,75  m  auf  Wasser  stosse,  das  alle  weitere 
Arbeit  verbiete.  Doch  auch  hier  hat  die  Technik  noch  night  ihr  letztes 
Wort  gesprochen! 

Mit  Neapel  hat  zu  thun: 

Delle  origini  della  cittä  di  Napoli  per  Michele  Cardona.    Nap. 
1880.     112  S.  in  8. 

Diese  Schrift  enthält  eine  Darstellung  der  Geschichte  und  Cultur 
Neapel's  im  Alterthum.  Der  Verfasser  citirt  niemals  die  Stellen  seiner 
Gewährsmänner,  und  nach  dem  was  wir  versucht  haben,  um  das  auf  den 
ersten  Seiten  Gesagte  auf  seine  Quellen  zurückzuführen,  wird  er  sie 
nicht  immer  gelesen  haben.  S.  20  behauptet  er,  dass  »Eumelo  condut- 
tore  della  greca  colonia  che  fondo  Napoli  ha  dovuto  essere  la  stessa  per- 
sona di  Falero  che  prima  di  ogni  altro  diede  il  nome  alla  nostra  cittä. 
Ora  se  piu  Faleri  nella  greca  istoria  si  ricordano,  un  solo  tra  essi  ha 
avuto  l'aggiunta  di  Eumelo,  ed  e  l'Argonauta  Eumelo  Falero  menzionato 
da  Apollonio  Rodio  nel  suo  poema  degli  Argonauti ;  esso  quindi  si  deve 
ritenere  come  il  foudatore  di  Napoli  nostra«.  Und  dann  sagt  er  »Eumelo« 
heisse  freilich :  valoroso  coli'  asta,  aber  solche  Art  von  Beinamen  hätten 
die  griechischen  Dichter  ihren  Helden  immer  gegeben.  Woher  der  Ver- 
fasser wohl  alle  diese  schönen  Dinge  hat?  Als  Referent  noch  gelesen 
hatte,  dass  Parthenope  gelebt  haben  müsse,  weil  man  ihr  Grab  zeigte 
(S.  12),  und  dass  die  Argonauten  Neapel  im  Jahre  1265  v.  Chr.  gegrün- 
det haben  (S.  26),  hat  er  das  Buch  einfach  weiter  gelesen,  ohne  sich  die 
Mühe  zu  geben,  die  vom  Verfasser  nicht  citirten  Quellen  seiner  Be- 
hauptungen zu  finden.  Von  S.  S2  — 104  behandelt  Cardona  die  Topo- 
graphie. Wir  können  hierüber  nur  sagen,  dass  er  auf  dem  Vor-Beloch- 
schen  Standpunkte  stellt,  wie  denn  überhaupt  eine  Benutzung  Beloch's 
in  dem  ganzen  Buche  nicht  ersichtlich  ist.  Wahrscheinlich  ist  es  früher 
geschrieben;  Beloch's  Buch  erschien  1879,  vorliegende  Schrift  1880.  Aber 
über  Campanische  Geschichte  und  Topographie  eine  Schrift  publiciren,  nach- 
dem Beloch's  Buch  erschienen  ist,  und  auf  dasselbe  keine  Rücksicht 
nehmen,  was  kann  dabei  herauskommen?  Herr  Cardona  ist  noch  Ver- 
treter der  von  Beloch  verworfenen  Ansicht  von  dem  tiefen  Eindringen 
des  ältesten  Hafens  der  Stadt  in  das  Land,  der  bis  hinter  S.  Giovanni 
Maggiore,  in  der  Nähe  der  Universität,  ging.    Es  wäre  recht  nützlich, 


134  Geographie  von  Unteritalien  unci  Sicilien. 

wenn  diese  Frage  einmal  zum  Gegenstand  einer  speziellen  und  genauen 
Untersuchung  gemacht  würde. 

Reiche  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Topographie  Unteritaliens  und 
Siciliens,  wie  im  Allgemeinen  Italiens  liefern  die  Publicationen  des  Mi- 
nisteriums des  öffentlichen  Unterrichts,  dessen  betreffende  Abtheilung, 
wie  schon  gesagt,  vom  Commendatore  Fiorelli  geleitet  wird.  Es 
sind  erstens 

Documenti  inediti  per  servire  alla  storia  dei  Musei  d'Italia  pub- 
blicati  per  cura  del  Ministero  della  Pubblica  Istruzione.  Vol.  III  und 
IV.    Roma  1880.    8. 

Wir  machen  hier  aufmerksam  auf  Bd.  IV.  No.  VII.  S.  93  —  123,  ent- 
haltend Antichitä  scoperte  nelle  provincie  meridionali,  da  documenti  ser- 
bati  neir  Archivio  di  Stato  di  Napoli,  wo  sich  Nachrichten  über  Funde 
in:  Alife,  Baja,  Canosa,  Capua  e  S.  Maria,  Castelmezzano,  Cuma,  Iser- 
nia,  Isola,  Minterno,  Monopoli,  Monteleone,  Nocera  de'  Pagani,  Ottati, 
Pescocanale,  Posilipo,  Pozzuoli,  Ruvo,  Succavo,  Torre  Annunziata,  Torre 
del  Greco,  Velia,  meist  aus  den  dreissiger  und  vierziger  Jahren  finden. 
Wir  können  auf  das  Einzelne  nicht  eingehen,  und  wollen  nur,  weil  es 
die  noch  am  wenigsten  bekannte  und  doch  nicht  unwichtige  Localität 
betrifft,  hersetzen,  was  von  Velia  gesagt  ist:  »sul  finire  dello  scorso 
anno  1838,  fu  disotterrato  in  Velia  e  precisamente  in  un  podere  di  quella 
cittä  denominato  Ische  della  Stanfella,  un  superbo  sepolcro  greco,  colmo 
di  vasi  fittiM  pregiatissimi,  di  armature  dorate,  di  patere,  di  lucerne,  di 
monete,  e  di  altri  oggetti  interessantissimi.  II  suddetto  sepolcro  o  sar- 
cofago  di  marmo  si  e  trovato  ben  couservato,  e  nella  sua  covertura  a 
schiena  d'  asino  sta  posta  una  greca  iscrizione«.  No.  VIII  enthält  das 
Verzeichniss  der  im  Jahre  1796  im  Nuovo  Museo  e  Fabbr.  della  Por- 
cellana  di  Napoli  befindlichen  Alterthümer,  besonders  Vasen  aus  S.  Agata 
dei  Goti. 

Zweitens  haben  wir  die  schon  erwähnten 

Notizie  degli  scavi  di  antichitä  comunicate  alla  R.  Accad.  dei  Lin- 
cei  per  ordine  di  S.  E.  il  Ministro  della  Pubb.  Istruzione.  Roma  1879. 
1880.  1881.    4. 

Wir  haben  diese  Notizie  schon  in  unseren  früheren  Berichten  be- 
nutzt; sie  werden  aber  immer  reichhaltiger,  ein  Beweis  der  vortrefflichen 
Leitung  dieses  Zweiges  der  Verwaltung  und  des  Eifers,  mit  dem  die 
durchweg  sehr  kenntnissreichen  Beamten  in  den  einzelnen  Provinzen  dem 
Wunsche  des  Ministeriums  und  der  Akademie  entsprechen.  Einzelne 
der  Berichte  sind  wahre  Monographien  über  den  Gegenstand ;  wir  machen, 
um  unsere  Behauptung  auch  durch  ein  nicht  unserem  speciellen  Gebiete 
entnommenes  Beispiel  zu  belegen,  auf  die  erschöpfende  Arbeit  über  das 
Pantheon  Agrippa's,  im  Octoberheft  1881,  die  in  Folge  der  aus  der  eigen- 


ünteritalien.  135 

sten  Initiative  des  Ministers  Bacelli  hervorgegangenen  Freilegung  des 
Pantheons  entstanden  ist,  aufmerksam.  Die  Reichhaltigkeit  der  Notizen 
über  Unteritalien  in  den  Heften:  August  1879  — October  1881  lässt  uns 
eine  geographische  Sonderung  derselben  nach  grösseren  Provinzen,  in 
der  Reihenfolge:  Abruzzeu,  Apulien,  Terra  di  Otranto,  Lucanien,  Cala- 
brien,  Principato,  Campanien,  wünschenswerth  erscheinen.  Die  Sonderung 
ist  nur  zu  praktischen  Zwecken  von  uns  gemacht  und  könnte  theoretisch 
in  einzelnen  Punkten  vielleicht  angegriffen  werden. 

In  den  Abruzzen,  im  Flussgebiet  des  Aternus  (Pescara)  und  zum 
Theil  des  Sagrus  (Sangro)  (vgl.  Kiepert  §  378  und  folg.)  haben  wir  zu 
verzeichnen:  Entdeckungen  in  Amiternum  (San  Vittorino),  Notizie 
1880,  S.  290  —  296,  Ausgrabung  des  Theaters,  S.  350,  ebenso,  mit  gele- 
gentlichen Tastungen  im  Amphitheater.  Corfinium  (Pentima),  wo  wir 
in  das  Forschungsgebiet  des  gelehrten  Inspectors  de  Niuo  treten,  der 
mit  Eifer  die  Bestrebungen  Stoffel's  unterstützt,  die  Belagerung  der  Stadt 
durch  Cäsar  topographisch  zu  erläutern;  Notizie  1879  S.  224;  S.  315  - 
320;  S.  334;  1880,  S.  143—146  (Gräber)  S.  296  —  298  (ebenfalls);  1881, 
S.  121.  In  der  Nähe  von  Raiano  bei  Sulmona  beschreibt  de  Nirio  1880 
S.  252.  253  römische  Ruinen  an  dem  sehr  festen  Orte  La  civita,  welcher 
Name  mehrfach  in  Italien  eine  antike  Stadtfläche  bezeichnet.  Sulmo 
(Sulmona)  1879,  S.  334;  1880,  S.  178;  1881,  S.  60.  120.  143  (meist  Grä- 
ber). Introdacqua  1881,  S.  144  (Inschrift).  Alfedena  (Castel  del  Sangro) 
das  alte  Aufidena,  im  Flussgebiet  des  Sangro  1879  S.  320  (viele  Grä- 
ber). —  Teate  (Chieti),  die  Hauptstadt  der  Marrucini.  1880,  S.  170 
—  178  Abhandlung  des  Avvocato  Zecca  über  ein  antikes  Bauwerk,  das 
er  für  ein  Grab  hält,  und  Bericht  über  Reste  von  Wasserleitungen,  die 
vielleicht  der  in  einer  Inschrift  erwähnten  von  C.  Asinius  Gallus  ange- 
legten angehören.  S.  Maria  del  Palazzo  bei  Montenerodomo  im  Gebiete 
von  Chieti,  manche  antike  Ueberreste  die  dem  alten  luvanum  ange- 
hören sollen  1880  S.  253;  1881  S.  142.  143.  Daran  schliessen  wir,  in 
Molise,  Saepinum  im  Lande  der  Samniter,  Thal  des  Tamarus,  Neben- 
fluss  des  Vulturnus;  1879  S.  324.  325;  1880  S.  179—183,  Ausgrabungen 
in  der  Basilica  und  in  einem  anderen  Gebäude  noch  unklarer  Be- 
stimmung. 

In  Apulien  verzeichnen  wir:  Lucera,  1881  S.  122.  145  (Mo- 
saiken). Canosa  (Canusium)  1879  S.  348;  1881  S.  94  (Gräber  und 
Vasen).  Ruvo  (Rubi)  1880  S.  103.  234,  interessanter  Fund:  eine  Schie- 
ferplatte mit  eingegrabenen  Formen  von  Schmuckgegenständen;  sie  hat 
für  die  noch  gebräuchlichen  lavori  a  sfoglia  gedient,  worüber  vgl.  Le- 
normant  Gr.  Gr.  II,  322,  der  noch  hätte  erwähnen  können,  dass  man  die 
Entdeckung  der  Bestimmung  der  Platte  Herrn  Jatta  verdankt;  S.  401 
(Gräber  und  Vasen). 

In  Terra  d'Otranto  u.  s.  w.,  dem  alten  Calabrien:  Brindisi  1880 
S.  254.  356.  405.  501;    1881  S.  66.  219.  240   (meist  kleine  römische  In- 


136  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

Schriften).  Mesagne  1880  S.  405  (Gräber).  Ostuni  (Sturni)  1880  S.  499, 
messäpisches  Grab,  durch  Münzen  als  der  letzten  Zeit  der  römischen 
Republik  angehörig  kenntlich.  Genosa  (Gebiet  von  Lecce)  1881  S.  95. 
Oria  (Uria)  1881  S.  9G.  249  (messap.  Grab).  Taranto  1879  S.  348. 
Vasen;  1880  S.  34.  104.  189,  interessant  eine  Bleiplatte  mit  Namen,  in 
denen  Comparetti  die  von  Pythagoreern  erkennt. 

In  Lucanien  (Basilicata) :  Metapontum  1880  S.  190  archaisch- 
griechische Inschrift,  erklärt  von  Comparetti.  Muro  Lucano,  gelegen 
zwischen  Eboli  und  Melfi,  soll  das  alte  Numistro  sein;  es  ward  u.  a. 
ein  Stück  einer  antiken  Strasse  entdeckt,  vielleicht  der,  die  von  Numistro 
nach  Herdoniae  führte.  1881  S.  122.  Laurenzana.  Potenza.  Brindisi 
la  Montagna  1881  S.  123  römische  Inschriften.  S.  Chirico  Raparo  1881 
S.  124,  ebenfalls  Vaglio  di  Basilicata,  Spuren  einer  alten  Stadt,  die  an 
der  Strasse  lag,  welche  von  Venosa  über  Oppido  einerseits  nach  Potenza, 
andererseits  nach  Heraclea  führte  1881  S.  123. 

In  Calabrien.  Tarsia  unweit  Sybaris  1880  S.  162  (eine  Bronze- 
statue). Strongoli,  in  der  Gegend  Le  Pianette,  die  dem  alten  Petelia 
entspricht.  1879  S.  226;  1880  S.  68— 73.  163.  501.  Cotrone  (Kroton) 
1879  S.  227—229,  Fund  von  Goldmünzen,  worüber  vergl.  Lenormant  Gr. 
Gr.  II,  131.  132  und  1880  S.  502.  —  In  der  Gegend  von  Catanzaro  und 
Squillace  1879  S.  230.  —  Tiriolo  1881  S.  172.  —  Nicotera  1880  S.  162; 
1881  S.  172.  249. 

Im  Principato  citeriore  und  ulteriore  (Picentiner,  Hirpiner 
und  ein  Theil  der  Lucaner)  haben  wir:  Salerno  1879  S.  348;  1880  S.  66 
(Gräber).  Altavilla  Silentina  1879  S.  348  (römische  Inschriften).  Ponte- 
cagnano  1880  S.  67  (römische  Inschriften).  In  der  Nähe  von  Melito  (bei 
Grottaminardo)  sind  auf  dem  Hügel  Ciano  (1  Kilom.  NW.  von  Mel.)  grosse 
Ueberreste  einer  alten  Stadt  gefunden;  eine  Nekropolis  und  von  der 
Stadt  selbst  Thermen  und  ein  Tempelchen;  anderes  bleibt  noch  zu  er- 
forschen. Der  Berichterstatter,  Insp.  Dr.  Pecori,  vermuthet,  dass  es  die 
nur  einmal  bei  Liv.  IX,  31  und  bei  Frontin,  de  colon.  erwähnte  hirpini- 
sche  Stadt  Cluvia  gewesen  sei.  —  In  der  Civita  genannten  Gegend 
zwischen  Atripalda  und  Avellino,  dem  Ort  des  alten  Abellinum,  ist  ein 
prachtvolles  Grab  gefunden  worden,  worüber  der  Prof.  A.  Sogliano  Be- 
richt erstattet  1881  S.  298.  —  Ein  Fund  aus  Lacedonia  (zwischen  Melfi 
und  Ariano)  wird  1881  S.  248  berichtet.  Endlich  aus  der  Silarusgegend 
Funde  bei  Buccino  1880  S.  354  und  aus  dem  ager  Volceianus  (römi- 
sche Inschriften),  aus  S.  Gregorio  Magno  1880  S.  356.  400  und  1881 
S.  172. 

InCampanien  notiren  wir:  Castelvolturno  1880  S.  391,  römische 
Inschriften.  Cumae,  wo  die  Ausgrabungen  in  der  Nekropolis,  veranstaltet 
von  Herrn  E.  Stevens,  fortschreiten,  1879  S.  338—347;  1880  S.  85— 96. 
147.  Pozzuoli  (Puteoli),  wo  das  Amphitheater  aufgedeckt  ward,  1880 
S.  64.  96.  183.     S.Maria  di  Capua  (Capua)   Gräberfunde,   beim  Arco 


ünteritalien.  137 

di  Adriano,  im  fondo  Virilasci  und  im  fondo  Tirone,  1880  S.  63.  84.  146. 
183.  230.  392.  481;  1881  S.  91.  S.  Angelo  in  Formis ,  Auffindung  von 
Gräbern   des   Pagus  Dianae,   1880  S.  450.     Fuorigrotta  bei   Neapel, 

1880  S.  393.  Portici,  1880  S.  184  (römische  Inschriften).  Bei  Torre  del 
Greco  wurden  vom  Vesuv  verschüttete  Ueberreste,  die  schon  1841  unter- 
sucht waren  (hierüber  in  den  Docum.  inediti  vol.  IV  s.  oben),  neu  auf- 
gedeckt, 1881  S.  60.  In  Castellamare  (Stabiae)  wurden  römische  Grä- 
ber und  Inschriften  gefunden,  1879  S.  225.    Caiazzo,  römische  Inschriften, 

1881  S.  170.  Alife,  1880  S.  83;  1881  S.  168,  zahlreiche  Gräber.  —  Was 
die  Notizie  über  Pompeji  bringen,  kann  hier  nicht  besprochen  werden; 
wir  erwähnen  nur,  dass  ein  Theil  der  Berichte  den  Prof.  A.  Sogliano 
zum  Verfasser  hat.  Merkwürdig  ist,  dass  man  auch  in  der  Umgegend 
Pompeji's  interessante  Entdeckungen  gemacht  hat,  siehe  Notizie  1880, 
S.  494—498  und  1881,  S.  25-29  und  64;  es  wurden  36  Skelette,  offenbar 
von  Flüchtlingen,  gefunden;  s.  1881,  S.  28. 

Topographische  Fragen,  Pompeji  betreffend,  sind  noch  behandelt  in 

A.  Mau,  Pompei  e  la  regione  sotterrata  dal  Vesuvio,  osservazioni. 
Bull.  d.  Inst.  1880 

welche  Abhandlung  ein  Referat  über  den  unter  dem  Titel  »Pompei  e  la 
regione  sotterrata  dal  Vesuvio«  im  Jahre  1879  veröffentlichten  Sammel- 
band (besprochen  in  unserem  Jahresbericht  1879,  Abth.  III,  S.  321  ff.)  ist, 
und  unter  andern  wichtige  Bemerkungen  über  das  alte  Meeresufer  enthält, 
die  die  Ansichten  Ruggiero's  einigermassen  raodificireu;  ferner  in  einer  von 
V.  Duhn  und  Mau  im  Rhein.  Museum  N.  F.  XXXVI,  S.  127-130;  326 
—  328  und  632 — 634  geführten  Discussion  über  den  Hafen  von  Pompeji. 
Wir  verzeichnen  endlich:  G.  von  Bezold,  Sulla  limitazione  di  Pompei, 
Bull.  d.  Inst.  1880,  S.  151-159,  nach  welchem  die  Via  dell'  Abboudanza 
der  Decumanus  maximus  und  die  Via  di  Mercurio  und  V.  delle  Scuole  der 
Cardo  m.  von  Pompei  ist.  —  An  die  genauen  Berichte  Mau's  über  Pom- 
peji im  Bullettino  braucht  hier  nicht  erst  besonders  erinnert  zu  werden. 
In  einigen  Nummern  der  Augsb.  Allg.  Zeitung  hat  R.  Schöner  die  Ge- 
schichte der  Ausgrabung  von  Pompeji  in  interessanter  Weise  behandelt. 
Ueber  Campanien  im  Allgemeinen  handelt 

von  Duhn,  Grundzüge  einer  Geschichte  Campaniens  nach  Mass- 
gabe der  neuesten  archäologischen  Entdeckungen.  In  den  »Verhand- 
lungen der  34.  Philologen-Versammlung  zu  Trier«. 

Herr  von  Duhn  fasst  in  diesem  Vortrage  die  von  ihm  bereits  in 
anderen  Aufsätzen,  z.  B.  in  den  Schriften  des  römischen  archäologischen 
Institutes,  dargelegten  Gedanken  über  die  Chronologie  der  Gräberfunde 
Campaniens  zusammen,  indem  er  sie,  mit  neuen  Bemerkungen  bereichert, 
zu  einer  Skizze  der  Geschichte  Campaniens  erweitert.  Die  llau])tzügc 
derselben  sind  folgende.    Die  ältesten  Bewohner  Campaniens  sind  oski- 


138  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

sehen  Stammes.  Doch  beginnt  die  Geschichte  des  Landes  erst  mit  der 
Ankunft  der  Griechen.  Kyme  war  schon  gegründet,  als  der  phönikisch- 
karthagischc  Handel  sich  um  das  Becken  des  tyrrheuischcn  Meeres  fest- 
setzte. Das  italische  Alphabet  ist  aus  dem  chalkidischen  abgeleitet.  Von 
Kyme  führte  eine  Strasse  in's  Innere,  welche  hauptsächlich  drei  am  Ein- 
gange von  Gebirgspässen  gelegene  Städte  berührte,  die  so  den  Einfluss 
griechischer  Cultur  erfuhren:  Capua,  Suessula  und  Nola.  Von  Suessula 
besonders  kennen  wir  die  ältere  Bestattungsart,  die  durchaus  italisch 
ist,  aber  Vasen  benutzt,  welche  au?  Griechenland  importirt  sind.  Dies 
dauerte  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts.  Um  520  dran- 
gen Fremde  vom  Gebirge  her  in  Campanien  ein,  jedenfalls  nicht  Etrus- 
ker,  deren  Anwesenheit  in  Campanien,  trotz  der  Behauptungen  der  Al- 
ten, die  das  Wort  Tyrrhener  falsch  gedeutet  haben,  nicht  nachweisbar 
ist.  Aber  noch  hielt  sich  das  griechische  Element  in  Kyme,  ja  es  äusserte 
sich  in  kräftigerem  Einfluss  auf  die  Städte  des  Innern,  was  wir  in  der 
Art  der  Bestattung  z.  B.  in  Capua  sehen.  Bis  um  420  v.  Chr.  läuft  nur 
kymaeisches  und  neapolitanisches  Geld  in  Campanien.  Da  aber  kommt 
ein  neuer  Stoss  der  Bergvölker,  die  um  428  Capua,  um  420  auch  Kyme 
erobern;  es  bildet  sich  die  Nation  der  Campaner  mit  Capua  als  Haupt- 
stadt. Neapel  hält  sich  als  griechische  Stadt  durch  Nachgiebigkeit  gegen 
die  Osker,  und  durch  Neapel  hat  Athen  Handelseinfluss  in  Campanien. 
Auch  unter  den  Römern,  von  340  an,  bleibt  ein  ähnliches  Verhältniss. 
Sogar  entwickelt  sich  noch  mehr  der  national  -  oskische  Charakter  Cam- 
paniens,  dem  Pompeji  als  Hafenplatz  seine  Entstehung  verdankt.  Der 
Reichthum  der  Campaner,  etwa  zwischen  340  und  220  v.  Chr.,  zeigt  sich 
in  den  Gräbern.  Das  Land  selbst  fabricirte  viele  Thonwaaren;  in  dem 
oskischen  Heiligthum  bei  Capua  sind  unendlich  viele  Thonfiguren  gefun- 
den. So  kommen  wir  in  die  römische  Zeit,  in  der  an  die  Stelle  des 
griechischen  Hafens  Neapolis  und  des  oskischen  Pompeji  das  römische 
Puteoli  tritt.  Nun  hört  die  selbständige  Weiterentwicklung  der  Land- 
schaft auf. 

Der  Verfasser  wird  hoffentlich,  obschou  er  nicht  mehr  in  Italien 
lebt,  die  Geschichte  und  Archäologie  von  Campanien  auch  ferner  be- 
arbeiten. 

Anderes  Geographische  aus  Unteritalien  betrifft 

F.  DellaCava,  La  uuova  cittä  in  Baia.  Interpretazione  di  un 
passo  di  Strabone.  In  der  Zeitschrift:  Gli  studi  in  Italia.  An.  III, 
vol.  I,  fasc.  I  p,  41—58. 

Diese  Abhandlung  ist  ein  Plagiat  von  folgender  Schrift:  Interpre- 
tazione di  un  luogo  di  Strabone.  Memoria  del  soc.  ord.  della  Real  Ac- 
cad.  Ercolauense  Giac.  Rucca,  letta  1842.  Nap.  Starap.  Reale  1850. 
28  Seiten  in  4.  (wahrscheinlich  Estratto  dagli  Atti  della  R.  Acc  Erc). 
Herr  Della  Cava,  von  dem  ich  nicht  weiss,  wer  er  ist,  hat  die  Abband- 


Unteritalien.    Sicilien.  139 

lung  des  Herrn  Rucca  grösstentheils  wörtlich  abgeschrieben,  mit  einer 
Naivetät,  die  das  gewöhnliche  Mass  überschreitet.  Er  wird  irgend  einen 
praktischen  Zweck  verfolgt  haben,  z.  B.  sich  durch  diese  Arbeit  ein  Amt 
zu  verschaffen.  Gegen  solchen  Schwindel  ist  die  Redaction  einer  Zeit- 
schrift natürlich  ohne  Waffen.  —  Der  Inhalt  der  Arbeit  Rucca's  ist  be- 
reits in  Meineke's  Strabo  I,  Teubner  1866  S.  X  berücksichtigt  worden. 
Rucca  wollte  lesen :    im  viav  Tiohv  im  -acg  Baiacg  ix  JcxaMfj/ccag. 

Für  das  Studium  des  Messapischen  und  somit  für  die  Erkennt- 
niss  der  Eigenthümlichkeit  der  Bevölkerung  des  südöstlichen  Italiens  ist 
von  Bedeutung  eine  Arbeit  von 

W.  Deecke,    Zur   Entzifferung   der   Messapischen    Inschriften  I. 
Rhein.  Mus.  f.  Phil.  N.  F.  XXXVI.  S.  576-596. 

Der  Verfasser  sagt  S.  596:  »Das  Messapische  verbindet  die  Grie- 
chen mit  ihren  nördlichen  Nachbarn,  der  epirotisch-illyrisch-macedouisch- 
thracisch-phrygischen  Völkergruppe,  und  beweist  eine  viel  engere  Zu- 
sammengehörigkeit derselben,  als  man  bisher  annahm«.  Wir  dürfen 
weiteren  Forschungen  des  Verfassers  mit  grossen  Erwartungen  entge- 
gensehen. 

Wir  erwähnen  noch  eine  interessante  Wortverbesserung: 

Thuc.  V,  5  erwähnt  einen  Krieg  der  italischen  Lokrer  gegen  7rc/j- 
yeag  xa\  Mekaioog  6/x6pouQ  xai  aTtotxoug.  Städte  entsprechenden  Namens 
gab  es  aber  nicht.  Classen  hat  deshalb  nach  Weidner  'I-ncuvcdrag  xal 
Meo/iato'jg  gelesen,  was  thatsächlich  richtig  ist.  Nur  ist  es  etwas  hart, 
aus  'hojvdag  ' Iznojvcdrag  zu  machen.  J.  Beloch  macht  nun  in  den  Jahrb. 
f.  class.  Phil,  darauf  aufmerksam,  dass  die  Münzen  von  Hipponiou  Emo}- 
vcioj'/  haben,  und  schlägt  sehr  passend  vor,  bei  Thucydides  'Imovcsag  zu* 
lesen.  Das  konnte  leicht  in  Irwusag  verändert  werden.  Er  erinnert 
ferner  mit  Recht  daran,  dass  wir  so  die  Verfeindung  zwischen  Lokri  und 
Hipponion,  die  im  Jahre  388  Hipponion  den  Untergang  brachte,  schon 
im  fünften  Jahrhundert  finden. 

Sicilien. 

Wir  beginnen  mit 

Praehistorischem  aus  Sicilien. 

Sehr  alte,  sogenannte  vorhistorische  Grabstätten  sind  in  Sicilien 
schon  seit  lange  bekannt;  doch  ist  eine  wissenschaftlich  eingehende  Be- 
schäftigung mit  diesen'  Gegenständen  erst  in  neuerer  Zeit  vorgenommen 
worden.  In  meiner  Gesch.  Sic.  I,  356  sind  die  ersten  Leistungen  in  dieser 
Hinsicht  verzeichnet;  dann  kam  die  wichtige  Schrift  von  Audrian's,  über 
die  in  dieser  Zeitschrift  (1879,  Abth.  III,  S.  344  f.)  berichtet  worden  ist. 
Die  Forschung  schreitet  nunmehr  rüstig  fort.    Die  Grabstätten,  um  welche 


140  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

es  sich  handelt,  sind  verschiedener  Art.  Es  sind  theils  natürliche  Höh- 
lungen der  Felsen,  die  man  zu  diesem  Zwecke  benutzt  hat,  theils  hat 
man  den  Felsen  eigens  ausgehöhlt.  Von  Arbeiten  letzterer  Art  ist  schon 
seit  dem  vorigen  Jahrhundert  eine  ungeheure  Menge  in  den  verschie- 
densten Theilen  der  Insel  bekannt.  Es  sind  Kammern,  die  in  senkrechte 
Felswände  gearbeitet  und  vermittelst  einer  viereckigen  Oeffnung  zugäng- 
lich sind.  Solche  Gräber  finden  sich  z.  B.  in  grosser  Menge  in  den 
Schluchten  von  Pautalica  und  Ispica;  vgl.  die  Zusammenstellung  in  der 
G.  Sic.  I,  379.  In  diesen  Gräbern  hat  man  aber  fast  nie  Gefässe  gefun- 
den, weil  sie  schon  der  Lage  wegen  leicht  bemerkbar  sind  und  deswegen 
schon  lange  der  Beraubung  zugänglich  waren.  Neuerdings  ist  man  auf 
eine  andere  Art  von  künstlich  ausgehöhlten  Gräbern  aufmerksam  ge- 
worden. Sie  sind  in  dem  flachen  Steinboden  angebracht  und  deswegen 
leichter  der  wissenschaftlichen  Forschung  aber  auch  der  Habsucht  ent- 
gangen. Die  in  letzterer  Zeit  gefundenen  enthielten  meist  auch  Gefässe. 
Eine  grosse  Zahl  derselben  fand  Cavallari  in  der  Gegend  von  Syrakus, 
besonders  auf  der  nördlich  von  dieser  Stadt  in's  Meer  vorspringenden 
Halbinsel  Magnisi,  dem  alten  Thapsos,  das  in  der  Geschichte  der  Nie- 
derlassung der  ersten  Griechen  in  Sicilien  mehrfach  erwähnt  wird;  vgl. 
G.  Sic.  I,  390.     Cavallari  hat  hierüber  berichtet  in  dem  Aufsatze 

Thapsos.  Appendice  alla  Memoria  Le  cittä  e  le  opere  di  esca- 
vazione  etc.  per  Fr.  Sav.  Cavallari.  Archiv,  stör,  sicil.  N.  S.  anno  V. 
Pal.  1880.*  20  S.  in  4.  mit  1  Tafel. 

Die  von  Cavallari  gegebenen  Zeichnungen  und  Beschreibungen  lassen 
den  Charakter  dieser  Gräber  deutlich  erkennen.  Sie  enthalten  zwei 
Käume,  einen  Vorraum  und  den  eigentlichen  Grabraum.  Jener  ist  vier- 
eckig, und  an  einer  Seite  führt  ein  Thürchen  zu  einem  etwas  tiefer  ge- 
legenen gewölbten  Räume  von  rundlicher  Gestalt,  der  mit  Nischen  ver- 
sehen ist,  die  als  Grabstätten  dienten.  Die  in  diesen  Gräbern  gefunde- 
nen Vasen  sind  von  sehr  rohem  Charakter  und  nur  mit  Linearornamenten 
versehen.  —  Ueber  ähnliche  anderswo  in  der  Umgegend  von  Syrakus 
geraachte  Entdeckungen  haben  wir  noch  Berichten  Cavallari's  entgegen- 
zusehen. Einstweilen  hat  er  in  einer  Schrift,  Sulla  topografia  di  talune 
cittä  greche  (s.  unten)  S.  321  erwähnt,  dass  in  der  Ebene  von  Milocca 
südwestlich  von  Syrakus  kürzlich  Gräber  gefunden  sind,  in  denen  sich 
Vasen  befanden  »simili  a  quelli  rinvenuti  nelle  stanze  sepolcrali  di  Pan- 
talica,  Thapsos,  Monserrato  di  Girgenti,  Campobello  di  Licata  e  nella 
stessa  Siracusa  all'  occidente  di  Tica  trovati  nel  giugno  dell'  1880;  questa 
somiglianza  della  forma,  dell'  argilla  e  del  rinvenimento  provano  l'esi- 
stenza  dl  un  popolo  che  in  questi  siti  dimorava  pria  dell'  arrivo  dei 
Greci«. 

In  den  Westen  Sicilieus  versetzen  uns  analoge  Funde,  über  welche 
ein  Bericht  von  A.  Salinas  vorliegt  in  den  Notizie  degli  Scavi  vom 


Sicilien.  141 

Jahre  1880  S.  356  — 359  mit  Tafel  X  und  XI,  die  vom  Prof.  Patricolo 
gezeichnet  sind.  Diese  Gräber  sind  zwischen  Capaci  und  Carini  ent- 
deckt worden,  als  man  den  Boden ,  in  welchem  sie  angelegt  waren ,  als 
Steinbruch  benutzte.  Prof.  Patricolo  hat  drei  von  ihnen  gemessen  und 
auf  Tafel  X  abgebildet,  sowie  auf  Tafel  XI  einige  der  dort  gefundenen 
Thongefässe.  Auch  diese  Grotten  bestehen  aus  zwei  Räumen,  einem 
Vorraum  und  dem  eigentlichen  Grabe.  Sie  haben  jedoch  nicht  dieselbe 
Form  wie  die  von  Magnisi,  und  sind  auch  nicht  so  gross.  Beide  Räume 
haben  sphärische  Gestalt,  und  gleichen  rundlichen  Gefässen,  bauchigen 
Töpfen,  besonders  der  erste.  Die  Verbindungsöffnung  ist  auch  hier  nahe 
dem  Boden  des  ersten  Raumes,  aber  der  zweite  Raum  geht  verhältniss- 
mässig  viel  tiefer  als  bei  den  Gräbern  von  Magnisi.  Die  Räume  sind 
sehr  klein:  jeder  nur  ca.  1  m  tief  und  der  Grabraum  höchstens  2  m  lang; 
die  Verbindungsöffoung  kaum  V2 '«  hoch  und  breit.  Durch  diese  musste 
also  eiu  Arbeiter,  der  wohl  nur  ein  Knabe  sein  konnte,  sich  in  den  Fel- 
sen hineinarbeiten,  um  den  zweiten  Raum  auszuhöhlen,  und  es  ist  wun- 
derbar, mit  welcher  Sauberkeit  in  dem  festen  Gestein  und  mit  jedenfalls 
höchst  unzureichenden  Werkzeugen  diese  Höhlung  gemacht  ist.  In  den 
Grabkammern  wurden  menschliche  Knochen  und  sehr  rohe,  mit  wenigen 
Linien  gezierte  Gefässe  gefunden,  welche  mit  denjenigen  übereinstimmen, 
die  in  der  natürlichen  Grotte  von  Chiaristella  bei  Villafrati  gefunden 
worden  sind;  vgl.  v.  Andrian,  Prähistor.  Stud.  aus  Sicilien  Taf.  IV.  Seit- 
dem sind  näher  bei  Palermo  in  der  Colli  genannten  Gegend  ähnliche 
Gräber  entdeckt  worden,  über  die  wir  Nachrichten  von  Salinas  zu  er- 
warten haben. 

Wir  notiren  andere  Funde  ähnlicher  Art,  besonders  aus  den  No- 
tizie  degli  Scavi.  In  diesen,  1879  S.  231  — 234,  wird  über  Funde  von 
Vasen  ältester  Art  berichtet  aus  der  Gegend  zwischen  Carapobello  und 
Licata,  wo  man  bei  Gelegenheit  des  Baues  der  Eisenbahn  die  Entdeckun- 
gen machte.  Die  Vasen  fanden  sich  theilweise  in  natürlichen  Grotten; 
aber  S.  233  wird  eine  Grotte  beschrieben,  die  von  Menschenhand  gear- 
beitet ist:  ein  pozzo  centrale  mit  zwei  cavitä  laterali.  Auf  S.  234  wer- 
den Bruchstücke  von  Gefässen  mit  langem  Fusse  abgebildet  die  ähnlich 
sind  mit  dem  von  v.  Andrian  Taf.  IV  no.  1  abgebildeten,  welche  vom 
Monte  Toro  bei  Girgenti  stammen.  Wir  haben  hier  eine  vorgerücktere 
Kunstübung  als  die  von  Villafrati  und  Carini.  —  Gräber  die  in  ihrer 
Anlage  den  in  die  Felswände  gehöhlten  von  Ispica  und  Pantalica  ähnlich 
sein  müssen,  sind  gefunden  worden  in  der  Nähe  von  Caltanissetta  auf 
dem  Berge  Gibil-Gabib,  nach  Notiz,  d.  Sc.  1880  S.  502.  Vgl.  N.  d.  Sc. 
1881  S.  69;  und  über  ähnliche  in  der  contrada  Tauro  bei  S.  Cataldo: 
N.  d.  Sc.  1881  S.  174.  Einen  Schlussbericht  des  Ingenieurs  Pappalardo 
über  Gibil-Gabib  haben  wir  dann  N.  d.  Sc.  1881  S.  250.  251.  -  Dage- 
gen meldet  der  Inspector  der  Alterthüraer  Sac.  Aut.  Castiglioue  aus 
Mazara  von  Funden  aus  der  Gegend  nordwestlich  von  dieser  Stadt,  die 


142  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

Aehnlichkeit  mit  den  Anlagen  von  Magnisi  und  Carini  zu  haben  scheinen. 
Er  spricht  dort  nämlich  (N.  d.  Sc.  1880  S.  104)  von  einer  buca  fatta  a 
ferro  di  cavallo,  profonda  circa  met.  1,  25,  welche  mette  in  un  forno 
per  mezzo  di  una  bocca  arcuata,  alta  e  larga  un  metro  circa;  dieser  forno 
ist  quasi  perfettamönte  circolare  e  nell'  interne  presenta  la  forma  di  un 
esatto  emisfcro.  Hierin  wurden  menschliche  Gebeine  gefunden  und  es 
sollen  die  Skelette  a  guisa  di  raggi  co'piedi  al  centro  gelegen  haben. 
Castiglione  sagt  es  nicht  deutlich,  aber  offenbar  ist  der  forno  seitwärts 
von  der  buca;  dann  entspräche  die  Anlage  denen  von  Carini  und  Mag- 
nisi. Im  forno  ward  ein  vasetto  a  righe  gefunden.  —  Bei  Mussuraeli 
scheinen  ähnliche  Anlagen  gefunden  zu  sein  (Salinas  in  den  N.  d.  Sc 
1881  S.  68) ;  wogegen  die  umfassende  Nekropole  Le  Grotte  bei  Mussu- 
meli  in  ihrem  Charakter  noch  nicht  bestimmt  worden  ist. 

Die  Erforscher  dieser  Gräber  haben  sich  auch  mit  der  Frage  be- 
schäftigen müssen,  welchem  Volke  sie  wohl  angehört  haben.  Für  die 
von  Magnisi  denkt  Cavallari,  wie  natürlich,  an  die  Sikeler;  bei  denen 
von  Carini  erinnert  Salinas  passend  daran,  dass  Carini  nahe  bei  dem 
sikanischen  Hykkara  liegt,  ohne  damit  sagen  zu  wollen,  dass  jene  Gräber 
gerade  den  Bewohnern  der  Stadt  Hykkara  gehörten.  Man  kann  wohl 
im  Allgemeinen  annehmen,  dass  die  im  östlichen  Sicilien  gefundenen 
den  Sikelern,  die  des  westlichen  den  Sikanern  gehörten;  wo  aber  die 
Grenze  war,  ist  noch  nicht  zu  entscheiden.  Auf  der  älteren  Stufe  steht 
offenbar  die  «Bevölkerung  von  Carini  und  Villafrati,  in  der  Gegend  von 
Syrakus,  bei  Ragusa,  Modica  (vgl.  unseren  letzten  Jahresbericht,  in  Be- 
treff V.  Andrian's  S.  335 )  und  Girgenti  war  man  in  der  Cultur  schon 
vorgerückter.  Gewiss  werden  neue  Funde  und  Untersuchungen  uns  all- 
mählich auch  hierüber  mehr  Aufklärung  bringen. 

Von  mir  zu  Gesicht  gekommenen  Arbeiten  über  einzelne  prähisto- 
rische Objecto  aus  Sicilien  kann  ich  eine  Abhandlung 

SuUe  armi  di  pietra  e  di  bronzo  rinvenute  in  varii  siti  dell'  Etna, 
von  Dr.  A.  Somma,  14  p.  in  4.  und  1  Tafel 

erwähnen,  enthalten  in  den  Atti  dell'  Acc.  Gioenia  in  Catania,  Ser.  3, 
vol.  XV. 

Wir  empfangen  soeben  durch  die  Güte  des  Verfassers  folgende 
Abhandlung : 

SuUe  tombe  e  stazioni  di  famiglie  Iberiche  esistenti  in  Italia.  Nota 
di  L.  Pigorini.  (R.  Accad.  dei  Lincei.  Vol.  VI.  Ser.  3.  Trasunti). 
2  S.  in  4. 

woraus  hervorgeht,  dass  mit  einem  in  einer  Grotte  bei  Villafrati  in  Si- 
cilien gefundenen,  bei  v.  Andrian,  Präh.  Stud.  aus  Sic.  IV,  7  abgebilde- 
ten Gefässe  identische  in  der  iberischen  Halbinsel,  in  der  Provence  und 
in  der  Bretagne  gefunden  sind.    Das  bestätigt,  nach  Pigorini,  die  Nach- 


Sicilien.  143 

rieht  der  Alten,  dass  Iberer  in  Sicilien  wohnten;  die  erwähnten  Grotten 
gehören  der  neolithischen  Periode  an. 

Mit  der  griechischen  Zeit  dagegen  beschäftigt  sich: 

Sulla  topografia  di  Salune  cittä  greche  di  Sicilia  e  dei  loro  mo- 
numenti  per  Fr.  Sav.  Cavallari.  Arch.  Stör!  Siciliano.  N.  S.  anno  V. 
S.  315  —  345. 

Diese  Abhandlung  ist  die  Fortsetzung  der  in  in  unserem  letzten 
Jahresbericht  (Abth.  III  S.  338)  besprochenen.  Cavallari  behandelt  zu- 
nächst Syrakus  und  seine  Umgegend,  wobei  er  sich  aber  deswegen  ganz 
kurz  fasst ,  weil  die  Veröifentlichung  des  grossen  Planes  von  Syrakus, 
der  auf  Anordnung  des  K.  Ital.  Unterrichtsministeriums  eben  vom  Prof. 
Cavallari  ausgearbeitet  ist  und  von  einem  Texte  theils  von  Cavallari, 
theils  von  dem  Referenten  begleitet  sein  wird,  bevorsteht.  Er  bespricht 
kurz  Akrae  und  nimmt  (S.  320)  an,  dass  auf  dem  Berge  Pinnita  bei 
Akrae,  wo  viele  Grabkammern  vorhanden  sind,  eine  uralte  Stadt  gelegen 
hat.  S.  322  geht  er  an  die  Beschreibung  des  Lato  meridionale  della 
Sicilia,  und  beginnt  mit  allgemeinen  Bemerkungen  über  die  natürlichen  Ver- 
hältnisse. Er  stellt  S.  328  die  eigenthümliche  Ansicht  auf.  dass  die  Ver- 
ehrung Apollo's  in  Selinus  zu  betrachten  sei  come  un  atto  di  condiscendenza 
dei  Selinuntini  verso  i  loro  nuovi  amici  di  razza  eliraa.  S.  331  beginnt 
der  erste  Abschnitt:  dal  Pachino  all'  Imera  meridionale.  Er  erwähnt 
S.  331  die  Ungewissheit  der  Lage  von  Kasmenae  (vielleicht  bei  Scicli), 
erklärt,  warum  die  Ecke  Sicilien's  um  den  Pachynus  nicht  von  Griechen 
besetzt  wurde,  und  bespricht  S.  334  die  Ueberreste  von  Kamarina,  worauf 
er  zu  Gela  (Terranova)  übergeht.  Er  macht  bei  dieser  Gelegenheit  darauf 
aufmerksam,  dass  sich  bei  Kamarina  zwei  Nekropoleu  linden,  und  ebenso 
bei  Gela  und  bei  Selinus.  Die  beiden  Nekropolen  von  Kamarina  haben 
nach  Cavallari  Vasen  verschiedenen  Charakters  geliefert;  und  dasselbe 
ist  der  Fall  in  Selinus.  Bei  Gela  ist  dies  Factum  in  Folge  mangelhafter 
Fundnotizen  (S.  338  oben)  nicht  mehr  zu  constatiren.  Cavallari  ist  nun 
der  Ansicht,  dass  immer  eine  der  beiden  Nekropolen,  diejenige,  welche 
nur  Vasen  mit  Thierfiguren  enthält,  einer  an  derselben  Stelle,  wie  die 
griechische,  gelegenen  vorhellenischen  Stadt  angehöre.  —  S.  341  geht 
er  zum  zweiten  Theil  über:  dall'  Imera  meridionale  al  capo  S.  Marco. 
Er  bespricht  die  natürlichen  Verhältnisse  und  bemerkt  die  durch  Vasen 
und  andere  Ueberreste  erwiesene  Existenz  einer  griechischen  Stadt  des 
fünften  und  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.  auf  einem  Hügel  fünf  Kilometer 
von  Naro  an  der  Strasse  nach  Palma;  verzeichnet  Grabkammern  ähnlich 
denen  von  Sperlinga  und  Nicosia  bei  Ragame,  zwei  Kilometer  von  Naro 
an  derselben  Strasse,  und  christliche  Katakomben  in  Naro,  das  somit 
in  den  ersten  Jahrhunderten  n.  Chr.  schon  als  Stadt  existirte. 


144  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

Specielle  Punkte  behandeln: 

P.  Cipolla,  Sülle  probabili  ongini  di  Caltavuturo  e  Sciafani. 
Arch.  stör.  Sic.    N.  S.    V,  67—120. 

Der  Verfasser  zeigt  in  dieser  Abhandlung  zunächst,  dass  Calta- 
vuturo nicht,  wie  man  gewölinlich  annimmt,  nach  einem  Abu-thur,  der 
dort  882  besiegt  wurde,  benannt  worden  ist,  da  es  unter  demselben  Na- 
men schon  851  vorkommt  (S.  83);  er  nimmt  mit  Wahrscheinlichkeit  an, 
dass  es  schon  im  Alterthum  existirte  und  sucht  nun  seinen  alten  Namen. 
Er  findet  ihn  im  Töpycov  (soCluver.  iür  Jopycov  der  codd.)  bei  Diod.XX,  89; 
und  der  ebendas.  erwähnte  Ort  "Ajxßixzg  ist  nach  seiner  Ansicht  Sciafani. 
Vgl.  hierüber  G.  Sic.  II,  260  und  479.  Der  Verf.  legt  (S.  91)  Gewicht  darauf, 
dass  Torgion  und  Ambikes  in  der  Nähe  der  von  Diod.  XX,  77  erwähnten 
Städte  Thermae  und  Kephaloidion  liegen  müssten,  was  dann  für  Calta- 
vuturo und  Sciafani  sprechen  würde.  Das  ist  doch  nicht  sicher.  Bei 
Diod.  XX,  77  sind  wir  im  Jahre  306  v.  Chr.;  XX,  89  im  Jahre  305: 
Agathokles  hat  inzwischen  mit  den  Karthagern  Frieden  geschlossen,  hat 
also  wieder  sich  in  Syrakus  aufhalten  können,  und  wenn  er  von  da  gegen 
Deinokrates  auszog,  braucht  der  Ort  der  Schlacht  nicht  in  der  Nähe  von 
Termini  und  Cefalü  zu  liegen.  —  Was  den  Namen  Sciafani  betrifft,  ist 
Cipolla  der  Ansicht,  er  sei  aus  Aesculapii  fanum  entstanden,  mit  Rück- 
sicht auf  die  kräftigen  warmen  Quellen  bei  Sciafani.  Das  könnte  ja 
sein;  wenn  er  aber  sagt,  Pausanias  bezeichne  auch  Aluntium  als  Aescu- 
lapii fanum,* so  ist  das  ein  Irrthum;  Pausanias  spricht  überhaupt  gar- 
nicht  von  Aluntium.  —  Nicht  Diodor  nennt  Torgion  einen  Berg,  wie 
Cipolla  S.  HO  angiebt,  Diodor  sagt  nur:  zu  xaXoü/isvov  Töpyiov.  Der 
bekannte  Sarkophag  von  Sciafani  kann  nicht,  wie  der  Verfasser  (S.  1 10) 
zugeben  möchte,  ein  »avanzo  della  distrutta  Imera«  sein;  denn  Sarko- 
phage dieser  Art  gehören  der  Zeit  der  römischen  Kaiser  an,  und  Himera 
wurde  409  v.  Chr.  zerstört.  —  Der  Verfasser  hat  viel  Scharfsinn  und 
Gelehrsamkeit  gezeigt,  und  ist  in  den  mittelalterlichen  Dingen  sehr  gut 
bewandert. 

Vinc.  Gallo  Pontani,  Collesano  prima  del  dominio  Normanno. 
Pal.  1881.     28  S,  in  8. 

Der  Verfasser  ist  mit  Anderen  der  Ansicht,  dass  neben  dem  heu- 
tigen Collesano  die  im  Alterthum  selten  erwähnte  Stadt  Paropos  lag 
(vgl.  G.  Sic.  I,  366),  er  bespricht  die  wenigen  von  ihr  erhaltenen  Mün- 
zen, und  findet  auf  denselben  die  Religion  und  die  Tugenden  der  Paro- 
piner  ausgedrückt;  S.  20  spricht  er  von  der  »Corona  di  luminose  virtü, 
che  abbiam  posto  sul  capo  dei  Paropini«.  Er  ist  so  begeistert  für  Pa- 
ropos, dass  er  S.  21  ausruft:  »oh,  dolcezza  a  pronunziarne  il  nome«.  Es 
sind  dort  noch  Spuren  »di  natura  pelasgica«  »enormi  massi  posti  Tun 
SU  l'altro  senza  cemento  di  sorta  alcuna«.  Vgl.  G.  S.  I,  379  nach  F.  di 
Giovanni,  sui  lavori  intrapresi  etc.,  der  allein  die  üeberreste  bei  Colle- 
sano mit  dem  uralten  Gebäude  oberhalb  Cefalü  zu  vergleichen  weiss. 


Sicilien.  145 

Studii  di  storia  Palermitana,  epoca  antica,  per  A.  Holm.     (Arch. 
stör.  Sicil.    N.  S.  IV).    Palermo  1880.    22  S.  in  4. 

Es  hat  dem  Pieferenten  passend  geschienen,  die  Geschichte  Paler- 
mo's   im  Alterthum   einer  Revision  zu   unterwerfen.    Das  Beste  was  in 
neuerer  Zeit  ausserhalb  Palermo's  darüber  geschrieben  ist,   ist  die  Ab- 
handlung Schubring's,  die  auch  in  Palermo  selbst  gebührende  Anerken- 
nung gefunden  hat.     Aber  einerseits   ist  Schubring  nicht  sehr  lange  in 
Palermo  gewesen,  weswegen  er  auf  einzelne  immerhin  wichtige  Terrain- 
verhältnisse nicht  hat  Rücksicht  nehmen   können,   und  andererseits  sind 
seitdem  einige  Beiträge  zur  alten  Geschichte  der  Stadt  erschienen,  von 
denen  auch  in  unseren  Jahresberichten  gesprochen  worden  ist.    So  hatten 
wir  uns  vorgenommen   die   hauptScächlichsten,  noch  controversen  Fragen 
der  Geschichte  und   Topographie  Palermo's  im   Alterthum   einer  neuen 
Erörterung  zu  unterziehen,  und   in   der  oben  bezeichneten  Abhandlung 
ist  damit  der  Anfang   gemacht  worden.     Es  soll  keine  eigentliche  Ge- 
schichte Palermo's  im  Alterthum  werden;  dazu  ist  es  aus  zwei  Gründen 
noch  zu  früh.    Einmal,  weil  gerade  jetzt  noch  manche  Entdeckungen  er- 
wartet werden  können,  welche  über  die  ältesten  Zustände  dieser  Gegen- 
den Licht  verbreiten  werden  (s.  oben  das  über  die  prähistorischen  Funde 
Gesagte)  und  zweitens,  weil  noch  immer  ein  genauer  Plan  von  Palermo 
mit  Angabe   der  Höhen   der  einzelnen  Punkte   über  dem  Meere   fehlt, 
ohne  einen  solchen  aber  die  Formation   einer  Stadt,   die,  wie  Palermo, 
seit  2500  Jahren  sich  beständig  verändert  hat,   garnicht  genügend  fest- 
zustellen ist.     Es  schien   uns  wichtig,   zunächst  die  Frage  von  der  Ge- 
stalt der  Altstadt   neu  zu  erwägen   und  vor  allen  Dingen   die  von  der 
Gestalt  des  Hafens  einer  Entscheidung  näher  zu  bringen,  und  das  haben 
wir  im  ersten  Abschnitte  versucht.    Es  hat  hier  der  wenig  benutzte  Plan 
von  Palermo  vom  March.  von  Villabianca  Pal.  1777  gute  Dienste  leisten 
können.    Der  zweite  Abschnitt  bespricht  die  Frage,  wer  eigentlich  zuerst 
Panormos  bewohnt  hat,  und   entscheidet  sich  für  griechische  Ansiedler, 
denen  erst  später  die  Phönicier  gefolgt  sind.    Er  erwägt  sodann  die 
Frage  nach   dem  Namen,   den  die  Stadt  bei  den  Phöniciern   trug  und 
spricht  sich  für  das  auf  Panormitanischen  Münzen  vorkommende  Z  J  Z 
aus,  eine  Ansicht,  die  auch  Ugdulena  zuletzt  getheilt  zu  haben  scheint 
und  die  ursprünglich  von  De  Saulcy  aufgestellt  worden  ist.    Wir  hoffen 
diese  Beiträge  zur  Geschichte  von  Panormos  fortsetzen  zu  können.    Einige 
der  von   uns   behandelten  Fragen  sind   auch  Gegenstand  der  Erwägung 
geworden  in  folgendem  Aufsatz: 

Sopra  alcune  porte  autiche  di  Palermo  e  sull'  assedio  del  1325 
von  Vinc.  Di  Giovanni,  im  Arch.  stör.  Sicil.  N.  S.  VI  p.  21—98. 

Diese  sehr  gelehrte  Abhandlung  beschäftigt  sich  vorzugsweise  mit 
dem  mittelalterlichen  Palermo,  behandelt  jedoch  auch  das  Alterthum  und 
verdient  sorgfältige  Erwägung. 

Jahresbericht  für  Alterlhuraswissenschaft  XXVIU.    (I881.  UI.)  10 


146  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

Wir  müssen  noch  hinzufügen,  dass  alle  diese  topographischen  Fra- 
gen jetzt  leichter  stndirt  werden  können,  seit  uns  Amari  die  arabisclien 
Texte,  die  gerade  für  die  Topographie  von  Palermo  von  so  ungemeiner 
Wichtigkeit  sind  —  man  lese  nur  die  Arbeit  Schubring's  -  zugänglicher 
gemacht  hat,  durch  die  italienische  Uebersetzung  seiner  Sammlung  der 
arabischen  Schriftsteller  über  Sicilische  Geschichte.     Es  ist  die 

Biblioteca  Arabo-Sicula,  ossia  Raccolta  di  testi  arabici  che  toccano 
la  geografia,  la  storia  etc.  della  Sicilia  raccolti  e  tradotti  in  Italiano 
da  Michele  Amari.     2  voll.     Torino  e  Roma  1880  und  81  in  8. 

Wir  haben  diese  vortreffliche,  durch  die  erklärenden  Anmerkungen 
des  berühmten  Herausgebers  und  Uebersetzers  besonders  vverthvolle  Ar- 
beit noch  nicht  vollständig  für  die  Zwecke  der  alten  Geographie  Sici- 
lien's  durchnehmen  können,  wollen  aber  doch  wenigstens  einen  Punkt 
erwähnen,  wo  wir  daraus  eine  Auflvlärung  über  eine  topographische  Frage 
erhalten.  Bei  Liv.  XXIV,  35,  Plut.  Marc.  18  und  St.  Byz.  kommt  ein 
Ort  Acrillae  vor,  der  wahrscheinlich  an  der  Strasse  zwischen  Agrigent 
und  Akrae  lag.  Nun  hiess  der  jetzt  Dirillo  genannte  Fluss,  der  aus  der 
Gegend  von  Vizzini  kommend,  südlich  von  Terranova  mündet,  bei  den 
Arabern  Wädi  Ikrllü,  und  Amari  I,  104  erklärt  dies  mit  Recht  als: 
Fluss  von  Akrilla.  Akrillae  kann  sehr  gut  am  Dirillo  gelegen  haben, 
an  dessen  westlichen  Nebenfluss  es  schon  Parthey  gesetzt  hat;  Referent 
möchte  aber^glauben,  dass  es  vielmehr  an  der  Stelle  des  heutigen  Biscari 
lag,  und  legt  diesen,  wie  es  scheint,  noch  nicht  ausgesprochenen  Ge- 
danken hiermit  den  Kennern  zur  Erwägung  vor. 

Die  Notizie  degli  scavi  bringen  aus  Sicilien  den  ausführlichen 
Bericht  über  die  Entdeckung  der  Lage  der  alten  Stadt  Symaethus  durch 
Prof.  Sciuto-Patti,  1881  S.  217  und  folgende.  Da  Referent  hierüber 
in  zwei  Nummern  der  Philol.  Wochenschrift  gesprochen  hat  [2.  Jahrg.  N.  1 
S.  24—25  u.  N.  6  S.  190—191)  glaubt  er  hier  einfach  auf  die  dort  gege- 
benen Notizen  verweisen  zu  müssen.  Dieselben  Notizie  enthalten  ferner 
über  einige  historisch  wichtige  Punkte  der  Nordküste  Siciliens  einen  inter- 
essanten Bericht  vom  Prof.  A.  Salinas  1880  S.  191  —  200.  Er  betrifft 
S.  Marco,  wo  Salinas  einen  bisher  nur  von  Schubring  erwähnten  griechi- 
schen Tempel,  der  in  eine  Kirche  verwandelt  war,  gesehen  und  geraessen, 
wo  er  ferner  die  noch  vorhandenen  Inschriften  theils  neu  verglichen,  theils 
zum  ersten  Male  abgeschrieben,  und  sich  endlich  durch  die  relative  Häufig- 
keit der  gerade  hier  vorkommenden  Aluntinischeu  Münzen  überzeugt  hat, 
dass  S.  Marco  wirklich  Aluntium  war  (so  auch  Ref.  G.  Sic.  I,  366.  367).  — 
In  S.  Pietro  sopra  Patti  hat  Salinas  ein  Ruudgebäude  genau  untersucht, 
das  wahrscheinlich  aus  römischer  Zeit  herstammt;  in  S.  Fratello  hat  er 
die  Lage  der  alten  Stadt  und  der  Nekropolis  festgestellt,  aber  keine 
Anhaltspunkte  für  die  Benennung  der  Stadt  gefunden ;  in  S.  Agata  di 
Militellü   hat  er  keine   antiken  Ueberreste  gefunden,   so   dass   er  nicht 


Sicilien.  147 

weiss,  weshalb  Schubring  hierher  eine  alte  Stadt  Namens  Alaesa  setzt. 
In  Tyndaris  beschäftigten  ihn  Inschriften  und  die  Numismatik  der  alten 
Stadt,  die  noch  nicht  bekannte  Typen  enthält.  —  Die  Notizie  enthalten 
endlich  kleinere  Berichte,  welche  folgende  Punkte  betreffen.    Taorraina 

1879  S.  253.  1880  S.  35  (Mauern  aus  griechischer  Zeit)  301.  356.  1881 
S.  197.  —  Catania  1881  S.  173  Ueberreste  eines  Gebäudes  am  Fusse 
des  Felsens  von  Leucasia,  auf  dessen  Höhe  das  bei  Serradifalco  V,  tav. 
XIII  no.  3  und  4  abgebildete  Grab  steht,  und  1881  S.  198.  —  Bei  Augusta 
auf  dem  Boden  der  alten  Stadt  Megara  Hyblaea  1879  S.  230.  1880 
S.  37—42  (ausführliche  Aufzählung  der  in  den  entdeckten  Gräbern  ge- 
machten Funde).  —  Syrakus  1880  S.  73.  405.  1881  S.  97.  124  (Gräber 
im  sepolcro  d'Archimede)  198  (Funde  in  der  Ebene  zwischen  der  Stadt 
und  dem  Flusse)  250.  —  Bei  Caltagirone  1879  S.  253.  1880  S.  73.  105. 
164  (Gräber).  Caltanissetta  1881  S.  68.  -  Bei  Piazza  Armerina  an  einem 
Casale  genannten  Orte  1881  S.  173  (neue  Untersuchung  eines  Punktes, 
an  dem  1812  augeblich  Strassen  und  ein  Tempel  gefunden  wurden;  jetzt 
besonders  Mosaiken  gefunden).  —  Termini  Imerese  1879  S.  254.  287 
(Inschriften)  326  (römische  Ueberreste  auf  dem  Hügel  S.  Lucia,  auf  dem 
man  schon  früher  Spuren  von  Gebäuden  aus  römischer  Zeit  gefunden 
hatte).  1880  S.  200.  1881  S. 98  (Inschr.).  Palermo  1880  S. 453  (Inschr.). 
Solunt  1880  S.  503.  —  Partanna  1880  S.  164  (gr.  Inschr.).    Selinunt 

1880  S.  164.    1881  S.  70  (Freilegung  von  Tempeln  auf  dem  Westhügel). 
Die  vortreffliche  Abhandlung: 

Ueber  die  Verwendung  von  Terrakotten  am  Geison  und  Dache 
griechischer  Bauwerke.  Einundvierzigstes  Programm  zum  Wiuckel- 
mannsfeste  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  von  W.  Dör- 
pfeld,  F.  Graeber,  R.  Borrmann,  K.  Siebold.  Mit  4  Tafeln 
in  Farbendruck.     Berlin  1881.    4. 

können  wir  hier  nur  in  der  Hinsicht  erwähnen,  weil  sie  den  Beweis  giebt, 
dass  das  Schatzhaus  der  Geloer  in  Olympia  von  einem  sicilischen  Archi- 
tekten erbaut  worden  ist,  mit  Eigenthümlichkeiten,  die  sich  gerade  so 
in  Gela  wiedergefunden  haben,  gewiss  ein  merkwürdiges  historisches 
Factum.  Den  übrigen  reichen  kunsthistorischen  Inhalt  der  Abhandlung, 
welche  der  sicilisch-unteritalischen  Kunst  eine  gewisse  Eigenthümlichkeit 
der  sonstigen  griechischen  gegenüber  zu  vindiciren  scheint,  müssen  wir 
hier  unbesprochen  lassen. 

Wir  erwähnen  endlich  in  geographischer  Beziehung 

Italien.  Handbuch  für  Reisende  von  K.  Baedeker.  Dritter  Theil: 
Unteritalien  und  Sicilien.  Mit  25  Karten  und  14  Plänen.  Sechste 
verbesserte  Auflage.     Leipzig  1880. 

In  dieser  neuen  Auflage  ist  besonders  Sicilien  durch  Verbesserun- 
gen  berücksichtigt   worden.     Dahin   gehören:   die  geographische  Einlei- 

10* 


148  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

tung  von  Prof.  Th.  Fischer  in  Kiel,  die  neue  von  Kiepert  nach  der  ita 
licnischcn  Generalstabskarte  im  Massstahe  von  1 :  800,000  gezeichnete 
vortreffliche  Karte  von  Sicilien,  und  die  Beiträge  des  Referenten,  welche 
besonders  die  Stätten  der  alten  Cultnr  betreffen,  wie  Syrakus,  Girgenti, 
Selinus  u.  a.  Diese  Verbcsserungen  beweisen  das  constante  Streben  der 
Verlagshandlung,  der  Wissenschaft  wie  dem  Publikum  gerecht  zu  wer- 
den. Natürlich  sind  Bücher  von  dem  Charakter  des  Vorliegenden  nie 
fertig.  Die  Wissenschaft  schreitet  fort  und  dem  Publikum  werden  neue 
Bequemlichkeiten  geboten,  und  auf  Beides  ist  Rücksicht  zu  nehmen. 
Und  so  ist  Stoff  zu  neuen  Aenderungen  vorhanden.  Die  neuen  Eisen- 
bahnen wollen  berücksichtigt  werden,  und  Gegenden,  für  die  die  Wissen- 
schaft mehr  leistet  als  früher,  müssen  auch  im  Bädeker  in  dieser  Hin- 
sicht eine  neue  Bearbeitung  finden.  So  werden  wahrscheinlich  in  der 
nächsten  Auflage  die  Terra  d'Otranto,  Basilicata  und  Calabrien  an  die 
Reihe  kommen.  Auch  eine  Specialkarte  von  Untcritalien  wäre  wünschens- 
werth.  Nicht  alle  Wünsche  können  immer  schnell  erfüllt  werden;  aber 
wir  wissen,  dass  die  Verlagshandlung  keine  Mühe  und  Kosten  scheut  um 
den  Bedürfnissen  der  Reisenden  Genüge  zu  leisten. 

Zu  Arbeiten  mehr  geschichtlichen  Charakters  übergehend  haben  wir: 

L'impero    Siciliano    di   Dionisio.     Memoria    di    Giulio    Beloch. 
Roma  1881.    28  S.  in  4.  mit  1  Karte.    (R.  Accad.  dei  Lincei  1880.  81). 

Wenn» Referent  diese  Schrift  ausführlicher  bespricht,  als  es  der 
Umfang  derselben  zu  verlangen  scheinen  könnte,  so  geschieht  es  ihrer 
principiellen  Bedeutung  wegen,  die  nicht  gering  ist,  wie  die  nächsten 
Seiten  zeigen  werden. 

Der  Verfasser  behandelt  in  Cap.  I:  L'impero  di  Siracusa,  seine 
geographische  Ausdehnung  bis  auf  Dionys,  und  die  Geschichte  der  Er- 
oberungen dieses  Tyrannen  in- Sicilien  und  Italien.  Er  hebt  hier  einiges 
schärfer  hervor,  als  es  bisher  auch  vom  Referenten  geschehen  war.  So 
bespricht  er  S.  5  und  6  die  Stelle  Diodor's  XIV,  96  in  Betreff  des  Ver- 
trages des  Dionys  mit  den  Karthagern  im  Jahre  392:  r^oav  o'  al  auv- 
Srjxac  rä  jxkv  äUa  Tiapan^mac  zacg  npo-zpov  (vom  Jahre  405).  Dies  sei 
jedoch  absurd,  und  um  das  einzusehen  bedürfe  es  keines  »grande  acume 
critico«.  Wenn  das  heisseu  sollte,  dass  Beloch's  Vorgänger  sich  des  Man- 
gels auch  an  massigem  Scharfsinn  schuldig  gemacht,  so  wäre  es  ein  Irr- 
thum.  Meltzer,  G.  d.  K.  1,307  hat  die  Frage  wohl  erwogen,  und  Re- 
ferent hat  (G.  Sic.  II,  128  und  122)  sich  veranlasst  gesehen,  dasselbe  an- 
zunehmen, wie  Beloch,  mit  besonderer  Erklärung  des  Factischen,  frei- 
lich ohne  Diodor  ausdrücklich  der  Absurdität  anzuklagen.  —-  Beloch  nimmt 
S.  7  an,  dass  die  Schlacht  bei  Kronion  und  der  darauf  folgende  Friede, 
welche  Diodor  (XV,  15—17)  in  das  Jahr  383/2  setzt,  nicht  vor  378  fal- 
len können,  weil  erst  378  die  Karthager  die  von  Dionys  vertriebenen 
Hippouiaten  zurückführen,   was  doch  nur  im  Kriege  mit  Dionys  gesche- 


Sicilien.    Geschichte.  149 

hen  konnte.    -  Auch  hier  muss  man  nicht  glauben,   dass  Beloch  zuerst 
Schwierigkeiten  gefunden  habe,  über  die  seine  Vorgänger  leicht  hinweg- 
gelesen hätten.     Man   vergleiche  Meltzer  I,  311   und  meine   G.  Sic.  II, 
368,  wo  ich  vermuthet  habe,  dass  die  Stelle  Diod.  XV,  24  einen  falschen 
chronologischen  Platz  hat,  woraus  man  schliessen  kann,  dass  die  betref- 
fenden Begebenheiten   eigentlich    früher    gehören.     Keferent  kann   also 
nur  sagen,  dass  Beloch  die  Schwierigkeit  schärfer  betont  und  einen  Vor- 
schlag zu  ihrer  Lösung  gemacht  hat,    der   möglich  ist.    —    S.  8  spricht 
Beloch   von  dem  Zustande  von  Rhegion  nach   der  Einnahme   der  Stadt 
durch  Dionys.    Str.  258  sagt,  Diouys  habe  es  zerstört,  worauf  sein  Sohn 
fisfjog  t:  zuo  xTcapLarog  dvaAußdiv  0oißiav   ky.dXtaöv.     Das  gefällt  Beloch 
nicht;    denn  wie  konnte    dann   der  alte  Dionys  dort   einen  Palast  mit 
Garten  haben;  die  Stadt  ward  nur  »smantellata«.     Aber  warum  nicht? 
Jemehr  zerstört  war,  desto  mehr  Platz  hatte  der  Tyrann  für  seine  Gär- 
ten.   Dass  das  Gebiet  von  Rhegion  nicht  ganz  an  die  Lokrer  gekommen 
sein  kann,  habe  auch  ich  (G.  S.  II,  132)  bemerkt.    —    S.  9  will  Beloch 
nicht  zugeben,  dass  Ancoua,  wie  Strabon  will,  von  syrakusanischen  Flücht- 
lingen gegründet  sei.     »Esuli«   seien   »poco   adatti   a  fondar  delle  cittä 
in  un  paese  occupato  da  tribü   bellicose«.     Haben  »esuli«  etwa  weniger 
Körper-  und  Geisteskräfte  als  andere  Leute?   —    Cap.  II  behandelt  von 
S.  9  an  die  Organizzazioue  dell'  impero,  wobei  die  verschiedenen  Classen: 
Bürger,  Bundesgenossen,  Unterthanen,  auseinandergehalten  und  nachge- 
wiesen werden.     Beloch  will  nicht  glauben  (S.  11.  12),  dass   viele  Bar- 
baren unter  den  Söldnern  des  Dionys  waren;    »la  grande  maggiorauza« 
der  Soldaten,  besonders  in  der  ersten  Zeit,  seien  Griechen  gewesen.    Da- 
von wissen  wir  nichts;  Beloch  citirt  Diod.  XIV,  44,  welche  Stelle  es  aber 
nicht  beweist.     Wenn  Piaton  dem  jüngeren  Dionys  den  Rath  gab,   die 
Barbaren  aus  den  Städten  zu  entfernen,  so  hält  Beloch  das  für  einen 
»pravo  consiglio«;  das  hätte  die  »unitä«   und    »indipendenza«   von  Sici- 
lien zerstört.    Nun,   nachher   that  Timoleon  es  doch,   und   es  stand  mit 
der  Einheit  und  Unabhängigkeit  von  Sicilien  unter  ihm  auch  nicht  schlim- 
mer.   S.  13  bespricht  Beloch  die  Münzverhältnisse  Sicilien's  unter  Diouys, 
wobei  er  den  Catologue  of  the  Brit.  Museum,  und  P.  Gardner's  Sicilian 
Studios  citirt.     Referent  möchte  hier  seine  Priorität  wahren.    Seine  Ge- 
schichte Sicilien's  Bd.  II  ist  1874  erschienen,  Garducrs  Studios  1876.    Dass 
unter  Dionys   nur  eine  syrakusanische  Prägung  im  griechischen  Theile 
Sicilien's  war,  dass  Dionys  eine  Reichsmünze  geschaffen  hat,  hat  Referent 
zuerst  G.  S.  II,  146   nachgewiesen,    und   er  glaubt  diesen  Nachweis  als 
etwas  Eigenes,  das  in  seinem  Buche  bleibenden  Werth  hat,  beanspruchen 
zu  dürfen.    Ebenso  bereitwillig  erkennt  Referent  an,  dass  Beloch  den 
verbündeten  Städten  wohl  mit  Recht  die  Befugniss,  Brouzeniünzon  zu 
prägen,  vindicirt  hat  (S.  13.  14)    •   eine  Ergänzung  und  genauere  Fassung 
der  vom  Referenten   gewonnenen  Resultate.    Referent  erkennt  ferner  an, 
dass  Beloch  in  geschickter  Weise  im  syrakusanischen  Reiche  die  regle- 


150  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

rende  Stadt,  die  Bundesgenossen  und  die  Unterthanen  sondert;  es  ist 
dies  eine  Bcreiclierung  der  historischen  Wissenschaft.  —  Cap.  III  be- 
handelt die  Verfassung  von  Syrakus  in  der  Zeit  der  Demokratie.  Hier 
finden  wir  manches  Bcmerkenswerthe,  was  reiflich  erwogen  zu  werden 
verdient.  So  was  Bcloch  über  die  Zahl  der  Phylen  in  Syrakus  sagt. 
Doch  sind  nicht  alle  seine  Gründe  gegen  die  Zahl  drei  stichhaltig,  zumal 
nicht  der  aus  Thuc.  VI,  100  etitnomraene.  Es  ist  nicht  wahrscheinlich, 
dass  die  aus  einer  Phyle  gebildete  Besatzung  der  Mauer  nur  von  den 
300  geschlagen  wurde;  vgl.  d.  Ausg.  von  Classen.  Auch  in  den  Bemer- 
kungen über  die  Stratcgenwahlen  ist  nicht  alles  richtig.  Zur  Zeit  der 
athenischen  Belagerung  traten  die  Strategen  ihr  Amt  im  P'rühjahr  an; 
in  der  Geschichte  Dion's  kommen  Wahlen  Mpoog  /leffoüvrog  vor  (Plut. 
D.  38).  Daraus  schliesst  Beloch,  es  habe  inzwischen  eine  Verfassungs- 
veränderung  stattgefunden;  statt  jährlicher  Strategen  gebe  es  nun  halb- 
jährliche; eine  Massregel  des  Dionys,  der  den  Syrakusanern  mehr  Ehren- 
ämter verschaffen  wollte.  Boloch  macht  selbst  die  Bemerkung,  es  könne 
Jemand  sagen,  die  Wahlen  bei  Plut.  D.  38  seien  ausserordentliche  ge- 
wesen; das  sei  aber  nicht  der  Fall:  »Plutarco  ci  asserisce  esplicita- 
mente  che  erano  elezioni  regolari«  (S.  17).  Wo  Beloch  das  wohl  gele- 
sen hat?  Wir  finden  bei  Plut.  37,  wie  nach  der  Uebergabe  der  Burg 
durch  Dionys  an  Apollokrates  die  Syrakusaner,  von  Demagogen  aufge- 
stachelt, eine  Gütervertheilung  beschliessen,  und  aTfxj.y/jyoug  kzipoog  kXi- 
a&at,  zr^s  ixscvou  ßapüzr^zog  är.allayivzBq.  Also  »jenen«  absetzen  und 
andere  wählen!  Und  so  geschieht  es.  Es  werden  gleich  25  gewählt.  Wie 
man  da  regelmässige  Wahlen  finden  kann,  sehe  ich  mit  dem  besten  Wil- 
len nicht.  Was  hätte  es  dann  gegen  Dion  geholfen,  wenn  man  an  Stelle 
der  ordnungsmässig  abgehenden  andere  wählte?  Es  ist  ja  klar,  dass  die 
25  an  Stelle  des  einen  Dion  treten  sollten.  Die  halbjährlichen  Strate- 
gen, nach  Analogie  der  kurzen  Consulate  unter  den  römischen  Kaisern, 
existiren  nur  im  Geiste  Beloch's.  —  Bei  Gelegenheit  der  ßüülrj  (S.  18) 
wäre  doch  zu  erwähnen  gewesen,  dass  sie  nie  in  der  Geschichte  figurirt. 
Ob  sie  überhaupt  existirt  hat? 

Wir  kommen  zu  dem  wichtigsten  Capitel,  Cap.  IV,  das  die  Ver- 
fassung von  Syrakus  unter  Dionys  behandelt.  Beloch  fragt  S.  19:  Wann 
hat  die  Tyrannis  des  Dionys  begonnen?  Nicht  als  er  zum  a-pazr^yhq 
auzoxpdzwp  gewählt  wurde;  sondern  im  Winter  405/4.  »Prima  di  tutto 
era  uecessario  di  deporre  i  poteri  straordinari ;  Siracusa  non  si  poteva  go- 
vernare  per  sempre  colla  dittatura«.  Aber  Dionys  hat,  nach  Beloch,  nicht 
eine  Monarchie  eingeführt.  Er  hat  eine  neue  Magistratur  für  sich  geschaffen, 
conferita  a  vita,  die  der  Gewalt  der  15  Strategen  entsprach,  und  Dionys 
den  Titel  äp^ojv  gab.  Beloch  fährt  S.  19  wörtlich  fort :  »non  ho  bisogno 
di  ricordare,  come  questo  sistema  non  sia  stato  inventato  da  Diouisio, 
ma  siasi  praticato  dovunque  in  Grecia  sorgesse  la  monarchia  popolare: 
in  Siracusa  stessa  lo  aveva  per  la  prima  volta  adoperato  Gelone«.    Es 


Sicilien.    Geschichte,  151 

sind  also  nach  Beloch  Facta:  1.  Dionys  hat  405/4  seine  ausserordent- 
lichen Vollmachten  niedergelegt  und  sich  zum  lebenslänglichen  Archon 
erwählen  lassen;  2.  Gelon  hat  sich  zum  lebenslänglichen  Archon  er- 
wählen lassen;  3.  alle  Tyrannen  in  Griechenland  haben  sich  zu  lebens- 
länglichen Archonten  erwählen  lassen.  In  Wirklichkeit  ist  weder  von  1, 
noch  von  2,  noch  von  3  eine  Spur  bezeugt.  Zu  1  haben  wir  auch  nicht  die 
leiseste  Andeutung  bei  einem  alten  Schriftsteller,  dass  Dionys  sich  405/4 
zum  lebenslänglichen  Archon  hat  wählen  lassen.  Dagegen  sind  Andeu- 
tungen genug  vorhanden,  dass  seine  Herrschaft  als  auf  Gewalt  beruhend 
betrachtet  wurde;  vgl.  Diod.  XIV,  7  und  XIII,  114 ;  worauf  wir  noch  zurück- 
kommen. 2.  Gelon  hätte  sich  zum  lebenslänglichen  Feldherren  wählen 
lassen?  Wo  steht  das?  Wir  wissen  durch  Herodot,  dass  Gelon  Herr- 
scher von  Gela  ist,  und  dass  er  in  den  inneren  Unruhen  von  Sj'rakus 
als  Herrscher  auch  dieser  Stadt  anerkannt  wird;  Herodot  sagt  VII,  155: 
u  yap  o^fiog  o  riüv  ZopaxooicüV  imovrc  FiXujvt  TzapadiooT  zrjv  noXcv  xal 
iauTov.  Und  weiter  heissen  Gelon  und  Hieron  bei  Diodor  Könige,  was 
nach  B.  19  Dionys  nicht  wollte,  um  nicht  zu  »offendere  inutilmente  la 
suscettibilitä  repubblicana  della  graude  maggioranza  della  popolazione 
di  Siracusac^  Endlich  3.  überall  in  Griechenland  ist  es  so  gegangen, 
dass  die  Tyrannen  auf  Lebenszeit  gewählt  sind?  Wir  warten  den  Beweis 
für  die  wirklich  neue  Entdeckung  ab,  und  verweisen  einstweilen  auf  die 
Peisistratiden,  die  doch  auch  recht  hervorragende  Tyrannen  waren  und 
von  denen  Thuc.  V,  54  sagt:  xai  inez^osuaav  im  nXelarov  drj  rupawot 
obroc  dpzrr^v  xal  qüvzmv  xal  'A&rjvacoog  elxoazr^v  p.6vov  Tipaoaüpsvot  züjv 
ycyvopdvMV  ttjV  ts  nohv  auTuiv  xaXwg  otaxuamdav  xai  zohg  TioXsp-oug  oii- 
(fspov  xal  ig  ra  cepä  i&uov.  rä  8h  äkXa  aurrj  rj  nolig  roTg  irplv  xstpivoig 
va/iocg  i^prjzo,  nXrjV  xab^  oaov  äti  xtva  impiXovro  (T<fu)v  auzäiv  iv  zalg 
dp'/acg  scvac.  Die  Peisistratiden  hatten  immer  einen  der  Ihren  in  der 
Regierung;  das  war  ihr  Mittel;  von  einer  lebenslänglichen  Arche  ist 
nicht  die  Rede.  Es  ist  also  nichts  mit  der  auf  Lebenszeit  übertrageneu 
Herrschaft,  wodurch  Dionys,  wie  die  Anderen,  zum  Tyrannen  geworden 
sei;  es  ist  nichts  mit  dem  Aufhören  seiner  Würde  als  Stratcgos  auto- 
krator.  Er  blieb  Strategos  autokrator  und  that,  wenn  die  Umstände 
günstig  waren,  was  er  wollte,  wenn  ungünstig,  was  er  konnte.  -  S.  20 
sagt  Beloch,  Dionys  habe  nur  der  erste  Beamte  des  Staates  sein  wollen, 
nicht  der  Souverän;  das  war  das  Volk.  Gut;  aber  was  steht  im  Frie- 
densvertrag mit  Karthago  405/4  (Diod.  XIII,  114):  xal  l'upaxoacoug  fih 
unu  Jcovöacov  rerd^ßac.  Das  ist  doch  schon  etwas  mehr  als  ein  primo 
magistrato  beanspruchen  kann.  —  S.  20  sagt  ferner  Beloch:  »rasscmblea 
popolare  aveva  il  diritto  di  eleggcre  il  principe;  cd  infatti  leggiamo  che 
Gelone,  Agatocle,  Jerone  II  ottennero  in  questo  modo  il  loro  alto  uffizio. 
Per  consequeuza  possiamo  essere  certi,  che  anchc  la  competciiza  di 
Dionisio  fu  determinata  da  una  votazione  dell'  asscmblca  poi)olarc,  dopo 
che  egli   aveva  deposti  i  suoi  poteri   di  stratego  autocrata«.    Also  bei 


152  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien 

Dionys  ist  es  doch  nicht  bezeugt,  dass  er  erwählt  ist;  was  bedeutete 
sonst  die   Beloch'sche   Schlussfolgerung:    von  Gelon  u.  s.  w.   lesen  wir, 
dass  sie  vom  Volke   erwählt  wurden ;  deshalb  können  wir  sicher  sein, 
dass  auch  die  Competenz  des  Dionys  vom  Volke  bestimmt  wurde,  nach- 
dem er  seine  unbeschränkte  Vollmacht  niedergelegt  hatte?    Es  ist  aber 
erstens  nirgends  gesagt,   dass  Dionys  diese  niedergelegt  hat,  und  zwei- 
tens von  Gelon  und  Agathokles  ausdrücklich  bezeugt,  dass  sie  als  Stra- 
tegoi  autokratores  Tyrannen  waren.    Von  Gelon  sagt  es  Diod.  XIII,  94, 
dass  bei  Himera  die  Karthager  besiegt  worden  seien,  arparrjyoövTog  Fi- 
Xüjvog  aÖToxpdTopoQ ,   und  von  Agathokles  Diod.  XIX,  9:   a'jy^ujfjrjaavrog 
8k  Tou  TiArjd^oog  jxovrxp^elv,  ouzog  jxkv  i^scpozoi/r^Hrj  arparr^yo;  a'jToxpdrajp 
xal   TU   Xomov   (pavepiog  idovaareus    xat  t^c  no^eojg  imp-eXecav  enoietro. 
Hier  haben  wir   überdies  auch  für  Dionys   die  beste  Verurtheilung  der 
Beloch'schen   Theorie.     Nach  Beloch    hätte   Agathokles    sagen   müssen: 
Mit  der  Dictatur  kann   man   auf  die   Dauer  nicht  regieren;   legen  wir 
deshalb  das  Amt  des  Strategos  autokrator  nieder,  und  lassen  uns,  wie 
Dionys,  zum  Archen  mit  beschränkter  Competenz,  was  man  Tyrann  nennt, 
erwählen.    Er  that  es  aber  nicht,  und  auch  Dionys  hat  es  nicht  gethan. 
Dionys  machte  sich  nicht  erst  die  Mühe;  umgebracht  oder  verjagt  wurde 
er  ja  doch,  wenn  seine  Feinde  stärker  waren  als  er,  ob  er  nun  Strate- 
gos autokrator  oder  Archon  mit  beschränkter  Competenz  auf  Lebenszeit 
hiess!    Beloch  fährt  (S.  20)  fort:  »Non  puö  esservi  il  rainimo  dubbio  che 
il  principato.  venisse  conferito  a  vita;  lo   dimostra  l'esempio  di  Gelone, 
Jerone  I,  Dionisio  I,  Dione,  Ipparino,  Agatocle,  Jerone  II,  che  tutti  con- 
servarono  fino  alla  morte  la  loro   dignitä«.     Die  Zahl  der  lebensläng- 
lichen Archouten  wächst  zusehends.     Nur  ist  es  nichts  mit  der  Begrün- 
dung.   Bei  Dion  ist  wieder  kein  Beweis  dafür  vorhanden;  im  Gegeutheil 
ist  aus  Plut.  D.  48  zu  ersehen,  dass  er  seine  letzte  Zeit  als  Strategos 
autokrator  verlebte.    Und  nun  gar  Hippariuos!   Warum  nicht  auch  Kal- 
lippos  und  Nysaios;  wissen  wir  doch  von  ihnen  so  wenig  wie  von  Hippa- 
riuos.   Freilich  sind  sie  nicht  bis  zum  Tode  Tyrannen  von  Syrakus  ge- 
wesen, sondern  verjagt.     Aber  wenn  es  ein  Beweis  für  die  Lebeusläug- 
lichkeit  eines  Amtes  ist,  wenn  Jemand  im  Besitze  desselben  stirbt  (Be- 
loch:  che   tutti  conservarono  etc.),  so  ist  es  auch   einer,   wenn  er  ver- 
trieben wird.    Weiter  sagt  Beloch  S.  20 :  die  Competenz  des  Fürsten  geht 
nicht  über  sein  eigenes  Leben  hinaus;  das  vom  Volk  erhaltene  Mandat 
kann  auf  einen  anderen  nur  mit  Bewilligung  des  Volkes  übertragen  wer- 
den.    Beweis:   der  Regierungsantritt  des  jüngeren  Dionys,   der  sogleich 
das  Volk  versammelt  »per  farsi  conferire  la  competenza  del  padre«.    Ja 
wenn  wirklich  etwas  von  competenza  da  stände!   Nach  Diod.  XV,  74  bittet 
Dionys  II  das  Volk  um  seine  euvota.    Natürlich  musste  das  Volk  in  etwas 
als   massgebend   anerkannt  werden!    Beloch    fügt   klüglich  hinzu,  dass 
wichtiger  als   diese  formalitä  costituzionale   die  Anerkennung  der  Sol- 
daten war.    Sicherlich!  -    Beloch  macht  sich  an  die  Auseinandersetzung 


Sicilien.    Geschichte.  1 53 

der  Competenzen  des  Dionys,  die  er  aus  seinen  Handlungen  abstrahirt. 
Vortrefflich,  wenn  der  Mann  eben  das  that,  wozu  er  Erlaubniss  hatte. 
Wir  fürchten,  er  ging  etwas  weiter!  Nach  Beloch  ist  er  »responsabile 
della  tranquillitä  all'  interne«,  weshalb  er  Verdächtige  entwaffnet  und 
eine  »polizia  segreta«  unterhält.  Ob  wohl  im  Budget  ein  Dispositions- 
fond zu  diesem  Zwecke  vorgesehen  war?  Uebrigens  hat  Beloch  Einiges 
vergessen,  was  wir  nachtragen.  Der  lebenslängliche  Archon  hatte  in- 
appellable Criminaljustiz  (»Zu  Dionys,  dem  Tyrannen«  u.  s.  w.),  er  hatte 
Obervormundschaftsrechte  in  sehr  weiter  Ausdehnung  (er  giebt  die  von 
seinen  geflüchteten  Feinden  zurückgelassenen  Frauen  seinen  Söldnern, 
Diod.  XIV,  66),  und  freie  Verfügung  über  den  Grundbesitz  (Diod.  XIV,  7). 
Nun  versichert  zwar  Beloch  (S.  23),  dass  »la  competenza  del  principe 
essendo  essenzialmente  limitata  all'  imperium  militare,  rimane  un  largo 
campo  per  l'attivitä  degli  altri  corpi  politici  dello  stato«.  Uns  scheint 
sie  zwar  poco  limitata,  aber  das  thut  nichts  Der  Verfasser  beweist  seinen 
Satz  so:  Dionys  konnte  keine  Steuern  auflegen  »senza  il  consenso  dell' 
assemblea  del  popolo«.  Es  ist  allerdings  klar,  dass  mit  den  Bürgern, 
die  zum  Theil  die  Soldaten  des  Tyrannen  waren,  in  Geldsachen  einige 
Rücksichten  genommen  werden  mussten;  aber  im  Allgemeinen  hat  Dionys 
auch  in  dieser  Hinsicht  sich  nicht  beklagen  können.  —  S.  24  sagt  Be- 
loch, dass  auch  unter  Dionys  der  Senat  habe  fortfahren  müssen  zu  functio- 
niren,  um  so  mehr,  da  er  sogar  unter  Hieron  IL,  der  doch  ein  König 
war,  functionirte.  »Coutinuava«  ist  ein  schiefer  Ausdruck,  denn  wir 
wissen  nichts  von  einer  ßouXij  vor  Dionys ;  und  dann  regierte  Hieron  II. 
viel  gesetzlicher  als  Dionys. 

Nun  haben  wir  noch  die  Aufgabe,  entschieden  gegen  den  letzten 
Absatz  von  Beloch  (S.  24.  25)  zu  protestiren,  der  eine  Menge  von  Sachen 
als  bewiesen  nimmt,  die  es  nicht  sind.  Wir  haben,  sagt  er,  gesehen, 
dass  die  Regierung  des  Dionys  nur  eine  Fortsetzung  der  alten  Demo- 
kratie war.  Wir  können  deshalb  nicht  zugeben  »che  egli  avessc  tolto 
al  popolo  il  piü  essenziale  fra  tutti  i  diritti  politici,  quello  di  eleggere 
e  di  sorteggiare  i  propri  magistrati.  Ed  in  vero  vediamo,  che  all'  epoca 
di  Dione  le  elczioni  ebbero  luogo  nelle  medesime  forme  come  50  anno 
prima  ed  a  tempo  prestabilito«  (von  besonderen  Formen  wissen  wir  nichts; 
in  Betreff  des  tempo  prestabilito  s.  oben  S.  150),  und  man  müsse  erwä- 
gen, dass  Dion  nie  Syrakus  eine  Verfassung  gegeben  habe.  »Dionisio  ha 
deposto  i  poteri  struordinari  dcferiligli  dall'  assemblea  popolare  tostoche 
Ic  condiziqni  politiche  di  Siraciisa  lo  permisero«  (falsch;  es  ist  nie  ge- 
schehen) »ne  c  prova  evidente«  (also  muss  es  erst  bewiesen  werden)  »il 
fatto  che  cgli  durante  il  resto  del  suo  govcrno  si  chiama  arconte  e  nou 
stratego  autocrata  quäl  era  stato  nominato  in  principio«.  (.Beloch  über- 
sieht hier  den  wichtigen  Punkt,  dass  Dionys  sich  nicht  a,o^a»v  von  Syrakus, 
sondern  von  Sicilien  nennt;  äp-^cov  ist  für  Dionys  gar  kein  syrakusanischer 
Titel).    »Da  ciö  risulta  che  dal  niomeuto  in  cui  egli  depose  la  dittatura, 


154  Geographie  von  UnteritalieD  und  Sicilien 

si  tornarono  ad  eleggere  gli  strategi  nei  comizi«.  (Da  die  Voraussetzung 
falsch  ist  und  keine  Niederlegung  stattgefunden  hat,  fällt  die  Folgerung  weg 
und  die  Wahl  von  Strategen  in  den  Volksversammlungen  unter  Dionys  ist 
nicht  bewiesen).  »Ed  in  fatti,  se  il  numero  dei  merabri  di  quel  collegio  e 
di  15  nel  405  quaiido  Dionisio  sali  al  governo,  e  di  22  o  piuttosto  di  25 
nel  357  all'  epoca  dcUa  spedizione  di  Dione,  egli  c  chiaro  che  fra  questi 
due  anni  dev'  essere  avvenuto  un  mutamento  della  costituzione  che  portö 
aumento  al  numero  degli  strategi«.  (Das  ist  kein  Grund;  vor  405  wählte 
man  15;  357  wählte  man  25;  warum  diese  Zahl,  wissen  wir  nicht;  unter 
den  Tyrannen  wählte  man  gar  keine).  »Ciö  che  prova  in  modo  decisivo,  che 
vi  fossero  degli  strategi  eletti  dal  popolo  auche  duraute  il  governo  di  Dio- 
nisio«. (Es  beweist  nur,  dass  man  nach  dem  Sturz  der  Tyrannen  wie- 
der Strategen  wählte).  »Ne  degli  strategi  soltanto.  La  resistenza  che 
gli  opliti  ed  i  cavalieri  siracusani  hanno  piü  d'una  volta  opposto  a  Dio- 
nisio, ci  costringe  ad  ammettere  che  gli  ufficiali  di  questi  corpi  venissero 
eletti  dal  popolo,  non  nominati  dal  tiranno.  AU'  assedio  di  Erbesso  nel 
404  e  il  solo  eparca  di  Dionisio  chi  s'oppone  al  movimeuto  rivoluziouario ; 
onde  risulta  chiaramente  che  gli  altri  ufficiali  non  dovevano  il  loro  grado 
al  principe«.  Das  ist  wunderbar.  Wenn  (Diod.  XIV,  7)  erzählt  wird, 
dass  ein  xa&scr-afLSVos  unb  zarj  dcovuacou  tu)V  azparcojTwv  Tjyejxujv  von  den 
Soldaten  getödtet  wird  und  nur  von  diesem  einen  erzählt  wird,  dass  ihn 
die  Soldaten  tödteten,  so  soll  das  beweisen,  dass  die  Unterofficiere  von 
den  Bürgernnind  nicht  von  dem  Tyrannen  ernannt  waren?  Warum?  Weil 
sie  nicht  auch  getödtet  wurden?  Aber  wenn  sie  nun  davon  liefen,  als 
sie  sahen,  dass  ihr  Chef  todt  war?  Auch  solche  Fälle  sind  schon  vor- 
gekommen. Was  wissen  denn  wir  davon,  wie  es  zuging?  »Gli  strategi 
ed  i  chiliarchi,  e  probabilmente  anche  gli  ipparchi  continuavauo  ad 
essere  eletti  dal  popolo  durante  il  governo  di  Dionisio«  (es  ist  gar  kein 
Grund  vorhanden,  dies  anzunehmen)  »e  se  lo  furono  questi  magistrati 
militari,  a  fortiori  dobbiamo  ammettere  che  gli  altri  magistrati  eletti  o 
sorteggiati  sotto  la  costituzione  democratica,  da  Dionisio  non  venissero 
aboliti«.  (Da  jenes  nicht  bewiesen  ist,  ist  es  auch  dieses  nicht).  —  Es 
folgt  noch  als  Anhang  eine  Restitution  des  Vertrags  des  Dionys  mit 
Athen  C  luscr.  Att.  II,  52,  die  in  einigen  Stücken  von  denen  Kirchhoff's 
und  Koehler's  abweicht.  Es  ist  manches  Scharfsinnige  darin;  aber  die 
in  Z.  36  hineingesetzte  ßookrj  der  Syrakusier  ist  doch  nicht  nachgewiesen. 
Aus  unserer  Kritik  geht  hervor,  dass  Beloch  nicht  bewiesen  hat, 
was  das  Hauptinteresse  seiner  Abhandlung  ausmacht,  dass  nämlich  Dio- 
nys seine  Tyrannis  ausübte  auf  Grund  einer  ihm  auf  Lebenszeit  gegebe- 
neu Macht,  und  ebensowenig,  dass  dasselbe  gelte  von  den  übrigen  Ty- 
rannen Siciliens  und  von  den  griechischen  Tyrannen  im  Allgemeinen. 
Auch  die  Analogie  mit  dem  römischen  Kaiserthum  S.  20.  23  ist  deshalb 
keine  fundamentale;  sie  ist  nur  eine  accidentelle.    Den  Anfang  der  die- 


Sicilien.     Geschichte.  155 

nysischen  Tyrannis  hat  Beloch  selbst  S.  19  richtiger  bezeichnet  (quando 
Dionisio  coli'  occupazione  dell'  arsenale  u.  s.  w.);  er  hätte  dabei  bleiben 
und  nicht  denken  sollen,  Dionys  habe  eingesehen,  dass  er  nicht  immer 
als  Dictator  regieren  könne.  Wenn  Beloch  meint,  Dionys  habe  doch  den 
Titel  Archon  von  Syrakus  gehabt,  so  hat  er  selbst  (S-  10)  die  Stellen 
citirt,  in  denen  er  lixaXcag  apy^wv  heisst.  Auch  Agathokies  heisst  in 
der  von  Beloch  selbst  S.  19  citirten  (nicht  abgedruckten)  Stelle  äpywv 
IixsXMg.  Das  ist  wichtig.  Archon  ist  kein  syrakus anischer  Titel.  Re- 
ferent hat  in  seiner  Geschichte  Sicilien's  gerade  darauf  besonders  hin- 
gewiesen, dass  die  Stellung  von  Dionys  wie  die  von  Agathokies  sich  vor- 
zugsweise dadurch  erklärt,  dass  sie  die  Führung  der  Griechen  Sicilien's 
übernahmen.  Referent  ist  noch  immer  der  Ansicht,  dass  er  den  Cha- 
rakter der  dionysischen  Tyrannis  in  jeder  Hinsicht  richtiger  dargestellt 
hat  als  Beloch.  Es  war  der  der  factischen  Gewaltherrschaft  ohne  con- 
stitutionelle  Begründung.  Zu  Anfang  bedurfte  es  einer  formellen  Handhabe, 
die  hier  wie  sonst  oft  in  einem  den  Tyrannen  übertragenen  exceptionellen 
Amte  bestand.  So  bei  Dionys  und  Agathokies  im  Amte  des  Strategos  auto- 
krator.  Bei  anderen  konnte  die  Tyrannis  anders  beginnen.  Es  ist  ein 
Verdienst  Beloch's,  darauf  aufmerksam  gemacht  zu  haben,  dass  man  die- 
sen legalen  Anfang  sorgfältiger  zu  untersuchen  hat,  als  bisher  meistens 
geschehen  ist.  Beloch  hat  seine  staatsrechtlichen  Theorieen  übrigens  ein- 
fach hingestellt,  ohne  sich  darum  zu  kümmern,  ob  man  nicht  schon  anderswo 
Besseres  darüber  hat.  Das  hat  man  aber  nach  des  Referenten  Ansicht  in 
doppelter  Beziehung.  Mau  hat  schon  Besseres  gesagt  über  den  Charakter 
der  Tyrannis  und  über  die  lebenslängliche  Strategie.  In  ersterer  Hinsicht 
vergleiche  man  Plass,  Die  Tyrannis  I,  125.  126,  wo  die  drei  Kennzeichen 
der  Tyrannis  kurz  und  richtig  angegeben  werden:  1.  Machtgeiangung 
durch  Usurpation;  2.  Ausübung  der  gesetzgebenden  und  vollziehenden 
Macht;  3.  Machtbesitz  ohne  zeitliche  Grenzen  und  ohne  Rechenschaft. 
In  Hinsicht  der  lebenslänglichen  Strategie,  die  Beloch  für  identisch  mit 
der  Tyrannis  hat  erklären  wollen,  vergleiche  man  Aristoteles,  Politik, 
an  folgenden  Stellen:  III,  9,  3;  III,  9,  5;  III,  10,  2;  III,  11,  1  (hier: 
i.v  ndaacg  yäp  undp^scv  ivdeyerai  aTpaz^iytay  dtotov,  olov  iv  Srijwxparia 
xal  dpiaToxpavca ,  xal  noXXol  noidhaiv  iva  x'jptov  z^g  dtoixijasujg).  Es 
kann  Aisymueten  oia  ßion  geben  (III,  9,  5),  und  es  ist  die  Aisymnetie 
nach  Aristoteles  auch  eine  Art  der  Tyrannis  (Pol.  IV,  8),  aber  nicht  die 
eigentliche,  ebensowenig  ist  eine  eigcutliciie  Tyrannis  die  Königsherr- 
schaft bei  den  Barbaren ;  die  eigentliche  Tyrannis  dwmö^Dvog  dp'i&i  röiv 
uiwiujv  xal  ßelTcdviüv  ndvrwv,  im  egoistischen  Interesse.  Hiernacli  dür- 
fen wir  behaupten,  dass  die  von  Beloch  dem  Dionys  und  allen  Tyrainien 
zugeschriebene  Art  der  Herrschaft  nacii  Aristoteles  gar  keine  Tyrannis 
mehr  ist;  und  doch  kannte  Aristoteles  die  wirkliche  Tyrannis  sehr  wohl 
und  den  Dionys  als  Tyrannen. 


156  Geographie  von  ünteritalien  und  Sicilien. 

Von  Herrn  Josef  Bass  in  Wien,  der  sich  mit  der  Geschichte  des 
Tyrannen  Dionysios  I.  von  Syrakus  beschäftigt,  haben  wir  folgende  Ar- 
beiten erhalten: 

Zu  Polyaen.  V,  2,  17  in  den  »Wiener  Studien«  II,  l,  S.  148 
wo  Bass  nachweist,  dass  daselbst  das  von  den  Meisten  und  auch  vom 
Referenten  für  unmöglich  gehaltene  Mzaarjvtoi  deshalb  richtig  sein  kann, 
weil  die  Bevölkerung  der  Stadt  nicht,  wie  man  aus  Diod.  XIV,  78  ge- 
schlossen hat,  aus  lauter  Freunden  des  Tyrannen  bestanden  haben  muss. 
Die  Stadt  fiel  Ol.  96,  4  von  Dionys  ab ,  und  wurde  in  demselben  Jahre 
von  ihm  wieder  erobert,  fiel  aber  ebenfalls  noch  in  demselben  Jahre  in 
die  Hände  der  Karthager. 

In  denselben  Wiener  Studien  III,  1  S.  151  fif.  hat  Herr  Bass  aus- 
einandergesetzt, dass  Dionysios  nicht,  wie  manche  annehmen,  von  nie- 
driger Herkunft  war. 

Endlich  haben  wir  von  ihm 

Dionysios  I.  von  Syrakus.  Nach  den  Quellen  dargestellt  von  Josef 
Bass.  Separat-Abdruck  aus  dem  Jahresberichte  über  das  k.  k.  Staats- 
gymnasium im  II.  Bezirke  von  Wien.     Wien  1881.     46  S.  in  8. 

Es  ist  eine  eingehende  und  befriedigende  Darstellung  der  Ge- 
schichte des  Tyrannen.  Referent  hat  sich  Einiges  notirt,  was  ihm  nicht 
richtig  scheint.  S.  10:  Himilkon  opferte  nicht  »seinen«  Sohn,  r.alda  sagt 
Diodor  XIII,  *86.  S.  20  heisst  der  Korinther  Nikotelas;  es  sollte  -es  ge- 
druckt sein.  S.  21  Hadranon  an  der  »Stelle«  von  Aitna  ist  nicht  genau. 
S.  41  ist  doch  nicht  anzunehmen,  wie  Bass  will,  dass  Dionys  beabsichtigt 
habe,  Italien  bei  Skylletion  »durchstechen«  zu  lassen.  Strabon's  Wort 
dcazziytCetv  sagt  gewiss  das  Richtige.  —  Es  ist  schade,  dass  Bass  nicht 
die  Ergebnisse  Beloch's  in  Betreff  der  Verhältnisse  der  verbündeten  und 
unterthänigeu  Städte  hat  benutzen  können,  welche  von  den  zukünftigen 
Geschichtschreibern  des  Tyrannen  verwerthet  werden  müssen. 

Fastorum  civitatis  Tauromenitanae  reliquiae  descriptae  et  editae 
ab  E.  Bormann  praem.  indici  lect.  academ.  Marburgeusis.  Marb. 
1881.    32  S.  in  4. 

Die  Stadt  Tauromeuion  ist  eine  von  den  wenigen  sicilischen  Städ- 
ten, die  einen  gewissen  Schatz  von  Inschriften  geliefert  haben.  Es  sind 
Rechnungen  von  Gymnasiarchen  (C.  I.  Gr.  III  5641.  .5642),  monatliche 
Rechnungen  von  gewissen  Beamten:  ispo/xvd/jLovsg ,  za/j.cac,  (Tiro^uMxzs 
(C.  I.  Gr.  5640);  andere  Rechnungen  (publ.  u.  a.  im  Rh.  Mus.  1869  und 
in  Fleckeisens  Jahrb.  1869),  endlich  eine  Stele  mit  den  Fasten  der  tau- 
romenitanischen  Strategen.  Diese  ist  es,  welche  den  Gegenstand  der 
Publication  Bormann's  ausmacht,  nachdem  sie  kurz  vorher  von  den  Herrn 
Lafaye  und  Martin  herausgegeben  war  in  dem  Werke:  flcole  iran(;aise 
de  Rome;  melanges  d'archeologie  et  d'histoire.  I.    Paris  et  Rome  1880. 


Sicilien.    Geschichte.  157 

Bormann  publicirt  zunächst  die  Fasten.  Sie  enthalten  stets  die 
Angabe  des  Eponymos  und  dann  die  Namen  zweier  Strategen,  welche 
diä  nivTs  irojv  ihr  Amt  verwalteten,  und  zwar  von  einem  gewissen  Jahre 
an  (auf  der  rechten  Seite  der  Stele)  in  ausführlicherer  Bezeichnung  mit 
Vaternamen  und  einer  weiteren  abgekürzten  Angabe,  welche  Zugehörig- 
keit zu  einem  Demos  oder  einer  Phyle  oder  einer  Phratria  bezeichnet, 
17  Wörter,  theilweise  leicht  zu  ergänzen,  theil weise  nicht.  Ferner  ist 
bei  diesen  noch  eine  Person  hinzugefügt  mit  der  Angabe  yp,  was  Bormann 
mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  als  Ypo.jXßa~z>jg  erklärt.  In  dem  Commen- 
tar  beschäftigt  sich  Bormann  zunächst  mit  der  Deutung  der  Worte  otä 
ndvTs  izwv  und  kommt  zu  dem  richtigen  Schlüsse,  dass  die  zwei  genann- 
ten Strategen  immer  4  Jahre  blieben,  jedes  Jahr  aber  zwei  neue  ein- 
traten, sodass  im  Ganzen  8  Strategen  waren.  Einen  möglichen  Einwurf 
gegen  die  so  sehr  wahrscheinliche  Annahme,  dass  die  Strategen  immer 
auf  4  Jahre  gewählt  seien,  widerlegt  Bormann  S.  XII  mit  folgenden  Wor- 
ten: Neque  obstat  quod  suffectionem  in  locum  mortui  institutam  vel  sal- 
tem  perscriptam  esse  non  reperiraus  nisi  cum  ipso  prirao  anno  muneris 
strategus  aliquis  mortuus  erat,  cuius  rei  exempla  sunt  annus  75  et  la- 
teris  dextri  annus  13.  Hier  möchte  ich  anheimgeben,  ob  es  denn  bei 
75  so  nothwendig  sei,  dass  der  Betreffende  wirklich  im  ersten  Jahre  sei- 
ner Amtsführung  gestorben  ist.  Nehmen  wir  an,  er  sei  im  zweiten  Jahre 
gestorben,  konnte  man  da  nicht,  da  ja  diese  ersten  Fasten  doch  nach- 
träglich aufgezeichnet  sind,  gleich  bei  der  Erwähnung  seines  Namens 
seinen  Nachfolger  hinzufügen,  der  dann  nur  etwas  über  2  Jahre  im  Amte 
blieb  ?  Hätte  man  dies,  was  allerdings  richtiger  gewesen  wäre,  im  zwei- 
ten Jahre  erwähnen  wollen,  so  hätte  man  erst  den  Namen  des  Gestor- 
benen wiederholen  müssen.  —  Um  nun  zur  Zeitbestimmung  der  Strate- 
genfasten von  Tauromenion  kommen  zu  können,  theilt  Bormann  zunächst 
die  Fasten  der  Gymnasiarchen  mit,  die  wir  haben.  Es  zeigt  sich,  dass 
wir  für  einige  der  Jahre,  von  denen  die  Strategenfasten  erhalten  sind, 
auch  die  Gymuasiarchenfasten  haben,  wobei  nur  das  eigenthümliche  Re- 
sultat herauskommt,  dass  von  a.  97  ohne  Angabe,  dass  ein  grosses  In- 
tervall folgt,  auf  lat.  dextr.  a.  6  übergegangen  wird.  Doch  ergiebt  sich 
jedenfalls  daraus,  dass  die  linke  Seite  der  Stele  die  ältere  Zeit  betrifft; 
die  Grösse  des  Intervalls  zwischen  der  linken  und  der  rechten  Seite  lässt 
sich  aus  der  Stele  selbst  nicht  feststellen.  Die  Aufzeichnungen  der  lin- 
ken Seite  sind  aber  offenbar  mit  einem  Male  geschrieben  und  zwar  nach- 
getragen worden,  als  die  Fasten  der  rechten  Seite  schon  Jahr  für  Jahr 
notirt  waren  Um  nun  auf  anderem  Wege  zu  einer  annähernden  Be- 
stimmung des  Intervalls  zu  gelangen,  benutzt  Bormann  folgendes  Mittel. 
Es  kehren  dieselben  Namen  mit  identischem  Vaternamen  links  und  rechts 
wieder.  Die  von  rechts  waren  nicht  dieselben  Individuen  wie  die  links, 
weil  sonst  ein  Iterationszeichen  dabei  gestanden  hätte.  Sie  waren  offen- 
bar (s.  Borm.  S.  XIX)  die  Enkel  der  von  links.    So  kommt  eine  Diff'e- 


158  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

renz  von  circa  '.iO  Jahren  zwischen  dem  letzten  Jahre  der  linken  und  dem 
ersten  der  rechten  Seite  heraus.  Wenn  wir  nun  so  zu  dem  Kesultat 
gelangt  sind,  dass,  da  die  linke  Seite  101,  die  rechte  14  Jahre  enthält, 
die  uns  überlieferten  Fasten  von  Tauromenion  ungefähr  145  Jahre  um- 
fassen, so  möchten  wir  wissen,  mit  welchen  Jahren  der  gewöhnlichen  Aera 
diese  zusammenfallen.  Zu  diesem  Zwecke  i)rüft  Bormann  die  Geschichte 
von  Tauromenion,  woraus  sich  ergiebt,  dass  das  Jahr  2G3  für  die  Stadt 
wichtig  ist  als  das  Jahr  des  Vertrags  zwischen  Hieron  und  den  Römern, 
die  dem  Könige  von  Syrakus  Tauromenion  überliessen;  und  dass  im 
Jahre  132  oder  131  durch  den  Consul  Rupilius  Tauromenion  von  der 
Herrschaft  der  Sklaven  befreit  wurde.  Nun  wissen  wir  aus  delphischen 
Inschriften,  dass  als  in  Delphi  Kleon  Archon  war,  Agatharchos,  Memnon's 
Sohn,  der  Tauromenier,  zum  proxenos  von  Delphi  ernannt  wurde.  Kleon 
muss  Archon  gewesen  sein  zwischen  168  und  157  v.  Chr.  Nun  finden 
wir  anno  86  der  tauromenitanischen  Fasten  einen  Gymnasiarchen  Aga- 
tharchos Memnon's  Sohn,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dies 
der  Proxenos  von  Delphi  war;  wenigstens  kann  er  weder  Grossvater  noch 
Enkel  desselben  sein  (Borm.  S.  XXI.  XXII).  Wer  Proxenos  der  Delphier 
wurde,  muss  ein  sehr  angesehener  Mann  gewesen  sein,  er  kann  mehrere 
Jahre  vorher  Gymnasiarch  seiner  Vaterstadt  gewesen  sein.  Wenn  er 
dies  im  Jahre  86  der  Aera  war,  dürfen  wir,  um  das  erste  Jahr  der  Aera 
zu  finden,  addiren  168  +  86  +  10  bis  157  +  86  +  10  =  264-253.  Wenn 
wir  nun  seh^,  dass  263  die  Römer  Tauromenion  an  Hieron  gaben,  dass 
die  Römer  dafür  zu  sorgen  pflegten,  dass  die  ihnen  ergebenen  Städte 
eine  aristokratische  Verfassung  hatten,  und  dass  die  Verfassung,  die  sich 
in  den  tauromenitanischen  Fasten  kundgiebt,  einen  aristokratischen  Cha- 
rakter hat,  wie  die  verhältnissmässig  geringe  Zahl  der  vorkommenden 
Familien  beweist,  ist  es  da  nicht  wahrscheinlich,  dass  Agatharchos  richtig 
bestimmt  ist,  und  dass  die  Aera  von  Tauromenion  wirklich  mit  263  v.  Chr. 
beginnt?  Nun  passt  noch  etwas  sehr  gut.  Es  war  ein  Intervall  von 
etwa  30  Jahren  zwischen  dem  Verzeichniss  der  linken  Seite  und  dem  der 
rechten  wahrscheinlich;  jenes  ist  nachträglich  gemacht;  beim  Neubeginn 
der  Aufzeichnung  nach  131  Jahren  des  Bestehens  der  Verfassung  ist  also 
eine  vorhergegangene  Krisis  wahrscheinlich.  Nun  ward  im  Jahre  132 
oder  131  V.  Chr.  das  befreite  Tauromenion  neu  constituirt.  Das  geschah 
nach  263  gerade  131  Jahre.  Es  hat  also  die  Vermuthung  Bormann's 
auch  diese  Probe  glücklich  bestanden.  Wenn  nun  noch  hinzukommt,  dass 
bei  dem  Bau  des  berühmten  Schiffes  Hieron's  der  Tauromenitaner  Phi- 
leas  Dienste  leistete,  und  anno  12,  also  251  v.  Chr.,  als  Strateg  Hermou, 
Sohn  des  Phileas,  vorkommt,  so  ist  wieder  die  Rechnung  bestätigt. 
Bormann  meint,  dieser  Phileas  sei  der  Mechaniker  gewesen.  Wir  möch- 
ten glauben,  der  Mechaniker  war  Sohn  des  Strategen  von  251.  Der 
Bau  des  Schifies  gehört  doch  wohl  in  eine  spätere  Zeit;  Archimedes 
baute  es  und  Phileas  wird  sein  Schüler  gewesen  sein.    -    Die  Abband- 


Sicilien.     Geschichte.  159 

lung  Bormann's  ist  eine  der  vorzüglichsten  Leistungen  combiairender 
Kritik,  die  wir  kennen. 

Bormann  hatte  schon  früher  aus  den  tauromenitanischeu  Inschriften 
die  Bestimmung  der  Masse  des  Flüssigen  in  Tauromenion  entnommen, 
welche  den  attischen  ähnlich  waren,  in  der  Abhandlung 

De  mensuris  Tauromenitanis  scripsit  E-  Bor  mann.     In  den  Com- 
mentation.  philologis  in  honorem  Th.  Mommseni. 

Sie  sind  fast  identisch  mit  den  römischen  (vgl.  Bormann,  Fastorum 
etc.  p.  IV).  Natürlich  muss  vorausgesetzt  werden,  dass  die  Uebernahme 
der  Masse  aus  Attika  nach  Sicilien  verhältnissmässig  alt  ist,  und  dass 
dieselben  dann  bald  nach  Rom  übergingen. 

Wir  bemerken  noch,  dass  in  dem  anziehend  geschriebenen  Buche 

Vom  Gestade  der  Cyclopen  und  Sirenen.    Reisebriefe  von  W.  Ross- 
mann.   2.  Aufl.    Leipzig  1880 

auf  S.  414—417  kurz  und  überzeugend  bewiesen  wird,  dass  im  Theater 
von  Taormina  gewisse  Nischen  nicht  zur  Anbringung  von  Schallgefässen 
dienten,  und  dass  überhaupt  diese  von  Vitruv  beschriebene  Vorrichtung 
unpraktisch  ist. 

Mit  Quellenstudien  beschäftigen  sich  folgende  Schriften 

J.  Beloch,  Die  Oekonomie  der  Geschichte  des  Tiraaios.    Jahrb. 
f.  class.  Philol.  1881.  S.  697-706. 

Beloch  ist  weder  mit  der  Ansicht  MtiUer's  einverstanden  noch  mit 
der  Kothe's,  die  ihm  beide  zu  künstlich  erscheinen.  Beloch  nimmt  an, 
dass  das  ganze  Werk  etwa  35  -  40  Bücher  umfasste,  was  mit  dem  vor- 
handenen höchsten  Citate  (Buch  38)  sehr  wohl  stimmt.  Nach  Beloch 
herrschte  bei  Timaeus  entschieden  das  chronologische  Princip  vor,  d.  h. 
im  Allgemeinen,  nicht  ängstlich  annalistisch.  Diese  Methode  brachte 
Wiederholungen  von  früher  Gesagtem  mit  sich,  und  so  erklären  sich 
Erwähnungen  von  Begebenheiten  in  Büchern,  in  die  sie  der  Zeit  nach 
nicht  passen.  Manche  Citate  sind  natürlich  in  Betreff  der  Buchzahlen 
verderbt.  S.  700  giebt  Beloch  ein  sehr  nützliches  Verzeichniss  der  mit 
Buchzahlen  überlieferten  Fragmente,  unter  denen  also  einige  irrig  sind. 
Nun  findet  Beloch  in  diesen  Angaben  einige  feste  Punkte  für  die  Oeko- 
nomie des  ganzen  Werkes.  Im  neunten  und  zehnten  Buche  war  die  Rede 
von  Pythagoras;  im  zehnten  vom  Siege  des  Hippokrates  am  Flusse  He- 
loros;  also  behandelten  Buch  neun  und  zehn  die  Zeit  um  500  v.  Chr. 
Einen  zweiten  festen  Punkt  bilden  Buch  13 — 1.5,  wo  von  Ilykkara,  Akra- 
gas  und  Empedokles  die  Rede  ist;  so  kommt  nach  Beloch  in  Buch  13 
der  athenische  Krieg,  in  Buch  15  der  Fall  von  Akragas,  in  Buch  10 
(fr.  119*  wird  aus  Buch  6  in  Buch  16  verlegt)  der  Anfang  der  Tyrannia 
des  Dionys.     Somit  würde   in  Buch  14  die  Einnahme  von  Selinus   und 


IßO  Geographie  von  Uuteritalien  und  Sicilien. 

Himera  kommen,  imd  dem  entspricht  die  aus  Buch  14  gemeldete  Er- 
wähnung des  von  Gclon  mit  Karthago  abgeschlossenen  Friedens,  was 
nur  eine  Rccapitulation  von  früher  Krzähltem  sein  konnte.  Mit  Buch  10 
beginnt  die  eigentliche  Geschichte  Siciliens;  so  haben  Buch  19  die 
Vorgeschichte  des  Westens  behandelt.  Es  geht  nun  nach  Beloch  Buch  1 
bis  zum  Falle  Troia's;  Buch  2  bis  zur  ersten  Olympiade;  Buch  3  5  um- 
fassen die  Gründungen  der  hellenischen  Städte;  Buch  ß  handelt  nach 
Beloch  speciell  von  Massalia  sowie  von  der  weiteren  Geschichte  Siciliens ; 
Buch  7,  8  und  9  von  der  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.  Diesen  Abschnitt 
seiner  Abhandlung  schlicsst  Beloch  mit  folgenden  Worten:  »Aus  dem 
bisher  Gesagten  geht  doch  wohl  zur  Evidenz  hervor,  dass  die  Annahme 
völlig  verkehrt  ist,  Timaios  habe  in  den  ersten  Büchern  seines  Werkes 
eine  Geographie  der  Länder  im  Umkreis  des  Mittelmeeres  gegeben«. 
Müller  nimmt  an,  Buch  1  und  2  hätten  geographischen  Inhalt  gehabt. 
Das  ist  von  Beloch  immer  noch  nicht  widerlegt.  Wir  haben  von  Citaten: 
Buch  1.  Die  Sitten  der  Tyrrhener  und  Empedokles ;  Buch  2.  Kyrnos,  Epi- 
menides,  Gelon,  Empedokles.  Nun  schafft  Beloch  Gelon  S.  703  weg, 
Empedokles  S.  702;  so  bleiben  übrig:  Sitten  der  Tyrrhener,  Kyrnos  und 
Epimenides.  Wie  Kyrnos  und  Epimenides  dort  vorkamen  »lässt  sich 
nicht  mehr  bestimmen«  (S.  703);  es  bleiben  also  als  in  das  historische 
Schema  Beloch's  passend:  Sitten  der  Tyrrhener.  Das  ist  alles  was  be- 
weisen kann,  dass  Buch  1  bis  zum  Falle  Troia's,  Buch  2  bis  Olymp.  1 
ging.  Aber  wie  gehören  die  Sitten  der  Tyrrhener  (fr.  18  {^spanatvai  yj/x- 
val  ocaxovouvTat)  in  die  Zeit  vor  dem  Falle  Troia's?  Sehr  einfach:  Be- 
loch bringt  sie  unter  den  Titel :  Einwanderung  der  Tyrrhener  nach 
Etrurien  (S.  703).  Das  wird  dann  wohl  früher  gewesen  sein  als  die  Er- 
oberung Troia's.  Im  Grunde  giebt  es  also  unter  den  aus  Buch  1  und  2 
citirten  Fragmenten  keins,  das  »mit  Evidenz«  oder  überhaupt  bewiese, 
dass  in  diesen  beiden  Büchern  kein  geographisches  Princip  zu  Grunde 
liege.  Beloch  weiss  sich  aber  durch  einen  Scherz  über  die  Schwierigkeit 
hinwegzuhelfen.  Er  schreibt  weiter  (S.  704) :  »Neuere  Geschichtschreiber 
haben  wohl  die  Geschmacklosigkeit  begangen,  ihren  Werken  eine  geo- 
graphische Einleitung  vorauszuschicken;  ein  hellenisches  Publikum  hätte 
so  etwas  niemals  ertragen«.  Dass  dies  nur  Scherze  sind,  ist  klar;  denn 
im  Ernst  wird  Niemand  behaupten,  dass  z.  B.  die  Abschnitte  »Land  und 
Volk«  bei  neueren  Historikern  (ich  kann  Cap.  1  und  2  meiner  Geschichte 
Siciliens  anführen)  eine  Geschmacklosigkeit  sind,  und  die  Bemerkung  über 
das  »Ertragen«  hätte  im  Ernst  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  Timaeus  sein 
Werk  lieferungsweise  herausgegeben  hätte  und  die  erste  Lieferung  unver- 
kauft geblieben  wäre,  und  selbst  dann  nicht,  wenn  die  erste  Lieferung 
schon  Buch  1  und  2  enthielt.  Dann  war  das  Unglück  geschehen  und  das 
Publikum  musste  es  ertragen.  Uebrigens  ist  bekanntlich  der  Geschmack 
eine  subjective  Sache.  Mit  solchen  Scherzen  von  zweifelhaftem  Werth  kann 
man  schwache  Gründe  aber  doch  nicht  stark  macheu.  Nicht  begrün- 
det ist  auch  eine  beiläufige  Bemerkung  von  Beloch  auf  S.  704,  wonach 


Sicilien.    Geschichte.  161 

»die  von  Hultsch  in  den  Text  des  Polybios  (Tim.  fr.  55)  hineincorrigirten 
'Aaaupcwv  bnojxvrjjxara  ganz  sinnlos  sind  —  was  haben  die  Assyrier  mit 
der  Geschichte  des  Westens  zu  thun?«  Man  muss  bedenken,  dass  es 
sich  hier  um  die  Gestaltung  des  Textes  handelt,  die  doch  ihre  speciellen 
Gesetze  hat.  —  Von  der  zweiten  Hälfte  des  Timaeischeu  Werkes  kann 
auch  Beloch  nicht  ein  einigermassen  befriedigendes  Bild  entwerfen;  doch 
vertheilt  er  die  Begebenheiten  recht  passend  über  die  Bücher;  vgl.  die 
Tabelle  S.  706.  —  Wir  sind  durch  die  vorliegende  Arbeit  entschieden 
einen  Schritt  vorwärts  in  der  Frage  über  die  Oekonomie  des  Werkes 
des  Timaeus  gekommen.  Beloch  hat  eine  klare  und  übersichtliche  Dis- 
position aufgestellt,  und  vieles  von  dem  was  er  sagt,  hat  uns  überzeugt. 
Wir  möchten  indess  wohl  hören,  wie  Forscher,  die  sich  ganz  speciell  mit 
dem  Gegenstande  beschäftigt  haben,  wie  z.  B.  Kothe,  über  Beloch's  Ver- 
such urtheilen. 

Untersuchungen  über  die  Quellen  des  Pompeius  Trogus  für  die 
griechische  und  die  sicilische  Geschichte  von  AI.  Enmann.  Dorpat 
1880. 

Referent  hat  den  ersten  und  längsten  Theil  dieser  trefflichen  Schrift 
bereits  in  seinem  Bericht  über  griechische  Geschichte  besprochen;  er 
fügt  jetzt  kurz  einige  Bemerkungen  über  den  zweiten  Theil  hinzu,  der 
die  sicilische  Geschichte  betrifft.  Der  Verfasser  bespricht  zunächst  in 
Cap.  VI  (S.  129-  149)  das  von  Trogus  über  die  Geschichte  Sicilien's  bis 
413  geleistete.  Hauptquelle  ist  Timaeus.  Sehr  geschickt  weiss  Enmann 
das  was  lustin  IV,  3  über  einen  Vorfall  in  Rhegium  sagt  (Medio  tem- 
pore etc.)  auf  das  bei  Diod.  XI,  76  Erzählte  zu  beziehen.  Es  ist  das 
eine  ganz  vorzügliche  Rettung  einer  vom  Referenten  als  aus  einer  ganz 
anderen  Epoche  verkehrt  hierher  gekommen  bezeichneten  Nachricht. 
Zweifelhafter  ist  Referenten,  ob  Enmann  Recht  hat  die  Geschichte  vom 
athenischen  Nauarchen  bei  Tim.  fr.  99  in  die  mythische  Zeit  zu  setzen. 
Die  Bezeichnung  Nauarch  und  der  Name  Diotimos  scheinen  mir  doch  in 
eine  historische  Zeit  zu  gehören.  Zu  S.  142  bemerke  ich,  dass  ich  keine 
Scheidung  in  drei  Klassen  beabsichtigte,  sondern  Kriterien  aufstellen 
wollte,  die  sich  dann  möglicherweise  bei  einem  Schriftsteller  vereint  rin- 
den könnten.  Zu  S.  145,  dass,  wenn  Trogus  die  athenischen  Feldhcrrn 
später  verurtheilt  werden  lässt  als  richtig  ist,  dies  doch  der  bequemeren 
Phraseologie  zur  Liebe  geschehen  sein  kann  und  nach  unserer  Meinung 
keine  Verschiedenheit  der  Quelle  andeutet.  S.  148.  149  scheinen  uns 
die  Abweichungen  von  Timaeus  doch  zu  stark  um  ihn  als  Quelle  zuzu- 
lassen. —  Cap.  VII  (S.  149—154)  die  Bücher  XVIII  und  XIX.  Timaeus 
ist  Quelle  der  phönicisch-karthagischen  Geschichte  bei  Trogus.  --  Cap.  VIII 
(S.  154—166)  Buch  XX.  Quelle  Timaeus.  —  Cap.  IX  (S.  166-181) 
Buch  XXL  Quelle  besonders  Timaeus.  S.  180  glaubt  Referent  doch  noch 
an  Theopomp  als  Quelle  für  Diod.  XVL  71  und  lust.  XXI,  2,  1  festhalten 

Jahresbericht  für  Akerthumswisscnschatt  XXVUI.  (1881.  ÜIJ  H 


162  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien 

zu  dürfen.  —  Cap.  X  (S.  181  —  193)  Geschichte  des  Agathokles.  Quelle 
besonders  Timaeus.  Auch  hier  kann  Referent  noch  nicht  zugeben,  dass 
die  Rührscene  beim  Tode  des  Agathokles  von  Timaeus  stammen  kann. 
Die  wirklich  von  Timaeus  (fr.  145;  Polyb.  XII,  15)  geschilderte  Scenc 
hat  doch  nach  unserer  Meinung  einen  wesentlich  verschiedenen  Charak- 
ter. —  Exe.  I  weist  Timaeus  als  Quelle  der  Pseudo-Aristotelischen  Schrift 
TTspl  ßatj/j.aa.  dxoixr/j..  nach;  Exe.  II  bespricht  interessant  Timaeus  als 
Etymolog.  —  Die  Cap.  VI  bis  zu  Ende  stehen  den  ersten  des  Buches 
an  Scharfsinn  nicht  nach. 

De  auctoribus  rerum  a  M.  Claudio  Marcello  in  Sicilia  gestarura. 
Diss.  inaug.  Hai.  scr.  A.  Müller.     Halis  1882.     46  S.  in  8. 

Nach  dem  Verfasser  haben  wir  zunächst  einerseits  Polybius,  an- 
dererseits Coelius,  der  sich  seine  Darstellung  aus  Fabius  Pictor  und 
Silenus  gebildet  hat.  Auf  Polybius  vorzugsweise  beruht  Livius,  doch  hat 
Livius  daneben  auch  Coelius  zu  Rathe  gezogen,  und  dasselbe  gilt  auch 
von  Plutarch.  Cassius  Dio  benutzt  vorzugsweise  Coelius.  Appian  scheint 
auf  Fabius  zu  beruhen.  Herr  Müller  hat  das  alles  in  befriedigender 
Weise  auseinandergesetzt.  An  dem  lateinischen  Stil  der  Abhandlung 
hätten  wir  einiges  auszusetzen.  S.  3  braucht  er  tantos  und  quantas  für 
tot  —  quot.  S.  16  schreibt  er:  sed  ne  id  quidera  vix  contenderit  quis- 
quam.  S.  27  neque  id  cum  eo  —  repugnat.  S.  30  unten  wäre  prius- 
quam  besser  mit  dem  Conjunctiv  construirt.  S.  32  ist :  in  Livio  hoc  loco 
multum  turbatum  sit  doch  nicht  schön.  S.  41  schreibt  er:  »aut  edid. 
Zonarae  von  Dindorf«. 

Nunmehr  haben  wir  noch  ein  Werk  zu  besprechen,  das  einen  ganz 
speciellen  Gegenstand  behandelt: 

Delle  vicende  dell'  agricoltura  in  Italia.    Studio  e  note  di  C.  Ber- 
tagnolli.     Firenze  1881.     344  S.  in  8. 

Von  diesem  Buche,  das  die  Laudwirthschaft  Italien's  von  den  älte- 
sten bis  in  die  neuesten  Zeiten  betrachtet,  können  uns  hier  nur  zwei 
Abschnitte  des  zweiten  Theiles  beschäftigen,  welcher  betitelt  ist:  L'agri- 
coltura  dei  Greci  uella  Sicilia  e  nelle  Calabrie  (S.  28  —  74);  diese  Ab- 
schnitte behandeln  den  Ackerbau:  1.  nella  Sicilia  (S.  28);  2.  nelle  Ca- 
labrie (S.  54).  Wer  den  Inhalt  des  Buches  überhaupt  kennen  lernen 
möchte,  dem  empfehlen  wir  den  Bericht  über  dasselbe  von  J.  Schuhmann: 
Die  Laudwirthschaft  in  Italien,  in  der  Augsb.  Allg.  Zeitung.  Montag, 
23.  Januar  und  Beilage  zu  Dienstag  24.  Januar  1882.  Wir  möchten  uns 
gestatten  zu  dieser  Anzeige  in  sofern  eine  Ergänzung  zu  geben,  als  wir 
dasjenige  hervorheben,  was  uns  in  Bertagnolli's  Abschnitt  H  irrig  scheint; 
Herr  Schuhmann  hat  einfach  den  Inhalt  angegeben,  mit  einigen  wenigen 
kritischen  Bemerkungen. 

BertagnoUi   fasst  Sicilien   vor  Allem    als   das  Land    des   grossen 


Sicilien.     Geschichte.  163 

Grundbesitzes,  schon  in  griechischer  Zeit,  auf;  er  sagt  sogar  S.  30,  es 
sei  »sempre«  »la  terra  della  graude  proprietä«  gewesen.  Aber  was  wissen 
wir  von  den  Verhältnissen  der  Sikeler,  die  doch  noch  um  400  v.  Chr. 
theilweise  unabhängig  waren?  Und  es  giebt  doch  manche  Erzählungen 
die  darauf  hinweisen,  dass  auch  bei  den  Griechen  ärmere  Grundbesitzer 
existirten  (z.  B.  Diod.  XIII,  84).  Sodann  betont  er  die  »scarsezza  della 
popolazione«  unter  andern  auch  gegen  die  vom  Referenten  in  seiner 
Gesch.  Sic.  Bd.  II  angegebenen  Zahlen.  Unsere  Abschätzungen  waren 
natürlich  nur  ungefähre,  aber  doch  auf  specielle  Facta  gegründet;  was 
Bertagnolli  dagegen  sagt,  berührt  gar  nicht  die  einzelnen  Ziffern,  aus 
denen  sich  unsere  Gesammtsumme  zusammensetzte;  Bertagnolli  stellt  nur 
ganz  allgemeine  Betrachtungen  an,  die  theilweise  falsch  sind.  So  wenn 
er  S.  42  sagt,  dass  im  Innern  der  Insel  nie  ein  »centro  di  qualche  im- 
portanza«  gewesen  sei,  und  die  Bevölkerung  sich  immer  längs  der  Küste 
angehäuft  habe.  Und  die  Sikelerstädte  im  ganzen  Symaethusthale?  und 
Enna  und  Enteila  und  Halikyae,  wo  lagen  denn  die?  und  wie  viele  Orte 
lagen  denn  an  der  Südküste?  Bertagnolli  bestreitet,  dass  Akragas  (mit 
Gebiet)  800  000  Einwohner  gehabt  habe.  Es  habe  nach  Diod.  XIII,  84 
gehabt :  20  000  cittadini  e  200  000  tra  schiavi  e  stranieri.  Ob  er  wohl 
die  Stelle  gelesen  hat?  Da  wird  nur  von  ^svocq  gesprochen,  also  müssen 
wir  die  Sklaven  hinzurechnen,  und  wir  wissen,  dass  die  Akragantiner 
viele  Sklaven  hatten.  Bertagnolli  vergleicht  Syrakus  mit  Athen.  Man 
berechnet  Attika's  Bevölkerung  zu  540  000  Menschen;  Syrakus  hatte  we- 
nigstens ebensoviel,  wahrscheinlich  mehr.  Bertagnolli  sagt  S.  44,  dass 
die  Griechen  keine  grossen  »ceutri  di  popolazione«  liebten,  und  auf  der- 
selben Seite,  dass  sie,  wenigstens  in  Sicilien,  nicht  auf  dem  Lande  leben 
wollten,  sondern  in  der  Stadt.  Dann  war  die  Insel  fi-eilich  schlecht  be- 
völkert: die  Städte  volkleer  und  auf  dem  Lande  Niemand!  Hat  Bertag- 
nolli wohl  bei  Thuc.  VI,  17  gelesen,  dass  die  sicilischen  Städte  r.ohav- 
npoho'Vi  Hat  er  wohl  gelesen  wie  Dionys,  als  er  seine  Mauer  bauen 
wollte ,  den  oyloQ  rr^g  ^wpag  zusammenbrachte  und  daraus  60  000  kräf- 
tige Männer  auswählte?  Er  berechne  einmal,  wie  viele  Menschen  danach 
in  der  Xiopa  gewohnt  haben  müssen.  Also  die  Städte  volkreich  und  die 
Gebiete  ebenfalls  -  denn  nicht  erst  unter  Dionys,  als  die  Insel  bestän- 
digen Kriegen  ausgesetzt  war,  wird  das  Land  bevölkert  worden  sein. 
Kurz,  bis  man  unsere  Resultate  (Gesch.  Sic.  II,  402.  403)  im  Einzelnen 
widerlegt  hat,  beharren  wir  auch  nach  Herrn  Bertagnolli  dabei,  Sicilien 
um  410  etwa  3V2  Million  Einwohner  zu  geben.  Und  ist  denn  das  zu 
viel?  Es  hat  ja  schon  jetzt  beinahe  3  Millionen  und  jetzt  wohnt  wirk- 
lich, mit  Ausnahme  einiger  Striche,  fast  Niemand  auf  dem  Lande!  — 
Ein  anderer  interessanter  Punkt  über  den  sich  Bertagnolli  ganz  kurz 
äussert,  ist  der  Ertrag,  den  der  sicilische  Boden  liefert:  »Cicerone  cal- 
colava  per  i  campi  Leontini  una  media  di  8  p.  1,  mentre  ai  nostri  giorni 
non  dovrebbe  superare  guari  il  6  p.  1«.    Letzteres  ist  ganz  falsch,  und 

11* 


164  Geographie  von  Unteritalien  und  Siciiien. 

ist  auch  durch  die  AnmerkuHgen  auf  S.  47  —  49  nicht  bewiesen.  That- 
sache  ist,  dass  der  sicilische  Boden  das  12  — lefache,  ja  das  18fache 
Korn  giebt.  Wo  geringere  Zahlen  vorkommen  und  als  Regel  aufgestellt 
werden,  da  hat  man  theilweise  bei  der  Aussaat  die  ganze  Grundfläche 
eines  Gutes  gerechnet,  auch  wenn  nicht  alles  Land  mit  Korn  besäet 
wurde,  theilweise  aber  auch  den  Ertrag  absichtlich  geringer  angegeben 
als  er  war,  aus  Furcht  vor  höheren  Abgaben.  Und  Cicero  hat  eben, 
was  fast  regelmässig  übersehen  wird,  als  Advocat  der  Sicilier  gesprochen. 
Referent  hofft  alle  diese  Verhältnisse  noch  einmal  im  dritten  Bande  sei- 
ner Geschichte  Sicilien's  berücksichtigen  zu  können.  -  In  der  von  S.  36 
an  folgenden  Uebersicht  der  Geschichte  der  Agricultur  des  alten  Sici- 
lien's ist  Referenten  folgendes  aufgefallen.  Bertagnolli  sagt  S.  37  von 
Gelon:  »presso  il  castello  d'Ipponio  e  fuori  appena  di  Siracusa  aveva 
preparato  due  orti  modello  per  la  coltivazione  delle  piante«  mit  Berufung 
auf  Athen.  XII,  10,  soll  heissen  59,  S.  542.  Hier  wird  erwähnt,  aus  Duris 
(nept  'Aya&ox^sa),  dass  nXrjatov  ^Ititiwvcou  noXsojg  äXaog  zc  decxvua&ac  xdX- 
Xsi  didcpopov  xat  xardppurov  odaaiv,  iv  w  xai  zonov  zcvä  eivai  xaXoöiievov 
'AfiaX&ecag  xdpag,  o  zhv  FeXüJva  xazaaxeudaac.  ZeiXr^vbg  8'  6  KakXaztavös 
iv  zpczü)  2ix£hxu)V  nspi  l'opaxouaag  ^r^m  xrjnov  zlvat  noXuzzXwg  xaze- 
ax£uaap.£Vov ,  ov  xaXäia&ai  Mu&ov,  iv  w  ^pr^fiaz/l^scv  "Idpouva  zov  ßaadia. 
Die  erste  Notiz  betreffend,  bin  auch  ich  früher  der  Ansicht  gewesen,  dass 
sie  richtig  sei  und  Gelon's  Macht  sich  bis  Hipponion  in  Unteritalien 
ausgedehnt  habe.  Nun  bedenke  ich  aber,  dass  unmittelbar  vorher  (541  f.) 
Atheuaeus  den  Diodor  (XI,  25)  fälschlich  so  excerpirt,  als  ob  Gelon  den 
grossen  Teich  in  Akragas  gehabt  habe,  und  komme  zu  dem  Schlüsse, 
dass  auch  bei  Hipponion  Gelon  falsch  hineingebracht  ist  und  der  Park 
vielmehr  von  Agathokles  herrührt;  Gelon  hatte  unseres  Wissens  nichts 
mit  Unteritalien  zu  thun.  Der  König  Hieron,  der  den  Garten  Mythos 
hat,  ist  wohl  der  zweite,  für  den  der  Titel  König  besser  passt.  Und 
von  orti  modello  ist  wirklich  nicht  die  Rede.  Es  sind  Parks,  wie  wir 
sie  aus  Asien  kennen.  —  Wenn  Bertagnolli  auf  S.  38  als  einen  Beweis 
von  Liebe  zur  Bildung  in  Siciiien  hervorhebt,  dass  man  die  Namen  der 
»alunni  piü  distinti«  öffentlich  ausgestellt  habe,  hat  er  wohl  berücksich- 
tigt, dass  es  sich  hier  um  die  Leibesübungen  der  Gymnasien  handelt? 
(Torremuzza  S.  84.)  —  S.  38  erzählt  Bertagnolli  den  Sturz  der  Tyrannen 
um  450  V.  Chr.  und  fügt  hinzu,  Diodor  sage,  dass  dadurch,  »e  colla  di- 
visione  delle  terre«,  der  Ackerbau  einen  neuen  Impuls  bekommen  habe. 
Er  bekämpft  diese  Ansicht  und  sagt,  der  Zustand  des  Ackerbaues  hänge 
nicht  von  den  Formen  der  Verfassung  ab.  Er  citirt  Diod.  XV,  72 ;  es 
soll  heissen  XI,  72  und  hier  hat  Bertagnolli  offenbar  y^ojpav  dyaf^r^v  ve- 
liojxzvoi  falsch  verstanden,  was  garnicht  heisst:  vertheilen,  sondern  be- 
bauen. Diodor  schreibt  den  Aufschwung  ausdrücklich  dem  Frieden  zu, 
nicht  der  Verfassungsveränderuug ,  und  dagegen  wird  auch  Bertagnolli 
nichts  einzuwenden  haben. 


Sicilien.    Geschichte.  1 65 

Sehr  viel  kürzer  fasst  sich  Bertagnolli  über  Unteritalien,  und  auch 
wir  haben  hier  nicht  viel  zu  bemerken.  Bertagnolli  meint  S.  59,  es  könne 
dort  nicht  sehr  bedeutend  gewesen  sein  »I'allevamento  dei  bovini,  im- 
perocche  era  nella  legislazione  e  nella  filosofia  di  quei  paesi  che  non  si 
potesse  cibarsi  della  carne  di  bue«  und  sagt  in  der  Anm.  16:  »cosi  Pi- 
tagora  come  Caronda  avevauo  vietato  l'uso  della  carne  di  bue«.  Wenn 
Charondas  es  gethan  hätte,  so  hätte  doch  das  mehr  Einfluss  auf  Sicilien 
gehabt;  aber  er  hat  es  nicht  gethan.  Pythagoras  aber  soll  überhaupt 
den  Genuss  des  Fleisches  verboten  haben;  indess  bezieht  sich  das  nur 
auf  die  Theilnehmer  des  engeren  Bundes;  auf  das  Volk  hat  das  keine 
Wirkung  gehabt.  Für  die  Viehzucht  Uuteritalien's  werden  somit  diese 
Pythagoreischen  Lehren  von  geringer  Bedeutung  gewesen  sein. 

Herr  Bertagnolli  hat  sehr  fleissig  gearbeitet  und  besitzt  ein  sehr 
gesundes  Urtheil.  In  der  Benutzung  der  alten  Schriftsteller  könnte  er 
vielleicht  noch  ein  wenig  genauer  verfahren.  So  möchten  wir  zu  beden- 
ken geben,  dass  das  von  ihm  S.  115  Note  31  citirte  Wort  Cato's  nicht 
den  Sinn  hat,  den  er  ihm  S.  107  beilegt.  Wir  empfehlen  das  Buch  allen, 
die  sich  für  die  Geschichte  der  italienischen  Agricultur  interessiren. 

Den  Schluss  mögen  zwei  Schriften  über  Diodor  machen: 

H.  Kallenberg,  Zur  Quellenkritik  von  Diodor's  XVI.  Buche.  In 
der  Festschrift  zu  der  zweiten  Säcularfeier  des  Friedrichs-Werderschen 
Gymnasiums  zu  Berlin.    Berlin  1881.    8.    S.  85—105. 

Der  Verfasser  macht  zunächst  wahrscheinlich,  dass  der  ganze  Ab- 
schnitt über  Dion  aus  Ephorus  stammt  und  nicht,  wie  Volquardsen  wollte, 
aus  Timaeus  Entlehntes  eingefügt  ist.  Sodann  zeigt  er,  dass  die  Par- 
tien, deren  Mittelpunkt  König  Philipp  ist,  und  die  Darstellung  des  heili- 
gen Krieges  von  Cap.  28  an  aus  ein  und  derselben  Quelle  stammen. 
Auch  Einleitung  und  Schluss  des  Buches  stimmen  damit  überein.  Das 
Mittel  des  Beweises  findet  Kallenberg  in  einer  genauen  Prüfung  des 
Diodorischen  Sprachgebrauches,  welche  zeigt,  dass  jene  Partien  (Philipp; 
heil.  Krieg)  in  dieser  Hinsicht  übereinstimmen.  Auch  der  persische  Ab- 
schnitt des  XVI.  Buches  zeigt  derartige  Uebereinstimmung  (S.  96.  97). 
Aber  wer  ist  Diodor's  Quelle  gewesen?  Kallenberg  hält  es  nicht  für  mög- 
lich einen  Namen  zu  nennen.  Diodor  hat  Dion's  Geschichte  offenbar 
nach  Ephorus  bearbeitet,  und  aus  demselben  auch  XVI,  7,  21 — 22,  23 
—  27  entnommen;  mit  Cap.  18  tritt  dagegen  ein  Quellenwcchsel  ein;  Dio- 
dor hat  hier  »den  Ephorus  bei  Seite  gelegt,  und  ihn  auch  später  nicht 
wieder  zu  Rathe  gezogen;  alles  was  von  jetzt  an  folgt  im  XVI.  Buche, 
ist,  abgesehen  natürlich  von  der  Geschichte  des  Timoleon  und  den  anna- 
listischen Stücken«  (Cap.  34)  »nur  einer  Quelle  entlehnt.  Wer  nun 
freilich  der  Verfasser  derselben  gewesen  ist,  möchte  mit  Sicherheit  wohl 
schwerlich  zu  entscheiden  sein«  (S.  99).  Kallenberg  widerlegt  die  von 
Volquardsen,  Pack  und  Haake  über  den  Verfasser  aufgestellten  Vermu- 


166  Geographie  von  Unteritalien  und  Sicilien. 

thungeii  und  spricht  sich  selbst  nur  dahin  aus,  »dass  Diodor  die  hier 
vorliegende  Quelle  in  anderen  Büchern  nicht  benutzt  hat«.  —  Die  Ab- 
handlung Kallenberg's  bezeichnet  einen  Fortschritt  in  der  Kenntuiss  Dio- 
dor's.  Kallenberg  benutzt  für  die  Quellenforschung  das  Studium  des 
Sprachgebrauches.  Er  zeigt,  dass  Diodor,  der  im  Allgemeinen  seinen 
eigenen  Stil  hat,  doch  manche  Ausdrücke  von  seiner  Quelle  annimmt, 
und  dass  diese  Ausdrücke  dazu  dienen  können,  einen  Quellenwechsel  zu 
beweisen.  Kefcrent  hat  seit  längerer  Zeit  auf  die  Nothwendigkeit  ge- 
rade solcher  Studien  hingewiesen.  Das  Studium  des  Sprachgebrauches 
Diodor's  erfordert  viel  Zeit,  wie  Referent  leider  an  sich  selbst  erfahren 
hat.  Sollte  Herr  Kallenberg  es  nicht  durchführen  können?  Er  wäre 
offenbar  durch  Kenntnisse  wie  durch  Unbefangenheit  des  Urtheils  der 
Mann  dazu.  Er  würde  sich  durch  eine  solche  Leistung  ein  grosses  Ver- 
dienst um  die  Wissenschaft  erwerben. 

Matris.   Ein  Beitrag  zur  Quellenkritik  Diodor's  von  Holz  er.    Pro- 
gramm des  königl.  Gyran.  Tübingen.    1881.    26  S.  in  4. 

Der  Verfasser  macht  in  dieser  mit  vieler  Umsicht  und  Scharfsinn 
geschriebenen  Abhandlung  wahrscheinlich,  dass  der  nur  zweimal  im  Alter- 
thum  (Diod.  I,  24  und  Athen.  X,  412)  genannte  Matris,  der  ein  syxojfiiov 
'llpaxkiouq  verfasst  hat,  Diodor's  Quelle  im  vierten  Buche,  von  Cap.  8 
an,  gewesen  ist.  Cap.  19  —  24  ist  jedoch  aus  anderen  Quellen  entlehnt 
(worüber  __sich  Holzer  auf  0.  Sieroka,  Diodor's  Quellen  im  dritten  und 
vierten  Buch;  Gymnasialprogr.  Lyck  1878  bezieht);  25.  26  ist  wieder  aus 
Matris;  später,  Cap.  31—40,  lässt  sich  Matris  nicht  mehr  mit  Wahr- 
scheinlichkeit nachweisen.  —  In  Betreff  der  Art,  wie  Diodor  arbeitete, 
stimmt  Referent  durchaus  mit  dem  Verfasser  überein. 

Nicht  unbesprochen  dürfen  wir  schliesslich  die  soeben  erschienene 
Schrift  lassen: 

Athen  und  der  Westen  vor  der  sicilischen  Expedition.    Von  Hans 
Droysen.    Berlin  1882.    60  S.  in  8. 

Ueber  die  Beziehungen  Athen's  zum  Westen  vor  der  grossen  sici- 
lischen Expedition  sind  wir  nur  unvollkommen  unterrichtet.  H.  Droysen 
sucht  die  fehlenden  Nachrichten  der  Historiker  durch  aus  Thatsachen 
der  Culturgeschichte  gezogene  Schlüsse  zu  ersetzen.  Die  Augen  der 
Athener  waren  im  5.  Jahrhundert  vor  Chr.  auch  nach  Westen  gerichtet; 
Einmischung  in  die  politischen  Angelegenheiten  Sicilien's  ist,  wie  Droy- 
sen zeigt,  besonders  von  der  radicalen  Partei  befürwortet,  von  Perikles 
dagegen  zurückgewiesen  worden.  Die  Athener  waren  nicht  so  unbekannt 
mit  den  Verhältnissen  des  Westens,  wie  man  nach  einer  Aeusserung  des 
Thukydides  (VI,  1.)  glauben  könnte.  Besonders  die  Handelsbeziehun- 
gen hatten  diese  Kenntniss  vermittelt.  Nach  dem  Westen,  nach  Italien 
und  Sicilien,  ging  ein  starker  Export  athenischer  Thongefässe ;  aus  dem 


Sicilien.    Geschichte.  167 

Westen  kamen  Metallarbeiten  aus  Etrurien  und  wahrscheinlich  Korn  aus 
Sicilien  nach  Athen,  das  selbst  den  Vortheil  hatte,  Silbergruben  zu  be- 
sitzen, wovon  die  Folge  war,  dass  zuerst  athenische  Münzen,  dann  der 
athenische  Münzfuss  in  Sicilien  eingeführt  wurde.  Excurse  behandeln: 
I.  Die  Rede  des  Hermokrates  in  Gela.  II.  Das  dorische  Flottenproject. 
III.  Das  attische  Bündniss  mit  Segesta.  —  Die  Untersuchung  ist  überall 
besonnen  geführt  und  mit  grosser  Klarheit  formulirt;  wir  hätten  nur  an- 
heimzugeben, ob  nicht  hin  und  wieder  eine  gewisse  Neigung  vorhanden 
sei,  Thukydides  ungünstiger  zu  beurtheilen?  Ist  z.  B.  wirklich  (S.  55) 
ein  Widerspruch  zwischen  Thuk.  I,  36  und  II,  7?  Warum  kann  nicht 
schon  433  ernstlich  bei  den  Dorern  daran  gedacht  sein,  die  Kräfte  Sici- 
lien's  mit  denen  des  Peloponnes  zu  vereinigen;  Gedanken,  die  sich  dann 
431  zu  einem  förmlichen  Project  verdichteten?  Wir  gestehen  offen,  dass 
wir  die  vom  Verfasser  S.  56  aufgestellte  Alternative,  die  jedenfalls  zu 
Ungunsten  von  Thukydides  ausschlägt,  nicht  notbwendig  finden.  Und  die 
Rede  des  Hermokrates,  freilich  bot  sie  den  Chalkidiern  keine  greifbaren 
Vortheile.  Aber  fürchtete  man  nicht  vielleicht  auch  von  dieser  Seite 
ein  wenig  die  Athener?  Wirklich  anhängliche  Bundesgenossen  haben 
die  Athener  auch  nachher  nicht  in  Sicilien  gefunden. 


Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete 
der  antiken  Musik   für  die  Jahre  1879  und  1880. 


Von 

Heinrich  Gull  r  au  er 

in  Waidenburg  i./Schl. 


Der  folgende  Bericht  wird  nicht,  wie  die  früheren,  die  Metrik  mit 
umfassen,  sondern  sich  auf  die  Theorie  und  Geschichte  der  antiken  Musik 
beschränken.  Schriften  über  antike  Rhythmik,  über  die  Vortragsart  des 
Dramas,  der  Lyrik  u.  ä.  werden  in  den  Bericht  eingeschlossen  werden. 
Ueber  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  speziellen  Metrik  aber 
wird  fortan  ein  zweiter  Referent  berichten. 

Au^  dem  Jahre  1878  tragen  wir  nach: 

Ch.  Em.  Ruelle,  Quelques  mots  sur  la  musique  des  Grecs  an- 
ciens  et  modernes.  Annuaire  de  l'association  pour  l'encouragement 
des  £tudes  Grecques  1878. 

Ruelle  giebt  einen  Bericht  über  die  neueren  Forschungen,  beson- 
ders französischer  Gelehrter,  auf  dem  Gebiet  der  heutigen  Musik  der 
Griechen.  Zweierlei  müsse  geschehen,  um  das  Wesen  der  antiken  Musik 
zu  erkennen:  eine  erklärende  Ausgabe  sämmtlicher  griechischer  Musiko- 
graphen  und  eine  möglichst  ausgiebige  Publikation  der  im  heutigen  Hel- 
las vorhandenen  sacralen  und  profanen  Melodien.  Die  erstere  Aufgabe 
stellt  sich  bekanntlich  Ruelle  selbst.  Für  die  letztere  aber  habe  bereits 
bahnbrechend  vorgearbeitet  Bourgault-Ducoudrais  in  den  drei  Schriften, 
welche  die  Ausbeute  seiner  beiden  Reisen  nach  dem  Orient  enthalten, 
nämlich : 

1)  Souvenirs  d'une  mission  rausicale  en  Grece  et  en  Orient.  Paris, 
Baur,  1877. 

2)  Trente  melodies  populaires  recueillies  et  harmonisees.  Paris, 
H.  Leraoine  und 

3)  £tudes  sur  la  musique  ecclesiastique  grecque.  Paris,  Hachette 
1877  (vgl.  Jahresbericht  1878,  III,  S.  159). 


Antike  Musik.  169 

Ruelle  giebt  eine  kurze  Ueb  ersieht  des  Inhalts  dieser  drei  Schrif- 
ten, welche  schon  eine  grundlegende  Theorie  der  byzantinischen  Musik 
enthalten  und  vor  allem  zeigen,  wie  man  griechische  Weisen  in  unsere 
Notenschrift  zu  übertragen  habe.  Bourgault  meint,  dass  eine  Reform 
der  heutigen  griechischen  Kirchenmusik  stattfinden  müsse,  vor  allem  auch 
durch  Annahme  der  modernen  Polyphonie. 

1879. 

C.  V.  Jan,    »Der  pythische  Nomos  und  die  Syrinx«.    Philologus 
XXXVm.    Bd.  2.    S.  378-384. 

V.  Jan  giebt  Ergänzungen  bezw.  Richtigstellungen  zu  meinem  Schrift- 
chen »Der  Pythische  Nomos«,  Leipzig  1876,  Separat-Abdruck  aus  dem 
VIII.  Supplement-Bande  der  neuen  Jahrbücher  (vgl.  Jahresbericht  1877, 
m,  S.  19).  Er  meint,  ich  hätte  mit  Unrecht  aus  den  Worten  des  Pollux 
S}n:epistk^(ps  8h  zu  lafxßcxbv  xal  rä  aakmartxä  xpoufiaza  ein  Eintreten 
von  Salpingen  in  den  Pythischen  Nomos  gefolgert,  aa^marcxa  xpoüfiaza 
bedeute  weiter  nichts  als  »trompetenartige  Instrumentaltöne«.  Auch  ein 
Eintreten  der  Sy  ring  es  sei  nirgends  anzunehmen.  In  der  Erzählung 
des  Plut.  de  mus.  c.  21  vom  Auleten  Telephanes  könne  aupty^  sehr 
wohl  einen  Theil  oder  eine  Vorrichtung  am  Aulos  bedeuten,  vermittelst 
deren  man  hohe  Töne  erzeugte  etc.  Eine  dankenswerte  Zusammenstel- 
lung einer  Anzahl  Zeugnisse  des  Alten,  in  denen  aüpiy^  offenbar  einen 
Teil  des  Aulos  bezeichnet  (welchen  freilich,  bleibt  dunkel)  geht  voran. 
Ich  habe  (bei  Fleckeisen  1880,  10/11,  S.  703-5)  v.  Jan's  Erklärung  der 
aalmaztxa  xpoüpaza  angenommen;  seine  Ausführungen  über  die  aüpcy^ 
gleichfalls,  oder  doch  wenigstens  insoweit,  als  ich  zugebe,  dass  Jan's 
Auseinandersetzungen  uns  den  letzten  Scrupel  benommen  haben,  als 
sicher  anzunehmen,  dass  der  vöjiog  Ilui^txoQ  nichts  anderes  war  als  ein 
Soloconzert  eines  Auleten. 

H.  Guhrauer,   Zur  Geschichte   der  Aulodik   bei   den  Griechen. 
Programm  -Waidenburg  i./Schl.  1879.    16  S.  4. 

Die  Untersuchung  geht  aus  von  der  bisher  noch  nicht  ernstlich 
gestellten  Frage,  wer  eigentlich  unter  der  Bezeichnung  auXojous  gemeint 
sei,  der  Aulosspieler  oder  der  Sänger?  Denn  wenn  man  nicht  annehmen 
wolle,  dass  derselbe  Künstler  erst  geblasen  und  dann  ohne  Begleitung 
gesungen  habe,  sei  die  Betheiliguug  zweier  Künstler  bei  einer  aulodi- 
schen  Leistung  unerlässliche  Voraussetzung.  Und  doch  werden  an  den 
betreffenden  Stellen  der  Alten  immer  nur  einzelne  Personen  als  auXioSoc 
bezeichnet.  Resultat  dieser  im  ersten  Abschnitt  geführten  Untersuchung 
ist,  dass  unter  einer  aulodischen  Aufführung  zu  verstehen  sei:  »ein  kunst- 
mässiger  Sologesang  einer  Männerstimme,  zu  welchem  ein  zweiter  Künst- 
ler, ein  Aulet,  eine  musikalisch  untergeordnete  Begleitung  bläst.    Der 


170  Antike  Musik. 

Ausdruck  auXwooe  bezeichnet  den  Solosänger.  Er  allein  pflegt,  wenn 
von  aulodischen  Aufführungen  die  Rede  ist,  genannt  zu  werden«  (S.  7). 
Im  zweiten  Abschnitt  wird  sodann  nachgewiesen,  dass  die  einzige  kunst- 
mässige  aulodische  Aufführung,  von  der  wir  wissen,  der  aulodische  No- 
mos  sei.  Klonas,  dem  Begründer  dieses  Nomos,  seien  sechs  verschiedene 
Nomen  zuzuschreiben.  Dass  man  ohne  weiteres  aulodische  Nomen  auch 
als  auletische  verwendet  habe  und  umgekehrt,  sei  nicht  anzunehmen. 
Die  Elegie,  für  deren  verschiedene  Gattungen  man  nicht  ohne  weiteres 
dieselbe  Vortragsart  annehmen  dürfe,  gehöre,  auch  soweit  sie  gesungen 
worden,  nicht  eigentlich  zur  Kunstform  der  Aulodik.  Schliesslich  wird 
kurz  berichtet  über  die  Verbreitung  der  Aulodik  bei  den  Griechen 
und  dabei  das  Ergebniss  gewonnen,  dass  »Aulodik  von  allen  musikali- 
schen Kunstübungen  der  Griechen  die  bei  weitem  am  wenigsten  cultivierte 
gewesen  sei«  (S.  15).  —  Gegen  diese  Ausführungen  wendet  sich  der  Auf- 
satz von 

C.  von  Jan,    »Auletischer  und  Aulodischer  Nomos«.    In  Fleck- 
eisen's  Jahrb.  1879.    IX,  S.  577—592. 

Gerade  was  ich  von  vornherein  verworfen  hatte,  die  Ausführung 
des  aulodischen  Stückes  durch  einen  und  denselben  Künstler,  sei  das 
richtige,  wenigstens  für  den  Nomos  des  Klonas ;  später  und  »dilettantisch 
geübt«  könne  meine  Art  aulodischen  Vortrags  allerdings  wohl  auch  ge- 
bräuchlich gewesen  sein.  Wenn  ich  —  neben  mehreren  anderen  Stellen 
—  als  Hauptbeweis  für  meine  Auffassung  Plut.  de  mus.  cap.  36  vorge- 
bracht hätte,  so  sei  das  falsch.  Man  brauche  dort  nicht,  wie  ich,  mit 
Volkmann  oMcüocu  und  auAojoixrj?  zu  lesen ;  die  Lesart  der  Handschrif- 
ten wjhjToo  und  aoXrjTixrjQ  sei  sehr  wohl  zu  halten.  Man  müsse  nur 
wissen,  dass  »das  griechische  Conzertinstrument  nicht  ein  einfacher,  son- 
dern ein  doppelter  Aulos  war«,  und  dass  das  Flötenspiel  auf  diesem 
Aulos  »wirklich  in  der  Regel  zweistimmig  war«  und  zwar  sei  diese 
Zweistimmigkeit  so  zu  denken,  »dass  die  begleitende  Flöte  einen  hohen 
Ton  aushielt«.  Die  Worte  Tioispov  au}X(pujvooai  ol  au?ioc,  auch  auf  einen 
Auleten  bezogen,  enthielten  also  keinerlei  Schwierigkeit.  Dass  aber  in 
der  That  Klonas  zuerst  »jenes  rituelle  prooimion  in  feierlichen  Choral- 
tönen« geblasen  habe  und  dann  »nachdem  er  der  heiligen  Pflicht  ge- 
nügt, zum  zweiten  Teil  des  agon  (?)  einer  unbegleiteten  Recitation  über- 
gegangen sei«  (S.  586),  das  gehe  auch  hervor  aus  der  Analogie  des 
kitharodischen  Nomos.  Auch  Terpander's  Nomos  habe  aus  zwei, 
verschieden  vorgetragenen,  Teilen  bestanden:  dem  gesungenen  Prooi- 
mion und  dem  rhapsodisch  rezitierten  eigentlichen  Nomos.  —  Es  fol- 
gen (S.  588  —  592)  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Vortragsart  der 
Elegie  und  die  geschichtliche  Entwicklung  der  Aulodik,  die  nichts  eigent- 
lich Neues  enthalten.  —  Als  Entgegnung  gegen  diese  Jan'sche  Abhand- 
lung erschien  im  nächsten  Jahre: 


Antike  Musik.  171 

H.  Guhrauer,  Zur  Geschichte  der  Aulosmusik.  Fleckeisen's  Jahr- 
bücher 1880.    Heft  10  und  11.    S.  689—705. 

Meine  Entgegnung  hält  sich  lediglich  abwehrend  gegen  v.  Jan's 
Aufstellungen.  Hauptsächlich  sucht  sie  zu  erweisen,  dass  Jan's  Be- 
hauptung, die  griechischen  Conzertinstrumeute  seien  in  der  Regel  Dop- 
pelflöten gewesen  und  stets  zweistimmig  geblasen  worden  —  eine  Be- 
hauptung, die  in  dieser  Weise  noch  niemand  je  aufgestellt  hat  —  dass 
diese  Behauptung  durch  die  von  Jan  beigebrachten  Stellen  keineswegs 
bewiesen  sei;  ebensowenig  die  andere,  noch  neuere  und  originellere,  von 
der  Vortragsart  des  kitharodischen  Nomos.  Ohne  selbst  eigne  oder  neue 
Ansichten  auszusprechen,  suche  ich  zu  constatiren,  dass  die  Aufstellun- 
gen Jan's  vorläufig  noch  als  unbewiesen  gelten  müssten.  Ueber  die 
den  Pythischen  Nomos  betreffenden  Schlussbemerkungen  vergleiche  oben 
S.  169).  —  Auf  diese  meine  Entgegnung  replizierte  v.  Jan  —  wie  ich 
vorgreifend  gleich  hier  berichten  will  —  in  einem  bei  Fleckeisen  1881 
S.  543  —  552  befindlichen  Aufsatz:  »Aulos  und  Nomos«.  Was  dort  ge- 
sagt ist  über  den  Gebrauch  der  Doppelflöten  und  ihre  Zweistimmigkeit, 
darüber  hat  v.  Jan  in  einem  besonderen  grösseren  Aufsatz  von  1881 
ausführlicher  gehandelt  (Allg.  Musikzeitung  8.  465  ff.).  Ueber  diesen 
wird  der  Jahresbericht  für  1881  zu  reden  haben.  Klar  freilich  erscheint 
mir  schon  heut,  dass  wir  beide  über  die  in  Rede  stehenden  Streitfragen 
uns  schwerlich  einigen  werden;  mögen  andere  entscheiden!  Nur  das  eine 
möchte  ich  hervorheben,  dass  v.  Jan  immer  noch  so  thut,  als  wäre  ge- 
rade ich  allein  der  Eisenkopf,  der  sich  nicht  belehren  lassen  wolle,  wäh- 
rend ich  lediglich  die  Annahmen  Jan's,  die  bisher  in  dieser  Weise  nie- 
mand teilt,  als  vorläufig  nicht  genügend  bewiesen  ablehnte.  Auch  die- 
ser neue  Artikel  bringt  keine  genügenden  Beweise.  Wenn  er  z.  B.  seine 
Behauptung,  der  »zweite  Teil«  des  kitharodischen  Nomos  sei  »ohne 
musikalische  Begleitung  deklamiert  worden«,  die  ich,  wie  vorläufig  wohl 
alle  Leute,  bestritten  hatte,  S.  551  mit  den  Worten  wiederholt:  dass 
das  der  Fall  gewesen  sei  »würde  wohl  als  ausgemacht  gelten  dürfen«, 
so  wird  er  selbst  das  doch  wohl  für  keinen  Beweis  halten.  Was  er 
aber  sonst  an  Beweisen  beibringt,  davon  giebt  er  selber  zu,  dass  es 
seine  Hypothese  nicht  stricte  beweise.  Doch  wie  gesagt:  mögen  nun- 
mehr andere  zwischen  uns  entscheiden! 

Kouiiavoödrj<;^  1\   A.,   olqa   nEp\   r^?  cvScxr^g  /louaixr^g.     Attcxuv 
'Hfiepokoyiov  1879.     S.  172—179. 

Anzeige  der  in  den  Jahren  1868  —  1877  erschienenen  Schriften  des 
indischen  Musikprofessors  Sourindro  Mohun  Tagorc  in  Kalkutta,  welche 
die  Geschichte  der  indischen  Musik  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Ge- 
genwart behandeln,  Beschreibungen  und  Abbildungen  indischer  Musik- 
instrumente, Sammlungen  indischer  Weisen  alter  und  neuer  Zeit  u.  ä. 


172  Antike  Musik. 

enthalten.  Die  Abhandlungen  sind  teils  indisch,  teils  englisch,  teils  in 
beiden  Sprachen  abgefasst.  Was  Kumanudes  aus  jenen  Schriften  seinen 
Lesern  von  den  Eigentümlichkeiten  der  indischen  Musik  mitteilt,  finden 
die  Leser  des  Jahresberichts  schon  bei  Ambros  im  ersten  Bande  der 
Musikgeschichte. 

John  Stainer,  The  music  of  the  bible.  With  an  account  of  the 
developement  of  modern  musical  Instruments  from  ancient  types.  Lon- 
don, ohne  Jahr.    IV,  186  S.  8. 

Verfasser  behandelt  nach  einer  kurzen  Einleitung  (S.  1  — 10)  in 
vier  Kapiteln  die  Streichinstrumente  der  Hebräer,  sodann  in  gleichfalls 
vier  Kapiteln  die  Blasinstrumente  (S.  75  — 133).  Darauf  folgt  die  Be- 
sprechung der  Schlaginstrumente  (S.  135  —  156)  und  der  Vokal- Musik 
(bis  S.  175).  lUustrirt  sind  die  Schilderungen  des  Verfassers  mit  100  Ab- 
bildungen. Am  Schluss  folgen  vier  Appendices :  l.  Classification  of  mu- 
sical Instruments  generally;  2.  Hebrew,  Greek  and  Latin  names  of  bible 
instruments;  3.  List  of  passages  in  the  bible  in  which  musical  Instru- 
ments are  mentioned;  4.  List  of  accents  und  ein  index. 

Inwieweit  das  Buch  für  die  Kenntniss  der  Instrumente  der  Hebräer 
im  Einzelnen  Neues  bietet,  ist  Referent  nicht  in  der  Lage  zu  beurteilen. 
Besprochen  und  abgebildet  sind  nicht  blos  sämmtliche  in  der  Bibel  vor- 
kommenden Instrumente,  sondern  auch  ähnliche  und  verwandte  der  Grie- 
chen, Assyrer,  Aegypter,  Chinesen.  Das  Buch  führte  überhaupt  besser 
den  Titel  »Ueber  die  Musikinstrumente  der  Bibel«.  Der  Verfasser  ist 
Musiker,  nicht  Philolog,  und  wendet  sich  zunächst  an  ein  grösseres  Pu- 
blikum. Das  Buch  ist  aus  einer  Reihe  von  Artikeln  entstanden,  die  er 
für  den  »Bible  Educator«  geschrieben  hatte. 

Jebb,  R.  C  and  Chapell,  On  the  r endering  of  apiiovca  in  Ari- 
stoteles' Politics  V  [VIII]  V.  22  —  25.  The  Academy  1879  No.  358 
S.  240;  360  S.  284—85;  361  S.  305. 

Die  beiden  Gelehrten  sind  mit  einander  im  Streit  darüber,  wie 
das  Wort  äpnovta,  welches  an  jener  Stelle  des  Aristoteles  (VHI,  5)  wie- 
derholt vorkommt,  jedesmal  im  Englischen  am  besten  zu  übersetzen  sei. 
Eine  Förderung  des  Verständnisses  der  Aristotelesstelle  oder  des  ter- 
minus  äpiiovca  resultirt  aus  ihrer  Polemik  für  uns  nicht. 

Ch.  E.  Ruelle,  »Eine  Entdeckung  der  musikalischen  Altertums- 
forschung in  Rom«.  Aus  der  »Revue  et  Gazette  musicale«  1879. 
Nc.  21.  Uebersetzt  von  G.  Becker:  »Allg.  deutsche  Musikzeitung« 
1879.   No.  25  und  26.    S.  193/94  und  S.  201—203. 

Nach  einer  kurzen  Aufzählung  und  Besprechung  der  sieben  bisher 
bekannt  gewesenen  Musikreste  des  Alterturas  teilt  Ruelle  mit,  dass  unter 
den  in  der  Farnesina  in  Rom  unlängst  ausgegrabenen  Malereien  sich 


Antike  Musik.  173 

auch  ein  Medaillon  befinde,  auf  dem  eine  Lyra-  oder  Kitharaspielerin 
dargestellt  sei.  Das  Instrument  habe  sieben  Saiten ;  besonders  inter- 
essant aber  sei,  dass  jede  der  sieben  Saiten  mit  einem  Buchstaben  über- 
schrieben sei.  Ausgehend  von  dem  allein  unversehrt  erhaltenen  Noten- 
zeichen 3,  welches  sich  in  sechs  der  uns  überlieferten  15  Transpositions- 
scalen  findet,  kommt  er  durch  eine  scharfsinnige  Vergleichung  und  Er- 
gänzung der  verstümmelten  Notenzeichen  auf  jener  Lyra  zu  dem  Resul- 
tat, dass  wir  eine  in  der  Hypoäolischen  Scala  (c  —  c)  gestimmte  Lyra 
vor  uns  haben,  deren  Töne  waren:  d,  es,  f,  g,  as,  b,  c,  also  eine  Scala 
ohne  proslambanomenos.  Da  nun  ferner  Ende  1877  durch  Mahillon  in 
Brüssel  constatirt  sei,  dass  auch  eine  in  Pompeji  aufgefundene  Flöte 
sich  auf  die  Tonreihe  von  eis  bis  h  beschränke,  so  schliesst  Ruelle,  »dass 
die  Instrumentalmusik  der  Alten,  was  die  Zusammensetzung  und  den 
Accord  der  melodischen  Töne  betrifft  (?),  sich  bis  an's  Ende  in  dem  Zu- 
stande ihres  ersten  Alters  erhalten  hat,  was  uns  wieder  zu  den  Harmo- 
nien (Tonarten?)  des  Plato  und  Aristoteles  zurückführt«.  Dieser  resü- 
mirende  Satz  scheint  sehr  mangelhaft  übersetzt.  Das  Original  lag  mir 
nicht  vor.    So  wie  er  dasteht,  ist  nicht  viel  damit  anzufangen. 

L.  A.  Bourgault-Ducoudray,  Conference  sur  la  modalite  dans 
la  musique  Grecque.    Paris  1879.     Imprimerie  Nationale. 

Aus  den  comptes  rendus  stenographiques,  betreffend  die  Congresse 
und  Conferenzen,  welche  mit  der  grossen  Pariser  Ausstellung  von  1878 
verbunden  wurden.  Der  vorliegende  Confereuzbericht  enthält  einen  Vor- 
trag des  Herrn  Bourgault-Ducoudray,  mit  dem  er  sich  nicht  an  die  Phi- 
lologen, sondern  an  die  Musiker  wendet,  um  letztere  davon  zu  überzeu- 
gen, dass  die  Tonarten  der  alten  Griechen  an  Kraft  und  eigenartiger 
Ausdrucksfähigkeit  unsere  beiden  Tonarten  übertreffen,  und  dass  die  mo- 
derne Musik  nichts  Klügeres  thun  könne,  als  noch  viel  mehr,  als  bisher 
geschehen,  in  den  Tonarten  der  Griechen  componieren.  Der  Vortrag  ist 
reich  an  hübsch  ausgewählten  Beispielen  aus  der  mittelalterlichen  und 
modernen  Musik,  welche,  von  einem  Solo- Quartett  ausgeführt,  den  Zu- 
hörern die  Wirkungen  der  verschiedenen  Tonarten  nahe  brachten.  Frei- 
lich ist  die  Sache  mit  dem  Ethos  der  Tonarten  eine  sehr  subjective  und 
Referent,  der  sich  im  wesentlichen  zu  Hanslickschen  Principien  bekennt, 
kann  Bourgault  nicht  überall  beistimmen.  Die  Bestimmtheit  des  Ethos 
einer  griechischen  Tonart  war  überdies  im  Altertum  keineswegs  blos 
durch  die  musikalische  Beschaffenheit  der  entsprechenden  Melodie  ge- 
geben. Allerlei  conventioneile  Momente  der  herkömmlichen  Verwendung 
sprachen  dabei  für  die  Empfindung  der  Griechen  mit,  die  für  uns  Mo- 
derne wegfallen.  Unser  Ohr  andererseits  wird  bezüglich  des  Ethos  eines 
Musikstücks  durch  die  Art  der  Harmonisierung,  Stimmfülirung  und  den 
Vortrag,  respective  die  Klang-  und  Tonfarbe  des  ausführenden  dpyavov 
sicherlich  sehr  beeinHusst. 


174  Antike  Musik. 

'A&av.  fJerpcdrjg  ij  yalXixrj  lifruizpiQ  tojv  (TuCrjTrjacüjv  nep:  rr^s 
e&vtxrjQ  ijjxijjv  exxhrjaiaarixrjg  jwoaixrjg.  Sotcr  II.  No.  22.  (Juli  1879). 
S.  156-158. 

Verfasser  giebt  eine  Inhaltsangabe  des  Aufsatzes  von  Ch.  Levc- 
que  les  melodies  grecques  und  knüpft  daran  eine  eindringliche  Mah- 
nung an  seine  Landsleute,  mehr  als  bisher  geschehen  der  Pflege  und 
Erforschung  der  nationalgriechischen  Musik  im  Altertum  und  Mittelalter 
Arbeit  und  Interesse  zuzuwenden  und  sich  nicht  ferner  die  Arbeiten  nicht- 
griechischer Musiker  und  Gelehrten  zuvorkommen  und  durch  sie  sich  be- 
schämen zu  lassen ;  besonders  aber  fordert  er  sie  auf,  auch  auf  eine  Re- 
form der  gegenwärtigen  griechischen  Kirchenmusik  hinzuarbeiten. 

Nicht  übergangen  werden  darf  das  Erscheinen  einer  zweiten  Auf- 
lage von 

Wilh.  Christ,  Metrik  der  Griechen  und  Römer.  Leipzig  1879. 
(Vgl.  das  Referat  über  die  erste  Auflage  Jahresber.  1877,  III,  S.  7). 

Der  Verfasser  hat  sein  Buch  einer  gründlichen  Umarbeitung  unter- 
zogen. Aus  684  sind  716  Seiten,  aus  666  Paragraphen  sind  deren  771 
geworden.  Vieles  ist  aus  dem  Text  in  die  Anmerkungen  verwiesen  wor- 
den, mehrere  neue  Kapitel  und  neue  Aufschriften  sind  hinzugekommen, 
die  Zahl  der  Einzelbeispiele  ist  bei  alledem  vermindert  worden.  Und 
so  mögen  denn  die  Besitzer  der  ersten  Auflage  sich  nur  darein  finden, 
sich  auch*  die  zweite  anzuschaffen.  Ein  Citat  z.  B.  aus  dieser  letzteren 
ist  in  der  ersten  nur  mit  Mühe  aufzufinden.  Irgendwelche  Hilfe  hierzu 
bietet  die  zweite  Auflage  nicht.  »Von  einzelnen  Teilen«,  sagt  der  Ver- 
fasser (S.  VI),  »hat  ausser  den  Kapiteln  über  den  daktylischen  Hexa- 
meter und  über  das  logaoedische  Versmass  besonders  der  Anhang  über 
die  Composition  und  die  Vortragsweise  griechischer  Dichtungen  eine 
durchgreifende  Umarbeitung  erfahren«.  Die  in  der  Abhandlung  »die 
rhythmische  Continuität  der  griechischen  Chorgesänge«  (vgl.  den  Jahres- 
bericht für  1878,  Abth.  HI  S.  156),  die  »Teilung  des  Chors  im  attischen 
Drama«  (vgl.  ibid.  S.  161)  und  in  der  über  »die  Parakataloge  im  grie- 
chischen und  römischen  Drama  (vgl.  Jahresber.  1877,  III,  S.  11)  nieder- 
gelegten Forschungen  sind  in  diese  neue  Auflage  verarbeitet.  Die  lei- 
tenden Gesichtspunkte  und  die  Grundauschauungeu  des  Verfassers  haben 
sich  aber  nicht  geändert;  das  Buch  hat  ein  so  ganz  anderes  äusseres 
Ansehen  durch  diejenigen  Veränderungen  in  der  Anlage  erhalten,  die 
oben  angegeben  sind.  Und  diese  Aenderungen  gereichen  der  Uebersicht- 
lichkeit  und  Brauchbarkeit  des  Werkes  zweifellos  zum  Vorteil.  Ausser- 
dem enthält  die  neue  Auflage  naturgemäss  sehr  viele  Ergänzungen  und 
kleinere  Aenderungen  im  Einzelnen,  wie  sie  sich  dem  Verfasser  aus  den 
seit  1877  zahlreich  erschienenen  Einzelschriften  der  Mitforscher  ergeben 
haben.    Hierüber  in  Kurzem  zu  berichten,  ist  kaum  thunlich.    Fassen 


Antike  Musik.  175 

wir  besonders  den  letzten  Teil  über  den  musikalischen  Vortrag  der  an- 
tiken Dichtungen,  der  uns  hier  besonders  interessirt,  in's  Auge,  so  spricht 
sich  Christ  z.  B.  über  die  Annahme  einer  der  unsrigen  ähnlichen  Poly- 
phonie  in  der  griechischen  Musik  zwar  immer  noch  ablehnend,  aber  nicht 
mehr  so  unumwunden  ablehnend  aus,  wie  in  der  ersten  Auflage.  Ueber 
die  Zusammensetzung  und  Aufstellung  des  dramatischen  Chors  wird  in 
einem  neuen  Abschnitt  (S.  669/70)  gehandelt.  Gegen  den  Zusatz  betref- 
fend die  »besonders  hohe  Kunst«  des  den  Auloden  begleitenden  Auleten 
(S.  672)  habe  ich  bei  Fleckeisen  1880  S.  694  A.  5  mich  ausführlicher 
gewendet.  Nachträglich  sehe  ich,  dass  Christ's  eigene  Bemerkung  S.  700 
über  die  mit  buh  zusammengesetzten  Verba  gleichfalls  für  meine  An- 
sicht von  der  untergeordneten  Bedeutung  des  imaukelv  spricht.  Dass  im 
Gegensatz  zum  ^prjvog  »zum  heiteren  lebensfrohen  Dithyrambus  nicht  die 
Flöte,  sondern  die  Phorminx  erscholl«  (S.  674)  ist,  so  allgemein  ausge- 
sprochen, nicht  richtig,  mag  die  Inschrift  bei  Le  Bas,  die  ich  hier  nicht 
vergleichen  kann,  lauten  wie  sie  wolle. 

Der  Abschnitt  über  die  verschiedenen  Arten  des  Vortrags  im  Drama 
ist,  vielfach  erweitert,  unter  ein  besonderes  Kapitel  gebracht:  »Gesang, 
Deklamation,  Parakataloge«  (S.  675  —  682).  Wenn  in  dem  neuen  Zusatz 
§  750  (S.  682)  auf  Grund  von  Aristoteles  Probl.  XIX,  6  behauptet  wird, 
dass  »auch  die  ehedem  ausschliesslich  zum  Gesang  bestimmten  Oden 
mit  der  Zeit  parakatalogisch  vorgetragen  wurden«,  wenn  auch  ohne  Aulos- 
begleitung  in  der  sogenannten  ■nenlaaiiivri  hnöxpiaiq  (vgl.  S.  491),  so 
scheint  zum  mindesten  die  Aristotelesstelle  allein  für  diese  Annahme 
keinen  genügenden  Beweis  zu  geben.  Aristoteles  denkt  dort  kaum  ge- 
rade an  den  Vortrag  lyrischer  Gedichte;  jedenfalls  aber  enthält  doch 
jener  »gekünstelt  deklamatorische  Vortrag«  nichts  von  derjenigen  ävui- 
IxaXia,  die  Aristoteles  gerade  als  das  Charakteristische  der  7iap(xxa7akoy^ 
hinstellt,  welches  ihr  ein  zpaycxbv,  na&r^vcxöv  und  yowosg  verleihe.  — 
Das  Kapitel  »Marsch  und  Tanz  in  Verbindung  mit  Gesang«  ist  in  der 
neuen  Auflage  in  zwei  geteilt:  l.  die  Marschgedichte  (S.  687  -  692)  und 
2.  die  Tanzlieder  (S.  693  -  705).  Besonders  dieser  letzte  Abschnitt  ent- 
hält viele  neue  Zusätze.  —  Hoffentlich  dürfen  die  Besitzer  dieser  zwei- 
ten Auflage  sich  dessen  getrösten,  dass  das  treffliche  Buch  nunmehr  im 
Wesentlichen  seine  endgültige  Gestalt  erhalten  hat  und  dass  also  die 
sicher  zu  erwartenden  weiteren  Auflagen  nur  noch  Aeuderungen  und  Er- 
gänzungen im  Einzelnen  bringen  werden. 

Nicht  zugänglich  war  mir  leider: 

C.  Leveque,  Les  melodies  grecqucs.    Comptes  rendus  de  l'aca- 
demie  des  sciences  morales  et  politiqucs.     Mai  -  October. 


176  Antike  Musik. 

1880. 

Alfred  Croiset,  La  pocsie  de  Pindare  et  les  lois  du  lyrisme 
Grec.  Paris,  Hachette,  1880.  XIV,  458  S.  Recensirt:  »Jahresberichte 
des  philol.  Vereins«.    VIII.    1882.    S.  50/51  von  Otto  Schröder. 

Der  ausführliche  Bericht  über  dieses  Buch  gebührt  dem  Pindar- 
Referenten.  Hier  sei  nur  erwähnt,  dass  Croiset  S.  71  —  101  über  grie- 
chische Musik  und  ihre  Bedeutung  für  die  Chorlyrik  sich  auslässt.  Seine 
hübsch  geschriebene  Auseinandersetzung  beruht  in  allem  Wesentlichen 
auf  Gevaert's  erstem  Bande.  Eigene  Forschungen  zu  bieten  prätendirt 
er  nicht.  Er  gehört  zu  denen ,  welche  sich  die  griechische  Musik  auf 
einer  überaus  einfachen  Stufe  stehend  denken.  Une  ötonnante  simpli- 
cite  giebt  er  ihr  (S.  72).  Wenn  er  S.  98  sagt :  les  grands  flütistes  grecs 
sont  de  purs  virtuoses  et  pas  un  d'eux  n'est  connu  comme  poete,  so 
würde  das  auf  Sakadas,  den  Vater  der  kunstmässigen  Auletik,  nicht 
passen  (cf.  Plut.  de  mus.  VIII). 

Carl  Lang,  üeb er  altgriechische  Musik:  »Nord  und  Süd«.  April 
1880.    S.  107-123. 

Eine  fesselnd  und  geistvoll  geschriebene  Darstellung  alles  dessen, 
was  vom  Wesen  der  altgriechischen  Musik  zu  wissen  auch  weitere  Kreise 
interessiren  kann.  Möchten  auch  von  den  Philologen,  die  es  leider  für 
ausgemacht  zu  halten  pflegen,  dass  man,  um  das  griechische  Altertum 
zu  erfassen,  von  jeder  Kenntnis  der  alten  Musik  sich  getrost  dispensiren 
könne,  recht  viele  Gelegenheit  finden,  den  Lang'schen  Aufsatz  zu  lesen! 

Lang's  Ansichten  decken  sich  in  allem  Wesentlichen  mit  denen  von 
Gevaert;  dem  Ausspruch  (S.  111),  »dass  unser  mehrstimmiger  Satz  einem 
Kunstprinzip,  nämlich  dem  der  Einheit,  widerspricht,  lässt  sich  nicht 
leugnen«  könnte  man  sehr  wohl  auch  seine  Antithese  entgegenstellen. 
Gemeint  ist  er  wohl  auch  insbesondere  in  Beziehung  auf  Gesang.  Dass 
ivaoXog  xcMpiacg  die  Flageoletttöne  bezeichnen  solle,  glaube  ich  vor- 
läufig nicht.  Was  im  dritten  Kapitel  (S.  121  ff.)  gesagt  ist  über  Rieh. 
Wagner  und  sein  Verhältnis  zum  antiken  Drama,  ist  Referent  ganz  aus 
der  Seele  geschrieben.  Nur  bare  Ignoranz  kann  in  Wagner's  Musik- 
drama eine  Wiedererweckung  der  antiken  Tragödie  finden  wollen! 

Fr.  E.  M.  Esmann,  De  organis  Graecorum  musicis.  Pars  prior 
(veterum  testimonia  per  literas  tradita  continens).  Diss.  inaug.  Rostoch. 
Gedruckt  Wismar  bei  Hinstorf.    1880.    66  S.   8. 

Eine  Sammlung  von  Stellen  über  die  antiken  Instrumente  (Schlag- 
instrumente bis  S.  14,  Blasinstrumente  bis  S.  49,  Saiteninstrumente  bis 
S.  60).  Dazu  ein  Anhang  (S.  60-66):  A,  de  vestigiis  quibusdam,  qui- 
bus  genus  tensibile  ex  percussionali  prodiisse  appareat  und  B,  quid 
xWapojoög  et  auKiüdög  proprio  significaverint.    Verfasser  hat  wohl  einige 


Antike  Musik.  177 

Tausend  Stellen  zusammengestellt!  Schlimm  ist  blos,  dass  ein  grosser 
Teil  derselben  nicht  ausgeschrieben  ist,  so  dass,  wer  nicht  eine  grosse 
Bibliothek  zur  Disposition  hat,  erst  grosse  Mühe  haben  wird  die  betref- 
fenden loci  zu  erlangen.  Auch  ist  in  der  Auswahl  der  Stellen  nicht 
immer  umsichtig  verfahren;  sehr  viele  loci,  welche  citirt  oder  beige- 
bracht sind,  helfen  zur  Erkenntnis  des  in  Rede  stehenden  Instruments 
nur  wenig;  die  Citate,  soweit  sie  Referent  hat  vergleichen  mögen,  sind 
keineswegs  immer  zuverlässig.  Eigene  Meinungen  werden  gelegentlich 
ausgesprochen,  aber  ohne  ausführlichere  Begründung;  letztere  wird  wohl 
die  altera  pars  bringen.  Die  Untersuchungen  des  Anhangs  sind  vor- 
läufig noch  sehr  dilettantisch.  Also:  »schätzbares  Material«  immerhin 
für  den,  welcher  für  griechische  Instrumentalmusik  sich  interessirt  — 
weiter  aber  auch  nichts;  dabei  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen! 

'A&av.  IlszpiOTjg  xal  ndkiv  nepl  -od  K.  2xuXIt<T7j  xal  rr^g  dp^acag 
irpoaüjocag  xal  zr^g  'ExxXrjOcaaztxr^g  r^putv  Mooacxr^g.  ^(uzr^p.  Bd.  3. 
Heft  4.    1880.    S.  118-128. 

Petrides  wendet  sich  mit  christlicher  und  patriotischer  Entrüstung 
gegen  einen  Anspruch  des  Herrn  Skylitses  (im  » Parnass «  Augustheft 
1879),  welcher  den  Verfall  echt  griechischen  Wesens,  speziell  auch  den 
der  griechischen  Musik,  vornehmlich  dem  Einfluss  des  Christentums  zu- 
geschrieben hatte.  Indem  er  kurz  alle  die  Stürme  aufzählt,  welche  seit 
der  Plünderung  Dodona's  durch  die  Aetoler  im  Altertum  und  Mittelalter 
über  Griechenland  gegangen  sind  und  seine  Cultur  vernichtet  haben,  be- 
zeichnet er  das  Christentum  gerade  als  diejenige  Macht,  welche  gerettet 
und  geborgen  habe,  was  von  der  Herrlichkeit  des  alten  Hellenentums 
auf  uns  gekommen  ist.  Er  polemisirt  sodann  in  langer,  etwas  phrasen- 
hafter Rede  gegen  Skylitses  resp.  Balassides,  welche  der  neugriechi- 
schen Sprache  nichts  mehr  von  dem  Wohlklauge  und  dem  eigenthüm- 
lichen  Rhythmus  der  alten  zusprechen  wollen.  Doch  bringt  er  nicht 
eigene  Beweise,  sondern  nur  Zeugnisse  nichtgriechischer  Gelehrten  über 
das  Verhältnis  des  neugriechischen  Idioms  zum  altgriechischen;  von  der 
Kirchenmusik  ist  nur  ganz  gelegentlich  die  Rede.  Die  ganze  Abhand- 
lung ist  ohne  wissenschaftlichen  Wert. 

K.  Zacher,  »Ueber  die  faktische  und  praktische  Darstellung  an- 
tiker Dichtwerke,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Chores«.  Ver- 
handlungen der  Geraer  Philologen -Versammlung.  1879.  S.  64  —  73. 
(Vgl.  auch  den  vorigen  Jahresbericht  Abth.  III  S.  163). 

Diesem  im  Inhaltsverzeichnis  (S.  III)  gegebeneu  Titel  des  Zacher- 
schen  Vortrags  entsprechen  insofern  nicht  die  Ausführungen  des  Red- 
ners, als  diese  sich  lediglich  mit  der  Vortragsart  des  Chors  im  griechi- 
schen Drama  beschäftigen.  Zacher  sucht  nachzuweisen,  dass  alle  bisher 
aufgestellten  Ansichten  über  die  Ausführung  der   Chorlieder  des  grie- 

[ahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVHI.  (1881.  UI.)  12 


178  Antike  Musik. 

chischen  Dramas,  insbesondere  soweit  sie  die  Teilung  des  Chors  bezw. 
das  Eintreten  einzelner  Choreuten,  die  Verteilung  verschiedener  Partien 
des  Chorikon  an  den  Koryphaios,  die  Parastaten  etc.  betrifft,  fast  durch- 
weg als  blosse  Hypothesen  zu  betrachten  sind.  Indem  er  es  unternimmt 
»die  Kriterien,  auf  die  gestützt  man  Vortrag  der  einzelnen  Choreuten 
nach  einander  annimmt,  auf  ihre  Beweisfähigkeit  hin  zu  prüfen«  kommt 
er  zu  dem  rein  negativen  Resultat,  dass  wir  »in  den  meisten  Fällen 
durchaus  nicht  im  Stande  sind,  uns  ein  einigermassen  klares  Bild  vom 
Vortrag  des  Chores  zu  machen«.  Wenn  also  besonders  neuere  Gelehrte 
ihre  bis  in's  Einzelnste  gehenden  Aufstellungen  über  die  Vortragsart  an- 
tiker Chorlieder  nicht  so  vortragen,  als  ob  es  sich  um  blosse  Vermutun- 
gen, sondern  als  ob  es  sich  um  zweifellose  historische  Thatsachen  han- 
dele, so  tadelt  Zacher  dieses  Verfahren  als  der  deutschen  Philologie  un- 
würdig; denn  es  sei  niemand  erlaubt  »ein  unsicheres,  wenn  auch  glän- 
zendes Phantasiegebilde  mit  dem  trügerischen  Schimmer  wissenschaft- 
lich exakter  Forschung  zu  bekleiden«.  Referent  ist  mit  Zacher  in  allem 
Wesentlichen  durchaus  und  vollständig  einverstanden.  —  Wie  subjectiv 
in  der  That  alle  auf  die  Chortechnik  des  Dramas  bezüglichen  Urteile 
sind,  geht  auch  hervor  aus  dem  im  vorigen  Jahresbericht  nicht  besproche- 
nen Artikel  von 

Ferdin.  Hoppe  ȟeber  den  Vortrag  der  chorischen  Interloquien 
bei  Sophokles«.    Wissenschaftl.  Monatsblätter  1878.  No.9.  S.  141-143. 

Hoppe  wendet  sich  gegen  die  von  0.  Hense  (Rhein.  Mus.  1877 
S.  496)  aufgestellte  Behauptung,  dass  wo  bei  Sophokles  drei  chorische 
Aeusserungen  und  zwar  meist  nahe  zusammen  sich  finden,  diese  unter 
den  Koryphaios  und  die  beiden  Parastaten  zu  verteilen  seien;  dem  Ko- 
ryphaios gebühre  die  inhaltlich  wichtigste,  oder  aber  die  längste  der 
drei  Interloquien,  dann  nämlich,  wenn  der  Chor  in  der  Tetragonalstellung 
stehe,  weil  dann  das  Bedürfnis  vorliege,  die  Stellung  des  Koryphaios 
durch  das  doppelte  [xiyz^og  seiner  Worte  für  das  Gehör  des  Zuschauers 
deutlich  hervortreten  zu  lassen;  bei  Halbchorstellung  seien  die  drei  Chor- 
personen schon  durch  ihre  Stellung  für  das  Auge  zu  unterscheiden. 
An  einer  Reihe  von  Beispielen  aus  der  Antigene  sucht  nun  Hoppe  zu 
zeigen,  dass  dieses  Hense'sche  Gesetz  keineswegs  passe.  Er  entscheidet 
sich  vielmehr  dafür,  auch  bei  Sophokles  dasjenige  Gesetz  als  allgemein 
gültig  anzunehmen,  welches  R.  Arnoldt  für  Euripides  aufgestellt  hat: 
»die  chorischen  Interloquien  kommen  dem  Koryphaios  zu«. 

Rud.  Westphal,  »Ehrendoktor  der  Griechischen  Literatur  an 
der  Universität  Moskau«:  »Allgemeine  Theorie  der  Musikalischen 
Rhythmik  seit  J.  S.  Bach  auf  Grundlage  der  antiken  und  unter  Be- 
zugnahme auf  ihren  historischen  Anschluss  an  die  mittelalterliche  mit 
besonderer  Berücksichtigung  von  Bach's  Fugen  und  Beethoven's  So- 
naten«.   Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel  1880.    LXXXII,  298  S. 


Antike  Musik.  179 

Rezensirt:    Deutsche  Lit.-Ztg.  1881  No.  18    von  H.  Bellermann. 
Lit.  Ceütr.-Bl.  1881  No.  16  von  H..  Rmn. 

Für  Philologen  nur  mittelbar  von  Interesse;  denn  Gegenstand  der 
Untersuchung  ist  die  Rhythmik  der  modernen  Musik.  Trotzdem  scheint 
es  angezeigt  über  dieses  neue,  hochinteressante  Opus  R.  Westphal's,  schon 
um  seines  Autors  willen,  hier  kurz  zu  referiren. 

Das  Buch  geht  von  dem  Grundsatze  aus,  dass  »die  rhythmischen 
Gesetze,  welche  Aristoxenus  den  musischen  Künstlern  seines  Volkes  ab- 
gelauscht hat,  nicht  blos  für  diese,  sondern  auch  für  die  Instrumental- 
musik Bach's,  und  mehr  oder  weniger  auch  für  die  Kunstleistungen 
aller  übrigen  Meister  der  modernen  Musik  passen«  (S.  XX).  Das  habe 
man  bisher  nicht  erkannt,  weil  es  der  modernen  Kunsttheorie  an  der 
Voraussetzung  der  Aristoxenischen  gefehlt  habe,  »an  dem  Bewusstsein 
von  der  Einheit  der  rhythmischen  Formen  der  Musik  mit  denen  der 
Poesie«  (S.  XXVI).  Die  Erkenntnis  von  der  »Wesensidentität«  von 
Metrik  und  Rhythmik  hat  denn  auch  bewirkt,  dass  diese  moderne  musi- 
kalische Rhythmik  »genau  angelegt  ist,  wie  die  griechische  Metrik,  oder 
vielmehr  wie  ich  die  griechische  Metrik  anlegen  würde,  wenn  ich  sie 
noch  einmal  zu  schreiben  hätte«  (S.  XXVII).  »Hauptaufgabe  des  Buches 
aber  ist  es,  in  dem  Musiker  von  Fach  das  Bewusstsein  der  rhythmischen 
Gliederung  nach  Kola,  Perioden  und  Systemen  (Strophen),  und  dass  eben 
hierin  der  gesammte  Rhythmus  bestehe,  zu  erwecken  und  lebendig  zu 
macheu«  u.  s.  w.  (S.  XXVIII).  An  anderer  Stelle  wird  hervorgehoben, 
dass  auch  die  Aufklärung  der  Herrlichkeit  Bach'scher  Musik  insbeson- 
dere der  Instrumentalfugen,  ein  Hauptzweck  des  Buches  sei. 

Der  Verfasser  giebt  im  ersten  Abschnitt  »Grundlinien  der  poeti- 
schen Metrik«  (bis  S.  32).  Er  eifert  gewaltig  und  mit  Recht  gegen  die 
»traurige  Sprachverwirrung«  der  modernen  Musiktheoretiker,  welche  die 
musikalischen  termini  (Vers,  Strophe,  Kolon,  Periode  etc.)  zwar  den  alten 
Sprachen  entnehmen,  sie  aber  keineswegs  im  antiken  Sinne  gebrauchen.  Der 
richtige  Aristoxenische  Gebrauch  dieser  termini  wird  erklärt.  Im  zweiten 
Kapitel,  der  Taktlehre,  (bis  S.  92)  verficht  Westphal  gegen  die  »heuti- 
gen Tags  geltenden  Theorien«  besonders  Lobe's  undLussy's,  die  Anwendung 
der  Aristoxenischen  Gesetze  auch  auf  die  Instrumentalmusik.  Er  unterschei- 
det auch  in  dieser  trochaeische,  daktylische,  ionische  Rhythmen;  beson- 
ders die  letzteren  findet  er  in  vielen  unserer  dreiteiligen  Takte  (Vs,  V* 
etc.)  wieder,  z.  B.  im  Rhythmus  des  Menuetts.  Wichtig  sei  und  festzu- 
halten, dass  unsere  »Takte«  sehr  häufig  dipodisch,  ja  auch  tripodisch 
oder  tetrapodisch  zu  messen  seien.  Unsere  Art  Taktvorzeichnung  gebe 
darüber  freilich  nicht  den  gehörigen  Aufschluss.  In  Bach's  Fugen  z.  B. 
bezeichne  V^  und  V2  stets  einen  aus  vier  daktylischen  Versfüssen  zu- 
sammengesetzten Takt.    Die  antiken  Versfussnamen  aber,  sagt  er  S.  34, 

12* 


180  Antike  Musik. 

passen  nicht  für  unsere  rezitirte  Poesie,  »für  unsere  moderne  Musik  aber 
sind  sie  durchaus  unentbehrlich«.  —  Es  folgt  die  Lehre  von  den  »mu- 
sikalischen Kola«  (bis  S.  I7ü).  Der  Umfang  derselben  stimmt,  rück- 
sichtlich der  Zahl  der  /puvot  nfjiüzoi,  bei  Bach  und  überhaupt  (bis  auf 
eine  Ausnahme),  genau  mit  den  Gesetzen  des  Aristoxcnus!  Es  lasse  sich 
nämlich,  wenigstens  in  Bach's  Fugen,  sehr  wohl  ein  -^püvog  nfjwzog  dem 
Rhythmus  zu  Grunde  legen.  In  diesem  Kapitel  wird  ferner  über  Cäsur» 
Anakrusis,  Irrationalität,  Fermaten  etc.  gesprochen.  Es  sei  ein  Grund- 
irrthum  der  modernen  Herausgeber  Bach's  und  Beethoven's,  dass  sie  in 
der  Phrasirung  —  irregeleitet,  wie  Westphal  sagt,  durch  den  Taktstrich  (?) 
—  die  Anakrusen  der  rhythmischen  Phrasen  nicht  erkennen.  Hier,  wie 
überhaupt,  sind  viele  Beispiele  aus  Bach  und  Beethoven  abgedruckt. 
Das  vierte  Kapitel  (bis  S.  232)  behandelt  die  musikalische  Periodologie, 
die  Kola  der  Periode  als  Protasis  und  Apodosis  (Crescendo-  und  Dimi- 
nueudo-Satz),  ferner  die  Gesetze  der  Accentuation ;  und  zwar  wird  eine 
hesychastische  Accentuation  geschieden  von  einer  diastaltischcn.  Schliess- 
lich werden  »die  musikalischen  Systeme  oder  Strophen«  erörtert,  über  an- 
tistrophische Responsion  und  »perikopische  Gliederung«  wird  gesprochen; 
wohlgemerkt:  immer  in  Bezug  auf  Bach'sche  Fugen  und  Beethoven's 
Sonaten!  Ganze  Fugen-  und  Sonatensätze  sind  nach  Strophen  und  Peri- 
kopen  geordnet  in  den  Text  gedruckt.  Und  hier  besonders  ist  die  Stelle, 
wo  »der. historische  Anschluss  au  die  mittelalterliche  Rhythmik«  ge- 
funden wird.  Denn  der  Bau  der  Fuge  und  der  Sonate  jeder  Form  geht 
zugleich  zurück  auf  die  Zweiteilung  (nicht  Dreiteilung!)  der  Minnelied- 
strophe Walter's  (Stollenpaar  und  Abgesang)  und  auf  die  entsprechende 
des  protestantischen  Kirchenliedes.  Die  Bach'sche  Fuge  ist  »deutsch-, 
christlich-  und  heidnisch-antik  zugleich«  (S.  XXXII). 

Doch  es  ist  kaum  möglich,  in  Kürze  den  reichen  Inhalt  des  Buches 
zu  skizzireu.  Möge  nur  noch  angedeutet  werden,  was  in  demselben  von 
der  antiken  Rhythmik  unmittelbar  Neues  oder  Bemerkenswertes  gelehrt 
wird.  Der  füufzeitige  Paeon  ist  »in  analoger  Weise  wie  der  lonicus 
aus  der  daktylischen,  so  aus  der  trochäischen  Dipodie  abzuleiten«  (S.  97), 
wie  das  schon  in  der  Rhythmik  von  1852  vermutet  worden  sei.  Bach's 
Fugen  machten  diese  Vermutung  zur  Thatsache  Die  sechszeitige  tro- 
chäische Dipodie  wird  durch  Auslassung  eines  Chronos  protos  zum  fünf- 
zeitigen Paeon  umgebildet.    Aus 

v.A.'w  v!/wv^  w\j\j  \iy^\j  Wird 

Dasjenige  ferner,  »was  Aristoxenus  irrationalen  Taktteil  nennt«,  wird 
gleichfalls  erst  durch  die  Analogie  der  modernen  Musik  verständlich. 
Die  irrationalen  Längen  dienen  nämlich  dazu,  die  rhythmischen  Kola 
von  einander  zu  trennen;  ihnen  entsprechen  unsere  Choral-Fermaten; 
uur  muss  man  letztere  anders  halten,  als  bisher  geschieht,   nämlich  so, 


Antike  Musik.  181 

dass  eben  der  Schlusston  des  Kolons  um  V2  XP^^^'^  npojzog  gedehnt  wird. 
So  messe,  wie  man  aus  Bach's  Rhythmik  ersehe,  auch  zweifellos  Aristoxe- 

nus.    Der  irrationale  Trochaeus  bedeute  ihm  genau  J##'.  u.  s.  w.     So 

müsse  man  auch  bei  Bach'schen  Chorälen  die  Fermaten  halten.  Auch 
für  die  Schlusstöne  der  Kola  in  Fugen  empfehle  sich  wenigstens  oft  eine 
derartige  irrationale  Dehnung.    Ein  schliessendes  Viertel  sei  z.  B.  bei 

dipodisch- daktylischem  ^/i  Takt  genau  gleich  j    j\  auszuhalten.    Denn 

wenn  auch  Aristoxenus  selbst  von  irrationalen  Daktylen  nichts  sage,  so 
müsse  man  seine  Theorie  trotzdem  auch  auf  Daktylen  und  Jonici  anwen- 
den. Referent  hält  diese  Theorieen  in  vielen  Beziehungen  und  beson- 
ders auch  in  ihren  Beweisen  für  überaus  anfechtbar.  Bach  selbst  wird 
seine  Choräle  und  Fugen  sicher  nicht  so  gespielt  haben.  Das  giebt 
übrigens  Westphal  selber  gern  zu.  Der  mit  Aristoxenischen  Fermaten 
rhythmirte  Choral  (S.  139)  wird  von  einer  Gemeinde  gesungen,  —  und 
dazu  ist  er  doch  gemacht !  —  wenn  nicht  unrhythraisch,  so  doch  minde- 
stens unruhig  und  aufgeregt  klingen.  Die  Dehnung  allein  ohne  eine, 
wenn  auch  kleine  Pause,  wird  den  Singenden  nie  genügen.  Es  wird  sich 
kaum  je  eine  Gemeinde  finden,  die  einen  Choral  nach  Westphal  zu  sin- 
gen überhaupt  im  Stande  ist.  —  Interessant  ist  ferner,  dass  an  zwei 
Stellen  (S.  105  und  S.  127  ff.)  die  »vermeintliche  sogenannte  Eurythmie 
in  den  Kompositionen  der  Griechen«  wie  sie  Rossbach  -  Westphal  zuerst 
aufgestellt  und  wie  sie  J.  H.  H.  Schmidt,  »der  dann  das  Geschäft  des 
Eurythmirens  weiter  fortgesetzt«,  in  seiner  Weise  fortgebildet  habe,  — 
dass  diese  »sogenannte  Eurythmie«  nochmals  (wie  schon  1866)  auf's 
schärfste  verworfen  wird.  Dass  zu  einem  rhythmisch  vollendeten  Kunst- 
werke die  Bildung  der  Strophen  aus  eurhythmisch  respondirenden  Kola 
gleicher  Grösse  keineswegs  gehöre,  darüber  könne  niemand  mehr  zwei- 
feln, der  erst  in  Beethoven's  Sonaten  und  Bach's  Fugen  die  Pindarischen 
und  Aeschyleischen  Strophen  wiedergefunden  habe,  ihre  herrliche  Wir- 
kung empfinde  und  dabei  doch  sehe,  dass  in  ihren  Kompositionen  Kola 
verschiedener  Ausdehnung  sich  verbinden,  »ohne  dass  ein  besonderer 
Plan  in  der  Aufeinanderfolge,  wie  dasjenige,  was  wir  früher  griechisch 
Eurythmie  nannten,  vorhanden  wäre«  (S.  128).  Auch  Heirasoeth's  Hypo- 
these, der  bei  Aeschylus  nur  dipodisch  raessbare  Reihen  zulassen  wolle, 
sei  nunmehr  endgültig  abgcthan. 

In  Summa:  ein  echt  Westphal'scjies  Buch!  Ueberall  fesselnd  und 
interessant!  Neue  Ideen  und  Gesichtspunkte  in  frappierender  Fülle! 
Anregend  und  belehrend  auch  wo  man  gegen  den  kühneu  Neuerer,  der 
seine  Sache  mit  jugendlichem  Feuer  verficht,  zum  schärfsten  Widerspruch 
gereizt  wird!  Und  das  geschieht  dem  Leser  sehr  oft.  Denn  auch  darin 
zeigt  sich  der  echte  Westphal ,  dass  der  einmal  erfasste  und  ohne 
eigentlichen  Beweis  lediglich  als  Axiom  ponirte  Grundgedanke  nach  allen 


182  Antike  Musik. 

seinen  Conscquenzcn  durchgeführt  wird,  ohne  Rücksicht  auf  allerlei  An- 
stösse  und  Hindernisse,  konstruktiv  bis  zur  Willkührlichkcit,  manchmal 
sogar  im  direkten  Kampfe  mit  der  Logik!  Von  unseren  heutigen  Musi- 
kern und  Virtuosen  werden  sich  wenige  finden,  die  das  ganze  Buch 
annehmen  wollten,  die  z.  B.  mit  Westphal  behaupten  werden,  die  Bach'- 
sche  Fuge  gehöre  »zu  dem  allermelodischsten ,  was  wir  in  der  Musik 
besitzen«  (S.  XXXII)  oder  »den  ganzen  und  vollen  Genuss  namentlich 
unserer  Instrumentalmusik  zu  haben,  müssten  wir  erst  von  den  Griechen 
lernen«  (S.  LXVII);  sehr  wenige  werden  sich  dazu  verstehen  wollen, 
z.  B.  das  DmoU  Largo  aus  Beethoven's  Sonate  No.  7  so  zu  spielen,  wie 
Westphal  auf  S.  LXI  vorschlägt,  oder  die  Cismollfuge  (Wohlt.  Klav.  2,  4) 
nach  der  Phrasirung  auf  S.  141.  Mancherlei  Ausführungen  Westphal's 
legen  die  Annahme  sehr  nahe,  dass  er  selber  nie  ausübend  musikalisch 
gewesen  sein  kann,  dass  es  ihm  daher  an  der  gehörigen  Einsicht  in  die 
Praxis  der  modernen  Musikübung  fehlt.  So  z.  B.  seine  Bemerkung  über 
das  Legate-  und  Staccato- Spiel  (S.  113  und  132).  Dass  bei  der  musi- 
kalischen Phrasirung  die  Melodie  doch  auch  mitzureden  hat,  scheint 
Westphal  manchmal  ganz  zu  vergessen!  —  Andererseits  aber  wäre  es 
bedauerlich,  wenn  unsere  Musiker  über  das  ganze  Buch  einfach  zur  Ta- 
gesordnung übergehen  wollten.  Eine  wissenschaftliche  Gestaltung  un- 
serer modernen  Rhythmik  wird  aus  demselben  sicherlich  mancherlei  För- 
derung erfahren,  selbst  wenn  sie  die  grundlegenden  Gedanken  als  falsch 
verwerfen  müsste.  Auch  Philologen,  besonders  die,  welche  Bach  kennen 
und  lieben,  mögen  das  merkwürdige  Buch  nicht  ungelesen  lassen*). 
Nicht  erhalten  konnte  Referent: 

Schlecht,  R.,  Die  alten  Tonarten  und  die  moderne  Musik.    Mo- 
natshefte für  Musikgesch.  XII,  4,  5  und: 

Lev^que,   Gh.,  De  I'origine  de  la  musique  d'apres  H.  Spencer. 
Revue  polit.  et  litt.    2.  ser.    10  ann.  N.  15.   p.  347  —  351. 


')  Nachträglich  kommt  mir  der  Artikel  »Alte  und  neue  Rhythmik«  von 
Felix  Vogt  zu  Gesicht  (»Musik-Welt«  1881  No.  37  und  38),  welcher  das  West- 
phal'sche  Buch  bespricht.  Vogt  kommt  zu  einem  ähnlichen  Urteil  über  das 
Buch,  als  obiges  Referat.  Seine  Kritik  stellt  sich  mehr  auf  den  Staudpunkt 
des  modernen  Musikers.  Er  weist  Westphal  auch  einige  thatsächlich  falsche 
Angaben  betreffend  die  Fugen  nach. 


Jahresbericht  über  die  lateinische  Grammatik 
für  1879  und  1880. 

Vom 

Director  Dr.  W.  D  e  e  c  k  e 

in  Strassburg  i.  E. 


Nach  Art  der  früheren  Jahresberichte  fasse  ich  diesmal  die  auf 
die  lateinische  Grammatik  bezüglichen,  wenn  auch  nur  geringe  selb- 
ständige Forschung  oder  wissenschaftlichen  Fortschritt  enthaltenden,  in 
den  Jahren  1879  und  1880  erschienenen  Schriften  zusammen,  einiges  aus 
dem  vorangegangenen  Jahre,  mir  später  zugekommen,  nachholend ,  einiges 
vorweg  nehmend,  wo  es  gerade  geeignet  scheint.  Schulbücher,  Excerpte 
grösserer  Werke,  Specialbehandlungen  einzelner  Schriftsteller,  soweit  sie 
nicht  von  hervorragender  Bedeutung  auch  für  die  Grammatik  sind,  über- 
gehe ich.  Den  Anfang  mache  die  Orthographie,  Orthoepie  und 
Lautlehre. 

Eine  nicht  uninteressante  Frage  der  Orthographie  behandelt: 

Th.  Moramsen,  Die  Wiedergabe  des  griechischen  (p  in  lateinischer 
Schrift.    Im  Hermes,  Bd.  XIV,  Berlin,  Weidmann,  1879,  S.  65—76. 

Bis  in  den  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  der  Stadt  wurden  die  grie- 
chischen Buchstaben  ^5  />,  jjf,  ^  durch  <,  r,  c,  f  wiedergegeben;  dann 
wurde,  ei'st  vereinzelt,  seit  650  allgemeiner,  doch  noch  mit  starkem 
Schwanken  bis  700,  zu  Cicero's  Zeit  regelmässig,  die  Aspiration  durch 
ein  zugefügtes  ä  ausgedrückt.  Insbesondere  haben  im  ersten  Jahrhun- 
dert n.  Chr.  alle  sorgfältigeren  Denkmäler  in  Fremdwörtern,  wozu  auch 
triumphus  irrthümlich  gerechnet  ward,  ph ;  nur  vier  flüchtige  Pinsel-  und 
Gritfeiinschriften  in  Pompeji  zeigen  /=  f  {Orfeus  C  I.  L.  I,  60'J  ist  ver- 
lesen aus  Orpeus).  Das  ph  bleibt  dann  in  den  ööentlichen  Urkunden  und 
in  der  Steintechnik  bis  Septimius  Scverus,  wo  überhaupt  die  Barbarismen 
eindrangen,  in  der  besseren  Gesellschaft  bis  350  n.  Chr.  Dann  tritt  plötz- 
lich vollständig  /  ein,  schon  auf  Goldmünzen  von  Constans  und  Constan- 
tius  IL,  offenbar  Folge  der  Verlegung  der  Residenz  nach  Osten  und  der 


134  Lateinische  Grammatik. 

Gleichstellung  beider  Sprachen.  Nur  sparsame  Spuren  der  Reaction  be- 
gegnen gegen  Ende  des  Jahrhunderts,  und  so  kehrten  auch  die  Gram- 
matiker zum  ph  zurück. 

Ein  zeitgemässes  und  recht  verdienstliches  Unternehmen  liegt  vor  in: 

Dr.  Rudolf  Bouterwek  und  Dr.  August  Tegge,  Die  altsprach- 
liche Orthoepie  und  die  Praxis.    Berlin,  Weidmann,  1878,  VIII,  204  S.  8. 

Nach  einer  Vorrede  mit  14  Tliesen  folgt  in  Cap.  I— III  eine  de- 
taillirtere  Auseinandersetzung  der  Wichtigkeit  und  Vortbeile  der  quan- 
titirenden  Aussprache,  der  Nachtheile  ihrer  Vernachlässigung;  in  Cap.  IV 
—V  eine  Betrachtung  über  das  Verhältniss  der  Quantität  zum  Accent, 
zur  Wortbildung  und  Etymologie;  in  Cap.  VI  Bemerkungen  über  die 
Aussprache  lateinischer  Consonanten,  besonders  c,  und  Vocale;  in  Cap.  VII 
Orthographie  und  Orthoepie.  Cap.  VIII  behandelt  die  metrischen  Hebun- 
gen, Cap.  IX  giebt  ein  Verzeichniss  der  im  Lateinischen  gleich  geschrie- 
benen Wörter  verschiedener  Quantität,  Cap.  X  erörtert  die  Quantität  in 
Beziehung  zur  Erlernung  der  Formen  der  alten  Sprachen,  Cap.  XI  die 
natürliche  Quantität  positionslanger  Silben  und  des  Vocals  vor  muta  cum 
liquida;  Cap.  XII  enthält  Bemerkungen  zur  griechischen  Sprache.  Es 
folgen  Nachträge  und  ein  brauchbares  Register.  —  So  verdienstlich  nun 
aber  das  Unternehmen  ist,  so  mangelhaft  ist  die  Ausführung.  Schon  die 
Inhaltsangabe  zeigt  die  Vernachlässigung  des  Griechischen  gegenüber 
dem  Lateinischen  und  die  Ungeordnetheit  des  reichen  Materials,  das  in 
keiner  Weise  bewältigt  und  durchdrungen  ist.  Dann  aber  sind  Corssen's 
Aussprache,  Curtius'  Etymologie,.  Bücheler's  Declination,  Perthes'  For- 
menlehre u.  s.  w.  kritiklos,  ja  durchweg  flüchtig  und  oft  gedanken- 
los benutzt  worden,  so  dass  arge  Missverständnisse,  falsche  Schlüsse 
und  wunderliche  Hypothesen  das  Werk  wissenschaftlich  unbrauchbar 
und  für  den  praktischen  Pädagogen  gefährlich  machen,  weshalb  es  nur 
mit  höchster  Vorsicht  zu  Rathe  gezogen  werden  darf.  Wie  viel  aber 
überhaupt  noch  in  diesem  Gebiete  unsich"er  und  unklar  ist,  habe  ich 
bereits  im  vorigen  Jahresberichte  hervorgehoben,  und  es  findet  meine 
Behauptung,  dass  erst  noch  eine  Menge  Specialforschuugen  zu  absolvieren 
sind,  ehe  man  an  eine  systematische,  zusammenhängende  Bearbeitung 
gehen  kann,  hier  volle  Bestätigung. 

Bei  weitem  praktischer  und  vorsichtiger,  die  Resultate  langjähriger 
eingehender  Studien  enthaltend  und  daher  hier  der  Erwähnung  werth, 
obwohl  zum  Lehrgebrauch  bestimmt,  ist 

Luc.  Mueller,  Orthographiae  et  Prosodiae  Latinae  summarium. 
In  usum  sodalium  instituti  historici  philologici  Petropolitani  conscripsit. 
Petropoli,  Ricker  (Leipzig,  Teubner),  1878,  68  S.  8. 

Nachdem  der  Verfasser  als  Norm  für  die  Orthographie  das  erste 
Jahrhundert  n.  Chr.,    mit  Berücksichtigung  der  Zeiten   des   Cäsar  und 


Orthographie  und  Orthoepie.  185 

August,  hingestellt  hat,  für  die  Prosodie  das  Zeitalter  der  Schulautoren, 
von  Lucrez  und  Vergil  bis  luvenal,  behandelt  er  in  Abschnitt  I  Begriff, 
Quellen  und  Werth  der  Orthographie/  die  neueren  orthographischen  Stu- 
dien, besonders  Lachmann's  nnd  Ritschl's,  dann  das  Alphabet,  die  grie- 
chischen Wörter,  den  Accent,  die  Silbentrennung,  die  Interpunction,  die 
Euphonie  (Assimilation,  Variation),  die  einzelnen  Vocale  und  Consonan- 
ten,  endlich  die  Assimilation  der  Präpositionen.  Es  folgt  in  Abschnitt  II 
die  Prosodie,  mit  Behandlung  der  Silbe  überhaupt,  des  Accents  (dazu 
Enklisis  uud  Proklisis),  im  Besonderen  der  Endsilben  und  Mittelsilben, 
Ein  werthvoUer  Index  bildet  den  Schluss. 

Zu  den  oben  verlangten  Einzelforschungen  hat  einen  Ansatz  ge- 
macht 

Dr.  Jul.  Wiggert,  Studien  zur  lateinischen  Orthoepie.  Programm, 
Stargard  1880. 

Er  hat  nämlich  speciell  einen  der  schwierigsten  und  umstrittensten 
Punkte,  die  positionslangen  Silben  der  Perfecta  und  Supina,  behandelt 
und  ist  zu  folgenden  Resultaten  gekommen:  1.  die  reduplicierten  Per- 
fecta, wie  pependi,  hatten  kurzen  Yocal  in  der  Stammsilbe;  2.  die  star- 
ken Perfecta  ohne  Reduplication,  wie  verri,  dehnten  den  Vocal,  wodurch 
sie  von  den  Präsensformen  unterschieden  wurden;  3.  die  schwachen  Per- 
fecta auf  -si  hatten  ebenfalls  langen  Stammvocal,  zum  Theil  ursprüng- 
lich, zum  Theil  durch  Ersatzdehnuug,  wie  divtsi;  wo  sonst  das  Präsens 
kurzen  Stammvocal  hat,  liegt  entweder  ein  anderer  Stamm  zu  Grunde, 
wie  in  rego  neben  *rego,  oder  es  ist,  wie  in  träko ,  der  an  sich  lange 
Vocal  metrisch  verkürzt.  Das  Supinum  hat  auch  die  Quantität  des  Prä- 
seusvocals  (gegen  Lachmann  zu  Lucrez  II,  154  fi.),  ausser  wo  Ersatzdeh- 
nung eingetreten  ist. 

Diese  Untersuchungen  sind  weitergeführt  und  berichtigt  worden  in 

Dr.  C.  Bünger,  lieber  die  lateinische  Quantität  in  positionslangen 
Silben.  Programm  des  Protestantischen  Gymnasiums  in  Strassburg  i.  E. 
1880.    25  S.  4. 

Dieser  stellt  insoweit  Lachmann's  Ansicht  wieder  her,  als  er  den 
Nachweis  versucht,  dass  gewisse  Consonanten Verbindungen  an  und  für 
sich  schon  im  Stande  gewesen  seien,  auf  den  vorhergehenden  Vocal  ein- 
zuwirken. Nachdem  er  als  alleinige  Quellen  für  die  Erkenntniss  der 
richtigen  Aussprache  in  ciceronianischer  und  augusteischer  Zeit  festgesetzt 
1.  die  graphischen  Ueberlieferungen  gleichzeitiger  Inschriften;  2.  die 
Trajisscriptionen  lateinischer  Wörter  bei  griechischen  Autoren;  3.  die 
ausdrücklichen  Zeugnisse  römischer  Schriftsteller,  wie  des  Cicero  über 
die  Dehnung  der  Vocale  vor  «>v  und  nf  (für  letztere  Verbindung  merk- 
würdigerweise durch  Inschriften  und  Umschreibung  noch  nicht  belegt), 
geht  er  über  zur  Betrachtung  der  Vocalquantität  vor  gemiuirteu  Conso- 


186  Lateinische  Grammatik. 

nanten,  vor  explnaiva  +  anderen  Consonanten,  vor  Nanal  -i-  explosiva,  vor 
8  +  andern  Consonanten,  vor  liquida  -\-  andern  Consonanten.  Es  ergiebt 
sich  aus  der  Prüfung  aller  einzelnen  P'älle  die  Thatsache,  dass  bei  star- 
ker Position  die  media  (auch  x  =  gn)  im  allgemeinen  einen  langen,  die 
tenuis  einen  kurzen  Vocal  vor  sich  liebte,  ein  Gesetz,  das  mit  den  spe- 
cifischen  Eigenschaften  dieser  Laute  harmonirt.  Vor  den  mit  l  anfan- 
genden Lautverbindungen  dagegen  bleibt  die  natürliche  Quantität  des 
Vocals.    Anderes  ist  weniger  sicher. 

Die  in  den  letzten  Jahren  viel  ventilirte,  gewichtige  und  folgen- 
schwere Frage  nach  dem  ursprünglichen  indogermanischen  Vocalismus 
ist  am  eingehendsten  und  geistreichsten,  wenn  auch  kühn  und  etwas  will- 
kürlich behandelt  worden  in 

Ferd.  de  Saussure,  Memoire  sur  le  Systeme  primitif  des  voyelles 
dans  les  langues  indo  -  europeennes.    Leipzig,  Teubner,  1879.   304  S.  4. 

Nach  Saussure  enthält  jede  indogermanische  Wurzel  a^  (s.  die  frühe- 
ren Jahresberichte  über  Brugman  und  Collitz) ,  dem  irgend  ein  anderer 
vocalischer  oder  consonantischer  Laut,  ausser  wieder  a^  oder  o,,  folgt; 
ferner  ist,  mit  wenigen  isolirten  Ausnahmen,  wenn  auf  %  zwei  Elemente 
folgen,  das  erste  eine  Sonans,  das  zweite  eine  Consonans,  wobei  als  So- 
nanten  i,  w,  n,  ?«,  r  (l),  A  und  0  (s.  über  deren  eigenthümlichen  Werth 
das  Werk  selbst)  gelten;  endlich  kann  auf  die  letzten  beiden  Sonanten 
noch  eine  zweite  Sonans  folgen.  Auch  in  jedem  Suffix  soll,  mit  wenigen 
Ausnahmen,  ursprünglich  ein  Oj  enthalten  sein.  Der  Vocal  a^  ist  Ablaut 
von  «i;  das  reine  ä  ist  Schwächung  von  ä,  dieses  aber  entsteht  aus 
oj  A,  Oj  0  u.  s.  w.  Die  weiteren  allgemeinen  Ausführungen  sehe  man  im 
Werke  selbst  nach.  Was  aber  das  Lateinische  betrifft,  so  findet  sich 
dort  Ol  als  e,  verdünnt  7,  wieder;  a^  als  o.,  verdumpft  ü;  reines  kurzes 
a,  wofür  arisch  in  gewissen  Fällen  i  als  eine  Art  von  stummem  e,  durch 
Alteration  von  A  und  O  entstanden,  eintritt,  als  a;  ä  theils  als  ä  oder  e, 
aus  cfi  A,  je  nachdem  der  zweite  oder  erste  Laut  überwog,  theils  als  ö, 
aus  %  0  z.  B.  äcies,  schwach  äcej-;  reri,  schwach  rätus]  Jödi,  schwach 
födio.  Als  eigenthümlich  wird  ein  griechisch-italisches  o  =  armen,  a  an- 
gesetzt, wie  in  ödor,  öculus,  auch  lang  in  dönum,  nömen.  Nicht  ganz  auf- 
geklärt ist  ferner  e  neben  e,  wie  in  sedes,  sedeo.  Auch  manche  Unregel- 
mässigkeiten kommen  vor,  wie  fpiättuor,  cänis,  röbur  u.  s.  w.  Lateinisches 
^  entsteht  aus  ei  =  a-^^i,  wie  in  fido\  ü  aus  ow,  dies  assimilirt  aus  eu  = 
«1«,  wie  in  düco  aus  douco,  ursprünglicher  *denco.  Uebergang  von  a  in  o, 
wie  von  o  in  o  ist  unsicher,  und  jedenfalls  nur  ausnahmsweise  anzu- 
nehmen, wie  in  vacuus:  vocivus;  ovis:  aviUa\  und  bei  der  Länge  ignörare^ 
gnösco:  gnärus,  närrare.  Die  regelmässige  Vertretung  der  sonanten  Li- 
quida r  (/)  ist  Ör  (ur),  ül  (dl)  z.  B.  cord-^  iecur\  pulsus,  mollis;  der  so- 
nante  Nasal  n,  m  wird  en  (tu),  em  z.  B.  tentus^  Inferus,  pedem.  Dagegen 
erscheint  das  lange  r  (Z)  vor  Consonanten  als  or,  oZ,  rä,  lä  z.  B.  arduus, 


Lautlehre.  187 

alvus,  grätus,  strättis\  vor  Vocalen  (rr,  II)  als  blosses  r,  l  z.  B.  grando^ 
glans;  ähnlich  v,  w  vor  Consonanten  als  an,  nä  z.  B.  anta,  gnätus\  vor 
Vocalen  {nn,  mm)  als  e»,  em,  um  z.  B.  tentiis ,  altlat.  hcmonem,  decumus. 
Starke  und  schwache  Formen  sind  wesentlich  vom  Accente  abhängig, 
auch  in  den  Suffixen. 

Den  Hauptpunkt  des  indogermanischen  Vocalismus  behandelt  auch 

Joh.  Schmidt,  Zwei  arische  o- Laute  und  die  Palatalen.  In 
Kuhn's  Zeitschrift  f.  vcrgl  Sprachf.  XXV  (N.  F.  V),  Heft  1  und  2, 
S.  1  —  179. 

Nach  Schmidt  sind  nur  zwei  ursprüngliche  «-Laute  anzusetzen: 
dl  =  e  und  «2  =  0.  Die  Palatalen  sind  durch  Einfluss  eines  folgenden 
«1,  i  oder  i  aus  den  Gutturalen  entstanden,  so  dass  man  im  Ganzen, 
soweit  nicht  Störung  durch  Analogiezwang  vorliegt,  aus  der  Palatalisirung 
auf  die  ursprüngliche  Beschaflenheit  des  folgenden  «  schliessen  kann. 
Wie  das  Perfect  zeigt,  gab  es  auch  ein  altindogermanisches  e  (etwa  =  %). 
In  Bezug  auf's  Lateinische  wird,  gegen  Brugman,  ausführlich  nachge- 
wiesen, dass  lateinisch  o,  später  w,  nicht  indischem  ä,  sondern  ä  entspricht, 
theils  in  einzelnen  Wörtern,  wie  oUus,  opus,  idita,  ovis,  domus,  monüe,  rota, 
socius,  -vorus,  quot ,  theils  in  Suffixen  und  in  der  Flexion.  So  wird  als 
ältere  Form  der  1  p.  pl.  -ämas,  nicht  -ämas  angesetzt,  lateinisch  z.  B. 
quaesümus\  die  Perfecta  wie  srMl,  födi  hatten  ursprünglich  im  Plural 
stammabstufend  *scäbhmis,  ^födimus;  der  Nominativ  von  pedis  war  *pö-s, 
der  Genitiv  von  vöx:  *vdcis  oder  *vecis,  vgl.  bös,  Löfifi;  das  Suffix  der 
nomina  agentis  -tör  hatte  als  schwache  Form  -ter,  als  schwächste  -tr; 
den  Verwandtschaftsnamen  fehlt  die  stärkste  Form;  das  ii  in  den  Desi- 
derativen  auf  -iirio  muss  aus  e  entstanden  sein.  Eine  besondere  Betrach- 
tung wird  den  Ableitungen  des  Zahlwortes  für  4  zu  Thcil:  auch  hier 
zeigen  sich  drei  Stämme:  auf  -ör  (aus  -är),  -er  und  r,  und  es  geht 
quattuör  auf  *quetuöres  zurück  (mit  ä  für  o  aus  e  durch  Einfluss  des  qu)\ 
qucdcr  auf  *  quetr  durch  Einfluss  von  ter\  quadru-  auf  *ctru-,  qnartus  auf 
*ctvartos  mit  eingeschobenem  a  zur  Erleichterung  der  Aussprache,  wie  e 
in  umbr.  jjetur,  vgl.  noch  die  anderartige  Erleichterung  in  iad.  {l:)  timjn, 
gr.  {n)-pdmZo-,  lat.  täta  aus  * ptutä.  Eine  dreifache  Stufe  wird  auch 
angenommen  für  ^yibvf),  Geuit.  ^ysvfög^  Adverb  yw^\  an  die  mittlere 
schliesst  sich  lat.  genu  an.  Gelegentlich  berührt  wird  die  Etymologie 
von  unda  aus  *udna,  wic  fundus  ZU  ind.  biuCnas;  anxius  =  *ang^asius  zu 
Ind.  dmhas\  die  Entstehung  von  br  in  consobrlnus  u.  s.  w.  direct  aus  *>•, 
str,  nicht,  mit  Brugman,  durch  Vermittlung  von  /»•;  die  Kürze  des  ü  in 
interdhts,  perdiits  (gegen  Corssen  IP,  458)  =  ind.  djus  aus  diras,  aber 
diu  =  divä,  diütimis  =  divätanas,  und  Anderes. 

Einen  andern  oben  berührten  Punkt  der  lateinischen  Vocallehre 
behandelt 


188  Lateinische  Grammatik- 

Th.  Birt,  Die  Vocalvcrbindung  tu  im  Lateinischen.    Rhein.  Muö. 
f.  Philol.  Bd.  XXXIV  der  Neuen  Folge,  S.  1  -  37. 

Im  Italischen  fehlt  das  als  europäisch  nachgewiesene  eu  —  wo  ist 
es  geblieben?  Durch  die  Assimilationskraft  des  u  ward  es  zu  ou,  dann 
zu  ü,  z,  B.  Lmcesius  (gr.  Xbdxüq),  louc-,  lüc-\  so  noch  später  Selucla  = 
lehoxia.  Ganz  ähnlich  entstand  vor  Vocalen  ov  aus  ev  in  tovos^  aovoa 
(später  tmis,  suus),  novus,  novem^  lovis^  7noveo.  Die  ursprünglichen  Laut- 
verbindungea  eu,  ev  wurden  consequent  beseitigt:  nevolo  ward  nölo  (durch 
*ne-ulo?);  in  brevis  und  levis  ist  ein  Guttural  ausgefallen;  re-vertin.  s.  w. 
sind  als  Composita  geduldet.  Als  Compositum  blieb  auch  neüter  bis  noch 
bei  Lactanz  dreisilbig,  wie  coeunt  u.  s.  w. ;  die  zweisilbige  Aussprache 
galt  als  barbarisch;  doch  findet  sich  Ciris  68  nütra,  und  neutiquom  ward 
nütiquam;  necuter  findet  sich  nur  C.  I.  L.  VI,  1527;  auch  deünx  blieb  ge- 
trennt; ebenso  reüs,  in  dem  sicher  ein  Consonant  geschwunden  ist.  Die 
Formen  seil,  neu,  ceu  (nie  vor  Vocalen)  entstehen  erst  allmählich  durch 
einen  längeren  Umbildungsprocess.  Sie  sind  nämlich  gebildet  aus  den 
pronominalen  Locativen  sei,  nei,  cei  (s.  ce-teri,  hei-cei)  und  der  verkürzten 
Verbalform  ve  =  vis,  wenn  auch  *ceive,  *ceve  nicht  erhalten  ist.  Die 
Länge  des  e  hielt  dasselbe,  wie  in  Vesevius  neben  Vesuvius.  Beseitigt  ist 
ferner  eu  in  den  griechischen  Namen  Achilles,  Ulixes,  Perses  u.  s.  w.,  einst 
allgemein;  später  ward  -eüs  getrennt,  wie  in  den  Adjectiven  auf  -eus\ 
nur  die  Dichter  verschmelzen  bisweilen  aus  metrischen  Gründen  die  Vo- 

cale,  behielten  aber  dann  den  griechischen  Accent  z.  B.  Atreus.  Die 
Interjectionen  heu  und  heus  (s.  gr.  <p£Ü)  stehen  ausserhalb  der  Sprache. 
Interessant  ist  der  Uebergang  von  eu,  ev  durch  au,  av  in  ö,  das  sich 
mehrfach  neben  ü,  aus  ou,  ov,  findet.  Hierher  gehören  vielleicht  Teuri- 
scus  und  Teuranus,  gewöhnlich  Tauriscus  und  Turanus;  böbus  neben  bübus; 
fötus  und  fautus,  Vfenn  föveo  =  fäveo  aus  *feveo;  lötus  und  lautus;  mütare 
zu  moveo,  aber  mölus  aus  *mautus  =  *meutus,  s.  gr.  dfxsüaaff&a: ;  nönus 
=  *navem-nus  aus  *nevem-nus  (s.  aber  jetzt  «ome),  ahernüper  aus  novojn- 
per;  glöria  =  *cleusia,  s.  gr.  xXefog  u.  s.  w. 

Dasselbe  Gebiet  der  Diphthonglehre  streifen  zwei  kleine  Aufsätze 
eines  österreichischen  Gelehrten: 

Bronislaus  Kruczkiewicz,  Der  altlateinische  und  oskische 
Diphthong  ou.  Zeitschrift  für  die  österr.  Gymnasien,  1879,  Heft  1, 
S.  3—15. 

Derselbe,  Ueber  die  Geltung  des  Schriftzeichens  uo  und  des  mit  einem 
consonantischen  u  schliessenden  Schriftzeichens  ou  in  der  Sprache  der 
gebildeten  Römer  seit  der  Zeit  des  Erlasses  über  die  Bacchanalien  vom 
Jahre  186  v.  Chr.  G.  Wiener  Studien  II,  1880  (Gerold),  Heft  1,  S.  135 
-  138. 


Lautlehre  u.  a.  189 

In  der  ersten  Abhandlung  wird  aus  der  Aussage  der  Grammatiker, 
der  lateinische  «^-Laut  sei  vor  Yocalen  consonantisch  gesprochen  worden, 
gefolgert,  dass  er  vor  Consonauten  vocalisch  gesprochen  worden  sei,  also 
auch  ou  vor  Cousonanten,  wie  in  loumen^  nountios,  douco,  Loucetios,  Di- 
phthong gewesen  sein  müsse,  nicht  mit  Marius  Victorinus  =  gr.  o-j  zu  setzen 
sei.  Für  die  etymologische  Bestätigung  wird  auf  Corssen  verwiesen.  Das 
ou  ward  später  uu,  dann  ??.  Ebenso  wird  dann  auch  (gegen  Mommsen 
und  Ritschi)  das  lateinisch -oskische  ou,  echt  oskisch  iw,  griech.-osk.  ou, 
ovf,  ujf,  of  (?)  geschrieben,  vor  Consonanten  als  Diphthong  aufzufassen 
sein.  Dass  die  Osker  dazu  nicht  üu  verwendeten,  wird  aus  der  zu  grossen 
Aehnlichkeit  mit  uu  =  ü  erklärt,  wenn  das  diakritische  Zeichen,  wie  oft, 
vernachlässigt  ward.     Vor  Vocalen  konnte  iw  natürlich   auch  =  ov  sein. 

In  der  zweiten  Abhandlung  wird  aus  der  emendirten  Stelle  des 
Quintilian  I,  7,  26  {suhiecta  sibilo  0  vocalis)  geschlossen,  dass  seit  der 
Zeit  des  SC.  de  B.  auch  in  ingenuos,  seruos  u.  s.  w.  vu  gesprochen  wor- 
den sei,  obwohl  man  uo  schrieb,  da  uu  =  ü  gewesen  wäre.  Ebenso  ward 
z.  B.  flouius  als  fluvius  gesprochen.  Ein  lautphysiologischer  Grund,  dass 
0  sich  hinter  oder  vor  v  länger  hätte  halten  sollen,  liegt  nicht  vor. 

Ehe  wir  nun  zu  den  eigentlich  grammatischen  Werken  übergehen, 
ist  ausführlicher  darzulegen  der  reiche  Inhalt  eines  verschiedene  Gebiete 
der  Grammatik  in  Orthographie,  Lautlehre,  Etymologie,  Syntax  berüh- 
renden Werkes,  das  als  die  bedeutendste  Erscheinung  dieser  Epoche 
bezeichnet  werden  kann: 

Heinr.  Jordan,  Kritische  Beiträge  zur  Geschichte  der  lateinischen 
Sprache.     Berlin,  Weidmann,  1879,  VIII,  364  S.  8. 

Das  Werk,  aus  Vorträgen  über  lateinische  Grammatik  und  Leitung 
von  Seminarübungen  entstanden,  beschäftigt  sich  besonders  mit  dem  Ur- 
lateinischen (dem  sonst  sogenannten  archaischen  Latein)  d.  h.  dem  Zu- 
stande des  Lateinischen  vor  Gründung  der  Profanlitteratur. 

Der  Aufsatz  I  (S.  1  —  88)  »Zur  Geschichte  der  griechischen  Lehn- 
wörter« behandelt  zuerst  die  Inschriften  der  sogenannten  pränestinischen 
Bronzen,  die,  wenn  auch  nicht  alle  wirklich  aus  Präneste,  doch  sicher 
latinisch  sind,  jedenfalls  nicht  etruskisch,  trotz  des  etruskischen  Fundorts 
zweier  (Cosa).  Doch  erinnert  die  Arbeit  theilweise  an  etruskische  Muster, 
und  in  der  Schrift  zeigt  sich  der  Eintluss  eines  nicht  römisch-latinischen 
Elements*).  Die  Inschriften  gehören  in  die  Zeit  des  ersten  punischen 
Ki'ieges.  Die  Fehler  in  den  Casusendungen  sind  der  niedern  Bildung 
der  Arbeiter  zuzuschreiben.  Jordan  bemüht  sich  nun  besonders,  die 
strengste  Regelmässigkeit  in  der  Lautwiedergabe  der  griechischen  Namen 


•)  Da  Jordan  es  nicht  erwähnt,  hebe  ich  hier  ausdrücklich  hervor,  dass 
auch  ich  in  meinen  Schriften  über  Etruskisch  die  betrefifeuden  Inschriften  als 
nicht  etruskisch  behandelt  habe. 


190  Lateinische  Grammatik. 

nachzuweisen,  geht  aber  in  der  Construction  vorausgesetzter  griechischer 
Urformen  bisweilen  über  die  Grenzen  der  Wahrscheinlichkeit  hinaus.  So 
werden  nicht  nurDialoctformen  wie  Jartov«,  .U(TyJar,tög,  llacvlaxog  angenom- 
men, sondern  auch  Mdxr^g  oder.i;«f,  Wjhgodcv  Hihg,  'Oou^sOg,  MeUspo^äv- 
Tjyc,  "lax-^op  u.  s.  w.  Icli  liabc  bereits  an  anderer  Stelle  hervorgehoben, 
dass  so  die  Lösung  der  Schwierigkeit  nur  auf  ein  ungünstigeres  Terrain 
verlegt  wird,  indem  starke  Lautwandlungen  doch  leichter  beim  Uebergang 
in  eine  fremde  Sprache  zu  erklären  sind,  als  in  den  Dialecten  ein  und 
derselben  Sprache.  Ansprechend  sind  die  Deutungen  von  Aucenn  = 
*Auyivva,  *Au)'£c\^r/,  und  von  Alsir  =  *'A^acg,  Wlar/ig.  —  Es  folgt  die 
Besprechung  einiger  römischen  Lehnwörter,  wo,  mit  der  gleichen  Kühn- 
heit, für  Cdtaviüus  ein  *  ]ado.j).rjd7iQ  oder  *  /af^oixr^or^g,  für  Ahh  =  Nilus 
ein  *Mrj)iog^  für  Proserpinu  ein  *0<)pa-  oder  ll()f>az<fuva  angenommen  wird; 
Alumento  =  Aaojj.idiüv  bleibt  auch  so  unaufgeklärt.  Die  Deutung  von 
carissa  »vafra«  aus  ^Kdptaaa  ist  sehr  unsicher,  recht  unwahrscheinlich 
fata  »Mama«,  utos  »Papa«  (wieder  auf  einem  pränestischen  Spiegel);  ro- 
gus  ist  kein  Lehnwort.  Schliesslich  glaubt  Jordan  verschiedene  Bezugs- 
quellen der  Bronzen  u,  s.  w.  für  Etrusker  und  Römer  annehmen  zu 
müssen. 

Der  Aufsatz  II  (S.  89  — 16G)  »Zur  Geschichte  des  Rhotacismus« 
mit  einem  Anhang  ȟber  die  Verbesserung  des  Alphabets  durch  Appius 
Claudius«,  weist  dem  lateinischen  Rhotacismus  eine  Mittelstellung  zwischen 
dem  umbrischen  und  oskischen  an:  er  greift  kein  secundäres  s  an,  ist 
ausgedehnt  in  den  Suffixen  im  In-  und  Auslaute,  engbegrenzt  in  Wort- 
stämmen, gar  nicht  anzunehmen  im  uominativischeu  und  genitivischen  s, 
überhaupt  aber  vor  dem  Beginn  der  Profanlitteratur  durchgedrungen  und 
im  5.  Jahrhundert  zum  Stehen  gekommen.  Dass  Appius  Claudius  erst 
das  r  statt  des  s  eingeführt  habe,  ist  irrig;  er  hat  vielmehr  die  Schwan- 
kung zwischen  s  und  z  beseitigt,  statt  z  aber  g  eingesetzt.  Auf  Grund 
jener  irrthümlichen  Annahme  haben  jüngere  Historiker  die  Valerii  u.  s.  w. 
sich  bis  442  Valesii  u.  s.  w.  nennen  lassen;  auch  in  Aqw  fasti  beruhen 
die  Formen  Valesius ,  Volusus  (schlechter  Volesus)  auf  der  Theorie  eines 
Redactors;  Valesius  wird  bestenfalls  eine  Erinnerung  an  die  sabinischen 
Valesii  sein;  im  Elogium  XV  ist  es  Erfindung.  Ueberhaupt  ist  der  Ueber- 
gang einer  älteren  Endung  -sius  in  Gentilnamen  in  -rius  fürs  Lateinische 
zu  läugnen.  Die  S.  111  zusammengestellten  Gentilnamen  a,n{ -asius,  -esiusi 
-isius,  -^lsius  sind  alle  municipal  oder  italisch;  auch  die  sonstigen  ähnlich 
gestalteten  Wörter,  wie  amasius,  viasius,  Bibesia,  Venusia  u.  s.  w.  sind 
oskisirend  oder  absichtlich  fremdartig  gebildet.  Auch  sonst  sind  viele 
angebliche  altlateinische  Formen  mit  s  zu  tilgen:  in  simltw,  quör  {cur), 
quirquir  geht  r  auf  älteres  d  zurück;  cascus^  aumm,  asa,  hasena,  fesiae, 
loebesum  sind  sabinisch,  casnar  u.  s.  w.  oskisch ;  auch  casmena,  Lases,  cu, 
sianes  sind  italische  Formen ;  selbst  Subura  =  Sucusa  (zu  vermitteln  durch 
*Sn2mra  =  *Suqusa)  weist  über's  Latein  hinaus.    Anderes,  wie  fusvus^ 


Lautlehre  u.  a.  191 

esit,  compesce  =  comperce,  osnamenium,  colos,  odos,  ianitos^  beruht  auf  Con- 
jecturen,  falschen  Lesarten  und  irrigen  Combinationen  der  Alten.  Es 
bleibt  wenig  übrig,  wie  arhos^  labos,  die  Comparative  auf  -?os,  der  Superl. 
plisima,  der  Infin.  dasi,  vielleicht  iusa^  helusa,  pignosa^  foedesum\  neben  quaeso 
u.  s.  w.  scheint  bei  Enuius  und  Plautus  noch  ein  freies  quaesere  existirt 
zu  haben.  —  Im  Anhang  werden  die  Werkleute  der  wirklich  königlichen 
sogenannten  servianischen  Mauer  als  nicht  etruskisch  bezeichnet,  und 
Jordan  sträubt  sich,  die  Steinmetzzeichen  als  Buchstaben  anzuerkennen 
(doch  s.  S.  358);  jedenfalls  sei  nur  an  das  altlateinische  Alphabet  zu 
denken. 

Der  Abschnitt  III  (S.  167  —  224)  »Zur  Beurtheilung  der  ältesten 
sacralen  Poesie«  führt  zunächst  aus,  dass  die  Annahme  des  Stabreims 
für  die  altitalische  Poesie  zu  verwerfen  sei;  AUitteratiou  der  Consonanten 
findet  sich,  aber  regellos  und  besonders  bei  auf  einander  folgenden  Wör- 
tern, auch  in  Formeln,  oft  aber  auch  fehlt  sie  ganz;  sie  nimmt  bis  Te- 
renz  stetig  ab;  vocalische  AUitteration  begegnet  uns  einmal  im  Arval-, 
zweimal  im  Salierliede,  ist  also  nur  zufällig;  carmen  bezeichnet  oft  nur 
einen  prosaischen  Spruch.  Es  wird  dann  zuerst  das  Arvallied  gedeutet: 
pleores  verschrieben  aus  ploeres  (=  *ploises);  semo  »Saatgeist«;  luerve{m), 
ähnlich  gebildet  wie  Minerva,  catervus,  acervus',  satur  fu^  fere  Marmar 
(richtiger  als  Mars);  nive  ensali,  zweifelhaft;  herber  »grimm,  zottig«  (zu 
ßdpßapoQ  oder  vervex);  alternei  Locativ  »abwechselnd«;  advocapit  (Mars) 
»wird  rufen«;  scirs  =  siveris.  Es  folgt  das  Salierlied:  qune  (besser  als 
cuine)  =  qun-ne,  osk.  pimne,  ponne  (nicht  =  -cun-de)\  leucetie  oder  loucetie  statt 
-esie;  tremotit,  nicht  -07iti  (falscher  Anklang  an  montH),  eher  hemones\  für 
■patula  coemisse  vielleicht  pntulcius  closivius  es;  unsicher  o  zeul  adünhis 
(=  -ensis)\  vgl.  unten  die  Arbeit  von  Breal. 

Im  Abschnitt  IV  (S.  225  -  274)  »Zur  Beurtheilung  des  archaistischen 
Lateins«  werden  zunächst  die  alterthümlichen  Stellen  in  Cicero  de  legi- 
bus, die  nach  Cicero's  eigener  Versicherung  keine  Auszüge  aus  alten 
Gesetzen  und  Verordnungen,  sondern  Nachdichtung  sind,  wirklich  als  ar- 
chaistisch, nicht  archaisch,  nachgewiesen,  und  zwar  mit  wenig  Geschick 
gemacht.  In  der  Orthographie  fehlen  die  alten  Diphthonge  ei  statt  f, 
ou  statt  w,  ai  statt  (le,  oi  statt  oe\  ferner  o  statt  m,  u  statt  i  im  Super- 
lativ und  Gerundium;  es  fehlt  das  schliessende  d  im  Ablativ  und  Impe- 
rativ; der  Imperativ  auf  -wumo  ist  falsch  (pluralisch)  gebraucht,  ebenso 
die  Conjunction  asi  (s.  unten).  Dagegen  begegnet  oe  statt  ü  in  coerare, 
oesua,  loedus,  ploeres  (s.  oben),  oenus  (?),  auch  sonst  noch  vereinzelt  ge- 
pflegt; ebenso  duellum.  Die  Doppelconsonanz  ist  bereits  durchgeführt 
{locasint  ist  Conjectur,  ebenso  inror/asitve  und  bacas).  Zu  verwerfen  ist  der 
Nominativ  PI.  poprdos  (s.  oben),  der  Genitiv  Sg.  populoi  (überliefert  -lu).  Der 
Conjunctiv  Perfecti  auf  -essit  ist  anzuerkennen,  ebenso  faxit^  rapait^  cle- 
pdt  (?)  u,  6,  w.,  ferner  das  Futur  (?)  escuiU;  aber  possid  ist  wieder  Con- 
jectur.   Lexicalisch  alt  sind  ollos,  olla,  cndo^  aber  irrig  hineingebracht 


192  Lateinische  Grammatik. 

«OS,  sovos  und  si8\  II,  8,  19  ist  nee  ulla  zu  bessern.  —  Ein  Excurs  be- 
zeichnet die  Dative  auf  -oi  als  schwach  bezeugt,  die  Genitive  auf  -oe, 
-oeo  als  falsch:  populol  Romanoi  bei  Mar.  Victorinus  ist  ein  fiugirtes 
Paradigma  (die  directe  Aussage  wird  als  Randbemerkung  getilgt);  met- 
tioeo  (richtiger  metioeo  oder  mettoeö)  fufetioeo  ist  griechisch;  püumnoe  po- 
ploe  ist  Nora,  Plur.  Mit  den  Glossen  des  Festus  ßscemnoe,  ab  oloea,  pri- 
vicloes,  von  unsicherer  Herkunft,  steht  es  nicht  zum  besten.  —  Es  folgt 
eine  Besprechung  der  Tempelurkunde  von  Furfo  (s.  Hermes  1873,  201  ff.), 
die  wegen  der  halbsabinischen  Form  eines  sabinischen  Monatsnamens 
flusare  noch  nicht  als  sabinisch  anzuerkennen  ist ;  es  ist  eckige  ungelenke 
lateinische  Bauernsprache:  defigere  ist  »befestigen«;  ferro  oeti  von  man- 
dare  abhängig;  humuis  vielleicht  verderbt  aus  *humitus,  sonst  =  humi;  lapi- 
destructa  ist  Compositum;  endo  freie  Partikel  zu  stant.  —  Die  Mitte  zwi- 
schen reiner  Bauernsprache  und  gebildeter  Sprache  hält  der  Bericht  des 
Ingenieurs  Nonius  Datus  unter  Antoninus  Pius,  doch  kommen  bei  richti- 
ger Interpunction  keine  Schnitzer  gegen  die  Elementargrammatik  vor, 
ebensowenig  specifisch  Afrikanisches  (gegen  Mommsen).  In  a  rigorem, 
sine  curam  ist  das  m  stumm  zu  denken;  ut  mit  Indicativ  erklärt  sich  als 
adeo  ut  »soweit  wie« ;  ergo  ego  qui  .  .  .  effeceram  ist  Ausruf;  inter  vias  ist 
Accusativ  (gegen  Corssen)  »während  des  Gehens«. 

Der  letzte  Abschnitt  V  (S.  275  -  356)  »Zur  Geschichte  der  Parti- 
keln« bespricht,  nach  einer  Einleitung  über  cingere  {arbores,  silvam)  = 
deglabrafe^  und  coinquere  =  deputare  (zu  acus ,  occa  u.  s.  W,),  zuerst  die 
Partikel  ast  =  at-s-te  »andrerseits,  noch  dazu«,  ursprünglich  im  zweiten 
fortsetzenden  oder  adversativen  Theil  eines  Bedingungssatzes  zwischen 
si  und  tum  {tunc)  Z.  B.  sl  Imperator  vivet^  ast  tu  id  faxis,  tum  (tunc)  tibi 
vovemus,  später  si .  .  .  si .  .  .  tum.  Sie  ist  sehr  selten,  verschwand  zwi- 
schen dem  zweiten  und  dritten  puuischen  Kriege,  ward  seit  Cicero  ge- 
lehrt wieder  aufgenommen,  aber  in  missverstandenem  Gebrauch  =  at, 
autem\  eine  Jugendsünde  ist  Cicero's  ast  autem  (Priscian  XVI,  16);  s.  noch 
unten.  —  Es  folgt  absque=ab-s{s.ast)  +  räthselhaftem  que,  ursprünglich  con- 
ditional-paratactisch,  wie  in  absque  me  esset^  faceret,  seit  Terenz  verschwun- 
den und  z.  B.  bei  Cicero  nicht  überliefert.  Seit  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr. 
kommt  es  wieder  in  Aufnahme  als  Präposition  »abgesehen  von,  ohne« 
und  ist  im  späteren  Vulgärlatein  häufig.  —  In  Betreff  von  equidem  =  e 
(Interjection?)  +  quidem  wird  der  freiere  Gebrauch  (nicht  selten  bei  Plau- 
tus)  als  der  ältere  hingestellt,  erst  allmählich  ward  es  =  ego  quidem  (so 
stets  bei  Terenz,  Cicero,  Plinius).  Es  war  ein  Wort  des  Gesprächs,  der 
urbanen  Unterhaltung,  des  Briefstils,  der  Rede,  daher  bei  Cicero  nicht 
im  streng  wissenschaftlichen  Stil.  —  Ueber  quod  in  der  Verbindung  quod 
eius  u.  s.  w.  (ja  nicht  in  quoad  zu  ändern)  wird  bemerkt,  dass  es  noch 
Accusativ  oder  Nominativ  ist,  aber  schon  auf  dem  Punkte  steht,  Con- 
junction  zu  werden;  daher  der  plautinische  Gebrauch  =  quod  si  (bedin- 


•     Bedeutungslehre.  193 

gend,  beschränkend);   auch  parlamentarisch  =  in  qua  re  scheint  es  ge- 
wesen zu  sein,  nach  Sallust. 

Ich  schliesse  hier  vier  kleine  Aufsätze  desselben  Verfassers  an,  die 

als  Ergänzungen  zu  dem  grösserem  Werke  angesehen  werden  können: 

Heinr.  Jordan,  Lautgesetzliches  zu  pomerium  und  Esquiliae.    Her- 
mes, Bd.  XV,  1880,  S.  1-4. 

Derselbe,  lieber  die  Inschrift  aus  dem  Fuciner  See,  ebendaselbst 
S.  6—12. 

Derselbe,  Ueber  olea,  oliva,  ebendas.  S.  13 — 21. 

Derselbe,  Quaestiones  orthographicae  Latinae,  ebendas.  S.  537 
-546. 

Pomerium  wird  auf  ein  *meiros  neben  moiros  zurückgeführt,  wie 
umgekehrt  die  Fuciner  Bronze  doivom  =  deivom  hat.  In  Esquiliae  kann 
ex  nicht  stecken,  da  es  *Ecquiliae  hätte  werden  müssen.  —  Das  ts  in 
Martses  {ts  =  z)  auf  der  Bronze  ist  vielleicht  marsisch;  Aprufclano{s)  = 
lat.  * Aprubiculunus  jedenfalls  provinziell;  auch  menurbid  (trotz  des  lat.  h 
statt  /)  und  ceip{us)  sind  marsisch;  doivom  ist  Acc.  Sg.  Neutr.  (wenn 
nicht  donoin  zu  lesen);  Attoier  =■  *AUoies\  dattia  Verb  mit  -a  =  -ant  (?); 
Esalico{m)  scheint  Gen.  Plur.,  so  dass  dann  ceip  =  dppum  wäre  ('?).  — 
0/ea,  oliva  sind  keine  entlehnten  Formen,  doch  ist  das  Etymon  dunkel.  — 
Constant  ist  die  Orthographie  Paidlus  mit  doppeltem  l,  weniger  constant 
das  c  in  Quindius,  Quinctilius.  -  Die  Form  dilectus  wird  durch  den  vati- 
canischen  Codex  der  Philippischen  Reden  für  Cicero  sicher  gestellt.  — 
Griechisches  Lehnwort  ist  offenbar  ihensa,  aber  woher?  ebenso  thus,  je- 
doch turibulum  (s.  oben  Mommsen). 

Ein  ursprünglich  weitschichtig  angelegtes  allgemein  grammatisches 
Werk  ist  in  wesentlich  eingeengter  Gestalt  in  den  letzten  Jahren  voll- 
endet worden: 

Dr.  Ferd.  Heerdegen,  Untersuchungen  zur  lateinischen   Sema- 
siologie.    Erlangen,  Deichert,  1875—1881,  8.,  in  3  Heften. 

Das  erste  Heft  (1875,  48  S.)  »Ueber  Umfang  und  Gliederung  der 
Sprachwissenschaft  im  Allgemeinen  und  der  lateinischen  Grammatik  ins- 
besondere«, auch  unter  dem  Titel  »Versuch  einer  systematischen  Ein- 
leitung zur  lateinischen  Semasiologie«,  stellt  für  die  Gliederung  der 
Wissenschaft  der  Einzelsprache  folgendes  allgemeine  Schema  auf: 
I.  Wortlehre. 

1)  Formeulehre  des  Wortes  für  sich:    Etymologie. 

2)  Semasiologie. 

II.  Satzlehre  (Lehre  vom  Worte  als  Satzgliede). 

1)  Formenlehre  des  Wortes  im  Satze:   Flexiouslchre. 

2)  Functionslehre  des  Wortes  im  Satze:    Syntax. 

Jahresbericlit  für  Altcnhuin-swisscnschaft  XXVUI.  (lS8l.  UI.)  13 


194  Lateinische  Grammatik. 

Die  Semasiologie  wird  S.  47  genauer  dcfinirt  als  die  Functionslehre 
des  Wortes  für  sich  oder  die  Lehre  von  der  Bedeutung  der  lexicalischen 
Formen. 

Das  zweite  Heft  (1878,  58  S.)  »Ueber  Ziele  und  Methode  der  la- 
teinischen Semasiologie«,  auch  unter  dem  Titel  ^)  Versuch  einer  Bestimmung 
und  Gliederung  der  allgemeinen  Principien«  gewinnt  als  Resultat  der 
Untersuchungen  folgendes  Schema: 

A.  Demonstrativwurzeln. 

B.  Appellativwurzeln. 

1.  Reale  Begriffsentwicklung: 

a)  Determination. 

b)  Association. 

n.   Modale  Begriffsentwicklung: 

a)  Abstracta. 

b)  Concreta, 

ein  Schema,  gegen  das  sich  auf  den  ersten  Blick  manche  Bedenken  er- 
heben. 

Das  dritte  Heft  endlich  (1881,  108  S.)  »Ueber  historische  Entwick- 
lung lateinischer  Wortbedeutungen«,  auch  unter  dem  Titel  »Ein  lexica- 
lischer  Beitrag  zur  lateinischen  Bedeutungslehre,  Syntax  und  Stilistik« 
behandelt,  nach  einem  kurzen  allgemeinen  Vorwort,  die  Geschichte  des 
Wortes,  orare.  Nach  Abgrenzung  gegen  die  Synonyma  und  Feststellung 
der  Etymologie  von  ös  »Mund«  und  der  Grundbedeutung  »mündlich,  mit 
Anstrengung,  anhaltend  reden«,  werden  vier  Perioden  der  Bedeutungs- 
entwicklung unterschieden : 

I.Periode,  bis  Plautus,  dominirende  Grundbedeutung,  in  den  12 Ta- 
feln ausschliesslich  absoluter  Gebrauch,  bei  Plautus  mit  ins,  aequom]  mit 
cum  ohne  äusseres  sachliches  Object. 

2.  Periode,  von  Terenz  bis  Livius,  Mittelpunkt  Cicero,  »bitten«, 
Grundbedeutung  nur  in  Formeln ;  reichste  Entfaltung  in  der  Construction 
und  Phraseologie;  Vergil,  mit  der  Grundbedeutung  au  die  Vergangenheit 
anknüpfend,  in  der  Syntax  in  die  Zukunft  vorausgreifend,  begründet  den 
Gebrauch  der  Conventionellen  poetischen  Tradition. 

3.  Periode.  Zeit  des  Verfalls,  bis  Gellius,  mit  den  beiden  Seneca 
und  Petron;  das  Wort  veraltet  in  der  Bedeutung  »bitten«  und  beschränkt 
sich  auf  bestimmte  Sphären  und  Gebrauchsweisen;  die  stilistischen  Ver- 
bindungen schlafen  ein,  die  Rectiousfähigkeit  nimmt  ab,  die  Coordination 
überhand.  Dagegen  wird  es  von  den  Rhetoren  in  pai'tieller  Verwendung, 
im  technischen  Sinne  von  »reden,  ein  Redner  sein«  rehabilitirt.  Tacitus, 
in  abgesonderter  Stellung,  schwankt  und  vermischt  die  Bedeutungen.  — 
Die  Archaisten  knüpfen  dann  an  verschiedenen  Punkten  an,  um  dem  Wort 
neues  Leben  einzuhauchen. 

4.  Periode,  christlich,  neues  alterthüralich  feierliches  Ethos  »beten« 
(nicht  mehr  im  Einzelnen  ausgeführt). 


Bedeutungslehre.  195 

Als  Anhaug  wird  (zu  kurz)  die  Forrageschichte  des  Wortes  gege- 
ben: seine  Ableitungen,  Zusammensetzungen,  bemerkenswerthe  Flexions- 
formen. Den  Schluss  bildet  ein  Verzeichniss  der  Synonyma,  Wortver- 
bindungen und  der  wichtigeren  besprochenen  Stellen. 

Die  Wahl  des  Wortes  ist  ohne  Zweifel  eine  recht  glückliche  und 
im  Wesentlichen  ein  gutes  Muster  für  ähnliche  Untersuchungen  geliefert. 
Das  Ganze  aber  ist  eigentlich  nur  eine  Probe  des  Beabsichtigten. 

Ein  ähnliches  Schicksal  der  Beschränkung,  dazu  noch  bei  verschiedener 
Behandlung,  hat  ein  zweites  gross  angelegtes  grammatisches  Werk  erlitten: 

Fr.  Haase,  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissenschaft.  Bd.  I. 
Einleitung.  Bedeutungslehre  (erste  Hälfte),  herausgegeben  von  Fr.  Aug. 
Eckstein.  Leipzig,  Simmel,  1874,  IV,  220  S.  8.  —  Bd.  IL  Bedeutungs- 
lehre (zweite  Hälfte),  herausgegeben  von  Herm.  Peter,  ebendas.  1880, 
XII,  268  S.  8.,  nur  bis  S.  175  nach  Haase's  eigenen  Aufzeichnungen, 
von  da  an  nach  Collegienhefteu. 

Die  Einleitung  behandelt  Begriff  und  Methode  der  Grammatik  im 
Allgemeinen,  dann  Vorarbeiten  und  Geschichte  der  lateinischen  Grammatik 
im  Besoudern,  nebst  einem  Excurs  über  die  philosophische  Grammatik, 
über  die  Entstehung  der  Sprache  und  ihrer  Bestaudtheile,  die  Gesetze 
der  Sprachbildung  und  -ausbildung  und  den  Untergang  der  Sprache. 
Es  fehlt  dann  der  ganze  erste  Theil  der  Grammatik,  die  Etymologie, 
wie  Haase  sie  nennt  (Elemente,  Wortbildung,  Flexion),  und  es  folgt  so- 
gleich der  zweite  Theil,  die  Bedeutungslehre.  Nach  Festsetzung  des 
Begriffs  und  kurzer  Geschichte  derselben  wird  behandelt: 

I.  Die  Bestimmung  der  Bedeutung  durch  die  Form,  im  Verhältniss 
zum  rohen,  formirten  und  zum  zugleich  abgeleiteten  Stamme. 
IL  Das  Verhältniss  der  Bedeutung  zum  Denken,  nämlich  Anwen- 
dung eines  Wortes  für  mehrere  Begriffe,  Anwendung  mehrerer 
Wörter  für  einen  Begriff,  und  Anwendung  eines  Begriffs  unter 
Voraussetzung  eines  andern. 
III.  Die  Bestimmung  der  Bedeutung  durch  die  Verbindung  der 
Worte,  und  zwar 

A.  Verbindung  des  Gleichen  (Concordanz),   adjectivische 
Verbindung  (bis  hierher  Bd.  I). 

B.  Verbindung  des  Ungleichen  (Regimen),  adverbielle  Ver- 
bindung : 

1)  Nomina  und  Nomina  (Genitiv). 

2)  Vcrba  und  Nomina  (Casus  obliqui,  Adverbia,  Prä- 
positionen). 

3)  Verba  und  Vcrba. 

C.  Correlative  Verbindung. 

Von  dem  dritten  Theil  der  Grammatik,  der  Satzlehre,  ist  wieder 
nur  das  Schema  erhalten. 

13» 


196  Lateinische  Grammatik. 

Die  in  dem  ebeu  betrachteten  Werk  vorhandenen  Lücken  sollten 
durch  ein  anderes,  leider  in 's  Stocken  gerathene  Werk,  wenigstens  theil- 
weise,  ausgefüllt  werden: 

K.  Reisig,  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissenschaft,  mit 
den  Anmerkungen  von  Fr.  Haase,  neu  bearbeitet  von  Hnrm.  Ilagen. 
Erster  Theil,  in  drei  Lieferungen.  Berlin,  Calvary,  1880—1881,  VII, 
428  S.  8. 

Dieser  bisher  allein  erschienene  erste  Theil  des  auf  16  Lieferungen 
berechneten  Werkes  enthält,  nach  einer  allgemeinen  Einleitung,  die  Ety- 
mologie der  Wortformen,  worunter  begriffen  ist  die  Lehre  von  den  Buch- 
staben, den  Wortformen,  der  Orthoepie  und  Orthographie.  Der  Haupt- 
abschnitt, über  die  Wortformen,  betrachtet  die  verschiedenen  Wortarten 
in  Flexion  und  Ableitung,  und  die  Zusammensetzung.  Der  Herausgeber 
hat  alle  Mühe  angewandt,  das  Werk  dem  jetzigen  Standpunkte  der  Wissen- 
schaft anzupassen,  aber  das  veraltete  Schema  und  die  veraltete  An- 
schauung widerstreben  zu  oft  und  heftig,  und  die  doppelten  Anmerkun- 
gen, nicht  selten  mit  doppelter  Correctur,  erschweren  das  Verstäuduiss 
und  die  Brauchbarkeit.  Gar  manches  hat  sich  überhaupt  nicht  hinein- 
arbeiten lassen. 

Von  der  grossen  Kühner'schen  Grammatik,  deren  erste  Theile  in 
den  früheren  Jahresberichten  besprochen  worden  sind,  ist  ein  neuer,  der 
letzte  Theil  erschienen: 

Raphael  Kühner,  Ausführliche  Grammatik  der  lateinischen 
Sprache.  Zweiter  Band,  zweite  Abtheilung.  Hannover,  Hahn'sche 
Buchhandlung,  187'J,  XII,  S.  629-1166,  8.,  vom  Sohne  Rudolf  Kühner 
besorgt. 

Es  enthält  dieser  Theil  die  Syntax  des  zusammengesetzten  Satzes 
oder  die  Lehre  von  der  Satzverbindung,  und  zwar: 

Cap.  VII.    A.  Die  Beiordnung, 

Cap.  VIII.  B.  Die  Unterordnung, 

Cap.  IX  (fehlt  im  Inhaltsverzeichuiss)  die  Fragesätze, 

Cap.  X  die  Oratio  obliqua, 

Cap.  XI  Eigenthümlichkeiten  in  der  Wort-  und  Satzfügung, 

Cap.  XII  Betonung  der  Rede;  Topik, 

Cap.  XIII  Periode. 
Es  folgen  Berichtigungen  und  Zusätze,  das  Sach-  und  Wörterverzeichniss 
zum  zweiten  Bande. 

Aus  den  Hauptquellen  sind  die  Thatsachen  für  die  classische  Sprache 
fleissig  zusammengestellt,  mit  kurzen  Bemerkungen  über  den  älteren  und 
späteren  Gebrauch,  doch  ohne  eingehendere  Untersuchungen  über  den  Ur- 
sprung, die  Entwicklung,  den  Verfall  der  Constructionen  oder  innere  Erklä- 
rung derselben.  Dagegen  ist  die  Vergleichung  mit  dem  Griechischen  ziemlich 


Formenlehre  und  Syntax.  197 

umfänglich  durchgeführt.  Abschnittweise  wird  einer  oder  mehreren  Auto- 
ritäten gefolgt;  Specialabhandlungen  sind  meist  nur  indirect  benutzt.  Bei 
einer  zweiten,  umsichtig  revidirten  und  ergänzten  Ausgabe  kann  das  Werk 
eine  gute  Quelle  zum  Nachschlagen  werden,  wie  die  Griechische  Gram- 
matik desselben  Verfassers. 

Unter  den  kleineren  Grammatiken  ist  ihrer  wissenschaftlichen  Hal- 
tung und  Selbständigkeit  wegen  zu  erwähnen 

G.  W.  Gossr au,  Lateinische  Sprachlehre.  Zweite  Auflage.  Qued- 
linburg, Basse,  1880.     XII,  748  S.  8. 

Zu  umfangreich  und  nicht  begrenzt  und  scharf  genug  für  den  Schü- 
ler, zu  wenig  kritisch  und  eingehend  für  den  Forscher,  eignet  sich  das 
Werk  besonders  als  Nachschlagebuch  für  den  Studenten  und  jungen 
Lehrer,  daher  es  auch  in  dieser  Ausgabe,  gegen  die  ursprüngliche  Ab- 
sicht des  Verfassers,  einen  umfangreichen  Index  erhalten  hat.  Die  Zu- 
sammenstellung aus  den  Quellenwerken  ist  durchweg  sorgsam  und  ge- 
schickt; Abweichendes,  Neugestaltetes,  Spuren  eigenen  Forschens  zeigen 
sich  besonders  in  einzelnen  Partieen  der  Formenlehre,  mehr  noch  in  der 
Modus-  und  Tempuslehre,  bei  den  Conditionalsätzen,  in  der  (freilich  sehr 
kurz  abgemachten)  Syntaxis  ornata,  in  der  Wortstellung.  Das  Auffälligste 
ist  die  Einführung  des  Ausdrucks  Subjunctiv  für  Imperfect  und  Plus- 
quamperfect  Conjunctivi,  unnöthig  für  die  Logik  und  nachtheilig  durch 
Complication  der  Consecutio  teraporum  und  durch  Auseinanderreissen  des 
formell  Zusammengehörigen.  In  Bezug  auf  die  Anordnung  ist  Manches 
ungeschickt:  Cap.  7  »Silbenmessung«  ist  getrennt  von  der  Metrik  Cap.  22; 
die  Rechtschreibung  hinkt  in  Cap.  19  bedenklich  nach  und  schlösse  sich 
correcter  an  die  Aussprache  in  Cap.  3  an;  in  der  Syntax  kommen  die 
Tempora  erst  nach  den  sämmtlichen  Modi  nebst  Infinitiv  und  Particip, 
Gerundium  und  Gerundivum;  Cap.  17  »Präpositionen«  ist  leer,  da  alles 
Betreffende  schon  früher  vorgekommen  ist,  u.  s.  w.  Schwach  in  der  Aus- 
führung und  voll  Irrthümer  sind  besonders  Cap.  4  und  5  »Wandlung  der 
Vocale  und  Consonanten« ,  wo  die  Kenntniss  der  Sprachvergleichung 
schmerzlich  vermisst  wird;  sehr  unvollständig  ist  die  Quautitätsbczeich- 
nung.  Die  Quedlinburger  loci  memoriales  (nur  aus  Cicero)  wären  gut 
irgendwo  zusammengedruckt. 

Zur  Morphologie  übergehend  erwähne  ich  zunächst  als  Sammel- 
werk, das  verschiedene  Punkte  der  lateinischen  Flexion  und  Wortbildung 
streift,  die  weiteren  Bände  von: 

Dr.  Herrn.  Osthoff  und  Dr.  Karl  Brugman,  Morphologische 
Untersuchungen.  Zweiter  bis  vierter  Theil,  1879—81,  Leipzig,  Ilirzel,  8. 
Th.  II,  262  S.  u.  VI;  Th.  III,  158  S.;  Th.  IV,  418  u.  XX  S. 

Freilich  kommt  in  diesen  Bänden  das  Lateinische  sehr  zu  kurz, 
und  keine  einzige  Untersuchung  beschäftigt  sich  spcciell  mit  ihm,  aus- 


198  Lateinische  Grammatik. 

genommen  Brugman's  Lückenbüsser  über  quaeso  (III,  130),  das  von  quaero 
getrennt  und  =  *quaes-so  gesetzt  wird.  Etwas  detaillirter  werden  von 
demselben  auch  für's  Italische  II,  148  ff.  die  schwachen  Formen  der  No- 
minalstcämrae  auf  -an,  -man,  -van  in  ihren  suffixalen  Weiterbildungen  und 
Zusammensetzungen  besprochen,  und  zwar  entsprechen  der  ursprünglichen 
vierfachen  Abstufung  -agw,  -a^n,  -n,  -n  die  lateinischen  Formen  -an,  -en, 
-n,  -en.  Ein  Anhang  bespricht  die  Endung  -em  der  Zahlwörter  von  7—10. 
—  In  II,  126  ff.  wird  von  Osthoff  die  pronominale  Neubildung  des  Nomi- 
nativs und  Genitivs  Plur.  der  ä-Declination,  equae  und  equärum,  daraus 
erklärt,  dass  die  ursprünglichen  Formen  *equäs  und  *equäm  mit  dem 
Genitiv  und  Accusativ  Sing,  zusammengefallen  wären.  —  In  III,  26  ff.  sucht 
Brugman  in  grossem  Umfange  sigmatische  Aoristbildungen  auch  für's 
Lateinische  nachzuweisen.  Es  gehören  dahin  nicht  nur  die  Perfecta  auf 
-si,  sondern  auch  die  sämmtlichen  gewöhnlich  vom  Perfect  abgeleiteten 
Zeiten,  endlich  auch  die  -2  und  3  Plur.  Indicativi  Perfccti.  So  ist  viderö 
=  gr.  Conj.  scdioj;  vuleris  =  ind.  vedisas;  vulerim  verhält  sich  zu  faxim, 
wie  ind.  gani'sijd  zu  boksijä;  vlcleram^  vldissem,  vüUsse  sind  vom  sigmati- 
schen  Aoriststamme  nach  Analogie  von  eram^  essem^  esse  gebildet;  vJdisiis 
ist  =  ind.  dvedista  (danach  totondistis)  u.  s.  w. ;  ferner  ist  dixi  =  idec^a 
mit  dem  Ausgang  von  vidi;  dixö  =  dem  Conj.  Sac^cu,  während  dixem  und 
dtxe  Neubildungen  sind;  amässo,  -ssim  u.  s.  w.  sind  Conj.  und  Opt.  Aoristi. 
Es  sind  in  der  Geschichte  des  allmählichen  Eindringens  sigmatischer 
Aoristfcrrmen  in  das  Gebiet  des  altindogermanischen  Perfects  im  Latei- 
nischen drei  Perioden  zu  unterscheiden:  1.  Perfectformen  und  Aorist- 
formen sind  noch  getrennt;  2.  die  -i*- Formen  dringen  ins  Perfect  ein; 
3.  die  -5 -Aoriste  gliedern  sich  den  Perfectsystemen  an.  —  In  III,  91  ff. 
vertheidigt  derselbe  seine  Ansetzung  dreier  ursprünglicher  os- Laute  im 
Indogermanischen  gegen  Job.  Schmidt  und  Collitz  (s.  oben)  und  bekämpft 
eine  Reihe  von  Aufstellungen  des  Ersteren,  auch  für's  Lateinische.  — 
In  III,  131  ff.  endlich  sucht  er  nachzuweisen,  dass  die  Affricierung  den- 
taler Explosivlaute  vor  t  schon  vor  der  Völkertrennung  eingetreten  war, 
und  stellt,  nach  der  im  Jahresbericht  für  1876  —  77  besprochenen  Ab- 
handlung Fröhde's  (Bezz.  Ztschr.  I,  177  —  212),  folgende  Regeln  auf: 
1.  t,  d,  dh  -f-  t  zwischen  Vocalen  und  nach  Nasal  und  Liquida  wird  zu 
SS  (s) ;  was  diesem  Gesetz  nicht  folgt,  ist  nicht  lautmechanisch  eingetreten, 
sondern  Analogie-  oder  Neubildung;  2.  vor  r  entsteht  st,  aus  sst  =  tst-^ 
das  t  ist  erhalten,  da  die  Lautverbindung  sr  unerträglich  war  (Einschub 
von  t  in  sobnnus  aus  *sostrmus  aus  *  sos-rmus).  Urindogermanisches  s  +  t 
erscheint  als  st;  wo  ss  (s)  eintritt,  ist  associative  Neubildung  anzunehmen. 
Das  Superlativsuffix  -is-simus  enthält  -simus  (s.  maximus)  aus  -thnus,  her- 
übergekommen von  den  Ordinalzahlen  auf  -e{n)smus,  regelrecht  aus  -ent- 
timus.  —  Osthoff 's  langer,  fast  den  ganzen  vierten  Theil  ausfüllender 
Aufsatz  »Ueber  die  Tiefstufe  im  indogermanischen  Vocalismus«   sucht, 


Morphologie.    Declination.  199 

in  Bezug  auf  den  Wechsel  von  Länge  und  Kürze  bei  i  und  u  in  den- 
selben alten  Erbwörtern  und  Wortbildungskategorien,  nachzuweisen,  dass 
J,  ti  vor  Consonanten,  /?-,  uu  vor  Sonanten  die  Form  der  nebentonigen 
Tiefstufe  ist;  J',  ü  vor  Consonanten,  j,  u  vor  Sonanten  die  Form  der  ton- 
losen Tiefstufe.  Die  Schlussfolgerungen  für's  Lateinische  sind  zu  sehr 
zerstreut,  um  hier  gesammelt  werden  zu  können. 

Nur  citiren  kann  ich,  wegen  mangelnder  Kenntniss  der  betreffenden 
Sprache,  das  russisch  geschriebene  Werk: 

J.  W.  Netuschin,  Genetische  Darstellung  der  Phonetik  und  Mor- 
phologie der  lateinischen  Sprache.    Charkow,  1878.    VIII,  248  S.  8. 

Das  Werk  enthält  einen  Anhang  über  das  Oskische  und  Umbrische 
und  scheint  eine  nicht  unfleissige  Zusammenstellung  aus  den  besten  deut- 
schen Quellen  zu  sein. 

Eine  starke  Umarbeitung  hat  erfahren: 

Franz  Bücheier,  Grundriss  der  lateinischen  Declination.  Mit 
des  Verfassers  Erlaubniss,  unter  Benutzung  der  französischen  Ueber- 
setzung  von  M.  L.  Havet,  auf's  neue  herausgegeben  von  J.  Windekilde. 
Bonn,  Emil  Strauss,  1879.     132  S.  und  4  S.  Inhaltsverzeichniss,  8. 

Bücheier  hat  die  Verantwortung  für  diese  fast  doppeltstarke  Be- 
arbeitung des  in  erster  Ausgabe  vergriffenen  trefflichen  Werkes  ausdrück- 
lich abgelehnt:  er  hat  dem  Herausgeber  nur  bestimmte  Punkte  zur  Be- 
richtigung und  Umarbeitung  bezeichnet;  der  Textgestaltung  blieb  er  ganz 
fern.  Die  Ordnung  ist  dieselbe  geblieben,  die  Ergänzungen  sind  nicht 
nur  aus  Havet,  sondern  überallher  genommen,  zahlreiche  Belege  unter 
den  Seiten  rechtfertigen  die  kurzen  Ansätze.  Die  knappe,  geschickte 
Zusammenstellung  der  erhaltenen  Formen,  mit  möglichst  vollständiger 
Benutzung  der  Inschriften,  der  Reste  des  Altlateinischen,  der  plautini- 
schen  Metrik  (vielleicht  zu  weitgehend),  der  Handschriften  und  der  alten 
Grammatiker,  bildet  noch  immer  den  Hauptvorzug  des  Werkes.  Die 
Vergleichung  ist  sparsam  und  beschränkt  sich  auf's  Nächstliegende,  die 
altitalischen  Sprachen  und  das  Griechische;  allgemeinere  Hindeutungen 
auf  die  verwandten  Sprachen,  auch  das  Indische,  sind  sehr  selten.  Spar- 
sam sind  auch  die  Reflexionen  und  Erklärungsversuche,  noch  unberührt 
von  den  kühnen,  oft  aber  doch  recht  plausiblen  Hypothesen  der  jung- 
grammatischen Schule.  Gerade  diese  Enthaltsamkeit  zeigt,  wie  viel  noch 
zu  leisten  übrig  bleibt,  um  das  Flexionssystem  durchschauen  zu  können. 
Die  Gliederung  ist  die,  dass  auf  die  Vorbemerkungen  über  Stämme,  Casus, 
Geschlecht  die  einzelnen  Casus  in  der  Reihe:  Nominativ  (Anhang  Voca- 
tiv),  Accusativ,  Genitiv,  Ablativ,  Dativ,  Locativ  (im  Plural  mit  Dativ  und 
Ablativ  vermengt),  durchgenommen  werden.  Ich  gebe  im  Folgenden  eine 
Reihe  der  wichtigsten  Notizen: 


200  Lateinische  Grammatik. 

S.  9.  Das  weibliche  Genus  bewahrt  die  ältere  Form  (Cic.  de  orat. 
III,  45). 

S.  10.    Comparativ  bis  in's  .5.  Jahrhundert  einendig  -öi-. 

S.  34.  Nora.  PI.  der  cons.  Stämme  -cn,  geschwächt  -e,  seit  540  -es 
aus  Bedürfniss  nach  Deutlichkeit  und  Durchsichtigkeit,  eigentlich  Uebcr- 
gang  in  die  j-Declination. 

S.  36.  Aehnlich  Nom.  PI.  der  «-Stämme  ursprünglich  -äs,  geschwächt 
-a,  später  der  Deutlichkeit  wegen  -ai,  pronominal  nach  quai,  hai-c. 

S.  36.  Ebenso  Nom.  PI.  der  o-Stämme  (-os),  (-o),  dann  (-ot),  daraus 
-oe  {pilumnoe^  i)oploe,  fesccninoe,  s.  oben  Jordan),  belegt,  mit  Schwächung 
von  0  zu  e  (bedenklich!),  als  -es,  -eis  {ei  Mischlaut  von  e  und  i  oder  =  <), 
-is,  dann  -e,  -e«,  -?,  dadurch  Uebergang  in  die  i-Declination. 

S.  44.    Vocativ  mi  aus  *mie  für  *mee,   s.  mieis. 

S.  46.  Acc.  Sg.  der  /-Stämme  ursprünglich  -e/«,  übertragen  auf  die 
consonantischen ;  diese  hatten  urspr.  -am  {-om,  -um).  Der  Vocal  vor  m  war 
ursprünglich  lang,  dann  mittelzeitig  (schwerlich!),  s.  S.  49. 

S.  48.   frusträ.  AcC.  PI. 

S.  52.  med  u.  s.  w.  als  Acc.  durch  Verwechslung  mit  dem  Abi., 
erleichtert  durch  die  frühe  Abschleifung  des  d^  Anomalie  des  Volks- 
idioms. 

S.  53.    Acc.  PI.  -s  aus  (-ms,    ns,  -ss). 

S.  57.  Acc.  PI.  der  i-  und  conson.  Stämme  ursp.  -es,  daneben  die 
i-Stämme  -ei«,  -/«,  auch  auf  die  conson.  übergegangen. 

S.  59.  Gen.  Sg.  der  conson.  Stämme  (-os),  -us,  durch  Einwirkung 
der  z-Stämme  -es,  -is  (oder  -is  aus  -ios.^  ius),  kaum  richtig. 

S.  62.  Gen.  Sg.  der  a- Stämme  -äs  (Adverbia  alias,  alteras,  utras- 
que,  inter  vias  s.  Jordan,  inter  pugnas,  ebenso  interdius,  -diu  von  einem 
?<- Stamme,  nox,  fors  von  conson.  Stämmen),  nicht  aus  *-ais,  seit  dem 
6.  Jahrhundert  -äis  {Prosepnais,  doch  recht  zweifelhaft),  -ai,  -ai,  -ae  (ur- 
sprünglich vielleicht  -ajas);  Genit.  Coira  =  -äs  oder  -äi?  —  Die  Form 
-aes  aus  -ais  (?)  ist  rustican,  ziemlich  jung,  besonders  in  Etrurien  hei- 
misch, ausgedehnt  durch  Einfluss  des  gr.  -rjg  (eher  überhaupt  griechisch). 

S.  66.  Gen.  Sg.  der  e- Stämme  -es,  schwach  -e,  erweitert  -e-T  (aus 
-e-is?),  -ei,  -~i  (eher  e  aus  ei). 

S.  69.   Gen.  Sg.  der  o-Stämme  {-ois),  {-oi),  dann  -J,  erst  608  -ei. 

S.  76.  Gen.  Sg.  auf  -lus  eig.  Adject.  Nom.  Sg.  Masc.  quoius  u.  s.w.; 
-t  z.  B.   isti,  aus  {-is)  =  -las. 

S.  79.    Gen.  PI.  boverum  u.  s.  w.  von  erweitertem  Stamm. 

S.  86.    Gen.  PI.  Aisemim,  Tiati  durch  osk.  Einfluss  (s.  Saßnim). 

S.  88.  Gen.  PL  -ärum,  erst  später  auch  -örum,  mit  vollerem  Suffix 
(doch  wohl  pronominal). 

S.  90.  Der  Ablativ  drückt  auch  das  Wohin  aus  z.  B.  isto  u.  s.  w. 
(erst  in  der  Kaiserzeit  istu-c,  mit  Umlaut),  er  ist  überhaupt  der  Casus 
der  allgemeinen  Abhängigkeit  vom  Satzgefüge. 


Declination.  201 

»  S.  94.    apud  {apor,  apo)  ist  Abi. 

S.  95.  Ablativische  Adverbien  auf  -ed  statt  -od  des  BedeutiiDgsuQ- 
terschiedes  wegen. 

S.  96.  Abi.  Sg.  der  «-Stämme  -ed,  -Jd,  dann  -ed,  -id  u.  s.  w.,  davon 
zu  den  conson.  Stämmen  -id  (nicht  =  altem  -at);  selten  Abi.  -ei. 

S.  101.    sme  =  *  seine  =  *sed-ne  »für  sich  allein«. 

S.  102.    Dat.  Sg.  urspr.  -ai,  lat.  -l 

S.  106.  popidoi  Romanoi  anerkannt,  nicht  Mettui  Fuhettui,  eher  Metti 
Füfetioeo  (s.  oben  Jordan). 

S.  107.  Dat.  Sg.  der  conson.  und  «-Stämme  -e,  -ei  (s.  oben),  -i  (oder 
Locativ?). 

S.  111.   Im  Supinum  auf  -ü  Verschmelzung  von  Dativ  und  Ablativ. 

S.  113.  Bei  Plautus  und  sonst  archaisch  tibi  metrisch  mehrfach 
einsilbig  =  {tihi,  ti). 

S.  113.  Uli  u.  s.  w.,  alterei  (aus  -eroi?)  sind  Locative,  S.  illi-c 
(schwerlich!). 

S.  115.  quoiei  aus  quo-i-ei  von  erweitertem  Stamm;  quoi,  cai  selb- 
ständige locative  Bildung,  ebenso  hoi-ce,  Imi-c  (auch  hui);  auch  eid  ist 
erweitert,  el  sehr  selten. 

S.  117.  Locat.  Sg.  der  o-Stämme  alt  -oi  (Dativ  o'i),  geschwächt  -e, 
-i,  auch  -ei  (s.  oben),  ebenso  von  den  «-Stämmen  -ai,  -ae.  Unterschied 
des  Locat.  Suniei,  Sunii  vom  Gen.  Suni. 

S.  119.   Loc.  Sg.  der  cons.  und  «-Stämme  ?  und  e,  jenes  älter,  auch 
herei;  mane,  rure  durch  Uebertritt  in  die  j-Declination;  Locative  sind  die 
Infinitive   auf  -i  und  -e:    fieri,  promei-e. 
f  S.  121.    quei^  qul  Locativ,  auch  atqui;  es  steht  für  den  Abi.  in  qui 

piraesente,  quicum  u.  s.  w. 

S.  123.  Dat.  Abi.  Loc.  PL  alt  -Las,  nirgends  klar,  neben  -hos;  om- 
nimodis  aus   oinnis-  =  omnibus-  (s.  oben  tibi). 

S.  126.    dibus,  ayiiicibus,  saibus  sind  unorganische  Mctaplasmeu. 

S.  127.  -IS  aus  -ais,  -ois  =  ind.  Locat.  -su,  gr.  -tat;  Dat.  devas 
Corniscas*),  wie  'Okoixncaat,  ohne  Einschub  des  stammerweiternden  i;  con- 
trahirt  -es,  später  -eis. 

S.  128.    oloes,  privicloes  anerkannt,  ja  *olaes  supponirt  (S.  132). 

S.  130.  Pronominales  -bis  z=  -bei,  -bi  des  Sg.  +  pluralischem  -s\ 
nöbis  aus  *nos-bis\  nis  aus  verkürztem  *ndbis  (s.  tibi),  ähnlich  vos-cum 
aus  vöbis-cum;  dagegen  iis,  is  aus  eieis  (nach  der  o-Declination);  unent- 
schieden bleibt  die  Deutung  von  queis,  qiüs;  heis,  lüs. 

Die  pronominalen  Genitive  und  Dative  auf  -his,  -i  sind  wieder  spe- 
ciell  behandelt  in 


*)  Vielleicht  Gen.  Sg.,  wie  bei  Widmungen  im  Etniskischon  unil  Messa- 
pischen. 


202  Lateinische  Grammatik. 

0.  A.  Daniclson,  Studia  Grammatica.    Upsala,  Edquist,   1879, 
64  S.  8.,  mit  einem  Auliang  über  sircmps. 

Nach  einer  Erörterung  über  die  Quantität  des  i  bei  Plautus,  wo 
sich  der  Verfasser  an  Brandt  anschliesst,  und  einer  Darlegung  und  Wider- 
legung der  übrigen  Deutungen,  wird  im  Wesentlichen  die  Ansicht  Meu- 
nier's  adoptirt,  der  in  seiner  Schrift  de  quelques  anomalies  que  presente 
la  declinaison  de  certains  pronoras  (M6moires  de  la  soc.  de  lingu.  de  Pa- 
ris I,  14  ff.)  lus  und  -z  durch  Auhängung  des  Genitivs  und  Dativs  von  is 
erklärt;  doch  nimmt  Danielson,  abweichend  von  ihm,  nicht  Anhängung  an 
den  schon  gebildeten  Casus,  sondern  an  den  reinen  Pronominalstamm  an 
(s.  Ebel  in  Kuhn's  Zeitschr.  V,  190,  Note),  also  z.  B.  huius  aus  hu-  (eig. 
ho-)  -\-  eins,  hui-c  aus  hu  -\-  ei{i)-c\  es  gehören  aber  eins  und  ei  eigentlich  zu 
dem  starken  Stamme  ei;  -us  aber  ist  die  alte  Genitivendung  der  con- 
sonantischen  Stämme,  von  da  auf  die  z- Stämme  übertragen.  Auch  ?«zs, 
tis  sind  =  mi  +  *-«*■,  *-ius.  Gelegentlich  wird  Corssen's  Ansicht  wider- 
legt, dass  -*  vorhergehenden  Vocal  kürzen  könne  (S.  40).  —  Das  Wort 
siremps  wird  zerlegt  in  si-c{e)-senips  vom  Pronomen  se?n  mit  eingeschobe- 
nem p,  wie  in  hiemps\  falsche  Analogie  bildete  sirempse  (von  res);  das 
Wort  war  ursprünglich  Adjectiv,  wie  recens,  deinceps;  in  sirempsem  ist 
noch  em  =  tum  angetreten. 

Aus  dem  Gebiete  der  Flexion  des  Adjectivs  ist  als  eine  in  Gründ- 
lichkeit,und  geistreicher  Auffassung  musterhafte  Schrift  zu  bezeichnen: 

Edu.  Wölfflin,  Lateinische  und  romanische  Comparation.    Er- 
langen, Deichert,  1879.    VI,  92  S.  8. 

Die  Schrift  wird  vom  Verfasser  bezeichnet  als  ein  Beitrag  zu  einer 
aus  der  Specialuntersuchung  der  einzelnen  vulgarisirenden  Autoren  auf- 
zubauenden Grammatik  des  Vulgärlateins,  und  ist  ein  Capitel  aus  den 
Vorlesungen  über  dasselbe.  Die  Comparation  aber  eignet  sich  zu  einem 
solchen  Specimeu  ganz  besonders  (s.  die  im  Jahresbericht  für  1876—77 
von  mir  angezeigte  Schrift  von  Ott  über  Doppelgradation  und  Rönsch 
Itala  und  Vulgata).  In  den  allgemeinen  Vorbemerkungen  werden  die 
Augmentations-  und  Deminutionssilben  überhaupt  besprochen.  Es  giebt 
nur  steigernde,  nicht  mindernde  Comparation,  doch  entspricht  dem  Elativ 
als  Gegensatz  in  gewisser  Weise  die  Composition  mit  sub-  (factisch  drückt 
auch  der  Comparativ  auf  -ior  in  der  Bedeutung  »etwas  .  .  .«  eine  Min- 
derung aus).  Die  Steigerung  von  Substantiven  ist  vulgär  (Plautus,  die 
Itala).  Bei  Schwierigkeiten  in  der  Steigerung  von  Adjectiven  und  Ad- 
verbien wird  mitunter  das  Griechische  zu  Hülfe  genommen  {compsissume, 
drzix(i)T£pog).  Ein  Anomalen  besonderer  Art  ist  ipsimus^  seit  Petron, 
aber  schon  im  CatuU  ist  Ipsimilla  herzustellen.  Der  Elativ  durch  Ver- 
doppelung des  Positivs  ist  erst  christlich  (semitisch).  —  Was  dann  zu- 
erst die  Steigerung  durch  Adverbia  betrifft,  so  ist  magne  ganz  jung, 
magnopere,  magnifice  bei  Verben    und   Participien  schon   früher   üblich; 


ComparatioD.  203 

summe  braucht  Cicero  in  den  früheren  Schriften;  multum  (nicht  bei  Cicero) 
ist  vulgär,  non  parum  familiär ;  haud  parum  hat  Livius ;  vcdde,  durch  Cicero 
in  die  Prosa  eingebürgert,  drang  nicht  durch;  sane  ist  archaisch,  ebenso 
vehementer  (auch  vulgär) ;  fortiter,  bei  Verben,  ist  medicinisch.  Meist  bei 
Verben  steht  auch  misere,  aber  alt  ist  auch  misere  miser  (Plautus).  Vor 
Adjectiven  ist  be7ie  selten  in  der  Comödie,  häufiger  bei  Enuius,  Cato, 
Cicero,  meist  bei  guten  Dingen;  male  ist  dichterisch,  auch  scherzhaft; 
prime  (Nävius),  appriine  (Plautus),  cumprime,  später  (bei  Gellius)  cumpri- 
mis  (nach  Analogie  von  inprimis)^  ferner  egregie^  eximie  u.  s.  w.,  andrer- 
seits graviter.  Sehr  oft  steht  oppido  bei  Adjectiven;  aliquam  {partem)  ist 
herabsetzend;  admodum  ist  »völlig«,  nicht  »ziemlich«;  nrnw  ist  bei  Plau- 
tus häufiger  als  nimium;  auch  nimio  findet  sich;  romanisch  ist  nimius 
=  magnus  geworden;  in  primis,  itUer  paucos  u.  S.  W.  Steigernd  ist  auch 
die  Composition  mit  per-,  prae-^  vgl.  noch  perquam,  nimisquam.  Es  ist  iü 
diesem  Punkte  das  Lateinische  reicher,  als  das  Griechische,  doch  wech- 
seln die  Ausdrücke  nach  den  Perioden.  —  Die  Umschreibung  des 
Comparativs  und  Superlativs  ist  im  Romanischen  Regel  geworden; 
im  Lateinischen  ist  magis,  maxime  am  üblichsten ;  plus,  zuerst  bei  Verben 
(unsicher  plurimum),  drang  in  Frankreich  (Sidonius)  und  Italien  durch, 
während  mofßs  Conjunction  ward  (frz.  mais,  ital.  mai).  Nothwendig  wurde 
die  Umschreibung  theils  der  Form  wegen  (Adj.  auf  -eus,  -ius,  -uus),  theils 
der  Bedeutung  wegen,  theils  bei  zu  langen  Wörtern,  endlich  aus  me- 
trischen Gründen.  —  Die  Verstärkung  der  Steigerungsgrade 
(s.  Hand):  die  Regel:  7mdtc  beim  Comparativ,  lange  beim  Superlativ, 
gilt  nur  für  Cäsar  und  Cicero;  archaisch  steht  der  Superlativ  nur  mit 
multo,  während  Plautus  longe  beim  Comparativ  hat;  aliquantum  bei  Terenz, 
dann  bei  Livius;  vel  erst  bei  Cicero  in  den  Reden;  facüe,  omnium  u.  s.  w.; 
spätlat.  ist  quam  plurimi  =  multi.  —  Doppelgradation  (s.  Ott),  auch 
durch  steigerndes  Adverb  und  Suffix,  oder  zwei  Adverbia  z.  B.  oppido 
perquam  multi -^  ziemlich  alt  sind  dexterior  (Ciccro)  und  sinisterior ;  dcxtimus 
gehört  der  Soldatensprache  an;  schon  bei  Plautus  begegnen  posterior 
u.  s.  w. ;  superim  im  bellum  Hispan.;  inferius  bei  Vitruv  u.  s.  w.;  pluriorcs 
(frz.  p)lusieurs)  schon  bei  Hilarius  von  Poitiers;  magis  maior,  plus  levior 
u.  s.  w.;  praeclarissimus  bei  Hirtius,  Nepos,  Cicero.  —  Der  Gegenstand, 
womit  verglichen  wird:  Den  Gebrauch  von  plus,  minus  bei  Zahl- 
wörtern ohne  quam  erklärt  man  sich  am  leichtesten  durch  Umstellung 
z.  B.  quingentos  plus  (statt  lüures)  colaphos;  cum  L,  haud  amplius,  eqniti- 
bus;  vgl.  simul  ac  venit,  sol  occidit  für  venlt  simid,  ac  s,  o. ;  cura  (ut)  va- 
leas  aus  valeas ,  cu7-a;  dum  scribo,  venit  aus  scriho ,  d{i)um  venit;  ferner 
urspr.  fremant  omnes  licet,  fremas  quam  vis  u.  S.  W.  Der  Ablativ  beim 
Comparativ  ist  abl.  separationis  »im  Abstände  von« ,  in  der  classischcn 
Sprache  in  negativen  Sätzen,  Fragen  mit  negativem  Sinn  und  gewissen 
Redensarten  (gegen  Dräger);  auch^te  iu^to  gestellt  (gegen  Zumpt).  Der 
Genitiv   (Gräcismus)   erst  bei  Vitruv.     Atquc  nach  dem  Comparativ  vor 


204  Lateinische  Grammatik. 

Horaz  nur  bei  der  Negation.  Der  romanische  Genitiv  mit  de,  «,  beim 
Comparativ  ist  christlich  (semitisch).  —  Die  Verschiebung  der  Com- 
parationsgrade:  In  der  Zeit  der  Sprachverwirrung  wird  jede  Stufe 
mit  der  andern  vertauscht  (s.  Ott).  Steigerung  bei  Citaten  und  Ueber- 
setzungcn:  nokM  =  aliquanto  plura;  Superlativ  für  Positiv  zuerst  bei 
Verbindung  mit  prägnanten  Positiven;  Comparativ  für  Positiv  (dürftig 
bei  Ott)  in  ocius,  dtius,  celerius;  ante  alios  immanior  (Vergil);  mit  Super- 
lativ bei  Plautus;  ita  mit  Comparativ,  nt  bei  Ammian.  —  Der  Comparativ 
tritt  besonders  auch  aus  metrischen  Gründen  ein  {Inutilior  bei  Dracon- 
tius).  Die  Vertauschung  des  Comparativs  und  Superlativs  tritt  zuerst, 
wie  fast  alle  obigen  Erscheinungen,  bei  den  anomalen  Bildungen  ein:  so 
bei  Titeln  maior,  senior  u.  S.  W.,  dann  prior-,  andrerseits  plnrimus,  mini- 
rmis,  optimus  statt  der  Comparative.  Viel  seltner  ist  der  Positiv  für  einen 
höheren  Grad,  wie  bei  Tacitus  vehementim  quam  caute\  dann  bei  quanto- 
tanto;  andrerseits  schon  bei  Cicero  (ad  Att.)  quam  magni  aestimat;  beson- 
ders bei  volo-,  Valer.  Maxiraus  qua?n  j)otidt  constanter\  bei  Apulejus  auch 
ohne  yeWe  und  j)osse*).  —  Es  folgt  eine  Untersuchung  über  quisqiie  mit 
den  drei  Graden,  mit  mancherlei  Berichtigungen  der  bisherigen  Auf- 
fassung. Die  Schlussbetrachtung  hebt  hervor,  dass  das  Zusammenfallen 
der  Grade  nicht  Folge  von  Abschleifung  der  Formen,  sondern  von  Ab- 
schwächung  der  Bedeutung  gewesen  ist;  das  Herabsinken  aber  war  ein 
beständiges. 

Aus  der  Pronominallehre  ist  hervorzuheben: 

Otto  Kienitz,  De  quj  localis  modalis  apud  priscos  scriptores  latinos 
usu.  Leipzig,  Teubuer,  1879,  48  S.  8.,  auch  in  den  Supplementen  zu 
den  Jahrb.  f.  class.  Philol.  X,  S.  527—574. 

Die  Arbeit  schliesst  sich  an  die  im  vorigen  Jahresbericht  besprochene 
desselben  Verfassers  über  quin  an  und  ist  in  gleicher  Weise  augelegt. 
Zuerst  wird  über  den  pronominalen  Gebrauch  gehandelt,  als  Interrogativ 
(Instrum.  oder  Locat.  von  quis,  auch  qidcum,  einmal  =  quare),  als  Rela- 
tiv {qmcum,  ohsolet  seit  der  Vorsetzung  von  cum;  einmal  für  quibuscum), 
als  Indefinitum  (quicwnvis,  cum  quJquam,  auch  ab  aliqiä,  a  quiquam).  Es 
zeigt  sich,  dass  qul,  stets  substantivisch,  theils  instrumental,  theils  abla- 
tivisch gebraucht  wird,  wo  eine  andere  ablativische  Form  fehlt,  bei  Plau- 
tus mit  jeder  Präposition,  später  nur  qtäcum  bis  Cicero,  formelhaft.  Es 
gehört  zu  den  Nominativen  qtii,  quis,  quid.  —  Der  zweite  Theil  erörtert 
den  unpersönlichen  Gebrauch,  ebenso  geordnet:  interrogativisch  in  der 
oratio  recta  modal,  meist  eigentlich  ablativisch,  »wie?«;  in  der  oratio  obli- 
qua  als  pretialis,  dann  =  riuomodo,  auch  wohl  =  quare,  in  Verwünschun- 
gen =  utinam  »wie  (könnten)  wohl?«;  ferner  relativisch  als  pretialis,  in- 


*)  quam  midta  in  Caelius'  Briefen  bei  Cicero  und  bei  Cicero  selbst  (Er- 
gänzung durch  H.  Jordan  im  Hermes  XIV,  633). 


Pronomina.     Conjugation.  205 

Strumental  und  adverbial  (aus  dem  Neutrum),  nie  adjectivisch;  modal  = 
ut  finale  (Conjuuction),  nie  qm  minus  (da  quo  abl.  mensurae  ist);  endlich 
indefinit,  enklitisch  m-ecqiä,  numqm^  siqul,  componirt  in  aUqul,  qnupte^  qiä- 
qm,  quTpiam,  qulquam ;  erst  später  alioqui,  ceteroquT.  Nicht  bebandelt  sind 
atqm,  nequiquavi  u.  s.  w.  Das  Resultat  ist  wesentlich  das  gleiche  wie 
oben.  Auch  hier  zeigt  sich,  das  qui  stets  substantivisch  (auch  neutral) 
ist,  nie  reiner  Ablativ  (=  unde),  ausser  wo  der  Ablativ  auf  -o  oder  -a 
fehlt;  nie  Locativ  (=  ubi).  —  Im  dritten  Abschnitt  wird  dagegen  nach- 
gewiesen, dass  es  der  Form  nach  allerdings  nur  Locativ  sein  kann,  aber  auch 
andere  Locative,  wie  ä?-c,  kommen  nie  mehr  in  locativem  Gebrauche  vor 
(doch  s.  unten.  Hermes  XV,  612).  Es  i?t  an  Stelle  des  im  Lateinischen 
fehlenden  Instrumentalis  getreten;  mit  cum  vertritt  es  den  sociativen  In- 
strumentalis. Eine  ablative  Form  quid  hat  nicht  existirt  und  ist  im  Plau- 
tus  zu  tilgen. 

Die  Conjugation  ist  behandelt  in: 

Emil  Eisenlohr,  Das  lateinische  Verbum.  Grammatikalische 
Abhandlung.     Heidelberg,  Groos,  1880.     52  S.  8. 

Die  Schrift  giebt  eine  fleissige  Zusammenstellung  nach  Neue,  mit 
Sprachvergleichung,  aber  mancherlei  Fehlern  und  willkürlichen  Urformen, 
wie  wenn  als  lateinische  Grundformen  cthomasi,  veheiasl,  vehonti  (S.  19) 
angesetzt  werden.  Die  schwierigeren  Probleme  werden  nicht  berührt, 
auch  die  Quantitätsbezeichnung  fehlt. 

Eine  Eiuzelform  bespricht: 

Claudio  Giacomino,  Dell'  infiuito  presente  passivo  latino.  Sa- 
vona,  1880,  44  S.  8.  (Lyceumsprogramm).. 

Die  Construction  von  amari  =  amarier  aus  *  ama-si-em-se  =  amare 
stesso  se,  mit  Ausfall  des  m,  wie  in  amarer  =  *amarem-se,  wird  schwer- 
lich Beifall  finden. 

Eine  andere  isolirtc  Form  ist  in  ungeahnter  Weise  combinirt  in 

F.  Gustafsson,  En  jeraförelse  nellan  finskan  och  latinet.  Öfver- 
sigt  af  Finska  Vetenskaps  -  Societetens  Förhandlingar  1878  — 1879. 
5S.  8. 

Der  Verfasser  fasst  nämlich,  nach  Analogie  der  als  Personen  des 
Verbum  finitum  gebrauchten  Participialfonnen  auf  -näni,  -inino,  auch  die 
3  Plur.  Priis.  auf  -aid,  -eni,  -unt  als  eine  Participialform  auf,  und  ver- 
gleicht damit  die  Bildung  der  3  Sg.  Präs.  auf  -vi,  -pi  und  3  Pliu-.  auf 
■vat,  -vät  im  Finischen,  nach  Blomstedt  zum  Participium  Präs.  auf  -va, 
-vä,  -pa,  -pä,  PI.  -vat,^  -vät  gehörig.  Die  übrigen  Personen  auf  ->d,  in 
den  andern  Zeiten,  sind  dann  nach  Analogie  gebildet.  Bekanntlich  hatte 
Benfey  einmal  den  umgekehrten  Weg  versucht. 


206  Lateinische  Grammatik. 

Andere  hierbergeliörige  Specialschriften  sind: 

Ed.  Rud.  Tliurneysen,  lieber  Herkunft  und  Bildung  der  latei- 
nischen Vcrb;i  auf  -io  der  dritten  und  vierten  Conjugation  und  ihr 
gegenseitiges  Verhiiltniss.   Doctordissertation  von  Leipzig,  1879,  G8  S.  8. 

Der  Verfasser  giebt  in  Cap.  I  ein  Verzeichniss  der  betrefienden 
Verba,  und  zwar  gruppirt  in  Denorainativa,  Onomatopoietica  und  primäre 
Verba,  denen  sich  die  zweifelhaften  Bildungen  aaschlicssen  (s.  L.  Meyer 
Vergl.  Gramm.  II,  34 ff.).  In  Cap.  II  wird  die  Frage,  welche  indoger- 
manischen Bildungen  sie  repräsentiren,  dahin  entschieden,  dass  sie  nicht 
Verben  auf  -ajämi.,  sondern  auf  blosses  -jämi  entsprechen  z.  B.  scio  = 
ind.  cjümi.  Die  Formen  mit  t,  wie  capis,  -it  u.  s.  w.  werden  als  Aoriste 
gedeutet,  wobei  freilich  das  Fehlen  anderer  Personen  auffällig  bleibt,  wie 
*capo{m),  *capunt.  —  Cap.  III  sucht  die  Entstehung  der  denominativen 
Bildungen  wie  ßnio  von  ßnis  aus  *ßn7jo,  nicht  *fimjo,  nach  Analogie  von 
metuo  aus  *meti7jo,  zu  beweisen.  Die  o- Stämme  haben  sich  an  die 
i-Stämme  angelehnt;  -turio  ist  =  ind.  -trjämi;  equire,  catulire  enthalten 
die  Desiderativ -Endung  -%uin/.  Die  Onomatopoietica  folgen  den  Deno- 
minativen. 

F.  Fröhde,  Die  lateinischen  Präsentia  auf -ZZo.  In  Bezzenberger's 
Beiträgen  III,  S.  285—309. 

Fröhde  untersucht  die  Verhältnisse  des  lateinischen  U  überhaupt 
und  findet,  dass  l  aus  II  ensteht  nach  langem  Vocal  und  vor  i  z.  B.  Dui- 
lius,  oUm,  Polio,  vilicus;  andrerseits  II  aus  l  durch  Schärfung,  auch  nur 
nach  langem  Vocal,  wie  in  der  Endung  -ella,  millia,  fellare,  helhca ;  II  ent- 
steht sonst  aus  h  z.  B.  coUum,  velle-,  aus  It  z.  B.  in  mel{l),  fel(l),  den 
Superl.  auf  -llimus;  aus  Iv  z.  B.  soUus,  palleo;  am  häufigsten  aus  In  z.  B. 
cella,  bulla,  collis,  vellus;  nie  aus  Ij.  Demnach  kann  auch  in  den  Präsen- 
tibus  U  nicht  aus  Ij  entstanden  sein,  und  sind  die  Verba  von  denen  auf 
-io  zu  trennen.  Es  wird  dann  cello  mit  xoXwvhg  und  ind.  grnäti  combi- 
uirt,  cillo  mit  xXivu)\  fallo  mit  ind.  hvrnäti;  pello  mit  TttXvajxai  u.  s.  w. 

Carl  Wagner,  Die  perfectischeu  Formen  von  eo  und  seinen  Com- 
positen.    Neue  Jahrb.  f.  class.  Philol.  Bd.  119-120,  S.  271  ff. 

Das  Perfect  ivi  und  seine  Ableitungen  sind  für  den  Schulgebrauch 
falsch,  da  die  Autoren  der  besten  Zeit  nur  die  verkürzten  Formen  an- 
gewandt haben;  in  Compositis  aber  tritt  in  der  2.  Sg.  und  PI.  Perf.  Ind., 
im  Plqpf.  Conj.  und  Inf.  Perf.  stets  Contraction  ein  (nur  Cornelius  Nepos 
hat  einmal  interilsset  I,  3,  4;  Tacitus  transivlsse  Anm.  XI,  24).  Es  ergiebt 
sich  demnach  die  Regel :  In  den  perfectischeu  Formen  von  eo  und  seinen 
Compositis  wird  immer  das  v  ausgestossen  und  wenn  auf  H  ein  s  folgt, 
tritt  Contraction  ein. 

Dazu  der  Nachtrag: 


Wortbildung.    Etymologie.  207 

Rud.  Thimra,  Die  perf.  Formen  von  eo  und  seinen  Compositionen. 
Ebendas.  S.  848. 

Im  Sueton  (Ergänzung  zu  Neue)  fehlen  gleichfalls  die  Formen  mit 
V,  also  iit,  adiit,  adisse  u.  s.  w. ,  aber  7  mal  ist  di^  3.  Sg.  Perf.  Ind.  in 
Compositis  in  -~d  zusammengezogen. 

Aus  dem  Gebiete  der  Wortbildung  sind  zu  verzeichnen: 

Heinr.  Düntzer,  Die  lateinischen  Suffixa  -tia,  -tio.  Rhein.  Mu- 
seum f.  Philol.   Neue  Folge,  Bd.  XXXIV,  S.  245-259. 

Zunächst  werden  einige  der  bisherigen  Ansichten  über  die  mit  t 
beginnenden  Suffixe  widerlegt:  -tüs,  Gen.  -latis  kann  nicht  aus  -täs  ent- 
standen sein  (gegen  Corssen),  da  ä  nicht  in  a  übergeht ;  eher  ist  zu  zer- 
legen in  -t  -\-  ät  und  -t  -\-  üt,  vgl.  -t-üd-on  neben  -ed-on,  -id-on,  -ild-on, 
wie  auch  -i'id  in  pal-üd  neben  -ed  u.  s.  w.  Aehnlich  -t-ilis  neben  -ilis 
u.  s.  w.  Dass  das  t  aber  nicht  das  participiale  ist,  zeigt  z.  B.  ampUtudo. 
Ebenso  nun  steht  -t-la  neben  -ia,  auch  -i-ies;  -t-io  neben  -io.  Jenes  tritt 
bald  an  Verba,  bald  an  Nomina  z.  B.  mqitiae  von  nuhere^  aber  yratia  von 
grcdus.    Verwandt  sind  auch  die  Neutra  auf  -t-ium,  wie  initium. 

Dr.  Bordelle,  De  linguae  Latinae  nominibus  -men  et  -mentum 
suffixorum  ope  formatis.    Programm  von  Gross-Glogau,  1879,  18  S.  4. 

Nach  kurzer  Betrachtung  der  Entstehung  der  betreffenden  Suffixe 
und  der  verwandten  griechischen  -/xav,  -jiar  durch  Verbindung  mehrerer 
Ableitnngselemente  (mo,  na,  ta)^  werden  alle  bei  Ovid,  als  dem  Dichter, 
der  vor  Allen  dies  Suffix  liebt,  vorkommenden  Wörter  auf  -men,  nebst 
Angabe  der  einzelnen  Stellen,  aufgezählt  und  unten  die  daneben  oder 
isolirt  sich  findenden  erweiterten  Bildungen  auf  -mcutum,  auch  aus  der 
übrigen  Litteratur,  angeführt,  und  zwar  geordnet  nach  der  Bildungsart: 
1)  aus  dem  reinen  Stamm,  auch  mit  Metathesis  z.  B.  crt-men\  2)  mit 
Bindevocal  i  oder  m;  3)  von  Verben  auf-äre,  -ere,  -ire\  4)  von  Nominibus. 

Heinr.  Rönsch,  Lateinische  Substantivbildungen  auf  -ntium  und 
-lium.    In  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1879,  S.  15—19. 

Von  classischen  Bildungen  gehört  zum  ersten  Suffix  nur  silentmm. 

Richard  Jonas,  Zum  Gebrauch  der  Y erha,  frequeiiiativa  und  in- 
tensiva  in  der  älteren  lateinischen  Prosa  (Cato,  Varro,  Sallust).  Pro- 
gramm von  Posen,  1879,  10  S.  4. 

Die  Abhandlung  schliesst  sich  an  zwei  frühere  desselben  Verfassers 
an:  »Ucber  die  Ableitung  der  betreffenden  Verba«  Posen  lS7l  und 
und  »Ueber  ihren  Gebrauch  bei  den  Diclitcrn  der  archaischen  und  gol- 
denen Zeit«  Meseritz  1872.  Sie  enthält  eine  vollständige  Stellensamm- 
lung über  die  32  Verba  auf  -ito,  22  auf  -tu  (ohne  die  Composita),  8  auf 
'SO.    Die  Verba  sind  danach   vcrhältnissniässig  häufig,  ihre  Bedeutung 


208  Lateinische  Grammatik. 

bereits  durchweg  zu  derjenigen  der  einfachen  Verba  abgeschwächt.    Ein 
Anhang  giebt  die  Stellen  aus  Varro's  Fragmenten  (9  +  10  -f  3). 

Beiträge  zur  lateinischen  Etymologie  sind  überall  weit  zerstreut 
zu  finden  und  es  kann  hier  nur  auf  einzelne  Ilaupterscheinungen  hinge- 
wiesen werden;  manches  ist  auch  schon  oben  berührt  worden. 

Fritz  Bcchtel,  Ueber  die  Bezeichnungen  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmungen in  den  indogermanischen  Sprachen.  Ein  Beitrag  zur  Be- 
deutungsgeschichte.    Weimar,  Böhlau,  1879.     XX,  168  S.  8. 

Der  Verfasser  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  die  Wahrnehmungen 
durch  die  Sinne,  falls  ihre  Bezeichnung  nicht  Verengung  der  Bezeichnung 
für  Wahrnehmung  im  Allgemeinen  ist,  sprachlich  in  der  Weise  zum  Aus- 
druck gebracht  werden,  dass  von  der  Perception  als  solcher  völlig  abge- 
sehen und  statt  ihrer  die  Thätigkeit  genannt  wird,  auf  welche  die  Per- 
ception erfolgt  oder  welche  Gegenstand  der  Perception  ist  z.  B.  »fühlen« 
=  »tasten«;  »schmecken«  =  »fliessen,  zerfliessen«  und  =  »verzehren«; 
»hören«  =  »tönen«  und  »beben«;  »sehen«  =  »leuchten«  und  »scharf 
sein«.  Häufig  werden  dabei  die  Sinne  vermengt,  besonders  Gehör  und 
Gesicht,  Geruch  und  Geschmack.  Es  werden  dann  die  indogermanischen 
Ausdrücke  für  »tasten,  schmecken,  riechen,  hören,  sehen«  durchgenommen 
und  erklärt,  dabei  auch  viel  Lateinisches,  wenn  gleich  nicht  ausreichend 
und  nicht  selten  recht  zweifelhaft. 

Or  Weise,  Volksetymologische  Studien.  In  Bezzeubergei-'s  Zeit- 
schr.  V,  S.  68-  94. 

Die  Schrift  gehört  den  vulgärlateinischen  Studien  an  und  ergänzt 
einerseits  G.  Meyer's  Anzeige  von  Andresen's  Deutscher  Volksetymologie 
(Beilage  zur  Allg.  Zeitg.  1876,  n.  239),  andrerseits  die  Zusammenstellun- 
gen Schuchardt's  (Vocal.  III,  344  ff.),  indem  der  Verfasser  eine  grosse 
Menge  von  Beispielen  griechischer,  italischer  und  anderer  Lehnwörter  im 
Lateinischen  vorführt,  die  volksetymologisch  als  Zusammensetzungen  mit 
lateinischen  Präpositionen  aufgefasst  wurden,  wie  absis,  adeps  {äkei(pa), 
Compulteria,  ExquUiae,  inula  {kleviov)^  obsoniuin,  pellex,  persona,  Proserpina, 
suiyparum  u.   S.  W. 

0.  Keller,  Lateinische  Etymologieen.  Im  Rhein.  Mus.  f.  Philol. 
N.  F.  XXX,  S.  334-339.  -    Etymologisches.     Ebeudas.  S.  498  -500. 

Im  Ganzen  mehr  geistreiche  Vermuthungen,  als  streng  wissenschaft- 
liche Untersuchungen,  wie  annona  von  ad  nonas  ire;  castrare  »nach  Biber- 
art behandeln« ;  lusdnia  »die  verdrehte  Sängerin«  u.  s.  w.  Beachtenswerth 
ist  die  Bemerkung,  dass  induperator  erst  von  den  hexametrischen  Dich- 
tern aus  metrischem  Grunde  geschaffen  worden  sei;  ferner  die  Beobach- 
tung, dass  nach  Einführung  der  Aspiration  in  die  Schrift  (s.  oben)  die 
Römer  die  bizarre  Neigung  bekamen,  ihre  Namen  gräcisirend  zu  aspiriren 


Etymologie.  209 

z.  B.  Gracclms,  Oiho,  Cetliegus,  Tliorius,  auch  Pulclier,  wo  die  Aspiration 
auch  ins  Adjectiv  übergiag. 

Herrn.  Rönsch,  Etymologisches  und  Lexicalisches.   Jahrb.  f.  class. 
Philol.  XXVI,  S.  501-509. 

Es  werden  eine  Reihe  dunkler  und  seltener  Wörter  behandelt: 
decumanus  von  Sat^oj  und  xo/i/xa,  »Theilschnitt«  (unmöglich!);  groma  zu 
xpoOcü^  »prüfen«;  luricula  =  loricula,  »Brustwehr«;  suggrunda  =  sugge- 
renda  u.  S.  w. 

Einzelne  Etymologien,  Deutungsbestimmungen  und  Wortverwendun- 
gen von  allgemeinerem  Interesse  sind:  wnbra  =  * onsra  zu.  ovap,  ovetpog 
(Bezz.  Ztschr.  V,  104);  blandior  =  *glandior,  lit.  glandu  »streicheln«  (ebdt. 
168);  cliens  zu  -cllnäre  (L.  Meyer,  ebdt.  176— 183); /n^ws  =  *sngus,  p:- 
yog  {fr,  br  aus  &r  =  sr,  Collitz,  ebdt.  321);  ebenso  frägum  =  *sr-,  zu 
pd$;  male,  bene  aus  *maled,  s.  r^^ho-anos;  cicüta  zu  dcur  »Besänftigungs- 
mittel«  (Bezz.  Beitr.  IV,  313  if.);  aedes,  templum,  fanum,  delubrum  u.  S.  W. 
(H.  Jordan  im  Hermes  XIV,  567—583);  indutiae  (M.  Breal,  Ann.  de  la 
Fac.  d.  lettr.  de  Bordeaux  I,  1,  85);  malum!  (C.  Martha,  Revue  de  philol. 
III,  1,  19 — 25);  labarum  (Scott,  Athenäum,  N.  2674);  iwaehibere,  delicatus 
(L.  Quicherat,  Melanges  de  philol.  155  —  157;  184—190);  eo,  feror,incedo, 
ingredior  =  sum  (Geist,  Blatt,  f.  d.  bayr.  Gymn.  XV,  167—168);  Gaius 
(Zehetmayr,  ebdt.  164  —  167);  quare  »denn«;  hodieque  die(oggidi);  circum- 
versos  =  deceptos;  iantum  deiktisch  u.  s.  w.  (Oscar  Rebling,  Beiträge  zum 
Vulgärlatein,  Jahrb.  f.  Phil.  XXVI,  367-368);  sie  local,  im  Gegensatz 
zu  intro,  =  eo  loco ,  »dort«  (s.  oben  qu7,  Th.  Braune,  Hermes  XV,  612 
— 613);  dies  ater  »erster  Tag  nach  Wochen anfang«,  dazu  quinquatrus  u.  s.  w. 
(0.  Gruppe,  Hermes  XV,  624) ;  qmim,  quur  (H.  Hagen,  Rhein.  Mus.  N.  F. 
XXXIV,  501);  dare  r>to  givea  und  y>to  imta  (J.  F.  Postgate,  Academy, 
1880,  n.  381,  S.  142);  mantiis  (Th.  Aufrecht  Rhein.  Mus.  XXXV,  320); 
aestiva  (J.  Dulac,  Revue  de  Gascogne,  Oct.  1880);  provincia  (Zehetmayr, 
Blatt,  f.  d.  bayr.  Gymn.  XVI,  64  ft.;  nach  Keller  =  *pro-vindicia,  s.  oben); 
depidius,  defidius  (L.  Havet,  Revue  de  philol.  IV,  140);  condicio  und  co7i- 
ditio  (E.  B.  Mayor,  Journal  of  Philol.  VII,  265  if.) ;  adfectus  und  ndfictus 
(H.  Nettleship,  ebdt.  273  if.);  agina,  alapa,  cilo,  metuere  deos,  prona  maria, 
secare  u.  s.  w.  (Transactions  of  the  Oxf.  Phil.  Soc.  1879—80,  S.  7—14); 
fastigium  (Gräfe,  Rev.  de  l'instr.  publ.  cn  Bclgique  XXIII,  322  —  337); 
eliberare  (H.  Rönsch,  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1880,  815  —  819);  clnn- 
destinus  (F.  Stolz,  Wiener  Studien  II,  288  —  290);  primum  sie  und  prius  sie 
(W.  Pctschenig,  ebdt.  312  — 313);  gratus  (Zehetmayr,  Blätt.  f.  d.  bayr. 
Gymn.  XVI,  413  —  415);  fistida  {=  *ßi-),  flmnen  (=  *fläd-,  gth.  blötan), 
setiiis  (anr.  sidr)^  sums,  sura  »Pfahl«  (ind.  svdnt),  sine  (zu  iud.  snmttar, 
gr.  dzep),  vömis  zu  ahd.  loaganso  (Soph.  Bugge,  Bezz.  Ztschr.  III,  97  ff.); 
duellum  (zu  BatCoji),  dimicare  (zu  /J-d^y]),  triquctrus  (zu  r^szpa  »Kante«),  jn- 
rum  zu  a<fatpa  (Fick,  ebdt.  161  ö.)  u.  s.  w. 

Jahresbericht  für  Altcrthiimswissenschaft  XXVIII.  (1881.  III.)  14 


210  Lateinischfi  Grammatik. 

Für  die  Syntax  fehlt  es  an  einem  neuen  grösseren  Werk,  wenn 
wir  von  den  oben  besprochenen  allgemeinen  Grammatiken  absehen.  Die 
zweite  Auflage  dos  zweiten  Theiles  des  Drag cr'schen  Werkes  wird  erst 
im  nächsten  Jahresbericht  zur  Besprechung  kommen. 

Von  allgemeiner  Bedeutung  ist: 

Dr.  Herrn.  Ziemer,  Das  psychologische  Element  in  der  Bildung 
syntactischer  Sprachformen.     Programm  von  Colberg,  1879,  20  S.  4. 

Der  Verfasser,  angeregt  durch  die  Bestrebungen  der  junggramma- 
tischen Schule,  behandelt  in  Cap.  I  allgemein  das  psychologische  Moment 
und  die  psychologische  Erklärung,  in  Cap.  II  speciell  das  psychologische 
Moment  in  den  syntactischen  Bildungen  der  lateinischen  Sprache, 
und  zwar  im  Besondern  die  Attraction  oder  Assimilation,  in  folgenden 
kurz  aufgezählten  Fällen:  1)  progressive  Attraction  im  Relativsätze; 
2)  Verschränkung  des  Relativ-  oder  abhängigen  Satzes  mit  dem  Haupt- 
satze, dazu  die  Prolepsis  des  Substantivs ;  3)  Attraction  der  tempora  und 
modi;  4)  die  figura  ex  TiapaXkrjXo'j;  5)  die  figura  dnu  xotvoü^  nebst  Hy- 
perbaton und  Zeugma;  6)  die  antithetische  Assonanz;  7)  die  consecutio 
temporum.  Ausführlicher  wird  in  Cap.  III,  wenn  auch  immer,  des  be- 
schränkten Raumes  wegen,  nur  in  einzelnen  Beispielen,  erörtert  die  Aus- 
gleichung zweier  Gedanken-  oder  Redeformen  im  Lateinischen,  nämlich: 
§  1  der  Infinitiv  Perfecti  statt  des  Infinitivi  Präsentis,  in  fünf  Unterarten ; 
§  2  die  Ausgleichung  in  Vergleichuugssätzen,  besonders  in  der  ungezwun- 
genen Sprache  der  Komödie,  in  vier  verschiedenen  Fällen;  §  3  auffallende 
Analogiebildungen  in  der  Construction  einzelner  Verba,  drei  Gruppen 
von  Erscheinungen;  §  4  bemerkenswerthe  Fälle  der  Zusammendrängung 
zweier  Redeformen,  gleichfalls  in  drei  Rubriken  geordnet. 

Die  Arbeit  enthält  eine  Reihe  feiner  Beobachtungen  und  eröffnet 
geistreiche  Gesichtspunkte. 

Im  Einzelnen  liegen  zunächst  zur  Casussyntax  folgende  kleinere 
Schriften  vor: 

Dr.  Eduard  Loch,  De  genitivi  apud  priscos  scriptores  Latinos 
usu.    Programm  von  Bartenstein,  1880,  34  S. 

Eine  nach  den  Arten  des  Genitivs,  mit  Zugrundelegung  der  Holtze- 
schen  und  Dräger'schen  Syntax,  geordnete  Stellensammlung. 

P.  Clairiu,  Du  genitif  latin  et  de  la  preposition  de.  Collection 
philologique.  Recueil  de  travaux  originaux  ou  traduits,  relatifs  ä  la 
Philologie  et  l'histoire  litteraire.  Bd.  III.  Paris,  Vieweg,  1880.  306  S.  8. 

Nach  einer  allgemeineren  Einleitung,  die  aber  eine  bestimmte  Be- 
griffsbestimmung des  Genitivs  vermissen  lässt,  wird  erst ,  sehr  detaillirt, 
der  Genitiv  behandelt,  in  reicher  Beispielsammlung  für  seine  verschie- 
denen Arten,  doch  ohne  den  Versuch   einer  logischen  Verbindung  oder 


Casussyntax.  211 

einheitlichen  Entwicklung  der  mannigfaltigen  Bedeutungen.  Der  archai- 
sche Gebrauch,  der  freilich  die  wichtigsten  Aufschlüsse  geben  würde, 
fehlt;  es  folgt  die  classische  Zeit,  die  Zeit  von  Tiber  bis  Trajan,  die  Zeit 
der  decadence  paienne,  diejenige  der  Kirchenväter,  endlich  diejenige  der 
imitateurs  bis  auf  Karl  den  Grossen.  In  derselben  Weise  wird  dann  die 
Präposition  de  behandelt.  Diese  beiden  Theile  aber  bilden  erst  das  erste 
Buch;  das  zweite  verfolgt  den  Genitiv  und  de  durch  das  Bas-Latin  und 
weist  die  fortschreitende  Ersetzung  des  ersteren  durch  die  Präposition 
nach;  das  dritte  Buch  erörtert  den  französischen  Gebrauch,  gleichfalls 
in  historischer  Entwicklung. 

Dir.  Prof.  Pötschke,  lieber  den  lateinischen  Genitiv  und  Ablativ, 
und  den  französischen  Genitiv,   Programm  von  Würzen,  1879.    17  S.  4. 

Es  wird  die  practische  Regel  gewonnen:  »Wo  im  Lateinischen  der 
Genitiv  oder  Ablativ  steht,  steht  im  Französischen  der  Genitiv  (d.  h.  de)v.. 
Natürlich  erleidet  dies  Ausnahmen,  deren  detaillirte  Behandlung  fehlt. 

Otto  Erdmann,  Ueber  den  Gebrauch  der  lateinischen  Adjectiva 
mit  dem  Genitiv,  namentlich  bei  den  Schriftstellern  des  ersten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.     Programm  von  Stendal,  1879,  24  S.  4. 

Die  Abhandlung,  Bruchstück  einer  grösseren  Unternehmung  und 
Auszug  eines  reicheren  Materials,  sieht  die  Quelle  dieses  Gebrauchs  vor- 
wiegend in  der  Nachahmung  des  Griechischen  und  gruppirt  dann  die 
betreffenden  Adjectiva  nach  ihrer  Bedeutung  in  10  Abtheilungeu,  je  mit 
einer  Stellenauslese  und  hin  und  wieder  einer  Andeutung  über  die  Art 
des  Genitivs.  Die  Ordnung  ist  ohne  tiefere  logische  Durchdringung  ge- 
macht; auch  sonst  die  Erscheinung  in  ihrer  Wesenheit  nicht  begriffen. 
Den  Schluss  bildet  eine  Betrachtung  der  Fälle,  wo  zwei  Adjectiva,  je- 
des mit  einem  Genitiv,  verbunden  sind,  wobei  oft  eine  Beeinflussung  der 
Construction  des  einen  durch  die  des  andern  wahrnehmbar  ist.  Es  folgt 
noch  eine  alphabetische  Liste  der  betreffenden  Eigenschaftswörter. 

A.  Teuber,  Interest.  Zeitschr.  f.  Gymnasialwesen,  XXXIII  (N.  F. 
XIII),  Berlin,  Weidmann,  1879,  8.,  S.  431-437. 

Eine  neue  Erklärung  der  merkwürdigen  Construction  neben  den 
im  letzten  Jahresberichte  besprochenen  von  Reifferscheid  und  Hoffmann. 
Teuber  lässt  interest  wegen  der  Aehnlichkeit  der  Aussprache  und  Bedeu- 
tung im  Volksmunde  vermengt  sein  mit  in  rem  est,  *in  re'st,  archaisch 
bei  Plautus  und  Terenz,  einmal  noch  bei  Sallust  (Catil.  20).  Es  ging 
dann  die  Construction  von  in  rem  est  mit  dem  Genitiv  auf  interest  über; 
vgl.  die  Analogie  von  refert.  Letzteres  wirkte  wieder  auf  interest  ein, 
indem  nach  Analogie  von  meä  re  fert  u.  s.  w.  auch  das  ursprüngliche 
meam  in  rem  est,  *meam  interest  in  meä  u.  S.  w.  übergijig,  erleichtert  durch 
die  schwache  Aussprache  des  m.  Das  Ganze  ist  scharfsinnig,  aber  wenig 
wahrscheinlich. 

14* 


212  Lateinische  Grammatik. 

Guil.  Ebrard,    De  ablativi   locativi   Instrumentalis   apud    priscos 

scriptores  Latinos   usu.     Doctordissertation,   Leipzig,  Teubncr,    1879, 

80  S.  8.;  auch  in  den  Supplem.  der  Jahrb.  f.  class.  Philol.  X,  S.  577 
—  657. 

Die  Arbeit  ist  eine  mit  minutiöser  Sorgfalt  gemachte  gut  geordnete 
Zusammenstellung  des  gesammten  Materials,  freilich  mit  Enthaltung  von 
jedem  tieferen  Eingehen,  ohne  Versuch  einer  Erklärung  oder  der  Her- 
stellung inneren  Zusammenhanges,  ja  ohne  jede  Untersuchung,  Betrach- 
tung oder  auch  nur  Schlussfolgerung.  Die  geistige  Durchdringung  des 
Stoffes  zeigt  sich  nur  in  dem  Schema: 

L  Ablativus  sepnrationis  (eigentl.  Abi.):  locutinnes  nominales  (bei 
Verbis,  Adjectivis  inopine,  opus  und  usus  cst^  Abi.  cansae^  loci  aut  temporis 
intervallum^  k\A.  comparationis)\  locutiones  adverbiales  in  ■  a^  -tus,  Abi.  Part. 
Perf.  Pass.;  locutiones  praepositionales. 

IL  Locativus  et  Abi.  loci-,  proprius  {locus,  teinpus,  absoliUus);  mo- 
tionis  terminus ;   cum  praepositionibus. 

IIL  Instrumentalis  (Abi.  sociativus  et  instrumentalis):  sociativus;  In- 
strumentalis proprius  nebst  Abi.  modi,  limitationis ,  differentiae  (beim  Com- 
parativ);  cum  praepositionibus. 

Ein  Appendix  handelt  über  die  Adverbia  auf  -o  und  -e. 

Hoffen  wir,  dass  der  Verfasser  sich  nicht  bei  dieser  Materialsamm- 
lung beruhige. 

Dr.  Fr.  Ulrich,  De  verborum  compositorum  quae  exstant  apud 
Plautum  structura.  Programm  der  lat.  Hauptschule  in  Halle,  1880, 
24  S.  4. 

Eine  erste  Probe  umfänglicherer  Arbeiten.  Es  werden  zuerst  die- 
jenigen componirten  Verba  zusammengestellt,  welche  bei  den  älteren,  wie 
neueren  Dichtern  mit  Präpositionen  und  blossem  Casus  stehen,  dann 
diejenigen,  die  nur  bei  den  älteren  doppelt  construirt  werden,  bei  den 
neueren  nur  blosse  Casus  regieren;  es  folgen  die,  welche  bei  Plautus 
nur  Präpositionen,  später  Präpositionen  und  blosse  Casus  bei  sich  haben ; 
dann  die,  welche  stets  nur  eine  Construction  bewahrt  haben;  endlich  die 
seltenen,  welche  bei  Plautus  mit  blossem  Casus,  später  mit  Präpositionen 
construirt  werden.  Die  Anordnung  ist  nicht  gerade  geschickt  und  wenig 
klar  durchgeführt.  Für  den  Sprachgebrauch  des  Plautus  ergiebt  sich, 
dass  bei  ihm  die  mit  per,  inter.,  ante,  circum,  pro,  praeter^  stibter^  supra 
zusammengesetzten  Verba  nie  eine  Präposition  regieren,  die  mit  ob,  prae, 
sub,  trans  selten,  die  mit  cum  verhältnissmässig  selten,  die  mit  ad,  de, 
ex,  in  ziemlich  häufig  (Vs),  die  mit  a  häufig  (I/2).  Es  werden  dann  ein- 
zelne interessantere  Fälle  noch  näher  betrachtet,  und  ein  Appendix  giebt 
1)  die  Verba  mit  Accusativ;  2)  die  Verba,  die  durch  a,  de,  ex  eine  vis 
privativa  erhalten;    3)  die  Verba  mit  Dativ. 


Casussyntax.  213 

Dr.  Otto  Schüssler,  De  praepositionura  ah,  ad,  ex  apud  Cice- 
ronem  usu.  Programm  des  König  Wilhelm-Gymnasiums  in  Hannover, 
1880,  28  S.  4. 

Eine  der  Arbeiten,  zu  denen  Merguet's  Lexicon  zu  den  Reden 
Cicero's  das  im  Wesentlichen  fertige  Material  liefert.  Es  werden  zu- 
nächst diejenigen  Verba  betrachtet,  die  mit  a{b)  in  der  Richtung  »wo- 
her« und  mit  ad  in  der  Richtung  »wohin«  construirt  werden,  dann  die 
mit  a{b)  oder  mit  ad  allein  construirten;  ebenso  die  Adjectiva  und  Ad- 
verbia.  Dasselbe  wird  dann  für  ex  »heraus«  und  in  »hinein«  durchge- 
führt. Am  ausführlichsten  ist  ex  behandelt,  und  zwar  nach  den  drei 
untergeordneten  Richtungen  ex  aequo,  ex  supcriore  loco,  ex  inferiore  loco. 
Die  Beschränkung  auf  diese  wenigen  Präpositionen  ist  eine  willkür- 
liche und  verhindert  bedeutsamere  Resultate.  Der  lateinische  Stil  ist 
geziert. 

Franz  Piger,  Die  sogenannten  Gräcismen  im  Gebrauch  des  la- 
teinischen Accusativs.  Programm  von  Iglau,  Selbstverlag  des  Gymna- 
siums, 1879,  45  S. 

Die  Einleitung  spricht  sich  gegen  die  Anerkennung  eines  Gräcis- 
mus  im  freien  Gebrauche  des  lateinischen  Accusativs  aus  (s.  besonders 
Tacitus).  Es  wird  zur  Erklärung  dieses  Gebrauchs  auf  das  ursprüng- 
liche Wesen  des  Accusativs  zurückgegangen,  als  des  Casus  von  allge- 
meinster Bedeutung,  der  vielleicht  (nach  JoUy)  ursprünglich  der  einzige 
casus  obliquus  war  und  eine  jeder  genaueren  logischen  Bestimmung  ent- 
behrende Determination  des  Prädicats  bezeichnete.  Als  solche  Deter- 
mination mag  in  ältester  Zeit  das  blosse  Thema  gedient  haben,  später 
ward  ein  Pronomen  angehängt.  Noch  das  ältere  Latein  war  gegen  das 
Accusativsuffix  ziemlich  gleichgültig:  in  den  ältesten  Inschriften  wird 
das  m  meist  nicht  geschrieben.  Aber  die  Annahme  einer  Kection  ist 
nöthig,  die  Adverbialisirung  ist  erst  Autlösung  der  Rection.  —  Es  wird 
nun  zuerst  der  Accusativ  nach  den  sogenannten  intransitiven  Verben  be- 
trachtet, und  hervorgehoben,  dass  man  eigentlich  nicht  von  transitiven 
und  intransitiven  Verben,  sondern  nur  von  einem  transitiven  und  intran- 
sitiven Gebrauch  der  Verba  reden  könne,  einem  altindogermanischen 
Erbgut,  z.  B.  carmina  ludere  ist  nicht  aus  carmitmm  ludum  ludere  zu  er- 
klären. Zunächst  begegnet  der  sogenannte  Accusativ  des  inneren  Ob- 
jects  schon  auf  den  12  Tafeln  {noxiam  noxit).  Die  lateinischen  Wen- 
dungen, wie  Olympia  vincere  mögen  aus  dem  Griechischen  übersetzt  sein, 
aber  es  geschah  mit  einheimischen  Sprachmitteln.  Es  folgt  der  Accusativ 
nach  intransitiven  Verben  der  Bewegung,  wie  infitias  ire,  tnalum  rem  ire, 
echt  lateinisch,  verwandt  mit  dem  Accusativus  loci  {domum  ire);  auch  das 
Supinum  auf  -um  gehört  hierher.  Ebenso  ist  auch  der  Accusativ  des  Neu- 
trums der  Pronomina  und  Adjectiva  echt  lateinisch,  und  z.  B.  dulce  ridcns 


214  Lateinische  Grammatik. 

steht  nicht  für  dukem  risum  rkhns^  sondern  entspricht  den  adverbialen 
Accusativen,  wie  id,  mnltum^  auch  alias,  mulüfariuin  u.  s.  w.  —  Der  zweite 
AbscJinitt  beliandelt  den  Accusativ  bei  einem  prädicirteu  Adjectiv,  auch 
nur  ein  erweiterter  Gebrauch  des  adverbialen  Accusativs,  wie  plurimum, 
insanum,  cetera  beim  Adjectiv,  so  auch  alias  res^  macjnum  partem,  partim^ 
vicem.  Aehnlich  ist  der  Accusativ  des  Masses  und  der  Ausdehnung  bei 
Adjectiven  aufzufassen.  Der  Acc.  cum  Inf.  nach  Adjectiven  und  Sub- 
stantiven steht  nach  Analogie  der  Verba  z.  B.  notum  est  homines  moH 
wie  scimus  homines  mori  (dies  ist  doch  recht  bedenklich!).  —  Den  dritten 
Abschnitt  bildet  die  Betrachtung  des  doppelten  Accusativs:  der  Sach- 
Accusativ  ist  dann  nähere  Beslininiung  oder  Attribut  des  Verbs,  der  per- 
sönliche Accusativ  nähere  Bestimmung  oder  Attribut  des  durch  Verb  und 
Sach-Accusativ  gebildeten  Begriffs  z.  B.  aliquem  pessumdare  oder  linguain 
docere,  vgl.  anim{iim)  advertere,  manum  inicere,  wo  die  Präposition  das 
Verhältniss  noch  deutlicher  macht ;  am  häufigsten  tritt  auch  dieser  Accu- 
sativ beim  Neutrum  eines  Adjectivs  oder  Pronomens  ein.  Weniger  ad- 
verbiell  ist  der  prädicative  Accusativ,  wie  er  denn  auch  im  Passiv  No- 
minativ wird,  —  Der  vierte  und  letzte  Abschnitt  bespricht  endlich  den 
Accusativ  bei  medialen  (nicht  passivischen)  Verben,  die  als  transitive 
indirecte  Media  aufgefasst  werden  können  z,  B.  expleri  mentem  =  explere 
sibi  mentem;  diduci  animum  u.  S.  W. 
Hieran  schliesst  sich  an: 

Engelhardt,  Passive  Verba  mit  dem  Accusativ  und  der  Accusa- 
tivus  Graecus  bei  den  lateinischen  Epikern.  Programm  von  Bromberg, 
1879,  16  S.  4. 

Auch  Engelhardt  erklärt  —  die  Idee  gehört  eigentlich  Kühner  EL,  1 
—  die  sogenannten  Passiva  mit  dem  Accusativ  als  transitive  indirecte 
Media,  und  theilt  sie,  nach  Lehrs,  in  pathische  Media,  die  eine  Gemüths- 
beweguug,  körperliche  Bewegung,  Uebergaug,  Veränderung,  energische 
Thätigkeit  überhaupt  ausdrücken,  und  ethische  Media,  wie  die  Verba 
velandi,  induendi  und  des  Gegeutheils,  iungendi  und  solvendi  u.  S.  W.  — 
Der  eigentliche  Acc.  Graecus  dagegen  steht  beim  verbum  finitum  nur  an 
acht  Stellen;  häufig  beim  Part.  Perf.,  den  Körpertheil  bezeichnend,  als 
Acc.  limitationis  (nur  ^/s  der  Participia  passivisch);  selten  bei  intransi- 
tiven Verben;  ferner  bei  Adjectiven,  dazu  auch  genus,  stirpem,  selbst  bei 
talis.  Es  folgt  die  Erörterung  einiger  Unregelmässigkeiten,  dann  eine 
Aufzählung  der  Beispiele. 

Ich  erwähne  hier  zur  Syntax  des  Numerus: 

E.  Chatelain,  Du  pluriel  de  respect  en  latin.  Revue  de  philol. 
IV,  S.  129—139. 

Zur  Adjectiv-  und  Pronominal-,  auch  Adverbial-Syntax  ge- 
hören : 


Numerus,    Adjectiva.    Pronomina.    Adverbia.  215 

Alb.  Pick,  De  vi  atque  usu  adiectivi  praedicativi  apud  aevi 
Augustei  poetas  Latiiios.  DüctordiBsertatiou  von  Halle,  Waisenhaus, 
1879,  67  S.  8. 

Der  Verfasser,  angeregt  durch  die  Aeusserung  G.  Hermann's  »die 
Adjectivconstruction  sei  ein  vitium  linguae  Graecae'et  Latinae,  wie  das 
Deutsche  zeige«,  prüft  im  ersten  Abschnitt  die  bisherigen  Ansichten  der 
Grammatiker  und  stellt  dann  die  Frage,  ob  der  Gebrauch  des  Adjectivs 
statt  des  Adverbs  echt  lateinisch  sei.  Im  zweiten  Abschnitt  entwickelt 
er,  um  diese  Frage  zu  entscheiden,  das  Wesen  des  Unterschiedes  zwi- 
schen den  beiden  Wortclassen  und  findet  die  Ursache,  warum  gewisse 
Verben  mit  dem  Adjectiv  statt  mit  dem  Adverb  verbunden  werden,  in 
diesen  Verben  selbst,  nicht  in  der  Bedeutung  der  Adjectiva.  Im  dritten 
Abschnitt  werden  dann  diese  Verben  aufgezählt:  1)  solche,  die  das  verb. 
subst.  vertreten,  wie  vivo,  consto^  pateo,  duro  u.  s.  w.;  2)  Verba  der  Affecte, 
wie  opto^  uror,  horresco^  odi,  urgeo  u.  S.  W.;  3)  die  verba  veniendi  et  quie- 
scendi.  Der  vierte  Abschnitt  stellt  dann  die  Adjectiva  zusammen,  welche 
die  nominale  Form  der  adverbialen  vorziehen:  1)  die  des  Orts,  der  Zeit, 
der  Zahl;  2)  die  von  participialer  Bedeutung;  3)  der  Rest,  der  sich  nicht 
bestimmt  abgrenzen  lässt.  Die  Zusammenstellung  ist  fleissig;  der  ge- 
schichtliche Zusammenhang,  der  Einfluss  der  Griechischen,  die  Analo- 
gieen  anderer  Sprachen  hätten  mehr  hervorgehoben  werden  müssen. 

0.  ßiemann,  Notes  de  Grammaire.  Revue  de  Philol.  Jan  vier 
1881,  S.  103-107. 

Die  Regel  aus  Gossrau's  Grammatik  (s.  oben),  2.  Ausg. ,  S.  368, 
dass  lyrimus,  mcdhis,  suimmts  in  partitivem  Sinne  vor  dem  Substantiv  stehen, 
wird  durch  eine  ziemlich  vollständige  Stellensammlung  aus  Cäsar  bestä- 
tigt; auch  einige  Beispiele  aus  Terenz,  Sallust,  Nepos,  Livius  fallen  über- 
wiegend im  Sinne  der  Regel  aus.  Dagegen  stehen  die  Adjectiva  im  ge- 
wöhnlichen Sinne  keineswegs  regelmässig  nach. 

W.  H.  Röscher,  uterque  und  ubiqtce,  wie  quisque  gestellt.  Jahrb. 
f.  Philol.  XXVI,  S.  512;  Nachtrag  S.  844. 

Es  werden  einige  Beispiele  der  Art  gegeben. 

Einzelne  Punkte  der  Partikellehre  werden  besprochen  in: 

Prof.  Minton  Warren  (in  Baltimore),  On  the  enclitic  « e  in  early 
Latin.    American  Journal  of  Philol.  II,  5,  32  S.  8. 

Die  Partikel  ne,  bei  Plautus  etwa  1100 mal,  bei  Terenz  400 mal  vor- 
kommend, ist  doppelten  Ursprungs  und  daher  doppelter  Bedeutung.  Neben 
dem  allbekannten,  weit  überwiegenden  fragenden  nS  nämlich  gab  es  auch 
ein  ne  ohne  fragende  Kraft,  affirmativ,  in  Antworten,  nicht  selten  vor 
einem  Bedingungssatz.  Zu  Plautus'  Zeit  schon  veraltet,  kommt  es  doch 
an  etwa  12  Stellen  bei  ihm  vor,  besonders  mit  hoc,  i/le,  iste;  doch  hat 
nur  Geppert  es  erhalten,  sonst  ist  es  bisher  meist  entstellt  und  wegge- 


216  Lateinische  Grammatik. 

schafft;  4mal  hat  es  Tercnz,  i  mal  Ennius,  dann  Horaz  2mal  (Sat.  I,  10, 
21;  11,  3,  97),  vielleicht  Imal  Vergil  (Aeneide  X,  846).  Erwähnt  wird 
es  auch  von  Priscian  (II,  101)  =  eiiam^  imnpe,  enim,  wohl  unterschieden 
von  nae,  ne.  Ferner  haben  es  einige  Glossen :  efjone  =  ego  vero,  -verum, 
-ergo;  auch  Serv.  zur  Aeneide  giebt  ne  =  ergo.  Wahrscheinlich  steckt 
dies  ne  auch  in  nonne  =  non  vero  und  in  sin  =  si  vero.  Abzuleiten  ist 
es  von  dem  verstärkenden  Pronominalstamme  «a,  und  zwar  könnte  es 
=  nem  in  neyn-pe  sein,  bei  Plautus  wiederholt  nepe  scandirt,  in  Manu- 
scripten  nepe.,  nqjpe:,  vgl,  noch  nem-ut  bei  Festus.  Ja,  vielleicht  ist  im 
Plautus  an  einigen  Stellen  nem  einzusetzen.  Auch  eine  Nebenform  nim 
—  s.  enim,  gebildet  wie  equidem  —  scheint  in  Glossen  nachzuweisen, 
vielleicht  auch  ni.  So  scharfsinnig  dies  Alles  ist,  so  scheint  eine  Tren- 
nung der  beiden  ne  doch  unnöthig,  da  eine  Bejahungspartikel  leicht  in 
eine  Fragepartikel  für  Fragen,  auf  die  mau  eine  bejahende  Antwort  er- 
wartet, übergehen  konnte;  auch  der  erweiterte  Gebrauch  erklärt  sich 
dann  unschwer. 

Ich  lehne  hier,  obwohl  mehr  lautlicher  Natur,  die  beiden  kleinen 
Aufsätze  an: 

A.  Harant,  Des  particules  enclitiques  que,  ve.,  ne  placees  apres 
un  e  bref.    Revue  de  philol.  IV,  S.  25—29. 

0.  Riemann,  ^wß  apres  un  e  bref.    Ebendas.  S.  185. 

Au'S  der  Verbalsyntax  ist  wenig  Neues  zu  notiren: 

Fr.  Hugo  Brehme,  Linguarum  noviciarum  laxam  temporum  sig- 
nificationem  iam  priscis  linguae  Latinae  temporibus  in  vulgari  elocu- 
tioue  perspici  posse.    Doctordissertation  von  Göttingen,  1879,  52  S.  4. 

Der  Verfasser  sucht  nachzuweisen,  dass  die  Verschiebung  im  Ge- 
brauche der  Tempora  im  Romanischen  wenigstens  theihveise  auf  ähnlichen 
Gebrauch  im  volksthümlich  en  Latein  bereits  der  älteren  Zeit  zurück- 
gehe, und  führt  dies  durch:  I.  für  den  Gebrauch  des  Plusquaraperfecti 
statt  des  Imperfecti  Indicativi;  II.  für  den  des  Futuri  exacti  statt  des 
einfachen  Futurums.  Er  belegt  Beides  durch  eine  grössere  Zahl  von 
Stellen,  besonders  aus  den  Komikern,  und  findet  die  Aufnahme  dieser 
volksthümlichen  Ausdrucksweise  meist  durch  den  Zwang  des  Metrums 
veranlasst,  weshalb  nur  gewisse  Versstellen  sie  zulassen.  Freilich  fügt 
sich  dem  nicht  alles  Material,  und  auch  prosaische  Stellen  bei  Cato, 
später  bei  Livius  kommen  in  Betracht.  Cicero  kennt  eine  derartige  Un- 
genauigkeit  nicht. 

Franz  Jörling,  lieber  den  Gebrauch  des  Gerundiums  und  Ge- 
rundivums  bei  Tacitus.    Programm  von  Gnesen,  1879,  16  S.  4. 

Die  Arbeit  enthält  das  vollständige  Material,  geordnet  nach  den 
Casus.     Als  Besonderheiten  des  Tacitus  werden  am  Schlüsse  zusammen- 


Verbalsyntax.     Satzlehre.  217 

gestellt:  freierer  Gebrauch  des  Genitivs;  Häufigkeit  des  finalen  Dativs; 
zahlreichere  Verwendung  des  Ablativi  Gerundii  mit  Object  im  Accusativ 
statt  des  Gerundivi;  Verletzung  der  Concinnität  durch  Mischung  mit  an- 
dern Constructionen ;  circa  mit  Acc,  statt  in  mit  Abi. ;  die  Formen  poeni- 
tendus  und  pudendus. 

Ch.  Thurot,  De  l'imperatif  futur  latin.  Revue  de  philol.  IV, 
S.  113  —  117. 

Ich  komme  zur  Satzlehre.     Den  Uebergang  möge  bilden: 

Anton  Funck,  Die  Auslassung  des  Subjectprouomens  im  Accu- 
sativ cum  Infin.  bei  den  lateinischen  Komikern.  Jahrbücher  f.  Philol. 
XXVI,  S.  725-734. 

Es  wird  nachgewiesen,  dass  die  Weglassung  durchaus  gewöhnlich 
ist,  nicht  immer  an's  Griechische  angelehnt  oder  in  Nachahmung  des 
Griechischen  entstanden.  Sie  begegnet  sogar  häufiger  bei  ungleichem 
Subject,  als  bei  gleichem,  am  häufigsten  beim  Pronomen  der  dritten  Per- 
son und  beim  Infin.  Präs.  Activi;  selten  im  Plural. 

Carolus  Goebel,  De  coniunctione  quom.  Gütersloh,  Bertels- 
mann, 1879,  30  S.  8.,  zum  300jährigen  Jubiläum  des  Gymnasiums  in 
Corvey. 

Ein  viel  behandeltes  Thema!  Auch  hier  stützt  sich  die  Arbeit  auf 
Lübbert  und  Hoffmann.  Es  werden  Beispiele  des  verschiedeneu  Ge- 
brauchs, meist  aus  Cicero,  Livius,  Cäsar,  Nepos  u.  s.  w. ,  auch  Tacitus 
vorgeführt,  leider  ohne  scharfe  Sonderung  der  Zeiten,  und  folgendes  Re- 
sultat gewonnen: 

quom  causale,  concessiowu,  condüionale  regiert  den  Conjunctiv, 

quom  teviporale,  inversum,  modale  den  Indicativ, 

quom  recde^  iterativum.^  expUcativum  beide  Modi. 
Die  V\^ahl  des  Modus  hängt  von  der  Verbindung  der  Sätze  unter  einan- 
der ab,  und  zwar  steht  der  Indicativ,  wenn  der  Nebensatz  speciellen  In- 
halt hat,  der  Conjunctiv,  wenn  er  allgemein  ist.  Der  Grund  soll  darin 
liegen,  dass  die  Einzeldinge  durch  den  Sinn,  die  Gattung  durch's  Denken 
percipirt  wird.  —  So  steht  der  Indicativ  denn  auch  bei  Gemüthsbewe- 
gungen  {gaudeo  quam),  da  die  Römer  diese  mit  den  sie  verursachenden 
Dingen  in  eine  Kategorie  setzten.  Uebrigens  gilt  dies  Alles  auch  von 
den  Relativsätzen  und  da  quom  relativischen  Ursprungs  ist,  kann  man 
seine  Construction  unter  die  allgemeine  Relativconstruction  subsumiren. 
Den  Schluss  bilden  einige  bestätigende  Stellen. 

Alwin  Mansfeld,  De  enuntiatorum  conditionalium  apud  elegia- 
rum  poetas  Latinos  formatione.     Doctordissertation   von  Halle,   1879, 

52  S.  8. 

Die  Abhandlung  ordnet  die  betreffenden  Stellen  aus  Catull,  Tibull, 
Properz    und   Ovid   in   vier  Rubriken:    i)  vollständige   Conditionalsätze, 


218  Lateinische  Grammatik. 

und  zwar  theils  mit  Indicativ,  theils  mit  Conj.  Präs.  oder  Perf.,  theils  mit 
Conj.  Impcrf.  und  Plusqu.  im  Vordersatze,  wobei  wieder  eine  Reihe  Un- 
terabtheilungen gemaclit  werden;  2)  Conditionalsätze  ohne  Conditional- 
partikel,  mit  Indicativ,  Imperativ,  Conjunctiv  im  Vordersatze;  3)  ellip- 
tische Formen,  bei  denen  das  Verb  fehlt;  4)  abhängige  hypothetische 
Perioden.  Den  Schluss  bildet  eine  Erörterung  über  die  conditionalen 
Partikeln. 

Auch  diese  Schrift  ist  eine  Üeissige,  fein  geordnete  Zusammen- 
stellung, doch  ohne  eigentliche  Forschung. 

Ferd.  Hoppe,  Der  coniunctivus  der  coniugatio  periphrastica  ac- 
tiva  in  indirecten  Fragen  und  Bedingungssätzen  und  der  nominativus 
cum  infinitivo   futuri    activi    bei   Cicero.     Programm  von  Gumbinneu, 

1879,  19  S.  4. 

Die  sehr  gedrängte  Abhandlung  ergänzt  eine  frühere  Arbeit  dessel- 
ben Verfassers  »lieber  den  indicativus  der  coniugatio  periphrastica  in 
directen  Fragen  bei  Cicero«  (Progr.  von  1875)  und  giebt  ein  sorgfältiges 
spicilegium  aller  einschlägigen  Stellen  mit  einer  Reihe  feiner  Special- 
beobachtungen über  Cicero's  gewöhnlichen,  wie  ausnahmsweisen  Sprach- 
gebrauch. Hervorgehoben  werden  besonders  drei  Punkte:  1)  wird  der 
unwahre  Bedingungshauptsatz  der  Vergangenheit  ein  indirecter  Fragesatz, 
so  steht  das  perfectum  coniunctivi  der  coniugatio  periphrastica  nur  dann, 
wenn  das  Prädicat  des  regierenden  Satzes  eine  präsentische  Form  ist; 
auf  das  plusquamperfectum  folgt  das  plusquamperfectura  coniunctivi  der 
coniugatio  periphrastica :  2)  bisher  wenig  beachtet  sind  die  zahlreicheren 
Stellen,  wo  das  Prädicat  des  Bedingungsnebensatzes  im  Conjunctiv  der 
coniugatio  periphrastica  steht;  3)  für  Cäsar  und  Cicero  gilt  die  Regel, 
dass  das  participium  futuri  activi  ohne  esse  der  wahre  infinitivus  futuri 
ist,  während  dasselbe  mit  esse  vielmehr  Infinitiv  der  coniugatio  peri- 
phrastica ist. 

F.  Scholl,  dubitare  im  Fragesatz  mit  negativem  Sinne.  Blätter 
f.  d.  bayr.  Gymn.  XVI,  S.  24-25. 

Dazu: 

Keppel,  Zur  Construction  von  dubitare.     Ebendas.  S.  441  —  446. 

Guil.  Gross  mann,  De  particula  quidem.  Doctordissertatiou  von 
Königsberg,  1880.     39  S.  8. 

Nur  die  erste  Hälfte  der  Arbeit,  die,  von  Madvig  ausgehend,  den 
Gebrauch  der  Partikel  von  Nävius  bis  Cicero,  also  vom  fünften  bis  Ende 
des  siebenten  Jahrhunderts  verfolgt.  Es  ergiebt  sich  aus  der  Sammlung  der 
Stellen,  dass  sie  vor  Cicero  verhältnissmässig  selten  ist,  bei  Terenz  seltner 
als  bei  Plautus ;  auch  die  Mannigfaltigkeit  der  Verwendung  ist  bei  Cicero 
am  grössten;  ihm  folgt  Nepos.    Im  Ganzen  trägt  quidem  einen  familiären 


Satzlehre.    Latinismen.  219 

Charakter.  Nävius  hat  si  quidem;  Ennius  einmal  dum  quidem;  bei  Plau- 
tus  werden  fünf  Verwendungen  unterschieden :  1)  mit  satie,  profecfo  u.  s.  w., 
verwundernd;  2)  si  quidem  =  si quomam  (im  Prolog  des  Poenulus);  3)  nisi, 
dum,  quoniam,  quando,  et,  uc  quidcm\  4)  mit  persönlichem  und  demonstra- 
tivem Pronomen;  5)  mit  dem  Relativ  (allitterirend).  Bei  Varro  de  1.  1. 
V,  4  wird  via  sie  item  conjicirt  statt  vias  quidem  iter\  VII,  3  wird  es  ge- 
strichen; Cato  hat  atque  ego  quidem  und  si  quidem.  Nur  die  Komiker 
und  Cicero  kennen  die  Phrase  iit  mihi  quidem  videtur  oder  iit  quidem  ego 
sentio,  auch  mit  ac,  seltner  mit  et  und  at. 

Die  zweite  Hälfte  der  Arbeit  ist  mir  nicht  zugekommen. 

Eine  bekannte  Eigenthümlichkeit  des  lateinischen  Sprachgebrauchs 
behandelt: 

Sigism.  Preuss,  De  bimembris  dissoluti  apud  scriptores  Romanos 
usu  sollemni.     Edenkoben,  Mietens,  1880.     124  S.  8. 

Die  alterthümliche  Auslassung  der  zwei  analoge  Glieder  verbinden- 
den Conjunction,  volksthümlich  formelhaft,  hielt  sich  besonders  in  der 
Rechts-  und  religiösen  Sprache,  auch  in  der  Volksrede  und  im  Sprich- 
wort, ward  dann  aber  auch  absichtlich  beibehalten,  der  Kürze,  der  Schär- 
fung der  Gegensätze  und  der  Eleganz  wegen.  Am  häufigsten  findet  sie 
sich  bei  den  archaischen  Schriftstellern,  besonders  den  Komikern,  dann 
den  Tragikern,  aber  auch  sonst.  Seit  Cicero  wird  sie  sehr  eingeschränkt; 
doch  pflegen  sie  Tacitus  und  Plinius  wieder  nach  dem  Vorbilde  des 
Sallust  (weniger  formelhaft)  und  Livius.  Es  werden  nun  die  vorkommen- 
den formelhaften  Ausdrücke  dieser  Art  aufgeführt,  und  zwar  zuerst  die 
contraria,  theils  copulativ,  wie  ultra  citro ,  diem  noctem,  ire  redire,  dextra 
sinistru,  theils  disjunctiv,  wie  velim  nolim,  plus  minus,  ter  quater;  dann  die 
similia,  wie  forte  temere,  ventis  remis,  ferre  ugere  (auch  Imperativisch),  vo- 
lens  nolens,  opiimiis  maximus.  Wo  ein  drittes  Glied  hinzutritt,  gleicht  CS 
oft  den  Gegensatz  der  beiden  ersten  aus 'und  umfasst  sie.  Der  Index 
giebt  etwa  220  solche  Formeln,  manche  in  mehreren  Varianten. 


Jahresbericht  über   das  Kyprische,  Pamphyli- 
sche  und  Messapische  für  1879 — 1881. 

Vom 

Director  Dr.  W.  I)  e  e  C  k  e 

in  Strassburg  i.  E. 


Bei  der  geringen  Vermehrung  des  inschriftliclien  Materials  in  den 
letzten  Jahren  ist  die  Ausbeute  für  die  Kenntniss  des  kyprisch- grie- 
chischen Dialects,  trotz  einiger  Nachträge  aus  den  Jahren  1876  —  1878, 
nur  eine  bescheidene  gewesen.  Ich  werde  daher,  um  einem  grösseren 
Publikum  einen  Einblick  in  den  Stand  der  Forschung  zu  geben,  einige 
Texte  einflechten. 

Eine  Auswahl  theils  neuer,  theils  verbesserter  Lesungen  und  Deu- 
tungen habe  ich  selbst  gegeben  in  dem  Aufsatze: 

W.  Deecke,  Nachtrag  zur  Lesung  der  epichorischen  kyprischen 
Inschriften,  I-XIIL  In  Bezzeubergers  Beitrcägen  VI,  S.  66-83  und 
S.  137-154. 

I.  Inschrift  des  Bogenschützen  (Horos  =  Herakles)  aus  Salamiu 
(Paphos)  im  Britischen  Museum  (M.  Schmidt,  Sammlung  kypr.  Inschr. 
t.  IV),  neu  gelesen  (nach  Autopsie)  und  historisch  interessant  (aus  Alexan- 
ders des  Grossen  Zeit): 

1.  i.  ja.  ro.  ta.  to.  se.  a. 

2.  ri.  po.  jo.  se.  ta.  te.  e.  ro.  i.  vo.  ro.  na.  ja.  to. 

3.  te.  to.  he.  i.  na.  mu.  to.  to.  u.  i.  jo.  i.  to.  ni.  he.  to.  ja.  i.  jo.  se.  ja. 
d.  i. 

IjapüjzaTog  'AptßajoQ  £\y'\Mde  r^pwi  yi2p(jj\i\  vaju\y\  7ü\y\o  k'dwxs 
Iv  'AiiÜ[v]toj  ZU)  otju)  l&ovtxrj{t\  8ujäi  joGija\^L\. 

IL  Vierzeilige  Inschrift  unter  einem  thronenden  Zeus,  aus  Athienu 
(Golgoi),  von  mir  als  rein  hexametrisch  entziffert  (M.  Schmidt  t.  XI,  2): 

Xacptrs 
Kpaaztfdva^  xä  noTc,  f^jiro)  psya-  prj  tiot    ifaccrr^g 
Beu^s  ifipz  xä  Hva-olQ  ipEpajxi'i'a  7ia{v'\zaxopo.a~og- 


Kyprisch.  221 

oh  ydp  zi  iz'.araTg,  a[y]5^oa»7:£,  ^soi.',  a^(A)'   izu^'  a  xrjp 
&eu)c  x'jfLspr^vac  7:a[v]ra,  t«  a.[v\d-pu>TTO'.  ippoviuyu 
XacpSTZ. 

Zu  nuTiQ  »Herr«  als  Beiname  des  Zeus  ist  jetzt  zu  vergleichen  /In  nüzzi 
in  einer  griechisch-pisidischen  Inschrift  (Bulletin  de  Corrcsp.  hellenique. 
Athen  und  Paris,  III,  335).  Zu  /jj-cü  piya  vgl.  man  piya  fecr.aTv,  piya 
fsiTTwv  bei  Pindar  Nem.  Y,  14;  VI,  28  Boe. 

Zu  beiden  Inschriften  vgl.  man  noch  den  Bericht  von  Nover  im  Phi- 
lol.  Anzeiger  zum  Philologus  X,  408  ff. ;  zur  ersteren  mehrere  Nummern  des 
Londner  Athenäum's  von  1880,  besonders  Isaac  Hall,  the  bearded  Archer 
in  der  Nummer  vom  28.  August,  S.  282,  mit  weniger  vollkommener  Lesung. 

III.  Inschrift  von  Drimu  im  Britischen  Museum  (M.  Schmidt  t.  IH,  1), 
verbesserte  Lesung  nach  Autopsie - 

KuTipoxpdrcfug  r^p.'  'loMcu 
d>8£'  o  poi  Tiöacg  Wvaatnpog 
fOcacüVcoag'  8c7:a[i]g  rjp: 

J.  Hall  (Transact.  of  the  Society  of  biblical  Archaeology  VI,  S.  203  ff.) 
liest  im  Anfang  von  Z.  3  ti.  statt  vo.,  jedenfalls  irrig.  Ebenso,  aber 
auch  sonst  in  der  Deutung  mehrfach  abweichend  luid  ungricchisch  D.  Pie- 
rides (£tude  de  quelques  inscriptions  Cypriotes,  l^'^broch.,  Larnaca, 
Mascalchi,  1881): 

KÜTipu)  xcopdrcog  rjpl  6  Xd(u 
oos'  u  (xoc  noaeg  'Ovaairipog 
TucFcüVcdag'   Otßdg  r^pc. 

Es  soll  xujpazig  »Priesterin«  sein,  Xdio  »Stein«. 

Ein  paar  kleinere,  bei  dieser  Gelegenheit  von  mir  nach  Pierides 
Notes  on  Cyprian  palaeography  (Transact.  V,  88  ff.)  angeführte  In- 
schriften lauten; 

0iXoxüi:pag'  d  Tipoptüpiu 
yuvd  Tjpi. 
und 

^Ovaatxönpag  rjpl 

(zweite  Zeile  unleserlich). 

Zu  omag  vgl.  man  jetzt  raessap.  pas  »Sohn«,  pades  »Kinder«  (Fabr.  C.  I.  I. 
2964  und  2961). 

IV.  Inschrift  eines  Opferreliefs  aus  Golgoi  (M.  Schmidt  t.  XI,  3), 
wesentlich  verbessert : 

zu){c\  'Oalpt  zö\y\os.  rt»[v]  va[})V)  ovi^r^xe  ^Ovd xug   ziot    iizio: 

ZU)  WrMX[K\(ovi  lapd  l\\i\  zspzvog  t[v]  zü^ac  zpia. 

Das  Zahlwort  ist  mit  Strichen  geschrieben. 

Y.    Inschrift  von  Kurion  (M.  Schmidt  t.  XX,  6),  desgl. 


222  Kyprisch. 

'AfjcoTayu{pag?)  ßa{adebg)  riiatfn  oB'j^ajievog  t.Z(h  naiol  tuji  lUpaeü- 

Das  Zeichen  pa.  ist  Abkürzung  von  ßaatXeog  wie  auf  vielen  Münzen. 

VI.  u.  VII.  Ilühlcuinscliriften  von  Baft'o  (.Neupaphos),  bei  M.  Schmidt 
t.  VIII,  4  u.  5. 

Nach  J.  Hall  (Transact.  VI,  203  ff.)  sind  die  Zeichen  dieser  In- 
schriften nicht,  wie  de  Vogne  (Jonrn.  Asiat.  VI  ser.,  t.  XI,  pl.  IV,  6  u.  V ; 
auch  in  den  Melauges,  pl.  IV,  6  u.  7)  sie  abgebildet  hat,  keilschriftähn- 
lich, sondern  bestehen  aus  tiefen,  sauberen,  rechtwinkligen  Einschnitten 
ohne  jede  Zuthat. 

Aaiipag  o  d{p-/)tapug  o  ii£yaxsüda[v'\Tog  i~  tmöiv  tu  anijog  rode 
ixspae  xäg  xazecTxsöfaaz  auro  (?)  tw[c]  ','i;:o/[>'>]cüv;  Tüi[.'J  ilaraf  c[v]  ■:<'r/_m. 

N.  VII  ist  Verkürzung  hiervon.  Ich  halte  jetzt  diese  Lesung  des 
Anfangs  für  irrig  und  möchte  zu  meiner  älteren  Deutung  zzßaaiv  rw  anijog 
(oder  a-nrjogl)  rwoe  zurückkehren  (Curlius  Studien  VII,  261),  m"Ajapog 
aber  den  Vaternamen  sehen,  wie  ich  schon  in  Bezzenb.  Beitr.  VI,  144 
andeutete. 

VIII.  u.  IX.  Inschriften  aus  Golgoi  (M.  Schmidt  t.  XVI,  1  und 
XV,  2),  Altar  und  Sessel: 

Ttp.u)  ra[v]  8c'^aTo[v]  dcpa[j]ov  na^:Ja[v]  ys  dcficuolg. 

ein  Hexameter,  kaum  ganz  richtig. 

X.  Inschrift  einer  Älabastervase  aus  Marion  (M.  Schmidt  t.  XXI,  2) : 

nd<pot  ys  zu^ofsTze 

den   eigenthümlichen  Gebrauch  von  ys  und   den  Stamm  ^a   »leben«   be- 
stätigend; s.  C«v  auf  der  Tafel  von  Idalion. 

XI.  Inschrift  eines  Gesimses  von  Golgoi  (M.  Schmidt  t.  X,  4): 

T(v  J:{j)og  TU)  j-oivco  ataa  zzt  zpttg  '/ozg  (?). 

Die  Zahl  ist  mit  Strichen,   das  Flüssigkeitsmass  mit  einem  Zeichen  ge- 
schrieben. 

XII.  Inschrift  des  Löwenreliefs  von  einem  Grabmal  aus  Golgoi 
(M.  Schmidt  t.  XXI,  1): 

kyo)  Tjpt  ^Aptazoxpirr^g  xd  ptv  iazaaav  [xa\acyvr^zoi  papvafxivoi  eufsp- 
ysatag  zag  nai  eo  7:oze  efps^a. 

Trotz  J.  Hall's  Behauptung  (Transact.  VI,  S.  203  ff.),  dass  das  vierte 
Zeichen  ein  u  sei,  bleibe  ich  bei  meiner  Lesung,  da  ich  einen  Namen 
Euapiavoxpizrjg  für  unmöglich  halte,  ganz  abgesehen  davon,  dass  dann 
fa  statt  a  zu  erwarten  wäre. 

XIII.  Stein  von  Amathunt,  Fragment  (M.  Schmidt  t.  IX,  2) : 

IIvuTug  6 


Kyprisch.  223 

Die  wichtigeren  Resultate  sind  folgende.  Neu  gefunden  sind  die 
Zeichen  für  xa  (XII),  woraus  das  griechische  Zeichen  X-  +  =  f  ent- 
standen ist,  und  für  nu  (XIII),  so  dass  jetzt  auf  der  idalischen  Bronze- 
tafel A6  und  16  ^  dufdvot.  vu  und  rj  outxoc  vu  zu  lesen  ist.  Das  paphi- 
sche  Zeichen  für  o  scheint  ursprünglich  jo  bedeutet  zu  haben,  und  steht 
dann  auch  für  6  und  durch  Wechsel  der  Spiranten  für  }-o  (in  vajö;  = 
lesb.  vaüog).  Eine  interessante  Variante  für  ja  bieten  VI  und  VII;  für 
uo  IX.  In  Bezug  auf  die  Schreibregeln  stellt  sich  heraus,  dass  schliessen- 
des  V  nicht  bloss  im  Artikel  und  Relativ,  sondern  auch  sonst  vor  dem 
Anlautconsonanteu  eines  eng  mit  dem  vorhergehenden  zusammenhängen- 
den Wortes  ausfällt  z.  B.  in  \>aj()[v]  t6[v]8s  (I).  Das  c  subscriptum  im 
Dativ  Sg.  wird  bei  mehreren  auf  einanderfolgenden  zusammengehörigen 
Wörtern  häufig  nur  an  einem  ausgedrückt,  s.  I,  IV  u.  s.  w.;  es  fehlt 
aber  auch  sonst,  besonders  vor  Vocalen.  Viel  weniger  selten,  als  mau 
früher  annahm,  ist  die  Verbindung  eines  schliessenden  Consonanten  mit 
dem  anlautenden  Vocal  des  folgenden  Wortes  zu  einem  Silbeuzeichen, 
auch  wenn  die  Wörter  dem  Sinne  nach  nicht  verbunden  sind  z.  B.  in 
I  ^Apcßajog  i[v]i9aO£;  to[v]ö'  iocuxe;  in  II  sogar  d?i{X')  STuy'  a;  es  erschwert 
dies  das  Lesen.  Krasis  begegnet  in  ■zilaipt  (V),  Aphäresis  in  ^eüji  'X{X)d 
(II),  Synizesis  in  &so?g,  Bsujt  (II),  Apokope  in  r^fi  'loXdco  (III).  Auffällig 
ist  in  letzterem  Worte  das  Fehlen  des  Digamma,  aber  die  Münzen  zei- 
gen auch  oft  ßaadiog  neben  ßaadij-og  (s.  noch  unten  TtiioxUog).  Schreib- 
fehler liegen  vor  in  ha.  ra.  si.  H  statt  ha.  ra.  sa.  ti.  (II),  leicht  erklärlich 
aus  dem  Streben  nach  Deutlichkeit,  und  in  hu.  po.  ro.  ho.  ra.  ti.  vo.  se.  statt 
hu.  po.  ro.  ha.  ra.  ti.  vo.  se.  (III).  Die  Schreibung  o.  vo.  ha.  re.  (II)  für 
ou  ydp  ist  auf  die  Proklisis  zurückzuführen,  scheint  aber  die  Aussprache 
4/-  ydp  zu  beweisen.  Zur  Lautlehre  ist  zu  beachten  nö-iQ  (11)  neben 
nörng  (III);  r;  (II)  neben  mg  (Ilesych. ,  idalische  Tafel);  vgl.  noch  die 
Präposition  rror'  (II)  für  norl  neben  r.ug  (idal.  Tafel);  xar  (Biling.  von 
Dali)  für  xazl  neben  xäg  »und«.  Für  letztere  begegnen  vor  Vocalen 
auch  nh  und  xa,  offenbar  durch  Uebergang  des  g  in  den  Spiritus  asper; 
doch  steht  xa  auch  vor  Consonanten,  sogar  xä  in  II,  1.  Neben  einander 
begegnen  auch  i^oat,  l'wac  (idalische  Tafel)  und  (ppoviiol  (II);  xariBcäv 
(idalische  Tafel)  und  xaziBtaav  (Inschrift  von  Ktima,  Bull,  de  Corr.  hell. 
III,  349,  s.  unten);  vgl.  noch  Scficuocg  (VIII),  wenn  =  dcjio'jaotg.  —  Von 
neuen  Flexionsformen  sind  noch  beachtenswerth :  der  Acc.  pev  =  nt 
(XII),  zu  Ija-r^pav  u.  s.  w.  stimmend,  während  bei  Cesnola  zweimal  (Cyprus, 
pl.  VII,  40  und  51)  dafür  ixi  zu  stehen  scheint,  wenn  dies  nicht  =  home- 
risch /ijv,  etr.  mi,  min  ist;  der  Infinitiv  xuiieprjvac,  wieder  eine  homerische 
Form;  die  2.  Sg.  Optat.  imazalg  =  * -aratrig  oder  zu  * imaTaTiu.  —  Wie- 
derholt ist  jetzt  die  Form  c{j)apug  gesichert  (I  und  IV);  auffällig  bleibt 
{j)üaeiog  =  oatog  (I).  Interessante  neue  kyprische  Wörter  sind  ferner: 
ißovcxi^  (I,  mit  regelrechtem  o);  8ojög  [l);  ipspapivog  (II,  passivisch  von 
epa}iac);  nw/raxöpaarug  (II,  mit  a  =  e);  oiT:a[c]g  i^III);   exspas  zu  xscpuj 


224  Kyprisch. 

(VI  und  VII) ;  Oi<pazog  »doppelnamigv ,  oip/ijog  »doppelmuttrigcr,  di'jiwov 
»Doppc]gesang(^ ,  StC,o.fog  »doppcllcbciid«  (VIII  und  IX),  zu  letzterem 
eoCnfiw  »wohl  leben(';  ataa  (XI)  »Antheil«.  —  Syntactisch  ist  bemer- 
kenswerth  der  enklitische  Gebrauch  von  ye  (VIII  und  X);  vo  (idal.  Tafel); 
nat  d.  i.  mi  (XII);  die  Tmesis  eZ  nozz  efps^a  (XII);  die  eigenthümliche 
Bedeutung  von  Iv  (I)  »bei  Gelegenheit  von«;  cv  mit  dem  Accusativ  =  elg 
(IV);  7:oT  ifeterjQ  =  i$  carjg  (II);  der  Dativ  in  o  /loc  riöacg  (III);  die 
Stellung  TW  iii{j)og  zo)  focvo)  ataa  (XI)  »Antheil  des  Zeus  am  Weine«. 
Der  schon  mehrfach  erwähnte  Aufsatz  von: 

J.  Hall,  Notes  on  certain  Cypriote  Inscriptions,  in  den  Transac- 
tions  of  the  Society  of  Biblical  Archaeology,  Vol.  VI  (1878),  S.  203  —  208, 
gelesen  am  11.  November  1877, 

giebt  ferner,  nach  Autopsie,  noch  einmal  die  berühmte  kleine,  jetzt  im 
Louvre  befindliche  Bilinguis  von  Athienu  (M.  Schmidt  t.  IX,  9): 

kypr.      ha.  ru.  xe.  e.  mi 
griech.  y.äp()^  YjjXi 

In  der  grösseren  Bilinguis  des  Königs  Melekjathon  (aus  Dali-Idalion, 
M.  Schmidt  t.  II)  ist  in  Z.  1,  nach  Autopsie  von  Hall,  der  streitige  Buch- 
stabe ein  te^  so  dass  xaz  Uloahwv  zu  lesen  ist  (xar'  =  »und«) ;  im  An- 
fang von  Z.  2  ist  noch  ho  erkennbar,  wodurch  [ind]  yojieväv  gesichert  wird ; 
im  Anfang  von  Z.  3  finden  sich  noch  Spuren  von  ve.  te.  i.  =  ferzc. 

Durch  stark  eigenthümliche  Entwicklung  der  paphischen  Zeichen 
ragt  die  schon  im  vorigen  Jahresbericht  (S.  33)  erwähnte  Inschrift  des 
Königs  Nikokles  hervor,  zum  zweiten  Mal  publicirt  von: 

Dr.  P.  Schroeder,  On  a  Cypriote  Inscription  uow  in  the  Imperial 
Ottoman  Museum  at  Constantinople,  in  den  Transact.  VI,  S.  134  —  143, 
geschrieben  im  Mai,  gelesen  im  November  1877. 

6  lla.<fco  ßaaiXzug  NtxoxMfyjg  ö  cepsug  zag  favd(r[a]ag  6  ßaatXiog 
Tifidp^o)  heg  xaziazaas  zat  &bu)i. 

Angefügt  ist  auf  der  Tafel,  nach  Copie  von  Cesnola,  die  schon 
mehrfach  publicirte  Armbandinschrift  des  Königs  Eteander,  mit  noch 
entarteteren  Zeichen  (auf  Gold),  aus  Kurion  (M.  Schmidt  XXI,  10): 

'Ez£fd\y\dp(i}  ZU)  nd(pu>  ßaatMfog. 

Es  ist  dieser  König  als  Ituander  sar  Papa  (sar  =  König)  unter  den 
tributpflichtigen  Vasallen  des  Assurbanipal  (Sardanapal  VI) ,  des  Sohnes 
Assarhaddon's  (um  650  v.  Chr.),  in  den  assyrischen  Keilinschriften  wie- 
dergefunden worden  (G.  Smith,  Assurb.  31,  9). 

Einige  neue  epichorisch-kyprische  Inschriften  sind  publicirt  und 
theilweise  gelesen  in: 


Kyprisch.     Pamphylisch.  225 

M.  Beaudouin  et  E.  Pottier,   Inscriptions  Cypriotes.     Bulletin 
de  Correspondance  hellenique,  III  (1879),  Athen  und  Paris,  S.  347—352. 

Ausser  einigen  Namen  ist  bemerke nswerth  die  Form  xazi^taav 
(s.  oben)  in  I,  4.  Zu  XcxoxXifrjg  (s.  oben)  stimmt  7\/xoyJsfeog  (II,  2), 
während  II,  1   TcjioxMog  bietet  (s.  oben  unter  III).    Aus  der  Inschrift  I,  3 : 

Tcp.oöd/xu)  yj/x}  [Tt]iJ.oxunpag 

sind  die  Herausgeber  geneigt,  auf  einen  weiblichen  Nominativ  auf  -ag 
zu  schliessen,  s.  oben  unter  III.  Der  Genitiv  'Aptartjau  (I,  4)  zeigt  die 
ältere  Form,  wie  'Ovaaayopai)  (idal.  Tafel  A  2). 

Was  den  Ursprung  der  kyprischen  Silbenschrift  betrifft,  so  hat 
Sayce  im  Anhang  zur  zweiten  Ausgabe  von  Schliemann's  Troja  seine 
Hypothese  über  ihren  Zusammenhang  mit  der  hittitischen  oder  hamathi- 
tischen  Bilderschrift  wieder  aufgenommen  und  ist  geneigt,  auch  einige 
der  schriftähnlichen  Kritzeleien  auf  troischen  Thongeräthen  als  verwandt 
anzuerkennen  (s.  Jahresbericht  für  1876—77,  Abth.  III,  S.  128),  doch  ist 
das  einschlägige  Material  noch  zu  dürftig  und  die  Entzifferung  noch  zu 
wenig  fortgeschritten,  um  sichere  Schlüsse  ziehen  zu  können.  Mir  scheint 
meine  Hypothese  des  Ursprungs  aus  der  assyrischen  Keilschrift  immer 
noch  wahrscheinlicher.  Freilich  scheint  eine  troische  Patera  (s.  Sayce 
im  Journal  of  Hellenic  Studies  I,  S.  78)  die  Inschrift  ßi^oj  in  kyprischen 
Silbenzeichen  zu  bieten  (nicht,  wie  Sayce  liest,  Xifwv),  aber  dieselbe  ist 
wohl  in  späterer  Zeit  eingeführt. 


In  Folge  des  Studiums  des  kyprischen  Griechisch  ist  man  auch 
auf  die  spärlichen  Reste  des  Pamphylisch en  wieder  aufmerksam  ge- 
worden, und  es  ist  der  unglückliche  Siegism und  gewesen,  der  als  seine 
letzte  Arbeit  einen  Aufsatz  über  »Pamphylisches«  in  Curtius'  Studien  IX, 
89  ff.  veröffentlichte.  Die  Quellen  bestehen  aus  einer  grösseren,  leider 
arg  verstümmelten  Inschrift  von  Syllion,  am  besten  publicirt  von  Hirsch- 
feld  in  den  Monatsberichten  der  Berliner  Königl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1874,  S.  726;  aus  vier  kleineren  Inschriften  von  Aspendos  (« — 5). 
in  zwei  abweichenden  Dialecten,  ebendort  1875,  S.  123  ff.;  aus  Münz- 
legenden von  Aspendos  und  Perge ,  am  eingehendsten  besprochen  von 
Friedländer  in  der  Berliner  Zeitschrift  für  Numismatik  IV,  S.  297  ff"., 
und  in  etwa  20  Glossen,  meist  im  Hcsychius.  Zusammengestellt  ist  das 
ganze  Material  von  Bezzeuberger  in  seinen  »Beiträgen«  Y,  S.  325  — 
337,  nebst  dem  Versuch  einer  theilweisen  Lesung  der  grossen  Inschrift 
und  einem  Resurae  der  Ergebnisse  für  Laut-  und  Formenlehre.  Schon 
vorher  hatte  ich  im  zweiten  Anhange  zum  zweiten  Bande  meiner  Bear- 
beitung von  0.  Müller 's  »Etruskern«  (IP,  251  ff".)  mit  Hülfe  der  kypri- 
schen Silbenschrift  zwei  bis  dahin  räUiselhafte  Zeichen  des  pampliylischon 
Alphabets  bestimmt  und  einige  neue  Lesungen  gegeben.  Es  ist  aber 
auch  für  die  Lesung  und  Deutung  der  grossen  Inschrift  von  Syllion  durch 

Jahresbericht  für  Alterthumswissensch.ift  XXVUI.    (1881.  HL)  15 


226  KypriH-h  uml  andre  {griechische  Dialekte. 

meine  Enldcckungcn  ein  beträchtlicher  Fortschritt  möglich.  So  ergiebt 
sich  in  Z.  1  2:ehf(ja\s\;  in  Z.  3  Izhjfijog;  in  Z.  4  dxexpanevwg  i^  ir.c- 
TrjoQatg\  in  Z.  7  dfzuTac  £f(UTa7{T\c\;  in  Z.  'J  x«;  £77)  h'at/x  eiaXrjZ:  y.ac  if 
kf<.i)T(u\aC\,  wo  das  grossgcschriebenc  Substantiv  ein  barbarischer  Eigen- 
name ist,  dessen  Nominativ  Kaijx  staX-^  in  Z.  23  vorkommt,  der  Genitiv 
Kat}x  £ta\Xrj\rog  in  Z.  10,  während  der  Accusativ  vielleicht  am  Schluss 
von  Z.  5  gestanden  hat;  ferner  in  Z.  12  haivii  Küdpu  u.  s.  w.  Ich  ver- 
muthe  dann  in  Z.  1  noch  m)\v]ntxtja  und  iiazilfjog  K]ußeX-^[c:]\  in  Z.  2 
xa\\  ij\(xf)\(n]ai  ^\tf\b?  (s.  <Tr//ia  Acfo\g\  Z.  23),  sowie  ebendaselbst  in 
unapx  .  .  .  eine  Form  von  undfr/Etv  mit  Verlust  der  Aspiration,  wie  in 
d{v]Ti)U)nn:(n  Z.  7 ,  /l;T£7(-^)wva  IIijt\iu\^]  Z.  30 ,  u.  s.  w.  Es  ergiebt  sich 
als  Inhalt  der  Inschrift,  in  Corabination  mit  dem  von  Bezzenberger  Ge- 
fundenen, dass  für  die  Priesterschaften  der  Kybele  und  des  Zeus,  die  in 
einem  engeren  Rechtsverhältniss  zu  einander  standen  und  sich  lange  um 
die  Stadt  wohl  verdient  gemacht  hatten,  ein  grosser  Saal  (<i[vJJ,o;j(«v, 
nicht,  wie  Bezzenberger  will,  eine  Statue)  erbaut  werden  soll,  offenbar 
nach  Beschluss  der  Stadt  (das  Subject  zu  ißwXdaszu  ist  zerstört),  aber 
mit  Beihülfe  der  Priesterschaften  selbst  (daher  die  Reflexiva),  und  es 
werden  gewisse  Einkünfte  dazu  angewiesen,  deren  Verwaltung  den  8c- 
xaaTTJpeg  und  dpyufjwrat  zugewiesen  wird.  Schliesslich  werden  die  Ein- 
weihungsfeierlichkeiten festgesetzt.  Das  mehrfach,  besonders  neben  dem 
Eigennamen  Katng  vorkommende  foixünokig  ist  mit  Bezzenberger  als 
priesterliche  Amtsbezeichnung  zu  fassen. 

Was  das  pamphylische  Alphabet  betrifft,  so  ist  es  das  gemeingrie- 
chische  mit  folgenden  Abweichungen:  s  vertritt  auch  >},  o  (oft  klein  ge- 
schrieben) auch  CO  (nur  Aspendos  a  hat  a»,  ist  also  jedenfalls  spät);  H 
ist  der  Spiritus  asper  (anlautendes  0  wird  nicht  aspirirt);  I  =  C;  Z  = 
^;  X  =  ^;  ^  =  ^.  Das  Koppa  fehlt;  nur  ein  a  =  Y.  findet  sich; 
dagegen  kennt  die  Inschrift  von  Syllion  zwei  Digamma's  /  und  A/,  deren 
letzteres  auch  auf  den  Münzen  von  Perge  vorkommt;  die  Inschrift  Aspen- 
dos a  giebt  in  (plxa-t  =  20  das  Digamma  durch  ^  wieder,  das  sonst  den 
gemeiugriecliischen  Werth  hat,  Aspendos  ß  durch  7-  =  T  in  NsyaTToXcg, 
Gen.  -noXecg;  Hesych  hat  ß  in  dßeXcr^g-  rjhaxov\  atßsrog-  alerug  u.  S.W. 
In  Ndvaaaag  auf  den  Münzen  von  Perge  ist  das  aa  durch  14J  ausgedrückt, 
das  sonst  nicht  vorkommt.  Das  0  scheint  den  Werth  des  lateinischen  u 
gehabt  zu  haben,  wie  im  Kyprischen;  in  Aspendos  a  und  8  findet  sich 
dafür  auch  oy;  sonst  steht  o  d.  h.  «;  für  gemeingriechisches  00.  Die  Zei- 
chen y,  (f^  Xi  H^  "'i^  A/  sind  aus  dem  kyprischen  Syllabar  entlehnt  und 
längs  der  kleinasiatischen  Südküste  nach  Griechenland  gewandert  (s.  die 
oben  citirte  Stelle  in  0.  Müller,  nebst  der  Tafel). 

Zum  Kyprischen  stimmt  ferner:  die  Einfachschreibung  von  Doppel- 
consonanz  {aa  in  Z.  5  Sy.  ist  verlesen);  die  Einschiebung  eines  j  {i  ge- 
schrieben) nach  i  vor  andern  Vocalen  z.  B.  (ausser  den  obigen  Beispielen) 
8ijd,f£rcja,  'EazfiSijog  u.  s.  v^'.  (ähnlich  dpooßu)  =  dpoüco  bei  Eustath., 


Pamphylisch  227 

wie  kypr.  EufiXi^wv);  der  Schwund  des  v  vor  Dentalen,  wobei  r  in  d 
übergeht,  was  auch  im  Kyprischen  stattgefunden  haben  kann,  aber  durch 
die  Schrift  nicht  bezeichnet  werden  konnte,  z.  B.  in  neoe  =  5,  und  den 
Endungen  -wBt  =  -(uvrt,  -ojSai  =  -ujvrrxc,  -onu  =  -ovzo  u.  s.  w.  Auffällig 
ist  das  Fehlen  des  v  in  mpjo  (Asp.  a)  vor  einem  Vocal,  und  der  Abfall 
der  Silbe  -ov  in  ips/ivc  vor  xal  (Asp.  ß).  Wie  im  Kyprischen,  aber  in 
noch  weiterer  Ausdehnung,  geht  u,  aber  auch  cu,  in  u  über  z.  B.  (ausser 
der  eben  erwähnten  Endung  -odo)  ßoj^fxsvug ,  fotxünohg,  h'orjpaacojvtjg, 
KöSpu  (=  hoopoj),  a.pyupu  u.  s.  w. ;  der  Genitiv  'Tnpap.000.0  stimmt  zum 
kypr.  'O'maayupao.  Wie  im  Kyprischen  regiert  die  Präposition  e^  den 
Dativ;  nphg  lautet,  wie  dort,  tiuq  (Z.  6  Sy.);  daneben  aber  begegnet  Tzepzl 
=  Tcpoz{\  uXoyog  (Hesych)  =  arparbg  enthält  das  kyi)rische  b  =  knt. 
Eigenthümlich  ist  die  Wiedergabe  des  an  auf  den  Münzen  von  Aspendos 
durch  mf\  das  wbl.  Ethnikon  von  Perge  lautet  Ylpeija.  Silbebildendes  p 
erscheint  als  üp  in  ^A<p6p8i(y:g ,  -taco^  als  opo  in  'OpuTuyiai  (=  «),  wenn 
die  Lesung  richtig  (Z.  25  Sy.) ;  silbebildendes  v  als  «  in  fcxa-t. 

Aus  der  Declination  ist  noch  bemerkenswerth :  der  Genitiv  -nuXecg, 
Dativ  -nohi  (kypr.  nTÖXiji) ;  der  Accusativ  ßofa ;  der  Dat.  Plur.  auf  -ata'., 
oiai  (kyprisch  ohne  t)\  aus  der  Conjugation  der  Aor.  mixtus  ißioMaazu; 
das  weibliche  Part,  daficupycaojaa,  s.  auch  -ojaa  (Z.  6  Sy.);  das  männliche 
ßoj^/xsvug.  Anderes  ist  in  der  Deutung  noch  unsicher.  Im  Ganzen  steht 
der  pamphylische  Dialect  des  Griechischen  dem  kyprischen,  wie  sich 
auch  nach  der  Localität  erwarten  liess,  am  nächsten.  Barbarische  Ein- 
flüsse sind  ebensowenig  wie  dort  nachzuweisen. 

Soweit  war  der  Bericht  geschrieben,  als  mir  der  Aufsatz  von  W.  M. 
Ramsay,  On  some  Pamphylian  inscriptions ,  mit  einem  Nachtrage  von 
Sayce,  im  Journal  of  Hellenic  Studies  I  (1880),  S.  242—259  zu  Händen 
kam.  Darin  gelangt  Ramsay,  ohne  Kcnntniss  meiner  früheren  Entdeckung, 
zu  genau  denselben  Resultaten  über  den  Werth  der  Zeichen  \A  und  4^ 
und  dadurch  theilweisc  auch  zu  denselben  Lesungen.  Eine  Variante  des 
•-H  (=  <T<T),  nämlich  T",  weist  er  auf  Münzen  von  Mesembria,  die  auch 
ich  im  Herbst  1878  im  Britischen  Museum  gesehen  habe,  und  auf  einer 
Inschrift  des  (karischen)  Halikarnassos  nach.  Von  seinen  eigcnthünilichen 
Lesungen  kann  ich  nur  etwa  utt'  iW7:pa\^cag\  in  Z.  21  der  Inschrift  von 
Syllion  adoptiren;  richtig  liest  er  auch  ebendort  mit  mir  Z.  14  fs^szw 
(s.  Z.  24);  seine  Deutung  ist  noch  in  dem  Fundamcntalirrthum  befangen, 
d\v\opcjwv  sei  »Bildsäule«.  Wenn  Sayce  im  Anfang  von  Z.  10  7:ag  fidvs- 
Tug  liest,  so  war  das  auch  meine  Lesung,  und  auch  auf  die  Vermuthung, 
letzteres  Wort  bedeute  »Priester« ,  war  ich  gekommen.  In  Band  II  des 
Journal  (1881),  S.  222-224  giebt  Ramsay  einige  Nachrichten  über  eine 
neue  Vergleichung  des  Originals  durch  Colouel  Wilson,  die  durchweg 
zu  unsern  Conjecturen  stimmt.  Der  Anfang  von  Z.  15  ag^p'j  (nicht 
«tV\~y)   beseitigt  die  Hauptschwierigkeit  in  Betreff  des  W-    Uebrigens 

lö» 


228  Kyprisch  und  aridro  griechische  I)ialekto. 

scheint  dieser  Buchstabe,  zu  M  entstellt,  wie  mehrfach  auch  auf  den 
pamphylischen  Inschriften,  sich  auf  einer  Inschrift  der  Nekropole  von 
Thymbr.'i  wiederzufinden  (s.  Sayce  im  cit.  Journal  I,  S.  75  ff.  Notes  from 
journeys  in  thc  Troad  and  Lydia).     Ich  lese  dieselbe: 

\  ha^hnBsvzt'u  ep.   \\izuvixu/.   lthf)Yh)xia}[v\, 

Das  ejx  fixovixia  stimmt  wunderbar  zu  dem  oben  von  mir  nachge- 
wiesenen kyprischen  kv  l^ovcxjj  (s.  kypr.  Inschr.  I). 

Für  ß(o},rjnevog  weist  G.  Curtius  in  den  Leipziger  Studien  IV, 
S.  ;52()  (Epi graphische  Miscollen,  4)  auf  eßooXi^f^r^v,  ßoöh^oiq  und  die  For- 
men homer.  ovtjuevoq,  arcad.  doixrj/isvog  u.  s.  w.  hin. 


Dem  Kyprischen  und  Pamphylischen  reihe  ich,  wegen  der  engen 
Beziehung  zum  Griechischen,  das  Messapische  an,  das  nach  den  frü- 
heren Arbeiten  von  Th.  Mommsen,  G.  Curtius,  Mor.  Schmidt,  Ebel,  Stier, 
Heibig,  de  Simone  u.  s.  w.  zum  Gegenstand  sprachlicher  Erörterung  ge- 
macht worden  ist  in: 

W.  De  ecke,  Zur  Entzifferung  der  messapischen  Inschriften.  I.  Die 
Genitive  auf  -as  und  -os;  II.  Die  Genitive  auf  -hi.  Im  Rhein.  Mu- 
seum für  Philologie.  N.  F.  XXXVI,  S.  570-596  und  XXXVII,  S.  373 
—  396.* 

Das  Messapische  kann  gewissermassen  ein  alt-  oder  urgriechischer, 
wenn  man  will  pelasgischer  Dialekt  genannt  werden.  Die  in  vorhistori- 
scher Zeit  mit  einer  Reihe  verwandter  Stämme,  wie  Calabrer,  Sallentiner, 
Choner,  Oenotrer,  Pödiculer,  Daunier,  wahrscheinlich  auch  Siculer  und 
Sicaner  ,  vom  Ostufer  des  adriatischen  Meeres  in  Süditalien  eingewan- 
derten Messapier  gehörten  zur  epirotisch- illyrisch- dalmatischen  Völker- 
gruppe, die  den  alten  Lelegern,  Taphiern,  Teleboern,  dann  den  Nord- 
thessalern  und  Macedoniern  nahestehend,  auch  zu  den  Thrakern  und 
Phrygern  (Troern)  engere  Beziehungen  hatte.  Dies  beweisen  eine  Reihe 
Lauteigenthümlichkeiten  und  Flexionsformen,  vor  Allem  aber  der  in  obi- 
gen Abhandlungen  grossentheils  zergliederte  Naraenschatz. 

Das  messapische  Alphabet,  der  jonischen  Gruppe  angehörend,  hat 
die  Zeichen  «,  ß,  y,  8,  s  (auch  =  e),  /,  C  (I,  selten  Z),  5?  (=  ä,  Spiritus 
asper),  ^,  r,  x,  ;,  p,  v,  o  (auch  =  ö),  r,  9  (=  q,  nur  einmal  erhalten), 
/?,  <T,  r,  X  (X,  selten  -f ;  nicht  =  ^) ;  das  o  wird  durch  das  o  mit  vertre- 
ten. Erst  allmählich  dringt  die  vulgärgriechische  Schrift  mit  rj  (=  e), 
^,  ^  iy)->  <P,  ^>  <'^,  H  (Spir.  asper)  ein.  Verdoppelung  der  Consonanten 
ist  üblich;  auch  lange  Vocale  werden  wohl  doppelt  geschrieben.  Auf- 
fällig sind,  theilweise  zweifellos  echt,  eine  Anzahl  stenographischer  Zei- 
chen, die  wohl  dem  aus  Messapien  stammenden  Ennius  die  Erfindung 
der  römischen  Stenographie  an  die  Hand  gaben.    Vollständig  zum  Grie- 


Messapiscb.  229 

chischen  stimmt  das  Messapische  in  der  Verwandlung  des  einfachen  an- 
lautenden 5,  sowie  des  zwischen  Vocalen  stehenden  inlautenden  s,  end- 
lich des  s  vor  m  in  h  z.  B.  hapov  =  "ExTwp  (Wurzel  sag')\  Suffix 
-ahias  =  -acog  (aus  -asias);  hmi  =  ecfil  aus  *i/iiic  =  *i'nl  (aus  asmi). 
Eine  besondere,  von  mir  entdeckte,  beiden  Sprachen  eigenthümliche 
Erscheinung  ist,  dass  anlautendes  sv  bisweilen  durch  ein  eingescho- 
benes i  gespalten  wird,  worauf  im  Griechischen  das  /  dann  schwindet, 
vgl.  messap.  sivaanetas  (ein  Ethnikon),  griech.  crcam-  für  *atfu)n-  zu 
Wurzel  svap.  Zum  Griechischen  stimmt  ferner  die  Epenthese  des  ?,  wie 
in  den  Genitiven  auf  -ihi,  in  saihikas,  vaihihas  u.  s.  w.;  es  stimmt  der 
Gebrauch  der  Genitivendungen  {-as,  -os  =  idg. -as\  -hi  =  idg.  -sia):  im 
Besonderen  beweist  der  messapische  Genitiv  der  männlichen  Stämme  auf 
-ä,  der  auf  -äos  ausgeht,  in  Uebereinstimmung  mit  dem  nordthessalischen 
-aos,  dass  auch  das  gemeingriechische  -ao  aus  -aog  entstanden  ist;  um- 
gekehrt zeigt  das  mess.  -M,  dass  der  nordthessalische  Genitiv  auf  -c 
(eigentlich  i)  aus  dem  gemeiugriechischen  auf  -lo  abgestumpft  ist.  Es 
stimmt  ferner  der  Nom.  Plur.  der  consonautischen  Stämme  auf  -es  z.  B. 
2}os  =  nacg,  Plur.  jjodes  =  nacSsg;  endlich  eine  Reihe  charakteristischer 
Suffixe  z.  B.  -aiän,  Gen.  -aiänus  (Ethnikon  und  Eigenname)  =  gr.  -aiojv, 
-dcov,  dial.  -äv;  -eläs  (Ethnikon)  =  gr.  -ar^?;  -icles  (aus  -idias,  -idies, 
Patronymikon)  =  gr.  -ßr^g  (vgl.  das  deminutive  -cdcog  und  die  äolischen 
Patronymika  auf  -ddcog);  -tis  in  Tconholas-tis  »Purpurfischer«  =  gr.  -reg 
in  /idv-Tcg\  -edön  in  den  Eigennamen  baledon,  ^onedon  =  gr.  -  eowv  in 
Maxzdojv  u.  s.  w. 

Die  schärfste  Abweichung  vom  Griechischen  ist  die  Duldung  eines 
t  im  Auslaut,  wie  in  den  participialen  Namen  dazet  (=  lat.  decent-), 
bosat,  doimat  {-at  =  -ant)\  ungriechisch  ist  ferner  die  Aspirata  vor  der 
Tenuis ,  wie  in  ha^tor^  da^tas,  bao^tas,  während  die  Lautverbindungen 
<^,  s&  zum  Griechischen  stimmen;  auch  die  Assimilation  eines  e  an  vor- 
hergehendes l,  r,  n  ist  griechisch,  besonders  in  den  Dialekten,  häufig; 
mess.  tt  =  tj\  ti  erinnert  an  das  attische  rr  =  aa,  das  bisweilen  auch 
auf  rj,  Tc  zurückgeht. 

Für  das  llebrige  verweise  ich  auf  die  Abhandlungen  selbst,  und 
füge  hier  nur  noch  hinzu,  dass  mir  mit  Hülfe  des  Messapischen  der  Be- 
weis gelungen  zu  sein  scheint,  dass  die  italischen  Familiennamen  auf 
-ius  nicht  Gaunamen,  sondern  adjcctivische  Patronymika,  meist  von  Kose- 
namen abgeleitet,  sind  und  dass  sich  so  die  italische  Namengebung  an 
die  altgricchische  anschliesst  z.  B.  Marcus  Ttdlius  wie  AYag  Ts^a/xwviog, 
messap.  staboas  yorvaides',    ^eotor  artahias  u.  s.  w. 


Jaliresberi(;ht  über  die  italischen  Sprachen,  auch 
das  Altlateinische  und  Etruskische,  für  die  Jahre 

1879—1881. 


Von 
Director  Dr.  W.  De  ecke 

in  Sti'assburg  i.  E. 


Wenn  ich  diesmal  auch  das  Altlateinische  hier  herangezogen  habe, 
so  ist  es  geschehen,  weil  die  in  den  letzten  Jahren  neu  entdeckten  oder 
genauer  erforschten  wichtigen  Denkmäler  desselben  nicht  nur,  wie  be- 
sonders H.  Jordan  nachgewiesen  hat,  vielfach  Spuren  des  Einflusses  an- 
derer italischer  Dialekte  zeigen,  sondern  auch  überhaupt  dasselbe  in  weit 
engerer  Beziehung  zu  diesen  erscheinen  lassen,  als  man  bisher  ange- 
nommen hatte.  Das  Etruskische  aber  ist  durch  die  neusten  Forschungen 
wieder  in  den  Kreis  der  italischen  Sprachen  gerückt  worden. 

Für  die  Vorgeschichte  der  Italer,  wenn  auch  das  sprachliche  Ge- 
biet noch  nicht  eigentlich  berührend,  ist  von  hoher  Wichtigkeit: 

Wolfg.  Hei  big.  Die  Italiker  in  der  Poebene.    Mit  1  Karte  und 
2  Tafeln.    Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel,  1879.    X,  140  S.  8. 

Nach  des  Verfassers  Ansicht  (s.  meine  Anzeige  in  den  Gott.  gel. 
Anz.  1880,  S.  981  ff.)  stiegen  im  Laufe  des  zweiten  Jahrtausends  vor 
Christus  die  Italiker,  nach  ihrer  Trennung  von  den  Griechen,  in  die  Po- 
ebene  hinab,  die  dort  wohnenden  Ligurer  verdrängend.  Von  ihrem  dor- 
tigen Aufenthalt  und  ihrer  Cultur  zeugen  die  sehr  zahlreichen  Pfahl- 
dörfer, theils  in  den  Alpenseen,  theils  auf  trockenem  Boden  in  den  Nie- 
derungen der  Lombardei,  Emilia,  Romagna  (terremare).  Der  roh  orien- 
tirte,  eckigoblonge,  von  Wall  und  Graben  umgebene  Bau  der  letzteren, 
von  Ulmen-,  Steineichen-  oder  Kastauienholz  mit  Bohlendecke  und  Sand- 
schicht, trug  runde  Stroh-  oder  Reisighütten,  deren  Abfälle  eifrigen  Be- 
trieb der  Viehzucht  (auch  schon  des  Pferdes)  und  des  Ackerbaues  zeigen 
(^Waizen,  Bohne,  Flachs,  Rebe).  Ein  roher  Webstuhl  war  bekannt,  ebenso 
Lederbereitung  und  Korbflechterei,  auch  Brouzeguss.  Die  Thongefässe 
sind  noch  Handarbeit,  die  einzige  Verzierung  sind  noch  nicht  organisch 


Die  alten  Italer  und  Rom.  231 

verbundene  geometrische  Elemente.  Im  12.  Jahrhundert  v.  Chr.  wurden 
diese  Italer  durch  den  Einbruch  der  gleichfalls  von  Norden  her  einwan- 
dernden kriegerisch-wilden,  ungefähr  auf  derselben  Culturstufe  stehenden 
Etrusker  aufgescheucht  und  nach  Süden  und  Osten  gedrtängt.  Die  von 
ihnen  dann  in  ihren  neuen  Wohnsitzen  in  Mittel-  und  Unter-Italien,  spe- 
ciell  in  Latium  entwickelte  Cultur,  wie  sie  uns  theils  aus  den  Nachrichten 
der  Alten,  theils  aus  den  Nekropolen  des  Albaner  Sees  und  den  Aus- 
grabungen am  Esquilin  in  Rom  entgegentritt,  ist  die  unmittelbare,  na- 
türliche Fortentwicklung  des  aus  den  Pfahldörfern  erschlosseneu  Zustan- 
des.  Dies  wird  im  Einzelneu  durch  Vergleichung  der  Denkmäler  zu 
erweisen  versucht.  »Das  Pfahldorf  war  die  Zelle,  aus  welcher  allmäh- 
lich das  italische  Gemeinde-  und  Staatswesen  heranwuchs«. 
.  Ich  schliesse  hieran: 

Dr.  Robert  Pöhlmanu,  Die  Anfänge  Roms.  Erlangen,  Deichert, 
1881.     IV,  64  S.  8. 

Mit  Benutzung  obiger  Hypothese  Helbig's  macht  der  Verfasser 
(s.  meine  Anzeige  in  den  Götting.  gel.  Anz.  1881,  S.  1115  ff.),  im  Gegen- 
satz zu  dem  mercantilen  Gesichtspunkt,  den  topographischen  geltend, 
wonach  die  ältesten  Niederlassungen  an  dem  unteren  Tiber,  zum  Schutze 
gegen  die  Malaria,  auf  den  gesunderen  Höhen  stattgefunden  haben  müssen, 
mit  von  vorn  herein  gegebener  Tendenz  zu  stadtartig  geschlossener  Zu- 
sammensiedlung mit  Wall  und  Graben  und  der  Wehrverfassung  als  Fun- 
dament des  Gemeindelebeus.  So  fiel  denn  auch  die  älteste  römische 
Ortsgemeinde  nicht  mit  der  Geschlechtsgenossenschaft  zusammen.  Der 
Sippenverband  war  von  einer  höhereu  Gemeinschaft  überwölbt,  und  nur 
aus  diesem  Verhältuiss  lässt  sich  die  einzigartige  politische  Entwickelung 
Roms  begreifen. 

Ich  kann  nicht  läugnen,  dass  auch  für  mich  die  Idee  der  altlatini- 
schen  Gaugenossenschaften  und  Geschlechtsdorfschaften  erschüttert  ist, 
seit  ich,  in  Folge  meiner  Untersuchungen  über  das  Messapische  (Rhein. 
Mus.  N.  F.  XXXVI,  S.  579),  zu  der  Uebcrzeugung  gekommen  bin,  dass 
die  italischen  Familiennamen  auf  -ins  nicht  Gaunamen,  sondern  Patrony- 
mica  von  Kosenamen  (theils  Vor-,  theils  Beinamen)  sind,  ein  Gedanke, 
der,  wie  ich  nachträglich  sehe,  bereits  von  R.  Movat  in  dem  Aufsätze 
Les  noms  familiers  chez  les  Romains  (in  den  Memoires  de  la  Societe  de 
Linguistique  de  Paris.  T.  I,  1868,  p.  293—336)  ausgesprochen  und  thcil- 
weise  ausgeführt  worden  ist  (s.  besonders  S.  307). 

Der  Name  der  Italer  ist  speciell  behandelt  worden  von: 

Beruh.  Heistcrbergk,  Ueber  den  Namen  Italien.  Eine  histo- 
rische Untersuchung,  Freiburg  i.  Br.  und  Tübingen ,  Mohr  (Siebeck), 
1881.    IV,  166  S.  8. 

Freilich  läugnct  der  Verfasser  (s.  meine  Anzeige  in  den  Götting. 
gel.  Anz.  1881,  S.  1112 ff.)  die  ursprünglich  nationale  Bedeutung  des  Namens. 


232  Italische  Sprachen, 

Nach  ihm  ist  Italiu,  vielleicht  entstellt  aus  Ilanlu,  vom  phönizischen 
JSiün  »beständig,  dauernd«,  ursprünglich  etwa  Name  einer  von  phönizi- 
schen  Seefahrern  benutzten  pcrerniirondcn  (^Mielle  an  der  Südspitze  des 
jetzigen  Calabriens  gewesen  und  hat  sich  dann  als  Landschaftsname,  zu- 
nächst durch  die  sicilischen  Griechen,  allmählich  weiter  nach  Norden 
verbreitet.  Ein  Volk  der  Jiali  hat  es  nie  gegeben;  der  König  Italus  ist 
Abstraction  aus  dem  Ländernamen.  Die  Verbindung  mit  vitnim  »Kalb« 
ist  Volksetymologie;  t~ah')Q  ein  erfundenes  Wort.  —  Dem  gegenüber 
bleibt  die  Nissen'sche  Deutung  von  Viteliü  =  'halia  »Rinderland«  oder 
genauer  »Land  des  Stiergottes  Vitulus«  immer  doch  noch  wahrschein- 
licher. 

Das  Altlateinische  der  Pränostiner  Bronzen  ist  theilvveise  behan- 
delt worden  in  H.  Jordan's  Aufsatz  »Zur  Geschichte  der  griechischen  Lehn- 
wörter« in  den  oben  besprochenen  »Kritischen  Beiträgen  zur  Geschichte 
der  Lateinischen  Sprache«  (Berlin,  Weidmann,  1879,  VIH,  364  S.  8.) 
S.  1—88.  Kühn  ist  die  Deutung  von  otof;  =  Papa;  fata  =  Mama;  rtt 
—  d\Ut  =  dedit  (auf  dem  Spiegel  n.  18,  S.  72)  an  der  er  auch  im  Her- 
mes (XVI,  1881,  S.  251  Note)  festhält.  Statt  Vepüus  (Monura.  d.  Ist.  VI, 
t.  LIV)  ist  er  jetzt  geneigt  Veritus  =  virfMH  zu  lesen  (ebendas.  252). 

Die  früher  schon  von  Bücheier  (Rhein.  Mus.  N.  F.  XXXIII,  S.  489 
— 490)  behandelte  altlateinische  Bronzeinschrift  aus  dem  Fucinersee  (s. 
Jahresbericht  von  1878,  Abth.  III,  S.  3)  ist  neu  behandelt  worden  von: 

H.  Jordan,  Inschrift  vom  Fuciner  See,  in  den  »Sprachgeschicht- 
lichen Betrachtungen«,  im  Hermes  XV  (1880),  S.  5  —  12;  vgl.  auch  die 
Tafel  des  Alphabets,  ebendas.  XVI  (1881),  S.  254. 

Jordan  macht  neu  aufmerksam,  dass  die  Form  -his  im  Dat.  Abi.  PI. 
hiernach  älter  scheint,  als  -bos\  dass /c^  in  Äprufclano  unlateinisch  ist 
(lat.  =  * Aprubiculaims),  während  das  h  in  menurhkl  statt  f  an's  Lateini- 
sche anbequemt  ist.  Das  Suffix  -ur  in  letzterem  Wort,  neben  Men-er-va, 
wird  verglichen  mit  aug-icr,  mig-er;  ferner  ac-er-hus,  cat-cr-va^  lup-er-ctis 
u.  s.  w.  Marsisch  ist  auch  wohl  das  ts  in  Mart-scs,  das  lateinisch  ss  sein 
würde.  Esalico  ist  er,  wie  ich,  geneigt  als  Genitiv  PI.  zu  deuten,  da- 
gegen doivom  (wenn  nicht  donom  zu  lesen)  als  Acc.  Sg.  Neutr.  Der 
Schluss  bleibt  dunkel  wegen  atoierpnttia  oder  -dattia,  vielleicht  zu  zer- 
legen in  atoier  =  *Aitoies ,  Name  einer  Gottheit  im  Genitiv,  und  dattia, 
einer  Verbalform  auf  -a  =  -ant.  Das  abgekürzte  ceip-  scheint  doch  eher 
==  cippum  zu  sein.  —  Ich  möchte  in  menurbid  ein  Verbum  sehen  =  sta- 
tuit  (etwa  zu  moeniaf);  Casontonio  als  Nom.  Sg.  Masc.  fassen,  vgl.  etr. 
casntinial  Gam.  App,  716;  dattia  (=;  -iat)  =  dal,  dedicat,  ohne  Einfluss 
von  socieque.  Das  doppelte  t  deutet  auf  Composition  mit  der  (oskischen) 
Präposition  dat;  das  -tia  für  *dia  könnte  auf  eine  der  Nebenformen  von 
rfare  zurückgehen,  vgl.  urabrisch  dia  {Eng.  t.  VI,  a20),  bisher  als  des 
oder  det  erklärt  (s.  unten),  wofür  aber  auch  dat  recht  gut  passt. 


Altlateinisch  233 

Eine  andere  inzwischen  an  den  Tag  gekommene  altlateinische  In- 
schrift ist  die  Haininschrift  von  Spoleto  (s.  T.  III  der  Atti  d.  R.  Accad. 
dei  Lincei  1878—79,  S.  195  und  Bormann  Miscellanea  Capitolina  in  der 
Festschrift  zu  Ehren  des  Archäologischen  Instituts  1879,  S.  6).  Sie  ist 
behandelt  in: 

F.  Buche  1er,  Altes  Latein.  Rhein.  Mus.  N.  F.  XXXV  (1880), 
S.  627—630.  I.     Inschrift  von  Spoleto. 

M.  Breal,  Epigraphie  Italique.  Memoires  de  la  Societe  de  Lin- 
guistique.    IV  (1881),  S.  373— 405.  4.    Inscription  archaique  de  Spolete. 

Bücheier  setzt  die  Inschrift  vor  536  der  Stadt.  Die  Nähe  des 
Umbrischen  findet  er  erkennbar  in  der  Strafformel  mit  moltai  und  in  der 
Verschrumpfung  des  Diphthongs  in  cedere  =  caedere.  Breal  verweist  für 
Letzteres  auf  altlateinisch  i^retor^  CeciUus  (Varro  de  L.  L.  VII,  96);  in 
der  Strafformel  fasst  er  moltai  als  Genitiv  und  ebenso  jetzt  umbr.  viotar 
(Eng.  t.  VII,  b  4).  In  Z.  2  liest  er  nequis  mit  Ligatur  gegen  Bücheler's 
und  Jordan's  (Hermes  XVI,  S.  246)  nequs.  Zu  dein-,  diu-  =  divtJi-  bringt 
Bücheier  die  Stelle  Plautus  Epid.  314  bei,  wo  dkmiam  zweisilbig  ist  und 
der  vetus  in  der  That  dinmn  bietet.  Ebenso  weist  er  die  Form  ocxarcop 
neben  dcxrdzwp  aus  Hesych  nach  und  erinnert  an  den  griechischen  Ge- 
brauch des  Stammes  Sixa-.  Breal  erinnert  noch  an  deus  =  diuua,  dius. 
Ferner  erklärt  er  piaclum  datod  als  »qu'il  fasse  un  sacrifice«,  gegen  seine 
eigene  Deutung  des  vootum.  dedet  einer  faliskischen  Inschrift  (ebendas. 
unter  3).     Auffällig  bleibt  cedre  (Z.  9)  =  caedere. 

Bei  weitem  wichtiger  aber  ist  noch  die  Doppelinschrift  des  drei- 
fachen schwarzblauen  Töpfchens  vom  Quirinal,  behandelt  von: 

Heinr.  Dressel,  Di  una  antichissima  iscrizione  Latina  graffito 
sopra  vaso  votivo  rinvenuto  in  Roma.  Annali  d.  Istit.  d.  Corr.  Ar- 
cheol.  1880,  S.  158-195;  t.  d'agg.  L. 

F.  Bücheier,  Altes  Latein,  IIL  Rhein.  Mus.  N.  F.  XXXVI, 
S.  235—244. 

Herm.  Osthoff,  Zur  altlateinischen  Dvenos- Inschrift,  ebendas. 
S.  481—489. 

H.Jordan,  Altlateinische  Inschrift  aus  Rom.  Hermes  XVI  (1881), 
S.  225—260,  mit  Doppeltafel ;  s.  auch  Bullet,  d.  Istit.  d.  Corr.  Arch. 
1881,  S.  84  ff. 

Zum  Verständniss  des  Folgenden  setze  ich  die  nicht  allzu  lange 
Inschrift  hör: 

ioiie\sntdeüiosqoiniedmitatneitedendoco8misuircosied 

astcdnoi.siopefoi.f.esiaipnJynriiiois 

daenosmedfekedenmanü)ncinomd~cnoincincdmanostatod 


234  Italische  Sprachen. 

Ucbersicht  über  die  Schriftzeichen  geben  Drcssel  und  Jordan,  letz- 
terer im  Vergleich  mit  der  Schrift  der  P'uciner  Bronze.  Die  Schrift  ist 
linkslüutig.  Ka  fehlt  /y,  wofür  vielleicht  c  in  virm;  k  steht  (durch  Corrcctur 
nach  Jordan)  in  pakari.  und  feked\  c  nur  in  cosmis;  q  in  qoi  =  qui  (Nom. 
Sing.  Masc).  Nur  zufällig  fehlen  fj,  h,  l,  x;  z  steht  in  dze  =  die,  später 
eingeschoben;  dem  r  fehlt  der  Nebenstrich;  das  m  ist  vierstrichig.  Doppel- 
consonanz  wird  nicht  gesclirieben.  Das  angebliche  diakritische  Zeichen 
hinter  Jove  hält  Jordan  für  ein  nachträglich  eingeschobenes,  etwas  lang 
gerathcnes  i,  liest  also  lovei.  Im  zweiten  Wort  ist  Sat  (=  Satumo)  aus 
ursprünglich  geschriebenem  Sa  verbessert,  vgl.  Saeiumn.i.  Verschrieben 
ist  im  vorletzten  Wort  mano  aus  mano.  Die  Form  der  Buchstaben,  das 
Alphabet,  pakari  (nicht  mehr  mit  «)  u.  s.  w.  weisen  auf  den  Anfang  des 
fünften  Jahrhunderts.  Die  Deutung  auf  das  nnvendiale  sacrum  (s.  dze 
noine)  ist  von  Dressel  richtig  gefunden;  weiter  ausgeführt  ist  dies  von 
Jordan  (nach  Apul.  Met.  IX,  30 ff.),  wonach  beim  Aufhören  der  Trauer 
am  neunten  Tage  ein  Todtenopfer  stattfand,  zu  dem  das  Töpfchen  be- 
stimmt war.  Die  Beziehung  der  Dreiheit  auf  die  vorkommenden  drei 
Gottheiten  {lupiter,  Saiurnus,  Ops)  wird  von  Jordan  mit  Recht  zurück- 
gewiesen. —  Die  Deutung  ist  noch  vielfach  unsicher.  Während  die 
Uebrigen  Jove{i)  Sat[urno]  als  Dativ  fassen,  sieht  Osthoff  darin  den  Ac- 
cusativ  (mit  Verlust  des  »i),  hält  also  das  /  noch  für  den  diakritischen 
Strich;  ebenso  ist  ihm  dann  deivos  Accusativ,  indem  er  au  dem  Ausfall 
des  i  {=  deivois)  Austoss  nimmt,  trotz  devas  (C.  I.  L.  I,  814),  angeblich 
=  *devais\  der  Accusativ  bei  mittere  wäre  der  des  Zieles.  Bücheier  will 
gegen  die  Andern  mitat  {=  mittai)  als  Futurum  Ind.  fassen;  Jordan 
sucht  den  Conj.  Präs.  durch  die  conditionale,  verallgemeinernde  Bedeu- 
tung von  qoi  zu  erklären.  Als  Bedeutung  von  mittere  setzt  er  hier  »hin- 
bringen«, nicht  »darbringen«.  Die  grösste  Abweichung  der  Erklärung 
findet  im  Folgenden  statt:  nei  ted  endo  cosmis  virco  sied  asted  deuten 
Dressel  und  Bücheier:  »nicht  soll  Dich  hineinbegleiten  eine  Jungfrau 
(oder)  dabei  stehn«,  also  cosmis  =  comes,  von  Bücheier  zu  cosmittere  = 
committcre  (Paul.  Diac.  Exe.  Fe.  p.  67)  gestellt  und  cosmis  siet  construirt 
wie  coinitetur\  dazu  asyndetisch  asted  =  ad -stet,  vgl.  zur  Coustruction 
astitit  illum  locuju  (Prisc.  XVIII,  309,  27,  H.).  Jordan,  der  diese  Schwierig- 
keiten für  unüberwindlich  hält,  übersetzt:  »hüte  Dich,  dass  nicht  eine 
Jungfrau  Dir  freundwillig  sei,  es  sei  wenn  Du  nicht  willst  mit  Ops  Toi- 
tcsia  Deinen  Frieden  machen«,  also  cosmis  =  cömis;  asted,  alte  Form  der 
Partikel  aste,  ast  (s.  oben  das  Referat  über  die  Kritischen  Beiträge), 
wie  postid  zu  2^ost,  antid  zu  ante.  Er  legt  Nachdruck  darauf,  dass  mit 
asted  eine  neue  Zeile  beginnt.  Osthoff  endlich  trennt  neited  endo  cosmis 
vir  cosied  asted  »der  soll  bestrebt  sein,  dass  drinnen  ein  handlicher  Mann 
dabei  sei  (und)  zur  Seite  stehe« ,  also  auch  mit  cosmis  =  cömis,  das  er 
von  CO  +  Sern  (s.  sem-el,  sim-plcx)  ableiten  will;  aber  dann  neited  3  Sg. 
Futuri,    eig.  Optat.,  =  *v.ittt,  vgl.  nitito   (Cic.  de  republ.  frg.);  der  fol- 


Altlateinisch.  235 

gende  Coajunctiv  ohne  ut  könne  keinen  Anstoss  erregen;  cosied,  asted 
sei  ein  neues  Beispiel  des  Asyndeton  sollemne;  zwar  kommt  *coessc  nicht 
vor,  aber  confore,  conjuerü  u.  s.  w.  — '■  Der  Name  Buenos  wird  allgemein 
als  Bennus  gedeutet  und  Jordan  weist  auch  auf  den  Gentilnamen  Bennius 
hin  (s.  aber  meine  Messapka  im  Rh.  Mus.  N.  F.  XXXVII,  S.  385,  n.  22). 
Er  hält  den  Dvenos  für  den  Verfertiger,  nicht  den  Geber.  Das  m  ?»«- 
nom,  von  den  Uebrigen  »?'«  mortuvmv.  =  »für  den  Todten«  gedeutet,  er- 
klärt Jordan  »für's  Todtenopfer« ,  also  mnnum  als  Neutrum  »das  Gute, 
das  Todtenreich,  das  Todtenopfer« ;  ebenso  dann  mano  staind  als  ■inanu{m) 
statod  »Du  sollst  mich  als  Todtenopfer  hinstellen«,  nicht  »für  den  Todten«. 
Das  einom  endlich  ist  er  geneigt  als  Folgepartikel  »darum«  zu  deuten, 
nicht  als  »und«.  —  Was  die  Einzelheiten  der  Formeubildung  betrifft, 
so  macht  Bücheier  auf  das  häufige  oi  aufmerksam :  qni^  später  quei,  qui 
=  osk.  imi,  umbr.  ■poi;  nome  aus  *novine,  s.  umbr.  mivime;  also  auch 
wohl  nönus  =  *nomnus,  trotz  Novnis,  s.  wöw,  cöraverunt^  populö,  falisk. 
löferta  u.  S.  W. ;  noisi  =  nisi^  aus  *neisei,  s.  im  Edict  von  Spoleto  nesei, 
osk.  nei  svae,  umbr.  nosve\  auf  nei  aus  noi  gehe  ne  und  m  in  nequaquam, 
7iimiruin  u.  s.  w.  zurück.  Ein  Locativ  auf  -oi  ist  freilich  sonst  unerhört. 
Jordan  hält  den  Wechsel  von  oi  und  ei  für  unlateinisch.  In  Toite^ia 
scheint  oi  eher  auf  ü,  als  ei  zurückzugehen:  Drossel  denkt  an  italisch 
tmita  y)clvitas« ,  Bücheler  an  tueri  schätzen,  vgl.  Tutor,  Tutilina,  Jordan 
an  Tutunus.  Die  Form  vois  =  veis,  vis-  »du  willst«  lässt  Bücheler  aus 
*vols  entstehen,  s.  umbr.  Voisiener  =^  Volsienus;  Osthoff  setzt  sie  =  ind. 
veöi  von  vi  »wünschen«.  —  Das  ei  in  einom  fasst  Jordan  als  kurzen 
Mittellaut  zwischen  e  und  i  (wie  in  osk.  eivscfi),  s.  umbr.  enom,  ennom, 
osk.  inim,  in  Sulmo  (pälignisch)  inom\  er  sieht  in  diesem  Wort  wieder 
fremden  Einfluss.  Als  unlateinisch  gilt  ihm  (trotz  Casmena)  auch  die 
Erhaltung  des  s  in  cosmis  (s.  osk.  posmom,  pälign.  i)rismo),  sowie  der 
Gebrauch  von  endo.  Auffällig  ist  die  transitive  Bedeutung  von  statod, 
jetzt  aber  auch  im  Etruskischen  sta  =  sistit,  ponit  (s.  unten).  Das  t  von 
rnitat  neben  dem  d  der  anderen  Formen  erklärt  Osthoö'  als  Primärform 
gegenüber  den  Secundärformen.  Die  Bedeutung  von  pal-ari  wird  thcils 
an  pacem  exposcere,  umbr.  pacer  »gnädig«,  theils  an  das  spätlat.  jnicorc 
=  solvtre  (de  Rossi)  angeschlossen.  --  Während  Osthoff  für  seine  Deu- 
tung die  Allitteration  cosmis  —  cosied  anführt  und  Bücheler  gar  vier  Sa- 
turnier  construirt,  freilich  mit  Annahme  einer  Lücke  hinter  vois  und  Er- 
setzung des  Namens  Drenos  durch  einen  anderen,  sieht  Jordan  in  der 
Inschrift  nur  nüchterne  Prosa  und  (jedenfalls  mit  Recht)  keine  Verse. 
—  Schliesslich  bezweifelt  Jordan  die  rein  lateinische  Herkunft  der  In- 
schrift: »Der  Fundort  des  Gefässes  beweist  nicht,  dass  es  in  Rom  fa- 
bricirt,  noch  weniger,  dass  der,  der  die  Inschrift  darauf  gesetzt  hat,  ein 
geborener,  reines  römisches  Latein  sprechender  Römer  gewesen  ist.  Die 
Abweichungen  von  den  Sprachformen,  der  Schrift  und  dem  Alphabet  der 
römischen  Sprachdenkmäler  zeigen  Eigenthümlichkeiten,  welche  es  wahr- 


236  Italische  Sprachpn. 

scheinlich  machen,  dass  der  Schreiber  zwar  gutes  Latein  redete,  aber 
bceinfiusst  war  von  einer  der  Mniidartcn,  welche  in  den  Berggegenden 
östlich  von  Rom  gesprochen  wurden,  aber  bereits  im  fünften  Jahrhundert 
im  Aussterben  begritfen  waren«. 

Zur  Deutung  des  altlateinischen  Arval-  und  Salierliedes  hat  auch 
II.  Jordan  neues  Material  geliefert  in  den  oben  besprochenen  »Kritischen 
Beiträgen«  Cap.  III  »Zur  Beurthcilung  der  sacralcn  Poesie«  S.  167-225, 
und  einen  kleinen  Nachtrag  liefert  er  im  Hermes  XIV  (1879),  S.  633—34, 
wonach  im  Arvalliede  auf  dem  Originaldenkmal  bei  der  dritten  Wieder- 
holung von  Z.  4  wahrscheinlich  altemie  (statt  -nei)  steht,  jedenfalls  nicht 
alternip. 

Das  Arvallied  ist  auch  behandelt  von: 

M.  Breal,  Epigraphie  Italique  (in  den  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Ling. 
IV,  1881,  S.  373 ff.).  1.  Le  chant  des  Arvales;  wozu  zu  vergleichen  ist 
die  Revue  Critique  1880,  S.  123—24  über  einen  Vortrag  Breai's  in  der 
Sitzung  der  Acad.  d.  Inscr.  vom  30.  Januar  1880. 

Breal  hält  die  aus   dem  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.   stammende 
Redaction  für  ungeschickt  wegen  der  Mischung  alter  und  neuer  Formen, 
z.  B.  Laues  mit  s  neben  incurrere  mit  r\  die  Copie  von  218  n.  Chr.  aber 
für  recht  fehlerhaft.    Er  stellt  her: 
enom  Lases  iuvute 
,  7ieve  lue  arves  (R.  er.  arve)  marmar  sern 

(R.  er.  seiris)  incurrere 

inpleores 

sata  tutere  mars  clemens  satis  sta  herber 
semunis  alternei  advocapit  conctos 
enom  marmor  iuvato 
triumpe 
Z.  4  (resp.  .5)  gehört  nach  ihm  gar  nicht  in  den  Gesang,  sondern  ist  eine 
rituelle  Vorschrift;  mit  inpleores  =  implores  begann  eine  ähnliche  Weisung. 
Das  enom  wird  als  eia\  erklärt;  sers  (resp.  AeeWs),  wie  bei  Jordan,  als  siveris; 
satis  ist  Dat.  PI.  (von  Nom.  sata),  wie  arve{s);  sta  hat  den  Sinn  von  esto; 
herber  ist  auch  ihm  Götterbeiname. 

Einen  weitereu  Beitrag  zum  Arvalliede  giebt  Ed.  W(ölfflin)  in 
den  Acta  Seminarii  Philologici  Erlangensis  II  (1881),  Erlangen,  Deichert, 
8.,  S.  70  ad  Carmen  fratrum  Arvalium.  Er  ändert  das  sins  (=  sinas)  in 
der  ersten  Wiederholung  von  Z.  2  in  sei7-s  =  sers  in  der  dritten  Wieder- 
holung, d.  i.  siveris,  da  das  Präsens  der  exoptatio  angehört,  das  Perfect 
der  deprecatio;  in  derselben  Zeile  hält  er  pleoris  für  richtiger  als  j^^eor es] 
statt  advocapit  in  Z.  4  möchte  er  *advocaptis  =  advocabitis  lesen. 

Dem  Lateinischen  zunächst  steht  das  Faliskische.  Eine  schon 
von  früher  her  bekannte  faliskische  Inschrift  behandelt 

M.  Breal,  Epigraphie  Italique  (in  den  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Ling. 
IV,  1881,  S.  373  ff.).     3.  Une  inscription  Falisque. 


Altitalisch.     Faliskisch.    Umbrisch.  237 

Es  ist  die  Inschrift  bei  Fabr.  C.  I.  I,  2441,  s.  Pr.  Spl.  p.  113.  Sie 
lautet : 

menerva  •  sacru 

a  ■  cotena  ■  Ir  ■  f  ■  pretod  ■  de. 

zenatuo  ■  sententiad  •  vootum 

dedet  •  cuando  ■  datu  ■  rected 

cuncaptum 

Nach  Breal  ist  die  Schrift,  halb  lateinisch,  halb  etruskisch,  nach  einem 
etwas  abweichenden  Original  gemacht  und  zwar  nicht  mit  Verständniss: 
so  steht  menerva  statt  -i'fl«,  i^retod  statt  -tor.  Den  Rest  eines  /  im  An- 
fang von  Z.  2  (Garrucci)  hat  er  nicht  sehen  können;  es  wäre  auch  la 
neben  Ir  auffällig.  Wenn  er  den  Namen  cotena  für  sonst  nicht  vorkom- 
mend hält,  so  ist  doch  seine  Bildung  ganz  etruskisch  (wie  Forsena),  und 
nahe  verwandt,  vielleicht  identisch  ist  etr.  cutana,  cutna  (s.  Etr.  Fo.  u. 
Stud.  II,  20,  Note  71).  Auch  die  Vornamen  a  =  Aulus,  Ir  =  Lartis  sind 
etruskisch.  Das  in  vootum  und  cnncaftum.  erhaltene  m  fehlt  in  mcru  und 
datu\  das  schliessende  s  in  zenatuo.  Die  Redensart  votum  dare  erklärt 
Breal  als  votum  fucere,  nicht  solvere^  so  dass  der  Schlusssatz,  eine  Art 
Empfangsbescheinigung  von  Seiten  der  Gottheit,  lautet:  »quaud  (le  voeu) 
a  ete  fait,  il  a  ete  correctement  con^u« ;  vgl.  verba  concipere. 

Neue  faliskische  Inschriften  aus  einem  Felsengrabe  von  Carbo- 
gnano  hat  veröffentlicht 

Heinr.  Dressel,  Bulletino  dell'  Istituto  di   Correspondenza  Ar- 
cheologica.     Roma,  1881,  S.  151  ff.;  vergleiche 

Heinr.  Jordan,  Faliskisches.    Hermes  XVI  (1881),  S.  510-12. 

N.  1   lautet   Voltio  \  Folcozeo  \  Zextoi  \  fi\lio] 

N.  2   Cavia  \  Vettdia 

N.  3   Tito  ■  Mareiio  \   Voltilio 

N.  4— 8  theilweise  undeutlich. 

Das  z  stimmt  zum  obigen  zenatuo  und  erinnert  au's  Etruskische; 
-ozeo  ist  =  -öshis.  Der  Genitiv  auf  -oi  =  -ei  stimmt  zu  der  Töpfchen- 
inschrift.    Die  Lesung  Mareiio  ist  von  Jordan;    vgl.  die  Endung  -fins. 

Aus  dem  Gebiet  des  Umbrischen  weiss  ich,  ausser  einigen  ge- 
legentlichen Bemerkungen  in  sprachvergleichenden  Werken  und  lateini- 
schen Etymologien  (s.  den  Bericht  über  lateinische  Gram.matik),  nur  an- 
zuführen : 

F.  Bechtel,   Umbrica.     In  Bezzenberger's  Beiträgen   zur  Kunde 
der  indogermanischen  Sprachen,  VII  (1881),  S.  1-8. 

1.  Eug.  t.  VII  b  2  piß  rtper  fratreca  para  est  erom  ehiato  =:  ubi  pro 
re  fratei'na  par  erit  eorum  egeatur,  schwerlich  richtig. 


2;-]8  '  Italischo  Sprachen. 

2.  t.  Via  21   cehefi  dia  =  flaricmmn  det  (s.  oben). 

3.  t.  Ib  16  U.  VIb  53  eturslmnu  ^=.  etnratahmn  =  externdnato  (SO  ge- 
deutet schon  von  Bücheier),  entweder  zu  extarrü  oder  zu  exterrere^  so 
dass  das  r  Schreibfehler  ist. 

4.  iovie  (Acc.  PI.),  -vies  (Dat.  Fl.)  =  laninres ^  -oribns  (so  SChon 
Bücheier),  nach  der  fünften  Declination,  eigentlich  im  Nominativ  =  in- 
disch (spät)  javijasas,  also  aus  ^iovieses. 

5.  pnrUius  (t.  la  27;  30;  IIa  7;  9)  ist  von  purtUim  u.  s.  w.  zu  tren- 
nen; in  letzterem  ist  t  älter  als  f-,  «,  und  Corssen's  Deutung  vom  Part. 
Präs.  richtig. 

Aus  dem  Gebiet  des  Uskischeu  und  Sabcllischen  ist  mehrfach 
die  tabula  Bantina  Gegenstand  neuer  Untersuchungen  gewesen: 

M.  Breal,  Epigraphie  Italique  (in  den  Mera.  d.  la  Soc.  de  Lingu. 
IV,  1881,  S.  373  If.).  2.  La  table  de  Bantia,  mit  Text  und  Uebersetzung 
S.  388 — 390  nach  Zwetajeff  und  Bücheier  (in  Bruns  Fontes  iuris  Romani 
antiqui.  3.  Ausg.  Tübingen,  1876);  vgl.  Revue  critique  1879,  S.  247 
und  355— .56  über  die  Sitzungen  der  Acad.  d.  Inscript.  vom  19.  Septem- 
ber und  2.  December  1879. 

Heinr.  Jordan,  Zur  oskischen  Inschrift  der  bantinischen  Bronze. 
In  Bezzenberger's  Beiträgen,  VI  (1881),  S.  195-210. 

Nach  Breal  ist  das  Gesetz  wahrscheinlich  durch  einen  von  Rom 
gesandten* Beamten  gegeben,  um  Streitigkeiten  unter  den  Einwohnern 
von  Bantia  zu  schlichten,  etwa  zur  Zeit  der  Gracchen.  Ausgefertigt 
scheint  es  in  Rom  von  einem  der  oskischen  Sprache  nicht  recht  Kundi- 
gen: daher  die  lateinische  Schrift  und  die  vielen  Fehler.  Jordan  erklärt 
sich  besonders  scharf  gegen  die  Ansicht,  dass  es  Uebersetzung  einer 
römischen  lex  sei,  und  sieht  auch  in  den  tr.  pl.  einheimische  Magistrate. 
Mommsen's  [(judex  Z.  32  beruht  auf  falscher  Abtheilung:  er  vermuthet 
[c]on[t7-]ud  exeic.  Zwetajeff's  Vergleichung  mit  dem  Original  ist  nirgends 
erkennbar,  seine  Textwiedergabe  raangel-  und  lückenhaft,  das  Avellino'- 
sche  Fragment  fehlt  ganz;  noch  immer  ist  Mommsen's  Text  der  allein 
brauchbare. 

Im  Einzelnen  erklärt  Breal:  comenei,  comono  aus  com-hend^  -bono 
von  *heno  =  venin^  s.  cebnust  =  *conibenust;  amnud  Präp.  ^  causa,  eig. 
autour  de;  cadeis  zu  calvere  (aus  *cadvere)  Mnsidias  struere<s.\  hipid,  Optativ 
wie  sim,  velim,  aber  haßeist  Futurum;  maimas  aus  *ma{g)is-vias,  s.  ;jri(s)- 
mus  aus  * prius-mus ;  in  Z.  8  ist  loufii  =  lubct  »oder«  noch  erkennbar 
(schon  vorher  von  Breal  vermuthet);  pous  ist  Conjunction  =  umbr.  puse{i)\ 
valaemom  ist  vielleicht  verschrieben  für  * valtemom^  vgl.  opiimus;  neip  mais 
pomtis  (nicht  tom  pis)  Z.  15  gehört  zum  Vorhergehenden,  nicht  zum  Fol- 
genden; die  Tafel  zeigt  eine  leere  Stelle  dahinter;  trutum  zum  Stamme 
von  ier-minus;  amiricatud  ist  nicht  Ablativ,  sondern  Verb  (Imperativ)  zum 
Subject  allo  famelo  =  venecif ,  vendatur,  also  a  Präposition  (in  der  Rev. 


Oskisch.    Sabellisch.  239 

crit.  »aestimetura);  in'  ei  sivom  =  et  is  simul  {in-  =  //um);  Z.  19  fast  = 
e7-ii  (nicht  fuerit)]  Z.  20  iusc  =  ii  (nicht  eos)\  angetuzet^  vielleicht  ver- 
schrieben für  *anteguzet  vom  Stamme  to^  y>tangere,  taxare«  z=  propos^ierint 
(Rev.  crit.  statnerint)^  nicht  cocgerint;  Z.  21  lamatir  =  vendatur  (Rev.  crit. 
damnetur  oder  vocetur) ;  facus  =  * /accus,  aus  /actus,  vgl.  i^rae/ucus.  Das 
/s-  ^acwsj  .  .  .  aus  dem  Avelliuo'schen  Fragment  gehört  in  Z.  30,  wo  dann 
zu  lesen  .  .  .  facus •  /ust'  izic  am-prufid-  /acus'  estud-  =  ».  .  .  /actus fiierit 
(s.  oben  erit),  is  improbe /actus  estoa. 

Das  ganze  Avellino'sche  Fragment  hat  mit  sehr  kühnen  Conjec- 
turen  Jordan  hergestellt  (S.  202);  doch  weiss  er  mit  istacusi  nichts  zu 
macheu;  pi\s  /acus  /|nm  giebt  er  selbst  preis.  —  In  einer  ausführ- 
lichen Erörterung  über  ner  (s.  noch  die  Inschr.  Zwetaj.  n.  34)  neigt  er 
sich  zu  der  Ansicht,  oskisch  darin  einen  Amts-  oder  den  Senatoren-Titel 
zu  sehen. 

Die  Tafel  von  Agnone  ist  auch  behandelt  vou: 

M.  Breal  in  der  Sitzung  der  Academie  des  Inscriptions  et  Bel- 
les-lettres  vom  11.  Juli  1879;  s.  Rev.  Critique  1879,  S.  72. 

Nach  ihm  ist  es  keine  Votivtafel,  sondern  eine  Cultordnung.  Im 
Besoudern  deutet  er  neu: 

A.  Z.  1  stahis  piis  set  hüo-tin  kerriiin  =  »(/mae)  stativae  quae  (nicht 
stati  qui,  näml.  di)  sunt  in  horto  sacro«,  so  dass  im  Folgenden  statt/  immer 
Acc.  Plur.  ist  =  stativas. 

Z.  16  aasai  purasiai :  saaht-üm  te/iirüm  altrei  pütereipid  akenei  saka- 
Jdter  =  in  ara  igniaria  :  sanctum  sacellum  (nicht  sacrificium)  in  altera  utro- 
que  /undo  (nicht  anno)  sacretur. 

Z.  20  fiuusasiais  az  hurtüm  sakarater  =  Floralibus  (nicht  Floralibus 
dis)  ad  hortum  sacratur. 

B.  Z.  23  hiirz  dekmanniuis  statt  =  hortus  decimanis  stat  (nicht  de- 
cumis  sistatur)  d.  h.  »l'enclos  est  destine  aux  fetes  du  dixieme  jour«. 

Zu  der  oskischen  Inschrift  von  Pietrabbondante  (Fabr.  C.  I.  I.  2873 
ter,  t.  LIV;  Zwetajeff  N.  17)  bemerkt  M.  Breal  in  dem  wiederholt  ci- 
tirten  Aufsatze  Epigraphie  Italique  (Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Ling.  IV,  1881, 
S.  373-405)  am  Schlüsse,  dass,  nach  Autopsie,  sämmtliche  Zeilen  links 
verstümmelt  sind,  so  dass  folgende  "Wörter  und  ihre  Deutungen  durch 
Corssejl  u.a.  irrig  sind:  liis-d;  sak-upam\  üin-im;  wnhm-ant;  fiis-ntm\ 
l-iiv/rtkv,7iüss;  /[/.     In  Z.  8  vermuthct  er  \d\uunaied  =  donavit. 

Die  im  vorigen  Jahresbericht  (S.  24  ff.)  nach  den  Deutungen  von 
Bücheier  und  Bugge  behandelte  Oskische  Bleitafel  und  metrische  In- 
schrift von  Corfinium  haben  einen  neuen  Bearbeiter  gefunden  in: 

E.  Huschkc,  Die  Oskische  Bleitafel  und  die  Polignischc  Inschrift 
aus  Corfinium.  Leipzig,  Teubner,  1880,  8.,  98  S.  (unterzeichnet  schon 
vom  Mai   1878);   vgl.  die  Anzeigen  im  Liter.  Ceutralbl.  1881,  N.  5, 


240  Italisch»-  Sprachen. 

S.  155  — 50;  in  der   Deutschen  Literaturzeitung  1881,  N.  11,  S.  399 
(V.  F.  13.);  in  der  Philol.  Rundschau  I,  2,  S.  58  —  01  (v.  Pa). 

Der  Verfasser  giebt  zuerst  von  der  Bleitafel  Bücheler's  Text  und 
Uebersetzung,  und  geht  dann  Zeile  für  Zeile  und  Wort  für  Wort  in  sei- 
ner Weise  durch ,  besonders  das  Griechische  zur  Vergleichung  heran- 
ziehend. Es  folgt  (S.  "73  —  74)  sein  eigener,  kühn  restaurirter  Text  nebst 
Uebersetzung  und  (S.  74—75)  ein  Verzeichniss  der  neuen  Wörter.  Die 
wichtigsten  seiner  Neudeutungen  sind:  aflahus  (Z.  10;  11),  afluhad  (Z.  3) 
=  afflixerls^  afjliyal\  anikad  (Z.  2)  =  continfjat\  damia[tuin'?^  Z. 2  =  suhactum  : 
dunte\is^  Z.  4  ^  potentlat\  heriam  (Z.  1)  =  velim\  hernas  (Z.  12)  =  inopis ; 
hahad  (Z.  6;  8)  =  desiderat\  Jcaispalar  (Z.  ij)  =  /eli-i  conficitor\  haranter 
(Z.  9)  =  roborantur;  keri  =  hrjpt\  hrustutar  (Z.  5)  =  jrUjore  conficitor\ 
lamatir  (Z.  4)  =  obstlnntus\  legin-  =  strag-  (gr.  ^£/-)-  ^ftanafum  (Z.  1;  3) 
=  subrepium\  nistrus  (Z.  2)  =  nutans;  paipli  (Z.  1)  =  astutae ;  prebaiam 
(Z.  3)  =  praebiam;  pulclum.  =  percussus  (Subst.);  pvtn\^iia\rnum  {7a.  6)  = 
Deos  invocure;  puh  =  7:«u ;  trutas  (Z.  12)  =  protritae^  tus\iias\  Z.  12  = 
cremandae  hostiac  (Gen.  Sg.);  ud[udf]  Z.  7  =:  niodo{via)\  um  (Z.  2;  6)  = 
ouv\  usurs  (Z.  2)  =  iniser\  valaima{i)s  =  valetvdinis.  Dass  hiervon  mehr, 
als  ganz  Einzelnes,  haltbar  sei,  ist  sehr  unwahrscheinlich. 

In  ähnlicher  Weise  ist  von  S.  76  an  die  zweite  Inschrift  behandelt: 
praco)a  ist  =  saepimentum\  pristafalacirix  =  clientelaris  calator',  petiectu  = 
2iracpetem\  vidad  =  viderat\  vibctu  oninitu  =  munere  iurato  u.  S.  W.  Hier 
sind  theilweise  dieselben  Wurzeln,  wie  bei  Bücheier  und  Bugge  erkannt, 
aber  in  ganz  anderer,  meist  willkürlich  gedeuteter  Formung. 

Eine  kleine  neue  marsische  Inschrift  enthält,  neben  einer  grösse- 
ren Zahl  lateinischer: 

M.  E.  Fernique,  Inscrij^tions  inedites  du  pays  des  Marses  (Biblio- 
theque  ^des  ecol.  frauQ,  d'Athenes  et  de  Rome,  fascic.  V).  Paris,  Tho- 
rin, 1879.  8.  26  S.;  vgl.  Fiorelli,  Notizie  degli  scavi,  Agosto  1878, 
S.  254. 

.   .   .  o  ■  po  ■  i  .   .  .   . 
.   .   .   ouies  ■  pucl  .... 

Die  Inschrift  ist  aus  Marruvium  (Fern.  N.  52,  S.  17).  Besprochen 
ist  sie  in: 

F.  Bücheier,  Fragment  einer  marsischen  Inschrift.  Rhein.  Mus. 
N.  F.  XXXIV  (1879),  S.  639—40. 

Die  Schrift  ist  römisch,  mit  Ausnahme  des  p,  das  griechische 
Form  hat.  Die  beiden  o  der  ersten  Zeile  sind  unten  etwas  ofl'en ;  das  e 
ist  II  geschrieben.  Die  Inschrift  erinnert  au  diejenige  von  Sulmo  (C.  I.  L. 
I,  555)  loviols  p)udois,  SO  dass  wohi  [i]ovics  ■  p7icl\es]  ZU  ergänzen  ist.  In 
der  ersten  Zeile  enthält  po-  wohl  den  Vornamen  des  Vaters. 


Sabellisch.    Etruskisch.  241 

Die  marsisch-lateinische  Inschrift  Fern.  N.  49  (S.  16)  aus  Trasacco 
scheint  einen  Gottesnanien  Foucno  (Dativ)  =  Fiidno  zu  enthalten. 

Eine  schon  früher  bekannte  Inschrift  aus  Corfiniuni   (Pentinia)  ist 
neu  besprochen  worden  in: 

F.  Bücheier,  Altitalische  Grabschrift.   Rhein.  Mus.  N.  F.  XXXV, 
S.  495. 

Sie  lautet: 

pes  ■  pros  ■  ecüf  ■  incuhat 
cäsnar  ■  oisa  ■  aetdte 
6  ■  andes  •  sölois  ■  d6s  ■  forte 
faber 
Die  Schrift  ist  lateinisch.    Bücheier  deutet:   vedes  paucos  incuhat  senex, 
usa  aetate,    C.  Annaeus,    omnibus  {rebus)  dives,   fortimae  faber.     Es  gehört 
jnos  zum  Stamme  von  par-um,  par-vus;  zum  passivischen  Gebrauch  von 
olsa  vgl.  abiissa  PI.  Asiu.  196  (s.  Gell.  XV,  13);   zu  des  s.  deti  =  dite{m) 
in  dem  Weihgedicht  von   Corfiuium   (s.  vor.  Jahresber.  Abth.  II  S.  26) ; 
forte  =  fortis,  wie  2'0<e  =  j^otis.     Schreibt  man  den  Vornamen  Garis  aus, 
so  erhält  man  zwei  Saturnier,  durch  die  Accente  oben  angedeutet. 

Das  Werk  von  J.  Pomialowski,  Sammlung  oskischer  Inschriften, 
mit  Glossar.    Kiew,  4.,  104  S., 
in  russischer  Sprache,  ist  mir  nicht  zu  Gesicht  gekommen. 

Für  das  Etruskisch e  ist  das  Material  vermehrt  worden  durch 
folgende  Werke: 

Vittorio  Poggi,  Contribuzioni  allo  studio  della  epigrafia  Etrusca. 
Genova,  Istituto  dei  sordomuti,  1879,  8.,  96  S.,  vgl.  die  Anzeige  von 
Pauli,  Philol.  Rundschau  1881;  N.  14,  S.  451-58;  von  Fr.  Vallentin 
im  Bull,  epigraphique  I,  2;   S.  84—85. 

Das  Werk  enthält  59  etruskische  Inschriften  als  Nachtrag  zu  Fa- 
bretti's  Corpus,  meist  aus  Etrurien  selbst,  aber  auch  aus  der  Emilia 
und  der  Lombardei,  vom  Verfasser  selbst  auf  seinen  Reisen  copirt.  Es 
sind  auch  lateinische  und  euganeisch- gallische,  sogenannte  nordetrus- 
kische  Inschriften  darunter,  sowie  manche  sonderbare,  ohne  sichere  Pro- 
venienz. Lesung  und  Erklärung  sind  dilettantisch,  doch  nicht  ohne  Rou- 
tine und  Scharfsinn.  Interessant  ist  das  neue  Beispiel  für  das  Deminutiv 
vellza  (N.  12,  lat.);  ein  neuer  Fall  von  A  =  "'  (N.  25);  tcda  (N.  35)  auf 
einer  Steinscheibe  von  Telaraon,  vgl.  auf  Münzen  tla[))iun]. 

Gian  Franc.  Gamurrini,  Appendice  al  C  L  l.  ed  ai  suoi  Supple- 
menti  di  Ar.  Fabretti.  Firenze,  Mariano  Ricci,  1880,  4.,  VIII,  106  S. 
mit  10  Tafeln;  vgl.  die  Anzeige  von  Pauli  in  der  Philol.  Rundschau 
1881,  N.  14,  S.  451-58. 

Diese  Nachlese  von  etwa  1000  Inschriften  schliesst  sich  in  Form, 
Ausstattung  und  Anordnung  an  Fabretti  an;   nicht  alle  Inschriften  sind 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVHI.  (1881.  III-)  16 


242  Italische  Sprachen. 

neu,  viele  nur  verbessert,  nicht  wenige  unabsichtlich,  oft  in  Folge  fal- 
scher Lesung,  wiederholt;  manche  finden  sich  auch  bei  Poggi.  Die  An- 
ordnung ist:  Italiu  Supcriorc  1—20  (meist  nicht  etruskisch);  Umbria 
21—22;  Etruria  mit  Capena  23-830,  dazu  di  origine  incerta  831—54; 
aggiunte  855  —  915.  Der  Rest  gehört,  mit  geringen  Ausnahmen,  den 
andern  italischen  Sprachen  an:  Latium  mit  Praenestc  910-929;  Cam- 
pania  mit  den  Sabelli  930-48;  Messapia  949-50.  Es  folgen  Aggiunte 
e  Correzioni  951  —  62  und  ein  Index  der  Wörter  und  Zahlzeichen. 

Die  Sammlung  ist  dem  Andenken  Conestabile's  gewidmet,  die  Ar- 
beit aber  steht  hinter  dessen  Leistungen  an  Sorgfalt  weit  zurück,  so 
dass  sie  nur  mit  grösster  Vorsicht  zu  benutzen  ist.  Die  Genitive  auf 
-al  und  -sa  sind  anerkannt,  überhaupt  hat  der  Verfasser  einige  Kennt- 
niss  der  deutschen  Forschungen.  Wichtig  ist  die  grosse  Inschrift  799, 
t.  IX,  aber  auch  912  bis  (leider  ohne  Abbildung).  Das  Templum  von 
Piacenza  fehlt  (als  unecht).  Ueber  den  Gewinn  für  die  Etruskologie  aus 
dieser  Publication  s.  unten. 

Leopoldo  deFeis,  Barnabita.  Di  alcune  epigrafi  Etrusche  e 
di  un  calice  greco,  relazione  al  Cav.  Vitt.  Poggi.  Genova  1881.  8. 
12  S.  mit  2  Tafeln. 

Es  sind  15  Gefässinschriften  aus  Orvieto,  aufbewahrt  im  Museo 
del  Colle^io  della  Querce  in  Florenz,  Wichtiger  sind  nur  N.  1  suherati; 
N.  3  aplu  eparusis  (=  indpuacg?};   N.  15  e^tural  (=  Hectoriae). 

Einzelne  Inschriften  finden  sich  ausserdem  in  den  Bulletini  d.  Ist. 
di  Corr.  Archeologica  und  in  Fiorelli's  Notizie  degli  Scavi,  sowie  in  an- 
deren Zeitschriften,  zerstreut. 

Die  Etruskologie  hat  einen  neuen  rüstigen  und  scharfsinnigen  Mit- 
arbeiter gewonnen  in  dem  Rector  C  Pauli  in  Uelzen,  der  rasch  nach- 
einander drei  Hefte  seiner  Studien  erscheinen  Hess: 

Dr.  Carl  Pauli,  Etruskische  Studien.  Göttingen,  Vandenhoeck 
und  Ruprecht.    8. 

I.  Ueber  die  Bedeutung  der  etruskischen  Wörter  eto-a,  hmtn-  eteri 
und  lautni;  1879,  112  S.;  s.  die  Anzeige  im  Liter.  Centralblatt  1880, 
N.  6,  S.  181. 

II.  Ueber  die  etruskischen  Formen  amBial  und  lurBial\  1880,  76  S. ; 
s.  ebendas.  N.  49,  S.  1671. 

ni.  Die  Besitz-,  Widmungs-  und  Grabformeln  des  Etruskischen; 
1880,  156  S.;  s.  ebendas.  1881,  N.  34,  S.  1185-86  und  Deutsche  Lite- 
raturzeitung n,  20,  S.  796  —  97. 

Nachdem  ich  dann  inzwischen  das  vierte  Heft  meiner  Forschungen 
veröfientlicht  hatte: 


Etruskisch.  243 

W.  Deecke,  Etruskische  Forschungen,  4.  Heft.  Das  Templum 
von  Piacenza,  mit  5  Tafeln.  Stuttgart,  Alb.  Heitz,  1880,  8.,  100  S.; 
s.  die  Anzeigen  im  Liter.  Centralblatt  1880,  N.  34,  S.  1201—3  (Pauli); 
in  der  Deutschen  Literaturzeitung  1881,  N.  13,  8.456  —  57  (Körte); 
in  der  Academy  1880,  N.  433  (Sayce);  im  Athenaeum  1880,  N.  2751 
(Taylor), 

vereinigte  ich  mich  mit  Pauli  zur  weiteren  gemeinsamen  Herausgabe  un- 
serer Forschungen,  und  so  erschienen  noch: 

Dr.  W.  Deecke  und  Dr.  C.  Pauli,  Etruskische  Forschungen  und 
Studien.    Stuttgart,   Alb.  Heitz.    8 

l.  C.  Pauli,  Etruskische  Studien,  4.  Heft,  1881,  VI,  94  S.  1.  Noch 
einmal  die  lautni-  und  etera-Frage-,  2.  Nachträge  und  Neues  in  Bezug 
auf  arnB^ial  und  larBial  und  ihre  Verwandten. 

n.  W.  Deecke,  Etruskische  Forschungen,  5.  Heft,  1882,  98  S., 
mit  6  Tafeln.  1.  Der  Dativ  lar^iale  und  die  Staramerweiterung  auf 
-alt  (die  etruskische  Sprache  indogermanisch-italisch) ;  2.  Nachtrag  zum 
Templum  von  Piacenza  (die  Leber  ein  Templum). 

Die  Resultate  aus  dem  (schon  im  vorigen  Jahresberichte  erwähn- 
ten) Terzo  Supplemento  zu  Fabretti's  Corpus  Inscriptionum  Italicarum, 
aus  Gamurrini's  Appendice,  den  zwei  ersten  Heften  von  Pauli's  Studien, 
Poggi's  Contribuzioni  u.  s.  w.  habe  ich  zusammengestellt  in : 

W.  Deecke,  Neuere  etruskische  Publicationen.  Göttingische  Ge- 
lehrte Anzeigen,    1880,   Stück  45  und  46,   S.  1409—1450. 

Die  wichtigsten  neuen  Momente  sind:  aus  dem  Gebiete  der  Schrift : 
das  Alphabet  von  Grosseto  und  die  Zeichen  der  sogenannten  serviani- 
schen  Mauer;  das  Zahlwort  eslem[z\a{^ru7nis;  aus  der  Lautlehre :  die  weite 
Ausdehnung  der  liquidae  und  nasales  sonantes  und  die  sporadische  Ver- 
tretung beider  durch  a  {ariS  =  arnd-\  ratacs  ^  frutr[e\x)\  auch  silben- 
bildendes ü,  /,  .s-,  z\  die  Diphthongirung  des  u  in  lu  {partiunus^  tiucuntinen 
neben  purtumcn^  tuaintmen);  der  Uebergang  von  /  in  /*  {he&ari  =  lel^ari); 
die  Erweichung  von  s  durch  z  zu  r,  das  auch  ausfällt  {frcmsna,  fremzna, 
fremrna^  fremna);  der  Wechsel  von  ///  und  n  {leS-ns  =  IcHms,  Genit.  V. 
Icd-am);  der  durch  Pauli  in  grossem  Umfange  constatirte  Abfall  eines 
schliessendcu  ä  und  l  nach  Vocalen;  aus  der  Wortbildungslehre  die 
neuen  Suffixe  -tre^  -am,  -lvm\  im  Vocabular  die  Vornamensiglcn  v^-  (vcl^ef) 
und  tr-  {trepif),  eine  Reihe  Verwandtschafts-  und  Amtsnamen  {ratncs 
»Bruder«,  nefts  »Enkel«,  imon/h  »Urenkel«;  pard-nc^  eprt^ne,  iiiaru 
u.  s.  w.);  nicht  wenige  Götternamen  (s.  unten)  u.  s.  w. 

Was  die  Untersuchungen  über  lauini  u.  s.  w.  betrifft,  so  ist  das 
Endresultat  Pauli's,  dass  lautni,  von  lautn  c=familia  abgeleitet,  familiaris 
(nicht  li/jeiiiiti)  heisst ;    eteru  =  her  CK ;    lautn'  eteri  =  fainiliari.'i  licredarius. 

16» 


244  Italische  Sprachen. 

—  Die  Formen  larUiäl,  am&iäl  hat  er  als  durchweg  männliche  Genitive 
nachgewiesen  und  auch  die  männlichen  Nominative  lar&i,  arnBi  dazu  con- 
statirt;  larf^,  amß  sieht  er  als  Verkürzungen  an,  dazu  die  Genitive  larßrd^ 
arnikil.  Die  Feminina  lauten  stets  lnr&i{fi),  amfUia)-^  Gen.  lurdiäl,  amBiäl. 
Meine  abweichende  Ansicht  s.  unten.  Trefflich  dagegen  hat  Pauli  für 
larBl  die  Grundform  *laurun&i  (nur  das  u  ist  zweifelhaft)  =  lat.  Lauren- 
tius  nachgewiesen;  ebenso  arnbi  =  urun^i  =  lat.  Aruntiu8\  fastia  =  *Fau- 
stia  statt  Fausta,   doch  sieht  er  diese  Namen  alle  als  Entlehnungen  an. 

Aus  dem  dritten  Heft  Pauli's  sind  als  sichere  Ergebnisse  zu  ver- 
zeichnen: mi  (auch  minf)  als  Demonstrativ;  ndl  »eigen«  oder  »Eigen- 
thum«;  sta  =  sistit,  ponit^  dedicat;  clu^i  (auch  clHl)  =  dat,  donat\  mul- 
vannice  u.  S.W.  ^=  dedicavit\  malena^  malstria  »Spiegel«;  cver  und  -cvil  (in 
Compositis)  »Geschenk«;  ten-  »verwalten«;  dannursi^  Dativ  (nach  seiner 
jetzigen  Auffassung  Genitiv)  des  Götternameus  i^anr\  ziyuye  =  scripsit, 
s.  zipi,  zipia  =  Scribonius  (Bilinguis).  Andres  ist  zweifelhafter,  wie 
alpan  »Geschenk«;  cuna  =  oiius\  oder  unwahrscheinlich,  wie  ab^[ii\inic 
»nobilis«  (später  mit  eto-a  verbunden) ;  cares,  cnru,  cerinu  »monumentum«; 
cerine  »memoria«;  ceriyu,  ceriyuji&e  »lapis  memorialis« ;  cei  »ponit« ;  ceya, 
ceyasie  »tribus,  tribunus«  u.  s.  w.  Das  Verzeichniss  am  Schlüsse  enthält 
164  etruskische  Wörter. 

Die  Echtheit  der  Bronze  von  Place nza  (s.  d.  vor.  Jahresbericht 
Abth.  HI  8.  29)  ist  jetzt  wohl  allgemein  anerkannt,  zumal  Körte  ein  ähn- 
liches roheres  Geräth  von  Alabaster  in  der  Hand  einer  Volterraner  Sarg- 
figur aufgefunden  hat.  Die  Bronze  stellt  in  erster  Linie  eine  idealisirte 
Normalleber  dar,  wie  sie  den  haruspices  bei  der  Untersuchung  derOpfer- 
thierleber  als  Muster  diente.  Sie  zeigt  ferner  das  Schema  des  Tempi  ums 
in  angepasster  Variation.  Es  kommt  so  auf  einen  Schlag  Zusammenhang 
in  die  Gesammtheit  der  etruskischen  Disciplin:  wie  der  Himmel,  die 
Erde,  jedes  sacral  begrenzte  Gebiet,  eine  Stadt,  ein  Lager,  ein  Gottes- 
haus, ja  der  Mensch  selbst,  so  galt  auch  die  Leber  als  ein  Templum, 
und  die  Haruspicin  beruhte  auf  demselben  Fundament  und  Schema,  wie 
Augurium  und  Fulgurition.  Wie  in  jeder  Himmels-,  Erd-,  Stadt-,  Leibes- 
region gewisse  Gottheiten  ihren  Hauptsitz  hatten,  dort  walteten  und  thä- 
tig  waren  und  die  dort  erscheinenden  Zeichen  auf  sie  zurückgeführt  wur- 
den, so  auch  bei  der  Leber.  Die  Placentiner  Bronze  zeigt  diese  Re- 
gioneneintheilung  und  enthält  etwa  50  eingeschriebene  Götternamen,  die 
Poggi  und  mir  meist  zu  enträthseln  gelungen  ist.  Das  Göttersystem  ist 
italisch,  nicht  das  griechische  der  Spiegel. 

Eine  erneute  Durchmusterung  des  gesamraten  etruskischen  Mate- 
rials hat  mich  im  Frühjahr  1881  zu  der  Ueberzeugung  gebracht,  dass 
das  indogermanisch- italische  Element  in  der  etruskischen  Sprache  doch 
so  stark  ist,  dass  es  nicht  als  blosses  Lehngut  betrachtet  werden  kann, 
dass  es  vielmehr  den  Grundstock  bildet,  an  den  sich  das  Fremde  ange- 
setzt hat.    Dass  dies  fremde  Element  stark  ist  und  noch  viel  Räthsel- 


Etruskisch.  245 

haftes  übrig  bleibt,  läugne  ich  nicht;  doch  habe  ich  geglaubt,  am  Schlüsse 
meines  fünften  Heftes  Corsseu  die  volle  Ehre  geben  zu  müssen.  Ich 
habe  dort  die  bisher  gewonnenen  Beweismaterialien  zusammengestellt 
und  verweise  darauf.  Pauli's  Einwendungen  haben  mich  nicht  erschüttert. 
Unabhängig  ist  inzwischen  SophusBuggezu  fast  dem  gleichen  Resultat, 
wie  ich,  gekommen  (s.  Academy  vom  6.  Mai  1882).  Ich  betrachte  jetzt 
-äl{i)  als  Suffix  generis  communis  =  lat.  -äli;  der  Genitiv  dazu  lautet  ur- 
sprünglich -älis,  Dativ  -äle;  die  Genitive  auf  -al  sind  abgestumpft  aus 
-ah;  -alis.  Die  Formen  auf  -«Z(i)  und  -ial{i)  sind  Parallelstämme,  wie 
lat.   La{u)rentalis  und  La{u)rentia.lis. 

Ein  einzelnes  Denkmal  ist  von  mir  besprochen  worden  in: 

W.  Deecke,  Le  iscrizioni  Etrusche  del  vaso  di  Tragliatella.    An- 
nali d.  Istit.  di  Corr.  Archeol.  Roma  1881,  8.,  S.  160  —  68,  mit  2  Tafeln. 
Die  Inschriften  lauten: 

truia  =  Troja 

mi  velena  =  haec  {est)  Helena 

mi  &es  atei  =  hoc  {vas)  dat  (oder  dedicat)  Atteia 

mi  amnu  arce  =  hoc  {vas)  Amno{n)  fecit. 

Diese  Inschriften  allein  zeigen  schon,  dass  hier  keine  Barbarensprache 
zu  Grunde  liegen  kann. 

Andere  Einzelheiten  sind  behandelt  in: 

Ad.  Kluegmann,  Due  specchj  diBolsena  e  di  Telamone.  Ebendas. 
1879,  S.  38-53;  dazu  die  Abbildungen  Monum.  iuediti  XI,  t.  III. 
Neu  sind  die  Namen  metvia  =  Mfj8zca;  aezsun  =  Alaaiv,  der  Götter- 
name rescial  vermittelt  die  bisher  bekannten  Formen  recial  und  res^ualc. 

Ar.  Fabretti,  Di  una  moneta  di  oro,  attribuita  ai  Volsiniesi. 
Estratto  degli  Atti  d.  Re.  Accad.  d.  Scie.  di  Torino,  Vol.  XV.  Torino, 
St.  Reale,  1879,  8.,  2  S. 

Mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  wird  die  bisher  velzpapl  gelesene 
Inschrift  einer  berühmten  etruskischen  Goldmünze  (s.  Deecke  Etr.  Forsch. 
II,  5  und  S.  89,  t.  I,  1)  als  velznani  (=  Volsiniani?)  gedeutet. 

Die  Ethnographie  der  Etrusker  behandelt: 

Joh.  Gust.  Cuno,  Verbreitung  des  Etruskischen  Stammes  über 
die  italische  Halbinsel.    Programm  von  Graudenz,  1880,  4.,  35  S. 

Der  Verfasser  sucht  eine  weite  Verbreitung  der  Etrusker,  die  nach 
ihm  den  Kelten  zunächst  verwandt  sind,  aber  auch  den  Italern  nahc- 
stehn,  durch  fast  ganz  Italien  nachzuweisen,  indem  er  sich  dazu  beson- 
ders der  Etymologie  von  Personen-  und  Ortsnamen  bedient.  So  schliesst 
er  aus  dem  angeblichen  alten  Namen  Italiens  Argessa  auf  einen  etrus- 
kischen Stamm  der  *Argi,  *Arci  neben  den  Rasen(n)ac,  und  combinirt 


246  Italische  Sprachen. 

damit  die  etruskischen  Namen  arkenzion  und  tircna  (beide  zweifelhaft), 
einen  libcrtus  Argentillus,  den  Hafen  Argoos  auf  Elba,  den  mons  Ar- 
gcntarius,  die  Sage  von  den  Argivern  in  Südetrurien,  den  Arkadern  in 
Rom,  das  Argiletum,  die  sacra  Argeorum,  die  Argillae  in  Campanicn, 
den  alten  König  Agrios  (=  *Argios),  Tibur  Argeo  positum  colono,  den 
Namen  Agrippa,  den  Marserkönig  Archippus,  die  Stadt  Arpi  =  Argy- 
ripa,  die  Argc(n)tini  in  Japygien,  die  Orte  Argentanum  und  Arcias  in 
ßruttium,  den  Sicilier  Arccns  u.  s.  w.  —  So  findet  er  den  Stamm  des 
Etruskernamens  selbst  wieder  in  Turnus  =  *Turinus  und  geht  im  Ein- 
zelnen die  im  Vergii  aufgezählten  Bundesgenossen  desselben  durch,  über- 
all Etrusker  witternd.  Die  ßutuli  selbst  sind  Raeti,  Rasen{n)ae;  Tar- 
racina  ist  =  Tarquiuii  u.  s.  w.  Die  Ligurer  werden  als  einer  der  Haupt- 
stämme der  Gallier  bezeichnet  und  auch  auf  Sicilien  gefunden.  Der 
Prüfung  werth  ist,  was  er  über  den  ursprünglichen  Cultus  der  Götter- 
mutter =  Venus  und  des  Aeneas  bei  den  venetisch-illyrischen  Stämmen 
sagt,  von  denen  die  Raranes,  die  Vorfahren  der  Römer,  die  einst  mit 
jenen  zusamra engewohnt,  ihn  überkommen;  siehe  die  Trojasage  in  Epirus 
und  Latium.  Uebrigens  werden  auch  die  Namen  Ramnes,  Tities  und 
Luceres  den  Etruskern  vindicirt.  Eigeuthümlich  kühn  wird  die  Stelle 
des  Dionysius  I,  30  über  die  Etrusker  so  gedeutet,  als  habe  er  sie  erst 
recht  für  Italer  erklären  wollen,  »sie  hätten  gar  nichts  Fremdes  an  sich«. 
Eine  lebhafte  Schilderung  der  etruskischen  Grabstätten  giebt: 

Dr.  Th.  Bind  seil,  Die  antiken  Gräber  Italien's.  1.  Theil.  Die 
Gräber  der  Etrusker.     Schneidemühl,  Progr.  1881,  4.,  .52  S. 

Die  anziehend  geschriebene  Abhandlung  beginnt  mit  einer  Auf- 
zählung und  Beschreibung  der  Gräber  um  Chiusi  (Clusium),  erörtert 
dann  Zahl  und  Verbreitung  der  Begräbnissplätze  und  der  erhaltenen 
Gräber  überhaupt;  die  Lage  der  Gräber  (ohne  sichere  Orientiruug,  doch 
ausserhalb  der  Städte);  ihre  Bauart,  theils  Steiubauten  mit  Erdhügeln 
(Gewölbe-,  Kuppel-,  Steinhaus-Gräber),  theils  Höhlengräber  (unterirdisch 
oder  vorn  offen  oder  gemischt);  die  Einzelheiten  des  Baues  (Eingang, 
Pfeiler,  Decke,  Facaden  u.  s.  w.).  Es  werden  dann  die  historisch-inter- 
essanten Gräber  (Cilnii,  Tarquinii,  Caecinae,  Volumuii)  und  die  durch 
eigenthümliche  Bauart  ausgezeichneten  (Cucumella,  Poggio-Gajella  = 
Grab  Porseua's?)  besonders  betrachtet;  hierauf  zu  den  Verzierungen  über- 
gegangen (Wände,  Särge,  cippi),  die  Gegenstände  der  Bildhauerarbeiten 
und  Gemälde  geschildert;  endlich  die  Bedeutung  der  Gräber  als  Fund- 
orte mannigfacher  für  Kunst-  und  Culturgeschichte  wichtiger  Denkmäler 
hervorgehoben.  Den  Schluss  bildet  eine  Notiz  über  das  Schicksal  der 
Gräber. 

Die  Arbeit  von  Fenn  eil  on  Etruscan  numerals  in  den  Transactions 
of  the  Cambrian  Philol.  Society  1879,  S.  89  —  90,  ist  mir  nicht  zuge- 
kommen;   ebensowenig  die  Schrift:   Etruskerne.    En   historisk  sprogelig 


Etruskisch.  247 

Undersogelse  afLaicusHyperboreus,  Kopenhagen,  Prior,  66  S.  Auch 
den  Aufsatz:  L'origine  Turco - Tartarica  degli  Etruschi  im  Arcliivio  di 
Ictter.  bibl.  1880,  5,  S.  129-144;  6,  S.  173—180,  habe  ich  noch  nicht 
gesehen. 

Kleinere  Notizen  stehen  im  Londuer  Athenaeum  N.  2694  (Clarke 
on  Etruscau  Palaeglottology)  und  N.  2770  (The  progress  of  Etruscan 
discovery).  Eine  allgemeine  Zusammenfassung  des  bisher  Erreichten  hat 
Prof.  Dr.  Gustav  Meyer  in  Graz  »Die  Etruskische  Sprachfrage«  in 
der  »Deutschen  Rundschau«,  VI  (1880),  N.  11,  S.  232  -  243  gegeben, 
fortgesetzt  in  der  Beilage  der  »Augsburger  Allgemeinen  Zeitung«,  1882, 
N.  112  (vom  22.  April). 


Jahresbericht    über    lateinische    Lexikographie 
für  1881  und  1882  (Ende  Juni). 

Von 

Professor  Dr.  K.  E.  Georges 

in  Gotha. 


Forcellini,  A.,  Totius  latinitatis  lexicon.  Pars  altera  sive  Ono- 
masticon  totius  latinitatis,  opera  et  studio  Vinc.  De-Vit  lucubra- 
tum.    Distr.  19.    Prati  1882.    gr.  4.   Bd.  2.    S.  657—736. 

Dieses  Onomasticon  schreitet  so  langsam  vorwärts,  dass  der  Schluss 
desselben  wohl  kaum  nach  zwanzig  Jahren  erfolgen  wird.  Da  der  Ver- 
fasser mit  seinen  Autorenausgaben  durchaus  nicht  auf  der  Höhe  der  Zeit 
steht,  so  ist  bei  Benutzung  seines  Werkes  grosse  Vorsicht  anzuraten;  es 
muss  jedes  Citat  in  den  neuesten  Ausgaben  nachgeschlagen  werden.  Ob 
die  Angaben  in  sachlicher  Beziehung  immer  richtig  sind,  das  zu  beur- 
teilen muss  ich  andern  überlassen. 

Ausführliches  deutsch-lateinisches  Handwörterbuch,  aus  den  Quellen 
zusammengetragen  und  mit  besonderer  Bezugnahme  auf  Synonymik  und 
Antiquitäten  unter  Berücksichtigung  der  besten  Hülfsmittel  ausgear- 
beitet von  Karl  Ernst  Georges.  Siebente,  sehr  verbesserte  und 
vermehrte  Auflage.  I.  Bd.  A-J.  S.  VEI  und  Sp.  2032.  H.  Bd.  K— Z. 
Sp.  2052. 

Auch  bei  Bearbeitung  dieser  siebenten  Auflage  habe  ich  es  mir 
angelegen  sein  lassen,  das  Buch  nach  allen  Seiten  hin  zu  verbessern  und 
mit  neuen  Artikeln  zu  vermehren.  Möge  meine  Jugendarbeit,  trotz  des 
vielen  Polterns  gegen  den  Gebrauch  eines  deutsch -lateinischen  Wörter- 
buchs, sich  den  erworbenen  Beifall  auch  ferner  erhalten. 

Kleines  deutsch  -  lateinisches  Handwörterbuch  von  Karl  Ernst 
Georges.  Vierte  verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Leipzig  1882. 
S.  Vm  und  Sp.  2620. 

Diese  vierte  Auflage  ist  ebenfalls  nicht  ohne  Verbesserungen  und 
Vermehrungen   geblieben;   namentlich   hat   das   geographische   Register 


Lateinische  Lexikographie.  249 

bedeutende  Zusätze  erhalten.  Auch  habe  ich  in  dem  Buche  die  neue 
Orthographie  eingeführt,  infolge  dessen  eine  Menge  Artikel  umgestellt 
werden  mussten.  Für  die  Brauchbarkeit  des  Werkes  legt  der  Umstand 
Zeugnis  ab,  dass  es  in  siebzehn  Jahren  vier  Auflagen  erlebt  hat. 

Lexikon  zu  den  Reden  des  Cicero,  mit  Angabe  sämmtlicher  Stellen. 
Von  H.  Merguet.  IIL  Bd.  l.— 20.  Lieferung  (bis  potissimum).  Jena 
1881  und  1882.    In  4. 

Das  Werk  schreitet,  wie  die  rasche  Aufeinanderfolge  der  Liefe- 
rungen zeigt,  rüstig  weiter.  Wie  ich  bereits  im  Jahresbericht  1879/1880 
bemerkt,  liest  jetzt  C.  F.  W.Müller  an  manchen  Stellen  anders  und  es  hätten 
in  wichtigen  Fällen  die  Varianten  der  MüUer'schen  Ausgabe  in  diesen 
zwanzig  Heften,  die  später  erschienen  sind  als  jene,  angegeben  werden 
müssen.  So  liest  z.  B,  Müller  an  vielen  Stellen  (z.  B.  Verr.  5,  80  u.  87) 
luxuries,  wo  Kayser  luxuria  hat.  Er  schreibt  mit  Recht  Verr.  5,  27  oc- 
taphoro,  da  auch  ad  Q.  fr.  2,  8  (10),  2  der  cod.  M.  ottaforo  hat,  wie  denn 
auch  in  den  neuesten  Ausgaben  Suet.  Cal.  43  extr.,  Mart.  6,  84,  1  und 
Apul.  apol.  76  octaphoro  gelesen  wird;  vgl.  octastylos  bei  Vitr.  3,  2,  7  u.  8 
und  3,  3,  7.  —  Müller  hat  Verr.  5,  23  parentium,  Kayser  parentum;  Verr. 
3,  195  solveres,  Kayser  persolveres.  Es  fehlt  Bd.  3.  Lief.  1.  lamina, 
Verr.  5,  163.  Zu  Bd.  II  trage  ich  nach:  S.  64  (b)  unter  deni  lies  Verr. 
2,  122  (st.  22).  S.  724  (b)  unter  insulto  streiche  aliquem;  denn  Sest.  34 
steht  insultabat  absolut  und  der  Akkusativ  multos  gehört  zu  tenebat. 
Dagegen  musste  stehen:  alicui,  Verr.  5,  132;  vgl.  unten  die  Anzeige  von 
Schüssler's  Abhandlung. 

Lexicon  Taciteum  ed.  A.  Gerber  et  A.  Greef.  Fase.  IV.  efiiugo- 
fortuna.    Lips.  1881.    Lex.-8. 

Das  gediegene  Werk  schreitet,  wie  es  nicht  anders  sein  kann,  lang- 
sam vorwärts.  Da  die  dritte  Ausgabe  des  Tacitus  von  Halm  vergriffen 
ist  und  ein  neuer  Abdruck  derselben  sich  nicht  herstellen  lässt,  so  hat 
sich,  nach  einer  Mitteilung  aus  München,  Herr  Direktor  Halm  entschlossen 
eine  neue  Ausgabe  mit  kritischen  Anmerkungen  zu  veranstalten.  Möge 
dieselbe  dem  lexicon  Taciteum  noch  zu  gute  kommen. 

Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Geschichtswerken  des  C.  Sallustius 
Crispus  von  der  Verschwörung  des  Catilina  und  dem  Kriege  gegen 
Jugurtha,  sowie  zu  den  Reden  und  Briefen  aus  den  Historien.  Von 
OttoEichert.  Dritte,  verbesserte  Auflage.  Hannover  1881.  S.  151  in  8. 

Dieses  Wörterbuch  entspricht  vollkommen  den  Anforderungen,  die 
man  an  ein  solches  nur  zum  Schulgebrauch  ausgearbeitetes  Buch  machen 
kann.  Zu  tadeln  ist,  dass  den  Citaten  aus  Catilina  und  Jugurtha  nicht 
auch  die  Paragraphcnzahlcn  beigefügt  sind,  wodurch  der  Gebrauch  des 
Buches  erschwert  wird.     Denn  wer  will  z.  B.  Cat.  52  durchlesen,  um  in 


250  Lateinische  Lexikographie. 

einem  der  32  Paragraphen  ein  Wort  im  Zusammenhang  nachzuschlagen? 
Dass  auch  in  der  dritten  Auflage  noch  adnuo  (or.  Lep.  25)  fehlt,  ob- 
gleich unter  annuo  darauf  verwiesen  wird,  ist  ein  Zeichen,  dass  sich 
der  Verfasser  nicht  die  Mühe  genommen,  die  Artikel  seines  Schulwörter- 
buches mit  denen  des  Index  verborum  in  der  grossen  Dictsch'schen  Aus- 
gabe zu  kontrolieren,  obgleich  auch  dieser  nicht  von  Schnitzern  frei  ist; 
wie  denn  S.  242  ein  Stichwort  inguis  (st.  inguen),  S.  264  ein  Stichwort 
luguber,  S.  393  ein  Stichwort  velitarius  (st.  velitaris)  paradiert;  und 
Artikel  fehlen,  wie  pergnarus,  bist.  4,  1,  peridoneus,  bist.  1,  86,  per- 
incertus,  bist.  4,  35,  servo,  are  (Cat.  31,  7).  Unter  supplex  steht, 
wie  auch  in  Eicherfs  Wörterbuch,  voce  supplici  orare,  Cat.  31,  7,  ob- 
gleich alle  Ausgaben  (von  Kortte,  Kritz,  Dietsch,  Jordan)  postulare 
haben. 

Vollständiges  Wörterbuch   zur  Philippischen  Geschichte  des  Justi- 
uus.    Von  Otto  Eichert.     Hannover  1882.     S.  200  in  8- 

Dieses  neue  Wörterbuch  zum  Justin  ist  zunächst  für  das  Bedürfnis 
der  Schüler  berechnet;  zugleich  ist  aber  der  Verfasser  bemüht  gewesen, 
den  Sprachschatz  des  Justin  so  erschöpfend  auszubeuten  und  die  Eigen- 
tümlichkeiten desselben  so  vollständig  zur  Erscheinung  zu  bringen,  als 
die  Rücksichtnahme  auf  jene  erste  Bestimmung  des  Buches  gestattete. 
Massgebend  für  die  Bearbeitung  war  die  Textesrecension  von  Jeep  (1876); 
doch  sind  auch  die  wichtigsten  Abweichungen  der  Ausgaben  von  Frot- 
scher  (1827)  und  von  Dübner  (1831)  berücksichtigt  und  durch  die  Buch- 
staben F.  und  D.  kenntlich  gemacht  worden.  Die  Ausgaben  mit  erklä- 
renden Anmerkungen  von  Benecke  (1830)  und  von  Fittbogen  (1835)  hat 
der  Verfasser  leider  nicht  gekannt. 

Das  Buch  ist  mit  vielem  Fleisse  gearbeitet  und  reicht  für  das  Be- 
dürfnis der  Schule  vollständig  aus.  üeberall  ist  die  Konstruktion  der 
Substantiva,  Adjektiva  und  Verba  angegeben;  ebenso  ist  dem  Schüler 
öfter  ein  Fingerzeig  zu  einer  richtigen  Uebersetzung  gegeben.  Dagegen 
lassen  die  Angaben  für  die  Formlehre  manches  zu  wünschen  übrig.  Nir- 
gends ist  bei  Eigennamen  der  griechische  Akkusativ  Sing,  auf  -a  und 
der  griechische  Akkusativ  Plur.  auf  -as  angegeben;  auch  fehlt  bei  den 
Substantiven  der  3.  Deklination  auf  -as  (z.  B.  civitas)  und  auf  -us  (z.  B. 
palus,  mus)  die  Angabe,  dass  der  Genetiv  Plur.  oft  auf  -ium  ausgeht; 
umgekehrt  der  Genetiv  Plur.  der  Substantiven  auf  -ans  (infans)  und  auf 
-ens  (pareus)  auf  -um.  Unter  deus  ist  nicht  angegeben,  dass  der  No- 
minativ Plur.  immer  bei  Justin  di  lautet  (s.  14,  4,  10;  18,  6,  12;  26,  2,  6; 
28,  3,  6),  weshalb  es  falsch  ist,  dass  unter  deus  dreimal  der  Plural  dei 
steht;  ebenso  hat  Dativ  und  Ablativ  Plur.  immer  dis  (z.  B.  2,  9,  21; 
2,  12,  9;  8,  3,  4;  10,  2,  5).  Auch  von  idem  lautet  der  Plural  immer 
idem,  nicht  iidem  oder  eidem  (z.  B.  14,  4,  11;  18,  1,  2;  18,  2,  8). 
Unter  jocus  steht:    »plur.  joci  und  joca«;  aber  Justin  hat  nur  zweimal 


Lateinische  Lexikographie.  251 

jocos  (7,  3,  4  und  9,  8,  8)  und  einmal  Abi.  jocis  (39,  2,  5).  Während  der 
Verfasser  in  seinem  Wörterbuch  zu  Sallust  die  nur  bei  diesem  vorkom- 
menden Wörter  mit  einem  Sternchen  bezeichnet,  ist  dieses  in  bezug  auf 
die  «TT«^  scprj/ieva  bei  Justin  (meditabundus,  38,  3,  7,  pervigilia,  24,  8,  14) 
unterblieben.  Auch  zu  einzelnen  Bedeutungen  von  Wörtern,  die  nur  bei 
Justin  vorkommen,  hätte  das  Sternchen  beigesetzt  werden  können.  So 
bei  expositio,  Aussetzung,  bei  fabrica,  Metier,  Beschäftigung,  bei 
obligatio  linguae  (13,  7,  1),  bei  obsidio,  Gefangenschaft,  bei  orbi- 
tas,  Witwenstand  (2,  4,  4),  bei  pridem,  vor  kurzem,  unlängst  (4,  3,  5; 
12,  6,  7),  bei  stagno,  stehen  machen  (36,  3,  7),  bei  successus,  Fort- 
gang in  der  Zeit  (1,  8,  14),  bei  susceptor,  Entrepreneur  {ipyoMßog, 
8,  3,  8). 

Ich  gebe  nun  für  eine  zweite  Auflage  einige  Bemerkungen.  S.  2(a) 
abutor  ist  nicht  »missbrauchen«,  sondern  »sich  zu  nutze  macheu,  be- 
nutzen«. -  S.  6  (a)  adsisto;  23,  2,  11  ist  adsistentes  Subst.  =  die  Um- 
stehenden. —  S.  7  (a)  aedilis  ist  Uebersetzung  des  griechischen  dyopa- 
vo/iog,  Marktmeister.  —  S.  8  (a)  unter  aequus  musste  es  heissen:  aequura 
est  mit  folgendem  Akkusativ  und  Infinitiv,  34,  3,  7;  aequum  censere  mit 
folgendem  Akkusativ  und  Infinitiv,  12,  11,  5.  -  S.  9  (b)  ago.  Es  konnte 
bei  »gratias  agere«  bloss  auf  »gratia«  verwiesen  werden,  wo  die  Angaben 
genauer  sind.  —  S.  10  (b).  Unter  alieno  musste  statt  alqm  alci  stehen 
alienari  alci,  G,  1,  7  (wo:  rex  Tisaferni  alienatus).  —  S.  16  (a).  Unter 
arbiter  ist  arbiter  belli  ac  pacis,  Herr  (nicht  Schiedsrichter)  über  Kr. 
und  Fr.,  5,  2,  11 ;  und  unter  arbitrium  sind  arbitria  pacis,  nicht  »Frie- 
densaussprüche (was  gar  nicht  deutsch),  sondern  »Friedensvermittelung«, 
22,  2,  5.  -  S.  18  astus  kommt  bei  Justin,  wie  auch  sonst  meistens,  nur 
im  Ablativ  vor;  es  musste  daher  »astus,  Abi.  astu«  stehen.  —  S.  19. 
attraho  heisst  23,  3,  12  »zu  teil  werden  lassen,  verschaften«.  —  S.  26  (a). 
Unter  auspicium  no.  2  fehlt  auspicia  regni  a  parricidio  incipientes, 
26,2,2.  —  S.  21.  Musste  unter  bellum  stehen:  Graeciae,  mit,  gegen 
Gr,  1,  7,  40,  wie  bellum  Armeniae,  gegen  A.,  42,  4,  1  (welches  fehlt).  — 
S.  23  (a).  Unter  caedes  übersetzt  der  Verfasser  mit  Schwarz  dies  cac- 
dium  durch  »Mordtag«  (21,  4,  0),  was  undeutsch  statt  »der  Tag  für  die 
Ausführung  des  Mordes«  oder  »der  zum  Morde  festgesetzte  Tag«.  —  S.  33. 
Unter  concurro  musste  es  heissen:  in  occasionem  reciperandae  liber- 
tatis  ad  arma,  12,  1,  6.  —  S.  38  (a).  Unter  contendo  fehlt:  Cretam  et 
Lacedaem.ona  ad  cognoscendas  Minois  et  Lycurgi  inclitas  ea  tempestatc 
leges,  20,4,4.  —  S.  48  (a).  Zu  deputo:  24,  8,  2  ist  deputantes  bloss 
Jeep's  Konjektur;  alle  andern  Herausgeber  lesen  mit  den  codd.  repouen- 
tes.  —  S.  53  (b).  Unter  do  fehlt:  alicui  Maccdoniam  in  praemium  belli, 
30,4,18.  —  S.  57  (b).  Neben  Eleusin  ist  auch  Eleusina  aufgeführt; 
aber  5,  10.  §  4  u.  7  ist  Eleusina  griech.  Akk.  —  S.  63  (b)  expendo: 
12,  11,  3  steht  nicht  talenta,  sondern  XX  milia  talcntüm.  —  S.  77  (b). 
Unter  grex  fehlt:  cervorum  gregcs,  Rudel,  44,4,8.  —  S.  86  (a).  Unter 


252  Lateinische  Lexikographie. 

includo  musste  es  bei  der  Stelle  17,  1,  12  heissen  »angustis  metis  (bloss 
Jeep  nach  Vcrniutunf,'  angustiis)«,  da  die  Ausgaben  von  Frotscher,  Bc- 
iiecke,  Dübner  und  Fittbogcn  nach  den  codd.  so  lesen  und  der  Verfasser 
unter  meta  auch  diese  Stelle  anführt.  -  S.  90  (a).  Unter  inopia  musste 
stehen:  continui  belli  et  exhausti  regni,  in  Folge  des  u.  s.  w.,  7,  6,  3.  — 
S.  97  (b).  Unter  jungo  durfte  nicht  stehen:  junctum  esse  lateri  alcjus, 
Imdm.  nicht  von  der  Seite  gehen,  30,  2,  5,  sondern  »regis  lateri  junctus, 
dem  K.  stets  zur  Seite  stehend«.  -  S.  109  (b).  Unter  minax  war  zu 
setzen:  animus  minax  in  illo,  hinsichtlich  jenes,  1,  5,  5.  —  S.  113  (a). 
Unter  multitudo:    in  der  Stelle  24,4,  1  ist  multitudo  =  Bevölkerung. 

—  S.  121  (a)  zu  obtrectator;  :31,  6,  l  steht:  huic  sententiae  obtrecta- 
tores,  also  mit  Dativ,  wie  obtrecto.  —  S.  123  (b).  Unter  opacitas  über- 
setzt der  Verfasser  mit  Schwarz  op.  tepidi  aeris  durch  »Schattenlauheit«, 
was  undeutsch;  es  ist  »die  schattige  (kühle)  Temperatur  (Ggstz.  aprici- 
tas).  —  S.  129  (b).  Unter  partus  ist  canis  partu  gravida,  die  hochträch- 
tige (bei  Phaedr.  l,  19,  3  canis  parturiens),  43,  4,  4.  —  S.  137  (b).  poena 
ist  auch  =  Leiden,  Marter,  captivitatis,  11,  14,  11.  —  S.  161  (b).  Zu  re- 
vertor;  Justin  hat  auch  einmal  Perf.  reverterunt,  12,  8,  17.  —  S.  173  (b). 
Unter  statuo  musste  es  heissen:  duodecim  aras  in  belli  vota,  11,  5,  4.  — 
S.  196  (b).  Unter  vicis  steht  falsch  »vice  versa«  statt  »versa  vice«,  wel- 
ches die  stetige  Wortstellung  auch  sonst  ist,  s.  E.  Wölffiin  Ueber  die 
Aufgaben^  der  lateinischen  Lexikographie  (Rhein.  Mus.  XXXVII)  S.  119  f. 

—  S.  197  (b).  Zu  vindico:  7,  5,  7  steht  nicht  »a  suppliciis«  sondern 
bloss  »suppliciis«,  wie  Curt.  9,  10  (41),  18  fame.  Beide  Stellen  noch  in 
keinem  Lexikon. 

Druckfehler  stehen  S.  3  (a)  Z.  19  v.  o.  lingae  st.  linguae.  —  S.  7  (b) 
unter  aemulatio  praep.  st.  praef.  —  S.  24  (a)  unter  caninus,  caninae, 
ae  st.  canina,  ae.  —  S.  53  (b)  unter  do  däre  st.  däre.  —  Falsche  Citate 
stehen  S.  l  (b)  unter  abscondo  31,  3,  4  st.  31,  2,  4.  —  S.  55  (a)  unter 
dubius  2,  31,  1  st.  2,  13,  1.  —  S.  76  (b)  unter  gravidus  34,  4,  4  st. 
43,  4,  4. 

Vollständiges  Wörterbuch  zu  den  Verwandlungen  des  Publius  Ovi- 
dius  Naso.     Von  Otto  Eichert.    Hannover  1882.    S.  IV  u.  300  in  8. 

Der  Verfasser  hat  einfach  die  Vorrede  der  vorigen  Auflage  wieder 
abdrucken  lassen  und  kein  Wort  über  das  gesagt,  was  in  dieser  achten 
Auflage  für  Verbesserung  und  Vervollständigung  geschehen  ist.  Im  Be- 
richt über  die  siebente  Auflage  hatte  ich  eine  Menge  Ausstellungen  ge- 
macht, welche  alle  in  dieser  achten  berücksichtigt  worden  sind,  so  dass 
dieselbe  nicht  bloss  als  verbesserte,  sondern  als  bedeutend  verbesserte 
und  vermehrte  bezeichnet  werden  kann.  Denn  es  ist  jetzt  der  Text  nach 
der  zweiten,  Epoche  machenden  Ausgabe  von  Merkel  zu  Grunde  gelegt, 
aber  daneben  auch  die  Text -Ausgabe  von  Riese  und  die  Ausgabe  mit 
Anmerkungen  von  Korn  (nicht  Koch,  wie  falsch  in  der  Vorrede  steht) 


Lateinische  Lexikographie.  "253 

berücksichtigt;  die  Text -Ausgabe  von  Korn  (Berlin  1880)  ist  dem  Ver- 
fasser leider  unbekannt  geblieben,  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  als 
Korn  viele  Lesarten  und  Konjekturen  wieder  aus  dem  Text  entfernt  und 
sich  mehr  der  Merkel'schen  Rekognition  angeschlossen  hat.  Ich  lasse 
nun  einige  Bemerkungen  folgen.  8,  11  (b)  unter  aetas  heisst  es:  bacae 
parili  aetate  (in  so  fern  auf  ihnen  das  Geburtsjahr  verzeichnet  ward), 
10,  115.  Deutlicher  in  Polle's  Wörterbuch:  bacae  parili  aetate,  Kapseln 
von  gleichem  Alter,  wie  der  Hirsch,  dem  sie  bei  der  Geburt  umgehängt 
waren  und  die  die  Angabe  seines  Geburtstages  enthielten,  10,  115.  — 
S.  40  (b)  a.  E.  Carthaea  (nicht  Carthea)  arva  lesen  Merkel  und  Korn 
10,  109.  —  S.  42  (b)  unter  celer  fehlt  celer  pennä,  8,  686.  —  S.  60  (b) 
musste  unter  cubito  stehen  »(Konjektur  von  Merkel)-«,  wie  das  S.  60  (a) 
unter  creta  steht.  —  S.  61  (b)  raussten  am  Ende  von  cum  (Praep.) 
Stellen  mit  angehängtem  que  gegeben  werden,   s.  Polle's  Wörterbuch. 

—  S.  64(a).  Nur  die  Schreibung  damma  ist  richtig.  —  S.  69.  Unter 
decipio  musste  bemerkt  werden,  dass  Merkel  10,  475  diripit  liest.  — 
S.  70  (a).  Unter  desperno  musste  bemerkt  werden,  dass  9,  149  (150) 
nur  Korn  despernite  nach  seiner  Vermutung  liest;  die  andern  Heraus- 
geber (schon  Burmann  und  Bach)  lesen  spernite.  Es  musste  also  stehen 
»9,  250  (Konjektur  von  Korn)«.  —  S.  75  (b)  am  Ende  heisst  es:  cur  non 
dat  quod  vaga  turba  sequatur,  warum  giebt  er  nicht  ein  Beispiel?  13,  221. 
So  auch  Siebeiis -Polle.  Thielmann  in  seiner  unten  angezeigten  Schrift 
über  Da re  schlägt  S.  52  f.  vor:  warum  thut  er  nicht  etwas,  wonach  sich 
die  unstete  Menge  richten  kann?  —  S.  114  (b)  steht  noch,  wie  in  den 
früheren  Ausgaben,  hümus  statt  hümus  und  S.  115  (a)  2.  Hylous  statt 
Hyleus,  13,  684.  —  S.  128  (b)  fehlt  insTbilo,  15,  603.  —  S.  133  (b) 
steht  noch  immer  Ithys  statt  Itys.  —  S.  145  (b).  ludibrium  hat  Korn 
10,  225  in  seiner  ersten  Ausgabe,  aber  in  der  zweiten  liest  er  ganz  an- 
ders. —  S.  155  (b)  unter  minuo:  7,  317  steht  corporis  artus  (nicht  bloss 
artus),  —  S.  157  (a)  Memnonides  werden  in  Polle's  Wörterbuch  besser 
erklärt.  Dort  heisst  es:  Memnonides,  die  neun  Musen  als  Töchter  der 
Mnemosyne  (w.  s.),  die  auch  Mvrjiiövrj  hiess,  oder  der  Moneta,  deren  grie- 
chischer Name  wahrscheinlich  Mvrj/uü  war.  —  S.  169  (a)  zu  3.  nixus. 
Korn  liest  in  der  zweiten  Ausgabe  9,  294  mit  Merkel  nach  dessen  Ver- 
mutung Nixosque.  Unter  Nixi  musste  stehen  »9,  294  (Konjektur  von 
Merkel)«.  —  S.  171  (a).  Unter  nox  =  Dunkel  fehlt:  caelum  .  .  .  ignavos 
inclusit  noctibus  aestus,  7,  529  Merkel  (Riese  und  Korn  nubibus).  — 
S.  176  war  mit  Merkel  und  Riese  ücyrhoe  zu  schreiben,  wie  Alexirhoe, 
Callirhoe  (nur  Korn  Ocyroe).  —  S.  193  (a).  Der  Artikel  perosus  ist  zu 
dürftig  abgefasst.  Es  musste  z.  B.  stehen:  perosus  lumen,  das  Licht 
scheuend,  4,  414;  perosus  longum  exilium,  der  1.  V.  überdrüssig,  8,  183. 

—  S.  193  (b).  Nicht  perurgeo,  sondern  perurgueo  musste  stehen, 
denn  Merkel  hat  2,  823  perurguet.  —  8.  197  (b).  Nicht  piger,  gra,  grum, 
musste  es  heissen,  sondern  piger,  pigra,  pTgrum.  —  S.  211.  Unter  pro- 


254  Lateinische  J.oxikoifrapliie. 

nus  fehlt:  piojios  suspensus  in  artus  prolopt.  =  ita  suspeusus,  ut  artus 
(der  Leib)  proni  vidcrentiir  (nach  Polle's  Erklärung),  8,  398  nach  Mer- 
kel's  Vermutung.  -  S.  223  (a).  Unter  rarus  steht  unvollständig  quorcus 
rarissima  statt  quereus  rarissima  patulis  ramis,  7,  (522;  ebenso  S.  22.")  (a) 
unter  reddü  unvollständig:  faciem,  statt  omnibus  faciem  suam  (allen  ihre 
eigentümliche  Gestalt  geben),  (i,  122.  -  S.  22.->  (b)  redux  lesen  Merkel, 
Riese  und  Korn  in  der  zweiten  Ausgabe  14,  (j7l  ganz  anders.  —  S.  230  (a). 
Unter  resido  musste  stehen:  ardor  resederat,  7,  76  (R.) ;  denn  Merkel 
und  Korn  lesen  recesserat.  -  S.  252.  Unter  species  fehlt:  ad  speciem 
redire  eandem,  3,  474  nach  Merkel's  Konjektur  (Korn  faciem).  — 
S.  258  (a)  zu  submergo:  9,  593  haben  Merkel,  Riese  und  Korn  sub- 
versa,  nur  frühere,  wie  Burmann  und  Bach,  submersa.  -  S.  2G4  (a)  unter 
tabesco  schreibe  tabuit  ex  illo,  4,  259.  —  S.  2h2  (bj.  Statt  Tyriüius 
hat  Merkel  Cibyreius,  Riese  (710)  Tinieius,  Korn  nach  eigener  Vermutung 
Thymbreius.  —  S.  291  (b)  zu  vertigo:  8,  557  (nicht  556)  haben  Merkel 
und  Riese  vertice,  Korn  nach  eigener  Vermutung  vertigine,  daher  es 
heissen  musste:  8,  557  (K.).  —  S.  297  (b)  unter  2.  volo  fehlt:  mit  nom. 
und  Inf.,  üda  sorori  esse  velis,  2,  746.  Unnötig  ist  es  bei  Verben  das 
Perfektum  und  Supinum  anzuführen,  wenn  dieselben  gar  nicht  in  den 
angegebenen  Stellen  vorkommen,  wie  z.  B.  unter  deperdo  und  depereo, 
da  5,  562  deperderet  und  15,  168  deperit  steht;  eselsbrückenartig  ist  es 
aber  geradezu  wenn  z.  B.  die  Participia  tortus  und  tostus  mit  Ver- 
weisung auf  torqueo  und  torreo  besonders  aufgeführt  werden.  Ein  Ter- 
tianer, der  die  Metamorphosen  liest,  muss  doch  wissen,  dass  tortus  von 
torqueo  und  tostus  von  torreo  herkommt. 

Das  Verbum  Dare  im  Lateinischen  als  Repräsentant  der  indoeuro- 
päischen Wurzel  dha.  Von  Philipp  Thielmann.  Leipzig,  1882. 
S.  134  in  8. 

Herr  Dr.  Thielmann,  der  sich  schon  durch  seine  Schrift  über  den 
Sprachgebrauch  des  Cornificius  und  andere  Arbeiten  als  tüchtiger  Phi- 
lolog  bewährt  hat,  giebt  uns  in  obiger  Abhandlung  wieder  einen  Beweis 
seiner  bei  einem  jungen  Gelehrten  staunenswerten  Belesenheit  und  seiner 
musterhaften  Behandlung  des  gewonnenen  Stoffes. 

Der  Verfasser  hat  es  unternommen,  die  Doppelnatur  des  lateini- 
schen dare,  die  bisher  mehr  geahnt  als  klar  erkannt  worden  ist,  dar- 
zulegen. Die  Untersuchung,  die  in  ihrem  Grund  und  Wesen  allerdings 
eine  sprachvergleicheude  ist,  kann  doch  nach  des  Verfassers  Ueberzeu- 
gung  nur  von  Seiten  der  klassischen,  speziell  lateinischen  Philologie  ge- 
führt werden. 

Die  Einteilung  der  Arbeit  ist  folgende:  §.  1.  Sprachwissenschaft- 
liche Einleitung.  §.  2.  Schwierigkeiten  der  Untersuchung.  §.  3.  Methode 
der  Untersuchung.  §.  4.  Verbreitung  von  dare  =  dha  in  der  römischen 
Litteratur.     §.  5.  Anordnung  des  Stoffes.     A.   Dare  =  facere,   machen. 


Lateinische  Lexikographie.  255 

thun.  B.  Dare  =  setzen  stellen  legen,  aufstellen,  bestimmen,  anordnen. 
Unter  no.  A  wird  behandelt  I.  umschreibendes  dare  =  machen  in  Ver- 
bindung mit  Substantiven,  Adjektiven,  mit  Participien  Perf.  Passivi. 
IL  Dare  =  thun,  machen,  hervorbringen,  verursachen,  anstiften  u.  s.  w. 
und  dann  wieder  als  Unterabteilungen  a)  Dare  =  thun  in  Verbindung 
mit  einem  Adverb  oder  dem  Neutrum  eines  Pronomens,  b)  Dare  = 
machen  in  Verbindung  mit  Substantiven,  c)  Dare  =  machen  mit  prä- 
dikativen Adjektiven.  IIL  Dare  =  facere  (pai'cre)  ex  se,  aus  sich  selber 
hervorbringen.  IV.  Dare  =  facere  mit  abhängigem  Infinitiv.  No.  B  zer- 
fällt in  I.  Dare  =  (wohin)  setzen,  stellen,  legen.  IL  Dare  aufstellen 
=  festsetzen,  bestimmen,  anordnen. 

Abgesehen  davon,  ob  wirklich  ein  dare  =  geben  und  ein  dare 
=  machen,  thun  dem  sanskritischen  da  und  dah  zu  liebe  anzunehmen 
ist,  giebt  die  Abhandlung  reichhaltigen  Stoff  und  ist  eine  schätzenswerte 
Vorarbeit  zur  lexikalischen  Behandlung  des  Artikels  do.  Ich  lasse  nun 
einige  Zusätze  und  Verbesserungen  folgen. 

Wenn  S.  4  für  se  reddere  mit  Dativ  bloss  eine  Stelle  aus  Homer. 
Lat.  1024  angeführt  wird,  so  kann  das  zu  dem  Irrtum  führen,  als  ob  erst 
im  Spätlatein  diese  Verbindung  vorkomme.  Die  Lexika  geben  schon 
Liv.  23,  9,  13  (se  convivio).  Hör.  sat.  2,  7,  71  (se  catenis).  Sil.  4,  119 
(se  astris);  11,  36<i  (sese  epulis).  Dazu  Verg.  Aen.  8,  170  (se  terris,  vom 
Tageslicht).  Val.  Max.  3,  3,  1  (se  urbi;  vorher  revertere  ad  tuos).  Plin. 
ep.  3,  1,  7  (se  cubiculo  ac  stilo);  ibid.  6,  16,  14  (se  Pomponiano  ceterisque 
qui  pervigilaverant).  Mela  1,  9,  3  (se  sibi,  v.  Nil).  Sil.  16,  276  (notis 
se  terris).  Lucan.  6,  320  (se  patriae).  Claud.  in  Rufin.  1,  364  (se  autumni 
plagis).  —  Wenn  es  S.  5  heisst:  Bemerkenswert  ist,  dass  er  (Meissner) 
zu  Ter.  Andr.  214  zuerst  und  bis  jetzt  allein  Beispiele  für  dare  =  fest- 
setzen, bestimmen,  anordnen  beibringt(f,  so  bemerke  ich  zunächst, 
dass  in  dem  Artikel  do  in  Georges- Mühlmann's  Thesaurus  diese  Be- 
deutung schon  berücksichtigt  ist,  und  dann,  dass  Meissner  gar  nicht 
von  festsetzen,  bestimmen,  anordnen  spricht  und  die  gegebenen 
Belegstellen  zu  dieser  Bedeutung  wie  die  Faust  auf's  Auge  passen.  Es 
heisst  dort  bloss:  Cic.  Cat.  m.  69:  da  (setze)  supremum  terapus  (also 
dare  =  annehmen,  einräumen;  vgl.  Hör.  ep.  2,  1,  125:  si  das  hoc).  Liv. 
23,  3,  9 :  date  (stellt)  pro  malo  atque  improbo  bonum  seuatorem  atque 
justum  (also  dare  geben  —  stellen,  schaffen,  wie  schon  Plaut,  mil.  784: 
aequi  istuc  faciam,  dum  eam  des,  quae  sit  quaestuosa,  schaffst  du  mir 
nur  eine,  welche  u.  s.  w.).  —  S.  14.  Statt  dant  animos  juveni,  Homer. 
Lat.  900  (895  Bährens),  sagt  derselbe  395  animos  juveni  viresque  mi- 
nistrat,  entlehnt  aus  Ovid.  met.  5,  47,  wo  Ovid.  datque  animos  sagt. 
Wie  fiduciam  dare  (Tac.  ann.  11,  28  [und  Val.  Max.  3,  7,  1  a.  E.]),  so  bei 
Göthe:  »das  giebt  ein  Zutrauen«.  -  Spiritus  facere  heisst  bei  Liv.  30, 11,  3 
nicht  »Mut  machen«,  sondern  »Imds  Uebermut  erwecken,  Imd.  »über- 
mütig machen«;  ebenso  spiritus  dare,  Liv.  6,  18,  4.  —  S.  25.  facere  si- 


256  Lateinische  Lexikographie. 

lentium  steht  ja  schon  Plaut.  Pers.  519  (fac  sileatiuni,  schweig  still).  — 
S.  35.  Neben  procliuin  facere  konnte  auch  adversum  alqm  proelium  in- 
secundum  habere,  Eutr.  9,  :i4,  angeführt  werden;  ebenso  fehlt  bei  cer- 
tamen  dare  das  entsprechende  certamen  edere,  Liv.  2,  43,  11;  vgl.  Curt. 
10,  5  (15),  9.  —  S.  37.  Bei  Spart.  Iladr.  25,  9  ist  dare  jocos  doch  wohl 
nicht  =  Scherze  machen,  sondern  =  Scherze  zum  besten  geben.  —  S.  40. 
Für  notum  facere  citiert  der  Verfasser  Ovid.  raet.  12,  64.  Fronto  p.  89  N. 
Coripp.  Job.  praef.  5,  aber  es  steht  schon  Cic.  ad  Att.  15,  19  extr.  und 
Plin.  ep.  10,  59  (67).  —  ratum  facere  nicht  bloss  Liv.  28,  39,  16,  sondern 
schon  Cic.  de  div.  1,  39,  85.  Bei  den  Umschreibungen  mit  habere  musste 
auch  ratum  habere  angeführt  werden,  s.  Cic.  Rose.  Com.  1,  3;  de  nat. 
deor.  1,  5,  10;  part.  or.  36,  125.  Liv.  26,  31,  10;  30,  30,  9.  infestum  ha- 
bere steht  nicht  bloss  Cic.  de  rep.  3,  14,  24,  sondern  auch  Cic.  TuU.  8,  19; 
ad  Att.  16,  1,  3.  Liv.  26,  24,  5.  Nazar.  pan.  17,  1;  auch  findet  sich  in- 
festum efficere,  Liv.  34,  62,  4.  —  profanum  facere  steht  nicht  bloss  Verg. 
Aen.  12,  779,  sondern  auch  Cic.  Verr.  4,  55,  122.  —  praegnautem  (prae- 
natem)  facere  steht  auch  Plaut,  auiul.  163;  mil.  1077.  —  S.  49.  Plaut, 
mil.  797  (799)  sq.  liest  jetzt  Ribbeck:  ego  rectis  meis  ei  dabo.  —  S.  54. 
cuneum  facere  steht  ausser  Caes.  b.  G.  6,  40,  2  und  Coripp.  Job.  8  (7),  430 
auch  Tac  Germ.  7.  Veget.  mil.  3,  17.  p.  101,  2  und  p.  102,  3;  3,  18. 
p.  102,  16  u.  17  ed.  Lang.  —  S.  68.  dare  alci  dolorem,  Imd.  eine  Krän- 
kung liereiteu,  auch  Cic.  Cluent.  70,  200.  —  S.  69.  Bei  mortem  dare  alci 
musste  auch  mortem  facere  alci  erwähnt  werden,  s.  Ovid.  fast.  1,597  (et 
mortem  et  nomen  Druso  Germania  fecit).  —  S.  72.  Für  gemitus  facere 
(ausstossen)  ist  eine  schlagende  Stelle  Gell.  1,  26,  7:  querimonias  aut 
gemitus  ejulatusque  facere  (vom  Verfasser  selbst  S.  87  für  querimonias 
facere  angeführt).  —  S.  73.  Dare  =  erzeugen  vom  Manne  auch  CatuU. 
61,  67  u.  212  (liberos  dare).  Val.  Flacc.  1,  367  (pariter  quos  edidit  Hy- 
pso)  und  Firm.  Mat.  math.  5,  1.  sect.  2.  p.  117,  48  ed.  Bas.  1551  (unam 
tantum  filiam  dabit).  Neben  partu  dare  musste  erwähnt  werden  partu 
edere,  Tac.  ann.  2,  54,  und  bloss  edere,  ibid.  1,  10;  3,  61.  Die  Redensart 
in  lucem  edere  (edi)  ist  bloss  mit  Sen.  Oedip.  939  belegt;  aber  in  lucem 
edi  (editus)  steht  auch  Cic.  Tusc.  3,  1,  2  und  (poet.)  1,  48,  115.  Ovid. 
met.  15,  221  (vom  Verfasser  S.  75  f.  augeführt).  Amm.  21,  14,  3.  luci  edere, 
Cic.  poet.  de  div.  2,  30,  64,  sub  lucem  dare  auch  noch  Juveuc.  1,  63.  — 
S.  74.  In  der  Stelle  Aulul.  p.  49,  1  Peiper  vilisque  mater  grande  Puer- 
perium dedit  ist  Puerperium  dedit  nicht,  wie  der  Verfasser  will,  s.  v.  a. 
peperit,  sondern  dedit  allein  ist  =  peperit  und  grande  Puerperium  ist 
—  ein  grosses  Kind  (Geschöpf),  da  Puerperium  auch  meton.  =  Leibes- 
frucht, Kind,  s.  die  Lexika.  —  S.  78.  Es  steht  sonitum  facere  auch  von 
Personen,  s.  Prop.  1,  20,  48  (tum  sonitum  rapto  corpore  fecit  Hylas). 
Vitr.  5,  4,  9  (cum  chordarum  sonitus  aut  vocis  cantus  factus  fuerit).  — 
S.  80  heisst  es:  »Nach  Ovid  erscheint  die  Wendung  (sonum  dare)  nur 
noch  einmal  Val.  Flacc.  3,  106«.    Sie  steht  auch  nochBoeth.  cons.  phil.  3. 


Lateinische  Lexikographie.  257 

raetr.  1,  8  (uti  notus  desinit  imbriferos  dare  sonos).  —  S.  8L  Die  Redens- 
art sonum  edere  steht  in  Prosa  schon  Val.  Max.  3,  2  ext.  6.  Plin.  10,  81 
und  17,  221.  Zu  strepitum  facere  gehört  strepitum  edere,  Col.  12,  21,  2. 
Für  strepitum  dare  kenne  auch  ich  keinen  Beleg.  -^  S.  83.  Zu  Stridoren! 
dare  gehört  Stridoren!  edere,  Plin.  11,  107.  —  S.  84  liest  man:  »Clan- 
gorem  dare  ist  eine  Neuerung  des  Sil.  4,  118,  die  keine  Nachahmung 
gefunden  hat«.  Aber  s.  schon  Plin.  18,  363:  cum  terrestres  volucres 
contra  aquam  clangores  dabunt.  Dafür  claugores  laetissimos  edere,  Suet. 
Dom.  6,  clangorem  fundere  vastum,  Cic.  poet.  Tusc.  2,  10,  24  v.  17.  - 
mugitus  edere  hat  auch  Arnob.  5,  5,  hinnitum  edere  auch  Val.  Max.  7,  3. 
ext.  2;  8,  11.  ext.  4.  —  S.  86  musste  bei  cachinnum  edere  erwähnt  werden 
cachinnum  tollere,  Cic.  fat.  5,  10.  Horat.  art.  poet.  113.  Suet.  Aug.  98, 
in  cachinnos  effundi,  Suet.  Cal.  32,  in  darum  cachinnum  etfundi,  Apul. 
met.  2,  14.  Wenn  es  daselbst  (S.  86)  heisst:  Gemitus  facere  als  Um- 
schreibung von  gemere  ist  dem  Gellius  eigentümlich,  so  ist  das  unrichtig, 
s.  Cato  fr.  bei  Gell.  10,  3,  17  (=  ed.  Jordan  p.  41,  10):  sed  quantum 
luctura,  quantum  gemitum,  quid  laciimarum,  quantum  fietum  factum  audi- 
vit?  —  S.  87.  Zu  plauctus  edere,  Juven.  10,  261,  gehört  planctus  dare, 
(Sen.)  Octavia720,  planctus  facere,  Vulg.  Mich.  1,  8;  1.  Macch.  1,  26; 
zu  ejulatus  edere  gehört  ejulatus  facere.  Gell,  l,  26,  7.  Nicht  complora- 
tiones,  sondern  complorationem  edere  steht  Justin.  U,  i»,  13;  dazu  nuUas 
complorationes  edere,  Gell.  12,  5,  3.  —  Üetum  edere  hat  auch  Dict.  5,  9, 
und  dazu  gehört  fietum  facere,  Cato  fr.  bei  Gell.  10,  3,  17  (s.  oben  zu 
S.  86).  Vulg.  Judith  7,  18 ;  act.  apost.  20,  37,  Hetus  fundere,  Ovid.  met. 
11,  672.  Sen.  Troad.  131,  üetus  eö'undere,  Verg.  Aen.  2,  271.  -  cantus 
dare  hat  auch  Tibull.  3,  4,  40.  Es  fehlt  cantus  edere,  Catull.  64,  300, 
cantum  vocis  facere,  Vitr.  5,  4,  9  (cum  chordarum  sonitus  aut  vocis  can- 
tus factus  fuerit).  Hierher  gehört  auch  dare  carmen  (von  Vögeln),  Prop. 
4  (.5),  3,  32.  -  S.  88.  Es  fehlt  neben  concentum  reddere  noch  concentus 
edere  (von  Flötenspielern),  Val.  Max.  2,  5,  4.  choros  dare  steht  nicht 
bloss  Homer,  lat.  886  (881  Bährens),  sondern  schon  Pall.  ine.  fr.  36 
p.  118  R.  Marl.  4,  44,  4;  so  auch  dare  molles  choreas,  Mart.  1,  104,  9.  — 
S.  97.  Cael.  bei  Cic.  ep.  8,  15,  2  heisst:  usque  quaque,  inquis,  se  Domitii 
male  dant,  nicht  »die  Domitier  blamieren  sich«,  sondern,  wie  der  ganze 
Zusammenhang  lehrt,  »die  Domitier  haben  auf  allen  Wegen  und  Stegen 
Pech,  bringen  .  .  .  Unglück«.  S.  102.  Plaut,  niil.  2,  3,  37  liest  jetzt 
Ribbeck  (308):  lila  ec  suo  sed  hospitio  edit  foras.  -  Zu  se  intro  dare 
(Cic.  Caecin.  5,  13)  konnte  verglichen  werden  se  intro  conicere,  Ter. 
haut.  277,  se  intro  corriperc,  Ter.  Hec.  365,  se  intro  capessere,  Apul.  met. 
1,22.  —  S.  103.  Dass  Tel-,  adelph.  3,  2,  13  (311)  obviam  das  Adjektiv 
sei,  wie  der  Verfasser  behauptet,  kann  ich  nicht  zugeben.  Terenz  ge- 
braucht nur  obviam  (Adv.);  auch  Wagner  zu  Ter.  haut.  758  nimmt  ob- 
viam als  Adverb.  Ausser  obviam  ticri  alicui  ist  auch  obvium  ficri  mit 
und  ohne  alicui  ganz  gut,  s.  Auct.  b.  Afr.  89,  4.  Liv.  1,  60,  1.  Verg.  Aen. 

fahreisbencht  fiir  Alteithvim<;wis<;ensch.-irt  XXVIM.  (1881.   U[.)  I7 


258  Lateinische  Lexikographie. 

10,  380.  Plin.  7,  32.  Apul.  met.  9,  39;  vgl.  auch  si  ille  obvius  ei  futurus 
omnino  non  erat,  Cic.  Mil.  18,  47.  —  S.  HO.  veno  ponere,  Tac.  ann.  14,  15 
ist  durchaus  nicht  völlig  gleich  dem  veno  oder  venum  dare,  sondern 
heisst  »zum  Verkauf  ausstellen«.  —  S.  112.  Zu  dare  dicta  ventis,  Val. 
Flacc.  5,  21,  gehörte  noch  eher  dare  verba  et  vela  ventis,  Ovid.  her.  2,  2r>^ 
dare  verba  in  ventos,  Ovid.  am,  1,  0,  42.  —  S.  120.  Zu  dare  in  carce- 
rem  konnte  auch  dare  in  caveam,  Plaut,  capt.  124,  angeführt  werden. 
Zu  servis  indere  compedes  vgl.  ut  istas  compedis  tibi  ad  im  am,  huic 
dem,  Plaut,  capt.  1027  (1024).  —  S-  121.  Neben  in  ergastulum  dare 
konnte  auch  ergastulis  dedere,  Cod.  Thcod.  9,  40,  3,  stehen;  neben  car- 
nifici  dedere  oder  tradere  auch  ego  illum  excruciandum  totum  carnufici 
dabo,  Plaut.  Poen.  5,  5,  23.  —  S.  122.  Der  von  Lupus  gemachte  Unter- 
schied von  ad  supplicium  dare  (Nep.  Phoc  5,  5.  Suet.  Cal.  11)  und  ad 
supplicium  tradere  (Liv.  29,  3,  4.  Tac.  ann.  11,  35)  ist  ein  eingebildeter. 
Beide  sind  s.  v.  a.  zur  Hinrichtung  überantworten;  vgl.  auch  Weissenbom 
zu  Liv.  a.  a.  0.  Die  Beispiele  bei  Lupus  aus  Plautus  passen  gar  nicht. 
Zu  ad  mortem  dare  gehört  ad  exitiura  dare,  Tac.  bist.  2,  10,  und  ad 
exitium  dedere,  Tac.  ann.  1,  32.  —  S.  123.  neci  dare  steht  auch  Acc.  tr. 
fr.  bei  Non.  251,  25  sq.  ed.  Quicherat  (noch  Acc.  tr.  347  ed.  1  Ribb.)  nach 
Junius'  Vermutung,  aber  Ribbeck  Acc.  tr.  348  ed.  2  liest  jetzt  anders; 
in  Prosa  steht  die  Verbindung  auch  Spartian.  Sever.  8,  3  (proscriptioni 
ac  neci  »dare).  dare  excidio  hat  auch  Liv.  l,  29,  6  (urbem  excidio  et 
ruinis  dare).  Zu  captivitati  dare  gehört  captivitati  tradere,  Eumen.  pan. 
(VI)  Constant.  6,  4,  und  in  captivitatem  tradere,  Vulg.  in  psalm.  77,  61, 
in  captivitatem  redigere,  Vulg.  2.  Cor.  10,  5.  in  captivitatem  dare  ohne 
Dativ  steht  Vulg.  Judith  16,  6.  —  S.  125.  Die  von  Modius  und  Heinsius 
aus  dem  cod.  Colon,  aufgenommene  Lesart  bei  Sil.  It.  5,  86:  dabunt  idem 
(superi)  camposque  diemque  wird  gestützt  durch  Oros.  5,  16,  14:  dato 
die  ad  pugnam  et  campo.  —  alci  diera  dare  (eine  Frist  setzen)  hat 
auch  Plin.  ep.  3,  9,  32.  —  tempore  dato,  Nep.  Hann.  2,  2,  heisst  sicher 
»bei  gegebener  Gelegenheit« ;  vgl.  dato  tempore  (=  wenn  die  Zeit  kommt), 
Tac.  ann.  4,  44  extr.  und  occasione  data,  Cic.  Phil.  7,  6,  18.  Nep.  Ham.  1,  2. 
Oft  steht  stato  tempore,  Plin.  9,  9;  9,  36;  11,  29;  11, 173.  Curt.  6,  3  (7),  7. 
—  S.  128.  dator  legum  hat  auch  Hier.  ep.  78  maus.  39.  p.  720  Migne 
(p.  493  Vall.).  —  Claud.  17,  34  steht  nicht  edicta  dare,  sondern  terris 
edieta  daturus,  responsa  supplicibus,  also  =  erteilen,  ergehen  lassen; 
vgl.  dare  ubique  crudelissimae  persecutionis  edicta,  Oros.  7,  10,  1;  dare 
edicta  regis  satrapis,  Vulg.  l.  Esdr.  8,  36.  —  S.  131.  judicem  dare  ali- 
quem  steht  schon  Plaut,  merc.  752.  —  S.  132.  alicui  tutorera  dare  hat 
auch  Justin.  34,  3,  6.  Eutr.  6,  21,  dare  aliquem  alicui  tutorem,  Plin.  ep. 
9,  13,  16.  —  Cic.  fin.  2,  24,  79  steht  nicht  vadem  dare,  sondern  vadem 
se  ad  mortem  tyranno  dare  pro  amico,  wie  Val.  Max.  4,  7.  ext.  1:  vadem 
se  pro  reditu  ejus  (amici)  tyranno  dare;    aber  praedes   vades   praetori 


Lateinische  Lexikographie.  259 

dare,  Liv.  epit.  48.   —  legis  datio  steht  auch  Lex.  Maniil,  in  Gromat. 
vet.  p.  265,  8  Lachm. 

Ueber  die  Aufgaben  der  lateinischen  Lexikographie,  von  Eduard 
Wölfflin  (im  Rhein.  Museum  N.  F.  Bd.  XXXVH.  S.  83—123). 

Nachdem  es  eine  Hauptaufgabe  der  letzten  Jahrzehnte  gewesen 
die  Handschriften  der  Klassiker  aufzusuchen,  in  Familien  zu  sondern 
und  an  Stelle  der  Vulgata  auf  Grund  der  besten  Ueberlieferungen  und 
mit  Hülfe  der  auctores,  imitatores,  testiraonia  sowie  der  Divinationskritik 
neue  Texte  aufzubauen,  sei  es  nun,  meint  Wölfflin,  an  der  Zeit,  an  den 
Ausbau  der  lateinischen  Lexikographie  und  Grammatik  zu  denken.  Der 
Aufbau  einer  Sprachgeschichte  von  den  Anfangen  des  Lateinischen  bis 
zu  seinem  Untergange  werde  auch  für  Kritik  und  Litteraturgeschichte, 
ja  auch  für  andere  Teile  der  Philologie  reiche  Ausbeute  liefern.  Man 
wird  uns,  sagt  Wölfflin  weiter,  vor  der  Hand  auf  das  Lexikon  von  For- 
cellini-De  Vit  verweisen,  ahnt  aber  sicher  nicht,  dass  die  Herausgeber 
von  den  Fortschritten,  welche  die  Wissenschaft  seit  3U  und  40  Jahren 
gemacht,  nur  ausnahmsweise  Notiz  genommen.  Das  einzige  brauchbare 
Wörterbuch  von  K.  E.  Georges  (7.  Aufl.  1879.  1880)  leistet  zwar  an 
Akribie  was  man  von  einem  Arbeiter  überhaupt  nur  erwarten  darf  und 
an  Vollständigkeit  so  viel  als  sich  mit  dem  Begriff '  Handwörterbuch' zu- 
sammenreimen lässt,  muss  sich  aber  notwendig  von  einem  für  die  Ge- 
lehrten bestimmten  '  Thesaurus'  nach  der  Art  des  Stephanus  unterschei- 
den. Doch  auch  der  beste  Thesaurus  wird  nicht  allen  alles  bieten  können, 
da,  um  nur  den  Wortschatz  der  lateinischen  Sprache  zu  registrieren, 
100  Bände,  bei  blosser  Anführung  von  Autornamen,  Büchertiteln,  Buch-, 
Kapitel-  und  Paragraphenzahlen  viel  mehr  als  100  Bände,  bei  Citationen 
knappsten  Zuschnittes  3U0  Bände  nötig  wären.  Einen  solchen  Thesaurus 
wird  aber  weder  ein  Mensch  oder  mehrere  ausarbeiten,  noch  ein  Ver- 
leger drucken,  noch  auch  -  wegen  seiner  Stofffülle  •—  ein  Philologe 
gebrauchen  können.  Auch  ein  grossartig  angelegter  Thesaurus  wird 
minder  Wichtiges  übergehen,  manclics  nur  zusammenfassend  andeuten 
und  für  viele  Details  auf  Specialwörterbücher  verweisen  müssen. 

Man  wird  von  dem  Lexikographen  wohl  verlangen  dürfen,  dass  er 
mit  kritischem  Urteile  die  besten  Ausgaben  benutze  i),  aber  nur  da  Kon- 
jekturen mache,  wo  sie  sich  ihm  durch  Vergleichung  von  Parallelen  von 
selbst  darbieten.  Einen  Teil  der  ana^  sipr^fiiva,  die  noch  unberechtigt 
in  den  Wörterbüchern  stehen,  auszumerzen,  wird  zunächst  Sache  der  Kri- 


1)  Wie  aber  wenn  die  Lesarten  iu  den  besten  Ausgaben,  z.  B.  des  Cicero 
von  Baiter  und  Kayser  und  von  Müller,  variieren?  Man  wird  da  wohl  eine 
Ausgabe,  wie  im  Lexikon  zu  den  Reden  des  Cicero  die  von  Baiter  und  Kaysor, 
im  Lexicon  Taciteum  von  Gerber  und  Greef  die  von  Halm  zu  Grunde  legen 
und  wo  es  in  wichtigen  Fällen  nötig  die  Varianten  verzeichnen  müssen. 

17* 


260  Lateinische  Lexikof,'raphic. 

tiker  seiu^).  Ebenso  wollen  wir  es  den  Orthogiaphen  überlassen,  die 
richtige  Schreibung,  beziehungsweise  die  Zeitalter  zweier  verschiedener 
Orthügrai)hicen  festzustellen,  so  wie  den  Grammatikern  die  Flexion  zu 
bestimmen  (hier  bespricht  nun  Wölfllin  die  ursprüngliche  Schreibung 
Poenicus  =  Punicus,  die  sich  noch  bei  Nepos  und  Gellius  findet).  Die 
erste  Aufgabe,  in  welcher  der  Lexikograph  den  Grammatiker  zu  ergänzen 
hat,  wird  darin  bestehen,  genau  anzugeben,  ob  alle  Formen  eines  "Wortes 
gleichmässig  im  Gebrauche  seien,  ob  alle  Kasus  (satias,  satietatis),  ob 
Komparativ  und  Superlativ  (ferus,  ferocior,  ferocissimus),  ob  alle  Verbal- 
formen (incipio,  coepi).  Als  Beispiel  wird  die  für  das  modernere  noiens 
vülens  übliche  Formel  seu  velit  (velint)  seu  nolit  (nolint),  velim  nolim 
oder  velis  nolis  u.  s.  f.,  velim  nolimve  oder  velis  nolisve  besprochen  und 
mit  einer  reichen  Stellensammlung  ausgestattet.  Ich  bringe  noch  bei: 
seu  velit  seu  nolit,  Julian,  dig.  28,  1,  2.  velit  nolit,  Anson.  prof.  19,  14; 
edyll.  13  extr.  (Prosa),  p.  214  Bip.  velimus  noliraus,  Tert.  apol.  23.  velint 
nolint,  Plin.  pan.  20,  6.  nolis  velisne  (Variante  velisve),  Prud.  perist.  10,  71. 
Erst  bei  Augustin.  findet  sich  volens  nolensque,  nachdem  schon  Sen.  ep. 
107,  11  in  einem  Verse  gesagt  hat:  Ducunt  volentem  fata,  nolentem 
trahunt.  Dazu  bemerke  ich,  dass  auch  Apul.  met.  9,  28  steht :  deducebat 
ad  torum  nolentem  puerum.  Hierauf  wird  über  das  Vorkommen  von 
gesta  (=  Thaten)  berichtet  und  mit  zahlreichen  Stellen  belegt,  zu  denen 
ich  nocfi  füge:  Claud.  21,  380  (Punica  gesta).  Tac  bist.  4,  34  und  Agr.  18 
extr.  (gesta).  Vopisc.  Num.  ll,  2  (patris  ejus  gesta).  Auson.  edyll.  20,  1 
(Clio  gesta  canens). 

Auf  die  Flexionsform  pflegt  die  Bedeutung  eines  Wortes  zu  folgen. 
Hierzu  bringt  Wölfflin  ein  paar  Beispiele  zur  Berichtigung  und  Ergän- 
zung des  Wörterbuchs,  nämlich:  situs  (Germaniae  u.  dgl.)  =  Geographie 
oder  Topographie  (s.  auch  Wölfflin  im  Hermes  XI,  120  f.)  und  litteratura 
bei  den  Eccl.  =  Litteratur  (z.  B.  Tert.  de  idol.  15;  apol.  47.  Hieron. 
comm.  in  Arnos,  lib.  IV.  c.  6  =.  vol.  VI.  p.  313  ed.  Vallars.  od.  1112  ed. 
Migne).    Das  Wort  steht  in  dieser  Bedeutung  auch  Augustin.  serm.  150,  2 

und  de  civ.  dei  6,  6,  1. 

Während  die  Bedeutungsverschiebuugeu,  die  sich  in  der  klassischen 
und  silbernen  Latinität  vollzogen  haben,  im  allgemeinen  bekannt  sind, 
ist  für  das  Spätlatein  die  Nuance  der  Bedeutung  an  jeder  einzelnen  Stelle 
oft  noch  unklar.  Daher  kann  es  z.  B.  unter  Umständen  streitig  sein, 
ob  auricula  das  kleine  Ohr  oder  das  Ohrläppchen  oder  nach  jüngerer 
Latinität  (franz.  oreille)   bereits   das  Ohr  bedeute.     Es   folgen  einige 

2)  Ich  selbst  habe  eine  grosse  Anzahl  falscher  äna^  tlp-qßi-.a  aus  dem 
Wörterbuch  ausgeschieden,  die  noch  im  Forcellini  von  De-Vit  stehen.  Leute, 
die  schlechte  Texte  haben,  beehren  mich  oft  mit  der  Angabo,  dass  dieses  und 
jenes  Wort,  welches  schlechte  Lesart  ist,  in  meinem  Haudwörterbuche  nicht  zu 
finden  sei. 


Lateinische  Lexikographie  261 

Beispiele  aus  der  späteren  Latiiiität.  Aber  schon  Hör.  ep.  1,  2,  53  sind 
auriciilae  sorde  dolentes  doch  wohl  Ohren  überhaupt.  Andere  Beispiele 
sind  noch  Hygiu.  fab.  191.  p.  122  Schin.  (tuuc  Apollo  iudiguatus  Midae 
dixit:  'quäle  cor  in  judicando  habuisti  tales  auriculas  habebis',  quibus 
diris  effecit  ut  asininas  habebat  aures).  Plin.  Val.  1,  11  (auriculas  gra- 
viter  audientes  emendat). 

Da  praktische  Rücksichten  dem  Lexikographen  nicht  gestatten 
sämtliche  Belegstellen,  auch  wenn  sie  gesammelt  wären,  abzudrucken, 
so  muss  man  sich  auf  das  Wichtigste  beschränken  und  sich  an  den  eben 
so  einleuchtenden  als  anerkannten  Grundsatz  halten,  vor  allem  die  älteste 
Belegstelle  zu  geben.  Beispielsweise  führen  die  Lexika  nicht  an,  dass 
pilosus  zuerst  schon  bei  Catull.  16,  10  vorkommt  (wozu  ich  bemerke, 
dass  pilosi  dort  substantivisch  steht  =  behaarte,  bemooste  Bursche,  wie 
auch  Mart.  i),  27,  7  und  9,  47,  5);  dann  persaepe,  schon  bei  Lucrez 
und  Catull.  63,  340,  idcirco  auch  bei  Plautus,  modernus  schon  bei 
Euuodius  (.5.  Jahrb.  u.  Chr.),  cyprius  (cupreus)  =  kupfern  bei  Vitruv 
(wozu  ich  bemerke,  dass  ich  Vitr.  7, 11, 1.  p.  180,  29  Rose  lieber  Cyprium 
aes  schreiben  möchte,  wie  Plin.  34.  §  4). 

Die  Konsequenz  würde  verlangen,  dass  der  Lexikograph  ausser 
der  frühesten  Belegstelle  auch  die  letzte  sorgfältig  anmerke.  Aber  wo 
hört  denn  die  lateinische  Sprache  auf?  und  welchen  Sinn  könnte  es  ha- 
ben das  Wort  tabula  noch  bei  einem  Autor  des  5.,  6.,  7.  Jahrhunderts 
n.  Chr.  nachzuweisen?  Allerdings  keinen  bei  Wörtern,  die  sich  in  den 
romanischen  Sprachen  erhalten  haben,  aber  einen  sehr  tiefen  bei  denen, 
welche  abgestorben  sind,  obschon  hierfür  das  allgemeine  Verständnis 
noch  fehlt.  Es  ist  an  der  Forderung  festzuhalten,  dass  jeder  [in  diese 
Kategorie  gehörige]  lexikalische  Artikel  den  Charakter  einer  Biographie 
tragen  müsse.  Beispielsweise  werden  nun  behandelt  die  Artikel  actu- 
tum  (von  Plautus  bis  Symmachus) 3) ,  prosapia  (von  Plautus  bis  zu  Leo 
Magnus),  absque  (von  Plautus  bis  Martianus  Capeila). 

Es  giebt  auch  Wörter,  welche  von  den  einen  Autoren  konsequent 
vermieden,  von  anderen  gleichzeitigen  unbedenklich  gebraucht  werden. 
So  ist  das  landläufige  konzessive  etsi  bei  Vergil*)  und  Horaz,  bei  Sallust 


3)  Hier  haben  wir  den  oben  S.  259  Anm.  1  besprochenen  Fall.  Cic.  Phil. 
12,  1 1,  26  liest  Kayser  actutum,  Halm  und  Müller  haben  acturum ;  Cic.  ad  Att. 
1,  12,  1  und  15,  5,  2  lesen  Boot,  Baiter  und  Weseuberg  acturum. 

4)  Hier  irrt  WöltÜiu  mit  Hand  Turs.  2,  600.  Deuu  etsi  steht  bei  Verg. 
Aon.  2,  583  und  9,  44  (43).  Wenn  Hand  a.  a  0.  sagt  etsi  stehe  nur  einmal  bei 
Properz,  so  ist  das  ebenfalls  unrichtig;  denn  es  steht  ausser  2, 19,  1  auch  2,  2,  16. 
Bei  Tibull  findet  es  sich  1,  9,  3  (auch  Haupt)  und  3,  6,  47.  Noch  bemerke 
ich,  dass  der  jüngere  Plinius  in  den  Briefen  etsi  nicht  hat,  dagegen  dreimal 
im  Panegyricus  (63,  1;  70,  5;  90,  6). 


262  Lateinische  Lexikographie. 

und  Quintilian  nicht  zu  finden.  Als  ^jweites  Beispiel  bespricht  Wölfflin 
ncc  opinans  (schon  Ter.  Andr.  180.  haut.  18ß  [nicht  189J.  Hec.  362. 
Lucr.  3,  <J59  [und  Fall.  fab.  ine.  fr.  44.  p.  HO  R^]).  Wenn  es  dann  heisst: 
So  kam  der  Verfasser  des  bellum  Alexandrinum  auf  die  Form  neque 
opinans  u.  s.  w.,  so  bemerke  ich,  dass  schon  Lucil.  sat.  4,  41  (=  124 
Lachra.)  sagt:  adsequitur  neque  opinantcm.  Daneben  werden  in  opi- 
nans, inopinatus  und  inopinus  besprochen,  wozu  ich  bemerke,  dass 
iuopinus  in  der  Prosa  sich  noch  bei  Ammianus  (z.  B.  14,  2,  9;  19,  8,  11) 
und  bei  Orosius  (3,  1,  3)  findet. 

Noch  fruchtbarer  wird  die  Beobachtung  des  Fehlenden  für  die 
Kritik  der  Echtheit  und  Unechtheit,  resp.  für  die  Bestimmung  des  Ver- 
fassers einer  Schrift.  Hier  wird  nun  durch  Beispiele  aus  der  Vulgata 
(vescor,  manduco,  oppidum)  dargethan,  dass  die  lateinische  Bibelüber- 
setzung der  Vulgata  nicht  das  Werk  eines  einzelnen,  resp.  des  Hierony- 
mus  sei,  wie  noch  Rönsch  irrtümlich  meint. 

Für  die  Beobachtung  des  Fehlenden  ist  endlich  noch  ein  zu  wenig 
betonter  Gesichtspunkt  hervorzuheben:  gewisse  Wörter  treten  in  be- 
stimmten Ländern  zurück.  So  weist  z.  ß.  das  spanische  come  (essen) 
verglichen  mit  franz.  manger  darauf  hin,  dass  südlich  der  Pyrenäen 
comedere,  in  Gallien  manducare  durchgedrungen  war. 

Zuerst  wird  man  nach  den  Ursachen  des  Unterganges  bestimmter 
Wörter  fragen  müssen,  und  diese  sind  vorwiegend  die  Kürze  und  das 
Zusammenfallen  mit  Homonyraa,  z.  B.  sociare,  associer,  sauciare*), 
blesser. 

Hierauf  bespricht  Wölfflin  den  Plural  toti  für  omnes.  Hierbei 
wird  mit  Recht  eine  Reihe  Verbindungen,  die  jetzt  in  dem  Lexikon  als 
Beispiele  für  toti  =  omnes  stehen  dem  totus  =  ganz  vindiziert.  So  sind 
z.  B.  tota  armenta  (Verg.  Aen.  1,  185.  Apul.  met.  3,  18)  ganze  Rudel, 
so  ist  totis  horis  (Plaut,  mil.  213)  =  Tag  und  Nacht;  und  namentlich 
ist  die  so  oft  vorkommende  Verbindung  totis  viribus  immer  =  mit 
ganzen  (ungeteilten)  Kräften.  Schon  Raschig  zu  Phaedr.  4,  2  (3),  2  schreibt : 
»summis  viribus  mit  den  höchsten  Kräften,  d.  i.  mit  der  höchsten 
Anstrengung  der  Kräfte;  dagegen  l,  11,  7  totis  viribus  mit  den  ganzen 
Kräften,  d.  i.  mit  Zusammeunehmung  aller  Kräfte«.  Letzteres  ist  jedoch 
nicht  richtig,  vielmehr  ist  totis  viribus  =  mit  Zusammenhaltung  aller 
Kräfte,  dagegen  omnibus  viribus  mit  allen  Kräften  (die  mir  zu  Gebote 


5)  Wenn  hier  Wölfflin  in  einer  Anmerkung  sagt:  Ein  transitives  sau- 
ciare  kannte  die  ältere  Latinität  wohl  noch  nicht,  sondern  sie  behalf  sich  mit 
saucium  facere,  so  ist  das  wieder  ein  Irrtum.  Schon  Forcellini  (und  nach 
ihm  Hudemann  in  Klotz  Handwörterbuch)  führt  an:  Plaut.  Bacch.  64  und  213; 
rud.  758.  Dazu  noch  Caecil.  com.  39  R  2  und  Pompon.  com.  18  (nach  Ribbeck's 
Vermutung;. 


Lateinische  Lexikographie.  263 

stehen)  =  mit  Zusamraennehmung  aller  Kräfte  (z.  B.  Cic.  Tusc.  3,  11,  25). 
Wenn  Wölfflin  S.  106  sagt:  »während  im  fünften  Jahrhundert  noch  Oro- 
sius  korrekt  schreibt«,  so  steht  das  im  Widerspruch  mit  Zangemeister's 
Index  verborum  zu  Orosius,  wo  eine  ganze  Reihe  Stellen  für  toti  = 
omnes  aufgeführt  werden.  Wenn  im  Lexikon  Celsianum  unter  totus 
die  Verbindungen  id  totum  (7,  7,  10  extr.  p.  278,  34),  totum  id  (8,  10,  7. 
p.  351,  13),  totum  illud  (7,  29.  p.  318,  36  Daremb.)  durch  ea  omnia  und 
omnia  illa  erklärt  werden,  so  ist  das  ebenfalls  eine  falsche  Auffassung. 
Die  Worte  sind  =  die  ganze  Stelle. 

Jedes  Wort  ist  aber  nicht  bloss  an  und  für  sich  zu  betrachten, 
sondern  auch  in  seiner  Verbindung  mit  andern.  Man  wird  darunter  in 
erster  Linie  die  sogenannte  Konstruktion  verstehen.  Wölfflin  meint  aber 
auch  alle  Verbindungen  von  Substantiv  und  Attribut,  Verbum  und  nähe- 
rem und  entfernterem  Objekt,  Präposition  und  Kasus  u.  s.  w.  Während 
der  Verfasser  früher  ausser  Stande  war  anzugeben,  ob  dem  italienischen 
oltre  modo  ein  lateinisches  Vorbild  entspreche  oder  nicht,  bringt  er 
jetzt  ultra  modum  bei,  daneben  auch  die  synonymen  praeter  mo- 
dum,  supra  modum  und  super  modum.  Für  letzteres  bemerke  ich, 
dass  Celsus  (4,  20,  2.  p.  154,  17  Dar.)  doch  auch  super  potionum  modum 
sagt  und  für  ultra  modum,  dass  es  nach  Cicero  nicht  erst  der  Philosoph 
Seneca,  sondern  schon  Celsus  ultra  modum  (3,  7,  2.  p.  89,  18  Dar.)  und 
ultra  justum  modum  (7,  12,  3.  p.  288,  26  Dar.)  gebraucht  hat.  Dann 
erörtert  Wölfflin  den  Gebrauch  des  Adverbs  recens,  der  sich  anfangs 
auf  einige  wenige  Partizipia  beschränkt  hat  und  erst  in  spätem  Jahr- 
hunderten erweitert  worden  ist. 

Hierauf  bespricht  der  Verfasser  die  Konstruktion  von  d  i  g  n  u  s  mit 
Genetiv  und  Dativ,  von  persuadere  mit  Akkusativ,  von  beue  dicere 
und  male  dicere  mit  Dativ  und  Akkusativ.  Zu  dignus  mit  Genetiv 
giebt  mein  Handwörterbuch  noch  Intpr.  Iren.  3,  21,  2  (hominum  dignae 
conscriptiones) ,  mit  Dativ  Orelli  inscr.  4359  (monumentum  mihi  facias 
dignum  juvcntuti  meae);  zu  indignus  mit  Genetiv  noch  Sil.  8,  383  (iu- 
dignus  avorum),  mit  Genetiv  oder  Dativ  Val.  Max.  9,  2.  ext.  8  (indiguo 
gloriae  suae  decreto),  mit  Dativ  Tertull.  de  cult.  fem.  2,  5  (quam  indigna 
nomini  Christiano),  con dignus  (was  nicht  erwähnt  wird)  mit  Dativ  Ar- 
nob.  1,  27  (auditui  condigna).  Ob  Halm  die  noch  in  der  fünften  Auflage 
zu  Cic.  Divin.  in  Caecil.  13,  42  angenommene  Konstruktion  mit  Dativ  in 
Cic.  Verr.  2,  16,  40  (quod  supplicium  dignum  libidini  ejus  invenias?)  auch 
in  den  folgenden  Auflagen  beibehalten  hat,  weiss  ich  nicht;  Baiter  und 
C.  F.  W.  Müller  lesen  libidine  und  führen  libidini  nicht  einmal  als  Va- 
riante an. 

Zum  Schluss  spricht  der  Verfasser  über  die  Wortstellung,  wobei 
durch  die  angestellte  Forschung  herauskommt,  dass  die  gewöhnliche 
Wortstellung  recta  via  (bes.  im  Abi.),  rectum  itcr  (bes.  recto  itinere) 


264  Lateinische  Lexikographie 

u.  dgl.^);  ferner  versa  vice  (niemals  vice  versa)');  dann  handelt  er 
über  oj)cram  dare  und  dare  operain  (vgl.  für  Livius  auch  M.  Müller 
n.  Anh.  zu  2,  44,  2);  endlich  über  die  nicht  ganz  selten  vorkommende 
Wortstellung  populus  senatusque,  populus  ac  (oder  et)  senatus.  Zu  den 
angeführten  Belegen  füge  Arnob.  4,  ?>'>  (populus  et  senatus).  Wilm.  in. 
scr.  2837  (poi)ulus  Romanus  senatusque).  In  einem  Nachtrag  handelt  der 
Verfasser  noch  über  tanti  =  tot,  quanti  =  qnot,  aliquanti  =  ali- 
quot. Dazu  bemerke  ich,  tanti  =  tot  steht  auch  Claud.  in  Rufin.  l,  224 
und  249;  2,  91;  quanti  =  quot  Claud.  in  p]utr.  1,  33  sq.  rapt.  Pros.  2,  308; 
Seren.  212;  IIL  cons.  Hon.  2G;  Mall.  Theod.  69:  vgl.  für  tanti  und  quanti 
Bünemann  zu  Lact.  1,  3,  21  und  Hildebrand  zu  Apul.  7,  9.  p.  552  (b),  für 
tanti,  quanti  und  aliquanti  Paucker's  Scutarium  p.  51  sq. 

Wölfflin  hat,  wie  schon  in  mehreren  früheren  Schriften,  so  auch 
abermals  in  diesem  Aufsatz  wichtige  Bausteine  zum  Lexikon  der  Zukunft 
zusammengestellt  und  wird  auch  demnächst  noch  andere  nicht  minder 
wichtige  zu  Tage  fördern.  Möge  ihm  Gesundheit  und  Kraft  bleiben  sei- 
nen so  grossartig  angelegten  Thesaurus  linguae  latinae  zu  Stande  zu 
bringen.  Ob  durch  denselben  so  irrigen  Behauptungen,  wie  sie  heutiges 
Tages  selbst  tüchtige  Gelehrte  über  das  Vorkommen  eines  Wortes  oder 
einer  Konstruktion  aufstellen,  Thor  und  Riegel  vorgeschoben  werden  wird, 
bleibe  dahingestellt^). 

Etecutio  rhetorica,  qualis  invenitur  in  Anuaei  Senecae  Suasoriis 
et  Controversiis.  Scripsit  H.  S.  Karsten.  Rotterdam  1881.  18  S. 
in  hoch  4.  (vgl.  Jahrg.  1880,  H,  S.  140  f.). 

Nachdem  Herr  Professor  Karsten  in  der  Einleitung  die  Ansicht 
derer,  welche  behauptet  haben,  die  für  unecht  erklärten  Reden  Cicero's 
seien  das  Machwerk  eines  späteren  Rhetors,  widerlegt  hat,  geht  er  zu 
der  Frage  über,  ob  aus  dem  Werke  des  Seneca  nur  seine  Sprech-  und 
Schreibweise  oder  auch  die  der  übrigen  in  beiden  auftretenden  Rhetoren 
erkannt  werden  könne.  Die  erstere  Ansicht  vertritt  W.  Teuffei  in  seiner 
Geschichte  der  römischen  Literatur  §  264,  6  2,  die  andere  M.  Sander  in 
seinen  Quaestiones  in  Senecam  rhetorem  syntacticae,  Greifs wald  1872 
und  in  seiner  Schrift  Der  Sprachgebrauch  des  Rhetors  Annaeus  Seneca 


6)  habet  rectani  viam  auch  Plaut,  trin.  868;  recta  via  (Abi.)  auch  Sen. 
contr.  1.  praef.  §.  23;  recta  platea  (Abi.),  Plaut,  eist.  2,  1,  58;  rectum  iter,  Curt. 
3,  11,  19;  rectore  itinere,  Curt.  4,  16,  7;  recto  cursu  auch  Plin.  12.  §.  88;  dazu 
recto  meatu,  Plin.  9.  §.  95. 

7)  versa  vice  auch  Sen.  Herc.  Oet.  470.  Gell.  16,  13,  7.  Apul.  flor.  20  init. 
p.  33,  15  Kr.  Ps  Apul.  de  dogm.  Plat.  3.  p.  266  Hildebr. 

^)  So  behauptet  Forchhammer  (Nord,  titsk.  f.  tilol.  V,  29)  dubitare  mit 
Infin.  sei  nicht  ciceronianisch,  ja  wohl  nicht  einmal  lateinisch;  aber  s.  Cic.  ad 
Att.  10,  3.  litt.  a.  §  2;  12,  49,  2  Cic.  Phil.  5,  2,  5  und  5,  13,  37;  mit  Akk.  und 
luliu.  z.  B.  Cic.  de  uat.  deor.  1,  40,  113. 


Lateinische  Lexikographie.  '265 

I  u.  II  (Berlin  1877  u.  Waren  1880).  Für  Sander's  Ansicht  plaidiert 
auch  Karsten  und  bringt  ausführlichere  Beweise  bei.  In  der  eigentlichen 
Abhandlung  (S.  11  —  18)  werden  behandelt:  Verba  (S.  11-13),  Substan- 
tiva  (S.  13  u.  14),  Adjectiva  (S.  14  u.  15),  Praepositiones  (S.  15  u.  16), 
Particulae  et  Adverbia  (S.  16),  Verborum  constructio  minus  solita,  Grae- 
corum  poetarumque  usum  referens  (S.  IV,  den  Infinitivus  und  das  Gerun- 
dium und  Gerundivum  berücksichtigend),  Participia  (S.  17),  endlich  als 
Epilogus  eine  Besprechung  der  Häufung  der  Attribute  und  die  verwickelte 
Wortstellung  (  S.  17  u.  18).  Die  ganze  Behandlung  geschieht  in  lexi- 
kalischer, jedoch  die  alphabetische  Reihenfolge  nicht  streng  einhaltender 
Form.  Da  der  Verfasser  auf  den  achtzehn  Seiten  den  Gegenstand  wohl 
nicht  hat  erschöpfen,  sondern  nur  die  wichtigsten  Fälle  hat  herausheben 
wollen,  so  ist  die  Arbeit  als  fieissig  und  dankenswert  zu  bezeichnen. 
Beim  Durchlesen  der  Schrift  habe  ich  mir  einige  Berichtigungen  und 
Zusätze  notiert.  S.  11  (b)  fehlt  z.  B.  adserere  se  libertati,  Suas.  7,  3.  Es 
steht  Suas.  6,  16  (nicht  15)  contristari,  sich  betrüben,  nicht  contristare 
alqm.  S.  11.  Aum.  1  muss  es  heissen:  philosophumenon,  I,  3,  8;  I,  7,  17; 
X,  34,  27:  pyxides,  Suas.  2,  21  (nicht  14).  S.  12  (a)  steht  emovere  ar- 
ticula  (st.  articulos),  Contr.  II,  5,  9  (wo  emotis  articulis).  Zu  incidere  = 
accidere  bringe  ich  noch  bei  Sen.  de  tranqu.  13,  2  (navigabo,  nisi  si  quid 
inciderit).  S.  12  (b)  fehlen  z.  B.  latrocinari  terras  et  maria,  Contr.  I, 
2,  8,  navigare  Oceanum,  Suas.  1,  8  sq.,  proponere  =  proponere  sibi  oder 
anirao,  Suas.  1,  4  (imraanes  propone  beluas),  recolere  (sich  erinnern) 
mit  folg.  Akk.  u.  Infin.,  Suas.  2,  10,  studere  apud  alqm.,  Contr.  II.  prooem. 
§  5,  tractare  mit  folg.  Akk.  u.  Infin.,  Contr.  I,  2,  16,  non  vetare  mit  folg. 
quin,  Contr.  I,  prooem.  §  17  (Plaut.  Cure.  33),  mit  folg.  quominus,  Contr. 
IX,  25,  8  (Sen.  ep.  95,  8).  Wenn  es  daselbst  heisst  »indurare  pueritiam, 
Suas.  2,  5.  Ovid.  nivem«,  so  musste  dafür  stehen:  »indurare  pueritiam 
ad  futurae  militiae  patientiam,  Suas.  2,  .">  (Justin  23,  1,  29:  sie  ad  la- 
bores  bellicos  indurabantur«).  S.  13  f.  Es  fehlt  cruciarii,  Gekreuzigte, 
Contr.  VIT,  21,  2  (Petron.  112,  5);  praecipitium,  Contr.  II,  9,  13;  sub  prae- 
texto  publicae  majestatis,  Contr.  IX,  25,  14;  studia  =  Werke  der  Litte- 
ratur,  Contr.  I.  prooem.  §  7;  tyrannicida,  Contr.  I,  7,  Isqq.  (L.  Sen., 
Plin.).  S.  14.  Es  ist  zwar  excusatius  est  aus  Contr.  V^I,  i,  20  angeführt, 
aber  schon  Contr.  I,  4,  12  steht  excusatior.  Es  fehlt  fugacissimus,  Suas. 
2,  7  (L.  Sen.)  und  eine  ganze  Reihe  Komparative  und  Superlative,  die 
von  Sander  I.  S.  7  angeführt  werden,  immunis  mit  ab  und  Abi,  Contr. 
II,  13,  16  (Vell. ,  Plin.);  rapidus  amnis,  Contr.  II,  9,  13  (ilor.) ;  sacer 
Oceanus,  das  grosse  Weltmeer,  Suas.  1,  4  (sacrum  mare,  Cael.  Aur.  acut. 
2,  30,  162).  S.  15.  Es  fehlt  pos  =  post  IX,  25,  10;  X,  30,  4.  S.  17.  Es 
fehlt  ubertim  flere,  IX,  2."),  7  (Suet.,  Fronto.  Apul.):  utrumnc  .  .  .  an, 
Suas.  1,  4  (Hör.).  Wenn  non  quaeram  extra,  Contr.  II,  4,  9,  angeführt 
wird,  warum  nicht  auch  die  oft  vorkommenden  Verbindungen  des  Adverbs 
contra,  s.  Suas,  1, 16;  Contr.  II,  10,  6  (zweimal);  VII,  23,  8  u.  a.  —  Obgleich 


266  Lateinische  Lexikographie. 

der  Herr  Verfasser  die  erste  Abteilung  von  Sander's  gediegener  Schrift 
gekannt,  bat  er  dieselbe  doch  nicht  so  benutzt,  wie  es  hätte  geschehen 
sollen ;  seine  Heissigo  Arbeit  würde  dann  manche  schätzbare  Notiz  mehr 
enthalten.  Wenn  daher  Karsten  S.  17  Anm.  sagt:  Quae  Sanderus  habet 
de  verbis  nominibus  et  i)articulis  partim  valde  jejuna  ac  pauca  sunt 
partim  minus  recta,  so  kann  Sander  diesen  Vorwurf  eben  so  gut  und 
mit  grösserem  Rechte  seinem  Gegner  machen. 

Zur  Lehre  von  den  Präpositionen  bei  Cicero.  II.  (in  c.  acc).    Von 
Dr.  Otto  Schüssler.    Hannover  1881.    (Progr.). 

In  dieser  zweiten  Abteilung  (die  erste  von  1880  handelte  von  den 
Präpositionen  ab,  ad  und  ex  bei  Cicero)  bespricht  der  Verfasser  den 
Gebrauch  der  Präposition  in  mit  Akkusativ  bei  Cicero.  Ein  Vierteil  der 
Abhandlung  enthält  eine  recht  ansprechende  Besprechung  sämtlicher  Prä- 
positionen, wobei  der  Verfasser  jedesmal  vom  Raumverhältuis  ausgeht. 
Von  S.  7  —  9  wird  dann  über  die  Bedeutsamkeit  der  Präposition  in  in 
der  Verbalkomposition  gehandelt.  S.  9  wird  für  die  intensive  Bedeutung 
der  Präpositionen  in  und  ad  folgende  Regel  aufgestellt:  »Die  innere 
Richtung  worauf,  die  Stimmung  wofür  drückt  in  c.  acc.  aus;  es  mar- 
kiert scharf  das  Eindringen  in  den  Gegenstand,  oder  da  unvorhergesehene 
Umstände  dem  beabsichtigten  Erfolge  entgegenstehen  können,  wenigstens 
die  Vorstellung  desselben.  Dagegen  weist  auf  die  äussere  Handlung, 
auf  eine  in  ihrer  objektiven  Erscheinung  bestimmt  vorliegende  That  ad 
hin;  letztere  Präposition  nimmt  daher  mit  Vorliebe  ein  Partie,  fut.  pass. 
oder  ein  Verbalsubstantiv  an,  oder  sie  hat  soviel  verbale  Kraft  in  sich, 
dass  das  Gerundivum  leicht  hinzugedacht  werden  kann«.  Hierauf  folgen 
Beispiele  für  eine  Reihe  Verba,  welche  ad,  nicht  in  mit  Akk.  nach  sich 
haben;  für  imbuere  mit  ad  und  Gerund,  ist  der  Verfasser  ein  Beispiel 
schuldig  geblieben.  Mein  Handwörterbuch  (Aufl.  VII)  hat  Cic.  Hortens. 
fr.  9  ed.  Kays.  =  fr.  23  ed.  Müll,  (bei  Non.  521,  22),  wo:  ad  sapientiam 
concipiendam  imbui  et  praeparari  debet,  wo  freilich  Allgay  er  wie  bei 
Cic.  Mil.  4,  10  mit  dem  beliebten  Zeugma  operieren  will;  ausserdem  Apul. 
de  Plat.  2,  2  extr.  p.  82,  1  Goldb.,  wo:  qui  natura  imbutus  est  ad  se- 
quendum  bonum.  Dann  kehrt  der  Verfasser  S.  11  zur  Konstruktion  mit 
in  und  Akk.  zurück  und  betrachtet,  nachdem  er  erst  ingredi,  intrare 
und  intueri  mit  in  und  Akk.  besonders  behandelt,  die  weiter  zulässi- 
gen Verbindungen  von  Verben  mit  in  mit  Akk.  und  dafür  aliqua  re, 
alicui  rei,  in  aliqua  re,  wobei  auch  noch  die  Konstruktion  mit  anderen 
Präpositionen  berücksichtigt  wird.  Wenn  der  Verfasser  S.  8  sagt:  »Un- 
erklärlich ist  es,  wie  Dräger  (bist.  Synt.  I.  S.  417)  Verr.  5,  50,  132  tibi 
iusultare  mit  einander  verbinden  kann  statt  tibi  videor  insultare«,  so 
ist  er  im  Unrecht.  Das  tibi  gehört  sicher  zu  insultare  und  die  Kon- 
struktion mit  Dativ  haben  nicht  erst  spätere  Prosaiker,  wie  Dräger  be- 
hauptet, sondern  sie  steht  schon  bei  Liv.  1,  48,  2;   36,  29,  9;  39,  47,  6. 


Lateinische  Lexikographie.  267 

Val.  Max.  2,  7,  12;  4,  7.  ext.  2  a.  E.;  5,  1.  ext.  4.  Ebenso  durfte  S.  20 
bei  Cic  Acad.  2,  18,  58  cum  visa  imprimantur  in  auiraos  (statt  in  ani- 
mis)  nicht  beanstandet  werden,  da  ja  insanire  mit  in  und  Akk.  auch 
nur  einmal  bei  Cic.  cor.  (i7,  277)  vorkommt.  Möge  Herr  Schüssler  recht 
bald  die  IIL  Abteilung  seiner  so  instruktiven  Arbeit  folgen  lassen. 

Index  lectionum  quae  in  academia  Monasteriensi  per  menses  aesti- 
vos  a.  1882  publice  privatimque  habebuntur.  Praemissa  est  P.  Lan- 
geni  analectorum  Plautinorum  Part.  I.    13  S.   4. 

Es  giebt  eine  Reihe  Wörter,  welche  bei  Plautus  nur  in  ihrer  ersten 
und  eigentlichen  Bedeutung  gebraucht  werden.  Herr  Prof.  Langen  hat 
in  seinen  Beiträgen  mehrere  derselben  besprochen  und  bringt  nun  in 
obiger  Gelegenheitsschrift  einen  kleinen  Nachtrag.  Zunächst  berichtigt 
er  die  Behauptung  Schenkl's,  dass  modus  in  der  Bedeutung  »Art  und 
Weise«  bei  Plautus  nur  in  der  Verbindung  aliquo  modo,  alio  modo  und 
dgl.  vorkommt,  indem  er  dagegen  in  peregrinum  modum,  Pers.  1.58  und 
trin.  764  anführt.  Andere  Beispiele  giebt  Lorenz  zur  mosteil.  .■)21.  Dann 
behandelt  er  modestus,  modeste  und  modestia,  welche  sich  bei 
Plautus  nur  in  der  Bedeutung  »Mass  haltend,  raassvoll,  das  Masshalten« 
finden  (trin.  831  und  merc.  48  werden  als  nicht  plautinisch  beanstandet). 
Ebenso  stehen  immodestus,  immodeste  und  imm o des tia  bei  Plau- 
tus nur  in  der  Bedeutung  »masslos  und  Masslosigkeit«.  Den  Schluss 
machen  dispendium  und  compendium.  Ersteres  hat  Plautus  uui'  in 
der  Bedeutung  »Aufwand,  Kosten«,  letzteres  nur  in  der  Bedeutung  »Er- 
sparnis«. 

De  M.  Cornelü  Frontonis  syntaxi.  Scripsit  Adolfus  Ebert.  Er- 
langae  1880.  49  S.  8.  (Separatabdruck  aus  Acta  sem.  philol.  Er- 
lang, n.  p.  311—357). 

Diese  mit  grossem  Fleisse  ausgearbeitete  Schrift  zerfällt  in  fol- 
gende Paragraphen:  §  1.  De  casibus  (S.  1  — 16).  §  2.  De  praepositio- 
nibus  (S.  16  — 19).  §  3.  De  numero  complurium  vocabulorum  (S.  19). 
§  4.  De  pronominibus  (S.  19  —  21).  §  .">.  De  adverbiis  (S.  21  —  24).  §  6. 
De  negationibus  (S.  24f.).  §  7.  De  adjectivis  (S.  2r>— 27).  §  8.  De  gc- 
rundio  et  gerundivo  (S.  27  f.).  §  9.  De  supino  (S.  28  f.).  §  10.  De  gc- 
neribus  verbi  (S.  29— 31).  §  11.  De  teraporibus  (S.  3lf).  §  12.  De  iu- 
finitivo  (S.  32  —  34).  §  13.  De  accusativo  cum  infinitivo  (S.  34f.).  §  14. 
De  euuntiatis  adverbialibus  (S.  35—37).  §  1.").  De  enuutiatis  relativis 
(S.  37— 39).  §  16.  De  interrogatiouibus  (S.  39f.).  §  17.  De  particulis 
(S.  40—42).  §  18.  De  asyudetis  (S.  42 f.).  §  19.  De  coordinationc  ad- 
hibita  pro  subordinatione  (S.  43).  §  20.  De  ellipsi  (S.  43  f.).  §  21.  De 
abundantia  serraonis  (S.  44 f.).  §  22.  De  alliteratione  (S.  45 f.).  Don 
Schluss  macht  Appendix.  Emendationes  Frontonianae. 

Die  Abhandlung  enthält  zahlreiche  Nachträge  zu  Dracger's  Histor. 


268  Lateinische  Lexikographie. 

Syntax,  iiamentlicli  zum  ersten  Teil.    Ich  erlaube  mir  nun  einige  Ergän- 
zungen und  Berichtif,Min.t,'cn  zu  PJbert's  Arbeit  folgen  zu  lassen. 

Zu  S.  3.  Es  fehlt  tantum  frigoris,  p.  93,  .5  (M.  Caes.j.  Für  quid- 
quid  mit  partit.  Genetiv  musste  auch  Cic.  Rose.  Am.  42,  122  (quidquid 
nialcficii,  sceleris,  caedis  erit)  angeführt  werden.  Auch  Dräger  bringt 
(1,  450)  erst  Stellen  aus  Livius  (vgl.  M.  Müller  und  Weissenborn  zu 
2,  5,  7).  Zu  ad  hoc  locorum  (Fronto  p.  19o,  8)  musste  zunächst  Plaut, 
capt.  38.5  (adhuc  locorum)  angeführt  werden.  Zu  S.  4.  Wenn  der  Ver- 
fasser in  der  Stelle  Horat.  sat.  1,  1,  33  magni  formica  laboris  die  Worte 
niagni  laboris  durch  nolljixoy^bn^  erklärt,  so  ist  das  wohl  nicht  richtig, 
denn  magni  laboris  ist  hier  =  arbeitsam,  emsig;  vgl.  Cic.  Brut.  70,  246: 
M.  Messala  .  .  .  magni  laboris.  Cic.  ep.  13,  10,  3:  homo  magni  laboris 
summaeque  industriae.  Cic.  Muren.  16,  34:  hoc  in  bello  Murenam  lega- 
tum  fortissimi  animi,  summi  consilii,  maximi  laboris  cognitum  esse  de- 
fendimus.  Ebenf.  zu  S.  4.  Fronto  p.  17,  14  steht  nicht  »pauculorum  ver- 
borum«  sondern  »paucorum  verboruni«.  Zu  S.  5.  Unter  praecipuus  setze 
Apul.  met.  (st.  mag.)  4,  11.  Zu  S.  G.  Neben  obsequium  scribendi  bei 
Fronto  p.  76,  3  hat  auch  Schob  Bob.  ad  Cic.  pro  Flacc.  II,  2.  p.  229  (ed. 
Orell.)  obsequium  mentiendi.  Zu  S.  7.  Wenn  der  Verfasser  sagt:  »Lo- 
cutioni  f^nem  facere  ab  elegantibus  scriptoribus  semper  genetivus  addi- 
tur«,  so  ist  das  falsch.  Er  selbst  führt  ja  für  den  Dativ  Caes.  b.  G.  1, 
33,  1  aij;  aber  derselbe  steht  auch  Terent.  haut.  prol.  35.  Cic.  Verr.  2, 
48,  118;  4,  7,  4;  Cluent.  67,  191.  Sali.  lug.  5^  2.  Liv.  26,  46,  10;  ausser- 
dem bei  Plaut,  asin.  605.  Cael.  Antipater  fr.  38  Peter  aus  Non.  205,  12. 
Syr.  sent.  43  (553).  Plin.  ep.  3,  18,  4;  5,  9,  6;  paneg.  24,  3.  Tac.  aun. 
15,  4.  Curt.  8,  2  (6),  10.  Zu  S.  8.  dolere  mit  Akk.  des  Ortes  (Gliedes) 
steht  ausser  Fronto  p.  81,  25;  182,  18  und  (was  Draeger  Synt.  1,  370 
allein  hat)  Vopisc.  Num.  12  (2),  1  auch  Scribon.  170  (latus  dolentes)  und 
bei  andern,  welche  in  meinem  Handwörterbuche  Aufl.  VII  verzeichnet 
sind.  Zu  uatare  mit  Akk.  (Fronto  p.  51,  13  tantum  profundi)  füge  noch 
Itin.  Alex.  12  (28)  ejus  (amuis)  latitudinem.  Draeger  1,  362  (nicht  462) 
hat  bloss  Dichterstellen.  Zu  S.  9.  Die  Stelle  Fronto  p.  154,  4  (zu  atten- 
dere)  gehört  zum  Dativ,  wo  sie  auch  (S.  7)  schon  steht.  Wenn  Dräger 
(1,  569)  behauptet,  perfungi  stehe  nur  Apul.  met.  8,  16  mit  Akk.,  so  ist 
das,  wie  auch  Ebert  bemerkt,  falsch,  s.  mein  Handwörterbuch  Aufl.  VII. 
cohortari  mit  Akk.  hat  auch  Cornif.  rhet.  3,  3,  4  (aliquid).  Facinus  fa- 
cere hat  ausser  dem  vom  Verfasser  allein  angezogenen  Sallust  z.  B.  auch 
Cornif.  rhet.  4,  55,  68.  Cic.  de  fin.  2,  29,  95;  pro  Tüll.  14,  34;  pro  Cael. 
22,  54;  pro  Rab.  Post.  9,  24;  Philipp  14,  3,  8.  Zu  S.  13.  Wenn  es  dort 
heisst:  »Cicero  Verr.  2,  5,  7  passive  scripsit  lecto  teiierin:,  so  muss  das 
den  Glauben  erwecken  se  teuere  mit  Ablat.  komme  bei  Cicero  nicht  vor. 
Aber  s.  ad  Att.  9,  14,  1  (se  teuere  oppido);  post  red.  in  sen.  11,  29  und 
de  domo  3,  6  (se  teuere  domo);  ad  Att.  7,  12,  6  (se  teuere  domesticis 
finibus);  ep.  11,  10,  4  (se  teuere  Apenuiuo  Alpibusque);  ep.  12,  13,  3  (se 


Lateinische  Lexikographie.  269 

teuere  clauso  portu).  Die  Stellen  sind  sowohl  im  Lexikon  als  auch  in 
Dräger's  Syntax  1,  526  nachzutragen,  wo  auch  fehlt:  Geis.  3,  7,  2  p.  89, 
14 sq.  (Dar.):  eo  conclavi  teuendus  (aeger),  quo  etc.  Zu  S.  lä.  Wenn 
Dräger  l,  .571  über  usus  est  sagt:  »selten  und  nur  bei  Plautus  steht 
der  Nominativ« ,  so  ist  das  falsch.  Ebert  bringt  noch  Fronto  p.  46,  17 
(si  nihil  horum  usus  erit)  bei,  wozu  ich  noch  Apul.  met.  11,  30  in.  (quod 
usus  foret)  füge.  Zu  S-  18.  Der  Verfasser  bringt  für  securus  pro  mit 
Abi.  auch  Fronto  p.  91.  24  (M.  Caes.)  bei,  und  fügt  hinzu:  Securus  pro 
unus  Tacitus  scripsisse  videtur  Agr.  26;  bist.  4,  58«.  Aber  auch  Seneca 
const.  2,  1  steht  es  so.  Zu  S.  21.  Der  Verfasser  hat  nicht  bemerkt,  dass 
louginque  scribere  bei  Fronto  p.  114,  4  —  wie  in  alter  Zeit,  antik.  Me- 
liuscule  steht  nicht  mehr  Plaut,  most.  957;  inornate  steht  nicht  bloss 
p.  183,  19,  sondern  auch  (Komparativ  inornatius)  p.  126,  13.  Zu  S.  23. 
istuc  steht  auch  an  drei  Stellen  in  Cicero's  Reden,  s.  Merguet's  Lexikon. 
Statt  multiraodis  hat  Halm  Nep.  Them.  10,  5  multis  modis  geschrieben, 
aber  Cic.  de  fin.  2,  26,  82  haben  auch  Baiter  und  Müller  multimodis. 
actutum  hat  Cic.  Phil.  12,  11,  26  zwar  Kayser  beibehalten,  aber  Halm  und 
Klotz  lesen  anders.  Zu  S.  24.  Die  unter  dem  Paragraphen  de  adjecti- 
vis  angeführte  Formen  auf  -ius  (congruentius,  desiderantius,  fiagrantius 
u.  s.  w.)  sind  sämtlich  Komparative  der  Adverbia;  auch  fehlen  conciunius, 
p.  162,  6,  immoderatius  p.  7.5,  13.  Der  Komparativ  pretiosior  findet  sich 
ausser  Fronto  p.  20,  6  nicht  bloss  bei  Ovid  (met.  1,  115  und  8,  97),  son- 
dern auch  bei  Mela  3,  9,  1.  Petron.  70,  2.  Plin.  nat.  bist.  13,  102  u.  ö. 
Plin.  ep.  6,  30,  2  und  8,  24,  8.  Curt.  5,  6  (20),  4.  Flor.  2,  10,  7;  efficacius 
(Adv.)  steht  schon  Liv.  10,  16,  3  und  amantius  (Adv.)  schon  Cic.  de  rep. 

1,  3,  6.  Zu  S.  26.  Dort  heisst  es:  »Depressior^  Dräger  L  p.  39«.  Da  der 
Verfasser  das  "Wort  nicht  selbst  bei  Fronto  gefunden  hatte,  so  musste 
er  es  weglassen.  Denn  das  »Fronto«  bei  Dräger  soll  heissen  Frontin 
aqu.  65  (nicht  68,  wie  in  Klotz  Handwörterbuch  steht).  Den  Superl. 
facuudissimus   (Fronto  p.  19,  7  u.  p.  176.  3  u.  11)   hat  schon  Sen.  suas. 

2,  12.  p.  18,  2  Kiessl.,  den  Superl.  excellentissimus  auch  Cic.  de  nat.  1,  2,  4 
(fehlt  bei  Dräger  1,  33  a.  A. ).  Zu  S.  29.  Wenn  der  Verfasser  sagt: 
»Avcrto  (intr.)  p.  62,  7.  Apud  scriptores  prosaicos  uon  ante  argenteam 
aetatcm,  apud  poetas  jam  prideni«,  so  ist  das  nicht  richtig.  Die  Lexika 
kenneu  nur  zwei  Stellen  aus  Plautus  (mil.  203  und  1074),  zwei  aus  Vergil 
(Aen.  1,  104  und  402)  und  eine  aus  Gell.  4,  18,  4,  wozu  die  Stelle  aus 
Fronto  kommt.  S.  30.  impliciscor  steht  Fronto  p.  51,  14  nicht  passiv.  Das 
Activ  saviare  hat  auch  Claud.  Quadrig.  ann.  2.  fr.  39  bei  Prise.  8.  §  26. 
dissavio  Fronto  ad  M.  Caes  3,  3  cxtr.  p.  43,  4  nach  Haupfs  Vermutung.  — 
Wenn  der  Verfasser  behauptet,  dass  nur  Fronto  p.  64,  11  bei  refert  ein 
bestimmtes  Subjekt  im  Nominativ  stehe,  so  irrt  er;  s.  Lucr.  4,  981  (984). 
Plin.  nat.  bist.  7,  42;  11,  267;  18,  187  und  317.  Zu  S.  31.  attenderc 
absol.  =  animum  attendere  mit  Dat.,  wie  Fronto  p.  1,54,  4,  steht  nicht 
bei  Cicero  (der  es  mit  dem  Akk.  konstruiert),  sondern  bei  Vitr.  4,  3,  3; 


270  Lateinische  Lexikographie. 

5,  1,  G ;  lu,  IG  (22),  2.  Plin.  ep.  1,  «,  3;  7,  2G,  2;  7,  •53,  9.  Plin.  pan.  65,  2. 
Suet.  Cal.  53;  Ner.  r>6;  Galb.  7.  Sil.  8,  589  (591).  Vulg.  eccli.  32,  28;  prov. 
7,  24  u.  ö.  Zu  S.  32.  Der  Verfasser  führt  eine  Reihe  Stellen  aus  Fronto 
zu  Dräger's  Syntax  über  die  Konstruktion  mit  dem  Infinitiv  an;  neu  ist 
M.  Cacs.  bei  Fronto  p.  GS,  o:  uam  ita  adesse  nobis  in  die  tum;  und 
Fronto  p.  96,  2  (zu  Dräger's  Synt.  2,  3ö4)  quod  tibiconscius  es  uon  per- 
petuam  operam  eloquentiae  dedisse;  Fronto  p.  114,  12sq. :  Heraclitus 
obscurus  involvere  orania,  Pythagoras  mirificus  clandestinis  signis 
sancire  omnia,  Clitomachus  aueeps  in  dubium  vocare  orania.  Für  neu- 
trale Adjektiva  mit  der  dritten  Person  des  Verbums  esse  mit  folg.  Infin. 
oder  Akk.  und  Infin.  giebt  Dräger  histor.  Synt.  §  443,  ',i  in  der  ersten 
Auflage  Bd.  2,  S.  398  gar  keine  Stellen,  in  der  zweiten  Bd.  2.  S.  423 f. 
ein  sehr  dürftiges  Verzeichnis.  Fehlen  doch  die  jedem  Primaner  aus 
seinem  Cicero,  Cäsar  und  Sallust  geläufigen  Wendungen  absurdum  est, 
nou  absurdum  est  oder  videtur  und  non  alienum  est.  Auch  Fronto 
hat  z.  B.  p.  131,  5  humanuni  est  und  hominis  proprium  est;  p.  18,  22 
alci  summe  optabile  est;  p.  42,  5  illud  verius  mit  Akk.  und  Infin.  Wenn 
Dräger  Aufl.  2.  Bd.  2.  S.  424  sagt:  »aber  nicht  antiquius,  lustin  39, 
3,  .5«,  so  hat  er  vergessen,  dass  er  S.  321  drei  Stellen  aus  Cicero,  Auetor 
b.  Alex,  und  aus  Vellejus  beigebracht  hat.  Zu  S.  34.  Wenn  der  Ver- 
fasser sagt  delectari  werde  nur  Fronto  p.  91,  17  von  M.  Caesar  mit 
Akk.  und  Infin.  gebraucht,  so  ist  das  falsch,  s.  Cic.  ep.  ad  Brut.  1,  2,  4. 
Plin.  ep.  9,  11,  2.  Itin.  Alex.  39  (90)  =  40  ed.  Volkm.  —  Im  Lexikon  zu 
notieren  ist  deis  agere  gratias  mit  folg.  Akk.  und  Infin.,  Fronto 
p.  88,  15.  Zu  S.  36.  Bei  quod  =  ex  quo  führt  der  Verfasser  Plaut.  Amph. 
1,  1,  146  (302)  und  Terent.  haut.  1,  1,  2  (54)  als  Belege  an;  aber  dort 
steht  jetzt  qucnu.  Zu  S.  39.  Für  utrumne  bringt  der  Verfasser  Fronto 
p.  67,  9  und  114,  22  bei.  Es  steht  ausserdem  (gegen  Dräger  2.  §  468 
=  2.  p.  468  Aufl.  1  oder  2.  p.  496  Aufl.  2)  in  Prosa  schon  utrumne 
...  au  bei  Senec  suas.  1,  4.  p.  4,  2  K.  Für  nimis  quam,  Fronto 
p.  75,  25,  giebt  mein  Handwörterbuch  Aufl.  VII  noch  Gell.  14,  1,  4.  Apul. 
apol.  48,  während  Dräger  2,  451  f.  es  nur  aus  Plaut,  capt.  98  nachweist.  — 
S.  41  bringt  der  Verfasser  für  autem  bei  Einführung  eines  Zwischen- 
satzes am  Anfang  des  Satzes  bei:  Fronto  p.  42,  12:  autem  sunt  atro- 
cissima  und  S.  42  für  itaque  an  dritter  Stelle  Fronto  p.  18,  22:  Non 
miror  itaque.  Die  Appendix  (S.  47  ff.)  bringt  eine  Reihe  Textverbesse- 
rungen. Dass  Fronto  p.  81,  5  nicht  quartaque  die,  wie  Ebert  will, 
sondern  tertio  quoque  die  gelesen  werden  muss,  habe  ich  schon  Neue 
Jahrbb.  Jahrg.  1881.  S.  807  bemerkt.  S.  121,  10  soll  statt  magis  cre- 
bris  et  dulcibus  gelesen  werden  satis  crebris  et  dulc.  Sollte  aber  ma- 
gis nicht  zur  Umschreibung  des  Komparativs  dienen,  also  magis  er.  et 
dulc.  =  crebrioribus  et  dulcioribus? 

Ich  scheide  vom  Verfasser  mit  herzlichem  Dank  für  die  reicbhal- 


Lateinische  Lexikographie.  271 

tigen  Belehrungen,  die  ich  aus  seiner  mit  musterhaftem  Fleisse  gear- 
beiteten Schrift  geschöpft  habe. 

Die  griechischen  Wörter  im  Latein,  von  Dr.  Fr.  Oskar  Weise. 
Leipzig  1882.     VIII,  544  S.  gr.  8. 

Wir  haben  hier  abermals  ein  Werk  treuen  deutschen  Fleisses  vor 
uns.  Gründlichkeit  der  Forschung  und  Wissenschaftlichkeit  der  Methode 
in  der  Behandlung  des  zusammengebrachten  Stoffes  gehen  Hand  in  Hand. 

Das  Buch  zerfällt  nach  einer  Einleitung,  die  sich  über  die  Vor- 
arbeiten von  Vorgängern  verbreitet,  in  drei  Teile.  Der  erste  Teil  ent- 
hält das  sprachliche  Material ,  der  zweite  die  daraus  gezogenen  kultur- 
historischen Schlüsse,  der  dritte  den  Index.  Der  zweite  (wichtigste)  Teil 
hat  folgende  Unterabteilungen.  Kap.  I.  Tiere  (S.  93).  Kap.  II.  Pflanzen 
(S.  125).  Kap.  HL  (S.  152)  Mineralien.  Kap.  IV.  (S.  167)  Nahrung. 
Kap.  V.  (S.  178)  Kleidung.  Kap.  VI.  (S.  193)  Wohnung.  Kap.  VIL  (S.200) 
Gewerbe.  Kap.  VIIL  (S.  209)  Handel  und  Verkehr.  Kap.  IX.  (S.  223) 
Grammatik.  Kap.  X.  (S.  227)  Poetik  und  Metrik.  Schreib-  und  Bücher- 
wesen. Kap.  XI.  (S.  234)  Rhetorik.  Kap.  XIL  (S.  239)  Philosophie. 
Kap.  XIII.  (S.  244)  Astronomie  und  mathematische  Geographie.  Astro- 
logie. Zeiteinteilung.  Kap.  XIV.  (S.  2.33)  Mathematik.  Kap.  XV.  (S.  257) 
Physik  und  Mechanik.  Kap.  XVL  (S.  260)  Geographie.  Kap.  XVIL 
(S.  263)  Jurisprudenz.  Kap.  XVIIL  (S.  266)  Medizin.  Kap.  XLS.  (S.  273) 
Plastik.  Kap.  XX.  (S.  278)  Architektur.  Kap.  XXI.  (S.  284)  Malerei. 
Kap.  XXII.  (S.  287)  Musik.  Kap.  XXIII.  (S.  292)  Mimik  und  Orchestik. 
Kap.  XXIV.  (S.  296)  Gymnastik.  Kap.  XXV.  (S.  299)  Spiele  und  Be- 
lustigungen. Kap.  XXVI.  (S.  304)  Familie.  Kap.  XXVII.  (S.  311)  Staats- 
wesen. Kap.  XXVIII.  (S.  314)  Religion.  Kap.  XXIX.  (S.  322)  Militär- 
wesen. Innerhalb  dieser  Kapitel  werden  nun  die  einschlägigen  Wörter 
in  Bezug  auf  den  griechischen  oder  nichtgriechischen  Ursprung  in  netter 
Darstellung  besprochen,  wobei  natürlich  die  Sprachvergleichung  überhaupt 
herangezogen  wird.  Wie  verschieden  oft  die  Ansichten  der  Gelehrten 
darüber  sind,  ob  ein  lateinisches  Wort  entlehnt  ist  oder  original,  geht 
aus  dem  Verzeichniss  hervor,  welches  der  Verfasser  S.  75—82  recht  sach- 
gemäss  gegeben  hat.  Der  Index  enthält  diejenigen  Wörter,  welche  der 
Verfasser  selbst  als  entlehnt  ansieht,  mit  Beifügung  des  griechischen 
Etymons  jedes  Wortes  und  derjenigen  Stelle,  in  welcher  es  zuerst  im 
Lateinischen  vorkommt. 

Ich  gebe  nun,  um  dem  Verfasser  mein  grosses  Interesse  für  sein 
ausgezeichnetes  Werk  zu  beweisen,  eiuige  Bemerkungen. 

S.  .")  schreibe  Stinner  statt  Stimmer.  —  Wenn  es  S.  22  heisst: 
»Die  Schreibung  nordischer,  besonders  keltischer  Wörter,  mit  rh,  wie 
rheda,  Rhodanus,  Rhaetia,  Rhenus,  brauchen  wir  hier  nicht  zu  erörtern«, 
so  passt  das  in  Bezug  auf  rheda  und  Rhaetia  nicht,  da  diese  beiden 
Wörter  in  den  besten  Handschriften   und  in   Inschriften  raeda  (reda), 


272  Lateinische  Lexikographie. 

Raetia  gesclirieben  werden;  vgl.  Brambach's  Hülfsbüchlein  S.  58.  Fleck- 
eisen Fünfzig  Artikel  S.  2G.  (Raetia  auch  Zangemeister  im  Orosius).  — 
S.  109  ist  für  attagen  noch  Varr.  sat.  Meii.  08,  1  ed.  Gerlach  citiert  statt 
403  ed.  Buech.  —  S.  116  musste  es  acupenser  (st.  acipenser)  heissen. 
So  schreibt  L.  Müller  Liicil.  sat.  4,  G.  Cic.  de  fin.  2,  24  und  Tusc.  3,  43 
Müller.  —  S.  117  ist  Col.  9,  17,  12  falsch  statt  8,  17,  12;  und  statt  ca- 
rabus  schreiben  Mayhoff  und  Detlefsen  Plin.  9,  97  caravus.  —  S.  118 
unter  den  bei  Celsus  vorkommenden  Fischnamcu  fehlen  aurata,  corvus, 
oculata,  alle  2,  18.  p.  65,  22 sq.  (ed.  Daremb. );  unter  denen  bei  Ovid 
hal.  fehlt  saxatilis,  109;  vgl.  Anthol.  Lat.  390,  17  R.  (38.0,  17  M.).  Es 
ist  vielleicht  =  saxatilis  muUus ,  Sen.  nat.  qu.  3,  18,  4 ;  in  Gloss.  wird 
es  durch  ^p\)'/.iq  erklärt.  —  S.  120  musste  für  tructa  nicht  Isid.  12,  6,  C 
citiert  werden,  sondern  der  ältere  Plin.  Val.  5,  43;  vgl.  Anthol.  Lat.  390, 
18  R.  (385,  18  M.).  -  S.  124  ist  crassantus  (wahrsch.  =  bufo)  Anthol. 
Lat.  390,  17  R.  (385,  17  M.)  nachzutragen.  -  S.  155.  Plin.  37,  33  liest 
Detlefsen  nicht  sualiteruicum,  sondern  mit  Urlichs  (vind.  824)  hyalopym- 
chum.  —  S.  170  ist  als  Getränk  cervisia  (nicht  cerevisia),  welches  in 
späterer  Kaiserzeit  auch  bei  den  Römern  heimisch  war,  unerwähnt  ge- 
blieben, s.  Plin.  22,  164  (noch  als  bloss  gallisches  Getränk),  ülp.  dig. 
33,  6,  9  pr.  Edict  Diocl.  2,  11.  Serv.  Verg.  georg.  3,  380  (codd.  cervesia). 
Isid.  20,  3,  17:  auch  cervisa,  Marc.  Emp.  16.  p.  312  F.  Plin.  See.  3,  6 
extr.  (Qodd.  gd.  cervesae).  Cass.  Felix  72.  p.  175  add.  in  not.  crit.  6. 
Anthim.  15,  cervesa,  Wilmann's  inscr.  2833  x.  Ich  wende  mich  nun  zu 
Abt.  III.  Index.  Da  muss  ich  im  allgemeinen  bemerken,  dass  alle  die 
griechischen  termini  techuici  aus  der  Rhetorik,  welche  der  Verfasser  aus 
Rutiüus  Lupus,  Aquila  Roraanus  und  Julius  Rufiauus  als  Lehnwörter 
aufgeführt  hat,  wegfallen  mussten,  da  Halm  dieselben  in  seiner  Ausgabe 
der  Rhetores  latini  griechisch  geschrieben  hat.  Wenn  der  Verfasser 
S.  330  unter  aer  bloss  den  Genetiv  äeros  und  den  Akk.  aera  angiebt, 
so  ist  das  falsch.  Der  Genetiv  lautet  regelmässig  aeris  (s.  Neue  1,  299); 
der  Genetiv  aeros  ist  bis  jetzt  nur  aus  Stat.  Theb.  3,  693  nachgewiesen, 
wo  aber  0.  Müller  aeris  liest;  der  Akk.  lautet  allerdings  in  der  klassi- 
schen Prosa  immer,  so  viel  mir  bekannt,  aera,  daneben  war  aber  auch 
bei  anderen  Autoren  aerem  gebräuchlich,  z.  B.  Enn.  Epich.  9  (bei  Varr. 
L.  L.  5,  65  codd.  optt.  und  Spengel;  Müller  'Aipa).  Cato  orig.  1.  fr.  20 
Jordan.    Vitruv.  8.  praef.  §  1  und  9,  9  (8),  3.    Gels.  3,  7,  2.  p.  89,  15  und 

4,  14  (7).  p.  140,  24  Dar.  und  oft  bei  Späteren.  Ebenso  falsch  steht  unter 
aether  bloss  »acc.  a,  gen.  os«;  da  Genetiv  aetheros  nur  Stat.  Silv.  4, 
2,  25  und  Theb.  3,  525,  aber  aetheris  ganz  regelmässig,  s.  Neue  1,  299, 
neben  dem  klassischen  Akk.  aethera  aber  auch  (was  Neue  nicht  erwähnt) 
aetherem  vorkommt,  s.  Tertull.  adv.  Marc.  1,  13.  Schol.  in  Caes.  Germ. 
Arat.  iuit.  p.  379,  13  Eyss.   Serv.  Verg.  Aen.  1,  47  und  58;  2,  296.   — 

5.  335  amphidoxos  hat  schon  Fortunat  art.  rhet.  2,  13.  p.  109,  4  Halm. 
—   S.  336   amusia.     ßücheler    liest   Varr.  sat.  Men.  350  dixouaiav.   ~ 


Lateinische  Lexikographie.  273 

S.  337    unten    auachoreta   schreibe    Sulp.  Sev.   chron.  l,  17,  3    (statt 

I,  18).  —  S.  339.  unter  ancala  schreibe  5,  1,  25  (st.  27);  und  unter 
ancistrum  schreibe  5,  1,  19  (st.  5,  1  fin ,  da  noch  §  20—26  folgt);  auch 
steht  das  Wort  schon  Oros.  apol.  4,  6  Zang.  —  S.'341.  anthophoros. 
So  liest  Plin.  24,  82  (nicht  83)  ja  schon  Sillig  und  auch  Detlefsen.  — 
S.  342.  Zu  antichristus  werden  als  Beleg  citiert  Not.  Bern.  69.  88. 
Das  Wort  steht  aber  doch  öfter  bei  TertuUian  (z.  B.  adv.  Marc.  4,  16; 
praescr.  4  und  33),  öfter  bei  Cyprian  (z.  B.  ad  Fortun.  l ;  epist.  59,  13. 
p.  682,  5  H.)  und  bei  andern  Ecclesiasten  (auch  Prudent.  cath.  6,  102). 
—  S.  345.  Zu  aplanesis:  Goldbacher  schreibt  Apul.  de  Plat.  1,  11  in. 
dnXaviat.  -•  S.  347.  apotelesma  steht  schon  Firm.  math.  2,  32.  p.  38 
a.  E.  —  S.  361.  boletus:  Plaut.  Cure.  612  liest  Fleckeisen  »cum  boiis«, 
Götz  »cum  boleis«.  —  S.  363  muss  es  unter  b  üble  um  heissen  Paul,  ex 
Fest.  (st.  bloss  Fest.)  32,  12.  —  S.  365.  cacozelia  steht  schon  Sen. 
suas.  7,  11  und  statt  Sen.  contr.  4,  24  muss  es  heissen  9,  1  (24),  15.  — 
S.  375.  cerinus.  Plaut.  Epid.  233  liest  Götz  carinum,  hält  aber  den 
ganzen  Vers  für  ein  Einschiebsel  eines  alten  Interpolators.  —  S.  381 
unter  choricus  schreibe  Serg.  statt  Verg.  -  S.  384.  cinifes  hat  schon 
Hieron.  in  Joel  2,  22  sqq.  (vol.  VL  p.  1022  Migne).  —  S.  396  steht  cy- 
nice  bei  Auson.  epigr.  27,  4  (wo:  nunc  ego  sum  cyuices  primus)  nicht 
adjektivisch,  sondern  substantivisch  =  die  cynische  Sekte.  —  S.  397. 
Unter  cyparissus  schreibe  Verg.  Aen.  3,  680  (st.  684);  übrigens  schon 
Verg.  georg.  2,  84.  —  S.  398.  Zu  dareus  =  dapscxög:  Auson.  epist. 
5,  23  steht  ed.  Bipont.  und  bei  Weber  im  Corpus  poetarura  Darios,  was 
mit  der  in  späterer  Zeit  ganz  gewöhnlichen  Schreibung  Darius  (auch  im 
Orosius  ed.  Zang.)  stimmt.  —  S.  399.  Unter  diabetes  schreibe  Col. 
(statt  Cat.)  3,  10,  2.  —  S.  400.    Unter  diacopus  schreibe  Ulp.  dig.  47, 

II,  10  (st.  44,  7,  11,  10).  -  Unter  diadema  schreibe  Cato  orig.  (st.  or.) 
p.  28,  13,  da  Cato  auch  orationes  hinterlassen  hat.  Besser  noch  wäre 
citiert:  Cato  orig.  7.  fr.  8.  p.  28,  13  Jord.  =  fr.  113  ed.  Peter.  —  S.  401. 
Zu  diagrydion.  Die  echte  Form,  aus  welcher  diagrydion  verderbt  ist, 
nämlich  dacrydion  (ßaxpodiov)  findet  sich  bei  Gargil.  Mart.  medic  30. 
p.  168,16  Rose  (wo:  dacrydii  sc.  XII).  —  S.  403  Unter  dicterium  musste 
es  statt  Varr.  b.  Non.  103,  3  heissen:  Varr.  sat.  Men.  352.  —  S.  407  hätte 
ich  dynastes  lieber  mit  Nep.  Datam.  2,  2  belegt,  da  dort  der  Nomi- 
nativ Sing.  —  S.  409.  Zu  ecragino:  Petron.  61,  9  liest  Bücheier  in 
der  zweiten  Ausgabe 'aginavi';  'ccraginavi'  ist  Vermutung  Reiske's.  — 
S.  415.  Zu  epigrus:  Dort  hcisst  es:  »Sen.  bcn.  2,  12,  2  Haas.,  dafür 
lese  ich  epiurus  =  entoopoga^  und  unter  cpiurus  steht:  »Pall.  12.  7,  14 
(sehr.  15).  Sen.  ben.  2,  12,  2  (V)«.  Bei  Seneca  haben  die  Handschriften, 
'pigros',  bei  Pall.  "epirum',  so  wie  bei  Augustin.  de  civ.  dei  15,  27,  ;5. 
p.  128,  12  D  2  'cpiros'.  epigrus  wird  durch  Isid.  19,  19,  7.  Isid.  gloss. 
no.  624  und  Papias  bestätigt;  epiurus  ist  daher  überall  Konjektur,  bei 
Seneca  schon  längt  vorgeschlagen,  s.  Forcellini  ed.  De-Vit  unter  epigrus. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVIII.  (l88l.  III.)  18 


274  Lateinische  Lexikographie. 

—  S.  420.  Sowohl  euethes  als  euphrosyne  schreibt  Gardthausen  Amm. 
22,8,33,  so  gut  wie  euixevcdag  griechisch.  -  S.  42L  Unter  exhaere- 
simus  schreibe  »ausscheidbar«  (statt  ausschneidbarj. 

Doch  genug  der  Nörgeleien,  wird  der  Verfasser  sagen.  Icli  be- 
merke daher  nur  noch,  dass  aus  Späteren  noch  manches  Wort  nachzu- 
tragen ist.  So  fehlt  z.  B.  anacollema  (anacoUima)  =  dyaxo^^hjjia  ^  Plin. 
See.  1,  18  und  3,  Iß,  cacodaemon  (y.axooac/j.wv),  Firm.  math.  2,  32.  p.  42,  26 
(ed,  1,')51),  cosmicus  {xoajLcxög)  als  Adj.,  Firm.  math.  2,  32.  p.  43,  .0  (cos- 
mica  sidera),  diaraetros  {ScdixsTpog)  als  Adj.,  s.  mein  Handwörterbuch 
Aufl.  VII  und  ausserdem  Firm.  math.  2,  32.  p,42,  5;  3,  13.  sect.  9.  p.  77,  r>. 
5,  1.  p.  117,  47;  7,  1.5.  p.  204,  7,  drachmalis,  Cass.  Felix.  71.  p.  172,  5, 
epicataphora  (encxazacpopd) ,  der  Niedergang  (der  Gestirne),  Gegensatz 
anaphora,  Firm.  math.  7,  1.  p.  194,  .51,  periphrasticos  {nöfjtfpaazcxojg), 
Schol.  Bern,  ad  Verg.  georg.  l,  112. 

Der  erste  und  zweite  Teil  des  vortrefflichen  Buches  kann  auch 
Nicht-Philologen  als  belehrende  Lektüre  empfohlen  werden. 

Italograeca.  Kulturgeschichtliche  Studien  auf  sprachwissenschaft- 
licher Grundlage  gewonnen,  von  G.  A.  Saalfeld.  I.  Heft.  Vom  äl- 
testen Verkehr  zwischen  Hellas  und  Rom  bis  zur  Kaiserzeit.    Hannover 

1882.     49  S.    8. 

ETer  Verfasser  vorstehender  Schrift  ist  den  Lesern  dieser  Blätter 
kein  Fremdling  mehr;  er  hat  seiner  Inauguraldissertation  »De  Graecis 
vocabulis  in  linguam  Latinam  translatis«  im  Jahre  1874  den  »Index 
Graecorum  vocabulorum  in  linguam  Latinam  translatorum  quaestiunculis 
auctus«  und  dieser  Schrift  wieder  »Griechiche  Lehnwörter  im  Lateini- 
schen, Ergänzungen  und  Nachträge  zum  Index  etc.«  folgen  lassen.  Vergl. 
meinen  Jahresbericht  1874/1875.    Abth.  IH.    S.  158f.  und  1878.  S.  181ff. 

Der  Verfasser  hat  entschieden  recht  gethau,  nicht  bis  zur  Voll- 
endung des  Ganzen  mit  der  Herausgabe  zu  warten.  Man  kann  das 
ganze  erste  Heft  als  eine  ausführliche  Vorrede  ansehen.  Das  die  Ein- 
leitung historisch-geographisch  verfährt,  ist  für  den  kulturgeschichtlichen 
Standpunkt  unerlässlich.  Mit  äusserster  Gewissenhaftigkeit  findet  man 
die  einschlägigen  Quellen,  alte  wie  neue,  citiert.  Für  meinen  Zweck 
sind  die  ersten  21  Seiten  weniger  wichtig;  sie  geben  die  erwähnte  histo- 
risch-geographische Uebersicht.  Von  S.  22  bis  S.  36  führt  uns  der  Ver- 
fasser in  die  verschiedenen  Zeiträume  unbewusster  und  bewusster,  un- 
gelehrter und  gelehrter  Uebertragung  griechischer  Fremdwörter  in's  La- 
teinische ein.  Von  S.  36  bis  S.  41  folgt  eine  kurze  Skizzierung  einer 
Anzahl  von  Wörtern  allgemeinen  Begriffes  in  rein  alphabetischer  Ord- 
nung, und  zwar:  1.  Bäder.  2.  Baukunst.  3.  Erziehung.  4.  Geräte. 
5.  Kleidung.  6.  Krankheiten.  7.  Küche  und  Keller.  8.  Landwirtschaft. 
9.  Litteratur.  10.  Schiffart.  Von  S.  42  bis  zu  Ende  giebt  der  Verfasser 
dann  noch  die  gewonnenen  Resultate  der  vorausgegangenen  Untersuchun- 


Lateinische  Lexikographie.  275 

gen,  wobei  er  sich  besonders  mit  der  grammatischen,  einander  entgegen- 
gesetzten Wirksamkeit  Varro's  und  Cicero's  beschäftigt. 

Drei  der  ältesten  Lehnwörter,  poena,  caduceus  und  arrabo 
(arra)  sind  S.  24—27  einer  näheren  Besprechung  unterworfen  worden. 
Unter  caduceus  musste  neben  Varr.  ap.  Non.  p.  528,  18  (=  Varr.  de 
Vit.  pop.  Rom.  2.  fr.  14  Kettner)  auch  auf  Fab.  Pictor  bei  Gell.  10,  27,  3 
und  auf  Serv.  Verg.  Aen.  4,  242  verwiesen  werden.  Wenn  der  Verfasser 
die  Schreibung  arrhabo  und  arrha  neben  arrabo  und  arra  beibehält 
und  Weise  im  Index  S.  351  sogar  nur  arrhabo  gelten  lässt,  so  bemerke 
ich,  dass  in  sämtlichen  in  Klotz'  Handwörterbuch  aus  Plautus,  Terenz, 
Plinius  u.  s.  w.  bis  Isidor  {5,  2."),  1)  verzeichneten  Stellen  arrabo  und 
arra  gelesen  wird.  Auch  in  den  in  den  Wörterbüchern  noch  nicht  ver- 
zeichneten Stellen  Apul.  met.  1,  21.  p.  67  Oud.  Tertull.  adv.  Marc.  5,  12. 
p.  311,  14  Oehler;  de  resurr.  carn.  51.  p.  534,  27;  adv.  Hermog.  34  extr. 
wird  arrabo  und  arra  gelesen;  nur  Vulg.  genes.  38,  17  sq.  steht  noch 
arrhabo. 

Etwas  Menschliches  ist  dem  Verfasser  passiert,  indem  er  S.  13  an- 
giebt  Ku/xr^  0pixojvc'g  sei  die  Vaterstadt  des  Hesiod  und  Ephoros.  Hesiod's 
Vaterstadt  ist  aber  Askra  am  Helikon ;  dagegen  war  Hesiod's  Vater  Dios 
aus  dem  genannten  Kyme  gebürtig. 

Das  Schriftchen  ist  nett  und  korrekt  gedruckt;  nur  S.  17.  Z.  1  v.  o. 
schreibe  »wurden  (st.  wurde)«,  S.  26.  Z.  2.  v.  u.  Gell.  17,  2,  21  (st.  Gell. 
17,  2,  20). 

De  Plauti  substantivis.  Scripsit  Herrn.  Ras  so  w.  (Besonderer  Ab- 
druck aus  dem  XVH.  Supplementbande  der  Jahrbücher  für  klassische 
Philologie.  1881.  p.  591—732.) 

Sowohl  Plautiner,  als  Lexikographen  und  Grammatiker  werden 
dem  Verfasser  vorstehender,  mit  mühsamem  Fleisse  ausgearbeiteter  Schrift 
sich  zu  grossem  Danke  verpflichtet  fühlen.  Die  Abhandlung  zerfällt  in 
sechs  Kapitel:  Cai>.  L  Praefatio.  Cap.  H.  Laterculum  substantivorum 
secundum  tcrraiuationes  compositorum.  Cap.  JH.  Plauti  noraina  compo- 
sita.  Cap.  IV.  De  substantivis  ex  eadem  radicc  vario  suffixo  derivatis. 
Cap.  V.  De  Plauti  vocabulis  in  liatinam  linguam  translatis.  Cap.  VI. 
Plauti  substantivorum  index. 

Wir  haben  es  in  diesem  Jahresbericht  nur  mit  Cap.  VI  zu  thun. 
In  dem  Index  sind  von  jedem  Worte  nur  diejenigen  Kasus  angegeben, 
in  welchen  es  bei  Plautus  vorkommt.  Zu  bedauern  ist,  dass  nicht  die 
in  neuester  Zeit  von  Götz,  Scholl  und  Ribbeck  herausgegebenen  Plautus- 
Stücke  benutzt  werden  konnten.  So  liest  z.  B.  Ribbeck  mil.  1065  (1060) 
jetzt  Aetina  statt  Aetna;  Scholl  truc.  538  auro  (st.  aurichalco);  Scholl 
truc.  571  factrici  (die  Stelle  im  Index  unter  acceptrici);  Ribbeck  mil.  374 
minis;  Götz  aulul.  518  (525)  nugigerulis;  Hotz  asin.  910  pollinctorcm  und 
asin.  708  quadrupedo  (st.  quadrupedem);  Scholl  truc.  832  situlam;  Ribbeck 

18* 


276  Lateinische  Lexikographie. 

mil.  1013  (1008),  wie  schon  Fleckeisen,  socium  (Brix  sociennum,  was  auch 
nicht  angegeben  ist).  Nicht  minder  ist  zu  belilagen,  dass  die  Fragmente 
nicht  berücksichtigt  worden  sind.  So  steht  z.  B.  angiporta  auch  Astrab. 
fr.  1.5,  aula  (Nom.),  fr.  bei  Non.  543,  10,  aullas  (Akk.  PL),  fr.  bei  Diom. 
380,  19  K.,  bilis  (Nom.),  fr.  bei  Prise.  6.  §  87  11.,  carnuficis  (GS.)  Astrab. 
fr.  15,  Nebenform  caseum,  fr.  bei  Non.  200,  11;  Nebenform  corius,  Nom., 
fr.  bei  Paul,  ex  Fest.  60,  7,  AP.  corios,  Poen.  1,  1,  111  (was  unter  corium 
nicht  angegeben  ist),  Abi.  corpusculo  auch  fr.  bei  Varr.  L.  L.  7,  77,  NP. 
folles,  fr.  bei  Philarg.  Verg.  georg.  4,  i7l;  AP.  fustes,  fr.  bei  Schol.  Hör. 
sat.  2,  5,  11;  NP.  glandia,  fr.  bei  Fest.  33  (b),  29,  AP.  horas,  fr.  bei  Gell. 
3,  3,  5,  AP.  lampades,  fr.  bei  Varr.  L.  L.  7,  77,  NP.  lapides,  fr.  bei  Cha- 
ris.  219,  11  K.,  Nom.  lupus,  fr.  bei  Paul,  ex  Fest.  61,  17,  Acc.  nauteum 
Fest.  165  (b),  33,  Acc.  nucem,  fr.  bei  Macr.  sat.  3,  18,  9,  Abi.  nuce,  ibid.  §  14; 
DS.  patronae,  fr.  bei  Fest.  372  (b),  28;  NP.  petrae,  fr.  bei  Philarg.  Verg. 
georg.  4,  171,  Acc.  portum,  fr.  bei  Charis.  223,  20  K.;  NP.  praedones, 
fr.  bei  Charis.  211,  33;  Acc.  solarium,  fr.  bei  Gell.  3,  3,  5  und  Macr.  sat. 
3,  16,  1;  Abi.  PI.  spoliis  und  Abi.  PI.  statuis,  fr.  bei  Charis.  199,  34;  Acc. 
PI.  tegulas,  fr.  bei  Macr.  sat.  3,  18,  9;  Acc.  tergura,  fr.  bei  Non.  397,  1; 
Nom.  venter,  fr.  bei  Gell.  3,  3,  5  H.  Ebenso  fehlt  eine  ganze  Reihe  von 
Artikeln,  die  nur  in  den  Fragmenten  vorkommen.  Vgl.  überhaupt  meine 
Anzeige  in  der  Philol.  Rundschau.  Jahrg.  IL  No.  27.  S.  837  ff. 

De  usu  intinitivi  apud  Lucanum,  Valerium  Flaccum  Siliura  Italicum. 

Scripsit  Joannes  Schmidt.     Halis  Sax.  1881.    (Doktordissertation.) 

S.  128  in  8. 

Diese  offenbar  durch  Krause's  vortreffliche  Abhandlung  '  de  Vergilii 
usurpatione  Infinitivi,  Halis  Sax.  1878'  hervorgerufene  fleissige  Arbeit 
hat  folgenden  Inhalt.  Praefatio  S.  5.  §  1.  de  infinitivo  subjecti  loco  po- 
sito  (S.  10).  §  2.  de  accus,  c.  infinit.,  qui  subjecti  vice  fungitur  (S.  31). 
§  3.  de  infinitivo  accusativi  objecti  instar  posito  (S.  37).  §  4.  de  inff., 
qui  objecti  remotioris  cujusdam  instar  positi  sunt  (S.  63).  §  5.  acc.  c. 
infin.,  qui  objecti  vices  sustinent  (S.  102).  §  (>.  de  acc.  c.  inff.,  qui  ob- 
jecti remotioris  loco  positi  sunt  (S.  120).  §  7.  de  inff.  (et  acc  c.  inff.), 
qui  per  ellipsin  explicandi  videntur  (S.  125).  Addenda  et  corrigenda 
(S.  127). 

Der  Verfasser  bemerkt  in  der  Vorrede  mit  Recht,  dass  sowohl  in 
Dräger's  Historischer  Syntax,  als  auch  in  Kühner's  grosser  lateinischer 
Grammatik  die  spätere  Latinität  zu  wenig  berücksichtigt  sei;  es  werden 
daher  die  Angaben  derselben  überall  berichtigt,  und  zwar  nicht  bloss  in 
Bezug  auf  die  spätere  Latinität,  sondern  auch  in  Bezug  auf  die  ältere, 
in  denen  Dräger  und  Kühner  ebenfalls  sehr  mangelhaft  sind,  wenn  auch 
in  der  zweiten  Auflage  Dräger's  mancherlei  nachgetragen  ist,  was  der 
Verfasser  als  fehlend  bezeichnet.  So  heisst  es  bei  Dräger  S.  337  Aufl.  1 
=  352  Aufl.  2:   den  blossen  Infinitiv  (bei  placet)  hat  zuerst  Brut.  ap. 


Lateinische  Lexikographie.  277 

Cic.  Farn.  11,  1,  6.  Aber  der  Verfasser  bringt  S.  11  bei  Claud.  Quadrig. 
ann.  3.  fr.  41  Peter;  dazu  füge  Cic.  ep.  9,  15,  3;  wenn  er  aber  auf  der- 
selben Seite  für  juvat  mit  Infin.  (Dr.  S.  337  =  351 2)  Cic.  ep.  3,  10,  8 
(5,  3,  10  ist  falsches  Citat)  anführt,  so  ist  das  falsch,  da  dort  Baiter  und 
Weseuberg  Übet  lesen.  —  Dr.  S.  347  =  363  wird  pudor  est  mit  Infin. 
in  der  ersten  Auflage  bloss  mit  Ovid  und  Sil.,  in  der  zweiten  auch  mit 
Prop.  belegt,  Schmidt  bringt  S.  25  auch  Enn.  tr.  344  Vahlen  =  Pall.  fab. 
ine.  fr.  60  Ribbeck 2.  —  Dr.  S.  397  =  422 ^  wird  placet  (mau  meint, 
beschliesst)  mit  Akk.  und  Infin.  erst  aus  Cicero  belegt;  Schmidt  bringt 
S.  32  bei  Ter.  Hec.  866  (nicht  864).  -  Dr.  S.  402  =  427 ^  wird  nefas 
est  mit  Akk.  und  Infin.  erst  aus  Cicero  belegt;  Schmidt  bringt  S.  34 
bei  Acc.  tr.  280.  -  Dr.  S.  297  =  306^  hat  für  amare  mit  Infin.  erst 
Horaz.    Schmidt  bringt  S.  37  bei  Acc.  tr.  347  nach  Bücheler's  Vermutung. 

—  Für  laboro  mit  Infin.  hat  Dr.  S.  300  =  309  erst  Cicero;  Schmidt 
S.  40  schon  Lucil.  sat.  9,  66  M.  (=  287  Lachm.)  und  Catull.  67,  17.  — 
molior  mit  Infin.  weist  Dr.  S-  300  nur  aus  Cicero  und  Valerius  Flaccus 
nach,  wozu  er  Aufl.  2  S.  309  noch  Ovid  fügt;  Schmidt  bringt  S.  40  schon 
Lucr.  2,  1024  und  ausserdem  noch  Liv.  29,  27,  4  bei.  —  Festinare  mit 
Infin.  ist  Dr.  S.  308  sehr  flüchtig  behandelt;  genauer  S.  319  Aufl.  2;  aber 
Schmidt  hat  S.  45  noch  Liv.  1,  25,  9  u.  ö.,  wozu  ich  füge  Auct.  b.  Alex. 
27,  4.  —  Dr.  S.  310  =  321  hat  für  precari  mit  Infin.  nur  Ovid.  her. 
5,  158.  Schmidt  bringt  S.  47  noch  bei  TibuU.  2,  5,  4.  Ovid.  ex  Pont. 
1,  2,  65  (Val.  Flacc.  7,  352  und  Gell.  13,  23  [22],  19  folgt  Akk.  und  Infin.). 

—  Ebendas.  hat  Dr.  für  rogare  mit  Infin.  nur  Catull.  35,  10;  aber  es 
steht  nach  Schmidt  S.  47  auch  so  Ovid.  her.  6,  144  (aber  Ovid.  art.  am. 
1,  433,  was  er  auch  anführt,  folgt  Akk.  und  Infin.,  und  Priap.  21,  1  steht 
suffragare  [Imperat.üJ  rogatus  und  Gell.  1,  13,  8  ist  ein  falsches  Citat); 
dazu  füge  ich  Mart.  1,  109,  13.  —  Dr.  S.  326.  no.  8,  a  =  339,  8,  a  heisst 
es:  »cunctor  fehlt  noch  in  alter  Zeit«.  Schmidt  bringt  S.  48  Acc.  tr.  72 
bei.  —  Dr.  S.  329  =  342:  »horrere  aber  erst  bei  Cicero«.  Schmidt 
schon  Catull.  14,  26.  —  Dr.  S.  325  =  338  führt  zwar  absisto  und  de- 
sisto  mit  Infin.  an,  lässt  aber  desino,  welches  allerdings  zu  allen  Zeiten 
häufig  vorkommt,  aus.  Schmidt  bringt  S.  51  für  die  ältere  Zeit  bei: 
Plaut.  Bacch.  lOO;  Pseud.  307.  Enn.  tr.  261  V.  (361  R.).  Ter.  Andr.  prol.  22; 
eunuch.  prol.  16;  Hec.  810.  -  Dr.  S.  314  =  326:  »imperare  kommt  mit 
blossem  Infin.  schon  bei  Ter.  Andr.  842  vor«.  Schmidt  dagegen  S.  55 
schon  Acc.  tr.  385.  Trag.  iuc.  fr.  89;  ausserdem  Stellen  aus  Vergil,  Pro- 
perz,  Curtius  und  Tacitus;  wozu  noch  Vitr.  2,  9,  15.  p.  59,  15  R.  füge.  — 
Dr.  S.  315  =  326  wird  für  mandare  mit  Infin.  nur  Tac  ann.  ir>,  2  extr. 
und  Martial.  1,  88,  10  angeführt;  Schmidt  giebt  S.  58  noch  Sil.  13,  481.  — 
lieber  novisse  =  scire  mit  Infin.  heisst  es  Dr.  Aufl.  I.  S.  296:  »erst 
seit  dem  zweiten  Jahrhundert  n.Chr.«,  Aufl.  2.  S.  304:  »novisse  schon 
bei  Cato  orat.  1,  25  (Meyer).  Dann  auch  bei  Verg.,  Hör.,  Prop.,  Ovid 
uud  Mart.;    in  der  späteren  Prosa  erst  bei  Apulejus«.     Schmidt  bringt 


278  Lateinische  Lexikographie. 

5.  60  bei  schon  Enn.  tr.  133  R.  (182  V.);  ausserdem  Lucr.  2,  685  u.  1007. 
Lucan.  3,  223.  Val.  Flacc.  6,  327.  Sil.  7,  169.  Gell.  2,  18,  9.  Dazu  Claud. 
61,  4  (dagegen  75,  4  und  101,  25,  welche  Schmidt  hier  anführt,  mit  folg. 
Akk.  und  Infin.).  —  Für  piget  mit  Infin.  führt  Dr.  S.  330  =  344  zu- 
erst Sali.  Jug.  95,  4  an.  Schmidt  bringt  (S.  63)  bei:  Plaut.  Pers.  690; 
aulul.  210;  trin.  (>ßi.  Pacuv.  tr.  144.  Acc.  tr.  103.  Varr.  sat.  Men.  395  B. 

—  Für  pudet  hat  Dr.  S.  330  =  344  für  die  vorklassische  Zeit  nur 
Plautus,  Schmidt  führt  (S.  64)  noch  an:  Pacuv.  tr.  144.  Acc.  tr.  104. 
Afran.  com.  272  (und  der  oben  zu  piget  angeführte  Varr.  sat.  Men.  395  ß.). 

—  Dr.  S.  326  =  339  sagt:  »Desum  steht  zuerst  bei  Prop.  1,  16,  7,  dann 
bei  Lucan.  u.  s.  w.«  Schmidt  bringt  (S.  (56)  aus  meinem  Handwörter- 
buche bei:  Tibull.  4,  1,  100.  Sen.  ad  Helv.  2,  5.  —  Wenn  Dr.  S.  311  =  322 
sagt:  »3.  Ermahnen.  Diese  Verba  kommen,  mit  Ausnahme  von  de- 
hortari,  noch  nicht  im  alten  Latein  vor«,  so  widerlegt  ihn  Schmidt  (S.  71) 
in  Bezug  auf  moneo  mit  Aquilius  tr.  6  (p.  34  R.^).  —  S.  73  hat  Schmidt 
und  Dräger  S.  301.  Aufl.  2  ein  Präsens  evaleo  angenommen;  aber  evaluit 
bei  Lucan.  4,  84  gehört  zu  evalesco.  Ebenso  auch  in  den  angeführten 
Stellen  Verg.  Aen.  7,  756  und  Hör.  ep.  2,  1,  200  (nicht  100),  wo  auch  das 
Perf.  evaluit.  Dazu  füge  bei  Dräger  hinzu:  Lucan.  1,  505;  4,  84.  Clau- 
dian.  28,  302;  36,  92.  Augustin.  conf.  7,  17,  23  extr.  (aciem  figere  non 
evalui).  —  Dr.  S.  326  =  339  heisst  es:  »Deficere  nur  Prop.  1,  8,  23«. 
Aber  Schmidt  führt  (S.  73)  aus  meinem  Handwörterbuche  noch  an:  Lucr. 
1,  1040.  Tibull.  4,  1,  191  (nicht  91).  Caes.  Germ.  Arat.  260.  Dazu  noch 
Rutil.  Lup.  2,  18.  —  Dr.  S.  351  =  369  führt  für  ire  mit  Infin.  nur  Sta- 
tius  an;  aber  Schmidt  bringt  (S.  73)  noch  bei:  Enn.  Sota  1.  Prop.  1,  1,  12. 
Dazu  füge  Plaut.  Bacch.  354;  most.  66;  truc.  403.  —  S.  300  =  310  sagt 
Dräger:  »Adnitor  ist  nur  aus  Livius  und  Tacitus  zu  belegen«.  Schmidt 
bringt  (S.  76)  noch  bei:  Apul.  apol.  36  u.  67.  Sil.  11,  538;  15,  575;  17,  139. 

—  Wenn  Schmidt  S.  78  für  cedo  mit  Infin   (fehlt  bei  Dräger)  nur  Sil. 

6,  310  kennt,  so  füge  ich  hinzu  Paul.  dig.  8,  2,  20.  §  1.  —  Dr.  sagt 
8.346  =  361:  »Potestas  est  mit  Infin.  ist  eben  so  selten;  zuerst  bei 
Verg.  Aen.  4.  565«.  Aber  Schmidt  hat  noch  Sali.  Cat.  29,  3  u.  a.  Stellen. 
Dazu  füge  ich  Liv.  34,  13,  5  (alicui  potestas  fit).  —  Dr.  S.  346  =  362: 
»Negotium,  industria,  labor  est  c.  Infin.  fehlen  ebenfalls  noch  in 
der  vorklassischeu  Zeit;  klassisch  ist  nur  das  erste  von  den  dreien  in 
der  Bedeutung  »Schwierigkeit«.  Aber  nach  Schmidt  (S.  83)  steht 
labori  est  mit  Infin.  bei  Plaut,  rud.  190,  Herculi  labos  est,  Catull.  55 
(nicht  45),  13,  und  labor  multo  major  est  mit  Infin.  bei  Cic.  Brut. 
57,  209  (dieses  hat  Dr.  Aufl.  2).  —  Für  spes  est  mit  Infin.  (Dräger  hat 
nur  Beispiele  mit  Akk.  und  Infin.)  führt  Schmidt  S.  85  an:  Verg.  Aen. 
5,  183.  Grat.  cyn.  372.  Val.  Flacc.  2,  381.  Stat.  Theb.  12,  179.  Sil.  13,  249 
(nicht  349);  16,  298.  —  Dr.  S.  376.  Aufl.  1  sagt;  »Abuuo  (mit  Akk.  und 
Infin.)  wird  nur  aus  Ennius  und  Livius  citiert«;  und  S.  396.  Aufl.  2: 
»Abnuo  wird  nur  aus  Ennius,  Lucrez,  Varro  und  Livius  citiert«.    Aber 


Lateinische  Lexikographie.  279 

Schmidt  bringt  (S.  106)  noch  für  abnuo  =  infitior  bei  Tac.  dial.  33. 
Curt.  5,  3,  13.  Quint.  5,  8,  3;  6,  2,  12  (wozu  ich  noch  füge  Cic.  de  leg. 
1,  14,  40);  für  abnuo  =  recuso  noch  Verg.  Aen.  10,  8.  Curt.  G,  7,  7; 
6,  11,  35.  Sil.  14,  599.  Claud.  29,  12;  35,  80.  —  Dr.  S.  376  =  397:  «Men- 
tior  lindet  sich  erst  Liv.  24,  5«.  Dem  stimmt  Schmidt  S.  109  bei;  aber 
es  findet  sich  schon  Verg.  Aen.  2,  540.  —  Wenn  es  Dr.  S.  3G3.  Aufl.  1 
heisst:  »Diese  Construction  [mit  Akk.  und  Infin.]  fehlt  bei  nosco  und 
novi,  cerno  und  disco«,  so  ist  diese  falsche  Angabe  Aufl.  2.  S.  282 
etwas  verbessert;  aber  wenn  es  heisst:  »novi  nur  bei  Varr.  de  vit.  pop. 
Rom.  1,  44  (Kettner)«,  so  ist  das  wieder  unrichtig;  Schmidt  trägt  (S.  111) 
nach:  Mart.  13,  2,  8.  Claud.  3,  322;  50,  44.  —  Für  discere  (bei  Dr.  nur 
Cicero,  Caesar  und  Nepos)  bringt  Schmidt  noch  Plaut.  Pseud.  680.  Fann. 
ann.  1,  fr.  1  (bei  Prise.  13.  §  12).  Hör.  sat.  1,  5,  101.  Phaedr.  2,  2,  2.  Curt. 
5,  1,  6.  Plin.  pan.  31,  3  u.  49,  3  (auch  59,  5).  Tac.  bist.  1,  29.  Gell.  5,  10. 
§  9  u.  13;  18,  4,  10.  Justin.  5,  9,  2;  29,  4,  1  (auch  2,  3,  13;  14,  2,  4; 
27, 1,4).  Claud.  8,99  u.  409;  22,309;  26,398.  -  Für  maerere  (Dr.  S.373 
=  392)  bringt  Schmidt  S.  113  noch  Sil.  8, 18  bei.  —  Dr.  S.  386  =  408:  »ro- 
gare  (mit  Akk.  und  Infin.)  erscheint  noch  später,  Justin.  1,  41,  9«.  Dagegen 
Schmidt  (S.  115)  Ovid.  art.  am.  1,  433;  met.  14,  138.  —  Zu  poscere  mit 
Akk.  und  Infin.  (Dr.  390  =  412)  bringt  Schmidt  (S.  115)  noch  bei:  Ovid. 
met.  8,  708  (8,  G98  R.).  -  Zu  cogito  mit  Akk.  und  Infin.  (Dr.  S-  364 
=  383)  bringt  Schmidt  (S.  117)  noch  bei:  Ter.  haut.  239;  adelph.  32. 
Catull.  76,  2.  Curt.  5,  3,  13;  7,  2,  9  u.  7,  8,  26.  Plin.  ep.  4,  17,  4;  8,  24,  2; 
9,  12,  2.  Plin.  pan.  41,  1.  Tac.  ann.  3,  33  u.  11,  6.  Dazu  Caes.  b.  G.  5,  33,  2. 
Die  von  Dräger  aus  meinem  Handwörterbuche  ohne  nähere  Angabe  des 
Fundortes  entnommenen  Stellen  aus  Cicero  stehen  de  nat.  deor.  1,  41,  114 
und  Tusc.  1,  36,  86;  Cael.  in  Cic.  ep.  8,  16,  2.  —  Dr.  S.  395  =  419:  »Co- 
gere  (mit  Akk.  und  Infin.)  sehr  selten«.  Dagegen  Schmidt  S.  118:  Varr. 
r.  r.  2,  2,  7.  Lucr.  1,  1010.  Syr.  sent.  615  R2.  Cic.  Cat.  2,  11,  25;  Phil. 
5,  8,  22  (dazu  II.  Verr.  1,  35,  88;  3,  3G,  84;  post  red.  in  sen.  15,  37.  Cic. 
Brut.  14,  55).  Vell.  2,  42,  2  (und  2,  71,  3).  Liv.  26,  6,  1  (dazu  8,  13,  1). 
Sil.  14,  106.  —  Dr.  S.  364  =  382:  »Selten  ist  auch  experior,  doch 
schon  einmal  Plaut,  truc.  2,  6,  48  (529)«.  Aber  Schmidt  bringt  (S.  119) 
noch  bei:  Plaut.  Bacch.  387,  und  ausserdem  Ter.  Hec.  489.  Plin.  ep.  1,  6,  3; 
pan.  62,  3.  Lucan.  5,  502.  Claud.  15,  306  (dazu  Curt.  7,  4,  11).  —  Wenn 
Schmidt  S.  123  zu  ingemo  mit  Akk.  und  Infin.  citiert:  Pars.  5,  60  und 
Mart.  9,  60  (richtiger  9,  59,  10  Sehn.),  so  bemerke  ich,  dass  in  diesen 
Stellen  das  Perf.  ingemuere  und  ingemuit  steht,  welche  ich  zu  ingemisco 
ziehe,  so  wie  auch  Sil.  14,  670;  und  dazu  Min.  Fei.  8,  3.  Aus  Cic.  Phil. 
13,  10,  23  musste  statt:  quid  ingeraiscis  hostem  Dolabellam  (so  steht  bei 
Cicero)  stehen,  was  vorhergeht:  judicatum  hoc  tempore  hostem  Dola- 
bellam .  .  .  ingemiscendum  est?  Auch  »Lohr  (Stut.)«  ist  zu  streichen,  da 
dieser  gar  nicht  vom  Akkusativ  mit  Infinitiv  handelt  und  nur  S.  45  gerne 
mit  Infinitiv  aus  Stat.  Ach.  1,  281  hat,  wo  aber  Kohlmann  fremit  liest. 


280  Lateinische  Lexikographie. 

Ausserdem  bringt  der  Verfasser  eine  ganze  Reihe  Wörter,  welche 
in  Dräger's  historischer  Syntax  noch  unberücksichtigt  geblieben  sind.  Das 
Ganze  ist  ein  wertvoller  Beitrag  zur  Lehre  über  den  Gebrauch  des  In- 
finitivs und  des  Akkusativs  mit  Infinitiv.  Wie  sehr  viele  Angaben  in 
Dräger's  historischer  Syntax  auch  in  der  zweiten  Auflage  noch  der  Er- 
gänzung und  Berichtigung  bedürfen,  geht  aus  Vorstehendem  deutlich 
hervor.  Wichtige  Schriften,  wie:  »Der  Infinitiv  bei  Plautus  von  Ernst 
Walder.  Berlin,  1874«  und:  »Quaestiones  de  infinitivi  usu  Plautino, 
scr.  Gull.  Votsch.  Halis.  Sax.  1874«,  sind  auch  in  der  zweiten  Auflage 
noch  nicht  benutzt  worden.  In  der  Schrift  von  Schmidt  ist  nur  eins  zu 
beklagen,  die  grosse  Masse  falscher  Citate.  Man  darf  keine  einzige  Stelle 
nachbrauchen,  ohne  diese  erst  nachgeschlagen  zu  haben.  Wie  toll  das 
zuweilen  ist,  will  ich  durch  ein  Beispiel  zeigen.  S.  111  unter  disco 
wird  citiert:  Claud.  7,  99  (sehr.  8,  99)  und  410  (sehr.  409);  23,  309  (sehr. 
22,  309);  26,  399  (schr.  398). 

Syntaxis  fragmeutorum  scaenicorum  poetarum  Romanorum,  qui  post 
Terentiura  fuerunt  adumbratio.  Scripsit  Fr.  Guil.  Holtze.  Opus 
postumum.    Lipsiae  1882.    IV,  78  S.  8. 

Diese  letzte  Arbeit  Holtze's  zerfällt  in  folgende  Abschnitte:  I.  Syn- 
taxis substantivi  et  praepositionum.  1)  Substantivum  abstractum  pro 
concreto.  2)  Substantivi  numerus.  3)  Casus  substantivorum.  Der  Ab- 
lativ wird  von  §  3  bis  §  19  behandelt;  dann  folgt  der  Akkusativ  von  §  20 
bis  §  25 ;  dann  der  Dativ  von  §  26  bis  §  29 ;  dann  der  Genetiv  von  §  30 
bis  §  34.  Von  §  35  bis  §  41  werden  die  Praepositionen  behandelt.  II.  Syn- 
taxis pronominum  §  42.  III.  Syntaxis  verbi,  welcher  in  §  43  einiges  über 
die  ellipsis  verbi  substantivi  (copulae)  esse  und  über  adverbium  loco 
praedicati  usurpatum  vorausgeschickt  wird.  Die  syntaxis  verbi  erstreckt 
sich  von  §  44  bis  §  53.  IV.  De  enuntiationibus  et  particulis  §  54  bis 
§  71.  Zu  bedauern  ist,  dass  diese  fleissige  Arbeit  nach  der  ersten  Aus- 
gabe der  Tragiker-  und  Komikerfragmente  von  Ribbeck  gearbeitet  ist, 
so  dass  man  beim  Gebrauch  einer  Stelle  immer  erst  die  zweite  Ausgabe, 
in  der  Ribbeck  mancherlei  Aenderungen  vorgenommen  hat,  nachschlagen 
muss.  Näheres  in  meiner  Anzeige  derselben  Schrift  in  der  Philol.  Rund- 
schau Jahrg.  2.  No.  28.  S.  882  f. 

Lexikalische  Bemerkungen  zu  Firmicus  Maternus.  Vom  Oberlehrer 
Dressel.     Zwickau  1882.     S.  36  in  4.     (Programm.) 

Angeregt  durch  Wölfflin's  Arbeit  über  Cassius  Felix  hat  es  Herr 
Dressel  unternommen,  die  Astronomica  des  Firmicus  Maternus  in  lexi- 
kalischer Hinsicht  zu  besprechen.  Die  Schrift  zerfällt  in  zwei  Abteilun- 
gen. Die  erste  handelt  von  denjenigen  Wörtern,  welche  bei  Firmicus 
im  Gebrauche  zurücktreten  und  durch  Synonyma  vertreten  werden;  die 
zweite  teils  von  solchen  Wörtern,  welche  sich  in  allen  oder  einigen  der 


Lateinische  Lexikographie.  281 

gangbarsten  Wörterbücher  nicht  finden,  teils  von  solchen  Wörtern,  wel- 
che eine  von  ihrer  gewöhnlichen  abweichende  Bedeutung  angenommen 
haben,  die  in  den  Wörterbüchern  noch  nicht  verzeichnet  ist;  endlich 
bringt  sie  weitere  Belege  für  solche  Konstruktionen  von  Wörtern,  die 
vom  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  abweichen.  Ich  habe  die  sorgfältige 
Abhandlung  in  der  Philol.  Rundschau  Jahrg.  II.  No.  28.  S.  883  —  890  aus- 
führlich besprochen. 

De  Pompei  Trogi  sermone.  Pars  prior.  Scripsit  Franciscus 
Seck.     Constantiae  1881.     S.  27  in  4.     (Programm.) 

Herr  Prof.  Seck  sucht  in  vorstehender  Schrift  nachzuweisen,  dass 
wir  in  dem  Auszug  Justin's  von  Pompei  Trogi  historiae  Philippicae  im 
grossen  Ganzen  das  Geschichtswerk  des  Pompeius  Trogus  vor  uns  haben 
und  dass  Justin  nur  hin  und  wieder  ein  oder  ein  paar  Wörter,  um  sei- 
nen Auszug  konform  zu  machen,  hinzugefügt.  Die  Abhandlung  zerfällt 
in  folgende  Teile:  A.  Fragmenta  ad  verbum  e  Pompei  Trogi  libris  ex- 
pressa.  B.  Quaestiones  ad  formas  et  verborum  usum  pertiuentes.  I.  Sub- 
stantiva.  II.  Adjectiva.  III.  Numeralia.  IV.  Pronomina.  V.  Verba. 
VI.  Adverbia.  VII.  Praepositiones.  Näheres  in  meiner  Anzeige  in  der 
Philol.  Rundschau.  Jahrg.  IL  No.  29.  S.  912—915. 

Nach  Schluss  meines  Jahresberichtes  geht  mir  durch  die  Verlags- 
buchhandlung noch  zu: 

Appendice  ai  Dizionari  Italiano  -  Latini  come  guida  allo  stile  della 
prosa  Augustea  composita  dal  dott.  Daniele  Riccoboui.  Venezia 
1881.     S.  VIII,  121  kl.  8. 

In  der  Vorrede  giebt  der  Verfasser  in  9  Paragraphen  einige  all- 
gemeine Regeln,  die  beim  Uebersetzen  aus  dem  Italienischen  in's  Latei- 
nische zu  beobachten  seien.  Sie  sind  ganz  sachgemäss,  cuthalten  aber 
für  uns  Deutsche  nichts  neues.  Das  Wörterbuch  selbst  ist  nicht  übel; 
die  den  italischen  Ausdrücken  beigefügte  Latinität  ist,  so  weit  ich  sehen 
kann,  klassisch.  Auch  Ausdrücke  aus  der  neueren  Kunstsprache  sind 
entsprechend  ausgedrückt.  Für  Anfänger  ist  das  Buch  aber  nicht,  da 
oft  unter  den  betreffenden  Artikeln  bloss  die  lateinischen  Wendungen 
angegeben  werden.  Auf  Vollständigkeit  der  Artikel  darf  das  kleine  Buch 
natürlich  keinen  Anspruch  machen;  während  z.  B.  ambizione  (Ehrgeiz) 
angeführt  ist,  fehlt  ambizioso  (ehrgeizig). 


Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVIU.    (1881.  UI.)  I9 


Jahresbericht    über  römische   Geschichte   und 
Chronologie  für  1881. 

Von 

Dr.  Hermann  Schiller 

Gymnasial-Direktor  und  Universitäts-Professor  in  Giessen. 


I.    Zusammenfassende  Darstellungen  der  römischen 

Geschichte. 

Von  Momraseu's  römischer  Geschichte  ist  unter  dem  Titel:  Th. 
Mommsen,  Histoire  Romaine,  Nouvelle  edition,  traduite  par  de  Guerle, 
Paris  1882,  eine  französische  Bearbeitung  erschienen. 

E.  Fernique,  Histoire  Romaine. 

Ein  Schulbuch  mit  einigen  Karten  und  eingedruckten  Abbildungen, 
ohne  wissenschaftlichen  Wert.  Unbegreiflich  ist,  wie  ein  Buch  von  sol- 
chem Umfang  (536  S. )  zum  Unterrichte  bestimmt  und  verwandt  wer- 
den kann. 

Diomede  Pantaleoni,    Storia  civile   e   costituzionale   di  Roma 
dai  suoi  primordj  fino  agli  Antonini.    Vol.  I.    Torino  1881. 

Der  Verfasser  legt  in  einer  sehr  breiten  Vorrede  (59  S.)  seine  An- 
sichten über  Geschichtsforschung  und  -behandlung  dar;  sie  sind  wesent- 
lich conservativ  und  enthalten  zahlreiche  philosophische  Probleme;  da 
sie  aber  in  seiner  Arbeit  hinlänglich  zu  Tage  treten,  so  ist  es  über- 
flüssig hier  auf  dieselben  einzugehen.  Dieselbe  Breite  charakterisirt 
auch  die  eigentliche  Untersuchung;  dieselbe  verwendet  512  Seiten  auf 
die  Darstellung  der  Verhältnisse  bis  zu  den  Zeiten  der  gallischen  In- 
vasion; auf  weiteren  180  Seiten  geben  vier  Äppendici  noch  alle  die  Aus- 
führungen, die  der  Verfasser  im  Contexte  nicht  unterbringen  konnte. 

Im  ersten  Capitel  entwickelt  der  Verfasser  die  topographischen 
Ursachen  der  Grösse  Roms.  Er  weist  auf  die  historische  Thatsache  hin, 
dass  zu  allen  Zeiten  der  Norden  und  Westen  Italiens  nordischen  und 
occidentalischen,   der  Süden   und  Osten  orientalischen  Einflüssen  unter- 


Zusammenfassende  Darstellungen.  283 

lagen,  während  Rom  gewissermassen  die  Grenze  bildete ,  wo  sich  beide 
Einflüsse  berührten,  ohne  entscheidend  Platz  greifen  zu  können.  Weni- 
ger befriedigend  als  die  Feststellung  dieser  Thatsache  ist  ihre  Erklä- 
rung, welche  in  wenig  mehr  als  allgemeinen  Betrachtungen  gegeben  wird, 
die  zum  Teil  recht  geistreiche  Apercus  enthalten,  aber  auf  die  Lö- 
sung der  Frage  so  gut  wie  keine  Antwort  geben.  Diesen  topographi- 
schen Verhältnissen  werden  in  Cap.  2  die  ethnographischen  und  socialen 
an  die  Seite  gestellt.  Die  Pointe  dieses  Capitels  ist  das,  was  der  Ver- 
fasser tribü  geniche  nennt;  er  sucht  nämlich  in  den  beiden  Tribus  der 
Tities  und  Ramnes  die  einzelnen  Züge  des  römischen  Volkscharakters  zu 
erkennen  und  zu  analysireu.  Die  Tities  entwickelten  den  Begriff  des 
strengen  Familienlebens,  der  patria  potestas  und  des  Gentilrechts,  des 
Patriciats;  sie  waren  unzweifelhaft  Sabeller  und  lebten  noch  in  Rom  in 
Gemeinschaft  des  Wohnsitzes,  der  Lebensweise,  des  Eigentums  und  des 
Cultus  in  patriarchalischer  Weise;  aber  ihre  Auswanderung  und  die 
Rücksichten  der  Eroberung  nötigten  sie  sich  einen  Herzog  zu  setzen, 
neben  dem  sich  aber  rasch  eine  Aristokratie  mit  einer  Clientel  ausbil- 
dete. Die  Ramnes  waren,  wie  das  dritte  Capitel  ausführt,  eine  tribü 
mamertina,  d.  h.  zusammengewürfeltes  Volk  von  Abenteurern,  das  sich 
für  die  Eroberung  einen  Herzog  gesetzt  hatte,  sonst  aber  nur  das  Recht 
des  Stärkeren  anerkannte.  Die  Eroberung  brachte  es  mit  sich,  dass, 
während  die  Tities  kein  Sondereigeutum  kannten,  dieses  von  den  Ram- 
nes entwickelt  wurde ;  das  sabellische  Institut  der  drei  Namen  erhielten 
diese  Eroberer  erst  später,  als  sie  Frauen  sabinischen  Stammes  heira- 
teten. Von  ihrem  ursprünglichen  ungeschlossenen  Charakter,  der  jedem 
Abenteurer  Eintritt  in  die  Kameradschaft  gestattete,  behielten  sie  spä- 
ter die  Leichtigkeit  bei,  mit  der  sie  Auswärtigen,  namentlich  aus  den 
fremden  Geschlechtern,  Eintritt  in  ihre  Mitte  gestatteten;  dagegen  war 
stets  bei  ihnen  die  Clientel  von  geringer  Ausdehnung,  obgleich  sie  dieses 
Institut,  wie  die  patria  potestas  etc.,  von  den  Tities  annahmen.  Diese 
Ramnes  -  und  dies  ist  die  fundamentale  Anschauung  des  vierten  Ca- 
pitels —  waren  sabellischer  Abstammung,  so  gut  wie  die  Tities.  Dass 
sie  nicht  Latiner  sein  können,  sucht  der  Verfasser  aus  den  Differenzen 
zu  erweisen,  welche  in  den  religiösen  Anschauungen,  dem  politischen 
Leben  und  dem  intellektuellen  Zustande  der  Ramnes  und  der  Latiner 
in  der  Ueberliefcrung  hervortreten.  Der  Raub  der  sabinischen  Frauen 
ist  ein  Fuudamentalsatz  der  Ueberliefcrung;  wie  wäre  er  denkbar,  wenn 
die  Ramnes  eine  latinische  Colouie  gewesen  wären?  Ebenso  wenig  ist 
denkbar,  dass  die  von  Alba,  einer  civilisirten  Stadt,  ausgesandten  Colo- 
nisten  im  Laufe  weniger  Monate  und  in  der  Entfernung  weniger  Meilen 
so  verwilderten,  wie  die  Hannics  in  der  Ueberliefcrung  geschildert  sind. 
Und  wie  sollten  diese  Latiner  dazu  gekommen  sein,  die  ihnen  stamm- 
fremdeu  sabinischen  Frauen  zu  rauben,  während  ihnen  das  Conubium 
mit  Latiuni  offen  standV    Diese  sabellische  Invasion  war  aber  nicht  ver- 

19* 


284  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

einzelt,  sondern  erstreckte  sich  über  einen  grossen  Teil  von  Latium, 
wie  das  nicht  latinische  Institut  der  Gentilität  beweist.  Diese  alten  Ge- 
schlechter zählten  nach  dem  Decimalsystem,  während  die  Plebeier  nach 
dem  Duodecimalsystem  rechneten;  jenes  ist  sabeilisch,  dieses  latiuisch. 
Das  fünfte  Capitel  behandelt  die  Verschmelzung  von  Tities  und  Ramnes. 
Bei  der  streng  entwickelten  Gentil Verfassung  der  Tities  mit  ihrem  ge- 
meinsamen Eigentum  konnte  eine  Aufnahme  der  Ramnes  nur  unter  Zu- 
stimmung aller  tribus  erfolgen,  und  auch  hier  boten  die  Besitzverhält- 
nisse unüberwindliche  Schwierigkeiten  bei  einer  grösseren  Menschenzahl. 
Aber  bei  beiden  Stämmen  waren  gewisse  Begriöe  des  Familien-  und  des 
öffentlichen  Rechts  völlig  gleichentwickelt,  was  ebenfalls  ihre  gemein- 
same sabellische  Abstammung  beweist.  Die  Erweiterung  der  Tities 
konnte  nur  durch  Clienten  erfolgen,  die  der  Ramnes  durch  gleichberech- 
tigte Zuwanderer,  die  Verfassung  der  ersteren  war  aristokratisch,  die 
der  letzteren  monarchisch;  diese  Verschiedenheit  begründet  auch  den 
wesentlich  offensiven  und  defensiven  Charakter  der  einen  und  der  an- 
deren, dessen  Ausdruck  die  Könige  Romulus,  TuUus  Hostilius  auf  der 
einen,  Numa  und  Ancus  auf  der  anderen  Seite  sind.  Als  aber  die  Ram- 
nes Fraueu  nahmen  und  ein  Familienleben  gründeten,  traten  sie  wieder 
in  das  System  zurück,  in  dem  sie  aufgewachsen  waren  und  das  sie  nur 
verlassen  hatten,  um  als  Eroberer  aufzutreten;  sie  nahmen  das  Gentil- 
und  Familienrecht  der  sabinischen  Titier  wieder  an  und  auch  die  Wirt- 
schaftsarten des  Ackerbaues,  der  Weide-  und  der  Waldwirtschaft.  Nur 
blieb,  während  der  Mittelpunkt  der  Tities  in  der  gens  lag,  bei  den  Ram- 
nes der  Mittelpunkt  in  dem  Könige ;  an  den  kriegerischen  Ursprung  der- 
selben erinnert  auch  die  Dictatur,  die  Celeres  und  die  res  mancipi  und 
nee  mancipi;  die  beiden  Tribus  vereinigten  sich  unter  Ancus  Marcius 
in  dem  Namen  der  Quiriten;  das  Zeichen  S.  P.  Q.  R.  heisst  Senatus 
Populus  Quiritium  Romanorum.  Sie  waren  ein  hartes  grausames  Ge- 
schlecht ohne  Phantasie  und  Sentimentalität,  aber  voll  Ausdauer,  ihre 
Lebensweise  sehr  einfach,  ja  niedrig,  streng  religiös,  gewissenhaft  die 
Autorität  respektirend.  Nur  die  Patrizier  waren  berechtigt,  im  Heere 
dienten  nur  Patrizier  und  Clienten,  die  Gesetzgebung  erfolgte  nur  für 
die  Patrizier.  Während  die  sabellischen  Ramnes  und  Tities  das  Patri- 
ziat darstellten,  setzte  sich  die  Plebs  fast  ausschliesslich  aus  Latinern 
zusammen  (Cap.  6);  sie  kannten  nicht  die  Anspielen,  hatten  also  eine 
ganz  verschiedene  Religion,  hatten  weder  gens  und  Gentilität,  noch  die 
patria  potestas;  zwischen  den  Patriziern  und  ihnen  bestand  kein  Conu- 
bium,  sie  sprachen  latinisch.  In  der  Einteilung  der  Plebs  ist  einzig  das 
topische  Element  bestimmend,  denn  die  Latiner  waren  zu  dieser  Zeit 
schon  völlig  städtisch  entwickelt  und  organisirt;  in  Rom  selbst  kann  in 
der  früheren  Zeit  von  irgend  einer  Organisation  der  Plebs  gar  keine 
Rede  sein;  dies  ist  auch  selbstverständlich,  wenn  man  festhält,  dass  die 
Patrizier  die  Eroberer,    die   Plebeier  die   Besiegten  waren.     Die  Ver 


Zusammenfassende  Darstellungen.  285 

fcassung  unter  den  vier  ersten  Königen  zeigt  einen  König,  der  von  den 
Faniilienhäuptern  gewählt  und  von  allen  Kriegern  durch  Acclamation 
bestätigt  wird,  die  Curiatcomitien  mit  den  Häuptern  aller  Gentes  und 
eine  Versammlung,  welche  durch  Acclamation  annimmt  oder  ablehnt. 
Das  Königsgericht  erstreckt  sich  nur  über  die  Plebs  und  die  später 
Unterworfenen,  der  pater  familias  urteilt  über  seine  Familie,  Clienten 
und  Sklaven.  Der  Freie,  der  vom  Königsgericht  verurteilt  wird,  kann 
mit  dessen  Zustimmung  an  den  populus  appelliren;  die  Besiegten  da- 
gegen sind  rechtlos;  auch  die  religiösen  Zustände  (indigitamenta,  argei) 
zeigen  niedrige  Culturzustäude ;  besser  wurden  dieselben  durch  die  Ueber- 
siedelung  der  an  städtisches  Leben  gewöhnten  albanischen  Geschlechter. 
Im  zweiten  Buche  wird  die  etruskische  Einwanderung  in  Rom  und 
ihre  Folgen  geschildert.  Die  Luceres  waren  Etrusker.  Das  plötzliche 
Auftreten  einer  Reihe  von  grossartigen  Bauwerken,  wie  der  Cloaca  Maxima, 
des  Servianischen  Mauerbaues,  des  Tabulariums,  des  Circus  Maximus 
würde  bei  der  geringen  Cultur,  welche  die  Einwohner  Rora's  unter  den 
ersten  vier  Königen  besasseu,  unerklärlich  sein  ohne  Annahme  fremder 
Einwanderung;  dazu  stimmt,  dass  nach  dem  Sturze  der  tarquinisch-etrus- 
kischen  Herrschaft  mehrere  Jahrhunderte  lang  keine  ähnlichen  Baudenk- 
mäler mehr  entstehen.  Mit  diesen  neuen  Bauten  zeigen  sich  neue  reli- 
giöse Bräuche,  neue  Einrichtungen,  neue  Bewaffnung,  und  zwar  ganz  so, 
wie  die  Etrusker  sie  besassen.  Dass  ein  dritter  Bevölkerungsteil  hinzu- 
kam, zeigt  die  seit  Tarquinius  Priscus  überall  auftretende  Dreizahl  der  Tri- 
bus,  der  Senatoren  und  Ritter;  das  namentlich  für  letztere  erforderliche 
Wachstum  des  Wohlstandes,  ja  Reichtumes  kann  nicht  auf  natürlichem 
Wege  entstanden  sein.  Der  Name  Luceres  wird  von  dem  Vornamen  des 
Tarquinius  Lucius  (Lucer)  abzuleiten  sein.  Die  Hypothese  K.  0.  Müller's 
über  die  Suprematie  von  Tarquinii  über  Rom  ist  nicht  stichhaltig.  An 
eine  Eroberung  von  Seiten  des  Tarquinius  Priscus  ist  nicht  zu  denken, 
weil  die  vorher  herrschenden  Classen  nicht  aus  ihrer  Stellung  verdrängt 
werden;  auch  alle  sonstigen  Symptome  stimmen  nicht  zu  einer  Eroberung. 
Wahrscheinlich  musste  L.  Tarquinius  in  Folge  der  in  Etrurien's  Städten 
zu  dieser  Zeit  wüthcnden  Parteikämpfe  seine  Heimat  mit  seiner  Partei 
verlassen;  diese  Einwanderer  waren  reicher,  gebildeter  (Handel  und  In- 
dustrie), politisch  entwickelter  und  besser  disciplinirt  als  die  sabellischen 
Einwohner  Rom's.  Da  sie  in  der  Stadt  lebten,  während  die  Patrizier 
der  sabellischeu  Tribus  in  den  pagi  sassen,  bekamen  sie  bald  das  Heft 
in  die  Hände  und  lieferten  aus  ihrer  Mitte  die  drei  letzten  Könige;  ver- 
geblich suchte  die  alte  Bevölkerung  durch  die  Söhne  des  Ancus  Marcius 
dies  Verhältnis  zu  ändern.  Servius  Tullius  war  wahrscheinlich  als  Mastar- 
nia,  Sohn  des  Kclc  Vipna,  dem  L.  Tarquinius  mit  einer  bewatfueten  Schaar 
zu  Hilfe  gekommen  und  hatte  Aufnahme  erhalten  (Caelius);  er  war  ein 
Condottiere;  denn  das  Söldnerwesen  war  in  Etrurien  ähnlich  entwickelt, 
wie  in  den  griechischen  Städten.    Die  Verfassung  des  Serv.  Tullius  zeigt 


286  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

die  Verbindung  des  merkantilen  Geistes  der  etruskischen  Küstenstädte 
und  des  Landsknechttums.  Die  zwei  Haupteinrichtungen  dieses  Königs 
sind  die  lokale  Tribusvcrfassung  und  der  Census  mit  seinem  Gefulge  der 
Centuriat-Cümitien;  die  erstere  Einrichtung  hat  keine  politische  Bedeu- 
tung an  und  für  sich,  sondern  lediglich  administrative  und  finanzielle, 
denn  plebeische  Versammlungen  irgend  welcher  Art  gab  es  so  wenig  als 
eine  Vertretung  der  Plebs,  wie  die  secessio  beweist.  Die  Bedeutung  der 
Servianischen  Verfassung  liegt  in  drei  Momenten:  1)  In  der  Einführung 
des  Besitzes  als  Grundlage  des  Census;  daneben  bleibt  in  den  sex  suf- 
fragia  der  Wert  der  Geschlechter  anerkannt.  2)  In  der  Censirung  der 
Clienten  auf  Grund  ihres  Besitzes,  wodurch  die  Ausgleichung  mit  den 
Plebeiern  herbeigeführt  wurde.  3)  In  der  Bedeutung,  welche  die  reichen 
Plebeier  in  Heer  und  Volksversammlung  erhielten.  Nur  der  militärische 
Charakter  der  ganzen  Reform  ermöglichte  solch'  tiefe  Umgestaltungen. 
Gegen  diese  nicht  mehr  rein  etruskische,  sondern  in  ihrer  der  Plebs 
freundlichen  Tendenz  schon  mehr  latinische  Reform  erhob  sich  eine  rein 
etruskische  Reaction  in  Tarquinius  Superbus.  Die  militärische  Macht, 
zu  welcher  die  etruskische  Dynastie  Rom  gebracht  hatte,  zeigt  sich  in 
der  Erwerbung  der  Hegemonie  über  Latium;  Zugleich  war  Rom  jetzt 
durch  den  Handel  reich  geworden;  ohne  beide  Bedingungen  wäre  der 
Vertrag  mit  Karthago  nicht  denkbar.  Die  etruskische  Herrschaft  war 
immer  vod  den  sabellischen  Tribus,  insbesondere  von  den  in  ihren  pagi 
lebenden,  zäh  conservativen  Geschlechtern  scheel  betrachtet  worden;  dazu 
kam,  dass  der  etruskische  Adel  übermütig  und  corrumpirt  war;  dies 
waren  die  Keime  zum  Sturze  der  Etrusker.  Im  2.  Capitel  schildert  der 
Verfasser  die  Veränderungen,  welche  unter  den  drei  letzten  Königen  vor 
sich  gingen.  Die  Plebs,  aus  unterworfenen  Latinern  bestehend,  hatte 
gegen  Belassung  eines  Teiles  ihrer  Ländereien  einen  Tribut  zu  bezahlen 
und  Heeresfolge  zu  leisten;  diejenigen  Plebeier,  welche  keine  solchen  Be- 
sitzungen mehr  hatten,  wohnten  in  der  Stadt,  ihre  Lage  wird  aber  erst 
etwas  klarer  unter  der  Regierung  des  Servius  Tullius.  Unter  den  Plebeiern, 
die  also  die  nach  Rom  verpflanzten  Bevölkerungen  unterworfener,  oft 
zerstörter  Städte  waren,  mussten  sich  auch  reiche,  in  ihrer  Heimat  her- 
vorragende und  angesehene  Familien  befinden,  die  auch  unter  der  Plebs 
in  Rom  ihren  Anhang  und  ihr  Ansehen  behielten.  Die  grosse  Zahl  der 
Plebs  beweisen  die  Servianischen  Mauern  und  die  Höhe  des  Census.  Der 
Verfasser  nimmt  dabei  als  ausgemacht  an,  dass  die  Patrizier  der  Ramnes 
und  Tities  nicht  in  den  Centuriatcomitien  des  Servius  Tullius  sich  befanden; 
so  bestanden  diese  —  die  sex  suffragia  ausgenommen,  welche  Patrizier- 
söhne ohne  Grundbesitz  enthielten  —  bloss  aus  Plebeiern  und  Clienten. 
Dass  die  Plebeier  unter  der  etruskischen  Herrschaft  sehr  reich,  nament- 
lich durch  Handel,  wurden,  beweist  einmal  die  Grossartigkeit  der  Bauten, 
sodann  aber  die  Erscheinung  vieler  Plebeier  in  den  Rittercenturien.  Die 
Macht  der  Plebeier  wuchs  durch  die  Heeresäuderuug,  welche  die  etrus- 


Zusammenfassende  Darstellungen.  287 

kische  Herrschaft  herbeiführte,  indem  sie  den  Schwerpunkt  des  Kampfes 
in  das  Fussvolk  verlegte.  Die  etruskische  Religion  fand  namentlich,  so 
weit  sie  sich  mit  der  griechischen  berührte,  leicht  Eingang.  Dieses  er- 
weckte die  Anfeindung  der  Patrizier.  Seit  die  Clienten  dem  Census 
unterworfen  wurden  und  im  Heere  dienten,  begannen  sie  sich  von  der 
strengen  Abhängigkeit  von  den  Patriziern  zu  befreien.  Gegen  den  Hass 
der  alten  Geschlechter  bildete  die  Stütze,  welche  die  beiden  ersten  etrus- 
kischen  Könige  an  den  Plebeiern  gehabt  hatten,  keinen  Damm  mehr,  als 
diese  Sympathie  erloschen  war  infolge  der  Beseitigung  der  Centuriatcomi- 
tien  durch  Tarquinius  Superbus;  dagegen  konnten  seine  Eroberungen  nicht 
das  Gegengewicht  bilden,  da  die  Plebeier  von  denselben  keine  Frucht 
erhielten,  indem  der  ager  publicus  für  den  Staat  in  Anspruch  genommen 
wurde.  Die  Frohnden  für  die  Bauten  mussten  sie  finanziell  ruiniren.  Mit 
diesen  unzufriedenen  Elementen  verbanden  sich  die  Ritter;  dieselben 
waren  von  Anfang  nicht  bloss  eine  militärische,  sondern  eine  politische 
Körperschaft,  in  der  sich  die  reiche  Plebs  und  die  Patrizier  berührten, 
wie  der  Verfasser  aus  Livlus  und  dem  Verhältnis  des  magister  equitum 
zum  magister  populi  zu  erweisen  sucht;  auch  sie  waren  von  dem  Regi- 
ment des  etruskischen  Königs  mannichfach  verletzt  worden.  Schliesslich 
scheinen  unter  den  etruskischen  Geschlechtern  selbst  tiefgehende  Spal- 
tungen bestanden  zu  haben.  Alle  diese  Interessenten  finden  sich  in  den 
Führern  bei  dem  Sturze  des  Königtums  repiäsentirt  (Cap.  3).  Die  Re- 
volution war  gegen  die  etruskische  Herrschaft  gerichtet;  dass  aber  zu- 
nächst nicht  die  ganze  etruskische  Ansiedelung  beseitigt  wurde,  zeigt 
der  Umstand,  dass  zwei  Männer  dieser  Bevölkerung  Consuln  wurden, 
ebenso  die  Verschw^örung,  bei  der  die  Söhne  des  Brutus  beteiligt  waren, 
dagegen  waren  die  Etrusker  im  Patriziate  und  der  Curien-Versamralung 
in  der  Minorität.  Aber  bald  erfolgt  eine  weitere  Degradation  der  Etrus- 
ker: sie  dürfen  nur  noch  in  den  niedrigen  Stadtteilen  wohnen  und  heissen 
minorum  gentium,  die  etruskischen  Religionsgebräuche  werden  mit  Arg- 
wohn betrachtet  und  abgeschafft,  wie  sich  der  Sieg  der  sabellischen  Be- 
völkerung in  der  Rcproduction  der  Indigitamenta  durch  Gaius  Papirius 
ausspricht.  Der  Sieg  brachte  die  Verbindung  der  reichen  Plebeier  mit 
dem  Geschlechtsadel  (Patres  Conscripti),  die  arme  Plebs  hatte  keine 
Vertretung  ihrer  Interessen  mehr,  denn  die  Clienten,  welche  durch  die 
servianische  Verfassung  zur  Emancipation  von  dem  Patriziat  geführt 
worden  waren,  schlössen  sich  wieder  enger  an  die  Geschlechter  an,  von 
denen  sie  mittels  des  ager  publicus  allein  Sicherung  und  Besserung  ihrer 
socialen  Existenz  erwarteten.  Cap.  4  stellt  den  Höhepunkt  der  Königs- 
zeit (Hegemonie  über  Latium,  einen  Teil  der  Sabiner,  Volsker,  Ilerniker, 
Seestellung  Rom's  im  Vertrag  mit  Karthago,  grosse  Bauten)  dem  raschen 
Siidien  entgegen,  das  sofort  nach  dem  Sturze  des  Königtums  eintrat  und 
in  dem  die  zwei  crsteren  Errungenschaften  nicht  nur  rasch  verloren  gin- 
gen, sondern  Rom  auch  unter  die  Herrschaft  Porscua's  geriet  und  einen 


288  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Teil  seines  Territoriums  einbüsste;  aber  diese  etruskische  Herrschaft 
vermochte  so  wenig  wie  die  frühere  eine  Assimilation  herbeizuführen 
oder  dem  Volkscharakter  ihr  dauerndes  Gepräge  aufzudrücken.  Mit  der 
Auflösung  des  Gemeinbesitzes  der  Patrizier  war  das  Ackerland  in  Eigen- 
tum übergegangen,  Wald  und  Weideland  blieben  dagegen  gemeinsames 
Eigentum,  über  das  der  König  verfügte  (Cap  5).  Mit  dem  Sturze  des 
Königtums  ging  dieses  Verfügungsrecht  an  die  Oligarchie  über,  welche 
jetzt  höchstens  ihre  Clienten  damit  versorgte,  die  Plebs  aber,  welche 
unter  den  Königen  zu  dem  Genüsse  der  Domäne  zugelassen  worden  war, 
blieb  gänzlich  davon  ausgeschlossen.  Damit  schwand  in  den  an  Kriegen 
reichen  Zeiten  und  bei  der  Kriegsdienstpflicht  der  Plebeier  für  diese  die 
einzige  Möglichkeit,  ihre  Verhältnisse  zu  verbessern  und  erträglich  zu 
machen.  Cap.  6  schildert  die  Nachwirkungen  der  etruskischen  Herrschaft 
auf  den  Gebieten  der  Kunst,  Religion,  des  Handels  und  der  Bewaffnung. 
Im  3.  Buche  werden  die  republikanische  Verfassung  und  ihre  Ver- 
änderungen bis  zu  der  12-Tafelgesetzgebung  dargestellt.  Eine  fest  ge- 
ordnete, geschriebene  Verfassung  mit  klarer  Scheidung  der  einzelnen 
Befugnisse  gab  es  nach  der  Vertreibung  der  Könige  nicht;  die  Souve- 
ränität kehrte  wieder  zu  der  auctoritas  patrum  zurück;  in  den  Curien 
herrschte  das  Element  der  Ramnes  und  Tities  weit  über  das  der  Luceres 
vor,  die  Consuln  waren  in  die  Erbschaft  der  königlichen  Gewalt  einge- 
treten, aber  über  sie  hatte  der  Senat  eine  allerdings  auch  nicht  streng 
definirte  Gfewalt  sie  zu  tadeln  und  zur  Abdankung  und  Ernennung  eines 
Dictators  zu  veranlassen;  allerdings  brauchten  sich  die  Consuln  nicht  zu 
fügen,  auch  trat  letzterer  Fall  wegen  der  nach  der  Amtsniederlegung 
drohenden  Verantwortung  nicht  ein ;  immerhin  bestand  als  regelmässiges 
Rechtsmittel  in  Criminalsachen  gegen  ihr  Urteil  die  Appellation  an  die 
Centuriatcomitien;  in  letzteren  herrschte  thatsächlich  freilich  allein  die 
Plutokratie;  wenn  trotzdem  die  Patrizier  und  der  plebeische  Neuadel 
sich  um  dieselben  kümmerten,  so  lag  dies  in  der  jeder  Oligarchie  eigen- 
tümlichen Besorgnis  begründet,  die  Masse  gegen  sich  in  ausgesprochenen 
Gegensatz  zu  bringen.  Trotzdem  war  die  Plebs  thatsächlich  vom  Staate 
ausgeschlossen,  und  hierin  lag  der  verhängnisvollste  Fehler  der  Aristo- 
kratie; denn  ausgeschlossen  von  allen  Rechten  —  Wahlrecht  etc.  be- 
sassen  sie  nur  illusorisch  —  hatten  sie  doch  die  Verpflichtung  diese  Zu- 
stände gegen  den  auswärtigen  Feind  zu  verteidigen.  Und  dies  alles, 
nachdem  ihnen  unter  der  etruskischen  Dynastie  eine  viel  bessere  Rechts- 
stellung eingeräumt  worden  war.  Cap.  2  schildert  den  Kampf  der  Ple- 
beier gegen  diese  Unterdrückung  ohne  wesentlich  Neues  zu  sagen;  Cap.  3 
vollendet  diese  Schilderung  namentlich  durch  die  Betrachtung  der  agra- 
rischen Verhältnisse;  die  Ansicht  des  Verfassers,  dass  die  Patrizier  in 
pagi  wohnten,  wird  durch  eine  ausführliche  Erörterung  des  Berichtes 
über  die  Niederlassung  der  gens  Fabia  an  der  Cremera  zu  stützen  ver- 
sucht; die  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  bestand  noch  bis  gegen  280     290 


Zusammenfassende  Darstellungen.  289 

d.  St.;  daneben  aber  schon  volles  quiritarisches  Eigentum  und  bonitari- 
scher  Besitz.  Die  Beibehaltung  des  ager  publicus  war  zu  dieser  Zeit 
nicht  nur  politisch  unklug,  sondern  auch  ökonomisch  verderblich.  In 
Cap.  4  werden  die  hiermit  im  Zusammenhang  stehenden  politisch-socialen 
Veränderungen  ausführlicher  besprochen ,  denen  der  Verfasser  ebenfalls 
manche  neue  Gesichtspunkte  abzugewinnen  vermag.  In  Cap.  5  ist  na- 
mentlich die  Schilderung  von  Spurius  Cassius  Viscelliuus  und  L.  Quin- 
ctius  Cincinnatus  interessant,  des  Revolutionärs  und  des  Vorkämpfers  der 
Conservativen. 

Buch  4  behandelt  die  bürgerliche  Gleichstellung,  die  zwölf  Tafeln 
und  die  Parteikämpfe  bis  zur  Einnahme  von  Veji.  Um  die  12-Tafelge- 
setzgebung  in  ihrer  Bedeutung  verständlich  zu  machen,  schildert  Cap.  1 
zunächst  die  Zustände  vor  derselben  mit  ihrer  Blutrache,  ihren  Gottes- 
urtheilen  und  ihrer  wenig  entwickelten  Rechtspflege,  namentlich  in  den 
Schuldgesetzen,  die  in  ihrer  Entwickelung  mit  den  bei  andern  Völkern 
bekannten  Verhältnissen  durchaus  übereinstimmen.  —  Im  2.  Capitel  wird 
die  12-Tafelgesetzgebung  dargestellt.  Wenn  auch  an  der  Gesandtschaft 
nach  Athen  nicht  zu  zweifeln  ist,  so  stellen  doch  die  12  Tafeln  die  Summe 
der  Gewohnheiten  und  Gepflogenheiten  des  römischen  Volkes  dar,  welche 
sich  bis  dahin  entwickelt  hatten,  und  zugleich  die  wahren  Beziehungen, 
welche  zwischen  Patriziern  und  Plebs  zu  dieser  Zeit  bestanden.  Die 
Kluft,  welche  noch  zwischen  beiden  Ständen  bestand,  zeigt  sich  am  evi- 
dentesten in  dem  Verbote  der  Heirat  zwischen  ihnen;  sie  musste  natür- 
lich auch  auf  den  übrigen  Lebensgebieten  vorhanden  sein.  Die  Betonung 
der  Form  in  diesen  Gesetzen  zeigt  den  niedrigen  Stand  der  Bildung, 
ebenso  auch  das  Fehlen  des  Begriffes  der  Gerechtigkeit  und  des  Staates 
in  Strafsachen,  die  nur  als  eine  geregelte  Privatrache  aufgefasst  werden ; 
die  gleiche  Auffassung  giebt  sich  im  ganzen  Prozessverfahren  kund,  na- 
mentlich das  Schuldrecht  zeigt  noch  grosse  Roheit,  ebenso  die  patria 
potestas  ausserordentliche  Härte;  besonders  ausführlich  erörtert  der  Ver- 
fasser  die  testamentarische  Erbfolge.  Die  12  Tafeln  erleichterten  das 
Testiren,  indem  sie  den  Zwang  aufhoben,  mündlich  vor  den  comitia  ca- 
lata  eine  Erklärung  darüber  abzugeben;  sie  bildeten  damit  den  Ueber- 
gang  zu  dem  geheimen  Testamente;  aber  sie  änderten  nichts  am  Eigen- 
tumsbegriffe, indem  sie  nur  die  Verfügung  über  Kapital  oder  völlig 
individuelles  Eigentum  gestatteten.  Starb  der  Vater  ohne  Testament,  so 
erbten  die  Söhne  und  die  Töchter  zu  gleichen  Teilen ;  doch  blieben  letz- 
tere in  der  Gewalt  der  Agnaten;  auch  die  Wittwe  erhielt  einen  Solines- 
teil,  kam  aber  auch  in  die  Gewalt  des  Sohnes.  Auch  nlle  übrigen  Seiten 
der  12  Tafeln  werden  ausführlich  erörtert,  namentlich  die  patria  potestas 
in  ihrer  Bedeutung  für  den  Culturzustand  jener  Zeiten  untersucht;  sie 
ist  auch  in  der  Hauptsache  das  Hindernis  für  Heiraten  zwischen  Patri- 
ziern und  Plcbeiern  gewesen,  da  letztere  dieselbe  niclit  besasscn.  Eine 
patrizische  Frau,   die  einen  Piebeier  heiratete,  konnte  nicht  unter  seine 


290  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Gewalt  kommen,  sie  blieb  in  der  Gewalt  des  pater  familias,  ihre  etwaigen 
Kinder  folgten  ihrem  Stande  und  waren  also,  obgleich  aus  einer  nicht 
anerkannten  Ehe,  in  solcher  Weise  in  die  Gewalt  und  damit  in  das  Haus 
eines  Patriziers  gelangt.  Im  3.  Capitel  werden  die  materiellen  und  poli- 
tischen Verhältnisse  der  Plebs  und  der  Patrizier  in  der  Zeit  der  Zwölf- 
tafeln verfolgt.  Eine  grosse  Rolle  spielt  hier  die  Umwandlung  des  Ge- 
meinbesitzes der  Patrizier  in  Familienbesitz  und  der  Clienten  in  Sonder- 
eigentum. Cap.  4  besch<äftigt  sich  mit  den  Verfassungsänderungen,  welche 
der  12-Tafelgesetzgebung  folgten.  Die  wichtigste  Veränderung  ging  mit 
den  Clienten  vor  sich;  durch  die  Centuriatcomitien  löste  sich  allmählich 
der  Zusammenhang  mit  den  Patriziern,  der  auch  durch  die  Auflösung 
der  Gentilität  befördert  wurde,  und  die  Clienten  standen  schon  zur  Zeit 
des  Manlius  Cai^itolinus  und  des  Cam.illus  auf  Seiten  der  Plebs  gegen 
die  Patrizier;  vergeblich  hatten  die  12  Tafeln  durch  die  härtesten  Be- 
stimmungen diesen  Zusammenhang  zu  erhalten  gesucht;  da  die  Clienten 
nur  innerhalb  der  gens,  nicht  der  familia  standen,  so  war  mit  der  Ver- 
nichtung jener  ihre  Emancipation  in  der  Hauptsache  geradeso  entschie- 
den, wie  sie  in  ihrer  gens  gefochten  und  gestimmt  hatten,  so  lange  die- 
ser Zusammenhang  bestand.  Der  religiöse  Zusammenhalt  konnte  dies 
nicht  ersetzen,  und  seine  Bedeutung  ist  stets  überschätzt  worden;  der 
materielle  allein  hatte  jene  Kraft.  Diese  Umwandlung  erfolgte  zwischen 
310  — 35J3d.  St.  Das  Patriziat  allein  konnte  den  Staat  nicht  erhalten, 
es  besass  anderseits  nicht  die  Kraft  die  neuen  Elemente  im  Staate  zu 
absorbiren  und  zu  assimilireu.  Da  der  Verfasser  annimmt,  dass,  so  lange 
das  Gentileigentum  sich  erhielt,  die  Patrizier  im  Census  keine  Aufnahme 
und  ebenso  wenig  in  den  Tribus  fanden,  so  ist  er  nur  consequent,  wenn 
er  an  die  Einführung  des  Familieneigentums  den  Eintritt  in  die  Tribus 
anknüpft;  damit  ist  aber  nicht  das  Stimmrecht  in  den  Tributcoraitien 
identisch  gewesen.  In  den  Centuriatcomitien  konnten  bis  zur  lex  Publilia 
416/338  die  Patrizier,  welche  den  Curien  angehörten,  nicht  stimmen, 
wohl  aber  ihre  Söhne  seit  der  Auflösung  des  collectiven  Geutileigentums. 
Cap.  5  verfolgt  die  auswärtigen  Kämpfe  von  der  Decemviralgesetzgebung 
bis  zur  Einnahme  vonVeji;  die  Ursachen  dieser  Kämpfe,  namentlich  die 
centrale  Lage  Roms,  werden  mit  treffender  Klarheit  geschildert.  In  der 
Betrachtung  der  einzelnen  Perioden  schliesst  sich  der  Verfasser  Niebuhr 
an;  die  inneren  Kämpfe  während  dieser  Zeit  bieten  geringeres  Interesse; 
die  Einnahme  von  Veji  brachte  keine  so  grossen  Erleichterungen  der 
Plebs,  als  die  Grösse  der  Feldmark  erwarten  Hess,  da  es  an  Kapital 
fehlte. 

Das  5.  Buch  schildert  das  erste  Zusammentreffen  Rom's  mit  den 
Barbaren,  seine  allmähliche  Restitution  und  die  Aenderungen  in  der 
politischen  Verfassung  sowie  in  der  Expansion  nach  aussen  bis  auf  die 
Samniterkriege.  Cap.  1  behandelt  die  gallische  Invasion,  die  etwas  weit 
ausholend  mit  den  Völkerwanderungen  überhaupt  in  Verbindung  gebracht 


J 


Zusammenfassende  Darstellungen.  291 

wird;  so  wenig  an  der  Richtigkeit  dieser  Thatsache  zu  zweifeln  ist,  so 
unerquicklich  ist  die  Breite,  mit  der  darüber  gesprochen  wird.  Cap.  2 
bespricht  die  Wiederaufrichtung  Kom's  und  die  politischen  Aenderungen 
bis  zu  den  Samniterkriegen.  Wenn  auch  die  römische  Urbs  den  Galliern 
erlegen  war,  so  lebte  doch  die  civitas  fort,  namentlich  in  ihren  Militär- 
colonien.  Auch  schadete  die  Zerstörung  den  Römern  insofern  nicht,  als 
durch  dieselbe  die  benachbarten  Völker,  von  der  Furcht  vor  Vergewal- 
tigung befreit,  nur  das  Interesse  hatten  gegen  die  gemeinsame  gallische 
Gefahr  sich  zusammenzuschliessen  und  der  niederliegenden  Stadt  behülf- 
lich  zu  sein.  Aber  mit  dem  Wiederaufbau  war  erst  die  geringere  Schwie- 
rigkeit überwunden;  viel  bedeutender  war  die  tinanzielle  und  ökonomische, 
da  die  Hülfsmittel,  mit  welchen  ein  moderner  Staat  solche  Katastrophen 
verwindet,  gänzlich  fehlten.  Es  scheint,  dass  zunächst,  was  in  Elend 
und  Not  der  Massen  leicht  entsteht,  eine  demokratische  Alleinherrschaft 
von  Seite  des  Maulius  Capitoliuus  drohte;  interessanter  als  seine  per- 
sönliche Geschichte  sind  die  Thatsachen,  dass  bereits  jetzt  der  Adel  ge- 
spalten und  das  materielle  Elend  der  Plebs  bereits  unsäglich  gross  war. 
Der  Verfasser  verfolgt  nun  die  Entwickelung  durch  die  Licinisch- Sexti- 
schen Gesetze,  ohne  Neues  zu  sagen.  Noch  in  dieser  Zeit  war  die  auc- 
toritas  patrura  zur  Gültigkeit  der  Gesetze  erforderlich,  und  der  Verfasser 
entwickelt  eingehend,  wie  diese  auctoritas  patrura  auf  den  Senat  ausge- 
dehnt bezw.  übertragen  wurde.  Noch  zur  Zeit  der  Liciuischen  Gesetze 
sind  die  Patrizier  und  der  Senat  deutlich  geschieden,  die  auctoritas  be- 
zieht sich  nur  auf  die  Patrizier  in  den  Curiatcomitien.  Es  wird  nun 
in  ausführlicher  Weise  die  Entwickelung  der  auctoritas  patrum  verfolgt, 
welche  ursprünglich  von  dem  Senate  der  Königszeit  geübt,  dann  aber 
mit  der  Aufnahme  der  Conscripti  in  den  Senat  von  den  Patriziern  in 
den  Curiatcomitien  usurpirt  wurde;  aber  wie  der  Senat  in  dem  Beginne 
der  Aristokratie  einflusslos  wurde,  so  erhielt  er  zur  Zeit  der  Liciuischen 
Gesetze  wieder  grösseren  Eintluss  und  die  auctoritas  ging  nun  wieder 
an  ihn  zurück.  Dass  der  erste  interrex  nicht  eine  Wahl  vornehmen  lässt, 
erklärt  sich  aus  diesem  Verhältnis,  nur  die  Patrizier  sind  die  Bewahrer 
dieser  so  zu  sagen  religiösen  Sanction;  der  erste  Interrex  hat  deshalb 
die  Curiatcomitien  zu  berufen,  welche  dann  weitere  iutcrreges  ernennen 
und  die  auctoritas  verleihen.  Für  die  Erteilung  der  auctoritas  zu  den 
Liciuischen  Gesetzen  erhielten  die  Patrizier  als  Kaufpreis  die  x\btrennung 
der  Prätur  vom  Consulate.  Im  3.  Capitel  werden  die  auswärtigen  Be- 
ziehungen Rom's,  namentlich  zu  seinen  Nachbarn,  seit  dem  gallischen 
Brande  besprochen ;  der  Verfasser  gruppirt  die  Thatsachen  auch  hier  in 
recht  geschickter  Weise,  ohne  jedoch  zu  besonderen  Resultaten  zu  ge- 
langen. 

Dem  Buche  sind  vier  Appendici  beigegeben,  auf  welche  der  Ver- 
fasser besonderes  Gewicht  legt.  Der  erste  ist  mehr  geschichts-pliiloso- 
phi  seh,  delle  diverse  forme  sociali  storiche  dcU'  umanitä,   della  loro  di- 


292  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

versa  importanza  in  rclazione  alle  evoluzioni  dei  popoli  et  all'  indirizzo 
diverso  loro  nella  storia  civile  politica.  Er  ist  aber  für  die  ganze  Arbeit 
des  Verfassers  bezeichnend,  die  ja  nicht  sowohl  eine  philologisch-histo- 
rische, als  eine  philosophisch-constructive  ist.  Er  sucht  darin  gewisser- 
massen  eine  Völkerphysiologie  und  -psychologie  zu  schreiben  auf  experi- 
menteller Grundlage.  Die  älteste  Form  geschichtlichen  und  staatlichen 
Lebens  äussert  sich  in  der  Familie  mit  patriarchalischer  Autorität  des 
Familienhauptes;  aus  ihr  entwickelt  sich  die  Geschlechtsgcnossenschaft, 
der  Stamm;  Sondereigentum  ist  mit  derselben  unvereinbar;  doch  giebt 
es  eine  feste  Ehe  und  die  Gemeinschaft  erstreckt  sich  bloss  auf  das 
Eigentum;  dieser  Zustand  dauert  an,  wenn  sich  mehrere  Familien  von 
einem  gemeinsamen  Stamme  entwickeln  und  in  völliger  Gemeinschaft 
beisammenbleiben;  eine  weitere  Entwickelung  ist  das  Zusammenleben 
verschiedener  Familien  unter  einem  gemeinsam  gewählten,  mehr  oder 
minder  erblichen  Haupte;  letztere  Entwickelung  tritt  namentlich  im  feind- 
lichen Contact  mit  anderen  Stämmen,  Kämpfen,  Eroberungen,  Wande- 
rungen ein;  Bräuche  und  Gewohnheiten  bilden  hier  ein  festeres  Band 
als  später  Gesetze.  Alle  Geschlechtsgenossen  sind  entweder  gleich,  oder, 
wenn  Unterschiede  bestehen ,  so  sind  dieselben  fest  und  unabänderlich. 
So  wird  die  Stabilität  und  Unveränderlichkeit  der  Formen  ein  charakte- 
ristisches M^erkmal  dieser  Gesellschaftsform.  Zuerst  wird  von  der  ge- 
meinsamen Lebensweise  die  Wohnung  ausgenommen,  indem  sich  die 
Familie  vergrössert  und  neue  Wohnräume  gründen  muss ;  doch  Hess  sich 
hier  immer  noch  die  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  festhalten;  letztere 
schwand  wohl  zuerst  bei  den  Haustieren;  hieraus  entwickelt  sich  der 
Besitz  von  Reichtum,  an  den  sich  die  gesammte  weitere  physische  und 
geistige  Differenzirung  anschliesst.  So  erhebt  sich  das  Sondereigentum 
neben  dem  Gemeinbesitze.  Einen  Fortschritt  in  dieser  Verfassung  bildet 
das  excessive  Anwachsen  der  Geschlechtsgenossen  und  das  Zusammen- 
treffen, meist  im  feindlichen  Sinne,  mit  anderen  Stämmen.  Im  ersteren 
Falle  sucht  der  kräftigste  und  kampffähigste  Teil  des  Stammes  neues 
Land  (Ver  sacrum),  oder  wenn  Land  im  Ueberflusse  vorhanden  ist,  was 
Anfangs  fast  stets  der  Fall  zu  sein  pflegt,  so  entstehen  neue  Nieder- 
lassungen, die  zwar  in  sich  Zusammenhang  behalten,  aber  doch  nur  ein 
Comglomerat  von  selbständigen  Familien  sind  (Dorf);  Gemeinbesitz  er- 
hält sich  auch  hier  neben  Sondereigentum.  Arbeit  und  Genuss  sind  für 
alle  Familienglieder  gleich;  der  Boden,  der  im  gemeinsamen  Besitz  des 
Dorfes  ist,  scheidet  sich  in  Acker,  Weide  und  Wald.  Die  Cultur  des 
Ackerlandes  muss  völlig  übereinstimmend  sein,  kann  nur  jährige  Cultur 
gestatten  und  setzt  für  eine  kleine  Menschenzahl  grosse  Landstrecken 
voraus;  die  Regelung  der  Bewirtschaftung  ist  einem  Haupte  übertragen, 
welches  aus  der  Zahl  der  Familienväter  von  diesen  gewählt  ist,  mit  die- 
sen Rat  pflegt  und  nach  ihrer  Entscheidung  Anordnungen  trifft;  alle 
Familienangelegenheiten  unterliegen  der  Competenz  des  despotisch  herr- 


■  Zusammenfassende  Darstellungen.  293 

sehenden  Familienhauptes,  namentlich  auch  der  Götterverkehr.  Um  jede 
Benachteiligung  unter  den  Dorfangehörigen  unmöglich  zu  machen,  wechselt 
der  Ackerboden  alljährlich  rundum.  Aber  dadurch  wurde  jede  Meliora- 
tion ausgeschlossen  und  bei  den  Familien  selbst  die  Anhänglichkeit  an 
das  Haus  immer  wieder  zerstört,  da  dasselbe  verlassen  werden  musste, 
wenn  das  Bauland  wechselte.  So  schob  man  zunächst  die  Wechseltermine 
hinaus  auf  zwei,  drei  und  mehr  Jahre,  bis  das  eigentliche  Pfiugland  end- 
lich festes  Eigentum  der  einzelnen  Familien  wurde,  während  Weide  und 
Wald  auf  Jahrhunderte  im  Gemeinbesitze  blieben.  Im  erblicheu  Besitze 
entstand  durch  das  grössere  Ansehen  der  Dorfhäupter  bald  Ungleich- 
heit, die  durch  den  schon  vorhandenen  ungleichen  Besitz  an  Heerden- 
tieren  noch  vergrössert  wurde;  so  bilden  sich  einzelne  thatsächlich  an- 
gesehene Familien  unter  der  Zahl  der  übrigen  freien  Grundbesitzer.  Der 
zweite  Factor,  welcher  zur  Auflösung  der  Geschlechtsgenossenschaft  führt, 
ist  die  Begegnung  und  Vermischung  mit  anderen  Stämmen,  namentlich 
im  feindlichen  Sinne;  sie  führt  stets  zur  Erhebung  eines  Anführers,  der 
zuerst  gewählt  wird,  dessen  Würde  sich  aber  leicht  in  seiner  Familie 
vererbt;  mit  diesem  Processe  wächst  auch  die  Macht  desselben.  Im 
Leben  der  Einzelnen  wie  der  Nationen  wiederholt  sich  derselbe  Vorgang, 
dass  sie  durch  Glück,  Clima  etc.  verweichlichen,  schwächer  werden  und 
andere  unter  ungünstigeren  Verhältnissen  Erwachsene  an  ihre  Stelle  tre- 
ten; solche  Gründe  änderten  am  häufigsten  den  Zustand  der  patriarcha- 
lischen Stämme  und  drängten  sie  zur  Aufsuchung  eines  sicheren  Zu- 
fluchtsortes, wenn  sie  sich  schwach,  zur  Eroberung,  wenn  sie  sich  stark 
fühlten;  Uebervölkerung  mag  nicht  seltener  eine  Ursache  zur  Ortsver- 
änderung eines  Teiles  des  Stammes  geworden  sein.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit entwickelt  der  Verfasser  eingehend  den  Begriff  des  Ver  sacrum:  es 
findet  nur  in  der  Zeit  statt,  wo  noch  das  Leben  in  der  Familie  die  Re- 
gel ist  und  umfasst  nur  die  kräftigen  Männer  bis  zu  einem  gewissen 
Alter,  nicht  Frauen,  Kinder,  Vieh  etc. ;  beide  Formen  des  Auszuges  sind 
wohl  zu  scheiden.  Mit  dem  Herzog-  oder  Königtum,  welches  die  natür- 
liche Folge  solcher  Lagen  ist,  war  stets  gleichzeitig  auch  ein  Adel  vor- 
handen, der  den  Herzog  wählte  und  aus  den  Häuptern  der  einzelnen 
gentes  bestand,  die  über  den  Freien,  Hörigen  und  Sklaven  standen.  Sie 
bilden  zugleich  die  Schranken  für  die  Königsmaclit.  Während  die  pa- 
triarchalischen Stämme  in  allen  ihren  Einrichtungen,  in  Glauben  und 
Sitte  äusserst  conservativ  sind,  sind  die  lediglich  aus  militärischen  Unter- 
nehmungen hervorgegangenen  Stämme  leiclitcr  zum  Fortschritt  geneigt, 
da  es  sich  hier  nur  um  lose  und  künstlich  verbundene  Individuen,  dort 
um  die  natürlichen  Bande  der  Familie  handelt;  in  letzterer  herrscht  das 
Element  der  Vererbung  entschieden  vor.  Darum  gab  es  wohl  hier  einen 
Adel,  aber  nicht  in  den  anderen  Stämmen.  Während  dort  der  König 
den  Boden  von  den  Geschlechtern  zu  seinem  Unterhalte  erhält,  ist  er 
hier  Besitzer  des  Bodens   und   deshalb   aucli   verpflichtet  seinen  coraites 


294  Komische  Geschichte  und  Chronologie. 

beständig  solchen  zu  schenken;  daher  gab  es  hier  nur  Sondereigen,  wäh- 
rend sich  in  den  patriarchalischen  Stämmen  auch  nach  dessen  Entwicke- 
lung  noch  eine  gewisse  Gebundenheit  erhielt.  Mit  der  Organisation  der 
erobernden  Stämme  hängt  auch  ihr  Verhalten  gegen  die  Besiegten  zu- 
sammen; sie  können  sie  nicht  entbehren,  berücksichtigen  sie  in  der  Ge- 
setzgebung, assimiliren  sich  einen  Teil,  unterwerfen  einen  andern  und 
nehmen  stets  einen  Teil  des  Landes  für  sich  in  Anspruch;  in  diesen 
Stämmen  entwickelt  sich  das  Lehnswesen,  das  aber  schliesslich  immer 
mit  dem  vollen  Eigentumsrechte  des  Vasallen  vertauscht  wird.  Die  pa- 
triarciialische  Tribus  verjagt  einfach  die  früheren  Besitzer  oder  macht 
sie  tributär  und  lässt  sich  in  keine  Familienverbindungen  mit  ihnen  ein, 
trägt  auch  ihnen  in  der  Gesetzgebung  keine  Rechnung.  Die  absolute 
Königsmacht  entwickelt  sich  bei  erobernden  Stämmen,  während  bei  den 
patriarchalischen  Stämmen  dem  Könige  stets  der  engere  Rat  der  Ade- 
ligen und  der  weitere  aller  Freien  zur  Seite  steht;  es  giebt  allerdings 
auch  bei  den  erobernden  Stämmen  eine  Versammlung  der  Waffen  tra- 
genden Leute,  aber  die  comites  des  Königs  haben  eine  lediglich  pri- 
vate Stellung  als  seine  Ratgeber.  Beide  Stämme  können  grossen  Völ- 
kern den  Ursprung  geben,  die  erobernden  gewöhnlich  grossen  Monar- 
chieen,  regelmässig  werden  aber  die  Nationen  mit  patriarchalischem  Ur- 
sprung von  .den  andern  überwunden.  Freilich  entwickeln  sich  diese  Ver- 
hältnisse nicht  überall  so  glatt  und  einfach,  sondern  sie  werden  beein- 
flusst  von  Klima,  Oertlichkeit  und  sonstigen  Umständen,  natürlich  auch 
von  den  Umwohnern  und  am  meisten  durch  besondere  entweder  ange- 
borene oder  erworbene  Eigentümlichkeiten;  so  bringt  z.  B.  die  Theo- 
kratie  ganz  besondere  Erscheinungsformen  hervor. 

Als  dritten  Typus  findet  der  Verfasser  den  bürgerlichen  (tipo  civico), 
dessen  wesentliches  Merkmal  das  topische  ist,  insofern  alle  innerhalb  eines 
bestimmten,  sicheren  und  geschlossenen  Raumes  lebende  Individuen  Bürger 
sind.  Er  setzt  im  allgemeinen  die  zwei  früheren  Gesellschaftsformen  vor- 
aus, indem  die  »Festung«  entsteht,  wenn  die  Gefahren  sich  von  aussen 
häufen  und  eine  Gemeinde  sich  nicht  mehr  im  Stande  glaubt,  von  selbst 
den  nötigen  Widerstand  zu  leisten.  Wurden  solche  Städte  von  einem 
patriarchalischen  Stamme  erbaut,  so  wurde  dieser  Umstand  nicht  selten 
Veranlassung  zu  seiner  Deconiposition.  Bisweilen  aber  erhielt  sich  der 
Geschlechtsverbaud,  wie  in  Rom.  Die  von  Foustel  de  Coulanges  angenom- 
mene Entstehung  der  Stadt  im  Gefolge  einer  religiösen  Entwickelung 
wird  verworfen ,  vielmehr  entstand  erst  mit  der  Stadt  auch  der  Stadt- 
gott. Rücksichten  der  Rechtspflege  und  der  Verteidigung  wirkten  zur 
Entstehung  in  gleichem,  nicht  zu  bestimmenden  Masse  mit.  Alle  die  ver- 
schiedenen Bande,  welche  die  Insassen  früher  vereinigten,  weichen  schliess- 
lich den  der  gemeinsamen  Interessen,  die  Rassenunterschiede  erhalten 
sich  nur  noch  als  Klassenunterschiede,  auch  letztere  gleichen  sich  schliess- 
lich aus,  und  das  letzte  Resultat  der  Entwickelung  ist  die  gemeinsame 


Zusammenfassende  Darstellungen.  295 

Liebe  und  Anhänglichkeit  an  die  Stadt;  das  antike  Bürgertum  hat  nichts 
höheres  hervorgebracht  als  die  Stadt:  sie  ist  die  Trägerin  der  Freiheit. 
Die  Schlussbemerkungen  über  asiatischen  Despotismus  haben  mehr  eine 
moderne  Adresse.  Alle  diese  Entwickelungen  werden  mit  Thatsachen 
der  europäischen  und  asiatischen  alten  und  mittleren  Geschichte  zu  stützen 
und  zu  erklären  versucht. 

App.  2  sucht  die  Ansicht  ausführlicher  zu  begründen,  dass  der  Unter- 
schied zwischen  Patriziern  und  Plebeiern  in  Rom  die  Folge  der  verschie- 
denen Nationalität  beider  und  die  Wirkung  der  Eroberung  war;  Romulus 
und  die  Ramnes  waren  Sabiner,  die  Plebeier  Latiner.  Zunächst  will 
der  Verfasser  in  der  Sprache  für  diese  Annahme  Anhaltspunkte  finden, 
indem  in  dem  Lateinischen  zwei  Elemente  sich  nachweisen  lassen,  eines, 
das  dem  Griechischen  näher  steht  und  für  die  Bezeichnungen  des  häus- 
lichen täglichen  Lebens,  des  Hirteuwesens  etc.  verwendet  wird,  während 
das  zweite,  dem  Griechischen  fernstehende  Element  die  Bezeichnungen 
für  den  Krieg,  die  Herrschaft  und  den  Befehl  hergab.  (Z.  B.  bos,  tau- 
rus  etc.  Silva,  ager,  aro,  sero,  feuum,  lac,  oleum,  lana,  glans,  mal,  sal 
einer-  und  tela,  arnia,  hasta,  pilum,  quiris,  Imperator  andererseits.)  Er 
zieht  aus  dieser  Beobachtung  die  Schlüsse,  dass  die  lateinische  Sprache 
durch  Mischung  zweier  Bevolkerungselemente  entstand,  von  denen  das 
erstere  zahlreichere  dem  Ackerbau  und  Hirtenleben,  das  andere  weniger 
zahlreiche  dem  Kriegshandwerke  ergeben  war  und  von  denen  das  erstere 
von  letzterem  unterworfen  wurde;  die  Verschmelzung  beider  war  eine 
so  innige,  dass  die  Spuren  ihres  verschiedenen  Ursprungs  und  ihrer  ver- 
schiedenen Schicksale  völlig  verloren  gingen.  Dieser  Prozess  ging  aber 
nicht  in  Rom  allein  vor  sich,  sondern  in  ganz  Latium.  Allgemein  zu- 
gestanden wird,  dass  die  Ramnes  Patrizier  waren  und  sogar  die  erste 
patrizische  Tribus,  ebenso  dass  die  Plebs  aus  Latinern  bestand.  Die 
Patrizier  hatten  aber  von  den  Plebeiern  verschiedene  religiöse  Bräuche 
(s.  besonders  Liv.  6,42);  insbesondere  besassen  erstere  allein  die  Auspi- 
cieu.  Im  Altertum  giebt  es  aber  nur  Volksreligioneu;  eine  Religion  ohne 
nationalen  Charakter  ist  nicht  denkbar;  so  ist  auch  die  Religion  der 
Patrizier  nur  für  sie  bestimmt,  nicht  für  die  Plebeier;  ja  es  gab  gewisse 
Sacra,  die  nur  für  die  betreffende  gons  oder  familia  bestimmt  waren; 
die  religiöse  Verschiedenheit  von  Patriziern  und  Plebeiern  beweist  somit 
auch  ihre  nationale.  Aber  beide  hatten  auch  iu  den  ersten  Jahrhun- 
derten Rom's  verschiedene  Magistratur,  Einteilung  und  Regierung;  zwei 
Gemeinwesen  bestanden  neben  einander,  zwischen  denen  nicht  einmal  die 
Ehe  mit  rechtlichen  Folgen  zulässig  war,  während  conubium  z.  B.  mit 
Alba  Longa,  nach  der  Horatier-  und  Curaliersage,  mit  den  Latineru  zur 
Zeit  des  Spurius  Cassius  bestand.  Auch  die  Gcntilität  war  eine  nur  bei 
den  Patriziern  bestehende,  den  Plebeiern  unbekannte  Einrichtung;  sie 
beweist  aber,  dass  die  Patrizier  ein  Stamm  mit  patriarchalischer  Ver- 
fassung waren,   die   bei   den   sabellischen  Stämmen  zu  Hause   war;    von 


296  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

ähnlichem  Typus  ging  der  Stamm  der  Ramnes  aus,  der  deshalb  auch 
leicht  die  Gentilverfassung  annahm.  Dieser  tiefe  sociale,  ökonomische 
Unterschied  hinderte  die  Ehe  zwischen  beiden;  aber  dieser  verschiedene 
sociale  Typus  hat  auch  eine  andere  Einteilung  und  ein  anderes  Regi- 
ment, eine  verschiedene  Gesetzgebung  zur  Folge  gehabt.  In  den  Ein- 
richtungen der  Patrizier  herrscht  das  Decimalsystem  (10  gentes  =  de- 
curia,  10  decuriae  =  centuria,  100  Senatoren,  10  turmae  equitum  zu 
10  decuriae,  10  fetiales  für  jede  der  zwei  älteren  tribus,  10  Monate,  De- 
cimal-Mass  und  -Gewicht),  das  sich  auch  wieder  im  sabellischen  Münz- 
system findet,  während  Latiner  und  analog  die  römische  Plebs  dem  Duo- 
decimalsystem  folgten.  Während  die  Einteilung  der  Patrizier  dem  Ge- 
schlechte sich  anschloss,  nahm  die  der  Plebs  das  topische  Element  zur 
Grundlage.  Auch  die  ursprüngliche  Bewaffnung  (quiris,  pilum)  war  sa- 
bellisch.  Wenn  sich  auch  in  anderen  latiuischen  Städten  Gentilität  fin- 
det, so  beruht  dies  ebenso  auf  sabellischen  Eroberungen  und  Einwande- 
rungen wie  in  Rom.  Bei  den  Ramnes  findet  sich  die  Gentileinrichtung 
so  gut  wie  bei  den  Tities;  ist  es  denkbar,  dass,  wenn  erstere  latinischer 
Abkunft  gewesen  wären,  sie  ihre  Stammesgenossen,  die  Plebeier,  ver- 
läugnet  hätten,  um  sich  mit  ganz  anders  gearteten  Elementen  zu  ver- 
binden? An  Auswanderung  von  Alba  Longa  kann  bei  Romulus  und  den 
Ramnes  niqbt  gedacht  werden;  denn  sie  hätten  doch  entweder  ihre  Frauen 
und  Kinder  mitgenommen  oder,  wenn  sie  unverheiratet  gewesen  wären, 
sich  Frauen  aus  Alba  geholt  oder  von  den  Latinern  solche  genommen; 
warum  hätten  sie  Sabiuerinuen  rauben  sollen,  die  sprach-,  stamm-  und 
religionsverschieden  gewesen  wären?  Aber  auch  der  ganze  Bildungsstand 
der  Ramnes,  wie  er  sich  namentlich  in  den  von  Viehzucht  und  Land- 
wirtschaft entnommenen  Namen  zeigt,  schliesst  die  Annahme  aus,  dass 
sie  von  einer  latinischen  Stadt  stammen,  in  der  städtisches  Leben  und 
bürgerliche  Sitte  schon  völlig  entwickelt  waren;  auch  kannte  man  hier 
die  strenge  väterliche  Gewalt  so  wenig  wie  das  feudale  System  mit  dien- 
ten. So  gelangt  der  Verfasser  zunächst  zu  dem  Ergebnisse,  dass  der 
Boden  Roms  von  einem  sabinisch-sabellischen  Stamme  eingenommen  wurde 
und  zwar  der  Quirinal;  auf  vorhandene  latinische  Bevölkerung  weist  der 
Name  Agonius  Agonalis  und  der  Kult  des  Semo  Sancus,  aber  jedenfalls 
wurde  diese  von  den  Eroberern  unterworfen ,  entweder  vertrieben  oder 
in  ein  enges  Abhängigkeits- Verhältnis  gebracht;  dies  waren  die  Tities. 
Später  kamen  bewaffnete  Haufen,  welche  die  Heimat  als  ver  sacrum  ver- 
lassen hatten,  aber  vielleicht  zu  Hause  noch  nicht  über  das  Hirtenleben 
hinaus  gelangt  waren,  und  siedelten  sich  auf  dem  Palatin  an,  die  hier 
vorhandenen  Latiner  wurden  zwar  unterworfen,  aber  nicht  verjagt,  son- 
dern als  Plebs  abhängig  gemacht.  Die  Ankömmlinge  raubten  sich  von 
den  Tities  Frauen,  nahmen  aber  die  Gentilverfassung  au  und  verschmolzen 
mit  ihnen.  Beide  Tribus  beherrschten  als  Patrizier  die  zuwandernden 
und  schon  vorhandenen  Latiner.    Im  Einzelnen   beweist  die  Sage  auch 


Zusammenfassende  Darstellungen.  297 

eine  ganz  gute  Ortskenntnis.  Unter  dem  Bilde  der  Wölfin  ist  das  Sa- 
binerland  zu  verstehen,  auf  dem  Teverone  gelangen  sie  von  Amiternum 
und  der  Umgebung  des  Fucinersees  aus  in  die  Ebene;  dass  sie  ohne 
Frauen  sind,  beweist  ihren  Charakter  als  Kriegshaufen ;  der  Rechtszustand, 
den  sie  allein  kannten,  war  das  Faustrecht,  das  sich  in  dem  Frauenraub 
geltend  machte.  Der  Mythus  über  die  Abkunft  des  Romulus  und  Remus 
und  ihre  ersten  Schicksale  findet  in  der  antiken  Sage  Pendants  in 
Fülle,  wo  es  sich  um  Städte-  oder  Staatengründer  handelt.  Die  Ver- 
doppelung der  Gründer  ist  durch  die  Rücksichtnahme  auf  das  Consulat 
entstanden.  Zu  der  Zeit  der  Eroberung  waren  die  Tities  bereits  im 
Stadium  des  Ackerbaues,  und  die  Familienwirtschaft  hatte  sich  schon  zur 
Gentilität  mit  Collectivbesitz  fortgebildet,  wahrscheinlich  lebte  jede  gens 
in  ihrem  Dorfe  vereinigt  unter  einem  Haupte,  dem  curio;  eines  dieser 
Dörfer  war  möglicherweise  das  an  der  Cremera,  in  Crustumerium  etc.; 
die  Not  der  Verteidigung  führte  indessen  schon  früh  die  Wahl  eines 
Königs  herbei,  doch  war  diese  Würde  beim  Beginne  der  Königszeit  noch 
nicht  erblich.  Das  Haupt  der  gens  oder  des  Dorfes  war  dagegen  nicht 
bloss  erblich  geworden,  sondern  hatte  sich  auch  die  Verfügung  über 
einen  grossen  Teil  des  nicht  bebauten  Landes  erworben  und  an  dienten 
ausgeteilt.  Früh  jedoch  scheinen  in  Folge  kriegerischer  Verhältnisse 
die  Häupter  der  Tribus  in  die  Stadt  übergesiedelt  zu  sein,  daraus  würde 
sich  die  Stellung  des  Adels  neben  dem  Könige  erklären,  sowie  die  we- 
sentlich von  der  des  Feudaladels  verschiedene  Position.  Die  Raumes 
schufen  zuerst  Sondereigen,  indem  das  eroberte  Land  an  die  einzelnen 
Glieder  der  bewaffneten  Schaar  aufgeteilt  wurde;  ob  schon  bei  den  Tities 
Sondereigen  zu  dieser  Zeit  bestand,  ist  nicht  sicher,  aber  auch  nicht 
wahrscheinlich.  Da  die  Ramues  nicht  fest  geschlossen  waren  durch  das 
Geschlechtsband,  konnten  sie  leicht  Fremde  in  sich  aufnehmen;  dadurch 
nahmen  sie  zu  und  wurden  den  Tities  überlegen.  Das  Königtum  blieb 
bei  den  Ramnes  straffer  und  die  Einrichtung ,  Geächteten  und  Vertrie- 
benen Aufnahme  zu  gewähren,  trug  dazu  bei;  denn  die  diesen  gegenüber 
notwendig  discretionäre  Gewalt  übertrug  sich  auch  auf  die  patres  familias; 
auch  die  Entstehung  einer  Königsclicntel  mit  feudalem  Charakter  musste 
diese  Entwickelung  fördern.  Damit  ging  Hand  in  Hand  die  grössere 
kriegerische  Thätigkeit.  Die  Teilnahme  der  Plebeier  am  Kriegsdienste 
erklärt  sich,  wenn  sie  von  dem  Könige  mit  Land  belehnt  wurden.  Diese 
Annahmen  sucht  der  Verfasser  noch  durch  einige  Stützen  aus  dem  Rechte 
zu  verstärken.  So  führt  er  die  Formen  der  Ehe  coufarreatio  und  casta 
mola  auf  die  Titier,  die  der  caelibaris  hasta  auf  die  Ramnes  zurück,  so 
erwähnt  er  die  Testameutification,  welche  bei  den  Patriziern  nur  in  den 
Curiatcomitien ,  bei  den  Plebeiern  nur  in  den  Centuriatcomitien  rechts- 
giltig  vor  sich  gehen  konnte.  Der  Rest  der  Appendix  cnlhält  eine  Pole- 
mik gegen  Mommsen,  dessen  Ansicht  über  den  Ursprung  Rom's  der 
Verfasser  mit  folgenden  Gründen  bekämpft. 

Jahresbericht  für  Altcrthumswissensch.ift  XXVHI.    (iSSi.  m.)  20 


298  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Ein  Kampf  zwischen  Stadt-  und  Landbevölkerung  ist  undenkbar; 
wie  sollte  in  diesem  Falle  die  Stadtbevölkerung  das  Fest  der  Luijerca- 
lien  gefeiert  haben,  wie  die  fratres  Arvales  zu  erklären  sein,  wie  hätte  sich 
dieses  Volk  selbst  ein  Hirtenvolk  nennen  können?  Von  einem  Handels- 
emporium,  das  die  latinischen  Städte  hier  gegründet,  kann  nicht  die  Rede 
sein,  da  die  latinischen  Städte  Cultur  besassen,  Rom  aber  durchaus,  wie 
die  Namen  palatium,  ovilia,  septa  etc.  beweisen,  auf  einer  viel  niedrigeren 
Stufe  stand  und  lange  Zeit  blieb.  Gegen  die  Dreizahl,  welche  Mommsen 
für  den  latinischen  Ursprung  Rom's  anführt,  sucht  der  Verfasser  zu  er- 
weisen, dass  es  ursprünglich  nur  zwei,  erst  nach  dem  Zugange  der  Lu- 
ceres  drei  Vestalinnen  gab,  dass  es  12  Salii  CoUini  und  12  Palatini  gab, 
die  ebenfalls  nur  den  zwei  Stämmen  angehörten;  ebenso  gab  es  nur  Lu- 
pereales Quintii  und  Fabii  ebenfalls  der  beiden  Tribus,  Augure  gab  es 
zur  Zeit  der  lex  Oguluia  vier,  mit  weiteren  vier  Plebeiern  und  dem  ma- 
gister  kam  erst  damals  die  Zahl  neun  zustande.  Auch  die  Annahme 
Mommsen's,  dass  das  sabinische  Element  der  Tities  nur  geringen  Ein- 
fluss  geübt  habe,  wird  von  dem  Verfasser  durch  den  Hinweis  widerlegt, 
wie  Religion,  mangelndes  Conubium  mit  den  Latinern  (Plebs),  der  Raub 
der  sabiuischeu  Frauen,  die  Gentilverfassung,  die  Beibehaltung  des  Deci- 
malsystems,  der  gegenüber  dem  latinischen  Städtewesen  niedrige  Culturzu- 
stand  des  j-ömischen  Patriziats  und  das  Verhältnis  des  Patriziats  zur 
latinischen  Plebs  gerade  das  Gegenteil  wahrscheinlich  machen. 

App.  3  handelt  von  dem  etruskischen  Ursprung  der  Luceres,  die 
mit  der  Tarquiuischen  Dynastie  nach  Rom  kamen;  unter  ihnen  wurde 
die  Herrschaft  bedeutend  erweitert;  sie  werden  aber  durch  eine  repu- 
blikanische Revolution  gestürzt  und  nun  minorum  gentium.  Der  Ver- 
fasser weist  zunächst  die  Annahmen  und  Hypothesen  des  Altertums  und 
der  Neuzeit  zurück  und  begründet  alsdann  seine  eigene  Ansicht.  Er 
geht  davon  aus,  dass  die  Luceres  sich  an  den  religiösen  Bräuchen  der 
beiden  andern  Tribus  nicht  beteiligten,  dagegen  die  Eingeweideschau 
und  die  Blitzorakel  für  sich  behielten.  An  die  von  Alba  nach  Rom  ver- 
pflanzten Familien  kann  man  bei  den  Luceres  nicht  denken,  da  mehrere 
dieser  Geschlechter  nachweislich  sich  an  den  um  den  pontifex  maximus 
gruppirten  Priesterstellen  beteiligten.  Nun  geht  nach  Ancus  Marcius 
ein  Wechsel  der  Dynastie  vor  sich,  der  dessen  Söhne  auf  die  Stufe  von 
Gentilen  herabdrückt.  Zugleich  wird  an  die  Regierung  des  Tarquinius 
Priscus  von  der  Ueberlieferung  allgemein  eine  Vermehrung  der  Tribus, 
der  Senatoren  und  der  Aemter  auf  die  Dreizahl  oder  ein  Produkt  der- 
selben geknüpft,  dieses  konnte  nur  durch  die  Zuwanderung  der  Luceres 
herbeigeführt  worden  sein,  die  mit  Tarquinius  nach  Rom  kamen.  Dass 
dies  Etrusker  waren,  beweisen  die  Namen  Tarquinius,  Tanaquil,  Lucumo, 
die  Prodigien  auf  der  Fahrt,  die  Eingeweideschau,  die  überall  in  seiner 
Geschichte  erwähnt  wird ;  aber  noch  bessere  Beweise  liefert  die  plötzliche 
und  unvermittelte  Entstehung  grossartiger  Bauten,  die  in  den  bekannten 


Zusammenfassende  Darstellungen.  299 

etruskischen  Bauwerken  ihre  Pendants  finden  und  die  Einführung  vorher 
in  Rom  nicht  gekannter  Götterbilder,  vor  den  etruskischen  Gottheiten 
mussten  sich  die  altrömischen  des  Vertumnus,.  Picus,  Pilumnus,  Faunus 
etc.  auf  das  Land  zurückziehen;  lupiter  Inno  und  Minerva  erringen  jetzt 
das  Capitol ;  die  Sage  von  Attus  Nävius  zeigt  den  Kampf  der  alten  Re- 
ligion gegen  die  neue,  deren  Repräsentantin  Tanaquil  mit  ihrer  Kennt- 
nis der  Haruspicin  ist;  wie  sich  erweisen  lässt,  waren  die  Auguren,  die 
indigitamenta  und  die  Fetiales  den  Etruskern  unbekannt.  Auch  die  Be- 
waffnung ändert  sich;  der  runde  etruskische  Schild  (aspis),  der  etruski- 
sche  Helm  (cassis),  die  ocrea  und  lorica  traten  jetzt  als  Bewaffnung  des 
römischen  Fussvolks  auf.  Zur  Erklärung  der  Bezeichnung  minorum  gen- 
tium, die  sich  nicht  verstehen  liesse,  wenn  die  Bezeichnung  zur  Zeit  des 
ersten  Tarquinius  von  einem  herrschenden  Stamme  gebraucht  worden 
wäre,  betont  der  Verfasser  in  der  bekannten  Liviusstelle  qui  dein  de 
minorum  gentium  sunt  appellati  und  schliesst  daraus,  dass  diese  Benen- 
nung erst  später  aufkam  (vgl.  Tac  ann.  11,  25)  nach  dem  Sturze  der 
etruskischen  Herrschaft,  dessen  Hergang  bereits  oben  berichtet  ist;  mit 
ihrer  Degradation  steht  auch  die  Verweisung  in  den  vicus  tuscus  im  Zu- 
sammenhang. Wie  mit  den  Luceres  auch  die  römische  Vorherrschaft 
sank,  ist  ebenfalls  oben  berichtet;  aber  auch  die  etruskischen  Religions- 
bräuche wurden  verdächtig  und  die  alten  sabellischen  Gottheiten  kamen 
wieder  in  die  Höhe. 

Die  4.  Append.  bespricht  die  Einrichtung  der  Ritter  in  Rom  und 
des  Ritterstandes  von  Romulus  bis  auf  die  Gracchen.  Der  Verfasser 
bestreitet  die  Trennung  der  Reiterei  der  Königszeit  von  dem  späteren 
Ritterstande,  dessen  Keime  er  vielmehr  in  jener  Einrichtung  erkennen 
will.  Er  geht  davon  aus,  dass  die  Entwickelung  der  Reiterei  sich  nur 
unter  bestimmten  örtlichen  Voraussetzungen  (ausgedehnten  Ebenen)  und 
bei  einem  gewissen  Gesellschaftszustande,  besonders  in  der  tribü  ä  tipo 
mamertinico  entwickelt.  Ritterstand  und  Reiterei  bedingen  sich  aber 
gegenseitig.  So  verbindet  sich  in  Rom  die  Entstehung  der  Reiterei  mit 
der  Tribus  der  Ramnes;  der  magister  equitum  ist  ein  Magistrat,  daraus 
folgert  der  Verfasser,  dass  auch  die  equites  eine  politische  Corporation 
waren,  die  schon  die  Tendenz  hat,  sich  von  dem  Patriziate  zu  separircn 
und  zwischen  ihm  und  der  Plebs  steht;  dies  lag  in  ihrem  persönlichen 
Verhältnisse  zum  König  begründet.  Schon  deutlicher  tritt  dieses  Ver- 
hältnis der  Mittelstellung  zwischen  Patriziat  und  Plebs  in  der  Verfassung 
des  Servius  Tullius  hervor,  da  die  sex  suffragia  mit  den  übrigen  Ritter- 
centurien  in  den  Centuriatcomitien  stimmen,  während  die  Patrizier  davon 
ausgeschlossen  sind;  man  kann  hier  schon  von  einem  Ritterstande  sprechen. 
Nach  dem  Sturze  des  Königtums  gingen  die  reichen  plebeischcn  Elemente 
in  den  Senat  über,  die  Plebs  war  hart  bedrückt  und  konnte  sich  nicht 
regen;  so  fehlte  es  dem  Ritterstande  an  Nachwuchs;  doch  stimmten  die 
neuen  plebeischen  Senatoren  fortgesetzt  unter  den  suffragia  equitum  mit, 

20» 


300  Komische  Geschichte  und  Chronologie. 

auch  wenn  sie  durcli  ihr  Alter  längst  von  dem  Heeresdienste  befreit 
waren.  Mit  dem  finanziellen  Fortschritt  der  Plcbeier  erwuchs  auch  den 
Rittern  wieder  reichlich  Ersatz;  der  hierzu  notwendige  Reichtum  führte 
die  Mitglieder  zu  Geldgeschäften,  namentlich  als  publicani;  nach  dieser 
Seite  lag  ihre  Bedeutung  für  die  Gracchen. 

Es  kann  natürlich  nicht  meine  Absicht  sein,  in  den  reichen  Inhalt 
des  Buches  in   der  Hinsicht   einzutreten,   dass  ich  eine  Polemik   gegen 
dasselbe  eröffnete.    Ich  will  bloss  auf  einige  Gesichtspunkte  aufmerksam 
machen.     Der  Verfasser  sucht  auf  völkerpsychologischem  und  -physio- 
logischem Wege  in  das  Dunkel  der  römischen  Urgeschichte  einzudringen 
und  führt  damit   ein   ohne  allen  Zweifel  fruchtbares  Prinzip  in  die  Ge- 
schichte dieser  Zeiten  ein,  dem  bis  jetzt  möglicherweise  zu  wenig  Rech- 
nung getragen    wurde.      Aber    dies   hatte    doch    vielleicht    seine    guten 
Gründe.     Sind  denn  die  Gesetze,   auf  denen  der  Verfasser  seine  Folge- 
rungen aufbaut,  wirklich  wissenschaftliche  Thatsachen  und  sind  sie  mit 
dem  Reichtume  an  zuverlässigen  Beobachtungen  ausgestattet,  der  nament- 
lich für  eine  Erfahrungswissenschaft,   noch  dazu  wenn  diese  erst  in  der 
Entwickelung   begriffen  ist,  unbedingt  gefordert  werden  müsste?    Viele 
dieser  Beobachtungen  beruhen  auf  Schriftstellernachrichten,  die  weit  ent- 
fernt ausser  Zweifel  zu  sein,  den  Stempel  ihrer  Zeit,  nicht  aber  der  von 
ihnen  geschilderten,   an  der  Stirne  tragen.     Ich  könnte  also  dem  Ver- 
fasser nicht  unbedingt   alle  seine  Voraussetzungen  zugeben,   also  auch 
seine  Schlüsse  nicht  teilen.     Die  Punkte,    worauf  es  ihm  besonders  an- 
kam, hat  er,  wie  mir  scheint,   zu  einem  hohen  Grad  von  Wahrschein- 
lichkeit gebracht  —  aber  auch  nicht  weiter,  ich  meine  die  verschiedene 
Nationalität  von  Patriziern  und  Plebejern,   die  sabellische  Abstammung 
der  Ramnes  und  die   etruskische  Abstammung   der  Luceres.     Auch  bei 
seinen  geistvollen  Ausführungen  drängen  sich  doch  immer  wieder  Be- 
denken auf.     Ich  will  nur  eines,   aber  ein  fundamentales,  hervorheben. 
Wenn  mitten   unter  latinische  Bevölkerung  mit  städtischer  Kultur  und 
grösseren  Mitteln   eine   sabellische   Gens   einwanderte,   Gebiet  eroberte 
und  die  vorgefundenen  Bewohner  entweder  verjagte  oder  knechtete,  ist 
es  da  nicht  äusserst  unnatürlich,  dass  die  übrigen  hart  daneben  sitzen- 
den Stammesgenossen  ruhig  die  Vernichtung  ihrer  Brüder  mit  ansehen; 
sollte  ihnen  nicht  der  Instinkt,  wenn  nicht  der  Verstand,  den  bekannten 
Gedanken  an  das  brennende  Haus  des  Nachbars  eingegeben  haben?  Neh- 
men wir  an,  sie  hätten  das  erste  Mal  die  Gefahr  verkannt,  mussten  ihnen 
denn  die  Augen  nicht  aufgehen,   als  der  zweite  Einfall  der  Ramnes  er- 
folgte?   Ich  meine,  diese  Fragen  enthalten  ebenso  viele  Räthsel  als  die 
entgegenstehenden  Annahmen.    Aber  sei  dem  wie  ihm  wolle,  zu  sicherer 
und  allseitig  angenommener  Theorie  über  diese  Fragen  werden  wir  nie 
kommen,   und  wenn  die  Berichte   der  Schriftsteller  in   ihrer  Wertlosig- 
keit und  konstruktiven  Tendenz  mehr  und  mehr  erkannt  werden,  so  wird 
die  Hypothese  natürlich  immer  mehr  an  Berechtigung  gewinnen.    Dass 


Zusammenfassende  Darstellungen.  301 

dabei  gegen  frühere  Aufstellungeji  von  den  späteren  Sturm  gelaufen  wird, 
wird  unvermeidlich  sein,  ebenso  wünschenswert  wird  aber  sein,  dass  dies 
mit  Beobachtung  der  anerkannten  Verkehrsgrundsätze  geschehe;  die 
Ausdrücke  »abgeschmackt  und  bornirt  etc.«  braucht  man  dabei  nicht  als 
Höflichkeiten  zu  betrachten.  Mit  diesen  Einschränkungen  halte  ich  das 
Buch  für  eine  anziehende  und  anregende  Lektüre,  Kleinigkeiten,  die 
dem  Verfasser  namentlich  bei  der  Darlegung  fremder  Verhältnisse  unter- 
laufen, wird  man  ihm  nicht  hoch  anrechnen  wollen.  Noch  wirkuagsvoller 
würde  seine  Arbeit  sein,  wenn  er  sie  ungefähr  auf  die  Hälfte  einge- 
schränkt hätte;  er  hätte  dies  auch  ohne  Schaden  gekonnt,  wenn  er  sich 
minder  oft  wiederholt,  nicht  so  oft  versichert  hätte,  dass  er  das  Phan- 
tasiren  andern  überlasse,  sich  nur  an  Thatsachen  halte  und  dass  es  un- 
begreiflich sei,  dass  nicht  schon  andere  vor  ihm  diese  oder  jene  Ent- 
deckung gemacht.  Solche  rhetorische  Argumente  machen  den  denken- 
den Leser  immer  etwas  stutzig  und,  wie  gesagt,  der  Verfasser  hätte  dies 
nicht  nötig  gehabt,  denn  das  Meiste,  was  er  sagt,  ist  wirklich  inter- 
essant und  nötigt  den  Leser  zur  Zustimmung  oder  —  zum  Widerspruch; 
auch  letzteres  ist  ja  kein  ganz  kleines  Verdienst  bei  einem  wissenschaft- 
lichen Werke. 

Carl  Neumann,  Geschichte  Roms  während  des  Verfalles  der  Re- 
publik. Vom  Zeitalter  des  Scipio  Aemilianus  bis  zu  Sulla's  Tode. 
Aus  seinem  Nachlasse  herausgegeben  von  Dr.  E.  Gothein.  Breslau 
1881. 

Das  Buch  ist  aus  Vorlesungen  des  verstorbenen  Prof.  Neuraann 
hervorgegangen,  und  der  Beurteiler  findet  sich  durch  letzteren  Umstand 
demselben  gegenüber  in  einer  eigentümlichen  Lage.  Ob  der  Verfasser 
das  Buch  herausgegeben  und  ob  er  es  vor  Allem  so  herausgegeben  hätte, 
kann  man  nicht  wissen;  aber  nach  der  Vorrede  des  Herausgebers  scheint 
eher  das  Gegenteil  anzunehmen  zu  sein. 

Was  vor  Allem  in  einer  solchen  Vorlesung  auffällt,  ist,  dass  kein 
Wort  über  die  Quellenverhältnisse  gesagt  wird;  wie  der  Verstorbene  diese 
sich  gedacht,  ist  nur  mit  grosser  Arbeit  festzustellen;  bezüglich  einzel- 
ner Partien,  wo  ich,  durch  direkte  Erörterungen  des  Buches  dazu  auf- 
gefordert, einen  solchen  Versuch  gemacht  habe,  konnte  ich  überhaupt 
zu  einem  Resultate  in  dieser  Hinsicht  nicht  gelangen;  aber  wie  sich 
Orosius  zu  Livius  verhält,  was  die  historia  miscclla  bedeuten  will  und 
ähnliche  Fragen  hätten  für  Studirende,  wenn  auch  kurz,  erörtert  wer- 
den müssen. 

In  der  Besprechung  der  Ursachen,  welche  auf  die  Monarchie  hin- 
arbeiteten (1.  Capitel)  —  die  Nicht-Veränderung  der  Stadtverfassung, 
als  Rom  über  ein  Weltreich  herrschte,  die  Umwandlung  der  Republik 
in  eine  Oligarchie  etc.  —  sind  die  grossen  Gesichtspunkte  überall  scharf 
und  klar  hingestellt;  weniger  kann  man  dies  von  den  Eiuzelangaben  be- 


302  Römische  Geschichte  ui)d  Chronologie. 

haupten,  die  einer  Revision  wohl  bedurft  hätten.  Mit  dem  2.  Capitel 
»die  Zeit  der  gracchischen  Unruhen«  gelangt  der  Verfasser  erst  an  sein 
eigentliches  Thema;  dem  Vater  der  Gracchen  wird  eine  sehr  ausführ- 
liche Besprechung  zu  Teil,  ebenso  Cornelia,  und  die  Jugendgeschichte 
des  Tiberius  wird  mit  behaglicher  Breite  erzählt;  dass  die  Phantasie 
dabei  ihre  Rolle  spielt,  ist  auch  dem  Historiker  an  und  für  sich  nicht 
zu  verargen;  Scipio  Aemilianus,  dessen  Ermordung  Cornelia  und  ihrer 
Tochter  zugeschrieben  wird,  tritt  dagegen  in  den  Hintergrund ;  aber  es 
lässt  sich  garnicht  leugnen,  man  liest  diesen  Teil  mit  Vergnügen,  und 
wer  sich  nicht  besonders  tief  mit  diesen  Fragen  beschäftigt,  für  den 
wird  es  auch  an  Belehrung  aller  Art  nicht  fehlen.  Auch  Gaius  Gracchus 
ist  mit  einer  gewissen  Vorliebe  behandelt,  während  Livius  Drusus  viel- 
leicht unterschätzt  wird.  In  dem  3.  Capitel,  welches  die  kriegerischen 
Ereignisse  von  133  bis  zum  Ende  der  Cimbernkämpfe  schildert,  tritt 
bereits  Sulla  aus  dem  Rahmen.  Cap.  4  handelt  von  den  Vorgängen  in 
Rom  bis  zum  Ausbruch  des  Bundesgenossenkrieges;  sein  Mittelpunkt  ist 
Marius;  sehr  ungünstig  wird  der  jüngere  Livius  Drusus  beurteilt,  sicher- 
lich vielfach  mit  Unrecht.  Mit  dem  5.  Capitel  erreicht  der  Verfasser 
sein  Ziel  —  die  Zeit  des  ersten  Bürgerkrieges.  In  Einzelheiten  einzu- 
treten ist  nicht  möglich,  da  hier  eine  Menge  weitgreifender  Fragen  er- 
örtert werdgn  müssten.  Zur  Lektüre  ist  das  Buch  angenehm,  der  Ver- 
fasser erzählt  spannend  und  packend,  auch  gemütlich  und  mutet  dem 
eigenen  Nachdenken  der  Leser  nicht  viel  zu.  Diese  Vorzüge  werden 
dem  Buche  gewiss  viele  Leser  verschaffen.  Zum  Studium  wird  dasselbe 
aber  in  demselben  Masse  unbrauchbar  sein,  weil  ihm  die  doctrinäre 
Schärfe  und  Kürze  überall  fehlt. 

n.    Altitalische  Ethnologie. 

Bernhard  Heisterbergk,  Ueber  den  Namen  Italien.    Freiburg 
und  Tübingen.     1881. 

Das  Ergebnis  der  Schrift  ist  wesentlich  negativ.  Der  Verfasser 
geht  aus  von  der  Angabe  des  Antiochus  von  Syrakus,  wonach  mit  dem 
Namen  Italien  das  Land  von  der  sicilischen  Meerenge  bis  zum  inner- 
sten Punkte  des  tarentinischen  Meerbusens  an  der  Ost-  und  bis  zum 
Flusse  Laos  an  der  Westküste,  also  die  südwestliche,  heute  Calabrien 
genannte  Halbinsel  des  apenninischen  Continents  bezeichnet  wurde.  Wäh- 
rend also  hier  eine  Ausdehnung  der  früheren  Namensgeltung  angenom- 
men ist,  haben  die  Neueren  Clüver,  Niebuhr,  Fröhner  und  Balbo  um- 
gekehrt den  Namen  von  einer  Einschränkung  der  früheren  Geltung  des 
Namens  herzuleiten  gesucht.  Diese  Annahme  kann  aber  nach  des  Ver- 
fassers Ansicht  einer  scharfen  Kritik  nicht  Stand  halten,  da  Niebuhr  sich 
auf  eine  fälschlich  dem  Antiochos  zugeschriebene  Angabe  stützt,  die  sich 
auch  nicht  auf  Italien,  sondern  auf  Oenotrien  bezieht,  welche  beiden  geo- 


Altitalische  Ethnologie.  303 

graphischen  Begriffe  als  ganz  unabhängig  neben  einander  stehend  er- 
wiesen werden.  Aber  auch  ein  sprachlicher  Beweis,  durch  welchen  Nie- 
buhr  u.  a.  die  Ansicht  zu  stützen  suchten,  dass  ursprünglich  der  Name 
Italien  über  das  Gebiet  zwischen  der  Meerenge  und  dem  Tiber  ausge- 
dehnt gewesen  sei,  vermag  einer  Untersuchung  nicht  Stand  zu  halten; 
die  Identificirung  der  festländischen  Siculer  mit  den  Italern,  die  weder 
sprachlich  noch  historisch  zu  erweisen  ist.  Der  Name  Viteliu  ist  ebenso 
wenig  beweiskräftig,  denn  er  ist  erst  aus  dem  ersten  Jahrhundert  v.  Chr. 
bezeugt,  auch  in  seiner  Entstehung  unsicher;  möglicherweise  lässt  sich 
annehmen,  dass  die  Formen  Viteliu  und  Italia  nur  das  Vorhandensein 
und  den  Wegfall  des  Digamma  in  dem  erst  zu  den  Samnitern,  dann  zu 
den  Latinern  gelangten  griechischen  Namen  des  Landes  repräsentiren. 
Besonders  viel  Raum  wird  der  Bekämpfung  von  Nissen  gewidmet.  Auch 
er  vertritt  die  Ansicht,  dass  die  Geltung  des  Landesnameus  ursprüng- 
lich über  die  südwestliche  Halbinsel  hinausgereicht  habe;  als  Träger  des 
Namens  werden  nicht  die  Siculer,  sondern  die  Samniter  betrachtet,  de- 
ren Einwanderung  in  die  südwestliche  Halbinsel  iu  vorhistorische  Zeit 
verlegt  wird,  und  die  selbst  mit  den  Oeuotreru  identificirt  werden.  Nach 
Heisterbergk's  Ansicht  könnte  eine  solche  Einwanderung  nur  mit  der 
Siculerwanderung  identisch  sein,  aber  sie  kann  auch  in  diesem  Falle 
erst  dann  erfolgt  sein,  als  nach  dem  Völkerverzeichnis  des  Antiochos 
schon  der  Name  Italien  sich  für  die  Halbinsel  gebildet  hatte.  Aber  die 
Griechen  fanden  hier  bereits  auch  keine  Oenotrer  mehr  vor,  die  schon 
von  den  Siculern  verdrängt  waren;  die  Oenotrer  waren  aber  auch  ethno- 
graphisch von  den  Sabellern  verschieden,  da  sie  ziemlich  sicher  ein  illy- 
rischer Stamm  waren.  Zur  Stützung  der  Samniter -Hypothese  brachte 
Nissen  die  Etymologie  von  vitulus  bei;  aber  in  einer  Untersuchung  über 
Hellanikos'  Interpolation  der  Herkules-  und  Kadmussage  zum  Zwecke 
der  Erklärung  des  Namens  Böotien,  über  die  Substituirung  des  Wortes 
haXog  in  einer  Erklärung  des  Timaeus  sucht  Heisterbergk  zu  erwei- 
sen, dass  haXÖQ  nur  durch  die  Sprachvergleichung  gestützt,  somit  höch- 
stens mit  vitulus,  nicht  mit  taurus  identisch  und  dadurch  ganz  und  gar 
ungeeignet  ist,  die  Erklärung  des  Timaeus  zu  begründen.  Das  von 
Nissen  von  Münzen  des  italischen  Bundesgenossenkrieges  —  sie  tragen 
den  Stier  als  Emblem  —  zur  Stütze  seiner  Ableitung  von  vitulus  ent- 
nommene Beweismaterial  erweist  sich  bei  einer  genaueren  Prüfung  nicht 
probehaltig,  da  das  Stierbild  jener  Münzen  ausser  Zusammenhang  mit 
der  Aufschrift  Viteliu  steht  und  nicht  Buudeszeicheu  der  Italiker,  son- 
dern Stammeszeichen  der  Samniter  ist,  deren  ver  sacrum  auch  von  einem 
Stiere  geführt  wird.  Selbst  wenn  aber  der  Künstler,  der  jene  Stempel 
geschnitten,  einen  Zusammenhang  zwischen  Bild  und  Aufschrift  gewollt 
hätte,  so  wäre  dies  noch  kein  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Etymolo- 
gie. Dies  letztere  mag  zugegeben  werden;  aber  ein  sehr  auffallendes 
Moment  wäre  es  immerbin,    und  wenn  es   mit  Sicherheit  zu  erweisen 


304  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

wäre,  so  würde  die  Nisscn'sche  Ansicht  darin  jedenfalls  mit  Recht  eine 
bedeutende  Stüzc  finden.  Auch  Cap.  7  ist  den  etymologischen  Gründen 
Nissen's  gewidmet,  der  den  Landesnamen  von  einem  Stiergott  Italus- 
Vitulus  unter  Combination  der  samnitischen  Sage  mit  dem  Berichte  des 
Antioclios  über  die  südwestliche  Halbinsel  ableiten  wollte;  in  einer  län- 
gereu Erörterung  will  Heisterbcrgk  so  wenig  den  Landesnameii  als  den 
Volksnamcn  Italer  von  dem  Stiergott  ableiten  lassen;  desgleichen  ist 
die  von  Nissen  behauptete  Existenz  des  Ackerbaues  auf  der  südwest- 
lichen Halbinsel  —  der  König  Italus  gab  dazu  die  nächste  Veranlassung 
—  nicht  zu  erweisen,  auch  unwahrscheinlich,  wie  durch  die  Autorität 
Kiepert's,  einen  griechischen  Bericht  bei  Pherekydes  und  griechische  Sa- 
gen zu  erweisen  versucht  wird;  zwischen  Italus  und  der  samnitischen 
Sage  existiren  keine  Beziehungen. 

Da  Kiepert  die  von  Antiochos  von  Syrakus  angegebene  Entwickelung 
des  geographischen  Begriffs,  zugleich  aber  auch  Niebuhr's  Ableitung  des 
Landesnamens  von  dem  Volksnamen  der  Italer  angenommen  hat,  so  giebt 
dies  dem  Verfasser  Veranlassung,  die  Niebuhr'sche  Ableitung  zu  prüfen, 
wobei  er  zu  dem  Ergebnisse  gelangt,  dass  die  direkten  Zeugnisse  für 
ein  Italer-Volk  lediglich  Umschreibungen  des  Berichtes  von  Antiochos 
sind,  der  jedoch  diesen  Namen  nicht  hat,  sondern  nur  von  Italieten 
spricht.  Während  so  der  Name  Italer  nur  eine  spätere  Eückbildung  ist, 
welche  aus  der  Analogie  der  sicilischen  Namen  hervorging,  hatte  der 
Name  Italieten  lediglich  geographische  Bedeutung.  Auch  die  indirekten 
Beweise  Niebuhr's  für  ein  Italer -Volk  werden  zum  Teil  durch  Beispiel- 
sammlungen widerlegt.  Da  ein  Italer -Volk  nicht  angenommen  werden 
kann,  so  fällt  auch  damit  die  Möglichkeit,  dasselbe  mit  den  Sikulern 
zu  identificiren  und  die  Annahme  einer  Ausdehnung  des  Landuaraens 
Italien  bis  zum  Tiber. 

Im  zehnten  Capitel  wird  als  positives  Ergebnis  folgende  Feststellung 
des  historischen  Gehalts  der  Erzählung  des  Antiochos  von  Syrakus  ge- 
wonnen: 1.  die  Ausdehnung  der  geographischen  Geltung  des  Namens  Ita- 
lien erfolgte,  im  Gegensatze  gegen  die  von  Norden  nach  Süden  gerich- 
teten Völkerzüge,  von  Süden  nach  Norden;  sie  musste  also  auf  einer 
von  jenen  Völkerzügeu  unabhängigen  Ursache  beruhen.  Der  Name  Ita- 
lien umfasste  zunächst  die  von  der  südwestlichen  Halbinsel  des  apennini- 
schen Kontinents  sich  im  Süden  des  carpetinischen  Golfs  abzweigende 
zweite  Halbinsel  und  dehnte  sich  alsdann  auf  das  ganze  Gebiet  jener 
südwestlichen  Halbinsel  aus,  ohne  bis  zu  den  Zeiten  des  Antiochos  über 
diese  Halbinsel  hinaus  gereicht  zu  haben.  2.  Auf  dieser  Halbinsel,  Ita- 
lien genannt,  folgten  einander  in  der  Herrschaft  Oenotrer,  Morgeten, 
Siculer,  aber  kein  Volksstamm  der  Italer  oder  der  Italieten.  Der  Name 
Italien  entstand  und  erweiterte  sich  bis  zur  Laosgrenze  zur  Zeit  der 
Herrschaft  des  ersten  jeuer  Völker,  der  Oenotrer,  also  vor  dem  Ein- 
dringen der  Morgeten  und  Siculer.     Im  letzten  Capitel  nimmt  der  Ver- 


Königszeit  und  üebergang  zur  Republik.  305 

fasser  auch  zur  Erziehmg  eines ,  positiven  Ergebnisses  für  die  Namen- 
Erklärung  einen  Anlauf.  Aus  der  Ausbreitungsrichtung  glaubt  er  unbe- 
dingt auf  sicilischen  Ursprung  desselben  schliessen  zu  dürfen.  Unter 
den  sicilischen  Bevölkerungen,  welche  nach  Äntiochos'  chronologischer  An- 
gabe allein  in  Betracht  kommen  können,  Elyraern,  Sikanern  und  Phöni- 
kiern.  neigt  der  Verfasser  entschieden  zu  letzteren;  dieselben  können  an 
den  Küsten  von  Süditalien  und  Sicilien  gesessen  und  in  Folge  eiuer  barba- 
rischen Einwanderung  der  Sicaner  und  Siculer  von  ersteren  verdrängt 
worden  sein,  während  sie  auf  Sicilien  sich  zu  halten  vermochten;  von  si- 
cilischen Phönikiern  würden  die  Griechen,  welche  bei  ihrer  Landung  auf 
der  südwestlichen  Halbinsel  des  Festlandes  nur  noch  Siculer  antrafen, 
mit  dem  Namen  dieses  Landesteils  auch  die  Tradition  über  jene  ihnen 
aus  eigener  Erfahrung  nicht  bekannte  Reihenfolge  der  Völker  übernom- 
men haben,  welche  nach  einander  auf  der  südwestlichen  Halbinsel  ge- 
herrscht haben.  Dieser  letzte  Teil  ist,  wie  dies  in  der  Natur  der  Unter- 
suchung liegt,  der  schwächste ;  denn  der  Hergang,  wie  ihn  der  Verfasser 
vermutet,  hat  doch  grosse  Bedenken  gegen  sich.  Er  wird  damüt  wohl 
dieselbe  Erfahrung  machen  müssen,  welche  er  bezüglich  anderer  Hypo- 
thesen seinen  Vorgängern  bereitet  hat.  Die  Untersuchung  ist  klar  und 
scharfsinnig  und  liest  sich  ganz  angenehm,  da  sie  dem  Leser  Verwicke- 
lungen, wie  sie  bei  solchen  intrikaten  Fragen  herkömmlich  sind,  nur 
selten  zumutet.  Jedenfalls  wird  der  Verfasser  erreicht  haben,  dass  die 
Untersuchung  der  Fragen,  welche  vielfach  für  abgethan  gelten,  nicht  als 
erledigt  angesehen  werden  kann.  Ob  wir  freilich  hier  je  zu  befriedigen- 
den Resultaten  gelangen  können,  ist  mehr  als  fraglich.  Aber  einen 
Tummelplatz  menschlichen  Scharfsinns  und  Kombinirens  wird  dieses  Thema 
stets  eröffnen. 

ni.   Königszeit  und  üebergang  zur  Republik. 

Tb.  Mommsen,    Die  Remuslegende.     Hermes  16,  1  —  23. 

Die  Legende  von  Rom's  Gründung,  in  der  schon  Reraus  neben  Ro- 
mulus  stand,  war  um  die  Zeit  der  Samniterkriege  fertig.  Aber  trotzdem 
hat  die  Erzählung  ursprünglich  von  Romulus  allein  berichtet  und  Reraus 
wurde  erst  nachträglich  eingefügt.  Remus  wird  in  keiner  sacralen  Legende 
genannt,  noch  kommt  das  Zwillingspaar  als  solches  darin  zur  Geltung; 
ebenso  begegnet  auf  staatsrechtlichem  Gebiet  nirgends  eine  Anknüpfung 
an  die  Zwillingsgründer  und  die  legendarische  Topographie  weiss  zwar 
von  Romulus'  Höhle,  Haus  und  Lanze  zu  berichten,  aber  gar  nichts  von 
Remus;  selbst  die  Erzählung  von  seinem  Ende  haftet  nicht  an  einem 
bestimmten  Punkte  der  Stadtmauer. 

Der  Name  Remus  muss  später  entstanden  sein  als  Romulus,  denn 
dieser  reicht  in  eine  Epoche  zurück,  wo  das  Suffix  die  hypokoristische 
Bedeutung  noch   nicht  hatte,   während   zur  Zeit,   wo  der  Name   Remus 


306  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

entstand,  diese  Bedeutung  bereits  feststand.    Bis  auf  die  Widereinsetzung 
des  Numitor  als  König  von  Alba  enthält  die  Legende  keine  Andeutung 
von  Erstgeburt  des  Roinulus;  diese  findet  sich  höchstens  vorbereitet  darin, 
dass  Remus  von  den  Hirten  des  Amulius  gefangen  und  von  Romulus  be- 
freit, aucli  von   ilim  der  falsche  König  getötet  wird.     So  wenig  wie  von 
einei-  Wahl  des  Ortes   für  die  neue  Stadt  weiss   die  Legende  von  einer 
Wahl  des  Herrschers.    Nur  darüber  streiten  die  Brüder,  wer  die  Stadt 
gründen  und  ihr  von  sich   den  Namen  geben   soll.     Wem  die  Ausübung 
der  Herrschaft  zukommen  soll,  die  beiden  ganz  gleichmässig  gehört  — 
darum   ist  von   einem   Erstgeburtsrechte   nirgends  die  Rede    -   darüber 
haben  sich  dieselben  zu  vergleichen;  hierin  findet  Mommsen  den  Grund- 
gedanken der  römischen  Magistratur  niedergelegt,  nach  dem  alle  gleich- 
berechtigten Ansprüche    nicht   etwa  durch   Eingreifen   des  Volkes  oder 
Senats  ausgeglichen  werden,   sondern   entweder  durch  Uebereinkommen 
der  Beteiligten  ihre  Lösung  finden  oder  als  sich  einander  aufhebend  nicht 
zur  Geltung  kommen.     Welchem  von  beiden  Consuln  es  zukommt,  zuerst 
die  fasces  zu  nehmen,   war  nicht   rechtlich  bestimmt,   sondern  der  Ver- 
einbarung  der  Kollegen    überlassen;    thatsäcblich    entschied    das   Alter. 
Mommsen  will  in  der  Uebertragung  dieses  Princips  in  die  Legende  den 
Ursprung  des  Remus  erkennen;  die  Frage,  welche  erst  bei  den  Consuln 
praktisch  \yurde,   als   es  zwei  Beamte  regio  imperio  gab,  wurde  theore- 
tisch  in   die   Eutwickelung  des  regium  Imperium   selbst  hineingetragen 
und  durch  die  Fiction  gleichen  Alters  zur  Gleichberechtigung  verschärft. 
Aber  in  der  Legende  wird  die  Entscheidung  gefunden  durch  die  Auspi- 
cation;   dabei  begegnet  aber  der  lehrreiche  Widerspruch,  dass  sie  hier 
auf  die   Auswahl   einer   von  mehreren   Personen  geht,  worüber  nie  die 
Zeichensprache  der  Vögel  zur  Entscheidung  zugelassen  werden  konnte 
und  wurde,  sondern  lediglich  das  Loos.    Dieser  Umstand  zeigt,  dass  die 
Auspication  in   der  Legende   sich  fand,   ehe   die  Zwillinge  in   dieselbe 
Eingang  gefunden  hatten;  Mommsen  versucht  nun  aus  der  Legende  den 
Nachweis  zu  erbringen,  wie  man  sich  bemühte,  auch  die  örtliche  Incon- 
gruenz  der  Gründungsauspicien  an  einem  anderen  als  dem  zur  Gründung 
bestimmten  Orte  durch  allerlei  Vertauschungen  zu  beseitigen.    Nach  der 
älteren  Form  der  Legende  ist  das  Ergebnis  der  Auspicieu  entscheidend, 
indem  Remus  entweder  gar  keine  Vogelzeichen  empfängt  oder   die  ihm 
zu   Teil  werdenden   offenkundig    schwächer    sind    als   die   des   Romulus. 
Die  jüngere  Version  hat  den  Ausfall  als  zweifelhaft  hingestellt,  um  das 
Verschwinden  des  Königs  Remus  zu  erklären,  der  in  dem  über  die  Aus- 
legung  der  Götterzeichen    entstandenen  Handgemenge  den  Tod  findet. 
Die  ältere  Legende  liess  dagegen  auch  nach  der  Auspicienentscheidung 
die  Brüder  eine  Zeit  lang  neben  einander  herrschen;  indem  sie  die  Ka- 
tastrophe an  die  Vollendung  der  Stadtmauer  knüpfte,  nahm  sie  zwischen 
der  Gründung  und  diesem  Ereignisse  einen  gewissen  Zeitraum  an.    Die 
späteren  Dichter  nehmen   ein  Doppelkönigtum  des  Romulus  und  Remus 


Königszeit  und  Uebergang  zur  Republik.  307 

an;  wahrscheinlich  dachte  man  sich  das  Verhältnis  ähnlich  wie  zwischen 
dem  fungirenden  und  dem  nicht  fungirenden  Consul  oder  dem  Träger 
der  höheren  und  der  niederen  tribunicischen  Gewalt. 

Dass  die  Katastrophe  des  Remus  bestimmt  war,  die  Unverletzlich- 
keit des  Mauerrings  im  Gegensatz  zu  den  Thoren  zu  symbolisiren,  nimmt 
auch  Mommsen  an;  mit  der  übrigen  Rerausfabel  steht  sie  in  Dishar- 
monie, da  diese  ein  dauerndes  Nebeneinanderstehen  der  beiden  Könige 
zu  fordern  scheint.  Wahrscheinlich  musste  Remus  dem  zweiten  Mitkönig 
Titus  Tatius  zu  Liebe  so  bald  verschwinden. 

So  erscheint  Mommsen  die  Zwillingslegende  als  eine  Entwickelung 
aus  dem  Consulat,  die  zwischen  der  Vertreibung  der  Könige  und  dem 
Samniterkriege  ausgearbeitet  wurde. 

Schliesslich  führt  Mommsen  noch  einen  Pendant  zu  dieser  Ausge- 
staltung der  Legende  in  dem  Doppelkönigtura  des  Amulius  und  Numitor 
an,  wie  es  der  Verfasser  der  Schrift  de  viris  illustribus  berichtet  hat ;  hier 
führen  die  beiden  Könige  von  Alba  abwechselnd  unter  Vortritt  des  älteren 
Herrschers,  also  ganz  nach  consularischer  Analogie,  die  Herrschaft. 

Nicola  Corcia,   Dell' origine  di  Roma.    Memoria  letta  nella  tor- 
uata  del  6.  febbraio  1877  et  nelle  seguenti.    Napoli  1879. 

Der  Verfasser  erörtert  die  einzelnen  Berichte  über  die  ältesten 
italischen  Bevölkerungen  in  sehr  ausführlicher  Weise,  wobei  er  nicht 
selten  auffallende  Resultate  findet.  So  z.  B.  sollen  die  Siculer  von  Norden, 
von  Dalmatien  aus  eingewandert  und  Thraker  gewesen  sein;  an  sehr 
kühnen  Etymologieen  fehlt  es  dabei  nicht,  sie  bilden  die  Grundlage  der 
nicht  minder  kühnen  Schlüsse;  ein  besonders  treffendes  Beispiel  sind  die 
Ligures  und  Sabini,  von  denen  die  erstereu  uns  in  dem  grössten  Teile 
Europa's,  ja  in  Vorderasieu  nachgewiesen  werden,  während  die  letzteren 
aus  Persieii  stammen.  Sikuler,  Ligurer,  Sabiner  und  möglicherweise 
Iberer  bilden  die  Aborigener,  wenn  dieser  Stamm  nicht  etwa  allein  auf 
die  Aeolier  zu  beziehen  ist.  Der  eigentlichen  Frage  tritt  der  Verfasser  sehr 
vorsichtig  und  Schritt  vor  Schritt  näher,  indem  er  in  Cap.  3  i  prirai  re 
favolosi  di  Lazio  erörtert,  während  Cap.  4  Altre  tradizioui  sull'  origine 
di  Roma  che  piü  si  accostano  al  vero  ed  alla  storia  besprochen  werden. 
Wenn  hier  die  Tradition,  welche  die  Gründung  der  Stadt  auf  Romus 
Romulus  Remus  zurückführt  verworfen  und  der  einer  trojanisch-griechi- 
schen Niederlassung  zunächst  keine  grosse  Bedeutung  beigelegt  wird, 
so  sucht  Cap.  5  Colonia  degli  Eolii  eine  äolische  Gründung  wahrschein- 
lich zu  machen,  wofür  namentlich  die  Odysseus-Circesage  und  einige 
verwandt  klingende  italische  Ortsnamen  verwandt  werden.  Die  arkadi- 
sche Einwanderung  kann,  wie  Cap.  6  ausführt,  numerisch  nur  unbedeu- 
tend gewesen  sein,  so  bedeutend  sie  auch  in  ihrem  Verhiufe  für  Rom 
wurde.  Cap.  7  bespricht  i  Feneati  e  gli  Epei  condotti  da  Ercole.  Alle 
diese  Traditionen   und  Namen  beweisen  dem  Verfasser  wenigstens  den 


308  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

verschiedenen  Ursprung  der  Völker,  welche  zur  Bildung  der  Stadt  Rom 
zusammenwirkten.  Die  Ramnes  erinnern  in  Cap.  8  den  Verfasser  an 
den  attischen  Demos  Ramnus,  von  dem  der  römische  Namen  abgeleitet 
sein  könnte;  aber  auch  die  Sage  einer  trojanischen  Colonisation,  mit 
der  sich  Cap.  9  beschäftigt,  hat  ihre  Berechtigung,  wenn  sie  auch  in 
der  Form,  wie  sie  vorliegt,  nicht  historisch  sein  mag.  In  Cap.  10  wer- 
den die  verschiedenen  Flecken  zu  erweisen  gesucht,  welche  diese  Stämme 
ehemals  iiine  hatten.  Alle  diese  Erörterungen  strotzen  von  gelehrten 
Citatcn  und  alle  die  entlegenen  Reste  der  lateinischen  und  griechischen 
Litteratur,  aber  auch  die  modernen  Untersuchungen  hat  der  Verfasser 
sorgfältig  durchstöbert.  Im  11.  Capitel  erörtert  der  Verfasser  die  Grün- 
dungssage und  die  Zeit  ihrer  Entstehung,  letztere  will  er  bedeutend  vor 
das  6.  Jahrhundert  der  Stadt  setzen ;  wahrscheinlich  wurde  sie  von  Dio- 
kles  von  Peparethos  bald  nach  342  v.  Chr.  in  der  Form,  wie  sie  bei  Plu- 
tarch  erhalten  ist,  gesammelt  und  fixirt.  Cap.  12  giebt  eine  sehr  inter- 
essante und  vollständige  Darlegung  der  modernen  Ansichten  und  Er- 
klärungen der  Sage;  nur  wird  man  daraus  den  Eindruck  gewinnen,  den 
der  Verfasser  offenbar  nicht  ei'hielt,  dass  soviel  Geist  und  Wissen  ver- 
schwendet wurde  für  eine  Sache,  die  nie  eine  befriedigende  Lösung  fin- 
den wird  und  kann;  man  kann  menschliche  Phantasie  und  menschlichen 
Scharfsinn. bewundern,  aber  des  Gedankens  kann  man  sich  ebensowenig 
erwehren,  dass  immer  noch  recht  viel  tüchtige  Kraft  in  nutzloser  Weise 
verloren  geht.  An  die  Darstellung  der  modernen  Hypothesen  knüpft 
der  Verfasser  jeweils  seine  eigenen  Bedenken,  Zweifel  und  Ansichten  an. 
Er  sucht  die  Entstehungssage  ähnlich  wie  Röscher  (Untersuchungen  über 
Apollo  und  Mars)  als  eine  Nachbildung  schon  vorhandener  Sagen,  spe- 
ziell der  Gründungssage  von  Milet  und  Pergamum  zu  fassen;  da  die 
Griechen  zuerst  die  Gründungssagen  von  Rom  erzählten,  so  schlössen 
sie  sich  vielfach  an  diese  beiden  Vorgänger  an.  Aus  dem  sagenhaften 
Gewände  der  verschiedenen  Einwanderungen  geht  wenigstens  soviel  her- 
vor, dass  die  verschiedenen  Gründungen  und  Niederlassungen  in  weiter 
zurückliegender  Zeit  stattfanden,  und  der  Verfasser  will  an  der  Hand 
der  Topographie  nun  nachweisen,  wie  die  Sagen  sich  in  ihrer  Aufein- 
anderfolge bilden  konnten.  An  der  Hand  griechischer  Analogien  wird 
mit  Ampere  die  Annahme  von  neun  Flecken  auf  den  sieben  Hügeln  fest- 
gehalten, Roma  selbst  ist  ein  griechischer  Name,  wie  die  meisten  Namen 
dieser  neun  Flecken ;  auch  der  alte  Name  des  Tiber  "A)^ßag  oder  Albula 
ist  eine  Nachbildung  des  'A)^(ftcög  und  erinnert  an  die  arkadische  Ein- 
wanderung, welche  auch  die  Evander-Hermes-Sage  mitbrachte  und  den 
Namen  Thymbris;  sie  sind  auch  die  Begründer  von  Alba  und  die  älte- 
sten Besiedler  der  Stätte,  an  der  später  Rom  lag.  Diese  Annahme  er- 
hält für  den  Verfasser  durch  die  Erzählung  des  Zopyros  von  Byzanz 
bei  Plutarch  noch  weitere  Bestätigung,  und  die  mit  arkadischen  über- 
einstimmenden  italisch  -  römischen    Ortsnamen    widersprechen   derselben 


Königszeit  und  üebergang  zur  Republik.  309 

nicht  (Cauna-Roma,  Laima-Lavinium).  Evander- Hermes  wird  mit  dem 
ägyptischen  Thot  identificirt,  seine  Einwanderung,  d.  h.  eine  arkadische 
Colonie  in  Latium,  durch  Erwähnung  ähnlichei:  mythischer  Ueberliefe- 
rungen  zu  stützen  gesucht.  Das  Factum  des  auvocxca^ög  der  neun 
Flecken  ist  in  der  Sage  personificirt  in  Romulus,  der  keine  historische 
Person  zu  sein  braucht,  aber  sehr  wohl  eines  der  aristokratisclien  Häupter 
eines  dieser  Flecken  in  einer  der  historischen  naheliegenden  Epoche 
gewesen  sein  kann.  Die  äolische  Einwanderung  wird  hauptsächlich  durch 
sprachliche  Rücksichten  glaubhaft. 

Das  Buch  enthält  eine  Menge  Material  und  einen  grossen  Aufwand 
an  Gelehrsamkeit;  es  ist  nur  zu  bedauern,  dass  dieselbe  sich  einem  so 
undankbaren  Stoffe  zuwandte.  Ob  bei  der  Betonung  mythischer  und 
sprachlicher  Uebereinstimmungen,  wie  sie  so  frappant  in  der  ganzen  Ar- 
beit hervortritt,  wirklich  Resultate  zu  gewinnen  sind,  die  mehr  sicher 
stehen  als  blenden,  ist  eine  andere  Frage;  ich  habe  den  Eindruck,  dass 
das  Fundament  äusserst  unsicher  ist,  da  gewaltsame,  mindestens  un- 
sichere Etymologien  und  Ableitungen  eine  grosse  Rolle  spielen.  Auf 
allgemeine  Annahme  seiner  Resultate  wird  der  Verfasser  wohl  selbst 
nicht  gerechnet  haben;  wer  gerne  sieht,  wie  menschlicher  Scharfsinn 
und  menschliche  Phantasie  mit  einem  spröden  und  unergiebigen  Stoffe 
zu  schalten  vermag,  der  wird  nicht  ohne  Genuss  den  Gedankengängen 
des  Verfassers  nachgehen;  wer  von  historischer  Kritik  vor  Allem  feste 
Principien  der  Untersuchung  fordert,  wird  hier  die  schwächste  Seite  der 
Arbeit  finden. 

Robert  Pöhlmann,  Die  Anfänge  Roms.    Erlangen  1881. 

Der  Verfasser  will  eine  neue  Theorie  über  die  Entstehung  Rom's 
aufstellen,  und  zwar  sollen  ihm  hierzu  namentlich  die  Entdeckungen 
der  historischen  Schule  der  Nationalökonomie  behülflich  sein.  Ob  dabei 
die  Anklage  des  Verfassers  S.  53  berechtigt  ist,  dass  die  Altertumskunde 
noch  nicht  die  nötige  Fühlung  mit  deren  Methoden  und  Ergebnissen  ge- 
nommen habe,  ist  eine  Frage,  die  nicht  so  leicht  entschieden  werden 
kann,  wie  dies  der  Verfasser  thut.  Vielleicht  ist  die  Zurückhaltung  hier 
gebotener,  als  es  auf  den  ersten  Blick  scheint;  was  der  eine  für  sichere 
Ergebnisse  ansieht,  würde  von  dem  andern  Vertreter  jener  Wissenschaft 
wohl  schwerlich  allgemein  concedirt  werden. 

Die  Polemik  richtet  sich  hauptsächlich  gegen  Mommseu.  Pöhl- 
mann hält  die  Annahme  hofmässiger  Siedlung  in  Latium  als  des  ur- 
sprünglichen Zustandes,  die  secundäre  Entstehung  des  Dorfes  aus  dem 
Hause  für  unzulässig.  Das  Hauptmoment  für  dieses  Urteil  ist  die  An- 
sicht, dass  das  System  der  Einzelhöfe  in  den  wirtschaftlichen  Verhält- 
nissen nicht  begründet  sei,  da  der  Boden  den  Einwanderern  fast  überall 
die  gesellschaftliche  Siedelung  wohl  gestattete.  Zu  letzterer  neigten 
aber  die  Latiner  schon  früher,  da  die  Niederlassungen  in   den  Tcrre- 


310  Römische  Gsschichte  unrl  Chronologie. 

mare  nach  Helbig's  Untersuchungen  bereits  sogar  die  Sitte  in  offenen 
Dörfern  zu  wohnen  als  überwunden  darthun.  Es  ist  nicht  anzunehmen, 
dass  bei  einem  höheren  Culturgrade,  wie  ihn  die  Ansiedlung  in  der  Cam- 
pagna  voraussetzen  lässt,  ein  Rückschritt  in  dieser  Hinsicht  stattgefun 
den  habe.  Lag  aber  das  Streben,  gesicherte  Wohnstätten  zu  besitzen, 
schon  in  den  Einwanderern,  so  musste  sich  dasselbe  bei  dem  unsicheren 
Besitze  der  nach  allen  Seiten  ungeschützten  Küstenebene  noch  stärker 
entwickeln.  Dass  sich  die  Einwanderer  in  dieselbe  drängten,  lag  vor 
Allem  in  dem  Wunsche,  Sitze  zu  gewinnen,  begründet;  dass  sie  gerade 
an  dem  Punkte,  wo  Rom  liegt,  sich  setzten,  wird  aus  der  Bedeutung 
der  Hügel  für  den  Stromübergang,  da  derselbe  durch  die  einzige  Strom- 
insel erleichtert  wird,  zu  erklären  gesucht.  Die  älteste  Anlage  ist  die 
arx,  da  die  Stadt  von  der  Höhe  in  das  Thal  steigt,  nicht  umgekehrt; 
Rücksichten  auf  die  Malaria  und  die  Sicherheit  zwingen  in  gleicher 
Stärke  dazu. 

Der  Verfasser  zieht  zahlreiche  Parallelen  aus  der  Vorgeschichte 
der  übrigen  Kulturvölker  heran,  namentlich  um  zu  beweisen,  dass  die 
Höfe-Theorie  durchaus  nicht  so  allgemein  gültig  sei,  wie  häufig  ange- 
nommen werde.  Dass  er  die  späteren  socialen  und  politischen  Eigen- 
schaften mehr  in  einem  durch  Wall  und  Graben  gesicherten  Wohnsitze 
begründet. sehen  will,  ist  bei  seiner  Theorie  leicht  denkbar,  obwohl  sich 
eben  soviel  aus  der  gegenteiligen  Annahme  beweisen  lässt:  vor  Allem 
der  unbändige  und  rücksichtslose  egoistische  Sinn  der  alten  Patrizier 
gedieh  viel  leichter  in  Einzelhöfen  und  Geschlechtssitzen  als  in  der 
»Stadt«.  Die  weitere  Stütze,  dass  die  alte  Ueberlieferung  bezw.  das 
von  ihr,  was  der  Verfasser  »die  echte  einheimische  Volkssage«  nennt 
gerade  die  »Stadt«  an  den  Anfang  der  Entwickelung  stellte,  wird  so 
lange  nicht  sehr  haltbar  sein,  ehe  man  sich  über  diesen  Begriff  nicht 
geeinigt  hat,  was  zur  Zeit  doch  noch  nicht  der  Fall  ist. 

Die  Schrift  ist  frisch  und  mit  Liebe  geschrieben;  am  wertvollsten 
erscheint  die  Durchführung  der  Helbig'schen  Untersuchungen.  Die  Hoff- 
nung, dass  jetzt  die  Frage  entschieden  sei,  wird  schwerlich  allgemein 
Glauben  finden. 

Ernst  Herzog,  Ueber  die  Glaubwürdigkeit  der  aus  der  römi- 
schen Republik  bis  zum  Jahre  387  d.  St.  übolieferten  Gesetze.  Univ.- 
Abhandlung.     Tübingen  1881. 

Der  Verfasser  will  diejenigen  Gesetze,  welche  aus  der  Zeit  vom 
Beginn  der  Republik  bis  zur  Gesetzgebung  des  Jahres  387  d.  St.  be- 
richtet werden,  auf  ihre  Ueberlieferung  prüfen;  er  betont  dabei  mit 
Recht,  wie  wichtig  es  ist,  einen  ganzen  Complex  von  Gesetzesüberliefe- 
rung einer  Kritik  zu  unterwerfen,  da  man  auf  diesem  Wege  mit  grösserer 
Sicherheit  die  Authenticität  des  einzelnen  Gesetzes  zu  eruiren  und  zu- 
gleich auch  allgemeinere  Resultate  für  die  Ueberlieferung  der  älteren 
römischen  Geschichte  zu  gewinnen  vermag.    Er  kommt  dabei  in  sehr 


Königszeit  und  Uebcrgang  zur  Republik.  311 

umsichtiger  und  das  Material  durchaus  beherrschender  Untersuchung  zu 
folgenden  Resultaten : 

1.  Die  Grundgesetze  der  Republik,  zum  Teil  anonym,  zum  Teil 
unter  dem  Namen  des  P.  Valerius  Poplicola  überliefert,  die  lex  de  dicta- 
tore  creando  lata  (Liv.  2,  18,  5),  die  lex  über  Einsetzung  des  Volks- 
tribunats,  die  lex  Julia  vom  Jahre  262  (Dionys.  7,  17),  die  lex  Cassia 
agraria  von  268,  die  lex  Pinaria  Furia,  die  lex  Publilia  von  283  (Liv. 
2,  56,  2),  die  lex  Terentilia  von  292  (Liv.  3,  9),  die  lex  über  die  Er- 
höhung der  Zahl  der  Tribunen  auf  10  vom  Jahre  297  (Dion.  10,  30), 
die  lex  de  Aventino  publicando,  die  lex  Aternia  Tarpeia  von  300  und 
die  lex  Menenia  Sestia  von  302,  sind,  soweit  sie  angeblich  tribunicisch 
sind,  sehr  schwach  überliefert;  ja  es  giebt  kein  tribunicisches  Gesetz 
dieser  Periode,  welches  nachweislich  aus  der  offiziellen  Chronik  geschöpft 
wäre;  manche  derselben  waren  in  Wahrheit  cousularische  Gesetze.  Von 
den  als  consularisch  genannten  Gesetzen  sind  verschiedene  als  historisch 
anzuerkennen;  nur  stammt  die  Kenntnis  von  ihnen  nicht  aus  den  An- 
nalen  der  Pontifices,  sondern  ist  entweder  an  eine  Familientradition  ge- 
knüpft —  wie  z.  B.  die  lex  Valeria  de  provoc.  —  oder  der  Tradition 
der  Rechtsprechung  entnommen;  bei  der  lex  Pinaria  Furia  und  der  lex 
de  Av.  publ.  hat  sich  die  Kunde  von  der  Urkunde  selbst  erhalten. 
Ebenso  wenig  gab  es  eine  andere  zusammenhängende  alte  Quelle,  aus 
welcher  die  Annalisten  eine  sichere  Belehrung  über  die  ältesten  Gesetze 
hätten  schöpfen  können. 

Auch  bei  der  Zwölftafelgesetzgebung  schwankt  die  Überlieferung 
über  die  Art  ihres  Abschlusses.  Aber  sofort  mit  der  Wiedereinführung 
der  früheren  Verfassung  beginnen  die  zweifelhaften  Gesetze.  Das  im 
Zusammenhang  damit  von  Liv.  3 ,  54,  14  berichtete  Icilische  Gesetz  ist 
widersinnig,  ebenso  das  Duillische  Gesetz  Liv.  3,  54,  15.  Die  Geschicht- 
lichkeit der  valerisch  -  horazischen  Gesetze  ist  im  Allgemeinen  ausser 
Zweifel-  Aber  die  von  Livius  3,  55  überlieferte  Fassung  war  nur  eine 
Formel,  welche  die  Hauptsache  kurz  und  in  leicht  behältlicher  Weise 
gab,  aber  in  ihrer  Fassung  nicht  wohl  dazu  bestimmt  sein  konnte,  den 
Inhalt  rechtlich  genau  wiederzugeben.  Von  den  Duillischen  Rogationen 
qui  plebem  sine  tribunis  rcliciuisset  und  qui  magistratum  sine  provoca- 
tione  creasset  (Liv.  3,  55,  14)  muss  der  erste  Artikel  einmal  gesetzlich 
bestimmt  worden  sein,  seine  Rückführung  auf  Duillius  kann  blosse  Com- 
bination  sein;  der  zweite  ist  schriftstellerische  P]rfindung,  der  gleichen 
Kategorie  gehört  die  der  ganzen  Situation  widersprechende  lex  Icilia 
v.  305  an,  während  bei  dem  sogen,  trebonischen  Plebiscit  das  Verhältnis 
das  gleiche  sein  mag,  wie  bei  dem  ersten  Duillischen  Artikel.  Von  dem 
Volksbeschluss  von  308  über  das  zwischen  Ardea  und  Aricia  streitige  Ge- 
biet gilt  das  Resultat  Schwegler's,  die  lex  Canulciu  von  309  steht  in 
ihrem  geschichtlichen  Charakter  wieder  fest;  ilirc  Formulirung  konnte, 
wenn  sie  in  der  Chronik  nicht  stand,  von  jedem  Annalisten  eingesetzt 


312  Römische  Geschiclitc  und  Chronologie. 

werden.  Bis  zu  den  licinischen  Gesetzen  ist  der  legislatorische  Stoff  bei 
den  Annalisten  von  nun  an  sehr  dürftig,  obgleich  durch  eine  Reihe  von 
Veränderungen  in  der  Magistratur  gewiss  es  nicht  an  Eiuführungsgesetzen 
gefehlt  hat.  Das  ämilische  Gesetz  über  die  Censur  v.  J.  320  wird  zwar 
in  seiner  Bestimmung  der  Maximaldauer  auf  18  Monate  sicher  sein,  aber 
alles,  was  damit  im  Zusammenhange  erzählt  wird,  wird  unrichtig  sein. 
Die  tribunicischen  agrariae  legis  actiones  sind,  wie  sie  erzählt  werden, 
nichts  als  Erfindung;  wie  weit  die  Namen  der  Tribunen,  welche  mit  den- 
selben in  Zusammenhang  gebracht  sind,  authentisch  sind,  lässt  sich  nicht 
eruiren.  Das  tribunicische  Gesetz  v.  J.  322  (Liv.  4,  25,  13)  kann  echt 
sein,  jedenfalls  ist  die  Erzählung  über  dasselbe  absurd.  Die  lex  de 
quaestione  Postumianac  caedis  (Liv.  4,  51,  2)  passt  nicht  in  die  Zeitver- 
hältnisse, während  das  Gesetz  v.  J.  370  (Liv.  6,  20,  13)  wohl  echt  sein 
kann.  In  der  Ueberlieferuug  der  Gesetze  von  387  finden  wir  zwar  nichts 
Unrichtiges  bezüglich  der  Fassung,  wohl  aber  eine  Kürze,  welche  auf 
Eingeweihte  berechnet  war;  dagegen  der  formelle  Hergang  zeigt  teil- 
weise Missverständnis.  So  lässt  sich  für  den  letzten  Abschnitt  eine  we- 
sentlich bessere  Ueberlieferung  constatiren ;  die  officiellen  Annalen  waren 
offenbar  hier  nicht  mehr  so  dürftig  wie  früher;  doch  lassen  die  Angaben 
auch  jetzt  noch  viel  zu  wünschen  übrig,  und  das  Interesse  an  der  Gesetz- 
gebung tritt  bei  der  Chronik  noch  sehr  in  den  Hintergrund.  Für  die 
Kritik  im  Allgemeinen  glaubt  Herzog  aus  diesem  letzterwähnten  Ver- 
hältnisse den  Scbluss  ziehen  zu  können,  dass  man  zur  Ergänzung  des 
hier  constatirten  Mangels  nicht  nötig  hat,  bei  den  römischen  Geschichts- 
schreibern die  Kenntnis  anderer  Stadtchroniken  —  privater  oder  der 
Annalen  des  Cerestempels  —  anzunehmen ;  ihre  Erfindungskraft  reicht 
zur  Erklärung  aus.  Das  Ueberwuchern  der  letzteren  zeigt  auch,  dass 
eine  Zusammenstellung  der  älteren  Gesetze  in  früherer  Zeit  nicht  wohl 
erfolgt  sein  kann.  Ob  die  allgemeinen  Angaben  über  Gesetze,  die  tra- 
ditionellen Formulirungen  auf  die  Chronik  zurückgehen,  oder  aus  der 
Praxis  oder  aus  einer  älteren  secundären  Quelle  stammen,  lässt  sich 
bei  dem  Mangel  an  Parallelberichten  nicht  entscheiden. 

Die  vorstehende  Untersuchung  stellt  wieder  einen  Teil  der  Ueber- 
lieferung über  die  ältere  römische  Zeit  als  gering  beglaubigt  hin;  denn 
wenn  ja  auch  nicht  alle  Ausführungen  des  Verfassers  zwingend  sind  — 
ich  halte  z.  B.  die  Argumentation,  dass  das  oder  jenes  Gesetz  in  die 
allgemeine  Situation  einer  Zeit  nicht  passe,  bei  dem  Stande  unserer 
Kenntnis  der  betr.  Zeiten  für  nicht  ausreichend  zur  Verwerfung,  ferner 
ist  der  Wert  der  mündlichen  Tradition  völlig  unter-  und  damit  die  Ge- 
schichtsconstruction  der  Annalisten  wohl  überschätzt  —  so  wird  mau  doch 
im  Grossen  und  Ganzen  mit  ihm  darin  einverstanden  sein  müssen,  dass 
es  mit  der  Ueberlieferung  dieser  alten  Gesetze  zum  Teile  schwach  be- 
stellt ist  und  die  Chronikenschreiber  für  diese  Seite  ein  geringes  In- 
teresse und  noch  geringeres  Verständnis  oft  genug  bewiesen  haben. 


Königszeit  und  Uebergang  zur  Republik.  313 

G.  F.  Unger,  Die  Quellen-  des  Polybios  im  Gallischen  Bericht. 
Philol.  39,  69-90. 

Die  Geschichte  der  gallischen  Feldzüge  in  Italien  bei  Polyb.  2, 
17  —  35  zerfällt  in  zwei  verschiedene  Partieen:  1)  eine  skizzenhafte  Ueber- 
sicht  der  Hauptereignisse  von  der  Einwanderung  bis  zum  Ausbruch  des 
Gaesatenkrieges  225  v.  Chr. ;  2)  die  ausführliche  Schilderung  des  Krieges 
von  225  —  222  v.  Chr.  Letztere  ist  Fabius  Pictor  nacherzählt,  erstere 
geht  auf  griechische  Quellen  zurück,  wie  schon  die  Art  der  Jahrzählung 
beweist;  dazu  waren  die  Gallier  den  Römern  zu  fern,  als  dass  diese 
Näheres  hätten  über  sie  wissen  sollen ;  die  Verschiedenheit  in  der  Schil- 
derung sänimtlicher  Kämpfe  und  Berührungen  bei  Polybius  und  den  rö- 
mischen Annalisten  schliesst  auch  die  Annahme  aus,  dass  Polybius  grie- 
chische und  römische  Nachrichten  in  einander  gearbeitet  habe,  wogegen 
auch  die  nichtrömische  Jahrform  bei  ihm  spricht.  Wir  besitzen  auf  diese 
Weise  in  Polybios'  auf  griechischen  Arbeiten  beruhenden  Berichten  und 
denen  der  römischen  Annalisten  zwei  einander  fremde  Darstellungen, 
welche  zur  gegenseitigen  Ergänzung  und  Berichtigung  angewandt  werden 
können.  Aehnlich  steht  es  bei  den  Zeitbestimmungen;  auch  hier  halfen 
die  römischen  Quellen  mit  ihren  Angaben  über  die  Consulate  und  deren 
Antrittstag  zur  Auffindung  der  bei  Polybius  vorausgesetzten  Jahrform ; 
seinen  Zahlangaben  liegt  die  von  seiner  Quelle  gebrauchte  Jahrform  zu 
Grunde.  In  dem  Jahre  der  Schlacht  von  Populonia  tritt  eine  zweite 
griechische  Quelle  ein,  wie  dies  durch  die  Verschiedenheit  der  Jahrform, 
durch  die  Vergleichung  des  historisch-geographischen  Stoffes,  Ungenauig- 
keiten  und  Widersprüche  gegen  die  frühere  Quelle  wahrscheinlich  wird. 
Diese  zweite  griechische  Quelle  reicht  von  21,  1  —  23,  4;  mit  23,  5  be- 
ginnt eine  neue,  römische  Quelle,  wie  dies  die  Behandlung  der  Jahr- 
epoche, die  Angabe  der  am  Kriege  gegen  Rom  beteiligten  Völker,  so- 
wie eine  Doublette  beweisen.     Dieser  Annalist  ist  Fabius  Pictor. 

Die  ältere  griechische  Quelle  reicht  bis  c.  20  und  war  wahrschein- 
lich Timaios,  während  die  jüngere  vermutlich  der  Sikeliote  Seilenos  aus 
Kalakta  ist. 

Den  Schluss  bildet  eine  Polemik  gegen  Niese  und  Mommsen,  worin 
zu  erweisen  gesucht  wird,  dass  der  Bericht  des  Polybius  nicht  auf  römi- 
schen Quellen  beruht  und  seine  Jahrintervalle  nicht  auf  die  römische 
Stadtaera  gestellt  sein  können. 

G.  F.  Unger,  Die  Jahrepoche  des  Diodoros.    Philol.  39,  305—325. 

Für  das  sicherste  Mittel,  die  zahreichen  Entlehnungen  Diodor's 
wenigstens  für  die  ausführlicheren  und  wichtigeren  Stücke  auf  ihren  Ur- 
sprung zurückzuführen,  hält  Unger  die  Beobachtung  der  den  einzelnen 
annalistischcn  Stücken  zu  Grunde  liegenden  Jahrepoche  d.  h.  der  Jahres- 
zeit ihres  Anfanges  und  Endes.  Die  Versuche  eine  Jahrepoche  zu  fin- 
den, werden  vergeblich  sein;   er  hat  die  Jahrepoche  seiner  Quellen  bei- 

Jahresbericht  für  Altenhiimswisseiischaft  XXVÜI.    (i8Sl.  III.J  21 


314  Römische  Geschichte  und  f'hronoloKio. 

behalten,  wie  er  ihren  Wortlaut  ausgeschrieben  hat;  dies  wird  an  ein- 
zelnen Fällen  nachgewiesen;  den  Rest  des  Aufsatzes  bildet  eine  Polemik 
gegen  Fr.  Rcuss,  Zur  Chronologie  der  Diadochengeschichte.  Philol.  39, 
91  —  112. 

Klimke,  Diodorus  Siculus  und  die  römische  Annalistik.  I  u.  II. 
Gymuasialprogramm  Königshütte  1881. 

Im  ersten  Teile  sucht  der  Verfasser  in  teilweise  sehr  scharfer  Po- 
lemik nachzuweisen,  dass  Mommsen's  Untersuchung  in  den  Rom.  Forsch.  2, 
274  ff.  »in  Folge  einer  zu  oberflächlichen  Textvergleichung  von  groben 
Fehlern  und  ungeheuerlichen  Behauptungen  wimmele«;  besonders  ein- 
gehend geschieht  dies  für  die  Schlacht  an  der  Cremcra  und  die  Berichte 
über  die  gallische  Invasion. 

Im  zweiten  Teile  constatirt  der  Verfasser,  dass  Diodor  für  den 
betreffenden  Abschnitt  nur  einen  Autor  benutzt  habe;  dieser  ist  aber 
nicht  Fabius,  wie  Mommsen  will,  sondern,  wie  im  dritten  Teile  dargelegt 
wird,  ein  auch  von  Livius  benutzter  Militär,  der  einen  einfachen  und 
kunstlosen  aber  sorgfältig  jede  Unklarheit  vermeidenden  Stil  schreibt, 
kein  Grieche,  sondern  ein  Lateiner.  In  einer  Anmerkung  verspricht  der 
Verfasser  demnächst  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Piso  die  Quelle  Dio- 
dor's  ist.   »Man  darf  gespannt  sein,  wie  er  dies  zu  Staude  bringen  wird. 

H.  Haupt,  Jahresbericht  über  Dio  Cassius.  Philol.  39,  541 — 548. 
1)  Von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  den  zweiten  punischen  Krieg. 

Da  es  noch*  an  einer  eingehenden  und  zusammenfassenden  Unter- 
suchung über  die  für  diese  Zeit  von  Dio  verwendeten  Geschichtsquellen 
fehlt,  so  stellt  der  Verfasser  eine  Anzahl  Vermutungen  zusammen,  die 
von  einem  künftigen  Bearbeiter  in  Erwägung  gezogen   werden   müssen. 

Für  den  ersten  punischen  Krieg  hat  speziell  Neuling  das  Resultat 
erhalten,  dass  Dio's  Angaben  zur  einen  Hälfte  dem  Livius,  zur  anderen 
dem  Diodor  entstammen,  neben  denen  noch  ein  Unbekannter  benützt 
sein  soll.  Haupt  lehnt  die  Wahrscheiulichkeit  einer  Benützung  Diodor's 
ab  und  will  überhaupt  der  Untersuchung  nicht  abschliessende  Bedeutung 
zuerkennen. 

H.  F.  Pelham,  On  the  Common  Lands  of  the  Roman  People. 
Transactions  of  the  Oxford  Philological  Society.  1880/81  (25.  Febr. 
1881). 

Der  Auszug  enthält  eine  Reihe  fruchtbarer  Vergleiche  mit  der 
agrarischen  Entwicklung  Englands  und  behandelt  auch  sonst  die  Frage 
geschickt;  Wesentliches  wird  man  kaum  vermissen.  Aber  eigentlich  Neues, 
mit  Ausnahme  der  Vergleich ungen  der  englischen  Verhältnisse,  ist  nicht 
2u  finden. 


Punische"  Kriege  und  Unterwerfung  der  Mittelmeer-Staaten.  31 5 

IV.     Die   punischen   Kriege   und  die   Unterwerfung 
der  Staaten  am  Mittelmeer. 

H.  Haupt,  Jahresbericht  über  Dio  Cassius.    Philol.  40,  139—166. 

In  seiner  Besprechung  einer  Reihe  von  Quellenuntersuchungen  über 
den  zweiten  punischen  Krieg  gelangt  der  Verfasser  zu  dem  Resultate, 
dass  mindestens  drei  grundverschiedene  Traditionen  über  den  hannibali- 
schen  Krieg  bei  Dio  vereinigt  vorliegen,  welche  höchst  wahrscheinlich 
nicht  erst  von  ihm  selbst,  sondern  schon  von  seinem  Gewährsmann  zu 
einer  einheitlichen  Erzählung  verarbeitet  worden  sind.  Charakteristisch 
hierfür  ist  die  fast  ununterbrochene  üebereinstimmung  mit  Appian  und 
mit  zahlreichen  von  Polybius  abweichenden  Stücken  des  Livius,  die  zum 
grossen  Teil  den  national -römischen  Standpunkt  von  Dio's  Vorlage  be- 
kunden. Caelius  wurde  wahrscheinlich  benutzt;  doch  will  der  Verfasser 
diese  Frage  einstweilen  noch  nicht  entscheiden.  Für  die  Glaubwürdig- 
keit Dio's  bezüglich  der  älteren  Zeit  ist  das  Ergebnis  entschieden  vor- 
teilhaft. Für  die  Zeit  vom  Anfang  des  zweiten  bis  zum  Ende  des  dritten 
makedonischen  Krieges  ist  ein  Teil  der  mit  Livius  nur  teilweise  stim- 
menden Stücke  des  Dio  aus  einer  auf  Polybius  fussenden  Secundärquelle 
entnommen,  die  annalistische  Zusätze  erhalten  hatte;  zahlreiche  Stellen 
sind  aus  Livius  geschöpft;  doch  lassen  sich  Eigentum  des  Dio,  Zuthaten 
des  Dio  und  Einlagen  aus  dritter  Quelle  nicht  scheiden. 

E.  Meyer,  Die  Quellen  unserer  Ueberlieferung  über  Antiochos' 
des  Grossen  Römerkrieg.     Rh.  Mus.  f.  Phil.  36,  120  —  126. 

Der  Verfasser  polemisirt  gegen  Momrasen's  Resultate  in  der  Un- 
tersuchung »der  Friede  mit  Antiochos«  etc.  im  zweiten  Bande  der  »Rö- 
mischen Forschungen«.  S.  511  fi.  und  gelangt  in  üebereinstimmung  mit 
Nissen,  Quellen  der  vierten  und  fünften  Dekade  des  Livius,  zu  folgenden 
Ergebnissen: 

1)  Zwischen  der  annalistischen,  römischen  und  der  polybianischen 
Darstellung  herrschte  ein  bedeutender  Unterschied. 

2)  Polybios  hatte  keine  detaillirten  Berichte  von  römischer  Seite 
vor  sich,  sondern  nur  achäische,  rhodische  und  pergamenische. 

3)  Appian  hat  keinen  römischen  Bericht  benützt,  sondern  stimmt 
in  allen  Details  genau  mit  Polybios  und  Livius;  dagegen  ist  er  in  der 
Disposition  des  vorliegenden  Materials  durchaus  frei  verfahren.  Man 
braucht  nirgends  bei  ihm  eine  andere  Quelle  als  Polybios   anzunehmen. 

Joh.  Schmidt,  Die  Senatbeschlüsse  über  die  Thisbäer  vom 
Jahre  170  v.  Chr.  Zeitschrift  der  Savigny- Stiftung  für  Rechtsge- 
schichtc  2,   116  ff. 

Der  Verfasser  hat  im  November  1879  eine  Neuverglcichuug  der 
bekannten  Inschrift  in  Athen  vorgenommen  und  giebt  hier  den  griechi- 

21* 


316  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

sehen  Text,  eine  lateinische  Uebertraguug  und  einen  Conimentar.  Wir 
heben  aus  letzterem  einige  Punkte  hervor.  Cap.  1  bestimmt  die  Grund- 
rechte des  thisbäischen  Gemeinwesens;  Rom  verzichtet  auf  sein  durch 
den  Sieg  erworbenes  Recht  eines  Eingriffes  und  erkeimt  die  Selbstän- 
digkeit und  Integrität  des  Staates  an.  Natürlich  wird  dadurch  die  that- 
sächliche  Abhängigkeit  von  Rom  nicht  aufgehoben.  In  Cap.  2  wird  im 
Interesse  einer  dauernden  Befestigung  der  römerfreundlichen  Partei  und 
Politik  in  Thisbae  verfügt,  dass  Staatsämter  und  Priestertümer  für  die 
nächsten  lO  Jahre  ausschliesslich  mit  römischen  Parteigängern  von  be- 
währter Treue  besetzt  werden  sollen.  Nach  Cap.  3  werden  alle  Confis- 
kationen,  welche  die  makedonische  Partei  zur  Zeit  ihrer  Herrschaft  über 
ihre  römerfreundlichen  Gegner  verhängt  hat,  aufgehoben  und  letztere 
wieder  in  ihren  vollen  Besitz  eingesetzt.  Cap.  4  gestattet  den  erprobten 
Anhängern  Rom's  die  Befestigungen  der  Burg  wieder  herzustellen,  so 
dass  diese  etwaigen  Umsturzversuchen  der  jetzt  unterdrückten  Gegner 
Widerstand  leisten  und  vor  deren  Rache  sich  sichern  können;  dagegen 
dürfen  die  Mauern  der  Unterstadt  nicht  wieder  hergestellt  werden.  Da- 
gegen werden  in  Cap.  6  und  7  überspannte  Forderungen  der  römischen 
Partei,  die  ein  absolutes  Heimkehrverbot  für  die  entflohenen  Mitglieder 
der  makedonischen  Partei  in  Rom  erbeten  halte,  abgewiesen  und  vom 
Senate  di^  Wiederherstellung  dauernder  Eintracht  unter  der  thisbäischen 
Bürgerschaft  in's  Auge  gefasst.  Andere  Bestimmungen  beziehen  sich 
teils  auf  Privatpersonen,  teils  ist  ihre  Erklärung  controvers. 

V.    Die  Revolution. 

Eine  Fortsetzung  der  S.  314  u.  315  erwähnten  Untersuchungen  von 
Haupt  über  Dio  findet  sich  in  Philo).  41,  S.  140-158. 

Bis  zum  dritten  mithridatischen  Kriege,  namentlich  in  der  suUani- 
schen  Zeit,  hat  Dio  Livius  benützt,  wahrscheinlich  nur  durch  dessen  Ver- 
mittelung  hier  und  da  Sallust.  Für  die  Jahre  69  -  66  bildete  Sallust 
die  Hauptquelle  Dio's;  eine  gleichzeitige  Benutzung  des  Livius  ist  wahr- 
scheinlich. Für  die  Feldzüge  des  Pompeius  in  Asien  66  —  62  darf  die 
Abhängigkeit  von  Livius  als  ziemlich  gesichert  gelten.  Für  die  Dar- 
stellung der  catilinarischen  Verschwörung  gehen  die  Ansichten  weit 
auseinander.  An  eine  Benutzung  Plutarch's  ist  nicht  zu  denken,  wohl 
aber  an  eine  beiden  Schriftstellern  gemeinsame  Quelle,  welche  niemand 
anders  als  Cicero  war;  ob  derselbe  aber  direkt  oder  indirekt,  vielleicht 
wieder  durch  Vermittelung  des  Livius  benützt  wurde,  lässt  sich  nicht 
entscheiden;  Sallust  ist  nur  an  wenigen  Stellen  von  Dio  eingesehen  und 
subsidiär  verwendet  worden.  Eine  allerdings  aufiallige  Uebereiustimmung 
mit  Appian  lässt  sich  bei  der  sonstigen  Unabhängigkeit  Dio's  von  dem- 
selben nicht  befriedigend  erklären;  Diodor  kann  als  Quelle  Dio's  nicht 
ernstlich   in  Betracht  kommen.     Für  die  gallischen  Kriege  Cäsars  hat 


Fun.  Kriege  u.  Unterwerf.  d.  Mittolmeer-Staaten.    Die  Revolution.     317 

Dio  die  Commentarien  Cäsar's  selbst  benutzt,  neben  denen  ihm  Livius 
vorlag;    Abweichungen    namentlich    von   den  ersteren  lassen  sich   meist 
durch  Dio's  Streben  nach  Pragmatisirung  und  Raisonnement  erklären. 
Eine  sehr  bedeutende  Arbeit  ist 

Der   Ausbruch    des    Bürgerkrieges  49   vor  Chr.  von  H.  Nissen. 
V.  Sybel's  Eist.  Ztschr.  N.  F.  8,  409-445  und  10,  48-105. 

Der  Verfasser  giebt  zunächst  eine  allgemeine  Darstellung  der  Zeit- 
verhältnisse, die  packend  und  schön  geschrieben  ist,  aber  doch  wenig 
Neues  enthält;  nur  die  Gruppirung  der  Thatsachen  ist  hier  verdienstlich. 
Aeusserst  klar  ist  die  Darlegung  der  beiden  Gegensätze  des  öffentlichen 
Lebens,  Krieg  und  Frieden,  welche  sich  in  der  Formel  domi  militiaeque 
ausgedrückt  finden;  sie  wird  für  die  folgende  Entwickelung,  namentlich 
für  Entscheidung  der  Rechtsfragen  wichtig.  In  einer  Anmerkung  wird 
gegen  Mommsen's  Theorie  von  einem  altrepublikanischen  unumschränkten 
Imperium  der  Consuln  polemisirt,  wie  mir  scheint,  jedoch  nicht  glücklich. 
Mommsen  stützt  seine  Theorie  auf  die  Worte  Cicero's  ad  Att.  8,  15,  3 
Nun  will  Nissen  die  Worte  ipsi  consules  quibus  more  maiorum  con- 
cessum  est  vel  omnis  adire  provincias  so  verstehen,  dass  letztere  Be- 
fugnis den  Consuln  erst  dadurch  zu  Teil  geworden  sei,  dass  sie  durch 
das  SC  ultimum  vom  7.  Januar  das  summum  Imperium  erhalten  hätten, 
Cicero  also  nur  von  einer  durch  die  letzten  Vorgänge  gegebenen  Rechts- 
lage rede.  Er  sucht  auch  noch  den  Beweis  zu  erbringen,  dass  dieses 
unumschränkte  Imperium  der  Consuln  nicht  aus  der  Ueberlieferung  er- 
wiesen werden  könne;  aber  die  von  ihm  augeführten  Stellen  sprechen 
doch  auch  nicht  dagegen,  doch  bedarf  es  derselben  nicht;  denn  die  An- 
nahme Mommsen's  kann  sich  auf  eine  so  klare  Aeusserung  Cicero's  stützen, 
dass  absolut  jeder  Zweifel  dadurch  ausgeschlossen  wird.  Philipp.  4  §  9 
heisst  es  nämlich  von  dem  cisalpinischen  Gallien:  laudatur  provincia 
Gallia  —  quod  resistat  Antonio.  Quem  si  consulera  illa  provincia  pu- 
taret  neque  eum  reciperet,  magno  scelere  se  adstringeret:  omnes  enim 
in  consulis  iure  et  imperio  debent  esse  provinciae.  Dass  hier 
von  einem  besonderen  summum  Imperium  nicht  die  Rede  sein  kann,  liegt 
auf  der  Hand;  dass  Cicero  diese  Theorie  nicht  ad  hoc  gemacht  haben 
kann,  wird  m,  E.  durch  die  obige  Stelle  ad  Atticum  völlig  evident  er- 
wiesen; wir  brauchen  also  auch  an  letzterer  Stelle  zur  Annahme  eines 
besonderen  summum  Imperium  nicht  unsere  ZuHucht  zu  nehmen.  In  der 
oligarchischen  Verwaltung  bildete  die  suUanische  Verfassung  einen  wich- 
tigen und  vcrhängnissYollen  Abschnitt,  indem  sie  die  Trennung  der  bür- 
gerlichen und  militärischen  Gewalt  sanctionirte,  insofern  sie  die  ordent- 
lichen Magistrate  während  ihres  Amtsjahres  auf  die  Stadt  beschränkte, 
die  Verwaltung  der  Provinzen  und  das  Commando  der  Heere  ihnen  erst 
als  ausserordentlichen  Magistraten,  als  Proconsuln  und  Proprätoren  ver- 
lieh;   wahrscheinlich   sollte  dadurch  der  Senat  vor  einem  Staatsstreich 


3l8  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

durch  einen  ordentlichen  Consul   gesichert  werden;    aber  gerade   durch 
diese  Massregel  war   dem  Imperium  die  Möglichkeit  eröffnet,   sich   von 
der  Regierung    auf   verfassungsmässigem  Wege    loszumachen    und   eine 
Macht  zu  usurpiren,   die  frühere  Jahrhunderte  unter  keinen  Umständen 
geduldet  haben  würden.     Das  starre  Adelsregiment,   welches  Sulla  be- 
gründet hatte,  wurde  durch  die  suUanischen  Generale  gestürzt.    Als  der 
Adel  Pompeius'  Wunsch,  Generalissimus  der  Republik  zu  werden,  nicht 
entgegenkam,   wurde  dieser  zu   den   schlimmsten  Attentaten   gegen   den 
Bestand  des  Freistaats  geführt,  deren  Tragweite  ihm  durchaus  verborgen 
blieb:   er  ertrotzte  als  einfacher  Privatmann  den  Triumph  und  die  Füh- 
rung gegen  Lepidus  und  Sertorius,  später  gegen  die  Altersbestimmungen 
im  Bunde  mit  Crassus,  den  Rittern  und  Demokraten  den  zweiten  Triumph 
und  das  Consulat.     Unter  den  mit  Beseitigung  der  suUanischen  Restau- 
ration restituirten  Rechten  war  das  wertvollste  die  Herstellung  des  Tri- 
bunats,  speciell  die  der  gesetzgeberischen  Initiative;  denn  dieser  Schritt 
hat  wie  kein  zweiter  die  Errichtung  der  Monarchie  gefördert.     Die  Ge- 
nerale konnten  dabei  weit  eher  von  Seiten  der  erweiterten  Volksfreiheit 
auf  Befriedigung  ihres   persönlichen  Ehrgeizes  rechnen,  als  von  Seiten 
einer  ehrgeizigen  Aristokratie.    Pompeius  erntete  dadurch  zunächst,  dass 
ihm  die  Kaufmannschaft  zur  Grossadmiralität  verhalf,  welche  verfassungs- 
widrig war,  weil  sie  die  Scheidung  und  Souderung  der  Provinzen  aufhob; 
noch    bedenklicher    wurde    der  weitere  Beschluss,    der  ihn  zum  unum- 
schränkten Herrn  der  asiatischen  Provinzen  machte.    Während  Pompeius' 
Abwesenheit    vollzog    sich    in  Rom   eine  vollständige  Verschiebung   der 
Parteiverhältnisse.    Die  demokratische  Partei  erhob  ihr  Haupt  mit  dem 
Anspruch   den  Einfluss   des  Senats   zu  brechen,   das  Schwergewicht   des 
Staatslebens  in  die  Comitien  zu  verlegen;  die  anständigen  Elemente  der 
Partei  traten  vor  den  Anarchisten  in  den  Hintergrund;    aber  die  catili- 
narische  Verschwörung  enthüllte  den  ganzen  Abgrund  der  Verworfenheit 
und  zwang  die  besitzenden  Klassen,  sich  rückhaltslos  dem  Senat  in  die 
Arme  zu  werfen.    Der  Consul  Cicero  erwarb  sich  durch  die  Unterdrückung 
der  Verschwörung  grosse  Verdienste  um  die  Gesellschaft;    aber  weniger 
glücklich  war  er  in  der  Aussöhnung  des  Pompeius  mit  dem  Senat.    Die 
Nobilität  fühlte  sich  nach  der  Bewältigung  der  Catilinarier  so  stark,  wie 
seit  Jahren  nicht ;  darum  dachte  sie  auch  nicht  entfernt  daran,  Pompeius' 
Wünschen   einer  Bestätigung  seiner  in  Asien   getroffeneu  Einrichtungen 
und  Versorgung  seiner  Soldaten  durch  Landanweisung  entgegenzukommen. 
Sein  Agent,   der  Tribun  Metellus  Nepos,   musste  nach   einem   Strassen- 
krawalle  aus  Rom  fliehen  und  bot  damit  seinem  Herrn  und  Meister  den- 
selben Vorwand  zum  Schutz  der  Volksrechte  gegen  Rom  zu  ziehen,  dessen 
sich  Cäsar  13  Jahre  später  wirklich  bediente.    Aber  Pompeius  hat  sich 
schwerlich  je  zu   dem  Gedanken   seines  Nebenbuhlers,  König   von  Rom 
zu  werden,  aufgeschwungen;    dazu  besass  er  weder  die  politische  Bega- 
bung noch  den  politischen  Ehrgeiz.    Einen  Bund  mit  Mordbrennern  ein- 


Die  Revolution.  319 

zugehen,  wie  Cäsar  und  Crassus,  dazu  war  Porapeius  zu  respectabel, 
wenn  man  will,  auch  zu  beschränkt.  Aber  der  Senat  ärgerte  ihn  schwer 
und  bewies  sich  gleich  ablehnend  gegen  die  Demokratie  und  die  Partei 
der  materiellen  Interessen.  Die  Folge  davon  war  die  Erneuerung  der 
vor  10  Jahren  geschlossenen  Coalition.  Auf  den  Thron  steuerte  mit 
vollendeter  Planmässigkeit  und  unablässiger  Consequenz  allein  Cäsar  los. 
Zu  diesem  Ziele  verschmähte  er  nicht  den  Bund  rnit  den  Catilinariern, 
und  nur  eine  glückliche  Fügung  rettete  ihn  vor  der  Mitschuld  an  einem 
furchtbaren  Verbrechen ;  einen  Staatsmann  von  ähnlicher  Verwegenheit 
hat  Rom  nie  gesehen.  Bei  dem  neuen  Bunde  unterschätzte  Porapeius 
Cäsar's  Bedeutung  vollständig,  und  wollte  ihn  lediglich  zur  Durchsetzung 
der  eigenen  Pläne  benützen.  Die  Verschwörung  des  Pompeius,  Cäsar 
und  Crassus  besiegelte  den  Untergang  des  Freistaats,  der  persönliche 
Ehrgeiz,  bis  dahin  in  die  Schlagwörter  von  Parteien  verhüllt,  zeigte  sich 
jetzt  nackt  in  seiner  wahren  Gestalt.  Nur  Cäsar  hatte  es  verstanden 
die  oppositionellen  Elemente  zusammenzuhalten ;  nach  seiner  Abreise  in 
die  Provinz  begann  ein  chaotisches  Treiben.  Die  Siegesbotschaften  aus 
Gallien  und  Cäsar's  Gold,  welches  seinen  Getreuen  reichlich  zuHoss,  be- 
lehrten die  Triumviru,  dass  er  den  Löwenanteil  davon  getragen  hatte; 
Pompeius  wollte  wieder  einmal  als  Generalissimus  seinen  Ruhm  auffrischen 
und  seine  Kassen  füllen;  aber  er  erhielt  bei  Gelegenheit  der  cura  anno- 
uae  statt  des  geforderten  Oberbefehls  im  ganzen  Reich  nur  die  Über- 
aufsicht über  die  Zufuhren  und  imp.  procons.  auf  5  Jahre,  aber  nur  als 
imp.  aequum,  nicht  als  imp.  maius  und  ohne  Heer  und  Flotte  und  freie 
Verfügung  über  den  Staatsschatz.  Der  Bund  drohte  sich  in  Folge  dessen 
aufzulösen  und  der  Senat  schickte  sich  zum  offenen  Angriff"  an,  als  der 
durch  Cäsar's  Klugheit  herbeigeführte  Vertrag  zu  Luca  Pompeius  und 
Crassus  gleiche  militärische  und  finanzielle  Stellung  wie  Cäsar  bewilligte. 
Hierbei  war  Cäsar  jedoch  nicht  der  verlierende  Teil,  sondern  der  ge- 
winnende: dass  er  damals  schon  nach  der  Krone  hätte  greifen  können, 
ist  ganz  falsch;  denn  zu  einem  Attentat  auf  die  Verfassung  fehlte  ihm 
die  erforderliche  Macht  im  Jahre  50  durchaus;  durch  die  Ucbereinkunft 
war  ihm  eine  genügende  Frist  gesteckt,  um  sich  eine  Hausmacht  zu  be- 
gründen, da  er  jetzt  über  das  italische  Colonistenland  verfügte,  das  an 
Wehrhaftigkeit  die  Halbinsel  überragte  und  diese  strategisch  beherrschte; 
er  konnte  in  Rom  stehen,  bevor  ein  Mann  von  den  spanischen  Legionen 
den  Fuss  an's  Land  gesetzt  hatte.  Doch  liess  er  die  Dinge  in  Rom 
gehen,  damit  die  Nobilität  und  Pompeius  sich  mürbe  machten  und  das 
Regiment  des  Senats  in  den  Augen  der  ehrbaren  Bevölkerung  discredi- 
tirten;  aber  er  überwachte  Alles,  und  nur  die  Statthalterschaft  der  Bar- 
kiden  in  Spanien  bietet  hierfür  eine  Parallele. 

Die  Ahnung,  dass  es  über  kurz  oder  laug  zum  Bürgerkrieg  kom- 
men werde,  war  allgemein  verbreitet;  die  Lage  des  Gemeinwesens,  in 
der  drei  verschworene  Generale  aller  Verfassung  zum  Trotz  die  thatsäch- 


320  Kömische  Geschichte  und  Chronologio. 

liehe  Obergewalt  inne  hatten,  Hess  keine  andere  Lösung  zu.  Der  Sol- 
datenstand hatte  sich  von  der  bürgerlichen  Gesellschaft  gesondert,  in 
Cäsars  Heeren  specicll  hatte  die  Masse  derselben  gar  keinen  Anspruch 
auf  den  Namen  Körner;  ihr  Wohl  und  Wehe  lag  in  der  Hand  des  Feld- 
herrn; unterlag  er,  so  war  es  mit  allen  Aussichten  auf  Civität,  Sold,  Beute, 
Abschiedsbelohnung  vorbei.  Aber  Cäsar  fesselte  seine  Leute  nicht  bloss 
durch  die  Bande  des  Egoismus  an  seine  Person,  er  verstand  ihnen  auch 
kriegerische  Tüchtigkeit  und  den  stolzen  Corpsgeist  einzuflössen,  welcher 
auch  vor  scheinbar  unmöglichen  Aufgaben  nicht  zurückschrak.  Die  über- 
wiegende Mehrheit  der  Nation  war  friedlich  gesinnt  und  liebte  die  Re- 
publik; sie  dachte  mit  Schrecken,  was  werden  sollte  nach  Eroberung 
Gallien's  und  nach  Ablauf  der  Statthalterschaft  Cäsar's;  Senat,  Kauf- 
mannschaft und  Landstädte  erkannten  in  der  Herrschaft  des  Cäsar  wie 
des  Pompeius  zwei  Uebel,  von  denen  das  letztere  nur  für  minder  gefähr- 
lich galt.  Aber  die  Entscheidung  lag  nicht  bei  ihnen,  sondern  in  der 
Hand  der  Machthaber  und  der  extremen  Factionen.  Cäsar  suchte  den 
Bruch  zu  vermeiden,  wie  nach  Julia's  Tode  sein  neues  Heiratsproject 
beweist,  das  von  Pompeius  abgelehnt  wurde.  Er  hatte  das  scheinbar 
glänzendste  Loos  unter  den  Dreien,  wollte  sich  aber  nach  SuUa's  Bei- 
spiel zur  Dictatur  emporschwingen ;  dieser  Wunsch  erfüllte  sich  teilweise 
bei  Crassus'  Tode.  Ein  Consul  sine  coUega  und  zugleich  proconsule  war 
zwar  der  rÖine  Hohn  gegen  das  Staatsrecht,  aber  die  Stimmführer  der 
Optimalen  creirten  ihn  dennoch;  man  hatte  sich  eben  im  geheimen  ver- 
ständigt und  die  Spitze  des  Bündnisses  war  gegen  Cäsar  gerichtet,  mit 
dem  eine  Aussöhnung  unmöglich  war;  Pompeius  genoss  das  Glück,  das 
anerkannte  Haupt  der  Republik  zu  sein;  bei  seiner  Erkrankung  im 
Jahre  50  wurde  er  in  Formen  gefeiert,  die  nicht  mehr  republikanisch 
waren,  und  die  Reichsfeldherrnwürde  schien  der  Verfassung  definitiv  ein- 
verleibt zu  sein,  wie  der  Sitzungssaal  bewies,  den  Pompeius  ausserhalb 
des  Pomeriums  für  den  Senat  gebaut  hatte.  Die  neue  Institution  ward 
zwar  widerwillig  von  der  Aristokratie  anerkannt,  aber  sie  entsprach  dem 
Friedensbedürfnisse  der  Nation.  Als  Cäsar  nachher  den  Rubicon  über- 
schritt, that  er  dies  nicht  als  Messias  der  leidenden  Menschheit,  sondern 
als  der  genialste  unter  den  vielen  politischen  Spielern,  die  um  den  Vor- 
rang mit  einander  stritten.  Der  Bürgerkrieg  hätte  sich  nach  mensch- 
licher Berechnung  vermeiden  lassen;  denn  er  ward  durch  den  Ehrgeiz 
der  beiden  Machthaber  herbeigeführt,  von  denen  der  eine  Gleichberech- 
tigung forderte,  der  andere  verweigerte. 

Wir  wollen  hier,  wo  der  erste  Artikel  zu  Ende  ist,  einen  kleinen 
Rückblick  auf  die  Betrachtung  werfen,  welche  in  ihren  Hauptzügen  bis- 
her entwickelt  worden  ist.  Wir  haben  schon  oben  an  einem  Beispiele 
gezeigt,  dass  die  Polemik  nicht  überall  glücklich  ist;  dies  gilt  auch  für 
die  Darstellung  der  allgemeinen  Verhältnisse.  So  ist  der  Vergleich  der 
Lage  des  Pompeius,  als  Metellus  Nepos  aus  der  Stadt  entwich,  mit  der 


Die  Revolution.  321 

Cäsar's  im  Jahre  49  doch  nur  darin  zutreffend,  dass  in  beiden  Fällen 
Volkstribunen  zum  Verlassen  der  Stadt  genötigt  worden  sind;  alles  an- 
dere stimmt  nicht  entfernt,  selbst  die  Veranlassung  konnte  kaum  als  Ver- 
fassungsverletzung gedeutet  werden.  Ob  Porapeius  nie  an  eine  Monar- 
chie dachte,  hat  aucli  Nissen  nicht  beweisen  können,  Gründe  wie  der, 
dass  er  weder  politische  Begabung,  noch  politischen  Ehrgeiz  dazu  besass, 
sind  eben  subjectiv,  und  dem  einen  werden  sie  plausibel  erscheinen,  dem 
andern  nicht;  wenn  vielleicht  Pompeius  nicht  selbst  diese  Gedanken  hegte 
—  ich  sehe  übrigens  nicht,  warum  ihn  seine  Unfähigkeit  daran  hätte 
hindern  sollen  —  so  hätten  ihm  dieselben  ja  von  anderen  »klügeren 
Leuten«  suppeditirt  werden  können,  und  dass  seine  Partei  sich  nachher 
ganz  entschieden  monarchisch  gerirt,  ist  doch  nicht  zu  bestreiten,  und 
dass  man  ihm  orientalische  Herrscherneigungen  zutraute,  sollte  doch  wohl 
durch  die  Spitznamen  Arabarches  etc.  auch  angedeutet  werden.  Nissen 
bestreitet  weiter,  dass  Cäsar  bei  dem  Bunde  von  Luca  nicht  verloren 
habe;  die  Gründe  die  er  anführt,  haben  ja  auch  einen  Schein  für  sich. 
Aber  es  wäre  doch  erst  zu  erweisen,  dass  1)  die  gallische  Armee  erst 
in  den  folgenden  Jahren  ihrem  Imperator  unbedingt  gehorchte  und 
2)  dass  im  Verhältnis  zu  der  Stärkung,  welche  Pompeius  und  Crassus 
erhielten,  die  Cäsar's  gleich  oder  mehrwertig  war.  Schlug  er  damals 
los,  so  waren  die  italienischen  Landstädte  an  den  Gedanken  des  Bürger- 
krieges und  an  die  Hoffnung  eines  Erfolges  noch  nicht  so  gewöhnt,  wie 
dies  durch  die  Machtstellung  des  Pompeius  und  seinen  Bund  mit  der 
Oligarchie  geschah,  Pompeius  hätte  so  gut  wie  keine  Bedeutung  in  die- 
sem Kampfe  gehabt,  und  die  anarchisch-demokratischen  Elemente  wären 
Cäsar  damals  so  sicher  gewesen,  wie  7  Jahre  später.  Vergleicht  man 
die  Stellung,  die  Pompeius  in  der  Entscheidungszeit  einnahm,  mit  dem 
Machtzuwachs,  den  Cäsar  erhalten  hat,  so  kann  man  den  letzteren  in 
der  Rechnung  getrost  als  einen  Verlust  auf  seiner  Seite  bezeichnen. 
Dass  Pompeius  eben  Pompeius  blieb,  kann  bei  dieser  Frage  nicht  in 
Betracht  kommen;  in  anderer  Hand  hätte  sich  Cäsar's  Rechenfehler  wohl 
schwer  gerächt. 

Am  Ende  des  ersten  Artikels  macht  der  Verfasser  der  bisherigen 
Forschung  den  Vorwurf,  sie  sei  bezüglich  der  That-  und  Rechtsfrage  vor 
allem  deshalb  nicht  zur  Klarheit  gelangt,  weil  sie  den  Wert  der  Quellen 
unterschätzt  und  scheinbare  Widersprüche  auf  gewaltsamere  Weise  gelöst 
habe,  als  eine  methodische  Kritik  gutheissen  dürfe.  Im  zweiten  Artikel 
wird  zunächst  diese  Quellenfrage  erörtert.  Die  Correspoudenz  Cicero's 
allein  ermöglicht  eine  genaue  Datirung  der  Begobcnhciten;  die  Mehrzahl 
der  Briefe  sind  Stimmungsbilder  eines  zwischen  den  Parteion  stehenden 
Staatsmannes,  welche  die  Mittel  gewähren  Cäsar's  Darstellung  auf  ihre 
Zuverlässigkeit  zu  prüfen;  einzelne  Briefe  haben  den  Wert  von  Akten- 
stücken. Bei  Cäsar's  Darstellung  muss  man  festhalten,  dass  die  Alten 
die  heute  geforderte  Objectivität  nicht  zu  beobachten   pflegen    und  dass 


322  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

die  Denkwürdigkeiten  nicht  Geschichte,  sondern  nur  Material  für  die 
Geschichte  sein  sollen.  Seine  Behauptung,  dass  er  in  gorechter  Notwehr 
für  die  eigene  und  die  Freiheit  des  ganzen  Volkes  die  Waffen  ergriffen 
habe,  wird  von  der  antiken  Geschichtsschreibung  einstimmig  bestritten; 
wenn  man  die  Vertreter  derselben  als  unglaubwürdig  verwirft,  so  hat 
dies  Verfahren  keine  Berechtigung;  wenn  uns  in  Cäsar's  Denkwürdigkeiten 
lediglich  eine  Parteischrift  vorliegt,  so  geben  die  Geschichtsschreiber  das 
Urteil,  welches  nach  Anhörung  beider  Parteien  gefällt  ist.  Zwei  Haupt- 
quellen liegen  denselben  zu  Grunde,  Asinius  Pollio  (Appian  und  Plutarch), 
der  gemässigt  cäsarianischen  Standpunkt  vertrat,  und  Livius,  der  Pom- 
peianer,  von  dem  die  Epitomatoren  Florus,  Eutrop,  Orosius  spärliche 
Reste  bewahren;  Livius'  Darstellung  hat  auf  die  historische  Auffassung 
der  Kaiserzeit  bedeutenden  Eiufluss  geübt;  einzelnes  Brauchbare  liefert 
Velleius,  anderweitig  bekanntes  kann  Lucan  bestätigen ;  der  Sammelfieiss 
des  Sueton  hat  wertvolles  und  wertloses  neben  einander;  Dio  bietet  viel- 
leicht eine  Verschmelzung  von  Livius  und  Cäsar.  So  hat  diese  tertiäre 
Ueberlieferung  einen  bedeutenden  Wert  und  bietet  allerwärts  Trümmer 
von  Berichten,  welche  mit  den  authentischen  Angaben  Cicero's  überein- 
stimmen und  helles  Licht  über  die  Vorgänge  verbreiten. 

Die  Alten  datiren  den  Bürgerkrieg  vom  17.  März  49  und  lassen 
ihn  beendigt  werden  nach  4  Jahren  durch  die  Schlacht  bei  Munda;  vor 
dem  17.  März  49  gehören  die  Ereignisse  unter  den  Begriff  des  tumultus. 
Im  Sinne  der  Optimalen  wird  ungefähr  der  9.  Januar  als  Anfang  ange- 
sehen worden  sein,  wo  das  decretum  tumultus  erfolgte,  oder  der  11.  Ja- 
nuar, an  welchem  Tage  Cäsar  Ariminum  überfiel.  Aber  von  Cäsar's 
Standpunkt  konnte  der  Anfang  früher  gesetzt  werden;  er  hat  später  offi- 
ciell  die  Vertreibung  der  Tribunen  am  7.  Januar  als  definitiven  Bruch 
betrachtet,  in  seinen  Denkwürdigkeiten  verlegt  er  dagegen  den  Kriegs- 
zustand um  einige  Wochen  zurück,  d.  h.  auf  den  3.  oder  4.  December  50, 
an  welchem  Tage  der  Consul  Marcellus  dem  Pompeius  ein  Schwert  über- 
reichte und  den  Oberbefehl  anbot. 

Die  Statthalterschaft  Cäsar's  beruhte  ursprünglich  auf  doppeltem 
Rechtstitel;  durch  lex  Vatinia  war  ihm  Gallia  Cisalpina  sowie  Illyricum 
auf  5  Jahre  verliehen  (l.  März  59  —  54);  nach  diesem  revolutionären  Vor- 
gange hatte  der  Senat  nachträglich  auf  ordnungsmässigem  Wege  Cäsar 
Gallia  Narbonensis  übertragen,  wahrscheinlich  vom  1.  Januar  58  ab;  da 
hier  eine  Frist  nicht  bestimmt  war,  so  konnte  der  Senat,  ehe  die  lex 
Pompeia  Licinia  55  erlassen  war,  sie  jederzeit  einem  Nachfolger  über- 
tragen. Durch  letztere  wurden  alle  drei  Provinzen  Cäsar  bis  zum  letz- 
ten Februar  49  garantirt  und  ausdrücklich  untersagt,  vor  I.März  50 
Cäsar  einen  Nachfolger  für  dieselben  zu  bestellen.  Pompeius  hat,  trotz 
wiederholter  Versuche  der  Optimalen,  sich  nicht  bewegen  lassen,  dies 
Gesetz  anzutasten.  Der  Process  spielt  sich  zwischen  vier  Parteien  ab, 
der  friedlichen  Majorität,  den  konservativen  Ultras  und  den  beiden  Macht- 


Die  Revolution.  323 

habern;  dabei  müssen  die  Verhandlungen  im  Senate  von  den  auf  priva- 
tem Wege  geführten  streng  geschieden  werden ;  ein  unversöhnlicher  Ge- 
gensatz bestand  nur  zwischen  Cäsar  und  den  gesinnungstüchtigen  Opti- 
malen, mit  Cato  an  der  Spitze;  die  Verhältnisse  der  übrigen  Gruppen 
verschieben  sich  beständig;  Pompeius  hätte  den  Ausschlag  geben  müssen, 
aber  seine  Haltung  litt  an  inueren  Widersprüchen,  in  Folge  deren  zwi- 
schen ihm  und  seinen  Verbündeten  kein  Vertrauen  herrschte.  Schon 
Anfang  52  drohte  der  Ausbruch  des  Bürgerkrieges ;  Pompeius  strebte 
nach  der  Dictatur;  die  Cäsarianer  forderten  für  beide  Gewalthaber  das 
Consulat  und  wollten  die  Militärmacht  von  Gallien  und  Spanien  mit  der 
höchsten  Magistratur  kumuliren;  die  Bewilligung  dieser  Forderung  hätte 
Cäsar  bei  seiner  Stellung  zu  Ober-Italien  zum  Herrn  des  Staates  gemacht, 
und  um  sie  abzuwenden  schloss  Pompeius  mit  der  Nobilität  ab.  Aber 
die  Vermittler,  unter  denen  wahrscheinlich  Cicero  war,  konnten  den 
drohenden  Conflict  leicht  beseitigen,  da  Cäsar  von  seiner  Armee  durch 
den  Aufstand  des  Vercingetorix  abgeschnitten  war;  etwa  im  März  52 
brachte  das  ganze  Tribunen-Collegium  mit  Unterstützung  des  Pompeius 
ein  Plebiscit  durch,  das  Cäsar  erlaubte  im  Jahre  49  ohne  persönliche 
Meldung  sich  um  das  Consulat  zu  bewerben;  damit  war  nach  bisheriger 
Observanz  eine  Verlängerung  der  Statthalterschaft  bis  zum  letzten  De- 
cember  49  stillschweigend  verbunden.  Dieses  Zugeständnis  war  voreilig 
und  überflüssig  gewesen,  da  Cäsar's  ganze  Kraft  durch  die  Bewältigung 
Gallien's  auf  lange  Zeit  in  Anspruch  genommen  war;  es  war  aber  auch 
gefährlich:  denn  wenn  ihm  Heer  und  Provinzen  bis  zum  Antritt  des  Con- 
sulats  blieben,  wer  wollte  ihn  nach  dem  Antritt  zur  Abgabe  derselben 
zwingen?  Das  Bestreben  der  Nobilität  war  nur  darauf  gerichtet  die  Zu- 
kunft vor  ihm  zu  sichern,  indem  sie  Pompeius  die  spanischen  Provinzen 
auf  weitere  5  Jahre  (bis  45)  verlieh  und  der  Senat  jährlich  1000  Talente 
zur  Besoldung  der  dortigen  Legionen  bewilligte.  Gegen  Cäsar  wurden 
jetzt  zwei  Gesetze  gerichtet:  1)  dass  die  Consuln  und  Prätoren  erst 
5  Jahre  nach  Ablauf  ihres  Amtes  Provinzen  übernehmen  sollten,  womit 
man  die  Möglichkeit  gewann,  einen  der  älteren  Consulare  als  Nachfolger 
für  die  gallischen  Provinzen  zum  I.März  zu  bestellen;  2)  Erneuerung 
des  Verbotes  sich  abwesend  um  ein  Amt  zu  bewerben.  Pompeius  fügte 
auf  die  Beschwerden  der  Caesarianer  eigenmächtig  eine  —  aber  deshalb 
rechtlich  null  und  nichtige  -  Clausel  hinzu,  welche  den  Cäsar  erteilten 
Dispens  und  ähnliche  Dispense  als  zulässig  anerkannte. 

Cäsar  suchte  unermüdlich  den  Pompeius  von  den  Optimaton  zu 
trennen;  im  Jahre  51  stellte  er  an  den  Senat  das  Verlangen,  ihm  die 
Statthalterschaft  bis  Ende  49  für  seine  drei  Provinzen  oder  wenigstens 
für  Oberitalien  und  Illyricum  zu  verlängern,  wurde  aber  abgewiesen ;  er 
konnte  nun  die  Intcrcession  zur  Hemmung  der  Ernennung  eines  Nach- 
folgers benützen,  und  wenn  der  Senat  dieselbe  etwa  durch  Erklärung 
des  Belagerungszustandes  beseitigte,   als  Schützer  der  römischen  Volks- 


324  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

rechte  den  Kampf  beginnen;  die  Majorität  des  Senats  war  deshalb  unter 
keinen  Umständen  zu  entscheidenden  Entschlüssen  zu  bewegen.  Aber 
auch  Pompeius  wirkte  liemmend,  zunächst  in  Folge  einer  Krankeit,  so- 
dann weil  er  Cäsar  nicht  den  Optimaten  preisgeben  wollte  und  einzig 
den  Wunsch  hegte,  an  die  Spitze  einer  Armee,  Mai  51  in  Spanien,  Ende 
des  Jahres  gegen  die  Partlicr,  zu  treten.  Aber  die  Nobilität  Hess  ihn 
nicht  fort;  so  musste  er  endlich  Farbe  bekennen  und  die  erste  Stellung 
im  Staate,  die  er  als  sein  Recht  in  Anspruch  nahm,  gegen  einen  Stär- 
keren verteidigen. 

Der  Consul  von  51,  M.  Marcellus,  spornte  zu  entscheidenden  Be- 
schlüssen, aber  umsonst,  der  Antrag  von  Marcellus-Cato,  die  Statthalter- 
schaft Cäsai-'s  am  1.  März  49  als  erloschen  zu  erklären,  fiel  durch  und  der 
Beschluss  über  die  gallische  Nachfolge  ward  bis  1.  März  50  vertagt. 
Unter  den  Beamten  des  Jahres  50  war  der  Tribun  Curio  der  gewand- 
teste Vertreter  Cäsar's;  indem  er  sein  Tribunat  als  eifriger  Republikaner 
und  Gegner  Cäsar's  begann,  erlangte  er  dadurch  die  Möglichkeit,  auch 
die  Usurpationen  des  Pompeius  anzugreifen  und  bis  zuletzt  Freiheit  und 
Republik  gegen  das  Imperium  zu  verteidigen.  Im  April  .50  eröffnete 
der  Consul  C.  Marcellus  den  Angriff,  indem  er  die  Nachfolge  in  Gallien 
auf  die  Tagesordnung  setzte.  Die  Majorität  und  Pompeius  waren  bereit, 
die  Verlängerung  bis  zum  13.  November  49  zu  bewilligen.  Aber  Curio 
verlangte,  dass  beide  Machthaber  die  Provinzen  niederlegten.  Pompeius 
wurde  krank,  Curio  hemmte  durch  seine  Einsprache  jede  Beschlussfas- 
sung und  gegen  ihn  Anfang  Juni  beantragte  Zwangsmassregeln  wurden 
mit  grosser  Mehrheit  verworfen.  Jetzt  erklärte  sich  Pompeius  zur  Ab- 
dankung mit  Cäsar  bereit,  Curio  nahm  ihn  beim  Wort  und  stellte  den 
Antrag,  beide  Machthaber  bis  zu  einem  gewissen  Terrain  zur  Abdankung 
zu  zwingen,  andererseits  sie  mit  der  Acht  zu  bedrohen  und  ein  Heer 
gegen  sie  zu  rüsten.  Wäre  der  Antrag  angenommen  worden,  so  hätte 
er  Pompeius  zum  Anschluss  an  seinen  Nebenbuhler  genötigt.  Er  wurde 
jedoch  abgelehnt,  erschwerte  aber  auch  so  die  Verständigung  zwischen 
Pompeius  und  dem  Senate.  So  schien  auch  dieses  Jahr  resultatlos  zu 
verstreichen,  es  kam  alles  auf  die  Wahlen  für  das  nächste  Jahr  an,  bei 
denen  die  Cäsarianer  nur  zwei  Tribunen  durchsetzten.  Anfang  Oktober 
oder  Ende  September  kehrte  Cäsar  nach  Ober-Italien  zurück,  wo  er 
eine  begeisterte  Aufnahme  fand,  doch  schien  zunächst  die  Situation  hier- 
durch nicht  verschlimmert,  da  Curio  seine  Intercession  gegen  Soldbewil- 
ligung für  Pompeius'  Truppen  zurückzog  (Ende  September)  und  Cäsar 
eine  Legion  gegen  die  Parther,  gemäss  einem  Senatsbeschlusse,  stellte, 
bezw.  sich  um  zwei  Legionen  (1  und  15)  schwächte.  Aber  das  einzige, 
was  helfen  hätte  können,  wenn  nämlich  Pompeius  oder  Cäsar  den  Par- 
therkrieg erhalten  hätte,  geschah  nicht;  so  dauerten  die  Unterhand- 
lungen mit  Cäsar  resultatlos  fort.  Die  beiden  cäsarischen  Legionen,  die 
nicht  vor  Mitte  November  in  Rom  eintrafen,   erhielten  in  Capua  Befehl 


Die  Revolution.  325 

stehen  zu  bleiben,  zugleich  knüpften  die  Optimaten  mit  T.  Labienus 
Unterhandlungen  an.  Der  Consul  Marcellus  beantragte,  Caesar  in  die 
Acht  zu  erklären,  falls  er  nicht  bis  zu  eineni  bestimmten  Termin  die 
Waffen  niederlege;  Curio  brachte  den  Antrag  ein,  dass  beide  Gewalt- 
haber das  Imperium  niederlegen  sollten  und  erhielt  370  Stimmen  für, 
nur  22  gegen  denselben.  Auch  ein  Antrag  des  Consuls  eventl.  Zwangs- 
massregeln gegen  den  Tribunen  wegen  seiner  Einsprache  gegen  den  Be- 
schluss  über  Cäsar's  Nachfolge  zu  verhängen,  fand  keine  Majorität.  Auf 
ein  falsches  Gerücht,  dass  Caesar  im  Anmarsch  begriffen  sei,  beantragte 
Marcellus,  etwa  4.  December,  den  Kriegszustand  zu  verhängen  und  Pom- 
peius  den  Befehl  über  die  beiden  Legionen  in  Capua  zu  übertragen, 
auch  weitere  Rüstungen  zu  veranstalten.  Als  Curio  die  Grundlosigkeit 
des  Geredes  nachwies,  kam  es  zu  keinem  Beschluss,  der  Consul  aber 
begab  sich  zu  Pompeius  und  übertrug  ihm  eigenmächtig  das  Truppen- 
commando  und  die  Befugnis  zu  weiteren  Rüstungen.  Da  Pompeius  den 
Auftrag  annahm,  so  war  damit  der  Bruch  mit  Caesar  vollzogen;  Cäsar 
bezeichnet  den  Schritt  als  Ursache  des  Krieges.  Aber  die  öffentliche 
Stimmung  wollte  den  Frieden,  die  Tribunen  verboten  die  Aushebung, 
Geld  war  auch  nicht  zur  Verfügung  der  Optimaten.  So  ging  Pompeius 
von  Rom  weg,  wohin  er  erst  am  28.  oder  29.  Dezember  zurückkehrte. 
Schon  am  10.  December  hatte  er  Cicero  gegenüber  den  Krieg  für  sicher 
erklärt,  gleich  nachher  übernahm  er  die  beiden  Legionen  zu  Luceria 
und  am  25.  December  wollte  er  sogar  Cäsar  nicht  mehr  das  Consulat 
nach  seiner  Statthalterschaft  zugestehen ,  was  diesem  doch  nach  Recht 
und  Verfassung  zustand;  er  hatte  sich  in  den  Kopf  gesetzt,  Dictator  zu 
werden  und  den  Krieg  in  die  Provinzen  zu  verlegen,  wo  er  sich  um  Ver- 
fassung und  Tribunen  nicht  zu  kümmern  brauche. 

Cäsar  erfuhr  die  Vorgänge  vom  3.  oder  4.  December  etwa  am  10.; 
er  wurde  dadurch  überrascht,  da  er  keine  ausreichenden  Truppen  zur 
Verfügung  hatte.  Noch  jenseit  Placentia  traf  er  mit  Curio  zusammen, 
der  die  sofortige  Sammlang  des  Heeres  und  den  Marsch  auf  Rom  riet. 
Die  Zeit,  welche  zur  Sammlung  nötig  war,  wurde  zu  Unterhandlungen 
bestimmt,  und  Cäsar  sandte  ein  Ultimatum  an  den  Senat,  das  einer 
seiner  Generale  Gaius  Fabius  überbrachte.  Curio  begleitete  ihn;  Cäsar 
wollte  in  Ravenna  die  Antwort  erwarten.  Der  Senat,  der  bisher  ge- 
schwankt hatte,  sah  sich  jetzt  vor  die  Walil  gestellt,  entweder  sich  mit 
dem  einen  der  Machthaber  gegen  den  andern  zu  verbünden  oder  den 
Kampf  gegen  beide,  d.  h.  gegen  die  ganze  Militärmacht  des  Reiches  zu 
bestehen.  Um  den  Janhagel  im  Schach  zu  halten,  füllten  Veteranen 
des  Pompeius  die  Strassen.  Die  Consuln  C.  Marcellus  und  L.  Lentulus 
weigerten  sich  (I.Januar),  das  Schreiben  Cäsar's  lesen  zu  lassen;  aber 
schliesslich  konnte  es  M.  Antonius  doch  vorlesen.  Cäsar  erbot  sich,  sein 
Heer  aufzulösen,  seine  Provinzen  abzugeben  und  Rechenschaft  abzulegen, 
wenn  Pompeius  das  Gleiche  tliue;  für  den   Fall   der  Ablehnung  drohte 


326  Römische  Geschichte  und  Chronologip. 

er  mit  Selbsthülfe  und  Gewalt.  Die  Consuln  gestatteten  keine  Beratung 
über  dasselbe,  sondern  referirten  de  re  publica.  Nach  längerer  Debatte 
liess  der  Consul  nur  über  zwei  Fragen  abstimmen;  die  erste  »Soll  Pom- 
peius  sein  Imperium  niederlegen?«  wurde  einstimmig  verneint;  die  zweite 
»Handelt  Cäsar  als  Feind,  wenn  er  sein  Heer  bis  zum  1.  Juli  nicht  ent- 
lässt?«  wurde  mit  allen  gegen  zwei  Stimmen  bejaht.  Antonius  und  Cas- 
sius  intercedirten,  die  Sitzung  schloss  ohne  Resultat.  Abends  versam- 
melte Pompeius  alle  Senatoren  und  spornte  sie  zur  Energie.  Am  2.  Ja- 
nuar wurden  die  Verhandlungen  forlgesetzt;  der  Senat  hatte  das  Ulti- 
matum Cäsar's  ohne  Umschweife  abgelehnt.  Ob  Cäsar  dabei  um  ein  for- 
males Recht  betrogen  wurde,  lässt  sich  nicht  mehr  sicher  entscheiden; 
mit  der  Annahme,  da=:s  Cäsar  einen  gültigen  Anspruch  auf  die  Statt- 
halterschaft des  ganzen  Jahres  49  gehabt  habe,  ist  die  Thatsache  un- 
vereinbar, dass  am  1.  Januar  nur  zwei  Leute  wie  Curio  und  Caelius 
Rufus  denselben  anerkannten.  Aber  mit  dem  Inhalt  der  F,orderungen 
war  er  einverstanden,  denn  Antonius  fand  lauten  Beifall  für  seinen  An- 
trag, dass  beide  Machthaber  ihre  Heere  entlassen  sollten;  der  Vorsitzende 
liess  jedoch  nicht  abstimmen.  Die  Mehrheit  suchte  Zeit  zu  gewinnen, 
beantragte  Frist,  Gesandtschaft  etc.,  aber  sie  setzte  nichts  durch,  da  die 
Fragestellung  ausschliesslich  vom  Vorsitzenden  abhing;  aber  von  einer 
Massregeluttg  der  Tribunen  wollte  sie  auch  jetzt  nichts  wissen.  Am 
5.  Januar  trat  der  Senat  von  neuem  zusammen,  jetzt  wurde  der  Antrag 
angenommen,  Trauer  anzulegen.  Noch  einmal  schien  es,  als  ob  der  Con- 
flict  im  letzten  Augenblicke  verhindert  werden  könnte.  Cäsar  schickte 
neue  Vorschläge,  in  denen  er  nur  darauf  bestand,  dass  Pompeius  nach  Spa- 
nien abginge  und  das  Privilegium  von  52  bis  zum  Antritt  des  Consulats 
festhielt,  aber  sofort  das  ganze  Heer  bis  auf  zwei  Legionen  entlassen, 
das  jenseitige  Gallien  räumen  und  sich  auf  Oberitalien  und  Illyricura 
beschränken  wollte.  Cicero  bewog  Cäsar's  Vertrauensmänner  sogar  noch 
zum  Verzicht  auf  eine  weitere  Legion  und  auf  Oberitalien;  Pompeius 
war  ebenfalls  bereit,  auf  diese  Bedingungen  einzugehen,  lehnte  aber  auf 
den  V^Mderspruch  des  Consuls  Lentulus  und  die  Vorstellungen  Cato's  sie 
ab.  Unter  dem  Eindruck  dieser  Verhandlungen  versammelte  sich  der 
Senat  am  7.  Januar;  jedermann  war  eindringlich  zu  Gemüte  geführt  worden, 
dass  eine  Aussöhnung  der  Machthaber  nicht  nur  im  Bereich  des  Möglichen 
läge,  sondern  mit  Sicherheit  zu  erwarten  wäre.  So  wurde  der  Endtermin 
von  Cäsar's  Statthalterschaft  auf  den  1.  Juli  festgesetzt,  Ungehorsam  mit 
Acht  und  Krieg  bedroht.  Aber  dieser  Beschluss  konnte  durch  den  Ein- 
spruch der  Tribunen  nicht  auf  legalem  Wege  perfect  werden;  da  wurde 
gegen  Abend  der  Antrag  gestellt,  den  Staat  in  Gefahr  zu  erklären.  Der 
Vorsitzende  gab  den  Tribunen  den  Rat,  vor  der  Abstimmung  den  Saal 
zu  räumen;  Antonius  protestirte,  verliess  aber  mit  Cassius,  Curio  und 
Cälius  den  Senat.  Jetzt  wurde  der  Beschluss  gefasst,  dass  die  Magistrate 
und  die  vor  der  Stadt  befindlichen  Proconsuln  für  die  Sicherheit  des  Ge- 


Die  Revolution.  327 

meinwesens  sorgen  sollten;  die  Ausgestossenen  fubren  eiligst  nachts  zu 
Cäsar.  Dieser  Beschhiss  lief  nicht,  wie  Cäsar  behauptet,  der  Verfassung 
zuwider,  wie  die  Vorgänge  von  52  und  63  zeigen,  die  Cäsar  nicht  für 
verfassungswidrig  gehalten  hat;  der  Senat  bewegte  sich  dabei  durchaus 
innerhalb  seiner  verfassungsmässigen  Competenz.  Das  SC.  ultimum  ist 
keine  Polizeiraassregel  noch  eine  Proclamation  des  Bürgerkriegs,  sondern 
eine  höchste  Anspannung  aller  Kräfte,  um  derartige  Gefahren  zu  be- 
schwören; es  bedeutete  die  Suspension  der  wichtigsten  Volksrechte, 
wobei  sich  der  Senat  als  Wohlfahrtsausschuss  konstituirt,  der  seine  höchste 
Gewalt  an  Magistrate  und  Privatpersonen  mandirt.  Diese  können  von  der 
Gewalt  Gebrauch  machen  oder  nicht;  immer  stehen  sie  unter  dem  Ober- 
aufsichtsrechte des  Senats,  der  auch  ihnen  wegen  Nichterfüllung  ihrer 
Pflicht  den  Process  machen  kann.  Auch  das  decretnm  tumultus  wurde  jetzt 
erlassen,  der  Tumult  über  die  ganze  Halbinsel  erstreckt,  130  000  Mann 
=  26  Legionen  sollten  ausgehoben  werden,  die  Gelder  wurden  auf  den 
Staatsschatz  angewiesen,  bei  Tempeln  und  Municipien  Zwangsanlehen 
gemacht,  Statthalter  für  die  Provinzen  ernannt,  Italien  in  Kreise  geteilt 
und  an  die  Spitze  .jedes  Kreises  ein  mit  Imperium  versehener  Beamter 
gestellt.  Aber  zugleich  lähmte  man  diese  Massregeln,  indem  man  die 
Errichtung  von  mindestens  vier  selbständigen  Commandos  ins  Auge  fasste. 
Trotz  dieser  Beschlüsse  gingen  die  Unterhandlungen  zwischen  Senat, 
Pompeius  und  Cäsar  weiter.  Cicero  bemühte  sich  nach  Kräften  einen 
Bruch  zu  vermeiden. 

Die  entscheidende  Nachricht  von  den  Vorgängen  am  7.  Januar 
langte  bei  Cäsar  am  10.  an;  abdanken  wollte  er  nicht,  dem  Pompeius  sich 
unterordnen  wollte  er  auch  nicht,  so  durfte  er  auch  nicht  zaudern.  Blieb 
der  Regierung  Zeit,  die  Streitmacht  des  Reiches  zu  organisiren,  so  war 
er  verloren ;  sie  beherrschte  das  Meer,  Massilia  und  Gall.  Narbon.  standen 
zu  ihr;  die  spanischen  Legionen  hinter,  das  Aufgebot  Italiens  vor  sich, 
lief  Cäsar  Gefahr  erdrückt  zu  werden.  Wenn  er  dazu  noch  geächtet 
war,  wer  bürgte  für  die  Treue  von  Offizieren  und  Soldaten?  Mit  fünf 
Cohorten  begann  er  den  Kampf,  indem  er  die  beiden  Festungen,  welche 
die  Strassen  nach  Rom  deckten,  Ariminum  und  Arretium,  rasch  besetzte. 
Voll  Angst  floh  die  Landbevölkerung  nach  Rom,  hier  noch  die  Verwir- 
rung vergrössernd.  Am  17.  Januar  erklärte  Pompeius  dem  Senate,  dass 
Rom  nicht  zu  halten  sei;  er  erntete  die  verdienten  Vorwürfe,  wieder 
wurden  neue  Unterhandlungen  gefordert;  aber  er  setzte  doch  deren  Ver- 
werfung durch.  Cato  erkannte,  dass  jetzt  nur  eiu  Mittel  zu  helfen  übrig 
sei  und  beantragte  die  Dictatur;  aber  er  drang  nicht  durch,  die  Viel- 
köpfigkeit des  Oberbefehls  blieb  auch  jetzt  bestehen.  Der  Senat  be- 
schloss  ein  Justitium  d.  h.  Sistirung  des  ötl'ontlichen  Rcchtslebens;  alle 
Gerichte  wurden  geschlossen,  die  Staatskasse  leistete  keine  Zahlungen, 
den  Beamten,  welche  Rom  nicht  verlassen  durften,  wurde  die  besondere 
Erlaubnis  dazu  erteilt:  den  Bürgern  wurde  verboten,  das  Friedenskleid 


328  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

der  Toga  zu  tragen.  Am  Abend  verliess  Pouiiteius  Rom,  am  andern 
Morgen  folgten  ihm  Consuln  und  Magistrate  mit  der  Mehrheit  des  Senats. 
Der  Auszug  bedeutete  nichts  weniger  als  die  förmliche  Abdankung  des 
Senats,  das  Ende  des  bisherigen  Regiments. 

Aber  die  Rüstungen  entsprachen  nicht  dieacu  Schritten  und  Cäsar 
gestand  den  Abgesandten  des  Senats  und  des  Pompeius,  die  ihn  am 
14.  oder  15.  in  Ariminum  trafen,  alles  zu,  was  sie  verlangten,  und  die 
Majorität  klammerte  sich  an  diesen  Strohhalm.  Am  13.  Januar  verhan- 
delten die  Consuln  mit  Pompeius  in  Teanum  über  Cäsar's  Anträge.  In 
einem  Schreiben  wurde  ihm  der  Triumph  und  das  Consulat  garantirt 
und  eine  ordnungsmässige  Behandlung  der  Angelegenheit  durch  den  Senat 
in  Rom  versprochen,  wenn  er  die  widerrechtlich  occupirten  Städte  räume; 
eine  von  ihm  verlangte  Zusammenkunft  mit  Pompeius  wurde  abgelehnt. 
Da  die  Hauptsache,  Pompeius  von  der  Sache  des  Senats  zu  trennen,  so 
misslungen  war,  erliess  Cäsar  nach  Eintreffen  der  Autwort,  Ende  Januar, 
ein  Manifest  an  die  italische  Bevölkerung,  und  der  zweite  Act  des  tu- 
multus  begann.  Pompeius  erklärte,  nach  Picenuni  vorrücken  zu  wollen; 
in  Folge  dessen  concentrirte  Cäsar  seine  Truppen  auf  der  Ostseite  des 
Apennin  und  sprengte  durch  Besetzung  von  Auximum  die  feindlichen 
Truppen  auseinander;  als  die  12.  Legion  eintraf,  war  schon  (4.  Februar) 
Picenura  für  Pompeius  verloren.  Letzterer  begnügte  sich,  die  Rückzugs- 
linie nach  ßrundisiuni  zu  besetzen.  Die  spanische  Armee  hat,  wie  es 
scheint,  keinen  Versuch  gemacht,  Cäsar  im  Rücken  zu  bedrohen.  Hätte 
Pompeius  in  der  Mitte  der  Halbinsel  eine  befestigte  Stellung  eingenom- 
men, so  hätte  sich  um  ihn  eine  imposante  Streimacht  concentrirt;  denn 
selbst  nach  den  Niederlagen  im  Picenischen  zählte  das  Aufgebot  der 
Republikaner  noch  mindestens  30  000  Mann.  Von  einem  Verrat  des  Pom- 
peius darf  man  nicht  reden,  aber  in  der  Sache  kam  sein  Benehmen  auf 
dasselbe  hinaus.  Er  hatte  den  Senat  schmählich  getäuscht;  denn  dieser 
hatte  nicht  an  die  Räumung  von  Italien  gedacht.  Am  7.  Februar  for- 
derte ein  Abgesandter  des  Pompeius  bei  den  Consuln  in  Capua  die  Leerung 
des  Staatsschatzes  in  Rom.  Da  man  argwöhnte,  dass  die  beiden  Macht- 
haber unter  einer  Decke  steckten,  so  machte  man  die  Gewährung  seines 
Verlangens  von  seinem  Vorrücken  abhängig.  Der  Befehlshaber  in  den 
Abruzzen  suchte  Pompeius  zum  Schlagen  zu  zwingen,  indem  er  mit 
30  Cohorten  Stand  zu  halten  beschloss.  Aber  Pompeius  verweigerte  die 
erbetene  Hilfe  und  zog  sich  eiligst  nach  Brundisium  zurück.  Auf  die 
Kunde  hiervon  kapitulirte  Domitius  am  21.  Februar.  Die  anderen  Heer- 
haufen der  Republikaner  wurden  getrennt  aus  einander  gejagt.  Pom- 
peius, dem  man  die  Dictatur  verweigert  hatte,  nötigte  durch  die  Logik 
der  Thatsachen  alle,  welche  sich  nicht  auf  die  Seite  des  Gegners  schlagen 
wollten,  in  seinem  Lager  Schutz  zu  suchen.  Am  9.  März  eröffnete  Cäsar 
die  Belagerung  von  Brundisium;  war  aber  bisher  der  Feind  wesentlich 
durch  Marschiren  überwunden  worden,  so  zeigte   die  glänzende  Vertei- 


Die  Revolution.  329 

diguDg  dieses  Platzes,  dass  der  wahre  Feind  so  leicht  nicht  zu  über- 
wältigen sein  würde.  Am  17.  März  stach  Pompeius  mit  seinen  Truppen 
in  See,  der  Tumultus  war  zu  Ende,  der  Krieg  begann. 

Die  Aufsätze,  namentlich  der  zweite,  sind  reich  an  scharfsinnigen 
Combinationen  und  für  die  Kenntnis  der  geschilderten  Verhältnisse  ein 
wertvoller  Beitrag.  P'reilich  darf  auch  hier  nicht  alles  als  erwiesen  an- 
gesehen werden.  Durchgängig  herrscht  in  der  Beurteilung  des  Pompeius 
ein  sichtbares  Bestreben,  demselben  jede  mala  fides  in  der  ersten  Zeit 
abzusprechen.  Wir  haben  oben  schon  ein  solches  Verhalten  hervorge- 
hoben; ähnliches  zeigt  sich  in  der  Beurteilung  des  Gesetzes  gegen  die 
Bewerbung  in  absentia;  ich  meine,  es  ist  doch  schwerlich  durch  die  Tra- 
dition zu  rechtfertigen,  dem  Pompeius  so  wenig  staatsrechtliche  Kenntnis 
und  so  wenig  Nachdenken  zuzutrauen,  dass  er  nicht  gewusst  haben  sollte, 
dass  die  von  ihm  eigenmächtig  zugefügte  Klausel,  welche  den  Cäsar  er- 
teilten Dispens  anerkannte,  rechtlich  unwirksam  war;  und  wenn  er  dies 
nicht  selbst  gesehen  haben  sollte,  so  würden  es  ihm  doch  »die  klügeren 
Leute,  denen  er  bei  der  ganzen  Gesetzmacherei  als  Organ  diente«,  wohl 
gesagt,  bezw.  die  Gegner,  unter  denen  so  gescheute  Leute  wie  Curio 
waren,  ihn  darauf  aufmerksam  gemacht  haben.  Ebenso  scheint  mir  die 
Vermittelungsrolle  des  Cicero  nicht  so  bedeutend  gewesen  zu  sein,  wie 
sie  von  Nissen  durchgängig  geschildert  wird.  Die  Sendung  des  Gaius 
Fabius  nach  Rom  ist  eine  bestechende  Combination,  aber  doch  nur  eine 
Combination,  die  sogar  auf  schwachen  Füssen  steht;  denn  es  ist  nicht 
wahrscheinlich,  dass  Cäsar,  der  ja  wenigstens  bis  zuletzt  so  that,  als  ob 
er  Alles  aufbiete,  den  Frieden  zu  erhalten,  einen  seiner  »Marschälle«  nach 
Rom  gesandt  hat,  abgesehen  davon,  dass  Appian  und  Dio  von  demselben 
nichts  wissen. 

A.  Dumeril,  Les  preliminaires  de  la  seconde  guerre  civile  a  Rome. 
Extrait  des  Memoires  de  l'Academie  des  sciences  inscriptions  et  belles- 
lettres  ä  Toulouse. 

Der  Verfasser  beabsichtigt  eine  Ehrenrettung  des  Pompeius  und 
wählt  dazu  die  Zeit  von  seinem  dritten  Consulat  bis  zur  Aufgebung  Ita- 
liens. Den  Stoff  sollen  ihm  die  Commentarien  Cäsar's  und  die  Briefe 
Cicero's  liefern.  Erstere  werden  zuerst  nach  ihren  Vorzügen  besprochen; 
diese  treten  aber  gänzlich  zurück  vor  den  tiefen  Schattenseiten;  Neues 
bietet  die  Untersuchung  nicht,  ilir  Resultat  gipfelt  in  den  Worten:  »Dans 
les  commentaires  le  naturel  du  style,  la  justesse  d'une  foule  d'obscrva- 
tions,  la  description  parfaite  des  lieux,  tous  les  dehors  de  la  vöritö 
cachent  une  oeuvre  de  combat,  d'artifice  et  de  mensonge«.  Die  Briefe 
Cicero's  sind  ebenfalls  für  Pompeius  nur  nachteilig,  weil  ihr  Verfasser 
den  Schrei  seines  Gewissens  betäuben  wollte  durch  die  Vorwürfe,  die 
er  auf  jenen  schleuderte;  verletzte  Eitelkeit  spricht  aus  jeder  Zeile; 
doch   bieten  andere  Stellen  das  Correctiv.    Aber  gewöhnlich  legt  man 

Jahresbericht  für  Alterthumswisseiisch.-ift  XXVUI.    (1881.  111.;  22 


330  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

den  letzteren  einen  Sinn  nnter,  den  sie  nicht  haben.  So  hat  sich  der 
Verfasser  das  Material  zurechtgelegt,  mit  dem  er  die  Rettung  seines 
Helden  versuchen  will;  das  Verfahren  besteht  natürlich  darin,  dass  hin- 
ter allem,  was  wir  bei  Cäsar  oder  Cicero  lesen,  so  ziemlich  das  Gegen- 
teil als  Wirklichkeit  combinirt  wird. 

Die  Massregelu,  die  Pomi^eius  in  seinem  dritten  Consulate  traf, 
verletzten  zum  Teile  die  Aristokratie,  wurden  auch  teilweise  durch  sein 
eigenes  Verhalten  dementirt,  aber  sie  gaben  Rom  die  Ruhe  und  Sicher- 
heit, welche  es  seit  lange  entbehrt  hatte;  weder  eine  Säbelherrschaft 
noch  ungerechte  Begünstigung  der  Soldaten  fand  statt;  letztere  hat  erst 
Cäsar  eingeführt  und  dadurch  seinen  Nebenbuhler  depossedirt.  Als  Pora- 
peius  die  Sicherheit  hergestellt  hatte,  legte  er  seine  ausserordentliche 
Gewalt  nieder,  die  verfassungsmässigen  Wahlen  fanden  statt.  Dass  Cato 
scheiterte,  lag  daran,  dass  er  sich  nicht  bewarb.  Der  Verfasser  bedauert, 
dass  '  ce  noble  esprit'  auch  künftig  jede  Bewerbung  aufgab,  er  ist  über- 
zeugt: il  eüt  peut-etre  empeche  les  malheurs  qui  suivirent'.  Bei  diesem 
Abschnitt  konnte  natürlich  Cäsar  so  gut  wie  garnicht,  Cicero  in  nur 
sehr  unbedeutender  Weise  benutzt  werden.  Im  folgenden  Abschnitte 
werden  die  verschiedeneu  Anläufe  dargelegt,  welche  gemacht  wurden, 
dem  Cäsar  Gallien  zu  entreissen;  Pompeius  ist  bei  denselben  vollkom- 
men unbeteiligt  und  schuldlos;  alle  Schuld  trifft  namentlich  Curio,  der 
durch  seine  lutriguen  Alles  durch  einander  brachte.  Durch  sein  wieder- 
holtes Verlangen,  dass  auch  Pompeius  Spanien  abgeben  sollte,  öffnete 
er  erst  dem  Senate  die  Augen,  dass  er  mit  gebundenen  Händen  Cäsar 
ausgeliefert  werden  sollte,  und  jetzt  wird  Cato  namentlich  der  Verfech- 
ter der  Idee,  Pompeius  zum  Schutzherru  der  Republik  zu  machen  und 
energisch  gegen  Cäsar  vorzugehen.  Aber  weder  Pompeius  noch  der 
Senat  treten  auf  seine  Seite.  Die  Zurückberufung  der  zwei  Legionen 
aus  Gallien  zum  parthischen  Kriege,  ihr  Verbleiben  in  Italien  ist  die 
harmloseste  und  natürlichste  Sache  von  der  Welt.  Insbesondere  kann 
Pompeius  keine  Schuld  dabei  treffen.  Schon  703  hatte  ihn  der  Senat 
aufgefordert,  die  Cäsar  ohne  Ermächtigung  des  Senats  abgetretene  Le- 
gion zurückzunehmen;  aber  Pompeius  hatte  sie  Cäsar  gelassen,  bis  jetzt 
Gallien  als  unterworfen  gelten  konnte.  Naiv  ist  der  Schluss  des  Ab- 
schnittes: »Si  le  commandemeut  en  fut  ensuite  donue  ä  Pompee  c'est  que 
les  affaires  se  compliquerent  et  que  le  bruit  du  passage  du  Rubicon  par 
Cesar  se  repandit  pr^maturement  ä  Rome,  comme  nous  le  dirons  tout 
ä  l'heure«. 

Eine  bedeutende  Rolle  in  dem  Plaidoyer  Dumerils  spielt  die  Ueber- 
tragung  des  Commandos  über  die  zwei  Legionen  an  Pompeius  Seitens 
des  Consuls  Marcellus,  den  der  Verfasser  bei  der  Verhandlung  über 
Cäsar's  Nachfolge  in  Gallien  besonders  unparteiisch  findet,  auf  die  fal- 
sche Nachricht  hin  von  Cäsar's  Einfall  in  Italien.  Es  ist  dies  eigentlich 
der  Kernpunkt  der  ganzen  weiteren  Untersuchung.   Pompeius  übernimmt 


Die  Revolution.  331 

diesen  Auftrag  nicht  gerne;  denn  er  täuscht  sich  über  Cäsar's  militäri- 
sche Ueberlegenheit  nicht.  Er  versuchte  den  Weg  der  Verhandlung  mit 
Cäsar.  Aus  Ciceronianischen  Briefen  will  der  Verfasser  für  das  Schei- 
tern dieser  Unterhandlungen  einzig  Cäsar  verantwortlich  machen.  Man 
bot  ihm  das  Consulat,  er  sollte  erst  nach  Ablauf  der  10  Jahre  die  Pro- 
vinz abgeben;  aber  Cäsar  genügten  diese  Zugeständnisse  nicht  mehr; 
er  verlangte  eine  Prolongation  der  gallischen  Statthalterschaft  auf  wei- 
tere 5  Jahre.  Hier  konnte  Porapeius  nicht  nachgeben;  er  musste  sich 
zur  Entscheidung  mit  den  Waffen  entschliessen.  Dass  er  keine  genü- 
genden Truppen  hatte,  ist  die  Schuld  des  Senats;  ohne  die  Gesetze  zu 
verletzen,  konnte  er  keine  Truppen  aus  Spanien  kommen  lassen;  hätte 
er  dies  gethen,  so  hätte  er  Cäsar  einen  legalen  Vorwand  zu  seinem  Au- 
griffe geliefert. 

Der  Verfasser  findet  in  dem  Ultimatum,  welches  Cäsar  angeblich 
durch  Curio  sandte,  nach  seiner  eigenen  Angabe  (b.  c.  1,  1)  durch  Fa- 
bius  (?)  den  Consuln  übergeben  Hess,  nämlich  auf  Gall.  transalp.  zu  ver- 
zichten und  nur  das  cisalpinische  und  Illyricum  mit  zwei  Legionen  zu 
behalten,  schlechthin  unannehmbare  Forderungen  und  in  der  Wahl  Cu- 
rio's  einen  Affront.  Curio's  Benehmen  ist  ihm  durchaus  unzulässig  und 
Cäsar  hat  absichtlich  gefälscht,  als  er  b.  c.  1,  3  Curio  trib.  pleb.  nannte. 
Wenn  er  aber  noch  im  Amte  gewesen  wäre,  so  wäre  sein  Veto  doch 
unberechtigt  gewesen,  denn  die  Tribunen  waren  nur  berechtigt  in  An- 
gelegenheiten der  prätorischen  Provinzen  zu  interveniren  ( ! ).  Antonius 
und  Cassius  verliessen  Rom  ohne  allen  Grund  —  dieser  Beweis  wird 
aus  Cic.  ad  fam.  16,  2  erbracht  und  aus  Phil.  2,  21  (!)  —  die  tumultuari- 
schen  Scenen,  welche  Anlass  zur  Verkündung  des  Belagerungszustandes 
Seitens  des  Senates  wurden,  sind  von  Cäsar  im  Verein  mit  den  beiden 
Tribunen  provocirt  worden.  Cäsar  erwartete  diesen  Hergang  so  sicher, 
dass  er  ihn  schon  discontirte,  ehe  er  Nachrichten  aus  Rom  haben  konnte. 
Dieses  schliesst  der  Verfasser  aus  wenig  glaubwürdigen,  anekdotenarti- 
gen Berichten  Sueton's,  die  noch  dazu  einer  eigentümlichen  Interpreta- 
tion unterworfen  werden.  Erst  in  Ariminum  konnte  Cäsar  die  mehr 
aggressiven  Beschlüsse  des  Senats  erfahren  und  nun  zieht  der  Verfasser 
in  einer  sehr  pathetischen  Ansprache  Cäsar  vor  sein  Gericht  und  unter- 
wirft ihn  einem  Verhör,  wie  er  auf  die  legalen  Beschlüsse  des  Senats, 
seine  Anträge  zu  verwerfen  und  den  Belagerungszustand  zu  verkünden, 
den  illegalen  Schritt  habe  thun  können,  das  Vaterland  zu  bekriegen. 
Sogar  nachdem  letzteres  geschehen  war,  wurden  ihm  nachträglich  seine 
Forderungen  bewilligt  —  dies  soll  aus  einem  ziemlich  unklaren  Briefe 
Cicero 's  hervorgehen  —  er  kümmerte  sich  aber  nicht  darum,  sondern 
marschirte  vorwärts.  Pompeius  verliess  Italien,  und  nun  klagte  Alles 
über  seine  Kopflosigkeit.  Mit  Unrecht,  nach  Dumerirs  Ansicht;  denn 
Porapeius  hatte  den  grossartigen  Plan  gefasst,  mittels  seiner  praefectura 
maris  Italien  und  Cäsar  in  durchaus  loyaler  Weise  auszuhungern;  Cicero 

23* 


332  Römische  Goschichto  und  Chronologio. 

ad  Att.  9,  9  ist  des  Erfolges  gewiss.  Aber  dieser  Plan  scheiterte  an 
der  Ungeschicktheit  der  Ausführung.  Wie  dieses  zuging  »et  comment 
son  execution  bien  plus  que  Ic  pr6tendu  cosmopolitisme  de  C6sar  a  con- 
tribu6  ä  effacer  la  ligue  de  söparation  fjui  avait  cxistö  entre  Rome  et 
les  provinces,  nous  cherchcrons  k  le  montrer  dans  un  travail  ultc^rieur«. 
Auf  diesen  letzteren  Nachweis  darf  man  neugierig  sein;  bis  jetzt  gestehe 
ich  offen,  keine  Ahnung  zu  haben,  was  wolil  der  Verfasser  eigentlich 
sich  dabei  gedacht  hat. 

Man  wird  durch  die  Schrift  des  Verfassers  schwerlich  zu  einer  an- 
deren Ansicht  über  Pompeius  bekehrt  werden;  namentlich  wird  diese 
Ansicht  nicht  vorteilhafter  sein.  Pompeius  mag  ein  ehrlicher  Mann  ge- 
wesen sein  —  der  Verfasser  hat  diesen  Beweis  aber  nicht  unumstöss- 
lich  geführt;  dass  er  kein  weitsichtiger  Politiker  war,  diesen  Beweis  hat 
der  Verfasser  wider  Willen  erbracht.  Ob  wir  unsere  Ansicht  über  den 
Feldherrn  zu  ändern  haben,  wird  von  den  weiteren  Ausführungen  des 
Verfassers  abhängen;  zu  wünschen  wäre  ihm,  dass  er  hierin  glücklicher 
wäre  als  in  der  vorstehenden  Arbeit. 

G.  A.  Saajlfeld,  C.  Julius  Caesar.  Sein  Verfahren  gegen  die  gal- 
lischen Stämme  vom  Standpunkte  der  Ethik  und  Politik  unter  Zu- 
grundelegung seiner  Kommentarien  und  der  Biographie  des  Sueton. 
Hannover  1881. 

Ob  der  Verfasser  dieser  Schrift  wirklich  geglaubt  hat,  durch  seine 
Arbeit  die  wichtige  Frage,  die  er  behandelt,  ich  will  nicht  sagen  zur 
Entscheidung  zu  bringen,  sondern  auch  nur  zu  fördern?  Es  fehlt  der- 
selben so  ziemlich  alles,  was  für  eine  derartige  Untersuchung  notwendig 
ist.  Schon  die  Zugrundelegung  der  Biographie  des  Sueton  ist  befrem- 
dend und  nur  dadurch  erklärlich,  dass  der  Verfasser  zu  seinem  Zwecke 
kein  reiches  Material  brauchen  konnte.  Denn  die  Tendenz  seiner  Schrift 
war  ihm  offenbar  schon  klar,  ehe  er  das  Material  studirt  hatte,  sonst 
hätte  er  sie  aus  dem  von  ihm  benutzten  nicht  gewinnen  können.  Cäsar 
selbst  muss  nämlich  den  Stoff  zu  seiner  eigenen  Verurteilung  liefern, 
was  Sueton  dazu  giebt  —  abgesehen  von  der  Frage,  in  wie  weit  der- 
selbe aus  Cäsar  geschöpft  —  ist  so  gut  wie  nichts,  allgemeine  Redens- 
arten, hinter  denen  man  Vieles  suchen  kann,  aber  wenig  findet.  Frei- 
lich ist  Cäsar  nicht  ganz  so  thöricht,  um  das  Anklagematerial  forniulirt 
seinen  Anklägern  zu  liefern ;  so  ist  es  deren  Aufgabe  dies  zu  thun,  und 
da  Cäsar  auch  nicht  unvorsichtig  genug  war,  alles  Nachteilige  von  sich 
zu  sagen,  so  muss  nun  das  hauptsächlich  gesucht  werden,  was  er  nicht 
gesagt  hat.  Dass  man  auf  diesem  Wege  alles  finden  kann,  was  man 
wünscht,  ist  natürlich,  auch  der  Verfasser  hat  es  gefunden.  Nur  hat 
seine  Erfindung  nicht  einmal  den  Vorzug  der  Originalität,  da  Druraann 
schon  vor  ihm  so  ziemlich  alles  gesagt  hat,  was  zu  sagen  war.  Aber 
Drumann  hat  sich  doch  wenigstens  bemüht,   andere  Quellen  als  Cäsar 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  333 

und  —  Sueton  herbeizuziehen,  der  Verfasser  glaubte  sich  dies  ersparen 
zu  können.  So  besitzt  seine  Arbeit  keinen  selbständigen  und  keinen 
wissenschaftlichen  Wert. 

VI.   Die  Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine. 

L.  Friedländer,  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms. 
Von  dem  bekannten  Werke  ist  jetzt  die  5.  Auflage  erschienen. 

Gustav  Graeber,   Quaestionum  Ovidianarum  pars  prior.    Elber- 
feldae  1881. 

Der  Verfasser  hat  die  verdienstliche  Aufgabe  unternommen,  mit 
Benutzung  des  numismatischen  und  epigraphischen  Materials  eine  Zu- 
sammenstellung der  uns  über  die  amici,  fautores  und  sodales  des  Ovid 
überlieferten  Notizen  zu  geben,  soweit  dieselben  in  den  Tristia  und  den 
Epist.  ex  Pont,  erwähnt  werden. 

Als  Einleitung  wird  eine  Untersuchung  der  Frage  über  die  Zeit 
der  Verbannung  des  Dichters  und  der  Herausgabe  der  einzelnen  Schriften 
vorausgeschickt,  in  welcher  der  Verfasser  zu  folgenden  Ergebnissen 
gelangt. 

Ovid  verlässt  Rom  Ende  761/8  und  kommt  Frühjahr  762/9  nach 
Tomi.  Das  erste  Buch  der  Tristien  gehört  noch  in  dieses  Frühjahr, 
das  zweite  in  den  Sommer  des  gleichen  Jahres,  das  dritte  in  den  Früh- 
ling 763/10,  das  vierte  Anfang,  das  fünfte  Ende  764/11.  Die  Briefe  der 
drei  ersten  Bücher  ex  Pont,  sind  meist  im  Frühling  und  Sommer  765/12 
abgefasst,  die  drei  Bücher  Ende  13  nach  Rom  abgeschickt  worden,  wäh- 
rend die  Briefe  des  vierten  Buches  in  den  Zeitraum  vom  Herbst  766/13 
bis  769/16,   also  unmittelbar  bis  kurz  vor  den  Tod   des  Dichters  fallen. 

Zunächst  werden  die  zur  Familie  des  Dichters  gehörigen  Persön- 
lichkeiten besprochen.  Unter  diesen  nimmt  Paullus  Fabius  Q.  F.  Maxi- 
mus eine  hervorragende  Stellung  ein;  nur  ep.  ex  Pont.  I,  2  und  HI,  3 
sind  an  ihn  gerichtet.  Der  Verfasser  polemisirt  in  der  Ansetzung  seines 
Proconsulats  von  Asien  gegen  Mommsen,  dessen  spätere  Ausführungen 
über  das  Münzrecht  der  senatorischen  Statthalter  ihm  jedoch  nicht  be- 
kannt waren.  Sehr  unwahrscheinlich  sind  seine  Aufstellungen  über  die 
spanische  Inschrift  C  I.  L.  2,  2581,  wonach  dieselbe  sich  auf  die  erste 
Dienstzeit  des  Fabius  beziehe,  der  zwischen  seinem  18.  und  21.  Jahre 
vom  Kaiser  ein  Specialmandat  erhalten  habe  und  daher  legatus  desselben 
genannt  werde;  das  dafür  angeführte  Beispiel  C  I.  L.  V,  1818  beweist 
hier  nichts,  da  es  sich  dort  um  einen  'J'ribunicier  handelt,  hier  um  einen 
aber  erst  in  die  Amtscarriere  Eintretenden  sich  handeln  würde.  So  wird 
man  auch  den  weiteren  auf  diese  Annahme  aufgebauten  Schlüssen  über 
die  Geburtszeit  des  Fabius  nicht  zustimmen  können. 

Von  den  nicht  zur  Familie  des  Dichters  gehörigen  Persönlichkeiten, 


334  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

deren  Fürsprache  derselbe  zu  erlangen  sucht,  werden  mit  besonderer 
Sorgfalt  M.  Valerius  Messalla  Corvinus  und  dessen  Söhne  M.  Valerius 
Corvinus  Messalinus  und  M.  Aurelius  Cotta  Messalinus  behandelt;  na- 
mentlich die  Untersuchung  über  letzteren  wird  alle  Freunde  des  Ovid 
zu  Danke  verpflichten.  Auch  dem  Bruderpaarc  C.  Pomponius  Graecinus 
und  L.  Pomponius  Flaccus  wird  eine  kurze  Betrachtung  gewidmet.  Den 
Schluss  macht  Sextus  Pompeius. 

Sind  auch  die  inschriftlichen  und  numismatischen  Daten  fast  durch- 
gehends  längst  bekannt  und  auch  verwertet,  so  vermindert  dieser  Um- 
stand das  Verdienst  der  Arbeit  nicht.  Für  die  grosse  Zahl  der  Leser 
des  Dichters  sind  die  in  Fach-  und  Specialschriften  zerstreuten  Unter- 
suchungen meist  nicht  erreichbar;  hätte  der  Verfasser  weiter  nichts  ge- 
than,  als  sie  in  zusammenhängende  Darstellung  gebracht,  so  hätte  er 
eine  dankenswerte  Arbeit  geliefert.  Er  hat  aber  auch  durch  sorgfältiges 
Studium  des  Dichters  eine  Reihe  von  Berichtigungen  gefunden,  welche 
die  Litteraturgeschichte  nicht  übergehen  darf. 

H.  Georgii,  Die  politische  Tendenz  der  Aeneide  Vergil's.    Real- 
gymnasial-Programm.     Stuttgart  1880. 

Die  Arbeit  kann  nur  teilweise  hier  in  Betracht  kommen,  in  so  weit 
nämlich,  als^es  sich  um  die  politische  Tendenz  der  Aeneis  handelt;  die 
Consequenzen ,  welche  der  Verfasser  aus  seinen  Untersuchungen  für  die 
Beurteilung  ihres  poetischen  Wertes  zieht,  gehören  in  die  Litteratur- 
geschichte. 

In  verständiger  Weise  weist  der  Verfasser  die  oft  sehr  phantasti- 
schen Aufstellungen  über  die  monarchische  oder  gar  dynastische  Tendenz 
des  Gedichtes  zurück;  das  positive  Ergebnis  seiner  Untersuchung  ist,  dass 
die  Aeneis  allerdings  einen  politischen  Zweck  hat,  insofern  Vergil  von 
dem  Wunsche  geleitet  wurde,  die  Anfänge  des  grossen  Volkes,  als  dessen 
Glied  er  sich  mit  stolzem  Bewusstsein  fühlte,  durch  sein  Werk  zu  ver- 
herrlichen und  zugleich  die  Absicht  verfolgte,  seinen  Volksgenossen  ihren 
grossen  Schicksalsberuf  eindringlich  vorzuhalten.  Nach  dieser  Seite  nimmt 
die  Dichtung  unter  den  Bestrebungen  der  augusteischen  Zeit,  das  Römer- 
tum  nach  seiner  fast  gänzlichen  Auflösung  durch  die  Bürgerkriege  wie- 
derherzustellen, eine  hohe  und  bedeutende  Stelle  ein.  Augustus  wird  von 
Vergil  nur  verherrlicht,  sofern  er  die  römische  Welt  aus  kläglicher  Ver- 
wirrung gerettet,  den  Weltfrieden  begründet  und  das  römische  Volk  zu 
seinem  Berufe  zurückgeführt  hat.  Jeder  unbefangene  Zeitgenosse  musste 
in  diesem  Umfange  Augustus'  Verdienste  anerkennen  und  seine  reforma- 
torischen Bestrebungen  unterstützen.  Gerade  in  dem  Mass  der  Huldi- 
gungen für  Augustus  geht  die  Aeneide  nicht  so  weit  als  die  meisten 
Lobpreisungen  der  Zeit. 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  335 

Josef  Pistner,  L.  Aelius  Seianus.  Eine  historische  Untersuchung 
über  dessen  Leben  und  Wirken  als  Beitrag  zur  Geschichte  Roms  unter 
dem  Kaiser  Tiberius.    Landshut,  Progr.   1880. 

Der  Verfasser  schildert  im  ersten  Kapitel  Seian  bis  zu  seiner  Er- 
nennung zum  praef.  praet.,  im  zweiten  Seian  als  praef.  praet.  bis  zum 
Tode  des  Drusus,  im  dritten  vom  Tode  des  Drusus  bis  zu  seinem  Sturze, 
im  vierten  Seian's  Sturz  und  üblen  Nachruf. 

Im  ersten  Kapitel  werden  die  bekannten  Nachrichten  zusammenge- 
stellt, im  zweiten  stellt  der  Verfasser  die  Urteile  des  Tacitus  und  Vel- 
leius  einander  gegenüber  und  bestimmt  als  seine  Aufgabe  »zu  unter- 
suchen, ob  Seianus,  der  bestgehasste  und  bestgeliebte  Mann  seiner  Zeit, 
durch  seine  Handlungsweise  wirklich  den  Tadel  verdiente,  den  die  Welt- 
geschichte jetzt  nach  Tacitus'  Vorgang  über  ihn  ausspricht  oder  ob  er 
nach  Paterkulus  einer  bessern  Beurteilung  würdig  ist«.  Zu  diesem  Zwecke 
stellt  der  Verfasser  die  Thatsachen  zusammen,  um  die  Verdienste  Seian's 
in  möglichst  vorteilhafte  Beleuchtung  zu  setzen;  diese  bestehen  vor  dem 
Tode  des  Drusus  in  der  Unterdrückung  des  pannonischen  Aufstandes, 
in  der  Unterstützung  des  Tiberius  gegen  die  Umtriebe  der  julischen 
Partei,  der  Errichtung  des  Prätoriauerlagers ,  der  Wahrung  des  kaiser- 
lichen Interesses  nach  dem  Tode  des  Germanicus;  sie  werden  von  Seiten 
des  Kaisers  anerkannt  durch  die  Verlobung  von  Seian's  Tochter  mit  dem 
Sohne  des  Claudius  und  andere  Auszeichnungen  des  Präfecten.  Nach 
Drusus'  Tode,  der  an  seinen  Ausschweifungen  eines  natürlichen  Todes 
starb,  nahm  sich  Seianus  der  Wittwe  desselben  gegen  die  Partei  der 
Agrippina  im  Auftrage  des  Kaisers  an.  Livilla  wollte  sich  wieder  ver- 
mählen und  ihre  Wahl  fiel  auf  Seian,  der  ihres  Hauses  Hauptsütze  war; 
Tiberius  gewährte  aber  das  Gesuch  Seian's  nicht  mit  Rücksicht  auf  die 
feindselige  Gesinnung  des  Adels  gegen  eine  derartige  Verbindung.  Die 
Entfernung  des  Tiberius  lag  in  dessen  eigenem  Interesse,  nicht  in  dem 
Seian's,  der  in  Rom  viel  mehr  Einfluss  gewinnen  konnte  als  in  Capri. 
Wie  uneigennützig  Seian  für  seinen  Kaiser  sorgte,  zeigte  sein  Verhalten 
bei  dem  Einstürze  der  Grotte  von  Speluuca.  Dafür  wurde  er  von  der 
julischen  Partei  mit  besonderem  Hasse  verfolgt;  und  doch  suchte  er  den 
Kaiser  von  strengen  Massregeln  gegen  dieselbe  zurückzuhalten.  Der  Sturz 
der  Agrippina  und  des  Nero  erfolgte,  als  vollständige  Aufstände  in  Rom 
ausgebrochen  waren.  Jetzt  zog  Tiberius  den  zweiten  Sohn  Agrippina's 
an  seinen  Hof  und  bestimmte  ihn  zur  Nachfolge;  da  aber  zwischen  Drusus 
und  Seian  eine  Annäherung  erfolgte,  welche  dem  alten  Fürsten  bedenk- 
lich erscheinen  musste,  so  wurde  dieselbe  die  Veranlassung  zu  Seian's 
Sturz.  Zuerst  wurde  Drusus  ins  Gefängnis  geworfen  und  diese  Mass- 
regel dem  Seian  zur  Last  gelegt.  Die  julische  Partei  oder  vielleicht 
auch  eigne  Besorgnis  für  Gaius  Caesar  bestimmten  Antonia  jetzt  bei  dem 
Kaiser  gegen  Seian  vorgehen;  ihre  Verläumdungeii  ticlcn  auf  einen  schon 
wohl  vorbereiteten  Boden,   und  Tiberius  cutschloss  sich  zur  Beseitigung 


336  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Seian's,  die  er  aber  sehr  langsam  und  bedächtig  vorbereitete.  Seian 
musste  die  Entfremdung  des  Tiberius  so  gut  als  andere  merken;  aber 
er  that  nichts,  um  sich  zu  sichern,  weil  er  Tiberius  noch  nie  undankbar 
gefunden  und  kein  böses  Gewissen  hatte;  so  traf  ihn  der  Befehl  zu  seiner 
Verhaftung  gänzlich  unvorbereitet.  Der  Grund  zu  Seian's  Beseitigung 
war  für  Tiberius  die  Furcht,  welche  ihm  Andere  vor  der  Macht  des  Prä- 
fecten  und  Günstlings  einzuflössen  gewusst  hatten.  Nach  dem  Tode  des 
letzteren  wurden  eine  Reihe  von  Verdächtigungen  verbreitet,  so  z.  B. 
dass  er  eine  Verschwörung  gegen  den  Kaiser  gestiftet,  einen  Anschlag 
auf  das  Leben  des  Gaius  Caesar  gemacht ,  mit  Livilla  den  Drusus  ver- 
giftet habe;  letztere  Nachricht  war  von  der  julischen  Partei  verbreitet 
worden,  um  die  Erbfolge  des  Ti.  Gemellus  unmöglich  zu  machen.  Die 
einseitige  und  gefälschte  Darstellung  Seian's  in  der  erhaltenen  Geschichts- 
schreibung erklärt  sich  daraus,  dass  die  meisten  gleichzeitigen  Schrift- 
steller der  julischen  Partei  angehörten  oder  nahe  standen,  alle  zu  Gun- 
sten Seian's  geschriebenen  Bücher  vernichtet,  neue  durch  eine  unerbitt- 
liche Censur  verhindert  wurden;  die  Hauptquellen  aber  waren  die  Me- 
moiren der  jüngeren  Agrippina,  aus  denen  Tacitus  seine  Hofnachrichten 
geschöpft  hat. 

Die  Schrift  ist  einer  der  modernen  Rettungsversuche,  die  haupt" 
sächlich  durch  Stahr  in  Mode  gekommen  sind  und  zu  denen  sich  jeder 
berufen  glaubt.  Ob  die  Ueberlieferung  dabei  bestehen  kann  oder  nicht, 
ist  eine  Frage  untergeordneter  Bedeutung;  der  Verfasser  nimmt  sich 
eine  Rettung  vor,  dann  wird  sich  schon  mit  Hülfe  der  »Quellen«,  die 
man  ja  zum  Glück  nicht  kennt,  —  hier  sind  es  die  Memoiren  der  Agrip- 
pina —  die  nötige  Verdrehung  der  Thatsachen  zu  Stande  bringen  lassen ; 
und  was  damit  noch  nicht  erreicht  ward,  dazu  liefert  der  »Cäsarenwahn- 
sinn« der  julisch-claudischen  Familie,  den  Wiedemeister  in  ein  System 
gebracht  hat,  alle  wünschenswerten  Argumente.  Würde  man  auf  die 
Geschichte  des  Mittelalters  oder  selbst  der  Neuzeit  die  gleiche  Methode 
übertragen,  so  wäre  unschwer  fast  jeder  Fürst  oder  bedeutende  Mann, 
der  nicht  in  die  vorgezeichnete  Schablone  passt,  als  für  das  Irrenhaus 
qualificirt  nachzuweisen.  Es  kann  natürlich  nicht  meine  Absicht  sein, 
dem  Verfasser  auf  allen  seinen  Irrgängen  nachzugehen;  nur  auf  einige  be- 
sonders schlagende  Gesichtspunkte  will  ich  hinweisen. 

Wenn  auch  die  Quellenuntersuchungen  dieser  Zeit  sehr  grosse  Re- 
sultate noch  nicht  geliefert  haben,  so  sind  doch  einige  Thatsachen  immer- 
hin zu  einiger  Evidenz  gebracht,  und  man  kann  sich  über  diese  Dinge 
nicht  ohne  weiteres  hinwegsetzen.  Dazu  darf  man  das  Verhältnis  von 
Tacitus  und  Dio  rechnen;  ich  habe  für  die  Regierung  des  Tiberius  spe- 
ciell  gezeigt,  wie  wenig  wahrscheinlich  eine  Benutzung  des  ersteren  durch 
den  letzteren  ist;  auch  für  andere  Regierungen  haben  Andere  ähnliche 
Ergebnisse  gefunden.  Pistner  hält  es  nicht  der  Mühe  wert,  uns  zu  be- 
lehren,  auf  welchem  Wege  er  zu  dem  entgegengesetzten  Resultate  ge- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  337 

langt  ist,  sondern  er  baut  auf  letzterer  Annahme  ein  ganzes  Gebäude 
von  Combinationen  auf,  die,  so  lange  jener  Nachweis  nicht  erbracht  ist, 
durchaus  in  der  Luft  stehen.  Wenn  irgend  etwas  historisch  bezeugt  ist, 
so  ist  es  die  Vergiftung  des  Drusus,  der  Verfasser  sucht  diese  ganze 
Erzählung  als  eine  einfache  Erfindung  hinzustellen;  dass  es  ja  viel  ratio- 
neller gewesen  wäre,  wenn  Livilla  den  gewiesenen  Weg  zum  Throne  ein- 
geschlagen hätte,  ist  sicher.  Aber  wodurch  will  denn  der  Verfasser  be- 
weisen, dass  in  dem  Herzen  eines  leidenschaftlichen  Weibes  bloss  die 
Vernunft  regiert?  Die  Geschichte  wäre  unzweifelhaft  viel  verständiger, 
natürlich  auch  grosser  Katastrophen  baar,  wenn  die  Menschen  bloss  Ver- 
stand und  keine  Leidenschaften  besässen.  Tiberius  soll  durch  die  An- 
näherung Seian's  an  Drusus  '  zum  Sturze  Seian's '  veranlasst  worden  sein. 
Wo  haben  wir  auch  nur  den  geringsten  Anhalt  für  eine  solche  Annahme? 
Drusus  war  Allem  nach  ein  unbedeutender,  roher  und  leidenschaftlicher 
Mensch;  ausdrücklich  wird  sein  eheliches  Verhältnis  als  Veranlassung 
zu  seinem  Sturze  bezeichnet;  wo  lässt  sich  ein  Grund  finden,  um  diese 
Angabe  zurückzuweisen  und  eine  beliebige  Combination  an  ihre  Stelle 
zu  setzen?  Noch  wunderbarer  ist  die  Rolle,  die  Antonia  bei  dem  Sturze 
Seian's  spielt,  ganz  abgesehen  davon,  dass  Tiberius,  einer  der  selbstän- 
digsten Fürsten,  die  wir  kennen,  die  Rolle  einer  Gliederpuppe  dabei 
spielt,  die  auf  blosse  Fictionen  hin  den  langjährigen  treuen  Freund  und 
Mitregenten  fallen  lässt.  Dabei  hat  der  Verfasser  die  Verleihung  eines 
fünfjährigen  Consulats,  und  was  damit  zusammenhängt,  völlig  missverstan- 
den. Endlich  hat  Seian  nach  Pistner  im  Bewusstsein  seiner  Unschuld 
keinen  Schritt  gethan,  um  sich  gegen  sein  hereinbrechendes  Geschick  zu 
wehren.  Der  Verfasser  hat  keine  Kenntnis  gehabt  von  jenem  merkwür- 
digen Fragmente  bei  Marini  Atti  S.  43,  wo  es  heisst  et  improbae  comi- 
tiae  illae  fuerunt  in  Aventino  ubi  Seianus  cos.  factus  est  und  das  schon 
Mommsen,  Rom.  Tribus  S.  207,  so  gedeutet  hat,  dass  bei  der  Verschwö- 
rung eine  Erneuerung  der  Comitialrechte  geplant  war,  um  die  Massen 
zu  gewinnen.  Aber  auch  die  Interamnatische  Inschrift  Wilmanns  64  a  = 
Orell.  689  zeigt,  dass  auch  ausserhalb  Roms  Seian  als  hostis  pernicio- 
sissimus  p.  R.  angesehen  wurde.  Naiv  ist  die  Anschauung  des  Ver- 
fassers, dass  alle  gegen  Seian  von  Tacitus,  Dio  und  Josephus,  teilweise 
auch  von  Sueton  vorgebrachten  Anschuldigungen  erst  nach  seinem  Tode 
vorgebracht  worden  seien;  sie  stützt  sich  freilich  auf  eine  ebenso  unbe- 
gründete Auftassung,  die  Annahme  einer  strengen  Büchercensur,  welche 
durch  Ad.  Schmidt  in  die  Geschichtsforschung  jeuer  Zeiten  eingeführt 
worden  ist,  aber  den  bekannten  Thatsachen  durchaus  widerspricht.  Um 
noch  eine  Einzelheit  hervorzuheben,  so  hat  der  Verfasser  die  Nachricht 
des  Zonaras,  dass  der  Kaiser  Seian  später  mit  Julia,  der  Wittwe  Nero 's, 
verlobt  habe,  ohne  Grund  verdächtigt;  es  scheint  vielmehr,  dass  gerade 
dieser  Epitomator  die  richtige  Ucberlicferung  bewahrt  hat.  Ich  vermag 
danach  die  Schrift  nicht  als  eine  Bereicherung  unseres  Wissens  über  die 
Zeit  des  Tiberius  zu  betrachten. 


338  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Ein  sorgfältigerer  Stil  wäre  dem  Verfasser  auch  zu  empfehlen. 
Dinge  wie  S.  12  »von  Seiten  der  Agrippina,  einem  schwachen  Weibe« 
dürften   am   wenigsten  in   einer  Programmbeilage    erscheinen;    auch  ist 

5.  13  »Abgüttin«  kein  geläufiges  deutsches  Wort  und  auf  derselben  Seite 
ist  ein  sinnentstellender  Druckfehler  »Agrippina  habe  dem  Aufstande 
der  Truppen  —  die  Hand  nicht  im  Spiele  gehabt«.  Das  Verzeichnis  Messe 
sich  noch  vermehren. 

Heinrich  Düntzer,  Die  Ära  Ubiorum.   Pick's  Monatsschr.  f.  die 
Gesch.  Westdeutschi.  1880,  455  ff. 

In  einer  Polemik  gegen  Dr.  H.  Schwann,  der  die  Ära  Ubiorum  des 
Tacitus  in  Godesberg  gefunden  haben  wollte,  macht  Düntzer  die  Rechte 
Köln's  geltend.  Aus  der  Notiz  über  die  Geburt  der  Agrippina  in  Ver- 
bindung mit  der  späteren  Verleihung  des  Colonierechts  an  Köln  wird 
geschlossen,  dass  die  erste  und  zehnte  Legion  zwischen  767 — 769  in  Köln 
lagen;  dass  zu  Germanicus'  Zeiten  in  Bonn  eine  Legion  gestanden,  ist 
nicht  nachzuweisen. 

H.  Düntzer,  Die  Familie  des  Germanicus.    Ebend.  1881,  14  ff. 

Kritik  von  Mommsen's  Aufsatz  Hermes  1.3,  245  (Jahresb.  1876—1878, 
Abt.  HI,  S..492  f.).  Die  Geburt  des  ältesten  Sohnes  Gaius  wird  in  das 
Jahr  758  verlegt;  sein  Fehlen  auf  dem  Bogen  von  Pavia  wird  durch 
Unlesbarkeit  erklärt;  den  Vornamen  erhielt  er  von  der  gens  Octavia. 
Die  Geburt  der  beiden  (Suet.  Cal.  7)  adhuc  infantes  rapti  Söhne  fällt 
vor  die  der  Agrippina;  zu  diesem  Zwecke  wird  ein  Aufenthalt  des  Ger- 
manicus in  Rom  Winter  766  bis  Frühjahr  767  angenommen;  im  Herbst 
767  wird  der  jüngste  Knabe  der  Agrippina  geboren.  Drusillas  Geburt 
wird  September  770  gesetzt,  die  der  Julia  Juli  771,  nun  kann  Agrippina 

6.  November  769  geboren  sein ;  sie  allein  ist  in  Germanien  geboren.  Der 
Verfasser  wirft  Mommsen  Willkürlichkeiten  vor;  sicherlich  sind  die  von 
ihm  begangenen  viel  grösser;  zweimal  rauss  eine  angebliche  Reise  des 
Germanicus  dadurch  gestützt  werden,  dass  solche  Dinge  nicht  immer  von 
den  Alten  erzählt  werden,  die  Unlesbarkeit  am  Bogen  von  Pavia  ist  mög- 
lich, aber  woher  weiss  dies  Düntzer?  Suetou  lässt  zwei  Töchter  in  Ger- 
manien geboren  werden  —  das  ist  einfach  ein  Irrtum,  während  an  an- 
deren Stellen  der  »pedantisch  gelehrte  Schriftsteller«  eigentlich  Alles 
weiss.  Auch  die  Annahmen  bezüglich  der  Vornamen  sind  durchaus  will- 
kürlich. Man  kann  höchstens  ein  nou  liquet  zugeben,  aber  dass  Momm- 
sen widerlegt  sei,  wird  schwerlich  Jemand  Düntzer  glauben. 

K.  V.  Becker,  Ueber  das  munimentum  Traiani.    Ebend.  S.  520  ff. 

Gegen  K.  Christ,  der  das  Ammian.  17,  1,  1  und  2  erwähnte  numi- 
mentum  Traiani  in  Gustavsburg  suchte,  wird  zu  erweisen  gesucht,  dass 
dasselbe  in  Castel  war,   bei  der  ersten  Anlage  von  Mainz  als  Brücken- 


i 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  339 

köpf  errichtet  und  von  Traian  restituirt  bezw.  verstärkt  wurde,  so  dass 
hier  Veteranen  und  leg.  XXX  Ulp.  Victr.  ihr  Standquartier  erhielten  (?). 
Von  den  Chatten  jedes  Mal  zerstört,  wenn  diese  Meister  wurden,  zuletzt 
von  den  Alamannen  um  die  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  beseitigt,  wurde 
es  von  Julian,  der  zum  letzten  Male  den  Strom  beherrschte,  wieder  her- 
gestellt. 

Neudeck,  Münzen  der  Quaden.    Wien.    Num.  Zeitschr.  12,  114ff. 

Der  Verfasser  veröffentlicht  Münzen  des  Quadenkönigs  Vannius, 
der  von  Drusus  19  n.  Chr.  eingesetzt  wurde,  sowie  des  Quadenkönigs 
Ariogaesus  vom  Jahre  174  und  175  n.  Chr.  und  eine  Bundesmünze  des 
letzteren  auf  das  Bündnis  mit  dem  Marcomannenkönig  Balloraarius,  die 
bei  Dio  in  dem  Bericht  über  die  Marcomannenkämpfe  des  Kaisers  Mar- 
cus erwähnt  werden.  Wenn  die  Münzen  acht  sind,  so  würden  sie  nur 
einen  weiteren  Beweis  liefern,  wie  selbst  feindliche  Barbarenstaaten  sich 
der  römischen  Cultur  nicht  gänzlich  entziehen  konnten. 

Hermann  Schiller,  Adsertor  libertatis.     Hermes  15,  620  f. 

Gegen  Mommsen's  Ansicht  (Hermes  13,  90  ff.),  »dass  adsertor  liber- 
tatis und  die  analogen  Ausdrücke  nicht  auf  den  passen,  der  einen  schlech- 
ten Herrscher  durch  einen  guten  ersetzt,  sondern  nur  dem  zukommen, 
der  die  Monarchie  überhaupt  stürzt«  hatte  ich  bereits  im  Jahresber.  f. 
1876-1878,  Abt.  ni,  S.  509  eine  Reihe  von  Stellen  angeführt,  welche 
mir  die  Auffassung  Mommsen's  nicht  zu  unterstützen  schienen.  Als  ent- 
scheidend gegen  dieselbe  führte  ich  in  dem  oben  erwähnten  Aufsatze 
eine  Senatsmünze  aus  den  Jahren  70  und  71  an,  welche  die  Aufschrift 
zu  Ehren  Vespasians  trägt:  Adsertori  libertatis  publicae.  Ich  habe 
daraus  geschlossen,  dass  Ads.  lib.  zu  dieser  Zeit  nur  von  dem  gesagt 
werde,  der  nach  einem  Tyrannenregimente  wieder  einen  Zustand  grösse- 
rer, nicht  absoluter  Freiheit  herstelle.  Der  Nachdruck  fiele  in  diesem 
Falle  auf  die  Befreiung  von  dem  einen  Regimeute,  ohne  die  Ersetzung 
durch  ein  anderes  auszuschliessen.  Diese  Erklärung  wurde  dann  an  den 
Stellen  Plin.  n.  h.  20,  160  Vindex  ille  adsertor  a  Nerone  libertatis,  Mar- 
tial.  7,  63,  9  f.  ingentem  annum-adserto  qui  sacer  orbc  fuit,  Suet.  Galba  9  ad- 
sertorem  ducemque,  der  Grabschrift  des  Vcrginius  Rufus  bei  Plin.  ep.  9,  19 
pulso  qui  Vindice  quondam  imperiura  adscruit  non  sibi  sed  patriae  uud 
Tac  bist.  2,  61  als  zutreffend  zu  erweisen  versucht. 

Gegen  diese  Erklärung  hat  Th.  Mommsen  Hermes  16,  147  -  152 
die  Unzulässigkeit  dieser  Auffassung  mit  einer  mir  unverständlichen  Ge- 
reiztheit zu  erweisen  gesucht. 

Er  geht  von  der  Grundbedeutung  des  »adserere  in  libertatem  oder 
gewöhnlich  adserere  schlechtwegcf  aus;  danach  sind  adserere  und  vindi- 
care  enge  mit  einander  verwandt  »so  dass  regelmässig  für  jenes  Wort 
ebenso  gut  dieses  gesetzt  werden  kann ;  beide  bezeichnen,  von  verschie- 


340  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

denen  Momenten  ausgehend,  denselben  Rechtsact«.  »Am  nächsten  kommt 
wohl  unser  »verteidigen«  wenigstens  insofern,  als  es  ausgeht  vom  Rechts- 
schutz und  von  da  übergeht  zum  Vertreten  und  Behaupten«.  »In  der 
politischen  Verwendung  ist  der  adsertor,  wie  ihn  der  Grammatiker  defi- 
nirt,  der  vindex  alienae  libertatis.  Die  antike  Anschauung  fasst  den 
Herrscher  als  dominus  d.  h.  als  Eigentümer,  also  vom  Standpunkt  der 
legitimen  Republik  aus  als  gleichstehend  dem  Privaten,  der  einen  freien 
Mann  zu  Unrecht  als  Sklaven  hält,  demnach  ist  adsertor  (libertatis)  po- 
puli  Romani  oder  reipublicae  nicht  derjenige,  der  einen  schlechten  Herr- 
scher durch  einen  besseren  ersetzt,  da  die  moralische  Beschaffenheit  des 
Herrn  mit  dem  Rechtsverhältnis  der  Herrschaft  nichts  zu  schaffen  hat, 
sondern  derjenige,  der  die  rechtlich  begründete  Freiheit  der  römischen 
Bürgerschaft  gegen  thatsächliche  Beeinträchtigung  vertritt  und  mit  Be- 
seitigung der  widerrechtlich  bestehenden  Unfreiheit  den  legitimen  Rechts- 
zustand wieder  herstellt.  Dies  gilt  auch  nicht  minder  für  die  Kaiserzeit. 
Denn  vom  rechtlichen  Standpunkt  aus  betrachtet  schliesst  der  Principat 
keineswegs  die  Abschaffung  der  Republik  und  die  Ersetzung  derselben 
durch  die  Monarchie  ein;  vielmehr  ist  die  freie  Selbstregierung  der  Ge- 
meinde immer  noch  der  normale  Rechtszustand,  jeder  einzelne  Principat 
eine  gesetzlich  begründete,  aber  auf  gewisse  Zeit,  höchstens  die  Lebens- 
zeit des  Princeps  beschränkte  Einschränkung  oder  Ausserkraftsetzung 
der  Freiheit  des  römischen  Volkes.  Was  hiernach  zu  erwarten  steht, 
dass  adserere  in  libertatem  oder  adserere  schlechthin  nur  da  gebraucht 
wird,  wo  die  Zurückführung  der  altherkömmlichen  gesetzlichen  Volks- 
freiheit bezeichnet  werden  soll,  das  bestätigen  sämmtliche  Anwendungen 
ohne  irgend  eine  Ausnahme«. 

Alsdann  wendet  sich  Mommsen  gegen  meine  einzelnen  Einwendun- 
gen. 1)  Die  Pliniusstelle  n.  h.  20,  160  soll  allein  heissen  können:  »Die 
Wiederherstellung  der  Freiheit  des  römischen  Staates  durch  den  Sturz 
des  Nero«.  Der  letztere  sei  allerdings  hier  bezeichnet,  aber  in  der  Weise, 
dass  die  Beseitigung  der  Tyrannis  notwendig  den  Sturz  des  Tyrannen 
einschliesse.  »Plinius  sagt«,  nach  Mommsen,  »mit  klaren  Worten,  dass 
Vindex  den  Sturz  nicht  des  Monarchen,  sondern  der  Monarchie  auf  seine 
Fahne  geschrieben  hat;  seine  Worte  sind  ohne  Zweifel  das  Echo  des 
Programms,  mit  dem  Vindex  auftrat«.  2)  Die  Martialstelle  hatte  ich  mit 
Rücksicht  auf  Martial's  Verhältnis  zu  Domitian  so  erklärt:  Martial  konnte 
nur  an  eine  Befreiung  vom  ne ronischen  Regimente  denken,  nicht  an 
eine  Verherrlichung  der  Republik  überhaupt,  und  hatte  hinzugefügt,  jene 
Losreissung  von  Nero  sei  eine  Anspielung  gewesen,  welche  sogar  die 
zarten  Ohren  Domitiau's  nicht  ungerne  gehört  hätten.  Mommsen  sagt: 
»Konnte  wirklich  Martial  einen  geschichtlichen  Vorgang,  der  dreissig 
Jahre  zurücklag,  nicht  einfach  hinstellen  so  wie  er  war?  Es  ist  eine 
unbestreitbare  Thatsache,  dass  jenes  mit  Silius'  Namen  bezeichnete  Jahr 
das  letzte  gewesen  ist,  in  welchem,   wenn  auch  nur  auf  Monate,  die  re- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  341 

publikanische  Staatsform  rechtlich  und  thatsächlich  bestanden  hat.  Und 
wer  für  die  Anlehnung  der  gesanimten  lateinischen  Poesie  und  vor  Allem 
der  schlechten  Poeten  vom  Schlage  des  Silius  an  die  republikanischen 
Reminiscenzen  Verständnis  hat,  der  wird  wohl  empfinden,  wie  gut  diese 
Worte  in  ein  für  diesen  bestimmtes  Gedicht  passen.  Man  muss  in  der 
That  den  Martial  bedauern,  wenn  er  wirklich  nur  das  sagen  »konnte«, 
was  er  eben  entschieden  nicht  sagt,  xldserto  orbe  heisst  nicht  »everso 
Nerone«.  3)  Tac.  bist.  2,  61  iamque  adsertor  Galliarura  hatte  ich  erklärt: 
der  Boier  Mariccus  wollte  Gallien  von  der  römischen  Herrschaft  be- 
freien; das  beigefügte  ac  deus  —  noraen  id  sibi  indiderat  —  lässt  doch 
nur  der  Annahme  Raum,  dass  er  die  Herrschaft  über  das  befi'eite  Gallien 
in  Anspruch  nahm,  wenn  er  sich  sogar  schon  göttliche  Würde  decretirt 
hatte;  ich  schloss  daraus,  dass  durch  den  Ausdruck  adsertor  die  neue 
durch  Befreiung  vom  bisherigen  Joche  hergestellte  Lage  nicht  irgendwie 
präjudicirt  werde,  mit  anderen  Worten  die  Ersetzung  einer  Herrschaft 
durch  eine  andere  auch  bei  den  Schriftstellern  mit  dem  Begriffe  des 
Ads.  verbunden  werde.  Nach  Mommsen  zeigen  Tacitus'  Worte  wohl,  dass 
Vindex  nicht  die  Befreiung  des  ganzen  Reiches  unmittelbar  unternahm, 
sondern  die  Befreiung  Gallien's,  dass  aber  das  Unternehmen  auf  die  Be- 
freiung nur  von  dem  Monarchen,  nicht  von  der  Monarchie  ging,  zeigen 
sie  nicht,  und  auch  anderweitig  führt  keine  Spur  dahin,  dass  Vindex  sich 
zum  König  von  Gallien  hat  ausrufen  lassen.  »Denn  nur  diese  Thatsache 
kommt  in  Betracht,  nicht,  um  mit  Schiller  zu  reden,  ob  Vindex  »wirk- 
lich keine  anderen  Gedanken  gehabt  hat«.  4)  Suet.  Galb.  8  hatte  ich  die 
Aufforderung  an  Galba  ut  adsertorem  humano  generi  ducemque  se  ac- 
commodaret  vom  neronischen  Regimente  verstanden.  Mommsen  sagt: 
»Es  ist  vollkommen  richtig,  dass  nicht  Vespasian  genannt  ist;  aber  auch 
hier  fehlt  wieder  die  Hauptsache,  der  Erweis,  dass  der  Sturz  des  Ty- 
rannen nicht  hier  aufgefasst  ist  als  mitenthalten  in  der  Abschaffung  der 
Tyrannis.  Vielmehr  haben  wir  augenscheinlich  hier  die  Fortsetzung  zu 
dem  adsertor  Galliarum:  wie  Vindex  seinem  Gallien,  so  soll  Galba  dem 
ganzen  weiten  Reiche  die  Freiheit  bringen.  5)  Verginius'  Grabschrift  bei 
Plin.  ep.  9,  19  hatte  ich  so  erklärt:  Er  sagt,  er  habe  die  Kaiserwürde 
nicht  sich  zugewandt,  sondern  dem  Vaterlande,  d.  h.  er  habe  die  durch 
Nero's  Tod  erledigte  Würde  nicht  auf  sich  übertragen,  auch  nicht  eigen- 
mächtig einen  Imperator  gemacht,  sondern  die  Bestellung  desselben  dem 
Vaterlande  d.  h.  Senat  und  Volk  vorbehalten.  Für  die  Herstellung  der 
Republik  hat  er  sich  damit  noch  nicht  erklärt,  das  Imperium  setzt  er 
als  die  fortdauernde  Staatsform  voraus.  Mommsen  sagt:  »Hat  denn 
irgend  Jemand  behauptet,  dass  Verginius  einen  Protest  gegen  die  Herr- 
schaft Traian's  sich  auf  das  Grab  hat  schreiben  lassen?  Aber  das  habe 
ich  behauptet  und  finde  ich  nicht  widerlegt,  dass  der  Dichter  des  Epi- 
gramms den  adsertor  libertatis  im  Sinne  gehabt  hat,  den  uneigennützigen 
Schützer  der  unterdrückten  Freiheit.    Verginius  beseitigt  den  Tyrannen, 


342  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

ohne  sich  an  seine  Stelle  zu  setzen,  und  giebt,  wie  dies  ja  Schiller  selbst 
anerkennt,  dem  Senat  die  freie  Selbstbestimmung  zurück.  Was  dieser 
weiter  damit  anfängt  und  wie  lange  er  sie  bewahrt,  liegt  ausserhalb  der 
Thätigkeit  des  Verginius  und  ihrer  Verherrlichung  in  der  Grabschrifi«. 
6)  Den  Hauptnachdruck  hatte  ich  auf  die  Münze  Vcspasian's  gelegt. 
Mommsen  meint,  dass  Vespasian  ads.  lib.  publ.  genannt  werde,  sei  aller- 
dings ebenso  unwiderleglich,  wie  die  gleichfalls  aus  Münzen  leicht  zu 
belegende  Thatsache,  dass  Tiberius  und  Vitellius  sich  durch  dementia 
ausgezeichnet  haben.  »Es  ist  auch  ein  fruchtbarer  Gedanke,  dass,  wer  als 
Retter  der  Republik  oder  in  ähnlicher  Weise  officiell  bezeichnet  wird,  in 
der  That  um  das  Vaterland  sich  in  ähnlicher  Weise  verdient  gemacht 
hat;  die  Geschichte  aller  Zeiten  und  Länder  wird  danach  sehr  wesentliche 
Umgestaltungen  erfahren.  Weniger  naive  Interpreten  würden  allerdings 
daran  erinnern  können,  wie  die  ephemere  Wiederherstellung  der  Repu- 
blik im  Jahre  68,  der  orbis  adsertus  auch  darin  noch  nachguckt,  dass 
derjenige  Gewalthaber,  in  dem  der  Principat  sich  neu  consolidirt,  officiell 
als  »Retter  der  Volksfreiheit«  begrüsst  wird.  Aber  es  steht  ja  geschrie- 
ben, und  sogar  auf  Erz,  und  es  wird  also  wohl  wahr  sein«.  Mommsen 
schliesst:  »Die  römischen  Schriftsteller  von  Autorität  betrachten  und 
bezeichnen  einstimmig  die  Katastrophe  des  letzten  Claudiers  als  den 
Znsammenbruch  des  Principats  und  die  Wiederaufrichtung  der  Republik. 
Beides  hatte  keine  Dauer,  ist  aber  darum  nicht  minder  eine  geschicht- 
liche Thatsache.  Verkennen  kann  sie  nur,  wer  die  Worte  der  Zeugen 
falsch  übersetzt.  Die  Philologie  giebt  das  richtige  Verständnis  der  Worte, 
die  Geschichte  das  richtige  Verständnis  der  Thatsachen.  Nach  welcher 
Seite  hin  ist  hier  ärger  gefehlt?« 

Die  Antwort  auf  diese  Frage  beabsichtige  ich  im  Folgenden  zu 
geben.  Vorausschicken  will  ich  die  Erklärung,  dass  mir  jede  Recht- 
haberei fernliegt;  von  Mommsen  mich  belehren  zu  lassen,  halte  ich  so 
wenig  für  eine  Schande  als  einen  von  ihm  mir  nachgewiesenen  Irrtum 
offen  einzugestehen.  Es  handelt  sich  aber  hier  um  eine  wissenschaft- 
liche Controverse,  bei  der  Gründe  entscheiden  müssen;  ich  kann  es  mir 
nicht  erlassen  die  Bedenken,  welche  sich  mir  bei  Mommsen's  »Wider- 
legung« nur  noch  stärker  aufgedrängt  haben,  hier  zu  entwickeln,  und  werde 
mich  dabei  dem  Gange  anschliessen,  den  Mommsen's  Erörterung  ange- 
schlagen hat. 

Mommsen  vermisst  eine  Entwickelung  meiner  Ansicht  über  adse- 
rere;  es  ist  mir  nie  eingefallen,  die  privatrechtliche  Bedeutung,  wie 
sie  Mommsen  entwickelt,  in  Abrede  zu  stellen;  andererseits  habe  ich  auch 
nichts  Neues  daraus  gelernt.  Das  aber  behaupte  ich,  dass  1)  der  privat- 
rechtliche Begriff  sich  im  Laufe  der  Zeit  abschwächte  und  im  gewöhnlichen 
und  publicistischen  Sprachgebrauche  eine  andere  Bedeutung  erhielt  und 
2)  dass  der  Begriff  der  libertas  ein  anderer  wurde. 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  343 

ad  1.  Eine  derartige  Abschwächung  privatrechtlicher  Ausdrücke 
kommt  bekanntlich  öfter  vor.  Ich  erinnere  z.  B.  Horat.  epod.  9,  12  eman- 
cipatus  feminae;  und  eine  ähnliche  Wandlung  hat  vindex  durchmachen 
müssen  .(Klotz  s.  v.  und  auf  Neronischen  Münzen  luppiter  Vindex  und 
Liberator).  Für  adsertor  beweist  dies  ausser  zahlreichen  Stellen  bei 
Klotz  s.  V.  recht  deutlich  eine  Inschrift  des  vierten  Jahrhundert  C.  I.  L. 
8,  9286  ,  wo  von  einem  fidei  catholicae  adsertor  die  Rede  ist  (=  C.  Th. 
16,  4,  2);  das  Wort  entspricht  in  dieser  publicistischen  Anwendung 
ungefähr  dem  Begriffe  »Schirmherr« ,  wie  ja  Mommsen  ebenfalls  zu- 
giebt.  Es  bleibt  dem  einfachen  adserere  ungefähr  der  Begriff  des 
»Befreiens«,  auch  mit  und  ohne  Dativ  der  Person  die  Bedeutung  »be- 
anspruchen«. 

ad  2.  Erheblicher  ist  die  zweite  Frage,  die  Anwendung  des  Begriffes 
libertas.  Man  mag  der  Theorie  Mommsen's  vom  staatsrechtlichen  Gesichts- 
punkt aus  über  das  Verhältnis  von  Principat  und  Republik  ganz  und  gar  zu- 
stimmen; aber  mehr  als  eine  Theorie  ist  sie  eben  nicht,  und  wenn  sie  auch 
die  römischen  Juristen  klarer  ausgesprochen  hätten,  als  dies  der  Fall  ist, 
so  würde  daraus  noch  lauge  nicht  folgen,  dasb  die  gewöhnliche  Ansicht,  auch 
die  publicistisch  zur  Geltung  gelangte,  diese  juristisch  scharfe  Deduction 
festhielt;  im  Gegenteil  ist  es  viel  wahrscheinlicher,  dass  die  öffentliche 
Meinung,  die  nun  einmal  gewöhnlich  nichtjuristisch  deducirt,  eine  Beseiti- 
gung der  freien  Selbstregierung  der  Gemeinde  als  Consequenz  des  Princi- 
pats  erkannte  und  festhielt.  Diese  Annahme  wird  durch  die  Schriftsteller 
durchaus  bestätigt.  Dio  52,  1,  1  sagt  ausdrücklich  Ex  Ss  toütou  fxovap- 
^ela^at  au&eg  dxpcßwg  rjp$av-o  (nach  Antonius'  Tode)  und  53,  17,  1  dn 
aurou  xa\  dxpcßr^g  no\>ap^ca  xareary]  und  53,  19,  1  xal  ydp  noo  xai.  navrd- 
r.aaiv  ddüvazov  r^v  orjixoxprxzoo/idvoug  wjxobg  aco^rjVac.  Hier  ist  also  die 
Incompatibilität  von  Principat  und  Republik  so  scharf  als  möglich  aus- 
gesprochen, aber  auch  Tacitus  Agr.  3  Nerva  Caesar  res  olim  dissocia- 
biles  miscuit  principatum  ac  libertatem  sieht  bis  auf  Nerva  den  princi- 
patus  allein  als  bestehend  an,  da  erst  mit  diesem  Kaiser  eine  Verbindung 
der  res  olim  dissociabiles  eintrat.  Doch  dieser  Schriftsteller  hat  auch 
an  anderen  Stellen  gezeigt,  dass  er  jene  staatsrechtliche  Theorie  nicht 
kannte  oder  wenigstens  nicht  beachtete;  so  heisst  es  von  Tiberius'  Adoption 
und  Erhebung  zum  Mitregenten  ann.  1,  8  provisis  etiam  hcredum  in  rem- 
publicam  opibus  und  3,  56  ne  successor  in  incorto  foret,  und  sein  Freund 
Plinius  begeht  Pan.  7  denselben  staatsrechtlichen  Verstoss,  da  er  sagt: 
an  senatum  populumque  Roraauum  exercitus  provincias  socios  trans- 
missurus  uni  successorem  e  sinu  uxoris  accipias?  Nirgend  ist  hier 
davon  die  Rede,  dass  »der  einzelne  Principat  eine  —  auf  gewisse  Zeit, 
höchstenfalls  die  Lebenszeit  des  Princeps  beschränkte  Einschränkung  oder 
Ausserkraftsetzung  der  Freiheit  des  römischen  Volkes«  ist. 

Nun  der  Begriff  libertas.    Betrachten  wir  zunächst  eine  Sammlung 


344  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

von  Stellen,  in  denen  dieser  Begriff  in  Verbindung  mit  adsertor,   vindex 
oder  ähnlichen  Wendungen  angewandt  ist. 

Die  ältesten  Verbindungen  dieser  Art  unter  dem  Principat  sind, 
so  viel  ich  weiss,  die  von  Augustus  im  Mon.  Ancyr.  l,  3  von  sich  ge- 
brauchte Aeusserung:  doniinationc  factionis  oppressara  rempublicam  in 
libertatem  vindieavi,  und  schon  früher  die  diesem  Fürsten  auf  Münzen 
vom  Jahre  726/28,  also  zu  einer  Zeit,  wo  er  noch  im  Besitz  der  con- 
stituirenden  Gewalt  war,  beigelegte  Bezeichnung  libertatis  p.  R.  vindex; 
diese  Formeln  haben  eine  typische  Bedeutung  gewonnen.  Die  libertas, 
welche  hier  einzig  gemeint  sein  kann,  ist  der  gemässigte  Principat,  der 
vor  Allem  dem  Senat  seinen  Teil  am  Regimentc  gestattete  und  die  Volks- 
wahlen wieder  hergestellt  und  belassen  und  auf  Zeit  die  Magistratur 
übernommen  bezw.  im  letzteren  Falle  allerlei  Abschwächungen  der  autokra- 
tischen constituirenden  Gewalt  zugelassen  hatte.  Diese  Ordnung  der  Dinge 
konnte  bei  einigem  Optimismus  und  einiger  officieller  Schönfärberei  gegen- 
über der  aristokratischen  Fractionspolitik  und  dem  Triumvirate  als  libertas 
erscheinen,  und  für  sie  hat  sich  diese  neue  Bezeichnung,  man  mag  sie  er- 
logen oder  euphemistisch  nennen,  fixirt,  sofort  beim  ersten  Auftreten  in  Ver- 
bindung mit  vindex,  auch  mit  dem  Gegensatze  einer  ungesetzlichen  Herr- 
schaft, von  welcher  die  Befreiung  herbeigeführt  wird  (dominatione  factionis 
oppressam)»  Dieses  wiederholt  sich  allerdings  unter  den  Nachfolgern  nicht 
mehr  ganz  genau,  aber  doch  in  der  Hauptsache,  und  bei  den  Kaisern, 
welche  nach  augusteischem  Vorgange  dem  Senate  eine  gewisse  Teilnahme 
gestatteten  und  ein  im  Ganzen  unblutiges  Regiment,  namentlich  nach 
einem  tyrannischen,  führten,  wenn  auch  der  Begriff  der  zeitweiligen  Ueber- 
nahme  der  Herrschaft  gänzlich  geschwunden  ist,  erscheint  regelmässig 
die  libertas  mit  besonderer  Betonung.  Diese  Auffassung  wird  durch  die 
parallel  erscheinende  Roma  resurgens  oder  Roma  restituta  gestützt.  So- 
wohl auf  den  Münzen  Galba's  als  Vespasian's  kniet  Roma  vor  dem  Kaiser, 
der  ihr  die  Hand  reicht;  Roma  erscheint  dabei  ohne  Helm;  ich  lasse 
es  dahingestellt,  ob  die  Erklärung  Senckler's  (Bonn.  Jahrb.  14,  80)  richtig 
ist,  wonach  dadurch  der  wehrlose  Zustand  Rom's  unter  den  Vorgängern 
beider  Kaiser  dargestellt  werden  soll,  von  dem  beide  sich  rühmten,  die- 
selbe erlöst  zu  haben;  jedenfalls  kann  dieses  resurgere  oder  restitui  nach 
dem  Münzbilde  nur  in  Verbindung  mit  dem  Kaiser  gedacht  werden. 
Dass  nicht  einfach  an  die  alte  Republik  gedacht  werden  darf,  zeigt  be- 
reits unter  anderem  ein  Vorgang  unter  der  Regierung  des  Tiberius.  Nach 
Seian's  Sturz  wurde  nach  Dio  58,  12,  5  der  libertas  ein  Standbild  errichtet. 
Und  hier  begegnet  von  neuem  deutlich  der  Begriff,  den  seit  Augustus  das 
Wort  libertas  im  officiellen  Stile  einnimmt,  indem  es  von  einem  rechtlich 
begründeten,  in  Gemeinschaft  mit  dem  Senate  geführten  Principate  gegen- 
über einem  entweder  illegitim  begründeten  oder  im  Laufe  der  Regierung  zur 
Tyrannis  umgewandelten  Regimente  gebraucht  wird.  Von  republikanischer 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  345 

Staatsform  konnte  nicht  die  Rede  sein  —  diese  war  mit  Seian's  Tode  nicht 
hergestellt  —  wohl  aber  von  der  Befreiung  von  einem  Tyrannen,  der  die 
Bürgerschaft,  vor  Allem  die  höheren  Stände,  geknechtet  hatte  und  auf 
illegitime  Weise  sein  Regiment  begründen  hatte  wollen. 

Zunächst  findet  sich  nun  das  Attribut  Vindex  libertatis  in  einer 
halbofficiellen  Inschrift  von  Claudius  C  I.  L.  6  add.  ad  920  p.  841 ;  dasselbe 
hat  im  Anfange  seiner  Regierung  (45)  einen  passenden  Sinn,  da  er  nach 
der  tyrannischen  Regierung  des  Gaius  und  einem  kurzen  Anlaufe  aristo- 
kratischer Restauration  ein  constitutionelles,  dem  Senate  Anteil  gewähren- 
des und  vor  Allem  überall,  selbst  bezüglich  der  Volksversammlung,  die 
Nachahmung  des  Augustus  zur  Schau  tragendes  Regiment  führte  (los.  A.  I. 
19,  4,  2).  Auf  Münzen  des  Galba  erscheint  sodann  die  libertas  restituta; 
dass  auch  hier  nicht  an  eine  Republik  zu  denken  ist,  zeigt  die  Inschrift 
C.  I.  L.  6,  471  —  libertatis  restitutae  Serv.  Galbae  imp.  Aug.;  wohl  aber 
musste  die  constitutionelle  Herrschaft  Galba's,  wenigstens  wie  man  sie  zu 
Anfang  seiner  Regierung  erhoffte,  als  eine  Wiederherstellung  der  »Freiheit« 
in  dem  oben  bezeichneten  augusteischen  Sinne  gegenüber  der  Tyranuis  Ne- 
ro's  erscheinen;  wie  diese  Regierung  überhaupt  auf  Augustus  in  ihren  Münz- 
legenden zurückgreift,  zeigt  die  merkwürdige  Bezeichnung  salus  generis 
humani.  Ebenso  heisst  Vespasian  adsertor  libertatis  gegenüber  der  Soldaten- 
herrschaft unter  Otho  und  Vitellius.  Nach  Domitian's  Tod,  des  Fürsten, 
der  die  senatorische  Milregierung  und  die  augusteische  Dyarchie  wie 
kein  Princeps  vor  ihm  schädigte,  wird  die  libertas  restituta  —  es  scheint, 
dass  die  libertas  restituta  auf  den  Münzen  Hadrian's  noch  eine  Nachwir- 
kung hiervon  ist,  als  Hadrian  am  Anfange  seiner  Regierung  (Dio  69,  2,  4) 
dem  Senate  Exemtion  vom  Kaisergerichte  bewilligte,  Eckhel  6,  505  Cohen 
Adr.  965  —  auf  den  Münzen  mit  ganz  besonderer  Emphase  wieder  hervor- 
gehoben, und  ganz  genau,  wie  bei  Galba  —  Domitianus  gilt  bekanntlich  der 
üeberlieferung  als  'alter  Nero'  —  begegnet  auch  bei  Nerva  eine  stadt- 
römische Inschrift  CLL. 6,  472  libertati  ab  Imp.  Nerva  Caes.  Aug.  restitutae 
und  Plin.  ep.  9,  13,  4  spricht  in  demselben  Sinne  von  primi  dies  redditae 
libertatis;  den  Commentar  zu  diesen  Stellen  hat  Tacitus  Agr.  3  geliefert: 
miscuit  principatum  ac  libertatem,  der  durch  Plutarch  Galb.  4  ergänzt 
wird,  wo  Galba  nach  Vindex'  Tode  den  Verginius  auffordert  y.oivonpayzlv 
xal  dca^uMaascv  ä/xa  r?yv  ^yzfjLovcav  xat  ttjV  iXeu  Uspc'av  Pwp.aiotq. 
Von  einer  Wiederherstellung  der  Republik  als  Staatsform  ist  hier  nir- 
gends die  Rede. 

Wir  begegnen  der  Verbindung  vindex  oder  adsertor  libertatis  oder 
ähnlichen  Wendungen  lange  nicht  mehr;  erst  nach  Commodus'  Tode,  der 
als  ein  Tyrann  xaz'  i^o^rjv  galt,  erscheint  auf  den  Münzen  des  Pertinax 
wieder  liberatis  civibus  (Eckhel  7,  142  Cohen  Pert.  11.  37);  der  Sinn 
kann  hier  so  wenig  zweifelhaft  sein,  wie  unter  den  früheren  Kaisern,  die 
Befreiung  vom  Tyrannen  allein  ist  gemeint,  der  Principat  ist  keinen 
Augenblick  in  Frage  gestellt  gewesen,  aber  ein  Kaiser,  der  seine  Wahl 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVUl.    (1881.  HI.)  23 


346  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

vom  Senate  sanctioniren  liess  und  sich  princeps  senatus  nannte  und 
Augustus  zum  Vorbild  nahm,  verdiente  natürlich  in  erster  Linie  den 
Ehrentitel  des  »Befreiers«  von  einem  Tyrannen,  den  eben  die  damnatio 
menioriac  getroffen  hatte. 

Wie  lange  sich  diese  Bedeutung  der  libertas  erhielt,  zeigen  Mün- 
zen des  Gallienus  (Eckhel  7,  408  Cohen  üall.  lö.  16.  369  f.  793)  mit  der 
Aufschrift  ob  redditam  oder  ob  receptam  libertatem,  welche  nach  der 
Besiegung  irgend  eines  der  zahlreichen  Gegenkaiser  geschlagen  sein 
müssen  und  auf  die  Illegitimität  und  Tyrannei  der  Usurpatoren  hinweisen 
sollten;  von  einer  Festhaltung  der  Dyarchie  konnte  hier  kaum  die  Rede 
mehr  sein. 

Dass  diese  Erklärung  mit  den  überlieferten  Thatsachen  der  Mün- 
zen und  Inschriften  in  völligem  Einklänge  steht,  hat,  wie  ich  hoffe,  diese 
Auseinandersetzung  gezeigt.  Aber  auch  die  Schriftsteller  bieten  dersel- 
ben mehr  als  eine  Stütze.  Noch  das  dionische  Staatsideal  ist  die 
augusteische  Dyarchie  52,  15,  1;  18,  1;  und  bei  Plinius  pan.  45  wird 
scharf  unterschieden  zwischen  dominatio  und  principatus;  letzterer  er- 
scheint mit  der  Freiheit  verträglich,  erstere  nicht;  nichts  anderes  hat 
Tacitus  an  der  mehrerwähuten  Agricolastelle  ausgedrückt;  res  olim  diss- 
ciabiles  bezieht  sich  auf  die  Regierung  Domitian's,  vielleicht  auch  Ves- 
pasian's,  der  bekanntlich  kein  Freund  der  senatorisch-stoischen  Opposi- 
tion war;  ein  durch  Usurpation  emporgekommener  Herrscher,  wie  Clodius 
Macer  in  Afrika,  gilt  Tacitus  als  dominus  (bist.  1,  11),  obgleich  er  Leiber- 
tas  im  alten  Sinne  auf  seine  Münzen  setzen  liess;  ebenso  scheidet  Appian 
scharf  zwischen  dem  constitutionellen  Herrscher  und  dem  Tyrannen 
(2,  148),  dessen  Hauptkriterien  xrsTvac  äxptrov,  kxßaXzlv  -r^g  nuXziug^  dca- 
ßdUetv  etc.  sind  (3,  57).  In  späterer  Zeit  bezeichnen  sich  die  legitimen 
Kaiser  officiell  als  extinctores  tyrannorum  (C.  I.  L.  6,  3791). 

Wenden  wir  nun  dieses  Resultat  auf  die  einzelnen  Einwendungen 
Mommsen's  an.  1)  Die  Pliniusstelle  soll  mit  klaren  Worten  sagen,  dass 
Vindex  den  Sturz  nicht  des  Monarchen,  sondern  der  Monarchie  auf  seine 
Fahne  geschrieben  habe;  seine  Worte  sollen  das  Echo  des  Programms 
sein,  mit  dem  Vindex  auftrat.  Das  letztere  können  wir  einfach  nicht 
wissen,  es  lässt  sich  also  auch  darüber  nicht  streiten.  Warum  aber  die 
Worte  ads.  lib.  in  einer  Titus  gewidmeten  Schrift  nicht  bedeuten  können, 
dass  Vindex  den  Anstoss  gab  zum  Sturze  Nero's  und  damit  zur  Her- 
stellung constitutioneller  Zustände,  wie  sie  durch  die  flavische  Familie 
begründet  wurden,  müsste  erst  gezeigt  werden ,  da  Plut.  Galb.  29  sagt, 
die  Bewegung  des  Vindex,  bis  dahin  eine  dnöaracftg ,  habe  erst  durch 
den  Namen  des  Galba,  da  sie  einen  r^ysfxovixag  dvr^p  gefunden,  den  Cha- 
rakter eines  Bürgerkrieges  erhalten.  Eine  dnucrTaaig  vollzieht  sich  doch 
regelmässig  von  dem  derzeitigen  Regenten,  nicht  von  der  Regierungs- 
form, und  selbst  wenn  in  einem  solchen  Unternehmen  die  Republik  pro- 
clamirt  wird,  so  ist  die  Bewegung  doch  stets  gegen  die  Person  des  der- 


Zeit  der  Iiilier,  Flavier  und  Antonine.  347 

zeitigen  Herrschers  gerichtet.  Zu  letzterer  Annahme  haben  wir  aber  gar 
keinen  Grund,  denn  ein  Aufruhrer,  der  sich  gegen  die  Staatsforra  der 
Alleinherrschaft  erklärt,  wird  doch  nicht  im  gleichen  Athem  einen  neuen 
Alleinherrscher  proklarairen  können,  ohne  sich  vollständig  entweder  bei 
seinen  Anhängern  zu  diskreditiren  oder  Anderen  den  Glauben  an  seine 
Ehrlichkeit  oder  seine  Fähigkeit  zu  rauben.  Nun  sagt  aber  Plutarch 
ausdrücklich:  räkßag  xal  x^rj&slg  xal  br^axobaag  abroxpdzwp  xai  zfj  Outv- 
dcxog  ijiTTapaa^div  uvofj.a  ~6^/irj  dnöaracrcv  inocrjas  ttoAc/zov  s/jl^ü^cov  dvdpbg 
r^ye/jLov'.xoü  zu^otxjrxv.  Wenn  dies  nicht  mit  dürren  Worten  ausdrückt, 
dass  der  Abfall  des  Vindex  ohne  Anhang  und  ohne  Nachfolge  im  Reiche 
geblieben  sei,  bevor  er  Galba's  Caudidatur  für  den  Kaiserthron  proklamirte, 
so  weiss  ich  allerdings  nicht,  wie  dies  sonst  müsste  ausgedrückt  werden. 
Könnte  noch  ein  Missverständnis  bestehen,  so  würde  dies  durch  Plut. 
Galb.  4  völlig  beseitigt,  wo  ausdrücklich  unterschieden  wird:  orc  ae  ßoü- 
Xezat  {Obhdi^)  Paj[xacoig  e/c^v  äpyovza  [LalXov  tj  Nipojva  zupavvov; 
also  dem  Tyrannen  Nero  galt  angeblich  seine  Auflehnung,  nicht  dem 
Principate.  Und  nichts  anderes  meint  Plinius;  der  adsertor  a  Nerone 
etc.  kann  doch  nur  sagen  wollen  »von  dem  Tyrannen  Nero«;  sonst 
hätte  dominatione,  imperio  oder  irgend  etwas  anderes  ohne  Beziehung 
zu  der  Person  des  Fürsten  gesetzt  werden  müssen.  Dass  meine  Be- 
ziehung der  Worte  des  Sueton  ut  generi  humano  assertorem  ducemque 
se  accommodaret  allein  auf  Nero  danach  berechtigt  war,  wird,  denke 
ich,  jeder  Unbefangene  zugeben.  Die  Worte  Mommsen's,  dass  wir  hier 
die  Fortsetzung  zu  dem  adsertor  Galliarum  (?)  haben  sollen  und  seine 
Behauptung,  dass  die  Hauptsache  fehle,  »der  Erweis,  dass  der  Sturz  des 
Tyrannen  nicht  hier  aufgefasst  sei  als  mit  enthalten  in  der  Abschaffung 
der  Tyrannis«  bedürfen  danach,  wie  ich  glaube,  keiner  weiteren  Wider- 
legung. 

Aehnlich  steht  es  mit  der  Martialstelle.  Dass  Martial  sagen  konnte, 
adsertus  orbis  =  die  wieder  in  ihre  freie  Selbstbestimmung  eingesetzte 
Welt,  kann  man  zugeben;  ebenso  wird  man  aber  auch  zugeben  müssen, 
dass  er  nichts  Aehnliches  aus  der  Zeitgeschichte  je  gesagt  hat. 
Die  republikanischen  Reminiscenzen  sind  ja  allerdings  bei  diesen  Dich- 
tern zahlreich  genug;  aber  sie  beziehen  sich  auf  so  unschädliche  und 
triviale  Fälle  wie  Brutus  und  Cassius,  auf  Thrasea,  nicht  aber  auf  so 
kitzliche  Fragen  wie  die  Abschaffung  des  Principats;  wenn  eine  solche 
Erwähnung  zu  allen  Zeiten  nicht  unbedenklich  erscheinen  musste,  war 
sie  es  doppelt  unter  Domitian,  und  Martial  war  nicht  der  Mann,  sich 
in  solche  Gefahr  zu  begeben.  Dass  aber  eine  Erwähnung  der  Befreiung 
von  der  Tyrannis  Nero's,  auf  die  ja  schliesslich  doch  nur  als  bleibendes 
Resultat  die  constituirende  Thätigkeit  Vespasian's  folgte,  auch  Domitian 
nicht  unangenehm  war,  halte  ich  auch  jetzt  aufrecht.  Das  adserere  hat 
auch  hier  keine  andere  Bedeutung  als  oben. 

3)  Ein  unbegreifliches  Missverständuis  scheint  bei  Mommsen  bezüg- 

23* 


348  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

lieh  meiner  Worte  über  Tac.  hist.  2,  61  iamqiie  adsertor  Galliarum  obzu- 
walten; ich  weiss  nicht  wie  derselbe  dazu  kommt  diese  Worte  auf  Vin- 
dex  zu  beziehen;  dieselben  werden  von  dem  Boier  Mariccus  gebraucht; 
ich  habe  dort  lediglich  die  Vermutung  geäussert,  dass  dieser  beabsichtigt 
habe,  die  Herrschaft  über  Gallien  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen,  da 
er  sich  sogar  schon  göttliche  Würde  decretirt  hatte.  War  dies  aber  der 
Fall,  so  musste  der  Begriff  des  adsertor  schon  so  weit  abgeschwächt 
sein ,  dass  dadurch  über  den  nach  der  Befreiung  vom  römischen  Joche 
eintretenden  Zustand  nicht  präjudicirt  wurde.  Einen  Widerspruch,  »wenn 
der  adsertus  in  dem  adsertor  in  solchem  Pralle  einen  neuen  Herrn  fin- 
det«, kann  ich  so  wenig  erkennen,  als  wenn  sonst  im  Völkerleben  ein 
Volk  sich  von  dem  »Joche«  eines  andern  losreisst  und  sich  die  Herr- 
schaft des  »Befreiers«  vom  eigenen  Stamme  gefallen  lässt.  Das  eine 
Verhältnis  erscheint  eben  politisch  als  Knechtschaft,  das  andere  als  ver- 
hältnismässige Freiheit,  staatsrechtlich  mag  diese  Auffassung  nicht  präcis 
sein.  Wenn  übrigens  Mommsen  behauptet,  »dass  auch  anderweitig  keine 
Spur  dahin  führe,  dass  Vindex  sich  zum  König  von  Gallien  habe  aus- 
rufen lassen«,  so  hat  Niemand  behauptet,  dass  er  so  weit  gegangen 
wäre;  dass  aber  sein  Versuch  in  Gallien  für  Tacitus  Josephus  und  Plu- 
tarch  einen  unzweideutig  nationalen  und  antirömischen  Charakter 
trug,  habe  ich  zur  Genüge  erwiesen.  (Meine  Gesch.  des  Nero  S.  266  ff. 
268  ff.  Jahresb.  1876—1878  S.  509  f.) 

4)  Auch  meine  Erklärung  der  Grabschrift  des  Verginius  hat  Momm- 
sen teilweise  missverstanden.  Wenn  ich  sagte  »für  die  Herstellung  der 
Republik  hat  er  sich  damit  noch  nicht  erklärt,  das  Imperium  setzt  er 
als  die  fortdauernde  Staatsforra  voraus«,  so  konnten  diese  Worte  dem 
Zusammenhange  nach,  in  dem  sie  standen,  nur  auf  den  Zeitpunkt  der 
gallischen  Insurrection  bezogen  werden.  Wie  Mommsen  sagen  kann 
»Hat  denn  irgend  Jemand  behauptet,  dass  Verginius  einen  Protest  gegen 
die  Herrschaft  Trajan's  sich  auf  das  Grab  hat  schreiben  lassen?«  ist  mir 
nur  begreiflich,  wenn  ich  annehme,  dass  er  meine  Darlegung  nur  teil- 
weise gelesen  hat.  Mommsen  findet  weiter  »nicht  widerlegt,  dass  der 
Dichter  des  Epigramms  den  adsertor  libertatis  im  Sinne  gehabt  hat,  den 
uneigennützigen  Schützer  der  unterdrückten  Freiheit.  Verginius  besei- 
tigt den  Tyrannen  und  giebt  dem  Senate  die  freie  Selbstbestimmung 
zurück«.  Letzteres  mag  sein;  aber  bezüglich  der  ersteren  Behauptung 
kann  sich  meines  Erachtens  doch  auch  ein  anderer  Gedanke  bei  dem 
Lesen  der  Worte  aufdrängen.  Wenn  Verginius  Rufus  sich  daraus  ein 
Verdienst  macht,  dass  er  erst  den  Vindex  geschlagen  und  dann  das 
Reich  nicht  für  sich  in  Anspruch  genommen,  sondern  für  das  Vater- 
land, so  gäbe  es  doch  einen  wunderbaren  Gedanken,  falls  Vindex  auch 
die  Welt  mit  der  Republik  zu  beschenken  gedachte,  wenn  Verginius 
Rufus  zuerst  den  Befreier  der  römischen  Welt  von  der  Tyrannis  schlägt  bezw. 
erschlägt,  diese  That  als  die  bedeutendste  seines  Lebens  später  auf  sein 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Autonine.  349 

Grab  setzen  lässt  und  dann  hinzufügt,  er  habe  nachher  dasselbe  ausge- 
führt, was  jener  gewollt  habe.  Musste  sich  da  nicht  jeder  denkende 
Leser  fragen,  ob  in  diesem  Falle  Vergiuius  oder  sein  laudator  gesunden 
Verstandes  war?  Wenn  die  Verse  eine  Spitze  haben,  so  ist  sie  bei  dem 
bekannten  Verhältnisse  des  Verginius  zu  Galba  gegen  letzteren  gerichtet. 
Dieser  erklärte  sich  zum  legatus  sen.  populiq.  R.,  griff  aber  faktisch 
nach  der  Krone;  Verginius,  dem  die  Krone  entgegengebracht  wurde, 
überliess  faktisch  dem  Senate  und  dem  Volke  die  Entscheidung  über 
deren  Verleihung.  Ich  kann  auch  jetzt  nicht  anders  als  meine  frühere 
Erklärung  aufrecht  erhalten,  dass  gerade  die  Grabschrift  des  Verginius 
ein  Hauptbeweis  gegen  die  weltbefreiende  und  republikanische 
Absicht  des  Viudex  ist.  Ob  übrigens,  wie  Mommsen  behauptet,  der 
Dichter  der  Grabschrift  wirklich  an  den  uneigennützigen  adsertor  liber- 
tatis  gedacht,  ist  mehr  als  zweifelhaft.  Schon  Dio  (68,  2,  4)  oder  dessen 
Gewährsmänner  haben  die  Inschrift  folgendermassen  verstanden  vixrjaag 
Oucvocxa  TU  xpdrog  ou^  iatnoj  TiepienoLrjaaTo  dXXä  zrj  Tiazpidt^  so  habe 
ich  dieselbe  erklärt,  und  diese  Bedeutung  von  adserere  ist  zur  Genüge 
belegt  (s.  die  Stellen  bei  Klotz  2,  a  ß).  Tradition  und  Sprachgebrauch 
sprechen  also  nicht  gegen  mich,  wohl  aber  gegen  Mommsen. 

5)  Die  Münzaufschrift  adsertori  libertatis  publicae  bei  Vespasian 
will  Mommsen  teils  durch  Spott,  teils  dadurch  eludircn,  dass  er  sie  mit 
der  dementia  auf  den  Münzen  des  Tiberius  und  Viteliius  auf  eine  Linie 
stellt.  Ich  habe  gegen  letzteren  Vergleich  nichts.  Dass  die  dementia 
und  moderatio  auch  bei  Tiberius,  auf  dessen  Münzen  diese  Aufschrift 
bereits  im  Jahre  14  erscheint,  und  Viteliius,  nach  dessen  Erhebung  die- 
selbe sich  findet,  in  einzelnen  Fällen  sich  erwiesen  hat  und  den  berech- 
tig ten,  wenn  vielleicht  auch  übertriebenen  Grund  zu  einer  Münzaufschrift 
geben  konnte,  wird  Mommsen  schwerlich  bestreiten;  in  diesem  Falle  wäre 
aber  die  Anwendung  von  adsertor  lib.  pub.  wohl  ebenfalls  durch  ein  beson- 
deres Verdienst  begründet  gewesen.  Aber  mau  kann  auch  eine  andere  Er- 
klärung dafür  zulassen  und  sagen,  dieses  Prädikat  wurde  für  Augustus  auf 
die  Münzen  gesetzt  und  conventionell  für  die  folgenden  Fürsten  unter  be- 
stimmten wiederkehrenden  Bedingungen  weiter  gebraucht;  ich  würde  für 
unsere  Frage  ungefähr  die  libertas  publica  oder  bloss  libertas  als  Analogie 
ansehen,  welche  auch  unter  nicht  wenigen  Regierungen  auf  den  Münzen 
erscheint.  Eine  besondere  Illustration  für  die  hier  gemeinte  libertas 
bildet  die  libertas  Augusta  auf  den  Münzen  des  Claudius  und  anderer 
Kaiser.  Aber  mag  nun  der  eine  oder  der  andere  Ursprung  für  den  ad- 
sertor lib.  oder  vindex  lib.  angenommen  werden,  d.  h.  mag  nun  das  Bei- 
spiel, das  Augustus  gab,  für  seine  Nachfolger  massgebend  gewesen  sein 
oder  mag  man  die  specidle  Nachfolge  auf  einen  Tyrannen,  den  damnatio 
memoriae  getroflen,  mit  diesem  Attribut  geehrt  haben  -  für  letzteres 
sprechen  die  Münzen  und  Inschriften,  die  nur  bei  gewaltsamem  Sturze 
oder  postumer  Verurteilung  des  Vorgängers  dieses  Prädikat  dem  Nach- 


350  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

folger  erteilen    —    in  beiden   Fällen   kann   libcrtas   nicht  die   Republik, 
sondern  faktisch  nur  den  legalen  und  constilutiünellen  Principat  bezeichnet 
haben.     Was  es  danach  mit  Monimseu's  IJchauptung  auf  sich   hat  »wie 
die   ephemere  Wiederherstellung    der  Republik  im  Jahre  68,   der  orbis 
adsertus  noch  darin  nachzucko,  ilass  derjenige  Gewalthaber,  in  dem  der 
Principat  sich  neu  consolidirt,   officioll   als  Retter  der  Volksfreiheit  be- 
grüsst  werde«,   darf  ich   dem  Urtoil   der  Leser  überlassen;    bei  Nerva 
oder  gar  bei  Pertinax  müsste   diMii    Xachzucken   doch    eine    gar    lange 
Dauer  eingeräumt  werden,   bei   Claudius  kann    dasselbe  gar   nicht   zur 
Erklärung    verwandt    werden.     Dass   ja   auf   ofticiellen   Inschriften    und 
Münzen  zu  allen  Zeiten  viel  gelogen  wird,  ist  eine  bekannte  Thatsache, 
nicht  minder  bekannt  ist  aber,  dass  solche  Lügen  wenigstens  dann  immer 
eine  kleine  Unterlage,  wenn  auch  nicht  von  Wahrheit,  so  doch  von  Wahr- 
scheinlichkeit haben.     Ich  vermag  mir  nun   nicht  vorzustellen,   dass   ein 
Fürst,  auch  ein  römischer  Princeps,   ein   besonderes  Compliment  darin 
hätte  erkennen  sollen,   dass  man  ihn  unmittelbar  nach   einem  Versuche, 
die  Republik  wiederherzustellen,   »Schirmer  der  Volksfreiheit,   d.  h.  der 
Republik«,   nannte  und  so  jeden  Leser  der  Münzaufschrift  nötigte,   auf 
die  Usurpation  dieses  Fürsten  zu  argumentiren,  namentlich  wenn  auf  der 
Vorderseite  Imp.  Caes.  Aug.  etc.  zu  lesen  war.    Es  gab  ja  andere  Auf- 
schriften, die  nicht  minder  schmeichelhaft  und  viel  bezeichnender  waren, 
z.  B.  conservator  civium,   civibus  servatis  etc.;    warum  also  dem  Senate 
die  Taktlosigkeit  der  Wahl  und  einem  Kaiser  wie  Vespasian  die  Schwäche 
der   Billigung    solcher  Taktlosigkeit    zutrauen    betreffs   einer  Aufschrift, 
welche,  wenn  Mommsen's  Interpretation  richtig  wäre,  geradezu  dazu  her- 
ausfordern musste,  seine  Herrschaft  als  eine  unberechtigte  zu  brandmarken? 
Die  schliessliche  Ansicht  Mommsen's,  »dass  die  römischen  Schrift- 
steller von  Autorität   einstimmig  die  Katastrophe  des  letzten  Claudiers 
als  den  Zusammenbruch  des  Principats   und   die  Wiederaufrichtuug   der 
Republik  bezeichnen«,  ist  jedenfalls  ohne  Einschränkung  für  Tacitus  und 
Plutarch  nicht  richtig,  aber  für  die  Frage  nicht  unmittelbar  relevant.    Der 
Herzog  von  Blacas  hat  bekanntlich  die  Münzen  dieser  angeblichen  ephe- 
meren römischen  Republik  zusammengestellt  und  an   deren  kurzem  Be- 
stand in  Rom  wenigstens  auf  den  Münzen  schien  ihm  nicht  zu  zweifeln. 
Aber  ist  denn  dies  wirklich  so  sicher?    Ganz  abgesehen  davon,  dass  der 
Senat  damals  nicht  Rom  und  Rom  nicht  das  Reich  war,  herrschte  in  der 
That  selbst  in  Rom  der  Senat    doch    nur   auf   den  Münzen,  in  Wirk- 
lichkeit   die   Garde   und   Numpidius   Sabinus,    welche    noch    bei    Leb- 
zeiten   Nero's    Galba    gehuldigt    und   denen   Senat  und   Volk  sich 
angeschlossen    hatten    (Plut.  Galb.  7   ou    xal    ^üjvrog   zti   roh   Mpa>vog 
oux   ovTog   de   (pavepuo   ro    azpdreuixa    -npihTov   slra    o    or^pog   xat   ij   aüy- 
xXrjTog  wjToxpdropa  tov  IdXßav  ävayopvjGZi.Ev  ^   oliyov  8k    uazepov   dnay- 
yzX&eiTj   rzdvrjxujg  ixeTvog);    staatsrechtlich   bestand    der  Principat    aber 
auch  damals  und  in  der  That  rinden  sich  auf  den  meisten  Münzen  neben 
dem  Namen  Galba's  fast  alle  die  Bezeichnungen,  welche  auf  den  söge- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  351 

nannten  republikanischen  Münzen  dieser  Zeit  ohne  denselben  vorkommen; 
eine  so  diametral  verschiedene  Bedeutung  können  dieselben  danach  doch 
wohl  nicht  haben.  Wenn  man  letzteren  Umstand  berücksichtigt,  so  wird 
man  möglicherweise  zu  dem  Schlüsse  gelangen,  dass  auch  auf  diesen 
Münzen  die  libertas  restituta  im  Grunde  nichts  anderes  ist,  als  auf  de- 
nen des  Augustus  und  Claudius,  und  ich  vermag  nicht  zu  verstehen,  wie 
die  libertas  restituta  etc.  hier  von  so  grosser  und  singulärer  Bedeutung 
sein  soll,  während  auf  der  Münze  des  Vespasian  adsertor  libertatis  keine 
Bedeutung  haben  soll.  Thatsächlich  steht  doch  die  Sache  so,  dass  die 
Münzen  des  Jahres  68  ebenso  ein  Glied  in  der  Kette  jenes  Missbrauchs 
des  alten  Wortes  libertas  sind,  wie  die  Münzen  Vespasian's  und  Nerva's. 

J.  H.  Mordtmaun,   Lateinische  Inschrift  aus  Armenien   und  Be- 
merkungen Th.  Mommsen's  zu  derselben.     Hermes  15,  289  —  296. 

Die  Inschrift  fällt,  da  sie  das  elfte  —  bei  Mommsen  S.  294  steht 
durch  Druckfehler  neunte  -  tribunicische  Jahr  des  Nero  angiebt,  in  die 
Zeit  vom  10.  December  63/64;  damit  verbunden  ist  die  neunte  impera- 
torische Acclamation,  die  zehnte  und  elfte  fallen  somit  nach  dem  Ende 
des  Jahres  63.  Während  die  eine  jedenfalls  bei  der  Belehnung  des  Tiri- 
dates  erfolgte  —  merkwürdigerweise  hält  Mommsen  S.  295  diese  von  mir 
Hermes  5,  312  und  Nero  310  ausgesprochene  Vermutung  für  beseitigt,  wäh- 
rend er  selbst  sie  als  selbstverständlich  aufstellt  —  will  Mommsen  die  andere 
in  die  Zeit  legen,  da  Corbulo  nach  dem  Eintreffen  der  kaiserlichen  Ratifi- 
cation des  im  Jahre  63  abgeschlossenen  Vertrags  von  Rhandeia  etwa  im 
Frühling  64  Armenien  räumte.  Anhaltspunkte  für  diese  Annahme  finden 
sich  nur  in  einer  allgemeinen  Angabe  Dio's;  Gewissheit  können  nur  weitere 
Funde  bringen;  ich  brauche  deshalb  einstweilen  meine  weitere  Annahme, 
dass  diese  Salutatio  in  Mösien  erfolgt  sei,  ebensowenig  wie  meine  erstere 
für  »beseitigt«  zu  halten,  da  die  Chronologie  der  mösischen  Ereignisse  sehr 
unsicher  und  meines  Erachtens  mit  Sicherheit  nur  nach  6 1  anzusetzen  ist.  Die 
Inschrift  gehört  in  die  Zwischenzeit  zwischen  dem  von  Tacitus  15,  26  geschil- 
derten Sommerfeldzug  63  und  demAbzug  der  römischen  Truppen  aus  Armenien. 

Die  Inschrift  ist  in  Charput  (nahe  dem  Murad-su  im  südlichen  Ar- 
menieiij  gefunden  worden.  Bestätigt  wird  hierdurch  Kiepert's  Vermu- 
tung, dass  das  Lager  des  Caesennius  Paetus  am  Murad-su  in  der  Nähe 
von  Charput  gelegen  haben  muss.  Dagegen  verwirft  Mordtmann  die 
Hypothese  Kiepert's,  wonach  Charput  möglicherweise  Arsamosata  sei, 
das  er  vielmehr  zwischen  Amid  und  Charput  und  :j\var  drei  Tagereisen 
von  ersterer  Stadt  entfernt  südlicher  zwischen  dem  vereinigten  Euphrat 
und  dem  Tigris  in  der  von  arabischen  Historikern  und  Geographen  an 
dieser  Stelle  erwähnten  Stadt  Sch^^schät  erkennen  will. 

Ed.  Sachau,  Ueber  -'^e   Lage   von  Tigranokerta.     Abh.  d.  Berl. 
Akad.  d.  Wiss.  phil.-^^t.  Klasse  1880  S.  1     92  und  Karte  von  Kiepert. 
Der  Verfa=~''  ^^^  gelegentlich  einer  Reise  in  Armenien  und  Me- 
sopotamien -^^  ^'^  letzter  Zeit    wiederholt  behandelte  Frage   über  die 


352  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Lage  von  Tigranokerta  von  neuem  aufgenommen  und  gelangt  auf  Grund 
von  Münzfunden,  Autopsie  und  Vergleichung  der  antiken  Berichte  zu 
dem  Resultate,  dass  die  alte  Stadt  bei  den  heutigen  Dörfern  Tel  Ermen 
und  Köc-Hisär  am  Flusse  Girs-Zrgä,n  südlich  vom  Masios-Gebirge  in 
Mesopotamien  lag.  Die  Untersuchung  ergiebt  für  die  Feldzüge  des  Lu- 
cullus  und  Corbulo  recht  instructivcs  Material. 

F.  Goerres,  Zur  Kritik  einiger  Quellenschriftsteller  der  römischen 
Kaiserzeit.    Philol.  39,  459-474. 

Der  Verfasser  behandelt  in  gewohnter  Breite  die  Geschichte  des 
Julius  Sabinus  (Tac.  bist.  4,  55.  67.  Plut.  lib.  am.  flu.  und  Dio  66,  16,  1.  2), 
indem  er  nachzuweisen  sucht,  dass  die  Erzählung  desselben  authentisch 
ist;  die  Pole;.ak  richtet  sich  hauptsächlich  gegen  Merivale,  der  dies  be- 
zweifelt hatte. 

E.  Illhardt,  Titus  und  der  jüdische  Tempel.  Philol.  40,  189—196. 

Der  Verfasser  meint,  zwischen  der  Annahme,  Titus  habe  den  Tem- 
pel für  die  Dauer  erhalten,  und  der,  er  habe  ihn  ohne  weiteres  zerstören 
wollen,  läge  das  Richtige  in  der  Mitte. 

Titus  wollte  den  Tempel  nicht  mit  stürmender  Hand  nehmen  lassen, 
weil  sonst  die  Beute  den  Soldaten  zufiel  und  er  doch  die  Tempelschätze 
teils  für  seinen  Triumph,  teils  für  den  Staat  in  Anspruch  nehmen  wollte. 
Letzteres  wünschte  Vespasian  besonders  wegen  der  herrschenden  Finanz- 
not; auf  Titus  wirkte  aber  auch  der  geheimnisvolle,  altersgraue  Schimmer, 
der  das  Nationalheiligtum  der  Juden  umgab.  Für  die  Dauer  wollte  er 
den  Tempel  jedoch  nicht  erhalten,  da  man  mit  dem  Mittelpunkte  der 
jüdischen  Religion  auch  die  Einheit  des  Volkstums  zu  vernichten  ge- 
dachte. Diese  Erhaltung  für  kürzere  Zeit  konnte  aber  nur  auf  dem 
Wege  des  Vertrags  heibeigeführt  werden.  Weiter  bestreitet  der  Ver- 
fasser gegen  Jac.  Bernays,  dass  die  bekannte  Stelle  des  Sulpicius  Se- 
verus  aus  Tacitus  geschöpft  sei;  die  Gründe  sind  so  schwach,  wie  die 
ganze  Argumentation. 

Zunächst  lässt  sich  diese  Frage  nicht  aus  so  engem  Gesichtskreise 
entscheiden,  wie  ihn  der  Verfasser  hat;  mau  muss  die  früheren  und  die 
späteren  Verhältnisse  (Hadrian)  gleichermassen  berücksichtigen.  Das 
von  dem  Veiiasser  vorausgesetzte  Verhältnis  der  Legionen  zu  Titus  ent- 
behrt jedes  historischen  Anhaltes,  und  Titus  ging  ja  auch  thatsächlich 
bei  dem  Sturme  der  ilchaustücke  nicht  verlustig,  wie  die  Darstellung 
auf  dem  Titusbogen  zeigt.  Tind  was  sollte  ein  Vertrag,  der  eine  Scho- 
nung für  kürzere  Zeit  in  Aussicht  ^.ahm'?  Im  gewöhnlichen  Leben  nennt 
man  dies  Wortbruch,  und  diesen  dem  -üifus  zu  imputiren  liegt  kein  An- 
halt vor.  Die  gegen  Bernays  vorgebrachten  Gründe  sind  ganz  wertlos ; 
denn  entweder  kann  die  Motivirung,  Titus  habe  -i\Q  Christen  auch  mit 
vertilgen  wollen,  von  Sulpicius  Severus  zugefügt  sein,  of^y  ^ber,  und  dies 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  353 

ist  nach  der  bekannten  Annalenstelle  quos  volgus  Christianos  appellabat 
sehr  wahrscheinlich,  Tacitus  schob  dem  Titus  einen  Grund  unter,  den  er 
in  seiner  Zeit  plausibel  fand,  da  die  Christen  unter  seinem  Freunde  Pli- 
nius  in  Bithynien  hatten  von  sich  reden  machen;  wir  haben  hier  den- 
selben Anachronismus  wie  in  der  Annalenstelle,  und  gerade  dieser  Zu- 
sammenhang scheint  mir  der  Annahme  von  Jac.  Bernays  erst  rechten 
Halt  zu  geben. 

Lud w.  Friedländer,  De  C  Rutilio  Gallo.   Ind.  lection.    Königs- 
berg 1880. 

Der  Verfasser  widerlegt  einige  von  Desjardins  über  den  gleichen 
Gegenstand   Rev.  de  philol.  Janv.  1877  p.  7  —  24  aufgestellte  Ansichten. 

J.  Asbach,    Zur   Chronologie    der   Briefe    des  jüngeren  Plinius. 
Rh.  Mus.  f.  Philol.  N.  F.  36,  38-49. 

Der  Verfasser  bringt  eine  Anzahl  von  Berichtigungen  zu  Momm- 
sen's  Aufsatz  im  Hermes  3,  36—53.  So  ist  der  Brief  1,  7  erst  101  oder 
102  geschrieben  -  freilich  kann  man  mindestens  ebenso  gut  sagen  99; 
denn  der  Grund  »im  September  des  Jahres  99  war  die  Sache  des  Classi- 
cus  schwerlich  entschieden«,  ist  doch  sehr  schwach.  1,  10  hat  Plinius 
nicht  als  praefectus  aerarii  militaris,  sondern  als  praefectus  aerarii  Sa- 
turni,  also  erst  98  geschrieben.  1,  12  gehört  nicht  in  das  Jahr  97,  da 
Corellius  Rufus  wahrscheinlich  noch  100  lebte;  denn  er,  nicht  Vestricius 
Spurinna  erhielt  in  diesem  Jahre  nach  dem  Verfasser  das  dritte  Con- 
sulat.  Die  1,  20,  12  hervorgehobene  dreimalige  Zuziehung  des  Plinius 
zum  kaiserlichen  Consilium  führt  ebenfalls  in  spätere  Zeit. 

2,  1  ist  98  geschrieben,  in  welchem  Jahre  der  Tod  des  Verginius 
Rufus  erst  eintrat.  2,  13  ist  frühestens  104  geschrieben;  im  Zusammen- 
hang damit  wird  behauptet,  dass  Pannonien  erst  während  oder  nach  dem 
zweiten  dakischen  Kriege  geteilt  wurde. 

2,  20  ist  sicher  in  den  späteren  Jahren  Domitian's  verfasst.  Die 
Gründe  für  diese  Annahme  sind  schwach;  mau  kann  die  betreflfendeu 
Aeusserungen  sämmtlich  sehr  gut  auf  Nerva  beziehen. 

Für  die  Dutirung  der  letzten  fünf  Briefe  sind  5,  21  und  8,  23  durch- 
schlagend. Asbach  hält  für  den  Schützling  des  Plinius  den  Juuius  Avi- 
tus,  der  im  Dasuniianischen  Testamente  aus  dem  Sommer  des  Jahres  108 
Z.  10  mit  Tacitus  und  Plinius  als  Erbe  aufgeführt  wird.  Da  Avitus  nach 
Rom  zurückreiste,  um  die  Ädilität  anzutreten,  so  sind  beide  Briefe  frühe- 
stens Ende  108  verfasst. 

Die  Resultate  Asbach's  sind:  die  Aufeinanderfolge  der  Briefe  ist 
in  allen  Büchern  nicht  chronologisch;  die  Bücher  wurden  in  Gruppen 
herausgegeben;  die  drei  ersten  Bücher  enthalten  Briefe  aus  den  Jahren 
97—104.  ep.  2,  13  ist  der  jüngste,  2,  20  der  älteste,  noch  unter  Domi- 
tian  verfasst  (?).     Buch  4  stammt,  einige  älteren  Datums  ausgenommen. 


354  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

aus  den  Jahren  103  106;  Buch  5  ist  nicht  vor  109  herausgegeben;  die 
datirbaren  Stücke  dieses  und  der  folgenden  Biiclier  verteilen  sich  auf 
die  Jahre  106—109.     Einige  sind  älter. 

Julius  Asbacii,  Die  Entstehung  der  Germania  des  Tacitus.    Bon- 
ner Jahrb.  69,  1—6. 

In  dem  Aufsatze,  mit  dessen  Schlussresultat  die  Litteraturgeschichte 
sich  auseinanderzusetzen  hat,  wird  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  die  Tac. 
Germ.  33  =  Plin.  ep.  2,  7  erwähnten  Vorgänge  bei  den  Brukterern 
Traian  die  erste  bezw.  zweite  iniperatorische  Salutation  und  den  Namen 
Germanicus  eingetragen  hätten,  als  unter  seinen  Anspielen  Vestricius 
Spurinna  den  vertriebenen  Bruktererfürsten  in  sein  Reich  zurückführte. 
Dieses  soll  mit  Notwendigkeit  aus  dem  Schluss  von  Plin.  pan.  56:  »Itaque 
te  uon  apud  imagiues  sed  ipsura  praesentem  audientenique  consaluta- 
bant  imperatorem  noraenque,  quod  alii  domitis  hostibus,  tu  contemptis  me- 
rebare«  hervorgehen.  Nun  hat  zwar  Asbach  die  Worte  eb.  »iuxta  barba- 
ras  gentes-gestum  cousulatum«  auch  auf  die  Germanen  am  Rhein  bezogen. 
Doch  folgt  daraus  nicht  mit  Notwendigkeit,  was  er  gefolgert  hat,  selbst 
wenn  man  zugeben  wollte,  dass  diese  Annahme  erwiesen  sei.  Die  An- 
sicht über  den  Titel  Germanicus  muss  vielmehr  gegenüber  den  Münzen 
(Eckhel  6,  408.  Cohen  Nerva  35.  99)  unhaltbar  erscheinen,  da  Nerva  sicher 
im  Jahre  97  die  zweite  imperatorische  Salutation  und  den  Titel  Germa- 
nicus erhielt.  Nach  Plin.  pan.  9:  »eidem  cum  Germaniae  praesideret  Ger- 
nianici  nomen  hinc  missum?«  erhielt  Traian  also  sicherlich  den  Titel  Ger- 
manicus bei  derselben  Gelegenheit.  Dass  die  zweite  imperatorische  Sa- 
lutation auf  diese  Vorgänge  zurückgeführt  werde,  ist  jedenfalls  nicht  un- 
möglich; doch  bleiben  noch  manche  Bedenken  dagegen  bestehen.  Momm- 
sen  hat  mit  Recht  diese  Vorgänge  am  Rheine  als  eine  militärische  Pro- 
menade bezeichnet;  dagegen  fanden  bei  dem  Aufenthalte  au  der  Donau 
Winter  98/99  eher  Ereignisse  statt  (Plin.  pan.  12),  welche  einer  solchen 
Auszeichnung  wert  waren;  der  Ausdruck  des  Plinius  »adsedisse  ferocissi- 
mis  populis  eo  ipso  tempore  quod  amicissimum  illis,  diflicillimum  uobis, 
cum  Danubius  ripas  gelu  iungit  duralusque  glacie  ingeutia  tergo  bella 
trausportat«  weist  auf  kriegerische  Ereignisse  bezw.  Einfälle  der  Sueben 
hin.  Und  auch  die  Ausdrücke  c.  56  widersprechen  nicht.  Die  Pointe  liegt 
in  dem  Gegensatze  von  domitis  und  contemptis.  Mit  der  letzten  Stelle 
zusammengehalten  gestatten  dieselben  die  Auffassung:  Traian  hat  nicht 
das  Land  der  eingefallenen  Sueben  unterworfen ,  sondern  sich  begnügt, 
dieselben  zurückzutreiben.  Wie  dagegen  contemptis  von  dem  Verhalten 
Traian's  gegen  die  Brukterer  zu  verstehen  wäre,  müsste  erst  nachge- 
wiesen werden.  Leicht  verständlich  ist  jedenfalls  der  Ausdruck  gegen- 
über der  von  Asbach  selbst  angeführten  Stelle  bei  Plin.  ep.  2,  7,  2:  »osten- 
tatoque  hello  ferocissimam  gentem  terrore  perdomuit«  nicht.  Und 
wenn  Asbach  aus  der  Stelle  Plin.  pan.  56:  »immiuere  minacibus  ripis  tu- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  355 

tum  quietumque,  spernere  barbarps  fremitus  hostilemque  terrorem  non 
armorum  magis  quam  togarum  ostentatione«  schloss,  Traian  müsse  sich 
in  einer  ähnlichen  Lage  befunden  haben,  wie  Spurinna,  so  hat  er  damit 
zum  Teile  etwas  Richtiges  gesagt;  nur  befand  sich  eben  Traian  an  der 
Donau  und  Spurinna  am  Rhein.  Denn  wenn  man  annehmen  wollte  mi- 
naces  ripae  und  hostilis  terror  bezöge  sich  auf  den  Rhein,  so  müsste 
man  doch  dafür  irgend  einen  Anhalt  haben;  aber  aus  der  Ueberlieferung 
geht  nirgends  hervor,  dass  die  Römer  damals  am  Rheine  bedroht  waren, 
wohl  aber  das  Gegenteil,  dass  die  Römer  hier  angriftsweise  vorgingen. 
Und  schliesslich,  wie  sollen  wir  den  Widerspruch  verstehen  pan.  56  (non) 
domitis  und  ep.  2,  7,  2  geutem  —  terrore  perdomuit?  Vielleicht  erhalten 
wir  diese  Belehrung  in  der  in  Aussicht  gestellten  grösseren  Arbeit. 

Emil  Perino,  De  fontibus  vitarum  Hadriani  et  Septimii  Severi 
imperatorum  ab  Aelio  Spartiano  conscriptarum.  Freiburg  i.  Br.  Doctor- 
diss.    1880. 

Der  Verfasser  macht  die  Entdeckung,  dass  in  der  vita  Hadriani  drei 
Quellen  von  Spartianus  benutzt  sind:  1)  Marias  Maximus  c.  1  —  4,  5; 
7,  1  —  4;  12,  1  —  5;  23  —  27.  2)  Ein  Hofschriftsteller  (vielleicht  Freige- 
lassener Hadrian's)  5,  1—8;  6,  1  8;  7,  5  —  8,  11;  9,  6  11,  3;  18.  19. 
21,  5  14.  3)  Ein  Unbekannter  14,  8-16,  6;  17,  6  oder  8  -12.  Diese 
Resultate  hält  der  Verfasser  für  sicher;  unsicher  ist  dagegen  die  Zu- 
weisung von  9,  1  6;  4,  10  an  Marius  Maximus;  13,  1  -  4;  7,  1  -  5  an 
den  Hofhistoriker;  11,4  oder  11,6;  25,8  -10;  20,  11  an  den  Unbe- 
kannten. Unbekannter  Herkunft  sind  eine  Anzahl  eingeflickter  Lappen: 
1,  9;  4,  2  3;  4,  6  7,  8,  9;-5,  9  6,  5;  12,  6-8;  13,  6  -  14,  7;  16,  8— 11; 
20.  21,  4  mit  Ausnahme  von  20,  3  und  11  und  21,  4;  22;  24,  3-5.  Der 
Leser  kann  jetzt  entweder  den  Glauben  des  Verfassers  teilen  oder  nicht; 
denn  wirklich  durchschlagende  Gründe,  warum  das  eine  dem  und  das 
andere  jenem  Namen  zugewiesen  wird,  giebt  es  ausser  den  allgemeinen 
Kategorien  »feindselige  Gesinnung  des  Marius  Maxinius«,  »höhsche  Schmei- 
chelei« und  »vortreffliche  Nachrichten«  kaum.  Und  wenn  das  alles  wahr 
wäre,  was  hätte  man  für  die  Richtigkeit  der  einzelnen  Nachricht  ge- 
wonnen? Spartianus  freilich  erscheint  danach  als  ein  ungewöhnlich  Heissi- 
ger und  denkender  Mann,  da  er  sich  die  Mühe  gab,  so  viele  Quellen 
zusammenzuarbeiten  und  zwischen  den  einzelnen  zu  wählen,  ja  was  er 
hier  fand,  durch  allerlei  Zuthaten  zu  erweitern. 

In  der  Untersuchung  über  die  vita  Severi  wird  zuerst  eine  Lanze 
gegen  die  »Autorität«  Höfner's  gebrochen  für  Marius  Maximus.  Im  ein- 
zelnen werden  diesem  die  ersten  zwei  Capitel  zugewiesen  mit  Aubuahrae 
von  2,  1.  2,  welche  nicht  zu  dem  Bilde  dieser  vortrofilichen  Quelle  passen; 
dagegen  die  von  Rubel  auch  dem  Marius  Maximus  abgesprocheneu  2,  6  —  8 
muss  er  hier  auf  sich  nehmen,  weil  sich  für  das  Privatleben  des  Severus 
vor  seiner  Erhebung  auf  den  Thron  Unkenntnis  entschuldigen  lässl.    Bis 


350  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

c.  9  ist  wieder  Marius  Maximus  Hauptquelle;  neben  ihm  erscheinen  aber 
zwei  andere,  eine  ihm  feindlich  gesinnte,  welche  2,  1.  2  geliefert,  und 
eine  wahrscheinlich  freundliche,  der  die  letzten  Paragraphen  von  c.  4 
und  der  Anfang  von  c.  5  entnommen  sind.  An  Benutzung  Dio's  kann 
mit  Höfner  nicht  gedacht  werden,  ebensowenig  an  die  Herodian's.  In 
c.  10  und  11  sind  neben  Marius  Maximus  noch  andere  Quellen  benutzt, 
doch  kann  hier  das  suum  cuique  nicht  durchgeführt  werden,  c.  10  —  17 
mit  Ausnahme  von  14,  5.  13  stammen  aus  Marius  Maximus;  das  Einschiebsel 
wurde  aus  einer  anderen,  sehr  verkürzten  Quelle  genommen,  weil  hier 
Marius  Maximus  zu  viel  Stoff  hatte;  letzterem  gehört  aber  wieder  c.  19 
mit  Ausnahme  von  §§  6  oder  10,  möglicherweise  auch  7.  8.  Für  c.  22  -  24 
stimmt  der  Verfasser  mit  Rubel  überein,  nur  will  er  die  Quelle  in  Helius 
Maurus  finden,  nicht  in  Cordus. 

Der  Verfasser  hat  in  den  Untersuchungen  unzweifelhaft  Sorgfalt 
und  Scharfsinn  bewiesen,  aber  auch  seine  Resultate  bedürfen  vor  Allem 
des  Glaubens. 

Julius  Dürr,  Die  Reisen  des  Kaisers  Hadrian.  Wien  1881.  In 
Abhandlungen  des  archäologisch -epigraphischen  Seminars  der  Univer- 
sität Wien. 

Der  Verfasser  liefert  in  seiner  gründlichen  und  streng  methodischen 
Arbeit  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  Hadrian's;  seine  Ein- 
leitung, in  welcher  er  unter  anderm  die  bisherige  Darstellung  der  Reisen 
Hadrian's  bespricht,  zeigt  zur  Genüge,  wie  wenig  befriedigend  unsere 
Kenntnisse  in  dieser  Frage  waren.  Zuerst  wird  der  Aufenthalt  Hadrians 
im  Orient  und  den  Donauprovinzen  in  den  Jahren  117  und  118  erörtert, 
daran  schliesst  sich  eine  Untersuchung  über  die  nachweisbaren  Aufent- 
halte in  Rom  (zum  ersten  Male  118  -  121,  dann  wieder  128,  im  Früh- 
jahr 129  (?)  und  von  134—138).  In  die  Jahre  121—123  fallen  die  Reisen 
in  Gallien,  Germanien,  Raetien,  Noricum,  Pannonien,  Britannien,  Hispa- 
nien.  Im  4.  Capitel  sucht  der  Verfasser  zwei  Besuche  Hadrian's  in  den 
afrikanischen  Provinzen  123  und  128  zu  erweisen;  den  ersteren  kann  ich 
nicht  als  erwiesen,  das  Datum  des  zweiten  zwar  als  wahrscheinlich,  doch 
nicht  als  unumstösslich  ansehen;  in  die  Jahre  125/6  und  129  fallen  die 
beiden  Besuche  in  Athen.  Mit  den  bisher  in  den  Jahren  121—123  erwähnten 
Reisen  in  Verbindung  stoben  die  Reisen  in  Asien  123.  124,  auf  den  Inseln, 
in  Thrakien,  Makedonien,  Nord-  und  Mittel -Griechenland  124.  125,  im 
Peloponnes  und  Sicilien  126;  sie  bilden  zusammen  die  erste  grosse  Reise- 
route des  Kaisers.  Die  zweite  grosse  Reise  fällt  in  die  Jahre  129—134. 
Wir  heben  daraus  die  Anwesenheit  Hadrian's  beim  jüdischen  Kriege  von 
132  bis  Anfang  134  hervor.  Wie  reich  die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
gegenüber  den  Vorgängern  sind,  zeigt  namentlich  die  Uebersicht  im 
8.  Capitel;  sie  sind  gewonnen  durch  eine  verständige  Benutzung  der 
Schriftquellen  und  namentlich  mittels  deren  Ergänzung  durch  Münzen 
und  Inschriften. 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  357 

In  Excurs  1  unternimmt  Dürr  eine  Quellenanalyse  von  Spart,  vit. 
Hadr.  cap.  5—14;  er  polemisirt  dabei  mit  Recht  gegen  J.  J.  Müller's 
Verfahren,  den  Marias  Maximus  überall  in  der  historia  Aug.  zu  finden 
und  gelangt  zu  dem,  wenn  auch  nicht  sehr  befriedigenden,  doch  wahrschein- 
lich richtigeren  Resultate,  dass  Spartian  in  der  erwähnten  Partie  einem 
unbekannten  Gewährsmann  folgt,  der  wesentlich  aus  der  Autobiographie 
des  Kaisers  schöpft;  nur  zur  Vervollständigung  hat  er  die  Biographie 
Hadrian's  von  Marius  Maximus  herangezogen.  In  Excurs  2  sucht  der 
Verfasser  den  bekannten  Brief  Hadrian's  bei  Vopisc.  vit.  Saturn,  c  8 
als  im  wesentlichen  authentisch,  aber  teils  interpolirt,  teils  verkürzt  zu 
erweisen.  Excurs  3  behandelt  den  in  der  Kaiserzeit  zu  Athen  üblichen 
Schaltcyklus.  Ein  Anhang  giebt  die  inschriftlichen  Zeugnisse,  einen  Nach- 
trag, wonach  auf  Grund  einer  ephesischen  Inschrift  der  Besuch  von  Rho- 
dos im  Jahre  123  erwiesen  wird  —  danach  wird  die  erste  Hälfte  des 
Boedromion  129  als  Datum  der  Weihung  des  Olympieions  und  der  Stif- 
tung der  Panhellenia  wahrscheinlich  —  und  eine  chronologische  Tabelle 
zu  Excurs  3. 

2.  K.  ZaxaXXaponouXog,  ^H  aoToxpaTSipa  0auaztva.  Hapvaaaüg 
Tofx.  E'  Teö^.  c'  (30.  Juni  1881). 

Der  Verfasser  giebt  eine  Analyse  des  bekannten  Reuan'schen  Auf- 
satzes über  die  Kaiserin  Faustina  (vgl.  Jahresber.  1876-1878,  Abt.  III, 
S.  526).    Neues  irgend  welcher  Art  findet  sich  in  der  Darstellung  nirgends. 

H.  Müller,  Sabinianus  ein  Statthalter  Dacien's?  Correspondenzbl. 
d.  Vereins  f.  siebenbürg.  Landeskunde  (1881)  4,  8,  94  f. 

Der  bei  Dio  72,  3,  3  erwähnte  Sabinianus  kann  mit  dem  C- 1.  L. 
3,  4426  erwähnten  C  Vettius  Sabinianus  identisch  sein;  doch  muss  letz- 
terer kein  Statthalter  von  Dacien  sein,  da  die  betreffende  Inschrift  in 
Ober-Pannonien  gefunden  wurde ;  es  ist  vielmehr  auch  aus  anderen  Grün- 
den wahrscheinlich,  dass  der  von  Dio  erwähnte  Statthalter  nicht  Legat 
von  Dacien  war.  Der  in  der  afrikanischen  Inschrift  C  I.  L.  8,  823  ge- 
nannte C.  Vettius  Gratus  Sabinianus  spricht  gegen  eine  solche  Annahme 
nicht;  zwischen  dem  Consulate  des  Enkels  in  der  letzteren  (242)  und 
dem  Auftreten  des  Grossvaters  in  der  ersteren  Inschrift  (180)  liegen 
gerade  zwei  Menschenalter.  Endlich  kann  man  aber  auch  an  den  Ephem. 
epigr.  4,  514  erwähnten  L.  Anton.  Sabinianus  in  der  Dionischeu  Stelle 
denken;  er  heisst  leg.  leg.  I  Ad.  P.  F.,  und  sein  Machtkreis  kann  aus- 
reichend erscheinen,  um  die  von  Dio  ihm  zugeschriebenen  Massregeln 
vorzunehmen. 

J.  J.  Kneucker,  Die  Anfänge  des  römischen  Christentums.  Karls- 
ruhe 1881. 

Der  Vortrag  hat  wesentlich  theologisches  Interesse.  Der  Verfasser 
entscheidet  sich  auch  für  den  heiden-christlichen  Charakter  der  römischen 


3f)8  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Gemeinde,  und  zwar  in  der  weitestgehenden  Weise:  er  lässt  dieselbe 
von  Titus  dem  Begleiter  des  Paulus  gestiftet  werden.  Zu  beweisen  sind 
natürlich  solche  Dinge  nicht,  aber  die  Quellen  sind  ja  interpretirbar,  und 
wenn  die  Vorgänger  diese  und  jene  Hypothese  aufgestellt  haben,  so  muss 
auch  den  Nachfolgern  dasselbe  Recht  gewahrt  bleiben,  lieber  sonstige 
mehr  philologische  und  historische  Dinge,  z.  B.  die  Erklärung  des  sue- 
tonischen  impulsor  Chrestus  zu  streiten,  bleibt  unfruchtbar.  Neues  ent- 
hält der  Vortrag  nur  auf  theologischem  Gebiete. 

Eugen  Wester  bürg.  Der  Ursprung  der  Sage,  dass  Seneca  Christ 
gewesen  sei.     Berlin  1881. 

Der  Verfasser  stellt,  ohne  Neues  zu  sagen,  die  Quellen  der  Sage 
und  die  Hauptthatsachen  des  Briefswechsels  zwischen  Seneca  und  Paulus 
zusammen.  Danach  geht  er  an  eine  kritische  Prüfung  der  Briefe,  die 
nach  seiner  Ansicht  aus  zwei  verschiedenen  Schichten,  einer  älteren  (ep.  X, 
XI,  XII)  aus  dem  4.  Jahrh.  und  einer  jüngeren  (alle  übrigen  Briefe),  frühe- 
stens des  7.  Jahrh.,  entstanden  sind.  Die  Briefe  X— XII  sind  die  älteste 
Quelle  für  die  Legende  über  Seneca  und  Paulus.  Dies  leitet  er  her  aus 
der  Art  der  Datirung,  der  sprachlichen  Form,  dem  Bildungsgrad  der 
Verfasser  und  ihrer  Auffassung  des  Verhältnisses,  welches  zwischen  Nero 
einer-  und  Paulus  andrerseits  vorausgesetzt  wird.  Als  Quelle  der  jün- 
geren Gruppe  will  Westerburg  eine  Schrift  erkennen,  in  welcher  Nero 
ziemlich  wohlwollend  gegen  Paulus  gesinnt  und  Poppäa  die  Schülerin 
des  Paulus  ist.  Diese  Gestaltung  ist  ebiouitische  Verdächtigung  des 
Apostels;  die  Tendenz  der  dem  Bearbeiter  der  zweiten  Quelle  vorliegen- 
den Schrift  aber  bereits  conciliatorisch;  auch  Seneca  wurde  aus  auti- 
paulinischen  Tendenzen  mit  dem  Apostel  in  Verbindung  gebracht.  Ein 
erster  Anhang  giebt  eine  neue  Recension  des  apokryphen  Briefwechsels, 
ein  zweiter  handelt  von  dem  griechischen  Ursprung  des  Pseudolinus. 

Für  eine  besondere  Aufklärung  des  Sachverhältnisses  ist  das  Re- 
sultat des  Verfassers  nicht  zu  halten ;  denn  die  ebionitische  Richtung 
bildet  in  der  modernen  Kirchengeschichte  ein  ebenso  beliebtes  und  frucht- 
bares Expediens  wie  in  der  römischen  Geschichte  die  Tendenzschrift- 
stellerei  angeblich  patricischer  oder  plebeischer  Quellen;  nur  tappt  man 
dort  noch  etwas  mehr  im  Dunkeln  wie  hier.  Adolf  Harnack  hat  in  der 
theologischen  Litteraturzeitung  1881  N.  19  das  Unhaltbare  der  Aufstel- 
lungen des  Verfassers  nachgewiesen  und  namentlich  gezeigt,  wie  ihm  ein 
Hauptkriterium  entging,  nämlich  dass  diese  Briefe  —  vielleicht  mit  Aus- 
nahme von  XII  —  sklavisch  aus  dem  Griechischen  übersetzt  sind;  er  hat 
als  Zeit  der  Uebersetzung  die  Periode  zwischen  520  und  800  bestimmt. 

Brüll,  Zur  ältesten  Geschichte  des  Primats.  Theol.  Quartalschrift 
62,  453-468. 

Gegen  Friedrich,  der  den  Primat  des  Jakobus  und  der  jerusale- 
mitischen  Kirche  zu  erweisen  sucht,  wird  der  des  Petrus  und  der  römi- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  359 

sehen  -Kirche  verteidigt.  Historisch  kann  man  diese  Untersuchungen 
kaum  noch  nennen,  da  sie  mit  historischen  Unmöglichkeiten  operiren. 
Wie  soll  in  den  ersten  Jahren  und  Jahrzehnten  des  Christentums  an 
einen  Primat  der  jerusalemitischen  oder  römischen  Kirche  gedacht  wer- 
den können?  Dass  sich  bald  Petrus  bald  Jakobus  für  die  berufensten 
Nachfolger  Christi  ansahen,  liegt  in  der  Natur  aller  menschlichen  Ent- 
wickelungen,  besonders  aber  religiöser;  dass  aber  von  einer  Kirche  als 
solcher  geredet  wird,  ist  doch  historisch  ganz  unhaltbar. 

R.  Hilgenfeld,  Der  römische  Staat  und  das  Christentum  in  den 
beiden  ersten  Jahrhunderten.    Zeitschrift  f.  wiss.  Theol.  24,  291—331. 

Der  Aufsatz  enthält  wenig  Neues,  und  dieses  Neue  ist  nicht  gut. 
So  wird  unter  Claudius  die  Notiz  des  Sueton  Claud.  25  Judaeos  —  ad- 
sidue  tumultuantes  erklärt  »immer  von  neuem«?  Der  Verfasser  hat  ver- 
gessen für  diese  neue  Entdeckung  irgend  einen  Beweis  vorzubringen; 
ebenso  wenig  begründet  ist  die  Annahme,  das  Ausweisungsedict  des  Clau- 
dius sei  52  oder  50  ergangen.  Wäre  dies  der  Fall,  so  fänden  wir  es 
bei  Tacitus;  es  muss  also  wohl  in  dem  verlorenen  9.  oder  10.  Buche  er- 
zählt gewesen  sein  und  damit  vor  das  Jahr  47  fallen. 

In  der  Regierung  des  Nero  will  der  Verfasser  den  Taciteischen 
Ausdruck  quos  volgus  Christiauos  appellabat  als  einen  Gegensatz  ansehen 
zu  quos  volgus  nunc  appellat;  er  weiss  nicht,  dass  die  zeitliche  Assimi- 
lation solcher  allgemeine  Angaben  enthaltenden  Relativsätze  an  den  Haupt- 
begriff etwas  ganz  gewöhnliches  ist.  Aus  dem  Ausdrucke  Christiani  bei 
Sueton  Nero  16  soll  gar  erwiesen  werden,  dass  die  Regierung  officiell 
diesen  Ausdruck  bei  dieser  Gelegenheit  brauchte.  Nun  kommt  er  frei- 
lich bei  Domitian  in's  Gedränge,  da  hier  der  Ausdruck  Christiani  sich 
nicht  findet  und  doch  Christen  verfolgt  worden  sein  sollen.  Da  muss 
nun  die  bekannte  Interpretationskunst  herhalten,  nach  der  mit  contem- 
ptissima  inertia  das  Christentum  bezeichnet  werde,  dHsog  soll  nie  von 
Juden  gebraucht  werden,  während  es  doch  =  dasßijQ  einfach  die  Ueber- 
setzung  des  lateinischen  impius  ist  und  eine  ebenso  dehnbare  Bedeutung 
hat  wie  dieses;  ja  der  Verfasser  weiss  sogar,  dass  sich  Flavius  Clemens 
geweigert  habe  als  Consul  seinen  Vetler  Domitian  als  Gott  zu  bezeich- 
nen, obgleich  Sueton  ausdrücklich  sagt,  diese  Anrede  oder  Formel  habe 
sich  bloss  auf  die  kaiserlichen  Hausbeamten  beschränkt,  und  obgleich 
sich  officiell  nie  diese  Bezeichnung  von  dem  Kaiser  findet.  Warum  nicht 
an  das  Nächstliegende  denken,  das  freilich  dem  Verfasser  unbekannt  ist? 
Unter  Domitian  fand  ein  —  von  den  Schrittstellern  nicht  erwähnter  — 
jüdischer  Aufstand  statt,  die  Massregeln  gegen  die  Juden  erklären  sich 
zur  Genüge  daraus,  wie  aus  der  Verfolgung  der  Philosophen  und  Astro- 
logen die  Massregeln  gegen  den  Verwandten,  der  am  ehesten  noch  zu 
dieser  in  Beziehung  gebracht  werden  konnte. 

Dem  Erlasse  des  Traian  wird  die  heute  beliebte  Form  einer  all- 


360  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

geraeinen  gesetzlichen  Massregel  beigelegt,  daraus  auch  sofort  für  eine 
allgemeine  Verfolgung  Schlüsse  gezogen.  Alle  diese  Dinge  stehen  in 
der  Luft,  Thatsaclien  sind  keine  bekannt,  die  hierfür  verwandt  werden 
könnten.  Zunächst  ist  der  Erlass  Traian's  nichts  weiter  als  eine  Weisung 
an  den  Statthalter  von  Bithynien,  allein  auf  diese  Provinz  zu  beziehen 
und  wahrscheinlich  auch  allein  auf  sie  bezogen.  Hätte  er  mehr  sein 
wollen,  so  hätte  er  eine  Vorschrift  über  die  Art  und  Weise  des  Ver- 
fahrens, Strafbestimmungen  etc.  enthalten  müssen.  Wir  sind  durch  nichts 
berechtigt,  diese  Weisung  anders  aufzufassen  als  wie  sie  erteilt  wird. 
Wäre  sie  ein  neues  Reichsgesetz  —  selbst  dazu  wird  sie  gestempelt  — 
so  hätte  der  Kaiser  sicherlich  den  Senat  dazu  gezogen,  und  die  folgen- 
den Kaiser  hätten  keine  neuen  Weisungen  zu  geben  brauchen.  Die  Ueber- 
lieferung  berichtet  aber  davon  überall  das  Gegenteil.  Zunächst  wissen 
wir  unter  Traian  und  Hadrian  von  Verfolgungen  so  gut  wie  nichts;  die 
Verfolgungen  unter  den  Antoninen  sind  lediglich  lokal  und  in  den  Mär- 
tyreracten  wird  immer  die  Weisung  des  betreffenden  Kaisers  entweder 
ausdrücklich  angeführt  oder  vorausgesetzt.  Und  wenn  dies  nicht  so  wäre, 
was  hätte  Ulpian  denn  in  seine  Sammlung  aufnehmen  sollen?  Hatte 
Traian  ein  Reichsgesetz  erlassen,  so  war  damit  die  Sache  abgethan;  dies 
war  jedoch  nicht  der  Fall,  sondern  offenbar  von  Fall  zu  Fall,  immer  auf 
Anrufung  "der  betreffenden  Provinzialbehörden  gaben  die  Kaiser  ihre 
Weisungen.  Le  Blaut  hat  in  durchaus  überzeugender  Weise  bewiesen, 
dass  eine  neue  Gesetzgebung  gar  nicht  erforderlich  war,  sondern  die 
Anwendung  mehrerer  vorhandener  Gesetze  völlig  ausreichte,  um  alle 
wünschenswerten  Waffen  zur  Unterdrückung  des  Christentums  zu  liefern. 
Es  heisst  eben  die  vorliegenden  Verhältnisse  durchaus  überschätzen  und 
anachronistisch  behandeln,  wenn  man  glaubt,  Traian  habe  gegen  eine 
solche  Secte  eine  besondere  Gesetzgebung  für  nötig  erachtet.  Seine 
ganze  Tendenz  ist  den  geschlossenen  Gesellschaften  entgegen,  mögen 
dieselben  Grundsätze  haben,  welche  sie  wollen;  dies  zeigte  sich  auch 
gegenüber  den  Christen.  Dass  sie  nicht  aufgesucht  werden  sollen,  hing 
jedenfalls  mit  dem  Berichte  des  Plinius  zusammen,  dass  dieselben 
eigentlich  härm-  und  einflusslose  Leute  waren,  denen  keine  Verbrechen 
nachgewiesen  werden  konnten,  und  deren  Treiben  durch  Plinius'  Mass- 
regeln in  seiner  Gefährlichkeit  schon  als  eingeschränkt  erschien.  Nun 
wird  gesagt,  die  Christen  seien  dadurch  rechtlos  gestellt  worden,  und 
man  beruft  sich  auf  die  leidenschaftliche  Declamation  Tertullian's  für 
diese  Ansicht.  Diese  beweist  aber  durchaus  nicht,  was  sie  soll.  In  die- 
sem Sinne  rechtlos  war  jeder,  der  einer  verbotenen  Gesellschaft  ange- 
hörte und  einen  Ankläger  fand;  denn  der  Kaiser  bestimmt  ausdrücklich, 
dass  anonyme  Anklagen  nicht  berücksichtigt  werden  sollen.  Er  verweist 
damit  das  Verfahren  einfach  auf  den  gewöhnlichen  Rechtsweg.  Findet 
sich  ein  Ankläger,  so  hat  der  Richter  zu  untersuchen,  ob  eine  geheime 
Gesellschaft  vorhanden  ist  und  der  Angeklagte  zu  einer  solchen  gehört; 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  361 

in  diesem  Falle  trifft  ihn  die  Strafe,  welche  dafür  bestimmt  ist.  Sicher- 
lich hat  auch  der  religiöse  Charakter  dazu  beigetragen,  dass  der  Kaiser 
diese  Behandlung  eintreten  Hess.  Seiner  Ansicht  von  Regierung  und 
Staatsgewalt  konnte  eine  Secte  unmöglich  berechtigt  erscheinen,  welche 
sich  von  der  bestehenden  Religion  insoweit  entfernte,  dass  sie  die  An- 
gehörigkeit zur  Staatsreligion  als  eine  Sünde  bezeichnete  und  die  her- 
kömmliche Verehrung  des  Kaisers  verwarf.  Aber  als  eine  Gefahr  konnte 
sie  ihm  ebenso  wenig  erscheinen,  denn  sonst  hätte  er  sie  unbedingt  und 
rückhaltslos  vernichten  müssen.  Er  ordnete  also  das  »Qui  vive«  der  Staats- 
verwaltung an,  aber  nicht  willkürliche  Vernichtung.  Ja  man  kann  sehr 
leicht  in  den  Anordnungen  des  Kaisers  erkennen,  dass  er  der  herkömm- 
lichen römischen  Politik  auf  religiösem  Gebiete  nicht  untreu  werden 
wollte.  Hätte  es  sich  um  eine  politische  Hetärie  gehandelt,  so  wäre 
dieselbe  ohne  Bedenken  und  ohne  Gnade  unterdrückt  worden,  wie  dies 
ja  von  Traian  bezeugt  ist;  da  es  sich  aber  um  religiöse  Fragen  handelte, 
so  wählte  der  Kaiser  eine  mildere  Behandlung.  Ebenso  falsch  ist,  was 
Hilgenfeld  behauptet  »wer  als  Christ  überführt  wird,  den  verurteilt  man 
zur  Todesstrafe«.  Ein  Blick  in  die  Märtyreracten  hätte  ihn  eines  besse- 
ren belehren  können,  denn  selbst  für  tenuiores  gilt  diese  Behauptung 
nicht  durchgängig,  obgleich  man  mit  diesen  überall  im  römischen  Straf- 
recht wenig  Umstände  machte  und  in  allen  Prozessen,  welche  mit  der 
Religion  in  Zusammenhang  standen,  Zauberei,  Wahrsagerei  etc.  Todes- 
strafe hier  herkömmlich  war.  Wenn  aber  auch  alle  die  Todesstrafe  ge- 
troffen hätte,  wie  dies  nicht  der  Fall  war,  so  würde  selbst  dieser  Um- 
stand noch  lange  nicht  eine  exerapte  Behandlung  des  Christentums  als 
solchen  beweisen. 

Hilgenfeld  bemüht  sich  nun  zwar  für  die  Martyrien  unter  Antoni- 
nus,  Pius  und  Marcus  die  Rechtsgiltigkeit  des  Traiansclion  Edicts  in 
allen  einzelnen  Fälle  zu  erweisen,  aber  dieser  Nachweis  ist  nicht  erbracht, 
bezw.  was  er  nachweist,  konnte,  ja  musste  alles  auch  ohne  das  Traian'- 
sche  Edict  so  verlaufen.  Wenn  der  Stadtpräfect  oder  ein  Statthalter 
nur  auf  Anklage  einschreitet,  so  ist  dies  eben  der  im  römischen  Straf- 
verfahren herkömmliche  Weg.  Die  Behandlung  der  Untersuchung  gegen 
Polykarp  kann  kaum  zur  Entscheidung  herangezogen  werden,  da  das 
Verfahren  ausdrücklich  (c.  11  Ruinart  S.  34)  als  ein  tumultuarischcs  be- 
zeichnet wird;  dagegen  setzen  die  Acten  der  heil.  Fclicitas  ein  ausdrück- 
liches Einschreiten  der  Pontifices  bei  Pius  voraus;  dass  der  Stadtpräfect 
ohne  Weisung  des  Kaisers  in  dieser  Angelegenheit  verfuhren  sei,  ist 
nicht  denkbar. 

Am  besten  ist  die  Regierung  des  Marcus  geeignet,  jene  Ansicht 
von  der  Gültigkeit  des  Traianisclicn  Rcidisgcsetzes  und  seiner  Natur 
als  Specialgesetz  zu  widerlegen.  Wir  sind  hier  in  der  ausnahmsweise 
günstigen  Lage,  bei  einem  römischen  Juristen  die  gesetzliche  Bestimmung 
zu  finden  und  sehen  daraus,   wie  aus   dcm^Zusanuneuhangc   bei  Paulus, 

Jahresbericht  für  Alfertliumswisscnschaft  XXVUl.    (\SSi.  HI.)  24 


362  Römische  Geschichte  und  Chronologie 

dass,  wie  dies  von  vornherein  zu  erwarten  war,  es  kein  Specialgesetz, 
sondern  eine  allgemeine  Bestimmung  gegen  Alle  war  »qui  novas  sectas 
(Hilgenfeld  citirt  eine  falsche  Lesart)  vel  ratione  incognitas  religiones 
inducunt,  ex  quibus  animi  hominum  moveantur« ;  also  die  öffentliche  Ord- 
nung und  Ruhe  war  das  leitende  Motiv  für  die  Erlassung  dieser  Be- 
stimmung und  dadurch  der  Gesichtspunkt  bestimmt,  nach  dem  die  Statt- 
halter zu  verfahren  hatten.  Und  dies  entsprach  der  Sachlage ;  nachdem 
in  den  asiatischen  Städten  es  wiederholt  zu  Kämpfen  zwischen  Heiden 
und  Christen  gekommen  war  und  der  heidnische  Geist  sich  in  Lynch- 
verfahren gegen  die  Gegner  der  eigenen  Religion  Luft  gemacht  hatte, 
musste  eine  Bestimmung  gegeben  werden,  wie  Religionen  zu  behandeln 
waren,  welche  den  Geist  ihrer  Bekenner  in  eine  Aufregung  (Fanatismus) 
versetzten,  durch  welche  der  Friede  und  die  öffentliche  Sicherheit  be- 
droht war.  Wenn  Hilgenfeld  behauptet,  dass  in  Lugdunum  und  Vienna 
nach  diesem  Gesetze  bereits  verfahren  worden  sei,  so  ist  dies  zwar  des- 
halb wahrscheinlich,  weil  Marcus  nicht  bis  zu  seinem  Tode  gewartet  haben 
wird,  um  dieses  Gesetz  zu  erlassen,  sondern  jedenfalls  dasselbe  für  nötig 
hielt,  als  durch  Krieges-  und  Hungersnot  sowie  die  Pest  der  Aberglaube 
der  Bevölkerungen  auf's  heftigste  entflammt  war  und  die  Feinde  der 
alten  Götter  für  diese  Heimsuchungen  verantwortlich  machte.  Wie  er  aber 
aus  der  Erzählung  der  Märtyreracten  beweisen  will,  dass  gerade  dieses 
Gesetz  angewandt  wurde,  ist  mir  unerfindlich;  denn  Vettius  Epagathus 
wird  jedenfalls  nicht  nach  diesen  Bestimmungen  behandelt,  und  das  son- 
stige Verfahren  hätte  er  ebenso  gut  durch  das  Rescript  des  Traiau  er- 
klären können.  Mau  muss  sich  überhaupt  hüten,  diesen  Acten  ein  zu 
grosses  Gewicht  bezüglich  ihrer  Berichte  über  die  processualischen  Her- 
gänge beizulegen.  Bei  genauerer  Untersuchung  findet  man  zwei  Scha- 
blonen für  dieses  Verfahren  befolgt.  Auch  darin  hat  Hilgenfeld  die  Tra- 
dition nicht  auf  seiner  Seite,  wenn  er  behauptet,  die  Bestimmung  des 
Marcus  habe  den  zum  Heideutume  Zurückkehrenden  nicht  mehr  Straf- 
losigkeit zugesichert.  Wie  konnte  dies  in  einer  Bestimmung  stehen,  wel- 
che im  Allgemeinen  gegen  novae  sectae  et  —  incognitae  religiones  ge- 
richtet war?  Dass  aber  diese  Rücksicht  auch  ferner  geübt  wurde,  be- 
weist die  Erzählung  bei  Euseb.  h.  e.  5,  1,  44.  47.  Ich  hätte  erwartet, 
dass  in  einer  derartigen  Untersuchung  über  die  Worte  novas  sectas  vel 
ratione  incognitas  religiones  nicht  so  einfach  hinweggegangen  worden 
wäre:  denn  entweder  sind  dieselben  wörtlich  zu  verstehen  und  wenn 
dann  dieselben  auf  das  Christentum  bezogen  werden  sollen,  so  steht  es 
mit  der  Theorie  des  Traianischen  Reichsgesetzes  etwas  flau,  da  doch 
sicherlich  nach  ungefähr  70jähriger  Giltigkeit  desselben  eine  von  diesem 
Specialgesetz  betroffene  Religion  nicht  mehr  so  genannt  werden  konnte; 
oder  die  Worte  beziehen  sich  nicht  auf  das  Christentum;  dann  würde 
sich  daraus  ergeben,  dass  die  Religionspolitik  der  römischen  Regierung 
auch  unter  Marcus  ihre  alten  Grundsätze  nicht  aufgegeben  hatte.     Ich 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  363 

bin  nun  durchaus  der  Ansicht,  dass  die  Worte  sich  auch  mit  auf  das 
Christentum  beziehen  und  begründe  darauf  den  Schluss ;  also  ist  es  mit 
der  angeblichen  Specialgesetzgebung  Traian's  für  das  Reich  nichts. 

Wie  wenig  der  Verfasser  übrigens  zu  einer  solchen  Untersuchung 
berufen  ist,  zeigt  seine  Darlegung  über  Coramodus;  hier  werden  die 
christlichen  Fabeln  über  die  Marcia  breitgeschlagen,  während  die  That- 
sache  nicht  erwähnt  ist,  dass  die  Acta  martyr.  Scillitan.  bei  Usener  die 
Verfolgung  in  das  Jahr  180  verlegen,  also  Comraodus  durchaus,  jeden- 
falls im  Anfang  seiner  Regierung,  wie  auf  anderen  Gebieten,  so  auch 
gegen  die  Christen  die  Politik  seines  Vaters  beibehielt;  aber  auch  die 
nicht  unbedingt  zu  verwerfende  Erzählung  bei  Hieron.  de  vir.  ill.  c.  42 
über  den  Senator  Apollonius  lässt  jene  Nachrichten  über  den  Einfluss 
Marcia's  doch  fraglich  erscheinen. 

E.  Egli,  Das  Martyrium  Polykarp's,    Ztschr.  f.  wiss.  Theol-  25,  2, 
227—249. 

Der  Verfasser  folgt  im  Ganzen  den  Resultaten  Waddington's ;  da 
dieser  aber  einen  Rechenfehler  gemacht  hat,  durch  den  er  den  Krank- 
heitsschluss  des  Aristides  auf  Herbst  161  statt  auf  Herbst  160  ansetzte, 
so  fixirt  sich  der  Beginn  der  Krankheit  auf  Herbst  143.  Aber  dadurch 
wird  die  Hauptsache  nicht  alterirt;  das  Martyrium  Polykarp's  fällt  auf 
den  von  Waddington  berechneten  Tag  (23.  Februar  155  n.  Chr.). 

W.  Mangold,  De  ecclesia  primaeva  pro  Caesaribus  ac  magistra- 
tibus  Romanis  preces  fundente  dissertatio.    Bonn  1881. 

Der  Verfasser  knüpft  an  eine  Abhandlung  K.  Weizsäcker's  »Ueber 
die  älteste  römische  Christengemeinde«  (Jahrb.  f.  deutsche  Theol.  21,  248  ff.) 
an,  worin  derselbe  den  heidenchristlichen  Charakter  derselben  schon  in 
Paulus'  Zeiten  zu  erweisen  sucht.  Unter  anderem  führte  er  gegen  den 
judenchristlichen  Charakter  die  Sitte  an  für  die  Kaiser  zu  beten,  welche 
der  römische  Clemens  bezeugt;  Paulus  hätte  im  13.  Capitel  des  Römer- 
briefes die  Heidenchristen,  welche  in  der  Erwartung  der  bevorstehendeu 
Wiederkunft  Christi  die  heidnische  Staatsordnung  verworfen,  namentlich 
die  Zahlung  der  Abgaben  verweigert  hätten,  zum  Gehorsam  gegen  die 
Obrigkeit  ermahnt. 

Mangold  macht  dagegen  geltend,  dass  kein  Grund  vorhanden  sei, 
jene  Mahnung  als  allein  an  Hoidenchristen  gerichtet  anzusehen,  die  Zei- 
ten des  Paulus  und  Clemens  seien  durchaus  nicht  identisch,  endlich  hätten 
die  Juden  für  nichtjüdische  Fürsten  und  Obrigkeiten  schon  zu  Jeremia's 
Zeiten  gebetet.  Bezüglich  des  ersten  Punktes  weist  er  ganz  trefi'end 
nach,  dass  die  Mahnung  des  Apostels  bezüglich  der  Judenchristen  durch- 
aus am  Platze,  für  die  Heidonchristen  ganz  gegenstandslos  war,  da  die 
einzige  Voraussetzung,  unter  welcher  letztere  zur  Autlehnung  gegen  die 
Römer  bereit  waren,  nämlich  die  Verbreitung  chiliastischer  Ideen,  vor  dem 

24* 


364  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

4.  Jahrhundert  nicht  vorhanden  war.  Bezüglich  der  allerdings  liturgi- 
schen Charakter  tragenden  Worte  des  römischen  Clemens  (im  Korinther- 
briefe)  ist  festzuhalten,  dass  eben  Paulus  der  römischen  Gemeinde  erst 
den  specifisch  judenchristlichen  Charakter  benahm ;  dieser  umstand  darf 
also  nicht  als  Argument  angeführt  werden,  dass  seiue  Mahnung  nicht  an 
Judenchristen  gerichtet  sein  konnte.  Aber  die  Worte  des  Clemens  selbst 
tragen  durchaus  keinen  specifisch  heidnisch -christlichen  Charakter,  wie 
der  Verfasser  aus  dem  Vergleiche  mit  einer  Litanei  der  Arvalen  zu  er- 
weisen sucht;  vielmehr  kommt  nichts  in  denselben  vor,  das  nicht  zur 
Ermahnung  des  Paulus  stimmte.  Ein  solches  Gebet  war  aber  um  so 
mehr  am  Platze,  als  nach  Jerusalems  Zerstörung  die  Stimmung  der  Juden 
gegen  die  römische  Herrschaft  sich  mehr  und  mehr  verbitterte  und  aus 
diesem  Grunde  eine  beständige  Mahnung  der  judenchristlichen  Elemente 
zum  Gehorsam  gegen  die  Obrigkeit  doppelt  nötig  war.  Zu  dem  gleichen 
Resultate  gelangt  der  Verfasser  mittels  einer  Betrachtung  über  die  Zeit 
der  Ausscheidung  der  judaistischen  Elemente  und  einer  Vergleichung  der 
Fassung  der  vorconstautinischen  Gebetsformeln  mit  der  bei  dem  römi- 
schen Clemens  erhaltenen.  Uebrigens  war,  wie  der  Verfasser  an  meh- 
reren Beispielen  nachweist,  die  Fürbitte  für  jüdische  und  fremde  Könige 
und  Obrigkeiten  im  jüdischen  Cultus  längst  herkömmlich  und  wurde  bis 
zum  Ausbruch  des  Krieges  gegen  Rom  wenigstens  von  einem  Teile  der 
Pharisäer  sowie  von  den  Sadducäern  nicht  bestritten. 

Heinrici,  Zum  genossenschaftlichen  Charakter  der  paulinischen 
Christengemeinde.     Theol.  Studien  und  Kritiken  54  (1881),  505  ff. 

Im  Wesentlichen  Polemik  gegen  Th.  Holsten  und  mehr  von  theolo- 
gischem als  historischem  Interesse. 

Hermann  Weingarten,  Die  Umwandlung  der  ursprünglichen 
christlichen  Gemeindeorganisation  zur  katholischen  Kirche,  v.  Sybel's 
H.  Z.  N.  F.  9,  3,  441  ff. 

Der  Verfasser  widerlegt  zuerst  die  verbreitetete  Ansicht,  dass  es 
schon  in  apostolischer  Zeit  ein  Amt  der  Presbyter  an  der  Spitze  der 
Gemeinden  gegeben  habe.  Die  erste  Form  des  Zusammenschlusses  der- 
selben war  vielmehr  die  Unterordnung  der  Einzelnen  im  freien  Gehor- 
sam der  Liebe  unter  die  zuerst  dem  Christentum  gewonnenen  Familien. 
Die  im  Römerbriefe  16,  1  erwähnte  Diakonie  ist  nicht  die  spätere  Be- 
zeichnung eines  Amtes,  sondern  die  einer  hervorragenden  Thätigkeit,  bei 
deren  Erklärung  der  Verfasser  mit  Recht  auf  die  Stellung  der  Frauen 
im  heidnischen  Götterdienst  verweist  und  die  er  mit  zahlreichen  Bei- 
spielen aus  den  Inschriften  hätte  belegen  können.  Die  kirchengeschicht- 
liche Forschung  v^ird  immer  noch  der  Entwicklung  der  kirchlichen  Ver- 
fassung aus  den  heidnischen  Einrichtungen  heraus  zu  wenig  gerecht. 
Auch  die  Tipoordzts  jener  Stelle  sucht  er  mit  Recht  aus  den  heidnisch- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  365 

gesellschaftlichen  Verhältnissen  der.  Zeit  als  Patronat  in  der  christlichen 
Gemeinde  zu  erklären.  So  war  es  das  Princip  des  Priesterturas  aller 
Gläubigen,  zugleich  ein  geistlich-demokratisches  Princip,  mit  welchem  die 
erste  Organisation  der  apostolischen  Zeit  verbunden  war. 

Das  Presbyterat  als  ein  ständiges  Element  der  Aeltesten  ist  nicht 
aus  dem  jüdischen  Vorbilde  der  Synagogal- Verfassung  hervorgegangen, 
vielmehr  aus  dem  Vorbilde  der  antiken  Kultvereine  entsprungen;  das 
Christentum  hat  sich  nach  den  Rechtsnormen  der  collegia  funeraticia  or- 
ganisirt;  aus  ihnen  sind  auch  die  kniaxoTiot  entlehnt.  Aber  der  demo- 
kratische Geist  der  CoUegien,  welche  ihre  Vorsteher  jährlich  wählten, 
musste  in  der  christlichen  Gemeinde  dem  aristokratischeren  Principe  der 
Lebenslänglichkeit  weichen;  das  Vorschlagsrecht  wurde  von  den  Ange- 
sehensten geübt,  der  Gemeinde  blieb  nur  ein  Zustimmungsrecht  zu  deren 
Vorschlägen.  Aber  am  Schlüsse  des  1.  Jahrhunderts  war  mit  dem  Aelte- 
stenamt  noch  keineswegs  der  später  ausschliesslich  dominirende  Gedanke 
apostolischer  Succession  verbunden.  Bald  gesellte  sich  der  eigentlich 
gemeindlichen  und  Verwaltungsthätigkeit  des  Presbyterats  die  lehramt- 
liche hinzu;  je  mehr  letztere  überwog,  desto  mehr  drang  auch  die  den 
heidnischen  Mysterien  eigene  Unterscheidung  von  Priestern  und  Xabq  vor, 
der  ordo  des  Klerus  trat  den  Laien  gegenüber. 

Während  noch  für  die  erste  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  die  Gleich- 
heit aller  Presbyter  und  ihre  Autorität  als  die  höchste  in  der  Gemeinde 
feststeht,  tritt  schon  in  den  Pastoralbriefen  die  monarchische  Ausgestal- 
tung des  Episkopats  hervor.  Ihr  letzter  Grund  ist  die  Gnosis  d.  h.  das 
Bestreben,  das  Christentum  nach  der  Form  der  alten  Mysterien  umzuge- 
stalten; in  dem  Kampfe  gegen  dieses  Heidentum  der  Gnosis  entstand 
der  Episkopat  in  seiner  neuen  specitischen  Stellung  und  die  Einheit  der 
ccclesia  catholica  mit  der  Gemeinde  der  Welthauptstadt  als  Mittelpunkt 
der  Geistkirche.  Der  Bischof  als  Stellvertreter  Gottes  erhebt  sich  über 
dem  Presbytercollegium ;  damit  verbindet  sich  der  Gedanke,  die  Bischöfe 
als  Nachfolger  der  Apostel  und  Träger  apostolischer  Amtsbefuguis  hin- 
zustellen; freilich  wird  dies  nur  ermöglicht  durch  eine  der  apostolischen 
Zeit  selbst  völlig  fremde  Anschauung  vom  Apostolat,  andrerseits  durch 
eine  Reihe  historischer  Illusionen  und  Fictionen;  so  ist  das  Apostelbild 
der  Apostelgeschichte,  so  die  bekannten  Legenden  über  die  apostolischen 
Gemeinden  und  Apostel-Bischöfe  entstanden.  Die  Dea  Roma  der  Kaiser- 
zeit verlieh  auch  dem  christlichen  Rom  früh  die  gleiche  Glorie,  und  als 
man  Petrus  zum  römischen  Bischof  erhoben  hatte,  hng  man  an  jene  sche- 
matischen Bischofslisten  von  Rom  und  Antiochia  zusammenzustellen,  die 
als  Erfindungen  bezeichnet  werden  können;  es  entstand  jene  Tendeuz- 
litteratur  mit  Hegesipp  und  Papias  an  der  Spitze,  die  nicht  höher  da- 
steht als  die  Lügenlitteratur  der  Kaiserzeit, 


366  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

E.  Renan,  Les  prcmiers  martyrs  de  la  Gaule  11*1  av.  J-C.  Re- 
vue historique  T.  17,  303—326. 

Die  erste  Verfolgung  in  den  gallischen  Gemeinden  zu  Lyon  und 
Vienne  wird  im  Wesentlichen  im  Anschluss  an  die  bekannten  kirchlichen 
Quellen  (Euseb.  h.  e.  5,  1)  in  der  an  Renan  gewohnten  meisterhaften  und 
hinreissenden  Weise  erzählt. 

Ernest  Renan,  Marc  Aurele  et  la  fin  du  monde  antique.  3.  edi- 
tion.    Paris  1882. 

Mit  diesem  7.  Bande  ist  das  grosse  Werk  Renan's:  »Histoire  des 
origines  du  christianisme«  beendet,  und  der  Verfasser  spricht  in  der  Vor- 
rede die  Absicht  aus,  nun  eine  nicht  minder  wichtige  Arbeit  zu  unter- 
nehmen, nämlich  die  Geschichte  der  Vorbereitung  des  Christentums  in- 
nerhalb des  Judentums. 

Die  sieben  Bände  sind  nicht  alle  von  gleichem  Werte,  sondern  die 
drei  letzten  übertreffen  die  früheren  an  wissenschaftlicher  Bedeutung  bei 
weitem.  Es  liegt  dies  zum  Teil  am  Stoffe,  da  Renan  dort  eine  mangel- 
hafte Ueberlieferung  durch  Combination  und  Hypothese  zu  ersetzen  suchen 
musste.  Aber  allen  Teilen  der  gewaltigen  Arbeit  sind  gewisse  Vorzüge 
durchgehends  eigen:  die  vorurteilsfreie  Behandlung  der  christlichen  Ur- 
geschichte »mit  wirklich  historischem  und  weitem  Blicke,  die  genaueste 
Kenntnis  der  einschlägigen  Litteratur  und  die  völlige  Beherrschung  und 
künstlerische  Behandlung  des  Stoffes;  nirgends  erhält  man  den  Eindruck 
der  mühsamen  Arbeit  und  Forschung,  welche  in  dem  Werke  einge- 
schlossen ist,  sondern  der  Verfasser  schaltet  so  frei  über  den  schwierigen 
und  teilweise  spröden  Stoff,  dass  er  auch  in  künstlerischer  Hinsicht  eine 
vollendete  Arbeit  zu  liefern  vermochte. 

Nicht  auf  der  gleichen  Höhe,  wie  die  Behandlung  des  kirchen- 
historischen Teiles,  der  ja  natürlich  die  Hauptsache  ist,  steht  die  der 
politischen  Geschichte,  und  diese  Schwäche  zeigt  sich  auch  in  dem  vor- 
liegenden Baude.  Die  Bedeutung  des  Kaisers  Marcus  für  die  Reichs- 
regierung ist  zu  sehr  idealisirt,  und  gerade  die  Seite,  welche  die  Schwäche 
in  diesem  Regimente  bildet,  die  philosophische  Richtung  des  Kaisers, 
hat  Renan  viel  zu  hoch  angeschlagen,  die  Nachteile,  welche  daraus  für 
die  Regierung  resultirten,  so  gut  wie  gar  nicht  in  Betracht  gezogen. 
Und  doch  waren  letztere  erheblich  genug.  Die  Abneigung  des  Kaisers 
gegen  äussere  Regententhätigkeit,  vielleicht  auch  eine  philosophische 
Auffassung  der  Rechte  seines  Adoptivbruders  veranlassten  ihn  zur  Be- 
gründung der  Sammtherrschaft,  welche  sich  nachher  auf  Commodus  über- 
trug und  der  erste  Schritt  zur  Reichsteilung  war;  wäre  L.  Verus  eine 
energischere  Persönlichkeit  gewesen,  hätte  er  namentlich  kriegerische 
Tüchtigkeit  und  Neigung  besessen  und  hätte  er  länger  gelebt,  so  wäre 
wahrscheinlich  Marcus  ganz  in  den  Hintergrund  getreten,  um  seinen  phi- 
losophischen Neigungen  zu  leben;  versucht  hat  er  dies  ja  bei  dem  Par- 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  367 

therkriege,  und  der  Aufstand  des  Avidius  Cassius  ist  grossenteils   aus 
dem  Gegensatze  des  Heeres   gegen   den   weichherzigen  Philosophen  und 
Essayisten  hervorgegangen.    Dabei  soll  nicht  vergessen  sein,  dass  schliess- 
lich in  dem  Kaiser  das  fürstliche  Pflichtgefühl  den  Sieg  davontrug  über 
seine  eigentliche  Neigung;  aber  wir  thun  ihm  wohl  nicht  Unrecht,  wenn 
wir  annehmen,  dass  die  Marcoraannenkriege  mit  grösserer  Energie  und 
Raschheit  hätten  geführt  werden  können,   wenn   der  Kaiser  mehr  Feld- 
herr und   weniger  Philosoph   auch  im  Feldlager    gewesen   wäre.     Aber 
auch  auf  anderen  Gebieten  erwies  sich  diese  philosophische  Richtung  des 
Kaisers   durchaus  nachteilig.     So  ist  seine  Finanzpolitik  durchaus   ver- 
fehlt,  da  sie  eine  sträfliche  Gutmütigkeit  und  Counivenz  bewies;    gleich 
bei  seiner  Thronbesteigung  gab  er  der  Garde  unerhört  grosse  Geschenke, 
die  sich  später  wiederholten,  ohne  dass  sich  in  den  inneren  oder  äusseren 
Verhältnissen  ein  Grund  für  diese  Verschwendung  entdecken  Hesse;  die 
Zahl  der  Getreideempfänger  wurde  vermehrt,  die  Beitreibung  der  Steuer- 
rückstände mit  noch  geringerer  Energie    als   sonst  verfolgt.     Und   doch 
erforderte  die  Finanzlage  des  Reiches  ausserordentliche  Mittel,  und  wenn 
diese  nicht  zu  beschaffen  waren,   ungewöhnliche  Sparsamkeit;   neue  Le- 
gionen mussten  errichtet,  fast  während  der  ganzen  Regierungszeit  Kriege 
geführt  werden.     Dass  der  Kaiser  auch   der  Finanzschwierigkeiten  nicht 
Herr  wurde,  beweisen  die  ausserordentlichen  Massregeln  zur  Genüge, 
welche  er  ergreifen  musste.     Die  Kronjuweleu    wurden   verpfändet,   und 
was  schlimmer  war,  die  Gold-  und  Silberprägung  stark  unterwertig.    Re- 
nan spricht  von  einem  demokratischen  Regimente  des  Kaisers;  die  That- 
sachen  stimmen    dazu   nicht.     Allerdings  beobachtet  auch  er  dieselben 
rücksichtsvollen  Dehors  im   Verkehre   mit  dem  Senate   wie  die  meisten 
seiner  Vorgänger,  aber  die  eigentlichen  Kriterien  eines  Senatsregimentes 
fehlen  durchaus.    Schon  als  Cäsar  erhielt  er  das  ins  quintae  rclationis, 
damit  so  ziemlich  die  völlige  Beherrschung   der   Senatsversammlungeu, 
als  Kaiser  war  er  nicht  zu  bewegen,  auf  die  Capitalgerichtsbarkeit  gegen 
die  Senatoren  zu  verzichten,  und  die  Senatorenernennung  hat  er  stets  in 
der  Hand  behalten.     Er  hat  allerdings  erklärt,   dass   der  Kaiser  keinen 
Besitz  habe,  aber  diese  Erklärung  konnte  selbstverständlich  nicht  prak- 
tisch werden,  und  der  Versuch  einer  teilweisen  Neubelebuug  der  alten 
Volksversammlungen  blieb,  was  er  bleiben  musste,  eine  Posse.    Dagegen 
wurde  die  eigentliche  Verwaltung  dem  Senate  noch  mehr  entzogen,  als 
dies  bisher  schon  der  Fall  war;  in  der  fiskalischen  Verwaltung,  auch  in 
der  annona  wurde  die  hadrianische  Beamtenorganisation  noch  einen  Schritt 
weiter  geführt,  indem  zur  Entlastung  des  Vcrwaltungschcfs  Subdirigenten 
eingesetzt  und  damit  die  Wirksamkeit  jener  Einrichtung   erhöht  wurde. 
Unter  den  übrigen  Massregeln,   welche   durch  Marcus  im  Interesse  der 
Centralgewalt  getroften  wurden,  und  welche  Renan  nicht  in  dem  richtigen 
Zusammenhange  dargestellt  hat,  verdient  noch  eine  besondere  Erwähnung, 
da  Renan  an  dieselbe  durchaus  unrichtige  Cousequenzen  geknüpft  hat. 


368  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

Er  hebt  besonders  die  Alimentareinrichtungen  des  Marcus  hervor;  wir 
haben  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  gerade  in  dieser  Richtung  ausser- 
ordentliches geschehen  sei,  denn  eine  neue  Stiftung  für  Mädchen  über- 
schreitet nicht  den  Umfang  dessen,  was  wir  über  die  Einrichtungen  der 
Vorgänger  wissen.  Dagegen  hat  Renan  eine  sehr  wichtige  Seite  bei 
dieser  Frage  übersehen.  Marcus  kehrte  in  der  italischen  Politik  wieder 
zu  den  Grundsätzen  Hadrian's  zurück,  indem  er  die  von  jenem  geschafi'e- 
nen  iuridici,  allerdings  nur  mit  prätorischem  Range,  wieder  herstellte, 
welche  Pius  auf  Andringen  des  Senats  hatte  abschaffen  müssen.  Viel- 
leicht wurden  im  Zusammenhange  mit  dieser  Massregel  die  Districts- 
verwaltungeu  der  Alimentarinstitution  aufgehoben  und  die  Verwaltung  in 
Rom  unter  einem  praefectus  alimentorum  consularischen  Ranges  concen- 
trirt,  dessen  Competenz  ganz  Italien  umfasste ;  die  iuridici  hätten  in  die- 
sem Falle  wohl  ein  Aufsichtsrecht  über  die  Alimente  erhalten.  Auch 
die  Politik  des  Marcus  gegenüber  den  Vereinen  hat  Renan  überschätzt. 
Man  darf  die  Kehrseite  dabei  nicht  aus  dem  Auge  verlieren;  die  Ein- 
setzung von  curatores  aus  dem  Ritter-  und  Senatorenstande  in  den  Mu- 
nicipien  nahm  auch  unter  dieser  Regierung  ihren  regelmässigen  Fort- 
gang; dieselben  besassen  durchaus  den  Charakter  von  Regierungs-Com- 
missaren,  welche  durch  ihr  Eingreifen  die  freie  Entwickelung  der  Ge- 
meinden vgllig  zu  lähmen  vermochten.  Gewissermassen  als  Entschädigung 
für  die  Entziehung  der  rauuicipalen  Freiheit,  aber  auch  mit  Rücksicht 
auf  die  bestehende  Ueberwachung  des  municipalen  Lebens,  wurden  jetzt 
die  Rechte  der  Collegien  einigermassen  erweitert,  indem  denselben  die 
wichtigeren  Befugnisse  juristischer  Personen,  nämlich  Vermächtnisse  zu 
erhalten  und  zu  manumittiren ,  verliehen  wurden;  dass  auch  jetzt  von 
einer  Freigebung  des  Vereinswesens  keine  Rede  sein  kann,  zeigt  gerade 
die  von  Marcus  getroffene  Bestimmung,  dass  Niemand  mehreren  Colle- 
gien zugleich  angehören  dürfe.  Dass  es  Marcus  auf  dem  Verwaltungs- 
gebiete an  schöpferischer  Initiative  mangelte,  dafür  haben  wir  wenigstens 
einen  Anhalt.  Der  verständige  Pescennius  Niger  hatte  demselben  den 
Antrag  unterbreitet,  die  Provinzialverwaltung  zu  reforrairen  und  zwar  in 
einer  Weise,  welche  das  Herkommen  berücksichtigte  und  zugleich  dem 
Wohle  der  Provinzialen  Rechnung  trug.  Danach  sollten  die  Termine 
aller  Statthalterschaften  auf  fünf  Jahre  verlängert  und  eine  regelmässige 
Beamtencarriere  für  die  Provinzialverwaltung  geschaffen  werden,  indem 
Assessoren  mit  festen  Gehältern  angestellt  und  später  in  denjenigen  Pro- 
vinzen als  Chefs  der  Verwaltung  verwandt  werden  sollten,  in  denen  sie 
praktisch  verwandt  worden  waren;  hätte  der  Kaiser  der  Ausführung  die- 
ser Vorschläge  seine  Zeit  zugewandt,  so  wäre  für  das  Reich  mehr  her- 
ausgekommen als  bei  den  unfruchtbaren  und  kleinlichen  Verhandlungen 
zwischen  ihm  und  seinen  philosophischen  und  rhetorischen  Freunden.  Die 
Gesetzgebung  hat  sicherlich  unter  Marcus  viele  Fortschritte  aufzuweisen, 
obgleich  z.  B.  die  Sklavengesetzgebung  ebenfalls  von  Renan  überschätzt 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  369 

wird;  das  beste,  was  hier  geschah.,  ist  nicht  mehr  als  eine  Erneuerung 
früherer  Vorschriften  z.  B.  des  Claudius;  aber  man  muss  doch  auch  hier 
berücksichtigen,  dass  ein  grosser  Teil  dieser  Arbeiten  auf  Rechnung  des 
vielleicht  seit  Marcus  mit  festen  Gehalten  ausgestatteten  consiliura  und 
der  häufig  mit  Juristen  besetzten  Gardepräfectur  zu  setzen  ist.  Wir 
haben  uns  ausführlicher  mit  diesen  Fragen  hier  beschäftigt,  weil  sie  für 
die  Entscheidung  über  eine  weitere  Ansicht  Renan's  wichtig  werden,  der, 
wie  schon  der  Titel  besagt,  das  Ende  der  antiken  Welt  unter  diese  Re- 
gierung setzt.  Wenn  es  nicht  möglich  war,  den  politischen  Darlegungen 
Renan's  beizustimmen,  so  muss  ich  dagegen  seinen  Ausführungen  über 
die  kirchlichen  Verhältnisse  den  vollsten  Beifall  aussprechen;  ich  halte 
dieselben  für  das  beste,  was  wir  in  dieser  Litteratur  besitzen.  Die  Ca- 
pitelS  — 15,  17  —  25,  28  —  30  sind  Muster  von  klarer  und  sachkundiger 
Darstellung.  Ich  kann  nicht  sagen,  dass  ich  mit  allem  einverstanden 
wäre,  was  hier  zu  lesen  ist;  so  halte  ich  die  Annahme,  dass  eine  Legion 
von  dem  bekannten  'Ereignisse  im  Quadenkriege  eine  Zeit  lang  den  Na- 
men fulmlnata  geführt  habe,  nicht  für  zulässig,  und  die  Daten  über  Zahl 
und  Verbreitung  der  Christen  nicht  sämnitlich  für  erweisbar;  aber  dies 
sind  untergeordnete  Dinge,  welche  gegen  die  eminent  historische  Auf- 
fassung der  gesammten  Entwickelung  zurücktreten. 

Aber  eine  Ansicht  Renan's  muss  noch  etwas  ausführlicher  besprochen 
werden.  Cap.  27  wird  im  Zusammenhange  mit  Marcus'  Tod  die  auf  dem 
Titel  ausgesprochene  Ansicht,  dass  mit  Marcus'  Ende  das  Ende  der  an- 
tiken Welt  zusammenfalle,  näher  begründet  (»le  jour  de  la  mort  de 
Marc-Aurele  peut  etre  pris  comme  le  moment  decisif  oü  la  ruine  de  la 
vieille  civilisation  fut  decidee«).  In  der  Philosophie  hatte  nach  des  Ver- 
fassers Ansicht  Marcus  das  Tugendideal  so  hoch  gestellt,  dass  man  es 
in  der  Folgezeit  für  unerreichbar  hielt,  in  der  Politik  eröönete  er  mit 
der  Nachfolge  des  Commodus  die  Aera  der  Tyrannen  und  der  Anarchie, 
in  der  Religion  bereitete  er  durch  seine  Anhänglichkeit  an  eine  Staats- 
religion, deren  Schwäche  er  selbst  kannte,  den  Triumph  des  Christen- 
tums vor;  auf  allen  Gebieten,  mit  Ausnahme  des  Rechts  zeigt  sich  Er- 
schöpfung (l'affaiblissement).  Man  kann  Renan  zugeben,  dass  die  antike 
speculative  Philosophie,  wie  sie  sich  seit  Sokrates  entwickelt  hatte,  nach 
Marcus  keine  bedeutendere  Leistung  mehr  hervorgebracht  hat;  ob  die 
Höhe  des  Tugendideals  hieran  schuld  war,  wird  nicht  ebenso  sicher  zu 
erweisen  sein;  wenn  man  die  ganze  schriftstellerische  Thätigkeit  der 
praktischen  Philosophie,  wie  sie  sich  in  Rom  und  dein  Westen  seit  der 
Kaiserzeit  entwickelt  hat,  betrachtet,  so  wird  man  eine  geringe  littera- 
rische Production  finden.  Es  war  dies  natürlich;  sobald  die  Philosophie 
sich  der  reinen  ethischen  Casuistik  zuwoutlet,  wird  sie  vielmehr  auf  die 
unmittelbare  Einwirkung  durch  das  Wort,  als  auf  die  Erörterung  durch 
die  Schrift  sich  hingewiesen  sehen.  Wie  viel  moralische  Casuislik  wird 
in  den  Predigten  der  christlichen  Kirchen  producirt,  und  wie  gering  ist 


370  Kömische  Geschichte  und  Chronologie. 

der  Niederschlag  derselben  in  der  Littcratur!  Ob  Marcus'  Schrift  nun 
wirklich  das  Ende  dieser  alt-philosophischen  Litteratur  bildet,  wissen  wir 
weder  noch  ist  es  sehr  wahrscheinlich.  Erklären  Hesse  sich  diese  Er- 
scheinung aber  auch  auf  andere  Weise.  Eine  blosse  Pflichtenlehre  er- 
wartete das  Publikum  jetzt  von  der  Philosophie  nicht  mehr;  und  der 
Trost  und  die  Hoffnung,  welche  die  Welt  in  ihrer  inneren  Bedrängnis 
suchte,  fand  sich  nicht  in  einer  stoischen  Idealistik,  die  den  Menschen 
auf  eine  Höhe  stellte,  auf  welche  er  in  Wirklichkeit  nicht  zu  gelangen 
vermochte.  Eine  Lehre,  welche  den  Menschen  anwies,  sich  den  Himmel 
durch  eigene  Kraft  zu  erschliessen,  wird  zu  allen  Zeiten  nur  Wenige 
gewinnen,  eine  Lehre,  welche  eine  Anzahl  von  Mittelwesen  zwischen 
Himmel  und  Erde  creirt,  um  den  Menschen  zu  jenem  Ziele  zu  bringen, 
wird  stets  populär  sein;  die  Zeit  der  letzteren  philosophischen  Systeme 
war  jetzt  gekommen,  vor  ihnen  hatten  die  alten  Theorien  längst  den 
Boden  mehr  und  mehr  verloren.  Auf  politischem  Gebiete  hat  Marcus 
allerdings  mehr  als  einen  schweren  Fehler  begangen;  dass  er  mit  Com- 
modus  die  Reihe  der  Tyrannen  und  die  Anarchie  inaugurirte,  kann  ihm 
aber  doch  nicht  eigentlich  zur  Last  fallen.  Es  lag  in  der  Institution, 
die  eben  nicht  alle  gut  angelegten  Naturen  unwiderstehlich  in  den  Ab- 
grund riss.  Commodus  war  noch  sehr  jung,  und  dies  war  ein  schweres 
Unglück;  aber  ob  Marcus  viel  hätte  ändern  können,  wenn  er  seinem 
Sohne  die  Nachfolge  nicht  zugewandt  hätte,  lässt  sich  so  einfach  nicht 
entscheiden.  Dass  er  ihn  so  früh  zur  Mitregierung  heranzog,  war  zwei- 
fellos verfehlt;  ob  er  den  leiblichen  Sohn,  den  Sohn  einer  Kaiser- Erb- 
tochter, von  der  Regierung  bleibend  fern  halten  konnte,  ist  wenigstens 
durch  kein  weiteres  Beispiel  der  Kaisergeschichte  zu  belegen;  man  darf 
es  billig  bezweifeln.  Bezüglich  der  Zustände,  welche  nach  Marcus'  Tode 
eintreten,  kann  ich  im  Vergleich  mit  Nero  und  dessen  Nachfolgern  einen 
principiellen  Unterschied  nicht  erkennen;  und  dass  nach  einer  Reihe 
teils  guter,  teils  wenigstens  nicht  schlechter  Regenten  auch  einmal  schlechte 
folgen,  ist  der  Welt  Lauf.  Die  Veränderungen  in  der  Constitution  der 
Regierung  sind  unter  Marcus  nicht  derart,  dass  sie  einen  durchgreifen- 
den Unterschied  begründen ;  das  laisser-aller  in  der  Praxis,  welches  durch 
Pins  zum  Siege  gekommen  und  durch  Marcus  nicht  in  ausreichender 
Weise  beseitigt  worden  war,  hatte  zum  grossen  Teil  die  Zustände  ver- 
schuldet, welche  schon  unter  letzterem  über  das  Reich  hereinbrachen. 
Tiefgedacht  aber  doch  schwerlich  richtig  ist  der  Satz,  dass  Marcus  durch 
seine  Anhänglichkeit  an  die  Staatsreligion  den  Sieg  des  Christentums 
vorbereitet  habe.  Renan  setzt  dabei  voraus,  dass  er  die  Schwäche  der- 
selben durchschaut  habe.  Für  eine  solche  Annahme  hat  man  doch  le- 
diglich auf  Grund  der  in  seinen  Selbstbetrachtungen  ausgesprochenen 
Grundsätze  keinen  Anhalt.  Ein  denkender  Mensch  kann  für  seine  Per- 
son sich  der  bestehenden  Religion  fern  stellen,  ohne  dabei  deren  Wir- 
kung auf  die  Massen  zu  verkennen;  warum  sollte  bei  Marcus  nicht  diese 


Zeit  der  lulier,  Flavier  und  Antonine.  371 

Annahme  gelten?  Ausserdem  hatte  sich  die  stoische  Philosophie  der 
Volksreligion  gegenüber  stets  in  einem  durchaus  conniventen  Verhält- 
nisse gehalten,  und  es  mag  auch  in  dieser  Hinsicht  Marcus  viel  weniger 
innerlich  frei  gewesen  sein,  als  Renan  voraussetzt.  Im  Allgemeinen  hat 
er  die  Persönlichkeit  des  Kaisers  viel  zu  bedeutend  und  erhaben  hin- 
gestellt; dem  Marcus  der  Selbstbetrachtungen  musste  doch  zur  Ergän- 
zung der  der  frontonischen  Briefe  zur  Seite  gestellt  werden;  das  Ideal, 
das  jetzt  in  den  Wolken  schwebt,  wäre  dann  wohl  etwas  irdischer,  auch 
wahrer  geworden.  Die  Erschöpfung  der  römischen  Welt  wird  ja  eben- 
falls mit  gewissen  Einschränkungen  nicht  zu  leugnen  sein;  man  wird  sich 
aber  doch  vor  dem  falschen  Schlüsse  hüten  müssen,  zu  dem  die  alleinige 
Berücksichtigung  des  Verfalles  leicht  verleitet,  der  sich  in  den  schöneren 
Künsten  und  in  den  wissenschaftlichen  Leistungen  allerdings  als  er- 
schreckend gering  herausstellt.  An  die  Stelle  des  erschöpften  Italiens 
und  des  eigentlich  römisch-latinischen  Stammes  traten  die  Provinzen,  und 
wie  viel  militärische  und  bürgerliche  Kraft  hier  noch  lebte,  hat  die 
schrecklichste  Zeit  des  Kaisertums  deutlich  gezeigt.  Ob  es  trotzdem 
unter  Kaiser  Marcus  noch  möglich  gewesen  wäre,  den  ganzen  Norden 
zu  romanisiren  und  den  Schwerpunkt  des  Reiches  nach  Basel  oder  Con- 
stanz  zu  verlegen,  wie  Renan  fordert,  lässt  sich  schwer  entscheiden; 
immerhin  erscheint  eine  solche  Annahme  bedenklich,  wenn  man  sich  er- 
innert, wie  unvollkommen  bereits  die  Romanisirung  in  den  Donau-Alpen- 
ländern, im  Norden  von  Frankreich  und  Britannien,  sowie  im  Westen 
von  Deutschland  vor  sich  ging. 

Wilh.  Drexler,  Caracalla's  Zug  nach  dem  Orient  und  der  letzte 
Partherkrieg  (214-217).     Halle,  Dissert.  1880. 

Nach  kurzer  Besprechung  der  drei  Hauptquellen  erörtert  der  Ver- 
fasser zunächst  den- Alemannenkrieg  und  die  Frage,  ob  der  Kaiser  aus 
demselben  nach  Rom  zurückgekehrt  sei;  er  bejaht  dieselbe;  doch  brach 
er  zeitig  nach  Asien  auf,  da  er  die  Winterquartiere  in  Nikomedien  be- 
zieht. Als  Hauptgrund  des  parthischen  Krieges  betrachtet  Drexler  das 
Verlangen  des  Kaisers,  es  dem  grossen  Alexander  gleich  zu  thun,  wobei 
er  den  Alexandercultus  im  Allgemeinen  und  bei  Caracalla  im  Speciellen 
verfolgt.  Mindestens  ebenso  wirksam  war  die  Uneinigkeit  im  Parther- 
reiche, da  Vologaeses  V.  und  Artaban  V.  sich  befehdeten  und  eine  förm- 
liche Keichsteilung  vorgenommen  hatten.  An  der  Donau  hatte  er  mit 
germanischen  Stämmen  (Marcomannen,  Quaden  etc.)  zu  thuu,  schwerlich 
mit  Sarmaten,  doch  wahrscheinlich  auch  mit  üotlion,  vermutlich  in 
Dakien.  Ausführlich  verfolgt  der  Verfasser  die  Spuren  des  weiteren 
Zuges  an  den  Münzen.  Der  Krieg  gegen  die  Parther  kam  zunächst  nicht 
zum  Ausbruch,  da  die  Auslieferung  der  beiden  Uoberläufer  Tiridatc>  und 
Antiochus  angesichts  des  drohenden  Krieges  ihm  jetzt  unschwer  bewilligt 
wurde.     So  konnte   er   Aegypten   besuchen;    weder  Dio    noch   Ilerodiau 


372  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

berichteil  über  diesen  Aufenthalt  als  Augenzeugen;  was  der  Verfasser 
eigentlich  von  den  Vorgängen  zu  Alexandria  denkt,  ist  nicht  zu  er- 
kennen. Frühjahr  216  bricht  er  in  Parthien  ein;  die  Absetzung  des  Ab- 
gar  fand  in  Antiochia  statt,  die  Ueberlistung  des  Armenierkönigs  Velo- 
gaeses  (?)  entweder  ebendaselbst  oder  in  Nikomcdia.  Die  von  dem  Kaiser 
verwandten  Streitkräfte  bestanden  wohl  zunächst  aus  asiatischen  Truppen, 
aber  auch  aus  Vexillationen  von  II  Parth.  V  Mace'd.  II  Adj.;  andere,  die 
der  Verfasser  vermutungsweise  anführt,  sind  nicht  nachgewiesen.  Be- 
züglich des  Feldzuges  selbst  will  Drexler  die  Nachricht  der  v.  Car.,  dass 
er  durch  das  Gebiet  der  Kadusier  und  Babylouier  gezogen  sei,  so  ver- 
stehen, der  Zug  sei  nach  Adiabene  gegangen,  welches  an  Media  Atro- 
patene  grenzte  und  davon  durch  das  Zagrosgebirge  getrennt  wurde,  auf 
dem  Cadusier  zu  Strabo's  Zeit  zerstreut  sassen;  Babylonien  ist  ebenfalls 
im  Sinne  von  Strabo  zu  verstehen,  der  Adiabene  und  speciell  Arbela 
dazu  rechnet.  Schliesslich  werden  noch  die  Berichte  über  den  Tod  und 
das  Alter  des  Kaisers  untersucht. 

Die  Untersuchung  ist  sorgfältig,  aber  etwas  breit,  au  Digressionen 
nicht  arm;  neue  Resultate  habe  ich  kaum  gefunden;  denn  die  Aufstel- 
lungen über  die  beteiligten  Legionen  sind  allzu  sehr  Hypothesen,  um 
damit  zu  rechnen. 

vn.    Die  Zeit  der  Verwirrung. 

V.  Sallet,  Die  Namen  der  beiden  ersten   Gordiane.     Zeitschr.  f. 
Numismatik  7,  139  —  145. 

Im  Anschluss  au  eine  Inschrift  von  Bordeaux  vermutet  der  Ver- 
fasser, dass  die  Namen  wenigstens  Gordian's  I.  M.  Antonius  Gordianus 
Sempronius  Romanus  Africanus  lauteten;  während  für  letzteren  Namen 
die  Ableitung  Herodian's  acceptirt  wird,  schliesst  sich  für  Romanus 
V.  Sallet  der  Vermutung  Ch.  Robert's  an,  wonach  der  Senat  hinterher 
dem  Kaiser  diesen  Ehrennamen  decretirte,  der  nun  die  erste  Stelle  vor 
Africanus  einnimmt.  Für  v.  Sallet's  Vermutung  spricht  sich  Mommseu 
Berl.  Z.  f.  Num.  8,  28  aus. 

Ch.  Robert,  Nouvelles  observations  sur  les  nonis  des  deux  Pre- 
miers Gordiens.  Rev.  Archeol.  41,  34  ff. 
tritt  im  Uebrigen  v.  Sallet's  Vorschlägen  bei,  zieht  aber  Is/j.v6g  der  Con- 
jectur  Sempronius  vor,  weil  dieser  Name  im  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  kein 
Interesse  mehr  erwecken  konnte,  und  weder  von  den  Gordianen  in  Afrika 
auf  die  Münzen  gesetzt,  noch  von  Gordian  III.  reproducirt  wurde ;  auch 
würde  das  gentilicium  an  einer  schlechten  Stelle  nach  dem  cognomen  stehen. 

Th.  Mommsen,    Die  Namen  des  Kaisers  Balbinus.     Zeitschr.  f. 
Numism.  8,  26  f. 

Nach  afrikanischen  Inschriften  C  I.  L.  8,  10342.  10343.  10365  lautet 
der  Name  des    bekannten   Senatskaisers  D.  Caelius   Calvinus  Balbinus, 


Die  Zeit  der  Verwirrung.  373 

während  sein  College  hier  und  C.  I.  L.  6,  1087  (vielleicht  1088)  Pupie- 
nius  genannt  wird;  auf  den  Münzen  heisst  derselbe  fast  ausnahmslos 
Pupienus. 

Aube,  Le  christianisme  de  l'empereur  Philippe.    Rev.  Archeol.  40, 
140—152. 

Der  Verfasser  nimmt  das  Christentum  des  Kaisers  als  erwiesen  an 
durch  die  Ueberlieferung.  Nun  hat  schon  der  verstorbene  P.  Theiner 
den  geringen  Wert  derselben  nachgewiesen  und  als  Quelle  derselben  den 
Eusebius  aufgestellt;  wenn  dies  auch  schwerlich  ganz  richtig  ist,  so  trifft 
die  Annahme  in  der  Hauptsache  zu,  wenn  man  nur  noch  eine  Stufe  weiter 
zurückgeht  und  der  Quelle  des  Eusebius  diesen  Platz  anweist.  Freilich 
kommt  der  Verfasser  mit  den  übrigen  Thatsachen  in"s  Gedränge;  dieser 
christliche  Kaiser  hat  nicht  nur  die  heidnischen  Embleme  auf  den  Münzen 
beibehalten  und  die  tausendjährige  Feier  von  Rom's  Bestehen  mit  durch- 
aus heidnischen  Opfern  und  Gottesdiensten  gefeiert,  sondern  er  hat  sei- 
nen Vater  Marinus  apotheosiren  lassen  -  die  Ansicht,  welche  Aube 
S.  148  Anra.  1  aufstellt  ist  nicht  richtig.  -  Aube  sucht  diese  auffallenden 
Widersprüche  dadurch  zu  erkiären,  dass  Philipp  für  seine  Religion 
zwischen  seinem  Hei'zeusbedürfnisse  und  der  Staatsräson  schied;  diese 
lehrte  ihn,  das  Christentum  durchaus  aus  dem  Spiele  zu  lassen  in  allen 
Fragen,  die  den  Staat  angingen.  Wenn  Philipp  so  sehr  die  Staatsräson 
walten  Hess,  wie  soll  man  da  glauben  können,  dass  er  an  Ostern  eine 
Kirche  besucht  und  die  Augen  aller  Welt  auf  seine  religiöse  Stellung 
gelenkt  habe,  während  er  doch  sonst  sorgfältig  alles  that,  dieselbe  nicht 
hervortreten  zu  lassen?  Der  Verfasser  mutet  dem  Glauben  seiner  Leser 
hier  etwas  zu  viel  zu.  Uebrigens  ist  die  Frage  höchst  irrelevant;  denn 
dass  Philipp  als  Soldat  möglicherweise  zum  Christentum  übertrat,  kann 
schwerlich  mit  allgemeinen  Gründen  bestritten  werden;  aber  eine  neue 
oder  erhebliche  Thatsache  wäre  dies  nicht,  selbst  wenn  sie  über  allem 
Zweifel  erhaben  wäre.  Wenn  er  Christ  war  und  seine  Religion  so  völlig 
verleugnete,  dass  er  alle  heidnischen  Greuel  —  in  den  Augen  des  Christen 
—  mitmachte,  so  würde  hieraus  ebenfalls  nur  eines  geschlossen  werden 
können,  was  wir  aber  auch  anderswoher  schon  zur  Genüge  kenneu,  näm- 
lich dass  damals  das  Heidentum  noch  recht  fest  in  seinem  Besitze  stand 
und  das  Christentum  auf  das  öffentliche  Leben  noch  keinen  EiuHuss  übte. 
Wenn  der  Verfasser  hier  beständig  auf  das  Beispiel  Constanlin's  recur- 
rirt,  so  heisst  dies  doch  nur  an  Stelle  von  x  ein  y  setzen;  die  eigent- 
lichen Thatsachen,  mit  denen  er  argumentirt,  sind  doch  von  sicherer 
Kenntnis  noch  recht  weit  entfernt. 

Der  in  Frankreich  zwischen  dem  Abbe  de  Mcissas  und  seinen 
Gegnern  entbrannte  Streit  ist  noch  nicht  zur  Ruhe  gekommen.  Vgl, 
Jahresb.  1880  Abt.  HI  S.  .515  ff.   Die  an  letzterer  Stolle  erwnlniton  Schriften 


374  Römische  Geschichte  und  Chronologie 

sind  jetzt  in  besonderer  Ausgabe  erschienen.    Die  Polemik  wird  fortge- 
setzt in  folgender  Schrift: 

L'abbe   de   Meissas,    Observations   sur  un  receut  memoire   de 
M.  L'abbe  Arbellot.     Paris  und  Limoyes  1881. 

Die  Polemik  richtet  sich  gegen  den  Abb6  Arbellot,  der  schwerlich 
die  Ehre  einer  besonderen  Widerlegung  verdiente.  Derselbe  hatte  die 
Stelle  Gregor.  Tur.  1,  28,  welche  unter  das  Consulat  von  Decius  und 
Gratus  die  Ordination  von  sieben  Bischöfen  setzt,  zu  widerlegen  versucht 
und  die  Identität  des  h.  Dionysius  mit  Dionysius  Areopagita  von  neuem 
behauptet.  Die  Widerlegung  ist  völlig  gelungen,  aber  sie  hat  in  Deutsch- 
land nur  geringes  Interesse,  da  sie  wissenschaftlich  neue  Resultate  nicht 
bietet.  Für  Frankreich  liegt  ihr  Wert  mehr  in  dem  Kampfe  eines  ge- 
bildeten und  aufgeklärten  Geistlichen  gegen  den  Obscurantismus  der  Je- 
suiten und  ihres  Anhangs. 

VIII.    Die  Zeit  der  Regeneration. 

Heinrich  Düntzer,  Die  Römerbrücke  zwischen  Köln  und  Deutz. 
Picks  Monatsschrift  f.  d.  Geschichte  Westdeutschi.  7,  358  —  379. 

Der* Aufsatz  polemisirt  hauptsächlich  gegen  die  Ansichten  des  Ober- 
sten Wolf  über  das  Deutzer  Castrum  und  die  Röraerbrücke  bei  Deutz 
(Bonn.  Jahrb.  68,  13-47  und  Westd.  Z.  f.  Gesch  und  Kunst  1,  49-59) 
und  hält  an  der  Nachricht  des  Eumenius  fest,  dass  erst  Constantiu  Köln 
und  Deutz  durch  eine  Brücke  verbunden  hat. 

0.  A.  Ellissen,   Der  Senat   im  ostromischen  Reiche.     Göttingen 

1881. 

Der  Verfasser  will  die  herkömmlichen  Vorstellungen  über  die  Be- 
deutungslosigkeit des  Senats  in  Constantinopel  widerlegen.  Zu  diesem 
Zweck  legt  er  zunächst  die  Bedeutung  desselben  unter  dem  Principate 
dar.  Es  scheint,  dass  der  Verfasser  Mommsen's  Staatsrecht,  dessen  Re- 
sultate sich  allerdings  bisweilen  übereinstimmend  bei  ihm  finden,  nicht 
benützt  hat;  wenigstens  hat  er  es  kein  einziges  Mal  erwähnt  —  zum 
ersten  Male  ist  dasselbe  S.  45  citirt  — ;  wenn  er  es  in  Händen  gehabt 
hat,  hat  er  jedenfalls  nicht  daraus  gelernt,  was  er  lernen  hätte  können; 
so  wird  z.  B.  das  Ausstossungsrecht  des  Kaisers  in  seiner  Eigenschaft 
als  Censor  mindestens  in  dieser  Allgemeinheit  als  falsch  bezeichnet  wer- 
den müssen;  auch  spricht  er  wiederholt  von  einem  concilium  principis, 
das  doch  eigentlich  consilium  heisst;  der  unter  Hadrian  von  dem  Ver- 
fasser dem  »concilium«  gleichgestellte  Name  »consistorium  principis«  fin- 
det sich,  wie  Mommsen  ebenfalls  gezeigt  hat,  erst  in  nachdiokletianischer 
Zeit.  Auch  die  historischen  Kenntnisse  des  Verfassers  sind  nicht  ganz 
zweifellos,   da  S.  7  zu  lesen  steht:    »Zunehmen  musste  das  Ansehen  der 


Die  Zeit  der  Regeneration.  375 

Versammlung  durch  Acte  wie  derjenige  der  Decier,  die  das  Censorenarat 
wieder  aus  dem  Kreise  der  kaiserlichen  Machtbefugnisse  ausschieden  und 
seine  Besetzung  der  freien  Wahl  des  Senates  übertrugen«.  Hätte  der 
Verfasser  die  von  ihm  citirte  Stelle  der  bist.  Aug.  genauer  geprüft,  so 
hätte  er  aus  einem  Projecte  keine  bleibende  Einrichtung  gemacht;  auch 
war  dieses  neue  Amt,  dass  Valerian  übernehmen  sollte,  etwas  anderes 
als  die  alte  Ceusur. 

Der  neue  Senat  zu  Constantinopel  setzte  sich  zusammen  aus  den 
Mitgliedern  der  Curie  und  Mitgliedern  des  Reichsseuats  in  Rom.  Der 
Verfasser  vermutet,  unter  den  letzteren  seien  Christen  gewesen,  die  sich 
gerne  den  Anfeindungen  der  heidnisch  gesinnten  römischen  Körperschaft 
durch  Uebersiedehuig  nach  Constantinopel  entzogen.  Anfangs  war  damit 
eine  Degradation  verbunden;  denn  beide  Senate  waren  nicht  gleich  im 
Range;  aber  schon  unter  Constantin's  Nachfolgern  wurde  diese  Parität 
hergestellt.  Dass  der  constantinische  Senat  aus  Fiuanzrücksichten  ent- 
standen sein  soll,  ist  undenkbar  und  ein  Widerspruch  gegen  die  vorher 
entwickelte  Annahme  seiner  Entstehung  aus  dem  Gemeinderat  von  By- 
zanz;  eher  darf  man  die  andere  von  dem  Verfasser  vorgebrachte  Ver- 
mutung gelten  lassen,  dass  die  Kaiser  nach  einer  aristokratischen  Staf- 
fage verlangten;  denn  gegen  jene  erstere  Hypothese  sprechen  nament- 
lich die  zahheichen  Befreiungen  oder  Erleichterungen  von  den  persön- 
lichen Lasten  der  Senatoren.  Wie  leicht  sich  der  Verfasser  seine  Auf- 
gabe gemacht  hat,  zeigt  die  Art,  wie  er  die  Novelle  Justinian's  de  or- 
dine  senatus  (80  Zachariae  v.  Lingenth.)  behandelt.  Nachdem  er  die 
deutsche  Uebersetzung  in  extenso  abgedruckt  hat,  kommt  das  Resume: 
Viel  mehr  als  schöne  Redensart  war  doch  das  Alles  nicht,  und  einige 
Trivialitäten  über  Justinian,  Tlieodora  etc.  Und  doch  wäre  aus  dieser 
Novelle,  teils  aus  dem  was  sie  sagt  und  noch  mehr  aus  dem,  was  sie 
nicht  sagt,  für  die  Geschichte  dieses  Kaisers  gar  viel  zu  lernen  gewesen. 
Ob  der  Leser  von  den  paar  Bemerkungen  über  Zusammensetzung  des 
Senates  und  die  Anzahl  seiner  Mitglieder  und  seinen  »offiziellen  Toten- 
schein« besonders  gefördert  werden  wird,  kann  schwei'lich  fraglich  sein; 
auch  hat  es  sich  der  Verfasser  mit  der  Erklärung  der  Stellen,  wo  bei 
Const.  Porphyrog.  von  ndycaTpoc,  nazptxiot  und  auyx^zcxug  u.  ä.  die 
Rede  ist,  gar  zu  bequem  gemacht,  wenn  er  meint:  »ein  vollkommener 
Widerspruch,  wie  er  in  diesen  und  vielen  ähnlichen  Arten  der  Aufzählung 
erhalten  ist,  bleibt  gleich  gehcimnissvoll  für  Kluge  wie  für  Thoren;  hätte 
der  Verfasser  die  Untersuchung  Hofmann's  über  den  römischen  Senat 
gelesen,  sich  weiter  mit  der  Entwickelung  des  kaiserlichen  Senates  und 
der  Notitia  bekannt  gemacht,  so  würde  er  hier  vielloicht  den  Schlüssel 
gefunden  haben,  der  ihm  das  Thor  der  Weisheit  gcütlnct  hätte.  Seine 
Erklärung  des  auyx^rcxdg  ist,  wie  sie  dasteht,  lediglich  eine  Behauptung 
ohne  Beweis;  danach  soll  das  Wort  bald  ein  Mitglied  des  Senatoren- 
Standes,    bald  des  Senates  bezeichnen.     Im  Zusanunenhang  hiermit  wird 


376  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

der  Senat  mit  dem  russischen  Adel  in  Parallele  gestellt,  der  aus  einem 
Erbadel  und  einem  Amtsadel  besteht;  im  Allgemeinen  rekrutirte  sich 
der  letztere  aus  ersterem.  »Auf  die  Art  musste  die  Mitgliederzahl  der 
aöyxhiToq  natürlich  in's  Unendliche  wachsen«  —  man  sieht  den  Zusam- 
menhang hier  nicht  recht  ein.  Wenn  der  Verfasser  dann  Gewicht  darauf 
legt,  dass  man  öfter  lese,  wie  die  Regierung  mit  Auserwählten  des  Se- 
nats verhandelt  habe,  so  ergiebt  sich  daraus  doch  noch  nicht  die  grosse 
Zahl;  er  durfte  nur  an  Augustus  und  den  Princii^at  denken;  in  diesem 
Falle  hätte  auch  der  8.  30  besprochene  Staatsrat  wenig  Auffallendes  ge- 
habt. Die  ganze  Erörterung  hat  die  Klarheit  über  den  fraglichen  Ge- 
genstand nicht  erheblich  gefördert.  Im  dritten  Capitel  wird  der  Einfluss 
des  Senates  auf  den  Thronwechsel  besprochen ,  und  hier  finden  sich  in 
der  Einleitung  über  die  Verhältnisse  unter  dem  Principat  wieder  allerlei 
merkwürdige  Behauptungen.  So  heisst  es  S.  35  »Schliesslich  kommt  es 
dahin,  dass  der  Kaiser  statt  eines  gleich  mehrere  derartige  Gehülfen 
—  es  sind  Mitregenten  gemeint  —  erwählt,  und  so  ist  gegen  Ende  des 
dritten  Jahrhunderts  das  römische  Reich  mehr  eine  Oligarchie  als  eine 
Monarchie  im  strengen  Sinne«.  Man  kann  dem  Verfasser  nur  empfehlen, 
den  betreffenden  Abschnitt  in  Mommsen's  Staatsrecht  über  Mitregent- 
schaft und  Sammtherrschaft  zu  lesen.  Aus  der  byzantinischen  Zeit  wer- 
den eine  Reihe  von  Nachrichten  zusammengestellt,  welche  über  eine  Be- 
teiligung des  Senats  an  der  Thronbesetzung  sprechen.  Darüber  hinaus 
ist  der  Verfasser  aber  nicht  gegangen;  er  versucht  weder  über  die  Art 
noch  über  das  Recht  dieser  Beteiligung  zu  allgemeinen  Grundsätzen  zu 
gelangen;  in  ähnlicher  Weise  wird  im  vierten  Capitel  die  Teilnahme  des 
Senats  an  der  auswärtigen  Politik,  im  fünften  die  Gerichtbarkeit  be- 
sprochen. Sein  Einfluss  auf  geistliche  Angelegenheiten,  welcher  in  Cap.  6 
dargestellt  wird,  schwand  im  Laufe  der  Zeit  mehr  und  mehr  vor  der 
wachsenden  Macht  des  Patriarchen ;  Cap.  7  endlich  handelt  von  den  Ver- 
sammlungsplätzen des  Senats. 

Ich  kann  nach  dieser  Darlegung  nicht  glauben,  dass  die  Aufgabe, 
•welche  sich  der  Verfasser  gestellt  hat,  gelöst  sei;  er  hätte  nicht  so  ab- 
schätzig über  die  Vorgänger  urteilen  sollen;  denn  ich  fürchte,  wenn  Je- 
mand sich  einmal  gründlich  an  diese  Frage  macht,  so  wird  er  mit  besse- 
rem Rechte  auch  über  seine  Arbeit  ein  ähnliches  Votum  abgeben. 


Augustin  Mar  rast,    La   vie  byzantine   au   VP  siecle.     Preface 
et  Commentaires  par  Adrien  Plante.     Paris  1881. 

Der  Verfasser  dieses  Buches  hat  sich  durch  seine  Esquisses  byzan- 
tines  in  Frankreich  einen  Namen  gemacht;  nach  seinem  frühen  Tode 
giebt  ein  Freund  seine  hinterlasseuen  Schriften  heraus. 

Den  Kern  derselben  bildet  la  vie  byzantine  au  VI«  siöcle«  ange^ 
fügt  sind  drei  kleinere  Aufsätze:  l'Alexandrie  des  Ptolemees,  une  apotheose 
(die  Opferung  des  Autinous  in  Aegypteu)  und  Bagdad  sous  les  Khalifes, 
Nur  über  das  erstere  soll  hier  kurz  berichtet  werden. 


Die  Zeit  der  Regeneration.  377 

Das  Werk  hat  folgende  Abschnitte:  le  Cesar  Pape,  les  anciens 
dieux,  Theodora,  amour  et  theologie,  Mania;  Verts  et  Bleus,  la  revolu- 
tion.  Der  Verfasser  will  eine  Episode  aus  der  Regierung  Justinian's 
schildern  und  knüpft  an  einen  kleinen  Roman  die  Schilderungen  des 
byzantinischen  Lebens  an.  Die  Erfindung  und  Durchführung  des  erste- 
ren  ist  gleichgiltig;  der  Verfasser  kennt  seine  Zeit  sehr  genau  und  ver- 
steht es  auch  fesselnd  zu  erzählen,  lieber  Kleinigkeiten  wird  man  mit 
ihm  nicht  rechten;  ein  streng  gelehrtes  Werk  sollte  sein  Buch  nicht 
sein.  Ganz  vortrefflich  sind  namentlich  seine  Schilderungen  der  kirch- 
lichen Verhältnisse. 

Den  Commentar  hat  Plante  geliefert;  vermutlich  hätte  der  Ver- 
fasser selbst  manches  anders,  richtiger  und  passender  gegeben;  wenn 
man  indessen  bedenkt,  dass  ein  der  Arbeit  immerhin  Fernstehender  sich 
mit  grosser  Mühe  in  den  entlegenen  Stoff  hineinarbeiten  musste,  so  wird 
man  der  Leistung  des  Herausgebers  die  Anerkennung  nicht  versagen 
dürfen. 

Lorenzo  Alticozzi,   Storia  delle  antiche  persecuzioni  ne'  primi 
secoli  della  chiesa.     Roma  18V9. 

Es  ist  ein  naiver  Gedanke,  ein  historisches  Werk  eines  vor  mehr 
als  100  Jahren  verstorbenen  Schriftstellers  heute  zuerst  zu  veröffentlichen, 
ohne  dass  die  Welt  in  dieser  Zeit  stillgestanden  ist.  Man  könnte  in 
Verlegenheit  sein,  wenn  man  den  Beweggrund  dazu  erraten  sollte;  glück- 
licherweise haben  die  Väter  der  Gesellschaft  Jesu  uns  letzteren  nicht  vor- 
enthalten. Der  Verfasser  hat  seiner  Zeit  eine  Reihe  von  im  Jesuiten- 
orden angesehenen,  ausserhalb  desselben  wohl  schwerlich  bekannten 
Schriften  veröffentlicht;  dies  bürgt  für  seine  Gelehrsamkeit.  Aber  mehr 
als  diese  war  die  Tendenz  der  Schrift  massgebend.  Alticozzi  wütet  gleich 
in  der  Einleitung  gegen  die  Verfolger  der  Kirche  seiner  Zeit  in  den  ge- 
läufigen, oft  etwas  derben  Redensarten,  wie  sie  der  ecclesia  militans  zu 
allen  Zeiten  zur  Verfügung  stehen.  Ob  die  klugen  Väter  nicht  auch  die 
Kehrseite  sich  betrachtet  haben?  Sie  dachten,  die  Schrift  sei  ein  sprechen- 
des Zeugnis  für  die  jetzige  Verfolgungssucht  gegen  die  Kirche,  die  des 
oft  gefährlichen  Conimcntars  nicht  bedürfe;  könnte  ein  harmloser  Leser 
nicht  auch  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  die  heute  geläufigen  Tira- 
den  sehr  geringwertig  sein  müssen,  da  sie,  ohne  dass  die  Welt  indessen 
sichtbar  schlechter  geworden  wäre,  schon  vor  100  Jahren  verkündet  wor- 
den sind? 

Wissenschaftlichen  Wert  hat  die  Schrift  nicht ;  der  Verfasser  schreibt 
natürlich  die  Tradition  mit  ihrem  Sinn  und  Unsinn  ohne  Urteil  aus,  und 
für  das  Publikum,  auf  das  er  rechnet,  wird  ja  diese  Art  zu  arbeiten 
wohl  die  richtige  sein.  Dass  dabei  eine  Menge  von  Unkenntnis  histori- 
scher Thatsachen  mit  unterläuft,  wird  den  nicht  wundern,  der  die  histo- 
rische Schriftstellerei  der  klugen  Väter  kennt.    Frcilicii  hätte  gleich  auf 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVUI.    (iS8i.  MI.)  25 


378  Römische  Geschichte  und  Chronologie. 

der  ersten  Seite  das  Datum  von  Nero's  Geburt  nicht  falsch  angegeben 
zu  werden  brauchen,  denn  diese  wird  in  der  Regel  selbst  von  solchen 
gelesen,  welche  das  Buch  sonst  nicht  weiter  betrachten. 

Im  Athenaeuin  u.  2777  geben  P.  E.  Warren  und  John  E.  Price 
einige  Notizen  über  das  Vorkommen  des  Labarura  in  England,  die  un- 
sere Kenntnis  von  diesem  Gegenstande  nicht  weiter  fördern. 

Le  Pere  Ragey,  La  persecution  de  Julien  l'Ai)0stat.    Paris  1880. 

lieber  die  Tendenz  der  Schrift  klärt  die  Vorrede  vollständig  auf. 
Nach  einem  Citat  aus  Cypr.  de  unit.  eccles-  heisst  es:  »tous  les  vrais 
catholiques  devraient  mediter  ces  paroles  du  saint  eveque  de  Carthage; 
elles  peignent  au  vif  la  persecution  qui  desole  en  ce  moraent  l'J^glise 
de  France«.  S.  15  ist  sogar  die  Rede  de  cette  reedition  de  la  perse- 
cution de  Julien  l'Apostat  au  XIX«  siecle.  Alles  wie  bei  uns  vor  10  Jahren. 
Die  Schrift  hat  danach  lediglich  culturhistorisches,  kein  historisches  In- 
teresse. 

Die  Kenntnisse  des  Verfassers  kann  man  aus  vielen  Stellen,  be- 
sonders charakteristisch  aus  folgendem  Citate  beurteilen,  das  hier  genau 
wiedergegeben  wird:  S.  47  Toug  Haoo^  lh(fp\xa  xa\  (fdw  xal  aeßS)  xal 
ä^ofjLac.  Es  wäre  unverantwortlich  über  das  Machwerk  noch  ein  Wort 
weiter  zu  sagen. 

Michael  Petschenig,  Zur  Kritik  und  Würdigung  der  Passio 
Sanctorura  quatuor  coronatorum.  Wien  1881.  Besonderer  Abdruck 
aus  dem  Jahrgang  1881  der  Sitzungsberichte  der  phil.-histor.  Klasse 
der  kais.  Akad.  d.  Wiss.  (XCVII.  Bd.  3.  Heft  S.  761). 

Der  Verfasser  prüft  die  Passio,  da  er  von  der  Ansicht  ausgeht, 
dass  dieselbe  nicht  aus  dem  Griechischen  übersetzt  ist,  auf  ihr  Latein, 
indem  er  den  Bernensis  No.  48  aus  dem  zehnten  Jahrhundert  zu  Grunde 
legt.  Seine  Resultate  sind  folgende.  Die  Abfassung  des  uns  gegen- 
wärtig vorliegenden  Textes  der  Passio  ist  mindestens  in  das  sechste,  mit 
mehr  Wahrscheinlichkeit  in  das  fünfte  Jahrhundert  zu  setzen.  Sie  ist 
keine  Fälschung  des  Mittelalters,  sondern  ihr  Verfasser,  wenn  er  nicht 
ein  Zeitgenosse  der  von  ihm  dargestellten  Begebenheiten  war,  stand  ihnen 
nahe  genug,  um  nach  mündlicher  Ueberlieferuug  oder  nach  schriftlichen 
Aufzeichnungen  die  Kunde  von  lokalen  Zuständen  und  Lebensverhält- 
nissen in  einer  römischen  Provinz  zu  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts 
zu  überliefern,  deren  Thatsächlichkeit  aus  dem  trüben  Strome  legenden- 
hafter Darstellung  deutlich  genug  hervorleuchtet. 


Berichtigung.  .  379 

Berichtigung. 

Bei  der  Anfertigung  des  Registers  zu  dem  ersten  Baude  meiner 
Geschichte  der  römischen  Kaiserzeit  sind  mir  folgende  Druckfehler  und 
Versehen  aufgestossen: 

S.  55  Z.  14  V.  u.  lies:  »vom  Panaro« ;  S.  113  Z.  11  v.  0.  lies:  »ge- 
fallen. Die  letzten«;  S.  150  Z.  1  v.  0.  lies:  »nach  seinem  Tode  746/8  vor 
Chr.«;  S.  159  Z.  3  v.  u.  lies:  »728/26«;  S.  181  Z.  5  v.  0.  lies:  »Staat«; 
S.  227  Z.  14  V.  0.  lies:  »längerem  und  wechselvollem«;  S.  246  Z.  21  v.  0. 
lies:  »testamentarisch  freigelassen  werden«;  S.  305  Z.  19  v.  0.  streiche 
»römischen«;  S.  363  Z.  10  v.  0.  lies:  »Ser.  Sulpicius«;  S.  370  Z.  2  v.  u. 
lies:  »war  angeblich  ohne  Befehl«;  S.  371  Z.  25  v.  0.  lies:  »die  er  in 
Spanien  ausgehoben  hatte«;  S.  371  Z.  27  v.  0.  lies:  »nach  Pannonien  ge- 
schickt worden«. 

Giessen,  7.  Januar  1883.  H.  Schiller. 


25' 


Jahresbericht  über  die  Geographie   der  nörd- 
lichen Provinzen  des  römischen  Reiches. 


Von 

Direktor  I).  Detlef  seil 

in  ülückstadt. 


D  a  c  i  e  D. 

1)  Dada  iuainte  de  Romani  de  Gr.  G.  Tocilescu.  Partea  I. 
Geographi'a  antica  a  Daciei.  Partea  IL  Etbnographi'a  Daciei.  Biicu- 
resci  1880.    594  S.   8.  mit  4  Karten  und  zahlreichen  Lithographien. 

Da  mir  die  rumänische  Sprache  fremd  ist,  kann  ich  über  das  Bucli 
nur  sagen,  dass  es  mit  ungemeinem  und,  wie  es  scheint,  bisweilen  in 
ziemlich  weit  entlegene  Gebiete  führendem  Fleisse  gearbeitet  ist.  Im 
geographischen,  wie  im  ethnographischen  Teile  werden  nicht  nur  die 
klassischen  Schriftsteller  im  Originaltext  citiert,  sondern  auch  die  ganze 
Fülle  neuester  philologischer  Untersuchung,  die  ihnen  zuteil  geworden 
ist,  ausgezogen.  Aus  der  Ptolemäushandschrift  vom  Athos  und  aus  der 
Peutinger'schen  Tafel  werden  die  Dacien  betreffenden  Kartenstücke  im 
Facsimile  wiedergegeben.  Der  ethnographische  Teil  behandelt  die  prä- 
historischen und  historischen  Funde,  Waffen,  Gefässe,  Bronzen,  Münzen, 
Inschriften  und  Denkmäler  aller  Art. 

Dalmatien, 

2)  H.  Cons,  La  province  romaine  de  Dalmatie.  Paris  1881. 
414  S.   8. 

Der  Verfasser,  welcher  in  der  Vorrede  eine  fünf  Seiten  lange  Liste 
von  neueren  Schriften  über  Dalmatien  anführt,  die  ihm  vorgelegen  haben, 
will  eine  vollständige  Geschichte  und  Geographie  Dalmatiens  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  zu  Theodosius  herab  geben.  Vorausgeschickt  wird 
in  B.  1  (S.  1  —  36)  ein  allgemeiner  Ueberblick  über  die  Natur  des  Lan- 
des, zum  Teil  nach  eigener  Anschauung;  es  folgt  in  B.  2  (S.  37  —  47) 
eine  Besprechung  der  Frage  nach  der  Stammesverwandtschaft  der  ersten 
Einwohner,  sodann  in  B.  3  (S.  48-71)  eine  ausführliche  Geschichte  des 


Dalmatien.  ,  331 

Landes  bis  zum  Zusammenstoss  mit  den  Römern,   sowie  in  B.  4  (S.  72 

—  149  )   die  Geschichte  der  römischen  Eroberung    und  in  B.  5   (S.  150 

—  183)  die  der  römischen  Herrschaft  von  30  vor  Chr.  bis  70  nach  Chr. 

Darauf  folgt  in  B.  6  (S.  184—259)  die  politische  Geographie  der 
römischen  Provinz  Dalmatien.  Nach  Bestimmung  der  Grenzen  und  vor- 
läufiger Angabe  der  drei  conventus  iuridici,  in  welche  sie  zerfiel,  be- 
ginnt die  Beschreibung  vom  Norden  her  mit  Tarsatica,  Senia  u.  s.  w. 
Der  Verfasser  hat  hier  nicht  nur  das  Material  aus  den  alten  Schrift- 
stellern recht  vollständig  gesammelt,  sondern  auch  die  Inschriften  in 
vollem  Umfange  herangezogen,  und  ausserdem  giebt  er  noch  aus  den 
verschiedenen  neueren  Werken  die  Beschreibung  der  erhaltenen  Ruinen 
und  Denkmäler.  Jedoch  scheint  er  in  der  Kritik  nicht  immer  strenge 
zu  verfahren.  Eine  Untersuchung  über  die  Quellen,  denen  Plinius  und 
andere  Geographen  ihre  Notizen  über  das  Land  entnommen  haben,  wie 
über  die  Zeit,  der  sie  angehören,  ist  gar  nicht  angestellt. 

Im  einzelnen  meint  er  S.  187 f.,  Senia  sei  vielleicht  schon  bei 
Skylax  genannt,  was  doch  nach  Müller  in  den  Geogr.  gr.  I.  zu  c  21  höchst 
unsicher  ist;  auch  bezieht  er  auf  diese    Stadt  wieder  die  bei  Tac.  h. 

4,  45  genannte  colonia  Seniensis,  ohne  Zweifel  Siena  in  Etrurien,  wäh- 
rend doch  Plin.  n.  h-  3,  140  jene  Stadt  ein  oppidum  und  nicht  eine  co- 
lonia nennt.  Ebenfalls  auf  einer  höchst  unsicheren  Konjektur  beruht 
die  Ansicht  (S.  190),  die  Einwohner  von  lader  seien  bei  Scyl.  c.  22  ge- 
nannt, wo  der  Text  ' hpaa-diivai  bietet.  Richtig  wird  es  dagegen  sein, 
wenn  er  (S.  195)  Ortoplinia  bei  Plin.  3,  140,  "Op-onla  bei  Ptol.  2,  16,  2, 
Ospela  beim  Ravenu.  4,  22  =  5,  14  in  dem  jetzigen  Ortpia  bei  Starigrad 
gegenüber  der  Insel  Arba   ansetzt,   w'o   sich  nach   H.  Noe,    Dalmatien 

5.  277,  noch  heute  alte  Ruinen  finden.  Ein  Verseheu  dagegen  scheint 
er  wieder  zu  begehen,  wenn  er  die  in  der  Ephem.  epigr.  IV  n.  3GG  mit- 
geteilte, neuerdings  gefundene  Inschrift  hierher  bezieht;  Mommsen  wenig- 
stens setzt  sie  nach  dem  weit  südlicher  gelegenen  Starigrad  bei  Obro- 
vazzo,  das  er  mit  dem  alten  Clambetae  identificiert.  Den  Namen  des 
Flusses  Telaviura  schreibt  er  stets  Tedanius  nach  den  Handschriften  bei 
Plin.  3,  140,  während  bereits  W.  Tomaschek  in  der  Zeitschrift  für  die 
österr.  Gymn.  1867  S.  701  jene  Form  als  die  richtige  nachgewiesen  hat, 
die  auch  Mommsen  im  C.  I.  L.  III  S.  387  und  Kiepert  in  der  beige- 
gebenen Karte  anerkannt  haben.  In  ähnlicher  Weise  mag  sich  noch 
mancher  kleinere  oder  gröbere  Irrtum  nachweisen  lassen;  im  ganzen  ist 
jedoch  dieser  Teil  des  Buches  fieissig  und  dankenswert  gearbeitet. 

Die  folgenden  beiden  Kapitel  (S.  260  — 322)  führen  die  Geschichte 
der  Provinz  bis  zu  Theodosius  weiter,  das  Schlusskapitel  (S.  323—363) 
giebt  noch  eine  Uebersicht  des  administrativen,  nuinicipalen  und  ökono- 
mischen Lebens  Dalmatiens  unter  den  Römern.  Kaum  berührt  wird  hier 
(S.  323)    die  Einteilung   zahlreicher  Gemeinden   des  eigentlichen  Dalma- 


382  Geograjihie  der  römischon  Nurdin-ovinzen. 

ticus  sowohl  im  Konvente  von  Salona  wie  in  dem  von  Narona  in  Decu- 
rien  (s.  Plin.  3,  142 f.),  von  welcher  Einrichtung  in  dem,  Japydien  und 
Liburnien  umfassenden  Konvent  von  Scardona  keine  Spur  vorkommt. 
Damit  zusammen  zu  stellen  sind  wohl  die  auf  Inschriften  vorkommenden 
Würden  eines  Delmata  princeps  oder  princcps  Delmatarum  und  eines 
princeps  municipii  Riditarum  (C.  I.  L.  III,  1321,  2770,  2774),  zu  denen 
der  Verfasser  (S.  336)  noch  aus  den  I.  N.  4987  einen  princeps  adsignatus 
ex  municipio  Splono,  praef.  civitatis  Maeze(iorum,  praef.)  civitatis  Daesit 
(iatum)  fügt. 

N  0  r  i  c  u  m. 

3)  Eines  alten  Soldaten  (S.  P.  N.)  Römerstudien  nach  der  Natur. 
I  (1881)  Teurnia.     Wien  1882.     113  S.  kl.  8. 

Eine  mit  behaglicher  Breite  in's  Kleinste  gehende  Aufzählung  und 
Schilderung  der  vom  römischen  Teurnia,  jetzt  S.  Peter  am  Holz,  noch 
vorhandenen  Reste,  sowie  ein  ausführlicher  Nachweis  der  römischen 
Strassenzüge  auf  einige  Meilen  abwärts  und  aufwärts  im  Donauthal  und 
Möllthal.  Für  denjenigen,  der  an  Ort  und  Stelle  die  Reste  studieren 
will,  scheint  das  Buch  ein  genauer  Führer  zu  sein;  wesentlich  Neues 
bietet  es  nicht. 

Dasselbe  ist  über 

Heft  II.  Die  Strasse  Teurnia -Juvavum  von  Teurnia  bis  zur  Ver- 
einigung mit  der  Strasse  Virunum-Juvavum.    Wien  1882.    120  S.  kl.  8. 

zu  sagen. 

Norditalien. 

4)  C.  F.  Unger,  Der  Eridanos  in  Venetien.  (In  den  Abhandlun- 
gen der  königl.  bayer.  Akad.  der  Wissensch.  Philos.-philol.  und  histor. 
Klasse  1878.    B.  II,  2,  261—304). 

Der  Verfasser  dieser  interessanten  und  inhaltsreichen  Untersuchung 
weist  zunächst  nach,  dass  die  Identifizierung  des  Eridauus  und  Padus  in 
der  griechischen  Prosa  erst  unter  den  römischen  Kaisern  begonnen  hat 
und  wohl  beeinflusst  ist  durch  die  alexandrinischen  Dichter,  bei  denen 
wir  dieselbe  zuerst  im  ApoUonius  von  Rhodus  Argon.  4,  596;  610;  623; 
628  finden.  Nicht  für  den  Po  selbst,  sondern  für  einen  Nebenfluss  des- 
selben hielten  ihn  die  älteren  Geographen  und  Historiker,  ausgenommen 
Theopomp.  So  sagt  noch  Strabo  5,  1,  9,  dass  der  Eridanus  in  Wirk- 
lichkeit nicht  vorhanden  sei,  man  ihn  aber  nh^atov  zoü  IJdSou  angesetzt 
habe.  Die  älteste  genaue  Angabe  über  ihn  findet  sich  im  Periplus  des 
sogenannten  Skylax  c.  19,  dessen  Abfassung  Unger  in  das  Jahr  347  vor 
Chr.  setzt.  Diese  Stelle  behandelt  er  in  ihrem  ganzen  Zusammenhange 
und  ermittelt  unter  genauer  Berücksichtigung  sonstiger  Angaben,  indem 


Xoricum.     Norditalien.  333 

er  zunächst  c.  17  mit  C.  Müller  7t6^:s  iv  aurf^  ^EX^rjvig  l^nTva  xai  rroza/xog 
schreibt,  dass  bis  dahin  damals  das  etrnskische  Gebiet  reichte.  Darauf 
folgten  an  der  Küste  nordwärts  die  Gallier  bis  a,ü  die  Grenze  Venetiens. 
Ihnen  gehörte  die  ursprünglich  etruskische  Stadt  Atria  am  nördlichsten 
Arm  des  Po,  dem  Tartarus.  Der  grösste  Teil  der  gallischen  Küste  war 
im  Besitz  dieser  Stadt  (Plin.  3,  119 f.).  Hierher  setzte  Skylax  den  /^y/t/c 
Tou  'Adpcou,  der  von  Polybius,  Strabo  u.  a.  vielmehr  nach  Triest  verlegt 
wird.  Dann  folgten  die  Veneter,  deren  erste  Stadt  Patavium  war,  deren 
Gebiet  mindestens  bis  zum  Hafen  Edro  oder  Medoacus  reichte.  Die  Aus- 
dehnung der  gallischen  Küste  giebt  Skylax  wider  Gewohnheit  nicht  ge- 
nau an,  er  nennt  sie  nur  schmal;  statt  dessen  wird  c.  19  die  Entfernung 
von  Spina  bis  zu  den  Venetern  auf  die  Vorbeifahrt  eines  Tages  bestimmt. 
Die  bisher  vielfach  behandelte  Stelle  wird  gelesen:  iw"0i9cv  dk  r.apd- 
TT^oug  iarlv  er:'  z^jd-ttag  (statt  irr'  auzr^Q)  dvio  J^mW^g  zoÄSujg  rjiipag  fxtag, 
und  nach  c.  100  in  etwas  gewagter  Weise  erklärt:  »in  einer  gewissen 
Entfernung  von  hier,  in  gerader  Linie,  beträgt  die  Küstenfahrt  von  Spina 
an  nur  einen  Tag«.  'EvTZui^ev  soll  heissen,  dass  die  Fahrt  nicht  den 
Windungen  der  zurücktretenden  Küste  folge,  sondern  in  einiger  Entfer- 
nung von  ihr  vorübergehe  ('?).  Mag  dem  sein,  wie  ihm  will,  der  Nach- 
weis scheint  gelungen,  dass  Venetien  nach  Skylax  südlich  nur  bis  zur 
Etsch,  nicht  darüber  hinaus  gereicht  hat.  Und  auch  später  scheint  die 
Grenze  nicht  verändert  zu  sein,  da  die  Veneter  früh  mit  den  Eömern 
befreundet  waren. 

Steht  dies  fest,  so  folgt  daraus,  dass  der  Eridanus,  wenn  er  von 
zahlreichen  Schriftstellern  ein  Fluss  der  Veneter  genannt  wird  (Mart. 
4,  25.  Propert.  1,  12,  4,  nach  Polyb.  2,  17,  5  auch  von  den  Tragikern; 
vgl.  2,  16,  13 f.),  nördlich  von  der  Etsch  zu  suchen  ist.  Da  zieht  nun  der 
Verfasser  eine  von  den  Neueren  meist  übersehene  Stelle  aus  Aelian. 
h.  an.  14,  8  herbei,  die  bei  der  Stadt  Btyrjzta,  d.  i.  Vicetia,  jetzt  Vi- 
cenza,  zweimal  einen  Fluss  lIptTsvög  nennt,  der  dann  in  den  Uptoavüg 
falle,  unter  welch  letzterem  natürlich  der  Po  gemeint  ist.  Der  erstge- 
nannte kann  dann  nur  der  jetzige  ßacchiglione  sein,  der  auf  der  tab. 
Peut.  Meduacus  minor  heisst  und  mit  der  nördlichen  Pomündung  zu- 
zammenfliesst  (Plin.  3,  121).  Ebenso  nennt  um  570  nach  Chr.  der  Ve- 
neter Venantius  Fortunatus  vita  S.  Martini  4,  677  nach  einander  die 
Brinta,  den  Reteuo,  den  Athesis  und  Padus.  Endlich  der  Geogr.  Rav. 
4,  36  S.  290  nennt  in  der  Provinz  Venetia  den  Fluss  Retron  quod  Re- 
denovo  dicebatur,  Astago  (was  die  Etsch  bedeuten  rauss)  u.  a.  Der  Ver- 
fasser findet  hier  überall  denselben  Namen,  und  bis  auf  den  heutigen 
Tag  heisst  offenbar  dasselbe  Flüsschen  Retrone,  das  bei  Vicenza  von 
Südwest  kommend,  nachdem  es  die  Nordabhänge  der  Monti  Berici  um- 
flossen hat,  in  den  Bacchiglione  fällt  und  diesen  schiffbar  macht.  Der 
Grund,  weshalb  viele  den  Medoacus  minor  vielmehr  nach  seinem  Zufluss 


384  Geographie  der  römischen  Nordprovinzen. 

Reteno  nannten,  lag  ohne  Zweifel  darin,  dass  man  ihn  so  besser  von  dem 
nahen  Medoacus  maior  unterscheiden  konnte. 

Danach  ist  anzunehmen,  dass  dieser  Fluss  von  den  Griechen  zum 
HptoavÖQ  umgetauft  ist,  welcher  Name  ihnen  als  der  eines  Baches  in  der 
Nähe  von  Athen  bekannt  war,  und  dass  er  erst  allmählich  in  der  Sage 
auf  den  grossen  benachbarten  Po  übertragen  wurde. 

Weiter  bezieht  der  Verfasser  dann  eine  Glosse  des  Hesych.  Jhßirj- 
xoQ  o  llptoavoq  otio  uTiv  'Evzzaiv,  deren  dritter  Buchstabe  bei  Berück- 
sichtigung der  alphabetischen  Reihenfolge  der  Glossen  verdorben  ist, 
und  die  er  daher  in  Jkosr^xog  ändert  {Bsosyxag,  was  Vossius  schrieb,  ist 
nicht  möglich,  da  nach  Plin.  3,  122,  vgl.  mit  Polyb.  2,  16,  12  es  die  Li- 
gurer  am  oberen  Lauf  des  Padus,  nicht  die  seitwärts  von  seinem  unte- 
ren Lauf  sitzenden  Veneter  waren,  die  den  Padus  Bodincus  nannten), 
auf  jenen  'Bpsrevog  und  sieht  darin  eine  andere  Namensform  von  Me- 
doacus. 

Plinius  3,  120  sagt  zwar,  die  südliche  Pomündung  bei  Spina  habe 
früher  Eridanus  geheissen,  der  Verfasser  zeigt  aber,  dass  dies  eine  leere 
Konjektur  ist,  wie  denn  Apollonius  von  Rhodus  Argon.  4,  596  offenbar 
gerade  die  nördlichste  Pomündung  so  benennt.  Ebenso  unlautere  Nach- 
richten linden  sich  bei  Pseudo-Aristot.  Tiöp}  Moima.  «x.  28  und  Steph. 
Byz.  p.  300,  3.  Diese  Angaben,  wie  die  des  Apollonius,  möchte  der  Ver- 
fasser nach  Skymnos  370  auf  Theopomp  zurückführen. 

Nach  Plin.  37,  32  soll  Aischylos  den  Eridanus  nach  Hiberien  ver- 
legt und  mit  dem  Rhodanus  gleichgestellt  haben,  und  nach  dem  Schol. 
zu  Dionys.  perieg.  289  sagte  Philostephanus,  der  Eridanus  sei  zu  seiner 
Zeit  von  den  Eingebornen  Rhodanus  genannt.  Der  Verfasser  hält  es 
für  möglich,  dass  diese  Gleichstellung  auf  die  oben  angeführte  Naraens- 
form  Reteno  zurückgehe,  wie  denn  all  diese  Namen  vielleicht  unter  ein- 
ander stammverwandt  sind.  Auch  Euripides  sagt  nach  Plin.  37,  32  »in 
Hadriatico  litore  confluere  Rhodanum  et  Padum«,  wo  doch  nichts  an- 
deres verstanden  werden  kann  als  der  thatsächliche  Zusammenfluss  des 
Reteno  oder  Medoacus  mit  dem  Po.  Danach  hat  Apoll.  Rhod.  Argon. 
4,  627  den  wirklichen  Rhodanus  mit  dem  Eridanus  zusammenfliessen 
lassen  und  sich  eine  Gabelung  gedacht,  wie  beim  Ister;  er  lässt  die 
Argonauten  vom  Po  durch  die  Rhone  in's  sardoische  Meer  fahren. 

Weiter  wird  die  Frage  behandelt,  wie  man  mit  dem  Eridanus  den 
Ursprung  des  Bernsteins  verbunden  habe.  Der  Verfasser  kommt  zu  dem 
Resultat,  dass  wirklich  einmal  im  innersten  Winkel  des  adriatischen 
Meeres  Bernstein  müsse  gefunden  sein.  Gelungen  ist  in  dieser  Unter- 
suchung der  Nachweis  gegen  Müllenhoff,  Deutsche  Altert.  1,  220,  dass 
der  Ansatz  des  mare  Cronium  im  Norden  Europa's  nach  Philemon  bei 
Plin.  4,  95;  104;  Plut.  de  fac.  in  o.  1.  26  und  anderen  späteren  nicht 
der  ursprüngliche  sei,  sondern  dass  früher  bei  Apoll.  Rhod.  4,  327;  509; 


Norditalien.  385 

548,  Schol.  zu  4,  1;  327,  Aesch.  Prom.  836,  Tzetzes  ad  Lycoph.  630, 
Eustath.  ad  Dion.  per.  32  das  adriatische  Meer  so  genannt  sei.  Ebenso 
zeigt  er,  dass  r]  iiEydXT^  M)^a(yaa  ursprünglich  nicht  den  Ocean,  wie  bei 
Skymnos  im  Schol.  ad  Apoll.  Rhod.  4,  284,  Polyb.  3,  37,  11,  Cic.  de  rep. 
3,  74,  Plin.  3,  74  u.  a.,  sondern  die  grossen  offenen  FLächen  des  Mittel- 
meeres bezeichnete,  wie  bei  Heracl.  Pont,  in  Plut.  Cam.  22,  Hekat.  in 
Arr.  exp.  Alex.  2,  16,  5.  Ebenso  wurde  in  älteren  Zeiten  rj  s^cu  brilaaaa 
gebraucht;  s.  Arist.  meteor.  1,  13,  Polyb.  3,  37;  57.  16,  29.  37,  10,  Strab. 
2,  5,  18  u.  a.  Auch  bei  Herod.  3,  115  müsse  ly  r.phq  ßopr^v  dvejiov  Bd- 
laaaa  das  adriatische  Meer  bezeichnen;  denn  zu  seiner  Zeit  unterschied 
man  noch  strenge  von  der  HdXaaaa  den  Fluss  'i2xiavog. 

5)  Atti  della  R.  Accademia  dei  Lincei,  anno  CCLXXVIII.  Serie 
terza.  Memorie  della  classe  di  scienze  morali,  storiche  e  lilologiche. 
Vol.  VI.    Roma  1881.    508  S.  4. 

S.  168—174  giebt  Fr.  Gamurrini,  anschliessend  an  neue  Ausgra- 
bungen bei  Castiglione  della  Pescaja  in  der  toscanischen  Maremme,  ge- 
nauere topographische  Bestimmungen  der  Stationen  Ad  lacum  Aprilem, 
Salebrona  und  Manliana  an  der  via  Aurelia,  die  auf  der  tab.  Peut.  und 
im  It.  Ant.  p.  292  erwähnt  sind. 

S.  230— 256  enthalten  einen  ausführlichen  Bericht  von  Bertolini 
über  Ausgrabungen  im  alten  Concordia-Sagittaria,  jetzt  Concordia,  wel- 
che die  Wiederherstellung  des  alten  Stadtplans  ermöglichten.  Derselbe 
zeigt  ein  längliches  Viereck,  umgeben  von  Stadtmauern,  welche  au  zwei 
Ecken  abgestumpft  sind.  Die  eine  Langscite  läuft  parallel  neben  dem 
rechten  Ufer  des  Flusses  Lemene,  von  dem  rechtwinklich  ein  Kanal  ab- 
geleitet war,  der  quer  durch  die  Stadt  und  jenseits  derselben  in  einen 
anderen  Kanal  führte,  der  der  anderen  Langseite  parallel  lief. 

6)  J.  Falchi,  Kicerche  di  Vetulonia.     Prato  1881.     27  S.    8. 

7)  J.  Falchi,  Gli  avanzi  di  Vetulonia  sul  poggio  di  Colonna  nolla 
marcmma  Grossetana.     Grosseto  1882.     29  S.  kl.  8. 

Gegenüber  den  Annahmen  des  Herrn.  Barbarus,  der  Vetulonia  nach 
Viterbo,  und  Inghirami's,  der  es  in  die  Gegend  von  Campiglia  am  un- 
teren Laufe  des  Flusses  Cornia  setzte,  beweist  der  Verfasser  aus  mittel- 
alterlichen Urkunden,  dass  jene  alte  Etruskerstadt  vielmehr  auf  dem 
Platz  des  jetzigen  Colonna,  landeinwärts  von  Castiglione  della  Pescaja, 
10  Kilometer  vom  Meere  entfernt,  auf  einem  Hügel  an  der  rechten  Seite 
des  unteren  Laufes  des  Flusses  Bruna  lag,  der  in  den  lacus  Prile  sich 
ergiesst.  Dort  linden  sich  noch  bedeutende  Ucberreste  alter  Stadtmauern 
und  zahlreiche,  wie  es  scheint,  wuhlerhalteue  etruskische  Gräber.  Auch 
ist  dort  der  Hauptfundort  der  etruskischen  Münzen  mit  der  Aufschrift 
Vati,    die  man  längst  auf  Vetulonia  bezieht.     Auch  die  von  Plin.  2,  227 


38fi  Geographie  di'r  römisclion  Nordprovinzen. 

erwähnten  heissen  Quellen  ad  Vetulonios  findet  er  in  der  Nähe  von  Co- 
lonna  wieder  in  den  Quellen  von  Caldana  und  Ravi.  Die  Identifizierung 
scheint  demnach  gelungen. 

8)  r.  Bacco,  Ccnni  storici  su  Avigliana  e  Siisa.    Vol.  primo.    Susa 
1881.     100  S.    8. 

Eine  wüste  Compilation  voll  Unwissenheit  über  das  gallo -römische 
Altertum,  ohne  allen  Werth. 

9)  D.  Berardi,  Antiche   citta,  sabine,  memorie  storico-archeolo- 
giche.     Roma  1881.     39  S.  kl.  8. 

Eine  Zusammenstellung  der  Ansichten  der  Gelehrten  aus  den  letz- 
ten vier  Jahrhunderten  über  die  Lage  von  Forum  novum  und  Cures 
ohne  allen  eigenen  Werth.  Der  Verfasser  ist  ohne  alle  Kenntnis  des 
römischen  Altertums  und  ohne  strenge  Kritik.    Neues  wird  nicht  geboten. 

10)  G.  Mochi,  Storia  diCagli.  Parte  prima.  Cagli  1878.   107  S.  8. 

Eine  zwar  etwas  breit,  jedoch  verständig  und  mit  Kritik  geschrie- 
bene Geschichte  der  umbrischen  Stadt  bis  zum  Jahre  800  nach  Chr. 
Das  alte  Cales4ag  auf  der  Höhe  des  Berges,  an  dessen  Fusse  das  jetzige 
Cagli  liegt,  dessen  Neugründung  in  das  Jahr  1289  fällt.  Cales  war  nur 
ein  vicus  (nach  It.  Ant.  p.  123,  7),  eine  rautatio  an  der  via  Flaminia 
(It.  Hieros.  p.  614,  6);  zu  welcher  civitas  es  gehörte,  hat  der  Verfasser 
nicht  festzustellen  versucht.  Ausser  in  den  Itinerarien  wird  es  im  Alter- 
tum nur  noch  bei  Serv.  ad  Aen.  7,  728  erwähnt,  sodann  bei  Hilarius 
Pictaviensis  fg.  7  zum  Jahre  359.  Dass  der  Ort  einen  alt -umbrischen 
Namen  trage,  schliesst  der  Verfasser  mit  Recht  daraus,  dass  er  sich  mit 
den  umbrischen  Ortsnamen  Nuceria  und  Acerra  in  Campanien  wiederfindet. 

Auch  über  die  Strassenzüge  der  Gegend  handelt  er  ausführlich, 
indem  er  die  via  Flaminia  von  Helvillura  bis  Fanum  Fortunae  und  die 
im  It.  Ant.  p.  316  angegebene  Seitenstrasse  über  Ad  pirura,  in  dessen 
Nähe  eine  interessante  alte  Bronzegiesserei  gefunden  ist,  nach  Sena- 
gallica  verfolgt.  Er  bleibt  mit  Recht  bei  der  von  ihm  schon  früher 
(s.  Jahresber.  1880.  Bd.  23,  107  und  Sopra  gli  avanzi  di  antica  cittä  nel 
territorio  di  Cagli  e  di  Acqua  lagua.  Fossombrone  1876)  begründeten 
Ansicht,  dass  die  Reste  einer  alten  Stadt,  zu  denen  man  von  Acqua- 
lagna  an  der  via  Flaminia  (etwa  8  m.  p.  von  Cagli)  aus  gelangt,  wenn 
man  3  m.  p.  am  Candigliano,  einem  linken  Nebenfluss  des  Metaurus,  auf- 
wärts geht,  die  von  Urbirjum  Metaurense  sind.  Viel  neues  wird  im 
Uebrigen  nicht  geboten. 

R  ä  t  i  6  n. 

11)  Ephemeris  epigraphica.    Vol.  IV.  fasc.  3/4.    1881. 
In  den  Observationes  epigraphicae  behandelt  Th.  Mommsen  un- 
ter n.  XXIX  von  Neuem  die  Alpes  Poeninae.    Gegen  seine  Behauptung  (im 


Rätien.  387 

C.  I.  L.  III  p.  707;  s.  Jahresber.  1874/75  Abth.  III  S.  238),  das  Gebiet 
derselben  sei  von  Augustus  zu  Rätien  geschlagen,  hat  G.  Zippel,  Die 
römische  Herrschaft  in  Illyricum,  1877  S.  286,  die  Ansicht  aufgestellt, 
es  gehöre  zu  Germania  superior.  Mommsen  geht  bei  der  Vertheidigung 
seiner  Ansicht  davon  aus,  dass  Ptolemäus  an  verschiedenen  Stellen  das 
Adulagebirge  die  Grenze  von  Belgica,  Narbonensis,  Rätien  und  Italien 
nennt.  Daraus  folge,  dass  damit  die  Bergreihe  vom  Genfer  See  am 
rechten  Ufer  der  Rhone  aufwärts  gemeint  sei;  denn  nur  hier  stossen  die 
genannten  Provinzen  zusammen  und  von  Rätien  kein  anderer  Teil  als 
eben  die  dazu  zu  rechnende  vallis  Poeuina. 

Sodann  stellt  Mommsen  bei  Ptol.  2,  12  zum  Teil  nach  dem  cod. 
Vat.  191  die  Namen  und  Reihenfolge  der  hier  liegenden  Städte  als 
Oucomaxog ,  'EßuSoufwv ,  'OxTodoupov,  dpouadiiayog  her.  Die  erste  der- 
selben ist  jetzt  Vevey,  die  dritte  Martigny.  In  Betreff  der  zweiten  meint 
Mommsen,  sie  müsse  ebenfalls  in  der  Not.  Dign.  Oc.  c  42,  wo  er  zu- 
nächst Z.  12  uud  13:  In  Gallia:  in  provincia  Vieuueusi  emendiert,  Z.  15: 
Praefectus  classis  barcariorum  Ebruduui  Sapaudiae  gemeint  sein  und  sei 
nach  Ptolemäus  zwischen  Vevey  und  Martigny  am  Ufer  des  Genfer  Sees, 
am  wahrscheinlichsten  bei  Villeueuve  am  Einfluss  der  Rhone  in  densel- 
ben zu  suchen.  Nach  der  Not.  Dign.  sei  auch  der  Name  bei  Ptolemäus 
herzustellen.  Für  die  vierte  von  diesem  genannte  Stadt  schlägt  er  das 
jetzige  Sitten  vor.  Aus  der  von  Plin.  3,  136  angeführten  Inschrift  der 
tropaea  des  Augustus  gehe  hervor,  dass  auch  die  Völkerschaften  der 
vallis  Poenina  zu  seiner  Zeit  besiegt  wurden.  Mommsen  hält  es  für  wahr- 
scheinlich ,  dass  dies  während  des  rätischen  Krieges  im  Jahre  739  ge- 
schehen sei,  und  bei  dieser  Gelegenheit  möge  die  Stadt  Drusomagus  von 
dem  Feldherrn  ihren  Namen  erhalten  haben. 

12)  F.  Haug,  Arbon  in  römischer  Zeit  und  die  über  Arbon  füh- 
renden Römerstrassen.  (In  den  Vorträgen  bei  der  zehnten  und  elften 
Versammlung  der  Geschichtsforscher  des  Bodensees  in  Radolfzell  und 
Arbon.     1878  und  1879.     S.  5-13). 

Eine  Zusammenstellung  der  wenigen  Nachrichten  über  die  Station 
Arbor  Felix,  als  deren  ursprünglich  helvetischer  Name  der  zwar  erst  in 
der  Not.  Dign.  vorkommende  Arbona  angesehen  wird.  Sichere  Reste 
derselben  sind  bisher  kaum  gefunden.  Uebcr  die  den  Ort  berührenden 
Römerstrassen  scheinen  die  tab.  Peut.  und  das  Itin.  Anton  nicht  ver- 
lässlich zu  berichten.  Der  Verfasser  stellt  mit  andern  die  Station  ad 
Renum  der  tab.  Peut.  zwischen  Arbor  Felix  und  Brigantio  und  setzt  sie 
nach  Rheineck.  In  einem  Nachtrag  wird  mitgeteilt,  dass  die  im  Bad 
Sulzbrunn  bei  Kempten  (Cambodunum)  kürzlich  zu  Tage  gekommenen 
Stempel  der  leg.  VIII  Aug.  und  coh.  III  Vindel.  (s.  Mommsen  in  der 
Ephem.  epig.  IV  p.  178)  aus  Fi'aidd'urt  dahin  verschleppt  sind. 


388  Geographie  der  römisclien  Nordprovinzon. 

Germanien. 

13)  E.  Herzog,  Die  Vermessung  des  römischen  Greuzwalls  in 
seinem  Lauf  durch  Württemberg.  Stuttgart  1880.  47  S.  4.  mit  einer 
Karte  und  einer  Tutel  Grundrisse.  (Sonderabdruck  aus  den  Württera- 
bergischen  Vierteljahrsheften  für  Landesgeschichte;. 

Die  Limes-Forschung  hat  durch  obige  Arbeit  eine  wesentliche  Be- 
reicherung erfahren.  Auf  Württembergischem  Boden  stossen  die  beiden, 
in  ihrer  Ausführung  verschiedenen  Systeme  des  limes  transdanubianus 
und  des  1.  transrhenanus  an  einander.  Der  Verbindungspunkt  beider 
liegt  bei  dem  Orte  Pfahlbronn  zwischen  Alfdorf  und  Welzheim,  ein  wenig 
nördlich  von  Lorch,  auf  dem  Höhenzuge,  welcher  das  Leiuthal  vom  Rems- 
thal  scheidet.  Von  dort  aus  zieht  der  1.  transrhenanus,  nachdem  er 
eine  kurze  Strecke  westwärts  gerichtet  war,  in  schnurgerader  Richtung 
nach  Nordnordwest  bis  an  den  Main  unterhalb  Freudenberg.  Er  besteht 
auf  dieser  Strecke  aus  einem  Erdwall,  der  sich  noch  stellenweise  bis  zu 
einer  Höhe  von  2,5  m  erhalten  hat,  und  einem  unmittelbar  davor  entlang 
laufenden  Graben,  dessen  Spuren  ebenfalls  noch  hier  und  da  sichtbar 
sind.  Herzog  giebt  auf  T.  H  Fig.  8  einen  Durchschnitt  des  ursprüng- 
lichen Baues,  nach  welchem  der  Wall  an  der  Sohle  eine  Breite  von 
11  — 14  »i  lind  eine  Höhe  von  4,5  m,  der  Graben  eine  Breite  von  4 — 4,5  m, 
eine  Tiefe  von  3  m  hatte,  beide  mit  starker  Böschung.  Dass  der  Wall 
ursprünglich  mit  Pallisadeu  versehen  war,  wird  aus  dem  bereits  bei 
Aramian  18,  2,  15  zum  Jahre  359  vorkommenden  Namen  für  denselben, 
Palas,  sowie  aus  den  schon  in  Urkunden  des  achten  Jahrhunderts  er- 
scheinenden Namen  Phalbach,  Phalheim  u.  a.,  die  an  ihm  liegenden  0er- 
tern  zukommen,  geschlossen.  Höchst  merkwürdig  ist  es,  dass  dieser  Bau 
in  so  grosser  Ausdehnung  seine  schnurgerade  Richtung  beibehält,  selbst 
da,  wo  er  auf  tiefe  Thaleinschnitte  stösst,  wie  bei  der  Murr  und  beim 
Einfall  der  Sali  in  die  Kocher.  Ein  Terrainprofil  auf  der  Limeslinie 
ist  an  der  Seite  der  Karte  gegeben.  In  kurzen,  wie  es  scheint,  nicht 
immer  gleichmässigen,  bisweilen  nicht  einmal  1000  römische  Schritt 
grossen  Entfernungen  finden  sich  unmittelbar  hinter  dem  Wall  Reste  von 
Warttürmen.  Grössere  befestigte  Lager  sind  in  Ueberresten  erhalten 
in  Welzheim,  Murrhardt,  Mainhardt,  Oehringen  (.vicus  Aurelius),  Jagst- 
hausen.  Sie  liegen  auf  geeigneten  Höhen  innerhalb  des  limes,  12  —  13  km, 
also  8—9  m  p.  von  einander  entfernt.  Von  dem  auf  drei  Seiten  ziem- 
lich gut  erhaltenen  Kastell  bei  Mainhardt,  von  dessen  praetorium  selbst 
noch  Spuren  vorhanden  sind,  wird  ein  Grundriss  auf  Taf.  II  gegeben. 

Südlich  von  Phalbronn  sind  noch  auf  eine  kurze  Strecke  bis  in 
die  Nähe  von  Lorch  Spuren  einer  Fortsetzung  des  Liraeswalles  gefun- 
den, das  Kloster  Lorch  selbst  wird  als  wahrscheinlich  auf  den  Funda- 
menten eines  Röraerkastells  erbaut  angesehen.    Weiter  südlich,  von  dort 


Germanien.  389 

bis  zum  Hohenstaufen,  hat  Herzog  keine  Spui'en  des  limes  mehr  gefun- 
den; höchstens  könnten  einzelne  Schanzen  dort  gelegen  haben. 

Ganz  anderer  Art  ist  der  limes  transdanübianus  oder  raeticus. 
Er  setzt  bei  Phalbronn  an  den  germanischen  an  und  wird  gebildet  durch 
eine  Hochstrasse,  von  der  auf  T.  H,  10  ein  Durchschnitt  gegeben  wird. 
Ihre  Breite  beträgt  3  «?,  sie  besteht  »aus  roh  zugerichteten  Steinplatten 
oder  plattenähnlichen  Quadern  und  aufrecht  gestellten  Brocken« ,  und 
wo  sie  erhalten  ist,  steckt  sie  bisweilen  nur  einen  halben  Fuss  tief  im 
Boden.  Sie  läuft  zunächst  von  Phalbronn  ostwärts  längs  der  Nordseite 
des  Höhenzuges  zwischen  Lein  und  Rems  in  leicht  geschwungener  Linie 
über  Alfdorf  und  Iggingen  bis  nördlich  von  Mögglingen,  von  wo  sie  sich 
nordöstlich  in  fast  gerader  Linie  nach  Hüttlingen,  wo  sie  die  Kocher 
tiberschreitet,  und  Schwabsberg  wendet.  Hier  setzt  sie  über  die  Jagst, 
macht  dann  eine  kurze  Bucht  nach  Osten,  wendet  sich  aber  von  Dal- 
kingen  wieder  nordöstlich  über  Rohlingen  und  Phalheim  nach  Weiltin- 
gen,  wo  sie  die  Wörnitz  überschreitet,  und  von  da  in  nordnordöstlicher 
Richtung  über  Unter-Michelbach  in  Bayern  eintritt.  Spuren  von  Wart- 
türmen sind  auf  dieser  Strecke  nur  sehr  spärlich  erhalten.  Innerhalb 
dieser  Linie  ist  als  grösseres  Kastell  nur  Aalen,  das  alte  Aquileia,  sicher 
nachgewiesen.  Wahrscheinlich  führte  von  der  Limesstrasse  bei  Mögglin- 
gen eine  Strasse  über  Aalen  nach  Bopfingen  (Opie),  welche  auf  der  tab. 
Peut.  angegeben  ist.  Endlich  wird  noch  eine  Römerstrasse  nachgewie- 
sen, die  von  der  obigen  Hauptstrasse  beim  Brakwanger  Hof  nordwest- 
lich von  Mögglingen  in  westsüdwestlicher  Richtung  längs  des  südlichen 
Abhanges  der  Höhen  über  dem  Remsthal  nach  Lorch  hin  zieht.  Sie  ist 
früher  wohl  als  der  eigentliche  limes  angesehen  worden,  indess  erkennt 
Herzog  in  ihr  nur  eine,  ihrer  mehrfach  sehr  schroffen  Abfälle  wegen 
nicht  zum  Wagenverkehr,  sondern  nur  für  Fusstruppen  benutzbare  Strasse 
innerhalb  des  limes.  Das  weitere  System  der  sich  auf  der  Innenseite 
dem  germanischen,  wie  dem  rätischen  limes  anschliessenden  Strassen- 
züge  ist  von  der  Untersuchung  ausgeschlossen. 

Wenn  auch  die  Ansicht,  dass  die  Verschiedenheit  in  der  Kon- 
struktion der  beiden  Limesteile  darauf  zurückzuführen  sei,  dass  der  eine 
von  dem  Legaten  Oberpannonicns,  der  andere  von  dem  Statthalter  Kätieus 
angelegt  sei,  au  sich  viel  Wahrscheinlichkeit  hat,  und  demnach  auf  der 
Linie  Phalbronn-Lorch  die  Grenze  der  beiden  Provinzen  anzusetzen  wäre, 
bot  doch  der  Fund  von  Ziegeln  der  Icgio  VIII  Augusta,  welche  zur  Zeit 
der  Limesanlage  in  Strassburg  ihr  Hauptquartier  hatte  (nach  Ptol.  2, 
9,  17),  eine  Schwierigkeit.  Herzog  denkt  hier  an  eine  Verschiebung  der 
Grenze  zwischen  Ration  und  Germanien  und  ist  (S.  'M)  der  Ansicht,  dass 
die  Anlage  des  rätischen  limes  erst  dem  Trojan  zuzuschreibiMi  sei.  Doch 
siehe  über  jene  Funde  oben  unter  n.  12. 


390  Geographie  der  römischen  Nordprovinzen. 

14)  G.  Wolff,  Das  Römerkastell  und  das  Mithras-Heiligthum  von 
Gross-Krotzenburg  am  Main  nebst  Beiträgen  zur  Lösung  der  P'rage 
zur  architektonischen  Beschaffenheit  der  Mithras-Heiligthümer.    loi  S. 

15)  R.  Suchier,  Die  römischen  Münzen,  Stempel,  Inschriften  und 
Graffite  von  Gross-Krotzenburg  und  der  Umgegend  von  Hanau.    36  S. 

(Beide  Schriften  finden  sich  in  der  »Festschrift  den  verehrten  Theil- 
nehmern  der  vom  27.  bis  80.  August  zu  Kassel  tagenden  XXXI.  Gene- 
ralversammlung des  Gesammtvcreins  der  Deutschen  Gescliichts-  und  Alter- 
thumsvereiue  zur  Begrüssung  dargebracht  vom  Verein  für  hessische  Ge- 
schichte und  Landeskunde.     Kassel  1882). 

Die  zuerst  genannte  Schrift  giebt  eine  genaue  Beschreibung  des 
römischen  Limeswails  zwischen  Main  und  Wetter,  so  dass  sich  weiter 
nordwärts  die  von  C.  Rössel  beschriebene  römische  Grenzwehr  im  Tau- 
nus (s.  Jahresber.  1876,  VIII,  319)  anschliesst.  In  einer  Publikation  des 
hauauischeu  Bezirkvereins  für  hessische  Geschichte  von  1873  (s.  Jahres- 
ber. 1874/75,  IV,  243)  hatte  A.  Duucker  das  damals  ausgegrabene  Römer- 
kastell bei  Rückingen  nördlich  neben  der  Kinzig  beschrieben  und  die 
ein  wenig  östlich  von  demselben  vorhandenen  Reste  des  limes  kurz  er- 
wähnt. Die  neue  Publikation  zeigt,  dass  dieser  Teil  des  limes  südwärts 
in  gerader  Richtung  sich  bis  Gross-Krotzenburg  an  den  Main  erstreckte, 
wo  ein  Cohortenlager  vorhanden  war,  ebenso  wie  in  der  Mitte  zwischen 
diesem  Orte  und  dem  Kastell  von  Rückingen  in  einem  Abstände  von  je 
etwa  V*  Meilen  ein  solches  Kastell  westlich  vom  Wall  bei  Neuwirthshaus 
lag.  Der  limes  schloss  sich  unmittelbar  an  die  Nordostecke  des  Kastells 
von  Gross-Krotzenburg  an.  Hier  war  ohne  Zweifel  ein  Uebergaugspunkt 
über  den  Main,  der  dann  aufwärts  selbst  die  Grenze  des  Decumatlandes 
bildete  bis  in  die  Nähe  von  Freudenberg,  von  wo  sich  der  limes  süd- 
wärts weiter  erstreckte. 

Sodann  folgt  eine  genaue  Beschreibung  der  erhaltenen  Reste  des 
Kastells  von  Gross-Krotzenburg  selbst,  das  bei  178  m  Länge  und  123  7n 
Breite  für  eine  Besatzung  von  etwa  1000  Mann  berechnet  war.  Inter- 
essant ist  auch  der  Fund  eines  Mithrasheiligtums  und  eines  Altars  des 
Jupiter  Dolichenus  vom  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts,  sowie  eines 
Gräberfeldes  vor  dem  Kastell. 

Die  von  Suchier  behandelten  Ziegelstempel,  die  ziemlich  zahlreich 
sind,  gehören  der  leg.  XXII,  der  coh.  III  Vindelicorum  und  der  coh.  I 
civ.  Romanorum  an.  Aus  den  Müuzfunden  der  Gegend  schliesst  der- 
selbe, dass  die  Blüthezeit  der  Römerherrschaft  in  die  Zeiten  des  Trajan 
und  seiner  nächsten  Nachfolger  fällt,  dagegen  unter  Severus  Alexander 
oder  allenfalls  auch  unter  seinem  Nachfolger  Maximin  das  Kinziggebiet 
geräumt  sei. 

Besonders  beachtenswert  ist  es  noch,  dass  beide  Forscher  zu  dem 
Resultate  kommen,  dass  die  früher  und  zum  Teil  noch  bis  in  die  Gegen- 


Germanien.  391 

wart  herrschende  Annahme  von  einer  römischen  Grenzwehr  über  den 
Spessart  durchaus  unbegründet  ist,  da  hier  nur  unzusammenhängende 
mittelalterliche  Wehren  sich  finden. 

Beide  Arbeiten  zeigen  viel  Sorgfalt  bis  in's  Kleinste.  Interessant 
sind  auch  die  Vergleichungen  mit  der  britannischen  Wallanlage. 

16)  A.  von  Cohausen  und  L.  Jacobi,  Das  Röraerkastell  Saal- 
burg. Auszug  aus  dem  unter  der  Presse  befindlichen  grösseren  Werk 
derselben  Verfasser.     Homburg  vor  der  Höhe.    1878-     30  S.  gr.  8. 

Eine  ansprechend  geschriebene,  für  einen  grösseren  Leserkreis  be- 
stimmte Darstellung  der  Lage  und  Geschichte  des  Kastells,  Beschreibung 
der  anstossenden  Teile  des  Phalgrabens,  benachbarter  alter  Befestigun- 
gen, der  alten  Römerstrassen  der  Gegend,  sowie  insbesondere  eine  aus- 
führliche Beschreibung  der  Reste  des  Kastells  selbst,  sowie  der  anstossen- 
den Gebäudeanlagen  und  der  wichtigsten  Inschriften  uud  sonstigen  Fund- 
gegenstände aus  Römerzeiten.  Die  Verfasser  wissen  zudem  das  Vor- 
handene sachkundig  zu  ergänzen,  aus  den  Bruchstücken  richtige  Bilder 
des  ursprünglichen  Ganzen  herzustellen  und  überall  den  Blick  zu  erwei- 
tern. Beigegeben  sind  ein  Situationsplan  und  ein  Grundriss  des  Kastells, 
ein  Wall-  und  Grabenprofil  jetzt  uud  vormals,  sowie  eine  restaurierte 
Ansicht  der  porta  decumana. 

Der  Name  Saalburg  wird  vermuthungsweise  abgeleitet  von  den  in 
alter  Zeit  wahrscheinlich  Saala  genannten  Ueberresten  einer,  vielleicht 
für  den  Kaiser  Caracalla  neben  dem  Kastell  errichteten  grossen  Villa. 
Sein  Aufenthalt  daselbst  wird  mindestens  durch  eine  dort  gefundene 
Inschrift  (S.  21)  wahrscheinlich  gemacht.  Das  Kastell  scheint  nach  den 
historischen  Nachrichten  und  nach  den  Münzfunden  etwa  von  10  vor  Chr. 
Geburt  bis  gegen  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  in  den  Händen  der 
Römer  gewesen  zu  sein. 

17)  Westdeutsche  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst.  Heraus- 
gegeben von  F.  Hettner  und  K.  Lamprecht.    Jahrg.  l.    Trier  1882. 

Diese  Zeitschrift,  die  Nachfolgerin  der  Pick'schen  Monatsschrift, 
enthält  sowohl  selbst,  wie  in  dem  mit  ihr  verbundenen  Korrespondenz- 
blatte eine  Fülle  von  Nachrichten  über  römische  Altertümer  in  West- 
deutschland. Gleich  Heft  1  giebt  auf  S.  49  —  59  aus  der  Feder  von 
Oberst  Wolf  eine  »Beschreibung  der  zu  der  Feststellung  des  Deutzer 
Castrums  vorgenommenen  Ausgrabungen«  mit  einem  Situationsplan.  Auf- 
rissen der  erhaltenen  baulichen  Reste,  sowie  eine  Rekonstruktion  eines 
Turmes.  Das  Kastell  liegt  unmittelbar  am  Rhein  zum  Teil  auf  älteren 
Bauten,  die  vielleicht  der  Cäsarischen  Zeit  angehören.  Nach  der  Rheiu- 
seite  hin  öffnet  sich  die  porta  decumana,  ihr  gegenüber  die  porta  prae- 
toria,  beide  von  zwei  rund  vorspringenden  Türmen  flankiert;  ausser  den 
Ecktürmeu  zeigt  jede   dieser  Seiten  noch  zwei  runde  Türme.     Die  bei- 


392  Geographie  der  römischen  Nonlprovinzen. 

den  anderen  Seiten  sind  ohne  Thor  und  zeigen,  abgesehen  von  den  Eck- 
türmen, je  drei  runde  Türme.  Reste  des  Prätoriums  glaubt  man  un- 
ter der  mitten  zwischen  jenen  beiden  Thorcn  liegenden  Pfarrkirche  ge- 
funden zu  haben.  Ziegelstempel  daselbst  gehören  der  leg.  XXII  an. 
(S.  unten  n.  18). 

Auf  S.  59  — G6  berichtet  Hettner  über  die  Ausgrabung  einer 
grossen  römischen  Thermenanlage  in  S.  Barbara  bei  Trier.  Auch  da- 
von wird  ein  Grundriss  beigegeben. 

H.  3  S.  308—319  bringt  eine  Limesstudie  von  A.  Duncker.  War 
zu  Aschaffenburg  ein  Römerkastell?  Der  Verfasser  weist  nach,  dass  die 
an  Ort  und  Stelle  gemachten  Funde  von  Altertümern  nicht  zu  einer 
bejahenden  Antwort  der  Frage  zwingen.  Reste  von  römischen  Türmen 
oder  Mauerwerk  sind  dort  nie  aufgedeckt.  Die  dort  gefundenen  In- 
schriften bei  Brambach  C.  I.  R.  1751—58  sind  in  mittelalterlichen  Bau- 
ten vermauert  gewesen  und  können  sehr  wohl  aus  benachbarten  links- 
mainischen  Römerkastelleu  geholt  sein.  Das  beim  Geogr.  Rav.  4,  26  er- 
wähnte Ascapha  braucht,  wenn  es  auf  das  heutige  Aschaffenburg  bezo- 
gen werden  darf,  keineswegs  den  Namen  eines  Römerkastells  zu  enthal- 
ten, sondern  kann  einen  Marktort  auch  ausserhalb  römischen  Gebiets 
bezeichneir.  Die  früher  wohl  angenommenen  Linien  eines  äusseren  limes 
über  den  Spessart  hätten  sich  als  falsche  Annahmen  herausgestellt,  und 
dann  sei  es  nicht  wohl  denkbar,  dass  Aschaffenburg  am  rechten  Main- 
ufer ohne  Brücke  und  ohne  Befestigung  ein  Römerplatz  habe  sein  können. 

18)  K.  Bone,   Bilder  vom  Rhein   aus   alter  Zeit.     Programm  des 
Gymnasiums  an  der  Apostelkirche  zu  Köln.    Köln  1880.     26  S. 

Als  Nebentitel  wird  über  der  Abhandlung  selbst  »Das  römische 
Kastell  in  Deutz«  angegeben.  Zur  Ergänzung  des  oben  unter  n.  17  Mit- 
geteilten hebe  ich  aus  der  sorgfältigen  Arbeit  hervor,  dass  das  dem 
Rhein  zugewandte  Westthor  unzweifelhaft  durch  einen  Damm  mit  der 
nach  Colonia  Agrippina  hinüber  führenden  Brücke  in  Verbindung  stand, 
die,  wie  es  scheint,  wenigstens  zu  den  Zeiten  Constantin's  des  Grossen 
eine  feste  war  (s.  Eumenius,  paneg.  Const.  Mag.  IV,  13).  Eine  im  Ka- 
stell gefundene  fragmentierte  Inschrift  scheint  eine  Arbeit  au  demselben 
auf  die  Zeit  von  M.  Aurel  und  L.  Verus  161  —  169  zu  bestimmen;  Legions- 
ziegel der  8.  und  22.  Legion  machen  es  sogar  wahrscheinlich,  dass  die 
Anlage  des  Kastells  in  die  Zeit  um  70  n.  Chr.  fällt,  wo  beide  Legionen 
neben  einander  in  diesen  Gegenden  standen.  In  dem  Ostthor  des  Ka- 
stells ist  wohl  der  Ausgangspunkt  für  fünf  Röraerstrassen  zu  sehen. 
Auch  die  Nachrichten  über  die  spätere  Geschichte  der  Burg,  die  bis 
tief  ins  Mittelalter  hinein  existierte,  werden  fleissig  zusammengestellt. 
Hoffentlich  bringen  weitere  Nachgrabungen  über  Einzelheiten  noch  grössere 
Sicherheit. 


Germanien.     Gallien.  393 

19)  von  Veith,  Vetera  castra  mit  seinen  Umgebungen  als  Stütz- 
punkt der  römisch -germanischen  Kriege  im  ersten  Jahrhundert  vor 
und  nach  Chr.    Mit  2  Karten.     Berlin  1881.     41  S.    8. 

Die  Schrift  beruht  auf  sorgfältigen  Terrainstudieu  an  der  Hand 
der  bewährtesten  Lokalforscher  und  ist  von  einem  kundigen  Militär  ge- 
schrieben. Sie  giebt  daher  ein  möglichst  genaues  Bild  der  gegenwärti- 
gen topographischen  Verhältnisse,  aus  denen  die  zur  Römerzeit  vorhan- 
denen abgeleitet  werden.  Innerhalb  dieser  wird  dann  die  strategische 
Bedeutung  des  ganzen  Gebietes  um  Vetera  dargelegt  und  schliesslich 
eine  einfache  Erzählung  der  alten  Kriegsbegebenheiten  mit  den  aus  den 
Lokalverhältnissen  sich  ergebenden  Erläuterungen  hinzugefügt.  Bei  den 
mannigfachen  Veränderungen,  die  der  Lauf  des  Rheins  und  der  einmün- 
denden Flüsse  seit  alten  Zeiten  erlitten  hat,  ist  die  Lösung  mancher 
Fragen  von  grossen  Schwierigkeiten  umgeben.  Der  Verfasser  hat  es 
verstanden,  dieselben  in  klarer  Weise  vorzulegen.  Für  die  Interpreta- 
tion der  betreffenden  Stellen  des  Tacitus  ist  seine  Schrift  eine  äusserst 
verdienstliche.    (Vgl.  Jahresber.  1880,  XXIII,  HO). 

20)  H.  Genthe,  Duisburger  Altertümer.  Progr.  des  Gymnasiums 
in  Duisburg.  1881.  73  S.  8.  mit  einer  Karte  und  zwei  Tafeln  Ab- 
bildungen. 

Eine  eingehende  Beschreibung  der  Alterturasfunde  aus  der  näch- 
sten Umgebung  von  Duisburg,  auf  Grund  deren  unter  umsichtiger  Er- 
wägung aller  Merkmale  und  Vergleichung  ähnlicher  Funde  zunächst  ent- 
schieden wird,  dass  in  Duisburg  keine  römische  Niederlassung  war,  wohl 
aber  der  Ort  selbst  vom  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  her  von  ribua- 
rischen  Franken  besetzt  war,  deren  Gräber  sich  innerhalb  einer  die  Stadt 
und  das  Dorf  Düssern  umschliessenden  Landwehr  finden,  während  das 
ganze  Gebiet  um  dieselbe  herum  reich  ist  an  Gräbern,  die  bis  in's  erste 
Jahrhundert  hinaufreichen,  und  die  der  Verfasser  den  Resten  einer  si- 
gambrischen  Bevölkerung  zuschreibt.  Interessant  ist  auch  seine  gelegent- 
liche Polemik  (S.  5  ff.)  gegen  gewisse  Annahmen  Schneider's  in  seinen 
Beiträgen  zur  Geschichte  und  Geographie  der  Rheinlande. 

Gallien. 

21)  M.  Gjör,  Gallien  for  og  under  Romernes  herredömme.  En 
inledning  til  Frankriges  historie.     Kristiania  1881.     39  S.  kl.  8. 

Eine  populäre  Skizze  der  historischen  Entwickelung  Galliens  von 
den  Zeiten  seiner  Unabhängigkeit  bis  zur  Befestigung  der  Frankenherrschaft. 

22)  D'Arbois  de  Jubainville,  Les  noms  de  lieu  celtiques  in 
der  Revue  archöologique.    1878.    April.    8  S. 

Der  Verfasser  ist  damit  beschäftigt,  ein  celtisches  Glossar  zusam- 
men zu  stellen.    Für  ihn  ist  es  daher  wichtig,  das  sprachliche  Verhältnis 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  XXVIH.    (l88i.  IH.)  26 


394  Geograpliic  der  römischen  Nordprovinzeri. 

der  Ligurer  zu  den  Galliern  zu  bestimmen.  Eine  Hauptquelle,  aus  der 
uns  Eigennamen  von  Bergen,  Flüssen,  Ortschaften  ligurischen  Landes 
bekannt  sind,  ist  der  bei  Genua  gefundene  Schiedsspruch  der  Minucier 
aus  dem  Jahre  117  vor  Chr.  Geburt  (s.  C.  I.  L.  I  p.  74.  V  p.  886 ff.). 
Das  Resultat  der  Unter sucliung  des  Verfassers  ist,  dass  in  diesen  Namen 
keine  Spur  von  Gallischem  sich  findet,  dass  aber  auch  kein  Grund  vor- 
liegt, sie  nicht  für  indo-europäischen  Ursprungs  zu  halten. 

23)  Ch.  Lentheric,  La  region  du  ßas-Rhöne.  Paris  1881 
304  S.  kl.  8. 

Diese  Schrift  schliesst  sich  den  im  Jahresber.  1874/75,  III,  248 
und  1880,  XXIII,  108  besprochenen  desselben  Verfassers  über  die  süd- 
französische Küste  an.  Die  Gesichtspunkte  sind  in  der  neuen  Schrift 
noch  mehr  vorzugsweise  national -ökonomische.  Das  Altertum  wird  sel- 
tener herangezogen.  Neu  gefunden  ist  in  der  Camargue  nach  S.  23  die 
Inschrift:  SILVANO  |  VOTVM-PRO  |  ARMENTO,  in  der  man  eine 
Bestätigung  der  Notiz  bei  Plin.  N.  H.  21,  57  finden  darf,  nach  der  die 
Campi  Lapidei  der  narbonensischen  Provinz  von  Tausenden  von  Rindern 
beweidet  wurden,  die  des  reichen  Thymians  wegen  von  fern  her  dahin 
getrieben  wurden. 

24)  Hayaux  du  Tilly,  Nouvelle  lecture  de  la  Table  de  Peutin- 
ger  en  ce  qui  concerne  la  route  de  Reis  Apollinaris  ä  Forum  Voconii 
Tours  s.  a.  39  S.  8.   (Extrait  du   Congres  archeologique  de  France) 

Eine  Einleitung  beschäftigt  sich  mit  der  richtigen  Schreibung  des 
Namens  Raei  Apollinares;  der  Verfasser  will  als  richtige  Lesung  bei 
Plin.  3,  36  wunderlicher  Weise  Reiorum  Apollinaris  ausgeben,  behält 
aber  für  den  Gebrauch  die  Form  der  Tab.  Peut.  Reis  Apollinaris  bei! 
Das  Resultat  der  dann  folgenden  Untersuchung  geht  dahin,  dass  nicht 
von  Forum  Voconii,  jetzt  Chäteauueuf-Vidauban  an  der  via  Aurelia,  son- 
dern von  einem  Punkte  zwischen  diesem  Orte  und  Forum  lulii,  jetzt 
Frejus,  nämlich  dem  Orte  Le  Muy,  welcher  Name  aus  Mutatio  entstan- 
den sei,  die  auf  der  T.  Peut.  angegebene  Strasse  über  Anteis,  jetzt 
Lentiez,  nach  Reis  Apollinaris  geführt  habe,  die  von  da  einerseits  weiter 
über  eine  mutatio  bei  Castellet  nach  Forum  Neronis,  jetzt  Forcalquier 
an  der  via  Domitia,  andererseits  wieder  nach  Aquae  Sextiae  an  der  via 
Aurelia  geführt  habe.  Ob  seine  Vermuthungen  richtig  sind,  kann  nur 
durch  den  Nachweis  sicherer  alter  Strassenspuren  bestätigt  werden,  de- 
nen der  Verfasser  aber  wenig  Aufmerksamkeit  schenkt,  während  er  im 
It.  Anton,  p.  298,  1  die  aus  Cic.  ad  fam.  10,  17  von  Wesseling  interpo- 
lierte Distanzangabe  XXIII  statt  der  allein  beglaubigten  XII  beibehält 
und  aus  der  Bezeichnung  der  Orte  Forum  Voconii,  Forum  lulii.  Ad 
horrea  eine  Reihe  von  Schlüssen  über  die  Verproviantierung  der  Flotten- 
station zu  Forum  lulii  zieht,  die  entschieden  zu  weit  gehen. 


Gallien.  395 

25)  F.  Labour,  Rapport  sur  la  d^couverte  d'une  voie  romaine  k 
Saint-Pathus.     Meaux  1878.     8  S.    8. 

Ein  kurzer  Fundbericht,  nach  ^Yelchera  in  einem  Felde  westlich 
von  Saint-Pathus  ein  Stück  der  Römerstrasse  aufgedeckt  ist,  die  von  den 
Meldi,  jetzt  Meaux,  zu  den  Silvanectes,  jetzt  Senlis,  führte. 

26)  Bulletin  monumental  public  par  L.  Palustre.    5.  serie.    t.  7.  8. 
Paris,  Tours,  1879  und  1880. 

In  B.  7,  246  ff.  findet  sich  eine  ausführliche  Nachricht  über  die 
Wiederauffindung  einer  schon  früher  bekannten,  aber  bisher  für  falsch 
gehaltenen  römischen  Inschrift  vom  Jahre  122  vor  Chr.,  der  ältesten 
in  Gallien  gefundenen.  Sie  steht  angeblich  an  einem  Felsen  auf  einem 
Berge  bei  Claux  und  lautet:  HERCÜLI  SACRVM  |  CN-DOMI- 
TIVS  AHENOBARBVS  1  PROC-DEVICTIS  ET  SVPERATIS 

BELLO  ICONIIS  TRICO vgl.  Strabo  4,  1,  11;  6,  5.    Schwerlich 

wird  man  sie  in  dieser  Fassung  für  echt  halten. 

S.  663  ff.  giebt  E.  Desjardins,  Les  monuments  des  thermes  ro- 
mains  de  Luxeuil,  die  ziemlich  zahlreichen,  bisher  meist  unedierten,  fast 
nur  aus  kurzen  Sepulcralinschriften  bestehenden,  jedoch  mit  interessan- 
ten Reliefs  geschmückten  Steindenkmäler  von  Luxeuil  heraus,  aus  denen 
unter  Vergleichung  mit  einer  Stelle  aus  der  vita  S.  Columbani  bei  Su- 
rius  de  probatis  Sanctorum  historiis  t.  VI  p.  533  hervorgeht,  dass  dieser 
Ort,  das  alte  Luxovium,  dann  Lussovium,  darauf  Lussedium,  endlich 
Losodium  genannt,  schon  in  Römerzeiten  Heilquellen  hatte,  die  den 
Göttern  Lussoius,  Apollo,  Sirona  und  Bricia  geweiht  waren. 

B.  8,  297  ff.  zieht  R.  Mowat  aus  dem  auf  einer  neuerdings  in 
Poitiers  gefundeneu  Weihinschrift  vorkommenden  Personennamen  Venix- 
xamus,  zu  dem  eine  Inschrift  aus  Igg  in  Käruthen  die  Nebenform  Vc- 
nixama  bietet,  den  Schluss,  dass  die  in  der  Not.  dign.  oc  35,  27  vor- 
kommende Form  eines  rätischen  Ortsnamens  nicht  Venäxadorum  oder 
Venaxamodorum,  sondern  Venixaraodorum  zu  schreiben  und  als  »Kastell 
des  Venixamus«  zu  erklären  sei. 

27)  Hayaux  du  Tilly,  fitude  sur  l'emplacement  cerlain  de  l'oppi- 
dum  Bratuspantium  de  C6sar.    31  S.    8. 

Der  Verfasser  weist  in  einer  die  historisch -geographischen  Ver- 
hältnisse allseitig  erwägenden  Untersuchung,  wie  mir  scheint,  mit  Er- 
folg nach,  dass  die  bei  Caes.  b.  g.  2,  13  und  sonst  nie  wieder  genannte 
Stadt  Bratuspantium  im  Gebiet  der  Bellovaccr  dieselbe  ist  mit  der  spä- 
ter Caesaromagus,  dann  Bellovacum  genannten  Hauptstadt  des  Volkes. 
Ausser  diesem  waren  bisher  acht  verschiedene  Orte  dafür  in  Anspruch 
genommen.  Nebenher  giebt  der  Verfasser  die  Vcrmuthung,  dass  der 
eine  derselben,  Veudeuil-Caply,  an  dem  zahlreiche   römische  Funde  gc- 


39f)  Geographio  der  röniischon  Nordprovinzen. 

macht  sind,   eines  der  später  in  diesem  Gebiete  von  Cäsar  angelegten 
Winterlager  gewesen  sei. 

Zum  Schluss  mache  ich  noch  darauf  aufmerksam,  dass  inzwischen 
ein  sechster  Band  meiner  Ausgabe  der  Naturalis  Historia  des  Plinius, 
Berlin,  Weidmann  1882,  erschienen  ist,  der  ausser  dem  index  deorum 
et  hominum  einen  index  locorum  enthcält.  Ein  Vergleich  mit  dem  der 
Sillig' sehen  Ausgabe  beigefügten  zeigt,  wie  gross  die  Anzahl  von  Verän- 
derungen in  der  Schreibung  geographischer  Namen  ist,  die  vorzunehmen 
waren.  Auch  die  Vergleichung  solcher  Artikel,  wie  Graeci,  Roma,  wird 
beweisen,  wie  viel  vollständiger  die  Ausnutzung  des  Textes  im  neuen 
index  ist.  Hoffentlich  wird  die  Untersuchung  über  die  geographischen 
Bücher  des  Plinius,  in  denen  noch  so  manches  Dunkel  zu  lichten  ist, 
dadurch  einen  neuen  Anstoss  erhalten. 


Register. 


I.   Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


Aalst,  Th.  van,  observationes  in  histo- 

riani  romanam.  II,  283. 
Abel,  E.,  Colluthi  Carmen  de  raptu  He- 

leuae.   I,  175.  —  Zu  den  Homercen- 

tonen  1,  186.  —  Orphei  Lithica  I,  162. 
Adam,  L.,  die  Odyssee  und  der  epische 

Cyklus.  I,  298. 
Alexandre,  zu  denOraculaSibyll.  1, 162. 
Allen,  Grant,  der  Farbensinn.  III,  55. 
Alticozzi,  L.,  storia  delle  antiche  perse- 

cuzioni  ue'  primi  secoli  della  chiesa. 

III,  377. 
Amari,  M. ,  bibliotheca  Arabo  -  Sicula. 

III,  146. 
Ambrosinl,  A. ,    osservazioni   critiche 

alla    traduzione    dei    primi    sei    libri 

d'Erodote  di  Ricci.  I,  107. 
Ameis-Hentze,  liias.  I,  103.  —  Odyssee. 

1,  199.  —  Anhang  zur  Odyssee-Schul- 
ausgabe. I,  200. 
Anton,  H. ,    etymologische   Erklärung 

homerischer  Wörter    I,  238. 
Antoniades,  B  ,  luxzpiovoq  Aaikoi.  II, 

135. 
d'Arbois  de  Jubainville,  les  noms  de 

lieu  celtiques.  III,  393. 
Arens,  J. ,   de  participii   subiuncti  ra- 

tioue  Homerica.  I,  255. 
Asbach,  J.,  zur  Chronologie  der  Briefe 

des  Plinius.   III,  353.  —    Entstehung 

der  Germania  des  Tacitus.   III,  354. 
Atti    della    li.  Accademia    dei   Lincei. 

III,  385. 
Aube,  le   christianisme  de  Tempereur 

Philippe.  III,  373. 
Baar,  A.,  zu  Eur.  Andromache  195.  I, 

37.  -  Zu  Eur.  Hek.  I,  39.  —  Zu  Eur. 

Hei,  I,  39. 
Bacco,  S.,  cenni  storici  su  Avigliano  e 

Susa.  III,  386. 
Bachof,  E. ,  quaestiuncula  Herodotea, 

I,  96. 
Baehofen,  J.  J. ,  antiquarische  Briete 

zur  Kenntniss  der  ältesten  Verwandt- 

schaftsbegritfe.  III,  38. 


Baedeker,  K.,  Italien,  3.  Tbl.:  Unter- 
italien und  Sicilien.  III,  147. 

Baehrens,  E. ,  poetae  latini  minores. 
II,  91.  —  Zu  lateiu  Dichtern.  II,  78. 

II,  99 

Barth,  P.,  de  infinitivi  apud  scaenicos 
poetas  Latinos  usu.  II,  9. 

Barthold,  Th.,  Hippolitus  von  Euripi- 
des.  I,  42. 

Bass,  J.,  Dionysios  I  von  Syrakus.  III, 
156.     -  Zu  Polyaen.  III,  1.57. 

Baumgarten,  de  Christodoro  poetaThe- 
bano.  I    182. 

Beaudouin  et  Pottier,  inscriptions  Cy- 
priotes.  III,  225. 

Beauregard,  J.  O.,  Organisation  de  la 
famille  sous  la  legisl.  rom.  III,  39. 

Becher,  zu  Cic.  nat.  deor.  II,  117. 

Bechtel,  Fr.,  Bezeichnungen  der  sinn- 
lichen Wahrnehmungen  in  den  indo- 
germanischen Sprachen.  III,  209.  — 
IJmbrica.  III,  237. 

Becker,  K.  v. ,    Munimentum  Traiaui. 

III,  338. 

Becker,  W.  A.,  Gallus.  III,  34 

Beiger,  Chr.,  Moritz  Haupt  als  akade- 
mischer Lehrer.  I,  262. 

Bellermann,  L.,  Elektra.  I,  22. 

Beloch,  G.,  l'impero  Siciliano  III,  148. 
—  Geschichte  des  Timaios    III,   159. 

Beltz,  R. ,  die  handschriftliche  Ueber- 
liefcrung  von  Cic.  de  re  publica.  II,  140. 

Bender,  H, ,  Rom  u.  röm.  Leben.  III, 
31.  33. 

Benicken,  H.  K,  Episode  des  Sarpe- 
don  im  12.  Gesang  der  Ilias.  I,  323. 

Benseier,  G.,  zur  Ilias.  I,  222. 

Bentley,  R,,  Emendationen  zum  IMau- 
tus.  II,  57. 

Berai'di,  D.,  antiche  citta  sabine.  III, 
386. 

Bergk,  Th. ,  die  Rheinlande  in  römi- 
scher Zeit.  II,  245.  265.  280. 

Bernage,  S. ,  de  Stesichoro  lyrico.  I, 
127. 


398 


Register. 


Bernardakis,  Gr.,  symbolae  criticao 
in  Plutarchum,  I,  r)9. 

Bernhardt,  H. ,  Theognis  quid  de  re- 
bus divinis  et  ethicis  senseril.  1,  115. 

Bernouilli,  J.  J. ,  rüraiscne  Ikonogra- 
pbic.  II,  203. 

Bertagnolli,  C,  delle  vicende  delF  agri- 
coltura  in  Italia.  III,  1G2. 

Bezzenberger,  zum  Pamphylischen.  III, 
225. 

Bindseil,  Th ,  die  antiken  Gräber  Ita- 
liens. III,  246. 

Birt,  Th. ,  zum  Tragikerfragmeut  bei 
Quintilian.  VIII,  G,  35.  II,  195.  —  Zu 
öeneca's  Tragödien.  II,  198.  —  Die 
Vocalverbindung  eu  im  Latein.  III, 
188.  —  Das  antike  Buchwesen.  II,  209. 

Bitschofsky,  R.,  zur  Anth.  lat    II,  98. 

—  Zu  Cäsar.  II,  271. 

Blasel,  J.,  allmälige  Competenzerweite- 
rung  der  Tributcomitien.  III,  20. 

Blass,  F.,  neues  Fragment  der  Mela- 
nippe  des  Euripides.  I,  54.  —  Rest 
der  Sappho.  1,   127. 

Blaydes,  zu  Aesch.   Hiketides.   I,  13. 

—  Zu  Prometheus.  1,  8.  —  Zu  Eurip. 
Alkestis.  I,  37.  —  Zum  Herakles.  I, 
42.  —  Zu  Rhesos.  I,  42.  —  Zu  Soph. 
Oed.  Tyr.  1,  24.  -  Zu  Soph.  fr.  I, 
34.  —  Zu  den  Troades  I,  52.  —  Zu 
den  Phoenissae.  I,  52. 

Böhm,  D  ,  ßpiträge  Cäsars  znr  Ethno- 
logie der  Germanen.  II,  241. 

Boissier ,  G. ,  ä  propos  d'un  vers  de 
Juvenal.  II,  68. 

Bond  and  Walpole,  the  Phormio  of 
Terence.  II,  186. 

Bone,  K.,  Bilder  vom  Rhein.  III,  392. 

Bordelle,  de  linguae  Latinae  nomini- 
bus  -men  et  -mentum.  III,  207. 

Bormann,  E. ,  fastorum  Tauromeni- 
tanae  reliquiae.  III,  156.  —  De  men- 
suris  Tauromenitanis.  III,  159. 

Bourgault-Ducoudray,  L.  A  ,  Con- 
ference sur  la  modalite  dans  la  mu- 
sique  Grecque.  III,  173. 

Bouterweek,  R.,  und  A.  Tegge,  die 
altsprachliche  Orthoepie.  III,  184. 

Brachmann,  G  ,  de  Bacchidum  Plau- 
tinae  retractatione  scaenica.  II,  29. 

Brandt,  S. ,  eclogae  poetarum  Latino- 
rum.  II,  152.  —  Ad  Lucretium.  II,  157. 

Braune,  Th.,  über  sie.  II,  189. 

Breal,  M.,  epigraphie  italique.  III,  233. 
—  Tafel  von  Agnone.  III,  239.  — 
Table  de  Bantia  III,  238.  —  Chant 
des  freres  Arvales.  III,  236.  —  In- 
scription  falisque.  III,  237. 

Brehme,  Fr.  H. ,  linguarum  novicia- 
rum  laxam  temporum  siguificatiouem 


iam  priscis  linguae  Latinae  tempori- 
bus  perspici  posse.  III,  216. 

Breyer,  B.,  zu  Hiketides  51.  I,  13. 

Brix,  J. ,  Recension  von  P.  Langen's 
Kritik  des  Plautus.  II,  4.  —  Zur  Asi- 
naria  II,  26.  —  Zur  Cistellaria.  II,  32. 

Brüll,  zur  ältesten  Geschichte  des  Pri- 
mats   III,  358. 

Brugi,  B  ,  i  fasti  aurei.  III,  31. 

Brugman,  K ,  v.  Ost  hoff. 

Brunn,  L.,  Abhandlung  über  äxarog. 
I,  44. 

Bruns  und  Saehan,  syr.-rüm.  Rechts- 
bucli  a.  d.  5.  Jahrh.  III,  29. 

Buehholz,  E. ,  Anthologie  aus  d  Ly- 
rikern der  Griechen.  1,  109. 

Bücheier,  F.,   Altes  Latein.  III,  233. 

—  Altitaiische   Grabschrift.   III,  241. 

—  Coniectanea  de  Silio  Juvenale  Plauto 
aliis.  II ,  64.  65.  —  Fragment  einer 
marsischen  Inschrift  III,  240.  — 
Grundriss  der  lat.  Deklination,  fran- 
zösisch III,  199.  —  Petron  am  Hof 
zu  Hannover  i.  J.  1702.  II,  58. 

Büdinger,  M. ,   Krösus  Sturz.   I,  100. 

—  Der  Ausgang  des  medischen  Rei- 
ches. I    100. 

Bünger,  C ,  über  die  lat.  Quantität  in 
positionslangen  Silben    III.  185. 

Bulletin  monumental  1879  u.  1880 
III,  395. 

Buth,  A.,  zur  Positionsbilduung  in  Ho- 
mer. I,  228. 

Campbell,  L.,  notes  on  the  Agamem- 
non of  Aeschylus.  I,   13. 

Cardona,  M.,  delle  origine  della  cittä 
di  Napoli.  III,  133. 

Cava,  F  della,  la  nuova  cittä  in  Baia. 
III,  138. 

Cavallari,  Fr.  S.,  scavi  di  Sybaris.  III, 
131.  Thapsos.  III,  140  —  Topo- 
grafia  di  Saleruo.  III,  143 

Cavallin,  S.  J.,  Aoristi  infinitivus  Ho- 
mericus.  I,  255. 

Cavalotti,  F.,  canti  e  frammenti  di 
Tirteo.  I,  111. 

Cerrato,  L.,  Solone,  saggio  critico  bio- 
graöco.  I,   113. 

Chatelain,  E.,  sur  l'Anthologie  latine. 
II,  102.  —  Du  pluriel  de  respect  en 
latin.  III,  214. 

Christ,  A.  J.,  Art  und  Tendenz  der 
Juvenalischen  Personenkritik.  II.  68. 

Christ,  W.  V.,  Metrik.  III,  174.  —  Die 
Wiederholungen  in  d.  llias  I,  314.  — 
Interpolationen  bei  Homer.  I,  310.  — 
Gebrauch  von  re  bei  Homer.  I.  255. 

Cipolla,  F.,  sulle  probabili  origlni  di 
Caltavuturo  e  Sclafani.  III,  144, 

Ciairin ,  P. ,   du  genitif  latin  et  de  la 


Verzeichniss  der  besprocheneu  Schriften. 


399 


prepositiou  de.  III,  210.  —  De  haru- 

spicibus  III,  2.  50. 
Clemm,  W.,  misceüanea  critica,  I.  123. 
Clerici,  G.  P.,  i  Prigionieri   di  Plauto 

II,  30. 
Cobet,  zu  Cic.  de  fin.  II,  107.  —  Cic. 

nat.  deorum  II,  108. 
Cohausen  u.  Jaeobi,  das  Römercastell 

Saalburg.  III,  391. 
Cohn,  M. ,  zur  Lehre  von   der  capitis 

deminutio.  III,  41 
Conradt,  C,  stichische  u.  lyrische  Com- 

positiou  bei  Terentius    II,  182. 
Cons,  H.,  Dalmatie.  III.  380. 
Corcia,  N.,  dell'  origiue  di  Roma.  III,  307. 
Couat ,  A.,   Pelegie  Alexandriner  Phi- 

letas,  Hermesianax.Phanocles,  Alexan- 
dre d'Etolie.  I,  121.  —  Du  caractere 

IjTique  des  hymnes  de  Callimaque.  1, 

112    154. 
Croi3et.,A. ,1a poesiede Pindar.  III,  176. 
Csiky,  Gr.,  Tragödien  des  Sophokles 

übersetzt    I,  17. 
Cuno,  J.  G.,  Verbreitung  des  etruski- 

.-^chen  Stammes  über  die  italische  Halb- 

iusel.  Hl,  245. 
Curtnis,  E. ,   de  Persii  Flacci  patria, 

II,  54. 

Curtius,  G. ,  homerische  Miscellen.  1, 
241   —  Ueber  Pamphilisches.  III.  228. 

Daehn,  J.,  de  rebus  scaenicis  in  Euri- 
pidis  ßacchae.  I,  38 

Danielson,  O.  A.,  studia  Gramraatica. 

III,  202. 

Daub,  A.,  die  Ueberlieferung  der  Chro- 
nologie des  Anaximenes  und  des  Ana- 
kreon.  I,  132. 

Dechert,  H.,  über  die  Echtheit  des 
Phoenix  von  Lactantius.  II,  101 

Deeeke,  W.,  zur  Entzifferung  der  mes- 
sapischen   Inschriften.    III,    139.  228. 

—  Zur  Lesung  der  epichorischen  ky- 
prischen  Inschriften.  111, 220.  —  Neuere 
etruskische  Publikationen.  III,  243.  — 

—  Nachtrag  zum  Templum  von  Pia- 
cenza.  III,  243.  —  Le  iscrizioni  elrus- 
che  del  vaso   di  Tragliatella.  III,  245. 

Dederieh,  wo  sind  die  Usipetcn  und 
Tenkterer  über  den  Rhein  gegangen? 
II,  247. 

Degenhart,  zu  Cic  de  nat.  deor.  II,  115. 

Deinhardt,  H.,  Phitarchs  Abhandlung 
über  die  Erziehung  der  Kinder,  über- 
setzt. I,  90. 

Deiter,  H.,  zum  Cod.  Vossianus  86  des 
Martial.  II,  59. 

Delaunay,  F.,  l'egliso  chretienne  devant 
la  legislation  romaine.  III,  53. 

Del  Mar,  A.,  history  of  the  precious 
metals.  III,  103. 


Desjardins,  E. ,  les  thermes  romains 
de  Luxeuil.  III,  395.  —  Geographie 
historique  de  la  Gaule.  IL  242. 

Diels,  H.,  zu  Cicero.  II,  107.  119. 

Dilthey,  C.,  de  epigrammatis  nonnullis 
Graecis.  I,  136. 

Dinter,  B.,  zu  Cäsar  b.  g.  II,  251  fi. 

Dittenberger,  W.,  zu  Cäsar  b.  g.  II, 
152  ff. 

Dobbelstein,  Gr.,  de  carmine  chri- 
stiano  cod.  Par.  8084.  II,  97. 

Doberentz,  A.,  Caesaris  de  hello  gal- 
lico  conimentarii.  II.  220. 

Dombart,  B  .  zu  d-u  Captivi.  II,  31. 
—  Rec.  v.  A.  Spengels  Adelphoe.  II, 
185. 

Dräger,  historische  Syntax.  III,  276. 

Draheim,  J. ,  de  iambis  et  trochaeis 
Terentii.  U,  183. 

Dressel.  H.,  antichissima  iscrizione  La- 
tiua.  ill,  233  —  Faliskische  Inschrif- 
ten. III,  237.  —  Lexikalische  Bemer- 
kungen zu  FirmicusMaternus  III,  250. 

Drewes,  L.,  die  symmetrische  Compo- 
sition  des  König  Oedipus.  I,  24. 

Drexler,  W.,  Caracalla's  Zug  nach  dem 
Orient.  III,  371. 

Droysen,  H.,  Athen  und  der  Westen 
vor  der  sicilischen  Expedition.  III.  166. 

Dübner,  zu  Nonnos.  I,  168. 

Düntzer ,  H. ,  die  lateinischen  Suftixa 
-tia,  -tio.  III,  207.  —  Ära  Ubiorum. 
III,  338.  —  Familie  des  Germanicus. 
III.  338.  —  Odyssee,  Schulausgabe.  I, 
197.  —  Römerbrücke  bei  Köln.  UI,  374. 

Dürr,  J. ,  die  Reisen  des  Knisers  Ha- 
drian.  III,  356. 

Duhn,  V ,  Grundzüge  einer  Geschichte 
Campaniens.  III,   137. 

Dumeril ,  A. ,  preliniinaires  do  la  se- 
conde  guerre  civile  ä  Rome.  III,  329. 

Du  Meanil,  A.,  Cicerouis  de  Legibus 
libri  tres    II,  145. 

Dunbar,  H.,  concordauce  to  the  Odys- 
sey and  Hymns  of  Homer.  I,  249. 

Duncker,  Ä. ,  war  Aschaffenburg  ein 
Römercastell.  III,  392. 

Duruy,  V.,  l'administration  d'Auguste. 
Ill,  22.  —  Religion  officielle  dans 
l'empire  romain    III,  5.  48. 

Dziatzko  ,  K. ,  zum  Terenzconimentar 
des  Douatus.  II,  190  —  Adelphoe. 
II,  185.  —  Zu  Terenz  Hecyr.i,  II    189. 

Ebeling,  H.,  Schulwörterbuch  zu  Cäsar. 

II,  210 

Ebert,  A.,  de  syntoxi  Frontouiana,  II, 

S.  III,  267. 
Ebrard,  G.,  de  ablativi  locativi  instru- 

montalis  apud  priscos  scriptores  usu. 

III,  212. 


400 


Register. 


Egli,  das  Martyrium  Polycarps.  III,  3G3. 
Eichert,  O. ,    Wörterbücher  zu  Cäsar. 

II,  210.  —  Wörterbuch   zum  Justin. 

III,  2ö0.  —  Wörterbuch  zu  Ovids  Me- 
morphosen.  II,  S.'l  III,  252.  —  Wör- 
terbuch zu  Sallust.  III,  249. 

Eichhoff,  über  die  Sagen  und  Vorstel- 
lungen von  einem  glückseligen  Zu- 
stand der  Menschheit.  III,  35. 

Eiaenlohr,  E.,  das  lateinische  Verbum. 
III,  205. 

Elli3,  R.,  on  the  Anthologia  latina.  II, 
101.  De  artis  amatoriae  Ovidianae 
codice  Oxoniensi.  II,  78.  —  Ibis.  II, 
91.  —  Petronianum.  II,  57. 

Ellissen,  der  Senat  im  oström.  Pteich. 
III,  374. 

Emlein,  F.,  quaestioues  Sophocleae. 
I,  17. 

Engelhardt,  passive  Verba  mit  dem 
Accusativ  u.  der  Acc.  graecus.  III,  214. 

Enmann,  A  ,  Untersuchungen  über  die 
Quellen  des  Pompeius  Trogus.  Ill,  161. 

Enthoven,  L.,  de  lone  tabula  Earipi- 
dea.  I,  44. 

Ephemeris  epigraphica.  III,  386. 

Erdmann,  O.,  über  den  Gebrauch  der 
lateinischen  Adjectiva  mit  dem  Gene- 
tiv. III,  211* 

Esmann,  Fr.  E  M..  de  organis  Grae- 
corum  musicis.  Ill,  176. 

Eussner,  A,  zu  Ovid.  II,  82. 

Eysert,  L. ,  der  Prolog  in  Eurip.  Ion. 
I,  46. 

Fabretti,  A. ,  di  una  moneta  di  oro, 
attribuita  ai  Volsiuiesi.  III,  245. 

Faesi,  J.  U. ,  Homers  Iliade,  hrsg.  v. 
R.  Franke.  I,  193.  —  Odyssee,  hrsg. 
V.  Kayser.  I,  199. 

Falchi,  J.,  ricerche  di  Vetulonia.  —  Gli 
avanzi  di  Vetulonia.  III,  385. 

Fauriel,  M ,  les  questions  Homeriques 
ä  la  Sorbonne  en  1835—36.  I,  307. 

Feldmann,  H.  A.,  Elektra,  übersetzt. 
I,  23.  —  König  Oedinus,  übersetzt. 
I,  24. 

Feis,  L.  de,  di  alcune  epigrafi  etrusche. 
III,  242. 

Fennell,  onEtruscan  numerals.  III,  246. 

Ferencz,  W. ,  grammalica  Sophociea. 
I,  17. 

Fernique,  E.,  etude  sur  Preneste.  III. 
49.  —  Histoire  romaine.  III,  282.  — 
Inscriptionos  inedites  du  pays  de  Mar- 
ses.  III,  240. 

Fiorelli,  documenti  inediti  per  servire 
alla  storia  dei  Musei  d'Italia.  III,  134. 

Fischer,  E  ,  das  achte  Buch  vom  gal- 
lischen Krieg.  II,  239. 

Fischer,  Th.,  die  Dattelpalme.  III,  98 


Flach,  J.,  der  rescribirte  Codex  Messa- 
nius  des  Hesiod.  I,  139.  -   Zu  Hesiod. 

I,  140.  —  Martialis  epigramraaton  lib. 
primus.  II,  59. 

Fleckeisen,  A ,  Hkixrputo.  I,   140. 

Fleischer,  C.  H.,  zu  Cäsar  b.  g.  II, 
283  ff. 

Flex,  R  ,  älteste  Monatseintheilung  der 
Römer.  III,  4.  45. 

Forchhammer,  J.,  zu  Cicero .  III,  264. 
—  Annotationes  criticae  ad  Cic.  de 
natura  deorum  libros.  II,  109.  —  Ad 
Cic.  de  officiis.  II,  136.  —  Ad  Cic.  de 
divin.  II,  120. 

Forcellini,  A.,  totius  latinitatis  lexicon. 
III,  248. 

Fraesdorff,  G ,  de  comparativi  gradus 
usu  Plautino.  II,  8. 

Franke,  O.,  Terenz  auf  dem  Weimar- 
schen  Hoftheater.   II,  178. 

Franken,  C.  M.,  ad  Lucretium.  II,  157. 

Franz,  Fr.,  myth.  Studien.  III,  43. 

Frey,  zu  Aesch  Agam.  1172.  I,  14. — 
Zu  Eur.  Elektra.  II,  41.  —  Zu  Hike- 
tides  355.  I,   13. 

Friedländer,  L.,  de  codice  Martialis 
T.  II,  58  —  Darstellung  der  Sitten- 
geschichte Roms.  I,  69.  —  Pamphi- 
lische  Münzlegenden.  III,  225.  —  De 
Rutilio  Gallo.  III,  353.  —  Städtewesen 
in  Italien.  III,  23. 

Friedrich,  O.,  Publilii  Syri  sententiae. 

II,  193. 

Fritzsche,  F.  V.,  de  Aeschylo  G.  Her- 
mann!. I,  4. 

Fröhde,  F.,  die  lateinischen  Präsentia 
auf  -llo.  111,  206. 

Froude,  J.  A.,  Caesar.   II,  202. 

Fumagalli,  C. ,  Caesaris  commentarii. 

II,  293. 

Funck,  A.,  die  Auslassung  des  Subject- 

pronomens  im  Acc.  cum  Inf.  bei  den 

lat.  Komikern.  III,  217. 
Gaddes,  the  problem  of  the  Homeric 

poems    I,  326. 
Gamurrini,  G   Fr.,   appendice   al  C. 

I.  I.  III,   241.  —   Ausgrabungen  bei 

Costiglione.  III,  385. 
Qarbin,  A.  G. ,  la  marmita,   comedia 

de  Plauto.  II,  29 
Gaste,  A.,   sur  un  manuscrit  de  Juve- 

nal.  II,  63. 
Geist ,   H. ,    de   fabula   Oedipodea.   II. 

I,  11. 
Gemoll,  A,,  zur  Einführung  in  den  Ho- 
mer.  I,  318.    —    Das   10.   Buch  der 

Ilias.  I.  321. 
Genthe ,  H. ,   Duisburger  Alterthümer. 

III,  393. 

Genz,  H.,  capitis  deminutio.  III,  39. 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


401 


GeofProy,  J.,  l'aceident  du  roi  Darius. 

I,  106. 

Georges,  K.  E.,  ausführliches  deutsch- 
latein.  Handwörterbuch.   III,  248,  — 

—  Kleines    latein.    Handwörterbuch. 
111,  248 

Georgii,  H. ,    politische  Tendenz   der 

Aeneide.  HI,  334. 
Gerber  et  Greef,  Lexicon  Taciteum. 

III,  249. 
Giacomino,   Cl.,    dell'  infinitivo  pre- 

sente  passivo  latino.  111,  205. 
Qjör,  M.,  Gallien  for  og  ander  Romer- 

nes  herredömme.  III,  393. 
Giovanni,  V.  di,  sopra  alcune  porte 

antichi  di  Palermo.  III,  145. 
Giraud,  Ch.',   le   concubinat   en   droit 

Romain.  III,  29. 
Gneisse,  G.  C. ,  Begriff  des  omne  bei 

Lucrez.  11,  171.  —  porro  bei  Lucrez. 

II,  163. 

Goebel,  A.,  Lexilogus  zu  Homer  I,  230. 
Goebel,  C,  de  coniuuctione  quom.  111, 

217. 
Goecke,   W. ,    zur   Konstruktion    der 

Verba  dicendi  et  sentiendi  bei  Hero- 

dot.  I,  107. 
Göler,  A.  v.,  Cäsars  gallischer  Krieg. 

11,  205  ff. 
Goeppert,  H.  R.,   sull'   ambra   di  Si- 

cilia.  III,  106. 
Goerres,  F.,  zur  Kritik  einiger  Quellen- 
schriftsteller. I,  85.  111,  352. 
Goetz,  G.,  et  G.  Loewe,  Plauti  Asi- 

naria.  II,  23. 
Golisch,  J.,  zu  Soph.  Trach.  526.  1,  33. 
Gompertz,  zu  Eur.  Helena  1051.  1.  39. 

—  Zu  Eur.  Herakles  1241.  I,  42.  — 
Zu  Eurip.  Phoenissao    I,  52. 

Gossrau,  G.  W. ,   latein.  Sprachlehre. 

HI,  197.  215. 
Grabow,  A.,  ein  gothisches  Epigramm. 

II,  98. 

Graeber,  G.,  quaestiones  Ovidianae.  II, 

73,  111.  333. 
Graux,  Gh.,  un  fragment  de  Sappho 

chez  Chorizius    I,  126. 
Grimm,  R.,  der  Hercules  Oetanus  des 

Seneca.  II,  198. 
Groaamann,  W.,  de  particula  quidem. 

III,  218. 

Grumme,  A.,  homer.  Miscellen.  I,  260. 
Grünauer,  E.,  zu  Cäsar.  II,  260. 
Guardia,  J.  M.,  Caesaris  commentarii 

de  hello  gallico.  II,  226. 
Günther,  G.,  zur  Geschichte  u.  Acsthc- 

tik  der  antiken  Tragödie.  1,  2. 
Guhrauer,  H.,  zur  Geschichte  der  Aulo- 

dik  bei  den  Griechen.    III,   169.   — 

Aulosmusik.  111,  171. 


Gustafsson  ,  J. ,  handschriftliche  Mit- 
theilungen zu  Cicero  de  fin.  II ,  106. 
—  En  jemförelse  nellan  finskan  och 
latinet.  III,'205. 

Haase,  Fr.,  Vorlesungen  über  lateini- 
sche Sprachwissenschaft.  111,  195. 

Haberland ,  K. ,  Biene  und  Honig  im 
Volksglauben.  III,  96. 

Hagemann ,  A. ,  die  Eigennamen  bei 
Homer.  1,  247. 

Hagen,  H.,  de  codicis  Bernensis  CIX 
Tironianis.  II,  94.  —  Epigramm  Octa- 
viaui  Augusti.  II,  95. 

Hall,  T. ,  kyprische  Inschriften.  III, 
221  ff.  224. 

Hallam,  G.  H.,  the  Fasti  of  Üvid.  II,  90. 

Hammer,  K,  zu  Cäsar  b.  g.  II,  267. 

Harant,  A.,  des  particules  euclitiques 
que,  ve,  ne,  placees  apres  un  e  bref. 
HI,  216. 

Harmsen,  Th. ,  de  verborum  coUoca- 
tione  apud  Aeschylum  Sophoklem  Eu- 
ripidem.  1,  4. 

Hartel,  W.,  Analecta.  1,  118. 

Hartfelder,  K.,  zu  Cic.  de  divinatioue. 
II,  120.  —  Cic.  de  Fato.  II.  122 

Härtung,  C. ,  der  Protagonist  in  der 
Soph.  Antigone.  1 ,  28.  —  Zu  Publi- 
lius  Syrus   II,   192. 

Haug,  F.,  Arbon  in  römischer  Zeit.  III, 
387. 

Haupt,  H.,  Jahresbericht  über  die  Lit- 
teratur  zu  Dio  Cassius.  II,  240.  —  Zur 
Geschichte  der  röm.  Flotte.  III,  27. 

Haureau,  un  commeutaire  latin  des 
Met.  d'Ovide.  II,  86. 

Havet,  L. ,  l'histoire  romaine  daus  les 
annales  d'Ennius.  11,  197  —  Sur  la 
Medeo  et  TAndro  mache  d'Ennius.  II, 
196. 

Hayaux  du  Tilly,  etude  sur  l'oppidum 
Bratuspautium.  III,  395.  —  Mouvello 
lecture  de  la  table  de  Peutinger.  111, 
394. 

Hedicke,  scholia  in  Caesarem  et  Sal- 
lustium.  II,  215. 

Heerdegen,  F.,  Untersuchungen  zur  lat. 
Semasiologie.  III,  193.  —  Zu  Aesch. 
Agam.  256.  1,  14.  —  Zu  Aesch.  fr. 
94.  I,  16.  —  zu  Eurip.  Alk.  I,  37.  — 
Zu  Eurip.  Hipp.  1,  43.  —  Zu  Soph. 
Philoktot    1,  43. 

Heinrici,  die  jiaulinischo  Christenge- 
meinde. III,  364. 

Heisterbergk,  B.,  über  den  oSamon 
Italien.  III,    108,  231.  302. 

Heibig,  W. ,  die  Italiker  in  der  Po- 
Ebene.  HI,  230.  —  Ueber  den  Pileus 
der  Italiker.  III,  44.  —  Verkohltes 
far.  111,  33 


402 


Register. 


Hellmuth,   Cl.,  Emendationsversuche 

zu  Ovidrs  Metamorphosen,  II,  83. 
Henae,  O. ,    Studien   zu  Soph.  Trachi- 

nicrinnen.  I,  29. 
Hermathena,  1881.  N.  7.  II,   19. 
Hltoh  de  Villefosse,  des  coquillages 

h  pourpre.  III,  79. 
Herzog,  E ,  über  die  Glaubwürdigkeit 

der   röm.   Gesetze.   III,  311.    —    Der 

röm.  Grenzwall  in  Württemberg.  III, 

388. 
Hettner,  röm.  Thermenanlage  bei  Trier. 

III,  392. 
Heynacher,  M.,  Sprachgebrauch  Cä- 

sars.  II,  211. 
Hilberg,  J.,  zu  Eurip.  Hipp.  I,  43.  — 

Zu  Nonnos  von  Panopoiis.  I,  167.  — 

Zu  den  Phopnis'^ae    1,  52. 
Hilgenfeld,  R.,  der  röm.  Staat  u    das 

Christenthum.  III,  359. 
Hirsehfeld,  O. ,  antiquarische  Bemer- 
kungen zu  röm.  Schriftstellern.  II,  57. 

—  Inschrift  von  Sylliou.  III,  225.  — 

Zu  Martial.  II,  61. 
Hirzel,  zu  Cic.  nat    deor.  II,  115. 
Hochdanz,  in  Timaeum  Ciceronis.  II, 

146. 
Holder,  H.*v  ,  die  Skelete  des  röm.  Be- 

gräbuissplatzes  in  Regensburg  III,  75. 
Hoelzer,  M.,  de  interpolationibus  Te- 

reutianis.  II,  182. 
Hörsehelmann,  Alcaeus  fr.  5  B.  I,  127. 
Hoffmarm,  V.,  de  particularum  apud 

Herodotum  usu.  I,  107. 
Hoffs,   F.  van,   zu  den  Persern   des 

Aeschylos.  I,  12. 
Holden,   H.  A. ,   Ciceronis   de  officiis 

libri.  II,  139. 
Holder,  A.,  Caesaris  belli  gallici  libri. 

II,  220.  —  Zu  Ccäsar.  II,  251  ö. 
Holm,  A.,  studii  di  storia  Palermitana. 

III,  145. 

Holtze ,  Pr.  "W. ,  syntaxis  fragmento- 
rum  scaenicorum  poetarum  post  Te- 
reutium.  II,  197.  III,  280. 

Holzer,  Matris,  Beitrag  zur  Quellen- 
kritik Diodor's.  III,  166 

Hommel,  Fr.,  die  Namen  der  Säuge- 
thiere  bei  den  südsemitischen  Völkern. 
III,  79. 

Hoppe,  F.,  Coniunctivus  der  Coniuga- 
tio  periphrastica  activa.  III,  218.  — 
Vortrag  der  chorischen  Interloquien 
bei  Sophokles.  III,  178. 

Homer,  A  ,  Beiträge  zu  Cäsar.  II, 
250  flf. 

Hübner,  E.,  zu  Cic  Tusculanea.  II,  107. 

Hülsen,  Chr.,  Varronianae  doctrinae 
quaenam  in  Ovidii  fastis  vestigia  ex- 
tent.  II,  89. 


Huemer,  J.,  zur  lat.  Anthologie.  II, 
99.  100.  —  Zur  Geschichte  der  klass. 
Studien  im  Mittelalter.  II,  85. 

Hüttemann,  F.,  die  Poesie  der  Oedi- 
pussage.  I,  10. 

Hug,  A.,  consecutio  temporum  bei  Cä- 
sar. II,  212. 

Huschke,  E.,  die  oskisrhe  Bleitafel  u. 
die  Pelignische  Inschrift  aus  Corfinium. 
III,  239. 

Jacob,  A.,  zu  Eurip.  Alkestis.  I,  36. 

Jahns.  M.,  Handbuch  einer  Geschichte 
des  Kriegswesens    II,  204. 

Jäkel,  J  ,  zur  Aeneassage.  III,  51. 

Jahn,  A. ,  zum  Epigramm  Octaviani 
Augusti.  II,  95. 

Jan,  C.  von,  Auletischer  u.  Aulodischer 
Nomos.  III,  170.  —  Der  pythische 
Nomos  u.  die  Syrinx.  III,  169. 

Jannetaz,  E. ,  Caesaris  commentarii. 
II,  293. 

Jasmenidos,  P.,  axöha  elg  rd  nepi  roü 
yaXaTixoü  izokifxou  änoß'^rjfiovEUßaTa. 

II,  228. 

Jebb.  R.  C,  und  Chapell,  on  the  ren- 

dering    of  äppLovia    in   Aristot.    Poli- 

tics  V.  III,  172. 
Jelgersma,  G. ,  de  fide  et  auctoritate 

Dionis  Cassii.  II,  293. 
Ihm,  G.,  quaestiones  syntacticae  de  elo- 

cutione  Tacitea.  II,  213. 
Illhardt,  E. ,   Titus  und  der  jüdische 

Tempel.  III,  352. 
Ingraham,  G  ,  de  Alcmanis  dialecto    I, 

124. 
Jörling,  Fr.,  über  den  Gebrauch  des 

Gerundiums  und  Gerundivums  bei  Ta- 

citus.  III,  216. 
Johne,  E.,  die  Antioped.Euripides.  1,52. 
Jonas ,  R. ,   zum  Gebrauch  der   Verba 

frequentativa  u.  intensiva  in  der  älte- 
ren lateiu.  Prosa.  III,  207. 
Jonge,  W.  de,   adn.  in  saturas  Juve- 

ualis.  II,  64. 
Jordan,  H.,  altlatein.  Inschrift  aus  Rom 

III,  233.  —  Zum  Arval-  u.  Salierlied 
III,  236.  -  Faliskisches  III,  237.  — 
Zur  oskischen  Inschrift  der  bantini 
sehen  Bronze  III,  238.  —  Zur  In^ 
Schrift  aus  dem  Fuciner  See.  III,  193 

II,  232.  -  Kritische  Beiträge  zur  Ge 
schichte  der  lat.  Sprache.  III,  189.  — 
Quaestiones    orthographicae   Latinae 

III,  193.  —  Zur  Geschichte  der  griech 
Lehnwörter.  III,  232.  —  Ueber  olea, 
oliva.  III,  193  —  Lautgesetzliches  zu 
pomerium  und  Esquiliae.  III,  193.  — 
Zu  Cic.  de  leg.  II,  143.  —  Zu  dem 
Briefe  der  Cornelia  Gracchorum.  III, 
48.  —  Vorläufiges  zu  Theognis.  I,  118. 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


403 


Jordan,  W.,  Novellen  zu  Homeros.  1,224. 
Jurenka,  H.,  Beiträge  zur  Kritik  der 

ovidischen  Heroiden.  II,  76. 
Kahle,  E.,  de  caede  Agamemnonis.  I,  1, 
Kaibel,  G.,   sententiarum  über  primus. 

I.  136. 
Kallenberg,  H..  zur  Quellenkritik  von 

Diodor's  XVI.  Buch.  III,  165. 
Kampen,  A.  van,  ad  Caesaris  de  b. 

G.  commentarios  tabulae.  11,  249. 
Karsten,  H.  S.,  elocutio  rhetorica,  qua- 

lis  invenitur  Annaei  Senecae.  III,  264. 

—  De  inkomsten  en  uitgaven  van  den 
Romeinschen  Staat.  III,  26. 

Kehr,  U.,  de  poetarum  qui  sunt  in  an- 
thologia  Palatina    studiis  Theocritiis. 

I,  136. 

Keller,  H. ,  de  verborum  cum  praepo- 
sitionibus  compositorum  ap.  Lucr.  usu. 

II,  159 

Keller,  O.,  Entwickelungsgang  der  an- 
tiken Symbolik.  III,  69.  —  Lateinische 
Etymologien.  III,  208.  —  Griechische 
u.  lateinische  Thiernamea.  III,  82.  — 
Die  Atfen  im  Alterthum.  III,  90.  — 
Der  Damhirsch  im  Alterthum.  III.  93. 

—  Das  Kamel  im  klassischen  Alter- 
thum. III,  89.  —  Der  Schakal  im 
Alterthum.  III,  91.  —  Steinbock  und 
Gemse  im  Alterthum.  III,  95. 

Kellerhof,  E. ,  de  collocatione  verbo- 
rum Plautina.  II,  19.  22. 

Kennedy,  zu  Aesch.  Agam.   17.  I,  14. 

Kern,  Fr.,  zu  Sophokles'  Aias  u.  An- 
tigene. I,  22.  —  Die  Abschiedsrede 
der  Soph.  Antigene.  I,  28. 

Kiehne,  A  ,  Homeros  u.  die  Wolfsche 
Hypothese.  I,  309 

Kienitz,  O.,  de  qui  localis  modalis  apud 
priscos  scriptores  latinos  usu.  III,  204. 

KirchhofF,  A.,  Aeschyli  tragocdiae.  I, 
4    —  Odyssee.  I,  270. 

Kiessling,  A.,  analecta  Plautiua  II. 
II,  36. 

Klimke,  Diodorus  Siculus  u  di  rüm. 
Annalistik.  III,  314. 

KlopschjL.,  der  Diicctus  in  Rom.  III,  26. 

Kluegraann,  A.,  due  specchj  die  Bol- 
sena  e  di  Telamone.  111,  245. 

Knaack,  G.,  analocta  Alexandrino-Ro- 
maua    I,  123,  II,  88. 

Kneucker,  J.  J. ,  Anfänge  des  röra. 
Christcnthums.  IIl,  357. 

Knoke,  Er.,  über  hie  n  nunc.  II,  213. 

Koch,  V.  H,  Homers  Iliade.  1,  189 

Köchly,  H.,  zu  Claudianus.  I,  165.  — 
Zu  Nonnos.  I,  168.  Die  Perser  des 
Aesch  I,  12.  -   Akad.  Vorträge.  II,  241. 

König,  E.,  in  Douati  ad  Terenti  Adel- 
phon. II,  191. 


Köstlin,  H.,  zu  Ovids  Metamorphosen. 

II,  84. 

Kofod,  J.,    Caesaris   de  hello   gallico 

commentarii.  II,  216. 
Kohlmann,  Tempora  des  griechischen 

Verbums.  I,  257. 
Kohn,  J.,  Publilius  Syrns.  II,   192. 
Korn,  O. ,   P.  Ovidius  Naso   Metamor- 
phosen. II,  79. 
Kraetsch,  E  ,  de  abundanti  dicendi  ge- 

nere  Lucretiano.  II,  165. 
Kraffert,  H. ,  Beiträge  zur  Kritik  lat. 

Autoren.     Zu  Cäsar.  II,  250  ff. 
Kraner,  Fr.,  Caesaris  commentarii  de 

hello  gallico.  II,  220. 
Kruezkie-wicz ,  B. ,   der  altlateinische 

u.  oskische  Diphthong  ou.  III,   189. 
Krüger,  K  W  ,'Hpod6Tou  lazopcr^i;  d-6- 

öV?«s    I,  102. 
Kühlbrandt,  H. ,    quomodo  Sophocles 

resinauimasvitahumanainduerit.  I,  17. 
Kühner,  R. ,    ausführliche  Grammatik 

der  latein.  Sprache.  III,  196. 
Kumanvides,   S    A. ,    oAt/a   izspi    t^s 

l^dixTjg  fjLO'jcixr^g.  III,   171. 
Kunz,  A.,  Ovidii  libellus  de  medicamine 

faciei    II,  77. 
Kvicala,  J. ,    zu  Eurip.  Hei    I,  39.  — 

Zu  Eurip.  Hipp.  1,  43     ■  Syntaktische 

Untersuchungen.  I,  252. 
Kynaston,  H  ,  extracts  from  the  Greek 

elegiac  poets.  1,  110 
La    Blanchere,    R.    de,    inscriplions 

inedits  de  Terracina.  III,  52. 
Labour,  rapport  sur  la  decouverte  d'une 

voie  romaine.  III,  395. 
Laicus  Hyperboreus,  Etruskerne.  III, 

247. 
Landgraf,  G. ,  de  tiguris  etymologicis 

linguae  Latinae.  II,  8. 
Lang,  C,   über  altgriechische   Musik. 

III,  176. 

Lange,  K. ,  die  Statuenbeschreibungeu 

des  Christodor.  1,  181 
Langen,    A. ,    Heeresverpflegung    der 

Römer.  III,  28. 
Langen ,  P. ,    Beiträge  zur  Kritik   des 

Phiutus.  II,  4    22.  26.  III,  267. 
Lanza,  C,  Esiodo  e  la  Teogonia  1,  141. 
La  Blant,  la  richesse  et  le  cliristiauismo 

;i  Tage  des  porsecutions.  III,  54. 
Le  Foyer,  zu  Marüal.  II,  61. 
Legouez,  A ,  Caesaris  commentarii  de 

bi'llo  gallico.    II,  227. 
Lehmann,  zu  Cic.  de  legibus.  II,   143. 
Lenormant,  Fr.,  la  Oraudc-Grece.  III, 

111. 
Lentheric,    Gh.,    la    ri'gion    du    Bas- 

Rhöne    111.  394. 
Lentz,  F.  L  ,  zu  Seneca  llerc.  für.  11, 200. 


404 


Register. 


Leo,  Fr.,  Excurse  zu  P^uripides'  Medea. 

I,  48.  —  Senecae  tragoediae.  11,  198. 
Le  Roy,  A.,  Cicero's  Hortensius.  II,  104. 
Leveque,  C.,  les  melodies  grecques.  111, 

17ä. 
Lexieon  Homericum  ed.  H.  Ebeling. 

I,  248. 
Liebrecht,  F.,  zur  Volkskunde.  111,  65. 
Lindet,  F.,  de   Tacquisition   et   de    la 

perte  du  droit  de  cite  romaine.  111,  37. 
Lindner,  R. ,  Beiträge  zur  Sophokles- 

litoratur.  1,  16. 
Loch,    E.,    de    genetivi    apud    priscos 

scriptores  usu.  111,  210. 
Loewe,  G.,  die  8pruchverse  des  Publi- 

lius  Syrus. 
Loew^e  et  Goetz,  Plauti  Asinaria  11,  23 
Louiche-Desfontaines,  de  l'expatria- 

tion  h  Rome.  111,  38. 
Ludwich,  A.,  Anzeige  von  Abel's  Col- 

luthus- Ausgabe.  1,  178.  —  Zur  griech. 

Anthologie.  1,  136.  —  ApoUinari  me- 

taphr.  psalmarum.  1,  185.  —  Zur  Gi- 

gantomachie  Claudians.  1,  164.  —  Nou- 

niana.  1,  169. 
Luebbert,  E. ,  de  Pindari  studiis  He- 

siodeis  et  Homericis.  1,  141. 
Lueck,   de 'coraparationum   et  transla- 

tionum  usu  Sophocleo.  1,  17. 
Luterbacher,  F.,  der  Prodigienglaube 

der  Römer.  111,  51.  58. 
Madwig,  J.  N  ,  Cicero  de  fin.  II,  105. 

Rettelse  af  et  sted   hos  Herodot,  II, 

25.  1,  103. 
Mangold,  W.,  de   ecclesia  primaeva. 

111,  363. 
Mansfeld,  A.,  de  euuntiatorum  coudi- 

tionalium  apud  elegiaruin  poetas  for- 

matione.  111,  217. 
Marcellus,  zu  Nounos.  I,  174. 
Marrast,  la  vie  byzautine  au  VI  siecle. 

111,  376. 
Marx,  E. ,  les  pouvoirs  du  gouverneur 

de  province  sous  la  rep.  rom.  111,  22. 
Martha,  C,  le  poeme  de  Lucrece.  II, 

174. 
Maspero,  G. ,  fragment  d'un  commeu- 

taire  sur    le  livre  11   d'Herodote.  I, 

105.  —  Odissea.  I,  104. 
Mau,  A. ,  Pompei  e  la  regione  sotter- 

rata  dal  Vesuvio.  111,  137. 
Maurer,  Th.,  Cruces  philologicae.  II, 

247.  266  ff. 
Maxa,  R.,  die  Rheinbrücke  in  Caesars 

bell   Call.  IV  17.  11,  247. 
May,  H.  W.  van  der,  ad  Theognidem. 

I,  118. 

Mayor,  J.  B.,  zu  Cic.  natura  deorura. 

II,  108.  117.  —  Zu  Juvenal.  II,  64. 
Meissas,  de,  observations  sur  un  recent 


memoire   de   M.   l'abbe   Arbelot.   III, 

374. 
Meissner,  K.,  die  Cantica  des  Terenz. 

II,  184. 
Menard,  A.  L. ,   oeuvres  inedites  de 

Bossuet.  I:    cours  royal   de  Juvenal. 

II,  67. 

Menard,  R.,  la  vie  privee  des  anciens. 

III,  34. 

Menge,  R. ,  de  auctoribus  commenta- 
riorum  de  hello  civili.  II,  229  ff. 

Merguet,  H. ,  Lexikon  zu  den  Reden 
des  Cicero.  111,  249. 

Merriam,  ou  Iliad  B  318-319.  I,  221. 

—  The  Phaeaciens.  1,  202. 
Mestica,  E.,  esame  critico  degli  Adelphi 

di  Terenzio.  II,   188. 
Metzger.   Besprechung   von  Wecklein 

Sophokles- Ausgabe.  1,  26.  —  Zu  Eurip. 

Bacch.  I,  38.  —  Zu  Eurip.  Hipp.  I, 

43.  -  Zu  Soph.  Philoktet.  I,  33. 
Meyer,  E.,  Quellen  über  Antiochus'  des 

Grossen  Römerkrieg.  111,  315. 
Meyer-Herford,  zu  Cäsar  b.  g.  I,  20  f. 

II,  253. 

Meyer  u.  Koch,  Atlas  zu  Cäsars  bell. 
G.  11,  249. 

Meyer,  G,,  die  etruskische  Sprachfrage, 
lil,  247. 

Meyer,  J.,  zu  Cäsar  b.  g.  II,  284. 

Meyer,  W.,  die  Urbinatische  Sammlung 
von  Spruchversen  des  Menander  Eu- 
ripides.  1,  35.  —  Publilii  Syri  senten- 
tiae.  II,  192.  —  Fruterii  Verbesserun- 
gen zu  den  Fragmenta  poet.  lat.  II, 
196. 

Michaelis,  A.,  Stesichoros  im  epischen 
Kyklos.  I,  129. 

Miehelangeli ,  L.  A. ,  epigrammi  tra- 
dotti  dal  Greco.  I,  135. 

Mistriotes,  G.,  Viiyjpou  UXiäq.  I,  191. 

Mveia  nrjy^g  nsr  ps  ^atou  itapä 
UkouT d p/u).  III,   107. 

Moehi,  G.,  störia  di  Cagli    III,  386. 

Mommsen,  Th. ,   die  Alpes   Poeninae. 

III,  386.  —  Dekret  des  Commodus 
für  den  Saltus  Burunitanus.   111,  23. 

—  Die  Namen  des  Kaisers  Balbinus. 
III,  372.  —  Die  Wiedergabe  des  grie- 
chischen  <p  in  lat.   Schrift.   III ,  183. 

—  Die  Remuslegende.  III,  305. 
Mongan,  Roscoe,  Odyssey  translated. 

I,  206. 

Mordtmann,  J.  H. ,  lateinische  In- 
schriften aus  Armenien.  III,  351  ff. 

Movat,  R,  über  römische  Familien- 
namen. III,  231.  —  Weihinschrift  von 
Poitiers.  111,  395.  --  Zu  Cäsar  b.  g. 
I  16,  5.  11,  2.53. 

Mucke,   E.,    de    dialectis    Sterichori, 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


405 


Ibyci,  Simonidis,  Bacchylidis  alioram. 

I,  124. 
Müller,  A.,  de  auctoribus  rerum  a  M. 

Claudio  Marcello  in  Sicilia  gestarum. 

III,  162. 
Müller,  H.,  Gabinianus  ein  Statthalter 

Daciens?  III,  857. 
Müller,  H.  J. ,  syrabolae  ad  emendan- 

dos  scriptores  Latinos.   II,  99.  278  if. 
Müller,  J.,  u.  E.  Wölfflin,  Acta  semi- 

narii  phil.  Erlaugeusis.  II,  8. 
Müller,  K.  F.  W. ,   Ciceronis  scripta 

quae  mauserunt  omnia     II,    103.  — 

Zu   Cic.  Cato   maior.  II,  128.  —  Zu 

Cic.   de   leg.   II,  143.   —  Zu  Cicero's 

Reden.  III,  249. 
Mueller,  L.,  orthographicae  et  proso- 

diae  Latinae  summarium.  III,  184. 
Müller,   "W. ,   über  die   Religion   Plu- 

tarchs.  I,  93. 
Nauck,  A.,  kritische  Bemerkungen.  I, 

185.    207.    214.    250.    —    Zu    Aesch. 

Agam.  I,  14.  —  Zu  Prometheus.  I,  8. 

—  Zu  Ammon.  I,  161.  —  Zu  Collu- 
thus.  I,  179.  —  Zu  Eurip.  Elektra. 
I,  41.  —  Zu  Eurip.  Helena.  I,  39.  — 
Zu  Eurip.  Iphig.  Aul.  u.  Taur    I,  44. 

—  Zu  Hesiod.  I,  143.  —  Zu  Maximos. 

I,  160.  —  Zu  den  Oracula  Syb.  I,  161. 

—  Zu  Oedip.  Tyr.  I,  24.  —  Zu  So- 
phokles fr.  323    I,  34. 

Netuschin,  J.  W.,  genetische  Darstel- 
lung der  Phonetik  u.  Morphologie  der 
lat,  Sprache.  III,  199. 

ISTeumann,  K. ,  Geschichte  Roms.  III. 
103. 

Niemir,  A. ,  über  die  Didaskalieu  des 
Terenz.  II,  178. 

NigoleSjO  ,  sur Ciceron de  finibus.  II,  106. 

Nikitin,  P.,  zu  Eur.  Med.  I,  51. 

Nipperdei,  K. ,  Caesaris  commentarii. 

II,  204. 

Nissen,   H. ,    der  Ausbruch  des  röm. 

Bürgerkriegs.  III,  317. 
Nolte,  zu  Sencca  tragicus.  II,  199 
Notizie  degli  scavi  comunicate  alla  R. 

Accad.  dei  Lincei.  III,  134. 
Novelli,  E.,  Ero  e  Leandro.  I,  179. 
OelscWäger,  H.,  Ovid's  Elegien.  II,  78. 
Oeri,  J.  J.,  Responsion  in  der  Sopho- 

kleischen  Tragödie.  I,  17. 
Ortmann,  E.,  zu  Laclius  14,  50.  II,  129. 
Oseen,  A.  Th.,  II,  212. 
OsthofF,  H ,  zur  Uvenos-lnschrift.  III, 

233. 
Osthoff  u.  Brugmann,  morphologische 

Untersuchungen.  III,  197. 
Paley,  zu  Aesch.  Agam.  I,  14.  —  Zu 

Eurip.   Bacch.   I,   38.    —   Zu  Aesch. 

Hiketides.  I,  13. 


Palmer,  A.,  zum  Amphytruo.  II,  22. 
Panagiotopulus ,  kpßrjvsurtxä  sig  tov 

'OldcnoSa  zupay^O'^.   I,  24, 
Pantaleoni,  I).,  storia  diRoma.  III,  282. 
Pappageorgios ,    P. ,    y.pirtxd.    eU    tä 

dTToaKdaiiara  rwv    zpayixwv  noirjTibv. 

I,  1. 

Paul,  W.,  Bemerkungen  zu  Cäsars  com- 

mentarien.  II,  250  ö. 
Pauli,  C,  etruskische  Studien.  III,  242. 

—  Besitz-,  Widmungs-  u.  Grabformeln 

des   Etruskischen.   III,  242.    —    Die 

lauü-  u.  e^era- Frage   —  Das  etrusk. 

arm%al  U.  larß-ial.  III,  242. 
Pauli,   quaestioues  criticae  de  scholio- 

rum  Laurentianorum  usu.  1,  17. 
Pauly,  Fr.,  Odysseae  epitome.  I,  200. 
Pearman,  W.  D.,  zu  Cic.  de  leg.  II,  143. 
Peiper,  R.,  zur  Anthol.  Lat,  II,  102. 
Pelham,  H.  J. ,   common  lands  of  the 

Roman  people.  III,  341.  —  Princeps 

or  Princeps  senatus.  III,  1. 
Peppmüller,  R. ,  Hesiods  Werke  und 

Tage.  I,  148.  —  Zu  Hesiod.  I,  144.  146. 
Perino,  E. ,   de   fontibus  vitarum   Ha- 

driani  et  Septiraii  Severi.  III,  355. 
Perthes,  H.,  Cäsar;  Wortkunde.  II,  210. 
Peskett,  A.  Q.,  Caesaris  de  hello  gal- 

lico  commentarius  septimus   II,  227. 
PetersdorflF,  C.  J.,  Caesar  num  in  b.  g. 

enarrando  nonnulla  ex  fontibus  trans- 

scripserit.  II,  229. 
Petersen,  Gh.,  de  causis  publicis  Ro- 

nianis.  III,  28 
Petres,  N",,  Tzepl  twv  oixTjptxiov  ki^ewv 

Zwp<k.  I,  139. 
Petrides,  A.,  xat  rräXtv  Tzspt  rotj  Ixu- 

kizoTj    xat    zijg  'Exxk-qaiaazixrjq    ijfiüiv 

pouatxijq,  III,   177.   —   llspl  zyji  ißvt- 

x^g  ijßwv  txxkijataazixrjq  ßouaixrjq.  III, 

174. 
Petsehenig,  M. ,  zur  Passio  ss.  Coro- 

natorum  quattuor.  III,  378. 
Pfitzner,  die  Belagerung   von   Alcsia. 

II,  248. 

Pick ,  A  ,   de  vi    atquc  usu  adicctivi 

praedicativi.  111,  215. 
Pierides,  D.,  zum  Kyprischon.  III,  221. 
Piger,  Fr.,  die  sogcnaiuiten  üriicismen 

im  Gebrauch   des  latcinischeu  Accu- 

sativs.  III,  213. 
Pigorini,  L.,  sulle  tombo  c  stazioni  di 

tamiglie  Iberiche  in  lialia.  111,  142 
Pistner,  J..  Aolius  Soiiiuus.  III,  335. 
Planer, H.,  Caesars  Antosignanon.  11,208. 
Pluygors,  zu  Cäsar  b.  g.  11,  25211'. 
Pochop,  J.,  über  die  poetische  Diction 

dos  Ilosiüd.  1,   149. 
Pöhlmann,  R.,  die  Anfiinge  Roms.  111, 

231.  30U. 


406 


Register. 


Pötsehke,  über  den  lat.  Genitiv  und 
Ablativ  und  den  französischen  Geni- 
tiv. III,  211. 

Poggi,  O.,  contribuzioni  allo  studio  della 
epliiniphia  etrusca.  III,  241. 

Poland,  F.,  Ovids  Tristieu.  II,  91. 

Polle,  Wörterbuch  zu  Ovid.  III,  253. 

Polster  L.,  zu  Cic.  de  divin.  II,  120. 
—   Zu  Cic.    de   re  publ.    II,   142    — 
Zu  Cic.  natura  deorum.  11,  111. 
quaestiones  Tullianae.  II,  104.  —  Zu 
den  Tusculauea.  II,  108. 

Polyla,  'OdöaaEta.  I,  205. 

Pomialowski,  J.,  Sammlung  oskischer 
Inschriften.  III,  241. 

Pontani,  V.  G. ,  Collesano  primo  del 
dominio  Normauno.  III,  144. 

Pratt,  J.  H ,  and  W.  Leat,  the  story 
of  Achilles.  I,  197. 

Preibisch,  P  ,  zu  Ovids  Metamorpho- 
sen, II,  84 

Preuss,  K. ,  zum  Sprachgebrauch  der 
Oppiane.  I,  159. 

Preuss,  L,,  de  bimembris  dissoluti  apud 
scriptores  Romanos  usu  sollemni.  III, 
219. 

Profillet,  A.  (de  Mussy),  Tyrtee,  tra- 
duction.  I,-112. 

Psichari,  J.,  les  Adelphes.  II,  187. 

Purtsehei%  H.,  die  Medea  des  Euripi- 
des.  I,  51. 

Quicherat,  de  la  critique  des  textes  ä 
propos  d'un  passage  de  Perse.  II,  53. 

Eagay,  la  persecution  de  Julian  l'Apo- 
stat   III,  378. 

Eamsay,  W.  M.,  on  some  Pamphylian 
inscriptions.  III,  227. 

Eangabe,  A.  E. ,  Epigramme  auf  Au- 
gustus.  II,  95. 

Eanke,  L.  v.,  Weltgeschichte.  II,  201. 

Eappold ,  J. ,  zu  Ovids  Heroiden  und 
Metamorphosen.  II,  86.  —  Textkriti- 
sches zu  Ovid.  II,  87. 

Easmus,  E  ,  in  Plutarchi  librum  de 
Stoicis.  I,  57. 

Eassow,  H.,  zur  Casina.  II,  32.  —  Zum 
Miles  gloriosus.  II ,  45.  —  De  Plauti 
substantivis.  II.  17.  III,  275. 

Eauchenstein ,  H. ,  der  Feldzug  Cae- 
sars gegen  die  Helvetier.  II,  242. 

Eeichard,  E.,  de  interpolatione  fa- 
bulae  Aiacis.  I,  22. 

Eeiehenhardt,  kausale  Konjunktionen 
hei  Lucretius.  II,  161. 

Eeid,  J.  S.,  Ciceronis  Cato  Maior.  II, 
122.  —  Zu  Cic.  nat.  deor   II,  118. 

Eein,  C,  de  pronominum  apud  Teren- 
tium  collocatione.  II,  179. 

Eeislg,  K. ,  Vorlesungen  über  latein. 
SiJrachwissenschaft,  mit  Anmerkungen 


von    Fr.   Haase ,    neubearbeitet    von 

II.  Ilageu.  III,  196. 
Eenan,   E. ,    Marc  -  Aurelo    et    la   fin 

du  inonde   antique.  III ,  366    —    Les 

Premiers  martyrs    de    la   Gaule.    III, 

366. 
Eheinhard,  H ,  Caesaris  de  hello  gal- 

lico  commentarii.  II,  218. 
Eibbeck,  O. ,  zur  Kritik  des  Curculio. 

11,  33.   —  Zum    Miles  gloriosus.  II, 

43.  —  Palimpsestlesungen    zum  Mil. 

glor.  II,  41. 
Eibbeck,  W. ,   Homerische  Miscellen. 

I ,  226.   —   Zu  den    Iliasscholien.   I, 
218. 

Eiccoboni,  D.,  appendice  ai  dizionari 

italiano-latini.  III,  281. 
Eiemann,  O.,  notes  de  grammaire.  III, 

215.  —  que  apres  uu  e  bref  III,  216. 
Eiese,  A. ,  zur  lat.  Anthologie.  II,  97. 

—  Kailimachos  und  die  Chalibier.  1, 
122,  155. 

Einge,  D.,  zum  Sprachgebrauch  Cäsars. 

II,  211. 

Eitter,  F.,  de  adiectivis  et  substantivis 
apud  Nicandrum  homericis.  I,  158. 

Eittershain,  G.  v.,  Reichspost  der 
röm.  Kaiser.  III,  2. 

Eobert,  Gh.,  les  noms  des  deux  Pre- 
miers Gordiens.  III,  372. 

Eöhl,  H.,  zu  Athenaios.  I,  152.  159. 

Eönsch,  H.,  Etymologisches  u.  Lexika- 
lisches. III,  209.  —  Liateinische  Sub- 
stantivbildungen auf  -ntium  u.  -lium. 

III,  207. 

Eohde,  E.,  der  Tod  des  Aeschylos.  I,  4. 

—  Zu  Petrouius.  II,  55. 
Eoseher,  W.  H. ,   uterque   u.  ubique, 

wie  quisque  gestellt.  III,  215. 
Eosaberg,  K ,  de  Dracontio  et  Orestis 

quae  vocatur  tragoediae  auctore.  II. 

74.  100.  —  Kritisches   zur  Aegritudo 

Perdicae.  II,  102. 
Eossi,  G.  B.  de,  Bleitafel  von  der  via 

Appia.  III,  53. 
Eossmann,  W.,  vom  Gestade  der  Cy- 

kiopen  und  Sirenen.  III,  159. 
Eost,  J.,  emendationesSophocleae  I,  26. 
Eothe,  C,  quaestiones  grammaticae  ad 

Plautum  et  Terentium.  II,  9. 
Eouquet,  J. ,  jurisdictious   criminelles 

chez  les  Romains.  III,  28. 
Eubio  y  Llueh,  A.,  estüdio  sobre  Ana- 

creonte.  I,  132. 
Eühl,  Fr.,  zum  Codex  Montepessulanus 

des  Juvenalis.  I,  62 
Euelle ,  Ch.  E. ,  quelques  mots  sur  la 

musique  des  Grecs.  111,   168.  —  Eine 

Entdeckung  der  musikalischen  Alter- 

thumsforschung  in  Rom.  III,  172. 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


407 


Rüge,  M. ,  griechische  Lehnwörter  im 
Latein.  III,  60. 

Kzach,  A.,  der  Hiatus  bei  Apollon. 
Khod.  I,  157.  —  Studien  zum  nach- 
homerischen Vers.  I,  186. 

Saalfeld, ,  G.  A. ,  Italograeca.  III,  59. 
274.  —  Cäsars  Verfahren  gegen  die 
Gallier.  II,  241.  III,  332. 

Saehau,  E.,  die  Lage  von  Tigrauokerta. 
III,  351. 

Saehau  u.  Bruns,  syrisch-röm.  Reichs- 
buch. III,  29. 

Saint- Victor,  P.  de,  les  deux  masques. 
I.  4. 

Sakellaropulos,  S.  K ,  ^  abToxpäzeipa 
i'auarlva.  III,  357.  —  Hspi  toü  'Oprrj- 
a£ou  zoü  Acxipiui'Og    II,  104. 

Salinas,  A.,  scavi  in  Sicilia.  III,  141. 

Sallet,  V.,  die  Namen  der  beiden  ersten 
Gordiaue.  III,  372. 

Sander,  M.,  quaestiones  in  Senecam. 
III,  264 

Sandys,  E ,  the  Bacchae  of  Euripides. 
I,  37. 

Sapio,  G. ,  le  odi  di  Anacreonte,  ver- 
sione.  I,  133. 

Sass,  Er.,  Plutarch's  Apophthegmata. 

I,  94. 

Sauppe,  H. ,  quaestiones  Lucretianae. 

II,  153. 

Saussure,  F.  de,  Systeme  primitif  des 
voyelles  dans  les  langues  indo-euro- 
peennes    lil.  186. 

Sayce,  über  kyprische  Silbenschrift.  III. 
225. 

SchaafF,  A.,  de  genetivi  usu  Plautino. 
II,  9. 

Sehambach,  O  ,  die  Reiterei  bei  Cäsar. 
n,  207.  —  Zu  Cäsar  u.  seinen  Fort- 
setzern. II,  248.  276  ff. 

Scheer,  E.,  miscellanea  critica.  I,  103. 
149. 

Scheibe,  L.,  de  sermonis  Ovidiani  pro- 
prietatibus.  II,  84. 

Scheibmaier ,  J. ,  de  sententiis  quas 
dicunt  Caecilii  Bulbi.  II,  194. 

Scheindler,  A,  Nonni  paraphrasis  S. 
evangelii  Joannei.  I,  172.  173.  —  Zu 
Nonnos  I,  165,  170. 

Schenkl,  K,  zu  Aesch.  fr.  I,  16.  — 
Zur  lat.  Anthologie.  II,  96  ff.  —  Zu 
Claudian.  I,  165.  —  Die  handschrift- 
liche Uoberlieferung  der  Consolatio 
ad  Liviam.  II,  162.  —  Zur  i'oxtcs- 
geschichte  des  Syniphosius.  II,  99, 

Schenkl,  H.,  Plautinische  Studien.  II, 
19.  -  Zum  Pseudohisd.Plautus.  11,50. 

Schiche,  Th.,  die  Codices  von  Ciceros 
de  fiu.  II,  105.  —  Zu  nat.  deor.  11, 
114.  116.  —  Zu  Tuscul.  II,  108. 


Schiller,  H.,  zu  Cäsar  u.  seinen  Fort- 
setzern II,  238.  —  Adsertor  libertatis. 
III,  339. 

Schindlet,  H. ,  observationes  criticae 
et  historicae  in  Torentium.  II,  177. 

Schlecht ,  R. ,  die  alten  Tonarten  und 
die  moderne  Musik.  III,  182. 

Sehlee,  Fr.,  de  versuum  in  canticis 
Terentianis  consecutione.  III,  182.  — 
Zu  Adelphoe  940.  II,  186. 

Schienther,  Stirb  u  Werde,  Weltbild 
nach  Lucrez.  III,  174 

Schliemann,  H.,  Ilios.  III,  62. 

Schmidt,  Fr.  W.,  Beiträge  zur  Kritik 
der  griech  Erotiker.  I,  13.  —  Zu 
Hiketides.  I,  13.  —  Zu  den  Persern. 
I,  13.        Zu  Soph.  fr.  362.  I,  34. 

Schmidt,  Georg,  über  Kirchhoffs 
Odyssee-Studien.  I,  295. 

Schmidt ,  Johann ,  zwei  arische  a- 
Laute  u.  diu  Palatalen.  III,  187.  — 
De  usu  infinitivi  apud  Lucauum.  III, 
276.  —  Die  Senatsbeschlüsse  über 
die  Thisbäer.  III,  315. 

Schmidt,  L.,  Eurip.  zu  Alk    I,  37. 

Schmidt,  Moriz,  Sophokles  Antigone. 
I,  26.  —  Textkritischer  Beitrag  zu 
den  Trachinierinnen.  I,  33.  —  Die 
Parodos  der  Septem.  I,  8 

Schnee,  R.,  zu  Cic.  Tusculanea.  II,  108. 

Schneider,  J.,  das  Platonische  in  §  77 
u.  78  von  Cic.  Cato  maior.  II,  126. 

Schneidewin,  F.  W.,  Sophokles'  An- 
tigene. I,  27.  —  Trachinierinnen.  I,  32. 

Schneidewin,  H.,  de  syllogis  Theogni- 
deis.  I,  115 

Schnitzel,  C ,  kritischer  Commomar 
zu  Soph.  Oedipus  Rox.  I,  23. 

Scholl,  Fr.,  zu  Cic.  de  re  publ.  11,  143. 

Schömann,  G.,  eine  Muthmassung  über 
den  wahren  Grund  von  Ovids  Rele- 
gation. II,  72. 

Scholl,  F  ,  dubitaro  im  Fragesatz  mit 
negativem  Sinn.  III,  218. 

Sehrader,  C. ,  zu  Ovidius  Fasten.  II, 
90.  —  De  amicoruni  in  Üvidii  Triati- 
bus  personis   II,  90. 

Schrader,  H. ,  Pori)hyrii  quaostionum 
Ilomericarum  rtliquiae.  1,  219 

Schreiber,  Th.,  der  delische  Lokal- 
mytbus.  1,  251. 

Schroeder,  P. ,  on  a  Cypriote  inscrip- 
tion  now  in  the  Museum  at  Cuustan- 
tinoplo.  Ill,  224. 

Schröter,  P.,  zu  Soph.  fr.  614.  I,  34. 

Schröter,  R,  de  dracunibus.  III,  75. 

Schubert,  Fr.,  zur  Medea  des  Euripi- 
des. I,  48.  —  Miicelleu  zum  Dialekte 
Alkmans.  I,  124.  —  Eine  neue  ILind- 
schrift  d.  Orphisch  Argouautika.  1,  lüo. 


408 


Register. 


Schubert,  H.,  zum  Gebrauch  der  Tem- 
poral-Conjunctionen  beiPhuitus.  II,  18, 

Schubert,  O.,  synibolac  ad  Terentium 
einondaiuliim.  II    181. 

Schüssler ,  O. ,  die  Präpositionen  bei 
Cicero.  III,  2(3G. 

Schulz,  E.,  zu  Cic.  de  fin.  II,  107. 

Schwartz,  F,  L.  W.,  Naturanschauun- 
gen d.  Griechen,  Römer  u,  Deutschen. 
III,  73. 

Schwenke,  P.,  über  Ciceros  Quellen 
in  den  Büchern  de  natura  deorum.  II, 
113.  —  Gerundium  und  Gerundivum 
bei  Cäsar.  II,  213. 

Schwickert,  J.  J. ,  zu  Ter.  Phormio 
705-710.  II,  188. 

Seck,  Fr.,  de  Pompei  Trogi  sermone. 
III,  281. 

Sedlmayer,  H.  St.,  schedae  criticae. 
II,  75.  98.  —  Kritischer  Commentar 
zu  Ovid's  Heroiden.  II,  74.  —  Vers- 
schlüsse bei  Ovid.  II,  73. 

Sellar,  W.  Y.,  Ennius.  II,  197. 

Serpieri ,  A. ,  il  terremoto  di  Rimini 
nel  1875.  III,  107. 

Seydel,  Max,  Lucretius,  Uebersetzung. 
II,  173. 

Seyffert,  Mr  A.,  Caesaris  commentarii 
de  hello  Gallico.  II,  217. 

Sharp  ,11.,  de  infinitivo  Herodoteo.  I, 
107. 

Shuckburgh,  E.  S  ,  the  Hauton  timo- 
rumenos.  II,  186. 

Sidgwick,  A.,  Cic.  Laelius  de  amicitia. 
II,  129. 

Siebeiis ,    J. ,    Ovidii    metamorphoses. 

II,  82. 

Siegismund ,  über  Pamphylisches.  III, 

225. 
Silberschlag,  K.,  Ansichten  des  klass. 

Alterthums  über  Enstehung  der  Welt. 

III,  74. 

Sitzler,  J. ,  zur  griech.  Anthologie.  I, 
137.  —  Declination  der  Nomina  auf 
-ig  bei  Homer.  1,  227.  251.  —  Kalli- 
Dos  oder  Tyrtaios?  I,  110.  —  Zu  So- 
Ions  Fragmenten.  I,  113.  —  Theogni- 
dis  reliquiae.  I,  115. 

Slavik,  O. ,  Caesaris  commentarii  de 
hello  Gallico.  II,  226. 

Smith,  R.  H.,  zu  Oed.  Tyr.  I,  24. 

Soldaten,  eines  alten,  Römerstudien. 
III,  382. 

Soltau,  W.,  Entstehung  u.  Zusammen- 
setzung der  alten  röm.  Volksversamm- 
lungen. III,  6.  —  Recension  v.  0.  Rib- 
becks Kritik  des  Curculio.  II,  33. 

Somma,  A  ,  sulle  armi  di  pietra  e  di 
bronzo  rinvenute  in  vari  siti  dell'  Etna. 
III,  142. 


Sonnenburg,  P.  E.,  de  vcrsuum  Plauti 
anapaosticorum  prosodia.  II,  11. 

Spalter,  Fr.,  Junggrammatisches.  II, 
249. 

Spangenberg,  ars  rhetorica  des  Lucrez. 
II,  171. 

Spengel,  Jahresbericht  über  Terentius. 

II,  177.  —  Adelphoe.  II,   185. 
Sprenger,  R.,  zu  Terentius  Eunucbus. 

prol.  4.  II,  188. 
Spuches,  G.  de,  alcuni  scritti.  I,  131. 

—  Tragedie  d'Euripide  volgarizzate. 
I,  34.  —  La  Leandride.  I,  180.  — 
Sulla  Teogonia  d'Esiodo  e  sui  tradut- 
tori.  I,  150 

Stainer,  J.,  the  music  of  the  bible.  III, 

172. 
Stampini,  H.,  de  Juvenalis  vita.  II,  71. 
Stein,  summary  of  the  dialect  ofHero- 

dotus.  I,  108. 
Steinberger,  A.,  zur  Antigene   I,  29. 

—  Zu  den  Phönikerinnen  des  Eurip. 
I,  52. 

Steinhoff,  R.,  das  Fortleben  des  Plau- 

tus  auf  der  Bühne.  II,  3. 
Stengel,  H.,  zu  Herodotos.  1,  105. 
Stengel,  P.,  Pferdeopfer  der  Griechen. 

III,  97. 

Stephenson,  H.  M.,  selected  epigrams 

of  Martial.  II,  60. 
Steup,  J.,  Herodot  IX  106  u.  Thukydi- 

des.  I,  105. 
Stornaiulo,  C. ,  Bleitafel  von  Mintur- 

nae.  III,  53. 
Stowasser,  J.  M.,  zu  den  Captivi  des 

Plautus    U,  31. 
Strack,  Chr.,  de  Juvenalis  exilio.  II,  69. 
Strelitz,  A.,  emendationes  Petronii  Sa- 

tirarum.  II,  54. 
Strobel,  P.,   le  razze   del  cane  nella 

terremare  dell'  Emilia.  III,  78. 
Studemund,  zu  Plaut.  Casina.  II,  32. 
Stumpf,  zu  Juvenal.  II,  68. 
Suchier,  R. ,   die  röm.  Münzen  u.  In- 
schriften v.  Grosskrotzenburg.  III,  390. 
Surber,  A.,  die  Meleagersage.  II,  85. 
Susemihl,  F.,  Timotheos  von  Milet  bei 

Aristot.  poet.  2.  I,  134. 
Sutu,  A.  Gr.i,  istoria  lui  Herodot  tra- 

dussa.  I,  108. 
Sydow,  C,  de  fide  librorum  Terentia- 

norum  ex  Calliopii  recensione  ducto- 

rum.  II,   180. 
Szelinski,  A  ,  de  Persio  Horatii  imita- 

tore.  II,  53. 
Tachau,  L. ,  de  enuntiatorum  finalium 

apud  Eurip.  usu.  I,  34. 
Tarasconi,  J.  B.,  epigrammata  ex  An- 

thologia  Graeca  cum  lat.  conversione 

I,  135. 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


409 


Teuber,  A  ,  inierest.  III,  211.   —  De 

auctoritate  commentorum  in  Terren- 

tium.  II,  191 
Thaer,  A  .  die  altägyptische  Landwirth- 

schaft.  III,  63. 
Theil,  M.  N,  Homere  Iliade    I,  194. 
Thewrewk,  P-,  zur  Anth.  Lat.  II,  99. 
Thielmann,  Ph  ,  das  Verbum  dare  III, 

254. 
Thimm,  R  ,  die  perf.  Formen  von  eo. 

III,  270. 
Thomas,  P ,  sur  Terence  Phormiou  v. 

888.  II,  189    —  Sur  les  Adelphes.  II, 

190.  —  Zu  Sophokles  Trachinierinuen. 

I,  33.  —  Remarques  sur  les  Adelphes 

de  Terence.  II,  190 
Thouret,  G.,  de  Cicerone,    A.  Püllio, 

C    Oppio.  II,  203 
Thudichum,  G ,  Traube  und  Wein  in 

der  Culturge?chichte.  III,  100. 
Thurneysen ,  E    R. ,  Herkunft  u    Bil- 
dung dm-  lat.  Verba  auf  -io.  III,  206. 
Thurot,  Ch  ,  de  l'iuiperatif  futur  latin. 

111,  217. 
Tiedke,  H.,  quaestiuncula  Nonniana  II. 

I,  167.  169 
Tillmann,  H ,  de  dativo  Graeco.  II,  8. 
Tissot,  P.  de,   les  agrimensores  dans 

l'ancienne  Rome    111,  3. 
Tocileseu,  G. ,   Dacia  inainte   de  Ro 

mani.  111,  381. 
Todt,  B. ,   über  den  Kommos  im  Aga- 
memnon   1,  14 
Tourmague,  A.,  histoire  d ;  l'esclavage. 

III,  43. 
Trambusti,  V.,  l'Aulularia    11,  29. 
Treu,  M. ,   zur  Geschichte    di'r  Ueber- 

lieferung    von    Plutarchs   Moraiia    II 

I,  91. 
Tyler,  H.  M  ,  selections  irom  the  Greek 

lyric  poets.  I,  109. 
Tyrrell,   R    Y. ,   zur  Andria  prol.   11. 

II,  189.  —  The  Miles  gloriosus.  II,  44 
Ulrich,  Fr.,  de  vorboruui  comj)ositorum 

quac  extant   apud  Plautum   sruclura. 

III,  212. 
Unger,  C.  F.,   der  Eridanos  in  Vene- 

tien.  III,  382.  —  Jahrepoche  des  Dio- 

doros.  111,  313.  -  Quellen  des  Poly- 

bins    III,  313. 
Usener,  H ,  zu  Cäsar.  II,  257. 
Ussing,  J.  Li  ,  Plaut i  comoediao.  Vol. 

111.  p  2:  Ejjidicuin,  Mostollariam,  Me- 

naechmos.  II,  34. 
Vahlen,  zu  Cic.  de  re  publ.  I,  47.    II. 

142     -    Ad   Lucretium.    II,    158.    - 

lieber  die  Anfänge  der  Ileroiden  des 

Ovid.  U,  75    —  Zu  Petronius    II,  56. 

—  Zu  Fragmenti'U  scenischer  Dichter. 

11,   194    -    Zu  EiMiü  Telamo    II,   196 

Jahresbericht  für  Allcnhiimswissen.sch.-ift  XXVIII    (l 


Veith ,  K.  V  ,  Untersuchungen  zu  Cä- 
sars  bell  Gall.  II,  242.  —  Vetera 
castra.  III,  193. 

Venediger,  K.,  zu  Caesars  bell.  g.  II, 
235. 

Verrall,  A.  "W.,  on  a  chorus  of  the 
Choephoroe.  I,  15. 

Versluys,  J  ,  Plutarch,  de  educ.  puero- 
rum    1,  91. 

Vit,  V  de,  totius  latinitatis  loxicon. 
III.  248. 

Vitelli,  G  ,  appunti  critici  suUa  Elettra 
di  Euripide    I,  39. 

Wagener,  K. ,  zu  Cäsar  b    g.   II,  272. 

Wagner,  C ,  die  perfectischen  Formen 
von  eo.  III.  206. 

Wagner,  E  ,  de  Martiale  poetarum 
Augusteae  aetatis  imitatore.  II,  62. 

Walther,  H,,  Caesariis  commentarii  de 
hello  gallico.  II,  219. 

Warren,  M  ,  ou  the  enclitic  ne  in  early 
Latin    III,  215. 

Wartenberg,  zur  Belagerung  v.  Alesia. 
II,  249. 

Weck.  J  ,  homerische  Personennamen 
auf  -s'jg.  I,  243. 

Wecklein,  N. ,  zu  Euripides  Alkestis. 
I,  37.  —  Zur  Andromache.  I,  37.  — 
Zur  Hokabe  I,  39  —  Zur  Iph.  Aul. 
I,  44.  —  Ueber  den  Kre^phontes.  I, 
53.  —  Medea.  I,  47.  -  Orestes.  I, 
52.  —  Sophoklis  Tragoediae  1,  23.  — 
Soph  Oed.  in  Kol  I,  25.  -  Zu  Ho- 
mer. 1.  223 

Weil,  H.,  nouveau  fragment  d'Agathon. 
1,  3  —  Sur  lEuroptrd'Eschyle.  I,  16. 
—  Iliade  XII  49  I,  222.  —  Zu  Pro- 
metheus 51.  I,  8  —  Sur  l'une  des 
deux  nouvelles  epigrammes  de  Posi- 
dippe.  I,  138.  —  Besprechung  von 
Weckleins  Abhandl.  über  fr.  II  des 
Ennius    I,  54. 

Weingarten,  H.,  die  Umwandlung  der 
ursprünglicht^n  christl.  Gemeinde  zur 
kath    Kirche.  111,  364 

Weise,  A  ,  die  griechischen  Wörter  im 
Latein  III,  271  —  Volksetymolo- 
gische Studien    111,  208. 

Westdeutsche  Zeitschrift  f.  Geschichte 

u.  Kunst.  111,  391. 
Westerburg,  E  ,   Ursprung  der  Sage, 
dass  Seneca  Christ  gewesen.  111,  358 
Westphal,  A. ,   Theorie  der  musikali- 
schen  Rhythmik    auf  Grundlage    der 
antiken.  111,   178. 
Whitte,  ad  Caes    b    g    II,  250 ff. 
Wiggert,   Studien  zur  lat.  Orthoepie. 

III,   185 
Willems.  P..  le  pouvoir  imperial  dans 
l'euipire  romain    III,  1. 

11I-)  27 


410 


Register. 


Williams,  J.,  the  life  of  Julius  Caesar. 

II,  203. 
Willisch,  K,  Spuren  altkorinthischer 

Dichtung    I,   10!).   151. 
Winter,  J. ,  metrische  Reconstruktion 

der  plautinischen  Cantica.  II,  11. 
Wlrth,    die   fibulae  an  Cäsars   Rhein- 

brückt!.   —   Noch   etwas  über  Cäsars 

Rheinbrücke.  II,  246. 
Wirz,  H.,  Handschriftliches  zu  Juvenal. 

II,  03. 
Wilamowitz-Möllendorff,  commenta- 

rioluni  grammaticum.  I,  123.  -  'A^sx- 
rpwva.  I,  140.  —  Excurse  zu  Euri- 
pides  Medeia.  I,  49.  —  Die  Galliam- 
ben  des  Kallimachos  und  CatuUus.  1, 
122.  —  Zu  Ovids  Heroiden.  II,  78. 
Wölfflin,  E.,  über  die  allitterierendeu 
Verbindungen  der  lat.  Sprache.  II,  15. 
—  Lateinische  u.  romanische  Compa 
ration.   III,  202.  —  Zum  Arvallied. 

III,  236.  —  Ueber  die  Aufgaben  der 
lateiu.  Lexikographie.  III,  259. 

Wolfif,  A.,   Ovid's  Heroiden,   deutsch. 

11,  78 
WolfF,  G.,  Ausgrabungen  am  Deutzer 

Castrum.  IIJ,  391.  —  Römercastell  u. 


Mithrasheiligthum  von  Gross- Krotzen- 
bnrg.  III,  390. 

Woltjer,  J.,  de  archetypo  quodam  co- 
dice  Lucreliano.  II,  155.  —  Serta  Ro- 
mana. 11,  151. 

Wrobel,  j.,  zu  den  Scholien  der  he- 
siodischen  Monatstago.  I,    151. 

Zacher,  K.,  üljer  die  faktische  u.  prak- 
tische Darstellung  antiker  Dichter- 
work(>.  III,   177 

Zangemeiater,  K. ,  Bleitafel  v.  Bath. 
III,  52. 

Zechmeister,  J. ,  Iliadis  epitome  F. 
Ilochoggori.  I,   195. 

Ziegler,  Chr  ,  Theognidis  elegiae.  I,  1 15. 

Ziemer,  H.,  das  psychologische  Ele- 
ment in  der  Bildung  syntaktischer 
Sprachformen.  III,  210. 

Zimmermann,  quod  u.  quia  im  altem 
Latein.  II,  180. 

Zingerle,  A.,  kleine  philologische  Ab- 
handlungen. II,  86.  —  Zu  Lucan,  Si- 
lius,  Martial.  II,  61.  —  Zu  den  Per- 
siusscholien.  I,  53.  —  Ueber  einen 
Innsbrucker  Codex  des  Seneca  tragi- 
cus.  II.  199. 

ZwetajefF,  zur  Tafel  von  Bantia  v  Breal. 


IL  Register  der  behandelten  Schriften. 

a.   Griechische  Autoren. 
(Die  nicht  bezeichneten  Stellen  gehören  zur  ersten  Abtheilung.) 


Aelianus  Cl.,  h.  an.  u,  s  III  S.  385. 

Aeschylus  S.  4  ff.  —  Agam.  S.  5.  13.  15. 
1094.  1119  S.  32.  —  Choephori  S.  5. 
7.  15.  —  Eumen  S.  5.  ioi4  S.  15.  — 
Hiketides  S  13.  —  Persae  S.  5.  12. 
804  S  161.  —  Prom.  S.  7.  8  15.  836 
m  S.  385.  —  Septem  S.  5.  8.  742 ff 
S.  11.  746  S.  12.  65  S  32.  -  Sup- 
plices  S.  5.  15  —  Fragm.  94  S.  16. 
169.  277  S.  1.  801  S.  210.  —  Vita 
Aeschyl.  S.  4 

Agatharchides  III  S.  80. 

Agathias  S.  150. 

Agathon  S.  3. 

Alcaeus  S.  127. 

Alcman  S.  124. 

Ammonius  S.  161 

Anacreon  S.  133. 

Anthoiogia  S.  135  ff.  v  230.  ix  64i  S.  150. 

IX  805  III  S.  09.    XII  160  S.  150 

Antimachus  S.  121. 
Apollinarius  S.  185. 


Apollonius  Rhod   S.  157.  169.  208.  II  88. 
A  543  S.  213.  /)'  1249  S.  150.  rs74  S.  215. 

J    160   S.   117.       248  III    S.  385.      596   III 

S  382    384.     627  III  S.  384. 
Appianus  2,  i48   3,  57  III  S.  340. 
Arctinus  S.  305.  319. 
Aristarchus  S.  209.  269. 
Aristophanes      Acharn.  654  II  S.  39  — 

Lysistr.   911    S.  44.      1252  S.   141.    — 

Nubes  622  S.  16 
Aristoteles.    Meteorol.  1,  13  III  S.  385. 

—  Poetica  c.  2,  lus  S.  134.   c  7  S.  21. 

c.  14  S.  53.     c.  26  S  40.    --  Politica 

III  S.  15.5,    viii  5  III  S.  172.  -  Pro- 

blemata  xix  6  III  S.  175.    —   Rhet. 

II  20  S.  128.    III  16  S.  302.   -  Fragm. 

3,  7  S.  128.     5  S.  128.   —   de  somno 

28  III  S.  384. 
Aristoxenus  III  S.  179. 
Arrianus  15,  3  III  S.  91. 
Athenaeus  S.  11.     m  86b  S.  1.    in  126 

S.  159.     vn   277   S.  302.     318  S.  138. 


Griechische  Autoren. 


411 


X   436.1  S.  137.      XII   59   III   S.  164.   .  XU 
519   III   S.   121.      XUI   31   S.  31.     XIV   632 

y.  114.     XIV  682  S.  303. 
Boios  II  S.  88. 

Callimachus  S.  122.  152.  fr.  soä  II  S.  88. 
Callinus  fr.  i.  5  S  110. 
Chaeremon  41  S  2. 
Christodoros  S.  181.    39  S.  166.  168. 
Claudianos  S   164. 

Clemens  AI.,  ström,  i  -6  III  S   110. 
Clemens  Rom.  III  S.  364. 
Coluthus  S.  175.  177. 
Constantinus  Porphyrog.  III  S.  375. 
Corinna  S.  133. 
Critias  fr.  1,  -23  S.  2. 
Cyclici  S.  298 ff   319.  —  Kypr.  S.  303. 

—  Aithiopis;  Ilias  minor;  Uiupersus; 

Nostoi  S  304. 
Cynaethus  S  306   307. 
Demosthenes,  de  cor.  289  S.  137.  —  de 

falsa  leg.  120  S.  21. 
Dio  Cassius  II  S.  293.    III  S.  314  ff.    52 

S.  240.  III  S.  343.  346.     66  III  S.  352. 

68,  2,  4  III  S.  349.    69,  2,  4  III  S.  345. 

72,   3,   3   III   S.  357. 

Diodorus  Siculus  III  S.  313  ff.  in  24 III 
S.  90  in  52  S.  302.  xi  25  III  S.  164. 
XI  52  III  S.  115.     XI  72  III  S.  164.    XI 

76  III  S.  161.    xin  III  S  151.    xm  84 

III  S.   163.     XIV  101    III  S    115.    122. 

xiVf  III  S.  148.  151.     XVI  III  S.  165. 

XVI  15  III  S.  119.  122.  126     XVI  71  III 

S.  61.     XX  III  S.  144. 
Diogenes  Laertius  n  42  S.  123.    x  139 II 

S   116. 
Dionysius  Haiicarn.   III  S.  311.     i  12.  73 

III  S.  108    —  Dem.  c.  26  S.  3. 
Dionysius  Periegetes  i  30  III  S.  246.    372 

III  S.  121. 
Diphilus  II  S.  188. 
Epicorum  fragmenta,  Kypr.,  Aithiopis, 

Ilias  miii. ,  Iliupersis,  S.  298  ft.  303. 

304.  319. 
Epitectus,  d.  ni  23  II  S.  66. 
Eudemus,  fr.  22  S.  4. 
Eudocia  S.  186 
Eugamon  S.  305   .306. 
Euripides  S.  34ff.  S.  51.    —    Alcestis 

S.  eJ6.     :!6,  t;32  S.  40.     838  S.   140.    — 

Andromaehe   S.  37      845  S.  36.    929 

S.  40    1064  S.  41.  1092  S.  45.  —  Bacchae 

S.  37.  402  ö.  40.  1116  S.  35.  —  Cyclops 

S.  47.    527  S.  63.  —  Electra  S.  39.  41. 

57f.  S.  36.  —  Hecuba  S.  39.    27  8.  35. 

—  Helena  S.  39  f.  296  S.  63    763  S.  33. 

—  Heraelidae  S.  40.  —  Hercules 
Ö.  42.  40.  106  S.  161.  —  Hiketides 
953  S.  42.  —  Hippolytus  S.  42  ys 
S.  46.  271  S.  40.  1053  S.  5.  15  —  Ion 
S.  44  f.  40.  —  Iphig.  Aul.  S.  43.  40. 


—  Iphig.  Taur.  S.  44.  445  S.  36.  931 
S.  141.  1211  S.  36.  —  Medea  S.  47  f. 
27.  51.  1058.  S.  41.  —  Orestis  S.  52. 
714.  773  S.  41.  1641  S.  303.  —  Phoe- 
nissae  S.  52.  21  S.  10.  931.  S.  36.  529 
S.  56.   1043  S.  12.  —  Rhesus  335  S.  52. 

—  Troades  S.  52. 703  S.36.  —  Fragm. 
S.  52  ff.  9  S.  54.  23,  2  S.  15.  38  S.  41. 
44   S.  41.    258  S.  32.    809,    5  S.  36. 

Eusebius,  h.  e.  5,  1  III  S.  362.  366. 

Eusthatius,  z.  II.  543  S.  15.  —  per.  32  III 
S.  385. 

Galenus  vi  722  II  S.  65. 

Hagias,  Nostoi  3.  304». 

Hecataeus,  in  Arr.  2,  "16,  5  III  S.  385. 

Hellanicus,  fr.  173  S.  99. 

Hephaestion  S.  122.  126. 

Heraclides  Pontius,  in  Plut.  22 III  S.  385. 

Hermesianax  S.  121. 

Herodianus  S  56. 

Herodotus  ö.  96.  —  i  S.  100.  103.  — 
II  S.  100.  28  S.  105.  117  S.  303.  —  III 
S.  102.  115  III  S  385.  118  S.  98.  129 
S.  106.  -  IV  66  S.  212.  79  S.  103.  95 
S.  99.  —  V  92  S.  152.  —  VI  105  S.  105. 
VII  155  III  S.  151.  220  S.  141.  —  IX 
S   105. 

Hesiodus  S.  139  ff.  a  264  S.  183.  e  198 
S.  177.  —  Opera  S.  148  ff.  144.  146. 
225  S.  154.  340  S.  214.  443  S.  160  — 
Seutum  S.  213.  214.  —  Theognid. 
S.  150  141.  143ff  86  S.  144.  356  S.  237. 
729-731  S.  146.  —  Fragm.  Hek.  S.  144. 
213. 

Hesychius,  Leok.  II  S.  113. 

Hipponax,  fr.  22  B  S   141. 

Homer  8.  189  ff  207 ff.  227 ff.  252  ff. 
262  ft-.  309  ft.  318  ff.  326.  —  Dias 
S.  189  ft.  A  263  f.  5  S.  303.  63  S.  221. 
82  S.  254.  389  S.  261.  453  S.  260.  88I 
S.  158.  —  BS  263  f.  48  S.  261.  90 
S.254.  318  S.  221.  447  S.  221.  527  S.  224. 
537  S.  143.  779  S.  158  -  rii2  S.  256. 
132  S.    119.     229    S.  224.    —     J   105    III 

S.  95.    141  III  S.  57.   —   E  180  S.  183. 

407.   466   S.   37.     —     Z  155  f.    S.    143.     234 

S.  270.  289  S.  304.  —  H  199  S.  256. 
242  S.  258.    3i3f.  S.  264.    —    /  S.  192. 

—  A"  S.  192.  321  f  -  A  Ö.  224.  350 
S.  258.  494  S.  2"i4.  498  S  226.  —  M 
S.  323  ff  50  S.  222.  58  S.  223.  103  S.  221. 
333  S.  254.  392  S.  252  407  S.  256.  — 
.V  S.  226.    669  Ö.  222.  —  S  234  S.  260. 

—  ö  87  S.  143.     326  S.  253.     469  S.  223. 

668  S.  224 ft.  —  //  S  227.  28  S.  255. 
127  S.  223.  756  S.  225  -  /'  as  S.  256. 

—  1'  162  S.  159.  —  )■  437  S.  169.  — 
'/'  S.  227.  22  S.  225.  190  S.  260.  —  A' 
35  S.  299.  —  ii   337  S  254  400  S.  233. 

—  Odyssee  S.  197ft-.  270a.  —  ß  ni 

27» 


412 


Register  der  behandelten  Stellen. 


S.  256.  192  S.  222.  —  y  iss  S  225. 
262  S.  261.  -  (J  1  S.  225.  114  S.  258. 

—  f  32  S.  260.  86  111  S.  265.  -  «5»  63 
S.  261.  112  S.  168.  -  £  279  S.  109.  - 
V  13  S.  261.  163  S.  221.  —  <f  301  S.  205. 

—  a  203  S.  144.  342  S.  256.  —  r  477 
S.  257.  521  S.  158.  —  ;f  35  S  256.  299. 

—  0  S.  256.  257.  346.  Hymni 
S.  250  f.  143.  228.  —  in  Aphrod. 
S.  228.  ad  Apoll.  S.  199.  215.  228. 
250.  320.  in  Cererem  S.  214  215. 
in  Dem.  S.  228.  382.  in  Mere.  S.  215. 

—  Schollen  S.  217  if.  272.  279.  301. 
Jamblichus  III  S.  125. 

Ibycus  S.  131. 

Joannes  Gaz ,  ekphr.  S.  185. 

Joannes  Philoponus  S.  305.  307. 

Ion  Chius  S.  120. 

Lesches  S.  129.  304. 

Lucianus,  Scyth.  III  S.  98. 

Lycophron  S.  135. 

Marcus  Aurelius  111  S.  369  f. 

Maximus  Tyrius  S.  160. 

Menander  Com.  S.  34  f. 

Mimnermus  S.  113. 

Musaeus  S.  179. 

Nicander  S.  159.  169.   II  S.  88. 

Nonnus  Panop..S.  208.  xxvi,  55  III  S.  69. 

XXXIII,  4  S.  177.    XXXV  S.  150.    xlv 

S.  165.     Dion.  13,  500  H  S.  88. 
Onomacritus  S  273. 
Oppianus  S  159.    III  S.  91. 
Oracula  Sibyll.  S  161. 
Orpheus  S.  149.  162.  165. 
Panaetius,  ntpl  npuvoiac,  II  S.  115  f. 
Patrikios  S.  186. 
Paulus  Silentianus  S.  150. 
Pausanias,  Messen.  S.  156.  —  Elia  II 

6,4  III  S.  128.    6,  11  III  S.  117.    21,  10 

S.  142. 
Periandros  S.  114. 
Phaedrus  ns-pl  ß^tüiv  II  S.  115. 
Phanocies  S.  121. 
Phayllos  S.  302 
Philetas  S.  12^ 
Philodemus  iz^pl  suasß.  II  S.  110.   xi  e, 

13  II  S.  112. 
Philostratus,  heroica  S.  299. 
Philoxenus  S.  133. 
Phocylides  S.  161. 
Photius,  lexie.  S.  138. 
Pindarus  S.  141.  —  Isthm.  vi  44  S.  143. 

Nemea  11  i  S.  306.    iii  sg  S.  142.    in 

62  S.  143.     V  10  S.  142.     VI  57  S.  143. 

VIII  28    y.  143.    —    Olymp,   i   25-96 

S.  142f.    IX  67  S.  142.     XIII  31  S.  151. 

XIII  62  S.  143.    XIII  81  S.  147.  -  Pyth. 

I  1  S.  155.     I  50  S.  143.    IV  225  S.  140. 

VI  28  S.  142.    XI  19  S.  143.  —  Fragm. 

65  B    S.   154. 


Plato,  conv.  isoa  S.  11.  —  epigr.  14,  2 
S.  121.  —  Hipparch.  S.  307.  —  leges 
VII  810  S  117.  —  res  publ.  11  zca  III 
S.  132.    -  Theaet.  S.  2. 

Plutarchus,  Alex  111  S  107  —  Anton, 
ms.  107.  —  Caea.  19  II  S.  258.  — 
Oleom.  S.  61.  -  Dlo  III  S.  150.  - 
Galba  4  III  S.  345  f    7  Hl  S.  350.    29 

III  S.  346 f.  —  Moralia  S.  2.  57.  59  if. 
86 ff  91.  —  Amatorius  S.  78.  III 
S.  352.     XIII  7.^7  S  77.     XXV  770  S.  85. 

—  ad  Apollon.  S.  62  -  Apophth. 
S.  64.  —  disor.  S  61.  —  inst.  Lac. 
S.  64.  —  Isis  et  Os.  S  67  —  Hb. 
educ.  S.  60.  90.  —  musica  s  111 
S.  176.     21  III  S.  169.     36  III  S.  170. 

—  plae.  phil.  S.  81    —  poet.  S.  60. 

—  quaest.  gr.  S.  65.  67.  —  quaest. 
rom.  S.  65  f.    4  HI  S.  68.    86  H  S.  90. 

—  superst.  S.  64.  —  de  stoic.  rep. 
S.  57  ff.  —  sept.  sap.  conv.  S.  63.  85. 
89.   123.  151. 

Pollux  S  116. 

Polybius  2, 13 III  3.  18.  2, 16,  12  111  S.  384. 

2,  17  III  S.  313.  383.    2,  39  III  S.  126. 

3,  37,  11  III  S.  385.    12,  15  III  S.  162. 
Porphyrius  S.  219. 

Posidippus  S.  138. 

Posidonius,  napi  i^twv  II  S.  114. 

Pratinas  S.  133 

Procius  S.  128.  303.  319. 

Procopius,  Got    III  S.  28.    III  S.  122. 

IV  22  S.  138.  III  S.  127.  —  ep  18,  86 
II  S.  88. 

Ptolemaeus  2,  12  III  S.  387.  2,  16  111 
S.  381. 

Quintus  Smyrnaeus  S.  208. 

Rhianus  S.  156. 

Sappho  S.  127. 

Scylax  S.  19.  381  f 

Scymnus  S.  384. 

Simonides  Amorg.  S.  123.  133. 

Solcrates  (Eccl.)  S.  120. 

Solon  S.  113. 

Sophocies  S.  16  ff.  III  S.  178.  —  Aiax 
S.  18.  22.  31.  792  S.  7.  1288  S.  41.  — 
Antigene  S.  18.  26  f.  98.  124  S.  1.  471 
S.  17.  902  S.  28.  1183  S.  32.  —  Electra 
S.  18.  22.  22  S.  51.  531  S.  41.  643  S.  215. 

—  Oed.  Ool.  S.  18.  25.  75  S.  32.  33. 
321  S.  17.  1375  S.  12.  —  Oed.  rex  S.  18. 
23.  25.  1440  S.  37.  -  Philoktet  S.  15. 
17.  18.  33.  132.  —  Traehin.  S  27. 
29.    145  S.  41.    708  S   18.    —  fragm. 

S.  34      421  S.  2.     238  S.  32      678,  5  S    15 

—  Vita  Soph    S  4.  31. 
Stasinus  S.  303.  305. 

Stephanus  Byz.  II  S.  39.    III  S.  384. 
Stesichorus  S.  124.  127 ff.    27,  3  S.  131. 
Stobaeus  S.  56. 


Lateinische  Autoren. 


413 


Strabo  S.2.  III  S.  109.  131.  i  III  S.  139. 

II  2,  5  III  S.  385.  IV  III  S.  395.  v  i,  9 

III  S,  382.    VI  III  S.  115 ff.  122.  120. 
Suidas  S.  132.  —  xuxka  S.  304. 
Surius,  sanct.  bist.  III  S.  395. 
Testamentum    Novum,    ad    Rom     III 

S.  363,  364. 
Theocritus  II  S.  88.    7,  151  S.  134.    17,  57 

S.  123.    28,  14  S.  216. 
Theognis  S.  115  ff. 
Teophrastus,  de  lap.  I!I  S.  116.     r^s/ji 

ifdiaq  II  S.  132. 
Thucydides,  i  III  S.  167.    so,  95  S.  105. 

II  111  S.  167.  —  III  103  III  S.  128.  — 

V  5  III  S.  139.    54  III  S.  151.    -  VI  1 


III  S.  166.    17  III  S.  163.    73,  3  S.  105. 

100  III  S.  150. 
Timaeus  Soph.  III  S.  159.  161.   4ib  II 

S.  126.' 
Timotheus  Mil.  S.  134. 
Tragici  S.  Iff. 
Tryphiodorus  S.  150. 
Tyrtaeus  S.  Hl. 

Tzetzes,  in  Lyc.  S.  299.    III  S.  385. 
Xenophanes,  fr.  1  S.  115. 
Xenophon,  Cyrop.  11  4,  20  S.  17.    -  bist. 

gr.  II  S    132, 
Zenobius  II  S.  40. 
Zenodotus  S  207.  209.  272. 


b.    Lateinische  Auto  reu, 
(Die  nicht  bezeichneten  Stellen  sind  aus  der  zweiten  Abtheilung,) 


Accius  III  S.  278. 

Acta  martyrum  (Ruinarti)  III  S.  261.  — 

(Scillitauoium)  III  Ö.  261. 
Afranius  S.  278. 
Ammianus  S.  262.    III  S-  59.  262.    1  III 

Ö.  338.     21,  14  III  S.   256.     22,  8  III 

S.  274. 
Anthimus  III  S.  272. 
Anthologia  S.  93  ff    III  S.  272. 
Apuleius  Madaup,,  apolog.  36  III  S.  278. 

48  III  S.  270.    53  S.  47,    67  III  S.  278 

76  III  ö.  249.   —  Florida  III  S.  264. 

metam.   1,  21   III  S.  275.     2,  14   III 

S.  257.    3,  18  III  S.  262.    3,  23  III  S.  68. 

4,  11  III  S.  268.  8,  16  III  S.  268.  9,  28 
III  S  260,    9,  30  III  S.  234.    9,  39  III 

5.  258,  11,  30  III  S.  2m  —  Ps.-Apul. 
1,  n  III  S.  273.  2,  2  S.  166.  de  dogm. 
Plat.  III  S.  164. 

Aquilius  tr.  6  III  S.  278. 

Arnobius  1,  27  III  S.  263.    3,  41  III  S.  49. 

4,  35  III  S.  264.    5,  5  III  S.  257. 
Arusianus  Messius  Ö.  177. 
Augustinus  III  S.  260.   —   de  civ.  dei 

7,  24  S.  89.  15,  27,  3  in  S.  273.  — 
conf.  7,  17,  23  III  S.  237.  —  epp.  us, 
23  S.  120. 

Augustus,  epigr.  S.  95. 

Ausonius  III  8,  260.   —   ep.  S.  m.    III 

5.  273. 

Boethius,  cons.  phil.  i,  s  III  S  256. 

Caecilius  Balba  III  S  262.  V^^. 

Caelius  Antipater  tr.  ns  III  S.  268. 

Caesar  201  ff.  de  bello  Gall.  S.  204 ff. 
215 ff.  1  S.  159.  1,  33  III  S.  268.  1,  71, 
3  S.  163,  2,  13  III  S.  395.  3,  6,  2  S.  213. 
5,  33,  2  III  S.  279.  6,49  S.  213.  6,  40, 
'i  III  S.  256.    8  S.  139.    —    de  bello 


civ.  1  III  S.  331.  2,  23.  3,  -.'O  S.  248. 
3,  1,  5  S.  215.  3,  40  S.  214.  —  b  Afr. 
S.  208.  III  S.  257.  -  b.  Alex  S.  215. 
239  f  III  S.  277.  —  b.  Hisp.  7,  4 
S  215. 

Caesar  Germ.  Arat   III  S  278. 

Capitolinus  III  S.  93 

Carmen  Octaviani  Augusti  S.  94  f. 

Cassius  Felix  71.  72  III  S.  272.  274. 

Cato  Utic,  orat.  III  S  277,  —  orig. 
I,  20  III  S.  272,  273.    V  5  S.  135. 

Catullus  I  S.  122.  le  IH  S.  261.  35  III 
S.  277  48  I  S.  122.  52  I  S.  122.  55 
III  S.  278.  61  III  S.  256.  64  S,  73,  85. 
95.  III  257.  66  I  S.  122.  67  HI  S.  256. 
,17  III  S  277.  212  III  S  256.  coma 
Ber.  I  S.  155. 

Celsus  III  S.  263,  269.  272, 

Charisius  III  8.  276. 

Cicero  8.  lüSff-  III  S.  204.  —  Brutus 
111  S.  277,  1,  2,  4  III  S.  270.  14,  55 
III  S.  279.  67  III  S.  278.  70,  246  HI 
S.  268.  —  Or.  8.  138.  —  de  oratore 
.3,  38  S  77  c  48  8.  13.  -  topica  III 
8.  40.  —  Orationea  III  S.  249  pro 
Archia  S.  133.  pro  Balbo  8.  145. 
pro  Caecina  III  8. 2.".7.  pro  Caelio 
III  8.  268,  in  Catil  1,  27  8.  134  2 
8.240.  1118.279.  4,2,3  8,195.  pro 
Cluentio  ,;7,  i9i  HI  8,  268  70,  200 
HI  S.  2.'.6.  pro  domo  8.  240.  III 
8.  2()S.  pro  Flacco  111  8.  268.  de 
lege  agr.  III  8  48.  pro  Milone  4, 
10  III  S.  266.  18,  47  III  8.  2.".S.  pro 
Murena  III  8.  268.  Philipp.  III 
8.  264.  L'79.  2,  21  III  8,  331.  2,  67 
8,  133.  3,  18  8.  33,  4,  9  Hl  S.  317. 
5,  8  HI  S  269.    7,  6  III  8.  258.    12,  11 


414 


Register  der  behandelten  Stellen. 


III  S.  261.  2G9.  H,  3  III  S.  268.  14, 
■2S  S.  133.  pro  Plane.  S.  134.  pro 
Rab.  III  S.  268.  post  reditum  ii, 
20  III  S.  268.  15,  37  in  S.  27'J.  pro 
Rose.  1,  3  III  S  256.  4-2,  122  III  S  268. 
pro  Sest.  S.  240.  pro  Sulla  S.  31. 
pro  Tullio  8,  1!)  III  S.  2.j6.  i4,  34  HI 
S  268.  Verrinae  III  S.  249.  268. 
279.  2,  5,  7  III  S.  268.  2,  IG,  10  III 
S  263.  4,  55  III  S.  256.  5,  50,  132  III 
S  266.    —   fragm.  3C,  125  III  S   256. 

—  epist.  III  S.  204.  257.  ad  Att. 
S.  115.  120.  239.    III  S.  204.  256.  261. 

1,  18,  1  S.  195.  7,  12,  6  III  S.  268.  8, 
15  III  S.  317.  9,  14,  1  III  S.  268.  10, 
3  III  S.  264.  13,39,2  S.  115.  14,  21,  3 
S.  122.  15,  13  S.  140.  16,  11,  4  S.  147. 
ad  fam.  S.68.  140.  242.  252.  III  S.  268. 
277.  279.  5,  24,  4  S.  145.  s,  11  S.  146. 
16,  2  III  S.  331.  ad  Quintum  1,  4,  a 
S.  146.  2,  8  III  S.  249.  2,  9,  3  S.  159. 
10, 17 III  S.  394.  -  op.philos.  S.  103  ff. 

—  aeademiea  2,  is,  58  III  S.  267.  2, 
101  S.  134.  —  Cato  S.  122  ff  es  III 
S.  255.  —  de  divin.  S.  120.  1,  39,  85 
III  S.  256.  13,  42  m  S.  263.  —  de 
fato  S.  122.  1,  1  S.  135.  5,  10  III 
S.  257.    -    de  fin    S  105  ff.    S.  125. 

2,  24  III  S.  258.  272,    2,  26  III  S,  269. 

2.  29  III  S.  268.  4,  41  S.  134.  5,  11,  31 
S.  124.  -  Laelius  S.  128 fi.  -  de 
legibus  S.  143.  145ff.  III  S.  191.  1, 
14,  40  III  S  279.  2,  58  S.  135.  3,  19,  43 
S.  124.  ~  nat.  deor.  S.  108  ff.  128  ft". 
147.  1,  2,  4  III  S.  269.  1,  5,  10  III 
S.  256.  1,  40,  113  III  S.  264.  1,  41,  114 
III  S.  279.  —  de  off.  S.  136  ff.  i  le, 
52  S.  133.  II  68  S.  126.  —  paradoxa 
S.  109.  —  de  rep.  S  140  ff.  1,  3,  e  HI 
S.  269.  3,  14,  24  III  S.  256  3,  74  III 
S.  285.    fr.  III  S.  234.  -  somn.  S.  107. 

3,  7  S.  128.  —  Timaeus  S  146  ff.  — 
Tuscul.  S.  107.    III  S.  256  f.   1,  36,  186 

III   S.  279.     1,   44,   106   S.  194.     1,  48,  117 

S.  195.  2,  17,  40  S.  124.  3,  11  III  S.  263, 
3,  43  III  S.  272.  —  Hortensius  (Lu- 
culi.) S.  104 

Ciris  68  III  S.  188 

Claudianus,  in  Ruf.  III  S.  255.  258.  264. 

—  in  Eutr. ;  cons.  Hon.;  mall.  Theod.; 
rap.  Pros.;  seren.  III  S.  264.  —  Pun. 
gest.  III  S,  260.  278.  279.  280. 

Claud    Quadpig.  2  fr.  39  III  S.  27.    3  fr. 

41  III  S.  277. 
Cod.  Justin.  III  S   24.     de  ord.  sen. 

III  S.  375. 
Cod.  Theodos.  5,  i4  III  S.  24.   9,  40  III 

S.  258.    16,  4,  2  III  S.  343. 
Columbanus  S.  101. 
Coiumelia,  praef    12  S.  135.    3,  10  III 


S.  273.    9,  17   III   S.  272.    11,   21   III 

S.  257. 
Corippus  III  S.  2.56. 
Cornelius   Nepos  i  .!,  4   III  S.  206.  — 

Hamilcar  JJI  S.  2.08.    --  Hannibal 

2,  2  ni  S.  2.58.  —   Phocion  0,  5  III 

S.  258.    —    Themistocles   10,  5   III 

S.  269. 
Cornificius  III  S.  268. 
Corpus   iuris,   dig.   19,  1,  52  III    S.  25 

28,  1,  2  III  S.  260.     leg.    Const.    III 

S.  30.     ed  Dioel.  2,  11  III  S.  272. 
Curtius  S.  121.    3,  11  III  S.  264.    5,  3  III 

S.  279.    5,  6  ms  268     6,3  II  IS  258. 

8,  2  III  S.  268.    10,  5  S.  256. 
Cyprianus  III  S.  273.  378. 
Damigeron,  de  lapid.  I  S.  163. 
Dictys  Cret.  III  S.  257. 
Diomedes  380,  19k  III  S.  257. 
Donatus,  vita  Vergilii  S.  153.         ad 

Terent.  S  190  ff.  —  praef.  Adelph. 

S.  182.   18G 
Draoontius  S  74.  100.  102.  205. 
Ennius,  ann.  S  197.    s07  S.S.  —  Epich. 

9  III  S.  272    —  fr.  Kresph.  I  S.  53. 

—  fr.  2,  3  I  S.  54.  —  fragm.  Telam., 

Iphig.,  Med.,   Androm.  S.  196.  —  tr. 

344,  261 R  III  S.  277.     tr.  133  k;  Sota  1 

III  S.  278. 
Euanthius  S.  191. 
Eumenii  paneg.  Const.  M.   III  S.  258. 

392. 
Eutropius  e,  21  III  S.  258.  g,  24  III  S.  256. 
Fabius  Pictor  III  S.  275.  313. 
Fannius,  ann.  1  fr.  1  III  S.  279. 
Festus  33,  29  III  S.  276.   230  b  III  S.  48. 

269  III  S.  66. 
Firmicus   Maternus  III  S.  256.   280  ff. 

math.  2,  32  III  S.  273 f. 
Florus  1,  45,  i2  S.  256.   2,  le,  7  III  S.  269. 
Fortunatus,  ars  rhet.  2,  13  III  S.  272. 
Frontinus  III  S.  136.  269. 
Fronte  S  66.    III  S.  256.  267  ff. 
Gallus  S.  102 

Gargilius  mart.,  med.  30  III  S.  273. 
Gellius  1,  26  III  S.  256.    2,  18  III  S.  278. 

3,  3  III  S.  276.    4,  18  III  S.  269.    5,  10 

III  S.  279.    5, 13  III  S.  241.    10,  27  III 

S.  275      13,  23  III  S.  277.     u,  1  III 

S.  270.    15,  27  III  S.  7.   16,  13  III  S.  264. 

17,  2  III  S.  275.    fr.  10,  3  III  S.  257. 
Geographus  Ravenn.  4  III  S.  381.   4,  26 

III  S.  393.    4,  36  III  S.  383. 
Gracchi,  ep.  Corneliae  III  S.  48. 
Gratius  Fah'scus,  eyn.  372  III  S.  278. 
Gregorius  Tur.  1,  2s  III  S.  374. 
Gromatici,  lex  Mam.  III  S.  259 
Hieronymus  III  S.  260.  —  ep.  78;  mans. 

39  III  S.  258.  —  de  vir  ill.  42  III  S.  363. 
Hilarius  Patav.  III  S.  386. 


Lateinische  Autoren. 


415 


Hirtius  S.  209   213.  239. 

Historie!  S.  201  ff. 

Homerus  Latinus  886  III  S  257.  90o.  1024 
III  S.  255. 

Horatius,  epod.  7, 13  HI  S.  36  9,  12  III 
S.  343.  13  S.  95.  —  epist.  i  2,  63  III 
S.  261.  II  1,  125  in  S.  255  II  1,  200 
S.  278.    —    ars  poet.   113  HI  S.  257. 

—  satirae  i  10  III  S.  216  i  33  III 
S.  208.    II  2,  76  S   189.    II  3  m  S.  216. 

I  5,  101  III  S.  279.    II 7,  u  III  S.  255. 

II  5,  11  III  S.  276. 
Hortensius  fr.  9  III  S.  266. 
Hyginus9.5IS.299.  i8GlS.56.i9iinS.261. 
Interpres  Iren   III  S.  l63. 

Isidorus  Hisp.  5,  21,  1  III  S.  275.    12,  c 

m   S.  272.     13,  19   S.  99.     19,  19   m 

S.  273.    20,  3  m  S  272. 
Itinerarium  Alex.  12  III  S.  268.    39  III 

S.  270.    —    Anton,  p.  123  III  S  386. 

p.  292  III  S.  385.     p.  298  ni   S.  394. 

p.  316  III  S.  386.  —  Hieros.  III  S.  386. 
Justinus  III  8.  250  f.  279     2,  4  S.  252.    4, 

3.  21,  2  III  S.  261.     23,  1   III  S.  265. 

34,  3  III  S  258.    39,  3  III  S.  270. 
Juvenalis  S   62  ff.    3,  135  S.  121.    10,  261 

III  S.  257. 
Juvencus  III  S  256. 
Lactantius  S.  101.  137.   III  S.  264. 
Livius  III  S.  52.  31  If  322.  —  i  25,  9  III 

S.  277.  29,  6  III  S.  258.  45  III  8.  68. 
48,  2  III  S  166.  60  III  S.  11.  257.  - 
n  S.  159.  2,  43  III  S  256.  2,  44  III 
S.  264.  5,  7  III  S.  268.  -  iv  25,  11  III 
S.  312.  57,  3  I  S  10.  —  V  42,  3  III 
S.  34.  -  VI  6,  18  III  S.  255.  42  III 
S.  295.  -  VIII  8  UI  S.  12.  24  III  S.  124. 

—  IX  31  III  S.  136.  —  X  16,  3  III 
S.  269.  —  XXIII  23  III  S.  255.  -  xxiv 
5  III  S.  279.    11  III  S  27.  35  III  S.  146. 

—  XXV  18,  15  S.  36  —  XXVI III  S.  256. 
279.  35  III  S.  27.  46,  10  S.  268.  - 
XXVII  16  III  S.  116.     27,  11  III  S.  .59. 

—  xxvin  39,  16  III  S.  256.    —   xxix 

3,  4  III  S  258.  27,  4  III  S.  277.  — 
XXX  11,  3  III  S.  255.    19  III  S   119.  123. 

—  XXXIV    13,   5    III    S.   278.      G2,   4   Hl 

S.  256    -    XXXVI  29,  9  III  S.  266.    - 
XL  59,  19  III  S.  59.  —  xi.iv  S.  266.  — 
Epit.  48  III  S.  259. 
Lucanus   S.  61.    III  S.  276.    3,  323  III 

5.  278     5,  24  S.  121.    5,502  III  S.  279. 

6,  320  III  S.  255. 

Lucilius  4,  r.  III  S.  272.    4,  4i  III  S.  262. 

9,  66  III  S.  277. 
Lucretius   8    149  ff.     1,  loio  III  8.  279. 

1,  1040  III  8.  278     2,  685.  1007  III  8.  27s 

2,  1024  III  8.  277.     3,  959  III  8.  262 

4,  190  8.  119.  4,  981  III  S.  269.  — 
Luer.  vita  8.  153. 


Luxorius  8.  98. 

Lygdamus  I  8.  122. 

Macrobius,  sat.  1,  7  III  S.  276.  sat.  1, 
13  III  8.  5. 

Mamert.  Grat,  act    g  8   121. 

Marcellus  16  III  8  272. 

Martialis  8.  .58  ff.  69.  III  8.  261.  1,  88 
III  8.  277.  1,  104  III  8  257.  1,  109  IH 
8.  277.     4,  25  III  S.  383     6 ,  17  S.  69. 

6,  84  III  S.  249.     7,  24  S    70.     7,  63,  9   Ell 

8  339.  347.     7,  64  8  69.    ii,  21  S.  95. 

13,  2  III  S.  279. 
Mela  m  S   129.    1,  9  III  8,  255.   3,  9  III 

8  269. 
Minucius  Felix  s.  3  III  8  279. 
Nazarenus  Panegyricus  IH  S.  256. 
Nepotianus  2,  2  III  8.  273.  5,  5  III  S.  258. 
Nonius  Marcellus  205,  12  III  S.  268.    251, 

25  III  S.  258     621,  22  III  S.  266.    543, 

10  III  S.  276 
Notitia  Dign.  c.  35  III  8.  395.    c.  42  III 

8.  387  —  Not.  Bern.  69,  88  III  S.  273. 
Oppius,  C,  8  203. 
Orestis  tragoedia  8.  100. 
Orosius  3,  1  III  8.  262.    5,  le  UI  8  258. 

6,  7  8.  258.     apol.  4,  6  III  8.  273. 
Ovldius  8  72  ff.  —  Amat.  1,  e  III  8  258. 

2,  6  S.  86.    14,  36  S.  121.  —  ars  am. 

S.  86.     1,  433  III  S.  277.  279.     2.  222 

8.  121.  2,  467  8.  82.  -   epist.  ex  Ponto 

S.  87.    III  8.  333.    1,  2  III  8.  277    1, 

58  I  S.  121    —  Fasti  8  82  87.  89  ff. 

99.     1,  55  III  8.  5.     1,  597  III  8    256. 

2.   441    III    8.   6,S.      5,    708   I    8.    1)2.    — 

Haliantica  io9  III  8.  292.  —  Heroi- 
des 8.  74.  8 (»ff    2,  2.5  III  S   258.    4, 

13    8.   121.     5.    1.58    III  8.  277.     6,    144   III 

8.277.  —  Metamorph.  8.  79  ff.  III 
8  252  ff  256.  269.  279.  5,  47  III  8.  255. 
5,  3,38  8.  65  11,  672  III  S.  257.  —  rem. 
am.  597  8.  88   —  medic.  faciei  8.  77. 

—  Tristia  8.  73.  87.  90  ff.   III  8.  333. 

—  -  Ibis  8.  91 
Pacuvius  111  8  278. 

Palladius  12,  7  III  8.  273.  ine.  fr  .v.  IH 
S.  2.-)7.    44  Hl  S   262.    eo  HI  8.277. 

Passio  s>.  qiiattuor  coronatoriim  Hl 
S   378 

Paulus  Oiaconus,  dig.  s,  2  III  8.  278. 

—  ex  Feste  32,  12  111  8.  274,  eo,  7 
III  8.  276.    67  HI  8.  234. 

Perdicas  8   102. 

Persius  8  53    63.    5,  60  III  S.  279. 

Petronius  8  ;»'ii(    ei,  9  III  S.  273.    70,  2 

lii   S.  269.    11-2,  5  Hl  S.  265. 
Phaedrus  i,  u  HI  8.262.   1,  19  HI  8.252. 

■2,  2  III   S   279.    4,  2  111   8.  262. 
Philargyrus,  in   georg.    4    8.   158.     111 

S.  1^76 
Plautus  8   1.  17  ff.  219.     HI  8.  275.   - 


416 


Register  der  behandolten  fStellen. 


Amphitruo  S.  22.  i,  i,  146  Hl  S  270. 

9'J  I    S.   140.     307.  350  S    .").     574  S.  6.     COI 

S.  10.  —  Asinaria  S.  22  fi.    52  S.  212 

166    S    5.     176   S.  4      1!I6    III    S.  241.     512 

S.  32    605  III  S  208.    708  III  S.  268. 

275      824  S.  4.     708  111  S.  268.     824  S.  4. 

910  III  S.  275.  —  Aulularia  S.  29. 
prol.  4  S.  4.  2,  2,  39  S.  33  4,  10,  51 
S.  46.  163  III  S.  256.  210  III  S  278, 
618  111  S.  275.  —  Bacchides  S.  2«). 
III  S.  202.  100  III  «.  277    3.'i4  111  S.  278 

387   III    S.  279      419   111    S    3i).     511  S.  0 

1185  S  4  -  Captivi  S.  30  ff.  HI 
S.  258.  98  S.  270  134  S.  27.  385  HI 
S.  268  735  S.  10.  Casina  32.  2,  6 
27.    3,  2  S.  6.    4,  2  S.  5.     5,  1  S.  40. 

—  Cistellaria  1,  1,  82  S.  30.  2,  1  5« 
S.  10.  2,  1,  58  111  S.  264.  —  Cureulio 
S.  33.  33  III  S.  265  41  S  41.  612  IH 
S.  273  621.  624  S.  5.  —  Epidieus 
S.  34.  1,  1,  23  S-  28.  2,  2,  40  S  33. 
5,  2.  13  S.  35     132  S.  45.    233  III  S  273. 

—  Menaechmi  8.  35     286  H.  46.    524 

S.  47.     588    S.   13      712f.  S.  4      894    S    44. 

—  Mereator  S.  40.    2,  2,  3  S.  33.    524 

S.  46.  752  111  S  258.  955  S.  5.  — 
Miles  glqriosus   S   8    9.   41    43  ff. 

2,  3,  37  Hl  S  257.  135  S.  27.  203  III 
S.  269.  213  III  S.  262.  310  322.  4i7  S  0 
374  III  S.  275.  455  S  40.  574  S.  27  583 

S.    35.      586    S.   40.      654   S.   33.      784    Hl 

S.  255.  797  III  S.  257.  973  S  33.  983 
S.  30.  1065  111  S.  257.  1074  HI  S.  269. 
1103  S.  30.  —  Mostellaria  S  47     202 

S.  40       215   S.  5.      247    S.   40       343    S.   6 

519  III  S.  256.    690  HI  S.  278.    745  S.  5. 

—  Persa  S.  47.  202  S.  40  215  S.  5. 
247  S.  46  343  S.  6.  519  III  S  256.  690 
III  S.  278.  745  S.  5  —  Poenulus 
S.  49.    1,  1,  11  HI  S.  276.    3,  3,  72  S.  27. 

3,  4,  7  S.  5.  5,  2,  20  S.  6.  5,  2,  94  S.  27. 
5,  4,  69  S.  45  5,  5,  23  HI  S  258  — 
Pseudolus  S  50.    307  IH  S.  277.    377 

S.    27.      580    S     11.      661    S.   47.      680   Hl 

S  279.     920  S.  5      -    Eudens  S.  5ft. 

4,  4,  94   S.  27.    4,  4,   108  S.  47.    5,   3,  36 

5,  27.  190  III  S  278.  205  S.  195.  224 
S.  33.  576  S.  46.  750  III  S  262.  950 
S  40  1059  S.  11.  —  Stichus  2,  46  III 
S.  44.  572  S  51.  725  S.  5.  -  Trinum- 
mus  S  6.  24  S.  41.  622  S.  46.  eei  HI 
S.  278.  673  S.  27.  46.  76I  S  52.  868 
III  S.  264.  1161  S.  27f  -  Tmculen- 
tus  2,  2,  14  S.  52     2,  6,  48  HI  S.  279. 

2,   8,   5    S.   10.      4,   2,    29    S.  10.      403   III 

S.  278.     538  ff   III  S.  275.   —  Fragm. 
HI  S  276 
Plinius  major,  nat.  bist,  i  is,  9  S.  274. 

—  III  36  III  S  274.  387.  394.  74  IH 
S.  385.     96  m  S.  128.     98  III  S.  119. 


119  IH  S.  383.  120.  122  III  S.  384.  136 
III  S.  387.  140  HI  S.  381.  —  iv  HI 
S.  384  —  VII  32  III  S.  2.58.  42  III 
S.  269.     2,  24  III  S.  91.     197  I  S.  1.50. 

-  IX  9  36  HI  S  2.58  95  Hl  S  264. 
97  HI  S.  272    —   .\  81  HI  S.  257.   — 

XI  107  III  S    257.     267  HI  S    259    — 

XII  88  111  S  264  -  XIII  102  III  S  269 

—  xviii  10,  24  III  S.  64.  74  S.  190. 
187  HI  S.  269  363  HI  S.  257.  —  xx 
100  Hl  S.  339f  346.  —  xxii  11  S.  123. 
164  Hl  S.  272.  —  xxiii  311  HI  S.  126. 

XXIV   82   HI  S    27 .i.    —  XXVIII    6,  77    III 

S.  69  —  XXIX  29  S.  101  —  XXXIV  4 
III  S.  261  —  XXXV  64  III  S  127.  — 
XXXVII  32  in  S.  384.    .33  III  S.  272. 

Plinius  minor,  epist  III  8  .53  2.50  261. 
268.  209.  270.  279  1,  12,  5  8.  135.  i, 
20,  22  1  8.  212.  2,  7  Hl  8  354.  3,  1,  7 
III  8  255.  3,  6  Hl  8  272.  3,  9,  32  HI 
8.  25S.  9,  13,  4  Hl  8.  345.  9,  19  III 
8.  339  341.  348.  10,  59  IH  8.  256.  — 
paneg.  7  Hl  8  343.  9,  12  HI  8.  354. 
20,  6  Hl  8  200  24,  3  Hl  8.  268.  31 
III  8  279.  45  HI  8  346.  63  f.  HI  8.  261. 
270 

Plinius  Valerianus  1,  n  Hl  8.  261.  5,  43 
111   S   272 

Poetarum  fragmenta  8   196. 

Pollio  Asinius     8  203    243. 

Pomponius  com.  is  III  8  202. 

Priapeia  21,  1  III  8.  277 

Priscianus  2,  101  IH  8.  210.  e,  87  III 
8.  276.  8,  26  HI  8  209.  13,  12  IH 
8.  279  16,  16  HI  8.  192  I8,  309  IH 
8.  234 

Propertius  1,  s;  1,  16  III  8.278.  1,  20 
III  8  250.  2,  19  HI  8.  201.  4,  3  8.  77. 
1,  8 ;  1,  16  Hl  8  278.  1,  12,  4  III  8.  383. 
1,  20,  48  HI  8  250  2,  19  III  S.  261. 
4,  3  8.  77. 

Prudentius,  eatli.  6,  102  III  S.  273.  — 
contra  Symm.  8  97.  —  perist.  2, 
2:^,9   8.  97.    10,   71   III   8.  260. 

Publilius  Syrus,  sent.  8  121    192f. 
Quintilianus  8.  .56.  135.  195.  III  8  379. 

3,  8,  19  8.  256 
Rutilius  Lupus  III  8.  278 
Sallustius,  Catil    .15,  2  8.  121.    20  HI 

8.  211.  29,  3  111  8.  i78.  31,  7  III  8.  250. 

—  Jug.  5,  2;  95,  4  III  8  208. 
Scaenicorum  fragmenta  8.  195  ff 
Scribonius  Largus  III  8  208. 
Seneca,  L  A  ,  cons  ad  Helv.  III  8.  278. 

—  ad  Paul  III  8  358.  —  ep.  95,  3 
III  8.  205  107, 11  III  8  200.  -  quaest. 
nat  III  8  272.  —  tranq.  III  8  205. 
~  Apocol    III  8.  273. 

Seneca  trag.  8  198 ff  —  Herc  8.  198. 
200.  III  8.  264    -    Oed.    III  S  256. 


Lateinische  Autoren. 


417 


—  Thyest.  S.  199  —  Troad.  III 
S.  257. 

Seneca,  M.  A.,  III  S.  2 64 f.  —  controv. 

S.  243.    III  S.  264.  273.  —  suas.  i,  4 

III  S.  270    1,  12  S.  133    2,  12  III  S.  269. 

7,  11  III  S.  273. 
Servius,  ad  Aen.  4,  242  III  S.  275     7, 

728   III   S.    386.     9,   24   III    S.  68.    - 

georg.  III  S.  272. 
Sidonius  Apollinarius  S.  34. 
Silius   Italicus   III   S.  276  ff.    4,   iis  HI 

5  257.     4,  119  III  S.  255.     5,  86    HI 

S.   257.      8,   383   III   S.   263.      8,   589   III 

S.  270.    11,  366  III  S.  255. 
Spartianus,  Hadr.  III  S.  256.  355.  — 

Sev.  III  S.  258    355  ff. 
Statius,  Ach.  S.  98.    1,  250  S.  121.    1,  281 

III  S.  279.     Silv.    III  S.  272.     Theb. 

III  S.  272.  278. 
Suetonius,  Aug.  53  S.  121.    85  S.  95.    98 

III  S  257    —  Nero  le  III  S.  359.    56 

III  S.  270.      -    Caes    se  S.  235.  238. 

243     —    Calig.  11  III  S.  258.    32  HI 

S.  257.     43  III  S.  249.     53  III  S.  270. 

—  Claud.  III  S  359.  -  Galba  7  III 
S.  270.    9  III  S.  339    341.  -  Domit. 

6  III  S.  257.  —  Gramm.  S.  90.  III 
S.  17 

Sulpicius  1,  17,  3  III  S.  273. 

Symmachus  I  S.  13. 

Symphosius  S  99. 

Tabula  Peuting.  III  S  380,  385.  394. 

Tacitus  111  S.  217.  —  ann  III  S.  256. 
258  279.  1,  8;  3,  56  III  S.  343.  4,  47 
S  266.  4,  57  S.  121.  4,  73  S.  248.  11, 
24  III  S.  206.  11,  25  III  S.  299.  n,  28 
III  S.  255.  15,  2  III  S.  277.  1,5,  4  III 
S.  268.  15,  26  III  S.  351  —  bist.  1,  11 
III  S.  346.  1,  29  III  S.  279.  1,  57  ö.  248. 
2,  10  III  S.  2.58  2,  61  III  S.  339.  341. 
348.    4,  34  III  S.  260.    4,  45  III  S.  381. 

4,  55  III  S.  3.52.  4,  58  III  S.  269.  - 
Agrio  3  III  S.  343.  345.  18  III  S.  260. 
26  III  S.  269.    -    Germ.  III  S   354. 

7  III  S.  2.56.    16  S.  99.    -    dial.  33  III 

5.  279. 

Terentius  S.  177  ff.  185.  Adelphi  S.  24. 
177.  183ff.  I  1,  1  S.  191.  II  2,4  S.  10. 
III  2,  13  III  S.  257.  VI,  4  ö.  183.  32 
III  S  279.  1,6  S.  181.  276  S.  4.  417 
S.  27.  665  S.  4  712  S.  20.  979  S.  31. 
32.  -  Andria  S.  181.  prol.  8.  189. 
III  S  277.  1,  1  S.  262.  iso  III  S.  262. 
201S.  27.  214  III  S.  255  287  S.  45.  347 
S     6.       842     111     S.    45.       859    S.     4.     — 

Eunnuchus,  piol.  S.  188.  III  S.  277. 
98  S.  28.  214  S.  183.  —  Heauton  Tim. 
S.  181.  186.  prol.  III  S  268.  1,  1,  2 
III    S.   270.      3,   3,   27    S.    135.      186   111 


S.  262.  239  m  S.  279.  277.  758  m 
S.  257.  1005  S.  183.  —  Hee.  S.  45.  178. 
78  S.  192.  134  S.  181.  283  S.  183.  189. 
362  III  S.  262  365  ni  S.  257.  489  m 

S.   279.'      522     S     183.      623    S.    184.      803 

S.  181.  810  866  III  S.  277.  —  Phor- 
mio  S   186.  62  S.  5.  64  S.  6.  i45  S.  181. 

348  S.  10   342  S.  189.   619  S.  184.  705 

S.  188.  799  S.  4.  888  S.  189. 

Tertullianus,  adv,  Marc,  i,  13  HI  S  272. 

4,  16  III  S  273.  5,  12  m  S.  275.  — 
adv.  Herm.  III  S.  275.  -  apol.  III 

5.  260.  —  de  cult.  fem.  III  S.  263. 
de  idol.  III  S.  260.  —  praeaer.  m 
S  273.   -  resurr.  III  S  275 

Tibullus  1,  9;  3,  7  m  S.  261.  2,  5  IH 
S.  277.  3,  4  III  S.  257.  4,  1  Ul 
S.  278. 

Tragicorum  fragm.  39  in  S.  277. 

Trogus  Pomp.  III  S   161.  281. 

Ulpianus,  dig   38  III  S.  272.  47  III  S.  273. 

—  lib.  22,  6  S  6. 

Valerius  Flaccus  III  S.  276.  1,  367;  3, 106 
III  S.  256  2,  381 ;  6,  327  m  S.  278. 
5,  21  III  S.  258.    7,  352  III  S  277. 

Valerius  Maximus  III  S.  204.  255.  266. 
2,  54  III  S.  257  2,  7,  2  S.  121.  3,  2 
III  S.  256.  3,  6,  4  S.  125.  4,  7,  1  m 
S.  298  7,  3  III  S.  257.  7,  31  III  S.  68. 
y,  2,  8  III  S.  263 

Varro  S  89.  ling.  lat.  5,  4  III  S.  219. 
5,  65  III  S  272.  6,  82  S.  44  7,3  III 
S.  219.  7,  77  III  S.  276.  —  sat.  Men. 
350  III  S.  272.  352  III  S.  273.  395  III 
S.  278.  403  III  S.  272.  -  res  rust. 
III  S.  279  —  de  v.  p.  1,  44  III  S.  279. 
2  fr.  14  III  S.  275. 

Vegetius  III  S  2.56 

Velleius  Paterculus  III  S.  279. 

Vergilius,  Aeneis  III  S  334.  l  47.  58 
ms.  272.  104.  402  III  S.  269.  185  III 
S.  262.  —  II  49  S.  94.  271  III  S.  257. 
290  III  S.  272.  364  S.  97.  405  S.  102. 
540   III  S.  278.     588   III  S.  261.  —  III  680 

III  S.  273.  —  IV  242  III  S.  275.  566 
III  S  278  —  V  183  III  S.  278.  —  vi 
454  H.  86.  —  VII  766  111  S  278.  —  viii 
170  111  S.  255.  671  S.  160.  663  S.  97. 
686  S.  197.  —  IX  44  111  S.  261.    91  S.  65. 

-  X   8   111    S.  279.     380    III    S.  258.     846 

III  S.  216.    —    XII  779  III  S.  256.    — 

georg.  1,  122  111  y.  274.    2,  10  f.  S.  86. 

2,  84  III  S.  273.     3,  380  111  S.  272.    4 

S  97. 
Victor  Aurel.  111  S.  68. 
Victorinus  III  S.  192. 
Vitruvius  111   S  249.  269.  272.     2,  0  III 

S.  277.    6,  4,  9  III  S.  256     5,  4,  40  III 

S.  257.    7,  11,  1  III  S.  261. 


418 


Geographisches  Register. 


Vopiscus,  Num.  n,  2  III  S.  260.  12,  1 
Jll  S.  2(58.     Sat.  8  III  S  357. 

Vulgata,  act.  apost  IJI  S.  2f>7.  —  eccl. 
III  8.  270.   —   genes.  II]  S.  275.   - 


2.  Cor.  III  S.  2.58.  —  Jud  7,  is  III 
S.  2.">7.  1.;,  c  III  S  2r,S.  —  Macch. 
1,  20;  Mich.  ],  8  III  S.  257  prov. 
Ili  S.  270.  —  psalm.  77  III  S.  2.08. 


III.  Geographisches  Register. 

(Die  nicht  bezeichneten  Stellen  sind  aus  der  dritten  Abtheilung.) 


Abellinum  1.3G. 
Acalandrus  117. 
Ad  horrea  394. 
Ad  lacum  Aprilem  385. 
Ad  pirum  38G. 
Adiabene  372. 
Aegyptus  I,  63.  105. 
Agnone  239. 
Alba  283 
Alesia  II,  248. 
Alpes  Poeninae  386. 
Alybas  116. 
Amathunt  222. 
Aphidna  I,  111. 
Aprustum  119. 
Ära  Ubiorum*338. 
Arabia  98. 
Arba  381. 
Arbona  387. 
Arbor  felix  387. 
Argessa  246. 
Argoos  246. 
Arinthe  122. 
Arponion  119. 
Arsamosata  351. 
Aquae  Sextiae  394. 
Aquileia  (Aalen)  389. 
Ascapha,  Aschaffenb    392. 
Aspendos  226 
Assyria  99. 
Athen  357. 
Atria  383. 
Baia  138. 
Bantia  238. 
Bebekos  fluvius  384. 
Bellovacum  395. 
Bibracte  II,  245. 
Blambetae  381. 
Bratuspantium  395. 
Brigantio  387. 
Britanni  II,  269. 
Bruoteri  354. 
Caecinae  246. 
Caesaromagus  395 
Caicinos,  Carcines  128. 
Cales  386. 
Cambodunum  387. 


Campania  1.37. 

Campi  lapidei  394. 

Castel  338 

Castra  Hannibalis  129. 

Chaldaea  99 

Char put- Arsamosata  351. 

Cherusoi,  Suebi  II,  276. 

Chone  122 

Cilnii  246. 

Claux  395. 

Cluvia  135. 

Clusium  246. 

Concordia  Sagittaria  385. 

Consentium  123. 

Corfinium  239. 

Costiglione  385. 

Cucumella  246. 

Cumae  53. 

Cures  386. 

Dacia  380. 

Dalmatia  380   381. 

Deutz  374    391.  392. 

Drusomagus  387. 

Duisburg  393 

Ebodouro  387 

Edro  (Medarius)  383. 

Eretenos  potamos  383. 

Eridanus  382. 

Etrusci  231.  245. 

Falisci  236 

Fanesii  (Panoti)  67. 

Forum  Neronis  394. 

Forum  Voconii  394 

Freudenberg  388. 

Gallia  393. 

Germania  388. 

Golgoi  220  f. 

Graecia  magna  111. 

Grosseto  243. 

Grosskrotzenburg  390. 

Helvetii  II,  243. 

Heraklea  117. 

Hipponion  139. 

italia  108.  231.  302ff. 

Italia   septentrionalis  382. 

Italic!  230. 

Juvanum  135. 


Köln  und  Deutz  374. 

Krathis  132. 

Krimisa  123 

Kroton  124. 

Kurion  224 

Kylistarnos  119. 

Kyme  138 

Kyzikos  I,  297. 

Lacus  Prile  385. 

Lagaria  119. 

Laos  120. 

Lemene  fl    385. 

Liguri  246.  307. 

Limes  rhaeticus  389. 

Limes  transdanubianus  et 
transrhenanus  388. 

Luceres  298. 

Luxovium,  Lussedium,  Lo- 
sodium. Luxeuil  395. 

Mainhardt  388 

Manlianum  119. 

Mare  Cronium  384. 

Marruvium  241. 

Mersapi   139.  228. 

Metapontion   116.   136 

Minucii  394. 

Monasterium  Vivariense 
130. 

Mosa  II,  265. 

Munimentum  TraianI  338. 

Neaithos  123. 

Neapolis  133. 

Neopaphos  222. 

Nilus  I,  105. 

Noricum  382. 

Numistro  136. 

Octodurus  387. 

Oenotri  303. 

Ortoplinia  381. 

Orvieto  242. 

Oxus  107. 

Padus  383. 

Pandosia   118.  123. 

Parthia  372. 

Patavium  383. 

Petelia  123. 

Pfahlbronn  388, 


Geographisches  Eegister. 


419 


Piacenza  244. 

Poggio-Gajella  246 

Poitiers  395. 

Pompeji  137. 

Pons  Rhenanus  II,  246if. 

Posidonia  115. 

Praeneste  49. 

Prokonesos  94. 

Ilpwveq  Tu krjatot   124. 

Quadi  339. 

Raetia  386 

Reis  Apollinaris  394. 

Retron  383. 

Rhodanus  394. 

Rimini  107. 

Roma  1,  31.  33.    III,  231. 

282  ff.  305.  307.  309. 
Rutuli  246. 
Ruvo  135. 
Saalburg  391. 
Sabini  307. 
Sagras  125. 
Saint-Pathus  395. 
Salamiu  (Paphos)  220. 


Scylacium  129. 
Senia  381. 
Siberene  124. 
Sibusates  264. 
Sicilia  139. 
Siculi  307. 
Sila  122. 

Sinus  Soylacius  129. 
Siris  117. 
Skylietion  130. 
Spina  383. 
Sulmona  135. 
Sybaris  121.  131. 
Syllion  225. 
Tarent  114. 
Tarquinii  246. 
Tartarus  383. 
Taunus  390. 
Teate  135. 

Telavium  (Tedanius;  381. 
Temesa   123 

Templum  Hierosolymita- 
num  352. 


Teurnia  382. 

Thapsos  140. 

Thisbae  315 

Thurii   118.  121.  131. 

Tigranokerta  351. 

Tragliatella  245 

Troja  I,  320.  III,  62 

Urbinum  Metaurense  386 

Usipeti  et  Tenctri  II,  245* 

Veji  293. 

Vendeuil-Caply  395. 

Veneti  383. 

Venixamodorum  395. 

Vetera  castra  393. 

Vetulonia  385. 

Via  Aurelia  394 

Via  Domitia  394. 

Via  Flaminia  386. 

Vibisoo  387 

Vicetia  383. 

Vicus  Aurelius.  387. 

Vienna  366 

Volumnii  246. 


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Druck  von  J.  Draeger's  Buchdnickerei  (C.   Feicht)  in  Hcrlin. 


'7 


PA  Jahresbericht  über  die  Fort- 
3  schritte  der  klassischen 

J3         Altertumswissenschaft 

Bd.  28 


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