"^
'^:^
% -^1
>
X^
"^jwi^ ^ #^
. .-. .^'
mwi. OT ;r
5J«K»ÄX,
4* i#'
JAHRESBERICHT
über
die Fortschritte der classisctien
Alterthumswissenschaft
herausgegeben
von
Conrad Bursian,
^ ord. öffentl. Prof. der claffifchen Philologie an der Universität München.
A c li t u 11 d z w a n z i ii: s t e r Band.
Neunter Jahrgang. 1881.
Dritte Abtheilung.
ALTERTHUMSWISSENSCHAFT.
Register über die drei Abtheilungen.
BERLIN 1883.
VERLAG VON S. CALVARV & CO.
W. Unter den Linden 17.
3
7
6
ü
M -^
Inhalts - Verzeichniss
des achtundzwanzigsten Bandes.
Seite
Bericht über die Geschichte und Encyclopädie der classi-
schen Alterthumswissenschaft von Prof Dr. C. Bur-
sian in München. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Berichte über Palaeographie von Prof. A. Reifferscheid
in Breslau. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Jahresbericht über die Geschichte der alten Geographie
und die Literatui- zu den alten Geographen vom Gym-
nasiallehrer Dr. C. Frick in Höxter. (Folgt im nächsten Jahrg.)
Jahresbericht über die Geographie und Topographie
von Kleinasien und den griechischen Inseln von
Dr. R. Menadier in Braunschweig. (Folgt im nächsten Jahrg.)
Bericht über die Topographie von Attika von Ober-
lehrer Dr. Ch. Beiger in Berlin. (Folgt im nächsten Jahrg.)
Bericht über die Geographie und Topographie des
übrigen Griechenland von Dr. R. Weil in Berlin.
(Folgt im nächsten Jahrgang.)
Jahresbericht über Geographie und Topographie von
Unter-Itahen und Sicilien für 1880 und 1881. Von Prof.
Dr. Adolf Holm in Palermo 108-167
Unter-Italien 108. — Sybaris und Thurii 131. — Neapel 133.
— Pompeji 137. — Bajae 138. — Sicilien 139. — Prähisto-
risches 139 — Historisches 193. — Caltavuturo 144. — Collesano
144. — Palermo 145. — Geschichte Siciliens 148.
Jahresbericht über die Geographie der nördlichen Provin-
zen des römischen Reiches von Direktor Dr. D. Detlefs en
in Glückstadt 380—396
Dacien 380. — Dalmatien 380. — Noricum 382. — Norditalien 382.
- Rätien 386. — Germanien 388. — Gallien 393.
IV Inhalts- Verzeichniss.
Seite
Bericht Über die Topographie der Stadt Korn von Prof,
H. Jordan in Königsberg i. Pr. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Jahresbericht über Griechische Geschichte von Prof.
Dr. Ad. Holm in Palermo. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Jahresbericht über römische Geschichte und Chronologie für
1881. Von Dr. Hermann Schiller, Gymnasial-Direktor
und Uni versitäts- Professor in Giessen 282 — 379
Zusammenfassende Darstellungen der römischen Geschichte 282.
— Altitalische Ethnologie 302. — Königszeit und Uebergang zur
Republik 305 — Die puuischen Kriege und Unterwerfung der
Staaten am Mittelmeer 315. — Die Revolution 318. - Die Zeit
der lulier, Flavier und Antonine 333. — Die Zeit der Verwirrung
372. — Die Zeit der Regeneration 374.
Jahresbericht über griechische Literaturgeschichte
von Prof. Dr. E. H i 1 1 e r in Halle. (Folgt im nächsten Jahrg.)
Jahresbericht über römische Literaturgeschichte von
Prof. Dr. August Reiff erscheid in Breslau, (Folgt im
nächsten Jahrgang.)
Bericht über griechische und römische Mythologie von
Prof. A. Preunerin Greifswald. (Folgt im nächsten Jährgang.)
Bericht über die griechischen Alterthümer von Prof.
Dr. H. Lipsius in Leipzig, (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Bericht über die die römischen Privat- und Sacral-
alterthümer betreffende Literatur des Jahres 1880 resp.
1879. Von Prof. Dr. M. Voigt in Leipzig . . . 33—54
Schriften allgemeinen Inhalts 33. — Privatalterthümer
und Kulturgeschichte 34. — Privatleben 34. — Sagen vom
goldenen Zeitalter 35. — Bürgerrecht 37. — Verwandschaft 38 —
Familie 39. - Capitis deminutio 39. — Sklaverei 43, — Todteu-
bestattung 43. — Pileus 44. — Monatseiutheilung 45. - Sacral-
alterthümer 48. — Divi parentum et parentes 48. — Fortuna
49. — Haruspices 50. — Prodigien 51. — Defixio 52. — Christ-
lich-röm,ische Alterthümer 53.
Jahresbericht über die römischen Sta atsalterthümer
im Jahre 1880. Von Prof. Dr. Hermann Schiller in
Giessen 1 — 32
Die Staatsgewalt, Magistratur 1. — Die Bürgerschaft 6, — Die
Staatsverwaltung 22. — Organisation des Reiches 22. — Die Fi-
nanzverwaltung (Colonat) 23. — Militärwesen 26. — Rechts- und
Gerichtswesen 28.
Jahresbericht über die griechischen scenischen Alter-
thümer von Prof. Dr. N. Wecklein in Bamberg.
(Folgt im nächsten Jahrgang.)
Inhalts -Verzeichniss. V
Seite
Jahi^sbericht über naturgeschichtliche Alterthümer
Von Prof. Dr. Otto Keller in Prag 55—107
Allgemeines, Menschen, Thiere, Pflanzen, Steine, einschliesslich
Natursymbolik 55 — Wunderglauben 58. — Etymologisches 59
— Landwirthschaft 63. — Natursymbolik 65. — Urmensch und
Urthiere 75 — Verbreitung d^r Thiere 79. — der Pflanzen 98.
— Metalle 103.
Jahresbericht Über die exacten Wissenschaften im Alter-
thum von Gymnasial-Oberlehrer M. Curtze in Thorn.
(Folgt im nächsten Jahrgang )
Jahresbericht über die Mediciu bei den Griechen und Rö-
mern von Professor Dr. M. Selig mann in Wien. (Folgtim
nächsten Jahrgang.)
Bericht Über die griechische Epigraphik von Oberlehrer
Dr. H. Röhl in Berlin. (Folgt im nächsten Jahrgang)
Bericht über rö,mische Epigraphik von Gymnasialdirektor
Professor Hang in Mannheim. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
Jahresbericht über antike Numismatik von Dr. R. Weil
in Berlin. (Folgt im nächsten Jahrgang).
Bericht über griechische Grammatik von Professor Dr.
B. Gerth in Dresden. (Folgt im nächsten Jahrgang).
Jahresbericht über das Kyprische, Pamphylische und Mes-
sapische für 1879—1881. Vom Direktor Dr. W. Deecke
in Strassburg i. E '220—229
Kyprisch 220. — Pamphylisch 225. — Messapisch 228.
Jahresbericht Über die lateinische Grammatik für 1879
und 1880. Von Direktor Dr. W. Deecke in Strassburg
im Elsass , .... 183-219
Orthographie 183. - Orthoepie 184. — Lautlehre 186 — Sprach-
geschichte 189. — Bedeutungslehre 193. — Formenlehre und Syn-
tax 196. — Flexion 197. — Declination 199. — Comparation 202.
— Pronomina 204 — Conjugation 205. — Wortbildung 207. —
Etymologie 208. - - Casussyntax 210. — Numerus 214 — Adjec-
tiv-Pronominal- Adverbial-Syntax 214 - Partikellehre 215. —
Verbalsyntax 216. — Satzlehre 217. — Latinismen 219.
Jahresbericht über die italienischen Sprachen, auch
das Altlateinische und Etruskische für 1879 — 1881. Von
Direktor Dr. W. Deecke in Strassburg i. E. . . 230—247
Die alten Italer und Rom 230. — Altlateinisch 232. — Arval- und
Salierlied 236. - Faliskisch 237. — Umbrisch 237. — Oskisch
und Sabellisch 238. — Marsisch 240. - Etruskisch 241.
Bericht Über das Vulgärlatein von Oberlehrer Dr. E. Lud-
wig in Bremen. (Folgt im nächsten Jahrgang.)
VI Inhalts- Verzcichniss.
Seite
Jahresbericht über die griechische und lateinische Me-
trik von Oberlehrer Dr. R. Klotz in Leipzig. (Folgt im
nächsten Jahrgang.)
Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiet der antiken
Musik für die Jahre 1871) u. 1880. Von Oberlehrer Dr.
Heinrich Guhrauer in Waidenburg in Schlesien 168 — 182
Nachtrag zu 1878: 168. — 1879: 109. - 1880: 176.
Jahresbericht über lateinische Lexi cographie für 1881
und 1882 (Ende Juni). Von Prof. Dr. K. E. Georges
in Gotha 248-281
Aligemeines 248. — Spezialwörterbücher 249. — Sprachgebrauch
254. — Einzelne Schriftsteller 264.
Register über die drei Abtheilungen: 397-419
I. Register der besprochenen Schriften 397
II. Stellen-Register 410
Griechische Autoreu - 410
Römische Autoren 413
III ^Geographisches Register 418
i y///
Jahresbericht über die römischen Staatsalter-
thümer für das Jahr 1880.
Von
Prof. Dr. Heriiianii Schiller
in Giessen.
A. Die Staatsgewalt. Magistratur.
P. Willems, Le pouvoir imperial pendant le trois premiers siecles
de Fempire Romain. Revue de l'Instruction publique en Belgique.
Tome XXII. 4^ livraison. p. 251 — 73.
Der Verfasser stellt die kaiserliche Gewalt in kurzer und über-
sichtlicher Gruppirung dar.
§ 1 behandelt l'origine du pouvoir imperial, § 2 la transmission du
pouvoir imperial, § 3 la competence du pouvoir imperial, § 4 le pouvoir
imperial secondaire et l'exercice simultane du pouvoir imperial par deux
empereurs, § 5 la maison et la cour imperiale.
Wie bedeutend Mommseu's Staatsrecht auf die Darstellung ein-
gewirkt hat, zeigt eine Vergleichung mit den congruirenden Partien des
droit public romain von Willems.
Neues ist nicht in der Arbeit zu finden; S. 255 nimmt der Ver-
fasser gegen Mommsen an, die Armee habe bei der Kaisercrnennuug
keinfe rechtliche Mitwirkung besessen, wozu doch die Vorgänge nach
Aurelian's Tode nicht recht passen; an einigen Stellen bringt er kleine
Nachträge.
H. F. Pelham, Princeps or Princeps Senatus? The Journal of
Philology. Vol. VIII. No. 16. p. 323.
Der Verfasser legt zunächst aus Schriftstellern und Inschriften dar,
dass sie den Titel princeps senatus zur Bezeichnung der Stellung des
römischen Kaisers nicht gebrauchen — Dio stand unter dem Eindrucke
der Zeit des Pertinax, der den obsoleten und damals ungefährlichen (?)
Titel princeps senatus wieder hervorsuchte. Angustus konnte den Titel
princeps senatus gar nicht erstreben, da derselbe zu jener Zeit un-
Jahresbei-icht für Alterthumswissenschaft XXVIH. (1881. III.) • 1
2 Römische Staatsalterthümer.
politisch gewesen wäre — er hätte stets an die sullanische Restauration
oriiincrt; aber derselbe hätte auch nicht das Wesen der augustischen
Schöpfung bezeichnet, die ja eine Wiederherstellung der republikanischen
Verfassung, nicht der Senatsherrschaft sein wollte. Wahrscheinlich fand
Augustus die Idee eines Princeps schon vor, wie Pelham aus Cicero zu
erweisen sucht; wahrscheinlich war damit gerade das Vcrhältniss zu den
cives bezeichnet, wie dessen häufige Beziehung zu cives etc. bei Ovid,
Plinius, Tacitus etc. beweist. Die Stellung des Princeps konnte dem
Augustus als die Verwirklichung des Planes vorschweben, den er mit
dem Staate hatte, Wicdorherstcllnng der republikanischen Verfassung,
jedoch mit einer wirksameren Executivgewalt, als sie in der Republik
bestand.
Gottfried Ritter v. Rittershain, Die Reichspost der römi-
schen Kaiser. Virchow und Holtzendorfif, Sammlung gemeinverständl.
wissenschaftl. Vorträge. Serie XV. Heft 339. Berlin 1880.
Der Vortrag — den zu hören schwerlich Jemand die Geduld be-
sitzen möchte — enthält eine nicht einmal besonders übersichtliche
Gruppirung der bekannten Thatsachen. Es liegt also kein Grund vor,
hier näher auf denselben einzutreten.
P. Ciairin, De haruspicibus apud Romanos. Paris 1880.
Der erste Theil behandelt allgemeine Fragen: De divinitatis stu-
dio apud veteres populos, de divinatione apud Romanos, quid de divi-
natione haruspicibusque veteres scriptores senserint, quid de haruspici-
bus Christian!* senserint; wenn auch hier nicht Neues zu finden ist, so
ist doch namentlich die dritte Frage in ziemlich erschöpfender und lehr-
reicher Weise behandelt und hat als Zusammenstellung für den gewöhn-
lichen Gebrauch einigen Werth.
Der zweite Theil, haruspicum disciplina, bespricht in fünf Abschnitten
folgende Punkte: 1. Quid vox haruspex significet, 2. de libris ad haru-
spicum artera pertinentibus, 3. de fulminibus, 4. de prodigiis, 5. de sa-
crificiis ad cognoscendam voluntatem deorum factis. Zu 1. stellt der
Verfasser die verschiedenen Erklärungen zusammen; er selbst versucht
keine neue, sondern schliesst sich der von Breal (Acad. des Inscr. 11. fevr.
1876) an, wonach haru = exta sein soll. Bei 2. schliesst er sich in der
Hauptsache an 0. Müller an; sehr eingehend ist in 3.-5. so ziemlich
alles behandelt, was wir über den Gegenstand wissen.
Der dritte Theil giebt die Geschichte der Haruspicin (haruspicum
historia) in folgenden Theilen: qui fuerint haruspices apud Romanos,
quae eorum conditio, quid de eis praescriptum fuerit a) regibus regnan-
tibus, b) post exactos reges ad Augusti principatum, c) ab Augusti prin-
cipatu ad Coustantini aetatem, d) a Constantini aetate. Auch dieser Theil
ist eine recht brauchbare Arbeit und legt in durchaus befriedigender
Weise den Zustand der Haruspicin in den einzelnen Zeiträumen dar.
Magistratur. 3
Eine Untersuchung quid inter haruspices et quindecimviros s. f.
in interpretandis procurandisque prodigiis interfuerit bildet den Schluss
der im Ganzen gelungenen Arbeit.
Paul de Tissot, fitude historique et juridique sur la condition
des agrimensores dans l'ancienne Rome. Paris 1879.
In der Einleitung giebt der Verfasser eine Uebersicht über die
Litteratur über die Feldmesser; in den deutschen Arbeiten über diese
Materie erkennt er fleissige Untersuchung, geistvolle Einzelheiten, um-
fassende Gelehrsamkeit an, aber er vermisst die wünschenswerthe Klar-
heit und Präcision. Die Institution der Agrimensoren ist etruskischen
Ursprungs und trägt ursprünglich durchaus priesterlichen Charakter;
aber von der reichen etruskischen Agrimensoren -Litteratur sind nur
zwei Fragmente erhalten. Auch in Rom hat sie am Anfang diesen
priesterlichen Charakter gehabt und war mit der Augural -Disciplin in
engem Zusammenhang; aber später wurde sie von dieser Abhängigkeit
gelöst und von eigenen Praktikern geübt, die Cicero ziemlich ver-
ächtlich metitores, finitores, decempedatores nennt; die Periode der
Trennung lässt sich nicht genau bestimmen, fällt aber jedenfalls nach
den 12 Tafeln; der Verfasser ist geneigt die Entstehung einer eigenen
Praxis in die Zeit zwischen Sulla und Augustus zu setzen. Durch die
Vermessungsarbeiten des Kaiserreichs stieg die Bedeutung und Aestima-
tion der Agrimensores bedeutend, doch nimmt die Wissenschaft mehr
juristischen Charakter an; die Praktiker bildeten collegia mit bestimmten
Privilegien ; wohl zum Theil dadurch stieg ihr Ansehen immer höher und
sie erreichten schliesslich die Rangstufe der Spectabilität. Die hohe
Ehre, in welcher die Agrimensoren im Mittelalter standen, kann man
aus § 5 des ersten Capitels ersehen. Das zweite Capitel beschäftigt sich
mit den verschiedenen Arten der Mensores, Cap. 3 mit den Functionen
der Agrimensores, welche denen unserer Georaeter entsprachen und sich
gleichmässig auf den ager publicus und privatus bezogen. Dieser Ab-
schnitt zerfällt in mehrere Uuterabtheilungen: 1. Des agrimensores au
Service de l'fitat, in welchem die Limitation und Landaustheilung sowie
die Coloniegründuug ausführlich erörtert und mit instructiven Abbildungen
versehen ist, die Thätigkeit der agrimensores beim Kataster geschildert,
auch die Verwendung derselben bei Lagerarbeiten dargelegt wird. Die
zweite Unterabtheilung handelt des agrimensores au service des parti-
culiers (controversiae agrariae) nach den 15 Gesichtspunkten, welche die
rei agrariae scriptores dafür aufgestellt haben. Cap. 4 des bornes erör-
tert die schwierige Frage der Grenzbehandlung; der Verfasser beginnt
mit dem Culte des Terminus, entwickelt dann die Eintheilung der Gren-
zen (b. du droit public, b. du droit prive, b. du droit civil ou du droit
des gens) und die materiellen Mittel zu ihrer Bezeichnung sowie die
Bestrafung der Grenzverletzung. Im 5. Capitel berücksichtigt der Ver-
1*
4 Römische Staatsalterthümer.
fasser nocli die Honorare und die Verantwortlichkeit der Agrimensoren;
dabei kommen die Fragen in Betracht: wer hatte den Agrimensor zu
remuneriren, was bedeutet spccioll pulvcratica; der Verfasser entscheidet
sich mit Glück und liittcr für »Diäten«; das Rechtsmittel, welches dem
Agrimensor zur Verfügung stand, um seine Bczalilung zu erwirken, war
die cognitio extraordinaria. Der Absclmitt über die Verantwortlichkeit
zeigt, dass dieselbe nicht gering war, sich aber auf dolus oder schwere
Fehler beschränkte, dann aber verschiedene Rechtswirkungen zur Folge
hatte. Den Schluss bildet - Cap. 6 — l'enseignement de l'ars mensoria;
die Art der Ueberlieferung war zu verschiedenen Zeiten verschieden; bald
erhielten die Lehrer dieser Kunst — einer ars erudita — Privilegien
und Ehren aller Art; manche derselben gelangten zum Clarissimat und
Perfectissimat; man sieht, welchen Werth die Regierung auf die tüch-
tige Fortbildung der Wissenschaft legte. In einem Anhange behandelt
der Verfasser die lex Mamilia Roscia Peducaea Alliena Fabia; er giebt
im Wesentlichen eine Kritik der bestehenden Ansichten, unter denen
ihm die Rudorff's am meisten zusagt.
Rudolf Flex, Die älteste Monatseintheilung der Römer. Diss.
Jena 1880.
Der Verfasser findet keine der bis jetzt aufgestellten Erklärungen
über die Eintheilung der römischen Monate befriedigend. Er betrachtet
zu diesem Zwecke die von Plutarch und Lydus im Alterthura, von Ideler,
Mommsen, Ottfried Müller, Huschke in der Neuzeit gemachten Versuche,
von denen er* namentlich dem letzteren eine ausführliche Widerlegung
im Princip und in Einzelheiten zu Theil werden lässt.
Der Verfasser erweist nun zunächst zur Begründung seiner eigenen
Ansicht, dass wir es bei der Untersuchung des altrömischen Monats in
der That mit einem Mondmonat zu thun haben; er zieht zu diesem Zwecke
die allgemein indogermanische Zeitmessung herbei und will in dem Jahre
des Numa unverkennbare Spuren lunarer Einrichtung erkennen; ausser-
dem wird ausdrücklich von den Alten der altrömische Monat als lunarer
bezeichnet. Aber in diesen selben Nachrichten werden zwar überall die
Kaienden mit dem neuen Mondlicht, die Iden mit dem vollen Monde, nir-
gends aber die Noneu mit dem ersten Viertel in Verbindung gesetzt. Das
weist auf eine ursprüngliche Zweitheilung des römischen Monats nach
dem zu- und dem abnehmenden Mondlichte hin. Die nonae sind erst
später aus einer zu dem Monde und dessen erstem Viertel in gar keiner
Beziehung stehenden Veranlassung zu einem besonderen dritten Monats-
stichtage erhoben worden. Die nonae sind zweifellos, wie die Alten
schon theilweise richtig sahen, dies ante nonum idus, der jedesmal neunte
Tag vor dem Vollmondstage; sie werden dadurch nicht als etwas Beson-
deres, etwa mit dem Mondlichte im Zusammenhang stehendes, sondern
deutlich als etwas den übrigen Tagen vor den Idus Coordinirtes bezeichnet.
Magistratur. 5
Von Macrobius werden sie ausdrücklich von der Zahl der feriae ausge-
schlossen, zu denen kalendae und idus gehören, und während diese
Tage den Lichtgottheiten lupiter und luno geweiht waren und sich so
deutlich als die Tage des neuen und des vollen Mondlichtes herausstellen,
idüs auch deutlich eine Hindeutung auf den Vollmond enthält, waren die
nonae keiner Gottheit geweiht (Ovid. fast. 1 , 55. 57). Die Annahme
eines zweitheiligen Monats wird schliesslich von dem Verfasser noch durch
die Analogie der indogermanischen Zeitrechnuiig gestützt. Die Römer
haben so wenig wie die übrigen Indogermanen eine Mondwoche gekannt;
sie haben in älterer Zeit gar keine Bezeichnung für den Begriff Woche.
Der Verfasser greift hier sogar noch weiter, vermuthet, dass die Woche
nur bei solchen Völkern existire, welche durch Ebbe und Fluth auf die
Mondphasen zu merken veranlasst wurden, und will schliesslich für den
Ursitz der Indogermanen das Binnenland Asien's auch von dieser Seite
gewinnen; ja er glaubt, dass sogar aus der langen Unbekanntschaft der
Indogermanen mit der Ttägigeu Woche zu schliessen sei, dass sie ihre
Wanderungen im Wesentlichen zu Lande gemacht oder sich wenigstens
nie längere Zeit an Meeren aufgehalten haben, wo Ebbe und Fluth in
grösserer Stärke bemerkbar sind.
Am Ende stellt der Verfasser noch eine Vermuthung auf, aus wel-
cher Veranlassung und zu welcher Zeit die nonae ein besonderer dritter
Monatsstichtag geworden sind. Anknüpfend an Macrob. Sat. 1, 13, 18
bringt er die Einführung mit dem Geburtstage des Servius Tullius in
Verbindung; nach dessen Tode feierte das Volk in dankbarer Erinnerung,
da es nur den Tag (Nonentag), nicht den Monat der Geburt kannte, stets
diesen. Der Verfasser meint selbst, dass für die Lösung dieser letzten
Frage es offenbar auf eine glückliche Divination ankomme; die Divina-
tion steht da, Glück hat er offenbar mit derselben keines gehabt; denn
wer möchte glauben, dass je Jemand auf die Idee gekommen sei den
Geburtstag eines noch so beliebten Menschen alle Monate zu feiern?
V. Duruy, Formation d'une religion officielle dans l'Empire Ro-
main. C. R. des seances et trav. de l'Acad. des sciences moralcs et
polit. (Instit. de Fr.) 1880 Septembre - Octobre p. 328 ff.
In mitten der hohen Cultur der augusteischen Zeit vollzieht sich
das überraschende Schauspiel der Bildung einer Staatsreligion. Augustus
begann mit der Reinigung der Quellen der Staatsreligion, indem er die
Privatorakelbücher vernichtete, die sibyllinischen revidirte und von neuem
in Ansehen brachte. Auf die Priesterernennung gewann er entscheidenden
Einfluss, die Annalen wurden unter seinem Vorsitz wieder in Aufnahme
und Ansehen gebracht, alte Bräuche mit Sorgfalt wieder belebt. Die
Divination wurde für die Zukunft in strenge Schranken gewiesen, ägyp-
tische und jüdische Culte innerhalb des Pomoerium untersagt; eine Reihe
von neuen Tempclbauten gaben von dem religiösen Eifer des Kaisers
Q Römische Staatsalterthümer.
Kunde, und die Dichter mussten dieser Tendenz dienstbar werden. Aber
während Rcichthum und Glanz den grosseu Göttern des Capitols zu Theil
wurde, gehörte des Kaisers Herz den kleinen, den Lares, deren Dienst
von ihm organisirt wurde; die Priester der viel bildeten einen neuen
plebeischen Clerus unter den Priestercollegien der alten aristokratischen
Religion. Dabei war dieser neue Cultus ganz besonders geeignet das
Band zwischen Rom und dem Westen des Reiches zu verstärken; die
lares Augusti fanden überall Verehrung, die Augustalen, welche um die-
sen Dienst entstanden, werden eine höchst einflussreiche Körperschaft.
Wie hartnäckig dieser populäre Cult sich hielt, zeigen die Verbote des
Theodosius 392. Nach der Schlacht bei Actium trat der Genius des
Kaisers noch hinzu, er nahm Platz unter den Provincial- Göttern, die
durch Latinisirung ihrer Namen rasch verschwanden. Durch Beschrän-
kung des Legirungsrechts auf gewisse Götter wurden letztere ganz be-
sonders in den Vordergrund gestellt (Ulp. Lib. Regal. 22, 6). Aber über
alle trat der Kaisercult, das Abbild der Monarchie auf Erden; der Prie-
ster der Haupt-Verehrungsstätte, sacerdos ad aram und flamen provinciae,
war die erste Persönlichkeit der Provinz und hatte eine Art geistlicher
Gerichtsbarkeit über den Provincial-Clerus. Bald war der Cult der Roma
und der Augusti die wahre Reichsreligion; auf die Göttlichkeit der todten
Kaiser, auf den Genius der lebenden wurde der Eid gestellt. Da diese Prie-
ster in ihrer Heimath in der Regel Magistrate waren, ehe sie das Prie-
steramt erreichten, so blieb die Verbindung von Staat und Kirche auch
hierin gewahrt. Grossem Widerstände scheint die neue Religion nur in
Gallien und Jadäa begegnet zu sein. Duruy weist noch nach, wie die
Einführung dieses Kaisercultus durch andere Culte vorbereitet war und
wie man darin durchaus kein Criterium der Servilität allein erkennen
darf; wie es bei dem todten Kaiser in Rom etwas Natürliches war, so
verhielt es sich mit dem lebenden in den Provinzen. Die Schöpfung des
Augustus ist ein Meisterwerk. Freilich hat sie für eine Religion nur
kurzen Bestand gehabt; aber dafür war sie auch in erster Linie ein po-
litisches Werk; die Glaubenswärme und Begeisterung des Orients ver-
mochte sie weder zu erzeugen noch zu überwinden.
Die Bürgerschaft.
Wilhelm Soltau, Ueber Entstehung und Zusammensetzung der
altrömischen Volksversammlungen. Berlin 1880.
Der Verfasser will in seiner gründlichen und umfangreichen Schrift
feststehende Normen für die Zusammensetzung aller Comitien finden, das
Auftreten einer jeden neuen Gattung genügend motiviren, den staatlichen
Einfluss einer jeden den andern wie dem Senat gegenüber hinreichend
feststellen. In der Hauptsache hält er die durch Mommsen der altrömi-
Bürgerschaft. 7
sehen Verfassungsgeschichte gewonnenen Errungenschaften fest und ver-
theidigt sie namentlich gegen Clason und Lange; in einzelnen Punkten,
wo gegen Mommsen's Ansichten gegründete Einwürfe gemacht wurden,
sucht er eine befriedigende Lösung vorzubereiten. Wenn er dabei den
Grundsatz aufstellt bezw. wiederholt, dass jede Untersuchung von den
antiquarischen und staatsrechtlichen Berichten der alten Autoren auszu-
gehen habe, so wird er dabei geringen, jedenfalls weniger Widerspruch
finden, als in seinen Erörterungen über Methode und Disposition, deren
Berechtigung ihm die Gegner schwerlich zugestehen werden.
Der erste Abschnitt handelt von den Comitia curiata. Seit den
ältesten Zeiten eines römischen Staates fanden Versammlungen des römi-
schen Volkes, nach Curien geordnet, statt: die comitia curiata. Comitia
waren Versammlungen, zu welchen 1. das gesammte römische Volk in
einer seiner politischen Gliederungen geladen wurde, welche 2. nach Ein-
holung der Anspielen unter feierlichen Formen abgehalten wurden und
in welchen 3. eine Abstimmung vorgenommen werden durfte, ja soweit
sie nicht zu der besonderen Art der comitia calata d. h. den Comitien
gehörten, in welchen keine Abstimmung vorgenommen wurde, sogar vop^
genommen werden musste. Nie findet sich in staatsrechtlichen Formeln
eine Vertauschung der Begriffe comitia concilia contiones; somit kann
auch der von Niebuhr, Schwegler, Clason festgehaltene Begriff des con-
cilium populi kein staatsrechtlicher Terminus, und nicht gleich com. cu-
riata sein. Vor Servius Tullius gab es nur eine politische Eintheilung
des ganzen römischen Volkes in 30 Curien. Die daneben festgehaltenen
drei Stämme des Ramnes, Tilies und Luceres weisen auf eine vorstaat-
liche Zeit; diese Eintheilung bezieht sich nur auf die grundsässigen und
militärpflichtigen Bürger. Curia bezeichnet 1. ein Opferhaus, 2. die dazu
gehörige, vom Staate eingerichtete oder wenigstens recipirte Opferge-
meinschaft; zu den hier gefeierten Opfern hatten alle Bürger Zutritt;
jede einzelne Curie enthielt die durch Geburt und Abkunft einander
näherstehenden Bürgerabtheilungen — so will der Verfasser das genus
hominum des Laelius Felix (Gell. 15, 27, 4) verstehen. Er denkt dabei
an die Mitglieder einer Familie, einer gens, eines Stammes, eventuell
konnten bei Vergrösserung Rom's die Genossen eines incorporirten La-
tinergaues als ein eigenes genus hominum bezeichnet werden. Der Cu-
rienverband bezweckte aber nicht, wie Genz will, die Pflege der gcntes,
sondern im Gegentheil, wenn nicht die einzelnen Curien, so doch gewiss
die Curiatcomitien waren wesentlich dazu berufen, die Selbständigkeit
der gentes zu brechen und die Uebergrifl'e derselben unschädlich zu
machen; dies will der Verfasser hauptsächlich aus den noch in späterer
Zeit von den Curiatcomitien entschiedenen Fällen der Aufnahme oder
Ausschliessung aus einer gens, der detestatio sacrorum, der arrogatio
und einer bestimmten Testamentsart folgern. Alle diese Momente zeigen,
dass die comitia curiata das gesammte Volk ohne irgend welche Ein-
3 Römische Staatsalterthüraer.
schräukung enthielten. Gegen Ihering's Annahme, dass die Curie eine
dauernde Ileeresabtlieilung sei, sucht der Verfasser die rein bürgerliche
Bestimmung derselben zu erweisen. Gerade im Gegensatz zu den wesent-
lich sacralen und bürgerlichen Functionen der Curien war die Tribus-
eintheilung hauptsächlich für die militärischen Ordnungen massgebend.
Der Verfasser untersucht weiter, ob einer der Begriffe comitia, curia,
populus oder der Umfang des populus Komanus wesentliche Verände-
rungen erlitten habe, da nur, wenn letzteres der Fall wäre, neben seiner
Definition die gewöhnliche Annahme von ursprünglich patricischen Curien
sich erhalten könnte. Er erweist zunächst, dass nach der annalistischen
Tradition über die ersten fünf Jahrhunderte Nichtpatricier, namentlich
Clieuten — doch kennt die Tradition keinen Unterschied hierbei zwischen
Plebs und Clienten — Stimmrecht in den Curiatcomitien hatten und zwar
nach einstimmiger Angabe der Quellen für die republikanische Zeit, nach
allgemeiner Voraussetzung aber auch für die Königszeit. Eine radikale
Umgestaltung der Curien und Comitien wird durch die Ueberlieferung
nicht angenommen, auch der Begriff des popiflus hat keine Veränderung
erlitten, ist namentlich nie mit dem Patriciat identificirt worden. Diese
Resultate werden in gründlicher Widerlegung der entgegenstehenden
modernen Ansichten gesichert. Besonders der Einwand, dass der demo-
kratische Abstimmungsmodus der Curien mit dem Geiste der Zeit unver-
einbar sei, wird durch den Hinweis beseitigt, dass derselbe unbedenklich
war bei der geringen Competenz der Comitien, ihrer vollständigen Ab-
hängigkeit von den leitenden Beamten, von den religiösen Vorschriften
und der Geschäftsordnung, Wenn auch einige Klassen der freigeborenen
Bevölkerung, wie latini, foretes und sanates, kein Stimmrecht in den Cu-
rien hatten, so darf daraus nicht die Ausschliessung aller nicht adligen
Elemente aus den Bürgerbezirken gefolgert werden wollen; vielmehr Hesse
sich die Annahme rein patricischer Curien nur festhalten, wenn sich er-
weisen liesse, dass patrum auctoritas als Curienbeschluss genommen wer-
den dürfte und die Centurienordnung bei patricisch-plebeischen Curiat-
comitien unmöglich wäre.
Der Verfasser wendet sich im zweiten Abschnitte zur Untersuchung
der Patrum auctoritas. In einer wesentlich historisch-polemischen Unter-
suchung stellt er die patrum auctoritas und die lex curiata de imperio
als ganz verschiedene Acta dar und erweist nochmals, dass patrum
auctoritas kein Curienbeschluss sein könne; er ist mit Mommseu der
Ansicht, dass die Identification der Curien und der patres durch
zahlreiche und wichtige Gegenbeweise widerlegt sei. Im besonderen
werden im Folgenden die Ansichten von Schwegler-Clason und rectifi-
cirt von Rein -Peter und Lange widerlegt, welche patrum auctoritas in
einen engen Zusammenhang mit der lex curiata de imperio brachten oder
beide ideutificirten. Lange wird besonders berücksichtigt. Sein Beweis
für die Identität von patres und patres familiarum gentium patriciarum
Bürgerschaft. 9
wird zurückgewiesen; sollte diese gelten, so müsste Lange nachweisen,
weshalb gerade bei der patrum aiictoritas, beim Interregnum und bei
den auspicia publica populi Romani die filii familias nicht selbständig
waren, während sie souverän genug waren in den Curiatcomitien zu
stimmen, im Heere zu dienen, im Senat ihr Gutachten abzugeben, als
Magistrate eventuell den patres familias zu befehlen, als Richter ein Ur-
theil über alle Bürger zu fällen. Eine besondere gründliche Widerlegung
lässt der Verfasser der von Lange aufgestellten faniilienrechtlichen Grund-
lage des römischen Staatsrechts zu Theil werden, aus der die besonderen
Vorrechte der patricischen Familienväter hergeleitet werden sollen; nach
seinen Ergebnissen können die patres nicht ein Convent der patricischen
Familienväter sein. Nicht minder eingehend wird die grammatische und
rechtliche Seite der Lange'schen Hypothese vom patrum auctoritas wider-
legt; das Resultat des Verfassers ist, dass auctoritas weder grammatisch
noch rechtlich sich auf einen folgenden Comitialbeschluss beziehen könne.
Nun geht der Verfasser zur positiven Entwicklung seiner Ansicht über;
danach sind die patres und patricii des Interregnums und aller officiellen
Formeln (patres auctores fiunt, coeunt patricii ad interregem proden-
dura, ad patres res redit, penes patres auspicia sunt) der Patriciersenat,
bezw. die Patricier des Senats. Er kommt zu diesem Ergebnisse, indem
er nach einander folgende Fragen beantwortet: 1. Durch wen wird nach
den Urtheilen der besten und genauesten Quellen in historischer Zeit
ein Interregnum eingesetzt? Es wird an mehreren Stellen die den In-
terrex bestellende Versammlung der suffragia populi, dem comitiatus ent-
gegengestellt, von Appian als Senat, von Dio und Zonaras als die Patri-
cier im Senat bezeichnet. 2. Stehen diese Berichte, abgesehen von der
verschiedenen Deutbarkeit des Ausdrucks patricii, im Gegensatz zu den
zwar historisch werthlosen, staatsrechtlich aber wichtigen Darstellungen
der ältesten Interregen'? Nein. 3. Wer kann Träger der auspicia sein?
Es können nur die auspicia publica pop. R. gemeint sein; sie können
aus diesem Grunde keineswegs einem ganzen Stande, einer Corporation
zukommen und der Ausdruck des Cic. etc. auspicia penes patres sunto
kann lediglich bedeuten, dass die Fähigkeit, Träger der auspicia publica
populi Rom. zu sein, für eine U^bergangszeit weniger Stunden bei allen
zur Interregenwtirde qualificirten patres ruhte oder latent war; in Wirk-
lichkeit kam sie nur dem einen zu bestellenden Interrex zu. 4. Wel-
ches ist die staatsrechtliche Bedeutung von patres? Die ursprüngliche
Bezeichnung des rein patricischen Senats der Königszeit. 5. Welche
staatsrechtliche Bedeutung hat i)atricii? Es darf lediglich von einem
Theile des Senats verstanden werden, eben den patricischen Senatoren.
So war es der während der Königszeit rein patricische Senat, der sich
als Wächter der auspicia publica auch noch in republikanischer Zeit das
Recht, den Interrex aus sich zu bestellen, bewahrt hatte und den An-
spruch erhob, seine auctoritas den Gesetzen und den Wahlen entweder
10 Römische Staatsalterthümer.
zu verweigern oder zu gcwähreu. Unter dieser Annahme erklärt sich,
warum Interregnum und patrum auctoritas in der zweiten Hälfte der
Kepublik selten erwälmt werden; ersteres war mehr und mehr in Ver-
gessenheit gerathen und wurde nur noch in den Jahren vor Ausbruch
des Kampfes zwischen Cäsar und Pompeius von Beamten missbräuchlich
angewandt; letztere wurde werthlos, als die patrum auctoritas in incer-
tum comitiorum eventum gegeben werden musste. Um keinen Einwand
gegen sein Resultat übrig zu lassen, erweist alsdann der Verfasser, dass
während der Königszeit, so lange nur Patricier im Senate sassen, patrum
auctoritas und senatus consultuni nicht streng geschieden waren; die
fernere Frage, ob der Patriciersenat, da er nicht zu gleicher Zeit ein
Staatsrath oder ein Cassationshof sein konnte, ursprünglich dieses oder
jenes gewesen sei, wird im Sinne des consilium regium entschieden, das
dem Entschlüsse des Königs seine Auctoritas verleihen konnte, aber noch
nicht jene Magistrat und Volk verfassungsmässig einschränkende aucto-
ritas legum et magistratuum rechtlich besass, wie er auch schon oft bei
Fällen befragt worden sein mag, in denen später die patrum auctoritas
mit gesetzlicher Nothwendigkeit eintrat. Gegen Lange wird hier nach-
gewiesen, dass später zwar senatus in Formeln häufiger war als patres
und patres conscripti, jedoch durchaus nicht allein üblich. Schliesslich
zieht der Verfasser die Consequeuzen des Satzes, dass die patrum auc-
toritas mit den Curiatcomitien in keinem Zusammenhange stehe, für die
Geschichte des Senats. Danach kann, wenn seit Beginn der Republik
die patrum auctoritas verfassungsmässige Vorbedingung zur Gültigkeit
legislativer Velksbeschlüsse und comitialer Wahlacte war, der Beschluss
des Gesammtsenats gleichzeitig nicht dieselbe Bedeutung und Wirkung
gehabt haben Zwei Hauptfragen blieben bis jetzt unerledigt: 1. aus
welchen Gründen au Stelle der relativ demokratischen Zusammensetzung
der Curien der volksfreundlichste König der Sage eine neue Volksglie-
derung geschaffen habe, welche genau genommen alles politische Ueber-
gewicht in die Hand der höchsten Censusklasse legte? 2. Wie sich ein
zweifaches Recht des patricischen Senats, seinen uumassgeblichen Rath
vor dem Volksschluss zu ertheileu, nach demselben dagegen seine streng
bindende auctoritas auszusprechen oder zu verweigern, gebildet habe?
Die Antwort erhalten wir erst, nachdem die Entstehung der übrigen
Comitien untersucht worden ist, was im dritten Abschnitte zunächst mit
den comitia centuriata geschieht.
Der Verfasser eröffnet seine Untersuchung mit einer Musterung
der neueren Ansichten und kommt zu dem Resultate, dass sie alle, wie-
fern sie die politische Bedeutung der Centurienordnung zu erklären suchen,
im Widerspruch stehen mit der alten Ueberlieferung und mit der neuer-
dings von Mommsen, Genz, J. J. Müller versuchten militärischen Deutung
derselben. Die servianische Reform steht zunächst ausser allem Bezug
zu einer directen Besteuerung. Centuria und classis sind ursprünglich
Bürgerschaft. 1 1
militärische Namen; sie können aber nicht zu gleicher Zeit militärische
Körper, die nothwendig jeweils fest abgegrenzt waren, und Unterabthei-
lungen des populus universus bezeichnen, die nothwendig unbegrenzt waren,
Ihre Veränderung zu politischen Zwecken ist eine erst durch die aristo-
kratische Partei, welche die Revolution gegen Tarquinius Superbus durch-
führte, geschaffene Neuerung. Die von dem Verfasser des weiteren aus-
geführten sonstigen militärischen Seiten der Centurienordnung bestätigen
dies und zeigen evident, dass dieselbe vor allem eine Heeresorganisa-
tion war. Servius hat ein Corps von zwei Legionen formirt; die gleiche
Anzahl der centuriae seniorum und die centuria proletariorum , welche
wirklich politische Absichten des Gesetzgebers errathen lassen, sind spä-
tere Anhängsel und Modificationen, die mit der Zeit in Folge äusserer
Umstände durchgesetzt und für politische Zusammenkünfte verwandt wor-
den sind. Diese Annahme wird durch folgende Momente bestätigt: 1. bei
Livius und Dionysius tritt der politische Theil der servianischen Ver-
fassung nie in Wirksamkeit. 2. Von keinem Gesetz der Königszeit wird
die Annahme in Centuriatcomitien berichtet. 3. Es würde in der Königs-
zeit jede Competenz für die Centuriatcomitien gefehlt haben; die davon
abweichende gemeine Tradition ist vielfach getrübt und theilweise ten-
denziös entstellt. Ueber die Verwandlung des servianischen exercitus
in eine politische Einrichtung stellt der Verfasser mit Aenderuug von
Liv. 1, 60 iunioribus qui ultro nomina dabant in senioribus folgende Com-
biuation auf: Tarquinius war vom Heer der Gehorsam gekündigt, die
aristokratische Partei hatte beschlossen, die centuriae iuniorum d. h. das
vor Ardea liegende Heer zu gewinnen und durch dieses fortan die mili-
tärischen Oberbeamten wählen zu lassen, mit der einzigen Modificatiou,
dass die im Felde stehenden Compagnien durch die 40 + 10 + 10 + 10
+ 14 centuriae seniorum jeder Klasse verstärkt werden sollten. Diese
letzteren, von Brutus in's Lager geführt, hätten nach Tarquinius Flucht
die Stimmen des Heeres für diese Neuordnung zu gewinnen gehabt, wirk-
lich gewonnen und dann gemeinsam die erste Abstimmung des exercitus
entweder noch vor Ardea oder vor den Thoren Rom's vorgenommen.
Der Decemvirat führt weitere einschneidende Veränderungen herbei und
trennt in Rom Heer und Haupt -Bürger-Versammlung von einander; die
Centurien des Stimmhecres werden seitdem übercomplete Unterabtheilun-
gen des populus Romanus Quiritium. Dieser Umwandlung des alten
Heeres mit politischen Rechten in jene spätere allgemeine Bürgerver-
sammlung verdanken wir die vielfachen Doppelbezeichnungen wie exer-
citus-comitia centuriata, comitiatus maximus, praetor maximus (magister
populi), dictator, praetor consul, exercitum imperare-populum inlicium
vocare u. s. w. Die Heeresrevolution von 510 v. Chr. war aber mit an-
deren Verfassungsänderungen verbunden: die patrum auctoritas wurde
seitdem verfassungsmässige Vorbedingung aller Gesetze und Wahlcomi-
tien, die lex de imperio verblieb den Curien und damit dem Adel ein
12 Römische Staatsalterthimicr.
Mittel, um einer etwaigen Wiederholung einer Heeresrevolution entge-
gentreten zu können.
Im vierten Cai^itel »Manipularheer und Aushebung«, weist der Ver-
fasser zunächst nach, wie das neuformirte Manipularheer sich aus dem
servianischcn entwickeln koinite. Zu diesem Zwecke nimmt er zuerst
Stellung zu Liv. 8, 8, 7 - 8; in der ersten Stelle werden die Worte ordo
— habebat als Interpolation angesehen, ordines will er von den drei ver-
schiedenen acies ebenso gut wie von den Unterabtheilungen der dritten
acies verstanden wissen ; in der zweiten Stelle tritt er Mommsen's Ver-
werfung der Worte earum sex liomines crant bei. Die Berichte des
Livius und Polybius über die Mauipularordnung harmoniren in allen
wesentlichen Punkten; die zwischen beiden scheinbar bestehenden Diffe-
renzen erklären sich dadurch, dass Livius die verstärkte, Polybius die
normale Legion beschrieb. Der Bericht des Livius ist zwar sehr gut
(nach Entfernung der Interpolationen), aber selbst wenn er aus Cincius
stammt, so darf mau in ihm doch nicht eine Fundgrube von alterthümlichen
Kenntnissen suchen; die normale Legion ist vielmehr die des Polybius.
Mit ihr wird daher im Folgenden die Phalanx verglichen, nach ihr die
Veränderung des römischen Militärwesens bemessen, mit der einen Aus-
nahme, dass für die frühere republikanische Zeit an die Stelle der ve-
lites jedes Triariermanipels je ein vexillum der rorarii und der accensi
gesetzt werden. Die Differenzen zwischen der nah verwandten Phalanx
und Manipularheer beschränken sich auf vier Punkte: 1. Die erste Klasse
muss ihre Stellung in den ersten Reihen des Heeres aufgegeben haben.
2. xienderungen in der Bewaffnung. 3. Die Schlachtordnung muss anstatt
in 42 dicht nebeneinanderstehende Centurien später in 30 Manipel zu
120 oder in 60 Centurien zu 60 Manu, die getrennt von einander aufge-
stellt waren, getheilt worden sein und 4. abgesehen von einer Reserve,
die sogar schon zur Zeit der Phalanx abgetrennt worden sein wird, in
zwei Schlachtreihen, die hinter einander standen, gespalten sein. An
diesen vier Punkten wird nun nachgewiesen, dass die Mauipularordnung
ohne Härte aus der servianischen Centurienordnung hergeleitet werden
konnte; letztere war nur eine Heeresorganisation, die, als sie eine bür-
gerliche Verwendung erfuhr, allmählich in eine andere selbständige
Heeresordnung übergeleitet werden konnte, die, ihr anfangs nahe ver-
wandt, bald grössteutheils in Folge von taktischen Veränderungen so
umgestaltet wurde, dass die Aehnlichkeit beider vielfach verkannt worden
ist. Die Umwandlung erfolgte stufenweise, die ersten Theile fallen in
die Zeit des Decemvirats. Die politischen Rückwirkungen dieser Militär-
organisation, welche eine Präsenzstärke von vier Legionen gestattete,
waren bedeutend: Truppeuzahl und Tüchtigkeit der Soldaten nahmen zu,
die unteren Klassen wurden stärker zum Kriegsdienste herangezogen.
Die damit uothwendig verbundene Erhöhung der Militärausgabeu, nament-
lich auch die Soldzahlungen, führten zur Regelung des Staatshaushaltes
Bürgerschaft. 13
und zur Einführung des Bürgertributum d. h. zur Censur. Die Aus-
hebung des Heeres fand seit Alters nach Tribus statt, jede Tribus stellte
ursprünglich gleich viele Truppen sowohl absolut als relativ zu jeder Legion.
Es ist denkbar, dass durch Servius auch jeder Centurie gleiche Theile je-
der Tribus zugewiesen worden sind. Jedenfalls muss diese Ordnung aber
bei 21 Tribus oder wohl schon bei der von Mommsen postulirteu Zahl
von 20 Tribus umgeändert und an ihre Stelle die aus Polybius be-
kannte, lediglich nach militärischen Rücksichten übliche Bildung der
Unterabtheilungen des Heeres, welche getrennt von der Aushebung
stattfand, eingeführt worden sein. Zur Zeit der servianischen Hecres-
ordnung wurde die Aushebung mit Zuhülfenahme einer Aushebuugsliste
vorgenommen, welche die Tiibulen einer jeden Tribus zunächst nach
Klassen, dann nach dem Dienstalter geordnet enthielt. Nur so geordnete
tabulae iuniorum konnten für die Aushebung des servianischen Heeres
brauchbar sein. Bis auf Marius waren nur die fünf servianischen Klassen
dienstpflichtig; doch wurde der Begriff der Proletarier allmählich (späte-
stens seit 269 V. Chr.) auf die nicht unter 4000 As besitzenden, seit Ma-
rius noch weiter beschränkt. Die Aushebungsliste der servianischen Ord-
nung blieb auch bei der späteren Aushebung ex classibus in Verwendung
und zwar in unveränderter Gestalt. Seit der Centurienreform sind die
Listen der Centuriatcomitien nichts anderes als die tabulae iuniorum
seniorumque einschliesslich der Proletarierlisten: dieselben enthielten die
Dienstpflichtigen und hernach wenigstens Dienstfähigen und ausgedienten
römischen Bürger nach Tribus, Klassen und Dienstalter geordnet; diese
Centurienreform ist in die Zeit des Decemvirats zu setzen. Die gefun-
denen Resultate fasst der Verfasser selbst also zusammen. Die Cen-
turienordnung hat drei Entwickelungsphasen durchgemacht. Sie war an-
fangs eine Heeresordnung, sie wurde seit 510 n. Chr. mit Hinzuziehung
der seniores auch als comitia centuriata verwandt. Seit dem Decemvirat
wurden die comitia centuriata zugleich der comitiatus maximus, eine
allgemeine Bürger-Versammlung des populus Romanus Quiritium tribu-
tim censu aetate ordinibus descriptus. Stets beruhten sie also auf den
tribus und der tributim gebildeten Aushebungsliste. Mit dem letzteren
Satze tritt der Verfasser zu Mommsen in entschiedenen Gegensatz.
Mit der dritten Gattung der Volksversammlungen und ihrer Grund-
lage, den Tribus, beschäftigt sich der fünfte Abschnitt. Der Verfasser
stellt zuerst dasjenige zusammen, was so ziemlich allgemein anerkannt
ist. Die drei alten Stamratribus waren ursprünglich eine Eintheiluug
der römischen Feldmark und zugleich der römischen Altbürgerschaft.
Die Zugehörigkeit zu einem District war unabhängig vom Wechsel des
Wohnsitzes und — seit der Beweglichkeit der Immobilien — auch des
Grundeigenthums. Die an dieselben geknüpften Rechte und Pflichten
hafteten an der Person und vererbten sich auf ihre männlichen Nach-
kommen. Ebcndiesselbe ist von den Tribus der späteren republikaui-
j^ Römische Staatsalterthümer.
sehen Zeit auszusagen. Sie ruhten gleichfalls auf lokaler Grundlage und
auch mit ihnen waren alle politischen Rechte eines Vollbürgers verknüpft.
In beiden Eintheilungen ist die Einthcilung der Personen das sachlich
Massgebende und Bleibende. Der Verfasser geht nun zur Entwickelung
seiner Ansicht über, deren wesentliche Ergebnisse er im § 11 zusammen-
fasst. Von den drei Arten der Tribus, welche man in der späteren Re-
publik kannte 1. einem bestimmten Theile des römischen ager privatus,
2. allen in diesen Districten wohnenden Menschen, 3. der vererblicheu
Heimathsberechtiguug in einem solchen Districte, nach welcher die Stel-
lung im militärischen und bürgerlichen Heere bestimmt wurde und wel-
che eine Reihe von privatrechtlichen Vortheilen, das ius Quiritium, ver-
lieh, rauss Servius TuUius sowohl die erste wie die dritte Art geschaffen
haben, da er mit dem Eigenthum an Ackerland und Ackerwirthschaft
nicht nur ursprünglich, sondern fortdauernd die Dienstpflicht bei den
(im Uebrigen hierzu qualificirten) Eigenthümern verknüpft hatte. Vorbe-
dingung zum Eintritt in die Tribus war demnach vor Allem der Besitz
oder die Verleihung der Fähigkeit zum ius Quiritium, volle privatrecht-
liche Selbständigkeit. Dass weiter auch Eigenthum am ager privatus
eines Districts ursprünglich ebenfalls nothwendig zum Eintritt in die
Tribus war, ist sicher; denn nur durch dieses konnte ein Bürger in die
Centurien des Heeres eintreten, und eine Aufnahme in die Tribus wäre
von Seiten des Staats unmotivirt gewesen, so lange diese selbst nichts
weiter als Aushebebezirke waren. Gruudeigenthum war in der serviani-
schen Tribus Vorbedingung zum Eintritt in dieselbe, spätestens seit dem
Decemvirat mcht mehr. Stets müssen übrigens, auch wenn diese Vor-
bedingung später weggefallen wäre, Katasterbücher jedes Districts bei
Aufstellung der tabulae iuniorum und der Stimmlisten der Ceuturiatco-
mitien zu Grunde gelegt worden sein. Aus ihnen konnte hervorgehen,
in wie weit ein jeder mit Grund zur Dienstpflicht herangezogen oder
eximirt, zum Stimmrecht in den Centurien zugezogen oder zurückgewiesen
werden konnte. Ebenso wenig, wie aber ein Grundeigenthümer, der
einen Quirlten von seinem Ackergut verdrängt hatte, deshalb schon in
die Tribus eintrat, konnte auch die Zugehörigkeit zu einer Tribus, das
bürgerliche Recht, ex iure Quiritium zu handeln, bei Verlust des Grund-
eigenthums verloren gehen; das »nudum ius Quiritium« blieb. Dem-
nach waren zur Zeit des Servius alle Bewohner des ager Romanus, wel-
ch« Grundeigenthümer an demselben ex iure Quiritium waren, Mitglieder
der Tribus geworden: ausgeschlossen dagegen waren alle diejenigen,
welchen wegen eines andern Bürgerrechts oder bei mangelnder Freiheit
das ius Quiritium fehlte, oder welche nur Besitzrechte, sei es am ager
publicus oder an solchen Mobilien hatten, die nicht dauernd zur familia
gehörten. Alle andern Einwohner des römischen Gebiets — mit allei-
niger Ausnahme der filii familias in potestate patris, für welche die bür-
gerliche Stellung des Vaters entscheidend war — standen also ausserhalb
Bürgerschaft. 15
der Tribus. Diese Auffassung der Tribus genügt vollständig, so lange
dieselben Aushebebezirke für die römischen Legionen waren. In diesen
dienten nur Bürger und zwar nur die assidui s. locupletes d. h. die
grundsässigen, welche durch Servius nach der Grösse ihrer Güter und
ihres Viehstandes in fünf Aufgebote eingetheilt waren. Dagegen genügt
sie für eine Steuerordnung nicht; aber eine solche hat vor den Decemvirn
auch nicht bestanden. Denn tributura kommt nicht von tribus, wird nicht
von der Censur, nicht in jeder Tribus und nicht von ihren Vorstehern
erhoben, ist auch keine an den Grundstücken der Tribus haftende Grund-
steuer, sondern eine Personalsteuer, und die auf Grund des Tribuska-
tasters erfolgte Classificirung der Bürger steht im vollsten Gegensatze
zur Steuer- und Censurordnung. Nur ein Bedenken erhebt sich gegen
diese Auffassung, der Ausschluss der proletarii aus der Tribus, da eine
Bewegung der Plebeier seit 493 v. Chr. ohne die Betheiligung der pro-
letarii kaum denkbar ist. Der Verfasser bringt folgendes zur Beseitigung
dieses Bedenkens vor. Die Curien, welche omnes cives, und die Tribus,
welche omnes Quirites enthielten, deckten sich anfangs nicht. In den
tribus fehlten die cives proletarii, dagegen standen in ihnen viele Wehr-
pflichtige, welche in die sacrale Gemeinschaft des populus K,. XXX cu-
riarum keine Aufnahme gefunden hatten; dass der letzteren Klasse das
Stimmrecht in den comitia curiata fehlte, konnte in den Zeiten etruski-
scher Eroberer, welche die Thätigkeit aller Volksversammlungen sistirten,
nicht als eine niedere Rechtsstellung angesehen werden. Ersatz dafür
bot das ins Quiritium. König Servius oder richtiger ein etruskischer
Eroberer stellte neben die engere sacrale Gemeinschaft des populus XXX
curiarum die umfassendere der Wehrmänner (Quirites), beschränkte die
Thätigkeit der comitia centuriata und ersetzte curiale Acte durch civil-
rechtliche. Nachdem sodann nochmals gegen J. J. Müller die Zahl der
von Servius eingerichteten Tribus auf vier bestimmt und deren innere
Einrichtung dargelegt worden ist, giebt der Verfasser eine übersichtliche
Darstellung von Wesen und Zweck der gesammten servianischen Ver-
fassung. König Servius', des etruskischen Eroberers, Werk ist eine Heeres-
organisation, die Stiftung vermehrter Aushebebezirke, mit der eine Ver-
mehrung der leistungsfähigen Grundeigenthümer verbunden war, und die
Festsetzung eines gemeinen Landrechts für alle Wehrmänner; das waren
Rechte, welche dem gesunden Verstände des römischen Bauern ungleich
höher standen als actives Wahlrecht in einer Versammlung, die, wie das
servianische Heer, vollständig in der Hand der leitenden Beamten und
der Reichsten lagen. Rechte, die unendlich viel wichtiger waren als das
Stimmrecht in jenen alten Centuriatcomitien, in welchen Beamte und
Priester, adlige Grossgrundbesitzer mit ihrer Clientel und ihren Vorur-
theilen völlig den Ausschlag gaben. So kann er ein zweiter Gründer
Rom's genannt werden: er durchbrach die Einheit des sacraien römischen
Gemeinwesens, indem er daneben die umfassendere Einheit derjenigen
16 Römische Staatsalterthtimer.
setzte, welche das ius Quiritium hatten. Allerdings gab er damit den
Anstoss zu der bald erfolgenden Ersetzung des Comitiats des p. R.
XXX curiarum durch den populus R. Quiritium; aber beabsichtigt war
dies nicht.
Im sechsten Abschnitt werden die Veränderungen der servianischen
Tribus dargelegt. Die Aufnahme der Proletarier fand nicht, wie Momm-
sen annimmt, durch App. Claudius statt — denn die Ueberlieferung be-
zieht sich hier nur auf Libertini — sondern ist spätestens seit dem De-
cemvirat vorhanden. Spuren dieser Veränderung zeigen sich in der Ver-
mehrung der Tribus von 4 auf 20, die nur bei einer grossen Vermeh-
rung der Grundeigenthümer denkbar ist, und in der Durchführung des
cassischen Ackergesetzes, dessen Bewegung sich wohl nur durch die
Wünsche der Proletarier erklären lässt, Grundeigenthura zu gewinnen,
in eine Tribus zu gelangen und des ius Quiritium theilhaftig zu werden.
Aber es ist auch mehr als wahrscheinlich, dass die plebeischen Tribus-
versammlungeu, welche das Recht hatten, neue Mitglieder in die Tribus
aufzunehmen, von diesem Rechte zu Gunsten der proletarii Gebrauch
gemacht haben. Mit dieser Deutung der Vermehrung und Erweiterung
der tribus ist auch eines der wichtigsten Motive des ältesten römischen
Ständekampfs aufgedeckt. Die Proletarier müssen damals Grundeigen-
thum und ius Quiritium verlaugt haben, das Streben nach voller privat-
rechtlicher Selbständigkeit, nach sicherer Ausübung des ius Quiritium
und nach Schutz der persönlichen Freiheit, der Wunsch, die auf die
Sitte und sacrale Ordnungen sich stützende patronatische Bevormundung
abzustreifec, war eine der wichtigsten Triebfedern der ersten Secession.
Aber wichtige politische Rechte hat die Secession der plebs nicht
verschafit. Denn erst die lex Publilia Voleronis führte concilia plebis
ein, sie erst gab den Tribunen das ius cum plebe agendi. Vorher sind
in den concilia plebis Criminalurtheile , legislative Beschlüsse oder Tri-
buneuwahlen nicht vorgenommen worden; bis zur lex Publilia haben die
Tribunen ihre Nachfolger cooptirt. Von allen Errungenschaften der se-
cessio ist ferner nur die Stiftung des ius auxilii der Volkstribunen, der
Volksädilen und plebeischer Richtercoilegien authentisch. Die wichtigste
dieser Errungenschaft ist das Volkstribunat, das anfangs nur geringe
Competenz besass und nur zum Schutze einzelner Bürger und ihrer per-
sönlichen Rechte, nicht zur Ausübung weitgehender politischer Befugni'-s
gestiftet war; die weitere Ausschmückung der secessio ist meist späte
Erfindung. Von den tribus der Nachdecemviratzeit waren ausgeschlossen
1. alle nicht kriegsfähigen Römer (Weiber und Kinder), 2. alle nicht
in Rom heimathsberechtigteu (latini, socii, peregrini), 3. die municipes,
welche nicht zum Dienst in römischen Tribus-Legionen berech^'-^^^^'varen,
4. Unfreie, servi et qui in libertate morabantur, nicht dagegeri .. ''•^i-
als solche und nicht die tribu moti, die kein Censor aus allen Tribus
ausstossen, sondern nur in eine andere (städtische) Tribus versetzen
Bürgerschaft. ] 7
konnte. Der Naclitheil, welcher den von letzterer Strafe Betroffenen
traf, war factisch ein schlechteres Stimmrecht. Wer in seiner tribus
getilgt war, fehlte zugleich auf den tabulae iuniorura, d. h. seine Dienst-
zeit wurde cassirt, und er verlor das Stimmrecht in seiner Tribuscen-
turie, oft im comitiatus raaxiraus überhaupt. In letzterem Falle musste
er mit den municipes (Caerites) Dienste leisten, ohne Sold.
Der serviauische Census wird im siebenten Abschnitt besprochen.
Es geschielit dies wesentlich in polemischer Weise gegen die Vertreter
der Ansicht, welche mehr die finanziellen Seiten des Census hervorhebt.
Speziell gegen Mommsen's Ansicht, dass die Steuerliste die erste und
hauptsächlichste sei, und deren Begründung, dass von dieser Hauptliste
nicht allein die capite censi, sondern auch die filii familias in potestate
patris, welche nicht steuerten, ausgeschlossen waren, sucht der Verfasser
folgende vier Thesen zu begründen: 1. Kein mannbarer Wehrmann (Qui-
ris, tribulis) war von dem censorischen Ladebefehl und damit von der
censorischen Hauptliste ausgeschlossen, wohl dagegen alle Frauen und
Kinder der Bürger, sowie sämmtliche Halbbürger, Bundesgenossen und
Fremde. 2. Demnach war weder die Steuer- noch die Aushebungsliste
die censorische Hauptliste; dies war vielmehr diejenige der mannbaren
Bürger, soweit sie dienstberechtigt waren. 3. Jeder Declarant hatte
Namen, Alter, Tribus, Familienverhcältnisse, Zahl der geleisteten Dienst-
jahre, Umfang des Eigenthums anzugeben und die speziell darauf be-
züglichen Fragen der formula census zu beantworten. Nach diesen An-
gaben konnten die Listen für Tribusversammlungen aufgestellt, nach
ihnen die tabulae iuniorura revidirt und dann als Resultat beider der
exercitus quinquennalis (centuriato), welcher zur Lustration befohlen
ward, aufgestellt werden. 4. Erst später und getrennt von diesen Listen
wurden unter censorischer Aufsicht von Gehülfen derselben (iuratores)
Erhebungen über das Vermögen und die nach der formula census für
die Besteuerung wichtigen Verhältnisse aller Einwohner angestellt. Durch
sie sollte in erster Linie die Steuerkraft der Nicht -Quirlten bemessen
werden, und dementsprechend sind seit dem Decemvirat wohl nur die
beiden Listen der aerarii, welche aes dauernd zahlten, und der orbi et
orbae, deren Besitzthum nur vorübergehend (zum aes equestre) steuer-
pflichtig war, aufgestellt worden. Bald aber mussten die letztgenannten
Verzeichnisse noch in zwei anderen Beziehungen von Werth werden, näm-
lich einmal für die ausnalimswcise steuerpflichtigen, die Tribut zahlen-
den Bürger u.id "odann für eine Zusammenstellung der zwar dienst-
pflichtigen, aber nicht vollberechtigten Halbbürger (caerites). Besondere
Berücksichtigung verdient der Verfasser bei dem Nachweis, dass die
'^'""■^"' en nicht durch Addition der censorischen Hauptliste oder
utiL labuiac iuniorum entstanden sind, sondern die Gcsammtzahl des
exercitus urbanus quinquennalis, der Mitglieder der rcformirten Cciituriat-
comitien, geben, gegenüber der Ansicht Mommsen's und Beloch's über die
Jahresbericht Tür AUcrlhumswisscnscIiurt XXVUI. (iS8i. 111.) O
18 Römische Staatsaltorthiimer.
Zahlen der Wehrfähigen bei Polybius 2, 13, welche verworfen wird. Spe-
ziell der Zusatz praeter orbos orbasque ist erst in spät republikanischer
oder augustischer Zeit aufgekommen, nachdem die socii Bürger gewor-
den, die Liste der cives sine suff'ragio durch Ertheilung der vollen Ci-
vität an alle Bürger in Wegfall gekommen war und bei der Zählung
ein anderer Modus beobachtet wurde. Der servianische Census bestand
also in einer Katastrirung des Grundcigcnthums und einer Anfertigung
von tabulae iuniorum. P]ine aestimatio in Geld fand frühestens seit
der Censur statt, ebenso erst seit ihr eine lustratio und eine directe
Besteuerung ex censu.
Abschnitt 8 die servianische Steuerorduung. Zunächst legt der
Verfasser dar, dass Servius allerdings bereits eine direkte Besteuerung
eingeführt, aber diese im Gegensatz zu dem auf die Vollbürger mit spä-
ter rcpartirten tributum civium Romanorum auf die Nicht -Tribulen ge-
legt hat; dies war das aes der aerarii. Zu letzteren gehörten die mit
einer nota belegten Tribulen, alle auf römischem Gebiete vorhandenen
municipes socii und peregrini, soweit sie nicht durch specielle Privile-
gien von der Steuerzahlung befreit waren; ebenso gewöhnlich die liber-
tini mit Ausnahme derjenigen, welche in quiritischera Eigenthura römi-
scher Vollbürger gestanden hatten und testamento, censu, vindicta manu-
mittirt waren und in die Tribus aufgenommen werden konnten. Vor
Appius Claudius sind selbst die feierlich Freigelassenen nicht oder doch
nur ausnahmsweise in die Tribus aufgenommen, wenn man nämlich die
Zahl der Militärpflichtigen in den Landtribus vermehren wollte, oder
nur in dio städtischen Tribus, was die Regel war ; in beiden Fällen hatten
sie alle Rechte mit den übrigen Tribulen gemein. Die Aerarier haben
bis zum Decemvirat nur eine Kopfsteuer bezahlt, nach dieser Zeit eine
Steuer ex censu, aber einen höheren Procentsatz als die Tribulen; der-
selbe betrug mindestens 3 pro Mille. Steuerpflichtig war in Rom von
Immobilien nur der ager privatus Romanus, von Mobilien alle auf römi-
schem ager privatus und publicus befindlichen Gegenstände, von den in
den Provinzen befindlichen Besitzgegenständen römischer Bürger nur
die, welche nicht unmittelbar zum Wirthschaftsinventar der dortigen
Güter gehörten. Die Aerarier als solche waren nicht dienstpflichtig, da
für die Heerespflicht nur die tribules assidui, proletarii Caerites und
socii navales in Betracht kamen. Steuerpflicht und Dienstpflicht sind
nicht congruent, also auch die proletarii tributpflichtig, soweit sie nicht
capite censi, d. h. wegen Armuth steuerfrei waren.
Der letzte Abschnitt »patres und plebs vor der Secessio« bildet eine
Ergänzung zu dem Resultat des ersten, wonach die plebs Stimmrecht
in den Curiatcomitien besass, insofern nachgewiesen wird, dass das
Patriciat zu keiner Zeit allein die Altbürgerschaft gebildet haben könne.
Die Gründe, mit welchen den Clienten und Plebeiern das volle Bürger-
recht abgesprochen wird, ersteren weil ihnen als einer Art von besser
Bürgerschaft. ] 9
gehaltenen servi gentilicii die volle Freiheit und namentlich die volle
privatrechtliche Selbständigkeit gefehlt habe, letzteren, weil die Patricier
allein alle sacralen und ausserdem manche wichtige bürgerliche Rechte
vor ihnen voraus gehabt haben sollen, sind nicht stichhaltig. Die dien-
ten sind stets durch die Bande der Sitte und der Religion mit ihren
Patronen verbunden gewesen; aber schon im servianischen Rom sind
sie als solche nicht mehr in völliger privatrechtlicher Abhängigkeit, ohne
eigene Rechtsfähigkeit, ohne Gruudeigeuthum gewesen; in staatsrecht-
licher Stellung sind sie mindestens seit Servius der nicht in Clientel
stehenden Plebs gleichgestellt; alle Gesetzesbestimmungen begreifen die
Clientel in dem Namen der Plebs mit ein. Die Plebeier besitzen, wie
bekannt, die wichtigsten bürgerlichen Rechte (Dienstpflicht -Angehörig-
keit zu den tribus, Grundeigenthum, Rechtsfähigkeit, Erbrecht); so könnte
ihnen das Stimmrecht in den Curien nur dann abgesprochen werden, wenn
die Patricier in der That wesentliche andere bürgerliche Rechte vor der
plebs vorausgehabt hätten. Nun stand aber schwerlich das Recht auf
Beamten-, Senatoren-, Richter- und Priesterstellen dem Patriciat in der
Königszeit ausschliesslich zu; wäre dies aber auch der Fall, so bildete
dieses Recht so wenig wie das ins gentiliciura einen wesentlichen Theil
des Bürgerrechts, da bei keinem Volke die Adelsrechte zum Bürger-
recht gehören. So bestanden das römische Volk und der älteste Coraitiat
desselben, die concilia curiata, stets aus Adligen und Gemeinen. Wenn
nicht alle der in die erweiterte Gemeinde der » Wehrmänner « aufge-
nommenen Mitglieder sogleich in die sacrale Gemeinschaft des pop. XXX
curiarum eintraten, so darf man diesen Umstand doch nicht zur Leug-
nung patriciscb-plebeischer Curien benutzen. Die Gegensätze von Alt-
und Neubürgern, Curialen und Nicht-Curialen decken sich nicht mit den
Gegensätzen von patres und plebs.
Das gewonnene Resultat sucht der Verfasser noch durch allge-
meine Erwägungen zu stützen. Selten oder nie bestand eine Gemeinde
bloss aus adligen Geschlechtern; auch glaubt er, dass sich nur aus sei-
ner Annahme das Wesen aller römischen Volksversammlungen klar und
einfach ermessen lässt. Allmählich treten nach Ausgleich der religiösen
Gegensätze von Alt- und Neubürgern auch letztere in die Curien ein;
dieser Vorgang war aber politisch unwichtig und unwesentlich für den
Ständekampf. Die attische Verfassung bietet maiinichfachc Analogie zur
römischen Entwickelung, die Abweichungen glaubt der Verfasser eben-
falls leicht bei seinen Annahmen erklären zu können.
Anhang I stellt die Volksabthcilungen, Anhang II die servianischen
Censussummen dar; ein Register erleichtert den Gebrauch des umfang-
reichen Werkes (675 S.).
Wir mussten es uns bei dem grossen Umfange des Werkes meist
versagen, in die Untersuchung selbst einzutreten; eine Erörterung der
überall gründlich gestützten Ansichten kann hier noch weniger in Be-
2»
20 Römischo Staatsalterthümer.
tracht kommen. Der Verfasser wird selbstverständlich nicht Alle zu
seinen Ansichten bekehren, da auch er allerlei Subiectivitäten gegenüber
der Tradition zulassen muss; aber allgemein wird man ihm das Zeug-
niss ertheilen müssen, dass seine Kenntnisse gründlich und umfassend,
seine Deduction conscquent und seine Resultate, wenn man sich über
einige Grundfragen mit ihm einigen kann, wohlbegründet sind. Seit
langer Zeit hat die Arbeit die Untersuchung dieser Fragen wieder ein-
mal im grossen Stile aufgenommen; so wird sich naturgeraäss die Litte-
ratur der nächsten Zeit um sie gruppii'en, zu ihr Stellung nehmen müssen.
Die Anordnung hätte einfacher und klarer sein können; jetzt ist der
Verfasser zu zahlreichen Wiederholungen und Zerreissungcn gezwungen,
welche die Durcharbeitung seines Buches nicht erleichtern.
Ignaz Blascl, Die allmähliche staatsrechtliche Comi^etenzerwei-
terung der Tributcomitien durch das dreimalige gleichlautende Gesetz:
ut quod tributim plebs iussisset, omnes Quirites teneret. In Fest-
schrift zur Begrüssung der XXXIV. Versammlung deutscher Philolo-
gen und Schulmänner zu Trier überreicht im Namen der XVI. Vei'-
sammlung rheinischer Schulmänner. Bonn 1879.
Bis zum Jahre 448 galt es als Usurpation in den Tributcomitien
allgemeine Staatsangelegenheiten zur Erörterung und zur Beschluss-
fassung zu bringen; mit diesem Jahre erlangen sie die ausdrückliche
Befugniss hierzu. Die bekannte Bestimmung ut quod tributim etc. über-
setzt der Verfasser »Alle Beschlüsse der Plebeier in Tributcomitien ge-
fasst, sollten Seitens der Patricier respectirt werden« und versteht dies
so: es wurde staatsrechtlich festgesetzt, »dass die Patricier die Sonder-
versammlungen der Plebeier, falls sie nicht mit der Staatsgewalt in Coil-
flict gerathen wollten, nunmehr achten und ungestört ihre Verhandlun-
gen vor sich gehen lassen mussten«. Der Verfasser meint, das Mittel
habe auch geholfen, Berathungen und Beschlussfassungen verliefen von
nun an ruhig, wozu allerdings wohl ein weiteres Moment noch beigetra-
gen haben mochte: die rechtlich zugestandene Anwesenheit von Patri-
ciern in den plebeischen Comitien oder vielmehr in den jenen voran-
gehenden Centurien«. Zweierlei tritt sofort gegen die Theorie entgegen:
1. der Verfasser sagt selbst, die religiöse Verfluchung der leges sacratae
habe factisch kaum grosse Wirkung gehabt; ist anzunehmen, dass die
Stellung der Verhandlungen »unter den Schutz des bürgei'lichen Straf-
rechts« wirksamer war? Wer hatte dann die Execution? nicht daran
scheiterten die Verfluchungen der leges sacratae, dass sie den Frevler
nicht schwer genug trafen, sondern dass die Execution unterblieb. 2. War
es nicht das sonderbarste Mittel von der Welt, wenn man die Plebeier-
versammlungen vor den Störungen durch Patricier schützen wollte, die-
sen letzteren die Assistenz — nach einer Anmerkung glaubt der Ver-
Bürgerschaft. 21
fasser sogar die rechtliche Theilnahme, d. h. Betheiliguug an der De-
batte uud Beeinflussung der Abstimmung — zu gewährleisten? Der ge-
sunde Menschenverstand würde sich doch unbedenklich für den entgegen-
gesetzten Weg entscheiden müssen, und dieser, niciit staatsrechtliche
Tüfteleien, bestimmt doch in der Kegel die erste Entwickelung eines
Volkes. So kann der Verlauf nicht so gewesen sein, wie ihn der Ver-
fasser darstellt; doch liegt der Grundirrthum in seiner Auffassung des
Verhältnisses von Patriciern und Plebeiern überhaupt. Es ist wahr, der
Verfasser giebt »in zweiter Linie « dem valerisch - horatischen Gesetze
noch eine weitertragende Bedeutung »durch dasselbe erhielten die Tri-
butcomitien aller Wahrscheinlichkeit nach die rechtlich anerkannte Be-
fugniss, über allgemeine Staatsangelegenheiten zu berathen und zu be-
schliesseu; bei derartigen Berathungen wurde nun wohl auch vielfach
Patriciern eine berathende Stimme gestattet«. Aber was fügt er hinzu:
»Rechtliche Geltung erhielten die Tribusbeschlüsse allerdings erst durch
Zustimmung des Senats, vor allem aber erst durch Zustiunnuug der Cu-
riatcomitien«. Wie hat sich der Verfasser hier zunächst das »vielfach«
gedacht; wer entschied hierüber; musste diese Frage, in das Belieben
irgend eines, gleichviel welches Menschen, gestellt, nicht eine fortwäh-
rende Quelle neuen Haders werden? Und was wird unter den nachfol-
genden Clausein aus der »rechtlich anerkannten Befugniss«? Doch auch
dies ergiebt sich als die Folge seiner Gruudausicht über das Verhältniss
von Patriciern und Plebeiern.
Durch die publilischen Gesetze 1. ut plebi scita omues Quirites
teuereut, 2. ut legum quae comitiis centuriatis ferrentur, ante inium
sufiragium patres auctores fierent wurde 1. »die bisher vielfach gebräuch-
liche, ebenso oft aber bestrittene Praxis: den Tributcomitieu Staatsan-
gelegenheiten zur ßerathung uud Beschlussfassung zu unterbreiten« als
gesetzlich hingestellt, die Patricier erhielten in den Tribus jetzt wahr-
scheinlich das sufiragium, 2. »die Competenz der Centuriatcomitien wurde
erhöht, indem sie zur völlig selbständigen, höchst entscheidenden Ver-
sammlung erhoben wurden«. Der Verfasser hat mit S. 22 eine unfrei-
willige Kritik seiner Ansicht über das valerisch -horatische Gesetz ge-
geben, indem er eine Reihe von Folgen aufzählt, die wohl ebenso viele
staatsrechtliche Unklarheiten genannt werden können. Natürlich sind
bei den publilischen Gesetzen die patres die Curien; »der Kaufpreis, in
welchem die Patricier den Plebeiern die staatsrechtliche Anerkennung
der publilischen Verfassungsänderung zugestanden, war dass die Tribut-
comitieu von jetzt ab unter Beobachtung von Anspielen abgehalten
wurden«.
Das horteusische Gesetz endlich bestimmte, dass die Beschlüsse
der Tributcomitieu von nun an sofortige Gesetzeskraft erhalten sollten,
unabhängig von dem Widerspruche oder der Zustimmung der Curien;
22 Römische Staatsalterthümer.
damit wurde die Volkssouveränität in legislativer Beziehung unbedingt
anerkannt«.
Wir bezweifeln, dass die Resultate des Verfassers grossen Beifall
finden werden.
B. Die Staatsverwaltung.
1. Organisation des Reiches.
Edgar d Marx, Essai sur les pouvoirs du gouverneur de province
sous la rcpublique Romaine et jusqu'a Diocletien. Paris 1880.
Im ersten Capitel giebt der Verfasser die grundlegenden Begriffe
imperiura, provincia etc., im zweiten stellt er die militärischen und Ver-
waltungsbefugnisse des Statthalters, im dritten die finanziellen, im vier-
ten die Leitung der öffentlichen Arbeiten, im fünften die rechtliche Ge-
walt dar. Cap. 6 handelt von der Verantwortlichkeit des Gouverneurs.
Der Verfasser kennt die neuere Litteratur; Mommsen's Staatsrecht hat
er gründlich benützt. Neues bietet die Untersuchung nicht, Klarheit
und übersichtliche Darstellung kann man ihr nicht absprechen.
V. Duruy, Fragment dune etude sur l'admiuistration provinciale
d'Auguste. Revue critique 1880. No. 10.
So weit sich aus dem Referat dies ersehen lässt, trägt Duruy nur
Bekanntes vor. In der sich an sein Expose knüpfenden Discussion wird
von Egger festgestellt, dass sich eine Art Posteinrichtung schon in der
Republik finde in einer von Fronte citierten Catostelle. Desjardins und
Duruy behaupten, nach einer Inschrift von 122 n. Chr. habe es in ganz
Italien einen Postdienst gegeben, in den Provinzen einen solchen der
Staatspächter. Alle diese Dinge sind längst bekannt (Hudemann, Gesch.
d. röm. Postv/. S. 8 ff.). Bezüglich des Catasters behauptet Perrot, der-
selbe habe in der ganzen Kaiserzeit, auch im Orient, bestanden und die
Erinnerung an diese Thatsache sich bis heute erhalten. Er habe bei
Fragen nach topographischen Dingen oft die Antwort erhalten, das könne
er auf Marmortafeln in Konstantinopel finden. Henzey fügt hinzu, dass
thessalische Karten des 14. Jahrb. beweisen, dass noch zu dieser Zeit
ein eingerichtetes Catasterwesen existirte mit Specialbeamten für diesen
Dienstzweig.
In No. 11 ist eine Fortsetzung dieser Studien Duruy's enthalten.
Er bespricht darin die religiöse Einigung der Provinzen durch den
Kaiserkult, speciell die Ausrottung des Druidismus in Gallien auf die-
sem Wege. An diese Beobachtung schliessen sich uaturgemäss die Pro-
vinciallandtage an, ebenfalls speciell wieder die Galliens. Er erblickt
darin die Anzeichen eines Repräsentativsystems im Alterthum, dies ist
ja bekannt genug; aber vielleicht ist er zu dieser Ansicht hauptsächlich
durch die Betrachtung bewogen worden, dass diese Versammlungen das
Organisation des Reiches. Finanzverwaltung. 23
Recht der Anklage gegen den Statthalter hatten; dass sie es häufig
geübt und oft Erfolg gehabt haben, hat zwar Duruy behauptet; es dürfte
ihm aber schwer werden, diesen Beweis zu liefern; leider war so ziem-
lich das Gegentheil der Fall; die Inschrift von Torigny hätte dafür lehr-
reich sein können. Auch das wird nicht zu bestreiten sein, dass sich
freiheitliche Elemente genug im Kaiserreiche vorfanden ; dass die Kaiser
dieselben nicht weiter entwickelten, ist sicher ein grosser Fehler ge-
wesen; aber ob dies sich so einfach hätte bewerkstelligen lassen, wie es
nach Duruy's Darstellung erscheint, wäre eine andere Frage.
Ludwig Friedländer, Städtewesen in Italien unter den römi-
schen Kaisern. Deutsche Rundschau 5, 202 if.
Der Verfasser bespricht in bekannter anziehender und gründlicher
Weise nach einander das Aeussere, die Verfassung, das Ständewesen,
Einnahmen und Ausgaben, öffentliche Wohlthätigkeit, Vergnügungen und
Leben der Provincialstädte. Ueberall zeigt sich die völlige Beherrschung
des Stoffes, wie das nicht anders von Friedländer zu erwarten ist; so
bat der Aufsatz auch ohne gelehrten Apparat wissenschaftlichen Werth.
2. Die Finanzverwaltung. (Colonat).
Th. Mommsen, Decret des Commodus für den Saltus Buruni-
tauus. Hermes 15, 385 ff.
In dem Commentare zu einer in Suk el Khmis auf der Strasse
von Karthago nach Bulla gefundenen Inschrift giebt Mommsen einen
Beitrag zur Kenntniss des Colonats. Das Dokument ist eine an den
Kaiser Commodus gerichtete Eingabe der beschwerten Pächter des
Saltus Burunitanus über die kaiserliche Domänenverwaltung, an die die
kaiserliche Randantwort, wahrscheinlich zwischen 180 — 183, sich an-
schliesst. Der Saltus ist eine von der municipaleu Districtseintheilung
eximirte, unter dem Verwalter des Gutsherrn stehende Herrschaft; ein
grosser Theil der afrikanischen saltus war kaiserlicher Besitz. Die Be-
wohner dieser Herrschaften sind in der Hauptsache kaiserliche Bauern,
coloni; von dem Leibeigenencolonat der späteren Zeit findet sich in
der vorliegenden Urkunde noch keine Spur. Diese Pächter sind Voll-
freie und zum Theil im Besitz des römischen Bürgerrechts ; es mag
wohl sein, dass die Bewohner dieser Districtc zum grösseren Theil aus
Italien kamen. Mommsen weist weiter nach, dass auch in Italien solche
saltus vorhanden waren; ja die Vermuthung scheint wolil begründet, dass
die Organisation dieser ausser und neben den Stadtbezirken stehenden
Herrschaften in Italien zunächst auf die Senatsoligarchie zurückgeht. Ob
die Einrichtung im letzten Grunde römisch oder karthagisch war, lässt
sich nicht entscheiden; vielleicht waren die Karthager die Lehrmeister,
die Römer die Meister in diesem unseligen Systeme.
24 Römische Staatsalterthümer.
Municipale Jurisdiction giebt es iu diesen kaiserlichen Domanial-
districten nicht. Die Streitigkeiten zwischen den kaiserlichen Conducto-
ren und den kaiserlichen Colonen entscheidet lediglich die Dornanial-
verwaltung; gegen Rechtsverweigerung fehlt jede praktische Hülfe. Es
scheint sogar in denselben auch in der Rechtspflege der Procurator an
die Stelle des Statthalters getreten zu sein.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ueberschreitung der auf der
Herrschaft aufgestellten forma perpetua, der seit Hadrian bestehenden
»ewigen Ordnung«, durch welche dem colonus als Ackerfrohnden (partes
agrariae) und zwar theils als Hand- (Operarum praebitio) theils als
Spanndienst (iugorum praebitio) sechs Arbeitstage im Jahre, und zwar
zwei Pflüge- (aratoriae), zwei Gate- (sartoriae), zwei Erntetage (messo-
riae) auferlegt waren, von Seiten des conductor unter Connivenz des
kaiserlichen procurator. Durch dieses Verliältniss des conductor zu den
coloni wird weiter klar, dass auf diesen Herrschaften neben einander
bestanden die Parcellenverpachtung an Kleinpächter und die Grosswirth-
schaft mit Sklavenbetrieb. Das Herrschaftshaus, die Villa des Frontin,
und ein Theil der Ländereien wurde Hofland und konnte von dem
Grundherrn selbst bewirthschaftet werden. Zu dieser Auffassung stimmt
auch was über die Domanialwirthschaft der spätesten Zeit aus den Con-
stitutionensammluugen hervorgeht. Neben den coloni der Domänen er-
scheinen theils die actores theils die couductores, jene entsprechen der
unmittelbaren, diese der durch Grosspacht vermittelten Bodennutzung.
Jene werden in der Regel kaiserliche Sklaven gewesen sein, diese sind
Personen von Stand; die dem colonus zukommenden Befreiungen wer-
den analog auch dem conductor gewährt worden sein. Beide, coloni
und couductores, sind gleichmässig Bodeupächter; man darf einen Unter-
schied nicht dadurch hineinbringen wollen, dass man eben das eine Ver-
hältniss als Erbpacht, das andere als Zeitpacht fasst; denn die Erbpacht
findet sich auch bei der Conduction, wenngleich die Erblichkeit bei dem
Colonat früher hinzugetreten sein mag. Trotzdem besteht sachlich und
sprachlich ein präciser Gegensatz, insofern das Bauernland ein- für
allemal zur Verpachtung, das Hofland wenigstens nach der ursprüng-
lichen Einrichtung zum Selbstbetrieb bestimmt war; sprachlich bezeich-
net colonus den »Bauer«, und wenn das Hofland zum Grossbetrieb ver-
pachtet ward, konnte man »Bauer« und »Pächter« so gut damals wie
heute einander entgegenstellen.
Das Auftreten der Frohnden, welche v. Savigny noch für die spä-
teren Colonen in Abrede stellte, bringt Mommseu einerseits mit den Be-
stimmungen der Constitution Cod. Th. 5, 14, 4 = C lust. 11, 66, 2 in Ver-
bindung, wo er cum ea dote vel forma, cui nunc habetur obnoxia liest,
und unter der dos des Herrschaftshauses versteht, dass ihm die Frohn-
tage der Bauern zu Gute kommen; andererseits erinnert er au die fünf
Tage Hand- bezw. Spanndienst, welche nach der lex Col. Genet. die
Finanzverwaltung. 25
arbeitsfähigen männlichen Personen über 14 und unter 60 Jahren jähr-
lich der Stadtgemeinde unentgeltlich zu leisten hatten. Die burutani-
schen Pächter gehörten zu keiner Stadtgemeinde; so leisteten sie ana-
logen Dienst dem Gutsherrn.
Die Steuer entrichtet regelmässig der colonus, wie Moramsen aus
Dig. 19, 1, 52 pr. erweist, in dessen Händen sich auch die Steuerquittun-
gen befinden; kommt es indess zur Klage, so richtet sich diese gegen
den conductor saltus als den Vertreter des Grundherrn, der alsdann
seinen Rückgriff gegen den colonus nimmt und, falls dieser nicht be-
zahlt, befugt ist, das Grundstück zum Verkauf zu bringen.
Aber auch in die Regierung Hadrian's gewährt das Decret einen
wichtigen Einblick; wir erhalten durch dasselbe zum ersten Male eine
sachliche Specialerläuterung zu den allgemeinen Schriftstellernotizen über
dessen Reorganisation der Reichsverwaltung und insbesondere der finan-
ziellen Ordnungen. Leider ist der Wortlaut der betreffenden Stelle aus
Hadrian's Gesetz nicht mit aufgefunden worden; wir wissen jetzt nur,
dass er die Frohntage normirte und seineu Beamten die willkürliche
Steigerung ein für alle Male untersagte.
Schliesslich spricht Mommsen noch kurz seine Ansicht über die
jetzt vielfach geführte Controverse über die sogenannte Entstehung des
Colonats aus. Der Colonat an sich, d. h. die bäuerliche Kleinpacht, ist
so alt wie Italien und durch die wirthschaftlichen Verhältnisse Italiens
bedingt. Diese natürlichen Verhältnisse gelten auch in der Kaiserzeit,
wie Mommsen aus Inschriften nachzuweisen sucht. Darnach gab es noch
im Jahre 176 freie Zeilpächter, die zu Wohlstand gelaugten. Dass die in-
schriftlichen Erwähnungen verhältuissmässig selten sind, erklärt sich daraus,
dass Pächter zu sein nicht in dem Sinne Lebensstellung war wie Zimmer-
mann oder Arzt. Man wird aber aus diesen wenigen Inschriften folgern
dürfen, was jede von anderer Seite geführte Untersuchung bestätigt,
dass ein beträchtlicher Theil der Bevölkerung Italiens und des römi-
schen Reichs überhaupt noch in der Kaiserzeit aus solchen Zeitpächtern
bestanden hat. Die Verschiebungen des Grundeigenthuras haben haupt-
sächlich die quantitative Ausdehnung des Colonats afficirt; das Zusammen-
schwinden des Kleiubesitzes der römischen Bauerschaft liat die Zahl
der Zeitpächter wahrscheinlich gesteigert. Zerstört hat der Grossgrund-
besitz jede Kleiuwirthschaft nur da, wo er Sklavenbetrieb einführte;
aber über quantitative Einschränkung des Colonats ist diese Zerstörung
weder in Italien noch in den Provinzen hinausgegangen. Wie die Co-
lonen zu Leibeigenen geworden sind, wird durch das bisher Gesagte nicht
berührt. Ohne Zweifel hat das Verhältniss faktischer Abhängigkeit vom
Grundherrn von jeher zum Wesen des Colonats gehört, vie dies noch
heute in Italien zu sehen ist; oft wird das Freigclassencnverhältniss die
Abhängigkeit gesteigert haben. Aber eine tiefe Kluft liegt zwischen
diesem Clientelvcrhältniss und dem späteren Colonat mit seiner Gebuu-
26 Römische Staatsalterthümer.
deriheit an die Scholle und Vererbung dieser Gebundenheit auf die Kin-
der. Aber diese Frage kann nur in einem grösseren Zusammenhange
gelöst werden; sie muss so gestellt werden, wie und wann in den Gil-
den, bei den Subaltcrnbeamten, im Heerwesen, im Decurionat, überhaupt
bei allen denjenigen Diensten, welche Personen der nicht bevorrechteten
Stände dem Gemeinwesen direct und indirect leisten, die dauernde Ver-
pflichtung an die Stelle der freiwilligen oder doch zeitlich beschränkten
Leistung getreten ist. Das Princip widerstreitet durchaus der Auffassung
des lebendigen römischen Rechts und ist der Grundstein des Byzanti-
nismus. Der erste Anstoss kam wahrscheinlich vom Ausland, vielleicht
unter Marcus, bei Gelegenheit der Ansiedlung deutscher dediticii auf
römischem Gebiet. Die Saat germanischer Leibeigenschaft ist dann auf
fruchtbaren Boden gefallen und hat weit über ihre ursprünglichen Scliran-
ken hinaus gewuchert. Gegen die Ansicht Mommsen's über die Ent-
stehung des Colonats hat Heisterbergk in Z. f. d. ges. Staatsw. 1880
S. 582 ft'. eine Reihe von sehr beachtenswerthen Einwänden vorgebracht.
H. T. Karsten, De Inkomsten en üitgaven van den Romeinschen
Staat. 1. Theil die Republik. Leiden 1880.
Der Verfasser stellt das Einkommen des Staates in zwei grossen
Perioden dar; die erste umfasst die ältesten Zeiten bis zum Jahre 167,
die zweite die Zeit von 167 bis auf Augustus. Ein drittes Capitel be-
handelt die Erhebung und die Publicanen; auch die zu Kriegszwecken
eingeführten Einforderungen, die Verwaltung der Staatskasse und der
Betrag der Einnahmen wird von dem Verfasser dargestellt. Fast in
gleichem Umfange werden die Ausgaben behandelt. Neues darf man in
der Schrift nicht suchen, aber Uebersichtlichkeit und Klarheit zeichnen
sie aus. Marquardt ist stark benutzt.
/
3. Militärwesen.
L. Klopsch, Der Dilectus in Rom bis zum Beginn der bürger-
lichen Unruhen. Progr. der höheren Bürgerschule in Itzehoe. 1879.
Zuerst wird der Dilectus der Königszeit dargestellt. Von dem-
selben kann erst seit der Vereinigung der drei alten Tribus die Rede
sein. Für die milites wählte der König im Kriegsfall aus jeder Tribus
1000 Mann aus, zunächst aus den iuuiores. Mit der Verdoppelung der
Reiterei lässt der Verfasser auch die des Fussvolks vor sich gehen. Ser-
vius ordnet für die Aushebung vier tribus an, welche sich am Tage
des Dilectus mit ihren Vorstehern versammeln; aus diesen wurden dann
die iuniores bis zur Erreichung der erforderlichen Zahl aufgerufen; der
Aufgerufene wurde gleich einer der beiden Legionen zugetheilt; reichte
der Bedarf nicht aus, so wurde der Dilectus wiederholt. Unter den
seniores fand kein Dilectus statt: ebensowenig bei den Reitern; wie bei
Militärwesen. 27
den fabri etc. verfahren wurde, ist unbekannt. Die Ernennung der Ober-
Ofliciere (tribuni militum und celerum) ging vom Könige aus. Ueber
Entschuldigungsgründe und Bestrafung unentschuldigten Ausbleibens
wissen wir nichts.
Die Republik verfährt in der ersten Zeit beim Dilectus wie zur
Zeit des Servius Tullius; doch gab man bald dessen vier Aushebungs-
bezirke auf und knüpfte den Dilectus an die localen Tribus. Der Ver-
fasser schildert nun die weiteren Veränderungen in der Aufhebung und
bespricht eingehender den Dilectus und den Tumultus.
Der Verfasser kennt kaum die Litteratur über die von ihm be-
handelte Frage; deshalb kann man dem technischen Theile zwar nicht
allen Werth absprechen; aber der staatsrechtliche entbehrt allzu sehr
der richtigen Grundlagen.
H. Haupt, Zur Geschichte der römischen Flotte. Hermes 15,
154 ff.
Marquardt R. St. V. 2, 482 ist der Ansicht, dass von den drei
Gruppen, welche in der Zeit der Republik die Bemannung der römi-
schen Kriegsschiöe bildeten, milites classic!, uautae und remiges, die
letzteren jederzeit Sklaven gewesen sind. Der Verfasser sucht nun zn
erweisen, dass die bei Liv. 26, 35 erwähnte den Privaten zugemuthete
Aufbringung der Ruderer nur eine ausserordentliche Massregel war und
dass von Liv. 24, 11 das Gleiche gilt. Der Verfasser geht aber noch
weiter und ist der Ansicht, dass es sich in beiden Fällen um die gleich-
zeitige Aushebung von Ruderern und Matrosen gehandelt hat und dass
Livius an Stelle der allgemeinen Bezeichnung socii navales willkürlich
und missbräuchlich den engeren Begriff uautae bezw. remiges gebraucht
hat. Denn es wechseln an beiden Stellen remiges imd nautae mit der
Bezeichnung socii navales ab und auch sonst wird bei Livius remex,
nauta, nauticus als gleichbedeutend mit socius navalis gesetzt. Aber es
ist auch sachlich unmöglich, das consularische Edict von 214 auf die
Einziehung von nautae zu beschränken, die ja nur einen ganz geringen
Bruchtheil der Schiffsbemannung ausmachten. Es würde sich in diesem
Falle nur um Aufbringung von 6000 — 7000 Matrosen gehandelt haben.
Wie bei dieser Annahme die ausserordentlichen Bestimmungen des consu-
larischen Edicts und die spätei'cn leidenschaftlichen Khigen der Plebs
unverständlich bleiben , so wird deren Berechtigung anerkannt werden
müssen, wenn es sich in dem kurzen Zeiträume von fünf Jahren zweimal
um die Aufbringung von 40 - 50 000 socii navales aus dem Sklaveustande
gehandelt hat. So findet der Verfasser für die gewülinlielie Ansicht, dass
remiges und nautae socii navales genannt werden, weil in der ersten Zeit
des Bestehens der römischen Seemacht ausschliesslich die Bundesgenossen
für den Marinedienst herangezogen worden sind, in seiner Untersuchung
weitere Bestätigung.
28 Römiscbe Staatsaltcrthümer.
Arnold Laugen, Die Hecresverpflegung der llönicr im letzten
Jylirbundert der Republik. Brieg. Gymu.-Progr. 1880. II. Tlieil.
Der Verfasser hat iu dem ersten Theile (1878) die Competenzen
des römischen Soldaten iu Beziehung auf die Mundverptiegung erörtert
und will in dem zweiten die Geldverpflegung näher darlegen. Nach einem
historischen Ueberblick über die Entwicklung der Soldzahluug geht die
Untersuchung nach einander zur Besprechung der Fristen derselben, der
Höhe des Soldes für die einzelnen Waö'engattungen, die Chargirten und
Elitetruppeu und der Vertheilung der Löhnung über. Alle diese Fragen
werden gründlich und erschöpfend besprochen, und in sofern hat die
Arbeit einen gewissen Werth ; besonders crwähnenwerthe Ergebnisse sind
nicht vorhanden.
4. Rechts- und Gerichtswesen.
Christian Petersen, De causis publicis Romanis inde ab anno
CXXI usque ad annura LXXXI a. Chr. n. actis. Kiel 1880.
Der Verfasser hat mit grosser Sorgfalt die Criminalprocesse in dem
angegebenen Zeitraum zusammengestellt. Im ersten Capitel unterzieht
er die causae in quaestionibus actae - 48 au der Zahl — einer gründ-
lichen Erörterung. Im Verlaufe seiner Untersuchung vertritt er gegen
Zumpt bezüglich der lex Peducaca die gewöhnliche Ansicht »roga-
tione Peducaea quaestionem extraordinariam non perpetuam de iucestu
institutam .esse«. Die Zusammenstellung von acht Criminalprocessen auf
Grund der lex Varia maiestatis giebt ihm Veranlassung zu einem Excurse
über dieses Gesetz, welcher wieder in der Hauptsache eine Polemik ge-
gen Zumpt liefert und zu dem — allgemein angenommenen — Ergeb-
nisse gelaugt: »legem Variam non fuisse generalem perpetuamque sed
ad horum temporum conditiouem promulgatam qua iustitueretur quaestio
extraordiuaria de sociis concitatis«. Das zweite Capitel enthält causae
apud populum actae — 49—67 — , das dritte causae incerti iudicii —
68 76. Die Schrift kann als willkommener Beitrag zur Kenntuiss des
Criminalprocesses der Republik gelten.
Jean Rouquet, Des juridictions criminelles chez les Romains.
Toulouse 1879.
Seine Aufgabe bestimmt der Verfasser selbst also: nous nous bor-
nerons ä decrire soigneusement l'organisation des jurisdictious qui fureut
successivement chargees de la connaissance et de la repression des cri-
mes soit ä Rome soit dans les proviuces. Er scheidet im ersten Buche
die Gerichtsbehörden und das Verfahren der Zeit vor den quaestioues
perpetuae, die durch die Einsetzung der letzteren eingetretenen Aeude-
rungen und die Kaiserzeit in Rom. Ein Anhang bespricht die privile-
Rechts- und Gorichtswoseii. 29
girte Behandlung der höheren Klassen. Das zweite Buch behandelt das
Criminalgerichtswesen in den Provinzen. Die Arbeit ist ohne allen Werth;
die staatsrechtliche Begründung fehlt meist ganz oder wird in verfehlter
Weise gegeben ; so hat der Verfasser von der lex imperii, der Gerichts-
barkeit des Kaisers und des Senats ganz unbegründete Vorstellungen;
auch das Material zeigt keine eigenen und eingehenderen Studien.
Ch. Giraud, Le concubinat en droit Romain. C. R. des seances
et trav. de l'Acad. des sciences mor. et polit. (Inst, de Fr.) (XIV) 1880
Nov. p. 549 ff.
Gide hatte in derselben Zeitschrift XIII. p. 694 und 860 behauptet,
dass das Concubinat im römischen Rechte nur vom strafrechtlichen, nicht
vom civilrechtlichen Gesichtspunkte aus erwähnt werde; Giraud hält diese
Ansicht für verkehrt. Zunächst erwähnt er die Ansichten der Commen-
tatoren, die seit dem 12. Jahrhundert bis auf unsere Zeit herab au dem
civilrechtlichen Charakter des Concubinats festgehalten haben. Dasselbe
erklärt sich in der römischen Gesellschaft aus der wachsenden Abneigung
eine feste Ehe zu schliessen, die durch die Schriftstellertradition und die
gesetzgeberischen Versuche des Augustus vollständig bezeugt ist. Aber
schon in diesen Gesetzen ist das Concubinat gesetzlich bestätigt, welches
vorher weder einen bestimmten Namen hatte noch ein bestimmtes Ver-
hältniss bezeichnete. Augustus musste einen Compromiss zulassen zwischen
der herrschenden Abneigung und seineu Reformgesetzen. Stets erblickte
der Römer in der Dauer des Verhältnisses ein wesentliches Element des
Concubinats; diese Seite ist es wahrscheinlich gewesen, welche jenes dem
Augustus annehmbar erscheinen Hess.
Thatsache ist, dass die höchsten Personen des Reiches, die Kaiser,
wie Vespasian, Antoninus Pius, Marc Aurel im Concubinate gelebt haben,
die Inschriften zeigen uns ebenso in dem Concubinate ein öffentlich an-
erkanntes und von jeder Spur von Strafe befreites Verhältniss und zwar
in allen Schichten der Gesellschaft. Auch die Kirche musste lange Zeit
diese Einrichtung bestehen lassen, die christlichen Kaiser folgten nicht
dem Vorgange des Constantin, welcher unter dem Namen Consortium das
Concubinat unterdrücken wollte; bis zum 9. Jahrhundert, wo es gesetzlich
abgeschafft wurde, werden nicht selten Bezeichnungen wie concubinam
lege probatam, lex illa etc. von den gesetzlichen Bestimmungen über das
Concubinat in officiellen Erlassen angewandt; auch die Concilien schlössen
mit der bestehenden Sitte Compromisse, und ihre letzte Frucht ist die
morganatische Ehe.
So stehen auch heute im wesentlichen die Resultate Glück's (Aus-
führliche Erörterung der Pandecten im 28. Bande) noch unerschüttert.
Karl Georg Bruns und Eduard Sacliau, Syrisch -römisches
Rechtsbuch aus dem'fünftcn Jahrhundert. Leipzig 1880.
30 Römische Staatsalterthümer.
In diesem Buche liegt uns die letzte grössere Arbeit des berühmten
Juristen vor. Die Herausgabe des Buches ist so glücklich dem Schick-
sale entgangen, welches wiederholt ihre Vollendung gehindert hat. Das
im Mittelalter unter den Namen Statuta Imperatorum oder Libri Basili-
con oder Leges Constantini Theodosii et Leonis weit verbreitete und
höchst angesehene syrische Rechtsbuch, welches wir nun durch die Be-
mühungen der Herausgeber in einer vortrefflichen Ausgabe besitzen, hat
zuerst der holländische Orientalist Land ganz ungenügend im Jahre 1862
publicirt. Darauf fassten Rudorff, Rödiger und Petermann den Plan
einer gemeinsamen Bearbeitung: alle drei wurden durch den Tod an der
Ausführung ihres Planes gehindert. So bekommen wir in der vorliegen-
den Arbeit von Sachau und Bruns zum ersten Male eine den Anforde-
rungen unserer Zeit entsprechende Ausgabe.
Der erste Theil enthält die syrische Version aus der Londoner Hand-
schrift, das Fragment einer syrischen Version aus einer anderen Londoner
Handschrift, die syrische Version aus der Pariser Handschrift, die arabische
und die armenische Version, während im zweiten Theile die Uebersetzun-
gen der Texte gegeben sind. Im dritten Theile werden Erläuterungen
gegeben und zwar von Sachau die Ueberlieferung des Rechtsbuches im
Orient (die Handschriften, das Verhältniss der Versionen zu einander,
die praktische Behandlung des Rechtsbuches im Orient), von Bruns die
Erklärung der einzelnen Paragraphen des Rechtsbuches (A. die Para-
graphen der Londoner Handschrift, B. die Paragraphen der Pariser Hand-
schrift, die in der Londoner fehlen und ein Anhang : das Intestaterbrecht
des Rechtsbuches) und die allgemeine juristische Beurtheiluug des Rechts-
buches nach Quellen und Entstehung, sowie nach seiner wissenschaft-
lichen Bedeutung. Nur aus dem letzten Theile soll hier einiges erwähnt
werden.
Die Grundlage des syrisch -römischen Rechtsbuches ist durchaus
das römische Recht. Aber die Arbeit giebt nicht eine einfache Samm-
lung oder Zusammenstellung von Gesetzen oder Auszügen aus den Schriften
des grossen Juristen, sondern eine selbständige Bearbeitung und Dar-
stellung der römischen Rechtssätze. Diese Bearbeitung ist allerdings oft
trüb und unklar, ja zum Theil fast unkenntlich, aber sie bietet den Vor-
theil, dass man das römische Recht hier in der unmittelbaren praktischen
Auffassung und Anwendung der Zeit und des Landes, in denen das Werk
entstanden ist, dargestellt sieht und ausserdem auch Zusätze aus der
eigenen praktischen Erfahrung des Verfassers hinzugefügt findet. Der
syrische Text ist, wie Sachau nachweist, eine Uebersetzung aus dem
Griechischen, die älteste syrische Handschrift L, in Hierapolis geschrie-
ben, aber nicht die Originalhandschrift der Uebersetzung, sondern nur
eine Abschrift derselben. Die Entstehung des Rechtsbuches will Bruns
in die Regieruugszeit des Basiliscus oder kurz nachher, also in das Jahr
476 oder 477 setzen. Der Verfasser war unzweifelhaft ein Kenner des
Rechts- und Gerichtswesen. 31
Rechts und zwar des unmittelbar praktisch geübten Rechts, aber der-
selbe hatte entweder die alte präcise Technik gar nicht mehr oder er
wollte absichtlich populär schreiben und wandte darum eine so ordinäre
und vulgäre Redeweise an, die sich bis zu völliger Unverständlichkeit
steigert. Er hat die Schriften der alten Juristen und die Kaiser- Con-
stitutionen als Hauptquelle benutzt, zu der nur verschiedene eigene Be-
merkungen und Erfahrungen des Verfassers hinzugekommen sind; durch
letztere bildet er selbst eine eigentliche Rechtsquelle. Wahrscheinlich
ist die erste griechische Bearbeitung ebenfalls in Syrien entstanden; doch
hat man an Berytus nicht zu denken; hier würde wohl eine so elende
Arbeit nicht gefertigt worden sein; aber auch in den Kreisen der Richter
und Advokaten wird der Verfasser wohl nicht zu suchen sein, sondern
in den Reihen der Geistlichkeit. Diese hatte schon damals eine ziem-
lich ausgedehnte praktische Thätigkeit in Rechtssachen und namentlich
wird der Umfang der durch Valentinian III. bewilligten compromissari-
schen Rechtspflege in abgelegeneren Städten und Gegenden, wo die Justiz
der Provinzialbeamten schwer zu erreichen war und die Geistlichkeit
einen grösseren Einfluss hatte, sehr gross und ausgedehnt gewesen sein.
Dies war nun aber unzweifelhaft in besonders hohem Grade der Fall in
den östlichen asiatischen Provinzen, wo ja das religiöse Element über-
haupt stets eine grössere Herrschaft ausgeübt und eine Neigung zur
Theokratie begründet hat. Ein Cleriker hat also wohl das Buch nach
griechischen Rechtsquellen verfasst, wie solche im Berytus ausgearbeitet
worden waren. Die Arbeit war vielleicht für die Volkskreise, wahrschein-
licher aber für die rechtsprechenden Bischöfe bestimmt.
Die juristische Bedeutung des Werkes liegt einmal in dem über-
raschenden Aufschluss, den es für die Fortdauer des römischen Rechts
in den orientalischen Ländern verschafft, sodann aber in der Erweiterung,
welche die Kenntniss des römischen Rechts selber dadurch erfährt. Bruns
hat dies in seinem Commentar im Einzelnen und in der zusammenfassen-
den Schlussbetrachtung im Allgemeinen erwiesen.
Biagio Brugi,I fasti aurei del diritto Romano. Pisa 1879.
Der Verfasser hat eine ganz interessante Darstellung des römischen
Rechts im Mittelalter, in der Renaissance und in der Gegenwart gege-
ben; das Buch ist mit Sachkenntniss und mit Geist geschrieben; doch
ist sein Interesse für italienische Verhältnisse grösser als diesseits der
Alpen. Es muss hier genügen auf dasselbe hinzuweisen, da es in den
Umfang des Jahresberichts nicht gezogen werden kann.
Die meisten der unter die Staatsalterthümer gehörigen Gebiete
werden berührt von
Hermann Bender, Rom und römisches liCben im Alterthum.
Mit zahlreichen Abbildungen nach Zeichnungen von A. Gnauth, Di-
rektor der Kunstschule in Nürnberg, Professor Ricss und A. Schill
in Stuttgart und Anderen. Tübingen.
32 Römische Staatsalterthümer.
Das Buch gicbt keiiio eigentlich wissenscliaftlichen Untersuchuugen,
sondern nur eine Zusammenfassung von Resultaten der Wissenschaft.'
Das ganze Werk enthält folgende Abschnitte: Das römische Volk; die
Stadt Rom; Sociale Verhältnisse; Privatleben; Die Familie; Oeffent-
lichcs Leben: Das Bad, Die Spiele; Gewerbe, Industrie, Kunst, Handel,
Landvvirthschaft; Religiöse und sittliche Verhältnisse; Litteratur; Politik-
Militärwesen. Die Abbildungen sind recht scharf und sauber; freilich
sind die heute beliebten Restaurationen selten geeignet ein richtiges Bild
des Gewesenen zu erzeugen.
>"SO'l
Bericht über die die römischen Privat- und
Sacral-Alterthümer betreffende Litteratur des
Jahres 1880, resp. 1879.
Von
Professor Dr. M. Voigt
in Leipzig.
I. Schriften allgemeinen Inhaltes.
1) Hermann Bender, Professor am Gymnasium in Tübingen,
Rom und römisches Leben im Alterthum. Mit zahlreichen Abbildungen
nach Zeichnungen von H. Gnauth, Direktor der Kunstschule in Nürn-
berg, Professor Riess und A. Schill in Stuttgart und anderen. Tübin-
gen (1880). Zweiter Halbband. S- 273 -599
enthält die Schluss- Abtheilung des in den Jahresberichten XIX, 599 f.
angezeigten Werkes: zuerst den Rest des fünften Abschnittes: die Fa-
milie, und zwar: Erziehung und Unterricht (S. 273—279), Ehe, Frauen
(S. 279-298), Bestattung (S. 299— 303), und sodann: 6. öffentliches Le-
ben; das Bad (S. 304 -313); 7. die Spiele (S. 314-340); 8. Gewerbe,
Industrie, Kunst, Handel, Landwirthschaft ;S. 341—397); 9. religiöse und
sittliche Verhältnisse (S. 398-457); 10. Litteratur (S. 458-487); 11. Po-
litik (S. 488-540); 12. Militärwesen (S. 541 582). Den Schluss bilden
theils ein Nachweis der in den Text eingeüochtenen Quellen- und Litte-
raturcitate (S. 583-595), theils ein Sachregister (S. 596-599).
2) Heibig, im Bulletiiio dell' Institute 1880. Juli- und August-
Heft S. 168
berichtet nach einer au ihn gelaugten Mittheilung, dass in der Commune
Besnate im Bezirke von Gallarate unterhalb eines Torflagers in einem
Pfahlbaue eine bedeutende Menge von far in verkohltem Zustande auf-
gefunden worden sei. Dieser Fund liefert einen höchst wichtigen Bei-
trag zu dem im Jahresberichte XIX, S. GOO ff. angezeigten Werke von
Heibig, die Italiker in der Pocbcne, und zu den dort S. 64 f. besproche-
nen Kulturverhältnissen: derselbe bekundet, dass den Pfahlbaubewohuern
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVUl. (1881. Hl.) 3
34 Römische Privatalterthümer.
die Kultur des far bekannt war, wobei allerdings die Frage, inwieweit
dabei zeitliche oder örtliche Verhältnisse massgebend waren , noch eine
offene ist.
II. Schriften über Privat-Alterthümer und Kultur-
geschichte.
3) Wilhelm Adolph Becker, Gallus oder römische Scenen aus
der Zeit Augusts zur genaueren Kenntniss des römischen Privatlebens, neu
bearbeitet von Hermann Göll. Berlin 1880. Erster Theil. XIV, 232S.
Diese neue Ausgabe des für die Wissenschaft so werthvollen
Becker'schen Gallus behält in der Hauptsache die von Rein eingeführte,
höchst zweckmässige Vcrtheilung des Stoffes in Text, Anmerkungen und
Excurse bei, wenn auch im Einzelnen Abweichungen getroffen sind, so
dass kleine Partieen, welche Rein in die Excurse eingestellt hatte, wie-
der in die Anmerkungen aufgenommen worden sind. So nun bietet der
obige Band den Text: die zwölf Scenen nebst den dazu gehörigen An-
merkungen.
Der Text ist, wie angemessen, unverändert geblieben: lediglich in
nebensächlichen und isolirten Punkten ist derselbe entsprechend dem
heutigen Stande unserer Wissenschaft berichtigt worden: vgl. S. 17. 113.
114. 231.
Dagegen in den Anmerkungen sind eingreifendere Umgestaltungen
vorgenommen worden: theils Ausscheidungen, theils Zusätze in Betreff
dessen, was von Becker und Rein gegeben worden war, somit Abände-
rungen, die durchgehends den Charakter der Vervollständigung, wie Be-
richtigung an sich tragen und deren Stoff ebenso in neuem Quellenma-
terial, wie in Litteraturnachweisen besteht, die selbst bald allgemeinere
Werke, so von Hehn, Blümner, Friedländer, Marquardt, bald Monogra-
phieen und Aufsätze in Sammelwerken herbeiziehen.
Endlich sind weggelassen die Reduktionstabelle der Sesterzen,
welche seit Hultsch's Metrologie entbehrlich ist, wie die beiden litho-
graphirten Tafeln, welche, einerseits zu wenig bietend, andrerseits den
Preis des Werkes gesteigert haben würden.
Im Allgemeinen ist anzuerkennen, dass der Herausgeber die über-
nommene Aufgabe mit Geschick und Takt gelöst und mit umfassen der Be-
lesenheit jenes für die römischen Privatalterthümer so wichtige Werk
auf den dermaligen Standpunkt unserer Wissenschaft emporgehoben hat.
4) Rene Menard, La vie privee des anciens; dessins d'apres les
monuments antiques par Gl. Sauvagest. Les peuples dans l'antiquite.
Paris 1880. VHI, 622 S.
Die obige Schrift eröffnet gleich als erster Band ein Werk, wel-
ches ebenso splendid ausgestattet, wie weltumfassend angelegt ist: es
Privatleben. 35
sind noch in Aussicht gestellt drei weitere Bände: La famille dans I'an-
tiquite (im Jahre 1881 bereits erschienen), Le travail dans l'antiquite
und Les iustitutious dans l'antiquite. Und zwar ist die Ausführung des
Werkes so gehalten, dass ebenso ein Text, wie zahlreiche eingedruckte
Abbildungen (722 Nummern) gegeben sind und auf solche Weise denn
nun das Privatleben der gesammteu Kulturvölker der alten Welt zur
Darstellung gebracht werden soll: l'tgypte, l'Asie, la Gröce und l'Italie,
worunter umfasst werden Fltalie meridionale, la Campanie, l'Italie cen-
trale, Rome, l'Italie septentrionale, la Gaule und l'Espagne et l'Afrique.
Allerdings nun richtet das Werk sich nicht sowohl an den Fachge-
lehrten, als vielmehr an den Kreis der Gebildeten im Allgemeinen: es stellt
sich nicht die Aufgabe »d'apporter dans ce travail des faits nouveaux ou
inconnus« , sondern es strebt »ä vulgariser les connaissances que nous
avions en les groupant dans un ordre particulier qui en facilite l'etude«.
Allein wenn immer dies es rechtfertigen würde, dass weder dem Texte
Quellen- oder Litteratur- Nachweise beigefügt sind, noch bei den Abbil-
dungen angegeben ist, woher dieselben entnommen sind, so entschuldigt
solches doch nicht die Art und Weise, in welcher der Verfasser seinen
Stoff behandelt. Denn wie im ganzen Bande, so ist insbesondere auch
in den »l'Italie« betreffenden Abschnitten als Text ein ganz oberfläch-
liches Machwerk gegeben, welches ebenso geschmacklos, wie von Irr-
thümern und Missverständnissen aller Art durchsetzt ist, während die
Abbildungen mehrfach fehlerhaft sind. Denn so ist z. B., was das letz-
tere betrifft, auf S. 478 »tombeau de Caius Sextius« (!) der Querdurch-
schnitt der Pyramide des G. Cestius in total falschen Verhältnissen dar-
gestellt, während in ersterer Beziehung z. B. auf S. 444 die Bevölkerung
Italien's auf drei ethnische Elemente zurückgeführt wird: eine pelasgi-
sche ßace, Etrusker und Hellenen, so dass somit die Italiker selbst ganz
fehlen, und wiederum die Abhandlung von dem römischen Prätor auf
S. 449 dahin lautet: le preteur est en quelque sorte le suppleant des
consuls, auxquels il est pourtant inferieur, puisqu'il u'a que dix licteurs
au lieu de douze. Ses fonctions, d'ailleurs, sont purement civiles, et il
ne commande pas les armoes. Dans les affaires civiles, il a une robe
de pourpre qu'il echange contre une robe noire dans les affaires qui
entrainent la peine capitale. Le tribuual oü siege le preteur est tou-
jours plus eleve que les bancs oü sont les juges; cc magistrat a droit
au siege d'ivoire, et, quand il rend la justice, on pose prös de lui une
lance et une cpee pour marquer son pouvoir.
5) Eichhoff in Duisburg, lieber die Sagen und Vorstellungen
von einem glückseligen Zustande der Menschheit in der Gegenwart,
der Vergangenl)oit oder der Zukunft bei den Schriftstellern des classi-
schen Alterthums, in Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik
1879, CXX, S. 581-001.
3*
36 Römische Privatalterthümer.
An erster Stelle giebt der Verfasser eine Darstellung der in der
griechischen Litteratur weit verbreiteten, aber auch bei den Römern
liervortretenden Ucbcrlioferung von gewissen fern gelegenen Gefilden,
welche der Wohnsitz ebenso bedürfnissloser, wie sittenreiuer und so zu-
gleich glücklicher Menschen sind (S. 581—587).
Sodann wendet sich derselbe S. 587 ff. zur Erörterung der Sage
von einer entschwundenen glücklichen Vorzeit des Menschengeschlech-
tes, in welcher mit der Einfachheit der Bedürfnisse, wie Lebensverhält-
nisse ein Zustand allgemeinen Friedens und Glückes sich verband, und
die selbst nun mit der allmäligen Steigerung der Kultur und der da-
mit Hand in Hand gehenden Entartung der Menschen in stufeuweiser
Verschlechterung der Zeiten verloren ging. Und zwar führt diese Vor-
stellung bis in die ältesten Ideenkreise der Menschheit zurück, während
eine jüngere Anschauung das Menschengeschlecht aus rohen und i)rimi-
tiven Zuständen allraälig zu höherer Gesittung und Bildung aufsteigen
lässt. Jene erstere Sage nun verfolgt der Verfasser von ihrem frühesten
Auftreten bei Hesiod abwärts nach den einzelnen Zügen, in denen die
Vorstellung der classischen Völker das Bild jener entschwundenen glück-
lichen Zeiten sich vergegenwärtigte und ausmalte. Dabei constatirt der
Verfasser als charakteristisch für die Bahn, welche die Vorstellung durch-
lief, dass die früheste Zeit von dem Bilde jenes goldenen Zeitalters,
welches dieselbe entwarf, religiöse und ethische Motive fern hielt, viel-
mehr nur nach dem Massstabe des materiellen Wohlergehens das Glück
jener Zeiten bemass und würdigte, wogegen eine spätere Periode, beeinflusst
von den Lehtsätzen der Philosophie, daneben zugleich eine höhere ethi-
sche Vollkommenheit dem Menschengeschlechte jenes frühesten Zeitalters
beimisst. Und mit dieser Nuancirung tritt denn nun jene Sage bei den
Römern: bei Aratus, Ovid, Vergil, wie bei den jüngeren Stoikern
zu Tage.
Seit den Zeiten des Unterganges der Republik mit ihrem wirth-
schaftlichen und sittlichen Verfalle der Völker gewinnen sodann neue
Vorstellungen Eingang in der Volksanschauung : die Idee einer Auswan-
derung des besseren Theiles der Bevölkerung nach den glücklichen In-
seln wird von Hör. Epod. 16 und 7 ausgesprochen, während andrerseits
die Verzweiflung ob der gegenwärtigen Zustände einen Trost in den
sibyllinischen Weissagungen suchen lässt. Und hier nun fand man Ver-
kündungen, welche auf eine Wiederkehr der entschwundenen goldenen
Zeit ebenso hinzuweisen schienen, wie gedeutet wurden, und mit denen
dann schliesslich die jüdischen Verkündungen einer zu erhoffenden messia-
nischen Zeit zusammentrafen.
So ist es ein reiches, wie interessantes Material, welches der Ver-
fasser zusammenstellt und geschickt gruppirt. Allein eine für die ge-
stellte Aufgabe doch immerhin massgebende Vorfrage, ob nicht für die
3age von dem goldenen Zeitalter der Menschheit selbst innerhalb des
Sagen vom goldenen Zeitalter. Bürgerrecht. 37
Kulturkreises des classischeu Alterthums iu Wahrheit eine Mehrheit
von Sagenkreisen zu unterscheiden sei, welche, von vornherein durchaus
unabhängig von einander auftretend, auf verschiedene leitende Vorstel-
lungen zurückgehen und in verschiedenen Zügen das Bild von dem gol-
denen Zeitalter der Menschheit entwerfen, um erst in jüngeren Zeiten
synkretisch verknüpft und verarbeitet zu werden; diese gewiss nicht
unwichtige Frage hat der Verfasser weder aufgeworfen, noch beant-
wortet.
Referent selbst hat in seinem Ins naturale III § 43 drei verschie-
dene Relationen jener Sage geschieden: A. die griechische Sage und
zwar 1. die Sage von den verschiedeneu Geschlechtern, welche von He-
siod und von Aratus, wie von dessen Bearbeitern, dann aber auch von
luvenal und Ovid Met. vertreten wird; 2. die Sage von den verschie-
denen Zeitaltern der Menschheit, welche, zurückgehend auf Dicaearch,
von Varro, Verg. Georg., Ov. Am., Sen. und Lactant. überliefert wird;
und dann ß. die altlatinische und insbesondere laurentinische Sage von
den verschiedenen Kulturepochen der Menschheit, welche unter Anderen
in VergiFs Aeneis, bei Tibull, lustin, Macrobius, Arnobius u. A. ausge-
führt ist.
6) Fernand Linde t, Avocat ä la Cour d'appel, De Tacquisition
et de la perte du droit de cite romaiue (überdem: De l'acquisition et
de la perte de la qualite de Fran^ais. 207 S.). These pour le doc-
torat. Paris 1880. 158 S.
Die Schrift erörtert im ersten Buche den Erwerb der römischen
Civität und handelt insbesondere in Kapitel I von den droits attaches ä
la qualite de citoyen (S. 9-23) und so nun in titre I: droit de cite
complet, und in titre II: droit de cite incomplet; dann in Kapitel II von
der ac^uisition individuelle (S. 24 — 70) und zwar in titre I: acquisition
par la naissance, in titre II : acquisition par les esclaves und in titre III :
acquisition par les hommes libres; endlich in Kapitel III von den con-
cessions coUectives (S. 110 — 138) und so nun in titre I: propagation cn
Italic, in titre II: concession ä toute l'Italie. Loi »Julia«, iu titre III:
propagation hors de l'Italie und in titre IV: extension a tous les sujets
de l'empire. £dit de Caracalla.
Sodann das zweite Buch behandelt den Verlust der römischen Ci-
vität und insbesondere in Kai)itel I: perte de la cito par perte de liberte
(S. 139--151) und in Kapitel II: perte de la cite sans perte de la liberte
^S. 151 — 157), woran sich dann als Anhang eine Betrachtung der rein-
tegration dans la qualite de citoyen (S. 157. 158) auschliesst.
Die Arbeit ist klar und verständlich abgefasst und übersichtlich
disponirt. Allein weder bietet dieselbe etwas Neues, noch beherrscht
sie völlig die einschlagenden Quellen, wie Litteratur; und ebenso ist
dieselbe im Einzelnen nicht frei von Irrthümern.
38 Römische Privatalterthümer.
7) Henry Louiclie - Desfoiitaines, De rcxpatriation ä Rome
(überdem: Influence de rcmigration sur l'etat des personnes en droit
franc;ais. 263 S.). These pour le doctorat. Paris 1879. 72 S.
Die Abhandlung zerfällt in zwei Abschnitte; deren erster: Notions
historiques sur l'expatriation (S. 3 — 23) handelt zuerst De l'expatriation
volontaire und zwar insbesondere Des colonies des citoyens romains und
Des colonies latines, und sodann De l'expatriation h titre de peine und
so nun de I'interdiction de l'eau et du feu et de la deportation, sowie
de la relcgation.
Und wiederum der zweite Abschnitt: Des effets de l'expatriation
(S. 24—72) erörtert in Kapitel I: Des cas, oü l'expatriation ne porte
pas atteinte au jus civitatis und so nun condition des Colons citoyens
romains, und condition des relegues, und in Kapitel II: Des cas, oü
l'expatriation entraine la perte du jus civitatis, und im Besonderen eines-
theils: Perte de la cite und zwar perte des droits publics, perte des
droits prives und de la capitis deminutio, wie anderntheils: Condition
des expatries und so wiederum: fimigres dans uue colonie latine und
deportes.
Die Schrift bietet eine ganz lesbare Zusammenstellung des ein-
schlagenden Materials, aber durchaus keine eigene Forschung und somit
auch keine neuen Resultate.
8) Dr. J. J. Bachofen, Antiquarische Briefe vornämlich zurKennt-
niss der ältesten Verwandtschaftsbegriffe. Strassburg 1880. VI, 278 S.
Der Verfasser stellt sich in dieser, in die Form von dreissig Briefen
eingekleideten Schrift die seinem Mutterrechte verwandte Aufgabe, eine
uralte prärogative Stellung der Schwester und des Schwestersohnes in-
nerhalb der Familie, so z. B. in Betreff der Succession in die Verlassen-
schaft darzulegen. Und zwar wird solche These einestheils in Bezug auf
Völker ausgeführt, die dem antiken oder modernen Kulturkreise ganz
fern stehen — und mit diesen Untersuchungen hat Referent sich nicht
zu befassen; anderntheils aber auch in Bezug auf die antiken Kultur-
völker, wo das Beweismaterial aus Sagen und Mythen, wie aus histori-
schen Momenten entnommen wird. Im Besonderen für das Römische
dient dem Verfasser als Stützpunkt das sororium tigillum (S. 188 — 203),
welches als altes Heiligthum der Aboriginer gedeutet wird: indem diese
die Gottheit in Form von hölzernen Pfeilern darstellten, vertritt in dem
sororium tigillum der eine Pfeiler den lanus und der andere die lana,
wobei diese Beiden als Geschwister aufgefasst waren, dementsprechend
nun der die beiden Pfeiler verbindende Querbalken sororium tigillum
hiess. Und mit dieser Annahme verbindet zugleich der Verfasser Fol-
gerungen, welche derselbe auf das Verwandtschafts-Verhältniss zwischen
den Horatiern und Curiatiern stützt.
Allein von allen diesen Sätzen ist kein einziger erwiesen: weder
Bürgerrecht, Verwandtschaft. Familie. 39
dass die Aboriginer die Götter in Form von Pfeilern darstellten, noch
dass lanus und laua aborigine Götter waren, da vielmehr dieselben la-
tinisch sind, noch auch dass der zweite Pfeiler der lana und nicht der
luno galt, noch endlich, dass die dem männlichen Gotte correspoudirende
weibliche Gottheit als dessen Schwester gedacht worden sei. Und an-
drerseits würde auch solches Geschwister- Verhältniss nichts für das thema
probandum des Verfassers ergeben. Denn es ist die römische Familie
von ältester Zeit her — und in der That sind selbst für die Königszeit
deutliche Fingerzeige uns gegeben — auf die Ägnation allein fundirt,
wogegen die Cognation im Rechte gar nicht als Grundlage der Familien-
ordnung anerkannt war. Könnten daher um desswillen die Aufstellungen
des Verfassers einen Werth nur für das Gräco- Italische oder für das
Indo-Europäische gewinnen, so stosseu doch auch hier dieselben auf das
Bedenken, dass wir auch hier mit Sicherheit eine abweichende Familien-
Ordnung und -Gliederung nachzuweisen vermögen.
Ueberdem bietet die Schrift des Verfassers noch einige Spezial-
untersuchungen von besonderem Interesse : eine Erörterung der Inschrift
in C. I. L. II no. 1174 (S. 1—30), wo vom Verfasser eine neue Deutung
der pueri luncini gegeben wird, die jedoch ebenso der lexikalischen
Stützpunkte entbehrt, als auch mit dem recipirten römischen Sprachge-
brauche im Widerspruche steht; und sodann eine Besprechung der von
Edmond Le Blant in der Academie des Inscriptions erörterten Inschrift
eines Trinkbechers (S. 113—115): Si plus miseris, minus bibes; si minus
miseris, plus bibes, wo die von dem Verfasser gegebene Erklärung aller-
dings befriedigender ist, als die bisher gegebenen, schliesslich aber doch
dem Referenten selbst der Sinn am nächsten zu liegen scheint: vom
ungemischten Weine trinkt man am meisten.
Im Allgemeinen aber ruhen die Untersuchungen des Verfassers auf
ebenso grosser Gelehrsamkeit, wie umfassender Belesenheit.
9) J. Ollivier Beauregard, Advocat, Organisation de la fa-
mille sous la legislation romaine. Paris 1879. VI, 133 S.
In dieser Schrift wird einzig und allein die römische Rechtsord-
nung der Familie behandelt, daher ihre Besprechung nicht hierher ge-
hört. Es fügt jedoch der Referent die Bemerkung bei, dass die Dar-
stellung des Verfassers den Eindruck macht, als ob der Stoff einem
Lehrbuche des römischen Rechts einfach entlehnt sei, und weder irgend
etwas Neues, noch auch nur die Quellenbelegc in genügendem Masse
bietet, überdem aber der Verfasser weder mit den Quellen, noch mit der
modernen Litteratur irgend welche Vertrautheit bekundet.
10) H. Genz, Capitis deminutio, in Syrabolac loachimicac I, S. 51
— 88. Berlin 1880; auch separat, 38 S.
In dieser auch in Bd. XXIII des Jahresberichtes S. 09 ff. von Schiller
angezeigten Schrift giebt der Verfasser zunächst eine Aufzählung der Fälle
40 Römische Privatalterthümer.
der capitis deminutio maxima, media und minima, welche etwas Neues
nicht bietet; dann S. 12 zu einer Wesenbestimmung der letzteren sich
wendend, bestimmt er dieselbe als »die Veränderung der Familienbe-
ziehung oder der Stellung zur Familie in der Weise, dass eine Ver-
tauschung der Familie stattfindet«. Da indess der Ausdruck Familie
mehrdeutig ist, indem der moderne und der antike Begriff sich nicht
decken und wiederum das antike familia verschiedene Begriffe vertritt,
so war zu erwarten, dass der Verfasser die der gegebenen Definition in
dem Ausdrucke Familie inliegende Mehrdeutigkeit durch eine Wesen-
bestimmung dieses massgebenden Begriffes beseitige. Allein derselbe
unterlässt solches: an Stelle der Definition tritt eine Exemplification :
einmal »es findet keine capitis deminutio minima statt beim Tode des
pater familias; denn auch der Verstorbene vermittelt die Familienbe-
ziehung« ; und sodann findet keine capitis deminutio minima statt bei
Caption des Flamen, wie der Vestalin, »wo die Familienbeziehung bei
der letzteren wenigstens in der Gentilität, bei dem ersteren auch in der
Agnation erhalten bleibt«. Hieraus hat daher der Leser die Sätze zu
entnehmen : da bei der Vestalin die capitis deminutio minima nicht ein-
tritt, obgleich dieselbe ebenso aus der patria potestas austritt, wie auch
die Agnation verliert, wohl aber dieselbe ihre Gentilität behält, so ist
die für die capitis deminutio minima massgebende »Familienbeziehung«
die Gentilität; daher besteht nach Massgabe des Obigen deren Wesen-
eigenthümlichkeit in der »Veränderung der Gentilität oder der Stellung
zur gens in der Weise, dass eine Vertauschung der gens stattfindet«.
Dem gegenüber drängen sich nun allerdings die Fragen auf: wenn
darin das Wesen der capitis deminutio minima belegen ist, warum defi-
niren die Quellen nirgends uns dieselbe als Wechsel der Gentilität? wie
konnte solchenfalls Cic. Top. 6 die Gentilität so definiren wie geschehen?
und wie konnte endlich seit den Antoninen, wo Verband und Verfassung
der gentes bereits untergegangen waren , von der capitis deminutio mi-
nima als einer praktischen Institution noch die Rede sein? Allein diese
Fragepunkte, welche dem Verfasser das Irrige seiner Aufstellung nahe
geführt haben würden, entgehen demselben.
Darauf wendet sich der Verfasser S. 13 zu einer Prüfung der an-
tiken Definitionen der capitis deminutio minima, abschliessend mit dem
Ergebnisse , dass die dabei gebrauchten Ausdrücke familia mutatur und
Status hominis mutatur völlig synonym seien. Allein da der Ausdruck
Status permutatio zur Bestimmung nicht bloss der capitis deminutio mi-
nima, sondern auch der capitis deminutio im Allgemeinen wiederholt
verwendet wird, so ist jenes Ergebniss ein irriges.
Dann giebt S. 15 der Verfasser eine Berichtigung: trotz jenes Aus-
druckes mutari nöthigt die Bezeichnung deminutio in der capitis demi-
nutio minima nicht eine Veränderung d. h. Vertauschung der Familien-
stellung anzuerkennen, sondern nur »ein Ausscheiden aus der alten Fa-
Capitis deminutio minima. 41
milienbeziehung, deu Verlust der bisherigen Familienstellung«. Somit:
»die Veränderung der Familienstellung besagt nicht, was die capitis de-
minutio ist, sondern giebt nur in einem allgemeinen Ausdrucke an, was
sie veranlasste und als begleitender Umstand mit ihr verbunden war«.
Nachdem dann S. 16 ff. der Verfasser eine Aufzählung der juristi-
schen Folgewirkungen der capitis deminutio minima gegeben hat, welche
nichts Neues bietet, wendet sich S. 18 ff. derselbe der Aufgabe zu, das
Wesen der capitis deminutio im Allgemeinen und den deren Klassifica-
tion unterliegenden Eintheilungsgrund zu bestimmen. Der Verfasser ge-
langt hier zu dem Ergebnisse: der trichotomischen Eintheilung fehlt
»ebenso sehr die Autorität, wie die innere Berechtigung; dieselbe er-
weist sich für die Erkenntniss des Wesens und Begriffs der capitis de-
minutio als unfruchtbar« ; dagegen die Eintheilung von capitis deminutio
magna und minor vermeidet allerdings die in jener ersteren enthaltenen
Widersprüche, allein es ist auch mit ihr für das Verständuiss des all-
gemeinen Begriffs capitis deminutio nicht viel gewonnen. Vielmehr ist
davon auszugehen, »dass wenigstens ursprünglich der Begriff der capitis
deminutio als ein streng einheitlicher gefühlt ward«. Und diesen Satz
deducirt denn nun der Verfasser in der Weise, dass, indem unter caput
»die Existenz innerhalb der Familie und dadurch innerhalb der Bürger-
schaft« zu verstehen sei, die capitis deminutio den »Verlust der beson-
deren Familienstellung des Einzelnen und seiner eben dadurch bedingten
besonderen Stellung in der Bürgerschaft« bedeute.
Das Urtheil über diese Schrift fasst sich dahin zusammen, dass
die Ausstellungen, welche der Verfasser au deu vorgefundenen Auffassun-
gen von der capitis deminutio und insbesondere der minima erhebt, nicht
unberechtigt sind; allein das, was er selbst an deren Stelle setzt, ist
übeler, als das Getadelte selbst; und Gedanken, Deductionen, wie dog-
matische Constructionen des Verfassers leiden an Unklarheit.
11) Dr. Max Colin, Professor an der Universität zu Amsterdam,
Beiträge zur Bearbeitung des Römischen Rechts. Erster Band, Heft II.
Berlin 1880. Zweite Abhandlung: Zur Lehre von der capitis demi-
nutio S. 41—404.
Nachdem auf S. 41 ■ 107 die capitis deminutiones maxima und
media behandelt sind, giebt der Verfasser auf S. 107 132 eine Erör-
terung der capitis deminutio minima, und zwar zuerst eine Exegese von
Gai. I, 162 (S. 107—116), dann eine Darlegung der einzelnen Fälle dieser
capitis deminutio (S. 116 -124), wie endlich eine Wesenbestimraung der
letzteren (S. 124-132): »jeder römische Bürger gehört zu einer kon-
kreten römischen Familie iln engeren Sinne, es sei als pator familias,
bezw. mater familias oder als Hauskind oder persona in mancipio. Ein
Ausscheiden aus der konkreten Familie, ein Verlust der Zugehörigkeit
zur familia in diesem Sinne ist c d. minima« (S. 126). Allerdings nun
42 Römisclie Privatalterthümer.
wird von dieser Wesenbestimmung eine Reihe von Vorkommnissen mit
umfasst, welche gleichwohl nach Massgabe der Quellen sicher keine ca-
pitis deminutio minima ergeben; so z. B. das Ausscheiden der Vestalin
aus ihrer Familie; allein »der jetzige Stand der Untersuchung gestattet
vielmehr eine Entscheidung der Frage, warum diese Fälle von dem Ge-
biet der c. d. ausgeschlossen sind, nicht. Begnügen wir uns damit zu
konstatiren, dass die c. d. minima eine Anzahl von Fällen befasst, bei
denen die Familienzugehörigkeit verloren geht« (S. 127). In dieser
Wesenbestimmung der capitis deminutio minima tritt somit der Verfasser
der Aufstellung von Böcking, Pandecten § 58 bei, wonach familia der
Rechtskreis ist, der gebildet wird durch den pater familias und die in
dessen potestas befindlichen Freien, die capitis deminutio minima aber
die Zerstörung der Mitgliedschaft an solcher familia ist; und diese Wesen-
bestimmung nun kann recht wohl wahr und zutreffend sein; indess es ist
dieselbe nicht congruent, vielmehr zu weit, da sie die Sphäre der capitis
deminutio minima nicht deckt, indem sie nicht zubehörige Vorkommnisse
mit umfasst. Und diese Incongruenz nun sucht der Verfasser S. 399 f.
auf historischem Wege zu heben.
Darauf folgt auf S. 132 — 372 eine sehr eingehende und gründliche
Erörterung der aufhebenden Wirkungen der capitis deminutio: deren
Einwirkung darlegend auf publica iura (S. 132-142), hausväterliche
Rechte (S. 142—154), Tutel (S. 154—184), Patronat (S. 184-210), Ehe
(S. 210 — 223), Anwartschaften (S. 223 — 235), Vermögensrechte (S. 235
— 291), wie Schulden (S. 291 -344) und Rechtsgeschäfte (S. 344 — 372),
woran sich' auf S. 372 — 387 eine Widerlegung der in den Quellen nicht
begründeten Auffassung anschliesst, welche in der capitis deminutio die
Zerstörung der privatrechtlichen Persönlichkeit erbickt, verbunden bei
der media und minima mit dem Wiedererwerbe einer anderen Persön-
lichkeit, eine Auffassung, die unter Anderem dahin führt, dass die die
capitis deminutio des Gatten überdauernde Ehe für den anderen Theil
secundae nuptiae sein würde.
Endlich S. 387 — 400 geben eine Entwickelungsgeschichte der ca-
pitis deminutio: der doctrinelle Lehrbegrift' der capitis deminutio ist
zuerst an der minima allein ausgebildet und verwendet worden, und ins-
besondere hat Cicero den Begriff der maxiraa und media noch nicht ge-
kannt; ferner sind die arrogatio und die couveutio in manum der ge-
waRfreieu Frau diejenigen Vorkommnisse gewesen, auf welche zuerst der
Lehrbegriff verwendet wurde, der hier nun am frühesten bei Qu. Mucius
Scaevola pout. sich nachweisen lässt; und daraus erklärt sich dann end-
lich zugleich der Ausdruck deminutio capitis: denn jene beiden Vor-
gänge schmälern in der That die Rechtsfähigkeit, wie Rechtszuständig-
keit der Betroffenen. Allein die Beweise dieser Sätze sind nicht strin-
gent, diese selbst aber sind bedenklich: denn während z. B. caput als
ein Kunstausdruck für die rechtliche Persönlichkeit des römischen Bür-
Sclaverei. Todtenbestattung. 43
gers vom Verfasser erklärt wird (S. 390), so wird man gleichwohl in der
Litteratur der Periode von Scaevola und Cicero diesen Kunstausdruck
Caput, abgesehen von der Verbindung capitis deminutio, vergeblich suchen.
Referent vermeint vielmehr, dass der Verfasser mit diesen historischen
Untersuchungen auf eine falsche Fährte gerathen ist.
12) A. Tourmagne, Histoire de l'esclavage ancien et moderne.
Paris 1880. IV, 464 S.
Eine Darstellung der Geschichte der Sklaverei im Alterthum ist
allerdings angewiesen auf eine Benutzung des in diesem Jahresberichte
XIX, S. 607 f. angezeigten trefflichen Werkes von Walion. Allein das, was
der Verfasser bietet, ist in der That nichts weiter, als eine reine und
dabei höchst mangelhafte Entlehnung des Stoffes aus Walion. Dem Ver-
fasser selbst aber fehlt es nicht allein an eigener wissenschaftlicher Vor-
bereitung für die von ihm unternommene Aufgabe, sondern sogar an
genügender allgemeiner Kenntniss des classischen Alterthums. Als Fol-
gen hiervon treten hervor ein Mangel an systematischer Ordnung und
Disposition des Stoffes, demzufolge Wiederholungen im Einzelnen, wie
eine unrichtige Vertheilung des Dargestellten vielfach sich vorfinden;
dann ein Mangel an neuen Gesichtspunkten, wie neuen Ergebnissen: es
geht das Gebotene nicht über den Kreis des von iinderen Behandelten
hinaus, während andrerseits ebenso zahlreiche, wie unentschuldbare Miss-
verständnisse im Detail hervortreten. Endlich sind die vom Verfasser
gegebenen Citate nichts als ein unverständliches und von ihm selbst wohl
kaum verstandenes decoratives Beiwerk. So ist das obige Werk wissen-
schaftlich werthlos: der Verfasser wollte da ernten, wo er nicht ge-
sät hat.
13) Friedrich Franz, Mythologische Studien, I. Buch, im elften
Jahresbericht des Staats-Gymnasiums in Villach. Villach 1880. 67 S.
Gleich als den historischen Hintergrund für das zu behandelnde
Thema skizzirt der Verfasser zuerst eiulcitungsweise die Pfahlbauten,
als Monumente aus vorhistorischen Zeiten, zu denen gewisse aus dem
Alterthume überlieferte Angaben einer Wasserbestattung, wie Mythen
von Wassergeistern in einer Bezüglichkeit stehen. Denn indem der Fa-
milienvater und die Familienmutter nach ihrem Tode als Dii Manes,
als Schutzgeister des Hauses verehrt wurden und von solchem Ahnen-
kultus aus dann bei den Griechen und Könioru ein Göttcrkultus sich
entwickelte; indem ferner jene Dii Manes als die Geister der Verstor-
benen gedacht wurden, welche in den verschiedenen Elementen eine neue
körperliche Basis ihres Seyus gewannen; so ist nun in letzterer Bezie-
hung massgebend die Bestattungsweise, die dem Verstorbenen zu Theil
ward (S. 10 -14).
So nun bespricht der Verfasser an erster Stelle die Bestattung in
44 Römische Privatalterthümer.
Flüssen (S. 14 — 23) und so insbesondere das Grab des Aeneas und der
Anna Percnna im Nuniicius, wie die sexagenarii de ponte, woran die
Annahme geknüpft wird, dass pons ursprünglich den Pfahlbau bezeich-
net und insbesondere der pons sublicius als solcher zur Bestattung und
Verehrung der Todten gedient habe.
Dann erörtert der Verfasser die Begräbnisse auf den durch Pack-
werkbau in den Seen künstlich hergestellten Inseln (S. 23-26), wobei
namentlich der lacus Cutiliae, Velinus und Fucinus als alte Begräbniss-
stätten besprochen werden, dann auf den auf dem Seeboden errichteten
Steinbergen (S. 27. 28), wie auf See- oder Flussinseln (S. 28—36), wo-
bei die Tiberinsel als ein in den prähistorischen Zeiten der Todtenbe-
stattung geweihter Ort angenommen wird.
Endlich werden die Sümpfe als Begräbnissstätten erörtert (S. 36
— 67) und dabei der lacus Curtius zwischen Capitolin und Palatin, das
Tarentum und die Cupreae palus auf dem Marsfelde, der Sumpf zwi-
schen Aventin und Palatin, das Velabrum und die Doliola als alte Bc-
gräbnissstätten hingestellt.
Ueberdem enthält die Schrift reiche Materialien, wie mannich-
fache mythologische Motive, die indess von anderem Gesichtspunkte, als
hier massgebend, in Betracht kommen.
14) Wolfg. Heibig, lieber den Pileus der alten Italiker, mit
zwei Tafeln, in Sitzungsberichten der philosophisch-philologischen und
historischen Klasse der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften
zu München 1880. S. 487 — 554.
Der Stoff dieser Abhandlung ist in drei Abtheilungen zerlegt, de-
ren erste, den pileus der Männer erörternd (S. 487-513), von dem Satze
ausgeht, dass der pileus als die älteste Kopfbedeckung der Römer an-
zuerkennen ist; denn seine Verwendung als Attribut der Göttin Libertas,
wie bei der Manumission, sein Vorkommen als priesterliche Amtstracht
der poutifices, flamines und Salii, sein Gebrauch endlich an den Satur-
nalien bekunden dies; denn der apex, tutulus und galerus jener Priester
sind in der That nur besonders ausgestattete Gestaltungen des pileus.
In Betreff' der Form nun des pileus lässt die Thatsache, dass in
den späteren Zeiten derselbe als Kappe aus Filz von Leuten niederen
Standes und so auch von Sklaven getragen wird, eine doppelte Möglich-
keit zu: entweder sind dieser und der älteste pileus in der Form ver-
schieden gewesen und so nun bereits in ältester Zeit gleichzeitig neben
einander in Gebrauch gewesen, oder aber der älteste pileus ist mit der
Zeit von den höheren Ständen aufgegeben, dagegen von den niederen
Ständen beibehalten oder allgemein aufgenommen, in seiner Form aber
verändert worden. Der Verfasser lässt solche Alternative unentschie-
den ; allein das, was über die Verwendung des pileus bei der Manumission
berichtet wird, dürfte doch darauf hinweisen, dass, abgesehen von
Pileus. Monatseintheilung. 45
der priesterlichen Amtstracht, die älteste Zeit nur einen einzigen pi-
leus kannte, welcher die allgemeine prärogative Tracht des civis Ro-
raanus mit Einschluss des Clienteu und mit Ausschluss des Sklaven bil-
dete: das geschorene Haupthaar, welches nicht minder den Freien von
dem Sklaven unterschied, machte dort den pileus nöthig, hier dagegen
entbehrlich, als Schutz gegen Sonne und Witterung.
Insbesondere nun der gemeine pileus ist von den Römern den
Etruskern entlehnt und erweist sich als eine hohe, steife Kappe von
conischer Form, welche in der Höhe des Scheitels mit einem Bande
und etwa über der Stirn noch mit einer weissen Binde umschlungen
war. Dagegen der pileus der Priester ist vornämlich auf der Spitze mit
einem stabartigen Aufsatze, der virga, verziert und mit einem Sturm-
bande versehen.
Sodann die zweite Abtheilung erörtert den pileus der Frauen
(S. 513 — 527), wobei zugleich die Untersuchung auf die Haartour und
Kopfbedeckung im Allgemeinen der Frauen: auf die sex crines, auf
flammeum oder flammeus und auf die rica der fiaminica, wie auf das
surculum mit erstreckt wird: es ergiebt sich, dass der pileus der Frauen
mit dem der Männer übereinstimmte, in späterer Zeit jedoch zu Gun-
sten der Binde, vitta, aufgegeben wurde.
Endlich die dritte Abtheilung: über die Herkunft des pileus (S. 527
— 548) betrachtet das Vorkommen des pileus in den semitischen Kreisen
Yorderasiens , wie in den ältesten Zeiten des hellenischen Lebens, und
gelangt zu dem Ergebnisse , dass die ältesten Italiker den pileus den
Karthagern entlehnt haben. Allein die Thatsache, dass bereits in der
Periode des römischen Köuigthuras punische Waaren nach Etrurien, wie
nach Latium gelangten, dürfte doch nicht zu dem Schlüsse der Entleh-
nung einer etruskischen Nationaltracht von den Karthagern berechtigen ;
vielmehr würde die Uebereinstimmung des semitischen und etruskischen
pileus als eine offene Frage zu betrachten sein, an deren Lösung erst
mit Lösung der etruskischen Frage zu denken ist.
Im grossen Ganzen bietet die Arbeit einen werthvoUen Beitrag
zur ältesten römischen Kulturgeschichte, wobei namentlich auch die auf
den beiden Tafeln gegebenen 2G Abbildungen eine ganz hervorragende
Bedeutung gewinnen.
15) Rudolf Elex, Die älteste Monatseintheilung der Römer.
Inaugural- Dissertation der philosophischen Fakultät zu Jena zur Er-
langung der Doktorwürde vorgelegt. Jena 1880. 40 S.
Der Verfasser referirt zuerst S. 8 ff. die von Ideler gegebene Deu-
tung der drei Hauptabschnitte des römischen Monats: der kalendae,
nonac und idus, und erörtert und widerlegt sodann S. 10 — 24 die Ver-
suche, die durch die Nundinen gegebenen achttägigen Intervallen als
46 Römische Privatalterthümer.
Bestandtheile oder Grundlage der römischen Monatseintheilung hinzu-
stellen.
Wider jene Erklärung Ideler's, wonach die nonae durch das Ein-
treten des ersten Viertels, die idus durch das Eintreten des Vollmon-
des, somit aber beide Abschnitte unmittol])ar durch Mondphasen be-
stimmt sind, während die kalendae nach einem an ihnen sich vollziclicn-
den sacralrcchtlichen Akt, der calatio, bestimmt sind, wodurch nach er-
folgter Wahrnehmung des ersten Erscheinens der Mondsichel am abend-
lichen Himmel nach dem Neumonde die Dauer der künftigen nonae in
comitia calata von dem rex verkündet wird wider diese Erklärung er-
hebt der Verfasser auf S. 10 ein Bedenken: »während das erste Viertel
mit den Nonen in Zusammenhang gebracht wird, bleibt das ihm ent-
sprechende letzte vollständig unberücksichtigt, so dass drei Phasen des
Mondes durch je einen Monatsstichtag im Kalender vertreten sind, die
vierte allein keine Bezeichnung in demselben findet. Diese zwischen
den Lichtveränderungen des Mondlichtes und den Stichtagen des Monats
offenbar stattfindende Incongruenz scheint mir denn doch von der Art
zu sein, dass man sie nicht so ohne Weiteres ganz ausser Acht lassen
darf, wie dies Ideler sonderbarer Weise gethan hat, welcher das letzte
Viertel gar nicht erwähnt, geschweige denn einen Grund für sein Nicht-
vertretensein im römischen Kalender angiebt«.
Diese Bedenken führt dann der Verfasser S. 24 ff. dahin aus, dass
zwar der Monat des Jahres des Numa als Mondmonat anzuerkennen sei,
die Quellen selbst jedoch nur die kalendae und idus, nicht dagegen die
Nonen mit" den Mondphasen in Verbindung bringen, daraus aber zu ent-
nehmen sei, »dass vielleicht ursprünglich der römische Monat nur in
zwei Hälften, die des zunehmenden und des abnehmenden Mondlichtes,
zerfiel, und dass die Nonen, wenn auch schon in früher Zeit, so doch
später als die kalendae und idus, und zwar aus einer mit dem Monde
und dessen erstem Viertel überhaupt in gar keiner Beziehung stehen-
den Veranlassung zu einem besonderen dritten Monatsstichtage erhoben
worden sein möchten« (S. 30). Vielmehr habe es eine Zeit gegeben,
»wo man, wie von den Kaienden rückwärts bis zu den Iden, so von den
Iden bis wiederum zu den Kaienden ununterbrochen fortzählte, und
dass erst später, nachdem die Nonen ein besonderer Stichtag geworden
waren, die nächsten Tage nach den Kaienden und ihrem Nachtage als
dies ante nonas bezeichnet worden sind« (S. 31).
Als Beweismoraente für diese Sätze führt dann der Verfasser S. 32 ff.
an theils die von den Quellen überlieferte etymologische Deutung des
Wortes nonae als dies ante nonum idus, welche darauf hinweisen, dass
die Nonen schlechthin ein gezählter Tag vor den Iden waren, nicht aber
eine Mondphase markirt hätten, theils den Umstand, dass zwar kalen-
dae und idus, nicht aber nonae feriae, und zwar jene, nicht aber diese
Göttern geweiht waren, theils endlich den Umstand, dass bei allen indo-
Monatsei ntheilung. 47
germanischen Völkern der Monat nur in zwei Hälften getheilt gewesen
sei, eine weitere Theihmg aber nicht stattgefunden habe.
Endlich als Veranlassung zur Aufnahme der Nonen in den römi-
schen Kaienden wird der Umstand bezeichnet, dass auf einen Nonen-
Tag der Geburtstag des Servius Tullius gefallen und in Erinnerung
daran nun alle Nonen von dem Volke gefeiert worden seien (S. 42 ff.)-
Eine Prüfung dieser Aufstellungen des Verfassers ergiebt jedoch
deren Unhaltbarkeit.
Und zwar ist zunächst der wider Ideler erhobene Einwand an sich
gar nicht zu der von dem Verfasser geltend gemachten Consequenz ver-
werthet worden: denn den drei Mondphasen, auf welche der römische
Monat basirt ist: der ersten Sichel, des ersten Viertels und des Voll-
mondes correspondirt nicht bloss, wie der Verfasser will, als vierte Phase
das letzte Viertel, sondern auch eine fünfte und sechste Phase: das Ver-
schwinden der letzten Sichel und der Neumond. Wäre es daher eine
unabweisbare Consequenz, dass entsprechend den in abnehmender Con-
junction gesetzten Mondphasen die Römer auch die correspondirenden
Phasen der zunehmenden Conjunction als Kalenderabschnitte zu setzen
gehabt hätten, so würde deren Monatseintheilung nicht sowohl eine, als
vielmehr drei Mondphasen vermissen lassen, und es würde die Erklä-
rung dieses kalendaren Systems nicht allein dadurch gewonnen sein,
dass man daraus die Nonen eliminirt, sondern dass man zugleich das
Verschwinden der letzten Sichel und den Neumond als für den ältesten
Kalender bestimmende Mondphasen voraussetzte, die erst im Verlaufe
der Zeit dann wieder aufgegeben worden seien.
Sodann das aus der etymologischen Deutung des Wortes nonae
entlehnte Argument könnte eine Beweiskraft nur unter der Voraussetzung
haben, dass es in der von dem Verfasser angenommenen ältesten Monats-
rechnung keine nonae quintanae gegeben habe. Dann aber würden nicht
bloss die Nonen, sondern auch die Kalendae aus solchem Kalender aus-
fallen müssen, da deren Wesenbestimnumg doch nur darin beruht, dass
an ihnen die calatio erfolgte, ob die Nonen quintanae oder septimanae
seien: es genügte dann, die idus als Mitte des Monats zu setzen und
dann nun auf- und absteigend von diesen zu zählen. Und dies allein ist
es denn auch, worauf die von dem Verfasser herbeigezogene indische
Parallele der hellen und dunkeln Hälfte hinweist. Allein, wie gesagt,
waltet solcher Parallelismus überhaupt gar nicht ob ; denn die Inder
setzen nur eine Mondphase: den Vollmond, der alte römische Kalender
aber beruht nach dem Verfasser auf zwei Phasen: auf idus und kalen-
dae. Dann wieder das aus der Verschiedenheit zwischen idus und ka-
lendae und zwischen nonae, als feriac und gottgeweihter Tage, entnom-
mene Argument ist nicht stringent: os sind andere Erklärungen mög-
lich, so z. B. dass die römische Religion überhaupt nur zwei Lichtgott-
heiteu kannte und dem Erscheinen der ersten Sichel von der Volks-
48 Römische Sacralalterthümer.
anschauung eine höhere Bedeutung beigelegt ward, als dem Hervortreten
des ersten Viertels.
Endlich die Erklärung der späteren Einfügung der Nonen in den
Monat durch Annahme einer Bezüglichkeit derselben zu dem Geburts-
tage des Servius Tullius ist, von Anderem abgesehen, verfehlt: denn
dies würde ergeben, dass die Nonen feriae gewesen seien, nicht aber,
dass sie KalendorabschnittCi wurden.
Im Uebrigon, indem die Aufstellungen des Verfassers, wie ob-
bemerkt, daraufhinführen, dass der Kalender des Numa keine nonae
quintanae gekannt habe, so ergeben dieselben die erheblichsten Beden-
ken in Bctrctf der Jahresrechnung, Bedenken, au welche der Verfasser
gar nicht einmal gedacht zu haben scheint.
III. Schriften über Sacralalterthümer.
IG) V. Duruy, Formation d'une religion officielle, in Seances et
travaux de l'Academie des sciences morales et politiques 1880. Nou-
velle Serie. Tom. XIV p. 328—347
ist dem Referenten noch nicht zugekommen.
17) Jordan, Zu dem Briefe der Cornelia Gracchorum, in Her-
mes 1880. XV, S. 530-536
bespricht die in dem zweiten Fragmente der Epistola Corneliae matris
Gracchorum § 4 vorkommende Passage: invocabis deum parentem. In
eo tempore non pudet te eorum deum preces expetcre, quos vivos atque
praesentis relictos atque desertos habueris? in Rücksicht der Frage, ob
in jener Redewendung; invocabis deum parentem die Emendation von
deum parentum geboten sei, daran eine Erörterung der dii parentum
und dii parentes anknüi^fend.
In Betreff des ersteren Punktes nun liegen die Verhältnisse so,
dass eine Emendation des deus parens keinesfalls geboten ist: parens
kann zu deus ebenso exegetisch, wie adjectivisch sich verhalten, somit
dort in dem Sinne von deus, qui est parens, hier von deus parentalis,
somit also von deus parentis. Daher ist diese Stelle ohne alle Beweis-
kraft in Bezug auf die dii parentum oder parentes.
Dagegen in Betreff des zweiten Punktes liegen die Verhältnisse
so, dass die ältesten Quellen: zwei leges regiae des Romulus und Ser-
vius Tullius bei Fest. 230 b, 13. 15, lediglich divi parentum, nicht aber
dii parentes kennen und darunter nun eine Sonderbezeichnung gewisser,
nach ihrer Bezüglichkeit zu einer gegebeneu Person individuell qualificir-
ter dii Manes zu verstehen ist, worauf in der That auch hinweist Cic.
de Leg. II, 9, 22: Deorum Manium iura sancta sunto: sos leto datos
divos habento. Und zwar sind ebenso diese dii Manes, wie jene divi
parentum keineswegs identisch mit dem Verstorbenen selbst, vielmehr
Divi parentum und parentes. Fortuna. 49
von demselben verschieden; denn hier besagt solches der Ausdruck
selbst divi parentum, dort bezeugt es Varr. bei Arn. adv. nat. HI, 41,
der die Manes definirt als quidam genii et functorum animae. Gleich-
wie daher der Genius Augusti verschieden ist von dem divus Augustus,
so sind auch verschieden die Manes und divi parentum von den paren-
tes selbst.
Dem treten nun gegenüber in einer Anzahl jüngerer d. h. der
späteren Kaiserzeit angehöriger Veroneser und stadtrömischer Inschrif-
ten (dann auch in der unter No. 25 besprochenen Bleitafel von Minturnä)
die dii parentes, welche, wie dieser Ausdruck ergiebt, in der That iden-
tisch sind mit den parentes selbst, d. h. die als apotheosirt gedachten
Eltern selbst sind.
Diesem Sachverhalte gegenüber kann es nun nach Massgabe der
Quellen nicht dem leisesten Zweifel unterliegen, dass einerseits die dii
Manes und insbesondere die divi Parentum allein der ältesten Glaubens-
lehre Roms angehören und andrerseits die divi Parentes einer vom Oriente
her nach Rom importirten Glaubenssatzung entstammen, die selbst ihren
prägnanten Ausdruck in der Apotheosirung Cäsar's im Jahre 725, wie
weiterhin dann der Kaiser gewann, wogegen andererseits wiederum der
Divus Pater und die Diva Mater der ältesten römischen Religion nicht
sowohl Ahnengütter der Familie, als vielmehr die Götter des Staates
selbst sind, wie z. B. Mars, Terra (Preller, röm. Myth. 50 f.).
Gleichwohl stellt der Verfasser dem gegenüber die Sätze auf: Dii
parentes ist die älteste und originale Ausdrucksweise, wogegen der Aus-
druck Divi parentum »unzweifelhaft den Werth einer authentischen Inter-
pretation« besitze; und zwar seien jene divi parentes von den Manes
verschieden. Allein weder sind diese Sätze irgendwie begründet oder
etwas ausgeführt, noch sind dieselben dem Referenten nach Ausdruck,
wie Denkgehalt auch nur verständlich.
Endlich bespricht der Verfasser noch den Ausdruck deorum preces
expetere, dessen Correctheit auf die Annahme gestützt wird, dass preces
anstatt eines zu erwartenden comprecationes oder precationes gesetzt sei.
18) M. Emmanuel Fernique, ancien eleve de l'öcole normale
superieure, ancien membro de l'ecole fran(;aiso de Rome, professeur
d'histoire au College Stanislas, ttude sur Preneste ville de Latium.
These pour le doctorat es lettres presentee ä la P'aculte des lettres
de Paris. Paris 1880. 222 S.
Die Schrift, welche in vier Abtheilungen zerfällt und in der ersten
die Geschichte Präneste's von den ältesten Zeiten bis herab während
der römischen Herrschaft behandelt, in der dritten und vierten aber
eine Darstellung der Ruinen Präneste's, wie eine Geschichte der prä-
nestinischen Kunst giebt, erörtert in der zweiten Abtlieilung (S. 75—00)
die Sacralalterthümer Präneste's, und dies zwar in zwei Capiteln: La
Jahresbericht fiir AUcnhiimswisseiischaft XXVIU. (1881. HI.) ^
50 Römische Sacralalterthümer.
Fortuno dans le Latium et specialement ä Pr6neste (S. 75 — 85) und:
Le culte de la Fortune ä Pröncste et les oracles, qu'elle y rendit
(S. 86-90).
Im Besonderen führt das erste Capitel aus, dass die Fortuna
eine in Latium weit verbreitete Gottheit war, welche insbesondere zu
Präneste als Primigenia (Urerzeugcrin) verehrt wurde und den Juppiter
Puer und die Juno im Schoossc haltend dargestellt war. Dagegen ge-
hörte dieselbe nicht zu den alten römischen Staatsgöttern, sondern fand
erst in einer späteren Zeit Aufnahme in Rom und zwar wohl durch Ser-
vius Tullius, welcher der Fortuna Primigenia auf dem Capitole einen
Tempel errichtete, worauf dann der Cult der Fortuna in maunichfacher
Gestalt in Rom sich ausbreitete.
Alle diese Momente aber sind ebenso von religionsgeschichtlichem,
wie von historischem Interesse; denn so, was das erstere betrifft, er-
scheint in Präneste die Fortuna Primigenia als Glied einer Göttertrias,
wie solche in Italien häufiger auftreten, und zwar an der Stelle, welche
in der capitolinischen Trias die Minerva einnimmt; und wiederum in
letzterer Beziehung ist beachtlich, dass es wieder Servius Tullius ist,
welcher den latinischen Bund unter der Hegemonie Roms und um den
Mittelpunkt des Tempels der Diana in Aventino stiftete.
Dagegen das zweite Capitel liefert einen Beitrag zu dem Orakel-
wesen in Rom, wie Italien.
19) J.Jäkel, Zur Aeneassage. Programm des Staats-Gyranasiums
zu Freistadt. Freistadt 1879. 27 S.
Die Schrift stellt sich die Aufgabe, die Aeneas-Sage auf den ihr
inliegenden historischen Kern zu prüfen und tritt so nun vornämlich der
jener Frage von Schwegler zu Theil gewordenen Behandlungsweise ent-
gegen, daher denn dieselbe im grossen Ganzen nicht dem Ressort des
Referenten unterfällt. Vielmehr ist in der letzteren Beziehung allein
einschlagend die Ausführung des Verfassers, dass Venus eine altlatini-
sche Göttin ist, deren Dienst mit den Aeneaden nach Latium gelangt
war (S. 7 f. 20 ff.).
20) P. Ciairin, De haruspicibus apud Romanos. Paris 1880.
VI, 89 S.
Der behandelte Stoff wird in drei Abtheilungen zerlegt, deren erste
(S. 1—18) die Lehre von der Divination in vier Abschnitten behandelt:
die Divination in dem Kreise der asiatischen Culturvölker, der Aegypter
und der Griechen; die Divination bei den Römern; die Ansichten des
klassischen Alterthums über den Werth der Divination und endlich die
Urtheile der christlichen Schriftsteller über dieselbe.
Sodann die zweite Abtheilung (S. 19 — 41) stellt die Disciplin der
haruspices dar und erörtert 1. die Etymologie und Bedeutung des Wortes
Haruspices. Prodigien. 51
haruspex; 2. die klassischen Schriften über die Haruspicin; 3. die Lehre
von den Blitzen und der Behandlung der Blitzschläge; 4. die Lehre von
den Prodigien und deren procuratio; endlich 5. die Lehre von der Ein-
geweideschau.
Endlich die dritte Abtheilung (S. 42 — 86) giebt eine Geschichte
der haruspices und zwar 1. in der Königszeit; 2. während der Periode
der Republik; 3. in der Zeit von August bis zu Constantin d. Gr.; end-
lich 4. von Constantin abwärts.
Ein Exkurs über die Stellung der haruspices und der XVviri sa-
cris faciundis gegenüber der Deutung und Procuration der Prodigien
(S. 87—89) bildet den Schluss.
Die Abhandlung ist zwar ganz gut geschrieben und bietet eine
nützliche Zusammenstellung des einschlagenden Stoffes; allein neue Er-
gebnisse liefert dieselbe nicht, vielmehr sind nicht einmal die Zusätze
von Deecke zu Müller's Etrusker verwerthet, indem dieses Werk in der
ersten Auflage benutzt ist.
21) Dr. Franz Luterbacher, Der Prodigienglaube und Prodi-
gienstil der Römer. Beilage zum Jahresbericht über das Gymnasium
in Burgdorf. Burgdorf 1880. 48 S.
Die Abhandlung zerfällt in sechs Abschnitte, deren erster; Bedeu-
tung der Prodigien (S. 3 — 6) einen einleitenden Ueberblick über die
Theorie von den erbetenen und den ungesucht sich darbietenden Zei-
chen giebt, durch welche die Götter, sei es ihren Willen, sei es die Zu-
kunft den Menschen offenbaren, dabei die Worte prodigium, ostentum,
portentum, monstrura, miraculum und omen in Betracht ziehend und da-
nach die gestellte Aufgabe präcisirend.
Dann Abschnitt II: Aufzeichnung und Ueberlieferung der Prodi-
gien (S. 6 — 11) stellt fest, dass von Alters her der pontifex maximus,
dem von vornherein die procuratio prodigiorum obliegt, dieselben in den
anuales maximi verzeichnete, anfänglich nur vereinzelt, seit 505 d. St.
dagegen regelmässig, von wo aus dann die römischen und griechischen
Schriftsteller dieselbe entlehnten, so namentlich Coelius Antipater, Si-
senna, Valerius Antias , dann Livius, Valerius Maximus und Jul. Obse-
quens. Zugleich wird dabei Ciceros Stellung zu dem Prodigienwesen
in Betracht gezogen.
Hierauf Abschnitt III: Die wichtigsten Prodigien (S. 11—18) giebt
eine Uebersicht der wichtigsten und häufigsten Prodigien aus den Jahren
536 — 712 d. St.: eigenthümliche Phänomene der Sonne, wie anderer Him-
melskörper, Blitzschläge, Regen oder Hervorquellen ungewöhnlicher Stoffe,
Austreten von solchen aus Götterbildern oder heiligen Emblemen, ge-
wisse Abnormitäten menschlicher oder thierischer Geburten, Erscheinen
ven gewissen Thieren an gewissen Orten, endlich Abnormitäten, welche
die Eingeweideschau ergiebt.
4*
52 Römische Sacralalterthflmer.
Sodann Abschnitt IV: Slilinung der Prodigien fS. 18—20) beant-
wortet die Fragen, wer die Anmeldung der Prodigien vollziehe, bei wem
solche erfolgt sei, wer über den Thatbestand des Prodigium und dessen
Sühnung entscheide, endlich über die Formen der Sühnung: precationes,
loctisternia und sacra, dann auch Lustration.
Wiederum Abschnitt V: Der Prodigienstil (S. 20—42) erörtert die
Formeln, in denen die Aufzeichnung der Prodigien erfolgte.
Endlich Abschnitt VI : Quellen des Livius für die Prodigien (S. 42
— 47) bietet als Resultat, dass Livius seine Angaben der Prodigien in
der ersten Dekade grossentheils aus einer griechischen Quelle: aus Fa-
bius Pictor, wie daneben aus Lucius Piso , in der dritten Dekade aus
Coelius Antipater und Valerius Antias, in der vierten Dekade vornäm-
lich aus Valerius Antias entlehnte, womit der Verfasser zu dem gleichen
Resultate kommt, wie Referent selbst, der in seinen Leges regiae 232
bereits auf die eigenthümliche Stellung des Antias zu den Prodigien
hingewiesen hat. Endlich in den letzten Büchern folgt Livius verschie-
denen Quellen und unter Anderen auch dem Sisenna.
Die Abhandlung des Verfassers bietet eine fleissige und gewissen-
hafte und namentlich in dem fünften Abschnitte sehr reichhaltige und
interessante Arbeit, durch welche der einschlagende Lehrstoff eine er-
hebliche Förderung erfahren hat. In mehrfacher Beziehung beklagens-
werth ist jedoch, dass der Verfasser die Ausnutzung der Arvalacten sich
hat entgehen lassen.
22) M- R- de La Blanchere, Inscriptions inedites de la Valle
di Terracina, in Revue archeologique 1880. Nouv. Serie XII, 302—308
theilt mit und erörtert eine Inschrift, welche, gefunden bei Terracina,
davon Kunde giebt, dass die Reparatur eines Grabmonumentes, selbst
wenn auf Grund eines pontificalen Dekretes erfolgt, doch die Darbrin-
gung eines piaculum erforderte, eine Ordnung, welche durch diese In-
schrift zum ersten Male uns bekundet wird.
Im Bulletino dell' Instituto 1881 S. 03 ist dann jene Inschrift selbst
in berichtigter Lesung von Mommsen wieder gegeben worden.
23) Karl Zangenmeister, Bleitafel von Bath, in Hermes 1880
XV, 588 — 590
berichtet über eine Bleitafel, welche, in den Quellen von Bath in Eng-
land gefunden, in acht Zeilen eine defixio darbietet, wodurch Jemand
wohl unter Aufzählung der ihm verdächtig erscheinenden Personen, die
Strafe einer nicht genannten Gottheit auf den Dieb eines gestohlenen
Tischtuches (mantelium) herabbeschwört für den Fall, dass der Betreffende
das gestohlene Gut nicht zurückerstatte.
Die Tafel, deren Lesung nicht ganz sicher ist, ist namentlich in
sprachlicher und paläographischer Beziehung von Interesse.
Prodigien. Defixio. Christenthum. 53
24) de Rossi im Bulletino dell' Instituto 1880. S. 6 ff.
berichtet über eine Bleitafel, welche, zwischen den Aschenurnen eines
columbarium an der via Aj^pia niedergelegt und im Jahre 1870 gefunden,
ebenfalls eine defixio ausspricht. Dieselbe bietet den umfangreichsten
Text derartiger bisher bekannter Schriftstücke und ist überdem dadurch
bemerkenswerth, dass sie neben dem lateinischen Haupttexte auch einen
griechischen Nebentext, sowie verschiedene Bilder darbietet. Beide Texte,
im kleinsten Cursiv des zweiten oder dritten Jahrhunderts geschrieben,
sind noch nicht vollständig entziffert.
25) C. Stornaiuolo im Bulletino dell' Instituto 1880. S. 188 — 191
bietet eine Bleitafel, welche, im Jahre 1879 in einem Grabe in der Nach-
barschaft von Minturnä gefunden, gleichfalls eine defixio der Tyche, Gattin
des Charisius ausspricht.
Die Inschrift ist interessant durch den darin zu Tage tretenden
starken Verfall der lateinischen Sprache.
26) Notizie degli scavi di antichitä, communicate alla R.
academia dei Lincei, April 1880. S. 147
theilt eine Bleitafel mit, welche, zu Cumä gefunden, nach Massgabe der
Inschrift ihrem Besitzer als Schutzmittel zu dienen berufen war, um die
uachtheiligen Folgen einer defixio abzuwehren, welche etwa von einem
namentlich genannten Feinde ihres Besitzers ausgesprochen werden sollte.
IV. Schriften über christlich-römische Alter thümer.
27) Ferdinand Delauuay, L'eglise chretienne devaut la legis-
lation romaine ä la fin du premier siecle, in Comptes rendus des sean-
ces de l'Academie des inscriptions et belles-lettres 1879. 4. serie. tom. VII,
30 — 64.
Die Untersuchung erörtert drei Punkte:
1. Den Brief des Plinius an Traian 96 nach seiner Authentie,
welche bejaht wird: der Widerspruch, den mau in dem Ausdrucke fla-
gitia cohaerentia nomini fand, schwindet, sobald man denselben nicht
von Verbrechen versteht, welche mit dem christlichen Bekenntnisse noth-
wendig sich verknüpfen, als vielmehr von Verbrechen, welche damit sich
verknüpfen können. Im Uebrigen aber bietet der Brief durchaus nur
die Anschauungen eines aufgeklärten Heiden, von staatsmiinnischer Un-
befangenheit durchweht, ohne dass irgend etwas nöthigte, darin die Fe-
der eines Christen zu erblicken.
2. Die durch den Brief angeregten Rechtsfragen: das römische
Recht enthielt kein Spezialgesetz wider das Christenthum, und es sind
lediglich richterliche Präjudicicu, auf Grund deren Plinius gegen die
54 Römische Sacralalterthümer.
Christen vorgeht: deren Verweigerung des Gehorsames gegenüber dem
Magistrate begründet eine strafbare Handlung.
3. Die durch den Brief angeregten historischen Fragen: das all-
gemeinere Vorgehen der römischen Magistrate gegen die Christen ist
nicht sowohl durch den direkten Nachweis strafbarer Handlungen ver-
anlasst worden, als vielmehr nur durch den Verdacht geschlechtlichen Um-
ganges bei der Feier des Liebesmales.
28) E. Le Blant, La richesse et le christianisme ä läge des per-
sccutions, in Revue archeologique, Nouvelle serie, 21^ annee, 1880.
April-Heft no. IV.
Der Verfasser legt dar, dass es in den ersten Zeiten der christ-
lichen Kirche ein zwiefacher Grund war, welcher die Reichen vom Ueber-
tritt zum Christcnthum abhielt: sowohl die Geringschätzung des Reich-
thums Seitens der Bekenner selbst, als auch die besondere Strenge, mit
welcher in den Zeiten der Verfolgung wider die Reichen verfahren wurde.
Die Kirchenlehrer richteten in Folge dessen ihre Bestrebungen darauf,
diese Bedenken zu bekämpfen, indem sie den Reichen Demuth und Mild-
thätigkeit einschärften.
Jahresbericht
über naturgeschichtliche Alterthümer.
Von
Professor Dr. Otto Keller
in Prag.
Allgemeines, Menschen, Thiere, Pflanzen, Steine, ein-
schliesslich Natursymbolik.
Da eine längere Pause seit meinem letzten Jahresbericht verflossen
ist, hat sich das Material derart gehäuft, dass ich eine nicht unbedeu-
tende Partie einschlägiger Schriften für die nächste Besprechung
aufsparen muss. Auch gerade einige der inhaltsreicheren Bücher
mussten aus diesem Grunde zurückgelegt werden. Der Umfang des Re-
ferats wäre sonst viel zu gross ausgefallen.
Grant Allen, Der Farbensinn. Sein Ursprung und seine Ent-
wicklung. Ein Beitrag zur vergleichenden Psychologie. Rechtmässige
deutsche Ausgabe. Mit einer Einleitung von Dr. Ernst Krause. Leip-
zig 1880. 274 S. 8.
Es kommen für uns die drei Capitel 11—13 = S. 193 — 270 in
Betracht. Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten vom Standpunkte
des Zoologen und Darvvinianers aus der Beweis geführt worden ist, dass
»alle höheren Thiere, einschliesslich der Vierhänder, mit einer der uns-
rigen im Wesentlichen entsprechenden Farbeuwahrnehmung begabt sind.
so muss natürlich der Mensch, als Abkömmling eines vorgeschrittenen
vierhändigen Typus, die nämliche Fähigkeit von der frühesten Periode
seiner eigenen Geschichte an besessen haben. Der Farbensinn muss ein
dem ganzen Menschengeschlechte in jeder Gegend und zu jeder Zeit
gemeinsames Eigenthum gewesen sein«. Damit ist der diametrale Ge-
gensatz gegen Geiger, Gladstone und Magnus bezeichnet. Der Verfasser
führt zunächst aus, dass alle jetzt existierenden Kassen einen völlig ent-
wickelten Farbensinn besitzen. Und wenn so niedrig stehende Wilde,
wie die von Allen erwähnten, wirklich ein sehr hohes Farbenunterschei-
56 Naturgeschichte.
dungsverraögen besitzen, so dürfen wir dasselbe den viel höher stehenden
antiken Culturvolkern nicht abstreiten.
Was die Assyrer bctrilit, so muss eine Besichtigung der Ueber-
reste im Louvre und im Britischen Museum auch den Zweifelsüchtigsten
überzeugen, dass der Farbensinn der Assyrer durchaus identisch mit dem
unsrigen war (S. 204).
Bei den Aegypteru trefien wir sogar hinsichtlich der Farben Be-
lege »für eine ausgebildete "Wissenschaft, eine vollendete Erfahrung und
eine grosse Genauigkeit in der Ausführung« (S. 205). Den Höhepunkt
erreicht die Kolorierung in der achtzehnten und neunzehnten Dynastie.
Für Griechenland beweisen schon die mykenischen Funde Schlie-
mann's einen namhaft entwickelten Farbensinn, und wenn auch Grün und
Blau auf den Gefässen fehlen, so fehlte es nicht an Sinn dafür, sondern
au Farbstoff (S. 201).
Selbst für die rohen Völker der Steinzeit haben wir Beweise des
Farbensinns. Der überzeugendste ist das Vorkommen von Ocker in Grä-
bern. Dr. Rollestone benachrichtigte Herrn Allen, »dass er beständig
Stücke Röthel fand, ohne Zweifel zu persönlicher Verzierung bestimmt
und zur Seite des Todteu gelegt. Er glaubt, der allgemeine Charakter
vorgeschichtlicher Ueberreste könne bei keinem Sachverständigen Zweifel
darüber lassen, dass der Urmensch eine stark entwickelte Farbenwahr-
nehmung besass« (S. 209).
Jene Geiger-Gladstone'sche Hypothese stützt sich hauptsächlich auf
die Sprache. Allen hat nun den Beweis geliefert, dass die Beobachtung
der Natur bei den Thieren und bei den dem Naturzustand nächststehen-
den Völkern gegen die fragliche Hypothese spricht. »Die frühesten ge-
schichtlichen Nationen unterschieden jede Hauptfarbe des Spektrums und
brachten dieselbe in Anwendung, lange vor jener Zeit, wo, wie wir be-
lehrt werden, der Farbensinn noch unbekannt gewesen sein soll. Durch
die ganze historische Zeit ist in Aegypten, Assyrien, China, Indien, Peru,
Mexiko und Westeuropa die Farbe erkannt und benutzt worden, ganz
wie heutzutage. Und über die ganze bekannte Welt, bei den civilisier-
testen wie bei den wildesten Rassen, erscheint die Farbenwahrnehmung
allen competenten Beobachtern genau identisch«. Und was die soge-
nannte Farbenblindheit anlangt, welche ein Rest jener ursprünglichsten,
unentwickelten Zeiten sein soll, so ist diese gerade bei den civilisierte-
sten Völkern am häutigsten [also gleich der Kurzsichtigkeit eine Civili-
sationskrankheit]. Ausserdem betrifft sie gerade das Roth, welches nach
jener Theorie die unterscheidbarste aller Farben sein sollte.
XH. Capitel. Die erste Benutzung des Farbstoffes ist das An-
streichen von Haar und Körper (S. 236).
Das XHI. Capitel behandelt das Wachsthum des Farbenwort-
schatzes.
Der Urmensch in seinem frühesten Stadium wird Farbenausdrücke
Naturgeschichte. 57
überhaupt nicht besitzen, er wird nur von concreten Dingen reden. Dann
kam zunächst eine Wurzel für »Roth« auf; diese hervorstechendste und
für das Naturgefühl schönste aller Farben erhielt einen eigenen Namen
[rudh]. Alle anderen Farben sind Vergleichungen mit wohlbekannten
Gegenständen (S. 247). Sobald aber Blau eine anerkannte Kunstfarbe
wird, taucht auch ein Stamm dafür auf. Einer der gebräuchlichsten in
Europa ist Azur, vom persischen lazur, Lapis Lazuli. [Hier scheint der
Verfasser eine zufällige Erscheinung sehr später Zeit unpassenderweise
in seine Betrachtungen eingereiht zu haben — diese »zweite oder roth-
blaue Periode, wo das Wort Blau auch häufig für Grün gebraucht« wurde,
kommt mir überhaupt bedenklich vor. Dass der Lapis Lazuli bei Theo-
phrast und Plinius ohne allen Zweifel den Namen Sapphir führt, dürfte
auch beachtet werden.]
Der Farbenwortschatz der meisten halbcivilisierten Völker, aller
Kinder und der grossen Massen der ungebildeten Erwachseneu begreift
bloss sechs Farben : Schwarz und Weiss, Roth und Blau, Grün und Gelb.
Fügen wir noch Grau und Braun hinzu, so haben wir den ganzen Far-
benwortschatz des täglichen Lebens (S. 250).
Wenn wir nun weiter nach der Ursache der grossen Unbestimmt-
heit aller Farbenausdrücke fragen, so ist die Lösung dieser Schwierig-
keiten in der »Natur der Farbenempfindungen selbst« zu suchen, »die
nirgends durch bestimmte Linien scharf von einander abgegrenzt sind«
(S. 252). Die Alten sind aber in diesem Stücke durchaus nicht incor-
recter als die Modernen. Allen weist aus modernen Dichtern nach, »dass
Roth um 500 Prozent poetischer sei als Blau« (S. 256); dass auch die
modernen Dichter alles mögliche roth nennen, was genau genommen nicht
roth sei u. s. f. »Die späteren Griechen waren sich selbst ihres mangel-
haften Farbenwortschatzes bewusst, wie aus einer Stelle bei Athenäus
(XIII 31) erhellt« (S. 259). [Wenn Allen S. 262 den Homer wegen des
Meer- Epithetons veilchenfarbig in Schutz nimmt, weil »nicht geleugnet
werden kann, dass die See zuweilen, wenn auch selten, veilchenblau ist«,
so möchte ich in diesem Stücke nach eigener Anschauung noch viel ener-
gischer für Homer eintreten. Gerade die veilchen- und chokoladenfar-
bigeu Tinten sind ein charakteristisches Merkmal der griechischen Meere.
Sic unterscheiden sich dadurch wesentlich z. B. vom Schwarzen Meer
und von der Nordsee.] In der Ilias IV 141 wird phoinix, ein helles
Scharlach, als eine Farbe erwähnt, die zur Ausschmückung von Elfenbein
gebraucht wurde, das ein Zeichen der Häuptlingswürdc bildete; seine
Farbe wird dort beschrieben gleich frischem Blute, das aus einer Wunde
fliesst. Nichts könnte klarer oder deutlicher sein als das, und nur zu
Gunsten einer zurecht gemachten Theorie ist es möglich, jene Bedeutung
niisszuverstehen. Diese eine Stelle ist vollständig hinreichend, um zu
zeigen, dass die Griechen das Roth wahrnahmen. Die Annahme, dass
eine farbenblinde Rasse sich damit abgebe, Farbstoffe in Anwendung zu
58 Naturgeschichte.
bringen, ist ungefähr ebenso rationell als die Annahme, dass eine Rasse
von Taubstummen ihre Zeit damit zubringen könnte, Klaviere zu machen«.
»Grün ist (bei Homer) immer durch grasgleich (j^Xcopög) bezeichnet,
abgeleitet von y^hWj Kraut. Das Wort findet sich selten buchstäblich auf
grüne Gegenstände angewendet, weil solche im allgemeinen Blätter oder
andere pflanzliche Erzeugnisse sind, deren Name allein schon hinreicht,
um die Farbe zu bestimmen. Der Balladendichtcr liebt es, von rothem
Weine, Scharlaclikleidern, Pupurteppichen, goldenen Helmen, glänzender
Bronze zu sprechen; warum sollte er uns von gewöhnlichem Blattgrün
oder dem blauen Himmel erzählen? Diese Dinge gehören zur Poesie
des civilisierten Menschen, des Städtebewohners, finden aber keinen na-
türlichen Platz in den rauhen Gesängen, welche vom wilden Königthum
und blutigen Schlachten erzählen. Hierin liegt das wirkliche Geheimniss
der griechischen Farbennomenclatur. Die vielen glänzenden Dinge draussen
in der Natur, für welche wir so verschiedene Namen haben (Blumen,
Vögel, Schmetterlinge), hatten nur geringen Werth in den Augen jener
blutdürstigen Krieger, deren grösste Lust die j^a/v^t)^, die Kampf begier,
die Freude am Morden, war« (S. 263).
[Den Abschnitt über die hebräischen Farbenwörter übergehe ich,
dagegen will ich noch einige Kleinigkeiten anmerken, wo mir etwas
fehlerhaft scheint. S. 259 ist statt Phrynikus Phrynichus, S. 261 statt
typisch tyrisch zu lesen. S. 260 ist die Ausdrucksweise (Krause's), man
leite das Wort i/juhpog vom Sanskr. rudhira Blut ab, unrichtig, da
ipoHpog doch keinesfalls ein Lehnwort aus dem Sanskrit ist. Auch dürften
beide Wörter selbständig mit der gewöhnlichen Ableitungssylbe ra aus
dem ursprünglichen rudh hervorgegangen sein, und rudh wird, wie oben
bemerkt ist, von Anfang an »roth« bedeutet haben. Somit wäre vielmehr
das Sanskritwort rudhira eine Modifikation des Begriffs »roth« , nicht
umgekehrt.
S. 262 wird gesagt, dass baxtvBivoQ möglicherweise die Farbe un-
serer Hyazinthe bedeute. Allein bdxcvi^og bezeichnet keinesfalls unsere
Hyazinthe.
S. 265 wird behauptet, der Ausdruck Scharlacken, hebräisch ärgä-
man, stamme jedenfalls aus dem Indogermanischen (sanskr. näga, rothe
Farbe). Was hier für eine lautliche Uebereinstimmung bestehen soll,
ist durchaus unverständlich.]
Fr. Luterbacher, Der Prodigienglaube und Prodigienstil der
Römer. Eine historisch-philologische Abhandlung. Beilage zum Jahres-
bericht über das Gymnasium in Burgdorf. Burgdorf 1880. 47 S. 4.
1. Bedeutung der Prodigien. 2. Aufzeichnung und Ueberlieferung
der Prodigien. 3. Die wichtigsten Prodigien. 4. Sühnung der Prodigien.
5. Prodigienstil. 6. Quellen des Livius für die Prodigien (Hauptquelle
Valerius Antias, wie auch Vollmer vermuthet hatte).
Naturgeschichte. 59
Am werthvollsten ist wohl das 5. Capitel, wo die specifischen Aus-
drücke recht gut und übersichtlich zusammengestellt sind. Für das
Uebrige will ich einige wenige Beiträge geben.
S. 4 ist gesagt, dass bei keinem andern Volk der Verkehr mit
den Göttern durch Kontrolierung und Behandlung der Vorzeichen so
ausgebildet gewesen sei, als in Rom ; hier möchte ich die Etrusker doch
ausnehmen.
S. 6 wird gesagt, cogitare sei = co-ig-itare, bei sich besprechen,
^pd^£<7&ac, von agh, ajo sagen. Es ist dies eine sehr unwahrscheinliche
Hypothese. Warum soll es nicht von ag treiben, »betreiben« herkommen ?
con würde die Verstärkung bedeuten, wie in collaudare, in couficere
u. dgl.; dass omen mit audire verwandt sei, steht auch nicht sicher.
S. 11 wären zu den über Prodigien berichtenden Schriftstellern
besonders noch Phlegon, Plutarch und Ammianus Marcellinus nachzu-
tragen. Bei letzterem z. B. findet sich u. a. die erste Notiz über das
Ominöse des Eulenschreies. Auch Sueton und die Scriptores historiae
augustae hätten etliches Interessante geboten.
S. 18 heisst es: »Wie die Erscheinung eines Uhu, war gefürchtet
diejenige eines Brandvogels (Avis incendiaria), d, h. wohl jedes Vogels,
welcher Kohle von einem Altar wegtrug«. Da aber dieser Vogel in den
etruskischen Büchern abgebildet war, so muss es mindestens ursprünglich
eine bestimmte Art Vögel gewesen sein. Uebrigens wurde das Thier
nach dem Jahr der Stadt 645 überhaupt nicht mehr gesehen. Ohne
Zweifel war es eine bestimmte Art Eule, deren Erscheinen Feuersbrunst
bedeutete; und es wird ja auch wirklich überliefert, dass es Feuersbrunst
bedeute (Servius), wenn eine Eule ein Stück Holz auf ein Haus trage.
Die interessante und recht besonnen gearbeitete Schrift behandelt
im Vorbeigehen auch einige Liviusstellen.
S. 14 wird für Liv. 27, 11, 2 die sehr plausible Emendation ostium
lacus für das widersinnige Ostiae lacus vorgebracht.
S. 23 wird bei Liv. 40, 59, 7 Dükers Vermuthung in fanis für in
foris gebilligt und gestützt.
S. 27 wird für Liv. 40, 19, 2 Lanuvini für Lanuvii empfohlen, gewiss
auch mit Recht.
Im Capitel über den sermo prodigialis interessiert uns hier die
Bemerkung über serpens und auguis. Ersteres kommt erst im nach-
klassischen Prodigienstil vor. Livius braucht serpens von Ungeheuern.
G. A. Saalfeld, Italograeca. Kulturgeschichtliche Studien auf
sprachwissenschaftlicher Grundlage gewonnen. I. Heft: Vom ältesten
Verkehr zwischen Hellas und Rom bis zur Kaiserzeit. Hannover 1882.
49 S. 8.
Der Verfasser sucht die Entlehnung griechischer Wörter in der
lateinischen Sprache in culturgeschichtlicher Weise zu verwerthen, indem
60 Naturgeschichte.
er daraus auf die Belehrung der alten Römer durch die Griechen hin-
sichtlich der betreffenden Begriffe schliesst. Wir heben aus der sehr
originellen und lesenswerthen Zusammenstellung das Wenige heraus, was
sich auf Thiere und Pflanzen bezieht.
S. 38 myropola, der Parfümeriehändler, aus /lufjorrw^g (schon bei
Plautus).
S. 39 conger, yoyypog, Meeraal (Plautus).
— lopas, ^e~dg, Napfschuecke (Plautus).
— siser, ahapov, Zuckerwurzel, Möhre (Varro).
— trugonus, zpnyöjv^ Stachelroche (Plautus).
— fungus, GiföyyoQ, anuyyog^ essbarer Pilz (Plautus).
S. 40 amurca, äiiupyrj, Oelschaum (Cato).
[Meine Ableitung von remus, resp. resmus (triresmus auf der col.
rostr., resina = pfi~^'>'fj) aus epzriiög halte ich trotz S. 24 immer noch
für wahrscheinlicher als die durch Saalfeld vorgezogene von ar pflügen,
also von einer hochpoetischen Phrase »Pflügen des Meeres«. Einen Be-
weis gegen supparum = amapog sehe ich gleichfalls noch nicht erbracht.
Ueber die Verwerfung der Ableitung von malus Mastbaum aus iio.Xea bin
ich mit Saalfeld durchaus einverstanden, habe auch die fragliche Ety-
mologie längst zurückgenommen (in den Wiener Studien) und durch eine
andere zu ersetzen gesucht, woraus die Verwandtschaft mit unserem
»Mast« hervorgehen würde.] Niemand wird Saalfeld's Studien, von denen
wir hier nur im Vorbeigehen Notiz nehmen können, ohne das Gefühl
sehr anregender Belehrung aus den Händen legen.
Parallel mit diesen »Studien« Saalfeld's sind die
Bemerkungen zu den griechischen Lehnwörtern im Lateinischen.
Von Dr. Max Rüge. Berlin 1881. 32 S. 8.
Hier werden die Wörter aber nicht nach culturelien Begriffsgruppen
geordnet, wie bei Saalfeld, sondern nach sprachlichen Gesichtspunkten.
S. 6 wird meiner Etymologie inuleus = iveXog (Hirsch) beigestimmt.
S. 7 '/^alßäwj = galbanum, ipälaiva = balaena, xiSpog = citrus,
fungus = aföyyog^ laena = yXatva^ alpoptg = muria, ptjztvrj resina, ;^a/-!y
= saeta, pavo = rawg, r.pdoov = porrum, Xdptvov = lardura, Xstptov
= lilium.
S. 9 xo^Xtag = Cochlea, apydog = argilla [auch ich halte das Wort,
gegen Vanicek, für ein Lehnwort], xr^pog = cera, xpoxiuzog = crocota,
jiüprog = murtus, xukopßog = columba.
S. 10 xoxxog = coccum, Ißiaxog = hibiscum, opzr/akxog = aurichal-
cum, pdpjiapog = marmor [auch dieses Wort halte ich mit dem Verfasser
gegen Vanicek für ein Lehnwort], p-opp-upog = mormyr [wobei auch die
Nebenform p-op/xu^og und das davon abgeleitete mirmillo zu erwähnen
scheint], Xaadpcov = laser.
S. 11 y6(l>og = gypsum. [Auf dieser Seite war clatri statt clathri
Naturgeschichte. 61
wie oben inuleus statt innuleus zu drucken. Dass einzig clatri richtig
lateinisch ist, habe ich in Fleckeisen's Jahrbüchern 103 S. 5.59 nachge-
wiesen, vgl. auch Brambach].
S. 12 pistacium = Ticazdxcov, lov = viola, xpdvov = cornus (Kor-
nelkirsche), dieses Wort ist nicht entlehnt.
S. 13 populus und ulmus waren ursprünglich Masculina.
S. 14 xpuxog = crocus, crocum, mcrog, rJaov = pisum, ipißtvS^og,
öpoßoQ = ervum, nä^og = buxus, buxum, xoazog — costus, costum,
xptKTraUog = crystallum, crystallus, iUeßopog = elleborus, elleborum.
S. 15 vdpnog — nardus, nardum, ßdxxaptg = baccaris, baccar [hier
wird auch das oben erwähnte supparum, supparus = amapog, ai<papog
aufgeführt], oarpsov = 0'&ivQ\xm, ostrea, /xy/^ro? === murtum, murta, xdma
= caepe, caepa, olvog = vinum, vinus, l^og = viscum, viscus.
S. 16 Tiav&rjp = panthera, Tupustg (Käsekuchen) = turunda (Brei)
[gewiss richtig], op-oq = ortyga, ortygia, iXifag ■= elephantus, oek(ptg
= delphinus, ypo^' = grypus. [Warum man S. 1 7 gewarnt wird, crepida
direkt neben xprjTuda zu stellen, ist nicht abzusehen. Als ob die Quan-
tität das unveränderlichste wäre in der Entwickelung der Sprachen! Es
wirkt da immer noch der alte starre Standpunkt der früheren metrischen
Schulen nach. Vgl. die eigenen Beispiele des Verfassers S. 10: upzriaX-
xog = aurichalcum, ßpayTtov = bracchtum, S. 4 ^r^p = ferusj.
S. 18 xüyypog = conger.
S. 19 ovaypog = onager, ßioXhr^g = boletus.
S. 20 xapuäJTcg = caryota (caryotis), pd^avig [lies pa(favig] = ra-
phanus, wo wohl eine Verwechslung mit pdcpavog (Kohl) vorliege, xoy/^ug
= conchis, (fopßij = forbea, ailipiov = sirpe, dpdxojv = draco, ataapov
= siser, nimpc = piper, ^u&og = zythum [scutum halte auch ich für
Lehnwort aus axuzog-^ mit obscurus und custos hat scutum keine Ver-
wandtschaft]. Tipoup-vri = prunus.
S. 21 iiöpov und p-iöpov = morum Maulbeere.
S. 23 caballus = xaßdXhjg, ruta = püzr^ ; jyncurium = Xoyxoöpcoi),
dieses letztere aus ligurium entstanden, welches in veränderter Form
als Lehnwort wieder in's Lateinische zurückgekehrt ist. Der Name su-
cidum für Bernstein, welcher erst spät vorkommt, scheint gelehrten Ur-
sprungs zu sein. Der gewöhnliche Name ist electrum = rj^exrpov, sicher-
lich zusammenhängend mit rjXixzwp. Dieser Sachverhalt erklärt sich
vielleicht so, dass die Römer den Bernstein wenig beachteten, später
aber von den Griechen ihn als Schmuckgegenstand bearbeiten und schätzen
lernten und dann auch den griechischen Namen dafür aimahmen. Soviel ist
jedenfalls gewiss, dass der Name in diesem Falle nicht beweist, dass der
Bernstein überhaupt erst aus Griechenland nach Italien gekommen ist.
S. 25. Gewiss richtig ist die Ansicht des Verfassers, dass der Wein
kein »voritalisches Besitzthum« gewesen sei. Er führt dafür u. a. die
Milchspenden für Pales, Ceres, Silvanus u. s. w. au. [Was aber S. 27
62 Naturgeschichte.
über die Einführung des Weins in Italien gesagt wird, ist zwar im AU-
gemeincü richtig, aber doch nach dem zum Buche Thudichum's Ange-
merkten zu modificierenj.
S. 28. (prjyÜQ bedeutet nicht Buche, da sie im alten Griechenland
und in den italischen Pfahlbauten nicht vorkam. S. 29. Es bedeutet
schon in ältester Zeit Kastanie, wofür später xdaTo.vov, xaaravia = ca-
stanea in Gebrauch kam. Besonders kommt in Betracht, dass schon die
Pfähle der italischen Terremare zum Theil aus Kastanienholz sind.
Schliemann's in so vieler Beziehung höchst verdienstliches Buch
Ilios, Stadt und Land der Trojaner, Leipzig 1881, enthält u. a.
zwei Capitel: Zoologie und Flora der Troas, S. 129—138 von Schlie-
manu, und S. 804—813 ein ausführliches Verzeichniss der bis jetzt aus
der Troas bekannten Pflanzen, nach den Sammlungen von R. Virchow
und J. Schmidt und den literarischen Quellen zusammengestellt von
P. Ascherson, Th. von Heldreich, F. Kurtz. Es ergeben sich zwar bis
jetzt bloss etwa 500 Pflanzenarten, eine Zahl, die höchstens V*— Va der
wirklich daselbst vorkommenden Gefässpflanzen ausmachen dürfte, aber
auch so ist die Arbeit äusserst dankenswerth. Die Sprachforscher machen
wir auf die mehrfach eingestreuten neugriechischen Volksbezeichnungen
der Pflanzen aufmerksam.
Was die Zoologie anlangt, so werden aus Webb und Tchihatcheff
zusammengestellt:
1. (Webb) Bären, Wölfe, Schakale, selbst vielleicht Tiger [letzteres
gewiss nicht, höchstens ein sporadischer Panther und auch dies kaum].
2. («Tchihatcheff) Bären, Wölfe, Schakale, Löwen, Panther; jetzt
fehlen Löwen und Panther (und wie es scheint auch Bären und Wölfe).
Wildschweine sehr häufig; Pferde, Rinder, Büffel, Dammhirsch und Reh
sehr häufig, Edelhirsch selten; zweihöckeriges Kamel. Krähen, Raben,
Rebhühner (rothe und graue), Wachteln, Störche in grosser Menge;
Kraniche.
Mehrere Arten Geier ; eine (schwarzbraune) Art Adler. Sehr viele
Schlangen, darunter auch giftige; Land- und Wasserschildkröten; Pferd e-
und Blutegel sehr viele in den Teichen der troischen Ebene. Wander-
heuschrecken lassen sich oft mehrere Jahre hintereinander sehen. Die
Kermesschildlaus , Coccus ilicis, lebt auf der immergrünen Eiche und
der Quercus coccifera.
Virchow hat alle einzelnen Conchylienarten der Troas zusammen-
gestellt: Landschnecken, Süsswasserconchylien und Meeresconchylien.
Endlich werden die auf der Ausgrabungsstelle zu Hissarlik selbst
gefundenen Conchylien zusammengestellt. Wir haben da Murcx trun-
culus und Purpura haemastoma, beide einst zum Purpurfärben benutzt.
Purpura haemastoma dient noch heute den Fischern von Minorca zum
Zeichnen ihrer Hemden. Virchow sagt, es sei bis jetzt noch kein zwei-
Naturgeschichte. 63
tes aus dem Alterthum erhaltenes Exemplar bekannt. [Vgl. dagegen
unten].
Viele der zu Hissarlik ausgegrabenen Muscheln dienten zum Essen,
so Trocbus, Patella, Ostrea, Spondylus, Pecten, Cardium, Venus, Tapes,
Solen und Cerithium, Andere dienten wohl den Trojanern als Zierrath
oder Spielzeug, so Columbella und Trochus articulatus.
Von den Btäuraen ist Quercus aegilops am meisten vertreten, wel-
che die Valoneaknopperu liefert; dann Quercus infectoria, Qu. pseudo-
coccifera, Qu. crinita.
Die von Homer genannten Pflanzen: Lotos, Eppich, Ulmen, Wei-
den, Tamarisken, Riedgras, Galgant kommen heute noch vor. Weiter
ist zu erwähnen: Nerium Oleander, Platanus orientalis, Vitex agnus-
castus, Dianthus, Centaurea, Crocus, Colchicum autumnale und variegatum,
Ophrys spiralis u. s. w. Diese Notizen über die Flora S. 135 ff. sind
aus P. Barker Webb, Topographie de la Troade ancienue et moderne.
Es ist also für uns nur von Werth, dass Schliemann die Angaben mit
seinen eigenen Beobachtungen nicht widersprechend gefunden hat.
Die Angaben über die Mineralien sind leider nicht zusammen-
gestellt, sondern versprengt. Die Einzelheiten können in dem am Schlüsse
des Buches beigegebenen musterhaften Register nachgesehen werden.
Von den Nephritfunden ist S. 496 ff. ausführlichst die Rede.
A. Thaer, Die altägyptische Landwirthschaft. Ein Beitrag zur
Geschichte der Agricultur. Mit sechs Tafeln. Berlin 1881. 36 S. gr. 8.
Es wird behandelt: l. Der Nil und seine Kulturbedeutung. 2. Die
Ueberschwemmungen. 3. Der Staat und die Bewässerung. 4. Abgren-
zung des Jahres durch die Ueberschwemmung. 5. Bodeubilduug im Nil-
thal. 6. Bestellung des überschwemmten Landes. 7. Kultur des künst-
lich bewässerten Landes. 8. Die Ackerwerkzeuge. 9. Die Kulturpflan-
zen, besonders der Weizen. 10. Viehzucht. 11. Agrarpolitik. 12. Die
königlichen Ländereien der Bauern auf den Domänen. 13. Die geist-
liche und weltliche Gruudaristokratie. 14. Die Agrarverwaltuug. Die
Abbildungen sind sehr praktisch ausgewählt. Die ägyptischen Denk-
mäler bieten ja einen ungemeinen Reichthum gerade an technischen land-
wirthschaftlichen Darstellungen. Im Texte zeigt der Verfasser gute Kennt-
nisse und vernünftiges Urtheil. S. 10 wird mit Recht die Hypothese von
Fraas bezweifelt, dass Aegypten früher ein kühleres Klima gehabt haben
müsse. [Man darf nur an die sozusagen völlig nackten ägyptischen Skla-
vinnen erinnern, wie sie regelmässig auf den Denkmälern erscheinen, so
ergiebt sich schon ein sehr warmes Klima für das älteste Aegypten].
S. 11 wird vom landwirthschaftlichen Standpunkte aus mitgetheilt,
dass das Schwein zum Eintreten der Saat besonders geeignet gewesen
sei , weil es mit seinen Afterklauen ähnlich wie eine Egge auf den Erd-
boden wirke. Das Rind würde mehr Schaden als Nutzen gestiftet haben.
64 Naturgeschichte.
Es sei also bei Herodot ganz richtig 'tat überliefert, die Conjectur ßo'jai
wäre saclilich falsch.
S. 18. »Plinius erwähnt ausser der Gerste noch drei Getreidearten
als gewöhnlich in Aegypten wie im Orient, Zea, Olyra und Tiphe. Diese
drei Pflanzen sind botanisch und landwirthschaftlich schwer zu bestimmen.
Wir fassen sie am besten unter dem Namen Spelze zusammen, d. h.
Weizenarten, deren Korn von den Deckblättern so fest eingeschlossen
ist, dass es nur durch ein besonderes Mahlverfahren daraus zu trennen
ist. So wenigstens kann man die Z^cä und oh()a des Dioscorides auf-
fassen, und dazu das adoreum des Columella und far des Plinius ein-
schliesscn. Das Quantum der Aussaat, welches Plinius XVIII 24, 55
verlangt, nämlich 10 Modien auf ein lugerum, also das Doppelte des
nackten Weizens, stimmt mit der heutigen Stärke der breitwüriigen Aus-
saat der Spelze. Die Umwandlungen der Spelze ineinander, welche bei
der Kultur stattfinden sollen, Plin. XVIII 10, 39 die fast absichtliche
Verwischung der eigentlichen Namen beweisen uns, dass auf die-
sem Felde der alten Botanik und Pflanzenkultur schwerlich Klarheit zu
schaffen ist. Plinius wirft hier arinca zusammen mit olyra, nimmt die
Abwesenheit oder das Vorhandensein der ziemlich gleichgiltigen Granneu
(aristae) als Specieskennzeichen auf, nennt dann »alles der oryza ähn-
lich«, und behauptet zum Schluss, dass auch die tiphe sich in orj^za
verwandle, und wenn sie dann gestampft gesät werden, dann wird aus
ihnen wieder frumentum, aber nicht gleich, sondern erst im »dritten
Jahr«, um die Unglaublichkeit vollständig zu machen. Einen weit siche-
reren Führer gibt uns eine Abbildung . . . Die Farbe des hier dargestell-
ten Getreides ist gelb, mit rothen Aehren, und kennzeichnet eine noch
heute besonders in Oberägypten allgemein gebaute Getreidepflanze, die
Durrah (Holcus sorghum L.) mit mehreren Varietäten. Auch in Mumien-
gräbern sind Körner derselben gefunden worden«.
S. 23. Die Darstellungen des Traubenpfiückens und Traubentretens
in Gräbern aus der zwölften Dynastie (2380 v. Chr.), ja noch an tau-
send Jahre früher, sind ein Beweis des höchsten Alters der Weinkultur
in Aegypten.
S. 29. Die altägyptische Pferderasse zeichnet sich durch Grösse
vor der arabischen und syrischen aus; sie hat sich in Dongolah rein er-
halten und wird südwärts von Syene noch heute angetroffen. [Vgl. da-
gegen unten Hommel].
S. 29. Vom Büffel ist keine Abbildung bekannt geworden. [Seine
Einführung in Europa datiert aus der Zeit der Völkerwanderung und
erst später scheint er nach Aegypten verpflanzt worden zu sein, Hom-
mel, Südsemit. Säugethiere 229]. Dagegen treffen wir eine Rinderrasse
ohne Hörner und mit einem Höckeransatz (S. 27). Die Gazellen waren
als Schlachtvieh im Gebrauch (S. 28). Bei den Schafen treffen wir das
Merinoschaf in Aegypten ganz deutlich erwähnt schon in der Odyssee
Naturgeschichte. 65
VI 85 (S. 28). Vom Schwein findet man zwei Rassen, eine kurzohrige
und eine langohrige (S. 2s). Von Hundsrassen begegnen wir dem Pin-
scher, dem Dachshund, mehreren Varietäten des Windhunds, vielen und
guten Exemplaren unseres Hühnerhunds (setter und pointer), dem Fuchs-
hund nach Art der in England jetzt üblichen, und dem stärkeren Wolfs-
hund. Dagegen Bernhardiner u. dgl. sieht man auf den Denkmälern
nicht (S. 30). Das von Diodor erzählte künstliche Ausbrüten der Hühner-
eier ist auf den Denkmälern nicht dargestellt; überhaupt begegnen wir
dem Huhn, einem indischen Importthiere, erst sehr spät. Dagegen lieb-
ten die alten Aegypter Enten, Gänse, Tauben, Wachteln. Vom Stopfen
der Gänse gibt Taf. VI Fig. 31 ein Bild. [S. 27 wird dies als »medi-
cinischer Vorgang« gedeutet, was ich für verfehlt halte]. S. 35 ist von
»Ratten« die Rede, welche in urältester Zeit auf den ägyptischen Fel-
dern hausten. Allein diese Thiere kamen erst später vom Pontus nach
Griechenland und hiessen pontische Mäuse. Auch die Kjökken-
möddings und die Pfahlbauten kennen die Ratte nicht. Ich selbst habe
weder auf den altägyptischen Denkmälern noch auf assyrischen, griechi-
schen oder römischen Bildwerken eine Ratte bemerkt. Die »rattenarti-
gen Thiere« , welche Jahn auf einer schwarzfigurigen Vase der Vasen-
sammlung König Ludwig's (947) wahrnehmen wollte, sind gewiss keine
wirklichen Ratten. Somit dürfte das fragliche ägyptische Wort ein an-
deres Thier bedeuten].
Zur Volkskunde, Alte und neue Aufsätze von Felix Liebrecht.
Heilbronu, Henninger 1879. 522 S. 8.
S. 22 ff. finden wir allerlei über die Bedeutung des Hundes in Sage
und Symbolik bei Griechen, Römern, Persern (Kyrossage), Serben, In-
dianern, Neuseeländern etc. Interessant ist die Zusammenstellung der
Hunde-Abbildungen auf Sarkophagen und Grabstelen mit dem zoroastri-
schen Glauben, dass Hunde den Pfad des Jenseits bewachen. »Dies
ist, sagt Justi, ein bei den arischen Völkern gemeinsamer Glaube, wo-
von sich Spuren auch bei den Hindu, Griechen und Germanen finden;
der Blick des Hundes scheucht die bösen Wesen zurück«.
S. 25 wird die Vermuthung ausgesprochen, dass auch in der römi-
schen Gründungssage ursprünglich statt der Wölfiu eine Hündin figuriert
habe. Später, als man die ursprüngliche »höhere Stellung« des Hundes
vergessen hatte oder sich derselben zu schämen anfing, sei die Wölfin
entstanden. [Aber auch in der arkadischen Gründungssage säugte eine
Wölfin die ausgesetzten göttlichen Zwillinge; und ebenso treffen wir zu
Milet und Kydon auf Kreta den gleichen Legendentypus : Abstammung
des Gründers von einem Gott und einer Sterblichen, Aussetzung und
Ernährung durch das dem göttlichen Vater geheiligte Thier,
den Wolf, darauf Nachstellung vo« Seiten eines ältorei; Verwaudteii,
endlich Gründung einer Colouie. Nach diesem Schema ist meines Er-
JahiesbcriclU für Altcrthumswissenschaft XXVHI. (1881. UI) Ö
66 Naturgeschichte.
achtens, vielleicht duich Diokles von Peparethos, die römische Gründungs-
sagc erfunden worden. Die ein Menschenkind säugende Wölfin haben
wir ausserdem in einem esthnischcn Märchen, über welches de Gubernatis
(mythol. Zoologie II 451) berichtet. Auf einer kretensischen Münze ist
das Säugen der Wölfin dargestellt bei Eckhel doctr. numm. I 2, 310.
Diokles von Peparethos war der erste, welcher über die Gründung Roms
schrieb und für Fabius Pictor und indirekt wohl auch für Ennius eine
Quelle M'ar; er lebte um das Jahr 300 v, Chr. Er sagte, nach Festus
p. 2G9 M.: Romulum et Remum a lupa lactatos et a pico Martio nutri-
tos esse. Die Sage von Romulus und Remus ist eine der gewöhnlichsten
Gründungssagen, wonach eine Stadt ihren Ursprung einem oder zwei
wunderbar geretteten Halbgöttern verdankt. In dieser wunderbaren
Rettung liegt ausgesprochen der besondere Schutz der Gottheit, unter
dem die Stadt steht. Hier bei Rom sind zwei Sagtypen vermengt: er-
stens die beiden Kinder werden von Verwandten im Walde (Rea Silvia)
ausgesetzt und durch ein wildes Thier gesäugt (ist es bloss ein Hund,
so fällt das Wunderbare weg, und das scheint mir eher eine Verschlech-
terung der Sage als eine Verbesserung); zweitens die beiden Kinder
werden in einer Wanne ins Wasser gesetzt und an's Land gespült (beim
ficus Ruminalis). Diese beiden Geschichten lassen sich sehr leicht zu
einer einzigen verschmelzen. Uebrigens ist die zweite Variation nicht
dem Diokles angehörig, sondern Festus sagt ausdrücklich: alii dicunt . . .
sie seien in ripa Tiberis ausgesetzt worden; ibi lupam iis praebuisse
mammam, monte vicino desceudentem. Wolf und Specht wurden in der
ältesten Version gewählt als wilde und dem Mars geweihte Thiere; sie
standen dem kriegerischen Volk und seinen Gründern am besten an. Mit
unserer Auffassung dürfte es auch harmonieren, dass der ruminalische
Feigenbaum in der historischen Zeit — seit Attus Navius angeblich —
an einer ganz andern Stelle (auf dem Comitium) stand, als er der Sage
nach stehen musste ; somit gehörte er wohl ursprünglich gar nicht zu der
Sage. Im Grunde, so paradox es klingen mag, stehe ich eigentlich auf
dem gleichen Standpunkte mit Liebrecht. Er möchte den Hund in un-
serer Sage haben als heiliges Thier; aber so gut bei den Persern, in
der Kyrossage, der Hund als heiliges Thier an seiner Stelle ist, ebenso
richtig ist hier in der römischen Sage der Wolf als heiliges Thier von
dem Erfinder der Sage gewählt worden. Liebrecht selbst führt aus dem
unglaublichen Schatze seiner Gelehrsamkeit S. 18 und 19 noch verschie-
dene andere Stammvätersagen an von Iren, Türken, nordamerikanischen
Indianern, Mongolen etc., wo die betreffenden kriegerischen Völker von
einem Wolf oder einer Wölfin abzustammen glaubten.]
S. .55. Zu der Sage von Rhoikos aus Knidos, welcher von einer
Hamadryade, deren Baum er geschützt hatte, geliebt wurde, bemerkt
Liebrecht: Die Biene, welche in dieser Sage als Botin gebraucht wird,
sei ursprünglich die Waldnymphe selbst gewesen, die ihren Geliebten in
Naturgeschichte. 67
dieser Gestalt besuchte. [Dies unterschreibt Haberland; ich möchte so-
gar noch weiter gehen. Diese iiikt-za ist wohl niemand anders als die
MuXcrza, oder eine Priesteriu der Mylitta, wie die ij-ihaau.'. genannten
Priesterinnen der Artemis zu Ephesos.]
S. 75 f. wird der Gebrauch Töpfe mit Schlangen auf die Belagerer
zu schleudern besprochen, ein sonderbarer, aber aus dem griechischen
Alterthum mehrfach erzählter Gebrauch.
S. 88. Die Heuschrecke auf der athenischen Akropolis wird als
Talisman gedeutet und durch Parallelen bestätigt. Auch der Zauberer
Virgilius vertrieb durch eine eherne Heuschrecke alle dergleichen Thiere
aus Neapel, Gervasius ed. Liebrecht S. 98.
S. 90 gibt Liebrecht eine vortreffliche Deutung der Fanesii (Pa-
noti) des Pliuius und Mela, welche auch die griechischen Autoren unter
mancherlei Namen erwähnen. Es wird gezeigt, dass wirklich noch heute
bei gewissen Aethiopen die Sitte herrscht, sich die Ohren colossal zu
vergrössern. Daraus erklärt sich auch, was von dem Pharao El-Rajjäu
berichtet wird, dass er in die Südländer Afrikas zog und dort Leute
sah, wie Aifen gestaltet und mit Flügeln, in die sie sich ein-
hüllten.
S. 111 wird über die verschiedenen Variationen der Sage von den
kardianischeu Pferden gehandelt, welche durch unzeitiges Tanzen nach
der Musik während einer Schlacht die Niederlage ihrer Herren veran-
lassen. Es wird noch eine zweite griechische und eine indische Sage
dieser Art erwähnt.
S. 261 ff. Die Bedeutung von Fuchs und Eichhörnchen in religiöser
Beziehung wird besi)rochen, unter Beiziehuug aller möglichen Völker
und Zeiten. Die Sitte einen Fuchs anzuzünden und durch das Feld zu
jagen geht in das fernste Alterthum zurück; es ist überall ein Frühlings-
fest, wenn auch da und dort ein anticipiertes. Die Fuchshetze im römi-
schen Circus ist eine späte Variation davon.
S. 267 ff. wird die Sitte des Steinwerfens abgehandelt. Die auf
Gräber hingeworfenen oder gelegten Steine sind eigentlich ein aus ver-
schiedenen Gründen den Seelen der Todten dargebrachtes Opfer; da
jene ebenso wie deren Cultus sich mit den Göttern und der diesen ge-
zollten Verehrung mehrfach berührten, so finden wir auch die Verehrung
gewisser Götter und Dämonen durch Steinopfer der genannten Art, wie
des Hermes bei den Griechen. [Sollte nicht unsere heutige Sitte, ins
offene Grab Erdschollen hinunterzuwerfen, ein Rest des heidnischen (auch
jüdischen) Brauches sein. Steine oder Erdschollen als Zeichen der Ver-
ehrung auf's Grab zu werfen oder zu legen'?]
S. 290 ff", ist von Thier- und Menschenköpfen die Rede, die zur
Abwehr böser Einflüsse auf Burgeu und Thoren angebracht waren. Auf
die Sage vom Capitol (caput Toli oder Oli) fällt damit ein neues Licht.
Natürlich sind wieder eine Masse Belege für die Allgemeinheit dieses
ö*
f)8 Naturgeschichte.
Gebrauchs aus Island, Deutschland etc. beigebracht. Die hauptsächliche
Erklärung, wonach der Brauch auf Menschenopfer, resp. diese ersetzende
Thicropfcr zurückgeht, ist sehr einleuchtend. So fasst also Liebrecht
u. a. auch die Sage von dem am Dianentempel zu Rom befindlichen
Rinderhaupte, dem spätere Deutung einen anderen Ursprung verlieh
(Liv. I 45. Val. Max. 7, 31. Vict. de vir. ill. 7. Plut. quaest. Rom. 4).
Auch der beim October equus an einem Gebäude angenagelte Rosskopf
gehört hierher (S. 295). Diese Deutung ist viel einfacher und ansprechen-
der, als die von Mannliardt, Antike Wald- und Feldkulte II 315 — 317.
S. 3 IG "318 finden wir zu dem römischen Glauben: Augurium aquae
intercessu disrumpitur (Serv. zur Aen. 9, 24) die Erklärung in der als
allgemein nachgewiesenen Vorstellung, dass das "Wasser auch eine Grenze
für höhere Wesen, Geistor, Zauberkräfte u. dgl. sei. S. 322 werden zu
dem Verbote Knoten in seine Kleidung zu machen, welches in Rom den
Flamen Dialis betraf, interessante Parallelen selbst von der Südsee ge-
boten; ebenso aus dem fernsten Norden zu dem den Alten bekannten
Zusammenknüpfen der Hände um die Kniee, wodurch eine Entbindung
verhindert werden soll.
S. 336 wird der eherne Wagen erwähnt, welcher nach Antigonus
parad. c. 15 zu Kranon [lies Krannon] in Thessalien bei anhaltender
Dürre unter Gebet geschüttelt wurde, worauf dann Regenwetter eintrat.
[Hier möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass das Schütteln
gerade eines ehernen Wagens zu allernächst auf Gewitter und Donner
Bezug haben dürfte, erst als Consequenz auf den ruhigen Regen.]
S. 3-f2 wird gesagt, dass auch schon die alten Römer eine Varia-
tion des jetzt noch z. B. in Deutschland herrschenden Aberglaubens
hatten, durch Annageln einer Eule über einem Thore werden böse Geister,
Zauberei u. dgl. abgehalten. Apulei. met. III, 23 p. 218 Oud.: »Quid quod
istas nocturnas aves, cum penetraverint larem quempiam, sollicite pre-
hensas foribus videmus adfigi, ut quod iufaustis volatibus familiae minan-
tur exitium, suis luant cruciatibus?«
S. 395 wird Ovid. fast. II 441 der Vers:
»Italidas matres, inquit, caper hirtus [sacer hircus ed. Merk.] inito«.
als wirkliches, bei gewissen Festen vorkommendes Factum gefasst und
durch ähnliche Ceremonien bei den alten Aegypteru und den nordameri-
kanischen, jetzt ausgestorbenen Mandanen belegt. [Mir ist die Sache
bei dem im ganzen so erustreligiösen und strengsittlichen Charakter der
älteren Römer nicht wohl denkbar.]
S. 401 wird zur symbolischen und prophylaktischen Bedeutung der
Muscheln bei den Alten eine arabische Parallele beigebracht.
S. 402 wird das Einpflöcken von Krankheiten in Bäume oder in
die Erde als allgemeiner Brauch besprochen — selbst bei den Guinea-
Negern - und damit die römische Sitte vom Einnageln der Pest durch
Naturgeschichte. 69
einen eigens hierzu gewählten allerhöchsten Staatsbeamten, den Dictator,
auf's schönste beleuchtet. Auch die Pliniusstelle nat. bist. 28, 6, 17 wird
dadurch erklärt: »Clavuui ferreum defigere, in quo loco primum caput
defixerit corruens morbo comitiali, absolutoriura eius mali dicitur«.
S. 423 wird der Ausdruck: »ubi tu Gaius, ibi ego Gaia« in der
römischen Heiratsformel besprochen;' er bedeutet: »wo du Stier bist,
da bin ich Kuh«. Es ist eine deutliche Anspielung auf die symbolische,
sehr weit verbreitete Bedeutung des Stiers als des Befruchtenden, der
Kuh als der Empfangenden.
S. 490 f. werden die Schenkel- und Fingergeburten der griechischen
Sage unter Beibringung von Parallelen besprochen.
Wir haben hier nur das auf Naturgeschichte und Natursymbolik
Bezügliche aus dem reichhaltigen Buche ausgehoben ; da mir aber der
Verleger mittheilt, dass überhaupt bis jetzt keine specifisch philologische
Zeitschrift das doch, wie man gesehen haben wird, uns Philologen sehr
interessierende Buch besprochen hat, so will ich wenigstens noch die
zwei Lesarten hier mittheilen, welche Liebrecht S. 289 und 309 empfiehlt.
Nach den realen Zusammenstellungen bei Liebrecht S. 289 ist es aller-
dings äusserst wahrscheinlich, dass statt em vielmehr ii^;' zu lesen
ist in folgender Stelle:
Anthol. Gr. IX 805 :
Jug azYjkrjv 'Apswg xs^ojafxivrjv iv Op-^xjj.
El'croxs ^oupcog ourog inl (lies ivl) ^ßovc xexXczac ''Ap/jg,
OuTtoza OpTjcxirjg emßijaezai i&vsa faz^cov.
Ferner ist nach den realen Ausführungen S. 308 f. die Aenderung
Köchly's von hvotpxit in Xtvuzpyit bei Nonnus Dionys. 26, 55 durchaus
überflüssig.
0. Keller, Ueber den Entwicklungsgang der antiken Symbolik.
Graz 1876. 24 S. 8. (Bis jetzt, so viel mir bekannt, nirgends be-
sprochen.)
In dXexzpimv steckt vielleicht der semitische Artikel (al), und das
Thier wurde durch semitische Händler zuerst nach dem griechischen
Westen gebracht, vgl. iX i<fag ursprünglich = Elfenbein, ebenfalls ein
Gegenstand, der wohl zuerst durch semitische (phönicische) Händler nach
dem Westen gebracht wurde.
Achilleus ist der wilde Waldstrom.
Der Stein des Tantalos war auf dem Sipylosgcbirgc zu sehen. Ich
trage nach, dass in der Normandic sich drehende Felsstücko, die kelti-
schen Wackel- oder Wagsteine, verehrt werden.
Das Herabschlcudern des Ilephästos auf die Erde durch Zeus und
das Hinken des Feuergottes geht ursprünglich auf den Blitz.
Die durch den Biss toller Hunde entstehcndo Tobsucht heisst XüaiTo
70 Naturgeschichte.
d. i. h»ija Wolfskrarikheit: der Wolf ist der Wuthkrankheit unterworfen.
"Wird der Mensch von einem solchen wüthcnden Thicrc gebissen, sei es
ein Hund oder ein Wolf, etwa auch ein Hund, den ein wüthender Wulf
gebissen und dadurch mit der Wuthkrankheit angesteckt hat, dann wird
der Mensch von der Wolfssucht befallen, ztuu Wolf in Menschengestalt,
zum Wchrwolf, hjxdvHpconog.
In dem Mythus von Hippolytos und Phaedra ist jener die Personi-
fikation des Abends, vielleicht des Abendsterns, eigentlich die Zeit, wo
die Rosse vom Wagen gelöst werden.
In Folge der Ränke der Phaedra, der Mondgöttin — der Mond
ist auch sonst nachstellend, verbirgt sich hinter den Wolken, um plötz-
lich loszubrechen wie aus einem Hinterhalt, vgl. de Gubernatis, mytho-
log. Zoologie — findet der schöne Abendstern*) sein frühes Grab im
Meere.
Parallel damit ist Ikaros, nach Hesychius = Hund, also wohl
Hundsstern. Auch er ertrinkt mit all' seiner Jugendpracht und Hoffart
im Meere.
Die Sage von der lernäischen Hydra bedeutet die Austrockuuug
und Gesundmachung jener quellenreichen Sumpfgegend durch die Civili-
sation (Herakles).
Die griechische Sphinx ist der schnürende {a(pl.yY<j)) Fieberdämon
au den böotischen Sümpfen. Erst König Oedipus von Theben löste die
schwierige Frage der Entsumpfung und befreite das Land von der Plage.
Die Aepfel der Hesperiden gehören ursprünglich zu den Reise-
märchen, es sind Quitten oder Pomeranzen; ebenso die Pygmäen, welche
sich auf wirkliche noch jetzt existierende Zwergvölker am xiequator be-
ziehen; desgleichen die Amazonen und die Kentauren: ersteres waren
wirkliche waffentragende priesterliche Jungfrauen Kleinasiens, dieses die
mit dem Pferde gleichsam verwachsenen Steppenvölker Osteuropas. Die
Cyklopeu sind ursprünglich Bergleute. Das schreckliche feurige Auge
auf der Stirn ist einfach das runde Grubenlicht, welches sie nach Dicäareh
£v Tu) nsTWTToj tragCH. Einäugige Riesen kennt die übrige indogerma-
nische Sagenbilduug nicht. Wie aus den Männlein Riesen wurden, ist
in der Abhandlung gezeigt.
Eines der bekanntesten Reisemärchen ist der Argonautenzug. Die
Argonauten sind die dpcujovaurat oder äpr^jo-vwjxai, Helfer der Schiffer,
Kastor und Pollux. Daraus erst ist durch Missverständniss später ein
Schiff 'Apyüj geworden. Die Dioskuren selbst sind die Retter aus Stur-
mesnoth, ihre Gegenwart zeigen sie durch das S- Elmsfeuer, ein eigen-
*) Im Texte der Abhandlung habe ich Hippolytos und Phaedra etwas
anders aufgefasst. Ich halte aber jetzt die obige Deutung für die richtigere,
besonders wegen des allgemein ränkesüchtigen Charakters des Mondes in den
indogermanischen Mythen.
Naturgeschichte. 71
thümliches elektrisches Leuchten an den Spitzen der Mäste und Segel-
stangen.
Das schwarze Meer hiess eigentlich phrygisches (askauisches) Meer,
-ovTos 'Affxdva^, daraus wurde durch Hellenisierung ein ttJv-o? r^hvog,
später aus Euphemismus su^acuog. Vgl. 'Acrxdvcog Sohn des Aeneas und
der Kreusa; troische Stadt 'Acrxavta; 'Acrxavca Xc/ivrj See von Nikaea in
Bithynien; sein Ausfluss in die Bai von Modania heisst Ascaniusfluss.
Ein zweiter Askanischer See war in Phrygien oder Pisidien zwischen
Sagalassus und Kelaenae. Ascanius portus zwischen Phokaea und Kyrae.
Der wilde Stier, den Jason bändigen musste, hat sich im Auer-
ochsen noch heute im Kaukasus erhalten; das goldene Vliess bezeichnet
die kolchischen Goldwäschereien, wobei Schaffelle gebraucht wurden.
Die griechische Lehre vom Todtenschiffer und die Mitgabe eines
Geldstücks zur Bezahlung der Ueberfahrt stammt aus der Zeit der per-
sischen Herrschaft über Aegypten, also nach 525. Dies beweist der
technische Name des dem Todteu mitgegebenen Geldstücks: Danake,
eine kleine persische Münze, welche nicht viel über einen Obolos werth
war. Uebrigens ist auch Obolos ägyptischen Ursprungs, nach Stahr,
Torso 2 1 49.
Charon, nach Diodor ein ägyptisches Wort = Fährmann, ist ur-
sf)rünglich der wirkliche menschliche Todtenschiffer in Theben, der gegen
geringes Entgelt täglich die Mumien über den Nilstrom führte zur rie-
sigen Nekropolis auf der rechten Stromseite.
Der Kerberos, der niemals ein einfacher Hund, sondern stets ein
Unthier ist, ist aus dem nilpferdartigen Unthier, dem »Fresser des Amen-
thes«, hervorgegangen, das den ägyptischen Amenthes (Unterwelt) be-
wachte.
Auch die Idee der Lethe als eines Tranks ist ägyptisch und geht
dort auf den Saft der Sykomore, des heiligen Baumes der Hathor; erst
durch das Trinken davon werden die Seelen des ewigen Lebens theil-
haftig. Die Entwicklung der Symbolik ist historisch nachgewiesen.
Die Schlange der Pallas und ihr heiliger Baum auf der Burg zu
Athen sind gleichfalls ägyptisch.
xisklepios ist schon durch seinen Namen als Schlangcngott be-
zeichnet. In manchen Tempeln sollte Asklepios in Gestalt einer Schlange
erscheinen und Heilungen bewirken, die Römer haben die heilige Acs-
culap- Schlange auch in die Römerbäder ihrer Provinzen vcrpüauzt, wo
sie noch heutzutage, z. B. in Baden-Baden und Schlangenbad vorkommt.
Die Schlange ist das Sinnbild der Heilgötter und der Verjüngung, weil
sie jedes Jahr ihre alte Haut abwirft. Ueber die Entwicklung der Sym-
bolik siehe den Aufsatz selbst.
Die Schildkröte der Venus Urania ist eigentlich die Wasserschild-
kröte und gehört der Göttin nach syrischer Erfindung als der Beherr-
scherin des feuchten Elements.
72 Naturgeschichte.
Spindel und Rocken in der Hand der Pallas Athene bedeutete
ursprünglich die gewaltige Schicksalsspinnerin, spät erst die Beschützerin
der Industrie.
»Der Knahe mit der Gans« ist hervorgegangen aus der vorder-
und innorasiatischen Vorstellung der Gottheit, welche Thiere würgt: so
erwürgt der kleinasiatische Sonnengott die Löwen, der assyrische Gott
Assur ein Paar Strausse. Das gleiche Motiv kehrt im ältesten Vasen-
stile wieder, dem vorderasiatischen; hier sehen wir, dass aus den zwei
Straussen zwei Schwäne geworden sind; in der etrurischen Bildnerei
wurden aus den zwei Schwänen zwei Gänse. Es ist verkehrt, unmetho-
disch, die Composition von Anfang an als ein Genrebild aufzufassen,
statt sie im Zusammenhang mit den älteren analogen Darstellungen zu
deuten.
Auch Apollou Sauroktonos ist herzuleiten von einem uralten Cult-
bilde, wo der Gott der Soramersonnenglut die schädlichen oder doch
verhassten Thiere tödtet: Heuschrecken, Feldmäuse etc. Speciell die
Eidechse wurde zum Sonnengott in solche Beziehung gesetzt: dies zei-
gen die Münzen von Thasos und Rhodos. So entstand das uralte Tem-
pelbild von Apollo dem Eidechsentödter. Aber in jener Blüthezeit der
griechischen Bildhauerei, aus welcher die uns erhaltenen Statuen des
Sauroktonos stammen, wusste mau nicht mehr den ursprünglichen Sinn
des Motivs, imd so entstand das halb ernst, halb spielende genreartige
Bildwerk.
Kronos, der seine Kinder verschlingt, ist erst durch spätere Um-
deutung zu der Zeit geworden, die ihre eigenen Kinder frisst. Ursprüng-
lich ist es der Baal Moloch, dem in Phönicien und Karthago wirkliche
lebendige Kinder zu fressen gegeben, geopfert wurden. Dieser steckt
auch im Zeus Meilichios, dem noch in historischer Zeit Menschenopfer
fielen.
Erinys, vedisch Saraujüs, ist eigentlich die Gewitterwolke, später die
Rachegöttin. Die Rache »hinkt«, in Folge der alterthümlichen Dar-
stellungsweise, Avo das »Eilen« durch starkgebogene Kniee ausgedrückt
wurde. So sehen wir z. B. Astarte auf Münzen von Marion auf Cypern.
So ist auch die 'EpLv'jg mit stark gebogenen Knieen gebildet worden, als
xa/j.<l'c7:oug, daher nennt sie Äeschylus in den Sieben gegen Theben y.aji-
if'cTioug 'Epcvog.
Das Scepter und der Heroldstab des Hermes ist ursprünglich der
rohe Hirtenstachel. Die ältere Form seines Stabes entbehrt auch der
Schlangen. Aber schon unter den mykenischen Alterthümern haben sich
die Reste eines schuppigen Drachen, wahrscheinlich von einem axr^nrpov,
gefunden.
Die poetischen Naturanschauungen der Griechen, Römer und Deut-
schen in ihrer Beziehung zur Mythologie. Zweiter Band. Wolken
und Wind, Blitz und Donner. Ein Beitrag zur Mythologie und Cul-
Naturgpschiclifp. 73
turgeschichte der Urzeit von Dr. F. L. W. Schwartz, Professor und
Director zu Posen. Berlin, Hertz, 1879. 207 S. 8.
Obgleich ich priucipiell nicht die bekannte Anschauung des Ver-
fassers theile, dass alle nur denkbaren mythologischen Figuren, Symbole
und Sagen als ursprünglich am Himmel. vorgehend gedacht werden müssen,
als atmosphärische und meteorische Erscheinungen, so ist ja doch zuzu-
geben, dass gar Manches in der That so aufgefasst werden rauss, und
ich will also versuchen, dasjenige von Natursymbolik aus dem Buche
auszuheben, was mir besonders bemerkenswerth und richtig erscheint.
I. Capitel: Wolken.
Das Aufthürmen der Berge durch Giganten, Titaueu etc. ist theil-
weisc von Wolkenbergen zu verstehen.
Die Marsyaslegcnde kann mit anderen Sagen von hängenden Göt-
tern zusammengestellt werden; Marsyas ist ein Windgott, darauf führt
sein Pfeifen, sein Schlauch (auch abgezogene Haut), seine Marter an dem
Baum : der Wind heult und pfeift in den Bäumen. [Sonach gehört mei-
nes Erachtens diese Mythe eigentlich in's folgende Capitel]. Eine Va-
riation der Marsyassage ist die von Chorikos, der zerfleischt und in
einen Schlauch verwandelt wurde (S. 40. 41). [Uebrigens halte ich Namen
und Sage von Marsyas nicht für echt hellenisch].
n. Capitel: Wind.
Er erscheint nach allgemein menschlicher Symbolik geflügelt.
Homer aber steht schon nicht mehr auf diesem naiven Standpunkte, son-
dern auf einem civilisierteren. Die homerischen Winde brauchen die
Flügel nicht, sie schwingen sich wie Götter mit Zauberkraft durch
die Luft.
Das Sausen und Toben des Windes auf den Gipfeln der Berge
gab Anlass zu der Sage, dass Zagreus mit den Mänaden daselbst sich
herumtreibe (S. 4o): eine Variation der »wilden Jagd«. »Der wilde Jä-
ger ist der Sturm, der die Wolken jagt, mag er Wodan oder Apollon
'Aypsüg oder Dionysos Zagreus sein« (S. 61).
HI. Capitel: Blitz.
Mit Recht wird gleich vorangestellt: »Blitz als Schlange, Drache«.
»Blitz als Wetzen eines weissen Zahns resp. eines weisszahnigen Thicres
in den Wolken«. [Wenn schliesslich aus dem Eber eine Maus wird, so
ist natürHch nur noch der Begriff des »Huschens« geblieben, nicht das
Moment der weissen Zähne: denn weisszahnig ist sozusagen jedes Thier,
das Zähne hat; es handelt sich aber doch von »Hauern«].
IV. Capitel: Donner.
»Dröhnen von Pferdehufen«. »Donner rollt, als Rad, Wagen, Ku-
gel«. Illicr ist die oben erwähnte Stolle aus Antigomis iiaciizutragenj.
74 Naturgoscbichte.
V. Capitcl: Gewitter.
»Wilde Jiigd«. »Gewittcrdraclic« [identisch mit dem Blitzdrachen).
»Gewitter als Säinaiiii« (fällt in der Triptolcmossage mit dem Gewitter-
drachen zusammen]. [Die Lähmung von Gewitterwesen (S. 145) möchte
ich aus einer Entwickelung des Causativcn in's Passive erklären; sie
werden selbst lahm, weil der Blitz lähmt].
VI. Capitel: Eegenbogen.
[Bei dem Regenbogen als Brücke war zu erwähnen, dass diese
Anschauung offenbar auch urgriechisch ist, und die Vorstellung von Iris,
der zu den Menschen herabsteigenden Himmelsbotin, eben auf der ur-
griechischen Vorstellung des Regenbogens als Brücke zwischen den
Göttern und Menschen beruht].
VII. Capitel: Regen.
Giessen oder Sieben vom Himmel. Für die Allgemeinheit dieser
Vorstellung wird einiges Dankenswerthe beigebracht. (Während aber
z. B. der schlechte Witz bei Aristophaues otä xoayJvoo oupslv mehr als
genug besprochen wird — wir erfahren dabei, dass auch der Kamtscha-
dale in ähnlicher Weise seine rohe Phantasie spielen lässt wie der feine,
aber nach Cynismen haschende Aristophaues — vermisst man die Sage
von den Danaiden. Ich habe sie in dem soeben erwähnten Aufsatze
»über den Entwickelungsgang der alten Symbolik« als Personification des
Regnens aufgefasst]. Interessant ist das Regen erzeugen der Priester des
Zeus Lykaios (S. 121). [Gerade die Arkadier zeigen viel gemeinsam
Indogermanisches. Das Regenzaubern kommt jetzt noch in Steiermark
vor]. Ansprechend erscheint ferner die Deutung des Feuers bei der
Feuertaufe Achill's als Gewitterfeuer (S. 145); die Deutung des Riesen,
der sich an der Himmelskönigin vergreift, als des Sturms, der das Wol-
kengewand des Himmels zerreisst (S. 65); die Deutung aufgehängter
überirdischer Wesen als Wolken, Avelche eine falsche Naturanschauung
als von der magnetischen Kraft der Sonne angezogen und aufgehängt
betrachtete (S. 41). Unrichtig aber scheint mir u. a. die Deutung der
Schale, welche Aesculap und der indische Götterarzt in der Hand hal-
ten, als Sonnenschale (S. 176): ich halte es für eine Arzneischale. Ebenso
halte ich die xlßcatg des Hermes (S. 3) für eine einfache Botentasche.
Ich glaube, dass nur, wenn man eben von vornherein in jeder mytholo-
gischen Anschauung etwas Meteorisches finden zu müssen glaubt, so weit
von der naivereu Auffassung abgegangen werden kann, dass man auch in
solchen einfältigsten und einfachsten Anthropomorphismen des Volksglau-
bens etwas Meteorisches entdeckt.]
Karl Silberschlag, Ansichten des klassischen Alterthums über
Entstehung der Welt und der organischen Wesen. In der Viertel-
jahrsschrift für Volkswirthschaft, Politik und Kulturgeschichte von Ed.
Wiss. VIII. Jahrg. 2. Bd. Berlin 1881. S. 83-93.
Naturgeschichte 75
Es werden die bezüglichen Ansiebten von Diodorus Siculus, Lu-
cretius, einigen Philosophen und schliesslich einiges aus der ägyptischen
und griechischen Mythologie besprochen. Der Kronoslegende soll »eine
eigenthüniliche naturwissenschaftliche Anschauung« zu Grunde liegen,
nämlicli die Anschauung: »dass die Zeit erst nach Entstehung der Him-
melskörper geworden ist, dass der zerstörenden Gewalt der Zeit Alles
unterliegt, was entstanden ist, mit Ausnahme der herrschenden Gewalten
des Weltalls, und dass durch die Macht der Zeit der Himmel die Macht
der Schöpfung neuer Wesen verloren hat; mit anderen Worten, dass
die Entstehung neuer Gattungen lebender Wesen aufgehört hat« [s. da-
gegen meine Abhandlung über den EntAvickelungsgang der antiken Sym-
bolik]. Mau möchte wünschen, dass das nicht uninteressante Thema in
einer viel ausführlicheren und wissenschaftlicheren Weise behandelt würde.
Mehrere Druckfehler auf den wenigen Seiten (Leekii)p S. 83, procudre
S. 85, 7ran9' und sv*^' ohne Accente S. 86) und die Weglassung jedes
genauen Citates berühren einen philologischen Leser nicht angenehm.
Reinhold Schröter, De draconibus Graecarum fabularum par-
ticula 1. 56 S. 8. Breslauer Doctordissertation.
Wenn man auf der letzten Seite unter den Thesen liest, dass La-
cedaemon xrjzosaaa. (so ist gedruckt statt xr^zdjzaaa) »a nubibus nebu-
lisque« genannt sei, und dass I'boy^vcuq^ das Beiwort Nestor's, von yiuavog
abgeleitet werden müsse, dass die Sphinx den »Winter« bedeute, so
wird man schon darauf gefasst sein, in der Dissertation selbst alles Mög-
liche in Wolken, Wind und Winter aufgelöst zu sehen. Und so ist es
auch. Es wird uns gezeigt, dass die Titanen, Giganten und Typhon [der
Glutwind] hiemalia moustra sind (S. 20), welche gegen den Frühlings-
gott Zeus anstürmen, also »Wind und Winter«. Die Gorgonen, von wel-
chen das zweite Capitel handelt, sind Winter- und Gewitterwesen (S. 26).
Die Cyclopen, Gcwitterdämoneu (speciell die Frtihlingsstürme S. 50),
wohnen in Hyperia, d. 1. oben in der Luft und haben unzählige Ziegen,
d. i. Wolken ; ihr Eines Auge bedeutet den Blitz (S. 30). 0oyxug ist
upxog und dieses = epxog = Orcus (S. 30). Man bemerke die Auf-
erstehung von Creuzer's etymologischem System, wie es in seiner Sym-
bolik zu lesen war.
Von Athene heisst es verna deae vis, ex qua nomen 'ABr^w. traxisse
vidctur (S. 35). Die P^ülilingsgöttcr wurden im Winter J'jxa?o: oder
Juxzloi genannt (S. 50) u. s. w. Da ich nicht glauben kann, dass man
die ganze griechische Mythologie als Gewittcrlchrc auffassen darf, so
bleibt mir bloss übrig den grossen Flciss anzuerkennen , den der Ver-
fasser, wie ich glaube, auf ein missglücktes Tlienia verwendet hat.
PL v. Holder, Oberraedicinahatli in Stuttgart, Die Skclcte des
römischen Bcgräbnissplatzes in Ilegcusburg. Mit 2 TalVlii und l Karte
76 Natiirgeschichle.
von ßegensburg. Arcliiv für Anthropologie. Bd. XIII. Supplement.
51 S. gr. 4.
Der Verfasser ist einer der ersten Kraniologen der Gegenwart und
Besitzer einer vorzüglichen Schädelsammlung. Früher ist u. a. von ihm
erschienen »Zusammenstellung der in Württemberg vorkommenden Schä-
delfornien«. Mit einer Karte und sechs Tafeln. Stuttgart 1876.
In jener Schrift war ausgeführt worden, dass es historische und
kraniologische Beweise für das Vorhandensein nichtindogerraanischer
Volkselemente in Deutschland gebe. Die Indogermanen und besonders
die Germanen sind dolichocephal. »Das deutsche Volk, so wie es seit
der Völkerwanderung sich gestaltet hat, gleicht einer grossartigen Völker-
ruine, deren zerfallene Theile mit Bausteinen fremder Art wieder in
wohnlichen Zustand gebracht worden sind. Immer weiter sind diese
fremden Elemente in das Germanische herein gewachsen; ob sie es über-
wuchern und ersticken werden, wird davon abhängen, ob sie neuen Zu-
sclmss von aussen erhalten. Bis jetzt ist es noch nicht geschehen; denn
so schwer sie auch dem germanischen Typus in den Gliedern liegen, so
langsam und mühevoll er sich aus der fremden Beimischung heraus-
windet, noch ist er in dieser langen Ueberfluthung nicht zu Grunde ge-
gangen. Mit der unverwüstlichen Zähigkeit, welche ihm eigen ist, kommt
er selbst in den am meisten brachycephalen Bezirken Deutschlands immer
wieder auf die Oberfläche, wie die von Holder zusammengestellten Misch-
formenreihen zeigen«. Da in dem Buche keine römischen Schädel vor-
kommen, sondern nur germanische Reihengräberschädel und spätere, so
habe ich es seiner Zeit nicht besprochen. Doch erlaubte ich mir mit
einem Worte darauf zurückzukommen, weil sich der Verfasser in der
jetzigen Abhandlung mehrfach auf die frühere Arbeit bezieht.
Der Verfasser hat 93 Schädel des römischen Begräbnissplatzes in
Regensburg studiert und 86 davon gemessen und auch von diesen 86
waren 20 so defect, dass ihre Maasse nicht die wünschenswerthe Sicher-
heit bieten. Die Periode, aus welcher sie stammen, reicht vom Jahre 170
bis ungefähr 400 n. Chr. Dazu kommt noch ein vorrömisches Skelet
aus der Hallstädterperiode (einst beritten und mit eiserner torques mit
Bronzeköpfen versehen): es zeigt germanischen Typus. Herr von Holder
unterscheidet überhaupt drei Typen: 1. den dolichocephalen, germani-
scheu; 2. den turanischen brachycephalen und 3. den rätosarmatischen
(sarmatischen) oder leptoproseu brachycephalen. Sehr viele Schädel aber
gehören den Mischformen zwischen diesen drei Typen au.
Unter seinen 94 Schädeln fand der Verfasser nur Einen ganz fremd-
artigen, 39 gehörten der typischen rätosarmatischen und den primären
und secundären Mischforraen an. Germanische Reihen gräberformen fan-
den sich 33, darunter 22 typische Germanen und 16 [11??] dieser sehr
nahe stehende Mischformeu. Die typische turauische Form war gar
nicht vertreten, ebenso wenig die ihr zunächst stehenden Mischformen,
Naturgeschichte. 77
von den entfernten primären und secundären Mischformen aber fanden
sich 21 Exemplare: sie stehen alle dem sarmatischen Typus näher als
dem turanischen. Betrachtet man die 44 Schädel aus dem vierten und
dem Anfang des fünften Jahrhunderts gesondert, so finden sich unter
ihnen 18 Reihengräberformen mit 13 typischen Germanen und 16 Räto-
sarmaten mit 3 typischen. Unter den aus dem zweiten bis Ende des
dritten Jahrhunderts stammenden 50 Schädeln fanden sich 20 Reihen-
gräberformen, darunter 9 reine Germanen und 11 Mischformen, welche
auch sonst in Reihengräbern angetroffen werden. Wir finden die allmäh-
liche Mischung des rätosarmatischen Typus mit dem germanischen, die
immer steigende Beimischung germanischer Formen (also auch Volks-
elemente) zu den römischen Brachycephalen. Die Räto-Vindelicier waren
von rätosarmatischem Schädeltypus, hatten dunkle Haare und Augen und
waren kleiner als die Germanen: die beiden weiblichen Skelette des
Regensburger Begräbnissplatzes mit typischen rätosarmatischen Schädeln
waren kleiner als die der germanischen Frauen desselben.
Unter den untersuchten Schädeln werden einige wenige wirklichen
Römern angehört haben: einen besonderen römischen Schädeltypus gibt
es aber nicht; sie müssen unter den rätosarmatischen Schädeln sein.
Der germanische T3pus des römischen Begräbnissplatzes ist identisch
mit dem in allen Grabstätten der Germanen: alle Germanen der Rei-
hengräberzeit hatten einen einheitlichen (dolichocephalen) Schädeltypus.
Ganz verkehrt ist die Annahme bayerischer Anthropologen, die in den
germanischen Reihengräbern Bayerns gefundenen wenigen Brachycepha-
len seien Bajuvaren: denn auch die Bajuvaren waren dolichocephal. Eher
dürften jene Schädel auf Vermischung mit der räto-römischen Bevölkerung
hinweisen. — Zu bedauern ist die an den Schädeln der S. Michaelskapelle
nachgewiesene ausserordentliche Verminderung des germanischen Scliädel-
typus (und Elements^ in Regensburg. Die sogenannten Turanier dagegen
haben sich enorm vermehrt. — Vielleicht wäre es praktisch, wenn der Ver-
fasser seine Benennungen der Schädeltypen umänderte und dem Princip der
Benennung a parte potiori folgend seine Räto-Sarmaten vielleicht in »Ro-
manen« und seine Turanier in »Semiten« oder ein anderes greifbares
aus Asien stammendes Volk verwandelte, wie ja auch die Dolichocepha-
len bereits von ihm »Germanen« a parte potiori benannt worden sind.
Was den Excurs über die Keltenfrage betrifft, so hat er in seiner Auf-
stellung der kclto- germanischen Dolichocephalen, welche z. B. unter
Brennus Rom verbrannten und in Galatien einen König Dieterich =
Theodorich = Deiotarus hatten, ganz gewiss Recht gegenüber jenen,
welche zwischen Kelto-Britten und Kelto-Germanen nicht unterscheiden,
sondern die entschieden germanischen, blonden, grossen, starken, blau-
äugigen, dolichocephalen Kelten (Gallier) der römisch-griechischen Auto-
ren in Einen Topf werfen mit den Iren und Bretagncrn, die kleiner,
schwächer, dunkelhaarig, dunkeläugig, brachycephal sind und waren.
78 Naturgeschichte.
Diese Ansicht habe auch ich in Bacmeisters keltischen Briefen vertreten
und sie allein ist trotz dem Widorspruch meiner damaligen RcccnsenteJi
spradilich, historisch und naturgescliiclitlicli (kraniologisch) betrachtet
die wahre Lösung der sogenannten Kcltenl'ragc.
Zu corrigieren sind mehrere Druckfehler. So stimmen, wie wir
sahen, die Zahlen nicht immer überein, obgleich die Schrift in den Messun-
gen und Kcchnungen gewiss sehr pünktlich ausgearbeitet war. Auch
einige Namen sind falsch gedruckt. So wird Widersheim gedruckt statt
»(von) Wietersheim« (S. 29), wiederholt Hafner statt »(von) Hefner«, auch
ist vom Schälzkirchhof zu Estlingen die Rede : es wird der Schelzwasen-
kirchhof von Esslingen in Württemberg gemeint sein.
Pellegrino Strobel, Le razze del cane nelle terremare delF
Emilia, Reggio dell' P^milia 1880. 62 S. 8. 1 Tabelle und 2 Tafeln.
Es ist sehr verdienstlich, dass der Verfasser die Hundsschädel, die
in den Terremare der Emilia gefunden worden sind, einer wissenschaft-
lichen Untersuchung unterzogen hat. Die Schrift macht den Eindruck
grosser Genauigkeit und kritischen Scharfblicks. Das Hauptresultat ist,
dass die Terremarebewohner drei sogenannte Rassen des Haushundes
besassen: Canis Spalletti, Canis palustris und Canis matris optimae.
Dazu kommt noch eine vierte Rasse: Canis intermedius, welche zwar
nicht bei den Terremarebewohnern, aber bei jenen Menschen gefunden
wird, welchen die Schachtgräber (pozzi sepolcrali) von Servirola bei San
Polo im Reggianischen gehören: die Ueberreste dieser letzteren Men-
schen werden sogar noch in frühere Zeit datiert als die Terremare-
bewohner. Diese Schachtgrabmenschen hatten auch den Canis palustris.
Am gewöhnlichsten in der Vorzeit Ober-Italiens von der Steinzeit
bis zur Eisenzeit war überhaupt der Canis palustris, der Urahne unseres
Jagdhundes (bracco). In Vergleich damit sind die Ueberreste der an-
deren Rassen selten. Man hat den Sumpfhund in den Höhlen Belgiens,
in den Schweizer, Bayerischen und Pommerischen Pfahlbauten, im Torf
von Olmütz, in den Gräbern von Lycopoiis in Aegyptea, in den römi-
schen Resten von Mainz aufgefunden. Der Canis palustris war somit
Begleiter des Menschen von der Quaternärzeit bis zur römischen Epoche.
Wenn er gleichzeitig mit dem Mammuth vorkommt, dürfte die z. B. von
Jeitteles aufgestellte Hypothese, dass er vom Schakal (sciacallo selvatico)
abstamme, sehr unwahrscheinlich sein. Auch hat mau von wirklichen
Knochen eines Schakals in den Alpengegenden keine Spur gefunden.
Der zweite Terremarehund, Canis matris optimae, ist auch in ge-
wissen mährischen und bayerischen Höhleu, ferner im Torf und in den
Pfahlbauten der Schweiz, Deutschlands, Oesterreichs angetroffen werden,
stets in Ansiedelungen der Bronzezeit, wie auch in der Emilia. Man be-
hauptete seine Einführung aus Aegypten oder Innerasien durch die Phö-
nicier oder Etrusker und seine Entstehung aus dem gezähmten indischen
Naturgeschichte. 79
Wolfe; allein die Terreniarebewohuer repräsentieren eine frühere Epoche,
für welche eine derartige Hypothese äusserst bedenklich bleibt.
lieber Canis Spalletti fehlt es noch an weiteren Beobachtungen und
Beispielen.
Vom Canis interraedius findet der Verfasser eine Abbildung im Bul-
lettino die paletuologia Ital. VI, tav. VI, fig. 10: es ist eine Bronze-Situla
aus einem euganeischen Grabe der frühesten Eisenzeit. Er ist ähnlich
dem Canis rudo.
Anhangsweise bespricht der Verfasser auch die Ueberreste von Wöl-
fen und Füchsen in den Terremare der Emilia und kommt zu dem Re-
sultat, dass der Wolf unser gewöhnlicher Wolf war, während der Fuchs
grösser und stärker war als der jetzt lebende.
Auf zwei Tafeln sind genaue Abbildungen der in der Emilia ge-
fundenen prähistorischen Hundsschädel beigegeben.
Des coquillages ä pourpre et des anciennes usines ä teinture en
Afrique, ä propos d'une inscription decouverte ä l'enchir Fegousia,
par M. Heron de Villefosse. Note de M. Ä. Papier. — Im Bul-
letin de l'Academie d'Hippone. Bone 1879, No. 14, S. 8—11.
Es wird nachgewiesen, dass, während am adriatischen Meere Murex
brandaris, zu Tyrus und Sidon Murex trunculus zur Purpurfabrikation
benutzt wurde, der gätulische Purpur mittelst Murex haemostoma dar-
gestellt worden ist. Der algierische Gelehrte hat sich durch diese Ent-
deckung ein wirkliches Verdienst erworben und die Wissenschaft gefördert.
Fritz Hommel, Die Namen der Säugethiere bei den südsemiti-
schen Völkern als Beiträge zur arabischen und äthiopischen Lexiko-
graphie, zur semitischen Kulturforschung und Sprachvergleichung und
zur Geschichte der Mittelmeerfunde. Mit steter Berücksichtigung auch
der assyrischen und hebräischen Thiernamen und geographischen und
literaturgeschichtlichen Excursen. Leipzig, Hinrichs, 1879. 472 S. 8.
Das Buch zeugt von ernstem Studium und bietet den Fachgelehr-
ten viel Neues. Uns interessieren hier am meisten einige Excurse.
S. 46 ff. Die vorchristlichen Araber scheinen bei oberflächlicher Be-
trachtung der Ucberlieferung keine Pferde gehabt zu haben. Aber es
bleibt zu erwägen, »dass die den Alten bekannten Araber nur die an
den nördlichen Grenzen von Arabien hausenden Beduinen waren, meist
Bewohner unvvirthlicher Wüstengegenden, für welche Striche gerade das
Kamel, und nur dieses, wie geschaffen war, und wir also aus jenem Schwei-
gen noch nicht auf das gänzliche Fehlen der Rosse in Arabien schliesscu
dürfen. In den schönen Weideländern von Nedschd, dem Hochland des
inneren Arabiens, fanden sich schon vor und zu Muhamcd's Zeit wie noch
jetzt die besten und meisten Kamele und Pferde, und nichts hindert uns
in Nedschd auch schon im zweiten Jahrtausend v. Chr., an dessen Endo
80 Naturgeschichte.
wir viellciclit die Einwanderung semitischer Stämme in die arabische
Halbinsel zu setzen haben, mit diesen ersten semitischen Kinwandorern
Rosse anzunehmen. Ehen in Nedschd wird der Ort zu suchen sein, wo
im Laufe zweier Jahrtausende die Zucht und Veredlung des zunächst
von Mesopotamien (dorthin aber von den Stejipcn Ilochasiens) gebrach-
ten Thicres still und abgeschlossen von der übrigen Welt vor sich ge-
gangen, bis mit dem Islam auch die arabischen Pferde in der ganzen
Welt bekannt geworden sind. Nur so erklärt sich das aus der Sprach-
vergleichung gewonnene Resultat [wonach die noch vereinigten Semiten
auch auf Streitrossen ihre Raubzüge unternahmen S. 46], und in um so
helleres Licht tritt dann die bekannte Thatsache, dass erst seit der
Hyksosherrschaft (etwa dem 19. Jahrhundert v. Chr.) auf den ägypti-
schen Denkmälern das Ross vorkommt, welches seit der 18. Dynastie
und im ganzen iieuen Reich so unzertrennlich mit der ägyptischen Krieg-
führung verbunden erscheint. Die Hik-sos (= Hirtenkönige) . . . sind
Semiten. Nach S. 422 f. ist besonders zu beachten, dass die ägyptischen
Pferde viel schwächer und feiner gebaut seien, als die assyrischen und
persischen, und dass erstere auffallend an die arabische Rasse erinnern
[s. dagegen oben Thaer S. 64].
S. 113. Der Esel war im alten Aegypten ein vielgebrauchtes Thier.
Vielleicht bezieht sich die dadurch widerlegte Stelle Plutarch's (Isis),
dass der Esel bei den Aegyptern ein geringgeschätztes und unreines
Thier gewesen sei, auf den Maulesel.
S. 139 wird die Ableitung von ovog oder asinus von semitischem
atänu »Eselin« für unmöglich erklärt. [Aber die Lehnwörter, besonders
in sehr alter Zeit, zeigen oft unfassliche Verstümmelungen und Verän-
derungen der Laute; ich erinnere an Catamitus = Ganyraedes, Meler-
panta = Bellerophontes, coluber = axoXoTievopa, cinnus = x'jxscöv (Misch-
trank), woher concinnus und concinuare, Codes = lüxXwil', Munichia
vom hebräischen (resp. phönicischen) Hnji? = unblutiges Opfer, wie ich
einst im Rheinischen Museum nachgewiesen habe, und sehr viele andere.
Namentlich der Uebergang von atanu zu asinus kommt mir nicht un-
möglich vor, sofern das hebräische Pi auch sonst in einen S-Laut übei'-
geht; sagen doch z. B. viele Juden gegenwärtig Schawes für HSt^'.
Hinsichtlich der Verkürzung von ä zu i vgl. stilus = azoXog u. v. a.].
[S. 139 if. Bei dem langen Aufsatz über das Kamel, wie auch bei
dem über das Pferd, habe ich jede Erwähnung der Vorarbeiten Hara-
mer-Purgstall's vermisst, und doch besitzen wir von diesem sehr ausführ-
liche und interessante Abhandlungen über diese zwei Thiere bei den
Arabern].
S. 217. Wenn Agatharchides um 120 v. Chr. das Kamel in Ara-
bien noch wild gesehen haben will, so beruht dies auf einer Täuschung ;
er hielt frei umherweidende Kamele für wilde.
S. 217. Die Semiten müssen sclion zur Zeit ihrer ältesten Wan-
Naturgeschichte. • 81
derungen das Kamel gehabt haben, nämlich das einhöckerige; ohne das
Kamel wären die meisten dieser Wanderungen gar nicht möglich und
ganz undenkbar gewesen.
[S. 219 wird aus der angeblichen Kirgisenmütze der Kamelführer
auf dem schwarzen Obelisk des Salmanassar der Schluss gezogen, dass
es sich um nordbaktrische Kamele handele. Aber nach den beigefügten
Thieren: Nashorn (einhörniges, indisches), Elefant (indischer), Affen
(Huleman, indisch), Yackochse (nordindisch- tibetanisch) kann es sich
nicht um Nordbaktrien handeln, sondern, wenn schon nicht um Indien
selbst, um ein Grenzland Indiens, etwa um Afganistan].
S. 290 f. wird ausgeführt, dass ein Zusammenhang zwischen urindo-
germauischen liw, laiwa oder Ijawa »Löwe« und ursemitischem labi'atu,
lib'atu »Löwin« bestehe; die Ursitze der Indogermauen und der Semiten
können aus diesem und anderen Gründen nicht weit weg von einander
gewesen sein. [Und zwar sicherlich in Asien, nicht in Europa].
S. 303 ff. wird di'bu" mit Schakal erklärt und eigenthümlicher Weise
trotzdem mit Wolf übersetzt. [Da diese Thiere nach den an anderen
Orten beigebrachten Stellen sich regelmässig an Schafen , gelegentlich
aber selbst an Kamelen vergreifen (S. 173), so verstehe ich die Erklä-
rung des Wortes mit Schakal und damit die Ueberschrift dieses Capitels
überhaupt nicht recht, ßrehm, Thierleben^ 1545 sagt nur: »Unter Um-
ständen machen sie (die Schakale) sich auch über ein vereinzeltes Her-
denthier, über Lämmer und Ziegen her, verfolgen ein kleines Wild oder
plündern die Obstgärten und Weinberge«. Dies passt durchaus nicht
auf den dibu der Araber. Vielleicht darf man die Vermuthung aus-
sprechen, dass bei den Alt -Arabern der Wolf auch in Districten noch
existierte, aus denen er später verjagt war — wie dies ja auch in Europa
sich nachweisen lässt — und dass die Alt-Araber, z. B. Amrulkai, wirk-
lich, übereinstimmend mit dem Assyrischen und mit dem Ursemiti-
schen, unter dibu den Wolf verstanden haben].
S. 326 und 330 erklärt sich der Verfasser für die Ableitung des
griechischen eXi<fag von sanskrit. ibha; wenn auch die Bedeutung ibha
= Elefant im Veda noch fehle, so beweise das nichts; kapi (= xr^nu?)
Aft'e komme auch nicht im alten, echten Rigveda vor. Dem ibha und
i.ki(faQ entspreche semitisch ab, al-ab, D^2n''Jti'.
[S. 340 wird duldulu" nicht sowohl eine grössere Igelart mit be-
sonders langen Stacheln, sondern geradezu das Stachelschwein sein.
Das Thier ist ja für Arabien durch Palgrave ganz ausdrücklich bezeugt].
[S. 341 f. wird aus Damiri's Leben der Thiere ein Capitcl über das
von ihm fahdu" genannte Thier eingeschaltet und dasselbe, wie ich glaube
mit Unrecht, als Gepard gedeutet. Denn es ist der vielbcstrittcne thös
des Aristoteles, und die Stelle ist nur aus Aristoteles abgeschrieben.
Da übrigens Damiri dem vierzehnten bis fünfzehnten Jahrhundert n. Chr.
Juhresbeiicht für Alteithumswissenschaft XXVUl (1881. UI.) 6
82 Naturgeschichte.
angehört — er starb ira Jahre 1405 zu Kairo — so ist seine Ansicht
für die Kenntniss des classischen Alterthums nicht von Werth].
[S. 367 wird gesagt: dass die Aethiopen unter dem Einhorn sich
das Nashorn dachten, beweist Hiob 39, 9, wo iiu'M)y.ii)U)g (so auch S. 382)
— es war aber jxovoxepojg zu drucken — überhaupt sind manche Fehler
in den griechischen Wörtern, so S. 306 f'xr^s, cxzcoog, S. 367 xäarojpog,
S. 362 ßaalXtaxov u. a.) durch das äthiopische Wort für Nashorn wieder-
gegeben wird. Dabei ist mir nur bedenklich, dass das äthiopische Nas-
horn zwei hörnig ist, nur das indische ist einhörnig].
[S. 376 f. »Er stürzte sich mitten in's Meer, dass ihn die Fische
frässen und die Wale und die demmatät« ; sollte da, fragt der Verfasser,
an eine besondere Art Seekatzen zu denken sein?« Mir sind bloss
Meerkatzen bekannt und dies sind harmlose landbewohnende Affen.
Dies hätte im Druckfehlerverzeichniss richtig gestellt werden sollen].
S. 390. Das bei Plautus vorkommende addax, welches von Plinius
ausdrücklich als afrikanisches Lehnwort bezeichnet wird, ist aus äthio-
pischem dasken oder desken Mendesantilope hervorgegangen.
S. 414 f. Das Wort für Wein ist urindogermanisch waina, urserai-
tisch wainu, ausserdem sind die Wörter für Stier, Hörn und Löwe engst-
verwandt, auch für Gold und Silber. S. 448 : ip'jaöq ist kein semitisches
Lehnwort, sondern weist auf urindogermanisches gharata und gharana.
S. 444 wird erwähnt, dass xpox68zdog nach Herodot ursprünglich
der ionisch -griechische Name der gewöhnlichen kleinen Eidechse sei.
»Entschieden ist dadurch freilich die Herkunft des Wortes noch immer
nicht«. [Warum? Es wurde, wie Herodot selbst angibt, von den in Aegyp-
ten sehr zahlreichen ionischen Griechen dem Nilkrokodil wegen seiner
Aehnlichkeit mit dem heimischen Thiere trotz aller Verschiedenheit der
Grösse gegeben. lieber die Etymologie des griechischen Wortes siehe
den folgenden Aufsatz über die Thiernamen].
0. Keller, Griechische und lateinische Thiernamen. Ausland 1879.
N. 23. 24.
xepxomBrjxog = Affe mit langem, biegsamem Schwänze, Meerkatze.
fircus, hircus vielleicht = struppiges Thier.
X^p, erinaceus (Igel) = das (von Stacheln) starrende Thier.
glis, bei Aristoteles ihtog, Siebenschläfer = das glatte Thier.
i^Tvog = der Stachlige.
dsX^cg = der Fisch mit Bärmutter (ds^^ug), der lebendige Junge
gebärende Fisch.
(fdlaiva^ balaena = ein plumpes Ungethüm, germanisch fifla, See-
Uugethüm.
ardea = der Hohe.
falco, von den sichelförmigen Klauen.
Naturgeschichte. 83
^eXwvrj und testudo = Schalthier.
Cochlea, ebenso.
xpoxüSedog = Thier mit beweglichem Schwänze; auch Leviathan
bezeichnet die Beweglichkeit seines mächtigen Schwanzes.
rubeta, Kröte, venv. rubi Brombeeren, weil ihre warzenbedeckte
Haut dieser gleicht (einige Lexikographen leiten das Wort von rubetum,
Brombeergebüsch her, weil das Thier daselbst lebe!). Dies wird durch
spanisches escorzon, Kröte, von scortum rauhe Lederhaut gestützt.
zyyehjg, anguilla = kleine Schlange.
ßpooyoQ^ ßpoüxoQ, eine Heuschreckenart, hat von den Rafizähnen
den Namen.
-pr/_[q^ f^ucaaa^ Haarfischchen, eine kleine Fischart, von ihren haar-
feinen Gräten.
xia-pa^ xzarpsÜQ, der Hammerfisch, zatvca Bandfisch und Band-
wurm, xi<faloq eine Art Meeräsche, ^nptaq Schwertfisch, -npiaztg Sägfisch,
x'zscg und pecten Kammmuschel, noh'moog Vielfuss, platessa Plattfisch,
xzpdozrjg Hornviper, damg Schildviper, uarrjp Seesteru u. a. von ihrer
Gestalt benannt.
a(prj^ (Wespe) = die Eingeschnürte.
oopxdg von den schönen Augen = Reh (so bei den europäischen
Schriftstellern wie Aristot. und Xenoph.), nicht = Gazelle. Dagegen
heisst xejjÄQ Gazelle.
yifxatpa wahrscheinlich »Schneethier« = Wildziege.
damma meistens = Gemse, nie = Damhirsch.
opdxiüv von seinem fascinierenden Blick.
yXaü^, Käuzchen, von seinen strahlenden Augen.
(jxü}(}> Zwergohreule, eigentlich = Spottvogel, Gluper, von der son-
derbaren Art, wie sie mit den Augen sozusagen eine Grimasse macht.
h'jy^ von luk sehen, wegen fabelhaft scharfer Augen.
Der altdeutsche Scheich bedeutet ein schielendes Thier, den Auer-
ochsen, nicht den Riesenhirsch. In Oberdeutschland hat es gewiss nach
Christi Geburt auch nicht Einen Riesenhirsch mehr gegeben. Aus dem
Scheichen (schielenden) Wiesent sind zwei Thiere geworden, wie aus dem
kreisenden Habicht Yprj- xipxog Homer's.
■npu^ gesprenkelt = Damhirsch.
jaXrj scheckig = Wiesel.
xvfjxtaQ fahl = Wolf.
ndpdog (semitisch) gcfieckt = Panther, ebenso ndpocov Giraffe.
aquila schwarzbraun = Adler.
nipxvog schwarz, schwarzbraun = Adler.
TisXapyög grauweiss = Storch.
/lehaypcg schwarzweiss = Perlhuhn.
milvus bleigrau = Habicht.
niXeta grau = Taube.
6»
84 Naturgeschichte.
grus grau = Kranich.
(paXaptq und fulica = Blässhuhn.
xeyifHQ ein Secvogel mit hirsenartigen Punkten.
(pocvixÜTiTEpoq der rothflügelige = Flamingo.
nofxpupig und Ttopipupaov = purpurrothe Vögel.
epof^fx'moug Rothfuss.
xzßXrjTioptg vielleicht Distelfink, ein Vogel mit feuerrothem Kopf.
(poivcxoopog Rothschwauz.
^iLoptQ Grünling.
^Xcopuov der gelbe = Pirol.
olvdg weinfarbig = Holztaube.
p.zlayxopucpoQ schwarzköpfig = Sumpfmeise.
xüavog blau = Blauamsel.
Xe'jxzpojdidg Weissreiher = Löffelreiher.
TiöyapyoQ Weisssteiss = Steinadler; bei Archilochus erscheint da-
gegen ein Adler Schwarzsteiss, pEMjiwjyog.
pe?MvdeTog = Aquila niinuta der heutigen Zoologie.
ya^Eiörr^g die »scheckige« Eidechse.
dazspcag, stelio = Sterneidechse.
äpyr^s silberweiss = eine Schlangenart.
aurata oder orata = Goldforelle.
ypuauxdvBapog = Goldkäfer.
equus und In-og eigentlich das schnelle.
zaycvag lakonisch = Hase.
vivei'ra das quecksilberartig sich bewegende Thier.
voltur von volvere — der kreisende; ebenso xtpxog, eine Art
Habicht.
accipiter für acipiter = wxundTrjg, eigentlich »Schnellflieger«.
zpo'/c7og eigentlich »Schnellläufer«, der Krokodilwächter in Aegyp-
teu und unser Zaunschlüpfer.
opzu- für vortyx zu vert, der sich drehende = Wachtel.
avis tarda = Trappe, mittellateinisch bistarda, französisch outarde.
ypuil^, gryps, gryphis vom arischen arg'ipya hochstrebend, baktrisch
erezifya, hochstrebeud und Adler, altpersisch äpqtfog.
ßdaxa »watschelnd«, eine Eutenart (vgl. das Portugiesische, Spa-
nische, Albauesische).
lutra Fischotter = die badende, sich waschende, vgl. spanisch-
portugiesisch lavauco Baderiu — Wildente.
Ente, anas, vr^aaa = Schwimmerin, Wurzel na, nat schwimmen,
wie natrix Wasserschlange. Die Ableitung Anderer von an schnaufen
ist verkehrt.
mergus »Taucher«.
xazappdxzTfjg »Sturz«möve.
Naturgeschichte. 85
xdpaßog krabbelnd, Krebs, Krabbe = die Languste, ein stach-
liger Meerkrebs.
Vom gleichen krab = krabbeln kommt auch axopmog, xdpaßog
Bockkäfer, scarabaeus.
serpens, archaisch serpula, aip<pog Insektenlarve von serp krie-
chen, ebenso ipnerov.
volucra Wickelraupe von volvere.
vermis, »Wurm«, i^pcg für i^/Mvßg Eingeweidewurm von vel, ver
wälzen.
xdp.n7j, campa die Schmetterlingsraupe, eigentlich die sich krüm-
mende.
axioXrj^ = sich bewegende Insektenlarven aller Art, von (txeX, wo-
her oxoXiüg und axilog = ein sich krümmendes Thier.
xöimpog^ »Hummer«, eigentlich der Gekrümmte.
vespa, indogermanisch vapsä von vap weben, in unruhiger Bewe-
gung sein.
formica von fervere wimmeln. Das Französische hat aus dem Be-
griff Ameise wieder das Wort fourmiller, wimmeln, entwickelt.
pulex, (l'üXXog, </>üXXa, »Floh« bedeutet »Springer«, von der im
Sanskrit mit specifisch sanskritischem r vorliegenden indogermanischen
Wurzel sphul springen.
papilio, ^dXacva »flatternd« = Schmetterling. Das Flattern wird
gerne durch Reduplication gemalt, daher papilio, deutsch fifalter, ita-
lienisch fanfalla und farfalla Schmetterling, Falter; lateinisch palpitare
zappeln.
dpxTog, ursus vielleicht = Brummer.
xüojv, canis für cvanis = Wuwumacher.
ßoüg, bos Brüller.
vacca = Schreierin.
^(og Schakal, eigentlich Schreier.
sorex, upa^ die Pfeifende = Spitzmaus.
(Tßcv&og die Piepende = Maus; mintrirc lat. — piepen von der
Maus. Diesem Piepen zulieb haben auch die Italiener aus vespertilio
ein pipistrcUo gemacht.
Unglaublich viele Vogelnamcn sind onomotopoctisch, z.B.:
xoxxu^, cuculus und enoip, upupa Wicdhopf gehen fast durch alle
Sprachen. Selbst die assyrische Keilschrift soll den Kukuk in onomo-
topoetischer Form erwähnen. Diese Sprachmalerci beruht grösstentheils
auf den Vocalen und auf einer bestimmten Sylbenzahl*): also ein sehr
anderes Princip als die in den meisten Wörtern herrschenden cinsyl-
bigen fast bloss consonantisch bestimmten Wurzeln. Die Missachtung
dieser Thatsache hat schon viele unrichtige Etymologien erzeugt.
*) Z. B. hudhud arabisch = Wicdhopf, indogermanisch upup.
86 Naturgeschichte.
Z. B. Timw, ein zwitscherndes Vögelchen, hat mit dem litauischen
pcpala, Wachtel, nichts zu thun; letzteres malt mit den drei Lauten
e - a - a sehr hübsch den Wachtelschlag.
Onomotopoetisch sind:
turtur Turteltaube.
ulula Kauz.
bubo »Uhu«.
rixTt^ für rtzrt^, vgl. rcTTußt^a} zirpe.
^puyäog, fringilla Fink.
pipio, junge Taube, woher französisch pigeon.
xlxippoQ, cicirrus Hahn (Hesych). In diesen Wörtern ist
i - i, in den ersteren u - u die Hauptsache.
xpcyrj Käuzchen von seinem schrillen Ton.
xepxvfjQ Thurmfalk von seinem heiseren Ton.
perdix von seinem schnarrenden Ton; mittellateinisch, fran-
zösisch, englisch etc. mit bezeichnender Einschiebuug eines weiteren r:
perdrix, partridge.
Wespe, Hummel, Drohne, Käfer, Schnecke sind in verschie-
denen indogermanischen Sprachen nach dem Summen benannt,
locusta Schwätzerin = Heuschrecke.
rana Ra - macher (sein Laut ist am ähnlichsten dem vocali-
schen r) = Frosch.
xvinoXoyoQ, Insektensammler = Baumläufer.
(fpovoXoyog Krötensammler = eine Art Weihe.
liihoaa Honigsammlerin,
ficedula Feigenfresserin = Feigendrossel.
dandXai, axdlofp, talpa schaufelnd, grabend = Maulwurf,
cuniculus, xovtxXog Höhlenthier = Kaninchen,
simia verw. similis, p-ijui) Nachahmer = Affe.
anovdüXrj, ursprünglich der Stinkkäfer von seiner wirtelartigen Ge-
stalt, dann attisch auch das Wiesel, weil es ebenfalls einen Gestank von
sich gibt, wenn es verfolgt wird, wie jener Käfer,
putosius Marder von putere verfaulen, stinken.
xauvdxTj Marderfell von kun, knu stinken.
c'xTcg zu xTBivu) wie Marder, martes, zu morden.
Xöxog^ lupus Zerreisser von vrk, vlk, valk zerreissen.
Dazu gehört auch volpes, was sich nach dem Gesetz der Differen-
zierung daraus entwickelt hat.
bufo, die fauchende = Kröte.
caper und xd-rtpoq eigentlich stark ausdünstende Thiere.
scrofa, ypoiupdQ Schwein vom »Schürfen« und Wühlen.
SpuoxoXdnm^g, dpuoxönog Baumklopfer = Specht.
Naturgeschichte. 87
picus, »Specht« vom Picken, Spicken = Aufklopfen ; weniger wahr-
scheinlich ist die geraeine Ableitung vom »Spähen«.
ossifraga Knochenzerschmetterer = ein nicht sicher zu bestimmen-
der Raubvogel.
anipyooXog, Sperling, eigentlich »prasselnd« von sparg prasseln.
anguis und s;^;? hängen mit angere, anxius, eng, ängstigen zusam-
men, wie »Schlange« mit »schlingen«.
Tiapscag »Backen« schlänge.
sepia verwandt mit unserem »Saft«; ebenso seps.
mugil Schneuzfisch von dem widerlichen schleimigen Ueberzng sei-
ner Haut.
limax ebenfalls vom »Schleim« *) benannt.
aipoupa den Schwanz emporhebend = ein Nilfisch.
s^syr^tg Schiffshalter, ein Fisch.
noßmlog Begleiter (der Schiffe), ein Fisch.
vdpxrj Zitterroche, zum deutschen snirhan erstarren.
hirudo Blutegel, der Packende, verwandt altlat. hir ix^^'p) Hand.
xpo-cuv Hundslaus, vom Kratzen und Jucken benannt; ebenso
xovc'g »Niss«, Lausei.
xopig stechend, schneidend von xscpco = Wanze.
äpäyyr^^ arauea und arcus Bogen von ark, arch spannen, verwandt
spinnen.
^)yv von 0aa», Gallwespe, vom Anstechen, Aubeissen.
xv/^, ö-xv/^, auch axlvi<lf Schabe, vom Nagen und Schaben.
tarmes, ztprßiüv Bohrwurm von ter, tar bohren.
XajiTiupcg für Xapnsnuptg Feuerglänzer = Glühwurm.
cicindela von cand, eigentlich glänzend = Glühwurm.
vitulus Kalb, eigentlich Jährling.
veßpüg Hirschkalb von vsog jung.
vespertilio von vesper Abend.
vt)xzepcg Nachtthier, Nachtvogel = Fledermaus.
vox~aXu)nr^^, vuxrixöpa^.
oupeüg, opsüg Bergthier = Maulthier.
opo^cag eigentlich unter das Dach gehörig, die Hausschlange.
aXxuwv fälschlich durch attische Volksetymologie aspiriert, sonst
richtiger d^ixuwv. Der Eisvogel ist nämlich gar kein Meervogel.
Tc^Tj Wasserspinne, lateinisch tipula, hängt zusammen mit T:(fog
Teich.
axo^omvopa ist im Lateinischen zu colubra und coluber geworden.
sUipag wahrscheinlich Bastardbildung aus semitischem Artikel al
und indischem ibha Elefant.
*) Im Text selbst steht durch Druckfehler »Schlange« statt »Schleimigeu.
88 Naturgeschichte.
panthcra ist aus pardus hervorgegangen; dieses kommt aus dem
Semitischen.
aaTiipdrjg eine Art Sardelle, aus dem Pontischen.
urus, bison, tarandus, alces aus den nordischen Sprachen.
vcrtragus Windhund, aus dem Keltischen, »Schncllfuss«.
Africana seil, bestia = Panther bei Livius; vgl. lucanische Ochsen
= Elefanten, persischer Vogel — Hahn.
0aatav6g Fasan; eigentlich Phasisanwohner.
[lovztxoi seil, jwzg Ratten, eigentlich Pontusmäuse.
'ApyöXat eine im pelasgischen Argos gemeine Schlangenart.
völJ.<p7j, wiKfkZa Braut, im Spätgriechischen = Wiesel. Daraus
hat sich die babrianiscli- äsopische Fabel (Babr. :52) entwickelt, wo das
Wiesel {yo.^) von Aphrodite in eine Braut (miJ.(frj) verwandelt wird. Die
vielfachen Zärtlichkeitsausdrücke für das Wiesel (über die andern Sprachen
s. die Abhandlung selbst) erklären sich aus seiner Verwendung als Haus-
thier an Stelle der späteren Katze. Der provenralische Eigenname Ray-
nart für Fuchs zeigt eine entschiedene Einwirkung der Thicrfabel auf
die Namengebung eines Thieres. Man kann daher fragen, ob nicht auch
jenes griechische vf^/x^jy, Braut, unter Einwirkung der erwähnten äsopi-
schen Fabel sich eingebürgert hat.
xalliaq Schönmännchen = Affe.
Tiämioq Grossväterchen = ein attischer Vogel, nicht mehr zu be-
stimmen.
amma bei Isidor, Grossmutter = Nachteule.
ßaadiaxog, regulus Zaunkönig.
Volksetymologie liegt vor in
ivoSpoQ »Imwasserthier« statt u8pog Otter.
'j^apaopioq statt ^jj'a/j^o/joo? eigentlich »gelber Läufer«, Regenpfeifer.
Meerkatze, impxo'i^iaMÖq von sanskrit. markata Aife.
accipiter (s. oben), spätlateinisch sogar acceptor.
lipa^, erst nach Homer, Hesiod und Herodot aus "(pr^^ entwickelt.
Die iiiXtaam^ die Artemispriesterinnen zu Ephesos, hatten ihren
Namen von Mylitta: denn es gab eine Zeit, wo die ephesische Artemis
noch deutlich eine Mylitta (d. i. Eileithyia) war.
gallus ist ohne Zweifel unter Einwirkung eines Volkswitzes ent-
standen ; man verglich den streitlustigen Hahn einem behelmten und be-
spornten Gallier. In gleichartiger Anwandlung wurde die Wachtel zu
einem Kothurn- Vogel gemacht: coturnix von coturnus.
p.slzayp{Q Perlhuhn ist aus ptXapytg oder iizlavapyiq (schwarzweisser
Vogel) unter Anlehnung an den berühmten mythischen Jäger Meleagros
entstanden, gleichsam »Nimrodsvögel«.
Eine auffallende Confusion zeigt sich bei ciconia und x'jx\/og\ xux-
vtag angeblich ein weisser am Wasser lebender Adler; auch das ent-
sprechende sanskritische Wort bezeichnet einen gewissen grösseren
weissen (?) Wasservogel.
Naturgeschichte. 89
Dem Vogelnamen zirpac, bei welchem die Wörterbücher an Auer-
hahn und Perlhuhn herumrathen, entspricht lautlich das lateinische tetrao
Birkhuhn, ein kirchenslavisches und ein neupersisches Wort für Fasan,
ein indisches für Rebhuhn, ein litthauisches und preussisches Wort für
Birkhuhn: es ist also eine Hühnerart, wobei Haushuhn und Pfau sicher
ausgeschlossen sind.
xixxdßrj und xoxxoßdpTi bedeutet die Nachteüle; der Lateiner sagt
cucubare vom Eulenschrei.
Venantius Fortunatus nennt das wilde Pferd einen Wildesel, onager.
0. Keller, Das Kamel im klassischen Alterthum. Ausland 1881
No. 8.
xdixriXog, camelus bedeutet Höckerthier und ist ein semitisches
Fremdwort. Die Slaven, Skandinavier und Altdeutschen bezeichnen das
Thier als Elefanten, gothisch ulbaudus, aber mit einer Diiferenzierung,
indem stets o oder u für das anlautende E gesetzt wird. Es ist ein
Irrthum, wenn man glaubt, die Gothen haben wirklich Kamel und Ele-
fanten als ihnen ganz unbekannte Thiere confundiert, oder vielmehr sie
haben das ihnen unbekannte Kamel nach dem ihnen bekannten Elefanten
benannt. Das Kamel war ihnen mit nichten unbekannt: in ihren Wohn-
sitzen in Südrusslaud und der Krim konnten sie sehr wohl Kamele halten
— steigt doch das baktrische Kamel bis zum fünfzigsten Grad nördlicher
\Breite (Pallas) - und als sie in den Jahren 376 und 386 n. Chr. über
C'ie Donau gingen und von Theodosius besiegt wurden, führten sie no-
torisch Kamele bei sich, von denen sie ihre Götterbilder tragen Hessen.
Unsere Bezeichnungen baktrisches Kamel für das zweihöckerige und ara-
bisches für das einhöckerige sind uralten Datums; neben der Bezeich-
nung »baktrisch« kommt auch der Name »persisch« vor für die zwei-
höckerige Gattung, Besonders schnell laufende Kamele hiessen droma-
des, Dromedare.
Sprüchwörtlich: npojxzog xafxrjlo') für das Abscheulichste, bei Ari-
stophanes; ebenso (f'cupcwaa xdiirjXog, räudiges Kamel (Epistolograph.
Graec). Das Kamellanim (xd/xr^kig diivog) bei Aristoph. Vögel 1566
(1558), welches Peisandros opfert, bedeutet etwas unförmliches, abscheu-
liches wie Elefantenkalb oder Nilpferdjunges*).
Die Geschichte des dritten Buchstabens unseres Alphabets spricht
dafür, dass für die älteren Aegypter das Kamel nicht existierte; denn
das hebräische Gimel d. h. Kamel, woraus griechisch Gamma gemacht
worden ist, ist eine semitische Neuerung. Das Aegyptische hatte an
dieser Stelle ein Hausgeräthe. Auch als Sternbild ist das Kamel den
Aegyptern fremd.
Der Hauptinhalt des Aufsatzes bezieht sich auf die historische Ver-
wendung des Kamels, namentlich in den Kriegen des Alterthums.
*) Die Stelle wird häufig missverstanden.
90 Naturgeschichte.
S. 144 wird eine Reihe Kameldarstellungen in der antiken Kunst
besprochen. Auf dem römischen Landschaftsbiide der Livia auf dem
Palatin (Woermann, Die Landschaft in der Kunst der alten Völker S. 339)
bezeichnet es die Scenc als eine orientalische. Die besten Darstellungen
sind solche des arabischen Kamels auf assyrischen Basreliefs des sieben-
ten Jahrhunderts v. Chr. und des baktrischen auf einem Londoner Scara-
bäus. Die meisten sicher griechischen oder römischen Darstellungen
sind mittelmässig. Auf Münzen bedeutet es bekanntlich Arabien.
Zum Schluss werden Fabeln erwähnt, wo es eine Rolle spielt, und
Irrthümer der Alten (selbst des Aristoteles und Plinius) über seine Natur.
0. Keller, Die Affen im Alterthum. Ausland 188 L No. 14.
In den historischeu Zeiten gab es keine Affen in Europa. Die jetzt
auf dem Felsen von Gibraltar noch gehegten Thiere dürften durch die
Maureu eingeführt worden sein. Dagegen müssen in der Dämmerungszeit
der Geschichte auf den »Affeniuseln« bei Italien solche Thiere gewesen
sein, und die Sage von den Kerkopen d. i. Geschwänzten bezieht sich
auf sie. Auch bei Karthago war eine »Affenbucht«, nSrjKwv xökno^. Im
Lande der Gyzanten wimmelte es von Affen. Auch die bildlichen Dar-
stellungen werden wieder besprochen. Nach assyrischen, ägyptischen,
etruskischen, rhodischen, uuteritalischeu Bildwerken scheint er in allen
diesen Gegenden als Luxushausthier gehalten worden zu sein. Die Schrift-
steller bezeugen es ferner für Rom und Griechenland.
Für die Behauptung, dass das lat. simia mit absichtlichem An-
klang an similis gebildet sei, werden beigezogen griech. jxtjuö »Nach-
ahmer«, ägyptisch An (Affe) »Nachahmer«, auch das deutsche nach»äffen«
könnte erwähnt werden.
Die Anekdote Phlegon's von der römischen Magd, die einen Affen
gebar, wird auf eine überaus hässliche Missgeburt bezogen.
Die Specktersche Fabel von dem Fang der Affen durch Stiefel,
welche sie anziehen, wird aus Diodor nachgewiesen; die Fabel von der
Affenliebe, von der gesund machenden Kraft des Affeufleisches etc. be-
sprochen.
Schliesslich die verschiedenen den Alten bekannten Affenarten:
1) der Hundsaffe, auch türkischer Affe genannt, Inuus ecaudatus Geoff.,
gewöhnlich unter nc9r;xog zu verstehen.
2) Pavian, Cyuocephalus hamadryas Desm. , antik: xuvoxi^ahg,
cynocephalus. In Aegypten war er wegen seines auffallenden Benehmens
gegen den Mond dem Mondgotte (später Gott der Wissenschaft) gehei-
ligt. Gelegentlich wird die betreffende Stelle des Plinius richtiger über-
setzt als bei Külb, der den Sinn ganz verkehrt wiedergibt.
3) Babuin, eine Nebenart des Pavian, Cynocephalus babuin Desm.,
xijßog, bisweilen auf ägyptischen Bildern.
4) Meerkatze, Cercopithecus, xspxom&rjxog, auch xr^ßog, xr^nog^ xtj-
Naturgeschichte. 91
ßug. Speciell zeigt sich unter den ägyptischen Gemälden die rothe Meer-
katze aus Sudan, Cercopithecus ruber Geoff. Die grüne Meerkatze scheint
auf einem Nimruder Relief (nach 885) dargestellt. ludische Meerkatzen,
Simia faunus, bei Ktesias.
5) -(fiyysg, Sphinxe werden zwei Arten genannt. Die grosseren,
in Nubien oder Abessynien, sind vielleicht Paviane; die kleineren Tiepl
zijv yr^v zujv Maxdpw^ sind wahrscheinlich westafrikanische Meerkatzen.
6) cercolopis (cercolophus?), bei den Griechen ein y.rj^Sög mit Löwen-
schweif: man kann an den abessynischen Colobus Guereza denken.
7) Vielleicht den gleichen Affen meinten Plinius und Solinus mit
Callithrix.
8—10) Gorilla, Schimpanse, Orang-Utang.
Gorillas waren wohl die Affenmenschen Hanno's, die äthiopischen
Cephi bei den Spielen des Pompeius und das Uavixuv !^wo'> des Hierax.
Schimpansen meint wohl Diodor III 24, vielleicht auch Theophrast
in den Charakteren, ebenso Plinius und Solinus unter den afrikanischen
Satyri, deren Wesen als dem der boshaften Paviane entgegengesetzt ge-
schildert wird.
Die bei Plin. VII 2, 24 erwähnten Satyrn der indischen Gebirge
werden gewöhnlich, aber vielleicht mit Unrecht, als Orang-Utange aufge-
fasst. Letztere leben nur in Borneo. Gelegentlich wird die Uebersetzung
der Stelle bei Brehm berichtigt.
0. Keller, Der Schakal im Alterthum. Ausland 1881 S. G91 ff.
Das Thier existierte im Alterthum weder im europäischen Grie-
chenland noch in Italien; heut soll es sich in Griechenland und auf eini-
gen griechischen Inseln finden.
Es ist überliefert, dass der Wolf, wie der byzautinische Lexiko-
graph confundirend statt Schakal angibt, in Phrygien daos (davos?) genannt
wurde; daher der (phrygische) Sklavenname Davus des römisch-griechi-
schen Lustspiels. Dieses daos, »Schreier«, entspricht vollständig dem
gemeingriechischen ^lüg; denn das Phrygische hat eine Abneigung gegen
die Aspiraten. Von &wg kommt Howaaoj schreien.
Hinsichtlich des fremdländischen Thiers (der syrischen Wüste)
waren die Begriffe der Griechen unklar, wie auch bei manchen anderen
fremden Thieren. So sind Giraffe und Gepard im '.--dpocov confundiert
worden, die Beschreibung des Hippopotaujus hat durch Beimischung von
Zügen des Gnu empfindlich gelitten, dem indischen Rhinoceros sind
Gallenblase und Knöchel der Antilope picta zugetheilt worden u. s. w.
Eine solche Verwechslung findet nun aucii bei üppian von Syrien und
bei Arrian hinsichtlich des ^wg statt. Jener sagt, der Biüg sei eine aus
der Vermischung von Wolf und Pantherweibchen entstandene Thicrart,
die dem Felle nach der Mutter, der Gestalt uach dem Vater gleiche];
und Arrian Indic. 15, 3 spricht von Thieren, welche fälschlich Tiger ge-
92 Naturgeschichte.
iiannt werdon, während es scheckige I^weq seien von ansehnlicherer Grösse
als die anderen Bivec:. Opjjian meint damit eine Art Lnchs, Lynx cali-
gatus oder Lynx chaus, welche beide in Vorderasien heimisch sind, oder
den Step])enhund, Canis pictus, den man noch leichter mit dem Schakal
verwechseln konnte; Arrian aber hat bei seiner Schilderung wohl den
Gepard im Auge. Wie hier Arrian von mehreren Arten Uwzg spricht,
so versteht auch Aristoteles unter öwc nicht bloss den gemeinen Scha-
kal, sondern er begreift ausdrücklich mehrere, offenbar wesentlich ver-
schiedene Thierarten unter dem Gesammtnamen Hweq; daher kommt es
auch, dass seine Beschreibung zwar im allgemeinen auf den Schakal zu-
trifft, aber nicht in allen Einzelheiten. Sicher zu weit gegangen aber
ist es, wenn Aubert und Wimmer (Aristoteles' Thiergeschichte) vermuthen,
dass Aristoteles überhaupt bei seinen Angaben über den fkog nicht den
Schakal, sondern eine Viverre, zunächst die Genette, im Auge gehabt
habe. Dieses Thier ist viel zu klein; es hat nur anderthalb Fuss Kör-
perlänge, war den Alten fast unbekannt und wird nur ganz spät — im
VI. Jahrhundert — von dem spanischen Isidor erwähnt und ausserdem
zur Zeit Karl Martell's, bei dessen Sieg zu Tours im Jahre 732 eine
Menge Giusterkatzeufelle, die wohl aus Spanien und Nordwestafrika
stammten, erbeutet wurden. Ihre eigentliche Heimat ist das Atlasgebirge.
Noch weniger als an die Geuettkatze wird man an die Civett- und an
die Zibetkatze denken können; jene hat ihre Heimat in Guinea, diese
in Indien und den ostindischen Inseln. Schliesslich lassen sich denn
doch die An'gaben des Aristoteles, wenn mau nur will, auf den viel näher
liegenden Schakal beziehen, mit einziger Ausnahme des Irrthums, dass
er zur Winterszeit dichtere und andersfarbige Haare bekomme, weshalb
man — wie Aristoteles meint — irrthümlicher Weise mehr Arten des
Schakals annehme, als wirklich existieren. Diese Eigenschaft der Ab-
färbung besitzen auch die Viverreu nicht: wir kommen also mit jener
Hypothese keinen Schritt vorwärts; und was sollten wir von Aristoteles
denken, wenn er wiederholt allerlei Untergeordnetes von den Genetten
oder Zibeten berichten würde und dabei ihre merkwürdigste Eigenschaft,
den Zibet in ihren Afterdrüsen, mit keiner Sylbe erwähnt hätte!
Im allgemeinen verstehen die griechischen Schriftsteller aller Zei-
ten und Länder unter dwg den Schakal.
S. G92 werden dann die Abbildungen besprochen, darunter vor-
treffliche ägyptische, ferner seine Verwendung in der ägyptischen Götter-
lehre.
In Griechenland tritt statt seiner als Sternbild der »Hund« auf.
Die Ersetzung des hiuterasiatischen Schakalsterues durch den Hunds-
stern ist wohl in Mesopotamien vorgegangen, wo der Sirius nicht als
schädliches Gestirn galt, sondern als Verkünder der ersehnten Ueber-
flutung des Landes.
Zweitens ist der Schakal durch den Fuchs ersetzt worden bei der
Naturgeschichte. 93
Ceremonie des Fuchsbrennens, einer Festlichkeit die bei den Römern
zur Reinigung und Segnung der Getreidefelder abgehalten wurde. Sira-
sonlegende.
Endlich wird die Umsetzung des indischen Schakals in einen euro-
päischen Fuchs in den alten Fabeln besprochen (s. des Verfassers Un-
tersuchungen über die Geschichte der griechischen Fabel).
0. Keller, Der Damhirsch im classischen Alterthum. Neue Freie
Presse No. 6069 = 21. Juli 1881.
Dama, richtiger damma — denn so ist die regelmässige handschrift-
liche Schreibung — ist weder nach lautlichen Gesetzen = Damhirsch
noch materiell damit identisch. Es bezeichnet durchaus nicht ein zu
den Hirschen, sondern ein zu den Antilopiua gehöriges Thier, technisch
eine Art Antilope, bei Dichtern auch die Gemse. Für den Damhirsch
dagegen finden wir im Lateinischen nur den Ausdruck cervus palmatus
(entsprechend neugriechisch nXarwvi, spanisch paleto) Fächerhirsch, mit
einem Geweih, welches der offenen Hand (palma) gleicht; bei Plinius
kommt auch einmal die Bezeichnung cervus platyceros, breithörniger
Hirsch, vor. Capitolinus spricht von cervus palmatus an einer Stelle,
die gleich so mancher andern von Lenz in seiner Zoologie der alten
Griechen und Römer S. 90 durch einen groben Missgriff verunstaltet
worden ist. Aus dem »Verzeichnisse« von 200 durch Gordian in's Am-
phitheater gebrachten Damhirschen hat Lenz ein »Bild« gemacht. Dies
ist die einzige sichere Erwähnung des Damhirsches bei den Römern;
in Italien war eben das Thier damals nicht heimisch und ebensowenig
offenbar im europäischen Griechenland. Um so häufiger war es in ganz
Vorderasien zu treffen.
Es war das Opferthier der ephesischen Artemis und fand wahr-
scheinlich mit ihren Cultgebräuchen zuerst den Weg nach dem Westen.
Auf sämmtlichen mir zu Gesicht gekommeneu Münzen von der ältesten
Periode bis zur Kaiserzeit ist kein Edelhirsch, sondern der Damhirsch.
Er mit seinem gefleckten Fell war auch das den Sternenhimmel
bedeutende Symbol der grossen, in Vorderasien vielfach verehrten Arte-
mis Tauropolos, der auf dem riesigen Taurusgcbirge waltenden Göttin
des Mondes, der Nacht, des Waldes und der Jagd.
Vom Löwen zermalmt bedeutet der Damhirsch auf syrischen und
kilikischen Münzen — mit phönicischer Schrift — die Nacht im Kampf,
im glücklicherweise missliiigcndcn Kampf gegen die Macht des Lichts,
der Sonne, deren Hauptrepräsentant der Löwe ist.
Auch der Greif kommt vor, wie er den Damhirsch frisst; ebenso
der Wolf, und statt des Damhirschs steht oft der Stier, der mit seinen
Hörnern Symbol des Mondes ist. Mindestens wird in der abendländischen
Kunst aus dem ursprünglichen asiatischen Damhirsch der europäische
Edelhirsch.
94 Naturgeschichte
Auch Hercules (Sonnengott), der die schlafende Hirschkuh d. i.
den Nachthimmel überwältigt, gehört in diese Symbolik.
Eine Insel bei Kyzikos, deren Münzen deutlich den Damhirsch
zeigen, führte den Namen llpoxövrjaog d. h. Damhirschinse) (tt/jö^, s. oben,
= Damhirsch; auch das Sanskrit bildete von der gleichen Wurzel zwei
Namen für den nach Damhirschart gefleckten Axishirsch [schwerlich für
Gazellen, wie von den Sanskritgelehrten behauptet wird]). Die gleiche
Insel hiess auch 'EXaifüvrjöog. Man sieht also, dass zXa^og bei den klein-
asiatischen Griechen auch den Damhirsch bezeichnen konnte.
Es wird dann die schwierige Stelle des Aristoteles besprochen, dass
der d^attvr^g genannte Hirsch seine Galle am Schwanz habe: dies kann
nur auf den Edelhirsch bezogen werden.
In Troas haben Schlieraanu und Calvert, ohne eine Ahnung der
obigen Verhältnisse, nur Reste vom Damhirsch gefunden, nicht vom Edel-
hirsch. Man pflegte das Fleisch zu essen und häufig wurde das Geweih
von den Trojanern zu Pfriemen zugespitzt. Damit stimmen die bild-
lichen Darstellungen (besonders Münzen) von Hirschen aus Pontus, lo-
nien, Lydien, Karien, Kilikien, Syrien und Rhodus. Die Numismatiker
und sonstigen Archäologen vom Fach registrieren bis jetzt selbst den
deutlichsten Damhirsch gewöhnlich als cervus oder capreolus oder gar,
was auch vorkommt, als Ziege.
Auch in Mykenae zeigen die gewiss importierten Edelsteine und
Goldschmucksacheu nur den Damhirsch - man beachte die Wichtigkeit
solcher Uut'ersuchungen für die Frage nach der Herkunft dieser Objecte!
— während eine rohe, gewiss an Ort und Stelle geformte Figur aus Blei
und Silber ebenso bestimmt den Edelhirsch aufweist. Hiermit stimmen
die ältesten europäischen Vasenbilder, besonders die aus Korinth und
Athen, welche im Gegensatz zu den asiatischen Fabriken den Edelhirsch
zeigen; ebenso thun es die plastischen Denkmäler entschieden europäischer
Erfindung, wie die Bildwerke von Phigalia. Die italischen und sicilischen
Vasen weisen gleichfalls bloss den Edelhirsch auf und ebenso die etru-
rischen Grabwandbilder; über die zum Theil variierenden italienischen
Vasen siehe die Abhandlung selbst.
Bei Besprechung der pompejauischen Bilder wird berührt, dass
man unter den pompejauischen Bildern (Heibig Wandgemälde N. 1554)
auch eine Truthenne anzuführen pflegt, während dieser Vogel erst zur
Reformationszeit aus Central-Amerika nach Europa kam.
Auch die uordafrikanischen Mosaiken und die ägyptischen Bild-
werke werden besprochen und schliesslich als Hauptresultat aufgestellt,
dass der Damhirsch aus dem westlichen Asien (Assyrien und Kleinasien)
stammt, keinesfalls aus Nordafrika, und dass er in Europa während der
ganzen klassischen Zeit bis zum Untergang des römischen Kaiserreichs
sich nicht nachweiseu lässt.
Naturgeschichte. 95
0. Keller, Steinbock und Gemse im klassischen Alterthura. Glo-
bus XL No. 10 (1881).
Dass das Tbier jemals in Italien oder Griechenland gewohnt habe,
lässt sich nicht erweisen. »Ibex« ist aus dem Indogermanischen nicht
zu erklären, stammt wohl von einem Alpenvolke. Plinius tischt über ihn
ein lächerliches Märchen auf, was auch nicht auf persönliche Bekannt-
schaft mit der Natur des Thieres schliessen lässt. Der Grieche coufun-
diert den Steinbock beharrlich mit der Gemse und verwilderten Ziege
und nennt unter Umständen alle drei atyaypog oder al~ äyptog.
Der eigentliche Steinbock und der Paseng oder die Bezoarziege
sind zu unterscheiden. Ersterer hat ein schönes, regelmässig gezacktes
Gehörn, das des Pasengs ist unregelmässig gezackt und in eine schneidige
Form zusammengedrängt. Für Griechenland kommt nun der Paseng in-
sofern in Betracht, als er auf einigen Inseln, besonders in Kreta, vor-
kam, ja theilweise heute noch vorkommt, ebenso in Kleinasien.
Neben dem Adler des Gebirgs gehörte der Paseng dem Höhengotte
Zeus als treffendstes Symbol; daher Münztypus mehrerer kretischer
Städte. Auf einer Münze von Elyris hat der Paseng den einen Fuss
auf einen Strauch gestellt: dies ist Potentilla speciosa, jetzt dyp'.ij/r/^oprov
(nicht Origanum dictamnus). Ein Weibchen des kretischen Steinbocks
war es (jetzt sieht sich die Sache erst wirklich poetisch an), dessen
Milch das Zeuskind in der Felsengrotte des kretischen Ida trank: sie
ist reicher und süsser als die Milch der Hausziegen. Der erwachsene
Zeus aber wird gedacht als Ideal des Kreters, als siegreicher Steinbock-
jäger, angethan mit dem Fell des erlegten Thieres, der Aegis,
der stolzesten Trophäe der weltberühmten kretischen Schützenkunst.
Wie die Griechen Ziegenfell und Steinbockfell confundieren, sieht man
am Worte l^a^, Steinbockfell, was Hesychios als alyog oopd, Ziegen-
haut, erklärt. Auch der Beiname des Dionysos alyoßu).og gehört wohl
hierher.
Die Stelle von Pandaros Ilias IV 105 ff. wird zum Beweise beige-
zogen, dass auf den lydisch-phrygischen Gebirgen zur Zeit der Ilias der
Paseng existierte. Weiter ist er für Troas durch einen Schliemann'schen
Thonwirtel bezeugt (vergl. auch die äsopischen Fabeln), für Südklein-
asien durch ein unzweideutiges römisches Mosaik von Ilalikarnass und
durch die Sage von der Chimaera: noch jetzt ist das Thier im Taurus
sehr häufig.
In der Iliasstelle sei nicht ein Speerschuss (wie die Erklärer wollen),
sondern ein Pfeilschuss gemeint.
Darstellungen des Pasengs oder des Steinbocks finden wir in Rho-
dus, Cypern, Commagene, der syrischen Dekapolis u. s. w.
Eigentliche Steinböcke giebt es sieben Arten, welche S. 158 auf-
gezählt werden. Vorderasiatische sehen wir in allen möglichen Situa-
96 Naturgeschichte.
tionen auf Kunstobjekten; am häufigsten vertreten ist die Situation des
grasenden Steinbocks auf archaischen (braunfigurigen, gelbgrundierten)
Vasen: die Muster und die Vasen grosscnthcils selbst werden aus phö-
nicischen Fabriken stammen. Den sibirischen Steinbock haben wir auf
einem skythischen Diadem, den siuaitischen auf den ägyptischen Denk-
mälern.
Gemse heisst a?^ (Lypioq^ aijajfwq^ alya-fpiiov^ ■/Jjio.iija, a^a, }''jp$,
rupicapra, darama, cai)ra und caprea. Im alten Lacedämon häufig; in
Nordgriechenland durch eine Münze von Ismene in Boeotien bezeugt; in
Euböa der alten Sage nach; am Iris in Kleinasieu (nach Basilius); in
Sicilien für die älteste Zeit gleichfalls wahrscheinlich (Münze von Agy-
rium; Homer's Schilderung der Cyclopeninsel d. i. Siciliens).
In Italien existierte sie auf dem Soracte und Fiscellus (Appcnnin)
und auf verschiedenen »Ziegeninseln«. In den Alpen (Pliuius), in Spanien
(Inschrift von Leon).
Dagegen sind die Thiere auf den Reliefs von Kuyundschik Antilo-
pen, nicht Gemsen.
Beide Thiere, Antilope und Gemse, wurden von den gewöhnlichen
Römern unter dem Namen damma zusammengeworfen.
K. Haberland, Biene und Honig im Volksglauben. Globus XXXIX
No. 14. 15 (1881).
Die Verborgenheit ihres geschlechtlichen Lebens liess die Biene
als besonders reines Thier erscheinen, als ein Liebling der Götter, als
ein Symbol der unbefleckten Seele. Sie war der Demeter, dem Apoll,
dem Pan, der Mellonia, der ephesischen Artemis heilig. [Als Grund für
letzteres wird angegeben, dass sie den Seeweg von Attika nach lonien
gezeigt habe; es war aber vielmehr ein Wortspiel zwischen /isÄcrza und
M'jÄtzza, was zu Grunde lag. Damit stimmt, dass nach Porphyrios der
Mond auch iiihaaa genannt wurde.]
Neuplatonisch galt die Biene, die, obgleich ausfliegend, doch der
Heimat nicht vergisst, als Symbol der sich im Leben rein erhaltenden,
auf ihre Rückkehr in höhere Sphären denkenden Seele.
Für die griechische Anschauung von der Geburt der Bienen aus
dem Stierleibe sind die ältesten Zeugen griechische Dichter aus dem
Zeitalter der Ptolemäer. Aelter ist die hebräische Simsonsage, wo ein
Bienenschwarm in dem zerrisseneu Löwen nistet. Auch in den dionysi-
schen Mysterien erscheint die Bienenentstehung aus dem Stierleibe, so-
fern der Gott selbst, nachdem er in Gestalt eines Stiers zerrissen wor-
den, als Biene wiedergeboren worden sein sollte.
Alte und moderne Völker schreiben den Bienen grosse Vorliebe
für Musik zu. Auch allerlei Antipathien des Thieres (nach Plinius, Varro
u. a.) werden besprochen.
Als besonders reine Thiere greifen sie nach Plutarch und Aelius
Naturgeschichte. 97
Personen an, die von einem unkeuschen Umgang kommen u. dgl. Bei
unfreundlicher Behandlung sterben die Stöcke aus (Plinius).
Für das ausserordentlich hohe Ansehen der Biene liefert Yergil
georg. IV den besten Beweis, indem er Wahres und Falsches unterein-
ander erzählt.
Grosse Bedeutung hatte der Bienenschwarm als vorbedeutendes
Zeichen. Es werden Beispiele sowohl für günstige als für ungünstige
Vorbedeutung angeführt, und zwar ist die letztere häufiger, gerade wie
im deutschen Aberglauben.
Nach antiker Anschauung kommt der Honig bei Tagesanbruch oder
beim Aufgang der Gestirne oder wenn ein Regenbogen am Himmel steht,
aus der Luft, und er Avird verschiedenartig bald als ein Ausschwitzen
des Himmels, bald als ein Ausspucken der Sterne, bald als eine Reini-
gung der Luft selbst erklärt; je besser der Blumenkelch, welcher ihn
aufbewahrt, je schöner und reiner ist auch der Honig. Nur der Honig
fällt aus der Luft, das Wachs müssen die Bienen aus den Blumen, das
Vorwachs aus den ausschwitzenden Säften der Bäume bereiten. Kein
Wunder, dass diesen liimmelentstammten Saft Pindar neben der Milch
als die zarteste, als die feinste Speise bezeichnet und ihn den hundert-
sten Theil der Unsterblichkeit nennt. Auch Ibykus preisst ihn hoch,
und er war eine beliebte Speise der homerischen und persischen Könige,
der persischen Priester; selbst die griechischen Götter assen den Extrakt
der feinsten Theile des Honigs nach Porphyrios.
Eigenthümlich waren die Verwendung des Honigs zum Einbalsa-
mieren und die von Dioskorides, Plinius und den Pythagoreern empfohlene
Verwendung desselben als Medicin bei Augenkrankheiten.
Auch die Wichtigkeit des Honigs bei den Todtenopfern der Grie-
chen und Römer wird erwähnt und eine russische Parallele dafür beige-
bracht. Ueberhaupt ist es ein Vorzug des fleissigen Aufsatzes, dass aus
allen möglichen andern Culturkreisen und -zeiten Analogien für die An-
schauungen des Alterthums beigebracht sind. Die Litteratur ist um-
fassend, wenn auch nicht ganz vollständig, benutzt und die Belegstellen
sind angegeben. Man vergleiche namentlich noch Magcrstedt, Bilder aus
der römischen Landwirthschaft VI. Heft, die Bienenzucht und die Bienen-
pflanzen der Römer, Sondershausen 1863, 338 S. 8. und Friedreich, Sym-
bolik und Mythologie der Natur S. 631 ff. Des Referenten Artikel Apes
in Pauly's Realencyclopädie P S. 1230. 1231 hätte den Verfasser auf
diese Bücher aufmerksam gemacht.
P. Stengel, Pferdeopfer der Griechen. Philologus XXXIX Heft 1
S. 182 ff.
Die Pferdeopfer, welche die Griechen einzelnen Gottheiten, beson-
ders dem Helios und Poseidon, darbrachten, sind von den Persern oder
auch von den Skythen entlehnt. Die einzelnen Stellen werden sorgfältig
Jahresbericht für Alterthiimswi^senschaft XXVHI. (1881. HI.) 7
98 Naturgeschichte.
aufgezählt. Die Skythen liatten ganz gewöhnlich Pferdeopfer, ebenso
opferten die Perser dem Sonnengotte und Stromgöttern Rosse. Die Farbe
der Rosse ist weiss, selbst bei entschiedenen Todtenopfern , wie Lucian.
Scyth. 2, was sonst durchaus ungriechisch ist.
Theobald Fischer, Die Dattelpalme. Ergänzungsheft No. G4
zu Petermann's Mittheilungen. Gotha 1881. 85 S. gr. 4.
Es war ein sehr zcitgemässer Gedanke, die in vielen Stücken längst
überholte Epoche machende Arbeit Karl Rittcr's über die Dattelpalme*)
durch eine neue Abhandlung zu ersetzen. Dies ist in sehr erfreulicher
Weise in obiger Schrift geschehen. Uns interessiert der grösste Theil
des ersten Abschnitts über die Geschichte der Dattelkultur: unterstützt
wird derselbe durch eine genaue Karte über die geographische Verbrei-
tung des Baumes.
Die Dattelpalme stammt nicht, wie Georg Schweinfurth glaubte,
von der wilden Dattelpalme, Phoenix spinosa, des tropischen Afrika; sie
ist vielmehr als dem Wüstengebiet ureigenthümlich anzusehen (S. 2).
In verschiedenen Gegenden desselben giebt es Bestände von wilden oder
verwilderten Dattelpalmen, aber stets sind es ziemlich unansehnliche Ge-
wächse; das Bild des säulenartig schlank emporsteigenden Palmbaums
mit seinen schweren rothen oder goldgelben Datteltrauben ist ein Er-
zeugniss sorgfältiger Pflege, nicht der Natur (S. 3). Der Botaniker
E. Kämpfer, der im 9. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts mehrere Jahre
im südlichen Persien lebte, unterscheidet sehr scharf zwischen der ge-
pflegten, von ihm Palma hortensis genannten, und der wilden, Palma
silvestris, welch' letztere stets niedrig und struppig sei, härtere Blätter
habe und daher besonders zu Flechtwerk verwendet werde ; ihre Früchte
seien ungeniessbar, der Araber nenne sie daher »den Ignoranten«, leite
aber die veredelte Dattelpalme von ihr her (S. 4).
Indem sich somit der Verfasser an Grisebach anschliesst, der gleich-
falls eine Einführung der Dattelpalme aus der Fremde nach der Sahara
leugnete, fragt er: wo ist dieser Baum zuerst veredelt worden? Jeden-
falls im Osten der Sahara, vielleicht in Aegypten? Den alten Aegyptern
diente der Palmbaum, weil er angeblich jeden Monat ein neues Blatt
ansetzt, zur Bezeichnung des Jahrescyclus mit den Monaten. Schon tief
im 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung war der Dattelbaum in
Aegypten ein edler Fruchtbaum: wir finden ihn unter den Hieroglyphen.
Die Nachahmung von Palmenstämraen und Palmenblättern und - fruchten
in den Säulen der altägyptischen Tempel ist wohl davon abzuleiten, dass
ursprünglich die Tempelsäulen aus wirklichen Palmenstämmen bestanden,
wie von Mohammed berichtet wird, dass er als die ersten Säulen der
Moschee zu Medina Palmenstämme in einer Erdmauer aufrichtete. Auch
•) Erschienen 1847 im XIII. Bande seines »Asien«, 98 S. umfassend.
Naturgeschichte. 99
das Dachgesiras erscheint, uamentlich bei älteren Bauten, meist als Nach-
ahmung einer Reihe dicht nebeneinandergestellter Palmblätter. Auf zahl-
reichen Darstellungen in Theben, deren Zeit freilich nicht sicher bestimmt
ist, sehen wir die Dattelpalme mit mächtigen Fruchttrauben beladen von
den Aegyptern gepflegt und bewässert. Auch Dattelbrode und getrock-
nete Datteln hat man in den Gräbern von Theben gefunden (S. 5). Jeden-
falls aber war die Dattel nur in dritter Linie Nahrungszweig, keineswegs
in erster, wie Buckle behauptet hat, der auf diese massenhafte und billige
Nahrung die Verdichtung der Bevölkerung und die ganze Culturentwick-
lung Aegyptens zurückführen möchte (History of civilization in England
I p. 78). Palmwein kam aus Mesopotamien nach Aegypten und feine
Datteln aus den Oasen der libyschen Wüste, besonders aus Siuah, wel-
che Oase die der Amu d. i. Palmen genannt ward. In ganz Unterägypten
und namentlich im Delta gediehen die Datteln schlecht, vorzüglich da-
gegen in der Thebais, und hier wieder am besten auf einer Nilinsel,
welche ehemals den Königen, später den römischen Statthaltern gehörte
und grosse Revenuen abwarf (S. 6).
Was Assyrien und Chaldäa betrifft, so hat man in dem uralten
Ur (Mugheir) in Chaldäa Gefässe mit Dattelkernen in den Gräbern ge-
funden. Diese Dattelkerne kommen nur zusammen mit Stein- und Bronze-
werkzeugen vor und sind vielleicht dem 3. Jahrtausend v. Chr. zuzu-
schreiben. Dattelpflückende Frauen sind auf den babylonischen Denk-
mälern abgebildet. Viel jünger sind die Skulpturen von Kujundschik,
wo Gastmähler dargestellt sind, bei denen Büschel reifer Datteln aufge-
tragen werden ; ferner eine Landschaft, wie es scheint am unteren Euphrat,
wo fruchtbeladene Dattelpalmen von den Kriegern umgehauen werden.
Diese Darstellungen sind nicht älter als aus dem Ende des 8. Jahrhun-
derts V. Chr. Etwas älter, nicht viel nach dem Jahre 1000 v. Chr., sind
Kujundschiker Skulpturen, welche dattelpalmenumgebene Tempel und
einen königlichen Dattelhain des Asshur-bani-pal zeigen. Xenophon's
10,000 Griechen fanden in den babylonischen Dörfern, westlich vom heuti-
gen Bagdad, wo jetzt unbewohnter Sumpf und Steppe sich ausdehnt,
Datteln und Dattelweiu die Fülle. Auch Strabo erwähnt Mesopotamien
als Dattelpalmenland (S. 7); ebenso war Mesopotamien zur Zeit Ammian's
noch ganz voll von Palmen und man fand Honig und Wein von Palmen
und Reben im Ueberfluss; Weinreben umrankten die Palmen. Doch kam
die Dattelpalme auch in Mesopotamien als Nahrungsmittel entschieden
nach dem Getreide in Betracht (S. 8).
Dagegen in Arabien ist die Dattel Nährfrucbt ersten Ranges (S. 10);
hier auch hat sich die culturhistorisch so folgenreiche Thatsache der
Veredlung der Palme vollzogen (S. 11).
So sehr auch die Dattelpalme von den Hebräern gepriesen wird,
und obgleich schon vor der Eroberung des Landes die Eingeborenen bei
Jericho Palmencultur trieben, so ist es doch ausser aller Frage, dass für
7*
]00 Naturgoschichto.
Judäa, Syrien und Phönicien der Raum im Ganzen nur mehr noch als
Zierbaum figuriert. Die Gegend von Jericho mit ihren besonders fein
culti vierten, delicatcn Datteln war wie eine Oase. Tadmor-Palmyra, die
Palmcnstadt Nordsyriens, bezeichnet die Polargrenze der Dattelcultur,
und dieselbe war hier viel jünger als zu Jericho (S. 12). Unter den
Waaren, welche die Phönicier den Griechen zuführten, waren auch Dat-
teln, und der Frucht folgte dann auch der Baum, wie es ähnlich mit
dem Olivenöl und dem Oelbaum, dem Johannisbrodbaum, den Limonen
und andern edlen Fruchtbäumen des Mittelmeergebietcs geschehen ist.
[Der Verfasser meint dann gewiss mit Recht, dass der griechische
Name ipotvt^ für Dattel eigentlich eben die phönicische Frucht besagen
wolle, und dass nicht umgekehrt die Phönicier ihren Namen von der
Dattel — Dattelmänncr erhalten haben. Wenn er nun aber weiter den
Namen der Phönicier selbst = Rothmänner auf die rothe Farbe des von
ihnen bewohnten Terrains zurückführt, trotzdem er selber einräumt, dass
manches andere Gebiet um das Mittelmeerbecken herum mit grösserem
Rechte »Rothland« genannt werden könnte, so möchte ich ihm hierin
nicht folgen. Ich glaube, dass die Phönicier von ihrer Purpur-
fabrikation so benannt worden sind. Vollends unglaublich ist die
Behauptung (S. 15), dass ddxTo^^og Dattel auf das semitische nachl zu-
rückzuführen sei. Auch dass palma aus semitischem tamar entstanden
sei, würde ich nicht unterschreiben.]
Die Verbreitung der Dattelpalme von Phönicien aus über die grie-
chisch-römische Welt wird im Anschlüsse au V. Hehn besprochen, S. 14 ff.
Georg Thudichum, Traube und Wein in der Culturgeschichte.
Tübingen, Laupp 1881. 106 S. 8.
Es wird behandelt 1) der Weinstock und seine Herkunft, 2) der
Weinbau in Asien, 3) in Afrika, 4) in Amerika und Australien, 5) »Ob
Wanderung der Pflanzen«, 6) Weinbau in Europa.
Im ersten und fünften Capitel polemisiert der Verfasser energisch
gegen Hehn und die andern Anhänger der Wanderungs- und Entlehnuugs-
theorie, und dies ist eben der interessanteste Theil des Buches. Hören
wir die Meinung des Verfassers.
S. 3 ff.: Es ist eine vielverbreitete, durch die berühmtesten Namen
vertretene Ansicht, dass die wichtigsten Thiere und Pflanzen aus einem
einzelnen Ursprungslande die Menschen über die Erde begleitet hätten.
Liunaeus leitete die ganze Vegetation der Erde von einem der höchsten
Gebirge der Erde ab. Das von Humboldt bezweifelte Vorkommen wilder
Arten unseres Getreides an verschiedenen Orten melden neuere Reisende
und er selbst scheint es auch zuzugestehen, wiewohl er vorher ausspricht,
wie die Früchte der Ceres, so seien Stier und Ross dem Menschen über
den Erdkreis gefolgt. Der europäische Ochse ist zwar über viele Län-
der verbreitet, Oken aber glaubt ihn in asiatischen Ländern noch wild
Naturgeschichte. 101
vorhanden und hält doch mit Recht den jetzt fossilen Ochsen, den Urus
der Deutschen bei Cäsar, für den Stammvater unseres Rindes. Und
haben nicht verschiedene Länder, Indien, Ungarn, Amerika u. s. w. ein-
geborene Rinder als Hausthiere'? Und wilde eingeborenen Pferde, nicht
verwilderte, wie in Amerika, gab es noch zu Plinius Zeiten im Norden,
in Scythien [auch, sogar später noch, in Spanien],, heerdenweise, wie sie
sich jetzt noch jenseits des kaspischen Meeres finden. Auch das Ge-
burtsland des Hundes ist nicht zu ermitteln (in Amerika und Europa
dieselbe Rasse). Unser Schwein stammt vom einheimischen Wildschwein
(so urtheilt schon Varro [ebenso BrehmJ). Bleibt nun hier Alles un-
sicher oder im Widerspruch, so sind wir nicht zu kühn, wenn wir an-
nehmen, der Weinstock, das edelste Gewächs, ist ursprünglich
daheim in allen Regionen, wo er überhaupt gedeihen kann; gleich-
sam neu geschaffen wurde er, nachdem der Mensch sein Wesen erkannt
hatte und ihn genoss, benutzte und veredelte. Veredlung bedarf er
überall, in den weniger günstigen Gegenden die meiste; der Schnitt
ist zur Vollkommenheit der Früchte nothwendig. Wir behaui)ten, die
alten Deutschen genossen am Rhein ausser dem Feldobst, als Aepfeln,
Birnen, Schwarzkirschen, Pflaumen u. s. w. und neben den übrigen Beeren
auch Trauben, soweit sie essbar waren. Wann und wie soll das Getreide
aus Asien gekommen sein , das schon in der Steinzeit, die auf 70 Jahr-
hunderte zurückgeht, in den Pfahlbauten als Weizen, Gerste, Hirse u. s. w.
gefunden wird? Und wenn sich vollends bestätigen sollte, dass die Natur
den Menschen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten her-
vorgebracht habe, so verlöre der Gedanke von Thieren und Pflanzen,
die den Menschen begleitet haben sollen, seine hauptsächlichste Be-
deutung.
Der Weinstock ist älter als alle Geschichte, älter als die Mensch-
heit auch an der Grenze seines nördlichen Gebiets in Deutschland ; seine
Blätter und Früchte zeigt das Braunkohlenbergwerk zu Salzhausen in
der Wetterau. Die Thäler des Rheins, der Donau, des Amur am Ost-
ende Asiens, Italien, Sicilien, Portugal, Mexico und Nordamerika weisen
wild wachsende Reben auf, mit guten und mit schlechten Beeren (Bron-
ner sammelte und cultivierte 36 wilde Sorten mit verschiedenem Erfolg;
ihre Trauben ungeniessbar, mittelmässig, gut und vorzüglich). Jene ge-
ben überall Wein, in Deutschland wie am Orontes. Verwildert will man
sie nennen, aber der Beweis dafür fehlt, und auch Candolle findet die
Unterscheidung zwischen cultivee und spontance unthunlich, wiewohl er
doch alsdann wieder Armenien für die patrie originaire de l'espcce er-
klärt. Und warum soll hier das Vaterland sein, also von hier aus die
Pflanze sich verbreitet haben? Antwort: weil dort die gewaltigsten
Weinstöcke von Menscheudicke und Baumhöhe ungepflegt die grösstcn
Trauben von gutem Geschmack hervorbringen. Aber ähnlich wachsen
sie in Campanien, am kaspischen Meer, in Kaschmir, am Libanon, wo
102 Naturgeschichte.
Schulz . . . eine halbfussdicke Rebe mit 12 Pfund schweren Trauben fand.
Und Meyen dagegen sucht in Cyrenaica das Vaterland. Nein, die über-
grosse Naturkraft und Fülle des Wachsthums entscheidet hier nicht; in
massigem Klima, auf künstlich verbessertem Boden, von kleinen Trauben,
werden in guten oder besten Jahren die köstlichsten, theuerstcn Weine
der "Welt gezogen. Der Geist des Menschen feiert hier seine Triumphe.
Der gezähmte Stier, der Genosse der europäischen Menschen, hat gegen
den Urstier, seinen Stammvater, eine gesteigerte Kopfbildung, rundere
Stirne, mehr nach vorn gekehrte Augen, vollkommeneren Gehörgang und
kleinere Hörner; ebenso veredelt sich der Weinstock unter der Hand
des Menschen, während der wilde, mit geringeren Früchten in's Unge-
heuere auswächst. Ungepflegt, wie auch aus Samen gezogen, bringt er
verhältnissmässig geringere Früchte, gleich unserem jetzt veredelten
Obste.
Die Frage über wild und verwildert ist im einzelnen Falle nicht
zu entscheiden. Ja der botanische Unterschied zweier Gattungen, den
schon die Alten machten, den unsere botanischen Lehrbücher noch immer
fortführen, nämlich zahm und wild, Vitis vinifera und Vitis labrusca, steht
auf schwachen Füssen. Die labrusca oder silvestris soll kleine und un-
schmackhafte Beeren tragen, aber die verwilderte Rebe hat sie eben-
falls ; dass sie auch unfruchtbar sei, sagen Alte und Neue ; wirklich nur
männlich blühende hat Bronner gefunden. Denkt man sich aber unter
der labrusca oder silvestris eine zum Wein unbrauchbare Art, so ist das
mehrfach widerlegt. Die Catawba und die Herbermond, nach Darlington
Varietäten der in den nördlichen Unionsstaaten, nicht in Virginien, ein-
geborenen Vitis labrusca, hat man den dort nicht gedeihenden europäi-
schen Sorten der Vitis vinifera mit bestem Erfolg substituiert, während
auf der californischen Seite Weinberge mit europäischen Reben prospe-
rieren. Der nordamerikanische Weinstock wetteifert aber in der Grösse
mit denen von Vorderasien. Und wenn als Charakter der labrusca Wolle
oder Flaum angegeben wird, so haben diesen auch andere Reben, schon
bei Plinius, und Link setzt mehrere wilde Arten voraus nach der Be-
haarung.
Ist nun der Weiustock . . . überall in den geeigneten Klimaten der
Erde daheim, hat er seine Menschen überall, wo es geschehen konnte,
erwartet, um von ihnen seine Vollendung zu empfangen, wozu denn auch
die Erweiterung des Gebietes seiner Cultur nach allen Seiten innerhalb
seiner Zone und über dieselbe hinaus zu rechnen ist, so kann die Frage
nicht mehr auf die Herkunft desselben gerichtet werden, sondern ledig-
lich auf die Geschichte des Anbaues der Rebe und der Fertigung des
Weines. Die . . . offenbar verwandten Namen des Weines in mehreren
Sprachen scheinen auf den Orient zu deuten, und es ist auch das
Natürlichste und Wahrscheinlichste, dass diejenigen Länder, in welchen
der Weinstock in grosser Vollkommenheit und Fülle ungepflegt aufwächst,
Naturgeschichte. 103
zuerst durch Zufall oder Reflexion, auf die Weinbereitung und auf die
Cultur der Rebe gekommen sind. Allein ob diese Kunst von Einem
Punkt ausgegangen sei . . . oder ob unabhängig an verschiedenen Orten
die Entdeckung gemacht Avorden, dies bleibt unentschieden. . . .«
[Also, Reben sind an sehr vielen Orten der Welt spontan entstan-
den. Auch in den uraltitalischen Terremare hat sich die unveredelte
Rebe gefunden; aber die Cultur des Weines, die Erfindung der Wein-
bereitung dürfte denn doch aus dem inneren Vorderasien stammen, wo-
hin ja auch die Sagen von Noah und von Dionysos weisen. Die Chinesen
hatten nach S. 9 ausdrücklich die Tradition, dass ihre Reben aus dem
Westen zu ihnen gebracht worden seien. — Für den griechischen und
römischen Weinbau speciell ist wenig oder nichts neues aus dem Buche
zu lernen; es dürfte dies mit der Nichtbenutzung der speciellsten Vor-
arbeiten zusammenhängen. Man vermisst nämlich z. B. das ausführliche
Buch von Magerstedt, Weinbau der Römer, Sondershausen 1858, 224 S. 8.
und eine Reihe von Specialabhandlungen. Ausserdem wäre Varabery, pri-
mitive Cultur des turkotatarischen Volkes (1879) S. 219 zu beachten ge-
wesen, wo behauptet wird, dass ausser den Gegenden südlich vom Süd-
rand des kaspischen Meeres jedenfalls noch die Oasenländer östlich von
diesem Meere als Heimat des Weinstocks anzusehen seien. Weiter war
hinsichtlich Armeniens wohl zu beachten, dass Koch (der jahrelang dort
war) selbst bei den jetzt mitten in Wäldern wachsenden sogenannten
wilden Weiustöcken ein deutliches Zeichen ursprünglicher römischer
Cultur wahrgenommen hat"*"), sofern sie in der Quincunxform gepflanzt
sind, die uns aus den lateinischen Landwirthschafts-Schriftstellern so be-
kannt ist. Die griechische Dionysoslegende endlich dürfte auf uralten,
vielleicht urältesten Weinbau in Kaschmir oder einem andern Lande
nördlich von Indien zurückgehen.]
Alexander Del Mar, formerly Director of the Bureau of Sta-
tistics of the United States, A history of the precious metals from
the earliest times to the present. London 1880. 373 S. 8.
Das Buch ist für die Kulturgeschichte überhaupt von grossem In-
teresse. Die Vorrede ist datiert aus San Francisco in Californien, und
der Autor sass also vollständig »an der Quelle«, als er seine Geschichte
und Naturgeschichte des Gold- und Silbergrabens schrieb. Welche Masse
von teuflischem Verrath, cannibalischer Grausamkeit und Mordgier, er-
*) Anders freilich urtheilt auch Grisebach in der Recension von V. Hehn's
Kulturpflanzen in den Gottinger gel. Anz. 1872 S. 1773: »Ganz verschieden
verhalten sich die Sprossen verwilderter Weinstöcke auf verlassenen
Weinbergen, als die Reben in den Wäldern des rontns; die orsteren
dringen nicht ein in die Formationen der ursprünglich einheimischen Vegeta-
tion«. Es wäre zu wünschen, dass die Botaniker selbst über diese Verwilde-
rungsfrage einig würden.
] 04 Naturgeschichte.
bärmlichstcr Niedertracht überhaui)t tritt uns in diesen Blättern ent-
gegen! Wer sich überzeugen will, welcher Fluch am Golde haftet, dem
rathen wir in diese blutrünstigen Geschichten einen Blick zu werfen.
Aber die schrecklichsten Geschichten sind nicht aus dem Alterthume,
und wir haben uns hier bloss mit diesem zu beschäftigen. Im Ganzen
sind jedoch eben die vielen Parallelen, die uns aus dem Mittelalter und
der neuesten Zeit für Berichte des Alterthums geboten werden, von un-
gemeinem Werth auch für einen Philologen, dorn es um die Kritik der
antiken Berichte zu thun ist. Ich will nun einige der wichtigsten Sätze
herausheben, ohne entfernt damit alles erschöpfen zu können.
Ein Hauptgedanke des ganzen Buches ist, dass die meisten sehr
grossen Umwälzungen in der Weltgeschichte auf der Goldgier des Men-
schen beruhen. Nicht bloss von Columbus, der eigentlich Japan's Gold
haben wollte, und von ähnlichen sicheren Goldraubzügen*) oder Argo-
nautenfahrten gilt dies, sondern auch von den Kriegen Alexander's gegen
Persien, Rom's gegen Hannibal (um Spanien), Cäsar's gegen Gallien: in
allen handelte sich's im Grunde um Gold und Silber. Bei Alexander,
der allerdings eine fast völlig leere Gasse hatte, als er gegen Darius
zog, ist dies nicht unwahrscheinlich; auch Cäsar hatte, als er gegen die
Gallier rückte, Schulden genug, so dass beim Triumphzug die Soldaten
auf ihn saugen:
Aurum in Gallia effutuisti, hie sumpsisti mutuum.
Und dass den Römern beim Kampf mit Karthago das Monopol der spa-
nischen Gold- und Silberbergwerke und des äusserst lucrativen Handels
nach Indien Hauptsache gewesen ist, wird man dem Verfasser auch zu-
geben.
2) Ein sehr interessanter und evident nachgewiesener Satz ist es
ferner, dass bei freier Arbeit die Gold- und Silberproduction nicht loh-
nend sei, nur bei Sklavenarbeit. Nur bei grausamster Ausnutzung der
Arbeiter — wie dies ja auch aus dem Alterthum überliefert ist — konnte
ein ansehnlicher Gewinn erzielt werden.
3) Die gewöhnliche Folge grosser Goldausbeute ist für das be-
treffende Volk grosse Demoralisation: dies wird u. a. an dem Zeugniss
der Alten über die Entartung der Lydier und an der Selbstmord- und
Verbrecheustatistik von Californien nachgewiesen.
4) Mit grellen Farben wird aus eigener Anschauung die furchtbare
Zerstörung fruchtbaren Landes geschildert, eine Zerstörung für die Ewig-
keit, in Folge der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Goldgräber:
meilenweit und ellenhoch wird der Humus unter Geröll vergraben, die
schönsten Waldungen vernichtet, segensreiche Ströme trocken gelegt.
*) Gold, Gewürze und Sklaven waren der Zweck der spanischen Ent-
deckungszüge.
Naturgeschichte. ] 05
Daran ist namentlich der hydraulische Minenbetrieb schuld, den wir aber
schon im antiken Spanien finden. Solche Golddistrikte verfallen ewiger
Verödung und Unfruchtbarkeit. Auch die Gegend des Paktolos an der
Stelle des alten Sardes bietet, wie ich aus Augenschein hinzufügen kann,
das Bild einer kleinen Wüste.
6) Die merkwürdige Angabe des Agatharchides, dass der Silber-
werth in Altarabien einst das Zehnfache vom Goldwerth betragen habe,
erscheint dem Verfasser nicht unmöglich, wenn mau sie durchaus auf
den Orient und auf die Zeit vor Erschliessung der griechischen Silber-
bergwerke bezieht; und er stützt dies wieder durch eine Parallele, so-
fern in Peru zur Zeit der ersten Landung der Spanier das Gold weniger
werth war als das Kupfer. Ich verweise übrigens auf Schliemann's Ilios
S. 525 f., woraus erhellt, dass es auch in Vorderasien selbst, ganz ab-
gesehen von Laurion, Silber genug gegeben haben muss. Es kann sich
also nur von einem völlig ausser dem gemeinen Verkehr stehenden Be-
zirke Altarabiens handeln.
Weitere Einzelheiten will ich nicht anführen. Damit aber der
Leser dieser Anzeige doch einen vollständigen allgemeinen Ueberblick
über das ihm wahrscheinlich noch nicht zu Gesicht gekommene Buch
erhalte, will ich jetzt noch die Ueberschriften der einzelnen Capitel, in
welche es zerfällt und deren fast jedes auch einen grösseren oder klei-
neren Passus über das classische Alterthum, mindestens wichtige Analo-
gien dafür, enthält, mittheilen.
I. Die Argonauten des Alterthums.
IL Gold- und Silbergewinnuug im frühereu Alterthum.
III. Kämpfe um die spanischen Bergwerke.
IV. Römische Kriege um Gold und Silber.
V. Gold- und Silbergewinnung im Mittelalter.
VI. Amerika; Anhang: Spanische Münzen, Gewichte und Werth-
verhältniss von Gold und Silber zueinander in der Periode der Ent-
deckung.
VII. Die Jagd nach Gold in Ilispaniola.
VIII. Des weissen Mannes Gott; Anhang: Grausamkeit der Europäer.
IX. Darien.
X. Panama.
XI. Mexico. Anhang: Amerikanischer Glaube au einen Messias.
XII. Yucatan und Honduras.
XIII. Guatemala.
XIV. Pizarro.
XV. Peru.
XVI. Brasilien. Anhang: Notizen zum Verzeichuiss der Goldpro-
duction Brasiliens.
XVII. Japan.
XVIII. Die spanisch-amerikanische Revolution.
106 Naturgeschichte.
XIX. Russland.
XX. Califoniien und die Pacific-Küste.
XXI. Australien.
XXII. Statistik der Edelmetallproduction der westlichen Hemisphäre.
XXIII. Statistik des Verbrauchs der Welt.
XXIV. Metallgeldabfluss (flow of species) von Europa nach dem
Orient.
XXV. Edolmetallvorrath der Welt; Anhang A: Römische Methode
der Bezeichnung. Anhang B: Münzvorrath einzelner Länder.
XXVI. Verhältniss von Gold- und Silberwerth (the ratio) zueinan-
der im Alterthum ; Anhang: Tabelle dieses Verhältnisses.
XXVII. Dieses Verhältniss in der Neuen Zeit; Anhang: Tabellen
darüber.
XXVIII. Die Production der Edelmetalle ist keiner Controlle un-
terworfen.
XXIX. Kosten des freien Bergbaues.
XXX. Abhängigkeit des Werthes von der Quantität.
XXXI. Weitere Betrachtungen über Kosten und Werth.
XXXII. Drei Arten des Betriebs, welche die technischen Namen
führen l) placer — 2) vein — 3) hydraulic raining.
XXXIII. Verwüstung durch die Goldgräberei.
XXXIV. Störung regelrechter Industrie durch die Goldgräberei.
XXXV. Sociale Wirkungen der Goldbergwerke; Anhang: Die Ge-
sellschaft in der Nähe der Minen.
XXXVI. Mühsal, Kost und Entbehrungen in den Minen.
XXXVII. Der hazardartige Charakter der Goldgräberei.
XXXVIII. Die Goldgräberei befördert Verrücktheit und Verbrechen.
XXXIX. Die Goldgräberei aus Staatsklugheit verboten (Policy of
closing the Mines).
XL. Schluss: Rückblick auf die Hauptresultate.
Für eine zweite Auflage möchten wir den Verfasser u. a. auf Momm-
sen's Geschichte des römischen Münzwesens aufmerksam machen. Eine
Reihe Specialschriften wären wir bereit ihm brieflich namhaft zu machen.
Bis jetzt hat er von deutschen Büchern eigentlich nur Böckh's Staats-
haushaltung der Athener beigezogen.
Referat über »H. R. Goeppert, suir ambra di Sicilia e sugli og-
getti in essa rinchiusi. Roma 1879« in Ule's Natur 1879 No. 51.
Es sei wunderbar, dass der Bernstein Siciliens, eine so kostbare
Substanz, dem klassischen Zeitalter der Griechen und Römer unbekannt
geblieben sei. Theophrast de lapid. § 29 sagt nur, man habe ihn als
ein Mineral zu betrachten, welches in Ligurien gegraben werde, ohne
irgend eine Oertlichkeit bestimmter anzugeben. Doch habe er seine
Fähigkeit, leichte Körper anzuziehen, bereits gekannt. Plinius habe
Naturgeschichte. 1 07
zwar diese Stelle des Theophrast gekannt und wiedergegeben, sonst aber
nur hinzugefügt, dass Philemou von zwei Orten spreche, an denen in
Sicilien Bernstein gegraben werde: weisser und wachsfarbiger an dem
einen, goldfarbiger an dem anderen. Er selbst scheine nur an den
Bernstein Preussens und Indiens geglaubt zu haben. Nach ihm habe
damals als die kostbarste Sorte eine von der Fcärbung des Falernerweins
gegolten, weshalb man selbige auch Falernum genannt habe, und diese
werde demnach wohl von weinrother oder dunkelrother Farbe gewesen
sein. [Sehr anders und gewiss richtiger urtheilt hierüber Weber, de
agro et vino Falerno, Marburg 1855 S. 51: Vinum Falernum numquam,
quantum sciam, album dicitur, sed xtppöv^ quod est gilvum, subflavum,
melinum, colori sucini sive electri simile, quamobrem et sucinum ipsum,
moUi fulgore perspicuum, nominatura est Falernum.] Wann und von
wem der sicilianische Bernstein zuerst erwähnt wurde, habe Verfasser
nicht auffinden können. Nur Brand in seinem Traite des pierres pre-
cieuses (Paris 1808) sage, dass er an der Mündung einiger Flüsse er-
scheine, in grossen Stücken in der des Giaretla bei Catauia, bei Licata,
Girgenti, Capo d'Orto und Terra -nuova. [Ich füge bei, dass gleicher-
weise auch der Eridanos in Venetien an seiner Mündung einst Bernsteia-
stücke gehabt haben dürfte*).]
A. Serpieri, II terremoto di Rimini della iiotte l7.— 18. Marzo
1875 e considerazioni generali sopra varie teorie sismologichc, discorso
letto nella universitä di Urbino per I'apertura dell' anno scolastico
1877—78. Urbino 1878. 95 S. 8.
Mit den vielen seit 1180 aufgezcählten Erdbeben in der Gegend
von Rimini (S. 32) harmoniert eine Notiz bei Plutarch Antonius c. 10
über ein Erdbeben in dem benachbarten Pesaro (Pisaurum). Die Schrift
macht den Eindruck accurater Forschung, berührt aber ausser diesem
angeführten Punkte und einem Citat der Phädonstelle von den Lava-
strömen der Unterwelt unsere Wissenschaft nicht.
Mvsca nrjyrjg mTpe^acou napa //^.o'jzdpj^a). In der athenischen Zeit-
schrift llapvaaaog, röfiog y' ~eo-/ug cß' Jzxd/ißpmg 1879, S. 1010.
Es wird erwähnt, dass in der englischen Zeitschrift Athenaeum ein
Aufsatz stehe, in welchem die Notiz Plutarch's im Leben Alexanders
besprochen sei, wonach an den Ufern des Oxus PctroleunKiuellcn exi-
stierten. Es wäre der Mühe werth, diesen Pctroleumquellcn nachzu-
spüren.
*) [Vgl. dazu G. F. Unger, Der Eridanos in Vouctioii, in tl(Mi Sitzungs-
berichten d. i)hilos.-phiIol. n. histor. ('lasse d. k. bayor. Akailoniio d. Wiss. zu
München 1878, Bd. II, S. 2ülff., besonders S. aü3f.]. Anni. d. Kod.
Jahresbericht über Geographie und Topographie
von UnteritaHen und Sicilien für 1880 und 1881.
Von
Professor Dr. Adolf Holm
in Palermo.
Unteritalien.
Wir beginnen mit einem Buche, das die ältesten Zeiten des Lan-
des behandelt:
Ueber den Namen Italien. Eine historische Untersuchung von
Beruh. Heisterbergk. Freib. und Tübingen 1881. IV, 166 S. 8.
Gegenstand dieser Schrift ist zunächst die ursprüngliche Ausdeh-
nung des Namens Italien, in einer Zeit, da man noch nicht an die apen-
ninische Halbinsel als ein Ganzes dachte, und sodann die sprachliche
Herleitung des Wortes. Seine ursprüngliche Bedeutung beschränkt sich
nach Antiochos auf die westliche der beiden Zungen, in welche Italien
ausläuft, und die Frage ist hauptsächlich die, ob der Name sich von
Süden nach Norden, von der Meerenge aus, verbreitet habe, oder von
Norden nach Süden, nach der Meerenge zu. Antiochos scheint für die
erstere der beiden Annahmen zu sprechen, obschon freilich Niebuhr ge-
meint hat, dass bei Dionys von Halikaruass I, 73 Anhaltspunkte dafür
vorhanden seien, zu glauben, dass Antiochos vielmehr die umgekehrte
Ansicht gehabt habe. Heisterbergk zeigt nun, dass die fraglichen Worte
nicht Antiochos, sondern Dionys angehören und somit für Antiochos nichts
beweisen (S. V2S.); sie beziehen sich überdies nach Heisterbergk viel-
mehr auf Oenotrien als auf Italien. Das Bestreben nachzuweisen, dass
auch Antiochos den Namen Italia sich von Norden nach Süden verbrei-
ten lasse, hängt mit dem Wunsche zusammen, auf diese Weise einen
Beweis mehr dafür zu finden, dass er eigentlich aus der Tibergegend
stamme und die Italer mit den Sikelern identisch seien. Auch dafür
hat man Antiochos bei Dion. Hai. als Beweis herbeigezogen; Heisterbergk
meint jedoch, dass gerade aus der von Antiochos (Dion. Hai. I, 12) her-
vorgehobenen chronologisch eu Folge: Italos, Morges, Sikelos, hervor-
Geographie von Unteritalien und Sicilien. 109
gehe, dass die Sikeler später auftraten als die vorausgegangenen Italer.
Heisterbergk ist sogar versucht Zöller darin beizustimmen, dass es auf
dem Festland überhaupt keine Sikeler gegeben habe (S. 30. 31). Wir
brauchen auf diese Ansicht Zöller's, die wir nicht für richtig halten, hier
um so weniger einzugehen, weil eigenthümlicher Weise Heisterbergk selbst
nachher nichts mehr darauf giebt und im Gegentheil (S. 52. 53) im
südwestlichen Italien noch in historischer Zeit Sikeler als wohnhaft an-
nimmt. Der Wunsch, Beweise für die Verbreitung des Namens Italien
von Norden nach Süden zu finden, wird nun aber besonders bei denen
geweckt, welche mit Niebuhr annehmen, dass Italia, Italus mit vitulus
zusammenhängen, einem Wort der gewöhnlich als italisch bezeichneten
Sprachenfamilie. Es wird von diesen darauf hingewiesen, dass Italia, wie
die Münzen der gegen Rom verbündeten Italiker beweisen sollen, bei diesen
Völkerschaften in der Form Vitelio vorkam, also um so mehr italus =
vitulus sein müsse. Heisterbergk sucht nun die verschiedenen Forscher,
die diesen Gedanken sich angeeignet und in mannigfaltiger Weise ge-
schichtlich verwerthet haben, zu widerlegen. Er macht sich viel mit
Nissen zu thun, dessen Hypothese von einer alten Samniterwanderung
nach dem Südwesten Italiens er so zu bekämpfen sucht, dass er nach-
weist, sie könne weder vor, noch mit, noch nach der Sikelerwauderung
stattgefunden haben. Auf die hier sehr anfechtbaren Details Heister-
bergk's können wir an dieser Stelle unmöglich eingehen. Er benutzt
aber diese Gelegenheit, um in scharfsinniger Weise aus den verschiede-
nen Nachrichten über die Sikeler und ihre Beziehungen zu den Opikern
einerseits und den Oenotreru und Japygern andererseits eine authentische
Geschichte der Sikelerwauderung durch Unteritalien zu konstruiren. Diese
von ihm konstruirte Geschichte ist jedoch nicht ohne bedenkliche Punkte.
Nach Heisterbergk S. 50 sind die Oenotrer von der Halbinsel (d. h. süd-
lich von der Landenge bei Skylletion) schon vor der Niederlassung der
Griechen durch die Sikeler verdrängt, und zwar theils nach Osten, theils
nach Sicilien. »In dem Besitz dieser nördlich von der Landzunge ge-
legenen, binnenländischen Landschaften behaupteten sich die Oenotrer
dadurch, dass sie, wie Antiochus nach Strabo und Dionysius berichtet,
die von Norden her eingedrungenen Siculer und Morgeteu gegen Süden
hin vertrieben; aber die Landzunge blieb, wie aus Thucydides und Po-
lybius hervorgeht, im dauernden Besitz der nach der Insel abziehenden
Siculer« (Heisterbergk S. 51). Aber was sagt denn eigentlich Str. 257?
Er spricht von Rhegion : 'Avrco^og Sk ro naXaihv änav-za zuv runov zoürov
olxrjaat (prjOi 2\xe^ous xal Mopyr^rag, oiäpac o' eig -nyv 2\xskav üa-zpov
kxßXrjd-ivraQ um) ziuv Ocvwrpujv. Also die Sikeler sind aus der Gegend
von Rhegion durch die Oenotrer vertrieben; somit sitzen gerade die Oeno-
trer innerhalb der Landzunge. Dass auch Sikeler dort sassen, und zwar
bei Lokri, wissen wir aus Polybius. Folglich sassen in der Landzunge so-
wohl Sikeler wie Oenotrer und mit der von Heisterbergk S. 51 53 aus-
]]0 Unteritalien.
einandcrgesetzten, sehr scharfsinnigen, aber schon an sich etwas detail-
lirter, als es die alten Zeiten gestatten, ausgearbeiteten Systematik der
Sikelcr- und Oenotrerbewegungen, die fast den Charakter eines Schach-
spiels annehmen, ist es schon aus diesem Grunde schwach bestellt. Heister-
bcrgk ist indess nun einmal der Ansicht, dass die Sikeler in Italien von
Reggio bis Catanzaro geblieben seien. Nun war der Name Italien nach
Autiochos (Reihenfolge: Oenotrer, Italos, Morges, Sikelos) vor den Sike-
lern da, knüpft sich also an ein Volk »welches zur Zeit der ersten grie-
chischen Landungen auf der südwestlichen Halbinsel dort bereits als
solches zu bestehen aufgehört hatte« (S. 55). — Sodann sucht Heister-
bergk (S. 57 ff.) den Ungrund der Annahme zu zeigen, dass Italia etwas
mit vitulus zu thun haben könne. Es ist dieselbe Etymologie wie bei
Böotien, in beiden Fällen von Hellanicus herrührend; aber während für
jenes das Rind jetzt definitiv ausser Dienst gestellt ist, befindet sich sein
italisches Rind »noch in allen seinen Functionen« (S. 62). Die Bundes-
genossenmünzen beweisen nichts; Heisterbergk kommt zu dem berech-
tigten Schlüsse, dass deren Aufschrift im besten Falle eine linguistische
Conjectur ist, die nicht dadurch bewiesen werden kann, dass sie »von
Papier auf Silber übertragen« wird (S. 74). Heisterbergk prüft weiter
das kulturgeschichtliche Gebäude: das Land vom Rinde benannt, welches
Symbol des den Ackerbau lehrenden Gottes ist ; er findet aber mit Recht,
dass das durch die Münzen mit dem menschenköpfigen Stier nicht be-
wiesen wirct Wenn Städte danach benannt würden, so ginge es noch;
aber von Städten wissen wir es nur wenig; und das älteste Italien war
nach Heisterbergk mehr für Viehzucht geeignet als für Ackerbau. Von
S. 100 an sucht Heisterbergk zu zeigen, dass ein Volk Namens Italoi
überhaupt nie existirt habe. Nach Heisterbergk kennt Antiochos nur
den Namen Italieten. Wir gestatten uns die Bemerkung, dass das er-
stens nicht bewiesen ist, da dasselbe Volk ja mit beiden Namen benannt
worden sein könnte, und dass zweitens nach unserer Meinung die selt-
same Form Italietes nur durch irrthümliche Erinnerung an das vorher-
gehende Morgetes in den Text gekommen ist und gar keine Existenz-
berechtigung hat. Wenn Heisterbergk S. HO sagt, wenn es je Italoi
gegeben hätte, so müsste man sie in Sicilien finden, so ist das kein
Grund. Erstens brauchten sie nicht mit dahin zu ziehen, und zweitens
wenn sie es thateu, nicht nothwendig dort in der Geschichte vorzukom-
men. Uebrigens ist auf den Namen Italoi kein Gewicht zu legen, und
Heisterbergk hat ganz Recht, wenn er sagt, dass Italia nicht nothwendig
Italoi als Volk voraussetzt. — Heisterbergk denkt nun an einen phöni-
cischen Ursprung des Namens Italia, der mit dem auf Kreta vorkommen-
den Namen Itanos zusammenhinge, welcher sich auch bei Clem. AI. Strom.
I, 76 in dem eines Samniters Itanos wiederfinde. Er nimmt ohne Weiteres
an (S, 143), dass »man einräumte«, dass dieser Samniter Itanus und der
Heros Italiens Italus sachlich identisch seien. Sollte das wirklich Je-
Geographie von Unteritalien und Sicilien. 1 1 1
raand einräumen? Dass der Name phönicischen Ursprungs sei, wäre ja
darum immer noch möglich.
Wenn wir zum Schluss unser Urtheil über die Schrift des Herrn
Heisterbergk zusammenfassen sollen, so geht es dahin, dass er in seiner
Kritik der Ansichten anderer vortrefflich ist, und dass er insbesondere
gezeigt hat, dass weder Münzen noch Sagen beweisen, dass der Name
Italia wirklich vom Centrum des Landes ausgegangen ist. Es bleibt da-
bei, und das scheint uns von Heisterbergk nachgewiesen zu sein, dass
er ursprünglich nur der südwestlichen Landzunge zukam. — In seinen
positiven Aufstellungen dagegen können wir ihm weniger beipflichten.
Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass er eine Stelle über die
Beziehungen zwischen Sikelern und Oenotrern in der südwestlichen Land-
zunge falsch gedeutet hat. Aber auch abgesehen davon sind seine An-
sichten über die Völkerverschiebungen im südwestlichen Italien deswegeu
nicht als nothwendig zu betrachten, weil sie voraussetzen, dass wir bei
Antiochos, Hellanicus und anderen Autoren des 5. Jahrhunderts v. Chr.
der Wahrheit entsprechende chronologisch zu ordnende Nachrichten über
Begebenheiten haben, die wenigstens circa 700 Jahre vor ihnen lagen.
Was für Quellen konnten sie darüber haben? Es kann ja sein, dass
die Sikeler in doppelter Richtung weggeschoben sind (S. 51), zuerst nach
Süden, von den Oskern, und dann nach Westen, von den Oenotrern;
aber beweisen lässt sich das nicht. Heisterbergk's Italos = Itanos will
uns als nicht mehr erscheinen, als wie eine jener Hypothesen, die jeder
als sinnreich gelten lässt, für die aber schliesslich Niemand eintritt, als
ihr Urheber. — Wir halten die Möglichkeit immer noch fest, dass Italia
seinen Namen wirklich von haXög = vitulus habe, dass dieser Name
aber dem Lande von den Sikelern gegeben wurde als sie sich aus ihm
entfernten. —
Nachdem das Vorhergehende bis auf einige die Form des Aus-
drucks betreffende Modifikationen geschrieben war, bekam Referent die
Philol. Wochenschrift vom 7. Januar 1882 zu Gesicht. Es findet sich
hier eine Anzeige des Buches von Heisterbergk, in welcher Referent mit
Vergnügen einen der von ihm angedeuteten Punkte ebenfalls hervorge-
hoben findet (Spalte 4 No. 1). Für No. 3 auf Spalte 5 und 6 muss man
dem Recensenten sehr dankbar sein. - Es wird schliesslich dabei blei-
ben, dass Heisterbergk's Buch eine sehr tüchtige kritische Leistung ist.
La Grande-Grece paysages et histoire par Fran(;ois Lenormant,
professeur d'archeologio pres la Bibliotheque Nationale. — Littoral de
la mer Jonienne. — T. I und II. Paris 1881. VIII, 474 und 466 S. in 8.
Herr Lenormant hatte im Jahre 1879 eine Reise durch Grossgrie-
chenland gemacht, über deren archäologische und historische Ergebnisse
er bereits in der »Academy« vom Jahre 1880 einen vorläufigen Bericht
erstattete. Er hat sich entschlossen auch ein Buch über denselben Gc-
112 TIntcritalion
genstand zu schreiben, dessen zwei erste Bünde uns vorliegen. Dies
Buch ist aus verschiedenen Gründen von grosser Bedeutung. Es ist
vielleicht das erste Mal, dass Grossgriechenland den Stoff einer Arbeit
bildet, welche, von einem namhaften Gelehrten herrührend, in zusammen-
hängender Weise jene schönen Gegenden historisch und geographisch
schildern will. Um besser verstehen zu können, welche Stellung das
Lenormant'sche Buch in der Wissenschaft einnimmt, scheint es Referenten
angemessen, zun.ächst die in der Sache liegenden Schwierigkeiten her-
vorzuheben, sodann zu sehen, was Lenormant zu leisten verspricht, und
schliesslich was er leistet. Wir stellen uns natürlich speciell auf den
geographischen und historischen Standpunkt; so können unsere Bemer-
kungen eine Ergänzung zu der kurzeu aber inhaltreichen Anzeige des
Werkes durch Bursian im Lit. Centralbl. 1881 No. 46 bilden.
Die Geographie und Geschichte von Grossgriechenland ist ein in-
teressanter und noch nicht gehörig behandelter Theil der Alterthums-
wissenschaft. Es ist indess aus mehr als einem Grunde nicht leicht,
diese Geschichte zu schreiben.
1. Der Gegenstand ist schwer abzugränzen. Die Bezeichnung
Grossgriechenland ist in verschiedenem Sinne genommen worden. Wenn
man aber auch zunächst nur die Städte von Rhegion bis Tarent darunter
begreift, so wird man doch gezwungen, die Colonien dieser Städte am
tyrrhenischeu Meere mitzunehmen, und Grossgriechenlaud wird bis Paestum
ausgedehnt.. Nun liegt aber das Hauptinteresse der Geschichte von
Grossgriechenland in dem culturhistorischen Theile, und da ist es wieder
schwer, Elea auszuschliessen, das überdies nicht so weit nördlich liegt,
wie Paestum. So kommt man dazu, überhaupt die Hellenen Unteritaliens
unter der Bezeichnung Grossgriechenlaud zusammenzufassen, und da wird
Campanien einen wichtigen Abschnitt des Ganzen bilden. Und in den
Griechen selbst liegt nicht die einzige Schwierigkeit dieser Art. Es muss
nothweudig die Urbevölkerung berücksichtigt wei'den. So kommen wegen
Tarent Messapier, Peuketier, Daunier hinein, und wir gelangen auf die-
ser Seite bis an den M. Gargano. Ausgeschlossen bleibt dagegen auf
alle Fälle das Bergland, das die oberen Thäler des Calor und Aufidus
umfasst, der Wohnsitz der Völker, welche den Anstoss zum Untergange
Grossgriechenlands gaben, ein feindlicher Keil, hineingetrieben in die
grossgriechischen Ebenen, das moderne Principato ultra, begränzt im
Osten durch den Mons Vultur, im Westen durch die Berge oberhalb
Eboli's.
2. Wenn man nun so auch dazu gelangt, das Gebiet geographisch
abzugränzen, so bleibt für die Behandlung die grosse Schwierigkeit, dass
es nie auch nur annähernd eine politische Einheit gebildet hat, und dass
es in wichtigen Epochen seiner Geschichte von Aussen beeinflusst, ja
zum Theil beherrscht worden ist, ohne je als Ganzes dagegen zu rea-
giren. Es fehlt die ursprüngliche Einheit, und die spätere Einigung
verschwindet schnell wieder.
Unteritalien. 123
3. Diese Geschichte zu behandeln ist aber ausserdem schwer in
Anbetracht des Zustandes der vorhandenen Quellen und der Natur des
Stoöes. Man hat sich mit dem Wesen der Ureinwohner zu beschäftigen,
das grösstentheils nicht leicht zu erkennen ist. Man hat sich mit der
Frage auseinanderzusetzen, inwieweit den zahlreich vorhandenen Sagen
von griechischen Colonien aus der Zeit des trojanischen Krieges thät-
sächliche Beziehungen zwischen Italien und Griechenland in ältester Zeit
zu Grunde liegen können. Mau steht endlich vor der grossen Schwierig-
keit, die eine der interessantesten Erscheinungen Grossgriechenlands, der
pythagoreische Bund, bietet. Die uns überlieferten Nachrichten über
Pythagoras und die Pythagoreer sind aus später Zeit; in wie weit sind
sie zuverlässig? Und das ist von Bedeutung nicht blos für die Cultur-
geschichte. Denn auch die politische Geschichte der Zeit vor und um
500 V. Chr. ist eng verflochten in die Schicksale der Pythagoreer und
wird selbst schwankend, wenn diese nicht feststehen. — Wir müssen hin-
zufügen, dass die Quellen sehr spärlich fliessen. Allgemeine Werke über
grossgriechische Geschichte gab es selbst im Alterthum nicht, und auch
die Geschichte der einzelnen Gemeinden ward mehr gelegentlich behan-
delt. Wir aber haben von Allem nur gei'inge Fragmente. Ungemein
wichtig sind freilich die Ueberbleibsel antiker Technik in Grossgriechen-
land, z. B. in den Gräberfunden. Aber die Sprache die ihre Darstel-
lungen reden, wird nicht von Allen gleichmässig gedeutet. Die unver-
dächtigsten Zeugen dieser Art sind noch die Münzen und einige Inschriften.
Die modernen Leistungen für die Geschichte von Grossgriechen-
land sind von sehr verschiedenem Charakter und Werthe. Wir haben
specielle Werke von Localforschern und fremden Gelehrten; wir haben
allgemeinere Schriften theils geographischen, theils historischen Inhalts;
wir haben endlich neuerdings gute Karten und einen Anfang archäolo-
gisch-topographischer Durchforschung des Landes.
Fragen wir nun, was Lenorraant uns geben will. Er verspricht
von der Grande Grece zu handeln und scheint das Littoral de la mer
Jonienne nur als eine ünterabtheilung derselben zu fassen. Er will pay-
sages et histoire geben; jedoch nicht als reiner Gelehrter, sondern als
ein für die Gebildeton überhaupt Schreil)eiider. Wir würden deshalb
ihm hier nicht viel Kaum zu widmen haben, da uns blos populäre Schriften
wenig in dieser Zeitschrift angehen, wenn er nicht doch auch den Ge-
lehrten und der Wissenschaft etwas zu leisten verspräche, ja sogar ziemlich
viel. Er verspricht p. 111 und IV die Geschichte der griechischen Städte
von Untcritalien zu schreiben Ȋ un point de vue d'ensemble et avec un
developpement süffisant« — also offenbar nicht blos die der Küste des
ionischen Meeres, und die Geschichte derselben Gegenden »pcudant los
six siecles de la domination byzantinc«. Er fügt p. IV die Bemerkung
hinzu: »11 nc m'a pas fallu, non i)lus, longtemps de Iccturc sur le ter-
rain du texte des öcrivains antiques qui ont parl6 de la Grande -Grece
Jahresbericht fiir Alterthiiiii>iwlssensdi.ift XXVIII. (1881. Ul.) Q
]14 Geographie von (hiteritalien niul Sicilien.
et de ses villes, pour arriver ä la convictiüii que la geographie historique
et comparative de ce pays devait etre entierement revisee, et qu'en se
laissant trop souvent guider par les aSsertions suspectes et les fantaisies
arbitraires des erudits calabrais de la Renaissance, tels que Barrio et
Marafioti, la science a acccpte uue quantite d'crreurs tout ä fait fächeu-
ses, dont il n'est que temps de faire severe justice. J'ai donc ete aussi
conduit ä reprendre ab ovo presque toutes les questions de topographie
et de geographie antique de la Grande- Grece et ä en proposer dans
bien des cas des Solutions nouvelles. Y ai-je reussi? Les maitres
competents en jugeront — — «. Wir haben es also mit einem Buche
zu thun, das Irrthümer von fast 300 jähriger Dauer ausrotten und die
historische Geographie von Unteritalien auf bessere Basis stellen will.
Wir dürfen schon etwas eingehend bei seiner Kritik sein.
Lenormaut bezeichnet p. VI seine Arbeit als »une oeuvre de science
serieuse et consciencieuse« in welcher er auf zwei Punkte ein besouderes
Gewicht gelegt habe, auf den Nutzen der Münzen für die Kenntniss von
Grossgriechenland im Alterthum, und (p. VII): »la nouvelle hellenisation
de ritalie meridionale sous la doniination des empereurs de Constanti-
nople, du VIII« au XP siecle«. Lenorraant hat nicht für passend ge-
halten, seine Angaben durch genaue Quellencitate zu belegen. Er ver-
theidigt dies Verfahren damit, dass er p. V bemerkt, er habe in andern
Arbeiten bewiesen, dass er »un erudit exact et consciencieux« sei, dass
seine Quellen Schriftsteller seien »qui se trouvent ä la portee de tous,
qu'un erudit doit sans cesse lire et relire«. Das Urtheil über dies Ver-
fahren kann nicht zweifelhaft sein. Wer die Wissenschaft fördern und
nicht blos zur Unterhaltung und Belehrung des grösseren Publikums
schreiben will, muss Quellencitate geben ; sonst erschwert er den Mitfor-
scheru unnöthig die Arbeit. Diese Erschwerung hat Lenormant uns be-
reitet. Wer sein Buch studirt um es auf seinen Werth für die Wissen-
schaft zu prüfen , braucht wenigstens die doppelte Zeit als wenn der
Verfasser Citate gäbe, und die Zeit ist kostbar. Dass die Quellen Schrift-
steller sind, die ein Gelehrter »lesen und wieder lesen« müsse, sagt nichts.
Es handelt sich um eine Menge kleiner Notizen, und deren Ort weiss
Niemand auswendig, wenn er auch noch so viel die Schriftsteller liest.
Wenn Lenormant Recht hätte, könnte das Citiren überhaupt aufhören,
denn wenn es bei Fragen der historischen Geographie überflüssig ist,
giebt es überhaupt keine Nöthigung mehr dafür.
Sehen wir jetzt, was Lenormant leistet. Er hat sein Werk der
Form der Reisebeschreibung angepasst; mit Tarent beginnend kommt
er im ersten Bande bis zum Thal des Neaithos, im zweiten bis Squillace.
Tarent wird im ersten Capitel S. 1 — 114 des ersten Bandes behandelt.
Er beginnt mit einer Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der Stadt,
wobei er besonders eingehend die Schätze des Mare piccolo, der Meeres-
bucht, bespricht, unter denen die pinna marina merkwürdig ist, die den
Unteritalien. 115
Stoff für feine Zeuge liefert. Hierauf geht er zur Geschichte von Tarent
über. Wenn er S. 22 sagt: »La critique remarque que la principale aven-
ture racontee sur ce heros (Taras), celle qui a fourni le type consacre
de sa representation dans la Numisraatique de Tarente, le depeint fai-
sant naufrage et sauve par uu dauphin qui le porte sur son dos jusqu ä
terre« so hätte er sich genau so ausdrücken sollen: Taras ist in der
Sage ein einheimischer Heros; da er aber auf Münzen auf einem Del-
phin reitend dargestellt wird , so können wir annehmen, dass man von
ihm eine ähnliche Sage erzählte, wie von Phalanthos und von Arion. —
Den Fragen über den historischen Charakter der Partheniai und über
ein vielleicht anzunehmendes stark achäisches (amykläisches) Element
in den Tarentinern (Lorentz, Doehle) ist Lenormant nicht näher getre-
ten. — S. 28 sagt Lenormant, dass nach der Schlacht, in der die Ta-
rentiner und Rheginer besiegt wurden, die Messapier »au dire de Timee«
mit den Fliehenden in die Stadt Rhegion eindrangen. Er hätte sagen
sollen: au dire de Diodore (XI, 52); es ist doch blosse Vermuthung,
dass diese Nachricht von Timaeus herstammt. — S. 29 spricht Lenor-
mant von dem nun folgenden Kriege der Tarentiner gegen die Messapier,
und sagt: »L'episode le plus horrible en fut le sac de Carbina«, aber
es ist doch nur Vermi^thung, z. B. von Lorentz (Tar. r. g. I, 5), dass
diese Episode eben in jenen Krieg gehört. — S. 30 hätte Lenormant
sagen sollen, man nehme an, dass es in Tarent Ephoren gegeben habe.
— S. 38 erzählt Lenormant nach dem Tode des Archidamos (338 v. Chr.)
folgendes : (Tarente) »put rassembler uue armee föderale, ä laquelle eile
joignit ses propres troupes, pour essayer de porter secours aux villes
grecques de la rive Orientale de la mer Tyrrhenienne-, menacees par les
Lucaniens. La bataille se livra pres de Laos et le desastre fut complet.
A la suite de cette bataille, les Lucaniens s'emparerent de Laos et de
Posidonia ä laquelle ils donnerent le nom de Paestum. — — Les Brut-
tiens se jeterent sur Crotone et Caulonia, les Lucaniens vainqueurs
presserent plus que jaraais Tarente, cnfin les Apuliens abandonnerent
l'alliance des Tareutins«. Hierüber ist Folgendes zu bemerken: Die
grosse Niederlage der Griechen bei Laos war nicht nach 338 v. Chr.,
sondern 390 v. Chr. (Diod. XIV, 101. 2). In welcher Zeit Poseidonia
barbarisch wurde, wissen wir nicht; Strab. VI, 254 spricht darüber ganz
unbestimmt. Dass die ßruttier sich nach 338 auf Caulonia geworfen,
davon wissen wir gar nichts; dass sie zwischen dem Zuge des Archi-
damos und dem des Alexander von Epirus sich auf Kroton geworfen,
ist ebenfalls nicht bekannt. Lenormanfs so unbefangen factisch klin-
gende Erzählung besteht somit aus thatsächliclicn Irrthümern und un-
beweisbaren Vennuthungen. — S. 44 spricht Lenormant von der Cavalerie
der Tarentiner und sagt: »Le trait esscnticl qui la distinguait des autros
cavalcrics grecques consistait en ceci: (jue cha<iuc honime y mcnait deux
chevaux« etc. Dass dies für die tarentinische Reiterei charakteristisch
116 Geographie von Unteritalien und Sicilien
war, wird wenigstens nicht durch Poll. 1, I3l bestätigt. Vgl. Lorentz,
Civ. Tar. p. 53. — S. 03 sagt Lenormant bei Gelegenheit der Eroberung
von Tarent durch Fabius, dass dieser »ordonna a, ses soldats de ne tou-
cher h aucune des Images sculpturales qui reprcsentaient les Olympiens
dans une attitude menarante«. Wenn dies sich auf die Worte des Livius
(XXVIl, 16) stützen soll: di sunt suo quisque habitu in modum pugnan-
tium formati, so sind wir der Ansicht, dass Livius selbst das Wort des
Fabius, der deos iratos Tarentinis relinqui iussit, falsch verstanden hat.
Dii irati sind sie nicht, weil sie in drolienden Stellungen stehen, sondern weil
sie Tarent nicht gerettet haben. — Interessant erzählt ist die Geschichte
Tarent's im Mittelalter. — Von S. 8.5 an haben wir eine Beschreibung der
Uebcrreste des alten Tarents und eine Charakterisirung dessen was noch von
seiner alten Kunst vorhanden ist, wobei bemerkenswcrth ist, dass Lenor-
mant den Bronzekopf des sogenannten Piaton (oder Bacchus) des Neapeler
Museums für einen tarentinischen Poseidon erklärt. Eine gewisse Klasse
von schwarzfigurigen Vasen, die in Etrurien gefunden werden, ist nach
Lenormant tarentiuischer Herkunft, und ebenso sind die sogenannten
apulischen Vasen tarentinisch (S. 93). Der »Führer durch die könig-
lichen Museen, herausgegeben von der Gcneralverwaltung«, Berlin 1881,
spricht ebenfalls S. 217 aus: »in Tarent, von wo ganz Apulien mit Vasen
versorgt worden zu sein scheint« und zustimmend äussert sich auch Hei-
big, Bull. d. Inst. 1881 S. 201. - S. 97 — 103 haben wir einen inter-
essanten Excurs über das Vorkommen der Katze auf den antiken Kunst-
werken. — S. 104 ff.: Topographie des alten Tarent. S. 108 sagt Lenor-
mant, man nehme gewöhnlich an, dass das alte Tarent südöstlich von
der Citadelle (an der Hafenmündung) gelegen habe; das könne wahr
sein nur für die römische Stadt, die »meme de ce cote n'occupait plus
qu'une partie du site de la ville grecque« denn Strabo bemerke, dass
»de son temps, il y avait uu vaste espace desert entre les quartiers
habites et la ligne des anciens remparts«. Nach Lenormant gab es auch
im Westen der Mündung einen Stadttheil. Nun sagt Str. VI, 278: wa-'
im ■^Eppovrjau) xsTadac tt^v nohv — — zo iikv oov riaXaiov zzTyoQ xöxXov
E'/^Zi jiiyav, wv\ o' ixXiXzinrru zo TxXiov zo Tipog ro» laBjXü), zo oh nphg
zS) crzo/xazc zo~) Xiixivog^ xaB' o xai rj axponolcg, ai)Hp.ivEi pdysßog dqio-
Xuyou TToXsojg ixTilr^poüv. Danach setzt wenigstens Strabo die alte Stadt
nur östlich von der Mündung des Hafens, denn nur da ist die Cherro-
nesos. — S. 108-114. Abhandlung über die Folgen des Bisses der Ta-
rantel. — Wir hätten gewünscht, dass Lenormant sich etwas mehr auf
die Bedeutung des tarentinischen Handels eingelassen hätte, nach Mass-
gabe von Lorentz, Civ. Tar. S. 14. — Chap. II behandelt Metapont (S. 115
— 160). Es beginnt mit der Geschichte, gegen deren ersten Theil wir
viel einzuwenden haben. Der ursprüngliche Name der Stadt war Alybas
»mentionne dans l'Odyssecff. Wir können nicht zugeben, dass dies eine
Thatsache ist. Dann wurde nach Lenormant der Name Alybas umgeän-
ünteritalien. 117
dert iu Metabos »dont les Grecs ont fait Metapontos«. S. 368 sagt er:
Metapontou. Beides falsch: die Stadt biess Metapoution. Der Heros
Alybas gehört nach Leuormaut der ältesten Mythologie dieser Gegeuden
an. Er erscheint nach ihm in den .Sagen von Temesa. Es ist aber
doch sehr zweifelhaft, ob bei Paus. VI, 6, 11 nicht Lykas zu lesen ist.
Derselbe Name, Alybas, sagt Leuorraant »est quelquefois donue comme
celui d'un fleuve des enfers«. Das ist nicht ganz richtig; nicht dh'jßag,
sondern dXtßaQ kommt in dieser Bedeutung vor, — Lenormant spricht wei-
ter über die Sagen von den Helden des troiauischen Krieges, die nach
Italien kamen (S. 120. 121) und zieht iu interessanter Weise die Le-
genden von der Ankunft von Verkündigern und von Feinden des Christen-
thums im südlichen Gallien zur Vergleichung herbei. — S. 122. Fort-
setzung der Geschichte von Metapout: Zerstörung der Stadt durch Bar-
baren ; NeugründuDg durch eine achäische (sybaritische) Colonie unter
Leukippos. Lenormant (S. 123) sagt, dass damals Siris »recerament fon-
dee« war. Wir nehmen nach Strab. 264 an, dass damnls die Siritis noch
frei war. Nun erobern Sybariten, Krotouiaten und Metapontiner zusam-
men Siris. Pythagoras kommt nach Metapont. Die metapontinische Ge-
gend war durch ihren Kornreichthum berühmt, wie auch die Kornähre
auf den Münzen der Stadt beweist. Wenn auf der Aehre bisweilen eine
Heuschrecke sitzt, so kommt dies nach Lenormant daher, dass dh'ßag
auch die Bedeutung Heuschrecke hat. — S. 133 schildert Lenormant
den gegenwärtigen Zustand der Gegend von Metapont; er beschreibt die
Ruinen der Masseria di Sansone, die ein üeberrest des Tempels des
Apollon Lykeios sind (S. 323), und die sogenannte Tavola dei Paladiui,
von der Lenormant vermuthet, dass sie ein Tempel der Demeter war.
— S. 142 stellt Lenormant die Vermuthung auf, dass die sogenannte
Basilica von Paestum ein Doppeltempel war, gewidmet der Demeter und
der Persephone. — Sodann spricht Lenormant von dem Cult der De-
meter als Göttin der Erde und der Unterwelt. Er giebt S. 157 die
Lage der Nekropolis von Metapont au, die auf der Karte des Herzogs
von Luynes nicht verzeichnet ist, und vermuthet (S. 158) die Existenz
eines runden Kriegshafens, der durch einen Kanal, welcher von langen
Mauern geschützt war, mit der Stadt in Verbindung stand.
Chap. III behandelt Heraklea und Siris (S. 163 - 209). S. 163 nimmt
Lenormant an, dass zw'ei Flüsse im Alterthum den Namen Acalandrus
führten, von denen der eine der Acalandrus des Plinius, der heutige
Salandrella ist, der andere, den Strabo 280 nennt, der jetzige Raganello.
Heraklea lag unweit des heutigen Policoro. Lenormant bespricht die
herakleischen Tafeln, wobei er interessante Bemerkungen über die Wappen
der Beamten macht. Geschichte von Heraklea, das unter Archytas Sitz
der Bundesregierung wird. Unter den Römern befand sich Heraklea iu
günstigen Verhältnissen, üb der berühmte Zenxis aus diesem Heraklea
war'? Die ganze Gegend goluht jetzt dem Fürsten von Gcrace, bei wcl-
1 ] 8 Geographie von Untcritalien und Sicilien.
eher Gelegenheit Leiiormant (S. 172-185) treffliche Bemerkungen über
die Schädlichkeit der modernen Latifundien macht. S. 185 ff. bespricht
Lcnormant die Schlacht bei Heraklca und die Anwendung der Elefanten
in den Heeren der Alten. Das lucanische Paadosia wird, in Uebcrein-
stimmung mit den modernen Geographen, von Lenormant (195) nach
S. Maria d'Anglona gesetzt. — S. 201 geht Lenormant zu Siris über,
dessen Lage feststeht, und das im 7. Jahrhiindert (etwas nach Metapont,
nach Ref.) gegründet worden ist. Der Luxus der Sybariten war be-
rüchtigt; Lenormant geht bei dieser Gelegenheit auf die Tracht der
Griechen jener Zeit, im Anschluss an die Helbig'schen Forschungen, ein
(S. 203—205). Siris ward von den Sybariten kurz vor der Schlacht am
Flusse Sagra unterworfen (S. 206); doch existirte es fort, wie Münzen
beweisen. 432 v. Chr. wurden die Siriten von den Tarentinern weiter
in's Innere, nach Heraklea geschafft; doch blieb Siris der Hafen der
neuen Stadt.
Chap. IV ist überschrieben: De Siris h Sybaris (S. 211-246). Hier
macht Lenormant S. 212 folgende allgemeine Bemerkung. Die Reise-
handbücher (Guides du voyageur) sagen: Wenn die modernen Ortschaf-
ten der unteritalischen Küste nicht dicht am Ufer, sondern auf etwas ent-
fernten Anhöhen liegen, so haben wir in diesen Punkten die Stätte der alten
Akropolen zu erkennen. Das ist, nach Lenormant, falsch. »Malgre la
creance dont jouit une teile opinion, eile est radicalement fausse. Aussi
la topograjphie des villes de la Grande Grece, qui a eu jusqu'ici pour
base cette maniere de voir, doit-elle etre revisee presque sur tous les
points«. Dass erregt grosse Erwartungen in Betreff der zu hoffenden
Leistungen Lenormant's. Sie werden leider im ersten Bande nicht be-
friedigt. Wir haben kein Beispiel gefunden, wo Lenormant nachgewie-
sen hätte, dass eine bisher für die Akropolis einer griechischen Stadt
gehaltene Localität es nicht war. Er führt allerdings S. 212 als Bei-
spiel an, dass »tout ce qui restait d'habitants ä Copia (originairement
Thurioi) se retira a Cassano ou ä Tarsia, ceux de Locres ä Gerace. De
la meme fagon, sur la cote de la mer Tyrrheuienne la population de
Medma emigra ä Rosarno, celle de Velia ä Vallo et celle de Paestura
ä Capaccio«. Wer dies nach dem Vorhergehenden so verstehen wollte,
dass man bisher geglaubt habe, die Akropolis von Thurii sei Cassano
oder Tarsia gewesen, die von Locri Gerace u s. w. , und Lenormant
habe dies als irrig nachgewiesen, der würde sich sehr irren; es ist
wenigstens Forschern von Bedeutung nicht eingefallen, die Akropolen
der griechischen Städte an jene Punkte zu setzen. Wo sind also die
Irrthümer, die vollständig beseitigt werden müssen, und wo beseitigt Le-
normant sie? Lenormant scheint bisweilen unbezweifelte Wahrheiten für
eigene Entdeckungen zu halten. Wir nehmen natürlich an, dass er wirklich
diese Entdeckungen gemacht hat, und dass die von ihm benutzten Gui-
des du voyageur jene Irrthümer enthielten; es ist nur Schade, dass er
Unteritalien. 119
soviel Kraft aufgewandt hat. um zu thun, was die Franzosen »enfoncer des
portes ouvertes« nennen. — Im Folgenden giebt sich Leuormant Mühe
mit der geographischen Bestimmung von Punkten, die nur oder fast nur
bei Lykophron vorkommen. So sucht er den Kylistarnos zu bestimmen,
den Mannert S. 229 einfach als von unbekannter Lage bezeichnet. (Son-
derbar ist, dass Bartels, Reise I, 201 ein Gebirge Cilisterno kennt in
der Nähe von Campo Tenese). Die Stadt Lagaria ist nach Len. 219
Trebisacce; nach Mann. 228: Rocca imperiale; möglich ist Beides. —
S. 220 erwähnt Lenormant, dass Barrio den Ort Cerchiara für das von
Diodor erwähnte Arponion nehme. Aber, sagt Lenormant, »rien au
moude ne justifie cette identification. Le texte de Diodore semble pla-
cer Arponion entre Teriua et Thurioi, ce qui iuduirait ä le chercher
avec bien plus de vraisemblance dans Aprigliano, au dessus de Cosenza«.
Wie schade, dass hier Lenormant bei Diod. XVI, 15 den Handschriften
und alten Ausgaben folgt, während er Band II, 127 die längst als richtig
anerkannte Verbesserung Hipponion adoptirt. Wenn man den Ausbruch
der Entrüstung liest, mit dem Len. I, 450 ein ähnliches Verfahren des
armen Barrio verurtheilt, der nicht gemerkt hat, dass Pumentum nur
eine faute de copiste war für Grumentum: »il faut en finir avec d'aussi
miserables meprises que la science ne devrait plus avoir besoin de re-
futer« so muss man lächeln, dass Lenormant sich selbst das Urtheil
spricht. Und Barrio und die ihm folgten hatten doch weder die Kennt-
nisse noch die Hülfsmittel, die Lenormant hat! S. 223 finden wir präch-
tige Schilderungen der Gegend. Wenn Lenormant zur alten Geographie
übergeht, kommt wieder bisweilen etwas Bedenkliches zu Tage. S. 228
sagt er: »Castrovillari est l'Abystron des Grecs, l'Aprustum des Romains,
dont on faisait remonter l'origine jusqu'aux plus anciennes epoques des
populations ausoniennes ou oenotriennes«. Wer sind diese »on«V Re-
ferent kennt den Ort aus Plin. 3, 98 und Ptolemaeos und von alten Zei-
ten und dem Ursprung steht da nichts. — S. 230 spricht Lenormant
über die bei Liv. 30, 10 vorkommenden Ortsnamen; darauf kommen wir
noch zurück. Er tadelt Barrio's Ansetzung der önotrischcn Ortsnamen
bei Steph. Byz. und setzt sie selbst anders. Sie kommen in der Geschichte
meistens nicht vor; es ist deshalb schwer sie zu fixiren. Wenn Lenor-
mant S. 230 von Malanios sagt: »qui est süremcnt Magliano«, so ver-
kennt er die Regeln der Ableitung: Magliano ist Manlianuni, weiter
nichts. Es sind solche Ansetzungen, wie Lenormant (von anderen) richtig
sagt: identifications de fantaisie. Lenormant hat übrigens Recht, wenn
er behauptet, dass man den Bezirk, in den die von Steph. Byz. aus Heka-
taios' Europe citirten Orte gehören, nicht zu eng ziehen muss. Notizen
über die Kultur der Mannaesche und über die Albanesen in Unteritalieu
machen den Schluss.
Chap. V behandelt Sybaris und Thurii (S. 247 327). Hier stellt
Lenormant über die älteste Geschichte Italiens Betrachtungen an, die
120 Geographie von Uuteritalieii und Sicilien
wir nicht billigen können. Lange vor dem troianischen Krieg sei nach
traditions indigoncs aus der Balkanhalbinsel eine doppelte Strömung pe-
lasgischcr Einwanderung gekommen : unter Peuketios und Oinotros. Die
Oenotrcr gaben dem Lande den wesentlich pelasgischen Namen Argessa.
Die Oenotrer dehnten sich bis zum Tiber aus, »car, lä encore, nous
trouvons aux preniieres origines le souvenir de la colonie de l'Arcadien
l*]vandre et de sa ville de Pallantee, fondec sur la colline (lui fut plus
tard le Palatin et nommee d'aprcs la ville de Pallantion en Arcadie«
(S. 249). Wir glauben im Gegentheil, dass keine tradition indigene den
Historikern solche Thatsachen mittheilte , dass das Wort Argessa bei
Lykophron nichts beweist, und dass die Ableitung des Wortes Palatiura
von Pallantion nicht auf einem souvenir beruht, sondern auf etymologi-
scher Spielerei. Die Oenotrer brachten nach Lenormant den Cult einer
chthonischen Gottheit mit, deren Symbol der Stier war, der sich bei der
Berührung mit den Griechen mit dem chthonischen stierförmigen Dionysos
idcntilicirte. Damit amalgamirte sich die Sage von den von Herakles
geholten Stieren; es ist nach Lenormant merkwürdig, dass die Orte, an
denen Herakles schlecht aufgenommen sein soll, Lokri und Krotöu, den
Stier auf ihren Münzen nicht haben. Aber war Herakles nicht der
Oikistes von Kroton? Lenormant baut auf den Namen Vitelio — nach
Heisterbergk geht das wohl nicht mehr an. — S. 253 macht Lenormant
die Bemerkung, die Sikuler müssten den Umbro- Latinern »plus appa-
rentes« gewesen sein »que ne l'admet l'opinion habituellement repandue«.
Und nun kommen als Beweis die bekannten Aehnlichkeiten von gela und
gelu u. s. w. Für wen schreibt denn Herr Lenormant? Seit Schwegler
wenigstens ist das gerade, wie uns scheint, die opinion habituellement re-
pandue. — S. 254. 255 hübsche Darstellung der Zustände von Italien im
8. Jahrhundert v. Chr., als die Griechen sich dort niederliessen. Geschichte
von Sybaris; Sagen von dem Ungeheuer Sybaris, wobei Lenormant S. 258
sagt: »Plusieurs ecrivains antiques diseut formellement, que c'est par des
Locriens que ce mythe de la Locride fut Importe ä Sybaris«. Es ist Schade,
dass Lenormant keine Quellen citirt. Man möchte gerne wissen, wer die
plusieurs sind, aber wo soll man suchen? Nicht jeder hat eine Biblio-
thek zur Verfügung, und Zeit, sie zu benutzen. Sollten es dieselben
sein, die er S. 228 »on« nannte? — S. 259 spricht Lenormant über die
Lage der Stadt Laos und beweist, dass sie an der Mündung des gleich-
namigen Flusses lag. »On place d'ordinaire, ä la suite de Chuvier (soll
heissen Cluvier) Laos ä Laino superiore« etc. Kiepert, Lehrbuch der
alten Geographie, Berlin 1878, hat schon dieselbe Ansicht, wie Lenor-
mant, und wunderbarer Weise sagt auch Cluver ganz ausdrücklich, dass
Laus »ad ostium« des Flusses lag. Freilich hatte schon Corcia, Stör.
d. due Sic. HI, 69 Cluver falsch verstanden, aber das ist doch kein Grund
für Lenormant, denselben Irrthum zu begehen. Lenormant hat auch hier
eine garnicht allgemein getheilte irrige Meinung bekämpft, die besseren
Uateritalien. 121
Arbeiten nicht selbst angesehen, und dann gemeint, eine Entdeckung ge-
macht zu haben. — In der Geschichte von Sybaris ist ein ausgezeich-
netes Capitel: S. 263 — 275. Warum wurde Sybaris so reich? Eigenen
Seehandel hatte es nicht. Es stand, nach Athen. XII, 519, in enger Ver-
bindung, einerseits mit Milet, andererseits mit Etrurien. Nun macht
Lenormant sehr wahrscheinlich, dass bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts
V. Chr., während der Handel durch die Meerenge von Sicilien, soweit
er von Griechen betrieben wurde, hauptsächlich in den Händen der Chal-
kidier war, die Milesier es theils der Chalkidier, theils der Karthager
wegen, vermeiden mussten, sie zu passiren, während andererseits die
Etrusker nicht in's ionische JMeer gelangten. So musste der Handel
zwischen Milet und Etrurien über die Landwege betrieben werden, die
Sybaris beherrschte. Die milesischen Schiffe kamen nach Sybaris, die
etruskischen nach den sybaritischen Häfen des tyrrheunischen Meeres;
Sybaris endlich zog den Profit vom Landtransporte zwischen den Häfen.
Referent möchte zur Unterstützung der Ansicht Lenormant's noch Fol-
gendes bemerken. Milet ist im lelantischeu Kriege auf Seiten Eretria's,
es ist also Chalkis feindlich; um so ^Yeniger konnten milesische Schiffe
durch die Meerenge fahren. Wir stehen nicht an , zu behaupten, dass
Sybaris geradezu als milesische Factorei zu betrachten ist. Und noch
etwas: Milet ist athenische Colonie; das erklärt vielleicht mit, weshalb nach-
her Athen Thurii gründet. Die Seiten 263—79 bei Lenormant sind eine
Bereicherung der historischen Wissenschaft; sie entschädigen den Kri-
tiker für alle die übereilten historisch-geographischen Bemerkungen, die
er im Buche lesen muss. S. 281 — 290 Schilderung des Luxus der Sy-
bariten, wo wir es unterlassen Detailkritik auszuüben. Aber S. 290 kann
man nicht ohne Protest hingehen lassen, wenn Lenormant von den Sy-
bariten sagt: »Le pretendu Scylax nous apprend qu'un jour ils debar-
qucrent ä l'embouchure de l'Alphce et pillerent les trcsors d'Olympic«.
Das ist eine so auffallende Sache, dass man sich durch den Text des
Scylax von ihrer Richtigkeit überzeugen möchte. Der hat's aber nicht.
Wer denn? Scymnus auch nicht. Man verfällt auf Dionysius Pericg.
Da steht es zwar auch nicht, aber v. 372 etwas, was dem Eustathius
Veranlassung gegeben hat, mit Unrecht zu schreiben: — hpoauhjxg, i^v
iv TU) xazä llzXoTzovvY^auv ßwiuo xuu \l'A<fsioh TiOrajwu inh^ii/j-sh^tTav —
was freilich aucli noch nicht das ist, was Lenormant sagt, aber woraus
ein flüchtig Lesender es doch wenigstens inthümlicher Weise entnehmen
kann. Man kann wirklich nicht mit einem Buche zufrieden sein, mit dem
man, wenn es sich um die Controlle mancher Einzelliciten handelt, seine
Zeit so ohne Nutzen verliert und das durch seine angenehme Form recht
dazu geeignet ist, Irrthümern eine weite Verbreitung zu geben. — In
der Geschichte von Thurii finden wir S. 309 die Bemerkung »Un certain
nombre d'ecrivains, de dale rehitivement reccnte, pretendent que Chn-
rondas fut le legislateur de Thurioi. II y a la un gros unachronisme,
que l'on s'etonne de rencontrer sous la plume de Plutaniue«. Wo sagt
122 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
das Plutarch? Referent weiss es nicht. Sollte de curios. 8 gemeint sein?
Da steht aber nicht der Name Charondas, und wir wissen nicht, ob er
gemeint war. Dass Andere den Plutarch in dieser Hinsicht citirt haben,
ist für einen Lenormant, von dem man eigene Forschung erwartet, eine
schwache Entschuldigung.
S. 310 bringt Lenormant in die Geschichte von Thurii eine heil-
lose Confusion. Er erzählt die von Diod. XIV, 101 berichtete Begeben-
heit, wobei er die Vermuthung ausspricht, sie habe bei Lagaria stattgefun-
den; das durch wahrscheinliche Conjectur hineingekommene Laos erwähnt
er nicht. Dann sagt er (S. 311): »Protegee par Archytas, tant qu'il pre-
sida aux affaires de Tarente, la ville de Thurioi finit, apres sa mort,
par tomber sous le joug des Lucaniens, ä une date qui demeure incer-
taine. Ce fut probablement ä la suite de la grande defaite subie par
les confederes grecs aupres de Laos«, Diese grosse Niederlage bei Laos
war eben die von Diod. XIV, 101 besprochene, aus der Lenormant so-
mit zwei gemacht hat, und die Unterwerfung von Thurii geschah, nach
Diod. XVI, 15 (zum Jahre 356) durch die Bruttier, nicht durch die Lu-
kanier. — S. 317 ff. berichtet Lenormant über die Nekropolis von Thurii
nach den Forschungen Cavallari's, mit dem er vollkommen übereinstimmt;
nur hätte er ihn nicht S. 320 als »de Cosenza« bezeichnen sollen. Zu
S. 323 vergl. S. 385 wegen einer ähnlichen Inschrift auf einer Goldplatte.
S. 327 spricht Lenormant den sehr berechtigten Wunsch aus, dass man
das in Scjilamm und Erde begrabene Sybaris ausgraben möchte.
Chap, VI Rossano (S. 331 — 366), Beschreibung des Silawaldes. Hier
hätte Lenormant die Verschiedenheit der antiken und der modernen Be-
gränzung des Namens Sila hervorheben können, denn während jetzt das
Gebirge nördlich von der Landenge von Tiriolo Sila heisst, beschreibt
es Strabo VI, 261 bei Lokri. Das defile von Labula (oder -ulla) bei
Proc b. goth. 3, 28 entspricht nach Lenormant auch lautlich dem mo-
dernen Lipuda, Wichtigkeit von Rossano in byzantinischer Zeit; Ge-
schichte des Heil. Nilus; der Codex Rossanensis,
Chap. Vn. Die Städte Philoktet's (S. 367 - 424). Es handelt sich
hauptsächlich um Krimisa, Petelia und Makalla, aber Lenormant benutzt
die Gelegenheit, um andere wichtige Fragen zu behandeln, z. B. die von
dem Dionysoscult und den Mysterien in Grossgriechenland. — Er sucht
S. 370 die Lage von Arinthe bei Steph. Byz. zu bestimmen: »entre deux
cours d'eau voisins«. Es ist aber nicht zu bezweifeln, dass bei Arinthe,
wie bei anderen der oenotrischen Städte zu lesen ist, nicht iv jitaoTM-
Tafiia^ sondern iv iLeaoysca. Es fällt also das Kennzeichen der Lage zwi-
schen zwei Flüssen weg. — S. 372 nimmt Lenormant das heutige Ca-
riati für Chone nach Strabo: »Chöne — — que Strabon place dans ces
envirous et dont on n'a pas encore determine la Situation precise«.
Warum hat Lenormant nicht die Worte Strabo's berücksichtigt: Kptjuaaav
äxpav olxcoai xal XwWjV tmXiv ur.kp abrr^g'} Nun ist Terravecchia bei
ünteritalien. ] 23
Cariati, wo nach Lenormant Chone gelegen haben soll, wenigstens 16 Kilo-
meter von dem Vorgebirge dell' Alice entfernt und von demselben durch
ein Flussthal, das des Fiumenica, getrennt. Wenn nun nähere Punkte
vorhanden sind, die man als oberhalb des Vorgebirges gelegen bezeich-
nen kann, so sind doch diese eher für Chone in Anspruch zu nehmen.
Das ist aber der Fall mit Giro, was auch Mannert 214 für Chone hält.
Warum ignorirt Lenormant diese allen Anforderungen entsprechende
»Situation precise«? — S. 374 will Lenormant allerdings »aupres de
Giro« ein Temesa setzen. Was Lenormant über Temesa sagt, kann Re-
ferent hier nicht alles erörtern; es ist aber jedenfalls unberechtigt, zu
sagen, dass, wenn es ein Temesa am ionischen Meere gab, es nur bei
Giro gelegen haben könne. S. 378 giebt Lenormant au, dass Marincola-
Pistoja unterhalb Giro die Stadt Krimisa gefunden habe, und Mannert
214 hält überdies Krimisa und Chone für identisch. — S. 377 sagt Le-
normant, dass die Lage des Tempels des Apollou Halios fest stehe, »puis-
que tous les temoiguages s'accordent ä dire qu'il etait a l'extremite du
cap«. Wie schade, dass Lenormant nicht diese »tous« angeführt hat!
Ob es wohl eine grosse Zahl ist? Ob überhaupt eines? — S. 383 und
folgende spricht Lenormant von Petelia, das in der Nähe von Strongoli
lag. S. 386 ist statt »VI« siecle« offenbar IV« siecle zu lesen. — S. 395
- 424 spricht Lenormant über die dionysischen Mysterien Unteritaliens.
Es ist nicht unsere Sache, hier darauf einzugehen.
Chap. VIII. Das Thal des Neaithos (S. 425 - 456). Dies Capitel
enthält manches Interessante für die Geschichte des Mittelalters und
der Neuzeit, z. B. zur Geschichte der Familie Simonetta und des Ordens
von Fiore. S. 442 folgt dann eine Abhandlung über die Lage von Pau-
dosia, die wir zu prüfen haben. Pandosia ist der Ort, in dessen Nähe
Alexander von Epirus seinen Tod fand, er lag in der Nähe von Cosenza,
nach Strab. 256. Lenormant prüft nun die bisherigen Ansetzungen von
Pandosia und findet sie unbefriedigend; er stellt selbst eine neue auf,
nach der Pandosia im oberen Thal des Mucone lag, und er ist mit sei-
ner Ausetzuug so zufrieden, dass er, obschon er das Charakteristische der
Lage von Pandosia, die drei Hügel, wegen Mangel an Lokalkcnntniss
dort nicht nachweisen kann, doch (S. 454) ausruft: »raais jaflirme que
c'est lä qu'il faut chercher Pandosia, lä qu'on en retrouvera l'emplacc-
ment. Elle n'a pu-etre que lä et nulle part ailleurs«. Seine Gründe
sind folgende (S. 452 -54): Pandosia lag in der Nähe von Cosenlia (.das
wird allgemein anerkannt); es war aber keine der Städte des oberen
Crathis »que Tite-Live enumere de la manicre suivante dans son XXX^
livre: Uffugum (Fagnano), Besidiae (Bisignano), Iletricuhim (Lattarico),
Sypheum (Montalto), Argcutanum (San Marco Argentaro). Nun schreibt
Liv. 30, 19: Ad Cn. Servilium consulem, qui in Bruttiis erat, Cousentia
Aufugum Bergae Besidiae Ocriculum Lymphaeum Argontanum Glampctia
multique iguobiles populi — - defecere. So werden die Namen jetzt
124 Geographie vou Unteritalicü und Sicilien.
gelesen; Lenormant hat die der alten Angaben vorgezogen. Aber wo
iu aller Welt steht denn, dass diese Orte am oberen Crathis lagen?
Und wenn das da stände, wo steht, dass keine anderen da lagen? wo
ist also ein Schatten eines Beweises, dass wegen dieser* Aufzählung Pan-
dosia nicht am oberen Crathis gelegen haben könne? Pandosia soll also
am Mucone gelegen haben. Das wird bewiesen durch den letzten Marsch
Alexander's bei Liv. 8,24 vermittelst der »cnumeration des localites touchees
par la derniere campagne du roi des Molosses« , welche bei Livius »de
la prccision geographique la plus satisfaisante« ist (S. 454). »II prend
Cosentia, et de lä, descendant d'abord la vallce du Crathis. puis remon-
tant Celle du Mucone, il passe par Sypheum (Montalto), Acerina ou Ache-
rentia (Acri) pour atteindre Pandosia sur la partie superieure du cours
de la riviere Acherou. Je u'hesite donc pas a recounaltre cette riviere
dans le Mucone«. Dass Livius (8, 24) nicht Sypheum hat, sondern Sipontum,
thut weniger; Lenormant sagt, man müsse emendiren. Aber wo hat Le-
normant seine Augen gehabt, als er die Stelle des Liv. 8, 24 las und
S. 445 selbst übersetzte, wo nach acreutinam oder acerinam noch folgt:
»alias inde Messapiorum ac Lucanorum cepisset urbes«? Also ist Alexan-
der nach der Einnahme der von Lenormant aufgezählten Orte noch sogar
in Messapien gewesen, ehe er nach Pandosia kam, und es nutzt die
Aufzählung von Orten, die möglicherweise in der Nähe des Mucone la-
gen, für die Bestimmung von Pandosia garnichts, wenn er von ihnen noch
einen Abstecher nach Messapien macht. So kann, nebenbei gesagt, Sipon-
tum auch 'ganz gut stehen bleiben. Mit dieser negativen Leistung Le-
normant's in der Revision der antiken Geographie Unteritaliens schliesst
der erste Band.
Band IL Wir kommen nun zu Kroton.
Chap. IX Kroton und der Pythagorismus (S. 1—101). Hier treffen
wir S. 6 die Notiz, dass »certains ecrivains antiques« sagen, Kroton sei
inmitten der Sikeler gegründet; doch sei ihre Autorität sehr »inferieure
ä Celle de Strabon« und dessen Quelle, Ephoros, wonach Japyger dort
wohnten. Wer mögen wohl diese »certains« sein? — S. 9 und 10 er-
wähnt Lenormant, dass nach »quelques historiens« die Krotouiaten durch
Spiele bei sich die olympischen Spiele zu ersetzen gesucht haben. Es
sagt es Timaeus bei Ath. XII, 522, und es folgt gleich darauf: ol os lu-
ßapczag rouzo noc^aac Äsyouaiv, was zeigt, dass dieselbe Geschichte von
beiden Städten erzählt wurde, aber offenbar nur in einer passirt ist. Wer
wohl die anderen Autoren sind? denn zu »quelques« gehören doch mehr
als einer. — S. 18 ist wenig klar, wie Siberene zu den stets bewohnten
Lokalitäten gehören kann »dont on ignore les noms anciens«. Siberene
ist doch ein »nom aucien«. Und ebenso, wie Acerentia dazu gehören
kann, wenn Lenormant doch I, 451 gesagt hat, es sei das a;lte Ache-
rontia? — Ueber den Fluss Caicinos = Ancinale (S. 19) sprechen wir
unten. — S. 20 will Lenormant nicht zugeben, dass die irpwi^sg TuÄ-^acoc
Unteritalien. 125
bei Lycophr. 993 von Barrio richtig bestimmt seien ; Lenormant erklärt
die Berge von Tiriolo dafür; er könnte Recht haben. Aber wie wird
es dann weiter? Lenormant S. 23 sagt, dass Lykophron die Stadt Klete
als nicht fern von den Tylesischen Bergen gelegen angebe »sur le pro-
montoire allonge de Linos, qui ne saurait etre que le cap Suvero appele
aussi Tylesion«. Ich weiss nicht, wie man beweisen will, dass dies Cap
auch Tylesion hiess, und wenn es so hiess, warum dann auch die Gegend
von Tiriolo so geheissen haben soll. Was kann man überhaupt mit sol-
chen Namen bei Lykophron machen? — S. 32 verspricht Lenormant
später zu zeigen, dass der Fluss Sagras, an dem die berühmte Schlacht
zwischen Kroton und Lokri stattfand, der Turbolo war. — S. 34 macht
Lenormant folgende Bemerkung: »II y a quelque interet ä remarquer
que la numismatique atteste une etroite alliance entre Locres et Himera
dans le V^ siecle«. Diese kurzen Worte enthalten eine sehr wichtige No-
tiz, von der nur zu bedauern ist, dass der Verfasser sie nicht ausführ-
licher gegeben hat. Die Laien in der Numismatik, zu denen auch Refe-
rent sich leider rechnen muss, kannten Lokrische Münzen erst aus dem
4. Jahrb. v. Chr.. und man kann wenigstens soviel versichern, dass solche
aus dem fünften, den himeräischen ähnliche, von denen Lenormant hier
spricht, nur sehr Wenigen bekannt sein dürften ; es wäre also sehr passend
gewesen, eben zur Belehrung der Nicht-Kenner, wenn Lenormant, der ja
bekanntlich ein bedeutender Numismatiker ist, über diese Lokrischeu, den
Himeräischen älmlichen Münzen des 5. Jahrhunderts etwas mehr gesagt
hätte. Die Numismatik ist eine für die Geschichte so sehr wichtige Wissen-
schaft und kann andererseits ihrer Natur nach von so Wenigen beherrscht
werden, dass es um so Wünschenswerther ist, wenn diese Wenigen auch
dem grösseren Gelehrtenpublikum gegenüber etwas freigebiger mit ihrem
Wissen sind, als Lenormant sich in diesem Falle gezeigt hat. — S. 35
und folgende erzählt Lenormant die Geschichte des Pythagoras und er
ist geneigt, in der uns gewordenen Ueberlieferung über ihn den Cha-
rakter, welchen die Thätigkeit des Pythagoras wirklich hatte, ausgedrückt
zu finden. Wir meinen, dass Lenormant noch etwas mehr die gediegene
Arbeit von E. Rohde, Die Quellen des lamblichus in der Biographic
des Pythagoras, Rhein. Mus. 1871 und 1872, hätte berücksichtigen sol-
len. Es findet sich in dieser Abhandlung doch manches, was uns in
den Stand setzen kann, die älteren Elemente der Tradition von den jün-
geren abzuscheiden. Wir glauben, dass Lenormant mit Hülfe der Arbeit
Rohdc's dazu gekommen wäre. Einiges von dem zu streichen, was er
noch dem Pythagoras zuzusclircibcn geneigt ist. Dabei bleibt immerhin
die Aufzählung der Eigenschaften, welche Pythagoras in sich vereinigte
(S. 43), sehr bemerkenswerth. S. 64 wird in interessanter Weise die
Frage behandelt, warum Pythagoras gerade Kroton als Wohnsitz wählte.
Sollten nicht übrigens auch, wie zwischen Milct und Sybaris, so zwischen
Samos und Kroton engere Beziehungen stattgefunden haben? — S. 70.
126 Geographie von ünteritalien und Sicüien.
Die iiiimi incusi sind nach Lenormant eine Schöpfung des Pythagoras.
— S. 78 legt Lenormant Gewicht auf die apollinische Sendung des Py-
thagoras. Auch andere bedeutende Historiker haben bekanntlich daran
geglaubt; wir möchten nach den Ausführungen Rohde's in dem erwähn-
ten Aufsatze das nicht mehr als ein geschichtliches Factum betrachten.
Die Ansicht von dem engen Zusammenhang zwischen Pythagoras und
Apollon hat Lenormant dazu gebracht (S. 97—101), in den auf den älte-
ren krotonischen Münzen angebrachten Darstellungen und Symbolen di-
reete Zeichen des Pythagorismus zu sehen. Nach Lenormant ist der
Dreifuss durch Pythagoras auf die Münzen gekommen. Aber warum soll
ein so einfaches apollinisches Symbol pythagoreisch sein? Und wenn auf
den Münzen dargestellt ist, wie Apoll den Python tödtet, so soll das
deswegen geschehen (S. 100), weil nach Pythagoras Apoll, ehe er den
Python tödtete, selbst von ihm erstickt wurde. Das ist doch wieder zu
weit hergeholt. Nach Len. 98 ist der Adler ebenfalls pythagoreisch.
Er verschwindet mit dem Sturz des pythagoreischen Bundes und kommt
im 5. Jahrhundert wieder »quand l'ecole pythagoricienne reprend la pre-
ponderance dans les conseils de la cite«. Woher Lenormant wohl weiss,
dass damals die Pythagoreer wieder in Kroton mächtig wurden? Und
drittens der Kranich, der um 475 - 450 auf den Münzen von Kroton er-
scheint. Aber warum kommt er, wenn er pythagoreisch ist, erst, als
Pythagoras nicht mehr da ist? Mir scheint, dass in dieser Weise sich
Alles aus Allem machen lässt, und jede Spur von Sicherheit aufhört.
Chap. X Fortsetzung von Kroton (S. 103—204). Lenormant spricht
von den Krotouiatischen Aerzten, von dem Luxus von Kroton, von den
Künstlern der Stadt, von dem Einfluss des Zeuxis auf die Münzkunst
der damaligen Zeit (S. 116. 117) und geht S. 117 auf die Zeit des Dionys
über, die den unteritalischen Griechen verderblich wurde. S. 120 setzt
Lenormant die von Polyb. 2, 39 erwähnte Organisation des Bundes der
Griechen Unteritaliens um 397; Hermann, Staatsalterth. 90, 13 setzte sie
früher; auch Grosser, Kroton, S. 47 um das Jahr 442. Wegen Pol. 2, 39
nimmt Lenormant an, dass schon früher der Tempel des Zeus Homa-
gyrios in Aigion Vereinigungspunkt der Achäer des Peloponnes war. —
S. 121. 122 stellt Lenormant die Fälle zusammen, in denen befreite Städte
den die Schlangen würgenden Herakles, nach Zeuxis, auf ihre Münzen
setzten. Man kann diese Münzen jetzt in dem Catalog der Electrotypen
des Brit. Museums abgebildet finden und kann daraus noch Zakynthos
zu den von Lenormant angeführten Orten hinzufügen (PI. 23 No. 34). —
S. 127 sagt Lenormant: »Les premieres villes grecques dont les Brut-
tiens s'emparerent, des 353, Terina et Temesa, sur la mer Tyrrhenienne,
Pandosia, dans l'interieur des terres, etaient des colonies de Crotone«.
Wo steht das? Diod. XVI, 15 nennt Terina, Hipponion, Thurii (356 v. Chr.),
Temesa wird von Strab. 6, 255 und Liv. 34, 45 genannt, aber ohne Jahres-
angabe. - S. 131. 132 sind interessant durch genaue Bestimmung eines
ünteritalien. 1 27
im Jahre 1879 bei Kroton gemachten Münzfundes; S. 134 — 136 durch
Bemerkungen über die Münzen der Bruttier; S. 140. 141 durch solche
über römische Münzprägung. Wir kommen zur Geschichte Kroton's in
römischer Zeit; im Mittelalter, wo es sich durch seine vortreffliche Lage
gegen die Saracenen hält; in der Neuzeit — interessante Mittheilungen
über den Briganten Re Marcone, über den berüchtigten Cardinal Ruffo,
über die Brüder Bandiera. Lenormant giebt interessante Beschreibun-
gen der Gegend und S. 200 ff. Bemerkungen über die Bohne in der
griechischen Religion.
Chap. XI. Der Tempel der Hera Lacinia (S. 205 — 234). Es be-
ginnt mit schönen landschaftlichen Schilderungen und feinen dahingehöri-
gen Bemerkungen. Aber kann Lenormant S. 206 mit Recht behaupten,
dass, wenn man von Achaia nach Italien fuhr, man noch nicht Cephallenia
aus dem Gesicht verloren hatte, wie man schon das Silagebirge sah?
Die directe Entfernung beträgt 40 geographische Meilen. Sollte man
von der Oberfläche des Meeres aus wirklich die je 20 Meilen entfern-
ten Berge sehen können? — Nach S. 216 und 218 hatte der Tempel
48 Säulen, wie der Tempel C von Selinus. Aber der Tempel C hat
46. — Woher hat Lenormant (S. 206. 207. 221), dass die Athene in
der Nähe des iapygischen Vorgebirges Leucadia hiess? Man kann eigent-
lich nicht einmal sagen, dass das iapygische Vorgebirge von dem Tem-
pel »gekrönt« war; das iapygische Vorgebirge ist doch nur das heutige
Gap Leuca, und da stand der Tempel nicht. — S. 222 sagt Lenormant
Lacinia komme von dem »vieux mot pelasgique lakis, enregistre par
les lexicographes grecs comme signifiant terre«. Wer wohl diese Lexi-
cographen sind? Referent kann nicht behaupten, keinen übersehen zu
haben; er giebt zu, dass einer da sein kann, der das sagt, was Lenor-
mant behauptet; aber er will doch erwähnen, dass er bei Hesych ge-
funden hat: Xaxlg ^ßovog- ydaim yrjQ. — S. 222 sagt Lenormant, dass
er die alten Beziehungen zwischen Kroton und Himera constatirt habe.
Wo? Wenn er docli nur citiren wollte! Man verliert eine unglaubliclie
Zeit mit Suchen! — S. 223 spricht Lenormant von der Thatsache (fait),
dass die Here Lakinia einen Tempel in Agrigcnt hatte. Das haben
schon Manche behauptet und sich dabei auf Plin. 35, 64 berufen. Le-
normant aber nennt S. 225 die Beziehung auf Agrigcnt bei Plinius eine
confusion manifeste; worauf basirt dann noch jenes »fait«? — S. 232.
233 ist es Lenormant recht wunderbar gegangen. In der Nähe des la-
kinischen Vorgebirges wird von Scylax eine Insel der Kalypso erwähnt
und »Procope, dans son livre sur la guerre gothique, parla encore de
cette ile«, welche also nebst anderen zwischen dem VI. Jahrhundert »oü
ecrivait Procope« und dem XV. , wo man wieder genauere Nachrichten
über die Küsten Italiens bekommt, »se scront abimcs au sein des eaux«.
Was sagt nun Procop (B. G. IV, 22)? Zwischen der Charybdis und Ker-
kyra ist keine bewohnte Insel, oiars nnXXäx«; iydj ivzauHu yzvojjisvng tlir^-
128 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
TiopoüiJ-YiV 0717] nork äpa rrfi Kahx^'oTtq vrjuog ec/j • raürrjg yu.() r^c HaXdaarjQ
aijoatirj vrjrrov zeHiaiiat, ori jxrj rpeTg oh noXkw ano&ev rr^g 0acay.toog, d^r
o(Tov drjj (jraouov rptaxoauov äy^tazd nrj dk)i7jXu}V o'Saag. Also sagt Pro-
cop gerade, dass keine Insel der Kalypso da ist! Wie in aller Welt nur
Lenormant auf seine Behauptung gekommen ist? Und das nennt er »re-
prendre ab ovo« die geographischen Fragen!
Chap. XII. Von Kroton nach Catanzaro (S. 235 — 270). S. 241 meint
Lenormant, dass »un dcplacement manifeste des noms dans le texte de
Pline mentionue Petelia dans l'interieur des terres, aupres du fleuvc
Targines«. Das ist falsch; bei Plin. (3,96) werden die Flüsse aufge-
zählt; dann kommt ein oppidum, das nicht bei dem zuletzt genannten
Flusse zu liegen braucht. — S. 242 vermuthe ich mehrfache Confusion,
die in einem Falle nachweisbar ist. Lenormant sagt, die Einwohner von
Policastro hätten sich 1647 von Philipp IV. als »Erben der Petelinercr
proclamiren lassen ; nach Corcia Stör, delle due Sic. III, 268 hat es Fer-
dinand von Neapel 1467 gethan. Wer von Beiden wohl Recht hat?
Sicher ist sodann, dass die Stadt Policastro, die Robert Guiscard 1065
nahm, das bekannte Policastro am tyrrhenischen Meer und nicht das
obscure Policastro in der Nähe von Cotrone ist, wie Lenormant 242
meint. Die weiteren Schicksale dieses Policastro werden allerdings so,
wie Lenormant angiebt, von L. Giustiniani, Dizionario geograf. del regno
di Napoli, vol. X, im Nachtrag, erzählt; aber auch hier scheinen Ver-
wechslungen mit dem grösseren Policastro unterzulaufen. — S. 244 er-
eifert sich Lenormant sehr über Irrthümer des armen Barrio. Wer wird
denn alle Fehler der Geographen des 16. und 17. Jahrhunderts wider-
legen! — S. 253 spricht Lenormant von Resten einer alten Stadt am
rechten Ufer des Corace. Marincola-Pistoja (S. 256) erkennt darin Cro-
talla, was Lenormant nicht zugiebt; denn »pour la soutenir (seine An-
sicht) cet erudit est oblige d'admettre, que le Carcines de Pline
est le meme que le Caicinos de Thucydide, d'Elien et de Pausanias,
fleuve qui formait la fronticre entre les territoires de Caulonia et de
Cotrone, au temps oü ce dernier comprenait Scylletion. Mais c'est ce
que je ne saurais admettre«. Hier ist Lenormant in einem schwer er-
klärlichen Irrthum. Wie kann er sagen, dass der Caicinos des Thucy-
dides, Aelian und Pausanias die Grenze zwischen Caulonia und Scylletion
bildete? Nach Thuc. III, 103 fliesst er im Gebiet der Lokrer und nach
Paus. VI, 6, 4 trennt er Lokris und Rhegine. Lenormant hat sich diese
Stellen offenbar nicht angesehen. Dann fährt Lenormant fort: Wenn
man den Crotalus mit dem Corace identificirt, muss man den AUi ohne
Namen lassen, und bei Plinius, dem Admiral, eine Ungenauigkeit in der
Beschreibung der Küsten annehmen. Und es kann nicht ein Zufall sein,
dass Plinius »donne precisement cinq noms de fleuves pour le littoral
entre Scylacium et la saillie du mont Clibanus , oü cinq cours d'eau se
jettent dans la mer: le Corace-Carcines, l'Alli-Crotalus, le Simmer-Semirus,
üuteritalien. 129
le Crocchio-Arocha et le Tacino-Targinös«. Das ist wieder falsch. Diese
Flüsse bei Plinius sind nicht die von Scylacium an, sondern vom Vor-
gebirge Cocinthus (Stilo). »Je maintiens donc la distinction entre le
Carcines, coulant au nord de Scylletion, et identique au Corace actuel,
et le Caicinos coulant ä quelque distance au sud de la meme ville et
correspondant ä l'Ancinale de nos jours«. Den Ancinale für den Kai-
kinos zu halten, ist kein Grund mehr vorhanden, wenn man den Carcines
des Plinius für den Corace erklärt, denn der Carcines bei Plinius und
der Caicinus sind identisch , verschiedene Lesarten desselben Namens.
»Et j'hesite d'autant moins ä le faire que Pomponius Mela mentionne
sur la cote du golfe Scylacien une ville de Carcinos, juste au meme
point oü Pline met son fleuve Carcines, c'est ä dire ä l'embouchure du
Corace, au nord de Scylacium«. Mela sagt (S. 48 Parthey), dass am
scylacinischen Golfe Petelia, Carcinus, Scyllaceum, Mystiae liegen. Wie
da von »juste au meme point« die Rede sein kann, mag ein anderer
begreifen. »Maintenant le site oü Pomponius Mela met Carcinos est
exacteraent le meme oü Pline mentionne les Castra Hannibalis, entre Scy-
lacium etle Carcines«. Plinius giebt den Namen sinus Scylacius, nennt die
Stadt, von der der Sinus den Namen hat, und weil hier Italien am schmäl-
sten ist, den Ort, an dem das stattfindet: castra Hannibalis, dann die
Flüsse, dann eine Stadt im Innern, einen Berg, ein Vorgebirge. Dass
daraus hervorgehe, dass Plinius die C. Hann. zwischen Scylacium und
den Carcines setze, kann nur der glauben, der nicht Zeit gehabt hat,
das Princip der Aufzählung bei Plinius zu berücksichtigen. Lenormant
setzt die Castra Hann. auch deshalb an den Corace, weil hier wirklich
Italien am schmälsten ist »Que l'on regarde sur la carte« sagt Lenor-
mant (S. 258). Wir haben das gethan und finden, dass dieser schmälste
Punkt vielmehr südlich von Squillace ist, wie auch Mannert annimmt. —
S. 258 ist statt 3000 citoyens zu lesen 300. — S. 259 hat Lenormant
noch einen anderen Grund für die Ansetzung der C Hann. nördlich von
Squillace, nämlich dass an diesem Punkt Dionys seine Mauer zog »Le
simple bon sens indique que le mur de Denys, destine a protöger contre
les incursions des Lucanieus le territoire qu'il veuait de cröer k ses
allies de Locres, devait embrasser le canton de Scylletion, qu'il Icur
avait donne«. Die Sache ist doch nicht so einfach, wie Lenormant meint;
Dionys machte seine Mauer um die Südspitzc von Italien abzuschneiden ;
es kam nicht darauf an, ob die Lokrer ein paar Quadratmeilen mehr
geschützt erhielten oder nicht. Die Seiten 256 — 259 sind ein Muster,
wie man historische Geographie nicht betreiben muss. — S. 261 ff. spricht
Lenormant von Tiriolo und Scip. Cicala, dem berühmten Renegaten.
Chap. XIII Catanzaro (S. 271-328) behandelt das Mittelalter und
die Neuzeit. Bemerkenswerth ist das Museum unter der Leitung des
verdienstvollen Herrn Marincola-Pistoja, dessen historische Schriften Le-
normant vielfach zu Rathe gezogen hat.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVHI, (i88j. HI.) 9
130 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
Chap. XIV Squillace (S. 329 — 447). Wir finden hier eine inter-
essante Abhandlung über das alte Skylletion. Lcnormant macht die tref-
fende Bemerkung, dass schon der Name den ionischen Ursprung der
Stadt zeigt, freilich weiss man nicht, wann sie gegründet wurde; etwa
als Kolophon Siris gründete? — S. 330 finden wir anziehende Betrach-
tungen über Athene als Meeresgöttin, die Lenormant nach Lykophron
Skyletria nennen möchte. Wenn Lenormant 339 von der absence de tout
monnayage de cette ville spricht, so möchte man, dass er sich über
Sambon2 S. 358 , Planche 24, 37 geäussert hätte, wo doch eine Münze
von Skylletion angenommen wird; und zwar entspricht ihr Revers ge-
rade dem, was Lenormant als charakteristisch für Skylletion bezeichnet.
— S. 360 ff. behandelt Lenormant die Frage, wo das alte Skylletion lag.
Einige Neuere haben geglaubt, dass das moderne Squillace die Lage
der alten Stadt hat, Andere, dass das alte Skylletion am Meere lag.
Lenormant unterscheidet sehr scharfsinnig: die griechische Stadt lag am
Meere; die römische im Lande an der Stelle des heutigen Squillace.
Lenormant bestimmt auch den Ort des berühmten Monasterium Viva-
riense (von den von Cassiodor angelegten vivaria so genannt). Das grie-
chische Skylletion ist wahrscheinlich von Dionys zerstört worden. — Nun
folgen höchst interessante Betrachtungen über die Hellenisirung dieser
Gegend im Mittelalter. Zur Zeit Cassiodor's ist hier alles lateinisch; im
11. Jahrhundert alles griechisch. Die Ursache zur Umwandelung gab
die Bilderzerstörung des Leo Isauricus, der merkwürdiger Weise in Italien
tolerant war, so dass die Mönche schaarenweise dahin auswanderten.
Neue Einwanderungen von griechisch Redenden im 9. und 10. Jahrhundert
erfolgten als die Feldherren Basilius' I. und seiner Nachfolger Apulien, Terra
d'Otranto, Basilicata und Calabrien den Saracenen wieder abnahmen;
nur Apulien wollte nicht wieder griechisch werden. Lenormant entwickelt
auch die weiteren Schicksale des griechischen Elements in diesen Gegen-
den bis in die Neuzeit. Er schliesst mit Notizen über die Familie Pepe,
die in Squillace ansässig war.
Das Werk Lenormaut's ist höchst anregend, und vortrefflich in der
Schilderung der Natur und der modernen Verhältnisse, in den allge-
meinen historischen Betrachtungen und in der Anwendung der Numis-
matik auf die Geschichte (hier jedoch mit Ausnahmen), endlich in der
Benutzung und Verarbeitung der neuesten Forschungen Anderer. Man
sieht, dass der Verfasser weite Gebiete mit Leichtigkeit beherrscht,
wie wenig andere Gelehrte. Die historische Geographie hat er jedoch
nur insoweit gefördert, als er die Resultate der Localforschung mit-
theilt und gut wiedergiebt, und durch eigene Forschung in Betreff der
Stadt Skylletion. Was dagegen die eigentlich gelehrte Arbeit in der
historischen Geographie, d. h. die Benutzung der antiken Schriftquellen
betrifft, so berechtigt sie durchaus nicht zu der von ihm aufgestellten
Behauptung, eine Revision dieser Wissenschaft für Grossgriechenland
vorgenommen zu haben, und sie ist in einzelnen Fällen so ungenügend,
Unteritalien. 131
dass sie der hohen Stellung des Verfassers überhaupt nicht mehr ent-
spricht. Quellencitate mit on (1, 228), plusieurs (1, 258), tous (1, 377),
certains (2, 6), quelques (2, 10), les lexicographes grecs (2, 222), hinter
denen nichts oder wenig steckt und die nur mit stundenlangem Suchen
als leere Phrasen nachzuweisen sind, sollten doch besser vermieden wer-
den. Und trotz alledem muss Jeder, der sich mit der Geschichte und
Geographie von Grossgriechenland beschäftigt, das Werk lesen! "Was
könnte der Verfasser leisten, wenn er weniger flüchtig arbeiten wollte!
Und vielleicht will er es in den noch zu erwartenden Bänden!
Zu einzelnen Punkten Unteritaliens übergehend, erwähnen wir zu-
nächst:
Sybaris und Thurii.
Von allen berühmten griechischen Städten ist fast keine so spurlos
und vollständig vom Erdboden verschwunden wie Sybaris. Von wirk-
lichen Ueberresten garnicht zu reden, sind nicht einmal die offenliegen-
den Terrainverhältnisse der Art, dass man sagen müsste: hier lag Sy-
baris. Manuert (Italien II, 218) setzt es »etwas westlich vom heutigen
Dorfe Polinara«, was, wie sich jetzt gezeigt hat, nicht richtig ist. Die
für die Erforschung und Erhaltung der heimischen Alterthüraer so sehr
thätige italienische Regierung, speciell die dem hochverdienten Commend.
Fiorelli anvertraute Generaldirection der Museen und Ausgrabungen, beauf-
tragte deshalb den bewährten Erforscher Siciliens, den Ingenieur Sav.Caval-
lari, mit Ausgrabungen in der Gegend, in welcher Sybaris liegen musste.
Dieselben wurden im Frühjahr 1879 unternommen und haben interessante
Ergebnisse geliefert, über welche berichtet worden ist in den Notizie
degli scavi di antichitä, comunic. alla R. Accad. dei Lincei p. ord. di
S. E. il ministro della Pubb. Istruzione. Anno 1879. Roma 1880. p. 49
—52. 77-82. 122-124. 245-253 nebst Tav. V und VI, sowie S. 156
— 159, ferner Anno 1880. Roma 1881. S. 68. 152. 152—162 nebst Tav.
VI fig. 1—3. Den eingehendsten und für die Topographie werthvollsten
Bericht enthalten die Seiten 245 — 53 des Jahrgangs 1879, wozu die
Tav. V die Karte der Gegend und Tav. VI die Details des Grabes lie-
fert, das die interessanten Goldplättchen enthielt; die Seiten 49—52 und
77—82 besprechen die Ausgrabungen selbst.
Cavallari's Forschungen waren in doppelter Hinsicht werthvoll. Ein-
mal stellten sie die Lage von Sybaris fest, und zweitens lehrten sie
merkwürdige Grabanlagen kennen. In erster Hinsicht hat Cavallari mit
Recht die Thatsache berücksichtigt, dass nach Strab. 263 die Krotouiaten,
als sie Sybaris erobert hatten, es dadurch zerstörten, dass sie den Fluss
Krathis ablenkten und sich über die Stadt ergiessen Hessen. Nun hat
Cavallari festgestellt, dass der Crati in dem letzten Thoile seines Lau-
fes, ehe er sich mit dem Coscile (Sybaris) vereinigt, eine durch keine
Bodenerhebungen motivirte Zickzacklinie bildet, während daneben ein
9*
132 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
Thal bleibt, das als Crati vecchio bezeichnet wird, und sich in gerader
Linie nach Osten hinzieht. Er hat mit Recht hieraus geschlossen, dass
wir in dem Crati vecchio den Lauf des Krathis zur Zeit der Existenz
von Sybaris haben, in der Zickzacklinie den durch die Krotoniaten geän-
derten Lauf, und dass wir somit um diesen letzteren das Terrain der
Stadt Sybaris selbst suchen müssen. Es ist somit die Lage von Sy-
baris nun endlich festgestellt Das zweite interessante Ergebniss der
Thätigkeit Cavallari's war die Erforschung eines der vielen Tumuli, die
sich von der Südgreuze der alten Stadt Sybaris bis zum Meere hinzie-
hen, und die, wie Cavallari sogleich erkannte, Gräber sind. Er öffnete
im Februar und März 1879 nun den grössten derselben, den sogenann-
ten Timpone grande, der noch eine Höhe von 9, 50 ot hatte, und fand
auf dem Boden desselben ein Grab, worin neben verbrannten mensch-
lichen Ueberresten und einigen anderen Gegenständen zwei zusammen-
gebogene Goldplättchen mit griechischen Inschriften gefunden wurden.
Die Inschriften sind von Coraparetti untersucht worden, der auf den oben
angeführten Seiten 156—59 des Jahrgangs 1879 darüber berichtet hat.
Die eine ist unverständlich, indem die griechischen Buchstaben keine
Worte bilden, die einen Sinn geben, die andere ist von Comparetti ge-
lesen und erklärt worden. Sie bezieht sich auf den Zustand nach dem
Tode und zeigt den Todten als in gewisse Mysterien eingeweiht. Die
Untersuchungen wurden später unter der Leitung anderer Ingenieure
fortgesetzt, und in drei anderen Timponi, welche geöffnet wurden, drei
weitere Gofdplättchen mit Inschriften entdeckt, über welche Comparetti
in den Notizie des Jahres 1880 S. 156 — 62 eingehend und genau ge-
sprochen hat. Nach Comparetti ist an pythagoreische Lehren hier nicht
zu denken, sondern an die sogenannten Orpheotelesten, von denen Plato
de Rep. II, 364 spricht. Wir hatten schon etwas ähnliches in dem Gold-
plättchen von Petelia, herausgegeben im C. I. Gr. 5772 und von Kaibel,
Epigr. gr. ex lap. p. 453. Comparetti macht wahrscheinlich, dass alle
diese mystischen Verse der vormacedonischen Zeit angehören. Wir haben
also hier werthvolle Denkmäler der Cultur der ersten Hälfte des vierten
Jahrhunderts v. Chr. Zugleich sehen wir hier, was auch schon Caval-
lari andeutete, dass diese merkwürdigen Kegelgräber, die in ihrer Form
so sehr an den Orient erinnern, nicht etwa der Stadt Sybaris angehören.
Cavallari hatte schon auf das Fehlen älterer Vasenscherben aufmerksam
gemacht. Wir haben hier also Gräber von Bewohnern von Thurii, und
zwar sehr angesehener Bewohner, denn wie sollten sich sonst die un-
geheuren Aufschüttungen über dem Grabe erklären? Cavallari hat schon
in seiner topographischen Abhandlung Beiträge zur Frage gegeben, wo
Thurii lag, und auf die Fönte del Fico nördlich vom Timpone grande
als wahrscheinlich identisch mit der Quelle Thuria, nach der die Stadt
den Namen hatte, hingewiesen.
Nach dem Vorhergehenden ist der Wunsch wohl berechtigt, es
Unteritalien. 1 33
möchte nun versucht werden, an dem Punkte, der als der von Sybaris
festgestellt ist, die Ueberreste der Stadt, die vorhanden sein müssen,
aufzudecken. Der Krathis ist hinübergeleitet worden; muss die von ihm
abgesetzte Erde nicht vieles zugedeckt und so erhalten haben? Lenormant's
Wunsch ist, dass es versucht werden möge; und man möchte glauben,
dass er wenigstens zum Theil erfüllt werden könnte; für die Gegend
nördlich vom Crati hält freilich Cavallari alle Arbeit für verlorene Mühe;
da man in der Tiefe von 1,75 m auf Wasser stosse, das alle weitere
Arbeit verbiete. Doch auch hier hat die Technik noch night ihr letztes
Wort gesprochen!
Mit Neapel hat zu thun:
Delle origini della cittä di Napoli per Michele Cardona. Nap.
1880. 112 S. in 8.
Diese Schrift enthält eine Darstellung der Geschichte und Cultur
Neapel's im Alterthum. Der Verfasser citirt niemals die Stellen seiner
Gewährsmänner, und nach dem was wir versucht haben, um das auf den
ersten Seiten Gesagte auf seine Quellen zurückzuführen, wird er sie
nicht immer gelesen haben. S. 20 behauptet er, dass »Eumelo condut-
tore della greca colonia che fondo Napoli ha dovuto essere la stessa per-
sona di Falero che prima di ogni altro diede il nome alla nostra cittä.
Ora se piu Faleri nella greca istoria si ricordano, un solo tra essi ha
avuto l'aggiunta di Eumelo, ed e l'Argonauta Eumelo Falero menzionato
da Apollonio Rodio nel suo poema degli Argonauti ; esso quindi si deve
ritenere come il foudatore di Napoli nostra«. Und dann sagt er »Eumelo«
heisse freilich : valoroso coli' asta, aber solche Art von Beinamen hätten
die griechischen Dichter ihren Helden immer gegeben. Woher der Ver-
fasser wohl alle diese schönen Dinge hat? Als Referent noch gelesen
hatte, dass Parthenope gelebt haben müsse, weil man ihr Grab zeigte
(S. 12), und dass die Argonauten Neapel im Jahre 1265 v. Chr. gegrün-
det haben (S. 26), hat er das Buch einfach weiter gelesen, ohne sich die
Mühe zu geben, die vom Verfasser nicht citirten Quellen seiner Be-
hauptungen zu finden. Von S. S2 — 104 behandelt Cardona die Topo-
graphie. Wir können hierüber nur sagen, dass er auf dem Vor-Beloch-
schen Standpunkte stellt, wie denn überhaupt eine Benutzung Beloch's
in dem ganzen Buche nicht ersichtlich ist. Wahrscheinlich ist es früher
geschrieben; Beloch's Buch erschien 1879, vorliegende Schrift 1880. Aber
über Campanische Geschichte und Topographie eine Schrift publiciren, nach-
dem Beloch's Buch erschienen ist, und auf dasselbe keine Rücksicht
nehmen, was kann dabei herauskommen? Herr Cardona ist noch Ver-
treter der von Beloch verworfenen Ansicht von dem tiefen Eindringen
des ältesten Hafens der Stadt in das Land, der bis hinter S. Giovanni
Maggiore, in der Nähe der Universität, ging. Es wäre recht nützlich,
134 Geographie von Unteritalien unci Sicilien.
wenn diese Frage einmal zum Gegenstand einer speziellen und genauen
Untersuchung gemacht würde.
Reiche Beiträge zur Kenntniss der Topographie Unteritaliens und
Siciliens, wie im Allgemeinen Italiens liefern die Publicationen des Mi-
nisteriums des öffentlichen Unterrichts, dessen betreffende Abtheilung,
wie schon gesagt, vom Commendatore Fiorelli geleitet wird. Es
sind erstens
Documenti inediti per servire alla storia dei Musei d'Italia pub-
blicati per cura del Ministero della Pubblica Istruzione. Vol. III und
IV. Roma 1880. 8.
Wir machen hier aufmerksam auf Bd. IV. No. VII. S. 93 — 123, ent-
haltend Antichitä scoperte nelle provincie meridionali, da documenti ser-
bati neir Archivio di Stato di Napoli, wo sich Nachrichten über Funde
in: Alife, Baja, Canosa, Capua e S. Maria, Castelmezzano, Cuma, Iser-
nia, Isola, Minterno, Monopoli, Monteleone, Nocera de' Pagani, Ottati,
Pescocanale, Posilipo, Pozzuoli, Ruvo, Succavo, Torre Annunziata, Torre
del Greco, Velia, meist aus den dreissiger und vierziger Jahren finden.
Wir können auf das Einzelne nicht eingehen, und wollen nur, weil es
die noch am wenigsten bekannte und doch nicht unwichtige Localität
betrifft, hersetzen, was von Velia gesagt ist: »sul finire dello scorso
anno 1838, fu disotterrato in Velia e precisamente in un podere di quella
cittä denominato Ische della Stanfella, un superbo sepolcro greco, colmo
di vasi fittiM pregiatissimi, di armature dorate, di patere, di lucerne, di
monete, e di altri oggetti interessantissimi. II suddetto sepolcro o sar-
cofago di marmo si e trovato ben couservato, e nella sua covertura a
schiena d' asino sta posta una greca iscrizione«. No. VIII enthält das
Verzeichniss der im Jahre 1796 im Nuovo Museo e Fabbr. della Por-
cellana di Napoli befindlichen Alterthümer, besonders Vasen aus S. Agata
dei Goti.
Zweitens haben wir die schon erwähnten
Notizie degli scavi di antichitä comunicate alla R. Accad. dei Lin-
cei per ordine di S. E. il Ministro della Pubb. Istruzione. Roma 1879.
1880. 1881. 4.
Wir haben diese Notizie schon in unseren früheren Berichten be-
nutzt; sie werden aber immer reichhaltiger, ein Beweis der vortrefflichen
Leitung dieses Zweiges der Verwaltung und des Eifers, mit dem die
durchweg sehr kenntnissreichen Beamten in den einzelnen Provinzen dem
Wunsche des Ministeriums und der Akademie entsprechen. Einzelne
der Berichte sind wahre Monographien über den Gegenstand ; wir machen,
um unsere Behauptung auch durch ein nicht unserem speciellen Gebiete
entnommenes Beispiel zu belegen, auf die erschöpfende Arbeit über das
Pantheon Agrippa's, im Octoberheft 1881, die in Folge der aus der eigen-
ünteritalien. 135
sten Initiative des Ministers Bacelli hervorgegangenen Freilegung des
Pantheons entstanden ist, aufmerksam. Die Reichhaltigkeit der Notizen
über Unteritalien in den Heften: August 1879 — October 1881 lässt uns
eine geographische Sonderung derselben nach grösseren Provinzen, in
der Reihenfolge: Abruzzeu, Apulien, Terra di Otranto, Lucanien, Cala-
brien, Principato, Campanien, wünschenswerth erscheinen. Die Sonderung
ist nur zu praktischen Zwecken von uns gemacht und könnte theoretisch
in einzelnen Punkten vielleicht angegriffen werden.
In den Abruzzen, im Flussgebiet des Aternus (Pescara) und zum
Theil des Sagrus (Sangro) (vgl. Kiepert § 378 und folg.) haben wir zu
verzeichnen: Entdeckungen in Amiternum (San Vittorino), Notizie
1880, S. 290 — 296, Ausgrabung des Theaters, S. 350, ebenso, mit gele-
gentlichen Tastungen im Amphitheater. Corfinium (Pentima), wo wir
in das Forschungsgebiet des gelehrten Inspectors de Niuo treten, der
mit Eifer die Bestrebungen Stoffel's unterstützt, die Belagerung der Stadt
durch Cäsar topographisch zu erläutern; Notizie 1879 S. 224; S. 315 -
320; S. 334; 1880, S. 143—146 (Gräber) S. 296 — 298 (ebenfalls); 1881,
S. 121. In der Nähe von Raiano bei Sulmona beschreibt de Nirio 1880
S. 252. 253 römische Ruinen an dem sehr festen Orte La civita, welcher
Name mehrfach in Italien eine antike Stadtfläche bezeichnet. Sulmo
(Sulmona) 1879, S. 334; 1880, S. 178; 1881, S. 60. 120. 143 (meist Grä-
ber). Introdacqua 1881, S. 144 (Inschrift). Alfedena (Castel del Sangro)
das alte Aufidena, im Flussgebiet des Sangro 1879 S. 320 (viele Grä-
ber). — Teate (Chieti), die Hauptstadt der Marrucini. 1880, S. 170
— 178 Abhandlung des Avvocato Zecca über ein antikes Bauwerk, das
er für ein Grab hält, und Bericht über Reste von Wasserleitungen, die
vielleicht der in einer Inschrift erwähnten von C. Asinius Gallus ange-
legten angehören. S. Maria del Palazzo bei Montenerodomo im Gebiete
von Chieti, manche antike Ueberreste die dem alten luvanum ange-
hören sollen 1880 S. 253; 1881 S. 142. 143. Daran schliessen wir, in
Molise, Saepinum im Lande der Samniter, Thal des Tamarus, Neben-
fluss des Vulturnus; 1879 S. 324. 325; 1880 S. 179—183, Ausgrabungen
in der Basilica und in einem anderen Gebäude noch unklarer Be-
stimmung.
In Apulien verzeichnen wir: Lucera, 1881 S. 122. 145 (Mo-
saiken). Canosa (Canusium) 1879 S. 348; 1881 S. 94 (Gräber und
Vasen). Ruvo (Rubi) 1880 S. 103. 234, interessanter Fund: eine Schie-
ferplatte mit eingegrabenen Formen von Schmuckgegenständen; sie hat
für die noch gebräuchlichen lavori a sfoglia gedient, worüber vgl. Le-
normant Gr. Gr. II, 322, der noch hätte erwähnen können, dass man die
Entdeckung der Bestimmung der Platte Herrn Jatta verdankt; S. 401
(Gräber und Vasen).
In Terra d'Otranto u. s. w., dem alten Calabrien: Brindisi 1880
S. 254. 356. 405. 501; 1881 S. 66. 219. 240 (meist kleine römische In-
136 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
Schriften). Mesagne 1880 S. 405 (Gräber). Ostuni (Sturni) 1880 S. 499,
messäpisches Grab, durch Münzen als der letzten Zeit der römischen
Republik angehörig kenntlich. Genosa (Gebiet von Lecce) 1881 S. 95.
Oria (Uria) 1881 S. 9G. 249 (messap. Grab). Taranto 1879 S. 348.
Vasen; 1880 S. 34. 104. 189, interessant eine Bleiplatte mit Namen, in
denen Comparetti die von Pythagoreern erkennt.
In Lucanien (Basilicata) : Metapontum 1880 S. 190 archaisch-
griechische Inschrift, erklärt von Comparetti. Muro Lucano, gelegen
zwischen Eboli und Melfi, soll das alte Numistro sein; es ward u. a.
ein Stück einer antiken Strasse entdeckt, vielleicht der, die von Numistro
nach Herdoniae führte. 1881 S. 122. Laurenzana. Potenza. Brindisi
la Montagna 1881 S. 123 römische Inschriften. S. Chirico Raparo 1881
S. 124, ebenfalls Vaglio di Basilicata, Spuren einer alten Stadt, die an
der Strasse lag, welche von Venosa über Oppido einerseits nach Potenza,
andererseits nach Heraclea führte 1881 S. 123.
In Calabrien. Tarsia unweit Sybaris 1880 S. 162 (eine Bronze-
statue). Strongoli, in der Gegend Le Pianette, die dem alten Petelia
entspricht. 1879 S. 226; 1880 S. 68— 73. 163. 501. Cotrone (Kroton)
1879 S. 227—229, Fund von Goldmünzen, worüber vergl. Lenormant Gr.
Gr. II, 131. 132 und 1880 S. 502. — In der Gegend von Catanzaro und
Squillace 1879 S. 230. — Tiriolo 1881 S. 172. — Nicotera 1880 S. 162;
1881 S. 172. 249.
Im Principato citeriore und ulteriore (Picentiner, Hirpiner
und ein Theil der Lucaner) haben wir: Salerno 1879 S. 348; 1880 S. 66
(Gräber). Altavilla Silentina 1879 S. 348 (römische Inschriften). Ponte-
cagnano 1880 S. 67 (römische Inschriften). In der Nähe von Melito (bei
Grottaminardo) sind auf dem Hügel Ciano (1 Kilom. NW. von Mel.) grosse
Ueberreste einer alten Stadt gefunden; eine Nekropolis und von der
Stadt selbst Thermen und ein Tempelchen; anderes bleibt noch zu er-
forschen. Der Berichterstatter, Insp. Dr. Pecori, vermuthet, dass es die
nur einmal bei Liv. IX, 31 und bei Frontin, de colon. erwähnte hirpini-
sche Stadt Cluvia gewesen sei. — In der Civita genannten Gegend
zwischen Atripalda und Avellino, dem Ort des alten Abellinum, ist ein
prachtvolles Grab gefunden worden, worüber der Prof. A. Sogliano Be-
richt erstattet 1881 S. 298. — Ein Fund aus Lacedonia (zwischen Melfi
und Ariano) wird 1881 S. 248 berichtet. Endlich aus der Silarusgegend
Funde bei Buccino 1880 S. 354 und aus dem ager Volceianus (römi-
sche Inschriften), aus S. Gregorio Magno 1880 S. 356. 400 und 1881
S. 172.
InCampanien notiren wir: Castelvolturno 1880 S. 391, römische
Inschriften. Cumae, wo die Ausgrabungen in der Nekropolis, veranstaltet
von Herrn E. Stevens, fortschreiten, 1879 S. 338—347; 1880 S. 85— 96.
147. Pozzuoli (Puteoli), wo das Amphitheater aufgedeckt ward, 1880
S. 64. 96. 183. S.Maria di Capua (Capua) Gräberfunde, beim Arco
ünteritalien. 137
di Adriano, im fondo Virilasci und im fondo Tirone, 1880 S. 63. 84. 146.
183. 230. 392. 481; 1881 S. 91. S. Angelo in Formis , Auffindung von
Gräbern des Pagus Dianae, 1880 S. 450. Fuorigrotta bei Neapel,
1880 S. 393. Portici, 1880 S. 184 (römische Inschriften). Bei Torre del
Greco wurden vom Vesuv verschüttete Ueberreste, die schon 1841 unter-
sucht waren (hierüber in den Docum. inediti vol. IV s. oben), neu auf-
gedeckt, 1881 S. 60. In Castellamare (Stabiae) wurden römische Grä-
ber und Inschriften gefunden, 1879 S. 225. Caiazzo, römische Inschriften,
1881 S. 170. Alife, 1880 S. 83; 1881 S. 168, zahlreiche Gräber. — Was
die Notizie über Pompeji bringen, kann hier nicht besprochen werden;
wir erwähnen nur, dass ein Theil der Berichte den Prof. A. Sogliano
zum Verfasser hat. Merkwürdig ist, dass man auch in der Umgegend
Pompeji's interessante Entdeckungen gemacht hat, siehe Notizie 1880,
S. 494—498 und 1881, S. 25-29 und 64; es wurden 36 Skelette, offenbar
von Flüchtlingen, gefunden; s. 1881, S. 28.
Topographische Fragen, Pompeji betreffend, sind noch behandelt in
A. Mau, Pompei e la regione sotterrata dal Vesuvio, osservazioni.
Bull. d. Inst. 1880
welche Abhandlung ein Referat über den unter dem Titel »Pompei e la
regione sotterrata dal Vesuvio« im Jahre 1879 veröffentlichten Sammel-
band (besprochen in unserem Jahresbericht 1879, Abth. III, S. 321 ff.) ist,
und unter andern wichtige Bemerkungen über das alte Meeresufer enthält,
die die Ansichten Ruggiero's einigermassen raodificireu; ferner in einer von
V. Duhn und Mau im Rhein. Museum N. F. XXXVI, S. 127-130; 326
— 328 und 632 — 634 geführten Discussion über den Hafen von Pompeji.
Wir verzeichnen endlich: G. von Bezold, Sulla limitazione di Pompei,
Bull. d. Inst. 1880, S. 151-159, nach welchem die Via dell' Abboudanza
der Decumanus maximus und die Via di Mercurio und V. delle Scuole der
Cardo m. von Pompei ist. — An die genauen Berichte Mau's über Pom-
peji im Bullettino braucht hier nicht erst besonders erinnert zu werden.
In einigen Nummern der Augsb. Allg. Zeitung hat R. Schöner die Ge-
schichte der Ausgrabung von Pompeji in interessanter Weise behandelt.
Ueber Campanien im Allgemeinen handelt
von Duhn, Grundzüge einer Geschichte Campaniens nach Mass-
gabe der neuesten archäologischen Entdeckungen. In den »Verhand-
lungen der 34. Philologen-Versammlung zu Trier«.
Herr von Duhn fasst in diesem Vortrage die von ihm bereits in
anderen Aufsätzen, z. B. in den Schriften des römischen archäologischen
Institutes, dargelegten Gedanken über die Chronologie der Gräberfunde
Campaniens zusammen, indem er sie, mit neuen Bemerkungen bereichert,
zu einer Skizze der Geschichte Campaniens erweitert. Die llau])tzügc
derselben sind folgende. Die ältesten Bewohner Campaniens sind oski-
138 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
sehen Stammes. Doch beginnt die Geschichte des Landes erst mit der
Ankunft der Griechen. Kyme war schon gegründet, als der phönikisch-
karthagischc Handel sich um das Becken des tyrrheuischcn Meeres fest-
setzte. Das italische Alphabet ist aus dem chalkidischen abgeleitet. Von
Kyme führte eine Strasse in's Innere, welche hauptsächlich drei am Ein-
gange von Gebirgspässen gelegene Städte berührte, die so den Einfluss
griechischer Cultur erfuhren: Capua, Suessula und Nola. Von Suessula
besonders kennen wir die ältere Bestattungsart, die durchaus italisch
ist, aber Vasen benutzt, welche au? Griechenland importirt sind. Dies
dauerte bis zur zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Um 520 dran-
gen Fremde vom Gebirge her in Campanien ein, jedenfalls nicht Etrus-
ker, deren Anwesenheit in Campanien, trotz der Behauptungen der Al-
ten, die das Wort Tyrrhener falsch gedeutet haben, nicht nachweisbar
ist. Aber noch hielt sich das griechische Element in Kyme, ja es äusserte
sich in kräftigerem Einfluss auf die Städte des Innern, was wir in der
Art der Bestattung z. B. in Capua sehen. Bis um 420 v. Chr. läuft nur
kymaeisches und neapolitanisches Geld in Campanien. Da aber kommt
ein neuer Stoss der Bergvölker, die um 428 Capua, um 420 auch Kyme
erobern; es bildet sich die Nation der Campaner mit Capua als Haupt-
stadt. Neapel hält sich als griechische Stadt durch Nachgiebigkeit gegen
die Osker, und durch Neapel hat Athen Handelseinfluss in Campanien.
Auch unter den Römern, von 340 an, bleibt ein ähnliches Verhältniss.
Sogar entwickelt sich noch mehr der national - oskische Charakter Cam-
paniens, dem Pompeji als Hafenplatz seine Entstehung verdankt. Der
Reichthum der Campaner, etwa zwischen 340 und 220 v. Chr., zeigt sich
in den Gräbern. Das Land selbst fabricirte viele Thonwaaren; in dem
oskischen Heiligthum bei Capua sind unendlich viele Thonfiguren gefun-
den. So kommen wir in die römische Zeit, in der an die Stelle des
griechischen Hafens Neapolis und des oskischen Pompeji das römische
Puteoli tritt. Nun hört die selbständige Weiterentwicklung der Land-
schaft auf.
Der Verfasser wird hoffentlich, obschou er nicht mehr in Italien
lebt, die Geschichte und Archäologie von Campanien auch ferner be-
arbeiten.
Anderes Geographische aus Unteritalien betrifft
F. DellaCava, La uuova cittä in Baia. Interpretazione di un
passo di Strabone. In der Zeitschrift: Gli studi in Italia. An. III,
vol. I, fasc. I p, 41—58.
Diese Abhandlung ist ein Plagiat von folgender Schrift: Interpre-
tazione di un luogo di Strabone. Memoria del soc. ord. della Real Ac-
cad. Ercolauense Giac. Rucca, letta 1842. Nap. Starap. Reale 1850.
28 Seiten in 4. (wahrscheinlich Estratto dagli Atti della R. Acc Erc).
Herr Della Cava, von dem ich nicht weiss, wer er ist, hat die Abband-
Unteritalien. Sicilien. 139
lung des Herrn Rucca grösstentheils wörtlich abgeschrieben, mit einer
Naivetät, die das gewöhnliche Mass überschreitet. Er wird irgend einen
praktischen Zweck verfolgt haben, z. B. sich durch diese Arbeit ein Amt
zu verschaffen. Gegen solchen Schwindel ist die Redaction einer Zeit-
schrift natürlich ohne Waffen. — Der Inhalt der Arbeit Rucca's ist be-
reits in Meineke's Strabo I, Teubner 1866 S. X berücksichtigt worden.
Rucca wollte lesen : im viav Tiohv im -acg Baiacg ix JcxaMfj/ccag.
Für das Studium des Messapischen und somit für die Erkennt-
niss der Eigenthümlichkeit der Bevölkerung des südöstlichen Italiens ist
von Bedeutung eine Arbeit von
W. Deecke, Zur Entzifferung der Messapischen Inschriften I.
Rhein. Mus. f. Phil. N. F. XXXVI. S. 576-596.
Der Verfasser sagt S. 596: »Das Messapische verbindet die Grie-
chen mit ihren nördlichen Nachbarn, der epirotisch-illyrisch-macedouisch-
thracisch-phrygischen Völkergruppe, und beweist eine viel engere Zu-
sammengehörigkeit derselben, als man bisher annahm«. Wir dürfen
weiteren Forschungen des Verfassers mit grossen Erwartungen entge-
gensehen.
Wir erwähnen noch eine interessante Wortverbesserung:
Thuc. V, 5 erwähnt einen Krieg der italischen Lokrer gegen 7rc/j-
yeag xa\ Mekaioog 6/x6pouQ xai aTtotxoug. Städte entsprechenden Namens
gab es aber nicht. Classen hat deshalb nach Weidner 'I-ncuvcdrag xal
Meo/iato'jg gelesen, was thatsächlich richtig ist. Nur ist es etwas hart,
aus 'hojvdag ' Iznojvcdrag zu machen. J. Beloch macht nun in den Jahrb.
f. class. Phil, darauf aufmerksam, dass die Münzen von Hipponiou Emo}-
vcioj'/ haben, und schlägt sehr passend vor, bei Thucydides 'Imovcsag zu*
lesen. Das konnte leicht in Irwusag verändert werden. Er erinnert
ferner mit Recht daran, dass wir so die Verfeindung zwischen Lokri und
Hipponion, die im Jahre 388 Hipponion den Untergang brachte, schon
im fünften Jahrhundert finden.
Sicilien.
Wir beginnen mit
Praehistorischem aus Sicilien.
Sehr alte, sogenannte vorhistorische Grabstätten sind in Sicilien
schon seit lange bekannt; doch ist eine wissenschaftlich eingehende Be-
schäftigung mit diesen' Gegenständen erst in neuerer Zeit vorgenommen
worden. In meiner Gesch. Sic. I, 356 sind die ersten Leistungen in dieser
Hinsicht verzeichnet; dann kam die wichtige Schrift von Audrian's, über
die in dieser Zeitschrift (1879, Abth. III, S. 344 f.) berichtet worden ist.
Die Forschung schreitet nunmehr rüstig fort. Die Grabstätten, um welche
140 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
es sich handelt, sind verschiedener Art. Es sind theils natürliche Höh-
lungen der Felsen, die man zu diesem Zwecke benutzt hat, theils hat
man den Felsen eigens ausgehöhlt. Von Arbeiten letzterer Art ist schon
seit dem vorigen Jahrhundert eine ungeheure Menge in den verschie-
densten Theilen der Insel bekannt. Es sind Kammern, die in senkrechte
Felswände gearbeitet und vermittelst einer viereckigen Oeffnung zugäng-
lich sind. Solche Gräber finden sich z. B. in grosser Menge in den
Schluchten von Pautalica und Ispica; vgl. die Zusammenstellung in der
G. Sic. I, 379. In diesen Gräbern hat man aber fast nie Gefässe gefun-
den, weil sie schon der Lage wegen leicht bemerkbar sind und deswegen
schon lange der Beraubung zugänglich waren. Neuerdings ist man auf
eine andere Art von künstlich ausgehöhlten Gräbern aufmerksam ge-
worden. Sie sind in dem flachen Steinboden angebracht und deswegen
leichter der wissenschaftlichen Forschung aber auch der Habsucht ent-
gangen. Die in letzterer Zeit gefundenen enthielten meist auch Gefässe.
Eine grosse Zahl derselben fand Cavallari in der Gegend von Syrakus,
besonders auf der nördlich von dieser Stadt in's Meer vorspringenden
Halbinsel Magnisi, dem alten Thapsos, das in der Geschichte der Nie-
derlassung der ersten Griechen in Sicilien mehrfach erwähnt wird; vgl.
G. Sic. I, 390. Cavallari hat hierüber berichtet in dem Aufsatze
Thapsos. Appendice alla Memoria Le cittä e le opere di esca-
vazione etc. per Fr. Sav. Cavallari. Archiv, stör, sicil. N. S. anno V.
Pal. 1880.* 20 S. in 4. mit 1 Tafel.
Die von Cavallari gegebenen Zeichnungen und Beschreibungen lassen
den Charakter dieser Gräber deutlich erkennen. Sie enthalten zwei
Käume, einen Vorraum und den eigentlichen Grabraum. Jener ist vier-
eckig, und an einer Seite führt ein Thürchen zu einem etwas tiefer ge-
legenen gewölbten Räume von rundlicher Gestalt, der mit Nischen ver-
sehen ist, die als Grabstätten dienten. Die in diesen Gräbern gefunde-
nen Vasen sind von sehr rohem Charakter und nur mit Linearornamenten
versehen. — Ueber ähnliche anderswo in der Umgegend von Syrakus
geraachte Entdeckungen haben wir noch Berichten Cavallari's entgegen-
zusehen. Einstweilen hat er in einer Schrift, Sulla topografia di talune
cittä greche (s. unten) S. 321 erwähnt, dass in der Ebene von Milocca
südwestlich von Syrakus kürzlich Gräber gefunden sind, in denen sich
Vasen befanden »simili a quelli rinvenuti nelle stanze sepolcrali di Pan-
talica, Thapsos, Monserrato di Girgenti, Campobello di Licata e nella
stessa Siracusa all' occidente di Tica trovati nel giugno dell' 1880; questa
somiglianza della forma, dell' argilla e del rinvenimento provano l'esi-
stenza dl un popolo che in questi siti dimorava pria dell' arrivo dei
Greci«.
In den Westen Sicilieus versetzen uns analoge Funde, über welche
ein Bericht von A. Salinas vorliegt in den Notizie degli Scavi vom
Sicilien. 141
Jahre 1880 S. 356 — 359 mit Tafel X und XI, die vom Prof. Patricolo
gezeichnet sind. Diese Gräber sind zwischen Capaci und Carini ent-
deckt worden, als man den Boden , in welchem sie angelegt waren , als
Steinbruch benutzte. Prof. Patricolo hat drei von ihnen gemessen und
auf Tafel X abgebildet, sowie auf Tafel XI einige der dort gefundenen
Thongefässe. Auch diese Grotten bestehen aus zwei Räumen, einem
Vorraum und dem eigentlichen Grabe. Sie haben jedoch nicht dieselbe
Form wie die von Magnisi, und sind auch nicht so gross. Beide Räume
haben sphärische Gestalt, und gleichen rundlichen Gefässen, bauchigen
Töpfen, besonders der erste. Die Verbindungsöffnung ist auch hier nahe
dem Boden des ersten Raumes, aber der zweite Raum geht verhältniss-
mässig viel tiefer als bei den Gräbern von Magnisi. Die Räume sind
sehr klein: jeder nur ca. 1 m tief und der Grabraum höchstens 2 m lang;
die Verbindungsöffoung kaum V2 '« hoch und breit. Durch diese musste
also eiu Arbeiter, der wohl nur ein Knabe sein konnte, sich in den Fel-
sen hineinarbeiten, um den zweiten Raum auszuhöhlen, und es ist wun-
derbar, mit welcher Sauberkeit in dem festen Gestein und mit jedenfalls
höchst unzureichenden Werkzeugen diese Höhlung gemacht ist. In den
Grabkammern wurden menschliche Knochen und sehr rohe, mit wenigen
Linien gezierte Gefässe gefunden, welche mit denjenigen übereinstimmen,
die in der natürlichen Grotte von Chiaristella bei Villafrati gefunden
worden sind; vgl. v. Andrian, Prähistor. Stud. aus Sicilien Taf. IV. Seit-
dem sind näher bei Palermo in der Colli genannten Gegend ähnliche
Gräber entdeckt worden, über die wir Nachrichten von Salinas zu er-
warten haben.
Wir notiren andere Funde ähnlicher Art, besonders aus den No-
tizie degli Scavi. In diesen, 1879 S. 231 — 234, wird über Funde von
Vasen ältester Art berichtet aus der Gegend zwischen Carapobello und
Licata, wo man bei Gelegenheit des Baues der Eisenbahn die Entdeckun-
gen machte. Die Vasen fanden sich theilweise in natürlichen Grotten;
aber S. 233 wird eine Grotte beschrieben, die von Menschenhand gear-
beitet ist: ein pozzo centrale mit zwei cavitä laterali. Auf S. 234 wer-
den Bruchstücke von Gefässen mit langem Fusse abgebildet die ähnlich
sind mit dem von v. Andrian Taf. IV no. 1 abgebildeten, welche vom
Monte Toro bei Girgenti stammen. Wir haben hier eine vorgerücktere
Kunstübung als die von Villafrati und Carini. — Gräber die in ihrer
Anlage den in die Felswände gehöhlten von Ispica und Pantalica ähnlich
sein müssen, sind gefunden worden in der Nähe von Caltanissetta auf
dem Berge Gibil-Gabib, nach Notiz, d. Sc. 1880 S. 502. Vgl. N. d. Sc.
1881 S. 69; und über ähnliche in der contrada Tauro bei S. Cataldo:
N. d. Sc. 1881 S. 174. Einen Schlussbericht des Ingenieurs Pappalardo
über Gibil-Gabib haben wir dann N. d. Sc. 1881 S. 250. 251. - Dage-
gen meldet der Inspector der Alterthüraer Sac. Aut. Castiglioue aus
Mazara von Funden aus der Gegend nordwestlich von dieser Stadt, die
142 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
Aehnlichkeit mit den Anlagen von Magnisi und Carini zu haben scheinen.
Er spricht dort nämlich (N. d. Sc. 1880 S. 104) von einer buca fatta a
ferro di cavallo, profonda circa met. 1, 25, welche mette in un forno
per mezzo di una bocca arcuata, alta e larga un metro circa; dieser forno
ist quasi perfettamönte circolare e nell' interne presenta la forma di un
esatto emisfcro. Hierin wurden menschliche Gebeine gefunden und es
sollen die Skelette a guisa di raggi co'piedi al centro gelegen haben.
Castiglione sagt es nicht deutlich, aber offenbar ist der forno seitwärts
von der buca; dann entspräche die Anlage denen von Carini und Mag-
nisi. Im forno ward ein vasetto a righe gefunden. — Bei Mussuraeli
scheinen ähnliche Anlagen gefunden zu sein (Salinas in den N. d. Sc
1881 S. 68) ; wogegen die umfassende Nekropole Le Grotte bei Mussu-
meli in ihrem Charakter noch nicht bestimmt worden ist.
Die Erforscher dieser Gräber haben sich auch mit der Frage be-
schäftigen müssen, welchem Volke sie wohl angehört haben. Für die
von Magnisi denkt Cavallari, wie natürlich, an die Sikeler; bei denen
von Carini erinnert Salinas passend daran, dass Carini nahe bei dem
sikanischen Hykkara liegt, ohne damit sagen zu wollen, dass jene Gräber
gerade den Bewohnern der Stadt Hykkara gehörten. Man kann wohl
im Allgemeinen annehmen, dass die im östlichen Sicilien gefundenen
den Sikelern, die des westlichen den Sikanern gehörten; wo aber die
Grenze war, ist noch nicht zu entscheiden. Auf der älteren Stufe steht
offenbar die «Bevölkerung von Carini und Villafrati, in der Gegend von
Syrakus, bei Ragusa, Modica (vgl. unseren letzten Jahresbericht, in Be-
treff V. Andrian's S. 335 ) und Girgenti war man in der Cultur schon
vorgerückter. Gewiss werden neue Funde und Untersuchungen uns all-
mählich auch hierüber mehr Aufklärung bringen.
Von mir zu Gesicht gekommenen Arbeiten über einzelne prähisto-
rische Objecto aus Sicilien kann ich eine Abhandlung
SuUe armi di pietra e di bronzo rinvenute in varii siti dell' Etna,
von Dr. A. Somma, 14 p. in 4. und 1 Tafel
erwähnen, enthalten in den Atti dell' Acc. Gioenia in Catania, Ser. 3,
vol. XV.
Wir empfangen soeben durch die Güte des Verfassers folgende
Abhandlung :
SuUe tombe e stazioni di famiglie Iberiche esistenti in Italia. Nota
di L. Pigorini. (R. Accad. dei Lincei. Vol. VI. Ser. 3. Trasunti).
2 S. in 4.
woraus hervorgeht, dass mit einem in einer Grotte bei Villafrati in Si-
cilien gefundenen, bei v. Andrian, Präh. Stud. aus Sic. IV, 7 abgebilde-
ten Gefässe identische in der iberischen Halbinsel, in der Provence und
in der Bretagne gefunden sind. Das bestätigt, nach Pigorini, die Nach-
Sicilien. 143
rieht der Alten, dass Iberer in Sicilien wohnten; die erwähnten Grotten
gehören der neolithischen Periode an.
Mit der griechischen Zeit dagegen beschäftigt sich:
Sulla topografia di Salune cittä greche di Sicilia e dei loro mo-
numenti per Fr. Sav. Cavallari. Arch. Stör! Siciliano. N. S. anno V.
S. 315 — 345.
Diese Abhandlung ist die Fortsetzung der in in unserem letzten
Jahresbericht (Abth. III S. 338) besprochenen. Cavallari behandelt zu-
nächst Syrakus und seine Umgegend, wobei er sich aber deswegen ganz
kurz fasst , weil die Veröifentlichung des grossen Planes von Syrakus,
der auf Anordnung des K. Ital. Unterrichtsministeriums eben vom Prof.
Cavallari ausgearbeitet ist und von einem Texte theils von Cavallari,
theils von dem Referenten begleitet sein wird, bevorsteht. Er bespricht
kurz Akrae und nimmt (S. 320) an, dass auf dem Berge Pinnita bei
Akrae, wo viele Grabkammern vorhanden sind, eine uralte Stadt gelegen
hat. S. 322 geht er an die Beschreibung des Lato meridionale della
Sicilia, und beginnt mit allgemeinen Bemerkungen über die natürlichen Ver-
hältnisse. Er stellt S. 328 die eigenthümliche Ansicht auf. dass die Ver-
ehrung Apollo's in Selinus zu betrachten sei come un atto di condiscendenza
dei Selinuntini verso i loro nuovi amici di razza eliraa. S. 331 beginnt
der erste Abschnitt: dal Pachino all' Imera meridionale. Er erwähnt
S. 331 die Ungewissheit der Lage von Kasmenae (vielleicht bei Scicli),
erklärt, warum die Ecke Sicilien's um den Pachynus nicht von Griechen
besetzt wurde, und bespricht S. 334 die Ueberreste von Kamarina, worauf
er zu Gela (Terranova) übergeht. Er macht bei dieser Gelegenheit darauf
aufmerksam, dass sich bei Kamarina zwei Nekropoleu linden, und ebenso
bei Gela und bei Selinus. Die beiden Nekropolen von Kamarina haben
nach Cavallari Vasen verschiedenen Charakters geliefert; und dasselbe
ist der Fall in Selinus. Bei Gela ist dies Factum in Folge mangelhafter
Fundnotizen (S. 338 oben) nicht mehr zu constatiren. Cavallari ist nun
der Ansicht, dass immer eine der beiden Nekropolen, diejenige, welche
nur Vasen mit Thierfiguren enthält, einer an derselben Stelle, wie die
griechische, gelegenen vorhellenischen Stadt angehöre. — S. 341 geht
er zum zweiten Theil über: dall' Imera meridionale al capo S. Marco.
Er bespricht die natürlichen Verhältnisse und bemerkt die durch Vasen
und andere Ueberreste erwiesene Existenz einer griechischen Stadt des
fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr. auf einem Hügel fünf Kilometer
von Naro an der Strasse nach Palma; verzeichnet Grabkammern ähnlich
denen von Sperlinga und Nicosia bei Ragame, zwei Kilometer von Naro
an derselben Strasse, und christliche Katakomben in Naro, das somit
in den ersten Jahrhunderten n. Chr. schon als Stadt existirte.
144 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
Specielle Punkte behandeln:
P. Cipolla, Sülle probabili ongini di Caltavuturo e Sciafani.
Arch. stör. Sic. N. S. V, 67—120.
Der Verfasser zeigt in dieser Abhandlung zunächst, dass Calta-
vuturo nicht, wie man gewölinlich annimmt, nach einem Abu-thur, der
dort 882 besiegt wurde, benannt worden ist, da es unter demselben Na-
men schon 851 vorkommt (S. 83); er nimmt mit Wahrscheinlichkeit an,
dass es schon im Alterthum existirte und sucht nun seinen alten Namen.
Er findet ihn im Töpycov (soCluver. iür Jopycov der codd.) bei Diod.XX, 89;
und der ebendas. erwähnte Ort "Ajxßixzg ist nach seiner Ansicht Sciafani.
Vgl. hierüber G. Sic. II, 260 und 479. Der Verf. legt (S. 91) Gewicht darauf,
dass Torgion und Ambikes in der Nähe der von Diod. XX, 77 erwähnten
Städte Thermae und Kephaloidion liegen müssten, was dann für Calta-
vuturo und Sciafani sprechen würde. Das ist doch nicht sicher. Bei
Diod. XX, 77 sind wir im Jahre 306 v. Chr.; XX, 89 im Jahre 305:
Agathokles hat inzwischen mit den Karthagern Frieden geschlossen, hat
also wieder sich in Syrakus aufhalten können, und wenn er von da gegen
Deinokrates auszog, braucht der Ort der Schlacht nicht in der Nähe von
Termini und Cefalü zu liegen. — Was den Namen Sciafani betrifft, ist
Cipolla der Ansicht, er sei aus Aesculapii fanum entstanden, mit Rück-
sicht auf die kräftigen warmen Quellen bei Sciafani. Das könnte ja
sein; wenn er aber sagt, Pausanias bezeichne auch Aluntium als Aescu-
lapii fanum,* so ist das ein Irrthum; Pausanias spricht überhaupt gar-
nicht von Aluntium. — Nicht Diodor nennt Torgion einen Berg, wie
Cipolla S. HO angiebt, Diodor sagt nur: zu xaXoü/isvov Töpyiov. Der
bekannte Sarkophag von Sciafani kann nicht, wie der Verfasser (S. 1 10)
zugeben möchte, ein »avanzo della distrutta Imera« sein; denn Sarko-
phage dieser Art gehören der Zeit der römischen Kaiser an, und Himera
wurde 409 v. Chr. zerstört. — Der Verfasser hat viel Scharfsinn und
Gelehrsamkeit gezeigt, und ist in den mittelalterlichen Dingen sehr gut
bewandert.
Vinc. Gallo Pontani, Collesano prima del dominio Normanno.
Pal. 1881. 28 S, in 8.
Der Verfasser ist mit Anderen der Ansicht, dass neben dem heu-
tigen Collesano die im Alterthum selten erwähnte Stadt Paropos lag
(vgl. G. Sic. I, 366), er bespricht die wenigen von ihr erhaltenen Mün-
zen, und findet auf denselben die Religion und die Tugenden der Paro-
piner ausgedrückt; S. 20 spricht er von der »Corona di luminose virtü,
che abbiam posto sul capo dei Paropini«. Er ist so begeistert für Pa-
ropos, dass er S. 21 ausruft: »oh, dolcezza a pronunziarne il nome«. Es
sind dort noch Spuren »di natura pelasgica« »enormi massi posti Tun
SU l'altro senza cemento di sorta alcuna«. Vgl. G. S. I, 379 nach F. di
Giovanni, sui lavori intrapresi etc., der allein die üeberreste bei Colle-
sano mit dem uralten Gebäude oberhalb Cefalü zu vergleichen weiss.
Sicilien. 145
Studii di storia Palermitana, epoca antica, per A. Holm. (Arch.
stör. Sicil. N. S. IV). Palermo 1880. 22 S. in 4.
Es hat dem Pieferenten passend geschienen, die Geschichte Paler-
mo's im Alterthum einer Revision zu unterwerfen. Das Beste was in
neuerer Zeit ausserhalb Palermo's darüber geschrieben ist, ist die Ab-
handlung Schubring's, die auch in Palermo selbst gebührende Anerken-
nung gefunden hat. Aber einerseits ist Schubring nicht sehr lange in
Palermo gewesen, weswegen er auf einzelne immerhin wichtige Terrain-
verhältnisse nicht hat Rücksicht nehmen können, und andererseits sind
seitdem einige Beiträge zur alten Geschichte der Stadt erschienen, von
denen auch in unseren Jahresberichten gesprochen worden ist. So hatten
wir uns vorgenommen die hauptScächlichsten, noch controversen Fragen
der Geschichte und Topographie Palermo's im Alterthum einer neuen
Erörterung zu unterziehen, und in der oben bezeichneten Abhandlung
ist damit der Anfang gemacht worden. Es soll keine eigentliche Ge-
schichte Palermo's im Alterthum werden; dazu ist es aus zwei Gründen
noch zu früh. Einmal, weil gerade jetzt noch manche Entdeckungen er-
wartet werden können, welche über die ältesten Zustände dieser Gegen-
den Licht verbreiten werden (s. oben das über die prähistorischen Funde
Gesagte) und zweitens, weil noch immer ein genauer Plan von Palermo
mit Angabe der Höhen der einzelnen Punkte über dem Meere fehlt,
ohne einen solchen aber die Formation einer Stadt, die, wie Palermo,
seit 2500 Jahren sich beständig verändert hat, garnicht genügend fest-
zustellen ist. Es schien uns wichtig, zunächst die Frage von der Ge-
stalt der Altstadt neu zu erwägen und vor allen Dingen die von der
Gestalt des Hafens einer Entscheidung näher zu bringen, und das haben
wir im ersten Abschnitte versucht. Es hat hier der wenig benutzte Plan
von Palermo vom March. von Villabianca Pal. 1777 gute Dienste leisten
können. Der zweite Abschnitt bespricht die Frage, wer eigentlich zuerst
Panormos bewohnt hat, und entscheidet sich für griechische Ansiedler,
denen erst später die Phönicier gefolgt sind. Er erwägt sodann die
Frage nach dem Namen, den die Stadt bei den Phöniciern trug und
spricht sich für das auf Panormitanischen Münzen vorkommende Z J Z
aus, eine Ansicht, die auch Ugdulena zuletzt getheilt zu haben scheint
und die ursprünglich von De Saulcy aufgestellt worden ist. Wir hoffen
diese Beiträge zur Geschichte von Panormos fortsetzen zu können. Einige
der von uns behandelten Fragen sind auch Gegenstand der Erwägung
geworden in folgendem Aufsatz:
Sopra alcune porte autiche di Palermo e sull' assedio del 1325
von Vinc. Di Giovanni, im Arch. stör. Sicil. N. S. VI p. 21—98.
Diese sehr gelehrte Abhandlung beschäftigt sich vorzugsweise mit
dem mittelalterlichen Palermo, behandelt jedoch auch das Alterthum und
verdient sorgfältige Erwägung.
Jahresbericht für Alterlhuraswissenschaft XXVIU. (I881. UI.) 10
146 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
Wir müssen noch hinzufügen, dass alle diese topographischen Fra-
gen jetzt leichter stndirt werden können, seit uns Amari die arabisclien
Texte, die gerade für die Topographie von Palermo von so ungemeiner
Wichtigkeit sind — man lese nur die Arbeit Schubring's - zugänglicher
gemacht hat, durch die italienische Uebersetzung seiner Sammlung der
arabischen Schriftsteller über Sicilische Geschichte. Es ist die
Biblioteca Arabo-Sicula, ossia Raccolta di testi arabici che toccano
la geografia, la storia etc. della Sicilia raccolti e tradotti in Italiano
da Michele Amari. 2 voll. Torino e Roma 1880 und 81 in 8.
Wir haben diese vortreffliche, durch die erklärenden Anmerkungen
des berühmten Herausgebers und Uebersetzers besonders vverthvolle Ar-
beit noch nicht vollständig für die Zwecke der alten Geographie Sici-
lien's durchnehmen können, wollen aber doch wenigstens einen Punkt
erwähnen, wo wir daraus eine Auflvlärung über eine topographische Frage
erhalten. Bei Liv. XXIV, 35, Plut. Marc. 18 und St. Byz. kommt ein
Ort Acrillae vor, der wahrscheinlich an der Strasse zwischen Agrigent
und Akrae lag. Nun hiess der jetzt Dirillo genannte Fluss, der aus der
Gegend von Vizzini kommend, südlich von Terranova mündet, bei den
Arabern Wädi Ikrllü, und Amari I, 104 erklärt dies mit Recht als:
Fluss von Akrilla. Akrillae kann sehr gut am Dirillo gelegen haben,
an dessen westlichen Nebenfluss es schon Parthey gesetzt hat; Referent
möchte aber^glauben, dass es vielmehr an der Stelle des heutigen Biscari
lag, und legt diesen, wie es scheint, noch nicht ausgesprochenen Ge-
danken hiermit den Kennern zur Erwägung vor.
Die Notizie degli scavi bringen aus Sicilien den ausführlichen
Bericht über die Entdeckung der Lage der alten Stadt Symaethus durch
Prof. Sciuto-Patti, 1881 S. 217 und folgende. Da Referent hierüber
in zwei Nummern der Philol. Wochenschrift gesprochen hat [2. Jahrg. N. 1
S. 24—25 u. N. 6 S. 190—191) glaubt er hier einfach auf die dort gege-
benen Notizen verweisen zu müssen. Dieselben Notizie enthalten ferner
über einige historisch wichtige Punkte der Nordküste Siciliens einen inter-
essanten Bericht vom Prof. A. Salinas 1880 S. 191 — 200. Er betrifft
S. Marco, wo Salinas einen bisher nur von Schubring erwähnten griechi-
schen Tempel, der in eine Kirche verwandelt war, gesehen und geraessen,
wo er ferner die noch vorhandenen Inschriften theils neu verglichen, theils
zum ersten Male abgeschrieben, und sich endlich durch die relative Häufig-
keit der gerade hier vorkommenden Aluntinischeu Münzen überzeugt hat,
dass S. Marco wirklich Aluntium war (so auch Ref. G. Sic. I, 366. 367). —
In S. Pietro sopra Patti hat Salinas ein Ruudgebäude genau untersucht,
das wahrscheinlich aus römischer Zeit herstammt; in S. Fratello hat er
die Lage der alten Stadt und der Nekropolis festgestellt, aber keine
Anhaltspunkte für die Benennung der Stadt gefunden ; in S. Agata di
Militellü hat er keine antiken Ueberreste gefunden, so dass er nicht
Sicilien. 147
weiss, weshalb Schubring hierher eine alte Stadt Namens Alaesa setzt.
In Tyndaris beschäftigten ihn Inschriften und die Numismatik der alten
Stadt, die noch nicht bekannte Typen enthält. — Die Notizie enthalten
endlich kleinere Berichte, welche folgende Punkte betreffen. Taorraina
1879 S. 253. 1880 S. 35 (Mauern aus griechischer Zeit) 301. 356. 1881
S. 197. — Catania 1881 S. 173 Ueberreste eines Gebäudes am Fusse
des Felsens von Leucasia, auf dessen Höhe das bei Serradifalco V, tav.
XIII no. 3 und 4 abgebildete Grab steht, und 1881 S. 198. — Bei Augusta
auf dem Boden der alten Stadt Megara Hyblaea 1879 S. 230. 1880
S. 37—42 (ausführliche Aufzählung der in den entdeckten Gräbern ge-
machten Funde). — Syrakus 1880 S. 73. 405. 1881 S. 97. 124 (Gräber
im sepolcro d'Archimede) 198 (Funde in der Ebene zwischen der Stadt
und dem Flusse) 250. — Bei Caltagirone 1879 S. 253. 1880 S. 73. 105.
164 (Gräber). Caltanissetta 1881 S. 68. - Bei Piazza Armerina an einem
Casale genannten Orte 1881 S. 173 (neue Untersuchung eines Punktes,
an dem 1812 augeblich Strassen und ein Tempel gefunden wurden; jetzt
besonders Mosaiken gefunden). — Termini Imerese 1879 S. 254. 287
(Inschriften) 326 (römische Ueberreste auf dem Hügel S. Lucia, auf dem
man schon früher Spuren von Gebäuden aus römischer Zeit gefunden
hatte). 1880 S. 200. 1881 S. 98 (Inschr.). Palermo 1880 S. 453 (Inschr.).
Solunt 1880 S. 503. — Partanna 1880 S. 164 (gr. Inschr.). Selinunt
1880 S. 164. 1881 S. 70 (Freilegung von Tempeln auf dem Westhügel).
Die vortreffliche Abhandlung:
Ueber die Verwendung von Terrakotten am Geison und Dache
griechischer Bauwerke. Einundvierzigstes Programm zum Wiuckel-
mannsfeste der archäologischen Gesellschaft zu Berlin von W. Dör-
pfeld, F. Graeber, R. Borrmann, K. Siebold. Mit 4 Tafeln
in Farbendruck. Berlin 1881. 4.
können wir hier nur in der Hinsicht erwähnen, weil sie den Beweis giebt,
dass das Schatzhaus der Geloer in Olympia von einem sicilischen Archi-
tekten erbaut worden ist, mit Eigenthümlichkeiten, die sich gerade so
in Gela wiedergefunden haben, gewiss ein merkwürdiges historisches
Factum. Den übrigen reichen kunsthistorischen Inhalt der Abhandlung,
welche der sicilisch-unteritalischen Kunst eine gewisse Eigenthümlichkeit
der sonstigen griechischen gegenüber zu vindiciren scheint, müssen wir
hier unbesprochen lassen.
Wir erwähnen endlich in geographischer Beziehung
Italien. Handbuch für Reisende von K. Baedeker. Dritter Theil:
Unteritalien und Sicilien. Mit 25 Karten und 14 Plänen. Sechste
verbesserte Auflage. Leipzig 1880.
In dieser neuen Auflage ist besonders Sicilien durch Verbesserun-
gen berücksichtigt worden. Dahin gehören: die geographische Einlei-
10*
148 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
tung von Prof. Th. Fischer in Kiel, die neue von Kiepert nach der ita
licnischcn Generalstabskarte im Massstahe von 1 : 800,000 gezeichnete
vortreffliche Karte von Sicilien, und die Beiträge des Referenten, welche
besonders die Stätten der alten Cultnr betreffen, wie Syrakus, Girgenti,
Selinus u. a. Diese Verbcsserungen beweisen das constante Streben der
Verlagshandlung, der Wissenschaft wie dem Publikum gerecht zu wer-
den. Natürlich sind Bücher von dem Charakter des Vorliegenden nie
fertig. Die Wissenschaft schreitet fort und dem Publikum werden neue
Bequemlichkeiten geboten, und auf Beides ist Rücksicht zu nehmen.
Und so ist Stoff zu neuen Aenderungen vorhanden. Die neuen Eisen-
bahnen wollen berücksichtigt werden, und Gegenden, für die die Wissen-
schaft mehr leistet als früher, müssen auch im Bädeker in dieser Hin-
sicht eine neue Bearbeitung finden. So werden wahrscheinlich in der
nächsten Auflage die Terra d'Otranto, Basilicata und Calabrien an die
Reihe kommen. Auch eine Specialkarte von Untcritalien wäre wünschens-
werth. Nicht alle Wünsche können immer schnell erfüllt werden; aber
wir wissen, dass die Verlagshandlung keine Mühe und Kosten scheut um
den Bedürfnissen der Reisenden Genüge zu leisten.
Zu Arbeiten mehr geschichtlichen Charakters übergehend haben wir:
L'impero Siciliano di Dionisio. Memoria di Giulio Beloch.
Roma 1881. 28 S. in 4. mit 1 Karte. (R. Accad. dei Lincei 1880. 81).
Wenn» Referent diese Schrift ausführlicher bespricht, als es der
Umfang derselben zu verlangen scheinen könnte, so geschieht es ihrer
principiellen Bedeutung wegen, die nicht gering ist, wie die nächsten
Seiten zeigen werden.
Der Verfasser behandelt in Cap. I: L'impero di Siracusa, seine
geographische Ausdehnung bis auf Dionys, und die Geschichte der Er-
oberungen dieses Tyrannen in- Sicilien und Italien. Er hebt hier einiges
schärfer hervor, als es bisher auch vom Referenten geschehen war. So
bespricht er S. 5 und 6 die Stelle Diodor's XIV, 96 in Betreff des Ver-
trages des Dionys mit den Karthagern im Jahre 392: r^oav o' al auv-
Srjxac rä jxkv äUa Tiapan^mac zacg npo-zpov (vom Jahre 405). Dies sei
jedoch absurd, und um das einzusehen bedürfe es keines »grande acume
critico«. Wenn das heisseu sollte, dass Beloch's Vorgänger sich des Man-
gels auch an massigem Scharfsinn schuldig gemacht, so wäre es ein Irr-
thum. Meltzer, G. d. K. 1,307 hat die Frage wohl erwogen, und Re-
ferent hat (G. Sic. II, 128 und 122) sich veranlasst gesehen, dasselbe an-
zunehmen, wie Beloch, mit besonderer Erklärung des Factischen, frei-
lich ohne Diodor ausdrücklich der Absurdität anzuklagen. —- Beloch nimmt
S. 7 an, dass die Schlacht bei Kronion und der darauf folgende Friede,
welche Diodor (XV, 15—17) in das Jahr 383/2 setzt, nicht vor 378 fal-
len können, weil erst 378 die Karthager die von Dionys vertriebenen
Hippouiaten zurückführen, was doch nur im Kriege mit Dionys gesche-
Sicilien. Geschichte. 149
hen konnte. - Auch hier muss man nicht glauben, dass Beloch zuerst
Schwierigkeiten gefunden habe, über die seine Vorgänger leicht hinweg-
gelesen hätten. Man vergleiche Meltzer I, 311 und meine G. Sic. II,
368, wo ich vermuthet habe, dass die Stelle Diod. XV, 24 einen falschen
chronologischen Platz hat, woraus man schliessen kann, dass die betref-
fenden Begebenheiten eigentlich früher gehören. Keferent kann also
nur sagen, dass Beloch die Schwierigkeit schärfer betont und einen Vor-
schlag zu ihrer Lösung gemacht hat, der möglich ist. — S. 8 spricht
Beloch von dem Zustande von Rhegion nach der Einnahme der Stadt
durch Dionys. Str. 258 sagt, Diouys habe es zerstört, worauf sein Sohn
fisfjog t: zuo xTcapLarog dvaAußdiv 0oißiav ky.dXtaöv. Das gefällt Beloch
nicht; denn wie konnte dann der alte Dionys dort einen Palast mit
Garten haben; die Stadt ward nur »smantellata«. Aber warum nicht?
Jemehr zerstört war, desto mehr Platz hatte der Tyrann für seine Gär-
ten. Dass das Gebiet von Rhegion nicht ganz an die Lokrer gekommen
sein kann, habe auch ich (G. S. II, 132) bemerkt. — S. 9 will Beloch
nicht zugeben, dass Ancoua, wie Strabon will, von syrakusanischen Flücht-
lingen gegründet sei. »Esuli« seien »poco adatti a fondar delle cittä
in un paese occupato da tribü bellicose«. Haben »esuli« etwa weniger
Körper- und Geisteskräfte als andere Leute? — Cap. II behandelt von
S. 9 an die Organizzazioue dell' impero, wobei die verschiedenen Classen:
Bürger, Bundesgenossen, Unterthanen, auseinandergehalten und nachge-
wiesen werden. Beloch will nicht glauben (S. 11. 12), dass viele Bar-
baren unter den Söldnern des Dionys waren; »la grande maggiorauza«
der Soldaten, besonders in der ersten Zeit, seien Griechen gewesen. Da-
von wissen wir nichts; Beloch citirt Diod. XIV, 44, welche Stelle es aber
nicht beweist. Wenn Piaton dem jüngeren Dionys den Rath gab, die
Barbaren aus den Städten zu entfernen, so hält Beloch das für einen
»pravo consiglio«; das hätte die »unitä« und »indipendenza« von Sici-
lien zerstört. Nun, nachher that Timoleon es doch, und es stand mit
der Einheit und Unabhängigkeit von Sicilien unter ihm auch nicht schlim-
mer. S. 13 bespricht Beloch die Münzverhältnisse Sicilien's unter Diouys,
wobei er den Catologue of the Brit. Museum, und P. Gardner's Sicilian
Studios citirt. Referent möchte hier seine Priorität wahren. Seine Ge-
schichte Sicilien's Bd. II ist 1874 erschienen, Garducrs Studios 1876. Dass
unter Dionys nur eine syrakusanische Prägung im griechischen Theile
Sicilien's war, dass Dionys eine Reichsmünze geschaffen hat, hat Referent
zuerst G. S. II, 146 nachgewiesen, und er glaubt diesen Nachweis als
etwas Eigenes, das in seinem Buche bleibenden Werth hat, beanspruchen
zu dürfen. Ebenso bereitwillig erkennt Referent an, dass Beloch den
verbündeten Städten wohl mit Recht die Befugniss, Brouzeniünzon zu
prägen, vindicirt hat (S. 13. 14) • eine Ergänzung und genauere Fassung
der vom Referenten gewonnenen Resultate. Referent erkennt ferner an,
dass Beloch in geschickter Weise im syrakusanischen Reiche die regle-
150 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
rende Stadt, die Bundesgenossen und die Unterthanen sondert; es ist
dies eine Bcreiclierung der historischen Wissenschaft. — Cap. III be-
handelt die Verfassung von Syrakus in der Zeit der Demokratie. Hier
finden wir manches Bcmerkenswerthe, was reiflich erwogen zu werden
verdient. So was Bcloch über die Zahl der Phylen in Syrakus sagt.
Doch sind nicht alle seine Gründe gegen die Zahl drei stichhaltig, zumal
nicht der aus Thuc. VI, 100 etitnomraene. Es ist nicht wahrscheinlich,
dass die aus einer Phyle gebildete Besatzung der Mauer nur von den
300 geschlagen wurde; vgl. d. Ausg. von Classen. Auch in den Bemer-
kungen über die Stratcgenwahlen ist nicht alles richtig. Zur Zeit der
athenischen Belagerung traten die Strategen ihr Amt im P'rühjahr an;
in der Geschichte Dion's kommen Wahlen Mpoog /leffoüvrog vor (Plut.
D. 38). Daraus schliesst Beloch, es habe inzwischen eine Verfassungs-
veränderung stattgefunden; statt jährlicher Strategen gebe es nun halb-
jährliche; eine Massregel des Dionys, der den Syrakusanern mehr Ehren-
ämter verschaffen wollte. Boloch macht selbst die Bemerkung, es könne
Jemand sagen, die Wahlen bei Plut. D. 38 seien ausserordentliche ge-
wesen; das sei aber nicht der Fall: »Plutarco ci asserisce esplicita-
mente che erano elezioni regolari« (S. 17). Wo Beloch das wohl gele-
sen hat? Wir finden bei Plut. 37, wie nach der Uebergabe der Burg
durch Dionys an Apollokrates die Syrakusaner, von Demagogen aufge-
stachelt, eine Gütervertheilung beschliessen, und aTfxj.y/jyoug kzipoog kXi-
a&at, zr^s ixscvou ßapüzr^zog är.allayivzBq. Also »jenen« absetzen und
andere wählen! Und so geschieht es. Es werden gleich 25 gewählt. Wie
man da regelmässige Wahlen finden kann, sehe ich mit dem besten Wil-
len nicht. Was hätte es dann gegen Dion geholfen, wenn man an Stelle
der ordnungsmässig abgehenden andere wählte? Es ist ja klar, dass die
25 an Stelle des einen Dion treten sollten. Die halbjährlichen Strate-
gen, nach Analogie der kurzen Consulate unter den römischen Kaisern,
existiren nur im Geiste Beloch's. — Bei Gelegenheit der ßüülrj (S. 18)
wäre doch zu erwähnen gewesen, dass sie nie in der Geschichte figurirt.
Ob sie überhaupt existirt hat?
Wir kommen zu dem wichtigsten Capitel, Cap. IV, das die Ver-
fassung von Syrakus unter Dionys behandelt. Beloch fragt S. 19: Wann
hat die Tyrannis des Dionys begonnen? Nicht als er zum a-pazr^yhq
auzoxpdzwp gewählt wurde; sondern im Winter 405/4. »Prima di tutto
era uecessario di deporre i poteri straordinari ; Siracusa non si poteva go-
vernare per sempre colla dittatura«. Aber Dionys hat, nach Beloch, nicht
eine Monarchie eingeführt. Er hat eine neue Magistratur für sich geschaffen,
conferita a vita, die der Gewalt der 15 Strategen entsprach, und Dionys
den Titel äp^ojv gab. Beloch fährt S. 19 wörtlich fort : »non ho bisogno
di ricordare, come questo sistema non sia stato inventato da Diouisio,
ma siasi praticato dovunque in Grecia sorgesse la monarchia popolare:
in Siracusa stessa lo aveva per la prima volta adoperato Gelone«. Es
Sicilien. Geschichte, 151
sind also nach Beloch Facta: 1. Dionys hat 405/4 seine ausserordent-
lichen Vollmachten niedergelegt und sich zum lebenslänglichen Archon
erwählen lassen; 2. Gelon hat sich zum lebenslänglichen Archon er-
wählen lassen; 3. alle Tyrannen in Griechenland haben sich zu lebens-
länglichen Archonten erwählen lassen. In Wirklichkeit ist weder von 1,
noch von 2, noch von 3 eine Spur bezeugt. Zu 1 haben wir auch nicht die
leiseste Andeutung bei einem alten Schriftsteller, dass Dionys sich 405/4
zum lebenslänglichen Archon hat wählen lassen. Dagegen sind Andeu-
tungen genug vorhanden, dass seine Herrschaft als auf Gewalt beruhend
betrachtet wurde; vgl. Diod. XIV, 7 und XIII, 114 ; worauf wir noch zurück-
kommen. 2. Gelon hätte sich zum lebenslänglichen Feldherren wählen
lassen? Wo steht das? Wir wissen durch Herodot, dass Gelon Herr-
scher von Gela ist, und dass er in den inneren Unruhen von Sj'rakus
als Herrscher auch dieser Stadt anerkannt wird; Herodot sagt VII, 155:
u yap o^fiog o riüv ZopaxooicüV imovrc FiXujvt TzapadiooT zrjv noXcv xal
iauTov. Und weiter heissen Gelon und Hieron bei Diodor Könige, was
nach B. 19 Dionys nicht wollte, um nicht zu »offendere inutilmente la
suscettibilitä repubblicana della graude maggioranza della popolazione
di Siracusac^ Endlich 3. überall in Griechenland ist es so gegangen,
dass die Tyrannen auf Lebenszeit gewählt sind? Wir warten den Beweis
für die wirklich neue Entdeckung ab, und verweisen einstweilen auf die
Peisistratiden, die doch auch recht hervorragende Tyrannen waren und
von denen Thuc. V, 54 sagt: xai inez^osuaav im nXelarov drj rupawot
obroc dpzrr^v xal qüvzmv xal 'A&rjvacoog elxoazr^v p.6vov Tipaoaüpsvot züjv
ycyvopdvMV ttjV ts nohv auTuiv xaXwg otaxuamdav xai zohg TioXsp-oug oii-
(fspov xal ig ra cepä i&uov. rä 8h äkXa aurrj rj nolig roTg irplv xstpivoig
va/iocg i^prjzo, nXrjV xab^ oaov äti xtva impiXovro (T<fu)v auzäiv iv zalg
dp'/acg scvac. Die Peisistratiden hatten immer einen der Ihren in der
Regierung; das war ihr Mittel; von einer lebenslänglichen Arche ist
nicht die Rede. Es ist also nichts mit der auf Lebenszeit übertrageneu
Herrschaft, wodurch Dionys, wie die Anderen, zum Tyrannen geworden
sei; es ist nichts mit dem Aufhören seiner Würde als Stratcgos auto-
krator. Er blieb Strategos autokrator und that, wenn die Umstände
günstig waren, was er wollte, wenn ungünstig, was er konnte. - S. 20
sagt Beloch, Dionys habe nur der erste Beamte des Staates sein wollen,
nicht der Souverän; das war das Volk. Gut; aber was steht im Frie-
densvertrag mit Karthago 405/4 (Diod. XIII, 114): xal l'upaxoacoug fih
unu Jcovöacov rerd^ßac. Das ist doch schon etwas mehr als ein primo
magistrato beanspruchen kann. — S. 20 sagt ferner Beloch: »rasscmblea
popolare aveva il diritto di eleggcre il principe; cd infatti leggiamo che
Gelone, Agatocle, Jerone II ottennero in questo modo il loro alto uffizio.
Per consequeuza possiamo essere certi, che anchc la competciiza di
Dionisio fu determinata da una votazione dell' asscmblca poi)olarc, dopo
che egli aveva deposti i suoi poteri di stratego autocrata«. Also bei
152 Geographie von Unteritalien und Sicilien
Dionys ist es doch nicht bezeugt, dass er erwählt ist; was bedeutete
sonst die Beloch'sche Schlussfolgerung: von Gelon u. s. w. lesen wir,
dass sie vom Volke erwählt wurden ; deshalb können wir sicher sein,
dass auch die Competenz des Dionys vom Volke bestimmt wurde, nach-
dem er seine unbeschränkte Vollmacht niedergelegt hatte? Es ist aber
erstens nirgends gesagt, dass Dionys diese niedergelegt hat, und zwei-
tens von Gelon und Agathokles ausdrücklich bezeugt, dass sie als Stra-
tegoi autokratores Tyrannen waren. Von Gelon sagt es Diod. XIII, 94,
dass bei Himera die Karthager besiegt worden seien, arparrjyoövTog Fi-
Xüjvog aÖToxpdTopoQ , und von Agathokles Diod. XIX, 9: a'jy^ujfjrjaavrog
8k Tou TiArjd^oog jxovrxp^elv, ouzog jxkv i^scpozoi/r^Hrj arparr^yo; a'jToxpdrajp
xal TU Xomov (pavepiog idovaareus xat t^c no^eojg imp-eXecav enoietro.
Hier haben wir überdies auch für Dionys die beste Verurtheilung der
Beloch'schen Theorie. Nach Beloch hätte Agathokles sagen müssen:
Mit der Dictatur kann man auf die Dauer nicht regieren; legen wir
deshalb das Amt des Strategos autokrator nieder, und lassen uns, wie
Dionys, zum Archen mit beschränkter Competenz, was man Tyrann nennt,
erwählen. Er that es aber nicht, und auch Dionys hat es nicht gethan.
Dionys machte sich nicht erst die Mühe; umgebracht oder verjagt wurde
er ja doch, wenn seine Feinde stärker waren als er, ob er nun Strate-
gos autokrator oder Archon mit beschränkter Competenz auf Lebenszeit
hiess! Beloch fährt (S. 20) fort: »Non puö esservi il rainimo dubbio che
il principato. venisse conferito a vita; lo dimostra l'esempio di Gelone,
Jerone I, Dionisio I, Dione, Ipparino, Agatocle, Jerone II, che tutti con-
servarono fino alla morte la loro dignitä«. Die Zahl der lebensläng-
lichen Archouten wächst zusehends. Nur ist es nichts mit der Begrün-
dung. Bei Dion ist wieder kein Beweis dafür vorhanden; im Gegeutheil
ist aus Plut. D. 48 zu ersehen, dass er seine letzte Zeit als Strategos
autokrator verlebte. Und nun gar Hippariuos! Warum nicht auch Kal-
lippos und Nysaios; wissen wir doch von ihnen so wenig wie von Hippa-
riuos. Freilich sind sie nicht bis zum Tode Tyrannen von Syrakus ge-
wesen, sondern verjagt. Aber wenn es ein Beweis für die Lebeusläug-
lichkeit eines Amtes ist, wenn Jemand im Besitze desselben stirbt (Be-
loch: che tutti conservarono etc.), so ist es auch einer, wenn er ver-
trieben wird. Weiter sagt Beloch S. 20 : die Competenz des Fürsten geht
nicht über sein eigenes Leben hinaus; das vom Volk erhaltene Mandat
kann auf einen anderen nur mit Bewilligung des Volkes übertragen wer-
den. Beweis: der Regierungsantritt des jüngeren Dionys, der sogleich
das Volk versammelt »per farsi conferire la competenza del padre«. Ja
wenn wirklich etwas von competenza da stände! Nach Diod. XV, 74 bittet
Dionys II das Volk um seine euvota. Natürlich musste das Volk in etwas
als massgebend anerkannt werden! Beloch fügt klüglich hinzu, dass
wichtiger als diese formalitä costituzionale die Anerkennung der Sol-
daten war. Sicherlich! - Beloch macht sich an die Auseinandersetzung
Sicilien. Geschichte. 1 53
der Competenzen des Dionys, die er aus seinen Handlungen abstrahirt.
Vortrefflich, wenn der Mann eben das that, wozu er Erlaubniss hatte.
Wir fürchten, er ging etwas weiter! Nach Beloch ist er »responsabile
della tranquillitä all' interne«, weshalb er Verdächtige entwaffnet und
eine »polizia segreta« unterhält. Ob wohl im Budget ein Dispositions-
fond zu diesem Zwecke vorgesehen war? Uebrigens hat Beloch Einiges
vergessen, was wir nachtragen. Der lebenslängliche Archon hatte in-
appellable Criminaljustiz (»Zu Dionys, dem Tyrannen« u. s. w.), er hatte
Obervormundschaftsrechte in sehr weiter Ausdehnung (er giebt die von
seinen geflüchteten Feinden zurückgelassenen Frauen seinen Söldnern,
Diod. XIV, 66), und freie Verfügung über den Grundbesitz (Diod. XIV, 7).
Nun versichert zwar Beloch (S. 23), dass »la competenza del principe
essendo essenzialmente limitata all' imperium militare, rimane un largo
campo per l'attivitä degli altri corpi politici dello stato«. Uns scheint
sie zwar poco limitata, aber das thut nichts Der Verfasser beweist seinen
Satz so: Dionys konnte keine Steuern auflegen »senza il consenso dell'
assemblea del popolo«. Es ist allerdings klar, dass mit den Bürgern,
die zum Theil die Soldaten des Tyrannen waren, in Geldsachen einige
Rücksichten genommen werden mussten; aber im Allgemeinen hat Dionys
auch in dieser Hinsicht sich nicht beklagen können. — S. 24 sagt Be-
loch, dass auch unter Dionys der Senat habe fortfahren müssen zu functio-
niren, um so mehr, da er sogar unter Hieron IL, der doch ein König
war, functionirte. »Coutinuava« ist ein schiefer Ausdruck, denn wir
wissen nichts von einer ßouXij vor Dionys ; und dann regierte Hieron II.
viel gesetzlicher als Dionys.
Nun haben wir noch die Aufgabe, entschieden gegen den letzten
Absatz von Beloch (S. 24. 25) zu protestiren, der eine Menge von Sachen
als bewiesen nimmt, die es nicht sind. Wir haben, sagt er, gesehen,
dass die Regierung des Dionys nur eine Fortsetzung der alten Demo-
kratie war. Wir können deshalb nicht zugeben »che egli avessc tolto
al popolo il piü essenziale fra tutti i diritti politici, quello di eleggere
e di sorteggiare i propri magistrati. Ed in vero vediamo, che all' epoca
di Dione le elczioni ebbero luogo nelle medesime forme come 50 anno
prima ed a tempo prestabilito« (von besonderen Formen wissen wir nichts;
in Betreff des tempo prestabilito s. oben S. 150), und man müsse erwä-
gen, dass Dion nie Syrakus eine Verfassung gegeben habe. »Dionisio ha
deposto i poteri struordinari dcferiligli dall' assemblea popolare tostoche
Ic condiziqni politiche di Siraciisa lo permisero« (falsch; es ist nie ge-
schehen) »ne c prova evidente« (also muss es erst bewiesen werden) »il
fatto che cgli durante il resto del suo govcrno si chiama arconte e nou
stratego autocrata quäl era stato nominato in principio«. (.Beloch über-
sieht hier den wichtigen Punkt, dass Dionys sich nicht a,o^a»v von Syrakus,
sondern von Sicilien nennt; äp-^cov ist für Dionys gar kein syrakusanischer
Titel). »Da ciö risulta che dal niomeuto in cui egli depose la dittatura,
154 Geographie von UnteritalieD und Sicilien
si tornarono ad eleggere gli strategi nei comizi«. (Da die Voraussetzung
falsch ist und keine Niederlegung stattgefunden hat, fällt die Folgerung weg
und die Wahl von Strategen in den Volksversammlungen unter Dionys ist
nicht bewiesen). »Ed in fatti, se il numero dei merabri di quel collegio e
di 15 nel 405 quaiido Dionisio sali al governo, e di 22 o piuttosto di 25
nel 357 all' epoca dcUa spedizione di Dione, egli c chiaro che fra questi
due anni dev' essere avvenuto un mutamento della costituzione che portö
aumento al numero degli strategi«. (Das ist kein Grund; vor 405 wählte
man 15; 357 wählte man 25; warum diese Zahl, wissen wir nicht; unter
den Tyrannen wählte man gar keine). »Ciö che prova in modo decisivo, che
vi fossero degli strategi eletti dal popolo auche duraute il governo di Dio-
nisio«. (Es beweist nur, dass man nach dem Sturz der Tyrannen wie-
der Strategen wählte). »Ne degli strategi soltanto. La resistenza che
gli opliti ed i cavalieri siracusani hanno piü d'una volta opposto a Dio-
nisio, ci costringe ad ammettere che gli ufficiali di questi corpi venissero
eletti dal popolo, non nominati dal tiranno. AU' assedio di Erbesso nel
404 e il solo eparca di Dionisio chi s'oppone al movimeuto rivoluziouario ;
onde risulta chiaramente che gli altri ufficiali non dovevano il loro grado
al principe«. Das ist wunderbar. Wenn (Diod. XIV, 7) erzählt wird,
dass ein xa&scr-afLSVos unb zarj dcovuacou tu)V azparcojTwv Tjyejxujv von den
Soldaten getödtet wird und nur von diesem einen erzählt wird, dass ihn
die Soldaten tödteten, so soll das beweisen, dass die Unterofficiere von
den Bürgernnind nicht von dem Tyrannen ernannt waren? Warum? Weil
sie nicht auch getödtet wurden? Aber wenn sie nun davon liefen, als
sie sahen, dass ihr Chef todt war? Auch solche Fälle sind schon vor-
gekommen. Was wissen denn wir davon, wie es zuging? »Gli strategi
ed i chiliarchi, e probabilmente anche gli ipparchi continuavauo ad
essere eletti dal popolo durante il governo di Dionisio« (es ist gar kein
Grund vorhanden, dies anzunehmen) »e se lo furono questi magistrati
militari, a fortiori dobbiamo ammettere che gli altri magistrati eletti o
sorteggiati sotto la costituzione democratica, da Dionisio non venissero
aboliti«. (Da jenes nicht bewiesen ist, ist es auch dieses nicht). — Es
folgt noch als Anhang eine Restitution des Vertrags des Dionys mit
Athen C luscr. Att. II, 52, die in einigen Stücken von denen Kirchhoff's
und Koehler's abweicht. Es ist manches Scharfsinnige darin; aber die
in Z. 36 hineingesetzte ßookrj der Syrakusier ist doch nicht nachgewiesen.
Aus unserer Kritik geht hervor, dass Beloch nicht bewiesen hat,
was das Hauptinteresse seiner Abhandlung ausmacht, dass nämlich Dio-
nys seine Tyrannis ausübte auf Grund einer ihm auf Lebenszeit gegebe-
neu Macht, und ebensowenig, dass dasselbe gelte von den übrigen Ty-
rannen Siciliens und von den griechischen Tyrannen im Allgemeinen.
Auch die Analogie mit dem römischen Kaiserthum S. 20. 23 ist deshalb
keine fundamentale; sie ist nur eine accidentelle. Den Anfang der die-
Sicilien. Geschichte. 155
nysischen Tyrannis hat Beloch selbst S. 19 richtiger bezeichnet (quando
Dionisio coli' occupazione dell' arsenale u. s. w.); er hätte dabei bleiben
und nicht denken sollen, Dionys habe eingesehen, dass er nicht immer
als Dictator regieren könne. Wenn Beloch meint, Dionys habe doch den
Titel Archon von Syrakus gehabt, so hat er selbst (S- 10) die Stellen
citirt, in denen er lixaXcag apy^wv heisst. Auch Agathokies heisst in
der von Beloch selbst S. 19 citirten (nicht abgedruckten) Stelle äpywv
IixsXMg. Das ist wichtig. Archon ist kein syrakus anischer Titel. Re-
ferent hat in seiner Geschichte Sicilien's gerade darauf besonders hin-
gewiesen, dass die Stellung von Dionys wie die von Agathokies sich vor-
zugsweise dadurch erklärt, dass sie die Führung der Griechen Sicilien's
übernahmen. Referent ist noch immer der Ansicht, dass er den Cha-
rakter der dionysischen Tyrannis in jeder Hinsicht richtiger dargestellt
hat als Beloch. Es war der der factischen Gewaltherrschaft ohne con-
stitutionelle Begründung. Zu Anfang bedurfte es einer formellen Handhabe,
die hier wie sonst oft in einem den Tyrannen übertragenen exceptionellen
Amte bestand. So bei Dionys und Agathokies im Amte des Strategos auto-
krator. Bei anderen konnte die Tyrannis anders beginnen. Es ist ein
Verdienst Beloch's, darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass man die-
sen legalen Anfang sorgfältiger zu untersuchen hat, als bisher meistens
geschehen ist. Beloch hat seine staatsrechtlichen Theorieen übrigens ein-
fach hingestellt, ohne sich darum zu kümmern, ob man nicht schon anderswo
Besseres darüber hat. Das hat man aber nach des Referenten Ansicht in
doppelter Beziehung. Mau hat schon Besseres gesagt über den Charakter
der Tyrannis und über die lebenslängliche Strategie. In ersterer Hinsicht
vergleiche man Plass, Die Tyrannis I, 125. 126, wo die drei Kennzeichen
der Tyrannis kurz und richtig angegeben werden: 1. Machtgeiangung
durch Usurpation; 2. Ausübung der gesetzgebenden und vollziehenden
Macht; 3. Machtbesitz ohne zeitliche Grenzen und ohne Rechenschaft.
In Hinsicht der lebenslänglichen Strategie, die Beloch für identisch mit
der Tyrannis hat erklären wollen, vergleiche man Aristoteles, Politik,
an folgenden Stellen: III, 9, 3; III, 9, 5; III, 10, 2; III, 11, 1 (hier:
i.v ndaacg yäp undp^scv ivdeyerai aTpaz^iytay dtotov, olov iv Srijwxparia
xal dpiaToxpavca , xal noXXol noidhaiv iva x'jptov z^g dtoixijasujg). Es
kann Aisymueten oia ßion geben (III, 9, 5), und es ist die Aisymnetie
nach Aristoteles auch eine Art der Tyrannis (Pol. IV, 8), aber nicht die
eigentliche, ebensowenig ist eine eigcutliciie Tyrannis die Königsherr-
schaft bei den Barbaren ; die eigentliche Tyrannis dwmö^Dvog dp'i&i röiv
uiwiujv xal ßelTcdviüv ndvrwv, im egoistischen Interesse. Hiernacli dür-
fen wir behaupten, dass die von Beloch dem Dionys und allen Tyrainien
zugeschriebene Art der Herrschaft nacii Aristoteles gar keine Tyrannis
mehr ist; und doch kannte Aristoteles die wirkliche Tyrannis sehr wohl
und den Dionys als Tyrannen.
156 Geographie von ünteritalien und Sicilien.
Von Herrn Josef Bass in Wien, der sich mit der Geschichte des
Tyrannen Dionysios I. von Syrakus beschäftigt, haben wir folgende Ar-
beiten erhalten:
Zu Polyaen. V, 2, 17 in den »Wiener Studien« II, l, S. 148
wo Bass nachweist, dass daselbst das von den Meisten und auch vom
Referenten für unmöglich gehaltene Mzaarjvtoi deshalb richtig sein kann,
weil die Bevölkerung der Stadt nicht, wie man aus Diod. XIV, 78 ge-
schlossen hat, aus lauter Freunden des Tyrannen bestanden haben muss.
Die Stadt fiel Ol. 96, 4 von Dionys ab , und wurde in demselben Jahre
von ihm wieder erobert, fiel aber ebenfalls noch in demselben Jahre in
die Hände der Karthager.
In denselben Wiener Studien III, 1 S. 151 fif. hat Herr Bass aus-
einandergesetzt, dass Dionysios nicht, wie manche annehmen, von nie-
driger Herkunft war.
Endlich haben wir von ihm
Dionysios I. von Syrakus. Nach den Quellen dargestellt von Josef
Bass. Separat-Abdruck aus dem Jahresberichte über das k. k. Staats-
gymnasium im II. Bezirke von Wien. Wien 1881. 46 S. in 8.
Es ist eine eingehende und befriedigende Darstellung der Ge-
schichte des Tyrannen. Referent hat sich Einiges notirt, was ihm nicht
richtig scheint. S. 10: Himilkon opferte nicht »seinen« Sohn, r.alda sagt
Diodor XIII, *86. S. 20 heisst der Korinther Nikotelas; es sollte -es ge-
druckt sein. S. 21 Hadranon an der »Stelle« von Aitna ist nicht genau.
S. 41 ist doch nicht anzunehmen, wie Bass will, dass Dionys beabsichtigt
habe, Italien bei Skylletion »durchstechen« zu lassen. Strabon's Wort
dcazziytCetv sagt gewiss das Richtige. — Es ist schade, dass Bass nicht
die Ergebnisse Beloch's in Betreff der Verhältnisse der verbündeten und
unterthänigeu Städte hat benutzen können, welche von den zukünftigen
Geschichtschreibern des Tyrannen verwerthet werden müssen.
Fastorum civitatis Tauromenitanae reliquiae descriptae et editae
ab E. Bormann praem. indici lect. academ. Marburgeusis. Marb.
1881. 32 S. in 4.
Die Stadt Tauromeuion ist eine von den wenigen sicilischen Städ-
ten, die einen gewissen Schatz von Inschriften geliefert haben. Es sind
Rechnungen von Gymnasiarchen (C. I. Gr. III 5641. .5642), monatliche
Rechnungen von gewissen Beamten: ispo/xvd/jLovsg , za/j.cac, (Tiro^uMxzs
(C. I. Gr. 5640); andere Rechnungen (publ. u. a. im Rh. Mus. 1869 und
in Fleckeisens Jahrb. 1869), endlich eine Stele mit den Fasten der tau-
romenitanischen Strategen. Diese ist es, welche den Gegenstand der
Publication Bormann's ausmacht, nachdem sie kurz vorher von den Herrn
Lafaye und Martin herausgegeben war in dem Werke: flcole iran(;aise
de Rome; melanges d'archeologie et d'histoire. I. Paris et Rome 1880.
Sicilien. Geschichte. 157
Bormann publicirt zunächst die Fasten. Sie enthalten stets die
Angabe des Eponymos und dann die Namen zweier Strategen, welche
diä nivTs irojv ihr Amt verwalteten, und zwar von einem gewissen Jahre
an (auf der rechten Seite der Stele) in ausführlicherer Bezeichnung mit
Vaternamen und einer weiteren abgekürzten Angabe, welche Zugehörig-
keit zu einem Demos oder einer Phyle oder einer Phratria bezeichnet,
17 Wörter, theilweise leicht zu ergänzen, theil weise nicht. Ferner ist
bei diesen noch eine Person hinzugefügt mit der Angabe yp, was Bormann
mit hoher Wahrscheinlichkeit als Ypo.jXßa~z>jg erklärt. In dem Commen-
tar beschäftigt sich Bormann zunächst mit der Deutung der Worte otä
ndvTs izwv und kommt zu dem richtigen Schlüsse, dass die zwei genann-
ten Strategen immer 4 Jahre blieben, jedes Jahr aber zwei neue ein-
traten, sodass im Ganzen 8 Strategen waren. Einen möglichen Einwurf
gegen die so sehr wahrscheinliche Annahme, dass die Strategen immer
auf 4 Jahre gewählt seien, widerlegt Bormann S. XII mit folgenden Wor-
ten: Neque obstat quod suffectionem in locum mortui institutam vel sal-
tem perscriptam esse non reperiraus nisi cum ipso prirao anno muneris
strategus aliquis mortuus erat, cuius rei exempla sunt annus 75 et la-
teris dextri annus 13. Hier möchte ich anheimgeben, ob es denn bei
75 so nothwendig sei, dass der Betreffende wirklich im ersten Jahre sei-
ner Amtsführung gestorben ist. Nehmen wir an, er sei im zweiten Jahre
gestorben, konnte man da nicht, da ja diese ersten Fasten doch nach-
träglich aufgezeichnet sind, gleich bei der Erwähnung seines Namens
seinen Nachfolger hinzufügen, der dann nur etwas über 2 Jahre im Amte
blieb ? Hätte man dies, was allerdings richtiger gewesen wäre, im zwei-
ten Jahre erwähnen wollen, so hätte man erst den Namen des Gestor-
benen wiederholen müssen. — Um nun zur Zeitbestimmung der Strate-
genfasten von Tauromenion kommen zu können, theilt Bormann zunächst
die Fasten der Gymnasiarchen mit, die wir haben. Es zeigt sich, dass
wir für einige der Jahre, von denen die Strategenfasten erhalten sind,
auch die Gymuasiarchenfasten haben, wobei nur das eigenthümliche Re-
sultat herauskommt, dass von a. 97 ohne Angabe, dass ein grosses In-
tervall folgt, auf lat. dextr. a. 6 übergegangen wird. Doch ergiebt sich
jedenfalls daraus, dass die linke Seite der Stele die ältere Zeit betrifft;
die Grösse des Intervalls zwischen der linken und der rechten Seite lässt
sich aus der Stele selbst nicht feststellen. Die Aufzeichnungen der lin-
ken Seite sind aber offenbar mit einem Male geschrieben und zwar nach-
getragen worden, als die Fasten der rechten Seite schon Jahr für Jahr
notirt waren Um nun auf anderem Wege zu einer annähernden Be-
stimmung des Intervalls zu gelangen, benutzt Bormann folgendes Mittel.
Es kehren dieselben Namen mit identischem Vaternamen links und rechts
wieder. Die von rechts waren nicht dieselben Individuen wie die links,
weil sonst ein Iterationszeichen dabei gestanden hätte. Sie waren offen-
bar (s. Borm. S. XIX) die Enkel der von links. So kommt eine Diff'e-
158 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
renz von circa '.iO Jahren zwischen dem letzten Jahre der linken und dem
ersten der rechten Seite heraus. Wenn wir nun so zu dem Kesultat
gelangt sind, dass, da die linke Seite 101, die rechte 14 Jahre enthält,
die uns überlieferten Fasten von Tauromenion ungefähr 145 Jahre um-
fassen, so möchten wir wissen, mit welchen Jahren der gewöhnlichen Aera
diese zusammenfallen. Zu diesem Zwecke i)rüft Bormann die Geschichte
von Tauromenion, woraus sich ergiebt, dass das Jahr 2G3 für die Stadt
wichtig ist als das Jahr des Vertrags zwischen Hieron und den Römern,
die dem Könige von Syrakus Tauromenion überliessen; und dass im
Jahre 132 oder 131 durch den Consul Rupilius Tauromenion von der
Herrschaft der Sklaven befreit wurde. Nun wissen wir aus delphischen
Inschriften, dass als in Delphi Kleon Archon war, Agatharchos, Memnon's
Sohn, der Tauromenier, zum proxenos von Delphi ernannt wurde. Kleon
muss Archon gewesen sein zwischen 168 und 157 v. Chr. Nun finden
wir anno 86 der tauromenitanischen Fasten einen Gymnasiarchen Aga-
tharchos Memnon's Sohn, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies
der Proxenos von Delphi war; wenigstens kann er weder Grossvater noch
Enkel desselben sein (Borm. S. XXI. XXII). Wer Proxenos der Delphier
wurde, muss ein sehr angesehener Mann gewesen sein, er kann mehrere
Jahre vorher Gymnasiarch seiner Vaterstadt gewesen sein. Wenn er
dies im Jahre 86 der Aera war, dürfen wir, um das erste Jahr der Aera
zu finden, addiren 168 + 86 + 10 bis 157 + 86 + 10 = 264-253. Wenn
wir nun seh^, dass 263 die Römer Tauromenion an Hieron gaben, dass
die Römer dafür zu sorgen pflegten, dass die ihnen ergebenen Städte
eine aristokratische Verfassung hatten, und dass die Verfassung, die sich
in den tauromenitanischen Fasten kundgiebt, einen aristokratischen Cha-
rakter hat, wie die verhältnissmässig geringe Zahl der vorkommenden
Familien beweist, ist es da nicht wahrscheinlich, dass Agatharchos richtig
bestimmt ist, und dass die Aera von Tauromenion wirklich mit 263 v. Chr.
beginnt? Nun passt noch etwas sehr gut. Es war ein Intervall von
etwa 30 Jahren zwischen dem Verzeichniss der linken Seite und dem der
rechten wahrscheinlich; jenes ist nachträglich gemacht; beim Neubeginn
der Aufzeichnung nach 131 Jahren des Bestehens der Verfassung ist also
eine vorhergegangene Krisis wahrscheinlich. Nun ward im Jahre 132
oder 131 V. Chr. das befreite Tauromenion neu constituirt. Das geschah
nach 263 gerade 131 Jahre. Es hat also die Vermuthung Bormann's
auch diese Probe glücklich bestanden. Wenn nun noch hinzukommt, dass
bei dem Bau des berühmten Schiffes Hieron's der Tauromenitaner Phi-
leas Dienste leistete, und anno 12, also 251 v. Chr., als Strateg Hermou,
Sohn des Phileas, vorkommt, so ist wieder die Rechnung bestätigt.
Bormann meint, dieser Phileas sei der Mechaniker gewesen. Wir möch-
ten glauben, der Mechaniker war Sohn des Strategen von 251. Der
Bau des Schifies gehört doch wohl in eine spätere Zeit; Archimedes
baute es und Phileas wird sein Schüler gewesen sein. - Die Abband-
Sicilien. Geschichte. 159
lung Bormann's ist eine der vorzüglichsten Leistungen combiairender
Kritik, die wir kennen.
Bormann hatte schon früher aus den tauromenitanischeu Inschriften
die Bestimmung der Masse des Flüssigen in Tauromenion entnommen,
welche den attischen ähnlich waren, in der Abhandlung
De mensuris Tauromenitanis scripsit E- Bor mann. In den Com-
mentation. philologis in honorem Th. Mommseni.
Sie sind fast identisch mit den römischen (vgl. Bormann, Fastorum
etc. p. IV). Natürlich muss vorausgesetzt werden, dass die Uebernahme
der Masse aus Attika nach Sicilien verhältnissmässig alt ist, und dass
dieselben dann bald nach Rom übergingen.
Wir bemerken noch, dass in dem anziehend geschriebenen Buche
Vom Gestade der Cyclopen und Sirenen. Reisebriefe von W. Ross-
mann. 2. Aufl. Leipzig 1880
auf S. 414—417 kurz und überzeugend bewiesen wird, dass im Theater
von Taormina gewisse Nischen nicht zur Anbringung von Schallgefässen
dienten, und dass überhaupt diese von Vitruv beschriebene Vorrichtung
unpraktisch ist.
Mit Quellenstudien beschäftigen sich folgende Schriften
J. Beloch, Die Oekonomie der Geschichte des Tiraaios. Jahrb.
f. class. Philol. 1881. S. 697-706.
Beloch ist weder mit der Ansicht MtiUer's einverstanden noch mit
der Kothe's, die ihm beide zu künstlich erscheinen. Beloch nimmt an,
dass das ganze Werk etwa 35 - 40 Bücher umfasste, was mit dem vor-
handenen höchsten Citate (Buch 38) sehr wohl stimmt. Nach Beloch
herrschte bei Timaeus entschieden das chronologische Princip vor, d. h.
im Allgemeinen, nicht ängstlich annalistisch. Diese Methode brachte
Wiederholungen von früher Gesagtem mit sich, und so erklären sich
Erwähnungen von Begebenheiten in Büchern, in die sie der Zeit nach
nicht passen. Manche Citate sind natürlich in Betreff der Buchzahlen
verderbt. S. 700 giebt Beloch ein sehr nützliches Verzeichniss der mit
Buchzahlen überlieferten Fragmente, unter denen also einige irrig sind.
Nun findet Beloch in diesen Angaben einige feste Punkte für die Oeko-
nomie des ganzen Werkes. Im neunten und zehnten Buche war die Rede
von Pythagoras; im zehnten vom Siege des Hippokrates am Flusse He-
loros; also behandelten Buch neun und zehn die Zeit um 500 v. Chr.
Einen zweiten festen Punkt bilden Buch 13 — 1.5, wo von Ilykkara, Akra-
gas und Empedokles die Rede ist; so kommt nach Beloch in Buch 13
der athenische Krieg, in Buch 15 der Fall von Akragas, in Buch 10
(fr. 119* wird aus Buch 6 in Buch 16 verlegt) der Anfang der Tyrannia
des Dionys. Somit würde in Buch 14 die Einnahme von Selinus und
IßO Geographie von Uuteritalien und Sicilien.
Himera kommen, imd dem entspricht die aus Buch 14 gemeldete Er-
wähnung des von Gclon mit Karthago abgeschlossenen Friedens, was
nur eine Rccapitulation von früher Krzähltem sein konnte. Mit Buch 10
beginnt die eigentliche Geschichte Siciliens; so haben Buch 19 die
Vorgeschichte des Westens behandelt. Es geht nun nach Beloch Buch 1
bis zum Falle Troia's; Buch 2 bis zur ersten Olympiade; Buch 3 5 um-
fassen die Gründungen der hellenischen Städte; Buch ß handelt nach
Beloch speciell von Massalia sowie von der weiteren Geschichte Siciliens ;
Buch 7, 8 und 9 von der des 6. Jahrhunderts v. Chr. Diesen Abschnitt
seiner Abhandlung schlicsst Beloch mit folgenden Worten: »Aus dem
bisher Gesagten geht doch wohl zur Evidenz hervor, dass die Annahme
völlig verkehrt ist, Timaios habe in den ersten Büchern seines Werkes
eine Geographie der Länder im Umkreis des Mittelmeeres gegeben«.
Müller nimmt an, Buch 1 und 2 hätten geographischen Inhalt gehabt.
Das ist von Beloch immer noch nicht widerlegt. Wir haben von Citaten:
Buch 1. Die Sitten der Tyrrhener und Empedokles ; Buch 2. Kyrnos, Epi-
menides, Gelon, Empedokles. Nun schafft Beloch Gelon S. 703 weg,
Empedokles S. 702; so bleiben übrig: Sitten der Tyrrhener, Kyrnos und
Epimenides. Wie Kyrnos und Epimenides dort vorkamen »lässt sich
nicht mehr bestimmen« (S. 703); es bleiben also als in das historische
Schema Beloch's passend: Sitten der Tyrrhener. Das ist alles was be-
weisen kann, dass Buch 1 bis zum Falle Troia's, Buch 2 bis Olymp. 1
ging. Aber wie gehören die Sitten der Tyrrhener (fr. 18 {^spanatvai yj/x-
val ocaxovouvTat) in die Zeit vor dem Falle Troia's? Sehr einfach: Be-
loch bringt sie unter den Titel : Einwanderung der Tyrrhener nach
Etrurien (S. 703). Das wird dann wohl früher gewesen sein als die Er-
oberung Troia's. Im Grunde giebt es also unter den aus Buch 1 und 2
citirten Fragmenten keins, das »mit Evidenz« oder überhaupt bewiese,
dass in diesen beiden Büchern kein geographisches Princip zu Grunde
liege. Beloch weiss sich aber durch einen Scherz über die Schwierigkeit
hinwegzuhelfen. Er schreibt weiter (S. 704) : »Neuere Geschichtschreiber
haben wohl die Geschmacklosigkeit begangen, ihren Werken eine geo-
graphische Einleitung vorauszuschicken; ein hellenisches Publikum hätte
so etwas niemals ertragen«. Dass dies nur Scherze sind, ist klar; denn
im Ernst wird Niemand behaupten, dass z. B. die Abschnitte »Land und
Volk« bei neueren Historikern (ich kann Cap. 1 und 2 meiner Geschichte
Siciliens anführen) eine Geschmacklosigkeit sind, und die Bemerkung über
das »Ertragen« hätte im Ernst nur dann einen Sinn, wenn Timaeus sein
Werk lieferungsweise herausgegeben hätte und die erste Lieferung unver-
kauft geblieben wäre, und selbst dann nicht, wenn die erste Lieferung
schon Buch 1 und 2 enthielt. Dann war das Unglück geschehen und das
Publikum musste es ertragen. Uebrigens ist bekanntlich der Geschmack
eine subjective Sache. Mit solchen Scherzen von zweifelhaftem Werth kann
man schwache Gründe aber doch nicht stark macheu. Nicht begrün-
det ist auch eine beiläufige Bemerkung von Beloch auf S. 704, wonach
Sicilien. Geschichte. 161
»die von Hultsch in den Text des Polybios (Tim. fr. 55) hineincorrigirten
'Aaaupcwv bnojxvrjjxara ganz sinnlos sind — was haben die Assyrier mit
der Geschichte des Westens zu thun?« Man muss bedenken, dass es
sich hier um die Gestaltung des Textes handelt, die doch ihre speciellen
Gesetze hat. — Von der zweiten Hälfte des Timaeischeu Werkes kann
auch Beloch nicht ein einigermassen befriedigendes Bild entwerfen; doch
vertheilt er die Begebenheiten recht passend über die Bücher; vgl. die
Tabelle S. 706. — Wir sind durch die vorliegende Arbeit entschieden
einen Schritt vorwärts in der Frage über die Oekonomie des Werkes
des Timaeus gekommen. Beloch hat eine klare und übersichtliche Dis-
position aufgestellt, und vieles von dem was er sagt, hat uns überzeugt.
Wir möchten indess wohl hören, wie Forscher, die sich ganz speciell mit
dem Gegenstande beschäftigt haben, wie z. B. Kothe, über Beloch's Ver-
such urtheilen.
Untersuchungen über die Quellen des Pompeius Trogus für die
griechische und die sicilische Geschichte von AI. Enmann. Dorpat
1880.
Referent hat den ersten und längsten Theil dieser trefflichen Schrift
bereits in seinem Bericht über griechische Geschichte besprochen; er
fügt jetzt kurz einige Bemerkungen über den zweiten Theil hinzu, der
die sicilische Geschichte betrifft. Der Verfasser bespricht zunächst in
Cap. VI (S. 129- 149) das von Trogus über die Geschichte Sicilien's bis
413 geleistete. Hauptquelle ist Timaeus. Sehr geschickt weiss Enmann
das was lustin IV, 3 über einen Vorfall in Rhegium sagt (Medio tem-
pore etc.) auf das bei Diod. XI, 76 Erzählte zu beziehen. Es ist das
eine ganz vorzügliche Rettung einer vom Referenten als aus einer ganz
anderen Epoche verkehrt hierher gekommen bezeichneten Nachricht.
Zweifelhafter ist Referenten, ob Enmann Recht hat die Geschichte vom
athenischen Nauarchen bei Tim. fr. 99 in die mythische Zeit zu setzen.
Die Bezeichnung Nauarch und der Name Diotimos scheinen mir doch in
eine historische Zeit zu gehören. Zu S. 142 bemerke ich, dass ich keine
Scheidung in drei Klassen beabsichtigte, sondern Kriterien aufstellen
wollte, die sich dann möglicherweise bei einem Schriftsteller vereint rin-
den könnten. Zu S. 145, dass, wenn Trogus die athenischen Feldhcrrn
später verurtheilt werden lässt als richtig ist, dies doch der bequemeren
Phraseologie zur Liebe geschehen sein kann und nach unserer Meinung
keine Verschiedenheit der Quelle andeutet. S. 148. 149 scheinen uns
die Abweichungen von Timaeus doch zu stark um ihn als Quelle zuzu-
lassen. — Cap. VII (S. 149—154) die Bücher XVIII und XIX. Timaeus
ist Quelle der phönicisch-karthagischen Geschichte bei Trogus. -- Cap. VIII
(S. 154—166) Buch XX. Quelle Timaeus. — Cap. IX (S. 166-181)
Buch XXL Quelle besonders Timaeus. S. 180 glaubt Referent doch noch
an Theopomp als Quelle für Diod. XVL 71 und lust. XXI, 2, 1 festhalten
Jahresbericht für Akerthumswisscnschatt XXVUI. (1881. ÜIJ H
162 Geographie von Unteritalien und Sicilien
zu dürfen. — Cap. X (S. 181 — 193) Geschichte des Agathokles. Quelle
besonders Timaeus. Auch hier kann Referent noch nicht zugeben, dass
die Rührscene beim Tode des Agathokles von Timaeus stammen kann.
Die wirklich von Timaeus (fr. 145; Polyb. XII, 15) geschilderte Scenc
hat doch nach unserer Meinung einen wesentlich verschiedenen Charak-
ter. — Exe. I weist Timaeus als Quelle der Pseudo-Aristotelischen Schrift
TTspl ßatj/j.aa. dxoixr/j.. nach; Exe. II bespricht interessant Timaeus als
Etymolog. — Die Cap. VI bis zu Ende stehen den ersten des Buches
an Scharfsinn nicht nach.
De auctoribus rerum a M. Claudio Marcello in Sicilia gestarura.
Diss. inaug. Hai. scr. A. Müller. Halis 1882. 46 S. in 8.
Nach dem Verfasser haben wir zunächst einerseits Polybius, an-
dererseits Coelius, der sich seine Darstellung aus Fabius Pictor und
Silenus gebildet hat. Auf Polybius vorzugsweise beruht Livius, doch hat
Livius daneben auch Coelius zu Rathe gezogen, und dasselbe gilt auch
von Plutarch. Cassius Dio benutzt vorzugsweise Coelius. Appian scheint
auf Fabius zu beruhen. Herr Müller hat das alles in befriedigender
Weise auseinandergesetzt. An dem lateinischen Stil der Abhandlung
hätten wir einiges auszusetzen. S. 3 braucht er tantos und quantas für
tot — quot. S. 16 schreibt er: sed ne id quidera vix contenderit quis-
quam. S. 27 neque id cum eo — repugnat. S. 30 unten wäre prius-
quam besser mit dem Conjunctiv construirt. S. 32 ist : in Livio hoc loco
multum turbatum sit doch nicht schön. S. 41 schreibt er: »aut edid.
Zonarae von Dindorf«.
Nunmehr haben wir noch ein Werk zu besprechen, das einen ganz
speciellen Gegenstand behandelt:
Delle vicende dell' agricoltura in Italia. Studio e note di C. Ber-
tagnolli. Firenze 1881. 344 S. in 8.
Von diesem Buche, das die Laudwirthschaft Italien's von den älte-
sten bis in die neuesten Zeiten betrachtet, können uns hier nur zwei
Abschnitte des zweiten Theiles beschäftigen, welcher betitelt ist: L'agri-
coltura dei Greci uella Sicilia e nelle Calabrie (S. 28 — 74); diese Ab-
schnitte behandeln den Ackerbau: 1. nella Sicilia (S. 28); 2. nelle Ca-
labrie (S. 54). Wer den Inhalt des Buches überhaupt kennen lernen
möchte, dem empfehlen wir den Bericht über dasselbe von J. Schuhmann:
Die Laudwirthschaft in Italien, in der Augsb. Allg. Zeitung. Montag,
23. Januar und Beilage zu Dienstag 24. Januar 1882. Wir möchten uns
gestatten zu dieser Anzeige in sofern eine Ergänzung zu geben, als wir
dasjenige hervorheben, was uns in Bertagnolli's Abschnitt H irrig scheint;
Herr Schuhmann hat einfach den Inhalt angegeben, mit einigen wenigen
kritischen Bemerkungen.
BertagnoUi fasst Sicilien vor Allem als das Land des grossen
Sicilien. Geschichte. 163
Grundbesitzes, schon in griechischer Zeit, auf; er sagt sogar S. 30, es
sei »sempre« »la terra della graude proprietä« gewesen. Aber was wissen
wir von den Verhältnissen der Sikeler, die doch noch um 400 v. Chr.
theilweise unabhängig waren? Und es giebt doch manche Erzählungen
die darauf hinweisen, dass auch bei den Griechen ärmere Grundbesitzer
existirten (z. B. Diod. XIII, 84). Sodann betont er die »scarsezza della
popolazione« unter andern auch gegen die vom Referenten in seiner
Gesch. Sic. Bd. II angegebenen Zahlen. Unsere Abschätzungen waren
natürlich nur ungefähre, aber doch auf specielle Facta gegründet; was
Bertagnolli dagegen sagt, berührt gar nicht die einzelnen Ziffern, aus
denen sich unsere Gesammtsumme zusammensetzte; Bertagnolli stellt nur
ganz allgemeine Betrachtungen an, die theilweise falsch sind. So wenn
er S. 42 sagt, dass im Innern der Insel nie ein »centro di qualche im-
portanza« gewesen sei, und die Bevölkerung sich immer längs der Küste
angehäuft habe. Und die Sikelerstädte im ganzen Symaethusthale? und
Enna und Enteila und Halikyae, wo lagen denn die? und wie viele Orte
lagen denn an der Südküste? Bertagnolli bestreitet, dass Akragas (mit
Gebiet) 800 000 Einwohner gehabt habe. Es habe nach Diod. XIII, 84
gehabt : 20 000 cittadini e 200 000 tra schiavi e stranieri. Ob er wohl
die Stelle gelesen hat? Da wird nur von ^svocq gesprochen, also müssen
wir die Sklaven hinzurechnen, und wir wissen, dass die Akragantiner
viele Sklaven hatten. Bertagnolli vergleicht Syrakus mit Athen. Man
berechnet Attika's Bevölkerung zu 540 000 Menschen; Syrakus hatte we-
nigstens ebensoviel, wahrscheinlich mehr. Bertagnolli sagt S. 44, dass
die Griechen keine grossen »ceutri di popolazione« liebten, und auf der-
selben Seite, dass sie, wenigstens in Sicilien, nicht auf dem Lande leben
wollten, sondern in der Stadt. Dann war die Insel fi-eilich schlecht be-
völkert: die Städte volkleer und auf dem Lande Niemand! Hat Bertag-
nolli wohl bei Thuc. VI, 17 gelesen, dass die sicilischen Städte r.ohav-
npoho'Vi Hat er wohl gelesen wie Dionys, als er seine Mauer bauen
wollte , den oyloQ rr^g ^wpag zusammenbrachte und daraus 60 000 kräf-
tige Männer auswählte? Er berechne einmal, wie viele Menschen danach
in der Xiopa gewohnt haben müssen. Also die Städte volkreich und die
Gebiete ebenfalls - denn nicht erst unter Dionys, als die Insel bestän-
digen Kriegen ausgesetzt war, wird das Land bevölkert worden sein.
Kurz, bis man unsere Resultate (Gesch. Sic. II, 402. 403) im Einzelnen
widerlegt hat, beharren wir auch nach Herrn Bertagnolli dabei, Sicilien
um 410 etwa 3V2 Million Einwohner zu geben. Und ist denn das zu
viel? Es hat ja schon jetzt beinahe 3 Millionen und jetzt wohnt wirk-
lich, mit Ausnahme einiger Striche, fast Niemand auf dem Lande! —
Ein anderer interessanter Punkt über den sich Bertagnolli ganz kurz
äussert, ist der Ertrag, den der sicilische Boden liefert: »Cicerone cal-
colava per i campi Leontini una media di 8 p. 1, mentre ai nostri giorni
non dovrebbe superare guari il 6 p. 1«. Letzteres ist ganz falsch, und
11*
164 Geographie von Unteritalien und Siciiien.
ist auch durch die AnmerkuHgen auf S. 47 — 49 nicht bewiesen. That-
sache ist, dass der sicilische Boden das 12 — lefache, ja das 18fache
Korn giebt. Wo geringere Zahlen vorkommen und als Regel aufgestellt
werden, da hat man theilweise bei der Aussaat die ganze Grundfläche
eines Gutes gerechnet, auch wenn nicht alles Land mit Korn besäet
wurde, theilweise aber auch den Ertrag absichtlich geringer angegeben
als er war, aus Furcht vor höheren Abgaben. Und Cicero hat eben,
was fast regelmässig übersehen wird, als Advocat der Sicilier gesprochen.
Referent hofft alle diese Verhältnisse noch einmal im dritten Bande sei-
ner Geschichte Sicilien's berücksichtigen zu können. - In der von S. 36
an folgenden Uebersicht der Geschichte der Agricultur des alten Sici-
lien's ist Referenten folgendes aufgefallen. Bertagnolli sagt S. 37 von
Gelon: »presso il castello d'Ipponio e fuori appena di Siracusa aveva
preparato due orti modello per la coltivazione delle piante« mit Berufung
auf Athen. XII, 10, soll heissen 59, S. 542. Hier wird erwähnt, aus Duris
(nept 'Aya&ox^sa), dass nXrjatov ^Ititiwvcou noXsojg äXaog zc decxvua&ac xdX-
Xsi didcpopov xat xardppurov odaaiv, iv w xai zonov zcvä eivai xaXoöiievov
'AfiaX&ecag xdpag, o zhv FeXüJva xazaaxeudaac. ZeiXr^vbg 8' 6 KakXaztavös
iv zpczü) 2ix£hxu)V nspi l'opaxouaag ^r^m xrjnov zlvat noXuzzXwg xaze-
ax£uaap.£Vov , ov xaXäia&ai Mu&ov, iv w ^pr^fiaz/l^scv "Idpouva zov ßaadia.
Die erste Notiz betreffend, bin auch ich früher der Ansicht gewesen, dass
sie richtig sei und Gelon's Macht sich bis Hipponion in Unteritalien
ausgedehnt habe. Nun bedenke ich aber, dass unmittelbar vorher (541 f.)
Atheuaeus den Diodor (XI, 25) fälschlich so excerpirt, als ob Gelon den
grossen Teich in Akragas gehabt habe, und komme zu dem Schlüsse,
dass auch bei Hipponion Gelon falsch hineingebracht ist und der Park
vielmehr von Agathokles herrührt; Gelon hatte unseres Wissens nichts
mit Unteritalien zu thun. Der König Hieron, der den Garten Mythos
hat, ist wohl der zweite, für den der Titel König besser passt. Und
von orti modello ist wirklich nicht die Rede. Es sind Parks, wie wir
sie aus Asien kennen. — Wenn Bertagnolli auf S. 38 als einen Beweis
von Liebe zur Bildung in Siciiien hervorhebt, dass man die Namen der
»alunni piü distinti« öffentlich ausgestellt habe, hat er wohl berücksich-
tigt, dass es sich hier um die Leibesübungen der Gymnasien handelt?
(Torremuzza S. 84.) — S. 38 erzählt Bertagnolli den Sturz der Tyrannen
um 450 V. Chr. und fügt hinzu, Diodor sage, dass dadurch, »e colla di-
visione delle terre«, der Ackerbau einen neuen Impuls bekommen habe.
Er bekämpft diese Ansicht und sagt, der Zustand des Ackerbaues hänge
nicht von den Formen der Verfassung ab. Er citirt Diod. XV, 72 ; es
soll heissen XI, 72 und hier hat Bertagnolli offenbar y^ojpav dyaf^r^v ve-
liojxzvoi falsch verstanden, was garnicht heisst: vertheilen, sondern be-
bauen. Diodor schreibt den Aufschwung ausdrücklich dem Frieden zu,
nicht der Verfassungsveränderuug , und dagegen wird auch Bertagnolli
nichts einzuwenden haben.
Sicilien. Geschichte. 1 65
Sehr viel kürzer fasst sich Bertagnolli über Unteritalien, und auch
wir haben hier nicht viel zu bemerken. Bertagnolli meint S. 59, es könne
dort nicht sehr bedeutend gewesen sein »I'allevamento dei bovini, im-
perocche era nella legislazione e nella filosofia di quei paesi che non si
potesse cibarsi della carne di bue« und sagt in der Anm. 16: »cosi Pi-
tagora come Caronda avevauo vietato l'uso della carne di bue«. Wenn
Charondas es gethan hätte, so hätte doch das mehr Einfluss auf Sicilien
gehabt; aber er hat es nicht gethan. Pythagoras aber soll überhaupt
den Genuss des Fleisches verboten haben; indess bezieht sich das nur
auf die Theilnehmer des engeren Bundes; auf das Volk hat das keine
Wirkung gehabt. Für die Viehzucht Uuteritalien's werden somit diese
Pythagoreischen Lehren von geringer Bedeutung gewesen sein.
Herr Bertagnolli hat sehr fleissig gearbeitet und besitzt ein sehr
gesundes Urtheil. In der Benutzung der alten Schriftsteller könnte er
vielleicht noch ein wenig genauer verfahren. So möchten wir zu beden-
ken geben, dass das von ihm S. 115 Note 31 citirte Wort Cato's nicht
den Sinn hat, den er ihm S. 107 beilegt. Wir empfehlen das Buch allen,
die sich für die Geschichte der italienischen Agricultur interessiren.
Den Schluss mögen zwei Schriften über Diodor machen:
H. Kallenberg, Zur Quellenkritik von Diodor's XVI. Buche. In
der Festschrift zu der zweiten Säcularfeier des Friedrichs-Werderschen
Gymnasiums zu Berlin. Berlin 1881. 8. S. 85—105.
Der Verfasser macht zunächst wahrscheinlich, dass der ganze Ab-
schnitt über Dion aus Ephorus stammt und nicht, wie Volquardsen wollte,
aus Timaeus Entlehntes eingefügt ist. Sodann zeigt er, dass die Par-
tien, deren Mittelpunkt König Philipp ist, und die Darstellung des heili-
gen Krieges von Cap. 28 an aus ein und derselben Quelle stammen.
Auch Einleitung und Schluss des Buches stimmen damit überein. Das
Mittel des Beweises findet Kallenberg in einer genauen Prüfung des
Diodorischen Sprachgebrauches, welche zeigt, dass jene Partien (Philipp;
heil. Krieg) in dieser Hinsicht übereinstimmen. Auch der persische Ab-
schnitt des XVI. Buches zeigt derartige Uebereinstimmung (S. 96. 97).
Aber wer ist Diodor's Quelle gewesen? Kallenberg hält es nicht für mög-
lich einen Namen zu nennen. Diodor hat Dion's Geschichte offenbar
nach Ephorus bearbeitet, und aus demselben auch XVI, 7, 21 — 22, 23
— 27 entnommen; mit Cap. 18 tritt dagegen ein Quellenwcchsel ein; Dio-
dor hat hier »den Ephorus bei Seite gelegt, und ihn auch später nicht
wieder zu Rathe gezogen; alles was von jetzt an folgt im XVI. Buche,
ist, abgesehen natürlich von der Geschichte des Timoleon und den anna-
listischen Stücken« (Cap. 34) »nur einer Quelle entlehnt. Wer nun
freilich der Verfasser derselben gewesen ist, möchte mit Sicherheit wohl
schwerlich zu entscheiden sein« (S. 99). Kallenberg widerlegt die von
Volquardsen, Pack und Haake über den Verfasser aufgestellten Vermu-
166 Geographie von Unteritalien und Sicilien.
thungeii und spricht sich selbst nur dahin aus, »dass Diodor die hier
vorliegende Quelle in anderen Büchern nicht benutzt hat«. — Die Ab-
handlung Kallenberg's bezeichnet einen Fortschritt in der Kenntuiss Dio-
dor's. Kallenberg benutzt für die Quellenforschung das Studium des
Sprachgebrauches. Er zeigt, dass Diodor, der im Allgemeinen seinen
eigenen Stil hat, doch manche Ausdrücke von seiner Quelle annimmt,
und dass diese Ausdrücke dazu dienen können, einen Quellenwechsel zu
beweisen. Kefcrent hat seit längerer Zeit auf die Nothwendigkeit ge-
rade solcher Studien hingewiesen. Das Studium des Sprachgebrauches
Diodor's erfordert viel Zeit, wie Referent leider an sich selbst erfahren
hat. Sollte Herr Kallenberg es nicht durchführen können? Er wäre
offenbar durch Kenntnisse wie durch Unbefangenheit des Urtheils der
Mann dazu. Er würde sich durch eine solche Leistung ein grosses Ver-
dienst um die Wissenschaft erwerben.
Matris. Ein Beitrag zur Quellenkritik Diodor's von Holz er. Pro-
gramm des königl. Gyran. Tübingen. 1881. 26 S. in 4.
Der Verfasser macht in dieser mit vieler Umsicht und Scharfsinn
geschriebenen Abhandlung wahrscheinlich, dass der nur zweimal im Alter-
thum (Diod. I, 24 und Athen. X, 412) genannte Matris, der ein syxojfiiov
'llpaxkiouq verfasst hat, Diodor's Quelle im vierten Buche, von Cap. 8
an, gewesen ist. Cap. 19 — 24 ist jedoch aus anderen Quellen entlehnt
(worüber __sich Holzer auf 0. Sieroka, Diodor's Quellen im dritten und
vierten Buch; Gymnasialprogr. Lyck 1878 bezieht); 25. 26 ist wieder aus
Matris; später, Cap. 31—40, lässt sich Matris nicht mehr mit Wahr-
scheinlichkeit nachweisen. — In Betreff der Art, wie Diodor arbeitete,
stimmt Referent durchaus mit dem Verfasser überein.
Nicht unbesprochen dürfen wir schliesslich die soeben erschienene
Schrift lassen:
Athen und der Westen vor der sicilischen Expedition. Von Hans
Droysen. Berlin 1882. 60 S. in 8.
Ueber die Beziehungen Athen's zum Westen vor der grossen sici-
lischen Expedition sind wir nur unvollkommen unterrichtet. H. Droysen
sucht die fehlenden Nachrichten der Historiker durch aus Thatsachen
der Culturgeschichte gezogene Schlüsse zu ersetzen. Die Augen der
Athener waren im 5. Jahrhundert vor Chr. auch nach Westen gerichtet;
Einmischung in die politischen Angelegenheiten Sicilien's ist, wie Droy-
sen zeigt, besonders von der radicalen Partei befürwortet, von Perikles
dagegen zurückgewiesen worden. Die Athener waren nicht so unbekannt
mit den Verhältnissen des Westens, wie man nach einer Aeusserung des
Thukydides (VI, 1.) glauben könnte. Besonders die Handelsbeziehun-
gen hatten diese Kenntniss vermittelt. Nach dem Westen, nach Italien
und Sicilien, ging ein starker Export athenischer Thongefässe ; aus dem
Sicilien. Geschichte. 167
Westen kamen Metallarbeiten aus Etrurien und wahrscheinlich Korn aus
Sicilien nach Athen, das selbst den Vortheil hatte, Silbergruben zu be-
sitzen, wovon die Folge war, dass zuerst athenische Münzen, dann der
athenische Münzfuss in Sicilien eingeführt wurde. Excurse behandeln:
I. Die Rede des Hermokrates in Gela. II. Das dorische Flottenproject.
III. Das attische Bündniss mit Segesta. — Die Untersuchung ist überall
besonnen geführt und mit grosser Klarheit formulirt; wir hätten nur an-
heimzugeben, ob nicht hin und wieder eine gewisse Neigung vorhanden
sei, Thukydides ungünstiger zu beurtheilen? Ist z. B. wirklich (S. 55)
ein Widerspruch zwischen Thuk. I, 36 und II, 7? Warum kann nicht
schon 433 ernstlich bei den Dorern daran gedacht sein, die Kräfte Sici-
lien's mit denen des Peloponnes zu vereinigen; Gedanken, die sich dann
431 zu einem förmlichen Project verdichteten? Wir gestehen offen, dass
wir die vom Verfasser S. 56 aufgestellte Alternative, die jedenfalls zu
Ungunsten von Thukydides ausschlägt, nicht notbwendig finden. Und die
Rede des Hermokrates, freilich bot sie den Chalkidiern keine greifbaren
Vortheile. Aber fürchtete man nicht vielleicht auch von dieser Seite
ein wenig die Athener? Wirklich anhängliche Bundesgenossen haben
die Athener auch nachher nicht in Sicilien gefunden.
Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete
der antiken Musik für die Jahre 1879 und 1880.
Von
Heinrich Gull r au er
in Waidenburg i./Schl.
Der folgende Bericht wird nicht, wie die früheren, die Metrik mit
umfassen, sondern sich auf die Theorie und Geschichte der antiken Musik
beschränken. Schriften über antike Rhythmik, über die Vortragsart des
Dramas, der Lyrik u. ä. werden in den Bericht eingeschlossen werden.
Ueber die Erscheinungen auf dem Gebiete der speziellen Metrik aber
wird fortan ein zweiter Referent berichten.
Au^ dem Jahre 1878 tragen wir nach:
Ch. Em. Ruelle, Quelques mots sur la musique des Grecs an-
ciens et modernes. Annuaire de l'association pour l'encouragement
des £tudes Grecques 1878.
Ruelle giebt einen Bericht über die neueren Forschungen, beson-
ders französischer Gelehrter, auf dem Gebiet der heutigen Musik der
Griechen. Zweierlei müsse geschehen, um das Wesen der antiken Musik
zu erkennen: eine erklärende Ausgabe sämmtlicher griechischer Musiko-
graphen und eine möglichst ausgiebige Publikation der im heutigen Hel-
las vorhandenen sacralen und profanen Melodien. Die erstere Aufgabe
stellt sich bekanntlich Ruelle selbst. Für die letztere aber habe bereits
bahnbrechend vorgearbeitet Bourgault-Ducoudrais in den drei Schriften,
welche die Ausbeute seiner beiden Reisen nach dem Orient enthalten,
nämlich :
1) Souvenirs d'une mission rausicale en Grece et en Orient. Paris,
Baur, 1877.
2) Trente melodies populaires recueillies et harmonisees. Paris,
H. Leraoine und
3) £tudes sur la musique ecclesiastique grecque. Paris, Hachette
1877 (vgl. Jahresbericht 1878, III, S. 159).
Antike Musik. 169
Ruelle giebt eine kurze Ueb ersieht des Inhalts dieser drei Schrif-
ten, welche schon eine grundlegende Theorie der byzantinischen Musik
enthalten und vor allem zeigen, wie man griechische Weisen in unsere
Notenschrift zu übertragen habe. Bourgault meint, dass eine Reform
der heutigen griechischen Kirchenmusik stattfinden müsse, vor allem auch
durch Annahme der modernen Polyphonie.
1879.
C. V. Jan, »Der pythische Nomos und die Syrinx«. Philologus
XXXVm. Bd. 2. S. 378-384.
V. Jan giebt Ergänzungen bezw. Richtigstellungen zu meinem Schrift-
chen »Der Pythische Nomos«, Leipzig 1876, Separat-Abdruck aus dem
VIII. Supplement-Bande der neuen Jahrbücher (vgl. Jahresbericht 1877,
m, S. 19). Er meint, ich hätte mit Unrecht aus den Worten des Pollux
S}n:epistk^(ps 8h zu lafxßcxbv xal rä aakmartxä xpoufiaza ein Eintreten
von Salpingen in den Pythischen Nomos gefolgert, aa^marcxa xpoüfiaza
bedeute weiter nichts als »trompetenartige Instrumentaltöne«. Auch ein
Eintreten der Sy ring es sei nirgends anzunehmen. In der Erzählung
des Plut. de mus. c. 21 vom Auleten Telephanes könne aupty^ sehr
wohl einen Theil oder eine Vorrichtung am Aulos bedeuten, vermittelst
deren man hohe Töne erzeugte etc. Eine dankenswerte Zusammenstel-
lung einer Anzahl Zeugnisse des Alten, in denen aüpiy^ offenbar einen
Teil des Aulos bezeichnet (welchen freilich, bleibt dunkel) geht voran.
Ich habe (bei Fleckeisen 1880, 10/11, S. 703-5) v. Jan's Erklärung der
aalmaztxa xpoüpaza angenommen; seine Ausführungen über die aüpcy^
gleichfalls, oder doch wenigstens insoweit, als ich zugebe, dass Jan's
Auseinandersetzungen uns den letzten Scrupel benommen haben, als
sicher anzunehmen, dass der vöjiog Ilui^txoQ nichts anderes war als ein
Soloconzert eines Auleten.
H. Guhrauer, Zur Geschichte der Aulodik bei den Griechen.
Programm -Waidenburg i./Schl. 1879. 16 S. 4.
Die Untersuchung geht aus von der bisher noch nicht ernstlich
gestellten Frage, wer eigentlich unter der Bezeichnung auXojous gemeint
sei, der Aulosspieler oder der Sänger? Denn wenn man nicht annehmen
wolle, dass derselbe Künstler erst geblasen und dann ohne Begleitung
gesungen habe, sei die Betheiliguug zweier Künstler bei einer aulodi-
schen Leistung unerlässliche Voraussetzung. Und doch werden an den
betreffenden Stellen der Alten immer nur einzelne Personen als auXioSoc
bezeichnet. Resultat dieser im ersten Abschnitt geführten Untersuchung
ist, dass unter einer aulodischen Aufführung zu verstehen sei: »ein kunst-
mässiger Sologesang einer Männerstimme, zu welchem ein zweiter Künst-
ler, ein Aulet, eine musikalisch untergeordnete Begleitung bläst. Der
170 Antike Musik.
Ausdruck auXwooe bezeichnet den Solosänger. Er allein pflegt, wenn
von aulodischen Aufführungen die Rede ist, genannt zu werden« (S. 7).
Im zweiten Abschnitt wird sodann nachgewiesen, dass die einzige kunst-
mässige aulodische Aufführung, von der wir wissen, der aulodische No-
mos sei. Klonas, dem Begründer dieses Nomos, seien sechs verschiedene
Nomen zuzuschreiben. Dass man ohne weiteres aulodische Nomen auch
als auletische verwendet habe und umgekehrt, sei nicht anzunehmen.
Die Elegie, für deren verschiedene Gattungen man nicht ohne weiteres
dieselbe Vortragsart annehmen dürfe, gehöre, auch soweit sie gesungen
worden, nicht eigentlich zur Kunstform der Aulodik. Schliesslich wird
kurz berichtet über die Verbreitung der Aulodik bei den Griechen
und dabei das Ergebniss gewonnen, dass »Aulodik von allen musikali-
schen Kunstübungen der Griechen die bei weitem am wenigsten cultivierte
gewesen sei« (S. 15). — Gegen diese Ausführungen wendet sich der Auf-
satz von
C. von Jan, »Auletischer und Aulodischer Nomos«. In Fleck-
eisen's Jahrb. 1879. IX, S. 577—592.
Gerade was ich von vornherein verworfen hatte, die Ausführung
des aulodischen Stückes durch einen und denselben Künstler, sei das
richtige, wenigstens für den Nomos des Klonas ; später und »dilettantisch
geübt« könne meine Art aulodischen Vortrags allerdings wohl auch ge-
bräuchlich gewesen sein. Wenn ich — neben mehreren anderen Stellen
— als Hauptbeweis für meine Auffassung Plut. de mus. cap. 36 vorge-
bracht hätte, so sei das falsch. Man brauche dort nicht, wie ich, mit
Volkmann oMcüocu und auAojoixrj? zu lesen ; die Lesart der Handschrif-
ten wjhjToo und aoXrjTixrjQ sei sehr wohl zu halten. Man müsse nur
wissen, dass »das griechische Conzertinstrument nicht ein einfacher, son-
dern ein doppelter Aulos war«, und dass das Flötenspiel auf diesem
Aulos »wirklich in der Regel zweistimmig war« und zwar sei diese
Zweistimmigkeit so zu denken, »dass die begleitende Flöte einen hohen
Ton aushielt«. Die Worte Tioispov au}X(pujvooai ol au?ioc, auch auf einen
Auleten bezogen, enthielten also keinerlei Schwierigkeit. Dass aber in
der That Klonas zuerst »jenes rituelle prooimion in feierlichen Choral-
tönen« geblasen habe und dann »nachdem er der heiligen Pflicht ge-
nügt, zum zweiten Teil des agon (?) einer unbegleiteten Recitation über-
gegangen sei« (S. 586), das gehe auch hervor aus der Analogie des
kitharodischen Nomos. Auch Terpander's Nomos habe aus zwei,
verschieden vorgetragenen, Teilen bestanden: dem gesungenen Prooi-
mion und dem rhapsodisch rezitierten eigentlichen Nomos. — Es fol-
gen (S. 588 — 592) noch einige Bemerkungen über die Vortragsart der
Elegie und die geschichtliche Entwicklung der Aulodik, die nichts eigent-
lich Neues enthalten. — Als Entgegnung gegen diese Jan'sche Abhand-
lung erschien im nächsten Jahre:
Antike Musik. 171
H. Guhrauer, Zur Geschichte der Aulosmusik. Fleckeisen's Jahr-
bücher 1880. Heft 10 und 11. S. 689—705.
Meine Entgegnung hält sich lediglich abwehrend gegen v. Jan's
Aufstellungen. Hauptsächlich sucht sie zu erweisen, dass Jan's Be-
hauptung, die griechischen Conzertinstrumeute seien in der Regel Dop-
pelflöten gewesen und stets zweistimmig geblasen worden — eine Be-
hauptung, die in dieser Weise noch niemand je aufgestellt hat — dass
diese Behauptung durch die von Jan beigebrachten Stellen keineswegs
bewiesen sei; ebensowenig die andere, noch neuere und originellere, von
der Vortragsart des kitharodischen Nomos. Ohne selbst eigne oder neue
Ansichten auszusprechen, suche ich zu constatiren, dass die Aufstellun-
gen Jan's vorläufig noch als unbewiesen gelten müssten. Ueber die
den Pythischen Nomos betreffenden Schlussbemerkungen vergleiche oben
S. 169). — Auf diese meine Entgegnung replizierte v. Jan — wie ich
vorgreifend gleich hier berichten will — in einem bei Fleckeisen 1881
S. 543 — 552 befindlichen Aufsatz: »Aulos und Nomos«. Was dort ge-
sagt ist über den Gebrauch der Doppelflöten und ihre Zweistimmigkeit,
darüber hat v. Jan in einem besonderen grösseren Aufsatz von 1881
ausführlicher gehandelt (Allg. Musikzeitung 8. 465 ff.). Ueber diesen
wird der Jahresbericht für 1881 zu reden haben. Klar freilich erscheint
mir schon heut, dass wir beide über die in Rede stehenden Streitfragen
uns schwerlich einigen werden; mögen andere entscheiden! Nur das eine
möchte ich hervorheben, dass v. Jan immer noch so thut, als wäre ge-
rade ich allein der Eisenkopf, der sich nicht belehren lassen wolle, wäh-
rend ich lediglich die Annahmen Jan's, die bisher in dieser Weise nie-
mand teilt, als vorläufig nicht genügend bewiesen ablehnte. Auch die-
ser neue Artikel bringt keine genügenden Beweise. Wenn er z. B. seine
Behauptung, der »zweite Teil« des kitharodischen Nomos sei »ohne
musikalische Begleitung deklamiert worden«, die ich, wie vorläufig wohl
alle Leute, bestritten hatte, S. 551 mit den Worten wiederholt: dass
das der Fall gewesen sei »würde wohl als ausgemacht gelten dürfen«,
so wird er selbst das doch wohl für keinen Beweis halten. Was er
aber sonst an Beweisen beibringt, davon giebt er selber zu, dass es
seine Hypothese nicht stricte beweise. Doch wie gesagt: mögen nun-
mehr andere zwischen uns entscheiden!
Kouiiavoödrj<;^ 1\ A., olqa nEp\ r^? cvScxr^g /louaixr^g. Attcxuv
'Hfiepokoyiov 1879. S. 172—179.
Anzeige der in den Jahren 1868 — 1877 erschienenen Schriften des
indischen Musikprofessors Sourindro Mohun Tagorc in Kalkutta, welche
die Geschichte der indischen Musik von den ältesten Zeiten bis zur Ge-
genwart behandeln, Beschreibungen und Abbildungen indischer Musik-
instrumente, Sammlungen indischer Weisen alter und neuer Zeit u. ä.
172 Antike Musik.
enthalten. Die Abhandlungen sind teils indisch, teils englisch, teils in
beiden Sprachen abgefasst. Was Kumanudes aus jenen Schriften seinen
Lesern von den Eigentümlichkeiten der indischen Musik mitteilt, finden
die Leser des Jahresberichts schon bei Ambros im ersten Bande der
Musikgeschichte.
John Stainer, The music of the bible. With an account of the
developement of modern musical Instruments from ancient types. Lon-
don, ohne Jahr. IV, 186 S. 8.
Verfasser behandelt nach einer kurzen Einleitung (S. 1 — 10) in
vier Kapiteln die Streichinstrumente der Hebräer, sodann in gleichfalls
vier Kapiteln die Blasinstrumente (S. 75 — 133). Darauf folgt die Be-
sprechung der Schlaginstrumente (S. 135 — 156) und der Vokal- Musik
(bis S. 175). lUustrirt sind die Schilderungen des Verfassers mit 100 Ab-
bildungen. Am Schluss folgen vier Appendices : l. Classification of mu-
sical Instruments generally; 2. Hebrew, Greek and Latin names of bible
instruments; 3. List of passages in the bible in which musical Instru-
ments are mentioned; 4. List of accents und ein index.
Inwieweit das Buch für die Kenntniss der Instrumente der Hebräer
im Einzelnen Neues bietet, ist Referent nicht in der Lage zu beurteilen.
Besprochen und abgebildet sind nicht blos sämmtliche in der Bibel vor-
kommenden Instrumente, sondern auch ähnliche und verwandte der Grie-
chen, Assyrer, Aegypter, Chinesen. Das Buch führte überhaupt besser
den Titel »Ueber die Musikinstrumente der Bibel«. Der Verfasser ist
Musiker, nicht Philolog, und wendet sich zunächst an ein grösseres Pu-
blikum. Das Buch ist aus einer Reihe von Artikeln entstanden, die er
für den »Bible Educator« geschrieben hatte.
Jebb, R. C and Chapell, On the r endering of apiiovca in Ari-
stoteles' Politics V [VIII] V. 22 — 25. The Academy 1879 No. 358
S. 240; 360 S. 284—85; 361 S. 305.
Die beiden Gelehrten sind mit einander im Streit darüber, wie
das Wort äpnovta, welches an jener Stelle des Aristoteles (VHI, 5) wie-
derholt vorkommt, jedesmal im Englischen am besten zu übersetzen sei.
Eine Förderung des Verständnisses der Aristotelesstelle oder des ter-
minus äpiiovca resultirt aus ihrer Polemik für uns nicht.
Ch. E. Ruelle, »Eine Entdeckung der musikalischen Altertums-
forschung in Rom«. Aus der »Revue et Gazette musicale« 1879.
Nc. 21. Uebersetzt von G. Becker: »Allg. deutsche Musikzeitung«
1879. No. 25 und 26. S. 193/94 und S. 201—203.
Nach einer kurzen Aufzählung und Besprechung der sieben bisher
bekannt gewesenen Musikreste des Alterturas teilt Ruelle mit, dass unter
den in der Farnesina in Rom unlängst ausgegrabenen Malereien sich
Antike Musik. 173
auch ein Medaillon befinde, auf dem eine Lyra- oder Kitharaspielerin
dargestellt sei. Das Instrument habe sieben Saiten ; besonders inter-
essant aber sei, dass jede der sieben Saiten mit einem Buchstaben über-
schrieben sei. Ausgehend von dem allein unversehrt erhaltenen Noten-
zeichen 3, welches sich in sechs der uns überlieferten 15 Transpositions-
scalen findet, kommt er durch eine scharfsinnige Vergleichung und Er-
gänzung der verstümmelten Notenzeichen auf jener Lyra zu dem Resul-
tat, dass wir eine in der Hypoäolischen Scala (c — c) gestimmte Lyra
vor uns haben, deren Töne waren: d, es, f, g, as, b, c, also eine Scala
ohne proslambanomenos. Da nun ferner Ende 1877 durch Mahillon in
Brüssel constatirt sei, dass auch eine in Pompeji aufgefundene Flöte
sich auf die Tonreihe von eis bis h beschränke, so schliesst Ruelle, »dass
die Instrumentalmusik der Alten, was die Zusammensetzung und den
Accord der melodischen Töne betrifft (?), sich bis an's Ende in dem Zu-
stande ihres ersten Alters erhalten hat, was uns wieder zu den Harmo-
nien (Tonarten?) des Plato und Aristoteles zurückführt«. Dieser resü-
mirende Satz scheint sehr mangelhaft übersetzt. Das Original lag mir
nicht vor. So wie er dasteht, ist nicht viel damit anzufangen.
L. A. Bourgault-Ducoudray, Conference sur la modalite dans
la musique Grecque. Paris 1879. Imprimerie Nationale.
Aus den comptes rendus stenographiques, betreffend die Congresse
und Conferenzen, welche mit der grossen Pariser Ausstellung von 1878
verbunden wurden. Der vorliegende Confereuzbericht enthält einen Vor-
trag des Herrn Bourgault-Ducoudray, mit dem er sich nicht an die Phi-
lologen, sondern an die Musiker wendet, um letztere davon zu überzeu-
gen, dass die Tonarten der alten Griechen an Kraft und eigenartiger
Ausdrucksfähigkeit unsere beiden Tonarten übertreffen, und dass die mo-
derne Musik nichts Klügeres thun könne, als noch viel mehr, als bisher
geschehen, in den Tonarten der Griechen componieren. Der Vortrag ist
reich an hübsch ausgewählten Beispielen aus der mittelalterlichen und
modernen Musik, welche, von einem Solo- Quartett ausgeführt, den Zu-
hörern die Wirkungen der verschiedenen Tonarten nahe brachten. Frei-
lich ist die Sache mit dem Ethos der Tonarten eine sehr subjective und
Referent, der sich im wesentlichen zu Hanslickschen Principien bekennt,
kann Bourgault nicht überall beistimmen. Die Bestimmtheit des Ethos
einer griechischen Tonart war überdies im Altertum keineswegs blos
durch die musikalische Beschaffenheit der entsprechenden Melodie ge-
geben. Allerlei conventioneile Momente der herkömmlichen Verwendung
sprachen dabei für die Empfindung der Griechen mit, die für uns Mo-
derne wegfallen. Unser Ohr andererseits wird bezüglich des Ethos eines
Musikstücks durch die Art der Harmonisierung, Stimmfülirung und den
Vortrag, respective die Klang- und Tonfarbe des ausführenden dpyavov
sicherlich sehr beeinHusst.
174 Antike Musik.
'A&av. fJerpcdrjg ij yalXixrj lifruizpiQ tojv (TuCrjTrjacüjv nep: rr^s
e&vtxrjQ ijjxijjv exxhrjaiaarixrjg jwoaixrjg. Sotcr II. No. 22. (Juli 1879).
S. 156-158.
Verfasser giebt eine Inhaltsangabe des Aufsatzes von Ch. Levc-
que les melodies grecques und knüpft daran eine eindringliche Mah-
nung an seine Landsleute, mehr als bisher geschehen der Pflege und
Erforschung der nationalgriechischen Musik im Altertum und Mittelalter
Arbeit und Interesse zuzuwenden und sich nicht ferner die Arbeiten nicht-
griechischer Musiker und Gelehrten zuvorkommen und durch sie sich be-
schämen zu lassen ; besonders aber fordert er sie auf, auch auf eine Re-
form der gegenwärtigen griechischen Kirchenmusik hinzuarbeiten.
Nicht übergangen werden darf das Erscheinen einer zweiten Auf-
lage von
Wilh. Christ, Metrik der Griechen und Römer. Leipzig 1879.
(Vgl. das Referat über die erste Auflage Jahresber. 1877, III, S. 7).
Der Verfasser hat sein Buch einer gründlichen Umarbeitung unter-
zogen. Aus 684 sind 716 Seiten, aus 666 Paragraphen sind deren 771
geworden. Vieles ist aus dem Text in die Anmerkungen verwiesen wor-
den, mehrere neue Kapitel und neue Aufschriften sind hinzugekommen,
die Zahl der Einzelbeispiele ist bei alledem vermindert worden. Und
so mögen denn die Besitzer der ersten Auflage sich nur darein finden,
sich auch* die zweite anzuschaffen. Ein Citat z. B. aus dieser letzteren
ist in der ersten nur mit Mühe aufzufinden. Irgendwelche Hilfe hierzu
bietet die zweite Auflage nicht. »Von einzelnen Teilen«, sagt der Ver-
fasser (S. VI), »hat ausser den Kapiteln über den daktylischen Hexa-
meter und über das logaoedische Versmass besonders der Anhang über
die Composition und die Vortragsweise griechischer Dichtungen eine
durchgreifende Umarbeitung erfahren«. Die in der Abhandlung »die
rhythmische Continuität der griechischen Chorgesänge« (vgl. den Jahres-
bericht für 1878, Abth. HI S. 156), die »Teilung des Chors im attischen
Drama« (vgl. ibid. S. 161) und in der über »die Parakataloge im grie-
chischen und römischen Drama (vgl. Jahresber. 1877, III, S. 11) nieder-
gelegten Forschungen sind in diese neue Auflage verarbeitet. Die lei-
tenden Gesichtspunkte und die Grundauschauungeu des Verfassers haben
sich aber nicht geändert; das Buch hat ein so ganz anderes äusseres
Ansehen durch diejenigen Veränderungen in der Anlage erhalten, die
oben angegeben sind. Und diese Aenderungen gereichen der Uebersicht-
lichkeit und Brauchbarkeit des Werkes zweifellos zum Vorteil. Ausser-
dem enthält die neue Auflage naturgemäss sehr viele Ergänzungen und
kleinere Aenderungen im Einzelnen, wie sie sich dem Verfasser aus den
seit 1877 zahlreich erschienenen Einzelschriften der Mitforscher ergeben
haben. Hierüber in Kurzem zu berichten, ist kaum thunlich. Fassen
Antike Musik. 175
wir besonders den letzten Teil über den musikalischen Vortrag der an-
tiken Dichtungen, der uns hier besonders interessirt, in's Auge, so spricht
sich Christ z. B. über die Annahme einer der unsrigen ähnlichen Poly-
phonie in der griechischen Musik zwar immer noch ablehnend, aber nicht
mehr so unumwunden ablehnend aus, wie in der ersten Auflage. Ueber
die Zusammensetzung und Aufstellung des dramatischen Chors wird in
einem neuen Abschnitt (S. 669/70) gehandelt. Gegen den Zusatz betref-
fend die »besonders hohe Kunst« des den Auloden begleitenden Auleten
(S. 672) habe ich bei Fleckeisen 1880 S. 694 A. 5 mich ausführlicher
gewendet. Nachträglich sehe ich, dass Christ's eigene Bemerkung S. 700
über die mit buh zusammengesetzten Verba gleichfalls für meine An-
sicht von der untergeordneten Bedeutung des imaukelv spricht. Dass im
Gegensatz zum ^prjvog »zum heiteren lebensfrohen Dithyrambus nicht die
Flöte, sondern die Phorminx erscholl« (S. 674) ist, so allgemein ausge-
sprochen, nicht richtig, mag die Inschrift bei Le Bas, die ich hier nicht
vergleichen kann, lauten wie sie wolle.
Der Abschnitt über die verschiedenen Arten des Vortrags im Drama
ist, vielfach erweitert, unter ein besonderes Kapitel gebracht: »Gesang,
Deklamation, Parakataloge« (S. 675 — 682). Wenn in dem neuen Zusatz
§ 750 (S. 682) auf Grund von Aristoteles Probl. XIX, 6 behauptet wird,
dass »auch die ehedem ausschliesslich zum Gesang bestimmten Oden
mit der Zeit parakatalogisch vorgetragen wurden«, wenn auch ohne Aulos-
begleitung in der sogenannten ■nenlaaiiivri hnöxpiaiq (vgl. S. 491), so
scheint zum mindesten die Aristotelesstelle allein für diese Annahme
keinen genügenden Beweis zu geben. Aristoteles denkt dort kaum ge-
rade an den Vortrag lyrischer Gedichte; jedenfalls aber enthält doch
jener »gekünstelt deklamatorische Vortrag« nichts von derjenigen ävui-
IxaXia, die Aristoteles gerade als das Charakteristische der 7iap(xxa7akoy^
hinstellt, welches ihr ein zpaycxbv, na&r^vcxöv und yowosg verleihe. —
Das Kapitel »Marsch und Tanz in Verbindung mit Gesang« ist in der
neuen Auflage in zwei geteilt: l. die Marschgedichte (S. 687 - 692) und
2. die Tanzlieder (S. 693 - 705). Besonders dieser letzte Abschnitt ent-
hält viele neue Zusätze. — Hoffentlich dürfen die Besitzer dieser zwei-
ten Auflage sich dessen getrösten, dass das treffliche Buch nunmehr im
Wesentlichen seine endgültige Gestalt erhalten hat und dass also die
sicher zu erwartenden weiteren Auflagen nur noch Aeuderungen und Er-
gänzungen im Einzelnen bringen werden.
Nicht zugänglich war mir leider:
C. Leveque, Les melodies grecqucs. Comptes rendus de l'aca-
demie des sciences morales et politiqucs. Mai - October.
176 Antike Musik.
1880.
Alfred Croiset, La pocsie de Pindare et les lois du lyrisme
Grec. Paris, Hachette, 1880. XIV, 458 S. Recensirt: »Jahresberichte
des philol. Vereins«. VIII. 1882. S. 50/51 von Otto Schröder.
Der ausführliche Bericht über dieses Buch gebührt dem Pindar-
Referenten. Hier sei nur erwähnt, dass Croiset S. 71 — 101 über grie-
chische Musik und ihre Bedeutung für die Chorlyrik sich auslässt. Seine
hübsch geschriebene Auseinandersetzung beruht in allem Wesentlichen
auf Gevaert's erstem Bande. Eigene Forschungen zu bieten prätendirt
er nicht. Er gehört zu denen , welche sich die griechische Musik auf
einer überaus einfachen Stufe stehend denken. Une ötonnante simpli-
cite giebt er ihr (S. 72). Wenn er S. 98 sagt : les grands flütistes grecs
sont de purs virtuoses et pas un d'eux n'est connu comme poete, so
würde das auf Sakadas, den Vater der kunstmässigen Auletik, nicht
passen (cf. Plut. de mus. VIII).
Carl Lang, üeb er altgriechische Musik: »Nord und Süd«. April
1880. S. 107-123.
Eine fesselnd und geistvoll geschriebene Darstellung alles dessen,
was vom Wesen der altgriechischen Musik zu wissen auch weitere Kreise
interessiren kann. Möchten auch von den Philologen, die es leider für
ausgemacht zu halten pflegen, dass man, um das griechische Altertum
zu erfassen, von jeder Kenntnis der alten Musik sich getrost dispensiren
könne, recht viele Gelegenheit finden, den Lang'schen Aufsatz zu lesen!
Lang's Ansichten decken sich in allem Wesentlichen mit denen von
Gevaert; dem Ausspruch (S. 111), »dass unser mehrstimmiger Satz einem
Kunstprinzip, nämlich dem der Einheit, widerspricht, lässt sich nicht
leugnen« könnte man sehr wohl auch seine Antithese entgegenstellen.
Gemeint ist er wohl auch insbesondere in Beziehung auf Gesang. Dass
ivaoXog xcMpiacg die Flageoletttöne bezeichnen solle, glaube ich vor-
läufig nicht. Was im dritten Kapitel (S. 121 ff.) gesagt ist über Rieh.
Wagner und sein Verhältnis zum antiken Drama, ist Referent ganz aus
der Seele geschrieben. Nur bare Ignoranz kann in Wagner's Musik-
drama eine Wiedererweckung der antiken Tragödie finden wollen!
Fr. E. M. Esmann, De organis Graecorum musicis. Pars prior
(veterum testimonia per literas tradita continens). Diss. inaug. Rostoch.
Gedruckt Wismar bei Hinstorf. 1880. 66 S. 8.
Eine Sammlung von Stellen über die antiken Instrumente (Schlag-
instrumente bis S. 14, Blasinstrumente bis S. 49, Saiteninstrumente bis
S. 60). Dazu ein Anhang (S. 60-66): A, de vestigiis quibusdam, qui-
bus genus tensibile ex percussionali prodiisse appareat und B, quid
xWapojoög et auKiüdög proprio significaverint. Verfasser hat wohl einige
Antike Musik. 177
Tausend Stellen zusammengestellt! Schlimm ist blos, dass ein grosser
Teil derselben nicht ausgeschrieben ist, so dass, wer nicht eine grosse
Bibliothek zur Disposition hat, erst grosse Mühe haben wird die betref-
fenden loci zu erlangen. Auch ist in der Auswahl der Stellen nicht
immer umsichtig verfahren; sehr viele loci, welche citirt oder beige-
bracht sind, helfen zur Erkenntnis des in Rede stehenden Instruments
nur wenig; die Citate, soweit sie Referent hat vergleichen mögen, sind
keineswegs immer zuverlässig. Eigene Meinungen werden gelegentlich
ausgesprochen, aber ohne ausführlichere Begründung; letztere wird wohl
die altera pars bringen. Die Untersuchungen des Anhangs sind vor-
läufig noch sehr dilettantisch. Also: »schätzbares Material« immerhin
für den, welcher für griechische Instrumentalmusik sich interessirt —
weiter aber auch nichts; dabei nur mit Vorsicht zu benutzen!
'A&av. IlszpiOTjg xal ndkiv nepl -od K. 2xuXIt<T7j xal rr^g dp^acag
irpoaüjocag xal zr^g 'ExxXrjOcaaztxr^g r^putv Mooacxr^g. ^(uzr^p. Bd. 3.
Heft 4. 1880. S. 118-128.
Petrides wendet sich mit christlicher und patriotischer Entrüstung
gegen einen Anspruch des Herrn Skylitses (im » Parnass « Augustheft
1879), welcher den Verfall echt griechischen Wesens, speziell auch den
der griechischen Musik, vornehmlich dem Einfluss des Christentums zu-
geschrieben hatte. Indem er kurz alle die Stürme aufzählt, welche seit
der Plünderung Dodona's durch die Aetoler im Altertum und Mittelalter
über Griechenland gegangen sind und seine Cultur vernichtet haben, be-
zeichnet er das Christentum gerade als diejenige Macht, welche gerettet
und geborgen habe, was von der Herrlichkeit des alten Hellenentums
auf uns gekommen ist. Er polemisirt sodann in langer, etwas phrasen-
hafter Rede gegen Skylitses resp. Balassides, welche der neugriechi-
schen Sprache nichts mehr von dem Wohlklauge und dem eigenthüm-
lichen Rhythmus der alten zusprechen wollen. Doch bringt er nicht
eigene Beweise, sondern nur Zeugnisse nichtgriechischer Gelehrten über
das Verhältnis des neugriechischen Idioms zum altgriechischen; von der
Kirchenmusik ist nur ganz gelegentlich die Rede. Die ganze Abhand-
lung ist ohne wissenschaftlichen Wert.
K. Zacher, »Ueber die faktische und praktische Darstellung an-
tiker Dichtwerke, mit besonderer Berücksichtigung des Chores«. Ver-
handlungen der Geraer Philologen -Versammlung. 1879. S. 64 — 73.
(Vgl. auch den vorigen Jahresbericht Abth. III S. 163).
Diesem im Inhaltsverzeichnis (S. III) gegebeneu Titel des Zacher-
schen Vortrags entsprechen insofern nicht die Ausführungen des Red-
ners, als diese sich lediglich mit der Vortragsart des Chors im griechi-
schen Drama beschäftigen. Zacher sucht nachzuweisen, dass alle bisher
aufgestellten Ansichten über die Ausführung der Chorlieder des grie-
[ahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVHI. (1881. UI.) 12
178 Antike Musik.
chischen Dramas, insbesondere soweit sie die Teilung des Chors bezw.
das Eintreten einzelner Choreuten, die Verteilung verschiedener Partien
des Chorikon an den Koryphaios, die Parastaten etc. betrifft, fast durch-
weg als blosse Hypothesen zu betrachten sind. Indem er es unternimmt
»die Kriterien, auf die gestützt man Vortrag der einzelnen Choreuten
nach einander annimmt, auf ihre Beweisfähigkeit hin zu prüfen« kommt
er zu dem rein negativen Resultat, dass wir »in den meisten Fällen
durchaus nicht im Stande sind, uns ein einigermassen klares Bild vom
Vortrag des Chores zu machen«. Wenn also besonders neuere Gelehrte
ihre bis in's Einzelnste gehenden Aufstellungen über die Vortragsart an-
tiker Chorlieder nicht so vortragen, als ob es sich um blosse Vermutun-
gen, sondern als ob es sich um zweifellose historische Thatsachen han-
dele, so tadelt Zacher dieses Verfahren als der deutschen Philologie un-
würdig; denn es sei niemand erlaubt »ein unsicheres, wenn auch glän-
zendes Phantasiegebilde mit dem trügerischen Schimmer wissenschaft-
lich exakter Forschung zu bekleiden«. Referent ist mit Zacher in allem
Wesentlichen durchaus und vollständig einverstanden. — Wie subjectiv
in der That alle auf die Chortechnik des Dramas bezüglichen Urteile
sind, geht auch hervor aus dem im vorigen Jahresbericht nicht besproche-
nen Artikel von
Ferdin. Hoppe ȟeber den Vortrag der chorischen Interloquien
bei Sophokles«. Wissenschaftl. Monatsblätter 1878. No.9. S. 141-143.
Hoppe wendet sich gegen die von 0. Hense (Rhein. Mus. 1877
S. 496) aufgestellte Behauptung, dass wo bei Sophokles drei chorische
Aeusserungen und zwar meist nahe zusammen sich finden, diese unter
den Koryphaios und die beiden Parastaten zu verteilen seien; dem Ko-
ryphaios gebühre die inhaltlich wichtigste, oder aber die längste der
drei Interloquien, dann nämlich, wenn der Chor in der Tetragonalstellung
stehe, weil dann das Bedürfnis vorliege, die Stellung des Koryphaios
durch das doppelte [xiyz^og seiner Worte für das Gehör des Zuschauers
deutlich hervortreten zu lassen; bei Halbchorstellung seien die drei Chor-
personen schon durch ihre Stellung für das Auge zu unterscheiden.
An einer Reihe von Beispielen aus der Antigene sucht nun Hoppe zu
zeigen, dass dieses Hense'sche Gesetz keineswegs passe. Er entscheidet
sich vielmehr dafür, auch bei Sophokles dasjenige Gesetz als allgemein
gültig anzunehmen, welches R. Arnoldt für Euripides aufgestellt hat:
»die chorischen Interloquien kommen dem Koryphaios zu«.
Rud. Westphal, »Ehrendoktor der Griechischen Literatur an
der Universität Moskau«: »Allgemeine Theorie der Musikalischen
Rhythmik seit J. S. Bach auf Grundlage der antiken und unter Be-
zugnahme auf ihren historischen Anschluss an die mittelalterliche mit
besonderer Berücksichtigung von Bach's Fugen und Beethoven's So-
naten«. Leipzig, Breitkopf und Härtel 1880. LXXXII, 298 S.
Antike Musik. 179
Rezensirt: Deutsche Lit.-Ztg. 1881 No. 18 von H. Bellermann.
Lit. Ceütr.-Bl. 1881 No. 16 von H.. Rmn.
Für Philologen nur mittelbar von Interesse; denn Gegenstand der
Untersuchung ist die Rhythmik der modernen Musik. Trotzdem scheint
es angezeigt über dieses neue, hochinteressante Opus R. Westphal's, schon
um seines Autors willen, hier kurz zu referiren.
Das Buch geht von dem Grundsatze aus, dass »die rhythmischen
Gesetze, welche Aristoxenus den musischen Künstlern seines Volkes ab-
gelauscht hat, nicht blos für diese, sondern auch für die Instrumental-
musik Bach's, und mehr oder weniger auch für die Kunstleistungen
aller übrigen Meister der modernen Musik passen« (S. XX). Das habe
man bisher nicht erkannt, weil es der modernen Kunsttheorie an der
Voraussetzung der Aristoxenischen gefehlt habe, »an dem Bewusstsein
von der Einheit der rhythmischen Formen der Musik mit denen der
Poesie« (S. XXVI). Die Erkenntnis von der »Wesensidentität« von
Metrik und Rhythmik hat denn auch bewirkt, dass diese moderne musi-
kalische Rhythmik »genau angelegt ist, wie die griechische Metrik, oder
vielmehr wie ich die griechische Metrik anlegen würde, wenn ich sie
noch einmal zu schreiben hätte« (S. XXVII). »Hauptaufgabe des Buches
aber ist es, in dem Musiker von Fach das Bewusstsein der rhythmischen
Gliederung nach Kola, Perioden und Systemen (Strophen), und dass eben
hierin der gesammte Rhythmus bestehe, zu erwecken und lebendig zu
macheu« u. s. w. (S. XXVIII). An anderer Stelle wird hervorgehoben,
dass auch die Aufklärung der Herrlichkeit Bach'scher Musik insbeson-
dere der Instrumentalfugen, ein Hauptzweck des Buches sei.
Der Verfasser giebt im ersten Abschnitt »Grundlinien der poeti-
schen Metrik« (bis S. 32). Er eifert gewaltig und mit Recht gegen die
»traurige Sprachverwirrung« der modernen Musiktheoretiker, welche die
musikalischen termini (Vers, Strophe, Kolon, Periode etc.) zwar den alten
Sprachen entnehmen, sie aber keineswegs im antiken Sinne gebrauchen. Der
richtige Aristoxenische Gebrauch dieser termini wird erklärt. Im zweiten
Kapitel, der Taktlehre, (bis S. 92) verficht Westphal gegen die »heuti-
gen Tags geltenden Theorien« besonders Lobe's undLussy's, die Anwendung
der Aristoxenischen Gesetze auch auf die Instrumentalmusik. Er unterschei-
det auch in dieser trochaeische, daktylische, ionische Rhythmen; beson-
ders die letzteren findet er in vielen unserer dreiteiligen Takte (Vs, V*
etc.) wieder, z. B. im Rhythmus des Menuetts. Wichtig sei und festzu-
halten, dass unsere »Takte« sehr häufig dipodisch, ja auch tripodisch
oder tetrapodisch zu messen seien. Unsere Art Taktvorzeichnung gebe
darüber freilich nicht den gehörigen Aufschluss. In Bach's Fugen z. B.
bezeichne V^ und V2 stets einen aus vier daktylischen Versfüssen zu-
sammengesetzten Takt. Die antiken Versfussnamen aber, sagt er S. 34,
12*
180 Antike Musik.
passen nicht für unsere rezitirte Poesie, »für unsere moderne Musik aber
sind sie durchaus unentbehrlich«. — Es folgt die Lehre von den »mu-
sikalischen Kola« (bis S. I7ü). Der Umfang derselben stimmt, rück-
sichtlich der Zahl der /puvot nfjiüzoi, bei Bach und überhaupt (bis auf
eine Ausnahme), genau mit den Gesetzen des Aristoxcnus! Es lasse sich
nämlich, wenigstens in Bach's Fugen, sehr wohl ein -^püvog nfjwzog dem
Rhythmus zu Grunde legen. In diesem Kapitel wird ferner über Cäsur»
Anakrusis, Irrationalität, Fermaten etc. gesprochen. Es sei ein Grund-
irrthum der modernen Herausgeber Bach's und Beethoven's, dass sie in
der Phrasirung — irregeleitet, wie Westphal sagt, durch den Taktstrich (?)
— die Anakrusen der rhythmischen Phrasen nicht erkennen. Hier, wie
überhaupt, sind viele Beispiele aus Bach und Beethoven abgedruckt.
Das vierte Kapitel (bis S. 232) behandelt die musikalische Periodologie,
die Kola der Periode als Protasis und Apodosis (Crescendo- und Dimi-
nueudo-Satz), ferner die Gesetze der Accentuation ; und zwar wird eine
hesychastische Accentuation geschieden von einer diastaltischcn. Schliess-
lich werden »die musikalischen Systeme oder Strophen« erörtert, über an-
tistrophische Responsion und »perikopische Gliederung« wird gesprochen;
wohlgemerkt: immer in Bezug auf Bach'sche Fugen und Beethoven's
Sonaten! Ganze Fugen- und Sonatensätze sind nach Strophen und Peri-
kopen geordnet in den Text gedruckt. Und hier besonders ist die Stelle,
wo »der. historische Anschluss au die mittelalterliche Rhythmik« ge-
funden wird. Denn der Bau der Fuge und der Sonate jeder Form geht
zugleich zurück auf die Zweiteilung (nicht Dreiteilung!) der Minnelied-
strophe Walter's (Stollenpaar und Abgesang) und auf die entsprechende
des protestantischen Kirchenliedes. Die Bach'sche Fuge ist »deutsch-,
christlich- und heidnisch-antik zugleich« (S. XXXII).
Doch es ist kaum möglich, in Kürze den reichen Inhalt des Buches
zu skizzireu. Möge nur noch angedeutet werden, was in demselben von
der antiken Rhythmik unmittelbar Neues oder Bemerkenswertes gelehrt
wird. Der füufzeitige Paeon ist »in analoger Weise wie der lonicus
aus der daktylischen, so aus der trochäischen Dipodie abzuleiten« (S. 97),
wie das schon in der Rhythmik von 1852 vermutet worden sei. Bach's
Fugen machten diese Vermutung zur Thatsache Die sechszeitige tro-
chäische Dipodie wird durch Auslassung eines Chronos protos zum fünf-
zeitigen Paeon umgebildet. Aus
v.A.'w v!/wv^ w\j\j \iy^\j Wird
Dasjenige ferner, »was Aristoxenus irrationalen Taktteil nennt«, wird
gleichfalls erst durch die Analogie der modernen Musik verständlich.
Die irrationalen Längen dienen nämlich dazu, die rhythmischen Kola
von einander zu trennen; ihnen entsprechen unsere Choral-Fermaten;
uur muss man letztere anders halten, als bisher geschieht, nämlich so,
Antike Musik. 181
dass eben der Schlusston des Kolons um V2 XP^^^'^ npojzog gedehnt wird.
So messe, wie man aus Bach's Rhythmik ersehe, auch zweifellos Aristoxe-
nus. Der irrationale Trochaeus bedeute ihm genau J##'. u. s. w. So
müsse man auch bei Bach'schen Chorälen die Fermaten halten. Auch
für die Schlusstöne der Kola in Fugen empfehle sich wenigstens oft eine
derartige irrationale Dehnung. Ein schliessendes Viertel sei z. B. bei
dipodisch- daktylischem ^/i Takt genau gleich j j\ auszuhalten. Denn
wenn auch Aristoxenus selbst von irrationalen Daktylen nichts sage, so
müsse man seine Theorie trotzdem auch auf Daktylen und Jonici anwen-
den. Referent hält diese Theorieen in vielen Beziehungen und beson-
ders auch in ihren Beweisen für überaus anfechtbar. Bach selbst wird
seine Choräle und Fugen sicher nicht so gespielt haben. Das giebt
übrigens Westphal selber gern zu. Der mit Aristoxenischen Fermaten
rhythmirte Choral (S. 139) wird von einer Gemeinde gesungen, — und
dazu ist er doch gemacht ! — wenn nicht unrhythraisch, so doch minde-
stens unruhig und aufgeregt klingen. Die Dehnung allein ohne eine,
wenn auch kleine Pause, wird den Singenden nie genügen. Es wird sich
kaum je eine Gemeinde finden, die einen Choral nach Westphal zu sin-
gen überhaupt im Stande ist. — Interessant ist ferner, dass an zwei
Stellen (S. 105 und S. 127 ff.) die »vermeintliche sogenannte Eurythmie
in den Kompositionen der Griechen« wie sie Rossbach - Westphal zuerst
aufgestellt und wie sie J. H. H. Schmidt, »der dann das Geschäft des
Eurythmirens weiter fortgesetzt«, in seiner Weise fortgebildet habe, —
dass diese »sogenannte Eurythmie« nochmals (wie schon 1866) auf's
schärfste verworfen wird. Dass zu einem rhythmisch vollendeten Kunst-
werke die Bildung der Strophen aus eurhythmisch respondirenden Kola
gleicher Grösse keineswegs gehöre, darüber könne niemand mehr zwei-
feln, der erst in Beethoven's Sonaten und Bach's Fugen die Pindarischen
und Aeschyleischen Strophen wiedergefunden habe, ihre herrliche Wir-
kung empfinde und dabei doch sehe, dass in ihren Kompositionen Kola
verschiedener Ausdehnung sich verbinden, »ohne dass ein besonderer
Plan in der Aufeinanderfolge, wie dasjenige, was wir früher griechisch
Eurythmie nannten, vorhanden wäre« (S. 128). Auch Heirasoeth's Hypo-
these, der bei Aeschylus nur dipodisch raessbare Reihen zulassen wolle,
sei nunmehr endgültig abgcthan.
In Summa: ein echt Westphal'scjies Buch! Ueberall fesselnd und
interessant! Neue Ideen und Gesichtspunkte in frappierender Fülle!
Anregend und belehrend auch wo man gegen den kühneu Neuerer, der
seine Sache mit jugendlichem Feuer verficht, zum schärfsten Widerspruch
gereizt wird! Und das geschieht dem Leser sehr oft. Denn auch darin
zeigt sich der echte Westphal , dass der einmal erfasste und ohne
eigentlichen Beweis lediglich als Axiom ponirte Grundgedanke nach allen
182 Antike Musik.
seinen Conscquenzcn durchgeführt wird, ohne Rücksicht auf allerlei An-
stösse und Hindernisse, konstruktiv bis zur Willkührlichkcit, manchmal
sogar im direkten Kampfe mit der Logik! Von unseren heutigen Musi-
kern und Virtuosen werden sich wenige finden, die das ganze Buch
annehmen wollten, die z. B. mit Westphal behaupten werden, die Bach'-
sche Fuge gehöre »zu dem allermelodischsten , was wir in der Musik
besitzen« (S. XXXII) oder »den ganzen und vollen Genuss namentlich
unserer Instrumentalmusik zu haben, müssten wir erst von den Griechen
lernen« (S. LXVII); sehr wenige werden sich dazu verstehen wollen,
z. B. das DmoU Largo aus Beethoven's Sonate No. 7 so zu spielen, wie
Westphal auf S. LXI vorschlägt, oder die Cismollfuge (Wohlt. Klav. 2, 4)
nach der Phrasirung auf S. 141. Mancherlei Ausführungen Westphal's
legen die Annahme sehr nahe, dass er selber nie ausübend musikalisch
gewesen sein kann, dass es ihm daher an der gehörigen Einsicht in die
Praxis der modernen Musikübung fehlt. So z. B. seine Bemerkung über
das Legate- und Staccato- Spiel (S. 113 und 132). Dass bei der musi-
kalischen Phrasirung die Melodie doch auch mitzureden hat, scheint
Westphal manchmal ganz zu vergessen! — Andererseits aber wäre es
bedauerlich, wenn unsere Musiker über das ganze Buch einfach zur Ta-
gesordnung übergehen wollten. Eine wissenschaftliche Gestaltung un-
serer modernen Rhythmik wird aus demselben sicherlich mancherlei För-
derung erfahren, selbst wenn sie die grundlegenden Gedanken als falsch
verwerfen müsste. Auch Philologen, besonders die, welche Bach kennen
und lieben, mögen das merkwürdige Buch nicht ungelesen lassen*).
Nicht erhalten konnte Referent:
Schlecht, R., Die alten Tonarten und die moderne Musik. Mo-
natshefte für Musikgesch. XII, 4, 5 und:
Lev^que, Gh., De I'origine de la musique d'apres H. Spencer.
Revue polit. et litt. 2. ser. 10 ann. N. 15. p. 347 — 351.
') Nachträglich kommt mir der Artikel »Alte und neue Rhythmik« von
Felix Vogt zu Gesicht (»Musik-Welt« 1881 No. 37 und 38), welcher das West-
phal'sche Buch bespricht. Vogt kommt zu einem ähnlichen Urteil über das
Buch, als obiges Referat. Seine Kritik stellt sich mehr auf den Staudpunkt
des modernen Musikers. Er weist Westphal auch einige thatsächlich falsche
Angaben betreffend die Fugen nach.
Jahresbericht über die lateinische Grammatik
für 1879 und 1880.
Vom
Director Dr. W. D e e c k e
in Strassburg i. E.
Nach Art der früheren Jahresberichte fasse ich diesmal die auf
die lateinische Grammatik bezüglichen, wenn auch nur geringe selb-
ständige Forschung oder wissenschaftlichen Fortschritt enthaltenden, in
den Jahren 1879 und 1880 erschienenen Schriften zusammen, einiges aus
dem vorangegangenen Jahre, mir später zugekommen, nachholend , einiges
vorweg nehmend, wo es gerade geeignet scheint. Schulbücher, Excerpte
grösserer Werke, Specialbehandlungen einzelner Schriftsteller, soweit sie
nicht von hervorragender Bedeutung auch für die Grammatik sind, über-
gehe ich. Den Anfang mache die Orthographie, Orthoepie und
Lautlehre.
Eine nicht uninteressante Frage der Orthographie behandelt:
Th. Moramsen, Die Wiedergabe des griechischen (p in lateinischer
Schrift. Im Hermes, Bd. XIV, Berlin, Weidmann, 1879, S. 65—76.
Bis in den Anfang des 7. Jahrhunderts der Stadt wurden die grie-
chischen Buchstaben ^5 />, jjf, ^ durch <, r, c, f wiedergegeben; dann
wurde, ei'st vereinzelt, seit 650 allgemeiner, doch noch mit starkem
Schwanken bis 700, zu Cicero's Zeit regelmässig, die Aspiration durch
ein zugefügtes ä ausgedrückt. Insbesondere haben im ersten Jahrhun-
dert n. Chr. alle sorgfältigeren Denkmäler in Fremdwörtern, wozu auch
triumphus irrthümlich gerechnet ward, ph ; nur vier flüchtige Pinsel- und
Gritfeiinschriften in Pompeji zeigen /= f {Orfeus C I. L. I, 60'J ist ver-
lesen aus Orpeus). Das ph bleibt dann in den ööentlichen Urkunden und
in der Steintechnik bis Septimius Scverus, wo überhaupt die Barbarismen
eindrangen, in der besseren Gesellschaft bis 350 n. Chr. Dann tritt plötz-
lich vollständig / ein, schon auf Goldmünzen von Constans und Constan-
tius IL, offenbar Folge der Verlegung der Residenz nach Osten und der
134 Lateinische Grammatik.
Gleichstellung beider Sprachen. Nur sparsame Spuren der Reaction be-
gegnen gegen Ende des Jahrhunderts, und so kehrten auch die Gram-
matiker zum ph zurück.
Ein zeitgemässes und recht verdienstliches Unternehmen liegt vor in:
Dr. Rudolf Bouterwek und Dr. August Tegge, Die altsprach-
liche Orthoepie und die Praxis. Berlin, Weidmann, 1878, VIII, 204 S. 8.
Nach einer Vorrede mit 14 Tliesen folgt in Cap. I— III eine de-
taillirtere Auseinandersetzung der Wichtigkeit und Vortbeile der quan-
titirenden Aussprache, der Nachtheile ihrer Vernachlässigung; in Cap. IV
—V eine Betrachtung über das Verhältniss der Quantität zum Accent,
zur Wortbildung und Etymologie; in Cap. VI Bemerkungen über die
Aussprache lateinischer Consonanten, besonders c, und Vocale; in Cap. VII
Orthographie und Orthoepie. Cap. VIII behandelt die metrischen Hebun-
gen, Cap. IX giebt ein Verzeichniss der im Lateinischen gleich geschrie-
benen Wörter verschiedener Quantität, Cap. X erörtert die Quantität in
Beziehung zur Erlernung der Formen der alten Sprachen, Cap. XI die
natürliche Quantität positionslanger Silben und des Vocals vor muta cum
liquida; Cap. XII enthält Bemerkungen zur griechischen Sprache. Es
folgen Nachträge und ein brauchbares Register. — So verdienstlich nun
aber das Unternehmen ist, so mangelhaft ist die Ausführung. Schon die
Inhaltsangabe zeigt die Vernachlässigung des Griechischen gegenüber
dem Lateinischen und die Ungeordnetheit des reichen Materials, das in
keiner Weise bewältigt und durchdrungen ist. Dann aber sind Corssen's
Aussprache, Curtius' Etymologie,. Bücheler's Declination, Perthes' For-
menlehre u. s. w. kritiklos, ja durchweg flüchtig und oft gedanken-
los benutzt worden, so dass arge Missverständnisse, falsche Schlüsse
und wunderliche Hypothesen das Werk wissenschaftlich unbrauchbar
und für den praktischen Pädagogen gefährlich machen, weshalb es nur
mit höchster Vorsicht zu Rathe gezogen werden darf. Wie viel aber
überhaupt noch in diesem Gebiete unsich"er und unklar ist, habe ich
bereits im vorigen Jahresberichte hervorgehoben, und es findet meine
Behauptung, dass erst noch eine Menge Specialforschuugen zu absolvieren
sind, ehe man an eine systematische, zusammenhängende Bearbeitung
gehen kann, hier volle Bestätigung.
Bei weitem praktischer und vorsichtiger, die Resultate langjähriger
eingehender Studien enthaltend und daher hier der Erwähnung werth,
obwohl zum Lehrgebrauch bestimmt, ist
Luc. Mueller, Orthographiae et Prosodiae Latinae summarium.
In usum sodalium instituti historici philologici Petropolitani conscripsit.
Petropoli, Ricker (Leipzig, Teubner), 1878, 68 S. 8.
Nachdem der Verfasser als Norm für die Orthographie das erste
Jahrhundert n. Chr., mit Berücksichtigung der Zeiten des Cäsar und
Orthographie und Orthoepie. 185
August, hingestellt hat, für die Prosodie das Zeitalter der Schulautoren,
von Lucrez und Vergil bis luvenal, behandelt er in Abschnitt I Begriff,
Quellen und Werth der Orthographie/ die neueren orthographischen Stu-
dien, besonders Lachmann's nnd Ritschl's, dann das Alphabet, die grie-
chischen Wörter, den Accent, die Silbentrennung, die Interpunction, die
Euphonie (Assimilation, Variation), die einzelnen Vocale und Consonan-
ten, endlich die Assimilation der Präpositionen. Es folgt in Abschnitt II
die Prosodie, mit Behandlung der Silbe überhaupt, des Accents (dazu
Enklisis uud Proklisis), im Besonderen der Endsilben und Mittelsilben,
Ein werthvoUer Index bildet den Schluss.
Zu den oben verlangten Einzelforschungen hat einen Ansatz ge-
macht
Dr. Jul. Wiggert, Studien zur lateinischen Orthoepie. Programm,
Stargard 1880.
Er hat nämlich speciell einen der schwierigsten und umstrittensten
Punkte, die positionslangen Silben der Perfecta und Supina, behandelt
und ist zu folgenden Resultaten gekommen: 1. die reduplicierten Per-
fecta, wie pependi, hatten kurzen Yocal in der Stammsilbe; 2. die star-
ken Perfecta ohne Reduplication, wie verri, dehnten den Vocal, wodurch
sie von den Präsensformen unterschieden wurden; 3. die schwachen Per-
fecta auf -si hatten ebenfalls langen Stammvocal, zum Theil ursprüng-
lich, zum Theil durch Ersatzdehnuug, wie divtsi; wo sonst das Präsens
kurzen Stammvocal hat, liegt entweder ein anderer Stamm zu Grunde,
wie in rego neben *rego, oder es ist, wie in träko , der an sich lange
Vocal metrisch verkürzt. Das Supinum hat auch die Quantität des Prä-
seusvocals (gegen Lachmann zu Lucrez II, 154 fi.), ausser wo Ersatzdeh-
nung eingetreten ist.
Diese Untersuchungen sind weitergeführt und berichtigt worden in
Dr. C. Bünger, lieber die lateinische Quantität in positionslangen
Silben. Programm des Protestantischen Gymnasiums in Strassburg i. E.
1880. 25 S. 4.
Dieser stellt insoweit Lachmann's Ansicht wieder her, als er den
Nachweis versucht, dass gewisse Consonanten Verbindungen an und für
sich schon im Stande gewesen seien, auf den vorhergehenden Vocal ein-
zuwirken. Nachdem er als alleinige Quellen für die Erkenntniss der
richtigen Aussprache in ciceronianischer und augusteischer Zeit festgesetzt
1. die graphischen Ueberlieferungen gleichzeitiger Inschriften; 2. die
Trajisscriptionen lateinischer Wörter bei griechischen Autoren; 3. die
ausdrücklichen Zeugnisse römischer Schriftsteller, wie des Cicero über
die Dehnung der Vocale vor «>v und nf (für letztere Verbindung merk-
würdigerweise durch Inschriften und Umschreibung noch nicht belegt),
geht er über zur Betrachtung der Vocalquantität vor gemiuirteu Conso-
186 Lateinische Grammatik.
nanten, vor explnaiva + anderen Consonanten, vor Nanal -i- explosiva, vor
8 + andern Consonanten, vor liquida -\- andern Consonanten. Es ergiebt
sich aus der Prüfung aller einzelnen P'älle die Thatsache, dass bei star-
ker Position die media (auch x = gn) im allgemeinen einen langen, die
tenuis einen kurzen Vocal vor sich liebte, ein Gesetz, das mit den spe-
cifischen Eigenschaften dieser Laute harmonirt. Vor den mit l anfan-
genden Lautverbindungen dagegen bleibt die natürliche Quantität des
Vocals. Anderes ist weniger sicher.
Die in den letzten Jahren viel ventilirte, gewichtige und folgen-
schwere Frage nach dem ursprünglichen indogermanischen Vocalismus
ist am eingehendsten und geistreichsten, wenn auch kühn und etwas will-
kürlich behandelt worden in
Ferd. de Saussure, Memoire sur le Systeme primitif des voyelles
dans les langues indo - europeennes. Leipzig, Teubner, 1879. 304 S. 4.
Nach Saussure enthält jede indogermanische Wurzel a^ (s. die frühe-
ren Jahresberichte über Brugman und Collitz) , dem irgend ein anderer
vocalischer oder consonantischer Laut, ausser wieder a^ oder o,, folgt;
ferner ist, mit wenigen isolirten Ausnahmen, wenn auf % zwei Elemente
folgen, das erste eine Sonans, das zweite eine Consonans, wobei als So-
nanten i, w, n, ?«, r (l), A und 0 (s. über deren eigenthümlichen Werth
das Werk selbst) gelten; endlich kann auf die letzten beiden Sonanten
noch eine zweite Sonans folgen. Auch in jedem Suffix soll, mit wenigen
Ausnahmen, ursprünglich ein Oj enthalten sein. Der Vocal a^ ist Ablaut
von «i; das reine ä ist Schwächung von ä, dieses aber entsteht aus
oj A, Oj 0 u. s. w. Die weiteren allgemeinen Ausführungen sehe man im
Werke selbst nach. Was aber das Lateinische betrifft, so findet sich
dort Ol als e, verdünnt 7, wieder; a^ als o., verdumpft ü; reines kurzes
a, wofür arisch in gewissen Fällen i als eine Art von stummem e, durch
Alteration von A und O entstanden, eintritt, als a; ä theils als ä oder e,
aus cfi A, je nachdem der zweite oder erste Laut überwog, theils als ö,
aus % 0 z. B. äcies, schwach äcej-; reri, schwach rätus] Jödi, schwach
födio. Als eigenthümlich wird ein griechisch-italisches o = armen, a an-
gesetzt, wie in ödor, öculus, auch lang in dönum, nömen. Nicht ganz auf-
geklärt ist ferner e neben e, wie in sedes, sedeo. Auch manche Unregel-
mässigkeiten kommen vor, wie fpiättuor, cänis, röbur u. s. w. Lateinisches
^ entsteht aus ei = a-^^i, wie in fido\ ü aus ow, dies assimilirt aus eu =
«1«, wie in düco aus douco, ursprünglicher *denco. Uebergang von a in o,
wie von o in o ist unsicher, und jedenfalls nur ausnahmsweise anzu-
nehmen, wie in vacuus: vocivus; ovis: aviUa\ und bei der Länge ignörare^
gnösco: gnärus, närrare. Die regelmässige Vertretung der sonanten Li-
quida r (/) ist Ör (ur), ül (dl) z. B. cord-^ iecur\ pulsus, mollis; der so-
nante Nasal n, m wird en (tu), em z. B. tentus^ Inferus, pedem. Dagegen
erscheint das lange r (Z) vor Consonanten als or, oZ, rä, lä z. B. arduus,
Lautlehre. 187
alvus, grätus, strättis\ vor Vocalen (rr, II) als blosses r, l z. B. grando^
glans; ähnlich v, w vor Consonanten als an, nä z. B. anta, gnätus\ vor
Vocalen {nn, mm) als e», em, um z. B. tentiis , altlat. hcmonem, decumus.
Starke und schwache Formen sind wesentlich vom Accente abhängig,
auch in den Suffixen.
Den Hauptpunkt des indogermanischen Vocalismus behandelt auch
Joh. Schmidt, Zwei arische o- Laute und die Palatalen. In
Kuhn's Zeitschrift f. vcrgl Sprachf. XXV (N. F. V), Heft 1 und 2,
S. 1 — 179.
Nach Schmidt sind nur zwei ursprüngliche «-Laute anzusetzen:
dl = e und «2 = 0. Die Palatalen sind durch Einfluss eines folgenden
«1, i oder i aus den Gutturalen entstanden, so dass man im Ganzen,
soweit nicht Störung durch Analogiezwang vorliegt, aus der Palatalisirung
auf die ursprüngliche Beschaflenheit des folgenden « schliessen kann.
Wie das Perfect zeigt, gab es auch ein altindogermanisches e (etwa = %).
In Bezug auf's Lateinische wird, gegen Brugman, ausführlich nachge-
wiesen, dass lateinisch o, später w, nicht indischem ä, sondern ä entspricht,
theils in einzelnen Wörtern, wie oUus, opus, idita, ovis, domus, monüe, rota,
socius, -vorus, quot , theils in Suffixen und in der Flexion. So wird als
ältere Form der 1 p. pl. -ämas, nicht -ämas angesetzt, lateinisch z. B.
quaesümus\ die Perfecta wie srMl, födi hatten ursprünglich im Plural
stammabstufend *scäbhmis, ^födimus; der Nominativ von pedis war *pö-s,
der Genitiv von vöx: *vdcis oder *vecis, vgl. bös, Löfifi; das Suffix der
nomina agentis -tör hatte als schwache Form -ter, als schwächste -tr;
den Verwandtschaftsnamen fehlt die stärkste Form; das ii in den Desi-
derativen auf -iirio muss aus e entstanden sein. Eine besondere Betrach-
tung wird den Ableitungen des Zahlwortes für 4 zu Thcil: auch hier
zeigen sich drei Stämme: auf -ör (aus -är), -er und r, und es geht
quattuör auf *quetuöres zurück (mit ä für o aus e durch Einfluss des qu)\
qucdcr auf * quetr durch Einfluss von ter\ quadru- auf *ctru-, qnartus auf
*ctvartos mit eingeschobenem a zur Erleichterung der Aussprache, wie e
in umbr. jjetur, vgl. noch die anderartige Erleichterung in iad. {l:) timjn,
gr. {n)-pdmZo-, lat. täta aus * ptutä. Eine dreifache Stufe wird auch
angenommen für ^yibvf), Geuit. ^ysvfög^ Adverb yw^\ an die mittlere
schliesst sich lat. genu an. Gelegentlich berührt wird die Etymologie
von unda aus *udna, wic fundus ZU ind. biuCnas; anxius = *ang^asius zu
Ind. dmhas\ die Entstehung von br in consobrlnus u. s. w. direct aus *>•,
str, nicht, mit Brugman, durch Vermittlung von /»•; die Kürze des ü in
interdhts, perdiits (gegen Corssen IP, 458) = ind. djus aus diras, aber
diu = divä, diütimis = divätanas, und Anderes.
Einen andern oben berührten Punkt der lateinischen Vocallehre
behandelt
188 Lateinische Grammatik-
Th. Birt, Die Vocalvcrbindung tu im Lateinischen. Rhein. Muö.
f. Philol. Bd. XXXIV der Neuen Folge, S. 1 - 37.
Im Italischen fehlt das als europäisch nachgewiesene eu — wo ist
es geblieben? Durch die Assimilationskraft des u ward es zu ou, dann
zu ü, z, B. Lmcesius (gr. Xbdxüq), louc-, lüc-\ so noch später Selucla =
lehoxia. Ganz ähnlich entstand vor Vocalen ov aus ev in tovos^ aovoa
(später tmis, suus), novus, novem^ lovis^ 7noveo. Die ursprünglichen Laut-
verbindungea eu, ev wurden consequent beseitigt: nevolo ward nölo (durch
*ne-ulo?); in brevis und levis ist ein Guttural ausgefallen; re-vertin. s. w.
sind als Composita geduldet. Als Compositum blieb auch neüter bis noch
bei Lactanz dreisilbig, wie coeunt u. s. w. ; die zweisilbige Aussprache
galt als barbarisch; doch findet sich Ciris 68 nütra, und neutiquom ward
nütiquam; necuter findet sich nur C. I. L. VI, 1527; auch deünx blieb ge-
trennt; ebenso reüs, in dem sicher ein Consonant geschwunden ist. Die
Formen seil, neu, ceu (nie vor Vocalen) entstehen erst allmählich durch
einen längeren Umbildungsprocess. Sie sind nämlich gebildet aus den
pronominalen Locativen sei, nei, cei (s. ce-teri, hei-cei) und der verkürzten
Verbalform ve = vis, wenn auch *ceive, *ceve nicht erhalten ist. Die
Länge des e hielt dasselbe, wie in Vesevius neben Vesuvius. Beseitigt ist
ferner eu in den griechischen Namen Achilles, Ulixes, Perses u. s. w., einst
allgemein; später ward -eüs getrennt, wie in den Adjectiven auf -eus\
nur die Dichter verschmelzen bisweilen aus metrischen Gründen die Vo-
cale, behielten aber dann den griechischen Accent z. B. Atreus. Die
Interjectionen heu und heus (s. gr. <p£Ü) stehen ausserhalb der Sprache.
Interessant ist der Uebergang von eu, ev durch au, av in ö, das sich
mehrfach neben ü, aus ou, ov, findet. Hierher gehören vielleicht Teuri-
scus und Teuranus, gewöhnlich Tauriscus und Turanus; böbus neben bübus;
fötus und fautus, Vfenn föveo = fäveo aus *feveo; lötus und lautus; mütare
zu moveo, aber mölus aus *mautus = *meutus, s. gr. dfxsüaaff&a: ; nönus
= *navem-nus aus *nevem-nus (s. aber jetzt «ome), ahernüper aus novojn-
per; glöria = *cleusia, s. gr. xXefog u. s. w.
Dasselbe Gebiet der Diphthonglehre streifen zwei kleine Aufsätze
eines österreichischen Gelehrten:
Bronislaus Kruczkiewicz, Der altlateinische und oskische
Diphthong ou. Zeitschrift für die österr. Gymnasien, 1879, Heft 1,
S. 3—15.
Derselbe, Ueber die Geltung des Schriftzeichens uo und des mit einem
consonantischen u schliessenden Schriftzeichens ou in der Sprache der
gebildeten Römer seit der Zeit des Erlasses über die Bacchanalien vom
Jahre 186 v. Chr. G. Wiener Studien II, 1880 (Gerold), Heft 1, S. 135
- 138.
Lautlehre u. a. 189
In der ersten Abhandlung wird aus der Aussage der Grammatiker,
der lateinische «^-Laut sei vor Yocalen consonantisch gesprochen worden,
gefolgert, dass er vor Consonauten vocalisch gesprochen worden sei, also
auch ou vor Cousonanten, wie in loumen^ nountios, douco, Loucetios, Di-
phthong gewesen sein müsse, nicht mit Marius Victorinus = gr. o-j zu setzen
sei. Für die etymologische Bestätigung wird auf Corssen verwiesen. Das
ou ward später uu, dann ??. Ebenso wird dann auch (gegen Mommsen
und Ritschi) das lateinisch -oskische ou, echt oskisch iw, griech.-osk. ou,
ovf, ujf, of (?) geschrieben, vor Consonanten als Diphthong aufzufassen
sein. Dass die Osker dazu nicht üu verwendeten, wird aus der zu grossen
Aehnlichkeit mit uu = ü erklärt, wenn das diakritische Zeichen, wie oft,
vernachlässigt ward. Vor Vocalen konnte iw natürlich auch = ov sein.
In der zweiten Abhandlung wird aus der emendirten Stelle des
Quintilian I, 7, 26 {suhiecta sibilo 0 vocalis) geschlossen, dass seit der
Zeit des SC. de B. auch in ingenuos, seruos u. s. w. vu gesprochen wor-
den sei, obwohl man uo schrieb, da uu = ü gewesen wäre. Ebenso ward
z. B. flouius als fluvius gesprochen. Ein lautphysiologischer Grund, dass
0 sich hinter oder vor v länger hätte halten sollen, liegt nicht vor.
Ehe wir nun zu den eigentlich grammatischen Werken übergehen,
ist ausführlicher darzulegen der reiche Inhalt eines verschiedene Gebiete
der Grammatik in Orthographie, Lautlehre, Etymologie, Syntax berüh-
renden Werkes, das als die bedeutendste Erscheinung dieser Epoche
bezeichnet werden kann:
Heinr. Jordan, Kritische Beiträge zur Geschichte der lateinischen
Sprache. Berlin, Weidmann, 1879, VIII, 364 S. 8.
Das Werk, aus Vorträgen über lateinische Grammatik und Leitung
von Seminarübungen entstanden, beschäftigt sich besonders mit dem Ur-
lateinischen (dem sonst sogenannten archaischen Latein) d. h. dem Zu-
stande des Lateinischen vor Gründung der Profanlitteratur.
Der Aufsatz I (S. 1 — 88) »Zur Geschichte der griechischen Lehn-
wörter« behandelt zuerst die Inschriften der sogenannten pränestinischen
Bronzen, die, wenn auch nicht alle wirklich aus Präneste, doch sicher
latinisch sind, jedenfalls nicht etruskisch, trotz des etruskischen Fundorts
zweier (Cosa). Doch erinnert die Arbeit theilweise an etruskische Muster,
und in der Schrift zeigt sich der Eintluss eines nicht römisch-latinischen
Elements*). Die Inschriften gehören in die Zeit des ersten punischen
Ki'ieges. Die Fehler in den Casusendungen sind der niedern Bildung
der Arbeiter zuzuschreiben. Jordan bemüht sich nun besonders, die
strengste Regelmässigkeit in der Lautwiedergabe der griechischen Namen
•) Da Jordan es nicht erwähnt, hebe ich hier ausdrücklich hervor, dass
auch ich in meinen Schriften über Etruskisch die betrefifeuden Inschriften als
nicht etruskisch behandelt habe.
190 Lateinische Grammatik.
nachzuweisen, geht aber in der Construction vorausgesetzter griechischer
Urformen bisweilen über die Grenzen der Wahrscheinlichkeit hinaus. So
werden nicht nurDialoctformen wie Jartov«, .U(TyJar,tög, llacvlaxog angenom-
men, sondern auch Mdxr^g oder.i;«f, Wjhgodcv Hihg, 'Oou^sOg, MeUspo^äv-
Tjyc, "lax-^op u. s. w. Icli liabc bereits an anderer Stelle hervorgehoben,
dass so die Lösung der Schwierigkeit nur auf ein ungünstigeres Terrain
verlegt wird, indem starke Lautwandlungen doch leichter beim Uebergang
in eine fremde Sprache zu erklären sind, als in den Dialecten ein und
derselben Sprache. Ansprechend sind die Deutungen von Aucenn =
*Auyivva, *Au)'£c\^r/, und von Alsir = *'A^acg, Wlar/ig. — Es folgt die
Besprechung einiger römischen Lehnwörter, wo, mit der gleichen Kühn-
heit, für Cdtaviüus ein * ]ado.j).rjd7iQ oder * /af^oixr^or^g, für Ahh = Nilus
ein *Mrj)iog^ für Proserpinu ein *0<)pa- oder ll()f>az<fuva angenommen wird;
Alumento = Aaojj.idiüv bleibt auch so unaufgeklärt. Die Deutung von
carissa »vafra« aus ^Kdptaaa ist sehr unsicher, recht unwahrscheinlich
fata »Mama«, utos »Papa« (wieder auf einem pränestischen Spiegel); ro-
gus ist kein Lehnwort. Schliesslich glaubt Jordan verschiedene Bezugs-
quellen der Bronzen u, s. w. für Etrusker und Römer annehmen zu
müssen.
Der Aufsatz II (S. 89 — 16G) »Zur Geschichte des Rhotacismus«
mit einem Anhang ȟber die Verbesserung des Alphabets durch Appius
Claudius«, weist dem lateinischen Rhotacismus eine Mittelstellung zwischen
dem umbrischen und oskischen an: er greift kein secundäres s an, ist
ausgedehnt in den Suffixen im In- und Auslaute, engbegrenzt in Wort-
stämmen, gar nicht anzunehmen im uominativischeu und genitivischen s,
überhaupt aber vor dem Beginn der Profanlitteratur durchgedrungen und
im 5. Jahrhundert zum Stehen gekommen. Dass Appius Claudius erst
das r statt des s eingeführt habe, ist irrig; er hat vielmehr die Schwan-
kung zwischen s und z beseitigt, statt z aber g eingesetzt. Auf Grund
jener irrthümlichen Annahme haben jüngere Historiker die Valerii u. s. w.
sich bis 442 Valesii u. s. w. nennen lassen; auch in Aqw fasti beruhen
die Formen Valesius , Volusus (schlechter Volesus) auf der Theorie eines
Redactors; Valesius wird bestenfalls eine Erinnerung an die sabinischen
Valesii sein; im Elogium XV ist es Erfindung. Ueberhaupt ist der Ueber-
gang einer älteren Endung -sius in Gentilnamen in -rius fürs Lateinische
zu läugnen. Die S. 111 zusammengestellten Gentilnamen a,n{ -asius, -esiusi
-isius, -^lsius sind alle municipal oder italisch; auch die sonstigen ähnlich
gestalteten Wörter, wie amasius, viasius, Bibesia, Venusia u. s. w. sind
oskisirend oder absichtlich fremdartig gebildet. Auch sonst sind viele
angebliche altlateinische Formen mit s zu tilgen: in simltw, quör {cur),
quirquir geht r auf älteres d zurück; cascus^ aumm, asa, hasena, fesiae,
loebesum sind sabinisch, casnar u. s. w. oskisch ; auch casmena, Lases, cu,
sianes sind italische Formen ; selbst Subura = Sucusa (zu vermitteln durch
*Sn2mra = *Suqusa) weist über's Latein hinaus. Anderes, wie fusvus^
Lautlehre u. a. 191
esit, compesce = comperce, osnamenium, colos, odos, ianitos^ beruht auf Con-
jecturen, falschen Lesarten und irrigen Combinationen der Alten. Es
bleibt wenig übrig, wie arhos^ labos, die Comparative auf -?os, der Superl.
plisima, der Infin. dasi, vielleicht iusa^ helusa, pignosa^ foedesum\ neben quaeso
u. s. w. scheint bei Enuius und Plautus noch ein freies quaesere existirt
zu haben. — Im Anhang werden die Werkleute der wirklich königlichen
sogenannten servianischen Mauer als nicht etruskisch bezeichnet, und
Jordan sträubt sich, die Steinmetzzeichen als Buchstaben anzuerkennen
(doch s. S. 358); jedenfalls sei nur an das altlateinische Alphabet zu
denken.
Der Abschnitt III (S. 167 — 224) »Zur Beurtheilung der ältesten
sacralen Poesie« führt zunächst aus, dass die Annahme des Stabreims
für die altitalische Poesie zu verwerfen sei; AUitteratiou der Consonanten
findet sich, aber regellos und besonders bei auf einander folgenden Wör-
tern, auch in Formeln, oft aber auch fehlt sie ganz; sie nimmt bis Te-
renz stetig ab; vocalische AUitteration begegnet uns einmal im Arval-,
zweimal im Salierliede, ist also nur zufällig; carmen bezeichnet oft nur
einen prosaischen Spruch. Es wird dann zuerst das Arvallied gedeutet:
pleores verschrieben aus ploeres (= *ploises); semo »Saatgeist«; luerve{m),
ähnlich gebildet wie Minerva, catervus, acervus', satur fu^ fere Marmar
(richtiger als Mars); nive ensali, zweifelhaft; herber »grimm, zottig« (zu
ßdpßapoQ oder vervex); alternei Locativ »abwechselnd«; advocapit (Mars)
»wird rufen«; scirs = siveris. Es folgt das Salierlied: qune (besser als
cuine) = qun-ne, osk. pimne, ponne (nicht = -cun-de)\ leucetie oder loucetie statt
-esie; tremotit, nicht -07iti (falscher Anklang an montH), eher hemones\ für
■patula coemisse vielleicht pntulcius closivius es; unsicher o zeul adünhis
(= -ensis)\ vgl. unten die Arbeit von Breal.
Im Abschnitt IV (S. 225 - 274) »Zur Beurtheilung des archaistischen
Lateins« werden zunächst die alterthümlichen Stellen in Cicero de legi-
bus, die nach Cicero's eigener Versicherung keine Auszüge aus alten
Gesetzen und Verordnungen, sondern Nachdichtung sind, wirklich als ar-
chaistisch, nicht archaisch, nachgewiesen, und zwar mit wenig Geschick
gemacht. In der Orthographie fehlen die alten Diphthonge ei statt f,
ou statt w, ai statt (le, oi statt oe\ ferner o statt m, u statt i im Super-
lativ und Gerundium; es fehlt das schliessende d im Ablativ und Impe-
rativ; der Imperativ auf -wumo ist falsch (pluralisch) gebraucht, ebenso
die Conjunction asi (s. unten). Dagegen begegnet oe statt ü in coerare,
oesua, loedus, ploeres (s. oben), oenus (?), auch sonst noch vereinzelt ge-
pflegt; ebenso duellum. Die Doppelconsonanz ist bereits durchgeführt
{locasint ist Conjectur, ebenso inror/asitve und bacas). Zu verwerfen ist der
Nominativ PI. poprdos (s. oben), der Genitiv Sg. populoi (überliefert -lu). Der
Conjunctiv Perfecti auf -essit ist anzuerkennen, ebenso faxit^ rapait^ cle-
pdt (?) u, 6, w., ferner das Futur (?) escuiU; aber possid ist wieder Con-
jectur. Lexicalisch alt sind ollos, olla, cndo^ aber irrig hineingebracht
192 Lateinische Grammatik.
«OS, sovos und si8\ II, 8, 19 ist nee ulla zu bessern. — Ein Excurs be-
zeichnet die Dative auf -oi als schwach bezeugt, die Genitive auf -oe,
-oeo als falsch: populol Romanoi bei Mar. Victorinus ist ein fiugirtes
Paradigma (die directe Aussage wird als Randbemerkung getilgt); met-
tioeo (richtiger metioeo oder mettoeö) fufetioeo ist griechisch; püumnoe po-
ploe ist Nora, Plur. Mit den Glossen des Festus ßscemnoe, ab oloea, pri-
vicloes, von unsicherer Herkunft, steht es nicht zum besten. — Es folgt
eine Besprechung der Tempelurkunde von Furfo (s. Hermes 1873, 201 ff.),
die wegen der halbsabinischen Form eines sabinischen Monatsnamens
flusare noch nicht als sabinisch anzuerkennen ist ; es ist eckige ungelenke
lateinische Bauernsprache: defigere ist »befestigen«; ferro oeti von man-
dare abhängig; humuis vielleicht verderbt aus *humitus, sonst = humi; lapi-
destructa ist Compositum; endo freie Partikel zu stant. — Die Mitte zwi-
schen reiner Bauernsprache und gebildeter Sprache hält der Bericht des
Ingenieurs Nonius Datus unter Antoninus Pius, doch kommen bei richti-
ger Interpunction keine Schnitzer gegen die Elementargrammatik vor,
ebensowenig specifisch Afrikanisches (gegen Mommsen). In a rigorem,
sine curam ist das m stumm zu denken; ut mit Indicativ erklärt sich als
adeo ut »soweit wie« ; ergo ego qui . . . effeceram ist Ausruf; inter vias ist
Accusativ (gegen Corssen) »während des Gehens«.
Der letzte Abschnitt V (S. 275 - 356) »Zur Geschichte der Parti-
keln« bespricht, nach einer Einleitung über cingere {arbores, silvam) =
deglabrafe^ und coinquere = deputare (zu acus , occa u. s. W,), zuerst die
Partikel ast = at-s-te »andrerseits, noch dazu«, ursprünglich im zweiten
fortsetzenden oder adversativen Theil eines Bedingungssatzes zwischen
si und tum {tunc) Z. B. sl Imperator vivet^ ast tu id faxis, tum (tunc) tibi
vovemus, später si . . . si . . . tum. Sie ist sehr selten, verschwand zwi-
schen dem zweiten und dritten puuischen Kriege, ward seit Cicero ge-
lehrt wieder aufgenommen, aber in missverstandenem Gebrauch = at,
autem\ eine Jugendsünde ist Cicero's ast autem (Priscian XVI, 16); s. noch
unten. — Es folgt absque=ab-s{s.ast) + räthselhaftem que, ursprünglich con-
ditional-paratactisch, wie in absque me esset^ faceret, seit Terenz verschwun-
den und z. B. bei Cicero nicht überliefert. Seit dem 2. Jahrhundert n. Chr.
kommt es wieder in Aufnahme als Präposition »abgesehen von, ohne«
und ist im späteren Vulgärlatein häufig. — In Betreff von equidem = e
(Interjection?) + quidem wird der freiere Gebrauch (nicht selten bei Plau-
tus) als der ältere hingestellt, erst allmählich ward es = ego quidem (so
stets bei Terenz, Cicero, Plinius). Es war ein Wort des Gesprächs, der
urbanen Unterhaltung, des Briefstils, der Rede, daher bei Cicero nicht
im streng wissenschaftlichen Stil. — Ueber quod in der Verbindung quod
eius u. s. w. (ja nicht in quoad zu ändern) wird bemerkt, dass es noch
Accusativ oder Nominativ ist, aber schon auf dem Punkte steht, Con-
junction zu werden; daher der plautinische Gebrauch = quod si (bedin-
• Bedeutungslehre. 193
gend, beschränkend); auch parlamentarisch = in qua re scheint es ge-
wesen zu sein, nach Sallust.
Ich schliesse hier vier kleine Aufsätze desselben Verfassers an, die
als Ergänzungen zu dem grösserem Werke angesehen werden können:
Heinr. Jordan, Lautgesetzliches zu pomerium und Esquiliae. Her-
mes, Bd. XV, 1880, S. 1-4.
Derselbe, lieber die Inschrift aus dem Fuciner See, ebendaselbst
S. 6—12.
Derselbe, Ueber olea, oliva, ebendas. S. 13 — 21.
Derselbe, Quaestiones orthographicae Latinae, ebendas. S. 537
-546.
Pomerium wird auf ein *meiros neben moiros zurückgeführt, wie
umgekehrt die Fuciner Bronze doivom = deivom hat. In Esquiliae kann
ex nicht stecken, da es *Ecquiliae hätte werden müssen. — Das ts in
Martses {ts = z) auf der Bronze ist vielleicht marsisch; Aprufclano{s) =
lat. * Aprubiculunus jedenfalls provinziell; auch menurbid (trotz des lat. h
statt /) und ceip{us) sind marsisch; doivom ist Acc. Sg. Neutr. (wenn
nicht donoin zu lesen); Attoier =■ *AUoies\ dattia Verb mit -a = -ant (?);
Esalico{m) scheint Gen. Plur., so dass dann ceip = dppum wäre ('?). —
0/ea, oliva sind keine entlehnten Formen, doch ist das Etymon dunkel. —
Constant ist die Orthographie Paidlus mit doppeltem l, weniger constant
das c in Quindius, Quinctilius. - Die Form dilectus wird durch den vati-
canischen Codex der Philippischen Reden für Cicero sicher gestellt. —
Griechisches Lehnwort ist offenbar ihensa, aber woher? ebenso thus, je-
doch turibulum (s. oben Mommsen).
Ein ursprünglich weitschichtig angelegtes allgemein grammatisches
Werk ist in wesentlich eingeengter Gestalt in den letzten Jahren voll-
endet worden:
Dr. Ferd. Heerdegen, Untersuchungen zur lateinischen Sema-
siologie. Erlangen, Deichert, 1875—1881, 8., in 3 Heften.
Das erste Heft (1875, 48 S.) »Ueber Umfang und Gliederung der
Sprachwissenschaft im Allgemeinen und der lateinischen Grammatik ins-
besondere«, auch unter dem Titel »Versuch einer systematischen Ein-
leitung zur lateinischen Semasiologie«, stellt für die Gliederung der
Wissenschaft der Einzelsprache folgendes allgemeine Schema auf:
I. Wortlehre.
1) Formeulehre des Wortes für sich: Etymologie.
2) Semasiologie.
II. Satzlehre (Lehre vom Worte als Satzgliede).
1) Formenlehre des Wortes im Satze: Flexiouslchre.
2) Functionslehre des Wortes im Satze: Syntax.
Jahresbericlit für Altcnhuin-swisscnschaft XXVUI. (lS8l. UI.) 13
194 Lateinische Grammatik.
Die Semasiologie wird S. 47 genauer dcfinirt als die Functionslehre
des Wortes für sich oder die Lehre von der Bedeutung der lexicalischen
Formen.
Das zweite Heft (1878, 58 S.) »Ueber Ziele und Methode der la-
teinischen Semasiologie«, auch unter dem Titel ^) Versuch einer Bestimmung
und Gliederung der allgemeinen Principien« gewinnt als Resultat der
Untersuchungen folgendes Schema:
A. Demonstrativwurzeln.
B. Appellativwurzeln.
1. Reale Begriffsentwicklung:
a) Determination.
b) Association.
n. Modale Begriffsentwicklung:
a) Abstracta.
b) Concreta,
ein Schema, gegen das sich auf den ersten Blick manche Bedenken er-
heben.
Das dritte Heft endlich (1881, 108 S.) »Ueber historische Entwick-
lung lateinischer Wortbedeutungen«, auch unter dem Titel »Ein lexica-
lischer Beitrag zur lateinischen Bedeutungslehre, Syntax und Stilistik«
behandelt, nach einem kurzen allgemeinen Vorwort, die Geschichte des
Wortes, orare. Nach Abgrenzung gegen die Synonyma und Feststellung
der Etymologie von ös »Mund« und der Grundbedeutung »mündlich, mit
Anstrengung, anhaltend reden«, werden vier Perioden der Bedeutungs-
entwicklung unterschieden :
I.Periode, bis Plautus, dominirende Grundbedeutung, in den 12 Ta-
feln ausschliesslich absoluter Gebrauch, bei Plautus mit ins, aequom] mit
cum ohne äusseres sachliches Object.
2. Periode, von Terenz bis Livius, Mittelpunkt Cicero, »bitten«,
Grundbedeutung nur in Formeln ; reichste Entfaltung in der Construction
und Phraseologie; Vergil, mit der Grundbedeutung au die Vergangenheit
anknüpfend, in der Syntax in die Zukunft vorausgreifend, begründet den
Gebrauch der Conventionellen poetischen Tradition.
3. Periode. Zeit des Verfalls, bis Gellius, mit den beiden Seneca
und Petron; das Wort veraltet in der Bedeutung »bitten« und beschränkt
sich auf bestimmte Sphären und Gebrauchsweisen; die stilistischen Ver-
bindungen schlafen ein, die Rectiousfähigkeit nimmt ab, die Coordination
überhand. Dagegen wird es von den Rhetoren in pai'tieller Verwendung,
im technischen Sinne von »reden, ein Redner sein« rehabilitirt. Tacitus,
in abgesonderter Stellung, schwankt und vermischt die Bedeutungen. —
Die Archaisten knüpfen dann an verschiedenen Punkten an, um dem Wort
neues Leben einzuhauchen.
4. Periode, christlich, neues alterthüralich feierliches Ethos »beten«
(nicht mehr im Einzelnen ausgeführt).
Bedeutungslehre. 195
Als Anhaug wird (zu kurz) die Forrageschichte des Wortes gege-
ben: seine Ableitungen, Zusammensetzungen, bemerkenswerthe Flexions-
formen. Den Schluss bildet ein Verzeichniss der Synonyma, Wortver-
bindungen und der wichtigeren besprochenen Stellen.
Die Wahl des Wortes ist ohne Zweifel eine recht glückliche und
im Wesentlichen ein gutes Muster für ähnliche Untersuchungen geliefert.
Das Ganze aber ist eigentlich nur eine Probe des Beabsichtigten.
Ein ähnliches Schicksal der Beschränkung, dazu noch bei verschiedener
Behandlung, hat ein zweites gross angelegtes grammatisches Werk erlitten:
Fr. Haase, Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft. Bd. I.
Einleitung. Bedeutungslehre (erste Hälfte), herausgegeben von Fr. Aug.
Eckstein. Leipzig, Simmel, 1874, IV, 220 S. 8. — Bd. IL Bedeutungs-
lehre (zweite Hälfte), herausgegeben von Herm. Peter, ebendas. 1880,
XII, 268 S. 8., nur bis S. 175 nach Haase's eigenen Aufzeichnungen,
von da an nach Collegienhefteu.
Die Einleitung behandelt Begriff und Methode der Grammatik im
Allgemeinen, dann Vorarbeiten und Geschichte der lateinischen Grammatik
im Besoudern, nebst einem Excurs über die philosophische Grammatik,
über die Entstehung der Sprache und ihrer Bestaudtheile, die Gesetze
der Sprachbildung und -ausbildung und den Untergang der Sprache.
Es fehlt dann der ganze erste Theil der Grammatik, die Etymologie,
wie Haase sie nennt (Elemente, Wortbildung, Flexion), und es folgt so-
gleich der zweite Theil, die Bedeutungslehre. Nach Festsetzung des
Begriffs und kurzer Geschichte derselben wird behandelt:
I. Die Bestimmung der Bedeutung durch die Form, im Verhältniss
zum rohen, formirten und zum zugleich abgeleiteten Stamme.
IL Das Verhältniss der Bedeutung zum Denken, nämlich Anwen-
dung eines Wortes für mehrere Begriffe, Anwendung mehrerer
Wörter für einen Begriff, und Anwendung eines Begriffs unter
Voraussetzung eines andern.
III. Die Bestimmung der Bedeutung durch die Verbindung der
Worte, und zwar
A. Verbindung des Gleichen (Concordanz), adjectivische
Verbindung (bis hierher Bd. I).
B. Verbindung des Ungleichen (Regimen), adverbielle Ver-
bindung :
1) Nomina und Nomina (Genitiv).
2) Vcrba und Nomina (Casus obliqui, Adverbia, Prä-
positionen).
3) Verba und Vcrba.
C. Correlative Verbindung.
Von dem dritten Theil der Grammatik, der Satzlehre, ist wieder
nur das Schema erhalten.
13»
196 Lateinische Grammatik.
Die in dem ebeu betrachteten Werk vorhandenen Lücken sollten
durch ein anderes, leider in 's Stocken gerathene Werk, wenigstens theil-
weise, ausgefüllt werden:
K. Reisig, Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft, mit
den Anmerkungen von Fr. Haase, neu bearbeitet von Hnrm. Ilagen.
Erster Theil, in drei Lieferungen. Berlin, Calvary, 1880—1881, VII,
428 S. 8.
Dieser bisher allein erschienene erste Theil des auf 16 Lieferungen
berechneten Werkes enthält, nach einer allgemeinen Einleitung, die Ety-
mologie der Wortformen, worunter begriffen ist die Lehre von den Buch-
staben, den Wortformen, der Orthoepie und Orthographie. Der Haupt-
abschnitt, über die Wortformen, betrachtet die verschiedenen Wortarten
in Flexion und Ableitung, und die Zusammensetzung. Der Herausgeber
hat alle Mühe angewandt, das Werk dem jetzigen Standpunkte der Wissen-
schaft anzupassen, aber das veraltete Schema und die veraltete An-
schauung widerstreben zu oft und heftig, und die doppelten Anmerkun-
gen, nicht selten mit doppelter Correctur, erschweren das Verstäuduiss
und die Brauchbarkeit. Gar manches hat sich überhaupt nicht hinein-
arbeiten lassen.
Von der grossen Kühner'schen Grammatik, deren erste Theile in
den früheren Jahresberichten besprochen worden sind, ist ein neuer, der
letzte Theil erschienen:
Raphael Kühner, Ausführliche Grammatik der lateinischen
Sprache. Zweiter Band, zweite Abtheilung. Hannover, Hahn'sche
Buchhandlung, 187'J, XII, S. 629-1166, 8., vom Sohne Rudolf Kühner
besorgt.
Es enthält dieser Theil die Syntax des zusammengesetzten Satzes
oder die Lehre von der Satzverbindung, und zwar:
Cap. VII. A. Die Beiordnung,
Cap. VIII. B. Die Unterordnung,
Cap. IX (fehlt im Inhaltsverzeichuiss) die Fragesätze,
Cap. X die Oratio obliqua,
Cap. XI Eigenthümlichkeiten in der Wort- und Satzfügung,
Cap. XII Betonung der Rede; Topik,
Cap. XIII Periode.
Es folgen Berichtigungen und Zusätze, das Sach- und Wörterverzeichniss
zum zweiten Bande.
Aus den Hauptquellen sind die Thatsachen für die classische Sprache
fleissig zusammengestellt, mit kurzen Bemerkungen über den älteren und
späteren Gebrauch, doch ohne eingehendere Untersuchungen über den Ur-
sprung, die Entwicklung, den Verfall der Constructionen oder innere Erklä-
rung derselben. Dagegen ist die Vergleichung mit dem Griechischen ziemlich
Formenlehre und Syntax. 197
umfänglich durchgeführt. Abschnittweise wird einer oder mehreren Auto-
ritäten gefolgt; Specialabhandlungen sind meist nur indirect benutzt. Bei
einer zweiten, umsichtig revidirten und ergänzten Ausgabe kann das Werk
eine gute Quelle zum Nachschlagen werden, wie die Griechische Gram-
matik desselben Verfassers.
Unter den kleineren Grammatiken ist ihrer wissenschaftlichen Hal-
tung und Selbständigkeit wegen zu erwähnen
G. W. Gossr au, Lateinische Sprachlehre. Zweite Auflage. Qued-
linburg, Basse, 1880. XII, 748 S. 8.
Zu umfangreich und nicht begrenzt und scharf genug für den Schü-
ler, zu wenig kritisch und eingehend für den Forscher, eignet sich das
Werk besonders als Nachschlagebuch für den Studenten und jungen
Lehrer, daher es auch in dieser Ausgabe, gegen die ursprüngliche Ab-
sicht des Verfassers, einen umfangreichen Index erhalten hat. Die Zu-
sammenstellung aus den Quellenwerken ist durchweg sorgsam und ge-
schickt; Abweichendes, Neugestaltetes, Spuren eigenen Forschens zeigen
sich besonders in einzelnen Partieen der Formenlehre, mehr noch in der
Modus- und Tempuslehre, bei den Conditionalsätzen, in der (freilich sehr
kurz abgemachten) Syntaxis ornata, in der Wortstellung. Das Auffälligste
ist die Einführung des Ausdrucks Subjunctiv für Imperfect und Plus-
quamperfect Conjunctivi, unnöthig für die Logik und nachtheilig durch
Complication der Consecutio teraporum und durch Auseinanderreissen des
formell Zusammengehörigen. In Bezug auf die Anordnung ist Manches
ungeschickt: Cap. 7 »Silbenmessung« ist getrennt von der Metrik Cap. 22;
die Rechtschreibung hinkt in Cap. 19 bedenklich nach und schlösse sich
correcter an die Aussprache in Cap. 3 an; in der Syntax kommen die
Tempora erst nach den sämmtlichen Modi nebst Infinitiv und Particip,
Gerundium und Gerundivum; Cap. 17 »Präpositionen« ist leer, da alles
Betreffende schon früher vorgekommen ist, u. s. w. Schwach in der Aus-
führung und voll Irrthümer sind besonders Cap. 4 und 5 »Wandlung der
Vocale und Consonanten« , wo die Kenntniss der Sprachvergleichung
schmerzlich vermisst wird; sehr unvollständig ist die Quautitätsbczeich-
nung. Die Quedlinburger loci memoriales (nur aus Cicero) wären gut
irgendwo zusammengedruckt.
Zur Morphologie übergehend erwähne ich zunächst als Sammel-
werk, das verschiedene Punkte der lateinischen Flexion und Wortbildung
streift, die weiteren Bände von:
Dr. Herrn. Osthoff und Dr. Karl Brugman, Morphologische
Untersuchungen. Zweiter bis vierter Theil, 1879—81, Leipzig, Ilirzel, 8.
Th. II, 262 S. u. VI; Th. III, 158 S.; Th. IV, 418 u. XX S.
Freilich kommt in diesen Bänden das Lateinische sehr zu kurz,
und keine einzige Untersuchung beschäftigt sich spcciell mit ihm, aus-
198 Lateinische Grammatik.
genommen Brugman's Lückenbüsser über quaeso (III, 130), das von quaero
getrennt und = *quaes-so gesetzt wird. Etwas detaillirter werden von
demselben auch für's Italische II, 148 ff. die schwachen Formen der No-
minalstcämrae auf -an, -man, -van in ihren suffixalen Weiterbildungen und
Zusammensetzungen besprochen, und zwar entsprechen der ursprünglichen
vierfachen Abstufung -agw, -a^n, -n, -n die lateinischen Formen -an, -en,
-n, -en. Ein Anhang bespricht die Endung -em der Zahlwörter von 7—10.
— In II, 126 ff. wird von Osthoff die pronominale Neubildung des Nomi-
nativs und Genitivs Plur. der ä-Declination, equae und equärum, daraus
erklärt, dass die ursprünglichen Formen *equäs und *equäm mit dem
Genitiv und Accusativ Sing, zusammengefallen wären. — In III, 26 ff. sucht
Brugman in grossem Umfange sigmatische Aoristbildungen auch für's
Lateinische nachzuweisen. Es gehören dahin nicht nur die Perfecta auf
-si, sondern auch die sämmtlichen gewöhnlich vom Perfect abgeleiteten
Zeiten, endlich auch die -2 und 3 Plur. Indicativi Perfccti. So ist viderö
= gr. Conj. scdioj; vuleris = ind. vedisas; vulerim verhält sich zu faxim,
wie ind. gani'sijd zu boksijä; vlcleram^ vldissem, vüUsse sind vom sigmati-
schen Aoriststamme nach Analogie von eram^ essem^ esse gebildet; vJdisiis
ist = ind. dvedista (danach totondistis) u. s. w. ; ferner ist dixi = idec^a
mit dem Ausgang von vidi; dixö = dem Conj. Sac^cu, während dixem und
dtxe Neubildungen sind; amässo, -ssim u. s. w. sind Conj. und Opt. Aoristi.
Es sind in der Geschichte des allmählichen Eindringens sigmatischer
Aoristfcrrmen in das Gebiet des altindogermanischen Perfects im Latei-
nischen drei Perioden zu unterscheiden: 1. Perfectformen und Aorist-
formen sind noch getrennt; 2. die -i*- Formen dringen ins Perfect ein;
3. die -5 -Aoriste gliedern sich den Perfectsystemen an. — In III, 91 ff.
vertheidigt derselbe seine Ansetzung dreier ursprünglicher os- Laute im
Indogermanischen gegen Job. Schmidt und Collitz (s. oben) und bekämpft
eine Reihe von Aufstellungen des Ersteren, auch für's Lateinische. —
In III, 131 ff. endlich sucht er nachzuweisen, dass die Affricierung den-
taler Explosivlaute vor t schon vor der Völkertrennung eingetreten war,
und stellt, nach der im Jahresbericht für 1876 — 77 besprochenen Ab-
handlung Fröhde's (Bezz. Ztschr. I, 177 — 212), folgende Regeln auf:
1. t, d, dh -f- t zwischen Vocalen und nach Nasal und Liquida wird zu
SS (s) ; was diesem Gesetz nicht folgt, ist nicht lautmechanisch eingetreten,
sondern Analogie- oder Neubildung; 2. vor r entsteht st, aus sst = tst-^
das t ist erhalten, da die Lautverbindung sr unerträglich war (Einschub
von t in sobnnus aus *sostrmus aus * sos-rmus). Urindogermanisches s + t
erscheint als st; wo ss (s) eintritt, ist associative Neubildung anzunehmen.
Das Superlativsuffix -is-simus enthält -simus (s. maximus) aus -thnus, her-
übergekommen von den Ordinalzahlen auf -e{n)smus, regelrecht aus -ent-
timus. — Osthoff 's langer, fast den ganzen vierten Theil ausfüllender
Aufsatz »Ueber die Tiefstufe im indogermanischen Vocalismus« sucht,
Morphologie. Declination. 199
in Bezug auf den Wechsel von Länge und Kürze bei i und u in den-
selben alten Erbwörtern und Wortbildungskategorien, nachzuweisen, dass
J, ti vor Consonanten, /?-, uu vor Sonanten die Form der nebentonigen
Tiefstufe ist; J', ü vor Consonanten, j, u vor Sonanten die Form der ton-
losen Tiefstufe. Die Schlussfolgerungen für's Lateinische sind zu sehr
zerstreut, um hier gesammelt werden zu können.
Nur citiren kann ich, wegen mangelnder Kenntniss der betreffenden
Sprache, das russisch geschriebene Werk:
J. W. Netuschin, Genetische Darstellung der Phonetik und Mor-
phologie der lateinischen Sprache. Charkow, 1878. VIII, 248 S. 8.
Das Werk enthält einen Anhang über das Oskische und Umbrische
und scheint eine nicht unfleissige Zusammenstellung aus den besten deut-
schen Quellen zu sein.
Eine starke Umarbeitung hat erfahren:
Franz Bücheier, Grundriss der lateinischen Declination. Mit
des Verfassers Erlaubniss, unter Benutzung der französischen Ueber-
setzung von M. L. Havet, auf's neue herausgegeben von J. Windekilde.
Bonn, Emil Strauss, 1879. 132 S. und 4 S. Inhaltsverzeichniss, 8.
Bücheier hat die Verantwortung für diese fast doppeltstarke Be-
arbeitung des in erster Ausgabe vergriffenen trefflichen Werkes ausdrück-
lich abgelehnt: er hat dem Herausgeber nur bestimmte Punkte zur Be-
richtigung und Umarbeitung bezeichnet; der Textgestaltung blieb er ganz
fern. Die Ordnung ist dieselbe geblieben, die Ergänzungen sind nicht
nur aus Havet, sondern überallher genommen, zahlreiche Belege unter
den Seiten rechtfertigen die kurzen Ansätze. Die knappe, geschickte
Zusammenstellung der erhaltenen Formen, mit möglichst vollständiger
Benutzung der Inschriften, der Reste des Altlateinischen, der plautini-
schen Metrik (vielleicht zu weitgehend), der Handschriften und der alten
Grammatiker, bildet noch immer den Hauptvorzug des Werkes. Die
Vergleichung ist sparsam und beschränkt sich auf's Nächstliegende, die
altitalischen Sprachen und das Griechische; allgemeinere Hindeutungen
auf die verwandten Sprachen, auch das Indische, sind sehr selten. Spar-
sam sind auch die Reflexionen und Erklärungsversuche, noch unberührt
von den kühnen, oft aber doch recht plausiblen Hypothesen der jung-
grammatischen Schule. Gerade diese Enthaltsamkeit zeigt, wie viel noch
zu leisten übrig bleibt, um das Flexionssystem durchschauen zu können.
Die Gliederung ist die, dass auf die Vorbemerkungen über Stämme, Casus,
Geschlecht die einzelnen Casus in der Reihe: Nominativ (Anhang Voca-
tiv), Accusativ, Genitiv, Ablativ, Dativ, Locativ (im Plural mit Dativ und
Ablativ vermengt), durchgenommen werden. Ich gebe im Folgenden eine
Reihe der wichtigsten Notizen:
200 Lateinische Grammatik.
S. 9. Das weibliche Genus bewahrt die ältere Form (Cic. de orat.
III, 45).
S. 10. Comparativ bis in's .5. Jahrhundert einendig -öi-.
S. 34. Nora. PI. der cons. Stämme -cn, geschwächt -e, seit 540 -es
aus Bedürfniss nach Deutlichkeit und Durchsichtigkeit, eigentlich Uebcr-
gang in die j-Declination.
S. 36. Aehnlich Nom. PI. der «-Stämme ursprünglich -äs, geschwächt
-a, später der Deutlichkeit wegen -ai, pronominal nach quai, hai-c.
S. 36. Ebenso Nom. PI. der o-Stämme (-os), (-o), dann (-ot), daraus
-oe {pilumnoe^ i)oploe, fesccninoe, s. oben Jordan), belegt, mit Schwächung
von 0 zu e (bedenklich!), als -es, -eis {ei Mischlaut von e und i oder = <),
-is, dann -e, -e«, -?, dadurch Uebergang in die i-Declination.
S. 44. Vocativ mi aus *mie für *mee, s. mieis.
S. 46. Acc. Sg. der /-Stämme ursprünglich -e/«, übertragen auf die
consonantischen ; diese hatten urspr. -am {-om, -um). Der Vocal vor m war
ursprünglich lang, dann mittelzeitig (schwerlich!), s. S. 49.
S. 48. frusträ. AcC. PI.
S. 52. med u. s. w. als Acc. durch Verwechslung mit dem Abi.,
erleichtert durch die frühe Abschleifung des d^ Anomalie des Volks-
idioms.
S. 53. Acc. PI. -s aus (-ms, ns, -ss).
S. 57. Acc. PI. der i- und conson. Stämme ursp. -es, daneben die
i-Stämme -ei«, -/«, auch auf die conson. übergegangen.
S. 59. Gen. Sg. der conson. Stämme (-os), -us, durch Einwirkung
der z-Stämme -es, -is (oder -is aus -ios.^ ius), kaum richtig.
S. 62. Gen. Sg. der a- Stämme -äs (Adverbia alias, alteras, utras-
que, inter vias s. Jordan, inter pugnas, ebenso interdius, -diu von einem
?<- Stamme, nox, fors von conson. Stämmen), nicht aus *-ais, seit dem
6. Jahrhundert -äis {Prosepnais, doch recht zweifelhaft), -ai, -ai, -ae (ur-
sprünglich vielleicht -ajas); Genit. Coira = -äs oder -äi? — Die Form
-aes aus -ais (?) ist rustican, ziemlich jung, besonders in Etrurien hei-
misch, ausgedehnt durch Einfluss des gr. -rjg (eher überhaupt griechisch).
S. 66. Gen. Sg. der e- Stämme -es, schwach -e, erweitert -e-T (aus
-e-is?), -ei, -~i (eher e aus ei).
S. 69. Gen. Sg. der o-Stämme {-ois), {-oi), dann -J, erst 608 -ei.
S. 76. Gen. Sg. auf -lus eig. Adject. Nom. Sg. Masc. quoius u. s.w.;
-t z. B. isti, aus {-is) = -las.
S. 79. Gen. PI. boverum u. s. w. von erweitertem Stamm.
S. 86. Gen. PI. Aisemim, Tiati durch osk. Einfluss (s. Saßnim).
S. 88. Gen. PL -ärum, erst später auch -örum, mit vollerem Suffix
(doch wohl pronominal).
S. 90. Der Ablativ drückt auch das Wohin aus z. B. isto u. s. w.
(erst in der Kaiserzeit istu-c, mit Umlaut), er ist überhaupt der Casus
der allgemeinen Abhängigkeit vom Satzgefüge.
Declination. 201
» S. 94. apud {apor, apo) ist Abi.
S. 95. Ablativische Adverbien auf -ed statt -od des BedeutiiDgsuQ-
terschiedes wegen.
S. 96. Abi. Sg. der «-Stämme -ed, -Jd, dann -ed, -id u. s. w., davon
zu den conson. Stämmen -id (nicht = altem -at); selten Abi. -ei.
S. 101. sme = * seine = *sed-ne »für sich allein«.
S. 102. Dat. Sg. urspr. -ai, lat. -l
S. 106. popidoi Romanoi anerkannt, nicht Mettui Fuhettui, eher Metti
Füfetioeo (s. oben Jordan).
S. 107. Dat. Sg. der conson. und «-Stämme -e, -ei (s. oben), -i (oder
Locativ?).
S. 111. Im Supinum auf -ü Verschmelzung von Dativ und Ablativ.
S. 113. Bei Plautus und sonst archaisch tibi metrisch mehrfach
einsilbig = {tihi, ti).
S. 113. Uli u. s. w., alterei (aus -eroi?) sind Locative, S. illi-c
(schwerlich!).
S. 115. quoiei aus quo-i-ei von erweitertem Stamm; quoi, cai selb-
ständige locative Bildung, ebenso hoi-ce, Imi-c (auch hui); auch eid ist
erweitert, el sehr selten.
S. 117. Locat. Sg. der o-Stämme alt -oi (Dativ o'i), geschwächt -e,
-i, auch -ei (s. oben), ebenso von den «-Stämmen -ai, -ae. Unterschied
des Locat. Suniei, Sunii vom Gen. Suni.
S. 119. Loc. Sg. der cons. und «-Stämme ? und e, jenes älter, auch
herei; mane, rure durch Uebertritt in die j-Declination; Locative sind die
Infinitive auf -i und -e: fieri, promei-e.
f S. 121. quei^ qul Locativ, auch atqui; es steht für den Abi. in qui
piraesente, quicum u. s. w.
S. 123. Dat. Abi. Loc. PL alt -Las, nirgends klar, neben -hos; om-
nimodis aus oinnis- = omnibus- (s. oben tibi).
S. 126. dibus, ayiiicibus, saibus sind unorganische Mctaplasmeu.
S. 127. -IS aus -ais, -ois = ind. Locat. -su, gr. -tat; Dat. devas
Corniscas*), wie 'Okoixncaat, ohne Einschub des stammerweiternden i; con-
trahirt -es, später -eis.
S. 128. oloes, privicloes anerkannt, ja *olaes supponirt (S. 132).
S. 130. Pronominales -bis z= -bei, -bi des Sg. + pluralischem -s\
nöbis aus *nos-bis\ nis aus verkürztem *ndbis (s. tibi), ähnlich vos-cum
aus vöbis-cum; dagegen iis, is aus eieis (nach der o-Declination); unent-
schieden bleibt die Deutung von queis, qiüs; heis, lüs.
Die pronominalen Genitive und Dative auf -his, -i sind wieder spe-
ciell behandelt in
*) Vielleicht Gen. Sg., wie bei Widmungen im Etniskischon unil Messa-
pischen.
202 Lateinische Grammatik.
0. A. Daniclson, Studia Grammatica. Upsala, Edquist, 1879,
64 S. 8., mit einem Auliang über sircmps.
Nach einer Erörterung über die Quantität des i bei Plautus, wo
sich der Verfasser an Brandt anschliesst, und einer Darlegung und Wider-
legung der übrigen Deutungen, wird im Wesentlichen die Ansicht Meu-
nier's adoptirt, der in seiner Schrift de quelques anomalies que presente
la declinaison de certains pronoras (M6moires de la soc. de lingu. de Pa-
ris I, 14 ff.) lus und -z durch Auhängung des Genitivs und Dativs von is
erklärt; doch nimmt Danielson, abweichend von ihm, nicht Anhängung an
den schon gebildeten Casus, sondern an den reinen Pronominalstamm an
(s. Ebel in Kuhn's Zeitschr. V, 190, Note), also z. B. huius aus hu- (eig.
ho-) -\- eins, hui-c aus hu -\- ei{i)-c\ es gehören aber eins und ei eigentlich zu
dem starken Stamme ei; -us aber ist die alte Genitivendung der con-
sonantischen Stämme, von da auf die z- Stämme übertragen. Auch ?«zs,
tis sind = mi + *-«*■, *-ius. Gelegentlich wird Corssen's Ansicht wider-
legt, dass -* vorhergehenden Vocal kürzen könne (S. 40). — Das Wort
siremps wird zerlegt in si-c{e)-senips vom Pronomen se?n mit eingeschobe-
nem p, wie in hiemps\ falsche Analogie bildete sirempse (von res); das
Wort war ursprünglich Adjectiv, wie recens, deinceps; in sirempsem ist
noch em = tum angetreten.
Aus dem Gebiete der Flexion des Adjectivs ist als eine in Gründ-
lichkeit,und geistreicher Auffassung musterhafte Schrift zu bezeichnen:
Edu. Wölfflin, Lateinische und romanische Comparation. Er-
langen, Deichert, 1879. VI, 92 S. 8.
Die Schrift wird vom Verfasser bezeichnet als ein Beitrag zu einer
aus der Specialuntersuchung der einzelnen vulgarisirenden Autoren auf-
zubauenden Grammatik des Vulgärlateins, und ist ein Capitel aus den
Vorlesungen über dasselbe. Die Comparation aber eignet sich zu einem
solchen Specimeu ganz besonders (s. die im Jahresbericht für 1876—77
von mir angezeigte Schrift von Ott über Doppelgradation und Rönsch
Itala und Vulgata). In den allgemeinen Vorbemerkungen werden die
Augmentations- und Deminutionssilben überhaupt besprochen. Es giebt
nur steigernde, nicht mindernde Comparation, doch entspricht dem Elativ
als Gegensatz in gewisser Weise die Composition mit sub- (factisch drückt
auch der Comparativ auf -ior in der Bedeutung »etwas . . .« eine Min-
derung aus). Die Steigerung von Substantiven ist vulgär (Plautus, die
Itala). Bei Schwierigkeiten in der Steigerung von Adjectiven und Ad-
verbien wird mitunter das Griechische zu Hülfe genommen {compsissume,
drzix(i)T£pog). Ein Anomalen besonderer Art ist ipsimus^ seit Petron,
aber schon im CatuU ist Ipsimilla herzustellen. Der Elativ durch Ver-
doppelung des Positivs ist erst christlich (semitisch). — Was dann zu-
erst die Steigerung durch Adverbia betrifft, so ist magne ganz jung,
magnopere, magnifice bei Verben und Participien schon früher üblich;
ComparatioD. 203
summe braucht Cicero in den früheren Schriften; multum (nicht bei Cicero)
ist vulgär, non parum familiär ; haud parum hat Livius ; vcdde, durch Cicero
in die Prosa eingebürgert, drang nicht durch; sane ist archaisch, ebenso
vehementer (auch vulgär) ; fortiter, bei Verben, ist medicinisch. Meist bei
Verben steht auch misere, aber alt ist auch misere miser (Plautus). Vor
Adjectiven ist be7ie selten in der Comödie, häufiger bei Enuius, Cato,
Cicero, meist bei guten Dingen; male ist dichterisch, auch scherzhaft;
prime (Nävius), appriine (Plautus), cumprime, später (bei Gellius) cumpri-
mis (nach Analogie von inprimis)^ ferner egregie^ eximie u. s. w., andrer-
seits graviter. Sehr oft steht oppido bei Adjectiven; aliquam {partem) ist
herabsetzend; admodum ist »völlig«, nicht »ziemlich«; nrnw ist bei Plau-
tus häufiger als nimium; auch nimio findet sich; romanisch ist nimius
= magnus geworden; in primis, itUer paucos u. S. W. Steigernd ist auch
die Composition mit per-, prae-^ vgl. noch perquam, nimisquam. Es ist iü
diesem Punkte das Lateinische reicher, als das Griechische, doch wech-
seln die Ausdrücke nach den Perioden. — Die Umschreibung des
Comparativs und Superlativs ist im Romanischen Regel geworden;
im Lateinischen ist magis, maxime am üblichsten ; plus, zuerst bei Verben
(unsicher plurimum), drang in Frankreich (Sidonius) und Italien durch,
während mofßs Conjunction ward (frz. mais, ital. mai). Nothwendig wurde
die Umschreibung theils der Form wegen (Adj. auf -eus, -ius, -uus), theils
der Bedeutung wegen, theils bei zu langen Wörtern, endlich aus me-
trischen Gründen. — Die Verstärkung der Steigerungsgrade
(s. Hand): die Regel: 7mdtc beim Comparativ, lange beim Superlativ,
gilt nur für Cäsar und Cicero; archaisch steht der Superlativ nur mit
multo, während Plautus longe beim Comparativ hat; aliquantum bei Terenz,
dann bei Livius; vel erst bei Cicero in den Reden; facüe, omnium u. s. w.;
spätlat. ist quam plurimi = multi. — Doppelgradation (s. Ott), auch
durch steigerndes Adverb und Suffix, oder zwei Adverbia z. B. oppido
perquam multi -^ ziemlich alt sind dexterior (Ciccro) und sinisterior ; dcxtimus
gehört der Soldatensprache an; schon bei Plautus begegnen posterior
u. s. w. ; superim im bellum Hispan.; inferius bei Vitruv u. s. w.; pluriorcs
(frz. p)lusieurs) schon bei Hilarius von Poitiers; magis maior, plus levior
u. s. w.; praeclarissimus bei Hirtius, Nepos, Cicero. — Der Gegenstand,
womit verglichen wird: Den Gebrauch von plus, minus bei Zahl-
wörtern ohne quam erklärt man sich am leichtesten durch Umstellung
z. B. quingentos plus (statt lüures) colaphos; cum L, haud amplius, eqniti-
bus; vgl. simul ac venit, sol occidit für venlt simid, ac s, o. ; cura (ut) va-
leas aus valeas , cu7-a; dum scribo, venit aus scriho , d{i)um venit; ferner
urspr. fremant omnes licet, fremas quam vis u. S. W. Der Ablativ beim
Comparativ ist abl. separationis »im Abstände von« , in der classischcn
Sprache in negativen Sätzen, Fragen mit negativem Sinn und gewissen
Redensarten (gegen Dräger); auch^te iu^to gestellt (gegen Zumpt). Der
Genitiv (Gräcismus) erst bei Vitruv. Atquc nach dem Comparativ vor
204 Lateinische Grammatik.
Horaz nur bei der Negation. Der romanische Genitiv mit de, «, beim
Comparativ ist christlich (semitisch). — Die Verschiebung der Com-
parationsgrade: In der Zeit der Sprachverwirrung wird jede Stufe
mit der andern vertauscht (s. Ott). Steigerung bei Citaten und Ueber-
setzungcn: nokM = aliquanto plura; Superlativ für Positiv zuerst bei
Verbindung mit prägnanten Positiven; Comparativ für Positiv (dürftig
bei Ott) in ocius, dtius, celerius; ante alios immanior (Vergil); mit Super-
lativ bei Plautus; ita mit Comparativ, nt bei Ammian. — Der Comparativ
tritt besonders auch aus metrischen Gründen ein {Inutilior bei Dracon-
tius). Die Vertauschung des Comparativs und Superlativs tritt zuerst,
wie fast alle obigen Erscheinungen, bei den anomalen Bildungen ein: so
bei Titeln maior, senior u. S. W., dann prior-, andrerseits plnrimus, mini-
rmis, optimus statt der Comparative. Viel seltner ist der Positiv für einen
höheren Grad, wie bei Tacitus vehementim quam caute\ dann bei quanto-
tanto; andrerseits schon bei Cicero (ad Att.) quam magni aestimat; beson-
ders bei volo-, Valer. Maxiraus qua?n j)otidt constanter\ bei Apulejus auch
ohne yeWe und j)osse*). — Es folgt eine Untersuchung über quisqiie mit
den drei Graden, mit mancherlei Berichtigungen der bisherigen Auf-
fassung. Die Schlussbetrachtung hebt hervor, dass das Zusammenfallen
der Grade nicht Folge von Abschleifung der Formen, sondern von Ab-
schwächung der Bedeutung gewesen ist; das Herabsinken aber war ein
beständiges.
Aus der Pronominallehre ist hervorzuheben:
Otto Kienitz, De quj localis modalis apud priscos scriptores latinos
usu. Leipzig, Teubuer, 1879, 48 S. 8., auch in den Supplementen zu
den Jahrb. f. class. Philol. X, S. 527—574.
Die Arbeit schliesst sich an die im vorigen Jahresbericht besprochene
desselben Verfassers über quin an und ist in gleicher Weise augelegt.
Zuerst wird über den pronominalen Gebrauch gehandelt, als Interrogativ
(Instrum. oder Locat. von quis, auch qidcum, einmal = quare), als Rela-
tiv {qmcum, ohsolet seit der Vorsetzung von cum; einmal für quibuscum),
als Indefinitum (quicwnvis, cum quJquam, auch ab aliqiä, a quiquam). Es
zeigt sich, dass qul, stets substantivisch, theils instrumental, theils abla-
tivisch gebraucht wird, wo eine andere ablativische Form fehlt, bei Plau-
tus mit jeder Präposition, später nur qtäcum bis Cicero, formelhaft. Es
gehört zu den Nominativen qtii, quis, quid. — Der zweite Theil erörtert
den unpersönlichen Gebrauch, ebenso geordnet: interrogativisch in der
oratio recta modal, meist eigentlich ablativisch, »wie?«; in der oratio obli-
qua als pretialis, dann = riuomodo, auch wohl = quare, in Verwünschun-
gen = utinam »wie (könnten) wohl?«; ferner relativisch als pretialis, in-
*) quam midta in Caelius' Briefen bei Cicero und bei Cicero selbst (Er-
gänzung durch H. Jordan im Hermes XIV, 633).
Pronomina. Conjugation. 205
Strumental und adverbial (aus dem Neutrum), nie adjectivisch; modal =
ut finale (Conjuuction), nie qm minus (da quo abl. mensurae ist); endlich
indefinit, enklitisch m-ecqiä, numqm^ siqul, componirt in aUqul, qnupte^ qiä-
qm, quTpiam, qulquam ; erst später alioqui, ceteroquT. Nicht bebandelt sind
atqm, nequiquavi u. s. w. Das Resultat ist wesentlich das gleiche wie
oben. Auch hier zeigt sich, das qui stets substantivisch (auch neutral)
ist, nie reiner Ablativ (= unde), ausser wo der Ablativ auf -o oder -a
fehlt; nie Locativ (= ubi). — Im dritten Abschnitt wird dagegen nach-
gewiesen, dass es der Form nach allerdings nur Locativ sein kann, aber auch
andere Locative, wie ä?-c, kommen nie mehr in locativem Gebrauche vor
(doch s. unten. Hermes XV, 612). Es i?t an Stelle des im Lateinischen
fehlenden Instrumentalis getreten; mit cum vertritt es den sociativen In-
strumentalis. Eine ablative Form quid hat nicht existirt und ist im Plau-
tus zu tilgen.
Die Conjugation ist behandelt in:
Emil Eisenlohr, Das lateinische Verbum. Grammatikalische
Abhandlung. Heidelberg, Groos, 1880. 52 S. 8.
Die Schrift giebt eine fleissige Zusammenstellung nach Neue, mit
Sprachvergleichung, aber mancherlei Fehlern und willkürlichen Urformen,
wie wenn als lateinische Grundformen cthomasi, veheiasl, vehonti (S. 19)
angesetzt werden. Die schwierigeren Probleme werden nicht berührt,
auch die Quantitätsbezeichnung fehlt.
Eine Eiuzelform bespricht:
Claudio Giacomino, Dell' infiuito presente passivo latino. Sa-
vona, 1880, 44 S. 8. (Lyceumsprogramm)..
Die Construction von amari = amarier aus * ama-si-em-se = amare
stesso se, mit Ausfall des m, wie in amarer = *amarem-se, wird schwer-
lich Beifall finden.
Eine andere isolirtc Form ist in ungeahnter Weise combinirt in
F. Gustafsson, En jeraförelse nellan finskan och latinet. Öfver-
sigt af Finska Vetenskaps - Societetens Förhandlingar 1878 — 1879.
5S. 8.
Der Verfasser fasst nämlich, nach Analogie der als Personen des
Verbum finitum gebrauchten Participialfonnen auf -näni, -inino, auch die
3 Plur. Priis. auf -aid, -eni, -unt als eine Participialform auf, und ver-
gleicht damit die Bildung der 3 Sg. Präs. auf -vi, -pi und 3 Pliu-. auf
■vat, -vät im Finischen, nach Blomstedt zum Participium Präs. auf -va,
-vä, -pa, -pä, PI. -vat,^ -vät gehörig. Die übrigen Personen auf ->d, in
den andern Zeiten, sind dann nach Analogie gebildet. Bekanntlich hatte
Benfey einmal den umgekehrten Weg versucht.
206 Lateinische Grammatik.
Andere hierbergeliörige Specialschriften sind:
Ed. Rud. Tliurneysen, lieber Herkunft und Bildung der latei-
nischen Vcrb;i auf -io der dritten und vierten Conjugation und ihr
gegenseitiges Verhiiltniss. Doctordissertation von Leipzig, 1879, G8 S. 8.
Der Verfasser giebt in Cap. I ein Verzeichniss der betrefienden
Verba, und zwar gruppirt in Denorainativa, Onomatopoietica und primäre
Verba, denen sich die zweifelhaften Bildungen aaschlicssen (s. L. Meyer
Vergl. Gramm. II, 34 ff.). In Cap. II wird die Frage, welche indoger-
manischen Bildungen sie repräsentiren, dahin entschieden, dass sie nicht
Verben auf -ajämi., sondern auf blosses -jämi entsprechen z. B. scio =
ind. cjümi. Die Formen mit t, wie capis, -it u. s. w. werden als Aoriste
gedeutet, wobei freilich das Fehlen anderer Personen auffällig bleibt, wie
*capo{m), *capunt. — Cap. III sucht die Entstehung der denominativen
Bildungen wie ßnio von ßnis aus *ßn7jo, nicht *fimjo, nach Analogie von
metuo aus *meti7jo, zu beweisen. Die o- Stämme haben sich an die
i-Stämme angelehnt; -turio ist = ind. -trjämi; equire, catulire enthalten
die Desiderativ -Endung -%uin/. Die Onomatopoietica folgen den Deno-
minativen.
F. Fröhde, Die lateinischen Präsentia auf -ZZo. In Bezzenberger's
Beiträgen III, S. 285—309.
Fröhde untersucht die Verhältnisse des lateinischen U überhaupt
und findet, dass l aus II ensteht nach langem Vocal und vor i z. B. Dui-
lius, oUm, Polio, vilicus; andrerseits II aus l durch Schärfung, auch nur
nach langem Vocal, wie in der Endung -ella, millia, fellare, helhca ; II ent-
steht sonst aus h z. B. coUum, velle-, aus It z. B. in mel{l), fel(l), den
Superl. auf -llimus; aus Iv z. B. soUus, palleo; am häufigsten aus In z. B.
cella, bulla, collis, vellus; nie aus Ij. Demnach kann auch in den Präsen-
tibus U nicht aus Ij entstanden sein, und sind die Verba von denen auf
-io zu trennen. Es wird dann cello mit xoXwvhg und ind. grnäti combi-
uirt, cillo mit xXivu)\ fallo mit ind. hvrnäti; pello mit TttXvajxai u. s. w.
Carl Wagner, Die perfectischeu Formen von eo und seinen Com-
positen. Neue Jahrb. f. class. Philol. Bd. 119-120, S. 271 ff.
Das Perfect ivi und seine Ableitungen sind für den Schulgebrauch
falsch, da die Autoren der besten Zeit nur die verkürzten Formen an-
gewandt haben; in Compositis aber tritt in der 2. Sg. und PI. Perf. Ind.,
im Plqpf. Conj. und Inf. Perf. stets Contraction ein (nur Cornelius Nepos
hat einmal interilsset I, 3, 4; Tacitus transivlsse Anm. XI, 24). Es ergiebt
sich demnach die Regel : In den perfectischeu Formen von eo und seinen
Compositis wird immer das v ausgestossen und wenn auf H ein s folgt,
tritt Contraction ein.
Dazu der Nachtrag:
Wortbildung. Etymologie. 207
Rud. Thimra, Die perf. Formen von eo und seinen Compositionen.
Ebendas. S. 848.
Im Sueton (Ergänzung zu Neue) fehlen gleichfalls die Formen mit
V, also iit, adiit, adisse u. s. w. , aber 7 mal ist di^ 3. Sg. Perf. Ind. in
Compositis in -~d zusammengezogen.
Aus dem Gebiete der Wortbildung sind zu verzeichnen:
Heinr. Düntzer, Die lateinischen Suffixa -tia, -tio. Rhein. Mu-
seum f. Philol. Neue Folge, Bd. XXXIV, S. 245-259.
Zunächst werden einige der bisherigen Ansichten über die mit t
beginnenden Suffixe widerlegt: -tüs, Gen. -latis kann nicht aus -täs ent-
standen sein (gegen Corssen), da ä nicht in a übergeht ; eher ist zu zer-
legen in -t -\- ät und -t -\- üt, vgl. -t-üd-on neben -ed-on, -id-on, -ild-on,
wie auch -i'id in pal-üd neben -ed u. s. w. Aehnlich -t-ilis neben -ilis
u. s. w. Dass das t aber nicht das participiale ist, zeigt z. B. ampUtudo.
Ebenso nun steht -t-la neben -ia, auch -i-ies; -t-io neben -io. Jenes tritt
bald an Verba, bald an Nomina z. B. mqitiae von nuhere^ aber yratia von
grcdus. Verwandt sind auch die Neutra auf -t-ium, wie initium.
Dr. Bordelle, De linguae Latinae nominibus -men et -mentum
suffixorum ope formatis. Programm von Gross-Glogau, 1879, 18 S. 4.
Nach kurzer Betrachtung der Entstehung der betreffenden Suffixe
und der verwandten griechischen -/xav, -jiar durch Verbindung mehrerer
Ableitnngselemente (mo, na, ta)^ werden alle bei Ovid, als dem Dichter,
der vor Allen dies Suffix liebt, vorkommenden Wörter auf -men, nebst
Angabe der einzelnen Stellen, aufgezählt und unten die daneben oder
isolirt sich findenden erweiterten Bildungen auf -mcutum, auch aus der
übrigen Litteratur, angeführt, und zwar geordnet nach der Bildungsart:
1) aus dem reinen Stamm, auch mit Metathesis z. B. crt-men\ 2) mit
Bindevocal i oder m; 3) von Verben auf-äre, -ere, -ire\ 4) von Nominibus.
Heinr. Rönsch, Lateinische Substantivbildungen auf -ntium und
-lium. In der Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1879, S. 15—19.
Von classischen Bildungen gehört zum ersten Suffix nur silentmm.
Richard Jonas, Zum Gebrauch der Y erha, frequeiiiativa und in-
tensiva in der älteren lateinischen Prosa (Cato, Varro, Sallust). Pro-
gramm von Posen, 1879, 10 S. 4.
Die Abhandlung schliesst sich an zwei frühere desselben Verfassers
an: »Ucber die Ableitung der betreffenden Verba« Posen lS7l und
und »Ueber ihren Gebrauch bei den Diclitcrn der archaischen und gol-
denen Zeit« Meseritz 1872. Sie enthält eine vollständige Stellensamm-
lung über die 32 Verba auf -ito, 22 auf -tu (ohne die Composita), 8 auf
'SO. Die Verba sind danach vcrhältnissniässig häufig, ihre Bedeutung
208 Lateinische Grammatik.
bereits durchweg zu derjenigen der einfachen Verba abgeschwächt. Ein
Anhang giebt die Stellen aus Varro's Fragmenten (9 + 10 -f 3).
Beiträge zur lateinischen Etymologie sind überall weit zerstreut
zu finden und es kann hier nur auf einzelne Ilaupterscheinungen hinge-
wiesen werden; manches ist auch schon oben berührt worden.
Fritz Bcchtel, Ueber die Bezeichnungen der sinnlichen Wahr-
nehmungen in den indogermanischen Sprachen. Ein Beitrag zur Be-
deutungsgeschichte. Weimar, Böhlau, 1879. XX, 168 S. 8.
Der Verfasser kommt zu dem Resultat, dass die Wahrnehmungen
durch die Sinne, falls ihre Bezeichnung nicht Verengung der Bezeichnung
für Wahrnehmung im Allgemeinen ist, sprachlich in der Weise zum Aus-
druck gebracht werden, dass von der Perception als solcher völlig abge-
sehen und statt ihrer die Thätigkeit genannt wird, auf welche die Per-
ception erfolgt oder welche Gegenstand der Perception ist z. B. »fühlen«
= »tasten«; »schmecken« = »fliessen, zerfliessen« und = »verzehren«;
»hören« = »tönen« und »beben«; »sehen« = »leuchten« und »scharf
sein«. Häufig werden dabei die Sinne vermengt, besonders Gehör und
Gesicht, Geruch und Geschmack. Es werden dann die indogermanischen
Ausdrücke für »tasten, schmecken, riechen, hören, sehen« durchgenommen
und erklärt, dabei auch viel Lateinisches, wenn gleich nicht ausreichend
und nicht selten recht zweifelhaft.
Or Weise, Volksetymologische Studien. In Bezzeubergei-'s Zeit-
schr. V, S. 68- 94.
Die Schrift gehört den vulgärlateinischen Studien an und ergänzt
einerseits G. Meyer's Anzeige von Andresen's Deutscher Volksetymologie
(Beilage zur Allg. Zeitg. 1876, n. 239), andrerseits die Zusammenstellun-
gen Schuchardt's (Vocal. III, 344 ff.), indem der Verfasser eine grosse
Menge von Beispielen griechischer, italischer und anderer Lehnwörter im
Lateinischen vorführt, die volksetymologisch als Zusammensetzungen mit
lateinischen Präpositionen aufgefasst wurden, wie absis, adeps {äkei(pa),
Compulteria, ExquUiae, inula {kleviov)^ obsoniuin, pellex, persona, Proserpina,
suiyparum u. S. W.
0. Keller, Lateinische Etymologieen. Im Rhein. Mus. f. Philol.
N. F. XXX, S. 334-339. - Etymologisches. Ebeudas. S. 498 -500.
Im Ganzen mehr geistreiche Vermuthungen, als streng wissenschaft-
liche Untersuchungen, wie annona von ad nonas ire; castrare »nach Biber-
art behandeln« ; lusdnia »die verdrehte Sängerin« u. s. w. Beachtenswerth
ist die Bemerkung, dass induperator erst von den hexametrischen Dich-
tern aus metrischem Grunde geschaffen worden sei; ferner die Beobach-
tung, dass nach Einführung der Aspiration in die Schrift (s. oben) die
Römer die bizarre Neigung bekamen, ihre Namen gräcisirend zu aspiriren
Etymologie. 209
z. B. Gracclms, Oiho, Cetliegus, Tliorius, auch Pulclier, wo die Aspiration
auch ins Adjectiv übergiag.
Herrn. Rönsch, Etymologisches und Lexicalisches. Jahrb. f. class.
Philol. XXVI, S. 501-509.
Es werden eine Reihe dunkler und seltener Wörter behandelt:
decumanus von Sat^oj und xo/i/xa, »Theilschnitt« (unmöglich!); groma zu
xpoOcü^ »prüfen«; luricula = loricula, »Brustwehr«; suggrunda = sugge-
renda u. S. w.
Einzelne Etymologien, Deutungsbestimmungen und Wortverwendun-
gen von allgemeinerem Interesse sind: wnbra = * onsra zu. ovap, ovetpog
(Bezz. Ztschr. V, 104); blandior = *glandior, lit. glandu »streicheln« (ebdt.
168); cliens zu -cllnäre (L. Meyer, ebdt. 176— 183); /n^ws = *sngus, p:-
yog {fr, br aus &r = sr, Collitz, ebdt. 321); ebenso frägum = *sr-, zu
pd$; male, bene aus *maled, s. r^^ho-anos; cicüta zu dcur »Besänftigungs-
mittel« (Bezz. Beitr. IV, 313 if.); aedes, templum, fanum, delubrum u. S. W.
(H. Jordan im Hermes XIV, 567—583); indutiae (M. Breal, Ann. de la
Fac. d. lettr. de Bordeaux I, 1, 85); malum! (C. Martha, Revue de philol.
III, 1, 19 — 25); labarum (Scott, Athenäum, N. 2674); iwaehibere, delicatus
(L. Quicherat, Melanges de philol. 155 — 157; 184—190); eo, feror,incedo,
ingredior = sum (Geist, Blatt, f. d. bayr. Gymn. XV, 167—168); Gaius
(Zehetmayr, ebdt. 164 — 167); quare »denn«; hodieque die(oggidi); circum-
versos = deceptos; iantum deiktisch u. s. w. (Oscar Rebling, Beiträge zum
Vulgärlatein, Jahrb. f. Phil. XXVI, 367-368); sie local, im Gegensatz
zu intro, = eo loco , »dort« (s. oben qu7, Th. Braune, Hermes XV, 612
— 613); dies ater »erster Tag nach Wochen anfang«, dazu quinquatrus u. s. w.
(0. Gruppe, Hermes XV, 624) ; qmim, quur (H. Hagen, Rhein. Mus. N. F.
XXXIV, 501); dare r>to givea und y>to imta (J. F. Postgate, Academy,
1880, n. 381, S. 142); mantiis (Th. Aufrecht Rhein. Mus. XXXV, 320);
aestiva (J. Dulac, Revue de Gascogne, Oct. 1880); provincia (Zehetmayr,
Blatt, f. d. bayr. Gymn. XVI, 64 ft.; nach Keller = *pro-vindicia, s. oben);
depidius, defidius (L. Havet, Revue de philol. IV, 140); condicio und co7i-
ditio (E. B. Mayor, Journal of Philol. VII, 265 if.) ; adfectus und ndfictus
(H. Nettleship, ebdt. 273 if.); agina, alapa, cilo, metuere deos, prona maria,
secare u. s. w. (Transactions of the Oxf. Phil. Soc. 1879—80, S. 7—14);
fastigium (Gräfe, Rev. de l'instr. publ. cn Bclgique XXIII, 322 — 337);
eliberare (H. Rönsch, Ztschr. f. d. österr. Gymn. 1880, 815 — 819); clnn-
destinus (F. Stolz, Wiener Studien II, 288 — 290); primum sie und prius sie
(W. Pctschenig, ebdt. 312 — 313); gratus (Zehetmayr, Blätt. f. d. bayr.
Gymn. XVI, 413 — 415); fistida {= *ßi-), flmnen (= *fläd-, gth. blötan),
setiiis (anr. sidr)^ sums, sura »Pfahl« (ind. svdnt), sine (zu iud. snmttar,
gr. dzep), vömis zu ahd. loaganso (Soph. Bugge, Bezz. Ztschr. III, 97 ff.);
duellum (zu BatCoji), dimicare (zu /J-d^y]), triquctrus (zu r^szpa »Kante«), jn-
rum zu a<fatpa (Fick, ebdt. 161 ö.) u. s. w.
Jahresbericht für Altcrthiimswissenschaft XXVIII. (1881. III.) 14
210 Lateinischfi Grammatik.
Für die Syntax fehlt es an einem neuen grösseren Werk, wenn
wir von den oben besprochenen allgemeinen Grammatiken absehen. Die
zweite Auflage dos zweiten Theiles des Drag cr'schen Werkes wird erst
im nächsten Jahresbericht zur Besprechung kommen.
Von allgemeiner Bedeutung ist:
Dr. Herrn. Ziemer, Das psychologische Element in der Bildung
syntactischer Sprachformen. Programm von Colberg, 1879, 20 S. 4.
Der Verfasser, angeregt durch die Bestrebungen der junggramma-
tischen Schule, behandelt in Cap. I allgemein das psychologische Moment
und die psychologische Erklärung, in Cap. II speciell das psychologische
Moment in den syntactischen Bildungen der lateinischen Sprache,
und zwar im Besondern die Attraction oder Assimilation, in folgenden
kurz aufgezählten Fällen: 1) progressive Attraction im Relativsätze;
2) Verschränkung des Relativ- oder abhängigen Satzes mit dem Haupt-
satze, dazu die Prolepsis des Substantivs ; 3) Attraction der tempora und
modi; 4) die figura ex TiapaXkrjXo'j; 5) die figura dnu xotvoü^ nebst Hy-
perbaton und Zeugma; 6) die antithetische Assonanz; 7) die consecutio
temporum. Ausführlicher wird in Cap. III, wenn auch immer, des be-
schränkten Raumes wegen, nur in einzelnen Beispielen, erörtert die Aus-
gleichung zweier Gedanken- oder Redeformen im Lateinischen, nämlich:
§ 1 der Infinitiv Perfecti statt des Infinitivi Präsentis, in fünf Unterarten ;
§ 2 die Ausgleichung in Vergleichuugssätzen, besonders in der ungezwun-
genen Sprache der Komödie, in vier verschiedenen Fällen; § 3 auffallende
Analogiebildungen in der Construction einzelner Verba, drei Gruppen
von Erscheinungen; § 4 bemerkenswerthe Fälle der Zusammendrängung
zweier Redeformen, gleichfalls in drei Rubriken geordnet.
Die Arbeit enthält eine Reihe feiner Beobachtungen und eröffnet
geistreiche Gesichtspunkte.
Im Einzelnen liegen zunächst zur Casussyntax folgende kleinere
Schriften vor:
Dr. Eduard Loch, De genitivi apud priscos scriptores Latinos
usu. Programm von Bartenstein, 1880, 34 S.
Eine nach den Arten des Genitivs, mit Zugrundelegung der Holtze-
schen und Dräger'schen Syntax, geordnete Stellensammlung.
P. Clairiu, Du genitif latin et de la preposition de. Collection
philologique. Recueil de travaux originaux ou traduits, relatifs ä la
Philologie et l'histoire litteraire. Bd. III. Paris, Vieweg, 1880. 306 S. 8.
Nach einer allgemeineren Einleitung, die aber eine bestimmte Be-
griffsbestimmung des Genitivs vermissen lässt, wird erst , sehr detaillirt,
der Genitiv behandelt, in reicher Beispielsammlung für seine verschie-
denen Arten, doch ohne den Versuch einer logischen Verbindung oder
Casussyntax. 211
einheitlichen Entwicklung der mannigfaltigen Bedeutungen. Der archai-
sche Gebrauch, der freilich die wichtigsten Aufschlüsse geben würde,
fehlt; es folgt die classische Zeit, die Zeit von Tiber bis Trajan, die Zeit
der decadence paienne, diejenige der Kirchenväter, endlich diejenige der
imitateurs bis auf Karl den Grossen. In derselben Weise wird dann die
Präposition de behandelt. Diese beiden Theile aber bilden erst das erste
Buch; das zweite verfolgt den Genitiv und de durch das Bas-Latin und
weist die fortschreitende Ersetzung des ersteren durch die Präposition
nach; das dritte Buch erörtert den französischen Gebrauch, gleichfalls
in historischer Entwicklung.
Dir. Prof. Pötschke, lieber den lateinischen Genitiv und Ablativ,
und den französischen Genitiv, Programm von Würzen, 1879. 17 S. 4.
Es wird die practische Regel gewonnen: »Wo im Lateinischen der
Genitiv oder Ablativ steht, steht im Französischen der Genitiv (d. h. de)v..
Natürlich erleidet dies Ausnahmen, deren detaillirte Behandlung fehlt.
Otto Erdmann, Ueber den Gebrauch der lateinischen Adjectiva
mit dem Genitiv, namentlich bei den Schriftstellern des ersten Jahr-
hunderts n. Chr. Programm von Stendal, 1879, 24 S. 4.
Die Abhandlung, Bruchstück einer grösseren Unternehmung und
Auszug eines reicheren Materials, sieht die Quelle dieses Gebrauchs vor-
wiegend in der Nachahmung des Griechischen und gruppirt dann die
betreffenden Adjectiva nach ihrer Bedeutung in 10 Abtheilungeu, je mit
einer Stellenauslese und hin und wieder einer Andeutung über die Art
des Genitivs. Die Ordnung ist ohne tiefere logische Durchdringung ge-
macht; auch sonst die Erscheinung in ihrer Wesenheit nicht begriffen.
Den Schluss bildet eine Betrachtung der Fälle, wo zwei Adjectiva, je-
des mit einem Genitiv, verbunden sind, wobei oft eine Beeinflussung der
Construction des einen durch die des andern wahrnehmbar ist. Es folgt
noch eine alphabetische Liste der betreffenden Eigenschaftswörter.
A. Teuber, Interest. Zeitschr. f. Gymnasialwesen, XXXIII (N. F.
XIII), Berlin, Weidmann, 1879, 8., S. 431-437.
Eine neue Erklärung der merkwürdigen Construction neben den
im letzten Jahresberichte besprochenen von Reifferscheid und Hoffmann.
Teuber lässt interest wegen der Aehnlichkeit der Aussprache und Bedeu-
tung im Volksmunde vermengt sein mit in rem est, *in re'st, archaisch
bei Plautus und Terenz, einmal noch bei Sallust (Catil. 20). Es ging
dann die Construction von in rem est mit dem Genitiv auf interest über;
vgl. die Analogie von refert. Letzteres wirkte wieder auf interest ein,
indem nach Analogie von meä re fert u. s. w. auch das ursprüngliche
meam in rem est, *meam interest in meä u. S. w. übergijig, erleichtert durch
die schwache Aussprache des m. Das Ganze ist scharfsinnig, aber wenig
wahrscheinlich.
14*
212 Lateinische Grammatik.
Guil. Ebrard, De ablativi locativi Instrumentalis apud priscos
scriptores Latinos usu. Doctordissertation, Leipzig, Teubncr, 1879,
80 S. 8.; auch in den Supplem. der Jahrb. f. class. Philol. X, S. 577
— 657.
Die Arbeit ist eine mit minutiöser Sorgfalt gemachte gut geordnete
Zusammenstellung des gesammten Materials, freilich mit Enthaltung von
jedem tieferen Eingehen, ohne Versuch einer Erklärung oder der Her-
stellung inneren Zusammenhanges, ja ohne jede Untersuchung, Betrach-
tung oder auch nur Schlussfolgerung. Die geistige Durchdringung des
Stoffes zeigt sich nur in dem Schema:
L Ablativus sepnrationis (eigentl. Abi.): locutinnes nominales (bei
Verbis, Adjectivis inopine, opus und usus cst^ Abi. cansae^ loci aut temporis
intervallum^ k\A. comparationis)\ locutiones adverbiales in ■ a^ -tus, Abi. Part.
Perf. Pass.; locutiones praepositionales.
IL Locativus et Abi. loci-, proprius {locus, teinpus, absoliUus); mo-
tionis terminus ; cum praepositionibus.
IIL Instrumentalis (Abi. sociativus et instrumentalis): sociativus; In-
strumentalis proprius nebst Abi. modi, limitationis , differentiae (beim Com-
parativ); cum praepositionibus.
Ein Appendix handelt über die Adverbia auf -o und -e.
Hoffen wir, dass der Verfasser sich nicht bei dieser Materialsamm-
lung beruhige.
Dr. Fr. Ulrich, De verborum compositorum quae exstant apud
Plautum structura. Programm der lat. Hauptschule in Halle, 1880,
24 S. 4.
Eine erste Probe umfänglicherer Arbeiten. Es werden zuerst die-
jenigen componirten Verba zusammengestellt, welche bei den älteren, wie
neueren Dichtern mit Präpositionen und blossem Casus stehen, dann
diejenigen, die nur bei den älteren doppelt construirt werden, bei den
neueren nur blosse Casus regieren; es folgen die, welche bei Plautus
nur Präpositionen, später Präpositionen und blosse Casus bei sich haben ;
dann die, welche stets nur eine Construction bewahrt haben; endlich die
seltenen, welche bei Plautus mit blossem Casus, später mit Präpositionen
construirt werden. Die Anordnung ist nicht gerade geschickt und wenig
klar durchgeführt. Für den Sprachgebrauch des Plautus ergiebt sich,
dass bei ihm die mit per, inter., ante, circum, pro, praeter^ stibter^ supra
zusammengesetzten Verba nie eine Präposition regieren, die mit ob, prae,
sub, trans selten, die mit cum verhältnissmässig selten, die mit ad, de,
ex, in ziemlich häufig (Vs), die mit a häufig (I/2). Es werden dann ein-
zelne interessantere Fälle noch näher betrachtet, und ein Appendix giebt
1) die Verba mit Accusativ; 2) die Verba, die durch a, de, ex eine vis
privativa erhalten; 3) die Verba mit Dativ.
Casussyntax. 213
Dr. Otto Schüssler, De praepositionura ah, ad, ex apud Cice-
ronem usu. Programm des König Wilhelm-Gymnasiums in Hannover,
1880, 28 S. 4.
Eine der Arbeiten, zu denen Merguet's Lexicon zu den Reden
Cicero's das im Wesentlichen fertige Material liefert. Es werden zu-
nächst diejenigen Verba betrachtet, die mit a{b) in der Richtung »wo-
her« und mit ad in der Richtung »wohin« construirt werden, dann die
mit a{b) oder mit ad allein construirten; ebenso die Adjectiva und Ad-
verbia. Dasselbe wird dann für ex »heraus« und in »hinein« durchge-
führt. Am ausführlichsten ist ex behandelt, und zwar nach den drei
untergeordneten Richtungen ex aequo, ex supcriore loco, ex inferiore loco.
Die Beschränkung auf diese wenigen Präpositionen ist eine willkür-
liche und verhindert bedeutsamere Resultate. Der lateinische Stil ist
geziert.
Franz Piger, Die sogenannten Gräcismen im Gebrauch des la-
teinischen Accusativs. Programm von Iglau, Selbstverlag des Gymna-
siums, 1879, 45 S.
Die Einleitung spricht sich gegen die Anerkennung eines Gräcis-
mus im freien Gebrauche des lateinischen Accusativs aus (s. besonders
Tacitus). Es wird zur Erklärung dieses Gebrauchs auf das ursprüng-
liche Wesen des Accusativs zurückgegangen, als des Casus von allge-
meinster Bedeutung, der vielleicht (nach JoUy) ursprünglich der einzige
casus obliquus war und eine jeder genaueren logischen Bestimmung ent-
behrende Determination des Prädicats bezeichnete. Als solche Deter-
mination mag in ältester Zeit das blosse Thema gedient haben, später
ward ein Pronomen angehängt. Noch das ältere Latein war gegen das
Accusativsuffix ziemlich gleichgültig: in den ältesten Inschriften wird
das m meist nicht geschrieben. Aber die Annahme einer Kection ist
nöthig, die Adverbialisirung ist erst Autlösung der Rection. — Es wird
nun zuerst der Accusativ nach den sogenannten intransitiven Verben be-
trachtet, und hervorgehoben, dass man eigentlich nicht von transitiven
und intransitiven Verben, sondern nur von einem transitiven und intran-
sitiven Gebrauch der Verba reden könne, einem altindogermanischen
Erbgut, z. B. carmina ludere ist nicht aus carmitmm ludum ludere zu er-
klären. Zunächst begegnet der sogenannte Accusativ des inneren Ob-
jects schon auf den 12 Tafeln {noxiam noxit). Die lateinischen Wen-
dungen, wie Olympia vincere mögen aus dem Griechischen übersetzt sein,
aber es geschah mit einheimischen Sprachmitteln. Es folgt der Accusativ
nach intransitiven Verben der Bewegung, wie infitias ire, tnalum rem ire,
echt lateinisch, verwandt mit dem Accusativus loci {domum ire); auch das
Supinum auf -um gehört hierher. Ebenso ist auch der Accusativ des Neu-
trums der Pronomina und Adjectiva echt lateinisch, und z. B. dulce ridcns
214 Lateinische Grammatik.
steht nicht für dukem risum rkhns^ sondern entspricht den adverbialen
Accusativen, wie id, mnltum^ auch alias, mulüfariuin u. s. w. — Der zweite
AbscJinitt beliandelt den Accusativ bei einem prädicirteu Adjectiv, auch
nur ein erweiterter Gebrauch des adverbialen Accusativs, wie plurimum,
insanum, cetera beim Adjectiv, so auch alias res^ macjnum partem, partim^
vicem. Aehnlich ist der Accusativ des Masses und der Ausdehnung bei
Adjectiven aufzufassen. Der Acc. cum Inf. nach Adjectiven und Sub-
stantiven steht nach Analogie der Verba z. B. notum est homines moH
wie scimus homines mori (dies ist doch recht bedenklich!). — Den dritten
Abschnitt bildet die Betrachtung des doppelten Accusativs: der Sach-
Accusativ ist dann nähere Beslininiung oder Attribut des Verbs, der per-
sönliche Accusativ nähere Bestimmung oder Attribut des durch Verb und
Sach-Accusativ gebildeten Begriffs z. B. aliquem pessumdare oder linguain
docere, vgl. anim{iim) advertere, manum inicere, wo die Präposition das
Verhältniss noch deutlicher macht ; am häufigsten tritt auch dieser Accu-
sativ beim Neutrum eines Adjectivs oder Pronomens ein. Weniger ad-
verbiell ist der prädicative Accusativ, wie er denn auch im Passiv No-
minativ wird, — Der vierte und letzte Abschnitt bespricht endlich den
Accusativ bei medialen (nicht passivischen) Verben, die als transitive
indirecte Media aufgefasst werden können z, B. expleri mentem = explere
sibi mentem; diduci animum u. S. W.
Hieran schliesst sich an:
Engelhardt, Passive Verba mit dem Accusativ und der Accusa-
tivus Graecus bei den lateinischen Epikern. Programm von Bromberg,
1879, 16 S. 4.
Auch Engelhardt erklärt — die Idee gehört eigentlich Kühner EL, 1
— die sogenannten Passiva mit dem Accusativ als transitive indirecte
Media, und theilt sie, nach Lehrs, in pathische Media, die eine Gemüths-
beweguug, körperliche Bewegung, Uebergaug, Veränderung, energische
Thätigkeit überhaupt ausdrücken, und ethische Media, wie die Verba
velandi, induendi und des Gegeutheils, iungendi und solvendi u. S. W. —
Der eigentliche Acc. Graecus dagegen steht beim verbum finitum nur an
acht Stellen; häufig beim Part. Perf., den Körpertheil bezeichnend, als
Acc. limitationis (nur ^/s der Participia passivisch); selten bei intransi-
tiven Verben; ferner bei Adjectiven, dazu auch genus, stirpem, selbst bei
talis. Es folgt die Erörterung einiger Unregelmässigkeiten, dann eine
Aufzählung der Beispiele.
Ich erwähne hier zur Syntax des Numerus:
E. Chatelain, Du pluriel de respect en latin. Revue de philol.
IV, S. 129—139.
Zur Adjectiv- und Pronominal-, auch Adverbial-Syntax ge-
hören :
Numerus, Adjectiva. Pronomina. Adverbia. 215
Alb. Pick, De vi atque usu adiectivi praedicativi apud aevi
Augustei poetas Latiiios. DüctordiBsertatiou von Halle, Waisenhaus,
1879, 67 S. 8.
Der Verfasser, angeregt durch die Aeusserung G. Hermann's »die
Adjectivconstruction sei ein vitium linguae Graecae'et Latinae, wie das
Deutsche zeige«, prüft im ersten Abschnitt die bisherigen Ansichten der
Grammatiker und stellt dann die Frage, ob der Gebrauch des Adjectivs
statt des Adverbs echt lateinisch sei. Im zweiten Abschnitt entwickelt
er, um diese Frage zu entscheiden, das Wesen des Unterschiedes zwi-
schen den beiden Wortclassen und findet die Ursache, warum gewisse
Verben mit dem Adjectiv statt mit dem Adverb verbunden werden, in
diesen Verben selbst, nicht in der Bedeutung der Adjectiva. Im dritten
Abschnitt werden dann diese Verben aufgezählt: 1) solche, die das verb.
subst. vertreten, wie vivo, consto^ pateo, duro u. s. w.; 2) Verba der Affecte,
wie opto^ uror, horresco^ odi, urgeo u. S. W.; 3) die verba veniendi et quie-
scendi. Der vierte Abschnitt stellt dann die Adjectiva zusammen, welche
die nominale Form der adverbialen vorziehen: 1) die des Orts, der Zeit,
der Zahl; 2) die von participialer Bedeutung; 3) der Rest, der sich nicht
bestimmt abgrenzen lässt. Die Zusammenstellung ist fleissig; der ge-
schichtliche Zusammenhang, der Einfluss der Griechischen, die Analo-
gieen anderer Sprachen hätten mehr hervorgehoben werden müssen.
0. ßiemann, Notes de Grammaire. Revue de Philol. Jan vier
1881, S. 103-107.
Die Regel aus Gossrau's Grammatik (s. oben), 2. Ausg. , S. 368,
dass lyrimus, mcdhis, suimmts in partitivem Sinne vor dem Substantiv stehen,
wird durch eine ziemlich vollständige Stellensammlung aus Cäsar bestä-
tigt; auch einige Beispiele aus Terenz, Sallust, Nepos, Livius fallen über-
wiegend im Sinne der Regel aus. Dagegen stehen die Adjectiva im ge-
wöhnlichen Sinne keineswegs regelmässig nach.
W. H. Röscher, uterque und ubiqtce, wie quisque gestellt. Jahrb.
f. Philol. XXVI, S. 512; Nachtrag S. 844.
Es werden einige Beispiele der Art gegeben.
Einzelne Punkte der Partikellehre werden besprochen in:
Prof. Minton Warren (in Baltimore), On the enclitic « e in early
Latin. American Journal of Philol. II, 5, 32 S. 8.
Die Partikel ne, bei Plautus etwa 1100 mal, bei Terenz 400 mal vor-
kommend, ist doppelten Ursprungs und daher doppelter Bedeutung. Neben
dem allbekannten, weit überwiegenden fragenden nS nämlich gab es auch
ein ne ohne fragende Kraft, affirmativ, in Antworten, nicht selten vor
einem Bedingungssatz. Zu Plautus' Zeit schon veraltet, kommt es doch
an etwa 12 Stellen bei ihm vor, besonders mit hoc, i/le, iste; doch hat
nur Geppert es erhalten, sonst ist es bisher meist entstellt und wegge-
216 Lateinische Grammatik.
schafft; 4mal hat es Tercnz, i mal Ennius, dann Horaz 2mal (Sat. I, 10,
21; 11, 3, 97), vielleicht Imal Vergil (Aeneide X, 846). Erwähnt wird
es auch von Priscian (II, 101) = eiiam^ imnpe, enim, wohl unterschieden
von nae, ne. Ferner haben es einige Glossen : efjone = ego vero, -verum,
-ergo; auch Serv. zur Aeneide giebt ne = ergo. Wahrscheinlich steckt
dies ne auch in nonne = non vero und in sin = si vero. Abzuleiten ist
es von dem verstärkenden Pronominalstamme «a, und zwar könnte es
= nem in neyn-pe sein, bei Plautus wiederholt nepe scandirt, in Manu-
scripten nepe., nqjpe:, vgl, noch nem-ut bei Festus. Ja, vielleicht ist im
Plautus an einigen Stellen nem einzusetzen. Auch eine Nebenform nim
— s. enim, gebildet wie equidem — scheint in Glossen nachzuweisen,
vielleicht auch ni. So scharfsinnig dies Alles ist, so scheint eine Tren-
nung der beiden ne doch unnöthig, da eine Bejahungspartikel leicht in
eine Fragepartikel für Fragen, auf die mau eine bejahende Antwort er-
wartet, übergehen konnte; auch der erweiterte Gebrauch erklärt sich
dann unschwer.
Ich lehne hier, obwohl mehr lautlicher Natur, die beiden kleinen
Aufsätze an:
A. Harant, Des particules enclitiques que, ve., ne placees apres
un e bref. Revue de philol. IV, S. 25—29.
0. Riemann, ^wß apres un e bref. Ebendas. S. 185.
Au'S der Verbalsyntax ist wenig Neues zu notiren:
Fr. Hugo Brehme, Linguarum noviciarum laxam temporum sig-
nificationem iam priscis linguae Latinae temporibus in vulgari elocu-
tioue perspici posse. Doctordissertation von Göttingen, 1879, 52 S. 4.
Der Verfasser sucht nachzuweisen, dass die Verschiebung im Ge-
brauche der Tempora im Romanischen wenigstens theihveise auf ähnlichen
Gebrauch im volksthümlich en Latein bereits der älteren Zeit zurück-
gehe, und führt dies durch: I. für den Gebrauch des Plusquaraperfecti
statt des Imperfecti Indicativi; II. für den des Futuri exacti statt des
einfachen Futurums. Er belegt Beides durch eine grössere Zahl von
Stellen, besonders aus den Komikern, und findet die Aufnahme dieser
volksthümlichen Ausdrucksweise meist durch den Zwang des Metrums
veranlasst, weshalb nur gewisse Versstellen sie zulassen. Freilich fügt
sich dem nicht alles Material, und auch prosaische Stellen bei Cato,
später bei Livius kommen in Betracht. Cicero kennt eine derartige Un-
genauigkeit nicht.
Franz Jörling, lieber den Gebrauch des Gerundiums und Ge-
rundivums bei Tacitus. Programm von Gnesen, 1879, 16 S. 4.
Die Arbeit enthält das vollständige Material, geordnet nach den
Casus. Als Besonderheiten des Tacitus werden am Schlüsse zusammen-
Verbalsyntax. Satzlehre. 217
gestellt: freierer Gebrauch des Genitivs; Häufigkeit des finalen Dativs;
zahlreichere Verwendung des Ablativi Gerundii mit Object im Accusativ
statt des Gerundivi; Verletzung der Concinnität durch Mischung mit an-
dern Constructionen ; circa mit Acc, statt in mit Abi. ; die Formen poeni-
tendus und pudendus.
Ch. Thurot, De l'imperatif futur latin. Revue de philol. IV,
S. 113 — 117.
Ich komme zur Satzlehre. Den Uebergang möge bilden:
Anton Funck, Die Auslassung des Subjectprouomens im Accu-
sativ cum Infin. bei den lateinischen Komikern. Jahrbücher f. Philol.
XXVI, S. 725-734.
Es wird nachgewiesen, dass die Weglassung durchaus gewöhnlich
ist, nicht immer an's Griechische angelehnt oder in Nachahmung des
Griechischen entstanden. Sie begegnet sogar häufiger bei ungleichem
Subject, als bei gleichem, am häufigsten beim Pronomen der dritten Per-
son und beim Infin. Präs. Activi; selten im Plural.
Carolus Goebel, De coniunctione quom. Gütersloh, Bertels-
mann, 1879, 30 S. 8., zum 300jährigen Jubiläum des Gymnasiums in
Corvey.
Ein viel behandeltes Thema! Auch hier stützt sich die Arbeit auf
Lübbert und Hoffmann. Es werden Beispiele des verschiedeneu Ge-
brauchs, meist aus Cicero, Livius, Cäsar, Nepos u. s. w. , auch Tacitus
vorgeführt, leider ohne scharfe Sonderung der Zeiten, und folgendes Re-
sultat gewonnen:
quom causale, concessiowu, condüionale regiert den Conjunctiv,
quom teviporale, inversum, modale den Indicativ,
quom recde^ iterativum.^ expUcativum beide Modi.
Die V\^ahl des Modus hängt von der Verbindung der Sätze unter einan-
der ab, und zwar steht der Indicativ, wenn der Nebensatz speciellen In-
halt hat, der Conjunctiv, wenn er allgemein ist. Der Grund soll darin
liegen, dass die Einzeldinge durch den Sinn, die Gattung durch's Denken
percipirt wird. — So steht der Indicativ denn auch bei Gemüthsbewe-
gungen {gaudeo quam), da die Römer diese mit den sie verursachenden
Dingen in eine Kategorie setzten. Uebrigens gilt dies Alles auch von
den Relativsätzen und da quom relativischen Ursprungs ist, kann man
seine Construction unter die allgemeine Relativconstruction subsumiren.
Den Schluss bilden einige bestätigende Stellen.
Alwin Mansfeld, De enuntiatorum conditionalium apud elegia-
rum poetas Latinos formatione. Doctordissertation von Halle, 1879,
52 S. 8.
Die Abhandlung ordnet die betreffenden Stellen aus Catull, Tibull,
Properz und Ovid in vier Rubriken: i) vollständige Conditionalsätze,
218 Lateinische Grammatik.
und zwar theils mit Indicativ, theils mit Conj. Präs. oder Perf., theils mit
Conj. Impcrf. und Plusqu. im Vordersatze, wobei wieder eine Reihe Un-
terabtheilungen gemaclit werden; 2) Conditionalsätze ohne Conditional-
partikel, mit Indicativ, Imperativ, Conjunctiv im Vordersatze; 3) ellip-
tische Formen, bei denen das Verb fehlt; 4) abhängige hypothetische
Perioden. Den Schluss bildet eine Erörterung über die conditionalen
Partikeln.
Auch diese Schrift ist eine Üeissige, fein geordnete Zusammen-
stellung, doch ohne eigentliche Forschung.
Ferd. Hoppe, Der coniunctivus der coniugatio periphrastica ac-
tiva in indirecten Fragen und Bedingungssätzen und der nominativus
cum infinitivo futuri activi bei Cicero. Programm von Gumbinneu,
1879, 19 S. 4.
Die sehr gedrängte Abhandlung ergänzt eine frühere Arbeit dessel-
ben Verfassers »lieber den indicativus der coniugatio periphrastica in
directen Fragen bei Cicero« (Progr. von 1875) und giebt ein sorgfältiges
spicilegium aller einschlägigen Stellen mit einer Reihe feiner Special-
beobachtungen über Cicero's gewöhnlichen, wie ausnahmsweisen Sprach-
gebrauch. Hervorgehoben werden besonders drei Punkte: 1) wird der
unwahre Bedingungshauptsatz der Vergangenheit ein indirecter Fragesatz,
so steht das perfectum coniunctivi der coniugatio periphrastica nur dann,
wenn das Prädicat des regierenden Satzes eine präsentische Form ist;
auf das plusquamperfectum folgt das plusquamperfectura coniunctivi der
coniugatio periphrastica : 2) bisher wenig beachtet sind die zahlreicheren
Stellen, wo das Prädicat des Bedingungsnebensatzes im Conjunctiv der
coniugatio periphrastica steht; 3) für Cäsar und Cicero gilt die Regel,
dass das participium futuri activi ohne esse der wahre infinitivus futuri
ist, während dasselbe mit esse vielmehr Infinitiv der coniugatio peri-
phrastica ist.
F. Scholl, dubitare im Fragesatz mit negativem Sinne. Blätter
f. d. bayr. Gymn. XVI, S. 24-25.
Dazu:
Keppel, Zur Construction von dubitare. Ebendas. S. 441 — 446.
Guil. Gross mann, De particula quidem. Doctordissertatiou von
Königsberg, 1880. 39 S. 8.
Nur die erste Hälfte der Arbeit, die, von Madvig ausgehend, den
Gebrauch der Partikel von Nävius bis Cicero, also vom fünften bis Ende
des siebenten Jahrhunderts verfolgt. Es ergiebt sich aus der Sammlung der
Stellen, dass sie vor Cicero verhältnissmässig selten ist, bei Terenz seltner
als bei Plautus ; auch die Mannigfaltigkeit der Verwendung ist bei Cicero
am grössten; ihm folgt Nepos. Im Ganzen trägt quidem einen familiären
Satzlehre. Latinismen. 219
Charakter. Nävius hat si quidem; Ennius einmal dum quidem; bei Plau-
tus werden fünf Verwendungen unterschieden : 1) mit satie, profecfo u. s. w.,
verwundernd; 2) si quidem = si quomam (im Prolog des Poenulus); 3) nisi,
dum, quoniam, quando, et, uc quidcm\ 4) mit persönlichem und demonstra-
tivem Pronomen; 5) mit dem Relativ (allitterirend). Bei Varro de 1. 1.
V, 4 wird via sie item conjicirt statt vias quidem iter\ VII, 3 wird es ge-
strichen; Cato hat atque ego quidem und si quidem. Nur die Komiker
und Cicero kennen die Phrase iit mihi quidem videtur oder iit quidem ego
sentio, auch mit ac, seltner mit et und at.
Die zweite Hälfte der Arbeit ist mir nicht zugekommen.
Eine bekannte Eigenthümlichkeit des lateinischen Sprachgebrauchs
behandelt:
Sigism. Preuss, De bimembris dissoluti apud scriptores Romanos
usu sollemni. Edenkoben, Mietens, 1880. 124 S. 8.
Die alterthümliche Auslassung der zwei analoge Glieder verbinden-
den Conjunction, volksthümlich formelhaft, hielt sich besonders in der
Rechts- und religiösen Sprache, auch in der Volksrede und im Sprich-
wort, ward dann aber auch absichtlich beibehalten, der Kürze, der Schär-
fung der Gegensätze und der Eleganz wegen. Am häufigsten findet sie
sich bei den archaischen Schriftstellern, besonders den Komikern, dann
den Tragikern, aber auch sonst. Seit Cicero wird sie sehr eingeschränkt;
doch pflegen sie Tacitus und Plinius wieder nach dem Vorbilde des
Sallust (weniger formelhaft) und Livius. Es werden nun die vorkommen-
den formelhaften Ausdrücke dieser Art aufgeführt, und zwar zuerst die
contraria, theils copulativ, wie ultra citro , diem noctem, ire redire, dextra
sinistru, theils disjunctiv, wie velim nolim, plus minus, ter quater; dann die
similia, wie forte temere, ventis remis, ferre ugere (auch Imperativisch), vo-
lens nolens, opiimiis maximus. Wo ein drittes Glied hinzutritt, gleicht CS
oft den Gegensatz der beiden ersten aus 'und umfasst sie. Der Index
giebt etwa 220 solche Formeln, manche in mehreren Varianten.
Jahresbericht über das Kyprische, Pamphyli-
sche und Messapische für 1879 — 1881.
Vom
Director Dr. W. I) e e C k e
in Strassburg i. E.
Bei der geringen Vermehrung des inschriftliclien Materials in den
letzten Jahren ist die Ausbeute für die Kenntniss des kyprisch- grie-
chischen Dialects, trotz einiger Nachträge aus den Jahren 1876 — 1878,
nur eine bescheidene gewesen. Ich werde daher, um einem grösseren
Publikum einen Einblick in den Stand der Forschung zu geben, einige
Texte einflechten.
Eine Auswahl theils neuer, theils verbesserter Lesungen und Deu-
tungen habe ich selbst gegeben in dem Aufsatze:
W. Deecke, Nachtrag zur Lesung der epichorischen kyprischen
Inschriften, I-XIIL In Bezzeubergers Beitrcägen VI, S. 66-83 und
S. 137-154.
I. Inschrift des Bogenschützen (Horos = Herakles) aus Salamiu
(Paphos) im Britischen Museum (M. Schmidt, Sammlung kypr. Inschr.
t. IV), neu gelesen (nach Autopsie) und historisch interessant (aus Alexan-
ders des Grossen Zeit):
1. i. ja. ro. ta. to. se. a.
2. ri. po. jo. se. ta. te. e. ro. i. vo. ro. na. ja. to.
3. te. to. he. i. na. mu. to. to. u. i. jo. i. to. ni. he. to. ja. i. jo. se. ja.
d. i.
IjapüjzaTog 'AptßajoQ £\y'\Mde r^pwi yi2p(jj\i\ vaju\y\ 7ü\y\o k'dwxs
Iv 'AiiÜ[v]toj ZU) otju) l&ovtxrj{t\ 8ujäi joGija\^L\.
IL Vierzeilige Inschrift unter einem thronenden Zeus, aus Athienu
(Golgoi), von mir als rein hexametrisch entziffert (M. Schmidt t. XI, 2):
Xacptrs
Kpaaztfdva^ xä noTc, f^jiro) psya- prj tiot ifaccrr^g
Beu^s ifipz xä Hva-olQ ipEpajxi'i'a 7ia{v'\zaxopo.a~og-
Kyprisch. 221
oh ydp zi iz'.araTg, a[y]5^oa»7:£, ^soi.', a^(A)' izu^' a xrjp
&eu)c x'jfLspr^vac 7:a[v]ra, t« a.[v\d-pu>TTO'. ippoviuyu
XacpSTZ.
Zu nuTiQ »Herr« als Beiname des Zeus ist jetzt zu vergleichen /In nüzzi
in einer griechisch-pisidischen Inschrift (Bulletin de Corrcsp. hellenique.
Athen und Paris, III, 335). Zu /jj-cü piya vgl. man piya fecr.aTv, piya
fsiTTwv bei Pindar Nem. Y, 14; VI, 28 Boe.
Zu beiden Inschriften vgl. man noch den Bericht von Nover im Phi-
lol. Anzeiger zum Philologus X, 408 ff. ; zur ersteren mehrere Nummern des
Londner Athenäum's von 1880, besonders Isaac Hall, the bearded Archer
in der Nummer vom 28. August, S. 282, mit weniger vollkommener Lesung.
III. Inschrift von Drimu im Britischen Museum (M. Schmidt t. IH, 1),
verbesserte Lesung nach Autopsie -
KuTipoxpdrcfug r^p.' 'loMcu
d>8£' o poi Tiöacg Wvaatnpog
fOcacüVcoag' 8c7:a[i]g rjp:
J. Hall (Transact. of the Society of biblical Archaeology VI, S. 203 ff.)
liest im Anfang von Z. 3 ti. statt vo., jedenfalls irrig. Ebenso, aber
auch sonst in der Deutung mehrfach abweichend luid ungricchisch D. Pie-
rides (£tude de quelques inscriptions Cypriotes, l^'^broch., Larnaca,
Mascalchi, 1881):
KÜTipu) xcopdrcog rjpl 6 Xd(u
oos' u (xoc noaeg 'Ovaairipog
TucFcüVcdag' Otßdg r^pc.
Es soll xujpazig »Priesterin« sein, Xdio »Stein«.
Ein paar kleinere, bei dieser Gelegenheit von mir nach Pierides
Notes on Cyprian palaeography (Transact. V, 88 ff.) angeführte In-
schriften lauten;
0iXoxüi:pag' d Tipoptüpiu
yuvd Tjpi.
und
^Ovaatxönpag rjpl
(zweite Zeile unleserlich).
Zu omag vgl. man jetzt raessap. pas »Sohn«, pades »Kinder« (Fabr. C. I. I.
2964 und 2961).
IV. Inschrift eines Opferreliefs aus Golgoi (M. Schmidt t. XI, 3),
wesentlich verbessert :
zu){c\ 'Oalpt zö\y\os. rt»[v] va[})V) ovi^r^xe ^Ovd xug ziot iizio:
ZU) WrMX[K\(ovi lapd l\\i\ zspzvog t[v] zü^ac zpia.
Das Zahlwort ist mit Strichen geschrieben.
Y. Inschrift von Kurion (M. Schmidt t. XX, 6), desgl.
222 Kyprisch.
'AfjcoTayu{pag?) ßa{adebg) riiatfn oB'j^ajievog t.Z(h naiol tuji lUpaeü-
Das Zeichen pa. ist Abkürzung von ßaatXeog wie auf vielen Münzen.
VI. u. VII. Ilühlcuinscliriften von Baft'o (.Neupaphos), bei M. Schmidt
t. VIII, 4 u. 5.
Nach J. Hall (Transact. VI, 203 ff.) sind die Zeichen dieser In-
schriften nicht, wie de Vogne (Jonrn. Asiat. VI ser., t. XI, pl. IV, 6 u. V ;
auch in den Melauges, pl. IV, 6 u. 7) sie abgebildet hat, keilschriftähn-
lich, sondern bestehen aus tiefen, sauberen, rechtwinkligen Einschnitten
ohne jede Zuthat.
Aaiipag o d{p-/)tapug o ii£yaxsüda[v'\Tog i~ tmöiv tu anijog rode
ixspae xäg xazecTxsöfaaz auro (?) tw[c] ','i;:o/[>'>]cüv; Tüi[.'J ilaraf c[v] ■:<'r/_m.
N. VII ist Verkürzung hiervon. Ich halte jetzt diese Lesung des
Anfangs für irrig und möchte zu meiner älteren Deutung zzßaaiv rw anijog
(oder a-nrjogl) rwoe zurückkehren (Curlius Studien VII, 261), m"Ajapog
aber den Vaternamen sehen, wie ich schon in Bezzenb. Beitr. VI, 144
andeutete.
VIII. u. IX. Inschriften aus Golgoi (M. Schmidt t. XVI, 1 und
XV, 2), Altar und Sessel:
Ttp.u) ra[v] 8c'^aTo[v] dcpa[j]ov na^:Ja[v] ys dcficuolg.
ein Hexameter, kaum ganz richtig.
X. Inschrift einer Älabastervase aus Marion (M. Schmidt t. XXI, 2) :
nd<pot ys zu^ofsTze
den eigenthümlichen Gebrauch von ys und den Stamm ^a »leben« be-
stätigend; s. C«v auf der Tafel von Idalion.
XI. Inschrift eines Gesimses von Golgoi (M. Schmidt t. X, 4):
T(v J:{j)og TU) j-oivco ataa zzt zpttg '/ozg (?).
Die Zahl ist mit Strichen, das Flüssigkeitsmass mit einem Zeichen ge-
schrieben.
XII. Inschrift des Löwenreliefs von einem Grabmal aus Golgoi
(M. Schmidt t. XXI, 1):
kyo) Tjpt ^Aptazoxpirr^g xd ptv iazaaav [xa\acyvr^zoi papvafxivoi eufsp-
ysatag zag nai eo 7:oze efps^a.
Trotz J. Hall's Behauptung (Transact. VI, S. 203 ff.), dass das vierte
Zeichen ein u sei, bleibe ich bei meiner Lesung, da ich einen Namen
Euapiavoxpizrjg für unmöglich halte, ganz abgesehen davon, dass dann
fa statt a zu erwarten wäre.
XIII. Stein von Amathunt, Fragment (M. Schmidt t. IX, 2) :
IIvuTug 6
Kyprisch. 223
Die wichtigeren Resultate sind folgende. Neu gefunden sind die
Zeichen für xa (XII), woraus das griechische Zeichen X- + = f ent-
standen ist, und für nu (XIII), so dass jetzt auf der idalischen Bronze-
tafel A6 und 16 ^ dufdvot. vu und rj outxoc vu zu lesen ist. Das paphi-
sche Zeichen für o scheint ursprünglich jo bedeutet zu haben, und steht
dann auch für 6 und durch Wechsel der Spiranten für }-o (in vajö; =
lesb. vaüog). Eine interessante Variante für ja bieten VI und VII; für
uo IX. In Bezug auf die Schreibregeln stellt sich heraus, dass schliessen-
des V nicht bloss im Artikel und Relativ, sondern auch sonst vor dem
Anlautconsonanteu eines eng mit dem vorhergehenden zusammenhängen-
den Wortes ausfällt z. B. in \>aj()[v] t6[v]8s (I). Das c subscriptum im
Dativ Sg. wird bei mehreren auf einanderfolgenden zusammengehörigen
Wörtern häufig nur an einem ausgedrückt, s. I, IV u. s. w.; es fehlt
aber auch sonst, besonders vor Vocalen. Viel weniger selten, als mau
früher annahm, ist die Verbindung eines schliessenden Consonanten mit
dem anlautenden Vocal des folgenden Wortes zu einem Silbeuzeichen,
auch wenn die Wörter dem Sinne nach nicht verbunden sind z. B. in
I ^Apcßajog i[v]i9aO£; to[v]ö' iocuxe; in II sogar d?i{X') STuy' a; es erschwert
dies das Lesen. Krasis begegnet in ■zilaipt (V), Aphäresis in ^eüji 'X{X)d
(II), Synizesis in &so?g, Bsujt (II), Apokope in r^fi 'loXdco (III). Auffällig
ist in letzterem Worte das Fehlen des Digamma, aber die Münzen zei-
gen auch oft ßaadiog neben ßaadij-og (s. noch unten TtiioxUog). Schreib-
fehler liegen vor in ha. ra. si. H statt ha. ra. sa. ti. (II), leicht erklärlich
aus dem Streben nach Deutlichkeit, und in hu. po. ro. ho. ra. ti. vo. se. statt
hu. po. ro. ha. ra. ti. vo. se. (III). Die Schreibung o. vo. ha. re. (II) für
ou ydp ist auf die Proklisis zurückzuführen, scheint aber die Aussprache
4/- ydp zu beweisen. Zur Lautlehre ist zu beachten nö-iQ (11) neben
nörng (III); r; (II) neben mg (Ilesych. , idalische Tafel); vgl. noch die
Präposition rror' (II) für norl neben r.ug (idal. Tafel); xar (Biling. von
Dali) für xazl neben xäg »und«. Für letztere begegnen vor Vocalen
auch nh und xa, offenbar durch Uebergang des g in den Spiritus asper;
doch steht xa auch vor Consonanten, sogar xä in II, 1. Neben einander
begegnen auch i^oat, l'wac (idalische Tafel) und (ppoviiol (II); xariBcäv
(idalische Tafel) und xaziBtaav (Inschrift von Ktima, Bull, de Corr. hell.
III, 349, s. unten); vgl. noch Scficuocg (VIII), wenn = dcjio'jaotg. — Von
neuen Flexionsformen sind noch beachtenswerth : der Acc. pev = nt
(XII), zu Ija-r^pav u. s. w. stimmend, während bei Cesnola zweimal (Cyprus,
pl. VII, 40 und 51) dafür ixi zu stehen scheint, wenn dies nicht = home-
risch /ijv, etr. mi, min ist; der Infinitiv xuiieprjvac, wieder eine homerische
Form; die 2. Sg. Optat. imazalg = * -aratrig oder zu * imaTaTiu. — Wie-
derholt ist jetzt die Form c{j)apug gesichert (I und IV); auffällig bleibt
{j)üaeiog = oatog (I). Interessante neue kyprische Wörter sind ferner:
ißovcxi^ (I, mit regelrechtem o); 8ojög [l); ipspapivog (II, passivisch von
epa}iac); nw/raxöpaarug (II, mit a = e); oiT:a[c]g i^III); exspas zu xscpuj
224 Kyprisch.
(VI und VII) ; Oi<pazog »doppelnamigv , oip/ijog »doppelmuttrigcr, di'jiwov
»Doppc]gesang(^ , StC,o.fog »doppcllcbciid« (VIII und IX), zu letzterem
eoCnfiw »wohl leben('; ataa (XI) »Antheil«. — Syntactisch ist bemer-
kenswerth der enklitische Gebrauch von ye (VIII und X); vo (idal. Tafel);
nat d. i. mi (XII); die Tmesis eZ nozz efps^a (XII); die eigenthümliche
Bedeutung von Iv (I) »bei Gelegenheit von«; cv mit dem Accusativ = elg
(IV); 7:oT ifeterjQ = i$ carjg (II); der Dativ in o /loc riöacg (III); die
Stellung TW iii{j)og zo) focvo) ataa (XI) »Antheil des Zeus am Weine«.
Der schon mehrfach erwähnte Aufsatz von:
J. Hall, Notes on certain Cypriote Inscriptions, in den Transac-
tions of the Society of Biblical Archaeology, Vol. VI (1878), S. 203 — 208,
gelesen am 11. November 1877,
giebt ferner, nach Autopsie, noch einmal die berühmte kleine, jetzt im
Louvre befindliche Bilinguis von Athienu (M. Schmidt t. IX, 9):
kypr. ha. ru. xe. e. mi
griech. y.äp()^ YjjXi
In der grösseren Bilinguis des Königs Melekjathon (aus Dali-Idalion,
M. Schmidt t. II) ist in Z. 1, nach Autopsie von Hall, der streitige Buch-
stabe ein te^ so dass xaz Uloahwv zu lesen ist (xar' = »und«) ; im An-
fang von Z. 2 ist noch ho erkennbar, wodurch [ind] yojieväv gesichert wird ;
im Anfang von Z. 3 finden sich noch Spuren von ve. te. i. = ferzc.
Durch stark eigenthümliche Entwicklung der paphischen Zeichen
ragt die schon im vorigen Jahresbericht (S. 33) erwähnte Inschrift des
Königs Nikokles hervor, zum zweiten Mal publicirt von:
Dr. P. Schroeder, On a Cypriote Inscription uow in the Imperial
Ottoman Museum at Constantinople, in den Transact. VI, S. 134 — 143,
geschrieben im Mai, gelesen im November 1877.
6 lla.<fco ßaaiXzug NtxoxMfyjg ö cepsug zag favd(r[a]ag 6 ßaatXiog
Tifidp^o) heg xaziazaas zat &bu)i.
Angefügt ist auf der Tafel, nach Copie von Cesnola, die schon
mehrfach publicirte Armbandinschrift des Königs Eteander, mit noch
entarteteren Zeichen (auf Gold), aus Kurion (M. Schmidt XXI, 10):
'Ez£fd\y\dp(i} ZU) nd(pu> ßaatMfog.
Es ist dieser König als Ituander sar Papa (sar = König) unter den
tributpflichtigen Vasallen des Assurbanipal (Sardanapal VI) , des Sohnes
Assarhaddon's (um 650 v. Chr.), in den assyrischen Keilinschriften wie-
dergefunden worden (G. Smith, Assurb. 31, 9).
Einige neue epichorisch-kyprische Inschriften sind publicirt und
theilweise gelesen in:
Kyprisch. Pamphylisch. 225
M. Beaudouin et E. Pottier, Inscriptions Cypriotes. Bulletin
de Correspondance hellenique, III (1879), Athen und Paris, S. 347—352.
Ausser einigen Namen ist bemerke nswerth die Form xazi^taav
(s. oben) in I, 4. Zu XcxoxXifrjg (s. oben) stimmt 7\/xoyJsfeog (II, 2),
während II, 1 TcjioxMog bietet (s. oben unter III). Aus der Inschrift I, 3 :
Tcp.oöd/xu) yj/x} [Tt]iJ.oxunpag
sind die Herausgeber geneigt, auf einen weiblichen Nominativ auf -ag
zu schliessen, s. oben unter III. Der Genitiv 'Aptartjau (I, 4) zeigt die
ältere Form, wie 'Ovaaayopai) (idal. Tafel A 2).
Was den Ursprung der kyprischen Silbenschrift betrifft, so hat
Sayce im Anhang zur zweiten Ausgabe von Schliemann's Troja seine
Hypothese über ihren Zusammenhang mit der hittitischen oder hamathi-
tischen Bilderschrift wieder aufgenommen und ist geneigt, auch einige
der schriftähnlichen Kritzeleien auf troischen Thongeräthen als verwandt
anzuerkennen (s. Jahresbericht für 1876—77, Abth. III, S. 128), doch ist
das einschlägige Material noch zu dürftig und die Entzifferung noch zu
wenig fortgeschritten, um sichere Schlüsse ziehen zu können. Mir scheint
meine Hypothese des Ursprungs aus der assyrischen Keilschrift immer
noch wahrscheinlicher. Freilich scheint eine troische Patera (s. Sayce
im Journal of Hellenic Studies I, S. 78) die Inschrift ßi^oj in kyprischen
Silbenzeichen zu bieten (nicht, wie Sayce liest, Xifwv), aber dieselbe ist
wohl in späterer Zeit eingeführt.
In Folge des Studiums des kyprischen Griechisch ist man auch
auf die spärlichen Reste des Pamphylisch en wieder aufmerksam ge-
worden, und es ist der unglückliche Siegism und gewesen, der als seine
letzte Arbeit einen Aufsatz über »Pamphylisches« in Curtius' Studien IX,
89 ff. veröffentlichte. Die Quellen bestehen aus einer grösseren, leider
arg verstümmelten Inschrift von Syllion, am besten publicirt von Hirsch-
feld in den Monatsberichten der Berliner Königl. Akademie der Wissen-
schaften 1874, S. 726; aus vier kleineren Inschriften von Aspendos (« — 5).
in zwei abweichenden Dialecten, ebendort 1875, S. 123 ff.; aus Münz-
legenden von Aspendos und Perge , am eingehendsten besprochen von
Friedländer in der Berliner Zeitschrift für Numismatik IV, S. 297 ff".,
und in etwa 20 Glossen, meist im Hcsychius. Zusammengestellt ist das
ganze Material von Bezzeuberger in seinen »Beiträgen« Y, S. 325 —
337, nebst dem Versuch einer theilweisen Lesung der grossen Inschrift
und einem Resurae der Ergebnisse für Laut- und Formenlehre. Schon
vorher hatte ich im zweiten Anhange zum zweiten Bande meiner Bear-
beitung von 0. Müller 's »Etruskern« (IP, 251 ff".) mit Hülfe der kypri-
schen Silbenschrift zwei bis dahin räUiselhafte Zeichen des pampliylischon
Alphabets bestimmt und einige neue Lesungen gegeben. Es ist aber
auch für die Lesung und Deutung der grossen Inschrift von Syllion durch
Jahresbericht für Alterthumswissensch.ift XXVUI. (1881. HL) 15
226 KypriH-h uml andre {griechische Dialekte.
meine Enldcckungcn ein beträchtlicher Fortschritt möglich. So ergiebt
sich in Z. 1 2:ehf(ja\s\; in Z. 3 Izhjfijog; in Z. 4 dxexpanevwg i^ ir.c-
TrjoQatg\ in Z. 7 dfzuTac £f(UTa7{T\c\; in Z. 'J x«; £77) h'at/x eiaXrjZ: y.ac if
kf<.i)T(u\aC\, wo das grossgcschriebenc Substantiv ein barbarischer Eigen-
name ist, dessen Nominativ Kaijx staX-^ in Z. 23 vorkommt, der Genitiv
Kat}x £ta\Xrj\rog in Z. 10, während der Accusativ vielleicht am Schluss
von Z. 5 gestanden hat; ferner in Z. 12 haivii Küdpu u. s. w. Ich ver-
muthe dann in Z. 1 noch m)\v]ntxtja und iiazilfjog K]ußeX-^[c:]\ in Z. 2
xa\\ ij\(xf)\(n]ai ^\tf\b? (s. <Tr//ia Acfo\g\ Z. 23), sowie ebendaselbst in
unapx . . . eine Form von undfr/Etv mit Verlust der Aspiration, wie in
d{v]Ti)U)nn:(n Z. 7 , /l;T£7(-^)wva IIijt\iu\^] Z. 30 , u. s. w. Es ergiebt sich
als Inhalt der Inschrift, in Corabination mit dem von Bezzenberger Ge-
fundenen, dass für die Priesterschaften der Kybele und des Zeus, die in
einem engeren Rechtsverhältniss zu einander standen und sich lange um
die Stadt wohl verdient gemacht hatten, ein grosser Saal (<i[vJJ,o;j(«v,
nicht, wie Bezzenberger will, eine Statue) erbaut werden soll, offenbar
nach Beschluss der Stadt (das Subject zu ißwXdaszu ist zerstört), aber
mit Beihülfe der Priesterschaften selbst (daher die Reflexiva), und es
werden gewisse Einkünfte dazu angewiesen, deren Verwaltung den 8c-
xaaTTJpeg und dpyufjwrat zugewiesen wird. Schliesslich werden die Ein-
weihungsfeierlichkeiten festgesetzt. Das mehrfach, besonders neben dem
Eigennamen Katng vorkommende foixünokig ist mit Bezzenberger als
priesterliche Amtsbezeichnung zu fassen.
Was das pamphylische Alphabet betrifft, so ist es das gemeingrie-
chische mit folgenden Abweichungen: s vertritt auch >}, o (oft klein ge-
schrieben) auch CO (nur Aspendos a hat a», ist also jedenfalls spät); H
ist der Spiritus asper (anlautendes 0 wird nicht aspirirt); I = C; Z =
^; X = ^; ^ = ^. Das Koppa fehlt; nur ein a = Y. findet sich;
dagegen kennt die Inschrift von Syllion zwei Digamma's / und A/, deren
letzteres auch auf den Münzen von Perge vorkommt; die Inschrift Aspen-
dos a giebt in (plxa-t = 20 das Digamma durch ^ wieder, das sonst den
gemeiugriecliischen Werth hat, Aspendos ß durch 7- = T in NsyaTToXcg,
Gen. -noXecg; Hesych hat ß in dßeXcr^g- rjhaxov\ atßsrog- alerug u. S.W.
In Ndvaaaag auf den Münzen von Perge ist das aa durch 14J ausgedrückt,
das sonst nicht vorkommt. Das 0 scheint den Werth des lateinischen u
gehabt zu haben, wie im Kyprischen; in Aspendos a und 8 findet sich
dafür auch oy; sonst steht o d. h. «; für gemeingriechisches 00. Die Zei-
chen y, (f^ Xi H^ "'i^ A/ sind aus dem kyprischen Syllabar entlehnt und
längs der kleinasiatischen Südküste nach Griechenland gewandert (s. die
oben citirte Stelle in 0. Müller, nebst der Tafel).
Zum Kyprischen stimmt ferner: die Einfachschreibung von Doppel-
consonanz {aa in Z. 5 Sy. ist verlesen); die Einschiebung eines j {i ge-
schrieben) nach i vor andern Vocalen z. B. (ausser den obigen Beispielen)
8ijd,f£rcja, 'EazfiSijog u. s. v^'. (ähnlich dpooßu) = dpoüco bei Eustath.,
Pamphylisch 227
wie kypr. EufiXi^wv); der Schwund des v vor Dentalen, wobei r in d
übergeht, was auch im Kyprischen stattgefunden haben kann, aber durch
die Schrift nicht bezeichnet werden konnte, z. B. in neoe = 5, und den
Endungen -wBt = -(uvrt, -ojSai = -ujvrrxc, -onu = -ovzo u. s. w. Auffällig
ist das Fehlen des v in mpjo (Asp. a) vor einem Vocal, und der Abfall
der Silbe -ov in ips/ivc vor xal (Asp. ß). Wie im Kyprischen, aber in
noch weiterer Ausdehnung, geht u, aber auch cu, in u über z. B. (ausser
der eben erwähnten Endung -odo) ßoj^fxsvug , fotxünohg, h'orjpaacojvtjg,
KöSpu (= hoopoj), a.pyupu u. s. w. ; der Genitiv 'Tnpap.000.0 stimmt zum
kypr. 'O'maayupao. Wie im Kyprischen regiert die Präposition e^ den
Dativ; nphg lautet, wie dort, tiuq (Z. 6 Sy.); daneben aber begegnet Tzepzl
= Tcpoz{\ uXoyog (Hesych) = arparbg enthält das kyi)rische b = knt.
Eigenthümlich ist die Wiedergabe des an auf den Münzen von Aspendos
durch mf\ das wbl. Ethnikon von Perge lautet Ylpeija. Silbebildendes p
erscheint als üp in ^A<p6p8i(y:g , -taco^ als opo in 'OpuTuyiai (= «), wenn
die Lesung richtig (Z. 25 Sy.) ; silbebildendes v als « in fcxa-t.
Aus der Declination ist noch bemerkenswerth : der Genitiv -nuXecg,
Dativ -nohi (kypr. nTÖXiji) ; der Accusativ ßofa ; der Dat. Plur. auf -ata'.,
oiai (kyprisch ohne t)\ aus der Conjugation der Aor. mixtus ißioMaazu;
das weibliche Part, daficupycaojaa, s. auch -ojaa (Z. 6 Sy.); das männliche
ßoj^/xsvug. Anderes ist in der Deutung noch unsicher. Im Ganzen steht
der pamphylische Dialect des Griechischen dem kyprischen, wie sich
auch nach der Localität erwarten liess, am nächsten. Barbarische Ein-
flüsse sind ebensowenig wie dort nachzuweisen.
Soweit war der Bericht geschrieben, als mir der Aufsatz von W. M.
Ramsay, On some Pamphylian inscriptions , mit einem Nachtrage von
Sayce, im Journal of Hellenic Studies I (1880), S. 242—259 zu Händen
kam. Darin gelangt Ramsay, ohne Kcnntniss meiner früheren Entdeckung,
zu genau denselben Resultaten über den Werth der Zeichen \A und 4^
und dadurch theilweisc auch zu denselben Lesungen. Eine Variante des
•-H (= <T<T), nämlich T", weist er auf Münzen von Mesembria, die auch
ich im Herbst 1878 im Britischen Museum gesehen habe, und auf einer
Inschrift des (karischen) Halikarnassos nach. Von seinen eigcnthünilichen
Lesungen kann ich nur etwa utt' iW7:pa\^cag\ in Z. 21 der Inschrift von
Syllion adoptiren; richtig liest er auch ebendort mit mir Z. 14 fs^szw
(s. Z. 24); seine Deutung ist noch in dem Fundamcntalirrthum befangen,
d\v\opcjwv sei »Bildsäule«. Wenn Sayce im Anfang von Z. 10 7:ag fidvs-
Tug liest, so war das auch meine Lesung, und auch auf die Vermuthung,
letzteres Wort bedeute »Priester« , war ich gekommen. In Band II des
Journal (1881), S. 222-224 giebt Ramsay einige Nachrichten über eine
neue Vergleichung des Originals durch Colouel Wilson, die durchweg
zu unsern Conjecturen stimmt. Der Anfang von Z. 15 ag^p'j (nicht
«tV\~y) beseitigt die Hauptschwierigkeit in Betreff des W- Uebrigens
lö»
228 Kyprisch und aridro griechische I)ialekto.
scheint dieser Buchstabe, zu M entstellt, wie mehrfach auch auf den
pamphylischen Inschriften, sich auf einer Inschrift der Nekropole von
Thymbr.'i wiederzufinden (s. Sayce im cit. Journal I, S. 75 ff. Notes from
journeys in thc Troad and Lydia). Ich lese dieselbe:
\ ha^hnBsvzt'u ep. \\izuvixu/. lthf)Yh)xia}[v\,
Das ejx fixovixia stimmt wunderbar zu dem oben von mir nachge-
wiesenen kyprischen kv l^ovcxjj (s. kypr. Inschr. I).
Für ß(o},rjnevog weist G. Curtius in den Leipziger Studien IV,
S. ;52() (Epi graphische Miscollen, 4) auf eßooXi^f^r^v, ßoöh^oiq und die For-
men homer. ovtjuevoq, arcad. doixrj/isvog u. s. w. hin.
Dem Kyprischen und Pamphylischen reihe ich, wegen der engen
Beziehung zum Griechischen, das Messapische an, das nach den frü-
heren Arbeiten von Th. Mommsen, G. Curtius, Mor. Schmidt, Ebel, Stier,
Heibig, de Simone u. s. w. zum Gegenstand sprachlicher Erörterung ge-
macht worden ist in:
W. De ecke, Zur Entzifferung der messapischen Inschriften. I. Die
Genitive auf -as und -os; II. Die Genitive auf -hi. Im Rhein. Mu-
seum für Philologie. N. F. XXXVI, S. 570-596 und XXXVII, S. 373
— 396.*
Das Messapische kann gewissermassen ein alt- oder urgriechischer,
wenn man will pelasgischer Dialekt genannt werden. Die in vorhistori-
scher Zeit mit einer Reihe verwandter Stämme, wie Calabrer, Sallentiner,
Choner, Oenotrer, Pödiculer, Daunier, wahrscheinlich auch Siculer und
Sicaner , vom Ostufer des adriatischen Meeres in Süditalien eingewan-
derten Messapier gehörten zur epirotisch- illyrisch- dalmatischen Völker-
gruppe, die den alten Lelegern, Taphiern, Teleboern, dann den Nord-
thessalern und Macedoniern nahestehend, auch zu den Thrakern und
Phrygern (Troern) engere Beziehungen hatte. Dies beweisen eine Reihe
Lauteigenthümlichkeiten und Flexionsformen, vor Allem aber der in obi-
gen Abhandlungen grossentheils zergliederte Naraenschatz.
Das messapische Alphabet, der jonischen Gruppe angehörend, hat
die Zeichen «, ß, y, 8, s (auch = e), /, C (I, selten Z), 5? (= ä, Spiritus
asper), ^, r, x, ;, p, v, o (auch = ö), r, 9 (= q, nur einmal erhalten),
/?, <T, r, X (X, selten -f ; nicht = ^) ; das o wird durch das o mit vertre-
ten. Erst allmählich dringt die vulgärgriechische Schrift mit rj (= e),
^, ^ iy)-> <P, ^> <'^, H (Spir. asper) ein. Verdoppelung der Consonanten
ist üblich; auch lange Vocale werden wohl doppelt geschrieben. Auf-
fällig sind, theilweise zweifellos echt, eine Anzahl stenographischer Zei-
chen, die wohl dem aus Messapien stammenden Ennius die Erfindung
der römischen Stenographie an die Hand gaben. Vollständig zum Grie-
Messapiscb. 229
chischen stimmt das Messapische in der Verwandlung des einfachen an-
lautenden 5, sowie des zwischen Vocalen stehenden inlautenden s, end-
lich des s vor m in h z. B. hapov = "ExTwp (Wurzel sag')\ Suffix
-ahias = -acog (aus -asias); hmi = ecfil aus *i/iiic = *i'nl (aus asmi).
Eine besondere, von mir entdeckte, beiden Sprachen eigenthümliche
Erscheinung ist, dass anlautendes sv bisweilen durch ein eingescho-
benes i gespalten wird, worauf im Griechischen das / dann schwindet,
vgl. messap. sivaanetas (ein Ethnikon), griech. crcam- für *atfu)n- zu
Wurzel svap. Zum Griechischen stimmt ferner die Epenthese des ?, wie
in den Genitiven auf -ihi, in saihikas, vaihihas u. s. w.; es stimmt der
Gebrauch der Genitivendungen {-as, -os = idg. -as\ -hi = idg. -sia): im
Besonderen beweist der messapische Genitiv der männlichen Stämme auf
-ä, der auf -äos ausgeht, in Uebereinstimmung mit dem nordthessalischen
-aos, dass auch das gemeingriechische -ao aus -aog entstanden ist; um-
gekehrt zeigt das mess. -M, dass der nordthessalische Genitiv auf -c
(eigentlich i) aus dem gemeiugriechischen auf -lo abgestumpft ist. Es
stimmt ferner der Nom. Plur. der consonautischen Stämme auf -es z. B.
2}os = nacg, Plur. jjodes = nacSsg; endlich eine Reihe charakteristischer
Suffixe z. B. -aiän, Gen. -aiänus (Ethnikon und Eigenname) = gr. -aiojv,
-dcov, dial. -äv; -eläs (Ethnikon) = gr. -ar^?; -icles (aus -idias, -idies,
Patronymikon) = gr. -ßr^g (vgl. das deminutive -cdcog und die äolischen
Patronymika auf -ddcog); -tis in Tconholas-tis »Purpurfischer« = gr. -reg
in /idv-Tcg\ -edön in den Eigennamen baledon, ^onedon = gr. - eowv in
Maxzdojv u. s. w.
Die schärfste Abweichung vom Griechischen ist die Duldung eines
t im Auslaut, wie in den participialen Namen dazet (= lat. decent-),
bosat, doimat {-at = -ant)\ ungriechisch ist ferner die Aspirata vor der
Tenuis , wie in ha^tor^ da^tas, bao^tas, während die Lautverbindungen
<^, s& zum Griechischen stimmen; auch die Assimilation eines e an vor-
hergehendes l, r, n ist griechisch, besonders in den Dialekten, häufig;
mess. tt = tj\ ti erinnert an das attische rr = aa, das bisweilen auch
auf rj, Tc zurückgeht.
Für das llebrige verweise ich auf die Abhandlungen selbst, und
füge hier nur noch hinzu, dass mir mit Hülfe des Messapischen der Be-
weis gelungen zu sein scheint, dass die italischen Familiennamen auf
-ius nicht Gaunamen, sondern adjcctivische Patronymika, meist von Kose-
namen abgeleitet, sind und dass sich so die italische Namengebung an
die altgricchische anschliesst z. B. Marcus Ttdlius wie AYag Ts^a/xwviog,
messap. staboas yorvaides', ^eotor artahias u. s. w.
Jaliresberi(;ht über die italischen Sprachen, auch
das Altlateinische und Etruskische, für die Jahre
1879—1881.
Von
Director Dr. W. De ecke
in Sti'assburg i. E.
Wenn ich diesmal auch das Altlateinische hier herangezogen habe,
so ist es geschehen, weil die in den letzten Jahren neu entdeckten oder
genauer erforschten wichtigen Denkmäler desselben nicht nur, wie be-
sonders H. Jordan nachgewiesen hat, vielfach Spuren des Einflusses an-
derer italischer Dialekte zeigen, sondern auch überhaupt dasselbe in weit
engerer Beziehung zu diesen erscheinen lassen, als man bisher ange-
nommen hatte. Das Etruskische aber ist durch die neusten Forschungen
wieder in den Kreis der italischen Sprachen gerückt worden.
Für die Vorgeschichte der Italer, wenn auch das sprachliche Ge-
biet noch nicht eigentlich berührend, ist von hoher Wichtigkeit:
Wolfg. Hei big. Die Italiker in der Poebene. Mit 1 Karte und
2 Tafeln. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1879. X, 140 S. 8.
Nach des Verfassers Ansicht (s. meine Anzeige in den Gott. gel.
Anz. 1880, S. 981 ff.) stiegen im Laufe des zweiten Jahrtausends vor
Christus die Italiker, nach ihrer Trennung von den Griechen, in die Po-
ebene hinab, die dort wohnenden Ligurer verdrängend. Von ihrem dor-
tigen Aufenthalt und ihrer Cultur zeugen die sehr zahlreichen Pfahl-
dörfer, theils in den Alpenseen, theils auf trockenem Boden in den Nie-
derungen der Lombardei, Emilia, Romagna (terremare). Der roh orien-
tirte, eckigoblonge, von Wall und Graben umgebene Bau der letzteren,
von Ulmen-, Steineichen- oder Kastauienholz mit Bohlendecke und Sand-
schicht, trug runde Stroh- oder Reisighütten, deren Abfälle eifrigen Be-
trieb der Viehzucht (auch schon des Pferdes) und des Ackerbaues zeigen
(^Waizen, Bohne, Flachs, Rebe). Ein roher Webstuhl war bekannt, ebenso
Lederbereitung und Korbflechterei, auch Brouzeguss. Die Thongefässe
sind noch Handarbeit, die einzige Verzierung sind noch nicht organisch
Die alten Italer und Rom. 231
verbundene geometrische Elemente. Im 12. Jahrhundert v. Chr. wurden
diese Italer durch den Einbruch der gleichfalls von Norden her einwan-
dernden kriegerisch-wilden, ungefähr auf derselben Culturstufe stehenden
Etrusker aufgescheucht und nach Süden und Osten gedrtängt. Die von
ihnen dann in ihren neuen Wohnsitzen in Mittel- und Unter-Italien, spe-
ciell in Latium entwickelte Cultur, wie sie uns theils aus den Nachrichten
der Alten, theils aus den Nekropolen des Albaner Sees und den Aus-
grabungen am Esquilin in Rom entgegentritt, ist die unmittelbare, na-
türliche Fortentwicklung des aus den Pfahldörfern erschlosseneu Zustan-
des. Dies wird im Einzelneu durch Vergleichung der Denkmäler zu
erweisen versucht. »Das Pfahldorf war die Zelle, aus welcher allmäh-
lich das italische Gemeinde- und Staatswesen heranwuchs«.
. Ich schliesse hieran:
Dr. Robert Pöhlmanu, Die Anfänge Roms. Erlangen, Deichert,
1881. IV, 64 S. 8.
Mit Benutzung obiger Hypothese Helbig's macht der Verfasser
(s. meine Anzeige in den Götting. gel. Anz. 1881, S. 1115 ff.), im Gegen-
satz zu dem mercantilen Gesichtspunkt, den topographischen geltend,
wonach die ältesten Niederlassungen an dem unteren Tiber, zum Schutze
gegen die Malaria, auf den gesunderen Höhen stattgefunden haben müssen,
mit von vorn herein gegebener Tendenz zu stadtartig geschlossener Zu-
sammensiedlung mit Wall und Graben und der Wehrverfassung als Fun-
dament des Gemeindelebeus. So fiel denn auch die älteste römische
Ortsgemeinde nicht mit der Geschlechtsgenossenschaft zusammen. Der
Sippenverband war von einer höhereu Gemeinschaft überwölbt, und nur
aus diesem Verhältuiss lässt sich die einzigartige politische Entwickelung
Roms begreifen.
Ich kann nicht läugnen, dass auch für mich die Idee der altlatini-
schen Gaugenossenschaften und Geschlechtsdorfschaften erschüttert ist,
seit ich, in Folge meiner Untersuchungen über das Messapische (Rhein.
Mus. N. F. XXXVI, S. 579), zu der Uebcrzeugung gekommen bin, dass
die italischen Familiennamen auf -ins nicht Gaunamen, sondern Patrony-
mica von Kosenamen (theils Vor-, theils Beinamen) sind, ein Gedanke,
der, wie ich nachträglich sehe, bereits von R. Movat in dem Aufsätze
Les noms familiers chez les Romains (in den Memoires de la Societe de
Linguistique de Paris. T. I, 1868, p. 293—336) ausgesprochen und thcil-
weise ausgeführt worden ist (s. besonders S. 307).
Der Name der Italer ist speciell behandelt worden von:
Beruh. Heistcrbergk, Ueber den Namen Italien. Eine histo-
rische Untersuchung, Freiburg i. Br. und Tübingen , Mohr (Siebeck),
1881. IV, 166 S. 8.
Freilich läugnct der Verfasser (s. meine Anzeige in den Götting.
gel. Anz. 1881, S. 1112 ff.) die ursprünglich nationale Bedeutung des Namens.
232 Italische Sprachen,
Nach ihm ist Italiu, vielleicht entstellt aus Ilanlu, vom phönizischen
JSiün »beständig, dauernd«, ursprünglich etwa Name einer von phönizi-
schen Seefahrern benutzten pcrerniirondcn (^Mielle an der Südspitze des
jetzigen Calabriens gewesen und hat sich dann als Landschaftsname, zu-
nächst durch die sicilischen Griechen, allmählich weiter nach Norden
verbreitet. Ein Volk der Jiali hat es nie gegeben; der König Italus ist
Abstraction aus dem Ländernamen. Die Verbindung mit vitnim »Kalb«
ist Volksetymologie; t~ah')Q ein erfundenes Wort. — Dem gegenüber
bleibt die Nissen'sche Deutung von Viteliü = 'halia »Rinderland« oder
genauer »Land des Stiergottes Vitulus« immer doch noch wahrschein-
licher.
Das Altlateinische der Pränostiner Bronzen ist theilvveise behan-
delt worden in H. Jordan's Aufsatz »Zur Geschichte der griechischen Lehn-
wörter« in den oben besprochenen »Kritischen Beiträgen zur Geschichte
der Lateinischen Sprache« (Berlin, Weidmann, 1879, VIH, 364 S. 8.)
S. 1—88. Kühn ist die Deutung von otof; = Papa; fata = Mama; rtt
— d\Ut = dedit (auf dem Spiegel n. 18, S. 72) an der er auch im Her-
mes (XVI, 1881, S. 251 Note) festhält. Statt Vepüus (Monura. d. Ist. VI,
t. LIV) ist er jetzt geneigt Veritus = virfMH zu lesen (ebendas. 252).
Die früher schon von Bücheier (Rhein. Mus. N. F. XXXIII, S. 489
— 490) behandelte altlateinische Bronzeinschrift aus dem Fucinersee (s.
Jahresbericht von 1878, Abth. III, S. 3) ist neu behandelt worden von:
H. Jordan, Inschrift vom Fuciner See, in den »Sprachgeschicht-
lichen Betrachtungen«, im Hermes XV (1880), S. 5 — 12; vgl. auch die
Tafel des Alphabets, ebendas. XVI (1881), S. 254.
Jordan macht neu aufmerksam, dass die Form -his im Dat. Abi. PI.
hiernach älter scheint, als -bos\ dass /c^ in Äprufclano unlateinisch ist
(lat. = * Aprubiculaims), während das h in menurhkl statt f an's Lateini-
sche anbequemt ist. Das Suffix -ur in letzterem Wort, neben Men-er-va,
wird verglichen mit aug-icr, mig-er; ferner ac-er-hus, cat-cr-va^ lup-er-ctis
u. s. w. Marsisch ist auch wohl das ts in Mart-scs, das lateinisch ss sein
würde. Esalico ist er, wie ich, geneigt als Genitiv PI. zu deuten, da-
gegen doivom (wenn nicht donom zu lesen) als Acc. Sg. Neutr. Der
Schluss bleibt dunkel wegen atoierpnttia oder -dattia, vielleicht zu zer-
legen in atoier = *Aitoies , Name einer Gottheit im Genitiv, und dattia,
einer Verbalform auf -a = -ant. Das abgekürzte ceip- scheint doch eher
== cippum zu sein. — Ich möchte in menurbid ein Verbum sehen = sta-
tuit (etwa zu moeniaf); Casontonio als Nom. Sg. Masc. fassen, vgl. etr.
casntinial Gam. App, 716; dattia (=; -iat) = dal, dedicat, ohne Einfluss
von socieque. Das doppelte t deutet auf Composition mit der (oskischen)
Präposition dat; das -tia für *dia könnte auf eine der Nebenformen von
rfare zurückgehen, vgl. urabrisch dia {Eng. t. VI, a20), bisher als des
oder det erklärt (s. unten), wofür aber auch dat recht gut passt.
Altlateinisch 233
Eine andere inzwischen an den Tag gekommene altlateinische In-
schrift ist die Haininschrift von Spoleto (s. T. III der Atti d. R. Accad.
dei Lincei 1878—79, S. 195 und Bormann Miscellanea Capitolina in der
Festschrift zu Ehren des Archäologischen Instituts 1879, S. 6). Sie ist
behandelt in:
F. Buche 1er, Altes Latein. Rhein. Mus. N. F. XXXV (1880),
S. 627—630. I. Inschrift von Spoleto.
M. Breal, Epigraphie Italique. Memoires de la Societe de Lin-
guistique. IV (1881), S. 373— 405. 4. Inscription archaique de Spolete.
Bücheier setzt die Inschrift vor 536 der Stadt. Die Nähe des
Umbrischen findet er erkennbar in der Strafformel mit moltai und in der
Verschrumpfung des Diphthongs in cedere = caedere. Breal verweist für
Letzteres auf altlateinisch i^retor^ CeciUus (Varro de L. L. VII, 96); in
der Strafformel fasst er moltai als Genitiv und ebenso jetzt umbr. viotar
(Eng. t. VII, b 4). In Z. 2 liest er nequis mit Ligatur gegen Bücheler's
und Jordan's (Hermes XVI, S. 246) nequs. Zu dein-, diu- = divtJi- bringt
Bücheier die Stelle Plautus Epid. 314 bei, wo dkmiam zweisilbig ist und
der vetus in der That dinmn bietet. Ebenso weist er die Form ocxarcop
neben dcxrdzwp aus Hesych nach und erinnert an den griechischen Ge-
brauch des Stammes Sixa-. Breal erinnert noch an deus = diuua, dius.
Ferner erklärt er piaclum datod als »qu'il fasse un sacrifice«, gegen seine
eigene Deutung des vootum. dedet einer faliskischen Inschrift (ebendas.
unter 3). Auffällig bleibt cedre (Z. 9) = caedere.
Bei weitem wichtiger aber ist noch die Doppelinschrift des drei-
fachen schwarzblauen Töpfchens vom Quirinal, behandelt von:
Heinr. Dressel, Di una antichissima iscrizione Latina graffito
sopra vaso votivo rinvenuto in Roma. Annali d. Istit. d. Corr. Ar-
cheol. 1880, S. 158-195; t. d'agg. L.
F. Bücheier, Altes Latein, IIL Rhein. Mus. N. F. XXXVI,
S. 235—244.
Herm. Osthoff, Zur altlateinischen Dvenos- Inschrift, ebendas.
S. 481—489.
H.Jordan, Altlateinische Inschrift aus Rom. Hermes XVI (1881),
S. 225—260, mit Doppeltafel ; s. auch Bullet, d. Istit. d. Corr. Arch.
1881, S. 84 ff.
Zum Verständniss des Folgenden setze ich die nicht allzu lange
Inschrift hör:
ioiie\sntdeüiosqoiniedmitatneitedendoco8misuircosied
astcdnoi.siopefoi.f.esiaipnJynriiiois
daenosmedfekedenmanü)ncinomd~cnoincincdmanostatod
234 Italische Sprachen.
Ucbersicht über die Schriftzeichen geben Drcssel und Jordan, letz-
terer im Vergleich mit der Schrift der P'uciner Bronze. Die Schrift ist
linkslüutig. Ka fehlt /y, wofür vielleicht c in virm; k steht (durch Corrcctur
nach Jordan) in pakari. und feked\ c nur in cosmis; q in qoi = qui (Nom.
Sing. Masc). Nur zufällig fehlen fj, h, l, x; z steht in dze = die, später
eingeschoben; dem r fehlt der Nebenstrich; das m ist vierstrichig. Doppel-
consonanz wird nicht gesclirieben. Das angebliche diakritische Zeichen
hinter Jove hält Jordan für ein nachträglich eingeschobenes, etwas lang
gerathcnes i, liest also lovei. Im zweiten Wort ist Sat (= Satumo) aus
ursprünglich geschriebenem Sa verbessert, vgl. Saeiumn.i. Verschrieben
ist im vorletzten Wort mano aus mano. Die Form der Buchstaben, das
Alphabet, pakari (nicht mehr mit «) u. s. w. weisen auf den Anfang des
fünften Jahrhunderts. Die Deutung auf das nnvendiale sacrum (s. dze
noine) ist von Dressel richtig gefunden; weiter ausgeführt ist dies von
Jordan (nach Apul. Met. IX, 30 ff.), wonach beim Aufhören der Trauer
am neunten Tage ein Todtenopfer stattfand, zu dem das Töpfchen be-
stimmt war. Die Beziehung der Dreiheit auf die vorkommenden drei
Gottheiten {lupiter, Saiurnus, Ops) wird von Jordan mit Recht zurück-
gewiesen. — Die Deutung ist noch vielfach unsicher. Während die
Uebrigen Jove{i) Sat[urno] als Dativ fassen, sieht Osthoff darin den Ac-
cusativ (mit Verlust des »i), hält also das / noch für den diakritischen
Strich; ebenso ist ihm dann deivos Accusativ, indem er au dem Ausfall
des i {= deivois) Austoss nimmt, trotz devas (C. I. L. I, 814), angeblich
= *devais\ der Accusativ bei mittere wäre der des Zieles. Bücheier will
gegen die Andern mitat {= mittai) als Futurum Ind. fassen; Jordan
sucht den Conj. Präs. durch die conditionale, verallgemeinernde Bedeu-
tung von qoi zu erklären. Als Bedeutung von mittere setzt er hier »hin-
bringen«, nicht »darbringen«. Die grösste Abweichung der Erklärung
findet im Folgenden statt: nei ted endo cosmis virco sied asted deuten
Dressel und Bücheier: »nicht soll Dich hineinbegleiten eine Jungfrau
(oder) dabei stehn«, also cosmis = comes, von Bücheier zu cosmittere =
committcre (Paul. Diac. Exe. Fe. p. 67) gestellt und cosmis siet construirt
wie coinitetur\ dazu asyndetisch asted = ad -stet, vgl. zur Coustruction
astitit illum locuju (Prisc. XVIII, 309, 27, H.). Jordan, der diese Schwierig-
keiten für unüberwindlich hält, übersetzt: »hüte Dich, dass nicht eine
Jungfrau Dir freundwillig sei, es sei wenn Du nicht willst mit Ops Toi-
tcsia Deinen Frieden machen«, also cosmis = cömis; asted, alte Form der
Partikel aste, ast (s. oben das Referat über die Kritischen Beiträge),
wie postid zu 2^ost, antid zu ante. Er legt Nachdruck darauf, dass mit
asted eine neue Zeile beginnt. Osthoff endlich trennt neited endo cosmis
vir cosied asted »der soll bestrebt sein, dass drinnen ein handlicher Mann
dabei sei (und) zur Seite stehe« , also auch mit cosmis = cömis, das er
von CO + Sern (s. sem-el, sim-plcx) ableiten will; aber dann neited 3 Sg.
Futuri, eig. Optat., = *v.ittt, vgl. nitito (Cic. de republ. frg.); der fol-
Altlateinisch. 235
gende Coajunctiv ohne ut könne keinen Anstoss erregen; cosied, asted
sei ein neues Beispiel des Asyndeton sollemne; zwar kommt *coessc nicht
vor, aber confore, conjuerü u. s. w. — '■ Der Name Buenos wird allgemein
als Bennus gedeutet und Jordan weist auch auf den Gentilnamen Bennius
hin (s. aber meine Messapka im Rh. Mus. N. F. XXXVII, S. 385, n. 22).
Er hält den Dvenos für den Verfertiger, nicht den Geber. Das m ?»«-
nom, von den Uebrigen »?'« mortuvmv. = »für den Todten« gedeutet, er-
klärt Jordan »für's Todtenopfer« , also mnnum als Neutrum »das Gute,
das Todtenreich, das Todtenopfer« ; ebenso dann mano staind als ■inanu{m)
statod »Du sollst mich als Todtenopfer hinstellen«, nicht »für den Todten«.
Das einom endlich ist er geneigt als Folgepartikel »darum« zu deuten,
nicht als »und«. — Was die Einzelheiten der Formeubildung betrifft,
so macht Bücheier auf das häufige oi aufmerksam : qni^ später quei, qui
= osk. imi, umbr. ■poi; nome aus *novine, s. umbr. mivime; also auch
wohl nönus = *nomnus, trotz Novnis, s. wöw, cöraverunt^ populö, falisk.
löferta u. S. W. ; noisi = nisi^ aus *neisei, s. im Edict von Spoleto nesei,
osk. nei svae, umbr. nosve\ auf nei aus noi gehe ne und m in nequaquam,
7iimiruin u. s. w. zurück. Ein Locativ auf -oi ist freilich sonst unerhört.
Jordan hält den Wechsel von oi und ei für unlateinisch. In Toite^ia
scheint oi eher auf ü, als ei zurückzugehen: Drossel denkt an italisch
tmita y)clvitas« , Bücheler an tueri schätzen, vgl. Tutor, Tutilina, Jordan
an Tutunus. Die Form vois = veis, vis- »du willst« lässt Bücheler aus
*vols entstehen, s. umbr. Voisiener =^ Volsienus; Osthoff setzt sie = ind.
veöi von vi »wünschen«. — Das ei in einom fasst Jordan als kurzen
Mittellaut zwischen e und i (wie in osk. eivscfi), s. umbr. enom, ennom,
osk. inim, in Sulmo (pälignisch) inom\ er sieht in diesem Wort wieder
fremden Einfluss. Als unlateinisch gilt ihm (trotz Casmena) auch die
Erhaltung des s in cosmis (s. osk. posmom, pälign. i)rismo), sowie der
Gebrauch von endo. Auffällig ist die transitive Bedeutung von statod,
jetzt aber auch im Etruskischen sta = sistit, ponit (s. unten). Das t von
rnitat neben dem d der anderen Formen erklärt Osthoö' als Primärform
gegenüber den Secundärformen. Die Bedeutung von pal-ari wird thcils
an pacem exposcere, umbr. pacer »gnädig«, theils an das spätlat. jnicorc
= solvtre (de Rossi) angeschlossen. -- Während Osthoff für seine Deu-
tung die Allitteration cosmis — cosied anführt und Bücheler gar vier Sa-
turnier construirt, freilich mit Annahme einer Lücke hinter vois und Er-
setzung des Namens Drenos durch einen anderen, sieht Jordan in der
Inschrift nur nüchterne Prosa und (jedenfalls mit Recht) keine Verse.
— Schliesslich bezweifelt Jordan die rein lateinische Herkunft der In-
schrift: »Der Fundort des Gefässes beweist nicht, dass es in Rom fa-
bricirt, noch weniger, dass der, der die Inschrift darauf gesetzt hat, ein
geborener, reines römisches Latein sprechender Römer gewesen ist. Die
Abweichungen von den Sprachformen, der Schrift und dem Alphabet der
römischen Sprachdenkmäler zeigen Eigenthümlichkeiten, welche es wahr-
236 Italische Sprachpn.
scheinlich machen, dass der Schreiber zwar gutes Latein redete, aber
bceinfiusst war von einer der Mniidartcn, welche in den Berggegenden
östlich von Rom gesprochen wurden, aber bereits im fünften Jahrhundert
im Aussterben begritfen waren«.
Zur Deutung des altlateinischen Arval- und Salierliedes hat auch
II. Jordan neues Material geliefert in den oben besprochenen »Kritischen
Beiträgen« Cap. III »Zur Beurthcilung der sacralcn Poesie« S. 167-225,
und einen kleinen Nachtrag liefert er im Hermes XIV (1879), S. 633—34,
wonach im Arvalliede auf dem Originaldenkmal bei der dritten Wieder-
holung von Z. 4 wahrscheinlich altemie (statt -nei) steht, jedenfalls nicht
alternip.
Das Arvallied ist auch behandelt von:
M. Breal, Epigraphie Italique (in den Mem. d. 1. Soc. d. Ling.
IV, 1881, S. 373 ff.). 1. Le chant des Arvales; wozu zu vergleichen ist
die Revue Critique 1880, S. 123—24 über einen Vortrag Breai's in der
Sitzung der Acad. d. Inscr. vom 30. Januar 1880.
Breal hält die aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. stammende
Redaction für ungeschickt wegen der Mischung alter und neuer Formen,
z. B. Laues mit s neben incurrere mit r\ die Copie von 218 n. Chr. aber
für recht fehlerhaft. Er stellt her:
enom Lases iuvute
, 7ieve lue arves (R. er. arve) marmar sern
(R. er. seiris) incurrere
inpleores
sata tutere mars clemens satis sta herber
semunis alternei advocapit conctos
enom marmor iuvato
triumpe
Z. 4 (resp. .5) gehört nach ihm gar nicht in den Gesang, sondern ist eine
rituelle Vorschrift; mit inpleores = implores begann eine ähnliche Weisung.
Das enom wird als eia\ erklärt; sers (resp. AeeWs), wie bei Jordan, als siveris;
satis ist Dat. PI. (von Nom. sata), wie arve{s); sta hat den Sinn von esto;
herber ist auch ihm Götterbeiname.
Einen weitereu Beitrag zum Arvalliede giebt Ed. W(ölfflin) in
den Acta Seminarii Philologici Erlangensis II (1881), Erlangen, Deichert,
8., S. 70 ad Carmen fratrum Arvalium. Er ändert das sins (= sinas) in
der ersten Wiederholung von Z. 2 in sei7-s = sers in der dritten Wieder-
holung, d. i. siveris, da das Präsens der exoptatio angehört, das Perfect
der deprecatio; in derselben Zeile hält er pleoris für richtiger als j^^eor es]
statt advocapit in Z. 4 möchte er *advocaptis = advocabitis lesen.
Dem Lateinischen zunächst steht das Faliskische. Eine schon
von früher her bekannte faliskische Inschrift behandelt
M. Breal, Epigraphie Italique (in den Mem. d. 1. Soc. d. Ling.
IV, 1881, S. 373 ff.). 3. Une inscription Falisque.
Altitalisch. Faliskisch. Umbrisch. 237
Es ist die Inschrift bei Fabr. C. I. I, 2441, s. Pr. Spl. p. 113. Sie
lautet :
menerva • sacru
a ■ cotena ■ Ir ■ f ■ pretod ■ de.
zenatuo ■ sententiad • vootum
dedet • cuando ■ datu ■ rected
cuncaptum
Nach Breal ist die Schrift, halb lateinisch, halb etruskisch, nach einem
etwas abweichenden Original gemacht und zwar nicht mit Verständniss:
so steht menerva statt -i'fl«, i^retod statt -tor. Den Rest eines / im An-
fang von Z. 2 (Garrucci) hat er nicht sehen können; es wäre auch la
neben Ir auffällig. Wenn er den Namen cotena für sonst nicht vorkom-
mend hält, so ist doch seine Bildung ganz etruskisch (wie Forsena), und
nahe verwandt, vielleicht identisch ist etr. cutana, cutna (s. Etr. Fo. u.
Stud. II, 20, Note 71). Auch die Vornamen a = Aulus, Ir = Lartis sind
etruskisch. Das in vootum und cnncaftum. erhaltene m fehlt in mcru und
datu\ das schliessende s in zenatuo. Die Redensart votum dare erklärt
Breal als votum fucere, nicht solvere^ so dass der Schlusssatz, eine Art
Empfangsbescheinigung von Seiten der Gottheit, lautet: »quaud (le voeu)
a ete fait, il a ete correctement con^u« ; vgl. verba concipere.
Neue faliskische Inschriften aus einem Felsengrabe von Carbo-
gnano hat veröffentlicht
Heinr. Dressel, Bulletino dell' Istituto di Correspondenza Ar-
cheologica. Roma, 1881, S. 151 ff.; vergleiche
Heinr. Jordan, Faliskisches. Hermes XVI (1881), S. 510-12.
N. 1 lautet Voltio \ Folcozeo \ Zextoi \ fi\lio]
N. 2 Cavia \ Vettdia
N. 3 Tito ■ Mareiio \ Voltilio
N. 4— 8 theilweise undeutlich.
Das z stimmt zum obigen zenatuo und erinnert au's Etruskische;
-ozeo ist = -öshis. Der Genitiv auf -oi = -ei stimmt zu der Töpfchen-
inschrift. Die Lesung Mareiio ist von Jordan; vgl. die Endung -fins.
Aus dem Gebiet des Umbrischen weiss ich, ausser einigen ge-
legentlichen Bemerkungen in sprachvergleichenden Werken und lateini-
schen Etymologien (s. den Bericht über lateinische Gram.matik), nur an-
zuführen :
F. Bechtel, Umbrica. In Bezzenberger's Beiträgen zur Kunde
der indogermanischen Sprachen, VII (1881), S. 1-8.
1. Eug. t. VII b 2 piß rtper fratreca para est erom ehiato =: ubi pro
re fratei'na par erit eorum egeatur, schwerlich richtig.
2;-]8 ' Italischo Sprachen.
2. t. Via 21 cehefi dia = flaricmmn det (s. oben).
3. t. Ib 16 U. VIb 53 eturslmnu ^=. etnratahmn = externdnato (SO ge-
deutet schon von Bücheier), entweder zu extarrü oder zu exterrere^ so
dass das r Schreibfehler ist.
4. iovie (Acc. PI.), -vies (Dat. Fl.) = laninres ^ -oribns (so SChon
Bücheier), nach der fünften Declination, eigentlich im Nominativ = in-
disch (spät) javijasas, also aus ^iovieses.
5. pnrUius (t. la 27; 30; IIa 7; 9) ist von purtUim u. s. w. zu tren-
nen; in letzterem ist t älter als f-, «, und Corssen's Deutung vom Part.
Präs. richtig.
Aus dem Gebiet des Uskischeu und Sabcllischen ist mehrfach
die tabula Bantina Gegenstand neuer Untersuchungen gewesen:
M. Breal, Epigraphie Italique (in den Mera. d. la Soc. de Lingu.
IV, 1881, S. 373 If.). 2. La table de Bantia, mit Text und Uebersetzung
S. 388 — 390 nach Zwetajeff und Bücheier (in Bruns Fontes iuris Romani
antiqui. 3. Ausg. Tübingen, 1876); vgl. Revue critique 1879, S. 247
und 355— .56 über die Sitzungen der Acad. d. Inscript. vom 19. Septem-
ber und 2. December 1879.
Heinr. Jordan, Zur oskischen Inschrift der bantinischen Bronze.
In Bezzenberger's Beiträgen, VI (1881), S. 195-210.
Nach Breal ist das Gesetz wahrscheinlich durch einen von Rom
gesandten* Beamten gegeben, um Streitigkeiten unter den Einwohnern
von Bantia zu schlichten, etwa zur Zeit der Gracchen. Ausgefertigt
scheint es in Rom von einem der oskischen Sprache nicht recht Kundi-
gen: daher die lateinische Schrift und die vielen Fehler. Jordan erklärt
sich besonders scharf gegen die Ansicht, dass es Uebersetzung einer
römischen lex sei, und sieht auch in den tr. pl. einheimische Magistrate.
Mommsen's [(judex Z. 32 beruht auf falscher Abtheilung: er vermuthet
[c]on[t7-]ud exeic. Zwetajeff's Vergleichung mit dem Original ist nirgends
erkennbar, seine Textwiedergabe raangel- und lückenhaft, das Avellino'-
sche Fragment fehlt ganz; noch immer ist Mommsen's Text der allein
brauchbare.
Im Einzelnen erklärt Breal: comenei, comono aus com-hend^ -bono
von *heno = venin^ s. cebnust = *conibenust; amnud Präp. ^ causa, eig.
autour de; cadeis zu calvere (aus *cadvere) Mnsidias struere<s.\ hipid, Optativ
wie sim, velim, aber haßeist Futurum; maimas aus *ma{g)is-vias, s. ;jri(s)-
mus aus * prius-mus ; in Z. 8 ist loufii = lubct »oder« noch erkennbar
(schon vorher von Breal vermuthet); pous ist Conjunction = umbr. puse{i)\
valaemom ist vielleicht verschrieben für * valtemom^ vgl. opiimus; neip mais
pomtis (nicht tom pis) Z. 15 gehört zum Vorhergehenden, nicht zum Fol-
genden; die Tafel zeigt eine leere Stelle dahinter; trutum zum Stamme
von ier-minus; amiricatud ist nicht Ablativ, sondern Verb (Imperativ) zum
Subject allo famelo = venecif , vendatur, also a Präposition (in der Rev.
Oskisch. Sabellisch. 239
crit. »aestimetura); in' ei sivom = et is simul {in- = //um); Z. 19 fast =
e7-ii (nicht fuerit)] Z. 20 iusc = ii (nicht eos)\ angetuzet^ vielleicht ver-
schrieben für *anteguzet vom Stamme to^ y>tangere, taxare« z= propos^ierint
(Rev. crit. statnerint)^ nicht cocgerint; Z. 21 lamatir = vendatur (Rev. crit.
damnetur oder vocetur) ; facus = * /accus, aus /actus, vgl. i^rae/ucus. Das
/s- ^acwsj . . . aus dem Avelliuo'schen Fragment gehört in Z. 30, wo dann
zu lesen . . . facus • /ust' izic am-prufid- /acus' estud- = ». . . /actus fiierit
(s. oben erit), is improbe /actus estoa.
Das ganze Avellino'sche Fragment hat mit sehr kühnen Conjec-
turen Jordan hergestellt (S. 202); doch weiss er mit istacusi nichts zu
macheu; pi\s /acus /|nm giebt er selbst preis. — In einer ausführ-
lichen Erörterung über ner (s. noch die Inschr. Zwetaj. n. 34) neigt er
sich zu der Ansicht, oskisch darin einen Amts- oder den Senatoren-Titel
zu sehen.
Die Tafel von Agnone ist auch behandelt vou:
M. Breal in der Sitzung der Academie des Inscriptions et Bel-
les-lettres vom 11. Juli 1879; s. Rev. Critique 1879, S. 72.
Nach ihm ist es keine Votivtafel, sondern eine Cultordnung. Im
Besoudern deutet er neu:
A. Z. 1 stahis piis set hüo-tin kerriiin = »(/mae) stativae quae (nicht
stati qui, näml. di) sunt in horto sacro«, so dass im Folgenden statt/ immer
Acc. Plur. ist = stativas.
Z. 16 aasai purasiai : saaht-üm te/iirüm altrei pütereipid akenei saka-
Jdter = in ara igniaria : sanctum sacellum (nicht sacrificium) in altera utro-
que /undo (nicht anno) sacretur.
Z. 20 fiuusasiais az hurtüm sakarater = Floralibus (nicht Floralibus
dis) ad hortum sacratur.
B. Z. 23 hiirz dekmanniuis statt = hortus decimanis stat (nicht de-
cumis sistatur) d. h. »l'enclos est destine aux fetes du dixieme jour«.
Zu der oskischen Inschrift von Pietrabbondante (Fabr. C. I. I. 2873
ter, t. LIV; Zwetajeff N. 17) bemerkt M. Breal in dem wiederholt ci-
tirten Aufsatze Epigraphie Italique (Mem. d. 1. Soc. d. Ling. IV, 1881,
S. 373-405) am Schlüsse, dass, nach Autopsie, sämmtliche Zeilen links
verstümmelt sind, so dass folgende "Wörter und ihre Deutungen durch
Corssejl u.a. irrig sind: liis-d; sak-upam\ üin-im; wnhm-ant; fiis-ntm\
l-iiv/rtkv,7iüss; /[/. In Z. 8 vermuthct er \d\uunaied = donavit.
Die im vorigen Jahresbericht (S. 24 ff.) nach den Deutungen von
Bücheier und Bugge behandelte Oskische Bleitafel und metrische In-
schrift von Corfinium haben einen neuen Bearbeiter gefunden in:
E. Huschkc, Die Oskische Bleitafel und die Polignischc Inschrift
aus Corfinium. Leipzig, Teubner, 1880, 8., 98 S. (unterzeichnet schon
vom Mai 1878); vgl. die Anzeigen im Liter. Ceutralbl. 1881, N. 5,
240 Italisch»- Sprachen.
S. 155 — 50; in der Deutschen Literaturzeitung 1881, N. 11, S. 399
(V. F. 13.); in der Philol. Rundschau I, 2, S. 58 — 01 (v. Pa).
Der Verfasser giebt zuerst von der Bleitafel Bücheler's Text und
Uebersetzung, und geht dann Zeile für Zeile und Wort für Wort in sei-
ner Weise durch , besonders das Griechische zur Vergleichung heran-
ziehend. Es folgt (S. "73 — 74) sein eigener, kühn restaurirter Text nebst
Uebersetzung und (S. 74—75) ein Verzeichniss der neuen Wörter. Die
wichtigsten seiner Neudeutungen sind: aflahus (Z. 10; 11), afluhad (Z. 3)
= afflixerls^ afjliyal\ anikad (Z. 2) = continfjat\ damia[tuin'?^ Z. 2 = suhactum :
dunte\is^ Z. 4 ^ potentlat\ heriam (Z. 1) = velim\ hernas (Z. 12) = inopis ;
hahad (Z. 6; 8) = desiderat\ Jcaispalar (Z. ij) = /eli-i conficitor\ haranter
(Z. 9) = roborantur; keri = hrjpt\ hrustutar (Z. 5) = jrUjore conficitor\
lamatir (Z. 4) = obstlnntus\ legin- = strag- (gr. ^£/-)- ^ftanafum (Z. 1; 3)
= subrepium\ nistrus (Z. 2) = nutans; paipli (Z. 1) = astutae ; prebaiam
(Z. 3) = praebiam; pulclum. = percussus (Subst.); pvtn\^iia\rnum {7a. 6) =
Deos invocure; puh = 7:«u ; trutas (Z. 12) = protritae^ tus\iias\ Z. 12 =
cremandae hostiac (Gen. Sg.); ud[udf] Z. 7 =: niodo{via)\ um (Z. 2; 6) =
ouv\ usurs (Z. 2) = iniser\ valaima{i)s = valetvdinis. Dass hiervon mehr,
als ganz Einzelnes, haltbar sei, ist sehr unwahrscheinlich.
In ähnlicher Weise ist von S. 76 an die zweite Inschrift behandelt:
praco)a ist = saepimentum\ pristafalacirix = clientelaris calator', petiectu =
2iracpetem\ vidad = viderat\ vibctu oninitu = munere iurato u. S. W. Hier
sind theilweise dieselben Wurzeln, wie bei Bücheier und Bugge erkannt,
aber in ganz anderer, meist willkürlich gedeuteter Formung.
Eine kleine neue marsische Inschrift enthält, neben einer grösse-
ren Zahl lateinischer:
M. E. Fernique, Inscrij^tions inedites du pays des Marses (Biblio-
theque ^des ecol. frauQ, d'Athenes et de Rome, fascic. V). Paris, Tho-
rin, 1879. 8. 26 S.; vgl. Fiorelli, Notizie degli scavi, Agosto 1878,
S. 254.
. . . o ■ po ■ i . . . .
. . . ouies ■ pucl ....
Die Inschrift ist aus Marruvium (Fern. N. 52, S. 17). Besprochen
ist sie in:
F. Bücheier, Fragment einer marsischen Inschrift. Rhein. Mus.
N. F. XXXIV (1879), S. 639—40.
Die Schrift ist römisch, mit Ausnahme des p, das griechische
Form hat. Die beiden o der ersten Zeile sind unten etwas ofl'en ; das e
ist II geschrieben. Die Inschrift erinnert au diejenige von Sulmo (C. I. L.
I, 555) loviols p)udois, SO dass wohi [i]ovics ■ p7icl\es] ZU ergänzen ist. In
der ersten Zeile enthält po- wohl den Vornamen des Vaters.
Sabellisch. Etruskisch. 241
Die marsisch-lateinische Inschrift Fern. N. 49 (S. 16) aus Trasacco
scheint einen Gottesnanien Foucno (Dativ) = Fiidno zu enthalten.
Eine schon früher bekannte Inschrift aus Corfiniuni (Pentinia) ist
neu besprochen worden in:
F. Bücheier, Altitalische Grabschrift. Rhein. Mus. N. F. XXXV,
S. 495.
Sie lautet:
pes ■ pros ■ ecüf ■ incuhat
cäsnar ■ oisa ■ aetdte
6 ■ andes • sölois ■ d6s ■ forte
faber
Die Schrift ist lateinisch. Bücheier deutet: vedes paucos incuhat senex,
usa aetate, C. Annaeus, omnibus {rebus) dives, fortimae faber. Es gehört
jnos zum Stamme von par-um, par-vus; zum passivischen Gebrauch von
olsa vgl. abiissa PI. Asiu. 196 (s. Gell. XV, 13); zu des s. deti = dite{m)
in dem Weihgedicht von Corfiuium (s. vor. Jahresber. Abth. II S. 26) ;
forte = fortis, wie 2'0<e = j^otis. Schreibt man den Vornamen Garis aus,
so erhält man zwei Saturnier, durch die Accente oben angedeutet.
Das Werk von J. Pomialowski, Sammlung oskischer Inschriften,
mit Glossar. Kiew, 4., 104 S.,
in russischer Sprache, ist mir nicht zu Gesicht gekommen.
Für das Etruskisch e ist das Material vermehrt worden durch
folgende Werke:
Vittorio Poggi, Contribuzioni allo studio della epigrafia Etrusca.
Genova, Istituto dei sordomuti, 1879, 8., 96 S., vgl. die Anzeige von
Pauli, Philol. Rundschau 1881; N. 14, S. 451-58; von Fr. Vallentin
im Bull, epigraphique I, 2; S. 84—85.
Das Werk enthält 59 etruskische Inschriften als Nachtrag zu Fa-
bretti's Corpus, meist aus Etrurien selbst, aber auch aus der Emilia
und der Lombardei, vom Verfasser selbst auf seinen Reisen copirt. Es
sind auch lateinische und euganeisch- gallische, sogenannte nordetrus-
kische Inschriften darunter, sowie manche sonderbare, ohne sichere Pro-
venienz. Lesung und Erklärung sind dilettantisch, doch nicht ohne Rou-
tine und Scharfsinn. Interessant ist das neue Beispiel für das Deminutiv
vellza (N. 12, lat.); ein neuer Fall von A = "' (N. 25); tcda (N. 35) auf
einer Steinscheibe von Telaraon, vgl. auf Münzen tla[))iun].
Gian Franc. Gamurrini, Appendice al C L l. ed ai suoi Supple-
menti di Ar. Fabretti. Firenze, Mariano Ricci, 1880, 4., VIII, 106 S.
mit 10 Tafeln; vgl. die Anzeige von Pauli in der Philol. Rundschau
1881, N. 14, S. 451-58.
Diese Nachlese von etwa 1000 Inschriften schliesst sich in Form,
Ausstattung und Anordnung an Fabretti an; nicht alle Inschriften sind
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVHI. (1881. III-) 16
242 Italische Sprachen.
neu, viele nur verbessert, nicht wenige unabsichtlich, oft in Folge fal-
scher Lesung, wiederholt; manche finden sich auch bei Poggi. Die An-
ordnung ist: Italiu Supcriorc 1—20 (meist nicht etruskisch); Umbria
21—22; Etruria mit Capena 23-830, dazu di origine incerta 831—54;
aggiunte 855 — 915. Der Rest gehört, mit geringen Ausnahmen, den
andern italischen Sprachen an: Latium mit Praenestc 910-929; Cam-
pania mit den Sabelli 930-48; Messapia 949-50. Es folgen Aggiunte
e Correzioni 951 — 62 und ein Index der Wörter und Zahlzeichen.
Die Sammlung ist dem Andenken Conestabile's gewidmet, die Ar-
beit aber steht hinter dessen Leistungen an Sorgfalt weit zurück, so
dass sie nur mit grösster Vorsicht zu benutzen ist. Die Genitive auf
-al und -sa sind anerkannt, überhaupt hat der Verfasser einige Kennt-
niss der deutschen Forschungen. Wichtig ist die grosse Inschrift 799,
t. IX, aber auch 912 bis (leider ohne Abbildung). Das Templum von
Piacenza fehlt (als unecht). Ueber den Gewinn für die Etruskologie aus
dieser Publication s. unten.
Leopoldo deFeis, Barnabita. Di alcune epigrafi Etrusche e
di un calice greco, relazione al Cav. Vitt. Poggi. Genova 1881. 8.
12 S. mit 2 Tafeln.
Es sind 15 Gefässinschriften aus Orvieto, aufbewahrt im Museo
del Colle^io della Querce in Florenz, Wichtiger sind nur N. 1 suherati;
N. 3 aplu eparusis (= indpuacg?}; N. 15 e^tural (= Hectoriae).
Einzelne Inschriften finden sich ausserdem in den Bulletini d. Ist.
di Corr. Archeologica und in Fiorelli's Notizie degli Scavi, sowie in an-
deren Zeitschriften, zerstreut.
Die Etruskologie hat einen neuen rüstigen und scharfsinnigen Mit-
arbeiter gewonnen in dem Rector C Pauli in Uelzen, der rasch nach-
einander drei Hefte seiner Studien erscheinen Hess:
Dr. Carl Pauli, Etruskische Studien. Göttingen, Vandenhoeck
und Ruprecht. 8.
I. Ueber die Bedeutung der etruskischen Wörter eto-a, hmtn- eteri
und lautni; 1879, 112 S.; s. die Anzeige im Liter. Centralblatt 1880,
N. 6, S. 181.
II. Ueber die etruskischen Formen amBial und lurBial\ 1880, 76 S. ;
s. ebendas. N. 49, S. 1671.
ni. Die Besitz-, Widmungs- und Grabformeln des Etruskischen;
1880, 156 S.; s. ebendas. 1881, N. 34, S. 1185-86 und Deutsche Lite-
raturzeitung n, 20, S. 796 — 97.
Nachdem ich dann inzwischen das vierte Heft meiner Forschungen
veröfientlicht hatte:
Etruskisch. 243
W. Deecke, Etruskische Forschungen, 4. Heft. Das Templum
von Piacenza, mit 5 Tafeln. Stuttgart, Alb. Heitz, 1880, 8., 100 S.;
s. die Anzeigen im Liter. Centralblatt 1880, N. 34, S. 1201—3 (Pauli);
in der Deutschen Literaturzeitung 1881, N. 13, 8.456 — 57 (Körte);
in der Academy 1880, N. 433 (Sayce); im Athenaeum 1880, N. 2751
(Taylor),
vereinigte ich mich mit Pauli zur weiteren gemeinsamen Herausgabe un-
serer Forschungen, und so erschienen noch:
Dr. W. Deecke und Dr. C. Pauli, Etruskische Forschungen und
Studien. Stuttgart, Alb. Heitz. 8
l. C. Pauli, Etruskische Studien, 4. Heft, 1881, VI, 94 S. 1. Noch
einmal die lautni- und etera-Frage-, 2. Nachträge und Neues in Bezug
auf arnB^ial und larBial und ihre Verwandten.
n. W. Deecke, Etruskische Forschungen, 5. Heft, 1882, 98 S.,
mit 6 Tafeln. 1. Der Dativ lar^iale und die Staramerweiterung auf
-alt (die etruskische Sprache indogermanisch-italisch) ; 2. Nachtrag zum
Templum von Piacenza (die Leber ein Templum).
Die Resultate aus dem (schon im vorigen Jahresberichte erwähn-
ten) Terzo Supplemento zu Fabretti's Corpus Inscriptionum Italicarum,
aus Gamurrini's Appendice, den zwei ersten Heften von Pauli's Studien,
Poggi's Contribuzioni u. s. w. habe ich zusammengestellt in :
W. Deecke, Neuere etruskische Publicationen. Göttingische Ge-
lehrte Anzeigen, 1880, Stück 45 und 46, S. 1409—1450.
Die wichtigsten neuen Momente sind: aus dem Gebiete der Schrift :
das Alphabet von Grosseto und die Zeichen der sogenannten serviani-
schen Mauer; das Zahlwort eslem[z\a{^ru7nis; aus der Lautlehre : die weite
Ausdehnung der liquidae und nasales sonantes und die sporadische Ver-
tretung beider durch a {ariS = arnd-\ ratacs ^ frutr[e\x)\ auch silben-
bildendes ü, /, .s-, z\ die Diphthongirung des u in lu {partiunus^ tiucuntinen
neben purtumcn^ tuaintmen); der Uebergang von / in /* {he&ari = lel^ari);
die Erweichung von s durch z zu r, das auch ausfällt {frcmsna, fremzna,
fremrna^ fremna); der Wechsel von /// und n {leS-ns = IcHms, Genit. V.
Icd-am); der durch Pauli in grossem Umfange constatirte Abfall eines
schliessendcu ä und l nach Vocalen; aus der Wortbildungslehre die
neuen Suffixe -tre^ -am, -lvm\ im Vocabular die Vornamensiglcn v^- (vcl^ef)
und tr- {trepif), eine Reihe Verwandtschafts- und Amtsnamen {ratncs
»Bruder«, nefts »Enkel«, imon/h »Urenkel«; pard-nc^ eprt^ne, iiiaru
u. s. w.); nicht wenige Götternamen (s. unten) u. s. w.
Was die Untersuchungen über lauini u. s. w. betrifft, so ist das
Endresultat Pauli's, dass lautni, von lautn c=familia abgeleitet, familiaris
(nicht li/jeiiiiti) heisst ; eteru = her CK ; lautn' eteri = fainiliari.'i licredarius.
16»
244 Italische Sprachen.
— Die Formen larUiäl, am&iäl hat er als durchweg männliche Genitive
nachgewiesen und auch die männlichen Nominative lar&i, arnBi dazu con-
statirt; larf^, amß sieht er als Verkürzungen an, dazu die Genitive larßrd^
arnikil. Die Feminina lauten stets lnr&i{fi), amfUia)-^ Gen. lurdiäl, amBiäl.
Meine abweichende Ansicht s. unten. Trefflich dagegen hat Pauli für
larBl die Grundform *laurun&i (nur das u ist zweifelhaft) = lat. Lauren-
tius nachgewiesen; ebenso arnbi = urun^i = lat. Aruntiu8\ fastia = *Fau-
stia statt Fausta, doch sieht er diese Namen alle als Entlehnungen an.
Aus dem dritten Heft Pauli's sind als sichere Ergebnisse zu ver-
zeichnen: mi (auch minf) als Demonstrativ; ndl »eigen« oder »Eigen-
thum«; sta = sistit, ponit^ dedicat; clu^i (auch clHl) = dat, donat\ mul-
vannice u. S.W. ^= dedicavit\ malena^ malstria »Spiegel«; cver und -cvil (in
Compositis) »Geschenk«; ten- »verwalten«; dannursi^ Dativ (nach seiner
jetzigen Auffassung Genitiv) des Götternameus i^anr\ ziyuye = scripsit,
s. zipi, zipia = Scribonius (Bilinguis). Andres ist zweifelhafter, wie
alpan »Geschenk«; cuna = oiius\ oder unwahrscheinlich, wie ab^[ii\inic
»nobilis« (später mit eto-a verbunden) ; cares, cnru, cerinu »monumentum«;
cerine »memoria«; ceriyu, ceriyuji&e »lapis memorialis« ; cei »ponit« ; ceya,
ceyasie »tribus, tribunus« u. s. w. Das Verzeichniss am Schlüsse enthält
164 etruskische Wörter.
Die Echtheit der Bronze von Place nza (s. d. vor. Jahresbericht
Abth. HI 8. 29) ist jetzt wohl allgemein anerkannt, zumal Körte ein ähn-
liches roheres Geräth von Alabaster in der Hand einer Volterraner Sarg-
figur aufgefunden hat. Die Bronze stellt in erster Linie eine idealisirte
Normalleber dar, wie sie den haruspices bei der Untersuchung derOpfer-
thierleber als Muster diente. Sie zeigt ferner das Schema des Tempi ums
in angepasster Variation. Es kommt so auf einen Schlag Zusammenhang
in die Gesammtheit der etruskischen Disciplin: wie der Himmel, die
Erde, jedes sacral begrenzte Gebiet, eine Stadt, ein Lager, ein Gottes-
haus, ja der Mensch selbst, so galt auch die Leber als ein Templum,
und die Haruspicin beruhte auf demselben Fundament und Schema, wie
Augurium und Fulgurition. Wie in jeder Himmels-, Erd-, Stadt-, Leibes-
region gewisse Gottheiten ihren Hauptsitz hatten, dort walteten und thä-
tig waren und die dort erscheinenden Zeichen auf sie zurückgeführt wur-
den, so auch bei der Leber. Die Placentiner Bronze zeigt diese Re-
gioneneintheilung und enthält etwa 50 eingeschriebene Götternamen, die
Poggi und mir meist zu enträthseln gelungen ist. Das Göttersystem ist
italisch, nicht das griechische der Spiegel.
Eine erneute Durchmusterung des gesamraten etruskischen Mate-
rials hat mich im Frühjahr 1881 zu der Ueberzeugung gebracht, dass
das indogermanisch- italische Element in der etruskischen Sprache doch
so stark ist, dass es nicht als blosses Lehngut betrachtet werden kann,
dass es vielmehr den Grundstock bildet, an den sich das Fremde ange-
setzt hat. Dass dies fremde Element stark ist und noch viel Räthsel-
Etruskisch. 245
haftes übrig bleibt, läugne ich nicht; doch habe ich geglaubt, am Schlüsse
meines fünften Heftes Corsseu die volle Ehre geben zu müssen. Ich
habe dort die bisher gewonnenen Beweismaterialien zusammengestellt
und verweise darauf. Pauli's Einwendungen haben mich nicht erschüttert.
Unabhängig ist inzwischen SophusBuggezu fast dem gleichen Resultat,
wie ich, gekommen (s. Academy vom 6. Mai 1882). Ich betrachte jetzt
-äl{i) als Suffix generis communis = lat. -äli; der Genitiv dazu lautet ur-
sprünglich -älis, Dativ -äle; die Genitive auf -al sind abgestumpft aus
-ah; -alis. Die Formen auf -«Z(i) und -ial{i) sind Parallelstämme, wie
lat. La{u)rentalis und La{u)rentia.lis.
Ein einzelnes Denkmal ist von mir besprochen worden in:
W. Deecke, Le iscrizioni Etrusche del vaso di Tragliatella. An-
nali d. Istit. di Corr. Archeol. Roma 1881, 8., S. 160 — 68, mit 2 Tafeln.
Die Inschriften lauten:
truia = Troja
mi velena = haec {est) Helena
mi &es atei = hoc {vas) dat (oder dedicat) Atteia
mi amnu arce = hoc {vas) Amno{n) fecit.
Diese Inschriften allein zeigen schon, dass hier keine Barbarensprache
zu Grunde liegen kann.
Andere Einzelheiten sind behandelt in:
Ad. Kluegmann, Due specchj diBolsena e di Telamone. Ebendas.
1879, S. 38-53; dazu die Abbildungen Monum. iuediti XI, t. III.
Neu sind die Namen metvia = Mfj8zca; aezsun = Alaaiv, der Götter-
name rescial vermittelt die bisher bekannten Formen recial und res^ualc.
Ar. Fabretti, Di una moneta di oro, attribuita ai Volsiniesi.
Estratto degli Atti d. Re. Accad. d. Scie. di Torino, Vol. XV. Torino,
St. Reale, 1879, 8., 2 S.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird die bisher velzpapl gelesene
Inschrift einer berühmten etruskischen Goldmünze (s. Deecke Etr. Forsch.
II, 5 und S. 89, t. I, 1) als velznani (= Volsiniani?) gedeutet.
Die Ethnographie der Etrusker behandelt:
Joh. Gust. Cuno, Verbreitung des Etruskischen Stammes über
die italische Halbinsel. Programm von Graudenz, 1880, 4., 35 S.
Der Verfasser sucht eine weite Verbreitung der Etrusker, die nach
ihm den Kelten zunächst verwandt sind, aber auch den Italern nahc-
stehn, durch fast ganz Italien nachzuweisen, indem er sich dazu beson-
ders der Etymologie von Personen- und Ortsnamen bedient. So schliesst
er aus dem angeblichen alten Namen Italiens Argessa auf einen etrus-
kischen Stamm der *Argi, *Arci neben den Rasen(n)ac, und combinirt
246 Italische Sprachen.
damit die etruskischen Namen arkenzion und tircna (beide zweifelhaft),
einen libcrtus Argentillus, den Hafen Argoos auf Elba, den mons Ar-
gcntarius, die Sage von den Argivern in Südetrurien, den Arkadern in
Rom, das Argiletum, die sacra Argeorum, die Argillae in Campanicn,
den alten König Agrios (= *Argios), Tibur Argeo positum colono, den
Namen Agrippa, den Marserkönig Archippus, die Stadt Arpi = Argy-
ripa, die Argc(n)tini in Japygien, die Orte Argentanum und Arcias in
ßruttium, den Sicilier Arccns u. s. w. — So findet er den Stamm des
Etruskernamens selbst wieder in Turnus = *Turinus und geht im Ein-
zelnen die im Vergii aufgezählten Bundesgenossen desselben durch, über-
all Etrusker witternd. Die ßutuli selbst sind Raeti, Rasen{n)ae; Tar-
racina ist = Tarquiuii u. s. w. Die Ligurer werden als einer der Haupt-
stämme der Gallier bezeichnet und auch auf Sicilien gefunden. Der
Prüfung werth ist, was er über den ursprünglichen Cultus der Götter-
mutter = Venus und des Aeneas bei den venetisch-illyrischen Stämmen
sagt, von denen die Raranes, die Vorfahren der Römer, die einst mit
jenen zusamra engewohnt, ihn überkommen; siehe die Trojasage in Epirus
und Latium. Uebrigens werden auch die Namen Ramnes, Tities und
Luceres den Etruskern vindicirt. Eigeuthümlich kühn wird die Stelle
des Dionysius I, 30 über die Etrusker so gedeutet, als habe er sie erst
recht für Italer erklären wollen, »sie hätten gar nichts Fremdes an sich«.
Eine lebhafte Schilderung der etruskischen Grabstätten giebt:
Dr. Th. Bind seil, Die antiken Gräber Italien's. 1. Theil. Die
Gräber der Etrusker. Schneidemühl, Progr. 1881, 4., .52 S.
Die anziehend geschriebene Abhandlung beginnt mit einer Auf-
zählung und Beschreibung der Gräber um Chiusi (Clusium), erörtert
dann Zahl und Verbreitung der Begräbnissplätze und der erhaltenen
Gräber überhaupt; die Lage der Gräber (ohne sichere Orientiruug, doch
ausserhalb der Städte); ihre Bauart, theils Steiubauten mit Erdhügeln
(Gewölbe-, Kuppel-, Steinhaus-Gräber), theils Höhlengräber (unterirdisch
oder vorn offen oder gemischt); die Einzelheiten des Baues (Eingang,
Pfeiler, Decke, Facaden u. s. w.). Es werden dann die historisch-inter-
essanten Gräber (Cilnii, Tarquinii, Caecinae, Volumuii) und die durch
eigenthümliche Bauart ausgezeichneten (Cucumella, Poggio-Gajella =
Grab Porseua's?) besonders betrachtet; hierauf zu den Verzierungen über-
gegangen (Wände, Särge, cippi), die Gegenstände der Bildhauerarbeiten
und Gemälde geschildert; endlich die Bedeutung der Gräber als Fund-
orte mannigfacher für Kunst- und Culturgeschichte wichtiger Denkmäler
hervorgehoben. Den Schluss bildet eine Notiz über das Schicksal der
Gräber.
Die Arbeit von Fenn eil on Etruscan numerals in den Transactions
of the Cambrian Philol. Society 1879, S. 89 — 90, ist mir nicht zuge-
kommen; ebensowenig die Schrift: Etruskerne. En historisk sprogelig
Etruskisch. 247
Undersogelse afLaicusHyperboreus, Kopenhagen, Prior, 66 S. Auch
den Aufsatz: L'origine Turco - Tartarica degli Etruschi im Arcliivio di
Ictter. bibl. 1880, 5, S. 129-144; 6, S. 173—180, habe ich noch nicht
gesehen.
Kleinere Notizen stehen im Londuer Athenaeum N. 2694 (Clarke
on Etruscau Palaeglottology) und N. 2770 (The progress of Etruscan
discovery). Eine allgemeine Zusammenfassung des bisher Erreichten hat
Prof. Dr. Gustav Meyer in Graz »Die Etruskische Sprachfrage« in
der »Deutschen Rundschau«, VI (1880), N. 11, S. 232 - 243 gegeben,
fortgesetzt in der Beilage der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«, 1882,
N. 112 (vom 22. April).
Jahresbericht über lateinische Lexikographie
für 1881 und 1882 (Ende Juni).
Von
Professor Dr. K. E. Georges
in Gotha.
Forcellini, A., Totius latinitatis lexicon. Pars altera sive Ono-
masticon totius latinitatis, opera et studio Vinc. De-Vit lucubra-
tum. Distr. 19. Prati 1882. gr. 4. Bd. 2. S. 657—736.
Dieses Onomasticon schreitet so langsam vorwärts, dass der Schluss
desselben wohl kaum nach zwanzig Jahren erfolgen wird. Da der Ver-
fasser mit seinen Autorenausgaben durchaus nicht auf der Höhe der Zeit
steht, so ist bei Benutzung seines Werkes grosse Vorsicht anzuraten; es
muss jedes Citat in den neuesten Ausgaben nachgeschlagen werden. Ob
die Angaben in sachlicher Beziehung immer richtig sind, das zu beur-
teilen muss ich andern überlassen.
Ausführliches deutsch-lateinisches Handwörterbuch, aus den Quellen
zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und
Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten Hülfsmittel ausgear-
beitet von Karl Ernst Georges. Siebente, sehr verbesserte und
vermehrte Auflage. I. Bd. A-J. S. VEI und Sp. 2032. H. Bd. K— Z.
Sp. 2052.
Auch bei Bearbeitung dieser siebenten Auflage habe ich es mir
angelegen sein lassen, das Buch nach allen Seiten hin zu verbessern und
mit neuen Artikeln zu vermehren. Möge meine Jugendarbeit, trotz des
vielen Polterns gegen den Gebrauch eines deutsch -lateinischen Wörter-
buchs, sich den erworbenen Beifall auch ferner erhalten.
Kleines deutsch - lateinisches Handwörterbuch von Karl Ernst
Georges. Vierte verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig 1882.
S. Vm und Sp. 2620.
Diese vierte Auflage ist ebenfalls nicht ohne Verbesserungen und
Vermehrungen geblieben; namentlich hat das geographische Register
Lateinische Lexikographie. 249
bedeutende Zusätze erhalten. Auch habe ich in dem Buche die neue
Orthographie eingeführt, infolge dessen eine Menge Artikel umgestellt
werden mussten. Für die Brauchbarkeit des Werkes legt der Umstand
Zeugnis ab, dass es in siebzehn Jahren vier Auflagen erlebt hat.
Lexikon zu den Reden des Cicero, mit Angabe sämmtlicher Stellen.
Von H. Merguet. IIL Bd. l.— 20. Lieferung (bis potissimum). Jena
1881 und 1882. In 4.
Das Werk schreitet, wie die rasche Aufeinanderfolge der Liefe-
rungen zeigt, rüstig weiter. Wie ich bereits im Jahresbericht 1879/1880
bemerkt, liest jetzt C. F. W.Müller an manchen Stellen anders und es hätten
in wichtigen Fällen die Varianten der MüUer'schen Ausgabe in diesen
zwanzig Heften, die später erschienen sind als jene, angegeben werden
müssen. So liest z. B, Müller an vielen Stellen (z. B. Verr. 5, 80 u. 87)
luxuries, wo Kayser luxuria hat. Er schreibt mit Recht Verr. 5, 27 oc-
taphoro, da auch ad Q. fr. 2, 8 (10), 2 der cod. M. ottaforo hat, wie denn
auch in den neuesten Ausgaben Suet. Cal. 43 extr., Mart. 6, 84, 1 und
Apul. apol. 76 octaphoro gelesen wird; vgl. octastylos bei Vitr. 3, 2, 7 u. 8
und 3, 3, 7. — Müller hat Verr. 5, 23 parentium, Kayser parentum; Verr.
3, 195 solveres, Kayser persolveres. Es fehlt Bd. 3. Lief. 1. lamina,
Verr. 5, 163. Zu Bd. II trage ich nach: S. 64 (b) unter deni lies Verr.
2, 122 (st. 22). S. 724 (b) unter insulto streiche aliquem; denn Sest. 34
steht insultabat absolut und der Akkusativ multos gehört zu tenebat.
Dagegen musste stehen: alicui, Verr. 5, 132; vgl. unten die Anzeige von
Schüssler's Abhandlung.
Lexicon Taciteum ed. A. Gerber et A. Greef. Fase. IV. efiiugo-
fortuna. Lips. 1881. Lex.-8.
Das gediegene Werk schreitet, wie es nicht anders sein kann, lang-
sam vorwärts. Da die dritte Ausgabe des Tacitus von Halm vergriffen
ist und ein neuer Abdruck derselben sich nicht herstellen lässt, so hat
sich, nach einer Mitteilung aus München, Herr Direktor Halm entschlossen
eine neue Ausgabe mit kritischen Anmerkungen zu veranstalten. Möge
dieselbe dem lexicon Taciteum noch zu gute kommen.
Vollständiges Wörterbuch zu den Geschichtswerken des C. Sallustius
Crispus von der Verschwörung des Catilina und dem Kriege gegen
Jugurtha, sowie zu den Reden und Briefen aus den Historien. Von
OttoEichert. Dritte, verbesserte Auflage. Hannover 1881. S. 151 in 8.
Dieses Wörterbuch entspricht vollkommen den Anforderungen, die
man an ein solches nur zum Schulgebrauch ausgearbeitetes Buch machen
kann. Zu tadeln ist, dass den Citaten aus Catilina und Jugurtha nicht
auch die Paragraphcnzahlcn beigefügt sind, wodurch der Gebrauch des
Buches erschwert wird. Denn wer will z. B. Cat. 52 durchlesen, um in
250 Lateinische Lexikographie.
einem der 32 Paragraphen ein Wort im Zusammenhang nachzuschlagen?
Dass auch in der dritten Auflage noch adnuo (or. Lep. 25) fehlt, ob-
gleich unter annuo darauf verwiesen wird, ist ein Zeichen, dass sich
der Verfasser nicht die Mühe genommen, die Artikel seines Schulwörter-
buches mit denen des Index verborum in der grossen Dictsch'schen Aus-
gabe zu kontrolieren, obgleich auch dieser nicht von Schnitzern frei ist;
wie denn S. 242 ein Stichwort inguis (st. inguen), S. 264 ein Stichwort
luguber, S. 393 ein Stichwort velitarius (st. velitaris) paradiert; und
Artikel fehlen, wie pergnarus, bist. 4, 1, peridoneus, bist. 1, 86, per-
incertus, bist. 4, 35, servo, are (Cat. 31, 7). Unter supplex steht,
wie auch in Eicherfs Wörterbuch, voce supplici orare, Cat. 31, 7, ob-
gleich alle Ausgaben (von Kortte, Kritz, Dietsch, Jordan) postulare
haben.
Vollständiges Wörterbuch zur Philippischen Geschichte des Justi-
uus. Von Otto Eichert. Hannover 1882. S. 200 in 8-
Dieses neue Wörterbuch zum Justin ist zunächst für das Bedürfnis
der Schüler berechnet; zugleich ist aber der Verfasser bemüht gewesen,
den Sprachschatz des Justin so erschöpfend auszubeuten und die Eigen-
tümlichkeiten desselben so vollständig zur Erscheinung zu bringen, als
die Rücksichtnahme auf jene erste Bestimmung des Buches gestattete.
Massgebend für die Bearbeitung war die Textesrecension von Jeep (1876);
doch sind auch die wichtigsten Abweichungen der Ausgaben von Frot-
scher (1827) und von Dübner (1831) berücksichtigt und durch die Buch-
staben F. und D. kenntlich gemacht worden. Die Ausgaben mit erklä-
renden Anmerkungen von Benecke (1830) und von Fittbogen (1835) hat
der Verfasser leider nicht gekannt.
Das Buch ist mit vielem Fleisse gearbeitet und reicht für das Be-
dürfnis der Schule vollständig aus. üeberall ist die Konstruktion der
Substantiva, Adjektiva und Verba angegeben; ebenso ist dem Schüler
öfter ein Fingerzeig zu einer richtigen Uebersetzung gegeben. Dagegen
lassen die Angaben für die Formlehre manches zu wünschen übrig. Nir-
gends ist bei Eigennamen der griechische Akkusativ Sing, auf -a und
der griechische Akkusativ Plur. auf -as angegeben; auch fehlt bei den
Substantiven der 3. Deklination auf -as (z. B. civitas) und auf -us (z. B.
palus, mus) die Angabe, dass der Genetiv Plur. oft auf -ium ausgeht;
umgekehrt der Genetiv Plur. der Substantiven auf -ans (infans) und auf
-ens (pareus) auf -um. Unter deus ist nicht angegeben, dass der No-
minativ Plur. immer bei Justin di lautet (s. 14, 4, 10; 18, 6, 12; 26, 2, 6;
28, 3, 6), weshalb es falsch ist, dass unter deus dreimal der Plural dei
steht; ebenso hat Dativ und Ablativ Plur. immer dis (z. B. 2, 9, 21;
2, 12, 9; 8, 3, 4; 10, 2, 5). Auch von idem lautet der Plural immer
idem, nicht iidem oder eidem (z. B. 14, 4, 11; 18, 1, 2; 18, 2, 8).
Unter jocus steht: »plur. joci und joca«; aber Justin hat nur zweimal
Lateinische Lexikographie. 251
jocos (7, 3, 4 und 9, 8, 8) und einmal Abi. jocis (39, 2, 5). Während der
Verfasser in seinem Wörterbuch zu Sallust die nur bei diesem vorkom-
menden Wörter mit einem Sternchen bezeichnet, ist dieses in bezug auf
die «TT«^ scprj/ieva bei Justin (meditabundus, 38, 3, 7, pervigilia, 24, 8, 14)
unterblieben. Auch zu einzelnen Bedeutungen von Wörtern, die nur bei
Justin vorkommen, hätte das Sternchen beigesetzt werden können. So
bei expositio, Aussetzung, bei fabrica, Metier, Beschäftigung, bei
obligatio linguae (13, 7, 1), bei obsidio, Gefangenschaft, bei orbi-
tas, Witwenstand (2, 4, 4), bei pridem, vor kurzem, unlängst (4, 3, 5;
12, 6, 7), bei stagno, stehen machen (36, 3, 7), bei successus, Fort-
gang in der Zeit (1, 8, 14), bei susceptor, Entrepreneur {ipyoMßog,
8, 3, 8).
Ich gebe nun für eine zweite Auflage einige Bemerkungen. S. 2(a)
abutor ist nicht »missbrauchen«, sondern »sich zu nutze macheu, be-
nutzen«. - S. 6 (a) adsisto; 23, 2, 11 ist adsistentes Subst. = die Um-
stehenden. — S. 7 (a) aedilis ist Uebersetzung des griechischen dyopa-
vo/iog, Marktmeister. — S. 8 (a) unter aequus musste es heissen: aequura
est mit folgendem Akkusativ und Infinitiv, 34, 3, 7; aequum censere mit
folgendem Akkusativ und Infinitiv, 12, 11, 5. - S. 9 (b) ago. Es konnte
bei »gratias agere« bloss auf »gratia« verwiesen werden, wo die Angaben
genauer sind. — S. 10 (b). Unter alieno musste statt alqm alci stehen
alienari alci, G, 1, 7 (wo: rex Tisaferni alienatus). — S. 16 (a). Unter
arbiter ist arbiter belli ac pacis, Herr (nicht Schiedsrichter) über Kr.
und Fr., 5, 2, 11 ; und unter arbitrium sind arbitria pacis, nicht »Frie-
densaussprüche (was gar nicht deutsch), sondern »Friedensvermittelung«,
22, 2, 5. - S. 18 astus kommt bei Justin, wie auch sonst meistens, nur
im Ablativ vor; es musste daher »astus, Abi. astu« stehen. — S. 19.
attraho heisst 23, 3, 12 »zu teil werden lassen, verschaften«. — S. 26 (a).
Unter auspicium no. 2 fehlt auspicia regni a parricidio incipientes,
26,2,2. — S. 21. Musste unter bellum stehen: Graeciae, mit, gegen
Gr, 1, 7, 40, wie bellum Armeniae, gegen A., 42, 4, 1 (welches fehlt). —
S. 23 (a). Unter caedes übersetzt der Verfasser mit Schwarz dies cac-
dium durch »Mordtag« (21, 4, 0), was undeutsch statt »der Tag für die
Ausführung des Mordes« oder »der zum Morde festgesetzte Tag«. — S. 33.
Unter concurro musste es heissen: in occasionem reciperandae liber-
tatis ad arma, 12, 1, 6. — S. 38 (a). Unter contendo fehlt: Cretam et
Lacedaem.ona ad cognoscendas Minois et Lycurgi inclitas ea tempestatc
leges, 20,4,4. — S. 48 (a). Zu deputo: 24, 8, 2 ist deputantes bloss
Jeep's Konjektur; alle andern Herausgeber lesen mit den codd. repouen-
tes. — S. 53 (b). Unter do fehlt: alicui Maccdoniam in praemium belli,
30,4,18. — S. 57 (b). Neben Eleusin ist auch Eleusina aufgeführt;
aber 5, 10. § 4 u. 7 ist Eleusina griech. Akk. — S. 63 (b) expendo:
12, 11, 3 steht nicht talenta, sondern XX milia talcntüm. — S. 77 (b).
Unter grex fehlt: cervorum gregcs, Rudel, 44,4,8. — S. 86 (a). Unter
252 Lateinische Lexikographie.
includo musste es bei der Stelle 17, 1, 12 heissen »angustis metis (bloss
Jeep nach Vcrniutunf,' angustiis)«, da die Ausgaben von Frotscher, Bc-
iiecke, Dübner und Fittbogcn nach den codd. so lesen und der Verfasser
unter meta auch diese Stelle anführt. - S. 90 (a). Unter inopia musste
stehen: continui belli et exhausti regni, in Folge des u. s. w., 7, 6, 3. —
S. 97 (b). Unter jungo durfte nicht stehen: junctum esse lateri alcjus,
Imdm. nicht von der Seite gehen, 30, 2, 5, sondern »regis lateri junctus,
dem K. stets zur Seite stehend«. - S. 109 (b). Unter minax war zu
setzen: animus minax in illo, hinsichtlich jenes, 1, 5, 5. — S. 113 (a).
Unter multitudo: in der Stelle 24,4, 1 ist multitudo = Bevölkerung.
— S. 121 (a) zu obtrectator; :31, 6, l steht: huic sententiae obtrecta-
tores, also mit Dativ, wie obtrecto. — S. 123 (b). Unter opacitas über-
setzt der Verfasser mit Schwarz op. tepidi aeris durch »Schattenlauheit«,
was undeutsch; es ist »die schattige (kühle) Temperatur (Ggstz. aprici-
tas). — S. 129 (b). Unter partus ist canis partu gravida, die hochträch-
tige (bei Phaedr. l, 19, 3 canis parturiens), 43, 4, 4. — S. 137 (b). poena
ist auch = Leiden, Marter, captivitatis, 11, 14, 11. — S. 161 (b). Zu re-
vertor; Justin hat auch einmal Perf. reverterunt, 12, 8, 17. — S. 173 (b).
Unter statuo musste es heissen: duodecim aras in belli vota, 11, 5, 4. —
S. 196 (b). Unter vicis steht falsch »vice versa« statt »versa vice«, wel-
ches die stetige Wortstellung auch sonst ist, s. E. Wölffiin Ueber die
Aufgaben^ der lateinischen Lexikographie (Rhein. Mus. XXXVII) S. 119 f.
— S. 197 (b). Zu vindico: 7, 5, 7 steht nicht »a suppliciis« sondern
bloss »suppliciis«, wie Curt. 9, 10 (41), 18 fame. Beide Stellen noch in
keinem Lexikon.
Druckfehler stehen S. 3 (a) Z. 19 v. o. lingae st. linguae. — S. 7 (b)
unter aemulatio praep. st. praef. — S. 24 (a) unter caninus, caninae,
ae st. canina, ae. — S. 53 (b) unter do däre st. däre. — Falsche Citate
stehen S. l (b) unter abscondo 31, 3, 4 st. 31, 2, 4. — S. 55 (a) unter
dubius 2, 31, 1 st. 2, 13, 1. — S. 76 (b) unter gravidus 34, 4, 4 st.
43, 4, 4.
Vollständiges Wörterbuch zu den Verwandlungen des Publius Ovi-
dius Naso. Von Otto Eichert. Hannover 1882. S. IV u. 300 in 8.
Der Verfasser hat einfach die Vorrede der vorigen Auflage wieder
abdrucken lassen und kein Wort über das gesagt, was in dieser achten
Auflage für Verbesserung und Vervollständigung geschehen ist. Im Be-
richt über die siebente Auflage hatte ich eine Menge Ausstellungen ge-
macht, welche alle in dieser achten berücksichtigt worden sind, so dass
dieselbe nicht bloss als verbesserte, sondern als bedeutend verbesserte
und vermehrte bezeichnet werden kann. Denn es ist jetzt der Text nach
der zweiten, Epoche machenden Ausgabe von Merkel zu Grunde gelegt,
aber daneben auch die Text -Ausgabe von Riese und die Ausgabe mit
Anmerkungen von Korn (nicht Koch, wie falsch in der Vorrede steht)
Lateinische Lexikographie. "253
berücksichtigt; die Text -Ausgabe von Korn (Berlin 1880) ist dem Ver-
fasser leider unbekannt geblieben, was um so mehr zu bedauern ist, als
Korn viele Lesarten und Konjekturen wieder aus dem Text entfernt und
sich mehr der Merkel'schen Rekognition angeschlossen hat. Ich lasse
nun einige Bemerkungen folgen. 8, 11 (b) unter aetas heisst es: bacae
parili aetate (in so fern auf ihnen das Geburtsjahr verzeichnet ward),
10, 115. Deutlicher in Polle's Wörterbuch: bacae parili aetate, Kapseln
von gleichem Alter, wie der Hirsch, dem sie bei der Geburt umgehängt
waren und die die Angabe seines Geburtstages enthielten, 10, 115. —
S. 40 (b) a. E. Carthaea (nicht Carthea) arva lesen Merkel und Korn
10, 109. — S. 42 (b) unter celer fehlt celer pennä, 8, 686. — S. 60 (b)
musste unter cubito stehen »(Konjektur von Merkel)-«, wie das S. 60 (a)
unter creta steht. — S. 61 (b) raussten am Ende von cum (Praep.)
Stellen mit angehängtem que gegeben werden, s. Polle's Wörterbuch.
— S. 64(a). Nur die Schreibung damma ist richtig. — S. 69. Unter
decipio musste bemerkt werden, dass Merkel 10, 475 diripit liest. —
S. 70 (a). Unter desperno musste bemerkt werden, dass 9, 149 (150)
nur Korn despernite nach seiner Vermutung liest; die andern Heraus-
geber (schon Burmann und Bach) lesen spernite. Es musste also stehen
»9, 250 (Konjektur von Korn)«. — S. 75 (b) am Ende heisst es: cur non
dat quod vaga turba sequatur, warum giebt er nicht ein Beispiel? 13, 221.
So auch Siebeiis -Polle. Thielmann in seiner unten angezeigten Schrift
über Da re schlägt S. 52 f. vor: warum thut er nicht etwas, wonach sich
die unstete Menge richten kann? — S. 114 (b) steht noch, wie in den
früheren Ausgaben, hümus statt hümus und S. 115 (a) 2. Hylous statt
Hyleus, 13, 684. — S. 128 (b) fehlt insTbilo, 15, 603. — S. 133 (b)
steht noch immer Ithys statt Itys. — S. 145 (b). ludibrium hat Korn
10, 225 in seiner ersten Ausgabe, aber in der zweiten liest er ganz an-
ders. — S. 155 (b) unter minuo: 7, 317 steht corporis artus (nicht bloss
artus), — S. 157 (a) Memnonides werden in Polle's Wörterbuch besser
erklärt. Dort heisst es: Memnonides, die neun Musen als Töchter der
Mnemosyne (w. s.), die auch Mvrjiiövrj hiess, oder der Moneta, deren grie-
chischer Name wahrscheinlich Mvrj/uü war. — S. 169 (a) zu 3. nixus.
Korn liest in der zweiten Ausgabe 9, 294 mit Merkel nach dessen Ver-
mutung Nixosque. Unter Nixi musste stehen »9, 294 (Konjektur von
Merkel)«. — S. 171 (a). Unter nox = Dunkel fehlt: caelum . . . ignavos
inclusit noctibus aestus, 7, 529 Merkel (Riese und Korn nubibus). —
S. 176 war mit Merkel und Riese ücyrhoe zu schreiben, wie Alexirhoe,
Callirhoe (nur Korn Ocyroe). — S. 193 (a). Der Artikel perosus ist zu
dürftig abgefasst. Es musste z. B. stehen: perosus lumen, das Licht
scheuend, 4, 414; perosus longum exilium, der 1. V. überdrüssig, 8, 183.
— S. 193 (b). Nicht perurgeo, sondern perurgueo musste stehen,
denn Merkel hat 2, 823 perurguet. — 8. 197 (b). Nicht piger, gra, grum,
musste es heissen, sondern piger, pigra, pTgrum. — S. 211. Unter pro-
254 Lateinische J.oxikoifrapliie.
nus fehlt: piojios suspensus in artus prolopt. = ita suspeusus, ut artus
(der Leib) proni vidcrentiir (nach Polle's Erklärung), 8, 398 nach Mer-
kel's Vermutung. - S. 223 (a). Unter rarus steht unvollständig quorcus
rarissima statt quereus rarissima patulis ramis, 7, (522; ebenso S. 22.") (a)
unter reddü unvollständig: faciem, statt omnibus faciem suam (allen ihre
eigentümliche Gestalt geben), (i, 122. - S. 22.-> (b) redux lesen Merkel,
Riese und Korn in der zweiten Ausgabe 14, (j7l ganz anders. — S. 230 (a).
Unter resido musste stehen: ardor resederat, 7, 76 (R.) ; denn Merkel
und Korn lesen recesserat. - S. 252. Unter species fehlt: ad speciem
redire eandem, 3, 474 nach Merkel's Konjektur (Korn faciem). —
S. 258 (a) zu submergo: 9, 593 haben Merkel, Riese und Korn sub-
versa, nur frühere, wie Burmann und Bach, submersa. - S. 2G4 (a) unter
tabesco schreibe tabuit ex illo, 4, 259. — S. 2h2 (bj. Statt Tyriüius
hat Merkel Cibyreius, Riese (710) Tinieius, Korn nach eigener Vermutung
Thymbreius. — S. 291 (b) zu vertigo: 8, 557 (nicht 556) haben Merkel
und Riese vertice, Korn nach eigener Vermutung vertigine, daher es
heissen musste: 8, 557 (K.). — S. 297 (b) unter 2. volo fehlt: mit nom.
und Inf., üda sorori esse velis, 2, 746. Unnötig ist es bei Verben das
Perfektum und Supinum anzuführen, wenn dieselben gar nicht in den
angegebenen Stellen vorkommen, wie z. B. unter deperdo und depereo,
da 5, 562 deperderet und 15, 168 deperit steht; eselsbrückenartig ist es
aber geradezu wenn z. B. die Participia tortus und tostus mit Ver-
weisung auf torqueo und torreo besonders aufgeführt werden. Ein Ter-
tianer, der die Metamorphosen liest, muss doch wissen, dass tortus von
torqueo und tostus von torreo herkommt.
Das Verbum Dare im Lateinischen als Repräsentant der indoeuro-
päischen Wurzel dha. Von Philipp Thielmann. Leipzig, 1882.
S. 134 in 8.
Herr Dr. Thielmann, der sich schon durch seine Schrift über den
Sprachgebrauch des Cornificius und andere Arbeiten als tüchtiger Phi-
lolog bewährt hat, giebt uns in obiger Abhandlung wieder einen Beweis
seiner bei einem jungen Gelehrten staunenswerten Belesenheit und seiner
musterhaften Behandlung des gewonnenen Stoffes.
Der Verfasser hat es unternommen, die Doppelnatur des lateini-
schen dare, die bisher mehr geahnt als klar erkannt worden ist, dar-
zulegen. Die Untersuchung, die in ihrem Grund und Wesen allerdings
eine sprachvergleicheude ist, kann doch nach des Verfassers Ueberzeu-
gung nur von Seiten der klassischen, speziell lateinischen Philologie ge-
führt werden.
Die Einteilung der Arbeit ist folgende: §. 1. Sprachwissenschaft-
liche Einleitung. §. 2. Schwierigkeiten der Untersuchung. §. 3. Methode
der Untersuchung. §. 4. Verbreitung von dare = dha in der römischen
Litteratur. §. 5. Anordnung des Stoffes. A. Dare = facere, machen.
Lateinische Lexikographie. 255
thun. B. Dare = setzen stellen legen, aufstellen, bestimmen, anordnen.
Unter no. A wird behandelt I. umschreibendes dare = machen in Ver-
bindung mit Substantiven, Adjektiven, mit Participien Perf. Passivi.
IL Dare = thun, machen, hervorbringen, verursachen, anstiften u. s. w.
und dann wieder als Unterabteilungen a) Dare = thun in Verbindung
mit einem Adverb oder dem Neutrum eines Pronomens, b) Dare =
machen in Verbindung mit Substantiven, c) Dare = machen mit prä-
dikativen Adjektiven. IIL Dare = facere (pai'cre) ex se, aus sich selber
hervorbringen. IV. Dare = facere mit abhängigem Infinitiv. No. B zer-
fällt in I. Dare = (wohin) setzen, stellen, legen. IL Dare aufstellen
= festsetzen, bestimmen, anordnen.
Abgesehen davon, ob wirklich ein dare = geben und ein dare
= machen, thun dem sanskritischen da und dah zu liebe anzunehmen
ist, giebt die Abhandlung reichhaltigen Stoff und ist eine schätzenswerte
Vorarbeit zur lexikalischen Behandlung des Artikels do. Ich lasse nun
einige Zusätze und Verbesserungen folgen.
Wenn S. 4 für se reddere mit Dativ bloss eine Stelle aus Homer.
Lat. 1024 angeführt wird, so kann das zu dem Irrtum führen, als ob erst
im Spätlatein diese Verbindung vorkomme. Die Lexika geben schon
Liv. 23, 9, 13 (se convivio). Hör. sat. 2, 7, 71 (se catenis). Sil. 4, 119
(se astris); 11, 36<i (sese epulis). Dazu Verg. Aen. 8, 170 (se terris, vom
Tageslicht). Val. Max. 3, 3, 1 (se urbi; vorher revertere ad tuos). Plin.
ep. 3, 1, 7 (se cubiculo ac stilo); ibid. 6, 16, 14 (se Pomponiano ceterisque
qui pervigilaverant). Mela 1, 9, 3 (se sibi, v. Nil). Sil. 16, 276 (notis
se terris). Lucan. 6, 320 (se patriae). Claud. in Rufin. 1, 364 (se autumni
plagis). — Wenn es S. 5 heisst: Bemerkenswert ist, dass er (Meissner)
zu Ter. Andr. 214 zuerst und bis jetzt allein Beispiele für dare = fest-
setzen, bestimmen, anordnen beibringt(f, so bemerke ich zunächst,
dass in dem Artikel do in Georges- Mühlmann's Thesaurus diese Be-
deutung schon berücksichtigt ist, und dann, dass Meissner gar nicht
von festsetzen, bestimmen, anordnen spricht und die gegebenen
Belegstellen zu dieser Bedeutung wie die Faust auf's Auge passen. Es
heisst dort bloss: Cic. Cat. m. 69: da (setze) supremum terapus (also
dare = annehmen, einräumen; vgl. Hör. ep. 2, 1, 125: si das hoc). Liv.
23, 3, 9 : date (stellt) pro malo atque improbo bonum seuatorem atque
justum (also dare geben — stellen, schaffen, wie schon Plaut, mil. 784:
aequi istuc faciam, dum eam des, quae sit quaestuosa, schaffst du mir
nur eine, welche u. s. w.). — S. 14. Statt dant animos juveni, Homer.
Lat. 900 (895 Bährens), sagt derselbe 395 animos juveni viresque mi-
nistrat, entlehnt aus Ovid. met. 5, 47, wo Ovid. datque animos sagt.
Wie fiduciam dare (Tac. ann. 11, 28 [und Val. Max. 3, 7, 1 a. E.]), so bei
Göthe: »das giebt ein Zutrauen«. - Spiritus facere heisst bei Liv. 30, 11, 3
nicht »Mut machen«, sondern »Imds Uebermut erwecken, Imd. »über-
mütig machen«; ebenso spiritus dare, Liv. 6, 18, 4. — S. 25. facere si-
256 Lateinische Lexikographie.
lentium steht ja schon Plaut. Pers. 519 (fac sileatiuni, schweig still). —
S. 35. Neben procliuin facere konnte auch adversum alqm proelium in-
secundum habere, Eutr. 9, :i4, angeführt werden; ebenso fehlt bei cer-
tamen dare das entsprechende certamen edere, Liv. 2, 43, 11; vgl. Curt.
10, 5 (15), 9. — S. 37. Bei Spart. Iladr. 25, 9 ist dare jocos doch wohl
nicht = Scherze machen, sondern = Scherze zum besten geben. — S. 40.
Für notum facere citiert der Verfasser Ovid. raet. 12, 64. Fronto p. 89 N.
Coripp. Job. praef. 5, aber es steht schon Cic. ad Att. 15, 19 extr. und
Plin. ep. 10, 59 (67). — ratum facere nicht bloss Liv. 28, 39, 16, sondern
schon Cic. de div. 1, 39, 85. Bei den Umschreibungen mit habere musste
auch ratum habere angeführt werden, s. Cic. Rose. Com. 1, 3; de nat.
deor. 1, 5, 10; part. or. 36, 125. Liv. 26, 31, 10; 30, 30, 9. infestum ha-
bere steht nicht bloss Cic. de rep. 3, 14, 24, sondern auch Cic. TuU. 8, 19;
ad Att. 16, 1, 3. Liv. 26, 24, 5. Nazar. pan. 17, 1; auch findet sich in-
festum efficere, Liv. 34, 62, 4. — profanum facere steht nicht bloss Verg.
Aen. 12, 779, sondern auch Cic. Verr. 4, 55, 122. — praegnautem (prae-
natem) facere steht auch Plaut, auiul. 163; mil. 1077. — S. 49. Plaut,
mil. 797 (799) sq. liest jetzt Ribbeck: ego rectis meis ei dabo. — S. 54.
cuneum facere steht ausser Caes. b. G. 6, 40, 2 und Coripp. Job. 8 (7), 430
auch Tac Germ. 7. Veget. mil. 3, 17. p. 101, 2 und p. 102, 3; 3, 18.
p. 102, 16 u. 17 ed. Lang. — S. 68. dare alci dolorem, Imd. eine Krän-
kung liereiteu, auch Cic. Cluent. 70, 200. — S. 69. Bei mortem dare alci
musste auch mortem facere alci erwähnt werden, s. Ovid. fast. 1,597 (et
mortem et nomen Druso Germania fecit). — S. 72. Für gemitus facere
(ausstossen) ist eine schlagende Stelle Gell. 1, 26, 7: querimonias aut
gemitus ejulatusque facere (vom Verfasser selbst S. 87 für querimonias
facere angeführt). — S. 73. Dare = erzeugen vom Manne auch CatuU.
61, 67 u. 212 (liberos dare). Val. Flacc. 1, 367 (pariter quos edidit Hy-
pso) und Firm. Mat. math. 5, 1. sect. 2. p. 117, 48 ed. Bas. 1551 (unam
tantum filiam dabit). Neben partu dare musste erwähnt werden partu
edere, Tac. ann. 2, 54, und bloss edere, ibid. 1, 10; 3, 61. Die Redensart
in lucem edere (edi) ist bloss mit Sen. Oedip. 939 belegt; aber in lucem
edi (editus) steht auch Cic. Tusc. 3, 1, 2 und (poet.) 1, 48, 115. Ovid.
met. 15, 221 (vom Verfasser S. 75 f. augeführt). Amm. 21, 14, 3. luci edere,
Cic. poet. de div. 2, 30, 64, sub lucem dare auch noch Juveuc. 1, 63. —
S. 74. In der Stelle Aulul. p. 49, 1 Peiper vilisque mater grande Puer-
perium dedit ist Puerperium dedit nicht, wie der Verfasser will, s. v. a.
peperit, sondern dedit allein ist = peperit und grande Puerperium ist
— ein grosses Kind (Geschöpf), da Puerperium auch meton. = Leibes-
frucht, Kind, s. die Lexika. — S. 78. Es steht sonitum facere auch von
Personen, s. Prop. 1, 20, 48 (tum sonitum rapto corpore fecit Hylas).
Vitr. 5, 4, 9 (cum chordarum sonitus aut vocis cantus factus fuerit). —
S. 80 heisst es: »Nach Ovid erscheint die Wendung (sonum dare) nur
noch einmal Val. Flacc. 3, 106«. Sie steht auch nochBoeth. cons. phil. 3.
Lateinische Lexikographie. 257
raetr. 1, 8 (uti notus desinit imbriferos dare sonos). — S. 8L Die Redens-
art sonum edere steht in Prosa schon Val. Max. 3, 2 ext. 6. Plin. 10, 81
und 17, 221. Zu strepitum facere gehört strepitum edere, Col. 12, 21, 2.
Für strepitum dare kenne auch ich keinen Beleg. -^ S. 83. Zu Stridoren!
dare gehört Stridoren! edere, Plin. 11, 107. — S. 84 liest man: »Clan-
gorem dare ist eine Neuerung des Sil. 4, 118, die keine Nachahmung
gefunden hat«. Aber s. schon Plin. 18, 363: cum terrestres volucres
contra aquam clangores dabunt. Dafür claugores laetissimos edere, Suet.
Dom. 6, clangorem fundere vastum, Cic. poet. Tusc. 2, 10, 24 v. 17. -
mugitus edere hat auch Arnob. 5, 5, hinnitum edere auch Val. Max. 7, 3.
ext. 2; 8, 11. ext. 4. — S. 86 musste bei cachinnum edere erwähnt werden
cachinnum tollere, Cic. fat. 5, 10. Horat. art. poet. 113. Suet. Aug. 98,
in cachinnos effundi, Suet. Cal. 32, in darum cachinnum etfundi, Apul.
met. 2, 14. Wenn es daselbst (S. 86) heisst: Gemitus facere als Um-
schreibung von gemere ist dem Gellius eigentümlich, so ist das unrichtig,
s. Cato fr. bei Gell. 10, 3, 17 (= ed. Jordan p. 41, 10): sed quantum
luctura, quantum gemitum, quid laciimarum, quantum fietum factum audi-
vit? — S. 87. Zu plauctus edere, Juven. 10, 261, gehört planctus dare,
(Sen.) Octavia720, planctus facere, Vulg. Mich. 1, 8; 1. Macch. 1, 26;
zu ejulatus edere gehört ejulatus facere. Gell, l, 26, 7. Nicht complora-
tiones, sondern complorationem edere steht Justin. U, i», 13; dazu nuUas
complorationes edere, Gell. 12, 5, 3. — Üetum edere hat auch Dict. 5, 9,
und dazu gehört fietum facere, Cato fr. bei Gell. 10, 3, 17 (s. oben zu
S. 86). Vulg. Judith 7, 18 ; act. apost. 20, 37, Hetus fundere, Ovid. met.
11, 672. Sen. Troad. 131, üetus eö'undere, Verg. Aen. 2, 271. - cantus
dare hat auch Tibull. 3, 4, 40. Es fehlt cantus edere, Catull. 64, 300,
cantum vocis facere, Vitr. 5, 4, 9 (cum chordarum sonitus aut vocis can-
tus factus fuerit). Hierher gehört auch dare carmen (von Vögeln), Prop.
4 (.5), 3, 32. - S. 88. Es fehlt neben concentum reddere noch concentus
edere (von Flötenspielern), Val. Max. 2, 5, 4. choros dare steht nicht
bloss Homer, lat. 886 (881 Bährens), sondern schon Pall. ine. fr. 36
p. 118 R. Marl. 4, 44, 4; so auch dare molles choreas, Mart. 1, 104, 9. —
S. 97. Cael. bei Cic. ep. 8, 15, 2 heisst: usque quaque, inquis, se Domitii
male dant, nicht »die Domitier blamieren sich«, sondern, wie der ganze
Zusammenhang lehrt, »die Domitier haben auf allen Wegen und Stegen
Pech, bringen . . . Unglück«. S. 102. Plaut, niil. 2, 3, 37 liest jetzt
Ribbeck (308): lila ec suo sed hospitio edit foras. - Zu se intro dare
(Cic. Caecin. 5, 13) konnte verglichen werden se intro conicere, Ter.
haut. 277, se intro corriperc, Ter. Hec. 365, se intro capessere, Apul. met.
1,22. — S. 103. Dass Tel-, adelph. 3, 2, 13 (311) obviam das Adjektiv
sei, wie der Verfasser behauptet, kann ich nicht zugeben. Terenz ge-
braucht nur obviam (Adv.); auch Wagner zu Ter. haut. 758 nimmt ob-
viam als Adverb. Ausser obviam ticri alicui ist auch obvium ficri mit
und ohne alicui ganz gut, s. Auct. b. Afr. 89, 4. Liv. 1, 60, 1. Verg. Aen.
fahreisbencht fiir Alteithvim<;wis<;ensch.-irt XXVIM. (1881. U[.) I7
258 Lateinische Lexikographie.
10, 380. Plin. 7, 32. Apul. met. 9, 39; vgl. auch si ille obvius ei futurus
omnino non erat, Cic. Mil. 18, 47. — S. HO. veno ponere, Tac. ann. 14, 15
ist durchaus nicht völlig gleich dem veno oder venum dare, sondern
heisst »zum Verkauf ausstellen«. — S. 112. Zu dare dicta ventis, Val.
Flacc. 5, 21, gehörte noch eher dare verba et vela ventis, Ovid. her. 2, 2r>^
dare verba in ventos, Ovid. am, 1, 0, 42. — S. 120. Zu dare in carce-
rem konnte auch dare in caveam, Plaut, capt. 124, angeführt werden.
Zu servis indere compedes vgl. ut istas compedis tibi ad im am, huic
dem, Plaut, capt. 1027 (1024). — S- 121. Neben in ergastulum dare
konnte auch ergastulis dedere, Cod. Thcod. 9, 40, 3, stehen; neben car-
nifici dedere oder tradere auch ego illum excruciandum totum carnufici
dabo, Plaut. Poen. 5, 5, 23. — S. 122. Der von Lupus gemachte Unter-
schied von ad supplicium dare (Nep. Phoc 5, 5. Suet. Cal. 11) und ad
supplicium tradere (Liv. 29, 3, 4. Tac. ann. 11, 35) ist ein eingebildeter.
Beide sind s. v. a. zur Hinrichtung überantworten; vgl. auch Weissenbom
zu Liv. a. a. 0. Die Beispiele bei Lupus aus Plautus passen gar nicht.
Zu ad mortem dare gehört ad exitiura dare, Tac. bist. 2, 10, und ad
exitium dedere, Tac. ann. 1, 32. — S. 123. neci dare steht auch Acc. tr.
fr. bei Non. 251, 25 sq. ed. Quicherat (noch Acc. tr. 347 ed. 1 Ribb.) nach
Junius' Vermutung, aber Ribbeck Acc. tr. 348 ed. 2 liest jetzt anders;
in Prosa steht die Verbindung auch Spartian. Sever. 8, 3 (proscriptioni
ac neci »dare). dare excidio hat auch Liv. l, 29, 6 (urbem excidio et
ruinis dare). Zu captivitati dare gehört captivitati tradere, Eumen. pan.
(VI) Constant. 6, 4, und in captivitatem tradere, Vulg. in psalm. 77, 61,
in captivitatem redigere, Vulg. 2. Cor. 10, 5. in captivitatem dare ohne
Dativ steht Vulg. Judith 16, 6. — S. 125. Die von Modius und Heinsius
aus dem cod. Colon, aufgenommene Lesart bei Sil. It. 5, 86: dabunt idem
(superi) camposque diemque wird gestützt durch Oros. 5, 16, 14: dato
die ad pugnam et campo. — alci diera dare (eine Frist setzen) hat
auch Plin. ep. 3, 9, 32. — tempore dato, Nep. Hann. 2, 2, heisst sicher
»bei gegebener Gelegenheit« ; vgl. dato tempore (= wenn die Zeit kommt),
Tac. ann. 4, 44 extr. und occasione data, Cic. Phil. 7, 6, 18. Nep. Ham. 1, 2.
Oft steht stato tempore, Plin. 9, 9; 9, 36; 11, 29; 11, 173. Curt. 6, 3 (7), 7.
— S. 128. dator legum hat auch Hier. ep. 78 maus. 39. p. 720 Migne
(p. 493 Vall.). — Claud. 17, 34 steht nicht edicta dare, sondern terris
edieta daturus, responsa supplicibus, also = erteilen, ergehen lassen;
vgl. dare ubique crudelissimae persecutionis edicta, Oros. 7, 10, 1; dare
edicta regis satrapis, Vulg. l. Esdr. 8, 36. — S. 131. judicem dare ali-
quem steht schon Plaut, merc. 752. — S. 132. alicui tutorera dare hat
auch Justin. 34, 3, 6. Eutr. 6, 21, dare aliquem alicui tutorem, Plin. ep.
9, 13, 16. — Cic. fin. 2, 24, 79 steht nicht vadem dare, sondern vadem
se ad mortem tyranno dare pro amico, wie Val. Max. 4, 7. ext. 1: vadem
se pro reditu ejus (amici) tyranno dare; aber praedes vades praetori
Lateinische Lexikographie. 259
dare, Liv. epit. 48. — legis datio steht auch Lex. Maniil, in Gromat.
vet. p. 265, 8 Lachm.
Ueber die Aufgaben der lateinischen Lexikographie, von Eduard
Wölfflin (im Rhein. Museum N. F. Bd. XXXVH. S. 83—123).
Nachdem es eine Hauptaufgabe der letzten Jahrzehnte gewesen
die Handschriften der Klassiker aufzusuchen, in Familien zu sondern
und an Stelle der Vulgata auf Grund der besten Ueberlieferungen und
mit Hülfe der auctores, imitatores, testiraonia sowie der Divinationskritik
neue Texte aufzubauen, sei es nun, meint Wölfflin, an der Zeit, an den
Ausbau der lateinischen Lexikographie und Grammatik zu denken. Der
Aufbau einer Sprachgeschichte von den Anfangen des Lateinischen bis
zu seinem Untergange werde auch für Kritik und Litteraturgeschichte,
ja auch für andere Teile der Philologie reiche Ausbeute liefern. Man
wird uns, sagt Wölfflin weiter, vor der Hand auf das Lexikon von For-
cellini-De Vit verweisen, ahnt aber sicher nicht, dass die Herausgeber
von den Fortschritten, welche die Wissenschaft seit 3U und 40 Jahren
gemacht, nur ausnahmsweise Notiz genommen. Das einzige brauchbare
Wörterbuch von K. E. Georges (7. Aufl. 1879. 1880) leistet zwar an
Akribie was man von einem Arbeiter überhaupt nur erwarten darf und
an Vollständigkeit so viel als sich mit dem Begriff ' Handwörterbuch' zu-
sammenreimen lässt, muss sich aber notwendig von einem für die Ge-
lehrten bestimmten ' Thesaurus' nach der Art des Stephanus unterschei-
den. Doch auch der beste Thesaurus wird nicht allen alles bieten können,
da, um nur den Wortschatz der lateinischen Sprache zu registrieren,
100 Bände, bei blosser Anführung von Autornamen, Büchertiteln, Buch-,
Kapitel- und Paragraphenzahlen viel mehr als 100 Bände, bei Citationen
knappsten Zuschnittes 3U0 Bände nötig wären. Einen solchen Thesaurus
wird aber weder ein Mensch oder mehrere ausarbeiten, noch ein Ver-
leger drucken, noch auch - wegen seiner Stofffülle •— ein Philologe
gebrauchen können. Auch ein grossartig angelegter Thesaurus wird
minder Wichtiges übergehen, manclics nur zusammenfassend andeuten
und für viele Details auf Specialwörterbücher verweisen müssen.
Man wird von dem Lexikographen wohl verlangen dürfen, dass er
mit kritischem Urteile die besten Ausgaben benutze i), aber nur da Kon-
jekturen mache, wo sie sich ihm durch Vergleichung von Parallelen von
selbst darbieten. Einen Teil der ana^ sipr^fiiva, die noch unberechtigt
in den Wörterbüchern stehen, auszumerzen, wird zunächst Sache der Kri-
1) Wie aber wenn die Lesarten iu den besten Ausgaben, z. B. des Cicero
von Baiter und Kayser und von Müller, variieren? Man wird da wohl eine
Ausgabe, wie im Lexikon zu den Reden des Cicero die von Baiter und Kaysor,
im Lexicon Taciteum von Gerber und Greef die von Halm zu Grunde legen
und wo es in wichtigen Fällen nötig die Varianten verzeichnen müssen.
17*
260 Lateinische Lexikof,'raphic.
tiker seiu^). Ebenso wollen wir es den Orthogiaphen überlassen, die
richtige Schreibung, beziehungsweise die Zeitalter zweier verschiedener
Orthügrai)hicen festzustellen, so wie den Grammatikern die Flexion zu
bestimmen (hier bespricht nun Wölfllin die ursprüngliche Schreibung
Poenicus = Punicus, die sich noch bei Nepos und Gellius findet). Die
erste Aufgabe, in welcher der Lexikograph den Grammatiker zu ergänzen
hat, wird darin bestehen, genau anzugeben, ob alle Formen eines "Wortes
gleichmässig im Gebrauche seien, ob alle Kasus (satias, satietatis), ob
Komparativ und Superlativ (ferus, ferocior, ferocissimus), ob alle Verbal-
formen (incipio, coepi). Als Beispiel wird die für das modernere noiens
vülens übliche Formel seu velit (velint) seu nolit (nolint), velim nolim
oder velis nolis u. s. f., velim nolimve oder velis nolisve besprochen und
mit einer reichen Stellensammlung ausgestattet. Ich bringe noch bei:
seu velit seu nolit, Julian, dig. 28, 1, 2. velit nolit, Anson. prof. 19, 14;
edyll. 13 extr. (Prosa), p. 214 Bip. velimus noliraus, Tert. apol. 23. velint
nolint, Plin. pan. 20, 6. nolis velisne (Variante velisve), Prud. perist. 10, 71.
Erst bei Augustin. findet sich volens nolensque, nachdem schon Sen. ep.
107, 11 in einem Verse gesagt hat: Ducunt volentem fata, nolentem
trahunt. Dazu bemerke ich, dass auch Apul. met. 9, 28 steht : deducebat
ad torum nolentem puerum. Hierauf wird über das Vorkommen von
gesta (= Thaten) berichtet und mit zahlreichen Stellen belegt, zu denen
ich nocfi füge: Claud. 21, 380 (Punica gesta). Tac bist. 4, 34 und Agr. 18
extr. (gesta). Vopisc. Num. ll, 2 (patris ejus gesta). Auson. edyll. 20, 1
(Clio gesta canens).
Auf die Flexionsform pflegt die Bedeutung eines Wortes zu folgen.
Hierzu bringt Wölfflin ein paar Beispiele zur Berichtigung und Ergän-
zung des Wörterbuchs, nämlich: situs (Germaniae u. dgl.) = Geographie
oder Topographie (s. auch Wölfflin im Hermes XI, 120 f.) und litteratura
bei den Eccl. = Litteratur (z. B. Tert. de idol. 15; apol. 47. Hieron.
comm. in Arnos, lib. IV. c. 6 =. vol. VI. p. 313 ed. Vallars. od. 1112 ed.
Migne). Das Wort steht in dieser Bedeutung auch Augustin. serm. 150, 2
und de civ. dei 6, 6, 1.
Während die Bedeutungsverschiebuugeu, die sich in der klassischen
und silbernen Latinität vollzogen haben, im allgemeinen bekannt sind,
ist für das Spätlatein die Nuance der Bedeutung an jeder einzelnen Stelle
oft noch unklar. Daher kann es z. B. unter Umständen streitig sein,
ob auricula das kleine Ohr oder das Ohrläppchen oder nach jüngerer
Latinität (franz. oreille) bereits das Ohr bedeute. Es folgen einige
2) Ich selbst habe eine grosse Anzahl falscher äna^ tlp-qßi-.a aus dem
Wörterbuch ausgeschieden, die noch im Forcellini von De-Vit stehen. Leute,
die schlechte Texte haben, beehren mich oft mit der Angabo, dass dieses und
jenes Wort, welches schlechte Lesart ist, in meinem Haudwörterbuche nicht zu
finden sei.
Lateinische Lexikographie 261
Beispiele aus der späteren Latiiiität. Aber schon Hör. ep. 1, 2, 53 sind
auriciilae sorde dolentes doch wohl Ohren überhaupt. Andere Beispiele
sind noch Hygiu. fab. 191. p. 122 Schin. (tuuc Apollo iudiguatus Midae
dixit: 'quäle cor in judicando habuisti tales auriculas habebis', quibus
diris effecit ut asininas habebat aures). Plin. Val. 1, 11 (auriculas gra-
viter audientes emendat).
Da praktische Rücksichten dem Lexikographen nicht gestatten
sämtliche Belegstellen, auch wenn sie gesammelt wären, abzudrucken,
so muss man sich auf das Wichtigste beschränken und sich an den eben
so einleuchtenden als anerkannten Grundsatz halten, vor allem die älteste
Belegstelle zu geben. Beispielsweise führen die Lexika nicht an, dass
pilosus zuerst schon bei Catull. 16, 10 vorkommt (wozu ich bemerke,
dass pilosi dort substantivisch steht = behaarte, bemooste Bursche, wie
auch Mart. i), 27, 7 und 9, 47, 5); dann persaepe, schon bei Lucrez
und Catull. 63, 340, idcirco auch bei Plautus, modernus schon bei
Euuodius (.5. Jahrb. u. Chr.), cyprius (cupreus) = kupfern bei Vitruv
(wozu ich bemerke, dass ich Vitr. 7, 11, 1. p. 180, 29 Rose lieber Cyprium
aes schreiben möchte, wie Plin. 34. § 4).
Die Konsequenz würde verlangen, dass der Lexikograph ausser
der frühesten Belegstelle auch die letzte sorgfältig anmerke. Aber wo
hört denn die lateinische Sprache auf? und welchen Sinn könnte es ha-
ben das Wort tabula noch bei einem Autor des 5., 6., 7. Jahrhunderts
n. Chr. nachzuweisen? Allerdings keinen bei Wörtern, die sich in den
romanischen Sprachen erhalten haben, aber einen sehr tiefen bei denen,
welche abgestorben sind, obschon hierfür das allgemeine Verständnis
noch fehlt. Es ist an der Forderung festzuhalten, dass jeder [in diese
Kategorie gehörige] lexikalische Artikel den Charakter einer Biographie
tragen müsse. Beispielsweise werden nun behandelt die Artikel actu-
tum (von Plautus bis Symmachus) 3) , prosapia (von Plautus bis zu Leo
Magnus), absque (von Plautus bis Martianus Capeila).
Es giebt auch Wörter, welche von den einen Autoren konsequent
vermieden, von anderen gleichzeitigen unbedenklich gebraucht werden.
So ist das landläufige konzessive etsi bei Vergil*) und Horaz, bei Sallust
3) Hier haben wir den oben S. 259 Anm. 1 besprochenen Fall. Cic. Phil.
12, 1 1, 26 liest Kayser actutum, Halm und Müller haben acturum ; Cic. ad Att.
1, 12, 1 und 15, 5, 2 lesen Boot, Baiter und Weseuberg acturum.
4) Hier irrt WöltÜiu mit Hand Turs. 2, 600. Deuu etsi steht bei Verg.
Aon. 2, 583 und 9, 44 (43). Wenn Hand a. a 0. sagt etsi stehe nur einmal bei
Properz, so ist das ebenfalls unrichtig; denn es steht ausser 2, 19, 1 auch 2, 2, 16.
Bei Tibull findet es sich 1, 9, 3 (auch Haupt) und 3, 6, 47. Noch bemerke
ich, dass der jüngere Plinius in den Briefen etsi nicht hat, dagegen dreimal
im Panegyricus (63, 1; 70, 5; 90, 6).
262 Lateinische Lexikographie.
und Quintilian nicht zu finden. Als ^jweites Beispiel bespricht Wölfflin
ncc opinans (schon Ter. Andr. 180. haut. 18ß [nicht 189J. Hec. 362.
Lucr. 3, <J59 [und Fall. fab. ine. fr. 44. p. HO R^]). Wenn es dann heisst:
So kam der Verfasser des bellum Alexandrinum auf die Form neque
opinans u. s. w., so bemerke ich, dass schon Lucil. sat. 4, 41 (= 124
Lachra.) sagt: adsequitur neque opinantcm. Daneben werden in opi-
nans, inopinatus und inopinus besprochen, wozu ich bemerke, dass
iuopinus in der Prosa sich noch bei Ammianus (z. B. 14, 2, 9; 19, 8, 11)
und bei Orosius (3, 1, 3) findet.
Noch fruchtbarer wird die Beobachtung des Fehlenden für die
Kritik der Echtheit und Unechtheit, resp. für die Bestimmung des Ver-
fassers einer Schrift. Hier wird nun durch Beispiele aus der Vulgata
(vescor, manduco, oppidum) dargethan, dass die lateinische Bibelüber-
setzung der Vulgata nicht das Werk eines einzelnen, resp. des Hierony-
mus sei, wie noch Rönsch irrtümlich meint.
Für die Beobachtung des Fehlenden ist endlich noch ein zu wenig
betonter Gesichtspunkt hervorzuheben: gewisse Wörter treten in be-
stimmten Ländern zurück. So weist z. ß. das spanische come (essen)
verglichen mit franz. manger darauf hin, dass südlich der Pyrenäen
comedere, in Gallien manducare durchgedrungen war.
Zuerst wird man nach den Ursachen des Unterganges bestimmter
Wörter fragen müssen, und diese sind vorwiegend die Kürze und das
Zusammenfallen mit Homonyraa, z. B. sociare, associer, sauciare*),
blesser.
Hierauf bespricht Wölfflin den Plural toti für omnes. Hierbei
wird mit Recht eine Reihe Verbindungen, die jetzt in dem Lexikon als
Beispiele für toti = omnes stehen dem totus = ganz vindiziert. So sind
z. B. tota armenta (Verg. Aen. 1, 185. Apul. met. 3, 18) ganze Rudel,
so ist totis horis (Plaut, mil. 213) = Tag und Nacht; und namentlich
ist die so oft vorkommende Verbindung totis viribus immer = mit
ganzen (ungeteilten) Kräften. Schon Raschig zu Phaedr. 4, 2 (3), 2 schreibt :
»summis viribus mit den höchsten Kräften, d. i. mit der höchsten
Anstrengung der Kräfte; dagegen l, 11, 7 totis viribus mit den ganzen
Kräften, d. i. mit Zusammeunehmung aller Kräfte«. Letzteres ist jedoch
nicht richtig, vielmehr ist totis viribus = mit Zusammenhaltung aller
Kräfte, dagegen omnibus viribus mit allen Kräften (die mir zu Gebote
5) Wenn hier Wölfflin in einer Anmerkung sagt: Ein transitives sau-
ciare kannte die ältere Latinität wohl noch nicht, sondern sie behalf sich mit
saucium facere, so ist das wieder ein Irrtum. Schon Forcellini (und nach
ihm Hudemann in Klotz Handwörterbuch) führt an: Plaut. Bacch. 64 und 213;
rud. 758. Dazu noch Caecil. com. 39 R 2 und Pompon. com. 18 (nach Ribbeck's
Vermutung;.
Lateinische Lexikographie. 263
stehen) = mit Zusamraennehmung aller Kräfte (z. B. Cic. Tusc. 3, 11, 25).
Wenn Wölfflin S. 106 sagt: »während im fünften Jahrhundert noch Oro-
sius korrekt schreibt«, so steht das im Widerspruch mit Zangemeister's
Index verborum zu Orosius, wo eine ganze Reihe Stellen für toti =
omnes aufgeführt werden. Wenn im Lexikon Celsianum unter totus
die Verbindungen id totum (7, 7, 10 extr. p. 278, 34), totum id (8, 10, 7.
p. 351, 13), totum illud (7, 29. p. 318, 36 Daremb.) durch ea omnia und
omnia illa erklärt werden, so ist das ebenfalls eine falsche Auffassung.
Die Worte sind = die ganze Stelle.
Jedes Wort ist aber nicht bloss an und für sich zu betrachten,
sondern auch in seiner Verbindung mit andern. Man wird darunter in
erster Linie die sogenannte Konstruktion verstehen. Wölfflin meint aber
auch alle Verbindungen von Substantiv und Attribut, Verbum und nähe-
rem und entfernterem Objekt, Präposition und Kasus u. s. w. Während
der Verfasser früher ausser Stande war anzugeben, ob dem italienischen
oltre modo ein lateinisches Vorbild entspreche oder nicht, bringt er
jetzt ultra modum bei, daneben auch die synonymen praeter mo-
dum, supra modum und super modum. Für letzteres bemerke ich,
dass Celsus (4, 20, 2. p. 154, 17 Dar.) doch auch super potionum modum
sagt und für ultra modum, dass es nach Cicero nicht erst der Philosoph
Seneca, sondern schon Celsus ultra modum (3, 7, 2. p. 89, 18 Dar.) und
ultra justum modum (7, 12, 3. p. 288, 26 Dar.) gebraucht hat. Dann
erörtert Wölfflin den Gebrauch des Adverbs recens, der sich anfangs
auf einige wenige Partizipia beschränkt hat und erst in spätem Jahr-
hunderten erweitert worden ist.
Hierauf bespricht der Verfasser die Konstruktion von d i g n u s mit
Genetiv und Dativ, von persuadere mit Akkusativ, von beue dicere
und male dicere mit Dativ und Akkusativ. Zu dignus mit Genetiv
giebt mein Handwörterbuch noch Intpr. Iren. 3, 21, 2 (hominum dignae
conscriptiones) , mit Dativ Orelli inscr. 4359 (monumentum mihi facias
dignum juvcntuti meae); zu indignus mit Genetiv noch Sil. 8, 383 (iu-
dignus avorum), mit Genetiv oder Dativ Val. Max. 9, 2. ext. 8 (indiguo
gloriae suae decreto), mit Dativ Tertull. de cult. fem. 2, 5 (quam indigna
nomini Christiano), con dignus (was nicht erwähnt wird) mit Dativ Ar-
nob. 1, 27 (auditui condigna). Ob Halm die noch in der fünften Auflage
zu Cic. Divin. in Caecil. 13, 42 angenommene Konstruktion mit Dativ in
Cic. Verr. 2, 16, 40 (quod supplicium dignum libidini ejus invenias?) auch
in den folgenden Auflagen beibehalten hat, weiss ich nicht; Baiter und
C. F. W. Müller lesen libidine und führen libidini nicht einmal als Va-
riante an.
Zum Schluss spricht der Verfasser über die Wortstellung, wobei
durch die angestellte Forschung herauskommt, dass die gewöhnliche
Wortstellung recta via (bes. im Abi.), rectum itcr (bes. recto itinere)
264 Lateinische Lexikographie
u. dgl.^); ferner versa vice (niemals vice versa)'); dann handelt er
über oj)cram dare und dare operain (vgl. für Livius auch M. Müller
n. Anh. zu 2, 44, 2); endlich über die nicht ganz selten vorkommende
Wortstellung populus senatusque, populus ac (oder et) senatus. Zu den
angeführten Belegen füge Arnob. 4, ?>'> (populus et senatus). Wilm. in.
scr. 2837 (poi)ulus Romanus senatusque). In einem Nachtrag handelt der
Verfasser noch über tanti = tot, quanti = qnot, aliquanti = ali-
quot. Dazu bemerke ich, tanti = tot steht auch Claud. in Rufin. l, 224
und 249; 2, 91; quanti = quot Claud. in p]utr. 1, 33 sq. rapt. Pros. 2, 308;
Seren. 212; IIL cons. Hon. 2G; Mall. Theod. 69: vgl. für tanti und quanti
Bünemann zu Lact. 1, 3, 21 und Hildebrand zu Apul. 7, 9. p. 552 (b), für
tanti, quanti und aliquanti Paucker's Scutarium p. 51 sq.
Wölfflin hat, wie schon in mehreren früheren Schriften, so auch
abermals in diesem Aufsatz wichtige Bausteine zum Lexikon der Zukunft
zusammengestellt und wird auch demnächst noch andere nicht minder
wichtige zu Tage fördern. Möge ihm Gesundheit und Kraft bleiben sei-
nen so grossartig angelegten Thesaurus linguae latinae zu Stande zu
bringen. Ob durch denselben so irrigen Behauptungen, wie sie heutiges
Tages selbst tüchtige Gelehrte über das Vorkommen eines Wortes oder
einer Konstruktion aufstellen, Thor und Riegel vorgeschoben werden wird,
bleibe dahingestellt^).
Etecutio rhetorica, qualis invenitur in Anuaei Senecae Suasoriis
et Controversiis. Scripsit H. S. Karsten. Rotterdam 1881. 18 S.
in hoch 4. (vgl. Jahrg. 1880, H, S. 140 f.).
Nachdem Herr Professor Karsten in der Einleitung die Ansicht
derer, welche behauptet haben, die für unecht erklärten Reden Cicero's
seien das Machwerk eines späteren Rhetors, widerlegt hat, geht er zu
der Frage über, ob aus dem Werke des Seneca nur seine Sprech- und
Schreibweise oder auch die der übrigen in beiden auftretenden Rhetoren
erkannt werden könne. Die erstere Ansicht vertritt W. Teuffei in seiner
Geschichte der römischen Literatur § 264, 6 2, die andere M. Sander in
seinen Quaestiones in Senecam rhetorem syntacticae, Greifs wald 1872
und in seiner Schrift Der Sprachgebrauch des Rhetors Annaeus Seneca
6) habet rectani viam auch Plaut, trin. 868; recta via (Abi.) auch Sen.
contr. 1. praef. §. 23; recta platea (Abi.), Plaut, eist. 2, 1, 58; rectum iter, Curt.
3, 11, 19; rectore itinere, Curt. 4, 16, 7; recto cursu auch Plin. 12. §. 88; dazu
recto meatu, Plin. 9. §. 95.
7) versa vice auch Sen. Herc. Oet. 470. Gell. 16, 13, 7. Apul. flor. 20 init.
p. 33, 15 Kr. Ps Apul. de dogm. Plat. 3. p. 266 Hildebr.
^) So behauptet Forchhammer (Nord, titsk. f. tilol. V, 29) dubitare mit
Infin. sei nicht ciceronianisch, ja wohl nicht einmal lateinisch; aber s. Cic. ad
Att. 10, 3. litt. a. § 2; 12, 49, 2 Cic. Phil. 5, 2, 5 und 5, 13, 37; mit Akk. und
luliu. z. B. Cic. de uat. deor. 1, 40, 113.
Lateinische Lexikographie. '265
I u. II (Berlin 1877 u. Waren 1880). Für Sander's Ansicht plaidiert
auch Karsten und bringt ausführlichere Beweise bei. In der eigentlichen
Abhandlung (S. 11 — 18) werden behandelt: Verba (S. 11-13), Substan-
tiva (S. 13 u. 14), Adjectiva (S. 14 u. 15), Praepositiones (S. 15 u. 16),
Particulae et Adverbia (S. 16), Verborum constructio minus solita, Grae-
corum poetarumque usum referens (S. IV, den Infinitivus und das Gerun-
dium und Gerundivum berücksichtigend), Participia (S. 17), endlich als
Epilogus eine Besprechung der Häufung der Attribute und die verwickelte
Wortstellung ( S. 17 u. 18). Die ganze Behandlung geschieht in lexi-
kalischer, jedoch die alphabetische Reihenfolge nicht streng einhaltender
Form. Da der Verfasser auf den achtzehn Seiten den Gegenstand wohl
nicht hat erschöpfen, sondern nur die wichtigsten Fälle hat herausheben
wollen, so ist die Arbeit als fieissig und dankenswert zu bezeichnen.
Beim Durchlesen der Schrift habe ich mir einige Berichtigungen und
Zusätze notiert. S. 11 (b) fehlt z. B. adserere se libertati, Suas. 7, 3. Es
steht Suas. 6, 16 (nicht 15) contristari, sich betrüben, nicht contristare
alqm. S. 11. Aum. 1 muss es heissen: philosophumenon, I, 3, 8; I, 7, 17;
X, 34, 27: pyxides, Suas. 2, 21 (nicht 14). S. 12 (a) steht emovere ar-
ticula (st. articulos), Contr. II, 5, 9 (wo emotis articulis). Zu incidere =
accidere bringe ich noch bei Sen. de tranqu. 13, 2 (navigabo, nisi si quid
inciderit). S. 12 (b) fehlen z. B. latrocinari terras et maria, Contr. I,
2, 8, navigare Oceanum, Suas. 1, 8 sq., proponere = proponere sibi oder
anirao, Suas. 1, 4 (imraanes propone beluas), recolere (sich erinnern)
mit folg. Akk. u. Infin., Suas. 2, 10, studere apud alqm., Contr. II. prooem.
§ 5, tractare mit folg. Akk. u. Infin., Contr. I, 2, 16, non vetare mit folg.
quin, Contr. I, prooem. § 17 (Plaut. Cure. 33), mit folg. quominus, Contr.
IX, 25, 8 (Sen. ep. 95, 8). Wenn es daselbst heisst »indurare pueritiam,
Suas. 2, 5. Ovid. nivem«, so musste dafür stehen: »indurare pueritiam
ad futurae militiae patientiam, Suas. 2, ."> (Justin 23, 1, 29: sie ad la-
bores bellicos indurabantur«). S. 13 f. Es fehlt cruciarii, Gekreuzigte,
Contr. VIT, 21, 2 (Petron. 112, 5); praecipitium, Contr. II, 9, 13; sub prae-
texto publicae majestatis, Contr. IX, 25, 14; studia = Werke der Litte-
ratur, Contr. I. prooem. § 7; tyrannicida, Contr. I, 7, Isqq. (L. Sen.,
Plin.). S. 14. Es ist zwar excusatius est aus Contr. V^I, i, 20 angeführt,
aber schon Contr. I, 4, 12 steht excusatior. Es fehlt fugacissimus, Suas.
2, 7 (L. Sen.) und eine ganze Reihe Komparative und Superlative, die
von Sander I. S. 7 angeführt werden, immunis mit ab und Abi, Contr.
II, 13, 16 (Vell. , Plin.); rapidus amnis, Contr. II, 9, 13 (ilor.) ; sacer
Oceanus, das grosse Weltmeer, Suas. 1, 4 (sacrum mare, Cael. Aur. acut.
2, 30, 162). S. 15. Es fehlt pos = post IX, 25, 10; X, 30, 4. S. 17. Es
fehlt ubertim flere, IX, 2."), 7 (Suet., Fronto. Apul.): utrumnc . . . an,
Suas. 1, 4 (Hör.). Wenn non quaeram extra, Contr. II, 4, 9, angeführt
wird, warum nicht auch die oft vorkommenden Verbindungen des Adverbs
contra, s. Suas, 1, 16; Contr. II, 10, 6 (zweimal); VII, 23, 8 u. a. — Obgleich
266 Lateinische Lexikographie.
der Herr Verfasser die erste Abteilung von Sander's gediegener Schrift
gekannt, bat er dieselbe doch nicht so benutzt, wie es hätte geschehen
sollen ; seine Heissigo Arbeit würde dann manche schätzbare Notiz mehr
enthalten. Wenn daher Karsten S. 17 Anm. sagt: Quae Sanderus habet
de verbis nominibus et i)articulis partim valde jejuna ac pauca sunt
partim minus recta, so kann Sander diesen Vorwurf eben so gut und
mit grösserem Rechte seinem Gegner machen.
Zur Lehre von den Präpositionen bei Cicero. II. (in c. acc). Von
Dr. Otto Schüssler. Hannover 1881. (Progr.).
In dieser zweiten Abteilung (die erste von 1880 handelte von den
Präpositionen ab, ad und ex bei Cicero) bespricht der Verfasser den
Gebrauch der Präposition in mit Akkusativ bei Cicero. Ein Vierteil der
Abhandlung enthält eine recht ansprechende Besprechung sämtlicher Prä-
positionen, wobei der Verfasser jedesmal vom Raumverhältuis ausgeht.
Von S. 7 — 9 wird dann über die Bedeutsamkeit der Präposition in in
der Verbalkomposition gehandelt. S. 9 wird für die intensive Bedeutung
der Präpositionen in und ad folgende Regel aufgestellt: »Die innere
Richtung worauf, die Stimmung wofür drückt in c. acc. aus; es mar-
kiert scharf das Eindringen in den Gegenstand, oder da unvorhergesehene
Umstände dem beabsichtigten Erfolge entgegenstehen können, wenigstens
die Vorstellung desselben. Dagegen weist auf die äussere Handlung,
auf eine in ihrer objektiven Erscheinung bestimmt vorliegende That ad
hin; letztere Präposition nimmt daher mit Vorliebe ein Partie, fut. pass.
oder ein Verbalsubstantiv an, oder sie hat soviel verbale Kraft in sich,
dass das Gerundivum leicht hinzugedacht werden kann«. Hierauf folgen
Beispiele für eine Reihe Verba, welche ad, nicht in mit Akk. nach sich
haben; für imbuere mit ad und Gerund, ist der Verfasser ein Beispiel
schuldig geblieben. Mein Handwörterbuch (Aufl. VII) hat Cic. Hortens.
fr. 9 ed. Kays. = fr. 23 ed. Müll, (bei Non. 521, 22), wo: ad sapientiam
concipiendam imbui et praeparari debet, wo freilich Allgay er wie bei
Cic. Mil. 4, 10 mit dem beliebten Zeugma operieren will; ausserdem Apul.
de Plat. 2, 2 extr. p. 82, 1 Goldb., wo: qui natura imbutus est ad se-
quendum bonum. Dann kehrt der Verfasser S. 11 zur Konstruktion mit
in und Akk. zurück und betrachtet, nachdem er erst ingredi, intrare
und intueri mit in und Akk. besonders behandelt, die weiter zulässi-
gen Verbindungen von Verben mit in mit Akk. und dafür aliqua re,
alicui rei, in aliqua re, wobei auch noch die Konstruktion mit anderen
Präpositionen berücksichtigt wird. Wenn der Verfasser S. 8 sagt: »Un-
erklärlich ist es, wie Dräger (bist. Synt. I. S. 417) Verr. 5, 50, 132 tibi
iusultare mit einander verbinden kann statt tibi videor insultare«, so
ist er im Unrecht. Das tibi gehört sicher zu insultare und die Kon-
struktion mit Dativ haben nicht erst spätere Prosaiker, wie Dräger be-
hauptet, sondern sie steht schon bei Liv. 1, 48, 2; 36, 29, 9; 39, 47, 6.
Lateinische Lexikographie. 267
Val. Max. 2, 7, 12; 4, 7. ext. 2 a. E.; 5, 1. ext. 4. Ebenso durfte S. 20
bei Cic Acad. 2, 18, 58 cum visa imprimantur in auiraos (statt in ani-
mis) nicht beanstandet werden, da ja insanire mit in und Akk. auch
nur einmal bei Cic. cor. (i7, 277) vorkommt. Möge Herr Schüssler recht
bald die IIL Abteilung seiner so instruktiven Arbeit folgen lassen.
Index lectionum quae in academia Monasteriensi per menses aesti-
vos a. 1882 publice privatimque habebuntur. Praemissa est P. Lan-
geni analectorum Plautinorum Part. I. 13 S. 4.
Es giebt eine Reihe Wörter, welche bei Plautus nur in ihrer ersten
und eigentlichen Bedeutung gebraucht werden. Herr Prof. Langen hat
in seinen Beiträgen mehrere derselben besprochen und bringt nun in
obiger Gelegenheitsschrift einen kleinen Nachtrag. Zunächst berichtigt
er die Behauptung Schenkl's, dass modus in der Bedeutung »Art und
Weise« bei Plautus nur in der Verbindung aliquo modo, alio modo und
dgl. vorkommt, indem er dagegen in peregrinum modum, Pers. 1.58 und
trin. 764 anführt. Andere Beispiele giebt Lorenz zur mosteil. .■)21. Dann
behandelt er modestus, modeste und modestia, welche sich bei
Plautus nur in der Bedeutung »Mass haltend, raassvoll, das Masshalten«
finden (trin. 831 und merc. 48 werden als nicht plautinisch beanstandet).
Ebenso stehen immodestus, immodeste und imm o des tia bei Plau-
tus nur in der Bedeutung »masslos und Masslosigkeit«. Den Schluss
machen dispendium und compendium. Ersteres hat Plautus uui' in
der Bedeutung »Aufwand, Kosten«, letzteres nur in der Bedeutung »Er-
sparnis«.
De M. Cornelü Frontonis syntaxi. Scripsit Adolfus Ebert. Er-
langae 1880. 49 S. 8. (Separatabdruck aus Acta sem. philol. Er-
lang, n. p. 311—357).
Diese mit grossem Fleisse ausgearbeitete Schrift zerfällt in fol-
gende Paragraphen: § 1. De casibus (S. 1 — 16). § 2. De praepositio-
nibus (S. 16 — 19). § 3. De numero complurium vocabulorum (S. 19).
§ 4. De pronominibus (S. 19 — 21). § .">. De adverbiis (S. 21 — 24). § 6.
De negationibus (S. 24f.). § 7. De adjectivis (S. 2r>— 27). § 8. De gc-
rundio et gerundivo (S. 27 f.). § 9. De supino (S. 28 f.). § 10. De gc-
neribus verbi (S. 29— 31). § 11. De teraporibus (S. 3lf). § 12. De iu-
finitivo (S. 32 — 34). § 13. De accusativo cum infinitivo (S. 34f.). § 14.
De euuntiatis adverbialibus (S. 35—37). § 1."). De enuutiatis relativis
(S. 37— 39). § 16. De interrogatiouibus (S. 39f.). § 17. De particulis
(S. 40—42). § 18. De asyudetis (S. 42 f.). § 19. De coordinationc ad-
hibita pro subordinatione (S. 43). § 20. De ellipsi (S. 43 f.). § 21. De
abundantia serraonis (S. 44 f.). § 22. De alliteratione (S. 45 f.). Don
Schluss macht Appendix. Emendationes Frontonianae.
Die Abhandlung enthält zahlreiche Nachträge zu Dracger's Histor.
268 Lateinische Lexikographie.
Syntax, iiamentlicli zum ersten Teil. Ich erlaube mir nun einige Ergän-
zungen und Berichtif,Min.t,'cn zu PJbert's Arbeit folgen zu lassen.
Zu S. 3. Es fehlt tantum frigoris, p. 93, .5 (M. Caes.j. Für quid-
quid mit partit. Genetiv musste auch Cic. Rose. Am. 42, 122 (quidquid
nialcficii, sceleris, caedis erit) angeführt werden. Auch Dräger bringt
(1, 450) erst Stellen aus Livius (vgl. M. Müller und Weissenborn zu
2, 5, 7). Zu ad hoc locorum (Fronto p. 19o, 8) musste zunächst Plaut,
capt. 38.5 (adhuc locorum) angeführt werden. Zu S. 4. Wenn der Ver-
fasser in der Stelle Horat. sat. 1, 1, 33 magni formica laboris die Worte
niagni laboris durch nolljixoy^bn^ erklärt, so ist das wohl nicht richtig,
denn magni laboris ist hier = arbeitsam, emsig; vgl. Cic. Brut. 70, 246:
M. Messala . . . magni laboris. Cic. ep. 13, 10, 3: homo magni laboris
summaeque industriae. Cic. Muren. 16, 34: hoc in bello Murenam lega-
tum fortissimi animi, summi consilii, maximi laboris cognitum esse de-
fendimus. Ebenf. zu S. 4. Fronto p. 17, 14 steht nicht »pauculorum ver-
borum« sondern »paucorum verboruni«. Zu S. 5. Unter praecipuus setze
Apul. met. (st. mag.) 4, 11. Zu S. G. Neben obsequium scribendi bei
Fronto p. 76, 3 hat auch Schob Bob. ad Cic. pro Flacc. II, 2. p. 229 (ed.
Orell.) obsequium mentiendi. Zu S. 7. Wenn der Verfasser sagt: »Lo-
cutioni f^nem facere ab elegantibus scriptoribus semper genetivus addi-
tur«, so ist das falsch. Er selbst führt ja für den Dativ Caes. b. G. 1,
33, 1 aij; aber derselbe steht auch Terent. haut. prol. 35. Cic. Verr. 2,
48, 118; 4, 7, 4; Cluent. 67, 191. Sali. lug. 5^ 2. Liv. 26, 46, 10; ausser-
dem bei Plaut, asin. 605. Cael. Antipater fr. 38 Peter aus Non. 205, 12.
Syr. sent. 43 (553). Plin. ep. 3, 18, 4; 5, 9, 6; paneg. 24, 3. Tac. aun.
15, 4. Curt. 8, 2 (6), 10. Zu S. 8. dolere mit Akk. des Ortes (Gliedes)
steht ausser Fronto p. 81, 25; 182, 18 und (was Draeger Synt. 1, 370
allein hat) Vopisc. Num. 12 (2), 1 auch Scribon. 170 (latus dolentes) und
bei andern, welche in meinem Handwörterbuche Aufl. VII verzeichnet
sind. Zu uatare mit Akk. (Fronto p. 51, 13 tantum profundi) füge noch
Itin. Alex. 12 (28) ejus (amuis) latitudinem. Draeger 1, 362 (nicht 462)
hat bloss Dichterstellen. Zu S. 9. Die Stelle Fronto p. 154, 4 (zu atten-
dere) gehört zum Dativ, wo sie auch (S. 7) schon steht. Wenn Dräger
(1, 569) behauptet, perfungi stehe nur Apul. met. 8, 16 mit Akk., so ist
das, wie auch Ebert bemerkt, falsch, s. mein Handwörterbuch Aufl. VII.
cohortari mit Akk. hat auch Cornif. rhet. 3, 3, 4 (aliquid). Facinus fa-
cere hat ausser dem vom Verfasser allein angezogenen Sallust z. B. auch
Cornif. rhet. 4, 55, 68. Cic. de fin. 2, 29, 95; pro Tüll. 14, 34; pro Cael.
22, 54; pro Rab. Post. 9, 24; Philipp 14, 3, 8. Zu S. 13. Wenn es dort
heisst: »Cicero Verr. 2, 5, 7 passive scripsit lecto teiierin:, so muss das
den Glauben erwecken se teuere mit Ablat. komme bei Cicero nicht vor.
Aber s. ad Att. 9, 14, 1 (se teuere oppido); post red. in sen. 11, 29 und
de domo 3, 6 (se teuere domo); ad Att. 7, 12, 6 (se teuere domesticis
finibus); ep. 11, 10, 4 (se teuere Apenuiuo Alpibusque); ep. 12, 13, 3 (se
Lateinische Lexikographie. 269
teuere clauso portu). Die Stellen sind sowohl im Lexikon als auch in
Dräger's Syntax 1, 526 nachzutragen, wo auch fehlt: Geis. 3, 7, 2 p. 89,
14 sq. (Dar.): eo conclavi teuendus (aeger), quo etc. Zu S. lä. Wenn
Dräger l, .571 über usus est sagt: »selten und nur bei Plautus steht
der Nominativ« , so ist das falsch. Ebert bringt noch Fronto p. 46, 17
(si nihil horum usus erit) bei, wozu ich noch Apul. met. 11, 30 in. (quod
usus foret) füge. Zu S- 18. Der Verfasser bringt für securus pro mit
Abi. auch Fronto p. 91. 24 (M. Caes.) bei, und fügt hinzu: Securus pro
unus Tacitus scripsisse videtur Agr. 26; bist. 4, 58«. Aber auch Seneca
const. 2, 1 steht es so. Zu S. 21. Der Verfasser hat nicht bemerkt, dass
louginque scribere bei Fronto p. 114, 4 — wie in alter Zeit, antik. Me-
liuscule steht nicht mehr Plaut, most. 957; inornate steht nicht bloss
p. 183, 19, sondern auch (Komparativ inornatius) p. 126, 13. Zu S. 23.
istuc steht auch an drei Stellen in Cicero's Reden, s. Merguet's Lexikon.
Statt multiraodis hat Halm Nep. Them. 10, 5 multis modis geschrieben,
aber Cic. de fin. 2, 26, 82 haben auch Baiter und Müller multimodis.
actutum hat Cic. Phil. 12, 11, 26 zwar Kayser beibehalten, aber Halm und
Klotz lesen anders. Zu S. 24. Die unter dem Paragraphen de adjecti-
vis angeführte Formen auf -ius (congruentius, desiderantius, fiagrantius
u. s. w.) sind sämtlich Komparative der Adverbia; auch fehlen conciunius,
p. 162, 6, immoderatius p. 7.5, 13. Der Komparativ pretiosior findet sich
ausser Fronto p. 20, 6 nicht bloss bei Ovid (met. 1, 115 und 8, 97), son-
dern auch bei Mela 3, 9, 1. Petron. 70, 2. Plin. nat. bist. 13, 102 u. ö.
Plin. ep. 6, 30, 2 und 8, 24, 8. Curt. 5, 6 (20), 4. Flor. 2, 10, 7; efficacius
(Adv.) steht schon Liv. 10, 16, 3 und amantius (Adv.) schon Cic. de rep.
1, 3, 6. Zu S. 26. Dort heisst es: »Depressior^ Dräger L p. 39«. Da der
Verfasser das "Wort nicht selbst bei Fronto gefunden hatte, so musste
er es weglassen. Denn das »Fronto« bei Dräger soll heissen Frontin
aqu. 65 (nicht 68, wie in Klotz Handwörterbuch steht). Den Superl.
facuudissimus (Fronto p. 19, 7 u. p. 176. 3 u. 11) hat schon Sen. suas.
2, 12. p. 18, 2 Kiessl., den Superl. excellentissimus auch Cic. de nat. 1, 2, 4
(fehlt bei Dräger 1, 33 a. A. ). Zu S. 29. Wenn der Verfasser sagt:
»Avcrto (intr.) p. 62, 7. Apud scriptores prosaicos uon ante argenteam
aetatcm, apud poetas jam prideni«, so ist das nicht richtig. Die Lexika
kenneu nur zwei Stellen aus Plautus (mil. 203 und 1074), zwei aus Vergil
(Aen. 1, 104 und 402) und eine aus Gell. 4, 18, 4, wozu die Stelle aus
Fronto kommt. S. 30. impliciscor steht Fronto p. 51, 14 nicht passiv. Das
Activ saviare hat auch Claud. Quadrig. ann. 2. fr. 39 bei Prise. 8. § 26.
dissavio Fronto ad M. Caes 3, 3 cxtr. p. 43, 4 nach Haupfs Vermutung. —
Wenn der Verfasser behauptet, dass nur Fronto p. 64, 11 bei refert ein
bestimmtes Subjekt im Nominativ stehe, so irrt er; s. Lucr. 4, 981 (984).
Plin. nat. bist. 7, 42; 11, 267; 18, 187 und 317. Zu S. 31. attenderc
absol. = animum attendere mit Dat., wie Fronto p. 1,54, 4, steht nicht
bei Cicero (der es mit dem Akk. konstruiert), sondern bei Vitr. 4, 3, 3;
270 Lateinische Lexikographie.
5, 1, G ; lu, IG (22), 2. Plin. ep. 1, «, 3; 7, 2G, 2; 7, •53, 9. Plin. pan. 65, 2.
Suet. Cal. 53; Ner. r>6; Galb. 7. Sil. 8, 589 (591). Vulg. eccli. 32, 28; prov.
7, 24 u. ö. Zu S. 32. Der Verfasser führt eine Reihe Stellen aus Fronto
zu Dräger's Syntax über die Konstruktion mit dem Infinitiv an; neu ist
M. Cacs. bei Fronto p. GS, o: uam ita adesse nobis in die tum; und
Fronto p. 96, 2 (zu Dräger's Synt. 2, 3ö4) quod tibiconscius es uon per-
petuam operam eloquentiae dedisse; Fronto p. 114, 12sq. : Heraclitus
obscurus involvere orania, Pythagoras mirificus clandestinis signis
sancire omnia, Clitomachus aueeps in dubium vocare orania. Für neu-
trale Adjektiva mit der dritten Person des Verbums esse mit folg. Infin.
oder Akk. und Infin. giebt Dräger histor. Synt. § 443, ',i in der ersten
Auflage Bd. 2, S. 398 gar keine Stellen, in der zweiten Bd. 2. S. 423 f.
ein sehr dürftiges Verzeichnis. Fehlen doch die jedem Primaner aus
seinem Cicero, Cäsar und Sallust geläufigen Wendungen absurdum est,
nou absurdum est oder videtur und non alienum est. Auch Fronto
hat z. B. p. 131, 5 humanuni est und hominis proprium est; p. 18, 22
alci summe optabile est; p. 42, 5 illud verius mit Akk. und Infin. Wenn
Dräger Aufl. 2. Bd. 2. S. 424 sagt: »aber nicht antiquius, lustin 39,
3, .5«, so hat er vergessen, dass er S. 321 drei Stellen aus Cicero, Auetor
b. Alex, und aus Vellejus beigebracht hat. Zu S. 34. Wenn der Ver-
fasser sagt delectari werde nur Fronto p. 91, 17 von M. Caesar mit
Akk. und Infin. gebraucht, so ist das falsch, s. Cic. ep. ad Brut. 1, 2, 4.
Plin. ep. 9, 11, 2. Itin. Alex. 39 (90) = 40 ed. Volkm. — Im Lexikon zu
notieren ist deis agere gratias mit folg. Akk. und Infin., Fronto
p. 88, 15. Zu S. 36. Bei quod = ex quo führt der Verfasser Plaut. Amph.
1, 1, 146 (302) und Terent. haut. 1, 1, 2 (54) als Belege an; aber dort
steht jetzt qucnu. Zu S. 39. Für utrumne bringt der Verfasser Fronto
p. 67, 9 und 114, 22 bei. Es steht ausserdem (gegen Dräger 2. § 468
= 2. p. 468 Aufl. 1 oder 2. p. 496 Aufl. 2) in Prosa schon utrumne
... au bei Senec suas. 1, 4. p. 4, 2 K. Für nimis quam, Fronto
p. 75, 25, giebt mein Handwörterbuch Aufl. VII noch Gell. 14, 1, 4. Apul.
apol. 48, während Dräger 2, 451 f. es nur aus Plaut, capt. 98 nachweist. —
S. 41 bringt der Verfasser für autem bei Einführung eines Zwischen-
satzes am Anfang des Satzes bei: Fronto p. 42, 12: autem sunt atro-
cissima und S. 42 für itaque an dritter Stelle Fronto p. 18, 22: Non
miror itaque. Die Appendix (S. 47 ff.) bringt eine Reihe Textverbesse-
rungen. Dass Fronto p. 81, 5 nicht quartaque die, wie Ebert will,
sondern tertio quoque die gelesen werden muss, habe ich schon Neue
Jahrbb. Jahrg. 1881. S. 807 bemerkt. S. 121, 10 soll statt magis cre-
bris et dulcibus gelesen werden satis crebris et dulc. Sollte aber ma-
gis nicht zur Umschreibung des Komparativs dienen, also magis er. et
dulc. = crebrioribus et dulcioribus?
Ich scheide vom Verfasser mit herzlichem Dank für die reicbhal-
Lateinische Lexikographie. 271
tigen Belehrungen, die ich aus seiner mit musterhaftem Fleisse gear-
beiteten Schrift geschöpft habe.
Die griechischen Wörter im Latein, von Dr. Fr. Oskar Weise.
Leipzig 1882. VIII, 544 S. gr. 8.
Wir haben hier abermals ein Werk treuen deutschen Fleisses vor
uns. Gründlichkeit der Forschung und Wissenschaftlichkeit der Methode
in der Behandlung des zusammengebrachten Stoffes gehen Hand in Hand.
Das Buch zerfällt nach einer Einleitung, die sich über die Vor-
arbeiten von Vorgängern verbreitet, in drei Teile. Der erste Teil ent-
hält das sprachliche Material , der zweite die daraus gezogenen kultur-
historischen Schlüsse, der dritte den Index. Der zweite (wichtigste) Teil
hat folgende Unterabteilungen. Kap. I. Tiere (S. 93). Kap. II. Pflanzen
(S. 125). Kap. HL (S. 152) Mineralien. Kap. IV. (S. 167) Nahrung.
Kap. V. (S. 178) Kleidung. Kap. VI. (S. 193) Wohnung. Kap. VIL (S.200)
Gewerbe. Kap. VIIL (S. 209) Handel und Verkehr. Kap. IX. (S. 223)
Grammatik. Kap. X. (S. 227) Poetik und Metrik. Schreib- und Bücher-
wesen. Kap. XI. (S. 234) Rhetorik. Kap. XIL (S. 239) Philosophie.
Kap. XIII. (S. 244) Astronomie und mathematische Geographie. Astro-
logie. Zeiteinteilung. Kap. XIV. (S. 2.33) Mathematik. Kap. XV. (S. 257)
Physik und Mechanik. Kap. XVL (S. 260) Geographie. Kap. XVIL
(S. 263) Jurisprudenz. Kap. XVIIL (S. 266) Medizin. Kap. XLS. (S. 273)
Plastik. Kap. XX. (S. 278) Architektur. Kap. XXI. (S. 284) Malerei.
Kap. XXII. (S. 287) Musik. Kap. XXIII. (S. 292) Mimik und Orchestik.
Kap. XXIV. (S. 296) Gymnastik. Kap. XXV. (S. 299) Spiele und Be-
lustigungen. Kap. XXVI. (S. 304) Familie. Kap. XXVII. (S. 311) Staats-
wesen. Kap. XXVIII. (S. 314) Religion. Kap. XXIX. (S. 322) Militär-
wesen. Innerhalb dieser Kapitel werden nun die einschlägigen Wörter
in Bezug auf den griechischen oder nichtgriechischen Ursprung in netter
Darstellung besprochen, wobei natürlich die Sprachvergleichung überhaupt
herangezogen wird. Wie verschieden oft die Ansichten der Gelehrten
darüber sind, ob ein lateinisches Wort entlehnt ist oder original, geht
aus dem Verzeichniss hervor, welches der Verfasser S. 75—82 recht sach-
gemäss gegeben hat. Der Index enthält diejenigen Wörter, welche der
Verfasser selbst als entlehnt ansieht, mit Beifügung des griechischen
Etymons jedes Wortes und derjenigen Stelle, in welcher es zuerst im
Lateinischen vorkommt.
Ich gebe nun, um dem Verfasser mein grosses Interesse für sein
ausgezeichnetes Werk zu beweisen, eiuige Bemerkungen.
S. .") schreibe Stinner statt Stimmer. — Wenn es S. 22 heisst:
»Die Schreibung nordischer, besonders keltischer Wörter, mit rh, wie
rheda, Rhodanus, Rhaetia, Rhenus, brauchen wir hier nicht zu erörtern«,
so passt das in Bezug auf rheda und Rhaetia nicht, da diese beiden
Wörter in den besten Handschriften und in Inschriften raeda (reda),
272 Lateinische Lexikographie.
Raetia gesclirieben werden; vgl. Brambach's Hülfsbüchlein S. 58. Fleck-
eisen Fünfzig Artikel S. 2G. (Raetia auch Zangemeister im Orosius). —
S. 109 ist für attagen noch Varr. sat. Meii. 08, 1 ed. Gerlach citiert statt
403 ed. Buech. — S. 116 musste es acupenser (st. acipenser) heissen.
So schreibt L. Müller Liicil. sat. 4, G. Cic. de fin. 2, 24 und Tusc. 3, 43
Müller. — S. 117 ist Col. 9, 17, 12 falsch statt 8, 17, 12; und statt ca-
rabus schreiben Mayhoff und Detlefsen Plin. 9, 97 caravus. — S. 118
unter den bei Celsus vorkommenden Fischnamcu fehlen aurata, corvus,
oculata, alle 2, 18. p. 65, 22 sq. (ed. Daremb. ); unter denen bei Ovid
hal. fehlt saxatilis, 109; vgl. Anthol. Lat. 390, 17 R. (38.0, 17 M.). Es
ist vielleicht = saxatilis muUus , Sen. nat. qu. 3, 18, 4 ; in Gloss. wird
es durch ^p\)'/.iq erklärt. — S. 120 musste für tructa nicht Isid. 12, 6, C
citiert werden, sondern der ältere Plin. Val. 5, 43; vgl. Anthol. Lat. 390,
18 R. (385, 18 M.). - S. 124 ist crassantus (wahrsch. = bufo) Anthol.
Lat. 390, 17 R. (385, 17 M.) nachzutragen. - S. 155. Plin. 37, 33 liest
Detlefsen nicht sualiteruicum, sondern mit Urlichs (vind. 824) hyalopym-
chum. — S. 170 ist als Getränk cervisia (nicht cerevisia), welches in
späterer Kaiserzeit auch bei den Römern heimisch war, unerwähnt ge-
blieben, s. Plin. 22, 164 (noch als bloss gallisches Getränk), ülp. dig.
33, 6, 9 pr. Edict Diocl. 2, 11. Serv. Verg. georg. 3, 380 (codd. cervesia).
Isid. 20, 3, 17: auch cervisa, Marc. Emp. 16. p. 312 F. Plin. See. 3, 6
extr. (Qodd. gd. cervesae). Cass. Felix 72. p. 175 add. in not. crit. 6.
Anthim. 15, cervesa, Wilmann's inscr. 2833 x. Ich wende mich nun zu
Abt. III. Index. Da muss ich im allgemeinen bemerken, dass alle die
griechischen termini techuici aus der Rhetorik, welche der Verfasser aus
Rutiüus Lupus, Aquila Roraanus und Julius Rufiauus als Lehnwörter
aufgeführt hat, wegfallen mussten, da Halm dieselben in seiner Ausgabe
der Rhetores latini griechisch geschrieben hat. Wenn der Verfasser
S. 330 unter aer bloss den Genetiv äeros und den Akk. aera angiebt,
so ist das falsch. Der Genetiv lautet regelmässig aeris (s. Neue 1, 299);
der Genetiv aeros ist bis jetzt nur aus Stat. Theb. 3, 693 nachgewiesen,
wo aber 0. Müller aeris liest; der Akk. lautet allerdings in der klassi-
schen Prosa immer, so viel mir bekannt, aera, daneben war aber auch
bei anderen Autoren aerem gebräuchlich, z. B. Enn. Epich. 9 (bei Varr.
L. L. 5, 65 codd. optt. und Spengel; Müller 'Aipa). Cato orig. 1. fr. 20
Jordan. Vitruv. 8. praef. § 1 und 9, 9 (8), 3. Gels. 3, 7, 2. p. 89, 15 und
4, 14 (7). p. 140, 24 Dar. und oft bei Späteren. Ebenso falsch steht unter
aether bloss »acc. a, gen. os«; da Genetiv aetheros nur Stat. Silv. 4,
2, 25 und Theb. 3, 525, aber aetheris ganz regelmässig, s. Neue 1, 299,
neben dem klassischen Akk. aethera aber auch (was Neue nicht erwähnt)
aetherem vorkommt, s. Tertull. adv. Marc. 1, 13. Schol. in Caes. Germ.
Arat. iuit. p. 379, 13 Eyss. Serv. Verg. Aen. 1, 47 und 58; 2, 296. —
5. 335 amphidoxos hat schon Fortunat art. rhet. 2, 13. p. 109, 4 Halm.
— S. 336 amusia. ßücheler liest Varr. sat. Men. 350 dixouaiav. ~
Lateinische Lexikographie. 273
S. 337 unten auachoreta schreibe Sulp. Sev. chron. l, 17, 3 (statt
I, 18). — S. 339. unter ancala schreibe 5, 1, 25 (st. 27); und unter
ancistrum schreibe 5, 1, 19 (st. 5, 1 fin , da noch § 20—26 folgt); auch
steht das Wort schon Oros. apol. 4, 6 Zang. — S.'341. anthophoros.
So liest Plin. 24, 82 (nicht 83) ja schon Sillig und auch Detlefsen. —
S. 342. Zu antichristus werden als Beleg citiert Not. Bern. 69. 88.
Das Wort steht aber doch öfter bei TertuUian (z. B. adv. Marc. 4, 16;
praescr. 4 und 33), öfter bei Cyprian (z. B. ad Fortun. l ; epist. 59, 13.
p. 682, 5 H.) und bei andern Ecclesiasten (auch Prudent. cath. 6, 102).
— S. 345. Zu aplanesis: Goldbacher schreibt Apul. de Plat. 1, 11 in.
dnXaviat. -• S. 347. apotelesma steht schon Firm. math. 2, 32. p. 38
a. E. — S. 361. boletus: Plaut. Cure. 612 liest Fleckeisen »cum boiis«,
Götz »cum boleis«. — S. 363 muss es unter b üble um heissen Paul, ex
Fest. (st. bloss Fest.) 32, 12. — S. 365. cacozelia steht schon Sen.
suas. 7, 11 und statt Sen. contr. 4, 24 muss es heissen 9, 1 (24), 15. —
S. 375. cerinus. Plaut. Epid. 233 liest Götz carinum, hält aber den
ganzen Vers für ein Einschiebsel eines alten Interpolators. — S. 381
unter choricus schreibe Serg. statt Verg. - S. 384. cinifes hat schon
Hieron. in Joel 2, 22 sqq. (vol. VL p. 1022 Migne). — S. 396 steht cy-
nice bei Auson. epigr. 27, 4 (wo: nunc ego sum cyuices primus) nicht
adjektivisch, sondern substantivisch = die cynische Sekte. — S. 397.
Unter cyparissus schreibe Verg. Aen. 3, 680 (st. 684); übrigens schon
Verg. georg. 2, 84. — S. 398. Zu dareus = dapscxög: Auson. epist.
5, 23 steht ed. Bipont. und bei Weber im Corpus poetarura Darios, was
mit der in späterer Zeit ganz gewöhnlichen Schreibung Darius (auch im
Orosius ed. Zang.) stimmt. — S. 399. Unter diabetes schreibe Col.
(statt Cat.) 3, 10, 2. — S. 400. Unter diacopus schreibe Ulp. dig. 47,
II, 10 (st. 44, 7, 11, 10). - Unter diadema schreibe Cato orig. (st. or.)
p. 28, 13, da Cato auch orationes hinterlassen hat. Besser noch wäre
citiert: Cato orig. 7. fr. 8. p. 28, 13 Jord. = fr. 113 ed. Peter. — S. 401.
Zu diagrydion. Die echte Form, aus welcher diagrydion verderbt ist,
nämlich dacrydion (ßaxpodiov) findet sich bei Gargil. Mart. medic 30.
p. 168,16 Rose (wo: dacrydii sc. XII). — S. 403 Unter dicterium musste
es statt Varr. b. Non. 103, 3 heissen: Varr. sat. Men. 352. — S. 407 hätte
ich dynastes lieber mit Nep. Datam. 2, 2 belegt, da dort der Nomi-
nativ Sing. — S. 409. Zu ecragino: Petron. 61, 9 liest Bücheier in
der zweiten Ausgabe 'aginavi'; 'ccraginavi' ist Vermutung Reiske's. —
S. 415. Zu epigrus: Dort hcisst es: »Sen. bcn. 2, 12, 2 Haas., dafür
lese ich epiurus = entoopoga^ und unter cpiurus steht: »Pall. 12. 7, 14
(sehr. 15). Sen. ben. 2, 12, 2 (V)«. Bei Seneca haben die Handschriften,
'pigros', bei Pall. "epirum', so wie bei Augustin. de civ. dei 15, 27, ;5.
p. 128, 12 D 2 'cpiros'. epigrus wird durch Isid. 19, 19, 7. Isid. gloss.
no. 624 und Papias bestätigt; epiurus ist daher überall Konjektur, bei
Seneca schon längt vorgeschlagen, s. Forcellini ed. De-Vit unter epigrus.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVIII. (l88l. III.) 18
274 Lateinische Lexikographie.
— S. 420. Sowohl euethes als euphrosyne schreibt Gardthausen Amm.
22,8,33, so gut wie euixevcdag griechisch. - S. 42L Unter exhaere-
simus schreibe »ausscheidbar« (statt ausschneidbarj.
Doch genug der Nörgeleien, wird der Verfasser sagen. Icli be-
merke daher nur noch, dass aus Späteren noch manches Wort nachzu-
tragen ist. So fehlt z. B. anacollema (anacoUima) = dyaxo^^hjjia ^ Plin.
See. 1, 18 und 3, Iß, cacodaemon (y.axooac/j.wv), Firm. math. 2, 32. p. 42, 26
(ed, 1,')51), cosmicus {xoajLcxög) als Adj., Firm. math. 2, 32. p. 43, .0 (cos-
mica sidera), diaraetros {ScdixsTpog) als Adj., s. mein Handwörterbuch
Aufl. VII und ausserdem Firm. math. 2, 32. p,42, 5; 3, 13. sect. 9. p. 77, r>.
5, 1. p. 117, 47; 7, 1.5. p. 204, 7, drachmalis, Cass. Felix. 71. p. 172, 5,
epicataphora (encxazacpopd) , der Niedergang (der Gestirne), Gegensatz
anaphora, Firm. math. 7, 1. p. 194, .51, periphrasticos {nöfjtfpaazcxojg),
Schol. Bern, ad Verg. georg. l, 112.
Der erste und zweite Teil des vortrefflichen Buches kann auch
Nicht-Philologen als belehrende Lektüre empfohlen werden.
Italograeca. Kulturgeschichtliche Studien auf sprachwissenschaft-
licher Grundlage gewonnen, von G. A. Saalfeld. I. Heft. Vom äl-
testen Verkehr zwischen Hellas und Rom bis zur Kaiserzeit. Hannover
1882. 49 S. 8.
ETer Verfasser vorstehender Schrift ist den Lesern dieser Blätter
kein Fremdling mehr; er hat seiner Inauguraldissertation »De Graecis
vocabulis in linguam Latinam translatis« im Jahre 1874 den »Index
Graecorum vocabulorum in linguam Latinam translatorum quaestiunculis
auctus« und dieser Schrift wieder »Griechiche Lehnwörter im Lateini-
schen, Ergänzungen und Nachträge zum Index etc.« folgen lassen. Vergl.
meinen Jahresbericht 1874/1875. Abth. IH. S. 158f. und 1878. S. 181ff.
Der Verfasser hat entschieden recht gethau, nicht bis zur Voll-
endung des Ganzen mit der Herausgabe zu warten. Man kann das
ganze erste Heft als eine ausführliche Vorrede ansehen. Das die Ein-
leitung historisch-geographisch verfährt, ist für den kulturgeschichtlichen
Standpunkt unerlässlich. Mit äusserster Gewissenhaftigkeit findet man
die einschlägigen Quellen, alte wie neue, citiert. Für meinen Zweck
sind die ersten 21 Seiten weniger wichtig; sie geben die erwähnte histo-
risch-geographische Uebersicht. Von S. 22 bis S. 36 führt uns der Ver-
fasser in die verschiedenen Zeiträume unbewusster und bewusster, un-
gelehrter und gelehrter Uebertragung griechischer Fremdwörter in's La-
teinische ein. Von S. 36 bis S. 41 folgt eine kurze Skizzierung einer
Anzahl von Wörtern allgemeinen Begriffes in rein alphabetischer Ord-
nung, und zwar: 1. Bäder. 2. Baukunst. 3. Erziehung. 4. Geräte.
5. Kleidung. 6. Krankheiten. 7. Küche und Keller. 8. Landwirtschaft.
9. Litteratur. 10. Schiffart. Von S. 42 bis zu Ende giebt der Verfasser
dann noch die gewonnenen Resultate der vorausgegangenen Untersuchun-
Lateinische Lexikographie. 275
gen, wobei er sich besonders mit der grammatischen, einander entgegen-
gesetzten Wirksamkeit Varro's und Cicero's beschäftigt.
Drei der ältesten Lehnwörter, poena, caduceus und arrabo
(arra) sind S. 24—27 einer näheren Besprechung unterworfen worden.
Unter caduceus musste neben Varr. ap. Non. p. 528, 18 (= Varr. de
Vit. pop. Rom. 2. fr. 14 Kettner) auch auf Fab. Pictor bei Gell. 10, 27, 3
und auf Serv. Verg. Aen. 4, 242 verwiesen werden. Wenn der Verfasser
die Schreibung arrhabo und arrha neben arrabo und arra beibehält
und Weise im Index S. 351 sogar nur arrhabo gelten lässt, so bemerke
ich, dass in sämtlichen in Klotz' Handwörterbuch aus Plautus, Terenz,
Plinius u. s. w. bis Isidor {5, 2."), 1) verzeichneten Stellen arrabo und
arra gelesen wird. Auch in den in den Wörterbüchern noch nicht ver-
zeichneten Stellen Apul. met. 1, 21. p. 67 Oud. Tertull. adv. Marc. 5, 12.
p. 311, 14 Oehler; de resurr. carn. 51. p. 534, 27; adv. Hermog. 34 extr.
wird arrabo und arra gelesen; nur Vulg. genes. 38, 17 sq. steht noch
arrhabo.
Etwas Menschliches ist dem Verfasser passiert, indem er S. 13 an-
giebt Ku/xr^ 0pixojvc'g sei die Vaterstadt des Hesiod und Ephoros. Hesiod's
Vaterstadt ist aber Askra am Helikon ; dagegen war Hesiod's Vater Dios
aus dem genannten Kyme gebürtig.
Das Schriftchen ist nett und korrekt gedruckt; nur S. 17. Z. 1 v. o.
schreibe »wurden (st. wurde)«, S. 26. Z. 2. v. u. Gell. 17, 2, 21 (st. Gell.
17, 2, 20).
De Plauti substantivis. Scripsit Herrn. Ras so w. (Besonderer Ab-
druck aus dem XVH. Supplementbande der Jahrbücher für klassische
Philologie. 1881. p. 591—732.)
Sowohl Plautiner, als Lexikographen und Grammatiker werden
dem Verfasser vorstehender, mit mühsamem Fleisse ausgearbeiteter Schrift
sich zu grossem Danke verpflichtet fühlen. Die Abhandlung zerfällt in
sechs Kapitel: Cai>. L Praefatio. Cap. H. Laterculum substantivorum
secundum tcrraiuationes compositorum. Cap. JH. Plauti noraina compo-
sita. Cap. IV. De substantivis ex eadem radicc vario suffixo derivatis.
Cap. V. De Plauti vocabulis in liatinam linguam translatis. Cap. VI.
Plauti substantivorum index.
Wir haben es in diesem Jahresbericht nur mit Cap. VI zu thun.
In dem Index sind von jedem Worte nur diejenigen Kasus angegeben,
in welchen es bei Plautus vorkommt. Zu bedauern ist, dass nicht die
in neuester Zeit von Götz, Scholl und Ribbeck herausgegebenen Plautus-
Stücke benutzt werden konnten. So liest z. B. Ribbeck mil. 1065 (1060)
jetzt Aetina statt Aetna; Scholl truc. 538 auro (st. aurichalco); Scholl
truc. 571 factrici (die Stelle im Index unter acceptrici); Ribbeck mil. 374
minis; Götz aulul. 518 (525) nugigerulis; Hotz asin. 910 pollinctorcm und
asin. 708 quadrupedo (st. quadrupedem); Scholl truc. 832 situlam; Ribbeck
18*
276 Lateinische Lexikographie.
mil. 1013 (1008), wie schon Fleckeisen, socium (Brix sociennum, was auch
nicht angegeben ist). Nicht minder ist zu belilagen, dass die Fragmente
nicht berücksichtigt worden sind. So steht z. B. angiporta auch Astrab.
fr. 1.5, aula (Nom.), fr. bei Non. 543, 10, aullas (Akk. PL), fr. bei Diom.
380, 19 K., bilis (Nom.), fr. bei Prise. 6. § 87 11., carnuficis (GS.) Astrab.
fr. 15, Nebenform caseum, fr. bei Non. 200, 11; Nebenform corius, Nom.,
fr. bei Paul, ex Fest. 60, 7, AP. corios, Poen. 1, 1, 111 (was unter corium
nicht angegeben ist), Abi. corpusculo auch fr. bei Varr. L. L. 7, 77, NP.
folles, fr. bei Philarg. Verg. georg. 4, i7l; AP. fustes, fr. bei Schol. Hör.
sat. 2, 5, 11; NP. glandia, fr. bei Fest. 33 (b), 29, AP. horas, fr. bei Gell.
3, 3, 5, AP. lampades, fr. bei Varr. L. L. 7, 77, NP. lapides, fr. bei Cha-
ris. 219, 11 K., Nom. lupus, fr. bei Paul, ex Fest. 61, 17, Acc. nauteum
Fest. 165 (b), 33, Acc. nucem, fr. bei Macr. sat. 3, 18, 9, Abi. nuce, ibid. § 14;
DS. patronae, fr. bei Fest. 372 (b), 28; NP. petrae, fr. bei Philarg. Verg.
georg. 4, 171, Acc. portum, fr. bei Charis. 223, 20 K.; NP. praedones,
fr. bei Charis. 211, 33; Acc. solarium, fr. bei Gell. 3, 3, 5 und Macr. sat.
3, 16, 1; Abi. PI. spoliis und Abi. PI. statuis, fr. bei Charis. 199, 34; Acc.
PI. tegulas, fr. bei Macr. sat. 3, 18, 9; Acc. tergura, fr. bei Non. 397, 1;
Nom. venter, fr. bei Gell. 3, 3, 5 H. Ebenso fehlt eine ganze Reihe von
Artikeln, die nur in den Fragmenten vorkommen. Vgl. überhaupt meine
Anzeige in der Philol. Rundschau. Jahrg. IL No. 27. S. 837 ff.
De usu intinitivi apud Lucanum, Valerium Flaccum Siliura Italicum.
Scripsit Joannes Schmidt. Halis Sax. 1881. (Doktordissertation.)
S. 128 in 8.
Diese offenbar durch Krause's vortreffliche Abhandlung ' de Vergilii
usurpatione Infinitivi, Halis Sax. 1878' hervorgerufene fleissige Arbeit
hat folgenden Inhalt. Praefatio S. 5. § 1. de infinitivo subjecti loco po-
sito (S. 10). § 2. de accus, c. infinit., qui subjecti vice fungitur (S. 31).
§ 3. de infinitivo accusativi objecti instar posito (S. 37). § 4. de inff.,
qui objecti remotioris cujusdam instar positi sunt (S. 63). § 5. acc. c.
infin., qui objecti vices sustinent (S. 102). § (>. de acc. c. inff., qui ob-
jecti remotioris loco positi sunt (S. 120). § 7. de inff. (et acc c. inff.),
qui per ellipsin explicandi videntur (S. 125). Addenda et corrigenda
(S. 127).
Der Verfasser bemerkt in der Vorrede mit Recht, dass sowohl in
Dräger's Historischer Syntax, als auch in Kühner's grosser lateinischer
Grammatik die spätere Latinität zu wenig berücksichtigt sei; es werden
daher die Angaben derselben überall berichtigt, und zwar nicht bloss in
Bezug auf die spätere Latinität, sondern auch in Bezug auf die ältere,
in denen Dräger und Kühner ebenfalls sehr mangelhaft sind, wenn auch
in der zweiten Auflage Dräger's mancherlei nachgetragen ist, was der
Verfasser als fehlend bezeichnet. So heisst es bei Dräger S. 337 Aufl. 1
= 352 Aufl. 2: den blossen Infinitiv (bei placet) hat zuerst Brut. ap.
Lateinische Lexikographie. 277
Cic. Farn. 11, 1, 6. Aber der Verfasser bringt S. 11 bei Claud. Quadrig.
ann. 3. fr. 41 Peter; dazu füge Cic. ep. 9, 15, 3; wenn er aber auf der-
selben Seite für juvat mit Infin. (Dr. S. 337 = 351 2) Cic. ep. 3, 10, 8
(5, 3, 10 ist falsches Citat) anführt, so ist das falsch, da dort Baiter und
Weseuberg Übet lesen. — Dr. S. 347 = 363 wird pudor est mit Infin.
in der ersten Auflage bloss mit Ovid und Sil., in der zweiten auch mit
Prop. belegt, Schmidt bringt S. 25 auch Enn. tr. 344 Vahlen = Pall. fab.
ine. fr. 60 Ribbeck 2. — Dr. S. 397 = 422 ^ wird placet (mau meint,
beschliesst) mit Akk. und Infin. erst aus Cicero belegt; Schmidt bringt
S. 32 bei Ter. Hec. 866 (nicht 864). - Dr. S. 402 = 427 ^ wird nefas
est mit Akk. und Infin. erst aus Cicero belegt; Schmidt bringt S. 34
bei Acc. tr. 280. - Dr. S. 297 = 306^ hat für amare mit Infin. erst
Horaz. Schmidt bringt S. 37 bei Acc. tr. 347 nach Bücheler's Vermutung.
— Für laboro mit Infin. hat Dr. S. 300 = 309 erst Cicero; Schmidt
S. 40 schon Lucil. sat. 9, 66 M. (= 287 Lachm.) und Catull. 67, 17. —
molior mit Infin. weist Dr. S- 300 nur aus Cicero und Valerius Flaccus
nach, wozu er Aufl. 2 S. 309 noch Ovid fügt; Schmidt bringt S. 40 schon
Lucr. 2, 1024 und ausserdem noch Liv. 29, 27, 4 bei. — Festinare mit
Infin. ist Dr. S. 308 sehr flüchtig behandelt; genauer S. 319 Aufl. 2; aber
Schmidt hat S. 45 noch Liv. 1, 25, 9 u. ö., wozu ich füge Auct. b. Alex.
27, 4. — Dr. S. 310 = 321 hat für precari mit Infin. nur Ovid. her.
5, 158. Schmidt bringt S. 47 noch bei TibuU. 2, 5, 4. Ovid. ex Pont.
1, 2, 65 (Val. Flacc. 7, 352 und Gell. 13, 23 [22], 19 folgt Akk. und Infin.).
— Ebendas. hat Dr. für rogare mit Infin. nur Catull. 35, 10; aber es
steht nach Schmidt S. 47 auch so Ovid. her. 6, 144 (aber Ovid. art. am.
1, 433, was er auch anführt, folgt Akk. und Infin., und Priap. 21, 1 steht
suffragare [Imperat.üJ rogatus und Gell. 1, 13, 8 ist ein falsches Citat);
dazu füge ich Mart. 1, 109, 13. — Dr. S. 326. no. 8, a = 339, 8, a heisst
es: »cunctor fehlt noch in alter Zeit«. Schmidt bringt S. 48 Acc. tr. 72
bei. — Dr. S. 329 = 342: »horrere aber erst bei Cicero«. Schmidt
schon Catull. 14, 26. — Dr. S. 325 = 338 führt zwar absisto und de-
sisto mit Infin. an, lässt aber desino, welches allerdings zu allen Zeiten
häufig vorkommt, aus. Schmidt bringt S. 51 für die ältere Zeit bei:
Plaut. Bacch. lOO; Pseud. 307. Enn. tr. 261 V. (361 R.). Ter. Andr. prol. 22;
eunuch. prol. 16; Hec. 810. - Dr. S. 314 = 326: »imperare kommt mit
blossem Infin. schon bei Ter. Andr. 842 vor«. Schmidt dagegen S. 55
schon Acc. tr. 385. Trag. iuc. fr. 89; ausserdem Stellen aus Vergil, Pro-
perz, Curtius und Tacitus; wozu noch Vitr. 2, 9, 15. p. 59, 15 R. füge. —
Dr. S. 315 = 326 wird für mandare mit Infin. nur Tac ann. ir>, 2 extr.
und Martial. 1, 88, 10 angeführt; Schmidt giebt S. 58 noch Sil. 13, 481. —
lieber novisse = scire mit Infin. heisst es Dr. Aufl. I. S. 296: »erst
seit dem zweiten Jahrhundert n.Chr.«, Aufl. 2. S. 304: »novisse schon
bei Cato orat. 1, 25 (Meyer). Dann auch bei Verg., Hör., Prop., Ovid
uud Mart.; in der späteren Prosa erst bei Apulejus«. Schmidt bringt
278 Lateinische Lexikographie.
5. 60 bei schon Enn. tr. 133 R. (182 V.); ausserdem Lucr. 2, 685 u. 1007.
Lucan. 3, 223. Val. Flacc. 6, 327. Sil. 7, 169. Gell. 2, 18, 9. Dazu Claud.
61, 4 (dagegen 75, 4 und 101, 25, welche Schmidt hier anführt, mit folg.
Akk. und Infin.). — Für piget mit Infin. führt Dr. S. 330 = 344 zu-
erst Sali. Jug. 95, 4 an. Schmidt bringt (S. 63) bei: Plaut. Pers. 690;
aulul. 210; trin. (>ßi. Pacuv. tr. 144. Acc. tr. 103. Varr. sat. Men. 395 B.
— Für pudet hat Dr. S. 330 = 344 für die vorklassische Zeit nur
Plautus, Schmidt führt (S. 64) noch an: Pacuv. tr. 144. Acc. tr. 104.
Afran. com. 272 (und der oben zu piget angeführte Varr. sat. Men. 395 ß.).
— Dr. S. 326 = 339 sagt: »Desum steht zuerst bei Prop. 1, 16, 7, dann
bei Lucan. u. s. w.« Schmidt bringt (S. (56) aus meinem Handwörter-
buche bei: Tibull. 4, 1, 100. Sen. ad Helv. 2, 5. — Wenn Dr. S. 311 = 322
sagt: »3. Ermahnen. Diese Verba kommen, mit Ausnahme von de-
hortari, noch nicht im alten Latein vor«, so widerlegt ihn Schmidt (S. 71)
in Bezug auf moneo mit Aquilius tr. 6 (p. 34 R.^). — S. 73 hat Schmidt
und Dräger S. 301. Aufl. 2 ein Präsens evaleo angenommen; aber evaluit
bei Lucan. 4, 84 gehört zu evalesco. Ebenso auch in den angeführten
Stellen Verg. Aen. 7, 756 und Hör. ep. 2, 1, 200 (nicht 100), wo auch das
Perf. evaluit. Dazu füge bei Dräger hinzu: Lucan. 1, 505; 4, 84. Clau-
dian. 28, 302; 36, 92. Augustin. conf. 7, 17, 23 extr. (aciem figere non
evalui). — Dr. S. 326 = 339 heisst es: »Deficere nur Prop. 1, 8, 23«.
Aber Schmidt führt (S. 73) aus meinem Handwörterbuche noch an: Lucr.
1, 1040. Tibull. 4, 1, 191 (nicht 91). Caes. Germ. Arat. 260. Dazu noch
Rutil. Lup. 2, 18. — Dr. S. 351 = 369 führt für ire mit Infin. nur Sta-
tius an; aber Schmidt bringt (S. 73) noch bei: Enn. Sota 1. Prop. 1, 1, 12.
Dazu füge Plaut. Bacch. 354; most. 66; truc. 403. — S. 300 = 310 sagt
Dräger: »Adnitor ist nur aus Livius und Tacitus zu belegen«. Schmidt
bringt (S. 76) noch bei: Apul. apol. 36 u. 67. Sil. 11, 538; 15, 575; 17, 139.
— Wenn Schmidt S. 78 für cedo mit Infin (fehlt bei Dräger) nur Sil.
6, 310 kennt, so füge ich hinzu Paul. dig. 8, 2, 20. § 1. — Dr. sagt
8.346 = 361: »Potestas est mit Infin. ist eben so selten; zuerst bei
Verg. Aen. 4. 565«. Aber Schmidt hat noch Sali. Cat. 29, 3 u. a. Stellen.
Dazu füge ich Liv. 34, 13, 5 (alicui potestas fit). — Dr. S. 346 = 362:
»Negotium, industria, labor est c. Infin. fehlen ebenfalls noch in
der vorklassischeu Zeit; klassisch ist nur das erste von den dreien in
der Bedeutung »Schwierigkeit«. Aber nach Schmidt (S. 83) steht
labori est mit Infin. bei Plaut, rud. 190, Herculi labos est, Catull. 55
(nicht 45), 13, und labor multo major est mit Infin. bei Cic. Brut.
57, 209 (dieses hat Dr. Aufl. 2). — Für spes est mit Infin. (Dräger hat
nur Beispiele mit Akk. und Infin.) führt Schmidt S. 85 an: Verg. Aen.
5, 183. Grat. cyn. 372. Val. Flacc. 2, 381. Stat. Theb. 12, 179. Sil. 13, 249
(nicht 349); 16, 298. — Dr. S. 376. Aufl. 1 sagt; »Abuuo (mit Akk. und
Infin.) wird nur aus Ennius und Livius citiert«; und S. 396. Aufl. 2:
»Abnuo wird nur aus Ennius, Lucrez, Varro und Livius citiert«. Aber
Lateinische Lexikographie. 279
Schmidt bringt (S. 106) noch für abnuo = infitior bei Tac. dial. 33.
Curt. 5, 3, 13. Quint. 5, 8, 3; 6, 2, 12 (wozu ich noch füge Cic. de leg.
1, 14, 40); für abnuo = recuso noch Verg. Aen. 10, 8. Curt. G, 7, 7;
6, 11, 35. Sil. 14, 599. Claud. 29, 12; 35, 80. — Dr. S. 376 = 397: «Men-
tior lindet sich erst Liv. 24, 5«. Dem stimmt Schmidt S. 109 bei; aber
es findet sich schon Verg. Aen. 2, 540. — Wenn es Dr. S. 3G3. Aufl. 1
heisst: »Diese Construction [mit Akk. und Infin.] fehlt bei nosco und
novi, cerno und disco«, so ist diese falsche Angabe Aufl. 2. S. 282
etwas verbessert; aber wenn es heisst: »novi nur bei Varr. de vit. pop.
Rom. 1, 44 (Kettner)«, so ist das wieder unrichtig; Schmidt trägt (S. 111)
nach: Mart. 13, 2, 8. Claud. 3, 322; 50, 44. — Für discere (bei Dr. nur
Cicero, Caesar und Nepos) bringt Schmidt noch Plaut. Pseud. 680. Fann.
ann. 1, fr. 1 (bei Prise. 13. § 12). Hör. sat. 1, 5, 101. Phaedr. 2, 2, 2. Curt.
5, 1, 6. Plin. pan. 31, 3 u. 49, 3 (auch 59, 5). Tac. bist. 1, 29. Gell. 5, 10.
§ 9 u. 13; 18, 4, 10. Justin. 5, 9, 2; 29, 4, 1 (auch 2, 3, 13; 14, 2, 4;
27, 1,4). Claud. 8,99 u. 409; 22,309; 26,398. - Für maerere (Dr. S.373
= 392) bringt Schmidt S. 113 noch Sil. 8, 18 bei. — Dr. S. 386 = 408: »ro-
gare (mit Akk. und Infin.) erscheint noch später, Justin. 1, 41, 9«. Dagegen
Schmidt (S. 115) Ovid. art. am. 1, 433; met. 14, 138. — Zu poscere mit
Akk. und Infin. (Dr. 390 = 412) bringt Schmidt (S. 115) noch bei: Ovid.
met. 8, 708 (8, G98 R.). - Zu cogito mit Akk. und Infin. (Dr. S- 364
= 383) bringt Schmidt (S. 117) noch bei: Ter. haut. 239; adelph. 32.
Catull. 76, 2. Curt. 5, 3, 13; 7, 2, 9 u. 7, 8, 26. Plin. ep. 4, 17, 4; 8, 24, 2;
9, 12, 2. Plin. pan. 41, 1. Tac. ann. 3, 33 u. 11, 6. Dazu Caes. b. G. 5, 33, 2.
Die von Dräger aus meinem Handwörterbuche ohne nähere Angabe des
Fundortes entnommenen Stellen aus Cicero stehen de nat. deor. 1, 41, 114
und Tusc. 1, 36, 86; Cael. in Cic. ep. 8, 16, 2. — Dr. S. 395 = 419: »Co-
gere (mit Akk. und Infin.) sehr selten«. Dagegen Schmidt S. 118: Varr.
r. r. 2, 2, 7. Lucr. 1, 1010. Syr. sent. 615 R2. Cic. Cat. 2, 11, 25; Phil.
5, 8, 22 (dazu II. Verr. 1, 35, 88; 3, 3G, 84; post red. in sen. 15, 37. Cic.
Brut. 14, 55). Vell. 2, 42, 2 (und 2, 71, 3). Liv. 26, 6, 1 (dazu 8, 13, 1).
Sil. 14, 106. — Dr. S. 364 = 382: »Selten ist auch experior, doch
schon einmal Plaut, truc. 2, 6, 48 (529)«. Aber Schmidt bringt (S. 119)
noch bei: Plaut. Bacch. 387, und ausserdem Ter. Hec. 489. Plin. ep. 1, 6, 3;
pan. 62, 3. Lucan. 5, 502. Claud. 15, 306 (dazu Curt. 7, 4, 11). — Wenn
Schmidt S. 123 zu ingemo mit Akk. und Infin. citiert: Pars. 5, 60 und
Mart. 9, 60 (richtiger 9, 59, 10 Sehn.), so bemerke ich, dass in diesen
Stellen das Perf. ingemuere und ingemuit steht, welche ich zu ingemisco
ziehe, so wie auch Sil. 14, 670; und dazu Min. Fei. 8, 3. Aus Cic. Phil.
13, 10, 23 musste statt: quid ingeraiscis hostem Dolabellam (so steht bei
Cicero) stehen, was vorhergeht: judicatum hoc tempore hostem Dola-
bellam . . . ingemiscendum est? Auch »Lohr (Stut.)« ist zu streichen, da
dieser gar nicht vom Akkusativ mit Infinitiv handelt und nur S. 45 gerne
mit Infinitiv aus Stat. Ach. 1, 281 hat, wo aber Kohlmann fremit liest.
280 Lateinische Lexikographie.
Ausserdem bringt der Verfasser eine ganze Reihe Wörter, welche
in Dräger's historischer Syntax noch unberücksichtigt geblieben sind. Das
Ganze ist ein wertvoller Beitrag zur Lehre über den Gebrauch des In-
finitivs und des Akkusativs mit Infinitiv. Wie sehr viele Angaben in
Dräger's historischer Syntax auch in der zweiten Auflage noch der Er-
gänzung und Berichtigung bedürfen, geht aus Vorstehendem deutlich
hervor. Wichtige Schriften, wie: »Der Infinitiv bei Plautus von Ernst
Walder. Berlin, 1874« und: »Quaestiones de infinitivi usu Plautino,
scr. Gull. Votsch. Halis. Sax. 1874«, sind auch in der zweiten Auflage
noch nicht benutzt worden. In der Schrift von Schmidt ist nur eins zu
beklagen, die grosse Masse falscher Citate. Man darf keine einzige Stelle
nachbrauchen, ohne diese erst nachgeschlagen zu haben. Wie toll das
zuweilen ist, will ich durch ein Beispiel zeigen. S. 111 unter disco
wird citiert: Claud. 7, 99 (sehr. 8, 99) und 410 (sehr. 409); 23, 309 (sehr.
22, 309); 26, 399 (schr. 398).
Syntaxis fragmeutorum scaenicorum poetarum Romanorum, qui post
Terentiura fuerunt adumbratio. Scripsit Fr. Guil. Holtze. Opus
postumum. Lipsiae 1882. IV, 78 S. 8.
Diese letzte Arbeit Holtze's zerfällt in folgende Abschnitte: I. Syn-
taxis substantivi et praepositionum. 1) Substantivum abstractum pro
concreto. 2) Substantivi numerus. 3) Casus substantivorum. Der Ab-
lativ wird von § 3 bis § 19 behandelt; dann folgt der Akkusativ von § 20
bis § 25 ; dann der Dativ von § 26 bis § 29 ; dann der Genetiv von § 30
bis § 34. Von § 35 bis § 41 werden die Praepositionen behandelt. II. Syn-
taxis pronominum § 42. III. Syntaxis verbi, welcher in § 43 einiges über
die ellipsis verbi substantivi (copulae) esse und über adverbium loco
praedicati usurpatum vorausgeschickt wird. Die syntaxis verbi erstreckt
sich von § 44 bis § 53. IV. De enuntiationibus et particulis § 54 bis
§ 71. Zu bedauern ist, dass diese fleissige Arbeit nach der ersten Aus-
gabe der Tragiker- und Komikerfragmente von Ribbeck gearbeitet ist,
so dass man beim Gebrauch einer Stelle immer erst die zweite Ausgabe,
in der Ribbeck mancherlei Aenderungen vorgenommen hat, nachschlagen
muss. Näheres in meiner Anzeige derselben Schrift in der Philol. Rund-
schau Jahrg. 2. No. 28. S. 882 f.
Lexikalische Bemerkungen zu Firmicus Maternus. Vom Oberlehrer
Dressel. Zwickau 1882. S. 36 in 4. (Programm.)
Angeregt durch Wölfflin's Arbeit über Cassius Felix hat es Herr
Dressel unternommen, die Astronomica des Firmicus Maternus in lexi-
kalischer Hinsicht zu besprechen. Die Schrift zerfällt in zwei Abteilun-
gen. Die erste handelt von denjenigen Wörtern, welche bei Firmicus
im Gebrauche zurücktreten und durch Synonyma vertreten werden; die
zweite teils von solchen Wörtern, welche sich in allen oder einigen der
Lateinische Lexikographie. 281
gangbarsten Wörterbücher nicht finden, teils von solchen Wörtern, wel-
che eine von ihrer gewöhnlichen abweichende Bedeutung angenommen
haben, die in den Wörterbüchern noch nicht verzeichnet ist; endlich
bringt sie weitere Belege für solche Konstruktionen von Wörtern, die
vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichen. Ich habe die sorgfältige
Abhandlung in der Philol. Rundschau Jahrg. II. No. 28. S. 883 — 890 aus-
führlich besprochen.
De Pompei Trogi sermone. Pars prior. Scripsit Franciscus
Seck. Constantiae 1881. S. 27 in 4. (Programm.)
Herr Prof. Seck sucht in vorstehender Schrift nachzuweisen, dass
wir in dem Auszug Justin's von Pompei Trogi historiae Philippicae im
grossen Ganzen das Geschichtswerk des Pompeius Trogus vor uns haben
und dass Justin nur hin und wieder ein oder ein paar Wörter, um sei-
nen Auszug konform zu machen, hinzugefügt. Die Abhandlung zerfällt
in folgende Teile: A. Fragmenta ad verbum e Pompei Trogi libris ex-
pressa. B. Quaestiones ad formas et verborum usum pertiuentes. I. Sub-
stantiva. II. Adjectiva. III. Numeralia. IV. Pronomina. V. Verba.
VI. Adverbia. VII. Praepositiones. Näheres in meiner Anzeige in der
Philol. Rundschau. Jahrg. IL No. 29. S. 912—915.
Nach Schluss meines Jahresberichtes geht mir durch die Verlags-
buchhandlung noch zu:
Appendice ai Dizionari Italiano - Latini come guida allo stile della
prosa Augustea composita dal dott. Daniele Riccoboui. Venezia
1881. S. VIII, 121 kl. 8.
In der Vorrede giebt der Verfasser in 9 Paragraphen einige all-
gemeine Regeln, die beim Uebersetzen aus dem Italienischen in's Latei-
nische zu beobachten seien. Sie sind ganz sachgemäss, cuthalten aber
für uns Deutsche nichts neues. Das Wörterbuch selbst ist nicht übel;
die den italischen Ausdrücken beigefügte Latinität ist, so weit ich sehen
kann, klassisch. Auch Ausdrücke aus der neueren Kunstsprache sind
entsprechend ausgedrückt. Für Anfänger ist das Buch aber nicht, da
oft unter den betreffenden Artikeln bloss die lateinischen Wendungen
angegeben werden. Auf Vollständigkeit der Artikel darf das kleine Buch
natürlich keinen Anspruch machen; während z. B. ambizione (Ehrgeiz)
angeführt ist, fehlt ambizioso (ehrgeizig).
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVIU. (1881. UI.) I9
Jahresbericht über römische Geschichte und
Chronologie für 1881.
Von
Dr. Hermann Schiller
Gymnasial-Direktor und Universitäts-Professor in Giessen.
I. Zusammenfassende Darstellungen der römischen
Geschichte.
Von Momraseu's römischer Geschichte ist unter dem Titel: Th.
Mommsen, Histoire Romaine, Nouvelle edition, traduite par de Guerle,
Paris 1882, eine französische Bearbeitung erschienen.
E. Fernique, Histoire Romaine.
Ein Schulbuch mit einigen Karten und eingedruckten Abbildungen,
ohne wissenschaftlichen Wert. Unbegreiflich ist, wie ein Buch von sol-
chem Umfang (536 S. ) zum Unterrichte bestimmt und verwandt wer-
den kann.
Diomede Pantaleoni, Storia civile e costituzionale di Roma
dai suoi primordj fino agli Antonini. Vol. I. Torino 1881.
Der Verfasser legt in einer sehr breiten Vorrede (59 S.) seine An-
sichten über Geschichtsforschung und -behandlung dar; sie sind wesent-
lich conservativ und enthalten zahlreiche philosophische Probleme; da
sie aber in seiner Arbeit hinlänglich zu Tage treten, so ist es über-
flüssig hier auf dieselben einzugehen. Dieselbe Breite charakterisirt
auch die eigentliche Untersuchung; dieselbe verwendet 512 Seiten auf
die Darstellung der Verhältnisse bis zu den Zeiten der gallischen In-
vasion; auf weiteren 180 Seiten geben vier Äppendici noch alle die Aus-
führungen, die der Verfasser im Contexte nicht unterbringen konnte.
Im ersten Capitel entwickelt der Verfasser die topographischen
Ursachen der Grösse Roms. Er weist auf die historische Thatsache hin,
dass zu allen Zeiten der Norden und Westen Italiens nordischen und
occidentalischen, der Süden und Osten orientalischen Einflüssen unter-
Zusammenfassende Darstellungen. 283
lagen, während Rom gewissermassen die Grenze bildete , wo sich beide
Einflüsse berührten, ohne entscheidend Platz greifen zu können. Weni-
ger befriedigend als die Feststellung dieser Thatsache ist ihre Erklä-
rung, welche in wenig mehr als allgemeinen Betrachtungen gegeben wird,
die zum Teil recht geistreiche Apercus enthalten, aber auf die Lö-
sung der Frage so gut wie keine Antwort geben. Diesen topographi-
schen Verhältnissen werden in Cap. 2 die ethnographischen und socialen
an die Seite gestellt. Die Pointe dieses Capitels ist das, was der Ver-
fasser tribü geniche nennt; er sucht nämlich in den beiden Tribus der
Tities und Ramnes die einzelnen Züge des römischen Volkscharakters zu
erkennen und zu analysireu. Die Tities entwickelten den Begriff des
strengen Familienlebens, der patria potestas und des Gentilrechts, des
Patriciats; sie waren unzweifelhaft Sabeller und lebten noch in Rom in
Gemeinschaft des Wohnsitzes, der Lebensweise, des Eigentums und des
Cultus in patriarchalischer Weise; aber ihre Auswanderung und die
Rücksichten der Eroberung nötigten sie sich einen Herzog zu setzen,
neben dem sich aber rasch eine Aristokratie mit einer Clientel ausbil-
dete. Die Ramnes waren, wie das dritte Capitel ausführt, eine tribü
mamertina, d. h. zusammengewürfeltes Volk von Abenteurern, das sich
für die Eroberung einen Herzog gesetzt hatte, sonst aber nur das Recht
des Stärkeren anerkannte. Die Eroberung brachte es mit sich, dass,
während die Tities kein Sondereigeutum kannten, dieses von den Ram-
nes entwickelt wurde ; das sabellische Institut der drei Namen erhielten
diese Eroberer erst später, als sie Frauen sabinischen Stammes heira-
teten. Von ihrem ursprünglichen ungeschlossenen Charakter, der jedem
Abenteurer Eintritt in die Kameradschaft gestattete, behielten sie spä-
ter die Leichtigkeit bei, mit der sie Auswärtigen, namentlich aus den
fremden Geschlechtern, Eintritt in ihre Mitte gestatteten; dagegen war
stets bei ihnen die Clientel von geringer Ausdehnung, obgleich sie dieses
Institut, wie die patria potestas etc., von den Tities annahmen. Diese
Ramnes - und dies ist die fundamentale Anschauung des vierten Ca-
pitels — waren sabellischer Abstammung, so gut wie die Tities. Dass
sie nicht Latiner sein können, sucht der Verfasser aus den Differenzen
zu erweisen, welche in den religiösen Anschauungen, dem politischen
Leben und dem intellektuellen Zustande der Ramnes und der Latiner
in der Ueberliefcrung hervortreten. Der Raub der sabinischen Frauen
ist ein Fuudamentalsatz der Ueberliefcrung; wie wäre er denkbar, wenn
die Ramnes eine latinische Colouie gewesen wären? Ebenso wenig ist
denkbar, dass die von Alba, einer civilisirten Stadt, ausgesandten Colo-
nisten im Laufe weniger Monate und in der Entfernung weniger Meilen
so verwilderten, wie die Hannics in der Ueberliefcrung geschildert sind.
Und wie sollten diese Latiner dazu gekommen sein, die ihnen stamm-
fremdeu sabinischen Frauen zu rauben, während ihnen das Conubium
mit Latiuni offen standV Diese sabellische Invasion war aber nicht ver-
19*
284 Römische Geschichte und Chronologie.
einzelt, sondern erstreckte sich über einen grossen Teil von Latium,
wie das nicht latinische Institut der Gentilität beweist. Diese alten Ge-
schlechter zählten nach dem Decimalsystem, während die Plebeier nach
dem Duodecimalsystem rechneten; jenes ist sabeilisch, dieses latiuisch.
Das fünfte Capitel behandelt die Verschmelzung von Tities und Ramnes.
Bei der streng entwickelten Gentil Verfassung der Tities mit ihrem ge-
meinsamen Eigentum konnte eine Aufnahme der Ramnes nur unter Zu-
stimmung aller tribus erfolgen, und auch hier boten die Besitzverhält-
nisse unüberwindliche Schwierigkeiten bei einer grösseren Menschenzahl.
Aber bei beiden Stämmen waren gewisse Begriöe des Familien- und des
öffentlichen Rechts völlig gleichentwickelt, was ebenfalls ihre gemein-
same sabellische Abstammung beweist. Die Erweiterung der Tities
konnte nur durch Clienten erfolgen, die der Ramnes durch gleichberech-
tigte Zuwanderer, die Verfassung der ersteren war aristokratisch, die
der letzteren monarchisch; diese Verschiedenheit begründet auch den
wesentlich offensiven und defensiven Charakter der einen und der an-
deren, dessen Ausdruck die Könige Romulus, TuUus Hostilius auf der
einen, Numa und Ancus auf der anderen Seite sind. Als aber die Ram-
nes Fraueu nahmen und ein Familienleben gründeten, traten sie wieder
in das System zurück, in dem sie aufgewachsen waren und das sie nur
verlassen hatten, um als Eroberer aufzutreten; sie nahmen das Gentil-
und Familienrecht der sabinischen Titier wieder an und auch die Wirt-
schaftsarten des Ackerbaues, der Weide- und der Waldwirtschaft. Nur
blieb, während der Mittelpunkt der Tities in der gens lag, bei den Ram-
nes der Mittelpunkt in dem Könige ; an den kriegerischen Ursprung der-
selben erinnert auch die Dictatur, die Celeres und die res mancipi und
nee mancipi; die beiden Tribus vereinigten sich unter Ancus Marcius
in dem Namen der Quiriten; das Zeichen S. P. Q. R. heisst Senatus
Populus Quiritium Romanorum. Sie waren ein hartes grausames Ge-
schlecht ohne Phantasie und Sentimentalität, aber voll Ausdauer, ihre
Lebensweise sehr einfach, ja niedrig, streng religiös, gewissenhaft die
Autorität respektirend. Nur die Patrizier waren berechtigt, im Heere
dienten nur Patrizier und Clienten, die Gesetzgebung erfolgte nur für
die Patrizier. Während die sabellischen Ramnes und Tities das Patri-
ziat darstellten, setzte sich die Plebs fast ausschliesslich aus Latinern
zusammen (Cap. 6); sie kannten nicht die Anspielen, hatten also eine
ganz verschiedene Religion, hatten weder gens und Gentilität, noch die
patria potestas; zwischen den Patriziern und ihnen bestand kein Conu-
bium, sie sprachen latinisch. In der Einteilung der Plebs ist einzig das
topische Element bestimmend, denn die Latiner waren zu dieser Zeit
schon völlig städtisch entwickelt und organisirt; in Rom selbst kann in
der früheren Zeit von irgend einer Organisation der Plebs gar keine
Rede sein; dies ist auch selbstverständlich, wenn man festhält, dass die
Patrizier die Eroberer, die Plebeier die Besiegten waren. Die Ver
Zusammenfassende Darstellungen. 285
fcassung unter den vier ersten Königen zeigt einen König, der von den
Faniilienhäuptern gewählt und von allen Kriegern durch Acclamation
bestätigt wird, die Curiatcomitien mit den Häuptern aller Gentes und
eine Versammlung, welche durch Acclamation annimmt oder ablehnt.
Das Königsgericht erstreckt sich nur über die Plebs und die später
Unterworfenen, der pater familias urteilt über seine Familie, Clienten
und Sklaven. Der Freie, der vom Königsgericht verurteilt wird, kann
mit dessen Zustimmung an den populus appelliren; die Besiegten da-
gegen sind rechtlos; auch die religiösen Zustände (indigitamenta, argei)
zeigen niedrige Culturzustäude ; besser wurden dieselben durch die Ueber-
siedelung der an städtisches Leben gewöhnten albanischen Geschlechter.
Im zweiten Buche wird die etruskische Einwanderung in Rom und
ihre Folgen geschildert. Die Luceres waren Etrusker. Das plötzliche
Auftreten einer Reihe von grossartigen Bauwerken, wie der Cloaca Maxima,
des Servianischen Mauerbaues, des Tabulariums, des Circus Maximus
würde bei der geringen Cultur, welche die Einwohner Rora's unter den
ersten vier Königen besasseu, unerklärlich sein ohne Annahme fremder
Einwanderung; dazu stimmt, dass nach dem Sturze der tarquinisch-etrus-
kischen Herrschaft mehrere Jahrhunderte lang keine ähnlichen Baudenk-
mäler mehr entstehen. Mit diesen neuen Bauten zeigen sich neue reli-
giöse Bräuche, neue Einrichtungen, neue Bewaffnung, und zwar ganz so,
wie die Etrusker sie besassen. Dass ein dritter Bevölkerungsteil hinzu-
kam, zeigt die seit Tarquinius Priscus überall auftretende Dreizahl der Tri-
bus, der Senatoren und Ritter; das namentlich für letztere erforderliche
Wachstum des Wohlstandes, ja Reichtumes kann nicht auf natürlichem
Wege entstanden sein. Der Name Luceres wird von dem Vornamen des
Tarquinius Lucius (Lucer) abzuleiten sein. Die Hypothese K. 0. Müller's
über die Suprematie von Tarquinii über Rom ist nicht stichhaltig. An
eine Eroberung von Seiten des Tarquinius Priscus ist nicht zu denken,
weil die vorher herrschenden Classen nicht aus ihrer Stellung verdrängt
werden; auch alle sonstigen Symptome stimmen nicht zu einer Eroberung.
Wahrscheinlich musste L. Tarquinius in Folge der in Etrurien's Städten
zu dieser Zeit wüthcnden Parteikämpfe seine Heimat mit seiner Partei
verlassen; diese Einwanderer waren reicher, gebildeter (Handel und In-
dustrie), politisch entwickelter und besser disciplinirt als die sabellischen
Einwohner Rom's. Da sie in der Stadt lebten, während die Patrizier
der sabellischeu Tribus in den pagi sassen, bekamen sie bald das Heft
in die Hände und lieferten aus ihrer Mitte die drei letzten Könige; ver-
geblich suchte die alte Bevölkerung durch die Söhne des Ancus Marcius
dies Verhältnis zu ändern. Servius Tullius war wahrscheinlich als Mastar-
nia, Sohn des Kclc Vipna, dem L. Tarquinius mit einer bewatfueten Schaar
zu Hilfe gekommen und hatte Aufnahme erhalten (Caelius); er war ein
Condottiere; denn das Söldnerwesen war in Etrurien ähnlich entwickelt,
wie in den griechischen Städten. Die Verfassung des Serv. Tullius zeigt
286 Römische Geschichte und Chronologie.
die Verbindung des merkantilen Geistes der etruskischen Küstenstädte
und des Landsknechttums. Die zwei Haupteinrichtungen dieses Königs
sind die lokale Tribusvcrfassung und der Census mit seinem Gefulge der
Centuriat-Cümitien; die erstere Einrichtung hat keine politische Bedeu-
tung an und für sich, sondern lediglich administrative und finanzielle,
denn plebeische Versammlungen irgend welcher Art gab es so wenig als
eine Vertretung der Plebs, wie die secessio beweist. Die Bedeutung der
Servianischen Verfassung liegt in drei Momenten: 1) In der Einführung
des Besitzes als Grundlage des Census; daneben bleibt in den sex suf-
fragia der Wert der Geschlechter anerkannt. 2) In der Censirung der
Clienten auf Grund ihres Besitzes, wodurch die Ausgleichung mit den
Plebeiern herbeigeführt wurde. 3) In der Bedeutung, welche die reichen
Plebeier in Heer und Volksversammlung erhielten. Nur der militärische
Charakter der ganzen Reform ermöglichte solch' tiefe Umgestaltungen.
Gegen diese nicht mehr rein etruskische, sondern in ihrer der Plebs
freundlichen Tendenz schon mehr latinische Reform erhob sich eine rein
etruskische Reaction in Tarquinius Superbus. Die militärische Macht,
zu welcher die etruskische Dynastie Rom gebracht hatte, zeigt sich in
der Erwerbung der Hegemonie über Latium; Zugleich war Rom jetzt
durch den Handel reich geworden; ohne beide Bedingungen wäre der
Vertrag mit Karthago nicht denkbar. Die etruskische Herrschaft war
immer vod den sabellischen Tribus, insbesondere von den in ihren pagi
lebenden, zäh conservativen Geschlechtern scheel betrachtet worden; dazu
kam, dass der etruskische Adel übermütig und corrumpirt war; dies
waren die Keime zum Sturze der Etrusker. Im 2. Capitel schildert der
Verfasser die Veränderungen, welche unter den drei letzten Königen vor
sich gingen. Die Plebs, aus unterworfenen Latinern bestehend, hatte
gegen Belassung eines Teiles ihrer Ländereien einen Tribut zu bezahlen
und Heeresfolge zu leisten; diejenigen Plebeier, welche keine solchen Be-
sitzungen mehr hatten, wohnten in der Stadt, ihre Lage wird aber erst
etwas klarer unter der Regierung des Servius Tullius. Unter den Plebeiern,
die also die nach Rom verpflanzten Bevölkerungen unterworfener, oft
zerstörter Städte waren, mussten sich auch reiche, in ihrer Heimat her-
vorragende und angesehene Familien befinden, die auch unter der Plebs
in Rom ihren Anhang und ihr Ansehen behielten. Die grosse Zahl der
Plebs beweisen die Servianischen Mauern und die Höhe des Census. Der
Verfasser nimmt dabei als ausgemacht an, dass die Patrizier der Ramnes
und Tities nicht in den Centuriatcomitien des Servius Tullius sich befanden;
so bestanden diese — die sex suffragia ausgenommen, welche Patrizier-
söhne ohne Grundbesitz enthielten — bloss aus Plebeiern und Clienten.
Dass die Plebeier unter der etruskischen Herrschaft sehr reich, nament-
lich durch Handel, wurden, beweist einmal die Grossartigkeit der Bauten,
sodann aber die Erscheinung vieler Plebeier in den Rittercenturien. Die
Macht der Plebeier wuchs durch die Heeresäuderuug, welche die etrus-
Zusammenfassende Darstellungen. 287
kische Herrschaft herbeiführte, indem sie den Schwerpunkt des Kampfes
in das Fussvolk verlegte. Die etruskische Religion fand namentlich, so
weit sie sich mit der griechischen berührte, leicht Eingang. Dieses er-
weckte die Anfeindung der Patrizier. Seit die Clienten dem Census
unterworfen wurden und im Heere dienten, begannen sie sich von der
strengen Abhängigkeit von den Patriziern zu befreien. Gegen den Hass
der alten Geschlechter bildete die Stütze, welche die beiden ersten etrus-
kischen Könige an den Plebeiern gehabt hatten, keinen Damm mehr, als
diese Sympathie erloschen war infolge der Beseitigung der Centuriatcomi-
tien durch Tarquinius Superbus; dagegen konnten seine Eroberungen nicht
das Gegengewicht bilden, da die Plebeier von denselben keine Frucht
erhielten, indem der ager publicus für den Staat in Anspruch genommen
wurde. Die Frohnden für die Bauten mussten sie finanziell ruiniren. Mit
diesen unzufriedenen Elementen verbanden sich die Ritter; dieselben
waren von Anfang nicht bloss eine militärische, sondern eine politische
Körperschaft, in der sich die reiche Plebs und die Patrizier berührten,
wie der Verfasser aus Livlus und dem Verhältnis des magister equitum
zum magister populi zu erweisen sucht; auch sie waren von dem Regi-
ment des etruskischen Königs mannichfach verletzt worden. Schliesslich
scheinen unter den etruskischen Geschlechtern selbst tiefgehende Spal-
tungen bestanden zu haben. Alle diese Interessenten finden sich in den
Führern bei dem Sturze des Königtums repiäsentirt (Cap. 3). Die Re-
volution war gegen die etruskische Herrschaft gerichtet; dass aber zu-
nächst nicht die ganze etruskische Ansiedelung beseitigt wurde, zeigt
der Umstand, dass zwei Männer dieser Bevölkerung Consuln wurden,
ebenso die Verschw^örung, bei der die Söhne des Brutus beteiligt waren,
dagegen waren die Etrusker im Patriziate und der Curien-Versamralung
in der Minorität. Aber bald erfolgt eine weitere Degradation der Etrus-
ker: sie dürfen nur noch in den niedrigen Stadtteilen wohnen und heissen
minorum gentium, die etruskischen Religionsgebräuche werden mit Arg-
wohn betrachtet und abgeschafft, wie sich der Sieg der sabellischen Be-
völkerung in der Rcproduction der Indigitamenta durch Gaius Papirius
ausspricht. Der Sieg brachte die Verbindung der reichen Plebeier mit
dem Geschlechtsadel (Patres Conscripti), die arme Plebs hatte keine
Vertretung ihrer Interessen mehr, denn die Clienten, welche durch die
servianische Verfassung zur Emancipation von dem Patriziat geführt
worden waren, schlössen sich wieder enger an die Geschlechter an, von
denen sie mittels des ager publicus allein Sicherung und Besserung ihrer
socialen Existenz erwarteten. Cap. 4 stellt den Höhepunkt der Königs-
zeit (Hegemonie über Latium, einen Teil der Sabiner, Volsker, Ilerniker,
Seestellung Rom's im Vertrag mit Karthago, grosse Bauten) dem raschen
Siidien entgegen, das sofort nach dem Sturze des Königtums eintrat und
in dem die zwei crsteren Errungenschaften nicht nur rasch verloren gin-
gen, sondern Rom auch unter die Herrschaft Porscua's geriet und einen
288 Römische Geschichte und Chronologie.
Teil seines Territoriums einbüsste; aber diese etruskische Herrschaft
vermochte so wenig wie die frühere eine Assimilation herbeizuführen
oder dem Volkscharakter ihr dauerndes Gepräge aufzudrücken. Mit der
Auflösung des Gemeinbesitzes der Patrizier war das Ackerland in Eigen-
tum übergegangen, Wald und Weideland blieben dagegen gemeinsames
Eigentum, über das der König verfügte (Cap 5). Mit dem Sturze des
Königtums ging dieses Verfügungsrecht an die Oligarchie über, welche
jetzt höchstens ihre Clienten damit versorgte, die Plebs aber, welche
unter den Königen zu dem Genüsse der Domäne zugelassen worden war,
blieb gänzlich davon ausgeschlossen. Damit schwand in den an Kriegen
reichen Zeiten und bei der Kriegsdienstpflicht der Plebeier für diese die
einzige Möglichkeit, ihre Verhältnisse zu verbessern und erträglich zu
machen. Cap. 6 schildert die Nachwirkungen der etruskischen Herrschaft
auf den Gebieten der Kunst, Religion, des Handels und der Bewaffnung.
Im 3. Buche werden die republikanische Verfassung und ihre Ver-
änderungen bis zu der 12-Tafelgesetzgebung dargestellt. Eine fest ge-
ordnete, geschriebene Verfassung mit klarer Scheidung der einzelnen
Befugnisse gab es nach der Vertreibung der Könige nicht; die Souve-
ränität kehrte wieder zu der auctoritas patrum zurück; in den Curien
herrschte das Element der Ramnes und Tities weit über das der Luceres
vor, die Consuln waren in die Erbschaft der königlichen Gewalt einge-
treten, aber über sie hatte der Senat eine allerdings auch nicht streng
definirte Gfewalt sie zu tadeln und zur Abdankung und Ernennung eines
Dictators zu veranlassen; allerdings brauchten sich die Consuln nicht zu
fügen, auch trat letzterer Fall wegen der nach der Amtsniederlegung
drohenden Verantwortung nicht ein ; immerhin bestand als regelmässiges
Rechtsmittel in Criminalsachen gegen ihr Urteil die Appellation an die
Centuriatcomitien; in letzteren herrschte thatsächlich freilich allein die
Plutokratie; wenn trotzdem die Patrizier und der plebeische Neuadel
sich um dieselben kümmerten, so lag dies in der jeder Oligarchie eigen-
tümlichen Besorgnis begründet, die Masse gegen sich in ausgesprochenen
Gegensatz zu bringen. Trotzdem war die Plebs thatsächlich vom Staate
ausgeschlossen, und hierin lag der verhängnisvollste Fehler der Aristo-
kratie; denn ausgeschlossen von allen Rechten — Wahlrecht etc. be-
sassen sie nur illusorisch — hatten sie doch die Verpflichtung diese Zu-
stände gegen den auswärtigen Feind zu verteidigen. Und dies alles,
nachdem ihnen unter der etruskischen Dynastie eine viel bessere Rechts-
stellung eingeräumt worden war. Cap. 2 schildert den Kampf der Ple-
beier gegen diese Unterdrückung ohne wesentlich Neues zu sagen; Cap. 3
vollendet diese Schilderung namentlich durch die Betrachtung der agra-
rischen Verhältnisse; die Ansicht des Verfassers, dass die Patrizier in
pagi wohnten, wird durch eine ausführliche Erörterung des Berichtes
über die Niederlassung der gens Fabia an der Cremera zu stützen ver-
sucht; die Gemeinsamkeit des Besitzes bestand noch bis gegen 280 290
Zusammenfassende Darstellungen. 289
d. St.; daneben aber schon volles quiritarisches Eigentum und bonitari-
scher Besitz. Die Beibehaltung des ager publicus war zu dieser Zeit
nicht nur politisch unklug, sondern auch ökonomisch verderblich. In
Cap. 4 werden die hiermit im Zusammenhang stehenden politisch-socialen
Veränderungen ausführlicher besprochen , denen der Verfasser ebenfalls
manche neue Gesichtspunkte abzugewinnen vermag. In Cap. 5 ist na-
mentlich die Schilderung von Spurius Cassius Viscelliuus und L. Quin-
ctius Cincinnatus interessant, des Revolutionärs und des Vorkämpfers der
Conservativen.
Buch 4 behandelt die bürgerliche Gleichstellung, die zwölf Tafeln
und die Parteikämpfe bis zur Einnahme von Veji. Um die 12-Tafelge-
setzgebung in ihrer Bedeutung verständlich zu machen, schildert Cap. 1
zunächst die Zustände vor derselben mit ihrer Blutrache, ihren Gottes-
urtheilen und ihrer wenig entwickelten Rechtspflege, namentlich in den
Schuldgesetzen, die in ihrer Entwickelung mit den bei andern Völkern
bekannten Verhältnissen durchaus übereinstimmen. — Im 2. Capitel wird
die 12-Tafelgesetzgebung dargestellt. Wenn auch an der Gesandtschaft
nach Athen nicht zu zweifeln ist, so stellen doch die 12 Tafeln die Summe
der Gewohnheiten und Gepflogenheiten des römischen Volkes dar, welche
sich bis dahin entwickelt hatten, und zugleich die wahren Beziehungen,
welche zwischen Patriziern und Plebs zu dieser Zeit bestanden. Die
Kluft, welche noch zwischen beiden Ständen bestand, zeigt sich am evi-
dentesten in dem Verbote der Heirat zwischen ihnen; sie musste natür-
lich auch auf den übrigen Lebensgebieten vorhanden sein. Die Betonung
der Form in diesen Gesetzen zeigt den niedrigen Stand der Bildung,
ebenso auch das Fehlen des Begriffes der Gerechtigkeit und des Staates
in Strafsachen, die nur als eine geregelte Privatrache aufgefasst werden ;
die gleiche Auffassung giebt sich im ganzen Prozessverfahren kund, na-
mentlich das Schuldrecht zeigt noch grosse Roheit, ebenso die patria
potestas ausserordentliche Härte; besonders ausführlich erörtert der Ver-
fasser die testamentarische Erbfolge. Die 12 Tafeln erleichterten das
Testiren, indem sie den Zwang aufhoben, mündlich vor den comitia ca-
lata eine Erklärung darüber abzugeben; sie bildeten damit den Ueber-
gang zu dem geheimen Testamente; aber sie änderten nichts am Eigen-
tumsbegriffe, indem sie nur die Verfügung über Kapital oder völlig
individuelles Eigentum gestatteten. Starb der Vater ohne Testament, so
erbten die Söhne und die Töchter zu gleichen Teilen ; doch blieben letz-
tere in der Gewalt der Agnaten; auch die Wittwe erhielt einen Solines-
teil, kam aber auch in die Gewalt des Sohnes. Auch nlle übrigen Seiten
der 12 Tafeln werden ausführlich erörtert, namentlich die patria potestas
in ihrer Bedeutung für den Culturzustand jener Zeiten untersucht; sie
ist auch in der Hauptsache das Hindernis für Heiraten zwischen Patri-
ziern und Plcbeiern gewesen, da letztere dieselbe niclit besasscn. Eine
patrizische Frau, die einen Piebeier heiratete, konnte nicht unter seine
290 Römische Geschichte und Chronologie.
Gewalt kommen, sie blieb in der Gewalt des pater familias, ihre etwaigen
Kinder folgten ihrem Stande und waren also, obgleich aus einer nicht
anerkannten Ehe, in solcher Weise in die Gewalt und damit in das Haus
eines Patriziers gelangt. Im 3. Capitel werden die materiellen und poli-
tischen Verhältnisse der Plebs und der Patrizier in der Zeit der Zwölf-
tafeln verfolgt. Eine grosse Rolle spielt hier die Umwandlung des Ge-
meinbesitzes der Patrizier in Familienbesitz und der Clienten in Sonder-
eigentum. Cap. 4 besch<äftigt sich mit den Verfassungsänderungen, welche
der 12-Tafelgesetzgebung folgten. Die wichtigste Veränderung ging mit
den Clienten vor sich; durch die Centuriatcomitien löste sich allmählich
der Zusammenhang mit den Patriziern, der auch durch die Auflösung
der Gentilität befördert wurde, und die Clienten standen schon zur Zeit
des Manlius Cai^itolinus und des Cam.illus auf Seiten der Plebs gegen
die Patrizier; vergeblich hatten die 12 Tafeln durch die härtesten Be-
stimmungen diesen Zusammenhang zu erhalten gesucht; da die Clienten
nur innerhalb der gens, nicht der familia standen, so war mit der Ver-
nichtung jener ihre Emancipation in der Hauptsache geradeso entschie-
den, wie sie in ihrer gens gefochten und gestimmt hatten, so lange die-
ser Zusammenhang bestand. Der religiöse Zusammenhalt konnte dies
nicht ersetzen, und seine Bedeutung ist stets überschätzt worden; der
materielle allein hatte jene Kraft. Diese Umwandlung erfolgte zwischen
310 — 35J3d. St. Das Patriziat allein konnte den Staat nicht erhalten,
es besass anderseits nicht die Kraft die neuen Elemente im Staate zu
absorbiren und zu assimilireu. Da der Verfasser annimmt, dass, so lange
das Gentileigentum sich erhielt, die Patrizier im Census keine Aufnahme
und ebenso wenig in den Tribus fanden, so ist er nur consequent, wenn
er an die Einführung des Familieneigentums den Eintritt in die Tribus
anknüpft; damit ist aber nicht das Stimmrecht in den Tributcoraitien
identisch gewesen. In den Centuriatcomitien konnten bis zur lex Publilia
416/338 die Patrizier, welche den Curien angehörten, nicht stimmen,
wohl aber ihre Söhne seit der Auflösung des collectiven Geutileigentums.
Cap. 5 verfolgt die auswärtigen Kämpfe von der Decemviralgesetzgebung
bis zur Einnahme vonVeji; die Ursachen dieser Kämpfe, namentlich die
centrale Lage Roms, werden mit treffender Klarheit geschildert. In der
Betrachtung der einzelnen Perioden schliesst sich der Verfasser Niebuhr
an; die inneren Kämpfe während dieser Zeit bieten geringeres Interesse;
die Einnahme von Veji brachte keine so grossen Erleichterungen der
Plebs, als die Grösse der Feldmark erwarten Hess, da es an Kapital
fehlte.
Das 5. Buch schildert das erste Zusammentreffen Rom's mit den
Barbaren, seine allmähliche Restitution und die Aenderungen in der
politischen Verfassung sowie in der Expansion nach aussen bis auf die
Samniterkriege. Cap. 1 behandelt die gallische Invasion, die etwas weit
ausholend mit den Völkerwanderungen überhaupt in Verbindung gebracht
J
Zusammenfassende Darstellungen. 291
wird; so wenig an der Richtigkeit dieser Thatsache zu zweifeln ist, so
unerquicklich ist die Breite, mit der darüber gesprochen wird. Cap. 2
bespricht die Wiederaufrichtung Kom's und die politischen Aenderungen
bis zu den Samniterkriegen. Wenn auch die römische Urbs den Galliern
erlegen war, so lebte doch die civitas fort, namentlich in ihren Militär-
colonien. Auch schadete die Zerstörung den Römern insofern nicht, als
durch dieselbe die benachbarten Völker, von der Furcht vor Vergewal-
tigung befreit, nur das Interesse hatten gegen die gemeinsame gallische
Gefahr sich zusammenzuschliessen und der niederliegenden Stadt behülf-
lich zu sein. Aber mit dem Wiederaufbau war erst die geringere Schwie-
rigkeit überwunden; viel bedeutender war die tinanzielle und ökonomische,
da die Hülfsmittel, mit welchen ein moderner Staat solche Katastrophen
verwindet, gänzlich fehlten. Es scheint, dass zunächst, was in Elend
und Not der Massen leicht entsteht, eine demokratische Alleinherrschaft
von Seite des Maulius Capitoliuus drohte; interessanter als seine per-
sönliche Geschichte sind die Thatsachen, dass bereits jetzt der Adel ge-
spalten und das materielle Elend der Plebs bereits unsäglich gross war.
Der Verfasser verfolgt nun die Entwickelung durch die Licinisch- Sexti-
schen Gesetze, ohne Neues zu sagen. Noch in dieser Zeit war die auc-
toritas patrura zur Gültigkeit der Gesetze erforderlich, und der Verfasser
entwickelt eingehend, wie diese auctoritas patrura auf den Senat ausge-
dehnt bezw. übertragen wurde. Noch zur Zeit der Liciuischen Gesetze
sind die Patrizier und der Senat deutlich geschieden, die auctoritas be-
zieht sich nur auf die Patrizier in den Curiatcomitien. Es wird nun
in ausführlicher Weise die Entwickelung der auctoritas patrum verfolgt,
welche ursprünglich von dem Senate der Königszeit geübt, dann aber
mit der Aufnahme der Conscripti in den Senat von den Patriziern in
den Curiatcomitien usurpirt wurde; aber wie der Senat in dem Beginne
der Aristokratie einflusslos wurde, so erhielt er zur Zeit der Liciuischen
Gesetze wieder grösseren Eintluss und die auctoritas ging nun wieder
an ihn zurück. Dass der erste interrex nicht eine Wahl vornehmen lässt,
erklärt sich aus diesem Verhältnis, nur die Patrizier sind die Bewahrer
dieser so zu sagen religiösen Sanction; der erste Interrex hat deshalb
die Curiatcomitien zu berufen, welche dann weitere iutcrreges ernennen
und die auctoritas verleihen. Für die Erteilung der auctoritas zu den
Liciuischen Gesetzen erhielten die Patrizier als Kaufpreis die x\btrennung
der Prätur vom Consulate. Im 3. Capitel werden die auswärtigen Be-
ziehungen Rom's, namentlich zu seinen Nachbarn, seit dem gallischen
Brande besprochen ; der Verfasser gruppirt die Thatsachen auch hier in
recht geschickter Weise, ohne jedoch zu besonderen Resultaten zu ge-
langen.
Dem Buche sind vier Appendici beigegeben, auf welche der Ver-
fasser besonderes Gewicht legt. Der erste ist mehr geschichts-pliiloso-
phi seh, delle diverse forme sociali storiche dcU' umanitä, della loro di-
292 Römische Geschichte und Chronologie.
versa importanza in rclazione alle evoluzioni dei popoli et all' indirizzo
diverso loro nella storia civile politica. Er ist aber für die ganze Arbeit
des Verfassers bezeichnend, die ja nicht sowohl eine philologisch-histo-
rische, als eine philosophisch-constructive ist. Er sucht darin gewisser-
massen eine Völkerphysiologie und -psychologie zu schreiben auf experi-
menteller Grundlage. Die älteste Form geschichtlichen und staatlichen
Lebens äussert sich in der Familie mit patriarchalischer Autorität des
Familienhauptes; aus ihr entwickelt sich die Geschlechtsgcnossenschaft,
der Stamm; Sondereigentum ist mit derselben unvereinbar; doch giebt
es eine feste Ehe und die Gemeinschaft erstreckt sich bloss auf das
Eigentum; dieser Zustand dauert an, wenn sich mehrere Familien von
einem gemeinsamen Stamme entwickeln und in völliger Gemeinschaft
beisammenbleiben; eine weitere Entwickelung ist das Zusammenleben
verschiedener Familien unter einem gemeinsam gewählten, mehr oder
minder erblichen Haupte; letztere Entwickelung tritt namentlich im feind-
lichen Contact mit anderen Stämmen, Kämpfen, Eroberungen, Wande-
rungen ein; Bräuche und Gewohnheiten bilden hier ein festeres Band
als später Gesetze. Alle Geschlechtsgenossen sind entweder gleich, oder,
wenn Unterschiede bestehen , so sind dieselben fest und unabänderlich.
So wird die Stabilität und Unveränderlichkeit der Formen ein charakte-
ristisches M^erkmal dieser Gesellschaftsform. Zuerst wird von der ge-
meinsamen Lebensweise die Wohnung ausgenommen, indem sich die
Familie vergrössert und neue Wohnräume gründen muss ; doch Hess sich
hier immer noch die Gemeinsamkeit des Besitzes festhalten; letztere
schwand wohl zuerst bei den Haustieren; hieraus entwickelt sich der
Besitz von Reichtum, an den sich die gesammte weitere physische und
geistige Differenzirung anschliesst. So erhebt sich das Sondereigentum
neben dem Gemeinbesitze. Einen Fortschritt in dieser Verfassung bildet
das excessive Anwachsen der Geschlechtsgenossen und das Zusammen-
treffen, meist im feindlichen Sinne, mit anderen Stämmen. Im ersteren
Falle sucht der kräftigste und kampffähigste Teil des Stammes neues
Land (Ver sacrum), oder wenn Land im Ueberflusse vorhanden ist, was
Anfangs fast stets der Fall zu sein pflegt, so entstehen neue Nieder-
lassungen, die zwar in sich Zusammenhang behalten, aber doch nur ein
Comglomerat von selbständigen Familien sind (Dorf); Gemeinbesitz er-
hält sich auch hier neben Sondereigentum. Arbeit und Genuss sind für
alle Familienglieder gleich; der Boden, der im gemeinsamen Besitz des
Dorfes ist, scheidet sich in Acker, Weide und Wald. Die Cultur des
Ackerlandes muss völlig übereinstimmend sein, kann nur jährige Cultur
gestatten und setzt für eine kleine Menschenzahl grosse Landstrecken
voraus; die Regelung der Bewirtschaftung ist einem Haupte übertragen,
welches aus der Zahl der Familienväter von diesen gewählt ist, mit die-
sen Rat pflegt und nach ihrer Entscheidung Anordnungen trifft; alle
Familienangelegenheiten unterliegen der Competenz des despotisch herr-
■ Zusammenfassende Darstellungen. 293
sehenden Familienhauptes, namentlich auch der Götterverkehr. Um jede
Benachteiligung unter den Dorfangehörigen unmöglich zu machen, wechselt
der Ackerboden alljährlich rundum. Aber dadurch wurde jede Meliora-
tion ausgeschlossen und bei den Familien selbst die Anhänglichkeit an
das Haus immer wieder zerstört, da dasselbe verlassen werden musste,
wenn das Bauland wechselte. So schob man zunächst die Wechseltermine
hinaus auf zwei, drei und mehr Jahre, bis das eigentliche Pfiugland end-
lich festes Eigentum der einzelnen Familien wurde, während Weide und
Wald auf Jahrhunderte im Gemeinbesitze blieben. Im erblicheu Besitze
entstand durch das grössere Ansehen der Dorfhäupter bald Ungleich-
heit, die durch den schon vorhandenen ungleichen Besitz an Heerden-
tieren noch vergrössert wurde; so bilden sich einzelne thatsächlich an-
gesehene Familien unter der Zahl der übrigen freien Grundbesitzer. Der
zweite Factor, welcher zur Auflösung der Geschlechtsgenossenschaft führt,
ist die Begegnung und Vermischung mit anderen Stämmen, namentlich
im feindlichen Sinne; sie führt stets zur Erhebung eines Anführers, der
zuerst gewählt wird, dessen Würde sich aber leicht in seiner Familie
vererbt; mit diesem Processe wächst auch die Macht desselben. Im
Leben der Einzelnen wie der Nationen wiederholt sich derselbe Vorgang,
dass sie durch Glück, Clima etc. verweichlichen, schwächer werden und
andere unter ungünstigeren Verhältnissen Erwachsene an ihre Stelle tre-
ten; solche Gründe änderten am häufigsten den Zustand der patriarcha-
lischen Stämme und drängten sie zur Aufsuchung eines sicheren Zu-
fluchtsortes, wenn sie sich schwach, zur Eroberung, wenn sie sich stark
fühlten; Uebervölkerung mag nicht seltener eine Ursache zur Ortsver-
änderung eines Teiles des Stammes geworden sein. Bei dieser Gelegen-
heit entwickelt der Verfasser eingehend den Begriff des Ver sacrum: es
findet nur in der Zeit statt, wo noch das Leben in der Familie die Re-
gel ist und umfasst nur die kräftigen Männer bis zu einem gewissen
Alter, nicht Frauen, Kinder, Vieh etc. ; beide Formen des Auszuges sind
wohl zu scheiden. Mit dem Herzog- oder Königtum, welches die natür-
liche Folge solcher Lagen ist, war stets gleichzeitig auch ein Adel vor-
handen, der den Herzog wählte und aus den Häuptern der einzelnen
gentes bestand, die über den Freien, Hörigen und Sklaven standen. Sie
bilden zugleich die Schranken für die Königsmaclit. Während die pa-
triarchalischen Stämme in allen ihren Einrichtungen, in Glauben und
Sitte äusserst conservativ sind, sind die lediglich aus militärischen Unter-
nehmungen hervorgegangenen Stämme leiclitcr zum Fortschritt geneigt,
da es sich hier nur um lose und künstlich verbundene Individuen, dort
um die natürlichen Bande der Familie handelt; in letzterer herrscht das
Element der Vererbung entschieden vor. Darum gab es wohl hier einen
Adel, aber nicht in den anderen Stämmen. Während dort der König
den Boden von den Geschlechtern zu seinem Unterhalte erhält, ist er
hier Besitzer des Bodens und deshalb aucli verpflichtet seinen coraites
294 Komische Geschichte und Chronologie.
beständig solchen zu schenken; daher gab es hier nur Sondereigen, wäh-
rend sich in den patriarchalischen Stämmen auch nach dessen Entwicke-
lung noch eine gewisse Gebundenheit erhielt. Mit der Organisation der
erobernden Stämme hängt auch ihr Verhalten gegen die Besiegten zu-
sammen; sie können sie nicht entbehren, berücksichtigen sie in der Ge-
setzgebung, assimiliren sich einen Teil, unterwerfen einen andern und
nehmen stets einen Teil des Landes für sich in Anspruch; in diesen
Stämmen entwickelt sich das Lehnswesen, das aber schliesslich immer
mit dem vollen Eigentumsrechte des Vasallen vertauscht wird. Die pa-
triarciialische Tribus verjagt einfach die früheren Besitzer oder macht
sie tributär und lässt sich in keine Familienverbindungen mit ihnen ein,
trägt auch ihnen in der Gesetzgebung keine Rechnung. Die absolute
Königsmacht entwickelt sich bei erobernden Stämmen, während bei den
patriarchalischen Stämmen dem Könige stets der engere Rat der Ade-
ligen und der weitere aller Freien zur Seite steht; es giebt allerdings
auch bei den erobernden Stämmen eine Versammlung der Waffen tra-
genden Leute, aber die comites des Königs haben eine lediglich pri-
vate Stellung als seine Ratgeber. Beide Stämme können grossen Völ-
kern den Ursprung geben, die erobernden gewöhnlich grossen Monar-
chieen, regelmässig werden aber die Nationen mit patriarchalischem Ur-
sprung von .den andern überwunden. Freilich entwickeln sich diese Ver-
hältnisse nicht überall so glatt und einfach, sondern sie werden beein-
flusst von Klima, Oertlichkeit und sonstigen Umständen, natürlich auch
von den Umwohnern und am meisten durch besondere entweder ange-
borene oder erworbene Eigentümlichkeiten; so bringt z. B. die Theo-
kratie ganz besondere Erscheinungsformen hervor.
Als dritten Typus findet der Verfasser den bürgerlichen (tipo civico),
dessen wesentliches Merkmal das topische ist, insofern alle innerhalb eines
bestimmten, sicheren und geschlossenen Raumes lebende Individuen Bürger
sind. Er setzt im allgemeinen die zwei früheren Gesellschaftsformen vor-
aus, indem die »Festung« entsteht, wenn die Gefahren sich von aussen
häufen und eine Gemeinde sich nicht mehr im Stande glaubt, von selbst
den nötigen Widerstand zu leisten. Wurden solche Städte von einem
patriarchalischen Stamme erbaut, so wurde dieser Umstand nicht selten
Veranlassung zu seiner Deconiposition. Bisweilen aber erhielt sich der
Geschlechtsverbaud, wie in Rom. Die von Foustel de Coulanges angenom-
mene Entstehung der Stadt im Gefolge einer religiösen Entwickelung
wird verworfen , vielmehr entstand erst mit der Stadt auch der Stadt-
gott. Rücksichten der Rechtspflege und der Verteidigung wirkten zur
Entstehung in gleichem, nicht zu bestimmenden Masse mit. Alle die ver-
schiedenen Bande, welche die Insassen früher vereinigten, weichen schliess-
lich den der gemeinsamen Interessen, die Rassenunterschiede erhalten
sich nur noch als Klassenunterschiede, auch letztere gleichen sich schliess-
lich aus, und das letzte Resultat der Entwickelung ist die gemeinsame
Zusammenfassende Darstellungen. 295
Liebe und Anhänglichkeit an die Stadt; das antike Bürgertum hat nichts
höheres hervorgebracht als die Stadt: sie ist die Trägerin der Freiheit.
Die Schlussbemerkungen über asiatischen Despotismus haben mehr eine
moderne Adresse. Alle diese Entwickelungen werden mit Thatsachen
der europäischen und asiatischen alten und mittleren Geschichte zu stützen
und zu erklären versucht.
App. 2 sucht die Ansicht ausführlicher zu begründen, dass der Unter-
schied zwischen Patriziern und Plebeiern in Rom die Folge der verschie-
denen Nationalität beider und die Wirkung der Eroberung war; Romulus
und die Ramnes waren Sabiner, die Plebeier Latiner. Zunächst will
der Verfasser in der Sprache für diese Annahme Anhaltspunkte finden,
indem in dem Lateinischen zwei Elemente sich nachweisen lassen, eines,
das dem Griechischen näher steht und für die Bezeichnungen des häus-
lichen täglichen Lebens, des Hirteuwesens etc. verwendet wird, während
das zweite, dem Griechischen fernstehende Element die Bezeichnungen
für den Krieg, die Herrschaft und den Befehl hergab. (Z. B. bos, tau-
rus etc. Silva, ager, aro, sero, feuum, lac, oleum, lana, glans, mal, sal
einer- und tela, arnia, hasta, pilum, quiris, Imperator andererseits.) Er
zieht aus dieser Beobachtung die Schlüsse, dass die lateinische Sprache
durch Mischung zweier Bevolkerungselemente entstand, von denen das
erstere zahlreichere dem Ackerbau und Hirtenleben, das andere weniger
zahlreiche dem Kriegshandwerke ergeben war und von denen das erstere
von letzterem unterworfen wurde; die Verschmelzung beider war eine
so innige, dass die Spuren ihres verschiedenen Ursprungs und ihrer ver-
schiedenen Schicksale völlig verloren gingen. Dieser Prozess ging aber
nicht in Rom allein vor sich, sondern in ganz Latium. Allgemein zu-
gestanden wird, dass die Ramnes Patrizier waren und sogar die erste
patrizische Tribus, ebenso dass die Plebs aus Latinern bestand. Die
Patrizier hatten aber von den Plebeiern verschiedene religiöse Bräuche
(s. besonders Liv. 6,42); insbesondere besassen erstere allein die Auspi-
cieu. Im Altertum giebt es aber nur Volksreligioneu; eine Religion ohne
nationalen Charakter ist nicht denkbar; so ist auch die Religion der
Patrizier nur für sie bestimmt, nicht für die Plebeier; ja es gab gewisse
Sacra, die nur für die betreffende gons oder familia bestimmt waren;
die religiöse Verschiedenheit von Patriziern und Plebeiern beweist somit
auch ihre nationale. Aber beide hatten auch iu den ersten Jahrhun-
derten Rom's verschiedene Magistratur, Einteilung und Regierung; zwei
Gemeinwesen bestanden neben einander, zwischen denen nicht einmal die
Ehe mit rechtlichen Folgen zulässig war, während conubium z. B. mit
Alba Longa, nach der Horatier- und Curaliersage, mit den Latineru zur
Zeit des Spurius Cassius bestand. Auch die Gcntilität war eine nur bei
den Patriziern bestehende, den Plebeiern unbekannte Einrichtung; sie
beweist aber, dass die Patrizier ein Stamm mit patriarchalischer Ver-
fassung waren, die bei den sabellischen Stämmen zu Hause war; von
296 Römische Geschichte und Chronologie.
ähnlichem Typus ging der Stamm der Ramnes aus, der deshalb auch
leicht die Gentilverfassung annahm. Dieser tiefe sociale, ökonomische
Unterschied hinderte die Ehe zwischen beiden; aber dieser verschiedene
sociale Typus hat auch eine andere Einteilung und ein anderes Regi-
ment, eine verschiedene Gesetzgebung zur Folge gehabt. In den Ein-
richtungen der Patrizier herrscht das Decimalsystem (10 gentes = de-
curia, 10 decuriae = centuria, 100 Senatoren, 10 turmae equitum zu
10 decuriae, 10 fetiales für jede der zwei älteren tribus, 10 Monate, De-
cimal-Mass und -Gewicht), das sich auch wieder im sabellischen Münz-
system findet, während Latiner und analog die römische Plebs dem Duo-
decimalsystem folgten. Während die Einteilung der Patrizier dem Ge-
schlechte sich anschloss, nahm die der Plebs das topische Element zur
Grundlage. Auch die ursprüngliche Bewaffnung (quiris, pilum) war sa-
bellisch. Wenn sich auch in anderen latiuischen Städten Gentilität fin-
det, so beruht dies ebenso auf sabellischen Eroberungen und Einwande-
rungen wie in Rom. Bei den Ramnes findet sich die Gentileinrichtung
so gut wie bei den Tities; ist es denkbar, dass, wenn erstere latinischer
Abkunft gewesen wären, sie ihre Stammesgenossen, die Plebeier, ver-
läugnet hätten, um sich mit ganz anders gearteten Elementen zu ver-
binden? An Auswanderung von Alba Longa kann bei Romulus und den
Ramnes niqbt gedacht werden; denn sie hätten doch entweder ihre Frauen
und Kinder mitgenommen oder, wenn sie unverheiratet gewesen wären,
sich Frauen aus Alba geholt oder von den Latinern solche genommen;
warum hätten sie Sabiuerinuen rauben sollen, die sprach-, stamm- und
religionsverschieden gewesen wären? Aber auch der ganze Bildungsstand
der Ramnes, wie er sich namentlich in den von Viehzucht und Land-
wirtschaft entnommenen Namen zeigt, schliesst die Annahme aus, dass
sie von einer latinischen Stadt stammen, in der städtisches Leben und
bürgerliche Sitte schon völlig entwickelt waren; auch kannte man hier
die strenge väterliche Gewalt so wenig wie das feudale System mit dien-
ten. So gelangt der Verfasser zunächst zu dem Ergebnisse, dass der
Boden Roms von einem sabinisch-sabellischen Stamme eingenommen wurde
und zwar der Quirinal; auf vorhandene latinische Bevölkerung weist der
Name Agonius Agonalis und der Kult des Semo Sancus, aber jedenfalls
wurde diese von den Eroberern unterworfen , entweder vertrieben oder
in ein enges Abhängigkeits- Verhältnis gebracht; dies waren die Tities.
Später kamen bewaffnete Haufen, welche die Heimat als ver sacrum ver-
lassen hatten, aber vielleicht zu Hause noch nicht über das Hirtenleben
hinaus gelangt waren, und siedelten sich auf dem Palatin an, die hier
vorhandenen Latiner wurden zwar unterworfen, aber nicht verjagt, son-
dern als Plebs abhängig gemacht. Die Ankömmlinge raubten sich von
den Tities Frauen, nahmen aber die Gentilverfassung au und verschmolzen
mit ihnen. Beide Tribus beherrschten als Patrizier die zuwandernden
und schon vorhandenen Latiner. Im Einzelnen beweist die Sage auch
Zusammenfassende Darstellungen. 297
eine ganz gute Ortskenntnis. Unter dem Bilde der Wölfin ist das Sa-
binerland zu verstehen, auf dem Teverone gelangen sie von Amiternum
und der Umgebung des Fucinersees aus in die Ebene; dass sie ohne
Frauen sind, beweist ihren Charakter als Kriegshaufen ; der Rechtszustand,
den sie allein kannten, war das Faustrecht, das sich in dem Frauenraub
geltend machte. Der Mythus über die Abkunft des Romulus und Remus
und ihre ersten Schicksale findet in der antiken Sage Pendants in
Fülle, wo es sich um Städte- oder Staatengründer handelt. Die Ver-
doppelung der Gründer ist durch die Rücksichtnahme auf das Consulat
entstanden. Zu der Zeit der Eroberung waren die Tities bereits im
Stadium des Ackerbaues, und die Familienwirtschaft hatte sich schon zur
Gentilität mit Collectivbesitz fortgebildet, wahrscheinlich lebte jede gens
in ihrem Dorfe vereinigt unter einem Haupte, dem curio; eines dieser
Dörfer war möglicherweise das an der Cremera, in Crustumerium etc.;
die Not der Verteidigung führte indessen schon früh die Wahl eines
Königs herbei, doch war diese Würde beim Beginne der Königszeit noch
nicht erblich. Das Haupt der gens oder des Dorfes war dagegen nicht
bloss erblich geworden, sondern hatte sich auch die Verfügung über
einen grossen Teil des nicht bebauten Landes erworben und an dienten
ausgeteilt. Früh jedoch scheinen in Folge kriegerischer Verhältnisse
die Häupter der Tribus in die Stadt übergesiedelt zu sein, daraus würde
sich die Stellung des Adels neben dem Könige erklären, sowie die we-
sentlich von der des Feudaladels verschiedene Position. Die Raumes
schufen zuerst Sondereigen, indem das eroberte Land an die einzelnen
Glieder der bewaffneten Schaar aufgeteilt wurde; ob schon bei den Tities
Sondereigen zu dieser Zeit bestand, ist nicht sicher, aber auch nicht
wahrscheinlich. Da die Ramues nicht fest geschlossen waren durch das
Geschlechtsband, konnten sie leicht Fremde in sich aufnehmen; dadurch
nahmen sie zu und wurden den Tities überlegen. Das Königtum blieb
bei den Ramnes straffer und die Einrichtung , Geächteten und Vertrie-
benen Aufnahme zu gewähren, trug dazu bei; denn die diesen gegenüber
notwendig discretionäre Gewalt übertrug sich auch auf die patres familias;
auch die Entstehung einer Königsclicntel mit feudalem Charakter musste
diese Entwickelung fördern. Damit ging Hand in Hand die grössere
kriegerische Thätigkeit. Die Teilnahme der Plebeier am Kriegsdienste
erklärt sich, wenn sie von dem Könige mit Land belehnt wurden. Diese
Annahmen sucht der Verfasser noch durch einige Stützen aus dem Rechte
zu verstärken. So führt er die Formen der Ehe coufarreatio und casta
mola auf die Titier, die der caelibaris hasta auf die Ramnes zurück, so
erwähnt er die Testameutification, welche bei den Patriziern nur in den
Curiatcomitien , bei den Plebeiern nur in den Centuriatcomitien rechts-
giltig vor sich gehen konnte. Der Rest der Appendix cnlhält eine Pole-
mik gegen Mommsen, dessen Ansicht über den Ursprung Rom's der
Verfasser mit folgenden Gründen bekämpft.
Jahresbericht für Altcrthumswissensch.ift XXVHI. (iSSi. m.) 20
298 Römische Geschichte und Chronologie.
Ein Kampf zwischen Stadt- und Landbevölkerung ist undenkbar;
wie sollte in diesem Falle die Stadtbevölkerung das Fest der Luijerca-
lien gefeiert haben, wie die fratres Arvales zu erklären sein, wie hätte sich
dieses Volk selbst ein Hirtenvolk nennen können? Von einem Handels-
emporium, das die latinischen Städte hier gegründet, kann nicht die Rede
sein, da die latinischen Städte Cultur besassen, Rom aber durchaus, wie
die Namen palatium, ovilia, septa etc. beweisen, auf einer viel niedrigeren
Stufe stand und lange Zeit blieb. Gegen die Dreizahl, welche Mommsen
für den latinischen Ursprung Rom's anführt, sucht der Verfasser zu er-
weisen, dass es ursprünglich nur zwei, erst nach dem Zugange der Lu-
ceres drei Vestalinnen gab, dass es 12 Salii CoUini und 12 Palatini gab,
die ebenfalls nur den zwei Stämmen angehörten; ebenso gab es nur Lu-
pereales Quintii und Fabii ebenfalls der beiden Tribus, Augure gab es
zur Zeit der lex Oguluia vier, mit weiteren vier Plebeiern und dem ma-
gister kam erst damals die Zahl neun zustande. Auch die Annahme
Mommsen's, dass das sabinische Element der Tities nur geringen Ein-
fluss geübt habe, wird von dem Verfasser durch den Hinweis widerlegt,
wie Religion, mangelndes Conubium mit den Latinern (Plebs), der Raub
der sabiuischeu Frauen, die Gentilverfassung, die Beibehaltung des Deci-
malsystems, der gegenüber dem latinischen Städtewesen niedrige Culturzu-
stand des j-ömischen Patriziats und das Verhältnis des Patriziats zur
latinischen Plebs gerade das Gegenteil wahrscheinlich machen.
App. 3 handelt von dem etruskischen Ursprung der Luceres, die
mit der Tarquiuischen Dynastie nach Rom kamen; unter ihnen wurde
die Herrschaft bedeutend erweitert; sie werden aber durch eine repu-
blikanische Revolution gestürzt und nun minorum gentium. Der Ver-
fasser weist zunächst die Annahmen und Hypothesen des Altertums und
der Neuzeit zurück und begründet alsdann seine eigene Ansicht. Er
geht davon aus, dass die Luceres sich an den religiösen Bräuchen der
beiden andern Tribus nicht beteiligten, dagegen die Eingeweideschau
und die Blitzorakel für sich behielten. An die von Alba nach Rom ver-
pflanzten Familien kann man bei den Luceres nicht denken, da mehrere
dieser Geschlechter nachweislich sich an den um den pontifex maximus
gruppirten Priesterstellen beteiligten. Nun geht nach Ancus Marcius
ein Wechsel der Dynastie vor sich, der dessen Söhne auf die Stufe von
Gentilen herabdrückt. Zugleich wird an die Regierung des Tarquinius
Priscus von der Ueberlieferung allgemein eine Vermehrung der Tribus,
der Senatoren und der Aemter auf die Dreizahl oder ein Produkt der-
selben geknüpft, dieses konnte nur durch die Zuwanderung der Luceres
herbeigeführt worden sein, die mit Tarquinius nach Rom kamen. Dass
dies Etrusker waren, beweisen die Namen Tarquinius, Tanaquil, Lucumo,
die Prodigien auf der Fahrt, die Eingeweideschau, die überall in seiner
Geschichte erwähnt wird ; aber noch bessere Beweise liefert die plötzliche
und unvermittelte Entstehung grossartiger Bauten, die in den bekannten
Zusammenfassende Darstellungen. 299
etruskischen Bauwerken ihre Pendants finden und die Einführung vorher
in Rom nicht gekannter Götterbilder, vor den etruskischen Gottheiten
mussten sich die altrömischen des Vertumnus,. Picus, Pilumnus, Faunus
etc. auf das Land zurückziehen; lupiter Inno und Minerva erringen jetzt
das Capitol ; die Sage von Attus Nävius zeigt den Kampf der alten Re-
ligion gegen die neue, deren Repräsentantin Tanaquil mit ihrer Kennt-
nis der Haruspicin ist; wie sich erweisen lässt, waren die Auguren, die
indigitamenta und die Fetiales den Etruskern unbekannt. Auch die Be-
waffnung ändert sich; der runde etruskische Schild (aspis), der etruski-
sche Helm (cassis), die ocrea und lorica traten jetzt als Bewaffnung des
römischen Fussvolks auf. Zur Erklärung der Bezeichnung minorum gen-
tium, die sich nicht verstehen liesse, wenn die Bezeichnung zur Zeit des
ersten Tarquinius von einem herrschenden Stamme gebraucht worden
wäre, betont der Verfasser in der bekannten Liviusstelle qui dein de
minorum gentium sunt appellati und schliesst daraus, dass diese Benen-
nung erst später aufkam (vgl. Tac ann. 11, 25) nach dem Sturze der
etruskischen Herrschaft, dessen Hergang bereits oben berichtet ist; mit
ihrer Degradation steht auch die Verweisung in den vicus tuscus im Zu-
sammenhang. Wie mit den Luceres auch die römische Vorherrschaft
sank, ist ebenfalls oben berichtet; aber auch die etruskischen Religions-
bräuche wurden verdächtig und die alten sabellischen Gottheiten kamen
wieder in die Höhe.
Die 4. Append. bespricht die Einrichtung der Ritter in Rom und
des Ritterstandes von Romulus bis auf die Gracchen. Der Verfasser
bestreitet die Trennung der Reiterei der Königszeit von dem späteren
Ritterstande, dessen Keime er vielmehr in jener Einrichtung erkennen
will. Er geht davon aus, dass die Entwickelung der Reiterei sich nur
unter bestimmten örtlichen Voraussetzungen (ausgedehnten Ebenen) und
bei einem gewissen Gesellschaftszustande, besonders in der tribü ä tipo
mamertinico entwickelt. Ritterstand und Reiterei bedingen sich aber
gegenseitig. So verbindet sich in Rom die Entstehung der Reiterei mit
der Tribus der Ramnes; der magister equitum ist ein Magistrat, daraus
folgert der Verfasser, dass auch die equites eine politische Corporation
waren, die schon die Tendenz hat, sich von dem Patriziate zu separircn
und zwischen ihm und der Plebs steht; dies lag in ihrem persönlichen
Verhältnisse zum König begründet. Schon deutlicher tritt dieses Ver-
hältnis der Mittelstellung zwischen Patriziat und Plebs in der Verfassung
des Servius Tullius hervor, da die sex suffragia mit den übrigen Ritter-
centurien in den Centuriatcomitien stimmen, während die Patrizier davon
ausgeschlossen sind; man kann hier schon von einem Ritterstande sprechen.
Nach dem Sturze des Königtums gingen die reichen plebeischcn Elemente
in den Senat über, die Plebs war hart bedrückt und konnte sich nicht
regen; so fehlte es dem Ritterstande an Nachwuchs; doch stimmten die
neuen plebeischen Senatoren fortgesetzt unter den suffragia equitum mit,
20»
300 Komische Geschichte und Chronologie.
auch wenn sie durcli ihr Alter längst von dem Heeresdienste befreit
waren. Mit dem finanziellen Fortschritt der Plcbeier erwuchs auch den
Rittern wieder reichlich Ersatz; der hierzu notwendige Reichtum führte
die Mitglieder zu Geldgeschäften, namentlich als publicani; nach dieser
Seite lag ihre Bedeutung für die Gracchen.
Es kann natürlich nicht meine Absicht sein, in den reichen Inhalt
des Buches in der Hinsicht einzutreten, dass ich eine Polemik gegen
dasselbe eröffnete. Ich will bloss auf einige Gesichtspunkte aufmerksam
machen. Der Verfasser sucht auf völkerpsychologischem und -physio-
logischem Wege in das Dunkel der römischen Urgeschichte einzudringen
und führt damit ein ohne allen Zweifel fruchtbares Prinzip in die Ge-
schichte dieser Zeiten ein, dem bis jetzt möglicherweise zu wenig Rech-
nung getragen wurde. Aber dies hatte doch vielleicht seine guten
Gründe. Sind denn die Gesetze, auf denen der Verfasser seine Folge-
rungen aufbaut, wirklich wissenschaftliche Thatsachen und sind sie mit
dem Reichtume an zuverlässigen Beobachtungen ausgestattet, der nament-
lich für eine Erfahrungswissenschaft, noch dazu wenn diese erst in der
Entwickelung begriffen ist, unbedingt gefordert werden müsste? Viele
dieser Beobachtungen beruhen auf Schriftstellernachrichten, die weit ent-
fernt ausser Zweifel zu sein, den Stempel ihrer Zeit, nicht aber der von
ihnen geschilderten, an der Stirne tragen. Ich könnte also dem Ver-
fasser nicht unbedingt alle seine Voraussetzungen zugeben, also auch
seine Schlüsse nicht teilen. Die Punkte, worauf es ihm besonders an-
kam, hat er, wie mir scheint, zu einem hohen Grad von Wahrschein-
lichkeit gebracht — aber auch nicht weiter, ich meine die verschiedene
Nationalität von Patriziern und Plebejern, die sabellische Abstammung
der Ramnes und die etruskische Abstammung der Luceres. Auch bei
seinen geistvollen Ausführungen drängen sich doch immer wieder Be-
denken auf. Ich will nur eines, aber ein fundamentales, hervorheben.
Wenn mitten unter latinische Bevölkerung mit städtischer Kultur und
grösseren Mitteln eine sabellische Gens einwanderte, Gebiet eroberte
und die vorgefundenen Bewohner entweder verjagte oder knechtete, ist
es da nicht äusserst unnatürlich, dass die übrigen hart daneben sitzen-
den Stammesgenossen ruhig die Vernichtung ihrer Brüder mit ansehen;
sollte ihnen nicht der Instinkt, wenn nicht der Verstand, den bekannten
Gedanken an das brennende Haus des Nachbars eingegeben haben? Neh-
men wir an, sie hätten das erste Mal die Gefahr verkannt, mussten ihnen
denn die Augen nicht aufgehen, als der zweite Einfall der Ramnes er-
folgte? Ich meine, diese Fragen enthalten ebenso viele Räthsel als die
entgegenstehenden Annahmen. Aber sei dem wie ihm wolle, zu sicherer
und allseitig angenommener Theorie über diese Fragen werden wir nie
kommen, und wenn die Berichte der Schriftsteller in ihrer Wertlosig-
keit und konstruktiven Tendenz mehr und mehr erkannt werden, so wird
die Hypothese natürlich immer mehr an Berechtigung gewinnen. Dass
Zusammenfassende Darstellungen. 301
dabei gegen frühere Aufstellungeji von den späteren Sturm gelaufen wird,
wird unvermeidlich sein, ebenso wünschenswert wird aber sein, dass dies
mit Beobachtung der anerkannten Verkehrsgrundsätze geschehe; die
Ausdrücke »abgeschmackt und bornirt etc.« braucht man dabei nicht als
Höflichkeiten zu betrachten. Mit diesen Einschränkungen halte ich das
Buch für eine anziehende und anregende Lektüre, Kleinigkeiten, die
dem Verfasser namentlich bei der Darlegung fremder Verhältnisse unter-
laufen, wird man ihm nicht hoch anrechnen wollen. Noch wirkuagsvoller
würde seine Arbeit sein, wenn er sie ungefähr auf die Hälfte einge-
schränkt hätte; er hätte dies auch ohne Schaden gekonnt, wenn er sich
minder oft wiederholt, nicht so oft versichert hätte, dass er das Phan-
tasiren andern überlasse, sich nur an Thatsachen halte und dass es un-
begreiflich sei, dass nicht schon andere vor ihm diese oder jene Ent-
deckung gemacht. Solche rhetorische Argumente machen den denken-
den Leser immer etwas stutzig und, wie gesagt, der Verfasser hätte dies
nicht nötig gehabt, denn das Meiste, was er sagt, ist wirklich inter-
essant und nötigt den Leser zur Zustimmung oder — zum Widerspruch;
auch letzteres ist ja kein ganz kleines Verdienst bei einem wissenschaft-
lichen Werke.
Carl Neumann, Geschichte Roms während des Verfalles der Re-
publik. Vom Zeitalter des Scipio Aemilianus bis zu Sulla's Tode.
Aus seinem Nachlasse herausgegeben von Dr. E. Gothein. Breslau
1881.
Das Buch ist aus Vorlesungen des verstorbenen Prof. Neuraann
hervorgegangen, und der Beurteiler findet sich durch letzteren Umstand
demselben gegenüber in einer eigentümlichen Lage. Ob der Verfasser
das Buch herausgegeben und ob er es vor Allem so herausgegeben hätte,
kann man nicht wissen; aber nach der Vorrede des Herausgebers scheint
eher das Gegenteil anzunehmen zu sein.
Was vor Allem in einer solchen Vorlesung auffällt, ist, dass kein
Wort über die Quellenverhältnisse gesagt wird; wie der Verstorbene diese
sich gedacht, ist nur mit grosser Arbeit festzustellen; bezüglich einzel-
ner Partien, wo ich, durch direkte Erörterungen des Buches dazu auf-
gefordert, einen solchen Versuch gemacht habe, konnte ich überhaupt
zu einem Resultate in dieser Hinsicht nicht gelangen; aber wie sich
Orosius zu Livius verhält, was die historia miscclla bedeuten will und
ähnliche Fragen hätten für Studirende, wenn auch kurz, erörtert wer-
den müssen.
In der Besprechung der Ursachen, welche auf die Monarchie hin-
arbeiteten (1. Capitel) — die Nicht-Veränderung der Stadtverfassung,
als Rom über ein Weltreich herrschte, die Umwandlung der Republik
in eine Oligarchie etc. — sind die grossen Gesichtspunkte überall scharf
und klar hingestellt; weniger kann man dies von den Eiuzelangaben be-
302 Römische Geschichte ui)d Chronologie.
haupten, die einer Revision wohl bedurft hätten. Mit dem 2. Capitel
»die Zeit der gracchischen Unruhen« gelangt der Verfasser erst an sein
eigentliches Thema; dem Vater der Gracchen wird eine sehr ausführ-
liche Besprechung zu Teil, ebenso Cornelia, und die Jugendgeschichte
des Tiberius wird mit behaglicher Breite erzählt; dass die Phantasie
dabei ihre Rolle spielt, ist auch dem Historiker an und für sich nicht
zu verargen; Scipio Aemilianus, dessen Ermordung Cornelia und ihrer
Tochter zugeschrieben wird, tritt dagegen in den Hintergrund ; aber es
lässt sich garnicht leugnen, man liest diesen Teil mit Vergnügen, und
wer sich nicht besonders tief mit diesen Fragen beschäftigt, für den
wird es auch an Belehrung aller Art nicht fehlen. Auch Gaius Gracchus
ist mit einer gewissen Vorliebe behandelt, während Livius Drusus viel-
leicht unterschätzt wird. In dem 3. Capitel, welches die kriegerischen
Ereignisse von 133 bis zum Ende der Cimbernkämpfe schildert, tritt
bereits Sulla aus dem Rahmen. Cap. 4 handelt von den Vorgängen in
Rom bis zum Ausbruch des Bundesgenossenkrieges; sein Mittelpunkt ist
Marius; sehr ungünstig wird der jüngere Livius Drusus beurteilt, sicher-
lich vielfach mit Unrecht. Mit dem 5. Capitel erreicht der Verfasser
sein Ziel — die Zeit des ersten Bürgerkrieges. In Einzelheiten einzu-
treten ist nicht möglich, da hier eine Menge weitgreifender Fragen er-
örtert werdgn müssten. Zur Lektüre ist das Buch angenehm, der Ver-
fasser erzählt spannend und packend, auch gemütlich und mutet dem
eigenen Nachdenken der Leser nicht viel zu. Diese Vorzüge werden
dem Buche gewiss viele Leser verschaffen. Zum Studium wird dasselbe
aber in demselben Masse unbrauchbar sein, weil ihm die doctrinäre
Schärfe und Kürze überall fehlt.
n. Altitalische Ethnologie.
Bernhard Heisterbergk, Ueber den Namen Italien. Freiburg
und Tübingen. 1881.
Das Ergebnis der Schrift ist wesentlich negativ. Der Verfasser
geht aus von der Angabe des Antiochus von Syrakus, wonach mit dem
Namen Italien das Land von der sicilischen Meerenge bis zum inner-
sten Punkte des tarentinischen Meerbusens an der Ost- und bis zum
Flusse Laos an der Westküste, also die südwestliche, heute Calabrien
genannte Halbinsel des apenninischen Continents bezeichnet wurde. Wäh-
rend also hier eine Ausdehnung der früheren Namensgeltung angenom-
men ist, haben die Neueren Clüver, Niebuhr, Fröhner und Balbo um-
gekehrt den Namen von einer Einschränkung der früheren Geltung des
Namens herzuleiten gesucht. Diese Annahme kann aber nach des Ver-
fassers Ansicht einer scharfen Kritik nicht Stand halten, da Niebuhr sich
auf eine fälschlich dem Antiochos zugeschriebene Angabe stützt, die sich
auch nicht auf Italien, sondern auf Oenotrien bezieht, welche beiden geo-
Altitalische Ethnologie. 303
graphischen Begriffe als ganz unabhängig neben einander stehend er-
wiesen werden. Aber auch ein sprachlicher Beweis, durch welchen Nie-
buhr u. a. die Ansicht zu stützen suchten, dass ursprünglich der Name
Italien über das Gebiet zwischen der Meerenge und dem Tiber ausge-
dehnt gewesen sei, vermag einer Untersuchung nicht Stand zu halten;
die Identificirung der festländischen Siculer mit den Italern, die weder
sprachlich noch historisch zu erweisen ist. Der Name Viteliu ist ebenso
wenig beweiskräftig, denn er ist erst aus dem ersten Jahrhundert v. Chr.
bezeugt, auch in seiner Entstehung unsicher; möglicherweise lässt sich
annehmen, dass die Formen Viteliu und Italia nur das Vorhandensein
und den Wegfall des Digamma in dem erst zu den Samnitern, dann zu
den Latinern gelangten griechischen Namen des Landes repräsentiren.
Besonders viel Raum wird der Bekämpfung von Nissen gewidmet. Auch
er vertritt die Ansicht, dass die Geltung des Landesnameus ursprüng-
lich über die südwestliche Halbinsel hinausgereicht habe; als Träger des
Namens werden nicht die Siculer, sondern die Samniter betrachtet, de-
ren Einwanderung in die südwestliche Halbinsel iu vorhistorische Zeit
verlegt wird, und die selbst mit den Oeuotreru identificirt werden. Nach
Heisterbergk's Ansicht könnte eine solche Einwanderung nur mit der
Siculerwanderung identisch sein, aber sie kann auch in diesem Falle
erst dann erfolgt sein, als nach dem Völkerverzeichnis des Antiochos
schon der Name Italien sich für die Halbinsel gebildet hatte. Aber die
Griechen fanden hier bereits auch keine Oenotrer mehr vor, die schon
von den Siculern verdrängt waren; die Oenotrer waren aber auch ethno-
graphisch von den Sabellern verschieden, da sie ziemlich sicher ein illy-
rischer Stamm waren. Zur Stützung der Samniter -Hypothese brachte
Nissen die Etymologie von vitulus bei; aber in einer Untersuchung über
Hellanikos' Interpolation der Herkules- und Kadmussage zum Zwecke
der Erklärung des Namens Böotien, über die Substituirung des Wortes
haXog in einer Erklärung des Timaeus sucht Heisterbergk zu erwei-
sen, dass haXÖQ nur durch die Sprachvergleichung gestützt, somit höch-
stens mit vitulus, nicht mit taurus identisch und dadurch ganz und gar
ungeeignet ist, die Erklärung des Timaeus zu begründen. Das von
Nissen von Münzen des italischen Bundesgenossenkrieges — sie tragen
den Stier als Emblem — zur Stütze seiner Ableitung von vitulus ent-
nommene Beweismaterial erweist sich bei einer genaueren Prüfung nicht
probehaltig, da das Stierbild jener Münzen ausser Zusammenhang mit
der Aufschrift Viteliu steht und nicht Buudeszeicheu der Italiker, son-
dern Stammeszeichen der Samniter ist, deren ver sacrum auch von einem
Stiere geführt wird. Selbst wenn aber der Künstler, der jene Stempel
geschnitten, einen Zusammenhang zwischen Bild und Aufschrift gewollt
hätte, so wäre dies noch kein Beweis für die Richtigkeit der Etymolo-
gie. Dies letztere mag zugegeben werden; aber ein sehr auffallendes
Moment wäre es immerbin, und wenn es mit Sicherheit zu erweisen
304 Römische Geschichte und Chronologie.
wäre, so würde die Nisscn'sche Ansicht darin jedenfalls mit Recht eine
bedeutende Stüzc finden. Auch Cap. 7 ist den etymologischen Gründen
Nissen's gewidmet, der den Landesnamen von einem Stiergott Italus-
Vitulus unter Combination der samnitischen Sage mit dem Berichte des
Antioclios über die südwestliche Halbinsel ableiten wollte; in einer län-
gereu Erörterung will Heisterbcrgk so wenig den Landesnameii als den
Volksnamcn Italer von dem Stiergott ableiten lassen; desgleichen ist
die von Nissen behauptete Existenz des Ackerbaues auf der südwest-
lichen Halbinsel — der König Italus gab dazu die nächste Veranlassung
— nicht zu erweisen, auch unwahrscheinlich, wie durch die Autorität
Kiepert's, einen griechischen Bericht bei Pherekydes und griechische Sa-
gen zu erweisen versucht wird; zwischen Italus und der samnitischen
Sage existiren keine Beziehungen.
Da Kiepert die von Antiochos von Syrakus angegebene Entwickelung
des geographischen Begriffs, zugleich aber auch Niebuhr's Ableitung des
Landesnamens von dem Volksnamen der Italer angenommen hat, so giebt
dies dem Verfasser Veranlassung, die Niebuhr'sche Ableitung zu prüfen,
wobei er zu dem Ergebnisse gelangt, dass die direkten Zeugnisse für
ein Italer-Volk lediglich Umschreibungen des Berichtes von Antiochos
sind, der jedoch diesen Namen nicht hat, sondern nur von Italieten
spricht. Während so der Name Italer nur eine spätere Eückbildung ist,
welche aus der Analogie der sicilischen Namen hervorging, hatte der
Name Italieten lediglich geographische Bedeutung. Auch die indirekten
Beweise Niebuhr's für ein Italer -Volk werden zum Teil durch Beispiel-
sammlungen widerlegt. Da ein Italer -Volk nicht angenommen werden
kann, so fällt auch damit die Möglichkeit, dasselbe mit den Sikulern
zu identificiren und die Annahme einer Ausdehnung des Landuaraens
Italien bis zum Tiber.
Im zehnten Capitel wird als positives Ergebnis folgende Feststellung
des historischen Gehalts der Erzählung des Antiochos von Syrakus ge-
wonnen: 1. die Ausdehnung der geographischen Geltung des Namens Ita-
lien erfolgte, im Gegensatze gegen die von Norden nach Süden gerich-
teten Völkerzüge, von Süden nach Norden; sie musste also auf einer
von jenen Völkerzügeu unabhängigen Ursache beruhen. Der Name Ita-
lien umfasste zunächst die von der südwestlichen Halbinsel des apennini-
schen Kontinents sich im Süden des carpetinischen Golfs abzweigende
zweite Halbinsel und dehnte sich alsdann auf das ganze Gebiet jener
südwestlichen Halbinsel aus, ohne bis zu den Zeiten des Antiochos über
diese Halbinsel hinaus gereicht zu haben. 2. Auf dieser Halbinsel, Ita-
lien genannt, folgten einander in der Herrschaft Oenotrer, Morgeten,
Siculer, aber kein Volksstamm der Italer oder der Italieten. Der Name
Italien entstand und erweiterte sich bis zur Laosgrenze zur Zeit der
Herrschaft des ersten jeuer Völker, der Oenotrer, also vor dem Ein-
dringen der Morgeten und Siculer. Im letzten Capitel nimmt der Ver-
Königszeit und üebergang zur Republik. 305
fasser auch zur Erziehmg eines , positiven Ergebnisses für die Namen-
Erklärung einen Anlauf. Aus der Ausbreitungsrichtung glaubt er unbe-
dingt auf sicilischen Ursprung desselben schliessen zu dürfen. Unter
den sicilischen Bevölkerungen, welche nach Äntiochos' chronologischer An-
gabe allein in Betracht kommen können, Elyraern, Sikanern und Phöni-
kiern. neigt der Verfasser entschieden zu letzteren; dieselben können an
den Küsten von Süditalien und Sicilien gesessen und in Folge eiuer barba-
rischen Einwanderung der Sicaner und Siculer von ersteren verdrängt
worden sein, während sie auf Sicilien sich zu halten vermochten; von si-
cilischen Phönikiern würden die Griechen, welche bei ihrer Landung auf
der südwestlichen Halbinsel des Festlandes nur noch Siculer antrafen,
mit dem Namen dieses Landesteils auch die Tradition über jene ihnen
aus eigener Erfahrung nicht bekannte Reihenfolge der Völker übernom-
men haben, welche nach einander auf der südwestlichen Halbinsel ge-
herrscht haben. Dieser letzte Teil ist, wie dies in der Natur der Unter-
suchung liegt, der schwächste ; denn der Hergang, wie ihn der Verfasser
vermutet, hat doch grosse Bedenken gegen sich. Er wird damüt wohl
dieselbe Erfahrung machen müssen, welche er bezüglich anderer Hypo-
thesen seinen Vorgängern bereitet hat. Die Untersuchung ist klar und
scharfsinnig und liest sich ganz angenehm, da sie dem Leser Verwicke-
lungen, wie sie bei solchen intrikaten Fragen herkömmlich sind, nur
selten zumutet. Jedenfalls wird der Verfasser erreicht haben, dass die
Untersuchung der Fragen, welche vielfach für abgethan gelten, nicht als
erledigt angesehen werden kann. Ob wir freilich hier je zu befriedigen-
den Resultaten gelangen können, ist mehr als fraglich. Aber einen
Tummelplatz menschlichen Scharfsinns und Kombinirens wird dieses Thema
stets eröffnen.
ni. Königszeit und üebergang zur Republik.
Tb. Mommsen, Die Remuslegende. Hermes 16, 1 — 23.
Die Legende von Rom's Gründung, in der schon Reraus neben Ro-
mulus stand, war um die Zeit der Samniterkriege fertig. Aber trotzdem
hat die Erzählung ursprünglich von Romulus allein berichtet und Reraus
wurde erst nachträglich eingefügt. Remus wird in keiner sacralen Legende
genannt, noch kommt das Zwillingspaar als solches darin zur Geltung;
ebenso begegnet auf staatsrechtlichem Gebiet nirgends eine Anknüpfung
an die Zwillingsgründer und die legendarische Topographie weiss zwar
von Romulus' Höhle, Haus und Lanze zu berichten, aber gar nichts von
Remus; selbst die Erzählung von seinem Ende haftet nicht an einem
bestimmten Punkte der Stadtmauer.
Der Name Remus muss später entstanden sein als Romulus, denn
dieser reicht in eine Epoche zurück, wo das Suffix die hypokoristische
Bedeutung noch nicht hatte, während zur Zeit, wo der Name Remus
306 Römische Geschichte und Chronologie.
entstand, diese Bedeutung bereits feststand. Bis auf die Widereinsetzung
des Numitor als König von Alba enthält die Legende keine Andeutung
von Erstgeburt des Roinulus; diese findet sich höchstens vorbereitet darin,
dass Remus von den Hirten des Amulius gefangen und von Romulus be-
freit, aucli von ilim der falsche König getötet wird. So wenig wie von
einei- Wahl des Ortes für die neue Stadt weiss die Legende von einer
Wahl des Herrschers. Nur darüber streiten die Brüder, wer die Stadt
gründen und ihr von sich den Namen geben soll. Wem die Ausübung
der Herrschaft zukommen soll, die beiden ganz gleichmässig gehört —
darum ist von einem Erstgeburtsrechte nirgends die Rede - darüber
haben sich dieselben zu vergleichen; hierin findet Mommsen den Grund-
gedanken der römischen Magistratur niedergelegt, nach dem alle gleich-
berechtigten Ansprüche nicht etwa durch Eingreifen des Volkes oder
Senats ausgeglichen werden, sondern entweder durch Uebereinkommen
der Beteiligten ihre Lösung finden oder als sich einander aufhebend nicht
zur Geltung kommen. Welchem von beiden Consuln es zukommt, zuerst
die fasces zu nehmen, war nicht rechtlich bestimmt, sondern der Ver-
einbarung der Kollegen überlassen; thatsäcblich entschied das Alter.
Mommsen will in der Uebertragung dieses Princips in die Legende den
Ursprung des Remus erkennen; die Frage, welche erst bei den Consuln
praktisch \yurde, als es zwei Beamte regio imperio gab, wurde theore-
tisch in die Eutwickelung des regium Imperium selbst hineingetragen
und durch die Fiction gleichen Alters zur Gleichberechtigung verschärft.
Aber in der Legende wird die Entscheidung gefunden durch die Auspi-
cation; dabei begegnet aber der lehrreiche Widerspruch, dass sie hier
auf die Auswahl einer von mehreren Personen geht, worüber nie die
Zeichensprache der Vögel zur Entscheidung zugelassen werden konnte
und wurde, sondern lediglich das Loos. Dieser Umstand zeigt, dass die
Auspication in der Legende sich fand, ehe die Zwillinge in dieselbe
Eingang gefunden hatten; Mommsen versucht nun aus der Legende den
Nachweis zu erbringen, wie man sich bemühte, auch die örtliche Incon-
gruenz der Gründungsauspicien an einem anderen als dem zur Gründung
bestimmten Orte durch allerlei Vertauschungen zu beseitigen. Nach der
älteren Form der Legende ist das Ergebnis der Auspicieu entscheidend,
indem Remus entweder gar keine Vogelzeichen empfängt oder die ihm
zu Teil werdenden offenkundig schwächer sind als die des Romulus.
Die jüngere Version hat den Ausfall als zweifelhaft hingestellt, um das
Verschwinden des Königs Remus zu erklären, der in dem über die Aus-
legung der Götterzeichen entstandenen Handgemenge den Tod findet.
Die ältere Legende liess dagegen auch nach der Auspicienentscheidung
die Brüder eine Zeit lang neben einander herrschen; indem sie die Ka-
tastrophe an die Vollendung der Stadtmauer knüpfte, nahm sie zwischen
der Gründung und diesem Ereignisse einen gewissen Zeitraum an. Die
späteren Dichter nehmen ein Doppelkönigtum des Romulus und Remus
Königszeit und Uebergang zur Republik. 307
an; wahrscheinlich dachte man sich das Verhältnis ähnlich wie zwischen
dem fungirenden und dem nicht fungirenden Consul oder dem Träger
der höheren und der niederen tribunicischen Gewalt.
Dass die Katastrophe des Remus bestimmt war, die Unverletzlich-
keit des Mauerrings im Gegensatz zu den Thoren zu symbolisiren, nimmt
auch Mommsen an; mit der übrigen Rerausfabel steht sie in Dishar-
monie, da diese ein dauerndes Nebeneinanderstehen der beiden Könige
zu fordern scheint. Wahrscheinlich musste Remus dem zweiten Mitkönig
Titus Tatius zu Liebe so bald verschwinden.
So erscheint Mommsen die Zwillingslegende als eine Entwickelung
aus dem Consulat, die zwischen der Vertreibung der Könige und dem
Samniterkriege ausgearbeitet wurde.
Schliesslich führt Mommsen noch einen Pendant zu dieser Ausge-
staltung der Legende in dem Doppelkönigtura des Amulius und Numitor
an, wie es der Verfasser der Schrift de viris illustribus berichtet hat ; hier
führen die beiden Könige von Alba abwechselnd unter Vortritt des älteren
Herrschers, also ganz nach consularischer Analogie, die Herrschaft.
Nicola Corcia, Dell' origine di Roma. Memoria letta nella tor-
uata del 6. febbraio 1877 et nelle seguenti. Napoli 1879.
Der Verfasser erörtert die einzelnen Berichte über die ältesten
italischen Bevölkerungen in sehr ausführlicher Weise, wobei er nicht
selten auffallende Resultate findet. So z. B. sollen die Siculer von Norden,
von Dalmatien aus eingewandert und Thraker gewesen sein; an sehr
kühnen Etymologieen fehlt es dabei nicht, sie bilden die Grundlage der
nicht minder kühnen Schlüsse; ein besonders treffendes Beispiel sind die
Ligures und Sabini, von denen die erstereu uns in dem grössten Teile
Europa's, ja in Vorderasieu nachgewiesen werden, während die letzteren
aus Persieii stammen. Sikuler, Ligurer, Sabiner und möglicherweise
Iberer bilden die Aborigener, wenn dieser Stamm nicht etwa allein auf
die Aeolier zu beziehen ist. Der eigentlichen Frage tritt der Verfasser sehr
vorsichtig und Schritt vor Schritt näher, indem er in Cap. 3 i prirai re
favolosi di Lazio erörtert, während Cap. 4 Altre tradizioui sull' origine
di Roma che piü si accostano al vero ed alla storia besprochen werden.
Wenn hier die Tradition, welche die Gründung der Stadt auf Romus
Romulus Remus zurückführt verworfen und der einer trojanisch-griechi-
schen Niederlassung zunächst keine grosse Bedeutung beigelegt wird,
so sucht Cap. 5 Colonia degli Eolii eine äolische Gründung wahrschein-
lich zu machen, wofür namentlich die Odysseus-Circesage und einige
verwandt klingende italische Ortsnamen verwandt werden. Die arkadi-
sche Einwanderung kann, wie Cap. 6 ausführt, numerisch nur unbedeu-
tend gewesen sein, so bedeutend sie auch in ihrem Verhiufe für Rom
wurde. Cap. 7 bespricht i Feneati e gli Epei condotti da Ercole. Alle
diese Traditionen und Namen beweisen dem Verfasser wenigstens den
308 Römische Geschichte und Chronologie.
verschiedenen Ursprung der Völker, welche zur Bildung der Stadt Rom
zusammenwirkten. Die Ramnes erinnern in Cap. 8 den Verfasser an
den attischen Demos Ramnus, von dem der römische Namen abgeleitet
sein könnte; aber auch die Sage einer trojanischen Colonisation, mit
der sich Cap. 9 beschäftigt, hat ihre Berechtigung, wenn sie auch in
der Form, wie sie vorliegt, nicht historisch sein mag. In Cap. 10 wer-
den die verschiedenen Flecken zu erweisen gesucht, welche diese Stämme
ehemals iiine hatten. Alle diese Erörterungen strotzen von gelehrten
Citatcn und alle die entlegenen Reste der lateinischen und griechischen
Litteratur, aber auch die modernen Untersuchungen hat der Verfasser
sorgfältig durchstöbert. Im 11. Capitel erörtert der Verfasser die Grün-
dungssage und die Zeit ihrer Entstehung, letztere will er bedeutend vor
das 6. Jahrhundert der Stadt setzen ; wahrscheinlich wurde sie von Dio-
kles von Peparethos bald nach 342 v. Chr. in der Form, wie sie bei Plu-
tarch erhalten ist, gesammelt und fixirt. Cap. 12 giebt eine sehr inter-
essante und vollständige Darlegung der modernen Ansichten und Er-
klärungen der Sage; nur wird man daraus den Eindruck gewinnen, den
der Verfasser offenbar nicht ei'hielt, dass soviel Geist und Wissen ver-
schwendet wurde für eine Sache, die nie eine befriedigende Lösung fin-
den wird und kann; man kann menschliche Phantasie und menschlichen
Scharfsinn. bewundern, aber des Gedankens kann man sich ebensowenig
erwehren, dass immer noch recht viel tüchtige Kraft in nutzloser Weise
verloren geht. An die Darstellung der modernen Hypothesen knüpft
der Verfasser jeweils seine eigenen Bedenken, Zweifel und Ansichten an.
Er sucht die Entstehungssage ähnlich wie Röscher (Untersuchungen über
Apollo und Mars) als eine Nachbildung schon vorhandener Sagen, spe-
ziell der Gründungssage von Milet und Pergamum zu fassen; da die
Griechen zuerst die Gründungssagen von Rom erzählten, so schlössen
sie sich vielfach an diese beiden Vorgänger an. Aus dem sagenhaften
Gewände der verschiedenen Einwanderungen geht wenigstens soviel her-
vor, dass die verschiedenen Gründungen und Niederlassungen in weiter
zurückliegender Zeit stattfanden, und der Verfasser will an der Hand
der Topographie nun nachweisen, wie die Sagen sich in ihrer Aufein-
anderfolge bilden konnten. An der Hand griechischer Analogien wird
mit Ampere die Annahme von neun Flecken auf den sieben Hügeln fest-
gehalten, Roma selbst ist ein griechischer Name, wie die meisten Namen
dieser neun Flecken ; auch der alte Name des Tiber "A)^ßag oder Albula
ist eine Nachbildung des 'A)^(ftcög und erinnert an die arkadische Ein-
wanderung, welche auch die Evander-Hermes-Sage mitbrachte und den
Namen Thymbris; sie sind auch die Begründer von Alba und die älte-
sten Besiedler der Stätte, an der später Rom lag. Diese Annahme er-
hält für den Verfasser durch die Erzählung des Zopyros von Byzanz
bei Plutarch noch weitere Bestätigung, und die mit arkadischen über-
einstimmenden italisch - römischen Ortsnamen widersprechen derselben
Königszeit und üebergang zur Republik. 309
nicht (Cauna-Roma, Laima-Lavinium). Evander- Hermes wird mit dem
ägyptischen Thot identificirt, seine Einwanderung, d. h. eine arkadische
Colonie in Latium, durch Erwähnung ähnlichei: mythischer Ueberliefe-
rungen zu stützen gesucht. Das Factum des auvocxca^ög der neun
Flecken ist in der Sage personificirt in Romulus, der keine historische
Person zu sein braucht, aber sehr wohl eines der aristokratisclien Häupter
eines dieser Flecken in einer der historischen naheliegenden Epoche
gewesen sein kann. Die äolische Einwanderung wird hauptsächlich durch
sprachliche Rücksichten glaubhaft.
Das Buch enthält eine Menge Material und einen grossen Aufwand
an Gelehrsamkeit; es ist nur zu bedauern, dass dieselbe sich einem so
undankbaren Stoffe zuwandte. Ob bei der Betonung mythischer und
sprachlicher Uebereinstimmungen, wie sie so frappant in der ganzen Ar-
beit hervortritt, wirklich Resultate zu gewinnen sind, die mehr sicher
stehen als blenden, ist eine andere Frage; ich habe den Eindruck, dass
das Fundament äusserst unsicher ist, da gewaltsame, mindestens un-
sichere Etymologien und Ableitungen eine grosse Rolle spielen. Auf
allgemeine Annahme seiner Resultate wird der Verfasser wohl selbst
nicht gerechnet haben; wer gerne sieht, wie menschlicher Scharfsinn
und menschliche Phantasie mit einem spröden und unergiebigen Stoffe
zu schalten vermag, der wird nicht ohne Genuss den Gedankengängen
des Verfassers nachgehen; wer von historischer Kritik vor Allem feste
Principien der Untersuchung fordert, wird hier die schwächste Seite der
Arbeit finden.
Robert Pöhlmann, Die Anfänge Roms. Erlangen 1881.
Der Verfasser will eine neue Theorie über die Entstehung Rom's
aufstellen, und zwar sollen ihm hierzu namentlich die Entdeckungen
der historischen Schule der Nationalökonomie behülflich sein. Ob dabei
die Anklage des Verfassers S. 53 berechtigt ist, dass die Altertumskunde
noch nicht die nötige Fühlung mit deren Methoden und Ergebnissen ge-
nommen habe, ist eine Frage, die nicht so leicht entschieden werden
kann, wie dies der Verfasser thut. Vielleicht ist die Zurückhaltung hier
gebotener, als es auf den ersten Blick scheint; was der eine für sichere
Ergebnisse ansieht, würde von dem andern Vertreter jener Wissenschaft
wohl schwerlich allgemein concedirt werden.
Die Polemik richtet sich hauptsächlich gegen Mommseu. Pöhl-
mann hält die Annahme hofmässiger Siedlung in Latium als des ur-
sprünglichen Zustandes, die secundäre Entstehung des Dorfes aus dem
Hause für unzulässig. Das Hauptmoment für dieses Urteil ist die An-
sicht, dass das System der Einzelhöfe in den wirtschaftlichen Verhält-
nissen nicht begründet sei, da der Boden den Einwanderern fast überall
die gesellschaftliche Siedelung wohl gestattete. Zu letzterer neigten
aber die Latiner schon früher, da die Niederlassungen in den Tcrre-
310 Römische Gsschichte unrl Chronologie.
mare nach Helbig's Untersuchungen bereits sogar die Sitte in offenen
Dörfern zu wohnen als überwunden darthun. Es ist nicht anzunehmen,
dass bei einem höheren Culturgrade, wie ihn die Ansiedlung in der Cam-
pagna voraussetzen lässt, ein Rückschritt in dieser Hinsicht stattgefun
den habe. Lag aber das Streben, gesicherte Wohnstätten zu besitzen,
schon in den Einwanderern, so musste sich dasselbe bei dem unsicheren
Besitze der nach allen Seiten ungeschützten Küstenebene noch stärker
entwickeln. Dass sich die Einwanderer in dieselbe drängten, lag vor
Allem in dem Wunsche, Sitze zu gewinnen, begründet; dass sie gerade
an dem Punkte, wo Rom liegt, sich setzten, wird aus der Bedeutung
der Hügel für den Stromübergang, da derselbe durch die einzige Strom-
insel erleichtert wird, zu erklären gesucht. Die älteste Anlage ist die
arx, da die Stadt von der Höhe in das Thal steigt, nicht umgekehrt;
Rücksichten auf die Malaria und die Sicherheit zwingen in gleicher
Stärke dazu.
Der Verfasser zieht zahlreiche Parallelen aus der Vorgeschichte
der übrigen Kulturvölker heran, namentlich um zu beweisen, dass die
Höfe-Theorie durchaus nicht so allgemein gültig sei, wie häufig ange-
nommen werde. Dass er die späteren socialen und politischen Eigen-
schaften mehr in einem durch Wall und Graben gesicherten Wohnsitze
begründet. sehen will, ist bei seiner Theorie leicht denkbar, obwohl sich
eben soviel aus der gegenteiligen Annahme beweisen lässt: vor Allem
der unbändige und rücksichtslose egoistische Sinn der alten Patrizier
gedieh viel leichter in Einzelhöfen und Geschlechtssitzen als in der
»Stadt«. Die weitere Stütze, dass die alte Ueberlieferung bezw. das
von ihr, was der Verfasser »die echte einheimische Volkssage« nennt
gerade die »Stadt« an den Anfang der Entwickelung stellte, wird so
lange nicht sehr haltbar sein, ehe man sich über diesen Begriff nicht
geeinigt hat, was zur Zeit doch noch nicht der Fall ist.
Die Schrift ist frisch und mit Liebe geschrieben; am wertvollsten
erscheint die Durchführung der Helbig'schen Untersuchungen. Die Hoff-
nung, dass jetzt die Frage entschieden sei, wird schwerlich allgemein
Glauben finden.
Ernst Herzog, Ueber die Glaubwürdigkeit der aus der römi-
schen Republik bis zum Jahre 387 d. St. übolieferten Gesetze. Univ.-
Abhandlung. Tübingen 1881.
Der Verfasser will diejenigen Gesetze, welche aus der Zeit vom
Beginn der Republik bis zur Gesetzgebung des Jahres 387 d. St. be-
richtet werden, auf ihre Ueberlieferung prüfen; er betont dabei mit
Recht, wie wichtig es ist, einen ganzen Complex von Gesetzesüberliefe-
rung einer Kritik zu unterwerfen, da man auf diesem Wege mit grösserer
Sicherheit die Authenticität des einzelnen Gesetzes zu eruiren und zu-
gleich auch allgemeinere Resultate für die Ueberlieferung der älteren
römischen Geschichte zu gewinnen vermag. Er kommt dabei in sehr
Königszeit und Uebcrgang zur Republik. 311
umsichtiger und das Material durchaus beherrschender Untersuchung zu
folgenden Resultaten :
1. Die Grundgesetze der Republik, zum Teil anonym, zum Teil
unter dem Namen des P. Valerius Poplicola überliefert, die lex de dicta-
tore creando lata (Liv. 2, 18, 5), die lex über Einsetzung des Volks-
tribunats, die lex Julia vom Jahre 262 (Dionys. 7, 17), die lex Cassia
agraria von 268, die lex Pinaria Furia, die lex Publilia von 283 (Liv.
2, 56, 2), die lex Terentilia von 292 (Liv. 3, 9), die lex über die Er-
höhung der Zahl der Tribunen auf 10 vom Jahre 297 (Dion. 10, 30),
die lex de Aventino publicando, die lex Aternia Tarpeia von 300 und
die lex Menenia Sestia von 302, sind, soweit sie angeblich tribunicisch
sind, sehr schwach überliefert; ja es giebt kein tribunicisches Gesetz
dieser Periode, welches nachweislich aus der offiziellen Chronik geschöpft
wäre; manche derselben waren in Wahrheit cousularische Gesetze. Von
den als consularisch genannten Gesetzen sind verschiedene als historisch
anzuerkennen; nur stammt die Kenntnis von ihnen nicht aus den An-
nalen der Pontifices, sondern ist entweder an eine Familientradition ge-
knüpft — wie z. B. die lex Valeria de provoc. — oder der Tradition
der Rechtsprechung entnommen; bei der lex Pinaria Furia und der lex
de Av. publ. hat sich die Kunde von der Urkunde selbst erhalten.
Ebenso wenig gab es eine andere zusammenhängende alte Quelle, aus
welcher die Annalisten eine sichere Belehrung über die ältesten Gesetze
hätten schöpfen können.
Auch bei der Zwölftafelgesetzgebung schwankt die Überlieferung
über die Art ihres Abschlusses. Aber sofort mit der Wiedereinführung
der früheren Verfassung beginnen die zweifelhaften Gesetze. Das im
Zusammenhang damit von Liv. 3 , 54, 14 berichtete Icilische Gesetz ist
widersinnig, ebenso das Duillische Gesetz Liv. 3, 54, 15. Die Geschicht-
lichkeit der valerisch - horazischen Gesetze ist im Allgemeinen ausser
Zweifel- Aber die von Livius 3, 55 überlieferte Fassung war nur eine
Formel, welche die Hauptsache kurz und in leicht behältlicher Weise
gab, aber in ihrer Fassung nicht wohl dazu bestimmt sein konnte, den
Inhalt rechtlich genau wiederzugeben. Von den Duillischen Rogationen
qui plebem sine tribunis rcliciuisset und qui magistratum sine provoca-
tione creasset (Liv. 3, 55, 14) muss der erste Artikel einmal gesetzlich
bestimmt worden sein, seine Rückführung auf Duillius kann blosse Com-
bination sein; der zweite ist schriftstellerische P]rfindung, der gleichen
Kategorie gehört die der ganzen Situation widersprechende lex Icilia
v. 305 an, während bei dem sogen, trebonischen Plebiscit das Verhältnis
das gleiche sein mag, wie bei dem ersten Duillischen Artikel. Von dem
Volksbeschluss von 308 über das zwischen Ardea und Aricia streitige Ge-
biet gilt das Resultat Schwegler's, die lex Canulciu von 309 steht in
ihrem geschichtlichen Charakter wieder fest; ilirc Formulirung konnte,
wenn sie in der Chronik nicht stand, von jedem Annalisten eingesetzt
312 Römische Geschiclitc und Chronologie.
werden. Bis zu den licinischen Gesetzen ist der legislatorische Stoff bei
den Annalisten von nun an sehr dürftig, obgleich durch eine Reihe von
Veränderungen in der Magistratur gewiss es nicht an Eiuführungsgesetzen
gefehlt hat. Das ämilische Gesetz über die Censur v. J. 320 wird zwar
in seiner Bestimmung der Maximaldauer auf 18 Monate sicher sein, aber
alles, was damit im Zusammenhange erzählt wird, wird unrichtig sein.
Die tribunicischen agrariae legis actiones sind, wie sie erzählt werden,
nichts als Erfindung; wie weit die Namen der Tribunen, welche mit den-
selben in Zusammenhang gebracht sind, authentisch sind, lässt sich nicht
eruiren. Das tribunicische Gesetz v. J. 322 (Liv. 4, 25, 13) kann echt
sein, jedenfalls ist die Erzählung über dasselbe absurd. Die lex de
quaestione Postumianac caedis (Liv. 4, 51, 2) passt nicht in die Zeitver-
hältnisse, während das Gesetz v. J. 370 (Liv. 6, 20, 13) wohl echt sein
kann. In der Ueberlieferuug der Gesetze von 387 finden wir zwar nichts
Unrichtiges bezüglich der Fassung, wohl aber eine Kürze, welche auf
Eingeweihte berechnet war; dagegen der formelle Hergang zeigt teil-
weise Missverständnis. So lässt sich für den letzten Abschnitt eine we-
sentlich bessere Ueberlieferung constatiren ; die officiellen Annalen waren
offenbar hier nicht mehr so dürftig wie früher; doch lassen die Angaben
auch jetzt noch viel zu wünschen übrig, und das Interesse an der Gesetz-
gebung tritt bei der Chronik noch sehr in den Hintergrund. Für die
Kritik im Allgemeinen glaubt Herzog aus diesem letzterwähnten Ver-
hältnisse den Scbluss ziehen zu können, dass man zur Ergänzung des
hier constatirten Mangels nicht nötig hat, bei den römischen Geschichts-
schreibern die Kenntnis anderer Stadtchroniken — privater oder der
Annalen des Cerestempels — anzunehmen ; ihre Erfindungskraft reicht
zur Erklärung aus. Das Ueberwuchern der letzteren zeigt auch, dass
eine Zusammenstellung der älteren Gesetze in früherer Zeit nicht wohl
erfolgt sein kann. Ob die allgemeinen Angaben über Gesetze, die tra-
ditionellen Formulirungen auf die Chronik zurückgehen, oder aus der
Praxis oder aus einer älteren secundären Quelle stammen, lässt sich
bei dem Mangel an Parallelberichten nicht entscheiden.
Die vorstehende Untersuchung stellt wieder einen Teil der Ueber-
lieferung über die ältere römische Zeit als gering beglaubigt hin; denn
wenn ja auch nicht alle Ausführungen des Verfassers zwingend sind —
ich halte z. B. die Argumentation, dass das oder jenes Gesetz in die
allgemeine Situation einer Zeit nicht passe, bei dem Stande unserer
Kenntnis der betr. Zeiten für nicht ausreichend zur Verwerfung, ferner
ist der Wert der mündlichen Tradition völlig unter- und damit die Ge-
schichtsconstruction der Annalisten wohl überschätzt — so wird mau doch
im Grossen und Ganzen mit ihm darin einverstanden sein müssen, dass
es mit der Ueberlieferung dieser alten Gesetze zum Teile schwach be-
stellt ist und die Chronikenschreiber für diese Seite ein geringes In-
teresse und noch geringeres Verständnis oft genug bewiesen haben.
Königszeit und Uebergang zur Republik. 313
G. F. Unger, Die Quellen- des Polybios im Gallischen Bericht.
Philol. 39, 69-90.
Die Geschichte der gallischen Feldzüge in Italien bei Polyb. 2,
17 — 35 zerfällt in zwei verschiedene Partieen: 1) eine skizzenhafte Ueber-
sicht der Hauptereignisse von der Einwanderung bis zum Ausbruch des
Gaesatenkrieges 225 v. Chr. ; 2) die ausführliche Schilderung des Krieges
von 225 — 222 v. Chr. Letztere ist Fabius Pictor nacherzählt, erstere
geht auf griechische Quellen zurück, wie schon die Art der Jahrzählung
beweist; dazu waren die Gallier den Römern zu fern, als dass diese
Näheres hätten über sie wissen sollen ; die Verschiedenheit in der Schil-
derung sänimtlicher Kämpfe und Berührungen bei Polybius und den rö-
mischen Annalisten schliesst auch die Annahme aus, dass Polybius grie-
chische und römische Nachrichten in einander gearbeitet habe, wogegen
auch die nichtrömische Jahrform bei ihm spricht. Wir besitzen auf diese
Weise in Polybios' auf griechischen Arbeiten beruhenden Berichten und
denen der römischen Annalisten zwei einander fremde Darstellungen,
welche zur gegenseitigen Ergänzung und Berichtigung angewandt werden
können. Aehnlich steht es bei den Zeitbestimmungen; auch hier halfen
die römischen Quellen mit ihren Angaben über die Consulate und deren
Antrittstag zur Auffindung der bei Polybius vorausgesetzten Jahrform ;
seinen Zahlangaben liegt die von seiner Quelle gebrauchte Jahrform zu
Grunde. In dem Jahre der Schlacht von Populonia tritt eine zweite
griechische Quelle ein, wie dies durch die Verschiedenheit der Jahrform,
durch die Vergleichung des historisch-geographischen Stoffes, Ungenauig-
keiten und Widersprüche gegen die frühere Quelle wahrscheinlich wird.
Diese zweite griechische Quelle reicht von 21, 1 — 23, 4; mit 23, 5 be-
ginnt eine neue, römische Quelle, wie dies die Behandlung der Jahr-
epoche, die Angabe der am Kriege gegen Rom beteiligten Völker, so-
wie eine Doublette beweisen. Dieser Annalist ist Fabius Pictor.
Die ältere griechische Quelle reicht bis c. 20 und war wahrschein-
lich Timaios, während die jüngere vermutlich der Sikeliote Seilenos aus
Kalakta ist.
Den Schluss bildet eine Polemik gegen Niese und Mommsen, worin
zu erweisen gesucht wird, dass der Bericht des Polybius nicht auf römi-
schen Quellen beruht und seine Jahrintervalle nicht auf die römische
Stadtaera gestellt sein können.
G. F. Unger, Die Jahrepoche des Diodoros. Philol. 39, 305—325.
Für das sicherste Mittel, die zahreichen Entlehnungen Diodor's
wenigstens für die ausführlicheren und wichtigeren Stücke auf ihren Ur-
sprung zurückzuführen, hält Unger die Beobachtung der den einzelnen
annalistischcn Stücken zu Grunde liegenden Jahrepoche d. h. der Jahres-
zeit ihres Anfanges und Endes. Die Versuche eine Jahrepoche zu fin-
den, werden vergeblich sein; er hat die Jahrepoche seiner Quellen bei-
Jahresbericht für Altenhiimswisseiischaft XXVÜI. (i8Sl. III.J 21
314 Römische Geschichte und f'hronoloKio.
behalten, wie er ihren Wortlaut ausgeschrieben hat; dies wird an ein-
zelnen Fällen nachgewiesen; den Rest des Aufsatzes bildet eine Polemik
gegen Fr. Rcuss, Zur Chronologie der Diadochengeschichte. Philol. 39,
91 — 112.
Klimke, Diodorus Siculus und die römische Annalistik. I u. II.
Gymuasialprogramm Königshütte 1881.
Im ersten Teile sucht der Verfasser in teilweise sehr scharfer Po-
lemik nachzuweisen, dass Mommsen's Untersuchung in den Rom. Forsch. 2,
274 ff. »in Folge einer zu oberflächlichen Textvergleichung von groben
Fehlern und ungeheuerlichen Behauptungen wimmele«; besonders ein-
gehend geschieht dies für die Schlacht an der Cremcra und die Berichte
über die gallische Invasion.
Im zweiten Teile constatirt der Verfasser, dass Diodor für den
betreffenden Abschnitt nur einen Autor benutzt habe; dieser ist aber
nicht Fabius, wie Mommsen will, sondern, wie im dritten Teile dargelegt
wird, ein auch von Livius benutzter Militär, der einen einfachen und
kunstlosen aber sorgfältig jede Unklarheit vermeidenden Stil schreibt,
kein Grieche, sondern ein Lateiner. In einer Anmerkung verspricht der
Verfasser demnächst den Nachweis zu führen, dass Piso die Quelle Dio-
dor's ist. »Man darf gespannt sein, wie er dies zu Staude bringen wird.
H. Haupt, Jahresbericht über Dio Cassius. Philol. 39, 541 — 548.
1) Von den ältesten Zeiten bis auf den zweiten punischen Krieg.
Da es noch* an einer eingehenden und zusammenfassenden Unter-
suchung über die für diese Zeit von Dio verwendeten Geschichtsquellen
fehlt, so stellt der Verfasser eine Anzahl Vermutungen zusammen, die
von einem künftigen Bearbeiter in Erwägung gezogen werden müssen.
Für den ersten punischen Krieg hat speziell Neuling das Resultat
erhalten, dass Dio's Angaben zur einen Hälfte dem Livius, zur anderen
dem Diodor entstammen, neben denen noch ein Unbekannter benützt
sein soll. Haupt lehnt die Wahrscheiulichkeit einer Benützung Diodor's
ab und will überhaupt der Untersuchung nicht abschliessende Bedeutung
zuerkennen.
H. F. Pelham, On the Common Lands of the Roman People.
Transactions of the Oxford Philological Society. 1880/81 (25. Febr.
1881).
Der Auszug enthält eine Reihe fruchtbarer Vergleiche mit der
agrarischen Entwicklung Englands und behandelt auch sonst die Frage
geschickt; Wesentliches wird man kaum vermissen. Aber eigentlich Neues,
mit Ausnahme der Vergleich ungen der englischen Verhältnisse, ist nicht
2u finden.
Punische" Kriege und Unterwerfung der Mittelmeer-Staaten. 31 5
IV. Die punischen Kriege und die Unterwerfung
der Staaten am Mittelmeer.
H. Haupt, Jahresbericht über Dio Cassius. Philol. 40, 139—166.
In seiner Besprechung einer Reihe von Quellenuntersuchungen über
den zweiten punischen Krieg gelangt der Verfasser zu dem Resultate,
dass mindestens drei grundverschiedene Traditionen über den hannibali-
schen Krieg bei Dio vereinigt vorliegen, welche höchst wahrscheinlich
nicht erst von ihm selbst, sondern schon von seinem Gewährsmann zu
einer einheitlichen Erzählung verarbeitet worden sind. Charakteristisch
hierfür ist die fast ununterbrochene üebereinstimmung mit Appian und
mit zahlreichen von Polybius abweichenden Stücken des Livius, die zum
grossen Teil den national -römischen Standpunkt von Dio's Vorlage be-
kunden. Caelius wurde wahrscheinlich benutzt; doch will der Verfasser
diese Frage einstweilen noch nicht entscheiden. Für die Glaubwürdig-
keit Dio's bezüglich der älteren Zeit ist das Ergebnis entschieden vor-
teilhaft. Für die Zeit vom Anfang des zweiten bis zum Ende des dritten
makedonischen Krieges ist ein Teil der mit Livius nur teilweise stim-
menden Stücke des Dio aus einer auf Polybius fussenden Secundärquelle
entnommen, die annalistische Zusätze erhalten hatte; zahlreiche Stellen
sind aus Livius geschöpft; doch lassen sich Eigentum des Dio, Zuthaten
des Dio und Einlagen aus dritter Quelle nicht scheiden.
E. Meyer, Die Quellen unserer Ueberlieferung über Antiochos'
des Grossen Römerkrieg. Rh. Mus. f. Phil. 36, 120 — 126.
Der Verfasser polemisirt gegen Momrasen's Resultate in der Un-
tersuchung »der Friede mit Antiochos« etc. im zweiten Bande der »Rö-
mischen Forschungen«. S. 511 fi. und gelangt in üebereinstimmung mit
Nissen, Quellen der vierten und fünften Dekade des Livius, zu folgenden
Ergebnissen:
1) Zwischen der annalistischen, römischen und der polybianischen
Darstellung herrschte ein bedeutender Unterschied.
2) Polybios hatte keine detaillirten Berichte von römischer Seite
vor sich, sondern nur achäische, rhodische und pergamenische.
3) Appian hat keinen römischen Bericht benützt, sondern stimmt
in allen Details genau mit Polybios und Livius; dagegen ist er in der
Disposition des vorliegenden Materials durchaus frei verfahren. Man
braucht nirgends bei ihm eine andere Quelle als Polybios anzunehmen.
Joh. Schmidt, Die Senatbeschlüsse über die Thisbäer vom
Jahre 170 v. Chr. Zeitschrift der Savigny- Stiftung für Rechtsge-
schichtc 2, 116 ff.
Der Verfasser hat im November 1879 eine Neuverglcichuug der
bekannten Inschrift in Athen vorgenommen und giebt hier den griechi-
21*
316 Römische Geschichte und Chronologie.
sehen Text, eine lateinische Uebertraguug und einen Conimentar. Wir
heben aus letzterem einige Punkte hervor. Cap. 1 bestimmt die Grund-
rechte des thisbäischen Gemeinwesens; Rom verzichtet auf sein durch
den Sieg erworbenes Recht eines Eingriffes und erkeimt die Selbstän-
digkeit und Integrität des Staates an. Natürlich wird dadurch die that-
sächliche Abhängigkeit von Rom nicht aufgehoben. In Cap. 2 wird im
Interesse einer dauernden Befestigung der römerfreundlichen Partei und
Politik in Thisbae verfügt, dass Staatsämter und Priestertümer für die
nächsten lO Jahre ausschliesslich mit römischen Parteigängern von be-
währter Treue besetzt werden sollen. Nach Cap. 3 werden alle Confis-
kationen, welche die makedonische Partei zur Zeit ihrer Herrschaft über
ihre römerfreundlichen Gegner verhängt hat, aufgehoben und letztere
wieder in ihren vollen Besitz eingesetzt. Cap. 4 gestattet den erprobten
Anhängern Rom's die Befestigungen der Burg wieder herzustellen, so
dass diese etwaigen Umsturzversuchen der jetzt unterdrückten Gegner
Widerstand leisten und vor deren Rache sich sichern können; dagegen
dürfen die Mauern der Unterstadt nicht wieder hergestellt werden. Da-
gegen werden in Cap. 6 und 7 überspannte Forderungen der römischen
Partei, die ein absolutes Heimkehrverbot für die entflohenen Mitglieder
der makedonischen Partei in Rom erbeten halte, abgewiesen und vom
Senate di^ Wiederherstellung dauernder Eintracht unter der thisbäischen
Bürgerschaft in's Auge gefasst. Andere Bestimmungen beziehen sich
teils auf Privatpersonen, teils ist ihre Erklärung controvers.
V. Die Revolution.
Eine Fortsetzung der S. 314 u. 315 erwähnten Untersuchungen von
Haupt über Dio findet sich in Philo). 41, S. 140-158.
Bis zum dritten mithridatischen Kriege, namentlich in der suUani-
schen Zeit, hat Dio Livius benützt, wahrscheinlich nur durch dessen Ver-
mittelung hier und da Sallust. Für die Jahre 69 - 66 bildete Sallust
die Hauptquelle Dio's; eine gleichzeitige Benutzung des Livius ist wahr-
scheinlich. Für die Feldzüge des Pompeius in Asien 66 — 62 darf die
Abhängigkeit von Livius als ziemlich gesichert gelten. Für die Dar-
stellung der catilinarischen Verschwörung gehen die Ansichten weit
auseinander. An eine Benutzung Plutarch's ist nicht zu denken, wohl
aber an eine beiden Schriftstellern gemeinsame Quelle, welche niemand
anders als Cicero war; ob derselbe aber direkt oder indirekt, vielleicht
wieder durch Vermittelung des Livius benützt wurde, lässt sich nicht
entscheiden; Sallust ist nur an wenigen Stellen von Dio eingesehen und
subsidiär verwendet worden. Eine allerdings aufiallige Uebereiustimmung
mit Appian lässt sich bei der sonstigen Unabhängigkeit Dio's von dem-
selben nicht befriedigend erklären; Diodor kann als Quelle Dio's nicht
ernstlich in Betracht kommen. Für die gallischen Kriege Cäsars hat
Fun. Kriege u. Unterwerf. d. Mittolmeer-Staaten. Die Revolution. 317
Dio die Commentarien Cäsar's selbst benutzt, neben denen ihm Livius
vorlag; Abweichungen namentlich von den ersteren lassen sich meist
durch Dio's Streben nach Pragmatisirung und Raisonnement erklären.
Eine sehr bedeutende Arbeit ist
Der Ausbruch des Bürgerkrieges 49 vor Chr. von H. Nissen.
V. Sybel's Eist. Ztschr. N. F. 8, 409-445 und 10, 48-105.
Der Verfasser giebt zunächst eine allgemeine Darstellung der Zeit-
verhältnisse, die packend und schön geschrieben ist, aber doch wenig
Neues enthält; nur die Gruppirung der Thatsachen ist hier verdienstlich.
Aeusserst klar ist die Darlegung der beiden Gegensätze des öffentlichen
Lebens, Krieg und Frieden, welche sich in der Formel domi militiaeque
ausgedrückt finden; sie wird für die folgende Entwickelung, namentlich
für Entscheidung der Rechtsfragen wichtig. In einer Anmerkung wird
gegen Mommsen's Theorie von einem altrepublikanischen unumschränkten
Imperium der Consuln polemisirt, wie mir scheint, jedoch nicht glücklich.
Mommsen stützt seine Theorie auf die Worte Cicero's ad Att. 8, 15, 3
Nun will Nissen die Worte ipsi consules quibus more maiorum con-
cessum est vel omnis adire provincias so verstehen, dass letztere Be-
fugnis den Consuln erst dadurch zu Teil geworden sei, dass sie durch
das SC ultimum vom 7. Januar das summum Imperium erhalten hätten,
Cicero also nur von einer durch die letzten Vorgänge gegebenen Rechts-
lage rede. Er sucht auch noch den Beweis zu erbringen, dass dieses
unumschränkte Imperium der Consuln nicht aus der Ueberlieferung er-
wiesen werden könne; aber die von ihm augeführten Stellen sprechen
doch auch nicht dagegen, doch bedarf es derselben nicht; denn die An-
nahme Mommsen's kann sich auf eine so klare Aeusserung Cicero's stützen,
dass absolut jeder Zweifel dadurch ausgeschlossen wird. Philipp. 4 § 9
heisst es nämlich von dem cisalpinischen Gallien: laudatur provincia
Gallia — quod resistat Antonio. Quem si consulera illa provincia pu-
taret neque eum reciperet, magno scelere se adstringeret: omnes enim
in consulis iure et imperio debent esse provinciae. Dass hier
von einem besonderen summum Imperium nicht die Rede sein kann, liegt
auf der Hand; dass Cicero diese Theorie nicht ad hoc gemacht haben
kann, wird m, E. durch die obige Stelle ad Atticum völlig evident er-
wiesen; wir brauchen also auch an letzterer Stelle zur Annahme eines
besonderen summum Imperium nicht unsere ZuHucht zu nehmen. In der
oligarchischen Verwaltung bildete die suUanische Verfassung einen wich-
tigen und vcrhängnissYollen Abschnitt, indem sie die Trennung der bür-
gerlichen und militärischen Gewalt sanctionirte, insofern sie die ordent-
lichen Magistrate während ihres Amtsjahres auf die Stadt beschränkte,
die Verwaltung der Provinzen und das Commando der Heere ihnen erst
als ausserordentlichen Magistraten, als Proconsuln und Proprätoren ver-
lieh; wahrscheinlich sollte dadurch der Senat vor einem Staatsstreich
3l8 Römische Geschichte und Chronologie.
durch einen ordentlichen Consul gesichert werden; aber gerade durch
diese Massregel war dem Imperium die Möglichkeit eröffnet, sich von
der Regierung auf verfassungsmässigem Wege loszumachen und eine
Macht zu usurpiren, die frühere Jahrhunderte unter keinen Umständen
geduldet haben würden. Das starre Adelsregiment, welches Sulla be-
gründet hatte, wurde durch die suUanischen Generale gestürzt. Als der
Adel Pompeius' Wunsch, Generalissimus der Republik zu werden, nicht
entgegenkam, wurde dieser zu den schlimmsten Attentaten gegen den
Bestand des Freistaats geführt, deren Tragweite ihm durchaus verborgen
blieb: er ertrotzte als einfacher Privatmann den Triumph und die Füh-
rung gegen Lepidus und Sertorius, später gegen die Altersbestimmungen
im Bunde mit Crassus, den Rittern und Demokraten den zweiten Triumph
und das Consulat. Unter den mit Beseitigung der suUanischen Restau-
ration restituirten Rechten war das wertvollste die Herstellung des Tri-
bunats, speciell die der gesetzgeberischen Initiative; denn dieser Schritt
hat wie kein zweiter die Errichtung der Monarchie gefördert. Die Ge-
nerale konnten dabei weit eher von Seiten der erweiterten Volksfreiheit
auf Befriedigung ihres persönlichen Ehrgeizes rechnen, als von Seiten
einer ehrgeizigen Aristokratie. Pompeius erntete dadurch zunächst, dass
ihm die Kaufmannschaft zur Grossadmiralität verhalf, welche verfassungs-
widrig war, weil sie die Scheidung und Souderung der Provinzen aufhob;
noch bedenklicher wurde der weitere Beschluss, der ihn zum unum-
schränkten Herrn der asiatischen Provinzen machte. Während Pompeius'
Abwesenheit vollzog sich in Rom eine vollständige Verschiebung der
Parteiverhältnisse. Die demokratische Partei erhob ihr Haupt mit dem
Anspruch den Einfluss des Senats zu brechen, das Schwergewicht des
Staatslebens in die Comitien zu verlegen; die anständigen Elemente der
Partei traten vor den Anarchisten in den Hintergrund; aber die catili-
narische Verschwörung enthüllte den ganzen Abgrund der Verworfenheit
und zwang die besitzenden Klassen, sich rückhaltslos dem Senat in die
Arme zu werfen. Der Consul Cicero erwarb sich durch die Unterdrückung
der Verschwörung grosse Verdienste um die Gesellschaft; aber weniger
glücklich war er in der Aussöhnung des Pompeius mit dem Senat. Die
Nobilität fühlte sich nach der Bewältigung der Catilinarier so stark, wie
seit Jahren nicht ; darum dachte sie auch nicht entfernt daran, Pompeius'
Wünschen einer Bestätigung seiner in Asien getroffeneu Einrichtungen
und Versorgung seiner Soldaten durch Landanweisung entgegenzukommen.
Sein Agent, der Tribun Metellus Nepos, musste nach einem Strassen-
krawalle aus Rom fliehen und bot damit seinem Herrn und Meister den-
selben Vorwand zum Schutz der Volksrechte gegen Rom zu ziehen, dessen
sich Cäsar 13 Jahre später wirklich bediente. Aber Pompeius hat sich
schwerlich je zu dem Gedanken seines Nebenbuhlers, König von Rom
zu werden, aufgeschwungen; dazu besass er weder die politische Bega-
bung noch den politischen Ehrgeiz. Einen Bund mit Mordbrennern ein-
Die Revolution. 319
zugehen, wie Cäsar und Crassus, dazu war Porapeius zu respectabel,
wenn man will, auch zu beschränkt. Aber der Senat ärgerte ihn schwer
und bewies sich gleich ablehnend gegen die Demokratie und die Partei
der materiellen Interessen. Die Folge davon war die Erneuerung der
vor 10 Jahren geschlossenen Coalition. Auf den Thron steuerte mit
vollendeter Planmässigkeit und unablässiger Consequenz allein Cäsar los.
Zu diesem Ziele verschmähte er nicht den Bund rnit den Catilinariern,
und nur eine glückliche Fügung rettete ihn vor der Mitschuld an einem
furchtbaren Verbrechen ; einen Staatsmann von ähnlicher Verwegenheit
hat Rom nie gesehen. Bei dem neuen Bunde unterschätzte Porapeius
Cäsar's Bedeutung vollständig, und wollte ihn lediglich zur Durchsetzung
der eigenen Pläne benützen. Die Verschwörung des Pompeius, Cäsar
und Crassus besiegelte den Untergang des Freistaats, der persönliche
Ehrgeiz, bis dahin in die Schlagwörter von Parteien verhüllt, zeigte sich
jetzt nackt in seiner wahren Gestalt. Nur Cäsar hatte es verstanden
die oppositionellen Elemente zusammenzuhalten ; nach seiner Abreise in
die Provinz begann ein chaotisches Treiben. Die Siegesbotschaften aus
Gallien und Cäsar's Gold, welches seinen Getreuen reichlich zuHoss, be-
lehrten die Triumviru, dass er den Löwenanteil davon getragen hatte;
Pompeius wollte wieder einmal als Generalissimus seinen Ruhm auffrischen
und seine Kassen füllen; aber er erhielt bei Gelegenheit der cura anno-
uae statt des geforderten Oberbefehls im ganzen Reich nur die Über-
aufsicht über die Zufuhren und imp. procons. auf 5 Jahre, aber nur als
imp. aequum, nicht als imp. maius und ohne Heer und Flotte und freie
Verfügung über den Staatsschatz. Der Bund drohte sich in Folge dessen
aufzulösen und der Senat schickte sich zum offenen Angriff" an, als der
durch Cäsar's Klugheit herbeigeführte Vertrag zu Luca Pompeius und
Crassus gleiche militärische und finanzielle Stellung wie Cäsar bewilligte.
Hierbei war Cäsar jedoch nicht der verlierende Teil, sondern der ge-
winnende: dass er damals schon nach der Krone hätte greifen können,
ist ganz falsch; denn zu einem Attentat auf die Verfassung fehlte ihm
die erforderliche Macht im Jahre 50 durchaus; durch die Ucbereinkunft
war ihm eine genügende Frist gesteckt, um sich eine Hausmacht zu be-
gründen, da er jetzt über das italische Colonistenland verfügte, das an
Wehrhaftigkeit die Halbinsel überragte und diese strategisch beherrschte;
er konnte in Rom stehen, bevor ein Mann von den spanischen Legionen
den Fuss an's Land gesetzt hatte. Doch liess er die Dinge in Rom
gehen, damit die Nobilität und Pompeius sich mürbe machten und das
Regiment des Senats in den Augen der ehrbaren Bevölkerung discredi-
tirten; aber er überwachte Alles, und nur die Statthalterschaft der Bar-
kiden in Spanien bietet hierfür eine Parallele.
Die Ahnung, dass es über kurz oder laug zum Bürgerkrieg kom-
men werde, war allgemein verbreitet; die Lage des Gemeinwesens, in
der drei verschworene Generale aller Verfassung zum Trotz die thatsäch-
320 Kömische Geschichte und Chronologio.
liehe Obergewalt inne hatten, Hess keine andere Lösung zu. Der Sol-
datenstand hatte sich von der bürgerlichen Gesellschaft gesondert, in
Cäsars Heeren specicll hatte die Masse derselben gar keinen Anspruch
auf den Namen Körner; ihr Wohl und Wehe lag in der Hand des Feld-
herrn; unterlag er, so war es mit allen Aussichten auf Civität, Sold, Beute,
Abschiedsbelohnung vorbei. Aber Cäsar fesselte seine Leute nicht bloss
durch die Bande des Egoismus an seine Person, er verstand ihnen auch
kriegerische Tüchtigkeit und den stolzen Corpsgeist einzuflössen, welcher
auch vor scheinbar unmöglichen Aufgaben nicht zurückschrak. Die über-
wiegende Mehrheit der Nation war friedlich gesinnt und liebte die Re-
publik; sie dachte mit Schrecken, was werden sollte nach Eroberung
Gallien's und nach Ablauf der Statthalterschaft Cäsar's; Senat, Kauf-
mannschaft und Landstädte erkannten in der Herrschaft des Cäsar wie
des Pompeius zwei Uebel, von denen das letztere nur für minder gefähr-
lich galt. Aber die Entscheidung lag nicht bei ihnen, sondern in der
Hand der Machthaber und der extremen Factionen. Cäsar suchte den
Bruch zu vermeiden, wie nach Julia's Tode sein neues Heiratsproject
beweist, das von Pompeius abgelehnt wurde. Er hatte das scheinbar
glänzendste Loos unter den Dreien, wollte sich aber nach SuUa's Bei-
spiel zur Dictatur emporschwingen ; dieser Wunsch erfüllte sich teilweise
bei Crassus' Tode. Ein Consul sine coUega und zugleich proconsule war
zwar der rÖine Hohn gegen das Staatsrecht, aber die Stimmführer der
Optimalen creirten ihn dennoch; man hatte sich eben im geheimen ver-
ständigt und die Spitze des Bündnisses war gegen Cäsar gerichtet, mit
dem eine Aussöhnung unmöglich war; Pompeius genoss das Glück, das
anerkannte Haupt der Republik zu sein; bei seiner Erkrankung im
Jahre 50 wurde er in Formen gefeiert, die nicht mehr republikanisch
waren, und die Reichsfeldherrnwürde schien der Verfassung definitiv ein-
verleibt zu sein, wie der Sitzungssaal bewies, den Pompeius ausserhalb
des Pomeriums für den Senat gebaut hatte. Die neue Institution ward
zwar widerwillig von der Aristokratie anerkannt, aber sie entsprach dem
Friedensbedürfnisse der Nation. Als Cäsar nachher den Rubicon über-
schritt, that er dies nicht als Messias der leidenden Menschheit, sondern
als der genialste unter den vielen politischen Spielern, die um den Vor-
rang mit einander stritten. Der Bürgerkrieg hätte sich nach mensch-
licher Berechnung vermeiden lassen; denn er ward durch den Ehrgeiz
der beiden Machthaber herbeigeführt, von denen der eine Gleichberech-
tigung forderte, der andere verweigerte.
Wir wollen hier, wo der erste Artikel zu Ende ist, einen kleinen
Rückblick auf die Betrachtung werfen, welche in ihren Hauptzügen bis-
her entwickelt worden ist. Wir haben schon oben an einem Beispiele
gezeigt, dass die Polemik nicht überall glücklich ist; dies gilt auch für
die Darstellung der allgemeinen Verhältnisse. So ist der Vergleich der
Lage des Pompeius, als Metellus Nepos aus der Stadt entwich, mit der
Die Revolution. 321
Cäsar's im Jahre 49 doch nur darin zutreffend, dass in beiden Fällen
Volkstribunen zum Verlassen der Stadt genötigt worden sind; alles an-
dere stimmt nicht entfernt, selbst die Veranlassung konnte kaum als Ver-
fassungsverletzung gedeutet werden. Ob Porapeius nie an eine Monar-
chie dachte, hat aucli Nissen nicht beweisen können, Gründe wie der,
dass er weder politische Begabung, noch politischen Ehrgeiz dazu besass,
sind eben subjectiv, und dem einen werden sie plausibel erscheinen, dem
andern nicht; wenn vielleicht Pompeius nicht selbst diese Gedanken hegte
— ich sehe übrigens nicht, warum ihn seine Unfähigkeit daran hätte
hindern sollen — so hätten ihm dieselben ja von anderen »klügeren
Leuten« suppeditirt werden können, und dass seine Partei sich nachher
ganz entschieden monarchisch gerirt, ist doch nicht zu bestreiten, und
dass man ihm orientalische Herrscherneigungen zutraute, sollte doch wohl
durch die Spitznamen Arabarches etc. auch angedeutet werden. Nissen
bestreitet weiter, dass Cäsar bei dem Bunde von Luca nicht verloren
habe; die Gründe die er anführt, haben ja auch einen Schein für sich.
Aber es wäre doch erst zu erweisen, dass 1) die gallische Armee erst
in den folgenden Jahren ihrem Imperator unbedingt gehorchte und
2) dass im Verhältnis zu der Stärkung, welche Pompeius und Crassus
erhielten, die Cäsar's gleich oder mehrwertig war. Schlug er damals
los, so waren die italienischen Landstädte an den Gedanken des Bürger-
krieges und an die Hoffnung eines Erfolges noch nicht so gewöhnt, wie
dies durch die Machtstellung des Pompeius und seinen Bund mit der
Oligarchie geschah, Pompeius hätte so gut wie keine Bedeutung in die-
sem Kampfe gehabt, und die anarchisch-demokratischen Elemente wären
Cäsar damals so sicher gewesen, wie 7 Jahre später. Vergleicht man
die Stellung, die Pompeius in der Entscheidungszeit einnahm, mit dem
Machtzuwachs, den Cäsar erhalten hat, so kann man den letzteren in
der Rechnung getrost als einen Verlust auf seiner Seite bezeichnen.
Dass Pompeius eben Pompeius blieb, kann bei dieser Frage nicht in
Betracht kommen; in anderer Hand hätte sich Cäsar's Rechenfehler wohl
schwer gerächt.
Am Ende des ersten Artikels macht der Verfasser der bisherigen
Forschung den Vorwurf, sie sei bezüglich der That- und Rechtsfrage vor
allem deshalb nicht zur Klarheit gelangt, weil sie den Wert der Quellen
unterschätzt und scheinbare Widersprüche auf gewaltsamere Weise gelöst
habe, als eine methodische Kritik gutheissen dürfe. Im zweiten Artikel
wird zunächst diese Quellenfrage erörtert. Die Correspoudenz Cicero's
allein ermöglicht eine genaue Datirung der Begobcnhciten; die Mehrzahl
der Briefe sind Stimmungsbilder eines zwischen den Parteion stehenden
Staatsmannes, welche die Mittel gewähren Cäsar's Darstellung auf ihre
Zuverlässigkeit zu prüfen; einzelne Briefe haben den Wert von Akten-
stücken. Bei Cäsar's Darstellung muss man festhalten, dass die Alten
die heute geforderte Objectivität nicht zu beobachten pflegen und dass
322 Römische Geschichte und Chronologie.
die Denkwürdigkeiten nicht Geschichte, sondern nur Material für die
Geschichte sein sollen. Seine Behauptung, dass er in gorechter Notwehr
für die eigene und die Freiheit des ganzen Volkes die Waffen ergriffen
habe, wird von der antiken Geschichtsschreibung einstimmig bestritten;
wenn man die Vertreter derselben als unglaubwürdig verwirft, so hat
dies Verfahren keine Berechtigung; wenn uns in Cäsar's Denkwürdigkeiten
lediglich eine Parteischrift vorliegt, so geben die Geschichtsschreiber das
Urteil, welches nach Anhörung beider Parteien gefällt ist. Zwei Haupt-
quellen liegen denselben zu Grunde, Asinius Pollio (Appian und Plutarch),
der gemässigt cäsarianischen Standpunkt vertrat, und Livius, der Pom-
peianer, von dem die Epitomatoren Florus, Eutrop, Orosius spärliche
Reste bewahren; Livius' Darstellung hat auf die historische Auffassung
der Kaiserzeit bedeutenden Eiufluss geübt; einzelnes Brauchbare liefert
Velleius, anderweitig bekanntes kann Lucan bestätigen ; der Sammelfieiss
des Sueton hat wertvolles und wertloses neben einander; Dio bietet viel-
leicht eine Verschmelzung von Livius und Cäsar. So hat diese tertiäre
Ueberlieferung einen bedeutenden Wert und bietet allerwärts Trümmer
von Berichten, welche mit den authentischen Angaben Cicero's überein-
stimmen und helles Licht über die Vorgänge verbreiten.
Die Alten datiren den Bürgerkrieg vom 17. März 49 und lassen
ihn beendigt werden nach 4 Jahren durch die Schlacht bei Munda; vor
dem 17. März 49 gehören die Ereignisse unter den Begriff des tumultus.
Im Sinne der Optimalen wird ungefähr der 9. Januar als Anfang ange-
sehen worden sein, wo das decretum tumultus erfolgte, oder der 11. Ja-
nuar, an welchem Tage Cäsar Ariminum überfiel. Aber von Cäsar's
Standpunkt konnte der Anfang früher gesetzt werden; er hat später offi-
ciell die Vertreibung der Tribunen am 7. Januar als definitiven Bruch
betrachtet, in seinen Denkwürdigkeiten verlegt er dagegen den Kriegs-
zustand um einige Wochen zurück, d. h. auf den 3. oder 4. December 50,
an welchem Tage der Consul Marcellus dem Pompeius ein Schwert über-
reichte und den Oberbefehl anbot.
Die Statthalterschaft Cäsar's beruhte ursprünglich auf doppeltem
Rechtstitel; durch lex Vatinia war ihm Gallia Cisalpina sowie Illyricum
auf 5 Jahre verliehen (l. März 59 — 54); nach diesem revolutionären Vor-
gange hatte der Senat nachträglich auf ordnungsmässigem Wege Cäsar
Gallia Narbonensis übertragen, wahrscheinlich vom 1. Januar 58 ab; da
hier eine Frist nicht bestimmt war, so konnte der Senat, ehe die lex
Pompeia Licinia 55 erlassen war, sie jederzeit einem Nachfolger über-
tragen. Durch letztere wurden alle drei Provinzen Cäsar bis zum letz-
ten Februar 49 garantirt und ausdrücklich untersagt, vor I.März 50
Cäsar einen Nachfolger für dieselben zu bestellen. Pompeius hat, trotz
wiederholter Versuche der Optimalen, sich nicht bewegen lassen, dies
Gesetz anzutasten. Der Process spielt sich zwischen vier Parteien ab,
der friedlichen Majorität, den konservativen Ultras und den beiden Macht-
Die Revolution. 323
habern; dabei müssen die Verhandlungen im Senate von den auf priva-
tem Wege geführten streng geschieden werden ; ein unversöhnlicher Ge-
gensatz bestand nur zwischen Cäsar und den gesinnungstüchtigen Opti-
malen, mit Cato an der Spitze; die Verhältnisse der übrigen Gruppen
verschieben sich beständig; Pompeius hätte den Ausschlag geben müssen,
aber seine Haltung litt an inueren Widersprüchen, in Folge deren zwi-
schen ihm und seinen Verbündeten kein Vertrauen herrschte. Schon
Anfang 52 drohte der Ausbruch des Bürgerkrieges ; Pompeius strebte
nach der Dictatur; die Cäsarianer forderten für beide Gewalthaber das
Consulat und wollten die Militärmacht von Gallien und Spanien mit der
höchsten Magistratur kumuliren; die Bewilligung dieser Forderung hätte
Cäsar bei seiner Stellung zu Ober-Italien zum Herrn des Staates gemacht,
und um sie abzuwenden schloss Pompeius mit der Nobilität ab. Aber
die Vermittler, unter denen wahrscheinlich Cicero war, konnten den
drohenden Conflict leicht beseitigen, da Cäsar von seiner Armee durch
den Aufstand des Vercingetorix abgeschnitten war; etwa im März 52
brachte das ganze Tribunen-Collegium mit Unterstützung des Pompeius
ein Plebiscit durch, das Cäsar erlaubte im Jahre 49 ohne persönliche
Meldung sich um das Consulat zu bewerben; damit war nach bisheriger
Observanz eine Verlängerung der Statthalterschaft bis zum letzten De-
cember 49 stillschweigend verbunden. Dieses Zugeständnis war voreilig
und überflüssig gewesen, da Cäsar's ganze Kraft durch die Bewältigung
Gallien's auf lange Zeit in Anspruch genommen war; es war aber auch
gefährlich: denn wenn ihm Heer und Provinzen bis zum Antritt des Con-
sulats blieben, wer wollte ihn nach dem Antritt zur Abgabe derselben
zwingen? Das Bestreben der Nobilität war nur darauf gerichtet die Zu-
kunft vor ihm zu sichern, indem sie Pompeius die spanischen Provinzen
auf weitere 5 Jahre (bis 45) verlieh und der Senat jährlich 1000 Talente
zur Besoldung der dortigen Legionen bewilligte. Gegen Cäsar wurden
jetzt zwei Gesetze gerichtet: 1) dass die Consuln und Prätoren erst
5 Jahre nach Ablauf ihres Amtes Provinzen übernehmen sollten, womit
man die Möglichkeit gewann, einen der älteren Consulare als Nachfolger
für die gallischen Provinzen zum I.März zu bestellen; 2) Erneuerung
des Verbotes sich abwesend um ein Amt zu bewerben. Pompeius fügte
auf die Beschwerden der Caesarianer eigenmächtig eine — aber deshalb
rechtlich null und nichtige - Clausel hinzu, welche den Cäsar erteilten
Dispens und ähnliche Dispense als zulässig anerkannte.
Cäsar suchte unermüdlich den Pompeius von den Optimaton zu
trennen; im Jahre 51 stellte er an den Senat das Verlangen, ihm die
Statthalterschaft bis Ende 49 für seine drei Provinzen oder wenigstens
für Oberitalien und Illyricum zu verlängern, wurde aber abgewiesen ; er
konnte nun die Intcrcession zur Hemmung der Ernennung eines Nach-
folgers benützen, und wenn der Senat dieselbe etwa durch Erklärung
des Belagerungszustandes beseitigte, als Schützer der römischen Volks-
324 Römische Geschichte und Chronologie.
rechte den Kampf beginnen; die Majorität des Senats war deshalb unter
keinen Umständen zu entscheidenden Entschlüssen zu bewegen. Aber
auch Pompeius wirkte liemmend, zunächst in Folge einer Krankeit, so-
dann weil er Cäsar nicht den Optimaten preisgeben wollte und einzig
den Wunsch hegte, an die Spitze einer Armee, Mai 51 in Spanien, Ende
des Jahres gegen die Partlicr, zu treten. Aber die Nobilität Hess ihn
nicht fort; so musste er endlich Farbe bekennen und die erste Stellung
im Staate, die er als sein Recht in Anspruch nahm, gegen einen Stär-
keren verteidigen.
Der Consul von 51, M. Marcellus, spornte zu entscheidenden Be-
schlüssen, aber umsonst, der Antrag von Marcellus-Cato, die Statthalter-
schaft Cäsai-'s am 1. März 49 als erloschen zu erklären, fiel durch und der
Beschluss über die gallische Nachfolge ward bis 1. März 50 vertagt.
Unter den Beamten des Jahres 50 war der Tribun Curio der gewand-
teste Vertreter Cäsar's; indem er sein Tribunat als eifriger Republikaner
und Gegner Cäsar's begann, erlangte er dadurch die Möglichkeit, auch
die Usurpationen des Pompeius anzugreifen und bis zuletzt Freiheit und
Republik gegen das Imperium zu verteidigen. Im April .50 eröffnete
der Consul C. Marcellus den Angriff, indem er die Nachfolge in Gallien
auf die Tagesordnung setzte. Die Majorität und Pompeius waren bereit,
die Verlängerung bis zum 13. November 49 zu bewilligen. Aber Curio
verlangte, dass beide Machthaber die Provinzen niederlegten. Pompeius
wurde krank, Curio hemmte durch seine Einsprache jede Beschlussfas-
sung und gegen ihn Anfang Juni beantragte Zwangsmassregeln wurden
mit grosser Mehrheit verworfen. Jetzt erklärte sich Pompeius zur Ab-
dankung mit Cäsar bereit, Curio nahm ihn beim Wort und stellte den
Antrag, beide Machthaber bis zu einem gewissen Terrain zur Abdankung
zu zwingen, andererseits sie mit der Acht zu bedrohen und ein Heer
gegen sie zu rüsten. Wäre der Antrag angenommen worden, so hätte
er Pompeius zum Anschluss an seinen Nebenbuhler genötigt. Er wurde
jedoch abgelehnt, erschwerte aber auch so die Verständigung zwischen
Pompeius und dem Senate. So schien auch dieses Jahr resultatlos zu
verstreichen, es kam alles auf die Wahlen für das nächste Jahr an, bei
denen die Cäsarianer nur zwei Tribunen durchsetzten. Anfang Oktober
oder Ende September kehrte Cäsar nach Ober-Italien zurück, wo er
eine begeisterte Aufnahme fand, doch schien zunächst die Situation hier-
durch nicht verschlimmert, da Curio seine Intercession gegen Soldbewil-
ligung für Pompeius' Truppen zurückzog (Ende September) und Cäsar
eine Legion gegen die Parther, gemäss einem Senatsbeschlusse, stellte,
bezw. sich um zwei Legionen (1 und 15) schwächte. Aber das einzige,
was helfen hätte können, wenn nämlich Pompeius oder Cäsar den Par-
therkrieg erhalten hätte, geschah nicht; so dauerten die Unterhand-
lungen mit Cäsar resultatlos fort. Die beiden cäsarischen Legionen, die
nicht vor Mitte November in Rom eintrafen, erhielten in Capua Befehl
Die Revolution. 325
stehen zu bleiben, zugleich knüpften die Optimaten mit T. Labienus
Unterhandlungen an. Der Consul Marcellus beantragte, Caesar in die
Acht zu erklären, falls er nicht bis zu eineni bestimmten Termin die
Waffen niederlege; Curio brachte den Antrag ein, dass beide Gewalt-
haber das Imperium niederlegen sollten und erhielt 370 Stimmen für,
nur 22 gegen denselben. Auch ein Antrag des Consuls eventl. Zwangs-
massregeln gegen den Tribunen wegen seiner Einsprache gegen den Be-
schluss über Cäsar's Nachfolge zu verhängen, fand keine Majorität. Auf
ein falsches Gerücht, dass Caesar im Anmarsch begriffen sei, beantragte
Marcellus, etwa 4. December, den Kriegszustand zu verhängen und Pom-
peius den Befehl über die beiden Legionen in Capua zu übertragen,
auch weitere Rüstungen zu veranstalten. Als Curio die Grundlosigkeit
des Geredes nachwies, kam es zu keinem Beschluss, der Consul aber
begab sich zu Pompeius und übertrug ihm eigenmächtig das Truppen-
commando und die Befugnis zu weiteren Rüstungen. Da Pompeius den
Auftrag annahm, so war damit der Bruch mit Caesar vollzogen; Cäsar
bezeichnet den Schritt als Ursache des Krieges. Aber die öffentliche
Stimmung wollte den Frieden, die Tribunen verboten die Aushebung,
Geld war auch nicht zur Verfügung der Optimaten. So ging Pompeius
von Rom weg, wohin er erst am 28. oder 29. Dezember zurückkehrte.
Schon am 10. December hatte er Cicero gegenüber den Krieg für sicher
erklärt, gleich nachher übernahm er die beiden Legionen zu Luceria
und am 25. December wollte er sogar Cäsar nicht mehr das Consulat
nach seiner Statthalterschaft zugestehen , was diesem doch nach Recht
und Verfassung zustand; er hatte sich in den Kopf gesetzt, Dictator zu
werden und den Krieg in die Provinzen zu verlegen, wo er sich um Ver-
fassung und Tribunen nicht zu kümmern brauche.
Cäsar erfuhr die Vorgänge vom 3. oder 4. December etwa am 10.;
er wurde dadurch überrascht, da er keine ausreichenden Truppen zur
Verfügung hatte. Noch jenseit Placentia traf er mit Curio zusammen,
der die sofortige Sammlang des Heeres und den Marsch auf Rom riet.
Die Zeit, welche zur Sammlung nötig war, wurde zu Unterhandlungen
bestimmt, und Cäsar sandte ein Ultimatum an den Senat, das einer
seiner Generale Gaius Fabius überbrachte. Curio begleitete ihn; Cäsar
wollte in Ravenna die Antwort erwarten. Der Senat, der bisher ge-
schwankt hatte, sah sich jetzt vor die Walil gestellt, entweder sich mit
dem einen der Machthaber gegen den andern zu verbünden oder den
Kampf gegen beide, d. h. gegen die ganze Militärmacht des Reiches zu
bestehen. Um den Janhagel im Schach zu halten, füllten Veteranen
des Pompeius die Strassen. Die Consuln C. Marcellus und L. Lentulus
weigerten sich (I.Januar), das Schreiben Cäsar's lesen zu lassen; aber
schliesslich konnte es M. Antonius doch vorlesen. Cäsar erbot sich, sein
Heer aufzulösen, seine Provinzen abzugeben und Rechenschaft abzulegen,
wenn Pompeius das Gleiche tliue; für den Fall der Ablehnung drohte
326 Römische Geschichte und Chronologip.
er mit Selbsthülfe und Gewalt. Die Consuln gestatteten keine Beratung
über dasselbe, sondern referirten de re publica. Nach längerer Debatte
liess der Consul nur über zwei Fragen abstimmen; die erste »Soll Pom-
peius sein Imperium niederlegen?« wurde einstimmig verneint; die zweite
»Handelt Cäsar als Feind, wenn er sein Heer bis zum 1. Juli nicht ent-
lässt?« wurde mit allen gegen zwei Stimmen bejaht. Antonius und Cas-
sius intercedirten, die Sitzung schloss ohne Resultat. Abends versam-
melte Pompeius alle Senatoren und spornte sie zur Energie. Am 2. Ja-
nuar wurden die Verhandlungen forlgesetzt; der Senat hatte das Ulti-
matum Cäsar's ohne Umschweife abgelehnt. Ob Cäsar dabei um ein for-
males Recht betrogen wurde, lässt sich nicht mehr sicher entscheiden;
mit der Annahme, da=:s Cäsar einen gültigen Anspruch auf die Statt-
halterschaft des ganzen Jahres 49 gehabt habe, ist die Thatsache un-
vereinbar, dass am 1. Januar nur zwei Leute wie Curio und Caelius
Rufus denselben anerkannten. Aber mit dem Inhalt der F,orderungen
war er einverstanden, denn Antonius fand lauten Beifall für seinen An-
trag, dass beide Machthaber ihre Heere entlassen sollten; der Vorsitzende
liess jedoch nicht abstimmen. Die Mehrheit suchte Zeit zu gewinnen,
beantragte Frist, Gesandtschaft etc., aber sie setzte nichts durch, da die
Fragestellung ausschliesslich vom Vorsitzenden abhing; aber von einer
Massregeluttg der Tribunen wollte sie auch jetzt nichts wissen. Am
5. Januar trat der Senat von neuem zusammen, jetzt wurde der Antrag
angenommen, Trauer anzulegen. Noch einmal schien es, als ob der Con-
flict im letzten Augenblicke verhindert werden könnte. Cäsar schickte
neue Vorschläge, in denen er nur darauf bestand, dass Pompeius nach Spa-
nien abginge und das Privilegium von 52 bis zum Antritt des Consulats
festhielt, aber sofort das ganze Heer bis auf zwei Legionen entlassen,
das jenseitige Gallien räumen und sich auf Oberitalien und Illyricura
beschränken wollte. Cicero bewog Cäsar's Vertrauensmänner sogar noch
zum Verzicht auf eine weitere Legion und auf Oberitalien; Pompeius
war ebenfalls bereit, auf diese Bedingungen einzugehen, lehnte aber auf
den V^Mderspruch des Consuls Lentulus und die Vorstellungen Cato's sie
ab. Unter dem Eindruck dieser Verhandlungen versammelte sich der
Senat am 7. Januar; jedermann war eindringlich zu Gemüte geführt worden,
dass eine Aussöhnung der Machthaber nicht nur im Bereich des Möglichen
läge, sondern mit Sicherheit zu erwarten wäre. So wurde der Endtermin
von Cäsar's Statthalterschaft auf den 1. Juli festgesetzt, Ungehorsam mit
Acht und Krieg bedroht. Aber dieser Beschluss konnte durch den Ein-
spruch der Tribunen nicht auf legalem Wege perfect werden; da wurde
gegen Abend der Antrag gestellt, den Staat in Gefahr zu erklären. Der
Vorsitzende gab den Tribunen den Rat, vor der Abstimmung den Saal
zu räumen; Antonius protestirte, verliess aber mit Cassius, Curio und
Cälius den Senat. Jetzt wurde der Beschluss gefasst, dass die Magistrate
und die vor der Stadt befindlichen Proconsuln für die Sicherheit des Ge-
Die Revolution. 327
meinwesens sorgen sollten; die Ausgestossenen fubren eiligst nachts zu
Cäsar. Dieser Beschhiss lief nicht, wie Cäsar behauptet, der Verfassung
zuwider, wie die Vorgänge von 52 und 63 zeigen, die Cäsar nicht für
verfassungswidrig gehalten hat; der Senat bewegte sich dabei durchaus
innerhalb seiner verfassungsmässigen Competenz. Das SC. ultimum ist
keine Polizeiraassregel noch eine Proclamation des Bürgerkriegs, sondern
eine höchste Anspannung aller Kräfte, um derartige Gefahren zu be-
schwören; es bedeutete die Suspension der wichtigsten Volksrechte,
wobei sich der Senat als Wohlfahrtsausschuss konstituirt, der seine höchste
Gewalt an Magistrate und Privatpersonen mandirt. Diese können von der
Gewalt Gebrauch machen oder nicht; immer stehen sie unter dem Ober-
aufsichtsrechte des Senats, der auch ihnen wegen Nichterfüllung ihrer
Pflicht den Process machen kann. Auch das decretnm tumultus wurde jetzt
erlassen, der Tumult über die ganze Halbinsel erstreckt, 130 000 Mann
= 26 Legionen sollten ausgehoben werden, die Gelder wurden auf den
Staatsschatz angewiesen, bei Tempeln und Municipien Zwangsanlehen
gemacht, Statthalter für die Provinzen ernannt, Italien in Kreise geteilt
und an die Spitze .jedes Kreises ein mit Imperium versehener Beamter
gestellt. Aber zugleich lähmte man diese Massregeln, indem man die
Errichtung von mindestens vier selbständigen Commandos ins Auge fasste.
Trotz dieser Beschlüsse gingen die Unterhandlungen zwischen Senat,
Pompeius und Cäsar weiter. Cicero bemühte sich nach Kräften einen
Bruch zu vermeiden.
Die entscheidende Nachricht von den Vorgängen am 7. Januar
langte bei Cäsar am 10. an; abdanken wollte er nicht, dem Pompeius sich
unterordnen wollte er auch nicht, so durfte er auch nicht zaudern. Blieb
der Regierung Zeit, die Streitmacht des Reiches zu organisiren, so war
er verloren ; sie beherrschte das Meer, Massilia und Gall. Narbon. standen
zu ihr; die spanischen Legionen hinter, das Aufgebot Italiens vor sich,
lief Cäsar Gefahr erdrückt zu werden. Wenn er dazu noch geächtet
war, wer bürgte für die Treue von Offizieren und Soldaten? Mit fünf
Cohorten begann er den Kampf, indem er die beiden Festungen, welche
die Strassen nach Rom deckten, Ariminum und Arretium, rasch besetzte.
Voll Angst floh die Landbevölkerung nach Rom, hier noch die Verwir-
rung vergrössernd. Am 17. Januar erklärte Pompeius dem Senate, dass
Rom nicht zu halten sei; er erntete die verdienten Vorwürfe, wieder
wurden neue Unterhandlungen gefordert; aber er setzte doch deren Ver-
werfung durch. Cato erkannte, dass jetzt nur eiu Mittel zu helfen übrig
sei und beantragte die Dictatur; aber er drang nicht durch, die Viel-
köpfigkeit des Oberbefehls blieb auch jetzt bestehen. Der Senat be-
schloss ein Justitium d. h. Sistirung des ötl'ontlichen Rcchtslebens; alle
Gerichte wurden geschlossen, die Staatskasse leistete keine Zahlungen,
den Beamten, welche Rom nicht verlassen durften, wurde die besondere
Erlaubnis dazu erteilt: den Bürgern wurde verboten, das Friedenskleid
328 Römische Geschichte und Chronologie.
der Toga zu tragen. Am Abend verliess Pouiiteius Rom, am andern
Morgen folgten ihm Consuln und Magistrate mit der Mehrheit des Senats.
Der Auszug bedeutete nichts weniger als die förmliche Abdankung des
Senats, das Ende des bisherigen Regiments.
Aber die Rüstungen entsprachen nicht dieacu Schritten und Cäsar
gestand den Abgesandten des Senats und des Pompeius, die ihn am
14. oder 15. in Ariminum trafen, alles zu, was sie verlangten, und die
Majorität klammerte sich an diesen Strohhalm. Am 13. Januar verhan-
delten die Consuln mit Pompeius in Teanum über Cäsar's Anträge. In
einem Schreiben wurde ihm der Triumph und das Consulat garantirt
und eine ordnungsmässige Behandlung der Angelegenheit durch den Senat
in Rom versprochen, wenn er die widerrechtlich occupirten Städte räume;
eine von ihm verlangte Zusammenkunft mit Pompeius wurde abgelehnt.
Da die Hauptsache, Pompeius von der Sache des Senats zu trennen, so
misslungen war, erliess Cäsar nach Eintreffen der Autwort, Ende Januar,
ein Manifest an die italische Bevölkerung, und der zweite Act des tu-
multus begann. Pompeius erklärte, nach Picenuni vorrücken zu wollen;
in Folge dessen concentrirte Cäsar seine Truppen auf der Ostseite des
Apennin und sprengte durch Besetzung von Auximum die feindlichen
Truppen auseinander; als die 12. Legion eintraf, war schon (4. Februar)
Picenura für Pompeius verloren. Letzterer begnügte sich, die Rückzugs-
linie nach ßrundisiuni zu besetzen. Die spanische Armee hat, wie es
scheint, keinen Versuch gemacht, Cäsar im Rücken zu bedrohen. Hätte
Pompeius in der Mitte der Halbinsel eine befestigte Stellung eingenom-
men, so hätte sich um ihn eine imposante Streimacht concentrirt; denn
selbst nach den Niederlagen im Picenischen zählte das Aufgebot der
Republikaner noch mindestens 30 000 Mann. Von einem Verrat des Pom-
peius darf man nicht reden, aber in der Sache kam sein Benehmen auf
dasselbe hinaus. Er hatte den Senat schmählich getäuscht; denn dieser
hatte nicht an die Räumung von Italien gedacht. Am 7. Februar for-
derte ein Abgesandter des Pompeius bei den Consuln in Capua die Leerung
des Staatsschatzes in Rom. Da man argwöhnte, dass die beiden Macht-
haber unter einer Decke steckten, so machte man die Gewährung seines
Verlangens von seinem Vorrücken abhängig. Der Befehlshaber in den
Abruzzen suchte Pompeius zum Schlagen zu zwingen, indem er mit
30 Cohorten Stand zu halten beschloss. Aber Pompeius verweigerte die
erbetene Hilfe und zog sich eiligst nach Brundisium zurück. Auf die
Kunde hiervon kapitulirte Domitius am 21. Februar. Die anderen Heer-
haufen der Republikaner wurden getrennt aus einander gejagt. Pom-
peius, dem man die Dictatur verweigert hatte, nötigte durch die Logik
der Thatsachen alle, welche sich nicht auf die Seite des Gegners schlagen
wollten, in seinem Lager Schutz zu suchen. Am 9. März eröffnete Cäsar
die Belagerung von Brundisium; war aber bisher der Feind wesentlich
durch Marschiren überwunden worden, so zeigte die glänzende Vertei-
Die Revolution. 329
diguDg dieses Platzes, dass der wahre Feind so leicht nicht zu über-
wältigen sein würde. Am 17. März stach Pompeius mit seinen Truppen
in See, der Tumultus war zu Ende, der Krieg begann.
Die Aufsätze, namentlich der zweite, sind reich an scharfsinnigen
Combinationen und für die Kenntnis der geschilderten Verhältnisse ein
wertvoller Beitrag. P'reilich darf auch hier nicht alles als erwiesen an-
gesehen werden. Durchgängig herrscht in der Beurteilung des Pompeius
ein sichtbares Bestreben, demselben jede mala fides in der ersten Zeit
abzusprechen. Wir haben oben schon ein solches Verhalten hervorge-
hoben; ähnliches zeigt sich in der Beurteilung des Gesetzes gegen die
Bewerbung in absentia; ich meine, es ist doch schwerlich durch die Tra-
dition zu rechtfertigen, dem Pompeius so wenig staatsrechtliche Kenntnis
und so wenig Nachdenken zuzutrauen, dass er nicht gewusst haben sollte,
dass die von ihm eigenmächtig zugefügte Klausel, welche den Cäsar er-
teilten Dispens anerkannte, rechtlich unwirksam war; und wenn er dies
nicht selbst gesehen haben sollte, so würden es ihm doch »die klügeren
Leute, denen er bei der ganzen Gesetzmacherei als Organ diente«, wohl
gesagt, bezw. die Gegner, unter denen so gescheute Leute wie Curio
waren, ihn darauf aufmerksam gemacht haben. Ebenso scheint mir die
Vermittelungsrolle des Cicero nicht so bedeutend gewesen zu sein, wie
sie von Nissen durchgängig geschildert wird. Die Sendung des Gaius
Fabius nach Rom ist eine bestechende Combination, aber doch nur eine
Combination, die sogar auf schwachen Füssen steht; denn es ist nicht
wahrscheinlich, dass Cäsar, der ja wenigstens bis zuletzt so that, als ob
er Alles aufbiete, den Frieden zu erhalten, einen seiner »Marschälle« nach
Rom gesandt hat, abgesehen davon, dass Appian und Dio von demselben
nichts wissen.
A. Dumeril, Les preliminaires de la seconde guerre civile a Rome.
Extrait des Memoires de l'Academie des sciences inscriptions et belles-
lettres ä Toulouse.
Der Verfasser beabsichtigt eine Ehrenrettung des Pompeius und
wählt dazu die Zeit von seinem dritten Consulat bis zur Aufgebung Ita-
liens. Den Stoff sollen ihm die Commentarien Cäsar's und die Briefe
Cicero's liefern. Erstere werden zuerst nach ihren Vorzügen besprochen;
diese treten aber gänzlich zurück vor den tiefen Schattenseiten; Neues
bietet die Untersuchung nicht, ilir Resultat gipfelt in den Worten: »Dans
les commentaires le naturel du style, la justesse d'une foule d'obscrva-
tions, la description parfaite des lieux, tous les dehors de la vöritö
cachent une oeuvre de combat, d'artifice et de mensonge«. Die Briefe
Cicero's sind ebenfalls für Pompeius nur nachteilig, weil ihr Verfasser
den Schrei seines Gewissens betäuben wollte durch die Vorwürfe, die
er auf jenen schleuderte; verletzte Eitelkeit spricht aus jeder Zeile;
doch bieten andere Stellen das Correctiv. Aber gewöhnlich legt man
Jahresbericht für Alterthumswisseiisch.-ift XXVUI. (1881. 111.; 22
330 Römische Geschichte und Chronologie.
den letzteren einen Sinn nnter, den sie nicht haben. So hat sich der
Verfasser das Material zurechtgelegt, mit dem er die Rettung seines
Helden versuchen will; das Verfahren besteht natürlich darin, dass hin-
ter allem, was wir bei Cäsar oder Cicero lesen, so ziemlich das Gegen-
teil als Wirklichkeit combinirt wird.
Die Massregelu, die Pomi^eius in seinem dritten Consulate traf,
verletzten zum Teile die Aristokratie, wurden auch teilweise durch sein
eigenes Verhalten dementirt, aber sie gaben Rom die Ruhe und Sicher-
heit, welche es seit lange entbehrt hatte; weder eine Säbelherrschaft
noch ungerechte Begünstigung der Soldaten fand statt; letztere hat erst
Cäsar eingeführt und dadurch seinen Nebenbuhler depossedirt. Als Pora-
peius die Sicherheit hergestellt hatte, legte er seine ausserordentliche
Gewalt nieder, die verfassungsmässigen Wahlen fanden statt. Dass Cato
scheiterte, lag daran, dass er sich nicht bewarb. Der Verfasser bedauert,
dass ' ce noble esprit' auch künftig jede Bewerbung aufgab, er ist über-
zeugt: il eüt peut-etre empeche les malheurs qui suivirent'. Bei diesem
Abschnitt konnte natürlich Cäsar so gut wie garnicht, Cicero in nur
sehr unbedeutender Weise benutzt werden. Im folgenden Abschnitte
werden die verschiedeneu Anläufe dargelegt, welche gemacht wurden,
dem Cäsar Gallien zu entreissen; Pompeius ist bei denselben vollkom-
men unbeteiligt und schuldlos; alle Schuld trifft namentlich Curio, der
durch seine lutriguen Alles durch einander brachte. Durch sein wieder-
holtes Verlangen, dass auch Pompeius Spanien abgeben sollte, öffnete
er erst dem Senate die Augen, dass er mit gebundenen Händen Cäsar
ausgeliefert werden sollte, und jetzt wird Cato namentlich der Verfech-
ter der Idee, Pompeius zum Schutzherru der Republik zu machen und
energisch gegen Cäsar vorzugehen. Aber weder Pompeius noch der
Senat treten auf seine Seite. Die Zurückberufung der zwei Legionen
aus Gallien zum parthischen Kriege, ihr Verbleiben in Italien ist die
harmloseste und natürlichste Sache von der Welt. Insbesondere kann
Pompeius keine Schuld dabei treffen. Schon 703 hatte ihn der Senat
aufgefordert, die Cäsar ohne Ermächtigung des Senats abgetretene Le-
gion zurückzunehmen; aber Pompeius hatte sie Cäsar gelassen, bis jetzt
Gallien als unterworfen gelten konnte. Naiv ist der Schluss des Ab-
schnittes: »Si le commandemeut en fut ensuite donue ä Pompee c'est que
les affaires se compliquerent et que le bruit du passage du Rubicon par
Cesar se repandit pr^maturement ä Rome, comme nous le dirons tout
ä l'heure«.
Eine bedeutende Rolle in dem Plaidoyer Dumerils spielt die Ueber-
tragung des Commandos über die zwei Legionen an Pompeius Seitens
des Consuls Marcellus, den der Verfasser bei der Verhandlung über
Cäsar's Nachfolge in Gallien besonders unparteiisch findet, auf die fal-
sche Nachricht hin von Cäsar's Einfall in Italien. Es ist dies eigentlich
der Kernpunkt der ganzen weiteren Untersuchung. Pompeius übernimmt
Die Revolution. 331
diesen Auftrag nicht gerne; denn er täuscht sich über Cäsar's militäri-
sche Ueberlegenheit nicht. Er versuchte den Weg der Verhandlung mit
Cäsar. Aus Ciceronianischen Briefen will der Verfasser für das Schei-
tern dieser Unterhandlungen einzig Cäsar verantwortlich machen. Man
bot ihm das Consulat, er sollte erst nach Ablauf der 10 Jahre die Pro-
vinz abgeben; aber Cäsar genügten diese Zugeständnisse nicht mehr;
er verlangte eine Prolongation der gallischen Statthalterschaft auf wei-
tere 5 Jahre. Hier konnte Porapeius nicht nachgeben; er musste sich
zur Entscheidung mit den Waffen entschliessen. Dass er keine genü-
genden Truppen hatte, ist die Schuld des Senats; ohne die Gesetze zu
verletzen, konnte er keine Truppen aus Spanien kommen lassen; hätte
er dies gethen, so hätte er Cäsar einen legalen Vorwand zu seinem Au-
griffe geliefert.
Der Verfasser findet in dem Ultimatum, welches Cäsar angeblich
durch Curio sandte, nach seiner eigenen Angabe (b. c. 1, 1) durch Fa-
bius (?) den Consuln übergeben Hess, nämlich auf Gall. transalp. zu ver-
zichten und nur das cisalpinische und Illyricum mit zwei Legionen zu
behalten, schlechthin unannehmbare Forderungen und in der Wahl Cu-
rio's einen Affront. Curio's Benehmen ist ihm durchaus unzulässig und
Cäsar hat absichtlich gefälscht, als er b. c. 1, 3 Curio trib. pleb. nannte.
Wenn er aber noch im Amte gewesen wäre, so wäre sein Veto doch
unberechtigt gewesen, denn die Tribunen waren nur berechtigt in An-
gelegenheiten der prätorischen Provinzen zu interveniren ( ! ). Antonius
und Cassius verliessen Rom ohne allen Grund — dieser Beweis wird
aus Cic. ad fam. 16, 2 erbracht und aus Phil. 2, 21 (!) — die tumultuari-
schen Scenen, welche Anlass zur Verkündung des Belagerungszustandes
Seitens des Senates wurden, sind von Cäsar im Verein mit den beiden
Tribunen provocirt worden. Cäsar erwartete diesen Hergang so sicher,
dass er ihn schon discontirte, ehe er Nachrichten aus Rom haben konnte.
Dieses schliesst der Verfasser aus wenig glaubwürdigen, anekdotenarti-
gen Berichten Sueton's, die noch dazu einer eigentümlichen Interpreta-
tion unterworfen werden. Erst in Ariminum konnte Cäsar die mehr
aggressiven Beschlüsse des Senats erfahren und nun zieht der Verfasser
in einer sehr pathetischen Ansprache Cäsar vor sein Gericht und unter-
wirft ihn einem Verhör, wie er auf die legalen Beschlüsse des Senats,
seine Anträge zu verwerfen und den Belagerungszustand zu verkünden,
den illegalen Schritt habe thun können, das Vaterland zu bekriegen.
Sogar nachdem letzteres geschehen war, wurden ihm nachträglich seine
Forderungen bewilligt — dies soll aus einem ziemlich unklaren Briefe
Cicero 's hervorgehen — er kümmerte sich aber nicht darum, sondern
marschirte vorwärts. Pompeius verliess Italien, und nun klagte Alles
über seine Kopflosigkeit. Mit Unrecht, nach Dumerirs Ansicht; denn
Porapeius hatte den grossartigen Plan gefasst, mittels seiner praefectura
maris Italien und Cäsar in durchaus loyaler Weise auszuhungern; Cicero
23*
332 Römische Goschichto und Chronologio.
ad Att. 9, 9 ist des Erfolges gewiss. Aber dieser Plan scheiterte an
der Ungeschicktheit der Ausführung. Wie dieses zuging »et comment
son execution bien plus que Ic pr6tendu cosmopolitisme de C6sar a con-
tribu6 ä effacer la ligue de söparation fjui avait cxistö entre Rome et
les provinces, nous cherchcrons k le montrer dans un travail ultc^rieur«.
Auf diesen letzteren Nachweis darf man neugierig sein; bis jetzt gestehe
ich offen, keine Ahnung zu haben, was wolil der Verfasser eigentlich
sich dabei gedacht hat.
Man wird durch die Schrift des Verfassers schwerlich zu einer an-
deren Ansicht über Pompeius bekehrt werden; namentlich wird diese
Ansicht nicht vorteilhafter sein. Pompeius mag ein ehrlicher Mann ge-
wesen sein — der Verfasser hat diesen Beweis aber nicht unumstöss-
lich geführt; dass er kein weitsichtiger Politiker war, diesen Beweis hat
der Verfasser wider Willen erbracht. Ob wir unsere Ansicht über den
Feldherrn zu ändern haben, wird von den weiteren Ausführungen des
Verfassers abhängen; zu wünschen wäre ihm, dass er hierin glücklicher
wäre als in der vorstehenden Arbeit.
G. A. Saajlfeld, C. Julius Caesar. Sein Verfahren gegen die gal-
lischen Stämme vom Standpunkte der Ethik und Politik unter Zu-
grundelegung seiner Kommentarien und der Biographie des Sueton.
Hannover 1881.
Ob der Verfasser dieser Schrift wirklich geglaubt hat, durch seine
Arbeit die wichtige Frage, die er behandelt, ich will nicht sagen zur
Entscheidung zu bringen, sondern auch nur zu fördern? Es fehlt der-
selben so ziemlich alles, was für eine derartige Untersuchung notwendig
ist. Schon die Zugrundelegung der Biographie des Sueton ist befrem-
dend und nur dadurch erklärlich, dass der Verfasser zu seinem Zwecke
kein reiches Material brauchen konnte. Denn die Tendenz seiner Schrift
war ihm offenbar schon klar, ehe er das Material studirt hatte, sonst
hätte er sie aus dem von ihm benutzten nicht gewinnen können. Cäsar
selbst muss nämlich den Stoff zu seiner eigenen Verurteilung liefern,
was Sueton dazu giebt — abgesehen von der Frage, in wie weit der-
selbe aus Cäsar geschöpft — ist so gut wie nichts, allgemeine Redens-
arten, hinter denen man Vieles suchen kann, aber wenig findet. Frei-
lich ist Cäsar nicht ganz so thöricht, um das Anklagematerial forniulirt
seinen Anklägern zu liefern ; so ist es deren Aufgabe dies zu thun, und
da Cäsar auch nicht unvorsichtig genug war, alles Nachteilige von sich
zu sagen, so muss nun das hauptsächlich gesucht werden, was er nicht
gesagt hat. Dass man auf diesem Wege alles finden kann, was man
wünscht, ist natürlich, auch der Verfasser hat es gefunden. Nur hat
seine Erfindung nicht einmal den Vorzug der Originalität, da Druraann
schon vor ihm so ziemlich alles gesagt hat, was zu sagen war. Aber
Drumann hat sich doch wenigstens bemüht, andere Quellen als Cäsar
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 333
und — Sueton herbeizuziehen, der Verfasser glaubte sich dies ersparen
zu können. So besitzt seine Arbeit keinen selbständigen und keinen
wissenschaftlichen Wert.
VI. Die Zeit der lulier, Flavier und Antonine.
L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms.
Von dem bekannten Werke ist jetzt die 5. Auflage erschienen.
Gustav Graeber, Quaestionum Ovidianarum pars prior. Elber-
feldae 1881.
Der Verfasser hat die verdienstliche Aufgabe unternommen, mit
Benutzung des numismatischen und epigraphischen Materials eine Zu-
sammenstellung der uns über die amici, fautores und sodales des Ovid
überlieferten Notizen zu geben, soweit dieselben in den Tristia und den
Epist. ex Pont, erwähnt werden.
Als Einleitung wird eine Untersuchung der Frage über die Zeit
der Verbannung des Dichters und der Herausgabe der einzelnen Schriften
vorausgeschickt, in welcher der Verfasser zu folgenden Ergebnissen
gelangt.
Ovid verlässt Rom Ende 761/8 und kommt Frühjahr 762/9 nach
Tomi. Das erste Buch der Tristien gehört noch in dieses Frühjahr,
das zweite in den Sommer des gleichen Jahres, das dritte in den Früh-
ling 763/10, das vierte Anfang, das fünfte Ende 764/11. Die Briefe der
drei ersten Bücher ex Pont, sind meist im Frühling und Sommer 765/12
abgefasst, die drei Bücher Ende 13 nach Rom abgeschickt worden, wäh-
rend die Briefe des vierten Buches in den Zeitraum vom Herbst 766/13
bis 769/16, also unmittelbar bis kurz vor den Tod des Dichters fallen.
Zunächst werden die zur Familie des Dichters gehörigen Persön-
lichkeiten besprochen. Unter diesen nimmt Paullus Fabius Q. F. Maxi-
mus eine hervorragende Stellung ein; nur ep. ex Pont. I, 2 und HI, 3
sind an ihn gerichtet. Der Verfasser polemisirt in der Ansetzung seines
Proconsulats von Asien gegen Mommsen, dessen spätere Ausführungen
über das Münzrecht der senatorischen Statthalter ihm jedoch nicht be-
kannt waren. Sehr unwahrscheinlich sind seine Aufstellungen über die
spanische Inschrift C I. L. 2, 2581, wonach dieselbe sich auf die erste
Dienstzeit des Fabius beziehe, der zwischen seinem 18. und 21. Jahre
vom Kaiser ein Specialmandat erhalten habe und daher legatus desselben
genannt werde; das dafür angeführte Beispiel C I. L. V, 1818 beweist
hier nichts, da es sich dort um einen 'J'ribunicier handelt, hier um einen
aber erst in die Amtscarriere Eintretenden sich handeln würde. So wird
man auch den weiteren auf diese Annahme aufgebauten Schlüssen über
die Geburtszeit des Fabius nicht zustimmen können.
Von den nicht zur Familie des Dichters gehörigen Persönlichkeiten,
334 Römische Geschichte und Chronologie.
deren Fürsprache derselbe zu erlangen sucht, werden mit besonderer
Sorgfalt M. Valerius Messalla Corvinus und dessen Söhne M. Valerius
Corvinus Messalinus und M. Aurelius Cotta Messalinus behandelt; na-
mentlich die Untersuchung über letzteren wird alle Freunde des Ovid
zu Danke verpflichten. Auch dem Bruderpaarc C. Pomponius Graecinus
und L. Pomponius Flaccus wird eine kurze Betrachtung gewidmet. Den
Schluss macht Sextus Pompeius.
Sind auch die inschriftlichen und numismatischen Daten fast durch-
gehends längst bekannt und auch verwertet, so vermindert dieser Um-
stand das Verdienst der Arbeit nicht. Für die grosse Zahl der Leser
des Dichters sind die in Fach- und Specialschriften zerstreuten Unter-
suchungen meist nicht erreichbar; hätte der Verfasser weiter nichts ge-
than, als sie in zusammenhängende Darstellung gebracht, so hätte er
eine dankenswerte Arbeit geliefert. Er hat aber auch durch sorgfältiges
Studium des Dichters eine Reihe von Berichtigungen gefunden, welche
die Litteraturgeschichte nicht übergehen darf.
H. Georgii, Die politische Tendenz der Aeneide Vergil's. Real-
gymnasial-Programm. Stuttgart 1880.
Die Arbeit kann nur teilweise hier in Betracht kommen, in so weit
nämlich, als^es sich um die politische Tendenz der Aeneis handelt; die
Consequenzen , welche der Verfasser aus seinen Untersuchungen für die
Beurteilung ihres poetischen Wertes zieht, gehören in die Litteratur-
geschichte.
In verständiger Weise weist der Verfasser die oft sehr phantasti-
schen Aufstellungen über die monarchische oder gar dynastische Tendenz
des Gedichtes zurück; das positive Ergebnis seiner Untersuchung ist, dass
die Aeneis allerdings einen politischen Zweck hat, insofern Vergil von
dem Wunsche geleitet wurde, die Anfänge des grossen Volkes, als dessen
Glied er sich mit stolzem Bewusstsein fühlte, durch sein Werk zu ver-
herrlichen und zugleich die Absicht verfolgte, seinen Volksgenossen ihren
grossen Schicksalsberuf eindringlich vorzuhalten. Nach dieser Seite nimmt
die Dichtung unter den Bestrebungen der augusteischen Zeit, das Römer-
tum nach seiner fast gänzlichen Auflösung durch die Bürgerkriege wie-
derherzustellen, eine hohe und bedeutende Stelle ein. Augustus wird von
Vergil nur verherrlicht, sofern er die römische Welt aus kläglicher Ver-
wirrung gerettet, den Weltfrieden begründet und das römische Volk zu
seinem Berufe zurückgeführt hat. Jeder unbefangene Zeitgenosse musste
in diesem Umfange Augustus' Verdienste anerkennen und seine reforma-
torischen Bestrebungen unterstützen. Gerade in dem Mass der Huldi-
gungen für Augustus geht die Aeneide nicht so weit als die meisten
Lobpreisungen der Zeit.
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 335
Josef Pistner, L. Aelius Seianus. Eine historische Untersuchung
über dessen Leben und Wirken als Beitrag zur Geschichte Roms unter
dem Kaiser Tiberius. Landshut, Progr. 1880.
Der Verfasser schildert im ersten Kapitel Seian bis zu seiner Er-
nennung zum praef. praet., im zweiten Seian als praef. praet. bis zum
Tode des Drusus, im dritten vom Tode des Drusus bis zu seinem Sturze,
im vierten Seian's Sturz und üblen Nachruf.
Im ersten Kapitel werden die bekannten Nachrichten zusammenge-
stellt, im zweiten stellt der Verfasser die Urteile des Tacitus und Vel-
leius einander gegenüber und bestimmt als seine Aufgabe »zu unter-
suchen, ob Seianus, der bestgehasste und bestgeliebte Mann seiner Zeit,
durch seine Handlungsweise wirklich den Tadel verdiente, den die Welt-
geschichte jetzt nach Tacitus' Vorgang über ihn ausspricht oder ob er
nach Paterkulus einer bessern Beurteilung würdig ist«. Zu diesem Zwecke
stellt der Verfasser die Thatsachen zusammen, um die Verdienste Seian's
in möglichst vorteilhafte Beleuchtung zu setzen; diese bestehen vor dem
Tode des Drusus in der Unterdrückung des pannonischen Aufstandes,
in der Unterstützung des Tiberius gegen die Umtriebe der julischen
Partei, der Errichtung des Prätoriauerlagers , der Wahrung des kaiser-
lichen Interesses nach dem Tode des Germanicus; sie werden von Seiten
des Kaisers anerkannt durch die Verlobung von Seian's Tochter mit dem
Sohne des Claudius und andere Auszeichnungen des Präfecten. Nach
Drusus' Tode, der an seinen Ausschweifungen eines natürlichen Todes
starb, nahm sich Seianus der Wittwe desselben gegen die Partei der
Agrippina im Auftrage des Kaisers an. Livilla wollte sich wieder ver-
mählen und ihre Wahl fiel auf Seian, der ihres Hauses Hauptsütze war;
Tiberius gewährte aber das Gesuch Seian's nicht mit Rücksicht auf die
feindselige Gesinnung des Adels gegen eine derartige Verbindung. Die
Entfernung des Tiberius lag in dessen eigenem Interesse, nicht in dem
Seian's, der in Rom viel mehr Einfluss gewinnen konnte als in Capri.
Wie uneigennützig Seian für seinen Kaiser sorgte, zeigte sein Verhalten
bei dem Einstürze der Grotte von Speluuca. Dafür wurde er von der
julischen Partei mit besonderem Hasse verfolgt; und doch suchte er den
Kaiser von strengen Massregeln gegen dieselbe zurückzuhalten. Der Sturz
der Agrippina und des Nero erfolgte, als vollständige Aufstände in Rom
ausgebrochen waren. Jetzt zog Tiberius den zweiten Sohn Agrippina's
an seinen Hof und bestimmte ihn zur Nachfolge; da aber zwischen Drusus
und Seian eine Annäherung erfolgte, welche dem alten Fürsten bedenk-
lich erscheinen musste, so wurde dieselbe die Veranlassung zu Seian's
Sturz. Zuerst wurde Drusus ins Gefängnis geworfen und diese Mass-
regel dem Seian zur Last gelegt. Die julische Partei oder vielleicht
auch eigne Besorgnis für Gaius Caesar bestimmten Antonia jetzt bei dem
Kaiser gegen Seian vorgehen; ihre Verläumdungeii ticlcn auf einen schon
wohl vorbereiteten Boden, und Tiberius cutschloss sich zur Beseitigung
336 Römische Geschichte und Chronologie.
Seian's, die er aber sehr langsam und bedächtig vorbereitete. Seian
musste die Entfremdung des Tiberius so gut als andere merken; aber
er that nichts, um sich zu sichern, weil er Tiberius noch nie undankbar
gefunden und kein böses Gewissen hatte; so traf ihn der Befehl zu seiner
Verhaftung gänzlich unvorbereitet. Der Grund zu Seian's Beseitigung
war für Tiberius die Furcht, welche ihm Andere vor der Macht des Prä-
fecten und Günstlings einzuflössen gewusst hatten. Nach dem Tode des
letzteren wurden eine Reihe von Verdächtigungen verbreitet, so z. B.
dass er eine Verschwörung gegen den Kaiser gestiftet, einen Anschlag
auf das Leben des Gaius Caesar gemacht , mit Livilla den Drusus ver-
giftet habe; letztere Nachricht war von der julischen Partei verbreitet
worden, um die Erbfolge des Ti. Gemellus unmöglich zu machen. Die
einseitige und gefälschte Darstellung Seian's in der erhaltenen Geschichts-
schreibung erklärt sich daraus, dass die meisten gleichzeitigen Schrift-
steller der julischen Partei angehörten oder nahe standen, alle zu Gun-
sten Seian's geschriebenen Bücher vernichtet, neue durch eine unerbitt-
liche Censur verhindert wurden; die Hauptquellen aber waren die Me-
moiren der jüngeren Agrippina, aus denen Tacitus seine Hofnachrichten
geschöpft hat.
Die Schrift ist einer der modernen Rettungsversuche, die haupt"
sächlich durch Stahr in Mode gekommen sind und zu denen sich jeder
berufen glaubt. Ob die Ueberlieferung dabei bestehen kann oder nicht,
ist eine Frage untergeordneter Bedeutung; der Verfasser nimmt sich
eine Rettung vor, dann wird sich schon mit Hülfe der »Quellen«, die
man ja zum Glück nicht kennt, — hier sind es die Memoiren der Agrip-
pina — die nötige Verdrehung der Thatsachen zu Stande bringen lassen ;
und was damit noch nicht erreicht ward, dazu liefert der »Cäsarenwahn-
sinn« der julisch-claudischen Familie, den Wiedemeister in ein System
gebracht hat, alle wünschenswerten Argumente. Würde man auf die
Geschichte des Mittelalters oder selbst der Neuzeit die gleiche Methode
übertragen, so wäre unschwer fast jeder Fürst oder bedeutende Mann,
der nicht in die vorgezeichnete Schablone passt, als für das Irrenhaus
qualificirt nachzuweisen. Es kann natürlich nicht meine Absicht sein,
dem Verfasser auf allen seinen Irrgängen nachzugehen; nur auf einige be-
sonders schlagende Gesichtspunkte will ich hinweisen.
Wenn auch die Quellenuntersuchungen dieser Zeit sehr grosse Re-
sultate noch nicht geliefert haben, so sind doch einige Thatsachen immer-
hin zu einiger Evidenz gebracht, und man kann sich über diese Dinge
nicht ohne weiteres hinwegsetzen. Dazu darf man das Verhältnis von
Tacitus und Dio rechnen; ich habe für die Regierung des Tiberius spe-
ciell gezeigt, wie wenig wahrscheinlich eine Benutzung des ersteren durch
den letzteren ist; auch für andere Regierungen haben Andere ähnliche
Ergebnisse gefunden. Pistner hält es nicht der Mühe wert, uns zu be-
lehren, auf welchem Wege er zu dem entgegengesetzten Resultate ge-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 337
langt ist, sondern er baut auf letzterer Annahme ein ganzes Gebäude
von Combinationen auf, die, so lange jener Nachweis nicht erbracht ist,
durchaus in der Luft stehen. Wenn irgend etwas historisch bezeugt ist,
so ist es die Vergiftung des Drusus, der Verfasser sucht diese ganze
Erzählung als eine einfache Erfindung hinzustellen; dass es ja viel ratio-
neller gewesen wäre, wenn Livilla den gewiesenen Weg zum Throne ein-
geschlagen hätte, ist sicher. Aber wodurch will denn der Verfasser be-
weisen, dass in dem Herzen eines leidenschaftlichen Weibes bloss die
Vernunft regiert? Die Geschichte wäre unzweifelhaft viel verständiger,
natürlich auch grosser Katastrophen baar, wenn die Menschen bloss Ver-
stand und keine Leidenschaften besässen. Tiberius soll durch die An-
näherung Seian's an Drusus ' zum Sturze Seian's ' veranlasst worden sein.
Wo haben wir auch nur den geringsten Anhalt für eine solche Annahme?
Drusus war Allem nach ein unbedeutender, roher und leidenschaftlicher
Mensch; ausdrücklich wird sein eheliches Verhältnis als Veranlassung
zu seinem Sturze bezeichnet; wo lässt sich ein Grund finden, um diese
Angabe zurückzuweisen und eine beliebige Combination an ihre Stelle
zu setzen? Noch wunderbarer ist die Rolle, die Antonia bei dem Sturze
Seian's spielt, ganz abgesehen davon, dass Tiberius, einer der selbstän-
digsten Fürsten, die wir kennen, die Rolle einer Gliederpuppe dabei
spielt, die auf blosse Fictionen hin den langjährigen treuen Freund und
Mitregenten fallen lässt. Dabei hat der Verfasser die Verleihung eines
fünfjährigen Consulats, und was damit zusammenhängt, völlig missverstan-
den. Endlich hat Seian nach Pistner im Bewusstsein seiner Unschuld
keinen Schritt gethan, um sich gegen sein hereinbrechendes Geschick zu
wehren. Der Verfasser hat keine Kenntnis gehabt von jenem merkwür-
digen Fragmente bei Marini Atti S. 43, wo es heisst et improbae comi-
tiae illae fuerunt in Aventino ubi Seianus cos. factus est und das schon
Mommsen, Rom. Tribus S. 207, so gedeutet hat, dass bei der Verschwö-
rung eine Erneuerung der Comitialrechte geplant war, um die Massen
zu gewinnen. Aber auch die Interamnatische Inschrift Wilmanns 64 a =
Orell. 689 zeigt, dass auch ausserhalb Roms Seian als hostis pernicio-
sissimus p. R. angesehen wurde. Naiv ist die Anschauung des Ver-
fassers, dass alle gegen Seian von Tacitus, Dio und Josephus, teilweise
auch von Sueton vorgebrachten Anschuldigungen erst nach seinem Tode
vorgebracht worden seien; sie stützt sich freilich auf eine ebenso unbe-
gründete Auftassung, die Annahme einer strengen Büchercensur, welche
durch Ad. Schmidt in die Geschichtsforschung jeuer Zeiten eingeführt
worden ist, aber den bekannten Thatsachen durchaus widerspricht. Um
noch eine Einzelheit hervorzuheben, so hat der Verfasser die Nachricht
des Zonaras, dass der Kaiser Seian später mit Julia, der Wittwe Nero 's,
verlobt habe, ohne Grund verdächtigt; es scheint vielmehr, dass gerade
dieser Epitomator die richtige Ucberlicferung bewahrt hat. Ich vermag
danach die Schrift nicht als eine Bereicherung unseres Wissens über die
Zeit des Tiberius zu betrachten.
338 Römische Geschichte und Chronologie.
Ein sorgfältigerer Stil wäre dem Verfasser auch zu empfehlen.
Dinge wie S. 12 »von Seiten der Agrippina, einem schwachen Weibe«
dürften am wenigsten in einer Programmbeilage erscheinen; auch ist
5. 13 »Abgüttin« kein geläufiges deutsches Wort und auf derselben Seite
ist ein sinnentstellender Druckfehler »Agrippina habe dem Aufstande
der Truppen — die Hand nicht im Spiele gehabt«. Das Verzeichnis Messe
sich noch vermehren.
Heinrich Düntzer, Die Ära Ubiorum. Pick's Monatsschr. f. die
Gesch. Westdeutschi. 1880, 455 ff.
In einer Polemik gegen Dr. H. Schwann, der die Ära Ubiorum des
Tacitus in Godesberg gefunden haben wollte, macht Düntzer die Rechte
Köln's geltend. Aus der Notiz über die Geburt der Agrippina in Ver-
bindung mit der späteren Verleihung des Colonierechts an Köln wird
geschlossen, dass die erste und zehnte Legion zwischen 767 — 769 in Köln
lagen; dass zu Germanicus' Zeiten in Bonn eine Legion gestanden, ist
nicht nachzuweisen.
H. Düntzer, Die Familie des Germanicus. Ebend. 1881, 14 ff.
Kritik von Mommsen's Aufsatz Hermes 1.3, 245 (Jahresb. 1876—1878,
Abt. HI, S..492 f.). Die Geburt des ältesten Sohnes Gaius wird in das
Jahr 758 verlegt; sein Fehlen auf dem Bogen von Pavia wird durch
Unlesbarkeit erklärt; den Vornamen erhielt er von der gens Octavia.
Die Geburt der beiden (Suet. Cal. 7) adhuc infantes rapti Söhne fällt
vor die der Agrippina; zu diesem Zwecke wird ein Aufenthalt des Ger-
manicus in Rom Winter 766 bis Frühjahr 767 angenommen; im Herbst
767 wird der jüngste Knabe der Agrippina geboren. Drusillas Geburt
wird September 770 gesetzt, die der Julia Juli 771, nun kann Agrippina
6. November 769 geboren sein ; sie allein ist in Germanien geboren. Der
Verfasser wirft Mommsen Willkürlichkeiten vor; sicherlich sind die von
ihm begangenen viel grösser; zweimal rauss eine angebliche Reise des
Germanicus dadurch gestützt werden, dass solche Dinge nicht immer von
den Alten erzählt werden, die Unlesbarkeit am Bogen von Pavia ist mög-
lich, aber woher weiss dies Düntzer? Suetou lässt zwei Töchter in Ger-
manien geboren werden — das ist einfach ein Irrtum, während an an-
deren Stellen der »pedantisch gelehrte Schriftsteller« eigentlich Alles
weiss. Auch die Annahmen bezüglich der Vornamen sind durchaus will-
kürlich. Man kann höchstens ein nou liquet zugeben, aber dass Momm-
sen widerlegt sei, wird schwerlich Jemand Düntzer glauben.
K. V. Becker, Ueber das munimentum Traiani. Ebend. S. 520 ff.
Gegen K. Christ, der das Ammian. 17, 1, 1 und 2 erwähnte numi-
mentum Traiani in Gustavsburg suchte, wird zu erweisen gesucht, dass
dasselbe in Castel war, bei der ersten Anlage von Mainz als Brücken-
i
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 339
köpf errichtet und von Traian restituirt bezw. verstärkt wurde, so dass
hier Veteranen und leg. XXX Ulp. Victr. ihr Standquartier erhielten (?).
Von den Chatten jedes Mal zerstört, wenn diese Meister wurden, zuletzt
von den Alamannen um die Mitte des 3. Jahrhunderts beseitigt, wurde
es von Julian, der zum letzten Male den Strom beherrschte, wieder her-
gestellt.
Neudeck, Münzen der Quaden. Wien. Num. Zeitschr. 12, 114ff.
Der Verfasser veröffentlicht Münzen des Quadenkönigs Vannius,
der von Drusus 19 n. Chr. eingesetzt wurde, sowie des Quadenkönigs
Ariogaesus vom Jahre 174 und 175 n. Chr. und eine Bundesmünze des
letzteren auf das Bündnis mit dem Marcomannenkönig Balloraarius, die
bei Dio in dem Bericht über die Marcomannenkämpfe des Kaisers Mar-
cus erwähnt werden. Wenn die Münzen acht sind, so würden sie nur
einen weiteren Beweis liefern, wie selbst feindliche Barbarenstaaten sich
der römischen Cultur nicht gänzlich entziehen konnten.
Hermann Schiller, Adsertor libertatis. Hermes 15, 620 f.
Gegen Mommsen's Ansicht (Hermes 13, 90 ff.), »dass adsertor liber-
tatis und die analogen Ausdrücke nicht auf den passen, der einen schlech-
ten Herrscher durch einen guten ersetzt, sondern nur dem zukommen,
der die Monarchie überhaupt stürzt« hatte ich bereits im Jahresber. f.
1876-1878, Abt. ni, S. 509 eine Reihe von Stellen angeführt, welche
mir die Auffassung Mommsen's nicht zu unterstützen schienen. Als ent-
scheidend gegen dieselbe führte ich in dem oben erwähnten Aufsatze
eine Senatsmünze aus den Jahren 70 und 71 an, welche die Aufschrift
zu Ehren Vespasians trägt: Adsertori libertatis publicae. Ich habe
daraus geschlossen, dass Ads. lib. zu dieser Zeit nur von dem gesagt
werde, der nach einem Tyrannenregimente wieder einen Zustand grösse-
rer, nicht absoluter Freiheit herstelle. Der Nachdruck fiele in diesem
Falle auf die Befreiung von dem einen Regimeute, ohne die Ersetzung
durch ein anderes auszuschliessen. Diese Erklärung wurde dann an den
Stellen Plin. n. h. 20, 160 Vindex ille adsertor a Nerone libertatis, Mar-
tial. 7, 63, 9 f. ingentem annum-adserto qui sacer orbc fuit, Suet. Galba 9 ad-
sertorem ducemque, der Grabschrift des Vcrginius Rufus bei Plin. ep. 9, 19
pulso qui Vindice quondam imperiura adscruit non sibi sed patriae uud
Tac bist. 2, 61 als zutreffend zu erweisen versucht.
Gegen diese Erklärung hat Th. Mommsen Hermes 16, 147 - 152
die Unzulässigkeit dieser Auffassung mit einer mir unverständlichen Ge-
reiztheit zu erweisen gesucht.
Er geht von der Grundbedeutung des »adserere in libertatem oder
gewöhnlich adserere schlechtwegcf aus; danach sind adserere und vindi-
care enge mit einander verwandt »so dass regelmässig für jenes Wort
ebenso gut dieses gesetzt werden kann ; beide bezeichnen, von verschie-
340 Römische Geschichte und Chronologie.
denen Momenten ausgehend, denselben Rechtsact«. »Am nächsten kommt
wohl unser »verteidigen« wenigstens insofern, als es ausgeht vom Rechts-
schutz und von da übergeht zum Vertreten und Behaupten«. »In der
politischen Verwendung ist der adsertor, wie ihn der Grammatiker defi-
nirt, der vindex alienae libertatis. Die antike Anschauung fasst den
Herrscher als dominus d. h. als Eigentümer, also vom Standpunkt der
legitimen Republik aus als gleichstehend dem Privaten, der einen freien
Mann zu Unrecht als Sklaven hält, demnach ist adsertor (libertatis) po-
puli Romani oder reipublicae nicht derjenige, der einen schlechten Herr-
scher durch einen besseren ersetzt, da die moralische Beschaffenheit des
Herrn mit dem Rechtsverhältnis der Herrschaft nichts zu schaffen hat,
sondern derjenige, der die rechtlich begründete Freiheit der römischen
Bürgerschaft gegen thatsächliche Beeinträchtigung vertritt und mit Be-
seitigung der widerrechtlich bestehenden Unfreiheit den legitimen Rechts-
zustand wieder herstellt. Dies gilt auch nicht minder für die Kaiserzeit.
Denn vom rechtlichen Standpunkt aus betrachtet schliesst der Principat
keineswegs die Abschaffung der Republik und die Ersetzung derselben
durch die Monarchie ein; vielmehr ist die freie Selbstregierung der Ge-
meinde immer noch der normale Rechtszustand, jeder einzelne Principat
eine gesetzlich begründete, aber auf gewisse Zeit, höchstens die Lebens-
zeit des Princeps beschränkte Einschränkung oder Ausserkraftsetzung
der Freiheit des römischen Volkes. Was hiernach zu erwarten steht,
dass adserere in libertatem oder adserere schlechthin nur da gebraucht
wird, wo die Zurückführung der altherkömmlichen gesetzlichen Volks-
freiheit bezeichnet werden soll, das bestätigen sämmtliche Anwendungen
ohne irgend eine Ausnahme«.
Alsdann wendet sich Mommsen gegen meine einzelnen Einwendun-
gen. 1) Die Pliniusstelle n. h. 20, 160 soll allein heissen können: »Die
Wiederherstellung der Freiheit des römischen Staates durch den Sturz
des Nero«. Der letztere sei allerdings hier bezeichnet, aber in der Weise,
dass die Beseitigung der Tyrannis notwendig den Sturz des Tyrannen
einschliesse. »Plinius sagt«, nach Mommsen, »mit klaren Worten, dass
Vindex den Sturz nicht des Monarchen, sondern der Monarchie auf seine
Fahne geschrieben hat; seine Worte sind ohne Zweifel das Echo des
Programms, mit dem Vindex auftrat«. 2) Die Martialstelle hatte ich mit
Rücksicht auf Martial's Verhältnis zu Domitian so erklärt: Martial konnte
nur an eine Befreiung vom ne ronischen Regimente denken, nicht an
eine Verherrlichung der Republik überhaupt, und hatte hinzugefügt, jene
Losreissung von Nero sei eine Anspielung gewesen, welche sogar die
zarten Ohren Domitiau's nicht ungerne gehört hätten. Mommsen sagt:
»Konnte wirklich Martial einen geschichtlichen Vorgang, der dreissig
Jahre zurücklag, nicht einfach hinstellen so wie er war? Es ist eine
unbestreitbare Thatsache, dass jenes mit Silius' Namen bezeichnete Jahr
das letzte gewesen ist, in welchem, wenn auch nur auf Monate, die re-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 341
publikanische Staatsform rechtlich und thatsächlich bestanden hat. Und
wer für die Anlehnung der gesanimten lateinischen Poesie und vor Allem
der schlechten Poeten vom Schlage des Silius an die republikanischen
Reminiscenzen Verständnis hat, der wird wohl empfinden, wie gut diese
Worte in ein für diesen bestimmtes Gedicht passen. Man muss in der
That den Martial bedauern, wenn er wirklich nur das sagen »konnte«,
was er eben entschieden nicht sagt, xldserto orbe heisst nicht »everso
Nerone«. 3) Tac. bist. 2, 61 iamque adsertor Galliarura hatte ich erklärt:
der Boier Mariccus wollte Gallien von der römischen Herrschaft be-
freien; das beigefügte ac deus — noraen id sibi indiderat — lässt doch
nur der Annahme Raum, dass er die Herrschaft über das befi'eite Gallien
in Anspruch nahm, wenn er sich sogar schon göttliche Würde decretirt
hatte; ich schloss daraus, dass durch den Ausdruck adsertor die neue
durch Befreiung vom bisherigen Joche hergestellte Lage nicht irgendwie
präjudicirt werde, mit anderen Worten die Ersetzung einer Herrschaft
durch eine andere auch bei den Schriftstellern mit dem Begriffe des
Ads. verbunden werde. Nach Mommsen zeigen Tacitus' Worte wohl, dass
Vindex nicht die Befreiung des ganzen Reiches unmittelbar unternahm,
sondern die Befreiung Gallien's, dass aber das Unternehmen auf die Be-
freiung nur von dem Monarchen, nicht von der Monarchie ging, zeigen
sie nicht, und auch anderweitig führt keine Spur dahin, dass Vindex sich
zum König von Gallien hat ausrufen lassen. »Denn nur diese Thatsache
kommt in Betracht, nicht, um mit Schiller zu reden, ob Vindex »wirk-
lich keine anderen Gedanken gehabt hat«. 4) Suet. Galb. 8 hatte ich die
Aufforderung an Galba ut adsertorem humano generi ducemque se ac-
commodaret vom neronischen Regimente verstanden. Mommsen sagt:
»Es ist vollkommen richtig, dass nicht Vespasian genannt ist; aber auch
hier fehlt wieder die Hauptsache, der Erweis, dass der Sturz des Ty-
rannen nicht hier aufgefasst ist als mitenthalten in der Abschaffung der
Tyrannis. Vielmehr haben wir augenscheinlich hier die Fortsetzung zu
dem adsertor Galliarum: wie Vindex seinem Gallien, so soll Galba dem
ganzen weiten Reiche die Freiheit bringen. 5) Verginius' Grabschrift bei
Plin. ep. 9, 19 hatte ich so erklärt: Er sagt, er habe die Kaiserwürde
nicht sich zugewandt, sondern dem Vaterlande, d. h. er habe die durch
Nero's Tod erledigte Würde nicht auf sich übertragen, auch nicht eigen-
mächtig einen Imperator gemacht, sondern die Bestellung desselben dem
Vaterlande d. h. Senat und Volk vorbehalten. Für die Herstellung der
Republik hat er sich damit noch nicht erklärt, das Imperium setzt er
als die fortdauernde Staatsform voraus. Mommsen sagt: »Hat denn
irgend Jemand behauptet, dass Verginius einen Protest gegen die Herr-
schaft Traian's sich auf das Grab hat schreiben lassen? Aber das habe
ich behauptet und finde ich nicht widerlegt, dass der Dichter des Epi-
gramms den adsertor libertatis im Sinne gehabt hat, den uneigennützigen
Schützer der unterdrückten Freiheit. Verginius beseitigt den Tyrannen,
342 Römische Geschichte und Chronologie.
ohne sich an seine Stelle zu setzen, und giebt, wie dies ja Schiller selbst
anerkennt, dem Senat die freie Selbstbestimmung zurück. Was dieser
weiter damit anfängt und wie lange er sie bewahrt, liegt ausserhalb der
Thätigkeit des Verginius und ihrer Verherrlichung in der Grabschrifi«.
6) Den Hauptnachdruck hatte ich auf die Münze Vcspasian's gelegt.
Mommsen meint, dass Vespasian ads. lib. publ. genannt werde, sei aller-
dings ebenso unwiderleglich, wie die gleichfalls aus Münzen leicht zu
belegende Thatsache, dass Tiberius und Vitellius sich durch dementia
ausgezeichnet haben. »Es ist auch ein fruchtbarer Gedanke, dass, wer als
Retter der Republik oder in ähnlicher Weise officiell bezeichnet wird, in
der That um das Vaterland sich in ähnlicher Weise verdient gemacht
hat; die Geschichte aller Zeiten und Länder wird danach sehr wesentliche
Umgestaltungen erfahren. Weniger naive Interpreten würden allerdings
daran erinnern können, wie die ephemere Wiederherstellung der Repu-
blik im Jahre 68, der orbis adsertus auch darin noch nachguckt, dass
derjenige Gewalthaber, in dem der Principat sich neu consolidirt, officiell
als »Retter der Volksfreiheit« begrüsst wird. Aber es steht ja geschrie-
ben, und sogar auf Erz, und es wird also wohl wahr sein«. Mommsen
schliesst: »Die römischen Schriftsteller von Autorität betrachten und
bezeichnen einstimmig die Katastrophe des letzten Claudiers als den
Znsammenbruch des Principats und die Wiederaufrichtung der Republik.
Beides hatte keine Dauer, ist aber darum nicht minder eine geschicht-
liche Thatsache. Verkennen kann sie nur, wer die Worte der Zeugen
falsch übersetzt. Die Philologie giebt das richtige Verständnis der Worte,
die Geschichte das richtige Verständnis der Thatsachen. Nach welcher
Seite hin ist hier ärger gefehlt?«
Die Antwort auf diese Frage beabsichtige ich im Folgenden zu
geben. Vorausschicken will ich die Erklärung, dass mir jede Recht-
haberei fernliegt; von Mommsen mich belehren zu lassen, halte ich so
wenig für eine Schande als einen von ihm mir nachgewiesenen Irrtum
offen einzugestehen. Es handelt sich aber hier um eine wissenschaft-
liche Controverse, bei der Gründe entscheiden müssen; ich kann es mir
nicht erlassen die Bedenken, welche sich mir bei Mommsen's »Wider-
legung« nur noch stärker aufgedrängt haben, hier zu entwickeln, und werde
mich dabei dem Gange anschliessen, den Mommsen's Erörterung ange-
schlagen hat.
Mommsen vermisst eine Entwickelung meiner Ansicht über adse-
rere; es ist mir nie eingefallen, die privatrechtliche Bedeutung, wie
sie Mommsen entwickelt, in Abrede zu stellen; andererseits habe ich auch
nichts Neues daraus gelernt. Das aber behaupte ich, dass 1) der privat-
rechtliche Begriff sich im Laufe der Zeit abschwächte und im gewöhnlichen
und publicistischen Sprachgebrauche eine andere Bedeutung erhielt und
2) dass der Begriff der libertas ein anderer wurde.
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 343
ad 1. Eine derartige Abschwächung privatrechtlicher Ausdrücke
kommt bekanntlich öfter vor. Ich erinnere z. B. Horat. epod. 9, 12 eman-
cipatus feminae; und eine ähnliche Wandlung hat vindex durchmachen
müssen .(Klotz s. v. und auf Neronischen Münzen luppiter Vindex und
Liberator). Für adsertor beweist dies ausser zahlreichen Stellen bei
Klotz s. V. recht deutlich eine Inschrift des vierten Jahrhundert C. I. L.
8, 9286 , wo von einem fidei catholicae adsertor die Rede ist (= C. Th.
16, 4, 2); das Wort entspricht in dieser publicistischen Anwendung
ungefähr dem Begriffe »Schirmherr« , wie ja Mommsen ebenfalls zu-
giebt. Es bleibt dem einfachen adserere ungefähr der Begriff des
»Befreiens«, auch mit und ohne Dativ der Person die Bedeutung »be-
anspruchen«.
ad 2. Erheblicher ist die zweite Frage, die Anwendung des Begriffes
libertas. Man mag der Theorie Mommsen's vom staatsrechtlichen Gesichts-
punkt aus über das Verhältnis von Principat und Republik ganz und gar zu-
stimmen; aber mehr als eine Theorie ist sie eben nicht, und wenn sie auch
die römischen Juristen klarer ausgesprochen hätten, als dies der Fall ist,
so würde daraus noch lauge nicht folgen, dasb die gewöhnliche Ansicht, auch
die publicistisch zur Geltung gelangte, diese juristisch scharfe Deduction
festhielt; im Gegenteil ist es viel wahrscheinlicher, dass die öffentliche
Meinung, die nun einmal gewöhnlich nichtjuristisch deducirt, eine Beseiti-
gung der freien Selbstregierung der Gemeinde als Consequenz des Princi-
pats erkannte und festhielt. Diese Annahme wird durch die Schriftsteller
durchaus bestätigt. Dio 52, 1, 1 sagt ausdrücklich Ex Ss toütou fxovap-
^ela^at au&eg dxpcßwg rjp$av-o (nach Antonius' Tode) und 53, 17, 1 dn
aurou xa\ dxpcßr^g no\>ap^ca xareary] und 53, 19, 1 xal ydp noo xai. navrd-
r.aaiv ddüvazov r^v orjixoxprxzoo/idvoug wjxobg aco^rjVac. Hier ist also die
Incompatibilität von Principat und Republik so scharf als möglich aus-
gesprochen, aber auch Tacitus Agr. 3 Nerva Caesar res olim dissocia-
biles miscuit principatum ac libertatem sieht bis auf Nerva den princi-
patus allein als bestehend an, da erst mit diesem Kaiser eine Verbindung
der res olim dissociabiles eintrat. Doch dieser Schriftsteller hat auch
an anderen Stellen gezeigt, dass er jene staatsrechtliche Theorie nicht
kannte oder wenigstens nicht beachtete; so heisst es von Tiberius' Adoption
und Erhebung zum Mitregenten ann. 1, 8 provisis etiam hcredum in rem-
publicam opibus und 3, 56 ne successor in incorto foret, und sein Freund
Plinius begeht Pan. 7 denselben staatsrechtlichen Verstoss, da er sagt:
an senatum populumque Roraauum exercitus provincias socios trans-
missurus uni successorem e sinu uxoris accipias? Nirgend ist hier
davon die Rede, dass »der einzelne Principat eine — auf gewisse Zeit,
höchstenfalls die Lebenszeit des Princeps beschränkte Einschränkung oder
Ausserkraftsetzung der Freiheit des römischen Volkes« ist.
Nun der Begriff libertas. Betrachten wir zunächst eine Sammlung
344 Römische Geschichte und Chronologie.
von Stellen, in denen dieser Begriff in Verbindung mit adsertor, vindex
oder ähnlichen Wendungen angewandt ist.
Die ältesten Verbindungen dieser Art unter dem Principat sind,
so viel ich weiss, die von Augustus im Mon. Ancyr. l, 3 von sich ge-
brauchte Aeusserung: doniinationc factionis oppressara rempublicam in
libertatem vindieavi, und schon früher die diesem Fürsten auf Münzen
vom Jahre 726/28, also zu einer Zeit, wo er noch im Besitz der con-
stituirenden Gewalt war, beigelegte Bezeichnung libertatis p. R. vindex;
diese Formeln haben eine typische Bedeutung gewonnen. Die libertas,
welche hier einzig gemeint sein kann, ist der gemässigte Principat, der
vor Allem dem Senat seinen Teil am Regimentc gestattete und die Volks-
wahlen wieder hergestellt und belassen und auf Zeit die Magistratur
übernommen bezw. im letzteren Falle allerlei Abschwächungen der autokra-
tischen constituirenden Gewalt zugelassen hatte. Diese Ordnung der Dinge
konnte bei einigem Optimismus und einiger officieller Schönfärberei gegen-
über der aristokratischen Fractionspolitik und dem Triumvirate als libertas
erscheinen, und für sie hat sich diese neue Bezeichnung, man mag sie er-
logen oder euphemistisch nennen, fixirt, sofort beim ersten Auftreten in Ver-
bindung mit vindex, auch mit dem Gegensatze einer ungesetzlichen Herr-
schaft, von welcher die Befreiung herbeigeführt wird (dominatione factionis
oppressam)» Dieses wiederholt sich allerdings unter den Nachfolgern nicht
mehr ganz genau, aber doch in der Hauptsache, und bei den Kaisern,
welche nach augusteischem Vorgange dem Senate eine gewisse Teilnahme
gestatteten und ein im Ganzen unblutiges Regiment, namentlich nach
einem tyrannischen, führten, wenn auch der Begriff der zeitweiligen Ueber-
nahme der Herrschaft gänzlich geschwunden ist, erscheint regelmässig
die libertas mit besonderer Betonung. Diese Auffassung wird durch die
parallel erscheinende Roma resurgens oder Roma restituta gestützt. So-
wohl auf den Münzen Galba's als Vespasian's kniet Roma vor dem Kaiser,
der ihr die Hand reicht; Roma erscheint dabei ohne Helm; ich lasse
es dahingestellt, ob die Erklärung Senckler's (Bonn. Jahrb. 14, 80) richtig
ist, wonach dadurch der wehrlose Zustand Rom's unter den Vorgängern
beider Kaiser dargestellt werden soll, von dem beide sich rühmten, die-
selbe erlöst zu haben; jedenfalls kann dieses resurgere oder restitui nach
dem Münzbilde nur in Verbindung mit dem Kaiser gedacht werden.
Dass nicht einfach an die alte Republik gedacht werden darf, zeigt be-
reits unter anderem ein Vorgang unter der Regierung des Tiberius. Nach
Seian's Sturz wurde nach Dio 58, 12, 5 der libertas ein Standbild errichtet.
Und hier begegnet von neuem deutlich der Begriff, den seit Augustus das
Wort libertas im officiellen Stile einnimmt, indem es von einem rechtlich
begründeten, in Gemeinschaft mit dem Senate geführten Principate gegen-
über einem entweder illegitim begründeten oder im Laufe der Regierung zur
Tyrannis umgewandelten Regimente gebraucht wird. Von republikanischer
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 345
Staatsform konnte nicht die Rede sein — diese war mit Seian's Tode nicht
hergestellt — wohl aber von der Befreiung von einem Tyrannen, der die
Bürgerschaft, vor Allem die höheren Stände, geknechtet hatte und auf
illegitime Weise sein Regiment begründen hatte wollen.
Zunächst findet sich nun das Attribut Vindex libertatis in einer
halbofficiellen Inschrift von Claudius C I. L. 6 add. ad 920 p. 841 ; dasselbe
hat im Anfange seiner Regierung (45) einen passenden Sinn, da er nach
der tyrannischen Regierung des Gaius und einem kurzen Anlaufe aristo-
kratischer Restauration ein constitutionelles, dem Senate Anteil gewähren-
des und vor Allem überall, selbst bezüglich der Volksversammlung, die
Nachahmung des Augustus zur Schau tragendes Regiment führte (los. A. I.
19, 4, 2). Auf Münzen des Galba erscheint sodann die libertas restituta;
dass auch hier nicht an eine Republik zu denken ist, zeigt die Inschrift
C. I. L. 6, 471 — libertatis restitutae Serv. Galbae imp. Aug.; wohl aber
musste die constitutionelle Herrschaft Galba's, wenigstens wie man sie zu
Anfang seiner Regierung erhoffte, als eine Wiederherstellung der »Freiheit«
in dem oben bezeichneten augusteischen Sinne gegenüber der Tyranuis Ne-
ro's erscheinen; wie diese Regierung überhaupt auf Augustus in ihren Münz-
legenden zurückgreift, zeigt die merkwürdige Bezeichnung salus generis
humani. Ebenso heisst Vespasian adsertor libertatis gegenüber der Soldaten-
herrschaft unter Otho und Vitellius. Nach Domitian's Tod, des Fürsten,
der die senatorische Milregierung und die augusteische Dyarchie wie
kein Princeps vor ihm schädigte, wird die libertas restituta — es scheint,
dass die libertas restituta auf den Münzen Hadrian's noch eine Nachwir-
kung hiervon ist, als Hadrian am Anfange seiner Regierung (Dio 69, 2, 4)
dem Senate Exemtion vom Kaisergerichte bewilligte, Eckhel 6, 505 Cohen
Adr. 965 — auf den Münzen mit ganz besonderer Emphase wieder hervor-
gehoben, und ganz genau, wie bei Galba — Domitianus gilt bekanntlich der
üeberlieferung als 'alter Nero' — begegnet auch bei Nerva eine stadt-
römische Inschrift CLL. 6, 472 libertati ab Imp. Nerva Caes. Aug. restitutae
und Plin. ep. 9, 13, 4 spricht in demselben Sinne von primi dies redditae
libertatis; den Commentar zu diesen Stellen hat Tacitus Agr. 3 geliefert:
miscuit principatum ac libertatem, der durch Plutarch Galb. 4 ergänzt
wird, wo Galba nach Vindex' Tode den Verginius auffordert y.oivonpayzlv
xal dca^uMaascv ä/xa r?yv ^yzfjLovcav xat ttjV iXeu Uspc'av Pwp.aiotq.
Von einer Wiederherstellung der Republik als Staatsform ist hier nir-
gends die Rede.
Wir begegnen der Verbindung vindex oder adsertor libertatis oder
ähnlichen Wendungen lange nicht mehr; erst nach Commodus' Tode, der
als ein Tyrann xaz' i^o^rjv galt, erscheint auf den Münzen des Pertinax
wieder liberatis civibus (Eckhel 7, 142 Cohen Pert. 11. 37); der Sinn
kann hier so wenig zweifelhaft sein, wie unter den früheren Kaisern, die
Befreiung vom Tyrannen allein ist gemeint, der Principat ist keinen
Augenblick in Frage gestellt gewesen, aber ein Kaiser, der seine Wahl
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVUl. (1881. HI.) 23
346 Römische Geschichte und Chronologie.
vom Senate sanctioniren liess und sich princeps senatus nannte und
Augustus zum Vorbild nahm, verdiente natürlich in erster Linie den
Ehrentitel des »Befreiers« von einem Tyrannen, den eben die damnatio
menioriac getroffen hatte.
Wie lange sich diese Bedeutung der libertas erhielt, zeigen Mün-
zen des Gallienus (Eckhel 7, 408 Cohen üall. lö. 16. 369 f. 793) mit der
Aufschrift ob redditam oder ob receptam libertatem, welche nach der
Besiegung irgend eines der zahlreichen Gegenkaiser geschlagen sein
müssen und auf die Illegitimität und Tyrannei der Usurpatoren hinweisen
sollten; von einer Festhaltung der Dyarchie konnte hier kaum die Rede
mehr sein.
Dass diese Erklärung mit den überlieferten Thatsachen der Mün-
zen und Inschriften in völligem Einklänge steht, hat, wie ich hoffe, diese
Auseinandersetzung gezeigt. Aber auch die Schriftsteller bieten dersel-
ben mehr als eine Stütze. Noch das dionische Staatsideal ist die
augusteische Dyarchie 52, 15, 1; 18, 1; und bei Plinius pan. 45 wird
scharf unterschieden zwischen dominatio und principatus; letzterer er-
scheint mit der Freiheit verträglich, erstere nicht; nichts anderes hat
Tacitus an der mehrerwähuten Agricolastelle ausgedrückt; res olim diss-
ciabiles bezieht sich auf die Regierung Domitian's, vielleicht auch Ves-
pasian's, der bekanntlich kein Freund der senatorisch-stoischen Opposi-
tion war; ein durch Usurpation emporgekommener Herrscher, wie Clodius
Macer in Afrika, gilt Tacitus als dominus (bist. 1, 11), obgleich er Leiber-
tas im alten Sinne auf seine Münzen setzen liess; ebenso scheidet Appian
scharf zwischen dem constitutionellen Herrscher und dem Tyrannen
(2, 148), dessen Hauptkriterien xrsTvac äxptrov, kxßaXzlv -r^g nuXziug^ dca-
ßdUetv etc. sind (3, 57). In späterer Zeit bezeichnen sich die legitimen
Kaiser officiell als extinctores tyrannorum (C. I. L. 6, 3791).
Wenden wir nun dieses Resultat auf die einzelnen Einwendungen
Mommsen's an. 1) Die Pliniusstelle soll mit klaren Worten sagen, dass
Vindex den Sturz nicht des Monarchen, sondern der Monarchie auf seine
Fahne geschrieben habe; seine Worte sollen das Echo des Programms
sein, mit dem Vindex auftrat. Das letztere können wir einfach nicht
wissen, es lässt sich also auch darüber nicht streiten. Warum aber die
Worte ads. lib. in einer Titus gewidmeten Schrift nicht bedeuten können,
dass Vindex den Anstoss gab zum Sturze Nero's und damit zur Her-
stellung constitutioneller Zustände, wie sie durch die flavische Familie
begründet wurden, müsste erst gezeigt werden , da Plut. Galb. 29 sagt,
die Bewegung des Vindex, bis dahin eine dnöaracftg , habe erst durch
den Namen des Galba, da sie einen r^ysfxovixag dvr^p gefunden, den Cha-
rakter eines Bürgerkrieges erhalten. Eine dnucrTaaig vollzieht sich doch
regelmässig von dem derzeitigen Regenten, nicht von der Regierungs-
form, und selbst wenn in einem solchen Unternehmen die Republik pro-
clamirt wird, so ist die Bewegung doch stets gegen die Person des der-
Zeit der Iiilier, Flavier und Antonine. 347
zeitigen Herrschers gerichtet. Zu letzterer Annahme haben wir aber gar
keinen Grund, denn ein Aufruhrer, der sich gegen die Staatsforra der
Alleinherrschaft erklärt, wird doch nicht im gleichen Athem einen neuen
Alleinherrscher proklarairen können, ohne sich vollständig entweder bei
seinen Anhängern zu diskreditiren oder Anderen den Glauben an seine
Ehrlichkeit oder seine Fähigkeit zu rauben. Nun sagt aber Plutarch
ausdrücklich: räkßag xal x^rj&slg xal br^axobaag abroxpdzwp xai zfj Outv-
dcxog ijiTTapaa^div uvofj.a ~6^/irj dnöaracrcv inocrjas ttoAc/zov s/jl^ü^cov dvdpbg
r^ye/jLov'.xoü zu^otxjrxv. Wenn dies nicht mit dürren Worten ausdrückt,
dass der Abfall des Vindex ohne Anhang und ohne Nachfolge im Reiche
geblieben sei, bevor er Galba's Caudidatur für den Kaiserthron proklamirte,
so weiss ich allerdings nicht, wie dies sonst müsste ausgedrückt werden.
Könnte noch ein Missverständnis bestehen, so würde dies durch Plut.
Galb. 4 völlig beseitigt, wo ausdrücklich unterschieden wird: orc ae ßoü-
Xezat {Obhdi^) Paj[xacoig e/c^v äpyovza [LalXov tj Nipojva zupavvov;
also dem Tyrannen Nero galt angeblich seine Auflehnung, nicht dem
Principate. Und nichts anderes meint Plinius; der adsertor a Nerone
etc. kann doch nur sagen wollen »von dem Tyrannen Nero«; sonst
hätte dominatione, imperio oder irgend etwas anderes ohne Beziehung
zu der Person des Fürsten gesetzt werden müssen. Dass meine Be-
ziehung der Worte des Sueton ut generi humano assertorem ducemque
se accommodaret allein auf Nero danach berechtigt war, wird, denke
ich, jeder Unbefangene zugeben. Die Worte Mommsen's, dass wir hier
die Fortsetzung zu dem adsertor Galliarum (?) haben sollen und seine
Behauptung, dass die Hauptsache fehle, »der Erweis, dass der Sturz des
Tyrannen nicht hier aufgefasst sei als mit enthalten in der Abschaffung
der Tyrannis« bedürfen danach, wie ich glaube, keiner weiteren Wider-
legung.
Aehnlich steht es mit der Martialstelle. Dass Martial sagen konnte,
adsertus orbis = die wieder in ihre freie Selbstbestimmung eingesetzte
Welt, kann man zugeben; ebenso wird man aber auch zugeben müssen,
dass er nichts Aehnliches aus der Zeitgeschichte je gesagt hat.
Die republikanischen Reminiscenzen sind ja allerdings bei diesen Dich-
tern zahlreich genug; aber sie beziehen sich auf so unschädliche und
triviale Fälle wie Brutus und Cassius, auf Thrasea, nicht aber auf so
kitzliche Fragen wie die Abschaffung des Principats; wenn eine solche
Erwähnung zu allen Zeiten nicht unbedenklich erscheinen musste, war
sie es doppelt unter Domitian, und Martial war nicht der Mann, sich
in solche Gefahr zu begeben. Dass aber eine Erwähnung der Befreiung
von der Tyrannis Nero's, auf die ja schliesslich doch nur als bleibendes
Resultat die constituirende Thätigkeit Vespasian's folgte, auch Domitian
nicht unangenehm war, halte ich auch jetzt aufrecht. Das adserere hat
auch hier keine andere Bedeutung als oben.
3) Ein unbegreifliches Missverständuis scheint bei Mommsen bezüg-
23*
348 Römische Geschichte und Chronologie.
lieh meiner Worte über Tac. hist. 2, 61 iamqiie adsertor Galliarum obzu-
walten; ich weiss nicht wie derselbe dazu kommt diese Worte auf Vin-
dex zu beziehen; dieselben werden von dem Boier Mariccus gebraucht;
ich habe dort lediglich die Vermutung geäussert, dass dieser beabsichtigt
habe, die Herrschaft über Gallien für sich in Anspruch zu nehmen, da
er sich sogar schon göttliche Würde decretirt hatte. War dies aber der
Fall, so musste der Begriff des adsertor schon so weit abgeschwächt
sein , dass dadurch über den nach der Befreiung vom römischen Joche
eintretenden Zustand nicht präjudicirt wurde. Einen Widerspruch, »wenn
der adsertus in dem adsertor in solchem Pralle einen neuen Herrn fin-
det«, kann ich so wenig erkennen, als wenn sonst im Völkerleben ein
Volk sich von dem »Joche« eines andern losreisst und sich die Herr-
schaft des »Befreiers« vom eigenen Stamme gefallen lässt. Das eine
Verhältnis erscheint eben politisch als Knechtschaft, das andere als ver-
hältnismässige Freiheit, staatsrechtlich mag diese Auffassung nicht präcis
sein. Wenn übrigens Mommsen behauptet, »dass auch anderweitig keine
Spur dahin führe, dass Vindex sich zum König von Gallien habe aus-
rufen lassen«, so hat Niemand behauptet, dass er so weit gegangen
wäre; dass aber sein Versuch in Gallien für Tacitus Josephus und Plu-
tarch einen unzweideutig nationalen und antirömischen Charakter
trug, habe ich zur Genüge erwiesen. (Meine Gesch. des Nero S. 266 ff.
268 ff. Jahresb. 1876—1878 S. 509 f.)
4) Auch meine Erklärung der Grabschrift des Verginius hat Momm-
sen teilweise missverstanden. Wenn ich sagte »für die Herstellung der
Republik hat er sich damit noch nicht erklärt, das Imperium setzt er
als die fortdauernde Staatsforra voraus«, so konnten diese Worte dem
Zusammenhange nach, in dem sie standen, nur auf den Zeitpunkt der
gallischen Insurrection bezogen werden. Wie Mommsen sagen kann
»Hat denn irgend Jemand behauptet, dass Verginius einen Protest gegen
die Herrschaft Trajan's sich auf das Grab hat schreiben lassen?« ist mir
nur begreiflich, wenn ich annehme, dass er meine Darlegung nur teil-
weise gelesen hat. Mommsen findet weiter »nicht widerlegt, dass der
Dichter des Epigramms den adsertor libertatis im Sinne gehabt hat, den
uneigennützigen Schützer der unterdrückten Freiheit. Verginius besei-
tigt den Tyrannen und giebt dem Senate die freie Selbstbestimmung
zurück«. Letzteres mag sein; aber bezüglich der ersteren Behauptung
kann sich meines Erachtens doch auch ein anderer Gedanke bei dem
Lesen der Worte aufdrängen. Wenn Verginius Rufus sich daraus ein
Verdienst macht, dass er erst den Vindex geschlagen und dann das
Reich nicht für sich in Anspruch genommen, sondern für das Vater-
land, so gäbe es doch einen wunderbaren Gedanken, falls Vindex auch
die Welt mit der Republik zu beschenken gedachte, wenn Verginius
Rufus zuerst den Befreier der römischen Welt von der Tyrannis schlägt bezw.
erschlägt, diese That als die bedeutendste seines Lebens später auf sein
Zeit der lulier, Flavier und Autonine. 349
Grab setzen lässt und dann hinzufügt, er habe nachher dasselbe ausge-
führt, was jener gewollt habe. Musste sich da nicht jeder denkende
Leser fragen, ob in diesem Falle Vergiuius oder sein laudator gesunden
Verstandes war? Wenn die Verse eine Spitze haben, so ist sie bei dem
bekannten Verhältnisse des Verginius zu Galba gegen letzteren gerichtet.
Dieser erklärte sich zum legatus sen. populiq. R., griff aber faktisch
nach der Krone; Verginius, dem die Krone entgegengebracht wurde,
überliess faktisch dem Senate und dem Volke die Entscheidung über
deren Verleihung. Ich kann auch jetzt nicht anders als meine frühere
Erklärung aufrecht erhalten, dass gerade die Grabschrift des Verginius
ein Hauptbeweis gegen die weltbefreiende und republikanische
Absicht des Viudex ist. Ob übrigens, wie Mommsen behauptet, der
Dichter der Grabschrift wirklich an den uneigennützigen adsertor liber-
tatis gedacht, ist mehr als zweifelhaft. Schon Dio (68, 2, 4) oder dessen
Gewährsmänner haben die Inschrift folgendermassen verstanden vixrjaag
Oucvocxa TU xpdrog ou^ iatnoj TiepienoLrjaaTo dXXä zrj Tiazpidt^ so habe
ich dieselbe erklärt, und diese Bedeutung von adserere ist zur Genüge
belegt (s. die Stellen bei Klotz 2, a ß). Tradition und Sprachgebrauch
sprechen also nicht gegen mich, wohl aber gegen Mommsen.
5) Die Münzaufschrift adsertori libertatis publicae bei Vespasian
will Mommsen teils durch Spott, teils dadurch eludircn, dass er sie mit
der dementia auf den Münzen des Tiberius und Viteliius auf eine Linie
stellt. Ich habe gegen letzteren Vergleich nichts. Dass die dementia
und moderatio auch bei Tiberius, auf dessen Münzen diese Aufschrift
bereits im Jahre 14 erscheint, und Viteliius, nach dessen Erhebung die-
selbe sich findet, in einzelnen Fällen sich erwiesen hat und den berech-
tig ten, wenn vielleicht auch übertriebenen Grund zu einer Münzaufschrift
geben konnte, wird Mommsen schwerlich bestreiten; in diesem Falle wäre
aber die Anwendung von adsertor lib. pub. wohl ebenfalls durch ein beson-
deres Verdienst begründet gewesen. Aber mau kann auch eine andere Er-
klärung dafür zulassen und sagen, dieses Prädikat wurde für Augustus auf
die Münzen gesetzt und conventionell für die folgenden Fürsten unter be-
stimmten wiederkehrenden Bedingungen weiter gebraucht; ich würde für
unsere Frage ungefähr die libertas publica oder bloss libertas als Analogie
ansehen, welche auch unter nicht wenigen Regierungen auf den Münzen
erscheint. Eine besondere Illustration für die hier gemeinte libertas
bildet die libertas Augusta auf den Münzen des Claudius und anderer
Kaiser. Aber mag nun der eine oder der andere Ursprung für den ad-
sertor lib. oder vindex lib. angenommen werden, d. h. mag nun das Bei-
spiel, das Augustus gab, für seine Nachfolger massgebend gewesen sein
oder mag man die specidle Nachfolge auf einen Tyrannen, den damnatio
memoriae getroflen, mit diesem Attribut geehrt haben - für letzteres
sprechen die Münzen und Inschriften, die nur bei gewaltsamem Sturze
oder postumer Verurteilung des Vorgängers dieses Prädikat dem Nach-
350 Römische Geschichte und Chronologie.
folger erteilen — in beiden Fällen kann libcrtas nicht die Republik,
sondern faktisch nur den legalen und constilutiünellen Principat bezeichnet
haben. Was es danach mit Monimseu's IJchauptung auf sich hat »wie
die ephemere Wiederherstellung der Republik im Jahre 68, der orbis
adsertus noch darin nachzucko, ilass derjenige Gewalthaber, in dem der
Principat sich neu consolidirt, officioll als Retter der Volksfreiheit be-
grüsst werde«, darf ich dem Urtoil der Leser überlassen; bei Nerva
oder gar bei Pertinax müsste diMii Xachzucken doch eine gar lange
Dauer eingeräumt werden, bei Claudius kann dasselbe gar nicht zur
Erklärung verwandt werden. Dass ja auf ofticiellen Inschriften und
Münzen zu allen Zeiten viel gelogen wird, ist eine bekannte Thatsache,
nicht minder bekannt ist aber, dass solche Lügen wenigstens dann immer
eine kleine Unterlage, wenn auch nicht von Wahrheit, so doch von Wahr-
scheinlichkeit haben. Ich vermag mir nun nicht vorzustellen, dass ein
Fürst, auch ein römischer Princeps, ein besonderes Compliment darin
hätte erkennen sollen, dass man ihn unmittelbar nach einem Versuche,
die Republik wiederherzustellen, »Schirmer der Volksfreiheit, d. h. der
Republik«, nannte und so jeden Leser der Münzaufschrift nötigte, auf
die Usurpation dieses Fürsten zu argumentiren, namentlich wenn auf der
Vorderseite Imp. Caes. Aug. etc. zu lesen war. Es gab ja andere Auf-
schriften, die nicht minder schmeichelhaft und viel bezeichnender waren,
z. B. conservator civium, civibus servatis etc.; warum also dem Senate
die Taktlosigkeit der Wahl und einem Kaiser wie Vespasian die Schwäche
der Billigung solcher Taktlosigkeit zutrauen betreffs einer Aufschrift,
welche, wenn Mommsen's Interpretation richtig wäre, geradezu dazu her-
ausfordern musste, seine Herrschaft als eine unberechtigte zu brandmarken?
Die schliessliche Ansicht Mommsen's, »dass die römischen Schrift-
steller von Autorität einstimmig die Katastrophe des letzten Claudiers
als den Zusammenbruch des Principats und die Wiederaufrichtuug der
Republik bezeichnen«, ist jedenfalls ohne Einschränkung für Tacitus und
Plutarch nicht richtig, aber für die Frage nicht unmittelbar relevant. Der
Herzog von Blacas hat bekanntlich die Münzen dieser angeblichen ephe-
meren römischen Republik zusammengestellt und an deren kurzem Be-
stand in Rom wenigstens auf den Münzen schien ihm nicht zu zweifeln.
Aber ist denn dies wirklich so sicher? Ganz abgesehen davon, dass der
Senat damals nicht Rom und Rom nicht das Reich war, herrschte in der
That selbst in Rom der Senat doch nur auf den Münzen, in Wirk-
lichkeit die Garde und Numpidius Sabinus, welche noch bei Leb-
zeiten Nero's Galba gehuldigt und denen Senat und Volk sich
angeschlossen hatten (Plut. Galb. 7 ou xal ^üjvrog zti roh Mpa>vog
oux ovTog de (pavepuo ro azpdreuixa -npihTov slra o or^pog xat ij aüy-
xXrjTog wjToxpdropa tov IdXßav ävayopvjGZi.Ev ^ oliyov 8k uazepov dnay-
yzX&eiTj rzdvrjxujg ixeTvog); staatsrechtlich bestand der Principat aber
auch damals und in der That rinden sich auf den meisten Münzen neben
dem Namen Galba's fast alle die Bezeichnungen, welche auf den söge-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 351
nannten republikanischen Münzen dieser Zeit ohne denselben vorkommen;
eine so diametral verschiedene Bedeutung können dieselben danach doch
wohl nicht haben. Wenn man letzteren Umstand berücksichtigt, so wird
man möglicherweise zu dem Schlüsse gelangen, dass auch auf diesen
Münzen die libertas restituta im Grunde nichts anderes ist, als auf de-
nen des Augustus und Claudius, und ich vermag nicht zu verstehen, wie
die libertas restituta etc. hier von so grosser und singulärer Bedeutung
sein soll, während auf der Münze des Vespasian adsertor libertatis keine
Bedeutung haben soll. Thatsächlich steht doch die Sache so, dass die
Münzen des Jahres 68 ebenso ein Glied in der Kette jenes Missbrauchs
des alten Wortes libertas sind, wie die Münzen Vespasian's und Nerva's.
J. H. Mordtmaun, Lateinische Inschrift aus Armenien und Be-
merkungen Th. Mommsen's zu derselben. Hermes 15, 289 — 296.
Die Inschrift fällt, da sie das elfte — bei Mommsen S. 294 steht
durch Druckfehler neunte - tribunicische Jahr des Nero angiebt, in die
Zeit vom 10. December 63/64; damit verbunden ist die neunte impera-
torische Acclamation, die zehnte und elfte fallen somit nach dem Ende
des Jahres 63. Während die eine jedenfalls bei der Belehnung des Tiri-
dates erfolgte — merkwürdigerweise hält Mommsen S. 295 diese von mir
Hermes 5, 312 und Nero 310 ausgesprochene Vermutung für beseitigt, wäh-
rend er selbst sie als selbstverständlich aufstellt — will Mommsen die andere
in die Zeit legen, da Corbulo nach dem Eintreffen der kaiserlichen Ratifi-
cation des im Jahre 63 abgeschlossenen Vertrags von Rhandeia etwa im
Frühling 64 Armenien räumte. Anhaltspunkte für diese Annahme finden
sich nur in einer allgemeinen Angabe Dio's; Gewissheit können nur weitere
Funde bringen; ich brauche deshalb einstweilen meine weitere Annahme,
dass diese Salutatio in Mösien erfolgt sei, ebensowenig wie meine erstere
für »beseitigt« zu halten, da die Chronologie der mösischen Ereignisse sehr
unsicher und meines Erachtens mit Sicherheit nur nach 6 1 anzusetzen ist. Die
Inschrift gehört in die Zwischenzeit zwischen dem von Tacitus 15, 26 geschil-
derten Sommerfeldzug 63 und demAbzug der römischen Truppen aus Armenien.
Die Inschrift ist in Charput (nahe dem Murad-su im südlichen Ar-
menieiij gefunden worden. Bestätigt wird hierdurch Kiepert's Vermu-
tung, dass das Lager des Caesennius Paetus am Murad-su in der Nähe
von Charput gelegen haben muss. Dagegen verwirft Mordtmann die
Hypothese Kiepert's, wonach Charput möglicherweise Arsamosata sei,
das er vielmehr zwischen Amid und Charput und :j\var drei Tagereisen
von ersterer Stadt entfernt südlicher zwischen dem vereinigten Euphrat
und dem Tigris in der von arabischen Historikern und Geographen an
dieser Stelle erwähnten Stadt Sch^^schät erkennen will.
Ed. Sachau, Ueber -'^e Lage von Tigranokerta. Abh. d. Berl.
Akad. d. Wiss. phil.-^^t. Klasse 1880 S. 1 92 und Karte von Kiepert.
Der Verfa=~'' ^^^ gelegentlich einer Reise in Armenien und Me-
sopotamien -^^ ^'^ letzter Zeit wiederholt behandelte Frage über die
352 Römische Geschichte und Chronologie.
Lage von Tigranokerta von neuem aufgenommen und gelangt auf Grund
von Münzfunden, Autopsie und Vergleichung der antiken Berichte zu
dem Resultate, dass die alte Stadt bei den heutigen Dörfern Tel Ermen
und Köc-Hisär am Flusse Girs-Zrgä,n südlich vom Masios-Gebirge in
Mesopotamien lag. Die Untersuchung ergiebt für die Feldzüge des Lu-
cullus und Corbulo recht instructivcs Material.
F. Goerres, Zur Kritik einiger Quellenschriftsteller der römischen
Kaiserzeit. Philol. 39, 459-474.
Der Verfasser behandelt in gewohnter Breite die Geschichte des
Julius Sabinus (Tac. bist. 4, 55. 67. Plut. lib. am. flu. und Dio 66, 16, 1. 2),
indem er nachzuweisen sucht, dass die Erzählung desselben authentisch
ist; die Pole;.ak richtet sich hauptsächlich gegen Merivale, der dies be-
zweifelt hatte.
E. Illhardt, Titus und der jüdische Tempel. Philol. 40, 189—196.
Der Verfasser meint, zwischen der Annahme, Titus habe den Tem-
pel für die Dauer erhalten, und der, er habe ihn ohne weiteres zerstören
wollen, läge das Richtige in der Mitte.
Titus wollte den Tempel nicht mit stürmender Hand nehmen lassen,
weil sonst die Beute den Soldaten zufiel und er doch die Tempelschätze
teils für seinen Triumph, teils für den Staat in Anspruch nehmen wollte.
Letzteres wünschte Vespasian besonders wegen der herrschenden Finanz-
not; auf Titus wirkte aber auch der geheimnisvolle, altersgraue Schimmer,
der das Nationalheiligtum der Juden umgab. Für die Dauer wollte er
den Tempel jedoch nicht erhalten, da man mit dem Mittelpunkte der
jüdischen Religion auch die Einheit des Volkstums zu vernichten ge-
dachte. Diese Erhaltung für kürzere Zeit konnte aber nur auf dem
Wege des Vertrags heibeigeführt werden. Weiter bestreitet der Ver-
fasser gegen Jac. Bernays, dass die bekannte Stelle des Sulpicius Se-
verus aus Tacitus geschöpft sei; die Gründe sind so schwach, wie die
ganze Argumentation.
Zunächst lässt sich diese Frage nicht aus so engem Gesichtskreise
entscheiden, wie ihn der Verfasser hat; mau muss die früheren und die
späteren Verhältnisse (Hadrian) gleichermassen berücksichtigen. Das
von dem Veiiasser vorausgesetzte Verhältnis der Legionen zu Titus ent-
behrt jedes historischen Anhaltes, und Titus ging ja auch thatsächlich
bei dem Sturme der ilchaustücke nicht verlustig, wie die Darstellung
auf dem Titusbogen zeigt. Tind was sollte ein Vertrag, der eine Scho-
nung für kürzere Zeit in Aussicht ^.ahm'? Im gewöhnlichen Leben nennt
man dies Wortbruch, und diesen dem -üifus zu imputiren liegt kein An-
halt vor. Die gegen Bernays vorgebrachten Gründe sind ganz wertlos ;
denn entweder kann die Motivirung, Titus habe -i\Q Christen auch mit
vertilgen wollen, von Sulpicius Severus zugefügt sein, of^y ^ber, und dies
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 353
ist nach der bekannten Annalenstelle quos volgus Christianos appellabat
sehr wahrscheinlich, Tacitus schob dem Titus einen Grund unter, den er
in seiner Zeit plausibel fand, da die Christen unter seinem Freunde Pli-
nius in Bithynien hatten von sich reden machen; wir haben hier den-
selben Anachronismus wie in der Annalenstelle, und gerade dieser Zu-
sammenhang scheint mir der Annahme von Jac. Bernays erst rechten
Halt zu geben.
Lud w. Friedländer, De C Rutilio Gallo. Ind. lection. Königs-
berg 1880.
Der Verfasser widerlegt einige von Desjardins über den gleichen
Gegenstand Rev. de philol. Janv. 1877 p. 7 — 24 aufgestellte Ansichten.
J. Asbach, Zur Chronologie der Briefe des jüngeren Plinius.
Rh. Mus. f. Philol. N. F. 36, 38-49.
Der Verfasser bringt eine Anzahl von Berichtigungen zu Momm-
sen's Aufsatz im Hermes 3, 36—53. So ist der Brief 1, 7 erst 101 oder
102 geschrieben - freilich kann man mindestens ebenso gut sagen 99;
denn der Grund »im September des Jahres 99 war die Sache des Classi-
cus schwerlich entschieden«, ist doch sehr schwach. 1, 10 hat Plinius
nicht als praefectus aerarii militaris, sondern als praefectus aerarii Sa-
turni, also erst 98 geschrieben. 1, 12 gehört nicht in das Jahr 97, da
Corellius Rufus wahrscheinlich noch 100 lebte; denn er, nicht Vestricius
Spurinna erhielt in diesem Jahre nach dem Verfasser das dritte Con-
sulat. Die 1, 20, 12 hervorgehobene dreimalige Zuziehung des Plinius
zum kaiserlichen Consilium führt ebenfalls in spätere Zeit.
2, 1 ist 98 geschrieben, in welchem Jahre der Tod des Verginius
Rufus erst eintrat. 2, 13 ist frühestens 104 geschrieben; im Zusammen-
hang damit wird behauptet, dass Pannonien erst während oder nach dem
zweiten dakischen Kriege geteilt wurde.
2, 20 ist sicher in den späteren Jahren Domitian's verfasst. Die
Gründe für diese Annahme sind schwach; mau kann die betreflfendeu
Aeusserungen sämmtlich sehr gut auf Nerva beziehen.
Für die Dutirung der letzten fünf Briefe sind 5, 21 und 8, 23 durch-
schlagend. Asbach hält für den Schützling des Plinius den Juuius Avi-
tus, der im Dasuniianischen Testamente aus dem Sommer des Jahres 108
Z. 10 mit Tacitus und Plinius als Erbe aufgeführt wird. Da Avitus nach
Rom zurückreiste, um die Ädilität anzutreten, so sind beide Briefe frühe-
stens Ende 108 verfasst.
Die Resultate Asbach's sind: die Aufeinanderfolge der Briefe ist
in allen Büchern nicht chronologisch; die Bücher wurden in Gruppen
herausgegeben; die drei ersten Bücher enthalten Briefe aus den Jahren
97—104. ep. 2, 13 ist der jüngste, 2, 20 der älteste, noch unter Domi-
tian verfasst (?). Buch 4 stammt, einige älteren Datums ausgenommen.
354 Römische Geschichte und Chronologie.
aus den Jahren 103 106; Buch 5 ist nicht vor 109 herausgegeben; die
datirbaren Stücke dieses und der folgenden Biiclier verteilen sich auf
die Jahre 106—109. Einige sind älter.
Julius Asbacii, Die Entstehung der Germania des Tacitus. Bon-
ner Jahrb. 69, 1—6.
In dem Aufsatze, mit dessen Schlussresultat die Litteraturgeschichte
sich auseinanderzusetzen hat, wird die Ansicht aufgestellt, dass die Tac.
Germ. 33 = Plin. ep. 2, 7 erwähnten Vorgänge bei den Brukterern
Traian die erste bezw. zweite iniperatorische Salutation und den Namen
Germanicus eingetragen hätten, als unter seinen Anspielen Vestricius
Spurinna den vertriebenen Bruktererfürsten in sein Reich zurückführte.
Dieses soll mit Notwendigkeit aus dem Schluss von Plin. pan. 56: »Itaque
te uon apud imagiues sed ipsura praesentem audientenique consaluta-
bant imperatorem noraenque, quod alii domitis hostibus, tu contemptis me-
rebare« hervorgehen. Nun hat zwar Asbach die Worte eb. »iuxta barba-
ras gentes-gestum cousulatum« auch auf die Germanen am Rhein bezogen.
Doch folgt daraus nicht mit Notwendigkeit, was er gefolgert hat, selbst
wenn man zugeben wollte, dass diese Annahme erwiesen sei. Die An-
sicht über den Titel Germanicus muss vielmehr gegenüber den Münzen
(Eckhel 6, 408. Cohen Nerva 35. 99) unhaltbar erscheinen, da Nerva sicher
im Jahre 97 die zweite imperatorische Salutation und den Titel Germa-
nicus erhielt. Nach Plin. pan. 9: »eidem cum Germaniae praesideret Ger-
nianici nomen hinc missum?« erhielt Traian also sicherlich den Titel Ger-
manicus bei derselben Gelegenheit. Dass die zweite imperatorische Sa-
lutation auf diese Vorgänge zurückgeführt werde, ist jedenfalls nicht un-
möglich; doch bleiben noch manche Bedenken dagegen bestehen. Momm-
sen hat mit Recht diese Vorgänge am Rheine als eine militärische Pro-
menade bezeichnet; dagegen fanden bei dem Aufenthalte au der Donau
Winter 98/99 eher Ereignisse statt (Plin. pan. 12), welche einer solchen
Auszeichnung wert waren; der Ausdruck des Plinius »adsedisse ferocissi-
mis populis eo ipso tempore quod amicissimum illis, diflicillimum uobis,
cum Danubius ripas gelu iungit duralusque glacie ingeutia tergo bella
trausportat« weist auf kriegerische Ereignisse bezw. Einfälle der Sueben
hin. Und auch die Ausdrücke c. 56 widersprechen nicht. Die Pointe liegt
in dem Gegensatze von domitis und contemptis. Mit der letzten Stelle
zusammengehalten gestatten dieselben die Auffassung: Traian hat nicht
das Land der eingefallenen Sueben unterworfen , sondern sich begnügt,
dieselben zurückzutreiben. Wie dagegen contemptis von dem Verhalten
Traian's gegen die Brukterer zu verstehen wäre, müsste erst nachge-
wiesen werden. Leicht verständlich ist jedenfalls der Ausdruck gegen-
über der von Asbach selbst angeführten Stelle bei Plin. ep. 2, 7, 2: »osten-
tatoque hello ferocissimam gentem terrore perdomuit« nicht. Und
wenn Asbach aus der Stelle Plin. pan. 56: »immiuere minacibus ripis tu-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 355
tum quietumque, spernere barbarps fremitus hostilemque terrorem non
armorum magis quam togarum ostentatione« schloss, Traian müsse sich
in einer ähnlichen Lage befunden haben, wie Spurinna, so hat er damit
zum Teile etwas Richtiges gesagt; nur befand sich eben Traian an der
Donau und Spurinna am Rhein. Denn wenn man annehmen wollte mi-
naces ripae und hostilis terror bezöge sich auf den Rhein, so müsste
man doch dafür irgend einen Anhalt haben; aber aus der Ueberlieferung
geht nirgends hervor, dass die Römer damals am Rheine bedroht waren,
wohl aber das Gegenteil, dass die Römer hier angriftsweise vorgingen.
Und schliesslich, wie sollen wir den Widerspruch verstehen pan. 56 (non)
domitis und ep. 2, 7, 2 geutem — terrore perdomuit? Vielleicht erhalten
wir diese Belehrung in der in Aussicht gestellten grösseren Arbeit.
Emil Perino, De fontibus vitarum Hadriani et Septimii Severi
imperatorum ab Aelio Spartiano conscriptarum. Freiburg i. Br. Doctor-
diss. 1880.
Der Verfasser macht die Entdeckung, dass in der vita Hadriani drei
Quellen von Spartianus benutzt sind: 1) Marias Maximus c. 1 — 4, 5;
7, 1 — 4; 12, 1 — 5; 23 — 27. 2) Ein Hofschriftsteller (vielleicht Freige-
lassener Hadrian's) 5, 1—8; 6, 1 8; 7, 5 — 8, 11; 9, 6 11, 3; 18. 19.
21, 5 14. 3) Ein Unbekannter 14, 8-16, 6; 17, 6 oder 8 -12. Diese
Resultate hält der Verfasser für sicher; unsicher ist dagegen die Zu-
weisung von 9, 1 6; 4, 10 an Marius Maximus; 13, 1 - 4; 7, 1 - 5 an
den Hofhistoriker; 11,4 oder 11,6; 25,8 -10; 20, 11 an den Unbe-
kannten. Unbekannter Herkunft sind eine Anzahl eingeflickter Lappen:
1, 9; 4, 2 3; 4, 6 7, 8, 9;-5, 9 6, 5; 12, 6-8; 13, 6 - 14, 7; 16, 8— 11;
20. 21, 4 mit Ausnahme von 20, 3 und 11 und 21, 4; 22; 24, 3-5. Der
Leser kann jetzt entweder den Glauben des Verfassers teilen oder nicht;
denn wirklich durchschlagende Gründe, warum das eine dem und das
andere jenem Namen zugewiesen wird, giebt es ausser den allgemeinen
Kategorien »feindselige Gesinnung des Marius Maxinius«, »höhsche Schmei-
chelei« und »vortreffliche Nachrichten« kaum. Und wenn das alles wahr
wäre, was hätte man für die Richtigkeit der einzelnen Nachricht ge-
wonnen? Spartianus freilich erscheint danach als ein ungewöhnlich Heissi-
ger und denkender Mann, da er sich die Mühe gab, so viele Quellen
zusammenzuarbeiten und zwischen den einzelnen zu wählen, ja was er
hier fand, durch allerlei Zuthaten zu erweitern.
In der Untersuchung über die vita Severi wird zuerst eine Lanze
gegen die »Autorität« Höfner's gebrochen für Marius Maximus. Im ein-
zelnen werden diesem die ersten zwei Capitel zugewiesen mit Aubuahrae
von 2, 1. 2, welche nicht zu dem Bilde dieser vortrofilichen Quelle passen;
dagegen die von Rubel auch dem Marius Maximus abgesprocheneu 2, 6 — 8
muss er hier auf sich nehmen, weil sich für das Privatleben des Severus
vor seiner Erhebung auf den Thron Unkenntnis entschuldigen lässl. Bis
350 Römische Geschichte und Chronologie.
c. 9 ist wieder Marius Maximus Hauptquelle; neben ihm erscheinen aber
zwei andere, eine ihm feindlich gesinnte, welche 2, 1. 2 geliefert, und
eine wahrscheinlich freundliche, der die letzten Paragraphen von c. 4
und der Anfang von c. 5 entnommen sind. An Benutzung Dio's kann
mit Höfner nicht gedacht werden, ebensowenig an die Herodian's. In
c. 10 und 11 sind neben Marius Maximus noch andere Quellen benutzt,
doch kann hier das suum cuique nicht durchgeführt werden, c. 10 — 17
mit Ausnahme von 14, 5. 13 stammen aus Marius Maximus; das Einschiebsel
wurde aus einer anderen, sehr verkürzten Quelle genommen, weil hier
Marius Maximus zu viel Stoff hatte; letzterem gehört aber wieder c. 19
mit Ausnahme von §§ 6 oder 10, möglicherweise auch 7. 8. Für c. 22 - 24
stimmt der Verfasser mit Rubel überein, nur will er die Quelle in Helius
Maurus finden, nicht in Cordus.
Der Verfasser hat in den Untersuchungen unzweifelhaft Sorgfalt
und Scharfsinn bewiesen, aber auch seine Resultate bedürfen vor Allem
des Glaubens.
Julius Dürr, Die Reisen des Kaisers Hadrian. Wien 1881. In
Abhandlungen des archäologisch -epigraphischen Seminars der Univer-
sität Wien.
Der Verfasser liefert in seiner gründlichen und streng methodischen
Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Geschichte Hadrian's; seine Ein-
leitung, in welcher er unter anderm die bisherige Darstellung der Reisen
Hadrian's bespricht, zeigt zur Genüge, wie wenig befriedigend unsere
Kenntnisse in dieser Frage waren. Zuerst wird der Aufenthalt Hadrians
im Orient und den Donauprovinzen in den Jahren 117 und 118 erörtert,
daran schliesst sich eine Untersuchung über die nachweisbaren Aufent-
halte in Rom (zum ersten Male 118 - 121, dann wieder 128, im Früh-
jahr 129 (?) und von 134—138). In die Jahre 121—123 fallen die Reisen
in Gallien, Germanien, Raetien, Noricum, Pannonien, Britannien, Hispa-
nien. Im 4. Capitel sucht der Verfasser zwei Besuche Hadrian's in den
afrikanischen Provinzen 123 und 128 zu erweisen; den ersteren kann ich
nicht als erwiesen, das Datum des zweiten zwar als wahrscheinlich, doch
nicht als unumstösslich ansehen; in die Jahre 125/6 und 129 fallen die
beiden Besuche in Athen. Mit den bisher in den Jahren 121—123 erwähnten
Reisen in Verbindung stoben die Reisen in Asien 123. 124, auf den Inseln,
in Thrakien, Makedonien, Nord- und Mittel -Griechenland 124. 125, im
Peloponnes und Sicilien 126; sie bilden zusammen die erste grosse Reise-
route des Kaisers. Die zweite grosse Reise fällt in die Jahre 129—134.
Wir heben daraus die Anwesenheit Hadrian's beim jüdischen Kriege von
132 bis Anfang 134 hervor. Wie reich die Ergebnisse der Untersuchung
gegenüber den Vorgängern sind, zeigt namentlich die Uebersicht im
8. Capitel; sie sind gewonnen durch eine verständige Benutzung der
Schriftquellen und namentlich mittels deren Ergänzung durch Münzen
und Inschriften.
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 357
In Excurs 1 unternimmt Dürr eine Quellenanalyse von Spart, vit.
Hadr. cap. 5—14; er polemisirt dabei mit Recht gegen J. J. Müller's
Verfahren, den Marias Maximus überall in der historia Aug. zu finden
und gelangt zu dem, wenn auch nicht sehr befriedigenden, doch wahrschein-
lich richtigeren Resultate, dass Spartian in der erwähnten Partie einem
unbekannten Gewährsmann folgt, der wesentlich aus der Autobiographie
des Kaisers schöpft; nur zur Vervollständigung hat er die Biographie
Hadrian's von Marius Maximus herangezogen. In Excurs 2 sucht der
Verfasser den bekannten Brief Hadrian's bei Vopisc. vit. Saturn, c 8
als im wesentlichen authentisch, aber teils interpolirt, teils verkürzt zu
erweisen. Excurs 3 behandelt den in der Kaiserzeit zu Athen üblichen
Schaltcyklus. Ein Anhang giebt die inschriftlichen Zeugnisse, einen Nach-
trag, wonach auf Grund einer ephesischen Inschrift der Besuch von Rho-
dos im Jahre 123 erwiesen wird — danach wird die erste Hälfte des
Boedromion 129 als Datum der Weihung des Olympieions und der Stif-
tung der Panhellenia wahrscheinlich — und eine chronologische Tabelle
zu Excurs 3.
2. K. ZaxaXXaponouXog, ^H aoToxpaTSipa 0auaztva. Hapvaaaüg
Tofx. E' Teö^. c' (30. Juni 1881).
Der Verfasser giebt eine Analyse des bekannten Reuan'schen Auf-
satzes über die Kaiserin Faustina (vgl. Jahresber. 1876-1878, Abt. III,
S. 526). Neues irgend welcher Art findet sich in der Darstellung nirgends.
H. Müller, Sabinianus ein Statthalter Dacien's? Correspondenzbl.
d. Vereins f. siebenbürg. Landeskunde (1881) 4, 8, 94 f.
Der bei Dio 72, 3, 3 erwähnte Sabinianus kann mit dem C- 1. L.
3, 4426 erwähnten C Vettius Sabinianus identisch sein; doch muss letz-
terer kein Statthalter von Dacien sein, da die betreffende Inschrift in
Ober-Pannonien gefunden wurde ; es ist vielmehr auch aus anderen Grün-
den wahrscheinlich, dass der von Dio erwähnte Statthalter nicht Legat
von Dacien war. Der in der afrikanischen Inschrift C I. L. 8, 823 ge-
nannte C. Vettius Gratus Sabinianus spricht gegen eine solche Annahme
nicht; zwischen dem Consulate des Enkels in der letzteren (242) und
dem Auftreten des Grossvaters in der ersteren Inschrift (180) liegen
gerade zwei Menschenalter. Endlich kann man aber auch an den Ephem.
epigr. 4, 514 erwähnten L. Anton. Sabinianus in der Dionischeu Stelle
denken; er heisst leg. leg. I Ad. P. F., und sein Machtkreis kann aus-
reichend erscheinen, um die von Dio ihm zugeschriebenen Massregeln
vorzunehmen.
J. J. Kneucker, Die Anfänge des römischen Christentums. Karls-
ruhe 1881.
Der Vortrag hat wesentlich theologisches Interesse. Der Verfasser
entscheidet sich auch für den heiden-christlichen Charakter der römischen
3f)8 Römische Geschichte und Chronologie.
Gemeinde, und zwar in der weitestgehenden Weise: er lässt dieselbe
von Titus dem Begleiter des Paulus gestiftet werden. Zu beweisen sind
natürlich solche Dinge nicht, aber die Quellen sind ja interpretirbar, und
wenn die Vorgänger diese und jene Hypothese aufgestellt haben, so muss
auch den Nachfolgern dasselbe Recht gewahrt bleiben, lieber sonstige
mehr philologische und historische Dinge, z. B. die Erklärung des sue-
tonischen impulsor Chrestus zu streiten, bleibt unfruchtbar. Neues ent-
hält der Vortrag nur auf theologischem Gebiete.
Eugen Wester bürg. Der Ursprung der Sage, dass Seneca Christ
gewesen sei. Berlin 1881.
Der Verfasser stellt, ohne Neues zu sagen, die Quellen der Sage
und die Hauptthatsachen des Briefswechsels zwischen Seneca und Paulus
zusammen. Danach geht er an eine kritische Prüfung der Briefe, die
nach seiner Ansicht aus zwei verschiedenen Schichten, einer älteren (ep. X,
XI, XII) aus dem 4. Jahrh. und einer jüngeren (alle übrigen Briefe), frühe-
stens des 7. Jahrh., entstanden sind. Die Briefe X— XII sind die älteste
Quelle für die Legende über Seneca und Paulus. Dies leitet er her aus
der Art der Datirung, der sprachlichen Form, dem Bildungsgrad der
Verfasser und ihrer Auffassung des Verhältnisses, welches zwischen Nero
einer- und Paulus andrerseits vorausgesetzt wird. Als Quelle der jün-
geren Gruppe will Westerburg eine Schrift erkennen, in welcher Nero
ziemlich wohlwollend gegen Paulus gesinnt und Poppäa die Schülerin
des Paulus ist. Diese Gestaltung ist ebiouitische Verdächtigung des
Apostels; die Tendenz der dem Bearbeiter der zweiten Quelle vorliegen-
den Schrift aber bereits conciliatorisch; auch Seneca wurde aus auti-
paulinischen Tendenzen mit dem Apostel in Verbindung gebracht. Ein
erster Anhang giebt eine neue Recension des apokryphen Briefwechsels,
ein zweiter handelt von dem griechischen Ursprung des Pseudolinus.
Für eine besondere Aufklärung des Sachverhältnisses ist das Re-
sultat des Verfassers nicht zu halten ; denn die ebionitische Richtung
bildet in der modernen Kirchengeschichte ein ebenso beliebtes und frucht-
bares Expediens wie in der römischen Geschichte die Tendenzschrift-
stellerei angeblich patricischer oder plebeischer Quellen; nur tappt man
dort noch etwas mehr im Dunkeln wie hier. Adolf Harnack hat in der
theologischen Litteraturzeitung 1881 N. 19 das Unhaltbare der Aufstel-
lungen des Verfassers nachgewiesen und namentlich gezeigt, wie ihm ein
Hauptkriterium entging, nämlich dass diese Briefe — vielleicht mit Aus-
nahme von XII — sklavisch aus dem Griechischen übersetzt sind; er hat
als Zeit der Uebersetzung die Periode zwischen 520 und 800 bestimmt.
Brüll, Zur ältesten Geschichte des Primats. Theol. Quartalschrift
62, 453-468.
Gegen Friedrich, der den Primat des Jakobus und der jerusale-
mitischen Kirche zu erweisen sucht, wird der des Petrus und der römi-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 359
sehen -Kirche verteidigt. Historisch kann man diese Untersuchungen
kaum noch nennen, da sie mit historischen Unmöglichkeiten operiren.
Wie soll in den ersten Jahren und Jahrzehnten des Christentums an
einen Primat der jerusalemitischen oder römischen Kirche gedacht wer-
den können? Dass sich bald Petrus bald Jakobus für die berufensten
Nachfolger Christi ansahen, liegt in der Natur aller menschlichen Ent-
wickelungen, besonders aber religiöser; dass aber von einer Kirche als
solcher geredet wird, ist doch historisch ganz unhaltbar.
R. Hilgenfeld, Der römische Staat und das Christentum in den
beiden ersten Jahrhunderten. Zeitschrift f. wiss. Theol. 24, 291—331.
Der Aufsatz enthält wenig Neues, und dieses Neue ist nicht gut.
So wird unter Claudius die Notiz des Sueton Claud. 25 Judaeos — ad-
sidue tumultuantes erklärt »immer von neuem«? Der Verfasser hat ver-
gessen für diese neue Entdeckung irgend einen Beweis vorzubringen;
ebenso wenig begründet ist die Annahme, das Ausweisungsedict des Clau-
dius sei 52 oder 50 ergangen. Wäre dies der Fall, so fänden wir es
bei Tacitus; es muss also wohl in dem verlorenen 9. oder 10. Buche er-
zählt gewesen sein und damit vor das Jahr 47 fallen.
In der Regierung des Nero will der Verfasser den Taciteischen
Ausdruck quos volgus Christiauos appellabat als einen Gegensatz ansehen
zu quos volgus nunc appellat; er weiss nicht, dass die zeitliche Assimi-
lation solcher allgemeine Angaben enthaltenden Relativsätze an den Haupt-
begriff etwas ganz gewöhnliches ist. Aus dem Ausdrucke Christiani bei
Sueton Nero 16 soll gar erwiesen werden, dass die Regierung officiell
diesen Ausdruck bei dieser Gelegenheit brauchte. Nun kommt er frei-
lich bei Domitian in's Gedränge, da hier der Ausdruck Christiani sich
nicht findet und doch Christen verfolgt worden sein sollen. Da muss
nun die bekannte Interpretationskunst herhalten, nach der mit contem-
ptissima inertia das Christentum bezeichnet werde, dHsog soll nie von
Juden gebraucht werden, während es doch = dasßijQ einfach die Ueber-
setzung des lateinischen impius ist und eine ebenso dehnbare Bedeutung
hat wie dieses; ja der Verfasser weiss sogar, dass sich Flavius Clemens
geweigert habe als Consul seinen Vetler Domitian als Gott zu bezeich-
nen, obgleich Sueton ausdrücklich sagt, diese Anrede oder Formel habe
sich bloss auf die kaiserlichen Hausbeamten beschränkt, und obgleich
sich officiell nie diese Bezeichnung von dem Kaiser findet. Warum nicht
an das Nächstliegende denken, das freilich dem Verfasser unbekannt ist?
Unter Domitian fand ein — von den Schrittstellern nicht erwähnter —
jüdischer Aufstand statt, die Massregeln gegen die Juden erklären sich
zur Genüge daraus, wie aus der Verfolgung der Philosophen und Astro-
logen die Massregeln gegen den Verwandten, der am ehesten noch zu
dieser in Beziehung gebracht werden konnte.
Dem Erlasse des Traian wird die heute beliebte Form einer all-
360 Römische Geschichte und Chronologie.
geraeinen gesetzlichen Massregel beigelegt, daraus auch sofort für eine
allgemeine Verfolgung Schlüsse gezogen. Alle diese Dinge stehen in
der Luft, Thatsaclien sind keine bekannt, die hierfür verwandt werden
könnten. Zunächst ist der Erlass Traian's nichts weiter als eine Weisung
an den Statthalter von Bithynien, allein auf diese Provinz zu beziehen
und wahrscheinlich auch allein auf sie bezogen. Hätte er mehr sein
wollen, so hätte er eine Vorschrift über die Art und Weise des Ver-
fahrens, Strafbestimmungen etc. enthalten müssen. Wir sind durch nichts
berechtigt, diese Weisung anders aufzufassen als wie sie erteilt wird.
Wäre sie ein neues Reichsgesetz — selbst dazu wird sie gestempelt —
so hätte der Kaiser sicherlich den Senat dazu gezogen, und die folgen-
den Kaiser hätten keine neuen Weisungen zu geben brauchen. Die Ueber-
lieferung berichtet aber davon überall das Gegenteil. Zunächst wissen
wir unter Traian und Hadrian von Verfolgungen so gut wie nichts; die
Verfolgungen unter den Antoninen sind lediglich lokal und in den Mär-
tyreracten wird immer die Weisung des betreffenden Kaisers entweder
ausdrücklich angeführt oder vorausgesetzt. Und wenn dies nicht so wäre,
was hätte Ulpian denn in seine Sammlung aufnehmen sollen? Hatte
Traian ein Reichsgesetz erlassen, so war damit die Sache abgethan; dies
war jedoch nicht der Fall, sondern offenbar von Fall zu Fall, immer auf
Anrufung "der betreffenden Provinzialbehörden gaben die Kaiser ihre
Weisungen. Le Blaut hat in durchaus überzeugender Weise bewiesen,
dass eine neue Gesetzgebung gar nicht erforderlich war, sondern die
Anwendung mehrerer vorhandener Gesetze völlig ausreichte, um alle
wünschenswerten Waffen zur Unterdrückung des Christentums zu liefern.
Es heisst eben die vorliegenden Verhältnisse durchaus überschätzen und
anachronistisch behandeln, wenn man glaubt, Traian habe gegen eine
solche Secte eine besondere Gesetzgebung für nötig erachtet. Seine
ganze Tendenz ist den geschlossenen Gesellschaften entgegen, mögen
dieselben Grundsätze haben, welche sie wollen; dies zeigte sich auch
gegenüber den Christen. Dass sie nicht aufgesucht werden sollen, hing
jedenfalls mit dem Berichte des Plinius zusammen, dass dieselben
eigentlich härm- und einflusslose Leute waren, denen keine Verbrechen
nachgewiesen werden konnten, und deren Treiben durch Plinius' Mass-
regeln in seiner Gefährlichkeit schon als eingeschränkt erschien. Nun
wird gesagt, die Christen seien dadurch rechtlos gestellt worden, und
man beruft sich auf die leidenschaftliche Declamation Tertullian's für
diese Ansicht. Diese beweist aber durchaus nicht, was sie soll. In die-
sem Sinne rechtlos war jeder, der einer verbotenen Gesellschaft ange-
hörte und einen Ankläger fand; denn der Kaiser bestimmt ausdrücklich,
dass anonyme Anklagen nicht berücksichtigt werden sollen. Er verweist
damit das Verfahren einfach auf den gewöhnlichen Rechtsweg. Findet
sich ein Ankläger, so hat der Richter zu untersuchen, ob eine geheime
Gesellschaft vorhanden ist und der Angeklagte zu einer solchen gehört;
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 361
in diesem Falle trifft ihn die Strafe, welche dafür bestimmt ist. Sicher-
lich hat auch der religiöse Charakter dazu beigetragen, dass der Kaiser
diese Behandlung eintreten Hess. Seiner Ansicht von Regierung und
Staatsgewalt konnte eine Secte unmöglich berechtigt erscheinen, welche
sich von der bestehenden Religion insoweit entfernte, dass sie die An-
gehörigkeit zur Staatsreligion als eine Sünde bezeichnete und die her-
kömmliche Verehrung des Kaisers verwarf. Aber als eine Gefahr konnte
sie ihm ebenso wenig erscheinen, denn sonst hätte er sie unbedingt und
rückhaltslos vernichten müssen. Er ordnete also das »Qui vive« der Staats-
verwaltung an, aber nicht willkürliche Vernichtung. Ja man kann sehr
leicht in den Anordnungen des Kaisers erkennen, dass er der herkömm-
lichen römischen Politik auf religiösem Gebiete nicht untreu werden
wollte. Hätte es sich um eine politische Hetärie gehandelt, so wäre
dieselbe ohne Bedenken und ohne Gnade unterdrückt worden, wie dies
ja von Traian bezeugt ist; da es sich aber um religiöse Fragen handelte,
so wählte der Kaiser eine mildere Behandlung. Ebenso falsch ist, was
Hilgenfeld behauptet »wer als Christ überführt wird, den verurteilt man
zur Todesstrafe«. Ein Blick in die Märtyreracten hätte ihn eines besse-
ren belehren können, denn selbst für tenuiores gilt diese Behauptung
nicht durchgängig, obgleich man mit diesen überall im römischen Straf-
recht wenig Umstände machte und in allen Prozessen, welche mit der
Religion in Zusammenhang standen, Zauberei, Wahrsagerei etc. Todes-
strafe hier herkömmlich war. Wenn aber auch alle die Todesstrafe ge-
troffen hätte, wie dies nicht der Fall war, so würde selbst dieser Um-
stand noch lange nicht eine exerapte Behandlung des Christentums als
solchen beweisen.
Hilgenfeld bemüht sich nun zwar für die Martyrien unter Antoni-
nus, Pius und Marcus die Rechtsgiltigkeit des Traiansclion Edicts in
allen einzelnen Fälle zu erweisen, aber dieser Nachweis ist nicht erbracht,
bezw. was er nachweist, konnte, ja musste alles auch ohne das Traian'-
sche Edict so verlaufen. Wenn der Stadtpräfect oder ein Statthalter
nur auf Anklage einschreitet, so ist dies eben der im römischen Straf-
verfahren herkömmliche Weg. Die Behandlung der Untersuchung gegen
Polykarp kann kaum zur Entscheidung herangezogen werden, da das
Verfahren ausdrücklich (c. 11 Ruinart S. 34) als ein tumultuarischcs be-
zeichnet wird; dagegen setzen die Acten der heil. Fclicitas ein ausdrück-
liches Einschreiten der Pontifices bei Pius voraus; dass der Stadtpräfect
ohne Weisung des Kaisers in dieser Angelegenheit verfuhren sei, ist
nicht denkbar.
Am besten ist die Regierung des Marcus geeignet, jene Ansicht
von der Gültigkeit des Traianisclicn Rcidisgcsetzes und seiner Natur
als Specialgesetz zu widerlegen. Wir sind hier in der ausnahmsweise
günstigen Lage, bei einem römischen Juristen die gesetzliche Bestimmung
zu finden und sehen daraus, wie aus dcm^Zusanuneuhangc bei Paulus,
Jahresbericht für Alfertliumswisscnschaft XXVUl. (\SSi. HI.) 24
362 Römische Geschichte und Chronologie
dass, wie dies von vornherein zu erwarten war, es kein Specialgesetz,
sondern eine allgemeine Bestimmung gegen Alle war »qui novas sectas
(Hilgenfeld citirt eine falsche Lesart) vel ratione incognitas religiones
inducunt, ex quibus animi hominum moveantur« ; also die öffentliche Ord-
nung und Ruhe war das leitende Motiv für die Erlassung dieser Be-
stimmung und dadurch der Gesichtspunkt bestimmt, nach dem die Statt-
halter zu verfahren hatten. Und dies entsprach der Sachlage ; nachdem
in den asiatischen Städten es wiederholt zu Kämpfen zwischen Heiden
und Christen gekommen war und der heidnische Geist sich in Lynch-
verfahren gegen die Gegner der eigenen Religion Luft gemacht hatte,
musste eine Bestimmung gegeben werden, wie Religionen zu behandeln
waren, welche den Geist ihrer Bekenner in eine Aufregung (Fanatismus)
versetzten, durch welche der Friede und die öffentliche Sicherheit be-
droht war. Wenn Hilgenfeld behauptet, dass in Lugdunum und Vienna
nach diesem Gesetze bereits verfahren worden sei, so ist dies zwar des-
halb wahrscheinlich, weil Marcus nicht bis zu seinem Tode gewartet haben
wird, um dieses Gesetz zu erlassen, sondern jedenfalls dasselbe für nötig
hielt, als durch Krieges- und Hungersnot sowie die Pest der Aberglaube
der Bevölkerungen auf's heftigste entflammt war und die Feinde der
alten Götter für diese Heimsuchungen verantwortlich machte. Wie er aber
aus der Erzählung der Märtyreracten beweisen will, dass gerade dieses
Gesetz angewandt wurde, ist mir unerfindlich; denn Vettius Epagathus
wird jedenfalls nicht nach diesen Bestimmungen behandelt, und das son-
stige Verfahren hätte er ebenso gut durch das Rescript des Traiau er-
klären können. Mau muss sich überhaupt hüten, diesen Acten ein zu
grosses Gewicht bezüglich ihrer Berichte über die processualischen Her-
gänge beizulegen. Bei genauerer Untersuchung findet man zwei Scha-
blonen für dieses Verfahren befolgt. Auch darin hat Hilgenfeld die Tra-
dition nicht auf seiner Seite, wenn er behauptet, die Bestimmung des
Marcus habe den zum Heideutume Zurückkehrenden nicht mehr Straf-
losigkeit zugesichert. Wie konnte dies in einer Bestimmung stehen, wel-
che im Allgemeinen gegen novae sectae et — incognitae religiones ge-
richtet war? Dass aber diese Rücksicht auch ferner geübt wurde, be-
weist die Erzählung bei Euseb. h. e. 5, 1, 44. 47. Ich hätte erwartet,
dass in einer derartigen Untersuchung über die Worte novas sectas vel
ratione incognitas religiones nicht so einfach hinweggegangen worden
wäre: denn entweder sind dieselben wörtlich zu verstehen und wenn
dann dieselben auf das Christentum bezogen werden sollen, so steht es
mit der Theorie des Traianischen Reichsgesetzes etwas flau, da doch
sicherlich nach ungefähr 70jähriger Giltigkeit desselben eine von diesem
Specialgesetz betroffene Religion nicht mehr so genannt werden konnte;
oder die Worte beziehen sich nicht auf das Christentum; dann würde
sich daraus ergeben, dass die Religionspolitik der römischen Regierung
auch unter Marcus ihre alten Grundsätze nicht aufgegeben hatte. Ich
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 363
bin nun durchaus der Ansicht, dass die Worte sich auch mit auf das
Christentum beziehen und begründe darauf den Schluss ; also ist es mit
der angeblichen Specialgesetzgebung Traian's für das Reich nichts.
Wie wenig der Verfasser übrigens zu einer solchen Untersuchung
berufen ist, zeigt seine Darlegung über Coramodus; hier werden die
christlichen Fabeln über die Marcia breitgeschlagen, während die That-
sache nicht erwähnt ist, dass die Acta martyr. Scillitan. bei Usener die
Verfolgung in das Jahr 180 verlegen, also Comraodus durchaus, jeden-
falls im Anfang seiner Regierung, wie auf anderen Gebieten, so auch
gegen die Christen die Politik seines Vaters beibehielt; aber auch die
nicht unbedingt zu verwerfende Erzählung bei Hieron. de vir. ill. c. 42
über den Senator Apollonius lässt jene Nachrichten über den Einfluss
Marcia's doch fraglich erscheinen.
E. Egli, Das Martyrium Polykarp's, Ztschr. f. wiss. Theol- 25, 2,
227—249.
Der Verfasser folgt im Ganzen den Resultaten Waddington's ; da
dieser aber einen Rechenfehler gemacht hat, durch den er den Krank-
heitsschluss des Aristides auf Herbst 161 statt auf Herbst 160 ansetzte,
so fixirt sich der Beginn der Krankheit auf Herbst 143. Aber dadurch
wird die Hauptsache nicht alterirt; das Martyrium Polykarp's fällt auf
den von Waddington berechneten Tag (23. Februar 155 n. Chr.).
W. Mangold, De ecclesia primaeva pro Caesaribus ac magistra-
tibus Romanis preces fundente dissertatio. Bonn 1881.
Der Verfasser knüpft an eine Abhandlung K. Weizsäcker's »Ueber
die älteste römische Christengemeinde« (Jahrb. f. deutsche Theol. 21, 248 ff.)
an, worin derselbe den heidenchristlichen Charakter derselben schon in
Paulus' Zeiten zu erweisen sucht. Unter anderem führte er gegen den
judenchristlichen Charakter die Sitte an für die Kaiser zu beten, welche
der römische Clemens bezeugt; Paulus hätte im 13. Capitel des Römer-
briefes die Heidenchristen, welche in der Erwartung der bevorstehendeu
Wiederkunft Christi die heidnische Staatsordnung verworfen, namentlich
die Zahlung der Abgaben verweigert hätten, zum Gehorsam gegen die
Obrigkeit ermahnt.
Mangold macht dagegen geltend, dass kein Grund vorhanden sei,
jene Mahnung als allein an Hoidenchristen gerichtet anzusehen, die Zei-
ten des Paulus und Clemens seien durchaus nicht identisch, endlich hätten
die Juden für nichtjüdische Fürsten und Obrigkeiten schon zu Jeremia's
Zeiten gebetet. Bezüglich des ersten Punktes weist er ganz trefi'end
nach, dass die Mahnung des Apostels bezüglich der Judenchristen durch-
aus am Platze, für die Heidonchristen ganz gegenstandslos war, da die
einzige Voraussetzung, unter welcher letztere zur Autlehnung gegen die
Römer bereit waren, nämlich die Verbreitung chiliastischer Ideen, vor dem
24*
364 Römische Geschichte und Chronologie.
4. Jahrhundert nicht vorhanden war. Bezüglich der allerdings liturgi-
schen Charakter tragenden Worte des römischen Clemens (im Korinther-
briefe) ist festzuhalten, dass eben Paulus der römischen Gemeinde erst
den specifisch judenchristlichen Charakter benahm ; dieser umstand darf
also nicht als Argument angeführt werden, dass seiue Mahnung nicht an
Judenchristen gerichtet sein konnte. Aber die Worte des Clemens selbst
tragen durchaus keinen specifisch heidnisch -christlichen Charakter, wie
der Verfasser aus dem Vergleiche mit einer Litanei der Arvalen zu er-
weisen sucht; vielmehr kommt nichts in denselben vor, das nicht zur
Ermahnung des Paulus stimmte. Ein solches Gebet war aber um so
mehr am Platze, als nach Jerusalems Zerstörung die Stimmung der Juden
gegen die römische Herrschaft sich mehr und mehr verbitterte und aus
diesem Grunde eine beständige Mahnung der judenchristlichen Elemente
zum Gehorsam gegen die Obrigkeit doppelt nötig war. Zu dem gleichen
Resultate gelangt der Verfasser mittels einer Betrachtung über die Zeit
der Ausscheidung der judaistischen Elemente und einer Vergleichung der
Fassung der vorconstautinischen Gebetsformeln mit der bei dem römi-
schen Clemens erhaltenen. Uebrigens war, wie der Verfasser an meh-
reren Beispielen nachweist, die Fürbitte für jüdische und fremde Könige
und Obrigkeiten im jüdischen Cultus längst herkömmlich und wurde bis
zum Ausbruch des Krieges gegen Rom wenigstens von einem Teile der
Pharisäer sowie von den Sadducäern nicht bestritten.
Heinrici, Zum genossenschaftlichen Charakter der paulinischen
Christengemeinde. Theol. Studien und Kritiken 54 (1881), 505 ff.
Im Wesentlichen Polemik gegen Th. Holsten und mehr von theolo-
gischem als historischem Interesse.
Hermann Weingarten, Die Umwandlung der ursprünglichen
christlichen Gemeindeorganisation zur katholischen Kirche, v. Sybel's
H. Z. N. F. 9, 3, 441 ff.
Der Verfasser widerlegt zuerst die verbreitetete Ansicht, dass es
schon in apostolischer Zeit ein Amt der Presbyter an der Spitze der
Gemeinden gegeben habe. Die erste Form des Zusammenschlusses der-
selben war vielmehr die Unterordnung der Einzelnen im freien Gehor-
sam der Liebe unter die zuerst dem Christentum gewonnenen Familien.
Die im Römerbriefe 16, 1 erwähnte Diakonie ist nicht die spätere Be-
zeichnung eines Amtes, sondern die einer hervorragenden Thätigkeit, bei
deren Erklärung der Verfasser mit Recht auf die Stellung der Frauen
im heidnischen Götterdienst verweist und die er mit zahlreichen Bei-
spielen aus den Inschriften hätte belegen können. Die kirchengeschicht-
liche Forschung v^ird immer noch der Entwicklung der kirchlichen Ver-
fassung aus den heidnischen Einrichtungen heraus zu wenig gerecht.
Auch die Tipoordzts jener Stelle sucht er mit Recht aus den heidnisch-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 365
gesellschaftlichen Verhältnissen der. Zeit als Patronat in der christlichen
Gemeinde zu erklären. So war es das Princip des Priesterturas aller
Gläubigen, zugleich ein geistlich-demokratisches Princip, mit welchem die
erste Organisation der apostolischen Zeit verbunden war.
Das Presbyterat als ein ständiges Element der Aeltesten ist nicht
aus dem jüdischen Vorbilde der Synagogal- Verfassung hervorgegangen,
vielmehr aus dem Vorbilde der antiken Kultvereine entsprungen; das
Christentum hat sich nach den Rechtsnormen der collegia funeraticia or-
ganisirt; aus ihnen sind auch die kniaxoTiot entlehnt. Aber der demo-
kratische Geist der CoUegien, welche ihre Vorsteher jährlich wählten,
musste in der christlichen Gemeinde dem aristokratischeren Principe der
Lebenslänglichkeit weichen; das Vorschlagsrecht wurde von den Ange-
sehensten geübt, der Gemeinde blieb nur ein Zustimmungsrecht zu deren
Vorschlägen. Aber am Schlüsse des 1. Jahrhunderts war mit dem Aelte-
stenamt noch keineswegs der später ausschliesslich dominirende Gedanke
apostolischer Succession verbunden. Bald gesellte sich der eigentlich
gemeindlichen und Verwaltungsthätigkeit des Presbyterats die lehramt-
liche hinzu; je mehr letztere überwog, desto mehr drang auch die den
heidnischen Mysterien eigene Unterscheidung von Priestern und Xabq vor,
der ordo des Klerus trat den Laien gegenüber.
Während noch für die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts die Gleich-
heit aller Presbyter und ihre Autorität als die höchste in der Gemeinde
feststeht, tritt schon in den Pastoralbriefen die monarchische Ausgestal-
tung des Episkopats hervor. Ihr letzter Grund ist die Gnosis d. h. das
Bestreben, das Christentum nach der Form der alten Mysterien umzuge-
stalten; in dem Kampfe gegen dieses Heidentum der Gnosis entstand
der Episkopat in seiner neuen specitischen Stellung und die Einheit der
ccclesia catholica mit der Gemeinde der Welthauptstadt als Mittelpunkt
der Geistkirche. Der Bischof als Stellvertreter Gottes erhebt sich über
dem Presbytercollegium ; damit verbindet sich der Gedanke, die Bischöfe
als Nachfolger der Apostel und Träger apostolischer Amtsbefuguis hin-
zustellen; freilich wird dies nur ermöglicht durch eine der apostolischen
Zeit selbst völlig fremde Anschauung vom Apostolat, andrerseits durch
eine Reihe historischer Illusionen und Fictionen; so ist das Apostelbild
der Apostelgeschichte, so die bekannten Legenden über die apostolischen
Gemeinden und Apostel-Bischöfe entstanden. Die Dea Roma der Kaiser-
zeit verlieh auch dem christlichen Rom früh die gleiche Glorie, und als
man Petrus zum römischen Bischof erhoben hatte, hng man an jene sche-
matischen Bischofslisten von Rom und Antiochia zusammenzustellen, die
als Erfindungen bezeichnet werden können; es entstand jene Tendeuz-
litteratur mit Hegesipp und Papias an der Spitze, die nicht höher da-
steht als die Lügenlitteratur der Kaiserzeit,
366 Römische Geschichte und Chronologie.
E. Renan, Les prcmiers martyrs de la Gaule 11*1 av. J-C. Re-
vue historique T. 17, 303—326.
Die erste Verfolgung in den gallischen Gemeinden zu Lyon und
Vienne wird im Wesentlichen im Anschluss an die bekannten kirchlichen
Quellen (Euseb. h. e. 5, 1) in der an Renan gewohnten meisterhaften und
hinreissenden Weise erzählt.
Ernest Renan, Marc Aurele et la fin du monde antique. 3. edi-
tion. Paris 1882.
Mit diesem 7. Bande ist das grosse Werk Renan's: »Histoire des
origines du christianisme« beendet, und der Verfasser spricht in der Vor-
rede die Absicht aus, nun eine nicht minder wichtige Arbeit zu unter-
nehmen, nämlich die Geschichte der Vorbereitung des Christentums in-
nerhalb des Judentums.
Die sieben Bände sind nicht alle von gleichem Werte, sondern die
drei letzten übertreffen die früheren an wissenschaftlicher Bedeutung bei
weitem. Es liegt dies zum Teil am Stoffe, da Renan dort eine mangel-
hafte Ueberlieferung durch Combination und Hypothese zu ersetzen suchen
musste. Aber allen Teilen der gewaltigen Arbeit sind gewisse Vorzüge
durchgehends eigen: die vorurteilsfreie Behandlung der christlichen Ur-
geschichte »mit wirklich historischem und weitem Blicke, die genaueste
Kenntnis der einschlägigen Litteratur und die völlige Beherrschung und
künstlerische Behandlung des Stoffes; nirgends erhält man den Eindruck
der mühsamen Arbeit und Forschung, welche in dem Werke einge-
schlossen ist, sondern der Verfasser schaltet so frei über den schwierigen
und teilweise spröden Stoff, dass er auch in künstlerischer Hinsicht eine
vollendete Arbeit zu liefern vermochte.
Nicht auf der gleichen Höhe, wie die Behandlung des kirchen-
historischen Teiles, der ja natürlich die Hauptsache ist, steht die der
politischen Geschichte, und diese Schwäche zeigt sich auch in dem vor-
liegenden Baude. Die Bedeutung des Kaisers Marcus für die Reichs-
regierung ist zu sehr idealisirt, und gerade die Seite, welche die Schwäche
in diesem Regimente bildet, die philosophische Richtung des Kaisers,
hat Renan viel zu hoch angeschlagen, die Nachteile, welche daraus für
die Regierung resultirten, so gut wie gar nicht in Betracht gezogen.
Und doch waren letztere erheblich genug. Die Abneigung des Kaisers
gegen äussere Regententhätigkeit, vielleicht auch eine philosophische
Auffassung der Rechte seines Adoptivbruders veranlassten ihn zur Be-
gründung der Sammtherrschaft, welche sich nachher auf Commodus über-
trug und der erste Schritt zur Reichsteilung war; wäre L. Verus eine
energischere Persönlichkeit gewesen, hätte er namentlich kriegerische
Tüchtigkeit und Neigung besessen und hätte er länger gelebt, so wäre
wahrscheinlich Marcus ganz in den Hintergrund getreten, um seinen phi-
losophischen Neigungen zu leben; versucht hat er dies ja bei dem Par-
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 367
therkriege, und der Aufstand des Avidius Cassius ist grossenteils aus
dem Gegensatze des Heeres gegen den weichherzigen Philosophen und
Essayisten hervorgegangen. Dabei soll nicht vergessen sein, dass schliess-
lich in dem Kaiser das fürstliche Pflichtgefühl den Sieg davontrug über
seine eigentliche Neigung; aber wir thun ihm wohl nicht Unrecht, wenn
wir annehmen, dass die Marcoraannenkriege mit grösserer Energie und
Raschheit hätten geführt werden können, wenn der Kaiser mehr Feld-
herr und weniger Philosoph auch im Feldlager gewesen wäre. Aber
auch auf anderen Gebieten erwies sich diese philosophische Richtung des
Kaisers durchaus nachteilig. So ist seine Finanzpolitik durchaus ver-
fehlt, da sie eine sträfliche Gutmütigkeit und Counivenz bewies; gleich
bei seiner Thronbesteigung gab er der Garde unerhört grosse Geschenke,
die sich später wiederholten, ohne dass sich in den inneren oder äusseren
Verhältnissen ein Grund für diese Verschwendung entdecken Hesse; die
Zahl der Getreideempfänger wurde vermehrt, die Beitreibung der Steuer-
rückstände mit noch geringerer Energie als sonst verfolgt. Und doch
erforderte die Finanzlage des Reiches ausserordentliche Mittel, und wenn
diese nicht zu beschaffen waren, ungewöhnliche Sparsamkeit; neue Le-
gionen mussten errichtet, fast während der ganzen Regierungszeit Kriege
geführt werden. Dass der Kaiser auch der Finanzschwierigkeiten nicht
Herr wurde, beweisen die ausserordentlichen Massregeln zur Genüge,
welche er ergreifen musste. Die Kronjuweleu wurden verpfändet, und
was schlimmer war, die Gold- und Silberprägung stark unterwertig. Re-
nan spricht von einem demokratischen Regimente des Kaisers; die That-
sachen stimmen dazu nicht. Allerdings beobachtet auch er dieselben
rücksichtsvollen Dehors im Verkehre mit dem Senate wie die meisten
seiner Vorgänger, aber die eigentlichen Kriterien eines Senatsregimentes
fehlen durchaus. Schon als Cäsar erhielt er das ins quintae rclationis,
damit so ziemlich die völlige Beherrschung der Senatsversammlungeu,
als Kaiser war er nicht zu bewegen, auf die Capitalgerichtsbarkeit gegen
die Senatoren zu verzichten, und die Senatorenernennung hat er stets in
der Hand behalten. Er hat allerdings erklärt, dass der Kaiser keinen
Besitz habe, aber diese Erklärung konnte selbstverständlich nicht prak-
tisch werden, und der Versuch einer teilweisen Neubelebuug der alten
Volksversammlungen blieb, was er bleiben musste, eine Posse. Dagegen
wurde die eigentliche Verwaltung dem Senate noch mehr entzogen, als
dies bisher schon der Fall war; in der fiskalischen Verwaltung, auch in
der annona wurde die hadrianische Beamtenorganisation noch einen Schritt
weiter geführt, indem zur Entlastung des Vcrwaltungschcfs Subdirigenten
eingesetzt und damit die Wirksamkeit jener Einrichtung erhöht wurde.
Unter den übrigen Massregeln, welche durch Marcus im Interesse der
Centralgewalt getroften wurden, und welche Renan nicht in dem richtigen
Zusammenhange dargestellt hat, verdient noch eine besondere Erwähnung,
da Renan an dieselbe durchaus unrichtige Cousequenzen geknüpft hat.
368 Römische Geschichte und Chronologie.
Er hebt besonders die Alimentareinrichtungen des Marcus hervor; wir
haben keinen Grund anzunehmen, dass gerade in dieser Richtung ausser-
ordentliches geschehen sei, denn eine neue Stiftung für Mädchen über-
schreitet nicht den Umfang dessen, was wir über die Einrichtungen der
Vorgänger wissen. Dagegen hat Renan eine sehr wichtige Seite bei
dieser Frage übersehen. Marcus kehrte in der italischen Politik wieder
zu den Grundsätzen Hadrian's zurück, indem er die von jenem geschafi'e-
nen iuridici, allerdings nur mit prätorischem Range, wieder herstellte,
welche Pius auf Andringen des Senats hatte abschaffen müssen. Viel-
leicht wurden im Zusammenhange mit dieser Massregel die Districts-
verwaltungeu der Alimentarinstitution aufgehoben und die Verwaltung in
Rom unter einem praefectus alimentorum consularischen Ranges concen-
trirt, dessen Competenz ganz Italien umfasste ; die iuridici hätten in die-
sem Falle wohl ein Aufsichtsrecht über die Alimente erhalten. Auch
die Politik des Marcus gegenüber den Vereinen hat Renan überschätzt.
Man darf die Kehrseite dabei nicht aus dem Auge verlieren; die Ein-
setzung von curatores aus dem Ritter- und Senatorenstande in den Mu-
nicipien nahm auch unter dieser Regierung ihren regelmässigen Fort-
gang; dieselben besassen durchaus den Charakter von Regierungs-Com-
missaren, welche durch ihr Eingreifen die freie Entwickelung der Ge-
meinden vgllig zu lähmen vermochten. Gewissermassen als Entschädigung
für die Entziehung der rauuicipalen Freiheit, aber auch mit Rücksicht
auf die bestehende Ueberwachung des municipalen Lebens, wurden jetzt
die Rechte der Collegien einigermassen erweitert, indem denselben die
wichtigeren Befugnisse juristischer Personen, nämlich Vermächtnisse zu
erhalten und zu manumittiren , verliehen wurden; dass auch jetzt von
einer Freigebung des Vereinswesens keine Rede sein kann, zeigt gerade
die von Marcus getroffene Bestimmung, dass Niemand mehreren Colle-
gien zugleich angehören dürfe. Dass es Marcus auf dem Verwaltungs-
gebiete an schöpferischer Initiative mangelte, dafür haben wir wenigstens
einen Anhalt. Der verständige Pescennius Niger hatte demselben den
Antrag unterbreitet, die Provinzialverwaltung zu reforrairen und zwar in
einer Weise, welche das Herkommen berücksichtigte und zugleich dem
Wohle der Provinzialen Rechnung trug. Danach sollten die Termine
aller Statthalterschaften auf fünf Jahre verlängert und eine regelmässige
Beamtencarriere für die Provinzialverwaltung geschaffen werden, indem
Assessoren mit festen Gehältern angestellt und später in denjenigen Pro-
vinzen als Chefs der Verwaltung verwandt werden sollten, in denen sie
praktisch verwandt worden waren; hätte der Kaiser der Ausführung die-
ser Vorschläge seine Zeit zugewandt, so wäre für das Reich mehr her-
ausgekommen als bei den unfruchtbaren und kleinlichen Verhandlungen
zwischen ihm und seinen philosophischen und rhetorischen Freunden. Die
Gesetzgebung hat sicherlich unter Marcus viele Fortschritte aufzuweisen,
obgleich z. B. die Sklavengesetzgebung ebenfalls von Renan überschätzt
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 369
wird; das beste, was hier geschah., ist nicht mehr als eine Erneuerung
früherer Vorschriften z. B. des Claudius; aber man muss doch auch hier
berücksichtigen, dass ein grosser Teil dieser Arbeiten auf Rechnung des
vielleicht seit Marcus mit festen Gehalten ausgestatteten consiliura und
der häufig mit Juristen besetzten Gardepräfectur zu setzen ist. Wir
haben uns ausführlicher mit diesen Fragen hier beschäftigt, weil sie für
die Entscheidung über eine weitere Ansicht Renan's wichtig werden, der,
wie schon der Titel besagt, das Ende der antiken Welt unter diese Re-
gierung setzt. Wenn es nicht möglich war, den politischen Darlegungen
Renan's beizustimmen, so muss ich dagegen seinen Ausführungen über
die kirchlichen Verhältnisse den vollsten Beifall aussprechen; ich halte
dieselben für das beste, was wir in dieser Litteratur besitzen. Die Ca-
pitelS — 15, 17 — 25, 28 — 30 sind Muster von klarer und sachkundiger
Darstellung. Ich kann nicht sagen, dass ich mit allem einverstanden
wäre, was hier zu lesen ist; so halte ich die Annahme, dass eine Legion
von dem bekannten 'Ereignisse im Quadenkriege eine Zeit lang den Na-
men fulmlnata geführt habe, nicht für zulässig, und die Daten über Zahl
und Verbreitung der Christen nicht sämnitlich für erweisbar; aber dies
sind untergeordnete Dinge, welche gegen die eminent historische Auf-
fassung der gesammten Entwickelung zurücktreten.
Aber eine Ansicht Renan's muss noch etwas ausführlicher besprochen
werden. Cap. 27 wird im Zusammenhange mit Marcus' Tod die auf dem
Titel ausgesprochene Ansicht, dass mit Marcus' Ende das Ende der an-
tiken Welt zusammenfalle, näher begründet (»le jour de la mort de
Marc-Aurele peut etre pris comme le moment decisif oü la ruine de la
vieille civilisation fut decidee«). In der Philosophie hatte nach des Ver-
fassers Ansicht Marcus das Tugendideal so hoch gestellt, dass man es
in der Folgezeit für unerreichbar hielt, in der Politik eröönete er mit
der Nachfolge des Commodus die Aera der Tyrannen und der Anarchie,
in der Religion bereitete er durch seine Anhänglichkeit an eine Staats-
religion, deren Schwäche er selbst kannte, den Triumph des Christen-
tums vor; auf allen Gebieten, mit Ausnahme des Rechts zeigt sich Er-
schöpfung (l'affaiblissement). Man kann Renan zugeben, dass die antike
speculative Philosophie, wie sie sich seit Sokrates entwickelt hatte, nach
Marcus keine bedeutendere Leistung mehr hervorgebracht hat; ob die
Höhe des Tugendideals hieran schuld war, wird nicht ebenso sicher zu
erweisen sein; wenn man die ganze schriftstellerische Thätigkeit der
praktischen Philosophie, wie sie sich in Rom und dein Westen seit der
Kaiserzeit entwickelt hat, betrachtet, so wird man eine geringe littera-
rische Production finden. Es war dies natürlich; sobald die Philosophie
sich der reinen ethischen Casuistik zuwoutlet, wird sie vielmehr auf die
unmittelbare Einwirkung durch das Wort, als auf die Erörterung durch
die Schrift sich hingewiesen sehen. Wie viel moralische Casuislik wird
in den Predigten der christlichen Kirchen producirt, und wie gering ist
370 Kömische Geschichte und Chronologie.
der Niederschlag derselben in der Littcratur! Ob Marcus' Schrift nun
wirklich das Ende dieser alt-philosophischen Litteratur bildet, wissen wir
weder noch ist es sehr wahrscheinlich. Erklären Hesse sich diese Er-
scheinung aber auch auf andere Weise. Eine blosse Pflichtenlehre er-
wartete das Publikum jetzt von der Philosophie nicht mehr; und der
Trost und die Hoffnung, welche die Welt in ihrer inneren Bedrängnis
suchte, fand sich nicht in einer stoischen Idealistik, die den Menschen
auf eine Höhe stellte, auf welche er in Wirklichkeit nicht zu gelangen
vermochte. Eine Lehre, welche den Menschen anwies, sich den Himmel
durch eigene Kraft zu erschliessen, wird zu allen Zeiten nur Wenige
gewinnen, eine Lehre, welche eine Anzahl von Mittelwesen zwischen
Himmel und Erde creirt, um den Menschen zu jenem Ziele zu bringen,
wird stets populär sein; die Zeit der letzteren philosophischen Systeme
war jetzt gekommen, vor ihnen hatten die alten Theorien längst den
Boden mehr und mehr verloren. Auf politischem Gebiete hat Marcus
allerdings mehr als einen schweren Fehler begangen; dass er mit Com-
modus die Reihe der Tyrannen und die Anarchie inaugurirte, kann ihm
aber doch nicht eigentlich zur Last fallen. Es lag in der Institution,
die eben nicht alle gut angelegten Naturen unwiderstehlich in den Ab-
grund riss. Commodus war noch sehr jung, und dies war ein schweres
Unglück; aber ob Marcus viel hätte ändern können, wenn er seinem
Sohne die Nachfolge nicht zugewandt hätte, lässt sich so einfach nicht
entscheiden. Dass er ihn so früh zur Mitregierung heranzog, war zwei-
fellos verfehlt; ob er den leiblichen Sohn, den Sohn einer Kaiser- Erb-
tochter, von der Regierung bleibend fern halten konnte, ist wenigstens
durch kein weiteres Beispiel der Kaisergeschichte zu belegen; man darf
es billig bezweifeln. Bezüglich der Zustände, welche nach Marcus' Tode
eintreten, kann ich im Vergleich mit Nero und dessen Nachfolgern einen
principiellen Unterschied nicht erkennen; und dass nach einer Reihe
teils guter, teils wenigstens nicht schlechter Regenten auch einmal schlechte
folgen, ist der Welt Lauf. Die Veränderungen in der Constitution der
Regierung sind unter Marcus nicht derart, dass sie einen durchgreifen-
den Unterschied begründen ; das laisser-aller in der Praxis, welches durch
Pins zum Siege gekommen und durch Marcus nicht in ausreichender
Weise beseitigt worden war, hatte zum grossen Teil die Zustände ver-
schuldet, welche schon unter letzterem über das Reich hereinbrachen.
Tiefgedacht aber doch schwerlich richtig ist der Satz, dass Marcus durch
seine Anhänglichkeit an die Staatsreligion den Sieg des Christentums
vorbereitet habe. Renan setzt dabei voraus, dass er die Schwäche der-
selben durchschaut habe. Für eine solche Annahme hat man doch le-
diglich auf Grund der in seinen Selbstbetrachtungen ausgesprochenen
Grundsätze keinen Anhalt. Ein denkender Mensch kann für seine Per-
son sich der bestehenden Religion fern stellen, ohne dabei deren Wir-
kung auf die Massen zu verkennen; warum sollte bei Marcus nicht diese
Zeit der lulier, Flavier und Antonine. 371
Annahme gelten? Ausserdem hatte sich die stoische Philosophie der
Volksreligion gegenüber stets in einem durchaus conniventen Verhält-
nisse gehalten, und es mag auch in dieser Hinsicht Marcus viel weniger
innerlich frei gewesen sein, als Renan voraussetzt. Im Allgemeinen hat
er die Persönlichkeit des Kaisers viel zu bedeutend und erhaben hin-
gestellt; dem Marcus der Selbstbetrachtungen musste doch zur Ergän-
zung der der frontonischen Briefe zur Seite gestellt werden; das Ideal,
das jetzt in den Wolken schwebt, wäre dann wohl etwas irdischer, auch
wahrer geworden. Die Erschöpfung der römischen Welt wird ja eben-
falls mit gewissen Einschränkungen nicht zu leugnen sein; man wird sich
aber doch vor dem falschen Schlüsse hüten müssen, zu dem die alleinige
Berücksichtigung des Verfalles leicht verleitet, der sich in den schöneren
Künsten und in den wissenschaftlichen Leistungen allerdings als er-
schreckend gering herausstellt. An die Stelle des erschöpften Italiens
und des eigentlich römisch-latinischen Stammes traten die Provinzen, und
wie viel militärische und bürgerliche Kraft hier noch lebte, hat die
schrecklichste Zeit des Kaisertums deutlich gezeigt. Ob es trotzdem
unter Kaiser Marcus noch möglich gewesen wäre, den ganzen Norden
zu romanisiren und den Schwerpunkt des Reiches nach Basel oder Con-
stanz zu verlegen, wie Renan fordert, lässt sich schwer entscheiden;
immerhin erscheint eine solche Annahme bedenklich, wenn man sich er-
innert, wie unvollkommen bereits die Romanisirung in den Donau-Alpen-
ländern, im Norden von Frankreich und Britannien, sowie im Westen
von Deutschland vor sich ging.
Wilh. Drexler, Caracalla's Zug nach dem Orient und der letzte
Partherkrieg (214-217). Halle, Dissert. 1880.
Nach kurzer Besprechung der drei Hauptquellen erörtert der Ver-
fasser zunächst den- Alemannenkrieg und die Frage, ob der Kaiser aus
demselben nach Rom zurückgekehrt sei; er bejaht dieselbe; doch brach
er zeitig nach Asien auf, da er die Winterquartiere in Nikomedien be-
zieht. Als Hauptgrund des parthischen Krieges betrachtet Drexler das
Verlangen des Kaisers, es dem grossen Alexander gleich zu thun, wobei
er den Alexandercultus im Allgemeinen und bei Caracalla im Speciellen
verfolgt. Mindestens ebenso wirksam war die Uneinigkeit im Parther-
reiche, da Vologaeses V. und Artaban V. sich befehdeten und eine förm-
liche Keichsteilung vorgenommen hatten. An der Donau hatte er mit
germanischen Stämmen (Marcomannen, Quaden etc.) zu thuu, schwerlich
mit Sarmaten, doch wahrscheinlich auch mit üotlion, vermutlich in
Dakien. Ausführlich verfolgt der Verfasser die Spuren des weiteren
Zuges an den Münzen. Der Krieg gegen die Parther kam zunächst nicht
zum Ausbruch, da die Auslieferung der beiden Uoberläufer Tiridatc> und
Antiochus angesichts des drohenden Krieges ihm jetzt unschwer bewilligt
wurde. So konnte er Aegypten besuchen; weder Dio noch Ilerodiau
372 Römische Geschichte und Chronologie.
berichteil über diesen Aufenthalt als Augenzeugen; was der Verfasser
eigentlich von den Vorgängen zu Alexandria denkt, ist nicht zu er-
kennen. Frühjahr 216 bricht er in Parthien ein; die Absetzung des Ab-
gar fand in Antiochia statt, die Ueberlistung des Armenierkönigs Velo-
gaeses (?) entweder ebendaselbst oder in Nikomcdia. Die von dem Kaiser
verwandten Streitkräfte bestanden wohl zunächst aus asiatischen Truppen,
aber auch aus Vexillationen von II Parth. V Mace'd. II Adj.; andere, die
der Verfasser vermutungsweise anführt, sind nicht nachgewiesen. Be-
züglich des Feldzuges selbst will Drexler die Nachricht der v. Car., dass
er durch das Gebiet der Kadusier und Babylouier gezogen sei, so ver-
stehen, der Zug sei nach Adiabene gegangen, welches an Media Atro-
patene grenzte und davon durch das Zagrosgebirge getrennt wurde, auf
dem Cadusier zu Strabo's Zeit zerstreut sassen; Babylonien ist ebenfalls
im Sinne von Strabo zu verstehen, der Adiabene und speciell Arbela
dazu rechnet. Schliesslich werden noch die Berichte über den Tod und
das Alter des Kaisers untersucht.
Die Untersuchung ist sorgfältig, aber etwas breit, au Digressionen
nicht arm; neue Resultate habe ich kaum gefunden; denn die Aufstel-
lungen über die beteiligten Legionen sind allzu sehr Hypothesen, um
damit zu rechnen.
vn. Die Zeit der Verwirrung.
V. Sallet, Die Namen der beiden ersten Gordiane. Zeitschr. f.
Numismatik 7, 139 — 145.
Im Anschluss au eine Inschrift von Bordeaux vermutet der Ver-
fasser, dass die Namen wenigstens Gordian's I. M. Antonius Gordianus
Sempronius Romanus Africanus lauteten; während für letzteren Namen
die Ableitung Herodian's acceptirt wird, schliesst sich für Romanus
V. Sallet der Vermutung Ch. Robert's an, wonach der Senat hinterher
dem Kaiser diesen Ehrennamen decretirte, der nun die erste Stelle vor
Africanus einnimmt. Für v. Sallet's Vermutung spricht sich Mommseu
Berl. Z. f. Num. 8, 28 aus.
Ch. Robert, Nouvelles observations sur les nonis des deux Pre-
miers Gordiens. Rev. Archeol. 41, 34 ff.
tritt im Uebrigen v. Sallet's Vorschlägen bei, zieht aber Is/j.v6g der Con-
jectur Sempronius vor, weil dieser Name im 3. Jahrhundert n. Chr. kein
Interesse mehr erwecken konnte, und weder von den Gordianen in Afrika
auf die Münzen gesetzt, noch von Gordian III. reproducirt wurde ; auch
würde das gentilicium an einer schlechten Stelle nach dem cognomen stehen.
Th. Mommsen, Die Namen des Kaisers Balbinus. Zeitschr. f.
Numism. 8, 26 f.
Nach afrikanischen Inschriften C I. L. 8, 10342. 10343. 10365 lautet
der Name des bekannten Senatskaisers D. Caelius Calvinus Balbinus,
Die Zeit der Verwirrung. 373
während sein College hier und C. I. L. 6, 1087 (vielleicht 1088) Pupie-
nius genannt wird; auf den Münzen heisst derselbe fast ausnahmslos
Pupienus.
Aube, Le christianisme de l'empereur Philippe. Rev. Archeol. 40,
140—152.
Der Verfasser nimmt das Christentum des Kaisers als erwiesen an
durch die Ueberlieferung. Nun hat schon der verstorbene P. Theiner
den geringen Wert derselben nachgewiesen und als Quelle derselben den
Eusebius aufgestellt; wenn dies auch schwerlich ganz richtig ist, so trifft
die Annahme in der Hauptsache zu, wenn man nur noch eine Stufe weiter
zurückgeht und der Quelle des Eusebius diesen Platz anweist. Freilich
kommt der Verfasser mit den übrigen Thatsachen in"s Gedränge; dieser
christliche Kaiser hat nicht nur die heidnischen Embleme auf den Münzen
beibehalten und die tausendjährige Feier von Rom's Bestehen mit durch-
aus heidnischen Opfern und Gottesdiensten gefeiert, sondern er hat sei-
nen Vater Marinus apotheosiren lassen - die Ansicht, welche Aube
S. 148 Anra. 1 aufstellt ist nicht richtig. - Aube sucht diese auffallenden
Widersprüche dadurch zu erkiären, dass Philipp für seine Religion
zwischen seinem Hei'zeusbedürfnisse und der Staatsräson schied; diese
lehrte ihn, das Christentum durchaus aus dem Spiele zu lassen in allen
Fragen, die den Staat angingen. Wenn Philipp so sehr die Staatsräson
walten Hess, wie soll man da glauben können, dass er an Ostern eine
Kirche besucht und die Augen aller Welt auf seine religiöse Stellung
gelenkt habe, während er doch sonst sorgfältig alles that, dieselbe nicht
hervortreten zu lassen? Der Verfasser mutet dem Glauben seiner Leser
hier etwas zu viel zu. Uebrigens ist die Frage höchst irrelevant; denn
dass Philipp als Soldat möglicherweise zum Christentum übertrat, kann
schwerlich mit allgemeinen Gründen bestritten werden; aber eine neue
oder erhebliche Thatsache wäre dies nicht, selbst wenn sie über allem
Zweifel erhaben wäre. Wenn er Christ war und seine Religion so völlig
verleugnete, dass er alle heidnischen Greuel — in den Augen des Christen
— mitmachte, so würde hieraus ebenfalls nur eines geschlossen werden
können, was wir aber auch anderswoher schon zur Genüge kenneu, näm-
lich dass damals das Heidentum noch recht fest in seinem Besitze stand
und das Christentum auf das öffentliche Leben noch keinen EiuHuss übte.
Wenn der Verfasser hier beständig auf das Beispiel Constanlin's recur-
rirt, so heisst dies doch nur an Stelle von x ein y setzen; die eigent-
lichen Thatsachen, mit denen er argumentirt, sind doch von sicherer
Kenntnis noch recht weit entfernt.
Der in Frankreich zwischen dem Abbe de Mcissas und seinen
Gegnern entbrannte Streit ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Vgl,
Jahresb. 1880 Abt. HI S. .515 ff. Die an letzterer Stolle erwnlniton Schriften
374 Römische Geschichte und Chronologie
sind jetzt in besonderer Ausgabe erschienen. Die Polemik wird fortge-
setzt in folgender Schrift:
L'abbe de Meissas, Observations sur un receut memoire de
M. L'abbe Arbellot. Paris und Limoyes 1881.
Die Polemik richtet sich gegen den Abb6 Arbellot, der schwerlich
die Ehre einer besonderen Widerlegung verdiente. Derselbe hatte die
Stelle Gregor. Tur. 1, 28, welche unter das Consulat von Decius und
Gratus die Ordination von sieben Bischöfen setzt, zu widerlegen versucht
und die Identität des h. Dionysius mit Dionysius Areopagita von neuem
behauptet. Die Widerlegung ist völlig gelungen, aber sie hat in Deutsch-
land nur geringes Interesse, da sie wissenschaftlich neue Resultate nicht
bietet. Für Frankreich liegt ihr Wert mehr in dem Kampfe eines ge-
bildeten und aufgeklärten Geistlichen gegen den Obscurantismus der Je-
suiten und ihres Anhangs.
VIII. Die Zeit der Regeneration.
Heinrich Düntzer, Die Römerbrücke zwischen Köln und Deutz.
Picks Monatsschrift f. d. Geschichte Westdeutschi. 7, 358 — 379.
Der* Aufsatz polemisirt hauptsächlich gegen die Ansichten des Ober-
sten Wolf über das Deutzer Castrum und die Röraerbrücke bei Deutz
(Bonn. Jahrb. 68, 13-47 und Westd. Z. f. Gesch und Kunst 1, 49-59)
und hält an der Nachricht des Eumenius fest, dass erst Constantiu Köln
und Deutz durch eine Brücke verbunden hat.
0. A. Ellissen, Der Senat im ostromischen Reiche. Göttingen
1881.
Der Verfasser will die herkömmlichen Vorstellungen über die Be-
deutungslosigkeit des Senats in Constantinopel widerlegen. Zu diesem
Zweck legt er zunächst die Bedeutung desselben unter dem Principate
dar. Es scheint, dass der Verfasser Mommsen's Staatsrecht, dessen Re-
sultate sich allerdings bisweilen übereinstimmend bei ihm finden, nicht
benützt hat; wenigstens hat er es kein einziges Mal erwähnt — zum
ersten Male ist dasselbe S. 45 citirt — ; wenn er es in Händen gehabt
hat, hat er jedenfalls nicht daraus gelernt, was er lernen hätte können;
so wird z. B. das Ausstossungsrecht des Kaisers in seiner Eigenschaft
als Censor mindestens in dieser Allgemeinheit als falsch bezeichnet wer-
den müssen; auch spricht er wiederholt von einem concilium principis,
das doch eigentlich consilium heisst; der unter Hadrian von dem Ver-
fasser dem »concilium« gleichgestellte Name »consistorium principis« fin-
det sich, wie Mommsen ebenfalls gezeigt hat, erst in nachdiokletianischer
Zeit. Auch die historischen Kenntnisse des Verfassers sind nicht ganz
zweifellos, da S. 7 zu lesen steht: »Zunehmen musste das Ansehen der
Die Zeit der Regeneration. 375
Versammlung durch Acte wie derjenige der Decier, die das Censorenarat
wieder aus dem Kreise der kaiserlichen Machtbefugnisse ausschieden und
seine Besetzung der freien Wahl des Senates übertrugen«. Hätte der
Verfasser die von ihm citirte Stelle der bist. Aug. genauer geprüft, so
hätte er aus einem Projecte keine bleibende Einrichtung gemacht; auch
war dieses neue Amt, dass Valerian übernehmen sollte, etwas anderes
als die alte Ceusur.
Der neue Senat zu Constantinopel setzte sich zusammen aus den
Mitgliedern der Curie und Mitgliedern des Reichsseuats in Rom. Der
Verfasser vermutet, unter den letzteren seien Christen gewesen, die sich
gerne den Anfeindungen der heidnisch gesinnten römischen Körperschaft
durch Uebersiedehuig nach Constantinopel entzogen. Anfangs war damit
eine Degradation verbunden; denn beide Senate waren nicht gleich im
Range; aber schon unter Constantin's Nachfolgern wurde diese Parität
hergestellt. Dass der constantinische Senat aus Fiuanzrücksichten ent-
standen sein soll, ist undenkbar und ein Widerspruch gegen die vorher
entwickelte Annahme seiner Entstehung aus dem Gemeinderat von By-
zanz; eher darf man die andere von dem Verfasser vorgebrachte Ver-
mutung gelten lassen, dass die Kaiser nach einer aristokratischen Staf-
fage verlangten; denn gegen jene erstere Hypothese sprechen nament-
lich die zahheichen Befreiungen oder Erleichterungen von den persön-
lichen Lasten der Senatoren. Wie leicht sich der Verfasser seine Auf-
gabe gemacht hat, zeigt die Art, wie er die Novelle Justinian's de or-
dine senatus (80 Zachariae v. Lingenth.) behandelt. Nachdem er die
deutsche Uebersetzung in extenso abgedruckt hat, kommt das Resume:
Viel mehr als schöne Redensart war doch das Alles nicht, und einige
Trivialitäten über Justinian, Tlieodora etc. Und doch wäre aus dieser
Novelle, teils aus dem was sie sagt und noch mehr aus dem, was sie
nicht sagt, für die Geschichte dieses Kaisers gar viel zu lernen gewesen.
Ob der Leser von den paar Bemerkungen über Zusammensetzung des
Senates und die Anzahl seiner Mitglieder und seinen »offiziellen Toten-
schein« besonders gefördert werden wird, kann schwei'lich fraglich sein;
auch hat es sich der Verfasser mit der Erklärung der Stellen, wo bei
Const. Porphyrog. von ndycaTpoc, nazptxiot und auyx^zcxug u. ä. die
Rede ist, gar zu bequem gemacht, wenn er meint: »ein vollkommener
Widerspruch, wie er in diesen und vielen ähnlichen Arten der Aufzählung
erhalten ist, bleibt gleich gehcimnissvoll für Kluge wie für Thoren; hätte
der Verfasser die Untersuchung Hofmann's über den römischen Senat
gelesen, sich weiter mit der Entwickelung des kaiserlichen Senates und
der Notitia bekannt gemacht, so würde er hier vielloicht den Schlüssel
gefunden haben, der ihm das Thor der Weisheit gcütlnct hätte. Seine
Erklärung des auyx^rcxdg ist, wie sie dasteht, lediglich eine Behauptung
ohne Beweis; danach soll das Wort bald ein Mitglied des Senatoren-
Standes, bald des Senates bezeichnen. Im Zusanunenhang hiermit wird
376 Römische Geschichte und Chronologie.
der Senat mit dem russischen Adel in Parallele gestellt, der aus einem
Erbadel und einem Amtsadel besteht; im Allgemeinen rekrutirte sich
der letztere aus ersterem. »Auf die Art musste die Mitgliederzahl der
aöyxhiToq natürlich in's Unendliche wachsen« — man sieht den Zusam-
menhang hier nicht recht ein. Wenn der Verfasser dann Gewicht darauf
legt, dass man öfter lese, wie die Regierung mit Auserwählten des Se-
nats verhandelt habe, so ergiebt sich daraus doch noch nicht die grosse
Zahl; er durfte nur an Augustus und den Princii^at denken; in diesem
Falle hätte auch der 8. 30 besprochene Staatsrat wenig Auffallendes ge-
habt. Die ganze Erörterung hat die Klarheit über den fraglichen Ge-
genstand nicht erheblich gefördert. Im dritten Capitel wird der Einfluss
des Senates auf den Thronwechsel besprochen , und hier finden sich in
der Einleitung über die Verhältnisse unter dem Principat wieder allerlei
merkwürdige Behauptungen. So heisst es S. 35 »Schliesslich kommt es
dahin, dass der Kaiser statt eines gleich mehrere derartige Gehülfen
— es sind Mitregenten gemeint — erwählt, und so ist gegen Ende des
dritten Jahrhunderts das römische Reich mehr eine Oligarchie als eine
Monarchie im strengen Sinne«. Man kann dem Verfasser nur empfehlen,
den betreffenden Abschnitt in Mommsen's Staatsrecht über Mitregent-
schaft und Sammtherrschaft zu lesen. Aus der byzantinischen Zeit wer-
den eine Reihe von Nachrichten zusammengestellt, welche über eine Be-
teiligung des Senats an der Thronbesetzung sprechen. Darüber hinaus
ist der Verfasser aber nicht gegangen; er versucht weder über die Art
noch über das Recht dieser Beteiligung zu allgemeinen Grundsätzen zu
gelangen; in ähnlicher Weise wird im vierten Capitel die Teilnahme des
Senats an der auswärtigen Politik, im fünften die Gerichtbarkeit be-
sprochen. Sein Einfluss auf geistliche Angelegenheiten, welcher in Cap. 6
dargestellt wird, schwand im Laufe der Zeit mehr und mehr vor der
wachsenden Macht des Patriarchen ; Cap. 7 endlich handelt von den Ver-
sammlungsplätzen des Senats.
Ich kann nach dieser Darlegung nicht glauben, dass die Aufgabe,
•welche sich der Verfasser gestellt hat, gelöst sei; er hätte nicht so ab-
schätzig über die Vorgänger urteilen sollen; denn ich fürchte, wenn Je-
mand sich einmal gründlich an diese Frage macht, so wird er mit besse-
rem Rechte auch über seine Arbeit ein ähnliches Votum abgeben.
Augustin Mar rast, La vie byzantine au VP siecle. Preface
et Commentaires par Adrien Plante. Paris 1881.
Der Verfasser dieses Buches hat sich durch seine Esquisses byzan-
tines in Frankreich einen Namen gemacht; nach seinem frühen Tode
giebt ein Freund seine hinterlasseuen Schriften heraus.
Den Kern derselben bildet la vie byzantine au VI« siöcle« ange^
fügt sind drei kleinere Aufsätze: l'Alexandrie des Ptolemees, une apotheose
(die Opferung des Autinous in Aegypteu) und Bagdad sous les Khalifes,
Nur über das erstere soll hier kurz berichtet werden.
Die Zeit der Regeneration. 377
Das Werk hat folgende Abschnitte: le Cesar Pape, les anciens
dieux, Theodora, amour et theologie, Mania; Verts et Bleus, la revolu-
tion. Der Verfasser will eine Episode aus der Regierung Justinian's
schildern und knüpft an einen kleinen Roman die Schilderungen des
byzantinischen Lebens an. Die Erfindung und Durchführung des erste-
ren ist gleichgiltig; der Verfasser kennt seine Zeit sehr genau und ver-
steht es auch fesselnd zu erzählen, lieber Kleinigkeiten wird man mit
ihm nicht rechten; ein streng gelehrtes Werk sollte sein Buch nicht
sein. Ganz vortrefflich sind namentlich seine Schilderungen der kirch-
lichen Verhältnisse.
Den Commentar hat Plante geliefert; vermutlich hätte der Ver-
fasser selbst manches anders, richtiger und passender gegeben; wenn
man indessen bedenkt, dass ein der Arbeit immerhin Fernstehender sich
mit grosser Mühe in den entlegenen Stoff hineinarbeiten musste, so wird
man der Leistung des Herausgebers die Anerkennung nicht versagen
dürfen.
Lorenzo Alticozzi, Storia delle antiche persecuzioni ne' primi
secoli della chiesa. Roma 18V9.
Es ist ein naiver Gedanke, ein historisches Werk eines vor mehr
als 100 Jahren verstorbenen Schriftstellers heute zuerst zu veröffentlichen,
ohne dass die Welt in dieser Zeit stillgestanden ist. Man könnte in
Verlegenheit sein, wenn man den Beweggrund dazu erraten sollte; glück-
licherweise haben die Väter der Gesellschaft Jesu uns letzteren nicht vor-
enthalten. Der Verfasser hat seiner Zeit eine Reihe von im Jesuiten-
orden angesehenen, ausserhalb desselben wohl schwerlich bekannten
Schriften veröffentlicht; dies bürgt für seine Gelehrsamkeit. Aber mehr
als diese war die Tendenz der Schrift massgebend. Alticozzi wütet gleich
in der Einleitung gegen die Verfolger der Kirche seiner Zeit in den ge-
läufigen, oft etwas derben Redensarten, wie sie der ecclesia militans zu
allen Zeiten zur Verfügung stehen. Ob die klugen Väter nicht auch die
Kehrseite sich betrachtet haben? Sie dachten, die Schrift sei ein sprechen-
des Zeugnis für die jetzige Verfolgungssucht gegen die Kirche, die des
oft gefährlichen Conimcntars nicht bedürfe; könnte ein harmloser Leser
nicht auch auf den Gedanken kommen, dass die heute geläufigen Tira-
den sehr geringwertig sein müssen, da sie, ohne dass die Welt indessen
sichtbar schlechter geworden wäre, schon vor 100 Jahren verkündet wor-
den sind?
Wissenschaftlichen Wert hat die Schrift nicht ; der Verfasser schreibt
natürlich die Tradition mit ihrem Sinn und Unsinn ohne Urteil aus, und
für das Publikum, auf das er rechnet, wird ja diese Art zu arbeiten
wohl die richtige sein. Dass dabei eine Menge von Unkenntnis histori-
scher Thatsachen mit unterläuft, wird den nicht wundern, der die histo-
rische Schriftstellerei der klugen Väter kennt. Frcilicii hätte gleich auf
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVUI. (iS8i. MI.) 25
378 Römische Geschichte und Chronologie.
der ersten Seite das Datum von Nero's Geburt nicht falsch angegeben
zu werden brauchen, denn diese wird in der Regel selbst von solchen
gelesen, welche das Buch sonst nicht weiter betrachten.
Im Athenaeuin u. 2777 geben P. E. Warren und John E. Price
einige Notizen über das Vorkommen des Labarura in England, die un-
sere Kenntnis von diesem Gegenstande nicht weiter fördern.
Le Pere Ragey, La persecution de Julien l'Ai)0stat. Paris 1880.
lieber die Tendenz der Schrift klärt die Vorrede vollständig auf.
Nach einem Citat aus Cypr. de unit. eccles- heisst es: »tous les vrais
catholiques devraient mediter ces paroles du saint eveque de Carthage;
elles peignent au vif la persecution qui desole en ce moraent l'J^glise
de France«. S. 15 ist sogar die Rede de cette reedition de la perse-
cution de Julien l'Apostat au XIX« siecle. Alles wie bei uns vor 10 Jahren.
Die Schrift hat danach lediglich culturhistorisches, kein historisches In-
teresse.
Die Kenntnisse des Verfassers kann man aus vielen Stellen, be-
sonders charakteristisch aus folgendem Citate beurteilen, das hier genau
wiedergegeben wird: S. 47 Toug Haoo^ lh(fp\xa xa\ (fdw xal aeßS) xal
ä^ofjLac. Es wäre unverantwortlich über das Machwerk noch ein Wort
weiter zu sagen.
Michael Petschenig, Zur Kritik und Würdigung der Passio
Sanctorura quatuor coronatorum. Wien 1881. Besonderer Abdruck
aus dem Jahrgang 1881 der Sitzungsberichte der phil.-histor. Klasse
der kais. Akad. d. Wiss. (XCVII. Bd. 3. Heft S. 761).
Der Verfasser prüft die Passio, da er von der Ansicht ausgeht,
dass dieselbe nicht aus dem Griechischen übersetzt ist, auf ihr Latein,
indem er den Bernensis No. 48 aus dem zehnten Jahrhundert zu Grunde
legt. Seine Resultate sind folgende. Die Abfassung des uns gegen-
wärtig vorliegenden Textes der Passio ist mindestens in das sechste, mit
mehr Wahrscheinlichkeit in das fünfte Jahrhundert zu setzen. Sie ist
keine Fälschung des Mittelalters, sondern ihr Verfasser, wenn er nicht
ein Zeitgenosse der von ihm dargestellten Begebenheiten war, stand ihnen
nahe genug, um nach mündlicher Ueberlieferuug oder nach schriftlichen
Aufzeichnungen die Kunde von lokalen Zuständen und Lebensverhält-
nissen in einer römischen Provinz zu Anfang des vierten Jahrhunderts
zu überliefern, deren Thatsächlichkeit aus dem trüben Strome legenden-
hafter Darstellung deutlich genug hervorleuchtet.
Berichtigung. . 379
Berichtigung.
Bei der Anfertigung des Registers zu dem ersten Baude meiner
Geschichte der römischen Kaiserzeit sind mir folgende Druckfehler und
Versehen aufgestossen:
S. 55 Z. 14 V. u. lies: »vom Panaro« ; S. 113 Z. 11 v. 0. lies: »ge-
fallen. Die letzten«; S. 150 Z. 1 v. 0. lies: »nach seinem Tode 746/8 vor
Chr.«; S. 159 Z. 3 v. u. lies: »728/26«; S. 181 Z. 5 v. 0. lies: »Staat«;
S. 227 Z. 14 V. 0. lies: »längerem und wechselvollem«; S. 246 Z. 21 v. 0.
lies: »testamentarisch freigelassen werden«; S. 305 Z. 19 v. 0. streiche
»römischen«; S. 363 Z. 10 v. 0. lies: »Ser. Sulpicius«; S. 370 Z. 2 v. u.
lies: »war angeblich ohne Befehl«; S. 371 Z. 25 v. 0. lies: »die er in
Spanien ausgehoben hatte«; S. 371 Z. 27 v. 0. lies: »nach Pannonien ge-
schickt worden«.
Giessen, 7. Januar 1883. H. Schiller.
25'
Jahresbericht über die Geographie der nörd-
lichen Provinzen des römischen Reiches.
Von
Direktor I). Detlef seil
in ülückstadt.
D a c i e D.
1) Dada iuainte de Romani de Gr. G. Tocilescu. Partea I.
Geographi'a antica a Daciei. Partea IL Etbnographi'a Daciei. Biicu-
resci 1880. 594 S. 8. mit 4 Karten und zahlreichen Lithographien.
Da mir die rumänische Sprache fremd ist, kann ich über das Bucli
nur sagen, dass es mit ungemeinem und, wie es scheint, bisweilen in
ziemlich weit entlegene Gebiete führendem Fleisse gearbeitet ist. Im
geographischen, wie im ethnographischen Teile werden nicht nur die
klassischen Schriftsteller im Originaltext citiert, sondern auch die ganze
Fülle neuester philologischer Untersuchung, die ihnen zuteil geworden
ist, ausgezogen. Aus der Ptolemäushandschrift vom Athos und aus der
Peutinger'schen Tafel werden die Dacien betreffenden Kartenstücke im
Facsimile wiedergegeben. Der ethnographische Teil behandelt die prä-
historischen und historischen Funde, Waffen, Gefässe, Bronzen, Münzen,
Inschriften und Denkmäler aller Art.
Dalmatien,
2) H. Cons, La province romaine de Dalmatie. Paris 1881.
414 S. 8.
Der Verfasser, welcher in der Vorrede eine fünf Seiten lange Liste
von neueren Schriften über Dalmatien anführt, die ihm vorgelegen haben,
will eine vollständige Geschichte und Geographie Dalmatiens von den
ältesten Zeiten bis zu Theodosius herab geben. Vorausgeschickt wird
in B. 1 (S. 1 — 36) ein allgemeiner Ueberblick über die Natur des Lan-
des, zum Teil nach eigener Anschauung; es folgt in B. 2 (S. 37 — 47)
eine Besprechung der Frage nach der Stammesverwandtschaft der ersten
Einwohner, sodann in B. 3 (S. 48-71) eine ausführliche Geschichte des
Dalmatien. , 331
Landes bis zum Zusammenstoss mit den Römern, sowie in B. 4 (S. 72
— 149 ) die Geschichte der römischen Eroberung und in B. 5 (S. 150
— 183) die der römischen Herrschaft von 30 vor Chr. bis 70 nach Chr.
Darauf folgt in B. 6 (S. 184—259) die politische Geographie der
römischen Provinz Dalmatien. Nach Bestimmung der Grenzen und vor-
läufiger Angabe der drei conventus iuridici, in welche sie zerfiel, be-
ginnt die Beschreibung vom Norden her mit Tarsatica, Senia u. s. w.
Der Verfasser hat hier nicht nur das Material aus den alten Schrift-
stellern recht vollständig gesammelt, sondern auch die Inschriften in
vollem Umfange herangezogen, und ausserdem giebt er noch aus den
verschiedenen neueren Werken die Beschreibung der erhaltenen Ruinen
und Denkmäler. Jedoch scheint er in der Kritik nicht immer strenge
zu verfahren. Eine Untersuchung über die Quellen, denen Plinius und
andere Geographen ihre Notizen über das Land entnommen haben, wie
über die Zeit, der sie angehören, ist gar nicht angestellt.
Im einzelnen meint er S. 187 f., Senia sei vielleicht schon bei
Skylax genannt, was doch nach Müller in den Geogr. gr. I. zu c 21 höchst
unsicher ist; auch bezieht er auf diese Stadt wieder die bei Tac. h.
4, 45 genannte colonia Seniensis, ohne Zweifel Siena in Etrurien, wäh-
rend doch Plin. n. h- 3, 140 jene Stadt ein oppidum und nicht eine co-
lonia nennt. Ebenfalls auf einer höchst unsicheren Konjektur beruht
die Ansicht (S. 190), die Einwohner von lader seien bei Scyl. c. 22 ge-
nannt, wo der Text ' hpaa-diivai bietet. Richtig wird es dagegen sein,
wenn er (S. 195) Ortoplinia bei Plin. 3, 140, "Op-onla bei Ptol. 2, 16, 2,
Ospela beim Ravenu. 4, 22 = 5, 14 in dem jetzigen Ortpia bei Starigrad
gegenüber der Insel Arba ansetzt, w'o sich nach H. Noe, Dalmatien
5. 277, noch heute alte Ruinen finden. Ein Verseheu dagegen scheint
er wieder zu begehen, wenn er die in der Ephem. epigr. IV n. 3GG mit-
geteilte, neuerdings gefundene Inschrift hierher bezieht; Mommsen wenig-
stens setzt sie nach dem weit südlicher gelegenen Starigrad bei Obro-
vazzo, das er mit dem alten Clambetae identificiert. Den Namen des
Flusses Telaviura schreibt er stets Tedanius nach den Handschriften bei
Plin. 3, 140, während bereits W. Tomaschek in der Zeitschrift für die
österr. Gymn. 1867 S. 701 jene Form als die richtige nachgewiesen hat,
die auch Mommsen im C. I. L. III S. 387 und Kiepert in der beige-
gebenen Karte anerkannt haben. In ähnlicher Weise mag sich noch
mancher kleinere oder gröbere Irrtum nachweisen lassen; im ganzen ist
jedoch dieser Teil des Buches fieissig und dankenswert gearbeitet.
Die folgenden beiden Kapitel (S. 260 — 322) führen die Geschichte
der Provinz bis zu Theodosius weiter, das Schlusskapitel (S. 323—363)
giebt noch eine Uebersicht des administrativen, nuinicipalen und ökono-
mischen Lebens Dalmatiens unter den Römern. Kaum berührt wird hier
(S. 323) die Einteilung zahlreicher Gemeinden des eigentlichen Dalma-
382 Geograjihie der römischon Nurdin-ovinzen.
ticus sowohl im Konvente von Salona wie in dem von Narona in Decu-
rien (s. Plin. 3, 142 f.), von welcher Einrichtung in dem, Japydien und
Liburnien umfassenden Konvent von Scardona keine Spur vorkommt.
Damit zusammen zu stellen sind wohl die auf Inschriften vorkommenden
Würden eines Delmata princeps oder princcps Delmatarum und eines
princeps municipii Riditarum (C. I. L. III, 1321, 2770, 2774), zu denen
der Verfasser (S. 336) noch aus den I. N. 4987 einen princeps adsignatus
ex municipio Splono, praef. civitatis Maeze(iorum, praef.) civitatis Daesit
(iatum) fügt.
N 0 r i c u m.
3) Eines alten Soldaten (S. P. N.) Römerstudien nach der Natur.
I (1881) Teurnia. Wien 1882. 113 S. kl. 8.
Eine mit behaglicher Breite in's Kleinste gehende Aufzählung und
Schilderung der vom römischen Teurnia, jetzt S. Peter am Holz, noch
vorhandenen Reste, sowie ein ausführlicher Nachweis der römischen
Strassenzüge auf einige Meilen abwärts und aufwärts im Donauthal und
Möllthal. Für denjenigen, der an Ort und Stelle die Reste studieren
will, scheint das Buch ein genauer Führer zu sein; wesentlich Neues
bietet es nicht.
Dasselbe ist über
Heft II. Die Strasse Teurnia -Juvavum von Teurnia bis zur Ver-
einigung mit der Strasse Virunum-Juvavum. Wien 1882. 120 S. kl. 8.
zu sagen.
Norditalien.
4) C. F. Unger, Der Eridanos in Venetien. (In den Abhandlun-
gen der königl. bayer. Akad. der Wissensch. Philos.-philol. und histor.
Klasse 1878. B. II, 2, 261—304).
Der Verfasser dieser interessanten und inhaltsreichen Untersuchung
weist zunächst nach, dass die Identifizierung des Eridauus und Padus in
der griechischen Prosa erst unter den römischen Kaisern begonnen hat
und wohl beeinflusst ist durch die alexandrinischen Dichter, bei denen
wir dieselbe zuerst im ApoUonius von Rhodus Argon. 4, 596; 610; 623;
628 finden. Nicht für den Po selbst, sondern für einen Nebenfluss des-
selben hielten ihn die älteren Geographen und Historiker, ausgenommen
Theopomp. So sagt noch Strabo 5, 1, 9, dass der Eridanus in Wirk-
lichkeit nicht vorhanden sei, man ihn aber nh^atov zoü IJdSou angesetzt
habe. Die älteste genaue Angabe über ihn findet sich im Periplus des
sogenannten Skylax c. 19, dessen Abfassung Unger in das Jahr 347 vor
Chr. setzt. Diese Stelle behandelt er in ihrem ganzen Zusammenhange
und ermittelt unter genauer Berücksichtigung sonstiger Angaben, indem
Xoricum. Norditalien. 333
er zunächst c. 17 mit C. Müller 7t6^:s iv aurf^ ^EX^rjvig l^nTva xai rroza/xog
schreibt, dass bis dahin damals das etrnskische Gebiet reichte. Darauf
folgten an der Küste nordwärts die Gallier bis a,ü die Grenze Venetiens.
Ihnen gehörte die ursprünglich etruskische Stadt Atria am nördlichsten
Arm des Po, dem Tartarus. Der grösste Teil der gallischen Küste war
im Besitz dieser Stadt (Plin. 3, 119 f.). Hierher setzte Skylax den /^y/t/c
Tou 'Adpcou, der von Polybius, Strabo u. a. vielmehr nach Triest verlegt
wird. Dann folgten die Veneter, deren erste Stadt Patavium war, deren
Gebiet mindestens bis zum Hafen Edro oder Medoacus reichte. Die Aus-
dehnung der gallischen Küste giebt Skylax wider Gewohnheit nicht ge-
nau an, er nennt sie nur schmal; statt dessen wird c. 19 die Entfernung
von Spina bis zu den Venetern auf die Vorbeifahrt eines Tages bestimmt.
Die bisher vielfach behandelte Stelle wird gelesen: iw"0i9cv dk r.apd-
TT^oug iarlv er:' z^jd-ttag (statt irr' auzr^Q) dvio J^mW^g zoÄSujg rjiipag fxtag,
und nach c. 100 in etwas gewagter Weise erklärt: »in einer gewissen
Entfernung von hier, in gerader Linie, beträgt die Küstenfahrt von Spina
an nur einen Tag«. 'EvTZui^ev soll heissen, dass die Fahrt nicht den
Windungen der zurücktretenden Küste folge, sondern in einiger Entfer-
nung von ihr vorübergehe ('?). Mag dem sein, wie ihm will, der Nach-
weis scheint gelungen, dass Venetien nach Skylax südlich nur bis zur
Etsch, nicht darüber hinaus gereicht hat. Und auch später scheint die
Grenze nicht verändert zu sein, da die Veneter früh mit den Eömern
befreundet waren.
Steht dies fest, so folgt daraus, dass der Eridanus, wenn er von
zahlreichen Schriftstellern ein Fluss der Veneter genannt wird (Mart.
4, 25. Propert. 1, 12, 4, nach Polyb. 2, 17, 5 auch von den Tragikern;
vgl. 2, 16, 13 f.), nördlich von der Etsch zu suchen ist. Da zieht nun der
Verfasser eine von den Neueren meist übersehene Stelle aus Aelian.
h. an. 14, 8 herbei, die bei der Stadt Btyrjzta, d. i. Vicetia, jetzt Vi-
cenza, zweimal einen Fluss lIptTsvög nennt, der dann in den Uptoavüg
falle, unter welch letzterem natürlich der Po gemeint ist. Der erstge-
nannte kann dann nur der jetzige ßacchiglione sein, der auf der tab.
Peut. Meduacus minor heisst und mit der nördlichen Pomündung zu-
zammenfliesst (Plin. 3, 121). Ebenso nennt um 570 nach Chr. der Ve-
neter Venantius Fortunatus vita S. Martini 4, 677 nach einander die
Brinta, den Reteuo, den Athesis und Padus. Endlich der Geogr. Rav.
4, 36 S. 290 nennt in der Provinz Venetia den Fluss Retron quod Re-
denovo dicebatur, Astago (was die Etsch bedeuten rauss) u. a. Der Ver-
fasser findet hier überall denselben Namen, und bis auf den heutigen
Tag heisst offenbar dasselbe Flüsschen Retrone, das bei Vicenza von
Südwest kommend, nachdem es die Nordabhänge der Monti Berici um-
flossen hat, in den Bacchiglione fällt und diesen schiffbar macht. Der
Grund, weshalb viele den Medoacus minor vielmehr nach seinem Zufluss
384 Geographie der römischen Nordprovinzen.
Reteno nannten, lag ohne Zweifel darin, dass man ihn so besser von dem
nahen Medoacus maior unterscheiden konnte.
Danach ist anzunehmen, dass dieser Fluss von den Griechen zum
HptoavÖQ umgetauft ist, welcher Name ihnen als der eines Baches in der
Nähe von Athen bekannt war, und dass er erst allmählich in der Sage
auf den grossen benachbarten Po übertragen wurde.
Weiter bezieht der Verfasser dann eine Glosse des Hesych. Jhßirj-
xoQ o llptoavoq otio uTiv 'Evzzaiv, deren dritter Buchstabe bei Berück-
sichtigung der alphabetischen Reihenfolge der Glossen verdorben ist,
und die er daher in Jkosr^xog ändert {Bsosyxag, was Vossius schrieb, ist
nicht möglich, da nach Plin. 3, 122, vgl. mit Polyb. 2, 16, 12 es die Li-
gurer am oberen Lauf des Padus, nicht die seitwärts von seinem unte-
ren Lauf sitzenden Veneter waren, die den Padus Bodincus nannten),
auf jenen 'Bpsrevog und sieht darin eine andere Namensform von Me-
doacus.
Plinius 3, 120 sagt zwar, die südliche Pomündung bei Spina habe
früher Eridanus geheissen, der Verfasser zeigt aber, dass dies eine leere
Konjektur ist, wie denn Apollonius von Rhodus Argon. 4, 596 offenbar
gerade die nördlichste Pomündung so benennt. Ebenso unlautere Nach-
richten linden sich bei Pseudo-Aristot. Tiöp} Moima. «x. 28 und Steph.
Byz. p. 300, 3. Diese Angaben, wie die des Apollonius, möchte der Ver-
fasser nach Skymnos 370 auf Theopomp zurückführen.
Nach Plin. 37, 32 soll Aischylos den Eridanus nach Hiberien ver-
legt und mit dem Rhodanus gleichgestellt haben, und nach dem Schol.
zu Dionys. perieg. 289 sagte Philostephanus, der Eridanus sei zu seiner
Zeit von den Eingebornen Rhodanus genannt. Der Verfasser hält es
für möglich, dass diese Gleichstellung auf die oben angeführte Naraens-
form Reteno zurückgehe, wie denn all diese Namen vielleicht unter ein-
ander stammverwandt sind. Auch Euripides sagt nach Plin. 37, 32 »in
Hadriatico litore confluere Rhodanum et Padum«, wo doch nichts an-
deres verstanden werden kann als der thatsächliche Zusammenfluss des
Reteno oder Medoacus mit dem Po. Danach hat Apoll. Rhod. Argon.
4, 627 den wirklichen Rhodanus mit dem Eridanus zusammenfliessen
lassen und sich eine Gabelung gedacht, wie beim Ister; er lässt die
Argonauten vom Po durch die Rhone in's sardoische Meer fahren.
Weiter wird die Frage behandelt, wie man mit dem Eridanus den
Ursprung des Bernsteins verbunden habe. Der Verfasser kommt zu dem
Resultat, dass wirklich einmal im innersten Winkel des adriatischen
Meeres Bernstein müsse gefunden sein. Gelungen ist in dieser Unter-
suchung der Nachweis gegen Müllenhoff, Deutsche Altert. 1, 220, dass
der Ansatz des mare Cronium im Norden Europa's nach Philemon bei
Plin. 4, 95; 104; Plut. de fac. in o. 1. 26 und anderen späteren nicht
der ursprüngliche sei, sondern dass früher bei Apoll. Rhod. 4, 327; 509;
Norditalien. 385
548, Schol. zu 4, 1; 327, Aesch. Prom. 836, Tzetzes ad Lycoph. 630,
Eustath. ad Dion. per. 32 das adriatische Meer so genannt sei. Ebenso
zeigt er, dass r] iiEydXT^ M)^a(yaa ursprünglich nicht den Ocean, wie bei
Skymnos im Schol. ad Apoll. Rhod. 4, 284, Polyb. 3, 37, 11, Cic. de rep.
3, 74, Plin. 3, 74 u. a., sondern die grossen offenen FLächen des Mittel-
meeres bezeichnete, wie bei Heracl. Pont, in Plut. Cam. 22, Hekat. in
Arr. exp. Alex. 2, 16, 5. Ebenso wurde in älteren Zeiten rj s^cu brilaaaa
gebraucht; s. Arist. meteor. 1, 13, Polyb. 3, 37; 57. 16, 29. 37, 10, Strab.
2, 5, 18 u. a. Auch bei Herod. 3, 115 müsse ly r.phq ßopr^v dvejiov Bd-
laaaa das adriatische Meer bezeichnen; denn zu seiner Zeit unterschied
man noch strenge von der HdXaaaa den Fluss 'i2xiavog.
5) Atti della R. Accademia dei Lincei, anno CCLXXVIII. Serie
terza. Memorie della classe di scienze morali, storiche e lilologiche.
Vol. VI. Roma 1881. 508 S. 4.
S. 168—174 giebt Fr. Gamurrini, anschliessend an neue Ausgra-
bungen bei Castiglione della Pescaja in der toscanischen Maremme, ge-
nauere topographische Bestimmungen der Stationen Ad lacum Aprilem,
Salebrona und Manliana an der via Aurelia, die auf der tab. Peut. und
im It. Ant. p. 292 erwähnt sind.
S. 230— 256 enthalten einen ausführlichen Bericht von Bertolini
über Ausgrabungen im alten Concordia-Sagittaria, jetzt Concordia, wel-
che die Wiederherstellung des alten Stadtplans ermöglichten. Derselbe
zeigt ein längliches Viereck, umgeben von Stadtmauern, welche au zwei
Ecken abgestumpft sind. Die eine Langscite läuft parallel neben dem
rechten Ufer des Flusses Lemene, von dem rechtwinklich ein Kanal ab-
geleitet war, der quer durch die Stadt und jenseits derselben in einen
anderen Kanal führte, der der anderen Langseite parallel lief.
6) J. Falchi, Kicerche di Vetulonia. Prato 1881. 27 S. 8.
7) J. Falchi, Gli avanzi di Vetulonia sul poggio di Colonna nolla
marcmma Grossetana. Grosseto 1882. 29 S. kl. 8.
Gegenüber den Annahmen des Herrn. Barbarus, der Vetulonia nach
Viterbo, und Inghirami's, der es in die Gegend von Campiglia am un-
teren Laufe des Flusses Cornia setzte, beweist der Verfasser aus mittel-
alterlichen Urkunden, dass jene alte Etruskerstadt vielmehr auf dem
Platz des jetzigen Colonna, landeinwärts von Castiglione della Pescaja,
10 Kilometer vom Meere entfernt, auf einem Hügel an der rechten Seite
des unteren Laufes des Flusses Bruna lag, der in den lacus Prile sich
ergiesst. Dort linden sich noch bedeutende Ucberreste alter Stadtmauern
und zahlreiche, wie es scheint, wuhlerhalteue etruskische Gräber. Auch
ist dort der Hauptfundort der etruskischen Münzen mit der Aufschrift
Vati, die man längst auf Vetulonia bezieht. Auch die von Plin. 2, 227
38fi Geographie di'r römisclion Nordprovinzen.
erwähnten heissen Quellen ad Vetulonios findet er in der Nähe von Co-
lonna wieder in den Quellen von Caldana und Ravi. Die Identifizierung
scheint demnach gelungen.
8) r. Bacco, Ccnni storici su Avigliana e Siisa. Vol. primo. Susa
1881. 100 S. 8.
Eine wüste Compilation voll Unwissenheit über das gallo -römische
Altertum, ohne allen Werth.
9) D. Berardi, Antiche citta, sabine, memorie storico-archeolo-
giche. Roma 1881. 39 S. kl. 8.
Eine Zusammenstellung der Ansichten der Gelehrten aus den letz-
ten vier Jahrhunderten über die Lage von Forum novum und Cures
ohne allen eigenen Werth. Der Verfasser ist ohne alle Kenntnis des
römischen Altertums und ohne strenge Kritik. Neues wird nicht geboten.
10) G. Mochi, Storia diCagli. Parte prima. Cagli 1878. 107 S. 8.
Eine zwar etwas breit, jedoch verständig und mit Kritik geschrie-
bene Geschichte der umbrischen Stadt bis zum Jahre 800 nach Chr.
Das alte Cales4ag auf der Höhe des Berges, an dessen Fusse das jetzige
Cagli liegt, dessen Neugründung in das Jahr 1289 fällt. Cales war nur
ein vicus (nach It. Ant. p. 123, 7), eine rautatio an der via Flaminia
(It. Hieros. p. 614, 6); zu welcher civitas es gehörte, hat der Verfasser
nicht festzustellen versucht. Ausser in den Itinerarien wird es im Alter-
tum nur noch bei Serv. ad Aen. 7, 728 erwähnt, sodann bei Hilarius
Pictaviensis fg. 7 zum Jahre 359. Dass der Ort einen alt -umbrischen
Namen trage, schliesst der Verfasser mit Recht daraus, dass er sich mit
den umbrischen Ortsnamen Nuceria und Acerra in Campanien wiederfindet.
Auch über die Strassenzüge der Gegend handelt er ausführlich,
indem er die via Flaminia von Helvillura bis Fanum Fortunae und die
im It. Ant. p. 316 angegebene Seitenstrasse über Ad pirura, in dessen
Nähe eine interessante alte Bronzegiesserei gefunden ist, nach Sena-
gallica verfolgt. Er bleibt mit Recht bei der von ihm schon früher
(s. Jahresber. 1880. Bd. 23, 107 und Sopra gli avanzi di antica cittä nel
territorio di Cagli e di Acqua lagua. Fossombrone 1876) begründeten
Ansicht, dass die Reste einer alten Stadt, zu denen man von Acqua-
lagna an der via Flaminia (etwa 8 m. p. von Cagli) aus gelangt, wenn
man 3 m. p. am Candigliano, einem linken Nebenfluss des Metaurus, auf-
wärts geht, die von Urbirjum Metaurense sind. Viel neues wird im
Uebrigen nicht geboten.
R ä t i 6 n.
11) Ephemeris epigraphica. Vol. IV. fasc. 3/4. 1881.
In den Observationes epigraphicae behandelt Th. Mommsen un-
ter n. XXIX von Neuem die Alpes Poeninae. Gegen seine Behauptung (im
Rätien. 387
C. I. L. III p. 707; s. Jahresber. 1874/75 Abth. III S. 238), das Gebiet
derselben sei von Augustus zu Rätien geschlagen, hat G. Zippel, Die
römische Herrschaft in Illyricum, 1877 S. 286, die Ansicht aufgestellt,
es gehöre zu Germania superior. Mommsen geht bei der Vertheidigung
seiner Ansicht davon aus, dass Ptolemäus an verschiedenen Stellen das
Adulagebirge die Grenze von Belgica, Narbonensis, Rätien und Italien
nennt. Daraus folge, dass damit die Bergreihe vom Genfer See am
rechten Ufer der Rhone aufwärts gemeint sei; denn nur hier stossen die
genannten Provinzen zusammen und von Rätien kein anderer Teil als
eben die dazu zu rechnende vallis Poeuina.
Sodann stellt Mommsen bei Ptol. 2, 12 zum Teil nach dem cod.
Vat. 191 die Namen und Reihenfolge der hier liegenden Städte als
Oucomaxog , 'EßuSoufwv , 'OxTodoupov, dpouadiiayog her. Die erste der-
selben ist jetzt Vevey, die dritte Martigny. In Betreff der zweiten meint
Mommsen, sie müsse ebenfalls in der Not. Dign. Oc. c 42, wo er zu-
nächst Z. 12 uud 13: In Gallia: in provincia Vieuueusi emendiert, Z. 15:
Praefectus classis barcariorum Ebruduui Sapaudiae gemeint sein und sei
nach Ptolemäus zwischen Vevey und Martigny am Ufer des Genfer Sees,
am wahrscheinlichsten bei Villeueuve am Einfluss der Rhone in densel-
ben zu suchen. Nach der Not. Dign. sei auch der Name bei Ptolemäus
herzustellen. Für die vierte von diesem genannte Stadt schlägt er das
jetzige Sitten vor. Aus der von Plin. 3, 136 angeführten Inschrift der
tropaea des Augustus gehe hervor, dass auch die Völkerschaften der
vallis Poenina zu seiner Zeit besiegt wurden. Mommsen hält es für wahr-
scheinlich , dass dies während des rätischen Krieges im Jahre 739 ge-
schehen sei, und bei dieser Gelegenheit möge die Stadt Drusomagus von
dem Feldherrn ihren Namen erhalten haben.
12) F. Haug, Arbon in römischer Zeit und die über Arbon füh-
renden Römerstrassen. (In den Vorträgen bei der zehnten und elften
Versammlung der Geschichtsforscher des Bodensees in Radolfzell und
Arbon. 1878 und 1879. S. 5-13).
Eine Zusammenstellung der wenigen Nachrichten über die Station
Arbor Felix, als deren ursprünglich helvetischer Name der zwar erst in
der Not. Dign. vorkommende Arbona angesehen wird. Sichere Reste
derselben sind bisher kaum gefunden. Uebcr die den Ort berührenden
Römerstrassen scheinen die tab. Peut. und das Itin. Anton nicht ver-
lässlich zu berichten. Der Verfasser stellt mit andern die Station ad
Renum der tab. Peut. zwischen Arbor Felix und Brigantio und setzt sie
nach Rheineck. In einem Nachtrag wird mitgeteilt, dass die im Bad
Sulzbrunn bei Kempten (Cambodunum) kürzlich zu Tage gekommenen
Stempel der leg. VIII Aug. und coh. III Vindel. (s. Mommsen in der
Ephem. epig. IV p. 178) aus Fi'aidd'urt dahin verschleppt sind.
388 Geographie der römisclien Nordprovinzon.
Germanien.
13) E. Herzog, Die Vermessung des römischen Greuzwalls in
seinem Lauf durch Württemberg. Stuttgart 1880. 47 S. 4. mit einer
Karte und einer Tutel Grundrisse. (Sonderabdruck aus den Württera-
bergischen Vierteljahrsheften für Landesgeschichte;.
Die Limes-Forschung hat durch obige Arbeit eine wesentliche Be-
reicherung erfahren. Auf Württembergischem Boden stossen die beiden,
in ihrer Ausführung verschiedenen Systeme des limes transdanubianus
und des 1. transrhenanus an einander. Der Verbindungspunkt beider
liegt bei dem Orte Pfahlbronn zwischen Alfdorf und Welzheim, ein wenig
nördlich von Lorch, auf dem Höhenzuge, welcher das Leiuthal vom Rems-
thal scheidet. Von dort aus zieht der 1. transrhenanus, nachdem er
eine kurze Strecke westwärts gerichtet war, in schnurgerader Richtung
nach Nordnordwest bis an den Main unterhalb Freudenberg. Er besteht
auf dieser Strecke aus einem Erdwall, der sich noch stellenweise bis zu
einer Höhe von 2,5 m erhalten hat, und einem unmittelbar davor entlang
laufenden Graben, dessen Spuren ebenfalls noch hier und da sichtbar
sind. Herzog giebt auf T. H Fig. 8 einen Durchschnitt des ursprüng-
lichen Baues, nach welchem der Wall an der Sohle eine Breite von
11 — 14 »i lind eine Höhe von 4,5 m, der Graben eine Breite von 4 — 4,5 m,
eine Tiefe von 3 m hatte, beide mit starker Böschung. Dass der Wall
ursprünglich mit Pallisadeu versehen war, wird aus dem bereits bei
Aramian 18, 2, 15 zum Jahre 359 vorkommenden Namen für denselben,
Palas, sowie aus den schon in Urkunden des achten Jahrhunderts er-
scheinenden Namen Phalbach, Phalheim u. a., die an ihm liegenden 0er-
tern zukommen, geschlossen. Höchst merkwürdig ist es, dass dieser Bau
in so grosser Ausdehnung seine schnurgerade Richtung beibehält, selbst
da, wo er auf tiefe Thaleinschnitte stösst, wie bei der Murr und beim
Einfall der Sali in die Kocher. Ein Terrainprofil auf der Limeslinie
ist an der Seite der Karte gegeben. In kurzen, wie es scheint, nicht
immer gleichmässigen, bisweilen nicht einmal 1000 römische Schritt
grossen Entfernungen finden sich unmittelbar hinter dem Wall Reste von
Warttürmen. Grössere befestigte Lager sind in Ueberresten erhalten
in Welzheim, Murrhardt, Mainhardt, Oehringen (.vicus Aurelius), Jagst-
hausen. Sie liegen auf geeigneten Höhen innerhalb des limes, 12 — 13 km,
also 8—9 m p. von einander entfernt. Von dem auf drei Seiten ziem-
lich gut erhaltenen Kastell bei Mainhardt, von dessen praetorium selbst
noch Spuren vorhanden sind, wird ein Grundriss auf Taf. II gegeben.
Südlich von Phalbronn sind noch auf eine kurze Strecke bis in
die Nähe von Lorch Spuren einer Fortsetzung des Liraeswalles gefun-
den, das Kloster Lorch selbst wird als wahrscheinlich auf den Funda-
menten eines Röraerkastells erbaut angesehen. Weiter südlich, von dort
Germanien. 389
bis zum Hohenstaufen, hat Herzog keine Spui'en des limes mehr gefun-
den; höchstens könnten einzelne Schanzen dort gelegen haben.
Ganz anderer Art ist der limes transdanübianus oder raeticus.
Er setzt bei Phalbronn an den germanischen an und wird gebildet durch
eine Hochstrasse, von der auf T. H, 10 ein Durchschnitt gegeben wird.
Ihre Breite beträgt 3 «?, sie besteht »aus roh zugerichteten Steinplatten
oder plattenähnlichen Quadern und aufrecht gestellten Brocken« , und
wo sie erhalten ist, steckt sie bisweilen nur einen halben Fuss tief im
Boden. Sie läuft zunächst von Phalbronn ostwärts längs der Nordseite
des Höhenzuges zwischen Lein und Rems in leicht geschwungener Linie
über Alfdorf und Iggingen bis nördlich von Mögglingen, von wo sie sich
nordöstlich in fast gerader Linie nach Hüttlingen, wo sie die Kocher
tiberschreitet, und Schwabsberg wendet. Hier setzt sie über die Jagst,
macht dann eine kurze Bucht nach Osten, wendet sich aber von Dal-
kingen wieder nordöstlich über Rohlingen und Phalheim nach Weiltin-
gen, wo sie die Wörnitz überschreitet, und von da in nordnordöstlicher
Richtung über Unter-Michelbach in Bayern eintritt. Spuren von Wart-
türmen sind auf dieser Strecke nur sehr spärlich erhalten. Innerhalb
dieser Linie ist als grösseres Kastell nur Aalen, das alte Aquileia, sicher
nachgewiesen. Wahrscheinlich führte von der Limesstrasse bei Mögglin-
gen eine Strasse über Aalen nach Bopfingen (Opie), welche auf der tab.
Peut. angegeben ist. Endlich wird noch eine Römerstrasse nachgewie-
sen, die von der obigen Hauptstrasse beim Brakwanger Hof nordwest-
lich von Mögglingen in westsüdwestlicher Richtung längs des südlichen
Abhanges der Höhen über dem Remsthal nach Lorch hin zieht. Sie ist
früher wohl als der eigentliche limes angesehen worden, indess erkennt
Herzog in ihr nur eine, ihrer mehrfach sehr schroffen Abfälle wegen
nicht zum Wagenverkehr, sondern nur für Fusstruppen benutzbare Strasse
innerhalb des limes. Das weitere System der sich auf der Innenseite
dem germanischen, wie dem rätischen limes anschliessenden Strassen-
züge ist von der Untersuchung ausgeschlossen.
Wenn auch die Ansicht, dass die Verschiedenheit in der Kon-
struktion der beiden Limesteile darauf zurückzuführen sei, dass der eine
von dem Legaten Oberpannonicns, der andere von dem Statthalter Kätieus
angelegt sei, au sich viel Wahrscheinlichkeit hat, und demnach auf der
Linie Phalbronn-Lorch die Grenze der beiden Provinzen anzusetzen wäre,
bot doch der Fund von Ziegeln der Icgio VIII Augusta, welche zur Zeit
der Limesanlage in Strassburg ihr Hauptquartier hatte (nach Ptol. 2,
9, 17), eine Schwierigkeit. Herzog denkt hier an eine Verschiebung der
Grenze zwischen Ration und Germanien und ist (S. 'M) der Ansicht, dass
die Anlage des rätischen limes erst dem Trojan zuzuschreibiMi sei. Doch
siehe über jene Funde oben unter n. 12.
390 Geographie der römischen Nordprovinzen.
14) G. Wolff, Das Römerkastell und das Mithras-Heiligthum von
Gross-Krotzenburg am Main nebst Beiträgen zur Lösung der P'rage
zur architektonischen Beschaffenheit der Mithras-Heiligthümer. loi S.
15) R. Suchier, Die römischen Münzen, Stempel, Inschriften und
Graffite von Gross-Krotzenburg und der Umgegend von Hanau. 36 S.
(Beide Schriften finden sich in der »Festschrift den verehrten Theil-
nehmern der vom 27. bis 80. August zu Kassel tagenden XXXI. Gene-
ralversammlung des Gesammtvcreins der Deutschen Gescliichts- und Alter-
thumsvereiue zur Begrüssung dargebracht vom Verein für hessische Ge-
schichte und Landeskunde. Kassel 1882).
Die zuerst genannte Schrift giebt eine genaue Beschreibung des
römischen Limeswails zwischen Main und Wetter, so dass sich weiter
nordwärts die von C. Rössel beschriebene römische Grenzwehr im Tau-
nus (s. Jahresber. 1876, VIII, 319) anschliesst. In einer Publikation des
hauauischeu Bezirkvereins für hessische Geschichte von 1873 (s. Jahres-
ber. 1874/75, IV, 243) hatte A. Duucker das damals ausgegrabene Römer-
kastell bei Rückingen nördlich neben der Kinzig beschrieben und die
ein wenig östlich von demselben vorhandenen Reste des limes kurz er-
wähnt. Die neue Publikation zeigt, dass dieser Teil des limes südwärts
in gerader Richtung sich bis Gross-Krotzenburg an den Main erstreckte,
wo ein Cohortenlager vorhanden war, ebenso wie in der Mitte zwischen
diesem Orte und dem Kastell von Rückingen in einem Abstände von je
etwa V* Meilen ein solches Kastell westlich vom Wall bei Neuwirthshaus
lag. Der limes schloss sich unmittelbar an die Nordostecke des Kastells
von Gross-Krotzenburg an. Hier war ohne Zweifel ein Uebergaugspunkt
über den Main, der dann aufwärts selbst die Grenze des Decumatlandes
bildete bis in die Nähe von Freudenberg, von wo sich der limes süd-
wärts weiter erstreckte.
Sodann folgt eine genaue Beschreibung der erhaltenen Reste des
Kastells von Gross-Krotzenburg selbst, das bei 178 m Länge und 123 7n
Breite für eine Besatzung von etwa 1000 Mann berechnet war. Inter-
essant ist auch der Fund eines Mithrasheiligtums und eines Altars des
Jupiter Dolichenus vom Ende des zweiten Jahrhunderts, sowie eines
Gräberfeldes vor dem Kastell.
Die von Suchier behandelten Ziegelstempel, die ziemlich zahlreich
sind, gehören der leg. XXII, der coh. III Vindelicorum und der coh. I
civ. Romanorum an. Aus den Müuzfunden der Gegend schliesst der-
selbe, dass die Blüthezeit der Römerherrschaft in die Zeiten des Trajan
und seiner nächsten Nachfolger fällt, dagegen unter Severus Alexander
oder allenfalls auch unter seinem Nachfolger Maximin das Kinziggebiet
geräumt sei.
Besonders beachtenswert ist es noch, dass beide Forscher zu dem
Resultate kommen, dass die früher und zum Teil noch bis in die Gegen-
Germanien. 391
wart herrschende Annahme von einer römischen Grenzwehr über den
Spessart durchaus unbegründet ist, da hier nur unzusammenhängende
mittelalterliche Wehren sich finden.
Beide Arbeiten zeigen viel Sorgfalt bis in's Kleinste. Interessant
sind auch die Vergleichungen mit der britannischen Wallanlage.
16) A. von Cohausen und L. Jacobi, Das Röraerkastell Saal-
burg. Auszug aus dem unter der Presse befindlichen grösseren Werk
derselben Verfasser. Homburg vor der Höhe. 1878- 30 S. gr. 8.
Eine ansprechend geschriebene, für einen grösseren Leserkreis be-
stimmte Darstellung der Lage und Geschichte des Kastells, Beschreibung
der anstossenden Teile des Phalgrabens, benachbarter alter Befestigun-
gen, der alten Römerstrassen der Gegend, sowie insbesondere eine aus-
führliche Beschreibung der Reste des Kastells selbst, sowie der anstossen-
den Gebäudeanlagen und der wichtigsten Inschriften uud sonstigen Fund-
gegenstände aus Römerzeiten. Die Verfasser wissen zudem das Vor-
handene sachkundig zu ergänzen, aus den Bruchstücken richtige Bilder
des ursprünglichen Ganzen herzustellen und überall den Blick zu erwei-
tern. Beigegeben sind ein Situationsplan und ein Grundriss des Kastells,
ein Wall- und Grabenprofil jetzt uud vormals, sowie eine restaurierte
Ansicht der porta decumana.
Der Name Saalburg wird vermuthungsweise abgeleitet von den in
alter Zeit wahrscheinlich Saala genannten Ueberresten einer, vielleicht
für den Kaiser Caracalla neben dem Kastell errichteten grossen Villa.
Sein Aufenthalt daselbst wird mindestens durch eine dort gefundene
Inschrift (S. 21) wahrscheinlich gemacht. Das Kastell scheint nach den
historischen Nachrichten und nach den Münzfunden etwa von 10 vor Chr.
Geburt bis gegen Ende des dritten Jahrhunderts in den Händen der
Römer gewesen zu sein.
17) Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Heraus-
gegeben von F. Hettner und K. Lamprecht. Jahrg. l. Trier 1882.
Diese Zeitschrift, die Nachfolgerin der Pick'schen Monatsschrift,
enthält sowohl selbst, wie in dem mit ihr verbundenen Korrespondenz-
blatte eine Fülle von Nachrichten über römische Altertümer in West-
deutschland. Gleich Heft 1 giebt auf S. 49 — 59 aus der Feder von
Oberst Wolf eine »Beschreibung der zu der Feststellung des Deutzer
Castrums vorgenommenen Ausgrabungen« mit einem Situationsplan. Auf-
rissen der erhaltenen baulichen Reste, sowie eine Rekonstruktion eines
Turmes. Das Kastell liegt unmittelbar am Rhein zum Teil auf älteren
Bauten, die vielleicht der Cäsarischen Zeit angehören. Nach der Rheiu-
seite hin öffnet sich die porta decumana, ihr gegenüber die porta prae-
toria, beide von zwei rund vorspringenden Türmen flankiert; ausser den
Ecktürmeu zeigt jede dieser Seiten noch zwei runde Türme. Die bei-
392 Geographie der römischen Nonlprovinzen.
den anderen Seiten sind ohne Thor und zeigen, abgesehen von den Eck-
türmen, je drei runde Türme. Reste des Prätoriums glaubt man un-
ter der mitten zwischen jenen beiden Thorcn liegenden Pfarrkirche ge-
funden zu haben. Ziegelstempel daselbst gehören der leg. XXII an.
(S. unten n. 18).
Auf S. 59 — G6 berichtet Hettner über die Ausgrabung einer
grossen römischen Thermenanlage in S. Barbara bei Trier. Auch da-
von wird ein Grundriss beigegeben.
H. 3 S. 308—319 bringt eine Limesstudie von A. Duncker. War
zu Aschaffenburg ein Römerkastell? Der Verfasser weist nach, dass die
an Ort und Stelle gemachten Funde von Altertümern nicht zu einer
bejahenden Antwort der Frage zwingen. Reste von römischen Türmen
oder Mauerwerk sind dort nie aufgedeckt. Die dort gefundenen In-
schriften bei Brambach C. I. R. 1751—58 sind in mittelalterlichen Bau-
ten vermauert gewesen und können sehr wohl aus benachbarten links-
mainischen Römerkastelleu geholt sein. Das beim Geogr. Rav. 4, 26 er-
wähnte Ascapha braucht, wenn es auf das heutige Aschaffenburg bezo-
gen werden darf, keineswegs den Namen eines Römerkastells zu enthal-
ten, sondern kann einen Marktort auch ausserhalb römischen Gebiets
bezeichneir. Die früher wohl angenommenen Linien eines äusseren limes
über den Spessart hätten sich als falsche Annahmen herausgestellt, und
dann sei es nicht wohl denkbar, dass Aschaffenburg am rechten Main-
ufer ohne Brücke und ohne Befestigung ein Römerplatz habe sein können.
18) K. Bone, Bilder vom Rhein aus alter Zeit. Programm des
Gymnasiums an der Apostelkirche zu Köln. Köln 1880. 26 S.
Als Nebentitel wird über der Abhandlung selbst »Das römische
Kastell in Deutz« angegeben. Zur Ergänzung des oben unter n. 17 Mit-
geteilten hebe ich aus der sorgfältigen Arbeit hervor, dass das dem
Rhein zugewandte Westthor unzweifelhaft durch einen Damm mit der
nach Colonia Agrippina hinüber führenden Brücke in Verbindung stand,
die, wie es scheint, wenigstens zu den Zeiten Constantin's des Grossen
eine feste war (s. Eumenius, paneg. Const. Mag. IV, 13). Eine im Ka-
stell gefundene fragmentierte Inschrift scheint eine Arbeit au demselben
auf die Zeit von M. Aurel und L. Verus 161 — 169 zu bestimmen; Legions-
ziegel der 8. und 22. Legion machen es sogar wahrscheinlich, dass die
Anlage des Kastells in die Zeit um 70 n. Chr. fällt, wo beide Legionen
neben einander in diesen Gegenden standen. In dem Ostthor des Ka-
stells ist wohl der Ausgangspunkt für fünf Röraerstrassen zu sehen.
Auch die Nachrichten über die spätere Geschichte der Burg, die bis
tief ins Mittelalter hinein existierte, werden fleissig zusammengestellt.
Hoffentlich bringen weitere Nachgrabungen über Einzelheiten noch grössere
Sicherheit.
Germanien. Gallien. 393
19) von Veith, Vetera castra mit seinen Umgebungen als Stütz-
punkt der römisch -germanischen Kriege im ersten Jahrhundert vor
und nach Chr. Mit 2 Karten. Berlin 1881. 41 S. 8.
Die Schrift beruht auf sorgfältigen Terrainstudieu an der Hand
der bewährtesten Lokalforscher und ist von einem kundigen Militär ge-
schrieben. Sie giebt daher ein möglichst genaues Bild der gegenwärti-
gen topographischen Verhältnisse, aus denen die zur Römerzeit vorhan-
denen abgeleitet werden. Innerhalb dieser wird dann die strategische
Bedeutung des ganzen Gebietes um Vetera dargelegt und schliesslich
eine einfache Erzählung der alten Kriegsbegebenheiten mit den aus den
Lokalverhältnissen sich ergebenden Erläuterungen hinzugefügt. Bei den
mannigfachen Veränderungen, die der Lauf des Rheins und der einmün-
denden Flüsse seit alten Zeiten erlitten hat, ist die Lösung mancher
Fragen von grossen Schwierigkeiten umgeben. Der Verfasser hat es
verstanden, dieselben in klarer Weise vorzulegen. Für die Interpreta-
tion der betreffenden Stellen des Tacitus ist seine Schrift eine äusserst
verdienstliche. (Vgl. Jahresber. 1880, XXIII, HO).
20) H. Genthe, Duisburger Altertümer. Progr. des Gymnasiums
in Duisburg. 1881. 73 S. 8. mit einer Karte und zwei Tafeln Ab-
bildungen.
Eine eingehende Beschreibung der Alterturasfunde aus der näch-
sten Umgebung von Duisburg, auf Grund deren unter umsichtiger Er-
wägung aller Merkmale und Vergleichung ähnlicher Funde zunächst ent-
schieden wird, dass in Duisburg keine römische Niederlassung war, wohl
aber der Ort selbst vom Ende des vierten Jahrhunderts her von ribua-
rischen Franken besetzt war, deren Gräber sich innerhalb einer die Stadt
und das Dorf Düssern umschliessenden Landwehr finden, während das
ganze Gebiet um dieselbe herum reich ist an Gräbern, die bis in's erste
Jahrhundert hinaufreichen, und die der Verfasser den Resten einer si-
gambrischen Bevölkerung zuschreibt. Interessant ist auch seine gelegent-
liche Polemik (S. 5 ff.) gegen gewisse Annahmen Schneider's in seinen
Beiträgen zur Geschichte und Geographie der Rheinlande.
Gallien.
21) M. Gjör, Gallien for og under Romernes herredömme. En
inledning til Frankriges historie. Kristiania 1881. 39 S. kl. 8.
Eine populäre Skizze der historischen Entwickelung Galliens von
den Zeiten seiner Unabhängigkeit bis zur Befestigung der Frankenherrschaft.
22) D'Arbois de Jubainville, Les noms de lieu celtiques in
der Revue archöologique. 1878. April. 8 S.
Der Verfasser ist damit beschäftigt, ein celtisches Glossar zusam-
men zu stellen. Für ihn ist es daher wichtig, das sprachliche Verhältnis
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft XXVIH. (l88i. IH.) 26
394 Geograpliic der römischen Nordprovinzeri.
der Ligurer zu den Galliern zu bestimmen. Eine Hauptquelle, aus der
uns Eigennamen von Bergen, Flüssen, Ortschaften ligurischen Landes
bekannt sind, ist der bei Genua gefundene Schiedsspruch der Minucier
aus dem Jahre 117 vor Chr. Geburt (s. C. I. L. I p. 74. V p. 886 ff.).
Das Resultat der Unter sucliung des Verfassers ist, dass in diesen Namen
keine Spur von Gallischem sich findet, dass aber auch kein Grund vor-
liegt, sie nicht für indo-europäischen Ursprungs zu halten.
23) Ch. Lentheric, La region du ßas-Rhöne. Paris 1881
304 S. kl. 8.
Diese Schrift schliesst sich den im Jahresber. 1874/75, III, 248
und 1880, XXIII, 108 besprochenen desselben Verfassers über die süd-
französische Küste an. Die Gesichtspunkte sind in der neuen Schrift
noch mehr vorzugsweise national -ökonomische. Das Altertum wird sel-
tener herangezogen. Neu gefunden ist in der Camargue nach S. 23 die
Inschrift: SILVANO | VOTVM-PRO | ARMENTO, in der man eine
Bestätigung der Notiz bei Plin. N. H. 21, 57 finden darf, nach der die
Campi Lapidei der narbonensischen Provinz von Tausenden von Rindern
beweidet wurden, die des reichen Thymians wegen von fern her dahin
getrieben wurden.
24) Hayaux du Tilly, Nouvelle lecture de la Table de Peutin-
ger en ce qui concerne la route de Reis Apollinaris ä Forum Voconii
Tours s. a. 39 S. 8. (Extrait du Congres archeologique de France)
Eine Einleitung beschäftigt sich mit der richtigen Schreibung des
Namens Raei Apollinares; der Verfasser will als richtige Lesung bei
Plin. 3, 36 wunderlicher Weise Reiorum Apollinaris ausgeben, behält
aber für den Gebrauch die Form der Tab. Peut. Reis Apollinaris bei!
Das Resultat der dann folgenden Untersuchung geht dahin, dass nicht
von Forum Voconii, jetzt Chäteauueuf-Vidauban an der via Aurelia, son-
dern von einem Punkte zwischen diesem Orte und Forum lulii, jetzt
Frejus, nämlich dem Orte Le Muy, welcher Name aus Mutatio entstan-
den sei, die auf der T. Peut. angegebene Strasse über Anteis, jetzt
Lentiez, nach Reis Apollinaris geführt habe, die von da einerseits weiter
über eine mutatio bei Castellet nach Forum Neronis, jetzt Forcalquier
an der via Domitia, andererseits wieder nach Aquae Sextiae an der via
Aurelia geführt habe. Ob seine Vermuthungen richtig sind, kann nur
durch den Nachweis sicherer alter Strassenspuren bestätigt werden, de-
nen der Verfasser aber wenig Aufmerksamkeit schenkt, während er im
It. Anton, p. 298, 1 die aus Cic. ad fam. 10, 17 von Wesseling interpo-
lierte Distanzangabe XXIII statt der allein beglaubigten XII beibehält
und aus der Bezeichnung der Orte Forum Voconii, Forum lulii. Ad
horrea eine Reihe von Schlüssen über die Verproviantierung der Flotten-
station zu Forum lulii zieht, die entschieden zu weit gehen.
Gallien. 395
25) F. Labour, Rapport sur la d^couverte d'une voie romaine k
Saint-Pathus. Meaux 1878. 8 S. 8.
Ein kurzer Fundbericht, nach ^Yelchera in einem Felde westlich
von Saint-Pathus ein Stück der Römerstrasse aufgedeckt ist, die von den
Meldi, jetzt Meaux, zu den Silvanectes, jetzt Senlis, führte.
26) Bulletin monumental public par L. Palustre. 5. serie. t. 7. 8.
Paris, Tours, 1879 und 1880.
In B. 7, 246 ff. findet sich eine ausführliche Nachricht über die
Wiederauffindung einer schon früher bekannten, aber bisher für falsch
gehaltenen römischen Inschrift vom Jahre 122 vor Chr., der ältesten
in Gallien gefundenen. Sie steht angeblich an einem Felsen auf einem
Berge bei Claux und lautet: HERCÜLI SACRVM | CN-DOMI-
TIVS AHENOBARBVS 1 PROC-DEVICTIS ET SVPERATIS
BELLO ICONIIS TRICO vgl. Strabo 4, 1, 11; 6, 5. Schwerlich
wird man sie in dieser Fassung für echt halten.
S. 663 ff. giebt E. Desjardins, Les monuments des thermes ro-
mains de Luxeuil, die ziemlich zahlreichen, bisher meist unedierten, fast
nur aus kurzen Sepulcralinschriften bestehenden, jedoch mit interessan-
ten Reliefs geschmückten Steindenkmäler von Luxeuil heraus, aus denen
unter Vergleichung mit einer Stelle aus der vita S. Columbani bei Su-
rius de probatis Sanctorum historiis t. VI p. 533 hervorgeht, dass dieser
Ort, das alte Luxovium, dann Lussovium, darauf Lussedium, endlich
Losodium genannt, schon in Römerzeiten Heilquellen hatte, die den
Göttern Lussoius, Apollo, Sirona und Bricia geweiht waren.
B. 8, 297 ff. zieht R. Mowat aus dem auf einer neuerdings in
Poitiers gefundeneu Weihinschrift vorkommenden Personennamen Venix-
xamus, zu dem eine Inschrift aus Igg in Käruthen die Nebenform Vc-
nixama bietet, den Schluss, dass die in der Not. dign. oc 35, 27 vor-
kommende Form eines rätischen Ortsnamens nicht Venäxadorum oder
Venaxamodorum, sondern Venixaraodorum zu schreiben und als »Kastell
des Venixamus« zu erklären sei.
27) Hayaux du Tilly, fitude sur l'emplacement cerlain de l'oppi-
dum Bratuspantium de C6sar. 31 S. 8.
Der Verfasser weist in einer die historisch -geographischen Ver-
hältnisse allseitig erwägenden Untersuchung, wie mir scheint, mit Er-
folg nach, dass die bei Caes. b. g. 2, 13 und sonst nie wieder genannte
Stadt Bratuspantium im Gebiet der Bellovaccr dieselbe ist mit der spä-
ter Caesaromagus, dann Bellovacum genannten Hauptstadt des Volkes.
Ausser diesem waren bisher acht verschiedene Orte dafür in Anspruch
genommen. Nebenher giebt der Verfasser die Vcrmuthung, dass der
eine derselben, Veudeuil-Caply, an dem zahlreiche römische Funde gc-
39f) Geographio der röniischon Nordprovinzen.
macht sind, eines der später in diesem Gebiete von Cäsar angelegten
Winterlager gewesen sei.
Zum Schluss mache ich noch darauf aufmerksam, dass inzwischen
ein sechster Band meiner Ausgabe der Naturalis Historia des Plinius,
Berlin, Weidmann 1882, erschienen ist, der ausser dem index deorum
et hominum einen index locorum enthcält. Ein Vergleich mit dem der
Sillig' sehen Ausgabe beigefügten zeigt, wie gross die Anzahl von Verän-
derungen in der Schreibung geographischer Namen ist, die vorzunehmen
waren. Auch die Vergleichung solcher Artikel, wie Graeci, Roma, wird
beweisen, wie viel vollständiger die Ausnutzung des Textes im neuen
index ist. Hoffentlich wird die Untersuchung über die geographischen
Bücher des Plinius, in denen noch so manches Dunkel zu lichten ist,
dadurch einen neuen Anstoss erhalten.
Register.
I. Verzeichniss der besprochenen Schriften.
Aalst, Th. van, observationes in histo-
riani romanam. II, 283.
Abel, E., Colluthi Carmen de raptu He-
leuae. I, 175. — Zu den Homercen-
tonen 1, 186. — Orphei Lithica I, 162.
Adam, L., die Odyssee und der epische
Cyklus. I, 298.
Alexandre, zu denOraculaSibyll. 1, 162.
Allen, Grant, der Farbensinn. III, 55.
Alticozzi, L., storia delle antiche perse-
cuzioni ue' primi secoli della chiesa.
III, 377.
Amari, M. , bibliotheca Arabo - Sicula.
III, 146.
Ambrosinl, A. , osservazioni critiche
alla traduzione dei primi sei libri
d'Erodote di Ricci. I, 107.
Ameis-Hentze, liias. I, 103. — Odyssee.
1, 199. — Anhang zur Odyssee-Schul-
ausgabe. I, 200.
Anton, H. , etymologische Erklärung
homerischer Wörter I, 238.
Antoniades, B , luxzpiovoq Aaikoi. II,
135.
d'Arbois de Jubainville, les noms de
lieu celtiques. III, 393.
Arens, J. , de participii subiuncti ra-
tioue Homerica. I, 255.
Asbach, J., zur Chronologie der Briefe
des Plinius. III, 353. — Entstehung
der Germania des Tacitus. III, 354.
Atti della li. Accademia dei Lincei.
III, 385.
Aube, le christianisme de Tempereur
Philippe. III, 373.
Baar, A., zu Eur. Andromache 195. I,
37. - Zu Eur. Hek. I, 39. — Zu Eur.
Hei, I, 39.
Bacco, S., cenni storici su Avigliano e
Susa. III, 386.
Bachof, E. , quaestiuncula Herodotea,
I, 96.
Baehofen, J. J. , antiquarische Briete
zur Kenntniss der ältesten Verwandt-
schaftsbegritfe. III, 38.
Baedeker, K., Italien, 3. Tbl.: Unter-
italien und Sicilien. III, 147.
Baehrens, E. , poetae latini minores.
II, 91. — Zu lateiu Dichtern. II, 78.
II, 99
Barth, P., de infinitivi apud scaenicos
poetas Latinos usu. II, 9.
Barthold, Th., Hippolitus von Euripi-
des. I, 42.
Bass, J., Dionysios I von Syrakus. III,
156. - Zu Polyaen. III, 1.57.
Baumgarten, de Christodoro poetaThe-
bano. I 182.
Beaudouin et Pottier, inscriptions Cy-
priotes. III, 225.
Beauregard, J. O., Organisation de la
famille sous la legisl. rom. III, 39.
Becher, zu Cic. nat. deor. II, 117.
Bechtel, Fr., Bezeichnungen der sinn-
lichen Wahrnehmungen in den indo-
germanischen Sprachen. III, 209. —
IJmbrica. III, 237.
Becker, K. v. , Munimentum Traiaui.
III, 338.
Becker, W. A., Gallus. III, 34
Beiger, Chr., Moritz Haupt als akade-
mischer Lehrer. I, 262.
Bellermann, L., Elektra. I, 22.
Beloch, G., l'impero Siciliano III, 148.
— Geschichte des Timaios III, 159.
Beltz, R. , die handschriftliche Ueber-
liefcrung von Cic. de re publica. II, 140.
Bender, H, , Rom u. röm. Leben. III,
31. 33.
Benicken, H. K, Episode des Sarpe-
don im 12. Gesang der Ilias. I, 323.
Benseier, G., zur Ilias. I, 222.
Bentley, R,, Emendationen zum IMau-
tus. II, 57.
Berai'di, D., antiche citta sabine. III,
386.
Bergk, Th. , die Rheinlande in römi-
scher Zeit. II, 245. 265. 280.
Bernage, S. , de Stesichoro lyrico. I,
127.
398
Register.
Bernardakis, Gr., symbolae criticao
in Plutarchum, I, r)9.
Bernhardt, H. , Theognis quid de re-
bus divinis et ethicis senseril. 1, 115.
Bernouilli, J. J. , rüraiscne Ikonogra-
pbic. II, 203.
Bertagnolli, C, delle vicende delF agri-
coltura in Italia. III, 1G2.
Bezzenberger, zum Pamphylischen. III,
225.
Bindseil, Th , die antiken Gräber Ita-
liens. III, 246.
Birt, Th. , zum Tragikerfragmeut bei
Quintilian. VIII, G, 35. II, 195. — Zu
öeneca's Tragödien. II, 198. — Die
Vocalverbindung eu im Latein. III,
188. — Das antike Buchwesen. II, 209.
Bitschofsky, R., zur Anth. lat II, 98.
— Zu Cäsar. II, 271.
Blasel, J., allmälige Competenzerweite-
rung der Tributcomitien. III, 20.
Blass, F., neues Fragment der Mela-
nippe des Euripides. I, 54. — Rest
der Sappho. 1, 127.
Blaydes, zu Aesch. Hiketides. I, 13.
— Zu Prometheus. 1, 8. — Zu Eurip.
Alkestis. I, 37. — Zum Herakles. I,
42. — Zu Rhesos. I, 42. — Zu Soph.
Oed. Tyr. 1, 24. - Zu Soph. fr. I,
34. — Zu den Troades I, 52. — Zu
den Phoenissae. I, 52.
Böhm, D , ßpiträge Cäsars znr Ethno-
logie der Germanen. II, 241.
Boissier , G. , ä propos d'un vers de
Juvenal. II, 68.
Bond and Walpole, the Phormio of
Terence. II, 186.
Bone, K., Bilder vom Rhein. III, 392.
Bordelle, de linguae Latinae nomini-
bus -men et -mentum. III, 207.
Bormann, E. , fastorum Tauromeni-
tanae reliquiae. III, 156. — De men-
suris Tauromenitanis. III, 159.
Bourgault-Ducoudray, L. A , Con-
ference sur la modalite dans la mu-
sique Grecque. III, 173.
Bouterweek, R., und A. Tegge, die
altsprachliche Orthoepie. III, 184.
Brachmann, G , de Bacchidum Plau-
tinae retractatione scaenica. II, 29.
Brandt, S. , eclogae poetarum Latino-
rum. II, 152. — Ad Lucretium. II, 157.
Braune, Th., über sie. II, 189.
Breal, M., epigraphie italique. III, 233.
— Tafel von Agnone. III, 239. —
Table de Bantia III, 238. — Chant
des freres Arvales. III, 236. — In-
scription falisque. III, 237.
Brehme, Fr. H. , linguarum novicia-
rum laxam temporum siguificatiouem
iam priscis linguae Latinae tempori-
bus perspici posse. III, 216.
Breyer, B., zu Hiketides 51. I, 13.
Brix, J. , Recension von P. Langen's
Kritik des Plautus. II, 4. — Zur Asi-
naria II, 26. — Zur Cistellaria. II, 32.
Brüll, zur ältesten Geschichte des Pri-
mats III, 358.
Brugi, B , i fasti aurei. III, 31.
Brugman, K , v. Ost hoff.
Brunn, L., Abhandlung über äxarog.
I, 44.
Bruns und Saehan, syr.-rüm. Rechts-
bucli a. d. 5. Jahrh. III, 29.
Buehholz, E. , Anthologie aus d Ly-
rikern der Griechen. 1, 109.
Bücheier, F., Altes Latein. III, 233.
— Altitaiische Grabschrift. III, 241.
— Coniectanea de Silio Juvenale Plauto
aliis. II , 64. 65. — Fragment einer
marsischen Inschrift III, 240. —
Grundriss der lat. Deklination, fran-
zösisch III, 199. — Petron am Hof
zu Hannover i. J. 1702. II, 58.
Büdinger, M. , Krösus Sturz. I, 100.
— Der Ausgang des medischen Rei-
ches. I 100.
Bünger, C , über die lat. Quantität in
positionslangen Silben III. 185.
Bulletin monumental 1879 u. 1880
III, 395.
Buth, A., zur Positionsbilduung in Ho-
mer. I, 228.
Campbell, L., notes on the Agamem-
non of Aeschylus. I, 13.
Cardona, M., delle origine della cittä
di Napoli. III, 133.
Cava, F della, la nuova cittä in Baia.
III, 138.
Cavallari, Fr. S., scavi di Sybaris. III,
131. Thapsos. III, 140 — Topo-
grafia di Saleruo. III, 143
Cavallin, S. J., Aoristi infinitivus Ho-
mericus. I, 255.
Cavalotti, F., canti e frammenti di
Tirteo. I, 111.
Cerrato, L., Solone, saggio critico bio-
graöco. I, 113.
Chatelain, E., sur l'Anthologie latine.
II, 102. — Du pluriel de respect en
latin. III, 214.
Christ, A. J., Art und Tendenz der
Juvenalischen Personenkritik. II. 68.
Christ, W. V., Metrik. III, 174. — Die
Wiederholungen in d. llias I, 314. —
Interpolationen bei Homer. I, 310. —
Gebrauch von re bei Homer. I. 255.
Cipolla, F., sulle probabili origlni di
Caltavuturo e Sclafani. III, 144,
Ciairin , P. , du genitif latin et de la
Verzeichniss der besprocheneu Schriften.
399
prepositiou de. III, 210. — De haru-
spicibus III, 2. 50.
Clemm, W., misceüanea critica, I. 123.
Clerici, G. P., i Prigionieri di Plauto
II, 30.
Cobet, zu Cic. de fin. II, 107. — Cic.
nat. deorum II, 108.
Cohausen u. Jaeobi, das Römercastell
Saalburg. III, 391.
Cohn, M. , zur Lehre von der capitis
deminutio. III, 41
Conradt, C, stichische u. lyrische Com-
positiou bei Terentius II, 182.
Cons, H., Dalmatie. III. 380.
Corcia, N., dell' origiue di Roma. III, 307.
Couat , A., Pelegie Alexandriner Phi-
letas, Hermesianax.Phanocles, Alexan-
dre d'Etolie. I, 121. — Du caractere
IjTique des hymnes de Callimaque. 1,
112 154.
Croi3et.,A. ,1a poesiede Pindar. III, 176.
Csiky, Gr., Tragödien des Sophokles
übersetzt I, 17.
Cuno, J. G., Verbreitung des etruski-
.-^chen Stammes über die italische Halb-
iusel. Hl, 245.
Curtnis, E. , de Persii Flacci patria,
II, 54.
Curtius, G. , homerische Miscellen. 1,
241 — Ueber Pamphilisches. III. 228.
Daehn, J., de rebus scaenicis in Euri-
pidis ßacchae. I, 38
Danielson, O. A., studia Gramraatica.
III, 202.
Daub, A., die Ueberlieferung der Chro-
nologie des Anaximenes und des Ana-
kreon. I, 132.
Dechert, H., über die Echtheit des
Phoenix von Lactantius. II, 101
Deeeke, W., zur Entzifferung der mes-
sapischen Inschriften. III, 139. 228.
— Zur Lesung der epichorischen ky-
prischen Inschriften. 111, 220. — Neuere
etruskische Publikationen. III, 243. —
— Nachtrag zum Templum von Pia-
cenza. III, 243. — Le iscrizioni elrus-
che del vaso di Tragliatella. III, 245.
Dederieh, wo sind die Usipetcn und
Tenkterer über den Rhein gegangen?
II, 247.
Degenhart, zu Cic de nat. deor. II, 115.
Deinhardt, H., Phitarchs Abhandlung
über die Erziehung der Kinder, über-
setzt. I, 90.
Deiter, H., zum Cod. Vossianus 86 des
Martial. II, 59.
Delaunay, F., l'egliso chretienne devant
la legislation romaine. III, 53.
Del Mar, A., history of the precious
metals. III, 103.
Desjardins, E. , les thermes romains
de Luxeuil. III, 395. — Geographie
historique de la Gaule. IL 242.
Diels, H., zu Cicero. II, 107. 119.
Dilthey, C., de epigrammatis nonnullis
Graecis. I, 136.
Dinter, B., zu Cäsar b. g. II, 251 fi.
Dittenberger, W., zu Cäsar b. g. II,
152 ff.
Dobbelstein, Gr., de carmine chri-
stiano cod. Par. 8084. II, 97.
Doberentz, A., Caesaris de hello gal-
lico conimentarii. II. 220.
Dombart, B . zu d-u Captivi. II, 31.
— Rec. v. A. Spengels Adelphoe. II,
185.
Dräger, historische Syntax. III, 276.
Draheim, J. , de iambis et trochaeis
Terentii. U, 183.
Dressel. H., antichissima iscrizione La-
tiua. ill, 233 — Faliskische Inschrif-
ten. III, 237. — Lexikalische Bemer-
kungen zu FirmicusMaternus III, 250.
Drewes, L., die symmetrische Compo-
sition des König Oedipus. I, 24.
Drexler, W., Caracalla's Zug nach dem
Orient. III, 371.
Droysen, H., Athen und der Westen
vor der sicilischen Expedition. III. 166.
Dübner, zu Nonnos. I, 168.
Düntzer , H. , die lateinischen Suftixa
-tia, -tio. III, 207. — Ära Ubiorum.
III, 338. — Familie des Germanicus.
III. 338. — Odyssee, Schulausgabe. I,
197. — Römerbrücke bei Köln. UI, 374.
Dürr, J. , die Reisen des Knisers Ha-
drian. III, 356.
Duhn, V , Grundzüge einer Geschichte
Campaniens. III, 137.
Dumeril , A. , preliniinaires do la se-
conde guerre civile ä Rome. III, 329.
Du Meanil, A., Cicerouis de Legibus
libri tres II, 145.
Dunbar, H., concordauce to the Odys-
sey and Hymns of Homer. I, 249.
Duncker, Ä. , war Aschaffenburg ein
Römercastell. III, 392.
Duruy, V., l'administration d'Auguste.
Ill, 22. — Religion officielle dans
l'empire romain III, 5. 48.
Dziatzko , K. , zum Terenzconimentar
des Douatus. II, 190 — Adelphoe.
II, 185. — Zu Terenz Hecyr.i, II 189.
Ebeling, H., Schulwörterbuch zu Cäsar.
II, 210
Ebert, A., de syntoxi Frontouiana, II,
S. III, 267.
Ebrard, G., de ablativi locativi instru-
montalis apud priscos scriptores usu.
III, 212.
400
Register.
Egli, das Martyrium Polycarps. III, 3G3.
Eichert, O. , Wörterbücher zu Cäsar.
II, 210. — Wörterbuch zum Justin.
III, 2ö0. — Wörterbuch zu Ovids Me-
morphosen. II, S.'l III, 252. — Wör-
terbuch zu Sallust. III, 249.
Eichhoff, über die Sagen und Vorstel-
lungen von einem glückseligen Zu-
stand der Menschheit. III, 35.
Eiaenlohr, E., das lateinische Verbum.
III, 205.
Elli3, R., on the Anthologia latina. II,
101. De artis amatoriae Ovidianae
codice Oxoniensi. II, 78. — Ibis. II,
91. — Petronianum. II, 57.
Ellissen, der Senat im oström. Pteich.
III, 374.
Emlein, F., quaestioues Sophocleae.
I, 17.
Engelhardt, passive Verba mit dem
Accusativ u. der Acc. graecus. III, 214.
Enmann, A , Untersuchungen über die
Quellen des Pompeius Trogus. Ill, 161.
Enthoven, L., de lone tabula Earipi-
dea. I, 44.
Ephemeris epigraphica. III, 386.
Erdmann, O., über den Gebrauch der
lateinischen Adjectiva mit dem Gene-
tiv. III, 211*
Esmann, Fr. E M.. de organis Grae-
corum musicis. Ill, 176.
Eussner, A, zu Ovid. II, 82.
Eysert, L. , der Prolog in Eurip. Ion.
I, 46.
Fabretti, A. , di una moneta di oro,
attribuita ai Volsiuiesi. III, 245.
Faesi, J. U. , Homers Iliade, hrsg. v.
R. Franke. I, 193. — Odyssee, hrsg.
V. Kayser. I, 199.
Falchi, J., ricerche di Vetulonia. — Gli
avanzi di Vetulonia. III, 385.
Fauriel, M , les questions Homeriques
ä la Sorbonne en 1835—36. I, 307.
Feldmann, H. A., Elektra, übersetzt.
I, 23. — König Oedinus, übersetzt.
I, 24.
Feis, L. de, di alcune epigrafi etrusche.
III, 242.
Fennell, onEtruscan numerals. III, 246.
Ferencz, W. , grammalica Sophociea.
I, 17.
Fernique, E., etude sur Preneste. III.
49. — Histoire romaine. III, 282. —
Inscriptionos inedites du pays de Mar-
ses. III, 240.
Fiorelli, documenti inediti per servire
alla storia dei Musei d'Italia. III, 134.
Fischer, E , das achte Buch vom gal-
lischen Krieg. II, 239.
Fischer, Th., die Dattelpalme. III, 98
Flach, J., der rescribirte Codex Messa-
nius des Hesiod. I, 139. - Zu Hesiod.
I, 140. — Martialis epigramraaton lib.
primus. II, 59.
Fleckeisen, A , Hkixrputo. I, 140.
Fleischer, C. H., zu Cäsar b. g. II,
283 ff.
Flex, R , älteste Monatseintheilung der
Römer. III, 4. 45.
Forchhammer, J., zu Cicero . III, 264.
— Annotationes criticae ad Cic. de
natura deorum libros. II, 109. — Ad
Cic. de officiis. II, 136. — Ad Cic. de
divin. II, 120.
Forcellini, A., totius latinitatis lexicon.
III, 248.
Fraesdorff, G , de comparativi gradus
usu Plautino. II, 8.
Franke, O., Terenz auf dem Weimar-
schen Hoftheater. II, 178.
Franken, C. M., ad Lucretium. II, 157.
Franz, Fr., myth. Studien. III, 43.
Frey, zu Aesch Agam. 1172. I, 14. —
Zu Eur. Elektra. II, 41. — Zu Hike-
tides 355. I, 13.
Friedländer, L., de codice Martialis
T. II, 58 — Darstellung der Sitten-
geschichte Roms. I, 69. — Pamphi-
lische Münzlegenden. III, 225. — De
Rutilio Gallo. III, 353. — Städtewesen
in Italien. III, 23.
Friedrich, O., Publilii Syri sententiae.
II, 193.
Fritzsche, F. V., de Aeschylo G. Her-
mann!. I, 4.
Fröhde, F., die lateinischen Präsentia
auf -llo. 111, 206.
Froude, J. A., Caesar. II, 202.
Fumagalli, C. , Caesaris commentarii.
II, 293.
Funck, A., die Auslassung des Subject-
pronomens im Acc. cum Inf. bei den
lat. Komikern. III, 217.
Gaddes, the problem of the Homeric
poems I, 326.
Gamurrini, G Fr., appendice al C.
I. I. III, 241. — Ausgrabungen bei
Costiglione. III, 385.
Qarbin, A. G. , la marmita, comedia
de Plauto. II, 29
Gaste, A., sur un manuscrit de Juve-
nal. II, 63.
Geist , H. , de fabula Oedipodea. II.
I, 11.
Gemoll, A,, zur Einführung in den Ho-
mer. I, 318. — Das 10. Buch der
Ilias. I. 321.
Genthe , H. , Duisburger Alterthümer.
III, 393.
Genz, H., capitis deminutio. III, 39.
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
401
GeofProy, J., l'aceident du roi Darius.
I, 106.
Georges, K. E., ausführliches deutsch-
latein. Handwörterbuch. III, 248, —
— Kleines latein. Handwörterbuch.
111, 248
Georgii, H. , politische Tendenz der
Aeneide. HI, 334.
Gerber et Greef, Lexicon Taciteum.
III, 249.
Giacomino, Cl., dell' infinitivo pre-
sente passivo latino. 111, 205.
Qjör, M., Gallien for og ander Romer-
nes herredömme. III, 393.
Giovanni, V. di, sopra alcune porte
antichi di Palermo. III, 145.
Giraud, Ch.', le concubinat en droit
Romain. III, 29.
Gneisse, G. C. , Begriff des omne bei
Lucrez. 11, 171. — porro bei Lucrez.
II, 163.
Goebel, A., Lexilogus zu Homer I, 230.
Goebel, C, de coniuuctione quom. 111,
217.
Goecke, W. , zur Konstruktion der
Verba dicendi et sentiendi bei Hero-
dot. I, 107.
Göler, A. v., Cäsars gallischer Krieg.
11, 205 ff.
Goeppert, H. R., sull' ambra di Si-
cilia. III, 106.
Goerres, F., zur Kritik einiger Quellen-
schriftsteller. I, 85. 111, 352.
Goetz, G., et G. Loewe, Plauti Asi-
naria. II, 23.
Golisch, J., zu Soph. Trach. 526. 1, 33.
Gompertz, zu Eur. Helena 1051. 1. 39.
— Zu Eur. Herakles 1241. I, 42. —
Zu Eurip. Phoenissao I, 52.
Gossrau, G. W. , latein. Sprachlehre.
HI, 197. 215.
Grabow, A., ein gothisches Epigramm.
II, 98.
Graeber, G., quaestiones Ovidianae. II,
73, 111. 333.
Graux, Gh., un fragment de Sappho
chez Chorizius I, 126.
Grimm, R., der Hercules Oetanus des
Seneca. II, 198.
Groaamann, W., de particula quidem.
III, 218.
Grumme, A., homer. Miscellen. I, 260.
Grünauer, E., zu Cäsar. II, 260.
Guardia, J. M., Caesaris commentarii
de hello gallico. II, 226.
Günther, G., zur Geschichte u. Acsthc-
tik der antiken Tragödie. 1, 2.
Guhrauer, H., zur Geschichte der Aulo-
dik bei den Griechen. III, 169. —
Aulosmusik. 111, 171.
Gustafsson , J. , handschriftliche Mit-
theilungen zu Cicero de fin. II , 106.
— En jemförelse nellan finskan och
latinet. III,'205.
Haase, Fr., Vorlesungen über lateini-
sche Sprachwissenschaft. 111, 195.
Haberland , K. , Biene und Honig im
Volksglauben. III, 96.
Hagemann , A. , die Eigennamen bei
Homer. 1, 247.
Hagen, H., de codicis Bernensis CIX
Tironianis. II, 94. — Epigramm Octa-
viaui Augusti. II, 95.
Hall, T. , kyprische Inschriften. III,
221 ff. 224.
Hallam, G. H., the Fasti of Üvid. II, 90.
Hammer, K, zu Cäsar b. g. II, 267.
Harant, A., des particules euclitiques
que, ve, ne, placees apres un e bref.
HI, 216.
Harmsen, Th. , de verborum coUoca-
tione apud Aeschylum Sophoklem Eu-
ripidem. 1, 4.
Hartel, W., Analecta. 1, 118.
Hartfelder, K., zu Cic. de divinatioue.
II, 120. — Cic. de Fato. II. 122
Härtung, C. , der Protagonist in der
Soph. Antigone. 1 , 28. — Zu Publi-
lius Syrus II, 192.
Haug, F., Arbon in römischer Zeit. III,
387.
Haupt, H., Jahresbericht über die Lit-
teratur zu Dio Cassius. II, 240. — Zur
Geschichte der röm. Flotte. III, 27.
Haureau, un commeutaire latin des
Met. d'Ovide. II, 86.
Havet, L. , l'histoire romaine daus les
annales d'Ennius. 11, 197 — Sur la
Medeo et TAndro mache d'Ennius. II,
196.
Hayaux du Tilly, etude sur l'oppidum
Bratuspautium. III, 395. — Mouvello
lecture de la table de Peutinger. 111,
394.
Hedicke, scholia in Caesarem et Sal-
lustium. II, 215.
Heerdegen, F., Untersuchungen zur lat.
Semasiologie. III, 193. — Zu Aesch.
Agam. 256. 1, 14. — Zu Aesch. fr.
94. I, 16. — zu Eurip. Alk. I, 37. —
Zu Eurip. Hipp. 1, 43. — Zu Soph.
Philoktot 1, 43.
Heinrici, die jiaulinischo Christenge-
meinde. III, 364.
Heisterbergk, B., über den oSamon
Italien. III, 108, 231. 302.
Heibig, W. , die Italiker in der Po-
Ebene. HI, 230. — Ueber den Pileus
der Italiker. III, 44. — Verkohltes
far. 111, 33
402
Register.
Hellmuth, Cl., Emendationsversuche
zu Ovidrs Metamorphosen, II, 83.
Henae, O. , Studien zu Soph. Trachi-
nicrinnen. I, 29.
Hermathena, 1881. N. 7. II, 19.
Hltoh de Villefosse, des coquillages
h pourpre. III, 79.
Herzog, E , über die Glaubwürdigkeit
der röm. Gesetze. III, 311. — Der
röm. Grenzwall in Württemberg. III,
388.
Hettner, röm. Thermenanlage bei Trier.
III, 392.
Heynacher, M., Sprachgebrauch Cä-
sars. II, 211.
Hilberg, J., zu Eurip. Hipp. I, 43. —
Zu Nonnos von Panopoiis. I, 167. —
Zu den Phopnis'^ae 1, 52.
Hilgenfeld, R., der röm. Staat u das
Christenthum. III, 359.
Hirsehfeld, O. , antiquarische Bemer-
kungen zu röm. Schriftstellern. II, 57.
— Inschrift von Sylliou. III, 225. —
Zu Martial. II, 61.
Hirzel, zu Cic. nat deor. II, 115.
Hochdanz, in Timaeum Ciceronis. II,
146.
Holder, H.*v , die Skelete des röm. Be-
gräbuissplatzes in Regensburg III, 75.
Hoelzer, M., de interpolationibus Te-
reutianis. II, 182.
Hörsehelmann, Alcaeus fr. 5 B. I, 127.
Hoffmarm, V., de particularum apud
Herodotum usu. I, 107.
Hoffs, F. van, zu den Persern des
Aeschylos. I, 12.
Holden, H. A. , Ciceronis de officiis
libri. II, 139.
Holder, A., Caesaris belli gallici libri.
II, 220. — Zu Ccäsar. II, 251 ö.
Holm, A., studii di storia Palermitana.
III, 145.
Holtze , Pr. "W. , syntaxis fragmento-
rum scaenicorum poetarum post Te-
reutium. II, 197. III, 280.
Holzer, Matris, Beitrag zur Quellen-
kritik Diodor's. III, 166
Hommel, Fr., die Namen der Säuge-
thiere bei den südsemitischen Völkern.
III, 79.
Hoppe, F., Coniunctivus der Coniuga-
tio periphrastica activa. III, 218. —
Vortrag der chorischen Interloquien
bei Sophokles. III, 178.
Homer, A , Beiträge zu Cäsar. II,
250 flf.
Hübner, E., zu Cic Tusculanea. II, 107.
Hülsen, Chr., Varronianae doctrinae
quaenam in Ovidii fastis vestigia ex-
tent. II, 89.
Huemer, J., zur lat. Anthologie. II,
99. 100. — Zur Geschichte der klass.
Studien im Mittelalter. II, 85.
Hüttemann, F., die Poesie der Oedi-
pussage. I, 10.
Hug, A., consecutio temporum bei Cä-
sar. II, 212.
Huschke, E., die oskisrhe Bleitafel u.
die Pelignische Inschrift aus Corfinium.
III, 239.
Jacob, A., zu Eurip. Alkestis. I, 36.
Jahns. M., Handbuch einer Geschichte
des Kriegswesens II, 204.
Jäkel, J , zur Aeneassage. III, 51.
Jahn, A. , zum Epigramm Octaviani
Augusti. II, 95.
Jan, C. von, Auletischer u. Aulodischer
Nomos. III, 170. — Der pythische
Nomos u. die Syrinx. III, 169.
Jannetaz, E. , Caesaris commentarii.
II, 293.
Jasmenidos, P., axöha elg rd nepi roü
yaXaTixoü izokifxou änoß'^rjfiovEUßaTa.
II, 228.
Jebb. R. C, und Chapell, on the ren-
dering of äppLovia in Aristot. Poli-
tics V. III, 172.
Jelgersma, G. , de fide et auctoritate
Dionis Cassii. II, 293.
Ihm, G., quaestiones syntacticae de elo-
cutione Tacitea. II, 213.
Illhardt, E. , Titus und der jüdische
Tempel. III, 352.
Ingraham, G , de Alcmanis dialecto I,
124.
Jörling, Fr., über den Gebrauch des
Gerundiums und Gerundivums bei Ta-
citus. III, 216.
Johne, E., die Antioped.Euripides. 1,52.
Jonas , R. , zum Gebrauch der Verba
frequentativa u. intensiva in der älte-
ren lateiu. Prosa. III, 207.
Jonge, W. de, adn. in saturas Juve-
ualis. II, 64.
Jordan, H., altlatein. Inschrift aus Rom
III, 233. — Zum Arval- u. Salierlied
III, 236. - Faliskisches III, 237. —
Zur oskischen Inschrift der bantini
sehen Bronze III, 238. — Zur In^
Schrift aus dem Fuciner See. III, 193
II, 232. - Kritische Beiträge zur Ge
schichte der lat. Sprache. III, 189. —
Quaestiones orthographicae Latinae
III, 193. — Zur Geschichte der griech
Lehnwörter. III, 232. — Ueber olea,
oliva. III, 193 — Lautgesetzliches zu
pomerium und Esquiliae. III, 193. —
Zu Cic. de leg. II, 143. — Zu dem
Briefe der Cornelia Gracchorum. III,
48. — Vorläufiges zu Theognis. I, 118.
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
403
Jordan, W., Novellen zu Homeros. 1,224.
Jurenka, H., Beiträge zur Kritik der
ovidischen Heroiden. II, 76.
Kahle, E., de caede Agamemnonis. I, 1,
Kaibel, G., sententiarum über primus.
I. 136.
Kallenberg, H.. zur Quellenkritik von
Diodor's XVI. Buch. III, 165.
Kampen, A. van, ad Caesaris de b.
G. commentarios tabulae. 11, 249.
Karsten, H. S., elocutio rhetorica, qua-
lis invenitur Annaei Senecae. III, 264.
— De inkomsten en uitgaven van den
Romeinschen Staat. III, 26.
Kehr, U., de poetarum qui sunt in an-
thologia Palatina studiis Theocritiis.
I, 136.
Keller, H. , de verborum cum praepo-
sitionibus compositorum ap. Lucr. usu.
II, 159
Keller, O., Entwickelungsgang der an-
tiken Symbolik. III, 69. — Lateinische
Etymologien. III, 208. — Griechische
u. lateinische Thiernamea. III, 82. —
Die Atfen im Alterthum. III, 90. —
Der Damhirsch im Alterthum. III. 93.
— Das Kamel im klassischen Alter-
thum. III, 89. — Der Schakal im
Alterthum. III, 91. — Steinbock und
Gemse im Alterthum. III, 95.
Kellerhof, E. , de collocatione verbo-
rum Plautina. II, 19. 22.
Kennedy, zu Aesch. Agam. 17. I, 14.
Kern, Fr., zu Sophokles' Aias u. An-
tigene. I, 22. — Die Abschiedsrede
der Soph. Antigene. I, 28.
Kiehne, A , Homeros u. die Wolfsche
Hypothese. I, 309
Kienitz, O., de qui localis modalis apud
priscos scriptores latinos usu. III, 204.
KirchhofF, A., Aeschyli tragocdiae. I,
4 — Odyssee. I, 270.
Kiessling, A., analecta Plautiua II.
II, 36.
Klimke, Diodorus Siculus u di rüm.
Annalistik. III, 314.
KlopschjL., der Diicctus in Rom. III, 26.
Kluegraann, A., due specchj die Bol-
sena e di Telamone. 111, 245.
Knaack, G., analocta Alexandrino-Ro-
maua I, 123, II, 88.
Kneucker, J. J. , Anfänge des röra.
Christcnthums. IIl, 357.
Knoke, Er., über hie n nunc. II, 213.
Koch, V. H, Homers Iliade. 1, 189
Köchly, H., zu Claudianus. I, 165. —
Zu Nonnos. I, 168. Die Perser des
Aesch I, 12. - Akad. Vorträge. II, 241.
König, E., in Douati ad Terenti Adel-
phon. II, 191.
Köstlin, H., zu Ovids Metamorphosen.
II, 84.
Kofod, J., Caesaris de hello gallico
commentarii. II, 216.
Kohlmann, Tempora des griechischen
Verbums. I, 257.
Kohn, J., Publilius Syrns. II, 192.
Korn, O. , P. Ovidius Naso Metamor-
phosen. II, 79.
Kraetsch, E , de abundanti dicendi ge-
nere Lucretiano. II, 165.
Kraffert, H. , Beiträge zur Kritik lat.
Autoren. Zu Cäsar. II, 250 ff.
Kraner, Fr., Caesaris commentarii de
hello gallico. II, 220.
Kruezkie-wicz , B. , der altlateinische
u. oskische Diphthong ou. III, 189.
Krüger, K W ,'Hpod6Tou lazopcr^i; d-6-
öV?«s I, 102.
Kühlbrandt, H. , quomodo Sophocles
resinauimasvitahumanainduerit. I, 17.
Kühner, R. , ausführliche Grammatik
der latein. Sprache. III, 196.
Kumanvides, S A. , oAt/a izspi t^s
l^dixTjg fjLO'jcixr^g. III, 171.
Kunz, A., Ovidii libellus de medicamine
faciei II, 77.
Kvicala, J. , zu Eurip. Hei I, 39. —
Zu Eurip. Hipp. 1, 43 ■ Syntaktische
Untersuchungen. I, 252.
Kynaston, H , extracts from the Greek
elegiac poets. 1, 110
La Blanchere, R. de, inscriplions
inedits de Terracina. III, 52.
Labour, rapport sur la decouverte d'une
voie romaine. III, 395.
Laicus Hyperboreus, Etruskerne. III,
247.
Landgraf, G. , de tiguris etymologicis
linguae Latinae. II, 8.
Lang, C, über altgriechische Musik.
III, 176.
Lange, K. , die Statuenbeschreibungeu
des Christodor. 1, 181
Langen, A. , Heeresverpflegung der
Römer. III, 28.
Langen , P. , Beiträge zur Kritik des
Phiutus. II, 4 22. 26. III, 267.
Lanza, C, Esiodo e la Teogonia 1, 141.
La Blant, la richesse et le cliristiauismo
;i Tage des porsecutions. III, 54.
Le Foyer, zu Marüal. II, 61.
Legouez, A , Caesaris commentarii de
bi'llo gallico. II, 227.
Lehmann, zu Cic. de legibus. II, 143.
Lenormant, Fr., la Oraudc-Grece. III,
111.
Lentheric, Gh., la ri'gion du Bas-
Rhöne 111. 394.
Lentz, F. L , zu Seneca llerc. für. 11, 200.
404
Register.
Leo, Fr., Excurse zu P^uripides' Medea.
I, 48. — Senecae tragoediae. 11, 198.
Le Roy, A., Cicero's Hortensius. II, 104.
Leveque, C., les melodies grecques. 111,
17ä.
Lexieon Homericum ed. H. Ebeling.
I, 248.
Liebrecht, F., zur Volkskunde. 111, 65.
Lindet, F., de Tacquisition et de la
perte du droit de cite romaine. 111, 37.
Lindner, R. , Beiträge zur Sophokles-
litoratur. 1, 16.
Loch, E., de genetivi apud priscos
scriptores usu. 111, 210.
Loewe, G., die 8pruchverse des Publi-
lius Syrus.
Loew^e et Goetz, Plauti Asinaria 11, 23
Louiche-Desfontaines, de l'expatria-
tion h Rome. 111, 38.
Ludwich, A., Anzeige von Abel's Col-
luthus- Ausgabe. 1, 178. — Zur griech.
Anthologie. 1, 136. — ApoUinari me-
taphr. psalmarum. 1, 185. — Zur Gi-
gantomachie Claudians. 1, 164. — Nou-
niana. 1, 169.
Luebbert, E. , de Pindari studiis He-
siodeis et Homericis. 1, 141.
Lueck, de 'coraparationum et transla-
tionum usu Sophocleo. 1, 17.
Luterbacher, F., der Prodigienglaube
der Römer. 111, 51. 58.
Madwig, J. N , Cicero de fin. II, 105.
Rettelse af et sted hos Herodot, II,
25. 1, 103.
Mangold, W., de ecclesia primaeva.
111, 363.
Mansfeld, A., de euuntiatorum coudi-
tionalium apud elegiaruin poetas for-
matione. 111, 217.
Marcellus, zu Nounos. I, 174.
Marrast, la vie byzautine au VI siecle.
111, 376.
Marx, E. , les pouvoirs du gouverneur
de province sous la rep. rom. 111, 22.
Martha, C, le poeme de Lucrece. II,
174.
Maspero, G. , fragment d'un commeu-
taire sur le livre 11 d'Herodote. I,
105. — Odissea. I, 104.
Mau, A. , Pompei e la regione sotter-
rata dal Vesuvio. 111, 137.
Maurer, Th., Cruces philologicae. II,
247. 266 ff.
Maxa, R., die Rheinbrücke in Caesars
bell Call. IV 17. 11, 247.
May, H. W. van der, ad Theognidem.
I, 118.
Mayor, J. B., zu Cic. natura deorura.
II, 108. 117. — Zu Juvenal. II, 64.
Meissas, de, observations sur un recent
memoire de M. l'abbe Arbelot. III,
374.
Meissner, K., die Cantica des Terenz.
II, 184.
Menard, A. L. , oeuvres inedites de
Bossuet. I: cours royal de Juvenal.
II, 67.
Menard, R., la vie privee des anciens.
III, 34.
Menge, R. , de auctoribus commenta-
riorum de hello civili. II, 229 ff.
Merguet, H. , Lexikon zu den Reden
des Cicero. 111, 249.
Merriam, ou Iliad B 318-319. I, 221.
— The Phaeaciens. 1, 202.
Mestica, E., esame critico degli Adelphi
di Terenzio. II, 188.
Metzger. Besprechung von Wecklein
Sophokles- Ausgabe. 1, 26. — Zu Eurip.
Bacch. I, 38. — Zu Eurip. Hipp. I,
43. - Zu Soph. Philoktet. I, 33.
Meyer, E., Quellen über Antiochus' des
Grossen Römerkrieg. 111, 315.
Meyer-Herford, zu Cäsar b. g. I, 20 f.
II, 253.
Meyer u. Koch, Atlas zu Cäsars bell.
G. 11, 249.
Meyer, G,, die etruskische Sprachfrage,
lil, 247.
Meyer, J., zu Cäsar b. g. II, 284.
Meyer, W., die Urbinatische Sammlung
von Spruchversen des Menander Eu-
ripides. 1, 35. — Publilii Syri senten-
tiae. II, 192. — Fruterii Verbesserun-
gen zu den Fragmenta poet. lat. II,
196.
Michaelis, A., Stesichoros im epischen
Kyklos. I, 129.
Miehelangeli , L. A. , epigrammi tra-
dotti dal Greco. I, 135.
Mistriotes, G., Viiyjpou UXiäq. I, 191.
Mveia nrjy^g nsr ps ^atou itapä
UkouT d p/u). III, 107.
Moehi, G., störia di Cagli III, 386.
Mommsen, Th. , die Alpes Poeninae.
III, 386. — Dekret des Commodus
für den Saltus Burunitanus. 111, 23.
— Die Namen des Kaisers Balbinus.
III, 372. — Die Wiedergabe des grie-
chischen <p in lat. Schrift. III , 183.
— Die Remuslegende. III, 305.
Mongan, Roscoe, Odyssey translated.
I, 206.
Mordtmann, J. H. , lateinische In-
schriften aus Armenien. III, 351 ff.
Movat, R, über römische Familien-
namen. III, 231. — Weihinschrift von
Poitiers. 111, 395. -- Zu Cäsar b. g.
I 16, 5. 11, 2.53.
Mucke, E., de dialectis Sterichori,
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
405
Ibyci, Simonidis, Bacchylidis alioram.
I, 124.
Müller, A., de auctoribus rerum a M.
Claudio Marcello in Sicilia gestarum.
III, 162.
Müller, H., Gabinianus ein Statthalter
Daciens? III, 857.
Müller, H. J. , syrabolae ad emendan-
dos scriptores Latinos. II, 99. 278 if.
Müller, J., u. E. Wölfflin, Acta semi-
narii phil. Erlaugeusis. II, 8.
Müller, K. F. W. , Ciceronis scripta
quae mauserunt omnia II, 103. —
Zu Cic. Cato maior. II, 128. — Zu
Cic. de leg. II, 143. — Zu Cicero's
Reden. III, 249.
Mueller, L., orthographicae et proso-
diae Latinae summarium. III, 184.
Müller, "W. , über die Religion Plu-
tarchs. I, 93.
Nauck, A., kritische Bemerkungen. I,
185. 207. 214. 250. — Zu Aesch.
Agam. I, 14. — Zu Prometheus. I, 8.
— Zu Ammon. I, 161. — Zu Collu-
thus. I, 179. — Zu Eurip. Elektra.
I, 41. — Zu Eurip. Helena. I, 39. —
Zu Eurip. Iphig. Aul. u. Taur I, 44.
— Zu Hesiod. I, 143. — Zu Maximos.
I, 160. — Zu den Oracula Syb. I, 161.
— Zu Oedip. Tyr. I, 24. — Zu So-
phokles fr. 323 I, 34.
Netuschin, J. W., genetische Darstel-
lung der Phonetik u. Morphologie der
lat, Sprache. III, 199.
ISTeumann, K. , Geschichte Roms. III.
103.
Niemir, A. , über die Didaskalieu des
Terenz. II, 178.
NigoleSjO , sur Ciceron de finibus. II, 106.
Nikitin, P., zu Eur. Med. I, 51.
Nipperdei, K. , Caesaris commentarii.
II, 204.
Nissen, H. , der Ausbruch des röm.
Bürgerkriegs. III, 317.
Nolte, zu Sencca tragicus. II, 199
Notizie degli scavi comunicate alla R.
Accad. dei Lincei. III, 134.
Novelli, E., Ero e Leandro. I, 179.
OelscWäger, H., Ovid's Elegien. II, 78.
Oeri, J. J., Responsion in der Sopho-
kleischen Tragödie. I, 17.
Ortmann, E., zu Laclius 14, 50. II, 129.
Oseen, A. Th., II, 212.
OsthofF, H , zur Uvenos-lnschrift. III,
233.
Osthoff u. Brugmann, morphologische
Untersuchungen. III, 197.
Paley, zu Aesch. Agam. I, 14. — Zu
Eurip. Bacch. I, 38. — Zu Aesch.
Hiketides. I, 13.
Palmer, A., zum Amphytruo. II, 22.
Panagiotopulus , kpßrjvsurtxä sig tov
'OldcnoSa zupay^O'^. I, 24,
Pantaleoni, I)., storia diRoma. III, 282.
Pappageorgios , P. , y.pirtxd. eU tä
dTToaKdaiiara rwv zpayixwv noirjTibv.
I, 1.
Paul, W., Bemerkungen zu Cäsars com-
mentarien. II, 250 ö.
Pauli, C, etruskische Studien. III, 242.
— Besitz-, Widmungs- u. Grabformeln
des Etruskischen. III, 242. — Die
lauü- u. e^era- Frage — Das etrusk.
arm%al U. larß-ial. III, 242.
Pauli, quaestioues criticae de scholio-
rum Laurentianorum usu. 1, 17.
Pauly, Fr., Odysseae epitome. I, 200.
Pearman, W. D., zu Cic. de leg. II, 143.
Peiper, R., zur Anthol. Lat, II, 102.
Pelham, H. J. , common lands of the
Roman people. III, 341. — Princeps
or Princeps senatus. III, 1.
Peppmüller, R. , Hesiods Werke und
Tage. I, 148. — Zu Hesiod. I, 144. 146.
Perino, E. , de fontibus vitarum Ha-
driani et Septiraii Severi. III, 355.
Perthes, H., Cäsar; Wortkunde. II, 210.
Peskett, A. Q., Caesaris de hello gal-
lico commentarius septimus II, 227.
PetersdorflF, C. J., Caesar num in b. g.
enarrando nonnulla ex fontibus trans-
scripserit. II, 229.
Petersen, Gh., de causis publicis Ro-
nianis. III, 28
Petres, N",, Tzepl twv oixTjptxiov ki^ewv
Zwp<k. I, 139.
Petrides, A., xat rräXtv Tzspt rotj Ixu-
kizoTj xat zijg 'Exxk-qaiaazixrjq ijfiüiv
pouatxijq, III, 177. — llspl zyji ißvt-
x^g ijßwv txxkijataazixrjq ßouaixrjq. III,
174.
Petsehenig, M. , zur Passio ss. Coro-
natorum quattuor. III, 378.
Pfitzner, die Belagerung von Alcsia.
II, 248.
Pick , A , de vi atquc usu adicctivi
praedicativi. 111, 215.
Pierides, D., zum Kyprischon. III, 221.
Piger, Fr., die sogcnaiuiten üriicismen
im Gebrauch des latcinischeu Accu-
sativs. III, 213.
Pigorini, L., sulle tombo c stazioni di
tamiglie Iberiche in lialia. 111, 142
Pistner, J.. Aolius Soiiiuus. III, 335.
Planer, H., Caesars Antosignanon. 11,208.
Pluygors, zu Cäsar b. g. 11, 25211'.
Pochop, J., über die poetische Diction
dos Ilosiüd. 1, 149.
Pöhlmann, R., die Anfiinge Roms. 111,
231. 30U.
406
Register.
Pötsehke, über den lat. Genitiv und
Ablativ und den französischen Geni-
tiv. III, 211.
Poggi, O., contribuzioni allo studio della
epliiniphia etrusca. III, 241.
Poland, F., Ovids Tristieu. II, 91.
Polle, Wörterbuch zu Ovid. III, 253.
Polster L., zu Cic. de divin. II, 120.
— Zu Cic. de re publ. II, 142 —
Zu Cic. natura deorum. 11, 111.
quaestiones Tullianae. II, 104. — Zu
den Tusculauea. II, 108.
Polyla, 'OdöaaEta. I, 205.
Pomialowski, J., Sammlung oskischer
Inschriften. III, 241.
Pontani, V. G. , Collesano primo del
dominio Normauno. III, 144.
Pratt, J. H , and W. Leat, the story
of Achilles. I, 197.
Preibisch, P , zu Ovids Metamorpho-
sen, II, 84
Preuss, K. , zum Sprachgebrauch der
Oppiane. I, 159.
Preuss, L,, de bimembris dissoluti apud
scriptores Romanos usu sollemni. III,
219.
Profillet, A. (de Mussy), Tyrtee, tra-
duction. I,-112.
Psichari, J., les Adelphes. II, 187.
Purtsehei% H., die Medea des Euripi-
des. I, 51.
Quicherat, de la critique des textes ä
propos d'un passage de Perse. II, 53.
Eagay, la persecution de Julian l'Apo-
stat III, 378.
Eamsay, W. M., on some Pamphylian
inscriptions. III, 227.
Eangabe, A. E. , Epigramme auf Au-
gustus. II, 95.
Eanke, L. v., Weltgeschichte. II, 201.
Eappold , J. , zu Ovids Heroiden und
Metamorphosen. II, 86. — Textkriti-
sches zu Ovid. II, 87.
Easmus, E , in Plutarchi librum de
Stoicis. I, 57.
Eassow, H., zur Casina. II, 32. — Zum
Miles gloriosus. II , 45. — De Plauti
substantivis. II. 17. III, 275.
Eauchenstein , H. , der Feldzug Cae-
sars gegen die Helvetier. II, 242.
Eeichard, E., de interpolatione fa-
bulae Aiacis. I, 22.
Eeiehenhardt, kausale Konjunktionen
hei Lucretius. II, 161.
Eeid, J. S., Ciceronis Cato Maior. II,
122. — Zu Cic. nat. deor II, 118.
Eein, C, de pronominum apud Teren-
tium collocatione. II, 179.
Eeislg, K. , Vorlesungen über latein.
SiJrachwissenschaft, mit Anmerkungen
von Fr. Haase , neubearbeitet von
II. Ilageu. III, 196.
Eenan, E. , Marc - Aurelo et la fin
du inonde antique. III , 366 — Les
Premiers martyrs de la Gaule. III,
366.
Eheinhard, H , Caesaris de hello gal-
lico commentarii. II, 218.
Eibbeck, O. , zur Kritik des Curculio.
11, 33. — Zum Miles gloriosus. II,
43. — Palimpsestlesungen zum Mil.
glor. II, 41.
Eibbeck, W. , Homerische Miscellen.
I , 226. — Zu den Iliasscholien. I,
218.
Eiccoboni, D., appendice ai dizionari
italiano-latini. III, 281.
Eiemann, O., notes de grammaire. III,
215. — que apres uu e bref III, 216.
Eiese, A. , zur lat. Anthologie. II, 97.
— Kailimachos und die Chalibier. 1,
122, 155.
Einge, D., zum Sprachgebrauch Cäsars.
II, 211.
Eitter, F., de adiectivis et substantivis
apud Nicandrum homericis. I, 158.
Eittershain, G. v., Reichspost der
röm. Kaiser. III, 2.
Eobert, Gh., les noms des deux Pre-
miers Gordiens. III, 372.
Eöhl, H., zu Athenaios. I, 152. 159.
Eönsch, H., Etymologisches u. Lexika-
lisches. III, 209. — Liateinische Sub-
stantivbildungen auf -ntium u. -lium.
III, 207.
Eohde, E., der Tod des Aeschylos. I, 4.
— Zu Petrouius. II, 55.
Eoseher, W. H. , uterque u. ubique,
wie quisque gestellt. III, 215.
Eosaberg, K , de Dracontio et Orestis
quae vocatur tragoediae auctore. II.
74. 100. — Kritisches zur Aegritudo
Perdicae. II, 102.
Eossi, G. B. de, Bleitafel von der via
Appia. III, 53.
Eossmann, W., vom Gestade der Cy-
kiopen und Sirenen. III, 159.
Eost, J., emendationesSophocleae I, 26.
Eothe, C, quaestiones grammaticae ad
Plautum et Terentium. II, 9.
Eouquet, J. , jurisdictious criminelles
chez les Romains. III, 28.
Eubio y Llueh, A., estüdio sobre Ana-
creonte. I, 132.
Eühl, Fr., zum Codex Montepessulanus
des Juvenalis. I, 62
Euelle , Ch. E. , quelques mots sur la
musique des Grecs. 111, 168. — Eine
Entdeckung der musikalischen Alter-
thumsforschung in Rom. III, 172.
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
407
Rüge, M. , griechische Lehnwörter im
Latein. III, 60.
Kzach, A., der Hiatus bei Apollon.
Khod. I, 157. — Studien zum nach-
homerischen Vers. I, 186.
Saalfeld, , G. A. , Italograeca. III, 59.
274. — Cäsars Verfahren gegen die
Gallier. II, 241. III, 332.
Saehau, E., die Lage von Tigrauokerta.
III, 351.
Saehau u. Bruns, syrisch-röm. Reichs-
buch. III, 29.
Saint- Victor, P. de, les deux masques.
I. 4.
Sakellaropulos, S. K , ^ abToxpäzeipa
i'auarlva. III, 357. — Hspi toü 'Oprrj-
a£ou zoü Acxipiui'Og II, 104.
Salinas, A., scavi in Sicilia. III, 141.
Sallet, V., die Namen der beiden ersten
Gordiaue. III, 372.
Sander, M., quaestiones in Senecam.
III, 264
Sandys, E , the Bacchae of Euripides.
I, 37.
Sapio, G. , le odi di Anacreonte, ver-
sione. I, 133.
Sass, Er., Plutarch's Apophthegmata.
I, 94.
Sauppe, H. , quaestiones Lucretianae.
II, 153.
Saussure, F. de, Systeme primitif des
voyelles dans les langues indo-euro-
peennes lil. 186.
Sayce, über kyprische Silbenschrift. III.
225.
SchaafF, A., de genetivi usu Plautino.
II, 9.
Sehambach, O , die Reiterei bei Cäsar.
n, 207. — Zu Cäsar u. seinen Fort-
setzern. II, 248. 276 ff.
Scheer, E., miscellanea critica. I, 103.
149.
Scheibe, L., de sermonis Ovidiani pro-
prietatibus. II, 84.
Scheibmaier , J. , de sententiis quas
dicunt Caecilii Bulbi. II, 194.
Scheindler, A, Nonni paraphrasis S.
evangelii Joannei. I, 172. 173. — Zu
Nonnos I, 165, 170.
Schenkl, K, zu Aesch. fr. I, 16. —
Zur lat. Anthologie. II, 96 ff. — Zu
Claudian. I, 165. — Die handschrift-
liche Uoberlieferung der Consolatio
ad Liviam. II, 162. — Zur i'oxtcs-
geschichte des Syniphosius. II, 99,
Schenkl, H., Plautinische Studien. II,
19. - Zum Pseudohisd.Plautus. 11,50.
Schiche, Th., die Codices von Ciceros
de fiu. II, 105. — Zu nat. deor. 11,
114. 116. — Zu Tuscul. II, 108.
Schiller, H., zu Cäsar u. seinen Fort-
setzern II, 238. — Adsertor libertatis.
III, 339.
Schindlet, H. , observationes criticae
et historicae in Torentium. II, 177.
Schlecht , R. , die alten Tonarten und
die moderne Musik. III, 182.
Sehlee, Fr., de versuum in canticis
Terentianis consecutione. III, 182. —
Zu Adelphoe 940. II, 186.
Schienther, Stirb u Werde, Weltbild
nach Lucrez. III, 174
Schliemann, H., Ilios. III, 62.
Schmidt, Fr. W., Beiträge zur Kritik
der griech Erotiker. I, 13. — Zu
Hiketides. I, 13. — Zu den Persern.
I, 13. Zu Soph. fr. 362. I, 34.
Schmidt, Georg, über Kirchhoffs
Odyssee-Studien. I, 295.
Schmidt , Johann , zwei arische a-
Laute u. diu Palatalen. III, 187. —
De usu infinitivi apud Lucauum. III,
276. — Die Senatsbeschlüsse über
die Thisbäer. III, 315.
Schmidt, L., Eurip. zu Alk I, 37.
Schmidt, Moriz, Sophokles Antigone.
I, 26. — Textkritischer Beitrag zu
den Trachinierinnen. I, 33. — Die
Parodos der Septem. I, 8
Schnee, R., zu Cic. Tusculanea. II, 108.
Schneider, J., das Platonische in § 77
u. 78 von Cic. Cato maior. II, 126.
Schneidewin, F. W., Sophokles' An-
tigene. I, 27. — Trachinierinnen. I, 32.
Schneidewin, H., de syllogis Theogni-
deis. I, 115
Schnitzel, C , kritischer Commomar
zu Soph. Oedipus Rox. I, 23.
Scholl, Fr., zu Cic. de re publ. 11, 143.
Schömann, G., eine Muthmassung über
den wahren Grund von Ovids Rele-
gation. II, 72.
Scholl, F , dubitaro im Fragesatz mit
negativem Sinn. III, 218.
Sehrader, C. , zu Ovidius Fasten. II,
90. — De amicoruni in Üvidii Triati-
bus personis II, 90.
Schrader, H. , Pori)hyrii quaostionum
Ilomericarum rtliquiae. 1, 219
Schreiber, Th., der delische Lokal-
mytbus. 1, 251.
Schroeder, P. , on a Cypriote inscrip-
tion now in the Museum at Cuustan-
tinoplo. Ill, 224.
Schröter, P., zu Soph. fr. 614. I, 34.
Schröter, R, de dracunibus. III, 75.
Schubert, Fr., zur Medea des Euripi-
des. I, 48. — Miicelleu zum Dialekte
Alkmans. I, 124. — Eine neue ILind-
schrift d. Orphisch Argouautika. 1, lüo.
408
Register.
Schubert, H., zum Gebrauch der Tem-
poral-Conjunctionen beiPhuitus. II, 18,
Schubert, O., synibolac ad Terentium
einondaiuliim. II 181.
Schüssler , O. , die Präpositionen bei
Cicero. III, 2(3G.
Schulz, E., zu Cic. de fin. II, 107.
Schwartz, F, L. W., Naturanschauun-
gen d. Griechen, Römer u, Deutschen.
III, 73.
Schwenke, P., über Ciceros Quellen
in den Büchern de natura deorum. II,
113. — Gerundium und Gerundivum
bei Cäsar. II, 213.
Schwickert, J. J. , zu Ter. Phormio
705-710. II, 188.
Seck, Fr., de Pompei Trogi sermone.
III, 281.
Sedlmayer, H. St., schedae criticae.
II, 75. 98. — Kritischer Commentar
zu Ovid's Heroiden. II, 74. — Vers-
schlüsse bei Ovid. II, 73.
Sellar, W. Y., Ennius. II, 197.
Serpieri , A. , il terremoto di Rimini
nel 1875. III, 107.
Seydel, Max, Lucretius, Uebersetzung.
II, 173.
Seyffert, Mr A., Caesaris commentarii
de hello Gallico. II, 217.
Sharp ,11., de infinitivo Herodoteo. I,
107.
Shuckburgh, E. S , the Hauton timo-
rumenos. II, 186.
Sidgwick, A., Cic. Laelius de amicitia.
II, 129.
Siebeiis , J. , Ovidii metamorphoses.
II, 82.
Siegismund , über Pamphylisches. III,
225.
Silberschlag, K., Ansichten des klass.
Alterthums über Enstehung der Welt.
III, 74.
Sitzler, J. , zur griech. Anthologie. I,
137. — Declination der Nomina auf
-ig bei Homer. 1, 227. 251. — Kalli-
Dos oder Tyrtaios? I, 110. — Zu So-
Ions Fragmenten. I, 113. — Theogni-
dis reliquiae. I, 115.
Slavik, O. , Caesaris commentarii de
hello Gallico. II, 226.
Smith, R. H., zu Oed. Tyr. I, 24.
Soldaten, eines alten, Römerstudien.
III, 382.
Soltau, W., Entstehung u. Zusammen-
setzung der alten röm. Volksversamm-
lungen. III, 6. — Recension v. 0. Rib-
becks Kritik des Curculio. II, 33.
Somma, A , sulle armi di pietra e di
bronzo rinvenute in vari siti dell' Etna.
III, 142.
Sonnenburg, P. E., de vcrsuum Plauti
anapaosticorum prosodia. II, 11.
Spalter, Fr., Junggrammatisches. II,
249.
Spangenberg, ars rhetorica des Lucrez.
II, 171.
Spengel, Jahresbericht über Terentius.
II, 177. — Adelphoe. II, 185.
Sprenger, R., zu Terentius Eunucbus.
prol. 4. II, 188.
Spuches, G. de, alcuni scritti. I, 131.
— Tragedie d'Euripide volgarizzate.
I, 34. — La Leandride. I, 180. —
Sulla Teogonia d'Esiodo e sui tradut-
tori. I, 150
Stainer, J., the music of the bible. III,
172.
Stampini, H., de Juvenalis vita. II, 71.
Stein, summary of the dialect ofHero-
dotus. I, 108.
Steinberger, A., zur Antigene I, 29.
— Zu den Phönikerinnen des Eurip.
I, 52.
Steinhoff, R., das Fortleben des Plau-
tus auf der Bühne. II, 3.
Stengel, H., zu Herodotos. 1, 105.
Stengel, P., Pferdeopfer der Griechen.
III, 97.
Stephenson, H. M., selected epigrams
of Martial. II, 60.
Steup, J., Herodot IX 106 u. Thukydi-
des. I, 105.
Stornaiulo, C. , Bleitafel von Mintur-
nae. III, 53.
Stowasser, J. M., zu den Captivi des
Plautus U, 31.
Strack, Chr., de Juvenalis exilio. II, 69.
Strelitz, A., emendationes Petronii Sa-
tirarum. II, 54.
Strobel, P., le razze del cane nella
terremare dell' Emilia. III, 78.
Studemund, zu Plaut. Casina. II, 32.
Stumpf, zu Juvenal. II, 68.
Suchier, R. , die röm. Münzen u. In-
schriften v. Grosskrotzenburg. III, 390.
Surber, A., die Meleagersage. II, 85.
Susemihl, F., Timotheos von Milet bei
Aristot. poet. 2. I, 134.
Sutu, A. Gr.i, istoria lui Herodot tra-
dussa. I, 108.
Sydow, C, de fide librorum Terentia-
norum ex Calliopii recensione ducto-
rum. II, 180.
Szelinski, A , de Persio Horatii imita-
tore. II, 53.
Tachau, L. , de enuntiatorum finalium
apud Eurip. usu. I, 34.
Tarasconi, J. B., epigrammata ex An-
thologia Graeca cum lat. conversione
I, 135.
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
409
Teuber, A , inierest. III, 211. — De
auctoritate commentorum in Terren-
tium. II, 191
Thaer, A . die altägyptische Landwirth-
schaft. III, 63.
Theil, M. N, Homere Iliade I, 194.
Thewrewk, P-, zur Anth. Lat. II, 99.
Thielmann, Ph , das Verbum dare III,
254.
Thimm, R , die perf. Formen von eo.
III, 270.
Thomas, P , sur Terence Phormiou v.
888. II, 189 — Sur les Adelphes. II,
190. — Zu Sophokles Trachinierinuen.
I, 33. — Remarques sur les Adelphes
de Terence. II, 190
Thouret, G., de Cicerone, A. Püllio,
C Oppio. II, 203
Thudichum, G , Traube und Wein in
der Culturge?chichte. III, 100.
Thurneysen , E R. , Herkunft u Bil-
dung dm- lat. Verba auf -io. III, 206.
Thurot, Ch , de l'iuiperatif futur latin.
111, 217.
Tiedke, H., quaestiuncula Nonniana II.
I, 167. 169
Tillmann, H , de dativo Graeco. II, 8.
Tissot, P. de, les agrimensores dans
l'ancienne Rome 111, 3.
Tocileseu, G. , Dacia inainte de Ro
mani. 111, 381.
Todt, B. , über den Kommos im Aga-
memnon 1, 14
Tourmague, A., histoire d ; l'esclavage.
III, 43.
Trambusti, V., l'Aulularia 11, 29.
Treu, M. , zur Geschichte di'r Ueber-
lieferung von Plutarchs Moraiia II
I, 91.
Tyler, H. M , selections irom the Greek
lyric poets. I, 109.
Tyrrell, R Y. , zur Andria prol. 11.
II, 189. — The Miles gloriosus. II, 44
Ulrich, Fr., de vorboruui comj)ositorum
quac extant apud Plautum sruclura.
III, 212.
Unger, C. F., der Eridanos in Vene-
tien. III, 382. — Jahrepoche des Dio-
doros. 111, 313. - Quellen des Poly-
bins III, 313.
Usener, H , zu Cäsar. II, 257.
Ussing, J. Li , Plaut i comoediao. Vol.
111. p 2: Ejjidicuin, Mostollariam, Me-
naechmos. II, 34.
Vahlen, zu Cic. de re publ. I, 47. II.
142 - Ad Lucretium. II, 158. -
lieber die Anfänge der Ileroiden des
Ovid. U, 75 — Zu Petronius II, 56.
— Zu Fragmenti'U scenischer Dichter.
11, 194 - Zu EiMiü Telamo II, 196
Jahresbericht für Allcnhiimswissen.sch.-ift XXVIII (l
Veith , K. V , Untersuchungen zu Cä-
sars bell Gall. II, 242. — Vetera
castra. III, 193.
Venediger, K., zu Caesars bell. g. II,
235.
Verrall, A. "W., on a chorus of the
Choephoroe. I, 15.
Versluys, J , Plutarch, de educ. puero-
rum 1, 91.
Vit, V de, totius latinitatis loxicon.
III. 248.
Vitelli, G , appunti critici suUa Elettra
di Euripide I, 39.
Wagener, K. , zu Cäsar b g. II, 272.
Wagner, C , die perfectischen Formen
von eo. III. 206.
Wagner, E , de Martiale poetarum
Augusteae aetatis imitatore. II, 62.
Walther, H,, Caesariis commentarii de
hello gallico. II, 219.
Warren, M , ou the enclitic ne in early
Latin III, 215.
Wartenberg, zur Belagerung v. Alesia.
II, 249.
Weck. J , homerische Personennamen
auf -s'jg. I, 243.
Wecklein, N. , zu Euripides Alkestis.
I, 37. — Zur Andromache. I, 37. —
Zur Hokabe I, 39 — Zur Iph. Aul.
I, 44. — Ueber den Kre^phontes. I,
53. — Medea. I, 47. - Orestes. I,
52. — Sophoklis Tragoediae 1, 23. —
Soph Oed. in Kol I, 25. - Zu Ho-
mer. 1. 223
Weil, H., nouveau fragment d'Agathon.
1, 3 — Sur lEuroptrd'Eschyle. I, 16.
— Iliade XII 49 I, 222. — Zu Pro-
metheus 51. I, 8 — Sur l'une des
deux nouvelles epigrammes de Posi-
dippe. I, 138. — Besprechung von
Weckleins Abhandl. über fr. II des
Ennius I, 54.
Weingarten, H., die Umwandlung der
ursprünglicht^n christl. Gemeinde zur
kath Kirche. 111, 364
Weise, A , die griechischen Wörter im
Latein III, 271 — Volksetymolo-
gische Studien 111, 208.
Westdeutsche Zeitschrift f. Geschichte
u. Kunst. 111, 391.
Westerburg, E , Ursprung der Sage,
dass Seneca Christ gewesen. 111, 358
Westphal, A. , Theorie der musikali-
schen Rhythmik auf Grundlage der
antiken. 111, 178.
Whitte, ad Caes b g II, 250 ff.
Wiggert, Studien zur lat. Orthoepie.
III, 185
Willems. P.. le pouvoir imperial dans
l'euipire romain III, 1.
11I-) 27
410
Register.
Williams, J., the life of Julius Caesar.
II, 203.
Willisch, K, Spuren altkorinthischer
Dichtung I, 10!). 151.
Winter, J. , metrische Reconstruktion
der plautinischen Cantica. II, 11.
Wlrth, die fibulae an Cäsars Rhein-
brückt!. — Noch etwas über Cäsars
Rheinbrücke. II, 246.
Wirz, H., Handschriftliches zu Juvenal.
II, 03.
Wilamowitz-Möllendorff, commenta-
rioluni grammaticum. I, 123. - 'A^sx-
rpwva. I, 140. — Excurse zu Euri-
pides Medeia. I, 49. — Die Galliam-
ben des Kallimachos und CatuUus. 1,
122. — Zu Ovids Heroiden. II, 78.
Wölfflin, E., über die allitterierendeu
Verbindungen der lat. Sprache. II, 15.
— Lateinische u. romanische Compa
ration. III, 202. — Zum Arvallied.
III, 236. — Ueber die Aufgaben der
lateiu. Lexikographie. III, 259.
Wolfif, A., Ovid's Heroiden, deutsch.
11, 78
WolfF, G., Ausgrabungen am Deutzer
Castrum. IIJ, 391. — Römercastell u.
Mithrasheiligthum von Gross- Krotzen-
bnrg. III, 390.
Woltjer, J., de archetypo quodam co-
dice Lucreliano. II, 155. — Serta Ro-
mana. 11, 151.
Wrobel, j., zu den Scholien der he-
siodischen Monatstago. I, 151.
Zacher, K., üljer die faktische u. prak-
tische Darstellung antiker Dichter-
work(>. III, 177
Zangemeiater, K. , Bleitafel v. Bath.
III, 52.
Zechmeister, J. , Iliadis epitome F.
Ilochoggori. I, 195.
Ziegler, Chr , Theognidis elegiae. I, 1 15.
Ziemer, H., das psychologische Ele-
ment in der Bildung syntaktischer
Sprachformen. III, 210.
Zimmermann, quod u. quia im altem
Latein. II, 180.
Zingerle, A., kleine philologische Ab-
handlungen. II, 86. — Zu Lucan, Si-
lius, Martial. II, 61. — Zu den Per-
siusscholien. I, 53. — Ueber einen
Innsbrucker Codex des Seneca tragi-
cus. II. 199.
ZwetajefF, zur Tafel von Bantia v Breal.
IL Register der behandelten Schriften.
a. Griechische Autoren.
(Die nicht bezeichneten Stellen gehören zur ersten Abtheilung.)
Aelianus Cl., h. an. u, s III S. 385.
Aeschylus S. 4 ff. — Agam. S. 5. 13. 15.
1094. 1119 S. 32. — Choephori S. 5.
7. 15. — Eumen S. 5. ioi4 S. 15. —
Hiketides S 13. — Persae S. 5. 12.
804 S 161. — Prom. S. 7. 8 15. 836
m S. 385. — Septem S. 5. 8. 742 ff
S. 11. 746 S. 12. 65 S 32. - Sup-
plices S. 5. 15 — Fragm. 94 S. 16.
169. 277 S. 1. 801 S. 210. — Vita
Aeschyl. S. 4
Agatharchides III S. 80.
Agathias S. 150.
Agathon S. 3.
Alcaeus S. 127.
Alcman S. 124.
Ammonius S. 161
Anacreon S. 133.
Anthoiogia S. 135 ff. v 230. ix 64i S. 150.
IX 805 III S. 09. XII 160 S. 150
Antimachus S. 121.
Apollinarius S. 185.
Apollonius Rhod S. 157. 169. 208. II 88.
A 543 S. 213. /)' 1249 S. 150. rs74 S. 215.
J 160 S. 117. 248 III S. 385. 596 III
S 382 384. 627 III S. 384.
Appianus 2, i48 3, 57 III S. 340.
Arctinus S. 305. 319.
Aristarchus S. 209. 269.
Aristophanes Acharn. 654 II S. 39 —
Lysistr. 911 S. 44. 1252 S. 141. —
Nubes 622 S. 16
Aristoteles. Meteorol. 1, 13 III S. 385.
— Poetica c. 2, lus S. 134. c 7 S. 21.
c. 14 S. 53. c. 26 S 40. -- Politica
III S. 15.5, viii 5 III S. 172. - Pro-
blemata xix 6 III S. 175. — Rhet.
II 20 S. 128. III 16 S. 302. - Fragm.
3, 7 S. 128. 5 S. 128. — de somno
28 III S. 384.
Aristoxenus III S. 179.
Arrianus 15, 3 III S. 91.
Athenaeus S. 11. m 86b S. 1. in 126
S. 159. vn 277 S. 302. 318 S. 138.
Griechische Autoren.
411
X 436.1 S. 137. XII 59 III S. 164. . XU
519 III S. 121. XUI 31 S. 31. XIV 632
y. 114. XIV 682 S. 303.
Boios II S. 88.
Callimachus S. 122. 152. fr. soä II S. 88.
Callinus fr. i. 5 S 110.
Chaeremon 41 S 2.
Christodoros S. 181. 39 S. 166. 168.
Claudianos S 164.
Clemens AI., ström, i -6 III S 110.
Clemens Rom. III S. 364.
Coluthus S. 175. 177.
Constantinus Porphyrog. III S. 375.
Corinna S. 133.
Critias fr. 1, -23 S. 2.
Cyclici S. 298 ff 319. — Kypr. S. 303.
— Aithiopis; Ilias minor; Uiupersus;
Nostoi S 304.
Cynaethus S 306 307.
Demosthenes, de cor. 289 S. 137. — de
falsa leg. 120 S. 21.
Dio Cassius II S. 293. III S. 314 ff. 52
S. 240. III S. 343. 346. 66 III S. 352.
68, 2, 4 III S. 349. 69, 2, 4 III S. 345.
72, 3, 3 III S. 357.
Diodorus Siculus III S. 313 ff. in 24 III
S. 90 in 52 S. 302. xi 25 III S. 164.
XI 52 III S. 115. XI 72 III S. 164. XI
76 III S. 161. xin III S 151. xm 84
III S. 163. XIV 101 III S 115. 122.
xiVf III S. 148. 151. XVI III S. 165.
XVI 15 III S. 119. 122. 126 XVI 71 III
S. 61. XX III S. 144.
Diogenes Laertius n 42 S. 123. x 139 II
S 116.
Dionysius Haiicarn. III S. 311. i 12. 73
III S. 108 — Dem. c. 26 S. 3.
Dionysius Periegetes i 30 III S. 246. 372
III S. 121.
Diphilus II S. 188.
Epicorum fragmenta, Kypr., Aithiopis,
Ilias miii. , Iliupersis, S. 298 ft. 303.
304. 319.
Epitectus, d. ni 23 II S. 66.
Eudemus, fr. 22 S. 4.
Eudocia S. 186
Eugamon S. 305 .306.
Euripides S. 34ff. S. 51. — Alcestis
S. eJ6. :!6, t;32 S. 40. 838 S. 140. —
Andromaehe S. 37 845 S. 36. 929
S. 40 1064 S. 41. 1092 S. 45. — Bacchae
S. 37. 402 ö. 40. 1116 S. 35. — Cyclops
S. 47. 527 S. 63. — Electra S. 39. 41.
57f. S. 36. — Hecuba S. 39. 27 8. 35.
— Helena S. 39 f. 296 S. 63 763 S. 33.
— Heraelidae S. 40. — Hercules
Ö. 42. 40. 106 S. 161. — Hiketides
953 S. 42. — Hippolytus S. 42 ys
S. 46. 271 S. 40. 1053 S. 5. 15 — Ion
S. 44 f. 40. — Iphig. Aul. S. 43. 40.
— Iphig. Taur. S. 44. 445 S. 36. 931
S. 141. 1211 S. 36. — Medea S. 47 f.
27. 51. 1058. S. 41. — Orestis S. 52.
714. 773 S. 41. 1641 S. 303. — Phoe-
nissae S. 52. 21 S. 10. 931. S. 36. 529
S. 56. 1043 S. 12. — Rhesus 335 S. 52.
— Troades S. 52. 703 S.36. — Fragm.
S. 52 ff. 9 S. 54. 23, 2 S. 15. 38 S. 41.
44 S. 41. 258 S. 32. 809, 5 S. 36.
Eusebius, h. e. 5, 1 III S. 362. 366.
Eusthatius, z. II. 543 S. 15. — per. 32 III
S. 385.
Galenus vi 722 II S. 65.
Hagias, Nostoi 3. 304».
Hecataeus, in Arr. 2, "16, 5 III S. 385.
Hellanicus, fr. 173 S. 99.
Hephaestion S. 122. 126.
Heraclides Pontius, in Plut. 22 III S. 385.
Hermesianax S. 121.
Herodianus S 56.
Herodotus ö. 96. — i S. 100. 103. —
II S. 100. 28 S. 105. 117 S. 303. — III
S. 102. 115 III S 385. 118 S. 98. 129
S. 106. - IV 66 S. 212. 79 S. 103. 95
S. 99. — V 92 S. 152. — VI 105 S. 105.
VII 155 III S. 151. 220 S. 141. — IX
S 105.
Hesiodus S. 139 ff. a 264 S. 183. e 198
S. 177. — Opera S. 148 ff. 144. 146.
225 S. 154. 340 S. 214. 443 S. 160 —
Seutum S. 213. 214. — Theognid.
S. 150 141. 143ff 86 S. 144. 356 S. 237.
729-731 S. 146. — Fragm. Hek. S. 144.
213.
Hesychius, Leok. II S. 113.
Hipponax, fr. 22 B S 141.
Homer 8. 189 ff 207 ff. 227 ff. 252 ff.
262 ft-. 309 ft. 318 ff. 326. — Dias
S. 189 ft. A 263 f. 5 S. 303. 63 S. 221.
82 S. 254. 389 S. 261. 453 S. 260. 88I
S. 158. — BS 263 f. 48 S. 261. 90
S.254. 318 S. 221. 447 S. 221. 527 S. 224.
537 S. 143. 779 S. 158 - rii2 S. 256.
132 S. 119. 229 S. 224. — J 105 III
S. 95. 141 III S. 57. — E 180 S. 183.
407. 466 S. 37. — Z 155 f. S. 143. 234
S. 270. 289 S. 304. — H 199 S. 256.
242 S. 258. 3i3f. S. 264. — / S. 192.
— A" S. 192. 321 f - A Ö. 224. 350
S. 258. 494 S. 2"i4. 498 S 226. — M
S. 323 ff 50 S. 222. 58 S. 223. 103 S. 221.
333 S. 254. 392 S. 252 407 S. 256. —
.V S. 226. 669 Ö. 222. — S 234 S. 260.
— ö 87 S. 143. 326 S. 253. 469 S. 223.
668 S. 224 ft. — // S 227. 28 S. 255.
127 S. 223. 756 S. 225 - /' as S. 256.
— 1' 162 S. 159. — )■ 437 S. 169. —
'/' S. 227. 22 S. 225. 190 S. 260. — A'
35 S. 299. — ii 337 S 254 400 S. 233.
— Odyssee S. 197ft-. 270a. — ß ni
27»
412
Register der behandelten Stellen.
S. 256. 192 S. 222. — y iss S 225.
262 S. 261. - (J 1 S. 225. 114 S. 258.
— f 32 S. 260. 86 111 S. 265. - «5» 63
S. 261. 112 S. 168. - £ 279 S. 109. -
V 13 S. 261. 163 S. 221. — <f 301 S. 205.
— a 203 S. 144. 342 S. 256. — r 477
S. 257. 521 S. 158. — ;f 35 S 256. 299.
— 0 S. 256. 257. 346. Hymni
S. 250 f. 143. 228. — in Aphrod.
S. 228. ad Apoll. S. 199. 215. 228.
250. 320. in Cererem S. 214 215.
in Dem. S. 228. 382. in Mere. S. 215.
— Schollen S. 217 if. 272. 279. 301.
Jamblichus III S. 125.
Ibycus S. 131.
Joannes Gaz , ekphr. S. 185.
Joannes Philoponus S. 305. 307.
Ion Chius S. 120.
Lesches S. 129. 304.
Lucianus, Scyth. III S. 98.
Lycophron S. 135.
Marcus Aurelius 111 S. 369 f.
Maximus Tyrius S. 160.
Menander Com. S. 34 f.
Mimnermus S. 113.
Musaeus S. 179.
Nicander S. 159. 169. II S. 88.
Nonnus Panop..S. 208. xxvi, 55 III S. 69.
XXXIII, 4 S. 177. XXXV S. 150. xlv
S. 165. Dion. 13, 500 H S. 88.
Onomacritus S 273.
Oppianus S 159. III S. 91.
Oracula Sibyll. S 161.
Orpheus S. 149. 162. 165.
Panaetius, ntpl npuvoiac, II S. 115 f.
Patrikios S. 186.
Paulus Silentianus S. 150.
Pausanias, Messen. S. 156. — Elia II
6,4 III S. 128. 6, 11 III S. 117. 21, 10
S. 142.
Periandros S. 114.
Phaedrus ns-pl ß^tüiv II S. 115.
Phanocies S. 121.
Phayllos S. 302
Philetas S. 12^
Philodemus iz^pl suasß. II S. 110. xi e,
13 II S. 112.
Philostratus, heroica S. 299.
Philoxenus S. 133.
Phocylides S. 161.
Photius, lexie. S. 138.
Pindarus S. 141. — Isthm. vi 44 S. 143.
Nemea 11 i S. 306. iii sg S. 142. in
62 S. 143. V 10 S. 142. VI 57 S. 143.
VIII 28 y. 143. — Olymp, i 25-96
S. 142f. IX 67 S. 142. XIII 31 S. 151.
XIII 62 S. 143. XIII 81 S. 147. - Pyth.
I 1 S. 155. I 50 S. 143. IV 225 S. 140.
VI 28 S. 142. XI 19 S. 143. — Fragm.
65 B S. 154.
Plato, conv. isoa S. 11. — epigr. 14, 2
S. 121. — Hipparch. S. 307. — leges
VII 810 S 117. — res publ. 11 zca III
S. 132. - Theaet. S. 2.
Plutarchus, Alex 111 S 107 — Anton,
ms. 107. — Caea. 19 II S. 258. —
Oleom. S. 61. - Dlo III S. 150. -
Galba 4 III S. 345 f 7 Hl S. 350. 29
III S. 346 f. — Moralia S. 2. 57. 59 if.
86 ff 91. — Amatorius S. 78. III
S. 352. XIII 7.^7 S 77. XXV 770 S. 85.
— ad Apollon. S. 62 - Apophth.
S. 64. — disor. S 61. — inst. Lac.
S. 64. — Isis et Os. S 67 — Hb.
educ. S. 60. 90. — musica s 111
S. 176. 21 III S. 169. 36 III S. 170.
— plae. phil. S. 81 — poet. S. 60.
— quaest. gr. S. 65. 67. — quaest.
rom. S. 65 f. 4 HI S. 68. 86 H S. 90.
— superst. S. 64. — de stoic. rep.
S. 57 ff. — sept. sap. conv. S. 63. 85.
89. 123. 151.
Pollux S 116.
Polybius 2, 13 III 3. 18. 2, 16, 12 111 S. 384.
2, 17 III S. 313. 383. 2, 39 III S. 126.
3, 37, 11 III S. 385. 12, 15 III S. 162.
Porphyrius S. 219.
Posidippus S. 138.
Posidonius, napi i^twv II S. 114.
Pratinas S. 133
Procius S. 128. 303. 319.
Procopius, Got III S. 28. III S. 122.
IV 22 S. 138. III S. 127. — ep 18, 86
II S. 88.
Ptolemaeus 2, 12 III S. 387. 2, 16 111
S. 381.
Quintus Smyrnaeus S. 208.
Rhianus S. 156.
Sappho S. 127.
Scylax S. 19. 381 f
Scymnus S. 384.
Simonides Amorg. S. 123. 133.
Solcrates (Eccl.) S. 120.
Solon S. 113.
Sophocies S. 16 ff. III S. 178. — Aiax
S. 18. 22. 31. 792 S. 7. 1288 S. 41. —
Antigene S. 18. 26 f. 98. 124 S. 1. 471
S. 17. 902 S. 28. 1183 S. 32. — Electra
S. 18. 22. 22 S. 51. 531 S. 41. 643 S. 215.
— Oed. Ool. S. 18. 25. 75 S. 32. 33.
321 S. 17. 1375 S. 12. — Oed. rex S. 18.
23. 25. 1440 S. 37. - Philoktet S. 15.
17. 18. 33. 132. — Traehin. S 27.
29. 145 S. 41. 708 S 18. — fragm.
S. 34 421 S. 2. 238 S. 32 678, 5 S 15
— Vita Soph S 4. 31.
Stasinus S. 303. 305.
Stephanus Byz. II S. 39. III S. 384.
Stesichorus S. 124. 127 ff. 27, 3 S. 131.
Stobaeus S. 56.
Lateinische Autoren.
413
Strabo S.2. III S. 109. 131. i III S. 139.
II 2, 5 III S. 385. IV III S. 395. v i, 9
III S, 382. VI III S. 115 ff. 122. 120.
Suidas S. 132. — xuxka S. 304.
Surius, sanct. bist. III S. 395.
Testamentum Novum, ad Rom III
S. 363, 364.
Theocritus II S. 88. 7, 151 S. 134. 17, 57
S. 123. 28, 14 S. 216.
Theognis S. 115 ff.
Teophrastus, de lap. I!I S. 116. r^s/ji
ifdiaq II S. 132.
Thucydides, i III S. 167. so, 95 S. 105.
II 111 S. 167. — III 103 III S. 128. —
V 5 III S. 139. 54 III S. 151. - VI 1
III S. 166. 17 III S. 163. 73, 3 S. 105.
100 III S. 150.
Timaeus Soph. III S. 159. 161. 4ib II
S. 126.'
Timotheus Mil. S. 134.
Tragici S. Iff.
Tryphiodorus S. 150.
Tyrtaeus S. Hl.
Tzetzes, in Lyc. S. 299. III S. 385.
Xenophanes, fr. 1 S. 115.
Xenophon, Cyrop. 11 4, 20 S. 17. - bist.
gr. II S 132,
Zenobius II S. 40.
Zenodotus S 207. 209. 272.
b. Lateinische Auto reu,
(Die nicht bezeichneten Stellen sind aus der zweiten Abtheilung,)
Accius III S. 278.
Acta martyrum (Ruinarti) III S. 261. —
(Scillitauoium) III Ö. 261.
Afranius S. 278.
Ammianus S. 262. III S- 59. 262. 1 III
Ö. 338. 21, 14 III S. 256. 22, 8 III
S. 274.
Anthimus III S. 272.
Anthologia S. 93 ff III S. 272.
Apuleius Madaup,, apolog. 36 III S. 278.
48 III S. 270. 53 S. 47, 67 III S. 278
76 III ö. 249. — Florida III S. 264.
metam. 1, 21 III S. 275. 2, 14 III
S. 257. 3, 18 III S. 262. 3, 23 III S. 68.
4, 11 III S. 268. 8, 16 III S. 268. 9, 28
III S 260, 9, 30 III S. 234. 9, 39 III
5. 258, 11, 30 III S. 2m — Ps.-Apul.
1, n III S. 273. 2, 2 S. 166. de dogm.
Plat. III S. 164.
Aquilius tr. 6 III S. 278.
Arnobius 1, 27 III S. 263. 3, 41 III S. 49.
4, 35 III S. 264. 5, 5 III S. 257.
Arusianus Messius Ö. 177.
Augustinus III S. 260. — de civ. dei
7, 24 S. 89. 15, 27, 3 in S. 273. —
conf. 7, 17, 23 III S. 237. — epp. us,
23 S. 120.
Augustus, epigr. S. 95.
Ausonius III 8, 260. — ep. S. m. III
5. 273.
Boethius, cons. phil. i, s III S 256.
Caecilius Balba III S 262. V^^.
Caelius Antipater tr. ns III S. 268.
Caesar 201 ff. de bello Gall. S. 204 ff.
215 ff. 1 S. 159. 1, 33 III S. 268. 1, 71,
3 S. 163, 2, 13 III S. 395. 3, 6, 2 S. 213.
5, 33, 2 III S. 279. 6,49 S. 213. 6, 40,
'i III S. 256. 8 S. 139. — de bello
civ. 1 III S. 331. 2, 23. 3, -.'O S. 248.
3, 1, 5 S. 215. 3, 40 S. 214. — b Afr.
S. 208. III S. 257. - b. Alex S. 215.
239 f III S. 277. — b. Hisp. 7, 4
S 215.
Caesar Germ. Arat III S 278.
Capitolinus III S. 93
Carmen Octaviani Augusti S. 94 f.
Cassius Felix 71. 72 III S. 272. 274.
Cato Utic, orat. III S 277, — orig.
I, 20 III S. 272, 273. V 5 S. 135.
Catullus I S. 122. le IH S. 261. 35 III
S. 277 48 I S. 122. 52 I S. 122. 55
III S. 278. 61 III S. 256. 64 S, 73, 85.
95. III 257. 66 I S. 122. 67 HI S. 256.
,17 III S 277. 212 III S 256. coma
Ber. I S. 155.
Celsus III S. 263, 269. 272,
Charisius III 8. 276.
Cicero 8. lüSff- III S. 204. — Brutus
111 S. 277, 1, 2, 4 III S. 270. 14, 55
III S. 279. 67 III S. 278. 70, 246 HI
S. 268. — Or. 8. 138. — de oratore
.3, 38 S 77 c 48 8. 13. - topica III
8. 40. — Orationea III S. 249 pro
Archia S. 133. pro Balbo 8. 145.
pro Caecina III 8. 2.".7. pro Caelio
III 8. 268, in Catil 1, 27 8. 134 2
8.240. 1118.279. 4,2,3 8,195. pro
Cluentio ,;7, i9i HI 8, 268 70, 200
HI S. 2.'.6. pro domo 8. 240. III
8. 2()S. pro Flacco 111 8. 268. de
lege agr. III 8 48. pro Milone 4,
10 III S. 266. 18, 47 III 8. 2.".S. pro
Murena III 8. 268. Philipp. III
8. 264. L'79. 2, 21 III 8, 331. 2, 67
8, 133. 3, 18 8. 33, 4, 9 Hl S. 317.
5, 8 HI S 269. 7, 6 III 8. 258. 12, 11
414
Register der behandelten Stellen.
III S. 261. 2G9. H, 3 III S. 268. 14,
■2S S. 133. pro Plane. S. 134. pro
Rab. III S. 268. post reditum ii,
20 III S. 268. 15, 37 in S. 27'J. pro
Rose. 1, 3 III S 256. 4-2, 122 III S 268.
pro Sest. S. 240. pro Sulla S. 31.
pro Tullio 8, 1!) III S. 2.j6. i4, 34 HI
S 268. Verrinae III S. 249. 268.
279. 2, 5, 7 III S. 268. 2, IG, 10 III
S 263. 4, 55 III S. 256. 5, 50, 132 III
S 266. — fragm. 3C, 125 III S 256.
— epist. III S. 204. 257. ad Att.
S. 115. 120. 239. III S. 204. 256. 261.
1, 18, 1 S. 195. 7, 12, 6 III S. 268. 8,
15 III S. 317. 9, 14, 1 III S. 268. 10,
3 III S. 264. 13,39,2 S. 115. 14, 21, 3
S. 122. 15, 13 S. 140. 16, 11, 4 S. 147.
ad fam. S.68. 140. 242. 252. III S. 268.
277. 279. 5, 24, 4 S. 145. s, 11 S. 146.
16, 2 III S. 331. ad Quintum 1, 4, a
S. 146. 2, 8 III S. 249. 2, 9, 3 S. 159.
10, 17 III S. 394. - op.philos. S. 103 ff.
— aeademiea 2, is, 58 III S. 267. 2,
101 S. 134. — Cato S. 122 ff es III
S. 255. — de divin. S. 120. 1, 39, 85
III S. 256. 13, 42 m S. 263. — de
fato S. 122. 1, 1 S. 135. 5, 10 III
S. 257. - de fin S 105 ff. S. 125.
2, 24 III S. 258. 272, 2, 26 III S, 269.
2. 29 III S. 268. 4, 41 S. 134. 5, 11, 31
S. 124. - Laelius S. 128 fi. - de
legibus S. 143. 145ff. III S. 191. 1,
14, 40 III S 279. 2, 58 S. 135. 3, 19, 43
S. 124. ~ nat. deor. S. 108 ff. 128 ft".
147. 1, 2, 4 III S. 269. 1, 5, 10 III
S. 256. 1, 40, 113 III S. 264. 1, 41, 114
III S. 279. — de off. S. 136 ff. i le,
52 S. 133. II 68 S. 126. — paradoxa
S. 109. — de rep. S 140 ff. 1, 3, e HI
S. 269. 3, 14, 24 III S. 256 3, 74 III
S. 285. fr. III S. 234. - somn. S. 107.
3, 7 S. 128. — Timaeus S 146 ff. —
Tuscul. S. 107. III S. 256 f. 1, 36, 186
III S. 279. 1, 44, 106 S. 194. 1, 48, 117
S. 195. 2, 17, 40 S. 124. 3, 11 III S. 263,
3, 43 III S. 272. — Hortensius (Lu-
culi.) S. 104
Ciris 68 III S. 188
Claudianus, in Ruf. III S. 255. 258. 264.
— in Eutr. ; cons. Hon.; mall. Theod.;
rap. Pros.; seren. III S. 264. — Pun.
gest. III S, 260. 278. 279. 280.
Claud Quadpig. 2 fr. 39 III S. 27. 3 fr.
41 III S. 277.
Cod. Justin. III S 24. de ord. sen.
III S. 375.
Cod. Theodos. 5, i4 III S. 24. 9, 40 III
S. 258. 16, 4, 2 III S. 343.
Columbanus S. 101.
Coiumelia, praef 12 S. 135. 3, 10 III
S. 273. 9, 17 III S. 272. 11, 21 III
S. 257.
Corippus III S. 2.56.
Cornelius Nepos i .!, 4 III S. 206. —
Hamilcar JJI S. 2.08. -- Hannibal
2, 2 ni S. 2.58. — Phocion 0, 5 III
S. 258. — Themistocles 10, 5 III
S. 269.
Cornificius III S. 268.
Corpus iuris, dig. 19, 1, 52 III S. 25
28, 1, 2 III S. 260. leg. Const. III
S. 30. ed Dioel. 2, 11 III S. 272.
Curtius S. 121. 3, 11 III S. 264. 5, 3 III
S. 279. 5, 6 ms 268 6,3 II IS 258.
8, 2 III S. 268. 10, 5 S. 256.
Cyprianus III S. 273. 378.
Damigeron, de lapid. I S. 163.
Dictys Cret. III S. 257.
Diomedes 380, 19k III S. 257.
Donatus, vita Vergilii S. 153. ad
Terent. S 190 ff. — praef. Adelph.
S. 182. 18G
Draoontius S 74. 100. 102. 205.
Ennius, ann. S 197. s07 S.S. — Epich.
9 III S. 272 — fr. Kresph. I S. 53.
— fr. 2, 3 I S. 54. — fragm. Telam.,
Iphig., Med., Androm. S. 196. — tr.
344, 261 R III S. 277. tr. 133 k; Sota 1
III S. 278.
Euanthius S. 191.
Eumenii paneg. Const. M. III S. 258.
392.
Eutropius e, 21 III S. 258. g, 24 III S. 256.
Fabius Pictor III S. 275. 313.
Fannius, ann. 1 fr. 1 III S. 279.
Festus 33, 29 III S. 276. 230 b III S. 48.
269 III S. 66.
Firmicus Maternus III S. 256. 280 ff.
math. 2, 32 III S. 273 f.
Florus 1, 45, i2 S. 256. 2, le, 7 III S. 269.
Fortunatus, ars rhet. 2, 13 III S. 272.
Frontinus III S. 136. 269.
Fronte S 66. III S. 256. 267 ff.
Gallus S. 102
Gargilius mart., med. 30 III S. 273.
Gellius 1, 26 III S. 256. 2, 18 III S. 278.
3, 3 III S. 276. 4, 18 III S. 269. 5, 10
III S. 279. 5, 13 III S. 241. 10, 27 III
S. 275 13, 23 III S. 277. u, 1 III
S. 270. 15, 27 III S. 7. 16, 13 III S. 264.
17, 2 III S. 275. fr. 10, 3 III S. 257.
Geographus Ravenn. 4 III S. 381. 4, 26
III S. 393. 4, 36 III S. 383.
Gracchi, ep. Corneliae III S. 48.
Gratius Fah'scus, eyn. 372 III S. 278.
Gregorius Tur. 1, 2s III S. 374.
Gromatici, lex Mam. III S. 259
Hieronymus III S. 260. — ep. 78; mans.
39 III S. 258. — de vir ill. 42 III S. 363.
Hilarius Patav. III S. 386.
Lateinische Autoren.
415
Hirtius S. 209 213. 239.
Historie! S. 201 ff.
Homerus Latinus 886 III S 257. 90o. 1024
III S. 255.
Horatius, epod. 7, 13 HI S. 36 9, 12 III
S. 343. 13 S. 95. — epist. i 2, 63 III
S. 261. II 1, 125 in S. 255 II 1, 200
S. 278. — ars poet. 113 HI S. 257.
— satirae i 10 III S. 216 i 33 III
S. 208. II 2, 76 S 189. II 3 m S. 216.
I 5, 101 III S. 279. II 7, u III S. 255.
II 5, 11 III S. 276.
Hortensius fr. 9 III S. 266.
Hyginus9.5IS.299. i8GlS.56.i9iinS.261.
Interpres Iren III S. l63.
Isidorus Hisp. 5, 21, 1 III S. 275. 12, c
m S. 272. 13, 19 S. 99. 19, 19 m
S. 273. 20, 3 m S 272.
Itinerarium Alex. 12 III S. 268. 39 III
S. 270. — Anton, p. 123 III S 386.
p. 292 III S. 385. p. 298 ni S. 394.
p. 316 III S. 386. — Hieros. III S. 386.
Justinus III 8. 250 f. 279 2, 4 S. 252. 4,
3. 21, 2 III S. 261. 23, 1 III S. 265.
34, 3 III S 258. 39, 3 III S. 270.
Juvenalis S 62 ff. 3, 135 S. 121. 10, 261
III S. 257.
Juvencus III S 256.
Lactantius S. 101. 137. III S. 264.
Livius III S. 52. 31 If 322. — i 25, 9 III
S. 277. 29, 6 III S. 258. 45 III 8. 68.
48, 2 III S 166. 60 III S. 11. 257. -
n S. 159. 2, 43 III S 256. 2, 44 III
S. 264. 5, 7 III S. 268. - iv 25, 11 III
S. 312. 57, 3 I S 10. — V 42, 3 III
S. 34. - VI 6, 18 III S. 255. 42 III
S. 295. - VIII 8 UI S. 12. 24 III S. 124.
— IX 31 III S. 136. — X 16, 3 III
S. 269. — XXIII 23 III S. 255. - xxiv
5 III S. 279. 11 III S 27. 35 III S. 146.
— XXV 18, 15 S. 36 — XXVI III S. 256.
279. 35 III S. 27. 46, 10 S. 268. -
XXVII 16 III S. 116. 27, 11 III S. .59.
— xxvin 39, 16 III S. 256. — xxix
3, 4 III S 258. 27, 4 III S. 277. —
XXX 11, 3 III S. 255. 19 III S 119. 123.
— XXXIV 13, 5 III S. 278. G2, 4 Hl
S. 256 - XXXVI 29, 9 III S. 266. -
XL 59, 19 III S. 59. — xi.iv S. 266. —
Epit. 48 III S. 259.
Lucanus S. 61. III S. 276. 3, 323 III
5. 278 5, 24 S. 121. 5,502 III S. 279.
6, 320 III S. 255.
Lucilius 4, r. III S. 272. 4, 4i III S. 262.
9, 66 III S. 277.
Lucretius 8 149 ff. 1, loio III 8. 279.
1, 1040 III 8. 278 2, 685. 1007 III 8. 27s
2, 1024 III 8. 277. 3, 959 III 8. 262
4, 190 8. 119. 4, 981 III S. 269. —
Luer. vita 8. 153.
Luxorius 8. 98.
Lygdamus I 8. 122.
Macrobius, sat. 1, 7 III S. 276. sat. 1,
13 III 8. 5.
Mamert. Grat, act g 8 121.
Marcellus 16 III 8 272.
Martialis 8. .58 ff. 69. III 8. 261. 1, 88
III 8. 277. 1, 104 III 8 257. 1, 109 IH
8. 277. 4, 25 III S. 383 6 , 17 S. 69.
6, 84 III S. 249. 7, 24 S 70. 7, 63, 9 Ell
8 339. 347. 7, 64 8 69. ii, 21 S. 95.
13, 2 III S. 279.
Mela m S 129. 1, 9 III 8, 255. 3, 9 III
8 269.
Minucius Felix s. 3 III 8 279.
Nazarenus Panegyricus IH S. 256.
Nepotianus 2, 2 III 8. 273. 5, 5 III S. 258.
Nonius Marcellus 205, 12 III S. 268. 251,
25 III S. 258 621, 22 III S. 266. 543,
10 III S. 276
Notitia Dign. c. 35 III 8. 395. c. 42 III
8. 387 — Not. Bern. 69, 88 III S. 273.
Oppius, C, 8 203.
Orestis tragoedia 8. 100.
Orosius 3, 1 III 8. 262. 5, le UI 8 258.
6, 7 8. 258. apol. 4, 6 III 8. 273.
Ovldius 8 72 ff. — Amat. 1, e III 8 258.
2, 6 S. 86. 14, 36 S. 121. — ars am.
S. 86. 1, 433 III S. 277. 279. 2. 222
8. 121. 2, 467 8. 82. - epist. ex Ponto
S. 87. III 8. 333. 1, 2 III 8. 277 1,
58 I S. 121 — Fasti 8 82 87. 89 ff.
99. 1, 55 III 8. 5. 1, 597 III 8 256.
2. 441 III 8. 6,S. 5, 708 I 8. 1)2. —
Haliantica io9 III 8. 292. — Heroi-
des 8. 74. 8 (»ff 2, 2.5 III S 258. 4,
13 8. 121. 5. 1.58 III 8. 277. 6, 144 III
8.277. — Metamorph. 8. 79 ff. III
8 252 ff 256. 269. 279. 5, 47 III 8. 255.
5, 3,38 8. 65 11, 672 III S. 257. — rem.
am. 597 8. 88 — medic. faciei 8. 77.
— Tristia 8. 73. 87. 90 ff. III 8. 333.
— - Ibis 8. 91
Pacuvius 111 8 278.
Palladius 12, 7 III 8. 273. ine. fr .v. IH
S. 2.-)7. 44 Hl S 262. eo HI 8.277.
Passio s>. qiiattuor coronatoriim Hl
S 378
Paulus Oiaconus, dig. s, 2 III 8. 278.
— ex Feste 32, 12 111 8. 274, eo, 7
III 8. 276. 67 HI 8. 234.
Perdicas 8 102.
Persius 8 53 63. 5, 60 III S. 279.
Petronius 8 ;»'ii( ei, 9 III S. 273. 70, 2
lii S. 269. 11-2, 5 Hl S. 265.
Phaedrus i, u HI 8.262. 1, 19 HI 8.252.
■2, 2 III S 279. 4, 2 111 8. 262.
Philargyrus, in georg. 4 8. 158. 111
S. 1^76
Plautus 8 1. 17 ff. 219. HI 8. 275. -
416
Register der behandolten fStellen.
Amphitruo S. 22. i, i, 146 Hl S 270.
9'J I S. 140. 307. 350 S ."). 574 S. 6. COI
S. 10. — Asinaria S. 22 fi. 52 S. 212
166 S 5. 176 S. 4 1!I6 III S. 241. 512
S. 32 605 III S 208. 708 III S. 268.
275 824 S. 4. 708 111 S. 268. 824 S. 4.
910 III S. 275. — Aulularia S. 29.
prol. 4 S. 4. 2, 2, 39 S. 33 4, 10, 51
S. 46. 163 III S. 256. 210 III S 278,
618 111 S. 275. — Bacchides S. 2«).
III S. 202. 100 III «. 277 3.'i4 111 S. 278
387 III S. 279 419 111 S 3i). 511 S. 0
1185 S 4 - Captivi S. 30 ff. HI
S. 258. 98 S. 270 134 S. 27. 385 HI
S. 268 735 S. 10. Casina 32. 2, 6
27. 3, 2 S. 6. 4, 2 S. 5. 5, 1 S. 40.
— Cistellaria 1, 1, 82 S. 30. 2, 1 5«
S. 10. 2, 1, 58 111 S. 264. — Cureulio
S. 33. 33 III S. 265 41 S 41. 612 IH
S. 273 621. 624 S. 5. — Epidieus
S. 34. 1, 1, 23 S- 28. 2, 2, 40 S 33.
5, 2. 13 S. 35 132 S. 45. 233 III S 273.
— Menaechmi 8. 35 286 H. 46. 524
S. 47. 588 S. 13 712f. S. 4 894 S 44.
— Mereator S. 40. 2, 2, 3 S. 33. 524
S. 46. 752 111 S 258. 955 S. 5. —
Miles glqriosus S 8 9. 41 43 ff.
2, 3, 37 Hl S 257. 135 S. 27. 203 III
S. 269. 213 III S. 262. 310 322. 4i7 S 0
374 III S. 275. 455 S 40. 574 S. 27 583
S. 35. 586 S. 40. 654 S. 33. 784 Hl
S. 255. 797 III S. 257. 973 S 33. 983
S. 30. 1065 111 S. 257. 1074 HI S. 269.
1103 S. 30. — Mostellaria S 47 202
S. 40 215 S. 5. 247 S. 40 343 S. 6
519 III S. 256. 690 HI S. 278. 745 S. 5.
— Persa S. 47. 202 S. 40 215 S. 5.
247 S. 46 343 S. 6. 519 III S 256. 690
III S. 278. 745 S. 5 — Poenulus
S. 49. 1, 1, 11 HI S. 276. 3, 3, 72 S. 27.
3, 4, 7 S. 5. 5, 2, 20 S. 6. 5, 2, 94 S. 27.
5, 4, 69 S. 45 5, 5, 23 HI S 258 —
Pseudolus S 50. 307 IH S. 277. 377
S. 27. 580 S 11. 661 S. 47. 680 Hl
S 279. 920 S. 5 - Eudens S. 5ft.
4, 4, 94 S. 27. 4, 4, 108 S. 47. 5, 3, 36
5, 27. 190 III S 278. 205 S. 195. 224
S. 33. 576 S. 46. 750 III S 262. 950
S 40 1059 S. 11. — Stichus 2, 46 III
S. 44. 572 S 51. 725 S. 5. - Trinum-
mus S 6. 24 S. 41. 622 S. 46. eei HI
S. 278. 673 S. 27. 46. 76I S 52. 868
III S. 264. 1161 S. 27f - Tmculen-
tus 2, 2, 14 S. 52 2, 6, 48 HI S. 279.
2, 8, 5 S. 10. 4, 2, 29 S. 10. 403 III
S. 278. 538 ff III S. 275. — Fragm.
HI S 276
Plinius major, nat. bist, i is, 9 S. 274.
— III 36 III S 274. 387. 394. 74 IH
S. 385. 96 m S. 128. 98 III S. 119.
119 IH S. 383. 120. 122 III S. 384. 136
III S. 387. 140 HI S. 381. — iv HI
S. 384 — VII 32 III S. 2.58. 42 III
S. 269. 2, 24 III S. 91. 197 I S. 1.50.
- IX 9 36 HI S 2.58 95 Hl S 264.
97 HI S. 272 — .\ 81 HI S. 257. —
XI 107 III S 257. 267 HI S 259 —
XII 88 111 S 264 - XIII 102 III S 269
— xviii 10, 24 III S. 64. 74 S. 190.
187 HI S. 269 363 HI S. 257. — xx
100 Hl S. 339f 346. — xxii 11 S. 123.
164 Hl S. 272. — xxiii 311 HI S. 126.
XXIV 82 HI S 27 .i. — XXVIII 6, 77 III
S. 69 — XXIX 29 S. 101 — XXXIV 4
III S. 261 — XXXV 64 III S 127. —
XXXVII 32 in S. 384. .33 III S. 272.
Plinius minor, epist III 8 .53 2.50 261.
268. 209. 270. 279 1, 12, 5 8. 135. i,
20, 22 1 8. 212. 2, 7 Hl 8 354. 3, 1, 7
III 8 255. 3, 6 Hl 8 272. 3, 9, 32 HI
8. 25S. 9, 13, 4 Hl 8. 345. 9, 19 III
8. 339 341. 348. 10, 59 IH 8. 256. —
paneg. 7 Hl 8 343. 9, 12 HI 8. 354.
20, 6 Hl 8 200 24, 3 Hl 8. 268. 31
III 8 279. 45 HI 8 346. 63 f. HI 8. 261.
270
Plinius Valerianus 1, n Hl 8. 261. 5, 43
111 S 272
Poetarum fragmenta 8 196.
Pollio Asinius 8 203 243.
Pomponius com. is III 8 202.
Priapeia 21, 1 III 8. 277
Priscianus 2, 101 IH 8. 210. e, 87 III
8. 276. 8, 26 HI 8 209. 13, 12 IH
8. 279 16, 16 HI 8. 192 I8, 309 IH
8. 234
Propertius 1, s; 1, 16 III 8.278. 1, 20
III 8 250. 2, 19 HI 8. 201. 4, 3 8. 77.
1, 8 ; 1, 16 Hl 8 278. 1, 12, 4 III 8. 383.
1, 20, 48 HI 8 250 2, 19 III S. 261.
4, 3 8. 77.
Prudentius, eatli. 6, 102 III S. 273. —
contra Symm. 8 97. — perist. 2,
2:^,9 8. 97. 10, 71 III 8. 260.
Publilius Syrus, sent. 8 121 192f.
Quintilianus 8. .56. 135. 195. III 8 379.
3, 8, 19 8. 256
Rutilius Lupus III 8. 278
Sallustius, Catil .15, 2 8. 121. 20 HI
8. 211. 29, 3 111 8. i78. 31, 7 III 8. 250.
— Jug. 5, 2; 95, 4 III 8 208.
Scaenicorum fragmenta 8. 195 ff
Scribonius Largus III 8 208.
Seneca, L A , cons ad Helv. III 8. 278.
— ad Paul III 8 358. — ep. 95, 3
III 8. 205 107, 11 III 8 200. - quaest.
nat III 8 272. — tranq. III 8 205.
~ Apocol III 8. 273.
Seneca trag. 8 198 ff — Herc 8. 198.
200. III 8. 264 - Oed. III S 256.
Lateinische Autoren.
417
— Thyest. S. 199 — Troad. III
S. 257.
Seneca, M. A., III S. 2 64 f. — controv.
S. 243. III S. 264. 273. — suas. i, 4
III S. 270 1, 12 S. 133 2, 12 III S. 269.
7, 11 III S. 273.
Servius, ad Aen. 4, 242 III S. 275 7,
728 III S. 386. 9, 24 III S. 68. -
georg. III S. 272.
Sidonius Apollinarius S. 34.
Silius Italicus III S. 276 ff. 4, iis HI
5 257. 4, 119 III S. 255. 5, 86 HI
S. 257. 8, 383 III S. 263. 8, 589 III
S. 270. 11, 366 III S. 255.
Spartianus, Hadr. III S. 256. 355. —
Sev. III S. 258 355 ff.
Statius, Ach. S. 98. 1, 250 S. 121. 1, 281
III S. 279. Silv. III S. 272. Theb.
III S. 272. 278.
Suetonius, Aug. 53 S. 121. 85 S. 95. 98
III S 257 — Nero le III S. 359. 56
III S. 270. - Caes se S. 235. 238.
243 — Calig. 11 III S. 258. 32 HI
S. 257. 43 III S. 249. 53 III S. 270.
— Claud. III S 359. - Galba 7 III
S. 270. 9 III S. 339 341. - Domit.
6 III S. 257. — Gramm. S. 90. III
S. 17
Sulpicius 1, 17, 3 III S. 273.
Symmachus I S. 13.
Symphosius S 99.
Tabula Peuting. III S 380, 385. 394.
Tacitus 111 S. 217. — ann III S. 256.
258 279. 1, 8; 3, 56 III S. 343. 4, 47
S 266. 4, 57 S. 121. 4, 73 S. 248. 11,
24 III S. 206. 11, 25 III S. 299. n, 28
III S. 255. 15, 2 III S. 277. 1,5, 4 III
S. 268. 15, 26 III S. 351 — bist. 1, 11
III S. 346. 1, 29 III S. 279. 1, 57 ö. 248.
2, 10 III S. 2.58 2, 61 III S. 339. 341.
348. 4, 34 III S. 260. 4, 45 III S. 381.
4, 55 III S. 3.52. 4, 58 III S. 269. -
Agrio 3 III S. 343. 345. 18 III S. 260.
26 III S. 269. - Germ. III S 354.
7 III S. 2.56. 16 S. 99. - dial. 33 III
5. 279.
Terentius S. 177 ff. 185. Adelphi S. 24.
177. 183ff. I 1, 1 S. 191. II 2,4 S. 10.
III 2, 13 III S. 257. VI, 4 ö. 183. 32
III S 279. 1,6 S. 181. 276 S. 4. 417
S. 27. 665 S. 4 712 S. 20. 979 S. 31.
32. - Andria S. 181. prol. 8. 189.
III S 277. 1, 1 S. 262. iso III S. 262.
201S. 27. 214 III S. 255 287 S. 45. 347
S 6. 842 111 S. 45. 859 S. 4. —
Eunnuchus, piol. S. 188. III S. 277.
98 S. 28. 214 S. 183. — Heauton Tim.
S. 181. 186. prol. III S 268. 1, 1, 2
III S. 270. 3, 3, 27 S. 135. 186 111
S. 262. 239 m S. 279. 277. 758 m
S. 257. 1005 S. 183. — Hee. S. 45. 178.
78 S. 192. 134 S. 181. 283 S. 183. 189.
362 III S. 262 365 ni S. 257. 489 m
S. 279.' 522 S 183. 623 S. 184. 803
S. 181. 810 866 III S. 277. — Phor-
mio S 186. 62 S. 5. 64 S. 6. i45 S. 181.
348 S. 10 342 S. 189. 619 S. 184. 705
S. 188. 799 S. 4. 888 S. 189.
Tertullianus, adv, Marc, i, 13 HI S 272.
4, 16 III S 273. 5, 12 m S. 275. —
adv. Herm. III S. 275. - apol. III
5. 260. — de cult. fem. III S. 263.
de idol. III S. 260. — praeaer. m
S 273. - resurr. III S 275
Tibullus 1, 9; 3, 7 m S. 261. 2, 5 IH
S. 277. 3, 4 III S. 257. 4, 1 Ul
S. 278.
Tragicorum fragm. 39 in S. 277.
Trogus Pomp. III S 161. 281.
Ulpianus, dig 38 III S. 272. 47 III S. 273.
— lib. 22, 6 S 6.
Valerius Flaccus III S. 276. 1, 367; 3, 106
III S. 256 2, 381 ; 6, 327 m S. 278.
5, 21 III S. 258. 7, 352 III S 277.
Valerius Maximus III S. 204. 255. 266.
2, 54 III S. 257 2, 7, 2 S. 121. 3, 2
III S. 256. 3, 6, 4 S. 125. 4, 7, 1 m
S. 298 7, 3 III S. 257. 7, 31 III S. 68.
y, 2, 8 III S. 263
Varro S 89. ling. lat. 5, 4 III S. 219.
5, 65 III S 272. 6, 82 S. 44 7,3 III
S. 219. 7, 77 III S. 276. — sat. Men.
350 III S. 272. 352 III S. 273. 395 III
S. 278. 403 III S. 272. - res rust.
III S. 279 — de v. p. 1, 44 III S. 279.
2 fr. 14 III S. 275.
Vegetius III S 2.56
Velleius Paterculus III S. 279.
Vergilius, Aeneis III S 334. l 47. 58
ms. 272. 104. 402 III S. 269. 185 III
S. 262. — II 49 S. 94. 271 III S. 257.
290 III S. 272. 364 S. 97. 405 S. 102.
540 III S. 278. 588 III S. 261. — III 680
III S. 273. — IV 242 III S. 275. 566
III S 278 — V 183 III S. 278. — vi
454 H. 86. — VII 766 111 S 278. — viii
170 111 S. 255. 671 S. 160. 663 S. 97.
686 S. 197. — IX 44 111 S. 261. 91 S. 65.
- X 8 111 S. 279. 380 III S. 258. 846
III S. 216. — XII 779 III S. 256. —
georg. 1, 122 111 y. 274. 2, 10 f. S. 86.
2, 84 III S. 273. 3, 380 111 S. 272. 4
S 97.
Victor Aurel. 111 S. 68.
Victorinus III S. 192.
Vitruvius 111 S 249. 269. 272. 2, 0 III
S. 277. 6, 4, 9 III S. 256 5, 4, 40 III
S. 257. 7, 11, 1 III S. 261.
418
Geographisches Register.
Vopiscus, Num. n, 2 III S. 260. 12, 1
Jll S. 2(58. Sat. 8 III S 357.
Vulgata, act. apost IJI S. 2f>7. — eccl.
III 8. 270. — genes. II] S. 275. -
2. Cor. III S. 2.58. — Jud 7, is III
S. 2.">7. 1.;, c III S 2r,S. — Macch.
1, 20; Mich. ], 8 III S. 257 prov.
Ili S. 270. — psalm. 77 III S. 2.08.
III. Geographisches Register.
(Die nicht bezeichneten Stellen sind aus der dritten Abtheilung.)
Abellinum 1.3G.
Acalandrus 117.
Ad horrea 394.
Ad lacum Aprilem 385.
Ad pirum 38G.
Adiabene 372.
Aegyptus I, 63. 105.
Agnone 239.
Alba 283
Alesia II, 248.
Alpes Poeninae 386.
Alybas 116.
Amathunt 222.
Aphidna I, 111.
Aprustum 119.
Ära Ubiorum*338.
Arabia 98.
Arba 381.
Arbona 387.
Arbor felix 387.
Argessa 246.
Argoos 246.
Arinthe 122.
Arponion 119.
Arsamosata 351.
Aquae Sextiae 394.
Aquileia (Aalen) 389.
Ascapha, Aschaffenb 392.
Aspendos 226
Assyria 99.
Athen 357.
Atria 383.
Baia 138.
Bantia 238.
Bebekos fluvius 384.
Bellovacum 395.
Bibracte II, 245.
Blambetae 381.
Bratuspantium 395.
Brigantio 387.
Britanni II, 269.
Bruoteri 354.
Caecinae 246.
Caesaromagus 395
Caicinos, Carcines 128.
Cales 386.
Cambodunum 387.
Campania 1.37.
Campi lapidei 394.
Castel 338
Castra Hannibalis 129.
Chaldaea 99
Char put- Arsamosata 351.
Cherusoi, Suebi II, 276.
Chone 122
Cilnii 246.
Claux 395.
Cluvia 135.
Clusium 246.
Concordia Sagittaria 385.
Consentium 123.
Corfinium 239.
Costiglione 385.
Cucumella 246.
Cumae 53.
Cures 386.
Dacia 380.
Dalmatia 380 381.
Deutz 374 391. 392.
Drusomagus 387.
Duisburg 393
Ebodouro 387
Edro (Medarius) 383.
Eretenos potamos 383.
Eridanus 382.
Etrusci 231. 245.
Falisci 236
Fanesii (Panoti) 67.
Forum Neronis 394.
Forum Voconii 394
Freudenberg 388.
Gallia 393.
Germania 388.
Golgoi 220 f.
Graecia magna 111.
Grosseto 243.
Grosskrotzenburg 390.
Helvetii II, 243.
Heraklea 117.
Hipponion 139.
italia 108. 231. 302ff.
Italia septentrionalis 382.
Italic! 230.
Juvanum 135.
Köln und Deutz 374.
Krathis 132.
Krimisa 123
Kroton 124.
Kurion 224
Kylistarnos 119.
Kyme 138
Kyzikos I, 297.
Lacus Prile 385.
Lagaria 119.
Laos 120.
Lemene fl 385.
Liguri 246. 307.
Limes rhaeticus 389.
Limes transdanubianus et
transrhenanus 388.
Luceres 298.
Luxovium, Lussedium, Lo-
sodium. Luxeuil 395.
Mainhardt 388
Manlianum 119.
Mare Cronium 384.
Marruvium 241.
Mersapi 139. 228.
Metapontion 116. 136
Minucii 394.
Monasterium Vivariense
130.
Mosa II, 265.
Munimentum TraianI 338.
Neaithos 123.
Neapolis 133.
Neopaphos 222.
Nilus I, 105.
Noricum 382.
Numistro 136.
Octodurus 387.
Oenotri 303.
Ortoplinia 381.
Orvieto 242.
Oxus 107.
Padus 383.
Pandosia 118. 123.
Parthia 372.
Patavium 383.
Petelia 123.
Pfahlbronn 388,
Geographisches Eegister.
419
Piacenza 244.
Poggio-Gajella 246
Poitiers 395.
Pompeji 137.
Pons Rhenanus II, 246if.
Posidonia 115.
Praeneste 49.
Prokonesos 94.
Ilpwveq Tu krjatot 124.
Quadi 339.
Raetia 386
Reis Apollinaris 394.
Retron 383.
Rhodanus 394.
Rimini 107.
Roma 1, 31. 33. III, 231.
282 ff. 305. 307. 309.
Rutuli 246.
Ruvo 135.
Saalburg 391.
Sabini 307.
Sagras 125.
Saint-Pathus 395.
Salamiu (Paphos) 220.
Scylacium 129.
Senia 381.
Siberene 124.
Sibusates 264.
Sicilia 139.
Siculi 307.
Sila 122.
Sinus Soylacius 129.
Siris 117.
Skylietion 130.
Spina 383.
Sulmona 135.
Sybaris 121. 131.
Syllion 225.
Tarent 114.
Tarquinii 246.
Tartarus 383.
Taunus 390.
Teate 135.
Telavium (Tedanius; 381.
Temesa 123
Templum Hierosolymita-
num 352.
Teurnia 382.
Thapsos 140.
Thisbae 315
Thurii 118. 121. 131.
Tigranokerta 351.
Tragliatella 245
Troja I, 320. III, 62
Urbinum Metaurense 386
Usipeti et Tenctri II, 245*
Veji 293.
Vendeuil-Caply 395.
Veneti 383.
Venixamodorum 395.
Vetera castra 393.
Vetulonia 385.
Via Aurelia 394
Via Domitia 394.
Via Flaminia 386.
Vibisoo 387
Vicetia 383.
Vicus Aurelius. 387.
Vienna 366
Volumnii 246.
^e»»3<
Druck von J. Draeger's Buchdnickerei (C. Feicht) in Hcrlin.
'7
PA Jahresbericht über die Fort-
3 schritte der klassischen
J3 Altertumswissenschaft
Bd. 28
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY