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Neun und dreissigster
> _ Jahres-Bericht
der
; Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische. Uultur.
S Enthält den Generalbericht
Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft
. im Jahre 1861.
Breslau, 1862.
: Bei Josef Max und Komp.
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—
Neun und dreissigster Jahres-Bericht
und
Abhandlungen
der
Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Oultur.
Breslau 1862.
Bei Josef Max und Komp.
Zur Nachricht.
Die wirklichen Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft erhal-
ten, wie bisher, die im Laufe des Jahres erscheinenden Abhandlungen und
den General-Bericht, alle Anderen nur den letzteren.
Breslau, den 20. Mai 1862.
»
Das Präsidium.
Neun und dreissigster
Jahres-Bericht
der
Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Gultur.
Enthält
den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen
| der Gesellschaft
im Jahre 1861.
Ener Pike
asian 1862.
BeiJosef Max und Komp.
Allgemeiner Bericht
über
die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft
im Jahre 1861,
abgestattet
in der allgemeinen Versammlung am 20. December 1861
vom
Bürgermeister Dr. Bartsch,
zur Zeit General-Secretair.
—
Das Präsidium verlor im Laufe dieses Jahres von seinen Mitgliedern
durch den Tod den Königl. Ober-Regierungsrath Sohr, den Königl. Geh.
Ober-Justizrath, Appellations- Gerichts-Präsidenten Dr. Hundrich und
den Minister a. D. Milde. Die grossen Verdienste dieser Verewigten
während vieljähriger Mitgliedschaft um Förderung der Zwecke unserer
Gesellschaft, sowie durch rege Theilnahme an den Geschäften des Präsi-
diums wurden in öffentlichen Nachrufen beileidsvoll bezeugt und dankbar
sewürdigt. — Im Secretariate der juristischen Section folgte dem Geheimen
Rathe Dr. Hundrich der Appellationsger.-Präsident Herr Dr. Belitz, und
das Secretariat der landwirthschaftlichen Section übernahm, an Stelle des
von Breslau abgegangenen Herrn Geh. Regierungsrathes Freiherrn von
Wechmar, der General-Landschafts- Repräsentant Herr Elsner von
Gronow.
Als wirkliche Mitglieder wurden im Jahre 1861 neu aufgenom-
men die Herren:
1) practischer Arzt Dr. v. Molitor, 2) Dr. med. Voltolini,
3) Rittergutsbesitzer Wilhelm v. Löbbecke auf Rückers, 4)
Königl. Commereienrath Kulmiz, 5) Regierungrath Greiff,
6) Regierungsrath Tülff, 7) General-Lieutenant Graf Oriolla,
8) General v. Plötz, 9) Dr. Berliner, 10) Dr. Bunke zu Oels,
11) Dr. med. Köbner, 12) Musik-Director Schäffer, 13) Kgl.
1*
7
4 Jahres-Bericht
Berghauptmann Dr. Huyssen, 14) Buchhändler Morgenstern,
15) Gerichts-Assessor Graf Rödern, 16) Dr. med. Lipschitz,
17) Ober-Regierungsrath Sabarth, 18) Ober-Post-Direetor Schrö-
der, 19) Particulier A. Grube, 20) Dr. phil. Luchs, 21) Ober-
Bergrath Tantscher, 22) Kreis-Physieus Dr. Waldhaus zu
Rybnik, und 23) Apotheker Störmer zu Jauer.
Zu eorrespondirenden Mitgliedern wurden ernannt die Herren:
1) Prof. Dr. Rühle zu Greifswald, 2) Daubre&e, Ingenieur en
chef des mines et professeur de geologie & la faculteE des
sciences de Strasbourg, 3) Dr. Staring in Leyden, Director
der geologischen und physikalischen Untersuchungs - Commission
in Holland, 4) Dr. Kerner, Professor in Linz, 5) Dr. Heyden-
reich in Tilsit, und 6) Dr. Bail, Oberlehrer an der Realschule
zu Posen.
Ausgeschieden sind 7 Mitglieder und durch den Tod verlor die
Gesellschaft als Ehrenmitglied:
den Königl. Regierungs-Präsidenten, Geh. Öber- Regierungsrath
Freiherrn v. Kottwitz, =
sowie 11 wirkliche Mitglieder, namentlich ausser den 3 Eingangs
sedachten Direetoren:
den Justizrath Gräff, Partieulier Lucas, Ober-Consistorialrath
Prof. Dr. Middeldorpf, Hauptlehrer Otto, Major a. D. von
Prittwitz, Dr. med. Seidel, Gymnasiallehrer Dr. Speck,
und den Sanitätsrath Dr. Bannerth zu Landeck;
endlich 5 correspondirende Mitglieder:
Prof. Dr. phil. Fürnrohr in Regensburg, Bibliothekar Dr. Hanka
in Prag, Arthur Henfrey in London, Oberlehrer Hertel in
Görlitz und Apotheker Weimann in Grünberg”).
In Veranlassung des Hinscheidens Sr. Maj. König Friedrieh Wil-
helm IV. ist vom Präsidium an des zur Regierung gelangten Königs
Wilhelm Majestät unter'm 15. Januar c. eine Beileids- und Glück wunsch-
Adresse ehrfurchtsvoll gerichtet worden.
An der Feier des 50 jährigen Jubiläums unserer alma mater, der hie-
sigen Königl. Universität, hat auch die Gesellschaft den innigsten und leb-
haftesten Antheil genommen, Das Präsidium übergab der Universität bei
*) Am 17. December 1861 starb Apotheker Carl Gottfried Weimann in
Grünberg. Er gehörte zu der nun noch geringen Zahl älterer Pharmaceuten,
welche sich durch genaue Beobachtung der Naturproducte ihrer Umgebung grosse
Verdienste um die vaterländische Naturkunde erworben. Ganz besonders verdankt
ihm die Wissenschaft die genaue Ermittelung des höchst merkwürdigen Meteori-
tenfalles zu Seifersholz bei Grünberg am 21. März 1841 (vergl, die Beschreibung
dieses Falles in unsern Verhandl. Jahrg. 1841, S. 52—54), und die Sammlungen
der Schlesischen Gesellschaft ein vollständiges Exemplar der drei damals gefalle-
nen erdigen Meteoriten, wofür sie ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren wird.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 5
‚dieser Feier eine in seinem Auftrage von Herrn Professor Dr. Römer
verfasste, mit sehr gelungenen Abbildungen reich ausgestattete Beglück-
‚wünschungs- und Widmungsschrift über die Sadewitzer Diluvial-Geschiebe.
Auch an dem Jubelfeste 50 jähriger Wirksamkeit unseres hochgeehr-
‚ten Mitgliedes, des, insbesondere auch um unsere pädagogische Section
als deren Secretäir sehr verdienten Herrn Seminar-Oberlehrers Scholz
betheiligte sich das Präsidium, durch Abgeordnete aufrichtige Glückwünsche
darbringend.
Zur Ausführung des Beschlusses: dass Lessing hierorts eine Denk-
tafel errichtet werde, hat Her Stadtrath Lübbert die Anbringung dieses
Denkmals an der Front seines Hauses auf der Junkern-Strasse genehmigt
und der Bildhauer Michaelis die Sculptur der mit Lessing ’s Brust-
bilde in weissem Marmor zu versehenden Tafel übernommen.
Auch während dieses Jahres sind unsere Bibliotheken und Sammlun-
sen durch viele werthvolle Zuwendungen bereichert worden, von denen
hier das von des Herrn Ministers der geistlichen ete. Angelegenheiten
Excellenz hochgeneigtest überwiesene kostbare Werk:
Dr. Karsten, Florae Columbiae specimina selecta
mit ehrerbietisem Danke hervorzuheben ist.
Unsere Section für Obst- und Gartenbau hatte sich zur Unterhaltung
ihres Versuchsgartens von Sr. Excellenz dem Minister für landwirthschaft-
‚liehe Angelegenheiten des Empfanges der zunächst auf 3 Jahre bewillig-
ten Subvention von jährlich 150 Thlr. wieder zu erfreuen, wofür der
wärmste Dank auch hier öffentlich ausgesprochen wird.
Zur Erhaltung des grossen Henschel’schen Herbariums ist mit der
Sublimatisirung der getrockneten Pflanzen fortgefahren, auch sind unsere
. botanischen und mineralogischen Sammlungen durch die Herrn DD. Milde
„und Fiedler geordnet worden. Die Anfsicht über die Bibliotheken hat auf
Ersuchen des Präsidiums Hr. Professor Dr. Galle gefälligst übernommen.
Allgemeine Versammlungen haben mit Einschluss der heutigen
seit dem letzten Berichte 7 stattgefunden, in welchen folgende Vorträge
gehalten wurden: '
am 28. December 1860 von Herrn Straf-Anstalts-Direetor Schück
über Vagabunden;
am 24. Januar c. vom Privat-Docenten ete. Herrn Dr. Karow
über Amadis-Romane;
am 22. Februar c. vom Privat-Docenten Herrn Dr. Grünhagen
über zwei Demagogen im Dienste Friedrich’s d. Gr.:
am 19. April ec. von Herrn Prof. Dr. Lebert über Pfahlbauten
und Wohnungen auf Seen und Flüssen im Alterthume;
am 25. October ec. von Herın Director Schück über Behandlung
verlassener Kinder im Alterthume und in der Christenheit; und
am 29. November ce. von Herrn Privat-Docenten Dr. Oginski
über die Frage: Was ist Philosophie, was ist Wissenschaft?
6 Jahres-Bericht
Ausserdem hat das Präsidium zur Verbreitung wissenschaftlicher Kennt-
nisse auch für diesen Winter wieder öffentliche Vorträge in dem von
der Königlichen Universität geneigtest bewilligten Musiksaale veranstaltet.
Dieselben werden gehalten und sind zum Theil schon gehalten worden
von den Herren Privat-Docenten Dr. Karow, Dr. Schwarz, Dr.
Oginski, Dr. med. Klopsch, Dr. Körber, Dr. Cauer, Dr. Grün-
hagen, Dr. Pfeiffer, Oberforstmeister v. Pannewitz, Prof. Dr. Hei-
denhain, Oberlehrer Dr. Reimann, Stadtrath Prof. Dr. Eberty, Dr.
phil. Fiedler und Director Prof. Dr. Wissowa.
Das Stiftungsfest der Gesellschaft konnte wegen der Landestrauer
erst am 3. März begangen werden.
Unser um die Ordnung des Kassenwesens sehr verdienter Kassirer
Herr Kaufmann Klocke hat die Jahresrechnung pro 1860 mit bewährter
Sorgfalt gelegt. Die Revision und Abnahme ist erfolgt und dem Herrn
Rechnungsleger unter erneuerter dankbarer Anerkennung seiner fortge-
setzten Mühewaltung die Decharge ertheilt worden.
Nach der bisherigen Weise der Herausgabe unserer Jahresberichte
und seitdem auch die Leopoldinische Academie von hier verlegt worden, ist
es für die gelehrten Mitglieder unserer Gesellschaft schwer, die neuen
Ergebnisse ihrer Forschungen bald zu veröffentlichen.
Um diesem Bedürfnisse abzuhelfen, hat auf Anregung unseres ver-
ehrten Präses, Herrn Geh. Medicinalrathes Prof. Dr. Göppert, das Prä-
sidium beschlossen, schon im Laufe des Jahres von Zeit zu Zeit wissen-
schaftliche Arbeiten unter dem Titel „Abhandlungen der Schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur“ herauszugeben. Es wurde
deshalb eine Redactions-Commission aus den Herren Privat-Docent Dr.
Aubert, Prof. Dr. Cohn, Prof. Dr. Göppert, Staatsrath und Prof.
Dr. Grube und Prof. Dr. Kutzen gebildet, und ist es Dank ihrer Be-
mühungen gelungen, schon im Laufe dieses Jahres folgende Abhand-
lungen zu veröffentlichen:
Abtheilung für Naturwissenschaften und Mediein.
I. Heft:
Prof. Dr. F. Cohn, Ueber contractile Gewebe im Pflanzenreiche.
Dr. med. Aubert, Beiträge zur Physiologie der Netzhaut. 1.
Geh. Regier.-Rath Prof. Dr. Löwig, Ueber die Producte, welche durch
Einwirkung des Natriumamalgams auf Oxaläther gebildet wer-
den. . 1.
Il. Heft:
Dr. Wimmer, Salicologische Beiträge.
Dr. J. Milde, Neue Beiträge zur Systematik der Equiseten.
Hüttendirector C. Janisch, Zur Charakteristik des Guanos von verschie-
denen Fundorten. Mit Taf. I und I.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 7
Prof. Dr. Grube, Beschreibung einer neuen Coralle (Litkoprümnnoa arctica)
und Bemerkungen über ihre systematische Stellung. Mit Taf. II.
Prof. Dr. Löwig, Ueber die Producte, welche durch Einwirkung des
Natriumamalgams auf Oxaläther gebildet werden. U.
Geh. Medie.-Rath Prof. Dr. Göppert, Ueber das Vorkommen von Lias-
pflanzen im Kaukasus und der Alborus-Ketle.
‚Geh. Medie.-Rath Prof. Dr. Göppert, Ueber die Tertiärflora der Polar-
gegenden.
Ill. Heft:
Dr. Davidson, Zur Geschichte der anatomischen Abbildungen.
Dr. Viol, Zur modifieirten Linearextraction kernhaltiger Staarformen.
Dr. Lewald, Untersuchungen über die Ausscheidung von Arzneimitteln
aus dem Organismus, insbesondere über die der mineralischen
und vegetabilischen Adstringentien durch die Nieren und ihren
| Einfluss auf die 'Thhätigkeit derselben.
Dr. Auerbach, Ueber die Wirkungen topischer Muskelreizung.
Dr. Paul, Ein Fall von Tracheotomie, ausgeführt wegen eines fremden
| Körpers in der Luftröhre — mit günstigem Ausgange,
Dr. Paul, Ueber Mastdarmpolypen bei Kindern.
Medie.-Rath Dr. Middeldorpf, Die percutane Umstechung der Arterien
in der Continuität, eine neue Methode der Unterbindung.
Philosophisch-historische Abtheilung.
I. Heft:
Prof. Dr. Kutzen, G. E. Lessing in seinem Welt- und Kriegsleben, sei-
nem Wirken und Streben zu Breslau (Ende November 1760 bis
Ostern 1765).
Oberlehrer H. Palm, Beiträge zur Lebensgeschichte und Charakteristik
des Dichters Martin Opitz von Boberfeld.
Geh. Ober-Bergrath Steinbeck, Der Aufstand der Tuchmacher zu Bres-
lau im Jahre 1333.
Dr, C. Grünhagen, Zwei Demagogen im Dienste Friedrich’s des
Grossen.
Dies vorausgeschickt, so ist über die Thätigkeit der einzeluen Sectio-
nen von den Herren Secretairen noch Folgendes zu berichten gewesen;
Die naturwissenschaftliche Section.
(Secretaire: Staatsrath Prof. Dr. Grube und Prof. Dr. Römer.)
In der naturwissenschaftlichen Section sind im Jahre 1861
14 Sitzungen gehalten worden. Es sprach:
1) am 16. Januar Herr Prof. Römer über die Versammlung französi-
scher Geologen in Besancon;
2) am 6. Februar Herr Dr. Aubert über Versuche im Dunkeln;
3 Jahres-Bericht
3) am 27. Februar Herr Dr. H. L. Cohn über Analysen der Unter-
chlorsäure mittelst Jodtitrirung;
Herr Prof. Grube über eine interessante Coralle aus dem hohen
Norden;
4) am 13. März Herr -Prof. Sadebeck über den gegenwärtigen Stand
der Hypsometrie in Schlesien;
5) am 17. April Herr Emil Quaas über Zanzibar und seine Bewohner;
6) am 1. Mai Herr Prof. Löwig über die Producte aus Oxaläther
durch Einwirkung des Natriumamalgams;
7) am 19. Juni Herr Prof. Grube über das Schmarda’sche Reisewerk;
über einige neue Serpula-Arten und ihre Verwandten;
8) am 10. Juli Herr Prof. F. Cohn über die Wettersäule am 23. Juni
d. 3%;
Herr Prof. Löwig Fortsetzung seines Vortrages vom 1. Mai;
Herr Prof. Göppert über die durch die Junistürme en
ten Samen von Pflanzen;
9) am 24. Juli Herr Dr. Aubert über die Cephalopoden des Aristo-
teles;
Herr Prof. Galle über die Bahn des am 30. Juni erschienenen
Cometen;
Herr Geheimr. Prof..Göppert hatte angekündigt einen Vortrag
über Thierfährten im Gebiete des Rothliegenden in der Graf-
sehaft Glatz;
10) am 23. October Herr Professor Heidenhain über die Eigenthüm-
lichkeiten der thierischen und pflanzlichen Zellen;
11) am 6. November Herr Dr. Stache aus Wien über die geologischen
Verhältnisse Istriens, Siebenbürgens und des Bakonyer Wald-
sebirges ;
12) am 20. November Herr Prof. F. Cohn über den Charakter der
Zellen bei den niederen Pflanzen;
Herr Prof. Heidenhain legte Präparate von Knorpelzellen vor;
13) am 5. December Herr Redacteur Oelsner Mittheilungen über die
jetzt in Leipzig gestiftete geographische Gesellschaft ;
Herr Prof. Römer Mittheilungen über seine in diesem Sommer
angestellte Reise nach Russland;
14) am 18. December Herr Prof. Dr. Sadebeck hypsometrische Mit-
theilungen.
Die entomologische Section
(Seeretair: Dr. philos. W. G. Schneider)
versammelte sieh im Laufe dieses Jahres 4 Mal, und wurden von Herrn
Dr. Wocke zwei Vorträge über Lepidoptera, welche manche neue inter-
ossante Entdeekungen enthielten, von Herrn Hauptlehrer Letzner. und
dem Secretair je ein Vortrag über Coleoptera gehalten. Ausserdem
der Schles, Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 9
machte Herr Oberforstmeister v. Pannewitz einige kleinere wichtige
Mittheilungen theils literarischen, theils coleopterologischen Inhalts.
In der letzten Sitzung am 25. November wurde der bisherige Secre-
tair für die neue Etatszeit wieder gewählt.
Die botanische Section
(Secretair: Prof. Dr. Ferdinand Cohn)
hat im Jahre 1861 eilf Sitzungen gehalten; es trugen vor die Herren:
Geheimer Medieinal-Rath Prof. Dr. Göppert: Ueber die Geographie
Schlesiens, mit Rücksicht auf pflanzengeographische Verhältnisse
— über die Cocapflanze — über die Familie der Cycadeen —
über das Verhalten der Mimosa pudica gegen Erschütterungen.
Dr. Hodann: Ueber Anlage und Pflege der Ward’schen Kasten, —
über seltenere schlesische Farnkräuter.
Oberlehrer Privatdocent Dr. Körber: Ueber neuere Geschichte der
Lichenologie. |
Kaufmann Müller: Beobachtung über das Blühen von Monstera Lennea.
Oberforstmeister v. Pannewitz: Erläuterung seltenerer Exemplare aus
seiner Sammlung.
Dr. Rosenthal: Ueber Nutzpflanzen.
Dr. Stenzel: Ueber Potentilla Tormentilla, erecta und reptans, — über
Schlesische Schmarotzerpflanzen, insbesondere den Fichtenspargel.
Stud. v. Uechtritz, Ueber neue Schlesische Pflanzen.
Direetor Prof. Dr. Wimmer: Ueber Salix pyrenaica Gruan und tephro-
carpa W. und grandifolia Seringe.
Der Secretair: Ueber die neuere Geschichte der Alsenkunde, —
über rothen Schnee, — über Anatomie von Monstera Lennea, —
über die Vegetation des Landes und Meeres von Helgoland, —
Botanische Mittheilungen.
Von den Pflanzen des Henschel’schen Herbariums wurden im
Jahre 1860 circa 8800 Nummern sublimatisirt, so dass gegenwärtig circa
33,200 Nummern, etwa die Hälfte der Phanerogamen, gegen Zerstörung
durch Inseeten gesichert worden ist.
An dem von der Section mit Unterstützung des Präsidiums geleite-
ten Lesezirkel botanischer Schriften haben 18 Mitglieder Theil genommen.
Bei der am 12. December stattgefundenen Wahl wurde der bisherige
Secretair für die neue Etatszeit wiedererwählt.
Die medicinische Section
(Seeretair: Privatdocent Dr. Aubert)
hat im Jahre 1861 achtzehn Versammlungen gehabt.
In denselben sind folgende grössere Vorträge gehalten, sowie nach-
stehende Mittheilungen und Demonstrationen gemacht worden:
10 Jahres-Bericht
Herr Privatdocent Dr. Klopsch: 1) Orthopädische Mittheilungen und
Demonstration neuer orthopädischer Apparate. 2) Vortrag über
Scoliosis. 3) Vortrag über die sogenannte idiopathische Lähmung
der Unterextremitäten.
„ Dr. Stadthagen aus Canth: Mittheilungen 1) über Kristeller’s
Tokometer, 2) über Erstickung durch Lampenruss, 3) über eine
Contreindication zur Herniotomie.
„»„ Privatdocent Dr. Cohn: Vortrag über die Bedingungen zur Er-
zeugung des tympanitischen Tones, mit Demonstrationen.
„ Dr. Pinoff: Ueber die hydropathische Behandlung des Gelenk-
rheumatismus.
„ Sanitätsrath Dr. Viol: 1) Zur modificirten Linearextraction
kernhaltiger Staarformen. 2) Ueber den im Sommer 1861 herr-
schenden epidemischen Augenkatarrh und seine Modificationen.
„ Privatdocent Dr. Freund: 1) Ueber Zitat mamellonnee des Ma-
gens. 2) Ueber Retroflexio uteri. 3) Mittheilung über Wirkungen
des Jastrzember Brunnens.
„ Privatdocent Dr. Neumann: Ueber Irren-Statistik.
„» Dr. Auerbach: Ueber topische Muskelreizung.
„ Medieinalrath Prof. Dr. Middeldorpf: Ueber die percutane
Umstechung der Arterien in der Continuität, eine neue Methode
der Ligatur.
„ Prof. Dr. Lebert: Ueber Hauthörner.
„ Kreisphysikus Dr. Bunke aus Oels: Bericht über Verletzungen
durch einen Blitzschlag.
„ Privatdocent Dr. Lewald: 1) Vortrag über die Ausscheidung
von Arzneimitteln aus dem Organismus. 2) Mittheilungen über
die Dreckapotheke der Homoeopathen nach Hager's Pharmacopoea
homoeopathica. |
„ Oberarzt Dr. Berliner über die Framboesia im ostindischen
Archipel.
» Dr. Köbner: Ueber syphilitisches Virus.
„ Dr. Zülzer: 1) Ueber die Fortschritte der Laryngoskopie. 2)
Demonstration eines Kindes mit Missbildung der Extremitäten.
„» Kreisphysieus Dr. Voltolini: Mittheilung über ein neues Instru-
ment zur Laryngoskopie, nebst Demonstrationen.
„ $Sanitätsrath Dr. Grätzer: Ueber-die Armen-Krankenpflege in
der Stadt Breslau,
„ Privatdocent Dr. Förster: Mittheilung über das Sehen der
Amaurotischen.
An die meisten Vorträge und Mittheilungen haben sich lebhafte Dis-
cussionen angeschlossen.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 11
Die meteorologische Section
(Seceretair: Prof. Dr. Galle)
hat in dem verflossenen Jahre keine Sitzungen gehalten, mit Ausnahme
der für die Wahl des Seeretairs bestimmten Sitzung vom 11. December,
bei welcher der bisherige Seeretair für die nächste Etatszeit wiederge-
wählt wurde.
Die technische Section
(Seeretair: Director Dr. Gebauer)
hat in diesem Jahre keine Vorträge gehalten. Die wichtigeren techni-
schen Zeitschriften wurden den sich betheiligenden Mitgliedern zugesendet
und dann der Bibliothek der Gesellschaft übergeben. Der bisherige Se-
eretair wurde für die nächste Etatszeit wiedergewählt.
Die ökonomische Section
(Seeretair: Landes-Aeltester Elsner v. Gronow)
versammelte sich im Jahre 1861 drei Mal.
In der ersten Sitzung am 15. Januar wurde an Stelle des aus Bres-
lau verzogenen Geheimen Regierungs-Rathes Freiherrn v. Wechmar für
die noch übrige Etatsperiode der vorstehend Genannte zum Secretair der
Section erwählt.
In der demnächst angestandenen Sitzung, den 23. April, wurden die
eingegangenen Mittheilungen des Centralvereins, wie anderweite Zuschrif-
ten den Mitgliedern zur Kenntniss gebracht, die bereits erschienenen Zeit-
schriften und Journale zur Einsicht vorgelegt und von dem Secretair über
deren Inhalt im Allgemeinen referirt.
In der Schlusssitzung endlich am 17. December wurde zur Neuwahl
des Secretairs für die mit dem Jahre 1862 beginnende Etatsperiode ge-
schritten, und der zeitige Secretair wiedergewählt, von demsel-
ben die Wahl auch acceptirt.
Es wurden hierauf die interessanteren Zeitschriften, namentlich die
Mittheilungen des Centraivereins, vorgetragen, und schliesslich beschlos-
sen, mit dem nächsten Jahre eine Circulation der zur Disposition stehen-
den landwirthschaftlichen Schriften unter den Mitgliedern eintreten zu las-
sen, um hieran in den anzuberaumenden öfteren Sitzungen Besprechungen
zu knüpfen und dadurch wo möglich in der Section ein regeres Leben
herbeizuführen.
Die Section für Obst- und Gartenbau
(Seeretair: Director Dr. Wimmer)
hat im Jahre 1862 sieben Versammlungen gehalten, in welchen nur die
Angelegenheiten der Section, insbesondere die von ihr bewirkte Versen-
dung von Edelreisern und Sämereien seltenerer Gemüse, die eingesandten
a. ı_
12 Jahres-Bericht
Culturberichte und die Verwaltung des gemietheten Gartens zum Vortrage
und zur Berathung gekommen sind.
Die Ergebnisse des Gartens haben sich in dem abgelaufenen Jahre
etwas günstiger gestaltet und es sind aus demselben bereits eine Anzahl
Stämmchen an Mitglieder in der Provinz abgegeben worden.
Der bisherige Gärtner ist abgegangen, um seiner Militärpflicht zu
genügen; an dessen Stelle ist ein durch den berühmten Pomologen Lu-
cas vorgebildeter Gärtner aus Würtemberg seit November d. J. in den
Dienst der Section getreten.
In der Versammlung am 13. December wurden die bisherigen Secre-
taire aufgefordert, dieses Amt weiter fortzuführen.
Die historische Section
(Secretair: Prof. Dr. Kutzen)
versammelte sich während des Jahres 1861 in sieben Sitzungen, in wel-
chen folgende Vorträge gehalten wurden:
1) Am 9. Januar: Herr Oberlehrer Dr. Reimann über den Versuch
des französischen Convents, die Vereinigten Staaten in den
Krieg mit England zu verwickeln. |
2) Am 13. Februar: Herr Oberlehrer und Privatdocent Dr. Cauer
über den grossen Kurfürsten als Beförderer der Wissenschaf-
ten und Künste, mit besonderer Beziehung auf das Project
einer Universal-Universität.
3) Am 20. März: Herr Privatdocent Dr, Grünhagen über die Bela-
gerung Brieg’s im Jahre 1741, nach der handschriftliehen Auf-
zeichnung eines Zeitgenossen.
4) Am 17. April: Herr Oberlehrer Dr. Reimann über die erste Prä-
sidentschaft Washington’s.
5) Am 1. November: Herr Oberlehrer Palm über den Aufstand der
Breslauer Stadtsoldaten im Jahre 1636.
6) Am 22. November: Herr Privatdocent Dr. Grünhagen über die
Verhandlungen, betreffend die Eidesleistung der Breslauer ka-
tholischen Geistlichkeit an Friedrich den Grossen im J. 1741.
7) Am 13. Deeember: Herr Geheimer Bergrath Steinbeck über den
Minister Ernst Wilhelm v. Schlabrendorf.
Ausserdem fand in der letzten Sitzung die Wiederwahl des zeitigen
Secretairs statt.
Die pädagogische Section
(Seeretair: Seminar-Oberlehrer Scholz)
hielt in dem ablaufenden Jahre fünf Versammlungen, in welchen folgende
vier Vorträge gehalten und besprochen wurden:
1) Herr Hanptlehrer Stütze: Zur Beseitigung eines Vorurtheils in
Beziehung auf die. Sonntags- und. Handwerker-Fortbildungs-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 13
schulen, und über die Ursachen der gegenwärtig noch fortdau-
ernden Indolenz gegen sie und die Zeitrichtung.
2) Herr Instituts-Vorsteher Geppert: Ergebnisse pädagogischer Studien.
3) ,, Seminar-Oberlehrer Scholz: eine vom Seminar-Oberlehrer
Herrn Prange in Bunzlau verfasste und eingesandte Abhand-
lung über das Thema: „Die Mangelhaftigkeit der Erfolge der
Lehrerwirksamkeit“. Der Vortrag füllte zwei Sitzungen aus.
4) Derselbe: Die Jugenderziehung der Gegenwart im Verhältniss zu
früheren Jahren.
Die Versammlungen wurden zwar spärlich besucht, aber die Bespre-
chungen der Vorträge waren nichtsdestoweniger anregend.
Der bisherige Secretair der Section wurde wiedergewählt.
Die philologische Section
(Secretair: Director Dr. Wissowa)
hat im Jahre 1861 fünf Versammlungen gehalten.
1) Am 26. März: Herr Oberlehrer Palm las über lateinische Gedichte,
die sich handschriftlich in schlesischen Klöstern gefunden haben.
2) Am 16. April: Herr Prof. Dr. Stenzler berichtet über John Wil-
| kins’ Versuch, eine neue Sprache zu bilden.
3) Am 18. Juni: Herr Director Dr. Fickert hält einen Vortrag über
Hildebert von Tours und dessen lateinische Dichtungen.
4) Am 26. November: Herr Direetor Dr. Schönborn berichtet über
die, durch die neuesten Ausgrabungen am Rhein gewonnenen
Kenntnisse über die altrömischen Militair-Auszeichnungen, ins-
besondere die päAalerae.
5) Am 10. December: Herr Prorector Dr. Lilie liest über Bedeutung
und Wirken des Erdwesens in der antiken Mythe.
In der Sitzung am 10. December wurde, auf Antrag des Director
Dr. Schönborn, durch Acclamation der bisherige Secretair der Section
auch für die nächste Etatszeit wiedergewählt.
Die juristische Section
(Secretair: Appellations-Gerichts-Präsident Belitz)
hat sich im Jahre 1861 sechs Mal versammelt.
1) Am 16. Januar: Wahl des Herrn Appellations-Gerichts-Präsidenten
Dr. Belitz zum Secretair, an Stelle des am 1. Januar d. J.
verstorbenen Secretairs, Appellations-Gerichts-Präsidenten Dr.
Hundrich, für die Dauer der gegenwärtigen Etats-Periode.
2) Am 28. Februar: Vortrag des Herrn Präsidenten Belitz über das
Leben, den Charakter und die schriftstellerische Thätigkeit z
verstorbenen Präsidenten Dr. Hundrich,
14 Jahres-Bericht
2) Vortrag des Herrn Stadt-Gerichts-Rath Güttler über die
Postgarantie, nach Maassgabe der im Postverein geltenden
Vorschriften.
3) Am 20. März: Vortrag des Herrn Gerichts - Assessor Wittig
über die Legitimation unehelicher Kinder durch obrigkeitliche
Declaration.
4) Am 17. April: Vortrag des Herrn Appell.-Ger.-Rath v. Wittken
über den Passage-Vertrag, mit Berücksichtigung der Verhand-
lungen der Commission zur Berathung eines allgemeinen deut-
schen Handelsgesetzbuches.
5) Am 27. November: Vortrag des Herrn Stadtrichter Primker über
die Hannöversche Processordnung.
6) Am 18. December: Wahl des Herrn Präsidenten Belitz zum S$e-
cretair für die Jahre 1862 und 1863.
Vortrag des Herrn Gerichts-Assessor Wittig über das Separatum
in Wechselsachen.
Die musikalische Section
(Secretair: Dr. phil. Baumgart)
versammelte sich im Jahre 1861 vier Mal. Sämmtliche Vorträge wurden
vom Secretair gehalten.
Am 11. Juni las derselbe eine Fortsetzung seiner biographischen
Mittheilungen über J. Th. Mosewius; sein Abgang von der Bühne und
die Stiftung der Sing-Academie wurden besprochen.
Am 19. November hielt derselbe einen Vortrag über Händel’s
Oratorium: Israel in Aegypten. Mit Bezug auf die Beurtheilungen des
Werkes nach seiner letzten hiesigen Aufführung (im Sommer d. J.) wurde
zunächst über den Charakter der Händel’schen Oratorien im Allgemei-
nen gesprochen, dann die eigenthümliche, von allen übrigen Oratorien
abweichende Anlage des Israel dargestellt und die Musikstücke des ersten
Theils näher erörtert, namentlich die, welche die Plagen Aegyptens schil-
dern. Es wurde nachzuweisen versucht, dass Händel mit besonnener
Erwägung aller obwaltenden Umstände in den meisten jener Stücke nicht
die Empfindungen der Geplagten, sondern die Plage selbst in ihrem
natürlichen Vorgange schildert, und dass diese Conception, weit ent-
fernt, eine kleinliche Tonmalerei zu sein, mit der ganzen Idee und Ten-
denz des Oratoriums in Uebereinstimmung sei; denn dieses will den
mächtigen Gott des Volkes Israel, dessen Beschützer und starken
Helden verherrlichen.
Am 10. December sprach derselbe über moderne Instrumentirung
älterer, namentlich Händel’scher Compositionen. — Die verschiedenen
Ansichten Jahn’s, Mendelssohn’s und Anderer wurden mitgetheilt,
dann besonders hervorgehoben, dass die Orchesterpartie in einem für
Chor und Instrumente berechneten Kunstwerke nicht eine bloss äusser-
der Schles. Gesellsch, £, vaterl. Cultur. 15
liche Zuthat zum Gesange sei, sondern dass Beides im Verein die an-
gemessene und wahre Gestalt des Gedankens bilde, in welchem, wie in
jedem Organismus, ein Theil den andern bestimme. Darum haben die
Alten, so wie sie ihre Instrumente anders brauchten, auch für den Chor
und den Gesang überhaupt anders, als wir, gedacht und geschrieben.
Das scheinbar Veraltete liegt nicht in der Instrumental-Partie allein, son-
- dern nicht weniger auch im Vocalen; man könnte also mit gleichem
Rechte auch dieses ändern wollen, wie es ja schon von Hiller vor 80
Jahren geschehen ist, dessen modernisirte Umarbeitungen heut viel veral-
teter sind, als Händel’s Originale. Die Concessionen, die man wegen
veränderter Technik der Instrumente, wegen der in den meisten Concert-
Localen fehlenden Orgel, wegen unzulänglicher Bildung des Publieums
macht, sind eben erzwungen und können kein Prineip ergeben. Was
Mozart für den Messias und andere Händel’sche Werke gethan, sind
seniale Nachdichtungen; kann Einer heut oder künftig dasselbe thun, so
ist das als ein Glücksfall anzusehen, aber nicht zu verlangen. Endlich
hat Händel seine Werke so instrumentirt, wie irgend ein genialer Ton-
setzer seiner Zeit es konnte. Unsere Aufgabe ist es, dies verstehen zu
lernen, nicht es nach Belieben zu ändern. —
Am 17. December sprach derselbe, im Anschluss an den vorherge-
sangenen Vortrag, über die erste Aufführung des Händel’schen Messias
in Breslau im Jahre 1788. Die Berichte darüber in den Schles. Provin-
zialblättern, deren ausführlichster von Hiller, dem Veranstalter und Lei-
ter jener grossartigen Aufführung, selbst herrührt, wurden mitgetheilt und
besonders charakteristische Proben von Hiller’s Bearbeitung des Mes-
sias gegeben, deren Partitur noch vorhanden ist. Es ergiebt sich daraus,
wie Hiller an vielen Stellen Händel’s tiefsinniges Werk gar nicht ver-
standen und auf’s schonungsloseste verändert hat, namentlich in den Arien.
Bei dieser Gelegenheit fand sich auch, dass in der gedruckten Partitur
der Mozart’schen Bearbeitung eine Arie im dritten Theil nicht von
Mozart, sondern von Hiller herrührt, was nach inneren und äusseren
Gründen kaum zu bezweifeln ist. Sie ist also in der Mozart’schen
Partitur untergeschoben. —
In der Versammlung am 10. December wurde der bisherige Secre-
tair für die nächste Etats-Zeit wiedergewählt.
Hoffentlich werden die Versammlungen in der Zukunft zahlreicher
sein können und mannigfaltigere Kräfte an den Vorträgen sich betheiligen.
Indem nunmehr das Präsidium am Schlusse seiner verfassungsmässi-
gen Wahlzeit sein Amt in die Hände der Gesellschaft niederlegt, scheidet
es mit den wärmsten Wünschen für immer lebendigere, wissenschaft-
liche und dem Gemeinwohl erspriessliche Wirksamkeit unseres Vereins.
16 Jahres-Bericht
Bericht über die Verwaltung der Kasse im Jahre 1861.
Das vergangene Jahr war für die Gesellschaft in finanzieller Bezie-
ziehung nicht grade zu den günstigen zu rechnen. Wenn einerseits aller-
dings die etatirten Einnahmen in normaler Höhe erfolgten, ohne dass
Ausfälle zu beklagen waren, so überschritten doch anderererseits die
Ausgaben die Etatslinien um ein Bedeutendes; namentlich entstanden
durch den Druck einer von der Gesellschaft herausgegebenen Schrift nahe
an 700 Thlr. Kosten, deren Begleichung aus den laufenden Einnahmen
nicht zu bewerkstelligen ist, und zu deren Deckung es daher nöthig wird,
einen entsprechenden Theil der vorhandenen Effecten zu versilbern. Laut
Präsidial-Beschluss ist daher zu diesem Zweck die Verwerthung von
800 Thlr. Oberschlesische Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen lit. E ange-
ordnet, durch welche Maassnahme selbstverständlich mit der Minderung
der Fonds gleichzeitig auch eine Schwächung des Zinsengenusses eintritt.
Wie weit das Bestreben, — den gedachten Ausfall durch buchhänd-
lerische Begebung der erwähnten Schrift theilweise zu ersetzen, — Erfül-
lung finden wird, muss erst: abgewartet werden, und lässt sich hierüber
noch nicht durch Zahlen sprechen.
Ausserdem fand eine Veränderung der Kassen-Werthpapiere insofern
statt, als an Stelle der, laut Bekanntmachung der Hauptverwaltung der
Staatsschulden vom 26. März d. J. gekündigten 900 Thlr. 5 procentige
Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn-Prioritäts-Obligationen Ser. IV, —
da deren Convertirung in 44 procentige nicht zweckmässig schien, — für
den erhobenen Vollbetrag 900 Thlr. Oberschlesische Eisenbahn-Prioritäts-
Obligationen lit. F. angeschafft wurden.
Es redueirt sich also der Effeeten-Bestand der Allgemeinen Kasse
von 6000 Thlr. auf den Nominal-Betrag von 5200 Thlr., und bleibt zu
wünschen, dass das folgende Jahr den Ausfall wieder ergänzen möge.
Bei der Special-Kasse der Section für Obst- und Gartenbau sind die
in den Vorjahren ersparten Gelder zur Anschaffung von 500 Thlr. Ober-
schlesischer Eisenbahn-Prioritäten lit. E verwendet worden, wodurch der
Effeetenbestand auf 1000 Thlr. erhöht worden ist, und wenn bei dieser
Kasse allerdings auch mehrere nicht unerhebliche Ausfälle in den etatir-
ten Einnahmen stattfanden, z. B. durch den, wegen Missrathen des Obstes
weit hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Ertrag des Gartens und
durch den Wegfall der Unterstützung vom hiesigen Königlichen katholi-
schen Sehullehrer-Seminar, so ist es doch gelungen, den obigen Effecten-
bestand aufrecht zu erhalten.
Breslau, den 20. December 1861.
Klocke, z. Z. Kassirer,
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Pro I. Semester von 80 Mitgliedern & e ia: 392 000. non NER 160 + 20 | — | Entomologische Section........... zsessnesenonene nunn aesenennennnennanenenen a ken — 20.) 25° 1 —
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Aussergewöhnliche Einnahmen: "0000 20 ee Bee}
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ergütung für Local, Beleuch Ing ete. von Privaten #%.23 Ip : an o — (ee
| Für verkaufte, Tahrosheiichte & 2 = a 23 n6 3 96 Obligationen Ser. IV, No. 1859/61 und 1866/68..........eeueee..... 900
Ueberschuss von den Sonntags-Vorlesungen ...... ei? desgl. die Oberschles. Eisenbahn - Prioritäts - Obligationen lit. E.
| Differenz zwischen den als gekündigt Ve % No. 276, 3406, und LONG: nern nenne ee ee I — |— | —
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Eisenb,-Prior.-Oblig. nebst Zinsen. 921 .. 5 .
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Einnahmen.
I. | Zinsen von Activ-Capitalien, und zwar:
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„»„ 300 ,„ Preuss. Prämien-Anleihe & 33% 10 „15 „
II. | Beiträge von einheimischen Mitgliedern, nach der Ende 1861
verbliebenen Anzahl zahlender Mitglieder: 233 Mitglieder
Oel ee u nn Re
Ill, | Beiträge auswärtiger Mitglieder, nach der Ende 1861 verbliebe-|
nen Anzahl zahlender Mitglieder: 80 Mitglieder & 4 +g.....
IV. | Eintrittsgebühren neu aufgenommener Mitglieder, 12 & 3 »2.....
V. | Beitrag zur Miethe vom hiesigen Kunstverein.
VI. | Beitrag zur Miethe vom hiesigen Gewerbeverein, inel. Beleuch-
tungs- und Beheizungs-Kosten....... ........n.... es
VII: Beitrag vom hiesigen Magistrat ..... .......... en ren
Breslau, de)
Das Präsidum der I
Göppert. v. Görtz. Bartsch, Klocke. Schönborn. le
Ausgaben. %
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| I. | Honorar den Präfeeten über Bibliothek und Museum der Ge-
| SELISEINE AN. EN Du u BR NIE RE N et, 130
BR eehalt dem Kastellan.... .............0.2.00eneeaietenscnmeenerenne 250
| I aNeujahrsceschenk demselben ..........2.N.....un..clesenn. 15
| V. | Neujahrsgeschenk dem Haushälter .... .......... ... N 3
| en Be a RS A Be a 85
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VIE. | Unterhaltung der Mobilien ...... ee 10
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XV. | Kleine Ausgaben.. ....... .. Rn Se NS LER ee 15
XVI.-| Naturwissenschaftliche Section ...... SE Bee a N nn hehe 25
Er ITZ Entomologische Section ............. 2.2... nen 10
BERY II |} Technische Section ........................... ee 60
BE REEE TE otanısehe. Section. ............0.nenensenesesnäennnetescneneenehee een 25
.XX. | Juristische Section ............... er 240
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Ir ar Vivorhergesehene; Fälle................... 2... m 267,
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[*
ie. Januar 1862.
Iblesischen Gesellschaft.
mer. Steinbeck. Wimmer Dr. Förster. E. H. Müller.
der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur. 17
Bibliotheken und Museen.
—
Die Bibliotheken der Gesellschaft haben in dem abgelaufenen Jahre
einen Zuwachs von 1037 Nummern mit 1219 Bänden oder Heften erhal-
ten, von denen 775 Nummern mit 902 Bänden der allgemeinen,
262 Nummern mit 317 Bänden, Heften oder Heftchen der schlesischen
Bibliothek zugefallen sind.. — An Gesellschafts-Schriften verdanken die-
selben dieses Jahr ihre Vermehrung, ausser 26 schlesischen, 91 deut-
schen, 1 kroatischen, 2 siebenbürgischen, 6 russischen, 2 schwedischen,
3 norwegischen, 2 dänischen, 1 englischen, 1 niederländischen, 3 belgi-
schen, 4 französischen, 5 schweizerischen, 3 italienischen, 1 nordamerika-
nischen und 1 australischen, in Summa 126 ausserschlesischen Gesell-
schaften und Instituten.
Die Namen der Behörden, Institute, Vereine und einzelnen Herren,
denen die Bibliotheken ihre Vermehrung im Jahre 1361 verdanken, sind
mit beigefügter Zahl der von ihnen geschenkten Werke folgende:
A. Bei der schlesischen Bibliothek.
a. Von Behörden, Instituten, Vereinen etc.
Das Gymnasium zu St. Elisabet zu Breslau 1, das Gymnasium zu
St. Maria Magdalena zu Breslau 1, das jüdisch-theologische Seminar Frän-
kel’seher Stiftung zu Breslau 1, das katholische Gymnasium zu Breslau 1,
das, königl. Friedrichs- Gymnasium zu Breslau 1, das königl. Ober-Berg-
Amt zu Breslau l, der Gewerbe-Verein zu Breslau 2, der landwirth-
schaftliche Central-Verein für Schlesien zu Breslau 1, der landwirthschaft-
liche Special-Verein zu Breslau 1, der schlesische Kunstverein zu Breslau
1, der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens zu Breslau 1, der
Verein zur Beförderung des Seidenbaues in der Provinz Schlesien zu
Breslau 1, die Handelskammer zu Breslau 1, die höhere Töchterschule zu
Breslau 1, die königl. Universität zu Breslau 46, die Realschule am Zwin-
ger zu Breslau 1, die Realschule zum heil. Geist zu Breslau 2, die natur-
forschende Gesellschaft zu Görlitz 1, die oberlausitzische Gesellschaft der
Wissenschaften zu Görlitz 1, die ökonomisch - patriotische Societät der
Fürstenthümer Schweidnitz und Jauer zu Jauer 1, die Realschule zu Lan-
deshut 1, die königliche Ritter-Akademie zu Liegnitz 1, die philomathische
Gesellschaft zu Neisse 1, die Realschule zu Neisse 1, der Magistrat zu
Ohlau 1, die Freimaurer-Loge zu Ratibor 1 Nummer.
b. Von einzelnen Geschenkgebern.
Hr. Stadtrath Becker 4 (in 57 Bänden), Hr. Kaufmann Dr. J. Cohn
2, Hr. Buchdruckerei-Besitzer Fischer 3, Hr. Geh. Medie.-Rath Prof. Dr.
)
ui
18 Jahres-Bericht
Göppert, 3, der königl. Kammerherr Hr. Graf v. Hoverden-Plenken 1, Hr.
Partieulier "Kiessling 2, Hr. Privatdocent Dr. med. Klopsch 1, Hr. Ritter-
gutsbesitzer v. Koschützki auf Gross-Wilkowitz 2, Hr. J. w. Leschke zu
Schreiberhau 1, der zeitige Kustos K. Letzner 5, Hr. Secretair Th. Oels-
ner, 102 und eine Anzahl kleiner Nummern, Hr. Reisler 1, Hr. Seminar-
Oberlehrer Scholz 1, Hr. Dr. phil. H. Schwarz 1, Fräul. Amelie Sohr 18,
Hr. Antiquar Stett 1 Nummer, Hr. Director Prof. Dr. Wimmer 13 Hefte
(Manuser.).
Eingetauscht wurden 15 Nummern und 15 Urkunden, gekauft
'13 Nummern.
B. Bei der allgemeinen Bibliothek.
a. Von Behörden, Instituten, Vereinen etc.
Der Verein für Geschichte zu Agram 2, der historische Verein in
Mittel-Franken zu Ansbach 1, der naturhistorische Verein zu Augsburg 1,
der Gewerbe-Verein zu Bamberg 1, der historische Verein zu Bamberg 1,
die naturforschende Gesellschaft zu Basel 1, der Verein für Geschichte
und Alterthumskunde von Ober-Franken zu Bayreuth 1, der landwirth-
schaftliche Provinzial-Verein für die Mark Brandenburg und Nieder-Lau-
sitz zu Berlin 2, der Verein für Geschichte der Mark Brandenburg zu
Berlin 1, die deutsche geologische Gesellschaft zu Berlin 1, die königl.
Akademie der Wissenschaften zu Berlin 3, die königl. Friedrieh-W ilhelms-
Universität zu Berlin 11, der naturwissenschaftliche Verein des Harzes zu
Blankenburg 1, der landwirthschaftliche Verein für die Rheirprovinz zu
Bonn 2, der naturhistorische Verein der preuss. Rheinlande und West-
phalens zu Bonn 1, die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 40, der
Werner-Verein zur geologischen Durchforschung von Mähren und Oester-
reichisch-Schlesien zu Brünn 1, die mährisch-schlesische Gesellschaft zur
Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde zu Brünn 2,
die königl. belgische Akademie der Wissenschaften zu Brüssel 5, 2’Aca-
demie roy. de Medecine de Belgique zu Brüssel 1, die Gesellschaft der Wis-
senschaften zu Christiania 1, die königl. Gesellschaft for Norges Vel zu
Christiania 1, die königl. norwegische Universität zu Christiania 1, die
naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der historische Verein für das
Grossherzogthum Hessen zu Darmstadt 3, der Verein für Erdkunde zu
Darmstadt 1, die königl. baiersche Friedrich-Alexander-Universität zu Er-
langen 56, der ärztliche Verein zu Frankfurt a. M. 1, der. historisch-sta-
tistische Verein zu Frankfurt a. M. 1, der physikalische Verein zu Frank-
furt a. M. 1, der Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Frank-
furt a. M. 3, die Senckenbergische naturforschende Gesellschaft zu Frank-
furt a. M. 1, die grossherzogl. Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im
Br. 7, die naturforschende Gesellschaft zu Freiburg im Br. 1, die natur-
wissenschaftliche Gesellschaft zu St. Gallen 1, die Societe de Physique et
d’histoire naturelle zu Genf 1, die königl. hannoversche Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen 1, die königl. hannoversche Landwirthschafts-
Gesellschaft zu Göttingen 1, der thüringische Garten- und Seidenbau-Ver-
ein zu Gotha 2, der historische Verein für Steiermark zu Graz 1, der
landwirthschaftliche Central-Verein für Litthauen und Masuren zu Gum-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 19
binnen 1, der naturwissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen
zu Halle 1, der naturwissenschaftliche Verein zu Hamburg 1, die Wet-
terauer Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau 1, der hi-
storische Verein für Nieder-Sachsen zu Hannover 4, die naturhistorische
Gesellschaft zu Hannover 1, die polytechnische Schule zu Hannover 1,
die holländische Gesellschaft der Wissenschaften zu Harlem 1, der allge-
meine deutsche Apotheker-Verein, Abtheilung Süddeutschland, zu Heidel-
berg 1, der naturhistorisch-medicinische Verein zu Heidelberg 1, der sie-
benbürgische Verein für Naturwissenschaften zu Herrmannstadt 2, der
Verein für siebenbürgische Landeskunde zu Herrmannstadt 7, die gross-
herzogl., herzogl. sächsische Gesammt-Universität zu Jena 20, die kaiserl.
leop.-karol. Akademie der Naturforscher zu Jena 1, der k. k. Landwirth-
schafts-Verein für Tirol und Vorarlberg zu Innsbruck 1, die grossherzogl.
Centralstelle für die Landwirthschaft zu Karlsruh 2, der Verein für hes-
sische Geschichte und Landeskunde zu Kassel 3, die Geschichts- und
Alterthums-Vereine zu Kassel, Darmstadt und Wiesbaden 1, der Verein
nördlich der Elbe zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse zu
Kiel 1, die schleswig-holstein -lauenburgische Gesellschaft für vaterlän-
dische Geschichte zu Kiel 1, die Universität zu Kiel 1, die Centralstelle
der landwirthschaftlichen Vereine des Regierungs-Bezirkes Königsberg zu
Königsberg 1, die königl. Albertus-Universität zu Königsberg 33, die kgl.
physikalisch - ökonomische Gesellschaft zu Königsberg 1, die königl.
dänische Gesellschaft der Wissenschaften zu Kopenhagen 1, die königl.
Universität zu Kopenhagen 8, der historische Verein für Krain zu Lai-
bach 1, das statistische Bureau zu Leipzig 1, die königl. sächsische Ge-
sellschaft der Wissenschaften zu Leipzig 5, die polytechnische Gesellsch.
zu Leipzig 1, das Museum Franeisco-Carolinum zu Linz 1, the royal So-
ciety zu London 1 (in 10 Bänden), die königl. Gesellschaft der Wissen-
sehaften zu Lüttich 1, die Academie imp. des sciences, belles-lettres et arts zu
Lyon 2 (in 16 Bänden), die SocietE Linndenne zu Lyon 1 (in 9 Bänden),
die Societe royale d’Agriculture, d’histoire naturelle et des arts utiles zu Lyon
I (in 24 Bänden), die Societa italiana di scienze naturali zu Mailand 1,
der Verein für Naturkunde zu Mannheim 1, die Universität zu Marburg
45, die landwirthschaftlichen Central-Vereine zu Marienwerder und Dan-
zig 1, the Philosophical Institute of Victoria zu Melbourne 1, die Societe
imp. d’Agriculture zu Moskau 1, die Societe imp. des naturalistes zu Mos-
kau 2, der landwirthschaftliche Verein in Baiern zu München 3, die kgl.
baiersche Akademie der Wissenschaften zu München 2, der landwirth-
schaftliche Verein zu Nossen im Königreiche Sachsen 1, das germanische
Museum zu Nürnberg 1, der literarische Verein zu Nürnberg 1, der Ver-
ein für Naturkunde zu Offenbach 1, die Societe universelle d’Ophthalmologie
zu Paris 1, der Gartenbau-Verein zu St. Petersburg 1, die kaiserl. Aka-
demie der Wissenschaften zu $t. Petersburg 1, die kaiserl. freie ökono-
mische Gesellschaft zu St. Petersburg 1, die k. k. patriotisch-ökonomische
Gesellschaft im Königreich Böhmen zu Prag 2, der zoologisch-mineralo-
gische Verein zu Regensburg 1, die königl. baiersche botanische Gesell-
schaft zu Regensburg 1, -die Gesellschaft für Geschichte und Alterthums-
kunde der russischen Ostsee-Provinzen zu Riga 2, der mecklenburgische
patriotische Verein zu Rostock 1, die grossherzogl. Universität zu Rostock
18, der thüringische Kunst- und Gewerbe-Verein zu Saalfeld 1, das
grossherzogl. statistische Bureau zu Schwerin 1, der provinzial-landwirth-
schaftliche Verein für den Landdrostei-Bezirk Stade zu Stade 1, der
entomologische Verein. zu Stettin. 1, die Gesellschaft. für pommersche Ge-
d*
90 | Jahres-B ericht
schichts- und Alterthums-Kunde zu Stettin 2, die königl. Akademie der
Wissenschaften zu Stockholm 3, das königl. statistisch-topographische
Bureau zu Stuttgart 1, der Verein für vaterländische Naturkunde in Würt-
temberg zu Stuttgart 1, die königl. würtembergische Centralstelle für die
Landwirthschaft zu Stuttgart 1, die polytechnische Schule zu Stuttgart 1,
die königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Upsala 2, Isztituto veneto di
scienze, lettere ed arti zu Venedig 1, Societa italiana di scienze naturali zu
Venedig 2, die Smithsonian Institution zu Washington 3, der Alterthums-
Verein zu Wien 1, die kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien
5, die k. k. geographische Gesellschaft in Wien 2, die k. k. geologische
Reichs-Anstalt in Wien 1, die k. k. Landwirthschafts-Gesellschaft in
Wien 1, die zoologisch-botanische Gesellschaft in Wien 1, der historische
Verein für Nassau zu Wiesbaden 3, der Verein für Naturkunde im Her-
zogthum Nassau zu Wiesbaden 2, der polytechnische Verein zu Würz-
burg 2, die königl. baiersche Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg
72, die physikalisch - medieimische Gesellschaft zu Würzburg 1, die
naturforschende Gesellschaft zu Zürich 2, die Universität zu Zürich
29 Nummern.
b. Von einzelnen Gesehenkgebern.
Hr. Geh. Regierungs-Rath Dr. Back in Altenburg 6 und eine An-
zahl kleiner Nummern, Hr. M. J. Barrande zu Paris 1, Hr. Stadtrath
Becker 3 (in 19 Bänden), Hr. Sanitäts-Rath Direetor Dr. Berend in
Berlin 1, Se. Excellenz der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Me-
dieinal-Angelegenheiten Hr. v. Bethmann-Hollweg in Berlin 1, Hr. Prof.
Dr. Caspary, Director des botanischen Gartens in Königsberg, 1, Hr.
Geh. Medicinal-Rath und Leibarzt Dr. Carus in Dresden 1, Hr. Dr. K.
M. Diesing, Adjunet an der k. k. Reichs-Anstalt in Wien 1, Hr. Sani-
täts-Rath Dr. M. Eulenburg zu Berlin 1, Hr. Major und Director a. D.
Fils zu Stützenbach bei Schleusingen 1, Hr. J. J. Flatau zu Berlin 1,
Hr. Dr. J. G. Flügel, General-Consul der vereinigten Staaten von Nord-
Amerika, zu Leipzig 2, Hr. Dr. phil. Friedländer, Geh. Archiv-Rath in
Berlin 1, Hr. Geh. Medieinal-Rath Professor Dr. Göppert 4, Hr. Profes-
sor Dr. J. A. Grunert zu Greifswalde 2, Hr. Professor ©. Heer in Zü-
rich 2, Hr. F. Jühlke, königl. Garten-Inspector zu Erfurt 1, Hr. J. B.
Kraus, Rechnungsrath der k. k. Münz- und Bergwerks-Hofbuchhaltung
in Wien 1, Hr. Dr. F. Krocker, Professor an der Akademie für Land-
wirthschaft zu Proskau 1, Hr. Professor Dr. Kützing zu Nordhausen 1,
Hr. Kaufmann J. Lederer zu Wien 1, Hr. Hauptlehrer D. Letzner 2,
der zeitige Kustos K. Letzner 1, Hr. Sanitäts-Rath, Privatdocent Dr.
Levy 1, Hr. Apotheker Dr. Liegel zu Braunau am Inn 1, Hr. Direetor
Dr. Löw zu Meseritz 1, Hr. Dr. F. Müller, Direetor des botanischen
Gartens zu Melbourne 1, Hr. Dr. Netwald, Brunnen- und Bade-Arzt zu
Gmunden 1, Hr. Secretair Th. Oelsner 5, Hr. Dr. F. Palacky, Historio-
sraph des Königreiches Böhmen zu Prag 1, Hr. Oberlehrer Dr. Prestel
in Emden 1, Hr. Dr. L. Rabenhorst in Dresden 1, Hr. Dr. E. Regel,
Direetor des botanischen Gartens in St. Petersburg 3, Hr. Dr. D. A.
Rosenthal 1, Hr. Gutsbesißer Hugo v. Rothkirch 1 (Manuser.), Hr. Dr.
H. Rühle, Professor und Director der medieinischen Klinik zu Greifs-
walde 1, Hr. J. Schmidt, Direetor der Sternwarte zu Athen 1, Hr. E.
Sedlaezek, Oberlieutenant im k. k. Ingenieur-Geographen-Corps in Wien
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 21
1, Hr. Dr. Senoner, Bibliothekar. der geologischen Reichsanstalt in
Wien 8, Hr. Redaeteur Dr. A. Skofitz in Wien 1, Fräulein Amelie
Sohr 106, Se. Excell, der königl. Wirkl. Geheime Rath und Ober-Üere-
monienmeister Hr. Graf v. Stillfried-Aleantara zu Berlin 1, Hr. Gymna-
siallehrer und Stadt-Bibliothekar Dr. Anton Tobias zu Zittau 1, Hr. Ar-
chivar Professor Dr. Waitenbach 1, Hr. Professor C. ©. Weber zu
Bonn 1, Hr. Dr. Weidgen, Badearzt zu Neuenahr 1, Hr. Dr. James
Whitehead zu Manchester 1, Hr. Appellations-Gerichts-Rath v. Wittken 1,
Hr. Dr Wocke l, Hr. Superintendent und Past. prim. Wolff zu Grün-
berg 1, Hr. Professor Dr. Wuttke zu Leipzig 1 Nummer.
Eingetauscht wurden 21, gekauft 48 Nummern (mit 57 Bänden).
Die Sammlungen der Gesellschaft wurden in dem abgelaufenen Jahre
durch folgende Geschenke vermehrt:
A. Von Instituten, Vereinen eic.
1) Von dem Vereine studirender Pharmaceuten zu Breslau: Portrait
des Geh. Medicinal-Rathes, Professor Dr. Göppert (Steindruck). — 2)
Von der norwegischen Universität zu Christiania: Medaille auf Carolus
und Louisa von Norwegen, gestochen von G. Loos (Kupfer).
B, Von einzelnen Geschenkgebern.
1) Von Herrn Klemptnermeister Adler: 7 kleine Portraits berühmter
Botaniker in Kupferstich, und das Portrait des verstorbenen Major
v. Flotow in Steindruck. — 2) Von Herrn Geh. Medic.-Rath Prof. Dr.
Göppert: a. Portrait des Prof. Treviranus von J. Richter (Stahlst.). b.
Die Portraits der Professoren Dr. Fleischer in Hohenheim, Dr. Schultz
Bipontinus in Zweibrücken und Dr. v. Weigel in Greifswalde (Lithogra-
phien). c. Portrait des Professor Dr. Purkynje zu Prag (Photographie).
d. Eine Ansicht aus dem botanischen Garten zu Breslau (Photographie).
— 3) Von Herrn Th. Oelsner: Ein Feuerstein mit Muscheln von den
Feldern des Dorfes Rosniontau bei Gross-Strehlitz. — 4) Von Herrn
Dr. L. Rabenhorst in Dresden: Die Fortsetzungen der von ihm edirten,
der schlesischen Gesellschaft von Anfang an zu Theil gewordenen Samm-
lungen europäischer Kryptogamen, und zwar der Algen Dec. 7—16,
der Flechten Dee. 21 und 22, der Fungi Cent. 4, der Hepaticae Dec. 17
und 18, und von der Bryotheca eur. Fasc. 9. — 5) Von dem Bibliothe-
kar der k. k. geologischen Reichs-Anstalt, Herrn Dr. Senoner in Wien:
Eine Sammlung von 163 Conchylien. — 6) Von Herrn Dr. Stache in
Wien: Geologische Uebersichts-Karte von Siebenbürgen von Franz Rit-
ter v. Hauer, 1861. — 7) Von dem Gymnasial-Lehrer und Stadt-Biblio-
22 - Jahres-Bericht
thekar Herrn Tobias in Zittau: Portrait des verstorbenen Diaconus M.
Peschek (Photographie). — 8) Von Herrn Hauptlehrer K. Zahn: Ab-
bildung der Explosion des Pulverthurmes auf der Taschenbastion in Bres-
lau am 16. December 1757 (auf Pergament gemalt). —
Gekauft wurde: Gedenkblatt zum Jubiläum der Universität zu Bres-
lau im Jahre 1861 von Kretschmer (Lithographie).
K. Letzner,
z. 4. Kustos der Bibliotheken.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 93
I.
Bericht
über die
Thätigkeit der allgemeinen naturwissenschaftlichen Section der
Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1861,
abgestattet von
Ed. Grube und F. Roemer,
Secretairen der Section.
Die naturwissenschaftliche Section hielt im Jahre 1861 vierzehn Snzum
gen, in welchen folgende Vorträge gehalten wurden:
1. Mathematisch - physikalische Wissenschaften.
Herr Professor Dr. Galle gab in der Sitzung am 24. Juli einige
Erläuterungen
über die Lage der Bahn und den Lauf des im Juli sichibar gewesenen
Gometen,
mit besonderer Beziehung auf das plötzliche Erscheinen desselben am
30. Juni, an welchem ersten Tage der Sichtbarkeit derselbe zugleich sei-
nen grössten Glanz zeigte. Am 23. Juni ging der Comet durch seinen
aufsteigenden Knoten, und da die Erde eben gerade sehr nahe diesem
Schneidungspunkte der parabolischen Cometenbahn mit der Erdbahn-Ebene
sich befand, so fand eine Annäherung des Cometen-Kopfes an die Erde
bis auf 21 Millionen Meilen und des Schweifes bis auf nahezu eine halbe
Million Meilen statt.
Herr Professor Dr. Sadebeck sprach in der Sitzung am 13. März
über den Stand der Hypsomeirie Schlesiens.
Das bekannte Buch von Prudlo: „Höhenmessungen in Schlesien
ete.‘“, Breslau 1337, ist nur mit Vorsicht zu gebrauchen, wenn es sich
24 Jahres-Bericht
um einige Genauigkeit handelt. Denn er hat nicht nur bei seinen eige-
nen Bestimmungen die Seehöhe sämmtlicher Ausgangspunkte — freilich
ohne Verschulden — unrichtig angenommen, sondern auch nicht die Mit-
tel besessen, um die Ausgangspunkte Anderer und die auf dieselben ge-
stützten Bestimmungen zu verbessern. Wo er ja Letzteres versucht hat,
ist oft der Fehler noch grösser geworden, wie z. B. bei den anerkannt zu-
verlässigen Messungen des Herrn Berg-Hauptmann v. Carnall, welche
er sämmtlich aus unbekanntem Grunde und mit Unrecht um 70—80 Par.
F. vergrössert hat, wie eine Vergleichung der Zahlen in seinem Buche
mit den Original-Angaben in Karsten’s Archiv für Bergbau, Band 18,
und in Karsten’s Archiv für Mineralogie, Band 14, beweist. Hieran
knüpfte der Vortragende eine Kritik der älteren Barometer-Messungen.
Als besonders zuverlässig und brauchbar hob er hervor die Bestimmun-
sen der Autoren v. Carnall, v. Lindener, Jungnitz, Kaluza,
Scholz, Graf Schweinitz, Seliger u. A. m. Doch erfordern auch
diese eine Reduction, weil jetzt durch das im Jahre 1841 veröffentlichte
trigonometrische Oder-Nivellement und die Messungen des grossen Gene-
ralstabes dargethan worden ist, dass die früheren Fundamental-Punkte
einer Correctur bedürfen. Die genannten Arbeiten, sowie die Privat-Ar-
beiten des Vortragenden und die Eisenbahn-Nivellements liefern ein zu-
verlässiges hypsometrisches Netz, mit Hülfe dessen sehr viele Bestimmun-
gen aus früherer Zeit werden verbessert werden können.
Derselbe gab in der Sitzung am 18. December:
Hypsometrische Mittheilungen über das Eulengebirge und die Schneekoppe.
1. Ueber das Eulengebirge. Es ist mir in diesem Jahre gelun-
gen, meine Höhenmessungen im Eulengebirge zum Abschlusse zu bringen.
Die meisten Punkte sind trigonometrisch bestimmt worden, und das Ba-
rometer ist nur da zur Anwendung gekommen, wo wegen mangelhafter
Aussicht kein trigonometrisches Nivellement möglich war.
Mein Ausgangspunkt war der katholische Kirchthurm von Reichen-
bach, dessen Knopfmitte nach der Bestimmung des grossen Generalsta-
bes die Höhe von 1039.1 Par. Fuss über dem Mittelwasser der Ostsee
bei Swinemünde hat. Obgleich ich diese Angabe für völlig zuverlässig
hielt, so schien es mir doch nicht überflüssig zu sein, sie mit einer ande-
ren Höhenbestimmung zu vergleichen. Ich habe nämlich trigonometrisch
die Höhe jenes Thurmes über dem Bahnhofe von Reichenbach bestimmt
und 239.7 P. F. gefunden. Hieraus hat sich ferner für die Seehöhe des
Bahnhofes (Schienen-Oberfläche) 799.4 P. F. ergeben, während aus dem
Eisenbahn-Nivellement 799.8 P. F. hervorgeht. Wenn also die Messung
des Generalstabes einer Prüfung bedurft hätte, so ist dieselbe hiermit in
befriedigendster Weise gegeben.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 25
Von Reichenbach aus habe ich drei trigonometrische Nivellements-
züge nach dem Gebirge hinaufgeführt, den ersten über den katholischen
Kirehthurm von Langen-Bielau, den Herrleberg ebenda, den Kirchthurm
von Lampersdorf und die Wenzelkoppe bei Rosenbach nach dem Don-
jon auf der Festung Silberberg. Auf dem zweiten Zuge bin ich zuerst
ebenfalls nach dem katholischen Kirchthurme von Langen-Bielau und dann
über den Gasthof zum Preussischen Hofe ebenda nach dem Sonnensteine,
einer mächtigen Felsgruppe zwischen der Sonnenkoppe und dem Thurm-
berge, gegangen. Den dritten, zur Bestimmung der hohen Eule bestimm-
ten Zug habe ich über den Kirchthurm von Peterswaldau, den Burg-
schlossberg, den katholischen Kirchthurm von Steinseifersdorf, die Ma-
rienhöhe und den Friedersdorfer Berg gelegt, aber nicht bis auf den
Gipfel der Eule, sondern nur bis in den lichten Hau auf dem nord-
westlichen Ende des Eulen-Kammes gelangen können, weil der Kamm
selbst über und über bewaldet ist und nicht die erforderliche Aussicht
bietet. Das noch fehlende Stück habe ich barometrisch nivellirt. Zu die-
sem Zwecke habe ich mich am 1. October d. J. von Wüste-Waltersdorf
aus mit dem Fabrikherrn E. Websky und meinem ältesten Sohne zu-
nächst nach dem letzten Dreieckspunkte in dem lichten Haue begeben.
Hier liess ich meinen Sohn mit einem Barometer, Thermometer und
Theodoliten zurück, mit der Weisung, alle Viertelstunden barometrische
Beobachtungen vorzunehmen, zugleich aber auch die Höhe des Barome-
ters über dem Dreieckspunkte durch Beobachtung mit dem Theodoliten
zu bestimmen, weil dasselbe zum Schutze gegen die Sonne in einer Ent-
fernung von 101 P. F. aufgehängt worden war. Ich selbst ging nun mit
Herrn Websky nach dem Gipfel, indem wir den sogenannten Kanonen-
weg verfolgten, welcher über den ganzen Kamm hinwegführt. Der
höchste Punkt der hohen Eule liegt auf diesem Wege bei dem Grenz-
steine No. 127. Man hat daselbst leider gar keine Aussicht, ausser den
geradlinigen Weg entlang, welcher hier eine etwa eine Ruthe. breite
Gasse zwischen dichtem Strauchwerk, vermischt mit Nadelholz (Fichten),
bildet. Dicht neben dem genannten Grenzsteine hing ich Barometer und
Thermometer an eine Fichte, und die Beobachtungen begannen, vom
schönsten und ganz windstillen Wetter begünstigt, um 3 Uhr 30 Minuten.
Das Barometer hing 1.5 P. F. über dem Gipfel des Grenzsteines.
Beobachtungen auf dem Gipfel der Eule.
No. | Zeit. Temp.d.Quecks.| Barometer. | Temp. der Luft.
1 5 Uhr 30 Min. | + 1205 R. | 301.21 SR,
2 A a 0.99 6
er: es 0.91 u
4 1, | Be 0.82 | N
5 30. ent lar, 0.67 oe
26 Jahres-Bericht
Beobachtungen bei dem Dreieckspunkte.
No. Zeit. Temp.d.Quecks.| Barometer. Temp. der Luft.
ı |3 Uhr 30 Min. | + 9°3 R, 303.12 | + 6°1 R.
2 AS. a 3 BG
ae a0 ne 3.00 ;
| 10055 ee 2.90 EL
5 200, a 2.80 N
Die Anwendung der Baeyer’schen Methode liefert folgende Zahlen
für den Höhenunterschied der beiden Barometer:
1. 29.236 tois.
2. 30.7608
300 2685
4,2700916, „
5. 27.868
”
Mittel 28.693 tois, = 172.17 Par. Fuss.
Das untere Barometer hing 20.9 P. F. über dem Dreieckspunkte,
wie die auf demselben vorgenommenen Theodoliten - Beobachtungen er-
geben haben, und die Seehöhe des Dreieckspunktes ist 2970.0 P. F.
Mithin ergiebt sich für das Barometer auf dem Gipfel der Eule die See-
höhe von 3163.1 P. F., und für den Gipfel des Grenzsteines 3161.6 P.
F., so dass man für den Gipfel der Eule abgerundet die Zahl 3160 P,
F. nehmen kann.
Vergleicht man dieses Resultat mit den früheren (s. Prudlo’s Höhen-
messungen $. 176), so findet sich, dass es mit Prudlo’s eigener Mes-
sung am besten stimmt. Dieser hat seine Beobachtungen mit gleichzeiti-
gen an anderen Orten combinirt und für die Seehöhe der Eule gefunden:
mittels Breslau...... 3169- Ps; E:
»„ Reichenbach . 3140 „,
Js. Glatz "Sb. Bei S1ZoN AL,
Er hat dabei für die Seehöhe des Barometers auf der Sternwarte in
Breslau 472.4 statt 453.6, also 18.3 P. F. zu viel genommen, für das
Barometer des Markscheider Länge in Reichenbach 806 statt 833, also
27 P. F. zu wenig, für Glatz aber dieselbe Zahl, welche auch ich dafür
gefunden habe. Demnach sind, wenn man diese Reductionen anbringt,
seine Angaben also zu nehmen:
mittels Breslau...... 3146 P. FE.
»... Reichenbach . 3170 ,,
2 lat urn. SR. SIT
Mittel 3162 P. F.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 97
Die geringe Abweichung meines Resultates von dem Prudlo’schen
mag immerhin eine zufällige sein, aber zum Wenigsten geht daraus her-
vor, dass sich in meine Messung kein grober Fehler eingeschlichen hat.
Ich habe übrigens für dieselbe noch eine zweite Prüfung in dem Nivelle-
- ment der Chaussee von Reichenbach nach Wüste-Waltersdorf gefunden.
Dieses liefert, wenn man für den Bahnhof von Reichenbach die oben an-
segebene Seehöhe, 799.4 P. F. festhält, für den Fuss des evangelischen
Kirehthurmes von Steinseifersdorf 1356.0 P. F., und für den höchsten
Punkt dieser Chaussee, an den sogenannten sieben Kurfürsten, 2327.5 P. F.
während ich für diese beiden Punkte 1355.0 und 2327.4 P. F. erhalten
habe. Obschon dieselben nur Nebenpunkte meines Nivellements sind, so
glaube ich doch, dass jene Uebereinstimmung auch eine Gewähr für die
Zuverlässigkeit der Hauptpunkte bietet, welche ich, wie folgt, mittheile.
Langen-Bielau, kathol. Kirchthurm, Knopfmitte ......... 1179. (HP
= 3 > Sockelan. en. DaArde
AR Preuss. Hof, Erdboden im Garten....... gaaıaıA
Be eluipiele. 0.2.0000. 0 140107, 7%
np r.dor, Korehthurm, Rnopimiien........ 0. -00.... KT
5 Erdboden in der Halle am Eingange in den
Kirchhof ..... Be aan re Bas bike 100
pe; kaptel ni a ee m een sn: EB
Silberbere,-Donjon, Wallgang‘..............-...2.... 2112. 0%
Sehlessplatzur). anna. sa. er ide: > 2080.0 ,„,
Bonnie belssipfeli: u... 2.2.20. Jensen aece nee. 2I02.10°°
Peterswaldau, Kirchthurm, Mitte des Kreuzes ........... 1043.39
a 5 Busse ee leer BAOLISNT
ELSETELESEDGIEE NR de N BB AR er io D u
Steinseifersdorf, kathol. Kirchthurm, Knopfmitte ........ 1509.2
Marienhöh, Dreieckspunkt...... a Bun ans. 2032, 20°
Friedersdorfer Berg...... IE I ET EIN 2342.0 „
Eule, Dreieckspunkt im eh Have 720 000, 2200.07:
INTENERED EN ware 3160012,
PP)
Die Begründung dieser Resultate gedenke ich in einer besonderen
Arbeit über das Eulengebirge niederzulegen.
2. Ueber die Höhe der Schneekoppe. Die erste Messung
dieses Berges ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, von dem Abt Fel-
biger aus Sagan ausgeführt worden, sondern von Johann Tobias
Volkmar, Pastor in Petersdorf bei Warmbrunn. Er hat seine Messung
in seiner Schrift „Reisen nach dem Riesengebirge, Bunzlau 1777“ $. 134
also beschrieben: „Dahero will ich blos anzeigen, dass ich nach der
„Scheuchzerischen Art mit zwei genau verglichenen Wettergläsern die
„Koppe an einem durchgängig heitren Tage gemässen. Bei dem einen
„liess ich alle Stunden die Höhe des Merkurs in Petersdorf beobachten
98 Jahres-Bericht
„und aufzeichnen, und das andre lies ich mit mir an eben diesem Tage
„auf die Koppe tragen, und nach den Graden des Falles, 65 Fus auf
„jede Linie des Falles gerechnet, ist die Koppe 2867 Fus senkelrecht
„höher, als Petersdorf im Hirschberger Thale.“ Die Seehöhe von Peters-
dorf beträgt nach der Reimann’schen Karte 1127 P. F. Addirt man
hierzu den von Volkmar gefundenen Höhenunterschied von 2867 P. F.,
so erhält man 3994 P. F., beinahe 1000 Fuss zu wenig. Dies rührt vor
Allem daher, dass auf eine Linie Barometer-Differenz mehr als 65 Fuss
Höhenunterschied kommen, und dass diese Art zu rechnen unstatthaft ist.
Aus Volkmar’s Zahlen folgt, dass das Barometer auf der Koppe
14‘‘.10 niedriger stand, als in Petersdorf. Der mittlere Barometerstand
auf der Koppe ist im Sommer 278°.09 und die mittlere Sommertempe-
ratur ebenda + 5°.3 R., im Hirschberger Thale dagegen + 11°.64 R.
Hieraus hat sich zunächst als wahrscheinlicher Barometerstand in Peters-
dorf 322“'.19, und sodann als Höhenunterschied zwischen Petersdorf und
der Koppe 3751 P. F. ergeben, woraus ‚endlich durch Addition der See-
höhe von Petersdorf für die Koppe 4878 P. F. hervorgeht. Es ist: sehr
zu bedauern, dass Volkmar das Thermometer vernachlässiget hat, dass
er keine Beobachtungs-Elemente, ja nicht einmal die Zeit angegeben hat.
Aus seiner Schrift lässt sich nur so viel ersehen, dass er seine Messung
vor dem Jahre 1760 ausgeführt hat. Was die Brauchbarkeit seines Re-
sultates betrifft, so geht aus Allem hervor, dass man auf dasselbe gar
kein Gewicht legen kann. Es ist bloss von historischem Interesse.
Einige Jahre später unternahm der Abt v. Felbiger aus Sagan
eine neue Messung der Koppe ebenfalls mit dem Barometer, wie denn
überhaupt die meisten Höhenbestimmungen dieses Berges mit diesem In-
strumente ausgeführt worden sind. Er hat sein Verfahren in einer beson-
deren Schrift: „Versuch, die Höhe des Riesengebirges zu bestimmen.
Breslau 1769‘ veröffentlicht, aus welcher hervorgeht, dass er grosse Sorg-
falt auf seine Beobachtungen verwendet hat und besser unterrichtet war,
als Volkmar. Die Barometer-Beobachtungen sind am 25. August 1766,
Vormittags 9 Uhr gleichzeitig auf der Koppe von Felbiger selbst, in
Grüssau von einem Ungenannten und in Breslau von dem Proreetor
Scheibel ausgeführt worden. Sie lauten wie folgt:
Ort. Barometer. Thermometer.
Schneekoppe..... 21.321.500, 120.33 R.
Grüssau 22... en ee 39..19...153
bresiaus 02 2 SER Sanız -r 16.33 5
Hierbei muss bemerkt werden, dass die Barometer-Beobachtungen
noch nicht auf 0° R. reducirt sind, und dass die Thermometer- Angaben so-
wohl für die Temperatur der Luft, als für die des Quecksilbers genom-
men werden müssen, da ein derartiger Unterschied nicht gemacht wor-
den ist.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 29
Felbiger hat die Höhe der Koppe über dem Grüssauer Horizont
zu 567.5 tois., und Scheibel die Höhe von Grüssau über Breslau zu
189.0 tois. berechnet, woraus, wenn man die Höhe von Breslau auf dem
Elisabetkirchhofe, wo Scheibel wohnte, im Betrage von 61.5 tois. hin-
zurechnet, für die Koppe die Seehöhe von 818.0 tois. oder 4908.0 P.
F. hervorgeht. |
Ich habe die Rechnung nach der Bessel’schen Methode wieder-
holt und folgende Höhenunterschiede erhalten:
Schneekoppe über Grüssau 581.6 tois.
Grüssau über Breslau.... 181.8 „
Schneekoppe über Breslau 762.8 „,
Gleieht man die 3 Resultate aus, so ergiebt sich als Höhe der Koppe
über Breslau 763.1 tois, und wenn man die Seehöhe von Breslau hin-
zurechnet, als Höhe der Koppe über der Ostsee 824.6 tois. oder 4947.6
P. F., wobei aber noch nicht eingerechnet ist, wie hoch das Barometer
in Breslau und auf der Koppe über dem Erdboden hing. Da Beides
nieht angegeben worden ist, so ist eine hierauf bezügliche Reduction
unmöglich, und das Resultat kann daher bloss als ein beiläufiges betrach-
tet: werden. /
Von der dritten Messung, welche Traugott von Gersdorf aus-
geführt hat, kennen wir nur das Resultat. In seiner Schrift: ‚Versuche,
die Höhe des Riesengebirges zu bestimmen‘, giebt er für die Seehöhe
der „Riesenkuppe“ 820.1 tois. oder 4920.6 P. F. Da er gar keine Be-
obachtungs-Elemente mitgetheilt hat, so fehlt jeglicher Anhalt für die Be-
urtheilung seines Resultates, und es kann demselben nur geringer Werth
zugesprochen werden.
Man war inzwischen zu der Ueberzeugung gelangt, dass barome-
trische Höhenbestimmungen werthlos sind, wenn sie sich auf einzelne
Beobachtungen und nicht auf ganze Reihen stützen. Deshalb wurden in
den Jahren 1786 und 1788 im Juli und August mehrere Wochen hinter-
einander von Franz Gerstner, Professor der Mathematik und Astro-
nomie in Prag, Barometerbeobachtungen auf der Koppe unternommen.
Aus diesen und aus gleichzeitig in Prag angestellten hat derselbe für die
Koppe die Seehöhe von 4892 P. F. ermittelt, welche Zahl auf 4930 P.
F. zu erhöhen sein :dürfte, weil nach Wiemann’s Untersuchungen die
Seehöhe von Prag um 38 P. F. zu niedrig angenommen worden ist (vergl.
Prudlo’s Höhenmessungen Seite 150 und 151). Diese Ungewissheit in
der Seehöhe von Prag und die bedeutende Entfernung von der Koppe
erregen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Resultates, welches sonst
srossen Anspruch auf Vertrauen haben würde.
Ein Gleiches gilt von der Messung des General v. Lindener, wel-
cher im Jahre 1805 bei Gelegenheit der Längenbestimmungen durch Pul-
versisnale auf der Koppe ebendaselbst eine Reihe von 50 Barometer-
20 Jahres-Bericht
Beobachtungen angestellt und aus diesen durch Vergleichung mit gleich-
zeitigen Beobachtungen in Breslau und Prag für die Koppe die Seehöhe
von 4955 P. F. gefunden hat. Leider ist hier keine Kritik möglich, weil
nicht zu ermitteln war, ob Lindener dieses Resultat auf die Gegenbe-
obachtungen in Breslau oder Prag allein gestützt hat, oder ob dasselbe
ein Mittelwerth ist.
Die Arbeiten Lindener’s galten zu ihrer Zeit für so zuverlässig,
dass man die Sache für abgemacht hielt und lange Zeit Niemand mehr
daran dachte, die Höhenbestimmung der Koppe zu wiederholen. Da
unternahm dies im Jahre 1820 Henrich Steffens. Er stellte auf der
Koppe eine Barometerbeobachtung an und Jungnitz in Breslau eine
gleichzeitige, woraus sich nach der Rechnung des Letzteren 4958 P. F.
ergeben hat. Dieses Resultat muss aber um 18.8 P. F. verringert wer-
den, weil durch das trigonometrische Oder-Nivellement (im Jahre 1839
und 1840) nachgewiesen worden ist, dass man früher die Seehöhe der
Sternwarte um die angegebene Zahl zu gross angenommen hat. Man er-
hält-somit als Ergebniss dieser Messung 4939 P. F., wird aber demsel-
ben kein grosses Gewicht beilegen können, weil es nur aus einer einzel-
nen Beobachtung hervorgegangen ist. Dasselbe gilt von der Messung von
Scholz und Feldt aus dem Jahre 1322, welche nach einer von mir
wiederholten Rechnung 4959 P. F. geliefert hat,
Dagegen würde die Bestimmung von Hawliezek und Hallaschka
(s. Prudlo’s Höhenmessungen $. 146 fi.), welche auf 75 gleichzeitige
Beobachtungen in Prag und auf der Koppe gegründet ist und 4960 P. F.
geliefert hat, mehr Glauben verdienen, wenn die Seehöhe von Prag
zuverlässig wäre und die beiden Beobachtungsorte keine so grosse Ent-
fernung von einander hätten. So aber kann auch dieses Resultat nicht
den endlichen Ausschlag geben.
Zuverlässiger als alle bisher genannten Messungen würde die vom
Grafen Schweinitz im Jahre 1835 ausgeführte sein, welche, auf 13 gleich-
zeitige Barometer-Beobachtungen auf der Koppe und in Hirschberg ge-
stützt, 4930.35 P. F. ergeben hat (s. Uebersicht der Arbeiten der Schle-
sischen Gesellschaft v. J. 1839, Seite 153), weil die beiden Beobach-
tungsorte eine geringere Entfernung von einander hatten, als bei allen
früheren Messungen, und weil nichts versäumt worden ist, worauf bei
barometrischen Messungen geachtet werden muss, wenn nur die Seehöhe
des Hirschberger Barometers, an welchem der Proreetor Ender beob-
achtete, sicher wäre. Graf Schweinitz hat für dasselbe 1049.67 P. F,,
Prudlo 1085.0 P. F., und ich selbst habe 1058.87 P. F. gefunden, so
dass um dieser Ungewissheit willen die Messung des Grafen Schwei-
nitz einen guten Theil der Glaubwürdigkeit, welche sie sonst verdienen
würde, verliert. Die von Prudlo in demselben Jahre unternommene und
ebenfalls auf Hirschberg gestützte Bestimmung zu 4960 P. F. ist noch
weniger zuverlässig, als die vorige, weil bloss eine einzige Beobachtung
der Schles. Gesellsch. f; vaterl, Cultur. 233
angestellt worden ist, In dieses Jahr fällt auch die Bestimmung Mäd-
ler’s, welcher aus den Barometer-Beobachtungen des bekannten Koppen-
wirths Siebenhaar und aus gleichzeitigen des Professor Jungnitz in
Breslau 5046 P. F. gefunden hat. Sein Resultat ist entschieden viel
zu gross.
Eine endliche Feststellung der Seehöhe der Koppe hat im J. 1839
der Premier-Lieutenant Lutz herbeizuführen versucht. Er selbst beob-
achtete 3 Tage hinter einander auf der Koppe und gleichzeitig der Pro-
rector Ender in Hirschberg. Letzterer übernahm die Ausrechnung,
welche von Professor Scholz wiederholt wurde. Hieraus hat sich die
Seehöhe von 4931.36 P. F. ergeben (Uebersicht der Arbeiten der Schles.
Gesellsch. ete. v. J. 1839, Seite 179), welche jedoch, weil sie auf Hirsch-
berg gestützt ist, mit derselben Unsicherheit behaftet ist, wie die vom
Grafen Schweinitz ermittelte.
Ausser den besprochenen barometrischen sind noch zwei auf ande-
rem Wege ausgeführte Messungen zu erwähnen. In Zöllner’s Briefen
Theil U, Seite 216 heisst es, dass der Forstmeister Proske auf geome-
trischem Wege für die Seehöhe der Koppe 5179 R. F. gefunden habe.
Diese Zahl, welche, in Pariser Maass verwandelt, 5004 P. F. liefert, ist
entschieden zu gross und verdient weiter keine Beachtung. Ja selbst das
Ergebniss der trigonometrischen Messung des österreichischen Generalsta-
bes, 4928.74 P. F., welches Ens in seinem Oppalande Band 3, Seite 19
mittheilt, hat für uns vorläufig keinen Werth, weil sich dasselbe auf das
adriatische Meer bezieht und der Niveau-Unterschied von Ostsee und
adriatischem Meere zur Zeit noch nicht bekannt ist.
Aus dem Allen geht hervor, dass die Höhe der Koppe gegenwärtig
noch eine offene Frage ist. Die Resultate von Gerstner, Hallaschka,
Schweinitz und Lutz, welche noch das meiste Gewicht haben dürf-
ten, lassen den bedeutenden Spielraum von 4930 bis 4960 P. F., und
wollte man aus allen vieren das Mittel bilden, welches 4938 P. F. geben
würde, so würde man sich vielleicht der Wahrheit nähern, aber man
hätte gleichwohl kein Mittel zur Bestimmung der Fehlergrenze. Dies hat
mich veranlasst, den Versuch zu machen, aus dem vorhandenen Beob-
achtungs-Material, namentlich aus den vom Sudetenvereine veranlassten
meteorologiechen Beobachtungen, welche zum grössten Theile in Galle’s
Grundzügen der schlesischen Klimatologie veröffentlicht sind, die Höhe
unseres Riesengebirges zu bestimmen. Ich habe die Beobachtungen auf
der Koppe mit den in Breslau, Kniegnitz und Kupferberg angestellten
zusammengefasst, daraus ein nivellitisches Netz gebildet und dasselbe nach
der Methode der kleinsten Quadrate ausgeglichen.
32 Jahres-Bericht
Mittel aus den Jahresmitteln.
Beobachtungsort. Bar. bei 0° R. Luftwärme,
Breslau, Sternw.»...... Bali 952. 0% + 6.24
Klein-Kniegnitz ........ Er + 6.33
Kupferbere) #2... 3 317.05 ..... + 4.94
Mittel aus den Monatsmitteln Juni— Sepiember.
Beobachtungsort. Bar. bei OR. Luftwärme.
Breslau, Sternw........ 331.583... +-213308
Klein-Kniegnitz ........ 329.86 .... + 13.71
Kupferberg ......... NS1752, 5 le
Schneekoppe 2.2.7. 278.44 .... + 9.87
Für die Berechnung der Höhenunterschiede der 3 Stationen Breslau,
Klein-Kniegnitz und Kupferberg sind die Jahresmittel benutzt worden.
Dies war bei der Berechnung der Höhenunterschiede der Koppe gegen
die anderen Stationen nicht möglich, weil auf der Koppe hauptsächlich
nur in den Monaten Juni bis September beobachtet worden ist und also
hierzu auch bei den andern Stationen die Mittel aus diesen 4 Monaten
senommen werden mussten.
Die Ausrechnung ist nach Baeyer’s Methode ausgeführt worden und
hat folgende Höhenunterschiede geliefert:
Kniegnitz — Breslau 25.880 tois. + V, |
Kupferberg — Breslau 191.930 2, EI
Schneekoppe — Breslau 747.305 „ + V,
Kupferberg — Kniegnitz 166.151 „ + V,
Schneekoppe — Kniegnitz 722.720 „ + V,
Schneekoppe — Kupferberg 557.457 „ + \,
V.,V,, V, u. s. w. bezeichnen die Verbesserungen, welche an die
Resultate anzubringen sind, damit sie alle unter einander harmoniren.
Bedingungsgleichungen.
0= +0.21+-V, —W +%,
+ 0.888 + V\, — V, +-W
+ 1.295 + V, —V, + V,
er
|
- Correlaten-Gleichungen.,
V=+K FR,
ya un
V = Re
Na = K, ——- K,
ve == —— 1%, Sr K,
ve = = K,
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 33
Normal-Gleichungen,
0= +0.121 + 3K, + IK, + IK,
0= +0.88 + 1K, +3K, — IK,
0= +1.2295 + IK, — IK, + 3K,
Durch Auflösung dieser Gleichungen findet man:
K, = + 0.4853, K, = — 0.73750;, K, = — 0.839235
und die Substitution in die Correlaten-Gleichungen liefert darauf:
V, = 0.354; V, = + 0.839; V, = — 0.102
V. = —0.485; V„ = —0.252; V,. = —0.738,
Bringt man diese Verbesserungen an die Höhensunterschiede an, so
gestalten sich dieselben wie folgt:
Kniegnitz — Breslau — 125.526. tois.
Kupferberg — Breslau =,191,4251,,,
Schneekoppe — Breslau —=1748,.144 1%,
Kupferberg -—- Kniegnitz = 165.899 „,
Schneekoppe — Kniegnitz = 722.618 ,,
Schneekoppe — Kupferberg = 556.719 ,,
Und hieraus gehen folgende Seehöhen hervor:
1. Breslau 75.600 tois. (Ausgangspunkt)
2. Kniegnitz 19171720: °,,
3. Kupferberg 267.025 „,
4. Schneekoppe 823.744 „,
In Kniegnitz hing das Barometer im Pfarrhause 30 Fuss über dem
Erdboden; die Seehöhe des letzteren beträgt also 96.126 tois. oder
576.756 P. F.
In Kupferberg hing das Barometer 13 Fuss oder 2.167 tois. über
der Kirchenschwelle, die Seehöhe der letzteren beträgt also 264.858 tois.
oder 1589.148 P. F.
Auf der Koppe hing das Barometer 9.36 P. F. über dem Fussbo-
den der Kapelle, die Seehöhe des letzteren beträgt also 822.184 tois.
oder 4933.104 P. F. Diese Zahl stimmt am besten mit den Resultaten
von Gerstner, Schweinitz und Lutz, welche für die zuverlässigsten
gehalten worden sind, schliesst sich überdies auch ganz gut an das Eı-
gebniss des Österreichischen Generalstabs an, und empfiehlt sich somit
| als der wahrscheinlichste Werth für die Seehöhe der Koppe.
Die endgiltige Entscheidung wird übrigens nur durch ein trigonome-
trisches Nivellement gegeben werden können. Bis dahin kann man für
die Höhe der Koppe über dem Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde
‚ abgerundet annehmen:
4933 Pariser Fuss.
34 Jahres-Bericht
Herr Professor Dr. F. Cohn machte in der Sitzung am 10, Juli zum
Gegenstande seines Vortrages:
Die Wettersäule von Masselwitz vom 23. Juni 1861.
Der verflossene Sommer brachte unserer Provinz neben einer unge-
wöhnlich grossen Zahl von Gewittern, die eine Zeit lang mit tropischer
Regelmässigkeit täglich wiederkehrten, auch mehrere jener verheerenden
Luftströmungen, die an die Tornado’s, Teifune ete. der heissen Zone er-
innerten. Ein solches Phänomen durchzog mit zerstörender Gewalt fast
ganz Schlesien von seinem nordwestlichen bis zum südöstlichen Ende, im
Allgemeinen dem Laufe der Oder folgend, und durch orkanartigen Sturm,
Entwurzeln der Bäume, Niederwerfen der Schornsteine, Abdecken der
Dächer, stellenweise auch durch überschwemmende Wolkenbrüche und
furchtbaren Hagelschlag seine Bahn bezeichnend (bei Schönaich-Carolath
fielen gegen 3 Uhr Nachmittags Hagelkörner bis zu 35 m. m. Durchmes-
ser). Die 40 — 50 Meilen lange Gesammtbahn wurde in etwa 8 Stunden
durchlaufen, da zwischen 2—3 Uhr in der Gegend von Grünberg bis
Glogau, gegen 10 Uhr Abends dagegen im Gleiwitzer Hüttendistriet die
Zerstörungen stattfanden. In der Nähe von Breslau trat das Phänomen
gegen 5 Uhr Nachmittags ein, am Himmel durch zwei in verschiedener
Riehtung bewegte Gewitterwolkenschichten bezeichnet; in ihnen wurde
ein heftiges Geräusch, wie von rollenden Wagen vernommen, an Hagel-
wetter erinnernd, obwohl in der Nähe unserer Stadt weder Hagel, noch
Regen, noch Blitz beobachtet wurde.
Bei Masselwitz (14 Meile N.-W. von Breslau) erschien das Phäno-
men in Gestalt einer schwarzen Rauchsäule von wirbelnder Bewegung
wie bei einer Feuersbrunst, so dass in der That die Nachbaren sich zum
Löschen rüsteten. Diese Wettersäule (Trombe), von Strassenbreite und
angeblich doppelter Haushöhe, verbreitete sich oben garbenartig, ohne je-
doch in die Wolken zu reichen; vielmehr wurden am oberen Ende tan-
zende Baumäste u. dergl. sichtbar, wie Besen von der Ferne erscheinend.
Die Wettersäule überschritt in N.-O.-Richtung, vom Weistritzwalde zwi-
«chen Arnoldsmühl und Goldschmiede kommend, die von Lissa nach Bres-
lau führende Chaussee, indem sie in der Pappelallee eine Bresche brach;
dann in oftmals abgelenkter Bahn, zum Theil den Dämmen folgend, zog
sie über die Ecke eines Raps- und eines Kornfeldes nach Kl.-Masselwitz;
dieht an der Brauerei vorüber und der nach dem Schlosse führenden
Pappelallee folgend, suchte sie die an der Ostseite derselben gelegenen
Bauernhöfe, sowie das dahinter befindliche Caffeehaus heim, während sie
gleichzeitig durch eine in den Parkzaun gebrochene Lücke in den Schloss-
garten eindrang und, diesen verheerend, hart am Schlosse vorüberzog;
von da wendete sie sich nach dem Flüsschen Lohe, das, von Süden
kommend, hier in die Oder fliesst, sodann durch den Lohewald der Oder
zu, überschritt diesen Strom, und setzte dann ihre Bahn auf dem rech-
/
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 35
ten Oderufer fort, wo dieselbe von der Schwedenschanze und dem Eich-
wald bis nach Leipe und Weide verfolgt wurde; doch fehlen Nachrich-
ten über ihren Verlauf bis Oberschlesien.
Im Masselwitzer Bezirk war die Richtung der Trombe im Allgemei-
nen eine östliche. Einige Zeugen wollen an einzelnen Punkten zwei, die
meisten nur eine Säule bemerkt haben. Die durch die Trombe ange-
richteten Verheerungen entsprechen im Allgemeinen denen, welche der
Vortragende bereits bei Gelegenheit der Trombe von Mangschütz bei
Brieg am 16. Juli 1853 beschrieben hat: sie wiesen auf eine in der
Trombe thätige, mit ausserordentlicher Kraft und Geschwindigkeit senk-
recht oder schief aufwärts gerichtete, hebende oder saugende Kraft hin,
während dieselbe in horizontaler Richtung nur mit mässiger Schnelligkeit
fortsehritt. Der verheerte Strich war verhältnissmässig schmal, ausser-
halb und hinter ihm wurde keine ungewöhnliche Luftströmung beobach-
tet; nur die von der Trombe berührte Ecke des Kornfeldes wurde nie-
dergewalzt, ebenso nur ein Theil des in Gebunden stehenden Rapses auf-
gehoben und in weite Fernen entführt, so dass die Rapsschoten in allen
Baumwipfeln hingen. Von der Masselwitzer Brauerei wurde nur eine
Ecke des Daches abgedeckt, die Flachwerke in’s Feld zerstreut. Dage-
gen waren bei den Bauernhäusern die Strohschoben und Sparren zum
Theil senkrecht in die Höhe geflogen und wieder heruntergefallen, so
dass sie noch innerhalb der leeren Wände sich wiederfanden; dasselbe
war bei einem eingeworfenen Stalle der Fall, der in seinen Trümmern
einen Kutscher begrub. Ein Mann wurde mit seinem Kinde in der Nähe
des Caffeehauses neben einer niederstürzenden prächtigen Linde vorbei
an die andere Ecke des Gartens getragen, ohne Schaden zu nehmen.
Eine Laube im Schlosspark wurde so zerstört, dass ihr Zinkdach über
eine ‚benachbarte hohe Hecke getragen und hinter derselben unversehrt
niedergesetzt wurde; vier dünne Säulen, auf denen das Dach geruht,
waren unversehrt, drei Bänke, die an den Seiten gestanden, wurden nach
der Mitte dieht aneinander geschoben, und der Tisch, der zwischen ihnen
sich befunden hatte, stand nun auf ihnen, die Platte nach unten, die Beine _
nach oben gerichtet; derselbe war offenbar nur senkrecht in die ‚Höhe
geflogen und, nachdem er sich überstürzt, wieder herunter gefallen. Auch
andere Bänke und Tische waren in die Luft geflogen und dann wieder,
zum Theil in die sonderbarsten Verstecke, zwischen Gebüsch u. dgl.,
hinabgefallen. In dem Momente, wo die Wettersäule an der südöstlichen
Ecke des Schlosses vorüberzog, Bäume und Dächer mit sich führend,
alles in Finsterniss hüllend und erschütternd, sprang plötzlich eine
Glasscheibe in dem ihr zugewendeten Fenster, sozwar, dass
die Bruchstücke nach aussen flogen, was eine bedeutende Ver-
ringerung des Luftdruckes in der Umgebung der Trombe beweist. Als
die Wettersäule die Lohe überschritt, verwandelte sich ihre Farbe augen-
blicklich aus schwarz in weiss, und das kleine Flüsschen schlug Wellen
g:
36 Jahres-Bericht
wie das Meer; in dem unmittelbar dahinter gelegenen Lohewald erschien
sie wieder als schwarze Rauchsäule, als stände der Wald in Flammen;
nochmals beim Ueberschreiten der Oder nahm sie eine weissgelbe Farbe
an, von dem emporgehobenen Sand und Wasser herrührend; auf ihrem
Wege wurde der Strom bis zum Grunde entblösst. Da zu derselben Zeit
die Sonne bereits wieder schien, zeigte die über die Oder setzende Wet-
tersäule (Wasserhose) den Beobachtern im Schlosse Regenbogenfarben.
Der Wind, der am Nachmittag aus Nordwest gekommen, setzte unmittel-
bar nach ihrem Vorüberziehen in Süd um; das Barometer soll ungewöhn-
lich niedrig gestanden haben. Was die Zerstörungen an Bäumen betrifft,
so wurden Drehungen und dergleichen auch hier nicht beobachtet; viel-
mehr beschränkten sich dieselben in der Regel auf Entwurzeln, so dass
Stamm und Wipfel horizontal auf der Erde, meist in der Richtung der
Bahn (nach NO.) lagen, während der Wurzelballen ganz oder zur Hälfte
herausgerissen war und senkrecht emporstand; sonst waren die Bäume
so wenig beschädigt, dass sie von dem Besitzer von Masselwitz grössten-
theils wieder in die Erde gesetzt wurden und ohne Schaden wieder an-
wuchsen; viele Bäume lagen übrigens auch in anderer Richtung, oft zwei
benachbarte in entgegengesetzter. Andere, meist kranke Stämme waren
in der Mitte durchgebrochen und die Stümpfe gespällt, oder auch nur
einzelne Hauptäste abgebrochen, die Wipfel lagen entweder dicht dahin-
ter, zum Theil auch weiter entfernt, viele blieben hoch oben in den Kro-
nen anderer Bäume stecken. Eine Pappel, die vor der Kegelbahn ge-
standen, fand sich aufrecht stehend auf ihrem Dache, indem sie mit den
Wurzeln zwischen den vom Flachwerke entblössten Sparren steckte,
Bei einer Pappelallee waren auch die kleineren Zweige und Zweiglein
abgestreift, so dass die Bäume fast kahl erschienen. Im Park und den
Eichenwäldern an der Oder waren durch die Wettersäule Strassen ge-
brochen, indem alle Bäume, welche ihr entgegenstanden, umgeworfen
waren. Auffallend war, dass im Parke einzelne Bäume mitten in einer
völlig unbeschädigten Gruppe geworfen waren, wie denn im Einzelnen
sich noch: viele räthselhafte Erscheinungen beobachten liessen, die dem
tanzen Phänomen einen wahrhaft dämonischen Charakter verliehen.
Die obigen Schilderungen begründen sich auf Ermittelungen, welche
der Vortragende bald nachher an Ort und Stelle in Gesellschaft des
Herrn Regierungs-Assessor Meitzen anstellte, theils auf die freundlichen
Mittheilungen von Augenzeugen, insbesondere von Herrn Rittergutsbe-
sitzer Julius Werther auf Klein-Masselwitz, sowie von Herrn Fabrik-
besitzer Krämer in Neuhaus.
Herr Professor Dr. Löwig sprach in den Sitzungen am 1. Mai
und 10. Juli:
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 37
Ueber die Producte, welche durch Einwirkung des Natriumamalgams auf
Oxaläther gebildet werden.
(s. Abhandlungen der Schles. Gesellschaft, 1861, Abtheil. f. Naturwissen-
schaften Heft I, pag, 104—123, und Heft I, pag 177 — 183.)
. Herr Dr. H. L. Cohn berichtete am 27. Februar | |
über seine Versuche, die Unterchlorsäure mittelst Jodtitrirung zu analysiren.
Reine Unterchlorsäure verschaffte sich derselbe, indem er das aus
Schwefelsäure und chlorsaurem Kali entwickelte explosive Gas in einer
Frostmischung vorsichtig eondensirte und die gebildeten orangenrothen
Tropfen im Wasser löste. Von dieser Lösung wurde eine Quantität ab-
gemessen, sie schied aus einer Jodkaliumlösung eine ihrem Gehalte an
Gas äquivalente Menge Jod aus, welche mit Hülfe der Bunsen’schen
Jodtitrirung in wenigen Minuten ermittelt wurde. Eine andere abgemes-
sene Menge der Unterchlorsäurelösung wurde mit schwefliger Säure zer-
setzt, die entstandene Salzsäure als Chlorsilber bestimmt, und daraus die
in der angewandten Menge der Gaslösung enthaltene Quantität Chlor ge-
funden. Aus den nun bekannten Mengen von Jod und Chlor wurde mit
Hülfe einiger Gleichungen die procentische Zusammensetzung und die
chemische Formel des Gases berechnet. Es ergab sich aber dann stets
ein geringerer Gehalt an Sauerstoff, als der Formel ClO, entspricht.
Auch das aus Oxalsäure und chlorsaurem Kali entwickelte Gas, das nach
Calvert und Davies genau die Formel ClO, zeigt, gab, nach der an-
gegebenen Methode analysirt, einen zu grossen Gehalt an Chlor. Die
Analyse der Unterchlorsäure kann also nicht auf jodometrischem Wege
ausgeführt werden. Der Grund dafür liegt, wie sich nach mannigfachen
Versuchen herausstellte, darin, dass ein geringer Theil des Gases sich im
Wasser sogar im Dunkeln in Chlorsäure und chlorige Säure zersetzt.
Die Chlorsäure scheidet aber keine ihr äquivalente Menge Jod aus, wäh-
rend sie auf die Richtigkeit der Bestimmung des Chlors als Chlorsilber
influirt; daher kann weder die Unterchlorsäure, noch die Chlorochlorsäure,
noch die Chloroüberchlorsäure, die sich sämmtlich im Wasser so zersetzen,
dass sich etwas Chlorsäure bildet, mittelst Jodtitrirung analysirt werden.
2. bBeschreibende Naturwissenschaften.
Herr Professor Dr. F. Römer erstattete in der Sitzung am 16. Ja-
nuar Bericht über
die im September 4860 in Besancon abgehaltene Versammlung
französischer Geologen,
welcher er beigewohnt hatte. Er schilderte zunächst die Lage der Stadt
Besancon und die allgemeinen geologischen Verhältnisse in ihrer Umge-
38 Jahres-Bericht
bung. Die Gegend fällt noch ganz in das Hebungsgebiet der Jura-Kette,
und jurassische Gesteine sind durchaus herrschend; dureh den tie-
fen Thaleinschnitt des Doubs, in welchem die Stadt gelegen ist,
werden sämmtliche Glieder der Jura - Formation in grosser Deut-
lichkeit aufgeschlossen. Auch die nächste Unterlage der Jura-For-
mation, der Keuper, ist in der bekannten Form gypsführender Mergel an
einem einzelnen Punkte vorhanden. Für den aus Deutschland kommen-
den Beobachter ist vorzugsweise der freilich für einen grossen Theil von
Frankreich geltende Umstand, dass die mittlere Abtheilung der Jura-For-
mation zu einem grossen Theile aus sehr compaeten und rein oolithischen
Kalksteinbänken zusammengesetzt ist, während in Nord- wie in Süd-
deutschland nur Thon und Mergel mit völligem Ausschluss reiner Kalk-
bildungen in dieser Abtheilung. gefunden werden, auffallend, und gleich
vor den Thoren von Besancon sind mächtige Massen solcher mitteljuras-
sischer weisser oolithischer Kalke, die gewöhnlich dem englischen Great
oolite gleichgestellt werden, zu beobachten. Die Theilnehmer der Ver-
sammlung waren der Mehrzahl nach Geologen aus den östlichen Depar-
tements von Frankreich, und besonders solche, welche sich die Erfor-
schung der Jura-Formation zur speciellen Aufgabe gestellt haben. Doch
waren auch aus Paris und anderen 'Theilen von Frankreich einzelne Theil-
nehmer gekommen. Den Vorsitz bei den Verhandlungen führte der
durch verschiedene Arbeiten über lebende und fossile Korallenthiere und
Echiniden bekannte Paläontolog Michelin aus Paris. Uebrigens ent-
wickelte die Versammlung während ihres achttägigen Zusammenseins in
Verhandlungen und Excursionen eine solche Thätigkeit und Ausdauer,
wie sie bei ähnlichen wissenschaftlichen Versammlungen in Deutschland
kaum gefunden werden möchte.
Derselbe gab ferner eine Notiz
über die Auffindung von Posidonomya Becheri in der Grauwacke von
Desterreichisch-Schlesien.
Durch den Königl. Berggeschworenen Herrn ©. v. Gellhorn in
Ratibor wurde ein Exemplar dieses wichtigen, lange in dem Grauwacke-
gebirge der Sudeten vergeblich gesuchten Fossils bei Johannesfeld,
1 Meile westlich von Troppau, entdeckt und an den Vortragenden ein-
gesendet. Auch an einem südlich von Troppau gelegenen Punkte wur-
den Abdrücke derselben oder einer nahe verwandten Art der Gattung in
Thonschiefern, welche ausserdem undeutliche Pflanzenabdrücke enthalten,
aufgefunden. Die Grauwacke der Gegend von Troppau, deren Altersbe-
stimmung bisher zweifelhaft war, wird ‘durch dieses Vorkommen von
Posidonomya Becheri mit Sicherheit als zur unteren Abtheilung des Stein-
kohlengebirges gehörig bestimmt. Sie wird den Schichten gleichgestellt,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 39
welehe zuerst in Devonshire als eine dem Kohlenkalke wesentlich im
Alter gleiche Bildung unter der Benennung Culm beds unterschieden sind,
und welche sich in Deutschland, namentlich in Westfalen, in Nassau und
am Harze über ausgedehnte Flächenräume verbreitet und überall. durch
dieselbe Muschel bezeichnet finden. Schliesslich wurde es von dem Red-
ner als sehr wünschenswerth hervorgehoben, dass Nachforschungen nach
diesem Fossil auch an anderen Punkten angestellt werden möchten, da-
mit die Unsicherheit, welche in Betreff eines grossen Theils des schlesi-
schen Grauwackegebirges noch immer besteht, einer festen Altersbestim-
mung Platz mache.
Herr Prof. F. Römer berichtete am 4. December
über eine geologische Reise nach Russland,
welche derselbe in den Monaten August und September d. J. in Beglei-
tung eines früheren Zuhörers, Hrn. C. v. Seebach aus Weimar, ausge-
führt hat. Der Hauptzweck der Reise war, durch eigene Anschauung
eine Uebersicht über die in Russland, und namentlich in den russischen
Ostseeprovinzen Livland und Esthland entwickelten älteren oder: paläo-
zoischen Gesteine zu gewinnen. Im Besonderen sollten auch die Schich-
ten in situ aufgesucht werden, in deren geognostisches Niveau. die siluri-
schen Kalksteingeschiebe von Sadewitz bei Oels gehören, deren mannig-
falige und wohl erhaltene organische Einschlüsse dem Verfasser unlängst
das Material für eine im Auftrage der Schlesischen Gesellschaft verfasste
Jubiläumsschrift geboten hatten. Die Hinreise führte über Posen und Kö-
nigsberg und dann weiter mit der zum Theil vollendeten Eisenbahn dureh
Litthauen über Kowno nach Dünaburg und Pskow. An dem letztgenann-
ten Punkte, der schon völlig das Gepräge einer echt russischen Stadt an
sich trägt, wurde zuerst Halt gemacht. Hier wurde auch zum erstenmale
anstehendes Gestein beobachtet. An den steilen, 30—60 Fuss hohen
Ufern des nach dem Peipus-See hin abfliessenden Flusses, an welchem
die Stadt gelegen ist, sind überall gelblich- oder röthlich-graue Schichten
von Dolomit und dolomitischen Mergeln in horizontaler oder ganz flach
geneigter Lagerung entblösst. Es ist, wie die häufigen organischen Ein-
schlüsse ausweisen, die obere Abtheilung der devonischen Gesteine, welche
in so ungeheurer, mehrere tausend Quadratmeilen betragender Ausdeh-
nung über einen grossen Theil des nördlichen Russlands und im Beson-
deren der deutschen Ostsee-Provinzen Curland, Livland und Esthland sich
verbreiten. Das nächste Reiseziel war dann Dorpat, wo durch die Be-
sichtigung von Sammlungen und den Verkehr mit Fachgenossen genauere
Vorbereitung für die weitere Reise gewonnen werden sollte. In rascher
Fahrt auf dem landesüblichen rohen Postfuhrwerk, der Telega, wurde die
Strecke von Pskow nach der zu beiden Seiten des schiffbaren Embach-
Flusses anmutbig gelegenen Universitätsstadt in einem Tage zurückgelegt.
40 Jahres-Bericht
An den 150 Fuss hohen Thalabhängen, an welche die Stadt sich: anlehnt,
tritt überall in wagerechter Lage ein zerreiblich loser rother Sandstein,
mit Thon und Mergeln der gleichen Farbe wechsellagernd, hervor. So-
bald man aber auf die Höhe gelangt ist, herrscht überall das Diluvium
mit zahllosen Geschiebeblöcken krystallinischer Gesteine. Die rothe
Sandsteinbildung gehört der unteren Abtheilung der devonischen Gruppe
an. Die zahlreichen darin vorkommenden Fischreste, verschiedenen Gat-
tungen aus der merkwürdigen, vorzugsweise durch die starke Entwicke-
lung des Haut-Skeletts ausgezeichneten Familie der Placodermen ange-
hörend, liefern dafür den Beweis. Der erst vor zwei Jahren in Dorpat
verstorbene Professor Assmuss hat dem Sammeln und der Deutung die-
ser Fischreste eine vieljährige Thätigkeit gewidmet. . Neuerlichst hat
Pander in Petersburg eine vortreffliche Monographie derselben geliefert.
Der Gattung nach sind sie grossentheils identisch mit solchen des engli-
schen Old red und stellen die Gleichzeitigkeit der Ablagerung dieser eng-
lischen Bildung und der rothen Sandsteine von Livland fest. Die werth-
vollste Unterstützung für die Zwecke der Reise gewährte Prof. Gre-
wingk, der Vertreter der mineralogischen Disciplinen an der Universi-
tät, nicht nur dadurch, dass er die Sammlungen des unter seiner Leitung
stehenden, vortrefflich eingerichteten und namentlich für die zoologische
Kenntniss der Ostsee-Provinzen lehrreichen mineralogischen Museums der
Universität zugänglich machte und erläuterte, sondern noch mehr dadurch,
dass er auf einer demnächst in das Innere von Livland und Esthland an-
getretenen Reise seine persönliche Begleitung gewährte. Auf dieser Reise
wurden nach einander die wichtigsten Punkte besucht, welche über die
Gliederung der silurischen und devonischen Schichtenreihe in den Ostsee-
Provinzen Aufklärung zu geben geeignet sind. Im Ganzen sind die Auf-
schluss-Punkte in dem ebenen, dünn bevölkerten Lande, über welches
sich eine mehr oder minder dicke Diluvial-Decke gleichförmig verbreitet,
sehr vereinzelt und durch weite, zum Theil ganze Tagereisen betragende
Entfernungen von einander getrennt. Nur an wenigen Punkten werden
mehrere der Glieder in unmittelbarer Auflagerung über einander angetrof-
fen, und eine solche Eintheilung der silurischen Gruppe, wie sie von
Friedr. Schmidt für das Land aufgestellt worden ist, konnte daher zum
Theil nur durch Combinationen gewonnen werden. Die meisten Auf-
schlusspunkte sind flache Kalksteinbrüche, in welchen Material zum Kalk-
brennen und zum Bauen gebrochen wird. Dergleichen Steinbrüche wur-
den zuerst bni T’alkhof, einem 6 Meilen nordwestlich von Dorpat gelege-
nen Pastorate, angetroffen. In einem auf dem Pfarrhofe .gegrabenen
Brunnen stehen noch rothe Mergel der devonischen Gruppe an, während
4 Meile weiter nördlich davon schon dünn geschichtete Kalksteinschich-
ten mit Pentamerus Esthonus und Calamoporen als das oberste Glied der
silurischen Gruppe dieser Gegend durch mehrere Steinbrüche aufgeschlos-
sen sind, so dass hier die Grenze zwischen den beiden Gruppen auf der
ie en
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. | 41
Karte sich sehr bestimmt angeben lässt. Etwas jüngere Kalksteinschich-
ten, aber paläontologisch wenig deutlich bezeichnet, wurden aın folgen-
den Tage bei dem Gute Laisholm an dem Ufer des Pedja-Flusses beob-
achtet. Sehr scharf bezeichnet und stets ganz unverkennbar sind dage-
gen die Schichten mit Pentamerus borealis. Es sind mehrere Fuss dicke
Bänke eines oft ganz lockeren und sandartig zerreiblichen dolomitischen
weissen Kalksteins, welcher so erfüllt ist mit den zollgrossen einzelnen
Klappen des Pentamerus borealis, dass er oft kaum etwas anderes als ein
blosses Aggregat dieser Schalen darstell. Am ausgezeichnetsten wurde
dieses Gestein in der Nähe des Gutes Warrang angetroffen. Die die
Felder umgebenden niedrigen Mauern sind ganz aus Stücken desselben
erbaut und mehrere flache Entblössungen schliessen es auf. Von denje-
nigen dieser anstehenden Schichten ganz ununterscheidbar finden sich
Bruchstücke dieses Gesteins auch unter den Diluvial-Geschieben der nord-
deutschen Ebene. Der Vortragende führte namentlich an, dass ihm der-
gleichen Kalkgeschiebe mit Pentamerus borealis ebensowohl aus den Kies-
gruben bei Trebnitz, unweit Breslau, als aus denjenigen von Groningen
im nördlichen Holland bekannt seien.
Einem noch tieferen geognostischen Niveau gehören die Kalkstein-
sehichten an, welche auf dem Gute Borkholm durch mehrere Steinbrüche
aufgeschlossen sind. Arten wie Orthis lynx, Orthis anomala, Lituites anti-
quissimus und andere beweisen, dass die Schichten schon der unteren Ab-
theilung der silurischen Gruppe angehören. In der That lässt Friedr.
Schmidt in seiner Classifieation der silurischen Gesteine von Livland
und Esthland mit den Schichten von Borkholm die untersilurische Abtbeilung
beginnen. Die paläontologisch interessanteste Localität im Innern von
Esthland ist Wesenberg. Mehrere, 2 Werst östlich von der kleinen Stadt
gelegene Steinbrüche sind reiche Fundstellen von Versteinerungen. Chae-
ietes Petropolitana, Leptaena sericea, Chasmops conicophthalmus, Encrinurus
multisegmentatus und Lichas angusta sind hier die häufigsten Arten. Ganz
dieselben Arten gehören nun auch zu den häufigsten Vorkommnissen in
den silurischen Diluvialgeschieben von Sadewitz bei Oels. In der "That
gehören die Kalkgeschiebe von Sadewitz unzweifelhaft in ein wesentlich
gleiches geognostisches Niveau, wie die Schichten von Wesenberg, ‘und
in jedem Falle ist der Ursprung der Sadewitzer Geschiebe in Esthland
zu suchen. Die Ermittelung dieses Ursprungs hatte eine der besonderen
Aufgaben dieser Reise gebildet. Alle noch tieferen Glieder der siluri-
schen Schichtenreihe in Esthland sind am besten am Meeresufer zu beob-
achten. An der ganzen Nordküste von Esthland fällt nämlich das Land
mit senkrechtem Absturze plötzlich ab, und zwar entweder unmittelbar
in das Meer, oder so, dass zwischen dem Absturze und dem Meere sich
noch ein niedriger Küstenstreifen befindet. Bei Ontika, einige Meilen
westlich von Narwa, erreicht dieser senkrechte Absturz oder der „Glint“,
wie er in dem Lande genannt wird, eine Höhe von 206 Fuss. An die-
42 Jahres-Bericht
sem „Glint“ treten nun überall die anscheinend wagerechten, in Wirk-
lichkeit aber ganz flach gegen Süden einfallenden untersten Glieder der
silurischen Schichtenreihe mit grosser Deutlichkeit und in vollständiger
Regelmässigkeit der Aufeinanderfolge zu Tage. Die tiefste, vom Meere
bespülte und bis zu unbekannter Tiefe unter den Meeresspiegel sich fort-
setzende Ablagerung ist ein blauer plastischer Thon, — derselbe, welcher
auch den Boden von Petersburg bildet und in welchem Pander räthsel-
hafte kleine Körper entdeckt hat. Darüber folgt der sogenannte Unguli-
ten-Sandstein, dann ein bituminöser *Schiefertlion, nach Lagerung und
organischen Einschlüssen ein Aequivalent des schwedischen Alaunschie-
fers, eine Grünsandlage, und endlich, zu oberst, der sogenannte Vagina-
tenkalk. Der Berichterstatter beobachtete diese Aufeinanderfolge nament-
lich an dem Glint bei dem Gute Asserien. Auch bei Narya wurden
dieselben Glieder wieder gefunden. Hier treten sie an den steilen Ufern
der Narowa zu Tage. Derselbe Fluss bildet 3 Stunde oberhalb der
Stadt merkwürdige Wasserfälle, welche in ihrem allmäligen Rück wärts-
schreiten und in der dadurch bewirkten Bildung eines engen, spaltenför-
migen Auswaschungsthales alle Erscheinungen des Niagara-Falles im Klei-
nen wiederholen. Eine rasche Postfahrt von einem Tage führte von
Narwa direct nach Petersburg. Hier gewährte die Besichtigung der öffent-
lichen und privaten Sammlungen und der Verkehr mit den Fachgenossen
reichliche Beschäftigung für einen dreiwöchentlichen Aufenthalt. Unter
den öffentlichen Sammlungen kommen vor allen diejenigen des Berg-
Corps und der Academie in Betracht. Sehenswerthe paläontologische
Privat-Sammlungen besitzen namentlich Pander, Al. v. Volborth und
Eichwald. Diese Männer sind denn auch die Hauptvertreter der Pa-
läontologie in Petersburg. Für Geognosie sind besonders die Herren
v. Helmersen und Hoffmann — beide Generale im Berg-Corps —
thätig. In Herrn N. v. Kokseharow besitzt Petersburg ausserdem
einen Mineralogen von hohem wissenschaftlichem Verdienst. Seine mine-
ralogische Privat-Sammlung ist ganz besonders sehenswerth und übertrifft
in manchen Theilen selbst die öffentlichen Sammlungen an Reichthum. —
Auch ein Abstecher nach Moskau wurde von Petersburg aus gemacht.
Eine Eisenbahnfahrt von 22 Stunden führt von der Residenz nach
der alten Hauptstadt des Reiches. In Moskau machte Herr Dr.
Auerbach einen sehr gefälligen und kenntnissreichen Führer. Es
wurden nicht nur die Aufschlusspunkte des Kohlenkalkes und der wohl-
erhaltenen Versteinerungen der reichen Jura-Schichten in der unmittelba-
ren Nähe von Moskau besucht, sondern auch ein Ausflug nach dem 7 Mei-
len südlich an der Mosqua gelegenen Miatschkowa gemacht, wo der
kreideähnliche schneeweisse Kohlenkalk in ausgedehnten Steinbrüchen vor-
trefflieh aufgeschlossen ist und zugleich die Ueberlagerung durch die
braunschwarzen Schieferthone der Oxford-Bildung sehr deutlich hervor-
tritt. — Der Rückweg nach Deutschland wurde zu Wasser gemacht.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 43
Eine dreitägige Fahrt auf einem der vorzüglichen neuen Dampfschiffe der
Lübeeker Linie brachte die Reisenden von St. Petersburg nach Lübeck.
Herr Dr. Stache aus Wien gab am 6. November eine gedrängte
Uebersicht über
Die geologischen Verhältnisse Istriens, Siebenbürgens und des Bakonyer
Waldes in Ungarn,
dreier geologisch sehr verschieden ausgebildeter Gebiete, welene er als
Geolog der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien in den Jahren
1858 — 1861 kennen lernte.
Die erste seiner Mittheilungen bezog sich auf Istrien. Wie die vor-
gelegte geologische Karte im Maassstab der Generalkarte von Ilyrien von
4000 Qu.-Zoll = 1 W. Zoll schon erwies, ist das Festland der istrischen
Halbinsel sowie die dazu gehörigen Inseln des Quarnero und die gegen-
überliegende kroatische Küste in ziemlich gleichförmiger Weise aus den-
selben Gesteinschichten nur zweier geologischen Perioden aufgebaut.
Kalke und Dolomite der Kreideperiode, welche in der ganzen Längsrich-
tung, die durch die Spalte mit dem Zirknitzer See angedeutet ist, .unmit-
telbar, mit Auslassung der ganzen Reihe der Lias- und Jura-Schichten, an
die Schichten der oberen alpinen Trias grenzen, bilden die Hauptmasse
der Gebirge in diesem Lande und zugleich die ältesten zu Tage treten-
den Schiehten überhaupt. Sie bilden 3 gegen das Meer, also von NO.
gegen SW. absteigende grössere Gebirgsstufen, deren jede wieder aus 2
oder mehreren, aus dem früheren Zusammenhang gerissenen karstartigen
Gebirgskörpern besteht.
Die höchste dieser Stufen bildet das Schneeberger Waldgebirge mit
dem 5673’ hohen Krainer Schneeberg, und der nordwestlich davon durch
eine tiefe Einsenkung abgesonderte Gebirgsstock des 4000‘ übersteigen-
den Nanos.
Die mittlere Gebirgsstufe ist aus dem gewaltigen Karstgebirge der
Tschitscherei mit dem 4410‘ hohen Monte maggiore und dem 3239‘ hohen
Slaunik als dem Centrum, dem Triestiner Karst als nördlichem Flügel,
und den ausser Zusammenhang gerissenen Inseln des Quarnero, Veglia,
Cherso und Lussino, als südlichem Flügel, zusammengesetzt.
Die dritte tiefste Stufe endlich bildet das breite, sanft wellig gegen
das Meer zu sich abdachende südliche Karstland der istrischen Halbinsel,
welches mit dem langen flachen, aber viel zerrissenen Küstensaume zwi-
schen Punta Salvore bei Pirano und Pt. di Promontore bei Pola unter
das Niveau der Adria taucht. Diese Stufe besteht scheinbar nur aus
einem einzigen Theil, doch nur scheinbar; denn durch die tief einschnei-
denden, kluftartigen Thäler des Quieto, des Canale di Lemme und der
Arsa ist dieses wellige Kreideland in vier gesonderte Gebirgsglieder zer-
rissen. — Die Spalten und breiten, muldenartigen Einsenkungen, durch
welche die Hauptgebirgsstufen und ihre gesonderten Gebirgsglieder von
44 Jahres-Bericht
einander getrennt erscheinen, sind nun im Allgemeinen mit dem Material
jener zweiten Zeitperiode erfüllt, welche an der Zusammensetzung und
Gestaltung des Landes wesentlichen Theil hat. Kalk-, Conglomerat-,
Mergel- und Sandstein-Schichten der älteren Tertiärzeit bilden grössere
oder kleinere zusammenhängende Gebirgsgebiete von sanfteren Contour-
formen der Berge und verschiedenartigem kulturökonomischen und land-
schaftlichen Charakter, welche zwischen jene drei Hauptgebirgsstufen der
Kreidezeit mit steriler schrattiger Karst-Physiognomie, oder mit noch be-
wahrtem ursprünglichen Urwald-Charakter wie zwischengeklemmt einge-
senkt sind. Es sind dies die Eocän-Gebiete des Poik- und des Wipbach-
Flusses und der Reeca mit dem langen Spaltenthal von Baecari zwischen
der oberen und mittleren, und die durch die quere Längswelle des Buja-
ner Karstes in zwei Abtheilungen getrennte Eocän-Mulde von Triest - Pi-
sino zwischen der mittleren und unteren Stufe. Endlich durchziehen, wie
Fortsetzungen dieser Gebiete, im Längsstreichen der Kreideschichten, auch
die Inseln Veglia und Lussin, sowie Unie und die beiden Cavidole Eocän-
schichten, welche auf Veglia wenigstens noch mit hinreichender Deutlich-
keit als Ausfüllung der faltenartigen Längsklüfte zu erkennen sind, die
das feste kalkige Grundgebirge der Inseln durchziehen.
Der Gebirgsbau des ganzen Landes ist demnach ein faltenförmiger.
Von der bis zur Ueberkippung und Ueberschiebung der Kreidesehichten
steilen Faltung der ganzen Schichtenreihe, von den tieferen Kreide- bis
zu den obersten Eocän-Schichten in den beiden oberen Gebirgsstufen
steigt das Land abwärts zu stärkerer und endlich zu schwächerer wellen-
förmiger Biegung der Schichten, . mit der sich endlich die unterste Ge-
birgsstufe unter das Meeresniveau verliert.
Die schmale, aber meist sehr deutlich entwickelte Randgebirgszone,
welche die untere kalkige Abtheilung des Eocänen zwischen der ganzen
Masse der Kreide, Kalke und Dolomite und dem Haupteomplex der obe-
ren mergelig-sandigen Gruppe des Eoecänen bildet, trägt in ihrer stetigen
Wiederholung an allen Grenzrändern der beiden Hauptformationen am
meisten dazu bei, dass man zur klaren und richtigen Erkenntniss des Ge-
birgsbaues in diesem interessanten Lande gelangt. |
Kreide und Eoeän liessen sich übrigens nach dem petrographischen
und paläontologischen Charakter ihrer Schichten in mehrere Unterabthei-
lungen gliedern. Die Kreide beginnt mit durch Caprotina ammonia cha-
rakterisirten Neocomschichten, es folgen die gleichfalls noch zur unteren
Abiheilung zu rechnenden schwarzen Fischschiefer von Comen, darauf
radiolitenarme Dolomite mit zwischengelagerten Kalkschiehten, darüber
radiolitenreiehe Kalke mit sparsamer zwischenliegenden Dolomitschiehten,
endlich eine schmale Zone sehr heller Kalke und Breeeienmarmore mit
Radioliten und Hippuriten zusammen (unteres und oberes Turonien).
Im Eoeänen liessen sich in der untereu Kalkabtheilung eine tiefste,
Kohlen, Süsswasserschnecken und Charen führende Strandzone mit Süss-
der Schles. Gesellsch. f.' vaterl. Cultur. 45
wasser- und Brackwässernatur, und eine obere, ausser an andern Forami-
niferen (Quinqueloculinen, Borelis) besonders an Nummuliten reiche litto-
rale marine Tiefenbildung, in der oberen mergelig-sandigen Gruppe eine
untere conglomeratische, versteinerungsreiche Meeresbildung (mit Numm.
exponens, Lucasana, spica ete., Conoclypus concideus, Corbis lamellosa, Turitella
imbricataria etc. etc.) und ‘eine obere mergelig-sandige Bildung unterschei-
den, welche fast nur durch Fucoiden charakterisirt ist. —
Die zweite Mittheilung des Vortragenden betraf ein, im Gegensatz
zu diesem offenen Küstenlande, geographisch und geologisch sehr gut ab-
geschlossenes Gebirgsland, nämlich „Siebenbürgen“. Die Abgeschlossen-
heit der geographischen Formen und die Regelmässigkeit und Symmetrie
der geologischen Zusammensetzung machen aus diesem Lande in der '['hat
das, was man eine geologisch-geographische Individualität nennen könnte.
Die vier geologischen Haupttypen, die das schöne, fast kreisförmige Ge-
birgsland zusammensetzen, sind in der That so angeordnet, dass man sie
insgesammt fast überall durchschneiden muss, von welcher Weltgegend:
her man auch von der Peripherie nach dem Centrum des Landes wan-
dert. Zugleich aber hat jede dieser geologischen Haupftormationen auch
ihre besondere geographische, kulturökonomisehe und landschaftliche Be-
deutung und Verschiedenheit.
Kıystallinische Gesteine, besonders Glimmerschiefer und Gneiss,
aber aueh Massengesteine, Granitit, Granit und Syenit sind die erste der
4 Hauptformationen. $Sie sind das feste Grundgebirge des ganzen Lan-
des, das aber in der Mitte tief eingesenkt ist, und nur als hohes, waldi-
‚ges, zum Theil alpines Grenzgebirge Siebenbürgen fast kreisförmig ab-
schliesst. Gegen Nordwest senkt sich das Land und das Grenzgebirge
‚erscheint mehr zerrissen. Im Süden aber hat es seine grössten Erhebun-
sen, und hier: bildet das Krystallinische einen langen, zusammenhängenden
Grenzzug. Im Norden ist es das Bükgebirge mit der höchsten Erhebung
von nur 1676‘ und die Kette der Rodnaer Alpen mit dem 7158° hohen
Kuhhorn, im Osten das zu Höhen von 5— 6000’ ansteigende Borszeker
Gebirge, im Süden ist es die Fogarascher Gebirgskette mit dem 7974‘
erreichenden Negoc, dem höchsten Berge des Landes, und in der Fort-
setzung das Mühlenbacher und Retjetzat-Gebirge, im Westen endlich ist
es das zwischen 4+—5000‘ haltende gewaltige Gebirgsmassiv der Szamos-
quellen und das Rez- und Meszes-Gebirge, welches die stellenweise noch
mit dichtem Urwald bedeckten Grenzmarken des Landes bildet.
An den nach innen dem Lande zugekehrten steilen Rand der kry-
stallinischen Grenzgebirge lehnt sich eine ziemlich zusammenhängende,
nur stellenweise breitere, stellenweise schmälere Vorgebirgszone von Kalk-
und Mergelschichten, zum Theil auch wohl von Sandsteinen und Conglo-
meraten, welche der älteren Teertiärzeit angehören. Schichten der Eocän-
‚formation bilden also die zweite geologische Hauptgruppe des Landes.
‘Die Kalk- und Mergelschichten, welehe darin die Hauptrolle spielen, ge-
46 Jahres-Bericht
hören fast durchweg den Nummuliten führenden Abtheilungen der älteren
Tertiärzeit an, und zwar lassen sich vorzüglich zwei altersverschiedene,
durch besondere Nummulitenarten charakterisirte Horizonte unterscheiden,
ein tieferer, durch das massenhafte Auftreten von Numm. perforata d’Orb.
gekennzeichnet, und ein höherer, in welchem Numm. laevigata Lam.
herrscht. Ueberdies wurden auch in ähnlicher tieferer Lagerung unter
den Nummulitenschichten, wie in Istrien, besonders in der Gegend von
Sibö Süsswasserkalke mit Planorben, Paludinen und Charen entdeckt.
Diese randliche Vorgebirgszone ist durch ihren Reichthum an Kalk
und Gyps wichtig. Letzterer, welcher besonders im nordwestlichen Theile
an verschiedenen Orten, wie bei Nagy Kapas, Vannezö, Vartelek, Sib6
und Rona, in gewaltigen, sehr reinen weissen, zum Theil fast alabaster-
artigen Bänken ansteht, findet bisher, bei dem verhältnissmässig noch
sehr zurückgebliebenen Stande der Cultur und Industrie, so gut wie gar
keine Verwendung. Ueberdies sind vorzüglich die flacheren, gewöhnlich
vom krystallinischen Grenzgebirge abgekehrten Gehänge dieser Vorge-
birgszone reich an grossen und üppigen Wiesenflächen, und daher wich-
tig für die hier stark betriebene Viehzucht.
Die ganze grosse Masse des hügeligen Mittellandes endlich, welches
von diesen beiden randlichen Zonen umgeben ist, wird durchaus von
Schichten der jüngeren Tertiärzeit gebildet. Dieses ist die dritte geolo-
gische Hauptformation des Landes, welche in ökonomischer Hinsicht durch
ihren ungeheuren Salzreichthum unter allen wohl den ersten Rang ein-
nimmt. —
Die vierte geologische Hauptgruppe endlich bilden die Trachyte.
Dieselben sind im Osten und Westen dureh grössere Gebirgszüge vertre-
ten; im Uebrigen sind sie in kleineren Durehbrüchen, vorzüglich an der
Grenze der eocänen Vorgebirgszone mit dem krystallinischen Grenzge-
birge im ganzen Umkreise des Landes verbreitet. Sie sind die Erzbrin-
ger, die den Reichthum des Landes an edlen Metallen bedingen. Ihre
‚ Rolle in Bezug auf die geographische Gestaltung des Landes ist die der
Variirung des landschaftlichen Charakters der Gegend.
Alle anderen in Siebenbürgen vertretenen Formationen, wie Kreide,
Jura, Lias und Trias, sind nur mehr zerstreut, in kleineren Partieen und
ohne Zusammenhang hier und dort vertheilt. Merkwürdig ist es, dass
ältere als triassische Sedimentair-Schichten im ganzen Lande nicht zu
finden sind. — {
Die letzte Mittheilung bezog sich auf ein Terrain, welches Dr.
Stache erst im verflossenen Sommer gemeinschaftlich mit Hrn. Bergrath
Franz v. Hauer bereist hatte, wovon er jedoch schon eine Copie der
geologischen Originalaufnahme vorzulegen vermochte. Das Land, dessen
geologische Zusammensetzung die Karte im Maassstabe von 4000 ‚Qu.-Z.
— 1 W. 2. illustrirte, ist die aus dem ungarischen diluvialen Sand- und
Lösslaude des Donauwinkels zwischen Raab, Gran und Sexard in diago-
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 47
naler NO.-SW.-Richtung auftauchende Gebirgsinsel des Bakonyer Wal-
des, welehe im Süden zum grösseren Theil durch den Plattensee be-
grenzt wird. |
Die Bergzüge des Bakonyer Waldes halten zwischen 1500’ und
2500‘ Seehöhe; sie erreichen in keinem Punkte 3000°. Wenn auch nicht
geographisch, so bildet die Bakonyer Gebirgsinsel doch geologisch ein
kleines Alpenland. Insofern nun bestimmte geologische Formationen von
srösserer Ausdehnung auch bestimmte geographische und landschaftliche
Formen bedingen oder wenigstens begünstigen, gewinnt hin und wieder
wohl auch die Gegend selbst einen alpinen Anstrich. Durch eine tiefe
Querspalte, durch: welehe die Raab-Ofener Bahn über Stuhlweissenburg
ihren Weg nimmt, ist der Längszug sedimentärer Schichten in zwei Ge-
birgsglieder abgesondert, in das kleinere nordöstliche: Vertesgebirge und
den südwestlichen eigentlichen Bakony. Ersteres ist im Norden durch
das grosse Gran-Ofener Trachyt-Gebirge von der Donau abgeschnitten,
letzterer ist durch die Basaltgruppen im Westen gegen das flache Hügel-
land des Zalader und Eisenburger Comitates abgegrenzt. Im Hauptge-
biet des Bakony sind von den Plattenseeufern bis an die nördl. Grenze
segen das Hauptgebiet des Diluviums alpine Schichten fast aller Forma-
tionen von den rothen Werfener Schiefern der Trias bis zu den jüngsten
Tertiärsehiehten vertreten. Besonders merkwürdig aber ist es, dass mit-
ten unter der Hauptmasse alpiner Schichten auch solche auftreten, welche
aus den. Alpengebieten bisher nicht bekannt wurden. Die ganze hier ver-
tretene Reihenfolge der Triasschichten sammt dem Dachsteinkalk, welcher
.den plateauförmig erweiterten, mittleren Hauptrücken bildet, fällt concor-
dant unter mittleren bis schwachen Neigungswinkeln vom Plattensee ab
gegen NW. ein. Die darüber folgenden Schichten liegen gegen diese
Schichtenreihe und zum grösseren Theil auch untereinander discordant.
Die ‘ganze vertretene Reihe geschichteter Gesteine ist folgende: Ueber
Verrucanogesteinen, rothem Sandstein und Schiefern der unteren Trias,
welche an den Plattenseeufern anstehen, folgen Dolomite, darauf alpine
Triaskalke und Kalkschiefer mit Naticella costata ete. (Guttensteiner Kalk),
in naher Verbindung mit diesen, aber doch höher, bei Köves-Kalla auch
wirklicher Muschelkalk mit Spertferina. Mentzeli, Terebr. trigonella ete., —
bei Nagy Varzony dagegen rothe Kalke mit Ceratites binodosus. Darauf
lagert eine mächtige Schichtenfolge von Dolomiten der oberen Trias
.(Esino-Dolomit), als solche durch sparsame, aber sichere Petrefaeten
charakterisirt, wie z. B. durch Trigonia Watleyae bei Puszta Uso, westlich
von Tapoleza. Auf diese Dolomite folgt eine noch mächtigere Schichten-
folge von Dolomiten, welche erst in ihren obersten Schichten in Kalke
übergehen, die durch die Dachsteinbivalve (Megalodus triqueter) charakte-
risirt sind.
Die ältesten der discordant gegen diese, den Hauptgebirgszug bilden-
‚den Kalk- und Dolomitschichten gelagerten Bildungen sind rothe, an
48 Jahres-Bericht
Brachiopoden reiche Encrinitenkalke, und Ammoniten und Orthoceratiten
enthaltende rothe Kalkschiefer, welche hier den Lias repräsentiren.
Hellere, in ziemlich bedeutenden Partieen auftretende Kalke, welche
nur hin und wieder Spuren einzelner Terebrateln zeigten, mussten, ob-
wohl nicht mit hinreichender Sicherheit, als Jura gedeutet werden.
In einem grossen Zuge, welcher die Streichungsrichtung des ganzen
Gebirges einhält, treten südlich von Zirez, dem Hauptort im Bakony,
Caprotinenkalke der unteren Kreide (Neocomien) auf, und in enger Ver-
bindung damit, unmittelbar darauf lagernd, an merkwürdigen Petrefaeten,
besonders Turriliten, Hamiten, Ammoniten und Echinodermenreiche Mer-
gel, welche sich nach genauerer Untersuchung der Petrefaeten als „Gault‘
erwiesen. Von der etwas abweichenden Ausbildung dieser Schicht bei
„Nana“, einem Hauptfundort schöner Petrefaeten, wurde dies sogleich
schon im Freien vermuthet. Die bei Lokut und Penzeskut in grösserer
Ausdehnung auftretenden weisslichen Mergel, welche ein nur wenig höhe-
res Niveau haben, gehören jedoch gleichfalls zu dieser Abtheilung der
Kreidezeit. An beiden Punkten ist Turrihtes Puzosianus d’Orb. eines der
verbreitetsten Fossilien. Jüngere Kreidekalke treten in einem ganz ab-
gesonderten, mit den übrigen Kreideschichten ausser Zusammenhang ste-
henden Felsriff am nördlichen Rande des Bakonyer Waldes bei Honwe;j-
Bödöge auf. Es sind Hippuritenkalke mit den Hippuriten der Gosau-
bildung.
Sehr verbreitet und in mehreren getreunten Zügen auftretend sind
die Nummuliten führenden Schichten der älteren Tertiärzeit. Dieselben
erscheinen in zwei getrennten Zügen zu beiden Seiten des Vertesgebirges.
Sie treten auch im Bakonyer Wald als eine innere Zone um Zirez und
Bakonybel auf, und als eine äussere, die älteren Schichten gegen das
Jungtertiöre und das Diluvium gleichsam abschliessende, welche im Nor-
den bei Fenyöfö, im Westen bei Halimba besonders gut ausgebildet ist.
Bemerkenswerth ist, dass auch hier an verschiedenen Punkten be-
stimmte Nummulitenspecies vorzugsweise herrschend werden; jedoch sind
die Lagerungsverhältnisse hier nicht der Art, dass damit, wie in Sieben-
bürgen, mit Sicherheit eine Altersverschiedenheit dieser Ablagerungen in
Verbindung gebracht werden könnte. So herrscht z. B. bei Ob Galla
im Vertesgebirge der fiache, grosse Numm. complanata Lenk., bei Akli
Puszta, nächst Bakonybel, verdrängt Numm. perforata d’Orb. und Numm.
Lucasana Dfr. alle anderen Arten, bei Halimba, in der Nähe von De-
vecser, ist Numm. exponens der Hauptrepräsentant dieses merkwürdigen
Geschlechtes.
Von Schichten der jüngeren Tertiärzeit kommen sehr verschiedenar-
tige Abtheilungen, und zum Theil in sehr grosser Verbreitung, an den
äusseren Rändern des Gebirgsgebietes des Bakony und an den Ufern des
Plattensee’s vor. Leithakalke wurden bei Devecser am Westrande, Ceri-
thienkalke in grosser Ausdehnung in der Umgebung von Tapoleza und
_ der Schles. Gesellseh. f, vaterl. Cultur. 49
bei Zanka am Plattensee, Congerienschichten am Ost- und Südufer des
Plattensees und an vielen Punkten im nördlichen Vorlandgebiet der Ge-
birgsinsel aufgefunden. Das meiste Interesse unter den Bildungen dieser
Zeit gewähren die Meilen langen Ablagerungen von Süsswasserkalken,
welche durch und durch erfüllt sind mit Schaalresten und Steinkernen
von zum Theil recht guter Erhaltung von Planorben, Helices und Palu-
dinen. Der längste Zug dieser Kalke erstreckt sich von Tamasi, nord-
westlich Stuhlweissenburg über Kuti und Palota gegen Veszprim zu. Der
zweite bildet ein kürzeres, aber breiteres Gebiet zwischen Nagy Vazsony
und Vigant. — |
Von eruptiven Gesteinen treten in dem beschriebenen Gebiet Granit,
Trachyt und Basalt auf.
Granit und Trachyt beschränkt sich auf die Gegend erdlsul von-
Stuhlweissenburg, im Süden des Vertesgebirges.
Das ganze in dieser Gegend liegende Meleghegy-Gebirge besteht: aus
einem verhältnissmässig jungen Granit von eigenthümlichem Aussehen,
welcher an 5 verschiedenen Punkten von einem grauen Trachyt durch-
setzt wird. |
Die Basalte beschränken sich auf den Westen des Gebietes. Sie:
treten hier in einzelnen Kegeln auf, wie der durch seinen Wein berühmte‘
Nagy Somtyo bei Somlyo Vasarhely, oder in Gruppen von vielen und:
verschieden geformten Basaltkegeln. Die reichste dieser Basaltgruppen
ist die des Plattenseeufers bei Taapoleza. In dieser Gegend kann man
mit einem Blick 8— 9 Kegel zählen und hat noch nicht alle in der Ge-.
send vorhandenen Basaltberge gezählt. Die zweite Gruppe ist die rei-
henförmig geordnete Gruppe zwischen Keszthely und Sümeg, welche :'4-
bis 5 Hauptkuppen zählt. Der grösste und am meisten in das:Innere des
Bakony gerückte Basaltberg ist der flache, aber hohe Kegel des Kabhegg
bei Nagy-Vaszony, ‘der eine Fläche von mehr als einer (Quadratmeile:
einnimmt. Die gewöhnliche Form der Basaltberge dieser Gegend ist: die:
eines scharf abgestumpften Kegels, welchem in der Mitte .ein kleinerer:
sewölbter Gupf aufsitzt. Diese Form zeist am reinsten der einsame
Nagy Somlyo und der St. György am Plattensee. Ganz nadelige, spitz-.
pyramidale Bergformen, wie sie der Hegyeshegy und Szigliget am Plat-
tensee zeigen, deuten auf eine Zusammensetzung aus Basaltconglomerat,
und Tuff, "welches hin und wieder noch von Basaltgängen durchsetzt wird,
wie es der dicht am Plattensee liegende $zigliget zeigt.
Die Basaltgegend am Plattensee mit ihren jäh aus der ebenen Fläche
Ber und hoch ansteigenden Kegeln, mit ihren Weingärten und dem iüber-
all zwischen den Bergen durchblickenden weiten Spiegel des gewaltigen
Sees ist, eines der lieblichsten und gewiss das originellste, nirgends wie-
dprapfipdende Landschaftsbild in ganz Ungarn.
4
50 Jahres-Bericht
Herr Prof. Dr. Heidenhain sprach in der Sitzung am 23. October
über Analogien zwischen pflanzlichen und thierischen Zellen.
Im Verlaufe des Vortrages, der im Allgemeinen die neueren, auf das
Thema bezüglichen Thatsachen der Histologie zusammenstellte, wurde das
Knorpelgewebe Gegenstand einer ausführlicheren Erörterung. Die Knor-
pelzellen zeigen ihre Aehnlichkeit mit den pflanzlichen Zellen bekanntlich
darin, dass dieselben eine secundäre Membran (Kapsel) besitzen, welche,
der Cellulose-Membran der Pflanzenzelle entsprechend, als secundäres
Ausscheidungsproduct der primordialen Zelle zu betrachten ist. Der Vor-
tragende bekämpfte die mehrfach vertretene Annahme, dass die Knorpel-
kapsel nur ein durch Differenzirung der Grundsubstanz aus dieser hervor-
gegangener Mantel der Zelle sei, aus folgenden Gründen:
1) Jene Ansicht stützt sich u. A. darauf, dass die sog. Kapsel der
Knorpelzelle sich meistens nicht mit scharfer Grenze gegen die Grund-
substanz absetze, sondern ganz allmälig und unmerklich dureh eine ver-
waschene Contour in dieselbe übergehe. Allein wo eine scharfe Grenze
zwischen Kapsel und Grundsubstanz fehlt, beweist dieser Mangel zunächst
nur eine Aehnlichkeit des Brechungsindex beider Gebilde. Aus diesem
optischen Verhalten folgt noch keineswegs ohne Weiteres eine nahe mor-
phologische und chemische Beziehung; erscheint doch eine mit Wasser
gefüllte Glasröhre als solider Glasstab! Aber selbst wenn man aus der
Aehnlichkeit des Brechungsindex auf eine morphologische und chemische
Verwandtschaft schliessen wollte, würde man mindestens mit demselben
‘ Rechte die Grundsubstanz von den Kapseln der Knorpelzellen ableiten
können, mit welchem man die letzteren aus der ersteren entstehen las-
sen will.
2) Der Vortragende hat mittelst concentrirter Salpetersäure aus Hya-
linknorpeln, in welchen die Zellen ganz unmerklich in die Grundsubstanz
übergehende Kapseln besassen, diese letzteren als scharf und glatt nach
aussen hin begrenzte, also selbstständige Gebilde isolirt. Präparate wur-
den vorgelegt.
3) An manchen Orten setzen sich die Kapseln nicht bloss im alten,
sondern auch im jungen Knorpel durch scharfe Contouren gegen die
Grundsubstanz ab, so z. B. im proc. ziphoideus des jungen Meerschwein-
chens. An diesem letzteren Knorpel sieht man oft Tochterzellen inner-
halb der Kapseln der Mutterzellen von eigenen Kapseln umgeben. Auch
hiervon wurden Präparate vorgelegt.
4) Mitunter treten in Knorpeln, die gar keine Grundsubstanz besitzen,
Kapseln um die Zellen auf. Man findet so in den Kiemenstrahlen vieler
Fische an der Spitze Zellen ohne Kapseln, weiter nach der Basis hin
eingekapselte Zellen. Ebenfalls Präparate,
Was die Grundsubstanz des Knorpels selbst anlangt, so hat der Vor-
tragende ermittelt, dass sich dieselbe ganz und gar aus einzelnen Abthei-
der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur. 51:
lungen zusammensetzt, welche in näherem, wahrscheinlich genetischem
Zusammenhange mit den Zellen stehen. Wenn man feine Knorpelschnitte
aus dem Gelenkknorpel des Frosches etwa 8 W. lang in einer Mischung
von concentrirter Salpetersäure mit 5—6 Th. Wasser, die mit chlorsau-
rem Kali gesättigt ist, liegen lässt, zerfällt die ganze Grundsubstanz in
einzelne scharf von einander abgegrenzte „Zellenterritorien“. Es treten
dem Umfange der Zellen ungefähr parallel, in einiger Entfernung von
demselben scharfe Contouren auf, welche runde oder polygonale Stücke
der Grundsubstanz umschliessen, in deren Mitte ungefähr die Zellen lie-
sen. Die Grösse des zu den einzelnen Zellen gehörigen Territoriums der
Grundsubstanz hängt lediglich von dem Reichthum des Knorpels an Zel-
len ab. Je geringer derselbe, desto grösser die einzelnen Abtheilungen
der Grundsubstanz. Die benachbarten Territorien stossen unmittelbar an-
einander, so dass von der Grundsubstanz kein Stück frei übrig bleibt,
ohne von der Gebietsgrenze einer Zelle eingeschlossen zu sein, Die Be-
deutung dieser Thatsachen weiter aufzuklären, ist der Vortragende mit
der Entwickelung des Knorpels beschäftigt.
Herr Prof. Dr. F. Cohn hielt in der Sitzung vom 20. November
einen Vortrag ;
über das Verhältniss der Zellen in den niederen Pilanzen und Thieren.
- Anknüpfend an den, Vortrag des Hrn. Prof. Heidenhain am
23. October über die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten
der Thier- und Pflanzenzellen, hob derselbe hervor, dass ein Ver-
gleich zwischen beiden sich nicht sowohl auf die Gewebe der höheren
Pflanzen und Thiere begründen lasse, welche die extremsten und daher
am meisten abweichenden Entwickelungsstufen darbieten, als vielmehr
auf die einfacheren Verhältnisse, wie sie die wirbellosen Thiere, insbe-
sondere die Protozoen auf der einen, und die niedersten Algen und Pilze
auf der anderen Seite darbieten. Von den Bestandtheilen des bekannten
Zellenschema fehlt der Kern in zahlreichen Algen-, Pilz- und Flechtenzel-
len; die Membran zeigt niemals die durchbrochenen Verdiekungsschichten
höherer Pflanzenzellen, geht durch gallertartiges Aufquellen leicht in eine
mehr oder minder mächtig entwickelte Intercellularsubstanz über, besteht
in vielen Fällen (Pilzen, Oseillarieen, Palmelleen) nicht aus Cellulose, ist
bei Mesotaenium Endlicherianum in so hohem Grade dehnbar und weich,
dass mehrere Zellen zu einer verschmelzen können. Endlich fehlt die
Cellulosemembran gänzlich bei den meisten Schwärmzellen, den Sperma-
tozoiden (Befruchtungskörpern) und den unbefruchteten Ruhesporen (Be-
fruchtungskugeln oder Keimbläschen); diese sind individualisirte Proto-
plasmakugeln mit einer Primordialschlauchhülle (Primordialzellen). Dass
Cellulose die Grundlage der Zellmembran bei den niederen Thieren im
Allgemeinen sei, ist seit Peligot’s Untersuchungen sehr wahrscheinlich,
4*
59: 00.00 Jahres-Bericht
welcher die Chitinmembran als ein Gemisch von Cellulose und einer
stickstoffhaltigen inerustirenden Substanz erkannte; für den Mantel der
Tunikaten hat der Vortragende durch Maceration in der Schulze’schen
Lösung nachgewiesen, dass derselbe sich vollständig in seine einzelnen
Zellen auflöst, und dass bei ihnen reine Cellulose die Substanz der Mem-
branen bilde (nicht, wie Schacht glaubte, die Intercellularsubstanz). Die
rhythmisch eontractilen Blasen der Volvocinen zeigen, dass diese Bildun-
gen auch bei unzweifelhaft einfachen Zellen vorkommen, also keinesfalls
als Beweise complieirteren Baues (Gefässsystem) dienen können,
Herr Geheimer Medieinalrath Prof. Dr. Göppert bemerkte in der
Sitzung am 6. Februar 1861 rüeksichtlich der
Auffindung der Posidonomyia Becheri bei Johannesfeld bei Troppau,
dass dabei auch die bisher stets für die Posidonomyien-Schiefer, für die
jüngere Grauwacke und untere Kohlenformation charakteristischen
Pflanzen, wie ich selbe schon 1852 bezeichnet habe, namentlich Cala-
mites tramsitionis m., Sagenaria Veltheimiana, Nöggerathia Rückeriana, Lepido-
dendron tetragonum vorgekommen seien, und überhaupt jene Schichten mit
den ihnen eigenen Pflanzen und Thieren bis in die Gegend von Olmütz an
verschiedenen Punkten auftreten.
Derselbe, verhindert, in der Sitzung am 24. Juli persönlich zu
erscheinen, legte die schriftliche Anzeige vor von der Entdeckung von
Thierfährten im Gebiet des Rothliegenden zwischen Albendorf und Nieder-
Raihen in der Grafschaft Glatz,
die, wie die zugleich beigefügten photographirten Zeichnungen erkennen
liessen, nicht weniger als 4 verschiedenen, Saurierna verwandten Thieren
angehören. Herr Dr. phil. Beinert in Charlottenbrunn machte mich zu-
erst auf das Vorkommen derselben aufmerksam, welches er erkannte, ob-
schon anfänglich nur ein sehr unvollkommenes Exemplar derselben zu
seiner Beurtheilung gelangte. Eine im Juni d. J. von mir dahin unter-
nommene Excursion lieferte die Bestätigung und Erweiterung dieses für
Schlesien, wie für das gesammte Rothliegende Deutschland’s neuen Fun-
des, den wir durch fernere Forschungen bald zu erweitern hoffen. Die
Fährten kommen zugleich mit Abdrücken von Regentropfen und Walchia
piniformis vor, welche letztere Pflanze als eine wahre Charakterpflanze
des Rothliegenden anzusehen ist.
Derselbe lieferte in der Sitzung am 16. Januar 1861 folgenden
constatirten Beitrag zu der wohl auch sonst schon bekannten
Neigung der krähenartigen Vögel für glänzende Gegenstände.
Im August 1860 hielt sich ein mir sehr wohl bekanntes junges Fräulein
v. K. auf dem Lande bei ihrem Onkel auf, zu N. bei 6. in Niederschle-.
der Schles.: Gesellsch, f., vaterl. Cultur. "53
sien. Dort befand sich auch eine gezähmte Elster, welche: eines Tages
um sie herum hüpfte und mit ganz besonderer Aufmerksamkeit einen
goldenen Granatring zu beobachten schien, den sie am Finger führte.
Wissbegierig, ob sich dies wirklich so- verhalte, nahm sie den Ring ab
und steckte ihn auf eine Gerte, die sie dem Vogel hinhielt, worauf sie
die unangenehme Erfahrung machen musste, dass er den Ring nahm und
davonflog, ohne dass man sich seiner wieder bemächtigen konnte. Das
Geschick des sonst im Hause lebenden Vogels blieb unbekannt, der Ring
jedoch wurde etwa nach einem Jahre unerwartet auf einem benachbar-
ten Acker wiedergefunden. — Wer erinnert sich hierbei nicht an die
berühmte Kriminalgeschichte, welche Jeder erfährt, der den alterthümli-
chen Dom iu Merseburg besucht!
Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube lenkte in der Sitzung am 27. Fe-
bruar die Aufmerksamkeit der Versammlung auf eine von Herrn Prof.
F, Römer mitgebrachte
hochnordische neue Coralle (Lithoprimnoa ee
(s. Abhandl. der Schles. Ges. f. vaterl. Cultur, 1861, Abtheil. f. Natur-
wissensch., Heft II, pag. 165 —176, Taf. II.)
Derselbe legte in der Sitzung am 19. Juni
das von Schmarda herausgegebene Kupferwerk über die auf seiner Reise
um die Erde von ihm beobachteten und gesammelten Turbellarien, Rotato-
rien und Anneliden
vor, und knüpfte daran einige Bemerkungen über den grossen Reichthum
des Materials und die übersichtliche Behandlung desselben.
Derselbe machte demnächst
Mittheilungen über die Serpulen, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Deckel.*)
Als Linn& seine Gattung Serpula aufstellte, fasste er unter diesem
Namen alle solche Kalkgehäuse zusammen, , welche eine röhrige Gestalt
haben und an andere Körper angewachsen sind; es kam ihm nur darauf
an, diese Röhren von den Teredines, Dentalien, Patellen und anderen
Schneckengehäusen zu unterscheiden, mit denen er sie in die Abtheilung
Testacea univalvia seiner Klasse Vermes zusammengebracht hatte. Die
Thiere, von denen diese Röhren herrührten, sollten Terebellen sein, eine
Gattung, die wir an einem ganz anderen Orte des Linne’schen Systems,
nämlich unter den Vermes Mollusca neben den Nereiden und Nacktschnek-
ken aufgeführt finden. In gleicher Weise bezeichnete er mit seinem Gat-
tungsnamen Sabella alle aus Sandkörnchen gebildeten, mit einer inneren
Haut a lelen Röhren, fasst sie ebenfalls als eine Schale, testa, auf,
=) In diesen’ Aufsatz sind nachträglich noch mehrere, während des Aufent-
halts auf Lussin gemachte Beobachtungen aufgenommen.
54 | Jahres-Bericht
‘und stellt sie demnach auch zu den Vermes testacea, nahe Serpula; die
Thiere dieser Röhren bezeichnete er als Nereiden, die aber von den
eigentlichen den Vermes Mollusca beigesellten Nereis sich durch 2 dickere,
hinter dem Kopf stehende Fühler unterscheiden sollten. Nun kannte aber
Linne sowohl von seinen Serpulen als seinen Sabellen die wenigsten
Thiere, und diejenigen, die ihm zugänglich waren, so wenig genau, dass
er sonst ohne Zweifel bemerkt hätte, wie viel ähnlicher selbst eine wahre
-Serpula (im Sinne der Neueren) einer Sabella, als einer Terebella ist, und
‘ dass wir uns weniger über die Verschiedenartigkeit derjenigen Geschöpfe,
die er als Arten einer Gattung betrachtete, wundern dürfen, als über die
Idee, die von einem Thiere herrührenden Gehäuse und diese T'hiere selbst
an zwei ganz verschiedenen Stellen des Systems unterzubringen; es kam
ihm so viel mehr darauf an, die Gehäuse der Thiere in eine übersicht-
liche Ordnung zu bringen, dass er hier das nothwendige Zusammengehö-
ren des Verfertigers und des Verfertigten aus den Augen setzte.
Um hier bei der Gattung Serpula stehen zu bleiben, so kann es uns
weiter nicht befremden, dass unter den von Linn& dazu gerechneten
Röhren die einen eine ganz andere Beziehung zum Körper des betreffen-
den Thieres haben, als die andern; selbst Linn&’s spätere Nachfolger,
wie Lamarck und Blainville, vermochten hierin noch nicht durch-
weg mit Sicherheit zu sondern. Einige von Linn&’s Serpulen sind wahre
Schnecken, nämlich Vermetus- und Siliquaria-Arten, deren Kalkröhren also
die Bedeutung wirklicher, unter der äussersten Körperhaut entstehender
Schalen haben, andere sind Ringelwürmer, die einen erhärtenden Kalksaft
ausssondern, deren Röhrenwand also nach aussen von der Haut ihres
Körpers liegt und deren Körper mit dieser Wand in gar keiner organi-
schen Verbindung steht, noch andere müssen zu den Muscheln gezählt
werden, aber zu solchen, die ausser den beiden Klappen der Schale, die
allen zukommt, eine Kalkröhre bilden, die mit den Klappen in eine enge
Verbindung. tritt — letzteres ist bei seiner Serpula Pinis (Aspergillum
Lam.) der Fall —, und noch andere endlich finden ihre rechte Stelle bei
den Polythalamien. Nur für die Thiere der zweiten Kategorie wurde von
den Neueren der Name Serpula beibehalten. Aber auch die Erbauer die-
ser Anneliden-Röhren stimmen nicht so sehr überein, dass man nicht ver-
sucht hätte, mehrere Unterabtheilungen daraus zu machen, die sich nach
einem tiefer eingreifenden Unterschiede in 2 grössere Gruppen ordnen:
die einen tragen einen Deckel am Vorderende und können, indem sie
sich in ihre Röhre zurückziehen, durch ihn dieselbe verschliessen (Ser-
pula), den andern fehlt er (Protula); im übrigen sind beiderlei Anneliden
ganz ähnlich gebildet. Sie haben einen Körper mit zahlreichen ringför-
migen, borstentragenden Segmenten, von denen nur die 7 vordersten an-
sehnlicher, die übrigen alle äusserst kurz sind. Diese beiden Segmentrei-
hen treten dadurch in einen noch deutlicheren Gegensatz, dass sich bei
der ersteren die Haut des Bauches rechts und links in einen Lappen (den
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur, 55
sogenannten Mantel) ausbreitet, der sich über die Bündel der Haarborsten
hinüberschlägt, dass ferner diese Bündel hier über den kammförmigen
Querreihen der winzigen Hakenborsten stehen und ansehnlich sind, wäh-
rend an den übrigen Ringen die Stellung eine umgekehrte ist und die
Haarborsten sich spärlich zeigen, ja zuweilen streckenweise gänzlich
vermisst werden. £
An dem abgestutzten Vorderende des Körpers, in dessen Endfläche
der Mund liest, bildet eine Verlängerung jener Mantelhaut einen sich um-
schlagenden Kragen (COollare) und aus der Endfläche selbst wachsen in
der Richtung der Körperlängsachse 2 Blätter nach vorn heraus, ein rech-
tes und ein linkes, deren Vorderrand sich in eine Reihe langer, zart und
dicht gefiederter Fäden (Fühler mit Kiemenfunction) verlängert. Jedes
Blatt ist mindestens zu einem Halbkreise eingerollt, doch geht das Wachs-
thum bei manchen Arten über einen solehen hinaus, indem ein voller
Kreis oder eine Spirale entsteht, zuweilen eine Spirale von 6 bis 7 Um-
sängen; in jenem Falle pflegt das Basalblatt die Form einer halb durch-
schnittenen Ellipse oder eines solchen Ovals, im zweiten die Gestalt eines
langgezogenen Dreiecks zu haben. In beiden Fällen bilden, wenn sich
die nichts weniger als starren Blätter stärker einrollen, die Kiemenfäden
einen Pinsel, wenn sie sich ausbreiten, einen Trichter. Der längste Kie-
menfaden ist derjenige, der der Mittellinie des Rückens am nächsten
steht; nach dem entgegengesetzten Ende des Basalblattes nehmen die Fä-
den an Länge ab. Wenn ein Deckel vorhanden ist, so besteht dieser
aus einem am oberen Ende verdickten oder verbreiterten, eine Keule
oder eine Platte bildenden Stiel neben dem längsten Kiemenfaden. Sa-
vigny nennt ihn ‚Ja division imberbe“, im Gegensatz zu den übrigen ge-
fiederten Fäden, und bezeichnet ihn als den ersten der ganzen Reihe.
Als einen solchen zeigt er sich in der That bei vielen Serpulen: er ent-
springt dann vom Rande des Basalblattes selbst,
z. B. bei S. vermicularis, aspera u. a., ja bei Ser-
pula fülograna ist er sogar noch gefiedert, wie die
übrigen, in anderen Fällen jedoch sehen wir ihn
entschieden ab- und aus der Reihe gerückt, abge-
löst (Fig. 1); er nimmt seinen Platz zwischen dem
Basalblatt und dem Halskragen, und sein Stiel, der
bei $. jilograna noch eben so schlank als die übri-
gen Fäden ist, bei S. vermicularis und ihren Ver-
wandten aber schon um das zweifache an Dicke
zunimmt, wird dann noch stärker oder wenigstens noch breiter, und kann
besondere Zacken und Lappen treiben.
Gewöhnlich existirt nur auf einer Seite, der linken oder der rechten,
ein ausgebildeter Deckel, selten finden wir ihn auf jeder von beiden Sei-
ten, und in noch anderen Fällen giebt es zwar nur einen Deckel auf
einem Stiel, allein er liegt so ganz in der Mittelebene, dass man ihn als
5 6 Jahres-Bericht
eine Verwachsung aus einem linken und einem rechten betrachten muss,
wenn man sich nicht zu der Annahme entschliessen will, dass er zwar
nur einer der beiden Seiten angehöre, aber bis über die Mitte hinausge-
rückt sei. |
Entwickelt sich der Deckel nur auf einer Seite des Körpers, so kann
auf der andern ein entsprechendes Rudiment vorkommen, als ob die Na-
tur einen Anlauf nehmen wollte, ein zweites Gebilde der Art zu schaf-
fen: es zeigt sich wenigstens ein an seinem oberen Ende etwas verdick-
ter Griffel, wohl eben so dick, als der Stiel des Deckels, aber höchstens
kaum halb so lang. Dies habe ich nur bei den Serpulen mit trichterför-
migen, am Rande gesägten Deckeln beobachtet, bei den Untergattungen
Serpula und Eupomatus (bei einem Exemplar von E. uncinatus fehlte die-
ser Griffel gänzlich); bei den übrigen dieser Kategorie kommt es nicht
einmal zu einem solchen Anlauf, sie sind vollständig unsymmetrisch, so
bei den Untergattungen Placostegus, Pomatoceros und Vermilia. In vielen
Fällen sonstiger Asymmetrie im Thierreich spricht sich bekanntlich ein
gewisses Gesetz aus, dem zufolge je nach der Species die linke oder die
rechte Seite bevorzugt ist: so tragen unter den Schollen die Flundern
(Pleuronoctes Flesus) und die Zungen (Solea vulgaris) beide Augen gewöhn-
lich auf der rechten, die Steinbutten (Rhombus maximus) auf der linken
Seite, beim Narval verkümmert in der Regel der linke Stosszahn, unter
den Einsiedlerkrebsen giebt es eine ganze Reihe von Arten, z. B. Pagu-
rus Bernardus, P. angulatus, P. Prideauxi, bei denen die rechte, und an-
“dere, wie P. callidus, P. misanthropus, bei denen die linke Scheere die
srössere ist, und finden sich Ausnahmen, so beziehen sie sich nur auf
“einzelne Individuen, aber bei den Serpulen scheint dieselbe Art ihren
Deckel bald auf der rechten, bald auf der linken Seite zu entwickeln.
So sehe ich denselben bei 3 Exemplaren von S. (Serpula Phil.) contor-
tuplicata auf der rechten, bei 5 auf der linken Seite, bei 13 Exemplaren
der $. vermicularis (inel. venusta) Phil. den Deckel auf der rechten, bei
10 auf der linken Seite, bei 1 Expl. von S. echinata auf der rechten,
bei 3 auf der linken, bei 3 Expl. von S. aspera auf der rechten, bei 3
auf der linken, bei 8 Expl. von S. (Vermitia) infundibulum Phil. (unter
denen vielleicht auch V. clavigera steekt) auf der rechten, bei 5 auf der
linken, bei 6 Expl. von $. (Eupomatus) uncinata auf der rechten, bei 7
auf der linken, bei 4 Expl. von :$. (Eupomatus) pectinata auf der rech-
ten, bei 3 auf der linken Seite. Die drei Exemplare von S. (Placostegus)
polita und das einzige von S. (Pl.) libera, das ich besitze, tragen den
‚Deekel auf der linken Seite, wie ihn bei letzterer Art auch Sars abbil-
det; dasselbe zeigt sich bei den einzelnen Exemplaren von 8. (Verm.) poty-
trema, 8: (Verm.) triguetra und S. (Verm.) striaticeps, die mir zu Gebote stehen.
Entschieden ausgesprochen ist das Uebergewicht der linken Seite
nur bei S. (Pomatoceros) tricuspis, wo ich unter 63 Exemplaren bei keinem
einzigen einen Deckel auf der rechten Seite wahrnahm.
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 57
Dass an beiden Kiemenblättern ein Deckel entsteht, scheint nur bei
den Untergattungen Zupomatus und Filograna vorzukommen. Von Ser-
pula (Eupomatus) uncinata bildet schon delle Chiaie unter dem Namen
Sabella euplaeana ein Thier mit 2, und zwar gleich grossen Deckeln ab,
ebenso zeigt Schmarda’s Exemplar von Eupomatus dipoma 2 Deckel,
doch von ungleicher Grösse, unter 9 Exemplaren von S. (Eup.) pectinata
finde ich 3 mit 2 Deckeln, an einem ist der linke, an zweien der rechte
der ausgebildetere,*der der anderen Seite bei zwei Exemplaren jenem in
der Scheibe zwar gleich, aber um $ oder 5 kürzer, bei dem dritten Ex-
emplare aber ganz winzig, zwar mit deutlich erkennbarem kerbrandigen,
triehterföormigem Theil aber ohne Krone von aufgesetzten Stäbchen; auch
das einzige von Philippi untersuchte Thier dieser Art war mit 2 Dek-
keln versehen.
Der dritte der oben genannten Fälle, das Vorhandensein eines Dek-
kels, der als Verwachsung einer rechten und einer linken Hälfte aufzu-
fassen ist, begegnet bei den Untergattungen Pomatostegos, Cymospira und
Galeolaria: bei beiden zeigt der Stiel des Deckels die breite Form, welche
schon bei Pomatoceros vorkommt.
Bei der Eintheilung der Serpulen in Gruppen oder Gattungen nahm
Savigny auf die Gestalt des Deckels nnd der Röhre gar keine Rücksicht,
sondern nur auf die Existenz eines vollständigen Deckels und die Bildung
der Kiemen, je nachdem die Basalblätter derselben sich bloss zu Kreisen
oder Halbkreiseun krümmen, oder in Spiralen von mehreren Umgängen
einrollen. Die Serpulen der ersten Kategorie bilden seine Tribus der
Simplices, die zweiten die S. cymospirae; zu einer dritten Gruppe, $. spira-
mellae, erhebt er die S. dispiralis, bei der die Kiemenblätter die Beschaf-
‚fenheit der S. cymospirae besitzen, aber statt des Deckels jederseits nur
ein kurzer, zugespitzter Griffel auftritt. Da die Kreis- oder Spiralform
der Kiemenblätter im Grunde nur mit der geringeren oder ansehnlicheren
Zahl der Kiemenfäden zusammenhängt, sofern noch eine einfache Reihe
beibehalten werden soll, so scheint mir dies kein Moment von grossem
Gewicht. Lamarck spaltete die Serpulen sowohl nach der Gestalt der
Röhre, als nach der Beschaffenheit des Deckels in 4 Gattungen: Spirorbis
mit posthornförmig eingerollter Röhre, im Gegensatz zu den übrigen mit
unregelmässig gewundenen oder frei aufsteigenden Röhren, nämlich Ver-
milia mit kalkigem einfachen, Galeolaria mit zusammengesetztem, mehrere
kalkige Spitzen tragendem Deckel, jene mit Röhren, die an der Mündung
‚öfters in mehrere Zacken auslaufen sollen, diese mit solchen, die daselbst
nur eine spatelförmige Verlängerung bilden, und Serpula i. e. 8. alle anders
beschaffenen umfassend. — Nach diesen Anhaltepunkten war er im Stande,
über die grosse Menge der ihm vorliegenden lebenden und fossilen Ser-
‚pularöhren eine etwas leichtere Uebersicht zu eröffnen.
Nun hat sich jedoch herausgestellt, dass die Gestalt der Röhre kei-
nen zuverlässigen Charakter abgiebt, indem selbst verschiedene Arten
[)
58 Jahres-Bericht
Röhren von derselben Form erzeugen, und andererseits die Röhren einer
und derselben Species nicht unbedeutend variiren, so dass Philippi hier-
von, mit Ausnahme der Spirorbis, gänzlich absehen zu müssen glaubte
und den von ihm aufgestellten Sippen bloss die kalkige oder hornige Be-
schaffenheit des Deckels und seine Gestalt zu Grunde legte.
Indem er sich mit vollem Eifer der Erforschung der mittelmeerischen
Molluskenfauna hingab, kam er auch in den Besitz eines so reichen Ma-
terials von Serpulenröhren mit ihren Thieren oder doch deren Deckeln,
dass er, seine Vorgänger bei weitem überflügelnd, darnach eine Einthei-
lung sehuf und eine Unterscheidung der Arten lieferte, die noch jetzt als
der wichtigste Beitrag und immer als eine Fundamentarbeit für unsere
Kenntniss dieser Gattung gelten muss.*) Doch lassen sich, wenn man
neben der Gestalt des eigentlichen Deckels auch die Gestalt sei-
" U) nes Stieles und dessen Insertion und Stellung etwas schärfer in’s
/ Auge fasst, die Abtheilungen oder Untergattungen übersichtlicher
so gruppiren:
A. Deckel von seinem Stielin der Mitte unterstützt,
Stiel drehrund (Fig. 2), selten verbreitert.
a. Deckel trichterförmig, mit gezähneltem oder gekerbtem
Rande**). Der Stiel steht auf dem Rande des Basalblattes selbst
in einer Reihe mit den Kiemenfäden. Dem ausgebildeten Dek-
kel entspricht an dem sterilen Kiemenblatt ein griffelförmiger
Fig. 2. Stummel.
Trichter einfach, ohne Aufsatz, Aussen- und Innen-
fläche 'strahlig”gefurcht . 2.2907, TER EMEER! Serpula s. str. Ph.
Trichter ebenso geformt, aber die Innen- oder Endfläche
trägt einen Kranz von Stäbchen oder Gerten (vir- .
Yulae)" EEE AUT REDNER. NANREIDERFSAETRIISEM Eupomatus Phil.
b. Deckel durchschnitten -eiförmig, mit gerader, breiter Endfläche.
Der Stiel, von dem Basalblatt abgelöst, steht vor ihm,
d. h. in seinem Rücken; auf der sterilen Seite
kein Griffelstummel. Die Röhre scheint bei mehreren
Arten eine festere, durchscheinende Wandung zu
habenan. la. al NL er SE U Sn N SL re Placostegus Phil.
*) s. Archiv für Naturgeschichte, X. Jahrgang, 1844, Bd. I, pag. 186, Taf. VI,
Fig. A bis T.
9) Der Trichter ist niemals stark vertieft, sondern, indem der untere Theil
seiner Wandung eine viel grössere Dicke als der obere besitzt, bald mehr, bald
minder voll mit concavem Boden, und dieser strahlenartig von Furchen durchzo-
gen, die von den Randeinschnitten ausgehen, aber nicht alle das Centrum erreichen.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 59
B. Deckel von seinem Stiel nicht in der
Mitte, sondern unter der Rückenhälfte unter-
stützt, öfters schief aufsitzend. Kein Griffel-
stummel (Fig. 3).
a. Deckel spatelförmig (oder abgestutzt-keulenför-
| mig). Sehr wenige Kiemenfäden.
Röhre posthornförmig gewunden, mit
der einen Fläche angewachsen,
m RN EROER PORREERURERSERREREE Spirorbis Lam.
Röhren gesellig aufgerichtet, an- und
_ durcheinander gewachsen, sehr
dünn, zwei Deckel, der Stiel wie
die Kiemenfäden gefiedert. Thier
mit Selbsttheilung............. Filograna Berk.
b. Deckel eichel- oder annähernd eichelförmig, aus einer,
oft durch eine Kante deutlich geschiedenen oberen
und unteren Hälfte bestehend; kalkig. Deckelstiel
vom Kiemenblatt abgelöst, drehrund, zuweilen mit
RE STIEFEL BEN RINDE Vermihia Lam.
c. Deckel eine Platte oder Scheibe bildend, kalkig, sein Stiel von vorn
nach hinten breitgedrückt, oft mit Fortsätzen, vom Kiemenblatt abgelöst:
«&. Deckelplatte mit unbeweglichen horn- oder ge-
weihförmigen Fortsätzen, Kiemen einfache Kreise
oder Spiralen beschreibend, Stiel entweder unsym-
metrisch oder in der Mitte stehend, Röhren ein-
zn aenlen.. Pomatoceros Phil. (und Cymospira Sav. e. p.)*).
ß. Deckelplatte mit beweglichen kalkigen Stacheln
besetzt, Stiel in der Mitte stehend. Röhre an der
Mündung mit einem spatelförmigen Fortsatz, ge-
sellig zu ganzen Massen verwachsen.........:. Galeolarıa Lam.
y. Mehrere Deckelplatten etagenartig übereinander,
jede strahlig gefurcht und am Rande gezähnt.
Deckelstiel in der Mitte entspringend ...... Poumatostegus Schmarda
:(Cymospira Sav. e. p.)
*) Ich habe schon oben geäussert, dass mir die Cymospiren keine passende
grössere Abtheilung zu bilden scheinen, wollte man sie beibehalten, so wür-
den einige, z. B. S. giganteu, Deckel mit geweihartigen, andere Deckel mit horn-
förmigen Fortsätzen, noch andere Deckel mit etagenartig übereinander stehenden
Platten besitzen; Formen, die einander so ähnlich sehen, wie Pomatostegos macrosoma
und brachysona, und die von mir beschriebene $. stellata müsste dann auseinander
gerissen werden, ebenso 9. gigantea und S. multicornis.
60 Jahres-Bericht
Wenn im Obigen von manchen Untergaitungen gesagt ist, dass sie
einen kalkigen Deckel besitzen, so muss dieser Ausdruck dahin erläu-
tert werden, dass nicht etwa die Substanz desselben: durchweg kalkig
ist, sondern dass der Kalk der Deckelplatte (oder des Deckelknopfes)
entweder nur in dünnen Blättern als Ueberzug von der Haut abgesondert
wird, oder diese selber verkalkt. Der Stiel bleibt immer biegsam und
beweglich.
Nach einer mit Herrn Collegen Heidenhain bei Serpula vermicula-
ris und contortuplicata angestellten Untersuchung besteht der Deckel aus
einer weichen Substanz, welche von einer sehr festen, glashellen, am
Rande desselben deutlich geschichteten, bei längerem Kochen in Kali
sich, wie Prof. Heidenhain fand, vollkommen lösenden Haut überzo-
gen wird. Diese Haut ist an sich structurlos, eine Cuticula, zeigt aber
auf ihrer Innenfläche hin und wieder sehr deutlich eine Schicht platter
Zellen, als deren Ausscheidung man sie wohl zu betrachten hat. Der
Durchmesser der Zellen beträgt nur 0,01 bis 0,02 Millimeter, Kerne
waren in ihnen nicht wahrnehmbar. Die von der Haut umschlossene
Substanz des Deckels bildet einen seiner Form entsprechenden Strang
von grümlichem Ansehen, der im Stiel einfach, in der Scheibe sich strah-
lenartig ausbreitet; die Strahlen sind gewöhnlich mehr oder minder tief
gabelig gespalten und ihre Masse so fest, dass sie sich ohne Mühe aus
ihrem Hautüberzuge, wie ein Finger aus dem betreffenden Theile eines
Handschuhes herausziehen lassen; jeder steckt in einem Hautschlauch,
da allen strahlig laufenden Furchen des Deckels wahre, das Innere durch-
setzende Dissepimente entsprechen. Dass sich in den Kiemenfäden der
Serpulen, nach Analogie der Sabellen, Längsreihen von Zellen eines knor-
pelartigen "Gewebes finden würden, liess sich erwarten und hat sich be-
stätigt; in dem Deckelstiel und der Deckelplatte gelang es uns bis jetzt
nicht, sie nachzuweisen; die äusserste Schicht der Innenmasse dieser
Theile wird von Ringsmuskeln gebildet, nach innen von ihnen liegen
starke Züge von Längsmuskeln, aus sehr gestreckten Zellen (ohne Kerne)
bestehend, dazwischen vielfach Blutgerinnsel, das vermuthlich nur einen
centralen Kanal erfüllt, wenigstens sieht man am lebenden Thiere in je-
dem Faden nur eine Blutsäule; das Blut aller von mir untersuchten Arten
ist grün.
Bei den Untergattungen Serpula und Eupomatus sind Deckelstiel und
Deckelplatte gleich consistent und biegsam, bei Placostegus zeigt oftmals
die Endfläche der letzteren, an der man weit auseinander stehende eon-
centrische Kreise erkennt, eine festere Consistenz, und bei Vermilia in-
Fundibulum nimmt die obere Hälfte des verlängert-eichelförmigen Deckels
eine dunkelhornbraune Färbung und Hornhärte an. An dieser ganzen
Partie erscheinen dicht auf einander folgende Ringstreifen, denen eben so
viele inwendige, horizontal liegende, eoncav-convex gewölbte hornartige
Scheiben entsprechen, so dass der ganze Deckel im Innern gekammert
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 61
ist (vergl. den verticalen Durchschnitt Fig. 4). Diese homige —
Substanz löst sich nach Heidenhain bei anhaltendem Kochen S —
in Kali. Der Stiel dieser Art ist diek und durch Furchen weit- >
läufig geringelt. Kalk sehe ich nur an jener hornig-festen obe-
ren Hälfte des Deckels abgelagert, selten so consistent, dass er einen
zusammenhängenden Mantel bildet, am ersten an der Spitze. Diese Spitze
ist vielfacher Beschädigung ausgesetzt, daher selten vollständig erhalten
und abgerundet, oft mehr oder minder weit und unregelmässig ab- oder
ausgebrochen, oder verkürzt reproducirt. Die Fortsätze, welche die Dek-
kelplatten der Pomatoceros tragen, bekommen meist stärkere Ueberzüge,
und die geweihförmigen sind so ganz verkalkt, dass sie gar keine Bieg-
samkeit mehr zeigen; dies gilt in noch höherem Grade von den Stacheln
der Galeolariendeckel, welche leicht abbrechen, und von der Platte, auf
der sie beweglich aufsitzen. Die ganze obere conische Deckelpartie von
Vermilia triquetra zeigt eine verkalkte Wandung von ansehnlicher Festig-
keit ohne eine hornige Unterlage.
Eigenthümlich sind gewisse Körperchen in der Deckelscheibe mehrerer
Exemplare von Serpula contortuplicata und vermicularis, welche in ihrer
Substanz liegen und wie Fleckchen durch die Haut durchschimmern. Sie
liegen reihenweise zwischen den strahligen Furchen des trichterförmigen
Deekels, und durchlaufen alle Grössen vom mikroskopisch Kleinen bis zu
dem schon mit einer schwachen Linse Sichtbaren; die grösseren konnte
ich, wenn ich die Haut spaltete und -abzog, mit der Messerspitze aus der
inneren Substanz herausheben, und diese sahen wie eine festwandige
gelbe, mit einem grümeligen Gehalt gefüllte Kapsel aus, auch die klein-
sten zeigten glatte Contouren und liessen sich nich so leicht zer-
drücken; Essigsäure schien den Inhalt etwas zu contrahiren, bei Kalizu-
satz wurde das ganze Körperchen gleichmässig gelb.
Seit dem Erscheinen von Philippi’s Abhandlung ist die Zahl der
dem Thiere nach bekannten Arten etwa um ein Drittheil vermehrt wor-
den; den grössten Beitrag hat Schmarda geliefert, auch haben wir
mehrere der früher beschriebenen besser kennen gelernt. Indem ich die
Untergattungen nach ihrem jetzigen Inhalte durchgehe, werde ich eines
und das andere auf die Synonymie Bezügliche zu bemerken haben, auch
auf einige von mir aufgestellte neue Species hinweisen. Die Citate für
die länger bekannten Arten findet man in meinen „Familien der An-
neliden “.
Serpula Phil. s. str.
S. contortuplicata L. Sav., im Mittelmeer. Ich glaube, dass Phi-
lippi’s fragliche S. triquetra L. (welche, wie er selbst vermuthet, nicht
die Linn&’sche Art ist) sich mit contortuplicata vereinigen lässt; bei bei-
den ist die Röhre dreikantig und mit der Unterseite angewachsen. Phi-
lippi führt die contortuplicata gar nicht auf; sie hat jedenfalls mehr
62 Schles Bea
Randkerben am Deckel, als Philippi’s Handzeichnung ihm angab, näm-
lich 50—60, und diese sind immer spitzig, wie auch bei $. venusta und
vermicularis. Bei mehreren Exemplaren ist er lilla gefärbt und hat diese
Farbe auch im Weingeist behalten. Die Abbildung von $. contortuplicata
in Cuvier Regne animal möchte ich, weil die Röhren drehrund sind und
frei emporsieigen, zu S. vermicularis ziehen.
S. venusta Phil., im Mittelmeer; meine grössten Röhren hatten nicht
mehr als 2,5 rhein. Lin. Durchmesser an der Oeffnung, doch sprach die
Beschaffenheit der Röhren für die Identität mit der Philippi’schen
Art; das Thier weiss ich von den folgenden nicht zu unterscheiden.
S. vermicularis L. Ellis Corall. Tab. XXXVIIIL, F. 2, im Mittelmeer.
Ö. Fr. Müller’s $. vermicularis ist ein Eupomatus, auf den sich allerdings
Skene’s Zusatz bei Linn& am ersten beziehen lässt, obwohl er auch
so nicht ganz passt. Gmelin hat beide zusammengeworfen, Cuvier bei
seiner S. vermicularis offenbar Pomatoceros trieuspis Phil. vor Augen ge-
habt und dennoch auch Müller’s Figuren dazu citirt. Die Abbildung
im Dictionnaire des sciences naturelles würde zu unserer vermicularis' passen ;
wie sehr sie mit dem Text im Widerspruch steht, hat schon Philippi
hervorgehoben. S. pallida Phil. und 8. echinata Gm. dürften als eigene
Arten schwer festzuhalten und eher als Varietäten zu $. vermicularis zu
rechnen sein. S. echinata besitzt gewöhnlich stumpfere Kerbzähne am
Deckel, 36—50, die Röhre ist nicht immer rosenroth und von den 7 Kie-
len nicht immer alle gezähnelt. Die Färbung dieser 3 Formen varirt.
Bei einem Individuum von S. venusta fand ich, abweichend von Phi-
lippi, den Leib orangegelb, die Kiemen roth und weiss bunt, bei einer
S. echinata den Leib orangegelb, die Kiemen roth und weiss bunt, bei
einer vermicularis? Phil. beides oraugegelb, bei einer andern nur den Leib
so, die Kiemen weiss, roth gebändert. Der Deckel ist bald einfarbig
roth, bald roth und weiss gestreift.
S. aspera Phil., im Mittelmeer; ich sehe am Deckel immer stumpfe
Kerbzähne (s. Fig. 2, pag. 58), und zwar 20 bis 28.
S. sulphurata Edw., bei Nizza, ist mir eben so wenig als die beiden
folgenden begegnet.
S. lactea Edw., gleichfalls bei Nizza gefunden.
S. quadrangula Phil., im Mittelmeer.
Kupomalus.
E. uncinatus Phil., im Mittelmeer. Ich finde an meinen Exemplaren,
da wo der T'riehter aufsitzt, immer einen schwarzbraunen Ring, die Kie-
men des lebenden Thieres violetbraun, mit schmalen weissen und blass-
chamoisfarbenen Binden, den Leib zinnoberroth, die Reihen der Haken-
borsten der vorderen Abtheilung durch einen schwarz-violeten Querstrich
bezeichnet.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 63
E. pectinatus Phil., im Mittelmeer, kommt auch an der norwegischen
Küste vor, daher ist die Abbildung A. Fr. Müller’s von $. vermicularis
(Zoologia Danica III, tab. LXXXVI, fig. 7, 9) wohl auf diese Art zu deu-
ten. ' Kiemen blutroth, jederseits 10—12 Fäden, Leib orange, Vorderleib
weisslich. Die Zahl der Stäbchen auf dem Deckel wechselt zwischen
12 und 16. Die Serp. contorta bei Dalyell (Powers of the Creator III,
p. 85, p. LXX) scheint auch ein Zupomatus.
Serpula hexagona Bose., bei Charleston, ist seit ihm nicht wieder
beobachtet.
Eußomatus dipoma Schmarda, vom Cap.“)
Placostegus.
Serpula erystallina Scacchi, im Mittelmeer, in grossen Tiefen auf Corallen.
S. polita Sars, aus Norwegen, von der ich Röhre und Thier (in W eingeist) selbst
zu untersuchen Gelegenheit gehabt, und bei der ich jederseits 19 — 20
Kiemenfäden gezählt habe, kann ich für keine andere Art halten, und
vielleicht dürfte auch $. armata Edw. Cuv. Rögne anim. Ed. 3. Annel.
pl. 3, F. 2 hierher gehören.
S. fimbriata delle Chiaie, im Mittelmeer.
- Placostegus coeruleus Schmarda (l. e. p. 29, F. 178), am Cap und
Neuseeland.
S. libera Sars, Dentahum arietinum ©. Fr. Müll., ? Ditrupa subulata
Berkeley, an den norwegischen Küsten; mir ist ein Exemplar auch aus
aus Madeira zugekommen. — Die von den anderen Serpulen ganz ab-
weichend gestaltete, Dentalium ähnliche, aber an der Mündung etwas ver-
enste, nirgends angewachsene Röhre zeigt auch in ihrer Structur eine
sehr eigenthümliche Beschaffenheit. Ihre durchsichtige Substanz besteht
aus lauter senkrecht auf der Längsachse stehenden, also strahlig geordneten
Fasern von etwa 0,005 Mill. Dicke, welche, in dünnen Scheiben unter
dem Mikroskop betrachtet, durchaus das Ansehen von sehr gestreckten
Prismen haben, ohne dass man Endflächen wahrzunehmen im Stande
wäre. Dagegen sind Aussen- und Innenwand trübe weisslich und zeigen
nicht diese Structur.
78. lima Gr. n. sp. Die Deckelplatte hat die Form der Placostegen,
aber der Stiel ist auffallend breit und plattgedrückt, jederseits schmal ge-
säumt und der Saum oben in ein freies, zackig eingeschnittenes Läppchen
verlängert. Kiemenfäden beiderseits über 20. Die Röhre sehr auffallend,
dreiseitig mit der Unterseite angewachsen, rosenroth, dickwandig, mit
queren dichtstehenden ansehnlichen und etwas wellig laufenden Rippchen
oder Runzeln, die durch kurze Seitenästehen mit einander anastomosiren,
ausser dem oberen Kiel noch jederseits 4 Längsreihen kurzer Spitzchen,
*) Neue Turbellarien, Rotatorien und Anneliden II, p. 29, F, 178,
64 Jahres-Bericht
so dass die Oberfläche der Röhre durch diese Erhabenheiten und Vertie-
fungen rauh wie eine Raspel erscheint. Von Professor Lorenz bei Lus-
sin gefunden.
Vermilia dubia Schmarda (l. e. p. 28, F, 175), aus dem atlantischen
Ocean, möchte ich ebenfalls hierher setzen. Der Deckel ist der Abbil-
dung nach nicht einmal annähernd eichelförmig, sondern oben ganz ab-
geplattet, und die beiden spitzen Fortsätze am oberen Ende des Stieles
kommen, wie ich eben gezeigt habe, nicht ausschliesslich den Vermi-
lien zu.
Spirorbis. “
Sp. cornu arietis Phil., im Mittelmeer.
Sp. nautiloides Lam., Serpula spirorbis L., im atlantischen Ocean und
Mittelmeer.
Sp., spirillum L., im atlantischen Ocean. Beide Arten gehen nach
Fabrieius bis Grönland hinauf und kommen auch an der amerikanischen
Küste bei Grand Manan vor.
Sp. pusilla Rathke, im schwarzen und adriatischen Meer.
Sp. granulata Müll., im atlantischen Ocean,
Sp. simplex Gr., in der Nordsee.
Filograna.
F. implexa Berk., S. filograna L., im atlantischen Ocean und Mit-
telmeer.
F. Schleideni ©. Schmidt, von den Faröerinseln. Die Röhre dieser
Art, von der ich Originalexemplare aus dem Münchener Museum gesehen,
ist glatt, drehrund, durchscheinend, durch dichtstehende weissliche Ringe
etwas ungleich.
Vermilia.
V. infundibulum Phil., im Mittelmeer, „testa tereti alba multoties varicosa
quasi ex infundibulis sese recipientibus conflata, ore quam mazxime patulo, oper-
culo elongato conico“ wird bei Philippi von V. clavigera unterschieden,
deren drehrunde Röhre 5 erhabene Längslinien hat, und deren opereulum
valde elongatum subeylindricum genannt wird, Der Durchmesser der Oeff-
nung wird bei jener auf 4,5 Lin., bei dieser nur auf 3 Lin. angegeben.
Die geringe Verschiedenheit der Deckelform kann nach dem, was ich
oben mitgetheilt, nieht zu schwer in die Wage fallen, und bei allen von
mir untersuchten Vermilien, deren Röhren die für V. infundibulum cha-
rakteristischen Manchetten bei einer Mündung von 3,5 Linien oder etwas
weniger zeigen, finde ich, ehe es zur Bildung derselben kommt, wenig-
stens streeckenweise auch 5 erhabene Längslinien, während Bruchstücke von
Röhren von nur $ Lin. Durchm. ganz glatt waren. Hiernach möchte ich
schliessen, dass V. clavigera nur ein jüngerer Zustand von V. infundibulum
|
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 65
ist. Ich zählte bei meinen Exemplaren jederseits 14—18 Kiemenfäden,
der Leib war bleich-, die Kiemen lebhaft orangeroth, mitunter weiss ban-
dirt; den Rand des Eichelbechers umgab ein dunkel-violeter Ring, bei
einem erinnere ich mich auch am Stiel ein paar schwarze Ringe bemerkt
zu haben, so dass S. contortuplicata ? Grav,, die ich in meinen ‚Familien
der Anneliden‘ zur Unterscheidung von $. contortuplicata L. vorläufig als
contorta bezeichnet, vielleicht auch hierher zu ziehen ist. Auffallend ist,
dass Philippi nicht die braune Farbe und Ringelung des Deckels er-
wähnt, die ich pag. 60 besprochen, doch ist freilich derselbe oft so mit
Schizonemen bewachsen, dass man die Oberfläche kaum erkennt. An
der Rückenseite des Schwanzendes zeigte sich eine kleine, längliche, ovale
Platte von brauner Farbe; die hier befindlichen Segmente besitzen an
dieser Stelle eine festere, etwas hornartige Consistenz.
V. operculata Bosc., bei Charleston; später nicht wieder beschrieben.
“V. striaticeps Gr. nov. spec., im Mittelmeer. Die Form des dunkel-
braunen Deckels wie bei V. infundibulum, aber die Oberfläche dicht
längsgefurcht, der Stiel geringelt wie dort. Kiemenfäden c. 16. Die
Röhre war leider nicht erhalten.
V. annulata Schmarda (l. c. p. 28, F. 176), Jamaica; der Deckel
ähnelt V. emarginata.
N galeataGr. Arch. f. Naturgesch. 1860, XXVI, Bd.I, p. 113, Taf. IV, F.9.
| V. multicristata Ph., im Mittelmeer.
-V. quinguelineata Ph., desgl.
V. emarginata Ph., desg].
V. calypirata Ph., desgl., alle 4, mit einfachem Deckelstiel, ich habe
| sie mir noch nicht verschaffen können.
V. triquetra Lam., Phil., im Mittelmeer; ich bin sehr zweifelhaft, ob
dies eine besondere Art und nicht vielmehr eine Pomatoceros tricuspis ist,
deren Deckelknauf sich ungemein verlängert und verkalkt und seine Hörn-
chen verloren hat (vgl. diese Art p. 66). Der Deckel und der Deckel-
‚ stiel des einen meiner Weingeistexemplare stimmt ganz mit Philippi’s
ı Abbildung (Fig. F) überein, die Zahl der Kiemenfäden beträgt jederseits
12, aber der Halskragen ist gezackt und die Haarborsten der hinteren Lei-
beshälfte zeigen dieselbe auffallende Form wie bei P. tricuspis. Ein zweites
| Weingeistexemplar hat auch die blaue Färbung, die bei dieser Art so oft vor-
kommt, und auf der Spitze des Deckels stehen 2 spitze, kalkige Hörnchen.
V. elongata Ph., im Mittelmeer, ist mir nicht begegnet; der Deckel-
‚ stiel soll oben in 2 spitze Fortsätze auslaufen.
| V. polytrema Ph., im Mittelmeer. Mein Exemplar hatte einen blass-
mennigrothen Vorderleib mit einem zinnoberrothen Querstreifen an jeder
| Reihe der Hakenborsten, einen weisslichen Hinterleib, einen sehr ansehn-
\ lichen blassgelben Halskragen und blassgelbe Kiemen mit einigen braun-
| rothen paarigen Pünktchen an den Kiemenfäden, deren Zahl im Ganzen
‚ 15, und deren nackte Spitze ansehnlich lang war. Deckel blass grün-
| 5
66 Jahres-Bericht
lich-gelb, obere Hälfte weisslich, nicht hart. Der Deckelstiel sehr schlank,
hatte 2 breite weisse Binden und lief oben, wie bei den vorigen, in
2 spitze Fortsätze aus. Die von! Philippi angegebenen 3 schwarzen
Ringe waren bei meinem Exemplar nicht bemerkbar.
(V. dubia Schmarda ist unter Placostegus erwähnt.)
Pomatoceros.
P. trieuspis Phil., im Mittelmeer; ich halte sie für einerlei mit der
S. triquetra L., die bei Norwegen und sonst in der Nordsee häufig vor-
kommt und bis Grönland geht; auch Philippi nennt sie sehr gemein;
ich habe sie im adriatischen Meer nur selten bekommen. Der Halskra-
gen ist am Rande fein gezackt, wie bei keiner sonst bekannten Serpula,
der Leib pflegt orangegelb oder röthlich-dunkelbraun, die Kiemen dunkel-
braun und weiss, an der Basis rosa gebändert zu sein, aber bei manchen
erscheint statt des Dunkelbraunen eine indigoblaue Färbung, welche auch
im Weingeist nicht ganz verloren geht. Die Deckelplatte ist bald mehr,
bald minder ausgebreitet, bei einem Exemplar ist sie ganz eingeschrumpft,
dafür aber die Erhabenheit, aus der die 3 Hörner entspringen, um so
höher, ein verlängerter Knauf, wie die untere Partie von der Keule der
Vermilien, und von diesen Hörnern eines auffallend lang, doppelt so lang
als die andern. Würde es nicht mehrere Zwischenformen geben, so
‚könnte man auf dieses Exemplar, zumal da auch die Zacken des Hals-
kragens sehr lang sind, leicht eine eigene Art begründen. Die im Die-
tionnaire des sciences naturelles Serpulides Fig. 3 gegebene Abbildung eines
Deckels von Vermilia triquetra liesse sich, falls ein Horn zufällig verküm-
mert oder abgebrochen gewesen wäre, vielleicht auf P. irieuspis zurück-
führen. Die Haarborsten der hinteren Leibeshälfte haben eine knieför-
mige, am Oberrand kammzähnige Spitze.
P. tetraceros Schmarda, von Neusüdwales. Die Stellung des Deckel-
stiels in der Mittellinie und die zackige Gestalt der auf dem Deckel sitzenden
Auswüchse stellen diese Art der S. gigantea näher, als der P. tricuspis.
S. gigantea Pall., aus dem Antillenmeer, ward auch von Oersted
und Schmarda gesammelt. Die von mir gesehenen Exemplare zeigten
noch nach langer Aufbewahrung in Weingeist dunkelroth und weiss ban-
x, dirte Kiemen, zuweilen mit ockergelber Färbung des Basal-
& S blattes. Schmarda sah einfarbige Kiemenbüschel, auch nur
Tr 5 Umgänge der Kiemenspirale, während sonst 6—8 angegeben
je A werden: dennoch scheint hier nicht die Annahme zweier Ar-
ten erforderlich. Der Deckelstiel links.
S. cornieulata Gr. n. sp., aus Java, im Leidener Museum
(Fig. 5); nur zwei Hörnchen auf dem Deckel, diese aus ge-
meinsamer Basis hervorwachsend, unverzweigt, aber mehrere
Fig. 5. kurze Zacken treibend, der geflügelte Stiel des Deckels links,
Kiemen in Spiralen von 4 Umgängen emporsteigend.
) wüchse bilden kein Geweih, sondern ein Kreuz, dessen rech-
| ter und linker Arm ein hakig gekrümmtes Horn darstellt, wäh-
| rend die Spitze des Stammes sich in 2 Hörner theilt; der
\ besonders nach oben sehr breite und auf der. Rückenfläche
| etwas ausgehöhlte Deckelstiel steht auf der linken Seite.
————
| gefunden (Fig. 6), wie gigantea mit spiralgewundenen Kiemen,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 67
Cymospira polyceros Schmarda*), an der Küste von Jamaica, hat nur
Kiemenspiralen von 2 Umgängen und trägt auf dem Deckel einen Kranz von
' 7 einfachen Hörnern, da das Thier bloss von der Bauchseite abgebildet
ist, kann man nicht gut beurtheilen, ob der Deckelstiel mehr Pomatoceros
oder, Eupomatus ähnlich ist.
/ 8. multicornis n. sp., von Professor Ehrenberg aus dem Rothen
ET EL
Meer "mitgebracht 6. Fig. 3, pag. 59). Die Deckelplatte trägt einen
Kranz von 6 Fortsätzen, von denen nur noch 3 erhalten waren, diese
| geweihartig, gabelig, jeder Gabelast mit mehreren kurzen Zinken besetzt;
‚ der breite, rechts und links geflügelte Deckelstiel steht über dem linken
Kiemenblatt, die Kiemen bilden nur einfache Kreise, wie bei P. tricuspis.
YiS; ‚crucigera Gr. n. sp., von Ehrenbergim Rothen Meer
die nicht weniger als 7 Umgänge beschreiben, diesem Cha-
rakter nach also eine echte Cymospire, aber die Deckelaus-
Die Röhren dieser letztgenannten zwei Arten sind nicht bekannt.
Vielleicht gehört zu S. corniculata eine ebenfalls aus Java an das Leidener
Museum eingesandte, der Grösse des Thieres gut entsprechende, dreh-
' runde, dicht, geringelte, durch Körnchen rauhe Röhre,
| Galeolaria.
Gal. caespitosa Lam. Neuholländisch; soll namentlich im Hafen von
ı Melbourne vorkommen. Wenn nicht ganz ähnliche Röhren von 2 ver-
| schiedenen Arten erbaut werden, so ist die im Dictionnaire des sciences
ı naturelles gegebene Abbildung durchaus ungetreu, vgl. die von mir gege-
bene im Archiv für Naturgeschichte 1855, XXI, Bd. I, Taf. V, F. 4.
Pomatostegos.
S. stellata Abildg., in dem östlichen Tropenmeere Amerika’s, war
auch in Oersted’s Ausbeute von Puntarenas und St. Croix enthalten.
Schmarda (l. ce. p. 31, 32, F. 182, 183) beschreibt noch 2 Arten:
P. macrosoma und brachysoma, von denen die Kiemen der ersteren nur
12, der letzteren dagegen 3 Spiralen beschreiben sollen. Von den mir
zu Gebote stehenden Exemplaren der S. szellata konnte ich nur an zweien
‚die Kiemen genauer untersuchen, weil sie an den andern auf’s festeste
zusammengebacken waren; an diesen Exemplaren beschrieb jedes Kie-
menblatt nur einen reichlichen Kreis und hatte etwa 60 Fäden. Bei
einem derselben zeigten sie noch deutlich 3 dunklere Binden, wie bei P.
*) Neue Turbellarien, Rotatorien und Anneliden II, p. 31, F. 181.
5*
68 Jahres-Bericht
brachysoma, doch sind die Fäden im Verhältniss kürzer, denn ihre Länge
im eontrahirten Zustande gleicht nur der grössten Höhe ihrer Kiemenblät-
ter, im andern waren sie länger; bei beiden war der Leib viel länger,
als bei P. brachysoma. Auf letzteren Umstand ist vielleicht weniger Ge-
wicht zu legen, da wir unter den Individuen von Sabella Spallanzanü, die
eine ansehnlichere Länge als alle andern Arten erreicht, auch auffallend
kurzen von derselben Breite als jene begegnen; auch die Zahl der Dek-
kelplatten und der Endspitzen würde meines Erachtens nicht eine sichere
Entscheidung herbeiführen, da beide leicht abzubrechen scheinen, allein
die Röhre von P. brachysoma ist nach Schmarda cylindrisch, von P. ma-
crosoma dreikantig, und gerade an jenen Oersted’scher? Exemplaren,
deren Kiemen ich untersuchen konnte, war die Röhre nicht erhalten, bei
2 anderen dreikantig. Es ist also möglich, dass unter den Oersted’-
schen Exemplaren, die mir alle so ähnlich vorkamen, dass ich sie für
dieselbe Art gehalten habe, 2 verschiedene Species enthalten waren, auch
möglich, dass eine derselben P. brachysoma, die andere macrosoma ist, mit
dem die Leibesverhältnisse ziemlich gut übereinstimmen. Jedenfalls be-
sassen unsere Exemplare in der vorderen Leibesabtheilung 7 Borstenbün-
del, deren erstes aber weit abgerückt war; die Zahl derselben bei P.
brachysoma giebt Schmarda nicht an, bei P. macrosoma soll sie nur 6
betragen: bei einer wiederholten Untersuchung würde hierauf jedenfalls
das Augenmerk zu richten sein; ich wenigstens kenne keine Serpula mit
weniger als 7 Paar Borstenbündeln der vorderen Leibesabtheilung.
Aus den Serpulen, welche gar keinen Deckel besitzen, machte Phi-
lippi die Abtheilung Apomatus, und charakterisirte sie dadurch, dass die
Seitenmembran (die Mantelhaut) bis zur halben Länge des Körpers fort-
gesetzt und gleich breit sein sollte. Letzteres findet bei den von mir
beobachteten Arten statt, aber das Verhältniss der Länge von Leib und
Mantelhaut schwankt bedeutend, so dass letztere öfters nur 3 des Leibes
oder noch weniger beträgt. Zur weiteren Sonderung der Arten wird
auch hier, wie bei den Serpulen mit Deckel, von Philippi die spirale
oder halbkreisförmige Anordnung der Kiemenfäden benutzt, letztere giebt
die Psygmobranchen Phil., erstere die Protulen Riss.; ich möchte aus dem
oben angeführten Grunde für beide nur eine Bezeichnung anwenden:
Protula.
Hierher gehören aus dem Mittelmeer:
Serpula intestinum Lam. (Protula intestinum Ph., Protula Rudolphii |
Riss., Sabella protula Cuv.).
Serpula protensa Gm. (Psygmobr. protensus Ph.), gleich mit der von
den englischen Küsten beschriebenen Serpula tubularia Mont. Johnst. (Lond.
Mag. VII, pag. 126, F. 23), und Pr. elegans Milne Edw. (Recherch. Voyage
en Sicile I, pl. 6). Die Färbung beider Arten habe ich in meinem Ausflug
nach Triest (p. 51 und 63) beschrieben. :
der Schles, Gesellsch. f, vaterl, Cultur. 69
S. cinerea Forsk. (Psygmobr. cinereus Ph.), das Exemplar in Weingeist,
' das ich vor mir habe, stimmt mit der Beschreibung, die Röhre ist weiss.
S. intricata L. (Psygmobr. intricatus Ph.), ich besitze bloss ihre Röhre.
Protula longiseta Schmarda 1. e. p. 32, F. 184, von den Korallenriffen
Jamaica’s.
Protula appendiculata Schmarda 1. c. p. 33, F. 185, desgl.
Protula Dysderi Huxlei (Edind. new Phil. Journ. 1855, p. 113, e. tab.).
‚Protula media Stimps. (Marine Invertibrata of grand Manan. p. 30).
Serpula bispiralis Sav., aus dem indischen Ocean, bei welcher zwar
kein Deckel sich ausbildet, aber an jeder Kiemenspirale ein kurzer Grif-
' fel, das Rudiment eines Deckelstiels, vorkommen soll, scheint den Ueber-
sang von den Protulen zu den andern Serpulen zu bilden.
Zum Schluss will ich noch ein Wort über Philippi’s Apomatus
ampulliferus hinzufügen: „animal operculo nullo, branchis flavidis filis utrin
que 7, punctis purpureis ornatis, flo uno in vesiculam sphaericam terminato“.
Philippi sagt, dass er diese wunderliche Bildung ohne Weiteres für
eine Monstrosität gehalten haben würde, wenn nicht Scacchi dasselbe
Thier ebenfalls mit der Blase beobachtet hätte. Mir sind 3 Exemplare
von solchen Thieren begegnet: Eines, von Prof. Lorenz im Quarnero
gefunden, ein Weingeistexemplar, über dessen Färbung ich nichts angeben
kann, 22 Mill. lang, wovon 7 auf die Kiemen kamen, stimmte der Röhre
nach mit Philippi’s Art überein, doch maass diese 3 Mill. in der Dicke,
und die Zahl der Kiemenfäden betrug jederseits 16. Der in die kuge-
lige Blase endende Faden war nicht der erste (der sich bei den deckel-
tragenden Serpulen zu diesem Organ umzugestalten pflegt), soMdern der
zweite der linken Seite. Die andern beiden Exemplare, die ich lebend
_ mit vielen Protula protensa erhielt, vermochte ich im Uebrigen von diesen
weder der Röhre noch der Färbung nach zu unterscheiden; sie hatten
jederseits 30 Kiemenfäden, bei dem einen derselben war der in die Blase
endende Faden der erste der linken Seite, bei dem andern kamen gar
2 solcher Fäden vor, auf jeder Seite einer, und zwar der zweite. Hier-
nach möchte ich diese eigenthümliche Erscheinung doch nur für eine Miss-
bildung halten, die bei verschiedenen Protula-Arten vorkommt. Die kuge-
lige Blase fand ich mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt, an ihrer Wandung
waren einige mit grünem Blut gefüllte Gefässästehen bemerkbar.
Herr Professor Dr. Hermann Aubert gab in der Sitzung am
24. Juli eine
Zusammenstellung der Kenntnisse, welche Aristoteles von den Cephalopoden
(Kopffüssern) gehabt hat.
Der Vortragende, welcher seit mehreren Jahren gemeinschaftlich mit
Herrn Director Wimmer an der Uebersetzung und Commentirung der
70 Jahres-Bericht
naturhistorischen Schriften des grossen Philosophen arbeitet*), hebt die
mannigfaltigen Schwierigkeiten eines richtigen Verständnisses dieses Autors
hervor, welche theils in der Darstellungsweise desselben, theils in der
Verschiedenheit der damaligen und der jetzigen Forschungsmethode lie-
gen. Von den neun Arten von Cephalopoden, die Aristoteles nennt,
glaubt der Vortragende fünf als sicher bestimmbar ansehen zu können,
welche entsprechen würden: 1) der Sepia officinalis, 2) der Sepiotheutis,
3) der Loligo vulgaris, 4) der Eledone, 5) der Argonauta; während die
Bestimmung der übrigen vier Arten nicht sicher sei, theils wegen zu
unbestimmter Angaben des Aristoteles, theils wegen Mangels genauer
Beobachtungen dieser Thiere in jetziger Zeit. — Bei der Anatomie die-
ser Thiere hebt der Vortr. die genaue und detaillirte Kenniniss hervor,
welche Aristoteles von den inneren Organen der Kopffüsser gehabt hat,
und den feinen Beobachtungssinn, sowie das Talent des Aristoteles, die
wesentlichen Verschiedenheiten dieser Thiere aufzufassen. Besonders wun-
derbar sind die Angaben über verschiedene naturgeschichtliche Vorgänge bei
den Cephalopoden, welche zum Theil erst in den letzten Jahren bestätigt wor-
den sind; indess bleibt immer noch ein beträchtlicher Theil von Angaben
über die Lebensweise derselben übrig, der noch auf eine Bestätigung
oder Widerlegung durch neu anzustellende Untersuchungen und Beobach-
tungen wartet. Genauere Mittheilungen werden in den „Abhandlungen
der Schlesischen Gesellschaft“ gegeben werden.
Derselbe theilt in der Sitzung vom 6. Februar seine Beobachtun-
gen mit ®
über die Wahrnehmbarkeit von Formen und Farben bei sehr beschränktem
Lichtzutritt.
(s. Abhandlungen der Schles. Gesellsch. 1861, Abtheil. für Naturwissen-
schaften und Mediein, Heft I, pag. 49 —103: „Beiträge zur Physiologie
der Netzhaut “.)
In der Sitzung vom 4. December machte Herr Th. Oelsner fol-
sende Mittheilung:
Im vorigen Jahre hat sich zu Leipzig auf Anregung der Professoren
Brockhaus, Bruhns, J. V. Carus, Fleischer, der DD. Ad. Barth,
Henry Lange, H. Brandes, Feddersen, Lippert, Dähne, meh-
rerer Buchhändler, Finaneiers ete., ein Verein für Erdkunde gebildet,
*) Erschienen ist: Aristoteles, fünf Bücher von der Zeugung und Entwicke-
lung der Thiere, übersetzt und erläutert von H. Aubert und Fr, Wimmer. Leip-
zig (Engelmann) 1860. |
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 71
welcher, ausser im Kreise seiner Mitglieder durch wissenschaftliche Ar-
beiten und Vorträge, auch durch materielle Mittel die Forschungen. auf
dem betreffenden Gebiete fördern will, zu welchem Ende er eine „Carl
Ritter-Stiftung“ in’s Leben ruft, aus deren, unter besonderer Verwal-
tung, stehenden Fonds sowohl für Reisen, als für anderweite Arbeiten
Aufmunterungen und Unterstützungen gewährt werden sollen. Der Vor-
tragende überreichte Statut und Programm, welche mit der Aufforderung,
hier davon Mittheilung zu machen, ihm zugekommen sind, zur Kenntniss-
nahme. General-Versammlungen hält die Gesellschaft jährlich im März
und October. Der Beitritt ist ein durch den Wohnort unbeschränkter;
der Jahresbeitrag 1 Thlr. —
Geographische Gesellschaften bestehen bereits an vielen Orten, von
namhafter Bedeutung die zu Berlin, zu Petersburg (seit 1845), London
(seit 1830), Wien (seit 1855), Frankfurt a. M., Darmstadt ete., und
regte der Vortr. an, indem er auf die vertiefte und umfassendere Bedeu-
tung der Erdkunde nach dem neueren Begriffe dieser Wissenschaft hin-
wies, es wolle die „Schlesische Gesellschaft‘ dieselbe mehr als bisher in
den Kreis ihrer Arbeiten ziehen, um so mehr, als sie einen Koryphäen
Ritter’scher Schule unter ihre Mitglieder zählt, auch früher eine Section
für Erdkunde bereits bei ihr bestanden hat,
Herr Emil Quaas hielt in der Sitzung am 17. April einen Vor-
trag über
die Insel Zanzibar und ihre Bewohner.
Die Insel Zanzibar, zwischen 50 43’ und 6° 28° S. Br. gelegen, ist
die grösste in der ganzen Reihe von Eilanden, .die sich von der Insel
Bazacuta (22° S. Br.) an bis einige Grade im Norden der Linie in ge-
tinger Entfernung vom Festlande an der Ostküste Afrika’s hinziehen. Die
Bedeutung, welche es schon seit den ältesten Zeiten als der Hauptstapel-
platz des Ostafrikanischen Waarenmarktes erlangt hat, verdankt es theils
seiner glücklichen Lage ungefähr in der Mitte zwischen dem Ausgange
des Kanals von Mozambique und Arabien, andererseits seinem schönen
Hafen, dem besten der ganzen Ostküste. Eine Menge kleiner Korallen-
inseln (Bawy, Schangu, Kibandeko, Schampani im Norden, Schumby im
Süden), Riffe und Sandbänke umgeben ihn von allen Seiten, und er-
schweren dadurch wohl das Einsegeln etwas, doch lässt das unendlich
klare Wasser schon auf weite Strecken voraus Untiefen erkennen, und
gerade sie schützen den Hafen, der bei jedem Winde zugänglich ist, vor
den stürmischen Winden beider Monsoone. Die Stadt Zanzibar, von den
Eingeborenen kurzweg Mdji (die Stadt) genannt, ist die Residenz des
Sultans der Szuaheli, Szeyd Madjid, der über den Küstenstrich von Cap
Delgado an bis eirca 5° im Norden der Linie und die davor liegenden
72 Jahres-Bericht
Inseln herrscht. Sie ist auf einem dreieckigen Vorsprunge am westlichen
Ufer Zanzibar’s erbaut, und ihr Anblick vom Bord eines im Hafen (also
im Norden) ankernden Schiffes ist ein überraschend schöner. Vor den
Augen des entzückten Beschauers liegt eine lange Facade hoher, weiss-
schimmernder Häuser, Paläste scheinen es zu sein, bescheidene Hütten
schliessen sich auf beiden Seiten an sie an und verlieren sich zur Linken
in das Dunkel eines weiten Palmenwaldes, während rechts der weisse
Sandstrand und das azurblaue Meer das herrliche Bild einrahmen.
Leider bietet die Stadt im Inneren wegen der überall herrschenden
Unreinlichkeit, der schlechten, engen Strassen und Gassen, der elenden
Häuser wenig Erquickliches, aber schon ein Spaziergang in die nächste
Umgebung, wo sich in dem Walde nach allen Richtungen reizende Wege
hinziehen und am hohen Ufer des Meeres Strassen entlang laufen, von
denen aus man prachtvolle Aussichten auf den Meeresarm zwischen der
Insel und dem Festlande hat, entschädigt vollkommen für die vielfachen
Unannehmlichkeiten der Stadt selbst. Zanzibar scheint, wenn man vom
Aeusseren auf’s Innere und nach Analogie der umliegenden Eilande
schliessen darf, eine Koralleninsel zu sein, und ist vom Strande des Mee-
res an bis auf die zahlreichen Hügelreihen des Inneren mit der üppigsten
Vegetation bedeckt. Palmen bilden den Haupttypus derselben, daher der
Charakter der hiesigen Pflanzenwelt ein so ausschliesslich tropischer ist.
Von den 4 Palmenarten, Kokos-, Areka-, Fächer- und Dattelpalme, hat
die erstere die allgemeinste Verbreitung, der Dattelpalme scheint das
Klima zu feucht zu sein, und ihre Früchte sind nur von einer ganz unter-
geordneten Qualität. Nächst den Palmen findet man den Mangobaum am
zahlreichsten vertreten, dessen Frucht nach den Orangen die herrlichste
Erquickung bietet. Der Granatapfelbaum, der riesige Boabab, der Diaco
mit seinen grossen runden, unmittelbar aus dem Stamme hervortretenden
Früchten, der Banianenbaum, der Guava- und Pitanga-Strauch wachsen
überall wild, während der Bananen-, Orangen-, Nelkenbaum plantagen-
artig, die köstliche Anone, der Muskat- und Zimmtbaum, der palmenar-
tige Papaya (Melonenbaum) hier und da zerstreut auf Plantagen ange-
pflanzt werden, und Pandanusgebüsche in den Wäldern und am Meeres-
strande häufig vorkommen. — Um ein Stück Land urbar zu machen,
darf nur in der heissen Jahreszeit das wuchernde Unkraut abgebranut
werden; dann wird die Erde mit einer kleinen 3kantigen Hacke etwas
aufgelockert und bringt, ohne je gedüngt zu werden, Jahr aus Jahr ein
vielfältige Frucht. Man baut auf Zanzibar Yams, Bataten, Mais, Korn
(den sogen. Negerhirse), Manioe, das Hauptnahrungsmittel der Sklaven
und nach dem Nelkenbaum die am meisten kultivirte Pflanze; Kürbisse,
verschiedene Gemüse, mehrere Arten kleine Bohnen und Reis; aber
selbst von den am stärksten verbrauchten Früchten, Korn, Reis und Ma-
nioc, wird trotz der wenigen Mühe, die es kostet, nicht so viel erzeugt,
als man im eigenen Lande braucht.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 766)
Das Klima Zanzibar’s, für Europäer verhältnissmässig noch eines der
gesündesten*) der ganzen Ostküste, wird durch die Monsoone geregelt,
jene merkwürdigen Winde, welche, beinahe halbjährig abwechselnd,
durch die starke Insolation der Luftschichten über dem ausgedehnten
asiatischen Continente erzeugt werden. Vom December bis Anfang März
weht der sogen. NO.-Monsoon aus N.-NNW. und bringt dem Lande die
heisse Jahreszeit, während der das Thermometer von Morgens gegen
10 Uhr bis Nachmittag 4 Uhr oft 29 — 30° Reaum. zeigt, und in der,
wenn lange kein Regen fällt, aller Pflanzenwuchs verschmachtet; dann
folgt im Monat März eine Zeit der Windstille und abwechselnden Land-
und Seewinde, bis Anfang April zugleich mit der Regenzeit, die bis Mitte
Mai dauert, der SW.-Monsoon (Wind aus S2.0.—85z.W.) einsetzt und
während unseres Sommers ununterbrochen weht. Mit den ersten frucht-
baren Regenschauern erwacht die ganze Natur aus ihrem Schlafe und
schmückt sich auf’s Neue mit einem üppigen grünen Gewande. I der
' frischen, duftigen Luft der Morgen und Abende fühlt sich Körper und
ı Geist gleichmässig erhoben und gestärkt, und Herz wie Auge erfreut sich
inniger der Naturschönheiten, die ihm in einem so reizenden Gewande
entgegentreten. Wenn die Sonne dann auf ihrem Wege nach Süden
im Monat October wieder die Breite von Zanzibar passirt, tritt die zweite,
die kleine Regenzeit ein; sie hält nur 14 Tage oder 3 Wochen an, und
ihr folgen Windstillen und umlaufende Winde, wie im März, bis im De-
' eember der NO.-Monsoon den Cyclus der sich Jahr aus Jahr ein wieder-
holenden Erscheinungen von Neuem beginnt.
| Zanzibar, wie die ganze Ostküste Afrika’s, wurde von Arabern ko-
‚ lonisirt, welche während der kurz nach Mohammed’s Tode in Folge reli-
giöser und politischer Zwistigkeiten beginnenden Kämpfe ihr Vaterland
| fliehen mussten. Darauf wurde die Küste, kurz nach der Entdeckung des
| Seeweges nach Ostindien, von den Portugiesen erobert und blieb ein
‚ Paar Jahrhunderte lang in ihrem Besitz, bis die Eingeborenen, des Sy-
stems der Unterdrückung und Plünderung, welches die Portugiesen ein-
geführt hatten, überdrüssig, in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts die
‚ Imane von Mascat zu Hülfe riefen und die nun ausbrechenden langjähri-
sen Kriege damit endeten, dass die Portugiesen alles Land an der Ost-
| küste Afrika’s, ausser Mozambique, verloren, und dass dem Iman von
| Mascat die Oberhoheit über diese ausgedehnte Länderstrecke zufiel. Zu
| der Bevölkerung**) Zanzibar’s haben, verlockt durch den blühenden Han-
' del, die Küsten des östlichen Mittelafrika’s, die umliegenden Inseln, die
*) Der ankommende Europäer hat besonders Fieber und Dysenterie zu fürch-
ı ten; orsteres ist weniger häufig und seltener tödtlich.
| **) Die Angaben über die Zahl der Bewohner schwanken zwischen 80 -120000,
von denen 25—30000 auf die Stadt kommen mögen. Noch nie ist hier eine Volks-
zählung veranstaltet worden.
74 ; Jahres-Bericht
Comoro’s, Indien und Arabien ihr Contingent geliefert; man kann sich
daher keine bunter zusammengewürfelte Menschenmasse denken, als man
sie hier beisammen sieht. Die Hauptmasse der freien Eingeborenen bil-
den die Szuahelis, ein Mischvolk aus den ursprünglich hier sesshaften
Negerstämmen und eingewanderten Arabern; Alles an ihnen, sowohl Ge-
sichtstypus als Hautfarbe (zwischen Olivenbraun und Schwarz in den
mannigfaltigsten Nüaneirungen), verräth, dass das Volk aus der Mischung
scharf getrennter nationaler Elemente entstanden ist. Häufig findet man
unter den $Szuahelis wirklich schöne Physiognomien mit dem Gepräge
einer beinahe weiblichen Anmuth. Der Körperbau ist in der Regel
schlank und untadelhaft, die Gliedmaassen sind wohl proportionirt. Die
Kleidung des Szuaheli niederen Standes ist für gewöhnlich ein einfaches,
um die Lenden gewickeltes Tuch (schuka); wer es vermag, schafft sich
indess ein langes weisses oder gelbes Hemd (kansu) an, und vornehme
Leutes ziehen über dasselbe noch einen langen falten- und taillenlosen
Tuchrock (kissimbao) oder eine Art langschössiger Weste von Seiden-
oder Baumwollenzeug (Kissimbao mdogo). Gold- und Seidenstickereien
auf diesen Kleidungsstücken sind allgemein beliebt. Von Waffen, die bei-
nahe ein Jeder trägt, sind im Gebrauch der krumme arabische Dolch
(yimbia), Griff und Scheide oftmals auf’s reichste mit Gold- und Silber-
arbeit verziert, die lange Lanze (kuki), das lange zweischneidige ara-
bische Schwert (panga) und der krumme Säbel (kitära). Weniger glück-
lich wie die körperlichen sind die geistigen Anlagen des Szuaheli. Eine
maasslose Indolenz und unzerstörbare Apathie ist ihm angeboren, und
unter seinen übrigen Untugenden nehmen Eigendünkel, Sinnlichkeit, Eitel-
keit, Prunksucht, Hang zu Betrügereien eine hervorragende Stelle ein.
Die Szuahelis sind Mahommedaner, aber als solche nicht so intolerant
gegen Ungläubige, als man dies anderwärts bei den Bekennern des Is-
lams findet. In ihre Gottesverehrung mischt sich, weil ihre geistige Bil-
dung auf einer sehr niedrigen Stufe steht, ein bedeutender Theil Aber-
glauben, und man kann sagen, dass sich bei den meisten die Religiosität
nur auf’s Aeusserliche, bestimmte Gebete und Waschungen ete. erstreckt;
denn der Koran, dessen Schriftzeichen die Leute wohl mechanisch herle-
sen lernen, ist in einer ihnen ganz fremden Sprache geschrieben und in
Folge dessen für sie ein Buch mit 7 Siegeln. So viel Freiheit dem Manne
gegenüber dem anderen Geschlechte gestattet ist, denn er kann
4 rechtmässige Gemahlinnen nehmen und sich ausserdem noch so viel
Szurias (Coneubinen) halten, als er will, so beschränkt ist darin die Frau;
sie darf sich nie ohne Maske, wenn sie reich ist, ohne eine hinreichende
Anzahl Sklavinnen öffentlich sehen lassen, und wird von Jugend auf arg-
wöhnisch betrachtet. Wenn ein junges Mädchen heirathet, was hier im
13. oder 14. Jahre geschieht, vertauscht sie nur das Gefängniss im Hause
ihres Vaters mit dem bei ihrem Gatten, die Weiber wissen sich indess
für diese unwürdige Behandlung genügsam zu rächen und sind. ausseror-
2.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 75
dentlich erfinderisch, zur Täuschung ihrer Haustyrannen die schlauesten
Ränke zu ersinnen, die ihnen ihre vielen Sklavinnen treulich ausführen
helfen. — Der Szuaheli hat, ebenso wie die Neger, gegen Arbeit einen
angeborenen Abscheu und giebt sich höchstens mit etwas Handel ab,
doch nur insoweit, als es der Verkauf seiner Landesprodukte erfordert.
Beinahe der ganze Verkehr mit auswärts ist in den Händen der Hindis
und Banjanen, ostindischer Kaufleute aus Kutch und Bombay, deren es
hier eine sehr grosse Anzahl hat. Sie sind unermüdlich thätige, unterneh-
mende Handelsleute, die sich mit jedem Gewinn, wenn er auch noch so
geringfügig, begnügen. Araber reinen, unvermischten Blutes giebt es nur
noch wenige auf Zanzibar. —
Die zweite grosse und der Zahl nach bei weitem überwiegende
Klasse der hiesigen Bevölkerung bilden die Sklaven, aus allen Theilen
Mittelafrika’s und der Ostküste hierher gebracht, dieser für die Lebens-
weise des ÖOrientalen so unentbehrliche Artikel. Kiloa, 3 Grad südlich
von Zanzibar, war schon von alten Zeiten her der Stapelplatz für die
aus dem Innern kommenden Sklaven, und von Zanzibar aus, wohin man
sie zunächst transportirte, wurden sie nach der nördlichen Küste, Arabien
und Ostindien verschifft. Mehrere Verträge, welche die Engländer in den
Jahren 1822, 1839 und 1845 mit dem Iman Szeyd Szaid abschlossen,
verboten nach einander den Sklavenhandel mit Ostindien, den Verkauf
freier Somaulis und den Handel im Norden der Linie; letztere Maassre-
sel kam jedoch, weil ihretwegen eine Empörung sowohl in Zanzibar wie
im Oman auszubrechen drohte, nicht zur Ausführung, und es blieb den
englischen Kriegsschiffen nur erlaubt, jeden Sklavendau aufzubringen, der
östlich einer Demarcationslinie zwischen Cap Delgade und Cap Pas-
sinoe (Küste Guadel) angetroffen würde. — Die Sklaven Zanzibar's sind
ein so glückliches, heiteres, sorgloses Völkchen, wie man wohl keins wie-
der antrifft; denn sie werden von ihren Herren sehr gut behandelt, haben,
ohne dass sie dafür zu sorgen brauchen, ihr hinreichendes Essen und
Trinken, und, was für sie die Hauptsache ist, wenig zu thun. In ihren
Händen liegen Ackerbau und Gewerbe; sie sind Plantagenarbeiter, Acker-
bauer, Tagelöhner, Diener und Handwerker, besonders letztere stehen .
sich sehr gut, da sie häufig gar nicht bei ihren Herren wohnen, ihre
eigene Hütte, ihre Frauen, vielleicht selbst wieder Sklaven haben, und
ihrem Besitzer nur eine jährliche bestimmte Summe entriehten müssen.
Schon 3—4 Sklaven reichen vollkommen hin, um sowohl sich als ihren
Herrn zu ernähren; 8 Pais (-; Doll., eirca 22 Sgr.) beträgt der tägliche
Lohn für einen männlichen Sklaven, und schon der 3. Theil dieser Summe
genügt zur Beköstigung und Kleidung des Sklaven, den Rest zieht natür-
lich der Herr ein. Der Preis eben erst herübergebrachter sogenannter
Schamba- (Plantagen-) Sklaven beträgt 15—25 Doll., Kinder unter 12 Jahren
gelten S—12 Doll., hübsche Mädchen, die noch obendrein irgend Geschick-
liehkeit im Kochen, Nähen oder Mattenflechten haben, 30—100 Dollars.
76 ” Jahres-Bericht
Die Regierung des Landes ruht in den Händen des Sultans, der-Herr
über Leben und Eigenthum seiner Unterthanen ist. Der Koran ist hier
zu Lande die einzige Rechtsquelle und der regierende Sultan das leben-
dige Gesetz. Täglich wird im Palaste des verstorbenen Iman Szeyd Szaid
öffentliche Audienz gegeben, bei der jeder erscheinen kann, der eine
Klage anzubringen hat. Streitige Rechtsfälle von Bedeutung entscheidet
der Sultan in eigener Person, geringere die Kadis.. Da in Zanzibar Nie-
mand Steuern zahlt, so ist der Sultan in seinen Revenüen ganz allein auf
seine eigenen Landbesitzungen und auf den Ertrag des Zolles angewie-
sen, der in seinem ganzen Reiche von allen aus- und eingehenden Waa-
ren in der Höhe von 5—10 pCt. vom Marktpreise des Artikels erhoben
wird. Ein reiches Banjanenhaus, Djeram aus Bombay, hat diesen Zoll in
allen Ländern des Sultans für 250,000 Doll. jährlich gepachtet. — In
Zanzibar importirt werden Glasperlen aus Venedig, Messingdrath, Bijou-
terien, allerhand Kurzwaaren, Gewehre, Pulver, (aus Nordamerika) wol-
lene Tuche, amerikanisches Baumwollenzeug von verschiedenen Farben
und bunte französische Taschentücher; doch bleiben die wenigsten dieser
Waaren im Lande selbst, sondern werden zum grössten Theil wieder
nach den Küsten und dem Innern Afrika’s verhandelt. Man exportirt
Gewürznelken, Copra (getrocknete Kokosnusskerne) [die einzigen Artikel,
die auf Zanzibar selbst produeirt werden], Sesam, Gummi Copal, Elfen-
bein, Ochsenhäute, vor Allem aber Cowries, jene kleinen Muscheln, die
im Innern Nord-Afrika’s allgemein als Scheidemünze gelten, und von
denen jährlich wohl 15—20 Schiffsladungen nach Ober-Guinea gehen, um
dort gegen Palmöl umgetauscht zu werden.
der Schles, Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 00
TI.
Bericht
über die
Thätigkeit der botanischen Section der Schlesischen Gesell-
schaft im Jahre 1861,
abgestattet von
Ferdinand Cohn,
zeitigem Secretair der Section.
| Die botanische Section hat im Jahre 1861 eilf Sitzungen gehalten, in
' denen Folgendes verhandelt wurde:
In der ersten Sitzung vom 24. Januar legte der Secretair 3 Tafeln
aus einer vom Herrn Hütten-Direetor Janisch in Reinerz, jetzt auf der
ı Wilhelmshütte bei Kl.-Rhoden (Herzogthum Braunschweig), bearbeiteten
Abhandlung über die Diatomeen im Guano vor, welche nicht nur die Wis-
senschaft durch Beschreibung und Abbildung mehrerer neuer Arten jener
überaus zierlichen kieselschaligen Organismen bereichert, sondern auch
von praktischem Werth ist; es wird durch dieselbe dem wissenschaft-
lichen Landwirth eine mikroskopische Analyse des Guano ermöglicht, die
über Echtheit und Herkunft der einzelnen Sorten den sichersten Auf-
schluss giebt. Die Tafeln sind von Herrn Janisch mit grosser Meister-
schaft auf Stein gezeichnet und in dem lithographischen Institut von
Krimmer in Gleiwitz gedruckt. Der erste Theil dieser Arbeit ist seit-
dem in den Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für 1861, Natur-
wissensch.-medic. Abtheil. Heft II, abgedruckt worden; der Schluss soll
in den Abhandlungen des Jahres 1862 erscheinen,
Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert zeigte eine von Herrn Klempt-
nermeister Adler hier nach einem in der Illustrirten Zeitung abgebilde-
‚ ten Erfurter Modell (nach Heinemann) angefertigte sogenannte Kräuter-
‘ säule vor; sie besteht aus weisslackirtem und vergoldetem Zinkblech, ist
78 Jahres-Bericht
inwendig hohl und mit Erde gefüllt, von Petersilienlaub umrankt, wel-
ches aus mehreren Löchern in ihrem Umfang hervorspriesst, während aus
dem Capitäl Hyacinthen hervorblühen. Thongefässe von ähnlicher Ein-
richtung sind hier schon von Alters her bekannt, stehen aber den vorlie-
genden Kräutersäulen an Eleganz nach.
Derselbe demonstrirte das erste Heft des vom Präsidium der Ge-
sellschaft zur Vermehrung des Henschel’schen Herbariums angeschaffte
Erbario crittogamico Italiano.
Derselbe trug hierauf
eine Beschreibung der Boden- und Höhenverhältnisse Schlesiens mit Rück-
sicht auf Pflanzengeographie
vor. Herr Director Prof. Dr. Wimmer hat im zweiten Theile der
1. Ausgabe der Flora Schlesiens bereits im Jahre 1844 eine Uebersicht
der pflanzengeographischen Verhältnisse unserer Provinz geliefert und so
ihre Pflanzengeographie begründet. Seit jener Zeit haben sich aber die
Gesichtspunkte der Verbreitungsverhältnisse sehr erweitert, und insbeson-
dere einen, so zu sagen analytischen Weg eingeschlagen. Untersuchun-
sen über Verbreitungscentra und Vegetationslinien haben sich an andere
über die Urheimath der Pflanzenarten der einzelnen Floren angeschlossen,
ob Pflanzen des Gebirges oder der Ebene als ursprünglich anzusehen sind,
ob es konstante Pflanzen des Diluvial- und Alluvial-Bodens, oder auch
wohl solche giebt, die aus früheren Erdperioden stammen, und dergl.:
Fragen, die nur zur Entscheidung kommen können, wenn das Areal der
Floren selbst genauer bestimmt und gesichtet ist. Zu diesem Zwecke hat
der Vortragende nach dem gegenwärtigen Stande der geognostischen und
hypsometrischen Forschungen unserer Provinz eine Beschreibung dersel-
ben entworfen, in welcher beiden Richtungen, mit steter Berücksichtigung
merkwürdiger lokaler Vegetationsverhältnisse, möglichst Rechnung getra-
gen wird. Von dem tiefsten Punkte der Provinz, dem Bette der Oder,
wird ausgegangen, welche sie in 2 ungleiche Hälfte, in eine SW. grös-
sere und eine NO. kleinere theilt. Diese Hälften wurden einzeln betrach-
tet, und nicht bloss der Verlauf und die Beschaffenheit der Gebirgszüge,
sondern auch der Abfall derselben und die Beschaffenheit der Ebenen in
Betracht gezogen; der Verlauf der grösseren Flüsse, die sich fast sämmt-
lich in die Oder ergiessen, dient hier als Leiter, weil sie fast sämmtlich
hypsometrisch bestimmt sind. Von der ziemlich umfangreichen, schon
vor vielen Jahren zum Zwecke der Vorlesungen über schlesische Flora
entworfenen Arbeit wurden nur aus der Beschreibung der südwestlichen
Hälfte ein paar Abschnitte vorgetragen, um die Art der Behandlung zu
zeigen, und der Wunsch ausgesprochen, alle diese Daten, auf einer Karte
vereint, bildlich dargestellt zu sehen, worauf nun die weiteren, oben an-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 79
gedeuteten Untersuchungen zu basiren wären, denen sieh unsere Botani-
| ker nach dem. Beispiel mehrerer Nachbarstaaten für die Zukunft wohl
nicht entziehen können, da die Verhältnisse Schlesiens unstreitig nicht
| bloss eine lokale, sondern auch eine allgemeine Bedeutung für die Flora
von Mitteleuropa überhaupt besitzen. Als ausgezeichnete Arbeiten dieser
' Art sind unter andern die von der k. baierischen Akademie veranlassten
Arbeiten des für die Wissenschaft zu früh verstorbenen Sendtner’s
| über Verhältnisse Baiern’s anzusehen, die der Section vorgelegt wurden.
| Herr Dr. Stenzel stellt den Antrag, dass behufs einer einstigen Er-
| ledigung der in dem heutigen Vortrage zur Sprache gebrachten Aufgaben
von Seiten der Schlesischen Gesellschaft und mit Unterstützung der in
der Provinz zerstreuten wissenschaftlichen Kräfte, das Material zu einer
vollständigen naturwissenschaftlichen Beschreibung Schle-
' siens mit besonderer Berücksichtigung seiner Gebirge zu-
sammengebracht werden möge.
| Eine längere Debatte, an der sich die Herren Cohn, Göppert,
| Körber, Stenzel und Wimmer betheiligen, schloss sich an diesen
\ Vortrag.
Die zweite Sitzung vom 7. Februar wurde mit Berathungen über die
Aenderung der bisherigen Form der Jahresberichte ausgefüllt, welche seit-
| dem durch die Publication der Abhandlungen und des von diesen geson-
' derten Generalberichtes in’s Leben getreten sind; während die Verhand-
‚ lungen der Gesellschaft bisher nur einmal im Jahre in einem Quartbande
‚ erschienen, worin die Vorträge oft erst nach 13 Jahren zum Abdruck kom-
' men konnten, sollen fortan die der Gesellschaft vorgelegten Abhandlun-
gen in extenso sofort in Heften publieirt werden, welche mehrere Mal im
ı Jahre in Gross-Octav erscheinen und auch einzeln im Buchhandel
käuflich sind. Das Präsidium erwartet von dieser Reform eine grös-
ı sere Beweglichkeit und eine Belebung des wissenschaftlichen Geistes in
unseren Verhandlungen, und fordert die Mitglieder und Freunde der Ge-
| sellschaft zur Unterstützung des Unternehmens auf.
In der dritten Sitzung vom 21. Februar, welche in der Wohnung
des Herrn Oberforstmeister v. Pannewitz stattfand, legte der Secretair
den Bericht des Herrn Stadtrath E. Trewendt über Verwaltung des
botanischen Lesevereins im Jahre 1860 vor, durch welchen 34 Piecen
der neuesten botanischen Literatur (unter 20 Theilnehmern) in Umlauf
ı gesetzt worden sind.
Herr Dr. Stenzel übernimmt auf Antrag der Section die Vertre-
| tung des zeitweise erkrankten Hrn. Dr. Milde als Custos des Henschel’-
schen Herbariums,. dessen Sublimatisirung mit Beginn der wärmeren Jah-
‚ zeszeit wieder in Angriff genommen worden ist.
80 Jahres-Bericht
Herr Oberforstmeister v. Pannewitz verlas eine Abhandlung von
Kolenati, über die sogenannte Oppahaut, und legte ähnliche, von ihm
selbst gesammelte aus Algenfäden bestehende watten- oder flanellartige
Filze vor, die nach Ueberschwemmungen auf Wiesen zurückgeblieben
waren; der eine war von einem Oedogonium, ein anderer von einer Chara
gebildet.
Derselbe hielt einen Vortrag über die neue, durch ihren kandela-
berartigen Wuchs ausgezeichnete Tanne des Peloponnes, Abies Amaliae Re-
ginae, und legte Samen derselben, sowie eine Abbildung einer schlesi-
schen Fichte mit ähnlichem Wuchs vor.
Derselbe zeigte einen in einer hohlen Eiche eingeschlossenen, über-
aus mächtigen und dichten Wurzelfilz vor, welcher bei genauerer Unter-
suchung von einer, vermuthlich von einem Eichhörnchen durch ein Loch
im Stamm 1’ über der Erde hineingebrachten Eichel abstammt, die in
dem die Höhlung ausfüllenden Mulm gekeimt war und einen Stengel ent-
wickelt hatte. ;
Derselbe hatte eine Ausstellung seiner an naturhistorischen Selten-
heiten sehr reichen Sammlung veranstaltet, in welcher u. a. eine Collec-
tion exotischer Hölzer, Früchte, instructive Monstrositäten, sowie ein
Felsenhuhn von Brasilien sich auszeichneten.
In der vierten Sitzung vom 7. März machte der Secretair der Sec-
tion weitere Mittheilungen über die auf Antrag des Herrn Präses von
dem Präsidium der Gesellschaft beschlossene Modification in der
Herausgabe der Jahresberichte.
Derselbe legte drei Bände von mikroskopischen Zeichnungen vor,
welche Herr Dr. Hermann Itzigsohn in Neudamm eingesendet hat;
sie bieten interessante, zum Theil neue Beiträge zur Entwiekelungsge-
schichte der Algen, Pilze und Infusorien, und zeichnen sich durch Reich-
haltigkeit und saubere Ausführung aus, ö
Herr Geh. Rath Göppert überreichte der Gesellschaft das Portrait
des Professor Treviranus in Bonn und regte eine Sammlung botanischer
Portraits von Seiten der Section an, zu welcher Beiträge gewünscht
werden.
Derselbe hielt einen Vortrag
über den Cocastrauch, Erythroxylon Coca, von Peru und Bolivien,
dessen Blätter „den Hungrigen sättigen, dem Müden und Erschöpften
neue Kräfte verleihen und dem Unglücklichen seinen Kummer vergessen
machen sollen“. Die Eingeborenen jener Länder kauen die an sich
geschmacklosen und etwas bitterlichen Blätter, mit Asche zu Kügelchen
geformt; die narkotischen Wirkungen derselben scheinen einem von Dr.
Niemann in Wöhler’s Laboratorium aus den von Dr. Scherzer
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 81
neuerdings nach Europa gebrachten Cocablättern dargestellte Alcaloide,
dem Gocain anzugehören. Cocablätter wurden von dem Vortragenden
vorgezeigt; in den botanischen Gärten ist die Cocapflanze noch nicht vor-
handen; das sogenannte Zrythoxylon attenuatum, welches durch den Gar-
ten von Macquoy von Belgien aus verbreitet wurde, gehört nicht zu die-
ser Gattung.
Herr Dr. Körber hielt einen Vortrag
über die neüiere Geschichte der Lichenologie.
Er unterscheidet vier Perioden: die Linn&@’sche, die ohne wissenschaft-
liche Erkenntniss die Flechten mit den Algen zusammenwirft; Hoff-
mann, Persoon und Schrader bilden den Uebergang zur zweiten
‚Periode, der Acharius’schen, die sich auf Beobachtung eines reichen
Materials mit der Lupe beschränkt, und, obwohl oft mit glücklichem divi-
natorischen Geiste, bald in maasslose Speciesmacherei ausartet. Esch-
weiler und Flörke führen in die dritte Periode, wo Elias Fries in
glücklichster, geistreichster Weise die richtige Mitte zwischen Acharius
und seinen Gegnern Wallroth und Meyer zu halten weiss; er, wie in
seinem Geiste Schaerer, Laurer, Fee, Garovaglio, Montagne
beschränken ihre Untersuchung noch auf die Lupe. Die gegenwärtige
| Epoche endlich ist das Zeitalter der mikroskopischen Erforschung und
der Jarauf gegründeten naturgemässen Systematik und morphologischen
Erkenntniss der Flechtenwelt. Als ihre Vorläufer lassen sich der ver-
‚ storbene v. Flotow in Hirschberg und de Notaris in Genua betrach-
‚ ten; nur wenig hartnäckige Vertreter der früheren Periode sind noch zu
bekämpfen, doch ist das täglich wachsende Material noch lange nicht
vollständig verarbeitet. Nach Staaten geordnet — bietet Scandinavien
zahlreiche Arbeiten durch Theodor, den Sohn des Elias Fries,
Stenhammar, Thedenius u. A.; auch Nylander gehört diesem
ı Lande an; Russland ist ierra incognita; auch England hat nur Weni-
ges (Leighton, Lindsay), Frankreich nur für Morphologie sehr
Bedeutendes (Tulasne) aufzuweisen, für Systematik fast nichts, seit
| Montagne schweigt; ausser ihm sind nur noch Bornet und Mou-
‚geot zu nennen, in den Niederlanden van den Bosch, Lacoste,
Coemans, Kickx; die epochemachendsten Forschungen hat Italien ge-
liefert (de Notaris und Abr. Massalongo +); ausser diesen forschen
noch Graf Trevisan in Padua, Anzi in Como, Tornabene in Pa-
lermo, Parlatore in Florenz, Beltramini in Bassano, Baglietto,
‚ Tonini, Cesati, Carestia, Caldesi, Garovaglio u. A.; aus der
Schweiz sind u. A. Hepp in Zürich und Duby in Genf, aus Oesterreich
sehr zahlreiche Forscher zu rühmen (v. Heufler und Pokorny in Wien,
' Pötsch in Kremsmünster, Sauter in Salzburg, Engel in Linz, Leon-
\ hardi und Peyl in Prag, Graf Benzel-Sternau in Malaczka, Hacz-
82 Jahres-Bericht
linski in Eperies, Neumann und Urban in Troppau); auch Baiern ist
reich an Lichenologen (v. Krempelhuber, Schwendener und Nä-
geli in München, Arnold in Eichstädt, Rehm in Sugenheim, Koch in
Dürkheim, Walther in Bayreuth, Lamprecht, Engelhard und
Hoffmann in Bamberg); in Würtemberg sind Hochstetter + und
Kemmler, in Baden v. Zwackh, v. Holle und Ahles (Heidelberg),
Bausch (Carlsruhe), de Bary (Freiburg), Stitzenberger (Constanz);
in Sachsen Rabenhorst (Dresden), Auerswald (Leipzig); in den klei-
neren Staaten Koch (Bremen), Hampe, Speerschneider (Blanken-
burg), Metzler (Frankfurt) hervorzuheben; Preussen ist noch arm an
Freunden der Lichenen, am reichsten Münster (Lahm, Geisler,
Wilms, Karsch und Nitschke, früher in Breslau); ausserdem ist noch
Bayrhoffer (Lorch), Beckhaus (Höxter), Ohlert «(Angerburg),
Herrmann-Itzigsohn (Neudamm), Laurer (Greifswald), Graf Solms-
Braunfels, Pfarrer Wenk und Bischof Breutel; aus Schlesien ausser
Göppert und Wimmer nur Schumann in Reichenbach und Stricker
in Breslau hervorzuheben. Ueber seinen eigenen Antheil an der neuesten
Entwickelung der Lichenologie enthielt sich der Vortragende des Urtheils.
Schliesslich hielt Herr Director Dr. Wimmer einen Vortrag über
Salix pyrenaica Gouan, welche er als eine gute Art charakterisirte und
deren merkwürdige Verbreitung (Pyrenäen, Lappland, Nordamerika), sowie
deren Verhältniss zu Salix glauca und arbuscula er erläuterte.
In der fünften Sitzung vom 21. März überreichte der Secretair 6 Por-
träts von Botanikern als Beitrag zu der nach Beschluss vom 7. Februar
zu begründenden Sammlung. Derselbe .demonstrirt ein sehr zweckmässig
construirtes einfaches Mikroskop von Ben£che, bei Herrn Büchler hier
zum. Preise von 18 Thlr. zu beziehen. Von Herrn Regierungsrath Wi-
ehura sind Nachrichten aus Nangasaki bis zum 27. December vorigen
Jahres eingelaufen, welche interessante Schilderungen der Vegetation und
Hortieultur von Japan liefern; derselbe ist daselbst mit v. Siebold,
Fortune und Veitch jun. zusammengetroffen.
Herr Dr. Hodann hielt einen Vortrag
über die Pilege der Pflanzen und die Temperaturverhältnisse im
Ward’schen Kasten.
Anknüpfend an den Vortrag, welchen der Secretair der Section im De-
cember vorigen Jahres über denselben Gegenstand gehalten,. theilt der-
selbe seine Erfahrungen über zweckmässigste Construction der neuerdings |
so ausserordentlich ‘beliebt gewordenen Ward’schen ‘Kästen 'mit. 'Spe-
cielle Vorschriften betrafen die Anlage der Felspartie und die Anpflan-
zung; als besonders geeignet wurden Coniferen (insbesondere Juniperus),
Mimosa, Mühlenbeckia und 'ändere Sehlinspflanzen, "monocotyledonische
nennen mennmen
der Schles. Gesellsch,. f. vaterl. Cultur. 83
Blattpflanzen, sowie hartblätterige Arten, namentlich Iler, dann insbeson-
dere Farne, Selaginellen, Moose (Hypnum, Mnium) und einzelne Flechten
(Rennthierflechten, Peltigera) empfohlen, während sich Fettpflanzen und
_ viele Flechten nicht lange erhalten. 'Eine fortwährende Aufsicht: und zeit-
‚ weise Erneuerung ist erforderlich, um die Beschädigung durch Vertrock-
nen, Schimmeln, Faulen, Vergeilen, sowie durch Insectenfrass zu ersetzen,
belohnt sich jedoch durch ununterbrochene Freude an der zierlichen und
reichen Vegetation. Der Vortragende hatte einen von Herrn Klemptner-
meister Adler hier angefertigten, von ihm selbst geschmackvoll und
künstlerisch arrangirten Kasten ausgestellt, welcher im Kleinen ein tropi-
sches Landschaftsbild mit einem von Marchantia umsprossten Wasserbek-
ken, üppigen Polstern von Mnium roseum, hochwurzeligen Pandanen und
coniferenbewachsener Felspartie darstellte.
Derselbe demonstrirte die seltene Aldrovanda vesiculosa von Pless
mit ruhenden und eben ‚aufsprossenden Winterknospen.
Herr Dr. Stenzel hielt einen Vortrag
über Potentilla Tormentilla und nemoralis.
Beide Arten haben nur endständige, manchmal scheinbar achselständige,
gewöhnlich vierzählige Blüthen, jedoch ausnahmsweise auch 5 zählige (bei
P. Tormentilla etwa 4%, bei P. nemoralis ist die erste Blüthe 5 zählig, die
übrigen 4zählig); die fünfblätterigen Corollen sind stets anormal unregel-
mässig durch Vervielfältigung eines Blumenblattes entstanden. Die einen
neuen Spross beginnenden Blätter sind bei beiden Arten fünfzählig, lang-
gestielt, die folgenden dreizählis, kürzer gestielt; auch die Unterschiede
in den Nebenblättern und in der Grösse der Corollen schwanken; con-
etant zeigte sich bisher nur das Wurzeln der Stengel bei P. nemoralis,
ob dieser Charakter zur Trennung beider Arten ausreicht, liess der Vor-
tragende unentschieden.
Derselbe zeigte vor Epipogium Gmelini vom Zaekenfall, Lycopadium
annolinum spicis pedunculatis, L. clavatum spicis quaternis, eine Pelorie von
Pedicularis silvatica, Drosera rotundifolia auf nassen Felsen bei Schreiber-
hau etc.
Herr Geheimer Rath Göppert legte die bis jetzt erschienenen 6 Lie-
ferungen des Erbario crittogamico italiano vor.
In der sechsten Sitzung übergiebt Herr Klemptnermeister Adler das
Portrait des Herrn Major v. Flotow für die Sammlung der Section.
‚Der Secretär berichtet über die neuesten Briefe des Herrn Regie-
- zungsrathes Wichura bis zum 28. Januar; sie enthalten Schilderungen
‚der. Vegetation ‚von ‚Nangasaki und ‚Umgegend.
6 a
84 "Jahres-Bericht
Herr Oberforstmeister v. Pannewitz legt südamerikanische
Hölzer und Sämereien vor. |
Der Secretär hält einen Vortrag
über die Geschichte der Algenkunde.
Die wissenschaftliche Kenntniss dieser Pflanzen beginnt mit der Epoche
von Adanson und Linn&; die erste Periode, welche das Mikroskop
nur in unvollkommener Weise oder gar nicht benutzte, reicht bis zum
ersten Jahrzehnt des gegenwärtigen Jahrhunderts; durch das Erscheinen
der Arbeiten von C. A. Agardh und Lamouroux wird die zweite Pe-
riode eingeleitet, in welcher das System der Algen vorzüglich auf äus-
sere und Fructifications - Merkmale basirt wird; die Untersuchungen
Kützing’s, Unger’s und Thuret’s im Jahre 1842 bezeichnen den
Beginn der dritten Periode, in welcher die Systematik vorzugsweise auf
die mit Hülfe des Mikroskops gewonnene Erforschung der Anatomie und
Entwickelungsgeschichte begründet wird. Die bedeutendsten Forscher
dieser Epoche, in der wir uns noch jetzt befinden, wurden nach Natio-
nen geordnet aufgezählt.
Derselbe theilt die neuesten Entdeckungen von De Bary über die
Sexualität bei Fadenpilzen mit.
Herr Director Dr. Wimmer hält einen Vortrag über eine im bota-
nischen Garten zu Berlin kultivirte neue Salz, vermuthlich ein Bastard
von Salix cinerea und laurina, welche selbst wieder ein Bastard von $.
phylicifolia und caprea ist; sie erhielt den Namen S. tephrocarpa; der Vor-
trag ist bereits im zweiten Hefte der naturwissenschaftlichen Abhandlun-
gen der Schles. Gesellschaft im Jahre 1861 abgedruckt.
In der siebenten Sitzung am 20. Juni legt der Secretär eine Abhand-
lung des Dr. Milde über die Systematik der Equiseten vor, welche
bereits im zweiten Hefte der naturwissenschaftlichen Abhandlungen für
1861 abgedruckt ist.
Hierauf hält derselbe einen Vortrag
über rothen Schnee.
Bei einem Besuch des Hospizes auf dem Simplon am 20. September 1860
gastlich aufgenommen, richtete ich an den Prior des Hospizes, M. De
l’eglise, die Bitte, im Interesse der Wissenschaft zu geeigneter Jahres-
zeit eine Sendung des auf dem Simplon häufigen rothen Schnees mir zu-
kommen zu lassen. Herr Prior De l’&glise hatte die Güte, am 29. Mai
1861 ein Fläschchen mit dem geschmolzenen Schneewasser zu übersen-
den; von 3 Kilogrammen des rothen Schnees war der Absatz gesammelt
und mit einer Quantität Wasser in einer gewöhnlichen Medieinflasche ver-
sandt worden. Beim Stehenlassen setzte sich ein gallertartig zusammen-
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 85
hängender Niederschlag ab, der unter dem Mikroskop ausschliesslich (von
einzelnen Steinfragmenten abgesehen) aus den rothen Kugeln des Chla-
mydococeus nivalis Al. Braun (Haematococcus nivalis Ag., Protococcus nivalis
Ag., Sphaerella nivalis Sommerf., Palmella nivalis Hooker, Uredo nialis F.
Bauer) bestand; sie waren von verschiedener Grösse, mit derber Zellen-
membran, im Mittel von 0,0065 W. L. Durchmesser (in der Regel „I;
— 41, W.L., die grössten bis 55 W. L.). Leider war die Flasche bis
an den Hals gefüllt gewesen, und da in der sehr warmen Jahreszeit die
Sendung erst nach ein paar Tagen ankam, so bewies der beim Oeffnen
sich entwickelnde faulige Geruch, dass eine Zersetzung der Chlamydococeus-
Zellen begonnen und eine Wiederbelebung derselben nicht mehr zu hoffen
sei. In der That missglückten alle darauf gerichteten Versuche, obgleich
das faulig gewordene, von Bacterien belebte Schneewasser abgegossen
und durch frisches ersetzt wurde; auch das Einfrieren der Zellen mit
Hülfe künstlicher Kältemischung hatte keinen Erfolg. Ebenso wenig ge-
lang es mir, durch Eintrocknen der rothen Zellen auf Sandsteinbrocken
und nachträgliches Uebergiessen mit reinem Wasser eine Erzeugung von
Schwärmsporen zu erzielen, wie das bei dem COhlamydococcus pluvialis so
leicht gelingt. Es war mir daher nicht möglich, wie ich es mir als Auf-
sabe dieser Untersuchung gestellt, die noch immer nicht gelöste Frage
zur Entscheidung zu bringen, ob die Alge des rothen Schnees von der
des Blutregens specifisch verschieden sei, oder ob nicht vielleicht der
rothe Ohlamydococcus als eine alpine (resp. polare) Alge zu betrachten ist,
welche sich, wie ja von andern Alpenpflanzen bekannt, unter Umständen
auch in den Thälern der montanen Region (hier natürlich nur in Fels-
höhlungen) entwickelt. Ein morphologischer Unterschied der beiden Arten
scheint mir bisher noch nicht erwiesen.
Nach den Mittheilungen des M. De l’&glise findet sich die rothe
Substanz am Simplon in Aushöhlungen und Vertiefungen an der Ober-
fläche des alten abgelagerten Schnees, wo sie Flächen von einigen Qua-
drateentimetern bis in eine Tiefe von 4—5 Centimeter färbt; besonders
häufig ist sie an solchen Stellen im Frühling, nachdem der Schnee einige
Wochen der Sonne ausgesetzt gewesen, ohne dass frischer Schnee gefal-
len ist. Der rothe Schnee lässt nach dem Schmelzen sehr rasch ein pon-
ceaurothes, nach einigen Tagen amaranthfarbenes, gepulverter Cochenille
ähnliches Pulver zu Boden fallen, das sich allmälig in gallertartige Klum-
pen anhäuft. In Folge der weiter fortschreitenden Zersetzung sonderten
sich aus dem rothen Farbestoff der Chlamydococeus-Zellen, der, wie ich
zuerst in „meinen Nachträgen zur Naturgeschichte des Protococcus pluviahs
Kg.“ nachgewiesen, ölartiger Beschaffenheit ist und durch Jod bläulich-
grün bis blau gefärbt wird, bald grosse mennigrothe Oeltropfen aus,
welche allmälig völlig farblos wurden. Es wurde deswegen das Material
zu Präparaten benutzt, welche in der Rabenhorst’schen Sammlung „die
Algen Europa’s“ Dec. XV und XVI unter 1141 ausgegeben worden sind.
86 " Jahres-Bericht
In der Sitzung vom 13. October hielt Herr Dr. Rosenthal einen
Vortrag |
über Nutzpflanzen.
Der Volksinstinet hat schon seit den ältesten Zeiten allerorts eine grosse
Anzahl von Pflanzen zu ökonomischen, technischen, medieinischen und
sonstigen Zwecken iu Gebrauch genommen; es ist nun Aufgabe der
Wissenschaft, zu erforschen, inwieweit dieser Gebrauch sich nach den
Lehren der Chemie, sowie der natürlichen Verwandtschaft rechtfertigen
lasse. Eine sorgfältige Feststellung der in Gebrauch genommenen Pflan-
zen erhebt ihre Zahl anf circa 13,000 Species, die sich fast auf alle
natürlichen Familien vertheilen, so dass höchstens von 20 Familien kein
Gebrauch bekannt sei. Der Vortragende erläuterte einige der wichtig-
sten Familien in Bezug auf ihren Gebrauch, indem er dabei das von ihm
herausgegebene Buch: Plantae diagnosticae, systematische Ueber-
sicht der Heil-, Nutz- und Giftpflanzen aller Länder“ zu
Grunde legte, von dem soeben der erste Band bei Enke in Ertangen
erschienen ist.
Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert sprach sich über dieses Werk
des Herrn Dr. Rosenthal in nachstehender Weise aus:
Eine Zusammenstellung aller zu irgend einem Zwecke in den ver-
schiedensten Theilen der Erde gebräuchlichen Pflanzen ist nicht bloss von
botanischem, sondern von allgemein kulturhistorischem Interesse, und zu
bedauern, dass hierin noch so wenig geschehen ist. Angaben dieser Art
erhöhen die Theilnahme an der scientia amabilis und gewähren zugleich
wichtige Aufschlüsse über ethnographische Verhältnisse der Völker. Auch
für den Unterricht erscheinen sie von grosser Bedeutung, von welchem
Gesichtspunkte ausgehend ich schon seit vielen Jahren mich bestrebte,
eine möglichst grosse Zahl lebender Pflanzen dieser Art im hiesigen bo-
tanischen Garten zusammenzubringen, über welche ich vor einigen Jah-
ren eine Schrift: „Die officinellen und technisch wichtigen
Pflanzen unserer Gärten, insbesondere des botanischen
Gartens in Breslau, Görlitz 1857“, veröffentlichte, die wohl als die
zur Zeit vollständigste Sammlung der in deutschen und zum Theil auch
in europäischen Gärten überhaupt vorhandenen Nutzpflanzen anzusehen
ist. An 3000 enthält der hiesige Garten, die auf die in jener Schrift
erwähnte Weise etiquettirt sind, d. h. unter andern auch mit Angabe
ihres Gebrauches, wie ich hier anführe, um hiermit mehrfachen Anfragen
zu genügen, da man endlich auch anderweitig sich von dem Nutzen die-
ser Einrichtungen zu überzeugen anfängt und Aehnliches einzurichten
gedenkt.
Der Verfasser des vorliegenden Werkes hat sich ein umfangreiche-
res Ziel gesteckt, nämlich eine am Eingange erwähnte Zusammenstel-
lung aller bekannten Nutzpflanzen im weitesten Sinne des
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 87
Wortes zu liefern, wodurch — wir wiederholen es nochmals — einem
wesentlichen Bedürfniss entsprochen wird. Wer selbst sich mit
Arbeiten solcher Art beschäftigt hat, wird am besten wissen, welchen
Fleiss sie erfordern und mit welchen Schwierigkeiten man zu kämpfen
hat, wenn nicht Bibliotheken zu Gebote stehen, die sich keine Anschaf-
fungen versagen dürfen. Dazu kommt noch bei den reissend schnellen
Fortschritten der Wissenschaft das Bewusstsein, im Augenblicke des Druk-
kes sich auch schon zu Nachträgen bereit halten zu müssen, wie dies
_ freilich Verfassern systematischer Werke heut nicht besser geht, denen
auch niemals das Prädicat „vollständig“ zu Theil werden kann. Der
Herr Verfasser hat es an Fleiss nicht fehlen lassen und verdient in der
That, nach Maassgabe der bereits vorliegenden Arbeit, Aufmunterung und
Unterstützung, um sie zu Ende zu führen und unserer Literatur ein in
vieler Hinsicht so erspriessliches Werk zu verschaffen, zu dessen Bear-
beitung sich nicht oft, wie die Geschichte derselben zeigt, ein hierzu Ge-
eigneter bereit finden lässt. Eine Angabe sämmtlicher Quelleu dürfen
wir wohl am Schlusse des Werkes erwarten, dem ein sorgfältiges Re-
gister nicht fehlen wird.
Hierauf hielt der Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert einen Vortrag
über die Familie der Cycadeen, mit Rücksicht auf Miquel’s Prodromus.
Im hiesigen Garten werden 20 Arten kultivirt, während überhaupt etwa
51 jetzt lebende bekannt sind; viel zahlreicher ist diese Familie in frü-
heren geologischen Epochen von der permischen bis zur Tertiärperiode
vertreten in circa 150 Arten.
' Derselbe machte nachfolgende Mittheilung
über das Verhalten einer Mimosa pudica während des Fahrens.
Am 28. Juli 1861 unternahm ich mit meinen Herren Zuhö-
rern eine Excursion zu Wagen nach dem 5 Meilen von hier entfernten
Zobtenberge, einer aus granitischer Umgebung sich erhebenden Gabbro-
Kuppe von 2200 F. Höhe. Zu unserer Begleitung wählten wir eine
lebenskräftige, 2 F. hohe, mit 7 ganz gesunden und entwickelten Blättern
versehene Topfpflanze von Mimosa pudica, welche in den Topf so befestigt
war, dass der Zusammenhang ihrer Wurzeln mit der Erde nicht gestört
werden ‘konnte. Darauf wurde sie in eine oben und an einer Seite
offene Kiste gesetzt, in der sie sich völlig frei zu bewegen vermochte,
und nun von. uns Allen, in specie von Herrn Stud. med, Bock, der das
Protocoll führte, beobachtet. Als sie um 5 Uhr auf den Wagen kam,
war sie noch im nächtlichen Schlaf befangen. Erst um 5 Uhr 50 Min,
nachdem wir also eine halbe Stunde auf einer guten Chaussee gefahren
‚waren, fing das unterste der gefingert-gefiederten Blätter an, sich zu
öffnen, dann nach 10 Minuten das 2te, und so allmälig, in strenger Rei-
88 Jahres-Bericht
henfolge von unten nach oben fort, so dass, mit Ausnahme eines wäh-
rend der Fahrt verletzten Blattes, um 6 Uhr 75 Minuten alle geöffnet
waren. Um diese Zeit wurden sie während der Fortdauer der Fahrt
sämmtlich berührt und dadurch zum Zusammenfalten und zur Herunterbeu-
gung der Blattstiele gebracht; jedoch schon nach einer Viertelstunde be-
gannen sie sich wieder zu öffnen, und nach %, Stunden (7 Uhr 50 Min.)
waren sie alle in dem früheren wachenden Zustande. Bald darauf ver-
liessen wir in Mörschelwitz die Chaussee und fuhren fortan auf einem
schlechten, holperigen Wege, worauf sich sämmtliche Blättchen alsbald schlos-
sen und senkten. Nach Verlauf einer Viertelstunde hatten sie sich aber
auch hieran gewöhnt und öffneten sich wieder, unter Beibehaltung der
früheren Empfindlichkeit. Um 94, Uhr langten wir in der Stadt Zobten
‘an, wo sie nın einem und zwar lahmen Träger übergeben wurde und so
uns auf den Berg begleitete. Nur 20 Minuten blieb sie im Zustande des
Schlafes, dann hoben sich die Blattstiele, öffneten sich die Blättehen, und
blieben es auch bis zur Ankunft auf dem Berge, die nach 1), Stunden
erfolgte. Das Herabsteigen ertrug sie ebenfalls auf gleiche Weise, und
auch die härteste Prüfung, das 2stündige Fahren auf einem gewöhnlichen
Leiterwagen, mit dem wir Abends 7', Uhr wieder in Zobten eintrafen;
jedoch dauerte es hier eine halbe Stunde, also ungleich länger als früher,
offenbar in Folge der heftigen und ungleichen Erschütterungen des unbe-
quemen, auf schlechtestem Wege fahrenden Wagens, Um 7 Uhr, die
gewöhnliche Zeit des Schlafens, schlossen sich sämmtliche Blättchen bei
ziemlich horizontaler Lage der Blattstiele, der gewöhnlichen Schlaflage.
Nachts 14, Uhr kamen wir wieder in Breslau an. Am andern Morgen
erwachte sie wie gewöhnlich um 5, Uhr und blieb auch die nächste
Zeit vollkommen reizbar und gesund.
Nach gefälliger Mittheilung des Herrn Prof. Dr. Galle war der
Gang der Temperatur auf hiesiger Sternwarte an jenem Tage folgender:
1861. | R.
Juli 27., 10 Uhr Abends + 16%3,
28, 6 „ Morgens + 13,6,
10.55 " + 20
2 ,„ Nachmitt.e -+ 22,5,
6 2) + 22,5,
10 ,, Abends + 12,6,
Minimum + 12°, welches etwa der Morgentemperatur um 4 Uhr ent-
sprochen hätte, so dass für 5 Uhr die Temperatur auf + 12,8 zu
schätzen ist. Nachmittags 5 Uhr Gewitter mit Regen und einem orkan-
artigen Sturm, in Folge dessen eine Erniedrigung von 10°. Von dem
Gewitter wurden wir nach dem Herabsteigen vom Berge gegen 4, Uhr
auch ereilt, doch gelang es, unsere Pflanze vor dem Regen zu schützen.
Wir dürfen übrigens annehmen, dass die Temperatur in dem überhaupt
der Schles. Gesellsch, £, vaterl. Cultur. 89
etwas höher gelegenen Versuchsterrain, abgesehen von dem Gipfel des
Berges, etwa 1 Grad geringer war.
Es ergiebt sich also aus diesem Versuche:
1) dass sich die Mimosa pudica an Erschütterungen ge-
wöhnt, zugleich aber auch eine gradweise Empfind-
lichkeit gegen die Stärke dieser Einflüsse wahrnehmen
lässt, wie die Beachtung des Zeitmaasses lehrt, nach
welchem sich ihre Blättehen — je nach der Stärke der
Erschütterung — wieder öffneten.
2) dass der normale Zustand der Reizbarkeit auch durch
die ungewohnte Lage, in der sich unsere Pflanze be-
fand, nicht verändert wird, und überhaupt auch spä-
ter (bei der Rückkehr in gewohnte Lage) kein nach-
theiliger Einfluss dadurch ausgeübt worden ist.
Uebrigens wird auch von Desfontaines angeführt, dass er einen
ähnlichen Versuch angestellt habe. Er nahm eine Mimosa mit sich in
einen Wagen, worauf sich ihre Blättehen schlossen, allmälig erhoben sie
sich wieder und blieben, der fortdauernden Erschütterungen ungeachtet,
ausgebreitet, ganz so wie in dem von mir angestellten Experimente. Wie
lange Zeit Desfontaines seinen Versuch fortsetzte, ist mir im Augen-
blick nicht bekamnt.
Derselbe legte die neuesten Lieferungen V— XII des Erbario
crittogamico Italiano vor, welche von dem erfreulichen Fortschritte
dieser splendiden Sammlung, trotz der bewegten Zeit, Zeugniss geben.
In der Sitzung vom 31. October legte der Secretär, Professor Dr.
Cohn, ein von Herrn Kaufmann Müller mitgetheiltes prachtvolles
Blatt, sowie einen blühenden und reifen Kolben von Monstera
Lennea (Philodendron pertusum) vor; die süss-aromatischen Beeren lassen
beim Genuss einen kratzenden Nachgeschmack zurück, welcher von zahl-
losen, beiderseits in scharfe Spitzen auslaufenden, stark verdickten, lan-
gen, bastähnlichen Zellen herrührt, die, zum Theil verzweigt, das saftige
Parenchym durchsetzen, am zahlreichsten in dem oberen, deckelartig sich
ablösenden Theil der Beere. Aehnliche bastartige Zellen durchsetzen
auch das Parenchym-Gewebe des Stammes und der Blattstiele.
Herr Müller theilte die Beobachtung mit, dass die Blüthenscheide
der Monstera vor dem Aufblühen vom Licht abgekehrt sei, sich aber nach-
her durch Drehen des Blüthenstengels dem Lichte zuwende, so dass nun-
mehr der blühende Kolben vom Licht abgekehrt sei.
Der Secretär, Prof. Dr. Cohn, hielt sodann einen Vortrag über
die Vegetation des Landes und Meeres von Helgoland,
wo derselbe einen Theil der Herbstferien verlebt hatte. Nach einer
Skizze der allgemeinen geognostischen Verhältnisse gab er eine Ueber-
90 Jahres-Bericht
sicht der Phanerogamenflora auf der Insel und Düne. Wenn im. Allge-
meinen die Vegetation solcher im Meere isolirter Punkte ein hohes pflan-
zengeographisches Interesse besitzt und ihre Untersuchung in der That in
neuerer Zeit manchen interessanten Aufschluss über Urheimath und Wan-
derung der Pflanzen gegeben hat, so bietet die Flora von Helgoland nur
insofern ein negatives Interesse, als sie, mit Ausnahme einer kleinen Zahl
von Strandpflanzen, welche ohne Zweifel das Meer angespült hat, aus-
schliesslich aus solchen Gewächsen besteht, von denen wir annehmen
dürfen, dass sie der Mensch mit oder ohne Absicht auf die Insel gebracht
hat, also aus angebauten und aus Ruderalpflanzen oder Unkräutern. Klima
und Boden begünstigen hier ausserordentlich das Verwildern aller mit Absicht
oder Zufall eingeführten Gewächse, wie die überall verwilderten Getreide-
arten, Ringelrosen, Kohlpflanzen ete. beweisen; die letzteren, welche
namentlich am Felsen üppig vegetiren, für autochthon zu halten, fehlt es.
durchaus an ausreichenden Gründen; höchstens liesse sich Brassica olera-
cea als Strandpflanze des nordwestlichen Europa’s betrachten.
Diese pflanzengeographischen Thatsachen machen den oft behaupte-
ten ehemaligen Zusammenhang Helgoland’s mit dem Festlande in hohem
Grade unwahrscheinlich, Nach Hallier’s Zusammenstellung der Pflanzen
von Helgoland zählen wir daselbst eirca 172 phanerogamische Arten, unter
denen die Gramineae 35 (5), Compositae 28 (4), Leguminosae 12 (77);
ae 11 (5), Chenopodiaceae und Polygoneae 8 (34), Umbelliferae 6
59), Boragineae, Solaneae, Ranunculaceae, Caryophylleae 5 (35), Junceae, Plan-
ae Personatae, Stellatae, Papaveraceae 4 (z/;) ausmachen, die Cyperaceae
und Labiatae sind durch 3, Crassulaceae, Malvaceae, Euphorbiaceae, Gerania-
ceae, sowie Moose und Flechten durch 2, Urticeae, Eleagneae, Armeriaceae,
Convolvulaceae, Primulaceae, Violarieae, Ampelideae, Onagrarieae (?), Rosaceae
durch 1 Art vertreten, die übrigen Pflanzenfamilien fehlen oder sind nur
in Gärten vorhanden; alle bloss cultivirten Arten sind in Zusam-
menstellung übergangen.
Das Klima von Helgoland ist rauher, als man in Folge seiner west-
lichen Lage vermuthen sollte; zwar zeigt es in eminentem Grade die
Eigenthümlichkeiten des Seeklima’s durch kühlen Frühling und Sommer,
milderen Herbst und Winter, wie durch seine Stürme, welche Baum-
wuchs, ja die Cultur eines grossen Theils der Hochfläche verhindern;
doch ist die mittlere Jahrestemperatur nach den Beobachtungen auf dem
Leuchtthurm von Friederichs nur = 7,4° C., die Temperatur des Winters
1,7°, des Frühlings 4,70, des Sommers 14,1°, des Herbstes 8,6° C.; die
des wärmsten Monats (August) = 15,3°, des kältesten (Januar) — 0,7°
C. Die mittlere Jahrestemperatur ist also geringer, als die von Bremen
und Berlin (9°), der Sommer sogar nur so warm als in Archangel (13,9 °),
Uleaborg (14,3°), kälter als in Petersburg und Christiania (15,9°), der
Herbst gleich dem von Breslau, der Winter gleich dem von Würzburg
und la Rochelle, dagegen weit rauher als das 3° nördlicher gelegene
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 9
Edinburg (3,5% C.), welches auch weit milderen Frühling (7,£°), aber
etwas kühleren Sommer und Herbst besitzt.*)
In Bezug auf die Vegetation des Meeres, welche, mit Ausnahme des
Seegrases (Zosiera), ausschliesslich aus Algen bes:eht, bemerkte der Vor-
tragende, dass daselbst nach einer aus den Angaben in Kützing’s Spe-
cies Alyarum gemachten Zusammenstellung gegen 200 Arten, darunter
4 Florideen, gefunden seien, über welche er sich speciellere Mittheilnn-
Bi vorbehielt,
Für das Studium der Algen bietet bekanntlich Helgoland den gün-
stigsten von allen Punkten an der deutschen Küste, den einzigen näm-
lich, dessen Boden aus Fels besteht und daher die Ansiedelung einer
zahlreichen Algenflora begünstigt, ausserdem aber auch durch den täg-
lichen Wechsel von Ebbe und Fluth in weiten Erstreckungen dem For-
scher zugänglich gemacht, bei Springzeit und Ostwind sogar in meilen-
weiten Riffen entblösst wird und dann mit Leichtigkeit die seltensten
Arten in ihrem natürlichen Wachsthum, ja mit Hülfe des Auster- und
Hummernetzes auch die Formen der Meerestiefe einsammeln lässt, wäh-
rend die übrige Küste der deutschen Nordsee aus unfruchtbarem Sand
besteht, Adria- und Mittelmeer dagegen der Ebbe entbehren, so dass der
Forscher hier nur auf den zufälligen Fund nach Stürmen und auf das
Schleppnetz angewiesen bleibt.
Zur Erläuterung wurde eine Sammlung von Phanerogamen und Algen
sowie stereoskopischer Ansichten von Helgoland vorgelegt.
Herr Lehrer Adamy legte einige amerikanische Pflanzen vor, und
Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert theilte erfreuliche Nachrichten über
den Gesundheitszustand des Dr. Milde, z. Z. in Meran, mit,
‘In der Sitzung vom 28. November sprach Herr Dr. Stenzel
über schlesische Schmarotzerpflanzen, insbesondere den Fichtenspargel
(Monotropa Hypopitys).
_Veranlasst durch die grosse Wandelbarkeit in der Zahl der Blüthen-
theile, hatte der Vortragende es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst
zahlreiche Exemplare des Fichtenspargels zu untersuchen, um über die
*) Obige Betrachtungen begründen sich auf die Beobachtungen am Leucht-
thurm, die ich jedoch nur von 3 Jahren, 1849—1851, benutzen konnte; es ist dabei
auch die beträchtliche Höhe des Leuchtthurmes über dem Meere und seine expo-
nirte Lage zu berücksichtigen; das gegen den Nordwest geschützte Unterland hat
ohne Zweifel ein weit milderes Klima und würde wohl, gleich den englischen In-
seln, die Kultur zahlreicher immergrüner Gehölze gestatten. Auch bemerke ich,
dass Oetker in seinem Buche über Helgoland etwas andere Zahlen angiebt, in-
dem er sich auf Beobachtungen von 1849 —53 stützt. Danach wäre die mittlere
Jahrestemperatur 6,45° R. (8,03° €.), des Winters 1,9° R. (2,4° C.), des Frühlings
4,06° R. (5,07° C.), des Sommers 12,03° R. (15,04° C.), des Herbstes 7,84° R.
(9,8° C.), des August 12,78° R. (15,9° C.), des Januar 1,170 R. (1,2° C.).
92 Jahres-Bericht
Beständigkeit der Gattungs- und Artmerkmale in’s Klare zu kommen. Es
wurden dabei auch die übrigen Theile der Pflanze berücksichtigt, und
danach eine Schilderung derselben gegeben, wobei besonders der Ueber-
gang der Bracteolen in Kelchblätter und deren allmäliges Schwinden von
unten nach oben, die herrschende Zahl der Blüthentheile in den Seiten-
und Endblüthen (wenig über die Hälfte der Endblüthen war fünfgliede-
rig, die übrigen meist viergliederig) hervorgehoben wurde.
Nach diesen Beobachtungen lässt sich 1) die Unterbringung dieser -
Art in der 10. Klasse bei Linn& nicht rechtfertigen, 2) dagegen ist die
Gattung Hypopitys Nutt. unhaltbar, und es scheint am natürlichsten, sie
wieder mit Monotropa Linne zu vereinigen.
In Beziehung der Schmarotzernatur der Pflanze wurden zunächst die
einheimischen Schmarotzer in zwei Abtheilungen gebracht: 1) in solche,
die selbst (mit ihrem Stengel) in die Nährpflanzen eindringen (die 6. und
9. Form bei Unger, über Parasiten, Orobanche, Viscum); 2) solche, die
mit ihren Wurzeln sich an andere ansaugen (die 5. und 8. Form bei
Unger: Lathraea, Cuscuta). Hieran schlossen sich einige Bemerkungen
über den Parasitismus der pflanzenbewohnenden Flechten.
Unter welche Gruppe AMonotropa gehöre, muss noch unentschieden
bleiben, da ein wirklicher Zusammenhang mit einer Nährpflanze nicht
nachgewiesen, nach eigenen Beobachtungen sogar unwahrscheinlich ist.
Dagegen vermehrt der Fichtenspargel sich 1) regelmässig durch so-
genannte Adventivsprosse aus einer dünnen, horizontalen, mit vielen
Aesten besetzten Wurzel (nicht Wurzelstock!) und 2) zuweilen durch
Sprosse aus den Achseln der unteren Stengelblätter (Schuppen), deren
Axillarknospen gewöhnlich unentwickelt bleiben. Die erste, sehr sonder-
bare Erscheinung erinnert an ähnliche bei Viscum (Unger), Anemone_ sil-
vestris (Thilo, Irmisch) und Opkioglossum vulgatum, über dessen Wurzel-
sprosse in einer früheren Sitzung ausführliche Mittheilung gemacht wor-
den war.
Der Secretär berichtet über den Fortgang der zum Schutze gegen
Inseetenfrass vorgenommenen Sublimatisirung des Henschel’schen
Herbariums; es wurden durch Herrn Pharmaceut Ilgner im Jahre
1861 circa 8800 Nummern vergiftet, so dass nunmehr eirea 33,000 Num-
mern, etwa die Hälfte der Phanerogamen, geschützt sind. Die Section
beschliesst die Fortsetzung dieser nothwendigen Arbeit im künftigen
Jahre.
Herr Dr. Hodann theilt mit, dass Herr Peek, Inspector des Mu-
seums der naturforschenden Gesellschaft in Görlitz, auf der Landskrone
eine für Schlesien neue Pflanze, Artemisia scoparia, aufgefunden habe,
die daselbst seit langer Zeit und in grosser Menge, vermuthlich auf die
Dauer, sich angesiedelt habe,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 93
Derselbe legte vor: 1) Asplenium germanicum (Breynii) vom Katzen-
stein bei Seidenberg (Kreis Lauban), in Gesellschaft von A. septentrionale
und Ruta muraria; 2) Aspidium aculeatum, von der Landskrone in mehre-
ren Varietäten (lobatum, Plukenetti und eine Form mit sehr lederartigem
Laube und tief eingeschnittenen Fiedern); 3) fruchtende Wedel von Aspi-
dium Braun; 4) die interessante Cystopteris sudetica Milde et A. Braun,
auf dem unteren Drittheile des Leiterbergs (vom Waldenburger Wirths-
hause aus), links von dem Wege nach dem Altvater.*)
In der Sitzung vom 12. December übergab Herr Geh. Rath Prof.
Göppert nachstehenden Bericht
über die neuen Anlagen im hiesigen botanischen Garten.
Mit der Verbesserung der Wasserverhältnisse ist, Dank der Unter-
stützung des Hohen Staatsministeriums und eifriger Verwendung Sr. Exc.
des Herrn Curators, durch Räumung des Hauptgrabens ein erheblicher
Anfang gemacht worden. Mit der Fortsetzung derselben ist man fort-
dauernd beschäftigt. In sicherer Aussicht steht nun der Umbau des alten
srossen Gewächshauses und der Neubau eines Vermehrungshauses, wel-
ches das Institut schon längst schmerzlich entbehrte.
Ueber zwei neue, zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmte Anlagen
zur Erläuterung der Flora Nordamerika’s und Japan’s, die in so
vieler Hinsicht auch das Interesse des grösseren Publikums beschäftigen,
wollen wir einige ausführlichere Mittheilungen folgen lassen:
1) Die Waldflora Nordamerika’s und die der Tertiär-
formation.
Die jenseits des Wassergrabens liegende Laubholzpartie unseres Gar-
tens ‘besteht zum überwiegendsten Theile aus Bäumen und Sträuchern,
welche in dem nördlicheren Theile der Vereinigten Staaten Nord-
amerika’s etwa zwischen dem 36. und 56. Grade der Breite wild
wachsen, und zwar in einer Zusammensetzung, wie sie die Laubholzwal-
dungen jener Gegenden selbst darbieten, wie sich dies unter andern aus
dem nachfolgenden Verzeichnisse der Bäume und Sträucher ergiebt, aus
denen Prinz Max von Neuwied die Waldungen am Wabasch, einem
Nebenfluss des Ohio, in Indiania (38° n. Br.) zusammengesetzt fand,
welche hier grösstentheils vorhanden sind.
*) Die Oystopteris sudetica ist eine echte Karpathenpflanze, sonst nur aus den
Liptauer Karpathen, Ungarn und Siebenbürgen bekannt; in Schlesien findet sie sich
bekanntlich noch auf dem Wege nach den Hirschwiesen, wo sie Grabowski ent-
deckte, aber mit der ganz verschiedenen C. montana verwechselte, in einem meh-
rere Stunden langen Walde in tausenden von Exemplaren; auch ist sie von Wi-
chura, Uechtritz jun. und mir noch an 3 anderen Stellen im Gesenke entdeckt
worden. Milde.
94 ‚Jahres-Bepicht
Von Ahormmarten: Acer eriocarpum Michx:, Acer Negundo L., Acer
saccharinum L., Acer nigrum Michx., Acer striatum Lam.; dann Amelanchier
canadensis Michx., Aesculus Pavia L., Asimina triloba Dunal.
Von Nussbäumen: Juglans nigra und cinerea L., Carya cathartica, Ca-
rya porcina Nutt., Carya ‚amara Nutt., Carya olivaeformis Nutt., Carya tomen-
tosa Nutt., Carya aquatica Nutt., Carya myristicaeformis Nutt., Carya laciniosa
Loud.; ferner Carpinus virginica L., Celtis crassifolia Lam., Celtis occidenta-
lis L., Cercis canadensis L., Catalpa bignonioides Wdl., Cornus florida L.,
Diospyros virginiana L., Fagus americana Sweet., Fraxinus americana L.,
Fraxinus quadrangulata Mx., Gleditschia monosperma Walt., Gleditschia_ tria-
canthos L., Gymnocladus canadensis Lam., Laurus Sassafras L., Liriodendron
tulipifera L., Liquidambar styraciflua, Morus rubra L., Nyssa sylwatica Lodd.,
Platanus occidentalis, Populus canadensis Ait., Populus tremuloides Michx., Po-
pulus grandidentata Michx., Prunus virginiana L., Pyrus coronaria L.
Von Eichen: Quercus tinctoria W., Quercus alba L., Quercus rubra L.,
Quercus coccinea Wangenh., Quercus !yrata Walt., Quercus macrocarpa Michx.,
Quercus obtusiloba Michx., Quercus ferruginea Michx.; dann Robinia Pseudo-
acacia L.
Weiden verschiedener Art, Tilia americana L., Ulmus americana L.,
Ulmus fulva Michx., Ulmus alata Michz.
Nicht Eichen und Linden, wie bei uns, sondern Wallnussbäume, Pap-
peln und Platanen erreichen dort den grössten Umfang. Von 324 in
Nordamerika wildwachsenden Sträuchern und Bäumen (Asa Gray, Statistic
of the Flora of the northern united States), die zum grössten Theil (an 280
Arten) hier kultivirt werden, sind fast alle Europa fremd; nur 4 Bäume,
den Taxus, die echte Kastanie, die weisse Birke und Weisserle, etwa
15 Sträucher (Juniperus communis, Alnus viridis, Salix herbacea, glauca, reti-
. eulata, Myrsinites hastata und repens, Linnaea borealis, Ligustrum vulgare, Ar-
butus 'Uva ursi, Ledum palustre, Pyrola umbellata, Vaccinium Witis idaea, Oxy-
coccos, Rosa cinnamomea, Rubus arcticus und Spiraea salicifolia) ‚ und 282
krautartige Pflanzen hat'Nordamerika mit Europa ‚gemeinschaftlich. Desto
interessanter ‘ist ‚die überaus grosse Aehnlichkeit, welche Europa’s mitt-
lere und sobere Tertiärflora mit der jetztlebenden des genannten Theiles
von ‘Amerika zeigt, die sogar fast ‚bis zu völliger Identität mehrerer ein-
zelner Arten geht, wie z. 'B. unter andern Platanus occidentalis, Taxodium
distichum u. m. a. Fast alle obengenannten Gattungen und noch viele
andere, hier. nicht aufgeführte sind durch zahlreiche Arten vertreten, so
dass unser Laubholzwald in der gegenwärtigen Zusammen-
stellung nicht nur den Laubholzwäldern Nordamerika’s entspricht, son-
dern auch im Vereine mit der ganz in der Nähe befindlichen Anpflan-
zung 'sämmtlicher amerikanischen Nadelhölzer (Pinus Banksiana Lamb., in-
ops, pungens Mich., resinosa Ait., mitis Mx., rigida Mill,, Taeda, palustris L.,
Strobus, Abies balsamea, Fraseri, canadensis Mx., nigra Poir., ala Mx., Larix
americana Mx., T’huja occidentalis L., Cupressus thyoides L., Taxodium disti-
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 95
chum Mich., Juniperus virginiana, Taxus canadensis, Torrya taxifolia Am.)
zugleich ein treues Bild des einstigen Zustandes jener Waldflora lie-
fert, welche einst zur Zeit der mittleren und oberen Tertiärfor-
mation in unseren Gegenden vegetirte, die sich freilich, wie wir schon
früher nachgewiesen haben, bis in die Polargegenden beider Hemisphären
erstreckte. In sehr eingehender und überzeugender Weise hat unser
Freund F. Unger in Wien alle diese Verhältnisse geltend gemacht, um
die einstige Existenz der sagenhaften versunkenen Insel Atlantis zu be-
‚weisen. |
Die überaus reiche, von uns vor 7 Jahren bei Schossnitz in der
Umgegend von Breslau entdeckte Tertiärflora liefert hierzu die schla-
gendsten Beläge. Durch solche vergleichende Betrachtungen und Grup-
pirungen lässt sich auch in unsern botanischen Gärten die innige Be-
ziehung der Flora der Gegenwart mit der der Vorwelt ver-
sinnlichen, wozu überdies noch in unserer Aufstellung. die zahlreichen
Stämme bituminösen und versteinten Holzes, unter ihnen der grösste der
bekannten, ein Stamm von 36 Fuss Umfang, hinreichend Gelegenheit
geben.
2) Ueber die japanische Flora.
Die in unserem botanischen Garten seit dem Jahre 1854 eingeführte
Aufstellung von Vegetationsgruppen lenkte schon früh meine Aufmerk-
samkeit auf die zu dergleichen besonders geeignete Flora von Japan,
die ich eifrig sammelte und so eine Collection von nahe an 300 Arten
zusammenbrachte, wie sie vielleicht wohl ausser dem v. Siebold’schen
Garten in Leyden, dem wahren Emporium für die japanische Flora, wenig
andere botanische Gärten besitzen. Die Flora Japan’s erscheint durch
die grosse Menge der immergrünen Bäume und Sträucher höchst eigen-
thümlich und muss in der Nähe der grösseren Städte durch die sorgfäl-
tige Cultivirung und Verwendung derselben zu ornamentalen Zwecken
einen reizenden Anblick gewähren. So wird unter andern die prächtige,
auch bei uns jetzt sehr verbreitete japanische Oypresse, Oryptomeria japonica
Don., nebst andern Coniferen zu Alleen benutzt, die sich Meilen weit er-
strecken. Stämme von 150—180 Fuss Höhe und 4—5 Fuss Durchmes-
ser sollen nicht seiten sein. Mit ihr wetteifern andere Coniferen, insbesondere
Abietineen, deren Einführung noch zu erwarten ist. Die niedrigeren Oephalo-
taxus-Arten, O. drupacea, pedunculata 8. et Z., Fortunei Lindl., die wahrhaft
monumentale Oupressus fumebris Endl., mit ia Libocedrus- ee die so abwei-
chenden Formen Podocarpus (P. Koraiana Sieb., P. chinensis Wall), Reti-
nospora squarrosa Sieb., Juniperus japonica, procumbens 8., die schon länger be-
kannte Belis, Torreyanucifera 8. etZ. und Salisburia adiantifoliaSm.*) mit essbaren
*) Eines der grössten Exemplare dieses namentlich als Conifere höchst eigen-
thümlichen Baumes von 14 F. Durchm. und 30 'F. Höhe befindet sich in den schö-
nen ‚Anlagen unsers Mitbürgers, Herrn Commercienrathes Philippi in Scheitnig.
96 Jahres-Bericht
Früchten, bilden eine Hauptzierde unserer, der Flora Japan’s speciell ge-
widmeten Anlagen. Ich versuchte sie mit den dort vorkommenden Pal-
men, Farnen und baumartigen Bambus und Magnolien in eine Gruppe zu
bringen, welche als Vegetationsbild der Flora Japan’s bezeichnet
ist. Von jenen Palmen soll Ohamaerops excelsa wirklich in England im
Freien ausgedauert haben. Rhapis Sjurotsik, aspera und Kwanwon Sieb.,
freilich noch sehr jugendlich, sehen, es lässt sich nicht leugnen, Rhapis
‚Jlabelliformis sehr ähnlich. Von dem längst bekannten Sagobaum, Cycas
revoluta 'Th., dessen Ausführung aus Japan jedoch noch bis auf die neuere
Zeit bei Todesstrafe verboten war, besitzen wir eines der grössten Ex-
emplare Deutschlands, ein weibliches von 6 Fuss Stammhöhe und 14 F.
Dicke, welches 1854 blühte und seit 2 Jahren zwei Kronen bekommt ‘
oder dichotomisch wird. Die zahlreichen Früchte (Samen) entwickelten
sich damals äusserlich vollkommen, waren aber in Folge nicht vorange-
gangener Befruchtung taub, ohne Spur von Embryo. Bambusa aurea
haben wir schon seit mehreren Jahren im Freien gezogen, wo sie 6—8 FE.
hohe goldgelbe Sprossen treibt. Phyllostachys bambusioides erreicht nicht
diesen Umfang; die andern Bambusen, B. nigra und graciks Sieb., wie
alle Bambus-Arten von vielfacher nützlicher Verwendung, sind noch sehr
jugendlich.
Unter den vielen Zierpflanzen verdienen genannt zu werden die 8
Funkia- und zahlreichen Hemerocallis- Arten, das Orontium japonicum, Aspidistra,
Carex japonica L., variegata, die prächtigen Farne: das Oyrtomium falcatum, das
Aspidium Sieboldii, Niphobolus Lingua; die Iris Kämpferi, die 6 Epimedien,
unter ihnen E. Ikariso Sieb., die schon länger bekannte Senecio Farfugium
Koch, Anemone japonica Sieb., Aster Fortune: Lind., die schönen Ligularien (Zx-
gularia cristata, gigantea, Kämpferi oder Tussilago japonica Hort.), Dianthus
japonicus, Lychnis Sieboldii; von Sträuchern die zierlichen Rosen, Rosa rugosa,
die sich als vollkommen hart erwiesen, dann R. Iwara, Hystrix, Fortunei
Sieb., Tamarix sinensis, Jasminum floridum; Hydrangeen: H. involucrata, ja-
ponica, Belzoni Sieb., die Viburna (macrophyllum, maerocephalum, Awabuki Sieb.,
sinense); die zierlichen Weinarten Vitis Tihunbergii, Sieboldii, die Clematis
azurea, patens, Sieboldii, die Weigelien und Deutzien; von immergrünen
Sträuchern ausser den schon länger bekannten Zvonymus japonicus, Mespi-
lus japonica, Elaeagnus pungens, Celastrus Orriza, punctatus, Evonymus alatus,
Marlea platanifolia S. et Zuce., welche mit wenigen Ausnahmen sämmtlich
im Freien ausdauern. Für botanische Demonstrationen erscheinen insbe-
sondere wichtig: die seltenen Familien angehörenden Arten, wie Sterculia
japonica, die Akebia quinata Dec., eine Lardizabalea, und Kadsura japonica
Juss., eine Schizandracea, wie die Helwingia rusciflora W., einzige Art einer
ganzen Familie der Helwingiaceen.
Von Arznei- und technisch wichtigen Pflanzen erwähnen wir
die wegen ihrer Giftigkeit gefürchteten Aconitum chinense und A. autumnale
Sieb., dann Vincetoxicum atratum, japonicum, purpureum Sieb., die Artemisia
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 97
| Moza, A. vulgaris sehr verwandt; Roaburghia; Asarum japonicum; die wachs-
liefernden Ligustrum Ibota*), Rhus succedanea; der Firnissstrauch Rhus ver-
nieifera, der Gallapfelstrauch Rhus Osbeckü; die aromatischen Acorus gra-
| mineus, minimus, pusillus, die Araliaceen (Arulia canescens, edulis Sieb. ete.),
die kletternde Aristolochia Kämpferi, die Sternanispflanzen, Salix Siebol-
' diana, ferner die schöne, bei uns alljährlich Früchte tragende Skimmia ja-
| ponica Th., die Fagara piperita, wie Pfeffer benutzt, die Indigofera Iwafusi
und 1. Dojua, Iodigo-Pflanzen, Ulmus Keaki, eine gefeierte Nutzholzpflanze,
‚ die japanische Feige Ficus japonica Bl., die bittertonischen, höchst zierli-
| ehen Stechpalmen Iler cornuta, furcata, latifolia und Tarajo Sieb., Lonicera
| brachypoda, Rumexr Madaiwo Sieb.; die Nahrungspflanzen der dortigen Sei-
denwürmer Morus Kämpferi und Morus Tokwa; die Papier liefernden
Buddleya Lindleyana, Broussonetia papyrifera Kämpferi und Kazinoki Sieb.,
Daphne papyrifera; die Mutterpflanze der chinesischen Grün’s (Vert de Chine)
Rhamnus chlorophorus Ldl., die Quercus glabra mit essbaren Früchten, die
treffliehen japanischen Spargeln Asparagus japonicus, duleis und Polygona-
| Zum japonicum, die japanische Sassaparille Smilax China var. japonica, das
‚, eigenthümliche Chelidonium japonicum, die sogenannte schwarze Lilie mit
essbaren Zwiebeln Sarana camschatica, das nicht genug zu empfehlende,
bei uns ohne alle Bedeckung ausdauernde Polygonum Sieboldü (cuspidatum
Sieb. et Zuce.), dessen Blätter als Spinat gegessen werden, das aber eine
noch grössere Bedeutung als Futterkraut in Japan besitzt und auch bei
, uns erreichen könnte, wenn es gelänge, es weiter zu verbreiten. Jeder
Sprosse der weithin kriechenden Wurzel liefert eine Pflanze, die im 2ten
‚, Jahre sehon einen grossen, 8—10 Fuss hohen Busch liefert, und so auch
‚, als eine der schönsten Zierden für Rasenplätze in Gärten und Anlagen
Beachtung verdient. Die von Siebold eingeführte Yams-Wurzel Dio-
scorea opposita können wir zwar von der vor einigen Jahren als Surrogat
‚ der Kartoffel empfohlenen D. Batatas Decaisne nicht unterscheiden, beide
aber nicht genug in Erinnerung bringen. Eine Pflanze, die aus
| wenige Gran wiegenden Knöllchen im zweiten Jahre schon
1 bis 2 Pfund schwere, an Nahrungsstoff überreiche Knol-
len liefert, wie wir vielfach beobachtet haben, verdient der Verges-
senheit nicht übergeben zu werden, und nicht bloss auf unsern Aeckern,
sondern vorzugsweise, da sie auf jedem Boden gedeiht, auf den vielen
Plätzen angebaut zu werden, die man mit dem Namen Unland bezeich-
net, woran es leider, wenn man die weiten unbenutzten Anger unserer
Dörfer sieht, nicht gebricht. Sie bedarf keiner andern Pflege, als eini-
ges Strauchwerk, um ihren windenden Stengeln Ausbreitung zu verschaf-
fen; alle freien Waldstellen, alle Wege und Pfade, Anger und Mauern
*) Auf dieser Pflanze lebt das wahre Wachsinsect (Asiraea cerifera), welches
‚ zuerst von Macartney in China und Japan beobachtet wurde.
> au
98 Jahres-Bericht
werden nach Siebold von den Japanern zu ihrer Cultur benutzt; warum
sollte dies nicht auch bei uns geschehen können? Wenn man die Knolle
im Boden lässt, nimmt sie von Jahr zu Jahr an Grösse zu, und kann so
im Fall der Noth benutzt werden, um augenblicklichem Erforderniss zu
genügen. Die süssen Bataten, Ipomaea Batatas, scheinen sich dagegen
weniger zu allgemeiner Einführung zu eignen. Ueber andere jährige
Nutzpflanzen behalten wir unser Uriheil uns noch vor, erwarten jedoch
für unsere Culturen nicht allzuviel davon. Die auch von Siebold ein-
geführten Kletten, Arctium edule (unserer Meinung nach nicht verschieden
von Arctium majus), und Salat, Lactuca Tsitsa (eine gute Art) entsprechen
nicht recht unserem Geschmacke. Veitch, dem wir die neuesten Mit-
theilungen über die Flora Japan’s verdanken, äussert seine Verwunderung
über die Geschmacklosigkeit der meisten japanischen Gemüse, und ist
geneigt, dies dem zu starken Düngen zuzuschreiben, beklagt sich auch
über die Seltenheit von Obst, für dessen Veredelung wenig geschehen
sei, obschon sich das Land wie kein anderes zur Cultur desselben eignet.
Inzwischen haben wir nicht verfehlt, uns alle bis jetzt eingeführten Arten
zu verschaffen, wie die sehr empfohlenen Armeniaca Mume, praecocissima,
pendula und virgata Sieb., und die Apfelarten Pyrxs Kaido, floribunda, Ringo
und Toringo, die sehr verschieden aussehen, aber in ihrem noch sehr
jugendlichen Zustande sich jetzt natürlich noch nicht beurtheilen lassen, übri-
gens aber unsern soeben vergangenen Winter bei mässiger Bedeckung
ertragen haben.
Weitere Mittheilungen dürfen wir wohl von unsern Reisenden er-
warten, wenn sie sich werden dazu veranlasst sehen können, was wir in
ihrem eigenen Interesse lebhaft wünschen, da sich gleichzeitig mit ihnen
in Japan höchst gewandte und unterrichtete Sammler befinden, die nicht
verfehlen, schon jetzt ihre Entdeckungen zu veröffentlichen.
Der Secretär, Prof. Cohn, theilte im Auszuge die Resultate seiner
diesjährigen Untersuchungen über die contractilen Gewebe im Pflan-
zenreich, insbesondere an den Staubfäden der Cynareen, sowie über
die Zellmembran des Tunikatenmantels mit, welche im nächsten Hefte der
naturwissenschaftlichen Abhandlungen publieirt werden sollen.
Herr Stud. R. v. Uechtritz machte folgende Mittheilungen
über einige von ihm entdeckte, für Schlesien neue Pflanzen.
Mitte October dieses Jahres hatte ich Gelegenheit, mich mehrere
Tage in der Umgegend von Trachenberg aufzuhalten, und benutzte die-
selbe, die Vegetation dieser, in botanischer Hinsicht noch wenig bekann-
ten Gegend unserer Provinz zu erforschen. Ungeachtet der ungünstigen
Jahreszeit hatte ich das Glück, für unsere Flora zwei neue Pflanzen auf-
zufinden. Die eine, den Juncus diffusus Hoppe, hatte ich schon längst ver-
muthet, da sie ein Bastard zweier, in der Ebene fast überall gemeiner
Arten, des J. glaucus und J. efusus ist, aber früher nie finden können, |
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 99
obwohl ich in der Umgegend von Breslau schon öfter derselben nachge-
spürt hatte. Bei Trachenberg findet sich der J. difusus an den Rändern
eines Fischteiches beim Dorfe Radziunz, der von den Aeltern in zahllo-
‚, ser Menge eingefasst wird, hin und wieder in grossen Rasen. Der Tracht
nach steht dieser Bastard dem J. glaucus näher und trägt auch, wie die-
ser, am Grunde der Halme schwarzrothe, glänzende Scheiden, unterschei-
det sich aber leicht durch den grasgrünen, nicht meergrünen, und feinen,
gerippten Halm, der seiner ganzen Länge nach ununterbrochen mit lok-
| kerem Marke angefüllt ist.
Von J. efusus unterscheidet er sich leicht durch den stärker gestreif-
ten Halm, das dunkler gefärbte Perigon, sechs Staubgefässe und die
schwarzrothen Scheiden.
| Während J. glaucus und efusus um diese Zeit reichlich reife Kapseln
‚trugen, zeigten alle Rasen des unter ihnen wachsenden J. difusus durch-
‚ aus keine dergleichen.
| Unter diesen zahlreichen Juncusrasen nun fand ich an derselben Lo-
Ä kalität bei Radziunz eine gleichfalls für die Provinz neue Pflanze, deren
Vorkommen bei uns ich um so weniger erwartet hätte, als dieselbe allen
‚ Nebenländern fehlt und erst in weiter Entfernung, bei Erlangen und im
' südliehen Ungarn, auftritt, Es ist dies der sonderbare Scirpus mucronatus L.
Mit keiner unserer einheimischen Seirpusarten verwandt, erinnert der-
‚ selbe einigermaassen durch sehr stark dreikantigen Halm an den $. tri-
‚ queter, unterscheidet sich aber leicht von diesem durch die faserige, nicht
‚ kriechende Wurzel, durch die sämmtlich sitzenden Aehrchen, den ober-
‚halb des Aehrehens bei der Fruchtreife wagerecht zurückgeschlagenen,
‚nicht steif aufrechten Halm, durch die blattlosen Scheiden, durch 3 Nar-
‚ ben (S. triqueter hat nur 2) und die dreieckige Gestalt der querrunzeligen,
| nicht glatten Nüsschen.
Der S. mucronatus findet sich anderweitig in der Türkei, Griechenland,
| Dalmatien, Südungarn, in Portugal und en, im mittleren und südli-
‚ chen Frankreich, in der Bohne und im südlichen Deutschland, beson-
‚ ders jenseits der Alpen in Tyrol und Krain; jenseits der Alpenkette ist
er nur noch an wenigen und weit von einander entfernten Orten beob-
‚ achtet worden an einer Stelle bei Erlangen, ebenso bei Cannstadt in
| Würtemberg und auf einer nassen Wiese bei Baden; er ist also vorzugs-
weise eine Pflanze des südlicheren Europa, deren Vorkommen bei uns
jedenfalls höchst merkwürdig ist und ganz vereinzelt dasteht, indem, wie
ich schon vorher bemerkte, er noch in keinem Nachbarlande beobach-
tet wurde. Der sschlesische Standort ist ausserdem der nördlichste bekannte, —
| Eine andere Novität für Schlesiens Flora ist der Bromus serotinus
| Beneken;, den ich im Juli 1859 zwischen Gesträuch an den Kalk-
‚öfen zwischen Silberberg und Neudorf in Gesellschaft des nahe
| verwandien B. asper auffand. Von diesem unterscheidet er sich durch die
behaarten, nicht kahlen oberen Blattscheiden, durch die grössere, weit-
\ ”
BEE
100 Jahres-Bericht
läuftige Rispe, deren untere Aeste weit auseinandergespreizt (nicht genä-.
hert wie bei 2. asper) sind. Zudem stehen bei B. serotinus auch die unte-
ren Rispenäste nur zu zweien, nicht, wie bei B. asper, zu mehreren (3—
5). Bei letzterem tragen immer einer oder zwei dieser Aeste nur ein
Aehrchen, was bei B. serotinus nie der Fall ist; bei diesem sind stets beide
Aeste mehrblüthig und ziemlich von gleicher Länge, bei B. asper ist immer
einer weit länger, als der andere. Ausserdem sind die Klappen der Aehr-
chen bei B. serotinus alle kahl, während bei B. asper die oberen Spelzen
am Rande längs der Seitennerven mit Wimpern besetzt sind.
Die schlesischen Exemplare stimmen genau mit einem durch Beck
erhaltenen, vom Autor selbst herrührenden Exemplare von Naumburg a.
d. S. überein. Ausser in Thüringen, wo diese Art an mehreren Orten
gefunden wurde (ich selbst fand sie 1860 auch um Jena), ist sie bisher
noch nach Garcke’s neuester Auflage seiner Flora von Nieder- und Mit-
tel-Deutschland bei Wernigerode am Harz, bei Lippstadt in Westphalen
und bei Nauen und Neustadt-Eberswalde in der Mark beobachtet worden;
in unserem Vorgebirge findet sie sich jedenfalls noch an ähnlichen Orten
und ist gewiss auch anderwärts als B. asper angesehen worden; indessen
scheint sie bei uns doch selten zu sein, da ich seit zwei Jahren, alles
Nachsuchens ungeachtet, keinen weiteren Standort in unseren Sudeten aus-
mitteln konnte. —
Die Gegend von Neudorf hinter Silberberg scheint, soweit ich bei
einer flüchtigen Durchsuchung entnehmen konnte, überhaupt ziemlich reich
an seltenen Phanerogamen zu sein. In den Felsen eines mitten im Dorfe
liegenden Kalkbruches wächst Melica ciliata in zahlloser Menge mit Salvia
verticillata, in den anstossenden Gebüschen Viola collina, Arabis hirsuta, Lo-
nicera Xylosteum, Anthemis tinctoria, Origanum; von Tragopogon major fand
ich nur ein Exemplar. Im Dorfe an einem Bache wächst Mentha gentilis
und auf den Wiesen gegen Rothwaltersdorf Cirsium palustre und oleraceum
rivulare zahlreich unter den Aeltern. |
Ferner wurden vorgelegt zwei neue Bromusarten: Bromus commulatus.)
Schrad. von Gr.-Stein und Gogolin O.-S. 1857, durch Aussaat am Kratz-.
buschdamm bei Breslau 1860; B. patulus MK., am Lehmdamm bei Breslau.
Herr Director Wimmer legte vor Herniaria hirsuta, von Hrn. Berg-
exspectant Langner bei Tarnowitz entdeckt.
Derselbe sprach über Weidenbastarde, die aus der Vermi-
schung von 3 Arten, durch Befruchtung eines Bastards von einer dritten
Art hervorgegangen, von Wichura durch künstliche Befruchtung erzeugt |
worden sind. Dass solche auch in der Natur vorkommen, beweisen: die
vorgelegten Formen von Salix purpurea-repens-cinerea, von. Lilienthal bei
Breslau, viminalis-repens-cinerea, von Driesen durch Lasch und in Tilsit
durch Heidenreich entdeckt. de I
der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur. 101
Derselbe hielt einen Vortrag über Salix grandifolia Seringe,
welche er als eine Parallelart zu S. silesiaca bezeichnete, die, obwohl
dureh gute Merkmale geschieden, sich doch in einem analogen Formen-
kreis bewege; beide Arten scheinen von einem gemeinschaftlichen Cen-
trum (etwa Siebenbürgen), die eine nach Nord-Westen (Karpathen, Su-
deten), die andere nach Westen (Alpen) ausgegangen.
In der hierauf folgenden Wahl wird der bisherige Secretär für die
Etatszeit 1862/63 wiedergewählt.
EFT:
Bericht
über die
Thätigkeit der medieinischen Section der Schlesischen Gesell-
schaft im Jahre 1861,
abgestattet von
Prof, Dr. Aubert,
aeltigem Secretair der Sectiom.
lste Sitzung am 1. Februar.
1) Herr Privatdocent Dr. Klopseh macht Mittheilungen über ortho-
pädische Erfahrungen, namentlich über die günstige Wirkung des Gyps-
verbandes bei genu valgum und pes valgus, und zeigt mehrere neue ortho-
pädische Apparate vor.
2) Herr Dr. Stadthagen aus Canth spricht über Kristeller’s
Tokometer, einem Instrument, mittelst dessen die Stärke des Zuges
bei Entbindungen mittelst der Zange bestimmt werden kann. Derselbe
theilt dann als Beitrag zu den Beobachtungen über Erstickung durch”
Lampenruss (Nusser) einen Fall mit, in welehem ein Kanarienvogel durch
starke Russbildung in einem Zimmer erstickt ist. Danu bespricht der-
selbe eine von ihm ausgeführte Bruchoperation, bei welcher die Erschei-
nungen der Darmeinklemmung vorhanden waren, der Darm sich aber bei
der Eröffnung des Bruchsackes nur an die Bruchpforte angelegt zeigte,
ohne wirklich eingeklemmt zu sein, und von selbst zurückging; es er-
folgte Heilung.
2te Sitzung am 22. Februar.
Herr Dr. Pinoff hält einen Vortrag über die hydropathische Be-
handlung des akuten Gelenkrheumatismus.
Von 64 Kranken litten 24 an Rheumatismus einzelner Gelenke, die
übrigen 40 an Rheumatismus mehrerer Gelenke. Von jenen waren die
04 Jahres-Bericht
meisten ohne jede Schwierigkeit innerhalb 6, 8, 14, 21 Tagen, von die-
sen 6 mit Herzcomplication, 1 Fall mit Gehirncomplieation verlaufen.
Drei Kranke sind nach Verlauf von 8 und 10 Tagen in andere Behand-
lung übergegangen. Ein äusserst intensiver Fall ist ebenfalls der Hydro-
therapie abhanden gekommen, weil der junge Kranke nach 14tägiger
Behandlung die hydropathischen Manipulationen nicht zu ertragen ver-
meinte; er wurde noch 10 Monate allopathisch behandelt mit dem tragi-
schen Ende einer spontanen Luxation des rechten Oberschenkels in Folge °
einer Coxarthrocace. Die übrigen 60 wurden zur Zeit als genesen ent-
lassen. Bei 4 von diesen sind Recidive bekannt geworden, und zwar
bei einem 14 Tage nach gebrauchter Kur, die zu früh unterbrochen
wurde. ;
Von allen diesen Kranken waren 16 weiblichen, 48 männlichen Ge-
schlechts, im Alter von 13 bis zu 54 Jahren.
Von den hydropathischen Formen, welche sich als heilwirkend er-
wiesen haben, werden die kalte Waschung, das Lakenbad, die
feuchte Einwickelung und der feuchtkalte Umschlag erwähnt, °
welche unter bestimmten Indieationen ihre Anwendung finden.
Zum Schluss werden 4 klinische Fälle :n specie mitgetheilt, welche
durch die Einfachheit der Behandlung, sowie durch den glücklichen Ver-
lauf sich auszeichnen. i
Eine detaillirte Anseinandersetzung des Vortrages findet sich im
6. Hefte der von Dr. Schindler und v. d. Decken redigirten Grä-
fenberger Mittheilungen (p. 234—243).
3te Sitzung am 15, März.
Herr Privatdocent Dr. Cohn trägt über die Bildung und die Bedeu-
tung des tympanitischen Tones vor und demonstrirt die Wintrich’schen
Experimente und Apparate.
4te Sitzung am 5. April.
1) Herr Sanitätsrath Dr. Viol theilt Beobachtungen zur modifieirten
Linearextraction kernhaltiger Staarformen mit. Der Vortrag ist ausführ-
lich abgedruckt in den Abhandlungen, Naturwissenschaftlich - medieinische
Abtheilung, Heft III, pag. 224.
2) Herr Privatdocent Dr. Paul theilt Erfahrungen über Mastdarm-
polypen bei Kindern mit, s. Abhandl. ebendaselbst, p. 331, wo auch die
Fälle des Hrn. Dr. Asch, des Hrn. Sanitätsrath Viol und des Hın. Dr.
Schiller, welche dieselben in dieser Sitzung mittheilten, angegeben sind.
Ste Sitzung vom 10. Mai.
1) Herr Privatdocent Dr. Freund spricht über Zitat mamelonne des
Magens. Der Vortrag nebst Abbildung ist ausführlich mitgetheilt in den
der Schles, Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 105
| Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft pro 1862, Naturwissenschaft-
lieh-medieinische Abtheilung, Heft 1.
2) Herr Privatdocent Dr. Neumann erstattet den Jahres- Bericht
für 1860 über seine Privat-Irren-Heil-Anstalt zu Pöpelwitz. Die Resul-
tate, so weit sie von allgemeinerem Interesse sind, wird derselbe in einer
besonderen Schrift veröffentlichen,
6te Sitzung aın 24. Mai.
Herr Privatdocent Dr. Klopsch theilt den Jahres-Bericht über seine
| orthopädische Heilanstalt mit und bespricht ausführlich die Skoliosen.
(Siehe dessen Schrift: Orthopädische Studien und Erfahrungen, Breslau
| bei Leuckart, 1861.)
7te Sitzung am 7, Juni.
1) Herr Privatdocent Dr. Klopsch setzt seinen Bericht fort ‚(siehe
6te Sitzung).
2) Herr Privatdocent Dr. Freund theilt einige Erfahrungen über
"die Jastrzember "Quelle mit.
Im Frühjahr 1860 ist bei einem Bohrversuche auf dem Jastrzember
Gebiete bei Loslau, im Rybniker Kreise, in einer Tiefe von 302’ eine Quelle
erbohrt worden, die nach einer sofortigen Analyse des Gradir-Assistenten
und Chemikers Herrn Wagner als eine Jod- und Bromhaltige Soole er-
kannt wurde. Bei 467’ Tiefe hat sich eine ähnliche Quelle gezeigt, die
‚sich mit der ersten verbindet. —
Eine Analyse der Mutterlauge hat hierauf Herr Professor Löwig
in Breslau veranstaltet, eine specielle Analyse der Quelle selbst Hr. Pri-
vatdocent Dr. Schwarz. Dieselbe ergiebt auf 16 Unzen:
Chr Nein... 87,913728
ehl. Kal. ........ 0,586214
Chl. Cales. .2...2.. 4,235520
Chl:»Maeni 2.2... 2,627712
Jod. Maenar .. 0... 0,044236
Brom. Magn........ 0,229708
Carba Cale mer. 2: 0,336000
Carb. Magn.. ...u... 0,010291
GarbaRem.a 2.5; 0,032870
Sulph:; Caleunae'i\. 0,089088
SEO TIEREN RUE, 0,017433
Die Quelle enthält keine CO,, hat eine Temperatur von + 11° R,,
spec. Gewicht bei + 15° R. 1,00685. —
Herr Soltmann in Berlin hat die Analysen der bedeutendsten Soo-
len zusammengestellt und daraus auf die reelle Berechtigung der Quelle
geschlossen.
106 ö Jahres-Bericht
Nachdem mit der Quelle auf der v. Bärensprung’schen Kranken-
Abtheilung in Berlin sehr gute Resultate erzielt worden waren, glaubte
sich der Vortragende zu Versuchen auf der gynäkologischen Klinik um
so mehr aufgefordert, als die Soolquellen mit Recht in vielen Frauen-
krankheiten gegenwärtig eine ausgebreitete Anwendung erfahren haben.
Das Versuchsfeld wurde von vornherein auf die chronisch -entzünd-
lichen Processe der Sexualorgane beschränkt. Zu vollständiger Beurthei-
lung liegen nunmehr 4 Fälle vor, und zwar:
1) der einer 30jährigen robusten, früher stets gesunden Person, die
aus dem 1. puerperium eine oophoritis dextra davongetragen hatte;
dieselbe war chronisch geworden und hatte einen derben Ovarial-
tumor zurückgelassen, Dieser ist in einer methodischen 6 wöchent-
lichen Triokkur mit der Jastrzember Soole vollständig zur Re-
sorption gebracht worden;
2) der einer 40jährigen zarten Frau, Mutter mehrerer Kinder, die
seit einem Jahre an einer metritis chronica bedeutenden Grades litt.
— Dieselbe ist in einer 6 wöchentlichen Trinkkur vollständig her-
gestellt worden.
3) der einer 30jährigen Frau, die an einer sehr schmerzhaften In-
tumescenz der port. vaginal. litt; da dieselbe von höckeriger Be-
schaffenheit war und bei der Exploration leicht blutete, so war
die Prognose zweifelhaft. — Nach einer 7 wöchentlichen Kur ist
die port. vag. zurückgebildet worden, zugleich ist die Frau von
ihren bedeutenden Beschwerden befreit.
4) der einer 36jährigen pastösen Frau mit fahler Hautfarbe, die seit
einem vor mehreren Jahren stattgehabten adortus an sehr bedeu-
tenden Menorrhagien leidet. Dieselbe bietet eine‘ gestörte Ver-
dauung, Leber- und Milztumor; die Nierenfunction ungestört; eine
sehr bedeutende Vergrösserung des uierus. Die eingeleitete Kur
mit der Jastrzember Quelle (innerlich und später als Sitzbad) musste
nach einigen Wochen wegen bedeutender Verschlimmerung aller
Beschwerden und Nutzlosigkeit gegen die bestehenden organischen
Veränderungen abgebrochen werden. —
Andere Fülle, die zu gleicher Zeit behandelt wurden, boten nicht so
reine Beobachtungen, wie die mitgetheilten; andere 3 sind noch gegen-
wärtig in Behandlung (2 ter. fibros., 1 metr. chron.), — Man sieht, dass
die J. Quelle eine starke Heilkraft gegen chronisch-entzündliche Processe
der Sexualorgane besitzt, dass sie kein indifferentes Mittel ist (4. Fall),
und dass sie, wenn man jetzt schon urtheilen dürfte, nur in den, mit kei-
nen tieferen organischen Veränderungen im Unterleibe complieirten, oben
angegebenen Leiden mit grossem Nutzen anzuwenden ist, —
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 107
8te Sitzung am 21. Juni.
1) Herr Dr. Auerbach stellt der Section einen Mann vor, an dem
sich alle 3 Formen der von ihm früher als Folgen mechanischer Reizung
der Muskeln beschriebenen Erscheinungen hervorrufen lassen, und knüpft
daran einen Vortrag über topische Muskelreizung. Der Vortrag ist ab-
gedruckt in den Abhandl. der Schles. Ges., Naturw.-mediein. Abtheilung,
1861, Heft II, pag. 291 ff.
2) Herr Privatdocent Dr. Neumann giebt die Fortsetzung seines
' Jahresberichtes (s. Ste Sitzung).
I9te Sitzung am 5. Juli.
Herr Medieinalrath Professor Dr. Middeldorpf hält einen Vortrag
über die percutane Umstechung der Arterien in der Continuität, eine neue
Methode der Unterbindung. Abgedruckt in den Abhandl, der Schles.
Ges., Naturw.-medicin. Abtheilung, 1861, Heft III, pag. 340.
10te Sitzung am 26. Juli.
Herr Professor Dr. Lebert hält einen Vortrag über Hauthörner.
Derselbe macht zunächst auf die Ungenauigkeit des Citirens in die-
sem Felde der Mediein aufmerksam ; eine genaue Verfolgung der bisher
beobachteten Fälle von Hauthörnern hat eine bedeutende Reduction der
‚Zahl derselben ergeben. Der Vortragende unterscheidet die Hauthörner
nach ihrer Genese in solche, die aus Follikeln sich entwickeln, und in
solche, die nur eine Wucherung des Papillarkörpers sind. Er bespricht
sodann die bisherigen Ergebnisse der chemischen Analyse, woraus das
Vorhandensein von Leuein- und Hippursäure in den Hauthörnern aus der
Analogie anderer Hornbildungen der Haut wahrscheinlich wird, und geht
näher auf die Resultate ein, welche ihm die mikroskopische Untersuchung
ergeben hat. Das Vorhandensein der Hauthörner wird als keineswegs
so einfach und unschädlich für deren Besitzer dargestellt und auf den
Zusammenhang mit Cancroiden, sowie die Uebergänge zwischen beiden
hingewiesen. Einer genauen Statistik der Hauthörner, wonach 43 an
Kopf und Stirn, 17 am Gesicht, 8 an den oberen Extremitäten, 9 am
Stamme, 11 an den unteren Extremitäten, 7 an den Genitalien beobach-
tet worden sind, folgt die Besprechung der Therapie, wobei der Vortra-
gende die Nothwendigkeit einer tiefen Exstirpation hervorhebt.
llte Sitzung am 13. September.
Der Secretair liest einen Bericht des Herrn Kreisphysikus Dr.
Bunke aus Oels über einen Blitzschlag in Schmollen und die da-
108 Jahres-Bericht
durch hervorgebrachten Verletzungen vor, aus welchem wir Folgendes
hervorheben: ;
Von 5 Personen, welche während eines Gewitters mit Schlossenfall
sich an den Bockstuhl einer Windmüble geflüchtet hatten, und welche
dieht bei einander standen, wurden 2 vom Blitze getroffen und stark be-
schädigt. Der Blitz hatte in die Windmühle eingeschlagen, war durch
dieselbe und dann in der Nähe von den beiden beschädigten Personen
in die Erde gefahren. Dieselben waren scheintodt in stehender, etwas
zurückgebeugter Lage gefunden worden. Die Besichtigung durch den
Herrn Berichterstatter erfolgte %, Stunden nachher. An der einen Per-
son, einem 17jährigen Mädchen, waren die Kleider theils durch Brand,
theils durch die Gewalt des Blitzstrahles durchlöchert, ein grosser Theil
des Gesichtes und Leibes war verbrannt, theils mit abgelöster Epidermis,
theils mit förmlich gerösteter Haut. Auch die Haare der einen Seite
waren abgesengt, Lähmungen nicht da; sie konnte. 4 Tage lang nicht
hören, noch sprechen, hatte aber die Augen geöffnet; gleichwohl schien
sie bewusstlos zu sein. Später klagte sie über heftige reissende Schmer-
zen besonders im Kopf, in den Zehen und Fingerspitzen, welche etwa
4 Wochen lang dauerten. — Bei der zweiten Person, einer 40 jährigen
Dienstmagd, waren die Kleider gleichfalls durchlöchert,. und die Haut an
Rücken und Gesäss vollkommen abgelöst; sie hatte bedeutende Schmer-
zen in diesen Theilen; sonst war keine Störung, weder psychische noch
somatische, vorhanden. Die übrigen 3 Personen unverletzt.
12te Sitzung am 20. September.
Herr Sanitätsrath Dr. Viol hält einen Vortrag über die ge-
genwärtige epidemische Verbreitung des Augencatarrhs, in welchem
derselbe zunächst die verschiedenen Uebergänge des Catarrhs zu
höheren und gefährlicheren Formen, der Blennorrhöe, der Diphtheri-
tis und der granulösen oder trachomatösen (ägyptischen) Augenentzün-
dung auseinandersetzt. In dem gegenwärtigen Catarrh, welcher schon
im Frühjahr zuerst epidemisch aufgetreten sei, walte im Ganzen eine
milde Form vor, die der Vortragende genau schildert, welche indess
bei unzweckmässiger Behandlung oder Vernachlässigung in schlimme For-
men jederzeit übergehen könne. Eine grosse Ansteckungsfähigkeit
sei bei diesem Catarrh entschieden vorhanden, so dass namentlich für
Schulen und geschlossene Lokale mit vielen Menschen die grösste
Vorsicht und Reinlichkeit empfohlen werden müsse. Der Vortra-
gende belegt dies durch Erfahrungen, die er vor mehreren Jahren in den
oberschlesischen Typhuswaisenhäusern in eclatanter Weise gemacht hat,
sowie auch durch Angaben über hiesige Wohlthätigkeitsanstalten. Die
Behandlung müsse theils eine prophylaktische sein, indem man für
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 109
_ gute Luft sorgen, Staub und Unreinlichkeiten ete. abhalten, sowie
erkrankteIndividuen von den gesunden soforttrennen müsse,
‚ theils eine directe, welche sich dann nach dem Stadium und dem Grade
der Krankheit zu richten habe und natürlich die verschiedensten Behand-
| lungsweisen erfordere.
13te Sitzung am 4. October.
Herr Privatdocent Dr. Lewald trägt vor: Untersuchungen über die
Ausscheidung von Arzneimitteln aus dem Organismus, inbesondere über
‚ die der mineralischen und vegetabilischen Adstringentien durch die Nie-
ren und ihren Einfluss auf die Thätigkeit derselben. Abgedruckt in den
‚ Abhandlungen der Schles. Gesellsch., Abtheilung für Naturwissenschaften
und Mediein, 1861, Heft III, pag. 236 ff.
l14te Sitzung am 18. October.
1) Herr Dr. Zülzer un ein Kind mit bedeutenden Missbil-
dungen der Extremitäten.
2) Herr Dr. Berliner theilt seine Erfahrungen über Framboisia im
ostindischen Archipel mit, welche sich etwa in folgende Sätze zusammen-
fassen lassen:
1) Die Framboisia besteht in einer Entzündung der Haut, welche Ex-
sudate von anfangs seröser, später eiteriger Natur setzt und mit
einer Hypertrophie der Papillen verbunden ist. Durch Eintrock-
nen der Exsudate und darunter entstehende neue Nachschübe
werden Hypertrophien oder Zerstörungen der Haut hervorgebracht,
welche sehr schmerzhaft verlaufen und schwer heilen,
2) Die Krankheit kann alle Regionen der Körperoberfläche befallen,
kommt aber als secundäre Form besonders an Hand- und Fusstel-
ler vor. Man unterscheidet als secundäre Formen den Blah und
Bubul.
3) Die Framboisia kommt a acnlich in der heissen Zone vor.. Sie
ist hereditär und scheint ansteckend zu sein; oft ist sie epide-
misch; ihr Ausbruch wird begünstigt durch den Genuss der Frucht
von Durio Zibethinus. Sie kommt fast ausschliesslich bei Eingebo-
renen vor.
4) Die Framboisia kann acut und sch verlaufen; meist ist ein
Mittel zwischen beiden Formen, und sie dauert etwa 8 bis
12 Monate.
'5) Die Krankheit kann ohne Behandlung heilen; abgekürzt wird sie
‚durch Cuprum sulphuricum: innerlich und äusserlich, en By-
. drargyrum und Jod. un
.6) Die Krankheit. hat ganz entschieden nichts mit Syphilis gemein; *-
110 Jahres-Bericht
l5te Sitzung am 1. November.
Herr Dr. Köbner hält einen Vortrag über syphilitisches Virus. Ab-
gedruckt in den Abhandlungen der Schles. Gesellsch., Abtheilung für
Naturwissensch. und Med., 1862, Heft 1.
l6te Sitzung am 22. November.
Herr Dr. Zülzer bespricht die Resultate, welche bisher die Laryn-
soskopie geliefert hat; er zeigt zuerst mehrere nach seinen Angaben ge-
fertigte Kehlkopfspiegel aus einer Silberlegirung, die sich durch Wohlfeil-
heit und vollkommenere Reflexion des Lichtes auszeichnen; ferner meh-
rere Instrumente zum Aetzen der tieferen Schlund- und Kehlkopfregionen.
Der Vortragende bespricht hierauf die verschiedenen Erkrankungen dieser
Regionen, soweit sie ihm selbst «n praxi vorgekommen sind, und setzt die
Verschiedenheit der Befunde, sowie die beachtenswerthesten Abnormitäten
bei den verschiedenen Krankheiten auseinander. Dieselben beziehen sich
namentlich auf die Abnormitäten der Lage, der Farbe und der Beweg-
lichkeit der Kehlkopfsorgane.
Darauf spricht Herr Privatdocent Dr. Freund über retroflexio uteri,
theils mit Bezug auf anatomische Untersuchungen, theils gestützt auf kli-
nische Beobachtungen. Er hebt die Störungen hervor, welche durch die
Anlöthungen des Uterus mittelst Binde- und Narbengewebes an seine
Nachbarorgane, die Blase, das Rectum und namentlich die Ureteren ge-
setzt werden, und zeigt die Uebereinstimmung der aus dem anatomischen
Befunde zu erwartenden Functionsstörungen mit den beobachteten Krank-
keitssymptomen. Er bespricht darauf kurz die Diagnose, bei welcher Ge-
legenheit er die Valleix’sche Sonde empfiehlt, und geht dann genauer
auf die lokale und allgemeine Therapie der retroflexio uteri ein, welche in
höheren Graden ein grosses Gefolge von lästigen und tief eingreifenden
Alterationen nach sich zieht.
17te Sitzung am 6. December.
Vortrag des Herrn Privatdocenten Dr. Klopsch über die idiopa-
thische Lähmung der unteren Extremitäten. (Fortsetzung folgt.)
18te Sitzung am 18. December.
Herr Kreisphysikus Dr. Voltolini bespricht und demonstrirt an sich
selbst ein neues Instrument zum Fassen und Vorwärtsneigen des bei der
Laryngoskopie oft hinderlichen Kehldeckels, welches ohne Unbequemlich-
keit für den Patienten angewendet werden kann, wenn man die unempfind-
lichen Stellen des Kehldeckels zur Application des Instrumentes wählt.
Darauf trägt Herr Sanitätsrath Dr. Grätzer seinen Jahresbericht
über die Armen-Krankenpflege in Breslau im Jahre 1860 vor; die Resul-
tate jenes Jahres sind im Allgemeinen günstig, so dass 1064 mehr Ge-
er =>
kös:- ”
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 111
burten als Todesfälle in unserer Stadt vorgekommen sind. (Der Bericht
_ wird alsbald ausführlich in dem ersten medie. Hefte der Abhandlungen der
Schles. Gesellsch. pro 1862 erscheinen.)
Herr Privatdocent Dr. Förster spricht darauf über das Sehen bei
beginnender Amaurose, namentlich in Bezug auf den Raumsinn, demnächst
in Hinsicht auf Lichtsinn und Farbensinn. Er unterscheidet in der Ab-
nahme der Fähigkeit räumlicher Wahrnehmung dreierlei Formen, nämlich
1) eine von der Peripherie her eintretende zonenförmige, 2) eine insel-
_ förmige, 3) eine sectorenförmige Verdunkelung des Gesichtsfeldes. Er
nimmt diese 3 Formen nach den verschiedenen Krankheiten durch, in
denen sie auftreten, und für die sie zum Theil charakteristisch und daher
diagnostisch und prognostisch wichtig sind. Beim Lichtsinne erwähnt er
Fälle, die einen direeten Gegensatz zu den früher von ihm vielfach unter-
suchten Hemeralopischen bilden, bei welchen nämlich in hellem Lichte
oder Sonnenscheine bedeutend schlechter gesehen wird, als bei mattem
Lichte oder in der Dämmerung.
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IV.
Bericht
der
Öbst- und Kartenbau-Section für das Jahr 1861,
abgestattet vom |
Director Wimmer,
zeitigem Secretair der Section.
Die Section hat im Jahre 1861 neun Versammlungen gehalten. Nur in
ı zweien derselben wurden Vorträge gehalten; am 23. Januar hielt Herr
Kunstgärtner Guillemain einen Vortrag ‚über Bepflanzung der Rabat-
ten“, und Herr Obergärtner Rehmann am 8. März „über einige neu
eingeführte, von ihm kultivirte Pflanzen“, worin sich derselbe namentlich
über Rhododendrum Falconeri superbum, ciliatum superbum, Eduardi, Aralia
arborea, crassifolia, Scheffleri, insignis, papyracea, Sieboldi, Rhopala Jenghei und
corcovadensis verbreitete. — In den übrigen Versammlungen wurden die
Angelegenheiten, welche sich auf die Vertheilung und Verbreitung von
Obstsorten und Gemüsen, sowie auf die Verwaltung des von ihr gemie-
theten Gartens bezogen, verhandelt.
Eine Ausstellung ist im Jahre 1861 nicht veranstaltet worden, da es
sich gezeigt hat, dass das hiesige Publikum für dieselben zu wenig
empfänglich ist, wenn sie ihm in zu kurzen Zwischenräumen geboten wer-
den. Doch wurde in den letzten Monaten eine Ausstellung für das Jahr
| 1862 vorbereitet und deshalb mit dem hiesigen Central -Gärtner-Verein
| über dessen Betheiligung bei derselben unterhandelt.
Die unentgeltliche Vertheilung von Obst-Edelreisern und Gemüse-
und Blumen-Sämereien an die Mitglieder der Section hierorts und in der
\ Provinz hat auch in diesem Jahre, wie in den früheren stattgefunden,
worüber die angeschlossenen Berichte das Nähere ergeben. Auch dies-
| mal ist ein Theil der Reiser sowie der Sämereien theils von Mitgliedern
der Section ofierirt, theils aus dem Sections-Garten entnommen worden.
8
114 Jahres-B ericht
Nach dem am 11. Februar erfolgten Ableben des Maurermeister ä
Dobe, welcher in letzter Zeit mit grosser Theilnahme für den Garten
gewirkt hatte, wurde der Universitäts-Seeretair Nadbyl aufgefordert, an
dessen Stelle in die Garten-Commission einzutreten, und hat derselbe seit-
dem die Beaufsichtigung der Gartenarbeiten mit grosser Sorgfalt geleitet
Am 26. April erklärte Turnlehrer Rödelius seinen Austritt aus der Gar- a
ten-Commission. In der Jahres-Schlusssitzung wurde nach Vortrag des
Secretairs auf Grund der gemachten Erfahrungen beschlossen, fortan die |
Garten-Commission nur aus 5 Mitgliedern inel. des Secretairs bestehen zu 4
lassen, da eine grössere Anzahl die Geschäftsführung erschwere und die
Thätigkeit zersplittere. Es wurden zu Mitgliedern der Garten-Commission
gewählt die Herren Inkermann und Nadbyl.
In derselben Sitzung wurde auch der bisherige Secretair wiederge-
wählt und erklärte sich zur Fortführung dieses Amtes bereit, — In der-
selben Sitzung wurde an die Stelle des ausscheidenden Stadrath Tre-
wendt Professor F. Cohn zum Mitgliede der Promenaden - Deputation E
gewählt.
Der bisherige Gärtner Wende, welcher für den Sectionsgarten im
Jahre 1859 angenommen worden war, musste im October entlassen wer-
den, weil er zur Ableistung seiner Militair-Dienstpilicht einberufen wurde.
An seine Stelle ist ein vom Garten-Inspector Lukas in Reutlingen
empfohlener junger Mann, Namens Joseph Jettinger, getreten, welcher
mit dem 4. November hier eingetroffen ist. Demselben ist eine Instruc-
tion für seinen Dienst übergeben worden. er
Für den Garten ist auch im Jahre 1861 von Einem Hohen Ministe-
rium für landwirthschaftliche Angelegenheiten eine Subvention von 150 Thlr.
gnädigst bewilligt worden, und ist es durch diese Subvention nebst dem
Zuschuss aus der Sections-Casse und den Einnahmen aus dem Garten
möglich geworden, die Arbeiten in demselben fortzusetzen, die noch unbe-
arbeiteten Stellen zu rayolen, die Veredelungen zu erweitern und neue
Wildlinge — namentlich Birnen — anzuziehen, überhaupt ihn der Wirk-
samkeit näher zu führen. Die Garten-Commission hat sich überzeugen
müssen, dass die früher gehegte Ansicht, Sortenbäume zu etabliren, hier
gar nicht oder nur in sehr beschränktem Maasse durchführbar ist: sie
glaubte daher neben dem Bestreben, die Sorten in Pyramidenbäumchen
zu halten, ihr Hauptaugenmerk darauf richten zu müssen, die Sorten in
jungen Bäumchen, Copulanten, zu verbreiten. So ist denn auch am
Schlusse dieses Jahres ein Verzeichniss der abzugebenden Sorten — die
Mitglieder der Section erhalten dieselben zu einem sehr billigen Preise _
gedruckt und vertheilt worden. E
! Fr
Das Inventar des Gartens betrug am Schlusse des Jahres 3382 Obst-
stämmehen im Werthe von 320 Thlr., Sträucher und Pflanzen im Werthe
von 35 Thlr., Geräthschaften und Werkzeuge im Werthe von 100 Thlr,
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 115
Die Einnahme des Gartens betrug im Jahre 1861: a) für Glashaus-
erzeugnisse und Topfpflanzen 10 Thlr. 22 Ser. 6 Pf.; b) für Gemüse
44 Thlr. 11 Sor. 5 Pf.; e) für Schnittblumen und Kräuter 19 Thlr. 17 Sgr.;
d) für Wein, Beeren- und Baum-Obst 21 Thlr. 26 Sgr. 3 Pf.,; e) für
Obstsämlinge, Copulenten und Weinsenker 67 Thlr. 13 Sgr. 6 Pf.; f) für
Ueberwinterung im Glashause 22 Thlr. 25 Ser. 6 Pf.; g) für Reste aus
den Vorjahren 16 Thlr. 20 Sgr.,; h) für Vorschüsse 30 Thlr,; i) für
Cassa-Bestand aus 1360 19 Thlr. 12 Sgr. 8 Pf. — Die Ausgabe: a) für
Arbeitslöhne 51 Thlr. 19 Sgr. 6 Pf.; b) für Dünger 8 Thlr. 2 Sgr. 6 Pf.;
c) für Utensilien und Geräthe 43 Thlr. 23 Sgr. 10 Pf.; d) für Sämereien
und Pflanzen 30 Thlr.; e) für Reparatur am Glashaus 5 Sgr. 3 Pf.; f)
für Heizung und Beleuchtung 23 Thlr. 1 Sgr. 2 Pf.; g) für Extraordi-
naria 16 Thir, 23 Ser. 7 Pf.; h) für Rückzahlung der Vorschüsse und
Zahlung des Bestandes aus 1860 49 Thlr. 12 Sgr. 8 Pf.; i) für Saldo-
Uebertrag auf 1862 30 Thlr. 4 Pf. — Beides in Summa 252 Thlr.
28 Ser. 10 Pf. Ausserdem waren für den Garten erforderlich: 100 Thlr.
Miethsbetrag, 144 Thlr. Besoldung des Gärtners, 96 Thlr. für den stän-
digen Gartenarbeiter, in Summa 330 Thlr., welche durch die Subvention
Eines Hohen Ministerii für landw. Angel., durch die besouders für den
Garten gewährten Beiträge einer Anzahl Mitglieder und durch Beitrag aus
der Sections-Casse gedeckt wurden.
Die ungünstige Frühjahrs-Witterung in diesem Jahre, die bis über
die Mitte des Mai eine sehr niedrige Temperatur erhielt, ist sowohl den
Veredelungen, als auch für die Erträge aus dem Garten sehr nachtheilig
gewesen; unter günstigeren Verhältnissen versprechen dieselben ein bes-
seres Resultat. |
Von fünf Mitgliedern sind Berichte über die Erfolge der Obstbaum-
veredelung durch von der Section zugesandte Reiser eingegangen, den
Herren Friekinger in Laasan, Spalding in Johnsbach, Machalke in
Mittel-Thiemendorf bei Lauban, v. Wille in Hochkirch bei Liegnitz, Frau
v. Usedom auf Melochwitz; auch hat Hr, Pastor Kochlovius in Schön-
wald bei Kreuzburg einen Bericht über die Witterungsverhältnisse und
den Einfluss des Raupenfrasses in den Jahren 1860 und 1861 auf die Obst-
bäume, sowie ein Verzeichniss seiner Obstsorten mitgetheilt.
Berichte über das Resultat des Anbaues der von der Section im
Frühjahr 1861 vertheilten Gemüse- und Blumen-Sämereien sind incl. der
aus dem Sections-Garten aufgenommenen Ergebnisse 24 eingegangen, von
den Herren v. Unverricht (Gärtner Berndt) auf Eisdorf, Freiherr v.
Welezek in Laband (Gärtner Nitsche), Stoll in Miechowitz, E.
Weinhold in Hirschberg, Hofmann in Salzbrunn, Freund in Opnere
dorf, Seholtisek in Gross-Stein, Müller in Althammer, v. Wille auf
Hochkirch, Y. Kessel auf Ober- "Glauöhe, Frau v. Usedom auf Meloch-
gt
] 16 Jahres-Bericht a 3
witz, Frau v. Schweinitz (Gäriner Olbrich) in Sulau, Peicker in FR
Grafenort, v. Thielau auf Lampersdorf, Frau C.-R. Geissler in Peters-
waldau, Markscheffel in Leopoldowitz, Meissner in Silberberg,
Luckow in Pilgramshain, Friekinger in Laasan, J. Scholz in Wartha,
Kloss in Zobten, A. R. Schaafhausen in Heydänichen, Frenzel in
Obernigk.
Aus diesen Berichten lassen sich etwa folgende Resultate zusamınen-
fassen: |
Gurken.
l. Arnstädter Riesen-Schlangen-G., ist auf gedüngtem Boden gut
gediehen und hat reichen Ertrag gegeben.
2. Allerfrüheste kleine Treib-G. Wird von 2 Berichterstattern
nicht gelobt.
3. Weisse G. von Babylon. Gedeiht gut, aber eiebt mittelimnässi-
gen Ertrag.
4. immertragende grünfrüchtige 6. Gut und reichtragend.
Frühe Russische G. Gedeihen und Ernteertrag gut.
6. Frühe von T'schermatschan. Zwei Berichte bezeichnen sie als
gut, zwei als ziemlich gut.
Westindische grüne. Gedeihen und Ertrag sind gut, der Ge-
schmack mild und trefflich.
8. Frühe von Babylon. Ist von 4 Berichten als gut bezeichnet.
9. Chinesische volltragende Schlangen-G. Ein Berichterstatter be-
zeichnet den Ertrag als reichlich, drei als mittelmässig.
Zwiebeln.
1. Neue Reading. Die Urtheile lauten verschieden; zwei verwer-
fen sie, Stoll empfiehlt sie sehr.
2. Schalotte von Jersey. Giebt wenig Ertrag, auf Kalkboden ist
un
.
sie gut.
Rettig.
1. Chinesischer weisser Winter-R. Ist gut, sehr scharf.
2. ss violetter Winter-R. Wird mässig gross.
Bohnen.
1. Willmot’s Zwergbohne. Der Ertrag wird von einem als gering,
von einem zweiten als mässig, von fünf als reichlich bezeichnet.
2, Weisse Granat-Busch-B. Zwei bezeichnen den Ertrag als
reichlich, einer als mittelmässig. e
3. Neue Pyramiden-Busch-B. Wird wegen des Ertrages sehr
empfohlen und ist von einem sehr zarten, vortrefflichen Ge-
schmack. -
4. Türkische kurze Stangen-B. Gedeiht gut, und nach 4 Berich-
ien von sehr reichem Ertrage.
5. Frühe weissschaalige graue Zwerg-Busch-B. Nur im Sections-
garten gezogen; reich tragend und von gutem Geschmack.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 117
Erbsen. |
1. Kneifel-E., General Windham. Trägt gut; ein Bericht bezeich
net sie als sehr süss, Stoll als nicht besonders.
2. Kneifel-E., Dileston’s early prolifigue. Die Berichte sind über
den Ertrag nicht übereinstimmend. Stoll bezeichnet sie als
nicht von besonderer Güte.
3. Frühe K.-E., Dickson favorite. In hoher Lage mässigen, im
S.-Garten reichen Ertrages. Die jungen Erbsen sind sehr gross
und dickschalig, aber von recht gutem Geschmack.
4. Kneifel-E., Dunnets first early. Trägt reich und ist von aus-
gezeichnetem Geschmack, daher sehr zu empfehlen. 8.-G.
5. Kneifel-E., Veitch’s Vollkommenheit. Nur von mässigem Er-
trage. :
6. Frühe Paradies-Mark-E. Wird von einem Bericht sehr empfoh-
len; zwei geben den Ertrag als sehr reich, ein dritter als
gering an.
Dolichos.
D. leucospermus. Samen durch Herrn v. Fabian, giebt eme
der trefflichsten Suppenbohnen, klein und weiss. 8.-G.
Salat.
1. Berliner grosser gelber. Wird empfohlen.
2. Forellen-Vollblut. Ist von harter Textur und verdient nicht
den Anbau.
Neuer Australischer. Wird nieht empfohlen.
Früher Westindischer. $.-G. Ist eine der besten Sorten. -
5. Gelber Simpson. 8.-G. Geschmack zart, aber lose Köpfe.
Salat-Bete, selected dwarf read. Wird von Stoll sehr empfohlen.
Gartenkresse, Goldene. Ist nichts als die gewöhnliche Gartenkresse.
Kohl.
1. Früher reliance.. Von gutem Ertrage.
2. Wheler’s kaiserlicher. Bildete nach allen Berichten keine Köpfe
und ist unbrauchbar. f
3. Brauner sprossender Frühlings-K, S.-G. Ist zu verwerfen.
mw
4. Grüner 9 & Wurde von 2 Berichterstat-
tern als gut gedeihend geschildert, aber nur zur Fütterung
benutzt.
9. Neuer englischer selbstschliessender. Vier Berichte schildern
ihn als eine sehr gute und empfehlenswerthe Sorte.
Kartofleln.
1. Frühe de Vigny. Trägt ziemlich reich, ist aber nicht als eine
gute Sorte zu bezeichnen.
2. Goldenball. Grosse Kırollen. Diese ist als eine der ausge-
zeichnetsten Kartoffelsorten sehr zu empfehlen; durchaus mehlig.
i18 | - Jahres-Bericht
3. Dalmahoy. Grosse Knollen; kommt der vorigen an Werth
beinahe gleich. :
4. Circassienne. Mässige Knollen; kommt den beiden vorigen
nahe.
5. Neue Japanische Riesen-K. Trägt reich. |
Auch im 8.-G. hat sich die Erfahrung bewährt, dass im leichten,
etwas sandigen Boden die Knollen gesünder bleiben und viel schmack-
hafter werden.
Diesen Notizen lassen wir noch die von dem Herrn Univer-
sitäts-Secretair Nadbyl aufgezeichneten Beobachtungen über die im S8.-
Garten gezogenen Gemüse folgen:
Ueber die im Garten der Section für Obst- und Gartencultur im Jahre 1861 4
eultivirten Kartoffelsorten.
Die Cultivirung von Kartoffeln in eingeschlossenen Gartenräumen,
die gewöhnlich einen von Humus übersättigten Erdboden haben, wird
niemals zu einem ganz maassgebenden Resultate über die Qualität der °
Knollen führen; es können indess doch die bei dieser Cultur gemachten
Erfahrungen zu Schlussfolgerungen führen, welche ein Urtheil über die
Brauchbarkeit der einzelnen Kartoffel-Sorten gestatten.
Um dieses Urtheil gesicherter zu vermitteln, habe ich in Ich Sec-
tionsgarten den am meisten freien Platz zum Anbau der erhältenen neuen
Sorte gewählt, bei den etwa 24 Fuss langen 4 Beeten von Nordwesten
nach Südosten bis zur Hälfte ihrer Länge die Gartenerde in Tiefe von
3 Spatenstich entfernen, dann Sand auffahren und diesen mit dem Garten-
boden durch Untergraben gut vermischen lassen, dagegen den Gartenbo-
den der übrigen 12 Fuss unverändert gelassen. Letztere enthielten daher
einen sehr nahrhaften, 1860 gut gedüngten, schwarzen, sandigen Garten-
boden, während der wie angegeben präparirte Theil eine hellgräue Farbe
hatte, da er zur Hälfte sandig war. Diese Procedur war hauptsächlich
auch deshalb unternommen worden, um zu prüfen, wie sich die etwa ein-
tretende Kartoffelkrankheit in den verschiedenen Bodenarten au densel-
ben Kartoffelsorten herausstellen würde. Daher sind denn auch ganz die-
‘selben Sorten sowohl in den zubereiteten, als in den gewöhnlichen Erd-
boden ausgepflanzt worden.
Es waren dies folgende Sorten:
Dalmahoy, Goldenball, Frühe von Vigny, Circassienne, Bisquit,
neue Japanesische Riesenkartoffel, blaue 6-Wochen-Kartoffel, frü-
heste runde ohne Blüthe, grosse neue runde von Algier. |
Dieselben wurden Mitte April ausgepflanzt, gingen aber wegen der
Kälte im Mai erst gegen Ende dieses Monats auf. An den Stauden war
weder rücksichtlich der Höhe, noch der Stärke der Stengel ein Unter-
—
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 119
schied, nur glaube ich bemerkt zu haben, dass die Farbe des Grüns bei
den Stauden auf gewöhnlichem Boden dunkler war. Bis Ende August
war das Kartoffelkraut grün, das darauf im September folgende nasse
Wetter tödtete aber dasselbe bei allen Sorten zu gleicher Zeit. — Im
October liess ich die Kartoffeln ernten, und es wurde nachstehendes Re-
sultat erzielt: |
I. Dalmahoy, ist eine in Schottland häufig gezogene Kartoffel-
sorte, die dort der Krankheit nieht unterliegen soll. Sie ist sehr gross,
mit rauher Schale, innerlich weisslich-gelb. Sowohl auf dem Sandboden
als auf dem Gartenboden war der Ertrag ein sehr reichlicher, 10—13
grosse, 6—8 kleine Knollen; auf ersterem waren alle Knollen gesund,
dagegen in letzterem etwa 4 krank. Die Schale der Kartoffel war beim
Sieden nicht aufgeplatzt, das Innere, wie dies bei allen in städtischen
"Gärten gezogenen Kartoffeln der Fall ist, wässerig, zeigte aber einen bis
zu ; Zoll nach innen reichenden mehlreichen Rand. Hieraus kann ge
schlossen werden, dass diese Sorte, im freien Felde angebaut, zu den
mehlreichsten gehören wird. Sie dürfte daher zunächst unter die Sec-
tionsmitglieder zur weiteren Prüfung, als voraussichtlich gute Sorte, zu
vertheilen sein, zumal sie wegen ihrer Grösse für die Wirthschaft sehr
nützlich werden müsste.
2. Goldenball, eine mehr als mittelgrosse, runde, rauhschalige
Kartoffel, welche sehr reichlich trägt, — 20 bis 33 Stück, dicht am
Stock. Der Ertrag auf beiden Bodenarten war gleich, und keine von der
Krankheit befallen. Das Innere der Kartoffel ist weiss; gesiedet war sie
zwar auch wässerig, aber jedenfalls bei Cultur im Felde noch mehlrei-
cher, als die Dalmahoy; der Geschmack ist sehr gut. Daher ist diese
Sorte als Tischkartoffel und, wenn sie sich wirklich als der Krankheit
widerstehend zeigen sollte, überhaupt zu empfehlen, zunächst aber behufs
weiterer Prüfung an die Mitglieder zu vertheilen.
3. Frühe von Vigny, eine ziemlich grosse, glattschalige, platte
Nierenkartoffel von gutem Ertrage (10—20 Stück, am Stock 32). Die
Knollen breiten sich weit um den Stock herum aus. Sie waren in bei-
den Bodenarten gesund, sind aber, wie dies bei den meisten frühen Nie-
renkartofieln der Fall ist, wässerig, jedoch von ziemlichem Geschmack.
Als frühe Wirthschaftskartoffel dürfte sie brauchbar sein, namentlich wenn
sich ihre guie Tragbarkeit bewährt, daher sind noch durch Vertheilung
Versuche zu machen.
4. Circassienne. Eine frühe Kartoffel, von welcher zwei Arten in Cul-
tur waren, eine, und zwar die richtige dieses Namens mit rauher Schale und
' weissem Fleisch; die andere mit etwas weniger rauher Schale und gelbem
Fleisch. Die richtige ist eine schöne Mittelkartoffel von gutem Geschmack, und
jedenfalls, auf freiem Felde gebaut, mehlreich. Die zweite Sorte ist etwas
‚kleiner, aber von gleicher Güte. Eıstere lieferte 16—20 Stück am Stock
120 Jahres-Bericht
und letztere 8—15 Stück. Auf sandigem Boden waren alle Knollen ge- 4
sund, im Gartenboden 4 krank.
5. Bisquitkartoffel. Schon seit einigen Jahren bekannt und i
durch mich auch um Breslau herum verbreitet. Es ist dies eine der
besten Tischkartoffeln wegen des angenehmen milden Geschmacks. Sie
ist rund, fast rauhschalig, mehr als mittelgross, von weissem Fleisch,
gutem Ertrage (9 —17 Stück) und sehr mehlreich, obgleich die im Gar-
ten gebauten auch wässerig waren. Auf dem Sande waren alle gesund,
auf dem Gartenboden einige krank, Sie gehört zu den Frühkartoffeln.
6. Neue Japanische Riesenkartoffel. Eine neue, ziemlich
grosse, runde Kartoffel, welche als Wirthschaftskartoffel vielleicht zu
brauchen sein wird. Sie lieferte auf beiden Bodenarten einen geringen
Ertrag, und die im gewöhnlichen Gartenboden erbauten waren fast alle
krank. Sie gehört zu den späteren Kartoffeln, daher auch mehr kranke
Knollen. |
7. Blaue 6-Wochen-Kartoffel. Ist eine frühe, mitteleroe |
Kartoffel von bedeutendem Ertrage (15 — 35 Stück dicht am Wurzelstock
haltend). Auf Sandboden gesund, im Gartenboden einige kranke.
8. Früheste runde ohne Blüthe. Eine kleine Mittelkartoffel
mit rauher Schale, von ziemlichem Ertrage (15 — 20). Sie blieben in °
beiden Bodenarten gesund.
9. Grosse neue runde von Algier. Mittelgross, rauhschalig.
War nicht ertragreich (3>—5 Stück) und auf dem Gartenboden fast alle
krank, auf dem Sandboden einige. Wenn sie sich anderwärts auch so
zeigt, so ist sie nicht zu empfehlen.
Hiernach würde ich von diesen Sorten der Qualität nach folgende
Rangordnung annehmen: Goldenball, Bisquit, Dalmahoy, Circassienne, und
der Quantität nach: Dalmahoy, Goldenball, Circassienne, Bisquit, bemerke
aber, das mir keineswegs fremd ist, dass im vergangenen Jahre die
Kartoffelstaude überall ausnahmsweise viele Knollen angesetzt hat, daher
die obige gross erscheinende Zahl derselben für kommende Jahrgänge
nicht maassgebend, immerhin aber geeignet ist, über den Ertrag einen
vergleichenden Schluss zu ziehen. Er
In Bezug auf die Kartoffelkrankheit kann ich hier nicht übergehen,
dass auch diesmal wieder die schon früher von mir gemachten und mit-
getheilten Erfahrungssätze sich geltend gemacht haben: |
1. Frühkartoffeln und zeitig gelegte spätere Sorten leiden von der
Krankheit entweder gar nicht, oder doch in geringerem Grade.
2. Nur troekene Jahrgänge liefern gute Kartoffelernten. Stellt sich
das jährlich in den Sommermonaten wiederkehrende Regenwetter
vor oder kurz nach der Blüthe der Kartoffelstaude ein, so ist sicher
die Kartoffelkrankheit und Missernte in dessen Gefolge; später ein-
tretendes Regenwetter übt nur auf die einzelnen noch im Wachsen
begriffenen Knollen und das Kartoffelkraut einen verderblichen Ein-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 121
fluss aus. Am verderblichsten wirkt die grosse Nässe nach grosser
Trockenheit auf die Kartoffelstaude und die Knollen.
1% 3. Auf durchlässigem, sandigem und hoch gelegenem Boden ist die
Kartoffelstaude und Knolle der Krankheit weniger ausgesetzt, als
auf fettem und humusreichem Boden; daher ist das Legen der Kar-
toffel in frischen Dünger jedenfalls zu unterlassen.
4. Nicht alle Kartoffelsorten sind der Krankheit in gleichem Grade
unterworfen, es findet sich aber bis jetzt keine, wage davon ganz
frei geblieben wäre.
5. Aus Samen gezogene Kartoffeln sind der Krankheit ebenso, wie die
aus Knollen gezogenen unterworfen.
Drei Faetoren bedingen also den Eintritt der Kartoffelkrankheit in
grösserem oder geringerem Grade: das Wetter, der Boden und die Kar-
toffelsorte; daher sind auch die besten Präservativ-Mittel gegen die Krank-
heit, die ein umsichtiger Landwirth beobachten wird:
zeitiges Legen, Aussuchen des geeigneten Ackerlandes und Er-
mitteln der zuverlässigsten Kartoffelsorte.
Alle übrigen angekündigten Mittel sind entweder gar nicht oder nicht
'ım Grossen anwendbar.
Bohnen-Sorten.
Ostfriesländische Buschbohne, hat ein weisses, längliches
Korp, eine mittellange Tasche, trägt reich und ist als Schnitt- und trok-
'kene Bohne eine der besten, weshalb sehr zu empfehlen.
Frühe weissschalige graue Zwerg- ohne Faden, hat ein
rehgraues, kleines, längliches Korn (ein verschobenes Viereck), die Ta-
schen sind nicht lang; diese Sorte ist als eine der frühesten und gute
Schnittbohne zu empfehlen. Der Busch bleibt niedrig.
Busehbohne, neue Pyramiden-. Weisses Korn von mittlerer
Grösse und länglich, trägt nicht besonders reich und macht lange Scho-
ten, ist beachtenswerth als Schnittbohne.
Buschbohne, Flageolet vert, mit grünlich-weissem, länglich-
plattem Korn. Der Busch ist niedrig; eine der frühesten Bohnen, welche
als Schnittbohne sehr gut und auch als Trockenbohne zu empfehlen ist.
Buschbohne, Canadische frühe, mit mittelgrossem, länglich-
rundem, rosa-grauem Korn, ist sehr früh, trägt sehr reich und ist eine
‚gute enilibohne;
Buschbohne, weisse Granat-. Weisses, eirundes, mittelgrosses
Korn. Ist als Trockenbohne vorzüglich.
Weisse Flageolet. Länglich-plattes, grosses Korn; die bekann-
teste beste Schnittbohne,
Zwergbohne, frühe kleine schwarze. Schwarzes Korn, läng-
lieh-rund, mittelgross, trägt reich, sehr früh, und zum Treiben geeignet.
123 De - Jahres-Bericht
Busehbohne, frühe, Wilmot’s Zwerg-. Kleines rosa-graues,
platt-rundes Korn, trägt reich, hat kleine Taschen, ist eine sehr zeitige
Schnittbohne.
Dolichos Leucospermum, ist in diesem Jahre reif geworden und
hat ein ganz kleines, längliches, fahlgelbes Korn. Werth noch nicht ge-
prüft. 3
Flageolet, Buschbohne, safrangelbes Korn, gross, platt, ist eine
vorzugsweise gute Schnittbohne mit grossen Taschen.
Berliner Buschbohne, längliches, mittelgrosses, violet und weiss
gestreiftes Korn. Ist eine gute Schnittbohne.
Stangenbohne, neue Riesen-Zucker-Brech-, mit wachsgel-
ber, langer, breiter Tasche und weissem, platt-länglichem Korn. Trägt
nicht reich, ist aber eine sehr gute Schnitt- und Salatbohne.
Erbsen.
Kneifel, Dunnet’s first early, ganz neu, sehr ertragreich, hat
kleine Schoten, aber ein sehr süsses Korn, gekocht sehr gut. Ist eine
der frühesten.
Kneifel-, Diekson’s favorite, en Schote und Korn, sehr
süss und gekocht ausgezeichnet,
‚Kneifel-, Veitch’s Vollkommene, 13 Fuss hoch, kleine Schote
mit wenig Korn
° Dileston’s early prolifie, sehr süss, kleine Schote, die früheste |
aller Erbsen, hört aber zeitig zu tragen auf. Eignet sich sehr für das
Frühbeet und ist ziemlich ertragreich. Für den Anbau in Gärten zu °
empfehlen, ist aber, als sehr früh, von den Sperlingen sehr heimgesucht.
Markerbse, frühe Paradies, hat schöne, grosse, grüne Schoten,
mit grossem (6—8) Korn. Diese sind auch ausgewachsen noch süss und
gekocht sehr mehlreich.
General Windham, reift spät, Schote gross, Korn desgl. und
runzelig, sehr süss und empfehlenswerth.
Schalerbse, frühe, Harrisson’s Vollkommene, ist früh, hat
ein grosses Korn, aber wenige in der Schote, welche breit ist; gekocht
mehlreich und süss.
Gurken.
Gurke aus der Mongolei. Im Frühbeet hat sie reichlichen Er-
trag geliefert. Die Frucht ist blassgrün mit schwarzen Stacheln, mittel-
lang. Fleisch von angenehmem Geschmack und saftig. Die Früchte geben
viel aus, weil das Kernhaus klein ist. Diese Gurke ist sehr zu empfehlen.
Die Gurke von Babylon, und zwar die weisse — grünlich-weiss
— ist mehr zu empfehlen, als die grüne — dunkelgrün —. Beides sind’
Treibgurken. a
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 193
Bericht über die Vertheilung von Obstreisern im Jahre 1861.
Zur Vertheilung kamen an 23 Mitglieder:
von Aepfel. | Birnen. - | Summa.
\ schen. men.
Herrn Riedel. .:...... . 14 22 24 18 78
= oppaldne ....:.., 31 24 _ 5 60
e ,.Wille.....;. 111 77 55 14 257
»e Cochiovius.....:. 25 11 _ _ 36
>, Machalke..... i 23 35 2 2 62
Vereinsgarten.... .-.... 50 — _ 90
Herrn Rödelius......... 95 154 103 166 518
angekauft durch Hrn.Müller = nn 45 — 45
Summa 349 | 323 | 229 | 205 | 1106
Sortenzahl | 71 | 70 | 28 | 32 | 201
Bericht über die Vertheilung von Nutz- und Zierpflanzen - Samen
im Frühjahr 1861
von
Kaufmann E. H. Müller,
z. 7. stellvertretendem Secretair.
Nach Beschluss wurden auch in diesem Jahre behufs Versuchs - An-
baues und weiterer Verbreitung durch den Berichterstatter bezogen: Von
den Herren 1) F. A. Haage jun., 2) Ernst Benary, 3) Carl Appe-
lius (F. Jühlke), 4) Christoph Lorenz, 5) Gebr. Villain in Erfurt,
6) Carl Ebritsch in Arnstadt, und 7) Gustav Teicher in Striegau,
Er amunmen...... 24. sent 53 Sorten Nutz-, 83 S. Zierpflanzensamen.
Hierzu lieferten die vorstehend
sub 2—7 genannten Herren, sowie
die geehrten Mitglieder, HH. Guts-
bes. Baier, Lehrer Igel, Kreis-
‚Schulen-Insp. u. ErzpriesterKurtz,
Kunst- u. Handelsgärtner Riedel,
Gutsbes. Werther, Landschafts-
Latus 53 Sorten Nutz-, 838. Zierpflanzensamen.
124 - Jahres-Bericht
Transport 53 Sorten Hate, 338. Zierpflanzensamen. E |
Director v. Wille geneigtest und 3
Referent zusammen ......... 4 3 43 PR
gratis ein, für welche werthvolle
Geschenke denselben hiermit der
verbindlichste Dank ausgespro-
chen wird.
Aus dem Versuchsgarten konn- |
ten ebenfalls noch .....:..... 3 = 20 5
Ss
mithin im Ganzen für oben ange-
gebenen Zweck 0... 99 Sorten Nutz-, 146. Zierpflanzensamen
zur Verwendung gelangen.
Die Vertheilung, resp. Versendung derselben erfolgte in der ersten
Hälfte des April, und zwar von ersteren in 974, von letzteren in 1237
für kleinere Anbau- und Cultur-Versuche genisenden Portionen an den
Versuchsgarten der Section und resp. 72 und 59 Mitglieder, unter Bei-
gabe des Schema für die uns gefällig über die Erfolge der geschehenen
Aussaaten zu ertheilenden Berichte.
Laut der der Section gelegten speciellen Berechnung beinahe die,
dafür aufgewendeten Mittel:
für die bezogenen Sämereien................. 36 Thlr. 15 Sgr. 6 Pf.
„. Emballage, Porto“und Fraeht 7... >... 5 Se
„ Verpackungs- und Versendungs-Speesen .... 8 „, 26 ee
Zusammen 50 Thlr. 19 Sgr. 3 Pf.
Ausser den im April a. c. vertheilten Sämereien hatte die Sectiond
der Güte des verehrten Präses der Schlesischen Gesellschaft, Herrn Geh.
Medieinal-Rathes Prof. Dr. Göppert, eine Partie ökonomischer Sämereien
in 27 Sorten, welche derselbe aus einer von der Preussischen Expedition
bei dem hohen landwirthschaftlichen Ministerium aus Japan eingegangenen
Sendung empfangen hatte, zu verdanken, und konnten dieselben in 178
Portionen noch gegen Ende Mai a. c. an den Versuchsgarten und 9 Mit-
glieder der Section zum Versuchsanbau, vorzüglich zunächst behufs Sa-
mengewinn für künftige weitere Prüfung und Verbreitung vertheilt werden.
Statistische Notizen
Kaufmann E. H. Müller,
z. 2. stellvertretendem Secretair.
An dem in dieser Section unter Leitung des Referenten bestehenden
Lesezirkel waren gegen Zahlung eines Extra-Beitrages im Jahre 1861
betheiligt 69 hiesige Mitglieder, und cursirten unter denselben: |
der Schles,. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 125
8 Berichte einiger mit uns durch Schriften-Austauch in Verbin-
dung stehender Gesellschaften,
12 deutsche und ausländische, zum ee mit Abbildungen ver-
sehene Zeitschriften, und
18 auf Gärtnerei und Obsibau Bezug habende Bücher und Bro-
churen.
| Der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft, Abtheilung für Obst-
und Gartenbau, wurden auch in diesem Jahre durch die Section überwie-
sen die in oben erwähntem Lesezirkel in Umlauf gewesenen Schriften,
mit Einschluss sehr schätzbarer Geschenke der Herren: Königl. Garten-
Inspector Ferd. Jühlke in Erfurt, Hauptmann a. D. v. Koch in Schla-
‚, den (Hannover), des ohnlängst verstorbenen Dr. G. Liegel in Braunau
‚am Inn (Ober-Oesterreich), Königl. Garten-Inspector, Besitzer des pomo-
‚logischen Institutes Ed. Lucas in Reutlingen (Würtemberg), $uperinten-
‚dent Oberdieck in Jeinsen (Hannover).
Der Aufzählung dieser Schriften glauben wir uns hier diesmal um so
mehr entheben zu dürfen, als beabsichtigt ist, demnächst ein neues Ver-
zeichniss der in der Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft vorhande-
nen, auf Obst- und Gartenbau Bezug habenden Bücher etc, an die Mit-
glieder der Section auszugeben.
Am 1, Januar 1861 zählte die Section für Obst- und Gartenbau
Mitglieder:
| Hiesige. Auswärtige. Summa.
|
|
R
124 253 377.
Hierzu traten im Laufe des Jahres 1861 2 13 17
| 128 266 394
und schieden dagegen aus................ 10 22 32
wonach pro 1862 verblieben ............. 118 244 . 362
von denen als wirkliche Mitglieder der Schle- |
sischen Gesellschaft beitragsfrei sind ..... 29 8 37
zum Versuchsgarten beitrugen ............ 20 83 103
und an dem Lesezirkel betheiligt waren.... 69 — 69,
Bestände der Obstbaumschule im Sections-Karten, December 1861.
A. Aepfel.
= I, Dreijährige Veredelung: |
| Zahl der Edelstämme..........222.22202... 564
enthaltend 145 Edelsorten,
Latus 564
126 Jahres-Bericht A
Transport 564
Il. Zweijährige Veredelung. |
Zah] der Edelstämme, ......... 020,2 1340
enthaltend 90 Edelsorten. Be
II. Diesjährige Veredelung.
Zahl der Rdefiumme, 0.0... .. 920
enthaltend 96 Edelsorten.
Summa 2824.
Hierbei wird zu Il. bemerkt, dass die Zahl der
veredelten Baumstämmchen über 1900 betrug,
und dass in Folge des Einflusses der ungünsti-
gen Frühjahrs-Witterung kaum die Hälfte ge-
wachsen ist, eine Klage, die sich in allen Baum-
schulen wiederholt.
-B. Birnen.
| I. Dreijährige Veredelung.
Zahl der Bdelstämnme. 2... mern 39
enthaltend 12 Edelsorten.
II. Zweijährige Veredelung.
Zahl der: Edelstämme............... ee OR
enthaltend 9 Edelsorten.
II. Diesjährige Veredelung.
Zahl der Edelstämme................. BEIREU ER vr:
enthaltend 43 Edelsorten. |
Summa 235.
Zu Ill. wird bemerkt, dass die Zahl der veredel-
ten Stämmchen 214 betrug, also mehr als die
Hälfte angewachsen ist. Im August d. J. wurde
eine bedeutende Anzahl von Quittenstämmehen
oeulirt, wovon das Resultat erst nach Ablauf
des Winters angegeben werden kann.
C. Kirschen.
) Diesjährige Veredelung.
Zahl der Edelstämme..................... 118
enthaltend 36 Edelsorten, |
Veredelungen früherer Jahrgänge sind nicht nen-
nenswerth.
D. Pilaumn.. 0.
Davon sind ausser den an den Standbäumen be-
findlichen Veredelungen keine vorhanden.
E. Pfirsiche.
I. Drei- und zweijährige Veredelung. -
Zahl der Edelstämme..... a re 160
. enthaltend 42 Edelsorten.
der Schles. Gesellsch. £, vaterl. Cultur. 127
II. Diesjährige Veredelung.
Diese ist durch Oculation im August d. J.
zahlreich erfolgt, das Resultat wird aber
erst im kommenden Jahre sich herausstellen.
F. Auf Standbäumen sind Veredelungen vorhanden:
I), Apfel... 31 Sorten.
2), Birnen. I... 907,
3) Pflaumen. ... 300 „
6. An Wildlingen ist folgender Bestand:
I. Aepfel.
a. Nicht angewachsene Wildlinge ......... 1232
Derweialriee. 0... nn a 500
eelhiesjahrige un. nn ee 400
Summa 2132. |
Es wird bemerkt, dass im laufenden Monate 52 Schock
zweijährige und ältere Wildlinge verkauft werden muss-
ten, weil zu deren Unterbringung als Edelstämme im Gar-
ten kein Raum ist.
li. Birnen.
Aygeyahrige. 2.0.00 220
Bieyaluse ..n.....0 Mi ... 600
Summa 820
Il. Pflaumen.
Bmenalmser 2... u... unsre. 200
Buesjehrigen. 2... eva. ei eh, 360
Summa 560
IV. Kirschen.
Zueyaumge 2.0000 0.00... 420
Diesjalmoe u 0... 000200... 60
Summa 480.
V. Pfirsiche.
Zweijährige und diesjährige zusammen ...... 150.
ae RER | iR
a Br
Br}
N
33 ae
NV.
Bericht
über die
| Thätigkeit der historischen Section der Schlesischen Gesell-
schaft im Jahre 1861,
abgestattet von
Prof. Dr. J. Kutzen,
zeitigem Secretair der Section.
Die während des Jahres 1861 in 7 Sitzungen der historischen Section
gehaltenen Vorträge sind bereits oben im allgemeinen Berichte ange-
| geben. Da der eine derselben (die Belagerung von Brieg im Jahre 1741,
aus dem Tagebuche eines Zeitgenossen mitgetheilt von dem Privatdocen-
ten Herrn Dr. Grünhagen) schon in der Zeitschrift des Vereins für
Geschichte und Alterthum Schlesiens, Bd. IV, Heft 1 gedruckt vorliegt,
und da drei andere gleichfalls im Druck erscheinen (der Vortrag des Herrn
ı Oberlehrer Palm über den Aufstand der Breslauer Stadtsoldaten im J.
‚1636 in den Abhandlungen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, Phi-
ı 1os.-historische Abtheilung, 1862, Heft I; — der Vortrag des Privatdo-
ı centen Herrn Dr. Grünhagen über die Verhandlungen, betreffend die
| Eidesieistung der Breslauer katholischen Geistlichkeit an Friedrich den
ı Grossen im J, 1741, in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und
| Alterthum Schlesiens, Bd. IV, Heft 2; — der Vortrag des Herrn Gehei-
| men Bergrathes Steinbeck über den Minister v. Schlabrendorf als
| Theil einer selbstständig erscheinenden Biographie); so werden nur die
| übrigen 3 Vorträge ihrem Inhalte nach hier mitgetheilt, nämlich:
1) der Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Reimann über den Ver-
such des französischen Convents, die Vereinigten Staaten in den
Krieg mit England zu verwickeln; —
2) der Vortrag des Herrn Oberlehrer und Privatdocenten Dr. Cauer
über den grossen Kurfürsten als Beförderer der Wissenschaften
und Künste, mit besonderer Beziehung auf das Project der Uni-
versal-Universität, —
| 9
130 Jahres-Bericht
.
3) der Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Reimann über die erste
Präsidentschaft Washington’s.
Ad 1. In den Jahren 1793—94 lief die nordamerikanische
Union Gefahr, in die europäischen Kriegshändel durch das brüsque
Benehmen eines Gesandten der französischen Republik mit verwik-
kelt zu werden. Dieser Theil der nordamerikanischen Geschichte
war es, den Herr Dr. Reimann in seinem Vortrage entwickelte.
An der Spitze der Unionsregierung stand damals noch Washington;
die in der vorliegenden Sache wesentlich mitwirkenden Staatsseeretäre
(Minister der Präsidialregierung) sind Jefferson (später selbst Präsident)
und Hamilton, und als der Anzettler der gesammten Vorgänge tritt der
leidenschaftliche Gesandte der französischen Republik, Gen&t, auf die
Bühne. Washington, in Einsicht der noch zur Weltmacht nicht ge-
kräftigten, mit der inneren Consolidirung hinlänglich beschäftigten Zustände
der Vereinigten Staaten, wollte diese vor den heftigen Stössen, welche
sie durch eine Betheiligung an den europäischen Vorgängen erleiden
konnten, bewahren, ohne Frankreich, dem man von dem Unabhängig-
keitskampfe her als Verbündetem Dank schuldig war, vor den Kopf zu
stossen und die mit ihm bestehenden Verträge von 1778 zu ee
er wollte eine strenge Neutralität für die Vereinigten Staaten festhal-
ten und sprach dies in einer Proclamation vom 22. April 1793 aus, ohne
doch darin das Wort selbst zu gebrauchen. Als Schwierigkeit bei der
Ausführung hiervon trat die Wahl des Verhaltens entgegen, welches man
bezüglich der Anerkennung der neuen Republik der Behandlung ihres
Gesandten, der Auslegung gewisser, den französischen Schiffen Vorzüge
sichernder Vertragspunkte innehalten wollte. Inzwischen traf der neue
Gesandte ein und legte die letzteren Punkte faetisch dahin aus, dass er
in amerikanischen Häfen Kaperbriefe ausstellte, amerikanische Schiffe kaufte
und zu Kaperern einrichtete, durch sie englische Fahrzeuge in den ame-
rikanischen Küstengewässern wegnehmen liess u. dergl. Er landete nicht in
der Bundes-Hauptstadt, sondern in Süd-Carolina, und nahm reichlich die
Ovationen des Volkes entgegen, welches in der jungen „Schwester-Re-
publik‘ die spätere Freiheit für Europa und für den Erdkreis erblickte.
Gen&t stimmte in diesen Ton ein; er wies darauf hin, dass mit dem
Falle der Freiheit in Frankreich auch Nordamerika seine Unabhängigkeit
wieder einbüssen werde, und als die Centralregierung gegen sein Gebah-
ren bezüglich der Kaperschiffe protestirte, hatte sie einen grossen Theil
der öffentlichen Stimmung gegen sich. Die Oppositionspresse verschritt
sich so weit, Washington monarchischer Gelüste zu beschuldigen, und
man malte ihn ab als König von Nordamerika unter einer Guillotine ste-
hend. Genöt ward immer dreister und drohte bereits mit einer Be-
rufung an das Volk gegen die Regierung. Vergebens setzte. Hamil-
ton ihm auseinander, dass die amerikanische Verfassung. die Auslegung
B Fi der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 131
ud Handhabung der internationalen Verträge dem Präsidenten ‘in die
Hand lege; Gen&t hatte seine eigenen Begriffe von Volkssouveränetät.
Im: Schoosse der Regierung pflog man die ernstesten Berathungen; Ha-
" milton rieth eine Veröffentlichung der ganzen Correspondenz mit Ge-
net, um dem Volke zu zeigen, was dieser sich erlaubt habe, und nicht
ihn und die Opposition allein reden zu lassen. Endlich griff Washing-
ton, empört von dem Benehmen des Gesandten, zu dem äussersten Mit-
tel, unter Darlegung der Sachlage seine Abberufung zu verlangen. Die-
ser Antrag traf, zum Glück für die Vereinigten Staaten, in dem Momente
zu Paris ein, als eben die Gironde gestürzt war und deren Nachfolger in
der Gewalt gern alle von ihr eingesetzten Beamten, also auch Gen&t,
beseitigten, der nun seinerseits es vorzog, unter dem Schirme der von
| ihm so heftig befeindeten Regierung in Amerika zu verbleiben, statt nach
dem auch sein Haupt bedrohenden blutigen Vaterlande zurückzukehren.
a
Ad 2. Herr Dr. Cauer stellte jene Seiten des grossen Kurfürsten
zusammen, die hinter seinem Heldencharakter in der Erinnerung der Nach-
welt mehr zurückgetreten sind, an und für sich aber keinesweges gering-
fügig erscheinen. Nach Aufzählung dessen, was Friedrich Wilhelm
für die Schulen gethan hat, nach Erwähnung seines Verkehrs mit Gelehr-
ten, sowie seiner persönlichen wissenschaftlichen Neigungen, verweilte der
Vortragende namentlich länger bei dem von dem schwedischen Reichs-
rath Skytte herrührenden Project einer Universal-Universität, die, über
alle Unserschiede der Nationalitäten und Confessionen erhaben, ein gros-
ser wissenschaftlicher Centralpunkt werden sollte, und zu deren Sitz man
Tangermünde ausersehen hatte. Die vom Kurfürsten unterzeichnete Stif-
tungsurkunde wurde in ihren Haupttheilen in wörtlicher Uebersetzung mit-
getheilt und erläutert, worauf die Umstände erwogen wurden, an denen
der ganze Plan, noch ehe er in das Stadium der Ausführung getreten
| war, gescheitert ist. Von dem Kurfürsten selbst, der für kühne und aus-
| sergewöhnliche Entwürfe, ja für das Phantastische überhaupt eine Empfäng-
| liehkeit besass, die mit einem so grossen Maasse praetischer Energie nur
", selten vereinigt ist, mit warmer Theilnahme aufgenommen, war er von
vornherein bei seinen zu kühler und nüchterner Erwägung berufenen und
geneigten häthen auf ernste und gewiss sehr wohl begründete Bedenken
gestossen. Dennoch würde ohne Zweifel der Versuch einer, wenn auch
modificirten Ausführung gemacht worden sein, hätte Skytte wirklich
| etwas von dem uneigennützigen Eifer für die Wissenschaften besessen,
den er in seinen zugleich schwülstigen und schlau berechneten Auslassun-
| gen zur Schau trägt.
-. u
a a a
ne
‚ We Ad. Herr Dr. Reimann warf zuerst einen Blick auf die Ver-
, dienste, welche sich dieser grosse Mann als Oberbefehlshaber im Unab-
| hängigkeitskriege erworben, schilderte dann das Widerstreben, womit
Rn: NE
132 Jahres-Bericht | Se i
Washington aus Bescheidenheit dem Rufe des Landes folgte, die Ab-
sichten, mit denen er die Regierung antrat, und die Grundsätze, nach denen
er bei der Anstellung der Beamten verfuhr. Darauf ging der Vortragende
zu der Lösung der ersten grossen Aufgabe, der Herstellung des öffentli-
liehen Credits, über. Die Verein. Staaten hatten durch den Krieg eine
schwere Schuld auf sich geladen und dieselbe nach erlangtem Frieden
durch Zinsrückstände noch beträchtlich vergrössert. Nach den Vorschlä-
gen des Finanzministers Hamilton wurde diese Schuld fundirt, eine Natio-
nalbank gegründet, und zur Deekung der Interessen wurden sowohl die Ein-
fuhrzölle erhöht als auch innere Steuern aufgelegt. Diese Maassregeln be-
förderten sehr den Wohlstand des Landes; aber sie weckten auch vielen
Unmuth, besonders im Süden, und es bildete sich gegenüber den Föde-
ralisten, welche die Verfassung im nationalen Sinne ausführen wollten,
aus alten und neuen Elementen eine Opposition, welche sich die republi-
kanische Partei nannte, grosse Eifersucht gegen die Bundesregierung zeigte
und die Souverainetät der einzelnen Staaten gegen vermeintliche Ueber-
griffe derselben zu schützen suchte. Die Häupter der beiden Parteien
wurden der Schatzsecretär Hamilton und der Staats-Secretair Jeffer-
son, Der Vortragende gab eine Schilderung beider Männer, stellte den
Zwiespalt dar, in welchen das Cabinet gerieth, als Jefferson seinen
Amtsgenossen mit ungegründetem Verdacht verfolgte, die Bemühungen
des Präsidenten, sie mit einander zu versöhnen, die Versuche der Oppo-
sition im Congress, den genialen Finanzminister zu stürzen. So schwach
war sie übrigens noch, dass sie Washington’s Wiederwahl nicht be-
kämpfte, sondern sich begnügte, für das Amt des Vicepräsidenten einen
anderen Candidaten aufzustellen; aber auch hierin hatte sie diesmal noch
keinen Erfolg. Die Stetigkeit in der Entwickelung des nationalen Lebens
schien auf diese Weise gesichert. Die Heftigkeit der Opposition konnte
sich wohl steigern, aber ihre Blitze mussten aufhören zu zünden, wenn
der Wohlstand zunahm, wie bisher. Da kam ihr Europa zu Hülfe und
verschaffte ihr neue günstigere Angrifispunkte; denn die Wogen, welche
der Sturm der französischen Revolution in Bewegung gesetzt hatte, schlu-
gen brandend auch an die westlichen Gestade des atlantischen Oceans.
der Schles, Gesellsch. £, vaterl,. Cultur. 132
VE
Bericht
über die
1: Thätiekelt der juristischen Section der Schlesischen Gesell-
schaft im Jahre 1861,
abgestattet von
Appellations-Gerichts-Präsident Belitz,
zeitigem Secretair der Section.
Die Sitzung am 28. Februar eröffnete der vorgenannte Secretair mit
einigen biographischen Mittheilungen über den verstorbenen Präsidenten
Dr. Hundrich. Nach ‚einer Schilderung seines Charakters, welcher
durchweg das Gepräge eines braven, streng rechtlichen und wohlwollen-
den Mannes an sich trägt, bemerkte er, dass der Verstorbene am 9. Ja-
nuar 1784 zu Burg geboren ist, woselbst sein Vater Director des Land-
und Stadt-Gerichts war. Den ersten Unterricht empfing er von dem
Rector Bodenburg, dem Sänger der Ströme Germaniens; demnächst
bezog er das Gymnasium Kloster Berge bei Magdeburg, und im Jahre
1801 die Universität zu Halle, um die Rechte zu studiren. Im Obtober
1804 bestand er bei dem damaligen Ober-Landes-Gericht zu Magdeburg
die erste, im Frühjahre 1806 die zweite juristische Prüfung, und noch in
\ demselben Jahre erhielt er den Auftrag zur Verwaltung des Justiz-Amtes
‚ Friedeburg in der Grafschaft Mansfeld. Im Jahre 1807 wurde er zum
Assessor bei dem Stadt-Gericht in Magdeburg, 1808 zum Friedensrichter,
‚ bald darauf zum Assessor im Criminal-Gerichtshofe des Elb-Departements,
1811 zum Tribunalsrichter in Neuhaldensleben, 1815 zum Director des
‚ neu errichteten Land- und Stadt-Gerichts zu Calbe a. d. Saale, und im
Jahre 1816 zum Ober-Landes-Gerichts-Rathe in Halberstadt ernannt. Im
\ Jahre 1827 erfolgte seine Versetzung als Ober-Procurator an das Land-
‚ Gericht zu Düsseldorf, und im Jahre 1832 seine Ernennung zum Präsi-
‚ denten bei dem hiesigen Appellations-Gericht, in welcher amtlichen Stel-
134 02.0 Jahres-Bericht
lung er bis zum 1. April 1855 verblieben ist, wo er aus dem Justiz _
dienste ausschied und in den Ruhestand trat. Zur Anerkennung seiner
Verdienste wurde ihm bei der Feier seines 50 jährigen Amts-Jubiläums der
rothe Adlerorden II. Classe mit Eichenlaub, und von der hiesigen Uni-
versität das Diplom eines Doctors beider Rechte verliehen, auch sonst
mancher Beweis allgemeiner Theilnahme dargebracht. Der Verstorbene
hat sich nicht bloss in seinem Richteramte, sondern auch durch ander-
weite Thätigkeit, als Vorsteher des Vereins für die Erziehung und Aus-
stattung der Cholera-Waisen und im Vereine zur Besserung der Strafge-
fangenen, mannigfache Verdienste erworben. Auch als Sehriftsteller ist
er thätig gewesen. Er war zweimal verheirathet; aus erster Ehe lebt
noch eine Tochter, aus zweiter Ehe hinterlässt er seine Wittwe und
6 Kinder. Sanft entschlief er am 1. Januar d. J.
Nach diesen Mittheilungen erfolgte der Vortrag des Herrn Stadtge-
richts-Rath Güttler über die Postgarantie nach Maassgabe der
im Postvereine geltenden Vorschriften. Der Vortragende gab E
zunächst einen geschichtlichen Ueberblick über die Entwickelung und Ge-
staltung des Postwesens in Deutschland. Die deutsehen Reichsposten,
schon frühe dem fürstlichen Hause Thurn und Taxis zu Lehen gegeben,
und durch den Reichs-Deputations-Hauptschluss vom 25. Februar 1803 in
ihrem Zusammenhange garantirt, lösten sich mit dem Aufhören des dent-
schen Reichs auf; die einzelnen Landesherren, auf welche das Postregal B
übergegangen war, errichteten Landesposten, die deutsche Bundes-Acte
vermochte nicht, die Vereinigung der sämmtlichen Bundesstaaten zur Ver-
waltung der Post nach gleichen Grundsätzen herzustellen; die wach-
senden Verkehrsverhältnisse erforderten eine Verbesserung der Zustände.
Den Weg freier Vereinbarung begann Oesterreich im Jahre 1842 bezüg-
lich der gemeinschaftlichen Bestimmungen über das Taxwesen; es folgte
die Dresdener Post-Conferenz im Jahre 1847; die weiteren Verhandlun- _
gen in den Jahren 1848—1850 führten zu dem Postvereins-Vertrage vom
5. December 1851, aus welchem sich in Berücksichtigung der gewonne-
nen Fortschritte durch die Conferenzen zu Wien (1855) und München
(1857) der Vertrag vom 18. August 1860 (G.-S. pro 1861, No, 3) ent-
wickelte. Die Dauer dieses Vertrages ist bis zum Schlusse des Jahres
1870 bestimmt; von da ab ist einjährige Kündigung gestattet. Der Post-
verein umfasst alle deutschen Bundesstaaten mit Ausnahme der Herzog- i
thümer Holstein, Lauenburg, Limburg und des Fürstenthums Lübeck.
Sein Zweck ist die Feststellung gleichmässiger Bestimmungen für die
Taxirung und postalische Behandlung der Brief- und Fahrpost-Sendungen,
welche zwischen verschiedenen, zum Vereine gehörigen Postgebieten,
oder zwischen dem Vereinsgebiete und dem Auslande sich bewegen.
Demnächst wurde das Rechtsverhältniss des Postbeförderungs-Vertra-
ges, unter Berücksichtigung der Ansichten über Anwendbarkeit der Vor-
-
Be der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 135
- schriften bezüglich des receptum, des Mandats und der locatio conductis ope-
ris (Dienstmiethe), umständlich untersucht. Uebergehend zu dem Gegen-
'stande des Vertrages und zu der Art und Weise seines Abschlusses,
wurde die Haft- und Ersatz-Verbindlichkeit der Post-Anstalten ın den
Fällen des Verlustes oder der Beschädigung, der Sendungen nach Maass-
gabe des Vereins-Vertrages vom 18. August 1860 und des Ges. vom
5. Juni 1852 über das Preuss. Postwesen speciell erörtert und demnächst
nachgewiesen, unter welchen Umständen diese Verbindlichkeit cessirt.
Es folgte sodann die eingehende Erörterung über den Maasstab des Er-
| satzes, mit Rücksicht auf die dem Absender gestattete Declaration, oder
die bei unterbliebener Werthsangabe festgestellten Normal-Sätze, unter
Aufzählung von Beispielen. Hieran schlossen sich die Ausführungen über
‚den Schadens-Ersatz-Berechtisten, sowie über die Competenz der
Post-Anstalten zur Behandlung der Reclamationen, und endlich über die
Verjährung des Ersatz-Anspruches.
In der Sitzung am 20. März hielt Herr Gerichts-Assessor Wittig
den angezeigten Vortrag über die Legitimation durch obrigkei
liche Declaration ($$ 601—611, II, 2 Allg. L.-R.).
Derselbe gab zunächst eine er Geschichte des Instituts im röm.
und gem. Recht, knüpfte daran eine Auseinandersetzung seiner Bedingun-
gen und Wirkungen nach beiden Rechten, und erörterte sodann die ge-
meinschaftlichen Controversen über die Zulässigkeit der besprochenen
Legitimation bei allen Classen der jegitimatio und über den efectus quoad
Successionem.
Zum Landrecht übergehend, führte der Vortragende dessen Ueber-
einstimmung mit der gemeinrechtlichen Wissenschaft und Praxis aus, be-
sprach sodann die Abweichung der Praxis und die dieselbe veranlassen-
den Verordnungen vom 4. September 1798, das Justiz-Ministerial-Reseript
vom 21. October 1831 und mehrere spätere Rescripte, und widmete zu-
letzt dem $ 607 eine eingehende Betrachtung. Das Resultat derselben,
welche durch einen Fall erläutert wurde, war: dass der Vortragende den
Paragraphen weder dem System angemessen, noch seiner ratio entspre-
chend, und in vielen Fällen unanwendbar fand.
Daran knüpfte sich eine Debatte der Anwesenden über $ 607; zu
andern Diseussionen, namentlich darüber, ob die sog. Hof-Reseripte legis
| vicem hätten, — ob der Adel zu den Familienrechten, auf welche ss 604
| —-605 sich beziehen, gehöre? — hatte der Vortrag vorher schon Anlass
gegeben. —
| Am 17. April hielt Hr. Appell.-Ger.-Rath v. Wittken seinen angekündig-
, ten Vortrag über den Passage-VertragmitBerücksiehtigungder
En rhenölungen derCommission zurBerathung eines allgemei-
ı nendeutschen Handels-Gesetzbuches. Davon ausgehend, dass die
136 Jahres-Bericht 3 ;
Rechtsverhältnisse der Reisenden bisher in den Gesetzgebungen nur wenig, in r
der Wissenschaft aber fast gar nicht beachtet worden sind, wurde die
Aufgabe der Commission in Betreff des Passage-Vertrages festge-
stellt, und demnächst — jedoch mit Ausschluss der Beförderung von Rei-
senden auf Post- und Auswanderungs-Schiffen, und der Verfrachtung der
Schiffe zu diesem Zweck — ihre Arbeit einer eingehenden Prüfung unter-
zogen, wovon das Resultat folgendes war: I. Begriff und Wesen
des Vertrages. Ob derselbe als locatio conductio operis, oder als re-
coptum aufzufassen, ist Gegenstand der Erörterung gewesen. Die Com-
mission hat sich für die römischen Grundsätze über das receptum nautarum
et cauponum entschieden, diese aber auf den Frachtvertrag mit ausgedehnt,
und den Reisenden rücksichtlich seiner Reise-Effeeten und übrigen Sachen
als Befrachter angesehen. Der Unterschied wurde durch eine auf die -
Quellen gegründete ausführliche Erläuterung des prätorischen Ediets in
L. I. pr. Dig. nautae, caupones, stabularii (IV, 9): ,„Nautae caupones, stabu-
larü, quod cujusque salvum fore receperint, nisi restituant, in eos judieium dabo“
näher nachgewiesen, und dabei sowohl der Begriff von nauta mit Berück-
sichtigung der Verkehrs-Verhältnisse der Römer, namentlich ihrer Küsten-
schifffahrt, als des Ausdruckes: „guod cujusgue salvum fore receperint“, so-
wie die Natur des durch das receptum begründeten Rechtsverhältisen,
die actio in factum de recepto, und die Restitutionspflicht des nauta erörtert,
auch dargethan, wie die römischen Grundsätze in die romanischen See-
rechts-Quellen, namentlich in das Consolato del mare und die deutschen
Particular-Gesetze übergegangen sind, weshalb die Commission dieselben,
wenn auch mit den durch die veränderten Verkehrs-Verhältnisse gebote-
nen Modificationen, ihrem Entwurf zum Grunde gelegt habe. Sodann
wurde die Form des Vertrages, die Person der Contrahenten, die dem
Schiffer obliegenden Vorsichtsmaassregeln bei Aufnahme von Reisenden,
seine Verpflichtung, in gewissen Fällen Landsleute in die Heimath mitzu-
nehmen, das Passage-Geld, die davon abhängigen Plätze. der Passagiere
auf dem Schiff, ihre Beköstigung, die Verhältnisse, wenn dem Schiffer
oder dem Reisenden der Proviant ausgeht, die Gepäckfrage, und die
Frage, ob die aus dem Passage-Vertrage erlangten Rechte einem Dritten
ceedirt werden können, besprochen, der Entwurf der Commission dem
preussischen Entwurf gegenübergestellt und die Quellen aus ausländischen
Seerechten nachgewiesen, welche einzelnen Bestimmungen zum Grunde
liegen. — DO. Wirkungen des Vertrages. Pfandrecht des Schiffers
wegen Passagegeldes mit Rücksicht auf die preussischen Concursgesetze,
Anwendung der Bestimmungen des Frachtvertrages auf die Sachen des
Reisenden, sowohl bei der Einladung, als bei der Ausladung, ferner, wenn
dieselben das Schiff oder die Ladung gefährden, wenn der Reisende bei
der Abladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei»
Steuer- und Zollgesetze übertritt, die Güter unriehtig bezeichnet, oder
ohne Wissen des Schiffers an Bord bringt, wenn sie durch einen Unfall’
=
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 137
verloren gehen, wenn eine Fracht nicht bedungen oder das vereinbarte
ı Maass überschritten ist, endlich die Haftpflicht des Schiffers für Verlust
, oder Beschädigung; alle diese Verhältnisse, besonders die Haftpflicht des
‚ Schiffers und der Einfluss der höheren Gewalt (wis major) wurden ausführ-
lich erörtert, und dabei auf die Folgen der unrichtigen Anwendung der
Grundsätze vom römischen receptum auf den Frachtvertrag aufmerksam
gemacht. Auch die Wirkungen, welche der Vertrag auf die Person des
Reisenden äussert, wurden dargestellt, namentlich die Folgen, wenn der
Reisende sich nicht zur rechten Zeit an Bord begiebt, und wenn das
Schiff auf der Reise ausgebessert werden muss. Endlich wurde das per-
sönliche Verhältniss zwischen Schiffer und Reisenden, die Diseiplinar-Ge-
walt des Ersteren, seine Befugnisse bei Verbrechen des Reisenden, so-
wohl auf dem Schiff, als vor der Einschiffung, und die Verpflichtung des
\ Reisenden zur Arbeit auf dem Schiffe‘ in Nothfällen auseinandergesetzt.
— II. Aufhebung des Vertrages. Gegen Zahlung der Hälfte des
Passagegeldes kann der Reisende am Antritt der Reise vom Contract zu-
rücktreten, sei es freiwillig, oder wegen eines in seiner Person sich er-
eignenden Zufalls, z. B. Krankheit, und ist der Tod einem solchen Zufall
gleichgestellt. Ereignen sich diese Umstände aber während der Reise, so
muss das ganze Passagegeld gezahlt werden. Hierbei spricht derselbe
von dem Verhalten des Schiffers, wenn der Reisende auf der Reise krank
wird oder stirbt, und über die Testamente der Reisenden am Bord.
Betrifft der Zufall das Schiff vor oder nach Antritt der Reise, so kann
sowohl der Schiffer als der Reisende vom Contract zurücktreten, und es
findet, wenn die Auflösung desselben vor Antritt der Reise erfolgt, von
keiner Seite, nach Antritt aber eine verhältnissmässige Entschädigung des
Schiffers statt (Distanz-Fracht).. Wird die Reise überhaupt unmöglich,
geht z. B. das Schiff unter, dann endet der Passagevertrag von selbst.
Schliesslich gab der Vortragende eine kurze Kritik des Entwurfs im
Ganzen, und schloss seinen Vortrag mit einer Hinweisung auf die hohe
Bedeutung des neuen deutschen Handelsgesetz-Buches, welches in Verbin-
dung mit der allgemeinen deutschen Wechsel- Ordnung auf einem der
wichtigsten Gebiete des volkswirthschaftlichen Lebens eine Uebereinstim-
mung herbeiführen wird, die von jedem Vaterlandsfreunde nur mit Freude
und Genugthuung begrüsst werden kann.
Am 24. November hielt Herr Stadtrichter Primker einen Vortrag
überdieHannöverscheProcess-Ordnung. Die Codification der Proe.-
Ordn. ist in Hannover im Jahre 1852 durchgeführt worden. Die neue Process-
Ordnung, welche seit dem 1. October 1852 Gesetzeskraft hat, ist auf dem
Grundsatz der Mündlichkeit, d. h. der Unmmittelbarkeit der Verhandlung
eines Rechtsstreites vor den zu seiner Entscheidung berufenen Richtern
| aufgebaut. Die Schrift dient nur dazu, die mündliche Verhandlung vor-
', zubereiten, resp. das Ergebniss derselben äusserlich zu fixiren. Es dür-
, fen deshalb nur die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten That-
138 | Jahres-Bericht
\ \
\
sachen und Beweismittel bei der Entscheidung berücksichtigt werden.
Die Concentration des gesammten thatsächlichen und Beweismaterials in E
eine Verhandlung, wie dies im preussischen Process stattfindet, ist mit
der Forderung, dass der Richter lediglich auf Grund der mündlichen Ver-
handlung und unmittelbar nach derselben entscheiden soll, unvereinbar.
Das Processverfahren zerfällt deshalb nach der Hannöver’schen Process-
Ordnung in eine Anzahl bestimmt abgegrenzter Abschnitte. In jedem der-
selben wird über eine der verschiedenen Fragen, von deren Entscheidung
zusammengenommen das Endurtheil abhängt, verhandelt und entschieden,
und dann in einem letzten Abschnitt und diesen verschiedenen Entschei-
dungen der einzelnen, dem Endurtheil zu Grunde liegenden Prämissen,
dieses selbst zusammengesetzt. Die Abschnitte, in welche der Process
gegliedert ist, sind folgende: 1) die Periode der Behauptungen. Die Par-
teien müssen sämmtliche Thatsachen, auf welche sie ihren Angriff, resp.
ihre Vertheidigung stützen, gleichzeitig in diesem Abschnitt vorbringen.
Dieser Abschnitt endet, falls sich die Sache noch nicht zu einem Endur-
theil eignet, mit dem Beweisinterlocut. Dasselbe ist ein bedingtes End-
urtheil. 2) Die Periode der Beweisantretung. In der hierzu bestimmten
mündlichen Verhandlung müssen die Parteien gleichzeitig alle Beweise und -
Gegenbeweise antreten. Abgeschlossen wird sie durch die richterliche
Verfügung, welche über die Erheblichkeit und Zulässigkeit der beigebrach-
ten Beweismittel entscheidet. 3) Die Periode der Beweisaufnahme. Hier
ist das Prineip der Mündlichkeit insofern verlassen, als die Vernehmung
von Zeugen und Sachverständigen in der Regel nicht vor dem erkennen-
den Richter, sondern commissarisch geschieht. 4) In dem letzten Sta-
dium ‚der Beweisausführung ist die Mündlichkeit wieder durchgeführt.
Zunächst wird in Gegenwart der Parteien über die Beweisaufnahme Be-
richt erstattet, und hierauf, nach Anhörnng der Parteien, das Endurtheil
gefällt. Dasselbe entscheidet im Wesentlichen nur die Frage, ob die
durch das Interlocut auferlegten Beweise, durch die aufgenommenen Be-
weismittel geführt, und welche der in dem Interlocut bereits bedingt ab-
gegebenen Entscheidungen in Folge des Eintritts der Bedingung als end-
liche auszusprechen sind. Das Endurtheil entscheidet also selbstständig
nur über die Führung der Beweise. Dies sind die Grundsätze des Ver-
fahrens, welches vor den Collegial-Gerichten in Hannover stattiindet.
Das Verfahren in zweiter Instanz beruht auf denselben Grundsätzen.
An diese Darstellung schloss sich eine lebhafte Discussion, welche
sich namentlich über die Appellabilität und über die bindende Kraft des
Beweisinterloentes verbreitete, und in welcher die Vorzüge und Mängel
des bestehenden preussischen Processverfahrens hervorgehoben wurden.
R i 5 . r
Di 2 0 ad a a a dl nn 0 len 0 a = 2° u u
In der Sitzung am 18. Deeember wurde statutenmässig zur Neuwahl
eines Secretairs für die nene Etatsperiode geschritten und einstimmig der’
bisherige Secretair, Herr App.-Ger.-Präsident Dr. Belitz, wiedergewählt.
der Schles. Gresellsch. £, vaterl. Cultur. 139
Demnächst hielt Herr Gerichts-Assessor Wittig einen Vortrag über
das Separatum in Wechselsachen. Es wurde darin zunächst der
' anomale Charakter dieser Processart unter Hinblick auf die Grundsätze
‚ über Rechtskraft, sowie die Nullitäts- und Restitutionsklage hervorgeho-
ben, als ratio legis seiner Zulassung der Schutz des materiellen Rechts
gegenüber dem strengen Formalismus des Wechselprocesses erklärt, und
dann das Verfahren nach der Gerichtsordnung, unter Berücksichtigung der
jetzt geltenden Process-Gesetzgebung, erläutert. Hierbei wurde auf das
Verhältniss des Separati zum Wechselprocess, namentlich die Wirkung der
im ersteren ergangenen Entscheidung auf die Vollstreckung eines Wech-
sel-Urtels hingewiesen. Demnächst wurde untersucht, ob im Separatum
nur Einreden im technischen Sinne, oder auch Klageverneinungen vorge-
bracht werden dürften, und die Zulässigkeit beider Vertheidigungsarten
angenommen. Weiter wurde untersucht, welche materiellen Einwendun-
gen vorgebracht werden dürften, und in dieser Riehtung dafür entschie-
den, dass auch in separato nur wechselmässige Einwendungen (Art. 82
W.-0.) zulässig seien. Daran schloss sich eine Erörterung über das Ver-
hältniss der res judicata zum Separatum, und speciell darüber, ob die er-
ceptio res judicatae im Separatum durchaus und in allen Fällen ausgeschlos-
sen sei. Während das Letztere von Mehreren angenommen wurde, ent-
schied sich der Vortragende für die relative Zulässigkeit. Die entstan-
dene Discussion liess die Frage eine offene.
Endlich ward der Fall des $ 55, I, 27 A. G.-O. besprochen, und
die von Koch vertheidigte Ansicht, wonach nach Einführung der W.-O.
der frühere‘ Wechselkläger für eine neue Klage nur das Fundament der
Bereicherung habe, als bereits widerlegt erwähnt. Hierbei, wie bei
den andern Fragen wurden die Entscheidungen des Ober- Tribunals in
Bezug genommen.
VIE
Meteorologische Section.
Allgemeine Uebersicht
der
meteorologischen Beobachtungen auf der königl. Universitäts-
Sternwarte zu Breslau im Jahre 1861.
_ Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei
Swinemünde.
I. Barometerstand, II. Temperatur
1861. reducirt auf 0° Reaumur in der Luft in Graden nach
Pariser Linien. Reaumur.
nn m ne RER ER ERNEST RE SEPHERE SIE PEERREBESERIEN VENEN BEIN EBENE BER RP AHBNNNENGEENZDANENIREESRN EDEEREES REIT
Monat = 2 = ‚& 2 =) Ä S 5
ee 2 ae anstıelg
8 Re) & D = S :9 8 = =
en) ro a 2 = =) me) A Zi ea
Januar ..... 8 1338“. 86| 4 [32904133443 1 26 I+ 506 | 15 |— 1704 | 5033
Februar 3| 336,91) 11 | 326,30] 332,67 [23 |+ 1038 |13|— 50|+ 215
März ....... 15 | 335,40| 12| 322,41) 330,30 [30 |+ 14,516 |— 36 |-+ 401
April ...... 10| 338,71|22| 328,19| 332,87 | 1 + 145|20|— 28|+ 435
Br ...... 15| 335,32| 7| 328,25| 331,89 129 |+ 2283| 21 02|+ 845
Bım........ 13 | 335,50 28 | 327,601 331,82 123 |+ 334| 3|+ 88 |-+ 15.04
Bi... 31| 333,90] 16 | 329,29] 331,40 123 + 240| 4|+ 94|-+ 15,74
August .....122| 335,50) 10| 328,40) 333,02 | 13 |+ 26,5 125 |+ 94 |+ 14,99
September ..|13 | 336,43| 24 | 328,39| 331,94] 3 |+ 218 |30|-++ 48 |-+ 10.98
| October 415 | 338,29| 31 | 328,87) 334,83 | 10 |+ 17.2129 1— 2,01+ 7,24
"/ November ..[19 | 339,58| 9 | 325,46| 331,19] 14|)+ 92/26 |— 3,0|+ 3,75
"December ..[27| 340,04] 15 | 329,14| 334,61 | ı + 74|31|—- 90)— 0A
E..... |340°,04| |322;21 332,59 |+2835 | |-17%4 |* 69,76
142 Jahres-Bericht
II. Feuchtig- | IV, Wolkenbildung
186 keit und a
| der Luft. Niederschläge. E
en 3 0.5
Monat. = = E IE | 327
aA Sı:= = en oo38
Da = = = eu
Su Tage =
Januar»... 90% 122.09 | 0,81 2 2| 14.00
Bebruar ..3.....% 1599 0,8077 -4:] 56) 183277935 22
Marz. .E2 ke 2 1.97.17..0:69 5 | 10 | 16 16,76
Anal se 1.89 1: 0,63 12 5 213.1, 34 8,13
Maul ee. 277,067 1 4 1a \.18. | zB.
mi ae) 518 | 0744. 8| 12.20]. 2313
Julio en. 513.0:70 8.1.1928 33,56
Ansüst.... ..r.0. 4.68 | 0,69 7.1 14.100) 37,40
September........ 3,90 0,77 2:41.10 1 18 53,63
Ostober.n...2. 8.10 7 080° 7 12a et 2,96
"November ........ 2,09 0,73 a a y/ 18,09
December ........ 1,61 0,81 1ER 13,33
I | 2.96 | 0,74 58 | 136 | 171 | 264,09
Minimum der Dunstsättigung 0,17 April 19.. Minimum des Bünistdirees 0 24 Jan. 15.
Maximum 8,44 Juni 22.
V. Herrschende Winde,
Januar. West- und Nordwestwinde blieben überwiegend, ziemlich oft
kamen N., NO., O., SO. vor, am seltensten wurden SW. und 8.
beobachtet. |
Februar. Südliche und westliche Winde herrschten vor. Gegen Ende
des Monats kam Südost häufig vor. Nord und Nordost waren
sehr selten.
März. Den ganzen Monat Süd- und Westwinde, wie im Februar, über-
wiegend. Nord, Nordost und Ost waren äusserst selten oder gar
nicht vorgekommen,
April. West-, Nord- und Nordwestwinde wehten den Monat hindurch
mit oft grosser Heftigkeit überwiegend. Alle anderen Richtun-
sen kamen nur vereinzelt vor.
Mai. Süd- und Westwinde waren vorherrschend. Nord und Ost kamen
ziemlich oft, NO., SO., SW. nur vereinzelt vor. |
Juni. Im ersten Dritttheile waren östliche und nördliche, dann aber-
westliche und nördliche Windesrichtungen oft beobachtet: worden. .
Juli. Den ganzen Monat hindurch blieben West- und Nordwinde über-* “.
wiegend. Aber auch südliche Strömungen kamen ziemlich oft, n
östliche nur ausnahmsweise vor. - Am Nachmittags‘ des 28. E
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 143
August. Dieselben Winde wie im Juli vorherrschend. Sturm am 3.
und 10.
September. Wiewohl Westwind vorherrschend blieb, kamen doch
| - auch die anderen Windrichtungen nicht selten vor, Nord- und
; Ostwinde namentlich am Ende des Monats.
Oetober. Den ganzen Monat hindurch blieben Ost- und Südostwind
vorherrschend, westliche und nördliche Richtungen kamen meh-
rere Male, Süd und Südwest am seltensten. vor.
November. Den ganzen November hindurch blieben südliche und
westliche Windesrichtungen überwiegend. Nordost, Nord und
Ost kamen .beinahe gar nicht vor.
December. Bei öfterem Wechsel des Windes kamen West-, Süd-,
Südost- und Nordwinde am häufigsten, Nordost, Ost und Süd-
west nur ausnahmsweise vor.
VI. Witterungs-Charakter,
Januar. Bei fast immer trübem Himmel und häufigen, aber unbedeu-
tenden Niederschlägen die ersten 3 Wochen strenger Frost, dann
bis zum 27. Thauwetter, worauf wieder Kälte eintrat. «Hoher,
sehr schwankender Luftdruck, geringer Dunstdruck, grosse Dunst-
sättigung. Wetterleuchten am 6. Jan. Abends 6, Uhr.
' Februar. Vorherrschend trüber, von vielen gleichfalls unbedeutenden
ji Niederschlägen begleiteter, anomal warmer Wintermonat mit mitt-
lerem Barometerstande. Dieser, sowie die Temperatur, öfteren
Schwankungen ausgesetzt. Vom 14. ab successiver, gefahrloser
Eisgang der Oder. |
| März, Anfangs mehr trübe, in der zweiten Hälfte oft heiterer Himmel
und angenehm warmes, aber trockenes Wetter. Barometer und
Thermometer lebhaft schwankend, wenig Nebel, oft Regen, aber
meistens nur unbedeutend, wenig Schnee,
April. Bei im Ganzen ziemlich heiterem Himmel kamen recht häufige,
aber durchweg unbedeutende Niederschläge vor. Die in der
zweiten Hälfte des Monats eintretenden empfindlichen Fröste
brachten den Saaten, sowie den Blüthen der Bäume grossen Seha-
den. Der Luftdruck war gross, aber oft und stark veränderlich,
die Trockenheit der Atmosphäre war abnorm gross.
Mai. Halbheiterer Himmel, häufige Regenfälle, auch mehrere Male Schnee,
| Reif. Die Temperatur erst in der letzten Woche normal warm,
sonst ungewöhnlich kühl und der Entwickelung der Vegetation
recht hinderlich. Mittlerer Luftdruck, ohne erhebliche Schwan-
N kungen. |
‘Juni. Bei ziemlich heiterem Himmel ungewöhnlich häufige Gewitter mit
| Mo vielen Regenfällen und öfterem Hagelschlage an vielen Orten der
| RR Provinz. Eine, Windhose richtete am Nachmittage des 23. Juni
144 Jahres-Bericht der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur.
bei Breslau arge Verheerungen an. Oft tropische Hitze. Baro-
meter bei mittlerem Stande ziemlich schwankend. 4
Juli. Vorherrschend heiterer Himmel, vom 12. ab grosse Hitze. Am
Nachmittage des 24. fortwährend Gewitter mit Regen, am 28.
Nachmittag 5 Uhr Orkan mit Gewitter und Regenguss, der vie-
len Schaden anrichtete. Barometer wie Thermometer äusserst
wenig schwankend. u
August. Bei vorherrschend heiterem Himmel in den ersten 3 Wochen
grosse Hitze, dann gemässigte Temperatur. Die ziemlich häufig 4
fallenden Regen, zum Theil mit heftigen Gewittern verbunden, °
kühlten die Luft nur momentan ab. Barometer meist hoch und
ruhig, Thermometer mehr schwankend. |
September. Trüber Himmel mit nur 2 heiteren Tagen, 18 Regentage,
so dass der Monat in seinen Witterungs-Erscheinungen als ein °
abnormer sich zeigte; ein Mal Nebel, mässiger Barometer- und
Thermometerstand, ersterer mehreren lebhaften Oseillationen aus- °
gesetzt, |
October. Die letzten Tage ausgenommen, war der ganze October hei-
ter, ungemein trocken und angemessen warm. Es kamen häufige?
Nebel, Thau- und Reifbildungen vor. Das Barometer stand den
ganzen Monat hindurch, ohne erheblich zu schwanken, anomal
hoch, und ward erst vom 23. ab niedriger. |
November. Vorherrschend trüber, meist warmer Herbstmonat. Häufi-
ger aber mässiger Regen und öftere Reifbildungen, wenig Nebel
und Schnee. Mittlerer, den ganzen Monat hindurch stark schwan-
kender Barometerstand.
December. Vorherrschend trüber, erst milder, dann mässig kalter Win-
termonat. Der Sylvester der kälteste Tag. Häufige, aber durch-
weg unbedeutende Niederschläge von Nebel, Regen, Schnee,
Reif und Graupel. Hoher, oft schwankender Luftdruck. Eine
Feuerkugel ward am Abend des 14. an vielen Orten Schlesiens
wahrgenommen,
Druck von Grass, Barth und Comp. (W. Friedrich) in Breslau.
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