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Verlag von Gebrüder Borntraeger
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Jahresbericht
der
Yereinigung für angewandte Botanik
Vierter Jahrgang 1906
Mit 8 Tafeln und 19 Textabbildungen
LIBRARY
NEW YORK
BOTaNTCaL
OaKüEN.
Ber li n
Verlag von Gebrüder Borntraeger
SW 11 Dessaiier Strasse 29
1907
XJ
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
Inhalts-Verzeichnis»
LIBRARY
NEW VORK
Erster Teil.
Seite
1. Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung in
Hamburg vom 11.— 16. September 190!), erstattet von
C. Brick IX— LH
Darin enthalten folgende Reden, Beschlüsse, Referate
und Diskussionen über Vorträge etc.:
Y. Melle, Begrüssungsansprache XII
Resolution, betr. Förderung der tropischen Land- und Forst-
wirtschaft XVI
Diskussion zu Hos se US, Gewinnung des Teakholzes in Siam etc. XVII
„ „ Thiele, Einwirkung des Kalis etc XX
Geschäftliche Sitzung: Jahresbericht, nächstjähriger Versamm-
lungsort, Namensänderung, Änderung des Jahresberichtes,
Gebührenordnung für gerichtliche Gutachten ..... XXI
Diskussion zu Appel, Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXV
„ ,, Kühle, Schälen der Rübensamen etc. .... XXIX
Besichtigung der Fruchtschuppen und der Station für Pflanzen-
schutz, Hafenfahrt . XXXIV
Diskussion zu Johnson, Kartoffelscborf ......... XXXVI
,, ,, Graebner, Nicht parasitäre Pflanzenkrankheiten
der Heide XXXVI
Aderhold, R., Amerikanischer Stachelbeermehltau und bakterien-
kranke Kirschbäunichen (Referat) ......... XXXVI
Diskussion XXXVII
^^ Wehmer, C, Kulturen von Asperi/illus gigcu/teua (Referat) . . . XXXVII
CT) Diskussion XXXVIII
Kleballil, H., 1. Blattfleckenkrankheit der Platanen, 2. Krankheiten
p^ der Tulpen, S. Eine neue Krankheit des Flieders (Referat) XXXVIII
Diskussion XXXIX
^ Sitzung der Freien V^ereinigung der systematischen Botaniker
"^ und Pflanzengeographen XL
lY Inhalts-Verzeichnis.
Seite
Besichtigung des Botanischen Gartens und Museums und der
Samenkontrollstation XL
Besichtigung von Saatreinigungsanstalten und Warenlagerspeicher XL
Mni'dfleld, Das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe in
chemischer und physiologischer Hinsicht (Referat) . . . XLIV
Kwert, 11.. Die durch Bordeauxbrülie oder Beschattung hervor-
gerufene Verlangsamung des Stoffwechsels in grünen
Blättern XLVL
Ewert, R., Die Parthenokarpie der Obstbäume ....... XLVI
Diskussion XLVII
Ausflüge in die Zentralheide und in die Vierlande XLVIII
Ausflug nach Helgoland LT
Kuckuck, V., Mitteilungen über Tangverwertung LI
2. Mitgliederliste für 1906 LUX— LXIII
3. Vorträge und Abhandlungen.
Drude, 0., Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik . . . 1 — 19
AVarbui'g, 0., Über die tropische Landwirtschaft 20 — 39
Hosseus, C, Die Gewinnung des Teakholzes in Slam und seine
Bedeutung auf dem Weltmarkte iO — 50
Zacharias, E., Über Degeneration bei Erdbeeren. (Mit Taf. 1 u. II) 51 — 62
Wielcr, A., Die Bedeutung der Luftanalyse für die Rauchexpertise 63 — 69
((vam, (>., Zur Atmung des Geti'eides. Eine Relation zwischen
Keimfähigkeit und Atmungsintensität. (Mit 13 Fig.) . . 70 — 87
Vaiilia, J., Zur Qualitätsprüfung der Braugerste. (Mit 1 Fig.) . 88 — 97
Liiidner, P.. Über einige neuere biologische Methoden im Dienste
des Gärungsgewerbes 98 — 111
Johnson, T., Der Kartoffelschorf {Spom/ospora Solan/ Brunch). {W\t
Taf. III) ' 112— ll.ö
Schramm, W. H., Zur Holzvergillmng 116 — 139
— — Zum Vergrauen der Hölzer 140 — 153
— — Zu den Farbenangaben bei Hölzern 154 — 163
(jraebner, P., Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide und
die sich daraus ergebenden Pflanzenkrankheiten. (Mit 3 Fig.) 164 — 174
Thiele, R., Über unsere Kenntnisse von der Wirkung des Kalis
bei der Ernährung der Pflanze. (Mit Taf. IV— VIII) . . 175—181
Arnim-Schlagenthin, Graf v., Über das Auftreten erblicher Eigen-
schaften beim Weizen durch äussere Einflüsse 182 — 189
Kühle, L., Der Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die
Keimung (maschinelle Entfernimg der Perigonhülle) . . . 190 — -200
Appel, 0., Über die Stellung der Pathologie bei der Samenkontrolle
und den Anbauversuchen. (Mit 2 Fig.) 201 — 210
Inhalts-Verzeichnis.
Zweiter Teil.
Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung
zu Hamburg- vom 10. — 14. September 1906. gpjj.^
Vorarbeiten 213-216
Begrüssung und Arbeitsprogramm 217 — 221
Stebler, F. G., Die Herkunftsbestimmung der Saaten 221 — 231
Diskussion 231 — 233
Weinzierl, Tll. v., Die Wertbestimmung der Rübensamen 234 — 241
Diskussion 241 — 251
Scliribaiix, E., et Bussard, L., Comment il conviendrait de modifier les
normes en usage dans le commerce des semences de betteraves 251 — 259
Einsetzung einer internationalen Kommission für Samenprüfung . . 260 — 266
Rodewald, H., Die .Reinheitsbestimmung von Saatwaren 266 — 272
Diskussion 272—288
Degen, A. v., Über Kleeseide 289—294
Diskussion 294-318
Hiltner, L., Über Keimprüfungen 318—329
Diskussion 329 — 343
Verweisung der Vorschläge von Vaüha über die <^)ualitätsprüfung
der Braügei'ste an den Ausschuss 343—344
Ausschuss für die Förderung der wissenschaftlichen Grundlagen der
Samenkontrolle 344 — 347
Verbesserungen 348
Erster Teil
Versammlungsbericht und Mitgliederliste
sowie
Vorträge und Abhandlungen
der
Vereinigung für angewandte Botanik
1906
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Bericht über die 4. Hauptversammlung
der Vereinigung für angewandte Botanil<
In Hamburg vom IL— 16. September 1906.
Laut Beschluss der in Wien 19U5 abgehaltenen Generalversamm-
lung fand die diesjährige Hauptversammlung der Vereinigung in
Hamburg statt. x'Vls Zeit, deren Wahl dem Vorstande überlassen
blieb, wurde Mitte September bestimmt und dies den Mitgliedern durch
Rundschreiben Anfang November 1905 mitgeteilt. Ebenso hatte die in
Wien abgehaltene Konferenz der Agrikulturbotaniker beschlossen, im
Anschluss an unsere Versammlung eine internationale Konferenz
für Samenprüfung in Hamburg zu veranstalten. Schliesslich hatte
die Freie Vereinigung der systematischen Botaniker und
Pflanzengeographen für ihre 4. Zusammenkunft ebenfalls Hamburg
und die Tage vom 13. — 16. September gewählt. Es war also .\ussicht
vorhanden, dass sich Mitte September 1906 eine grössere Zahl von
Botanikern in Hamburg zusammenfinden würde.
Bereits Ende März 1906 konnte ein vorläufiges Programm der
Hamburger Versammlung, enthaltend einige bereits in Aussicht ge-
nommene Vorträge, Besichtigungen, Exkursionen und sonstige Ver-
anstaltungen, an die Mitglieder versandt werden. Dieses Programm
wurde sodann Anfang Mai an ca. 500 Botaniker, insbesondere an die
Mitglieder der Deutschen Botanischen Gesellschaft und die Teilnehmer
an dem internationalen botanischen Kongresse in Wien, verschickt.
Ein ergänztes Programm mit den bis dahin angemeldeten 23 Vorträgen
und Demonstrationen, der Tagesordnung der Geschäftssitzung und der
Zeit der einzelnen Veranstaltungen konnte dem 3. Jahresberichte der
Vereinigung Mitte Juni 1906 beigelegt werden. Ende August wurde
dann das definitive Programm den Mitgliedern zugesandt.
Im ganzen hatten sich 91 Teilnehmer, von denen 68 Mitglieder
der Vereinigung für angewandte Botanik waren oder auf der Versamm-
X Bericht über die 4. Hauptversammluno- der Vereinigung.
lun.ü- sich als solche anmeldeten und 14 auswärtige Damen eingefunden.
Die Namen der in Hamburg anwesend gewesenen Mitglieder unserer
Vereinigung sind: Aderhold-Dahlem, Ahrens-Hamburg, Appel-
Dahlem, v. Arnim - Schlagenthin-Nassenheide, Ascherson - Berlin,
Brick-Hamburg, Buchwald-Berlin, Büsgen - Münden, v. Degen -
Budapest, Di eis -Berlin, D in klage -Hamburg, Dorph Petersen- Kopen-
hagen, Drude-Dresden, Edler-Jena, Engler-Dahlem, Ewert-Proskau,
Fischer - Frankenthal, Friederichsen - Rostock, Gilbert - Hamburg,
Gilg-Dahlem. Graebner-Gr. Lichterfelde, Güssow-London, Gut/eit-
Königsberg, Haupt - Bautzen, He e ring- Altona, Heinsen - Hamburg,
Hennings-Berlin, Hillmann-Berlin, Hiltner-Miinchen, Hinneberg-
Altona, Holmes- London, Hosseus-Berlin. Jaap-Haml>urg, Jakowatz-
Tetschen, Johnson -Dublin, Kambersky-Troppau, Kirchner-Hohen-
heim, Klebahn -Hamburg, Kühle-Gunsleben, Kumm-Danzig, Lenz-
Lübeck, Lindemuth-Berlin, Lindinger-Hamburg, Lindner-Berlin,
Muth-Oppenheim, Peters-Hamburg, Petzet -Hamburg, Qvam- Kristiania,
Raatz-Kl. Wanzleben, Retzlaff-Hamburg, Schober-Hamburg, Schu-
mann-Halle, Simon - Dresden, Sonder - Oldesloe, S tob Ic r - Zürich,
V. Szyszylowicz-Lemberg, Thiele-Stassfurt, T host- Berlin, Vanha-
Brünn, Voigt-Hamburg, Warburg-Berlin, Weber-Bremen, Wehmer-
Hannover, v. Wein zierl- Wien, Widen-0rebro, Wiel er -Aachen,
\Vortmann - Geisenheim und Zacharias-Hamburg. An der Ver-
sammlung beteiligten sich ferner: Dr. A. Atterberg, Direktor der
Samenkontrullstation in Kalmar, Dr. G. Bitter, Direktor des Botanischen
Gartens in Bremen, Didrichsen, A. Mag. sc, Assistent Dansk Pr0-
kontrol in Kopenhagen, Dr. S. Frankfurt, Direktor der Samenkontroll-
station in Kiew, Dr. F. Fiögel, Privatgelehrter in Ahrensburg, Geh.
Ökonomierat Professor Dr. R. Heinrich, Direktor der Landwirtschaft-
lichen Versuchsstation in Rostock, Dr. Hochreutiner, Privatdozent der
Botanik in Genf, Prof. Dr. B. L. Issatschensko, Direktor der Samen-
kontrollstation am K. Botanischen Garten in St. Petersburg, Prof. Dr.
W. Krüger, Direktor der Landwirtschaftlichen Versuchsstation in
Bernburg, E)r. J. B. Kümmerle aus Budapest, Landtbruksinspectören
A. Lyttkens, Ledamot i Kgl. Landtbruksstyrelsen in Stockholm,
Kaufmann C. Persson aus Malmi), Prof. Dr. H. Rodewald, Direktor
des Landwirtschaftlichen Instituts in Kiel, A. Scherffel aus Iglo,
Lehrer Justus Schmidt aus Hamburg, Lehrer Schütz aus Lenzen a. Fl.,
V. Stöhr, Professor an der landwirtschaftlichen Landesmittelschule in
Prerau (Mähren), Geh. Regierungsrat Dr. F. Stuhlmann aus Amani
(Ostafrika), Dr. Z. v. Szabö, Assistent aus Budapest, Dr. H. Timpe, Ober-
lehrer in Hamburg, E. Vitek, Vorstand der Samenkontrollabteilung der
Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. XI
Chemisch-physiologischen Versuchsstation in Prag, Dr. Th. Waage,
Redakteur des „Saaten- und Düngermarkt" aus Berlin, und Prof. Dr. E.
Warming, Direktor des Botanischen Gartens und Museums in Kopenhagen.
Den Teilnehmern wurden seitens des Ortsausschusses — dank der
Munifizenz eines hohen Senates und der Hamburgischen Unterrichts
Verwaltung — folgende Schriften überreicht:
1. Die Botanischen Institute der freien und Hansestadt Hamburg.
Im Auftrage der Oberschulbehörde von E>r. A. Voigt. 102 S. m. 12 Taf.
Hamburg 1897,
2. Jahresberichte für 19U5 der Hamburgischen Botanischen Staats-
institute, erstattet von Prof. I>r. E. Zacharias, Prof. Dr. A. Voigt und
Dr. C. Brick. (63. S. S. -A. a. d. Jahrbuch der Hamburgischen
Wissenschaftlichen Anstalten XXIIl.)
3. Zehn Jahre Hamburgischen Vorlesungswesens. Ein Bericht
über die wissenschaftlichen Vorlesungen in Hamburg von Ostern 1895
bis Ostern 1905 unter Berücksichtigung der früheren Zeit, erstattet
von Rat Dr. Förster. (106 S, m. 7 Anl. S. -A. a. d. Jahrb. d.
Hambg, Wiss. Anst. XXIIl.)
4. Verzeichnis der Vorlesungen im Winterhalbjahr 1906/07, heraus-
gegeben von der Oberschulbehörde Hamburg. 46 S. u, 1 Plan.
Hamburg 1906.
5. Technische Vorschriften für die Wertbestimmung von Saat-
waren I. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen im
Deutschen Reiche, II. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchs-
stationen in Russisch-Polen, 111. für die mit Staatssubvention errichteten
Samenkontrollstationen der nordischen Reiche: Dänemark, Norwegen
und Schweden, IV. für die Association of American Agricultural Colleges
and Experiment Stations sowie Durchschnittsresultate für die wichtigsten
Futterpflanzen und ein Bericht über die Samenkontrolle in Schweden
(c. J. Widen). Nach dem vorhandenen Material zu.sammengestellt von
A. Voigt. (Als Manuskript gedruckt für den 1. internationalen Kon-
gress für Samenprüfung in Hamburg, September 1906.)
Von dem Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs war ferner
freundlichst zur Verfügung gestellt
6. Wegweiser durch Hamburg und Umgebung. (153 S. mit
zahlreichen iVbbildungen und 1 Plan. Hamlnirg 1905.)
XII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Sonntag, den 9. September,
fand bereits am Vormittage eine Sitzung des Ausschusses der
Konferenz für Samenprüfung statt. Abends 8 Ulir vereinigte sich
eine grössere Zahl der Teilnehmer an dieser Konferenz sowie Hamburger
Botaniker in dem in der Aussenalster schön gelegenen Restaurant
„Alsterlust" zur Begrüssung.
Montag, den 10. September,
begannen vormittags im Hörsaale A des Johanneum die Vorträge
und Beratungen der 1. internationalen Konferenz für Samen-
prüfung, woran sich nachmittags eine Sitzung der Vorstände in- und
ausländischer Samenkontrollstationen schloss. Eine Fortsetzung fanden
die Beratungen am Dienstag, den 11. September, nachmittags, am
Donnerstag, den 13. September, vormittags und am Freitag, den
14. September, vormittags. Über diese Konferenz erscheint ein aus-
führlicher Bericht mit den daselbst gehaltenen Vorträgen und der sich,
anknüpfenden Diskussion, sowie den sonstigen Beratungen in dem dies-
jährigen Jahresbericht unserer Vereinigung (s. S. 218 — 348).
Am Abend dieses Tages fanden sich sodann zahlreiche Vertreter
der angewandten Botanik zur Begrüssung um 8 Uhr in der
„Alsterlust" zusammen.
Dienstag, den II. September,
vormittags 10 Uhr in der Aula des Johanneum
Sitzung der Vereinigung der Vertreter der angewandten
Botanik.
Der Vorsitzende, Professor Dr. E. Zacharias, eröfTnete die
Sitzung und erteilte dem Präses der Hamburgischen Unterrichts-
verwaltung, Senator Dr. v. Melle, das Wort zu folgender Begrü ssungs-
an spräche:
Hochgeehrte Anwesende!
In dieser Woche tagen hier in Hamburg drei botanische Ver-
einigungen, die Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik, die
freie Vereinigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeographen
V. Melle, Begrüssiiugsanspraclie. XIII
und die erste internationale Konferenz für Samenpriifun.i;-. Gestatten Sie
mir, diese gelehrten Vereinigungen und insbesondere ilire auswärtigen
Mitglieder im Namen des Senats und zugleich im Namen der Ham-
burgischen Unterrichtsverwaltung bei uns herzlich willkommen zu heissen.
Stellt man der angewandten Botanik, wie das üblich, die reine
Botanik gegenüber, die ja auch hier durch die Systematiker vertreten ist,
so möchte mancher auf den ersten Blick meinen, dass die reine Botanik
die ältere der beiden Schwestern sei. Dem ist aber doch wohl nicht so.
Die ersten Beobachtungen über Wachstum, Blüte und Frucht der Pflanzen
und über die Eigenschaften der Pflanzenstoffe wurden in grauer Vorzeit
gewiss rein empirisch gemacht und lediglich im Hinl)lick auf ihre Ver-
wertung für wirtschaftliche Zwecke. So kam man zur Verwendung des
Holzes und anderer Pflanzenstoffe, zum Acker-, Obst- und Weinbau, zur
Gewinnung von Arzneimitteln und zu vielem anderen mehr. Viel später
entstand die reine wissenschaftliche Botanik, die sich zunächst von allen
praktischen Nebenaufgaben fernhielt und nur der immer tiefer l)e-
gründeten Erkenntnis des Organismus und des Lebens der Pflanzen, ihrer
geographischen Verbreitung und ihrer Verwandtschaftsverhältnisse dienen
sollte. Lange gingen dann beide Zweige der Botanik, die angewandte
und die reine, ohne einander wesentlich zu beachten, nebeneinander her,
und erst in neuerer Zeit hat man beiderseits anerkannt, wie in vielen
Fällen die Ergebnisse der einen die andere zu fördern geeignet sind.
Auch in Hamburg begann man mit der angewandten Botanik.
Der Gartenbau ist hier seit alter Zeit besonders gepflegt, so dass man
unsere Stadt wohl als eine Gartenstadt bezeichnet hat. Die Entwickeln ng
zur Grossstadt hat manchen alten Garten verschwinden lassen: noch
aber besitzen wir zahlreiche sehenswerte Privatgärten an den Ufern der
Elbe und in den Stadtteilen und Vororten an der Alster. Ja, die Aussen-
alster mit ihrer landschaftlichen Umgebung könnte man wohl als einen
grossen öffentlichen Garten bezeichnen, zu dem vom Mittelpunkte der
Stadt und von anderen Seiten her schattenreiche Alleen führen. Ich
darf ferner auf die eigenartig schönen Gartenanlagen des Zentralfried-
hofes in Ohlsdorf und, was den Gemüsebau betrifft, auf die Vierlande
und die anderen ländlichen Marschgebiete der Elbe verweisen. Wie
sehr aber die Pflege des Gartenbaues vielfach naturgemäss auch zu rein
wissenschafthchen botanischen Studien hinüberleitet, das zeigt das Bei-
spiel eines alten Hamburger Ratsherrn, des Bürgermeisters von Bostel,
Dieser besass zu Anfang des 18. Jahrhunderts einen im jetzigen Stadt-
teil Hörn belegenen Garten, den Linne seiner botanischen Bedeutung
halber besonders hervorhob. Der Gärtner des Bürgermeisters von Bostel
aber — oder, wie man damals sagte, sein hortulanus — Schwerin, der
XIV Bericht über die 4. Hauptversammlung der N'creinigung.
1710 ein Namensregister der in dem Garten kultivierten in- und aus-
ländischen Gewächse herausgab, orl^annte im Vorwort dazu dankbar an,
„dass er bei einer Herrschaft in Dienst geraten, die zu dieser Wissen-
schaft ein sonderbares Belieben trägt und die bei ihrer hohen Amts-
verrichtung übrige wenige Zeit mit grosser Ergötzung anwendet, seine
darob erlangte Science mit Darlegung der berühmtesten und neuesten
Autoren im studio botanico und Erklärung dessen, so seine Begriffe
übersteigen möchte, zu vermehren sich allemal willfährig erweiset".
Dass weiter die angewandte Botanik für den ersten Welthandels-
platz des Kontinents von grösster Bedeutung sein muss, liegt auf der
Hand. Wie viele Rohstoffe und Fabrikate aus dem weiten Gebiete des
Pflanzenreichs gehen nicht in unseren Hafen täglich ein und aus, um
fern oder nah in der einen oder anderen Weise verwandt zu werden
zum Nutzen der Menschheit. Seit Jahrzehnten besitzen wir in Ver-
bindung mit dem Botanischen Museum, das eine lehrreiche Übersicht
über alle botanischen Handelsprodukte der Erde und insbesondere auch
unserer Kolonien gewährt, ein botanisches Laboratorium für Warenkunde,
das unseren Kaufleuten, Industriellen und anderen Interessenten wissen-
schaftliche Auskunft über die verschiedensten Pflanzen und Pflanzenstofte
erteilt. Daran schliesst sich seit etwas mehr als zehn Jahren eine für
den hamburgischen Samenhandel unentbehrliche SamenprUfungsanstalt,
deren Aufgaben von Jahr zu Jahr wachsen. Als einen Beweis für die
steigende Bedeutung dieses Instituts möchte ich es bezeichnen, dass die
erste internationale Konferenz tür Samenprüfung hier in Hamburg statt-
findet. Dem Botanischen Museum ist ferner noch eine Station für
Pflanzenschutz unterstellt, die sich am Hafen befindet und durch wissen-
schaftliche Kontrolle und Untersuchung gewisser vom Auslande ein-
gehender Pflanzen und Obstsorten dafür Sorge trägt, dass der deutsche
Wein- und Obstl)au gegen die Einschleppung schädlicher Parasiten ge-
schützt wird.
Aber auch die reine Botanik hat in Hamburg mit der Zeit ihre
amtliche Stätte gefunden. An dem zu Anfang des 17. Jahrhunderts hier
errichteten Akademischen Gymnasium, einer Mittelstufe zwischen Univer-
sität und höherer Schule, wirkte von 1629 an der als grosser Natur-
forscher von Goethe und Alexander von Humboldt gefeierte Jungius, ein
Universalgeist, dessen hohe Bedeutung auch für die botanische Wissen-
schaft wiederholt von berufener Seite anerkannt ist. Später war die
Professur für Naturwissenschaft am Akademischen Gymnasium in der
Regel in den Händen eines Botanikers. Einer derselben begründete zu
Anfang des 111. Jahrhunderts den botanischen Garten, der, überaus
günstig gelegen, unserer gesamten Bevölkerung eine viel benutzte Quelle
V. Melle, Begrüssungsansprache. XV
botanischer Belehrung und Anregung bietet. In ihm wirkte seitdem
unter anderen Gelehrten der grosse Orchideenkenner Reichenbach.
Gegenwärtig besitzen wir in dem Direktor der Botanischen Staats-
institute und seinen festangestellten wissenschaftlichen Assistenten eine
Reihe ständiger Dozenten der Botanik, die regelmässige öffentliche Vor-
lesungen und praktische Kurse, insbesondere für Kaufleute, Zollbeamte
und Nahrungsmittelchemiker abhalten. Für das nächste Wintersemester
sind in dem vor kurzem veröhentlichten Vorlesungsverzeichnis, das
Ihnen, meine Herren, zugehen wird, 7 botanische Kurse angezeigt und
daneben 3 pharmazeutische der mit dem Botanischen Museum eng ver-
bundenen Pharmazeutischen Lehranstalt. Auch in unserem Landgebiet
werden neuerdings zur Förderung des Obstbaues von den wissenschaft-
lichen Beamten der Botanischen Staatsinstitute Vorträge für die be-
teiligten Landbewohner gehalten, die durch eine praktische l'nterweisung
seitens des am Botanischen Garten angestellten Baumwärters ergänzt
werden.
Sie sehen, meine Herren, eine wie erhebliche Rolle die Botanik
bei uns spielt, wie vielfach sie in das praktische Leben eingreift, wie
sehr insbesondere der Welthandel, der ja Hamburgs Lebensnerv ist, ihrer
Hilfe bedarf. Unsere Kaufleute sind in erster Linie Männer des prak-
tischen Lebens, — sonst würden sie Hamburgs Handel und Schiffahrt
nicht zu ihrer jetzigen Blüte haben führen können. Aber sie erkennen
nicht nur dankbar die Verdienste an. die sich die angewandte Botanik
um die Weltwärtschaft und um die Entwickelung wichtiger Zw^eige auch
unseres Handels erworben hat, sondern sie bringen auch vielfach, wie
jener alte Bürgermeister von Bostel, den Portschritten der wissenschaft-
lichen Botanik ein lebhaftes Interesse entgegen. Mit ihnen bin ich über-
zeugt, dass in der Botanik, wie in manchen anderen Zweigen der Natur-
wissenschaften, Theorie und Praxis tunlichst zusammenwirken, sich
gegenseitig stützen und ergänzen müssen. Auch Sie, meine Herren,
sind, glaube ich, von derselben Erkenntnis durchdrungen; denn gewiss
nicht ohne Grund haben sich hier Vertreter der reinen und der ange-
wandten Botanik zu gleicher Zeit zusammengefunden. Mögen denn Ihre
diesjährigen Beratungen fruchtbringend sein für die Praxis wie für die
reine Wissenschaft!
Sodann erhielt 10'/2 Uhr Geheimer Hofrat Prof. Dr. 0. Drude-Dresden
das Wort zu einem Vortrage:
Aufgaben und Ziele der angewandten Botanik (s. S. 1 — 19).
Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht.
XVI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Ihm folgte 11 Uhr 25 Minuten Prof. Dr. (). Warlnirg-Berlin mit
einem Vortrage über
Tropische Landwirtschaft (s. S. 20 — 89).
Redner bittet nach Schluss seines Vortrages, dass die hiesige Versamm-
lung sich mit den von ihm gemachten Vorschlägen einverstanden er-
kläre, so dass sie als Resolution der Vereinigung für angewandte Botanik
betrachtet werden kihinen.
Prof. Dr. Biis^eil-M linden stellt in .iM'wägung, ob nicht ausser der
Landwirtschaft auch die Forstwirtschaft zu berücksichtigen wäre, wie
dies bei den Instituten in Dahlem und Amani bereits der Fall sei.
Prof. Dr, Warbur^ hat nichts dagegen einzuwenden, so dass die
vorgeschlagene Resolution^) lautet:
„Die Vereinigung für angewandte Botanik erachtet zur
Förderung der tropischen Land- und Porstwirtschaft sowie für
die wirtschaftliehe Entwickelung der deutschen Kolonien für
wünschenswert
1. die Schaffung einer Zentrale für tropische Laml- und
Porstwirtschaft als Reichsinstitut im Anschluss an die Biolo-
gische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft zu r»ahlem bei
Berlin,
2. den Ausbau des botanischen Gartens zu Victoria in
Kamerun zu einem land- und forstwirtschaftlichen Institut erster
Ordnung,
3. die Schaffung land- und forstwirtschaftlicher Versuchs-
stationen in Togo und den Südseekolonien."
Auf Vorschlag von Prof. Dr. Wortmann-Geisenheim wird die
Resolution durch Akklamation angenommen.
, Schluss der Sitzung I21/4 Uhr.
Die Nachmittagssi tzung wurde von 2'/2— ^ ^'h'' im IlfH-saal A
des Johanneum abgehalten.
Zur Verfügung der Mitglieder waren ausgelegt von Prof. t»r.
Warburg eine Anzahl Exemplare seiner Aufsätze: Die Landwirtschaft
in den deutschen Kolonien (S.-A. a. d. Verhdlg. d. dtsch. Kolonial-
kongresses 1905), Ergebnisse und Aussichten der kolonialen Landwirt-
schaft (S.-A. a. d. Tropenpflanzer 1906) und Nummer 8 des Tropen-
pflanzers 1906, sowie von Dr. F. Pedde -Berlin in grösserer Zahl ein
neuer Prospekt des von ihm herausgegebenen Repertorium novarum
specierum regni vegetabilis.
1) Diese Resolution ist deui Staatssekretär des Innern und dem Dh-ektor
der Kolonialabteiluna: des Auswärtigen Amtes übersandt worden.
Diskussion: Gewinnung des Teakholzes. XVII
Im Sitziingssaale ausgestellt sind ferner von F. Rompel (Hamburg-
Barmbek, Hamburgerstrasse 53) photographische Aufnahmen von der
geplanten Exkursion in die Heide nach dem Wilseder Berge und dem
Totengrund bei Wilsede und von der Lichtdruckanstalt von C. Griese
(Hamburg, Steintwiete 20) Postkarten mit Ansichten aus den Vierlanden,
wohin ebenfalls ein Ausflug beabsichtigt ist.
Um 2'/2 Öhr erhält das Wort Dr. €. Hosseus-Berlin zu einem von
Lichtbildern begleiteten Vortrage:
Die Gewinnung des Teakholzes in Slam und seine Bedeutung
auf dem Weltmarkte (s. S. 40 — 50).
An den Vortrag schloss sich eine längere Debatte an.
Prof. Dr. Wieler-Aachen fragt an, warum die deutschen Firmen,
wie der Vortragende erwähnt hat, sich nicht mit dem Teakholzhandel
beschäftigen.
Dr. Hosseus: Es handelt sich darum, einige Firmen für den Handel
mit Teakholz zu interessieren. Die deutschen Firmen in Slam stehen
auf dem Standpunkte, dass ein derartig grosses Unternehmen, wie eine
Teakholzgesellschaft, nicht angezeigt sei. Es fehlt ihnen eine gewisse
Grosszügigkeit. Natürliche oder kommerzielle Bedenken liegen nicht
vor. Die dortigen Firmen machen mit anderen Sachen gute Geschäfte
und haben eine Erweiterung ihres Handels im grosszügigen Stile herbei-
zuführen nicht nötig.
Prof. Dr. Warburj2;-Berlin : Es ist pflanzengeographisch interessant,
dass der Mekong eine so scharfe Grenze ist, während im allgemeinen
wohl die Wasserscheiden, nicht aber die Flüsse die Floren zu scheiden
pflegen. Für die Gebiete des unteren Mekong könnte man vielleicht
eine Erklärung in der allmählichen Anschw^emmung des Landes und der
Besiedelung von beiden Seiten finden, gilt das aber auch für die höher
gelegenen Teile des Flussgebietes oder sind dort die floristischen Ver-
schiedenheiten der beiden Ufer weniger scharf?
Dr. Hosseus: Über die niederen Regionen des Mekong kann ich
keinen Aufschluss geben, da sie von mir nicht bereist W'Urden. Das er-
wähnte Fehlen von Teciona grandis am Unken Ufer und damit die
pflanzengeographische Verschiedenheit beider Ufer bezieht sich an und
für sich nur auf die höher nördlich gelegenen Gebiete, also auf das
Mekonggelände nach einem Laufe von ca. 8 Breitegraden von der
Mündung weg.
Prof. Dr. Warburg-: Das Teakholz von Siam ist besser als das
javanische Teakholz und dasjenige anderer Herkunft. Hängt dies von
den klimatischen Verhältnissen und dem Untergrunde ab? Lässt sich
Jaliiesbeiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. II
XVIII Bericht über die 4. H.iviptversamtnlung der Vereinigung.
aus den Proben aus unseren Kolonien schliessen. dass sich dort eine
gute Qualität entwickelt?
Dr. Hosseus: In unseren Kolonien sind nur Versuchswälder, die
im letzten Jahre zum ersten Male geblüht haben. Danach lässt sich
noch nichts beurteilen. Wir können aus ihnen jetzt eigenen Samen
heranziehen. Ob das Holz gut ist, ist mir nicht bekannt. Was das
Gedeihen anlangt, so kommt Togo vor allen Dingen in Betracht. Der
Baum gedeiht noch in Ägypten, soll dort aber nach persönlicher Mit-
teilung von Dr. Schweinfurth keine keimfähigen Samen hervorbringen.
Der Grund der Güte des Teakholzes in Slam ist wohl darin zu suchen,
dass die Hölzer sich alleinstehend besser entwickeln können. Dem
Boden wird zu viel Mineralgehalt von derselben Pflanzenart entzogen;
in einem geschlossenen W^aldbestand hat daher das Teakholz nicht die
für das gute Gedeihen notwendige Ernährung. Die Waldbestände im
oberen Teil des Landes weisen nicht so kräftige und hohe Stämme auf,
wie die südlicher gelegenen Wälder. Lateritboden scheint am geeignetsten
und günstigsten für das Gedeihen von Teakholz zu sein.
Kaufmann Döscher-Hamburg: Die vom Vortragenden erwähnten
Preisunterschiede lassen sich sehr wohl begründen. Für Waggonbau
wird zuweilen das gewöhnlichste javanische Djati-Teakholz genommen
und in kurzen Längen dafür 124 Mk. bezahlt. Die kaiserliche Werft
beansprucht dagegen nach bestimmten Dimensionen gesägtes Holz; für
lange Decksplanken werden 450 Mk. und noch mehr bezahlt. Das
Djatiholz ist von einer wimmerigen Qualität, hat meistens viele Aste
und kommt nur ausnahmsweise in guten Qualitäten herüber; es fehlt
ihm auch der Seidenglanz des siamesischen Teakholzes. Das javanische
Teakholz ist nach Europa durch die holländische Regierung eingeführt
worden. In Nürnberg wird die, von Dr. Hosseus angezogene Verwen-
dung jedenfalls für den Bau von Wagen der holländischen Staatsbahn
vorgeschrieben sein. Ich bedauere, dass in unseren Kolonien Versuche
mit javanischem Teakholz gemacht werden; das indische Teakholz wird
überall bevorzugt.
In Rangoon handeln übrigens deutsche und zwar Firmen Bremi-
schen Ursprungs mit Teakholz, z. B. Krüger c*v; Co., Mohr Brothers.
Die weisse Ameise soll niemals das Teakholz anfressen. Es gibt
aber die sogenannten ,,bee holes" in dem Holze. Woher rühren diese
Löcher?
Dt. Hosseus: Es ist sicher nicht die weisse Ameise sondern eine
W^espenart, welche die Löcher im Teakholze verursacht.
Der Bremer Vulkan schreibt, dass javanisches Teakholz sich im
Preise wesentlich günstiger stelle; es wird deshalb von vielen Firmen
Diskussion: Gewinnung des Teakholzes. XIX
jetzt fast ausschliesslich bezogen. Für den Waggonbau ist das Teakholz
bedeutend teuerer als der Herr Vorredner annimmt; ausserdem wird in
Nürnberg nach den mir von Herrn von Rieppel gemachten Angaben
zumeist indisches Teakholz verarbeitet. Der Preis schwankte in den
Jahren 1900 — 1906 bei Java-Teakholz für Blöcher zwischen 166 und
192 Mk. pro cbm, für Dielen zwischen 247 und 275 Mk. pro cbm,
bei indischem Teakholz für Blücher zwischen 215 und 300 Mk. pro cbm,
für Dielen zwischen 292 und 300 Mk. Auch die kaiserl. Werften zahlen
wie bereits erwähnt, niemals einen derartig hohen Preis. Derselbe be-
trägt jetzt im Mittel zwischen 250 — 300 Mk., während für altes, lagerndes
Holz früher nur 152 — 206 iMk. gezahlt wurde. Selbst für Deckplanken
werden gemäss Mitteilung der W^erften nie mehr als 350 Mk, gezahlt. Es
ist dies aber alles noch zu teuer eingekauft, wenn man bedenkt, dass
1 cbm in Slam im Innern 80 Mk. kostet; in den letzten Jahren ist
allerdings durch das Monopol und die vermehrte Nachfrage eine
Steigerung ab Bangkok bis zu ca. 50 Mk. erfolgt. Die beiden genannten
Firmen sind Reisfirmen, die nur nebenbei Teakholz ausführen, wie dies
auch in Slam z. B. andere deutsche Firmen für einige hunderttausend
Mark tun; das kommt aber bei der Ausfuhr von über 8 Millionen nicht
in Betracht. Das javanische Holz ist stark verästelt, weil die Bäume
im Gesamtbestande und nicht im Einzelstande vorkommen. Da kann
der Baum sich zu grösserer Höhe besser auswachsen. In Slam ist das
Teakholz oben im Lande schlechter, unten im Lande besser, weniger
verästelt. Dass in den Kolonien javanisches Teakholz zu Versuchen
angebaut wird, ist bedauerlich; es sollen aber neuerdings mit siamesischem
Samen Pflanzversuche gemacht worden sein. Ausserdem möchte ich
nochmals auf die Anpassungsfähigkeit in den Tropen und den Vergleich
mit Hevea hrasiliensis hinweisen. Wir können uns jedoch freuen, dass
wir überhaupt später einmal Teakholz aus unseren Kolonien werden be-
kommen können. Aus englischen Kolonien solches zu erhalten, wird
sich mit der Zeit immer schwieriger gestalten.
Prof. Dr. Btts^en-Münden: In unseren Wäldern bilden sich gerade
im geschlossenen Bestände die besten Walzen und im freien Stande
eine starke Verästelung. Die Abmessungen in Java sind andere und
daher wohl die schlechte Beurteilung. Was aus Java bisher kommt,
stammt aus den Urwäldern. Man darf hoffen, dass aus den Kultur-
wäldern langschäftigere Bäume gewonnen und dass auch aus unseren
Kolonien solche langschäftigen Bäume kommen werden. Es kommt auf
die Erziehung des Baumes an.
In Slam soll der Teakbaum auf Kalkboden nach dem Vortragenden
nicht vorkommen, in Java steht er auf Kalk.
II*
XXII Bericht über die -i. Hauptvcrsammlun.t;- der Vereinigung.
lassen *) und als Zeit die Tage vor der Naturforscherversammlung zu
nehmen.
Ein Antrag des Vorstandes auf Änderung dos Namens der
Vereinigung in „Yereiiii^iuift- für angewandte Botanik" mit der Be-
gründung, dass der alte Titel sich im Verkehr als 7ai lang und un-
zweckmässig herausgestellt habe und dass er auch nicht mehr zu-
treffend sei, da z. Z. nicht nur Fachleute, sondern auch viele Interessenten
anderer Kreise Mitglieder seien, wurde nach einigen kurzen Bemerkungen
einstimmig angenommen.
Dr. Brick berichtet sodann über eine in Aussicht genommene
Änderung des Jahresberichtes der Vereinigung. Danach sollen
in Zukunft die Referate über die von den Mitgliedern veröffentlichten
Arbeiten auf dem Gebiete der angewandten Botanik fortfallen. E>er
Jahresbericht der Vereinigung würde demnach bestehen aus 1. dem
Bericht über die Jahresversammlung, dem Mitgliederverzeichnis etc.
2. den .'i.uf dieser Versammlung gehaltenen Vorträgen und 3. Original-
arbeiten und Sammelreferaten. Als Ersatz für die ausfallenden Referate
erhalten die MitgUeder je einen Sonderabdruck dei" Referate aus Justs
Botanischem Jahresberichte von a) Geschichte und Verbreitung der Nutz-
pflanzen, b) Pflanzenkrankheiten, c) Pharmakognostik, d) Kolonialbotanik
und e) landwirtschaftliche Botanik (einschl. landw. Bakteriologie). Die
Lieferung dieser Sonderabdrücke soll mit den Referaten der Arbeiten des
Jahres 1905 beginnen. Der Redakteur des Botanischen Jahresberichts,
Herr Dr. Fed de-Berlin, und der Verleger, Herr Dr. Thost (i. F. Ge-
brüder Borntraeger), haben sich mit dieser Einteilung und Lieferung ein-
verstanden erklärt. Mit Herrn Dr. Thost, der ja auch der Verleger
unseres Jahresberichtes ist, wurde im obigen Sinne ein Nachtrag zu
dem früheren Vertrage vereinbart, der auch einige weitere Vergünsti-
gungen enthält. Aufmerksam gemacht wurde noch besonders darauf,
dass Tabellensatz in dem Jahresbericht möglichst zu vermeiden ist, dass
die Mehrkosten für Tabellen in Petitdruck und für umfangreichere
Korrekturen vom Autorhonorar gekürzt werden müssten. Der verlesene
Xachtragsvertrag wird seitens der Versammlung genehmigt.
Als nächster Punkt war auf die Tagesordnung der geschäftlichen
Sitzung gesetzt worden: Stellungnahme zu der von den Ver-
bänden und Vereinen deutscher Architekten und Ingenieure
und von den deutschen Chemiker-Vereinen aufgestellten Ge-
1) Der Vorstand hat beschlossen, die nächste Versammlung in
Dresden in den Tagen vom 8. — 11. September 1907 abzuhalten und an
der Festsitzung und dem Festessen der Deutschen Botanischen Gesellschaft,
die auch in Dresden stattfinden werden, teilzunehmen.
Gebührenordnung für gerichtliche Gutachten usw. XXIII
bührenordnung- für gerichtliche Gutachten usw. Dr. Brick
referiert hierüber folgendermassen : In der Gebührenordnung für Zeugen
und Sachverständige der deutschen Reichsgesetzgebung vom 30. Juni 1878
besagt §3: „Der Sachverständige erhält für seine Leistungen eine Vergütung
nach Massgabe der erforderlichen Zeitversäumnis im Betrage bis zu 2 M.
auf jede angefangene Stunde. Die Vergütung ist unter Berücksichtigung
der Erwerbsverhältnisse des Sachverständigen zu bemessen und für
jeden Tag auf nicht mehr als 10 Stunden zu gewähren. Ausserdem
sind dem Sachverständigen die auf die Vorbereitung des Gutachtens
verwendeten Kosten, sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe
und Werkzeuge zu vergüten." Weiter laulet § 4: „Bei schwierigen
Untersuchungen und Sachprüfungen ist dem Sachverständigen auf
Verlangen für die aufgetragene Leistung eine Vergütung nach dem
üblichen Preise derselben und für die ausserdem stattfindende Teil-
nahme an Terminen die im § 3 bestimmte Vergütung zu gewähren." Die
Verbände und Vereine deutscher Architekten und Ingenieure haben 1901
eine Gebührenordnung') aufgestellt, deren § 4 besondere Gebühren für
Gutachten etc. behandelt und als zu berechnende Vergütung für die
erste Stunde 20 M., für jede fernere Stunde 5 M. angibt. I)ie Freie
Vereinigung deutscher Nahrungsmittelchemiker, der Verband selbständiger
öffentlicher Chemiker Deutschlands und der Verein deutscher Chemiker
haben einen Ausschuss zur Wahrung der gemeinsamen Interessen des
Chemikerstandes eingesetzt. Dieser Ausschuss hat in seiner zu Frank-
furt a. M. am 22. März 1906 abgehaltenen Sitzung einstimmig als Ge-
bührenordnung beschlossen ^) :
„a) Für schwierige Arbeiten und gerichthch chemische
Gutachten wird ein Minimalhonorar von 5 Mk. für die Stunde,
b) für örtliche Besichtigungen, Arbeiten an Ort und Stelle
und für die aufgewendete Reisezeit gleichfalls ein Minimalsatz
von 5 Mk. für die* Stunde als angemessen erachtet.
c) Die durch die Reise erwachsenen Barauslagen sind
hierin nicht einbegriffen."
Der Referent schlägt vor, dass auch die Vereinigung für ange-
wandte Botanik sich diesem Beschlüsse der Chemiker über die Gebühren-
ordnung, wonach ein Minimalsatz von 5 Mk. für die Stunde für
Gutachten und örtliche Besichtigungen etc. — nicht für die
Teilnahme an Terminen (cf. § 4 der gerichtlichen Gebührenordnung) —
als angemessen erachtet wird, anschliesst. In der folgenden De-
'i Kommissionsverlag Deutsche Bauzeitung. G. ra. b. H., Berlin S\V. 11.
-) Beilage zur Zeitschrift für angewandte Chemie 11)0(5.
XXIV Bericlit über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
hatte, an der sich Wieler, Wehmer, Ewert, Buchwald, Appel und
Brick beteihgen, wird darauf hingewiesen, dass bei den Gerichten
manchmal Schwierigkeiten entstehen werden. Dem wird entgegnet, dass
man vorher dem Gerichte diesen Beschluss der Vereinigung mit dem
Minimalsatz mitteilen könne. Man darf zwar ein gerichtliches Gutachten
nicht ablehnen, aber man könne es aufschieben, was zumeist nicht im
Interesse der Parteien liegen dürfte. Im übrigen besagt der Beschluss
ja auch nur, dass dieser Preis als angemessen erachtet wird. F'ie
Versammlung beschliesst gemäss dem Vorschlage des Referenten.
Schluss der Sitzung 5^/^ Uhr.
Der Abend vereinigte die Teilnehmer der Versammlung mit ihren
Damen von 6'/2 Uhr an zu einem gemeinsamen Essen in dem an
der Aussenalster gelegenen „Uhlenhorster Fährhause". Nach Aufhebung
der Tafel überraschte die Teilnehmer beim Heraustreten in den Garten
ein von der Hamburger Saatfirma Ernst & von Spreckelsen ge-
spendetes, auf der Aussenalster abgebranntes Feuerwerk.
Mittwoch, den 12. September,
Sitzung von 9 — 12 Uhr im Hörsaale des Botanischen Gartens.
Eine Zusammenkunft der Samenprüfungskonferenz war wegen der
in unserer Vereinigung zu behandelnden Themen über Saatkontrolle
für diesen Tag nicht angesetzt worden.
Die k. k. Forstliche Versuchsanstalt zu Mariabrunn bei Wien hatte
eine grössere Anzahl von Sonderabdrucken der Arbeit von Dr. E. Zeder-
bauer: Die Keimprüfungsdauer einiger Koniferen, zur Verfügung ge-
stellt und Hofrat Dr. Th. v. Weinzierl aus der k. k. Samenkontroll-
station in Wien seine folgenden Arbeiten: 25. Jahresbericht der k. k.
Samenkontrollstation (k. k. Landwirtschaftlich-botanische Versuchsstation)
in Wien für das Jahr 1905, mit einer Übersicht über die Tätigkeit in
den 25 Jahren des Bestandes (Wien 1906), Neue Apparate zur Samen-
kontrolle (1. Verbesserter Sicherheitsbrenner für Keimapparate, 2. Dia-
phanoskopkasten zum Durchleuchten von Samen, 3. Messlatte für Ge-
treidehalme und Gräser), Regeln und Normen für die Benutzung der k.
k. Samenkontrollstation in Wien (11. Aufl.), Modifizierte „Wiener
Normen" für Zucker- und Futterrübensamen, sowie K. Komers und
Diskussion: Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXV
E. Freudl, Die Wertbestimmung des Rübensamens, und Probeziehungs-
apparat für Rübensamen nach K. Komers, verbessert von E. Freudl,
Als erster Redner erhielt Regierungsrat Dr. 0. Appel-Dahlem das
Wort zu einem halbstündigen Vortrage:
Das Verhältnis der Phytopathologie zur Samenkontrolle und
zu den Sorteaanbauversuchen (s. S. 201 — 210).
An den Vortrag knüpfte sich eine längere Besprechung.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien bemerkt, dass die Krankheits-
erscheinungen der Rübensamen im Keimbette nicht erwähnt worden
seien. Das hypokotyle Glied wird hyalin und collabiert. Veranlasser
sind Pythium de Baryanmn, PJwma hetae und Bakterien. Eine be-
friedigende wissenschaftliche Erforschung ist bisher noch nicht vorge-
nommen worden. In den Certiflkaten der Wiener Station wird den Ein-
sendern — einige Zuckerfabriken beziehen für 20 — 100000 Kr. Rüben-
samen — von dem Auftreten dieser Krankheitserscheinung Kenntnis
gegeben und die Anzahl der kranken Keime gesondert genannt.
Punkt 5 der modifizierten „Wiener Normen" für Zucker- und Futter-
rübensamen (Wochenschrift f. Rübenzuckerindustrie in der österr.-ungar.
Monarchie 1906, No. 36) beschäftigt sich mit diesen kranken Keimen.
Eine Probe, in der mehr als 5*^/0 Keime krank erscheinen, ist als Saat-
gut nicht geeignet; 3 ist als Grenzwert zu betrachten. Ein Rüben-
samen mit 3 kranken Keimen oder Knäueln ist nicht zu beanstanden,
wenn das Saatgut den übrigen Anforderungen entspricht.
L. Kühle -Gunsleben bittet, die Fragen, die sich auf Rübensamen
beziehen, bis nach seinem Vortrage zu verschieben.
Prof. Dr. Edler -Jena verspricht sich von der von Regierungsrat
Appel verlangten obhgatorischen Einführung der Prüfung auf Stein-
brandsporen bei der Untersuchung von Saatweizen seitens der Samen-
kontrollstationen nicht viel. Für den Landwirt hat eine solche Unter-
suchung nur dann grösseren Wert, wenn selbst geringe Mengen Brand-
sporen in der Saatware sicher nachgewiesen werden können. Das ist
aber infolge der Schwierigkeiten der Probenahme bei schwach infiziertem
Weizen ebensowenig möglich wie sichere Feststellung einzelner Klee-
seidekörner in grösseren Posten Kleesaat. Die Untersuchungen auf
Brand würden deshalb trotz der Einfachheit ihrer Ausführung zu
häufigen Differenzen Veranlassung geben, besonders wenn der Landwirt
infolge der attestierten Brandfreiheit den Weizen ungeheizt säet und
dann doch in dem Feldbestande einzelne brandige Ähren findet. Stärker
infiziertes Saatgut erkennt der aufmerksame Landwirt selbst als solches.
Dr. Brick- Hamburg fragt an, wie sich Urophlyctis Alfalfae^
XXVI Bericht über die i. Hauptversammlung der Vereinigung.
auf die bereits in der ausländischen Tagespresse aufmerksam gemacht
wird, in Luzernesaat nachweisen lässt. Die Krankheit, die nach
V. Lagorheim in Ecuador 1892 grösseren Schaden verursacht haben
soll, ist bei uns 1901 in der Gegend von Basel (aber auf elsässischem
Gebiete) und 1902 bei Colmar beobachtet worden, sie soll auch in ver-
schiedenen Orten in der Schweiz und in Italien sowie neuerdings im
südöstlichen England aufgetreten sein. Die VerIJreitung des Pilzes kann
man sich nicht anders vorstellen, als dass seine Sporen zufällig mit
dem Saatgut verschleppt und zugleich mit dem Luzernesamen aus-
gesäet worden sind, daher würde ein Auffinden der Sporen im Saatgute
von wesentlichem Interesse sein,
Dr. Hillinaiin -Berlin weist auf die Schwierigkeit hin, die Menge
des Brandes an der Saatprobe im Laboratorium festzustellen. Bei der
Feldbesichtigung kann man die Anzahl der Steinbrandähren dagegen
sehen und beurteilen. In diesem Jahre ist ein besonders starkes Auf-
treten des Steinbrandes (T'iUeüa) zu beobachten gewesen. Von 82 an-
gemeldeten VS'interweizenfeldern konnten 17 von der Deutschen Landwirt-
schafts-Gesellschaft wegen Steinbrandes für die Saatenanerkennung nicht als
ausreichend erachtet werden, und ausserdem wurde 12 mal Steinbrand
in einzelnen Ähren beobachtet. Die Krankheit ist zwar leicht zu be-
kämpfen, aber die Massregeln werden vom praktischen Landwirt nicht
genau genug ausgeführt. Bei tlen Sortenanbauversuchen der D. L. G.
ist von vornherein auf Feststellungen der Pflanzenkrankheiten geachtet
worden. Jeder Versuchsansteller ist ausserdem angewiesen, in Zweifels-
fällen kranke Pflanzen den Auskunftsstellen für Pflanzenschutz oder der
Biologischen Reichsanstalt in L~)ahlem einzusenden.
Dr. Buchwald -Berlin führt aus, dass die Brandsporen in der
Müllerei ebenfalls eine Rolle spielen wegen ihrer Verunreinigung der
Kleien. Um ein Bild von der Menge der Brandsporen in Kleien zu er-
halten, ist vom Redner schon seit Jahren die von Herrn Regierungsrat
Appel empfohlene Methode angewendet worden. Bei den Untersuchungen
ist auch versucht, durch Zählungen festzustellen, wie viel Brandsporen
in einer Brandkugel vorhanden sind, und die Zahl auf 2'/2 '^^^
3 Millionen berechnet. Hieraus geht hervor, dass, wenn in einem
Weizenfelde eine einzige Ähre brandig ist, später jedem Weizenkorn der
Ernte Sporen anhaften. Es dürfte daher schwer sein, eine Grenze für
die zulässige Anzahl von Brandsporen im Saatgetreide für die Saaten-
kontrolle festzulegen, denn wenn ein Weizenkorn mit Brand infiziert ist,
sind es alle desselben Postens. — Zu der Frage, den Weizen ohne
Desinfektion mit Bordelaiser Brühe u. dergl. von Brandsporen zu befreien,
weist Redner darauf hin, dass in den Mühlen der brandige Weizen
Diskussion: Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXVII
mit viel Wasser gewaschen wird. Gewaschener Weizen ist nachher
vollkommen frei von Brand und liefert brandfreies Mehl und brandfreie
Kleie.
Prof. J. Vafiha- Brunn empfiehlt die Vorschläge von Appel. Es
wird aber noch vieler Studien bedürfen, um mit Sicherheit vorgehen zu
können. An der Brünner Landesversuchsstation wird bei den Samen-
untersuchungen schon seit 8 Jahren auch die Saat auf Pflanzen -
krankheiten untersucht, wenn es verlangt wird. Redner möchte noch
auf einige andere gefährliche und sehr verbreitete Pilze aufmerksam
machen, so besonders auf Helminthosporium der Gerste, durch das oft
'/g und mehr der Ernte verloren geht. Dadurch werden auch die
Resultate der Sortenanbauversuche sehr beeinflusst. Auch bei Kartoffeln
sind viele Ki^ankheiten, die noch nicht genau studiert sind. Die Ring-
krankheit der Kartoffel ist vorher schwierig zu erkennen, und man
muss die Knolle durchschneiden. Es sind ferner die Braunfleckigkeit
der Knolle und die vom Redner beschriebene Blattbräune (Spondes-
mium solaui varians) oder Dürrlleckigkeit zu beachten,
L. Külile-Gunsleben bemerkt, dass man die von Herrn Regierungsrat
Dr. Appel erhobene Forderung nicht ohne weiteres von der Hand
weisen könne und dass vom Standpunkte des Züchters aus Einwendungen
hiergegen nicht erhoben werden k("»nnten um so weniger als es für diesen
ziemlich einfach sei, sein Saatgetreide steinbrandfrei abzuliefern. Nach
den Feststellungen des Freiherrn v. Tubeuf, auf dessen Veranlassung
nach seinem Fortgange von Berlin Regierungsrat Dr. Appel im Verein
mit Kühle die diesbezüglichen Versuche in grossem Massstabe aus-
führte, werden die Sporen des Steinbrandes sicher abgetötet, wenn man
den infizierten Weizen 10 Minuten lang einer Temperatur von 70°
aussetzt, während die Keimfähigkeit des Weizens von dieser Temperatur
in keiner Weise beeinflusst wird. Mit einem Trockenapparat ist wohl
jeder moderne Züchter heute versehen ; er hat also nichts weiter nötig,
als den Weizen in der angegebenen Zeit bei der angegebenen Temperatur
den Trockenapparat passieren zu lassen und in sterile Säcke aufzufangen.
Dass dieses Verfahren grosse Vorzüge vor den seither bekannten be-
sitzt, liegt auf der Hand. Der entbrandete Weizen kann beliebig lange
aufbewahrt werden. Die Laboratoriums versuche, sowie die in Dahlem
und auf dem Rittergute Aderstedt angelegten Versuchsfelder haben be-
wiesen, dass das Verfahren prompt wirkt. Wenn nun die Entbrandiing
mit Hilfe eines Trockenapparates so einfach ist, so kann man es nicht
als Härte bezeichnen, wenn Bestimmungen getroffen werden, dass der
Züchter niu* dergestalt behandeltes Saatgut abliefert. •
Hofrat Dr. v. Weinzierl schüttelt die Probe mit Chloroform und
XXVIII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereiniguno-.
erhält dadurch die Brandsporen. Mit einem Okularraster werden die
Sporen dann gezählt. 10 Brandsporen im Gesichtsfelde sind z. B,
gleich ^/,oo Gewichtsprozent. Welche Menge von Brandsporen, Tilletia
caries und T. levis, in einer Probe geduldet werden kimne, hängt be-
kanntlich von dem Grade der schädigenden Wirkung der Sporen dieses
Pilzes auf die Verdauungsorgane der betreffenden Tiere ab. eine Frage,
welche bisher gänzlich einwandfrei noch nicht entschieden ist.
Es ist gelungen, Rumex hymenosepalus iri Niederösterreich auf
Sandboden mit Erfolg zu kultivieren. Im zweiten Jahre jedoch treten
Krankheitserscheinungen auf, die in Flecken des Laubes und Ver-
schrumpfen der W^irzeln bestehen, so dass die Kulturen besonders nach
trockenem warmen Prülijahrs weiter arg geschädigt werden. Der Pilz
ist, nach der Bestimmung der k.k. Pflanzenschutzstation in Wien,
Phyllosticta Acetosae Sacc.
Regierungsrat Dr. Appel antwortet auf die verschiedenen ge-
äusserten Fragen in seinem Schlussworte: Pütterungsversuche mit
Brandsporen sind neuerdings wieder in der Kaiserl, Biolog. Anstalt aus-
geführt worden und zwar mit Schweinen und Geflügel, da gerade für
diese beiden Tiergattungen noch eine Nachprüfung der bisher vor-
liegenden Versuche wünschenswert erschien. Die benutzten Tiere
wurden geschlachtet und dadurch festgestellt, dass selbst beim Ver-
füttern sehr grosser Mengen von Brandsporen nicht nur keine äusser-
lich bemerkbare Beeinflussung der Tiere durch brandhaltiges Futter
stattfindet, sondern dass auch keinerlei vorübergehender Reiz auf die
inneren Organe ausgeübt wird. — Das Waschen des Weizens, um ihn
vom Brand zu befreien, ist sehr bekannt und zuerst von Linhart be-
sonders empfohlen worden, aber auch in dem Flugblatt (No. 28) der
Kaiserl. Biolog. Anstalt über den Steinbrand des Weizens als ein wesent-
liches Mittel im Kampf gegen den Steinbrand angeführt. Durch
Waschen mit warmem Wasser kann man einen Zustand erzielen, der
praktisch als brandfrei bezeichnet werden kann. Bei der im Vortrage
geforderten Untersuchung auf anhaftende Steinbrandsporen ist nicht eine
prozentuale Feststellung verlangt worden; der Praktiker kann aber sehr
wohl eine Untersuchung verlangen, die ihn in die Lage versetzt, zu
entscheiden, ob er beizen muss oder nicht. Es ist dies um so wichtiger,
als der Steinbrand nicht durch Infektion vom Boden aus, sondern aus-
schliesslich durch das Saatgut verbreitet wird. Die in dem Vortrag
mitgeteilte Methode des Nachweises durch Ausschütteln wird aber allen
Anforderungen der Praxis vollkommen gerecht. Wenn auch jetzt noch
die Samenkontrollstationen — vielleicht weil sie nicht überall über
botanisch geschulte Kräfte verfügen — , diesen Untersuchungen gegen-
Diskussion : Phytopathologie und Samenkontrolle etc. XXIX
Über sich ablehnend verhalten, so dürfte sich dieser Standpunkt kaum
auf die Dauer aufrecht erhalten lassen, da die Praxis sicher mit der
Zeit einsehen wird, welche Vorteile ihr aus einer solchen Untersuchung
erwachsen und diese dann fordern wird. Auch der Samenhandel hat
an derartigen Untersuchungen ein Interesse, da es sehr wohl möglich
ist, ein Saatgut, das frei von ansteckungsfähigem Steinbrand, Roggen-
stengelbrand, Haferbrand und gedecktem Gerstenbrand ist, zu liefern.
Die einzige Schwierigkeit in dieser Beziehung liegt zurzeit nur noch
im offenen Gerstentlugbrand und im Weizenflugbrand, deren direkte
Bekämpfung noch nicht mit Sicherheit möglich ist.
Bezüglich einer Verbreitung von Urophlycüs und Hehnhifhosporium
ist dem Redner nichts Genaues bekannt. UrojMyctis ist bis jetzt auch
noch nicht als durch Saatgut verschleppbar verdächtigt, wohl aber
Hehn'inthosporiii'))}. Der letztgenannte Pilz ist in diesem Jahre besonders
stark aufgetreten und die dadurch hervorgerufene Beschädigung vor
allem deshalb gross, weil er nicht nur die bekannte Streifen krankheit
der Blätter, sondern auch eine Taubheit der Blüten hervorgerufen hat.
Diese kam dadurch zustande, dass der Befall ein sehr frühzeitiger war
und der Pilz schon auf den noch in der Knospenlage befindlichen
Blättern sich ansiedelte und von diesen dann auf die noch in den
Scheiden steckenden Ähren und Halme überging. So befallene Pflanzen
brachten keine Körner und zeigten ein bräunüches, nicht mit der so-
genannten Weissährigkeit zu verwechselndes Aussehen. Die Höhe des
Befalles war häufig 10 — lö^/g und erreichte in einzelnen Fällen bis
30*^/0 Ährenausfall. Da eine Reihe von Feldern besichtigt werden
konnte, auf denen mit Kupfer gebeizte Wintergerste ausgesät war, konnte
festgestellt werden, dass eine Saatgutbeize nicht geholfen hatte.
Gegen den Einwand, dass jetzt schon Sortenversuehe auch ohne Mit-
wirkung eines Pathologen und ohne Gefahr, verdeckte Fehler zu übersehen,
durchgeführt wurden, legte der Vortragende nochmals dar, dass es sich
bei der Mitwirkung von Pathologen an Anbauversuchen nicht um den
Nachweis allbekannter Krankheiten, wie Rost, Brand usw. handeln
könne, sondern um die Beobachtung des Gesundheitszustandes der
Pflanzen im allgemeinen. Gerade in dieser Hinsicht würden durch Auf-
linden nicht allgemeiner Krankheitserscheinungen, wie z. B. Ophioholus,
Fusarium vasin fectum (St. Johanniskrankheit der Erbse) u. a. m.
diese Versuche wesentlich an Zuverlässigkeit gewinnen.
Von 10^^ bis 10^^ sprach L. Kühle-Gunsleben über
den Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung
[maschinelle Entferntmg der PerigonhüUe] (s. S. 190 — 200).
Dem Vortrage folgte eine längere Diskussion.
XXX Bericht über die 4. Hau])tversammlung der Vereinigung.
Direktor Dr. Hiltiier-Miinchen hat das Verfahren, die Rübonsaraen
mit Schwefelsäure zu l)ehandeln, vorgeschlagen. Er steht auch heule
noch auf dem Standpunkte, dass dieses Verfahren praktisch durch-
führbar, da nur eine geringe Benetzung notwendig ist. Es wird der
doppelte Zweck erreicht, die Perigonhülle zu entfernen, die Organismen
zu zerstören und die sog. Hartschaligkeit zu beseitigen. Die Versuche in
Dahlem sind mit drei verschiedenen Erden, typischen Rübenböden, gemacht
worden. Die mit Schwefelsäure gebeizten Samen lieferten in der Zäh-
ringer und in der Dahlemer Erde viel mehr Keimpflanzen als in der
dritten, aus Wintorbergshof in der Uckermark stammenden Erde. Durch
die Behandlung werden die Samen dem filinfluss der Bodenorganismen
zugänglich. Eine Infektion mit Wurzelljrand kann von der Erde
und von den Knäueln aus erfolgen. Die Wurzel ist fast immun gegen
die verschiedenen Organismen. Erst wenn die Perigonhülle eine Zer-
setzung erfahren hat, wobei besonders Oxalate auftreten, wird eine Dis-
position geschaffen, wodurch eine Infektion eintreten kann. Die von
Prof. Sigmund aus Prag im Münchener Laboratorium ausgeführten
Versuche haben hierfür eine weitere Bestätigung gebracht. — Es muss
Protest dagegen erhoben werden, dass in Österreich dem Vorkommen
von Fhoma betae an den Knäueln so grosses Gewicht beigelegt wird,
so dass z. B. 1 — 2 °/o kranke Knäuel zum Zurückweisen der Ware
dienen können. — Geschälte oder gebeizte Samen bieten auf guten
Rübenböden einen grossen Vorteil: ein rascheres und durch Beseitigung der
eventl. vorhandenen Hartschaligkeit zahlreicheres Auflaufen. E>ie Frage,
ob das Schälverfahren oder das Verfahren mit Schwefelsäure den Vor-
zug verdient, kann nur durch weitere Versuche entschieden werden.
Prof. A^aüha-Brünn teilt mit. dass seine auf verschiedenen Boden-
arten und in sterilisiertem Boden angestellten Versuche mit geschältem
und nicht geschältem Samen derselben Sorte folgendes ergeben haben:
Bei Freilandversuchen mit geschältem Samen hat man keine guten Er-
fahrungen gemacht. Es zeigte sich dieselbe Zahl wurzelbrandiger
Pflanzen bei geschältem und ungeschältem Samen. Die l'rsache des
Wurzelbrandes liegt teils im Samen, teils im Boden: in sterilisiertem
Boden entstehen aus geschältem Samen einige Prozent kranker Pflanzen
weniger. Es trat aber auch eine Krankheit der Rübenwurzel auf, die bisher
noch nicht bekannt ist, wahrscheinlich bakterieller Natur. Jedoch auch
zwei Fälle von Trockenfäule sind vorgekommen. Bei dem Schälen er-
folgt also keine vollkommene Sterilisierung. Auch bei dem mit Schwefel-
säure behandelten Samen bekommt man in sterilisiertem Boden noch
einige Pflanzen mit Wurzelbrand. Die Krankheitskeime sind also wohl
auch im Innern der Samen.
Diskussion: Schälen der Rübensamen etc. XXXI
Dr. Fraukfiirt-Kiew bemerkt, dass bei reichlicher Feuchtigkeit sich
keine bedeutenden Unterschiede zwischen geschältem und ungeschältem
Rübensamen in der Keimung ergeben. Es hängt mit den Vegetations-
bedingungen zusammen, ob eine Rübenpflanze erkrankt oder nicht.
Das schnellere und kräftigere Auflaufen der Samen ist von weit grösserer
Bedeutung besonders für Russland, da schnell gesät werden muss und
nur wenig Feuchtigkeit im Boden vorhanden ist. Man keimt in
manchen Gegenden die Samen vorher an. Das ist aber ein sehr ge-
fährliches Verfahren, namentlich wenn nach der Aussaat sogleich die
Trockenheit anfängt. Schnelles Auflaufen der Samen ist in Russland
sehr notwendig.
Dr. Raatz-Kl. Wanzleben bemerkt, dass die sog. Hartschaligkeit
des Rübensamens von der Hartschaligkeit der Leguminosen gänzlich
verschieden sei. Während bei den Leguminosen die Samen haut das
Eindringen des Wassers verhindere, könnten die latent keimfähigen
Rübensamen — ebenso wie frisch geerntetes Getreide — vollständig
durchtränkt im Keimbett liegen, ohne zu keimen. — Schimmelpilze,
welche die Keimpflanzen im Apparat ergreifen, werden im Ackerboden
von Bakterien befallen, so dass sie nicht zur wirksamen Entwickelung
kommen.
Dr. Miltner: Von einer Hartschaligkeit der Rübensamen im Sinne
der Leguminosensamen kann allerdings nicht gesprochen werden, wohl
aber kommt bei den Rübenknäueln eine Erscheinung vor. die in der
Wirkung vollkommen gleich ist, dass nämlich das Wasser nicht zu den
Samen gelangen kann, weil der Fruchtdeckel sich nicht leicht löst. In
gewissen Jahren spielt diese Art der Hartschaligkeit, die bis zu 30 und
40 "/o steigen kann, eine praktisch recht beachtenswerte Rolle.
Dr. ßaatz: Die Anschauung, dass die Lossprengung des Keim-
deckels durch irgend ein Verfahren zu einer besseren Keimung führe,
sei wohl nicht haltbar, Rübensamen, die sich trotz der im Keimbett
genügend vorhandenen Feuchtigkeit als trocken resp. ungequollen er-
weisen, werden fast niemals gefunden.
Dr. Hiltner: Die beregte Erscheinung zeigt nicht eine Nachreife-
bedürftigkeit an, wie sie bei Getreidekörnern so häufig sich äussert,
sondern sie ist im Gegenteil die Folge von Überreife.
L. Kühle erwidert sodann, dass die Ansicht von Dr. Raatz schon
durch Direktor Dr. Hiltner richtiggestellt sei. Es sei richtig, dass
nach dem besten Schäl- und Beizverfahren noch kranke Keime vor-
kommen. Es habe dies, wie er bereits ausgeführt habe, seinen Grund
eben darin, dass unter jeder Samenpartie, somit auch unter jeder zu
den Keimversuchen verwandten Probe Samenknäuel vorhanden sind, bei
XXXII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
denen bereits der Embryo in der Pruchthfihlo infiziert war; in solchen
Fällen sei eine Heilung natürlich ausgeschlossen. Unter den weitaus
ungünstigeren Bedingungen des Freilandes kommt solcher Samen über-
haupt nicht zur Keimung. — Was nun die Ausführungen des Hofrat
Dr. von Weinzierl über den Passus der neuen Wiener Normen an-
langt, nach welchem über 3 kranke Keime hinweggesehen werden
könne, wenn der Samen im übrigen den an ihn zu stellenden An-
forderungen genüge, so sei darauf zu erwidern, dass die Beziehungen
der Krankheitserscheinungen im Keimbett zu denen im Freilande noch
nicht genügend geklärt seien, um zu solchen, in den gesamten Rüben-
samenhandel tief einschneidenden Massnahmen zu schreiten, wie sie die
neuen Wiener Normen vorschlagen. Diese Anregung sei schon früher
von Prof. Li n hart auf dem internationalen Chemikerkongress in Berlin ge-
macht, dort aber unter der eben genannten Begründung, zu der sich
besonders Geheimrat Dr. Ad er hold, Prof. Hollrung und Regierungsrat
Hiltner äusserten, abgelehnt worden. Der Nachweis, welche Keime
kontagiös erkrankt seien und welche nur so scheinen, sei nach dem
grobsinnlichen Befunde überhaupt nicht zu führen und erfordere in
jedem Falle eine bakteriologische Untersuchung. Jedenfalls müssten die
Samenzüchter bei den unausbleiblichen Differenzen auf dem bündigen
Nachweise bestehen. Die Versuchsstationen würden sich hiermit eine
böse Last aufladen und häufig das Dichterwort von „den nicht wieder
loszuwerdenden Geistern" zitieren; auch müsse unbedingt gefordert
werden, dass jede Möglichkeit einer Infektion im Keimraume der Ver-
suchsstationen ausgeschlossen werde. Aber auch im sterilsten Keim-
bette könne man mit ganz gesundem Samen kranke Keime erzielen.
Hierbei spielen die äusseren Bedingungen, besonders aber das Wasser,
eine grosse Rolle. Reg.-RatDr. Hiltner habe seinerzeit auf dem erwähnten
Chemikerkongresse bemerkt, dass er mit Berliner Wasser kranke Keime
erzielte, während bei der Verwendung von Münchener Wasser die Keime
aus demselben Saatgute vollständig gesund geblieben seien. So seltsam
dies scheine, so werde es doch durch die eigenen Untersuchungen des
Redners bestätigt. Diese haben ergeben, dass Wasser mit einem hohen
Gehalt an Chloralkalien scheinbar kranke Keime verursache; die in
diesem Falle festgestellte Bräunung der Keime sei jedoch gänzlich un-
bedenklich und beruhe aut physiologischen Ursachen. Auch könne eine
Bräunung der Wurzelrinde, wie Hiltner und Peters nachgewiesen
haben, auf einer Einwirkung von Schutzbakterien beruhen. Aus alle-
dem gehe hervor, dass Schwierigkeiten unvermeidlich seien. 3 kranke
Keime könnten sehr leicht festgestellt werden; die Rübensamenzüchter
würden bei strenger Durchführung der neuen Wiener Normen unter
Diskussion: Schälen der Rübensamen etc. XXXIII
Umständen sehr geschädigt. Hierfür folgendes Beispiel: Ein nach An-
kunft am Bestimmungsorte untersuchter Waggon enthält 3 oder mehr
kranke Keime. Der Abnehmer möchte aus irgend einem Grunde von
der Übernahme der Saat loskommen und stellt ihn auf Grund dos dies-
bezüglichen Passus der neuen Wiener Normen zur Verfügung. Der
Waggon hat bei weiten Entfernungen unter Umständen 400 — 500 Mark
Fracht gekostet. Es bleibt dem Samenzüchter, wenn die Übernahme
wegen des Vorhandenseins von kranken Keimen abgelehnt wird, nichts
anderes übrig, als entweder die Saat im Bestimmungslande zu jedem
Preise loszuschlagen oder aber unter Tragung der gleich hohen Rück-
fracht zurückzunehmen. Da er solche Verluste nicht ohne weiteres auf
sich nehmen kann, so werden Rechtsstreitigkeiten die Folge sein, in
denen das Gutachten der Versuchsstationen das letzte Wort zu sprechen
hat. Redner glaubt kaum, dass nach den jetzt vorliegenden Ergeb-
nissen der wissenschaftlichen Forschungen irgend eine Versuchsstation
die Verantwortung dafür auf sich nehmen könne, dem angeblich er-
krankten Samen eine unanfechtbare Diagnose und Prognose zu stellen,
auf Grund deren ein richterliches Urteil abgegeben werden könne.
Prof. L inhart habe sich ein unstreitiges Verdienst durch seine Arbeiten
auf diesem Gebiete erworben. Es sei mit Freuden zu begrüssen, dass
auch die Wiener Station diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit schenke
und dieselben in gründlicher Weise bearbeite, denn Klärung auf diesem
Gebiete sei nicht zuletzt im Interesse der deutschen Rübensamenzüchter
erforderlich. Es könne aber nicht zugegeben werden, dass die not-
wendige Klarheit schon heute bestehe, und deshalb sei davor zu warnen,
auf Grund der heutigen Forschung eine neue Norm für den Handel
festzusetzen. ■
Um iP^Uhr erhält das Wort Prof. J. Vafiha-Brünn zu einem Vortrage:
Die Qualitätsprüfung der Braugerste (s. S. 88 — 97).
Die Diskussion hierüber sollte auf Wunsch des Vortragenden in
einer Sitzung der Konferenz für Samenprüfung stattfinden (s. S. 343 — 344).
Die vom Vortr. gemachten Vorschläge wurden dem Ausschusse für Samen-
prüfung zur weiteren Bearbeitung für die nächste Konferenz überwiesen.
Als letzter Vortragender in der Sitzung spricht von 11^° Uhr ab
Dr. P. Mllth-Oppenheim über
Die hifektion von Sämereien durch Mikroorganismen im
Keimbett.')
Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht.
1) Die Arbeit wird im nächsten Jahresbericht erscheinen.
.Tahresbei'icht der Vereinigung für ungew.indte Botanik IV. JJJ
XXXIV Iknicht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Für 2'/2 ^^^^ ^^^ sodann eine Besichtigung der im Freihafen
(Versmannkai) belegenen Pruchtschuppen und der Station für
Pflanzenschutz angesetzt. Kaidirektor Winter erläuterte zunächst
den zahlreich erschienenen Teilnehmern und ihren Damen den Betrieb
im Hamburger Hafen und speziell der 3 Fruchtschuppen, Dr. Brick die
Einfuhr von Südfrüchten (Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen, Ananas,
Bananen, Kokosnüsse), Weintrauben und amerikanischem Obst, wobei er
auf das kleine Büchlein von G. Schmidt, Hamburgs Südfruchthandel
einst und jetzt (2. Aufl., Hamburg 1905), und die Jahresberichte iler
Station für Pflanzenschutz hinwies. Im Fruchtschuppen A lagerten
ausser Früchten Waren pflanzlicher Abstammung der verschiedensten
Art, da zur Zeit der geringen Fruchteinfuhr die Schuppen auch für die
Löschung anderer Güter benutzt werden. Der Fruchtschuppen B war leider
zur Hälfte leer, da der erwartete Dampfer mit Südfrüchten nicht recht-
zeitig eingetroffen war; dafür konnten an ihm aber der Bau, die
Heizungsanlagen und andere Einrichtungen um so besser besichtigt
werden. In der an den Fruchtschuppen B angrenzenden Station für
Pflanzenschutz, die hauptsächlich der Kontrolle der eingeführten
Pflanzen und des amerikanischen Obstes dient, hatte Dr. Brick eine
Ausstellung von Präparaten der in der Station und auf Exkursionen ge-
sammelten Pflanzenschädlinge veranstaltet. Hervorzuheben sind darunter
die Sammlungen der dem Obst- und Gartenbau schädlichen Schildläuse
sowie die Parasiten des amerikanischen Obstes. Viel bewundert wurde
auch eine (ohne Wurzelballen) 140 cm hohe, regelmässig gewachsene
und voll beastete Araucaria cxcelsa, die als einjähriger Sämling im
April 1900 in Wasserkultur genommen worden war, jetzt also ö'/a Ji^hre
alt ist; als Nahrung für die Pflanze wird dem Wasser Wagnersches
Nährsalz in Konzentration von 0,2 °/o zugesetzt. Aufgestellte mikro-
skopische Präparate zeigten die bei der Kontrolle des amerikanischen
Obstes hauptsächlich in Frage kommenden Parasiten, besonders die
San Jose-Schildlaus [Aspir/lotus perniriosus). Der Rückweg wurde
aussen an der Wasserseite der Fruchtschuppen genommen, um die Ein-
richtungen tür Lösch- und Ladezwecke zu besichtigen. An dem gegen-
überliegenden Ufer des Baakenhafens lagen die grossen Dampfer der
Woermann-Linie (nach Westafrika), der Deutschen Ostafrika-Linie und
der Deutschen Levante-Linie.
Um 4 Uhr erwarteten am Fruchtschuppen A zwei Hafendampfer
die Gesellschaft, die sich durch neue Ankömmlinge aus der Freien Ver-
einigung der systematischen Botaniker und Pflanzengeogi'aphen vermehrt
hatte, zu einer Hafenfahrt, die in einstündiger Fahrt durch die aus-
gedehnten Hafenanlagen an den nach allen Weltrichtungen fahrenden
Hafenfahrt. XXXV
grossen Dampfern und Segelschiffen vorbeiführte. Gelandet wurde an
dem Kai der Kuhwärder Häfen, um dort zunächst das grosse Elek-
trizitätswerk, sodann die Werkstätten und Kaischuppen der Ham-
burg-Amerika-Linie in Augenschein zu nehmen. Ungeheure Waren-
mengen aller Art aus Amerika und Ostasien waren hier aus den riesigen
Dampfern dieser Linie gelöscht worden. Einer dieser mächtigen Dampfer,
die nach New York fahrende 13 333 t grosse „Pennsylvania", wurde
sodann in allen Räumlichkeiten und Einrichtungen einer eingehenden
Besichtigung unterzogen. In dem schönen Speisesaale der 1. Kajüte
dieses Dampfers fanden sich um 6V2 Uhr die Teilnehmer und ihre
Damen wieder zusammen zu einem von der Hamburg-Amerika-
Linie dargebotenen Essen. Direktor Dr. Ecker begrüsste die Gäste
im Namen der Hamburg-Amerika-Linie. Hofrat Dr. von Weinzierl-
Wien feierte die Gastgeberin, hob ihre Bedeutung für den Welthandel
hervor, dankte für die Bereitwilligkeit, mit der sie die Besichtigung
ihrer grossartigen Anlagen und ihrer Schiffe gestattet hatte, und toastete
auf das fernere Blühen dieser bedeutendsten Schiffahrtsgesellchaft der
Welt. Die Eligenartigkeit des Raumes, der für viele der Anwesenden neue
Aufenthalt in einem elegant ausgestatteten Speisesaal eines modernen
transatlantischen Dampfers, die schön geschmückten Tafeln, das vor-
zügliche Mahl und die Liebenswürdigkeit der Herren von der Hamburg-
Amerika-Linie werden allen Teilnehmern wohl in dauernder Erinnerung
bleiben. Um 10 '/a Uhr brachten die Hafendampfer die Gesellschaft
wieder aus den Kuhwärder-Häfen nach dem andern Eibufer.
Donnerstag, den 13. September.
Sitzung von 9 — 1:^ Uhr im Hörsaale des Botanischen Gartens.
Für diese Sitzung waren Themen aus dem Gebiete der Phyto-
pathologie angekündigt. Vorher aber erhielt das Wort ein Redner,
dessen Vortrag in der gestrigen Sitzung wegen der vorgerückten Zeit
von der Tagesordnung abgesetzt werden musste.
Direktor 0. Qvam-Christiania sprach von 9^4 — 10 Uhr über
Beziehung zwischen Keimfähigkeit und Atmungsintensität
(s. S. 70-87).
Das Wort zur Diskussion wird nicht gewünscht.
Ill*
XXXVI Bericht über die -i. Hauptversammlung der Vereinigung.
Im nächsten Vortrage behandelte Prof. Dr. T. Jolilisoii-Dublin den
Kartoffelschorf {Spoiigospora Solan/) |s. S. 112 — 115 u. Taf. III].
Reg.-Rat Dr. Appel-Dahlem teilt mit. dass es ihm bis jetzt trotz
vielfacher Bemühung noch nicht gelungen ist, lebendes Material des'
SpongosjwraSchovfes aus L)eutschland zu erhalten. Die Untersuchung
von Alkoholmaterial aus Wiesa in Sachsen, das aus der Frank sehen
Sammlung stammt und jetzt in der Sammlung der Kaiserl. Biologischen
Anstalt ist, hat keine Sporen erkennen lassen, stimmt aber sonst mit
dem vom Vortragenden entworfenen Bilde des aus Irland stammenden
Materials überein. Weiter macht Redner darauf aufmerksam, dass die
Krankheit schon vor Brunchorst gut abgebildet und beschrieben worden
ist und zwar 1856 durch C. E. von Mercklin in seinem Aufsatz:
„Nachträgliche Bemerkungen zur Kartoffelkrankheit". Nach der Be-
schreibung und vor allem nach der Abbildung kann es kaum zweifel-
haft sein, dass die vorliegende -Krankheit, die Mercklin als Kartoffel-
grind bezeichnet, identisch mit Spongospora Solani ist. Die etwas an
Sponqospora erinnernden Abbildungen von v. Marti us, bei denen
ähnlich aussehende, aber viel kleinere Inhaltskürper der Kartoffelzellen
vorkommen, scheinen jedoch nicht hierher zu gehören. Vielmehr hat
es V. Oven wahrscheinlich gemacht, dass sie anorganischen Ursprunges
sind. Zum Schlüsse bittet Appel, auf die Erscheinung der >S[po?2_9'Ospora
zu achten und ihm frisches Material zugänglich zu machen.
Dr. P. Graebner-Berlin spricht darauf von lO^l^—iO'^U Uhr über
nicht parasitäre Pflanzenkrankheiten der Heide (s. S. 164 — 174).
Dr. F. Muth-Oppenheim bemerkt, dass Obstbäume in Oppenheim
ganz ähnliche Erscheinungen zeigen wie das vom Vortragenden ge-
schilderte Verhalten der Kiefernwurzeln in der Heide. Die <»bstl)äume
bilden dort nur flach verlaufende und keine in die Tiefe gehenden Wurzeln,
und ihr Wachstum ist reduziert. Die Ursache ist aber der hohe Wasser-
stand des Rheines.
Geh. Regierungsrat Dr. R. Aderliold-Dahlem zeigte sodann
1. in Formaldehyd konservierte Präparate vom amerikanischen
Stachelbeermehltau (Sphaerotheca mors uvae), die den Pilz sowohl
auf den Beeren als auch an den jungen Triebspitzen vor Augen führten,
und verwies dabei auf die neue Auflage des von der Kaiserlichen
Biologischen Anstalt ü})er diesen Pilz herausgegebenen Plugblattes
(Nr. 35), aus welchem dessen bedauerlich weitgehende Verbreitung in
Deutschland entnommen werden kann;
2. bakterienkranke Kirschbäumchon bzw. Kirschbaumteile
vind Photographien von solchen sowie Kulturen und Abbildungen des
Aderliold, Eakterienkranke Kirschbäumchen. XXXVII
Erregers des Bakterienbrandes, Bacillus spoiigiosus Adrh. et Ruhld.
Besonders interessant waren ein durch Transplantation von Rinden-
stücken aus kranken Bäumen und ein durch Impfung mit diesem Bak-
terium völlig bzw. l)is zum Wurzelhals herab zum Absterben gebrachtes
Bäumchen. Eine vorläufige Mitteilung über den Gegenstand dieser
Demonstrationen haben Aderhold und Ruhland in der II. Abteilung
des Centralblattes für Bakteriologie und Parasitenkunde XV (1905),
S. 376 und in Heft II, S. 18/19 der Mitteilungen aus der Kaiserlichen
Biologischen Anstalt gegeben. Eine ausführliche Arbeit darüber wird
demnächst in den ,, Arbeiten" derselben Anstalt folgen. (Aderhold.)
Prof. Dr. Wortmanii-Geisenheim fragt, ob schon Bekämpfungs-
mittel gegen den Bakterionbrand der Obstbäume gefunden worden sind.
Geheimrat I)r. Aderhold: Vorläufig sind keine anderen Be-
kämpfungsmittel vorhanden als sorgfältiges Aufsuchen und Ausschneiden
der Brandstellen, wobei der Abfall "sorgfältig zu sammeln und zu ver-
brennen ist. Abschneiden oder Ausroden und Verbrennen aller ein-
gehenden Äste oder Bäume.
Graf V. Ariiiin-Sclilas:eiitliin-Nassenheide fragt, ob von dem Bak-
terienbrande auch andere Obstbäume als Kirschen heimgesucht w^erden.
Geheimrat Dr. Aderhold: Ob auch andere Obstbäume als Kirsch-
bäume unter demselben Bakterienbrande leiden, ist noch nicht sicher
erwiesen. An mehreren Fundorten desselben litten Zwetschen, Pfirsiche
und Aprikosen, je einmal auch Apfel unter äusserhch gleichen Er-
scheinungen. Es ist aber bisher nicht gelungen, aus diesen Baumarten
den Bacillus spongiosiis oder ein anderes Bakterium zu isolieren, mit
dem Impfungen Erfolg gegeben hätten. Da Dr. Ruhland und ich
indes uns zunächst auf das Studium der Kirschbaumkrankheit kon-
zentriert und die ähnliche Krankheit anderer Baumarten nur gelegent-
lich studiert haben, legen wir den negativen Ergebnissen keine Beweis-
kraft bei, glauben vielmehr, dass es gelingen wird zu zeigen, dass
Bacillus' spongiosus alle Steinobstarten und vielleicht auch das Kern-
obst schädigen kann.
Prof. Dr. €. Weinner-Hannover demonstriert
Kulturen des Aspergillus gigaiiteus,
eines durch seine ausserordenthche Grösse interessanten Pilzes, dessen
Conidienträger diejenigen anderer Aspergillus -Arten um ca. das lOfache
an Länge übertreffen, in Erlenmeyer-Kolben auf verschiedenen Sub-
straten und hebt dabei hervor, dass dieser Pilz auch physiologisch
von Interesse ist. Seine 2 — 3 cm langen Conidienträger sind aus-
gesprochen positiv heliotrop: Dunkelheit verhindert ihre Entstehnng zu-
XXXVUI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
nächst ganz, sofern das Substrat kein besonders günstiges ist (Würze-
Agar), auf guten Substraten (Würze, Würze-Gelatine, Graubrod) ist die
Empfindlichkeit gegen Lichtmangel geringer. Ahnliche Beobachtungen
sind schon von Brefeld, Gräntz. Lendner für einige Mucor- und
Coprinus-P^vien sowie Piloholus inicrosporus mitgeteilt. Die ausge-
stellten Kulturen zeigten den Einfluss von Licht und Dunkelheit auf die
Conidienträgerbildung. Sehr empfindlich ist der Pilz auch gegen Wärme-
einflüsse, während sein Optimum bei ungefähr 25 — 30 '^ liegt, hat
man bei ungefähr 35° schon das Wachstumsmaximum, und wenige Grade
über 40" töten Mycel wie Conidien ab. Dagegen ertragen die Conidien
langjähriges Austrocknen, noch nach fünf Jahren sind sie fast un-
geschwächt keimfähig. Technische Bedeutung hat diese Pilzart nicht,
sie findet sich aber in der sauren Hefenmaische, wie sie in Brennereien
zur Züchtung der Hefe dargestellt wird; immerhin scheint sie selten
zu sein. Mikroskopisch ist sie kaum von Aspergillus davatus zu
unterscheiden, nur die Maasse der Blase und des Stieles sind bei diesem
geringer. Zum Vergleich lagen Kulturen von A. clavaiiis. A. niger,
A. Wentii und A. fumigatus aus, (Wehmer.)
Geheimrat Dr. Aderhold-Dahlem fragt, ob Perithecien erzogen
WDrden sind oder nur Conidien,
Prof. Dr. Welimer erwidert, dass bisher nur Conidien entstanden sind.
Prof. Dr. P. Lindiier-Berlin : Hat der Pilz verzuckernde Eigen-
schaften ?
Prof. Dr. Wehmer: Physiologisch ist der Pilz noch unvollkommen
erforscht, er verzuckert etwas, säuert und verflüssigt massig.
Prof. Dr. H. Klebahn-Hamburg demonstrierte Präparate einiger von
ihm untersuchten Pflanzenkrankheiten und gab dann eine kurze Be-
sprechung der dieselben erregenden Pilze.
L Die Blattfleckenkrankheit der Platanen. Die Zusammen-
gehörigkeit der Gnomonia veneta (Sacc. et Speg.) Kleb., des Oloeosporium
ntrvisequum (Puck.) Sacc, der Discula Platcmi (Peck) Sacc, des
Sporonenia Plafani Bäumler und einiger weiterer, ursprünghch als
selbständige Arten beschriebener Fungi imperfecti wurde in den Jahrb.
f. wiss. Bot. XLL S. 515 eingehend nachgewiesen. Es werden Rein-
kulturen aus den drei erstgenannten vorgelegt, deren vollkommene Über-
einstimmung ein Hauptargument für den Zusammenhang bildet.
2. Krankheiten der Tulpen. Die Tulpen leiden in Holland und
vielfach auch bei uns an zwei Krankheiten, die man bisher für eine
einzige hielt. Die eine wird durch Bofrgtis parasitica Ca.\cira. erzeugt;
sie ist mehr eine Krankheit der oberirdischen Teile. Aus angegriffenen
Klebahn, Krankheiten der Tulpen und des Flieders. XXXIX
Zwiebeln gehen aber nicht selten Tochterzwiebeln hervor, an denen die
kleinen schwarzen Botn/fisSklevoiien festsitzen. Ausgepflanzt bilden
solche Zwiebeln Ausgangsherde der Krankheit. Die andere Krankheit
wird durch einen Pilz hervorgebracht, von dem bisher nur Mycel und
Sklerotien, und zwar grosse, braune, lose sitzende nachgewiesen werden
konnten, Sderotiuni Tiilfparwi/. Kleb. Derselbe zerstört die Zwiebeln,
bevor sie zum Austreiben kommen, und bildet auf den Poldern, da
die Sklerotien mindestens zwei Jahre infektionstüchtig bleiben, die in
Holland als „Kwade plekken" bezeichneten Stellen, auf denen die Tulpen
ganz oder fast ganz ausbleiben. Es wurden Präparate künstlich mit
beiden Pilzen infizierter Tulpen, sowie der mit dem Sclerotium Tuli-
jjarum nicht identischen Sclerotinia hulhorum Wakker vorgelegt. (Vgl.
Jahrb. d. Hamburg, wiss. Anstalten XXII, 3. Beiheft.)
3. Eine neue Krankheit des Flieders, Si/rinya viügarls. Die
Krankheit macht sich beim Priihtreiben des Flieders sehr unangenehm
bemerkbar. Sie äussert sich darin, dass die Blütenknospen entweder
überhaupt nicht austreiben oder nach kurzem Wachsen umfallen. Der
nähere Grund besteht darin, dass entweder die Knospen selbst oder
längere oder kürzere Strecken der Rinde, oft ganz unten an den
Stämmen, gebräunt und abgetr)tet sind. In dem gebräunten Gewebe
wurde in allen Fällen ein in die Verwandtschaft der Peronosporeen zu
stellender Pilz gefunden, der Oosporen, aber keine Conidienträger be-
sitzt {PhloeopJithora Syringae Kleb.). Wie die Infektion zustande kommt,
ist noch nicht aufgeklärt, da die Oosporen nicht frei zu machen sind
und andere Sporen fehlen. Es sprechen einige Beobachtungen dafür,
dass dieselbe von der Erde ausgeht. Mit Hilfe kranker Rindenteile
gelang es mehrere Male, Krankheit und Pilz zu übertragen. Es wurden
Präparate beim Treiben umgefallener, den Pilz enthaltender Fliederblüten
sowie Reinkulturen des Pilzes vorgelegt, der auf sterilen Miihren be-
sonders gut wächst. (Vorlauf. Mitteilg. im Centralbl. f. Bakteriologie u.
Parasitenkunde XV [1905], S. 335.) (Klebahn.)
Graf V. Arnim- Seh la^"enthin fragt an, ob ein Bekämpfungsmittel
versucht sei.
Prof. Dr. Klebahu: Die Krankheit ist noch nicht genügend er-
forscht. Eine andere Art des Einschiagens und Aufhebens der Flieder-
stöcke, so dass der Stamm nicht mit Erde in Berührung kommt, sei
vielleicht zu empfehlen.
Geheimrat Dr. Aderliold-Dahlem fragt an, ob der Fliederpilz mit
Aplianomyces levis verglichen worden ist. Diese Art kann Rübenkeim-
linge angreifen. Es wäre möglich, dass beide Pilze identisch sind.
XL Bericht über die 4. Haiiptversaiamlung der Vereinigung-.
Prof. Dr. Weliiner-Hannover: Kann man Botrytis cinerea und B.
parasitica auf den ersten Blick gut unterscheiden?
Prof. Dr. Klebahii: Die morphologischen Unterschiede lassen sich
schwer ausdrücken, sind auch wohl schwankend. B. cinerea bedarf
noch genauerer Untersuchung. Entscheidend ist das biologische Ver-
halten. Der Tulpenpilz geht nur auf Tulpen, nicht auf Hyazinthen,
Narzissen und andere Pflanzen; Botrytis von Narzissen und anderen
Pflanzen infizierte die Tulpen nicht.
Schluss der Sitzung IP/4 Uhr.
An die Sitzung schloss sich ein Rundgang durch den Bo-
tanischen Garten unter Führung des Direktors, Prof. Dr. Zacharias.
Zur gleichen Zeit, 9 — 12 Uhr, fand im Hörsaal B des Johanneum
eine allgemeine Sitzung der Konferenz für Samenprüfung statt, und
die Freie Vereinigung der systematischen Botaniker und
Pflanzengeographen hielt im Hörsaal A des Johanneum ihre Sitzung
ab, in der unter dem Vorsitz von Geheimrat Prof. Dr. Eng 1er -Berlin
folgende Vorträge gehalten wurden:
Prof. Dr. P. Kumm-Danzig; Die Fortschritte in der Sicherung von
Resten ursprünglicher Pflanzenformationen.
Prof. Dr. C. Weber -Bremen: Über die Vegetation und den Aufbau
norddeutscher Moore.
Prof. Dr. E. Gilg-Berlin: Die Verwandtschaftsverhältnisse und die
geographische Verbreitung der amerikanischen Arten der Gattung Draha.
Geheimrat Prof. Dr. A. Engler-Berlin: Gegenwärtiger Stand der
Arbeiten an der „Vegetation der Erde", der „Natürlichen Pflanzen-
familien" und dem „Pflanzenreich".
Dr. L, Diel s- Berlin: Die Morphologie der Droseraceen.
Am Nachmittage begaben sich um 2 Uhr die Teilnehmer mit ihren
Damen zum Botanischen Museum (am Lübecker Tor), dessen Samm-
lungen ebenso wie die Abteilung für S am enkon trolle und die im
gleichen Gebäude untergebrachte Pharmazeutische Lehranstalt unter
Führung von Dr. Brick, Dr. Hallier, Prof. Dr. Voigt und Prof. Ltr.
Zacharias besichtigt wurden.
Um 1/24 Uhr wurden am Museum bereit stehende Rundfahrtwagen
bestiegen zu einer Fahrt um die Aussenalster durch die von Villen
eingenommenen Stadtteile mit ihren schön gepflegten Gärten.
Ein Teil der Gesellschaft verliess sodann die Wagen am Fischmarkt,
um sich die in der Nähe gelegenen Lagerhäuser und Saatreinigungs-
anstalten der Firmen Ernst & v. Spreckelsen und R. Lief mann
STihne Nachfolger anzusehen. Die mächtigen Gebäude hatten zu
Ehren ihrer Gäste ein festUches Gewand angelegt. Vom Giebel bis zum
Saatreinigungsanstalten und Warenlagerspeicher. XLI
Keller prangte alles im saubersten Weiss. Diese Speicher werden am
besten mi't grossen Mühlenbetrieben verglichen. An einem Arm der die
ganze Altstadt durchziehenden Kanäle, Fleete genannt, gelegen, können
sie vermittelst kleinerer Kähne, sog. Schuten, die Ladungen auf dem
Wasserwege aus den Seeschiffen übernehmen. Kräftige, oft noch recht
altmodische Winden befördern die Saaten auf den (»bersten Boden. Von
hier gelangen diese durch Zuleitungen in die auf dem nächst tieferen
Boden aufgestellten Reinigungsmaschinen und fliessen aus diesen sofort
in den darunter gelegenen Boden, wie die Stockwerke der Speicher all-
gemein heissen, ab. So bleibt der abgereinigte Teil auf dem Maschinen-
boden zurück und kommt mit der gereinigten Ware nicht mehr in Be-
rührung. In den Reinigungs-, Putz- und Sortiermaschinen erkennt man
zwar meist bekannte, allgemein übliche Modelle wieder, sie sind aber
fast alle auf Grund der reichen langjährigen Erfahrungen der be-
treffenden Firmen und aus dem Bestreben heraus, möglichst reine und
gut aussehende Ware bei geringstem Verlust zu erhalten, für die
speziellen Zwecke des Lagers verändert und verbessert worden und in
ihrer Form Originale und Geheimnis des Besitzers. Von den Lagern
wurden die Besucher dann in die Kontor- und Laboratoriumsräume ge-
führt. In diesen wird eine exakte Samenkontrolltätigkeit ausgeführt.
Die meist notwendigen schnellen Orientierungen über die Qualität eines
Saatgutes machen eigene kleine Laboratorien für den Grosshändier zum
dringenden Bedürfnis. Die Einholung eines Gutachtens selbst von einer
nahe gelegenen Kontrollstation erfordert häufig noch zuviel Zeit. Gut
geschulte und meist in einer Kontrollstation ausgebildete Damen waren
hier eifrig auf der Suche nach Kleeseidekörnern und anderen Unkraut-
samen oder bedienten und revidierten die vielen, sauber gehaltenen
Keimapparate. Nach den ermüdenden Wanderungen über die vielen
Treppen und Böden erwartete die Besucher im Privatkontor eine von den
Besitzern freundlichst dargebotene Erfrischung. (Voigt.)
Die Interessenten für Warenkunde fuhren bis zum Freihafen zur
Besichtigung des Waren lag er Speichers der Firma Ockelmann
& Cpn Sorten, die für zahlreiche Kaufleute hier die verschiedensten
Waren zu Lager hat. Der Inhaber der Firma, Herr Beuk, hatte auf
einem der Böden eine kleine Ausstellung seiner botanischen Schätze ver-
anstaltet, die er den Besuchern bereitwilhgst zur Verfügung stellte. Auf
den einzelnen Böden lagerten in der Originalverpackung die vielen Ballen,
Säcke, Kisten u. ä. Tabak, Kaffee. Kakao, Koka, Brasilkautschuk,.
Gummi Gelaton, Quebrachoextrakt, Gelbholzextrakt, Gummi arabicum,
helles und dunkles Carnaubawachs, Lorbeerblätter, Muskatnüsse, Colo-
quinten, Piment, Wolle, China-Ziegenfelle, Lammfelle, Mähnenhaare^
XLII Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Kamelhaare, Bienen wachs, Glimmer, Marieuglas etc. Reichlich wurde
von der Erlaubnis zum Mitnehmen kleiner Proben Gebrauch gemacht.
Zu 8 Uhr abends hatte die Hamburgische Unterrichts-
verwaltung zu einem Festmahle im Grundsteinkeller des Rat-
hauses eine besondere Einladung ergehen lassen, der etwa 150 Botaniker
und geladene Gäste Folge geleistet hatten. L)er Präses der Oberschul-
beh()rde, Senator Dr. v. 3Ielle begrüsste die p]rschieniMien mit folgenden
Worten ;
Meine hochgeehrten Herren I Die Wissenschaft bedarf, wenn sie
sich frei entfalten und erfolgreich weiter entwickeln soll, nicht nur der
Geisteskraft und der rastlosen Arbeit der Gelehrten, sondern auch des
Schutzes und der Förderung seitens des Staates, wie des gesicherten
Friedens, der für jede Kulturarbeit die erste Bedingung ist. Stolz
blicken wir Deutsche auf unser im Rate der Völker Achtung gebietend
dastehendes Deutsches Reich und sein erhabenes Oberhaupt, den
Deutschen Kaiser Wilhelm IL, der uns den Frieden erhalten hat, der allen
Zweigen der Wissenschaft ein allezeit reges, persfmliches Interesse
entgegenbringt und der Sorge trägt, dass neben den Einzelstaaten auch
das Reich die Erfüllung wichtiger wissenschaftlicher Aufgaben in seine
kräftige Hand nimmt.
Doch die Wissenschaft, die eine universale geistige Macht ist, soll
und kann nicht Halt machen an den politischen Landesgrenzen. Diese
Erkenntnis hat nicht nur zu internationalen Gelehrtenkongressen geführt,
sondern auch zum Zusammentreten von offiziellen Vertretern der ver-
schiedenen Staaten behufs gemeinsamer Erörterung mannigfacher, für
die Staaten selbst oder bestimmte Kreise ihrer Angehörigen bedeutsamer
wissenschaftlicher Fragen und Probleme. Eine solche Versammlung
staatlicher Delegierter ist die hier jetzt tagende erste internationale
Konferenz für Samenprüfung. Dass sie als eine neue Etappe auf dem
bedeutsamen Wege internationaler Beratung und Verständigung zustande
gekommen ist, das danken wir dem bereitwilligen Entgegenkommen der
in dieser Konferenz vertretenen Regierungen.
Meine Herren! Ich fordere Sie auf, einzustimmen in den Ruf
„Seine Majestät, der Deutsche Kaiser Wilhelm IL, Ihre Majestäten, die
Souveräne und die hohen Staatsoberhäupter der hier vertretenen aus-
ländischen Staaten, sie leben hoch!"
In der darauf folgenden Ansprache wünscht der Redner der „an-
gewandten Botanik" auch ferner das beste Blühen und Gedeihen. \A'enn
Redner sich an die EröfTnungsfeierlichkeit erinnere, so müsse er an-
erkennen, dass Prof. Drude für die angewandte Botanik ein Arbeitsfeld
entrollt habe, das tiefer als sonst eine Wissenschaft in das praktische
Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung. XLIII
Lebon hineinrage. Prof. Warburg habe sodann unserer Kolonialbotanik
und tropischen Landwirtschaft die besten Wege zum Erfolg gewiesen,
und die von ihm vorgeschlagene Resolution, welche die ' ungeteilte Zu-
stimmung der Versammlung gefunden habe, sei in der Tat derartig,
dass man nur den Wunsch hegen könne, dass Reichskanzler und Bundes-
rat dazu ihre Zustimmung im Interesse der Kolonien geben möchten.
Redner glaube, dass auch der Hamburger Senat diese Angelegenheit im
Bundesrat unterstützen werde. Ebenso erfreuUch sei es, dass die
internationale Samenkonferenz gutes Gedeihen ihrer Verhandlungen zu
verzeichnen habe und nicht minder die dritte Gruppe, vertreten durch
die Ptlanzen-Systeraatiker und -Geographen. Also überall ernste Arbeit.
Die Anwesenden würden aber wohl auch von Hamburg den Eindruck
gewonnen haben, dass hier ernst und tüchtig gearbeitet werde. Man
habe Hamburg eine materielle Stadt genannt; dem sei aber nicht so.
In Hamburg werde länger gearbeitet, als in vielen anderen Orten. Länger
in dem Sinne, dass es in Hamburg keine Rentiers gebe. Wenn der
der Kaufmann durch seine Söhne im höheren Alter im Geschäft ent-
lastet werde, so stelle er immer noch seine Kräfte in den ehrenamt-
lichen Dienst der hamburgischen Verwaltung, so dass man in Hamburg
„in den Sielen sterbe". Aber eine materielle Stadt sei Hamburg darum
noch lange nicht. Das zeige die vielfache Unterstützung, die hier
wissenschaftlichen und anderen geistigen Bestrebungen zuteil werde.
Das beweise ferner, wie Redner scherzend hinzufügte, schon das ein-
fache Menü des Abends; es sei dieses Menü nur „angewandte Botanik"
und etwas Zoologie in der Hoflnung, dass die Herren Botaniker nicht
auch Vegetarier aus lauter Interesse für die Wissenschaft geworden
seien. Der Toast klang aus in ein Hoch auf die gegenwärtig in Hamburg
tagenden Vereinigungen für Botanik, denen auch auf den nun bevor-
stehenden Ausflügen nach Vierlanden, in die Heide und nach Helgoland
<3as „selten schöne" Hamburger Wetter weiter hold sein möge.
(Nach Hbg. Premdenblatt No. 216.)
Don Dank stattete Geh, Hofrat Prof. Dr. Drude- Dresden ab und
brachte ein Hoch dem Chef der Hamburgischen Unterrichtsverwaltung.
Herrn Senator Dr. v. Melle. Hof rat Dr. v. Weinzierl-Wien gedachte
der Arbeit des Ortsausschusses, vor allem der hohen Verdienste des
Herrn Prot Dr. Zacharias. Dieser wiederum dankte für die Anerkennung,
gedachte seiner Mitarbeiter, Prof. Dr. Voigt und Dr. Brick, sowie der
Hamburger Kaufleute, deren Geschäfte vielfach mit der angewandten
Botanik in unmittelbarem Zusammenhange stehen, und feierte die an-
wesenden Vertreter der botanischen Praxis. Schhesslich forderte Ge-
hehnrat Prof. Dr. Engler-Berlin zu einem Hoch auf Hamburg auf.
XLIV Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Freitag, den 14. September,
Yoji 9 — 12 Uhr Sitzung im Hörsaale des Botanischen Gartens,
Als erster Vortragender sprach Dr. 3Iiir(lfteld-Hamburg über
das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe in chemischer
und physiologischer Hinsicht').
In der Analyse einiger unserer Futter- und auch Lebensmittel
spielt die sogenannte Roh- oder Holzfaser eine nicht zu unterschätzende
Rolle. Die mannigfachen Methoden, welche in der angewandten Chemie
zu ihrer analytischen Bestimmung ausgearbeitet wurden, sind jedoch
alle mehr oder weniger konventioneller Natur, da sie unter den BegrifT
der Roh- oder Holzfaser noch Stofte unterbringen, welche in den ül)rigen
Anaiysendaten bereits bewertet werden.
Das von J. König neuerdings vorgeschlagene Glyzerin-Schwefel-
säureverfahren zur Bestimmung der Rohfaser, sowie das Wasserstoff-
superoxyd-Oxydationsverfahren zur Bestimmung der Zellulose leidet
wohl am wenigsten unter diesen Mängeln. Auf Veranlassung J. Kihiigs
haben Dr. A. Pürstenberg und der Vortragende eingehende Unter-
suchungen über die chemischen Bestandteile der Königschen Rohfaser
angestellt und auch die Verdauung der einzelnen Bestandteile beobachtet.
Die chemischen Untersuchungen hatten folgende Ergebnisse:
Ausser geringfügigen Verunreinigungen durch N-Substanzen und Pento-
sane bestand die nach dem Glyzerin-Schwefelsäureverfahren gewonnene
Rohfaser der Gras- und Kleiearten aus drei Gruppen chemisch charak-
terisierter Bestandteile:
1. aus den Zellulosen (nicht durch Wasserstoffsuperoxyd oxy-
dierbaren, in Kupferoxydammoniak unlöslichen Substanzen):
2. aus den Ligninen (durch Wasserstoffsuperoxyd oxydierbaren,,
in Kupferoxydammoniak unlöslichen Substanzen) und
3. aus dem Kutin (einem wachsähnlichen Körper, welcher weder
durch Wasserstoffsuperoxyd noch durch Kupferoxydammoniak
verändert wurde).
Die Zellulosen zeigten (namenthch in der Weizen- und Roggen-
kleie) nicht immer den theoretischen KohlenstofTgehalt von 44,44 "^/q,-
1) Siehe: A. Fürstenberg, Inaugur;d - Dissertation, Münster 19Ü5..
K. Murdfield, Inaugural-Dissertation, Münster 19ü(). J. König, Zeitschr. f.
Unters, der Nahrungs- u. Genussmittel I (1898), S. 3; VI (1903), S. 769;
VII (1906), S. 385. J. König, A. Fürstenberg u. H. Murdfield, Land-
wirtsch. Versuchsstationen LXV (1906), S. 5;"). J. König, Ber. der Deutsch.
Chem. Gesellsch. XTV (1906).
Mui-dfield, Das Lignin und Kutin pflanzlicher Futterstoffe etc. XLV
entsprechend der Formel (Gg H^^3 O5) n, wenngleich sie sich durch ihr
sonstiges Verhalten durchaus nicht von der wahren Zellulose unter-
schieden. Sie lieferten teilweise merklich höhere Kohlenstoffwerte; es
wurde festgestellt, dass diese Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes auf das
Vorhandensein von Methyl-, Äthyl-, Aceiyl- oder ähnlichen Einlagerungen
zurückzuführen ist. Die nach dem Jodmethoxyl- Verfahren von Zeissl
gewonnenen Methylzahlen korrespondierten mit den gefundenen Kohlen-
stoff werten.
Die Lignine zeigen stets schw\ankenden Gehalt an Kohlenstoff
(von 52 — 60 °/o) und müssen als ein Konglomerat von chemisch ähnlich
gearteten Körpern angesehen werden. Ihre Methylzahlen sind teil-
weise recht beträchtlich.
Das Kutin (so benannt wegen seiner ausserordentlichen Ähnlich-
keit mit dem „cutine" Fremys) hat einen Kohlenstoffgehalt von
78 — 80 °/o (in der aschefreien Trockensubstanz). Ob die Kieselsäure,
welche eine stetige Begleiterscheinung des Kutins ist, eng mechanisch
oder vielleicht sogar chemisch mit dem organischen Teil des Kutins
verbunden ist, wurde noch nicht genau festgestellt.
Die genannten chemischen Befunde veranlassten den Vortragenden
zur Ausarbeitung eines Verfahrens zur Bestimmung von Zellulose, Lignin
und Kutin. Sie führten ferner zu der Annahme, dass die Verholzung
der pflanzlichen Membran eine allmähliche Einlagerung von kohlenstoff-
haltigen Kernen in die ursprüngliche Zellulose sei; ein genetischer Zu-
sammenhang zwischen Kutin und Zellulose konnte dagegen nicht auf-
gefunden werden.
Die durch Verdauungsversuche bei Schafen, Schweinen und
Kaninchen festgestellten physiologischen Ergebnisse gipfeln im allgemeinen
darin, dass Vortr. sowohl dem Lignin als auch dem Kutin sehr ver-
dauungsstörende Eigenschaften zuspricht. Im übrigen werden von den
Rohfaserbestandteilen die Zellulose am besten, die Lignine wesentlich
schwächer und das Kutin fast gar nicht ausgenutzt. Allgemein ist zu
bemerken, dass stets die kohlenstoffärmeren Bestandteile verdauhcher
erscheinen als die an Kohlenstoff reicheren Gruppen. (Murdfield.)
Prof. Dr. P. Liiidiier-Berlin trug sodann unter Vorlage von Kul-
turen und Apparaten vor über
Neuere biologische Methoden im Dienste des Gärungsgewerbes
(s. S. 98—111).
Zur Diskussion meldet sich niemand.
XLVI Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigung.
Dr. R. Ewert-Proskau demonstrierte
die durch Bordeauxbrühe oder Beschattung hervorgerufene
Verlangsamung des Stoffweclisels in grünen Blättern.
An einer grösseren Menge von präparierten Kartoffel-, Bohnen-
und Weinblättern wurde gezeigt, dass halbseitig mit 4 ^/oiger Bordeaux-
brühe bestrichene Blätter nach vorangegangenen sonnigen Tagen
in den Morgenstunden auf der behandelten Hälfte noch Stärke führen
können, während ihre unbehandelte Hälfte schon stärkefrei ist. Auf
dieser Tatsache beruht vornehmlich die irrtümliche Auffassung, dass
bordelaisierte Blätter resp. Blattteile stärker assimilieren wie unbe-
handelte. Letztere Annahme wird auch dadurch entkräftet, dass nach
ängerer Besonnung gerade die unbehandelte Seite wieder mehr Stärke
aufweist. Da nicht allein durch Kupferkalk, sondern auch z. B. durch
eine 3°/(,ige Kalkmilch die gleichen Erscheinungen hervorgerufen worden
können, wie ebenfalls durch entsprechende Kartoffelblattpräparate demon-
striert wird, so ist damit der Beweis geliefert, dass es sich bei der
langsameren Abführung der Stärke gar nicht um eine spezifische
Kupferwirkung zu handeln braucht, sondern dass allein schon durch die
Schattenwirkung des Kupferkalk- resp. Kalkbelags der gleiche Erfolg
erzielt werden kann. (Ewert.)
Bei der sehr vorgeschrittenen Zeit wurde die Aussprache über den
Gegenstand auf die Exkursion nach den Vierlanden verschoben.
Dr. R. Ewert-Proskau sprach sodann über
die Parthenokarpie der Obstbäume.
An einer grösseren Anzahl lebender und präparierter Früchte
wurde gezeigt, dass man gewisse Apfel- und Birnsorten ganz nach
Belieben kernlos oder kernhaltig erziehen kann. Es geschieht in der
Weise, dass man jede Art der Bestäubung verhindert. Wir haben es
hier also mit Parthenokarpie zu tun.
Da bei den Blüten sehr vieler Apfel- und Birnsorten die Narben
weit über die Antheren hinausragen und aus diesem Grunde eine Eigen-
bestäubung sehr erschwert ist, so erhält man auch dann schon kern-
lose Früchte, wenn man allein die Fremdbestäubung z. B. mit Hilfe
von Gazehüllen ausschliesst. Es ist daher wahrscheinlich, dass die von
Waite behauptete Selbstfertilität sich vielfach mit Parthenokarpie deckt.
Die ohne jede Bestäubung entstandenen Früchte können die
gleiche Grösse erreichen wie diejenigen, welche sich unter Einwirkung
fremden Pollens entwickelt haben, doch haben beide ihre charakteristische
Gestalt. E)ie mit ganz verkümmerten Samen versehenen Früchte der
Birnsorte „Gute Luise von Avranches" haben z. B. eine schlankere
Ewert, .Die Parthenokarpie der Obstbäume. XLVII
Form wie die normale Kerne fülirenden Früchte derselben Sorte. Man
kann daher schon aus der Form der Frucht mit grosser Sicherheit auf
ihren Iverngehalt schliessen. Es wurden verschiedene Früchte vor der
Versammlung durchschnitten, und die Probe auf das Exempel stimmte.
Die Bedeutung der Entdeckung der Parthenokarpie bei unseren
Obstbäumen beruht nicht so sehr darauf, dass man Fruchtsorten, die
sich unter natürlichen Bedingungen kernhaltig entwickeln, zwingen
kann, sich kernlos auszubilden, sondern sie besteht hauptsächlich in der
Tatsache, das es unter unseren vielen Obstsorten solche gibt, die ohne
Befruchtung Früchte zu liefern vermiigen; denn letztere verdienen in
allen den Fällen, in denen die Bestäubung und besonders die Fremd-
bestäubung erschwert ist — Verhinderung des Bienenflugs durch un-
günstige Witterung, Massenanbau einer Obstsorte — den Vorzug.
Eine Reihe weiterer Beobachtungen, die in Zusammenhang mit
der I\ernlosigkeit stehen, wurde gemacht; so ist z. B. das Verhalten
der Obstmade zu den kernlosen Früchten zu erwähnen. Es würde in-
dessen zu weit führen, hier auf Einzelheiten einzugehen. Ausführlichere
Mitteilungen über die vom Vortr. angewandte Methode zur künstlichen
Erzielung kernloser Früchte sowie genauere Anführungen der Ver-
suchsergebnisse sollen demnächst in einer besonderen Schrift erfolgen, so
dass im nächsten Frühjahr, da das Verfahren sehr einfach ist, jeder-
mann die Versuche in seinem Garten wiederholen kann. (Ewert.)
Prof. iJr. Kirchuer-Hohenheim bemerkt in der Diskussion, dass er
das Vorkommen der Parthenokarpie bei den Obstbäumen an sich nicht
in Zw'eifel ziehen wolle, dieselbe sei aber durch Abhaltung der Fremd-
bestäubung allein selbst bei solchen Sorten, in deren Blüten die Narben
weit über die Antheren hinausragen, noch nicht bewiesen, es müsse
vielmehr auch eine Kastration der Blüten stattfinden. Ferner findet
Redner es für angebracht, die Bezeichnung Parthenokarpie durch das
deutsche Wort Fruchtungsvermögen zu ersetzen.
Prof. Dr. Zacharias-Hamburg weist auf die Behauptung Müller-
Thurgaus hin, nach welcher der Pollenschlauch, ohne eine eigent-
liche Befruchtung zu vollziehen, doch einen Wachstumsreiz auf die
junge Fruchtanlage ausüben soll. Aus dem Fehlen der Kerne kann
daher nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die Fruchtbildung
ohne Einwirkung des Pollens erfolgt sei.
Dr. R. Ewert-Proskau betont diesen Einwänden gegenüber, dass
er ja keineswegs auf Grund von Versuchen, bei denen nur die Fremd-
bestäubung verhindert worden sei, das Vorkommen der Parthenokarpie
bei unseren Obstbäumen behaupte, sondern er tue es hauptsächlich auf
Grund von Ergebnissen derjenigen Versuche, die darauf hinausliefen.
XLVIII llericht über die 4. Hauptversammlung der N'ereinigung-.
die Narben vor dem Aufbrechen der Blüten durch geeignete chemische
Mittel ihrer Empfängnisfähigkeit überhaupt zu berauben. Durch ein
derartiges Verfahren sei auch das Kastrieren der Blüten unnötig ge-
worden, das auch deswegen vermieden sei, um niclit W'undparasiten
das Eindringen in die jungen Fruchtanlagen zu ermöglichen.
Zum Schlüsse wurde noch die Frage diskutiert, ob das Vordringen
des Pollenschlauchs zur Samenknospe abhängig sei von der normalen
Funktion der Narbe, speziell dem Austritt des Narbensekrets,
Dr. Haiipt-Bautzen vertritt die Ansicht, dass eine derartige Ab-
hängigkeit des Befruchtungsvorganges von der Empfängnisfähigkeit der
Narbe besteht, Dr. Ewert und Prof. Dr. Zacliarias sind der Meinung,
es sei nicht undenkbar, dass gelegenthch z. B. bei zufälliger Verletzung
des Griffels der Pollenschlauch auch unabhängig von der Narbe zur
Samenknospe zu gelangen vermöge, da die Keimung der Pollenkörner
in den verschiedensten Medien erfolgen kann und keineswegs vom Vor-
handensein des Narbensekrets abhängig ist,
Professor Dr. E. Zacliarias-ffaniburg hielt sodann unter Vorzeigung
von Präparaten einen Vortrag
über Degeneration bei Erdbeeren (s. S. 51 — 62 u. Taf. I — H)_
Ingenieur W. H. Schramm-Graz hatte durch Professor P. Reinitzer-
Graz drei Arbeiten über Farbe und Verfärbung der Hölzer ein-
gesandt, die jedoch der vorgerückten Zeit wegen nicht mehr zum
Referat gebracht werden konnten. Sie gelangen in dem diesjährigen
Jahresbericht zum Abdruck (s. S. 116 — 163).
Zu einem Ausflug in die Zentral-Heide unter Führung von
Dr, Brick hatten sich um T'/a L'hr morgens am Hannoverschen Bahn-
hofe zusammengefunden: Ascherson Berlin, Bitter-Bremen, Brick-
Hamburg, Büsgen-Münden, Diels-Berlin, Dinklage-Hamburg, Engler-
Berlin, Flögel-. Ahrensburg, Friederichsen-Rostock, Graebner-Berlin,
Hochreutiner-Genf, Jaap-Hamburg, Johnson-Dublin, Kümmerle-
Budapest, Muth- Oppenheim, Petzet- Hamburg, Schmidt- Hamburg,
Schütz-Lenzen, v. Szabo-Budapest und Warming-Kopenhagen, sowie
Frau Dr. Graebner-Berlin und die Herren Rat Dr, Bleiken. Kauf-
mann F. Gabain und Photograph F. Rompel aus Hamburg. Der um
7 Uhr 43 Minuten abgehende Zug brachte die Exkursionsteilnehmer
über Buchholz nach Wintermoor, wo Wagen bereit standen zur Fahrt
über das malerisch zwischen Eichen gelegene Forsthaus Ehrhorn nach
Einem. Kurz vor diesem Gehöft wurden die Wagen verlassen, um eine
hohe Binnenlandsdüne mit ihrer Vegetation zu besichtigen. Dann
ging es zu Fuss weiter nach dem unter alten Buchen sjelegenen Heide-
Ausflug in die Heide und in die Vierlande. XLIX
geh oft Kinem, wo sich Herr Förster Schröder der Gesellschaft aii'
schloss. Bald hinter Einem tauchten die zahlreichen alten Wacholder
in ihren eigenartigen Formen auf; eine besonders schöne und reiche
Wacholdervegetation bot der kleine Hexengrund dar. In der Ferne sah
man bereits die durch eine jetzt einsame Fichte gekennzeichnete Höhe
des Wllseder Berges, des nächsten Zieles der Exkursion. Von dem
Wege dahin wurde etwas abgewichen, um einen malerischen alten
typischen Heideschafstall mit seinem bis auf den Boden reichenden
Heidekrautdache, einen der eigenartigen Bienenstände der Heide, einen
schönen Wacholderwald und die Saatbeete für die forstlichen An-
pflanzungen zu betrachten. Der 169,2 m hohe Wilseder Berg, die
höchste Erhebung der Lüneburger Heide, der wegen seiner bei klarem
Wetter weiten Fernsicht (Türme von Hamburg, Deister, Harz mit dem
Brockenhause) und wegen des Überblickes über die Heide ein hervor-
ragender Aussichtspunkt ist, zeigt zwar noch auf seinem Gipfel und den
Abhängen reine Heidevegetation, in der zahlreiche grosse und kleine
Steinblöcke als Zeichen der Eiszeit zerstreut umherliegen, aber schon
rücken die Forstkulturen bedenklich nahe an ihn heran. Der hier in
dieser Umgebung auf der Höhe des Wilseder Berges bei schönem
Wetter beabsichtigte Vortrag von Dr. P. Graebner-Berlin über
die Vegetationsbedingungen der Heide')
musste des Regens wegen verschoben werden, bis man im Gasthofe zu
Wilsede ein schützendes Dach gefunden hatte.
Die Tour führte sodann nachmittags nach dem romantischen, jedem
Heidefreunde bekannten Totengrund, einer Talsenkung von eigenartiger
Schönheit, namentlich zur Zeit der Heideblüte. Ausserordentlich zahl-
reiche Wacholderbüsche bekleiden in lockerem Bestände, wie die Cypressen
auf einem südländischen Friedhofe wirkend, besonders die Süd- und
Westhänge — auf dem Messtischblatte (1378 Behringen) als Stein-
grund bezeichnet — , während auf der ausgedehnten Talsohle nur reine
Calluna wächst. Der östliche Teil, ein 21 ha grosser flacher Tal-
kessel, ist kürzlich von Prof. Dr. Thomson in Münster, einem be-
geisterten Heidewanderer, käuflich erworben worden und soll für immer
in seiner jetzigen Gestalt als ein Naturdenkmal erhalten bleiben.
Wünschenswert wäre, dass auch die hier gelegenen Süd- und West-
hänge der Wilseder Hochfläche, der Steingrund, mit den Resten jenes
gewaltigen Granitblockes, dessen erhaltenes letztes Viertel noch 7,7 m
Umfang und 2,2 m Höhe hat, in ihrer ursprünglichen Form als typische
') Der Vortrag wird in Englers Botanischen Jahrbüchern 1907 er-
scheinen.
Tabresbericht der Vereinigung für .ingewandte Botanik IV. IV
L Bericht über die 4. Hauptversammlung clor Vereinigung.
Heidelandschaft späteren Generationen erhalten bliebe. Weiter g'ing"s
zunäclist durch die hohe Heide der Talsohle, sodann auf der Schneise
49/56 und auf dem nach Oberhaverbock führenden Wege durch den
kgl. Forst Langeloh. Beim westhchen Austritt aus dem Walde führte
der Marsch auf typischem, durch kümmerliche Birken gekennzeichnetem
Heidewege, an dem zu l)eiden Seiten zahlreiche Hünen grab hü gel
lagen, nach den in einem Eichenhain gelegenen Höfen von Ober-
haverbeck, in deren einem alte hohe Hex aquifolium bewundert
wurden, und sodann nach dem sich ähnlich darbietenden Niederhaverbeck.
Hier wurde in die bereitstehenden Wagen gestiegen und durch das
Haverbecker Holz, das sich gleichfalls durch reichen Wacholder-
bestand auszeichnet, über Einem — vorbei an einer in der Heide frei-
stehenden schönen Rotl)Uche von 4,10 m Stammumfang — und Ehr-
horn nach Wintermoor zurückgekehrt, von wo man mit der Bahn um
8'/2 ^^1^^' wieder in Hamburg eintraf.
Für die in den Sitzungen der Vereinigung für angewandte Botanik
und der Konferenz für Samenkontrolle anwesenden Kongressteilnehmer
mit ihren Damen war für den Nachmittag ein Ausflug in die Vier-
lande unter Führung von Professor Dr. Zacharias und Professor Dr.
Voigt vorgesehen. Der Zug um 2 Uhr 25 Minuten von Bahnhof Lippelt-
strasse brachte die Teilnehmer in knapp halbstündiger Fahrt nach dem
freundlichen hamburgischen Städtchen Bergedorf, von wo der Ausflug
in die Vierlande per Wagen angetreten wurde. Wenn auch die Jahres-
zeit zu sehr vorgeschritten war, um den Gemüse-, Blumen- und Obst-
garten Hamburgs in vollster Entwickelung sehen zu können, so bot doch
die Fahrt einen Einblick in die interessante Eigenart der Eibmarschen
und den emsigen Betrieb ihrer Bewohner. Auf hohen, schmalen, an
ihren Biischungen meist mit alten Obstbäumen bestandenen Deichen
fuhren die Wagen dahin. Zwischen den Kronen der Bäume schweifte
der Blick frei über das tiefer gelegene IVIarschland. Die langen,
schmalen, durch Gräben getrennten Landstreifen trugen z. T. noch den
Rest der alljährlichen Zierblumenkulturen, Astern, Dahlien u. a. m.,
andere wieder waren mit einem der wichtigsten Exportartikel der Vier-
lande bestanden, mit Maiblumen, die als junge Keime zu Millionen gezüchtet
und meist übers Meer gesandt werden. Mit diesen wechseln wieder Erdbeer-
beete, Beerensträucher und Gemüsekulturen in Ininter Reihenfolge. Hin und
wieder blickt aus dem Grün der als Windschutz geschorenen Linden
der strohbedeckte und von einem Storchennest gekrönte Giebel eines alt-
ehrwürdigen Bauernhauses über den Deichrand und gibt mit der origi-
nellen Anordnung der Steine innerhalb der Fachwerkrahmen und den
Schnitzereien an den Balken ein deutliches Bild von dem Kunstsinn
Ausflug nach Helgoland. Kuckuck, Tangverwertung. LI
seiner Bewohner. In dem Kirchdorfe Curslack wurde die Kaffeepause
benutzt zur Besichtigung einzelner Kulturen, zum Besuch der freund-
lichen, alten Kirche und zu einem Blick in die Behausungen der Vier-
länder. Von hier ging die Fahrt zunächst durch einen Teil der Vierlande,
der mehr reine Landwirtschaft, Getreidebau und Viehzucht, treibt, um
dann wieder in Kirch ward er und in dem Endziel der Fahrt, dem freundlich
an der Elbe gelegenenZoUenspieker, einer einstigen Zollstelle, ähnliche Be-
wirtschaftungsverhältnisse anzutreffen wie auf dem ersten Teile des Aus-
fluges. Nach einem einfachen Abendessen in dem ehrwürdigen Zollen-
spieker führte ein Dampfer die Teilnehmer auf der schweigenden, bereits
vom Dunkel des Herbstabends überschatteten Oberelbe in etwa ein-
stündiger Fahrt dem Lichtermeer des Hamburger Hafens zu. Auf der
Eibhöhe oberhalb der Landungsbrücken trafen die Ausflügler mit den
Heidewanderern zusammen, um von der Terrasse des Hotels Wiezel noch
eine Weile sich gemeinsam des bei der abendlichen Beleuchtung be-
sonders schönen Hafenbildes zu erfreuen. (Voigt.)
Sonnabend, den 15., und Sonntag, den 16. September,
Ausflug nach Helgoland.
Der Dampfer „Cobra" führte Sonnabend 8 Uhr morgens von den
St. Pauli-Landungsbrücken 50 Herren und Damen des Botanikerkongresses
elbabwärts vorbei an den herrlichen Ufern bis Blankenese und Schulau,
an Finkenwärder, dem Kirschenlande der Luhe, der Einmündung des
Nord-Ostsee-Kanals, Glückstadt und anderen Orten, Cuxhaven, der Insel
Neuwerk mit ihrem alten Leuchtturme und vorbei an zahlreichen ein-
kommenden Schiffen nach Helgoland. Leider musste dos schlechten
Wetters wegen in Helgoland die geplante Exkursion in Böten zum
Studium der Algenvegetation und das Dredschen im Nordhafen auf-
gegeben werden. Dafür wurde imter der Führung von Prof. Dr. Ehren-
baum, Prot. Dr. Hartlaub und Prof. Dr. Kuckuck die Biologische
Anstalt, das Aquarium und das Nordseemuseum besichtigt. In
diesem hielt Prof. Dr. P. Kuckuck-Helgoland einen Vortrag:
Mitteilungen über Tangverwertung.
Der Vortragende schilderte kurz die Verarbeitung der Laminarien
und Fucaceen auf Jod, wobei er auch der kleinen Kelpbrennerei
gedachte, die früher auf Helgoland existierte, und l)esprach im Anschluss
IV*
LI[ Bericht über die 4. Hauptversammlung der Vereinigulla;
daran einige nebensächliche Verwendungen, die für Helgoland charakte-
ristisch sind, so die Düngung der Äcker auf dem Oberlande mit den
am Strande angetriebenen Laminarien und die Herstellung der „Stipites
Laminariae" aus Stengeln der Lmn'inar'ni hypcrborca. Ausführlicher
wurde dann die Norgine-Fabrikation behandelt, bei welcher die auch
bei Helgoland häufigen Laminaria- Arten, L. digitata, L. hyperhorea
und L. sacchar'ma nach dem Verfahren des Norwegers Axel Krefting
auf organische Bestandteile und speziell auf Tanginsäure verarbeitet
werden, eine organische stickstofffreie Säure, die als „Calciumtangat"
gewonnen und meist mit einer entsprechenden Menge Soda vermischt
als „Norgine" in den Handel kommt. E>ie Norgine gibt einen vorzüg-
lichen Klebestoff ab, der sich besonders in der Textilindustrie als
Appreturmittel mit Vorteil verwenden lässt, aber auch zum Binden von
Malerfarben und für zahlreiche andere Zwecke benatzt werden kann.
An der Küste der Bretagne hat man eine gut rentierende Fabrik be-
gründet, die zugleich Jod liefert. Auch in Deutschland hat sich eine
Gesellschaft gebildet, die den Seetang auf Norgine verarbeiten will. Da
aber an den deutschen Küsten die Laminarien-Vegetation nur spärlich ist
oder gänzlich fehlt, so würde nur Helgoland in Betracht kommen, und
w^enn auch hier die Bestände sehr üppig sind und ein Areal von etwa
5 — 10 Quadratkilometern bedecken, so würde dies doch für einen fabrik-
mässigen Betrieb kaum genügen. (Kuckuck.)
Sodann wurde ein Spaziergang auf dem Oberland unter-
nommen zur Besichtigung der Flora und der eigenartigen geologischen
Formation von Helgoland. Am Sonntag konnten Ausflüge zur Düne
und Rundfahrten um die Insel unternommen werden. Die Dampfer
um 1 Uhr 10 Minuten mittags und 6 Uhr nachmittags führten die
meisten Teilnehmer wieder nach Hamburg zurück. Eine nicht unbe-
trächtliche Zahl blieb jedoch noch auf der herrlichen Insel, um die Algen
in Müsse zu studieren und zu sammeln.
Montag, den 17., und Dienstag, den 18. September,
war für die Kückreisenden im neuen Botanischen Museum in
Dahlem bei Berlin eine Ausstellung interessanter neuer Er-
werbungen und Sammlungen mit Erläuterungsvorträgen von Geheim-
rat Prof. Dr. A. Engler veranstaltet.
Brick.
Mitgliederliste. Lnl
Mitgliederliste
der „Vereinigung für angewandte Botanik'^ für 1906.
(Adressenändei'ungen bzw. Uni-ichtigkeiten im Verzeichnis bittet man bald-
möglichst dem Schriftführer der Vereinigung, Dr. Brick, Station für Pflanzen-
schutz, Hamburg 14, anzuzeigen.)
Abromeit, J., Dr., Privatdozent, Königsberg i. Pr., Botan. Garten.
Adamovich, Alexander, Gutsbesitzer in Ujvidek (Neusatz), Ungarn.
Ader hold, Rudolf, Dr., Geh. Regierungsrat, Direktor der Kaiserl, Bio-
logischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz
bei Berlin (f 17. III. 1907).
Ahrens, C, Dr., Beeidigt. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2.
Appel, Otto, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen
Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Arnim- Schlagenthin, Graf v., Nassenheide (Pommern).
Ascherson, Paul, Dr. phil. et med.. Geh. Regieriingsrat, Professor an
der Universität, Berlin W., Bülowstrasse 51.
Barth, Hans Philipp, Weingutsbesitzer, Dürkheim a. d. Haardt.
Barth, Georg, Dr., Vorstand des Betriebslaboratoriums der Aktienbrauerei
zum Lfiwenbräu, München.
Bassermann-Jordan, Ludwig, Dr. jur., Bürgermeister und Weinguts-
l)esitzer, Deidesheim (Bayr. Pfalz).
Behn, Dr., Techn. Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt
Dahlem- Steglitz bei Berlin.
Behrens, Johannes, Dr., Professor, Vorstand der Grossherzogl. Bad. Land-
wirtschaftlichen Versuchsanstalt, Augustenberg, Post Grötzingen in
Baden.
Benecke, W., Dr., a. o. Professor an der Universität, Kiel, Bergstr. 27.
Bernegau, L., Korpsstabsapotheker a. D., Berlin-Halensee.
Bischkopff, E., Dr., Assistent an der Station oenologique des viti-
vinicultures russes, Odessa, rue Kanatnaia 19.
Boetticher, Dr.. Assistent a. d. Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- und
Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Bolle, Joh., Direktor d. k. k. Landwirtsch. -chemisch. Versuchsstation,
GTirz (Istrien).
LiY Mitgliederliste.
JBraun, 1\., I >r., Botaniker und Assistent am Landwii'tscluiftl.-biolog.
Institut, Amani (1 )eutsc]i-Ostafrika), Hafen Tanga.
Brick, Carl, Dr., Leiter der Station für Pflanzenschutz. Hamburg 5,
St. Georgskirchhof 6.
Bruijning jr., F. F., I»irektor der Rijksproefstation voor Zaadcontröle,
Wageningen (Holland).
Bubak, Franz, T»r., Professor an der Landwirtschaft!. Akademie, Tnbor
in Biihmen.
Buchwald, J., Dr., Leiter d. Botan. Abteilung d, Versuchsanstalt f.
Getreideverwertung, Berlin N. 4, Invalidenstr. 48.
von Buhl, Eugen, Dr., Reichsrat, Deidesheim (Bayr, Ptalz).
Buhl, Franz, Weingutsbesitzer, Präsident des Deutschen Weinbau-
Vereins, Deidesheim (Bayr. Pfalz),
Büsgon, M., r)r., Professor der Botanik an der Forstakademie, Hann,-
Münden.
Busse, Walter, Dr., Regierungsrat, Privatdozent der Botanik an der
Universität, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land-
und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
von Canstein, Freiherr, r)r., Kgl. Landes-Ökonomierat, Berlin NW. 40,
Kronprinzenufer 5/6.
Christ, Karl, r)r., Professor, Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und
Gartenbau, Geisenheim a, Rh.
Coleman, Leshe C., Government Mycologist and Entomologist, Ban-
galore, Brit. Indien.
Degen, A. v., Dr., Direktor der Samenkontrollstation, Budapest II,
Kis-Rukus-utcza Il/b.
L)ern, A., Kgl. Bayr. Landesinspektor für Weinbau, Neustadt a. d. Haardt.
Derndinger, Joh., Domänenrat, Karlsruhe i. B., Ettlingerstrasse 27.
r)iels, Ludwig, I >r., Professor, Marburg i. H., Botanisches Institut.
I»ingler, Hermann, Dr., Professor der Botanik an der Forstlichen Hoch-
schule, Aschaffenburg.
iMnklage, M., Kaufmann, Hamburg 13, Oberstr. 56.
L)orph Petersen, K., Direktor E)ansk Fr0kontrol, Kopenhagen V,
HarsdorfCswej 7.
L>rude, 0., iJr., Geh. Hofrat, Professor dei" Botanik an der Technischen
Hochschule u. L>irektor des Kgl. Botan. Gartens, l>resden-A., Bo-
tanischer Garten.
I»unbar, W. Ph., ])r., Professor, Direktor des Hygienischen Instituts,
Hamburg, Jungiusstr.
Edler, ^^^, iJr., Professor, Landwirtscliaftl. Institut d. LTniversität, Jena.
Engelmann, Eduard, Weingutsbesitzer, Hallgarten (Rheingau).
Mitgliederliste. LV
Engler. Adolf, Dr., Geh, Regierungsrat, Professor der Botanik an der
Universität, Direktor des Kgl. Botanischen Gartens und Museums,
Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Eriksson, Jakob, Dr., Professor, Experimentalfältet bei Stockholm.
Ewert, R., Dr., Leiter der Botanischen Abteilung der Versuchsstation
des Pomologischen Instituts, Proskau bei Oppeln.
Faber, F. v., Dr., Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt in
Dahlem- Steglitz bei Berlin (z. Z. Botan. Garten Victoria, Kamerun).
Fabricius, L., Dr., Privatdozent der Forstwissenschaft und Assistent am
Forstbotanischen Institut, München, Amalienstr. 07.
Fischer, Alfred, Dr., Professor an der Universität, Direktor des Bo-
tanischen Instituts und Gartens, Basel.
Fischer, Regierungsrat, Frankenthal (Bayr. Pfalz).
Freudl, Eligius, Assistent an der k. k. Samen-Kontroll-Station, Wien,
II/2 k. k. Prater 174.
Fried er ichsen, Max, Dr., a. o. Professor d. Geographie a. d. Uni-
versität, Rostock i. M. (v. 1. IV. 07 ab Bern).
Fröhlich, Weingutsbesitzer, Edenkoben (Bayr. Pfalz).
Frölich, Gust., Dr., Leiter der Friedrichswerther Samenzucht-Anstalten,
Domäne Friedrichswerth in Thüringen.
Fruwirth, C, Professor an der Landwirtschaftlichen Akademie,
Direktor d. Kgl. Württ. Saatzuchtanstalt, Hohenheim b. Stuttgart.
Fünf stück, Moritz, Dr., Professor der Botanik an der Kgl. Technischen
Hochschule, Stuttgart, Ameisenbergstr. 7.
Galler, H., Dr., Assistent an der Kgl. Württembergischen Weinbau-
versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg).
Gassner, G., Dr., Professor a. d. Seccion agronomia de la Universidad,
Montevideo (Uruguay).
Ger neck, R., I»r., Veitshöchheim bei Würzburg.
Gilbert, Ad., Dr., Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2.
Gilg, E., Dr., a, o. Professor der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen
Museum, Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 34.
Goethe, Rudolf, Kgl. Landesökonomierat, Darmstadt, Roquetteweg 24.
Görg, Fr., Gutsbesitzer, Deidesheim (Bayr. Pfalz).
Graebner, P., Dr., Kustos am Kgl. Botanischen Garten, Gross-Lichter-
felde W. bei Berlin, Viktoriastrasse 8.
Grevillius, Anders Yngve, Dr., Landwirtsch. Versuchsstation, Kempen
(Rheinprovinz).
Grosser, W., Dr., Direktor der Agrikultur-botanischen Versuchs- und
Samenkontrollstation der Landwirtschaftskammer, Breslau, Mat-
thiasplatz.
LVI Mitgliederliste.
Giissow. H. Th.. Assistant to the Consulting Botanist, H. Agricult.
Society of England, 44 Central Hill, Upper Is'orwood, London S. E.
(England).
Gutzeit, Dr., Professor, Vorsteher d. Abtlg. f. Pflanzenkrankheiten u.
Bodenbakteriologie am Versuchsfelde der Universität KfUiigs-
berg i. Pr. (z. Zt. Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 4).
Hanausek, T. F., Dr., k. k. Gymnasialdirektor, Krems a, d. l»onau.
Hansen, Adolf, Dr., Professor der Botanik und Direktor des Botanischen
Gartens, Giessen, Leberstrasso 21.
Haselhoff, E., Dr., Vorsteher der Landwirtschaftl. Versuchsstation,
Marburg a. d. Lahn.
Haupt, Hugo, Dr., Nahrungsmittelchemiker, Bautzen i./S.
Hecke, Ludwig, Dr., Professor an der Hochschule für Bodenkultur,
Wien III, Hauptstrasse 96.
Heering, W., Dr., Oberlehrer, Altona, Waterloostr 14.
Heinsen, E., Dr., Wissensch. Hilfsarb. a. d. Botanischen Staatsinstituteri
Hamburg 20, Hudtwalckerstr, 18.
Henneberg, W., Dr., Abteilungsvorstand im Institut für Gärungs-
gewerbe, Berlin N. 65, Seestrasse.
Hennings, P., Professor, Kgl. Botanisches Museum, Dahlem-Steglitz
bei Berlin.
Hensler, Karl, Kgl. Landwirtschaftslehrer, Vorstand der Kgl. Land-
wirtschaftsschule, Landau (Pfalz).
Hill mann, Paul, Dr., Vorstand der Saatzuchtstelle der Deutschen Land-
wirtschafts-Gesellschaft, Berlin SW., Dessauerstrasse 14.
Hiltner, L., Dr., Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt, München-
Schwabing, Osterwaidstrasse 9.
Hinneberg, P., I»r., Altona-Ottensen, Flottbeker Chaussee 29.
Holmes, E. M., Curator of the Museum of the Pharmaceutical Society
of Great Britain, 17, Bloomsbury Square, London W.C.
Hessens, C, Dr., BerUn-Schöneberg, Vorbergstrasse 9 I.
Jaap, 0., Lehrer, Hamburg 25, Burggarten 1.
Jäekel, Hugo, Chemiker, z. Zt. Kochel, Oberbayern, Villa Schnoor.
Ja ko walz, A., Dr., Professor a. d. Landw. Akademie, Tetschen-Liebwerd
(Böhmen).
Johnson, T., I)r., Professor, Royal College of Science, St. Stephen's
Green, East, Dublin (Irland).
Jungclaussen, C. A., Medizinaiassossor, Hamburg 5, Beim Stroh-
hause 10.
Kabät, Jos. E., em. Zuckerfabriksdirektor, Tnrnau (Böhmen).
Kaiserfeld, W., Dr., Kanzleidirektor, Graz.
Mitgliederliste. LVII
Kambersky, 0., Vorstand der Agrikulturbotanischeii Landesversuchs-
und Samenkontrollstation, Troppau (Österr.-Schlesien) (f 16. II. 1907).
Kiessling, L., Dr., Adjunkt an der Kgl. Saatzuchtanstalt, Weihen-
stephan bei Freising.
Ivirchner, Oskar, Dr.. Professor der Botanik an der Kgl. Württemberg.
Landwirtschaftlichen Akademie, Vorstand des Botanischen Gartens,
der Samenprüfungsanstalt und der Versuchsstation für Pflanzen-
schutz, Hohenheim bei Stuttgart.
Klammer, Gutsbesitzer, Ebensfeld bei Pettau (Steiermark).
Kleb ahn, H., Dr., Professor, Assistent a. d. Hamburgischen Botanischen
Staatsinstituten, Hamburg 36, Botanischer Garten.
Koch, Alfred, Dw Professor, Direktor des Landwirtschaftl.-bakteriolog.
Instituts, Göttingen, Schildweg 13.
Kolkwitz, Richard, Dr.^ Professor, Privatdozent der Botanik, Mitglied
der Versuchs- und Prüfungsanstalt f. Wasserversorgung und Ab-
wässerbeseitigung, Charlottenburg 4, Schillerstrasse 75.
Kosarof f, P., Dr., Leiter der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Obraszow
Ciflik (Musterwirtschaft) bei Rustschuk (Bulgarien).
Krasser, Fr., Dr., a. o. Professor der Botanik u. Warenkunde a. d.
Deutschen Technischen Hochschule, Prag.
Kraus, C, Dr., Professor der Landwirtschaft an der Technischen
Hochschule, Oberleiter der Kgl. Saatzuchtanstalt in Weihenstephan,
München, Louisenstrasse 45.
Kroemer, K., Dr., Vorstand derPflanzenphysiologischen Versuchsstation der
Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- u. Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Krüer, H., Apothekenbesitzer, Ahrensburg bei Hamburg.
Krüger, F., Dr., Professor, Ständiger Hilfsarbeiter a. der Kaiserl.
Biolog. Anstalt f. Land- und Forstwirtschaft, Dozent an der Kgl.
Landwirtschaft!. Hochschule, Dahlem-Steglitz b. Berlin.
Kühle, L., Mitinhaber der Saatzüchterei Aderstedt, Gunsleben (Kreis
Oschersleben).
Kumm, P., t»r., Professor, Dozent an der Technischen Hochschule, Kustos
am Westpreussischen Provinzialmuseum, Danzig, Langermarkt 24.
Kur mann, Franz, k. k. Weinbauoberinspektor am k. k. Ackerbau-
ministerium. Wien I, Liebiggasse 6.
Lafar, Franz, Dr., Professor der Gärungsphysiologie und Bakteriologie
an der Technischen Hochschule, Wien IV, Karlsplatz 13.
Landauer, Robert, Obstplantagenbesitzer, Würzburg, Gesundbrunnen.
Lang, W., Dr., Assistent a. d. Botan. Institut d. Landwirtschaftl. Akademie,
Hohenheim (Württemberg).
LVIII Mitgliederliste.
Laubert, Richard, Dr., Ständiger Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen
Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Lenz, Dr.. Professor, Direktor d. Xaturhistorischen Museums, Lübeck.
Leuschner, Karl, Dr., Administrator, Rann a. d. Savo (Unter- Steiermark).
Liebenberg, Adolf Ritter von, Dr., k. k. Hofrat, Professor an der
k. k. Hochschule für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstr. 24.
Lindau, Gustav, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Kustos am
Kgl. Botanischen Museum, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Lindemuth, Hugo, Kgl. Garteninspektor, Dozent an der Kgl. Land-
wirtschaftlichen Hochschule, Berlin NW. 7, Dorotheenstrasse,
Universitätsgarten .
Lindinger, L., Dr., Wissensch. Hilfsarbeiter an der Station für
Pflanzenschutz, Hamburg 14, Versmannkai.
Lindner, Paul, Dr., Professor, Vorsteher der Abteilung für Reinkultur
am Institut für Gärungsgewerbe, Berlin N. 65, Ecke der S^o- und
Torfstrasse.
L in hart, G., Dr., Kgl. Rat, Professor an der Kgl. Ungar. Landwirt-
schaftlichen Akademie, Magyar-Ovar (Ungar. Altenburg).
Lüstner, Gustav, Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Versuchs-
station der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau,
Geisenheim a. Rh.
Maassen, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt
für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Mährlen, Weinbau-Inspektor, Weinsberg (Württemberg).
Magnus, Paul, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Berlin W.,
Blumeshof 15.
Malkoff, Konstantin, Direktor d. Landwirtsch. Versuchsstation, Sadovo
b. Philippopel (Bulgarien).
^lartinet, G., Chef de l'Etablissement föderal d"ossais et de controle de
semences, Lausanne (Schweiz).
Mayrhofer, Dr., Professor, Vorstand des städtischen Untersuchungs-
amtes, Mainz.
Mein ecke, E. P., Dr., Argentinien (nähere Adresse unbekannt).
Meissner, Richard, Dr., Professor, Vorstand der Kgl. Württembg.
Weinbau- Versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg).
Meuschol, Gottlob, Kgl. Kommerzienrat, i. F. J. W. Meuschel sen.,
\Veingutsbüsitzer, Buchbrunn bei Würzburg.
Meuschel, Otto, Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg.
Mikosch, Karl, Dr., Professor an der Technischen Hochschule, Brunn.
Möller. J., Dr., Professor, k. k. Pharmakologisches Institut d. Uni-
versität, Graz.
Mitgliederliste. LIX
Möslinger, W., Dr., Inhaber eines öffentlichen Laboratoriums für
Nahrungs- und Genussmittel, Neustadt a. d. Haardt.
Molnar, Leopold, Chefredakteur des „Magyar Borkereskedelem", Direktor
des ,, Landesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Wein-
händler", Budapest VI, Bajza-Utcza 26.
Molz, E., Dr., A.ssistent an der Pflanzenpathologischen Versuchsstation
der Kgl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisen-
heim a. Rh.
Morpurgo, G., Professor a. d. Handelshochschule der Revoltella-Stiftung,
Museum der Handels- u. Gewerbekammer, Triest, Via Artisti 5.
Müller, Carl, Dr., Professor, Dozent für Botanik an der Technischen
Hochschule, Vorstand der pflanzenphysiologischen Abteilung der
Gärtnerlehranslalt in Dahlem. Steglitz bei Berlin, Zimmermann-
strasse 15.
]Müller, H. C, r)r., Vorsteher d. Agrikult.-chcmisch. KontroU- Station d.
Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen, Halle a. S., Karl-
strasse lü.
Müüer-Thurgau, Hermann, Dr., Professor, Direktor der Schweize-
rischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, W^ädens-
weil bei Zürich (Schweiz).
Muth, Franz, Dr., Lehrer der Naturwissenschaften an der Grossherzogl.
W^einbauschule, Oppenheim a. Rh.
Neger, F., Dr., Professor der Botanik a,n der Forstakademie, Tharand.
Nestler, Anton, Dr., Professor für Pflanzen-Anatomie und -Physiologie,
Oberinspektor der Untersuchungsanstalt für Lebensmittel an der
k. k. Deutschen Universität, Prag, Wenzelsplatz 53.
Nilsson, N. Hjalmar, Dr., Professor, Svalöf (Schweden).
NoU, Fritz, Dr., Professor der Botanik, Vorstand des Botanischen In-
stituts der Landwirtschaftlichen Akademie, Poppeisdorf bei Bonn,
Endenicher Allee 32.
Ostenfeld, C. H., Dr., Inspektor am Botanischen Museum, Kopen-
hagen, Botanisk Have.
Osterspey, Dr., Direktor der Landwirtschaftsschule, Frankenthal (Pfalz).
Pammel, L. H., Dr., Department of Botany, Jowa State College of
Agriculture and Mechanic Arts, Ames (Jowa).
Peter, von, Dr., Direktor der Obstbau- und landwirtschaftlichen ^^'inter-
schule, Friedberg (Hessen).
Peters, W., Dr., Presshefe fabrikant, Hamburg 15, Grünerdeich 60.
Petkoff, St., Dr., Professor der Botanik an der Universität, Sofia
(Bulgarien).
Petzet, Th., Oberapotheker, Allgem. Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf,
LX Mitgliederliste.
Po r tele, Karl, Dr., Professor, Hofrat, landwirtschaftlich-technischer Kwu-
sulent im k. k. Ackerbau-Ministerium, Wien.
Potonie, H., Dr., Professor, Landesgeologe, Gross-Lichterfelde-W. bei
Berlin, Potsdamerstrasse 35.
Potter, M. C, Dr., Professor an der Universität, Xewcastle-on-Tyne.
Puchner, Dr., Professor, Weihenstephan bei Preising.
Qvam, Olaf, Direktor d. Statens Kemiske Kontroistation og Fr(/kontrol-
anstalt, Kristiania (Norwegen), Pilestradet 27.
Raatz, W., Dr., Leiter der Abteilung für Rübensamenzucht der Zucker-
fabrik, Kl. Wanzleben b Magdeburg.
Ravn, Kölpin, Dr., Konsulent f. Pflanzenkrankheiten d. dänischen land-
wirtschaftl. Vereine, Kopenhagen V, Grundstrip Sidevej 1.
Reinhardt, 0., Dr., Professor, Privatdozent der Botanik. Berlin X.,
Elsässerstrasse 31.
Reinitzer, Priedr., Professor a. d. Technischen Hochschule, Graz.
Retzlaff, Max, Kaufmann, Hamburg 36, Tesdorpfstr. 9.
Rohling, Alfred, Dr., Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Kgl.
Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung,
Berlin SW. 12, Kochstr. 73.
Ruhland, W., Dr., Privatdozent der Botanik, Ständiger Hilfsarbeiter an
der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- imd Forstwirtschaft,
E>ahlem-Steglitz bei Berlin.
Schander, R., Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Abteilung der
Landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Bromberg, Hohenzollern-
strasse.
Schellenberg, H. C, Dr., Dozent der Landwirtschaft am Polytechnikum^
Zürich, Hofstrasse 40.
Schencrk, H., Dr , Professor der Botanik an der Technischen Hoch-
schule und Direktor des Botanischen Gartens, Darmstadt, Xikolai-
weg 6.
Schindler, Franz, Professor a. d. k. k. Deutschen Technischen Hoch-
schule, Brunn (Mähren).
Schindler, Josef, Leiter der Versuchsstation der LandwirtschaftL
Landeslehranstalt, S. Michele a. E. (Tirol).
Schober, A., Dr., Professor, Schulinspektor, Hamburg 23, Papen-
strasse 50.
Schoffer, Heinrich, Kgl. Landes-Ökonomierat, Vorstand der Kgl. Wein-
bauschule, Weinsberg (Württemberg).
Schumann, P., Dr., Vorstand d. Botan. Abtlg. d. Agrikult.-chemisch.
Kontrollstation d. Landwirtschaftskammer f. d. Pro\. Sachsen,
Halle a. S., Karlstr. 10.
Mitgliederliste. LXI
Seifert, W., Professor, Adjunkt an der Versuchsstation. Klosterneuburg
bei Wien.
Seufferheld. Karl, Weinbau-Inspektor, Lehrer für Weinbau an der
Kgl. Lehranstalt für "Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheini a. Rh,
Siebert, A., Direktor des Palmengartens, Prankfurt a. M.
Simon, S., Dr„ Assistent an der Samenkontrollstation, Dresden- A.,
Pirnaischestr. 32.
Solereder, H., Dr., Professor d. Botanik und Direktor d. Botanischen
Gartens, Erlangen.
Sonder, Chr., Dr., Apothekenbesitzer, Oldesloe (Holstein).
Stahl, Ernst, Dr., Professor der Botanik und IMrektor des Botanischen
Gartens, Jena.
Stehler, G,, Dr., Direktor d. Samenuntersuchungs- u. Versuchsanstalt,
Zürich (Schweiz), Eidgen. Chemiegebäude.
Steinle, Domänenrat, Schwaigern (Württemberg).
Stornier, Kurt, Dr., Agrikult.-chem. Kontrollstation d. Landwirtschafts-
kammer, Halle a. S., Karlstrasso 10.
Szyszj'lowicz , Ign. Ritter von, Dr., Direktor d. Agrikulturbotanischen
Versuchsstation, Priv. -Dozent a. d. k. k. Universität, Lemberg
(Galizien).
Thiele, R., Dr., Dezernent in der Agrikultur-Abteilung des Kalisyndikats,
Leopoldshall-Stassfurt.
Thoms, H., Dr , Professor der pharmazeutischen Chemie au der Kgi.
Universität, Steglitz bei Berlin, Hohenzollernstrasse 3.
Thost, Robert, Dr., Verlagsbuchhändler, Grosslichterfelde, Wilhelm-
strasse 27.
Tischler. A., Dr., General-Stabsarzt a. D., Marburg (Steiermark).
Tubeuf, C. Freiherr von, Dr.. Professor der Botanik und Vorstand des
Forstbotanischen Instituts, München. Amalienstrasse 67.
Uhlworm, Oskar, Dr., Professor. OberbibUothekar, Herausgeber des
„Centralblattes für Bakteriologie und Parasitenkunde", Berlin W.,
Nachodstr. 17.
Urban, Direktor der Kgl. Bayer. Weinbauschule, Veitshöchheim bei
Würzburg,
Vanha, Johann J., Professor, Direktor der Landwirtschaftlichen Landes-
Versuchsstation für Pflanzenkultur, Brunn (Mähren).
Vitek, E., Vorstand der Samenkontrollabteilung d. Chemisch-pliysiolo-
logischen Versuchsstation a. d. k. k. Böhm. Technischen Hoch-
schule, Prag, Karlsplatz 3.
Voigt, Alfred, Dr., Professor, Vorstand der Abteilung für Samen-
kontrolle, Hamburg 5, Botanisches Museum.
LXII Mitgliederliste.
Wahl, C. von, Dr., Assistent an der ürosshorzogl. Landwirtschaftlichen
Versuchsanstalt, Augustenberg bei Grötzingen (Baden).
War bürg, Otto, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik an der l Uni-
versität und Lehrer am Orientalischen Seminar, Berlin W., L'hland-
strasse 175.
Warth, Karl, Stadtpfleger, Vorstand des Württembergischen Weinbau-
Vereins, Stuttgart.
Weber, C, Dr., Professor, Moorversuchsstation, Bremen, Friedrich
Wilhelmstrasse 24.
Wehmer, C, Dr., Professor an der Technischen Hochschule, Hannover,
Callinstrasse 12.
Weigmann, Dr., Professor, A'orstand des Instituts für Milchwirt-
schaft, Kiel.
Weigert, Leop., Dr., k. k. Regierungsrat, Direktor d. k. k. höh. Lehr-
anstalt f. Wein- u. Obstbau, Klosterneuburg bei Wien.
Wein, Dr., Professor, Weihenstephan bei Freising.
Weinzierl, Th. Kitter von, Dr., Hofrat, Direktor der k. k. Samen-
kontrollstation (k. k. Landwirtschaftlich-botanische Versuchsstation),
Wien, Prater 174.
W ibmer, Weingutsbesitzer, Pettau (Steiermark).
Widen, J., Vorsteher der Agrikultur-chemischen und Samenkontroll-
Station, 0rebro (Schweden).
Wieler, Arwed, Dr., Professor, Dozent für Botanik und Vorstand des
Botanischen Instituts der Technischen Hochschule, Aachen, Nizza-
allee 71.
Wilhelm, Karl, Dr., Professor der Botanik an der k. k. Hochschule
für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstrasse 17.
Will. H., Dr., Professor, Vorstand der physiolog. Abteilung der Wissen-
schaftl. Station für Brauerei, München, Reichenbachstrasse 32.
Wittmack, Ludwig, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der Kgl.
Landwirtschaftlichen Hochschule und an der Universität, Berlin N. 4,
Invalidenstrasse 42.
Wo hl t mann, Ferdinand, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der
Universität, Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts, Halle a. S.,
Gr. Steinstrasse 19.
Wolf, Leopold, Leiter der Wiener Redaktion des „Ungarischen Wein-
handel", Fachreferent des „Landesverbandes der ungarischen
Weinproduzenten und Weinhändler", Wien XI, Hauptstrasse 54.
Wortmann, Julius, Dr., Professor, Direktor der Kgl. Lehranstalt für
Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Mitgliederliste. ' " LXITI
Zacharias, Eduard, Dr., Professor, Direktor der Hambiirgischen Bota-
nischen Staatsinstitute, Hamburg 17, Sophienterrasse 15a.
Zang, Wilhelm, Dr., Assistent am Botanischen Institut, Hohenheim bei
Stuttgart.
Zederbauer, E., Dr., Assistent a. d. k. k. Forstlichen Versuchsanstalt,
Mariabrunn bei Wien.
Zopf, Wilhelm, Dr.. Professor der Botanik an der Universität und '
Direktor des Botanischen Gartens. Münster i. Westf., Wilhelm-
strasse 2 a.
Zschokke, Achilles, Dr., Direktor der Kgl. Bayer. Wein- und Obstbau-
schule, Neustadt a. d. Haardt.
Zweifler, Franz, Direktor der Landes- Wein- und Obstbauschule, Mar-
burg a. d. Drau (Steiermark).
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik.
Von
Professor Dr. 0. Drade, Dresden.
Es ist mir die Ehre zuteil geworden, zusammen mit Professor
War bürg die Aufgaben, welche den verschiedenartigen Vertretern der
angewandten Botanik gestellt sind, die Ziele, welche uns insgesamt als
Leitsterne unserer Arbeit vorschweben, kurz zusammenfassend zu be-
handeln.
Schon die Auswahl dieser beiden Reden und von uns beiden
Rednern drückt den Wunsch aus, wenigstens in diesen allgemeinen
Behandlungen an den Boden zu erinnern, in dem die diesjährige Ver-
sammlung wurzelt: an Hamburg und an die hier, an der blühendsten
Stätte deutschen Handels, zunächst und vor allem in Betracht kommenden
Beziehungen der angewandten Botanik zu den Bedürfnissen des deutschen
Volkes.
Je nach dem Orte und den hauptsächlich dorthin eilenden Ver-
tretern erscheinen die Beziehungen zwischen den praktischen Bedürfnissen
und der botanischen Wissenschaft in anderem Lichte. Bei den Sitzungen
im August 1903 zu Mainz war ein Anschluss gesucht und gegeben an
den Deutschen Weinbaukongress, und zahlreiche Vorträge verliehen
diesem Anschluss wissenschaftlichen Ausdruck.
Hier in Hamburg steht die diesjährige Versammlung unter dem
Zeichen der internationalen Konferenz für Samenprüfung; Fruchtspeicher
und Saatreinigungsanstalten sollen uns vorgeführt werden an Stelle von
Bottichen mit gärenden Traubensäften; dazu werden die reichen Samm-
lungen des Hamburger botanischen Museums nicht verfehlen, auf alle,
welche das Arbeitsgebiet der angewandten Botanik im Bereiche der
kolonialen Einfuhrprodukte durchmustern wollen, einen tiefen Eindruck
zu hinterlassen; es ist vorbildlich in seiner Auswahl der Stoffe und in
seinen nicht systematisch aufgestellten Produktensammlungen, die besser,
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. IV. 1
2 0. Drude.
als es eine Reihe von Vorträgen vermöchte, die Ziele der ganzen tech-
nologisch-warenkundlichen Seite der angewandten Botanik enthüllen.
Noch kam unsere junge Vereinigung bisher an keinem Orte zusammen,
wo sie nach dieser Seite hin eine so vortreffliche Anregung hätte
empfangen können. Zwischen den enormen Ansammlungen im Berliner
Museum und den fragmentarischen Produktensammlungen anderer Städte
und botanischer Institute die goldene Mitte haltend, hat sich das Ham-
burger Museum einen vortreffüchen Ruf erworben, der nach dem Umzüge
in sein neues Heim mit steigender Entfaltung seiner Kräfte unzweifelhaft
sich glänzend befestigen und, zusammen mit dem schönen botanischen
Garten, Hamburgs wissenschaftlichen Staatsanstalten zur grössten Zierde
gereichen wird.
Sehr verschiedene Kreise unserer an wissenschaftlichen Veranstal-
tungen reichen Zeit werden gerade von dieser Seite der angewandten
Botanik lebhaft angezogen und durch sie der praktischen Seite unserer
Wissenschaft auch theoretisch näher geführt. Ich darf heute an den
ungeteilten Beifall erinnern, den am 5. und 6. Oktober 1899 die Mit-
glieder des internationalen Geographenkongresses, von Berlin aus der
Einladung Hamburgs folgend, bei ihren Besichtigungen diesem damals
unter f Sadebecks Leitung stehenden Museum darbrachten: in be-
sonderer Dankbarkeit muss ich daran denken, wie '/2 ^^^r später, Ende
April 1900, gerade dies Hamburger Museum mit Erlaubnis des hohen
Senates einen bedeutungsvollen Anteil nahm an einer in Dresden, an-
schliessend an eine dortige grosse Gartenbauausstellung, veranstalteten
und für Sachsen ersten Kolonialausstellung, für welche Sadebeck
eifrigst Sorge trug. Durch die Mitwirkung der grossen botanischen
Museen zu Berlin und Hamburg wurde damals in zündender Weise, und
hauptsächlich durch die formvollendete Gruppierung in dem grossen
Hamburger Saale, die hohe Bedeutung und der Reiz, nach Wissenschaft
und Praxis hin, gerade dieser sonst im Binnenlande noch wenig gewürdigten
Seite der angewandten Botanik vorgeführt, und noch heute ist jene Aust
Stellung bei uns in dankbarer Erinnerung geblieben.
So war es mit Freude zu begrüssen, dass die diesjährige Sitzung-
sich Hamburg und die tatkräftige Führung von Professor Zacharias
auswählte, um neben den älteren bei dieser Vereinigung gepflegten land-
wirtschaftlichen Beziehungen auch die der Weltwirtschaft mit ihren
riesigen Bedürfnissen an Pflanzenrohstoffen in das rechte Licht zu stellen
und die Vielseitigkeil unseres Arbeitsfeldes von neuem darzutun.
„Die Vereinigung der Vertreter der Angewandten Botanik
verfolgt die Aufgabe der Förderung und Vertiefung der
wissenschaftlichen Erkenntnis im r»ienste von Land- und
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 3
Forstwirtschaft, von Handel und Gewerbe durch botanische
Forschung", so bezeichnete in jener Sitzung 1903 zu Mainz der Vor-
sitzende die Zwecke der Vereinigung in knappen Worten.
Die heutige Vielseitigkeit der „Angewandten Botanik" und
die Leistungen, welche zur Erreichung dieses Standpunktes
die botanische Wissenschaft unternahm, kann man erst
richtig würdigen unter der Erwägung, dass die praktischen
Disziplinen, denen sie dient oder die sie zu fiirdern bestrebt
ist, alle uralt sind, sie selbst aber gerade in ihrer Ver-
wendung jung. Entgegengesetzt zwar erscheint der Standpunkt des
zweiten Redners vom heutigen Tage, Professor Warburg, wenn er
erklärt: „Die angewandte Botanik reicht bis in die Uranfänge mensch-
licher Kultur zurück, sie ist zweifelsohne die älteste aller botanischen
Disziphnen." ')
Warburg führt weiter aus, dass wir dreien der noch heute
wichtigsten Zweige der angewandten Botanik gleichzeitig in den Über-
lieferungen der ältesten Völker der grossen vorderasiatisch- ägyptischen
Kulturzone in schon ziemlich hoher Ausbildung begegnen, nämlich der
Ackerbau-, der Gartenbau- und der Heilmittellehre; aber auch die tech-
nologische Botanik reiche in ihren Anfängen bis in jene Periode zurück,
wie das Bierbrauen, die Weinbereitung, das Brotbacken, die Papier-
bereitung, das Färben, Spinnen, Weben, sowie die Kunst der Einbalsa-
mierung z. B. der Ägypter beweise. Aber indem Warburg selbst
hinzufügt, dass nicht wissenschaftliche Grundlagen für diese Disziplinen,
sondern eine durch Tradition erhaltene und allmählich sich erweiternde
Empirie ihre hohe Ausbildung in schon alter Zeit bewirkt hat, stellt
auch er selbstverständlich sich auf gleiche Grundlage mit meiner An-
schauung.
Nur wenige Wissenschaften reichen, wie die Astronomie, in die
ältesten Zeiten menschlicher Kultur nachweislich zurück und besitzen
direkten Anschluss an die heutige, weit vorgeschrittene Gegenwart. Im
übrigen war nur der Kunstsinn des Menschen schon sehr frühzeitig
rege, und ebenso seine rastlose Erfindungskraft für die Begründung und
den weiteren Ausbau technischer Betriebe.
Viele Disziplinen, die heute umfangreiche Lehrgegenstände der
Technischen Hochschulen bilden, reichen mit ihren Anfängen bis in die
erwähnten alten Zeiten zurück, aber keine unserer heutigen Wissen-
schaften der drei Reiche der Natur. Und daher halte ich es für ange-
messen, in der menschlichen Kulturgeschichte zwischen technischen
1) Bar. D. B. Ges. 1901, XIX, (1.53).
4 O. Drude.
Betrieben und abstrakten Wissenschaften zu unterscheiden. Die „Ange-
wandte Botanik" aber gehört zu den abstrakten Wissenschaften.
Ich greife zur Beleuchtung ein einzelnes Beispiel heraus, die Ge-
schichte des Papieres. Die alten Ägypter waren zweifellos gut mit den
Eigenschaften der Papyrus-Staude vertraut, die sie zu ihren Rollen ver-
wendeten. Von China her kam, nach dem Ersatz der Papiere aus
Seidenzeug durch die Broussonetia- Faser, in den ersten Jahrhunderten
p. Chr. ganz allmählich die Technik der geschöpften Papiere nach
Westen. Hier, in den Steppen Turkestans, mussten Leinen und Hanf
den Ersatz für Broussonetia liefern, und so wurde nach der Eroberung
von Samarkand durch die Türken i. J. 704 diese Technik im arabischen
Orient weiter verbreitet. Um 1000 p. Chr. sehen wir in Ägypten Papiere
von Leinen und Hanf die Papyros-RoUen ersetzen, im Alter der Kreuzzüge
dieselben in Europa an die Stelle treten. Nun kommt das eifrige Nach-
spüren von Surrogaten für die wertvollen Bastfasern, heute erst verbündet
sich die Papierfabrikation zur Bereicherung ihrer Rohstoffe und zur
Sicherung ihrer Unterscheidungen der Mitwirkung der Botanik.
Das Wesen der „Angewandten Botanik" besteht in der Ein-
wirkung richtig verstandener wissenschaftlicher Methoden auf jene ur-
alten Gewerbe und Betriebe, welche die menschliche Kultur begründeten
und weiter führten. Das Ackerfeld ist anfänglich kein botanischer
Versuchsgarten gewesen, und der Bauer will und soll auch heute noch
kein Botaniker sein, so wenig wie der Papierfabrikant; aber die Keim-
kraft des Saatgutes nach richtigen Methoden zu prüfen, den Ersatz des
Stallmistes durch KnöUchenbakterien zu erproben, in dem fertigen Papiere
die verwendeten Materialien sicher nachzuweisen und Leinfasern von Stroh,
Jute und Fichtenholz zu unterscheiden: das ist die botanische Mitwirkung
und Hülfsleistung an die Praxis, das sind die Errungenschaften wissen-
schaftlichen Denkens und Forschens, welche sich nun nachträglich
mit eigenem Siegeslauf als unentbehrlich empfunden an tausenderlei
Dinge des täglichen Lebens anheften, welche die Praxis belehren und
sie auf neue Bahnen weisen, oder auch über sie eine Kontrolle ausüben
und bei Fälschungsklagen dem Richter mit der Wucht des Beweises zur
Seite stehen.
Ausführungen.
Wenn ich nun hier an dieser Stelle etwas sagen soll über die
Einzelgebiete der ,, Angewandten Botanik", über die erstaunliche Mannig-
faltigkeit der Beziehungen, welche die Resultate rein wissenschaft-
licher Forschung mit den Bedürfnissen der Praxis in Verbindung gesetzt
haben und sie in immer engerer Verbindung erhalten, so erscheint mir
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 5
einem Kreise von Sacliverständigen gegenüber, wie er hiier versammelt
ist, dies sehr schwierig in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit. Ich kann an die mir gestellte Aufgabe nur herangehen
in der Hoffnung, dass manchen Vertretern der angewandten Botanik
nur einseitige Beziehungen sehr vertraut sind, dass es Ihnen Interesse
gewährt, an andere Beziehungen erinnert zu werden, die nicht minder
wertvoll sind, dass endlich Sie alle einer Gesamtübersicht über unser
grosses Arbeitsgebiet deswegen einmal gern folgen werden, um sich an
seiner Grösse zu erfreuen. Denn es ist noch von besonderem Wert:
bei unserer Arbeit handelt es sich nicht um erkünstelte Fragen, sondern
um Aufgaben, welche gewissermassen aus der Praxis des täglichen
Lebens herausgeboren sind und den Ruf nach Unterstützung durch die
Kenntnisse von Botanikern haben ergehen lassen.
Die Zusammenfassung der Angewaiidteu Botanik erscheint mir
nach fünf Hauptrichtungen am zweckmässigsten zu geschehen :
1. Förderung der Pflanzenproduktion (von der Auswahl des Saat-
gutes an bis zur Physiologie der Ernährung, Befruchtung) in
Feld und Garten, Wiese, Wald. Dazu gesellt sich der Plan-
tagenbau in unseren Kolonien.
2. Kultur nützlicher Mikroorganismen zu technischen Zwecken
(Bier, Wein, Kefir, Sauerteig usw.).
3. Bekämpfung der bei 1 und 2 hinderlichen Feinde (Unkräuter,
Pilz- und Insektenkrankheiten, Rauchschäden, Umschlagen des
Bieres. — Anschluss an Abteilung 4: Hausschwamm und andere
holzzerstörende Pilze).
4. Kenntnis der leblosen vegetabilischen Rohstoffe als Handelsware zu
technischen, medizinischen und Genusszwecken (Kaffee, Brau-
gerste, vegetabilisches Elfenbein, Früchte. — Technische Wert-
schätzung der Hölzer des Erdkreises. — Rinden, Fasern. —
Indigo, Öle, Harze. — Alkaloide und Glykoside pharmakognos-
tischer Drogen).
5. Pflanzengeographische Grundlagen der Weltwirtschaft: khmatische
Gebundenheit der Kultur sowohl als auch der natürlichen
Rohstofferzeugung (Verteilung der Cerealien, Textilien, Kaut-
schuke, Färb- und Gerbstoffe, Kenntnis der natürlichen Hilfs-
quellen der verschiedenen Länder als Grundlage des gegen-
seitigen Austausches von Rohstoffen und verarbeiteten Waren).
Auf diesen sehr verschiedenen Gebieten arbeitet die angewandte Botanik
teils beschreibend und nach Diagnosen bestimmend, teils physiologisch-
experimentell, teils anatomisch-mikrospisch, und sie stellt sich vielfach in
e O. Dru.le.
Ergänzung mit der organischen Chemie, die häufig ihre treueste Ver-
bündete ist, indem sie die im Welthandel gelieferten Rohstoffe auf ihre
wirksamen Bestandteile ausbeutet, anderseits aber auch der Verwendung
natürlicher Rohstoffe entgegen zu wirken sucht mit den Hilfsmitteln ihrer
eigenen, chemischen Synthese. Auch in der Hygiene kommen chemische
und botanisch - mikroskopische Methoden nebeneinander auf dasselbe
Arbeitsfeld.
Diese fünf unterschiedenen Hauptgebiete haben naturgemäss recht
verschiedenartige Bearbeitung durch die heutigen Vertreter der ange-
wandten Botanik erfahren, und in der Regel arbeitet ein jeder, der
einen praktisch - wissenschaftlichen Beruf erfüllt, nur nach einer Rich-
tung hin.
Voran stehen die kulturellen Interessen, und da ist zunächst
auch insbesondere der Beziehungen zum Gartonbau zu gedenken.
Hier in Hamburg, einer den Gartenbau so trefflich pflegenden Stadt,
drängt sich die Rücksichtnahme auf diese Beziehungen besonders auf,
gerade so wie sie auch z. B. die praktischen Leistungen des jetzigen
botanischen Gartens in Dresden sich dienstbar gemacht haben. Was
Hamburg anbetrifft, so hatten wir die Freude, aus den Worten des
Herrn Senators Dr. v. Melle den Wert zu erkennen, den man hier der
Verbindung von Botanik und Gartenbau zollt, einer Verbindung, welche
überhaupt als die alierinnigste zu bezeichnen ist.
Wenn man den Gartenbau mit seinen in die Urzeiten alter Kultur-
geschichte zurückreichenden Anfängen als eine selbständige Betriebs-
tätigkeit ansieht, so kann man sagen: unter den heutigen Verhältnissen
ist der Gartenbau so sehr von botanischer Wissenschaft durchdrungen
und wirkt so sehr auf sie befruchtend zurück, dass eine Trennung
beider unmöglich erscheint. Es dienen ja auch die botanischen Gärten
beiden Interessen, indem sie bald wissenschaftliche Untersuchungen
unter Zuhilfenahme gärtnerischer Praxis ausführen, bald aber die Praxis
selbst mit den Hilfsmitteln theoretischer Wissenschaft zu fördern, be-
sonders aber zu einem Verständnis empirisch gesammelter Erfahrungen
zu führen suchen.
Mit der Betonung der Innigkeit dieser beiderseitigen Beziehungen
wollen wir hier heute diesen Gegenstand kurz abmachen, da unsere
„Vereinigung" an sich anderen Zweigen dient; nur ein Hinweis über
die Dienste, welche gärtnerische Praktiker der Botanik ihrerseits leisten,
mag hier noch eingeschaltet werden.
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 7
Die Gesetzmässigkeiten in der Kreuzung und Zuchtwahl der Rassen
mit allen schwierigen Fragen der Vererbung sind von Gärtnern in
vollem Umfange selbständig in ihren Betrieb gestellt. Die Frage, ob
bei Kreuzung von Rassen auch neue, eigenartige Merkmale des Bastardes
entstehen können, ist nun eine für die theoretische Botanik ungemein
wichtige.
Dass wir sie heute zumeist ablehnen und den Bastarden nur eine
verschiedene Auswahl elterlicher Merkmale zuschreiben, ist in erster Linie
den umfangreichsten gärtnerischen Züchtungserfahrungen zuzuschreiben.
Luther Burbank in Kalifornien widmet sein Leben nur diesen Studien
als gärtnerischer Praktiker; in seinem Garten hat er eine Kultur von
300 000 verschiedenen Pflaumenzüchtungen; als er aber eine Rasse ohne
Steinschalen um den Kern vorführte, musste er als Erklärung angeben,
dass sie aus Hybridisation mit einer schon als „prune sans noyau", als
steinlos in Frankreich gekauften und dort zwei Jahrhunderte schon
bekannt gewesenen Mutation entstanden, nicht aber bei seinen Kreu-
zungen als neues Merkmal herausgebildet sei. In derselben Weise hat
Lemoine in Nancy seine gefüllten Fliedersorten aus der Kreuzung mit
einer aus alter französischer Kultur herrührenden Syringa azurea ge-
züchtet, weiche schon doppelte Blüten hatte: auch hier war dieses
besondere Merkmal nicht etwa bei der Kreuzung neu entstanden.
Es ist schon wiederholt darauf hingewiesen und hat bei der
Gründung unserer „Vereinigung" vielleicht die bedeutsamste Rolle gespielt,
dass die landwirtschaftlichen Interessen in der Angewandten Botanik
schon frühzeitig in besonderer Entwickelung von Instituten, welche wissen-
schaftliche Grundlagen mit praktischen Zielen vereinigten, hervorgetreten
sind. Man erinnere sich daran, dass die Arbeiten von Lieb ig und
Boussingault zu Zeiten der methodischen Umformung botanischer
Wissenschaft durch Schleidens Lehrbuch solche Ziele verfolgten, die
seitdem schärfer erkannt und bedeutend vertieft w^orden sind. An die
mit physiologisch- mikroskopischen Methoden arbeitende Botanik neuerer
Richtung suchte die Landwirtschaft Anschluss und zog botanische
Assistenten heran, bildete zuerst ein besonderes, praktisch dienendes
Personal in den landwirtschaftlichen Versuchsstationen heran
und führte die Samenkontrolle als eine angewandte Disziplin ein,
deren hohe Bedeutung heute durch die gleichzeitig mit uns tagende
erste internationale Samenprüfungskonferenz in zu klarer Welse her-
vortritt, als dass sie hier auch nur noch ein einziges Wort nötig
machte.
In unserer Vereinigung sind, nach den bisherigen Versammlungen
und Jahresberichten zu urteilen, die Beziehungen zur angewandten Anatomie
g O. Drude.
in der Warenkunde und zur Förderung der Rohstofflehre überhaupt
weniger hervorgetreten, obwohl gerade dieser Zweig sehr aussichtsvoll
ist und, abgesehen von der schon lange nach ähnlichen Methoden
arbeitenden Pharmakognosie, einen besonders wertvollen Lehrgegenstand
für die Technischen Hochschulen, die eigentUche „technische" oder
„technologische Botanik" bildet.
Sie wurzelt in der bereits 1793 von Beckmann und Böhmer
wissenschaftUch begründeten und begrenzten technologischen Rohstoff-
lehre oder „Warenkunde", welche zuerst mit äusserlichen Beschreibungen
und der Aufzählung der besonderen Eigenschaften von den diese Rohstoffe
liefernden Nutzpflanzen und mit der geographischen Verbreitung derselben
begann. Heute erkennen wir in der festen Verbindung dieser älteren
„Warenkunde" mit der bestimmenden Anatomie und der Zellphysiologie
das wissenschaftliche Gefüge und den dauernd befestigten Untergrund,
auf dem allein die Beziehungen zwischen den Bedürfnissen der Tech-
nologie und der wissenschaftlichen Botanik zur selbständigen Blüte
gelangen können, und dies liefert zugleich den Massstab für unsere
Beurteilung in der Geschichte der Rohstofflehre und ihrer eigenen Hand-
bücher. Wenn wir die an der Jahrhundertwende erschienene neue
Rohstofflehre von J, Wiesner in ihrer chemisch - physiologisch und
anatomisch-systematisch durchgeführten Vertiefung mit den vor mehr
als 100 Jahren geschriebenen , damals hochgelehrten und dem ent-
stehenden Bedürfnis der Praxis vollkommen gerecht werdenden Büchern
von Beckmann und Böhmer vergleichen, so überblicken wir sofort
den ganzen Entwickelungsgang und wissenschaftlichen Fortschritt der
technischen Botanik und sehen, dass wie auf anderen Gebieten so auch
hier aus einer einfachen Empirie sich ein kompliziertes Lehrsystem
entwickelte. Dies war ursprünglich zum grossen Teil den Pharmazeuten
überlassen, weil auf deren anatomisch-mikroskopische Ausbildung für
die Praxis ein genügendes Gewicht gelegt war; noch jezt, wo die ent-
sprechenden Arbeitsgebiete zum Lehrgegenstand der speziellen Botanik
an den Technischen Hochschulen geworden sind, behandeln die ein-
schlägigen Lehr- und Handbücher vieles ganz gemeinsam.
Folgende Hauptpunkte umfassen die wissenschaftlich begründete
Lehre von den technisch verwendeten Rohstoffen des Pflanzenreichs:
1. Feststellung der Merkmale und Herkunft:
sowohl nach anatomischer Organographic, als nach systemati-
scher Klassifikation.
2. Ermittelung der die Verwendung beeinflussenden Eigenschaften
vom botanisch-physiologischen Standpunkte.
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 9'
3. Feststellung der Heimat nach natürlichen und Kuiturzonen :
geographische Rassen und ihre Bedeutung für den Wert der
Rohstoffsorten.
4. Kritik der Gewinnungs weisen.
Zu solcher eigenen Entwickelüng dieser Disziplin drängt die Gegen-
wart: immer mehr stellt sich eine nützliche Arbeitsteilung zwischen Mittel-
europa und den reichen Tropenländern heraus, so dass die Entfaltung
der technologischen Industrie zur Verarbeitung von Rohstoffen bei
uns stattfindet, während die Tropen zur Entfaltung des Plantagenbaues
und zur rationellen Ausbeutung natürlicher Vegetationsbestände für den
Gewinn solcher Rohstoffe vorschreiten. In der Vielseitigkeit wissen-
schaftlicher und praktischer Rücksichten hat sich dabei die technische
Rohstotflehre zu einer besonderen Disziplin entwickelt; zur beschreibenden
Warenkunde ist die technologische Mikroskopie hinzugekommen.
Die botanischen Museen eröffnen den Nutzpflanzenprodukten ihre Säle
und fördern dadurch gemeinnütziges Wissen ; Monographien werden in
ihnen bearbeitet, wie z. B. der grosse Band über die „Nutzpflanzen
Ostafrikas" im Berliner Museum durch Engler und seine Mitarbeiter.
Eine sehr hohe Bedeutung ist in den Kreisen unserer „angewandten"
Botaniker von jeher der Beschäftigung mit den Mikroorganismen
eingeräumt worden. Die wissenschaftUchen Begründer dieser Richtung
haben wir Älteren noch persönlich als glänzende Sterne gekannt, ich
nenne nur A. de Bary, Perd. Cohn, in dessen kleinem physiologischen
Laboratorium in Breslau der Ursprung auch von so vielen medizinisch-
hygienischen Arbeiten über Bakterien zu suchen war, dazu Paste ur
als Mann der wissenschaftlichen Praxis, der die chemischen Anschau-
ungen über den Gärungsprozess seit 1860 so wesentUch umgestaltete
und von der Gay-Lussacschen Gleichung auf organische Wachstums-
und Umsetzungstätigkeiten mikroskopisch zu beobachtender Pilze zur
Erklärung kam. Aus der Schule de Barys führte Reess die Arbeiten
über die Hefepilze mehr von der theoretischen, sodann aber der dänische
Forscher Hansen mehr von der praktischen Seite weiter, und seitdem
gehört das Mikroskop zum technischen Betriebe der Grossbrauereien.
Unserem unermüdlichen früheren Vorsitzenden Wortmann sind dann
die glänzenden Erfolge zu danken, welche in entsprechender Weise
durch Untersuchung der Mosthefen die Anschauungen über die Wein-
gärungen auf viel strengere Grundlagen stellten, auch hier die Rein-
kulturen in ihrer Bedeutung hervorhoben und auf theoretischem Gebiete^
z. B. durch Aufstellung von einer biologischen Theorie der Gärung,
ebenso weitere Fortschritte anbahnten. Die Geisenheimer Berichte
über Obst-, Wein- und Gartenbau bieten geradezu überraschende Bei-
IQ O. Drude.
spiele für den Portschritt, den die Botanilc einer alten menschlichen
Betriebstätigkeit jetzt gebracht hat.
Wie hier die Bierbrauer und Weinbauer sozusagen in den Bann-
kreis der botanischen Wissenschaft hineingezogen wurden, so hat sich
aus der Phytopathologie, und dort wiederum besondersaus den ent-
wickelungsgeschichtlichon Studien an Krankheit erregenden Pilzen und
Bakterien, eine eigene grosse angewandte Wissenschaft gebildet, welcher
Forst- und Landwirtschaft, sowie der Gartenbau zum grössten Danke
verpflichtet sind.
Wenn wir uns daran erinnern, wie erst l'/a Jahrzehnte vergangen
sind, seitdem Jacob Eriksson mit seinem Aufrufe zur energischen An-
spannung wissenschaftlicher Hilfsinstitute in den Dienst der Bekämpfung
grosser, enorme Geldsummen verschlingender Krankheitsepidemien auf
dem internationalen land- und forstwirtschaftlichen Kongress in Wien
1890 hervortrat, so kann es uns mit Freude erfüllen, zu sehen, wie viel
von jenen Forderungen im Deutschen Reiche zur Tat geworden ist. Ein
grosses Institut in Berlin mit einem Stabe ausgezeichneter Forscher
nimmt diese Angelegenheit von Reichswegen in die Hand, die Grenzen
sind, wie in unseren Hafenstädten die Tore zur See, bewacht von Posten,
die statt der Gewehre Mikroskope führen, Männer wie R. Hartig, Frank,
Kirchner, Sorauer und in jüngster Zeit zumal v. Tubeuf haben sich
hervorgetan durch Handbücher und Herausgabe glänzender Mono-
graphien.
Noch möchten einige Beispiele für den heutigen Umfang und
die Vielseitigkeit der Angewandten Botanik angeführt werden, um
von den Gebieten grossen Umfangs auf die mühselige Einzelarbeit
zurückzuleiten.
Als Millardet vor jetzt 22 Jahren die sogen. Bordeauxbrühe zur
Bekämpfung von Pilzkrankheiten des Weinstocks, später der Kartoffel,
empfahl, konnte er kaum ahnen, welche Menge von Untersuchungen
sich an dieselbe anschliessen würden, die auch in unseren Berichten
durch Vorträge von Aderhold, Schander, Ewert u.a. hervortreten. Dass
ein giftiger Stof! auch unter Umständen Ertragserhöhung herbeiführt,
dass daran das Jahresklima wechselnd mit beteiligt ist, dass es sich
dabei um Nebenwirkungen, wie Dämpfung des Sonnenlichtes auf den
bespritzten Blättern handeln kann, bei denen das dem Kalk beigemengte
giftige Kupfer in eine ganz andere Wirksamkeit tritt, braucht hier nur
angedeutet zu werden.
Vielfältig verschiedene Urteile sind über die Möglichkeit, die Hanf-
und Leinfasern sicher zu unterscheiden, gefällt worden. Noch steht un-
übertroffen da die mühsame, vor 30 Jahren durch einen Gerichtsfall in
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. XI
Zürich hervorgerufene Arbeitsleistung von Gramer, dem damaligen
Botaniker am eidgenössischen Polytechnikum, der zu dem Schlüsse
kam, dass ein sicheres Urteil sich nur aus den zufällig beigemengten
Resten von Oberhautfetzen und Haaren erzielen lasse. Sehr bemerkens-
wert ist damals auch gewesen, dass die als Sachverständige hinzu-
gezogenen Leinenfabrikanten zum gleichen Urteile wie Gramer über die
ihnen vorgelegten Zeugproben kamen, ohne jedoch ihr Urteil irgendwie
begründen zu können, während die mikroskopische Analyse nach der
■einen oder anderen Richtung hin zu einem sicher begründeten Urteil
kommt.
In der Imprägnierung des Holzes, welches der Witterung und
feuchten Erde und damit zerstörenden Organismen ausgesetzt ist, liegt
ein Sparmittel von grosser nationalökonomischer Bedeutung. Man über-
lege sich, dass z. B. in einer der beiden sächsischen Imprägnierungs-
anstalten für Eisenbahnschwellen zu Löbau oft weit über 100000 Holz-
schwellen mit einem Schlusswert von je 3 Mk. jährlich zur Ablieferung
kamen, deren Haltbarkeit bei Anwendung von Kiefernholz auf 15 bis
20 Jahre gestellt wurde, so dass jedes Jahr mehr ca. 20000 Mk.
an Schwellenmaterial ersparte — dass dieses Holz bei dem raschen
Umtrieb sächsischer Forsten aus dem Osten gekauft werden rausste, da
die inländischen Stämme meist nicht stark genug w^aren — und man
ersieht, dass gute Konservierungsmethoden des Holzes geradezu die zu
klein gewordenen Waldtlächen bei uns in etwas ausgleichen könuen.
E)aher die Aufmerksamkeit, welche hier ein ganz anderer Zweig der
angewandten Botanik diesem Gegenstande schuldet, indem die besten
Methoden zur Einbringung einer möglichst grossen Menge pilzteindlicher
Lauge (Zinkchlorid) in das Innere des Holzes experimentell geprüft
werden müssen. Es handelt sich dabei auch um die Wirkung des sogen.
„Dämpfens" des Holzes, d. h. der Methode, durch Einwirkung von
112^ C heissem Dampfe während einer Stunde — wie man sich dachte
— die Ei Weissstoffe zu koagulieren und die Aufnahme der Lauge vor-
zubereiten, während sich herausstellte, dass die Temperatur im Innern
der Schwelle am Schlüsse jener Stunde nur auf 36 "^ G. gestiegen und
die Aufnahme für Lauge in den äusseren Schichten herabgesetzt war.
Einen stets grösseren Umfang nimmt die Bestimmung und Kontrolle
von Handelswaren, sowohl von technologischen als auch von Nahrungs-
und Genussmitteln, in den dazu bestimmten Laboratorien an, und Samm-
lungen mit geeichten Stücken von richtiger Herkunft sind dazu not-
wendig, wenn sie auch nicht leicht zu der Grösse des Hamburger
Museums sich aufschwingen können. Viele Fragen stellen die Zollbehörden,
um die richtige Tarifbestimmung anwenden zu können. Sind dieselben
12 O. Drude.
leicht zu beantworten in den Fällen, wo nach Mais- oder Hirsesorten,
nach Mandel- oder Pfirsichkernen gefragt wird, so ist es schon ein
heikles Unternehmen, das „argentinischen Strohhüten" zugrunde
liegende Rohmaterial zu nennen, besonders wenn das Vergleichsmaterial
der Flechtstoffe in der Vergleichssammlung versagt.
Es mag an einen Aufsatz von Porstmeister Jen t seh') über die
Tarifposition „Holz" im Eisenbahngütertarif erinnert werden, der be-
sonders die Ungenauigkeit der als „Pitch Pine" bezeichneten Handels-
ware hervorhebt, in der botanische und merkantile Namen keineswegs
übereinstimmen und öfters eine wirklich korrekte anatomische Vergleichs-
bestimmung sich nötig machen würde.
Es ist ein notwendiger glücklicher Umstand für dieses Gebiet der
Angewandten Botanik, dass Handbücher existieren, in erster Linie
Wiesners neue Ausgabe der „Rohstoffe des Pflanzenreiches", welche die
anatomische Charakteristik der Mehrzahl der technologisch und merkantil
in Betracht kommenden Rohmaterialien schon jetzt in rühmenswerter
Vollständigkeit vereinigen; sie werden ergänzt durch die anatomischen
Werke der Pharmakognosie, wie besonders A. Tschirchs zweibändigen
„Atlas", und durch die neuere Literatur über Mikroskopie der vege-
tabiUschen Nahrungs- und Genussmittel. Einige wenige Lehrbücher
sorgen für den besonderen Bedarf der Technischen Hochschulen, so
das von Hanausek.^)
Sie zeigen, dass sogar die nicht organische Struktur besitzenden
Rohstoffe der mikroskopischen Technik unterworfen werden können,
Gummigutt, Elemiharze u. a. werden in ihren Auflösungserscheinungen
beobachtet, Kristalle von Harzsäuren werden mit Hilfe des Polarisations-
mikroskopes erkannt, Beimengungen von Chlorophyll (wie z. B. in der
„Jungfernöl" genannten feinen Sorte des Olivenöls) spektroskopisch von
wertlosen Nachahmungen mit grünlicher Farbe unterschieden: überall
baut sich eine eigene Methodik aus.
Wir haben nun auch noch die Beziehungen der Rohstofflehre zur
sj'^nthetischen Chemie zu streifen und die wichtige Frage zu berühren,
inwieweit eine Ablösung der direkten vegetabilischen Rohstolfproduktion
durch chemische Erzeugnisse möglich ist.
Die organische Naturforschung, so imposant sie sich heutzutage
entwickelt hat, muss doch der Möglichkeit freier Erfindung entbehren,
da der Kernpunkt der vitalistischen Erscheinungen und die Lösung der
Frage vom Ursprung des Lebens nicht in ihre Hand gegeben ist. Um
1) Mündener Forstliche Hefte VIII, 52—72, bes. S. 66.
2) Lehrbuch d. Technischen Mikroskopie. Stuttg. 190L
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 13
so mehr glaubt nunmehr die industrielle Welt auch hinsichtlich der
organischen Verbindungen die freie Erfindung den exakten Wissen-
schaften, der erfindungsreichen Chemie, unabhängig von der aus der
Urnahrung aufbauenden organischen Welt, anvertrauen zu können; sie
hofft die Hunderte von Rohstoffen aus unseren Laboratorien geliefert zu
erhalten, welche jetzt der Welthandel als Pflanzenprodukte einführt.
Schon erscheinen die alten Färbereipflanzen, Waid, Krapp, selbst Indigo-
fera, entbehrlich; die Riechstoffe der Iris fiorentinci, der Veilchenblüte,
Orange und Heliotrop können auf dem Wege chemischer Synthese rein
dargestellt werden; das Aroma der Vanille sollen wir durch das Vanillin
der chemischen Fabriken ersetzen. Alkaloide wie Coniin u. a. sind
synthetisch hergestellt; warum soll es nicht auch mit dem Alkaloid des
Kaffees so geschehen?
Eine Milliarde Mark bewegt sich alljährlich im Welthandel zur
Ablieferung der Säcke voll Kaffeebohnen an die alten Kulturländer;
Deutschland bezahlt alljährlich viele Millionen dazu, ebensoviel für das
noch viel unnützere Alkaloid Nikotin im Tabak.
Niemand kann heute bestreiten, dass es zu den sehr wahrschein-
lichen Möglichkeiten chemischer Erfindung gehört, die jetzt noch nicht
synthetisch hergestellten Alkaloide Coffein und Nikotin künstlich her-
stellen zu lernen; niemand kann bestreiten, dass es einen grossen wirt-
schaftlichen Erfolg für Deutschland, bedeuten und einen starken Um-
schwung im Welthandel hervorrufen würde, wenn es solche Genuss-
mittel exportierte.
Es gibt noch viel weitergehende Wünsche nach künstlicher Stärke,
chemischem Brot; aber auch wenn wir uns gar nicht so weit in nie-
mals zu verwirklichenden Ideen verlieren, so gibt es auch bei den hand-
greiflich vor uns liegenden Zielen der chemischen Synthese gewisse
Grenzen, welche nur für eine gewisse Zahl und Menge von Rohstoffen
die Pflanze entbehrlich erscheinen lassen. Für die grosse Hauptmasse
gilt auch heute noch, dass jetzt wie in Zukunft die organische Chemie
keine besseren und billigeren Arbeitskräfte zur Beschaffung ihres eigenen
Rohmaterials annehmen kann, als die chemisch-physiologischen Prozesse
der im Sonnenhchte arbeitenden Pflanzenwelt auf der ganzen Erde!
Bei Lieferung grosser, in ihrer Totalität nutzbarer Massen (Zucker,
Fette) oder bei der Einsammlung reicher Stoffgemenge (Harze,
Kautschuke usw.) oder gar organisierter Substanzen (Fasern) wird und
muss die Pflanzenproduktion die direkte Quelle bleiben und liefert als-
dann ihre Rohstoffe an die technische Chemie zur Aufbereitung und
Umarbeitung.
Die kulturelle und technologische Botanik behält auf diesen Gebieten
j j. O. Drude.
dauernd ihren Rang als ewig junge und sich selbst regenerierende
Quelle für die Bedarfsmassen unserer Industrie und der mit dem heutigen
Kulturleben zusammenhängenden mannigfaltigen Bedürfnisse; ihr folgt
die chemische Industrie mit ihren sich vervollkommnenden Methoden
erst nach.
Das braucht sich aber nicht so zu erhalten auf der ganzen Um-
fangslinie der Rohstoffe, welche der Mensch ursprünglich aus dem
Pflanzenreich kennen lernte, und es wird sogar von wesentlichem Nutzen,
nationalökonomisch betrachtet, sein, wenn für gewisse Rohstoffe die
chemische Industrie mit dem Ausbau ihrer synthetischen Methoden auch
die direkte Produktion in die Hand nimmt.
Man bedenke, wie grosse Flächen nutzbaren Ackerlandes bei uns
und in den Tropen dazu verwendet werden müssen, um verhältnis-
mässig ganz geringe Mengen eines gesuchten Rohstoffes zu erzeugen.
Tausende von Rosenblüten gehören dazu, um einen Tropfen Rosenöl als
Destillat zu liefern; ganze grosse Rosengärten werden diesem Zweck
geopfert.
Um den Kampfer zu erhalten, werden mächtige Bäume von der
Grösse unserer Eichen gefällt und — sogar noch mit unvollkommenen
Methoden — in Holzspäne zerhackt der Destülation unterworfen.
Ganz ähnlich ist es mit dem Indigo und anderen Farbstoffen,
welche als Nebenbestandteile des Zellsaftes erst mit dem Tode der
lebendigen Zellen in Wirkung treten.
Wo die Pflanzenkultur nur kleine Mengen von Rohstoffen auf
grossen Flächen liefern kann, ist es erwünscht, dass die technische
Chemie dieselben auf reicherem synthetischen Wege liefere, der oft ein
viel einfacherer sein wird, als der entsprechende Spaltungsprozess im
Gewebe der lebenden Pflanze.
Und damit befinden wir uns in dem Gebiete der
weltwirtschaftlichen Erwägungen.
Durch die Steigerung der Mannigfaltigkeit und Quantität unserer
Bedürfnisse bei gleichbleibender Landfläche werden unausgesetzt Ände-
rungen im Welthandel herbeigeführt, besonders aber dann, wenn wir
denselben Rohstoff aus verschiedenen Stammpflanzen, ergänzt durch
chemische Synthese oder nur Aufbereitung, gewinnen kiinnen. v
Manche Einfuhrprodukte werden dann abgelöst durch andere;
manche wird man zuerst in fremden Pflanzen kennen lernen und später
aus einheimischen zu gewinnen suchen (Beispiel: Rohr- und Rüben-
zucker; aus den Importländern Mitteleuropas sind z. T. Exportgebiete
geworden).
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. X5-
Die Aufgabe der Angewandten Botanik wird mit darin
bestehen, die Gewinnung der Rohstoffe auf die wirksamsten
Nutzpflanzen und die ergiebigsten Klimate beschränken zu
helfen.
Und diese Aufgabe befindet sich unter dem steigenden Einfluss
der chemisch-synthetischen Industrie, welche neue Werte ohne pflanzliche
Herkunft in einer wahrscheinlich stetig sich steigernden Umwälzung
auf den Markt wirft.
Ich habe diese weltwirtschaftlichen Erwägungen zunächst betont
bei nicht organisierten Rohstoffen, welche wie Farbstoffe, Alkaloide und
ätherische Öle eines wirklich künstlichen Ersatzes fähig sind, entweder
durch ganz andere, aber ähnlich oder besser wirkende Kompositionen,
oder durch dieselben synthetisch hergestellten Stoffe gleicher Qualität
zu billigerem Preise,
Wir können solche Erwägungen aber auch ausdehnen auf die not-
wendigen Nahrungs- und Genussmittel aus dem Pflanzenreich und
können die Frage aufwerfen, ob schon jetzt das der mitteleuropäischen
Lage am besten entsprechende Verhältnis vom Anbau gewisser Cereahen,
Textil-, Öl-, Gerbstoffe usw\ liefernder Pflanzen und der Einfuhr der
übrigen Rohstoffe auf vielseitigen Handelswegen erreicht sei, oder ob
hier wesentliche Verbesserungen möglich sind?
Und wenn wir in die weitere Zukunft blicken, so sehen wir ganz
andere Erschütterungen des heutigen Welthandelsystems mit seinen Aus-
und Einfuhren dadurch entstehen, dass früher oder später in unseren
Kolonien selbst eine technologische und chemische Industrie erwachen
wird, welche dort ganz andere vegetabilische Hilfsmittel zur Verfügung
haben wird, als wir in unserer einheimischen Pflanzenwelt sie besitzen
mit der Einfuhr trockener Rinden, Blätter, Früchte.
Von solchen Gedanken geht auch eine nicht uninteressante Ab-
handlung von Ottomar Thiele') aus, welche allerdings die Ergänzung
unserer eigenen Rohstoffproduktion im Lande etwas optimistisch ansieht.
Denn für Nahrungsmittel scheint sie doch im allgemeinen abzulehnen
zu sein, so vielerlei Nahrung auch dem Wilden sogar in Steppen geboten
wird. Die bestehende Geschmacksrichtung bei uns setzt der Einführung
neuer Nahrungsmittel im allgemeinen Widerstand entgegen, wofür
manche Beispiele vorliegen.
Die Knollen vom Topinambur, von Stachys affin/s als Gemüse
wollen sich nicht einbürgern, obwohl sie gut in unseren warmen Lagen
•) Über wirtschaftliche Verwertung ethnologischer Forschungen,
Tübingen 1906.
16 0. Drude.
gedeihen und eine ganz gute Ergänzung des Gemüsemarktes bilden
würden, mindestens so gut wie Teltower Rübchen und ähnliches. So
^wichtige Einführungen aber, wie die Kartoffel, scheinen überhaupt nicht
mehr möglich zu sein.
Anders steht es mit der Einfuhr von Ernteprodukten fremder
Länder: seitdem die Erdnüsse auch in Nordamerika so stark im Anbau
zugenommen haben, kann man ihre Zunahme auf dem deutschen Prucht-
markt wohl bemerken — ganz zu schweigen von der enormen Zunahme
des Erdnussöls als einer Handelsware, deren Herkunft vielfach den
davon zehrenden Kreisen unserer Bevölkerung kaum richtig bekannt
geworden ist.
Aber es mag wenigstens ganz allgemein daran erinnert werden,
dass auf dem weiten Erdenrund sehr viel mehr essbare Pflanzen dem
hungernden Menschen geboten werden, als die immerhin nicht sehr
grosse Anzahl von richtigen, in allgemeinen Anbau übergegangenen
„Kulturpflanzen" ahnen lässt. Ganze Völkerstämme leben, wenigstens
in bestimmten Jahreszeiten, von Samen und Früchten, Knollen und
Wurzeln, die bei uns kaum als fähig erachtet würden als Menschen-
nahrung zu dienen. So die Hottentotten an der Walfischbai von der
Narasgurke, die Klamath-Indianer Oregons von den Samen einer gelben
Seerose, „Wokas" genannt,') andere Indianerstämme von Wasserreis
{Zizanid)\ die in ärmlicher Steppe lebenden Indianer des Mendocino-
distrikts in Kalifornien haben mehr als 100 Nährpflanzen der wilden
Flora und treiben keinen Ackerbau.^)
Dagegen liegen genug Anlässe vor, um uns in berechtigter Weise
Umschau halten zu lassen nach einer weiteren Ergänzung unserer
heutigen technischen und pharmakognostischen Rohstotfe.
Beispiele technologisch wichtiger Pflanzen, die Nutzen versprechen,
lassen sich schon jetzt in grosser Menge anführen; der Kürze halber
mache ich hier nur einige Andeutungen.
Bastfasern. D o dg e^) (1894) zeigt eine Menge von in der U nie n wild-
wachsenden Malvaceen u. a. au.
Rose*) (1899) zählt die mexikanischen Agave-Arten und andere treffliche
Faserpflanzen mit z. T. noch unbekannter Verwendung auf.
1) Siehe Fr. V. Coville, Wokas, a primitive food of the Klamath
Indians. Smithsonian Institution No. 130. Washington 1904.
2) Siehe V. K. Cliesnut in Contrib. U. S. National Herbarium, VII, No. 3.
Washington 1902.
^) Report on the uncultivated Bast fibers of the United States. (Dep.
~of Agriculture, Fiber luvest. Rep. 0.)
*) Contrib. from the U. S. National Herbarium V, No. 4, S. 239—251.
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. ■ ^7
Versuche mit Boehmeria-Faserkultur im südlichen Frankreich sind von
Erfolg, in Deutschland nicht.
Chemische Rohstoffe. Runiex hymenosepalus SiUsTe'K.a.f^ und Louisiana
enthält treffliches Gerbmaterial; die Pflanze hält aus in Sachsen.
Die Rohmaterialien der ostasiatischen Lackfabrikation, Pflanzen wie
Rhus vernicifera und andere, wären unserer Industrie zugänglich zu machen.
Viele Pflanzen mit Färb- und Riechstoffen verdienen zum mindesten
erhöhte Aufmerksamkeit, auch Seifenwurzeln und -Rinden, welche sich viel-
fach im Gebrauch wilder Völker finden.
Von Überlegungen dieser Art aus kann man der Anschauung von
Ottomar Thiele am Schluss seiner obengenannten Abhandlung wohl
beipflichten, dass eine Bereicherung der für unser Wirtschaftsleben nütz-
lichen Produkte auf einem sicher und verhältnismässig einfach zum Ziele
führenden Wege durchaus geboten erscheint, nämUch dadurch, dass ^\v
noch zu einer besseren, vollkommeneren Kenntnis jener verschiedenen
Pflanzenprodukte zu gelangen suchen, welche im Wirtschaftsleben der
Naturvölker eine Rolle spielen.
Wir haben die verschiedenen Richtungen, in denen sich das weite
Arbeitsgebiet der Angewandten Botanik bewegt, in Leitsätzen, Andeutungen
und Einzelbeispielen durchgesprochen und können zum Schluss nicht
anders, als im Sinne der botanischen Wissenschaft unserer hohen Be-
friedigung darüber Ausdruck zu verleihen, dass durch diese verschieden-
artigsten Berührungen mit der Praxis menschlicher Gewerbe und Be-
triebe der Wirkungskreis der Gesamtbotanik sich wesentlich erweitert
hat und immer mehr sich zu erweitern bestimmt ist.
Und dabei ist kein prinzipieller Unterschied zwischen angewandter
und theoretischer Botanik.
Denn in allen ihren Forschungen unterscheidet sich die ange-
wandte Botanik von der allgemeinen Botanik nur durch das dem
praktischen Bedürfnis entgegenkommende Ziel, nicht aber durch die
Grundlage und Methode, so wie es schon Professor Behrens in dem
Jahresbericht 1903/04') unserer Vereinigung ausdrückte: wir würden
„fruchtlose Arbeit beim Verlassen der Wege der exakten Wissenschaft"
ausführen.
Erst die Verbindung beider schafft das Richtige, dadurch geht ein
erweiterter Gesichtskreis für die ganze Botanik hervor; Kenner
müssen sich herausbilden, wie Irüher in einzelnen Familien des Pflanzen-
reichs, so jetzt in einzelnen Kapiteln der angewandten Botanik an den
zugehörigen Instituten, welche in der Regel dem einen oder dem
1) Jahresbericht II, 32.
J^Uiesbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. IV.
jg O. Drude.
anderen Hauptzweige praktischer Verwendungsart dienstbar gemacht
werden.
Sogar auf die Gestaltung des Schulunterrichts kann der Umfang
und die Porschungstätigkeit auf so vielen Gebieten der angewandten
Botanik von durchschlagender Bedeutung und Anziehungskraft nicht
ohne Einfluss bleiben, da hier die Botanik sich freier und gefälliger
bietet für vermittelnde Einschaltung in andere Lehrgegenstände.
Dass das Verständnis für gewisse Vorgänge des täglichen Haus- und
Wirtschaftslebens geradezu eine unentbehrUche Bildungssache sei. das
betont schon mit Recht Professor Lindner, 2) indem er darauf hinweist,
dass der Lehrer an höheren Töchterschulen die biologischen Seiten der
Gärungserscheinungen solle verstehen lehren. Wie viele ähnliche Forde-
rungen lassen sich den Fachschulen entgegenhalten !
Aber darüber hinaus erscheint als ein der idealen Goistesrichtung
entsprechender Lehrgegenstand von höchstem Interesse die Verbindung
der Ethnographie mit den äusseren Bedingungen der Pflanzenkultur und
Pflanzonnutzung, zugleich die natürliche Grundlage des Welthandels auf
pflanzengeographischen Bedingungen. Dies muss belebend wirken auf
das Verständnis menschlicher Betriebsamkeit und daran hier in Hamburg,
am Orte der jetzt mächtig weiterflutenden Bewegung für Hebung des
naturwissenschaftlichen Unterrichts, zu erinnern, erscheint wie eine
Pflicht der Dankbarkeit.
Solche Dinge gehören sicherlich mit zur „Allgemeinen Bildung",
welche viel mehr nach dem geistigen Verständnis der Gegenwait und
der treibenden Kräfte im Menschenleben streben muss, als nach einer
blossen Anhäufung einzelner Kenntnisse. Denn durch die Forderung der
letzteren allein könnten die biologischen Wissenschaften gerade so be-
lastend wirken, wie andere.
Schlusszusammenfassung.
Wir haben gesehen, dass die ,, Angewandte Botanik" sich erst zu
einer wirklich zuverlässigen Verbündeten der praktischen Disziplinen
herausbilden konnte, nachdem der Umfang und die Methodik der streng
wissenschaftUchen allgemeinen Botanik die heutige Grösse und Schärfe,
besonders durch die Ausbildung des physiologischen Experiments und
der mikroskopischen Technik erlangt hatte. Nur durch die Anwendung
der Errungenschaften strenger Forschung auf dem Gebiete reiner
Wissenschaft ist sie wertvoll geworden, nur durch diese fortgesetzte
Anwendung wird sie wertvoll bleiben.
Sie hat sich überall als ein leitender oder mitwirkender Faktor
2) Siehe Jahresbericht l. 79.
Aufgaben und Ziele der Angewandten Botanik. 19
erst viel später in praktischen Fragen betätigt, als die selbständigen
Disziplinen, denen sie jetzt hilft, ihre empirische Entwickelung durch-
laufen haben. Jetzt erst, nachträglich, erkämpft sich die angewandte
Botanik ihren eigenen Standpunkt, jetzt erst sind wir in die Periode
gekommen, wo aus dem Studium der Botanik an den Hochschulen
praktische Botaniker zu besonderem ausübenden Beruf neben dem Lehr-
beruf hervorgehen.
Jetzt nimmt die Angewandte Botanik einen grossen, vermittelnden
Standpunkt ein zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau,
zwischen technischer Chemie, Pharmakognosie, zwischen den Wissen-
schaften der Fabrikingenieure und sogar der Weltwirtschaft und Welt-
handel bearbeitenden Nationalökonomie, sich mit eigenen natürlichen Ge-
sichtspunkten selbständig entfaltend.
Ich sage „selbständig", denn sie tritt nicht in einer dienenden
Rolle auf, welche bestellte Aufträge ohne weiteres abwickeln könnte,
auch kann ihr nicht das schwere Rüstzeug der allgemein-botanischen
Wissenschaft genügend helfen für ihren eigenen Beruf: sie muss viel-
mehr mit eigener Kraft erfinderisch auftreten und, der durch das prak-
tische Bedürfnis gegebenen besonderen Lage entsprechend, die For-
schung selbständig weiterführen. Im Dienste der Praxis eröffnet sie
auch neue, eigene Forschungsrichtungen und hilft am stolzen Bau
unserer botanischen Wissenschaft unausgesetzt fördernd mit.
Wie kein Zweig der Naturforschung ohne die Entfaltung seiner
Machtmittel in Instituten und Sammlungen gedeihen kann, so hat auch
die Angewandte Botanik ihre besonderen Institute und Museen nötig,
welche in starker Arbeitsteilung den jeweilig gestellten besonderen Auf-
gaben gerecht werden müssen: Vergleichs- und Bestimmungsammlungen,
solche für Phytopathologie, für die ungeheure Fülle vegetabilischer Roh-
stolTe und ihre Verfälschungen. Nicht überall können solche Samm-
lungen in gleicher Fülle vorhanden sein; eine geschickte Ergänzung und
ein Bund zur gegenseitigen Hilfsleistung wird mehr als zuvor dringend
notwendig. Die „Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik"
hat einen solchen Bund von Männern der Wissenschaft geschaffen; es
kommt darauf an, ihn auf die hervorragenden Institute auszudehnen,
ähnlich wie der „Verband landwirtschaftlicher Versuchsstationen im
Deutschen Reiche". Von der Geschicklichkeit, die hierin entfaltet werden
wird, hängt unzweifelhaft auch die Blüte unserer Vereinigung mit ab;
möge diese Versammlung in Hamburg kräftig dazu mitwirken und mögen
die Hamburger botanischen Institute in wachsender Blüte einen Ehrenplatz
in diesem Bunde behaupten!
2*
2U
O. Warbui-or.
Tropische Landwirtschaft.
Von
Professor Dr. 0. Warburg, Berlin.
Die tropische Landwirtschaft ist ihrer Natur nach eine ausser-
ordentlich komplizierte Disziplin. Wie bei der heimischen Landwirtschaft
wetteifern fast alle naturwissenschaftlichen Fächer, dieselbe zu fördern,
auch die Technik trägt zu ihrer Entwickelung bei, und es ist ebenso
wie bei der heimischen Landwirtschaft schon jetzt nicht mehr möglich,
sich in den verschiedenen Teilen derselben dauernd orientiert zu halten.
Es kann daher auch nicht unsere Aufgabe sein, hier in dem
Kreise der Vertreter der angewandten Botanik, einen Überblick über die
verschiedenen Forschungsrichtungen zu geben, welche die tropische
Landwirtschaft zu fördern bestrebt sind, und ebensowenig können wir
hier die in ihren Wurzeln sich weithin erstreckende Geschichte derselben
verfolgen, da hierzu die Vertiefung nicht nur in die Prähistorie
unserer ältesten] Kulturvölker, sondern auch in die Sitten- und Re-
ligionsgeschichte der meisten primitiven Völker der Tropen nötig sein
würde.
Wir wollen uns ein bescheideneres Ziel stecken und uns nur klar
zu machen suchen,
1. was momentan als die Haupttendenz der Entwickelung der
tropischen Landwirtschaft anzusehen ist,
2. welche Aufgabe der landwirtschaftlichen Tropenbotanik hierbei
zufällt.
3. auf welche Weise wir diese Aufgabe am besten einer be-
friedigenden Lösung werden zuführen können.
Vorher sei nur auf zwei Punkte hingewiesen. Der erste ist die
Tatsache, — die übrigens schon im Jahre 1901, gleichfalls hier in
Hamburg, auf der Deutschen Naturforscherversammlung in einem Referat
über die Geschichte und Entwickelung der angewandten Botanik von uns
hervorgehoben wurde, — dass die tropische Landwirtschaft als botanische
Wissenschaft einer der jüngsten Zweige der angewandten Botanik darstellt.
Es ist klar, dass viele der sehr erheblichen Mängel der wissenschaft-
lichen Ausbildung dieser Disziplin nur darin ihre Ursachen finden, dass
Tropische Landwirtscliaft. 21
bisher die Zeit zu kurz gewesen ist, um das Gebiet gründlich durch-
zuarbeiten. Freilich ist dies nicht der einzige Grund der zweifellosen
Rückständigkeit der landwirtschaftlichen Tropenbotanik, eine andere
ebenso erhebliche Ursache ist die, dass es bis jetzt noch viel zu wenig
Zentren gibt, wo man die nCitige Arbeitsmöglichkeit, die nötigen Arbeits-
kräfte und die mindestens ebenso wichtige Anregung zu solchen Arbeiten
findet. Ein drittes Moment liegt auf klimatischem Gebiet und besteht
darin, dass einerseits in den warmen Gegenden für die weisse, momentan
fast noch allein für solche Arbeiten in Betracht kommende Rasse die
Arbeitskraft an sich erheblich geschwächt ist, die Unterbrechungen durch
Erholungsreisen sehr gross sind, und es anderseits nur wenigen
Weissen vergönnt ist, dauernd in den Tropen mit Energie zu arbeiten.
Sind also durch die Kürze der Zeit, die geringe Zahl und die
durch klimatische Ursachen verminderte Kraft der Arbeiter viele
Lücken unserer Disziplin hinreichend erklärt, so kommt als ein
wohl noch wichtigerer Umstand in Betracht die gewaltige Ausdehnung
des Arbeitsgebietes. Für die wissenschaftliche Botanik machte Treub
zuerst darauf aufmerksam, dass die tropische Pflanzenwelt das allgemeine,
umfassende darstellt, während die Pflanzenwelt der gemässigten Zone
nur einen Spezialfall bildet, und zwar gilt dies sowohl für die biologischen
Verhältnisse als auch für die Anatomie, Morphologie und Systematik.
Genau das gleiche gilt aber auch für die Landwirtschaft. Die
heimische Landwirtschaft ist im Verhältnis zur tropischen als eine ihrem
Umfang nach begrenztere, ihrem Wesen nach weniger vielseitige anzu-
sehen. Die tropische Landwirtschaft ist ihrer Natur nach mannigfaltiger
und vielgestaltiger als die Landwirtschaft der gemässigten Zone. C)ass
dies uns im allgemeinen nicht gerade auffällt, beruht darauf, dass wir
gewohnt sind, die tropische Landwirtschaft vom Standpunkt der
heimischen aus zu betrachten. Die tropische Landwirtschaft steckt eben
noch — wenigstens in theoretischer und wissenschaftlicher Beziehung —
in den Kinderschuhen und hat sich vielfach noch nicht von den Fesseln
befreit, die eine Übertragung der in der gemässigten Zone ausgebildeten
landwirtschaftlichen Methoden ihr notw^endigerweise auferlegen musste.
Auch mit der wissenschaftlichen Botanik verhielt es sich ja früher
ähnlich. Zu Linnes Zeiten war die Kenntnis der tropischen l^flanzen-
welt noch so gering, dass damals weit mehr Pflanzen der gemässigten
Zone bekannt waren als der tropischen. Und was die biologischen Ver-
hältnisse betrifft, so hat sich erst in den letzten 20 Jahren gezeigt, wie
viel mannigfaltiger die biologische Botanik der warmen Zone ist als die
der gemässigten. Die Arbeiten von Treub, Goebel, Schimper, Stahl,
Haberland, Karsten, Wies n er und vieler anderer haben uns erst
22 O- Warburg.
die Augen für diese Mannigfaltigkeit tropen-biologischer Probleme ge-
öffnet, ebenso wie wir trotz mancher rühmlicher Vorläufer, wie Rumpf,
van Rheede, Burmann etc., doch erst durch die Botaniker des vorigen
Jahrhunderts, wie Roxburgh, Wallich, Wight, Hookor und
Thomson, Blume und Miquel, Martius und viele andere, die
Mannigfaltigkeit der tropischen Pflanzenformen zu crmessen begannen.
Was die tropische Landwirtschaft betrifft, so befinden wir uns erst
jetzt in diesem Übergangsstadium. Wir ahnen zwar schon lange, dass-
wir die tropische Landwirtschaft nicht mit den an den heimischen Fluren
herangebildeten Augen beurteilen dürfen und dass dort viele Verhältnisse
obwalten, die bei uns nicht existieren oder doch nur in schwächlichen
Erscheinungsformen ihr Analogen haben, in ähnlicher Weise wie etwa
die Schling- und Überpflanzen unserer Zone nur ein schwaches Abbild
der Lianen und Epiphyten der Tropen, die Holzleisten an der Basis
unserer Bäume nur ein Miniaturbild der Nischenstämme der tropischen
Baumriesen darstellen; aber zur Klarheit sind wir noch nicht durch-
gedrungen. Niemand hat bisher die Verschiedenheiten scharf definiert
oder in bestimmte Rubriken und Formeln eingeordnet. Diesem Um-
stand ist es vor allem zuzuschreiben, dass die tropisch-landwirtschaft-
liche Botanik noch mehr oder weniger den Eindruck eines Chaos her-
vorruft, wo jeder, durch unmittelbare Bedürfnisse getrieben, allein für
sich arbeitet, ohne sich um seinen Nachbar zu kümmern, ohne Methode
und System, vielfach sogar ohne Kenntnis desjenigen, was in anderen
Gebieten in bezug hierauf geleistet wird.
Soweit dieijenigen, die an der Ausbildung der tropisch -landwirt-
schaftlichen Botanik arbeiten, überhaupt wissenschaftlich geschult sind,
knüpfen sie an die Erfahrungen der heimischen landwirtschaftlichen
Botanik an, ohne die Tragweite der oft recht verschiedenen Verhältnisse
der Tropen genügend zu bemerken und in Rechnung zu ziehen. Em-
pirisch hat man natürlich schon viele der Differenzen erkannt und zum
Teil auch berücksichtigen gelernt, methodisch jedoch sind diese Fragen
nur in seltenen Fällen studiert worden trotz ihrer überaus grossen Be-
deutung für die tropische Landwirtschaft.
Um das an wenigen leichtverständlichen Beispielen zu erläutern,
sei hier vor allem der so vielfach, meist aber nur ausserordentlich laien-
haft erörterten Schattenfrage für tropische Baumkulturen gedacht. Wie
viel leidenschaftliche Erörterungen findet man über diese für die Tropen-
kulturen so wichtige Frage in den landwirtschaftlichen Organen der
heissen Länder. Wie platzen hier die Meinungen der verschiedenen
,, alten Praktiker" aufeinander und wie töricht sind oft die theoretischen
Erörterungen und teleologischen Begründungen. Wer hat aber jemals
Tropische Landwirtschaft. 25
versucht, diese Frage einer streng wissenschaftlichen Beurteilung zuzu-
führen, wer hat sich bemüht, die einzelnen Fäden zu entwirren, welche
dieses entschieden komplexe biologische Problem zu einem für uns vor-
läufig noch unlösbaren Knoten verschlungen haben?
Ein anderes Problem ist das der Müdigkeit der tropischen Böden.
Während eine solche in unsern Gegenden entweder erst mit Erschöpfung
des Bodens durch intensive Kultur und Ernteentnahme auftritt oder in-
folge deutlich nachweisbarer parasitärer Krankheiten, kennen wir aus
den Tropen derartige Erscheinungen ohne für uns nachweisbare Ur-
sachen, und doch wäre es von der grössten praktischen Bedeutung,
wenn man die Ursachen im einzelnen zu ergründen suchte.
So gut wie gar nichts wissen wir auch über den in den Tropen
sehr bedeutenden Einfluss des Taus auf die Kulturpflanzen, desgleichen
der Luftelektrizität, der Stickstoffanreicherung im Boden, der in den
tropischen Gebieten viel schneller vor sich gehenden Zertrümmerung
und Auslaugung des Bodens, der in warmen und trockenen Gebieten
als Nährstofflieferant so wichtigen Staubregen, der Kapillarität des
Bodens unter den mannigfachen Verhältnissen, wie sie die Tropen
bieten.
Hunderte von Fragen drängen sich auf, die in unseren kühleren
Gegenden teils g-ar nicht bearbeitet w^erden können, teils nur einer ein-
seitigen Durcharbeitung zugänglich sind, während sie in den Tropen
intensivere und mannigfachere Erscheinungsformen bedingen, und daher
dort einer generelleren und vielfach auch leichter zum Ziel gelangenden
Behandlung unterworfen werden können. Wie viel Probleme mögen
aber noch in den Tropen versteckt liegen, die sich uns erst bei einer
weiteren Ausbildung der tropisch-landwirtschaftlichen Botanik offenbaren
werden, deren Existenz wir aber jetzt noch nicht zu ahnen vermögen!
Auch nach einer anderen Richtung hin steht die tropische Land-
wirtschaft der heimischen bedeutend nach, das ist bezüglich der Aus-
wahl der Kulturpflanzen.
Besonders auffallend ist es, dass die verschiedenen Kategorien
der Nutzpflanzen sich in bezug hierauf so verschieden verhalten, manche
derselben zeichnen sich durch verhältnismässig zahlreiche, andere durch
nur wenige Vertreter in den Tropen aus.
Merkwürdig gering ist z. ß. die Zahl der tropisch indigenen Blatt-
und Stengelgemüse, auch die Zahl der tropischen Getreidearten ist auf-
fallend gering. Hingegen übertreffen die tropischen kultivierten Knollen
und Rhizome die unsrigen um ein bedeutendes an Zahl. Während bei uns
ausser dem Topinambur und den Rüben, fast nur die aus südlichen andinen
Gegenden stammende Kartoffel kultiviert wird, werden in den Tropen
24
O. Warburg.
nicht nur 4 Knollengewächse allgemein kultiviert, nämlich die beiden
altweltlichen, Taro und Yams, und die beiden neuweltlichen, Batate und
Maniok, sondern fast jedes Gebiet hat noch seine Spezialitäten, die Südsee
Tacca pinnatifida, Indien Canna und Curcuma, das wärmere Ost-
asien Sagittaria, Nelumbo etc., Afrika Co/ew*'- Arten, Südamerika
Xanthosoma, Maranta etc.
Auch die als Nahrungsmittel kultivierten Leguminosen sind in den
Tropen bedeutend zahlreicher als in der gemässigten Zone. Während
bei uns nur die Gattungen Phaseolus, Pisum, Faha, im Mittelmeergebiet
noch Cicer, Lens und Laihyrus in Kultur sind, kommen in den Tropen
noch hinzu Vertreter der Gattungen Cajanus, VIgna, Doliclios,
Canavalia, Psophocarpus, Pachyrhizus, Cgamopsis, Voandzeia, Arachis,
(wenn auch mehr als Ölfrucht) und die noch viel zu wenig gewürdigte
nährstoffreichste aller Leguminosen, die Sojabohne {Glycine soja). So
bedeutend die Zahl der in Kultur genommenen Knollengewächse und
Leguminosen, und in noch höherem Masse der Gewürze und Früchte der
Tropen im Verhältnis zur gemässigten Zone auch erscheinen mag, so
erschöpft sie doch nicht im entferntesten die Möglichkeiten, welche die
gewaltige und überreiche Pflanzenwelt der Tropen dem Menschen zur
Auswahl bietet.
Unbedeutend an Zahl sind hingegen die tropischen Kulturpflanzen
der verschiedenen Kategorien der technischen Nutzpflanzen, d. h. wenn
wir von den Feit- und Faserpflanzen absehen, die wie Kokos, Sesam,
Erdnuss, Ricinus, oder wie Baumwolle, Jute, Ramie, Sisal, Sunn,
Manilahanf eine grosse und dauernd zunehmende Bedeutung erlangt
haben. Unter den Farbpflanzen ist als Kulturpflanze grösseren Stiles
fast nur die durch die künstliche Indigodarstellung immer mehr ver-
drängte Indigopflanze zu betrachten, höchstens noch Curcuma und
Arnatto {Bixa orellana), unter den Gerbpflanzen neben den an Be-
deutung schnell zunehmenden australischen Gerbakazien noch Gambir
und Dividivi, unter den Medizinalpflanzen vor allem die noch immer an
Bedeutung wachsenden CincJiona-Arien, während der Coca-Strauch mehr
als Genussmittel denn als Arzneimittel kultiviert wird, unter den HcHzern
neben dem überall volkstümlichen Bambus vor allem das Teakholz.
Die für den Handel recht wichtigen Kategorien der Harze und Gummi-
sorten werden noch immer in den Tropen so gut wie ausschliesslich
von wildwachsenden Pflanzen gewonnen, während hingegen der Kaut-
schuk in rapide zunehmendem Masse von kultivierten Pflanzen her-
stammt.
Was ist nun die Ursache, dass in manchen der erwähnten Kate-
gorien die Kulturpflanzen so reichlich, in andern wieder so spärlich ver-
Tropische Landwirtscliaft. 25"
treten sind? Auf den ersten Blick befremdet es einigermassen, dass
gerade die Zahl der in Kultur gebrachten Früchte und Gewürze so-
gross, der Knollen, Leguminosen, Genussmittel, Fett- und Faserpflanzen
noch ziemlich bedeutend, diejenige der Getreide, Blattgemüsse und der
meisten technischen Pflanzen so gering ist.
Der Schlüssel zur Erklärung liegt in der Geschichte der tropischen
Landwirtschaft und zwar sind hierfür vor allem zwei Faktoren mass-
gebend:
1. das geringe Bedürfnis der tropischen Völker zur Heranbildung^
von Kulturpflanzen,
2. die geringe Befähigung der meisten tropischen Völker zur
Heranziehung von Kulturpflanzen.
Da die Natur der Tropen den dort lebenden Stämmen, so lange
die Volksdichte eine geringe war, den Grundstoff zur Nahrung und
Kleidung ohne Agrikultur darbot, lag für die Tropenbewohner keine Ver-
anlassung vor, sich ohne äusseren Zwang mit Landwirtschaft zu be-
fassen. Auch jetzt ist ja noch in den meisten afrikanischen Tropen-
gegenden dies der Hauptgrund der geringen wirtschaftlichen Leistungen,
der Eingeborenen: wünschten sie nicht Pulver und Alkohol zu besitzen,
jetzt auch in steigendem Masse Baumwollstoff"e und Schmuck, oder
würden sie nicht schon vielfach zu Steuern und gemeinnützigen Arbeiten
herangezogen, so wäre ihre Arbeitsleistung noch geringer als sie in
Wirklichkeit ist.
Anders lag die Sache bei den tropischen Kulturvölkern in Indien
und in den Hochländern Südamerikas. Die mit der Bildung grösserer
Staaten zusammenhängenden friedlichen Perioden hatten eine derartige
Volksvermehrung zur Folge, dass die Befriedigung der Bedürfnisse von-,
selbst zum Landbau zwang. Soweit nicht die dazu nötigen Kultur-
pflanzen aus kühleren Gegenden bezogen werden konnten, haben sich^
die Tropenbewohner selbst ihre Nutzpflanzen in Kulturpflanzen umge-
wandelt, genau so wie wir es von einzelnen anderen Gebieten wissen,.
dass anderswo vernachlässigte Pflanzen dort, wo nichts Besseres vor-
handen war, zu Kulturpflanzen umgewandelt worden sind. Eins der"
eklatantesten Beispiele hierfür bildet die Heranzüchtung der gewöhnlichen
pohnesischen Schraubenpalme [Pandaniis odoratissimus) zu einer in
vielen Sorten gezüchteten Obstpflanze durch die Eingeborenen der
Marschallinseln. Auch die Heranbildung des unscheinbaren Grases
Eragrostls abyssinica zu einem Getreide, sowie der bekannten Zierbanane,
der Musa Ensete zu einer Knollenpflanze im abessinischen Hochland,,
gehört in die gleiche Kategorie der Heranzüchtung von Kulturpflanzen.
26
0. Warburi:
als Fülg-o insularer — in diesem Falle montan-insularer — Zwangsver-
hältnisse.
Während nun diese insularen Züchtungen infolge ihrer Ent-
stehungsweise in abgeschlossenen Gebieten eine weite Verbreitung nicht
erlangten, haben sich die indischen und andinen Kulturpflanzen durch
die ganzen Tropen verbreitet und ebenso diejenigen Kulturpflanzen des
vorderasiatischen Weltkulturzentrums, welche sich den Tropen klimatisch
anpassen konnten und welche in die primitiven Formen der Landwirt-
schaft, wie z. B. die der Hackkultur der meisten Tropenvölker, hinein-
passten.
So kommt es, dass die meisten tropischen Kulturpflanzen indischen
oder andinen Ursprungs sind, wozu dann noch manche vorderasiatischen
hinzugekommen sind, aber auch diese meist auf dem l'mwege über
Indien. Selbst wo in den anderen Gebieten der Tropen die gleichen
Nutzpflanzen wild vorhanden waren, haben die dortigen Stämme sie
doch als Kulturpflanze erst von den Kulturzentren Südasiens und des
andinen Amerikas erhalten. Ein klassisches Beispiel hierfür ist ja der
Reis, der sowohl in Afrika als auch in Australien wild vorkommt und
weit verbreitet ist, als Kulturform hingegen eine typisch südasiatische
Errungenschaft ist. Geradezu verblüffend ist es, wie wenig neue Kultur-
pflanzen, wenn man von dem von Arabien hev beeinflussten Abessinien
absieht, die afrikanischen ViHker geschaffen haben. Wenn man von der
Kolanuss und der (»ipalme absieht, die vor dem Kindringen der europäischen
Einflüsse in Westafrika und der arabisch-indischen Einflüsse in Ost-
afrika wohl bestenfalls als Halbkulturpflanzen anzusehen waren, und von
Voandzeia suhterranea, die vielleicht erst durch die malayischen
Bewohner Madagaskars als Kulturpflanze eine Bedeutung erlangte,
so sind höchstens noch einzelne Yams, Coleus- und Paniciim- kviQXi
als echt afrikanische Kulturpflanzen anzusehen, da sich die meisten der
früher für afrikanisch-indigen angesehenen Leguminosen und Getreide-
. arten, z. B. Dolichos lahlah, Pennisetum, Sorghum, als ursprünglich
asiatisch herausgestellt haben.
Ganz ohne einheimische Kulturpflanzen blieben im allgemeinen
freilich nur diejenigen Stämme, die ausschliesslich von Jagd- und Vieh-
zucht lebten, wie z. B. fast alle Australneger, die afrikanischen Zwerg-
stämme und einige Indianerstämme. Die sesshaften Volksstämme haben
meist die eine oder andere Kulturpflanze der Heimat zur Nahrung ge-
züchtet, und zwar ist es natürlich, dass es im wesentlichen die so über-
aus leicht zu kultivierenden Knollengewächse gewesen sind, mit deren
Kultur die primitiven Völker in das Stadium des Ackerbaues einge-
treten sind. So haben sogar die Papuas ihre besondere Yamsart
Tropische Landwirtschaft. 27
(Dioscorea papuana) neben der eingeführten Colocasia antiquorum ent-
wickelt, die Indianer, Südamerikas haben die verschiedenen XantJio-
^oma-Arten in Kultur gebracht, die ostafrikanischen Neger die Dioscorea
abyssinica, die andinen Indianer neben der Kartoffel die sog. andinen
Knollen (ülliicus, Ärracacia, Oxalis usw.), E)ies ist also der Grund, dass
■die Zahl namentlich der kultivierten Knollengewächse der Tropen eine
relativ grosse ist.
Ebenso fanden die verschiedenen Völker, schon früh einige
heimische Genussmittel heraus, so die westafrikanischen Neger die
Kolanuss, die Indianer Südamerikas neben dem Kakao und Tabak noch
■Coca, Guarana und Mate, die Südasiaten Haschisch und Betelpfefter, die
Südseeinsulaner die Kawa {Piper metlnjsticum), welche Pflanzen dann
früher oder später, die Mate erst vor wenigen Jahren, die Guarana
und Kawa noch kaum in Kultur gebracht wurden. Hierdurch ist
also die nicht unbedeutende Zahl der kultivierten Genussmittel zu
erklären.
Die Kultur der Gewürze verdanken wir hingegen fast ausschliess-
lich dem Bedürfnisse der tropischen Kulturvölker nach Reizmitteln,
wenngleich der frühzeitig — schon im Altertum — beginnende und
während des Mittelalters sich stark entwickelnde Gewürzhandel nach
Europa einen sehr wesentlichen Stimulus zur Vermehrung und
Verbreitung der Kultur der Gewürzpflanzen gebildet hat. Bekanntlich
stammen die meisten unserer besseren Gewürze (darunter schwarzer
Pfeffer, Kardamom, Zimmet, Ingwer, Nelke, Muskat) aus dem indischen
Kulturkreise, nur zwei (spanischer Pfeffer und Vanille") aus dem
amerikanischen, und weit zahlreicher sind noch die in Indien
kultivierten Gewürze, die nicht in den Welthandel gelangen. Vermutlich
ist die Ursache dieser Erscheinung die, dass die Reisnahrung der süd-
asiatischen Völker gebieterischer nach Reizmitteln verlangt als die
Maisnahrung der amerikanischen Völker.
Wohl hatten auch die Naturvölker der Tropen ihre Gewürze, aber
nur selten nahmen sie dieselben in Kultur, und noch heute werden
Kumbapfeffer (Xylopia), Kalebassenmuskat (Mo)iodora), Samen von
Piper- und Amomum- Arten auf den afrikanischen Märkton massenhaft
verkauft, ohne dass es darum wirkliche Kulturpflanzen geworden
wären.
Ebenso ist die zahlreiche Ausbildung der Leguminosen zu Kultur-
pflanzen in den Tropen im wesentlichen auch dem indischen Einfluss
zuzuschreiben. Hier mag der Proteinhunger infolge der Reisnahrung
ein wichtiger Stimulus zur Herausbildung so vieler Kulturleguminosen
gewesen sein.
23 O. Warburg.
Wenn Blattgemüse nicht in grösserer Mannigl'altiglieit in den
Tropen kultiviert werden, so liegt dies hingegen daran, dass dort jeder-
zeit junge Blätter wilder oder in Halbkultur befindlicher Pflanzen genügend
zur Verfügung stehen, dazu kommen noch Bambusschossen und der
sog. Palmkohl, so dass ein Bedürfnis nach frischen kultivierten Gemüsen
bei den tropischen Völkern nicht in dem Masse besteht, wie bei uns,,
während die einwandernden Europäer sich auch in den Tropen an ihre
altgewohnten Gemüse zu halten pflegen.
Dass die Zahl der Getreidearten der Tropen so gering ist, hängt
mit der für primitive Völker relativ schwierigen Kultur derselben zusammen.
Bis auf den Mais, bei der schon die einzelne Pflanze ein erhebliches
Quantum leicht sammelbarer Nahrung repräsentiert, sind die Getreide-
arten nur der Massenkultur zugänglich, die ein grösseres Quantum von
Arbeit infolge des Reinigens und Lockerns des Bodens erfordert, wozu
die primitiven Hilfsmittel der früheren Zeiten, wie zugespitzte Hölzer,,
kaum ausreichten. Als aber die Hackkultur sich einführte, existierten
auch schon Verbindungen mit höheren Kulturvölkern, die gleichzeitige
auch ihre Kulturpflanzen brachten. So kamen die asiatischen Getreide-
arten nach Afrika; wo früher nur Knollen gebaut wurden, findet man
jetzt Felder von Sorghum, Pennisetum und Eleusine-}^\vsQ, ja die in-
telligenten Stämme im Sudan haben sogar selbst einige der dortigen
Panicum-kviQxv in Kultur gebracht. Viel später kam der Reisbau nach.
Afrika, der aber dort nur langsame Fortschritte machte, da er ohne
Pfkigkultur wenig lohnend ist, und der Pflugkultur in Afrika vielfach
die endemischen Tierkrankheiten (Küstenfieber, Tsetse und Texasfieber)'
augenbhcklich noch schwer üborsteigbare Schranken entgegenstehen. Weit
grössere Fortschritte macht hingegen der Maisbau in Afrika, und es
lässt sich voraussehen, dass der Mais dort, wo ihm das Klima zusagt,.
mit der Zeit, wie in Amerika, die bei weitem wichtigste Getreideart
werden wird.
Dass die Zahl der kultivierten Früchte in den Tropen so gross-
ist, dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass selbst die Naturvölker
vor aufsprossenden Fruchtbäumen einen gewissen Respekt haben. Die
Zahl der nutzbaren Fruchtbäume ist ja eine Legion, und bei einem
grossen Teil derselben gelangen weggeworfene Samen leicht zur
Keimung.
Auf diese W^eise umgibt sich jede Hütte der Eingeborenen mit der
Zeit von selbst mit einigen Fruchtbäumen, und es entstehen so spon-
tane Halbkulturen, die, wenn sie wertvoll sind, leicht zu Vollkulturen'
Veranlassung geben. Trotzdem ist es auffallend, wie auch bei den.
Tropische Landwirtschaft. 29
Früchten in den einzelnen Pflanzengattungen meist diejenigen Arten sich
durchsetzen, die aus einem alten Kulturzentrum stammen; von allen
Mangi f er a- Arten ist fast nur die vorderindische Mangifera indica
wirklich weit verbreitet, von allen Artocarjms- Arten hat nicht der hoch-
gezüchtete malayisch-polynesische Brotfruchtbaum, sondern die vorder-
indische Jackfrucht (Ärtocarpus iiitegrifoUa) die weiteste Verbreitung.
Trotzdem bilden die Früchte, mit Ausnahme der Knollengewächse, die
einzige Kategorie unter den Kulturpflanzen, in welcher diejenigen
amerikanischen Ursprungs an Bedeutung nicht hinter denen der alten
Welt zurückstehen. Den asiatischen Früchten aus den Gattungen Musa,
■Citrus, Mangifera, Oareinia, Nepheliwn, Durio usw. vermag Amerika
mit Erfolg die Gattungen Ananas, Änona, Fersea, Pa^mya, Passiflora,
Anacardium, Psidium entgegenzustellen, und in bezug auf Nussfrüchte
sind die amerikanischen Gattungen Bertholletia, Lecythis, Caryocar
den altweltlichen Canarktm- und Terminalia- Arten entschieden überlegen.
Auffallend ist es hingegen, dass Afrika so wenig gute Früchte der
tropischen Kultur geschenkt hat. Wir wissen zwar nicht, was sich
später aus den indigenen afrikanischen Früchten wie Blighia sa.pida,
Treculia afrlcana, Pachylobiis edulis., Cordyla africana, Sarcocephalus
sambucinus, den Sclerocarya- und Paruiariuni-Arten durch Kultur wird
herausbilden lassen, vorläufig sind aber alle diese meist nur in Halb-
kultur befindlichen Obstsorten noch ziemlich minderwertig.
Was die in Kultur befindlichen tropischen Fettpflanzen betrifft,
so ist ihre Zahl nur gross im Verhältnis zu derjenigen der gemässigten
Zone. Bedenkt man aber, in wie viel geringerem Grade dem Tropen-
bewohner tierisches Fett zur Verfügung steht, als dem Bewohner kühlerer
Gegenden, so muss man sich wundern, dass nicht viel mehr der ja so
überaus zahlreichen Fett liefernden Gewächse der Tropen in Kultur
gebracht sind. Vermutlich ist der Grund der, dass einerseits das Be-
dürfnis nach fetter Nahrung in den Tropen nicht so gross ist wie bei
uns, anderseits aber, dass es dem Tropenbewohner so leicht gemacht
ist, die genügende Menge Fett für seinen Bedarf jederzeit zu erlangen.
Die vielen Fett liefernden Palmen, allen voran die Kokos- und Ölpalme,
befriedigen in grossen Gebieten der Tropen jedes Verlangen nach fett-
haltiger Nahrung; in vielen palmlosen Gebieten Innerafrikas tritt der
Schibutterbaum (Dutyrospermum ParJ^ii) als freigebiger Fettlieferant
massenhaft auf, und nur in den übrigen trockneren Gebieten Afrikas
und Indiens lag das Bedürfnis vor, durch Sesam- und Erdnussbau das
Bedürfnis nach Fettnahrung zu befriedigen. Erst in den letzten De-
zennien, wo infolge billigerer Frachten die Tropen für den Fetthandel
der Welt von Bedeutung geworden sind, speziell für die Bereitung von
,5jQ O. Warb uro-.
Seife, Stearin und ^^argarine, steigt der Anbau der Fettpflanzen in den
Tropen ganz gewaltig.
Weit allgemeiner war das Bedürfnis für kultivierte Faserstoffe,
wenigstens seitdem durch die Zunahme der Kultur der Tropenvölker
und der grösseren Volksmenge mancher derselben die Versorgung mit
Bastzeug von wilden Bäumen nicht mehr zur Bekleidung genügt.
Als Relikt dieser früheren Periode findet man noch heute im Innern
Afrika vielfach das Lendentuch aus Feigenrinde als einziges Kleidungs-
stück und dem entsprechend findet man durch das ganze tropische Afrika
Ficus rokko und F. chlamifdodora als Kulturpflanzen in den Dörfern. Die
Kultur wirklicher Faserpflanzen ging in den Tropen der alten Welt-
wiederum von Indien aus, was wenigstens für die indische Baumwolle,
Jute, Sunn und Dekkanhanf erwiesen erscheint, während wir die Kultur
der Bastbananen, der Ramienessel und des Papiermaulbeerbaumes dem
südöstlichen Asien zu verdanken haben. Auch Amerika hat einige
wichtige Faserpflanzen der tropischen Landwirtschaft geliefert, neben
den besten Sorten der Baumwolle die Sisalagaven und die Bromeliaceen-
fasern (Ananas und Pita).
Dass die Zahl der sonstigen kultivierten technischen Pflanzen
in den Tropen eine so geringe ist, hat einfach seinen Grund darin, dass
die technische Verwertung der Pflanzenprodukte in den Tropen im allge-
meinen noch auf einer sehr niedrigen Stufe steht und eine Versendung der
Produkte nach Europa erst im vorigen Jahrhundert begonnen hat. Auch
wo gi'össere lokale Bedürfnisse vorlagen, wie in dem stark bevölkerten
Indien, genügten vielfach die wilden Nutzpflanzen zur Befriedigung. Die
Wälder lieferten die Hölzer, ebenso die Gerbstoffe (Myrobalanen, Katechu),.
die Gummiarten (Akazien), die Harze (Dipterocarpaceen, Burseraceen
etc.), die technischen Fette (Sapotaceen, Euphorbiaceen etc.). Die Gärten
lieferten die Aromata, die Farbstoffe (Henna, Curcuma, Sappan), auch
manche ArzneistofTe, für den Hausgebrauch das Material für Bauten
und Geräte aller Art (Bambus). Grössere Kulturen dieser technischen
Pflanzen wurden erst Bedürfnis, als Eisenbahnen billige Verbindungen
schufen und in den Grossstädten Fabriken nach europäischer Art be-
gründet wurden, besonders aber, als die Industriestaaten Europas und
Amerikas ihren Tribut an Rohstoffen verlangten.
Was dieser Überblick uns zeigt, ist, dass die tropischen Landwirt-
schaft bis vor kurzem die Resultante zahlreicher räumlich begrenzter
lokaler Faktoren bildete. Es spielte einerseits der Zufall, die Dichtigkeit
Tropische Landwirtschaft. 31-
der Bevölkerung, der Volksinstinkt und die Volkssitte eine grosse Rolle
in der Auswahl der Kulturpflanzen, anderseits war der Kulturzustand
oder der Einfluss des räumlich nächsten tropischen Kulturvolkes von der
grössten Bedeutung für die mehr oder minder grosse Mannigfaltigkeit
und die niedrigere oder höhere Entwickelungsstufe der tropischen Land-
wirtschaft des betreffenden Landes.
Jetzt hingegen greift der nivellierende Einfluss des Bedarfes der
Kulturzentren mit Hilfe der verbesserten und verbilligten Kommunikations-
mittel tief in die tropische Landwirtschaft ein und ist im Begriffe, sie in
derart fundamentaler Weise umzugestalten, dass der sorglose nachlässige
landwirtschaftliche Betrieb der Gegenwart vielleicht in nicht zu ferner
Zukunft auch in den Tropen einer rationellen Ausnutzung des Bodens
Platz gemacht haben wird, und die jetzt noch dort vorherrschende
primitive Hackkultur und die altertümliche Hakenpflugkultur den
späteren Geschlechtern als ländliches Idyll längst vergangener Zeiten
erscheinen werden.
Wer hätte vor 50 Jahren weissagen wollen, dass ganze Provinzen
Brasiüens jetzt ein grosses Kaffeeland darstellen, wer hätte die mächtige
Entwickelung der Rohrzuckerkultur auf den verschiedensten Inseln der
alten und neuen Welt, die gewaltige Ausdehnung der Teekultur in
Indien, der Tabakkultur in Cuba und Sumatra, der Cinchonakultur in
den Bergen Javas, der Kautschukkultur in den Straits Settlements und
Ceylons, der Sisalkultur in Yucatan und Deutschostafrika, der Erdnuss-
kultur in Senegambien voraussehen können? Alle diese Kulturen sind
bestimmt, Produkte für den Welthandel zu liefern, und es ist nicht ab-
zusehen, wie viele diesen noch folgen werden. Schon ist man auf dem
besten Wege, die Tropen in ganz anderer Weise als bisher für den
Baumwollbau nutzbar zu machen, da das bisherige klassische Land der
Baumwollkultur, die südlichen Teile der Vereinigten Staaten, bestenfalls
nur noch für einige Jahre dem steigenden Baumvvollkonsum der Mensch-
heit zu genügen vermag. Schon nimmt der tropische Fruchthandel
ganz andere Dimensionen an als früher, ist doch neuerdingssogarein direkter
Bananen-Dampferverkehr zwischen Costarica imd England eingerichtet
worden ; und welch gewaltiger Ausdehnung ist dieser Fruchthandel noch
fähig bei weiterer Beschleunigung der Fahrten und Verbilligung des
Transportes. Ist es doch geradezu beschämend für die europäischen
Kolonialmächte, Deutschland mit inbegriffen, dass sie bisher noch nicht ein-
mal ihre westafrikanischen Kolonien für den Bananenimport auszunutzen
vermocht haben. Aber von noch unendlich viel grösserer Bedeutung
werden die Tropen dermaleinst werden als wichtigste Brotfruchtlieferanten
der gesamten Menschheit, welcher Zeitpunkt spätestens dann eintreten
32 ^' Warburg.
muss. wenn die Kornprodiiktion der gemässigten Zone für die schnell
steigende Bevölkerung derselben nicht mehr ausreichen wird.
Noch zwar liegen gewaltige Gebiete in Argentinien, Canada und
Sibirien brach, und noch kann die Produktion durch intensive Kultur
dort, wo jetzt extensive herrscht, bedeutend vermehrt werden, aber alles
hat seine Grenze, und vor allem sind die Produktionskosten in den
"Tropen geringer infolge der dortigen grösseren Erträge und der geringen
Bedürfnisse der Arbeiter.
Die ersten Zeichen dieser Entwickelung sehen wir in dem steigen-
den Maisexport Westafrikas und besonders Togos, während der Reis
Südasiens sogar schon seit langem einen unentbehrlichen Nahrungs-
zuschuss für das stark bevölkerte nördliche China hat liefern müssen.
AVenn auch der westafrikanische Mais vorläufig nur zu Futterzweckon
dient, so entlastet er doch, falls er erst in grösseren Mengen eintreffen
'\vird, erheblich die Getreideproduktion der gemässigten Zone: hat aber
dieser Export erst ordentlich Puss gefasst, so ist er einer rapiden Aus-
dehnung fähig, und wird Schritt für Schritt genau so wie der Export
der Baumwolle längs den schiffbaren Flüssen und neu angelegten
Bahnen tief ins Innere des dunkeln Kontinentes eindringen.
Derselbe Vorgang dürfte sich schon bald bei den tropischen Hirse-
arten und Leguminosen wiederholen, und wer weiss, ob es noch lange dauert,
bis auch die Knollenfrüchte der Tropen als letzte Kategorie tropischer
pflanzlicher Produkte in den Welthandel mit einbezogen werden, sei es
in der Form von E^örrprodukten, sei es als Mehl oder gar als frische
Knollen, in der Art wie die Kartoffeln von Algier und Malta schon jetzt
nach Mittel- und nach Nordeuropa gelangen. Wie dem auch sein mag; eins
ist jedenfalls über jedem Zweifel erhaben: Das allgemeine Ent-
wickelungsziel der tropischen Landwirtschaft besteht, unter
•allmählicher Abwendung von den bisherigen primitiven und durch lokale
Verhältnisse bedingten Formen, in der sukzessiven Umwandelung
zu einem integrierenden Teil der Weltwirtschaft.
Was ist also die Hauptaufgabe der tropischen landwirt-
schaftlichen Botanik' Die tropische Landwirtschaft hat sich
den weltwirtschaftlichen Bedürfnissen unterzuordnen und
.anzupassen und der angewandten Botanik fällt hierbei die
■ehrenvolle Aufgabe zu, dieser Entwickelung die Wege zu
bahnen, die in diesem gewaltigen Um wandelungsprozesse un-
vermeidlichen Reibungen zu mildern und die Hemmungen zu
■beseitigen.
Haben wir schon früher an einzelnen Beispielen gezeigt, welche
allgemeinen Aufgaben der Botanik obliegen um eine sichere Basis für
Tropische Landwirtscliaft. 33
die gesamte tropische Landwirtschaft zu schaffen, so herrscht bei dem
hier angeschnittenen Probleme die IndividuaUsierung; jede Frage muss
einzeln studiert und erledigt werden. Was für die Baumwolle gilt, um
sie in den Tropen konkurrenzfähig zu machen gegenüber den nord-
amerikanischeu und ägyptischen Produktionsgebieten, gilt nicht vom Mais,
was dem Zuckerrohr in seinem Kampf gegen die Zuckerrübe nützt, ist
ohne Bedeutung für den Ersatz der Kartoffel durch die Batate, was die
Ananas- oder Bananenkultur befördert, nützt der Produktion pflanz-
licher Fette in den Tropen nichts.
Dass eine der Hauptaufgaben des Botanikers die sein muss, von
jeder lür die Volkswirtschaft in Betracht kommenden Pflanzenart die für
die verschiedenen Tropenklimate passenden Varietäten heranzuzüchten,
versteht sich von selbst. Gerade in dieser Beziehung ist in den letzten
Jahren viel gesündigt worden; man hat sich bemüht, die edelsten und
am feinsten differenzierten Sorten zu importieren und hat diese natur-
gemäss meist schwächlichen Gewächse dann im fremden Lande un-
barmherzig dem Kampf ums Dasein ausgeliefert: oder man hat umge-
kehrt die robusten Rückschlagstypen, die man im halb verwilderten Zu-
stand vorfand, angepflanzt, und wundert sich jetzt, dass diese Kulturen
sich schlecht rentieren. Hier wäre es Sache des landwirtschaftlichen
Tropenbotanikers gewesen, die schwierige Frage der Akklimatisation und
Auslese nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu leiten.
Aber genau so wichtig, wie die Heranzüchtung der für jedes Khma
passenden richtigen Sorten ist auch die Auswahl der für das betreffende
Land geeignetsten Nutzpflanzen. Wie oft hört man Laien sagen, diese
oder jene Kultur passt nicht für dieses oder jenes Land, denn, wenn sie
geeignet wäre, existierte sie schon daselbst. Es ist ein grosser Irrtum anzu-
nehmen, dass jedes Gebiet schon mit den für dasselbe passenden Kultur-
pflanzen hinreichend versorgt sei. Die Verhältnisse ändern sich schnell,
Kulturpflanzen, die vor 10 Jahren einen hohen Wert besassen, sind jetzt
entwertet, andere steigen im Preise, manche werden unmodern, andere
neue treten hinzu. E)azu kommt die ständige Umsvandelung der wich-
tigsten allgemeinen Faktoren; die Verkehrsverhältnisse werden besser,
die Bevölkerung nimmt zu, die Löhne werden höher, die Arbeiterwerbung
wird schwieriger, die Zollverhältnisse verändern sich, neue Konkurrenz-
gebiete entstehen, politische Missgriffe oder allgemeine wirtschaftliche
Stagnation ruinieren das Land oder verändern den Wechselkurs. Was
vor einigen Jahren eine blühende Kultur war, liegt infolgedessen jetzt
darnieder, neue Kulturen verdrängen die alten, kümmerliche Kulturen
gelangen plötzlich zu grosser Blüte.* . .
Hier sollte es nun die Pflicht des landwirtschaftlichen Tropen-
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Kotanik. IV. 3
34
O. Waibursi'.
botanikors sein, stets Umschau zu halten ; seine Aufgabe wäre es, recht-
zeitig neue Bahnen für das ihn interessierende Land ausfindig zu
machen.
Was \yäre z. B. aus dem Plantagenbau unserer deutschon Kolonien
geworden, hätte man sich nicht rechtzeitig, auf den Rat einiger weniger
privater Fachleute der tropischen Landwirtschaft in Ostafrika vom Kaffee-
bau ab und dem Sisalhanf zugewandt, hätte man nicht in Kamerun den
Kakaobau durch Kautschukkultur vervollständigt, hätte man nicht in
Neuguinea den Tabakbau durch Kokos- und Kautschukkultur ersetzt.
Vielleicht wird man in weiteren 10 Jahren wieder andere Kulturen an
Stelle oder noben den bisherigen betreiben müssen.
l'm abtM' die hierzu nötigen Schritte rechtzeitig einleiten zu kfhmen,
bedarf es natürlich auch guter weltwirtschaftlicher Kenntnisse. Der
landwirtschaftliche Tropenbotaniker darf nicht den grössten Teil seiner
Zeit hinter Mikroskop und Lupe verbringen, denn er muss auch Handels-
zeitungen der verschiedenen Länder und Fachschriften der verschiedenen
Industrien studieren, um stets orientiert zu sein über das, was sich in
der Weltwirtschaft anbahnt, und um rechtzeitig vorbeugende Massregeln
treffen zu können.
Besonders schwere Aufgaben hat der Botaniker, der Landstrecken
zu seiner Interessensphäre zählt, die ül)erhaupt noch keine für den
Weltmarkt geeigneten Pflanzen besitzen. Es gibt gewaltige kUmatische
Striche, die vorläufig überhaupt noch nichts Brauchbares für den Welt-
verkehr erzeugt haben, da alle von aussen gekommenen Kulturpflanzen
an der speziellen Eigenart des Klimas gescheitert sind. Solche Gebiete
sind einerseits die durch besonders lange Trockenzeiten ausgezeichneten
Wüstensteppen sowie die echten Wüsten, anderseits gehören auch die
sehr hochgelegenen Plateaus und Berggegenden dazu, deren Regenzeit
durch Hagel oder Fröste unregelmässig unterbrochen wird, wie es z. B.
in den andinen Gebieten und in den Massaihochländern teilweise der
Fall ist. Auch Sumpf- und Überschwemmungsgebiete, felsige und
sandige Strecken sowie Dünen stellen die Land- resp. Forstwirtschaft
der Tropen vor schwierige Aufgaben. Durch systematische, wenn auch
langsame Heranzüchtung passender Kulturpflanzen auch solche Gebiete
langsam der Kultur zuzuführen, ist sicher eine der reizvollsten Aufgaben
des landwirtschaftlichen Tropenbotanikers. Dass konsequente und be-
harrlich ausdauernde Arbeit hierbei Erfolge erzielen wird, kann einem
Zweifel kaum unterliegen; sehen wir doch auch, wie sich unsere wich-
tigsten aus den wärmeren Gebieten 'stammenden Kulturpflanzen mit der
Zeit den nordischen Gegenden angepasst haben.
Tropische' Landwirtschaft. 'S^
Eine weitere für die Tropen wie für die gemässigte Zone gleich
wichtige Aufgabe ist die stetige Sorga um das Gedeihen der.'ausge-
wählten Kulturpflanzen, Mit der Einführung und Heranzüchtung neuer
Sorten und Arten ist noch wenig getan. Das Studium der Lebens-
bedingungen mit den sich daraus ergebenden pralitischen Rückschlüssen,
der passendsten Vermehrungsweise, Pfropfung und Hybridisation, Um-
pflanzung, Beschneidung, Düngung. Beschattung, der Vermeidung der
liUmatischen Schädlichkeiten, der Bekämpfung der tierischen und pflanz-
hchen SchädUnge sowie der Verbesserung der Böden, das alles sind die
bei uns selbstverständlichen, in den Tropen bisher nur zum Teil be-
achteten Aufgaben des Botanikers. Besondere Aufmerksamkeit verdienen
wegen der schwierigeren Verhältnisse in den Tropen die Verbesserung
der Erntemethoden, der Aufbewahrung und des Versandes der Ernte,
besonders aber die oft sehr komplizierte Aufbereitung der Ernten, wozu
das Studium der Oxydations- und Fermentierungsprozesse vor allem be-
nötigt wird. ..'...;
Ist denn nun aber der landwirtschaftliche Tropenbotaniker auch
imstande, alle diese Aufgaben zu erfüllen? Ist nicht viel mehr zu
fürchten, dass die geschilderten Autgaben in menschlich absehbarer Zeit
ungelöste Probleme bleiben werden? Wo sind denn die Organisationen,
die. Institute, die solche weitschauenden Aufgaben unternehmen können,
wo sind die dazu nötigen Geldmittel, und schliesslich die Gelehrten, die
das Verständnis für diese Fragen besitzen und \n der Lage sind, diesen
wichtigen Aufgaben ihre ganze Kraft zu widmen?
Leider muss man eingestehen, dass wir noch sehr weit von einer
auch nur einigermassen befriedigenden Lösung dieser in erster Linie
organisatorischen Fragen entfernt sind. Während in der gemässigten
Zone sämtliche Kulturstaaten ein engmaschiges Netz agrikultureller Schulen
und Institute über die Länder gebreitet haben, in denen jede Frage leicht
eine grössere Anzahl geschulter Bearbeiter findet, ist es um die tropische
Landwirtschaft noch sehr schlecht bestellt. Sowohl die unabhängigen
Staaten Südamerikas als auch die Kolonialvölker der nördlichen Zone
als Leiter ihrer tropischen Kolonien beschränken sich meist auf ein
einziges Institut in jedem Staate, und zwar sind es fast stets Zwitter-
organisationen, die sowohl der Wissenschaft, d. h. der botanischen Er-
forschung des Landes, als auch der Landwirtschaft zu dienen haben.
Dies würde nun nichts schaden, wenn sie, wie das grossartige Institut
in Buitenzorg auf Java, über einen grossen Stab von wissenschaftlichen
Arbeitern verfügten: ist dies aber, wie in fast allen übrigen tropischen
Instituten — nur Britisch- Westindien und Deutsch-Ostafrika machen
noch in bescheidenem Masse eine Ausnahme — nicht der Fall, so muss
3*
36
O. Wiirbura:.
entweder die wissenschaftliche Erforschung oder die Hebung der Land-
wirtschaft der leidende Teil sein. Wenn freilich, wie es meist der
Fall ist. das einzelne Institut nur einen einzigen Gelehrten zur Verfügung
hat, der gewöhnUch noch durch administrative Tätigkeit stark in Anspruch
genommen ist, und häufig nicht einmal über einen Assistenten als Hilfs-
kraft verfügt, so ist für die Hebung der Landwirtschaft nicht viel zu
erwarten.
So wenig befriedigend nun zwar der Stand der landwirtschaftlichen
Institute der Tropen momentan auch ist, so systemlos auch in den
meisten Instituten bisher gearbeitet wird, so sind dies doch Fehler, die
geändert worden können und geändert werden müssen. Woran es fehlt
ist vor allem eine breit angelegte Organisation. Man kann von den isolierten
Instituten der Tropen nicht verlangen, dass sie sich selbständig diese
Organisation schaffen, wie es die Vertreter der heimischen Landwirtschaft
getan haben. Viele der Leiter tropischer botanischer Gärten sind Land-
wirtschafter nur im Nebenfach, die meisten betrachten ihre dortigen
Stellungen nur als Provisorium resp. als Cbergangsstufe zu anderen
Stellungen. Dazu kommt, dass die Verbindung der einzelnen tropischen
Gebiete untereinander oftmals schwieriger ist als die Verbindung mit
dem Mutterlande. Auch erhalten die Institute vom Mucterlande nur
selten in landwirtschaftlicher Beziehung wesentliche Anregungen und
fast nie irgendwelche Ermunterung; denn offizielle Vertreter der tropischen
Landwirtschalt in den Mutterlanden gibt es kaum, und den Gelehrten
oder Interessenten, die sich privatim mit der tropischen Landwirtschaft
befassen, fehlt meist der innere Zusammenhang mit diesen tropischen
Instituten. Auch die wenigen Zeitschriften für tropische Landwirtschaft
bieten in hezug hierauf keinen genügenden Ersatz; denn sie müssen,
um zu existieren, sich meist mit den speziellen Interessen der europäi-
schen Pflanzer beschäftigen, während die viel ausgedehnteren und daher
auch für den Weltverkehr viel wichtigeren Kulturen der Eingeborenen
mehr nebensächlich behandelt werden. Selbst so weit die Zeitschriften
von ihrem Leserkreise unabhängiger sind, wie z. B. die Journale der
Institute von Buitenzorg und Amani oder unsere deutsche Zeitschrift für
tropische Landwirtschaft „Der Tropenpflanzer", das Organ des Kolonial-
wirtschaftlichen Komitees, so können sie sich doch dem Einfluss der
naturgemäss an den Plantagenkulturen am meisten interessierten Lands-
leute nicht entziehen.
Worin besteht nun diese Organisation, die wir für wünschenswert
halten, um einen grösseren Zug in die tropische Landwirtschaft zu
Tropische Landwirtschaft. 37
bringen? Wir brauchen erstens eine systematischere Ausgestaltung und
mithin eine Vermehrung und Vergrösserung der tropischen Institute und
zweitens ein zentrales Institut im Mutterlande, welches die notwendigen
Arbeiten in grosszügiger Weise organisiert, das Materialien sammelt und
den kolonialen Instituten zur Verfügung stellt, ein Institut, w^elches ein
eigenes, unabhängiges Journal herausgibt, das nicht die Interessen der
europäischen Grosskulturen bevorzugt, sondern von einer hohen Warte
aus sämtliche Fragen der tropischen Landwirtschaft sachlich und wissen-
schaftlich behandelt, ein Institut, an das sich die für wissenschaftlichen
Fortschritt zugänglichen Interessenten der tropischen Landwirtschaft in
Form einer Vereinigung eng angliedern könnten.
Anfänge zu einer solchen Organisation finden wir schon in ver-
schiedenen Ländern. Die Vereinigten Staaten haben in ihrem grossartig
organisierten Department of Agriculture in Washington mehrere Sach-
verständige, auch für tropische landwirtschaftliche Fragen. England besitzt
in seinem Imperial Institute wenigstens einige chemische und technolo-
gische Kolonialexperten, ebenso Holland in seinem Kolonialmuseum in
Haarlem. Deutschland besitzt jetzt wenigstens einen Experten für tropi-
sche Pflanzenpathologie an der Biologischen Anstalt für Land- und Forst-
wirtschaft in Dahlem, ausserdem — wie übrigens auch die anderen
Länder — an den Museen einige Sachverständige für tropisch-landwirt-
schaftliche Fragen der beschreibenden Naturwissenschaften, sowie ferner
auch einige Personen an landwirtschaftlichen Instituten, die sich auch
mit Fragen der tropischen Landwirtschaft befassen.
Frankreich ist entschieden in dieser Beziehung am weitesten vor-
geschritten. Einerseits besitzt es eine Hochschule für koloniale Land-
wirtschaft (Ecole nationale superieure de TAgriculture coloniale) in Paris,
an der natürlich viele Gebiete der tropischen Landwirtschaft durch Fach-
gelehrte vertreten sind, ferner eine Societe frangalse de Colonisation et
d"Agriculture coloniale, in der sich die Interessenten der kolonialen Land-
wirtschaft zusammenfinden, und schliesslich auch einen Jardin colonial,
dessen Direktor gleichzeitig als Generalinspektor der kolonialen Land-
wirtschaft Ministerialbeamter ist. Eine genügende Organisation für die
Entwickelung der tropischen Landwirtschaft auf wissenschaftlicher Basis
ist aber selbst in Frankreich nicht vorhanden: sie könnte jedoch dort
durch Zusammenfassung der Lehrkräfte zu einem grossen Institut leicht
hergestellt werden.
Für Deutschland ist die Schaffung einer Organisation geradezu
ein Bedürfnis; der bisherige Weg privater Betätigung hat sich im Hin-
blick auf die schnellen Wandlungen in der Weltwirtschaft als völlig
unzureichend erwiesen. Genau so wie wir wissenschaftliche Zentral-
ag O. Warlnirg.
Stellen für die Erforschung der Kolonien besitzen, so müssen wir auch
eine Zentralstelle für die angewandte Wissenschaft der tropischen Land-
wirtschaft schaffen, da eine solche für das wirtschaftliche Gedeihen der
Kolonien von der allerhervorragendsten Wichtigkeit ist.
In der Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft zu
Dahlem haben wir einen geeigneten Ansatzpunkt, zumal es ein Reichs-
institut ist. Wie das Institut ursprünglich eine Abteilung des Reichs-
gesundheitsamtes war, bis es vor kurzem selbständig wurde, so sollte
ihm jetzt eine Zentrale für tropische Landwirtschaft angegliedert werden,
vorläufig als Abteilung. Es ist voraus zu sehen, dass diese Zentrale
sich mit der Zeit, nach Herausbildung der nötigen Kräfte, von selbst
in ein selbständiges Institut für tropische Landwirtschaft aus-
wachsen wird.
Wir würden dann endlich einen Ort haben, wo nicht nur alle
kolonialen landwirtschafthchen Fragen aus den verschiedensten Fächern
begutachtet werden, sondern auch eine Stelle, welche die landwirtschaft-
lichen Institute und Stationen der Kolonien zu kontrollieren und mit
Anregungen zu versehen hätte, und wo schliesslich auch die landwirt-
schaftlichen Beamten und Gelehrten eine zweckentsprechende Vorl)ildung
finden würden.
Neben dieser für die Entwickelang der tropischen und speziell
deutsch-kolonialen Landwirtschaft bei weitem wichtigsten Frage seien
hier noch einige Forderungen gestellt, die gleichfalls von grosser Be-
deutung sind.
So vortrefflich sich das Biologische Institut für Land- und Forst-
wirtschaft in Amani (Deutsch-Ostafrika) entwickelt hat, so rückständig
ist noch das für Westafrika bestimmte Institut, nämlich der Botanische
Garten zu Victoria in Kamerun. Die mit der wachsenden agrikulturellen
Bedeutung Westafrikas, mit der Entwickelung der Kakaokultur, der
Palmölgewinnung, des Baumwollbaues und der Kautschukkultur — um
nur die wichtigsten zu nennen — zusammenhängenden Fragen können
unmöglich von den wenigen wissenschaftlichen Beamten des Gartens
in Victoria auch nur einigermassen befriedigend gelöst werden. Es ist
eine unabweisbare Pflicht, dass es gleichfalls wie Amani, zu einem
landwirtschaftlichen Institut erster Ordnung ausgebaut werde.
Schliesslich sollten jetzt endlich auch die Beschlüsse des Kolonial-
rates, dass wirtschaftliche Versuchsgärten in Togo und den Kolonien
der Südsee errichtet werden, in die Tat umgesetzt werden. Die Station
in Togo könnte Victoria unterstellt werden, während die Stationen in der
Südsee im Bismarckarchipel ihr Zentrum haben müssten.
Tropische Landwirtschaft. 39
Gerade jetzt scheint der Zeitpunkt günstig zu sein, dass wir, als
Vertreter der angewandten Botanik, klare und bestimmte Forderungen
stellen, die sich in den folgenden Sätzen zusammenfassen lassen:
1. Schaffung einer Zentrale für tropische Landwirtschaft als
Reichsinstitut im Anschluss an die Biologische Anstalt für
Land- und Forstwirtschaft in. Dahlem bei Berlin;
2. Ausbau des Botanischen Gartens zu Victoria in Kamerun zu
einem landwirtschafthchen Institut erster Ordnung;
3. Schaffung landwirtschaftlicher Versuchsstationen in Togo und
den Südseekolonien. ...
Nur wenn wir auf diese Weise bezüglich der tropischen und
kolonialen Landwirtschaft einen gehörigen Schritt vorwärts getan haben
•werden, können wir hoffen und erwarten, dass Deutschland wie in der
heimischen so auch in der tropischen Landwirtschaft den ihm gebühren-
den Platz einnehmen wird, der deutschen Wissenschaft zui- Ehre, dem
Vaterlande zum Segen.
4Q C. C. Hosseus.
Die Gewinnung des Teakholzes in Siam und seine
Bedeutung auf dem Weltmari<te.
Von
Dr. C. €. Hosseiis, Berlin.
Leider ist es mir nicht möglich, am heutigen Tage, wie beab-
sichtigt, bereits einen definitiv abschliessenden Bericht über mein Thema
zu geben, da erstens mein Aufenthalt nach meiner Rückkehr aus Siam
hier in Europa erst kurz ist, und zweitens auf Anfragen im Auslande
noch keine genügenden Mitteilungen eingetroffen sind. Ich bitte also,
das Folgende als vorläufige Notizen zu betrachten.
Dennoch geziemt es sich bereits jetzt in gebührender Weise, Seiner
Exzellenz, dem Staatssekretär des Reichsmarineamts, den Kaiserlichen
Werften, den Privatwerften, sowie den Vereinigten Maschinenwerken zu
Nürnberg und Augsburg meinen verbindlichsten Dank auszusprechen,
für die liebenswürdige Überlassung von Aktenmaterial.
Meine Reise nach Siam hatte vor allem den Zweck, botanisch-
systematische Sammlungen anzulegen. Bei dieser Gelegenheit war es
möglich, auch dem Studium der Teakholzfrage näher zu treten.
Das Teakholz, Tectona grandis, geh()rt zur Familie der Verbenaceen
(Viticeae) und ist ein laubwerfender Urwaldbaum. Die Stämme besitzen
einen hohen Wuchs und sind sehr oft von Lianen (zumeist Leguminosen)
und Würgern {Ficus-kviQw) umschlungen. Epiphytische Orchideen
kommen fast nie auf ihnen vor; die anderen Epiphyten sind auf den
Gipfel beschränkt. Tedowa ^rawtii.9 finden wir in natürlichen Stand-
orten auf Java, in Birma und in Siam. In Java sind Wälder, nur aus
Teakholz bestehend, festgestellt, in den beiden anderen Ländern soll
Tectona grandis gewöhnlich vereinzelt im gemischten Waldbestande
wachsen
Für Siam möchte ich nun dreierlei Arten des Vorkommens unter-
scheiden: 1. vereinzelt an den Flussufern, 2. waldbeherrsciiend an Hügel-
ausläufern und 3. formationsbildend als sekundärer Bestand an Orten,
wo früher Pagoden standen oder jetzt noch stehen, als sog. Heihge
Haine. Für die zweite Verbreitungserscheinung sei versuciit, hypothetisch
eine Erklärung zu geben. Die kleineren Hügel zeigen ebenso wie; die
Die Gewinnung d. Teakholzes in Siam u. seine Bedeutung auf d. Weltmärkte. 41
grösseren vor allem auf der Süd-Südwestseite Teakholz, während die
anderen Seiten mit Dipterocarpaceen bestanden sind. Es sieht so aus,
als sei hier ehedem Reis gebaut worden, in der zweiten Periode erfolgte
dann, nachdem der Boden nicht mehr reich und nährstoffhaltig genug
für diesen war, eine natürliche Aussaat der oben im Westwalde zer-
streut wachsenden, älteren Teakbäume, welche als Resultat den jetzigen,
fast reinen Wald hervorrief.
Teakholz kommt niemals an direkt feuchten Stellen vor, oder gar
dort, wo das Wasser während der Regenzeit steht, weil es keinen Ab-
fluss findet: ebensowenig treffen wir es im ausgetrockneten Rotholz-
walde (Dipterocarpaceen) an: zwei Umstände, auf die vor allem bei den
Anpflanzungen in unseren Kolonien zu sehen ist.
Erfreulicherweise hat sich in diesen das Teakholz bisher gut ein-
gebürgert und trägt bereits Samen, so dass es nicht mehr nötig ist,
das ganze Quantum für den Bedarf aus dem Auslande zu beziehen.
Trotz dieser erfreulichen Mitteilungen von selten des Herrn Professor
Preuss müssen wir bedenken, dass die Stämme frühestens in einem
Alter von 50 Jahren schlagbar sind. Die Anlagen sind etwas über 10
Jahre alt, so dass wir fürs erste unter keinen Umständen damit rechnen
können, irgend welchen positiven Nutzen vor 40 Jahren aus diesen
Pflanzungen ziehen zu können. Grössere Aufforstungen können also in
den Kolonien immer nur auf reine Staatskosten oder aber auf Kosten
einer weitsehenden Gesellschaft gemacht werden, die dazu in der Lage
wäre, weil sie nicht an irgendwelchen Prozenten interessiert ist. Für die
Anpflanzungen kommt ausserdem, wie wir gesehen haben, nur ein be-
schränktes Gelände in Betracht. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass
Tectona grandis laubwerfend und also auf periodische Jahreszeiten an-
gewiesen ist.
Bevor aber praktische Versuche gemacht sind, erscheint es unbe-
rechtigt, nur auf Grund pflanzengeographischer Studien den Baum für
ein anderes Land als ungeeignet zu bezeichnen; sehen wir doch z. B.
an dem Vorkommen und dem glänzenden Gedeihen von Hevea hrasl-
liensis auf der malaiischen Halbinsel, dass derartige theoretische Schlüsse
oft sehr trügen können.
Was das Wachstum von Tectona anbelangt, so ist zu bemerken,
dass der Baum in den ersten Jahren mächtig in die Höhe schiesst, dass
aber dann das Wachsen sich bedeutend verzögert und dass der Baum
erst nach frühestens 50 Jahren fällbar ist. Tectona grandis geht nie-
mals über 700 m Höhe aufwärts in Siam, es ist dies eine äusserst in-
teressante natürliche Wachstumsbeschränkung. Doch sei auch hier
wieder an die Versuche mit Hevea hrasiliensis, unserem so dankbaren
42 <-'• t^- Hosseus.
Kautschuklieferer erinnert, welcher nach den neuen Versuchen von Mr.
Arden auf dem Gunong Angsi bis 900 m ii, d. M. gut gedeiht. Auch
in dieser Beziehung müssten wolil praktische Versuche theoretischen
Erörterungen vorausgehen.
Von Interesse ist es, des weiteren festzustellen, auf welchem
Boden Tectona grandis hauptsächlich gedeiht. Zumeist ist das Vor-
kommen auf leichtem Laterit. Auf Kalkstein, so z. B. in der Gegend
■von Djieng Dao, ist nirgends Tectona zu finden, während sie auf dem
verwitterten Boden des Archaikums, also Gneiss und Granit (z. ß. des
Doi Ka Luang) vorzüglich gedeiht.
Auch auf vulkanischem Boden, hierzu ist die Djieng Kong-Gegend
zu rechnen, stehen die Wälder vorzüglich in geschlossenem Bestände,
Die Wälder von Muang Fang sind auf Schwemmlandboden an und für
sich bereits in ca. 300 m Höhe auf verhältnismässig ebenem Gelände.
Der Teakholzbestand der Ostseite des siamesischen Landes befindet sich
fiuch auf Laterit,
Wenn wir nun zu der geographischen Verbreitung des
Teakholzes in Slam übergehen, so sei erwähnt, dass dasselbe in den
von mir besuchten Gebieten des Mänam Fing hinter dem IG. Breite-
grad hinter Pagnam Poh bei Muang Kami (erste Reise) sein südlichstes
Vorkommen hat. Auf der zweiten Reise wurde die Südgrenze in der
Höhe von Ban Pinit (Ban Pum) auf einem ca. 50 m hohen Hügel bei
Ban Jang gefunden, wobei es sich nur um einige wenige Einspreng-
unge im Urwalde handelte. Im weiteren Verlaufe der Reise nach
Petschabun und Muang Lom wurde kein Teakholz mehr gefunden. Das
nächste Vorkommen nordwärts ist östlich von Pisanulok und erstreckt
sich gegen den Mäkong zu. Es ist auffallend, dass über dem Mäkong,
d. h. also auf seiner linken Seite, keine Teakholzwälder mehr vor-
kommen sollen. Das nördlichste Verbreitungsgebiet habe ich bei r)jieng
Kong am 20. Breitegrad am rechten Mäkongufer gefunden, hier bilden
die Wälder einen verhältnismässig reinen dichten Bestand, im Gegensatz
z. B. zu den Wäldern der Westseite Slams in Muang Fang und am
Mäkok-Flusse. Ich habe mich des weiteren bei den Eingeborenen und
speziell bei den Hooh, die aus Jünann mit ihren Karawanen alljährlich
herab kommen, erkundigt, ob weiter nördlich noch Teakholz vorkomme.
Die Antwort lautete immer „nein". Eine Bestätigung hierfür bekam ich
von dem französischen Regierungsvertreter in Hue Sai für die hnke
französische Mäkongseite aufwärts. Als Beleg führt er an, dass alles
zum Bau der Regierungsgebäude verwandte Teakholz von der siame-
sischen rechten Flussseite stamme. Ein Teil der Konzessionen dort
oben sind an einen Franzosen vero-eben; iro-endwelche Kontrolle scheint
Die Gewinnung d. Teakholzes in Siam n. seine Bedeutung auf d. Weltmarkte. 43
nicht vorhanden zu sein. Audi der Gouverneur von Djieng Kong
schlägt ohne weitere spezielle Erlaubnis, was für seinen Hausbedarf und
für den Bedarf der Franzosen über der Grenze ihm nutzbringend er-
scheint. So kann uns denn sein Reichtum, darunter der Besitz von
25 Elefanten, nicht wundern, j .;■ .; ■■: ■! . : ' ....:.' '
Das geographische Vorkommen von Teakholz in Siam erstreckt
sich über ein weites Areal von ca. 4 Breitegraden und 4 Längegraden.
Leider ist aber die Ausnützung und die Pflege der Wälder nicht im
Verhältnisse zu ihrer Bedeutung betrieben worden. Eine Ausnahme
hiervon machen die in der Nähe der Wat (buddistische Tempel)
gelegenen grösseren Haine mit Tectona grandis. Diese heiUgen
Wälder unterliegen nicht den Forstgesetzen, nur äusserst selten wird
aus denselben von selten der Priester, die eine Verbesserung an ihren
Gebäuden vorzunehmen haben, oder ein neues Wat bauen wollen,
ein alter Stamm gefällt; doch ist dabei immer für ungerotteten
Nachwuchs gesorgt. Ausserdem fallen diese heiUgen Haine nur selten
den Waldbränden zum Opfer, da sie isolierter liegen. Für den Nach-
w^uchs des Teakholzes sonst sind die Waldbrände von schädlichster Be-
deutung. Die siamesische Regierung konnte sich bisher noch nicht ent-
schliessen, irgend eine Gegenmassregel zu treffen. So kommt es, dass
1. viele alte Bäume zugrunde gehen, 2. sich kein Nachwuchs entwickeln
kann, 3. selbst bereits gefällte Stämme den Waldbränden zum Opfer
fallen, wodurch den Gesellschaften ein grosser Schaden entsteht.
Direkte Aufforstungen wie in Birma oder Neuanpflanzungen
wie in Indien kennt man in Siam noch nicht. Es liegt dies wieder an
2wei Punkten, erstens wäll die siamesische Regierung momentan soviel
Geld als möglich aus den Wäldern ziehen, ohne ihrerseits etwas hinein-
zustecken, anderseits sind die englischen Beamten der siamesischen
Forstbehörde zum grossen Teil nur wenig vorgebildet, noch weniger
aber sicher daran interessiert, eine grössere Produktion für die Zukunft
zu schaffen. Diese sog. „Anweiser" kommen für gewöhnlich auf fünf
Jahre aus Indien herüber, um in Siam mehr Geld als drüben zu ver-
dienen ; haben sie sich genügend bereichert, so kehren sie entweder in
den indischen Staatsdienst zurück, oder sie gehen „für gut" nach Europa,
So ist es ganz natürlich, dass dieses Beamtentum im allgemeinen nicht
das geringste Interesse an streng siamesisch-forstwirtschaftlichen Fragen
nimmt. Die eingeborenen Beamten sind aber noch nicht derartig ge-,
schult, dass sie überhaupt für irgend einen Forstdienst in Betracht
kommen können. So werden wir es denn erleben müssen, dass nach
zehn Jahren Siam nicht mehr so viel Holz liefern kann wie heute,
wenn nicht überhaupt ein grosser Teil der Wälder erschöpft
44
C. C. Hosseus.
ist. Es soll passieren, dass der aufsichthabende Porstbeamte nicht ein
einziges Mal seinen ganzen Distrikt besucht hat. Als Entschuldigung
muss angeführt werden, dass die Herren wirklich mit Schreibereien und
der Abzahlung der den Hauptfluss horabkommenden Stämme derartig
viel zu tun haben, dass sie nicht imstande sind, die Wälder aufzu-
suchen, um so mehr, als der Mangel an Verkehrswegen jeden Marsch
unendlich erschwert. Die Gesellschaften haben ihrerseits wieder in der
Natur ein Element, das sich ihnen je nachdem als Freund oder Feind
erweist: das Wasser, das in zwei Gestalten mit dem Teakholzhande''
aufs innigste verknüpft ist. Es sind dies die Stromschnellen und die
Überschwemmungen. Die Beförderung durch die Stromschnellen ver-
ursacht oft grosse Mühe, oft dienen sie aber auch als sonst unerreich-
bar rascher Transportweg; ähnlich wie die Überschwemmungen. Tritt
in der Regenzeit über der Gegend ein Wolkenbruch ein, so sind die
Berechnungen der Angestellten der Gesellschaften mit einem Schlage
umgestossen. Liegen nämlich die bereits gefällten Stämme noch un-
markiert in den Wäldern, so entsteht der Gesellschaft ein ungeheurer
Verlust, weil die Forstbeamten die Stämme nicht kontrollieren können
und sie als herrenloses Gut von irgend welchen Eingeborenen aus dem
Flusse aufgefangen werden. Sind die Stämme dagegen bereits ge-
zeichnet, so wird dadurch viele Arbeit erspart, die Hölzer kommen be-
quem aus den Wäldern in die Nebenflüsse. Es ist nun nur die Aufgabe,
dieselben gut kontrollieren zu lassen. Anders liegt der dritte Fall, wenn
die Stämme bereits zu Flössen miteinander verbunden sind. Die Gewalt
des Wassers reisst dieselben häufig auseinander. Ist der aufsicht-
habende Forstbeamte an der Durchgangsstation tüchtig, so entstehen
aber der Gesellschaft keine weiteren Verluste.
Es sei hier nun kurz noch auf die Art der Gewinnung de»
Teakholzes hingewiesen. Es ist Bestimmung, dass, bevor ein Teak-
holzbaum gefällt wird, man ihn gürtelt, d. h. einen ca. 15 cm. breiten
Ring in ihn mit der Axt einschlägt. Auf diese Weise wird erzielt,
dass der Baum in nicht zu langer Zeit abstirbt. Bei dem Teakholz ist
nur der längere Zeit in diesem toten Zustande gestandene Stamm wert-
voll. Man lässt ihn gewöhnlich 2 Jahre so stehen. Dann hat er die
genügende Widerstandsfähigkeit gegen alle Elemente in sich aufgenommen..
Die jüngeren Äste sind fast alle schon abgefallen, eine hohe, kahle Stange
ragt er unter seinen Genossen in die Lüfte. Nach 2 Jahren wird er
dann gefällt und von den Elefanten an den Fluss gebracht zum Weiter-
transport nach Bangkok. Es ist des weiteren Forstgesetz, dass die.
Stämme nur in einem gewissen Zwischenräume gegürtelt werden dürfen.
Sind die Stämme einen kleineren Fluss, wie z. B. den Glong Wang
Die Gewinnnng d. Teakholzes in Siam u. seine Bedeutung auf d. Weltmarkte. 45
Djao, herabgekommen, so werden sie an dem Einflüsse desselben in den
Hauptfluss, in diesem Falle den Mä Ping, aufgefangen und auf einem
Stapelplatze aufgeschichtet. Ist eine genügende Anzahl von Stämmen
zusammen, so werden sie untereinander mit Rotang zu einem grossen
Flosse von oft 50 — 100 Stämmen vereinigt. Auf diesem Flosse ist in
der Mitte eine Hütte angebracht, in welcher sich die Flösser befinden. Ein
Mann ist der Aufsichthabende auf dem Flosse, zwei Leute befinden sich
rückwärts im Wasser an einem langen Seile, ihnen fällt die Aufgabe zu, das
Floss zu steuern und event. vom Boden oder vom Felsen abzustossen.
Oft passiert es, wie bereits erwähnt, speziell in der Hochwasserzeit, wo
ja immer nur diese Flösse talwärts gehen, dass in einer Überschwemmungs-
periode einige derselben zertrümmert werden und die Leute sich nur mit
Mühe und Not retten können. Bis ein Boot von Raheng oder noch von
höher den Mä Ping abwärts bis nach Bangkok gelangt, vergehen viele
Monate; treten plötzlich unvorhergesehene Veränderungen im Wasser-
niveau ein, d. h. sinkt der Fluss bedeutend, dann sind Monate nicht
ausreichend für den Transport. Jetzt helsst es eben an irgend einer
Stelle das Floss verankern bis zur nächsten Regenzeit. Mit Beginn der-
selben ist es dann erst möglich, nach Bangkok zu gelangen. Unter den
jetzigen Verhältnissen hat dies nichts zu sagen, da die Gesellschaften in
richtiger Erkenntnis der Marktlage in Bangkok bereits viel Holz für die
nächsten Jahre aufgespeichert haben. Die Bezahlung dieser Flossleute
ist eine äusserst gute, oft 120 Mk, monatlich. Eine der Hauptaufgaben
der Beamten der Gesellschaften ist, in der Regenzeit mit ihren Booten
nachzusehen, wo sich die einzelnen Flösse befinden, ob ihnen kein
Unglück zugestossen und ob die Steuerleute nicht zu säumig sind.
Äusserst wichtig für den Teakholzhandel sind die Elefanten^
^vie hier an einem Beispiel demonstriert sei. Hochaufgeschichtet ver-
sperren die Wasserstrasse ungefähr 150 Teakholzstämme; zwischen ihnen
und den eifrig die Stämme markierenden Lao und Kamu (ein Volksstamm
vom Mäkong) in malerischer Tracht bewegen sich 3 gewaltige Gesellen.
Einer davon, ein uralter Elefant mit mächtigen Stosszähnen, hebt gerade
einen dicken Stamm mit der ganzen Macht seines Rüssels. Da scheint
er eine Ungeschicklichkeit gemacht zu haben, denn dröhnend fallen die
Schläge des Treibers auf sein Haupt und seinen Rücken. Der Koloss
bläst zuerst wutentbrannt aus seinem Rüssel Wasser, trompetet, schlägt
die Ohren noch heftiger als gewöhnlich gegen den gewaltigen Kopf,
macht einige energische Schritte, dann greift er von neuem den Stamm
an, dieses Mal, um ihn mit dem Kopfe vorwärts zu schieben. In dieser
doppelten Weise werden die Elefanten hier zur Arbeit im Flusse heran-
gezogen. W'-As die Stangen unserer Holzknechte beim Triften verrichten.
46 C. C. Hessens.
dieselben Leistungen werden hier in kürzester Zeit von den Elefanten
gomaclit; zuerst umschlingt der kräftige Rüssel den Stamm und bringt
ihn in die richtige Lage, dann sorgen die mächtigen Nasenbeinknochen
.und nötigenfalls auch die Stosszähne dafür, dass er ins richtige Fahr-
wasser gelangt. Vorher aber erwies sich unser Tropenhaustier schon
dadurch nützlich, dass es die frischgefällten Bäume aus dem Waldinnern
uns Flussufer beförderte. Ist die Tagesarbeit verrichtet und wird Feier-
abend gemacht, dann tritt der Elefant zum vierten und letzten Male in
Funktion, indem er die müden Holzfäller und Holzmarkierer auf seinem
breiten Rücken nach Hause trägt. Freilich allzuviel darf man dem
Gesellen auch nicht zumuten, da er äusserst empfindlich und seiner
Würde wohl bewusst ist. Im Wasser arbeitet er willig, von einigen
Stachelaufmunterungen unterstützt, den ganzen Tag. Anders ist es auf
dem Festlande; meine Gewährsleute gaben an, er sei nicht zu mehr als
4 Stunden Arbeit zu erweichen, dann bedürfe er der Ruhe. Ich selbst
habe freilich mit meinem Elefanten ganz andere günstigere Erfahrungen
gemacht. Ausserdem muss er in der heissen Periode jeden vierten
Tag rasten. Über die Tragfähigkeit des Elefanten hört man sehr ver-
schiedene Ansichten; sicher ist, dass sie zumeist von der Güte und der
praktischen Anfertigung des Sattels abhängt. Ausserdem ist die Ver-
wendung des p]lefanten in den sonst unzugängigen Stromschnellen für
den Teakholzhandel von grösster Wichtigkeit. Nur auf den Elefanten und
vermittels derselben ist es möghch, die Weiterbeförderung der Stämme
zu regulieren.
Freilich ist mit solchem Holztransport auf dem Flusse für die ent-
gegenkommenden Boote eine grosse Gefahr verbunden, sie werden näm-
lich entweder zertrümmert, wenn das Nahen nicht rechtzeitig wahr-
genommen wird, oder bei dem Eintreten der Gefahr muss eine Verstauung
an möglichst sicherer Stelle erfolgen. Dann ist eine Weiterfahrt erst
mögUch, nachdem die Elefanten mit ihren Treibern den Platz passiert
haben. Unter allen Umständen bedeutet dies eine grosso Verkehrs-
störung für den einzigen Verkehrsweg zwischen Nord und Süd. 1 >er
Preis des Elefanten ist zwischen 3000 und 5000 M. Für den Handel
kommt noch als unangenehme Beigabe hinzu das Stehlen der Tiere aus
siamesischem Gebiete zumeist von den Bergbewohnern, und ihre Ver-
frachtung über die Grenze nach Birma (vgl. den Konsulatsrapport von
Mr. Stringer für Djieng Mai). Zum Teil ist das ungenügende Vor-
gehen von Seiten der Regierung gegenüber Stehler und Hehler auf die
ungenügende, nicht ausreichende Landpolizistenbesatzung zurückzuführen.
So erfolgte einmal innerhalb zweier Monate in Ra Heng ein Diebstahl
von 8 Elefanten, obwohl alle gebranntmarkt waren.
Die Gewinnung d. Teakholzes in Siam u. seine Bedeutung auf d. Weltmarkte. 47
- ^ In münohen Gebieten reicht aber der Elefant nicht einmal aus, da
die Bergschluchten zu eng sind und sich die Stämme in ihnen ver-
keilen (vgl. Doi Intanon Conzession des Lao Fürsten). Hier wird es-
nötig sein, vermittels einer Kleinbahn die Schluchten, welche einen
Transport des Teakholzes auf dem Wasserwege nicht zulassen, zu um-
gehen. Die Stämme werden auf dieser talwärts bis zu der geeigneten
Verflössungsstelle gebracht werden.
Um nun zur derzeitigen Bewertung des Teakholzes überzugehen,
so ist diese immer noch im Steigen begriiTen. Es handelt sich hier
auch nicht um eine temporäre Erhöhung, wie seinerzeit bei der Baum-
wolle, sondern, wie wir bereits sahen, liegen die Verhältnisse durch die
geringe Produktion des Rohstoffes für den Abnehmer so ungünstig, dass
die Gesellschaften völlig freie Hand in der Stellung des Preises haben.
Ein Beispiel, wie hoch zurzeit das Holz bewertet ist, ergibt sich daraus,,
dass eine chinesische Firma in Bangkok, die für 2 Mill. Mark ihre Kon-
zessionen und ihren Waldbestand verkaufte, von 4 Seiten Offerten er-
halten hat. Der grösste Teil der Konzessionen für die Teakholzwälder
ist bereits in festen Händen. Während England, Dänemark und neuer-
dings Frankreich grosse Gesellschaften besitzen, die ihre Länder auch
mit dem sehr guten siamesischen Teakholze versehen können, sind wir
Deutsche mehr oder weniger auf die Gnade dieser Gesellschaften an-
gewiesen und haben keine solche Gesellschaft. Es ist dies um so mehr
ins Gewicht fallend, als wir auch in den beiden anderen Tektona-Gebieten,.
Bii'ma und Java, nicht direkt beteiligt sind, abgesehen von einigen Reis-
exportfirmen, die auch nebenbei etwas Teakholz ausführen. Bekannt-
lich bedürfen wir eine Unmenge dieses Holzes, das billiger und mit weit
mehr Garantie von uns selbst aus diesen Ländern, vor allem aus Siam,.
geliefert werden könnte.
Die Verwendung des Holzes von Tectona f/rand/s, deren Blatt
überdies einen roten Farbstoff liefert, kommt vor allem für 3 Branchen
in Betracht: ■ , . .;, ■.,'•...
1. für die Kriegs- und Handelsmarine,
2. für den Waggonbau und
3. für die Möbel und Häuserherstellung.
Im Schiffbau wird dasselbe] in erster Linie für die Panzerhinter-
lagen und den Belag der Ober- und Aussendecks der Neubauten ver-
wendet, ausserdem zu L)eckshäusern, zu Möbeln und zu inneren Ein-
richtungen. Wegen seiner hervorragenden Eigenschaften eignet es sich
vorzüglich zum Schiffbau. „Während die europäische, sowie auch die
amerikanische Eiche einen hohen Säuregehalt hat, enthält das Teakholz
^g C C. Hosseus.
Öl, wodurch es sich in Berührung mit Elisen und Stahl sehr gut kon-
serviert. Es wird deshalb im Schiffbau stets da angewendet, wo das
Holz in direlvte Berührung mit Eisen und Stahl kommt. Es besitzt
eine ausserordentliche Festigkeit und leidet wenig unter den ver-
schiedenen Witterungseinflüssen, weshalb es auch mit Vorliebe dort ver-
wendet wird, wo das Holz stets Wind und Wetter ausgesetzt ist." (Mit-
teilung der Germaniawerft in Kiel). Man unterscheidet nach den Angaben
•der Howaldts-Werke in Kiel drei Arten der Verwendung: Teakbohlen, Bretter
und Planken, und zwar Bohlen in Länge nicht unter 6', in Breiten von
4 — 12", bei einer Dicke von 2 — 6" zur Herstellung von Wasserborden,
Skylights, Türen, Deckshäusern, Unterlagen für Ankerspille, Dampf-
winden, Reeling usw. Planken kommen in Längen nicht unter 8', in
Breiten von 4—5" und 2 — 3" stark, zur Verwendung von Decks.
Bretter finden Verwendung für Deckshäuser, Türen, Schanzkleidung um
Kommandobrücken, Tischlerarbeiten in Längen nicht unter 5', bei einer
Breite von 4 - 6" und 1 — 4" stark.
Beim Waggonbau wird das Teakholz sehr viel benützt; so werden
neuerdings z, B. auf die Eisenträger der D-Zugwagen Teakholzplanken
gebracht, um eine angenehmere Federung zu bewirken. Auch für die
Treppen, für Kästen, für Vertäfelungen ist Teakholz sehr angebracht.
Die Verwendung ist, wie wir später für die Vereinigten Nürnberg-
Augsburgschen Maschinenwerke noch sehen werden, eine äusserst
grosse.
Was den Verbrauch für die Möbelfabrikation anbelangt, so ist
es auffallend, dass in Norddeutschland derselbe gegenüber Süddeutsch-
land ein ganz verschwindender ist. In den Tropen ist die Ver-
wendung schon aus praktischen Gründen natürlich eine sehr grosse.
Neuerdings hat man sogar aus Teakholz kleine zusammenlegbare Häuser
für den Urwald hergestellt, die sich äusserst günstig bewähren.
Teakholzkisten sind für einen Reisenden in Tropenländern von
unschätzbarem Werte, da die weissen Ameisen nicht in sie eindringen, die
Kisten jeder Witterung Widerstand leisten und, wenn gut verschliessbar,
auch im Falle eines Sturzes ins Wasser unverwüstlich sind. Um ein
Beispiel der Nützlichkeit von Tectona zu geben, sei angeführt, dass mir
unterwegs, in dem Hause zu W. D. der grösste Teil meines Presspapiers
aufgefressen wurde, das noch in den europäischen Tonnenkisten ver-
packt war, während das Papier, welches auf den Teakholzplanken lag,
nicht angegriffen wurde.
Es sei nun noch auf den Verbrauch, den Preis und die Aus-
fuhr aus Slam hingewiesen. In den Jahren 1903 bis 1905 benötigten
Die Gewinnung d. Teakholzes in Siara u. seine Bedeutiing auf d. Weltmarkte. 49
6 deutsche Werften ca. 5560 cbm. Hierzu führt die Kaiserliche Werft
zu Wilhelmshafen an, dass der Verbrauch sich nicht gut nach Jahren
zusammenstellen lässt, da die Zeit, in welcher auf einem Neubau z. B.
die Panzerhinterlage eingebaut wird, eine verhältnismässig kurze ist,
und der hohe Verbrauch in dem Zeitraum ein falsches Bild geben würde.
Eine deutsche Waggonfabrik hatte in den Jahren 1900 bis 1906
einen Gesamtbedarf von ca. 2000 cbm.
Bei den Preisen, welche die kaiserlichen Werften zahlen, stand
Danzig, welches ausschhessUch Bangkok- und Moulmeinholz verwendet,
mit 152 bis 206 Mk. pro cbm am günstigsten (in den Jahren 1904
bis 1906), dann folgt Kiel mit 250 Mk. durchschnittlich und endlich
Wilhelmshafen mit 265 bis 300 Mk. Der Unterschied ergibt sich daraus,
dass das Holz in Danzig schon jahrelang lagert und früher billig ein-
gekauft wurde, während erst in den letzten Jahren die Preissteigerung
eintrat.
Von einer anderen Werft lauten die detailliert(^n Angaben:
Die Einfuhrkosten stellen sich frei Lager unverzollt auf
220 — 230 Mk. für den cbm für besägte Balken,
250-260 „ „ „ „ „ Bretter und Bohlen, für
Tischlerzwecke,
330 — 350 „ „ „ „ „ Decksplanken.
Die Einheitspreise sind ja allerdings gegenüber anderen Holzarten
recht hohe, doch wiegt die grosse Dauerhaftigkeit der daraus gefertigten
Arbeiten die hohen Kosten weit auf.
Das Bangkok- und Moulmeinholz ist da))ei dem javanischen bei
weitem vorzuziehen.
Wir kommen zum Schlüsse zur Höhe der Ausfuhr aus Slam.
Diese betrug im Jahre 1903 60753 Tonnen im Werte von 8276405
Tical, d. h. ca. 170 Mk. pro Tonne. Im allgemeinen ist die Ausfuhr
aus Slam im Steigen begriffen, doch kommen auch hier Schwankungen
vor, so weist das Jahr 1895 die zweithöchste Stelle in der Exportliste
der letzten 15 Jahre auf mit 61 770 Tonnen, gegen 78308 Tonnen im
Jahre 1904. Die Gesamtausfuhr der Jahre 1889 ))is 1904 betrug aus
Slam 664813 Tonnen gegenüber der Ausfuhr von Hirma in denselben
Jahren von 2878566 Tonnen.
Im Gesamtexport von Slam nimmt Teakholz die zweite Stelle ein;
so wurde im Jahre 1903 nach Reis mit rund 56 Millionen Tical Teak-
holz im Werte von über 8 Millionen Tical ausgeführt (gegenüber anderen
Hölzern im Werte von ca. 340000 Tical, 1 Tical = 1,23 xMk.).
An diesem wichtigen Handelsartikel nun sind wir Deutsche fast
gar nicht beteiligt. Es ist deshalb wohl von Interesse, auch noch fest-
,l:i)uesbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 4:
50 C'. C. Hosseus. Die Gewinnunj;- des Teakholzes in Siam etc.
zustollen, ilass der deutsche Schiffsverkehr, den wir der tatkräftigen
Initiative des Norddeutschen Lloyd verdanken und der hoffentlich die
neuerdmgs einsetzende scharfe japanische Konkurrenz überwinden wird,
an erster Stelle steht: für den Import 305 Dampfer, 1 Segelboot mit
326000 Tonnen und einer Ladung im Werte von ca. 38 Millionen Tical.
für den Export 310 Dampfer und ein Segelschiff mit zusammen 800000
Tonnen und einer Ladung im Werte von ca. 45V2 Millionen Ticjil.
An der Ausfuhr speziell von Reis ist hauptsächlich die Firma
Rickmers-Bremen beteiligt.
Mögen diese Ausführungen dazu beitragen, unserem Handel auch
in dem leider so vernachlässigtem Siam neue Einfuhr- und Ausfuhr-
gebiete zu erschliessen.
E. Zacharias, Über Degeneration bei Erdbeeren. 51
Ueber Degeneration bei Erdbeeren.
Von
E. Zacharias, Hamburg.
(Mit 2 Tafeln.)
Die Frage, ob Sorten von Kulturpflanzen, welche auf vegetativem
Wege fortgepflanzt werden, degenerieren können, wenn sie ein gewisses
Mter erreicht haben, ist eine alte und vielfach erörterte. Man versteht
dabei unter „Degeneration" eine Abnahme der Widerstandsfähigkeit
gegen ungünstige Bedingungen, eine Abnahme des Gedeihens überhaupt,
oder im besonderen nur ein Schwinden derjenigen Eigenschaften derent-
wegen die Sorten kultiviert werden. Obwohl sich solche Degeneration
auf Grund unserer gegenwärtigen Kenntnisse nicht nachweisen lässt,
taucht die Annahme derselben in den Kreisen der Praktiker doch immer
wieder auf. So sagt z. B. Möschke^) hinsichtlich der Erdbeeren all-
gemein: „Die Pflanzen degenerieren, d. h, je länger die ungeschlecht-
liche Vermehrung einer Sorte fortgesetzt wird, desto intensiver tritt eine
Erschöpfung, ein Müdewerden ein, welches sich im Nachlassen der Frucht-
barkeit, mitunter auch des freudigkräftigen Wachstums und der Gesund-
heit, sowie auch in einer grösser werdenden Empfindlichkeit gegen
schädliche Einflüsse und Schädlinge äussert."
Neuerdings ist die Frage u, a. hinsichtlich des ,, Abbaues" der
Karte fTelsorten eingehend geprüft worden. Tuckermann ^) gelangt nach
der Prüfung des vorliegenden Tatsachenmaterials zu dem Schluss, dass
ein allgemeines Ableben von Sorten, welches mit ihrem Alter, als Folge
der vegetativen Fortpflanzung notwendig sich einstellen muss, nicht vor-
komme, wohl aber bei manchen Sorten ein örtUches Entarten infolge
ungünstiger örtlicher Einflüsse. Zu ähnlichen Schlüssen gelangt auch
i) Möschke, Die Erdbeeren. Neueudamm 1905. 2. Aufl. p. 18. Vgl. auch
Goeschke, Das Buch der Erdbeeren. 2. Aufl. Berlin 1888. p. 50.
2) Tuckermann, Beitrag zur Frage des Abbaues der Kartoffeln.
Breslauer Dissertation, 1904. Vgl. auch Fruwirth, Die Züchtung der land-
wirtschaftlichen Kulturpflanzen, Bd. III. Berlin 190().
4.*
52
E. Zach;u"ias.
Molz') unter besonderer Berücksichtigung der an Reben gewonnenen
Erfahrungen.
Es wird nun nicht etwa beabsichtigt, die Fragen mich dem Vor-
kommen einer Degeneration und ilire Literatur hier allgemeiner zu
behandeln, nur ein Spezialfall soll erörtert werden. Die früher in den
Vierlanden bei Hamburg in grossem l'mfange betriebene Kultur der
,, Vierländer Erdbeere", einer Kulturform der Fragaria elatior, ist in
neuerer Zeit mehr und mehr aufgegel)en worden. Namentlich deshalb,
weil neuere grossfrüchtigere Sorten rentabler sind (es ist ein wirtschaft-
licher Abbau eingetreten), dann aber auch, weil die Vierländer Erdbeere
bei manchen Züchtern im Ertrage zurückging, zum Teil verkrüppelte
Früchte brachte. ^) Die Züchter meinten, die Sorte sei degeneriert.
Nähere Untersuchung ergab, dass die Züchter seit langer Zeit die nicht-
tragenden männlichen Stöcke der diözischen Sorte in ihrenKulturen vermindert
hatten, wodurch vielfach eine hinreichende Bestäubung der weiblichen
Stöcke verhindert werden musste. Schon DuhameP) sagt von der
Fragaria moschata (Capron): ,,Et si sa culture est tellement negligee
que la plupart des Jardiniers ne le connaissent que de nom c'est plutot
ä cause de sa sterilite ä laquelle ils ne savent pas le remede," und
führt dann weiter aus, dass Duchesne*) das Vorhandensein weiblicher
und männlicher Stöcke nachgewiesen habe.
Die Tatsache, dass die nichttragenden (männlichen) Stöcke für den
Fruchtansatz erforderlich seien, war den Vierländern zum Teil seit
') E, Molz, Über das Wesen der ungeschlechtlichen Vermehniug und
ihre Bedeutung für den Pflanzenbau, insbesondere die Obst- und ßebenkultur.
S.-A. aus Fühlings Landw. Ztg., .Ö3. Jahrg. 1904, Heft 15—18, p. 18, 24, u. a. a. O.
Vgl. ferner Bailey, The Survival of the Unlike. XXIV. Reflections upon
the longevit3' oi' varieties. New York 189(i. Mfibius, Beiträge zur Lehre
von der Fortpflanzung der G-ewächse. Jena 1899.
-) Vgl. E. Zacharias, Über den mangelhaften Ertrag der Vierländer
Erdbeeren. Verhandl. des Naturw. Vereins zu Hamburg 1903. 3. Folge, XI,
3) Duhamel, Traite des arbres fruitiers. Paris MDCCLXVIII. T. I,
p. 247. — Des Herrn Du Hamel du Mouceau Natiu-geschichte oder ausführliche
Beschreibung der Erdbeerpflanzen, aus dessen Abhandlung von den Obst-
bäumen besonders herausgegeben und um mehrerer Vollständigkeit willen mit
dem nötigsten aus des Herrn Du Chesne, Histoire naturelle des Fraisiers
vennehrt. Aus dem Französichen übersetzt. Mit IX Kupfertafeln. Nürnberg
bei Adam Wolfgang Winterschmidt, Kupferstecher, Kunsthändler undi\lusikalien-
verleger. 1775. p 27.
*) Duchesne, Histoire naturelle des Fraisiers. Paris MDCCLXVl.
Vgl, auch A. Schulz, Beitr. z. Kenntn, der Bestäubungseinrichtungen
und Geschlechtsverteilung bei den Pflanzen. Bibliotheca Botanica. Kassel
1890. p. 187.
über Degeneration bei Erdbeeren. 53
längerer Zeit bekannt. Sie ist aber, wie ich in einer früheren Mit-
teilung (I. c.) dargelegt iiabe, nicht immer hinreichend beachtet worden.
Dem bereits Mitgeteilten mag noch hinzugefügt werden, dass manche
Züchter auch ganz richtig beobachtet haben , die Blüten der nicht
tragenden Stöcke seien grösser als die Blüten der ,, guten" (weiblichen)
Stöcke, und ferner, dass die weiblichen Blüten ,, glatt", die männlichen
,,rauh" seien. Rauh erscheinen ihnen die männlichen Blüten durch
das Vorhandensein zahlreicher langer, fruchtbarer Staubgefässe, während
die weiblichen Blüten mit ihren kurzen rudimentären Staubgefässen den
Eindruck relativer ., Glätte" hervorrufen.
Nicht selten wird die i^]rkenntnis des Sachverhaltes den Züchtern
durch mangelnde Schärfe der Darstellung in den für Praktiker
bestimmten Büchern erschwert. So rät Zürn ^) z. B. sämtliche männ-
liche Exemplare sobald wie mögUch herauszureissen, hat dabei allerdings,
wie man aus dem Zusammenhang schliessen kann, Kulturen im Auge,
in welchen ausser eingeschlechtigen, auch Zwitterpflanzen vorkommen.
Auch die Behandlung, welche dem Gegenstande in der neuen x\uflage
von Sorauers Handbuche -) zuteil wird, ist geeignet zu irrtümlicher
Auffassung zu führen. Es heisst hier p. 290: „Die Vierländer Erd-
beeren bezeichnet Zacharias als eine Sorte, die meist entweder nur
männlich oder nur weiblich, selten monözisch auftritt. Er ist der Ansicht,
da auf den Feldern wenig männliche Pflanzen vorhanden sind, so falle
die Befruchtung unvollkommen aus. Es wird hervorgehoben, dass stets
wenig Pistille sich ausbilden, so dass sie nur einen Teil des ange-
schwollenen Fruchtbodens bedecken. Wir legen auf letzteren Punkt das
Hauptgewicht und raten zu Land- und Sortenwechsel. Zacharias
empfiehlt, mehr männliche Pflanzen zwischim den weiblichen zu halten."
Insoweit hier nur hervorgehoben werden soll, dass unter Umständen
auch andere Ursachen dem mangelhaften Ertrage der Vierländer Erd-
beeren zugrunde liegen können, als unzureichende Bestäubung, ist gegen
die vorstehenden Sätze nichts einzuwenden. Bedenklich sind sie jedoch
insofern sie auch dahin verstanden werden können, dass die Fürsor2:e
*) Zürn, Die Erdbeere. Gartenbau-Bibliothek, herausgeg. v. Dr. Ucio
Danimer. Berlin 1900. p. 11. Die Angaben Zürns erinnern an diejenigen von
Lindley (A guide to the Orchard and Kitchen Garden. London 1831. p. 490
500, 501), die gleichfalls geeignet sind, Missverständnisse hervorzurufen.
Barfuss, Das Erdbeerbuch. Berlin (F. Parey) 1901, p, 9, sagt sogar liin-
sichtlich der Vierländer Erdbeere: „in manchen Böden bilien die Pflanzen nur
Staubfäden, aber keine Früchte. Erscheinen solche Pflanzen, so müssen sie
entfernt und durch tragende Pflanzen ersetzt werden.
2) Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 3. Aufl. 190(5. p. 200.
54
E. Zacharias.
für eine hinreichende Anzahl von Männchen in den Knlluren unwesent-
lich seien. ')
Unter den Pflanzen, welche der Hamburger botanische Garten aus
den Kulturen eines Vierländer Züchters, der noch befriedigende Erträge
erzielt, bekam, fanden sich männliche Pflanzen in hinreichender Zahl.
Von zwei eingetopften weiblichen Pflanzen wurde die eine isoliert, die
andere bestäubt Von letzterer wurden am 7. Juli 1905 86 normale Früchte
geerntet. Sämtliche Blüten hatten angesetzt Ins auf drei, welche nicht
bestäubt werden konnten, da kein Pollen mehr vorhanden war, als
sie aufblühten. I»ie Blüte der weiblichen Pflanzen begann etwas später
als diejenige der männlichen. 2) Im Jahre 1906 l)egann die Blüte der
weiblichen Pflanzen am 14. Mai, diejenige der männlichen am 12. Mai.
Die letzten männlichen und weiblichen Blüten blühten in diesem Falle
allerdings gleichzeitig am 5. Juni. Es mag in diesem Zusammenhange
erwähnt werden, dass in dem durch milde Witterung ausgezeichneten
Oktober 1906 zahlreiche männliche Pflanzen zum zweitenmal l)lühten,
nicht aber die weüjlichen.
Die im Frühjahr 1905 isolierte weibliche Pflanze trug 94 Blüten,
von welchen keine ansetzte. Auch „verkrüppelte Beeren" wurden
nicht gebildet.
Äusserlich unterscheiden sich die Pistille der männlichen Blüten
nicht von denjenigen der weiblichen, auch keimt der Pollen auf den
Narben der Männchen. Indessen sind die Samenknospen hier im Ver-
hältnis zur Fruchtknotenhöhle wesentlich kleiner, als bei den Weibchen.
Ein „Ansetzen" wurde bei den Männchen niemals beobachtet.^) Die
von den weiblichen Pflanzen geernteten Samen waren keimfähig.
Demnach kann von einer Degeneration der Vierländer Erdbeeren
im allgemeinen keine Rede sein.
1) Vgl. E. Zacharias I. c. p. 32 hinsichtlich der Angaben v. Gloede.
Los bonnes Fraises. Paris 1870.
2j Ähnliches fand Fruvvirth bei Hanfpflanzen, die sich auf dem Felde
unter annähernd gleichen Verhältnissen befanden. 1. c. p. 69.
3) Nach Madame Eliza de Vilmorin in Decaisne's (Jardin fruitier
du Museum. Paris 1862 — 75. Tome IX) können die Carpelle der männlichen
Blüten von Fragaria elaiior unter besonders günstigen Umständen zu Früchten
heranreifen: „h Verrieres, oü ce fraisier se plait beaucoup, j'ai vu des pieds ä
fleurs mäles donner des fruits aussi gros que ceux des pieds ä fleurs femelles,
la seule difference etant que les fruits prodiiits par les fleurs mäles avaient le
pedoncule plus faible et les graines moins nombreuses et plus ecartees".
Bei Lindley (A guide to the orchard and kitchen garden. London
1831. p. 490) findet sich die Angabe: „The flowers called the males produce
occasionally a small imperfect fruit, with projecting seeds".
über Degeneration bei Erdbeeren. 55
Die in den Hamburger Garten gelangten Pflanzen aus den Kulturen
des oben erwähnten Züchters zeigen bei Männchen und Weibchen Ver-
schiedenheiten in der Blattgestalt, welche eine .Unterscheidung der
Pflanzen auch im nichtblühenden Zustande stets ermöghchen. Die
Piederblättchen der Männchen, Taf. I Fig. 1, sind im allgemeinen
breiter, mehr abgerundet als bei den Weibchen, Taf. I Fig. 2, deren
Blättchen sich namentlich an der Basis stärker verschmälern. Ihr Rand
krümmt sich meist unregelmässig wellig zurück, was bei den Männchen
nicht eintritt. Ferner wölbt sich die Blattfläche zwischen den Nerven
zweiter Ordnung bei den Weibchen stärker empor als bei den Männchen.
Die drei Teilblättchen des männlichen Blattes sind annähernd in einer
Ebene ausge)>reitet, während das bei dem weiblichen Blatte nicht der
Fall ist und endlich ist der Stiel des letzteren durch grössere Länge
ausgezeichnet.
Abgesehen von den geschilderten Differenzen unterschieden sich
bisher in den Kulturen des botanischen Gartens die weiblichen Stöcke
durch kräftigere Entwickelung von den männlichen. 1 »iesor Unterschied
tritt jedoch gegenwärtig (Oktober 1906) an jungen, im August 1906
gepflanzten Ausläuferpflanzen nicht in die Erscheinung. Möglicherweise
hängt das damit zusammen, dass der Gärtner, da viele Elternpflanzen
zur Verfügung standen, zur Bepf lanzung des Beetes nur besonders kräftige
Ausläufersprosse der Männchen verwendet haben mag. Duhamel
(1. c. p. 249). Goeschke (1. c. p. 58) u. a. l)Ozeichnen die männlichen
Stöcke der von Fragaria elatior abstammenden Kulturformen als die
stärkeren, und ebenso sagt Duchesne (1. c. p. 145): abgesehen vom
Geschlecht unterscheiden sie sich nicht, nur scheinen die Männchen ein
wenig stärker und behaarter zu sein.
Hinsichtlich der Abstammung der unter sich differenten Männchen
und Weibchen in den Kulturen des Hamburger Gartens w^ürden sich
verschiedene ^Möglichkeiten diskutieren lassen. Übrigens sind auch bei
anderen diöcischen Pflanzen Verschiedenheiten der Vegetationsorgane
bei Männchen und Weibchen beobachtet worden. ')
Eine besondere Besprechung verdient das Verhalten von Pflanzen,
die von einem Züchter bezogen worden waren, der über besonders ge-
ringen Ertrag klagte. Diese Pflanzen und ihre Nachkommenschaft sollen
unter den Namen „H-Pflanzen" zusammengefasst werden, die bisher be-
schriebenen mögen „G-Pflanzen" heissen. 40 H-Pflanzen wurden im
Sommer 1901 in Kultur genommen. „Die Untersuchung-) ihrer Blüten
') Vgl. u. a. Bitter, Parthenogenesis und Variabilität der Brvonia
dioica. Abb. Nat. Verein, Bremen 1904. Bd. XVIII, p. 10^.
2) E. Zacharias 1. c. p. 27. . ■ ,. .
56
E. Zacharias.
ergab, dass die Staubfäden meist auffallend kurz blieben, und kleine,
sich bald bräunende Staubbeutel trugen, welche keinen Pollen pro-
duzierten. Hier und da kamen allerdings auch besser entwickelte Staub-
gefässe vor, welche wechselnde Mengen anscheinend normalen Pollens
ergaben. Diejenigen Blüten, welche eine Anzahl besser entwickelter
Staubgefässo enthielten, waren meist grösser, als diejenigen, welche nur
sterile Staubgefässo besassen. Sämtliche Pflanzen können als vor-
wiegend weiblich bezeichnet werden. In ihren vegetativen Teilen')
zeigten sie ein gutes Gedeihen, indessen wurden nur wenige Beeren
geerntet, und auch diese waren nicht normal entwickelt. Es hatten
sich immer nur einzelne Pistille zu Früchtchen ausgebildet und
dementsprechend waren nur eng begrenzte, unter den Früchtchen
befindliche Teile der Blütenachse fleischig angeschwollen (Taf. 11
Fig. 1). Die wenigen im Jahre 1902 geernteten Samen haben
nicht gekeimt." Ein besserer Ertrag dieser Stöcke war schon deshalb
nicht zu erwarten, weil es an männlichen, hinreichend Pollen |)rodu-
zierenden Pflanzen fehlte. Im Jahre 1903 kamen von den 40 Pflanzen
5 nicht zur Blüte und auch an den blühenden Pflanzen war die Anzahl
der Blüten auffallend gering. In den folgenden Jahren verminderte sich
die Anzahl der blühenden Pflanzen mehr und mehr.
r)ie Notizen aus dem Jahre 1904 sind durch einen Unfall ver-
loren gegangen. In diesem Jahre sind eine Anzahl von Pflanzen besei-
tigt worden. 1905 waren noch 28 Pflanzen vorhanden. Von diesen
wurden zwei im März eingetopft, um Bestäubungsversuchen zu dienen.
Sie wurden in sonniger Lage unter denselben Bedingungen kultiviert wie
die beiden eingetopften G-Pflanzen, deren Fruchtertrag weiter oben
geschildert worden ist; ihre vegetative Entwickelung war gut; sie haben
aber nicht geblüht. Von den übrigen 26 Pflanzen blühten nur 12, und auch
diese brachten im allgemeinen nur wenig Blüten. Im Sommer gelangten
sämtliche Pflanzen bis auf zwei, welche geblüht hatten und eingetopft
wurden, auf ein sonniges Beet. Hier gingen im Winter und Frühjahr
zwei Pflanzen ein, so dass im Frühjahr 1906 im ganzen noch 26 Pflanzen
vorhanden waren. Von diesen blühten nur 6. Unter den blühenden
befanden sich die l)eiden im Sommer 1905 eingetopften, welche auch im
Frühjahr 1905 geblüht hatten, unter den nichtblühenden die beiden im
März 1905 eingetopften, welche auch im Frühjahr 1905 nicht geblüht
hatten und dann im Sommer nebst den übrigen Pflanzen auf das sonnige
Beet gepflanzt worden waren. Neben den H-Pflanzen wurden unter den-
1) Die Blätter näherten sich in ihrer Gestalt den Blättern der (I-
Männchen,
über Degeneration bei Erdbeeren. 57
selben Bedingungen männliche und weibliche G-Pflanzen kultiviert, die-
überreich blühten. Die wenigen blühenden H-Pflanzen hatten im Vergleich
mit den G-Pflanzen nur wenig Blüten, welche im allgemeinen kleiner
waren als die Blüten der weiblichen G-Pflanzen, ferner waren die Blüten-
stände der H-Pflanzen niedriger. Vor ihrer Verpflanzung auf das sonnige
Beet hatten die H-Pflanzen auf einem Beet gestanden, welches nach
Süden hin durch ein Gebüsch ein wenig beschattet wird. Nach Göschke
(1. c. p. 57) gedeihen Jedoch die Vierländer Erdbeeren auch in schattiger
Lage, unter dem Schutze von grossen Bäumen etc. ganz gut. Dass der
weitere Rückgang der Blütenbildung nach der Überpflanzung auf das
sonnige Beet mit der geringen Beschattung der Pflanzen auf ihrem
vorigen Standort im Zusammenhang stand, ist nicht anzunehmen. ')
Die vegetative Entwickelung der H-Pflanzen, die im Jahre 1905
noch gut war, Hess im Jahre 1906 nach; auch waren ihre Blätter
weniger tiefgrün, etwas mehr gelblich gefärbt als die Blätter der daneben-
stehenden G-Pflanzen.
Sehr gering blieb stets die Beerenernte der H-Pflanzen: 1903
wenige verkrüppelte Beeren, 1905 an 3 Pflanzen 7 verkrüppelte Beeren.
Im Jahre 1906 wurden die vorhandenen Blüten durch Insekten, ausser-
dem aber noch künstlich mit dem Pollen der an dem nunmehrigen Stand-
ort der Pflanzen reichlich auf dem benachbarten Beet blühenden
G-Männchen bestäubt. Trotzdem entwickelte nur eine Infloreszenz 11
gutausgebildete Beeren, von denen ein Teil völlig mit anscheinend
normalen Früchtchen besetzt war. Die übrigen Infloreszenzen trugen,
insoweit sie überhaupt angesetzt hatten, nur verkrüppelte, mit einzelnen
Früchtchen besetzte Beeren. Auch die beiden im Sommer 1905 ein-
getopften Pflanzen trugen nur je eine verkrüppelte Beere, obwohl ihre
wenigen Blüten sorgfältig mit G-Pollen bestäubt worden waren.
Von den im Jahre 1906 geernteten Samen hat ein Teil gekeimt.
Die Ausbildung verkrüppelter Beeren wird in der Gartenliteratur
auf eine Beschädigung des Fruchtblattträgers durch Frost oder Dürre
zurückgeführt. „Bei den durch Frost entstandenen Verkrüppelungen (sagt
Spangenberg)^) sehen wir teilweise Umgrenzungen der Frostwirkung
an den Früchten in Gestalt unregelmässiger schwarzer Vertiefungen oder
schwarzer Knoten; bei den durch Dürre entstandenen erkennen wir
Verhärtungen des Fruchtfleisches, entstanden durch zu geringe Feuchtig-
keit oder durch gänzliches Fehlen derselben im Boden."
1) Vgl. Wilhelm Benecke , Einige Bemerkungen über die Bedingungen
des Blühens und Fruchtens der Gewächse, Bot. Ztg. 1906, TL AbtIg.. p. 97 u.
die liier zitierte Literatur.
2) Spangenberg. Praktische Erdbeerknltur. Frankfurt a. O. 190.'). p. 24.
.58
E. Zacharias.
Schon Duchesno ') beschreibt, dass die ersten Blüten der Praisiers
de bois zuweilen durch Frostschaden im Zentrum absterben. Ovarien
und Fruchtboden werden dann schwarz, während Staubgefässo sich
normal entwickeln. ^) Von dieser Schädigung durch Frost unterscheidet
dann Duchesne ein Vertrocknen der Ovarien und des Fruchtbodens,
wobei keine Schwärzung eintritt. Dieses Vertrocknen wird aber in dem
von Duchesne für den Fraisier coucou {Fragaria s'ilvesiris ahortivä)^)
geschilderten Fall nicht durch WasscM-mangel im Boden, sondern durch
Unfruchtbarkeit der meisten Pistille bedingt. An den Narben konnte
Duchesne keine Fohler entdecken, trotzdem hatte er 1766 niemals
vollständige Beeren an den Praisiers coucou gesehen. „Certains stig-
mates (heisst es 1766 1. c. p. 107) etant propres ä etre fecondes, les
ovaires auxquels ils repondent viennent a bien, et alors la partie du
Support qui soutient chacun d'cux et entoure son vaisseau nourricier,
prend aussi de l'accroissement, il forme un bouton pulpeux de figure
ronde, et dont la peau rougit faiblement, Tovaire qui termine ce bouton
est fort rouge et plus gros memo que coux du Fraisier ordinaire : quand
ils sen trouvent plusieurs de fecondes les uns pres des autres, ces especes
de Supports particuhers se confondent, et forment. pour ainsi dire, des
portions de Fraises."
Diese Beschreibung passt vortrefflich auf die verkrüppelten Beeren
der H-Pflanzen. Da sie nicht nur an den isolierten, sehr wenig Pollen
produzierenden H-Pflanzen, sondern auch nach der Bestäubung mit
G Pollen unter Bedingungen auftraten, welche eine reiche Ernte völlig
normaler Früchte bei den unmittelbar benachbarten, gleichzeitig blühenden
G-Pflanzen gestatteten, dürfte anzunehmen sein, dass ein grosser Teil
der H-Pistille überhaupt nicht befruchtungsfähig gewesen sei. Allerdings
zeigten im Frühjahr 1906 manche Blüten der H-Pßanzen geschwärzte
Fruchtblattträger, eine Erscheinung, die nach Angabe der Praktiker ein
untrügliches Zeichen von Frostbeschädigung sein soll.'') Es ist hier noch
weitere Prüfung des Sachverhaltes erforderlich. Namentlich wird auch
zu untersuchen sein, ob mit zunehmendem Alter der Pflanzen eine Ände-
J) 1. c. Remanjues particulieres, p. 2.
2) Auch Linne hat entsprechende Beobachtungen gemacht. Im Jahre
176-± schrieb er an Duchesne: ,,Dum de sexu loqueris, rogo. caveas ne flores
frigore vernali destnictos pro masculis habeas, quod frequeuter apud^ nos
contingit." (Duchesne , Sur les Fraisiers. Encyclopedie methodique. Botanique
par Lamarck, Tome II, Paris 1786, p. 534.)
3j Vergl. hinsichtlich des Fraisier coucou die Anm. ;;tn Schliisse dieser
Mitteilung.
4) Vgl. u. a. Der praktische Ratgeber im Obstr und Gartenbau. Frank-
furt a. O., Jahrgang 11300, p. 224.
über Degeneratinn bei Erdbeeren. 59
rung in den Geschlechtsverhältnissen der Blüten eintritt.') Wie alt die
H-Pflanzen waren, als sie in den botanisclien Garten gelangten, ist nicht
bekannt.
Von allgemeinerem Interesse ist die Abnahme der Blütenbildung und
schhesslich auch der vegetativen Entwickelung der H-Pflanzen mit zu-
nehmendem Alter.
Nach allgemeiner Angabe der Erdbeerpflanzer pflegt der Ertrag
der Kulturen vom dritten Jahre an abzunehmen. Verschiedene Sorten
scheinen sich verschieden zu verhalten.
Hinsichtlich der Fragaria moseliata bemerkt Duchesne (1766, I. c.
p. 501): man tue gut die Pflanzung nach zwei Ernten zu erneuern.^)
Ebenso sagt Zürn (1. c. p. 12): „Die Vierländer Erdbeere verlangt zum
Fruchtbarsein eine Neupflanzung alle zwei Jahre." Es wird empfohlen
die Anlage neuer Erdbeerpflanzungen auf einem Gelände zu bewirken, das
seit längerer Zeit keine Erdbeeren getragen hat. Ferner wird in der
Gartenliteratur darauf hingewiesen, dass die Rhizome älterer Pflanzen
sich mehr und mehr über den Boden erheben, und dass infolgedessen
die an den jungen Rhizomteilen gebildeten neuen Wurzeln meist ver-
trocknen ohne den Boden zu erreichen. Das „Zurückgehen" mancher
Stauden, welches man in botanischen Gärten l^eobachten kann, dürfte zum
Teil durch entsprechende Verhältnisse bedingt werden.
Nach Rimbach') gehört Fragaria vesca zu denjenigen Pflanzen,
deren „kontraktile Advontivwurzeln einseitig an der mehr oder weniger
aufrecht wachsenden Sprossachse wirken und dieselbe seitlich nieder-
ziehen. Die Pflanze bildet meist einen längeren, häufig verzweigten
Erdstamm und ihre Abwärtsbewegung ist verhältnismässig gering."
Die Züchter suchen das Abtrocknen der Wurzeln älterer Pflanzen zum
*) Bezüglich des Einflusses äusserer Bedingungen ;uii' die Geschlechts-
verhältnisse bei Erdbeeren vgl. u. a. :
Downing. The Fruits and Fruit trees of America. London 184."),
p. 524.
Bailey. The principles of Fruit-Growing. New-York 1897. p. 227.
Zacharias 1. c. p. 30 , ferner p. 54 dieser Abhandlung.
2) Demgegenüber bemerkt allerdings Decaisne (Le jardin Fruitier du
Museum. Tome IX. Paris 18()2 — 75): „Un des grands merites de ce Fraisier
est de n'etre pas difficile sur le choix du terrain, d'y rester de longues annees
et d'v produire abondamment, sans qu'on ait d'autre soin a prendre que cekii
de couper las coulants."
3) Rimbach. Die kontraktilen Wurzeln und ihre Tätigkeit. (Fünfstücks
Beiträge zur wissenschaftlichen Botanik. Bd. II, Abt. I. 1897.)
Vgl. auch Stroever, Wurzelverkürzung. Diss. Jena 1892 und die hier
zitierte Literatur.
60
E. Zacharias.
Teil durch Anhäufeln von Boden zu verhindern und G. Lindemann')
berichtet z. B., dass er durch Bedecken der ziemlich weit über den
Boden emporragenden Wurzelhälse sechsjähriger Pflanzen mit Erde
vortreffliche Resultate erzielt habe, liulessen scheinen für das Zurück-
gehen der älteren Pflanzen auch noch andere l'mstände als das etwaige
Abtrocknen der jungen Wurzeln in Frage kommen zu können. Jeden-
falls konnte das Zurückgehen der H-Pflanzen durch ein Tiefersetzen^
welches gelegentlich ihrer Umpflanzung im Jahre 1905 erfolgte, nicht
aufgehalten werden. Auch ungünstige Bodenverhältnisse können für
den Rückgang der H-Pflanzen kaum verantwortlich gemacht werden, da
sie im botanischen Garten auf BiUlen kultiviert wurden und werden, die
jedenfalls seit Jahren keine Erdbeeren getragen haben, und auf welchen
die jüngeren G-Pflanzen vortrefflich gedeihen. Dementsprechend sagt
auch Gloede (1. c. p. 26), dass Erdbeeranpflanzungen, auch wenn man für
Bedeckung der Rhizome und Düngung gesorgt hat, nur zwei bis drei
befriedigende Ernten geben. 2) Die Untersuchung über die Ursachen des
Zurückgehens älterer Pflanzen soll in den nächsten Jahren fortgesetzt
werden.
Es ergibt sich weiter die Frage, ob die von den alten H-Pflanzen
abstammenden Ausläuferpflanzen die ungünstigen Eigenschaften ihrer
Stammpflanzen erben, so dass etwa durch Vermehrung derartiger alter
Pflanzen auf vegetativem Wege eine sehr blütenarme oder nicht blühende
Sorte erzielt werden könnte. Die Angaben mancher Züchter sprechen
dafür.
Nach Möschke (1. c. p. 18, 24) wirkt die Entnahme der jungen
1 pflanzen von alten, total erschöpften Beständen besonders nachteilg. Vor
dem Abtragen stehende alte Pflanzen sollen nicht als Mutterpflanzen
dienen. Berner^) „fiel es in seinen Neuanlagen auf, dass die Pflanzen,
welche aus einjähriger Anlage entnommen wurden, nur zwei Prozent
Nichtblüher hatten, die anderen dagegen, welche aus älterer Anlage
1) G. Lindemann. Die Erdbeerbeete müssen aufgefüllt werden. T»er
praktische Eatgeber im Obst- und Gartenbau. Jahrg. 190-i, p. 114. Schon
Miller (The Gardeners .üictionary, London 1733, 2 Ed.) rät: „about Michaelmas
throw a little fine earth over the Beds between the plants, being very
careful not to lay it to thick as to bury the plants this will greatly
strengtben them and cause their fruit to be larger and in greater Quantities
than they would be if left undressed.
2) Vgl. auch: Le comte de Lambertye. Le Fraisier. Paris IKli-l,
p. 194, 195.
^) Bern er. Fruchtbarkeit der Erdbeeren. Der praktische Ratgeber im
Obst- und Gartenbau. Jahrg. 1903, p- ^1^-
über Degeneration bei Erdbeeren. 61
stammten, hatten 18 Prozent". Ebenso hat schon Miller*) mitgeteilt,
dass man von alten Stöcken sterile Ausläuferpflanzen erhält.
Von den beiden im März 1905 eingetopften und später wieder
ausgepflanzten nicht blühenden H-Stöcken wurden 1905 29 Ausläufer-
pflanzen abgenommen und mit den beiden Stammpflanzen auf dasselbe
Beet gepflanzt. 1906 blühten von diesen sieben. Die Anzahl der
Blüten an den einzelnen Pflanzen war gering. Sie waren weibHch bis
auf einige Blüten mit fruchtbaren Staubgefässen, welche unter weiblichen
Blüten an einer der Pflanzen auftraten. Manche Blüten zeigten ge-
schwärzte Fruchtblattträger, mögen also durch Frost gelitten haben.
Nach sorgfältiger Bestäubung mit G- Pollen setzten die meisten
Blüten nicht an, andere brachten verkrüppelte Beeren mit wenigen
Früchtchen, nur sechs Beeren waren leidlich entwickelt, besassen aber
auch noch viel fehlgeschlagene Früchtchen.
Die vegetative Entwickelung der Pflanzen war zum Teil recht
schwach, was damit zusammenhängen kann, dass bei ihrer Entnahme
von den zwei Mutterpflanzen nicht nur die stärksten verwendet wurden,
wie es zu geschehen pflegt, wenn die Züchter von einer gr(')sseren An-
zahl von Mutterpflanzen den Nachwuchs abnehmen.
Erst das weitere Verhalten dieser Pflanzen nach etwaiger Er-
starkung und dasjenige einer grösseren Anzahl in diesem Jahre den
alten H-Pflanzen entnommener Ausläufersprosse und ihrer Nachkommen-
schaft wird ein Urteil über die aufgeworfene Frage gestatten.
Anm. Unter dem Namen „Coucou" sind von verschiedenen Atttoren
sterile Pflanzen verschiedener Art zusammengefasst worden.^) De la
Quintinye") sagt von den Coucous: „la plüpart d'entr' eux sont Prai-
siers, qui ont degenere", und rät dringend, sie sorgfältig aus den Kulturen
zu entfernen. Dass Quintinye hier, wie Lambertye es für möglich zu
1) Zitiert nach Duchesne. In der mir vorliegenden '2. Aufl. von Millers
Clardeners Dictionarj (1733) fehlt die Angabe. Vgl. ferner: Green. The Uni-
versal Herbai. 2. edition. London 182-i. vol. I, p. 575 und Lambertye 1. c.
p. 217, 220, 2(U, 277. Auf die allgemeinere Literatur der hier in Betracht
kommenden Erblichkeitsfragen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
2) Über etwaige Beziehungen der Coucous zu Fragarla HayenbacMana.
vesca und coUina vgl. die Ausführungen von Madame Eliza de Vilmorin und
von Gay in dem Artikel über den Fraisier de Bargemon bei Decaisne. Jardin
Fruitier du Museum. T. IX. Paris 18G2— 75; ferner: Le comte de Lambertye
(1. c.) p. 31, 34, 36, 126, 254.
3) De la Quintinye. Instruction pour les jardins fruitiers et potagers.
Nouvelle edition T. II, p. 118. Paris 1739.
g2 K- Zacharias, Über Degeneration Ijei Enlbeerv-n.
hallen scheint, die männlichen Stöcke von Frcf/ar/a elatior im Auge
gehabt hat, geht aus dem Zusammenhang nicht hervor. Allerdings
wird nach Poiteau") das Männchen von Frayarki chit/or „designe
vulgalrement sous le nom de Fraisier coucou".
1) Poiteau. J'omologie Franraise. Zitiert nach Lambert\"0. I.e. [>. 31.
Flgurenor klärung.
Tafel 1.
Figur 1. Blatt einer männlichen Pflanze.
Figur 2. Blatt einer weiblichen Pflanze.
Tafel II.
Figur 1. Verkrüppelte Beere einer H-Pflanze vergrössert.
Die Figur zeigt ein befruchtetes Pistill, welches dem fleischig
angeschwollenen Teile des Fruchtblattträgers aufsitzt. Die übrigen
Pistille samt den Staubgefässrudimenten der weiblichen Blüte sind
vertrocknet.
Figur 2. Beere einer H-Pflanze mit einer grösseren Anzahl befruchteter Pistille,
daneben unbefruchtete.
Die Beere dementsprechend nicht normal abgerundet.
Fignr 3. Normale Beeren einer G-Pflanze.
A. Wieler, Die Bedeutung der Luftaualyse für die Rauchexpertise. Q^
Die Bedeutung der Luftanalyse für die Raucliexpertise.
Von
A. AVieler, Aachen.
Es war ursprünglich nicht meine Absicht, auf der Versammlung
der Vereinigung für angewandte Botanik in Hamburg einen Vortrag zu
halten. Als ich aber an einem sehr schönen klaren Nachmittage durch
die Lüneburger Heide gefahren war und vergeblich nach dem bekannten
Stadtbilde ausschaute, als wir uns Hamburg näherten — so war die
Stadt in Dunst und Qualm eingehüllt — bin ich anderen Sinnes ge-
worden. Da schien es mir doch zweckmässig zu sein, auch bei dieser
Versammlung und an diesem Ort<> das in neuerer Zeit in immer steigen-
dem Masse die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Rauchschadenproblem
zu berühren. Ich hal)e deshalb gerne die Gelegenheit ergriffen, um
einenPunkt zurSprache zu l>ringen, der mir ganz besonders am Herzen liegt.
Die Ursache der Rauchschäden sind bekanntlich die sauren Gase,
welche mit den übrigen Verbrennungsprodukten den Kaminen ent-
strömen. Es kommen hierbei nicht nur industrielle Unternehmungen in
Betracht, welche saure Gase als Nebenprodukte des Betriebes entweichen
lassen, sondern alle Feuerungen, da die Kohle in höherem oder ge-
ringerem Grade Schwefel enthält, wodurch schweflige Säure in die Luft
gelangt. Von allen sauren Gasen ist daher die schweflige Säure am
verbreitetsten und spielt bei den Rauchschäden die hervortretendste
Rolle. Wie beträchtlich die aus der Verbrennung der Kohlen entstehende
schweflige Säure ins Gewicht fällt, mag eine Berechnung illustrieren,
welche Hasenclever') vor einigen Dezennien für Stollberg i. Rh. ange-
stellt hat. Danach produzierten 28 industrielle Unternehmungen in
24 Stunden aus der verbrannten Kohle 34500 kg SOg, aus der Fabri-
kation 51338 kg SO2 und 750 kg HCl, so dass mehr als ein E>rittel
der in diesem Gebiet produzierten Säuremenge aus den verijrannten
Kohlen herstammte. Wo die Hausfeuerungen sich häufen wie in den
grossen Städten, muss die aus der Kohle stammende schweflige Säure
1) Über die Beschädigung der Vegetation durch saure Gase. Chemische
Industrie 1879.
g4 A. Wieler.
gleichfalls ihren schädlichen Einfluss geU.eiid machen. Und wenn mit
dem Anwachsen der Städte die Vegetation notleidet, so trägt jene einen
wesentlichen Teil der Schuld, wenn nicht die Hauptschuld.
Obgleich man sich in neuerer Zeit mohrfach eingehend mit der
Einwirkung der sauren Gase auf die Vegetation beschäftigt hat, ist die
Rauchexpertise doch auch heute noch recht unbefriedigend und haupt-
sächlich deshalb, weil man über die in der Luft herrschende Säure-
Iconzentration nicht unterrichtet ist. Welche praktische Bedeutung hat
■es. die Säurokonzentration, bei welcher Schäden auftreten können, zu
ermitteln, wenn wir im unklaren darüber bleil)en, welche Konzentrationen
dort herrschen, wo die Säureschäden beobachtet werden? Schon das
wissenschaftliche Gewissen wird immer von neuem daran mahnen, diese
Lücke auszufüllen. Und mit Recht darf man hoffen, eine sichere Grund-
lage für die Rauchexpertise aus der Ermittlung der in der Luft herrschen-
den Säurekonzentration zu gewinnen.
Bei der Ermittelung der Rauchschäden spielt heute die chemische
Analyse, allerdings unter Berücksichtigung des ganzen Zustandes der
Vegetation die erste Rolle. Aus einem hohen Säuregehalt gegenüber
■dem normalen in den Blattorganen wird vielfach selbst, wenn diese keine
sichtbaren Beschädigungen aufweisen, auf eine Schädigung der Pflanzen
durch die Säure geschlossen. Es wird dabei übersehen, dass die An-
wesenheit selbst einer verhältnismässig bedeutenden Monge Säure in den
Blättern durchaus kein Kriterium für eine Schädigung derselben ist.
Der Schädigungsgrad und die Menge der aufgenommenen Säure gehen,
wie aus mancherlei Angaben hervorgeht, durchaus nicht Hand in Hand,
da die Wirkung der Säure in erster Linie von der Konzentration, unter
wek'lier die Pflanzen stehen, abhängig ist. So können nach Wislicenus
durch Säure stark beschädigte Blätter sehr geringe Mengen Säure ent-
halten, vollständig unbeschädigte reich daran sein. In der Oberförsterei
Clausthal konnte ))eispielsweise festgestellt werden, dass die gesunden
Krummholzkiefern im Hüttenrauch 0,327, ausserhalb desselben 0,138 %
SO,, in den Nadeln enthielten.
Nicht jeder Säuregeha,lt in der Luft führt zu einer Schädigung
der Pflanzen, sondern diese müssen vorübergehend oder dauernd unter
der Einwirkung bestimmter Konzentrationen der Säure stehen, wenn sie
durch ihre Blattorgane direkt oder indirekt Schaden nehmen sollen.
Wo diese Bedingung nicht erfüllt ist, können die beobachteten Schäden
auch nicht durch die Blattorgane hindurch eingetreten sein. Es würde
alsdann die Analyse zu sehr irrigen Schlüssen führen können. Eine
durch sie feststellbare Steigerung des Säuregehaltes der Blattorgane
gibt zunächst nur darüber Aufschluss, l)is zu welcher Entfernung von
Die Bedeutung der Liiftanalyse für die Raucliexperti.se. 65
.der Rauchquelle die Säure geführt wird und kann bei richtiger Inter-
pretation Anhaltspunkte für die mit wachsender Entfernung von der
, Rauchquelle abnehmende Säuremenge in der Luft geben. Will man
eine tiefere Einsicht in die sich in den Rauchschadengebieten abspielen-
den Vorgänge gewinnen, so ist es unbedingt nötig, eine Vorstellnng von
der in der Luft herrschenden Säurekonzentration zu erhalten, es sei
denn, es handle sich um so handgreifliche Beschädigungen, dass sich
die Anwendung feinerer Methoden erülnigt.
Die Säurekonzentration, unter welcher die Pflanzen in einem Rauch-
schadengebiet stehen, lässt sich auf keine andere Weise feststellen als
durch eine Analyse der Luft. Aus einem Vergleich der dort herrschen-
den Konzentration mit den Konzentrationen, bei welchen in den Ver-
suchen eine Beschädigung der Blattorgane oder eine Beeinflussung ihrer
Punktion erfolgt, muss sich dann beurteilen lassen, ob eine Einwirkung
der Säure auf die Pflanze durch die Blattorgane hindurch vorliegen
kann. Auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen kommt
Wislicenus zu dem Schluss, dass die Grenzkonzentration für schweflige
Säure bei der empfindlichen Pichte l)ei l : 500000 liegt. Wo also Rauch-
schäden an Pichten auftreten, müsste die . herrschende Säurekonzen-
tration oberhalb dieser Grenze liegen, vorausgesetzt natürlich, dass dieser
Wert richtig bestimmt ist. Das sind immerhin noch sehr bedeutende
Verdünnungen für die gewöhnlichen analytischen Methoden, und sie
haben den Nachteil, • dass man gezwungen ist, den Versuch auf eine
grössere Zahl von Stunden auszudehnen, da die Absorption der Säure
aus der Luft durch das Absorptionsmittel nicht beliebig gesteigert werden
kann. Man muss immer damit rechnen, 1000 — 2000 Liter Luft auf-
zufangen. Ich habe meine Versuche meistens auf 6 Stunden ausge-
dehnt, wobei 1200 Liter durch das Absorptionsmittel durchgeleitet wurden.
Im übrigen ist die Methode sehr einfach. Mittelst eines Aspirators irgend-
welcher Konstruktion wird die genau gemessene Luft durch die Wasch-
flaschen mit der Absorptionsflüssigkeit durchgesogen. Ich verwendete
als Absorptionsmittel eine Lösung von Kaliumkarbonat, welche den
Nachweis jeglicher Säure gestattet. Herr Porstrat Ger lach in
Waidenburg i. S., der sich unabhängig von mir sogar schon vor mir
mit derartigen Analysen befasste, benutzte anfänglich Kalilauge, in neuerer
Zeit eine Bromitlauge, ^) w^elche zur Absorption der schwefligen Säure
geeigneter sein dürfte als Kalilauge oder Kaliumkarbonat. Die Säuren
sind in den Absorptionsmitteln gewichtsanalytisch nach bekannten .
1) 50/0 Lösung von kohlensaurem Kalium, der Brom bi.s zur starken
Gelbfärbung zugesetzt wird. , ■■■:.;„ ~ ;.•
Jahresbericht der Vereinigung für ang-ewnndto lidt.inik IV. g
66
A. Wieler.
Methoden zu bestimmen, die scliweflige Säure beispielsweise als schwefel-
saurer Baryt.
Der Hauptnachteil dieser ganzen Methode besteht in der grossen
Unbequemlichkeit, stundenlang in kurzen Intervallen die Aspiratorgefässe
wechseln zu müssen. Bei dem kleineren der von mir benutzten Apparate
mussten die Gefässo alle drei, bei dem grösseren alle fünf Minuten
gewechselt w^erden. Diese Unbequemlichkeit und der Zeitverlust sind
so beträchtlich, dass man die Versuche über das absolut Notwendige
hinaus nicht ausdehnen wird. Nun lassen sich zum Glück die mit der
Hand zu bedienenden Apparate durch automatisch wirkende Apparate
ersetzen, die freilich teurer und komplizierter sind, die aber beliebig viele
Analysen auszuführen gestatten würden.
Mit meinen beiden Apparaten habe ich in der kleinen und grossen
Probstei bei Stolberg i. Rh. eine grössere Zahl Analysen') ausführen
lassen, als der Wind auf den Wald zustand. Der Standort war von
der ersten und wohl auch wichtigsten Rauchquelle in der kleinen Probstei
1200 und in der grossen Probstei 2400 m entfernt. Es wurden folgende
Werte ermittelt für
die kleine Probstei die grosse Probstei
1:1888000 1:216000
1: 275000 1:450000
1 : 390000 1 : 380000
1: 662000 1:431000
1 : 500000
1:315000
1 : 460000
Man sieht aus diesen Zahlen, dass die Säurekonzentration in der
Luft stark schwanken kann, und damit muss man natürlich immer bei
den Analysen rechnen. Andererseits haben die meisten Bestimmungen
eine Konzentration ergeben, w^elche oberhalb der Grenzkonzentration
1 : 500000, in mehreren Fällen erheblich oberhalb derselben hegt. Diese
Methode ist auch bei sehr viel stärkerer Verdünnung der Säure in der
Luft noch anwendbar, w^enn man nur entsprechend grössere Mengen
Luft durch die Absorptionsgefässe hindurchsaugt, wie das aus einer Reihe
von auf dem Aussichtsturm im Aachener Stadtwald ausgeführten
Bestimmungen hervorgeht:
bei West- und Nordwestwand . . . 1 : 2043000
„ Südwind 1:27370000
„ Westwind 1 : 2232000
') Wieler, Untersuchungen über die Einwirkung schwefliger Säure auf
die Pflanzen. Berlin 1905. S. 356 ff.
Die Bedeutung der Luftanalyse für die Rauchexpertise. 67
bei Ost-Nordostwind 1: 1700000 ^
„ Nordostwind 1 : 1665000 ■'
„ starkem Ostwind 1: 2730000
Wenn man von der südlichen Richtung absieht, enthält die Luft
auch hier noch erhebliche Mengen Säure. Im Süden ebenso wie im
Osten vom Aussichtsturm liegen keine Rauchquellen. AVeiin dennoch
bei starkem Ostwind eine Konzentration von 1 : 2730000 gefunden wurde,
so muss diese Menge aus dem nordöstlich gelegenen Slolberg stammen.
Dieselbe Rauchquelle, welche für den Probsteiwald in Betracht kommt,
liegt von dem Aussichtsturm IOV4 km in nordöstlicher Richtung entfernt
und liefert hier noch eine Konzentration von 1 : 1665000 und 1 : 1700000.
Der verhältnismässig hohe Säuregehalt aus westlicher Richtung ist auf
das in 8 km Entfernung auf belgischem Gebiete Hegende Bleyberg mit
Bleierzgruben zurückzuführen.
Die Ergebnisse meiner Versuche dürften dazu ermuntern, derartige
llntersuchungen fortzusetzen und die Analysen tunlichst zu vermehren.
Ich verkenne nicht, dass diesem Vorhaben auch Schwierigkeiten entgegen-
stehen. Es sind das in erster Linie die meteorologischen Verhältnisse.
Wechselnde Windrichtung, ungleiche Windgeschwindigkeit, Nebel oder
heitere und trockene Luft, alle diese Umstände müssen das Resultat
modifizieren. Es wird vielfach zufällig sein, ob man die richtigen Um-
stände erfasst hat. Diese Einflüsse lassen sich aber beseitigen oder
beschränken durch eine Vermehrung der Analysen. Li den Säuregehalt
der Luft können auch dadurch Schwankungen kommen, dass die aus
den Kaminen der industriellen Etablissements austretenden Säuremengen
nicht konstant sind, und wenn diese Mengen in kurzen Zeiträumen stark
schwanken, könnte natürlich die Luftanalyse falsche Vorstellungen von
dem Sachverhalt geben, da die Absorption immer über eine grössere
Zahl von Stunden ausgedehnt werden muss, um die ausreichende Menge
Säure zu absorbieren.
Aber alle diese Bedenken dürfen nicht davon abschrecken, solche
Luftanalysen auszuführen, denn auch hier gehört dem Mutigen die Welt,
und ein einziges positives Ergebnis kann für viele negative entschädigen.
Der Gewinn, welcher aus solchen Analysen entspringt, ist bedeutend,
denn dies ist der einzige Weg, wie Klarheit über die Verteilung der
Säure in der Luft zu erhalten ist; heute sind wir noch sehr mangelhaft
darüber unterrichtet, wie die Verteilung der Säure bei ruhender und
bewegter, bei feuchter und trockener Luft, bei klarem und nebeligem
Wetter ist, und deshalb können alle diese Faktoren bei Beurteilung der
Beschädigung der Vegetation durch die sauren Gase nicht genügend ge-
würdigt werden. Eine svstematische Erforschung dieser Verhältnisse
ßS
A. Wieler.
mittelst Luftanalysen wäre sehr wünschenswert. Bis sich dieser Wunsch
aber verwirklichen lässt, möchte ich jeden Kollegen, der in die Lage
kommt, als Sachverständiger in Rauchschadenprozessen, l>ei denen die
Höhe des Objektes auch einen grösseren Aufwand an Kosten rechtfertigt,
tätig sein zu müssen, und denjenigen, der in oder bei einem Rauch-
schadengebiet lebt und über die entsprechenden Mittel verfügt, anregen,
seine Aufmerksamkeit der Luftanalyse zuzuwenden und sie eventuell zur
Ermittelung der LTrsache der Beschädigung anzuwenden. Dass unter
Umständen auf diesem Wege ein einwandfreier Beweis für dit^ Schädi-
gung der Vegetation durch die Rauchgase eines bestimmten industrielle!)
Unternehmens erbracht werden kann, geht aus einer brieflichen Mit-
teilung des Herrn Forstrat Gerlach in Waldonburg i, Sa. hervor.
Die dortigen Waldungen leiden unter der Einwirkung einer Sulflt-
zellulose- und Papierfabrik. In einer Entfernung von 2 km von der-
.selben wurde der Gehalt der Luft an schwefliger Säure bestimmt. Die
Analyse ergab ein Verhältnis von 1 : 20000, eine Konzentration, welcher
selbst wenn sie nur kurze Zeit einwirkt, namhafte Schäden anrichten
muss, und den Wald zerstören kann, wenn sie dauernd herrscht. Wir
haben hier ein drastisches Beispiel, dass die Säurekonzentration in der
Luft viel höher ist, als man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist.
Am leichtesten und bequemsten Hessen sich die Luftanalysen in
grösserem Umfange in den grossen Städten ausführen, welche ja geradezu
als Rauchschadengebiete betrachtet werden können. In allen grossen
Städten wird Klage geführt, dass die Vegetation sich nicht mehr so
freudig entwickeln will wie früher, dass manche Ptlanzonarten überhaupt
nicht mehr zu ziehen sind, dass gewisse Flechten nicht mehr auftreten
usw. Das sind alles Anzeichen, dass in dem engen Zusammenwohnen
der Menschen etwas Schädhches für die Pflanzen liegt, und dies Schädliche
sind die sauren Gase, welche aus den Feuerungen in die Luft gelangen.
In den Städten gesellt sich zu diesem botanischen Interesse noch ein
hygienisches; denn die sauren Gase sind auch für die Gesundheit der
Menschen nicht vorteilhaft. Wenn nun auch die Ermittelung des Säure-
gehaltes der Luft für die Hygiene zunächst nur akademisches Interesse
hat, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass auch für sie aus dieser
Kenntnis praktische Resultate herausspringen können. Das Interesse,
welches Gartenbau und Hygiene an der Verunreinigung der Luft durch
saure Gase nehmen, dürfte es gerechtfertigt erscheinen lassen, auch in
den Städten Luftanalysen auszuführen.
In den grossen Städten ist, wie gesagt, die Luftanalyse leicht aus-
zuführen, da man keiner grossen Apparatur und keiner Beaufsichtigung
derselben bedarf wie etwa im Walde oder auf freiem Felde. Eine an
Die Bedentung der Luftanalyse für die Rauchexpertise 69*
die Wasserleitung angelegte Wasserstrahlluftpumpe würde einen auto-
matisch arbeitenden Aspirator ersetzen. Um die durchgesogene Luft-
menge zu bestimmen, könnte zwischen die Pumpe und die Absorptions-
gefässe ein von der nächsten Gasanstalt geliehener Gasmesser einge-
schaltetwerden. Der Wasserzustrom zur Pumpe gestattet eine Regulierung
der Menge Luft, welche stündlich durch die Absorptionsgefässe streichen
soll. Wenn ich bei meinem Handapparat stündlich 200 1 durchlaufen
Hess, wurde alle Säure in drei hintereinandergeschalteten einfachen
Waschflaschen mit je 100 cbcm Flüssigkeit absorbiert. Die Hauptarbeit
würde aus dem Wechsel der Absorptionsflüssigkeit und aus der Schwefel-
säurebestimmung, mit der sich der Botaniker wohl nur ungern befassen
wird, erwachsen. Aber auch die letztere Schwierigkeit dürfte sich leicht
heben lassen, wenn die Analysen einem gewiegten Analytiker, der schon
in kurzer Zeit eine grosse Zahl von Schwefelsäurebestimmungen aus-
führen könnte, übertragen würden. So wäre man in den Städten leicht
in der Lage, eine grössere Zahl von Luftanalysen auszuführen.
In keiner unserer grossen Städte scheinen mir die Bedingungen
für die Ausführung des Vorgeschlagenen so günstig zu liegen wie in
Hamburg, und ich möchte deshalb den Hamburger I\ol]egen warm ans
Herz legen, sich mit dieser Aufgabe zu befassen. Die bedeutende
Industrie Hamburgs, der rege Dampfer- und Eisenbahnverkehr und die
zahlreichen Hausfeuerungen von ungefähr 1 Million Menschen müssen
hier eine Luft schaffen, die gewiss reich an sauren Gasen ist. Über
sämtliche meteorologische Faktoren ist man durch die Aufzeichnungen
der Seewarte aufs genaueste unterrichtet. Die wissenschaftlichen Staats-
anstalten verfügen über die entsprechenden wissenschaftlichen Kräfte für
die Versuchsanstellung und zur Ausführung der Analysen und könnten
die Untersuchungen ohne wesentliche pekuniäre Mehrbelastung ausführen.
An je zahlreicheren Punkten die Luft analysiert würde, um so besser
wäre es; aber es würde schon sehr viel gewonnen werden, wenn auch
nur an einem einzigen Punkt vielleicht ein Jahr lang in zwölf- oder
vierundzwanzigstündigen Abschnitten die Luft untersucht würde. Der
Nachdruck liegt natürlich auf der Bestimmung der schwefligen Säure;
doch würde es sich empfehlen, gelegentlich auch die anderen Säuren zu
berücksichtigen.
Erhält man durch derartige während eines längeren Zeitraumes
fortgesetzte Analysen einen Einblick in die Säureverhältnisse der Luft,
so darf man erwarten, eine befriedigende Erklärung für das Zurück-
gehen bezw. für das Eingehen der Vegetation in den Städten zu
gewinnen; und von diesen Erfahrungen wird man auph zur Beurteilung
der durch Hüttenrauch hervorgerufenen Schäden Nutzen ziehen können.
7(0
O. Qvam.
Zur Atmung des Getreides.
Eine Relation zwischen Keimfähigkeit und Atmungsintensität.'>
Von
Olaf Uvam, Christiania.
(Mit 13 Figuren.)
Vor einigen Jahren habe ich an der staatlichen Samenkontrollstatioii
in Christiania Versuche mit Hafer von verschiedenem Feuchtigkeitsgehalt
ausgeführt, um die Menge der durch die Atmung gebildeten Kohlensäure-
zu bestimmen. Da die gefundenen Resultate vielleicht von Interesse sein
werden, weil sie Schlüsse gestatten, die von praktischer Bedeutung werden
können, möchte ich hier kurz die Versuche besprechen.
Eine Partie Ligowo-Hafer mit natürlicher Feuchtigkeit von 18,6 °/o,
wurde in zwei Teile geteilt. Der eine Teil wurde benutzt, gerade wie-
er war; der andere wurde, um ihn vor dem Gebrauch etwas zu trocknen,.
in einem warmen Zimmer in dünner Schicht auf dem Tische aus-
gebreitet. Seine Feuchtigkeit war nach zwei Tagen auf 9,6 ^/q herunter-
gegangen.
5 Liter = 2,8 kg von jeder dieser zwei Haferpartien, die also in
allem mit Ausnahme der Feuchtigkeit vollständig gleich waren, wurden
gleichzeitig in Arbeit genommen. Die Samen wurden in einem Apparat von
unten skizzierter Gestalt (Fig. 1) auf ihre Atmung untersucht. Das Ver-
fahren wird aus folgendem hervorgehen: Eine Glasfhische A wurde mit
demjenigen Hafer, der untersuclit werden soUte, gefüllt. Diese Flasche
kommunizierte mit zwei Waschflaschen a, die mit Kalilauge gefüllt waren,
zwei Trockenröhren b und d, einem Liebigschen Kaliapparat e und einer
Flasche f, wie es aus der Zeichnung hervorgeht. Die Flasche f war
zuerst mit Wasser gefüllt. Wenn der Glashahn g geöffnet wird, sinkt
das Wasser tropfenweise durch das Rohr h herunter, so dass eine Luft-
verdünnung in der Flasche f entsteht, die wieder eine Luftverdünnung
1) Vortrag in der Biologischen Gesellschaft zu Christiania, gehalten Märzi
190R. Vorläufige Mitteilung publiziert in „Tidsskrift for det norske Land-
brug".
Zur Atmung; des Getreides.
71
in der Flasche A zur Folge hat. Frei von Kohlensäure und Wasser-
dämpfen gelangt die Luft in die Flasche A hinein. Der Hafer in dieser
wird atmen und Kohlensäure entwickeln, die sich mit der Luft mischt
und mit dieser durch das Trockenrohr d und den Kaliapparat e ge-
führt wird.
=\
\C\
Fis;. 1.
Ich benutzte gleichzeitig zwei Apparate von dieser Konstruktion,
den einen für den trockenen, den andern für den feuchten Hafer. Der
Versuch dauerte vier Monate. Der Kaliapparat e wurde alle drei oder
fünf Tage gewogen. In untenstehender Tabelle sind die gefundenen
Mengen Kohlensäure in vier aufeinanderfolgenden Monaten zusammen-
gestellt:
Tabelle 1. Anzahl gr Kohlensäure (COg)
I.
II.
Hafer mit
Hafer mit
9,2%
18,6 o/o
Feuchtigkeit
Feuchtigkeit
gr.
gr.
Januar
0,12
12,46
Februar ....
0,07
8,57
März
0,08
6,36
April . ...
0,10
4,41
72
O. Qvain.
Wie diese Tabelle zeigt, hält sich die Menge von Kohlensäure bei
der trockenen Ware ziemlich konstant und zwar ca. 0,1 gr pro Monat,
während sie bei der feuchten Ware überall bedeutend grtisser ist — bis
lOOfach — und von Monat zu Monat abnimmt.
Die Keimfähigkeit beider Partien wurde ebenfalls zu verschiedenen
Zeiten untersucht und — yvie aus der untenstehenden Tabelle hervor-
geht — innerhalb der Fehlergrenze bei der Probe I relativ konstant ge-
funden, während sie bei der feuchten Ware von Monat zu Monat ab-
genommen hat.
Tabelle 2. Keimfähigkeit.
Datum
I.
Datum
II.
1903.
/o
1903.
/o
12. Dezember ....
93
12. Dezember ....
83
1904.
1904.
27. xMai
79
9. Februar ....
55
2. Juni
88
27. Mai
46
9. September ....
80
9. September ....
1
Obgleich die Untersuchung der Keimfähigkeit nicht in entsprechen-
den Zeiten ausgeführt worden ist, sondern nur die erste und die letzte
Untersuchung gleichzeitig stattfand, sind diese Zahlen doch mit den
Zahlen für die Kohlensäureentwickelung in Tabelle 1 direkt vergleich-
bar. Man sieht, dass für diejenige Ware, die ihre Keimfähigkeit un-
verändert beibehalten hat, auch die entwickelte Kohlensäure von Monat
zu Monat unverändert geblieben ist, während bei der anderen Ware,
wo die Keimfähigkeit abnimmt, auch die Meng.' von Kohlensäure von
Monat zu Monat geringer wird.
Es liegt nun der Schluss nahe, dass die Keimfähigkeit und
die Menge der durch die Atmung des Getreides entwickelten
Kohlensäure in irgend einer Verbindung miteinander stehen
müssen, und — falls diese bekannt wäre — dann könnte
man einen Ausdruck für die Keimfähigkeit dadurch finden,
dass man die Atmungsintensität bestimmt. Es .würde für
die praktische Samenkontrolle von grosser Bedeutung sein, wenn man
auf diesem Wege die Keimfähigkeit einer Saatware bestimmen könnte;
es gelänge dies alsdann in wenigen Tagen, während es nach der älteren
Methode 10 — 30 Tage in Anspruch nimmt. Das Studium der ein-
schlägigen Literatur zeigt, dass' keiner der früheren Forscher auf die
Zur Atmung des Getreides. 73
Keimfähigkeit der Sämereien, die als Material bei Atmungsversuchen
verwendet wurden, Rücksicht genommen hat.
Kurze Übersicht über die Resultate der früheren
Untersuchungen.
Die ersten umfassenden Versuche über die Atmung bei Getreide
wurden von Münz^) um das Jahr 1880 ausgeführt; er studierte die
Phänomene, die sich bei der Aufbewahrung von Getreide in den grossen
Eisenbehältern (Silos) zeigten, welche von der Omnibusgesellschaft in
Paris als Lagerraum für Getreide benutzt wurden. Diese Silos waren
von prismatischer Gestalt und fassten ca, 220 cbm. Gleichzeitig machte
er auch Versuche im Laboratorium. Seine Resultate können in folgende
Punkte zusammengefasst werden:
1. Der Einfluss von freier und abgesperrter Luft. Wenn
Proben von demselben Getreide bei gleicher Temperatur aufbewahrt
wurden — einmal unter freier Zuströmung der Luft, ein andermal in
geschlossenen Behältern — , so wurde im ersten Falle bis zehnmal
mehr 00^ als in dem anderen gebildet.
2. Die Bindung des Sauerstoffs im Getreide. Das Volum
der entwickelten CO, ist immer geringer als das Volum des aus der Luft
absorbierten Sauerstoffs. Neben der vollständigen Verbrennung, die als
Produkt ein Gas COg gibt, muss also auch eine unvollständige Ver-
brennung stattfinden, eine Oxydation von Bestandteilen des Getreides,
in dem Verbrennungsprodukte gebildet werden, die von fester oder
flüssiger Konsistenz sind, und welche deswegen in dem Getreide bleiben
müssen. Es sind besonders die Fettkörper des Getreides, an die dieser
Teil des Sauerstoffs gebunden wird,
. 3. Die Einwirkung der Feuchtigkeit im Getreide. Das
Getreide besitzt normal eine Wassermenge, die zwischen 11 und 19^ Iq
variiert. Sehr trockenes Getreide entwickelt nur geringe Mengen COg,
aber die Menge steigt sehr mit der Feuchtigkeit, und wenn der
Wassergehalt über 13 — 14°/o beträgt, steigt die COg-Entwickelung enorm.
4. Die Temperatur. Die Menge der gebildeten CO2 wächst schnell
mit der Temperatur bis zu 50°, wo nach Meinung des Autors die Grenze
für die Lebensphänomene liegt. Bei dieser Temperatur hört die Ver-
brennung eine Weile auf, wird aber die Temperatur noch allmählich
weiter gesteigert, wächst sie von neuem mit grosser Energie. Daraus
schhesst Müntz, dass es zwei Arten von Verbrennungen 'gibt, eine von
physiologischer, die andere von rein chemischer Beschaffenheit.
2) Münz: Sur lacon servation des grains par l'ensilage. (Oomptes rendus
des seances de l'Academie des sciences de Paris 1881, S. 97 und 137.)
Y4 0- Qvfim-
5. Die Einwirkung von Desinfektionsmitteln. Durch An-
wendung von Schwefelkohlenstoff (CSg) nimmt die Kohlensäureentwickelung
ab, bleibt aber noch z. T. bestehen: die Verbrennung chemischer Art
setzt sich offenbar weiter fort,
Burlakow') hat gefunden, dass der Keimling vielmal intensiver
(20 mal) atmet als das Endosperm. Godlewski und Polzenius ^)
desgl. Nabokich^) sterilisierten die Überfläche von Erbsen und unter-
suchten die intramolekulare Atmung der Körner, in luftfreiem Wasser
und in Zuckerlösung sich befanden.
Nabokich*) hat auch gezeigt, dass das Sterilisationsmittel P^influss
auf die Atmungsintensität hat, so dass diese anfangs steigt, um später
wieder abzunehmen.
Die letzten Untersuchungen mit Getreide sind von Kolkwitz^) aus-
geführt. Er hat gefunden, dass 1 kg 2-R Gerste mit einer natürlichen
Feuchtigkeit von
10— 12°/o in 24 Stunden entwickelt 0,3—0,4 gr 00^,
14 10 /o „ „ „ „ 1,0 1,4 „ „
Kolkwitz glaubt weiter gefunden zu haben, dass es von grosser
Bedeutung ist, ob die Feuchtigkeit natürUch oder künstlich zugesetzt
ist. Er schreibt: „Es wurde ein Quantum Gerstenkörner eine halbe
Stunde lang in Leitungswasser eingeweicht und dann auf einem paraffi-
nierten Drahtnetz, an welches Luft von oben und unten treten konnte,
ausgebreitet. Nach acht Stunden waren die Körner ai^.ssen wieder ganz
trocken und nach weiteren 14 Stunden, während welcher Zeit sie
wiederholt, auch über Nacht, gewendet wurden, besassen sie einen
Feuchtigkeitsgehalt von 15°/o- Nach den vorher beschriebenen Versuchen
hätte 1 kg solcher Körner innerhalb 24 Stunden 1,5 mg Co^ ausscheiden
müssen; es ergaben sich aber 13 mg, also etwas mehr als neunmal mehr.
Man sieht daraus, wie verschieden natürliche und künstliche Durch-
feuchtung des Samens sind, und wie grossen Irrtümern man sich bei
1) Burlakow; Über Atmung des Keims des Weizens, Triticum vulgare.
(Arbeiten Naturf. Gesellschaft Charkow). Referiert in Just, Botanischer Jahres-
bericht, Bd. 25, 1900.
2) Godlewski und Polzenius: Über Alkoholbildung bei der intra-
molekularen Atmung höherer Pflanzen. (Anzeiger Akad. Wiss. Krakau 1897).
Ref. in Just, Botanischer Jahresbericht, Bd. 25, 1900.
3) Nabokich: Über die intramolekulare Atmung der höheren Pflanzen.
(Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 1903, Bd. 21, 8.467—476.)
*) Nabokich: Über Einfluss der Sterilisation der Samen auf Atmung»
(B. D. B. G. 1903, Bd. 21, S. 291—297.)
^) Kolkwitz: Über Atmung der Gerstenkörner. (Blätter für Gersten-,
Hopfen- und Kartoffelbau 1901, S. 370-383).
Zur Abmung des Getreides.
seinen Versuchen aussetzen könnte, wenn man dabei beregnetes Material
verwenden würde."
Hierzu möchte ich bemerlien, dass dieser Schluss von Kolkwitz,
vielleicht nicht richtig ist, weil er nicht berücksichtigt hat, dass Bakterien
und Pilze sich bei einer derartigen Behandlung auf dem Getreide ent-
wickeln und mit ihren Atmungsprodukten das Resultat stören können.
Ausserdem ist es wahrscheinlich, dass die Körner nach 24 Stunden
nicht mehr dieselbe Feuchtigkeit von aussen nach innen haben. Die
äusseren Schichten des Korns besitzen wahrscheinlich bedeutend mehr
und die inneren bedeutend weniger Feuchtigkeit als 15°/(j. Da die
Atmung mehr als proportional mit der Feuchtigkeit steigt, ist es klar,
dass eine energischere Atmung entstehen wird, wenn der gesamt©
Wassergehalt des Korns ungleichmässig, als wenn er gleichmässig durch
das ganze Korn verteilt ist.
Kolkwitz hat gefunden, dass 1 kg Gerste in 24 Stunden bei
Zimmertemperatur entwickelte
bei einer Feuchtigkeit von COa
33 'lo 2000 mg
20,5^0 359 „
19,5«/o 123 „
Weiter hat er gearbeitet über die Atmung bei verschiedenen Tem-
peraturen, bei verschiedenem Sauerstoffgehalt der Luft, mit zerstückelten
Körnern und über den Einfluss von Desinfektionsmitteln.
Versuche.
Ehe ich die Atmung von Getreide mit verschiedener Keimfähigkeit
zu bestimmen versuchte, wollte ich wissen, ob es überhaupt möglich ist,,
bei wiederholten Versuchen mit einer und derselben Ware überein-
stimmende Resultate zu erhalten. Ebenso ist es von Bedeutung,,
den Einfluss der Temperatur und der Feuchtigkeit auf die Menge der
bei der Atmung gebildeten COg zu kennen. Die früheren von Müntz.
und Kolkwitz ausgeführten Versuche geben zwar Auskunft hierüber;
da diese aber nicht mit sterilem Materiale ausgeführt sind, und da-
die Anzahl der Versuche nicht umfassend genug ist, habe ich es für
notwendig erachtet, neue Versuche hierüber auszuführen. Da das Ge-
treide, um energisch zu atmen, befeuchtet werden muss, war es ferner-
notwendig zu prüfen, ob der Zeitpunkt der Untersuchung nach der Ein-
weichung in Wasser für die Atmungsenergie von Bedeutung sein könnte.
Hierüber liegen für Getreide frühere Untersuchungen nicht vor.
Im folgenden seien die Resultate von Versuchen mit dem genannten
Ziele vor Augen wiedergegeben.
Yß 0. Qvam.
Die oben skizzierte, von mir Ijenutzte Methode war mit Fehlern
behaftet, die sie für diese neuen Versuche ungeeignet machten. Sie
verlangte eine zu grosse Menge Versuchsmaterial und konnte trotz-
dem nicht genau werden, da es unmöglich war während der langen
Zeit, die notwendig war, um wiegbare Mengen GOj zu bekommen, die
Temperatur konstant zu halten. Ähnliches gilt, teilweise in noch höherem
Grade, für die von Müntz und Kolkwitz benutzten Methoden. Ich
musste demnach eine andere Methode verwenden: Statt die durch die
Atmung gebildete COg zu wägen, suchte ich sie durch Messung zu be-'
stimmen.
Wenn man das Korn, wie oben gesagt, befeuchtet, wird hierdurch
das Getreide gute Lebensbedingungen für Bakterien und Pilze bieten;
solche werden sich schnell entwickeln können, ihre Atmungsprodukte
sich mit denjenigen des Getreides mischen und die ganze Untersuchung
unmöglich machen.
Um dieses zu hindern, sterilisierte ich das Getreide mit einer
alkoholischen Sublimatlösung. Das Sublimat wurde nachher durch ge-
wöhnliches Leitungswasser entfernt, wodurch gleichzeitig das Getreide
eingeweicht wurde. Die Organismen, die durch dieses Wasser wieder
dem Getreide zugeführt wurden, waren verhältnismässig nicht viele,
und in der kurzen Zeit, die der Versuch dauerte, kamen sie nicht so
W'Oit in ihrer Entwickelung, dass ihre Atmungsprodukte neben denen des
Getreides merkbar geworden wären.
Es sei hierzu bemerkt, dass das Leitungswasser in Christiania
rein und von Organismen ziemlich frei ist, und dass dies für die guten
Resultate der Versuche vielleicht nicht ohne Belang gewesen ist. Wenn
steriles lufthaltiges Wasser hätte benutzt werden können, wäre dies
natürlich das beste gewesen. Dazu bot sich aber bei meinen Versuchen
keine Gelegenheit. Durch Kontrollversuche habe ich mich aber über-
zeugt, dass die angewandte Sterilisation auf die Keimfähigkeit des
Getreides keine schädliche Wirkung gehabt hat.
Pas Verfahren ist kurz folgendes: Von einer Getreideware, deren
Peuchtigkeit bekannt, wurde soviel abgewogen, dass das Trockengewicht,
der Körner 200 g betrug. Die Sterilisation wurde in einer Liisung
von folgender Zusammensetzung vorgenommen:
15 g Sublimat
500 „ Alkohol
3500 „ Wasser.
•Nachdem das Getreide in dieser Mischung 15 Minuten gewesen
war, wurde es in Trichter, die mit der Wasserleitung in Verbindung
Zur Atmung; des Getreides.
77
standen, überführt. Hier blieben die Proben zwei bis vier Stunden,
wonach sie in Erlenmeyerkolben von nachstehender Gestalt (Fig. 2)
übertragen wurden. • ■ ■- •- •
Fig2.
a und b sind zwei Glasröhren, von, denen a durch eine Kautschuk-
blase (c) von unten und b durch einen Quetschhahn (d) von oben abge-
schlossen ist.
Diese Erlenmeyerkolben wurden in ein Wasserbad eine Stunde bei
freiem Luftzutritt und nachher noch zwei Stunden abgesperrt gestellt. Eine
Probe des Luftinhalts wurde jetzt auf COo analysiert. Hierzu wurde
Buntes Glasbürette benutzt. Ich hatte immer zwei oder mehrere Ver-
suche gleichzeitig in Arbeit.
Da die COa-Analyse von einer Probe 15—20 Minuten in Anspruch
nahm, musste ich, um vorzubeugen, dass die Parallelversuche mehr als
zwei Stunden stehen mussten, ehe sie auf CO2 analysiert wurden, einen
Apparat benutzen, welcher Luftproben aufnehmen und aufbewahren
konnte. Hierzu habe ich einen Apparat folgender Konstrtiktion (Fig. 3)
zusammengestellt. ■ , : .' ' '
Fi- 3.
78
O. Qvara.
Die zwei Gefässe A, die mit Quecksilber gefüllt sind, kommuni^
zieren mit der Flasche B, die auf und herab gehoben werden kann.
Sind die Röhren A mit Quecksilber gefüllt und durch ein Glasrohr b in
Verbindung mit einem Erlenmeyerkolben gesetzt und werden die Hähne
oben und unten von dem einen Gefäss A geöffnet und die Flasche B
auf den Boden gestellt, so wird die Luft des Erlenmeyerkolben in das
Rohr A hineingesogen. Die Kautschukblase (e) wird sich mit Luft von
aussen füllen, so dass kein Vakuum in dem Erlenmeyerkolben entstehen
kann. Das andere Gefäss A kann in derselben Weise mit der Luft
eines anderen Erlenmeyerkolben gefüllt werden. Die Luftmischungen
können in dieser Weise aufbewahrt werden, bis es bequem ist, sie auf
CO2 zu analysieren.
Resultate.
Einfluss der Temperatur und des Zeitpunktes der
Untersuchung.
Bei diesen Versuchen wurde die Feuchtigkeit konstant gehalten
und zwar derart, dass auf 200 g Getreide (Trockengewicht) 100 g
Wasser kamen. Die Proben wurden dreimal auf Atmungsintensität unter-
sucht, und zwar 24, 48 und 72 Stunden nachdem sie eingeweicht
worden waren. Die Resultate sind in den untenstehenden Tabellen
wiedergegeben.
Jeder Tabelle habe ich eine graphische Darstellung beigefügt. Die
Temperatur ist auf die Abscissenachse und die COa-Menge auf die Ordi-
natenachse eingetragen.
Tabelle 3. Nach 24 Stunden.
Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser.
Tempe-
ratur
Anzahl cm^ CO2 in 100 cm^ Luft
Parallelversuch
Mittel
a
b
150
4,0
4,2
4,1
20 >^
4,2
5,8
5,0
20"
5,0
5,2
5,1
25"
8,5
8,7
8,6
30°
11,4
10,7
11,1
35°
11,7
11,6
11,7
40"
12,2
11,6
11,9
Zur AtmunQ- des Getreides.
79
12
10
8
cm3 CO., 6
lU lö liU HO oO cü -iu 45" Celsius.
Fie:. 4.
Tabelle 4. Nach 4.8 Stunden.
Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser.
Tempe-
ratur
Anzahl cm^ CO. in 100 cm^ Luft
Parallelversuch
Mittel
20°
20«
20°
25°
30°
350
40°
450
6,9
7,0
6,3
9,5
11,6
14,0
18,0
23,6
öß
6,75 1
6,6
6'8 6,7
7,0
6,65 ]
9,6
9,6
10,9
11,3
13,9
13,9
17,1
17.6
—
23,6
cm3 CO,
10 15 20 25 30 35 40 45 o Celsius.
Fis:. 5.
80
O. Qvam.
Tabelle 5. Nach 72 Stunden.
Feuchtigkeit: 200 g; Trockengewicht: 100 g Wasser.
Tempe-
ratur
Anzahl cm^ COg in lUO cm'' Luft
Parallelversuch
Mirtpl
a
h
20»
7,8
7,9
7,9
20°
8,6
—
8,6 \ '^'1
25 '^
11,4
11,4.
11,4
30°
11,6 ! 11,6
11,6
35°
13,4
—
13,4
COo
10
35 iO" Celsius.
Fiff. (>.
Wie aus obenstehenden Tabellen und Kurven hervorgeht, steigt
die COg-Bildung schnell mit der Temperatur, aber, wie es scheint, ver-
schieden, je nachdem die Untersuchung am ersten, zweiten oder dritten
Tage nach der Einweichung in Wasser stattfindet. Man wird auch
ersehen, dass die Paralleluntersuchungen ganz gut übereinstimmen.
Alle Kurven zeigen einen Kehrpunkt zwischen 25" und 30°. Die
Menge der gebildeten COg steigt etwas von Tag zu Tag, aber in ver
schiedener Weise je nach der benutzten Temperatur. Um dieses deut-
licherdarzustellen habe ich aus obigen Tabellen die nachstehende zusammen-
gestellt.
Zur Atmuna- des Getreides.
81
Tabelle 6. Schwankungen der Atmungsintensität während
der drei ersten Tage.
Tempe-
Anzahl cm
entwickelt
^ CO2 in lOU cm3 Luft,
in Zeit von 2 Stunden
ratur
1. Tag
2. Tag
3. Tag
15''
4,1
—
—
20°
5,1
6,7
8,1
25«
8,6
11.6
11,4
30°
11,1
11,3
11,6
35"
11,7
I3,y
13,4
400
12,2
17,6
—
45 0
—
23,6
— •
cm^' CO2 (Mittel)
24
22
20
18
16 J
14
12
10
8
6
i
2
I.Tat
, Tag. 3. Ta^
Fi^. 7.
Hieraus ist ersichtlich, dass die Atmungsintensität von Tag zu
Tage steigt, aber nicht in derselben Weise bei den verschiedenen Tem-
peraturen. Am wenigsten steigt die C0.2-Menge bei 30°.
Einfluss der Feuchtigkeit.
Dadurch, dass nach der Sterilisation die Auswaschung des Subli-
mats durch Wasser kürzere oder längere Zeit dauerte, liess sich einiger-
massen die Feuchtigkeit der Körner regulieren. Die Temperatur wurde
bei diesen Versuchen konstant auf 30° gehalten. Bei den früheren
Versuchen war es nicht schwierig, verhältnismässig gut übereinstimmende
Resultate der Parallelversuche zu erhalten. Dagegen hat sich dieses als
Jahresbericht der Vereinigung für .ingewandte Botanik IV. (^
82
0. Qvam.
bedeutend schwieriger erwiesen, wenn der Feuchtiglieitsgehalt niedriger
war. Ich habe deswegen bei den letztgenannten Untersuchungen viele
Bestimmungen ausgeführt und den Mittelwert aus diesen berechnet.
Die dadurch gefundenen Zahlen dürften daher nicht weit von den
richtigen liegen.
Die Bestimmungen wurden wie früher sowohl am ersten, zweiten
als dritten Tage nach der Einweichung in Wasser ausgeführt. Die
Resultate sind in nachstehende Tabellen eingetragen. Eine graphische
Darstellung begleitet jede Tabelle.
Tabelle 7. Nach 24 Stunden. Temperatur 30°.
Anzahl g
Anzahl cm^ CO2 in 100 cm» Luft
AVasser auf
200 g
Parallelversuch
trockene
Körner
Mittpl
a
b
iMl Lud
100
11,4
10,7
11,1
90
10,4
—
90
8,0
10,2
9,5
80
6,4
6,2
80
4,5
5,3
80
4,8
5,4
80
7,1
6,0
80
6,7
—
5.7
80
5,7
6,5
80
4,8
5,4
80
5,0
6,0
80
—
6,0
Anzahl cm^ COg
(Mittelzahl)
80
Töö" g Wasser auf 200g trockene Körner
Fis. 8.
Zur Atmung des Getreides.
Tabelle 8. Nach 48 Stunden. Temperatur 30°.
83
Anzahl
g Wasser
auf 200 g
trockene
Anzahl cm^ CO2 in
100 cni^ Luft
Parallelversuch
Mittel
KTirner
a b
100
11,6
10,9
11,3
90
9,0
—
9,0
85
8,0
—
8.0
80
5,1
5,5
/
80
5,1
—
80
5,5
5,6
\
5.2
80
5,0
5,0
Anzahl
cm3 CO2
(Mittelzahi)
100
g Wasser auf 200 g trockene Körner,
Fio-. 9.
Tabelle 9. Nach 72 Stunden. Temperatur 30".
Anzahl
g Wasser
auf 200 g
trockene
Anzahl cm^ CO2 in 100 cm^ Luft
Parallelversuch
Mittel
Körner
a
b
100
90
85
80
80
11,6
6,8
5,4
4,2
3,6
11,6
6,8
5,7
5,0
3,3
11.6
6,8
5,6
4,0
Anzahl cm^ CO2
(Mittelzahl)
-0 85 Vi) 100 g Wasser auf 200 g trockene Körner.
Fig. 10. , •
84
O. Qvam.
Diese Tabellen und Kurven zeigen deutlich, dass die COg -Bildung
rasch mit der Feuchtigkeit steigt: dieses war bei allen Untersuchungs-
serien der Fall. Steigt die Feuchtigkeit von 80 — 100 g auf 200 g
Trockengewicht, so steigt die Menge der gebildeten Kohlensäure von 5,7
bis 11,1 ccm am ersten, von 5,2 — 11,3 ccm am zweiten und von 4,0
bis 11,6 ccm am dritten Tage.
Früher haben wir gesehen, dass die Atmungsintensität sich ziem-
lich konstant 3 Tage hindurch hält, wenn die Feuchtigkeit 100 : 200 g
Trockengewicht und die Temperatur 30'^ w^ar. . Die letzten Tabellen
zeigen, dass dieses nicht der Fall ist, wenn die Feuchtigkeit des Getreides
niedriger ist. Dieses wird durch untenstehende Tabelle und die beglei-
tende Zeichnung deutlicher dargestellt. Die Tabelle ist aus den früheren
zusammengestellt.
Tabelle 10. Schwankungen der Atmungsintensität.
Temperatur 30^.
Anzahl
g Wasser auf
200 g
Anzahl cm^ COg in 100 cm» Luft,
gebildet in Zeit von 2 Stunden
Trocken gew.
1. Tag 1 2. Tag
3. Tag
100
90
85
80
11,1
9,5
5,7
11,3
9,0
8,0
5,2
11,6
6,8
5,6
4,0
12,
10
Anzahl ^
cm3 CO2 6^
2
1. Tag 2. Tag
Fio-. 11.
3. Taj
Man sieht, dass nur eine Kurve etwa parallel mit der Abscissen-
achse verläuft, es ist diejenige, bei der die Feuchtigkeit 100 : 200
beträgt. Die übrigen biegen sich alle gegen die Abscissenachse, ein Zeichen,
dass die entsprechenden Getreideproben immer weniger an jedem Tag
atmen. Diese Proben scheinen nicht genügend Feuchtigkeit zu besitzen,
um die stärkere Atmung 3 Tage hindurch beibehalten zu können.
Zur Atmun»- des Getreides.
85
E)ie gefundenen Zahlen genügen
nicht, um weitergehende Schlüsse zu
ziehen; zweifelsohne gibt es aber eine
Relation zwischen Temperatur und
Feuchtigkeit in ihrer gemeinsamen
Wirkung auf die Atmungsintensität
des Getreides.
Verschiedenes bei den früher skiz-
zierten Kurven scheint
darauf hinzudeuten, dass
/ pvjl der eine dieser Faktoren
^^ I XJ (jie Wirkung des ande-
ren vergrössert. Die
Tatsache, dass weder
die Temperatur noch die
Feuchtigkeit allein,
selbst wenn sie sehr
hoch sind, imstande
sind, die COo-Bildung
nennenswert zu steigern,
zeigt dasselbe.
fr
Fi2-. 12
Einfluss der Keim-
fähigkeit.
Die früher ausgeführ-
ten Versuche haben ge-
zeigt:
1. Dass es möglich
ist, bei wieder-
holten Unter-
suchungen einer und derselben
Ware übereinstimmende Resul-
tate zu erhalten, wenn das Ge-
treide stark befeuchtet ist (wenig-
stens 100 g M'asser auf 200 g
Trockengewicht der Körner),
während dies nicht der Fall ist,
wenn der Wassergehalt nied-
riger ist;
gg O. Qvam.
2. dass SU*^ eine günstige Temperatur ist, wenn die Feuchtigkeit
lÜO : 200 Trockengewicht beträgt.
Es l)leibt noch die Prüfung der Keimfähigkeit übrig. Bis jetzt
habe ich nicht viele rntersuchungen ausgeführt.
Das Verfahren bei diesen Versuchen war ein anderes als früher:
Die Sterilisation in Sublimat, die Auswaschung mit Wasser und der
Atmungsversuch selbst wurden in einem und demselben Gefäss von
umstehender Gestalt (Fig. 12) ausgeführt, j-^s besteht aus zwei Teilen a
und b, von welchen der eine luftdicht in den anderen eingeschliffen ist«
Beide sind mit Glashähnen c und d versehen. Morgens um 9 Uhr
wurden die Behälter mit dem abgewogenen Getreide und der alkohoUschen
Hublimatlösung gefüllt und 15 Minuten umgeschüttelt. Die Öffnung bei
c wurde jetzt durch einen Gummischlauch mit der Wasserleitung in
Verbindung gesetzt. Nach 4 Stunden wurde die Verbindung wieder
abgebrochen. Die Hähne blieben of!en, damit das überschüssige Wasser
ausfliessen und Luft einströmen konnte. Des Abends wurde nochmals
Wasser durchgeleitet, ebenso am Morgen des nächsten Tages, 15 bis
20 Minuten jedesmal. Am Abend dieses Tages wurden die Behälter
gewogen und dadurch die Menge des vom Getreide aufgenommenen
Wassers bestimmt. Die Feuchtigkeit sollte bei diesen Versuchen derart
sein, dass auf 200 g Trockengewicht der Körner 110 g Wasser kamen.
Gewöhnlich fehlton einige ccm an dieser Menge, weshalb das Fehlende
zirka 12 Stunden vor dem Atmungsversuch zugesetzt wurde.
Am folgenden Morgen — also 2 Tage nach dem Beginn der Ver-
suche — wurden die Atmungsversuche ausgeführt. E>ie Behälter wurden
in ein Wasserbad (Temperatur 35°) gelegt und während der ersten Stunden
mit COg-freier Luft durchlüftet. Danach blieben sie mit zugemachten Hähnen
noch 2 Stunden in dem Wasserbad liegen, wonach der Luftinhalt der
Behälter auf CO2, wie früher, analysiert wurde. Die Versuchsanordnung
wird aus umstehender Figur 13 ohne weiteres hervorgehen, a ist mit
Wasser gefüllt, b und c mit Kalilauge. Die Luftströmung wurde mit Hilfe
einer Wasserstrahlpumpe hergestellt.
Resultate.
Die Keimfähigkeit der auf Atraungsintensität untersuchten Getreide-
proben habe ich nach zwei Methoden — sowohl nach der gewöhnlichen
Keimmethode als teilweise nach einer Methode , die ich die Wäge-
raethode') genannt habe, — untersucht. Mit Absicht habe ich Proben
1) Qvam: Zur Bestimmung des Keimvermögens bei Getreidevvaren.
Vorschlag zu einer neuen Methode. (Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen
Bd. 62 1190.0], S. 40.")— 44H).
Zur Atmung des Getreides.
ausgesucht, die von sehr verschiedener Koimfähigkoit waren.
Resultate wird man aus untenstehender Tabelle ersehen.
Tabelle 11.
87
Die
Keimfähigkeit nach
Totale Menge von COg
gewöhn-
licher
Methode
Wäge-
methode
a
b
Mittel
'lo \ gl'
ccni
ccm
ccm
Gerste,
Hannchen Nr
1241
100') ! 3,75')
83,9
75,7^)
83,9
n
« «
1317
09') i 2,41 M
57,5
57,8
57,6
n
/V "
1329
59') , 1,55 3)
30,3
30.1
30,2
»
n '?
1316
98 ') ! —
90,5
84,1
87,3
»
zweizeilige „
1319
98 2) i 2,40*)
104,2
—
104,2
5)
« "
1239
80^)
1,76*)
74.3
71,1
72,7
n
» 55
1240
68 2)
1,51
54,2
54,2
54,2
Wie aus dieser Tabelle ersichtlich ist, geben die verschiedenen
Saatwaren eine sehr verschiedene Menge von COg. Da die Proben
derselben Behandlung unterworfen und daher in allem, mit Ausnahme
der Keimfähigkeit, vollständig gleich waren, muss der Unterschied in der
Keimfähigkeit die Ursache des Unterschieds in der Atmungsintensität sein.
Die im Anfange dieses Vortrages ausgesprochene Vermutung, dass
die Keimfähigkeit und die Menge der durch die Atmung des Getreides
entwickelten COg in irgend einer Verbindung miteinander stehen müssten
wird durch diese Versuche bewiesen.
Es ist demnach die Möglichkeit gegeben, die Keimfähigkeit einer
Saatware durch Atmungsversuche zu finden. Dass eine solche Methode
von praktischer Bedeutung sein kann, wird einleuchtend, wenn man
sich erinnert, dass die Bestimmung der Keimfähigkeit von Hannchen-
Gerste 12 Tage und von gewöhnhcher 2-R-Gerste 10 Tage in Anspruch
nimmt, während sie durch einen Atmungs versuch in 2'/2 Tagen gefunden
werden kann.
1) Nach 12 Tagen.
2) Nach 10 Tagen
3) Nach 13 Tagen
4) Nach 11 Tagen
5) Auszulassen wegen Versuchsfehlers.
Joli. Vaülia.
Die Qualitätsprüfung der Braugerste.
Von
Professor Joli. Vaüha,
Direktor der landwirtschaftlichen Landes-Versuchsstation in Brunn.
(Mit einer Figur.)
In Anbetracht der grossen Wichtigkeit, welche die Beurteilung
der Braugerste in der letzten Zeit genommen hat, erscheint es not-
wendig, dass bei einer internationalen Versammlung hochgeehrter Fach-
genossen eine einheitliche Art der Wertbestimmung der Brau-
gerste einer Beratung unterzogen und über die einzelnen Bestimmungs-
punkte, soweit es möglich ist, ein entscheidendes Wort gefällt werde.
Die Untersuchung der Braugerste hat nicht nur für die Anforde-
rungen der Landwirtschaft und des Samenhandels, sondern auch für
diejenigen der Brauindustrie Rechnung zu tragen. Man muss gestehen,
dass die bisher geübte Qualitätsprüfung der Braugerste nicht nur nicht
einheitlich, sondern in mancher Hinsicht auch nicht genügend präzis
durchgeführt wurde. So besonders:
1. Die Feststellung der Bescliaffeiilieit des Endosperms hat bisher
nicht die erforderliche Schärfe eines Experiments errreicht, und sie blieb
sogar einer subjektiven Willkür des Untersuchenden überlassen, so dass
die Versuchsresultate nie übereinstimmen konnten. Namentlich die Ver-
wendung der meist verbreiteten Parinatome aller Art kann aus bekannten
Gründen nicht gebilligt werden.
Der Parinatom liefert stets sehr ungenaue Resultate und zumeist
viel höhere Glasigkeit als das Diaphanoskop, so dass er meiner Ansicht nach
nicht zu empfehlen ist. Die Ungenauigkeit liegt teils darin, dass es
zwischen den einzelnen Mehligkeitsstufen keine scharfe Grenze gibt,
teils darin, dass man damit den Querschnitt des Kornes nur an einer
Stelle und nicht das ganze Korn untersucht. Es hängen somit die
Resultate stets von der Subjektivität des Untersuchenden ab, so dass sie
fast nie übereinstimmen.
Etwas bessere Resultate liefert schon das Diaphanoskop,
wenigstens in der Hinsicht, dass man damit das ganze Korn und nicht
nur den Querschnitt untersucht, und dass es den Vorteil hat, den ge-
Die Qualitätsprüfung der Braugerste.
89
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■^ c
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10
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<u o ^ o
O PL< ü ^
cj bß o
90
Job. Vaiiha.
prüften Samen noch zum Versuchsaabau verwenden zu können. Aber dio
Art der Untersuchung der Endospermbeschaffenheit entspricht den
gestellten Anforderungen durchaus nicht.
L)ie Mehligkeit des Kornes hängt teils von der Bodenbeschaffenheit,
teils von der Düngungsart, teils aber auch von der Witterung namentlich
zur Zeit der Reife und Ernte, sowie von der Art und Zeit der Pechsung
und Aufbewahrung usw. ab. Alle diese Faktoren verändern das Endosperm
in hohem Masse. Es gibt aber keine scharfe Grenze zwischen den
mehligen, übergehenden und glasigen Kornern. Wichtig ist dal)ei die
Tatsache, dass durch entsprechendes Anfeuchten der Kfirner
alle übergehenden gänzlich und die glasigen fast gänzlich
in mehlige Körner übergeführt werden können.
AufdiesenUmstand hat schonGrönlund hingewiesen, und neuerdings
(1905) hat Prior auf Grund dessen die Bestimmung des sogenannten
„Auflösungsgrades" in Vorschlag gebracht.
Ich habe schon im Jahre 1904 Versuche in dieser Richtung an-
gestellt; es sind dabei überraschende Resultate herausgekommen, welche in
der folgenden Tabelle übersichtlich zusammengestellt sind.
Tabelle II.
Gerstensorte
Nicht geweichte
Gerste zeigte
Glasigkeit in o/q
Geweichte Gerste zeigte Glasig-
keit nach der Weichdauer von
No.
Fari- Diapha-
natom noskop
«0 %
2
4
8
12
16
20
24
Stunden
1
2
3
4
5
()
7
8
1)
10
Hannagerste I . . .
Hannagerste IV . .
Hannajuvelgerste . .
Kwassitzer Hanna-
gerste
Jarohiiovitzer Hanna-
gerste
Böhmische (lerste
Chevalier II (Svalöf)
Nolcs Imperial A . .
Goldenthorpe Imp. .
Kneifergerste . . .
31,7
11,0
14,7
20,3
26,3
22,0
18,0
10,3
12,0
11,7
15,7
6,0
8,7
11,7
11,3
13,3
11,0
6,3
8,0
5,7
13,3
1,0
5,7
5,0
4,7
9,0
7,7
1,3
0,7
0,3
13,0
1,0
4,3
4,7
4,3
3,7
4,3
0,7
0,3
11,7
1,0
3,7
2,3
2,3
2,7
0,3
7,7
0,7
0,7
2,0
0,7
4,7
0,3
0,3
1,3
Kurz zusammengefasst bedeuten die Resultate folgendes:
Es haben sich somit Gersten mit ca. 10— 12°/o Glasigkeit schon
nach einer VVeichdauer von etwa vier Stunden vollständig iu
Die Qualitätsprüfung der Braugerste.
91
ganz mehlige umgewandelt. Bei denjenigen mit ca. 20— 2(j°/o
Glasigkeit hat die rmwandlung etwa 1(3 bis 20 Stunden er-
fordert.')
Nun in der Malzindtistrie ist im allgemeinen eine Weichdauer von
4<S bis 120 Stunden üblich. Nachdem aber auch die hartkörnige Gerste,
wie Hanna I mit 31,7 °/o Glasigkeit, schon in ca. 20 Stunden ganz mehlig
geworden ist, ist einleuchtend, wie falsch die Gerste in ihrem Mehligkeits-
grade nach der bislang üblichen
Untersuchungsmethode beurteilt
und danach bewertet wurde.
Ich möchte somit beantragen,
dass die Feststellung der
Beschaffenheit des Endo-
sperms bei der Gerste nach
V 0 r h e r g e 1 1 e n d e r 2 4 s t ü n d i g e r
Weiche in gewöhnlichem Wasser
und nach darauf folgender
langsamer Trocknung an der
Luft bei Zimmertemperatur (ca.
20" C) in der Regel mit dem
Diaphanoskop (2 X 100 Körner)
vorgenommen werde. 2)
1) Zu bemerken ist, dass alle
Gerstensorten unter gleichen Vege-
tationsbedingungen gewachsen sind,
gleichzeitig geerntet und gleich auf-
bewahrt wurden. D!e geweichte
Gerste wurde nur mit dem Diaphanoskop untersucht.
^)Das Diaphanoskop (siehe Abbildung) kann sich ein jeder leicht
herstellen: Eine etwa 80 cm hohe, 40 cm breite und 25 cm tiefe Kiste wird in
einer Höhe von ca. 33 cm vorne und 38 cm hinten durch eine schiefe Quer-
wand in eine obere schwarz anzustreichende und eine untere weisse Kammer
geteilt. Bei der oberen Hälfte wird die Vorderwand und bei der unteren
Hälfte die Hintervvand beseitigt.
Die Querwand hat eine 18 X 13 cm grosse Öffnung, auf die eine Zähl-
platte (a, b) mit 100 Löchern zu liegen kommt. Die Platte besteht aus stärkerem
Packpapier, in welches 100 ca. 1 X 0,5 cm grosse Öffnungen mit einem Hohl-
meissel geschlagen werden; sodann wird sie auf einer Glasplatte befestigt.
Oben wird ein schwarzes Tuch befestigt, welches vorne frei herabhängt
und eine Dunkelkammer herstellt Der Apparat wird auf einen Tisch vor eine
Lampe oder nur vor das Fenster gestellt.
Behufs Verstärkung der Beleuchtung kann an die Lampe noch ein in
vertikaler Richtung beweghcher Reflektor R angebracht werden, oder es
kann eine in der Lichtkammer befestigte Spiegelplatte, welche um die horizon-
m
.loli. Vanha
Die Untersuchung der nicht geweichten Gerste mit dem Ltiaphiinoskop
soll zum Vergleich nebenbei auch stattfinden; massgebend bliebe jedoch
nur die geweichte Gerste. Der Prozentsatz der mehligen Körner nach
der Weiche ist dann die echte Mehligkeit und kann „die Milde"
oder nach Vorschlag Priors der „Auflösungsgrad" genannt werden.
2. Zur Feststellung der A^ollkönii^keit oder der prozentischen
Korn grosse und der so wichtigen Gleich mässigkeit der Körner
ist die Sortierung einer Durchschnittsprobe von 100 g durch einen Blech-
siebsatz mit länglichen Schlitzöffnungen 2,75, 2,50 und 2,25 mm Loch-
breite bereits vielerorts eingeführt. 1 »lese Methode kann allgemein bei-
behalten werden. Körner kleiner als 2,25 mm bilden den „Ausputz".
Die 100 g Probe soll fünf Minuten lang bei ca. 300 Touren pro
Minute mit dem Hand- oder Maschinensieb sortiert werden.
3. Ebenso wäre die Art der Bestimnniuft' des absoluten Gewichtes
— des 1000 Korngewichtes — durch Abwiegen von zweimal 500
oder einmal 1000 Körnern als genügend zu betrachten, wobei be-
schädigte und verkümmerte Samen beseitigt werden.
4. Das Volumgewielit (Hektoliter^ewiclit) ist mittelst des neuen
Literapparates oder eines '/^ Literapparates der deutschen Xormaleichungs-
kommission durch dreimalige Wägung der Probe zu bestimmen.
Eine vorgängige Reinigung der Probe ist nur dann auszuführen,
wenn es sich um die Wertbestimmung einer Sorte als solcher handelt
{gemäss den technischen Vorschritten des Verbandes der deutschen
Versuchsstationen).
Nachdem aber die Art des Drusches auf das Hektolitergewicht
und auch sonst von nicht geringer Bedeutung ist, sollte in dem Unter-
suchungsbefund auch angegeben werden, ob die Gerste nicht „kurz
gedroschen" ist, d. h. ob die Samenspitzen nicht weit abgebrochen
sind, und ob der Same nicht sogar durch Drusch stark beschädigt
ist, auf welchen Umstand die Malzindustrie besonders grossen Wert legt.
5. Die Reinheitsbestiinmung ist mit einer Durchschnittsprobe von
mindestens 100 g vorzunehmen. Zu den reinen Samen sind alle
echten und unverletzen oder nur schwach verletzten Samen ohne Rück-
sicht auf ihre grössere oder geringere Ausbildung zu rechnen.
Als „fremde Bestandteile" werden betrachtet: alle tauben Körner,
die als nicht keimfähig anerkannt werden, alle Bruchstücke von Samen
und Pflanzen, Spreu, schwer beschädigte und fremde Samen, sowie alle
Unkrautsämereien usw. einerseits, Sand und Erdpartikelchen anderseits.
Die zwei letzteren als ganz wertlose Bestandteile sollen ausserdem extra
tale Achse drehbar und in jede Lage stellbar ist, die Lichtstrahlen aufwärts
.auf die Zählplatte werfen.
Die Qualitätsprüfung der Braugerste. 93'
in Gewichtsprozenten angegeben werden. Ebenso sollen die gefährlichen
Unkräuter, wne Rhinanilius (Klappertopf), Melampyrum pratense (Wachtel-
weizen), Agrostemma githago (Kornrade), Lolium temulentum (Tau-
mellolch) und Mutterkorn, zu den wertlosen gerechnet und als schädUch
extra notiert werden.
Die Verunreinigungen ohne die Bruchkörner dürfen höchsten 1,5 °/o
betragen.
6. Die Sorteiireiuheit und Echtheit kann nach den botanischen
Merkmalen festgestellt werden.
7. Die Keiniprüfuug" kann in üblicher Weise entweder in Papier-
lappen aus starkem Fliesspapier oder im Sandkeimbett bei Zimmer-
temperatur nach vorhergehender fünfstündiger Vorquellung mit 4 X 100
Samen durchgeführt werden. Eine zu grosse Feuchtigkeit des Keim-
bettes ist stets zu vermeiden.
Die Keimdauer beträgt 10 Tage, die Vorqueliung eingerechnet»
Die Keimungsenergie wird durch die Zahl der in den ersten
drei Tagen ausgekeimten Samen ausgedrückt. Als gekeimt wird jedes
Korn betrachtet, bei w^elchem die Keimspitze die Samenschale durch-
brochen hat.
In der Samenprobe sollen grosse, mittlere und kleine sowie auch
dunkle Körner in etwa demselben Verhältnis vertreten sein wie in der
Gesamtprobe.
Die Keimkraftlatitude beträgt 5 '•^q.
Da die Gerste einer längeren Ruheperiode zur Keimung bedarf, kann
mit der Keimprüfung erst etw^a 2 Monate nach der Ernte begonnen
w^erden.
8. Der Spelzeiigehalt ist von 2U0 Kfirnern festzustellen. Zur
Trennung der Spelzen wird der Samen in 7(J °/o Schw^efelsäure zwei
Stunden lang mazeriert. Nachdem dann die Spelzen zwischen den Fingern
abgerieben und durch Wasserstrom ohne nachherige Weiche abgespült
worden sind, wird der entspelzte Samen mittelst Piltrierpapier abgetrocknet,
auf trockenes Filtrierpapier dünn ausgebreitet und eine Stunde an der
Luft getrocknet; sodann wird er abermals gewogen. Die Gewichtsdifferenz
in Prozenten ausgedrückt ist der Spelzenanteil. ^)
') Die bisherige Schwefelsäuremethode (24stxindiges Mazerieren in
SOprozentiger Schwefelsäure und darauf eine 24 stündige Wasserweiche) hat durch
Angreifen und Auslaugen des Endosperms grosse Fehler verursacht und hat
sich als unvervvendbar erwiesen.
Direkte Methoden, wie z. B. die Ammoniakmethode nach Luff oder die
nach Horkj'-Klose, liefern zu niedrige Zahlen, da sie sich nicht auch auf die
Frucht- und Samenschale, welche auch zur Samenhülle gehören, beziehen und
für eine "Tössere Zahl von Untersuchuna-en nicht verwenden lassen. . ■
94 -Joh- Vafiha.
Kommen nach dem Entspelzen etwa beschädigte Körner vor, so
werden sie gezählt, beseitigt und durch entsprechende Korrektur aus-
geghchen. In diesem Falle wird das Gewicht der entspelzten, unl>e-
schädigten und eine Stunde an der Luft getrockneten Körner durch
ihre Zahl dividiert und mit der Zahl der beseitigten Körner multipliziert.
Das so gefundene Korrekturgewicht ist dem Gewicht der entspelzten
Körner hinzuzuaddieren.
Der Spelzengehalt soll nicht über 15 °/o der lufttrockenen Substanz
betragen.
Es ist wünschenswert, das Spelzengewicht auch auf Trocken-
substanz zu berechnen.
Ist die Gerste abnorm feucht, so ist auch der Wassergehalt un-
bedingt zu bestimmen.
9. Bei der gewichtsprozentischen Bestimmung des Spelzengehaltes
ist auch die Angabe über die Feinheit der Spelzen, welche sich an der
Querrunzelung erkennen lässt, als „sehr fein", „fein", „mittel" oder „grob-
spelzig" und ob die Gerste „kurz oder lang gedroschen" ist, beizufügen.
10. Ferner ist auch die Farbe der Spelzen, wenn sie abnorm
ist, „strohgelb", „weissgelb", „dunkel" oder „grau^' zu notieren,
11. Von nicht geringer Bedeutung ist die Brannspitzig'keit und
die Braunlarbuug der Gerste, welche von verschiedenen Pilzen hervor-
gerufen wird. Sie ist aber nicht mit der nur schwachen Bräunung der
Spitzen zu verwechseln, welche durch feuchte Witterung zur Erntezeit
verursacht wird, aber sonst nicht schädlich ist. Zu der Braunspitzigkeit
gehört auch die Braun fleckigkeit der Spelzen, verursacht nach
unseren Untersuchungen durch parasitische Pilze, Helm') uthospor'nim und
Bliynchosporium, welche nicht nur auf der Malztenne schädlich sind
sondern auch vom Saatkorn auf die Pflanze übergehen können und sie
oft vernichten.
Es ist also bei der Qualitätsbeurteilung der Gerste auch die Angabe
über die Menge der braunspitzigen, braunfleckigen und braunen
Körner, zusammen in Gewichtsprozenten oder- Körnerzahl ausgedrückt,
in einer Durchschnittsprobe von 100 g anzuführen.
12. Ebenso ist der Geruch, ob „frisch" (strohartig) oder „dumpfig"
oder sogar „schimmlig" zu notieren.
13. Auch die Angabe über die Körnerforni ist wünschenswert, da
man aus der Form des Kornes auf die Vermälzungsfähigkeit und in der
Regel auch auf die wertvollste Eigenschaft einer Braugerste — auf den
Stärkegehalt — schliessen kann. r>abei ist besonders auf das gegen-
seitige Verhältnis der Kornbreile zur Länge und auf die grössere oder
Die (>)ualitätsprüfung- der Braugerste. 95
geringere Ausbildung des Kornes namentlicli in der Mitte und an den
beiden Kornspitzen, die VoIIbauchiglieit, zu achten.
Die entsprechende Bezeichnung ist dann „l^urzkörnig", „mittel-
körnig", „langkörnig", „vollkörnig", „nur in der Mitte vollkörnig",
„lang- oder kurzspitzig", „flach", „breit" oder „schmächtig".
14. Der Auswuchs der Gerste ist in einer Probe von 200 Körnern
durch die Zahl der ausgekeimten Körner prozentisch auszudrücken.
15. Von grossem Einfluss fast auf alle Werteigenschaften der
•Gerste sowohl auf die Keimfähigkeit als auch auf das absolute und das
Volumgewicht, auf den Spelzengehalt, Farbe, Geruch usw. ist der Peuch-
tigkeitszu stand der zu untersuchenden Probe.
Ist also die Gerste abnorm feucht, so empfieht es sich auch den
Feuchtigkeitsgehalt der lufttrockenen Probe zu bestimmen:
Eine Durchschnittsprobe von ca. 5 — 10 g wird zunächst bei ca.
80'^ C eine Stunde lang vorgetrocknet und darauf bis zur Gewichts-
konstanz zirka 5 Stunden bei 105*' C getrocknet.
Der Wassergehalt soll 15 ^j^ nicht übersteigen.
16. Die Fälschung der Farbe durch Schwefelu kann in folgen-
der Weise ermittelt werden: Etwa 10 g Körner werden mit destilliertem
Wasser begossen und umgerührt. Nach etwa 10 Minuten wird ein blaues
Lackmuspapier eingetaucht; rötet sich das Papier, so ist anzunehmen,
dass die Gerste geschwefelt ist.
Zur genauen Bestimmung der Schwefelung ist die chemische
Methode mit 20prozentiger Salzsäure, welche bei der Prüfung des
Hopfens auf Schwefelung befolgt wird, vorzunehmen.
Die einzufordernde Samenmenge soll l'/r, Liter betragen.
Falls keine Volumgewichtsbestimmung verlangt wird, genügen 250 g.
Probeziehung: Die zur Untersuchung gelangende Probe soll dem
Durchschnittscharakter der Ware entsprechen. Es sollen mittelst eines
Probenstechers (z. B. des Nobbeschen) von oben, von der Mitte und von
unten eines jeden einzelnen Sackes, bei grosser Zahl von jedem fünften
oder zehnten Sack, oder von verschiedenen Stellen der ausgeleerten und
gut gemischten Ware mehrere Einzelproben genommen werden, von
welchen dann eine oder zwei Durchschnittsproben gezogen werden.
Zur Sicherstellung der Entschädigunsansprüche sollte die Probe-
ziehung vor zwei unparteiischen oder amtlichen Zeugen vorgenommen
werden. Zur Bestimmung des Wassergehaltes soll die Einsendung der
Probe in luftdichtverschlossenen Gläsern oder Blechbüchsen erfolgen.
Zur Herstellung einer engeren Mittelprobe empfiehlt sich
die „Fliessprobe", d. h. das langsame gleichmässige Ausschütten aus
gg Joli. \"aüha.
einer Flasche mit Ausguss unter gleichmässig'cr periodisclier Ausson-
derung kleiner Mengen').
Eine Mittelprobe kann auch auf folgende Weise hergestellt werden:
Der Same wird auf einem glatten Papier mit einem Hornspatel gut
gemischt, gleichmässig in dünner, überall gleich hoher Schicht ausge-
breitet und an mehreren geometrisch bestimmten Stellen werden mit
dem Spatel kleine Proben genommen; dabei ist darauf zu achten, dass
auch die auf dem Boden liegenden Körner mitgenommen worden.-)
Ein vollständiges Bild über die Qualität der Braugerste kann erst
erlangt werden, wenn die Gerste auch einer chemischen Analyse
unterzogen wird; diese Bestimmungen gehören jedoch nicht in den Rahmen
der Samenkontrolle.
Insbesondere ist hier der Gehalt au stickstofffreien Extraktiv-
stoffen respektive der Stärkegehalt und der Gehalt an Proteinstoffen^
welche namentlich in der neuesten Zeit an Wichtigkeit zugenommen
haben, zu bestimmen.
Bezüglich des Stickstoff- und Proteingehaltes (= N X 6'25)
wäre zu empfehlen, dass zur Bestimmung derselben nicht die Probe vom
Gerstenschrot, sondern 2 — 3 g ganze Gerstenkörner genommen
werden, w^eil bei der Probenahme zufällig mehr oder weniger Spelzen
mit der Kleberschicht in die Durchschnittsprobo gelangen und das Resultat
falsch beeinflussen können.
Es ist jedoch für die Beurteilung der Gerste nicht so sehr der
Gesamtstickstoff, respektive das Gesamtprotein, sondern das
Löslichkeitsverhältnis der Eiweissstofle massgebend, und zwar hat
die Menge der löslichen Protein- sowie der Extraktivstoffe in der Gerste
nicht nur für die Malz- und^ Brauindustrie sondern auch für den Land-
wirt namentlich in bezug auf das Saatgut grosse Bedeutung, wie unsere
Versuche eklatant gezeigt haben."')
Es soll daher bei der Gerste nebst dem Stärke- oder Extrakt-
^) Einen sehr zweckmässigen Apparat haben zu diesem Behufe K, Komers
und E. Freu dl in der Wiener k. k. Samenkontrollstatiou für Eübensamen
konstruiert, welcher die Arbeit sehr genau verrichtet und zugleich zehn Durch-
schnittsproben zieht.
2) Bei der Zusammenstellung der vorliegenden Vorschriften v.^urde ge-
trachtet, die von dem Verbände laudwirtsch. Versuchsstationen im Deutschen
Reiche bereits angenommenen technischen Vorschriften möglichst einzuhalten.
3) J. Vau ha, Versuche über den Einfluss der chemischen Zusammen-
setzung der Gerste auf die Qualität und das E.eproduktionsverraögen der
Gerstenpflanze und über die Vererbung dieser Werteigenschaften. (Zeitschrift
für das landwirt. Versuchswesen in Oesterreich 1905 und „Shornik zemedelsky"
Prerau 190-5.)
Zur (»Qualitätsprüfung der Braugerste. 97
gehalt sowohl der Gehalt an Gesamtprotein als auch die Menge
der löslichen und unlöslichen, beziehungsweise auch der
koagulierbaren und nichtkoagulierbaren Eiweissstot'fe be-
stimmt werden.
Nachdem die Stärkebestimmung nach der bisher üblichen
Methode von Maerker zu umständlich und langwierig ist, wäre eine
direkte Extraktbestimmung durch Einwirkung der frischen ^hilz-
diastase vorzuziehen.
Wegen der grossen Wichtigkeit eines gemeinsamen Vorgehens
bei der Qualitätsprüfung und Beurteilung der Gerste wären
die hief vorgebrachten Untersuchungsmethoden , welche grossenteils
bereits bei den meisten Versuchsstationen eingeführt sind, und es sich
hier nur um die dringend notwendige Einheitlichkeit handelt, zur all-
gemeinen Befolgung zu empfehlen.
JaliiesbericUt der Vereinigung: für argew^ndle l'ot:inik IV.
98
P. Lindner.
Über einige neuere biologische Methoden im Dienste
des Gärungsgewerbes.
Von
Professor Dr. Paul Liudiiei'-Berlin.
Wenn ich mich diesmal mit einem Vortrag angemeldet habe, so
geschah es zum grossen Teil aus der Empfindung heraus, dass auf
einer Tagung in Hamburg, als einer Hochburg der Gärungsindustrie,
auch die gärungsgewerbliche Botanik vertreten sein und zum Worte
kommen müsse.
Ihren Anteil an den Erfolgen des Gewerbes im einzelnen darzu_
legen, ist wohl kaum nötig. Ich erinnere nur kurz daran, wie durch
die Einführung der Hefereinkultur durch Emil Christian Hansen ein
ganz neues lieben in die Betriebe kam, wie Laboratorien in grosser Zahl
angelegt wurden, während man früher von der Bierchemie, solange die
Vorgänge bei der Keimung und dem Verzuckerungsprozess nicht genügend
bekannt waren, nicht viel wissen wollte, wie ein flottes Hetegeschäft im
Inland sowie nach dem Ausland sich entwickelte — gerade Hamburg
kann davon erzählen, da hier die meisten überseeischen Reinhefesen-
dungen in den kalten Schiffsräumen verstaut werden — , wie die Kalami-
täten der Biertrübungen beinahe ganz ausgemerzt und so ausserordent-
liche Werte gerettet wurden. Statt den Gärungsphysiologen zu verleugnen,
seine Anwesenheit womöglich zu verschleiern, wie es früher Tifter
vorgekommen war, benutzte man ihn fast zur Reklame, wie man ander-
seits nicht unterliess, in den Annoncen besonders darauf hinzuweisen,
dass man seinen Betrieb oder seine Reinzuchtapparate unter Kontrollo
dieser oder jener Versuchsstation oder des eigenen Laboratoriums
gestellt habe.
Nun sollte man meinen, in unserer Mitgliederliste wimmele es nur
so von angewandten Gärungsbotanikern.
Da ist nun das gerade Gegenteil zu konstatieren. Nur ganz
sporadisch ist — wenn man von den Kollegen vom Weinbau absieht —
ein Gärungsphysiologe darin zu finden, der sich als Botaniker ausgibt.
Die Mehrzahl der Gärungsphysiologen sind eben von Haus aus Chemiker,
und als solche suchen sie auf den Kongressen für angewandte Chemie
über einige neuere biologische Methoilen im Dienste iL Gärungsgewerbes. 99
gegenseitig Fühlung zu nehmen. Ich glaube nicht, dass sich hierin in
der nächsten Zukunft etwas ändern wird.
Die chemische Industrie bietet vielseitige Aussichten der AnsteUung
und lockt daher viele zum Studium, so dass das Angebot meist grösser
ist als die Nachfrage. Für den Botaniker liegt die Sache anders, und
daher herrscht hier beinahe Mangel an Kräften.
Dass der Chemiker ohne besondere botanische Vorbildung verhält-
nismässig schnell die biologischen Methoden sich aneignen kann, liegt
an der Einfachheit der letzteren. Bei uns am Institut für Gärungs-
gewerbe wird der junge Chemiker, nachdem er fleissig im analytischen
Laboratorium gearbeitet hat, gewissermasseu zur Belohnung am Schluss
seiner Ausbildung in das botanische Laboratorium versetzt. Dieses soll
ihn dahin bringen, dass er die Kulturmethoden beherrscht und die wich-
tigsten mikroskopischen Bilder deuten kann; ferner muss er sich in der
Handhabung der Hefereinzucht Fertigkeit aneignen. So ausgebildet kann
er beim Übergang in die Praxis dieser schon sehr von Nutzen sein.
Da die botanischen Arbeitsweisen ihm meist ganz neu sind, widmet er
sich denselben fast durchweg mit grossem Interesse, so dass er nach
Verlauf eines Jahres schon eine grosse Sicherheit bekommt und bei
längerem Verbleiben keine Kontrolle mehr nötig hat oder nur in besonders
schwierigen Fällen. Leider ist dann meist aber auch die Zeit seines
Fortganges gekommen.
So sehr also der leitende Botaniker bei der grossen Zahl der
Chemikerassistenten — ich habe wohl schon nahe an lOÜ Assistenten
im Laufe von 20 Jahren ausbilden helfen — in gewissem Sinne Schule
macht, so sind ihm doch noch nicht Mitarbeiter entstanden für eigent-
liche wissenschaftliche botanische Arbeiten, namentlich nicht für solche
biologischer, morphologischer oder systematischer Natur. Das ist eine
Schattenseite des Systems, die aber ganz von selbst verschwinden wird,
sobald die Zahl derjenigen Studierenden wächst, die von vornherein sich
für das Gärungsgewerbe vorbereiten und deshalb in gleicher Weise
Chemie wie Botanik studieren, wie es für den Gärungsphysiologen das
einzig richtige ist.
Die neuerliche Einrichtung des staatlichen Brauerei -Ingenieur-
examens gewährleistet übrigens schon eine gleichmässig gute Ausbildung
in Chemie sowie in Botanik, und hier bietet sich dem Gärungsphysio-
logen Gelegenheit, experimentelle Prüfungsaufgaben zu stellen, die bisher
noch nicht in Angriff genommen worden sind. Es kommen so gewisser-
masseu kleine Doktorarbeiten zustande, die nicht ohne Nutzen sind.
Nach dieser orientierenden Einleitung kann ich zu meinem eigent-
lichen Thema übergehen. Ich gedenke dasselbe so zu behandeln, dass
7*
-^QQ P. Limlner.
ich mich nicht so sehr auf eine möglichst genaue Beschreibung der
biologischen Methoden einhisse — zum grössten Teil existieren dieselben
schon — als vielmehr, dass ich zu denselben gewissermassen nur einige
Randglossen mache. In ihrer Gesamtheit sollen die Ausführungen Ihnen
ein ungefähres Bild geben von den Umständen und Bedürfnissen, welche
mich zu der Auffindung der verschiedenen Methoden geführt haben, und
wie ich versucht habe, dieselben sowohl für Unterrichtszwecke wie für
die praktische Betriebskontrolle und die Laboratoriumsanalyse zu verwerten.
Ich möchte beginnen mit der biologischen Luftanalyse, wie ich sie
seit 1887 anwende.
Es handelte sich damals in einer Brauerei, ganz in der Nähe
Hamburgs, um die Frage, ob die Würze auf dem Kühlschiff eine starke
Infektion vom Hof aus, der schlecht gepflastert war und inmitten eine
Schankhalle trug, deren Abwässer über das Pflaster liefen, erhalten
könne. Da eine schleunige Entscheidung dieser Frage beantragt war
und ich die nötigen Nährgelatinen und Würzen gerade nicht bei der
Abreise zur Verfügung hatte, kam ich auf den Gedanken, die Keime
an Ort und Stelle trocken einzufangen und erst bei der Rückkehr von
der Reise mit jenen zu füttern. Ich wählte einfache Standzylinder als
Auffangegefässe, verstopfte sie mit Watte und steriUsierte sie.
Anfänglich benutzte ich einfach Würze, um die hereingefallenen
Keime von den Innenwänden abzuspülen und am Boden des Stand-
zylinders zur Entwickelung zu bringen. Später nahm ich Nährgelatine
und rollte die Glasgefässe aus, nach Art einer Es mar ch sehen Rollkulfcur.
Diese Methode erwies sich weit einfacher als die Kochsche Methode,
die ich ein Jahr zuvor bei einem bakteriologischen Kursus im alten
Kochschen Institut in der Klosterstrasse kennen gelernt hatte. Dort wurde
die Gelatine in ein Schälchen gegossen, erstarren gelassen, dann letzteres
mittelst eines Motallbügels in einen Standzylinder herabgelassen. Es
entwickelten sich dabei nur die Keime, die gerade auf die Oberfläche
der Gelatine fielen. Man bekam nur Oberflächenbilder, nicht so schöne,
dünne, fast durchscheinende Kolonien, wie sie in der dünnen Gelatine-
schicht des Zylinders wachsen. (Demonstration einiger Luftzylinder.)
Für den Unterricht bietet diese Methode ausserordentliche Vorteile.
Ich pflege bei Gelegenheit des grossen Winterkursus an unserem
Institut den Studierenden stets solche ,, Luftzylinder" mit in die Weih-
nachtsferien zu ge))en und überlasse es jedem, die Örtlichkeit selbst zu
bestimmen, an der er die Keime aus der Luft einfangen will. Die ver-
schiedenartigen Bilder in den Zylindern lehren auf den ersten Blick, wie
verschieden die Mikroben der Art und Zahl nach verteilt sind; ins-
besondere erweckt aber das von Tag zu Tag zunehmende Wachstum der
"Übei- einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. l(Jl
Kolonien lebhaftes Interesse. Ich habe einige solche Zjiinder mitgebracht.
Der eine ist auf einem Weinberge bei Koblenz aui'gestellt worden, der
andere in Berlin Unter den Linden an der Ecke der Priedrichstrasse.
Merkwürdigerweise zeigen beide diesell)o Schimmelvegetation der Botrytis.
Der Befund lässt vermuten, dass mit den vielen Weintrauben, die in
Berlin auch im Winter eingeführt werden, auch die Botrytis ein-
geschleppt ist.
Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen auch einige Schimmelpilzkulturen
zu zeigen, die sich in der dünnen Würzegelatine weiterer GlaszyUnder
wunderbar schfin entwickelt haben. Ich empfehle Ihnen solche
Kulturen sehr zum genaueren Studium der Pilze; namentlich lassen sich
gute Vergleiche über die Wachstumsgeschwindigkeiten verschiedenei"
Arten damit anstellen. Indem diese Kulturen langsam austrocknen»
liefern sie die schönsten Museal-Dauerpräparate, die jahrelang aushalten.
Auch Hefen, namentlich Kahmhefen, liefern herrliche Flachkolonien,
und kann man mit Leichtigkeit Dutzende von Hefen in einem Glase
nebeneinander wachsen lassen. Nach dem Eintrocknen stellt ein solches
Gefäss gewissermassen ein gläsernes Herbarium dar.
Für weniger luftliebende Hefen bietet jedoch diese Kulturmethode
wenig Vorteile; da ist schon die Kultur auf einer dicken Gelatineschicht
in Form von Riesenkolonien ausgiebiger in bezug auf unterscheidende
Merkmale der einzelnen Hefen. Ich zeige hier nur einige Bilder solcher
Kolonien aus meiner „Mikroskopischen Betriebskontrolle" und erwähne
nur, dass Herr Kollege Will in den letzten Jahren über den Aufbau
solcher Kolonien ausführhche Studien gemacht hat. I'ie Impfstrich-
kulturen der gleichen Hefen liefern bei weitem nicht so schöne Bilder.
Indem ich Ihnen solche Impfstrichphotographien zeige, will ich Ihnen auch
das Geheimnis verraten, um das ich oft ausgefragt wurde: wie die
Reflexe auf den Reagensgläsern zu vermeiden gewesen sind? Die Sache
ist sehr einfach; die Gläser wurden horizontal gelegt und zwar so, dass
die Axe des photographischen Apparates den Winkel halbiert, den das
auffallende und vom Reagensglas reflektierte Licht bildet.
Ich komme zu der sogenannten ,, Tropfenkultur", bei der irgend
eine Vegetation mit Nährflüssigkeit gemischt und in Tropfenform in eine
sterile Glasschale eingetragen wird.
Die ganze Methodik erscheint hier so einfach, dass man sicher
denkt, dass ihrer Erfindung keine grosse Überlegung vorhergegangen
sein dürfte.
Dem ist aber durchaus nicht so: Ich habe erst auf recht kompli-
zierte Weise die Zerlegung einer Flüssigkeit in einzelne Teilmengen
bewerkstelligt.
102
P. Limlner.
So hatte ich z. B. GlasriUiren so aufblasen lassen, dass sie wie
eine geradlinige Peilenkette etwa aussahen. Die Füllung derselben z.B.
mit Bottichwürze ging ja sehr einfach vor sich, jedoch war bei diesem
wie bei einem zweiten Modell, bei dem nur die Unterseite der Röhre
halbkugelige Blasen aufwies, die Probeentnahme aus den einzelnen
Kammern nicht gut mögUch. Erst die Betrachtung der adhärierenden
Regentropfen an den Fensterscheiben der Eisenbahnwagen brachte mich
dann auf die einfache Idee der Verteilung der Flüssigkeit mittelst einer
Pipette auf die trockene Glasfläche. Das Glas muss jedoch eine Spur
fettig sein.
Das Bedürfnis zur Auffindung dieser Methode war gegeben durch
die Abneigung der Praktiker, mit Gelatine zu arbeiten. Die Gelatine
anwärmen, mit Würze vermischen, Platten giessen, Kolonien ausstechen,
das ist alles viel zu umständlich in der Praxis.
Diese Methode, die ich zuerst 1(S92 beschrieb, eignet sich sehr
gut zur Untersuchung des Keimgehaltes von Wasser, Würze, klar
filtriertem Bier usw. : ferner zum Nachweis von staubiger oder flockender
Hefe in Presshefe, von der man vermutet, dass sie mit minderwertiger
Bierhefe vermischt sei.
Selbst wenn 5 — 10 Keime, z. B. Hefen, auf den Tropfen kommen,
bilden sich meist ebensoviel Hefenflecke, so dass man annähernd quan-
titativ den Keimgehalt der betreffenden Probe feststellen kann. In der
Praxis erfordert die Anlage einer solchen Kultur weder viel Vorbereitung,
noch viel Zeit und Mühe. Durch Verwischen einer Anzahl Tropfen mit
dem sauberen Finger erhält man sogleich eine gute Durchschnittsprobe
zur mikroskopischen Prüfung.
Auch beim Arbeiten mit Gelatine lässt sich diese Methode gut an-
wenden, namentlich wo verflüssigende Bakterien vermutet werden. Die-
jenigen Gelatinetropfen, die kein verflüssigendes Bakterium enthalten,
bleiben völlig intakt: in einer zusammenhängenden Plattenkultur würde
bald die ganze Gelatine verflüssigt werden.
Dasselbe Prinzip wie bei der Tropfenkultur — nur Glas und Nähr-
flüssigkeit — findet sich in meiner Tropf chenkultur wieder, die ich
1893 beschrieben habe.
Man sollte meinen, den Anstoss zu dieser Methode hätte die
Tropfenkultur gegeben. Weit gefehlt I
Er kam von der Fragestellung: Wie oft kann eine Hefemutterzelle
Tochtersprosse abgliedern. In Gelatine gewachsene Kolonien machten
die Mutterzelle sehr bald nicht mehr in dem Haufen von Nachkommen
der direkten Beobachtung zugänglich. Es musste zum hängenden Tropfen
"L'ber einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Grärungsgewerbes. 103
Zuflucht genommen worden; jedoch musste der so klein sein, dass die
zur Aussaat gelangte alte Zelle gewissermassen fest lag.
Da auch nachts die Beobachtung fortgesetzt werden musste und
meine Wohnung weit entfernt von dem Laboratorium lag, musste ich
darauf sinnen, die Kultur bequem transportieren zu können. Die Ge-
wohnheit, direkt auf Glas mit Tinte und Feder zu schreiben, mag un-
willkürlich mich dazu verleitet haben, das Auftragen der Nährflüssig-
keit mittelst einer Zeichenfeder vorzunehmen. Später mussten auch
hindere Dinge, wie abgekochte Zahnstocher zum Auftragen der Tröpfchen
bzw. Striche herhalten. Wichmann und Zikes tragen kleine Flüssig-
keilströpfchen mittelst einer feinen Kapillare auf einen dünnen Xähr-
gelatinekuchen auf.
Beiläufig erwähne ich, dass die Zelle sich zunächst völlig wieder
verjüngte, indem sie Plasma speicherte und dann mit der Sprossung
begann. Unter den Hunderten von Nachkommen konnten 7 — <S direkte
Töchter beobachtet werden, und dabei sah die Mutterzelle durchaus nicht
entkräftet aus. Es waren also Urur .... nichten bei der Sprossung
der letzten direkten Töchter bereits vorhanden.
Die leichte Auffindbarkeit der einzelnen Zellen und die Übersichtlichkeit
der Entwickelung in solch kleinem Tröpfchen bewogen mich zunächst,
diese Methode zur Isolierung von einzelnen Zellen für die Zwecke der
Reinkultur vorzuschlagen; jedoch habe ich keinen besonderen Wert darauf
gelegt, dass man wirklich diese Methode statt der H an senschen Einzell-
kultur in dünner Gelatineschicht macht. Wohl aber erkannte ich bald,
dass die Methode für die biologische Analyse sich ausgezeichnet eignete.
Ich kann wohl sagen, dass diese Methode in kurzer Zeit zur Standard-
methode im Laboratorium erhoben wurde, aber nicht nur hier, sondern
auch beim Unterricht in den mikroskopischen Übungen. Dr. med. Dreuw
von dem Un naschen dermatologischen Institut hier in Hamburg, der
sie bei der Untersuchung einer durch einen Pilz hervorgerufenen Finger-
nägelkrankeit für medizinische Studien anwandte, gab ihr den sehr
zutreffenden Namen Federstrichkultur, insofern man eine Zeichenfeder
zum Auftragen der Kulturtröpfchen benutzt, die am zweckmässigsten in
Strichform von solcher Breite, dass sie im Gesichtsfeld des Mikroskops
bequem übersehen werden können, angelegt werden.
Ruhige, ungestörte, aber verhältnismässig schnelle Entwickelung
der Kolonien aus den einzelnen Aussaatzellen, Wegfall von störenden
Flüssigkeitsströmungen während der Beobachtung, klares Hervortreten
der einzelnen Zellen in der Flüssigkeit (im Gegensatz zu Gelatine-
präparaten), das sind die wichtigsten Vorteile der Tröpfchenkultur.
Innerhalb 24 Stunden ist die Analyse in der Regel zu erledigen.
JQ4 P. Lindner.
Besonders schätzen lernt man diese Methode aber beim l'nterrichf.
Die Kulturen sind leicht und schnell anzuleg*en, halten sich monatelang,
können von einem Tage zum andern betrachtet und in den Verände-
rungen eingehend studiert wertlen.
Als besonders interessante Fragen, die leicht mit dieser Methode
zu studieren sind, nenne ich die nach der Individualität der Zellen,
ferner die nach der I.ebensdauer der Zellgenorationen, die ihrer Selbst-
verdauung, der Sporenbildung innerhalb der Flüssigkeit, der Myzelbildung,
lerner die nach der Vermohrungsgeschwindigkeit und der Vermehrungs-
ziffer.
Auch der Einfluss der Konzentration ist leicht zu studieren. Man
macht einen Strich und zählt wieviel Sekunden er bis zum Eintrocknen
braucht. Wenn man z. B. in dieser Zeit langsam 30 bis 40 Striche
anlegt, so nimmt in dieser Reihe die Konzentration proportional ab.
Für den Praktiker, der sich ihrer bei der biologischen Betriebs-
kontrolle bedient, spielt die leichte Unterscheidbarkeit von wilden und
normalen Hefen schon bei schwachen oder mittleren Vergrösserungen
eine Hauptrolle. I >ie Kulturen sind leicht mit der Post als Muster ohne
Wert zu versenden, und es kommt nicht selten vor, dass ein Praktiker
sich durch uns kontrollieren lässt, ob er die mikroskopischen Bilder der
eingesandten Kulturen richtig gedeutet hat. Viele Hunderte oder gar
Tausende von intelligenten Praktikern setzen sich in ihren Mussestunden
hin und studieren die selbst angefertigten Kulturen.
Ich habe endlich noch einen Vorteil dieser Kulturmethode zu er-
wähnen: man kann die Bilder gut photographieren, und zwar auch
dieselben Stellen des Präparates ohne Schwierigkeiten zu wiederholten ISIalon.
Einige Worte nur will ich über meine „Adhäsionskultur" sagen:
sie kommt besonders für die mikrophotographischen Aufnahmen in Be-
tracht; aber sie wurde nicht erfunden zu dem Zweck, um möglichst
ebene Bilder zti erhalten, sondern sie verdankt ihre lüitstehnng meiner
Neugierde in einer bangen Stunde, als ich erfuhr, dass eine heftige
Diphtheritis sich bei mir eingestellt hatte. Ich wollte gern nach meiner
eventuellen Genesung den Bacillus genauer kennen lernen. Geeignete
Nährmedien waren nicht zur Stelle; da verfiel ich plfUzlich auf die Idee,
ein Klatschpräparat von meinem hinteren Zungenbelag auf einem sterilen
Deckgläschen zu machen und durch Aufkitten desselben auf einem hohlen
Objektträger (mitteilst Vaselin) das Eintrocknen des feuchten Belages zu
verhüten. Als ich nach Wochen wieder das Laboratorium betreten
konnte, fand ich bei der mikroskopischen Durchsicht dieser bei 37° auf-
bewahrt gebliebenen Kultur eine Unmenge deutlich differenzierter Bak-
terienkolonien; alle prachtvoll übersichtlich in einer Ebene geordnet.
"über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. 105
Die Adhäsionskiiltur wende ich in allen den Fällen an, wo ich
eine Orientierung gewinnen will über die in irgend einem natürlichen
Nährsubstrat vorkommenden Formen, z. B, in den Schleimflüssen der-
Bäume, in tierischen oder ])flanzlichen Sekreten, in Honig, in Sirupen,,
in Erdproben. l>amit die Ivultur angehen kann, muss natürlich mit
sterilem Wasser die betreifende Flüssigkeit entsprechend verdünnt
werden.
Eine Adhäsionskultur so anzulegen, dass sie prächtige Entwicke-
lungsbilder gibt, ist ziemlich schwer; bald ist die Kultur zu feucht, bald
ist sie zu trocken; wer aber die richtige Mitte zu treffen versteht, der
wird an dieser Methode seine Freude haben, am meisten der Mikro-
photograph. Als solcher kann ich es aussprechen, dass die Herausgabe
meines „Atlas der mikroskopischen Grundlagen der Gäiungskunde"
lediglich möglich war durch Ausnützung der erwähnten l)eiden Methoden,,
der Adhäsions- und Trüpfchenkultur.
Die Adhäsionskultur bietet die Möglichkeit, ganz sporadisch auf-
tretende Keime ohne Mühe von den anderen abzusondern: man lässt
einfach, nachdem diebetreffende Stelle, wo der seltene Organismus sich,
befindet, auf der Oberseite des Deckgläschens markiert ist, die Kultur
durch Abheben des Deckgläschens vom hohlen Objektträger leicht ein-
trocknen; an der markierten Stelle tupft man dann den Belag mit einer
sterilen Zeichenfeder los, am besten, so lange er noch sirupartige Kon-
sistenz hat. Nun kann man das Material in Plattenkulturen oder Tröpfchen-
kulturen weiter zum Wachsen zu bringen suchen.
Besonders interessant gestaltet sich die Beobachtung von Amöben
und Infusionstierchen in den dünnen Flüssigkeitslamellen am Deckgläschen.
Zu bemerken ist, dass die 1 »eckgläschen hier fettfrei sein müsen, während
sie bei der Tröpfchenkultur einen Fetthauch haben müssen.
Ich darf wohl schliesslich noch daran erinnern, dass die Adhäsions-
kultur in der freien Natur am meisten anzutreffen ist, so an allen
Oberflächen der Felsen, Bäume, Sträucher, der Bodenpartikelchen usw.
Die knappe Nahrung und die beständige Eintrocknungsgefahr sichern
hier auch dem schwachen Organismus die Existenz im Konkurrenz-
kampf mit dem starken. In den Erscheinungen der .\dhäsions-
kultur am Deckgläschen spiegelt sich ziemlich naturgetreu
der Kampf da draussen in den feuchten Belägen der Ober-
flächen ab.
Interessant sind hier die Veränderungen, welche die mittleren Zellen
der in kreisförmigen Scheiben wachsenden Kolonien betreffen. Es sind
■Hungererscheinungen, die sich in Vergrösserung der Vakuolen und der
Zellen und in dem Schwinden von Plasmaglykogen usw. äussern. In.
-[Qg P. Lindner.
■den meisten Fällen tritt auch die Sporenbildung hier sehr schön auf,
wie verschiedene Bilder aus meinem Atlas zeigen.
Das Gegenstück zur Adhäsionskultur in bezug auf Lufteinfiuss ist
das sogenannte „Vaselinein Schlusspräparat". Hier ist ebenfalls
eine ganz dünne Flüssigkeitsschicht vorhanden, aber diese ist zwischen
einem flachen Objektträger und einem l'cckgläschen eingesperrt und
ringsum von einem Vaselinring vor dem Luftzutritt geschützt. Ich hatte
mehrfach diese Methode empfohlen, z. B. zum Nachweis von Sarcina in
Hefe. Neuerdings haben Bethges und Heller dieser Methode eine
besondere Empfindlichkeit in bezug auf Sarcinanachweis nachgerühmt
bei Verwendung von kleistertrübem Bier als Nährflüssigkeit. Auch diese
Kulturmethode besitzt den Vorzug, dass infolge der ungestörten Ent-
wickelung die auftretenden Organismenkolonien dichtgedrängt bei ein-
ander bleiben, oft in einem Stammbaum, dessen Bild die Aufeinanderfolge
der Zellen genau wiederspiegelt. Fast ganz niedergehalten wird die
Entwickelung der aeroben Keime, während die anaeroben auf Kosten
jener begünstigt wird, indem nämlich die aeroben Keime leicht bei Luft-
abschluss der Selbstverdauung anheimfallen.
Da das Vaselineinschlusspräparat, wie die Tröpfchenkultur, eine
gute Beobachtung von Keimungsbildern gestatten, lassen sie sich in
allen den Fällen nutzbar machen, wo das Keimungsbild analytischen,
diagnostischen Wert besitzt. So habe ich z. B. die Tröpfchmikultur als
die geeignetste Methode zum Nachweis von Bierhefe in Presshefe vor-
geschlagen, von der Erfahrung ausgehend, dass untergärige Bierhefe
(die wegen ihres billigen Preises öfters als Beimischung zu der wert-
volleren Presshefe benutzt wird) im Gegensatz zur Presshefe fast nie in
sperrigen Sprossverbänden wächst.
Henneberg wendet die Tropf chenkultur an zur schnellen Ent-
scheidung der Frage, ob in einer Brennereimaische oder Würze oder in
einer Presshefe den normalen Kulturmilchsäurebazillen auch in mehr oder
weniger grosser Zahl ,, wilde", also der Gärung schädliche Milchsäure-
bakterien beigemischt sind
Für den Gärungsphysiologen ist es wichtig, dass er im Gärungs-
betrieb vorgefundene Organismen möglichst genau charakterisiert. Da,
wo die makroskopische und mikroskopische Betrachtung ungenügende
Anhaltspunkte gibt zur Unterscheidung gleichartig aussehender Kolonien,
ist die physiologische Gärmethode im hohlen Objektträger wohl
das genaueste und am schnellsten Entscheidung bringende Auskunftsmittel.
Auf diese Methode bin ich verfallen, als ich seinerzeit im Zusammen-
arbeiten mit Emil Fischer in den Besitz der seltenen und teueren
Zuckerarten gelangte. Es war mein Wunsch, möglichst viel Hefen auf
über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes 107
ihr Verhalten gegen diese kostspieligen Zuckerarten zu prüfen. Die
Lr>sung, die ich dafür gefunden habe, wird an Ehifachheit nicht über-
troften werden können. Ich habe in Gemeinschaft mit einigen Mitarbeitern,
wie Dennhardt, Kownatzki, über 3000 Gärversuche mit den kleinen
Zuckermengen ausführen können. Wenn Lafar später die Methode als
K leingär meth od e bezeichnete, so hat er damit einen treffenden Aus-
druck gefunden. Durch sie wurde z. B. der wichtige Nachweis erbracht,
dass es auch Presshefen gibt, welche Melibiose vergären können, ent-
gegen der Bauschen Angabe, welche vordem bei gerichtlichen Ent-
scheidungen eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat.
Für die Praxis der Gärungsgewerbe ist aber nicht die Vergärbar-
keit des vorhandenen Zuckers durch die Hefe allein massgebend. Es
kommt auch darauf an, wieviel sie davon zum Aufbau ihrer Zellsubstanz
verwenden kann. Das gleiche gilt in bezug auf die stickstoffhaltigen
Stoffe der Würze. Letzteres Moment ist z. B. von besonderer Wichtig-
keit dort, wo man durch Selbstverdauung gewonnenen Bierhefeextrakt
bei der Erzeugung von Presshefe mit verwerten will, oder als Zusatz zu
Brennereimaischen. Diesen beiden die Assimilation von Kohleh^ draten
und stickstoffhaltigen Körpern betreffenden Fragen habe ich mich in
letzter Zeit zugewandt. Resultate liegen bereits vor in bezug auf die
Verdaulichkeit bzw. xAssimilierbarkeit der Stoffwechselprodukte der Bierhefe,
die Professor Kutscher in Marburg uns möglichst rein hergestellt hat.
Es hat sich gezeigt, dass die Kahmhefen und überhaupt die luftliebenden
Hefen sich fast alle Abbauprodukte der Bierhefenautolyse wieder zunutze
machen können; die obergärigen Bierhefen sind dagegen am wählerischsten:
sie assimilieren nur wenige von jenen Stoifen. Die untergärigen Bier-
hefen und die wilden Hefen wachsen auf einer grösseren Zahl jener
Stoffe, jedoch mit der Abstufung, dass erstere nur wenig kräftiges
AVachstum, letztere dagegen ein sehr gutes Wachstum ergeben.
Die genannten Hefekategorien bilden nach diesen Versuchen physio-
logisch gut gegeneinander abgegrenzte Gruppen derart, dass, wenn
zufällig der Vertreter der einen sich in die Versuchsanstellung mit den
Vertretern der anderen eingeschlichen hat, sofort dieses ausfällt.
Bei den meisten Kahmhefen setzt am 2. bis 3. Tage schon ein
kräftiges Wachstum ein, bei einigen erst viel später, vielleicht am 5. bis
■ö. Tage; jedoch sind dann am 8. — 10. Tage die Vegetationen schon
-ebenso kräftig wie die der früh angegangenen Hefen. Es scheint also
erst eine Angewöhnung an die betreffenden Stoffe oder eine enzymatische
A''eränderung derselben vorausgehen zu müssen, bevor sie zu Plasma
verarbeitet werden können.
Über die Assimilation verschiedener Kohlehydrate durch die Hefen —
][Qg P. Lindner.
Beijerinck hat bereits dementsprechonde Versuche mit einer geringeren
Auswahl von Hefen gemacht — werden erst kommende Untersuchungen
Aufschluss geben. Wichtiger noch als das Verhalten gegen die Stoff-
wechselprodukte der Hefe selbst, wird das Studium der Hefen in bezug
auf die Assimilation der Eiweissumsatzstoffe der Gerste und des
Malzes sein. Hier wird jedoch erst abzuwarten sein, ob die Chemiker
imstande sind, einwandfreies Material zu liefern.
Indem icli Ihnen, meine Herren, einige Assimila tionskiilturen in
eingetrocknetem Zustand vorlege — die Kulturen sind von dem Ober-
assistenten meines Laboratoriums, Herrn Dr. Stockhausen, angefertigt —
mache ich Sie noch aufmerksam auf eine interessante Erscheinung beim
Eintrocknen solcher Kulturen. Sie sehen, dass sich überall Kristalle
ausgeschieden haben: nur in der Umgebung einiger kräftiger Hefevege-
tationen fehlen sie. Wir schliessen daraus, dass hier der kristallisierende
Stoff von der Hefe assimiliert worden ist.
Beiläufig lege ich Ihnen eine Stärkegelatineplatte nach Wijsmann
vor, die mit Malzauszug, der auf verschieden hohe Temperaturen erhitzt
war, betupft worden ist. Da wo kein durchsichtiges Fenster in der
trüben Gelatine mehr entstanden, hatte der betreffende Tropfen des
erhitzten Malzauszuges keine wirksame E)iastase mehr.
Sie haben also hier die einfachste und sicherste Methode vor sich,
um die Einwirkung der mehr oder weniger schnellen Temperatur-
steigerung auf die Diastase kennen zu lernen. Indem die Platte mit
Jodlösung am Schluss Übergossen wurde, kamen die durchsichtigen,
durch Verzuckenmg der Stärke entstandenen Fenster deutlicher zum
Vorschein.
Mit einer einfachen Verwendung des Tuschpinsels und des Gummi-
fingers will ich Sie zum Schluss meiner Ausführungen noch bekannt
machen. Bei der Anlage von Plattenkulturen ist es wichtig, die richtige
Verdünnung zu treffen, und da man im voraus selten eine richtige
Schätzung machen kann, war man bislang darauf angewiesen, mehrere
Platten zu giessen. Ich benutze nur eine Gelatineplatte und trage mit
Hilfe eines Tuschpinsel 6 — 8 — 10 Verdünnungen darauf auf. Man spart
dabei wesentlich an Arbeit, an Gelatine und Gelassen.
Ein überraschendes Bild dürfte Ihnen der Anblick einer Anzahl
Gärröhrchen darbieten, die ich hier aufgestellt habe und die sämtlich
mit einem Gummifinger, wie ihn die Ärzte zum Tuschieren gebrauchen,,
versehen sind. Es handelt sich um die einfachste Art eines Gärversuches
bei Abschluss der Luft.
Hier in diesen graduierten Röhrchen, die genau 10 ccm enthalten,,
sind verschiedene Flüssigkeiten eingefüllt worden. Der Verschluss geschah
über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärungsgewerbes. 109
mit Hilfe der vorher in heissera Wasser sterilisierten und durch Drehen
zwischen den Fingern w^asser- und luftfrei gemachten Gummifinger. Der
äussere Luftdruck bewirkt, dass beim Umkehren des Gläschens der
Gummifinger völlig zusammengeklappt bleibt. Nur wenn sich Gas im
Röhrchen entwickelt, wird ein Teil der Flüssigkeit in den Gummifinger
nach unten gedrückt. Die in diesem Teil der Flüssigkeit entstehende
Gasmasse steigt unbehindert hoch und vereinigt sich mit der Gasmasse
unter dem geschlossenen Rr)hrchenende. Die Menge des gebildeten Gases
kann ohne weiteres abgelesen werden.
Mit Hilfe dieses Apparates kann man mit Leichtigkeit bestimmen,
Avie viel Gas sich z. B. aus 2,5 g Malzschrot, das mit Wasser auf
10 ccm aufgefüllt ist. bei 40° C, dem Optimum der Buttersäuregärung,
entwickelt. Ich führe als interessantes Beispiel an, dass in einem
Versuch etwa 4(J ccm Gas daraus hervorgegangen sind.
Diesen .\pparat kann man benutzen zur Feststellung, ob eine Hefe
^lelitrioselösung nur zum Teil oder ganz vergärt (Nachweis, ob eine Hefe
ol)ergärig oder untergärig), ob ein Harn Zucker enthält, ob eine bereits
angestellte Würze schnell oder langsam in Gärung kommt, ob die Gärung
bei dieser oder jener Temperatur aufhört.
Die Apparate beanspruchen nur ganz geringen Raum, sie können
in den kleineren Abteilungen der Thermostaten in grösserer Zahl
untergebracht werden. Sie eignen sich vorzüglich, um beim Unter-
richt das Gärungsphänomen zu erläutern, indem die gesamte ent-
wickelte Gasmenge zur Anschauung gebracht wird.
Inwieweit diese Methode verlässliche Resultate geben wird beim
Vergleich der Gärungsgeschwindigkeiten in verschiedenen^ mit gleicher
Hefenaussaat versehenen Würzen oder in gleichen mit verschiedenen Hefen
angestellten Würzen, beim Vergleich des Kohlensäuregehaltes verschiedener
Biere, das wird erst noch durch genauere Versuche zu ermitteln sein.
Obwohl nicht ganz zum Thema gehörig, möchte ich doch nicht
verabsäumen, in Rücksicht auf die Herren von der Samenkontrolle, zum
Schluss einer Methode Erwähnung zu tun, die uns leicht über den
Ei weiss geh alt der Braugerste — für andere Körnerfrüchte ist die
Alethode jedenfalls auch gangbar — orientiert.
Sie sehen hier auf Kartonpapier, in gleich grosse Bleistiftkreise
aufgetragen, je 0,2 g Gerstenmehl, das vorher mit der Pap penhoim sehen
Triacidlösung in wässeriger Lösung gefärbt und nachher vom Überschuss
der Farbe durch Wässern befreit worden ist.
Je mehr Eiweissstoffe, je intensiver die Färbung des durch Zentri-
fugieren aus der Flüssigkeit wiedererhaltenen Mehles, Schon in den
Zentrifugiergläschen kann man die unterschiedliche Farbaufnahme der
IIQ r. Lindner.
verschiedenen eiweissreichen Gerstenmehle erkennen. Indem man jedoch
die ausgeschleuderte Masse, mit wenig Wasser aufgerührt, auf Karton-
papier ausbreitet und daselbst eintrocknen lässt, bekommt man einen
besseren Überblick. In 20 — 30 Minuten ist es möglich, vier Gersten in
bezug auf Eiweissgehalt vergleichend zu prüfen.
Wie ich erfahren habe, gibt es Aufkäufer von Braugersten, die,
mit Seckmühle, Zentrifuge und Triacidlösung ausgerüstet, die Märkte
besuchen und die angebotene Ware sogleich mittelst der Triacidmethode
prüfen. Auch Malzfabriken und Brauereien bedienen sich derselben.
Ich will aber gleich betonen, dass die Anwendung dieser Methode
schnelles und gewandtes Arbeiten voraussetzt. Wer darin nicht beschlagen
ist, der wird wenig Freude an der Methode erleben.
Dass auch schon anatomische Verschiedenheiten bei verschieden
eiweissreichen Gersten zutage treten, darüber werden Sie belehrt durch
gelungene Photogramme von Gerstenschnitten, die Herr Lauck in meinem
Laboratorium angefertigt hat und die Ihnen z. B. zeigen, dass eine Gerste
mit 19 "/q Eiweiss sowohl eine dickere Aleuronschicht aufweist und auch
mehr Reserveeiweiss unterhalb derselben gespeichert hat, als eine solche
mit 9 "/o Eiweiss.
Die umständliche Präparation der Körner — Einbetten in Paraffin
usw. — und die Kostspieligkeit eines guten Mikrotoms lassen allerdings
eine praktische Verwendung dieser Methode der Orientierung über den
Eiweissgehalt nicht zu. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bei
geschickter Handhabung des Rasiermessers schon Schnitte aus freier
Hand brauchbare Bilder geben, aus denen die Beschaffenheit der Aleuron-
schicht und der Reserveeiweissschicht ersichtlich ist. Diese Schnitt-
diagnosen haben nur den grossen Nachteil, dass sie eben nur für ein
Korn und für den betreffenden Schnitt Geltung haben, und dass bei der
Auswahl eines nicht typischen Kornes von der betreffenden Probe leicht
ein ganz falscher Schluss auf die Gesamtprobe gezogen werden kann.
Viele Schnitte von vielen Kiirnern zu machen, ist aber sehr um-
ständlich und ohne Zuhilfenahme der Photographie oder von Messungen
ist auch ein Vergleich der einzelnen Schnitte untereinander zu sehr von
der subjektiven Anschauung abhängig.
Ich bin am Schluss meiner Darlegungen angelangt. Sie werden
denselben haben entnehmen können, dass gerade auf dem Gebiete der
Gärung die Botanik ein dankbares Feld der praktischen Betätigung
gefunden hat. Der Einfluss auf die Praxis ist insbesondere dadurch ein
so ausgedehnter geworden, weil nicht der Botaniker allein die biologischen
Methoden der Betriebskontrolle ausübt, sondern auch ein grosser Teil der
Praktiker selbst.
• über einige neuere biologische Methoden im Dienste d. Gärnngsgewerbes. HX
Diesem Umstand ist es aber mit zuzuschreiben, dass der Gärungs-
praktiker wohl denjenigen Laienstand repräsentiert, der mit am meisten
von der Welt des Mikroskopes Einsicht genommen hat und über das
Leben der Mikroben Bescheid weiss.
Die Gärungspraktiker bilden eine überaus gute Kundschaft für die
optischen Werkstätten, und man kann wohl sagen, dass grosse Kapitalien
bereits für Mikroskope von Brauereien, Brennereien und Presshefen-
fabriken aufgewendet worden sind.
Es kann nur gewünscht werden, dass auch in der Land- und Forstwirt-
schaft vom Laienelement in gleich rühriger Weise vom Mikroskop Gebrauch
gemacht wird, wie in der Gärungstechnik. Je mehr dies geschieht, je
grösser wird auch die Wertschätzung der Botanik als angewandter
Wissenscliaft zunehmen.
112 T. Johnson.
Der Kartoffe Ischorf Spongospora Solan i Brunch.
Von
T. Johnson-Dublin.
(Mit einer Tafel.i
Es gibt viele Leute, welche glauben, dass die Einführung der Kar-
toffel in Irland durch Sir Walter Raleigh vor mehr als 300 Jahren
kein ungetrübter Segen gewesen sei. E)ie Hungersnot in Irland im Jahre
1845 wurde infolge des Ausfalles der Kartoffelernte verursacht. Je
ärmer die Leute, desto öfter war die Kartoffel beinahe die einzige Quelle
ihrer Nahrung. Wie wohl allgemein bekannt, war der Pilz Phi/tophthora
infestans die Ursache des Fehlschlagens. Während der letzten Wochen
haben nun einige Zeitungen angekündigt, dass es in diesem Jahre wegen
des nassen Wetters besonders in den westlichen Gegenden Irlands
wiederum eine Fehlernte geben wird, und sie haben die Regierung um
Unterstützung („Government Relief") angegangen. Das Wetter ist im
Jahre 1905 günstig gewesen, und infolgedessen ist in diesem Jahre (1906)
das Spritzen mit Bordeauxbrühe sehr vernachlässigt worden. Jedes Jahr
kann man um Mitte oder Ende Juli Kartoffelfelder sehen, auf denen die
Pflanzen schon ganz verdorrt sind. Obwohl unter günstigen Be-
dingungen der Ertrag 100 000 kg pro Hektar (d. h. 20 oder mehr tons
per acre) ist, so betrug in diesem -lahre (1906) die allgemeine Ernte
•ein Fünftel oder weniger.
Einige Ursachen der niedrigen Ernte mögen hier erwähnt werden:
1. Kulturfehler, z. B. Kartoffeln und Hafer werden Jahr um Jahr
in einigen Gegenden abwechselnd gebaut ohne Beigabe der
nötigen Düngung;
2. es wird kranke Saat verwandt, welche die Bauern von ihren
eigenen Ernten aufbewahren:
3. die Bespritzung wird vernachlässigt.
Krankheiten der einen oder anderen Art nehmen hierdurch über-
hand. Die durch PhyfopJifJ/ora infestans verursachte Krankheit, genannt
Blattbrand (,.Leaf-Blight"), ist von den Bauern am meisten gefürchtet,
vielfach kommt aber diese Furcht zu spät. Höchstwahrscheinlich ist der
Gelbbrand („Yellow-Blight") ebenso gefährlich wie der Blattbrand. Der
Namen Gelbbrand ist den Fällen beigelegt, wo die Blätter wegen der
Unterbrechung der Nahrungszuleitung von den Wurzeln nach den Blättern
frühzeitig gelb werden. Dieses Verstopfen der Leitungsbahnen hat ver-
schiedene Erreger. Sclerotinia {Peziza) sclerotiorum wird gegenwärtig
in vielen Fällen als wirkliche Ursache des Gelbbrandes angesehen; in
Der Kartoffelschorf. 113
anderen Fällen ist sie nur als Begleitung, d. h. als Saprophyt, nicht als
echter Parasit vorhanden. Verschiedene Arten von Bakterien können
gleichfalls Gelbbrand verursachen. Keine Art ist schädlicher als Bacillus
pJnjtoi)htJiorus Appel.
Eine weitere Plage, die vielen Verlust verursacht, ist Sporidesmium
Solani varians Vanha, der Erreger der „Blatt dürre" oder „Braun-
f leckigkeit". Beiläufig möchte ich hier erwähnen, dass die Phoma
solanicola von Prillieux und Delacroix das Pyknidenstadium des
Sporidesmium zu sein scheint.
Viele dieser Krankheiten werden bei uns in Irland nicht genügend
beachtet, noch weniger bekannt aber sind die Schorfkrankheiten.
Laudwirte haben mir oft gesagt, der Schorf tue der Kartoffel nichts —
je schorfiger die Kartoffel desto mehlreicher. Wie weit der Schorf die
Ernte erniedrigt, ist noch nicht bestimmt. Rhizoctonia Solani oder,
wie sie jetzt nach den Untersuchungen von Rolfs und GLissow genannt
werden muss, Corticium vagmn B. et C. var. Solani Burt. mit seinen
oberflächlich sitzenden Sklerotien ist die verbreitetste Art und kommt häufig
auf den Häuten der ungeschälten Knollen mit auf den Tisch. Ein weiterer
verbreiteter Urheber des Schorfes ist anscheinend Phellomyces sclerotio-
pJiorus Frank. Appel hat kürzlich gezeigt, dass dieser Pilz das
sterile Stadium von Spond/jlocladimn atrovirens Harz ist. Gelegent-
lich hatte mein Assistent das Konidienstadium eines mir unbekannten
Pilzes gezeichnet; erst aus der Arbeit von Appel und Laubert habe
ich ersehen, dass dieser Pilz 8. atrovirens war. Seitdem habe ich dasselbe
Stadium einigemal — einmal auch in England — in diesem Jahre beobachtet.
Vor zwei Jahren hat ein Beamter unserer Regierungsabteilung mir
einige schorfige Kartoffelknollen gebracht. Sie zeigten leichte Ver-
tiefungen, deren Oberfläche mit Körnchen, die wie Sandkörner aussahen,
bedeckt war. Die mikroskopische Untersuchung bewies, dass die Ursache
der Pilz Spongospora Solani war, der von Brunc hörst im Jahre 1S86
entdeckt und beschrieben worden ist. Diese Art des Grindes ist oder
war sehr gemein in Norwegen und Brunchorst nahm an, dass S. Solani
der gewöhnUche Erzeuger des Schorfes überall wäre. Doch ist S. Solani
sehr selten zu tretfen. Seit ihrer Entdeckung ist sie ausserhalb Nor-
wegens nur einige Male in Deutschland und jetzt in Irland beobachtet
worden. Wegen seiner Seltenheit war Frank geneigt, den Pilz als einen
nördlichen Typus zu betrachten. Es erscheint zweifellos, dass S. Solani
der Kartoffel kultur ausser in Norwegen wenig Verluste verursacht. Jedoch
ist der Pilz von beträchtlichem biologischen Interesse. Er gehört, wie
bereits Brunchorst testgestellt hat, zur Gruppe der Myxomyceten oder
Mycetozoen und ist in vielen Beziehungen der Plasmodiopliora ähnlich
Jaliiesteiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 8
114 T. Johnson.
Das Aussehen der kranken Knolle (Fig. 1) ist von Brun-
•chorst vollständig beschrieben und abgebildet worden. Die Haut der
Knolle zeigt Knoten, die zuerst ganz glatt sind, dann rauh und brüchig
werden, indem die Haut von dem gesunden Gewebe der Knolle losgelöst
und das kranke Gewebe blossgelegt wird. Der Parasit greift fort-
schreitend das Knollenfleisch an, und der ursprüngliche Knoten wird
eine kraterförmige Vertiefung, Die von Brunchorst beschriebenen Kork-
schichten, wodurch die Knolle sich gegen den Feind zu schützen sucht,
habe ich nicht beobachtet.
Das Mikroskop zeigt, dass die schon erwähnten Körnchen Sporen -
balle sind. Sie stellen das Fruchtstadium der Spongospora dar. Jeder
Ball besteht aus einer grossen Anzahl eckiger Sporen, die 3,5 /tt im
Durchschnitt gross sind. Der Ball ist nicht hohl, sondern wie ein
Waschschwamm; die Sporen sind darin in Reihen angeordnet, die zwischen
sich Löcher lassen. Die Bälle stellen also durchlöcherte Kugeln dar,
deren Oberfläche und Substanz ein Netz- oder Balkenwerk ist; die Balken
sind die Sporen und zwischen den Sporen sind Hohlräume. So sind
diese Sporenbälle eine von Kanälen durchbohrte Sporenmasse, die Kanäle
stehen miteinander in Verbindung und reichen bis an die Oberfläche der
Kugel. Bei der Reife liegen die Sporenbälle frei wie Sandkörner auf
der Oberfläche der Vertiefung oder der anfänglichen Erhöhung.
Brunchorst versuchte, die Struktur der Sporen und ihre weitere
Entwickelung zu beobachten. Mit Hilfe von Färbungen hat er einen
stärker als der übrige Inhalt gefärbten Punkt gesehen, den er als Zell-
kern betrachtet. Eine Keimung der Sporen konnte er nicht beobachten,
obwohl er diese auf viele Weise hervorzurufen versuchte. Ich selbst
habe mir auch viele Mühe gegeben, die Struktur und Keimung der
Sporen zu studieren. Den besten Erfolg habe ich gewonnen durch
Färbung mit „Baumwollenblau" und Milchsäure, wie sie mir von M.
Delacroix für einen anderen Zweck empfohlen worden war. Bei An-
wendung dieses Färbemittels wies der Inhalt der Sporen drei dunkle
Punkte auf, und es scheint mir daher, dass die Sporen vielleicht viel-
kernig sind. Der Gebrauch dieses Reagens bewirkt den Tod des Mate-
rials. Ich habe jedoch auch frisches Material untersucht und Kulturen
von Sporenbällen, von Teilen der Bälle und von Schnitten der frischen
erkrankten Knolle gemacht. Die Kartoffelgelatine, die von Appel emp-
fohlen wird, hat sich dabei vortrefflich bewährt. Oft habe ich die Wände
der Sporen durchbohrt gesehen, die Sporen leer und die Bälle in dem
Prozess der Auflösung. Gelegentlich habe ich beobachtet, dass die
Wand einer Spore durchlöchert war, und in der Spore zwei oder drei leb-
haft sich bewegende Körper vorhanden waren, die vielleicht als Schwärm-
Der Kartoffelschorf. 1^15
sporen, kaum aber als eingedrungene Fremdkörper zu betrachten sind.
Die Petrischalen-Kulturen von Sporenbällen waren sehr interessant. Es
gdlang mir, eine Anzahl von Sporenbällen zu erzeugen, und ich habe oft
in den Kulturen anscheinend Plasmodien gesehen, aber es gelang mir nicht,
die Verbindungsglieder mit Sicherheit zu gewinnen. Grösseren Erfolg habe
ich bei der Kultur der Schnitte aus der frischen erkrankten Knolle ge-
habt. Hier konnte man die Bildung der Bälle und zu derselben Zeit den
Fortgang der Krankheit in der Knolle verfolgen.
Auf der nackten Oberfläche der Knolle, d. h. der Oberfläche des
Kraukheitsfleckes, haben die Zellen der Knolle ihre Identität verloren
und werden von den lockeren Sporenbällen eingenommen.
Tiefer nach innen sind die Wirtszellen noch erkennbar (Fig. 2).
Sie verlieren oder haben schon ihre Stärkekörner verloren und sind von
einem oder mehreren Bällen mehr oder weniger vollkommen erfüllt
(Fig. 3). In dieser Gegend zeigen die Bälle ihre Sporen nicht deutUch.
In noch tieferen Schichten sind die Stärkekörner verschwunden, und das
Protoplasma in der Wirtszelle ist mit Vakuolen erfüllt, köi-nig und ganz
einem Plasmodium ähnlich. Es glückte mir, einen solchen Körper in
amöboider Bewegung zu sehen (Fig. 4).
Ich bin mit Brunc hörst überzeugt, dass SpoJigospora ein echter
Myxomycet ist.
Noch eine Kultur habe ich gemacht. Im April 1905 wurde ein
Stück einer erkrankten Knolle ausgepflanzt, daraus entstand eine kleine
neue schorfige Knolle, die bei der Untersuchung die Bälle der Spongo-
spora aufwies. Es überraschte mich dies nicht, weil das Originalmaterial
auch auf einem Rhizomzweig eine Schorfstelle hatte (Fig. 5).
Es war meine Hoffnung, die Art des Durchganges des Pilzes von
Zelle zu Zelle studieren und viele andere Lücken in unserer Kenntnis
dieses interessanten Pilzes ausfüllen zu können, aber bei der Rückkehr von
meinen Ferien im Herbst 1905 fand ich, dass das ganze frische Material
während der Reinigung meines Arbeitszimmers unglücklicherweise weg-
geworfen worden war.
Figurenerklärung der Tafel III.
Figur 1 Schorfige Kartoffelknolle mit zwei Flecken.
Figur 2. Querschnitt eines schorfigen Fleckes einer Knolle,
a Erhöhung voll von Sporenbällen.
In der Richtung der Linie b c entsteht später eine Vertiefung.
Figur 3. Mikrophotographie eines Querschnittes durch die Schorfstelle, die
Sporenbälle und die Tiefe ihres Eindringens in die Knolle zeigend.
Figur 4. Vier Stadien desselben Plasmodiums je nach einer Minute Zwischenzeit.
Figur 5. Schorfige Knolle in Verbindung mit schorfigem Rhizomzweig.
8*
IIQ W. H. Schramm.
Zur Holzvergilbung.
Von
W. H. Schramm, Graz.
Angeregt durch die Lehrtätigkeit in den Kursen für Holzfärberei
des steiermärkischen Gewerbeförderungsinstitutes in Graz wurden von
A. Jungl und mir in den Jahren 1903 bis 1905 umfangreiche Versuchs-
reihen hauptsäclilich zu dem Zwecke durchgeführt, Methoden zur sicheren
Herstellung lichtechter Holzfärbungen zu ermitteln. Hierbei wurde unsere
Aufmerksamkeit wiederholt auf die Erscheinung gelenkt, dass auch
ungefärbte Hölzer im Licht zum Teil recht stark ihre Farbe veränderten,
und wir waren schliesslich genötigt, dieser Erscheinung, soweit sie
technische Bedeutung für die Holzfärberei oder überhaupt für die Ver-
wendung der Hölzer zu gewerblichen oder technischen Zwecken hatte,
nachzugehen. Über diesen Teil unserer Versuche haben Jungl und ich
in der Zeitschrift „'Die Innendekoration" ') ausführlich Bericht erstattet.
Nun schien mir aber diese Parbenveränderung der Hrdzer im
Lichte auch an und für sich einiges Interesse zu verdienen, mindestens hatte
ich die Anregung zu geben, ihr bei der Schilderung der Farbe der Hölzer
in Zukunft vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen. Ich glaubte dies
am besten dadurch erreichen zu können, wenn ich mich bemühte, durch
weitere Beobachtungen und Versuche wenn milglich einige Kenntnis von
den chemischen Vorgängen, die hierbei in Betracht kommen, zu erlangen.
Auch hoffte ich durch derartige Untersuchungen einen Standpunkt ge-
winnen zu können, der vielleicht irgend einen Ausblick zur Theorie des
Bleichens nicht nur der Hölzer ergeben möchte. Zur Vornahme weiterer
Versuche stand mir das in Gemeinschaft mit Jungl allerdings zu anderen
Zwecken hergestellte Versuchsmaterial zur Verfügung. Jungl und ich
hatten dreizehn, meist europäische Holzarten auf ihr Verhalten bei Be-
strahlung durch Sonnenlicht geprüft. Diese Belichtungsversuche wurden
genau nach der von mir vergeschlagenen Methode zur Prüfung der
Lichtechtheit von Holzfärbungen ausgeführt.^) Es mag hier wohl die
') Verlag von Alexandgi" Koch, Darmstadt. Juliheft 190(5 u. f.
2j W. Schramm, Das Färben des Holzes in alter und neuer Zeit. Graz
1904, S. 27 lind 28.
Zur Holzversilbuno;.
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118
W. H. Schramm.
Angabe genügen, dass die Hcilzer durch Glasbedeckung — sie standen im
Innenraum eines nach Südsüdwest gerichteten Doppelfensters — vor dem
Einfhiss der Witterung geschützt waren. Die Farbenveränderung der
Hölzer ist aus der umstehenden, von mir und Jungl zusammengestellten
Tabelle 1 zu ersehen. Die Brettchen waren vorlier frisch gehobelt und
nass mit Bimstein geschliffen worden. Nach dem Trocknen wurde jedes
Brettchen in vier Teile geteilt und je ein Teil im Dunkeln aufbewahrt.
Tabelle 2.
Abschnitte je eines Brettchens aus Hölzern der in der Tabelle 1
angegebenen Stammpflanzen wurden durch zehn Tage der Einwirkung
einer ammoniakalischen Wasserstoffsuperoxydlösung ausgesetzt. L>iese
Lösung war durch Zusammengiessen von 1750 ccm einer käufüchen
Wasserstoffsuperoxydlösung, die sch-wach sauer reagierte und nach einer
Bestimmung mittelst Chamäleonlösung 2 ''/o Wasserstoffsuperoxyd enthielt,
und 25.6 ccm Ammoniak (spez. Gewicht = 0,91) hergestellt worden.')
Der bei den einzelnen Hölzern sehr verschiedene Erfolg des Bleich-
prozesses ist aus der nachfolgenden Tabelle zu ersehen.
Ungebleichte Hölzer
Name des Holzes
Farbe nach erfolgter Bleiche
nach ihrer Farbtiefe
geordnet
Ahorn
Viel heller geworden, gelblich-
weiss
Ahorn
Birnbaum
Fast wie vorher
Fichte
Fichte
Sehr wenig lichter geworden
Weisserle
Linde
Viel heller geworden, Gelbstich
Linde
Rotbuche
Viel heller geworden, Gelbstich
Rotbuche
Weisserle
Viel heller geworden, Gelbstich
Esche
Esche
Sehr viel heller geworden, sehr
hell bräunlichgelb
Vogelkirsche, Kern
LTlme (Rüsten, Kern
Sehr viel heller geworden, sehr
hell bräunlichgelb
Birnbaum
Eiche, Kern
Wenig heller geworden
Eiche, Kern
Vogelkirsche, Kern
Wenig heller geworden
Ulme (Rüster) Kern
Amerikanischer Nuss-
Viel heller geworden, sehr hell-
Nussbaum, Kern
baum, Kern
braun
Nussbaum, Kern
Viel heller geworden, sehr hell-
Mahagoni
Mahagoni
braun
Viel heller geworden
Amerikanischer Nuss-
baum, Kern
1) Zu vergleichen ist: P. Ebell, Das Wasserstoffsuperoxyd als Bleich-
mittel für Holz. (Chemikerztg. XI. 1530. 7./12. 87. — Ch. C. 1888, S. 352.)
Zur Holzvergilbung. ][19
Die Hölzer sind darin nach ihrer Helligkeit nach erfolgter Bleiche,
mit dem hellsten beginnend, geordnet. Zum Vergleich diene die da-
neben gestellte, im gleichen Sinne ausgeführte Anordnung der unge-
bleichten Hölzer.
Tabelle 8 (s. S. 120—123).
Es wurden gleichzeitig die g e b 1 e ic h t e n und u n g e b 1 e i c h t e n H o 1 z -
abschnitte der Belichtung ausgesetzt. Leider waren die Brettchen
etwas voreilig einer Oberflächenbehandlung ausgesetzt worden, indem sie
mit einer Auflösung von Schellack in 95°/o Weingeist und dann mit sehr
wenig weissem Wachs bestrichen worden waren. Die Farben erscheinen
infolgedessen etwas tiefer, als bei den unbestrichenen Hölzern, doch
nähern sie sich den Farben derselben weit mehr, als den viel tieferen
Farben polierter Hölzer. Die Lichtwirkung wird durch diese sehr dihmen
Überzugsschichten von höchstens 0,01 — 0,02 mm L)icke nicht merklich
vermindert, wie Jungl und ich nachgewiesen haben.') l)ie Farben-
veränderungen der Überzugsschichten selbst sind zu gering, als dass sie
in Betracht gezogen werden miissten.
Die Behchtungszeit war in den Monaten von August 1904 bis Februar
1905. Die ersten 26 Tage entsprachen, da sie fast alle heiter und
heiss waren, in ihrer Wirkung, beurteilt nach dem Ausbleichen von
Typenfärbungen (Standardfärbungen), 42 Tagen im Juli und August
1904. Die letzten 148 Tage waren in ihrer Lichtwirkung etwa ein-
und einhalbmal so stark, als die ersten 26 Tage.
Die geschilderten Farben Veränderungen lassen sich im allgemeinen
auf zwei deutlich unterscheidbare Vorgänge zurückführen, die häufig
gleichzeitig vor sich gehen: 1. auf eine Änderung der den einzelnen
Hölzern eigentümlichen Farbtöne, auf ein Umschlagen, Verblassen oder
auf eine Erhöhung derselben, besonders deutlich erkennbar ist das z. B.
an Mahagoni- und amerikanischem Nussholz (die raschen Farbenver-
änderimgen auf den frischen Schnittflächen einiger Farbhölzer gehören
indessen wohl nicht hierher), 2. auf das Auftreten von bräunhch-
gelben, gelb- bis rötUchbraunen, manchmal schön gelbbraunen Färbungen.
Da der zweite Vorgang meistens überwiegt und namentlich bei langer
Behchtung stark hervortritt, habe ich die geschilderte Art der Farben-
veränderungen der Hölzer im Lichte Holzvergilbung genannt. Damit
M W. H. Schramm und A. Jungl, Über die Dicke von Färb- und Politur-
schichten bei oberflächlich gefärbtem und poliertem Holz. (Technologische
Mitteilungen des Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg, 1906, No. 13.)
Dieselben, Über den Schutz von Holzfärbungen durch Politur- oder-
Wachsschichten. (Innendekoration 1906, Aprilheft.)
120
W. IT. Schramm.
Name des Holzes und
Tabelle 3: Farbe oder
Behandlang desselben
nach 1 Tag
nach :5 Tagen
nach 5 Tagen
Fichte
l nverändert
L nverändert
Sehr wenig dunkler
gegen braungelb
Fichte, gebleicht
—
Merklich dunkler gegen
braiiu
Ahorn
Unverändert
Kaum merklich ■ Merklich dunkler gegen
dunkler
braun
Ahorn, gebleicht
Sehr wenig dunkler
gegen braun
Weisserle
Kaum merk-
Sehr wenig ge-
Sehr wenig gegen
barer Graustich
gen graubraun
braun
Weisserle, gebleicht
—
Kaum merklicher
Braunstich
Amerikanischer Nuss-
Etwas dunkler
Dunkler, mehr
Viel dunkler gegen
baum, Kern
gegen braun
braun
Amerikanischer Nuss-
—
—
Viel dunkler gegen
baiim,Kern, gebleicht
braun
Eiche, Kern
L^nverändert
Kaum merk-
Kaum merklich gegen
licher Braun-
braungelb
stich
Eiche, Kern, gebleicht
—
—
Sehr wenig gegen
graubraun
Esche
Kaum merk-
Kaum merk-
Kaum merklicher
licher Graustich
licher Braun-
stich
Braunstich
Esche, gebleicht
—
■
Kaum merklicher
ßraunstich
Linde
Kaum merk-
Kaum merklich
Merklich dunkler gegen
licher Graustich
dunkler
braun
Linde, gebleicht
—
—
Merklich dunkler gegen
braun
Rotbuche
Kaum merk-
Sehr wenigdunk-
Merklich dunklergegen
licher Braun-
ler, mehr ge-
braun
strich
gen braun
Rotbuche, gebleicht
—
—
Etwas dunkler gegen
braun
Ulme (Rüster), Kern
Kaum merk-
Kaum merk-
Kaum merklicher
licher Graustich
licher Braun-
stich
Braunstich
Ulme (Rüster), Kern,
—
—
Sehr wenig gegen
gebleicht
braun
Zur Holzvergilbiing.
121
Farbenveränderung der Hölzer
nach 13 Tasen
nach 2(j Tagen
nach 17(j Ta2:en
Gegen gelbbraun
Viel mehr gegen gelb-
braun
Viel mehrgegen braun
Merklich dunkler
Sehr wenig gegen
graubraun
Kaum merklich dunk-
ler
Bräunlichgoklgelb
Bräunlichgoldgelb
Hellgelbbraun
Bräunlichgelb
Hellgelbbraun
Brauneelb
Gegen gelbbraun | Gelbbraun
Viel mehr gegen braun
Viel mehr segen gelb
Etwas mehr gegen
braungelb
Hellgelbbraun
Gegen grau
Kaum merklicher
Braunstich
Gesen braun
Viel mehr gegen braun
!
Viel mehr gegen braun
Viel mehr gegen braun
Viel mehr gegen braun
Kaum merklicher
Braunstich
Merklich gegen braun
Dunkler, gegen braun-
gelb
Hellgelbbraun
Ähnlich dem unge-
bleichten Holz nach
176 Tagen
Hellgelbbraun
Gegen gelb
Viel dunkler, gegen
braun
Viel mehr gegen gelb-
braun
Heller, gegen gelb
Gegen braun gelb
Gelbbraun
Gelbbraun
Hellgelbbraun, dunkler als nach
26 Tagen
Bräunlichgoldgelb, viel dunkler
als nach 26 Tagen
Viel mehr gegen gelb als nach
26 Tagen
Fast wie das ungebleichte Holz
nach 176 Tagen, doch viel
mehr gegen goldgelb
Sehr viel heller und matter als
nach 26 Tagen
Viel mehr gegen gelb
Wenig heller, nur vielmehr gegen
gelb, als nach 26 Tagen
Fast wie das ungebleichte Holz
nach 176 Tagen, noch gelber
Nicht viel mehr gegen gelb, nur
wenig heller, als nach26Tagen
Dunkler als nach 26 Tagen,
bräunlichgoldgelb
Wenig heller, viel mehr gegen
gelb als nach 26 Tagen
Bräunlichgoldgelb
Viel mehr gegen gelb als nach
26 Tagen
Dunkelgoldgelb
Viel heller und mehr gegen gelb
als nach 26 Tagen
Hellgoldbraun
122
W. H. Schräm i
Name des Holzes und
Farbe oder Farb-
Behandlung desselben
nach 1 Tag
nach 3 Tagen
nach 5 Tagen
Nussbaum, Kern
Unverändert
Unverändert
Kaum merklicher
Gelbstich
Nussbaum, Kern, ge-
—
—
Kaum merklicher
bleicht
Braunstich
Vogelkirsche, Kern
Unvei'ändert
Wenig dunkler
Merklich dunkler gegen
braun
Vogelkirsche, Kern,
—
—
Unverändert
gebleicht
Birnbaum
Kaum merklich
Sehr wenig
Sehr wenig dunkler
dunkler
dunkler
gegen braun
Birnbaum, gebleicht
—
—
Sehr wenig dunkler
gegen braun
Mahagoni
Etwas mehr
gegen rot
Mehr gegen rot
Viel dunkler gegen rot
Mahagoni, gebleicht
"
Kaum merklicher
Graustich
ist auch schon ein Zusammenhang mit der anscheinend ganz analogen
Vergilbung holzschUffhaltiger Papiere angedeutet.
Viel deutlicher, weil von dem ersten Vorgang getrennt, ist die
Holzvergilbung an gebleichten Hölzern wahrzunehmen. Wider Erwarten
färben sich diese) ben im Lichte ebenfalls ziemlich rasch gelb-
braun, wodurch das Bleichen der Hölzer nur zu einem wenig
beständigen Erfolg führt.') Offenbar werden durch das Bleichen
nur jene Stolpe verändert oder entfernt, die man, da sie die den Hölzern
eigentümlichen Farbtöne verursachen, allgemein als „Holzfarbstoffe"
bezeichnet, während jener Stoff oder jene Stoffe, die die Vergilbung bewirken,
mindestens in ihrer Wirkungsfähigkeit in bezug auf diese nicht verändert
werden. Am deutlichsten kann man die Entfernung der Holzfarbstoffe an dem
Holz des wilden Birnbaumes, das durch Bleichen elfenbeinfarben wird,
am Mahagoni- und amerikanischen Nussholz beobachten. -
Die Holzvergilbung ist, so oft sie im einzelnen auch beobachtet worden
sein mag, bisher noch nicht zusammenfassend behandelt oder als eine beson-
dere Art von Holzveränderung beschrieben worden. In der mir zugänglichen
Literatur habe ich nur an drei, zum Teil ziemhch entlegenen Orten
1) W. H. Schramm und A. Jungl, Das Bleichen des Holzes. (Techn.
Mittig. d. Bayr. Gewerbemuseums Nürnberg. 1907.)
Zur Holzvergilbnng.
123
verändeiamg der Hölzer
nach 13 Tagen
nach 2() Tagen
nach 176 Tagen
Kaum merklicher
Gegen braungelb
Viel heller und mehr gegen gelb
Gelbstich
als nach 26 Tagen
Kaum merklicher
Dunkler, gegen braun
Wenig heller, viel mehr gegen
Braunstich
gelb als nach 26 Tagen
Merklich gegen braun
Viel mehr gegen braun
Heller und mehr gegen gelb als
nach 2() Tagen.
Unveiändert
Mehr gegen braungelb
Hellgoldbraun
Merklich gegen braun
Dunkler
Heller und mehr gegen gelb als
nach 26 Tagen
Merklich dunkler
Wenig gegen gelb-
braun
Dunkelgoldgelbbraun
Gegen rot
Viel mehr gegen rot
Matter, mehr gegen gelb als
nach 26 Tagen
Kaum merklicher
Dunkler, gegen braun
Wenig heller, viel mehr gegen
Braunstich
gelb als nach 26 Tagen
Ansätze hierzu gefunden. Zuerst wurde ein solcher von Marcet gemacht,
dessen Angaben (Bibl. Univ., Febr. 1830; Philos. Mag. et Annais, Sept.
183Ü, S. 225) mir leider nur auszugsweise zur Verfügimg stehen.')
Doch scheint Marcet nur mit Ulmenholz Versuche ausgeführt zu haben.
Später finden sich einige Angaben in dem Buche ,,Die Holzbeizkunst
oder Holzfärberei" von C. F. G. Thon.-) Dieser weist sehr lebhaft auf
die Farbenveränderungen der Hölzer im Sonnenlicht hin, ohne indessen
die Mitwirkung der Witterung deutlich auszuschliessen. Auf seine phan-
tastischen Erklärungsversuche will ich nicht eingehen, hingegen zu einer
weiteren Schilderung der Holzvergilbnng seine vorzügliche Beschreibung
der Vergilbung und Bräimung des Rotfichtenholzes hersetzen: „ — daher
färbt sich Holz von alten, ausgewachsenen Rotfichten, das bei dem Fällen
insgemein eine w^eisse Farbe zeigt, nach der Verarbeitung und den freien
Einwirkungen der Sonne ausgesetzt, anfangs in das Gelbliche, geht aus
diesem allmählich in das Gelbe, in das Bräunlichgelbe, in das Bräunliche
über und wandelt sich nach Jahren in das Hochbraune um; wobei es
jedoch sehr natürlich ist, dass die gleichsam angeborenen, die Jahres-
ringe begrenzenden Schattierungen dieses Holzes, sowie die Astkreise
1) Dinglers Polytechn. Journ. XXXVHL S. 157.
2) Weimar 1840.
;[24 ^^ • ^- Schramm.
oder sogenannten Knoten zuerst eine höhere Farbe annehmen und um
so viel mehr sich dem Dunkelbraunen nähern, je länger das Sonnenlicht
-auf sie wirkt."') Vor einigen Jahren hat dann E. Pliva als dritter aut
die Farbenveränderung der Hölzer im Sonnenlichte hingewiesen, ohne
indessen auf die Erscheinung an und für sich einzugehen. Sein Interesse
war hauptsächlich auf eine technische Verwertung derselben zur Aus-
arbeitung eines neuen Dekorationsverfahrens für weiche Hölzer gerichtet,
indem er die starke Farbenveränderung mancher Hölzer seinem ,, Sonnen-
kopierverfahren auf Holz" zugrunde legte. ^)
Bei den für die Zwecke der Papierfabrikation hergestellten Holz-
schliffsorten wird angegeben, dass der Holzschlift mancher Holzarten mit
der Zeit eine rötliche Färbung annimmt. ^^ Jute wird mit der Zeit dunk-
ler,*) auch nach erfolgter Bleiche.
Weiter finden sich in der mir zugänglichen Literatur wohl ver-
einzelte Angaben über ein ,, Nachdunkeln" einzelner Hölzer ,,an Licht und
Luft", über ,, einen erst unter dem Einfluss von Licht und Luft hervor-
tretenden Kern", über ,, Farbenveränderungen an frischen Schnittflächen
an der Luft", doch abgesehen davon, dass diese Angaben meist wenig
bestimmt gehalten sind und häufig auch ganz andere Vorgänge als die
Holzvergilbung zum Gegenstande haben, fehlen sie oft gerade bei solchen
Hölzern, die der Vergilbung im hohen Grade unterworfen sind, Nirgends
ist darauf hingewiesen, dass die Holzvergilbung, wäe aus meinen und
Jungls Versuchen mit grosser Wahrscheinlichkeit hervorgeht, eine ganz
allgemeine Eigenschaft der Hölzer ist und ganz regelmässig auftritt,
.sobald nur die äusseren Bedingungen hierzu vorhanden sind.-^)
Doch hat man bei einzelnen besonders auffälligen Farbenverände-
rungen der Hölzer nach den Ursachen derselben geforscht. Es sind meist
solche, die zur direkten oder indirekten Ursache das Vorhandensein und
den Lebensprozess von Mikroorganismen haben, wie die Trockenfäule
■oder Rotstreifigkeit, das Blauwerden des Splintes von Kiefernholz durch
1) Thon, a. a. 0. S. 63 uud (i4.
^) E. Pliva im Supplement zum Zentralbhitt, für das gewerbl. Unterrichts-
wesen in Oesterreich Bd. XIV (1895), S. 4.
3) Muspratts Chemie. 6. Bd. 1898, S. 1689; ferner: E. Müller und
A. Haussener, Die Herstellung und Prüfung des Papieres. 1906 (?), S. 1370.
E. Hoyer, Die Fabrikation des Papieres. 1887, S. 155.
*) Muspratts Chemie, 6. Bd. 1898. S. 1773.
S) Ich möchte hier auf eine in der Literatur seither nicht mehr berück-
sichtigte Anmerkung von Eisner über die Bräunung des Buchsbaumholzes
„an der Luft" hinweisen (Gewerbeblatt für Sachsen 18-12. No. 30; Dinglers Poly-
techn. Journ. LXXXV, S. 57) und ferner auf einige andere ebenfalls nicht mehr
berücksichtigte Angaben in Dinglers Polytechn. Journ. CII, S.297 u. XXX VI, S. 199.
Zur Holzvergilbung. \'2b^
Ceratosiomella pilifera (Fr.) Winter usw. Von solchen und ähn-
lichen Holzveränderungen unterscheidet sich die Holzvergilbung grund-
sätzlich dadurch, dass bei ihrem Zustandekommen die Bedingungen zu
einer Mitwirkung von Mikroorganismen nicht vorhanden sind. So liess
die grosse Trockenheit, in der die Versuchshölzer sich fortwährend
befanden — sie waren während der Versuche nicht nur durch Glas,,
sondern zum Teil auch durch einen Überzug von Wachs- oder Schellack-
schichten vor Feuchtigkeit geschützt — , an eine solche Mitwirkung wohl
nicht denken. Auch die Behandlung eines Teiles der Hölzer mit einer aus
95^/0 Weingeist hergestellten Schellacklösung kommt dagegen in Betracht.^)
Indessen findet man in der Literatur auch drei Arten von Holzver.
änderungen beschrieben, die mit sehr auffälligen Farbenveränderiingen
der Hölzer verbunden sind, und ebenfalls wenigstens ohne anfängliche
oder ursächliche Mitwirkung von Mikroorganismen vor sich gehen sollen.
E)iese Holzveränderungen sind: Das ,, Grauwerden des Holzes", ,,die
Bräunung der Hölzer" und ,,die staubige Verwesung des Holzes".^) Für
die letztere ist jedoch neuerdings eine Mitwirkung von Mikroorganismen
vermutet worden.^) Diese Holzveränderungen wurden zuerst von W iesner
einer eingehenden Betrachtung unterzogen und als , .typische Arten der Zer-
störung reifer Hölzer" hingestellt und benannt. ,.Das Graiiwerden oder
die Vergrau ung" beschreibt Wiesner als eine fast allen Holzarten eigen-
tümliche Veränderung, während er die ,, Bräunung" nur an Nadelhölzern
und zwar am Föhren-, Fichten- und Tannenholze beobachtete. Sehr wahr-
scheinhch stellt die Holzvergilbung auch die Anfangserscheinungen des
Vergrauens und der Bräunung dar, und es ist weder zu leugnen, dass
bei beiden Holzveränderungen stets eine ihnen vorausgehende geringere
oder grössere Vergilbung zu beobachten ist, noch wäre es einzusehen,
warum die Hölzer, wenn auch im Freien, dem Sonnenlichte ausgesetzt,
die so rasch eintretende Vergilbung nicht erfahren sollten, bevor die,
einen viel längeren Zeitraum in Anspruch nehmenden, aber auch viel
tiefergehenden Veränderungen der Oberflächen eintreten. Bei Hölzern,
die den äusseren Bedingungen des Vergrauens ausgesetzt sind, kann
indessen die Vergilbung nicht Sbhr weit fortschreiten, da sie bald von
der Vergrauung abgelöst wird ; doch werden dann tiefer liegende Schichten
1) Zu vergleiclien wäre: B. Malenkovic, Ist Holz durch Bakterien ver-
gärbar? (Chem. Cbl. 1905, Bd. 2, S. 1190.)
2) J. W iesner, Über die Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre.
(Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1864.)
•'') C. V. Tubeuf im 11. Kap. des Handbuches der technischen Mykologie
von Dr. F. T.afor (1905), S. 324.
^26 ^^'- ^- ''^'clinimm.
der Hölzer von der Vergilbung ergriffen, da die chemische Wirkung des
Lichtes, wie Jungl und ich nachgewiesen haben, durch Holzschichten
von 0,1—0,25 mm Dicke^) je nach der Holzart und sicher noch leichter
durch Schichten von bis zum Auftreten der Zellulosereaktionen abge-
bauten Zellen, aus welchen nach Wiesnei- die vergrauten Schichten der
Hölzer bestehen,^) zu dringen vermag.
Zu der Holzbräunung scheint die Holzvergilbung in einem Ver-
hältnis zu stehen, das sich etwa durch folgenden Satz kennzeichnen
Hesse: Die Holzvergilbung kann bei einigen Holzarten in Holzbräunung
übergehen, wenn die äusseren Bedingungen hierzu vorhanden sind.
Bisher wurde dies nur an einigen Nadelhölzern beobachtet.
Es ist jedoch notwendig, sofort hinzuzufügen, dass natürlich keine volle
Gewissheit darüber besteht, dass der Vergilbungsvorgang bei Hölzern
im Freien und solchen unter Dach der gleiche ist. Zwar wirken hier
wie dort Licht und massig feuchte Luft; aber im Freien kommt noch
die mechanische Einwirkung der atmosphärischen Niederschläge und
ebenso auch die chemische Einwirkung derselben und aller darin gelösten
oder suspendierten Stoffe hinzu. Wies n er ^) berichtet denn auch von
sehr merklichen mechanischen Veränderungen an der Oberfläche gebräunter
Hölzer. Ob solche stets mit der Bräunung verbunden sind, etwa wenn
diese bei den unter Dach befindhchen Hölzern, natürlich unter Ausschluss
von Mikroorganismen, vor sich geht, müsste noch untersucht werden.
Für die Holzvergilbung ist es geradezu kennzeichnend, dass sie ohne
mechanische Einwirkung auf die Holzoberfläche vor sich geht, sie triit
bei Hölzern, die durch Wachs- oder Schellackschichten vor jeder mecha-
nischen Einwirkung gescliützt sind, fast genau in der gleichen Weise
auf wie bei ungeschützten Hölzern. Ein weiteres auffälliges Merkmal
der Holzvergilbung ist die geringe Dicke der vergilbten Holzschichten.
Es ist das insofern merkwürdig, als das Licht recht gut auch durch
stärkere Holzschichten durchzudringen vermag. Eine ganz ähnliche
Erscheinung ist bei dem Ausbleiehen gefärbter Stoffe zu beobachten, bei
welchen auch die Lichtwirkung zunächst in den dünnsten Oberflächen-
schichten stattfindet und nach der Tiefe rasch abnimmt, während das
Licht selbst noch viel tiefere Schichten des betreffenden Stoffes zu durch-
dringen vermag.') Diese Ähnlichkeit weist deutlich auf photochemische
Vorgänge bei der Vergilbung der Hölzer hin.
Dass die Mitwirkung des Lichtes für das Zustandekommen der
1) W. H. Schramm und A. Jungl, Über die Tiefenausdehnung der
bleichenden Luftwirkung an gefärbten Stoffen. (Dr. A. Leimes Färberzeitung
lüOG, S. 333.)
2) Wiesner a. a. O.
Zur Holzvergilbung. 127
Vergilbungserscheinung unbedingt notwendig ist, geht aus der Tatsache
hervor, dass Hölzer, die wohl vor Licht, nicht aber vor Luft geschützt
aufbewahrt werden, nicht vergilben. Die Vergilbung tritt im zerstreuten
Tageslicht sehr viel langsamer ein, als im vollen Sonnenlicht. Es mag
bemerkt werden, dass Jungl und ich, wie es fast sicher vorauszusehen
war und wie es Wiesner') auch für holzschliff haltiges Papier nach-
gewiesen hat, fanden, dass die Vergilbung überwiegend durch Lichtsorten
von geringen Wellenlängen bewirkt wird. 2)
Um den chemischen Vorgängen, die unter Mitwirkung der strah-
lenden Energie bei der Holzvergilbung vor sich gehen, näher zu kommen,
ist es notwendig die Wirkungsmöglichkeiten jener Stoffe, die hier in
Frage kommen, einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Zuvor möchte
ich noch darauf hinweisen, dass die Art der Farbenveränderung' durch
Vergilbung bei verschiedenen Hölzern die Vermutung aufdrängt, hier
einen bei allen Hölzern gleichartigen, denselben oder sehr ähnliche Stoffe
betreffenden chemischen Vorgang vor sich zu haben. Die Farben der
Hölzer werden durch die Vergilbung einander immer ähnlicher, schUesslich
sehen sie aus wie mit einem gelben Farbstoff gefärbt, so sehr die
Stärke der Vergilbung bei verschiedenen Hölzern auch verschieden ist.
Von aussen treten an das Holz nur die Bestandteile der Luft heran.
Dass die auffällige Farbenveränderung an der Oberfläche mancher
Farbhölzer durch die Einwirkung des Sauerstoffes und, im besonderen
Fall, auch unter Mitwirkung des geringen Ammoniakgehaltes der Luft
vor sich geht, ist, wenn man die bekannten chemischen Eigenschaften
der in diesen Hölzern enthaltenen Chromogene berücksichtigt, höchst-
wahrscheinlich. Aber auch die Kohlensäure vermag, wie das jüngst
W. Zimmermann für das Amarantholz^) nachgewiesen hat, einen solchen,
in dem vorliegenden Fall besonders auffälligen Farbenwechsel hervorzu-
bringen.
Die wichtigste Frage ist nun zunächst die, ob und in welcher Weise
der Sauerstoffgehalt der I^uft bei der Vergilbüng mitwirkt. Heinrich Marcet
bemerkte, „dass das Holz gewisser Bäume, vorzüglich der Ulme, der
Luft ausgesetzt, mehr oder weniger rot wird. Er fand jedoch durch
1) J. Wiesner, Untersuchungen über das rasche Vergilben des Papieres.
(Dinglers Polytechnisches Journal XXVI [1886J, S. 387.)
2) „Das elektrische Licht" (Bogenlampe oder Glühlicht?) „bewirkt wie
das Sonnenlicht das Vergilben von Papieren, welche Holzstoff enthalten."
(Meistner, Elektrotech. Zeitschrift, 1887, Bd. 8, S. 252), nach J. M. Eder,
Die chemischen Wirkungen des Lichtes. 1891. E. Pliva konnte durch
elektrisches Glühlicht nur eine unmerkhche Holzbräunung erzielen. (A. a. O.)
^) W. Zimmermann, Zur Kenntnis des Amarantholzes. (Technologische
Mitteilungen des Bayr. Gewerbemuseums Nürnberg 190(3, No. 7 und 9.)
J9g W- H. Schr;imm.
zahlreiche Versuche, dass dies nicht der Fall ist, wenn man den Zweig-
in dem Augenblicke, wo er querdurch abgeschnitten wurde, in einen
vollkommen luftleeren Raum oder in eine Gasart bringt, welche keinen
Sauerstoff enthält; dass aber, im Gegenteile, die Farbe in Sauerstoff gas greller
wird als in gemeiner Luft." Leider ist hier die gleichzeitige Mitwirkung
des Lichtes nicht angegeben, doch hat eine solche wohl höchstwahr-
scheinlich stattgefunden.
Wiesner hat die chemischen Umwandlungen bei der ilolzbräunung
für eine Umsetzung der Zellulose der Zellmembranen in Huminkörper
erklärt und letztere durch die von Mulder dafür angegebenen Reaktionen
nachzuweisen gesucht. Bei der heutigen zweifelhaften Ansicht über
diese Stoffe würde man den Humificierungsvorgang vielleicht bestimmter
durch den Nachweis einer Kohlenstoffanreicherung in den gebräunten
Holzteilen unter gleichzeitiger Abgabe von Kohlensäure und Wasser fest-
zustellen versuchen. Bei der Holzbräunung ist also die Mitwirkung
von Luftsauerstoff sehr wahrscheinhch.
Sehr beachtenswert sind auch einige Versuche, die Wiesner mit
holzschliffhaltigem Papier ausgeführt hat. Bei diesem stellte er zunächst
fest, dass nur der Holzstoff und nicht die ,. Zellulose" an der Vergilbung
teilnimmt. Er fand weiter, dass die Vergilbung nur bei Luftzutritt vor
sich geht und schloss daraus, dass diese ,,ein durch das Licht bedingter
Oxydationsprozess" sei.') Zu diesem Schluss wird man nach Feststellung
der Notwendigkeit einer Anwesenheit von Sauerstoff nur allzu leicht
gedrängt, obwohl er nicht ganz einwandfrei ist. Es könnte sehr wohl
die Anwesenheit von Sauerstoff zu einem chemischen Vorgang notwendig
sein, ohne dass derselbe ein Oxydationsvorgang ist. Nach neueren
Forschungen neigt man für das Ausbleichen von Farbstoffen immer mehr zu
der Ansicht, dass hierbei die Farbstoffe der Hauptreaktion nach keiner
Oxydation unterliegen, obwohl die Notwendigkeit der Anwesenheit, wenn
auch geringer Mengen, von Sauerstoff durch zahlreiche Versuche als
erwiesen gelten muss. Nach den Versuchen von Marcet und nach
Wiesners Versuchen mit holzschliffhaltigem Papier kann kaum ein
Zweifel darüber bestehen, dass die Anwesenheit von Sauerstoff zur Holz-
vergilbung notwendig ist. Dagegen sprechen auch die Versuche mit
HfUzern nicht, die mit Wachs- oder Schollackschichten bedeckt waren,
da diese nur einseitige Bedeckung den Luftzutritt wohl erschweren, aber
nicht verhindern konnte. Ob aber wirklich ein Oxydationsvorgang statt-
findet und welcher Art derselbe ist, ob das Oxydationsprodukt im Holz
zurückbleibt oder gasförmig entweicht, könnte nur mit Hilfe quantitativer
1) Wiesner a. a. 0.
Zur Holzvergilbung. J^29
Analysen sicher festgestellt werden. Für eine derartige Untersuchung ei'-
scheint mir die einwandfreie Beschaffung der notwendigen Substanz-
mengen schwierig ausführbar. Ich habe daher die Annahme eines
Oxydationsvorganges bei der Holzvergilbung durch Versuche zu unter-
stützen getrachtet, die bezweckteji, die Vergilbung durch Anwendung
bekannter Oxydationsmittel auf künstliche Weise herzustellen. Ich habe
einige Hölzer in Form von Hobelspänen der Vorbehandlung zur Aus-
führung der Holzstoffreaktion nach Mäule') unterworfen und konnte wahr-
nehmen, dass sich hierbei ihre Farbtöne ebenfalls in das Gelbbraune bis
Goldbraune geändert hatten; auch gaben sie dann mit Phloroglucin und
Salzsäure, ferner mit Eisenvitriollösung überaus ähnliche, mit Ammoniak
jedoch nur im allgemeinen ähnliche Reaktionen wie die vergilbten Hölzer.
Mit einer wässerigen Lösung von schwefeliger Säure wurden die
oxydierten Hölzer nur dann wieder etwas heller, wenn sie damit
behandelt wurden, bevor sie nach der oxydierenden Behandlung ge-
trocknet waren. Einmal getrocknet, wurden sie mit schwefeliger Säure
ebenso wenig heller wie die vergilbten Hölzer. Sehr ähnhche Ergebnisse
wie bei der Oxydation mit 1 ^'/q Kaliumpermanganatlösung und Nach-
behandlung mit verdünnter Salzsäure und Wasser nach Mäule erhielt
ich, als ich die Hölzer einige Tage den Dämpfen von rauchender Salpeter-
säure aussetzte. Doch könnte man hier die auftretenden goldgelben
Färbungen der Bildung von Nitroprodukten zuschreiben. ^j
Ich wurde zu diesem Versuch durch die Beobachtung angeregt,
dass frisches Fichtenholz, welches einer Schale, die konzentrierte Salpeter-
säure enthielt, als Unterlage diente, sich rings um die Schale grau
gefärbt hatte.
Über die Beziehungen zwischen dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft
und der Holzvergilbung eine Untersuchung anzustellen, habe ich nicht
für notwendig gefunden, da Wiesner für holzstoffhaltiges Papier bereits
nachgewiesen hat, dass Feuchtigkeit wohl fördernd einwirkt, aber nicht
unbedingt notwendig ist.^)
Von weiteren Bestandteilen der Luft kommen noch Kohlensäure
und Ammoniak in Betracht.
Die Hölzer der Eiche, Rotbuche, Weisserle, Fichte, des Nussbaumes
änderten ihre Farbe nicht, als ich sie einige Zeit in eine Kohlensäure-
') Das Verhalten verholzter Membranen gegen K Mn O4, eine Holzreaktion.
(Fünfstücks Beiträge zur wissenschaftl. Botanik, Bd. IV. 1900, S. 166.)
3) Nach längerem Verweilen in den Dämpfen von rauchender Salpeter-
säure war die Oberfläche des Fichtenholzes mit unzähliclien Harztröpfchen
bedeckt.
3) Wiesner a. a, 0.
J^hiesbericht der Yei-einigiing für angewandte Botanik IV. I)
130 ^^"- H. Schramm.
-atmosphäre: gebracht hatte. Die Kohlensäure dürfte also bei der Yer-
^ilbung keine Rolle spielen, was ja ziemlich sicher vorauszusehen war
und nur nach den Erfahrungen Zimmermanns am Amarantholz einer
Bestätigung zu bedürfen schien
Einer Mitwirkung des geringen Ammoniakgehaltes der Luft bei der
Holzvergilbung steht zunächst die Tatsache entgegen, dass im Dunkeln,
aber unter Luftzutritt aufbewahrte Hölzer ihre Farbe nicht ändern. Allein
die altbekannte, höclist auffällige Farbenveränderung, die manche Hölzer
bei der Einwirkung von Ammoniak erfahren und die neuerdings in der
Holzfärberei wichtige Anwendung gefunden hat, machte doch eine
nähere Untersuchung zur Pflicht. Ausser Ammoniak wirken bekanntlich
noch andere alkalische Stoffe auf die Farben der Hölzer verdunkelnd ein
und werden darum ebenfalls in der Holzfärberei angewendet. In allen
diesen Fällen glaubte man die Wirkung der alkalischen Stoffe als eine
ausserordentliche Beschleunigung der Oxydation der in den Hölzern ent-
haltenen ,, Gerbstoffe" erklären zu können. Doch sind mir Experimental-
untersuchungen, die diese Erklärung begründen könnten, nicht bekannt
geworden.
Zunächst war festzustellen, ob Ammoniak bei Abwesenheit von
Sauerstoff keine Verfärbung der Hölzer hervorrufen könne. Ich habe zu
diesem Zwecke Eichenholz in Spänen von 0,25 mm Dicke in einen
Kolben gebracht, den ich dann durch wiederholtes Auspumpen mit der
Wasserstrahlluftpumpe und Entfernen des Sauerstoffes durch Phosphor
soweit sauerstofffrei machte, als es bei dieser Versuchsanordnung mög-
lich ist. ') Ich Hess, nachdem der Phosphor lange zu leuchten aufgehört
hatte, etwas Ammoniakflüssigkeit durch einen Hahntrichter auf den Boden
des Kolbens ausfliessen. Da auch die Bohrung des Hahnes mit sauer-
stofffreier Luft gefüllt gewesen war, war der Sauerstoff möglichst aus-
geschlossen. Trotzdem färbte sich das Eichenholz in der Ammoniakgas-
atmosphäre sehr rasch rotbraun. Die Färbung unterschied sich von der
in einem Parallelversuch mit Ammoniak und Luft hergestellten, dunkleren
und schwärzlichbraunen ausser durch den Farbton durch den Umstand,
dass sie, nachdem man die Späne aus dem Kolben genommen und so
•rasch als möglich in verdünnte Essigsäure gebracht hatte, vollständig
verschwand, während die Vergleichsfärbung nur etwas heller wurde.
Aus diesem Versuch kann man schliessen, dass Ammoniakgas allein mit
Bestandteilen des Eichenholzes, sehr wahrscheinlich der Eichenholzgerb-
') Um die Menge des noch vorhandenen Sauerstoffes auf das überhaupt
geringstmögliche Mass herabzudrücken, müsste man die Holzspäne in eine
Geisslersche Röhre einschliessen und diese bis zum Auftreten des Kathoden-
lichtes evakuieren.
Zur Holzvergilbung. 131
säure, eine braun gefärbte durch verdünnte Säuren zersetzbare Verbindung
zu geben vermag, dass aber bei Anwesenheit von Sauerstoff offenbar ein
anderer chemischer Vorgang unter Mitwirlsung desselben vor sich geht.
Weitere Versuche, die später angeführt werden sollen, ergaben,
dass eine auch nur einigermassen in Betracht kommende Mitwirkung
von Ammoniak bei der Holzvergilbung nicht stattfindet.
Liess die Betrachtung der Luftbestandteile die Notwendigkeit der
Anwesenheit von Sauerstoff und die fördernde Wirkung der Luftfeuchtig-
keit für die Holzvergilbung erkennen, so stösst man bei dem Versuch,
unter den Bestandteilen der Hölzer die daran beteiligten Stoffe zu be-
stimmen, auf die gegenwärtig noch unüberwindhche Schwierigkeit, die
durch den gegenüber der sonstigen hohen Entwickelung der organischen
Chemie höchst ärmlichen Stand unserer Kenntnisse von der Chemie der
Hölzer verursacht wird. Aber auch nach einer zukünftigen Erschliessung
derselben wird man vor der bereits angedeuteten Schwierigkeit stehen,
die aus der geringen Gewichtsmenge der an der Vergilbung beteiligten
Holzanteile hervorgeht. Vorläufig ist alles, was sich erreichen lässt, eine
beiläufige Orientierung durch einige Parbenreaktionen, wobei man sich
der allgemeinen geringeren Sicherheit aller Farbenreaktionen bewusst
bleiben muss.
Von den Bestandteilen der Hölzer sind es die meist unter dem
Sammelnamen „Zellulose" begriffenen Zellulosen, die unter den Holz-
bestandteilen noch am besten chemisch charakterisiert erscheinen. Gerade
sie nehmen aber an der Vergilbung keinen Anteil. Von den Verände-
rungen, die man an bekannten Zellulosen unter den äusseren Bedingungen
der Holzvergilbung beobachtet hat, gibt es keine, die mit Farbenver-
änderungen verbunden sind. Vergilbt holzschlifffreios Papier, so ist nach
C. Wurster') und A. Müller, Jacobs^) höchstwahrscheinlich die Harz-
leimung, nach E. Muth'') „Gerbstoff", nach Klemm*) die Zersetzung
von „Eisenseifen" die Ursache. Nach Wiesner „unterhegen aus völlig
unverholzten Fasern bereitete Papiere gar nicht der Vergilbung, wenn
nur dafür Sorge getragen wird, dass kein Staub darauf fällt. "^) Chemische
Veränderungen der in den Hölzern vorkommenden Zellulosen sind also
ursächhch an der Holzvergilbung gewiss nicht beteiligt und gehen, wenn
1) Berichte d. D. Chem. Gesellschaft XIX, 2, S. 3217.
2) Über die Anwendung der Amide höherer Fettsäuren zur Papierleimung.
<Z. f. an gew. Chem. XVIII, S. 1145.)
3) Dinglers Polytechn. Journ. COXCI, S. 235.
*) Klemm, Handbuch der Papierkunde, 1904. — E. Müller und
A. Haussener, Die Herstellung und Prüfung des Papieres, Ö. 1676.
5) A. a. O. '
132 ^- H- Schramm.
sie eintreten, nur nebenher mit. Von den übrigen in den Hölzern ent-
haltenen Stoffen zogen zunächst jene meine Aufmerksamkeit auf sich.
die man auch gegenwärtig meist noch unter dem wissenschaftlich unhalt-
baren Begriff „Gerbstoff" zusammenfasst.'j Man hat in diesen „Gerb-
stoffen" jene Stoffe erkennen wollen, die bei manchen Hölzern die Farbenver-
änderung mit Ammoniak oder auch anderen alkalischen Stoffen bewirken.
Zu dieser Annahme führte offenbar die Beobachtung, dass das an Eichen-
holzgerbsäure reiche Eichenholz sich mit gasförmigem Ammoniak besonders
rasch dunkel färbt, sowie die bekannte Tatsache, dass die Eichenholz-
gerbsäure sowie einige andere besser bekannte, zu den „Gerbstoffen"
gerechnete Stoffe bei Gegenwart von Alkalien sich an der Luft rasch
bräunen. Auch Ammoniakgas wirkt aut diese Stoffe bräunend ein; so
war Tanninpulver, das ich versuchsweise in dünnen Schichten den Dämpfen
von Ammoniakflüssigkeit ausgesetzt hatte, nach einigen Stunden zu tief-
schwarzbraunen, stark glänzenden Brocken zusammengebacken, die indessen
in Wasser noch leicht löslich waren.
Nach der Ansicht 0. Löws ,, beruht die Braunfärbung des Kernholzes
der Eiche auf einer allmählichen, unter Gelbfärbung fortschreitenden
Oxydation des darin enthaltenen Gerbstoffes, wobei zuletzt durch Konden-
sationsvorgänge ein unlöslicher gelbbrauner Körper gebildet wird.
Hierbei soll das im Holz enthaltene Kahphosphat eine Rolle spielen."-)
Nördlinger-'') erörtert unter Hinweis auf die Eigenschaften der Gallus-
säure die Frage, ob an dem „Brauschwerden" des Eichenholzes nicht der
Gerbstoffgehalt Anteil habe.
Es war nicht ausgeschlossen, dass diese sogenannten Gerbstoffe
bei der Holzvergilbung wesenthch mitwirkten. Die Färbung des Ulmen-
holzes durch Luft soll nach Marcet eine Art Oxygenierung des in dem-
selben enthaltenen Gerbstoffes sein. Zuerst versuchte ich, mich von der
Richtigkeit der vorhin erwähnten Annahme zu überzeugen. Da man
schliesslich die Eisensalzprobe für ausschlaggebend gehalten hatte, um
die Anwesenheit von Gerbstoffen in einem Pflanzenbestandteil nachzu-
weisen, so wird der tatsächliche Inhalt dieser Annahme unter Benützung
eines Vorschlages von Fr. Reinitzer^) viel richtiger ausgedrückt, wenn
man etwa sagt: die Farbenveränderung mancher Hölzer, vorwiegend
1) Zu vergleichen ist: Fr. Reinitzer, Der Gerbstoff begriff. („Lotos"
1891, Neue Folge, XI Bd.)
2) Untersuchungen aus dem forstbotanischen Institut zu München, heraus-
gegeben von Dr. R. H artig, II, 1882, 8. 51.
3) H. Nördlinger, Die technischen Eigenschaften der Hölzer. 1860. S. 457.
*) A. a. 0.
Zur Holzvergilbung. 133
nach braun, durch Ammoniak oder andere alkalische Stoffe rührt von
der Anwesenheit eisen färbender Stoffe her.
Es ist klar, dass man von jener Eigenschaft der Stoffe, mit Eisen-
salzlösungen Färbungen zu geben, nicht ohne weiteres auf andere Eigen-
schaften derselben, z. B. auf die Fähigkeit, sich an der Luft bei Gegen-
wart von Alkalien zu bräunen, oder auf das Vermögen, in Lösungen
basischer Farbstoffe gefärbte Niederschläge zu erzeugen, schliessen darf.
Trotzdem hat man versucht, die Hölzer nach der Tiefe der Färbungen,
die sie mit Eisensalzlösungen geben, in ,, gerbstoffreichere" und , .gerb-
stoffärmere" und demnach in solche zu unterscheiden, die mit basischen
Farbstoffen vielleicht lichtechter oder weniger lichtecht anzufärben seien.*)
Es wäre infolge dessen ein sehr zweifelhafter Beweis für die Richtigkeit
jener Annahme, wenn man zu zeigen versuchte, dass die Tiefe der
Färbungen mit Eisensalzen und mit Ammoniak an den verschiedenen
Holzarten in demselben Verhältnis zu- oder abnehme. Übrigens gehngt
auch dieser zweifelhafte Beweis nur sehr unvollkommen. Bei meinen
Versuchen fand ich, wenn man etwa Eichenholz als Mass nimmt, eine
befriedigende Übereinstimmung nur bei Nussholz, amerikanischem Nuss-
holz, Mahagoniholz und Vogelkirschholz, eine nur sehr geringe bei
Weisserlenholz, Linden- und Ahornholz, gar keine bei Fichten-, Rot-
buchen-, Ulmen-, Birn- und Eschenholz. Ich möchte bei dieser Gelegen-
heit bemerken, dass man die Hölzer nach der Tiefe und Tönung der
Färbungen, die sie mit Bisensalzen geben, recht wohl in Gruppen ein-
teilen kann; da eine solche Einteilung nur einen technischen Wert für
das Graufärben der Hölzer haben könnte und gar keinen wissenschaft-
lichen Wert besitzt, hielt ich es für zwecklos, sie hier zu bringen. ^j
Was also von der Annahme übrig bleibt, ist die Tatsache, dass sich
einige Hölzer, die sich mit Eisensalzen stark grau färben, mit Ammoniak
stark bräunen. In bezug auf die Holzvergilbung können nun zwei
Fragen gestellt werden, die nach einer Mitwirkung der eisenfärbenden Stoffe
und die nach einer Mitwirkung jener Stoffe, die sich mit alkahschen
Stoffen an der Luft bräunen. Nun konnte aber kein bei den verschiedenen
Hölzern gleich bleibendes Verhältnis zwischen der Stärke der Holzver-
gilbung und der Stärke der Holzbräunung mit Ammoniak und ebenso
wenig zwischen Holzvergilbung und Eisensalzreaktion gefunden werden.
') E. ßotter, Über die Verwendung der künstlichen organisclien Farb-
stoffe in der Holzbearbeitung. (Färber-Zeitung 1895/6, S. 428.)
2) E. Rotter veröffentlichte (am bereits angegebenen Ort) eine derartige
Einteilung, doch ohne nähere Kennzeichnung der Farbtöne auf den verschie-
denen Hölzern.
134
W. H. Sc'luamin.
Bestände ein solches gleichblelljendes Verhältnis, so müsste ausser-
dem, da die Holzvergilbung bei den gebleichten ') Hölzern fast genau so
stark auftritt wie bei den ungebleichten, die Ammoniak- und Eisensalz-
reaktion bei diesen wie bei jenen gleich stark eintreten. Beides ist
nicht der Fall. Auf gebleichtes Eichenholz z. B. übt Ammoniak fast
gar keine Wirkung aus und Eisenvitriol eine bedeutend schwächere.
Doch tritt durch das Bleichen bei den Hölzern durchaus keine gleich-
massige Abnahme der Stärke der Eisensalzreaktion ein; während diese
bei Eichen-, Nuss-, amerikanischem Nuss-, Mahagoni- und Birnholz stark
abnimmt, ist die Abnahme der Stärke bei Ahorn-, I^otbuchen-, Weiss-
erlen-, Eschen-, Ulmen-, Linden-, Vogelkirsch- und Fichtenholz nur
unbedeutend oder gar nicht zu bemerken. . >
Umgekehrt müssten auf vergilbten Hfilzern beide Reaktionen viel
schwächer eintreten. Bei Versuchen, die ich darüber^ anstellte, ergab
sich, dass die mit EisenvitrioUösung auf den vergilben Hölzern erzeugten
Färbungen allerdings — gegenüber den auf un vergilbten erzeugten — Unter-
schiede aufwiesen. Bei einigen Hölzern konnte dieser Unterschied auf
das Hinzutreten des durch die Vergilbung entstandenen, gelbbraunen
Tones zurückgeführt werden, bei anderen z. B. auf Eichen-, amerikani-
schem Nuss- und Birnholz war die Färbung schwächer. Auf Ahorn-
und Fichtenholz ergaben die Versuche die sehr auffällige Erscheinung,
dass auf vergilbtem Holz die Färbungen bedeutend kräftiger ausfielen
und offenbar in diesen Hölzern auch nach nur massiger Ver-
gilbung eisenfärbende Stoffe in grösserer Menge in Wirksam-
keit treten konnten als vorher. Damit ganz übereinstimmende
Ergebnisse erhielt ich bei Versuchen mit Hölzern, die durch Kalium-
permanganat oder Dämpfe von rauchender Salpetersäure künstlich ver-
gilbt waren. ^) Zu annähernd ähnlichen Ergebnissen dürfte auch ein
1) Unter „gebleichten" Hölzern sind stets mit ammoniakalischem Wasser-
stoffsuperoxyd gebleichte zu verstehen.
2) Mit allem Vorbehalt und dem gleichzeitigen Hinweis auf die ungerecht-
fertigte Gepflogenheit, eisenfärbende Stoffe in Pflanzenteilen als „Gerbstoffe"
zu bezeichnen, möchte ich bemerken, dass man in den Ablaugen der Sulfit-
zellulosefabrikation Gerbstoff gefunden haben will (Muspratts Technisclie
Chemie, Bd. VI [1898], S. 1579J, und dass in älteren Patentschriften Verfahren
zur Herstellung von „Gerbstoffen" aus Torf, Stein- oder Braunkohlen unter
Anwendung oxydierender Mittel vorgeschlagen werden (Muspratts Chemie,
Bd. III [1891], S. 1218, 1219). V. Gräfe erhielt bei seinen „Untersuchungen
über die Holzsubstanz" (Monatshefte für Chemie, Bd. XXV, S. .1009) aus
Konifereuholz Brenzkatechin, das bekanntlich mit Eisensalzen dunkelgrüne
Färbungen gibt. Cross u. Bevan fanden, dass durch Behandlung verholzter
Pflanzenteile mit Chlor Mairogallol und Leukogallol entsteht (Journ. Chcm.
Soc, Bd. IV [1889], S. 213).
Zur Holzvergübnng. |35
Vergleich der Ammoniakreaktion auf einerseits unvergilbten, anderseits
vergilbten oder künstlich vergilbten Hölzern nach einigen vorläufigen
Versuchen, die ich anstellte, führen.
Auch auf vergilbtem Papier, das Pichtenholzschlit'f enthielt, bekam
ich mit Eisenvitriollrtsung, sowie mit Ammoniak weit stärkere Färbungen,
als auf unvergilbtem. ...^
Zweifellos ergibt sich aus allem Vorhergesagten, dass die eisen-
färbenden und die mit Ammoniak sich bräunenden Stoffe in den Hölzern
bei der Holzvergilbung, wenn überhaupt, nur einen sein* nebensächlichen
Anteil nehmen.
Ich komme nun zu dem sogenannten LigninaiUtMl in den Hölzern.
Auch unter Ligninist bekanntlich nur ein Sammelbegriff zu verstehen.
Der Ligninanteil ist bei verschiedenen Hölzern verschieden. Der wirk-
liche Gehalt der Hölzer an Lignin ist gegenwärtig noch nicht sicher
ermittelt, doch geben die von R. Benedikt und M. Bamberger ^)
bestimmten Methylzahlen der Hölzer ein relatives Mass dafür.
Die Stärke der Holzvergilbung und die Grösse der Methylzahl steht
bei verschiedenen Hölzern in keinem gleichbleibenden Verhältnis.
Hatte man bei den bisher betrachteten unter Sammelbegriffen
zusammengefassten Stoffen mit der Schwierigkeit zu rechnen, dass
sie in den verschiedenen Hölzern sicher nicht die gleichen, ja vielleicht
nicht einmal sehr ähnliche seien, so fällt diese Schwierigkeit anscheinend
weg bei jenem Stoff oder jenen Stoffen, die bei den sogenannten Holz-
stoffreaktionen farbenerzeugend wirken. Von den meisten Autoren wird
die Ansicht ausgesprochen, dass es wahrscheinlich derselbe oder dieselben
wenigen Stoffe seien, die in allen H()lzern oder verholzten Pflanzenteilen
verkommen und bei den Ligninreaktionen mitwirken, wenn sie auch
darüber, welche chemischen Stoffe mit jenen Parbenerzougern über-
einstimmen, noch nicht einig geworden sind. 2) Doch fehlt es auch nicht
an Stimmen, die es nicht für ausgeschlossen halten, dass die Lignin-
reaktionen bei den einzelnen Hölzern durch verschiedene, wenn auch
„homologe" Stoffe verursacht würden.'^)
Tatsächlich bekommt man, wenn man Holzstoffreaktionen auf ver-
schiedenen Hölzern ausführt, an Farbtiefe und Tönung sehr verschiedene
1) R. Benedikt ii. M. Bamberger, Über eine quantitative I^eaktion des
Ligains. (Monatshefte für Chemie, Bd. XI, S. 260.)
2) Eine Zusammenstellung der sog. Holzstoffreaktiouen findet sich im
zweiten Band von J. Wiesner, Die Rolistoffe des Pflanzeiu-eiches, S. 45 u. 46.
3) V. Gräfe, Untersuchungen über die Holzsubstanz vom chemisch-
physiologischen Standpunkte. (Monatshefte für Chemie, Bd. XXV, S. 1018.)
]^36 W. H. Schramm.
Färbungen. Aus diesem Grunde erscheinen jene Methoden, ^velche auf
Farbenerscheinungen quantitative Bestimmungen des Holzschliffs in Papier
begründen, sehr unsicher, wenn die im Papier enthaltene Holzschliffart
nicht qualitativ bestimmt und dann ein genau entsprechendes Standard-
papier genommen wird.')
Ich habe mich bei meinen makroskopisch angestellten Versuchen
auf die Anwendung von schwefelsaurem Anilin und von Phloroglucin
und Salzsäure beschränkt. Um mich vor Täuschung zu bewahren, habe
ich die Reaktionen in verschiedenen Abänderungen und mit verschiedenen
Konzentrationen der Reagentien ausgeführt. Trotzdem konnte ich die
verwendeten dreizehn Holzarten nach der Tiefe der auf ihnen erhaltenen
Färbungen stets in dieselben Gruppen teilen oder mit ihnen die gleiche
Reihe bilden. So ergaben verschiedene Reaktionen mit Phloroglucin und
Salzsäure folgende Gruppen:
Sehr tiefe Färbungen:
Fichte, Ahorn.
Mittlere Färbungen :
Weisserle, Ulme (Ivern), Linde, Nussbaum (Kern).
Helle Färbungen:
Rotbuche, Eiche (Kern), Esche (Kern), amerikanischer Nuss-
baum (Kern).
Sehr helle Färbungen:
Mahagoni, Birnbaum, Vogelkirsche. ^)
Eine nähere Betrachtung der verschiedenen Stärke der Holzver-
p:ilbung bei den untersuchten dreizehn Hölzern zeigte mir, dass zwischen
dieser und der Tiefe der Färbungen mit Phloroglucin und Salzsäure ein
ziemlich gleichbleibendes Verhältnis herrscht.
Auf den gebleichten und den mit Ammoniak behandelten Hölzern
1) Klemm (a. a. O.) verlangte schon verschiedene Farbengradleitern für
Nadelholzschliff und Laubhoizschliff.
■'') Bfesonders auffällig erscheint die sehr schwache Reaktion bei der
letzten Gruppe. Ich erinnerte mich hier daran, dass von Höhnel seinen
„Xylophilinextrakt" als Reagens auf Holzstoff aus Kirschenholz hergestellt
hatte. (Anzeiger d. k. Akademie d. Wissenschaften, Wien, Bd. XIV [1877], S. 229.)
Mit einer durch Kochen von Kirschholzspänen mit Alkohol herge.stellten Flüssig-
keit, zu der ich Salzsäure hinzu gefügt hatte, erhielt ich auf den Hölzern ebenso
starke Färbungen wie mit der Wiesnerschen Phloroglucinlösung. Es ist
naheliegend, irgend einen Zusammenhang zwischen der schwachen Reaktion mit
Phloroglucin und Salzsäure und dem verhältnismässig starken Gehalt an Xylo-
philin zu vermuten. Zu vergleichen ist: H. Möller, Über das Vorkommen
von Phloroglucin in den Pflanzen. (Ber. d. Dtsch. Pharm. Ges., Vit. S. 344
bis 352. — Ohem. Cbl. 1897, Bd. II, S. 1151.)
Zur Holzvergilbung. 15^
waren die mit Phloroglucin und Salzsäure, sowie mit schwefelsaurem
Anilin erzeugten Färbungen gleich stark wie auf den entsprechenden
ungebleichten Hölzern. Die vergilbten und die mit Kaliumpermanganat
behandelten Hölzer geben die Phloroglucinreaktion bedeutend schwächer,
die mit Dämpfen von rauchender Salpetersäure behandelten Hölzer geben
sie nur mehr sehr schwach.
Die angeführten Tatsachen weisen auf einen Zusammenhang der
die Färbungen mit Phloroglucin und Salzsäure oder mit Anilinsulfat
verursachenden Stoffe mit der Holzvergilbung recht deutlich hin, doch
lässt sich vor einer näheren Prüfung dieser Stoffe auf ihr Verhalten
zum Licht Bestimmtes darüber nicht aussagen. Es könnten recht wohl
die Holzvergilbung und Abnahme der Stärke der Phloroglucinreaktion
bewirkenden Vorgänge nebeneinander und ohne ursächlichen Zusammen-
hang sich abspielen. Auch andere Regelmässigkeiten könnten nur zu-
fällige sein. Doch lässt sich der Satz aussprechen, dass die Stärke der
Färbung mit Phloroglucin und Salzsäure ein relatives Mass für die Ver-
gilb ungsfähigkeit der Hölzer geben kann.
Von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die Phloroglucinreaktion
auf Papier die Bedeutung einer Probe auf die durch irgendwelche Mengen
irgend eines Holzschliffes verursachte Vergilbungsfähigkeit.
Indem ich diese vorläufigen Bemerkungen zur Holzvergilbung
schliesse, darf ich den Hinweis darauf nicht unterlassen, dass selbst-
verständlich noch weitere Untersuchungen über das Verhältnis der in
den Hölzern enthaltenen, die Ligninreaktionen verursachenden Chromogene
sowie anderer dem Ligninanteil der Hölzer zugerechneter Stoffe — ich
möchte z. B. nur den Holzgummi^) erwähnen — zur Holzvergilbung
ausgeführt werden müssen, um über diese soweit Klarheit zu erlangen,
wie es bei den spärlichen Kenntnissen über jene Stoffe heute überhaupt
möglich ist. Auch der Harz-, Öl- oder Fettgehalt der Hölzer verdient
in bezug auf die Holzvergilbung einige Beachtung.
Derartige Untersuchungen und die Anwendung der Ergebnisse zur
Beleuchtung der verschiedenen Arten von Papiervergilbung werden die
Gegenstände einer weiteren Mitteilung sein.
Was bis jetzt aus meinen Darlegungen und Versuchen als einiger-
massen gesichert hervorgeht, möchte ich in den folgenden Sätzen kurz
8) Ob Holzgummi bei der Holzvergilbung eine Rolle spielt, ist sehr frag-
lich. Es ist anzunehmen, dass durch das Bleichen mit ammoniakalischem
Wasserstoffsuperoxyd ein Teil des Holzgummis entfernt wurde. Kirschholz
enthält 12,4:^ Jq, Buchenholz, das viel stärker vergilbt, nur 5—6% Holzgummi.
(Zu vergleichen ist To Ileus, Handbuch der Kohlenhydrate. IL Bd. 1895.
S; 201.)
138 W. H. Schramm.
zusammenfassen, wobei ich bemerken muss, dass diejenigen Sätze, die
Allgemeines aussprechen, auf das Allgemeine nur aus den Erfahrungen
an dreizehn Holzarten schliessen, und sie daher streng genommen stets mit
einem „wahrscheinlich" eingeleitet werden sollten.
1. Lufttrockene Hölzer verändern auf den frischen Schnittflächen
unter dem Einflüsse des Lichtes und der Luft allgemein ihre Farbe.
2. Die Farbenveränderungen können sehr verschiedenartig sein
und betreffen zum Teil die sogenannten Holzfarbstotfe oder auch be-
stimmte Chromogene.
3. Eine Art von Farbenveränderungen kann indessen als allgemein
und auf allen Hölzern in sehr ähnlicher Weise auftretend bezeichnet
werden; sie wurde nach den hierbei entstehenden Farbtönen von mir
Holz vergilb ung genannt.
4. E)ie„Holzvergilbung" gehtfast immer der „Holzvergrauung" voraus,
bei einigen Nadelhölzern geht sie schliesslich in „Holzbräunung" über.
5. Die Holzvergilbung geht ohne mechanische Einwirkung auf die
Holzoberfiäche vor sich. r)ie Dicke der vergilbten Holzschichten ist eine
sehr geringe.
6. Mikroorganismen wirken bei der Holzvergilbung höchstwahr-
scheinlich nicht mit.
7. Licht ist zur Holzvergilbung notwendig. Sonnenlicht wirkt viel
stärker als zerstreutes Tageslicht. Vorzugsweise wirken Lichtsorten von
geringeren Wellenlängen.
8. Luftsauerstoff ist zur Holzvergilbung notwendig; höchstwahr-
scheinlich findet ein Oxydationsvorgang statt, da die Holzvergilbung
durch Anwendung von Oxydationsmitteln nachgeahmt werden kann.
9. Von weiteren Bestandteilen der Luft wirkt Wasserdampf
fördernd, Kohlensäure und Ammoniak nicht oder nicht bemerkenswert ein.
10. Die vergilbten Hölzer zeigen andere Farbenreaktionen als die
unvergilbten. Die Färbungen mit Eisensalzlösungen und die mit gas-
förmigem Ammoniak sind stärker oder schwächer, die Färbungen mit
Phloroglucin und Salzsäure sind stets viel schwächer auf den vergilbten
als auf den unvergilbten HfHzern. In der Oberfläche mancher Hölzer
vermehren sich durch Belichtung die eisenfärbenden Stoffe.
11. Die in den Hölzern enthaltenen Zellulosen, ferner eisenfärbende
imd mit Alkalien sich bräunende Stoffe sind an der Holzvergilbung nicht
oder nur nebensächlich beteiligt.
12. Die Stärke der Holzvergilbung und die Grösse der Methylzahl
steht bei den verschiedenen Hölzern in keinem gleichbleibenden Verhältnis;
Zur Holzvergilbimg. 139
ein solches besteht aber zwischen der Stärke der Holzvergilbung und der
Tiefe der Färbung mit Phloroglucin und Salzsäure. Dieser letztere
Umstand, sowie die Abnahme der Stärke der Holzstoffreaktionen auf
vergilbton Hölzern deutet auf eine Mitwirkung jener Stoffe, die bei den
sogenannten Holzstoffreaktionen farbenerzeugend wirken, bei der Holz-
vergilbung hin; doch lässt sich Bestimmtes darüber vorläufig nicht aussagen.
13. Die mit Phloroglucin und Salzsäure und auch mit anderen
Reagentien auf Holzstoff auf den verschiedenen Hölzern erhaltenen Fär-
bungen sind an Farbtiefe und Tönung sehr verschieden. Ihre Stärke
kann ein relatives Mass für die Vergilbungsfähigkeit der Hölzer geben.
14. Bei Anwendung jener Methoden, welche auf die Farben-
erscheinungen der Holzstoffreaktionen quantitative Bestimmungen des
Holzschliffs in Papiersorten begründen, muss das verschiedenartige Ver-
halten von Holzschliffsorten verschiedener Hölzer berücksichtigt werden.
Doch kann vielleicht die Phloroglucinprobe zum Abschätzen der durch
irgend welche Holzschliffarten bewirkten Vergilbungsfähigkeit eines
Papieres benützt werden. • -
15. Gebleichte Hölzer vergilben ebenfalls. Durch Bleichen mit
ammoniakalischem Wasserstoffsuperoxyd werden aus den Hölzern wohl,
die Holzfarbstoffe, ferner eisenfärbende und mit Ammoniak sich bräu-
nende Stoffe entfernt oder so verändert, dass sie nicht mehr entsprechend
reagieren können, nicht aber die Vergilbungsstoffe.
1(3. Die Stärke der Holzstoffreaktion hatte an den gebleichten
Hölzern nicht merklich abgenommen.
17. Vermutlich besitzen alle Faserstoffe so lange Vergilbungsfähig-
keit, als sie Holzstoffreaktion geben.
18. Ein gleichbleibendes Verhältnis zwischen der Tiefe der Fär-
bungen, die auf verschiedenen Hölzern einerseits mit Eisensalzlösungen,
andererseits mit gasförmigem Ammoniak entstehen, konnte nicht wahr-
genommen werden.
19. Eichenholzspäne färben sich auch bei Ausschluss von Luftsauer-
stoff mit gasförmigem Ammoniak rotbraun, doch ist die entstandene
Färbung durch verdünnte Essigsäure zersetzbar. Da letzteres bei der
Färbung, die bei Anwesenheit von Luftsauerstoff mit Ammoniak auf
Eichenholz entsteht, nicht der Fall ist, so ist anzunehmen, dass bei
ihrem Zustandekommen Luftsauerstoff mitwirkt. Es scheint somit
die alte durch keine Versuche gestützte Ansicht, dass die Bräunung des
Eichenholzes mit Ammoniak durch eine Oxydation des Gerbstoffes bewirkt
werde, einige Berechtigung zu haben.
140 ^^'- tl. Scliramiii.
Zum Vergrauen der Hölzer.
Von
W. H. Scliramm, Graz.
Von den Veränderungen, die geschlagenes Holz im Freien unter
den verschiedenartigsten Einflüssen erleidet, ist allbekannt und vielleicht
■darum sehr wenig beachtet jene, die nur an der Oberfläche des Holzes
vor sich geht und wegen der hierbei auftretenden Farbe das „Vergrauen"
des Holzes genannt wird. Nun hat man in neuerer Zeit von kunst-
gowerbhcher Seite dieser Erscheinung einige Aufmerksamkeit zugewendet,
indem man nicht nur den mechanischen Erfolg der Ober flächen Verände-
rung, das reliefartige Hervortreten des Spätholzes, sondern auch dif^
graue Farbe dekorativ zu verwerten suchte. Ich habe vor einiger Zeit
die Methoden, die zur Erreichung des ersteren Zweckes in Anwendung
gekommen sind oder vorgeschlagen wurden, zusammengestellt:') es
sind dies teils mechanische, teils chemische. Hierbei war es wünschens-
wert zu wissen, wie denn die Natur bei der Hervorbringung jener eigen-
tümlichen Art von Holzveränderung verfährt.
Eine L>urchsicht der mir zugänglichen Literatur führte mich ausser
zu einer sehr knappen Schilderung des Vorganges durch Berzelius^)
weiter nur zu der umfangreichen Arbeit von Wiesner.^) Da auch
von Tubeuf in dem von ihm bearbeiteten Kapitel des von F. Lafar
herausgegebenen Handbuches der technischen Mykologie,'^) das von
der Zerstörung des im Freien verwendeten rohen oder bearbeiteten
Holzes handelt, bei der Besprechung des Vergrauens der Hölzer nur die
Wiesnersche Arbeit heranzieht, so ist wohl anzunehmen, dass die
•durch Wiesner über den Vorgang des Vergrauens uns vermittelten
Kenntnisse bis heute die einzigen geblieben sind, die wir darüber be-
sitzen. Die mechanischen Vorgänge beim Vergrauen und ihre Ursachen
') Über das Ätzen des Holzes. (Mitteihmgen des mährischen Gewej'be-
museums in Brunn 1905, No. 9, S. 137).
2) Lehrbuch der Chemie. 3. Bd., 1. Abt., 1827, S. G03. (Aus dem Schwe-
dischen übersetzt von Wo hl er.)
3) Über die Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. (Öitz.-Bericht der
K. Akad. d. Wissenschaft, 49. Bd., 18()4, S. Gl).
4) Jena 1905.
Zum Vergrauen der Hölzer. 141
hat Wiesner eingehend erörtert, nicht so sehr hingegen die Ursachen
für das Zustandekommen jener eigentümhchen grauen Färbungen. Das
für letzteres in Betracht kommende Hauptergebnis seiner Untersuchungen
spricht Wiesner mit den Worten aus: „Diese licht- bis dunkelgraue
Schicht des Holzes besteht aus Zellen, welche durch die atmosphärischen
Niederschläge ausgelaugt, ihrer Infiltrationsprodukto ganz oder zum
grossen Teile beraubt wurden, so zwar, dass die zurückbleibenden
Membranen bloss aus chemisch reiner oder nahezu chemisch reiner
Zellulose bestehen." Das vergraute Holz wäre demnach mit einer
Schicht, ,, einem haarigen oder wolligen Überzug" von z. T. halbfrei-
gelegten Pasern bedeckt, deren stark durchscheinende Zellmembranen
farblos sind. Versucht man nun diesen Überzug künstlich nachzuahmen,
indem man verschiedene Hölzer mit möglichst dünn g.'schabtem Seidenpapier
bedeckt, so ergibt sich die Tatsache, dass durch einen solchen Überzug
nur die fast weissen oder hellsilbergrauen bis lichtgrauen Färbungen,
die man mitunter an vergrauten Hölzern wahrnehmen kann, zustande
kommen können. Die durch unzählige Lichtbrechungen uns weiss
erscheinende Schicht farbloser Fasern mag zum Teil die Wirkung
eines trüben Mittels vor dunklem Hintergrund ausüben, wodurch die
Farben des Untergrundes nach blau abgestimmt werden und aus den
gelblichen bis bräunlichen Farbtönen der Hölzer graue Töne entstehen.
Hierbei spielt dann die dem Vergrauen stets vorhergehende Vergilbung
oder Bräunung der Hölzer durch Vertiefung der Untergrundfarbe eben-
falls eine Rolle.
Für das Zustandekommen der viel häufigeren mittel- bis dunkel-
grauen oder graubraunen Färbungen müssen wir also noch nach andei'on
Ursachen ausblicken. Auch hier weist uns Wiesner einen Weg durch
die Angabe, dass häufig „Sporen von Pilzen oder Flechten" in das
,, Innere der vergrauten Zellen" gelangen, ja dass ,,bei all zu reichlicher
Entwickelung von Pilzen die Sporen und Myzehen derselben auch in
noch unvergraute Zellen eindringen und dann eine andere Zerstörungsart
des sich hierbei schw^ärzenden Holzes hervorrufen".
In den vergrauten Schichten kann man in der Tat überaus häufig
ein dunkelgefärbtes Pilzmyzel wahrnehmen. Die graue Farbe solcher
Hölzer käme dann z. T., ähnlich wie bei pointillierten Mischfarben, durch
Addition von unzähligen braunen, hellgrauen und weissen Farben-
eindrücken zustande.
Betrachtet man indessen vergraute Hölzer im Mikroskop, zunächst
vielleicht am besten nur bei sehr massiger Vergrösserung im auffallenden
Lichte, so wird man finden, dass in den allermeisten Fällen die oberfläch-
lichen Schichten von Holzfasern, die nach Wiesner aus reiner oder fast
1^2 ^^ • H. Schrainni.
reiner Zellulose bestehen — ich will sie kurz als ,, Zellulosefasern"
bezeichnen — , selbst eine hell- bis dunkelgraue Farbe besitzen, dass sie
nur bei fast ,,silberweissen" Hölzern weiss sind, während bei dunkler
vergrauten Hölzern farblose Fasern oder w^eisse FilzflTickchen nur stollen-
weise und häufig auch gar nicht erblickt werden krtnnen.
Die Zellulosoiasern, die wie mit einem grauen Farbstoff gefärbt
erscheinen, verursachen hier offenbar hauptsächlich den graufarl)igen
Eindruck, wenn auch die vorher geschilderten Ursachen unzweifelhaft
ebenfalls mitwirken. So erhält man aus mittelgrauem Holz durch ge-
eignete Entfär)>ung der Zellulosefasern natürlich nicht bräunliches, sondern
hellsilbergraues Holz. Aber auch das unter den Zellulosefasern liegende
unversehrte Holz erscheint manchmal grünlich- oder bräunlichgrau, also
anders gefärbt wie das nur vergilbte oder gebräunte Holz, dessen Farbe
dann zum Vorschein kommt, wenn man durch Entfärbungsmittel die
grünlichgrauen oder bräunUchgrauen Färbungen zerstört hat. Ich konnte
dies an mehreren vergrauten Holzarten gut wahrnehmen, nachdem durch
kräftiges Bürsten unter Anwendung von Wasser oder auch durch Schaben
des nassgemachten Holzes mit einem Messingspatel die Zellulosefasern
entfernt worden waren.
Es entsteht nun die Frage, auf welche Weise die geschilderten
Färbungen der Zellulosefasern und des unter diesen liegenden un-
versehrten Holzes zustande kommen k/innen. Bei gelegentlicher
Betrachtung von Bretterzäunen aus Fichtenholz war mir auf-
gefallen, dass die Vergrauung an den Nagelköpfen ihren Ausgangs-
punkt zu nehmen schien. Die Vermutung war da höchst nahe-
liegend, dass Eisen bei der Vergrauung irgendwie mitwirke. Ich
will nicht leugnen, dass meine Kenntnis davon, dass man eben mit
Eisensalzlösungen Hölzer grau färben kann, mich in dieser Vermutung
bestärkte. Leider stand mir nur Fichtenholz zur Verfügung, das in der Um-
gebung der Nagelköpfe graugrün bis braungrau gefärbt war. Bildung
von Zellulosefasern w^ar l)ei diesem noch nicht eingetreten, da die Holz-
proben die Reaktion mit Phloroglucin und Salzsäure fast stärker als
das nicht grau gefärbte, sondern nur vergilbte Holz desselben Brettes
gaben (aber natürlich doch viel schwächer als innen liegendes Holz
aus demselben Brett).
Bestreicht man irgend eine Holzart mit einer konzentrierten Eisen-
vitriollösung, so entsteht bekanntlich eine je nach der Holzart verschiedene
graue Färbung, die mit einer wässerigen Lösung von Oxalsäure wieder
abgezogen werden kann. Ich will diese Färbungen, die mit Eisensalz-
lösungen auf Hölzern entstehen, kurz als Eisengrau bezeichnen. Stellt
man solche Eisengrau's etwa aus Tannin oder ähnlichen Stoffen und
Zum Vergrauen <ler Hölzer. 143
Eisensalzen in der Eprouvette her und entfärbt sie mit Oxalsäure, so
entsteht in der farblosen Lösung-, die man auf diese Weise erhält, wenn
man sie mit Ammoniak im Überschuss versetzt, wieder die vorherige
Färbung. Der erwartete Bisengehalt in den vergrauten Teilen des Fichten-
holzes war leicht nachzuweisen, die graue Färl)ung war durch Behandlung
mit heisser Oxalsäurelösung leicht und vollständig al)ziehbar, und nur
die Ammoniakprobe versagte, da auch destilliertes Wasser, in dem man
das Holz aufgekocht und das natürlich keine ]-]ntfärbung bewirkt hatte,
mit Ammoniak Färbungen gab.
Nun war es anfänglich unerklärlich, dass das auf Fichtenholz auch
mit höchst konzentrierter Eisen vitriolh'isung künstlich erzeugte Eisengrau
stets nur sehr hell war, während die in der Umgebung von Nagelköpfen
vergrauten Holzteile oft ein dunkles Grau aufweisen, ja in den Spätholz-
teilen manchmal fast schwarz erscheinen. Ich hatte aus diesem Grunde
zuerst an einen Verkohlungsprozess des Holzes gedacht, der durch das
Eisen stark beschleunigt werden könnte,') dagegen sprach aber die Ab-
lösbarkeit auch sehr dunkler Färbungen durch Oxalsäureir)sung. Später
vermutete ich, dass die dunkelgraue Färbung von ausserordentlich fein
verteilten Eisenoxyduloxydteilchen herrühre; aber auch gegen diese Ver-
mutung sprach die leichte Ablösbarkeit der Färbung durch Oxalsäure-
h'isung, da, trotzdem Eisenoxyduioxyd in dieser etwas löslich ist, Fär-
bungen, die ich künstlich durch Aufreiben von Eisenoxyduioxyd auf
Fichtenholz erzeugt hatte, mit Oxalsäurelösung (^rst nach längerem Kochen
und niemals vollständig entfernbar waren.
Nachdem ich dann gefunden hatte, dass bei der Holz vergilb ung
im Fichtenholz ein eisenfärbender Stoff entsteht,'^) war nicht
nur diese Schwierigkeit beseitigt, sondern es ergab sich auch, dass man
die Farbe der eisengrauen Holzproben täuschend nachahmen konnte,
indem man stark vergilbtes Fichtenholz mit Eisenvitriollösung bestrich.
Meine nächste Aufgabe war nun, die Oberfläche vergrauter Hölzer
auf ihren Eisengehalt zu prüfen. Es braucht wohl kaum besonders
erwähnt zu werden, dass jede vermutete Täuschungsmöglichkeit aus-
geschlossen wurde. Die vergrauten Ol^erflächen wurden durch Bürsten
oder Waschen möglichst sorgfältig vom Staub befreit, manchmal die
oberste Schicht auch gänzlich abgehoben, und stets gleichzeitig auch
Holzteile aus dem Inneren der Hiilzer auf ihren Eisengehalt geprüft.
1) Friedrich Kuhlmann. Über die oxydierei\de und zerstörende
Wirkung, welche das Eisenoxyd auf Holz, Gewebe. Farbstoffe und andere
organische Substanzen ausübt. (Comptes rendus, Aug. 1859, No. 7. — Dmglers
Polytechn. Journ. CLV, S. 31).
2) Vgl. W. H. Seh ramm. Zur Holzvergilbung. (Diesen .Jaliresbericht p. 116).
144
W. H. Schramm.
Das Ergebnis war, dass in allen vergrauten Holzoberflächon, die
geprüft wurden, Eisen gefunden wurde, in den Oberflächenschichten
nur vergilbter oder gebräunter Hölzer aber nicht oder nur in verhältnis-
mässig weit geringeren Mengen. Nur vergilbte oder gebräunte Hölzer
werden durch Behandlung mit Oxalsäureliisung auch nicht heller.
r>ie Frage nach der Herkunft des Eisens bietet gar keine Schwierig-
keiten. Dort, wo Nägel im Holze stecken, können diese als Quelle für
das Eisen angesehen werden. Die Eisenlösung, die sich durch Ein-
wirkung der Nässe auf die Nägel bildet, wird nicht nur durch elas
Herabrinnen der Flüssigkeit über die Oberfläche des Holzes, sondern
offenbar auch durch Membrandiffusion im Holze verbreitet. Man kann
dies daraus schliessen, dass die graugefärbten Holzteile nicht nur unttM--
halb, sondern auch oberhalb der Nagelköpfe zu finden sind, und dass
auch dort, wo das Holz mit den Längsseiten wagorecht angebracht
wurde, die grauen Stellen sich in der Längsrichtung der Fasern weiter
ausdehnen, als quer zu derselben.
Im späteren Stadium der Vergrauung, in dem das Holz bereits
mit einem Filz von Zellulosefasern bedeckt ist und infolgedessen Flüssig-
keiten gierig aufsaugt und auf seiner Oberfläche verbreitet, bietet der
Gedanke an die BeffUxlerung der Eisenlösung gewiss gar keine Schwierig-
keiten mehr. Durch diese starke Wasseraufsaugefähigkeit erklärt sich
auch z. T. die Erscheinung, dass vergraute Hölzer im nassen Zustande
verhältnismässig viel dunkler erscheinen als unvergraute. Das Wasser
dringt tiefer in das Holz ein und die Schicht, innerhalb welcher Licht
nicht reflektiert wird, ist viel tiefer. Hierzu kommt nun allerdings noch
der Umstand, dass der Filz von Zollulosefasern im trockenen Zustande
weit mehr weisses Licht zurückwirft als die Oberfläche unvergrauten
Holzes, im nassen Zustande aber überhaupt fast keines, da alle Zwischen-
räume mit einer Flüssigkeit ausgefüllt sind, die das Licht fast ebenso
bricht, wie die Zellulosefasern.
Eine zweite Quelle für das Eisen ist dann der Staub; dass dieser
an allen Orten Eisen enthält ist wohl sicher. Der starke Eisengehalt
des auf den Hölzern liegenden Staubes wurde auch wiederholt nach-
gewiesen. Schliesslich wäre daran zu denken, dass auch das in dem
Holz selbst enthaltene Eisen durch chemischen Abbau der Holzfasern
zur Wirkung gelangen könnte. Ob letzteres stattfindet oder nicht, Hesse
sich nur dadurch mit Sicherheit entscheiden, dass man Hölzer unter
sorgfältigem Ausschluss alles von aussen kommenden Eisens vergrauen
liesse.
Der Umstand, dass es vergraute Hölzer gibt, die fast weiss sind
und erst nach Bestreichen mit Eisensalzlösungen sich grau färben.
Zuiu Vergrauen der Hölzer. 145
spricht auch nicht unbedingt dagegen, da sie vielleicht nur sehr wenig
„maskiertes Eisen" enthalten, das nach dem chemischen Abbau der
Holzfasern in Wirksamkeit treten könnte.
Durch den allgemeinen Nachweis des Eisens in den Oberflächen-
schichten vergrauter Hölzer wurde die Möglichkeit sehr nahe gerückt,
dass sowohl die graue Färbung der Zellulosefasern als auch die grün-
lich- bis Ijräunlichgraue des unter diesen befindlichen unversehrten
Holzes durch Eisen bewirkt wird, das mit einigen in den Hölzern vor.
kommenden eisenfärbenden Stoffen sich verbindet. Hierfür sprechen
auch noch einige andere Umstände, so z. B., dass diese „Eisentinten"
eine sehr starke Pärbekraft besitzen, also nur sehr wenig Eisen not-
wendig ist, und ferner, dass es mit Leichtigkeit gelingt, jene ver-
schiedenen grauen Färbungen nachzuahmen, indem man fllr das unver-
sehrte Holz vergilbte oder gebräunte Hölzer mit Eisensalzlösungen be-
streicht, für die Zellulosefasern, indem man Watte mit Tanninlösung vor-
beizt und nach dem Auswaschen mit Eisensalzlösung tränkt. Aber der
unbedingt sichere Beweis für den ursächlichen Zusammenhang des Vor-
kommens von Eisen und der grauen Färbung von Zellulosefasern und
Holz ist damit noch nicht erbracht. Es könnten ja die Bedingungen
für das Vergrauen des Holzes und die Ansammlung von Eisen an der
Oberfläche ganz zufällig zusammentreffen. Auch der ursächliche Zu-
sammenhang könnte in anderer Weise stattfinden, etwa indem das
Eisen beschleunigend bei der Vergrauung mitwirkt oder vielleicht im
Lebensprozess von Mikroorganismen, die die Vergrauung beschleunigen,
eine fördernde Rolle spielt. Bei der Umwandlung von Zellulose in Oxy-
zellulose kann Eisenoxyd bekanntlich als Sauerstoftuberträger wirken,
und es wäre noch zu prüfen, ob die Zellulosefasern nicht zum Teil aus
Oxyzellulose bestehen. Ferner wurde von Friedrich Kuhlmann ^) schon
frühe die seither auf andern Gebieten so oft bestätigte sauerstoffüber-
tragende Wirkung des Eisenoxydes als die Ursache einer von ihm l»eob-
achteten stellenweise sehr tief gehenden Zerstöirung der hölzernen
Planken einer SchitTsbekleidung wahrscheinlich gemacht. Und hält
man diese Erfahrungen zu der von mir gefundenen Tatsache des
ganz allgemeinen Vorkommens von Eisen in den vergrauten Ober-
flächen der Hölzer und zwar fast durchaus als Eisenoxyd, so kann
man der höchst naheliegenden Vermutung, dass das Eisenoxyd — auch
abgesehen von der wahrscheinlichen Erzeugung der grauen Färbung —
bei der Vergrauung der Hr)lzer fördernd einwirkt, mindestens grosse
Wahrscheinlichkeit zusprechen.
M A. a. O. Ferner ist zu vergleichen eine Ahhaadlung von Herve
Mangon in Comptes rendus, Aug. 1859, No. 9. — Dinglers Polyt. J. CLV, S, 'S.
.Tahresbeiicbt der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 10
146 ^^ • "• •'"^L'liramm.
Der analytische Nachweis für das Vorhandensein von Eisengrau
kann eben leider nicht in voller Strenge erbracht werden, da alle
Reaktionen hierbei wieder auf Flisenreaktionen hinauskommen, sich also
nur auf den einen Bestandteil bi^ziehen. Die aus den Hölzern stammen-
den organischen Stofle sind viel zu wenig bekannt, um analytisch
mit Sicherheit nachgewiesen werden zu können, und ihre wichtigste
Reaktion, nach der man sie gerade als „eisenfärbende Stoffe" ') zusammen-
fassen kann, ist hier vorweggenommen.
Ich will von den zahlreichen Versuchen, die ich ausführte, hier
nur diejenigen anführen, die für meine Untersuchung als typisch gelten
mögen oder allgemeines Interesse haben dürften. Es sei bemerkt, dass
die meisten Reaktionen makroskopisch ausgeführt wurden.
Von den vergrauten Hölzern waren einige, die ich der Gefälligkeit
des Herrn A. Jungl in Graz verdanke, aus dem Grunde für die Unter-
suchung sehr günstig, weil sie unter einem kleinen und engen Vordach
so aufbewahrt worden waren, dass sie mit den Enden in das Freie
ragten. Hier, wo die Witterung und eisenhaltiger Staub auf sie ein-
wirken konnten, waren sie stark vergraut, während die geschützt liegen-
den Teile meist nur graubraun oder grünlichbraun geworden waren.
Dementsprechend gaben die vergrauten Teile die Reaktion mit Phloro-
glucin und Salzsäure nicht mehr oder nur sehr schwach, während di(^
graubraunen Teile noch mehr oder weniger reagierten, doch natürlich
viel schwächer als Holz aus dem Innern der Stücke.
Die Reaktion mit Eisenvitriollösung fiel sehr verschiedenartig aus.
je nachdem vorhanden gewesener oisenfärbender Stoff durch die \Vitti>-
rung ausgelaugt oder verändert oder vielleicht zur Bildung von Eisen-
grau bereits verbraucht worden war oder sich (in den graubraunen
Teilen des Holzes) neu gebildet oder angesammelt hatte. Selbstverständ-
lich wurden die entstandenen Färbungen erst dann beurteilt, nachdem
sie durch die rasche Oxydation des Eisenoxydulsalzes durch den Luft-
sauerstoff' ihre möglichste Tiefe erlangt hatten.
Auf den vergrauten Teilen war eine gewisse Sättigung mit Eisen
dadurch wahrzunehmen, dass die Färbung sieh mit Eisenvitriol meist
nur wenig erhöhte und dabei bräunlicher wurde. Man kann das ver-
schieden erklären, entweder aus dem Mangel an eisenfärbenden Stoff"en
oder aber durch die Annahme, dass etwa vorhandene eisenfärbende
Stoffe bereits zur Bildung von Eisengrau verbraucht worden waren.
Die mit Eisenvitriol erzielten Eisenfärbungen wurden stets mit den auf
dem unveränderten Holz hergestellten Färbungen verglichen.
1) Fr. Ueinitzer. Der GerbstuFfbcgriff. (Lotos 1891, Neue Folge Bd. XP..
Zum Vei-p,rauen der Hölzer. 147
Die Prüfung auf Eisen wurde in der Weise ausgefülirt, dass die
Holzal)Sclinitte mit verdünnter Salzsäure einige Stunden bei gewölinliclier
Temperatur ausgezogen wurden. Die Lösung wurde dann abgegossen,
mit Wasser etwas nacligewasclien und dann Real\tionen auf Eisenoxyd
gemaclit. Der Nacliweis von Eisenoxydul, der wiederholt, aber erfolglos
versucht wurde, hätte übrigens auch nur geringen Wert gehabt, da
Eisenoxydullösungen mit eisenfärbenden organischen Stoffen w^ohl
meistens keine Fällungen geben.')
Es ist begreiflich, dass die Tiefe der durch die Eisenoxydreaktionen
entstandenen Färbungen nicht sehr viel grösser ist, als die Tiefe der
Graufär))ung, da auch die Eisengraureaktionen zu den empfindlichsten
Reaktionen auf Eisenoxyd zählen.^)
Durch Wägung der Holzabschnitte und Messung der zugesetzten
Flüssigkeitsmengen wurde die Möglichkeit hergestellt, die Ergel)nisse mit
Sicherheit vergleichen zu können. Sowohl bezüglich des Eisengehaltes
als auch der mit Salzsäure allein eintretenden Färbungen wurden stets
Paralieh'ersuche mit aus dem Innern der Holzstücke stammenden Holz-
teilen gemacht.
Bei den Versuchen mit Oxalsäure wurden die Holzteile mit kalt
gesättigter wässeriger Lösung einmal aufgekocht und stets Parallel-
versuche mit reinem Wasser an Stelle der Oxalsäurelösung ausgeführt.
Auch wairden zu weiteren Vergleichen manchmal aus dem Innern der
Holzstücke genommene Abschnitte mit Oxalsäurelösung und mit Wasser
gekocht.
Holz der Fichte, Picea eoccelsa (Lam.) Lk,
Das Holz wurde zunächst mit einer Bürste und viel Wasser kräftig
gei)ürstet Nachdem es wieder trocken geworden war. wurden mit
einem Bronzemesser die vergrauten Schichten abgehoben und ebenso
dem Innern des Holzes Späne entnommen. Gleiche Gewichtsteile der
Späne wurden mit den gleichen Mengen Salzsäure (Spez. Gewicht 1,U)
in der Kälte ausgezogen, nach vier Stunden die gleiche Volummenge
Wasser hinzugesetzt, durchgeschüttelt und von den Spänen abgegossen.
In dem Auszug der Holzspäne aus dem Innern konnte mit Ferri-
cyankalium kein Eisenoxydul und, nach Oxydation mit Salpetersäure oder
1) Zu vergleichen ist Herve Mangon a. a. O. und ferner H. Rose
und R. Finkaner, Handbuch der analytischen Chemie, (i. Aufl. 1867. l.Bd.,
8. 247.
2) A. Wagner, Über Empfindlichkeitsgrenzen einiger Reaktionen auf
Eisen und Kupfer. (Z. f. analyt. Chem. XX, S. 349).
10*
]^48 ^^ • ^- Schramm.
auch mit Bromwasser, mit Ferrocyankalium und Kliodankaliuin auch
l<eine Spur von Eisenoxyd nachgewiesen worden.
Der Auszug der vergrauten Holzspäne gab mit P^erricyankalium
keine, mit Ferrocyankalium und mit Schwefelammonium sehr deutliche
Eisenreaktion.
Die graue Schicht von Zellulosefaserh wurde, mit Oxalsäurelüsung
behandelt, weiss oder doch viel heller; darunter liegendes unversehrtes,
aber graugrün gefärbtes Holz nahm dabei die Farbe des vergilbten
Holzes an. Gelegentlich findet man heilsilbergraues Holz mit last
weisser Zellulosefasernschicht; die Eisenreaktion ist dann entsprechend
schwach, und mit Eisenvitriol bekommt man dunklere Färlmngen. Auch
mit Salzsäure werden die vergrauten Abschnitte heller.
Holz der Eiche (Kern), Querciis peduitculafa Ehrh.
Vergrautes Eichenholz ist offenbar nicht häufig zu linden, da
Wiesner es als wahrscheinlich hinstellt, dass neben manchen anderen
Holzarten auch Eichenholz nie vergraue.^)
Das mir vorliegende Stück ist auf den Teilen, die der ^^'ittel■ung■
ausgesetzt gewesen waren, schiui silbergrau.
Die vergrauten Teile geben eine starke Eisenoxydreaktion. Holz-
späne aus dem Innern hatten an Salzsäure weder Eisenoxydul noch
Eisenoxyd abgegeben. Die Reaktionen waren genau in derselben Weise
vorgenommen worden wie bei dem Fichtenholz.
Der Zellulosefilz ist grau gefärbt und konnte mit Salzsäure und
mit Oxalsäure entfärbt werden. Die braunen, geschützt liegenden Teile
gaben eine kaum merkliche Eisenreaktion. Da Eichenholz sehr viel
von eisenfärbenden Stoffen, hauptsächlich wohl Eichenholzgerbsäure, nach
Böttinger^) Digallussäuremethyläther, enthält, so hätten anscheinend
gerade hier tiefe graue Töne beobachtet werden sollen. Nun ist aber
zu bedenken, dass das Eisengrau die Funktion zweier Komponenten ist
und es hier auch auf die Menge des Eisens ankommt. So kann man
z. B. Eichenholz allerdings durch Bestreichen mit konzentrierter Eisen-
vitriollösung dunkelblaugrau färben, nimmt man aber verdünntere
Lösungen, so entstehen eben entsprechend hellere und auch sehr helle
Färbungen Aber noch ein anderer Umstand kommt hinzu. Die Monge
der eisenfärbenden Stoffe nimmt an der Oberfläche des der Witterung
ausgesetzten Eichenhplzes. sei es durch Auswaschung oder chemische
') A. a. O. S. (i(i.
2) Ann. Chem. CCXXXVIII, S. ;{()(;. Zu vergleiclieu ist auch l'aul
Metz!L!,er, Beitiäge zur Charakteristik des Holzkörpers der Eiche. (Bot.
Centralbl. LXVIIl. S. 4«. — Chem. Cbl. 1S!)7, Tl. S. \^:^\].
Zum Vergrauen der Hölzer. 1^49
Umwandlung oder durch beidos, ab. E)as vergraute Holz wurde mit
Eisenvitriollösung nur wenig dunkler gegen braungrau, während das
unvergraute Holz tief dunkelblaugrau wurde. Ebenso gibt mit Wasser-
ausgelaugtes oder vergilbtes Eichenholz schwächere oder mehr bräun-
liche Färbungen mit Eisenvitriol als unversehrtes Holz.
Um ü))er die Menge des Eisens in der Oberflächenschicht des ver-
grauten Holzes zu einer beiläufigen Vorstellung zu gelangen, wurde die
Menge des Eisens im salzsauren Auszuge kolorimetrisch bestimmt.
Hierbei gelangt allerdings nicht das gesamte in der Oberflächenschicht
vorhandene Eisen zur Messung. In 10 Quadratzentimetern der sehr
dünn abgehobenen Oberflächenschichte wurden auf diese Art 0,0002 g
Eisen gefunden. Mit einer Lösung von 2 g Eisenvitriol in 1 1 Wasser
kann man aber bereits ein Hellgrau auf Eichenholz erzeugen, dal)ei be-
rechnen sich für 10 cm- 0,0004 g Eisen.
Bemerkenswert erschif^n mir auch ein Eichenholz, das ich ebenfalls
Herrn Jungl verdanke. Es stammt aus einer Eichen welle, die sehr
lange im feuchten Erdreich gelegen und durch und durch eine
•dunkelgraubraune Farbe angenommen hatte. Das Holz war sonst un-
verändert, ja eher härter als frisches Holz. Die Färbung ist eine Eisen-
färbung: mit Salzsäure und mit Oxalsäure liess sich das Holz mit
Leichtigkeit entfärben,') Eisen wurde in ziemlicher Menge nachgewiesen.
Eichenholz, das in anderer Weise, durch Einwirkung alkalischer Stoff'e,
braun geworden war, z. B, durch Ammoniak, wurde mit Salzsäure nur
wenig, mit Oxalsäure gar nicht heller.
Holz des Ahorns, Acer Pseudoplatamis L.
Die vergrauten Teile sind silbergrau, der Pilz von Zellulosefasern
ist gelblichgrau, doch sieht man stellenweise fast ganz weisse Pilz-
ilöckchen. Mit Oxalsäurelösung findet Entfärbung des Filzes und des
darunter liegenden Holzes statt. Mit Salzsäure wurde vergrautes Holz
■ — nur makroskopisch betrachtet — sehr hellgrau.
Mit holzessigsaurem Eisen nach vorheriger Behandlung mit Ätz-
kalilauge durchgefärbtes Ahornholz von grünlichgrauer Farbe gibt eine
ungefähr gleich starke Eisenreaktion wie das vergraute Holz. Auch
die graubraunen Teile des Ahornholzes gaben schwache Eisen-
reaktion und wurden dementsprechend mit Oxalsäure heller, mit Eisen-
vitriol aber viel dunkler graugrün, während das vergraute Holz damit
kaum merklich gegen braun an Farbe zunahm.
1) A. Müller fand im fossilen Eichenholz einen besonders hohen Eisen-
oxydgehalt der Asche. Es war also in reichlicher Menge Eisenoxyd zugeführt
worden. (Landvv.Versuchs-Stat. XXXVI, S. 263—65. — Chem. Gbl.l889,n, S.895.)
150 W. H. Schramm.
Holz des Nussbaums (Kern), Ji((//(nis rcf/if/ L.
Die schön silbergrauen Teile geben nur <Mne schwaclie Eisenreak-
tion, werden mit Salzsäure viel heller .ü;rau und mir Oxalsiiuro entfärl)t.
Holz der Weisserle. Aliius 'uicaiic D(".
Das mir vorliegende Stück war sehr hellgrau, der Filz von Zellu-
losefasern fast weiss. Dementsprechend war auch die Eisenreaktion
sehr schwach; das Holz wurde mit Salzsäure oder mit Oxalsäure
kaum heller. Hingegen wurden die vergrauten und die gebräunten
Teile mit Eisenvitriol verhältnismässig viel dunkler grau als Holz aus
dem Inneren der Stücke.
Der mikroskopische Nachweis des Eisens in den ver-
grauten Holzteilen erscheint von vornherein schwierig, wenn man
beobachtet hat, dass bei starker Vergrrtsserung auch die grau gefärbten
Fasern sehr schwach gefärbt, ja manchmal fast farblos erscheinen,
und wenn man l)edenkt, dass die Tiefe der Idauen Färbung mit Ferro-
cyankalium nicht viel tiefer sein kann als die Tiefe des Eisengraus.
Doch war die mikroskopische Beobachtung notwendig für den Nach-
weis, dass das Eisen in der Holzoberfläche gleichmässig verteilt ist,
die Fasern also wirklich mit Eisengrau gefärbt sind.
Querschnitte normal auf die vergraute OI)erfläche sind sehr schwierig
auszuführen: es wurden daher von der angefeuchteten Holzoberfläche
mit einem sehr dünn ausgezogenen Glasstab einige Filzflöckchen zur
mikroskopischen Prüfung auf Eisen al)geschabt.
Für diese wurde die von H. Molisch angegebene Reaktion zum
Nachweis des „locker gel)undenen" Eisens in Zellen angewendet.') E>ie
abgeschabten Holzfasern wurden auf dem Objektträger etwa eine Stunde
lang in eine 2"/o Lösung von Ferrocyankalium eingelegt und dann iC^/o
Salzsäure hinzugefügt.
Da die Blaufärbung meist erst nach einiger Zeit deutlich wurde,
war (nach Molisch) zu befürchten, dass durch Einwirkung der Salz-
säure auf Ferrocyankalium Ferrocyanwasserstolfsäure gefällt würde, die
sich dann oxydierte. I)och konnte an eisenfreien Filtrierpapierfasern,
die der gleichen Behandlung unterzogen worden waren und unter dem-
selben Deckglas wie die Holzfasern lagen, niemals, auch nicht nach
Stunden, eine Blaufärbung wahrgenommen werden.
Es zeigte sich, dass bei verschiedenen Hölzern nicht alle Fasern
1) Die Pflanze in ihren Beziehungen zum Eisen. 1892.
Zum Vergrauen der H()lzer. 151
eine blaugriine Färbung annahmen, also einige gewiss kein Eisengrau
enthielten ; es waren das offenbar jene Fasern, die bei der Betrachtung
im auffallenden Lichte besonders weiss erschienen.
Manchmal konnte man vereinzelte sehr tief blau gefärbte Bröckchen
wahrnehmen, vielleicht Staubkörnchon, die trotz sorgfältiger i^einigung
der Holzoberfläche zurückgeblie])en waren und infolge ihres Eisengehaltes
mit Ferrocyankalium und Salzsäure viel Berlinerblau auf sich nieder-
geschlagen hatten. In der Nähe dieser blauen Briickchen waren die
Fasern meist stärker blaugrün gefärbt. An solchen Stellen mag das
Berlinerblau von den Brrickchen auf die Fasern übertragen worden sein.
Doch kann man dadurch nicht etwa überhaupt die Färbung der Fasern
erklären, da solche, die weital) von den blauen K'lümpchen lagen, eben-
falls gleichmässig grünlichblau gefärbt waren, wähi-end die Flüssigkeit
und die Filtrierpapierfasern ungefärbt blieben. Die Färbungen der P'asern
sind, wie vorausgesehen, meist sehr schwach, vergraute Fasern werden
grün oder blaugrün, vergilbte oder gebräunte oder solche aas dem
Innern des Holzes färben sich nicht.
Sehr hübsch lässt sich die gleiche Reaktion makroskopisch auf
den vergrauten Hiilzern selbst ausführen. These färben sich, mit 10 "/^
Salzsäure und gleich nachher mit 2'7o Ferrocyankaliumlr.sung bestrichen,
grün bis blau.
Ich bin mir wohl bewusst, dass mit den geschilderten Reaktionen
alle möglichen Beweise für das Vorhandensein von Eisengrau bei ver-
grauten Hölzern noch nicht erbracht sind. Es kiinnte die Untersuchung-
einerseits auf mikroskopische Schnitte ausgedehnt werden und anderer-
seits versucht werden, das Zustandekommen des A'ergrauens unter ver-
schiedenen, künstlich hergestellten Bedingungen zu beobachten. Da mir
zu einer derartigen weiteren Portsetzung der Versuche die Zeit mangelt,
muss ich mich damit begnügen, auf bisher nicht bekannt gewesene, mit
Wahrscheinlichkeit bei der Vergrauung der Hölzer mitwirkende Vorgänge
hingewiesen zu haben.') Diese Hinweise mögen im folgenden noch
einmal zusammengefasst sein.
') Aufbewahrter, nasser Holzschliff verfärbt sich manchuial in das Blau-
graue. (E. Müller und A. Haussner, Die Herstellung tind Prüfung des Papieren,
S. 1409.) Diese Färbung soll ebenfalls eine „Eisenreaktion-' sein. E. Muth
bezeichnet „Gerbstoffe" (Dinglers Polyt. Journ. CCXCI, S. 2.35), Klemm
(Handbuch der Papierkunde [1904],: Müller und Hau.ssner, S. 1676) „Eisen-
seifen" als die Ursachen der Vergilbung „holzstofffreier" (holzschlifffreier)
Papiere. Auch E. Hojer (Die Fabrikation des Papieres [1887] S. 2:5) bespricht
die Rolle des Eisens bei der Papiervergilbung, doch im zweit ei lulen Sinne.
j^2 ^^- H- Schramm.
Die Farben vergrauter Hölzer kommen durch verschiedene Ursachen
zustande, die aber häufig zusammenwirken.
1. Eine Schicht farbloser Fasern, die nach Wiesner aus Zellulose
bestehen, wirkt als trübes Mittel vor dunklem Hintergrunde,
wodurch die gelblichen oder bräunlichen Farbtrme der unter
den „Zellulosefasern" liegenden, vielleicht auch noch vergilbten
oder gebräunten Holzteile nach blau abgestimmt werden. Ver-
graute Hölzer geben die Reaktion mit Phlorogluciu und Salz-
säure nicht oder nur sehr schwach, vergilbte oder gebräunte
geben sie hingegen meistens noch sehr deutlich.
2. Pilze oder Flechten, die fast immer in der Oberflächenschicht
vergrauter Hölzer sich vorfinden, verursachen unzählige braune
Farbeneindrücke, die in Verbindung mit ebenfalls unzähligen
durch die Zellulosefasern verursachten weissen oder hellgrauen
Farbeneindrücken schliesslich einen graufarbigen (iesamteindruck
hervorbringen.
3. Durch Eisen sind die Zellulosefasern sehr häufig grau, das
unter ihnen liegende Holz grünlichgrau bis bräunlichgrau ge-
färbt. Die grauen Färbungen kommen dadurch zustande, dass
Eisen, das entweder aus den in den Hölzern steckenden Eisenteilen
oder aus eisenhaltigem Staub durch die atmosphärischen Nieder-
schläge auf der Holzoberfläche verbreitet wurde oder aus
dem Holzo selbst stammt und durch chemischen Abbau der Sub-
stanzen der Holzfaser reaktionsfähig wurde, mit den in den
Hölzern enthaltenen eisenfärbenden Stoffen grau gefärbte Ver-
bindungen eingeht. Dies wird wahrscheinlich gemacht durch
folgende Feststellungen:
a) Die Vergrauung nimmt bei Hölzern, die Eisenteile enthalten,
von diesen ihren Ausgangspunkt.
b) Die grauen P^ärbungen können nachgeahmt werden durch
Bestreichen der Hölzer mit Eisensalzlösungen. In den Fällen,
wo erst durch Belichtung in den Hölzern eisenfärbende Stoffe
entstehen oder sich ansammeln, müssen dazu vergilbte oder
gebräunte Hölzer genommen werden.
c) In allen vergrauten Holzoberflächen wurde Eisenoxyd nach-
gewiesen, in nur vergilbten oder gebräunten Hölzern hingegen
nicht oder nur in verhältnismässig weit geringeren Mengen.
Erstere werden durch Oxalsäurelösung entfärbt, letztere nicht.
d) Die färbenden „Eisentinten" haben sehr grosso Färbekraft;
es genügt also sehr wenig Eisen zum Zustandekommen von
Zum Vergrauen der Hölzer. I53
Eisengrau. Die in einigen Fällen in Holzoberflächen bestimmten
Eisenmengen wurden hierfür für ausreichend gefunden.
Da das Eisen fast durchaus als Eisenoxyd in den vergrauten
Holzoberflächen vorkommt, so kann man der Vermutung, dass Eisen
auch, abgesehen von der wahrscheinlichen Erzeugung der grauen Färbung
bei der Vergrauung der Hr)lzer, durch Sauerstoffübertragung fördernd
einwirkt, mindestens grosse Wahrscheinlichkeit zusprechen.
Eichenholz kann, wie ich entgegen den Angaben der Literatur
gefunden habe, ebenfalls vergrauen.
154 W. }I. Schramm.
Zu den Farbenangaben bei Hölzern.
Von
W. H. Solirainiii, Graz.
Die Farbe ist eine der wichtigsten technisrlien Eigenschaften 'ier
Hölzer, die oft geradezu entscheidend ist für die Brauchbarl<eit derselben
und zwar nicht nur dort, wo sie durch die Farbe wirken sollen, da
häufig von der Farbe auch auf andere technische Eigenschaften ge-
schlossen wird. In amtlichen Prüfungsvorschriften sind manchmal für
einzelne Hölzer, um sie für brauchbar erklären zu können, bestimmte
Farben zur Bedingung gemacht. Solche Vorschriften erscheinen, wenn
man die Veränderlichkeit aller Farbenphiinomene in Betracht zieht, zu
engherzig oder nur von lokaler Bedeutung. Von grosser Wichtigkeit
ist die Farbe der Hölzer auch als eine der hauptsächlichsten physi-
kalischen Eigenschaften, die zur Erkennung derselben dienen kann. In
Bestimmungstabellen der Hölzer nehmen Farbenangaben meist eine
bedeutende Stelle ein.
Nun hat die S c h i 1 d e r u n g v o n F a r h t ö n e n ihre bekannten Schwierig-
keiten. Selbst wenn man absieht von den subjektiven Verschiedenheiten
des Farbensehens bei den einzelnen Personen, decken sich auch häufig die
sprachlichen Ausdrücke für den gleichen Farbeneindruck nicht. Besonders
gross werden die Schwierigkeiten bei wenig ausgesprochenen Misch-
farben. Will man solche Mischtöne schildern, so bleibt häufig kein
anderer Ausweg als die Aneinanderreihung mehrerer Farbwerte. Doch
erwecken Ausdrücke wie „rötlichbraungrau" und dergleichen manchmal
eher Heiterkeit oder Unwillen als eine anschauliche Vorstellung. Man
hat ja diesen Übelstand von jeher stark empfunden, und es bleibt
dabei nur merkwürdig, dass alle Versuche, ihn durch eine in
allen Händen befindliche einheitliche Farbenskala, soweit es eben mög-
lich ist, auszumerzen, zu keinem durchgreifenden Erfolg führten, ob-
wohl auf diese Weise sogar geringere subjektive Unterschiede des Farben-
sehens für das Endergebnis einer Farbenbeurteilung zum Verschwinden
gebracht werden können.')
1) Schon Leonardo da Vinci soll sich mit diesem Problem beschäftigt
haben, im Jahre lT9(i erschien dann der „Entwurf eines allgemeinen Farben-
Zu den Far1)enangaben bei Hnlzern. 155
Solchen Versuchen stehen eben grosse Schwierigkeiten entgegen.
Obwohl hier nicht der Ort ist, auf diese Schwierigkeiten näher einzu-
gehen, wird gerade die Betrachtung der Holzfarbentöne zu einigen der-
selben, wie Wirkung des Untergrundes und der Oberfläche, Glanz u. a.,
hinleiten. Bei Raddes internationaler Parbenskala erscheint mir die
Technik der Parl)enerzeugung einer allgemeinen Anwendung derselben hin-
derlich. Viel zu geringe Beachtung haben nach meiner Ansicht die Vorschläge
J. Klaudys^) zur Ermöglichung einer einheitlichen Benennung von Farbtönen
gefunden. Bei der Schilderung der Farbtöne der Hölzer kommt noch als be-
sondere Schwierigkeit die grosse Ähnlichkeit derselben in Betracht.
Demjenigen, der niemals seine Aufmerksamkeit den Farbenunterschieden
der Hölzer zugewendet hat, erscheint alles Hf>lz braun. E)as findet nun
einerseits seinen Grund wohl darin, dass die Farben verarbeiteter Hölzer
durch Vergilbung und Bräunung sich immer ähnlicher werden und auch
Gewerbe und Industrie durch Braunfärben der Hölzer einer solchen
Gleichmachung bewusst oder unbewusst zustreben; anderseits hat bei
dem Zustandekommen der Holzfarbtöne die Xatur eben auch, wenn man
so sagen darf, braun in braun gemalt. Sehr deutlich wird dies sicht-
bar, wenn man die Holzfarbtöne unter Anwendung einer Farbenskala zu
bestimmen sucht. Auch J. Klaudy^) sagt darüber: „I»ie Naturholztöne
erweisen sich als innerhall) merkwürdig enger Grenzen befindlich."
Durch diesen Umstand wird die Erscheinung erklärt, dass die Holzfarb-
töne häufig objektiv ganz unrichtig geschildert werden. In dem Be-
streben, geringe Unterschiede, die meist im Hinneigen zu einzelnen be-
stimmteren Farben bestehen, herauszuheben, werden diese überschätzt
oder übertrieben geschildert, von dem bräunlichen Grundton wird ab-
strahiert, und Hölzer w^erden für „gelbrot", „gelb", „orange", ,,rot", ..violett-
rot", ,, dunkelviolett" erklärt, die wirklich gar nicht diese reinen Farbtöne
sondern nur Mischtöne derselben mit braunen oder grauen aufweisen.
Wie sehr dies manchmal der Fall ist, davon kann man sich leicht über-
zeugen, wenn man Hölzer, denen reine Farbtöne zugeschrieben werden.
Vereins oder A-^ersuch und Muster einer gemeinnützigen Bestimmung und Be-
nennung der Farben" von J. Ch. Schaff 1er. Ferner veröffenthchte E. Che vreul
ein „Verfahren um die Farben der Körper nach einer rationellen und experi
mentellen Methode zu bestimmen und zu benennen". {Dinglers Polyt. Journ.
CXXI, S. 367.) Zu vergleichen ist auch A. Hof mann, Farbensystem. (Chein.
Ztg. XXV, S. 155-157. — Chem. Cbl, 1901, 8. 1—708).
2) Über ein einfaches Verfahren zur Herstellung beliebiger Farbtr»ne auf
Holz, Papier etc. und ein Vorschlag zur Benennung t)eliebiger
Farbtrme. (V^ortrag gehalten im niedei'österreichischen Gewerbeverein am
5. Dezember 1902.^)
3) A. a. 0. S. 9.
J56 ^- ^- Schlamm.
mit solchen vergleicht, die jene Farbtöne wirklich aufweisen. Man er-
hält letztere, wenn man sehr helles Ahorn- oder Lindenholz, das man
vorher vielleicht auch noch gebleicht hat, mit Teerfarbstofflösungen oder
sehr dünnen Aquarellfarben bestreicht. Es wäre wünschenswert, dass
jeder Sammlung von Hölzern, die zu Studienzwecken dienen soll, eine
Anzahl solcher gefärbter Hölzer beigegeben werde, um zur Bescheiden-
heit in der Anwendung reiner oder hoher Farben zur Schilderung der
Holzfarbtöne zu mahnen.
Ein sehr ähnlicher Fehler wird manchmal begangen, wenn es sieh
um die Kennzeichnung der Helligkeitsunterschiede handelt. Es
weisen weit weniger Hölzer mittlere oder gar dunkle Färbungen auf,
als man nach den Angaben der Literatur vermuten könnte.
Auch auf die störende Wirkung des Glanzes bei der Beurteilung
von Holzfarbtönen wäre noch hinzuweisen. Es kann vorkommen, dass
dieser zur Farbe gerechnet wird. Die Oberflächen gespaltenen, ge-
hobelten, geschliffenen Holzes unterscheiden sich wesentlich. Durch
das Schleifen werden alle Hölzer etwas mehr grau. Vielleicht bleibt
manchmal von dem angewendeten Schleifmittel etwas in der Holzober-
fläche zurück. Geschliffenes Ahornholz bekommt einen violetten
Schimmer. Hölzer, die eisenfärbende Stoffe enthalten, bekommen auch
im lufttrockenen Zustand durch das Hobeleisen oder die Ziehklinge leicht
einen etwas geänderten Farbton. Werden die Hölzer nun gar poliert
oder gewachst, so treten noch andere optische Erscheinungen auf, die
störend wirken können; von ihnen soll später noch die Rede sein.
Viele Hölzer zeigen ein sehr lebhaftes Farbenspiel, Frühholz
und Spätholz sind anders gefärbt. In solchen Fällen bleibt nur übrig,
eine sehr eingehende Schilderung der Farben der einzelnen Holzteile
zu entwerfen. Daneben soll aber doch der Hauptfarbton angegeben
und gleichzeitig vom Glanz abstrahiert werden. Mein Vorschlag geht
dahin, zu diesem Zweck nicht die Farbe der Holzoberfläche, sondern
die einer Schicht von frisch hergestellten Säge- oder Raspelspänen
oder etwa auch die Farbe eines nicht geglätteten frischen Hirnschnittes
zu beurteilen. Kann das Eisen der Werkzeuge auf die Farbe ver-
ändernd einwirken, so müssen solche aus anderen Metallen genommen
werden.*)
Alle Schwierigkeiten bei der Angabe von Holzfarbentönen werden
1) Eisen, das voii den Werkzeugen auf die frische Schnittfläche gelangt
ist, lässt sich nachweisen, indem man diese mit 10% Salzsäure bestreicht und
etwas später, nachdem die Farben Veränderung des Holzes durch die Salzsäure
beendigt ist, einige Tropfen einer 2"/o-L()Sung von gelbem Blutlaugensalz auf
die mit Salzsäure benetzte Stelle brinsrt.
Zu den Farbenangal)en bei Hölzern. ■ ^57
noch bedeutend durch den Umstand gesteigert, dass die Farbe der Hölzer
an denselben Stücken nicht unveränderlich ist, einen Umstand, auf den
in der Literatur wohl gelegentlich hingewiesen wird, dem al^er bisher
viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, namentlich nicht in jener
bewusst methodischen Weise, die bei wissenschaftlichen Angaben uner-
lässlich ist.
Von dem Augenblick an, wo das Holz aus dem Innern des Baumes
an das Tageslicht kommt, macht es eine Reihe von Farbenveränderungen
durch, die durch Zustandsänderungen des Holzes bedingt sind. Je
nach dem Zustand kann die Farbe etwas oder auch stark von der Farbe
des ursprünglichen Zustandes, also der Farbe des frisch geschlagenen
Holzes, abweichen, so dass es also notwendig erscheint, den Farben-
angaben auch Angaben des Zustandes, für den sie galten, anzufügen.
Nun sind in der Literatur solche Angaben wohl zu finden, aber meistens
sind es nur gelegentliche Hinweise, oder es wird in allgemeinen
Kapiteln über Farbenveränderungen gesprochen, bei den einzelnen
Hölzern aber dann nicht die notwendige Anwendung gemacht. Häufig
wird stillschweigend vorausgesetzt, dass die Farbenangaben lufttrockene
Hölzer betreffen. ^lanchmal werden dann allerdings irrtümlich Grün-
holzfarben dafür eingesetzt. So kommt es auch, dass in Bestimmungs-
tabellen für Hölzer nicht mit einem einzigen Worte erwähnt wird, ob die
Farbenangaben Grünholz oder lufttrockenes Holz betreffen und dergleichen
mehr.
Streng genommen sind es vier verschiedene Zustandsarten, in
welchen das Holz vorliegen kann.
1. Grün, unmittelbar nach der Fällung.
2. Grün, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch
dem Licht ausgesetzt gewesen war.
3. Lufttrocken, frische Schnittfläche.
4. Lufttrocken, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa
auch dem Licht ausgesetzt gewesen war, also dann im mehr
oder minder vergilbten oder gebräunten Zustand.
Allenfalls könnte man poliertes oder gewachstes Holz als eine
fünfte Zustandsart bezeichnen.
H. Nördlinger unterscheidet in seinem 1890 erschienenen Büchlein
„Die gewerblichen Eigenschaften der Hölzer" (Stuttgart) dreierlei Parben-
zustände, ,, denjenigen des saftreichen Grünholzes am Stock der Bäume,
den des halbwelken Holzes und den des lufttrockenen."
Ich will nun nicht behaupten, dass jedes Holz in jedem der vier
oder fünf möglichen Zustandsarten eine verschiedene Färbung aufweist,
aber sehr häufig kommt dies (sben doch vor, viel häufiger und viel all-
158
^\'. Jl. Sciiraiiiin.
gemeiner als man nach den Avenigen Angaben, die sich in der Lireratur
vorfinden, vermuten möchte.
Als sehr beliebtes Beispiel, um daran die Farltenveränderimgen
der HiUzer aufzuweisen, wird vielfach das Holz der Schwarzerle,
Älnus glutinosa Gaertn. herangezogen. Ich setze die Farbenangaben
einiger wichtigen Werke darüber her:
,,Die technischen Eigenschaften der Hölzer" von Dr. H. Xördlinger
(1860), S. 47: ,,Die eigentümliche Farbe des grünen Holzes bildet sich
häufig erst an der Luft aus, so die des Erlenholzes, das auf dem
frisciien Schrot nur fleischrot sieht, nach '/2 Stunde aber stark gelbrot,'*
und S. 511: ,, Grünorange, trocken hellrot."
,,Die gewerblichen Eigenschatten der Hölzer" von l)i'. II. Xörd-
linger (1890), S. 6: ,, Fleischrot, dann gelbrot und endlich braunrot."
.,Die RohstofTe des Pflanzenreiches" von Dr. J. Wiesner, 2. Aufl.,
Bd. II, S. 36: ,,Das Holz der Erlen z.B., im Innern des Stammes weiss-
lich. wird unter dem Einflüsse der Luft, namentlich am Querschnitt
frisch gefällter Bäume, rasch mehr oder weniger rot," und S. 886: ,,Holz
rcUlichweiss bis gelbrot."
,, Forstliche Botanik" von fJr. Frank Schwarz (1892), S. 478: Älnus
glutinosa. Das frische Holz sieht weiss aus, beim Liegen wird es rötlich "
Versucht man diese Angaben zur Kennzeichnung der Farben, die
Erlenholz in den vier bis fünf verschiedenen Zustandsarten annehmen
kann, zu verwenden, so ergibt sich folgendes:
Nach
Nördllns-oi
Aus „Die Roh-
stoffe des
Pflanzen-
reiches"
1. Grün unmittelbar nach Fleischrot S. 47;
der Pälluns; Orange S. 511
Weisslich
2. Grün, nach Einwirkung
von Licht und Luft
3. Lufttrocken, frische
Schnittfläche
Gelbrot
4. Lufttrocken, nach Ein-
wirkung von Licht und
Luft
Hellrot
oder
rotbraun
Mehr oder
weniger rot
Nach eigener
Beobachtung
Bräunlich-
orange
Rötlich weiss
bis
ü-elbrof.'
Sehr helles,
bräunliches
Geli)rosa
5. Lufttrocken, frische
Schnittfläche poliert
Bräunlichgelb
orange
Bräunlich-
orange
Zu den Falbenangaben bei Hölzern. 159
Die Angaben der Forstbotanik sind niclit sicher einzureihen.
Als weiteres Beispiel möchte ich nur noch auf das Holz der
Schwarznuss, Jiigkms nigra L., hinweisen. Von ihm wird angegeben,
dass es „dem Holz des gemeinen Nussbaumes ähnlich sei. doch mit
lebhafter braunem, oft etwas violett oder rötlich getöntem
Kern". Diese violette oder rötUche Tönung ist aber nur an frischen
Schnittflächen des lufttrockenen Holzes wahrzunehmen; werden diese
einige Tage der Einwirkung von Licht und Luft ausges(^tzt, so ver-
wandelt sich die Farbe, die man etwa als karmingrau bezeichnen
könnte, in ein reines, warmes Braun. Die Farben des grünen Holzes
sind bisher noch nicht verzeichnet.
Leider ist über das Wesen d e r F a r b e n v e r ä n d e r u n g e n der Hölzer
fast nichts bekannt. In vielen Fällen sind gewiss chemische Verände-
rungen die Ursache. Ob solche auch für die Umwandlung der Grün-
holzfarbe in die Trockenfarbo anzunehmen sind, ist allerdings sehr
fraglich. Nördlinger^) nimmt an, dass „in manchen Fällen beim Aus-
trocknen der Hölzer allmählich viel Saft und damit sich umsetzende
Farbstoffe an die Oberfläche geführt werden". Ähnliches wollte offen-
bar Thon^) ausdrücken, als er etwas naiv schrieb: „Durch die Ein-
wirkung des freien Sonnenlichtes wird nämlich der in dem inneren
Holzkörper befindliche Kohlenstoff entbunden und durch die Wärme
nach aussen hingezogen." R. Hartig^) vermutete im besonderen Fall
eine (»xydation von „Gerbstoff".
Der Hauptsache nach wird der Übergang der Grünholzfarbe in die
Farbe des lufttrockenen Holzes wohl durch das Trocknen bedingt und
ist dann ein physikalischer Vorgang. Durch Verdunstung der Flüssig-
keit, die im grünen Holze enthalten ist, und durch Eintreten von
Luft an ihre Stelle kommen unzähUge lichtreflektierende Grenzflächen
zur Wirksamkeit; das Licht kann nicht mehr so tief eindringen,
ist vielmehr Oberflächenlicht und enthält viel mehr weisses Licht.*)
E)urch Tränkung des Holzes mit Wasser muss dann die Grünholz-
^) Die technischen Eigenschaften der Hölzer. 1860, S. -iO.
'^) Die Holzbeizkunst oder Holzfärberei. 1840, S. 02.
'^') L^ntersuchungen aus dem forstbotanischen Institut zu München. II,
18SL>, S. 49 u. 52.
*) Nördlinger a. a. 0. sagt über das Durchscheinen der Hölzer
folgendes: „Das Holz ist durchsichtigei-, als man sich gewöhnlich vorstellt.
Schon durch eine fingerdicke, trockene Fichtenhirnscheibe, sieht man das Licht
einer Kerze bei gehöriger Näherung rot durchschimmern. Noch stärker aber
ist die Ei-scheinung am saftreichen Holz, so dass im Verhältnis zur grossen
Durchsichtigkeit des nassen Splints das trockene Reifholz derselben Fichten-
scheibe noch sehr undurchsichtig erscheint.''
160 ^^ • ^- Schramm
färbe -wieder lierstellbar sein. Allerdings müsste die Tränkunii- in einer
Weise vorgenommen werden, dass Holzfarbstoffe dabei nicht ausgelaugt
werden und nicht Mikroorganismen in farbenverändernde Tätigkeit treten
können. Eine ähnliche, ja vielleicht noch stärkere Wirkung als die
Tränkung mit Wasser müsste die Tränkung mit Ölen, Har/.- oder Wachs-
auflösungen haben.
Vermutlich sind also die bekanntesten Holzfarben, die .^Farben
poUerter oder gewachster Hölzer, Grünholzfarben, vermehrt noch etwa
durch die bei der Vergilbung im Licht hinzutretenden gelben bis gelb-
braunen Töne und durch die Eigenfarbe der Politur und des Wachses.
In den holzverarbeitenden Gewerben wird das Aussehen eines Holzes im
polierten Zustande durch Nässen des Holzes voraus geprüft, die Wirkung
einer Färbung, wenn das Holz auch poliert werden soll, im nassen Zu-
stande beurteilt u. dgl.
Der Forstmann beachtet und kennt natürlich vorzugsweise die
eigentliche Grünholzfarbe, der Rohstofichemiker, der Botaniker, das
Kunstgewerbe und die Industrie erhalten die Hölzer hingegen meist im
lufttrockenen Zustande. Beim Holzeinkauf hütet sich der erfahrene
Industrielle oder Gewerbsmann, die Farben der Hölzer nur auf der Ober-
fläche zu beurteilen; er entfernt die obersten Holzschichten, um die
Trockenfarbe auf der frischen Schnittfläche bewerten zu können.') r»as-
selbe ist bei der Bestimmung von Hölzern durchaus anzuraten, da fast
immer die Farbe dersoll)en an der Oberfläche durch Einwirkung von
Licht und Luft verändert ist.
An Sammlungsstücken aber, die in Glaskästen aufbewahrt jahre-
lang der Einwirkung von Licht und Luft ausgesetzt, womöglich auch
geschliffen und poliert sind, die in der Literatur angegebenen Holzfarben
zu entdecken, — etwa an einem derart gelbgraubraun gewordenen Ahorn-
holzstück die für Ahornholz angegebene gelblichweisse bis rötlichweisse
Farbe zu erkennen, — dazu gehiirt entweder eine ausserordentliche, durch
Erfahrung geschärfte Fähigkeit zum Abstrahieren oder ein ausserordent-
licher Mangel an ursprünglicher Beobachtungsgabe.
Endlich mfichte ich noch darauf hinweisen, dass häufig gedämpfte
Hölzer im Handel vorkommen, und es deshalb auch wünschenswert er-
scheint, anzugeben, in welcher Art die Farben der Hrdzer durch das
Dämpfen verändert werden. Für einige der wichtigsten Hölzer machte
Streicher^) folgende Angaben, die aber auch wahrscheinlich einer
') Zu vergleichen ist z. B. Sclimidt und Härtung, liegeln beim Kin-
kauf verschiedener Hölzer, (Dinglers Polj'techn. Journ. CIL S. 397.)
2) A. Streicher, Das Auslaugen des Hol/.es. (Dinglers Polytechn.
Journ. XXXVI [1830], S. 199.)
Zu den Farbenangaben bei Hölzern. 161
Revision bedürfen: „Die Farbe jeder Holzart wird durch Auslaugen um
vieles dunkler. So wird Tannen- und Fichtenholz bräunlichgelb, als
ob es schon viele Jahre an der Luft gelegen hätte." „Birnbaum wird
rötlichbraun und ist dann von Türkisch-Haselnussholz schwer zu unter-
scheiden. Ahorn sticht ins Rötliche, Mahagoni wird tiei' rot. Buchen
braun, Eichen nussbraun und Nussbaum wird mehr oder minder
schwarzbraun. Kirschbaumholz wird, nach der Gattung der Frucht,
die der Baum getragen hat. gelbrot oder dunkelrot. Diese Ver-
änderung der Farbe zeigt sich aber nicht nur auf der Ober-
fläche, sondern ist durch das ganze Stück, die Dicke desselben mag
sein wie sie wolle, gleichmässig verbreitet. Bei Pfosten von Nussbaum
zeigt es sich am deutlichsten, wie aus den grossen Saftröhren der
Färbestoff ausgeflobsen und sich allen Fasern mitgeteilt hat, indem
nun auch der früher ganz weisse Sphnt eine schrme l)raune Farbe er-
hält."
Auch künstlich vollständig durchgefärbtes Holz kommt manchmal
im Handel vor und krmnte in einigen Fällen x\nlass zu Täuschungen
geben.
Zum Schlüsse möchte ich kurz noch einmal alles zusammenfassen,
was mir für eine einwandfreie Angabe der Farben der Holzarten von
Wichtigkeit zu sein scheint.
Da eine genaue Kenntnis der Farben der Holzarten wissenschaftlich
und technisch wichtig ist, erschien es mir notwendig, auf einige Um-
stände hinzuweisen, die hei Angaben über die Farbton der Hölzer bisher
vielfach nicht genügend oder auch gar nicht berücksichtigt worden
sind, so dass viele dieser Angaben einer Nachprüfung bedürftig er-
scheinen. E)ie einwandfreie Schilderung der Holzfarbtöme stösst auf
Schwierigkeiten, die
I. Parbenangaben überhaupt eigentümlich sind, l)ei solchen über
Hölzer aber besonders schwerwiegend hervortreten,
11. durch die Veränderlichkeit der Hfilzer hervorgerufen werden.
1. Die Holzlarben sind meist wenig ausgesprochene Mischfarben.
Die Schwierigkeit, solche zu schildern, ist bekanntlich sehr
gross. Sehr wünschenswert wäre deshalb hier die Ver-
gieichung mit den Farbtönen einer internationalen Farben-
skala, für deren Verwirklichung die Vorschläge J. Klaudys
zur Ermöglichung einer einheitlichen Benennung von Fari)-
töiuen Beachtung verdienen.
Jahresbericht der Vereinigung für ang-ew.indto Hotanik IV. 1 1
^g2 W. H. Schramm.
2. Die Farben der Hölzer sind meistens untereinander sehr
ähnlich, weshalb sie in dem Bestrel)en, die geringen Unter-
schiede deutlich herauszuheben, häufig o))1ektiv ganz unrichtig
geschildert werden :
a) Das Hinneigen zu Itestimmten Parbtrmen wird überschätzt
und von dem bräunlichen oder gelblichen Grundton ganz
abstrahiert. Um diesem Fehler auszuweichen, empfehle
ich die Vergleichung mit künstlich in bestimmten reinen
Farbtönen gefärbten H/ilzern.
b) Helligkeitsunterschiede werden überschätzt.
c) Es wird nicht oder nicht genügend von der Wirkung
des Glanzes abstrahiert. Gespaltene, gesägte, ge-
hobelte und al)geschliffene Holzflächen zeigen an dem-
selben Holzstück scheinbar verschiedene Farben. Manch-
mal bestehen indessen solche Farbenunterschiede wirklich,
z. B. wenn das Eisen der Werkzeuge farljverändernd ein-
gewirkt hat oder etwas von dem Schleifmittel in der
Holzoberfläche zurückgeblieben ist.
d) Unterschiede in der Farbe des Spätholzes und Frühholzes
werden makroskopisch häufig gar nicht, der Gesamtfarben-
eindruck durch Einzeleindrücke verschoben angegeben.
Um den beiden letztgenannten Schwierigkeiten (c, d) auszuweichen,
habe ich vorgeschlagen, nicht die Farbe der Holzotierfläche. sondern die
einer Schicht von frisch hergestellten Hobel- oder Raspelspänen oder
etwa auch die Farbe eines nicht geglätteten, frischen Hirnschnittes zu
))eurteilen.
n.
Die F'arbe ist an denselben Stücken nicht unveränderlich.
Von dem Augenblick an, wo das Holz aus dem Innern des
Baumes an das Tageslicht kommt, macht es eine Reihe von Zustands-
änderungen durch, die meistens mit Farbenveränderungen verknüpft
sind. Je nach dem Zustande des Holzes kann die Farl>e mt'hr oder
weniger von der Farbe des frisch geschlagenen Holzes abweichen, so
dass es also notwendig erscheint, den Farbenangaben auch Angaben
des Zustandes, für den sie gelten, anzufügen.
Es sind vier verschiedene Zustandsarten, in welchen das Holz vor-
liegen kann:
1. Grün, unmittelbar nach der Fällung.
2. Grün, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa auch
dem Licht ausgesetzt gewesen war (halbwelk).
Zu (Ion Farl)cnangaben bei Hölzern. 1Q^
3. Lufttrocken, frische Schnittfläche,
4. Lufttroclven, nachdem das Holz einige Zeit der Luft und etwa
auch dem Lichte ausgesetzt gewesen war, also dann im
mehr oder minder vergilbten oder gehräunten Zustand.
Bei der Bestimmung von HfUzern wird man sich also zuerst zu
vergewissern haben, in welcher Zustandsart sie vorliegen. Zweckmässig
dürfte es sein, zur Bestimmung Angaben nur für den ersten und dritten
Zustand zu gei)en. Es ist dann mr)glich und stets anzuraten, zur Be-
urteihmg frische Schnittflächen herzustellen.
Sammlungen von Holzarten sollen vor Licht geschützt aufl)ewahrt
werden.') Sammlungsstücke, die zu Unterrichtszwecken dienen, sollten
nur dann, wenn es sich darum handelt, den dekorativen Wert einer
Holzart zu zeigen, poliert oder gewachst werden. Dio^ Farben polierter
■oder gewachster H/ilzer nähern sich wahrscheinlich den Grünholz-
farben. Gedämpfte Hölzer zeigen abweichende Farben,
1) Auch ammoniakalischo Dämpfe sind fernzuhalten. Ammoniakgas
bräunt sehr viele Hölzer.
jg^ P. üraebnei
Die wirtschaftsfeindlichen Fai<toren der Heide und die
sich daraus ergebenden Pflanzenkrankheiten.
Von
Paul (Traebiier, Gr.-Lichterfelde-Beiiin.
Jede Wanderung durch das Gebiet der Heide, namentlich durch
die grossen Heidegebiete des nordwestdeutschen Flachlandes, lässt selbst
den Laien es erkennen, dass wir hier Landesteiie mit geringer Stoff-
produktion, mit geringem Jahreszuwachs, mit geringer Ernte vor uns
haben. Wald und Feld zeigen auf grosse Entfernungen oft gleich
kümmerliches Gedeihen und gleich geringen wirtschaftlichen Wert. Das
verhältnismässige Xiedrigbleiben der Kulturgewächse sowie der indigenen
Pflanzen geben dem ganzen Gelände eine oberflächhche Ähnlichkeit mit
der Formation der Steppe, die die kontinentalen Gebiete Europas be-
wohnt. Diese äusserliche Ähnlichkeit hat viele Geographen und auch
Pflanzengeographen veranlasst, beide Vegetationsformationen. Steppe
und Heide, zusammenzufassen und dem \\'alde und der Wiese gegen-
überzustellen. Ich habe bereits mehrfach') darauf hingewiesen, dass,
wenn man die hauptsächlichst wirkenden Faktoren der Formationsbildung
zur natürUchen Einteilung der Formationen, der Pf lanzenvereine, verwenden
will, die Heide und die Steppe gewissermassen zwei extreme Formationen
darstellen. Betrachtet man beispielsweise eine Heide, einen Wald und
eine Steppe resp. Wüste auf ursprünglich ganz gleichartigen Boden-
arten, so findet sich die Heide stets in den Gebieten reichen Regenfalles,
namentlich reicher Luftfeuchtigkeit, die auch, wie wir später sehen
werden, die hemmenden Paktoren bedingen. Der Wald findet sich in
schönster Entwickelung, wo weder die Feuchtigkeit noch die Trockenheit
zu sehr auf Veränderung des Bodens hingewirkt haben oder Vegetations-
hemmungen bewirken. Die Steppe hat ihren Ursprung in einer mehr
oder weniger ausgeprägten sommerlichen Ruheperiode, hervorgel »rächt
durch eine Zeit der Trocknis, die je nach ihrer Länge und hitensität
1) Schriften der Naturrorsch. Ges. Danzig. N. F. IX. 1898. — Natur-
wissenschaftl. Wocheuschr. XIII. 1898. — Warming, Lehrbuch d. ökolog.
Pflanzengeogr. 2. Aufl., p. 125.
Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide etc. 165
alle Übergänge hervorbringt von dem an den Wald grenzenden nur
eigentlich einen gehemmten Wald darstellenden Steppenwalde (Busch-
steppe), bei immer grösser und grösser werdenden Schädigungen des
Holzwuchses zur Krautsteppe und schliesshch zur Wüste. Bei den
Steppen der gemässigten Khmate sind also zwei Ruheperioden, der
Winter und die Sommertrocknis, das Charakteristikum.
Bei allen Formationen, die den Heidegebieten eigen sind, macht
sich stets gegenüber denen der Wald- und Steppengebiete eine starke
Anreicherung von Humus bemerkbar. Das faUende Laub, die absterbenden
Krautteile usw. werden dadurch, dass sie namentlich während der Herbst-
nnd Frühjahrsmonate dauernd von Wasser durchtränkt werden, durch
die gehemmte Tätigkeit der Pilze usw. vor der Verwesung bewahrt, es
tritt vielmehr die Fäulnis, die Humusbildung, statt der lebhaften Oxydation
der toten organischen Substanz eine Anreicherung von Kohlenstoff in
die Erscheinung. Wir wissen, dass Humus im richtigen Gemische mit
dem Mineralboden in lockerer Konsistenz ein vortrefflicher Pflanzenträger
ist durch seine wasserhaltende und regulierende Kraft, durch die
Absorption der Nährstoffe, deren Versickern in den Untergrund er ver-
meidet, kurz namentlich durch die Verbesserung der physikalischen
Eigenschaften des Bodens. Das trifft aber alles nur zu, solange der
Humus durch die Tätigkeit der Tiere und Pflanzen im Boden locker und
milde bleibt, sobald aber infolge seiner Anreicherung, seiner durch lange
Zeiträume erfolgenden dauernden Durchnässung, durch starke Säure-
biidung usw. die Regenwürmer und ihre Begleiter verschwinden, und
der Humus sich verdichtet, ist er das vegetationsfeindlichste Element,
welches bei uns auf grossen Bodenstrecken bekannt ist. Seine iuft-
abschliessende Wirkung vermag ganze Bestände von Pflanzen hJiherer
Stoff Produktion zu vernichten. Wie stark Luftabschluss wirkt, haben
kürzhch in einem Aufsatz^) ver()ff entlichte Messungen, die Herr Dr.
Wächter und ich im Laboratorium der Königl. Gärtnerlehranstalt in
Dahlem angestellt haben, gezeigt. Während ein dichter, an sich also
schon schwer luftdurchlässiger, äusserst feiner Sandboden, in dichtestei'
Lagerung und mit Wasser gesättigt, bei einem Wasserüljerdruck von
50 cm durch 4 cm dicken Boden einen Liter Luft in nicht ganz 20
Minuten hindurch Hess, musste für den aut demselben Boden entstandenen
Fichtenrohhumus in dichter Lagerung 270 cm Wasserüberdruck ange-
wendet werden, um Luft hindurchzupressen und auch unter diesen
Umständen brauchte ein Liter Luft noch über eine Stunde Zeit, um hindurch
zu gehen. Dass unter solchen Umständen die natürliche Durchlüftung
1) Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XXXVIIl (1906). p. (13.
|gg P. Graebner.
des Bodens sehr stark geändert und heoinflusst werden miiss, liegt auf
der Hand.
Vergegenwärtigen wir uns das V(n'hältnis der anfangs und später
wirkenden Faktoren bei der Entwickelung eines Waldbestandes. Bei der
Anpflanzung eines Bestandes von Waldbäumen hat man die Heideliunius-
schicht, die auf der Oberfläche lagerte, entfernt, durch Lagerung an
an der Luft zermürl>t und entsäuert oder mit dem JNlineralboden gemischt,,
auf jeden Fall also die schwer luftdurchlässigen Schichten der Ober-
fläche entfernt und unschädlich gemacht. Die jungen aufwachsenden
Pflanzen finden daher jetzt günstigere Diirchlüftungsbedingungen im Buden
vor und werden mit ihren Wurzeln jetzt möglichst die ihnen günstige
Wurzeltiefe aufsuchen. Die Wurzeln worden soweit in die Tiefe herab-
streichen, wie die Bodenkonsistenz die Erneuerung des von den Wurzeln
veratmeten Sauerstoffs in der Tiefe zulässt. Gelangen die Bäume an
die untere Grenze des noch erträglichen Sauerstol?gehaltes, so sieht
man eine eigentümliche Wurzelbildung Platz greifen, die sich namentlich
an den Pfahlwurzeln (Herzwairzeln) bemerkbar macht, und ihren Grund
in dem in den Jahreszeiten wechselnden Luftgehalt hat. I>ie Spitzen
dieser Wurzeln, die infolge des gerade an ihnen heruntersteigenden
Saftstromes des plastischen Materials besonders kräftig gebaut sind,
endigen nach unten in mehrere bis zahlreiche kurze dicke, fingerHirmig
gestellte Wurzeln, zwischen denen sich, je nach dem Alter, mehr oder
weniger zahlreiche abgestorbene Wurzeln und Wurzelreste befinden.
Die anatomische Untersuchung zeigt, dass wir es hier mit einem oft
ganz komplizierten System von Wurzeln zu tun haben, welches
dadurch zustande kommt, dass die einmal bis zu gewisser Tiefe
gedrungenen Wurzeln infolge Luftmangels an der Spitze absterben,
dass dann, wenn in anderer Jahreszeit die Durchlüftung des Bodens
eine bessere wird, die abgestorbene Hauptwurzel durch eine bis einige
Seitenwurzeln, die sich gleichfalls abwärts richten, ergänzt wird. Wird
nun bereits die obere Bodenschicht durch Wasseraufnahme oder durch
Verbrauch des Sauerstoffes innerhalb der oberen Bodenschichten luft-
ärmer, so fehlt es wieder an Luft im Untergrunde, und die neugebildeten
Wurzelspitzen sterben ganz oder teilweise wieder ab. Dieser mit Ab-
sterben abwechselnde Zuwachs dauert mitunter ziemlich lange, so lange
jedenfalls, bis durch die alljährliche Schüttung der Nadeln (und um
Nadelhölzer, Kiefer und Fichte, handelt es sich hier in den Waldungen der
Heide ja fast stets) eine Humusschicht gebildet ist, die nicht mehr aus
den locker aufgeschichteten Resten der Abfälle besteht, sondern in ihren
unteren Teilen eine dichtere Lagerung anzunehmen beginnt und dann
sehr häufig (namentlich in Kiefernw^äldern) auch einen später noch näher
Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide etc. {ßj
ZU besprechenden Moosfilz zu tragen beginnt. Von diesem Zeitpunitt an
beginnt nun ein dauerndes Absterben der in die Tiefe gedrungenen
Wurzeln; das jährliche Zurücksterben infolge des Luftmangels in der
Tiefe überwiegt fast stets den jährlichen Zuwachs. Immer höher und
höher gelegene Seitenwurzeln der Hauptwurzel zeigen die charakteristische
Verzweigung und Bildung kurzer (jetzt nicht mehr so dicker) Wurzeln,
wie wir sie anfangs bei der oder den Pfahlwurzeln beobachteten. Es
ist interessant festzustellen, wie oft von Jahr zu Jahr die Jahresringe
etwas höher aufhören.') In späterem Alter lässt sich das meist nicht mehr
feststellen, da die abgestorbenen Wurzeln dann in den unteren Teilen zu
stark vermürbt werden.
In den ersten Jahren des Absterbens der unteren Wurzeln greift
der Vorgang ziemlich wenig in das Leben des ganzen Baumes ein, die
Ernährungsverhältnisse werden nur wenig verändert und verschoben,
wenn aber ein beträchtlicher Teil der unteren Wurzeln bereits dem
Absterben anheimgefallen ist, wenn schon etwas grössere Seitenwurzeln
in Mitleidenschaft gezogen sind, geht die weitere Abtötung der Pfahl-
wurzeln meist viel schneller vor sich. Die Vernichtung der Wurzeln im
Untergrunde bedingt natürlich, dass das in ihnen abgetötete Protoplasma,
welches ja stets in reicher Menge vorhanden ist, sich alsbald zu zer-
setzen, zu faulen beginnt. Sind die Wurzeln nur klein und dünn, so
wird die geringe Menge gebildeter fauler Substanz leicht von dem ge-
sunden Gewebe abgestossen, ist aber das abgestorbene Gewebe umfang-
reich, so wird die gebildete jauchige Flüssigkeit rein mechanisch im
Holzkörper der noch lebenden Teile in die Höhe gesogen und befördert
hier das Absterben weiterer Teile. Dieser Zeitpunkt des Absterbens
der gesamten im Untergrunde lebenden Wurzeln bedeutet natürlich für
den jetzt stets mindestens schon mehrere Jahrzehnte alten Baum eine
starke Krisis. Die Zuleitung des Saftstromes aus dem L^ntergrunde
hört völlig auf, und der Baum ist nun nur noch auf die Tätigkeit der
oberflächlich streichenden Wurzeln angewiesen.
Als augenfällige Reaktion darauf beobachtet man nun allgemein
eine plötzliche Erstarkung der anfangs ziemlich dünnen oberen Wurzeln,
die an ihrer Oberseite sehr starke Jahresringe ansetzen,^) dadurch
stark exzentrisch werden und oft ganz brettartig ausgebildet sind
(a. a. 0. Fig. 1 zeigt der rechte Stamm rechts solche brettartige
Wurzel und daneben liegend eine solche aufgeschnitten). Häufig gehngt
es den Bäumen nicht, in der Kräftigung der oberen Wurzeln mit dem
1) VgL Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1906, Fig. 1.
^,gg P. Graebner.
Absterben der unteren Wurzeln Schritt zu halten, und sie gehen dann
meist schon in ziemlich jugendlichem Alter ein, meist fallen sie im
letzten Ende Parasiten zum Opfer, die die gesclnvächten Bäume befallen.
Geht das Absterben der Grundwurzeln aber langsam und stetig vor sich,
so vermag der Baum allmählich ganz die Wunden zu vernarben und von
den Oberflächenwurzeln zu leben. In einem Bestände tritt das Ab-
sterben der Wurzeln im Untergrunde je nach der Kraft der Ent-
wickelung des einzelnen Individuums oder abhängig von kleinen Zu-
fäUigkeiten des Standortes bei den einzelnen Bäumen oft in recht ver-
schiedenen Jahren ein, ein Zeichen, dass nicht irgendwelche plötzliche
Einflüsse, sondern ein langsam und stetig wirkender Faktor die Schuld
an der Erscheinung trägt. Zuletzt sind die Wurzeln meist alle bis auf
30—40 cm Tiefe abgestorben.
Selbst wenn es dem Baume gelungen ist, sein Wurzelsystem den
veränderten Durchlüftungsverhältnissen anzupassen und so wieder
äusserlich zu gesunden, ist er jetzt doch in viel ungünstigere
Vegetationsbedingungen gebracht worden als vorher. Ganz abgesehen
davon, dass er jetzt gezwungen ist, seine Nährstoffe nur aus einem
Bruchteil des Bodens herauszuziehen, der ihm anfangs zur Verfügung
stand und dass durch diese geringe Wurzeltiefe die Wurzelkonkurrenz
der nebeneinanderstehenden Bäume um das Mehrfache gewachsen ist,
tritt die Hauptschädigung ein durch die so stark wechselnde Massen-
zufuhr. W^ährend der Untergrund auch in trockenen Zeiten doch stets
eine gewisse Feuchtigkeit bewahrte, sind die oberen Bodenschichten von
den Schwankungen der Niederschläge ganz ausserordentlich abhängig. Die
Bäume werden also stark unter den Trockenperioden leiden. Dazu
kommt noch, dass, wie wir gesehen haben, die Oberfläche sehr stark
humos ist und bekanntermassen der Humus sehr schwer sein Wasser
abgibt. W^ährend Pflanzen aus Sandboden das Wasser bis auf wenige
(mitunter sogar unter 2) Prozent heraussaugen können, fangen die-
selben Pflanzen im Humus bereits bei noch reichlicher Anwesenheit von
Wasser (mitunter bis über 40 "/q) an zu welken (Schimpers physiolo-
gische Trocknis); die Bäume konnten also das Wasser des Untergrundes
auch besser verwerten.
Die Folge der schwankenden Feuchtigkeit, des Wechsels von
Nässe und Trockenheit ist dann das eigentümliche Absterben und Ver-
harzen der Wurzelspitzen an den oberflächlich streichenden Wurzeln in
den Zeiten mangelnden Regens. In feuchteren Sommern wenig, in
trockneren stärker wird daher der Baum eines grossen Teils seiner
Wurzelspitzen beraubt, und je trockner der Sommer ist, desto tiefer ge-
legene Wurzeln werden selbstredend davon betroffen, und ein sehr
Die wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide etc.
169
trockener Sommer vermag- nun leicht einem solchen krankenden Bestände
den Rest zu geben.')
Dass die Nadelhölzer diesen Unterbrechungen der Vegetations-
periode im Sommer gegenüber besonders ungünstig gestellt sind, ist
gleichfalls mehrfach hervorgehoben worden. M'io Arn. Engler^) nach-
wies, steht normalerweise das Wurzelwachstiim der NadelhJilzer vom
Herbst bis Frühjahr absolut still, während es bei den Laubhölzern
gerade während dieser Zeit, soweit es der Prost gestattet, ein sehr leb-
haftes ist. Die Nadel-
hitlzer werden hier also
zweimal im Jahre in
ihrem Zuwachs unter-
brochen, daher die stär-
kere Anfälligkeit der
Nadelhölzer in der Heide.
E»ie Unterbrechtmg des
Wurzelwachstums in
den Sommermonaten be-
wirkt, dass die Nadel-
hölzer erst kurz vor der
im Herbst einsetzen-
sollenden Ruhe wieder
zur Ausbildung norma-
ler Wurzelspitzen ge-
langen; die Folge ist
eine weitere Vegetations-
störung, die sich darin
bemerkbar macht, dass
die Heidekoniferen mit-
unter noch einen Wur-
zelzuwachs zeigen zu
Zeiten, die sonst schon
der Ruheperiode ange-
hören sollten. Wir werden zum Schluss weiter auf derartige Störungen
zurückkommen.
Zugleich mit dem schädlichen Humus bildet sich, wie bereits be-
merkt, namenthch in Kiefernwäldern häufig eine dichte Moosschicht aus.
Fig. 1.
Ortsteinkiefern aus der Oberförsterei Munster mit
sich stark verjüngenden, auf dem Ortstein um-
biegenden Pfahlwurzeln. — B. Stange phot.
1) Vgl. Näheres darüber Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen XXXVIII
(1906), p. 710.
2) Mitteilungen der schweizerischen Zentralanstalt f. forstl. Versuchs-
wesen VII (1905), p. 247 ff.
170
Graebner.
die ihrerseits ungünstig Avirkt; auch darüber habe ich in der Zeitschritt für
Porst- und Jagdwesen a. a. 0. Ausführlicheres berichtet. Zugleich mit
dem Entzüge leichter Niederschläge umgibt die oft mehrere Dezimeter
dicke Moosschicht den Grund der Stämme, hüllt sie dadurch in eine
feuchte Umgebung ein, die stets eine oft unfrirmliche Deformation der
Atmungsorgane, der Ersatzlentizellen usw., bewirkt.') Dass das sich
hier bildende Wuchergewebe die Eingangspforte tür Parasiten 9<Mn
könne, ist gleichfalls
a. a. 0. auseinander-
gesetzt. — Der Stamm
auf Figur 2 lässt deut-
lich die krause Form
der Rinde erkennen,
bei Figur 3 erscheint
sie wieder gesundet.
Pflanzen, die im
Heidegebiete auf einem
bereits stark mit Roli-
humus bedeckten Ge-
lände, also auf einer
offenen Callunaheide
aufwachsen, dringen
wegen der Luftarmut-
überhaupt nicht tiefer
in den Boden ein, und
wenn gar im Unter-
grunde die sich so
häufig findenden Hem-
mungsschichten, der
Ortstein oder die Brand-
erde ^), vorhanden sind,
biegen die Wurzeln
wagerecht ab (Fig. 1).
In jedem Falle sind aber unter den obwaltenden Umständen die oberflächlich
streichenden Wurzeln die stärksten und kräftigsten; oft nur wenige Zenti-
meter tief laufen sie unter der Erdoberfläche dahin, meist nur ganz unwesent-
lich verzweigt. Die Nebenwurzeln, die stets angelegt werden, gehen fast
Fig. 2
Kiefer auf ßohhumusboden mit Moos aus der Ober-
försterei Munster. Untere Wurzeln schwach und
abgestorben, obere (exzentrisch) stark verdickt.
B. Stange phot.
1) Zeitschrift f. Forst- u. Jagdwesen 1906 a. a. 0.
2) Grabe bestätigt auch (Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen XXXVllI
[1906], p. 602), dass selbst die Branderde von den Wurzeln gemieden wird, also
jedenfalls eine Hemmung darstellt.
l)ie wirtschaftsfeindlichen Faktoren der Heide et(
171
immer an der Sommertrockenheit in dem Humus zugrunde und leiden erheb-
lich mehr als die saftreiche stärkere Hauptwurzel. Viele Meter lang kann
man diese flachen Wurzeln verfolgen. Es ergibt sich das typische Bild
der nahrungsuchenden,
namentlich Stickstoff hung-
rigen Pflanze. Je mehr
die ehemals tiefwurzeln-
den Kulturpflanzen ge-
zwungen werden, flach
zu wurzeln, sich in ihren
Lebensgewohnheiten den
wild auf der Heide auf-
wachsenden Arten anzu-
bequemen, desto mehr
treten auch bei ihnen
die ausserordentlich lan-
gen und flachen Wurzeln
hervor. Wenn man eine
solche mehrere Meter
lange Wurzel betrachtet,
fällt vor allen Dingen die
geringe Verjüngung nach
der Spitze zu auf: auf
mehrere Meter bleibt die
Wurzel etwa gleich dick,
sie gleicht einem dicken
Stricke. Verfolgt man die
Entwickelung der auf vie-
len Heideflächen wild
aufwachsenden Holzge-
wächse und der auf vielen
Kulturflächen stehenden
in ihrer ober- und unter-
irdischen Entwickelung,
so ist anfangs, d. h. in
den ersten Jahrzehnten (bei den angepflanzten Bäumen naturgemäss-
stets länger), das Verhältnis der oberirdischen Teile zu den Wurzeln ein
leidlich normales, die Bäume zeigen befriedigendes Längenwachstum
und Beblätterung. Im Laufe der Zeit stellen sich dann immer deutlicher
die oben erwähnten Schädigungen durch die flache Lage der Wurzeln
ein, der Jahreszuwachs lässt nach, die Bäume zeigen frühzeitig Alters-
Fig. H.
Wie BMgur 2 aus demselben J3e.stande, aber später
vom Rohliumus und Moos befreit, mit jungen
(quergerunzelten) senkrechten Wurzeln. B.
Stange pliot.
172
P. Graebner.
Erscheinungen (Blüten usw.) und die Beblätterung wird ungenügend: so
werden bei den Kiefern meist reichlicli die Hälfte der Nadeln durch die
Schütte vernichtet, es bleibt da meist nur ein (nicht einmal vollständiger)
Jahrgang von Nadeln an der Spitze der Gezweige stehen. Dadurch
leidet die Produktion des plastischen Materials naturgemäss ganz be-
deutend, die knappe Hälfte der Nadeln kann die Assimilationsarbeit nicht
in genügender Weise bewältigen, und da nun ein unverhältnismässig
grosser Teil zur Bildung neuer Wurzeln verbraucht wird, tritt eine
weitere Ursache zur Schwäche in die Erscheinung, die sich in der Ver-
kleinerung der im Frühjahr von dem plastischen Material des Vorjahres
aufzubauenden Zuwachssprosse und in der auffälUgen Schwäche aller
seitlichen Gezweige bemerkbar macht. Die Folge ist eine weitere Ab-
nahme der Blättermengo und allmählich ein ganz auffälliges Missverhält-
nis zwischen dem Holzkörper und der Laubmasse, welches ganz deut-
lich wird, wenn man die grosse Menge der Wurzeln mit in Betracht
zieht. Es tritt der Zeitpunkt ein, an dem die geringe Menge des vor-
handenen Laubes nicht mehr imstande ist, das Kambium des Stammes,
der Äste und der Wurzeln mit der zur normalen Neubildung der Jahres-
ringe nötigen plastischen Substanz zu versehen und dann noch für Ver-
längerung der Wurzeln und Gezweige zu sorgen. Bei einiger Kenntnis
der herrschenden Verhältnisse sind solche sich in jedem älteren Bestände
findenden Bäume im kritischen Alter leicht kenntlich, bei ihnen genügt
nun nur noch ein geringer Anstoss, eine stärkere Schütteperiode, eine
Trocknis des Sommers usw., um sie gänzlich zum Absterben zu bringen.
Bei vielen Heideflächen kann man durch Auszählung des Zuwachses
und der absterbenden Bäume den positiven Schluss ziehen, dass das
Feld ohne Hilfe des Menschen stets das bleibt, was es ist, dass es sich
niemals zum Walde umwandelt, ja eine Reihe von Flächen sind mir be-
kannt geworden, an denen die Zahl der Holzgewächse sichtlich weniger
wurden, und auf einer (in der Oberförsterei Munster) starb ohne äusser-
lich erkennbare Ursache in einem Jahre die grösste Menge des Restes
der dort aufgewachsenen Iviefern ganz ab. Ich werde später über diese
wichtigen Vorgänge Näheres berichten.
Oben ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, dass durch
die Störung im Wurzelwachstum der Nadelhölzer die Wurzelruhe in
der Heide häufig nicht zu dem Zeitpunkt eintritt, an dem sie normaler-
weise erfolgen sollte: das bedeutet, dass das ganze Wachstum des
Baumes nicht zur rechten Zeit abgeschlossen wird, dass, wie der
Gärtner sagt, das Ausreifen des Holzes und der Knospen nicht in
normaler Weise geschieht. Unter ,, Reife" haben wir hier jenen Zustand
der den W^inter überdauernden Organe anzusehen, in dem das
Die wirt.schaftst'eindlichen Faktoren der Heide etc. 173
plastische Material soviel als irgend mtiglich in den Zustand der Reserve-
substanz übergeführt ist, in dem sich so wenig wie möglich davon
in gelöster Form in den Leitungsbahnen befindet. Die Erfahrung
lehrt, dass dieselben Pflanzen im ausgereiften Zustande viel besser alle
Unbilden der Witterung zu ortragen imstande sind, als wenn diese Reife
nicht hat eintreten können. Viele Pflanzen des Mittelmeergebietes er-
tragen in ihrer Heimat mit dem langen warmen Herbst ohne Schaden
mehrere Kältegrade, während sie bei uns dem geringsten Froste total
erliegen; eine Reihe von Gehölzen {Broussonetia, Tamarix usw.) wächst
z. B. in der ungarischen Ebene bei denselben Kältegraden, denen sie
bei uns zum grössten Teile zum Opfer fallen, zu stattlichen Bäumen
heran, sicher wegen des langen warmen Herbstes, der das Ausreifen
befr)rdert.
Die ungünstigen Witterungs- und daraus folgend die Bewurzelungs-
verhältnisse bedingen nun fast bei allen Kulturpflanzen derartige
Störungen, wenn sie sich selbst überlassen bleiben. Wohl in wenigen
Gegenden Deutschlands (wenn überhaupt) finden sich beispielsw^eise an
den Obstbäumen so zahlreiche Frostschäden wie in der Heide. An
älteren Bäumen sind oft auf einem Aste von Meterlänge mehrere (bis zu
einem Dutzend) grosser Frostbeulen. Krebs und Brand sind massenhaft
verbreitet, und zahlreiche trockene Aste und Zweige vervollständigen das
Bild. E)as Vorhandensein so vielen trockenen Holzes in den Baum-
kronen befördert nun natürlich wieder die Ansiedelung von Parasiten,
namentlich von Polyporaceen, die zunächst als Saprophyten in das durch
den Frost oder durch die den Gezweiggrund umgebenden Frostwunden
zum Absterben gebrachte Holz eindrangen und dann abwärts wandern
und schliesslich den ganzen Stamm durchsetzton, der dann natürlich
auch allmählich dem Absterben anheimfiel. Ich kenne (^Ibstgärten in
der Lüneburger Heide, in denen sich auch kein einziger älterer Stamm
befand, der nicht von den Konsolen der Polyporus-Fruchtkörper verziert
wurde. Selbst die einheimischen Waldbäume leiden bei den eigenartigen
Witterungsverhältnissen nicht selten im Winter unter dem Frost (auch
im Sommer wird hin und wieder der Laubkörper durch Frost geschädigt)
und selbst die Kiefer ist an ungünstigen Lagen nicht frei von Frostwunden.
Sorauer') hat eine solche stark am Prostkrebs leidende Kiefer dar-
gestellt. Die geschwächten Eichen werden meist durch Holzparasiten
zerstört.
Um zu untersuchen, in wieweit der Luftabschluss des Bodens und
die eigenartigen, wechselnden Feuchtigkeitsverhältnisse durch das Vor-
1) Handbuch der Pflanzenkrankheiten, 3. Aufl. 1. Bd., S. 249, Fig 22.
174 ''• Graebiier, Die vvirtschaftsl'eimllicheii Faktoren der Heide etc.
handensein und die Bildung* von Rohiiumus diese Kranklieiten und
namentlich die Bewurzelung des Bodens beeinflussen, wurden in der
Oberförsterei Munster zahlreiche Beobachtungen angestellt, in Be-
ständen, in denen sich viel Rohhumus und z. T. auch viel Moos be-
findet. Das Moos resp. der Rohhumus wurde vom Boden entfernt und
dadurch natürlich die Durchlüftungsverhältnisso geändert. Soweit sich
bis jetzt beurteilen lässt, ergaben sich auf den Böden, die nicht in
einiger Tiefe (meist etwa 3 dm) noch eine weitere Hemmungsschicht.
Ortstein, Branderde usw.. besassen, ganz überraschende Resultate. Auf den
vom Rohhumus befreiten Teilen drangen alsbald eine Anzahl von
Wurzeln, teils in der Nähe des Stammes selbst, teils als Seitenwurzeln
starker tlachstreichender Wurzeln senkrecht in die Tiefe und zeigten
dabei ein so auffälliges Dickenwachstum, die junge Rinde war oft stark
quer gerunzelt, dass sie in wenigen Jahren eine ansehnliche Dicke er-
reichten. Fig. 2 und 3 zeigt 2 Stämme aus der Oberförsterei Munster,
von denen der eine noch beim Fällen unter Rohhumus und Moos steckte,
der andere seit etwa 6 Jahren vom Humus l)etreit war. Der erste
Stamm zeigt die Wurzeln in fortschreitendem Absterben begriffen, alle
Wurzeln in 3 bis 4 dm Tiefe sind bereits völlig tot, die noch tieferen
waren schon ganz vermorscht. Auf dem humuslosen Terrain hat der
andere Stamm, der gleichfalls die abgestorbenen älteren unteren Wurzeln
besass, in den letzten Jahren kräftige Pfahlwurzeln in den Boden ge-
sandt, ist also in seinen W^urzelverhältnissen gesundet. Die flach-
streichenden Wurzeln zeigen jetzt wieder — im Gegensatze zu den in die
Tiefe gehenden — einen sehr schwachen Zuwachs, die Jahresringe sind
ausserordentlich dünn, die Pfahlwurzeln haben dagegen sehr breite,
kräftige Jahresringe, einen starken Zuwachs, der sich deutlich an der
Ouerrunzelung der \A'urzeln auch im Bilde erkennen lässt.
R. Thiele, Über vinsere Kenntnisse von der Wirkung des Kalis etc. 175
Über unsere Kenntnisse von der Wirkung des Kalis
bei der Ernährung der Pflanze.
Von
Dr. R. Thiele, Stassfurt.
(Mit Tafel LV-VIII.)
Während die Wirkung des Stickstoffs auf die Pflanze in der Regel
eine sehr augenfällige, man möchte beinahe sagen aufdringliche, ist, tritt
sie bei den anderen Nährstoffen, ganz besonders bei dem Kali, mehr
zurück, da dieser Baustoff in erster Linie im Inneren des Pflanzenleibes
verwendet wird. Wenn sie auch nicht so auffällig in die Erscheinung
treten, so gehören die Ivalium Verbindungen doch zu den unentbehrhchsten
Ptlanzennährstofien, und ein Ersatz etwa durch Natrium-, Rubidium-,
Lithium- oder Cäsiumverbindungen ist nach den Arbeiten von Nägeli,
Molisch, Benecke, Pagnoul, Loew, Jordan und Jenter') und
anderen ausgeschlossen. Wenn man neuerdings wiederum behauptet,
dass das Kali durch Natron substituiert werden könne, so dürfte man
diese Behauptungen zunächst doch wohl noch etwas skeptisch auf-
nehmen.
Seit langiT Zeit hat sich die Wissenschaft bemüht, die physio-
logische Rolle des Ivalis für das Pflanzenleben zu ergründen, eine Auf-
gabe, die bis heute noch nicht als geh'lst bezeichnet werden kann, da
einerseits diese rntersuchungen dem Experimentator grosse Schwierig-
keiten in den Weg legen, anderseits aber entschieden noch andere
Faktoren bei der Beurteilung dieser Frage ehie Rolle spielen, denn ein-
mal ändert sich die Pflanze je nach der herrschenden Witterung,
weiterhin sind die jeweiligen Wasserverhältnisse des Bodens ausschlag-
gebend für die p]rziehung des zukünftigen Pflanzenmaterials. Schon
diese Faktoren k(»nnen bei der Betrachtung der physiologischen Wirkung
eines Nährstoffes eine nicht unbeträchtliche Differenz auslösen.
Wenn wir zunächst die Frage ins Auge fassen, welche Konzen-
trationen vorhanden sein müssen, um die Pflanze zur Reaktion auf Kali
1) Das Literaturverzeichnis wird hei der Hauptarbeit veröffentlicht, da
dasselbe hier nur im Auszüge besprochen ist.
176 ^- 'i'tiele.
zu veranlassen, so gibt uns die Arbeit von Coupin darüber den
Beweis., dass schon liomöopatliische ivalilösungen auf die Pflanzen nach-
weislich nicht ohne Wirkung sind. Er stellte nämlich für den Weizen
fest, dass dieser bereits reagierte, W(Min die verwendrte'n kaiifreien
Bodenarten die nachstehenden Ivalimengen erhielten:
Kalium-Karbonat 0,0U000()1 ^/o,
„ -Sulfat 0,0000008 ''/o,
„ -Chlorid . . . 0,000003 "/o,
„ -Nitrat 0,000004 ^/o-
Nun gehört aber der Weizen nicht einmal zu den Pflanzen, die man
als kaliliebend oder kalifressend bezeichnet, es darf demnach angenommen
werden, dass, wenn Coupin derartige Pflanzen zu seinen Versuchen
benutzt hätte, noch ganz andere Zahlen für die Empfindlichkeit in die
Erscheinung getreten wären.
Gehen wir auf die eigentliche Funktion des Kalis im Pflanzen-
kiirper ein, so zeigen uns die vorliegenden Arbeiten, dass die Meinungen
darüber recht geteilte, wenn nicht gar widersprechende sind. Soviel ist
sicher: das Kalium kommt in erster Linie in jugendlichen Organen vor,
ferner auch im Verband mit ruhenden und wandernden Reservestoffen,
Daher bringen es Lieb ig und Nobbe mit der Translokation der Kohlen-
hydrate in Verbindung, und Nobbe beobachtete speziell, dass z. B.
Buchweizenpflanzen die Stärke aus den Blätter nicht entleeren, wenn kein
Kali vorhanden ist.
De Vries nimmt an, dass es die Aufgabe des Kalis sei. die
Turgorkraft in den Zellen zu erhiHieu. weswegen es seinen Hauptsitz in
den wachsenden Organen habe.
Bokorny findet, dass zwischen dem Kali und der Kohleiisäure-
assimilation eine bestimmte Beziehung besteht, und hält es nicht für
unwahrscheinlich, dass das Kali einen Bestandteil des assimilierenden
Protoplasten darstellt.
Loew meint, dass die Kalisalze in der Pflanze einen konden-
sierenden Binfluss ausüben. Bei der Bildung der Stärkekörner, der
Fette und der Proteide fänden demnach chemische Kondensations-
vorgänge statt, bei welchen ein Kaliumproteinkörper eine aktive Rolle
spiele.
Baumann glaubt, dass der Transport der Kohlehydrate an das
Kali gebunden ist, dass daher kaliarme Pflanzen weniger Wärme er-
zeugen. Diese werden demnach leichter erfrieren, als solche, die mehr
Kohlehydrate besitzen, die also eine grössere Wärmemenge produzieren.
Wenngleich diese Hypothese mehrfachen Angriffen ausgesetzt gewesen
ist, so verdient sie doch insofern Berücksichtigung, als wir wissen, dass
über imsere Kenntnisse von d. Wirkung d. Kalis bei d. i^^rnälirunij,- d. Pflanze. 177
die Gefrierpunkte sowohl von Zucker-, als auch von Salzlösungen pro-
portional der Konzentration sinken, dass also ein Erfrieren um so weniger
statthaben wird, je konzentrierter die Lösungen in den Pflanzen sind.
Aus den hier angeführten Meinungen geht deutlich hervor, dass
man über die physiologische Wirkung des Kalis in der Pflanze noch
wenig orientiert ist, und dass es jedenfalls noch ernster F^orschung
bedarf, ehe diese wichtige Frage endgültig gelöst sein wird.
Da man, wie oben erwähnt, festgestellt hat, dass das Kali in den
jugendlichen bzw. in den wachsenden Organen vorkommt, so lag es
nahe zu prüfen, ob durch dasselbe bei jenen Geweben eine Veränderung
nach der einen oder der anderen Seite eintritt.
Tacke beobachtete denn auch, dass durch Mangel an Kali eine
auffallende Schlaffheit und geringe Widerstandsfähigkeit der Getreide-
halme eintritt.
Vageier sagt über die Kali Wirkung auf die Gewebe: „Das Kali
zeigt eine überaus günstige Einwirkung durcli Steigerung des Assimi-
lationsgewebes und Parenchyms und Reduktion der improduktiven
Gewebe, ohne dass dadurch die Festigkeit des Halmes leidet. Bemerkens-
wert ist die Verstärkung der Cuticula." . .
Während nun Vageier Pflanzenmaterial analysierte, bei welchem
durch Düngung mit Kali, Phosphorsäure und Stickstoff und deren ver-
schiedenen Kombinationen hervorgerufene anatomische Veränderungen
dem absoluten Überschuss des vorhandenen Nährstoffes zugeschrieben
werden müssen, ging Solacolu einen anderen Weg. Er liess nämlich
den einen oder anderen Nährstoff vöUig fehlen. Allerdings hatten seine
Pflanzen den Nachteü, dass sie Wasserkulturen entstammten. . , , .
Zunächst unterwarf er die Atmung einer genaueren Untersuchung
und stellte fest, dass die Assimilationstätigkeit bei den Pflanzen, welchen
das Kali mangelte, eine äusserst geringe war; weiter beobachtete er,
dass die Pflanzen ohne Kali nur sehr kleine Wurzeln, sehr kurze Inter-
nodien, schlecht entwickelte Blätter und einen sehr weichen und
gebeugten Stengel aufwiesen.
Der anatomische Befund ergab, dass bei der normalen Pflanze die
Epidermis, Hypodermis und das Parenchymgewebe vollständig verhärtet
waren. Die 12 Gefässbündel enthielten 4 Gefässe von grossem Durch-
messer, die markführenden Gewebe 2 Reihen grosser Zellen. Die ohne
Kali ernährten Pflanzen zeigten schwache Epidermiswände und kein
hartes Sklerenchymgewebe. r>ie mit Kali ernährten Pflanzen hatten
dagegen eine stark ausgebildete Epidermis, und die drei darunter liegen-
den Zellschichten besassen verholzte Wände. Es waren 1 1 Gefässbündel
vorhanden, jedes enthielt 4 grosse Gefässe. : : . .:
J-ahiesbericht der Vereinigung für ungewandte Botanik IV. 12
J78 ^- 'l'liiele.
Auch bei den Blättern ergaben sich charakteristische Unterschiede.
Während beim normalen Blatt die .Epidermis- und die Parenchymzellen
gross, die Pallisadenzellen gut entwickelt waren, war bei den ohne
Kali ernährten Pflanzen die erste Zellreihe unter der Epidermis ver-
härtet und das Pallisadengewebe nicht gut ausgebildet. Auch enthielt
das letztere auffallend wenig Chlorophyllkörner. Die mit Kali gezogenen
Pflanzen zeigten starke Sklerenchymeinlagerungen und ausreichende
Chlorophyllbildung.
Dem gegenüber fand nun Lienuu, dass die Phospliorsäure ein
fiirdernder Faktor, Kali, Stickstoff und Kalk hemmende Paktoren bei der
Gewebebildung seien. Er stellte u. a. auch die Behauptung auf: „Zu
starke Mengen der drei letzten Stoffe können also für das Getreide
durch Schwächung der Zellwandungen eine Disposition zum Lagern
schaffen.*'
Bei der Zusammenfassung der Resultate über seine mikroskopischen
Untersuchungen sagt Lienau: „Starke Düngung mit Kali und Stick-
stoff setzte trotz gleichzeitiger Gabe von viel Phosphorsäure die Dichte
der Halme herab."
Diese Ansicht Lienaus steht nun aber im Gegensatz mit unseren
bisherigen physiologischen Beobachtungen, die für Kalk und Kali zur
Genüge gezeigt haben, dass diese Stoffe zur Kräftigung und zur Festigung
der Gewebe dienen.
Dass dem tatsächlich so ist, dass also eine Kalidüngung nicht eine
Disposition zum Lagern schafft, sondern im Gegenteil zur Festigung der
Halme l),'it.rägt, zeigt uns Figur 1 auf Tafel IV, die einem Düngungs-
versuch entnommen ist, welcher die Wirkung des Kalis beweisen soll.
Wenn sich makroskopisch schon so frappante Differenzen zeigen,
so liegt die Annahme sehr nahe, dass auch die mikroskopischen Befunde
kaum mit denjenigen von Lienau sich «lecken werden, sondern dass
auch die in die Erscheinung tretenden Abweichungen sich mehr den
Befunden von Solacolu und Vageier nähern. Das ist denn auch der
Fall! Schon meine Voruntersuchungen bestätigen deutlich, dass
Lienau bei seinen Schlussfolgerungen ein Irrtum unterlaufen sein muss.
Betrachten wir zuerst die Querschnitte der Halme einer Gerstenpflanze
direkt über der Erde auf den Tafeln IV u. V, deren einzelne Figuren
(2 — 4) einen Querschnitt von einem ungedüngten, einem nur mit
Phosphorsäure und einem mit Phosphorsäure und Kali gedüngten Halm
darstellen, so sind die Unterschiede so in dit' Augen springende, dass
von einer weiteren Erklärung vorläufig abgesehen werden kann. Soviel
ist Jedoch sicher, dass sich das Stützgewebe um so kräftiger ausgebildet
hat, je rationeller die Pflanze ernährt worden war. Auf der Tafel
über unsere Kenntnisse von d. Wirkung d. Kalis l)ei d. Ernälirung d. Pflanze. ] 79
VI Fig. 5 u. 6 und Tafel VII Fig. 7 finden wir Schnitte über den!
4. Internodiiun, bei welchen die Unterschiede weniger scharf zutage treten.
Dagegen beweisen uns die Tafel VII Fig. 8 und Tafel VIII Fig. 9
u. 10 deutlich, dass direkt unter der Ähre die Differenzen wiederum
sehr deutliche sind. Näher auf die Einzelheiten einzugehen, verbietet mir
der Raum, ich betrachte daher die vorliegende Besprechung als eine
vorläufige Mitteilung und behalte mir vor, auf das mir zur Verfügung
stehende umfangreiche Material demnächst ausführlicher zurückzu-
kommen, i
Ausser diesen streng wissenschaftlichen Beobachtungen mögen hier
noch einige allgemeine Platz finden, welche zeigen, dass auch eine Ver-
besserung der Qualität der für die Allgemeinheit wichtigen Produkte
durch das Kali erzielt wird, und dass weiterhin — selbstverständlich
bei Anwesenheit der übrigen Nährstoffe — der Habitus der gesamten
Pflanze sich gewöhnlich recht vorteilhaft von den mangelhaft, also ohne
Kali ernährten Pflanzen abhebt.
So wiesen Wilfarth und Wimmer nach, dass diejenigen Pflanzen-
organe, in denen Fett, Zucker und Stärke abgelagert wird, bei genügen-
der Kalizufuhr weit grössere Vermehrung zeigen als das Kraut, dass
also eine Veränderung des Verhältnisses dieser Organe zu einander eintritt.
Sie behaupten ferner, dass zwischen Kaliwirkung und Stärke-
bildung eine Beziehung besteht, dass also bei steigender Kaligabe eine
Steigerung des Zuckers bei der Rülie und der Stärke l)ei der Kartoffel
in die Erscheinung tritt. Da aber ebenfalls eine Zunahme der Trocken-
substanz statthat, so ist diese prozentische Anreicherung nicht eine so
in die Augen springende.
Ferner beobachtete Wohltmann, dass l)ei den Rüben die Kali-
düngung eine hellere Blattfärbung hervorruft, dass aber trotzdem der
Zuckergehalt nicht unwesentlich in die Höhe geht. Wilfarth stellte
fest, dass, wenn die Rübe mangelhaft mit Kali ernährt wird, sie auf
1000 Teile nur 4 Teile Kali enthält, bei normaler Ernährung dagegen
6,7 bis 8 Teile, und wenn man ihr 6 mal so viel K'aH gil)t als sie nötig
hat, so besitzt sie auf 1000 Teile Zucker 37 Teile Kali.
Die Gerste erfährt durch eine rationelle Kalizut'uhr eine Erhöhung
ihres Brauwertes, wie die bisherigen Versuche deutlich erkennen lassen.
Trotz alledem ist das Urteil hierüber noch kein endgültiges, und es
werden, um die bisher bestehenden Beweise zu vermehren, zahlreiche
Untersuchungen in dieser Richtung angestellt.
Auch der Hopfen wird erheblich verbessert. So fand Kulka, dass
durch Kali seine Feinheit und Güte vermehrt wird. Allerdings wird der
12-
IgO E. Thiele.
Mehlgehalt vermindert, aber dieser Verminderung kann wiederum durch
eine rationelle Phosphorsäuredüngung entgegengetreten werden.
Was die Zuckerrübe anbetrifft, so tritt gerade liei dieser die
Notwendigkeit der Ernährung mit Kali deutlich in die Erscheinung. Es
ist dadurch die Rübe weniger den Angriffen der Nematoden ausgesetzt,
und ihr Zuckergehalt erfährt eine Steigerung. Schliesslich hat die
Praxis beobachtet, dass die Körnigkeit des Rübensaftes, welche durch
die Bildung von Kalksalzen bei der Saturation entsteht und beim Kochen
lästig wirkt, bei einer rationellen .Ernährung mit Kalisalzen nachlässt.
Die Kartoffel hat nach Hecke in der ersten Hälfte der Vege-
tation ein Stickstoffbedürfnis, trotzdem ist die relative Kaliaufnahme in
der ersten Wachstumsperiode grösser als in der zweiten. Weiterhin
wurde für die Kartoffel festgestellt, dass das 40 °/o ige Kalidüngesaiz
eine viel günstigere Wirkung auf die Stärkev(U'mehrung ausübt als der
Kainit. Wenngleich dieser Auffassung nicht widersprochen werden kann,
so steht doch der Anwendung des Kainits zur Düngung der Kartoffeln
nichts im Wege, wenn dieser bereits im Herbst vor der Anbauzeit der
Kartoffel dem Boden einverleibt wird.
Der Lein, jene Gespinstpflanze, deren Kultur von allen Seiten
jetzt wieder angeregt wird, reagiert ebenfalls ganz exakt auf die Zufuhr
einer genügenden KaUmenge, denn mit Hilfe dieser erzeugt er eine
besonders widerstandsfähige und längere Faser. Es wird also sein Wert
als Gespinstpflanze durch eine zweckmässige Kalidüngung nicht un-
beträchtlich erhöht.
Das Gemüse ist ebenfalls dankbar für eine Ka.lizufuhr, durch
welche sein Saftreichtum vermehrt und sein Geschmack verfeinert wird.
Ganz besonders eklatant ist aber die Wirkung beim Obst. Während
z. B. der Kalk einen Einfluss auf den Zuckergehalt hat. wird Geschmack,
Aroma und Farbe durch das Kali becinflusst, während wiederum die
Phosphorsäure auf die Saftbildung wirkt.
Aus der vorstehenden kurzen Zusammenstellung gelit deutlich
hervor, dass das Kali im Leben der Pflanze eine hochwichtige Rollo
spielt, deren Ergründung sowohl für die Wissenschaft als auch für die
Praxis von ausserordentlichem Wert ist, da man durch jene Kenntnis
endlich in den Stand gesetzt würde, in der Praxis noch zielbewusster
mit der Kalidüngung vorzugehen als man es heute zu tun gewohnt ist.
Möge daher die vorstehende Zusammenfassung als Anregung, zu
weiteren Forschungen und Beobachtungen nicht nur auf dem Gebiete
der angewandten Botanik, sondern auch auf dem der Agrikulturchemie
dienen.
über unsere Kenntnisse von d. Wirkung d. Kalis bei d. Ernährung d. Pflanze. Ig^
Beschreibung der Tafeln.
Tafel IV. Fig. 1. Gerstendüngungsversuch. Die Bilder von links nach rechts
zeigen Pflanzen von der ungedüngteu Parzelle, von einer
nur mit Phosphorsäure und Stickstoff und endlich von
.. , einer mit Kali, Phosphorsäure und Stickstoff gedüngten
. : . , 1 Parzelle. '
„ 2. Querschnitt durch einen Gerstenhalm (Durchschnittspflanze
einer ungedüngten Parzelle) dicht über dem Boden.
V V. „ 3. Querschnitt durch einen Gerstenhalm einer Durchschnitts-
pflanze dicht über dem Boden von einer nur mit Phosphor-
säure gedüngten Parzelle.
„ 4. Querschnitt, wie bei Figur 3. Die Parzelle erhielt als
Düngung Kali und Phosphorsäure.
VI. „ 5. Querschnitt durch einen Gerstenhalm zwischen dem 4.
und 5. Internodium. Ohne Düngung.
„6. Querschnitt wie bei Figur 5. Düngung nur Phosphorsäure.
VII. „ 7. Querschnitt wie bei Figur 5. Düngung Kali und Phosphor-
säure.
„ 8. Querschnitt desselben Gerstenhalmes dicht unter der Ähre.
Ungedüngt.
., VIII. „ 9. Wie Figur 8. Nur Phosphorsäure.
„ 10. Wie Figur 8. Kali und Phosphorsäure.
(Vergrösserung der Figuren 2 — 10 130:1.)
Jg2 Graf V. Arnim-Schlagenthin.
Über das Auftreten erblicher Eigenschaften beim Weizen
durch äussere Einflüsse.
Von
Graf V. Ariiiui-Sclila^enthiu, Nassenheide.
De Vries hat neuerdings in mehreren Fachzeitschriften auf die
Erfolge der Saatzuchtanstalt Svalöf und, insbesondere darauf hingewiesen,
wie die dortigen Arbeiten in ganz überraschender Weise bewiesen hätten,
dass unsere Kulturpflanzen, insbesondere also in diesem Falle Getreide,
ein Gemisch scharf abgegrenzter Typen darstellen, welche, soweit keine
Bastardierung eintritt, sich absolut konstant im Wege der sogenannten
Pedigreezüchtung vererben.
In seiner Mutationstheoric und anderen Schriften hat er ferner auf
die hervorragende Konstanz der Mutationen hingewiesen und gezeigt,
wie z. B aus Samen von Oeuotltera und vielen anderen Pflanzen plötz-
lich unvermittelt ganz neue Formen entstehen.
Eine Frage aber ist m. \\\ nicht erörtert oder doch nur gestreift,
nämlich die, in welchem Moment des Lebens der einzelnen Pflanze die
Mutanten entstehen; die Frage ist die, ob der Samen, aus dem die
neue Mutante entsteht, im Momente seiner Entstehung bereits so weit
vorgebildet ist, dass eben nur die Mutationstype daraus hervorgehen,
kann, oder ob die Entscheidung, was aus dem Samenkorn eigentlich werden
wird — ob die dem Originaltyp entsprechende Pflanze oder die Mutante — ,
erst in einem späteren Moment gefällt wird.
Es ist klar, welche prinzipielle Wichtigkeit diese Frage hat. Wenn
die Entscheidung, welcher Typ aus dem Samen entsteht, erst in einem
späteren Moment als dem der Bildung des Samens resp. der Befruchtung
der weiblichen Blüte durch den Pollen getroffen wird, so würde dies
vielleicht einen sehr schwerwiegenden Einwand gegen diejenigen Ver-
erbungstheorien (Weis mann u. a.) bedeuten, nach denen der Erwerb
neuer Formen oder Eigenschaften ganz mechanisch durch das Verhältnis
bestimmt sein soll, in dem väterliche und mütterliche evtl. latente Eigen-
schaften (Determinanten oder wie man sonst diese minimalen Kompo-
nenten nennen will) bei der Befruchtung auf den entstehenden Embryo
übergehen. — Dass bish(>r eine völlige Übereinstimmung der Befruchtungs-
über d. Auftreten erblicher Eigenschaften b. Weizen dui-ch äussere Einflüsse. 183
Vorgänge bei den Pflanzen mit den animalischen nicht nachgewiesen ist,
ist zunächst wohl irrelevant, braucht wohl jedenfalls hier zunächst nicht
berücksichtigt werden.
Nun scheint es, als ob es sich beweisen lässt, dass unter Um-
ständen die Entstehung echter Mutanten tatsächlich nicht im Moment
der Befruchtung „determiniert" wird, sondern häufig die Entscheidung
auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird.
Die Tatsache, auf welche diese Annahme sich gründet, ist folgende:
Vor zwei und drei Jahren wurden grosse Mengen Weizen in
Deutschland durch Prühjahrsfröste arg beschädigt. Bei dieser Gelegen-
heit wurden die englischen W^eizen und viele Pedigreezüchtungen
deutscher Züchter auf vielen Gütern vollständig vernichtet. Einzelne
Sorten indessen widerstanden der Prostwirkung entweder vollkommen
— dies war eine auf den der Prostwirkung ausgesetzten Stellen seltene
Ausnahme — oder wurden — das war die Regel bei den widerstands-
fähigen Sorten — nur stark beschädigt. Dies geschah wahrscheinlich in
der Weise, dass einzelne weniger widerstandsfähige oder durch ihren
Standort mehr der Prostwirkung ausgesetzte Pflanzen getutet oder ihre
Bestockungsfähigkeit gemindert wurde. Da der Prost nicht in allen
Teilen Deutschlands in gleicher Weise schädigend wirkte, so war in
diesen beiden Jahren die Möglichkeit gegeben, die Entwickelung derselben
Weizensorten an verschiedenen Standorten zu vergleichen. Dabei
handelte es sich in den von mir beobachteten Fällen stets um Weizen,
der aus einem und demselben Saatgut stammte, so dass eine etwa
dem Prostjahr vorangegangene natürliche Selektion ausgeschlossen war.
Beiläufig sei hier bemerkt, da noch vielfach die Wirkung des
Frostes falsch gedeutet wird, dass, wie ich glaube zuerst nachgewiesen
zu haben, die Frostwirkung bei unseren winterharten Getreidesorten
nicht die direkte Folge der Kälte ist, nicht, abgesehen von Ausnahme-
fällen auf Moorböden, etwa darauf beruht, dass infolge der Kälte eine
Zerreissung der Pflanzenzellen oder Wurzeln eintritt, vielmehr die Schädi-
gung in ganz anderer Weise zustande kommt. Die Schädigung tritt
vielmehr anscheinend nur dann ein, wenn, während eine Pflanze in
gefrorenem, praktisch daher völlig trockenem Boden steht, durch Be-
sonnung und Erwärmung die oberen Pflanzenteile zur Lebenstätigkeit
angeregt werden. Während die Blätter infolgedessen mit der Atmung,
Kohlensäureassimilation und Verdunstung beginnen, fehlt die Wasser-
zufuhr aus der Wurzel, und es tritt Vertrocknung ein. Ich vermute,
dass dieses Vertrocknen indessen noch schneUer und verderblicher wirkt
als das Vertrocknen im Sommer bei Wassermangel, weil hier nicht nur
die Wasserzufuhr abgeschnitten ist, sondern auch die Säftezirkulation
jg4 Graf V. Arnim-Schlageuthin.
zwischen den oberen und unteren Teilen der Pflanze. Dies muss zu
einer weitgehenden Stiirung führen, möglicherweise zu einer giftartigen
^^'irkung der sich anstauenden Assimilationsprodukte.
Tatsächlich halten die Pflanzen sehr andauernde hohe Kältegrade
ohne Schaden aus, wenn nur die Erwärmung der oberen Teile, der
Blätter, verhindert wird.
Dies erklärt auch, weshalb äusserst geringe Niveaudifferenzen,
wäe sie durch Wagengeleise, Fussspuren und Ähnliches verursacht
w^erden, die Pflanzen vor Frostschaden schützen können und ferner,
weshalb oft unmittelbar nebeneinanderstehende Pflanzen sich bei sonst
gleichen Umständen ganz verschieden verhalten. Die zufällig vor Er-
wärmung im Blattteil geschützten sind immer im Vorteil gegenüber
denen, welche mit ihrer Wurzel im gefrorenen Boden stehen, während
zugleich die Blätter sich stark erwärmen. Es treten daher auch die
starken Beschädigungen unseres Wintergetreides regelmässig bei relativ
mildem Wetter, bei relativ geringen Kältegraden ein und bleiben aus
bei Blachfrost, solange der Boden nicht gefroren ist.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass, wenn von zwei nebeneinander-
stehenden Pflanzen die eine mehr von Frost leidet als die andere, nicht
ohne weiteres immer auf höhere Widerstandsfähigkeit der letzteren ge-
schlossen werden kann, — dass es sich aber auch ganz natürlich er-
klärt, wäe es kommt, dass der Frost nicht notw^endig alle Pflanzen eines
Feldes gleichmässig, sondern die einen mehr die anderen weniger schädigt
und dass nur ein Teil getötet wird.
In Deutschland ist seit einer langen Reihe von Jahren bereits von
einzelnen hervorragenden Züchtern, — die, wie von Lochow, Beseler,
von Arnim-Criewen und andere, teilweise gleichzeitig und unabhängig
von Svalöf nach denselben Prinzipien, wenn auch ohne gleichen wissen-
schaftlichen Apparat, Pedigreezüchtung getrieben haben (die frühere
Züchtungsweise der Massenauslese ist längst ziemlich allgemein von
den moderneren Züchtern verlassen) — ein Reihe sehr wertvoller Pedigree-
züchtungen von Roggen, Weizen, Hafer und Gerste geschaffen worden,
die natürlich die gleiche Konstanz zeigten, wie sie bei den Svalöfer
Pedigreezüchtungen wissenschaftlich genau festgestellt ist. Man war
also in der Lage, in den genannten Frostjahren nicht bloss bei den von
mir in Deutschland eingeführten Svalöfer Weizenzüchtungen, sondern
auch bei einer Reihe von anderen Pedigreezüchtungen die Wirkungen
des Frostes zu studieren.
Es ergab sich nun, dass überall, wo eine starke Schädigung der
Weizensaaten ohne totale Vernichtung eingetreten war, aus den bisher
über d. Auftreten erblicher Ei.i>easchaften b. Weizen dnrch äussere Einflüsse. Ig5
konstanten Pedigreezüchtungen eine grosse Zahl netter Typen entstand.
r>ies trat am sinnfälligsten bei den Squareheadtypen atif.
Es entstanden nämlich, ganz wie bei echten Mutationen,
plötzlich ttnd tmvermittelt Typen mit langgestreckten glatten
Ähren, mit begrannten Ähren oder mit einem sammetartigen
Flaum bedeckte, begrannte und unbegrannte Ähren. Diese
neuen, völlig von dem ursprünglichen bis dahin sehr konstanten Typus
abweichenden Formen sind ihrerseits wieder völlig konstant, wahr-
scheinlich mehr noch als die Typen, aus denen sie hervorgingen.
Von Bastardierung^ Vizinismus, zufälligen Vermengungen kann
hier absolut nicht die Rede sein, da es sich bei den von mir beob-
achteten Feldern stets um Felder hervorragend tüchtiger Saatzüchter
handelt, bei denen niemals ähnliche Typen, wie die infolge des Frostes
neu entstandenen, angebaut worden sind. Soweit es sich in Deutschland
(in Svalöf sind übrigens gleiche Erscheinungen atifgetreten) um die
Vermehrungsfelder der Deutsch-Schwedischen Saatzuchtanstalt handelt,
erfolgt der Anbau des Svalöfer Getreides unter fortlaufender Kontrolle
von Svalöf und mir selbst, dazu tritt die regelmässige Revision der
Felder behufs Anerkennung durch die Deutsche Landwirtschaftsgesell-
.schaft, durch Sachverständige wie Professor von Rümker, Professor
Edler, Dr. Hillmann und andere. Es ist also jede luögliche Garantie
dafür geboten, dass solche elementaren Fehler, wie sie die zufällige
Vermengung mit anderen Sorten darstellt, nicht haben eintreten können.
Man kann nun natürlich nicht annehmen, dass die sämtlichen
Pedigreezüchtungen von Svalöf und deutschen Ursprungs plötzlich gleich-
zeitig in eine Alutationsperiode eingetreten sind.
Sollte aber jemand auf diesen Gedanken kommen, so würde er
durch folgendes widerlegt werden. Eine Reihe von Anbausteilen für Svalöfer
und andere Pedigreezüchtungen blieb in den gedachten Jahren von der
intensiven Schädigung durch Frühjahrsfröste verschont. Hier erhielten
sich, obgleich der angebaute Weizen aus demselben Saatgut stammte,
welches auf den frostbeschädigten Anbaustellen die Mutanten erzeugte,
die Pedigreezüchtungen völlig oder nahezu konstant. Man kann wohl
nicht einwenden, dass diese Grundlage wissenschaftlich nicht genau
genug sei, um daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen.
Es handelt sich hier vielmehr darum, dass, w^enn auch ohne
Versuchsabsicht und Versuchsplan, tatsächlich ein Versuch mit vielen
Millionen von Pflanzen gemacht worden ist, bei dem jede denkbare
Garantie gegeben gewesen zu sein scheint, dass eben zufällige Ver-
mengungen und Bastardierungen nicht die Ursache der Entstehung
j^g(j Graf V. Arnini-Schlayeiithin.
neuer Formen gewesen sind, sondern lediglich die Beeinilussung durcli
den Prost.
Ist dieses aber der Fall, so ergibt sich weiter die prinzipiell wichtiije
Konsequenz, dass die nur auf den durch Frost beschädigt t^ii Feldern
entstandenen Mutanten eben in einem späteren Stadium der Entwickelung
der Pflanze entstanden sind, also unabhängig von <lon Vorgängen bei
der Befruchtung resp. bei der Bildung des Korns.
Natürlich kann man nun den Vorgang auch so auslegen, dass
man sagt, im Korn „latent" vorhandene Anlagen seien durch die Frost-
wirkung erst veranlasst worden, hervorzutreten; so lange man sich dar-
über klar ist, dass dem Wort „latent" kein klarer Begriff entspricht,
d. h. dass das Wort nichts erklärt, ist dagegen nichts einzuwenden. Jeder
Reaktion eines Organismus entspricht natürlich eine Anlage, und wenn
es sich um eine solche, die ausnahmsweise nur, aber doch regelmässig
unter bestimmten Umständen eintritt, handelt, kann man immer von einer
latenten Anlage sprechen. Dem Wesen der Sache ist man aber wohl
dadurch nicht näher gekommen. Für die Berechtigung des Ausdrucks
„latente Anlage" im Zusammenhange mit den hier in Rede stehenden
Mutationen spricht nur der Umstand, dass anscheinend die Möglichkeit
vorliegt, im Wege der Pedigreezucht bei Weizen die Neigung zur
Mutantenbildung unter Frostwirkung zu beseitigen oder zu reduzieren.
Würde experimentell nachgewiesen, dass einzelne Pflanzen desselben
Stammes unter Frostwirkung nicht oder nur sehr schwer zu Mutationen
veranlasst werden können, während diese bei anderen leicht erreichbar
sind, so würde die Bezeichnung ..latente Anlage" als Bezeichnung für
eine verborgene, nur auf besondere Anregung hervortretende Eigenschaft
einzelner Pflanzen, durch welche sich diese von anderen unterscheiden,
wertvoll sein, auch wenn man über ihr Wesen noch nichts weiss.
Würden dagegen bei allen Pflanzen unter annähernd gleichen Umständen
unter Frostwirkung Mutationen regelmässig auftreten, so scheint der
Ausdruck nicht glücklich gewählt, weil man eben die allen oder ganzen
Kategorien vonOrganismen gemeinsamen Eigenschaften nicht als „Anlagen"
zu bezeichnen pflegt. Es ist die Ansicht geäussert worden, die Frost-
wirkung könne vielleicht als ein gewaltsamer Eingriff in den Organismus
angesehen werden, und wie dieser auf andere Eingriffe ebenfalls z. B.
durch anormale Halmbildung reagiere, was er nur auf Grund einer An-
lage dazu könne, so reagiere er auch auf Frost durch Bildung neuer
Typen statt der normalen Squareheadform.
Indessen der Vergleich hinkt; denn alle anderen Reaktionen auf
Eingriffe treten regelmässig ein und sind nicht konstant erblich,
während hier vfHlig konstante Mutanten entstehen. Man kann natürhch
tJber (1. Auftreten erblicher Eigenschaften b. Weizen durch äussere Einflüsse. |87
jede Gruppierung der Zellen oder ihrer Komponenten auf eine früher
vorhandene Anlage zurückführen, wie z. B. die E^ähigkeit des Organismus,
eine Wunde zu schliessen und zu heilen. Um eine solche Anlage handelt
es sich hier aber nicht; das wesentliche ist, dass eine ganz neue Form
oder Eigenschaft hervorgerufen wird, die sich konstant vererbt, aber
ohne Portdauer der Einwirkung des Erregers, hier also des Frostes
im Boden bei erwärmten Blättern, und die regelmässig in späteren
Generationen wiederkehrt, ganz wie eine im regelmässigen Erbgang er-
worbene Eigenschaft, genau wie bei einer echten Mutation.
Sollten diese Ausführungen bei weiterer Prüfung sich als richtig
erweisen — die Prüfung könnte wohl nur in der Weise geschehen,
(lass das Verhalten von Pflanzen in gefrorenem Erdboden bei gleich-
zeitiger Erwärmung der Blätter experimentoll geprüft wird — , so würden
daraus für die Wissenschaft und Praxis vielleicht wichtige Resultate
sich ergeben, nämlich die Möglichkeit, ad libitum durch Kälte und viel-
leicht durch andere ähnlich wirkende Mittel die Bildung von Mutanten
anzuregen. Dabei würde dann auch noch die Frage zu studieren sein,
ob und inwieweit die durch Kälte angeregten Mutanten widerstandsfähige
Typen darstellen.
Bei den Mutationen, die in den beiden erwähnten Frostjahren bei
Squarehead entstanden, war das eigentümlich, dass gleichzeitig neben-
einander verschiedene neue Typen aus einer Sorte entstanden, also in
einem Felde bei einer Sorte Squarehead glatte langgestreckte, sodann
begrannte etwas dichtere und behaarte, die teils lang teils squarehead-
ähnlich waren.
Diese mein Erstaunen und Nachdenken erweckenden Vorgänge
sind vielfach als wenig wunderbar behandelt worden, man begnügte
sich damit, sie als Atavismen zu bezeichnen und beruhigte sich dabei.
Indessen kann ich doch meine Zweifel nicht unterdrücken, ob wirklich
dem Wort nicht auch in diesem Falle der Mangel eines klaren Begriffs
gegenübersteht. Denn in diesem Falle würde es sich also um den
gleichzeitigen Rückschlag infolge der Frostwirkungen auf mindestens
fünf Urahnenformen handeln, wahrscheinlich einige mehr, was eine
etwas gewagte Annahme zu sein scheint. Übrigens möchte ich auf die
Ausführungen von de Vries über Atavismen in seinem neuesten Buche
,, Arten und Varietäten und ihre Entstehung durch Mutation" verweisen.
Die Mutationen durch Kältewirkung beim Weizen sind nicht die
einzigen, die nicht direkt auf Vorgänge bei der Befruchtung sich zurück-
führen lassen; auch Brand z.B. kann die Bildung ähnhcher Typen, wie
es scheint, anregen, wie sie durch Kälte entstehen. Hier aber ist die
Prüfung ihrer Konstanz untunhch. Es gibt wahrscheinlich eine Menge=
J^gg Graf V. Arnira-8clilagentlnn.
anderer Erreger von Mutationen; es wäre eine lohnende Aufgabe sie zu
finden und zwar um so mehr, als die Frage, warum und wie eigentlich
Mutanten entstehen und welches ihre systematische Bedeutung ist, viel-
leicht dann ihrer Lösung näher gebracht würde.
Ist meine Ansicht richtig, dass die beobachteten Si^uurehead-Varia-
tionen oder richtiger Mutationen durch die Einflüsse, welche man kurz
als Prostwirkung bezeichnet, wenn es auch sich um etwas Komplizierteres
handelt, veranlasst sind, und ferner, dass daneben wahrscheinlich noch
andere Erreger ähnlicher Formänderungen vorhanden sind, die noch
nicht oder doch nicht aus diesem Gesichtspunkt beobachtet oder fest-
gestellt sind, so würden damit die Mutationen bei Pflanzen, die keinem
Frost ausgesetzt waren, ihrem inneren Wesen nach etwas mehr bekannt
werden.
Daran schliesst sich dann natürlich die Frage, wie Mutanten, die
durch einen bestimmten Erreger hervorgerufen sind, z. B. also durch
Frostwirkung, sich in Zukunft gleicher oder anderer Frostwirkung gegen-
über verhalten; ob diese Mutanten eine Adaptation an die Verhältnisse,
etwa die neuen Typen Schutzmassregeln gegen den Frost, darstellen, die
mutierten Pflanzen also frostsicherer geworden sind, ob ferner — und das
ist prinzipiell und praktisch wohl noch wichtiger — die Mu-
tanten resp. deren Nachkommen, wenn sie gleicher oder
intensiverer Frostwirkung ausgesetzt werden, von neuem
mutieren, von neuem konstante neue Formen hervorbringen
können, und etwa die Veränderungen, die dadurch hervor-
gerufen werden, in derselben Richtung erfolgen, also z. B. die
Grannen und Behaarung sich noch stärker entwickeln, oder
ob wiederum ganz neue Formen entstehen.
Nach meinen bisherigen Beobachtungen, deren Zuverlässigkeit ich
indessen vorläufig nicht behaupten kann, ist es nicht wahrscheinlich,
dass die neuen Formen sämtlich als Adaptationen an die Frostgefahr, als
besonders frostwiderstandsfähig anzusehen sind.
Ist die Ansicht richtig, dass die beschriebene komplizierte Frost-
wirkung die Ursache des Mutierens beim Weizen ist, so würde es an-
scheinend zwei Arten von Mutation geben, eine, für welche durch
innere unbekannte Ursachen bereits bei der Befruchtung resp. Bildung
des Samens die Grundlage oder Anlage geschaffen wird, die andere,
welche erst in einem späteren Entwickelungsstadium der Pflanze durch
äussere Einflüsse entsteht.
Der Unterschied zwischen beiden Arten von Mutationen ist also der,
dass bei der einen die Entscheidung, ob aus einem gegebenen Samen
<:'ine Mutante entsteht, in dem Augenblick der Befruchtung oder während
über d. Auftreten erblicher Kigenschaften b. Weizen durch äussere Einflüsse. 139
der Bildung des Samens bereits erfolgt, und dass durch spätereEinwirkungen
ihr Dasein nicht mehr bedingt wird, während bei der zweiten Art
während der Samenbildung die Entscheidung, welche Form die Pflanze
haben wird, ob die normale oder die ,, mutierte", noch offen bleibt und
erst im Laufe der Entwickelung der Pflanze erfolgt. Bisher waren m, W.
pl(»tzliche konstante Veränderungen, also richtige Mutationen infolge
späterer Einwirkung, so gut wie unbekannt.
Es scheint, dass verschiedene Einflüsse ähnlich auf die Pflanze
wirken können; z. B. scheint es, dass bei Pfropfung und Kopulierung
zuweilen die Unterlage durch das Pfropfreis in der Weise beeinflusst
werden kann. Burbank teilt solche Fälle mit, und ich glaube, einen
solchen selbst schon gesehen zu haben. Indessen weiss ich darüber
nichts Sicheres aus eigener Beobachtung, und ich will daher diese Er-
örterung auf das Material beschränken, welches eben die von mir
kontrollierten Weizenfelder ergaben.
Auch Sommergerste scheint unter dem Einfluss von Frühjahrs-
frosten Mutanten zu bilden; indessen ist hier doch der Zusammenhang
zwischen Frostwirkung und Mutation zu wenig sicher, um auf dieser
Grundlage weitergehende Folgerungen aufzubauen.
190 L. Külik".
Der Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die
Keimung (maschinelle Entfernung der Perigonhülle).
Von
L. Kühle.
Als mein verehrter Freund Herr Professor Li n hart aus Ungarisch-
Altenburg mir vor nunmehr 7 Jahren seine Idee entwickelte, durch
mechanische Entfernung der Perigonhülle des Rübensamens die in und
an derselben haftenden Mikroorganismen zu beseitigen, und micli bat,
die praktische Verwirklichung dieser Idee zu versuchen, da bin ich —
offen gestanden — mit sehr viel Skepsis an diese Arbeit herangetreten.
Nicht etwa, weil ich an der Richtigkeit der Linhartschen Theorie ge-
zweifelt hätte, doch erschien mir die praktische Durchführung derselben
schwer oder gar nicht möglich.
Wenn ich diesen Erw^ägungen entgegen trotzdem an die Lösung
der Aufgabe herantrat, so geschah es ohne alle Illusionen und eigentlich
nur, um einem gegebenen Versprechen gerocht zu werden. Dass ich
die technischen Schwierigkeiten nicht überschätzt hatte, kam mir denn
auch ))ald zum Bewusstsein, als eine Modellmaschine nach der anderen
in die Rumpelkammer wanderte. Anderseits war mir jedoch schon bei
diesen ersten Versuchen die Überzeugung geworden, dass das Unmöglich-
scheinende bei richtiger Handhabung doch möglich sei. Die Labora-
toriumsversuche hatten weiterhin mit dem bei diesen ersten Versuchen
gewonnenen Material, wenn demselben begreiflicherweise auch noch
viele Mängel anhafteten, so schöne Resultate aufzuweisen, dass ich
nunmehr mit grösstem Vertrauen auf das Gelingen weiterarbeitete.
Schon am 30. Mai des Jahres 1900 konnte ich in der Jubiläums-
versammlung des Vereins der Deutschen Zuckerindustrie zu Magdeburg zum
ersten Male über das Verfahren berichten und weiterhin, dass meine neueste
Modellmaschine zufriedenstellend 'arbeite und sowohl Laboratoriums- als
Feldversuche vorzüglich ausgefallen stylen. Allerdings habe ich bei
dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass verschiedene Momente noch
der Aufklärung bedürfen und Vorsicht bei Verwendung des geschälten
bzw. desinfizierten Samens noch immer am Platze sei. So war es mir
zweifelhaft, wie sich der Samen vci'haltm würde, wt'un bei der Aus-
Der Eini'liiss des 8chälens von Hiihensamen auf die Keimung. [91
saat grosse Trockenheit herrschte, und ferner, wie er längeres Lagern
vertragen würde, und ob nicht lüerbei eine Nachinfektion leichter ein-
trete als bei. ungeschältem Samen.
Gegner des Verfahrens haben dann später meine damals aus-
gesprochenen Bedenken aufgegriffen und mir entgegengehalten: durch
Entfernung der Perigonhülle als wasseranziehenden und wasserhaltenden
Bestandteil des Rübensamens sei dieser der Gefahr ausgesetzt, in
trockenem Keimbett überhaupt nicht aufzulaufen; ausserdem werde,
wie besonders Hiltner und Peters in Heft 3 des 4. Bandes der
Arbeiten aus der Biologischen Abteilung für Land- und Forstwissen-
schaft des [\aiserl. Gesundheitsamtes ausführten, der geschälte Samen
leichter infiziert als der ungeschälte, weil die beim Schälen in Staub
zerfallende Perigonhülle sich in den Vertiefungen des Perikarpiums fest-
setze und dort der Zersetzung sehr leicht zugänglich sei. Die Zer-
setzungsprodukte, vorzugsweise Oxalate, sollen jedoch, gleichfalls nach
Miltner und Peters, den jungen Keimling derartig schwächen, dass
er den Angriffen sonst harmloser Saprophyten zugänglich werde.
Ehe ich auf diese Punkte näher eingehe, möchte ich zuvor eine
Beschreibung und Begründung des Schälverfahrens geben.
Das Rübensamenknäuel besteht, wie wir alle wissen, aus mehreren
in den Fruchthöhlen des Perikarpiums eingebetteten Samen; die Frucht-
hiihle ist durch den Pruchtdeckid abgeschlossen und das ganze harte
Gehäuse von den angetrockneten und verkorkten Stützblättern, Kelch-
blättern, Ötengelresten oder, kurz gesagt, der Perigonhülle umgeben.
Gerade in dieser Perigonhülle kommen, wie ausser anderen Forschern
auch besonders Linhart nachgewiesen hat, die Dauerformen einer Reihe
von Mikroorganismen teils saprophytischen, teils parasitären Charakters
vor, die mit mehr oder weniger grosser Gewissheit als die Erreger der
kontagiösen Rübenkrankheiten angesehen werden.
Wenn auch ohne weiteres die Richtigkeit der besonders auch von
Hi^ltner und Peters in der oben erwähnten Arbeit der biologischen
Reichsanstalt aufgestellten Theorie, dass die Infektion des Keimlings
ebenso sehr von der Ackererde als vom Samen aus erfolge und von
verschiedenen anderen Momenten mit abhängig sei, zugegeben werden
muss, so ist anderseits doch wohl kaum die Forderung als unberechtigt
von der Hand zu weisen, dass in erster Linie der Versuch zu unter-
nehmen sei, den Samen selbst nach Möglichkeit von den anhaftenden
Infektionserregern zu befreien. Von diesen Erwägangen ist Professor
Linhart und bin ich selbst in Verfolg seiner ^Anregung ausgegangen.
Die praktische Verwirklichung dieser Foi'derung ist auf ver-
schiedenen Wegen versucht worden. Wim m er und Wilfart redeten
192 I^- Kühle.
der Beizung mit Karbolsäure, Miltner der mit Schwei'elsäiire das \¥ort,
und Linhart war der erste, der eine mechanische Kntfernung: der Sub-
strate vorschlug.
Die chemische Behandlung des Rübensamenknäuels allein hat die
erhoffte Wirkung nicht gehabt; die Luftblasen, die sich in der rauhen
Oberfläche und den Vertiefungen des Samenknäuels belinden, scheinen
eine vollständige Durchtränkung der Hülle mit der desinfizierenden
Flüssigkeit zu hindern. Die Anwendung von konzentrierter Schwefel-
säure wird — scheinbar so einfach im Laboratorium — im Grossen
immer eine heikle Sache bleiben, weil die nur sehr schwer ganz zu
beseitigenden Reste eine sehr üble Nachwirkung haben und den, der
das Verfahren nicht mit der grössten Sorgfalt anwendet, leicht vom
Regen in die Traufe bringen können. Ich glaube jedoch heute aut
Grund Tjähriger Erfahrung behaupten zu dürfen, dass das Schälen des
Rübensamens im Verein mit einer anschliessenden, zweckentsprechenden
Desinfektion alles das erreicht, was in dieser Hinsicht überhaupt erreicht
werden kann.
Ganz zu beseitigen werden die Mikroorganismen niemals sein und
zwar aus folgenden Gründen: Das Infektionsstadium kann ein drei-
faches sein. Im leichtesten und weitaus häufigsten Stadium haften die
Dauerformen der Infektionserreger auf und in der äusseren Hülle und
w^erden mit dieser vollkommen entfernt. Im zweiten Stadium hat sich
bereits das Myzel entwickelt und ist bis in die äussere Schicht des
harten Gehäuses vorgedrungen. Hier kann eine gründliche Durch-
tränkung des Samenknäuels, das nach der Entfernung der PerigonhüUe
dem Desinfektionsmittel leicht zugänglich ist, noch sehr gute Erfolge
haben. Im dritten Stadium sind die Pilzfädeu durch Sprünge oder
Risse im Pruchtdeckel bereits bis zum Samenkorn vorgedrungen, und
jede Hilfe ist in diesem Stadium natürlich ausgeschlossen. Da in den
weitaus meisten Fällen unter den in das Keimbett eingelegten Knäueln
das eine oder andere sich befindet, bei dem der Embryo bereits in der
Fruchthöhle infiziert war, so ist es begreiflich, dass auch nach der
sorgfältigsten Desinfektion immer noch kranke Keime gefunden werden.
Das Eine steht jedoch fest, dass die Zahl der kranken Keime nach dem
Schälen und Desinfizieren erheblich sinkt.
Bei den Keim versuchen mit geschälten und desinfizierten Samen
konnte nun eine sehr wertvolle Begleiterscheinung festgestellt werden,
wertvoll sowohl in hygienischer als auch besonders in landwirtschaftlich-
technischer Hinsicht. Der geschälte und desinfizierte Samen trieb nicht
nur seine Keime in der Keimschale um mehrere Tage, im Freilande,
wenn die Allgemeinbedingungen für den Aufgang sehr ungünstig waren.
Der Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung. 193
sogar bis zu 10 und 14 Tagen früher aus als der ungeschälte, sondern
er brachte auch eine ziemlich bedeutend, im Durchschnitt um ca. 20
bis 25 °/o höhere Keimziffer pro 100 Knäule heraus. Die Erklärung
hierfür dürfte wohl in folgendem zu suchen sein: Einmal wird durch
die Entfernung der das Absprengen des Pruchtdeckels durch den Embryo
hindernden Perigonhülle und sonstiger Widerstände, sowie dadurch,
dass auch vom Pruchtdeckel durch die mechanische Bearbeitung ein
Teil hinweg genommen wird, der Fehler der Hartschaligkeit — grossen-
teils die Ursache mangelnder Keimfähigkeit — kompensiert; das andere
Mal aber nimmt das Samenkorn direkt und mit grösserer Vehemenz
Wasser auf als der ungeschälte Samen. Diesem Umstände muss wohl
ein besonders grosser Keimreiz zugeschrieben werden.
Um diese meine Theorie zu stützen und gleichzeitig meine eigenen,
wie eingangs erwähnt, bereits im Jahre 1900 ausgesprochenen und von
den Gegnern des Verfahrens aufgenommenen Bedenken zu zerstreuen. —
dass es nämUch gefährlich sei, das wasseranziehende und wasser-
haltende Moment des Rübensamenknäuels zu entfernen — habe ich eine
Reihe von Untersuchungen ausgeführt und dabei zu meiner Befriedigung
festgestellt, dass nicht nur die Perigonhülle — diese allerdings in
höherem Grade — sondern auch das Perikarpium und nicht zuletzt das
Samenkorn selbst wasseranziehende und wasserhaltende Kraft besitzen.
Zum vergleichenden Versuche habe ich den Samen vorjähriger,
also 1905 er Ernte benutzt. Ein Teil davon war ungeschält, der andere
Teil im Pebruar ds. Js. geschält und desinfiziert und seitdem gelagert.
Die Versuche wurden im August ds. Js., also länger als 6 Monate
nach der Präparation des Samens ausgeführt. Der Durchschnittswasser-
gehalt betrug
bei dem ungeschälten Samen 14,50 "/o-
„ „ geschälten Samen 14,30 °/q,
„ „ ebenfalls seit Februar ds. Js. ge-
lagerten Schälabfall 14,00 "/o-
Schon aus diesen Zahlen geht hervor, dass der Perigonhülle eine
grössere wasserhaltende Kraft als dem Perikarpium nicht zukommt,
eher scheint dieselbe etwas geringer zu sein als die des harten Gehäuses.
Ungeschälter sowie geschälter Samen und der Schälabfall,
3 X 24 Stunden zwischen Filtrierpapier von 20°/o Feuchtigkeit auf-
bewahrt, hatten an Feuchtigkeit zugenommen:
a) geschälter Samen 3,06 "/q,
b) ungeschälter Samen 6,47 "/q,
c) die abgeschälte PerigonhüUe allein . . . 8,38 ^/q.
Jahresbericht der Vereinigung für .ingewandte Botanik IV. 13
194 ^- Kühle.
Wenn auch aus diesen Zahlen hervorgeht, dass die PerigonhüUe
leicht und schnell Wasser aufnimmt, so ist damit noch nicht bewiesen,
dass dieses aufgenommene Wasser nun auch ungeschmälert dem
Samenkorn zur Keimung zugeführt wird. Die nachstehenden Zahlen
sprechen nicht hierfür. Der ungeschälte Samen hatte zwar um 6,47 "/q
Wasser aufgenommen, sein hartes Gehäuse wies nach Entfernung der
PerigonhüUe jedoch nur eine Zunahme von 2,10''/o, also 0,96 ''/o
weniger auf als der von der PerigonhüUe befreite geschälte Samen.
Das Samenkorn im geschälten Samen halte vor der Lagerung im
feuchten Piltrierpapier 9,0^ Iq Wasser, das Samenkorn des ungeschälten
Samens nur 8,4 "/o Wasser. Obgleich also das ungeschälte Knäuel, wie
aus den vorhin erwähnten Zahlen hervorgeht, eine höhere Gesamt-
leuchtigkeit aufwies als das geschälte, so ist das Samenkorn selbst
trotz der schützenden Hülle anscheinend bei gleicher Lagerung mehr
ausgetrocknet; dieser Umstand ist wohl auf die grössere wasseranziehende
Kraft der PerigonhüUe, die auch das harte Gehäuse und das Samen-
korn nicht verschont, wenn sie sich nicht von aussen her sättigen kann,
zurückzuführen.
x\ndererseits scheint dem harten Gehäuse und dem Samenkorn selbst
zwar eine schwächere wasseranziehende, jedoch grössere wasser-
haltende Kraft als der PerigonhüUe zuzukommen — ein Faktor, der,
wie ich später ausführen werde, von wesentlicher Bedeutung für den
Keimungsprozess im Freilande ist.
Das Samenkorn des ungeschälten Knäuels hatte, wie wir gesehen
haben, vor der Lagerung im feuchten Pliesspapier 8,4 "/q Wasser, nach
der 3 X 24 stündigen Lagerung genau denselben Wassergehalt trotz
der erheblichen Wasseraufnahme der PerigonhüUe. Das
Samenkorn des geschälten Knäuels hatte jedoch nach der Behandlung
im feuchten Pliesspapier eine Vermehrung des Wassergehaltes um 1,6 °/o
erfahren. Ich glaube hiermit den Beweis für meine vorhin aufgesteUte
Behauptung erbracht zu haben, dass bei geschältem Knäuel das Samen-
korn direkt und mit grösserer SchneUigkeit Wasser aufnehmen kann
als bei ungeschältem Knäuel.
Für das Freiland hat dieser Umstand eine nicht unwesentliche
Bedeutung. Da die PerigonhüUe nicht die gleiche wasserhaltende Kraft
besitzt wie das harte Gehäuse bzw. das Samenkorn selbst, diese
beiden jedoch das Wasser nicht mit gleicher SchneUigkeit aufnehmen
wie die äussere Hülle, so kann die Gefahr eintreten, dass, sobald nach
der Aussaat trockenes Wetter und austrocknende Winde eine wesent-
liche Verringerung der Bodenfeuchtigkeit in der Ackerkrume herbei-
führen, gleichzeitig eine Verdunstung des aufgenommenen Wassers aus
Der Einfluss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung. 195
der Perigonhülle stattfindet, ehe noch der Embryo die zum Keimprozess
notwendige Menge hat an sich ziehen können.
Bei geschältem Knäuel nimmt das harte Gehäuse sowie das Samen-
korn selbst direkt und mit grösserer Energie Wasser auf und gibt es
nicht so leicht wie die eine grosse Verdunstungsfläche bietende rauhe
Perigonhülle wieder ab. Das Samenkorn kommt also mit einem
geringeren Masse von Feuchtigkeit im Keimbette sowohl als auch im
Preilande aus und in der Tat beweisen die Vorgänge sowohl in der
Keimschale wie im Freilande die Richtigkeit dieser Annahme.
Die Keimprüf ungen an dem zu den oben erwähnten Versuchen
benutzten Samen im sterilisierten Sandkeimbette mit 18°/o Feuchtigkeit
und einer Lufttemperatur von 20° bei Tage und 15" des Nachts hatten
folgendes Resultat. Es wurden gezählt von 100 Knäulen
des ungeschälte
Samens
nach 3 Tagen im Durchschnitt — Keime
4 —
n O „ n w O "
r 6 „ „ „ 78 „
„ 14 „ „ „ 172
Krank waren 7 „
Nicht gekeimt hatten 13 Knäule
Gewicht der 172 Keime 7,695 g, der 208 Keime 10,375 g,
also Gewicht des einzelnen Keims 0,044 g, des einzelnen 0,05 g.
Um aber nicht nur meine eigenen Beobachtungen sprechen zu
lassen, gebe ich die Resultate aus zwei Originalattesten der agrikultur-
chemischen Kon troll Station zu Halle a. S. vom 31. Dezember 1904 und
vom 9. Januar 1906 wieder.
Nach dem ersten Atteste hat geschälter und desinfizierter Samen
der Ernte 1904
von 100 Knäulen nach 7 Tagen 239 Keime,
„ „ „ „ 14 „ 252 „ ausgetrieben;
es keimten nicht 5 Knäule.
1 kg lieferte nach 14 Tagen 136 000 Keime.
Nach dem zweiten Atteste, über eine Partie der Ernte 1905 hatten:
100 Knäule nach 7 Tagen 217 Keime,
„ 14 „ 223
1 kg lieferte 112 000
'■"■) Ein Beweis, dass in der 6 monatigen Lagerung keine Nachinfektion
erfolgt war. .
13*
:les geschältei
1 also
Samens
mehr
4 Keime
4 Keime
27 „
27 „
39 „
34 „
164 „
86 „
208 „
36 „
5 „ %
9 Knäule
196 ^- i'^"hie.
Nicht unerwähnt möchte ich hierbei lassen, dass der Gehalt an
fremden Bestandteilen, wie dieses ja nach dem Präparierverfahren nur
natürUch ist, in dem einen Falle 0,6 °/o, in dem anderen 0,2 °/o betrug;
der Wassergehalt einmal 15,92 "/o, das andere Mal 14,69 "/q.
Dass die Erfolge im Preilande nicht anders sind, dafür aus der
grossen Zahl der mir zur Verfügung stehenden Atteste auszugsweise
einige Beispiele.
Die Zuckerfabrik Aarberg (Schweiz) schreibt unter dem 30. August
1904, dass „der geschälte Samen bereits nach 7 Tagen, der ungeschälte
teilweise erst nach 14 Tagen aufgelaufen ist".
Die Zuckerfabrik Wierschoslawitz schreibt unter dem 2. Sep-
tember 1904. dass „der Aufgang des geschälten Samens gegen den
nicht präparierten um 5 Tage früher erfolgte und dass das Wachstum
ein freudiges war".
Die Zuckerfabrik L)ahlenwarsleben bei Magdeburg teilt unter
dem 9. September 1904 mit, dass „die präparierte Saat nicht unerheb-
lich früher aufhef und sich der anderen gegenüber durch frischeres,
besseres Wachstum auszeichnete und dass der Unterschied noch immer
beobachtet w^erden könne".
Die Zuckerfabrik Greifenberg in Pommern schreibt unter dem
27. August 1904, dass „der Aufgang ein viel besserer und gleich-
massigerer gewesen sei als bei den übrigen Samen; auch war das erste
Wachstum der jungen Pflanzen ein freudigeres".
Die Zuckerfabrik Wolmirstedt teilt unter dem 12. September 1904
mit, dass „der geschälte Samen 3—4 Tage früher gekommen sei und
dass die Rüben diesen Vorsprung bis zum Eintritt der grossen Dürre
behalten hätten".
Die Zuckerfabrik Opalenitza (Posen) schreibt unter dem 3. Sep-
tember 1904, dass „der Aufgang des präparierten Samens einige Tage
früher erfolgte".
Die Standard Beet Öugar Co. in Leavitt (Vereinigte Staaten)
schreibt unter dem 14. August 1902, dass ,,der geschälte Samen so
hervorragend schön steht, dass der Unterschied gegen den ungeschälten
schon in bedeutender Entfernung auffällt: der Samen lief schneller auf,
und die Rüben standen dicker als die aus gewöhnlichem Samen. Es
scheint in der Tat vorteilhafter, diesen geschälten Samen den gewöhn-
lichen Sorten vorzuziehen."
Die Landwirtschaftliche Station mit bakteriologischem Laboratorium
des Departements zu Laon schreibt in dem Bericht über das Jahr 1903
über ,,Die Anwendung des geschälten Zuckerrübensamens" nach wört-
licher Übersetzung: ,, , so erscheint das Schälen des Rübensamens
Der Einflnss des Schälens von Rübensamen auf die Keimung. 197
von vornherein als ein sehr logisches Verfahren und als ebenso an-
gebracht, wie die Trennung des Getreides von seinen Hülsen vor der
Aussaat. Die Ausführung aber erschien bis vor kurzem als unmöglich,
und wir fragen uns heute noch, wie man dieses schwierige Problem
hat lösen können, ohne den Embryo zu beschädigen. Wir haben uns
leider keinerlei Aufklärungen über die Art und Weise des Schälverfahrens
beschaffen können, aber das steht fest, das Ziel ist erreicht Avorden.
Dieser geschälte Samen ist dunkel gefärbt. Das eigentliche Samenkorn,
der Kern, ist nicht völlig nackt, sondern ist noch von einer dünnen,
holzigen Schicht umschlossen. Der geschälte Samen ist fester und
kleiner als unpräparierter, sein Ausdrillen mit der Maschine ist sicherlich
viel leichter und muss regelmässiger erfolgen. Wir haben mehrere
Keimversuche gemacht; das Resultat derselben ist glänzend in Hin-
sicht auf die Schnelligkeit und Stärke der Keimkraft. Es ist wohl be-
greiflich, dass die Samenkörner, welche nun nicht mehr von einer groben
Hülle umgeben sind, viel schneller die Feuchtigkeit des Bodens auf-
nehmen und leichter aufgehen. Bei unseren Versuchen hat sich ein
Vorsprung von mehreren Tagen gezeigt. Es steht in der Tat völlig
fest, dass die Vorzüge die folgenden sind: 1. geringeres Volumen des
Samens, 2. leichteres und regelmässigeres Ausdrillen und Ersparnis an
Samen, 3. schnellerer Aufgang und 4. Entfernung der Parasiten-
keimlinge."
Aus diesem Jahre ging mir unter dem 18. Mai ein Schreiben des
Herrn Prof. Dr. Remy, Bonn, zu des Inhalts: ,,Beim Aufgang Ihres
Rübensamens zeigt sich in diesem Jahre eine ganz auffällige Überlegen-
heit der geschälten und desinfizierten Saat bei Sorte B. Es würde mich
interessieren zu hören, ob es sich in beiden Fällen um genau die gleiche
Saat handelt."
Ich glaube, hiermit den unanfechtbaren Beweis erbracht zu haben,
dass der geschälte und desinfizierte Samen in allen Boden- und khma-
tischen Verhältnissen bezüglich Aufgang und W^achstum in der ersten
Vegetationsperiode eine nicht unw^esentliche Überlegenheit über den unbe-
handelten Samen gezeigt hat.
Herr Rittergutsbesitzer Hinsch auf Lachmirowitz, welcher schon
früher unabhängig von mir und Herrn Prof. Linhart auf die Idee
gekommen war, den Rübensamen durch Abreiben schneller zum Keimen
zu bringen und seine diesbezüglichen Versuche mit einer zu diesem
Zwecke zurechtgemachten Kaffeemühle unternahm, ist der erste gewesen,
welcher Anbauversuche mit dem von mir hergestellten geschälten und
desinfizierten Rttbensamen in grösserem Massstabe unternahm. Derselbe
'bzw. die unter seiner Mitverwaltung stehende Zuckerfabrik Montwy
J98 ^- Kühle.
baut seit dieser Zeit geschälten und desinfizierten Samen in grossem
Massstabe, Wie mir Herr Hinsch und ebenso auch Herr Direktor
Baude-Montwy, die von allen Praktikern bezüglich des geschälten
Samens die meisten Erfahrungen haben, verschiedentlich mitteilten,
•war der geschälte und desinfizierte Samen dem ungeschälten stets
überlegen. Genannte Herren bezeichneten den Anbau desselben auf
solchen Bodenarten, auf denen das Unkraut leicht emporschiesst, geradezu
als eine Notwendigkeit vom landwirtschaftlich-technischen Standpunkt
aus, Icli möchte nicht unterlassen, an dieser Stelle auf die Verdienste
hinzuweisen, welche Herr Hinsch und Herr Direktor Baude-Montwy
um die Fortschritte des Schälverfahrens besitzen, und den genannten
Herren für die tatkräftige Unterstützung, welche sie meinen Bestrebungen
auf diesem Gebiete haben angedeihen lassen, meinen herzhchsten Dank
auszusprechen.
Dass es in landwirtschaftlich-technischer Hinsicht von grosser Be-
deutung ist, einen Samen zur Verfügung zu stellen, der schneller und
sicherer aufläuft, liegt ohne weiteres auf der Hand. Nicht nur kann
der Kampf gegen das Unkraut früher aufgenommen werden, auch das
Vereinzeln kann früher geschehen und der jungen Pflanze schneller
ein grösserer Ernährungsspielraum gegeben werden.
Dass auch die in der ersten Vegetationsperiode schneller und
freudiger wachsende Pflanze widerstandsfähiger den Angriffen tierischer
und pflanzlicher Feinde gegenüber wird, leuchtet ein. Der geschälte
und desinfizierte Samen dürfte daher wohl als ein geeignetes
Kampfmittel gegen Wurzelbrand anzusehen sein, so lange
man kein besseres hat.
Der hier und da erhobene Einwand, dass das Schälen und Des-
infizieren den Samen übermässig verteuere, ist vollständig hinfällig.
Zwar gehen beim Schälen ca. 25 % des Sameneigengewichtes verloren ;
der Verlust besteht jedoch nur in Ballastsubstanz. In 75 Pfund ge-
schälten Samens sind daher genau so viel Knäule enthalten wie in
100 Pfund des ungeschälten. Die Aussaat kann demnach einmal um diese
25 °/o und angesichts der erhöhten Keimziffer um mindestens weitere
5 °/'o, in Summa also um 30 °/o ermässigt werden. Wenn nun der Preis
für den geschälten Samen um 25 % erhöht wird, so ist diese Erhöhung,
wie aus dem eben Gesagten hervorgeht, nur eine scheinbare. Bei ver-
nünftiger Anwendung und sparsamer, zweckentsprechender Aussaat (es
genügen 8 — 10 Pfund pro Morgen gegenüber 15 — 18 Pfund des un-
geschälten) ist der geschälte und desinfizierte Samen billiger als der
ungeschälte. Für das Schälen und Desinfizieren berechnet meine Firma
nur die Selbstkosten in Höhe von 2,00 Mk, p. 50 kg.
Der Einfluss des Schälens von Fiübensamen auf die Keimung. 199
Ich komme nun zu dem von Hiltner und Peters erhobenen Ein-
wände, dass nämhch die beim Schälen in Staub zerfallende PerigonhüUe
sich in den Vertiefungen des Knäuels festsetze und dort in dieser Form
der Zersetzung »leichter zugänglich sei, die Zersetzungsprodukte, vorzugs-
weise Oxalate, aber den Keimling so schwächen, dass er nun den An-
griffen sonst harmloser Saprophyten (Schwächeparasiten) zugänglich
werde. Dass die Theorie der Einwirkung der Oxalate richtig ist. erscheint
nicht unwahrscheinlich; ich muss mich jedoch vorläufig des Urteils
hierüber noch enthalten, da unsere diesbezüglichen Versuche noch nicht
abgeschlossen sind. Das Eine habe ich jedoch festgestellt: Düngte ich
das sonst sterile Sandkeimbett mit 25 °/o der abgeschälten PerigonhüUe,
so erhielt ich bei Verwendung von geschältem und nicht desinfi-
zierten Samen:
nach 3 Tagen — Keime
„ 4 „ 5 „
„ 5 „ 12 „
6 „ 100 „
„ 14 ,, 175 ,, mit einem Gewichte von 5,665 g.
Nicht gekeimt hatten 16 Knäule, krank waren 52 Keime.
Es deckt sich dieser Befund mit den Angaben von Hiltner
und Peters.
Verwendete ich jedoch im gleichen, also mit 25 °/o Schälabfall
gedüngten Keimbette geschälten und desinfizierten Samen, so erhielt
ich bei einer Gesamtkeimziffer von 198 Keimen mit einem Gewichte
von 8,92 g nur 12 kranke Keime!
Ich behalte mir vor, die diesbezüglichen Versuche eingehender in
einer demnächst zu veröffentlichenden Arbeit zu behandeln; die vor-
stehende Mitteilungen sollen nur vorläufige sein.
Die schädigende Einwirkung der PerigonhüUe ist somit klar
bewiesen, und wenn es auch vorläufig unentschieden bleiben mag, ob die
Zersetzungsprodukte der Hülle oder die ihr anhaftenden Parasiten die Ur-
sache dieser Schädlichkeit bilden, so darf wohl nicht zuletzt nach den Fest-
stellungen von Hiltner und Peters die Forderung nach völliger Beseiti-
gung der so gefährlichen PerigonhüUe erhoben werden.
Hiltner und Peters haben zu ihren Versuchen geschälten Samen
verwendet, dessen PerigonhüUe zwischen Schmirgelpapier abgerieben
worden war. Da in ihrem Berichte nirgend eine Desinfektion des ab-
geriebenen Samens erwähnt wird, so muss ich annehmen, dass eine solche
nicht vorgenommen worden ist. Dass eine spätere Infektion des geschälten
und nicht desintizierten Samens leichter möglich ist als des ungeschälten,
habe ich schon im Jahre 1900 ausgesprochen. Um diese zu verhüten, habe
200 ^- Kühle, Der Einfluss des Schälens von Rübensanien auf die Keimung.
ich die Desinfektion dem Schälen folgen lassen und zwar mit gutem
Erfolge, Auch erscheint es mir bei der Art und Weise, wie die Manipulation
ausgeführt wurde, Ijegreiflich, wenn Hiltner-Peters zu der Ansicht
kommen, die in Staub zerfallende Perigonhülle setze sich in den Ver-
tiefungen und Pagen des Perikarpiums fest und sei dort der Zersetzung
leichter zugänglich.
Ich führe das Schälen in der Weise aus, dass schon während des
Schälprozesses der Perigonstaub in starkem Luftstrom abgesogen und
abgeführt wird. In unmittelbarem Anschluss an das Schäl verfahren
findet die Desinfektion statt und hiernach die vorsichtige Trocknung des
Samens, der nach der Desinfektion ca. 48 — 50 **/o Wasser enthält, also
genügend mit der desinfizierenden Flüssigkeit durchtränkt sein muss.
Hiltner-Peters hätten sich den zu den Versuchen erforderlichen
Samen nicht auf diesem primitiven Wege herzustellen brauchen; auf
Wunsch würde ich gern bereit gewesen sein, den Herren jedes ge-
wünschte Quantum des geschälten und desinfizierten Samens, wie er
von meiner Firma, der Rüben- und Getreidesamen-Züchterei Rittergut
Aderstedt, bereits in grossem Massstabe in den Handel gebracht wird,
zu überlassen. Nur an solchen in den Handel kommenden Samen war
meines Erachtens überhaupt der Wert oder Unwert des Schälverfahrens
zu erproben, und die Fehler wären auf diese Weise bei Ausführung der
diesbezüglichen Versuche unterblieben. An der sonst so wertvollen und
gründlichen Arbeit habe ich noch die chemischen Analysen der drei zum
Versuche benutzten Bodenarten vermisst ; diese hätten vielleicht wert-
volle Fingerzeige über die Ursachen des in gesundheitlicher Beziehung
verschiedenen Verhaltens der in Zähringer, Dahlemer und Winterbergs-
hofer Erde gewachsenen Keimlinge und Rüben geboten. Besonders die
Feststellung des Gehaltes an Kalk und Phosphorsäure wäre sehr inter-
essant gewesen.
Es sollte mich freuen, wenn die genannten Herren durch meine
Ausführungen veranlasst würden, ihre Arbeit auf die erwähnten Punkte
hin nochmals zu prüfen. Ich stehe ihnen jedenfalls mit meinen Er-
fahrungen auf diesem Gebiete und in jeder sonst gewünschten Weise
nach Kräften gern zur Verfügung.
Dass Herr Dr. Peters sich der Erforschung des noch so dunklen
Wurzelbrandes energisch zu widmen gedenkt, hat er in seiner neuesten,
sehr wertvollen Arbeit ,,Zur Kenntnis des W^urzelbrandes" bewiesen.
Eine endliche Klärung auf diesem Gebiete läge nicht zuletzt im Interesse
der deutschen Rübensamenzucht.
0. Appel, Über die Stellung der Pathologie bei der Samcnkontrolle etc. 201
Über die Stellung der Pathologie bei der Samenkontrolle
und den Anbauversuchen.
Voa
Reg. -Rat Dr. Otto Appel.
(Mit 2 Abbildungen.)
Bei dem ausserordentlichen Aufschwung, den die Pathologie im
letzten Jahrzehnt vor allem in der Erkenntnis der Ptlanzenkrankheiten,
aber auch in mancher Richtung der Bekämpfung genommen hat, ist es
auffallend, dass sie sowohl bei der Samenkontrolle als auch bei der
Anstellung von vergleichenden Ertragsversuchen nicht mehr Berück-
sichtigung findet als früher. In den offiziellen Normen für die Samen-
kontrolle ist das einzige Objekt aus dem Gebiete der Pflanzenkrankheiten,
dem sich die Aufmerksamkeit zuwendet, die Seide, und die Erörterungen
über ihr Vorkommen und über die Grundsätze für die Beurteilung seide-
haltiger Kleesaat nehmen sogar einen sehr breiten Raum in den Ver-
handlungen der Samenuntersuchungsanstalten ein. Neuerdings ist zwar
durch Li n hart der Versuch gemacht worden, auch eine Beurteilung
des Rübensamens unter Berücksichtigung der ihm anhaftenden Krank-
heitskeime herbeizuführen, aber es scheint mir, dass gerade dieses
Objekt besonders ungünstig war, um Gesichtspunkte der Pathologie zur
Geltung zu bringen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Krankheiten
des Rübenkeimlings, um die es sich dabei handelt, noch nicht genügend
erforscht sind, und dass man noch nicht sicher weiss, wie weit die
dafür verantwortlich gemachten Organismen auch wirklich pathogen
sind. Es scheint mir aber unerlässlich für das Verlangen
einer Berücksichtigung krankheitserregender Keime bei der
Samenkontrolle, dass die Pathogenität der betreffenden Or-
ganismen absolut sicher erwiesen ist und dass die Ver-
schleppung durch das Saatgut eine wesentliche Rolle beim
Auftreten der betreffenden Krankheit spielt.
Diese beiden Voraussetzungen treffen für den Brand unserer haupt-
sächlichsten Getreidearten vollständig zu. Ein Zweifel daran, dass die
Brandpilze die alleinige Ursache der Brandkrankheiten sind, dürfte
202 0. Appel.
nirgends vorhanden sein, und auch die Tatsache, dass diese Krankheiten
ausschliessUch durch das Saatgut verschleppt werden, ist ausreichend
festgestellt. ') Es fragt sich nun nur noch, welchen Vorteil die prak-
tische Landwirtschaft aus der Untersuchung des Saatgutes auf anhaftende
Brandsporen ziehen könnte.
Wenden wir uns zunächst dem Steinbrand zu, so finden wir zwar
in vielen kleineren Betrieben, namentlich Süddeutschlands, dass eine
ausreichende Bekämpfung des Steinbrandes nicht durchgeführt wird.
Anderseits wird besonders auf den grossen Gütern Norddeutschlands
alles Weizensaatgut gebeizt, gleichgültig, ob ihm Brand anhaftet oder
nicht. Die Einführung einer Saatgutbohandlung in den erstgenannten
Fällen wird vielfach damit abgelehnt, dass man ja nicht wisse, ob
Steinbrand vorhanden sei, und dass unter Umständen die mit der
Beizung verbundene ungünstige Einwirkung auf die Keimfähigkeit ganz
unnötigerweise herbeigeführt würde. Dasselbe Bedenken wird aber
auch dort erhoben, wo ständig gebeizt wird. Und es unterliegt gar
keinem Zweifel, dass eine Menge Geld und Arbeitskraft gespart werden
könnte, wenn man völlig brandfreies Getreide unbehandelt zur Aussaat
brächte.
In der Entwickelung unserer Bekämpfungsmittel lag zweifellos die
Berechtigung, zunächst anzustreben, dass aller Weizen vor der Aussaat
gebeizt wird. Denn erstlich war der Brand fast überall verbreitet und
auch später wusste man zunächst nicht, ob man freies oder infiziertes
Saatgut vor sich hatte. Bei dem allmählichen Seltnerwerden des Brandes
ist nach dieser Methode ein Beizen völlig gesunden Saatguts sehr häufig
geworden. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, dass die Sorgfalt bei
der Ausführung dieser Arbeiten nachgelassen hat, und weiter, dass die
Sicherheit der Wirkung scheinbar ungleichmässig ist. Denn überall da,
wo kein Brand ist. wird auch die schlecht durchgeführte ßeizung wirken.
Bei einem wirklich starken Befall aber versagt dann jede nicht sorg-
fältig ausgeführte Arbeit.
Alle diese Verhältnisse werden sofort klarer, w^enn man weiss, ob
ein Saatgut bratidhaltig ist oder nicht, man wird dann nicht mehr das
Beizen als einfache Gewohnheitsarbeit betrachten, bei der es nicht so
genau darauf ankommt, wie sie ausgeführt wird, sondern man wird sie
nur anwenden, wenn eine wirklich vorhandene Gefahr zu beseitigen ist.
Dann aber wird man sich bewusst sein, dass von der richtigen Aus-
') Siehe Appel und Gassner, Der derzeitige Stand unserer Kenntnisse
von den Flugbrandarten des Getreides und ein neuer Apparat zur einfachen
Durchführung der Heisswasserbehandlung des Saatgutes. Mitteilungen aus
der Kaiserl. Biolog. Anstalt. Heft 3. Berlin (P. Parej) 1907.
über die Stellung d. Pathologie bei d. Samenkontrolle u. d. Anbauversuchen. 203
führung der Erfolg abhängt. Auch bei ganz stark verbrandetem Saat-
gut aber ist ein voller Erfolg möglich, und ich gehe sogar so weit, zu
behaupten, dass das Vorhandensein einer Anzahl von Steinbrandähren in
einem Felde ein Beweis dafür ist, dass infiziertes Saatgut verwendet und
eine Beizung nicht oder nicht ordnungsgemäss ausgeführt worden ist.
Es entsteht nun die Frage, ob ein Nachweis des Vorhandenseins
von Brandsporen im Saatgut mit Sicherheit zu führen ist, und ich ant-
worte darauf mit „ja". Schon in dem von mir bearbeiteten Flugblatt
über den Steinbrand des Weizens') habe ich eine Methode angegeben zur
Prüfung des Weizens auf Steinbrandsporen. Sie besteht darin, dass
man eine gewisse Menge Samenkörner in einem langhalsigen Kolben
oder einem anderen entsprechenden Gerät mit Wasser übergiesst und
kräftig ausschüttelt. Da ein Teil der Brandsporen beim nachherigen
Stehenlassen aufsteigt, so kann man durch eine einfache mikroskopische
Untersuchung leicht den Nachweis von ihrem Vorhandensein bringen.
Für den Gebrauch des Praktikers genügt diese Methode im allgemeinen,
und sie hat sich auch schon da und dort eingeführt, besonders im An-
schluss an mikroskopische Untersuchungen in der Betriebskontrolle der
Gärungsgewerbe. Noch ist aber das Mikroskop in der Landwirtschaft
nicht allgemein eingeführt, und deshalb ist es wohl natürlich, dass
der Landwirt mit der Forderung solcher Untersuchungen an die Samen-
untersuchungsanstalten herantritt, und es wäre zweifellos wünschenswert,
•dass eine einheitliche Norm aufgestellt würde, nach der überall der
Brandnachweis geführt wird.
Um dies zu können, habe ich eine Reihe von Versuchen ausge-
führt, die die Zuverlässigkeit der Ausschüttelmethode dartun. Zunächst
wurden 100 Gramm eines brandfreien Weizens mit 0,1 Gramm Stein-
brandsporen gut vermischt und 20 Gramm in einem Reagenzglas mit
Wasser Übergossen und ausgeschüttelt. Die überstehende Flüssigkeit
war trübe und wimmelte von Sporen. Auch bei einer Vermischung
von 500 Gramm und 1000 Gramm Weizen mit je 0,1 Gramm Steinbrand-
sporen war die Flüssigkeit noch deutlich trübe und auch der Unterschied
liess sich in der Färbung erkennen. Erst bei 1000 Gramm Weizen mit
0,01 g blieb das Wasser fast klar; mikroskopisch Hessen sich aber
noch deutlich Brandsporen nachweisen. Vergleicht man die Quantität,
so entspricht 0,01 g etwa dem Inhalte eines einzelnen Brandkornes.
Als Mittel aus zahlreichen Wägungen hat sich als Gewicht eines solchen
0,0185 g ergeben, wovon auf die Hülle etwa 0,006 g entfällt, so
dass für den Inhalt allein etwa 0,0125 g verbleibt. Unter natürlichen
') Flugblatt No. 6 der Kaiserl. Biol. Anstalt.
204 O. Appel.
Verhältnissen kann man ungefähr 35 solcher Hraniikörner auf eine
Ähre rechnen. Diese 35 Körner würden aber nach obigem 0,4375 g
Sporen enthalten, und damit könnte man 43,75 Kilo Weizen so infizieren,
dass der Nachweis durch Ausschütteln noch sicher möglich ist. Diese
Körnermenge entspricht ungefähr dem Inhalt von 22000 Ähren; es
lässt sich also mit dieser einfachen Schüttelmethode ein Brandbefall von
1 : 22000 nachweisen. Dieser Prozentsatz hat auf den Ertrag keinerlei
Einfluss, ja er ist so gering, dass er wohl in sehr vielen Fällen gänzlich
übersehen wird.
Es lag nun aber nahe, den Versuch zu machen, die Methode noch
zu verbessern. Dies gelang auch unter Zuhilfenahme der Zentrifuge')-
Schüttelt man eine Probe Weizen, von dem lOU Gramm mit 0,1 Gramm
Steinbrand gemischt waren und an dem äusserlich eine Infektion noch
nicht wahrnehmbar ist, aus und zentrifugiert dann, so erhält man ein
braunschwarzes Sediment. Dasselbe war noch hellbraun bei 0,1 Gramm
Brand auf 1000 Gramm Weizen, und es war kaum nötig, erst mikro-
skopisch zu untersuchen. Bei einer Mischung von 0,01 zu 1000 er-
gab sich ein weissliches Sediment, das hauptsächlich aus Stärkekörnern
bestand, zwischen denen noch zahlreiche Sporen vorhanden waren.
Selbst bei 0,001 und 0,0001 g im Kilo Weizen waren noch Brandsporen
ganz unzweifelhaft und in jedem Präparat aus dem Sediment nachzu-
weisen. Legen wir einer Berechnung die obigen Zahlen zugrunde, so
entspricht dies einem Nachweis von 1:2200000 Ähren oder bei einem
Ertrag von 12 Zentner pro Morgen auf die Fläche berechnet von einer
Ähre in 3,6 Morgen.
Damit hat aber d er Nachweis eine Sicherheit erlangt, die
der Feldbesichtigung weit überlegen ist, denn solche minimalen
Brandmengen, wie sie ein zehntausendstel Gramm im Kilo
Weizen darstellen, können auf dem Felde nicht exakt nach-
gewiesen werden.
Man könnte nun einwenden, dass die künstlich zugemischten
Sporenmassen leichter sich ausschütteln lassen als die natürlich an-
haftenden. ]^]s ist dies zwar unwahrscheinlich, weil beim Steinbrand
die Sporen erst beim Erdrusch frei werden und ausstäubend sich auf
die Körner ablagern, ein Vorgang, der ganz dem Überstäuben und
Anschütteln bei künstlicher Infektion entspricht. Trotzdem wurden eine
Anzahl Proben untersucht, die von besichtigten Feldern stammten, und
1) Es genügt liierzu eine kleine Handzentrifuge, wie solche in Laboratorien
allgemein verwendet werden.
über die Stellung d. Pathologie bei d. Samenkontrolle u. d. Anbau versuchen. 205
das Ergebnis war der Nachweis von Brand auch in mehreren Proben,
die ausdrücklich als brandfrei bezeichnet waren.
Für den Steinbrand sind hiermit die Verhältnisse, die zu seinem
Nachweis führen, klargelegt. Es fragt sich nun, wie steht es mit den
anderen Brandarten. Bis jetzt sind diese alle dem Rteinbrand gegenüber
arg vernachlässigt worden. Es kommt dies daher, dass ihre Biologie
nicht so gut bekannt, war und dass sie mit weniger Regelmässigkeit auf-
treten. Welche Umstände dies bedingen und welche äusseren Einflüsse
dabei in Frage kommen, habe ich mit Gassner vor kurzem dargelegt.^)
Der Nachweis vonRoggenstengelbrand( üroc/jsiis occulta) dürfte
sich ebenso gestalten wie der des Steinbrandes. Beim Hartbrand
der Gerste (Ustüago Jensenii) und dem gedeckten Haferbrand
( Z7. levis) liegt die Sache ebenfalls ähnhch, trotzdem wir es hier mit
bespelzten Getreidearten zu tun haben. Auch die Sporen dieser Pilze
werden mit dem Drusch verstäubt und haften den Körnern äusserlich
an, so dass ein Abschütteln möglich ist.
Etwas anders liegt der Fall bei dem Haferflugbrand. Ustüago
avenae stäubt schon während der Blüte, und die Sporen kommen da-
durch nicht nur äusserlich an die Spelzen sondern auch zwischen die-
selben. Die allenfalls aussen anhaftenden Sporen werden zum grössten Teil
durch Regen und Wind entfernt. Trotzdem aber gelingt es mit Ausschütteln
und Zentrifugieren bei einigermassen nennenswertem Brandgehalt, diesen
nachzuweisen. Eine andere Art des Nachweises besteht darin, dass man
eine Anzahl Körner auf das Vorhandensein von Flugbrandsporen unter-
sucht. Man findet sie unschwer gewöhnlich in Mehrzahl zusammen an
der Oberfläche des entspelzten Kornes, und man kann mit nicht allzu
grossem Zeitaufwand eine grosse Anzahl auf diese Weise untersuchen.
Bei den bisher genannten Brandarten tritt eine Keimlingsinf ektion
ein, d. h. die äusserhch anhaftenden Sporen treiben in der feuchten
Umgebung des Bodens ihre Keimschläuche aus und wachsen je nach
ihrer Art direkt oder nach Bildung einer Konidienzwischenform in die
junge Keimpflanze hinein.
Bei den beiden noch übrig bleibenden Arten, nämlich
Ustüago tritici und U. hordei, findet eine Blüteninfektion statt,
so dass das Saatkorn den Brand schon innerlich enthält. Der Nach-
weis dieses im Innern des Keimlings vorhandenen Mycels ist ver-
hältnismässig schwierig und zeitraubend. Es müssen die zu unter-
suchenden Körner eingebettet, geschnitten und gefärbt werden. Wollte
man auf diese Art den Gehalt eines Saatgutes an Flugbrand feststellen,
1) I. c.
206 O- ^PPel-
so würden 100 — 200 Körner zu untersuchen sein, eine Arbeit, die die
meisten Samenuntersuchungsanstalten wegen Alangel an botanisch ge-
schulten Kräften zurzeit wenigstens kaum durchführen können. Aber
auch in dieser Beziehung gibt die Ausschüttelmethode, besonders ))eim
^¥eizen, gute Anhaltspunkte, und man kann wenigstens stark Flugbrand
haltiges Material als solches erkennen. Dieses ist aber hier von be-
sonderer Wichtigkeit, da ja die bei allen anderen Brandarten zuverlässige
Saatgutbehandlung bei Weizen- und Gerstenflugbrand versagt. Durch
einen rechtzeitigen Nachweis könnte aber mancher Landwirt vor dem
Anbau von Saatgut bewahrt werden, das ihm unvermeidlich Schaden
bringen muss.
Ein anderes Beispiel für die Zweckmässigkeit einer Untersuchung
von Saatgut auf Krankheitskeime bietet die Kartoffel. Gerade in den
letzten Jahren haben sich zwei Krankheiten bemerkbar gemacht, die
sich zweifellos durch die Legekartoffeln vererben. Es sind dies die
B akterienringkrankheit und die Blattrollkrankheit. Über beide habe
ich in dem letzten Hefte dieser Berichte bereits eine kurze Mitteilung ge-
macht. Bei der Ringkrankheit sind die Gefässe der Knollen stark gebräunt,
bei der Blattrollkrankheit dagegen nur gelb verfärbt. In ausgeprägten
Fällen wird der Landwirt selbst erkennen können, dass es sich hier um
kranke Kartoffeln handelt und bei Neuanschaffung von Saatgut sich
durch Aufschneiden einer grösseren Anzahl von ihrem Zustande über-
zeugen. Aber vielfach würde er gern diese Arbeit der grösseren Sicher-
heit wegen in einer Versuchsstation, die wohl hier eher kompetent wäre
als eine Samen Untersuchungsanstalt, vornehmen lassen. Von Sachver-
ständigen würden auch die weniger augenfälligen Fälle leicht aufgefunden
werden können. Der Nachweis würde dann nicht nur durch die ein-
fache Inaugenscheinnahme zu führen sein, sondern am besten auf kul-
turellem Wege. Schneidet man nämlich aus den verfärbten Gefäss-
bündeln mit dem umliegenden Gewebe Stückchen so heraus, dass man eine
Infektion vermeidet, und bringt diese in einem Reagenszylinder auf ein
Stückchen sterihsierte Kartoffel, so wachsen innerhalb weniger Tage
Bakterien oder Pilze aus den erkrankten Gewebeteilen heraus. Ein
einfaches Feuchtlegen genügt hierzu nicht, es hängt dies damit . zu-
sammen, dass die Organismen an vielen Stellen sehr spärlich vorhanden
sind und die Oberfläche sich rasch abschliesst. Deshalb ist auch der
mikroskopische Nachweis oft nur sehr schwer zu erbringen. Das Kultur-
verfahren aber ersetzt die andere Methode vollkommen, und eine solche
Untersuchung nimmt nicht mehr als 4 — 5 Tage in Anspruch.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen in dieser Beziehung auch die
Leguminosensamen. Es ist ganz auffallend, wie viel kranke Samen
über die Stellung d. Pathologie bei d. Samenkontrolle u. d. Anbauversuchen. 207
von Lupinen und Vicia Faba in den Handel kommen. Zwar sind sie
häufig nur mit dunklen Flecken besetzt, und ihre Keimlinge kommen bei
einer Keimprobe ganz normal zum Vorschein. Aber wenn man die
Vegetation solcher Pflanzen weiter verfolgt, so findet man, dass ein
grosser Teil derselben vorzeitig eingeht. Als einen hauptsächlichen Erreger
derartiger Erscheinungen fand ich eine jP^^armm- Art. Deutlicher ist das Bild
beim Kleesamen. Zu verschiedenen Malen erhielt ich solchen, dessen Aussaat
nach dem Bericht der Einsender nur wenige Pflanzen ergeben hatte,
Abb 1.
Kleesamen im Keimbett von Fusarium überzogen.
und Keimproben ergaben, dass die meisten Samen, noch ehe sie das
Würzelchen heraustrieben, von Pusariuramycel wie von Piöckchen
überdeckt wurden (Abb. 1). Auch in Erde waren nur etwa 8°/o gesunder
Pflanzen zu erzielen. Der Pilz, der reichUch Mikro- und Makrokonidien
ausbildete, behielt auch seine Pathogenität in künstlicher Kultur. Ge-
sunder Kleesamen, mit Konidien infiziert, ergab keinen einzigen gesunden
Keimling. Wie sich das Aufgehen bei Topfaussaat gestaltete, zeigt
das folgende Bild (Abb. 2).
Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass es für Kleesamen
pathogene Fusarien gibt. An anderer Stelle werde ich noch ausführ-
208
0. Appel.
lieber zeigen, dass es sicli dabei nicht um eine einzelne scharfum-
scbriebone Art handelt, sondern dass verschiedene Formen in derselben
Weise auftreten. Dies schliesst natürlich nicht aus, dass es auch mehr
oder weniger harmlose Bewohner von Leguminosensamen in dieser
Pilzgattung gibt. Einen solchen scheint Behrens') bei seinen Ver-
suchen gehabt zu haben.
Ein derartig heftiger Angriff würde natürlich auch bei einer nach
unseren heutigen Methoden ausgeführton Samenkontrolle nicht über-
sehen werden, da ja die Keimfähigkeit direkt zerstört ist. Aber
dieselben Pilze greifen auch grosse Leguminosensamen an, und bei
diesen ist dann der Krankhoitsverlauf ein mehr chronischer, Zu-
Abb. 2.
Links Aussaat von gesunden Kleesamen, rechts Samen vorher mit Fusarium-
Konidien infiziert.
nächst werden die Gewebeteile, die in der Nähe der Angriffsstelle
liegen, vom Mycel durchwuchert; allmählich schreitet dasselbe immer
weiter fort, bis es die Kotyledonen zerstört hat. Inzwischen ist aber
die Keimung längst ohne Störung vor sich gegangen, und die Pflanze
hat sich normal weiter entwickelt. Früher oder später aber, je nach den
äusseren Verhältnissen, tritt das Mycel in den Stengel ein und fängt an,
den basalen Teil desselben zu zerstören. Das Ende ist dann ein scheinbar
plötzliches Abwelken der Pflanze. Beschleunigend auf diesen ganzen
Prozess wirken die Faktoren, die eine langsame p]ntwickelung der
Pflanze in der Jugend veranlassen, wie dies z. B. Trockenheit bald
•) Behrens, Bericht der Grossherzogl. Bad. landwirtschaftl. Versuchs-
anstalt Augustenberg 1904 (ersch. 1905).
über die Stellung d. Pathologie bei d. Samenkontrolle u. d. Anbauversuchen. 209
nach der Aussaat oder Bodenverkrustung tun. Besonders günstige
Verhältnisse können allerdings auch ein Ausheilen zur Folge haben.
Dies tritt dann ein, wenn das Wachstum so gefördert wird, dass der
Pilz den Stengel erst sehr spät erreicht, oder wenn die Lebensbedingungen
für den Pilz ungünstig werden.
Es gibt noch eine ganze Reihe von Krankheiten, die wahrscheinlich
durch das Saatgut verschleppt werden und mit deren Nachweis man
der Landwirtschaft grosse Dienste leisten könnte, ich erinnere nur an
den Kleekrebs, an Helminthosporium u. a. m.
Man sollte sich nicht darauf berufen, dass das Verlangen nach
solchen Untersuchungen verhältnismässig selten gestellt wird, sondern
vielmehr sollten die Pathologen eine besondere Aufmerksamkeit der Auf-
findung der Verbreitungsarten widmen und in Verbindung mit Samen-
untersuchungsanstalten und Versuchsstationen Methoden für den Nach-
weis von Krankheitserregern an Samen und anderen Vermehrungsorganen
ausarbeiten.
Will man das in richtiger Weise durchführen, so wird es freilich
nötig sein, die Zahl der in den erwähnten Anstalten zurzeit noch sehr
spärlich vertretenen Botaniker zu erhöhen.
Bei den Krankheiten, die bei der Samenkontrolle berücksichtigt
werden sollten, handelt es sich um solche, die genau bekannt sind.
Bei den Sortenversuchen, bei denen vielfach die Pathologie höchst stief-
mütterlich bedacht wird, sind vor allen Dingen diejenigen Krankheiten
zu berücksichtigen, die weniger bekannt sind. Eigentlich sollte es als
selbstverständlich angesehen werden, dass z, B. bei Getreideversuchen
etwaiges Auftreten von Brand und Rost berücksichtigt wird. Dagegen
kann man nicht von jedem Versuchsansteller verlangen, dass er genau
über die Wirkung und die Art der Fusskrankheiten und anderer
weniger bekannter Erscheinungen orientiert ist. Jn der Tat werden
gerade die weniger bekannten Krankheiten oft übersehen oder doch
bei der Zusammenstellung der Ergebnisse nicht genügend berück-
sichtigt. Es ist mir schon der Einwand gemacht worden, dass
es gleichgültig sei, durch welche Faktoren die eine Sorte gegenüber
einer anderen zurückstehe. Sei dies infolge einer Krankheit der Fall,
so sei eben die Disposition hierzu ein für die Sorte ungünstiges Moment.
Dieser Schluss ist jedoch in sehr vielen Fällen nicht richtig, denn den
Krankheitskeim kann die eine Sorte schon mitgebracht haben, und es
ist also möglich, dass die freibleibende Sorte nur deswegen gesund war,
weil für sie die Infektionsmögüchkeit fehlte. Dispositionsfragen lassen
sich aber nicht nebenbei bei Sortenprüfungsfragen erledigen. Dagegen
Jrthiesbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 14:
210 ^- Appel, Über die Stellung der Pathologie bei der Sanienkontrolle etc.
können die Beobachtungen bei solchen verwertbares Material für die
Fragen der Pathologie liefern. Wie bei Getreide, geht es aber noch mehr bei
4en Hülsenfrüchten, deren Krankheiten im allgemeinen noch wenig be-
kannt sind, und die letzten Jahre beweisen die Gültigkeit meiner Aifs-
führung auch für die Kartoffeln.
Wenn ich hier cVUSschliessUch Pilzkrankheiten als Beispiele ange-
führt habe, so soll damit natürlich nicht gesagt sein, dass diese besonders
berücksichtigt werden müssen, vielmehr gilt dasselbe für Beschädigungen
durch Tiere. Auch bei diesen wird im allgemeinen bei Anstellung von
vergleichenden Versuchen ganz besonders auf dip weniger auffälligen
Erscheinungen zu achten sein.
Passe ich das Ganze zusammen, so erscheint es mir berechtigt,
fplgende Forderungen zu erheben:
In den Samenuntersuchungsanstalten ist d^für zu sorgen,
^ass, zunächst wenigstens auf besonderen Wunsph, ein Urteil über
die den Samen anhaftenden Keime bestimmter Krankheiten
abgegeben werden kann. (Für Kartoffeln würde diese Untersuchung
den Versuchsstationen zufallen.)
Bei vergleichenden Anbauversuchen ist mehr wie bisher
den Krankheitserscheinungen Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die Beobachtungen in dieser Richtung sind den Veröffent-
lic^iungen über die Ergebnisse (^er Versuche beizufügen.
Einige Tage, nachdem ich diesen Vortrag auf der Versammlung
in Hamburg gehalten hatte, erhielt ich Heft 9 der Praktischen Blätter
für Pflanzenbau und Pflanzenschutz. In diesem findet sich auf der ersten
Seite als Mitteilung d.K. Agrikulturbotanischen Anstalt in München eineAuf-
forderung zvim Kampfe gegen den Steinbrand des Weizpns. In dieser heisst
es: „Da aber mit der Möghchkeit gerechnet werden muss, dass auch vqr^
auswärts bezogenes Saatgut brandig ist, so wolle man in Zweifelst'älleii
kleine Proben von etwa 100 g des Weizens an die Anstalt schickpn,
ilie eine unentgeltliche Untersuchung darüber vornehmen wird, ob a,T\
den Körnern Brand vorkommt bzw. ob eine Beizung notwendig ist."
In dieser Veröffentlichung, die unabhängig von meinem Vortrag erfolgt
ist, sehe ich eine Bestätigung dafür, da'ss meine Anschauungen nicht
vereinzelt dastehen, und es ist nur zu hoffen, dass diese Anregungen
recht bald und vielseitig durchgeführt werden.
Zweiter Teil.
Verhandlungen
der
I. internationalen Konferenz für Samenprüfung
zu Hamburg
vom
ID.— 14. September 1906.
i-^^-
Erste internationale Konferenz für Samenprüfung
zu Hamburg vom 10.— 14. September 1906.
Aul dem IL internationalen Botanikerkongress in Wien im Früh-
jahr 1905 fand auf Anregung des Direktors der k. k. landwirtschaftlich-
botanischen Versuchs- und Samenkontrollstation in Wien Herrn Hofrat
Dr. Ritter von Weinzierl eine Zusammenkunft der Vertreter der Agri-
kulturbotanik statt mit dem ausgesprochenen Zweck, die Methoden
und Normen der Samenkontrolle einer internationalen Besprechung
zu unterwerfen und gegebenenfalls eine einheitliche Handhabung anzu-
bahnen.
Andere Aufgaben des Kongresses hinderten aber eine weitere Ver-
folgung der Anregung in Wien. Es wurde daher beschlossen, zum
Herbst 1906 eine besondere internationale Konferenz für Samenprüfung
nach Hamburg zu berufen und sie der Tagung der Vereinigung für
angewandte Botanik anzuschliessen.
Mit den Vorarbeiten für diese Konferenz wurde ein Ausschuss be-
traut, bestehend aus den Herren E, Brown, Botanist in Charge U. S.
Department of Agriculture, Washington, F. F. Bruijning jr., Direktor
der Rijksproefstation voor Zaadcontrole zu Wageningen-Holland, Regierungs-
rat Dr. Hiltner, Direktor der Agrikulturbotanischen Anstalt zu München,
Prof. Dr. A. Voigt, Vorstand der Abteilung für Samenkontrolle an den
Botanischen Staatsinstituten zu Hamburg, Hofrat Dr. Th. Ritter von
Weinzierl, Direktor der k. k. Landwirtschaftlich-botanischen Versuchs-
und Samenkontrollstation in Wien.
Den Vorsitz übernahm Direktor Bruijning jr.- Wageningen, die
Geschäftsführung Professor Voigt- Hamburg.
Die Aufgaben der Konferenz sollten in erster Linie sein:
I. Die schon bestehenden Beziehungen unier den Instituten der
einzelnen Staaten zu fördern und im Interesse des internationalen
Saatenverkehrs und der produzierenden und konsumierenden
Landwirtschaft auszubauen, und
214 Verhandlungen der 1. intei'nationalen Konferenz für Sainenprüfung.
11. durch Besprechung der wissenschaftlichen Grundlagen für die
Arbeiten dieser von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnenden
Laboratorien nach und nach zu einheitlichen Grundsätzen für
die Methoden und Normen der Samenprüfungen zu gelangen.
Durch das bereitwillige Entgegenkommen des Chefs der hambur-
gischen Unterrichtsverwaltung, Sektion für die wissenschaftlichen An-
stalten, Herrn Senator Dr. W. von Melle, sowie teilweise durch die gütige
Vermittelung des Vorstandes der Senatskommission für die Reichs- und
auswärtigen Angelegenheiten, Sr. Magnifizenz Herrn Bürgermeister
Dr. Burchard, ist es dann gelungen, die Entsendung offizieller
Vertreter aus den meisten an der vorliegenden Frage interessierten
Staaten zu erreichen.
Es nahmen an den Beratungen teil für Dänemark Direktor Dorph
Peters fen-Kopenhagen, für Norwegen Direktor Olaf Qv am -Kristiania,
für Schweden Direktor J. Widen-0rebro, für Russland Prof. Dr.
B. Issatschensko - St. Petersburg, für Österreich Hofrat Dr. Ritter
von Wein zierl -Wien, für Ungarn Dr. A. von De gen -Budapest, für die
Schweiz Direktor Dr. P. G. Stehler- Zürich, für England Dr. Güssow
von der Royal Agricultural Society-London. Die Vertretung der argen-
tinischen Republik war von dem dortigen Ackerbau ministerium Prof. Dr.
A. Voigt-Hamburg übertragen worden. Die Vertreter der Vereinigten
Staaten von Nordamerika, Frankreich und Holland waren im letzten
Augenblick verhindert. Der Bevollmächtigte Italiens erhielt die mini-
sterielle Ermächtigung zur Teilnahme an der Konferenz leider erst am
letzten Tage derselben.
Die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft war vertreten durch Dr.
Paul Hillmann-Berlin und Prof. Dr. H. Rodewald-Kiel, der Verband
landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche durch Geh.
Ökonomierat Prof. Dr. Heinrich- Rostock und Prof. Dr. Edler -Jena,
Bayern durch Regierungsrat Dr. L. Hiltner-München, Württemberg durch
Prof. Dr. 0. Kir ebner- Hohenheim, Sachsen durch Dr. J. Simon -Dresden.
Die Vereinigung der Samenhändler Deutschlands hatte Dr. Th.
Waage-Berlin zur Teilnahme entsendet, die Samenhändler Österreichs
Herrn Fanta-Prag. Der Verein der am Samenhandel interessierten
Firmen Hamburgs war durch seinen Vorsitzenden Herrn Blumenau-
Hamburg vertreten, der Verein in Stettin durch Dr. Waage.
Ausserdem waren zu der Konferenz erschienen Dr. A. Atterberg-
Kalmar, Mag. sc. A. Didrichsen-Kopenhagen, Geh. Hofrat Prof. Dr.
Drude-Dresden, Dr. S. Prankfurt-Kiew, E. M. Holmes-London, Prof.
Dr. Johnson-Dublin, 0. KamberSky-Troppau, Prof. Dr. W. Krüger-
J^ernburg, L. Kühle -Gunsleben, Landtbruksinspectören A. Lyttkens-
Verhandlungen der t. internationalen Könfferenz für Sämehprhfürig. 215
Stockholm, Dr. Raatz-Kl. Wanzleben, Dr. P Schumann -Halle, Prot.
V. Stöhr-Prerau, Dr. J. von Szyszylowicz-Lemberg, Prof. J. Vanha-
Briinn, E. Vitek-Präg, Prof. Dr. E. Zacharias-Hamburg.
Um den geplanten Arbeiten dieser ersten Konferenz die nötigen
unterlagen zu schafTen, waren für die einzelnen Beratungsgegenstände
einleitende Referate erwünscht. Diese wurden von folgenden Herren
bereitwilligst übernommen :
F. F. Bruijning jr. -Wageningen: Keimprüfungen,
A. von De gen -Budapest: Kleeseide,
H. Rodewald-Kiel: Reinheifcsanalysen,
F. G. Stebl er- Zürich: Herkunftsbestimmüngen,
Th. V. Weinzierl-Wien: Rübensamen.
Für den in letzter Stünde verhinderten Direktor Bruijning über-
nahm in Uebenswürdigster Weise Herr Direktor Hiltner- München das
Referat über die Keimpirüfungen.
In den nachstehenden Sitzungsprotokollen sind die obigen Referate
mit den daran anschliessenden Diskussionen im Wortlaut wied(?rgegeben.
Als Ergebnis dieser ersten Konferenz konnten bindende Beschlüsse
der Natur der Sache nach nicht erwartet werden. Die Verhältnisse
liegen in den einzelnen Ländern und Staaten zu verschieden. Für
manche bestehen bereits gesetzliche Vorschriften für die Samenprüfüng,
in anderen Ländern gibt es für eine Reihe von Stationen Verbandsvor-
schriften, die beide nicht ohne weiteres geändert werden können.
Trotzdem haben die Verhandlungen einen sehr befriedigenden und
für die wirtschaftUche Förderung der Samenkontrolle äusserst anregenden
Verlauf genommen.
Li der Seide frage sind von dem Herrn Referenten eine Anzahl
Fragen aufgestellt worden, die auf dem Wege der Umfrage sämtlichen
Stationen sowie den Verbänden der Samenhändler zur Beantwortung
vorgelegt werden sollen.
Desgleichen wurde eine Eingabe an die in Betracht kommenden
Regierungen beschlossen, die erneut auf die Schädlichkeit und Gefähr-
lichkeit der Kleeseide hinweisen und eine energische Bekämpfung dieses
Unkrauts erbitten soll.
Für die Untersuchungen auf Kleeseide selbst ist die Notwendigkeit
einer einheitlichen Festsetzung der zu prüfenden Saatmenge und die
Zulassung einer Fehlerlatitüde für die Untersuchung im Prinzip an-
erkannt worden.
Die Wertbestimmung der Rübensamen nach den auf Grund
eingehender Untersuchungen festgesetzten neuen Wiener Normen soll
den Fachgenossen zur Begutachtung und Äusserung vorgelegt werden;
216 Verhandinngen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
desgleichen ein ausführlicher Vorschlag der Pariser Station über Ab-
änderung der für die Rübensamen üblichen Normen.
Hinsichtlich der Reinheitsanalysen hat sich die grössere Anzahl
der Teilnehmer für die Beibehaltung der bisher üblichen Zählmethode
erklärt.
Die Fragen über den Einfluss des Lichtes auf die Keimung der
Samen sollen den Pachgenossen zur weiteren Prüfung empfohlen und
ihre Ansichten und Resultate vom Ausschuss gesammelt werden.
Das Studium der Unkräuter und ihrer Samen soll mr)glichst ge-
fördert, Beobachtungen in den einzelnen Produktions- und Anbaugebieten
gesammelt und neue Funde möglichst durch die gefundenen Exemplare
oder durch die aus den Samen erzogenen Pflanzen belegt werden. Die
Station in Zürich hat sich bereit erklärt, Mitteilungen über diese Frage
entgegenzunehmen und zu verarbeiten.
Eine ausführlich begründete und in dem Jahresbericht der Ver-
einigung für angewandte Botanik niedergelegte Arbeit von Prof. Van ha
über die Bewertung der Braugerste soll ebenfalls in ihren Schluss-
folgerungen der Beurteilung der Fachgenossen empfohlen werden.
Die Bearbeitung der Verhandlungen dieser ersten internationalen
Konferenz für Samenprüfung und die Ausführung der Resolutionen wurde
dem bestehenden Ausschuss übertragen und ihm anheimgegeben, nach
Erledigung dieser Aufträge einen zweiten Kongress anzuberaumen.
Der Ausschuss für die internationale Konferenz
für Samenprüfung, Hamburg 1906.
I. A.:
A. Voigt- Hamburg.
Sonntag, den 9. September 1906,
vormittags 11 Uhr.
Vorbesprechung im Botanischen Museum.
Anwesend: Dorph Petersen - Kopenhagen, Heinrich - Rostock,
Johnson-Dublin, Qv am -Kristiania, Stebler-Zürich, Voigt -Hamburg,
von Weinzierl-Wien, Widen-0rebro, Zacharias-Hamburg.
In dieser Sitzung wurde der Arbeitsplan für die Konferenz fest-
gesetzt.
Verhandlangen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.' 217
Sitzung am Montag, den 10. September 1906,
vormittags 10 Uhr, im Hfirsaal A des Johanneums.
Vorsitz: Professor Dr. E. Zacliarias, Hofrat Dr. Tli. v. WeiuzierJ.
Anwesend: Atterberg-Kalmar, Blumenau-Hamburg, Brick-
Hamburg, v. Degen - Budapest, Didrichsen - Kopenhagen, Dorph
Petersen -Kopenhagen, Drude -Dresden, Edler-Jena, Panta-Prag,
Frankfurt-Kiew, Rud. Pritz -Hamburg, Güssow-London, Heinrich-
Rostock, Hillmann -Berlin, Hiltner-München, Holmes-London,
Johnson-Dublin, Issatschensko-Petersburg, Kambersky-Troppau,
Kirchner-Hohenheim, Krüger- Bernburg, Kühle-Giinsleben, Lorenz-
Hamburg, Lyttkens-Stockholm, Mo ritzen -Hamburg, Persson-Malmö,
Qv am -Kristiania, Raatz-Kl.Wanzleben, Rodewald-Kiel, Schumann-
Halle, Stebler-Zürich, Stöhr-Prerau, von Szyszylowicz- Lemberg,
Vanha -Brunn, Vitek-Prag, Voigt- Hamburg, Waage-Berlin, von
Weinzierl-Wien, Weishut-Hamburg, Widen-0rebro, Zacharias-
Hamburg.
Prof. Dr. Zacharias-Hamburg: Meine Herren ! Im Namen der Hambur-
gischen Botanischen Staatsinstitute erlaube ich mir, Sie hier recht herz-
hch zu begrüssen. Entsprechend der Wichtigkeit des Samenhandels für
unsere Stadt hat man hier seit Jahren Wert darauf gelegt, die Samen-
kontrolle weiter und weiter auszugestalten. Unsere botanischen Institute
haben diesem Zweige der angewandten Botanik ihre ganz besondere
Aufmerksamkeit und Sorgfalt gewidmet. Es gereicht uns daher zu
grosser Freude, dass Sie so bereitwiUig der Einladung hierher nach
Hamburg gefolgt sind, um Ihre Arbeitskraft und Ihre reichen Erfahrungen
in den Dienst dieser Beratungen zu stellen, von denen wir eine wesent-
üche Förderung der Sache erwarten. Ich darf wohl mit voller Zuver-
sicht der Hoffnung Ausdruck geben, dass diese Konferenz in ihren
Resultaten zu Ihrer aller Befriedigung ausfallen wird. Ich möchte nun
Herrn Prof. Voigt bitten, uns mitzuteilen, in welcher W^eise bis heute
diese Beratungen eingeleitet worden sind.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Meine sehr geehrten Herren! Wie Ihnen
allen wohl bekannt ist, hat die Wiege unserer Konferenz in Wien gestanden.
Wir verdanken unserem liebenswürdigen Kollegen Herrn Hofrat v. Wein-
zierl die Anregung, dass wir heute hier zusammen sind. Auf dem
internationalen Botanikerkongress ist es zu einem vorläufigen Besehluss
in den uns interessierenden Dingen gekommen. Wir haben einen Aus-
schuss gewählt, der aus den Herren Kollegen Brown -Washington,
218 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Bruijn in g -Wageningen, Hiltner-München, von Weinzierl-Wien und
mir besteht. Dieser Ausschuss hatte die Aufgabe, sich durch eine
Reihe von Herren aus den auswärtigen Staaten zu kooptieren und
dann an die Fachkollegen heranzutreten, um eine internationale
Konferenz vorzubereiten. Sie wissen, dass alle solche Vorbereitungen
immer langsamer gehen, als man vorher annimmt. Wir konnten mit
den offiziellen Einladungen an die verschiedenen Vertreter im Auslande
erst im April herantreten und die weiteren Einladungen an die Fach-
kollegen erst im Juni versenden.
Wir sind uns im engeren Ausschusse vollständig klar darüber,
dass wir bindende Beschlüsse hier in Hamburg nicht fassen können.
Das liegt in der Eigenart der Dinge. Jedes Land hat seine besonderen
Verhältnisse, auf die allgemeine Beschlüsse natürlich nicht einwirken
können. Es war klar, dass wir unsere Aufmerksamkeit vor allen Dingen
der wissenschaftlichen Samenkontrolle zuwenden müssen, und aus diesem
Gesichtspunkte ist diese Versammlung berufen worden. Wir haben ver-
sucht, die namhaften Kollegen heranzuziehen, um uns über die wichtigsten
Fragen kurz berichten zu lassen, und das ist, wie Sio aus dem Programm
ersehen haben werden, hinreichend gelungen.
Ich möchte nun noch ganz kurz über den Erfolg unserer Ein-
ladungen berichten. Ich habe eine Liste von ungefähr 150 Fachkollegen
aufgestellt, sie allen Herren zur Durchsicht zugesandt und kaum wesent-
liche Änderungen, nur kleine Ergänzungen bekommen. Wir haben so-
mit wohl so ziemlich alle Herren erreicht, die für unseren Zweck in
Frage kommen. Von diesen 150 Herren haben wir 25 definitiv zu-
sagende und 25 die Teilnahme vorläufig in Aussicht stellende Antworten
erhalten. Etwa 70 Herren haben bedauert, nicht teihiehmen zu können.
Jedenfalls ist die beinahe erschöpfende Beantwortung unserer Um-
frage ein Beweis für das überall vorhandene Interesse. Leider hat
im letzten Augenblick eine Reihe sehr wünschenswerter Teilnehmer ab-
gesagt. Aus der Mitte dieser Herren möchte ich Ihnen in erster Linie
den Altmeistor unserer Samenkontrolle, Herrn Geheimrat Prof. LH-. Nobbe,
nennen und Ihnen auch vorlesen, was er uns schreibt:
Zu meinem tiefen Bedauern finde ich mich im letzten
Augenblick durch Gesundheitsrücksichten verhindert, der freund-
hchen Einladung zu der ersten internationalen Konferenz für
Samenprüfung in Hamburg Folge zu leisten.
Ich wünsche Ihren Verhandkmgen, in denen ich den
energischen Keim grosser Fortschritte erblicke und
Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sanoenprüfung. 219
denen meine wärmste Sympathie gewidmet ist, den besten Er-
folg, und bitte Sie, den teilnehmenden Herren Kollegen meinen
verehrungsvollen Gruss gütigst übermitteln zu wollen.
Wir haben dann leider auch verzichten müssen auf zwei Herren
unseres Ausschusses Bj'own und Bruijning, die im letzten Augenblick
ihre feste Absicht, zu erscheinen, aufgeben mussten, auf Kollegen Lin-
hart, der fest zugesagt hatte, ebenso auf Herrn Geheimrat Wittmack.
Herr Pinlayson musste wegen Erkrankung seiner Kinder die Annahme
der Einladung zurückziehen. Auch Herr Prof. Jönsson-Lund ist leider
im letzten Augenblick verhindert. Herr Michow-Canada, der zufällig
in Zürich weilt, konnte aus Familienrücksichten nicht kommen. Herr
Schribaux- Paris hat im letzten Augenblick abgesagt. Zwei Herren,
Vertreter von Russisch Polen, haben wogen Passschwierigkeiten ihre
Zusage zurückziehen müssen.
Das wäre so im allgemeinen die Übersicht über das, was wir bis
jetzt getan haben.
Prof. Dr. Zacliarias: Darf ich dann Herrn Hofrat Dr. v. Weinzierl
bitten, den Vorsitz zu übernehmen '.-
Vorsitzender Hofrat Dr. v. Weiuzierl: Meine sehr geehrten Herreh!
Ich danke zunächst für die sehr ehrenvolle Wahl, in der heutigen Sitzung
den Vorsitz zu führen. Ich möchte mir gestatten, noch einige Worte
vorauszuschicken. Ich glaube, nicht weiter ausführen zu müssen, welche
Momente massgebend waren, im vorigen Jahre den Antrag bezüglich
dieser internationalen Konferenz zu stellen. Es ist Ihnen allen bekannt,
welche Wünsche wir alle zusammen haben und welche Wünsche auch
besonders diejenigen hegen, die in erster Linie ein Interesse an einer
richtigen Organisation und einer einwandfreien Untersuchung bei der
Samenkontrolle haben, nämlich die Händler. Die Hauptinteressenten in
der Frage der Samenkontrolle sind ja nicht wir allein als diejenigen,
welche die Arbeit der Analyse auszuführen haben, sondern gewöhnlich
die Händler und Landwirte. Ich glaube also, dass es nicht nur sozu-
sagen selbstverständlich ist, sondern dass wir als Vertreter der Unter-
suchungsinstitute die Pflicht haben, auch diejenigen, welche diesen
Ständen angehören, zu solchen Beratungen heranzuziehen. Wenn wir
uns auch die Aufgabe gestellt haben, in erster Linie die theoretischen
Grundlagen unserer Arbeit zu prüfen und die Feinheit der Methoden
weiterhin auszugestalten, so glaube ich doch, dass wir derselben eine
weitere anzuschliessen haben, nämlich auch die Wünsche und Ansichten
zu hören, welche über diese Tätigkeit bei den unmittelbaren Interessenten
heute bestehen. Die verehrte Versammlung wird mir gewiss zustimmen.
220 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprül'ung.
dass die praktische Ausführung dieses Wunsches Schwierigkeiten hat.
Die Schwierigkeit liegt hauptsächlich darin, dass irgend eine hier wissen-
schaftlich erörterte und dann diskutierte Frage von diesen drei Berufs-
ständen, wenn ich so sagen darf, in verschiedener Weise aufgefasst
und dementsprechend in verschiedener W^eise behandelt wird, so dass die
Gefahr besteht, dass sich derartige Verhandlungen zu sehr in die Länge
ziehen, ohne den eigentlichen Kern der Sache zu treffen. Da ist es
uns in unseren gestrigen langwierigen Besprechungen als das Zweck-
dienlichste erschienen, wenn wir die Herren bitten, die Verhandlungen
in zweifacher Weise zu führen: in einer Weise, die lediglich internen
Fragen — seien es solche der feinen wissenschaftlichen Methoden, seien
es Fragen des Standes und Fragen, die durchweg die früher genannten
Berufskreise wenig oder gar nicht tangieren, — in besonderen Sitzungen
zu behandeln, hingegen solche Fragen, Avolche heute schon eine Er-
örterung der Interessenten aus den Kreisen der Samenhändler und Land-
wirte unbedingt nötig machen, in allgemeiner Sitzung zu behandeln.
Diese Auffassung hatte eine Umänderung des Programms zur Folge,
die vielleicht noch nicht allen Herren bekannt ist, was ich kurz hier
einschalten möchte. Aus diesen Gesichtspunkten und Gründen haben wir
uns gedacht, wir werden heute vormittag die allgemeine Sitzung haben
und darin diejenigen Referate behandeln, welche von allgemeinem
Interesse sind, eine besondere Besprechung jedoch nicht so notwendig
haben. Daher haben wir uns entschlossen, für die heutige Versamm-
lung in erster Linie eine Darstellung des Gesamtstandes unserer Kenntnis
über die Provenienzfrage ohne Rücksicht auf ihre geschäftliche Ver-
wertung und ihre kommerzielle Bedeutung zu geben und zweitens die
Wertbestimmung der Rübensamen, insofern dieselbe Fortschritte und
neuere Methoden bringt, zu besprechen. Es sollen diese Referate gleichsam
Vorträge sein, an welche sich heute keine Diskussion zu knüpfen hätte.
Der Nachmittag, der programmmässig einer Sache, die mir momentan
nicht geläufig ist, hätte dienen sollen, ist in Aussicht genommen für diese
interne Sitzung. Das Programm würde daher insofern geändert werden
müssen, als die Nachmittagssitzung lediglich eine interne Versammlung
der Vorstände der Samenkontrollstationen bilden soll, in der die vorhin
kurz angedeuteten Fragen besprochen werden. Für Dienstag nachmittag
von 2 — 5'/2 Uhr ist dann eine Fortsetzung der internationalen Konferenz
der Vorstände der Samenkontrollstationen und endlich am Donnerstag
und zwar wieder um 10 Uhr eine allgemeine Sitzung in Aussicht ge-
nommen. In dieser soll den Interessenten Gelegenheit geboten werden,
Fragen der Technik der Samenprüfung einer Erörterung zu unterziehen
bzw. sich an der EUskussion zu beteiligen. Es ist in Aussicht genommen.
F. G. Stehler. Die Herknnftsbestimmung der Saaten. 221
eine der einschneidenden Fragen der Samenkontrolle aufzurollen bzw.
Ihnen Gelegenheit zu geben, sich darüber zu äussern und Ihre Wünsche
eventuell Ihre abweichenden Ansichten vorzubringen. Durch diese kleine
Abänderung des Programms glaubten wir den Wünschen der unmittelbar
an der SamänkontroUe interessierten Stände mehr zu entsprechen, als
dies dadurch geschehen wäre, wenn wir alle Fragen zusammenwerfen,
die nicht für alle von Bedeutung sind. Es ist also diesen Verhand-
lungen ein Zeitraum von zwei Stunden gewidmet, der wohl genügen
dürfte, uns zu orientieren und uns für unsere Arbeit weitere Direktiven
zu geben.
Das wollte ich mir erlauben vorauszuschicken. Ich gestatte mir
nun, auf Grund des abgeänderten Programms Herrn Dr. Stehler zu
bitten, uns sein Referat über die Provenienzfrage zu erstatten.
Die Herkunftsbestimmung der Saaten.
Von
Direktor Dr. F. G. Steblei'-Zürich.
Die Bestimmung der Herkunft eines Samens ist relativ
neueren Datums. Das Gebiet ist denn auch dasjenige, das am wenigsten
ausgebaut ist. Die Praxis des Handels hat es längst empfunden, dass
es notwendig sei, die verschiedenen Herkünfte der Handelssaaten be-
urteilen zu können. Erst in relativ neuer Zeit hat sich auch die
Wissenschaft der Frage angenommen. Der Erste, der auf die Bestimmung
der Provenienz der Handelssaaten wissenschaftlich aufmerksam machte,
war Wittmack, der im Jahre 1873 zuerst die Ambrosia in Rotklee
amerikanischer Provenienz avisierte. Später hat sich dann Nobbe der
Sache angenommen und einzelne neue Arten namhaft gemacht, freilich
ohne sie zuerst nach ihrer Herkunft richtig zu deuten. Noch später
ist die Hohenheimer Station dazu gekommen, welche auf Plantago
aristata und Potentilla norvegica aufmerksam machte als Verunreini-
gungen, die in nordamerikanischen Saaten vorkommen. Auch andere
Stationen haben nach und nach an der Entwickelung dieses Gebietes
mitgearbeitet; ich erinnere an die ausgezeichneten Arbeiten von Möller-
Holst, der s. Zt. gleichzeitig mit Nobbe die Samenkontrolle eingeführt
und entwickelt hat, und an die Arbeiten von Christian Jenssen. Vor
längerer Zeit hat sich auch die Züricher Station der Frage angenommen.
Seit dem Jahre 1875 schon befassen wir uns mit der Bestimmung der
222 YerhaTKJlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Provonienzunkräuter und haben im Laufe der Jahre viele hundert Arten
kultiviert. Die Arbeit ist etwas langwierig, da es darunter solche gibt,
die zwei bis drei Jahre bis zur vollkommenen Entwickelung brauchen.
Jede einzelne Spezies musste kultiviert werden. Wir haben denn auch
im Laufe der Jahre eine ganz bedeutende Anzah! charakteristischer Un-
krautsamen feststellen können.
Die Sache ist insofern von grosser praktischer Bedeutung, als
die verschiedenen Provenienzen sehr verschiedenen Wert haben können.
Ich erinnere z. B. an den Rotklee aus Chile, dessen Geringwertigkeit be-
kannt ist, an die Luzerne aus Utah, an Neuseeländer Knaulgras, die
ebenfalls nur geringen Wert haben, an Knaulgras, das in Wäldern ge-
sammelt wird, das. wenn es im Felde kultiviert wird, kleiner bleibt als
Knaulgras, das in Wiesen gezogen wird; ich erinnere an amerikanischen
Wiesenschwingel, der sich nicht bewährt, weil er dem Rost zum Opfer
fällt. In neuerer Zeit kommen syrische Saaten in den Handel, die sich
ebenfalls als geringwertig entpuppt haben. Es ist deshalb von grossem
Wert, dass man die verschiedenen Provenienzen mit möglichster Sicher-
heit unterscheiden kann.
An der Saat selbst ist die Unterscheidung der Provenienz nur
in Ausnahmefällen möglich. Es gibt zwar gewisse Provenienzen, die
im Samen selbst einen Unterschied erkennen lassen. Ich erinnere
an den südfranzösischen Rotklee, der sich durch metallischen Glanz aus-
zeichnet, wie sonst kein anderer Klee ihn besitzt, an die Nuance des
italienischen Rotklees, an den Glanz des sogenannten Cowgrass der Eng-
länder, der der Ware in der Regel künstlich beigebracht wird, an das
matte strohfarbige Aussehen des Neuseeländer Rohrschwingels usw. Diese
Merkmale des Samens sind aber, wie gesagt, nicht zuverlässig; sie
können zur Unterscheidung der Provenienz zwar mit herangezogen werden,
sind aber in der Regel nicht genügend.
Einen viel zuverlässigeren Anhalt geben uns die Beimengungen
einer Saat, die Verunreinigungen, die leblosen sowohl wie die
Unkrautverunreinigungen. Den russischen Klee erkennt man teilweise
an der schwarzen Erde, die dem Klee beigemischt ist; die Luzerne aus
Südfrankreich kann man sehr häufig erkennen an den Muschel fragmenten,
ebenso den ungarischen Klee an Beimengungen von dunkler Erde.
Die zuverlässigsten Merkmale liefern uns aber die Unkraut-
beimengungen. Es gibt natürlich sehr viele Saaten, die sehr wenige
Unkrautbeimengungen enthalten, und dann ist es oft sehr schwierig, die
Herkunft zu erkennen. Die meisten Klee- und Grassaaten sind aber
Samen von perennierenden Pflanzen und sind infolgedessen meist mit
F, Gr. Stebler, Die Herkunftsbestimmung der Saaten.
223
allerlei fremden Arten verunreinigt, die sich im Laufe der Jahre dem
Bestände beigemischt haben. Bei der Luzerne z. B. mischen sich auf
4pm Pßlde allerlei Pflanzen bei, die bei der Samenernte mitgeerntet
werden und dann als Verunreinigungen mit in die geerntete Saat
kommen. Viele von ihnen sind für die Feststellung der Provenienz be-
deutungslos, andere sind hingegen sehr wichtig. Aber auch unter den
Handelssaaten von einjährigen Pflanzen kommen vielfach allerlei L-nkraut-
samen vor, die zur Peststellung der Herkunft wichtig sind. Besonders
unter den Ausputzwicken, den sogenannten Trieu rwicken, kommt ein
Sammelsurium von allen möglichen Spezies vor, die zur Feststellung der
Herkunft einen Anhalt geben. Die folgende Tabelle gibt ein Bild von
4er Verunreinigung einer Kleesaat. Die 550 Gramm schwere
Probe enthielt:
Plantago layiceolata .
. 4500 Körner
Daucus Carota.
. 2240 „
Cichorium Intyhus
. 1140 „
Brunella (alba)
. 160 „
Cuscuta trifolü
. 151 „
Lotus corniculatas
56 „
Centaurea Jacea .
39 „
LoUum perenne
35 „
Rumex Aeetosella . .
23 „
Chenopodium alJmm .
21 „
Malva (Alcea) . . . .
16 ,.
Silene infiata . . .
15 „
Anagallis arvens'm
10 „
Rumex crispus .
10 „
Verben a officinalis
6 „
Medicago liipidina
5 „
Rubus fruticosus . . .
5 „
Leoni4)don hisphlus .
5 „
Sherard/a arvensis .
4 „
Trifolium procumhens
3 „
Rumex conglom.eratus
3 .,
Arthrolobiuni scorpi
:oides 3
Helfninthia echioidt
3S . 3
ConvolvulU'S (trven-ns
3 „
Polygomwi avicidare .
3
Anthemis arvensis
2
Atriplex patula . .
2
Echiuw vulgare . .
9
224 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Echinochloa crus galli . . 2 Körner
Dipsaciis pilosus .... 2
Trifolium incarnatum, Crepis virens, Malva mosehafa, Cirsium lan-
ceolatum, Hijpochaeris radicata, Picris hieracioides, Conium maculatum,
Setaria viridis, TortJif-t in fest a je 1 Korn.
Aus dem Gesamtbilde lässt sich schliessen, dass die Saat aus dem
mittleren Frankreich stammt.
Die ersten drei genannten Arten: Planfago hmccolata, Daucus
Carota und CicJiorium Intyhus kommen fast in jeder Saat vor und
können deshalb zur Provenienzbestimmung nicht herangezogen werden.
Gewisse Arten sind aber an einen engeren Kreis gebunden; das sind
die sogenannten Provenienzunkräuter. Andere haben wieder etwas
grössere Verbreitung, sie sind zwar für die betreflTende Gegend nicht
typisch, können aber einigermassen zur Peststellung der Herkunft
benutzt werden; wir bezeichnen diese Arten als Begleitsamen. Ich
will Ihnen ein Bild der wichtigsten Provenienzen der Handels-
saaten, soweit sie Futtersamen betreffen, kurz entwickeln. Ich unter-
scheide sieben Hauptgruppen. Wir wollen dieselben der Reihe nach
namhaft machen.')
I. Südeuropäische Provenienz.
(Südfrankreich, Italien, Spanien.)
Sorghtini halepense Pers. in ital. Luzerne (häufig),
Panicuni erucifovme Sbth. et Sm. in span. Luzerne (Iraal),
Cynodon Dacti/Ion Pers. in südfranz. Luzerne (hie und da),
Rumex pulcher L. in südfranz. Luzerne (hie und da),
Tun/ca jtrolifrra Scop. in südfranz. Rotklee (wenn ungereinigt!).
Meseda Phyteuma L. in südfranz. Luzerne (hie und da),
Rapistrum rngosum All. in südfranz. Luzerne (hie und da),
Erucastrum incanum Koch in südfranz. Luzerne (vereinzelt),
Eriica safiva Lam. in südfranz. Luzerne (vereinzelt),
Arthrolohmnn scovpioides DC. in südfranz. Luzerne und Rotklee
häufig, steigt bis ins Zentrum von Frankreich,
Amini tnajus L. in südfranz. Luzerne (z. häufig),
Torilis nodosa Gärtn. in südfranz. Luzerne, aber auch in westfranz. und
engl. Rotklee,
Heliotropium eiiropaeum L. in südfranz. Luzerne (vereinzelt),
Salvia verbenaca L. in ital. Luzerne (z. häufig).
1) In den während des Vortrages zirkulierenden Sammlungen (etwa
200 selbstgezogene Arten) wurden die wichtigsten Eepräsentauten vorgeführt.
F. G. Stehler, Die Herkunftsl^estimmung der Saaten. " 225
Plantago arenaria W. K. in südfranz. Luzerne (hie und da), aber aucli
in ungarischem Rotklee,
Vlantayo Cynops L. in südfranz. Luzerne (ott),
Centaurea aspera L. in südfranz. Luzerne u. Rotklee,
Centanrea .solsfif/alis L. in südfranz. Luzerne und Rotklee häufig (in
Ungar. Rotklee),
Cru])ina vulgaris Cass. in südfranz. Fromental (hie und da),
Hehninfhia ecliioides Gärtn. in südfranz. Luzerne und Rotklee häufig,
aber auch in westfranz. und engl. Rotklee,
Picris stvicta Jord. in südfranz. Luzerne häufig,
BarJ{hau.sia sdosa Hall. fil. in ital. Weissklee.
Die Rüdeuropäischen Unkräuter erscheinen bei uns häufiger
in Klee- und Luzernefeldern als die amerikanischen, haben aber doch
Schwierigkeiten, mit dem Klee reife Samen zu tragen. Als ganz sicher
südeuropäisch (mit Einschluss des Zentrums von Frankreich) muss
Arfhrolobium und Attuiii bezeichnet werden, während HelmiutJiia und
Toiilii^, den atlantischen Küsten entlang streichend, auch noch in eng-
lischen Saaten auftreten können und Centauroa solstitialis (nach von
Degen) auch in ungarischem Rotklee auftreten kann. Ausserdem besitzt
der Süden noch einige andere Charakteristika, die aber seltener auf-
treten.
Die italienische Luzerne zeichnet sich durch einige Unkräuter
aus, die zwar auch in Südfrankreich häufig sind, dort aber die Luzerne-
felder zu meiden scheinen: Salvia rerbeuaca und Sorghum Jialepense.
Ausschliesslich italienisch, nicht französisch, ist das nicht selten in
italienischer Luzerne auftretende Trifolium supviioii Savi.
II. Westeuropäische Provenienz.
(Grossbritannien, Nordfrankreich, Niederlande.)
Alopecurus agrestis L., typisch westeurop. Unkraut (meist als Caryopse
in Rotklee, Inkarnatklee, Hopfen- und Wundklee und Gräsern),
Silene conica L. in franz. Inkarnatklee,
Sileiie gallica L. in franz. Rotklee und (die Kapsel!) in syrischer Wicke,
Bunias Erucago L. in franz. Esparsette,
Ouonis repens L. in franz. Rotklee,
Geranium molle L. in franz., engl. u. niederl. Saaten, namentlich in
Weissklee, Rotklee, auch in Gräsern,
Geranium pusillum L. ebenso,
Geranium. dissechim L. ebenso,
Malva crispa L. in mittelfranz. Luzerne,
MaJva moschata L. ebenso,
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Bcitanik IV. 15
026 Verhandlungen der J. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Bupleurum rofuiidifolhim L. in südfranz. Fromental, auch in unga-
rischen Saaten,
I*etro8€linum segetum Koch typisch westeuropäisch, in franz. Rotklee,
Verhena offichi((Us L. in franz. Rotklee bis in den Norden von Frank-
reich,
Teucrium Bofrijs L. in franz. Rotklee, selten in Schwarzwälder Rotklee,
Ajuga CJioinaepiti/s Schreb. in franz. Rotklee (hie und da),
Linaria Ehd'nie Mill. in franz. Rotklee (hie und da),
Valorianella MonsonU DC. in franz., engl, und andern westeurop.
Saaten häufig,
ISJtrrardio arvcn-sis L. in allen westeurop. Saaten, häufiger als in
osteurop.,
XerantJieiiiim cylindraceum Sm. in franz. Rotklee,
Carduus mdcms L. in franz. Rotklee,
Lampsana conmiunis L. in nordwesteurop. Saaten, namentlich in Pfälzer
Rotklee,
Crepis hiennis L. in südfranz. Fromental,
Laduca saligna L. in franz. Rotklee.
Westeuropäische Saaten sind namentlich durch eine Reihe
wintergrüner (überwinternder, einjähriger) Gewächse (^-i)) ausgezeichnet,
die den strengeren Winter des kontinentalen Ostens nicht auszuhalten
scheinen, so der AlopeciDiis agrcsf}-'<, die Valerien ella - hrten und auch
die drei Gerauium-kvicn.
III. Nordamerikanische Provenienz.
(Vereinigte Staaten, Kanada.)
Panicum capillare L. in Rotklee (häufig),
Panicum dichotomuiii L. in Timothe, Agrostis (zieml. häufig),
Panicum vlrgafum L. in Luzerne (selten),
Panicum ckwdestinum L. in Wiesenschwingel (hie und da),
Paspalum cUiaüfolium Michx. in Rotklee, Wiesenschwingel,
Cenchrus trihuloides L. in Luzerne (selten),
Glyceria nervafa Trin. in Wiesenrispengras (hie und da),
Vulpia tenella Willd. in Agrostis (häufig),
Carex cephalophora Mühlenb. in Wiesonrispengras (häufig),
Tradescantia virginica L. in Wiesenschwingel (selten),
Ranunculus parviflorus L. in Texas-Luzerne (Imal), aus Europa ein-
geschleppt,
Lcpidium virgi)iicHm Ij. in Timothe, Rotklee, Fioringras. Wiesen-
rispengras,
Poteutilla norvegica L. in Timothe (oft),
F. Gr. Stehler, Die Heikunftsbestimmung der Saaten. 227
Geranium carolin('n-'<(' L. in Wiesenschwingel (vereinzelt),
Euphorhia Predii Gass. in Rotklee (oft),
>S*2Vi« spiiiosa L. in Rotklee (oft), ursprünglich aus dem Orient stammend,
CupTwa viscosissima Jacq. in Rotklee (selten),
Cuscuta arvensis Beyr. in Rotklee (hie und da), in Luzerne (in manchen
Jahrgängen häufig),
Salvia laticoolata Willd. in Luzerne, Wiesenschwingel (vereinzelt),
Physalis lanceolata Michx. in Rotklee, Wiesenschwingel (hie und da),
Planfago arisfafa Gray in Rotklee, Wiesenschwingel (z. häufig),
Plantago Bugelii Dcsne. in Rotklee, Timothe, Fioringras (sehr liäufig),
Planfago rhodospermo Michx. in amerik. Wiesenschwingel in einem Jahr
häufig (bestimmt vom U. S. Department of Agriciüture in Washington),
Ambrosia artemisiaefolia L. in Rotklee in manchen Jahren häufig,
Ambrosia trifida L. in amer, Sommerweizen,
Grindelia squarrosa Dun. in amer. Luzerne (oft),
Rudheckia hirta L. in Timothe (hie und da),
Helianthus annuus L. in Luzerne (häufig).
Java xanthifolia Nutt. in Luzerne (oft).
Begioitsamen (alle häufig):
Digitaria fiUformis Koel, in Rotklee,
PJileum pratense L. in Rotklee, Agrostis, Poa compressa, Alsike etc..
Polygonum, Persicaria L. in Rotklee, Wiesenschwingel,
Amarantits retroftexus L. in Rotklee,
Melandryum noctifi,0)'iim Fr. in Bastardklee,
Erysimum cheiranthoides L. in Timothe, Bastardklee,
Nepeta Cataria L. in Bastardklee, Weissklee,
Antheriiis Cofida L, in Bastardklee, Weissklee, Poa compressa.
Reine amerikanische Saaten lassen sich in der Regel leicht
erkennen; schwieriger sind Mischungen festzustellen. Doch müssen
alle Saaten, welche die an erster Stelle genannten Unkräuter enthalten,
als amerikanisch oder mit amerikanischer Saat vermischt bezeichnet
werden, da die amerikanischen Pflanzen bei uns alle Spätblüher sind
und deshalb wohl auf Ödland, nie aber in Kleeäckern reife Samen tragen
können. Sie entwickeln sich in Mitteleuropa überhaupt ausserordentlich
selten in Klee oder Kleegras.
IV. Australische Provenienz.
(Neu-Seeland.)
Agrostis Forsteri R. et S. (determ. E. Hackel) Imal in Wiesenfuchs-
schwanz,
15*
228 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sanienprüfung.
Agrosfis avenoides Hook. i. Imal in Knaulgras und Imal in Rot-
schwingel,
Danthonia semiaiuiulcris R. Br. hie und da in K'naulgras.
Begleitsamen (häufig) namentlich in Knaulgras:
Hypochaeris radicata L.,
Crepis virens Vill.
Neuseeländische Saaten lassen sich nur ausnahmsweise an den
Samen der in Neuseeland einheimischen Pflanzen bestimmen, da die
neuseeländische Flora wenige Pflanzen besitzt, die; sich den Lebens-
bedingungen im Kulturland anzupassen vermochten. Dafür sind dort
europäische Eindringlinge zu sehr lästigen Unkräutern geworden, so
insbesondere die im Knaulgras so häufig zu treffende Hypochaeris radi-
cata. Neuseeländer Knaulgras lässt sich oft nur sehr schwer oder gar
nicht von mitteleuropäischen Saaten unterscheiden, so charakteristisch die
stereotype Beimengung von SoJcns lai/afus, Broiitifs ti/oUis und Hypo-
cliaeris ist.
V, Asiatische Provenienz.
(Syrien, Turkestan.)
Fhalar'is paradoxa L. in syr. Wicke,
Avena sterüis L. in syr. Wicke,
Beta trigyna W. et K. in syr. Wicke,
Rapistrum Orientale DC. in syr. Wicke,
Medicago cylindracea DC. in syr. Wicke,
Medicago tuhercidata Willd. in syr. Wicke,
Melilotus ine-s.saniensis L. in syr. Wicke,
Onobrychis caput yaJIi Lam. in syr. Wicke,
Hippocrepis unisiliquosa L. in syr. Wicke,
Scorpiiinis fiubviUosus L. in syr. Wicke,
Lathyrus setifolius L. in syr. Wicke,
Euphorbia segetalis L. in Turkestaner Luzerne,
Centaurea Picris Fall. (Acroptilon Picris DC.y in Turkestaner
Luzerne (determ. Dr. v. Degen),
Krubcra Icptopirylla Hoffm. in mediterr. Lein,
Bupleurnm protracfani Hoftm. et Lk. in mediterr. Lein und afrikanisch.
Anis,
Cusctita araOica Pres, in Trifolium alexandrinum (Ägypten) sehr
häufig,
Anchusa italica Reiz, in syr, Wicke,
Salvia .silvestris L. in Turkestaner Luzerne,
F. G. Stehler, Die Herkunftsbestimmung der Saaten. 229
Salvia Sclarea L. in Turkestanor Luzerne,
Cephalaria sijriaca Schrad. in syr. Wicke,
Calendula offirinalis L. in syr. Wicke,
Chrysanthemum coronarium L. in syr. Wicke,
Notohasis syriaca Cass. in syr. Wicke,
Ccntaurea Cakitrapa L. in Turkestaner Luzerne,
Plantago Coronopus L, in syr. Wicke (ganze Ähre!).
Die Unkräuter aus syrisctier Wicke sind typisch mediterran and
zeigen viele Beziehungen zu den südeuropäischen. Alle treten auch in
Südeuropa auf, jedoch viele bisher nicht in Saaten. Die Unkräuter der
Turkestaner Luzerne können dagegen den kontinentaleren Charakter des
dortigen Klimas nicht verleugnen.
VI. Osteuropäische Provenienz.
(Österreich-Ungarn, Russland.)
Silene diahotonna Ehrh. in russischem Rotklee typisch, nun auch
in schlesischem und süddeutschem, jedoch nie in so grosser Zahl,
Vaccaria segetalts Garcke in russ. Getreide und Rotklee,
Delphin'nim Consolkla L. in ungar. Rotklee,
Nigella arvensis L. in ung. Rotklee,
Glauciuin covniculatuni Crtz. in ungar. und russ. Rotklee,
Berteroa incaua DC. in russ. Rotklee,
Canielina deufata Pers. in russ, Lein,
Urysimuni Orientale R. Br. in russ. Getreide, selten in Rotklee
und Senf,
Lathijrus Apliaca L, in ungar. Trieurwicke,
Lathyrus hirsufus L. in ungar. Trieurwicke,
Vicia hdhyroides L. in ungar. Knaulgras,
Hibiseus Trionum L. in ungar. und russ. Rotklee,
Lyfhrum hyssopifolhim L. in ungar. Rotklee,
Bifora radialis M. B. in ungar. Trieurwicke,
Uchiuo.bfpermum Lappida Lehm, in ungar. u. russ. Rotklee,
Siderifis monfana L. in ungar. Rotklee,
Ballotn nigra L. in ungar. Rotklee,
Hyoscyanms niger L. in russ. Rotklee,
Galiuni fricorne With. in ungar. Trieurwicke, auch galizischen und
anderen osteurop. Saaten,
Anthetnis austriaca Jacq. in ungar. Rotklee,
Carduas acanthoides L. in russisch Rotklee,
Centaurea maculosa Koch in ungar. Rotklee.
230 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Bügleitsamen:
Sefaria glaiica Beauv. in osteurop. Saaten viel häufiger als in west-
europ., so auch alle folgenden:
Setaria viridis Beauv., Polygonion lapothifoliuni Ivoch, Clwiiopodium
alhn})i L,, Mehtndryu))) album Garcke, Thlaspi arvense L., Lepi-
dium campesfre R. Br., Coronilla varia L ., GaJega off\einalis L.,
Conium maculatum L., Cmicalis daucoides h., DruitcUd olha Fall..
Salvia vcrücUlata L., Dipsacus fuUonuvi Mill., Crepis iecto-
7'U)II L.
Die osteuropäischen Saaten sind ausserordentlich schwer sicher
zu bestimmen und von mitteleuropäischen zu trennen, da sie ganz all-
mählich in diese übergehen und eine sichere Grenze kaum zu ziehen
ist. Ausserdem sind die osteurop. Unkräuter, wie das Beispiel der
Sileiie dirhoto))ia beweist, in Westeuropa leichter als jede andere Pro-
venienz einzubürgern. Am besten zum Ziele, zur Bestimmung einer
Saat als osteuropäisch, führt die Beachtung aller Unkräuter in einer
Probe (Anlegung eines Verzeichnisses), das Gesamtbild gibt bessern An-
halt als einzelne Samen, Einzelne russische und einzelne ungarische
Provenienzen (d. h. aus bestimmten Gegenden) sind übrigens sehr leicht
zu erkennen; die Mohrzahl ist schwer von mitteleuropäischen zu trennen,
lue Erkennung von Mischungen gelingt (wegen der Akklimatisations-
befähigung der osteuropäischen Unkräuter) nur in Ausnahmefällen.
VII. Südamerikanische Provenienz
(Chile, Argentinien.)
Medicago denticulatc Willd. in chilen. Rotklee (auch in syr. Wickel),
Medicago uniculata ^\'illd. in chilen. Rotklee,
Melilotus parrifiortis Desf. in chilen. Rotklee,
Animi Visnaga L. in chilen. Rotklee,
Ciisruta raceviosa Mart. in chilen. Rotkleo, mit diesem nach Europa
(Ungarn, England, Ueutschland usf.) verschleppt, auch in süd-
französischer Luzerne seit 1840 eingebürgert,
Ceratochfoff ausfralfs Sprgl. in argentinischer Luzerne: ist in Süd-
amerika einheimisch.
Nur Ciisciifcf rdccmosd ist ein autochthon südamerikanisches Un-
kraut, ab(M' (wie alle Parasiten!) leicht verschleppbar und nun schon
längst in v^üdf rankreich und in neuorer Zeit auch in anderen europ.
Staaten eingebürgert. Alle anderen Unkräuter sind ursprünglich mediterran.
Die meisten der von uns gefundenen und bestimmten Arten sind
jeweilig in unseren .lahresberichten aufgeführt worden, und viele sind
F. Gr. Stehler, Die Herkunftsbestimmung der Saaten. 231
in dem Werke „Die besten Futterpflanzen"') abgebildet nnd kurz be-
schrieben.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Versuchsanstalten, diesen
Zweig der Samenuntersuchung auszubauen. Wie schon gesagt, haben
wir uns in Zürich seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Gegenstand
befasst und dabei reiche Ernte gehallen. Jeder Same, den wir in einer
Probe finden und den wir nicht kennen, wird auf die Seite getan und
kultiviert; er wird angekeimt, die Keimpflanze wird dann in einen Topf
pikiert, zuerst im Glashause und im Sommer im freien Lande kultiviert,
beobachtet und später bestimmt. So haben wir im Laufe der Jahre eine
grosse Anzahl charakteristischer Arten herausgebracht.
Jede Station sollte es sich zur Aufgabe machen, vorerst die Pro-
duktion im eigenen Lande nach dieser Richtung zu untersuchen. Sie
ist am besten in der Lage, die einheimischen Unkräuter zu unterscheiden.
Die Pflanzen sollten auf dem Felde beobachtet und nachher die Samen
in der Saat gesucht und bestimmt werden. Es sollten von jeder einzelnen
Provenienz Übersichten zusammengestellt und die typischen Arten her-
vorgehoben werden. Dann wäre es wünschenswert, wenn die ver-
schiedenen i\nstalten gegenseitig in Tausch treten würden, denn für
manche ist es sehr schwer, gewisse Samen zu bekommen, während es
einer anderen Anstalt sehr leicht ist, eine grosse (Quantität Samen zu
erhalten.
Vorsitzender: Wünscht einer der Herren eine Anfrage zu
stellen oder sich über den Gegenstand auszusprechen?
Geh. Hof rat Prof. Dr. Drude- Dresden: Ich wollte den an-
regenden Worten des Herrn Vortragenden nur die Bemerkung hinzu-
fügen, dass es vom Standpunkte der angewandten Botanik aus sehr
interessant erscheint, den für Deutschland charakteristischen Unkräutern
nachzuspüren, inwieweit sie sich in Kleefeldern vorfinden. Eine ganze
Reihe von den Pflanzen, die hier genannt sind, findet sich in Alitte!-
deutschland vor. Die Centaurea z. B. ist im Gebiete von Halle so
charakteristisch, dass sie in erster Linie auf Odländereien vorkommt,
dann aber auch auf besseren Boden sich überträgt; so habe ich sie
selbst zwischen Klee und auf Brachäckern gesehen. Für das Zentrum
von Deutschland wäre es von grossem Interesse, dem nachzuspüren.
1) Die besten Futterpflanzen. 1. Teil, :3. Auflage 1902: II. Teil,
3. Auflage 1907.
232 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
inwieweit die östlichen Unkräuter von Ungarn, Mähren usw. sich dem
Herzen Deutschlands nähern, inwieweit sie noch Anteil nehmen kfinnen
an der Vegetation, Dass bei uns in dem käuflichen Kleesamen solche
Unkräuter nicht mehr nachgewiesen sind, kommt, glaube ich, daher
dass die Felder, in denen wir solche Unkräuter finden, gew()hnlich in
schlechter Kultur stehen und nicht zum Anbau von Saatgut, sondern
nur zum Anbau von Futterpflanzen benutzt werden. Von hohem Inter-
esse würde es daher sein, dass wir nicht nur die Vermischung der
Saat feststellen, sondern auch das Vorkommen der Unkräuter auf den
deutschen Fluren selbst. Ich halte die Mitarbeit von Beobachtern in
den verschiedenen Teilen Deutschlands für sehr erwünscht, um nicht
nur die Saat, sondern auch das Gedeihen der Unkräuter auf unseren
Feldern zu untersuchen. Ich erkläre mich auf das Vielseitigste ange-
regt durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Stehler und habe
nur von meinem Standpunkte aus diese Anregungen weiter führen
wollen.
Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn es nicht
der Fall ist, so glaube ich im Sinne aller Herren zu sprechen, wenn ich
dem Kollegen Stehler den besten Dank ausspreche für seinen ausge-
zeichneten Vortrag. Ich möchte mir erlauben, die Anregung, die Kollege
Stehler gegeben hat, zu unterstützen. Wenn es überhaupt gestattet ist,
die Sache in Form von Anträgen in eine bestimmte Richtung zu leiten,,
so würde ich glauben, dass es angezeigt wäre, dass wir es zum min-
desten als wünschenswert betrachten, dass die Stationen untereinander
dieser Anregung Folge leisten und in Form eines nocn näher zu be-
stimmenden Fragebogens sich über ihre Wahrnehmungen hinsichtlich
der Provenienz alljährlich aussprechen, und dass Tatsachen, die gefunden
worden sind und die für die Publikation noch nicht genügendes Material
bieten, ausgetauscht werden, damit wir auf diese Weise in den Stand
gesetzt werden, auch in dieser Frage einen Fortschritt zu verzeichnen.
Ich würde bitten, sich noch darüber zu äussern, ob die Herren sich mit
den in Form eines Antrages oder einer Anregung geäusserten Wünschen
des Kollegen Stehler hinsichtlich des Austausches der mit den ver-
schiedenen Provenienzen gemachten Erfahrungen einverstanden erklären.
Ich möchte bitten, dass das vom Ausschuss in das Resume aufge-
nommen wird.
Dr. V. Deg'eii-Budapest: Geehrte Versammlung! Ich würde vor-
schlagen, dass die Sammlung dieser Daten in einer Zentralstelle erfolge,
w^elche die eingelaufenen Daten zu bearbeiten hätte. Ich halte es aber
für unbedingt notwendig, dass die Daten durch Belege gestützt werden,
wenn möglich durch Samen, noch besser durch eine daraus gezogene
Die Herkuni'tsbestimmuDg der Saaten. 233
Pflanze. Jede Angabe über Provenienzunkräuter zieht gewisse Folgen
nach sich; deshalb ist es unbedingt notwendig, dass alle diese Angaben
sicher begründet sind. Ich erlaube mir vorzuschlagen, dass, wenn die
Züricher Station sich dieser Aufgabe unterziehen will, diese Station als
das Zentrum bezeichnet werde.
Vorsitzender: Die Herren haben die Anregung gehört, und ich.
bitte, sich darüber zu äussern. Ich erlaube mir hinzuzufügen, dass ich
dasselbe gedacht habe. Um aber nicht weiteren Anregungen, welche
von meiner Seite hinsichtUch der zukünftigen Gestaltung unserer Be-
ratungen ausgehen werden, vorzugreifen, möchte ich mir erlauben, darauf
aufmerksam zu machen, dass wir beabsichtigen, eine internationale
Kommission zusammenzusetzen, welche alle diese Fragen, die heute und
an den folgenden Tagen als akut bezeichnet werden und die den Gegen-
stand weiterer Arbeit und Beratung bilden, sammelt und das Weitere
veranlasst. Wünscht zu dieser Frage noch jemand das Wort'.'
Dr. Stebler: Ich habe immer mit Interesse die neuen Daten der
Versuchsanstalten verfolgt und habe sie in den Publikationen auch immer
zu Rate gezogen, soweit sie mir Gewähr boten. Es ist deshalb sehr
wünschenswert, dass die Bestimmungen durch Material belegt würden.
Wenn man Pflanzen vor sich hat, so hat die Sache erst Wert. Ich bin
sehr gern bereit, alles Material, das mir zugeschickt wird, zu verwerten.
Das wird am besten in unseren Jahresberichten geschehen. Für jede
Kleinigkeit ist man ja dankbar, denn es ist immer ein Baustein mehr
zum grossen Gebäude.
Vorsitzender: Wünscht noch jemand zu dem Gegenstande zu
sprechen? Das ist nicht der FaU. Wir können deshalb zu dem zweiten
Punkte unserer Tagesordnung übergehen, nämlich der Wertbestimmung
der Rübensamen. Das Referat fällt mir zu; ich bitte deshalb Herrn
Professor Zacharias den Vorsitz zu übernehmen.
Prof. Dr. Zacharias übernimmt den Vorsitz.
234 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Die Wertbestimmung der Rübensamen.
Von
Hof rat Dr. Tli. v. Weiiizierl-Wien.
Eine ausserordentlich wichtige Frage der Samenkontrolle, die so-
wohl in praktischer wie auch in theoretischer Hinsicht insbesondere jene
Anstalten ausserordentlich in Anspruch nimmt, die in Zentren des Rüben-
samenhandels, namentlich aber des Handels mit Zuckerrübensamen liegen,
ist die Frage nach der Wertbestimmung der Rübensamen. Ich
brauche hier nicht eine erschöpfende historische Darstellung zu geben,
zumal eine Zusammenstellung') mit ausserordentlicher Raschheit durch
Herrn Kollegen Voigt bewirkt worden ist, sondern ich will diejenigen
Modifikationen besprechen, welche auf Grund der an unserer Anstalt in
\\'ien gemachten Untersuchungen sich hinsichtlich der Samenkontrolle
gewiss als anwendbar bezeichnen lassen.
Bekanntlieh wurden an allen Anstalten bei Bewertung des Rüben-
samens mit Ausnahme der sogenannten Magdeburger Normen die Grössen-
verhältnisse der Knäuel nicht in Rücksicht gezogen. Es ist ein-
leuchtend, aus welchen Gründen dies geschah. Die Gründe, welche
speziell mich veranlasst haben, s. Zt. gegen diese Gliederung in gross-
iind kleinkörnige Saat mich auszusprechen, liegen einfach darin, dass
es bei der Beurteilung einer Saat an der Grenze der Grob- und Klein-
körnigkeit — wenn man in Betracht zieht, wie gross der AnalysenfehU^r
ist — vorkommen kann, dass ein und dieselbe Saat nach der einen
Analyse als kleinkiUMiig und nach der anderen Analyse als grobkörnig
bezeichnet und infolgedessen nach zwei verschiedenen Massstäben be-
urteilt und somit zwei verschiedenen Anforderungen entsprechen würde.
I>ass aber der Rübensamen eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit in
den Grössenverhältnlssen bietet, das weiss jeder, der nicht nur den
') Technische Vorschriften für die Wertbestimmung von Saatwaren
I. des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen im Deutschen Reiche,
IL des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchsstationen in Russisch - Polen,
III. für die mit Staatssubvention errichteten Samenkontrollstationen der nor-
dischen Reiche: Dänemark, Norwegen und Schweden. IV. für die Association
of American Agricultural Colleges and Experiment Stations, sowie Durch-
schnittsresultate für die wichtigsten Futterpflanzen und ein Bericht über die
Samenkontrolle in Schweden. Nach dem vorhandenen Material zusammen-
gestellt und als Manuskript gedruckt für den ersten internationalen Kongress
für vSamenprüfungen in Hamburg, September 1906.
Th. V. Weinzier], Die Wertbestimmuüg der Rübensamen. 235
Rübensamen des Handels, der vielfach nicht von ein und derselben Saat
herstammt, kennt, sondern der auch mit Kulturversuchen sich befasst und
selbst Aberntungen vorgenommen hat. Wenn man die Entwickelung
der Rübenknäuel verfolgt, kann man wahrnehmen, dass man die ver-
schiedenartigsten Grössenverhältnisse vorfindet. Es würde zu weit
führen, durch rechnerische Beispiele die Relation darzulegen, welche
zwischen der Körnergrösse, dem Gewichte, und der aus einer gewissen
Anzahl von Knäueln hervorgegangenen Keimlinge sich herstellt; es würde
ferner zu weit führen, durch Beispiele klar zu legen, dass eben gerade
■die Grösse ausschlaggebend ist, wenn man auch noch das Gewicht der
Körner in Berücksichtigung zieht, oder, wie wir in unserem Gutachten
sagen, die Anzahl der Körner in einem bestimmten Gewicht der Ware.
Die Grössenverhältnisse des Rübensamens sind, wie gesagt, zuerst bei
den Magdeburger Normen berücksichtigt worden, aber der Umstand, dass
man nur die Extreme aufgestellt hat, hat wieder dazu geführt, die
Sache mehr oder weniger als undurchführbar zu bezeichnen, und hat
auch mit sich gebracht, dass die anderen Anstalten sich diesen Normen
nicht angeschlossen und dass weder die Berliner, noch die Hallenser
noch die Wiener Normen von dieser Abstufung und Abtrennung An-
wendung gemacht haben.
Ein anderer Umstand, meine Herren, der Ihnen ja sehr gut be-
kannt ist und als ein sehr grosser Übelstand in unserer Arbeit be-
zeichnet werden muss, ist die erste Proben Ziehung. Wir wissen ja
schon von anderen Sämereien, welche Schwierigkeiten es macht, ein
entsprechendes Durchschnittsmuster, also ein Analysenmuster, zu
ziehen. Bei Rübensamen, welcher die verschiedenste Anzahl von Einzel-
früchten enthält, fällt das um so mehr ins Gewicht resp. ist das um so
bedenklicher, wenn man aus dieser Zahl Umrechnungen für den Ge-
brauchswert des Rübensaatgutes macht. Wir sind uns der Mängel und
der Schwächen unserer derzeitigen bislang verwendeten Rübensamen-
untersuchungsmethoden bewusst gewesen. Wie die Herren aus unseren
Jahresberichten kennen dürften, geht uns alljährlich eine grosse Zahl
von Zucker- und Futterrübensamen zu, denn die Gesamtproduktion von
Österreich und ein Teil der ungarischen Produktion sind an den Einkauf
von Rübensamen gebunden, und der ganze Handel, der nach Schluss-
briefen erfolgt, schliesst nach gewissen Normen der Versuchsstationen
al). Wir sind nicht nur in einer gewissen Zwangslage gewesen, sondern
wir haben es auch als unsere Pflicht und unsere Aufgabe angesehen,
Verbesserungen hinsichtlich der Rübensamenunterbuchung anzustreben.
Wir sind dabei wieder auf unsere ursprüngliche Idee, nämlich Heran-
ziehung der Grössenverhältnisse als Massstab, zurückgekommen. Das
236 Verhindlaag en der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Thema, welches hier vorgelegen hat, wurde zwei Herren meiner Anstalt
schon vor zwei Jahren übergeben. Sie haben nach eitriger und mühe-
voller Arbeit, wie ich glaube und wie aus der hierüber schon publizierten
Arbeit') zu entnehmen ist, tatsächlich die Frage gelöst, insofern als es
ihnen gelungen ist, eine Methode herauszufinden, nach welcher man
möglichst einwandfreie, richtige und gute Durchschnittsmuster ziehen
liann. Das ist die Sache, mit der man anzufangen hat. Man ist
schliesslich dahin gelangt, dass man ein eingelaufenes Mustor von
250 — 300 g in einer kugelförmigen Glasschale gut durcheinander mischt
und so sorgfältig wie möglich mit Einbeziehung des betreffenden Restes
der Verunreinigungen ein Muster für die Analyse herstellt Dieses
Muster wurde für die Reinheitsbestimmung, dann für die Auszählung
der Körner nach der Zählmethode und schliesslich für die Ermittelung
des Wassergehaltes verwendet. Nun ist es gewissermassen die Subjek-
tivität gewesen, die den Ausschluss grösserer Differenzen verursacht.
Ich meine, wenn ein und derselbe Analytiker immer ein und dieselbe
Arbeit ausführt, so gleichen sich Versuchsfohler wieder aus; sie wachsen
dagegen bedeutend, wenn ein anderer diese Handgriffe übernimmt und
die Subjektivität damit verloren geht. Wir sind darauf ausgegangen,
durch eine maschinelle Vorrichtung eine möglichst vollständige Durch-
schnittsprobe zu bekommen. Der Probeziehungsapparat^) besteht
aus einem Trichter, in welchem 250 g Saat eingeführt werden. Von
hier aus gelangt der Rübensamen in einen horizontalen Zylinder, in
welchem das langsam einfallende Rübensaatgut mittelst einer Schnecke
nach vorwärts geschoben wird und schliesslich auf eine langsam rotierende
Scheibe, welche in zehn Segmente eingeteilt ist, fällt. Die Übertragung
durch Zahnräder ist eine derartige, dass die Umdrehungsgeschwindigkeit
der Scheibe die Arbeit des Apparates nicht alteriert, da mit der Um-
drehungsgeschwindigkeit der Scheibe auch das Ausfliessen des Samens
in gleichem Verhältnis zu- oder abnimmt und die Scheibe daher nicht weiter
kontrolliert zu werden braucht; der Apparat kann mit der Hand oder durch
einen Motor in Bewegung gesetzt werden. Wenn also das Ausfliessen
des Saatgutes hier beendet ist,' so können diese Segmente als Schüssel-
chen aus dem Probezieher herausgenommen werden, und man hat jetzt,
wenn man beispielsweise bis zu 200 g aufgeschüttet hat, ein Quantum
^) Körners, K. u. Freiidl, E., Die Wertbestimmving des liübensamens
(Österr.-Ungar. Zeitschr. f. Zuckerindustrie u. Landwirtsch. 1!)()6, H. 5, 105 S.
m. 3 Abb. u. 3 Taf. — Mittig. d. k. k. Samenkontrollstation in Wien No. 334.
Wien [W. Frick] 190()).
^) Probeziehungsapparat für Rübensanieu nach K. Komers, verbessert
von E. Freudl. (Wiener Landwirtsch. Ztg. 1905, No. 45, m. Abb.»
Th. V. Weinzierl, Die Wertbestimmung der Rübensamen. 237
von 20 g in jeder Schale Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der
Apparat so vollständig arbeiten muss, dass sämtliche Verunreinigungen,
auch Staub, mit herausbefördert werden, was durch die eng an den
Zylinder anschliessende Schnecke bewirkt wird.
Durch dieselben Assistenten, die seit Jahren mit der Sache
zu tun haben, und deren Subjektivität infolgedessen am geringsten ist,
und die auch diese Maschine bedient haben, sind viele Vergleichs-
versuche gemacht worden, sodass wir vergleichen konnten, innerhalb
welcher Grenzen die Schwankungen liegen. Es hat sich gezeigt, dass
die Schw^ankungen nur sehr geringe waren. Auch diese Frage der Fehler-
grenze und Schwankungen ist, soweit sie mathematisch gefasst werden
kann, in der genannten Arbeit zum Ausdruck gebracht und unter
Benutzung des Gaussschen Fehlergesetzes die Schwankungen der
Keimungsresultate der in Vergleich gezogenen Methoden berechnet.
Allerdings muss ich sofort bemerken, bevor ich von einer Bestimmung
der .Fehler spreche, dass es ja andererseits der Umstand, dass wir
etwas rascher mit der Publikation vorgehen, es nicht ermöglicht hat,
auch mit anderen Stationen gleichzeitig Versuche anzustellen, und
daher eigentliche systematische Fehler nicht haben berücksichtigt werden
können. Das wäre eine jener Anregungen, welche auch von unserer
Konferenz ausgehen sollten, und ich würde es als einen besonderen
Erlolg unserer Konferenz ansehen, wenn wir auf Grund dieser Vorschläge
und Anträge tatsächlich die Arbeit nach dieser Methode unter-
einander durchführen und vergleichende Proben austauschen und somit
zu einer Nutzanwendung unserer theoretischen Auseinandersetzungen
gelangen. Ich habe das nur bemerkt, weil gewiss jeder, der die Arbeit
aufmerksam liest und die weitgehenden Berechnungen sieht, diesen Ein-
wand erheben wird. Es ist vorbehalten, diesen sogenannten systema-
tischen Fehler zu finden, worüber sich erst dann völlige Klarheit ergeben
wird. P]r wird zweifellos nicht so gross sein, wie er nach der früheren
Methode war.
Als ein weiterer Fortschritt muss die Tatsache betrachtet werden,
dass es durch diese Arbeit gelungen ist, die Grössenverhältnisse
der Knäuel in einer Probe nicht nur zum Ausdruck zu bringen, sondern
auch tatsächlich die zur Keimung notwendigen 100 Knäuel nach einem
einfachen Schlüssel genau auszurechnen. Auf diese Weise wird eine
der wichtigsten Fehlerquellen, die wir immer alle bedauert haben,
und die zu grossen Differenzen geführt hat, bedeutend eingeschränkt.
Der eingeschlagene Weg ist folgender: Es wird nach dieser Muster-
ziehung zunächst eine Reinheitsbestimmung gemacht: auch hier haben
wir eine andere Auffassung unserer Wertbestimmung zugrunde gelegt.
238 Verhandlungen der I. intelnationalen Konferenz für Samenprülung.
indem wir nicht bloss den ausgesiebten Samen als reinen Samen ange-
sehen haben, sondern wir haben uns die Frage gestellt, welche Menge
von sogen. Abfallknäueln in einer Probe vorhanden ist, und wir be-
zeichnen diejenigen Knäuel, welche durch ein 2 mm-Schlitzsieb hindurch-
fallen, als sogen. Abfallknäuel. Wir haben jetzt also durch die Hand-
auslese und durch das Sieben
1. volle und reine Knäuel,
2. Verunreinigungen, als da sind Staub, Erde, fremde Bestand-
teile, und
3. Abfallknäuel — und das haben wir bisher nicht berücksichtigt.
Es ist wiederholt die Frage aufgestellt worden: soll man jetzt,
wenn man das Sieb verwendet, den gesamten Abfall als Verunreinigung
ansehen, oder sind diese kleinen Knäuel noch keimfähig, liefern sie noch
Pflanzen? Es sind bekanntlich eine Menge Arbeiten gemacht wordeiu
die ergeben haben, dass man gewiss auch noch Pflanzen davon bekommt,
dass das aber im grossen und ganzen ein Quantum ist, welches. man
unbedingt vernachlässigen kann, und dass das, was früher als Abfall-
knäuel in den Verunreinigungen enthalten war, überhaupt als fremde
Bestandteile angesehen werden kann. Dieser Vorgang war es ja, welcher
tatsächlich, ich muss es selbst sagen, herausgefordert hat, dass man
eben sagt: ja, die Knäuel, die geerntet sind, die auch noch keimfähig
sind, können unmöglich deshalb, weil sie klein sind und durch das Sieb
hindurchfallen, als fremde Bestandteile bezeichnet werden; etwas Fremdes
ist ja gar nicht hineingekommen. Es war deshalb notwendig, die Sache
in der Form zu machen, dass man die Abfallknäuel besonders behandelte.
Man hat verschiedene Rübensamen untersucht und ist zu interessanten
Resultaten gekommen. Man kann jetzt sogar das Gemenge konstatieren, -
in welchem Verhältni'^ der Prozentsatz der Abfallknäuel zu der ganzen
Ware steht. Kurz und gut, es ist dieser höchst einfache Gesichtspunkt
von nicht unbeträchtlicher Bedeutung geworden. Nun, ich will die
Sache nicht weiter ausführen, die Konsequenzen ergeben sich von selbst,
und die Beweisführung für diese Darlegungen ist in dem kleinen Referat
enthalten.
Wir haben also mit anderen Worten 1. eine Probezieliung, die
möglichst fehlerfrei ist. Wir haben endlich bei der Wertbemessung die
Abfallknäuel hinzugenommen. Wir mussten daher von Anfang an aus
einer Probe eine grössere Anzahl von Mustern ziehen, und da hat sich
die Einteilung in Segmente gut bewährt. Nun wurde ein System
von Sieben in Verwendung genommen und zwar von 7 — 2 mm. Ich
werde mir erlauben, ein einziges Zahlenbeispiel anzuführen. Wir haben
z. B. von Knäueln als Rückstand gefunden: auf dem 6 mm-Sieb in dem
Th. V. Weinzierl, Die Wertbestiminung der liübensamen.
239
einen Falle 0, in dem anderen Falle 12 — es handelte sich nämlich um
zwei verschiedene Rübensamenposten • — , auf dem Sieb 5 mm waren 9
bzw. 44, auf dem 4V2 nim-Sieb waren 68 bzw. 112 usw. Ich will nicht
alle Zahlen anführen, ich erwähne nur, dass auf dem 3,5 mm-Sieb die
höchste Ziffer von 305 einerseits und 208 andererseits erreicht wurde,
während auf Sieb 2 die eine Probe 176 und die zweite Probe 0 gezeigt
hat. Damit ist schon bewiesen, welche Extreme vorhanden sind. Und
nun haben wir eine Anzahl von Knäueln gehabt, welche nach demselben
Verhältnis auszulegen waren. Es ist jetzt ganz einfach. Ich habe zum
Keimversuch auszulegen
von den Rückständen des 6 mm-Siebes 0 2
5 „ „ 1
4^2 ., . Ö
4
3
2V2
9
9
28
21
19
16
i
17
21
31
20
2
0
das macht zusammen 100 100
Ich habe auf Grund des Prozentverhältnisses sofort den Schlüssel,
wieviel ich von den Siebprodukten wegzunehmen habe. Die so zu-
sammengestellten 100 Knäuel besitzen dasselbe Mischungsverhältnis, wie
es in der Probe wirklich vorhanden ist. Das war eine ausserordentlich
wichtige Tatsache, und es ergibt sich denn auch aus den Vergleichs-
versuchen, dass die Proben, die von dem verschiedenen bei der Proben-
ziehung beschäftigten Personal ausgelegt wurden, gut übereinstimmen.
Nachdem nun eine derartige Aufstellung gefunden wurde, hat sich
ein weiterer wichtiger Bewertungsfaktor eigentlich von selbst ergeben.
Wir haben lange darüber hin und her debattiert und deliberiert, welches
Schema der Bewertung man jetzt aufstellen soll. Wir haben ja
bereits gesehen, es gibt nicht nur grosse, mittlere und kleine Knäuel
sondern es gibt so viele Übergänge und so viele Grenzen, dass, wenn
wir nur drei Abstufungen einführen, ganz dasselbe eintritt wie bei zwei
Abstufungen. Diese Kombination ergibt sich von selbst. p]s ist nur
die eine Konsequenz gewesen, welche ich mir erlaubt habe, in diese von
mir herausgegebenen modifizierten Wiener Normen^) aufzunehmen,
nämlich eine Tabelle, die von Knäuel zu Knäuel geht, so dass man nur
1) Wochenschr. d. Zentralvereins f. Rübenzuckerindnstrie in der Österr.-
Ungar. Monarchie 1906, No. 36. — Mitteilg. d. k. k. .Samenkontrollstation in
Wien, No. 335.
240 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprülung.
das Resultat mit der Tabelle zu vergleichen braucht und sieht, mit
welchem Massstab man messen kann. Dass man auf diese Weise der
richtigen Bewertung des Riibensaatgutes, die schwieriger ist als bei allen
anderen Samen, ein gutes Stück näher gekommen ist, dürfte keinem
Zweifel unterliegen. Wir haben auch die verschiedenen Parallelversuche,
Avelche an unserer Anstalt gemacht worden sind, mit den verschiedenen
Qualitäten, mit den grössten Extremen, mit den verschiedenen Über-
gängen vorgenommen; wir haben künstliche Mischungen hergestellt und
g(Miau durch die Analyse die theoretisch festgestellten Mittelwerte, die
sich durch Berechnung ergaben, durch den Versuch auch wirklich ge-
funden. Das hat gezeigt, dass wir nicht nur schon berechtigt sind, eine
Tabelle, welche die Normalwerte für die Keimfähigkeit pro Gramm enthält,
aufzustellen, sondern dass es sich eigentlich von selbst versteht in dem
Momente, als man in der Lage ist, das Verhältnis der wirklichen Knäuel-
grösse in Kalkül zu ziehen.
Eine weitere Konsequenz dieser modifizierten Bewertungsmethode
ist die Ermittelung des Analysenspielraumes, Das ist auch
wichtig hervorzuheben, dass wir zu der allerdings von verschiedenen
Seiten vorgeschlagenen und von uns als richtig anerkannten Einführung
kommen mussten, nämlich die Latitude als Analysenspielraum für alle
Fälle gelten zu lassen und nicht nur, wenn die Ware an den Grenz-
werten ist. Eigentliche Grenzwerte sind hier nicht festgestellt, sondern
es ist nm^ gesagt, ein normales Rübensaatgut soll diesen Anforderungen
entsprechen. Es ist immer ein bestimmtes Knäuelgewicht mit der Keim-
fähigkeit- in Verbindung gebracht, so dass sich jederzeit durch Rechnung
auch die Keimfähigkeit pro 100 Knäuel aus der Tabelle finden lässt,
weil ja die Keimfähigkeit von 100 Körnern in Relation steht zu der
Zahl der Keime in einem Gramm und der Zahl der Knäuel in einem
Gramm.
Es ist begreiflich, dass die Bewertungsmethode Jetzt ein ganz
anderes Bild gibt wie früher. Früher ist man nicht gewohnt gewesen,
die Keimfähigkeit durch die Anzahl der Keime und Knäuel von 100 g
auszurechnen. Jetzt handelt es sich nur darum, die Zahl der Knäuel in
einem bestimmten Gewicht zu finden und die Keimfähigkeit derselben
zu ermitteln, so ist damit der dritte Faktor, die Keimzahl pro 100 Knäuel,
bestimmt. Es hat sich weiterhin daraus ergeben, dass die Bewertung
der Vergütung, wie wir sie bislang vorgenommen haben, selbstverständ-
lich auch nicht vollkommen den Anforderungen entspricht oder ent-
sprochen hat, welche man hinsichtlich der richtigen Verteilung der in
der Probe enthaltenen Rübenknäuel verschiedener Grösse gestellt hat.
Hingegen gestattet diese Bewertungstabelle auch in der Richtung eine
Th. V. Weinzierl, Die Wertbestimmung der Hübensamen. 241
befriedigende Lösung; in der Sclirii't, welche ich schon genannt habe,
ist auch die Berechnung in einem Beispiele durchgeführt worden, das
ich in die modifizierten Wiener Normen aufgenommen habe. Das er-
gibt sich von selbst. Man kann mit anderen Worten jetzt nach dieser
Bewertungsmethode irgend eine ganz bestimmte Analyse, welche vor-
liegt, mit der Tabelle vergleichen und hat dann gleich einen Mass-
stab, was man von der Ware zu halten hat. E)iese Tabellen sind leicht
zu handhaben, und wenn die Herron Gelegenheit haben werden, was
ich sehr wünschen würde, da uns die Urheberschaft in diesem Falle
zufällt, die Vergleichsversuche an den verschiedenen Anstalten durch-
zuführen, so wird sich jeder davon überzeugen, dass der kleine Mehr-
aufwand an Zeit und Mühe durch Präzision, durch die befriedigende
Lösung und durch die befriedigende Verkleinerung des Analysenfehlers
wettgemacht wird, und dass man auf diese Weise in die Lage kommt,
auch die Bewertung des Rübensaatgutes präziser und mit Rücksicht auf
die Händler zufriedenstellender zu ermöghchen.
Ich glaube, damit die Hauptpunkte dieser Vorschläge und dieser
in der Schrift als modifizierte Wiener bezeichneten Normen dargelegt
2u haben. Es würde mich sehr freuen, wenn einer der Herren, sofern
ich klar genug gewesen bin, die Gelegenheit benutzen würde, um sich
über diese Vorschläge auszusprechen.
Vorsitzender: Wünscht einer der Herren das Wort zu dem
Referat'.'
Prof. Dr. Rodewald Kiel: Meine Herren! Die Ausführungen des
Herrn Hof rat Dr. v. Weinzierl haben gewiss alle interessiert, die mit
Rübenuntersuchungen zu tun haben. Ich gehöre nicht zu denjenigen,
die viele Rübenuntersuchungen machen, trotzdem hat mich diese Arbeit,
welche an der Wiener Versuchsanstalt entstanden ist, sehr interessiert,
wie überhaupt alles, was auf die Methode der Keimfähigkeits- und der
Reinheitsbestimmung Bezug hat. Es ist wohl zweifellos, dass durch die
Methodik, die von Wien aus vorgetragen ist, eine etwas grössere Ge-
nauigkeit der Reinheitsbestimmung erreicht wird. Aber, meine Herren,
der schwache Punkt bei der Rübensamenuntersuchung ist die Keim-
prüfung der Rübensamen, denn die Fehler der Keimprüfung zählen
nach 10 — 20 "/o der Keimhnge, während . die Fehler der Reinheits.
bestimmung verhältnismässig nur klein sind. Ich glaube schon, dass
man auch mit einfachem Auswählen — ohne Absonderung der Knäuel-
.Jahresbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 16
242 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
rezidive durch Sieben — zu einem Ergebnis kommen würde, das zu
der Genauigkeit der Keimprüfung in einem wünsclienswertcn Verhältnis
steht. Indessen habe ich auch nichts dagegen, wenn man durch Sieb-
sätze dieKnäuel in verschiedene ürössenklassen trennen will, aber ich möchte
doch fragen : sind alle diese Übergänge, die in den Grössen der ver-
schiedenen Knäueln vorhanden sind, gesetzlos, oder wie sind sie be-
schaffen? Es würde mich sehr interessieren, wenn die Untersuchungen
nach dieser Richtung erweitert worden wären. Ich habe früher mal
von verschiedenen Samen (Cerealien, Erbsen, Raps, Rübsen, Kleesamen)
folgenden Versuch machen lassen. Ich habe die Gewichte der Ivörner
einzeln bestimmt. Trägt man nun diese Gewichte in Koordinaten ein^
so bekommt man eine Kurve von bestimmter Gestalt. Diejenigen Herren
Botaniker, die sich mit Variationsstatistik beschäftigt haben, wissen, dass
die Grössenverhältnisse der Pflanzen einer bestimmten Gesetzmässigkeit
folgen. Bei meinen Untersuchungen, die damals von Herrn Hedde aus-
geführt wurden, stellte es sich heraus, dass jene Kurve, von der ich
sprach, die als Abszisse die Zahl und als Ordinate das Gewicht der
einzelnen Samen hat, sich durch das Gausssche Pehlergesetz vollständig
ausgleichen lässt mit der Genauigkeit, die man bei chemischen Analysen
beanspruchen kann, also mit einer Abweichung von 2 — 3*^/o, mithin
ziemlich genau. Nun, meine Herren, wenn eine kontinuierliche Kurve
der Knäuelgrössen vorhanden ist und man diese durch Siebsätze ab-
stufen und unterbrechen will, so tritt immer die Schwierigkeit ein, dass
die Siebprodukte dem Gewichte nach anders ausfallen, je nach der Kraft,
die beim Sieben aufgewendet wird. Es wäre mir interessant gewesen,
wenn man die Fehler bei den Siebprodukten festgestellt hätte. Die
Fehler der Keimprüfung sind ja auch von der Wiener Station genau
berechnet worden. Die Genauigkeit, die durch die Zählprozentmethode
erzielt worden ist, ist nicht so sehr hoch ausgefallen gegenüber den
anderen Methoden. Die von Herrn Hofrat v. Weinzierl beschriebenen
Versuche lieferten die Genauigkeitszahlen und zwar bezüglich der Keime
nach sechs Tagen und für die Zählprozentmethode 0,055, für die Ge-
wichtsmethode 0,066 und für die alte Zählmethode 0,052. Diese Zahlen
sind so wenig von einander verschieden, dass man sagen kann, die eine
Methode leistet so viel wie die andere, aber die absolute Höhe der Ge-
nauigkeit ist unter jeder Anforderung, die man an eine wissenschaftlich
exakte Methode stellen kann. Das liegt in der Natur der Sache und
hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass die Keimungsbedingungen
noch nicht erschöpfend genug bekannt sind, oder dass auf den Keimungs-
prozess gewisse Verhältnisse einen Einfluss ausüben, die bei den Unter-
suchungsmethoden nicht genug berücksichtigt werden. Es kommen der-
Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 243
artige Sachen vor. Wir haben damals bei den Untersuchungen, die von
der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ausgingen, gesehen, dass
zwischen den einzelnen Stationen sehr grosse systematische Fehler bei
der Keimprüfung auftraten; das ist ein Zeichen dafür, dass trotz aller
Vorschriften die Keimungsbedingungen doch nicht im exakten Sinne
konstant gehalten wurden. Ich war in diesem Sommer damit beschäftigt
die Ursache der systematischen Fehler etwas mehr atifzuklären. Meine
Untersuchungen bezogen sich allerdings nicht auf Rübensamen, sondern
auf Rotklee und wurden zusammen mit Herrn Landwirtschaftslehrer
A. Schäfer ausgeführt. Ich will nicht näher darauf eingehen, aber
doch bemerken, dass die Teniperaturfehler bei der Sache sehr wesentlich
sind und dass auch die besten Apparate, wie sie jetzt im Gebrauch sind,
Temperaturfehler in den Keimpaketen möglich machen, die ^2 bis 1 Grad
betragen, wenn es den Keimpaketen in dem Thermostaten möglich ist,
in irgend einer Weise Wasser zu verdunsten. Ich verwandte nämlich
einen Thermostaten, dessen Thermometer bei geschlossener Tür tage-
lang Schwankungen von höchstens 0,5 Grad aufwies. In diesem
Thermostaten brachte ich in der Mitte auf einem Brett ein Thermo-
element an und verband es mit einem Galvanometer. Das Galvanometer
zeigte 0, es wurde stromlos, ein Zeichen, dass sich die Temperatur in
dem Thermostaten vollständig ausglich. Auf die oberen Lötstellen packte
ich meine Keimpakete. Da stellte es sich heraus, dass das Galvano-
meter sofort Ausschlag gab. Ich hatte sehr feine, für andere Zwecke
gebaute Instrumente und Messwerkzeuge zur Verfügung, mit denen ich
bis zu V.30C0 Grad messen konnte, und ich vermochte deshalb genauer
zu messen, als es für diesen Zweck eigentlich nötig war. Es stellte
sich heraus, dass auch bei geschlossenem Thermostaten die Temperatur
'/4 — V.i — V2 — 1 Grad schwankte, unter Umständen aber über diese
Grenze noch hinausging, je nach den Verdunstungsbedingungen. Ich
bin überzeugt, dass die Lüftungseinrichtungen der auf den verschiedenen
Stationen gebrauchten Keimapparate sehr verschieden sind; die einen
werden die Gelegenheit geben, viel Wasser zu verdunsten, die anderen
nur weniger. Damit steht in direkter Beziehung eine Temperaturdifferenz.
Nun will ich noch einen Versuch mit Rotklee bekannt geben, der eigent-
lich nicht hierher gehört, der aber zeigt, dass diese Temperaturdifferenz,
die bei Wasserverdunstung in den Keimapparaten nachweisüch vor-
handen sein kann, genügt, um recht erhebliche systematische Fehler
hervorzubringen. Um das zu konstatieren, liess ich hart gebliebene
Körner von einer Rotkleeprobe nehmen, nochmals in Wasser atislegcn
und von nachgequollenen Körnern befreien; dann wurden sie getrocknet
und zweimal 1000 Körner abgezählt, in zwei kleine 50 Grammflaschen
16*
244 Verhandlnno-en der I. internationalen I^onferonz für S.imenprüfung.
getan, mit destilliertem Wasser übergössen und die eine Probe in
einen Thermostaten gebracht, der auf 20 °, und die andere Probe
in einen zweiten Thermostaten, der auf '60 ° eingestellt war. Nun
wurde täglich die Probe ganz kurze Zeit herausgenommen und die
nachgequollenen Körner ausgezählt. Diese nachgequollenen Körner
konnten mit Sicherheit zur Keimung gebracht werden. Da stellte
es sich heraus, dass bei 30 ° innerhalb zehn Tagen — es ist das
die gewöhnliche Keimzeit des Rotklees — etwa 17,1 "/q mehr gequollen
Ovaren als bei 20 ". Nun, meine Herren, das macht, Proportionalität
vorausgesetzt, für jeden Grad Temperaturdifferenz einen Unterschied
von 1,7 °/o- Bei den vergleichenden Keimprüfungsversuchen, die von
der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ausgingen, betug bei Rotklee
der systematische Fehler 2 "/q. Ein Grad der Temperaturdifferenz, wenn
er über 10 Tage wirkt, würde imstande sein, den systematischen
Fehler um 1,7 °/o zu verändern. Nun, meine Herren, Sie sehen, dass der
Temperaturfehler bei den Quellungsbedingungen jedenfalls eine grosse
Rolle spielt. Ich habe die Untersuchungen noch nicht fortgeführt, vor
allen Dingen noch nicht auf Gräser ausgedehnt, es wird aber noch ge-
schehen.
Wenn nun so bedeutende Fehler in der Keimprüfung bei Rüben-
samen entstehen, wie sie in den Wiener Untersuchungen genau be-
rechnet sind, so ist doch auch vielleicht eine Ursache vorhanden, die die
F'ehlergrüüse bedingt und, meine Herren, es hat keinen rechten Zweck,
uns auf der einen Seite einer Genauigkeit zu bedienen, mit Aufwand
von vieler Arbeit, die vielleicht Fehler von 0,1 °/o ausschliesst, während
w'ir auf der anderen Seite mit Keimprüfungsfehlern von 10 — 20 ^Iq zu
rechnen haben. Im allgemeinen stellt man an eine wissenschaftliche
Methode die Anforderung, dass sie gleichmässig arbeitet, wenn sie ver-
schiedene Konstanten, die bei der Berechnung zusammenwirken, bestimmt.
Hier sind es die Reinheit und die Keimfähigkeit, die zusammen den
Gebrauchswert der Ware bestimmen. Es hat keinen rechten Zweck,
die Reinheitsbestimmung auf eine sehr grosse Genauigkeit zu steigern,
während die Keimfähigkeitsprüfung noch sehr grosse Lücken aufweist.
Allerdings betreffs der Keimfähigkeit der Knäuel steht die Sache
günstiger für die Zählprozentmethode. Die Genauigkeit der Zählprozent-
methode ist bei Bestimmung der keimfähigen Knäuel nach 6 Tagen 0,197,
bei der Gewichtsmethode 0,141 und bei der Abzählmethode 0,143, nach
12 Tagen ist das Verhältnis 265 : 144 : 134. Somit ist also die Zähl-
prozentmethode bei Bestimmung der keimfähigen Knäuel den beiden
anderen Methoden überlegen und zwar nicht ganz um das Doppelte.
Ich glaube, man wird gut tun, vor allen Dingen sein Augenmerk auf
Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 245
die Verfeinerung der Keimprüfung zu richten. Ob das gelingen wird,
ist eine andere Frage. Die Keimprüfung ist ein physiologischer Vor-
gang, der von sehr vielen Variahein abhängig ist. Man kann aber
annehmen, dass die einzelnen Variabein l)eherrschbar sind. Seit langen
Jahren war ich auch der Meinung, dass es kaum gelingen würde, den
systematischen Fehler zu verkleinern. Durch die vorhin erwähnten
Untersuchungen bin ich zu einer anderen Überzeugung gelangt. Das
wollte ich den interessanten Ausführungen des Herrn Hofrat Weinzierl
hinzufügen. Wir sind ja zusammengekommen, um gegenseitig unsere
Erfahrungen auszutauschen.
L. Kühle-Gunsleben: Meine Herren! An den Vorschlägen der
Wiener Station erscheint mir besonders bedenklich, dass an Abfall-
knäueln höchstens l^/^ vorhanden sein darf. Es steht heute noch
durchaus nicht fest, ob solche Knäuel vollständig wertlos sind. Meine
eigenen Untersuchungen, die ich eine ganze Reihe von Jahren fortgesetzt
habe, haben mir keine Beweise für ihre Minderwertigkeit zu schaffen
vermocht. Ich selbst siebe durch ein 3 mm-Sieb. Um jedoch auf i^j^
Abfallknäuel zu kommen, ist eine sehr grosse Siebfläche nötig. Es
würden alle Rübensamenzüchter gezwungen sein, ihre Siebanlagen bedeutend
zu vergrössern. Das wird kaum möglich sein. Anderseits würden
Differenzen dadurch entstehen, dass, sobald der Samen nach der Sor-
tierung noch längere Zeit gelagert hat, zahlreiche Knäuel, die ur-
sprünglich über das Sieb gegangen sind, an Grösse so einbüssen, dass
sie bei späterer Untersuchung durch das 2 mm-Sieb ohne weiteres
durchfallen. Diese Gefahr ist um so grösser, je trockener der Samen
eingelagert wurde und je länger sein Transport dauert. Es würde das
erhebliche Differenzen verursachen, und die Leidtragenden würden in
erster Linie die deutschen Rübensamenzüchter sein, da sie am ge-
samten Rübensamenhandel am meisten beteiligt sind. Es ist ihnen das
Leben schon an und für sich recht sauer gemacht; durch eine derartige
Bestimmung würde ein neues Moment hinzugefügt, welches wohl nicht
dazu beitragen dürfte, das Verhältnis zwischen Konsumenten und Produ-
zenten friedfertiger zu gestalten. Wie schon erwähnt, ist der Unwert
der kleinknäueligen Samen noch nicht schlüssig festgestellt. Ehe derartige
einschneidende Bestimmungen getroffen werden, müssen meines Er-
achtens diese Feststellungen erst unbedingt vorangehen. Es kommt
weiter hinzu, dass heute ein ziemlich grosses Quantum geschälten
Samens auf dem Markte ist. Bei dem geschälten Samen gehen 20— 25"/o
der ursprünglichen Knäuelmasse verloren, es müsste also für den ge-
schälten Samen eine besondere Norm geschaffen werden. Ganz besonders
bedenkhch erscheint mir auch die Bestimmung, dass in betreff der bei
246 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
den Keimversuchen konstatierten kranken Keime über eine Anzalil von
3 liinweggesehen werden kann, wenn das Saatgut den übrigen An-
forderungen entspricht. Ich selbst bin mit meinem verehrten Freunde
Prof. Li n hart, welcher schon verjähren Anregungen in gleicher Richtung
gemacht hat, die damals auch von der Wiener Station, so weit ich
weiss, nicht aufgenommen wurden, darin einig, dass die am Samen
haftenden Dauerformen verschiedener Mikroorganismen die Ursache für
die Erkrankung der Rübenptlanzen sein können und dass eine Infektion
der Keimlinge vom Samen ausgehen kann. Auch neuerdings hat Herr
Dr. Peters von der Biologischen Reichsanstalt mitgeteilt, dass ihm In-
fektionen mit Reinkulturen von Plioma betae und Pythium de Baryanum
gelungen sind. Immerhin erscheint mir bis heute der Zusammenhang
der Krankheitserscheinungen im Keimbette und im Preilande noch nicht
so genügend geklärt, dass man schon jetzt zu derartig einschneidenden
Bestimmungen schreiten kann. Was krank ist und was nicht krank
ist, sagen die „neuen Wiener Normen" nicht; sie sprechen lediglich
von kranken Keimen. Es muss doch unterschieden werden, welche
Krankheitsformen in Frage kommen sollen. Vor allen Dingen ist zu
berücksichtigen, dass in jedem Falle der bakteriologische Nachweis für
das Bestehen einer kontagiösen Erkrankung zu erbringen sein wird.
Ein Keim, der gebräunt ist und krank aussieht, braucht nicht in diesem
Sinne krank zu sein. Es kann ja diese Erscheinung irgend eine physio-
logische Ursache haben, mit der der Samen gar nichts zu tun hat, die
vielleicht auf das Wasser, das zum Einquellen benutzt worden ist, viel-
leicht auch auf das Keimbett, auf Temperatuifehler usw. zurückzuführen
ist. Deshalb sollte die Wiener Station ihre Vorschläge nach dieser
Richtung nachprüfen. Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass die Materie
noch nicht so spruchreif ist, um bereits zu bindenden Beschlüssen kommen
zu können. Dazu gehören noch weitere intensiv durchzuführende Unter-
suchungen und Feststellungen.
Professor Dr. Edler-Jena: Ich möchte mir nur eine Bemerkung
gestatten, um einem Missverständnis vorzubeugen. Es schien mir, als
ob Herr Hofrat v. Weinzierl der Ansicht sei, dass die Magdeburger
Normen von den deutschen Stationen aufgestellt worden wären. Mit
der Aufstellung dieser Normen haben die Stationen gar nichts zu tun
gehabt, und sie gehen uns unmittelbar auch nichts an; sie sind vom
Handel aufgestellt, und wir haben gegebenenfalls durch die Untersuchung
nur zu entscheiden, ob die Ware der Norm entspricht. W^eiter möchte
ich darauf aufmerksam machen, dass die für uns geltenden Bestimmungen
ein Ausscheiden der kleinen Knäuel vor der Keimprüfung gar nicht zu-
Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 247
lassen, sondern dass wir stets die Probe, so wie sie eingesandt ist, zu
untersuchen haben.
Vorsitzender: Wird sonst das Wort gewünscht zu diesem
Gegenstände?
Hofrat Dr. v. Weiiizierl-Wien: Wenn Sie gestatten, möchte ich auf
diese verschiedenen Bemerkungen einiges anführen. Bei allen vorgebrachten
Einwänden wird es nicht möglich sein, mit der Gründlichkeit, wie die
Sache es erfordert, zu entgegnen, namentlich dem vorletzten Herrn
Redner gegenüber nicht, da ja Herr Kühle noch nicht im Besitze der
ausführlichen Arbeit ist, in w^elcher über etwa 6 Seiten gerade die
Frage der kranken Keime besprochen worden ist.
Ich möchte zunächst Herrn Professor Rodewald danken für seine
Anregungen. Namentlich der Fehler bei den Siebprodukton wird gewiss
zu berücksichtigen sein; auch glaube ich in meiner Darstellung bereits
gesagt zu haben, dass man eine gewisse Gesetzmässigkeit in der An-
ordnung der Rübenknäuel nach ihren Grössenverhältnissen annehmen
kann, wenn auch durch diese vorgenommene Absiebung eine Unter-
brechung der von ihm genannten Kurve eintritt. Im allgemeinen wäre
das nach Ansicht des verehrten Kollegen wohl nicht von diesem Belange
gegenüber dem ziemlich grossen Fehler, welcher den Keimversuchen
als solchen anhaftet. Ich muss sagen: ich bin mir dieser Schwächen
und Mängel vollauf bewusst gewesen und habe gleich in der Einleitung
gesagt, dass wir in erster Linie auf solche Fehler ausgehen, welche
ohne grosse Schwierigkeiten zu beseitigen im Bereiche der Möglichkeit
und der technischen Durchführbarkeit liegt, nämlich die Herstellung
guter Durclischnittsproben unter Berücksichtigung bestimmter Grössen-
verhältnisse. 1 )ie systematischen Fehler haben wir nicht in Rechnung
gezogen: die werden durch diese Vergleichsversuche ermittelt werden.
Aber dass Fehler dadurch entstehen, dass eben durch Einflüsse speziell
bei der Keimung, z. B. durch Erfüllung oder Nichterfüllung gewisser
Keimungsbedingungen, Störungen und Differenzen eintreten, das ist
uns allen bekannt. Wir waren in Wien bemüht, in der Richtung eine
Vervollkommnung durchzuführen, und die Beschreibung der Durch-
führung des Keimversuches in der Schrift hat speziell mit Rücksicht
auf die Temperatur eine Vervollkommnung erfahren. Sie ist natürlich
nicht in der Weise zu deuten, wie sie Herr Professor Rodewald ge-
deutet hat, nämlich mit Rücksicht auf die Konstanz der Temperatur;
denn den Herren ist ja bekannt, das3 wir seit mehr als 24 Jahren,
durch grosse, noch immer vergleichsweise fortgeführte Versuchsreihen
gestützt, konstatiert haben, dass die intermittierende Erwärmung
die natürlichen Verhältnisse, soweit es im Bereiche des Laboratorium-
248 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Versuches liegt, ersetzt. Wir haben es hier nicht mit konstanten Tempe-
raturen zu tun. Nur wenn wir voraussetzen oder annehmen, dass ein
Keimapparat so konstruiert ist und so an allen Stationen gehandhabt
wird — ich nehme ja nur den Fall an — , so müsste naturgemäss mit
Rücksicht auf die Keimungsbedingungen der Fehler nicht in Betracht
kommen oder nicht massgebend sein, weil die Temperaturdifferenz ein
Einfluss ist, den man ja geradezu wünscht oder veranlasst. Unsere
Apparate sind alle auf schwankende Temperaturen, die zwischen
18 — 28° C betragen, automatisch eingerichtet. Auch haben wir kon-
statiert, wie die Schwankungen sich in den einzelnen Etagen des Thermo-
staten ergeben und welche Kurven sich hinsichtlich der Temperatur-
Schwankungen zeigen. Da ergibt sich, dass das Keimbett nicht in dem
Moment, wo die Temperaturanzeige 28" ist, auch eine Temperatur von
28" hat und wenn die Temperaturanzeige 18'' ist, das Keimbett diese
Temperatur tatsächlich nicht besitzt. Wenn unter diesen Verhältnissen
gleichartig gearbeitet wird, werden die Fehler müglichbt klein werden,
und wenn wir noch andere Momente finden würden, welche speziell
ausschlaggebend beim Keimversuche sind, wird eine Verbesserung dieses
Fehlers von 10*^/0 erreicht werden, was bekanntlich bei Rübensamen eigent-
lich nicht viel ist. Was die Bemerkungen des Herrn Kühle betrifft, so
möchte ich auf die genannte Publikation hinweisen und darauf aufmerksam
machen, dass wir ein 2 mm Schlitz sieb verwenden natürlich in der
Voraussetzung, dass wir Rübensamen des Handels vor uns haben. Wenn
heute z. B. nur geschälte Esparsette in den Handel kommt, so werden eben
die für diese Samenart aufgestellten Normen gelten kfmnen, ebensowenig bei
geschältem Rübensamen angewendet. Wir sieben durch ein 2 mm-Sieb und
haben diese Versuche bereits durchgeführt. Wir haben hinsichtlich dieser
kleinen Knäuel und zwar hinsichtlich ihrer Keimfähigkeit, ihres Ver-
haltens im Keimbett und im Freiland eine ganze Anzahl von Beobachtungen
gemacht, welche uns dahin geführt haben, die Masse der Keimlingssubstanz
zu ermitteln; wir haben eine Relation gefunden zwischen der Keimfähigkeit
und der Keimlingsmasse. Es kommt eben auf die Menge der entwickelten
Keimsubstanz an, welche die Keimlinge besitzen und alle die Einwände,
welche sich auf die weiter betonte Frage der kranken Keime beziehen,
fallen, bei genauer Prüfung unseres Standpunktes, zweifellos hinweg. Um
nicht mehr zu sagen, als in diesem Falle notwendig ist, will ich speziell auf
den Satz aufmerksam machen, welcher aus einer Reihe von Betrachtungen
bezüglich der bisherigen Beurteilungsmethoden der kranken Knäuel sich
ergeben hat. Dieser Satz lautet: „Bei der Wertbestimmung des Rüben-
samens als Saatgut wird es sich somit nicht um die Feststellung handeln,
ob Krankheitskeime verbanden sind oder nicht, sondern es wird vielmehr
Diskussion: Wertbestimmung der Rübensamen. 249
darauf ankommen, wie viel Keime selbst unter den günstigsten Be-
dingungen des Keimbettes sich nicht zu behaupten vermögen und daher
im Freilande sicher eingehen werden. Das Schicksal aller übrigen
Keime im Freilande hängt ganz von den Verhältnissen ab, die später
auf dem Felde auf sie einwirken und kann selbstverständlich weder
durch einen Laboratoriumsversuch noch durch einen Anbauversuch an
einem beliebigen Orte von vornherein festgestellt werden."
Dieser Satz ergab sich aus einer Reihe von Beobachtungen und
Versuchen, welche gezeigt haben, dass das, was wir als kranke Keime
bezeichnen, so zu verstehen ist, dass es eine auf irgend eine Weise
hervorgerufene Infektion eines schwächlichen Keimlings ist, und je
schwächlicher die Keimlinge sind, desto mehr derartige kranke Keime
entstehen. xVuch die Frage wurde untersucht, ob die Anzahl der im
Keimbett auftretenden kranken Keime mit der Anzahl der im freien
Lande auftretenden übereinstimmt. Es hat sich gezeigt, dass diejenige
Ware, welche im Keimapparat kranke Keime gibt, auch unter allen Um-
ständen kranke Keimpflanzen draussen erzeugt. Sie haben eine schwäch-
liche Konstitution, so dass sie den stets minder günstigen Verhältnissen des
Freilandes erliegen. Der Prozentsatz der Keimlinge bis zu 3 oder 4 würde
aber gar keine Berechtigung geben, die Ware als krank zu bezeichnen.
Ich will die Sache nicht weiter ausführen und stehe in der Angelegenheit
übermorgen zur Verfügung für den Fall, dass den Herren die Darlegungen
nicht klar sein sollten. Ich will bemerken, dass allen diesen Anregungen,
für die ich sehr dankbar bin, noch Rechnung getragen wird, und dass
sie dazu beitragen dürften, dass die Herren Kollegen und die Stationen,
welche mit diesen Fragen zu tun haben, aus dieser Methode eine
Anregung schöpfen möchten, auch in dieser Richtung die Sache zu ver-
folgen.
Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Meine Herren! Ich habe vorhin auf Rotklee
exemplifiziert. Ich wollte nur ausführen, dass uns manche Bedingungen
unklar sind, die einen Einfluss auf die Höhe der Keimfähigkeit haben.
Es ist der Nachweis geführt, dass die Mischung der Knäuel eine viel
gleichmässigere war, als sie wieder aus dem Apparat herauskamen.
Das kann seinen Grund in der Methode haben. Ich wollte darauf auf-
merksam machen, dass da der schwierige Punkt liegt. Schliesslich ist
es nicht nötig, die Genauigkeit nach der einen Richtung so sehr zu
steigern, wenn man nach der anderen Seite mit so kolossalen Fehlern
rechnen muss. Die Fehler der Keimprüfung, die bei den Wiener Ver-
suchen so sorgfältig berechnet worden sind, sind nach den Vorschlägen
von Simony aus den ersten und zweiten Potenzen berechnet. Man
kann sie auch aus irgend einer beliebigen Potenz bestimmen. Der
250 Verhandlungen der [. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Vorschlag von Simony mag vielleicht bei gewissen Bestimmungen und
Untersuchungen seine Berechtigung haben, aber in diesem Falle ist es
eine unnütze Arbeit, und ich möchte hier eine Bemerkung daranknüpfen.
Wir sind hier versammelt an einem Orte,') wo ein grosser Hamburger
seinen Ursprung genommen hat. Ich meine Heinrich Hertz, den
Physiker, der sich mit der Frage, wie genau eine physikalische Kon-
stante bestimmt werden muss, um praktische Resultate und Gesetz-
mässigkeiten daraus ableiten zu können, beschäftigt und seine Ansicht
in einer These, die ich zur Verlesung bringen möchte, zusammen-
gefasst hat. Hertz sagt: „Ein Fehler von ^loo '^^^ wahren Wertes
bildet die Grenze für die wünschenswerte Genauigkeit, ein Fehler von
Viooo ^ös wahren Wertes die Grenze für die mögliche Genauigkeit in
der Bestimmung einer piiysikaUschon Konstanten; genauer als bis auf
'/,0Q0 ihres Wertes Jässt sich kaum eine physikalische Konstante auch
nur definieren." Nun, meine Herren, ich glaube, wir können uns auf
die Erfahrungen, die Hertz bei der Bestimmung von physikalischen
Konstanten gemacht hat, verlassen. Nun möchte ich darauf aufmerksam
machen, dass, wenn die Rechnung nach den Angaben von Simony
durchgeführt wird, sie als grösste Abweichung bei den Wiener Unter-
suchungen 1,1 "/o von der Rechnung nach den ersten Potenzen liefert.
Wir haben hier die Genauigkeit, die Hertz als wünschenswert bezeichnet,
schon bei der Rechnung nach den ersten Potenzen.
Vorsitzender: Die Zeit ist seiir weit vorgeschritten, und ich
möchte deshalb vorschlagen, bis auf eine kurze Bemerkung, die Herr
Hofrat V. Weinzierl noch zu machen hat, die Sitzung zu schliessen.
Wir werden ja noch in späteren Sitzungen Gelegenheit haben, auf das
näher einzugehen, was Herr Professor Rodewald ausgeführt hat und
noch ausführen wird. Speziell bezüglich der Rübensamen haben wir
noch am Mittwoch die Möglichkeit uns zu unterhalten. Es ist ausreichende
Gelegenheit gel)oten, die hier angeschivittenen Fragen in späteren Sitzungen
zu traktieren.
Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien: Ich möchte nur ganz kurz mit-
teilen, dass mir von dem im letzten Augenblick am Erscheinen leider
verhinderten Herrn Direktor Schribaux-Paris eine Arbeit über den
gleichen Gegenstand, über den ich zu referieren hatte, übersandt worden
ist, nämlich über die Modifikation der Normen und die Prüfung in der
Untersuchung der Rübensamen. Ich war nicht in der Lage, das jetzt
noch berücksichtigen zu können und erlaube mir, die Arbeit als Material
zu übergeben mit der Bitte, in das Protokoll aufzunehmen, dass sie vor-
') Johanneum.
Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves. 251
gelegt worden ist und dass wir vielleicht Gelegenheit nehmen werden,
später auf die Sache noch einzugehen,
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte noch kurz auf die Zusammen-
stellung von Technischen Vorschriften für die W«rtbe-
stimmung von Saatwaren') aufmerksam machen. Ich habe ver-
sucht, die gesamten mir bekannt gewordenen Vorschriften zusammen-
zustellen, ich habe dann noch einige Durchschnittsresultate hinzugefügt
und zum Schluss einen kurzen geschichtlichen Abriss über die Samen-
kontrolle in Schweden von Herrn Widen gebracht. Es besteht die
Absicht, für diese als Manuskript gedruckte Arbeit von allen Kontroll-
stationen, die hier versammelt sind, Ergänzungen zu erbitten, um bei
der nächsten Zusammenkunft eine brauchbare Übersicht über die Samen-
kontrolle geben zu kiinnen.
iJie ausführliche Mitteilung des Kollegen Schribaux über die
Wertbestimmung des Rüben samen wird im Konferenzbericht zum Ab-
druck gelangen.
Vorsitzender: Der gestern festgelegte Arbeitsplan liegt jetzt im
Druck vor. Der Plan muss eine kleine Modifikation erfahren. Da wir
heute sehr fleissig gewesen sind, so wird es kaum möglich sein, uns
heute nachmittag vor 8'/2 Uhr hier wieder zu vereinigen — es ist im
Programm vorgesehen um 3 Öhr — , ich würde deshalb vorschlagen, uns
um 3'/2 Uhr wieder zu versammeln. Dann haben wir Zeit genug, die
Sitzung bis in den Abend auszudehnen. Ich würde für diese Sitzung-
Herrn Direktor Stebler bitten, den Vorsitz zu übernehmen.
Schluss 1'/^ Uhr.
Comment il conviendrait de modifier ies normes en
usage dans le commerce des semences de betteraves.
Par
E. Schribaux, Directeur, et Leon Bussard, Sous-directeur
de la Station d'essais de semences de Paris.
Quand le cultivateur a fait choix d'une betterave de bonne race
parfaitement selectionnee, possedant en un mot des qualites hereditaires
bien etablles, il est essentiel qu'il s"adresse ä des semences germant
1) Siehe p. 2:M Anmerkung.
252 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung,
tres vite et en tres grand nombro, livrant des germes sains et aussi
vigoureux quo possible.
Si les graines levent en presque totalite, le semis fournit une
ligne ininterrompue de plantules, et, au demariage, il devient facile de
placer les racines ä des intervalles reguliers; le nombre des manquants
se trouvera, par ce fait. reduit au minimum.
Une germination rapide restreint les chances de destruetion des
plantules, toujours si nombreuses au debut de la Vegetation; Tavance
qu'ello leur assure, se maintenant jusqu'a la recolte, favorise ä la fois
les rendements et la qualite des racines, Quant a la sante et ä la
vigueur initiales des graines, elles sont la meilleure garantie d"un deve-
loppement satisfaisant pendant tout le cours de la campagne,
C'est aux stations speciales que l'agriculteur s'adresso, non pour
determiner les qualites hereditaires des semences, appreciables seulement
par une experience de culture, mais pour juger de leur vitalite, pour
juger des qualites individuelles que nous venons d'enumerer,
Teile qu'ello se pratique actuellement, l'analyse des semences ne
renseigne pas l'agriculteur aussi completement qu'ello le pourrait sur la
Performance des graines de botteraves, pour employer un terme usite
chez les hommes de cheval.
Par une decision du 4 fevrier 1894, le Syndicat des iabricants de
sucre de France, s'inspirant ä la fois des normes de Magdebourg et des
chiffres adoptes par la sucrerie autrichienne, a fixe comme suit les con-
ditions des marches de graines de betteraves:
1, La graine de betterave proviendra de la derniere recolte. Elle
sera loyale et marchande, c'est-a-dire qu'elle remplira les conditions
suivantes:
Elle donnera do 5000Ü ä 70000 germes par kilogramme de se-
mences,
„ „ „ 150 germes par 100 glomerules de semences h
gros grains,
„ „ „ 130 germes par 100 glomerules a petits grains.
Los semences a gros grains sont celles dont le nombre ne depasse
pas 45 par grammo,
2, II est admls qu'apres 15 jours do germination, il y aura, au
maximum, les nombres ci-apres de graines n'ayant pas germe.
20 "/o pour les semences ä gros grains,
30 ^Jq „ „ „ ä petits grains.
3, L'humidite ne devra pas depasser 15 °/o du poids total brut;
les impuretes (matieres etrangeres : terro, bois, feuilles etc.) n'exce-
deront pas la proportion de 3 7o-
Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves. 253
Avant de discuter ces chiffres, rappelons quelques notions physio-
logiques tres simples, qui serviront de base ä notre argumentation.
Quand ou suit le developpement d'une betterave portegraine, on
constate que la floraison est successive et se prolonge pendant plusieurs
semaines. Elle debute sur Taxe piincipal et se poursuit sur les axes
secondaires, en commen(^ant par les plus rapproches du sol. Sar chacun
des axes eile progresse de la base vers le sommet; bref, qu'on envisage
seit l'inflorescence tout entiere, soit un axe en particulier, la tloraison
est regulierement basifuge: les fleurs de la base d'un axe quelconque
sont pleinement epanouies lorsque celles du sommet se trouvent encore
completement ferraees. Ajoutons qu'au sommet seulement des differents
rameaux, on trouve des fleurs isolees qui fourairont, par consequent,
des ,,graines" renfermant une seule amande; un peu plus bas, les tleurs
se soudent deux ä deux, puls trois ä trois, en nombre d'autant plus
grand, en definitive, qu'on se rapproche davantage de la base. On en
trouve jusqu'ii 5 — 6, qui produiront des semences renfermant 5 — 6
amandes ou graines (les botanistes designent sous le nom de graine
le produit d'un ovule feconde et parvenu ä maturite). Ce qu'on appelle
improprement ,, graine de betterave" est, en realite, un assemblage de
fruits soudes les uns aux autres, un fruit comp ose ou glomerule-
D'apres ce que nous venons de dire, les plus gros glomerules sont issus
des fleurs epanouies les premieres. Or, dans la machine vegetale, comme
dans une machine quelconque, l'importance du travail organique, le
rendement, est en raison directe de la duree de ce travail; les fleurs
apparues les premieres fabriquent les amandes les plus lourdes, les plus
müres, les mieux constituees. Ce fait, que Tun de nous^) a mis en
lumiere il y a plusieurs annees, estgeneral; il est vrai pour la betterave
comme pour les autres especes vegetales. Aux plus gros glomerules,
provenant, nous le repetons, des fleurs epanouies les premieres cor-
respondant les amandes les plus grosses; aux plus petits glomerules, les
amandes les plus petites.
Le poids des glomerules et celui des amandes varient dans le
memo sens. Pour le verifier, voici comment nous avons opere.
Un meme lot de semences, passe a plusieurs cribles dont les
ouvertures, circulaires, mesuraient respectivement b^j^, 5, 4^2» 4, 8'/2,
et 3 millimetres de diametre, nous a fourni 7 categories de glomerules
de poids decroissants. Les amandes extraites, par un battage special,
des glomerules de chaque serie ont ete comptees et pesees, et le poids
du mille calcule d'apres ces donnees. Les diagrammes ci-dessous tra-
1) Schribaux. Contribution ä ramelioration des plautes cultivees.
Cornptes rendiis de rAcademie des Sciences. Paris 2.5 juillet 1892.
254 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
duisent les resultats que nous avons obtenus, abstraction faite de ceux
qui se rapportent aux tres gros glomerules (poids 52 gr. ) et aux tres
petits (6 gr. 800), ces derniers resultats, de meme sens que les autres»
n'offrant aucun interet pratique.
Poids relatif des glomerules et des amendes correspondantes:
Poids de 1
II
111
IV
V
1000
glomerules 12 g 850
IGg 325
19 g 625
25 g 675
34 g 750
= 100
127
153
200
270
Poids de
lOOOamandes
correspon-
dantes 2 g 044
2 g 335
2 g 481
2 g 818
3 g 051
= 100
114
121
138
149
Les amandes les plus lourdes fournissent les betteraves les plus
vigoureuses, les meilleures recoltes par consequent. Les differences
constatees en culture avec les petites semences, on le concoit, s"atteiiuent
d'autant plus que la maturite du porte-graine a ete plus parfaite, plus
reguliere, que la saison vegetative a ete plus favorable aux racines issues
des differentes semences. Mais que la maturite des betteraves porte-
graines laisse ä desirer, que los plantules issues des graines de differents
poids aient ä lutter contre la secheresse, contre des Champignons ou
d'autres circonstances defavorables, c'est alors que la superiorite des
gros glomerules s'affirme nettement. Comme la prudence commande au
cultivateur de mettre toutes les chances de son cote, ses preferences
Schribaux et Bussard, Normes des semences de betteraves.
255
doivent donc aller aux gros glomerules. Pour les betteraves comme
pour les aiitres especes, la notion du poids des graines presente donc
un interet tres reel.
Comment se classent Celles que nous livrent les producteurs.
Voici les chiffres que nous avons obtenus ä la Station pour les trois
dernieres campagnes d'analyses (les poids indiques se rapportent ä 1000
glomerules).
1903-1904
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s
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S o
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So^
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CO ,-H
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o
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Petites graines
19,61 0/,
Graines moyennes
51,68 o/o
Grosses graines
28,71 o/q
1904—1905
CS
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bJD
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OJO o
CO ^"
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Petites graines
20,40 %
Graines moyennes
52,30 o/o
Grosses graines
27,30 o/„
256 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sanienprüi'ung.
1905—1906
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Petites graines
40,41 o/o
Graines moyennes
40,40 o/n
Grosses graines
19, 19 o/o
Les normes enonces plus haut etablissent seulement deux eategories
de glomerules suivant leur grosseur: 1. les petits glomerules, qui sont
au nombre de 45 au moins par gramme (ils pesent, par consequent,
1000
45
22,2 gr. le mille): 2. les gros glomerules, qui comprennent
tous ceux d'un poids superieur a 22,2 gr. A cette Classification, qui est
trop sommaire, nous proposons de substituer la suivante, de distinguer:
les petits glomerules, pesant moins de 18 gr. le 1000,
les glomerules moyens, pesant de 18 a 22 grammes,
les gros glomerules, pesant plus de 22 grammes.
Le Syndicat des fabricants de sucre se contente, pour les petites
graines, d'une germination minima de 70 ^j^; ce chil'fre est trop faible.
Voici, en effet, les moyennes que nous avons atteintes pendant les
trois dernic'res campagnes d'analyses, avec les graines pesant de 18
ä 22 gr. :
en 1903—1904 . . . 72,09 "/q,
en 1904—1905 . . . 73,80%,
en 1905—1906 . . . 82,61 »/o-
Meme pendant la mauvaise annee 1903—1904, le chiffre regle-
mentaire de 70 "/o a ete depasse; il atteint 72 "/q. Notons que, dans
cette moyenne, entrent quelques echantillons tres mauvais, adresses a
la Station a la suite de litiges,
Ces cbiffres nous autorisent ä reclamer, pour les glomerules moyens,
une germination d"au moins 75 "/g, en conservant celle de 70 °/o pour
les petits glomerules et de 80 ^/q pour les gros.
Schribaux et Bussard, Normes des semenees de betteraves. 257
La necessite de relever le taux de germination des glomerules
moyens s"impose d'autant plus que ceux-ci sont les plus iiombreux ; nous
avons vu qu'en 1903— 1904, ils representaient 51,68 °/o, en 1904 — 1905
52,30 °/o, disons la moitie au moins, des echantillons du commerce. En
1905 — 1906, annee exceptionnellement bonne les petites semenees ayant
parfaitement muri, on en a moins elimine au criblage,
Ces minima, nous en sommes convaincus, pourront encore etre
releves ä bref delai. lorsque la dessiccation artificielle des semenees se
generalisera, lorsque les producleurs prendront l'habitude de poussor
plus loin le criblage de leurs graines, en eliminant les petites graines
steriles qu'on rencontre encore trop souvent dans les echantillons.
Dans le tableau ci-dessous, nous indiquons los taux de germination
releves, pendant les trois dernieres annees, pour les glomerules de diffe-
rents poids essayes a la Station:
Glomerules
pesant
1903- 1904
1904—1905
1905—1906
moins <
de
/o
/o
/o
14 grammes
57,50
66,0
72,75 '
14 k 16
V
62,25
73,75
74,07
16 a 18
»
64,13
72,91
77.23
18 ä 20
»
70,09
73,19
82,00
20 a 22
,.
74,02
74,54
83,43
plus de 22
„
' 78,27
77,91
86,52
Les chiffres de ce tableau mettent en lumiere ce fait que les ecarts
de germination qui existent entre les grosses et les petites semenees.
attenues dans les bonnes annees, par suite d'une maturation plus egale
des diverses parties de l'inflorescence, s"accentuent au contraire dans
les mauvaises, oii la superiorite des grosses graines so manifeste de
fa<;on eclatante.
Ceci vient encore ä Tappui de notre these : 11 laut donner la pre-
ference aux grosses graines. Aux raisons de cette preference que nous
avons dejä fait connaitre s'en ajoute une autre : elles germent plus vite
que les petites. C"est ce qui ressort des chiffres ci-dessous. Ce que
nous appelons ici gros glomerules, ce sont ceux qui restent sur un
crible ä trous circulaires de 5'/2 ^^ ^^ diametre; les moyens passent
ä travers ce crible et sont retenus par celui de 3V2 ^™I l^s petits
traversent ce dernier crible.
Sur 100 glomerules germants de chaque categorie, voici, pour
10 essais pris ;i la suite parmi nos analyses de l'annee 1905 — 1906,
c'est-a-dire d'une annee exceptionnellement bonne, la proportion moyenne
de ceux qui sont sortis apres 5 jours:
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 17 '
258 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Gros glomerules . . . 96,18 *^/o,
Glomerules moyeiis . . 85,86 "/q,
Petits glomerules . . . 79,12 ^/q.
Puisqiie nous parlons de la rapidite de la germination, de Tenergie
germinative, faisons remarquer que, dans certains pays comme en France
on n'en tient pas compte; les normes adoptees ailleurs ne sont pas assez
elevees.
L'energie germinative fournit la meilleure mesure de la vitalite
des semences; il Importe donc grandement de s"y arreter. Les graines
seches de recolte recente germent rapidement, elles produisent des plan-
tules vigom'euses et viables; les vieilles graines. au contraire, germent
avec lenteur, comme a regret, et beaucoup des germes qu'elles emettent
dans les appareils perissent en pieine terre. Si Ton ne considere que
le resultat final de l'essai, le .nombre de glomerules germes apres
14 jours, terme reglementaire, peut etre sensiblement le meme dans les
deux cas, alors qu'il existerait en culture des differences considerables
dans la levee des semis.
En faisant entrer en compte l'energie germinative, on aboutit ä
une notion plus exacte de la puissance reproductrice de la semence.
Beaucoup de laboratoires fönt connaitre aux Interesses le nombre de
glomerules germes apres 7 jours; ä notre avis, il conviendrait de fixer
ä 5 jours le terme de ce releve preliminaire. La vitalite des semences
se trouverait plus nettement mise en lumiere et cette fagon de proceder
aurait encore l'avantago de renseigner l'interesse deux jours plus tot.
De l'examen des registres oii sont consignes les resultats des quel-
ques milliers d'essais executes depuis 22 ans ä la Station de Paris, il
ressort que les bonnes semences de betteraves fournissent, apres 5 jours
de sejour dans nos germoirs en papier a filtrer, deposes ä l'etuve
Schribaux, les ^/j au moins des glomerules germes comptes a la fin de
l'essai. C'est ce chiffre que nous voudrions voir adopte.
Nous arrivons ä la proportion des germes fournis seit par lUO
glomerules soit par un kilogramme de semences. En admettant que le
nombre des germes livres par 100 glomerules soit interessant a connaitre,
il est parfaitement inutile de l'indiquer. L'experience demontre, en effet
que, si les glomerules germes atteignent le pourcentage de 70 — 80 fixe
par les normes, la proportion de germes exigee (130 — 150) se trouve
le plus souvent realisee; quant au nombre de germes par kilogramme,
il Test presque invariablement. La premiere condition remplie, la seconde
l'est egalement. C'est donc compliquer l'analyse ä plaisir, la rendre
plus laborieuse et moins intelligible que de determiner le nombre de
germes fournis par les glomerules.
Schribanx et Bussard, Normes des semences de betteraves. 259
On sait qu'ä poids egal, los petlts glomerules produisent, clans
les essais de laboratoire, plus do germes qiie les gros; i'indication du
nombre de germes au kilogramme favorise doiic les petites graines qui,
pratiquement, sont los plus mauvaises. II y a 1;\ une erreur qu'on ne
saurait laisser se perpetuor.
En resume, nous demandons quo les modifications suivantes
soient apportees aux normes en usage dans le commerce des semences
de betteraves: •
1. En ce (luil concerne le pourcentage des glomerules en
et'at de germer: ' :
Apres 14 jours d'essai, le nombre des glomerules germes atteindra
au minimum
70 °/o pour les semences d'un poids inferieur a 18 gr. le mille,
75 ^jo pour Celles dont le poids est compris entre 18 et 22 gr,
80 °/o pour Celles d'un poids superieur a 22 grammes.
2. En ce qui concerne l'energie germinative:
Apres 5 jours d'essai, les *l^ au moins des glomerules susceptil)les
de germer devront avoir produit un germe, ce qui revient ä dire que
les semences pesant moins de 18 grammes le mille aiiront donne, au
minimum, 56 "/o de glomerules germes; celles d'un poids compris entre
18 et 22 grammes, 60 %, et celles d'un poids superieur ä 22 grammes,
64%.
3. En ce qui concerne les germes:
Suppression complete des indications relatives aux nombres de
germes par 100 glomerules et par kilogramme de semences.
Paris, Aoüt 19Ü6.
Sitzung am Montag, den 10. September 1906,
nachmittags 3 '/2 *- hi , im Hörsaal A des Johanneums.
Vorsitz: Direktor Dr. F. (j. Stebler-Zürich.
Anwesend: Atterberg - Kalmar, von E» e gen - Budapest, Dorph
Petersen-Kopenhagen, Drude-Dresden, Edler- Jona, Frankfurt-Kiew,
Heinrich-Rostock, Hillmann-Berlin, Hiltner-München, Johnson-
Dublin, Issatschensko-Petersburg, Kambersky-Troppau, Kirchner-
Hohenheim, Krüger- Bernburg, Lyttkens-Stockholm, Qvam- Kristiania,
Raatz-Kl, Wanzleben, Rodewald-Kiel, S ch umannn-Halle, Simon-
17*
260 Verhandlungen der [. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Dresden. Stebler-Zürich, Stöhr-Preruu, von Szyszylowicz-Lemberg,
Vanha-Brünn, Vitek-Prag, Voigt-Humburg, von Weinzierl-Wien,
Wi den - örebro und Zacharias-Hamburg.
Vorsitzender: VVenn es den Herren angenehm ist, so wollen wir
unsere Sitzung wieder eröffnen. Es wird zunächst Herr Hofrat
von Weinzierl einen Antrag begründen, den er in der Vorstandssitzung
des Ausschüsse^ schon vorgebracht hat. Ich bitte Herrn Hof rat
von Weinzierl das Wort zu nehmen.
Hofrat Dr. TIi. v. Weinzierl-Wien: Ich habe mir schon heute vor-
mittag gestattet, darauf hinzuweisen, bevor wir in die Verhandlung
unserer weiteren Fragen eintreten, dass wir uns doch darül)er klar
sein wollen, was eigentüch die Zukunft dieser — wie ich glaube mit
Befriedigung konstatieren zu können — allgemein beifällig aufgenommenen
Institution unserer internationalen Konferenz sein soll. Wir haben
darüber schon gesprochen und sind zu dem Resultat gelangt, dass es
sehr wünschenswert wäre, wenn — in Anbetracht der Umstände, dass
in dem Verband der deutschen Versuchsstationen nur die Samenkontroll-
stationen des Deutschen Reiches inbegrififen sind — auch die grossen
Stationen, die ausserhalb des Deutschen Reiches wirken und hinsichtlich
ihrer Inanspruchnahme seitens der Interessenten auch einen nicht un-
bedeutenden Einfluss auf den Samenhandel ausüben, auf Grund der
ersten Konferenz auch weiterhin untereinander eine innigere Fühlung
durch die Gründung eines Verbandes oder einer internationalen Ver-
einigung erhalten würden. Wir sind uns voll bewusst, dass die tech-
nischen Fragen, die wir als Programmpunkte aufgestellt haben, nicht
erschr)pfend behandelt werden können, und ich habe mir erlaubt, speziell
bei den Rübensamen Untersuchungen, die selbstverständlich nur einen Teil
der Fragen bilden, darauf hinzuweisen, dass bei einer Methode, die
zweifellos als Fortschritt bezeichnet werden muss, noch eine Überprüfung
und eine Einführung an den verschiedenen Stationen notwendig ist.
Ebensowenig wäre es möglich, die Frage der Roinheitsbestimmung, des
Seidegehaltes, der Keimung usw. methodisch erschöpfend zu behandeln. Ich
möchte mir deshalb erlauben, im Namen des Ausschusses den Antrag zu
stellen, dass wir eine internationale Kommission für Samenprüfung
einsetzen. Diese internationale Kommission ist. in der Weise zu organi-
sieren, dass wir eine bestimmte Geschäftsstelle schaffen, welche die
Aufgabe hätte, — mit Rücksicht darauf, dass wir alle in ziemlich
grossen Entfernungen tätig sind und nicht alle Jahr eine Konferenz stattfinden
kann, — vielleicht mit Hilfe eines zu entwerfenden Fragebogens, die jeweilig
eingeleiteten Versuche und Wahrnehmungen über die einheitlichen Me-
Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. 261
thoden aus diesen Fragebögen zusammenzustellen und das Resume
jedem einzelnen Mitglied der internationalen Kommission zu übermitteln.
Der Ausschuss erhofft daraus eine allgemeine Förderung der Samen-
kontrolle und sieht darin ein wichtiges Mittel zu einer innigeren fach-
lichen Fühlung unter den einzelnen Mitgliedern. Ich glaube, eine
weitere Begründung oder Ausführung nicht geben zu sollen, da die
Sache nur Projekt ist und ein fixes Programm nicht besteht, aber die
Grundgedanken dürften aus diesen wenigen Worten klar sein. Ich
würde bitten, sich vielleicht darüber auszusprechen. Es ist jetzt gerade
wohl der geeignete Moment, diesen Antrag vorzubringen.
Vorsitzender: Meine Herren I Sie haben den Antrag von Herrn
Kollegen v. Weinzierl gehört. Ich bitte, sich darüber zu äussern.
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Aleine Herren! Ich glaube, dass
der Antrag des Herrn Hof rat v. Weinzierl so klar ist, dass darüber
nicht viel Worte zu verlieren sind. Wir sind hier versammelt, um
etwas zu leisten. Wenn wir uns jedoch nur mit dem Reden begnügen,
wird nicht viel geleistet werden. Erst dann, wenn das. was hier ge-
sprochen wird, von der Versuchskommission untersucht und gründlich
bearbeitet wird, könnte die Arbeit Erfolg haben. Ich finde, dass es
zweckmässig ist, einen internationalen Verband zu wählen und einen
Plan zur Bearbeitung aufzustellen, der unter die verschiedenen Stationen
verteilt werden sollte. Bei dieser Gelegenheit muss ich (\en ersten
Vortrag von Herrn Direktor Stehler anführen. Gewiss, vieles ist bereits
getan worden, aber trotzdem bereits einige Sachen publiziert sind, waren
die Mittel sehr klein und der Erfolg zu gering. Nur in dem Falle, dass
solche Arbeiten planmässig ausgeführt werden, wird etwas geleistet.
Seit drei Jahren untersuche ich die Provenienz galizischen Rotklees und
bin zu der Überzeugung gelangt, dass solche Arbeiten, die sich auf das
politische Gebiet beschränken, zwecklos sind. So musste ich z. B., um
meine Arbeiten zu vervollständigen, mich nach Russisch-Polen, ja sogar
nach dem eigentlichen Russland begeben. Denn erst dann kann man
einen Überblick gewinnen. Allein Arbeiten dieser Art sind so umfang-
reich, dass man sie nur gemeinschaftlich ausführen kann. Wenn ich mich
also mit den Leitern der Versuchsstationen in Russland vereinige, können
wir vollständige und gründliche Arbeit leisten. Ich finde, dass solche
internationalen Verbände absolut notwendig sind, sonst ist unsere Ver-
sammlung eigentlich zwecklos verlaufen. Wir haben viel gelernt, uns
aber auch überzeugt, dass ohne einen Verband die Fortsetzung solcher
Arbeiten verfehlt ist.
Vorsitzender: Wenn niemand weiter das Wort wünscht, so
nehme ich aus Ihrem Stillschweigen an, dass Sie mit der Anregung des
262 Verhandlungen der J. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Herrn Hofrat von Weinzierl einverstanden sind. Ich fasse die Sache
nicht als einen Antrag — wir können ja keine Beschlüsse lassen —
sondern mehr als eine Anregung auf. Es kann dann jeder sich Rechen-
schaft geben, inwieweit er da die Hand bieten kann oder nicht dazu in
der Lage ist. Ich denke, das Zweckmässigste würde sein, wenn wir
den bisherigen Ausschuss auch weiter funktionieren lassen.
Herr Professor Voigt würde wohl am besten die Geschäftsführung unter
Herbeiziehung der bisherigen Ausschussmitglieder weiter besorgen, bis
dann vielleicht in ein paar Jahren oder im nächsten Jahr eine neue
Versammlung einberufen wird, um neuerdings über den Gegenstand zu
verhandeln. Ich darf Herrn Professor Voigt bitten, sich hierüber aus-
zusprechen.
Professor Dr. Yoig't-Hamburg: Ich bin sehr gern bereit, auf dem
Wege weiter zu arbeiten, den wir mit dem einmalig gewählten Aus-
schuss betreten haben, aber ich glaube, wir müssen uns doch wohl in
bezug auf den Ausschuss, der existiert, noch etwas genauer klar worden.
In Wien waren fünf Herren gewählt, die den engeren Ausschuss
bilden: diese fünf Herren haben sich ergänzt durch Vertreter aus den
verschiedenen Staaten, in denen Samenkontrolle in grösserem oder ge-
ringerem Umfange betrieben wird. Ich möchte glauben, dass wir den
Ausschuss, der jetzt gemeint ist, so auffassen müssen, dass wir aus
jedem Lande einen Herrn haben, an den wir uns wenden können.
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Es ist uns unbekannt, wer zum
weiteren Ausschuss gehört. Ausserdem soll meiner Ansicht nach unser
Ausschuss nicht idealer Natur sein. Es sind Bedürfnisse da, die man
decken muss. Wir müssen als Mitglieder eine gewisse Summe zahlen,
um die Kosten zu decken. Es werden ja alle Arbeiten publiziert
werden, und ich glaube, dass die Leiter der Versuchsstationen, die dazu
gehören, und die Staaten gern bereit sein werden, die Kosten zu tragen.
Meiner Meinung nach wird das ein Verband sein, der formell existiert
und nicht nur eine Stütze für die Zukunft bildet.
Inspektor A. Lyttkens-Stockholm: Ich erlaube mir die Frage, wie
man sich den Verband gedacht hat und wie er wirken soll. Man ist,
wie ich glaube, in Deutschland gewöhnt, dass dieser Verband die Me-
thode vorschreibt und sie diskutiert, und dass man dann übereinkommt,
welche Methode bevorzugt werden soll. In Dänemark, Schweden und
Norwegen ist es anders. Da sind es nicht die Kontrollstationen, welche
die Methode bestimmen, sondern es sind dort die Regierungen, welche
diejenige Methode bestimmen, der man folgen soll. Wenn ein solcher
Verband eingia'ichtet wird und wir in Skandinavien diesem Verbände
beitreten, so müssen wir dann der Methode folgen, welche der Verband
Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung. 263
vorschreibt. Das können wir ja nicht, da die Regierungen bei uns die
Methode zu bestimmen haben. Ich möchte diese Frage stellen.
Professor Dr. Zacharias-Hamburg: Es besteht hier ein Missver-
ständnis. Der Herr Antragsteller und die Herren vom Ausschuss sind
nicht der Meinung, dass ein fester Verband geschaffen werden soll, der
Vorschriften zu machen hat, nach denen die Mitglieder sich zu richten
haben. Das ist durchaus nicht die Meinung der Herren. Das Wort
„Verband" führt zu einem Missverständnis. Es soll nur eine Gemein-
schaft geschaffen werden, die das wissenschaftliche Studium der Samen-
kontrollstationen unterstützt, die wissenschaftlichen Resultate der ein-
zelnen Stationen sammelt und zur weiteren Förderung den anderen zu-
gänglich macht. Das ist, soweit ich unterrichtet bin, die Quintessenz
des Antrages und damit wird der Herr Vorredner auch einver-
standen sein.
Dr. J. V. Szyszylovvicz-Lemberg: Da ich das \\'ort „Verband" ge-
braucht habe, werde ich es weiter ausführen. Wir kr)nnen nur die
Methode ausarbeiten und, wenn sie gut ist, werden alle Regierungen
sie anerkennen. Die Regierungen können die Methode nicht machen.
Wenn dieser Verband oder die Vereinigung — die Bezeichnung ist
gleichgültig — die beste Methode ausarbeitet, bin ich sicher, dass alle
Regierungen sie annehmen worden. Dann wird alles das beseitigt, was
jetzt ein Missstand ist, dass alle Versuchsstationen verschiedene Methoden
haben.
Vorsitzender: Ich glaube, es ist nicht die gleiche Ansicht aller
Herren, wie sie die drei Herren Szyszylowicz, Weinzierl und
Zacharias ausgesprochen haben. Ich glaube, unsere Aufgabe liegt
mehr in der Idee des Anregens, es soll eine freie Vereinigung statt-
finden, und es sollen allgemeine Fragen behandelt werden, aber wir
sollen nicht die Methode festsetzen. Das kommt ja von sell)st. Dass
wir bestimmte Vorschriften machen, dazu hat der Verband gar keine
Kompetenz.
lh\ J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Es wird so eine Verbindung sein,
wie die Akademie der Wissenschaften, die danach trachtet, die Wissen-
schaft zu entwickeln und alles positiv zu erreichen. Wir werden auch
danach streben, die Methode zu verbessern und uns gegenseitig zu
helfen. Ob die Methode angenommen wird, hängt von den Leitern der
Versuchsstationen ab, denn diese sind die Berater der Regierung. Falte
etwas positiv Gutes geschaffen wird, wird die Regierung es schon annehmen.
Es ist eine wissenschaftliche Vereinigung, die zu praktischen Zwecken führt.
Inspektor A. Lyttkens-Stockholm: Unter solchen Bedingungen
glaube ich zusagen zu können, dass auch die Vertreter der schwe-
264 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
dischen SamenkontroUstationen gesonnen sind, in den Verband einzutreten.
Wir sind nur zu dreien hier zusammen. Ich will aber gern als Inspektor
der Stationen in Schweden ein Rundschreiben an sämtliche Stationen
schicken. Ich glaube, ich kann zusagen, dass sämtliche Stationen in
diesen Verband eintreten.
Professor Dr. Voigt-Hamburg: Wir können ja vielleicht aus dem
ersten Rundschreiben das klassische Wort „Förderung der wissenschaft-
lichen Grundlagen der Samenkontrolle" aufgreifen und dazu das Leitwort
setzen: „Internationale Kommission zur Förderung der wissenschaftlichen
Grundlagen der Samenkontrolle". Der Ausschuss, der uns heute zu-
sammengerufen hat, erklärt sich gewissermassen in Permanenz. So lange
wir nicht wissen, ob die Vertreter der einzelnen Staaten sich zusammen-
schliessen können, tun wir ebensogut, es bei der „Kommission zur
Förderung der wissenschaftlichen Grundlagen der Samenkontrolle" zu
belassen. Wir haben heute am Schluss des Vortrages des Herrn Hofrat
von Weinzierl gehört, dass in dieser Form sich sehr Gutes schaffen
Hesse, z. B. dadurch, dass irgend eine Station vom wissenschaftlichen
Ausschuss beauftragt wird, auf gewissen Gebieten Material zu sammeln.
Es ist das ja nur ein Weg, auf den ich heute hinweisen will. Wir würden
die Kommission in Permanenz erklären, einige Herren hineinwählen und
aus jedem Lande einige Vertreter dazu nehmen, die über die Verhält-
nisse in ihren Ländern berichten, so dass durch diesen Zusammenhang
die Sache gefördert wird und weiter kommt.
Hofrat I»r. Th. v. Weinzierl-W^ien : Ich möchte m geschäftlicher
Hinsicht mir die Bemerkung erlauben, dass ich mir diese Kommission
oder die Durchführung der Sache so denke, dass wir vor Schluss
unserer Konferenz einen Bogen auflegen und diejenigen Herren bitten
sich einzuzeichnen, die beabsichtigen, dieser internationalen Kommission
beizutreten. Diese Unterschrift ist natürlich nur zu unserer Orientierung
und unverbindlich. Es wird dann ein Zirkular ausgearbeitet werden, in
welchem der Zweck und die Aufgaben dieser internationalen Kommission
dargelegt werden. Dieses gedruckte Zirkular, welches von dem von
Ihnen zu wählenden Ausschuss mit seinem Präsidium an der Spitze zu
zeichnen wäre, wird an alle diejenigen Herren übersandt werden, welche
in der Präsenzliste stehen oder ihre Zustimmung durch die Unterschrift
gegeben haben. Auf Grund dieser Ihnen in dem gedruckten Formular
zugegangenen Darlegung können Sie sich erst definitiv entschliessen,
und diejenigen Herren, die nicht selbständige Leiter von Anstalten sind
oder die Zustimmung ihrer Behörden gebrauchen, können ihren Re-
gierungen dann sagen, um was es sich hier handelt. Diese idealen
Aufgaben mit praktischem Hintergrund sind in dieser Kommission beab-
Verhandlungen der T. internationalen Konferenz für Satnenprüfung. 265
sichtigt. Wir treten unverbindlich ein und wollen hauptsächlich die
wissenschaftlichen Grundlagen der Samenkontrolle fördern mit Rücksicht
auf unser Land bzw. unsorn Staat, Das dürfte am besten auf diese
Weise eingeleitet und diese Frage momentan als erledigt betrachtet
werden.
Professor I)r. Voigt-Hamburg: Ich mi'ichte mir noch eine Frage
erlauben. Von verschiedenen auswärtigen Vertretern habe ich ein ge-
wisses Einverständnis vernommen für das, was Herr Hof rat v. Weinzierl
vorgetragen hat. Ich habe aber von den Herren unseres als Beispiel
in Deutschland vorangehenden Verbandes der landwirtschaftlichen Ver-
suchsstationen noch nichts gehört und möchte von diesen Herren gerne
eine Antwort haben, ob sie in der Form, wie sie heute an unseren
Sitzungen teilnehmen, auch späterhin dem Ausschuss zur Förderung der
wissenschaftlichen Grundlage der Samenkontrolle beitreten werden, denn
gerade in Deutschland liegen die Verhältnisse etwas anders.
Geh. Ökonomierat Prof. Dr. Heinrich-Rostock: Soweit es die Förderung
der wissenschaftlichen Grundlagen betrifft, glaube ich, wird unser Verband
absolut keine Schwierigkeiten machen, in corpore oder einzeln beizu-
treten. Aber jedenfalls würden wir dies nur ad referendum entgegen-
nehmen. Bestimmte Äusserungen können wir nicht geben.
Professor Dr. Edler- Jena: Es ist doch eine persiinliche Sache.
Gerade so gut, wie die Herren heute daran teilnehmen, werden sie sich
doch auch an den späteren Verhandlungen beteiligen.
Direktor K. Dorph Petersen-Koponhagen: Für die Samenkontroll-
station im Staate Dänemark möchte ich ganz ruhig dem zustimmen,
was Herr Inspektor Lyttkens gesagt hat. Ich will sehr gerne mit-
arbeiten und glaube, es ist eine sehr gute Sache, die vorbereitet wird.
Ich möchte für Dänemark dem Aussschuss besten Dank sagen, weil er
die Sache so ausgezeichnet gut vorbereitet hat.
Direktor Dr. S. Fraiikfiirt-Kiew : Nachdem sich schon verschiedene
Herren geäussert haben, glaube ich es nötig zu haben, mich auch als
Vertreter aus Russland zu äussern. Die Samenkontrolle ist bei uns so
wenig entwickelt, dass der Verband der russischen Stationen sicher
daran teilnehmen wird, und ich bin sicher, dass auch die Regierung zu-
stimmen wird.
Vorsitzender: Es wird eine Liste herumgehen, in welche sich
die Anwesenden einzeichnen können, ob sie in dieser Auffassung mit-
machen wollen oder nicht. Es übernimmt keiner eine Verpflichtung,
dass er sich gewissen Vorschriften unterzieht, sondern es handelt sich
nur um die wissenschaftliche Förderung der SamenköntroUe, also eine freie
266 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Vereinigung von Leuten, die sich das gleiclie Ziel gesteckt haben.*)
Ich betrachte die Frage nun als erledigt.
Wir wollen nun ein anderes Thema vornehmen. Herr Professor
Rodewald hatte die Güte, das Referat über die Reinheitsunter-
suchungen zu übernehmen, und ich ersuche ihn, seinen Vortrag
zu halten.
Die Reinheitsbestimmung von Saatwaren.
Von
Professor Dr. H. Rodewald, Kiel.
Ich wollte eigentlich über die Frage der Reinheitsbestimmungen
keinen Vortrag halten, denn Sie sind alle Fachleute und haben alle Rein-
heitsbestimmungen gemacht und wissen alle, worum es sich handelt,
sondern ich wollte eigentlich nur eine Diskussion anregen, denn, meine
Herren, die Reinheitsbestimmung ist ebenso konventionell wie die Keim-
prüfung, wenigstens sind bei den Keimprüfungen die Keimungsbedin-
gungen konventionell. Es hängt ganz und gar das Resultat der Rein-
heitsbestimmung davon ab, was man als „rein" bezeichnen will, und
diese Grenze zwischen „rein" und „unrein" festzulegen, ist eine pure
Definitionssache. Wir können uns darüber unterhalten, welche Definition
die beste und praktischste ist. Dabei können wir von zwei Gesichts-
punkten ausgehen. Einmal können wir dem Bedürfnis der Landwirt-
schaft und der Samenhändler Rechnung tragen und die Grenze nach
dieser Richtung hin festlegen. Zweitens können wir von dem Gesichts-
punkt der Genauigkeit der Methode ausgehen und untersuchen: welche
Grenze ist nach dieser Richtung hin die beste? E)amit scheinen mir
die Möglichkeiten über die Reinheitsbestimmung überhaupt erschöpft
zu sein.
Soviel ich weiss, ist seit langer Zeit in den meisten SamenkontroU-
1) Zur Mitarbeit erklärten sich bereit:
Att erberg-Kalmar, von Degen-Budapest, Dorph Petersen-Kopen-
hagen, Edler-Jena, Frankfurt-Kiew, Heinrich-Rostock, Hillmann-
Berlin, H iltner-München. Johnson-Dublin, Issatscheusko-Petersburg,
Kambersky-Troppau, Krüger-Bernburg, Lyttkens-Stockholm, Qvam-
Kristiania. Paatz-KI. VVanzleben, vSchumann -Halle, Simon - Dresden,
Stebler - Zürich, Stöhr - Prerau, von Sz^^szylowicz - Lemberg, Vanha-
Brünn, Vitek-Prag, Voigt- Hamburg, von Weinzierl- Wien, Widen-
C'rebro und Zacharias-Hambura-.
H. Eodewald, Die Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 267
Stationen, wo Reinheitsbestimmungen gemacht werden, eine Grenze
zwischen rein und unrein üblich, die als „rein" das bezeichnet, was aller
Wahrscheinlichkeit dem Anschein nach auch keimfähig ist. Bei Klee-
arten würde also, um das etwas näher zu illustrieren, die Grenze da
liegen, wo auf der einen Seite die ganz unbeschädigten Körner aufhören
und auf der anderen Seite die beschädigten, zerbrochenen Körner und
die fremden Bestandteile, fremde Samen, Steine und Sand, anfangen.
Es gibt da aber Übergänge, die Ihnen bekannt sind. Unter einem
Muster Rotklee, Weissklee sind die Samen verschieden entwickelt von
vollen, gut ausgereiften Samenkörnern bis zu eingeschrumpften Samen,
von denen man nicht weiss, ob sie keimfähig sind, ob man sie den
reinen Körnern zurechnen oder ob man sie zu dem Bruch tun soll.
I)iese Grenze ist etwas schwierig festzuhalten. Die üblichen Vor-
schriften sagen darüber folgendes: Falls man in Zweifel ist, soll man
das fragliche Korn zu den reinen Körnern tun und durch Keimprüfung
entscheiden, ob es keimfähig ist oder nicht. Aber die Grenze des
Zweifels und die Ansichten sind individuell sehr verschieden, und da-
durch kommt es, dass der eine die Grenze anders zieht als der andere.
Man kann nun wohl an ein und derselben Station mit einem und dem-
selben Personal eine scharfe Grenze ziehen, die so scharf ist, dass man
sie sich eigentlich nicht besser wünschen kann. Wir haben früher
selbst Untersuchungen über die Grenze ausgeführt, und ich habe, um
einmal zu sehen, wie weit denn die Grenze scharf herzustellen ist, ein
und dieselbe Probe von ein und derselben Person, ohne dass sie es
wusste, nach und nach hundertmal analysieren lassen, um die Beimengen
und die Reinheit festzustellen. Der Fehler war nicht sehr bedeutend,
er betrug ungefähr 3 ''/o, verhältnismässig also wenig. Das ist ein
Zeichen, dass man sich individuell eine Grenze bilden kann, die auch
scharf festzuhalten ist. Sobald man aber das Personal wechselt, und
wenn man sich auch die Mühe gibt, das Personal mit den gleichen An-
weisungen zu versehen, so zeigt es sich, dass doch eine individuelle
Verschiedenheit obwaltet, und das ist besonders dann der Fall, wenn
das auslesende Personal nicht mehr unter einheitlicher Leitung steht,
wie dies naturgemäss ist, wenn man die verschiedenen Stationen mit-
einander vergleicht. Da sind zunächst einmal verschiedene Personen,
die die Anweisung für die Grenze geben, und dann sind verschiedene
Personen da, die die Grenze feststellen und auslesen. Es fragt sich
nun, ob es zweckmässig ist, diese Grenze festzuhalten? Es scheint,
als ob der Samenhandel für diese Grenze Interesse hat. Er gewinnt
den Vorteil durch die Analyse, durch die Reinheitsbestimmung, den Ab-
fall schätzen zu können, denn was nicht keimfähig ist, soll nach An-
268 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Sameni)rüfving-
sieht der Sachverständigen ausgeschieden werden. Wenn unreine Proben
zur Reinheitsuntersuchung gelangen, so weiss der Händler, der die
Analyse machen lässt, gleich, er hat so und soviel Abfall zu erwarten.
Aber diese Grenze ist fluktuierend und individuell verschieden und wird
stets zu grossen systematischen Fehlern zwischen den einzelnen
Stationen Anlass geben. Wir sind eigentlich hier, diesen Unterschied
zu verwischen und möglichst auszugleichen. Da entsteht nun die Frage,
ob es nicht möglich ist, eine andere Grenze, die ausserdem den prakti-
schen Anforderungen entspricht, festzulegen. Diese Grenze würde zu
ziehen sein durch die Vorschrift, die den Speziesbegriff an die Spitze
stellt und sagt: Alles, was von der betreffenden Saat stammt oder zu
den betreffenden Früchten gehört, wird als rein bezeichnet, ganz gleich-
gültig, ob es vermutlich keimfähig ist oder nicht. Diese Grenze ist
jedenfalls schärfer als die vorhin besprochene, denn darüber wird ein
Sachverständiger nie im Zweifel sein, ob eine Spelze z. B. eine Spelze
von Poa ist oder eine Spelze von einer anderen Spezies. Aber den
Vorteil, den ich vorhin von der anderen Grenze erwähnte, nämlich, dass
nach der Analyse gleich abzuschätzen ist, wie gross der Abfall bei der
Reinigung sein wird, bietet sie nicht.
Ich habe Gelegenheit gehabt, bei den Versuchen, die auf Veran-
lassung der Deutschen Landwirtsehafts-Gesellschaft gemacht worden sind,
beide Definitionen der praktischen Prüfung zu unterziehen. Vielleicht
haben Sie das auch in den Berichten, die ich an die Deutsche Land-
wirtschafts-Gesellschaft eingereicht habe, gelesen. Dabei hat sich her-
ausgestellt, dass der systematische Fehler immer grösser war, wenn die
Reinheitsbestimmungen nach der ersten Grenzbestimmung veranlasst
wurden, Über die Spezies sind wir nie im unklaren. Wir würden auf
diesem Wege zu einer sicheren Reinheitsbestimmung gelangen, und das
hat mich veranlasst, gerade diese Reinheitsbestimmung besonders bei
feinen Gräsern, wo die Grenze schwer zu finden ist, zu befürworten.
Daraus ergeben sich Konsequenzen bezüglich der Bestimmung der Keim-
fähigkeit. Wenn wir die erste Grenze, wie wir die alte nennen wollen^
festhalten, so genügt es, für die Keimprüfung einzelne Körner abzu-
zählen. Wir haben dann jedes einzelne auf die Keimfähigkeit zu
prüfende Korn vor uns.
Nicht so bei der zweiten Prüfung! Da haben wir Spelzen und
Unreines vor uns und können nicht nach der Zählmethode arbeiten,
denn Spelzen und Früchte sind selbstverständlich sehr verschieden und
lassen sich nicht als gleiche Individuen ins Keimbett bringen. Man
wird kaum Schwierigkeiten haben, wenn man die Keimprüfung nach
Gewicht vornimmt und ein bestimmtes Gewicht zur Keimprüfung ins-
H. Rodewald, Die Reinheitsbestimmung von Saatwareii. 269
Keimbett bringt. Es fragt sich, ob die Spelzen — um solche handelt
es sich bei den Gräsern — oder die geschrumpften Körner — um
solche handelt es sich bei den Kleearten — , die man ja bei der Ge-
wichtsmethode mit ins Keimbett bringt, imstande sind, die Keimprüfung
erheblich zu stören. Soweit meine Erfahrung reicht, i^ das nicht der
Fall, denn es kommt darauf an, wie stark man das Keimbett mit
Samen beschwert. Hat man genügend grosse Keimflächen zur Ver-
fügung, so dass die Keime einzeln zu liegen kommen, so schadet es
nicht, ob einige Spelzen oder geschrumpfte Körner darin sind. Ausser-
dem muss man mit der Tatsache rechnen, dass wir aseptische Keim-
betten nicht herstellen können, und wenn wir das auch anfangs können,
so bleiben sie nicht aseptisch, wenn wir die Körner zur Keimprüfung
hineinlegen, denn die Körner selbst sind infiziert.
Zugunsten der Exaktheit der Grenzbestimmung spricht entschieden
die zweite Methode, und ich glaube, zugunsten der schnelleren Übersicht
über die Resultate und vor allem zugunsten der Gewohnheit spricht die
erste Methode. Ich bezweifle aber sehr, dass es gelingen wird, mittelst
der ersten Methode genügend genaue Reinheitsbestimmungen zu be-
kommen, und es wird dann wohl so bleiben, wie es seit langen Jahren
gewesen ist, dass jede Station ihre besonderen Koeffizienten hat, durch
welche die Untersuchungen reduzierbar werden auf die Untersuchungen
anderer Stationen. Allein das ist nicht der Zweck, den wir hier ver-
folgen. Wir wünschen möglichst gleiche Vorschriften über die Reinheits-
bestimmungen, die aber dann auch so beschaffen sein müssen, dass man
sie innehalten kann. Aus diesem Grunde bin ich bei der Reinheits-
bestimmung mehr für die zweite Grenze, besonders dann, wenn es sich
um feinere Gräser, z, B. Dactylis und dergleichen, handelt. Bei Lolium
würde es sich auch empfehlen, obwohl es nicht wesentlich ist. Man
kann darüber natürlich sehr geteilter Ansicht sein, und das haben
die verschiedenen Untersuchungsmethoden und -Resultate der ver-
schiedenen Stationen genügend bewiesen. Ich meine, es würde zur
Klärung der Sachlage beitragen, wenn man sich darüber ausspräche,
welche Grenze wünschenswert ist und ob man eine bessere Definition
angeben kann. Von einer objektiven Methode muss man verlangen,
dass eine Grenze zwischen dem, was als rein, und dem, was als unrein
zu bezeichnen ist, feststeht, sonst kann man von einer Reinheits-
bestimmung nicht sprechen, oder man muss die Reinheitsbestimmung
ganz fallen lassen und sich auf die Keimfähigkeit beschränken.
Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass jeder sich eine Grenze
wählen und sie scharf innehalten kann. Wie gesagt, ich habe das
schon vor recht langer Zeit untersuchen lassen in einer Arbeit, die ich
270 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
in den „Landwirtschaftlichen Versuchsstationen" über die Fehler der
Reinheitsbestimmung bei der Untersuchung von Kleesamen publiziert
habe. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Fehler bei ein und der-
selben Person nur gering sind, und dass, wenn man eine Grenze fest-
hält, man die Fehler unter bestimmter Voraussetzung theoretisch nahezu
genau berechnen kann. Diese Voraussetzung ist die folgende: Ich
nehme an, dass die Beimengungen im wesentlichen von derselben Grössen-
ordnung wie die Samen sind, stelle dann das durchschnittliche Korn-
gewichts- und Zahlenverhältnis fest und berechne nach denselben Formeln,
nach denen sich die Fehler der Keimprüfung berechnen lassen, auch
die Fehler der Reinheitsprüfung. Man hat dann den Vorteil, dass die
Fehler der Reinheitsprüfung zunächst von der Grösse der Reinheit selbst
in Abhängigkeit gebracht werden. Das ist sehr wichtig, denn Sie
werden alle die Erfahrung gemacht haben, dass es sehr viel schwieriger
ist, eine Reinheitsbestimmung, bei der die Reinheit um 50 °/o herum
liegt, genau zu machen als eine Reinheitsbestimmung von einer Saat,
deren Reinheit etwas unter 100 % Hegt. Schwerer wird es erst, wenn
grössere Mengen Bruch und Spreu vorhanden sind. Besonders wenn
es sich um feinere Gräser handelt, die oft nur eine Reinheit von 70,
80, 50 oder 60 °/o haben, ist es sehr wichtig, eine scharfe Grenz-
bestimmung zwischen rein und unrein festzulegen. Über die Keim-
fähigkeit muss die Keimprüfung doch entscheiden.
Man kann das Keimbett sehr gut von Schimmelpilzen und der-
gleichen rein halten. Es kommt darauf an, dass ordentlich gelüftet
wird. Die Lüftung bedingt eine bessere Verdunstung, und damit sind
ganz andere Bedingungen, die günstig und ungünstig wirken können,
gegeben. Lüftung muss geschehen, damit die Wasserverdunstung nicht
verhindert wird. Ich will auf diese Frage nicht näher eingehen.
Was nun die Keimmethodo anbetrifft, so muss die Keimfähigkeit,
wenn die zweite Definition für die Reinheitsbestimmungen benutzt
werden soll, auf die Gewichtseinheit bezogen werden. Dieser Keim-
methode hat man den Vorwurf gemacht, dass sie kleinkörnige Ware
bevorzugt, denn man sagt sich: bei grobkörniger Ware kommen weniger
Körner auf ein Gramm als bei kleinkörniger Ware, letztere liefert somit
pro g auch mehr Keimlinge und erscheint besser als grobk(>rnige Ware.
Nach meinem Dafürhalten ist es unzulässig, die Korngrösse nach der
Keimfähigkeit zu beurteilen. Korngriisse und Keimfähigkeit sind ganz
etwas anderes, sind ganz verschieden. Wenn ich die Korngrösse be-
urteilen will, muss ich das Gewicht von 1000 Körnern bestimmen.
r»as muss ich auch, wenn ich die nach der Gewichtsmethode bestimmte
Keimfähigkeit in Relativzahlen ausdrücken will, wenn ich feststellen
H. Rodewald, Die Reinheitsbestimmung von Saatvvaren. 271
will, wieviel von 100 k^- keimfähig ist. Ich muss dann auch mit dem
mittleren Gewicht eines Kornes und zwar eines voraussichtlich keim-
fähigen Kornes operieren, und dann komme ich wieder an jene Grenze,
die ohne Keimprüfung darüber entscheiden muss, ob ein Korn keimfähig
ist oder nicht. Wenn ich das Gewicht von 1000 Körnern bestimmen
will, darf ich also nur solche Körner nehmen, die voraussichtlich keim-
fähig sind, aber ich brauche nur 1000 Körner abzuzählen.
Um den Gebrauchswert nach der Zählmethode festzustellen, ge-
nügen 1000 Köi-ner nicht. Wir sind gezwungen, eine grössere Anzahl
von Körnern, 5000 bis 10000, auszulesen. Die Arbeit wird wesentlich
erleichtert, wenn ich jene schwierige Grenze bei nur 1000 Körnern
statt bei 10000 zu bestimmen habe. Dann kommt hinzu, dass ich
Hilfsmittel gebrauchen kann, um mich zu vergewissern, ob eine Spelze
eine Scheinfrucht enthält oder nicht. Ich kann transparente Beleuchtung
anwenden. Bei manchen Gräsern, z. B. bei Fuchsschwanz, leistet die
transparente Beleuchtung ganz gute Dienste, wenn sie zweckmässig ein-
gerichtet ist. Diese Bedingungen sind bei dem Abbeschen Beleuchtungs-
apparat genau erfüllt. Die transparente Beleuchtung können wir
variieren, einmal nach deV Intensität des Lichts und zweitens nach der
Richtung der Strahlen. Die Beleuchtung ist am vollkommensten, wenn
die Intensität möglichst hoch ist, so hoch, wie sie das Auge auf die
Dauer verträgt, und wenn die Richtung möglichst so ist. dass das Licht
von einer Halbhohlkugel, in deren Zentrum sich die Frucht befindet,
ausstrahlt. L)ies wird nahezu von der Abbeschen Linse erreicht. Das
Licht, das von dem Spiegel kommt, wird durch die Abbesche Be-
leuchtungslinse in die erwähnte Richtung gebracht, und bei dieser Be-
leuchtung kann man dann in vielen Fällen unschwer erkennen, ob eine
Fuchsschwanzspelze gefüllt ist oder nicht. Es geht aber nicht bei allen
Samen. Bei Poa hat man grosse Schwierigkeiten und bei Dactylis ist
die Grenze absolut nicht sicher festzustellen. Auch hier ist wieder der
kontinuierliche Übergang von schwerer, ausgereifter Dactylis-Frucht bis
zur leeren Spelze vorhanden. Da steht man immer vor der Frage:
Wo ist die Grenze für die Bestimmung des lOOO Korngewichts? Diese
Grenze festzulegen, bietet grosse Schwierigkeiten. Der Fehler des
1000 Korngewichts überträgt sich nun auf die Gebrauchswertrechnung
und ist nicht nur von Bedeutung für die Beurteilung der Korngrösse
des Samens. Die Keimfähigkeit kann man nach der Zahl der Keimlinge,
die ein Gramm liefert, beurteilen. Es ist nicht allemal nötig, dass man
die Sache prozentualisch ausdrückt und in Relativzahlen zusammenfasst,
w^enn ich auch zugebe, dass dies wünschenswert ist. Jedenfalls ist es
zweckmässig, sich über die Frage einmal zti unterhalten, wo man die
272 Verliandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-.
Grenze haben will und wohin man sie legen will; wenn man überein-
stimmende Zahlen in den verschiedenen Stationen erzielen will, ist es
absolut notwendig, dass man die Grenze scharf bestimmbar und frei
von jeder subjektiven Anschauung macht.
Man könnte annehmen, dass die Grenze genügend scharf gezogen
ist, so dass die Reinheitsbestimmungen sich genügend genau machen
lassen mittelst der ersten Definition. Das gebe ich ohne weiteres zu,
wenn es sich um Kleearten und gut ausgereiften und gut ausgebildeten
Samen handelt; sobald es sich aber um Scheinfrüchte der Gräser
handelt, die mit den Spelzen verbunden sind, muss ich es verneinen. Der
„Saatenmarkt" hat genügend Reinheitsanalysen zusammengestellt von
Fuchsschwanz usw., die von verschiedenen Stationen geliefert wurden,
und diese Zusammenstellungen zeigen, wie gross die Verschiedenheit
der individuellen Auffassung ist.
Nun, meine Herren, das war es, was ich über den Gegenstand
sagen wollte. Ich bin weder für die eine, noch für die andere Methode,
sondern ich stelle an eine Definition der Reinheit die Anforderung, dass
sich die Grenze auch danach ziehen lässt. Wenn Sie glauben, dass die
zweite Definition auf Schwierigkeiten stösst, d-ann müssen Sie doch den
Nachweis führen, dass sich mittelst der ersten Definition eine genügend
genaue Übereinstimmung der Reinheitsbestimmungen verschiedener
Stationen erzielen lässt.
Vorsitzender: Meine Herren, Sie haben das Referat von Herrn
Kollegen Rodewald gehört, und es dürfte gut sein, wenn Sie sich
darüber aussprechen. Bekanntlich wird in den meisten Stationen noch
nach der Zählmethode untersucht. Die Anregung des Herrn Professor
Rodewald ist mehr eine persönliche, die aber bis dato, so viel ich
weiss, noch nicht allgemein angewandt wird. (Zuruf: Doch!)
Professor Dr. H. Rodevvald-Kiel: Darf ich ergänzend hinzufügen,
dass die Gewichtsmethode im Verband landwirtschaftlicher Versuchs-
stationen offiziell eingeführt ist, aber nicht für alle Samen sondern nur für
eine beschränkte Anzahl, hauptsächlich für feinere Gräser, und gerade
da hat sie grösseren Wert. Für andere Samen ist es ziemlich einerlei.
Da lässt sich auch durch die andere Definition eine Grenze finden, die
leidlich genau ist und zu der Genauigkeit der Keimprüfung in einem
brauchbaren Verhältnis steht.
Vorsitzender: Dann ist die Sache ja so weit anders. Die
Stationen, die einem Verband angehören, sind gleichsam schon ge-
Diskussion: Eeinheitsbestimmung von Saatwaren. 273
bunden und können sich nicht für etwas anderes entscheiden. (Zuruf:
■Ja gewiss!) Es würde sich nur darum handeln, von den anderen
Herren, die noch nicht gebunden sind, die Anschauungen kennen zu
lernen. Soviel ich weiss, hat man noch in Dänemark und Schweden
die Zählmethode, auch in Budapest, Wien und Lomberg; überhaupt,
soviel ich weiss, hat man in allen deutschen Stationen noch die Zähl-
methode. Was ich von mir aus erklären kann, so könnte ich mich
nicht entschliessen, diese Methode zu akzeptieren aus dem einfachen
Grunde, weil sie zu viel Zeit in Anspruch nimmt und w^eil unsere
Untersuchungen meines Erachtens nach eine grössere Genauigkeit in-
volvieren als diese Gewichtsmethode. Ich will der Diskussion übrigens
nicht vorgreifen, sondern gewärtige, dass sich die übrigen Herren
darüber aussprechen.
Hofrat Dr. Th. v. Weiiizierl-Wien: Wir haben, meine Herren, seit
zwei Jahren eine grosse Zahl von Parallelversuchen durchgeführt, und
ich möchte hier einige Beispiele anführen. Die Sache ist wichtig
genug, so dass ich wohl auf einige Details eingehen kann. Es w^urde
hauptsächlich Knaulgras, Schafschwingel und Wiesenfuchsschwanz ge-
wählt. Wir haben nicht nur das Laborantenpersonal beschäftigt sondern
auch durch die wissenschaftlichen Hilfskräfte die Untersuchungen
gemacht und auch Analysen von demjenigen Personal ausführen lassen,
das sonst nicht für die feinen Gräser verwandt wird, so dass wir Gelegenheit
hatten, die technische Subjektivität möglichst auszugleichen. Jede von diesen
Proben wurde dreimal versucht und im ganzen zirka 500 Proben der Unter-
suchung unterzogen. Der Weg war folgender: Wir haben zunächst
unsere gewöhnliche Zählmethode mit einer Probe gemacht. Ich führe
z. B. Knaulgras an. Als Gewicht der Probe wurde 6,565 g konstatiert.
Von dieser Probe wurden mit der Handauslese 5,611 g reine Samen,
0,6 g Verunreinigungen und, was das allerwesentlichste ist, 0,354 g
taube Samen bestimmt. Das macht 85,5 % Reinheit, 9,1 % Verun-
reinigungen, 5,4 °/o taube Samen. Zur Ermittelung der tauben Samen
verwenden wir seit zwei Jahren den von mir konstruierten Apparat,
dessen Beschreibung und Abbildung ich mir erlaubte Ihnen vorzulegen,
und den ich als „Diaphanoskop" bezeichnet habe. Derselbe beruht im
wesentlichen auf dem Prinzip der Durchleuchtung, nur ist dabei das
diffuse Tageslicht, das die Arbeit sehr erschwert, ausgeschaltet. Wir
haben die Erfahrung gemacht, dass bei der Ermittelung der tauben
Samen durch den Samenspiegel, wo man im diffusen Licht arbeitet, das
Auge in einer Weise in Anspruch genommen wird, dass die beleuchtete
Fläche nicht die entsprechende Wirkung ausübt. Wir haben matte
Scheiben, Linsen und Blenden verwandt. Es war naheliegend, das diffuse
Jalirnsbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. \Q
274 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für .Samenprüfung,
Licht abzuhalten, und ich bin auf die Einrichtung des Dunkelkastens
(Diaphanoskop) gekommen. Als Lichtquelle für die Durchleuchtung der
Samen dienen zwei in der Lade des nach der Höhe verschiebbaren Tisches
verborgene elektrische Leuchtkörper (Birnen) von verschiedener Kerzen-
stärke, so dass durch Einschaltung eines oder beider die als Arbeits-
fläche dienende kreisförmige, mit einer matten Glastafel bedeckte
Öffnung der Tischplatte je nach der Samenart genügend intensiv erhellt
werden kann. Diejenigen Herren, die Gelegenheit hatten, unsere Anstalt
zu besichtigen, habe ich auf diese Einrichtung aufmerksam gemacht,
und die meisten Herren, die sich mit Samenkontrolle beschäftigen, haben
sich von der Wirkung des Apparats im vorigen Jahre durch eigene
Arbeit selbst überzeugt. Es wird durch den Apparat das erreicht, was
der Herr Kollege Professor Rodewald schon angeregt hat, nämlich
eine Unterscheidung der betreffenden tauben Früchte von den vollen,
aber in weitaus vollkommenerem Masse als durch den Spiegelkasten im
diffusen Tageslicht. Es bedarf das keiner Erörterung, weil sich die
Sache von selbst empfiehlt. Wenn man in der l)unkelkammer sitzt
und kleine matte Scheiben und Blenden einschaltet, ist es begreiflich,
dass man in einigen Minuten ohne Anstrengung der Augen die
Arbeit machen kann. Dasselbe Arbeitspersonal, das früher an dem
Spiegelkasten arbeitete, kann die doppelte Anzahl Proben erledigen,
ohne sich so anzustrengen, wie es früher der Fall war. Ich erwähne,
dass die Erkennung der tauben Früchte speziell bei Knaulgras und den
Schwingelarten vorzüglich gelingt. Diese haben bei dem gewöhnlichen
Spiegelkasten meistens Schwierigkeiten gemacht. Bei der Bestimmung der
tauben Früchte wurde durch die wiederholte Untersuchung verschiedener
Muster durch die nämlichen und durch verschiedene Arbeitskräfte eine Über-
einstimmung der Resultate von 0,1 — 0,4*'/o erzielt, sonach eine ganz zu-
friedenstellende Genauigkeit erreicht. Es wurden dann in der üblichen
Weise von diesen reinen Samen, die keine tauben Körner enthalten,
4 mal je 200 Körner abgezählt, ins Keimbett ausgelegt und in der be-
kannten Art und Weise die Keimprozente festgestellt. Wir halben bei
dieser Knaulgrasprobe eine Keimfähigkeit von 88,4 °/n von der reinen
Saat in einem Zeitraum von 24 Tagen konstatiert.
Gleichzeitig wurde nun die Gewichtsmethode gemacht, und zwar
haben wir den Weg eingeschlagen, der uns aus den Verbandsvorschriften
bekannt ist. Von der mit 6,565 g ausgewogenen Probe wurden alle
Fremdbestandteile im Gewicht von 0,6 g abgeschieden; von dem
verbleibenden Rest, der alle vollkörnigen und alle tauben Früchte
enthielt, haben wir Proben von durchschnittlich 0,4 g — und zwar
0,446, 0,494, 0,362 und 0,397 g, in Summa also 1,699 g — zum
■ Diskussion: Keinheitsbestimmung von Saatwaren. 275
Keimversuch ausgelebt, der mit einem Resultate von 1706 gekeimten
gegenüber 272 ungekeimten Früchten, also mit einer Keimfähigkeit von
86,3 ^Iq als Zählprozent nach der Gewichtsmethode abschloss. Nachdem
wir die anfangs gefundene Reinheit von 90,9 ^Iq noch durch 3,6 °/o.
entsprechend den tauben Samen, korrigieren, erhalten wir eine Reinheit
von 87,3 "/o- Bekanntlich wird — den Herren, die die deutschen Vor-
schriften nicht handhaben und vielleicht nicht kennen, erlaube ich mir,
das noch zu bemerken — vorgeschrieben oder empfohlen, dass die
schliessUch in dem Keimapparat vorgefundenen ungekeimten Samen
durch den Spiegel untersucht werden, ob sie taub sind, und es wird
angenommen, dass die tauben Früchte im benetzton Zustande leichter
zu erkennen sind. Es werden dann die so konstatierten tauben Samen
getrocknet und gewogen, und mit diesem Gewicht wird nun die nach
der Ausscheidung der Premdbestandteile gewonnene Zahl für die Reinheit
korrigiert. Es ergibt sich die Relation: Aus den 1699 Gewichtsteilen
sind 60,7 g oder 3,6 "/o taub, also eine Reinheit von 87,3°/,,.
Wenn wir die beiden Resultate ein und derselben Probe vergleichen,
so haben wir die Reinheit nach der Zählmethode 85,5 °/o und nach der Ge-
wichtsmethode 87,3 °/o, die Keimfähigkeit nach der Zäblmethode 88,4 "/o
und nach der Gewichtsmethode 86,3%. Es ist hier eine Differenz, die ja
verhältnismässig gering ist ; wenn wir die Differenz von 2 °/o bei der
Reinheit als den sj'stematischen Fehler annehmen, so würde sich 85
mit 87 ausgleichen, bei der Keimfähigkeit 86,3 mit 88,4, also keine
nennenswerte Differenz ergeben. Wenn man alle Knaulgras-, Fuchs-
schwanz- und Schafschwingelversuche in einer Tabelle zusammenfasst,
so sieht man doch eine Übereinstimmung, und diese besteht darin, dass die
Prozente der tauben Früchte durchweg kleiner sind bei der Gewichts-
methode als bei der Zählmethode (unter der Voraussetzung, dass man
das Diaphanoskop verwendet), und dementsprechend ist die Reinheit nach
der Gewichtsmethode höher, weil ja durch die Bestimmung der tauben
Früchte die Reinheit korrigiert wird.
Die Daten, welche die Auslaugung von Spelzen und die damit zu-
sammenhängenden feineren Arbeiten lieferten, konnte ich leider nicht
zusammenstellen lassen, weil die Zeit zu kurz war. Ich behalte mir
daher vor, dies in einer eigenen Publikation näher auszuführen. Ich
möchte bemerken, dass hauptsächlich der Fehler, — wenn man über-
haupt von Fehlern sprechen will — , besser gesagt, die Differenz sich
ergibt in der Bestimmung der tauben Samen. Das geht deuthch hervor,
wenn man dieselben Proben behandelt. Soviel ist sicher, dass die Prozente
der tauben Samen bei der Gewichtsmethode kleiner, bei der
Zählmethode grösser sind.
18*
276 Verhandlungen der l. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Nun, was hat sich weiter ergeben für die Praxis der Samen-
kontrolle? Auch das ist für uns, die wir diese Untersuchungen ausführen,
von besonderer Wichtigkeit. Damit keine Störung eintreten konnte,
wurde der Thermostat, in den die nach der Gewichtsmethode behandelten
Proben eingelegt waren, für keine anderen Proben benutzt. Wir hatten
mit diesen Proben grosse Schwierigkeiten wegen der Verunreinigungen,
die den tauben Samen anhaften. Es ist unvermeidlich, dass auch Erde
und sonstige Bestandteile in den Keimapparat gelangen und dass alle
diese leblosen Fragmente, die erfahrungsgemäss in den Keimapparaten
den Anlass zur Entwickelung von Schimmelpilzen geben, tatsächlich eine
solche Verunreinigung des Keimbetts hervorrufen, dass wiederholt das
Umlegen dieser Samenproben vorgenommen werden musste. Es wurde
gleichzeitig die Probe dann zweimal gemacht und zwar wurde eine
Probe umgelegt und die andere nicht, damit nicht allenfalls die Differenz
zurückzuführen ist auf die Störung, die durch das Umlegen hervor-
gerufen wird. Es hat sich da gezeigt, dass die umgelegten Samen um
eine Kleinigkeit bessere Resultate ergaben, aber die Differenzen waren
nicht bedeutend. Besonders bei Wiesenfuchsschwanz hatte eine ener-
gische Störung konstatiert werden können.
Wir haben dann weiterhin, was die Praxis der Samenkontrolle
anbetrifft, Beobachtungen gemacht über die Zeit, welche notwendig ist
zur Ausführung der beiden Methoden. Es wurden aus je 20 Unter-
suchungen von Knaulgras, Schafschwingel und Wiesenfuchsschwanz die
durchschnittlichen Zahlen zusammengestellt. Nach der Zählmethode
hat bei Knaulgras die Arbeit 40 Minuten in Anspruch genommen für die
Ermittelung der tauben Samen inklusive Auslegung in den Keimapparat,
nach der Gew^chtsmethode 2 Stunden 10 Minuten, bei Wiesenfuchs-
schwanz 44 Minuten nach der Zählmethode und 1 Stunde 45 Minuten
nach der Gewichtsmethode, bei Schafschwingel 40 Minuten nach der
Zählmethode und 2 Stunden 7 Minuten nach der Gewichtsmethodo. Es
sind also ganz kolossale Zeitdifferenzen vorhanden. Wenn man bedenkt,
dass das von geschultem Personal gemacht wurde, so ist es w^ohl be-
denklich, wenn wir uns der Gewichtsmethode anschliessen würden.
Nach der Zählmethode hat bei Wiesenfuchsschwanz die Reinheit 82*^/o er-
geben, mit 7"/(, Verunreinigungen und 11 "/g tauben Samen; die Keimfähig-
keit war nach 24 Tagen mit 78 "/q abgeschlossen. Nach der Gewichts-
methode wurde eine Reinheit von 89°/o konstatiert, eine Verunreinigung
von 7 "/q, taube Samen 4 °/o. Ich glaube, ich habe den extremen
Fall gerade herausgesucht, denn hier ist eine Differenz von 7 ^Iq an
tauben Samen. Auch die Differenz zwischen der Reinheit ist ziemlich be-
deutend ; sie ist höher gefunden worden bei der Gewichtsmethode als bei der
Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 277
Zählmethode. Wir haben ferner nach der Gewichtsmethode eine Keim-
fähigkeit von 69,8 °/o gegenüber 73 ^Iq nach der Zählmethode kon-
statiert; das wäre also auch eine geringere Keimfähigkeit und auch eine
grössere Differenz, als sie bei Knaulgras konstatiert wurde.
Ein ebenso eklatanter Fall ist die Gruppe der Schafschwingel-
versuche. Diese haben bei der Bestimmung der Verunreinigungen
7,9 °/o nach beiden Methoden, die tauben Früchte hingegen bei der Zähl-
methode 23,3 °/o und nach der Gewichtsmethode 16,4 ^j^ ergeben. Die
Reinheitsangabe ist nach der Gewichtsmethode demzufolge wieder höher,
indes die Keimfähigkeitsprozente nur in den Zehnteln differieren, 72 °/q
gegen 72,9 o/°. • ■
Ich habe nur von drei Spezies die Resultate herausgegriffen, um
Ihnen zu zeigen, dass die Differenzen, wenn sie auch nicht namhaft
sind und innerhalb des Versuchsfehlers liegen, dennoch eine Reihe von
Übelständen aufweisen, deren wir uns vollkommen bewusst sind. Der
Fehler in der Bestimmung der tauben Früchte ist zweifellos, weil wir
mit derselben Probe einmal diese, das andere Mal jene Methode ein-
geschlagen haben. Die Differenz liegt nur in der Bestimmung der
tauben Früchte und, nachdem diese Bestimmung bei der Gewichts-
methode durchweg kleinere Ziffern ergibt, kann dies nicht darauf
zurückgeführt werden — , wie es bei der Begründung dieser Methode
angeführt wird — , dass diese Bestimmung tauber Früchte genauer und
sicherer ist, weil man doch, wenn dies der Fall wäre, mehr taube
Samen ermitteln müsste nach der einen Methode als nach der anderen.
Nun ist das aber umgekehrt bei allen der Fall ohne Rücksicht auf eine
bestimmte Spezies.
Zudem möchte ich auf einen sehr wichtigen Übelstand aufmerksam
machen. Jeder, der Samenkontrolle praktisch ausführt, weiss, dass jede
Anstalt eine gewisse eigene Hauskontrolle hat. Die technischen Hilfs-
kräfte, unsere Laboranten und die Gehilfinnen, welche die mechanischen
Arbeiten machen, werden in jedem Laboratorium von den betreffenden
wissenschaftUchen Beamten bzw. Assistenten kontrolliert. Diese Kon-
trolle besteht darin, dass joder für sich die Auszählung in ein Buch
einträgt, und diese Muster sind so ausgesucht, dass ein Laborant niemals
die gleichen Nummern bekommt. Es ist durch diese Kontrolle ein Irrtum
sofort festzustellen, aber diese Kontrolle im Laboratorium bei den Keim-
versuchen, welche bei uns die Grundlage des Betriebes bildet, fällt bei
der Gewichtsmethode ganz weg, weil da ja keine abgezählte, sondern
eine der Zahl nach unbekannte abgewogene Menge zur Keimung aus-
gelegt wird. Da liegt die Möglichkeit vor, leichter einen Zählfehler zu
machen, als wenn der Betreffende immer nur von 200 wegzuzählen
278 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
hat. Es entzieht sich daher eine auffüllige Differenz ganz der Beur-
teilung des betreffenden Assistenten. Die häufigsten Fehler sind Zähl-
fehler, und die Gewichtsmethode verlangt eine noch viel ausgeprägtere
Zählkunst als die Zählmethode. Macht man die Arbeit nicht sehr genau,
so kommt man nicht zu einem brauchbaren Resultat. Wenn man ein
kleineres Quantum nimmt, vielleicht ungefähr 200 Körnern entsprechend,
so muss der Fehler naturgemäss viel grösser werden, denn um dieses
Quantum zu wiegen, muss ich in der vierten Dezimalstelle wiegen. Der
Betreffende hat nicht nur bedeutend mehr zu zählen, sondern auch" be-
deutend mehr zu wägen, und wenn er auch die Auszählung verringert,
indem er kleinere Gewichte nimmt, so kann er es unmöglich so genau
einrichten, dass eine bestimmte Zahl dem Gewicht entspricht, weil be-
sonders bei kleinen Gewichten die Differenzen ziemlich gross sind.
Ich glaube aus diesen Ausführungen, welche aus unserer Praxis
stammen, schUessen zu dürfen, dass wir keinen Anlass haben, uns
dieser Gewichtsmethode anzuschliessen, sondern im Gegenteil, wir würden
durch die Gewichtsmethode unsere Arbeit unnötig erschweren und viel-
leicht noch andere Fehler hineinbringen durch die schwierige Kon-
trolle des Abzählens und die Einbeziehung von tauben Früchten in das
Keimbett.
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg : Ich habe diese Methode auch
versucht, habe aber die Versuche nicht in der Weise gemacht, wie
Herr Hofrat von Weinzierl. Ich habe den Assistenten 80 Muster
gegeben, habe die Versuche möglichst genau gemacht und mich über-
zeugt, dass diese Methode ebensogut ist wie die alte, aber nur dann,
wenn geübtes Personal sie anwendet. Ich habe einige Muster
einer Anfängerin gegeben, die noch sehr wenig gearbeitet hatte,
und diese hat es schlecht gemacht. Dagegen sind die anderen Unter-
suchungen, welche bessere Gehilfen ausgeführt haben, gut ausgefallen,
und ich bin zu der Ansicht gelangt, dass in vielen Fällen, wo man ge-
übtes Personal zur Verfügung hat, diese Methode angezeigt erscheint.
Auch bin ich überzeugt, dass die Methode, die Herr Professor Rode-
wald angewandt hat, sehr gut ist, und ich bin der Ansicht, dass die
Methoden, die wir benützt haben, miteinander übereinstimmen. Wir
haben nichts gegen die wissenschaftliche Ausführung der Methode an-
führen können, aber während der Saison, wo wir eine Menge Proben
haben, ist es absolut unmöglich, die Untersuchung nach dieser Methode
auszuführen, denn sie ist sehr zeitraubend, und bei ihr muss der
Assistent oder der Leiter selbst das Personal bei der Arbeit mehr über-
wachen als bei der Zählmethode. Ich bin sicher, dass, wenn die Me-
thode eingeführt werden sollte, man mehr Personal anstellen und ge-
Diskussion: Keinheitsbestimmung von Saatwaren. 279
nauer aufpassen müsste, und dies alles würde einen grösseren Arbeits-
aufwand nach sich ziehen. Man sollte zwar die Kosten nicht scheuen,
sondern die Analysen genau ausführen. Ich habe mich aber überzeugt,
dass, obgleich diese Methode gut ist, sie auf keinen Fall praktischer
und besser ist als die alte Methode. Es ist daher kein Grund vor-
handen, die neue Methode einzuführen.
Professor Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte einige Bedenken gegen
die Ausführungen des Herrn Professor Rodewald geltend machen,
die ich früher bereits geäussert habe und von denen ich mich noch
nicht ganz habe trennen können. So ideal es wäre, eine objektive
Methode zu bekommen und jeden subjektiven Fehler des Personals aus-
zuschliessen, für so schwierig halte ich es, sie wirklich einzuführen,
zumal in der Form, wie sie jetzt vorliegt. Wir haben jetzt zwei Rein-
heiten! Wenn wir nach den heute bestehenden Vorschriften der land-
wirtschaftlichen Versuchsstationen Raygras untersuchen, so ist bei Ray-
gras der taube Samen Spreu, untersuchen wir Dactylis, so ist der taube
Samen reine Saat. W^as ist nun reine Saat? SicherUch doch das
erstere und nicht die tauben Spelzen. Es kann unmöglich die Bezeichnung
„reine Saat" für die neue Methode beibehalten werden. Wir müssen
dann schon sagen: Die Probe enthält so und soviel °/o fremde Bestand-
teile. Diesen Zwiespalt können wir in der Methode nicht entfernen, und
ich befürchte, wir schaffen nur Verwirrungen. In meiner an sich doch
verhältnismässig langjährigen Samenkontrollpraxis habe ich manchen
Winterabend gesessen und selbst Reinheitsanalysen gemacht, und ich
muss Ihnen da das Geständnis machen, dass es mir schwieriger ge-
worden ist, bei Rotklee zu entscheiden, was ist gutes Korn und was
ist vertrocknet, als bei den Gräsern zu entscheiden, was ist taub und
was ist volle Frucht. Ich mache sehr gerne Reinheitsanalysen von
feinen Gräsern, wenn sie auch zeitraubend sind. Die Reinheit von
Alopecurus z. B. lässt sich mit absoluter Sicherheit feststellen, so dass
darüber keine Zweifel bestehen können. Unsere Schmerzenskinder sind
Dactylis und zum Teil die Poa- Arten. Was Dactylis und Poa anbetrifft
so hilft uns da der Samenspiegel oder das verbesserte Diaphanoskop
über die Schwierigkeiten hinweg. Die Herren, die viel Dactylis unter-
suchen, hauptsächlich die nordischen Herren Kollegen und Herr Kollege
Stebler, werden mir zugeben, dass gut geschultes Personal wohl im-
stande ist, Untersuchungen auf volle und taube Samen zu machen.
Ich habe gerade in der letzten Zeit mit den Kollegen in Dänemark und
mit Herrn Brujning vergleichende Analysen über Dactylis gemacht.
Ohne uns vorher darüber zu unterhalten, wie wir es machen wollen,
und ohne dass wir uns vorher gesagt haben, was wir heraus hatten,
280 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-.
haben die Resultate sehr gut übereingestimmt. Es waren Abweichungen
da, aber keine grossen, sie lagen innerhalb der Fehlergrenze von 5 "/,>
im Gebrauchswert.
Ich möchte zunächst meine Bedenken gegen die Gewichts-
methode aufrecht erhalten, so gern ich auch Herrn Professor Rode-
wald auf dem Wege der objektiven Resultate folgen möchte. Dazu
kommt, dass auch im Handel eine kolossale Verwirrung entsteht. Dieser
praktische Gesichtspunkt ist von Herrn Professor Rodewald ganz richtg
betont worden. Unsere Grosshändler wollen beim Einkauf umgehend von
uns wissen, wieviel gute Ware und wieviel Spreu in einer Saat ist; sie
können nicht warten, bis man ihnen nach Abschluss der Keimversuche
ein Resultat gibt. Der Grosshandel muss sich meist sehr schnell ent-
schliessen. Ob die Ware frisch und gut ist, kann er vielfach aus dem
Aussehen usw. ermitteln. Den Gehalt an Spreu kann er nicht in dem
Masse feststellen, da müssen wir mit unseren Analysen helfen.
Nun will ich ganz kurz auf die Keim kraftprüf ung zurück-
kommen. Ich kann mich dem Gedanken nicht ganz verschiiessen, dass
wir nach der Gewichtsmethode bei den feinen Gräsern viel unnötiges,
unreines und mindestens störendes Zeug ins Keimbett bekommen. Ich
möchte mich den Worten des Herrn Professor Rodewald anschliessen,
der sagt: Der Keimversuch ist ein physiologisches Experiment, er bedarf
noch sehr des Studiums. Dann ist es aber auch besser, nur mit den als
voll erkannten Samen zu experimentieren und nicht den Versuch und
das Resultat durch überflüssige Beimischung zu behindern. Ich glaube
ferner, dass bei der Auswahl zum Keimen nach der Gewichtsmethode
es viel unsicherer ist — wegen der vielen beigemengten Spreu — , eine
der natürlichen Mischung des Musters entsprechende Durchschnittsprobe
und damit gleichmässige Ergebnisse zu erhalten, als wenn die reine
Saat der Zählmethodo zugrunde hegt. Was die Gewichtsmethode in
der sog. Reinheit an Genauigkeit gegenüber der Zählmethode gewinnt,
büsst sie nach meinem Dafürhalten bei der Keimprüfung wieder ein.
Dann möchte ich mein letztes Bedenken, das ich auch früher
schon immer betont habe, nicht unerwähnt lassen. Ohne Peststellung
des Korngewichts erzielt — bei gleichen Keimprozenten — stets das
kleinkörnigere Saatgut die höhere Keimzahl im Gramm. Das Korn-
gewicht muss also zur Bewertung einer Ware mit herangezogen
werden. Dieses muss aber für die anscheinend keimfähigen Körner er-
mittelt werden. Diese Feststellung ist nun genau dasselbe, wie eine
Reinheitsanalyse der alten Zählmethode. V\'ährend aber bei dieser Me-
thode Gewicht und Keimkraft von denselben Körnern ermittelt werden
Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 281
kann, stehen die Peststellungen der Zählmethode in keiner Beziehung
zueinander.
Direktor K. Dorpli Petersen-Kopenhagen : Wie Herr Kollege Pro-
fessor Voigt gesagt hat, machen wir in Dänemark viele Grassamen.
Untersuchungen und speziell Untersuchungen über kleine Grassamen-
sorten. Dabei erlaube ich mir, zu bemerken, dass die dänische Samen-
kontrolle bei der Reinheitsbestimmung wesentlich dieselbe Methode an-
wendet, wie sie von den Herren Direktor Stehler, Hofrat v. Weinzierl
und Professor Voigt erwähnt worden sind. Von den eingesandten
Proben nehmen wir verhältnismässig kleine, aber sehr genaue Durch-
schnittsproben und untersuchen jeden Samen genau, ob es auch reiner
Samen ist. Wie Herr Kollege Professor Voigt gesagt hat, haben wir
die Analysen zusammen mit Hamburg gemacht; auch zusammen mit
den Samenkontrollstationen in Zürich imd Wageningen haben wir die-
selben Proben analysiert. Wir haben überall sehr gut übereinstimmende
Resultate erzielt. Nur einige ganz schlechte Qualitäten und speziell
Dactylis waren auch unsere Schmerzenskinder. Es handelte sich,
höchstens um 3— 4"/o Unterschied in den Reinheiten. Wir haben
niedrigere Reinheiten gefunden, da wir ein wenig strenger arbeiten.
Ich meine, dass die Analysen für den einzelnen Landwirt oder Samen-
händler nur Bedeutung haben, wenn man alles, was Spreu oder Spelze
ist, auch genau ausscheidet. Sonst hat die Reinheitsbestimmung gar
keinen Wert.
Direktor Dr. L. Hiltiier-München: Ich bin 1885 als Assistent in
Tharand eingetreten und habe bei Herrn Geheimrat Nobbe die Samen-
kontrolle erlernt. Ich habe mich später überzeugt, dass damals viele
deutsche und auswärtige Stationen die Untersuchungen von Grassamen
beispielsweise von Dactylis glomerata, in folgender Weise vornahmen:
Nach Vorschrift des Verbandes wurde eine gut gezogene Mittelprobe,
soviel ich mich erinnere etwa 10 g, in fremde und eigene Bestandteile
getrennt. Die tauben Körner blieben dabei fast ganz unberücksichtigt,
namentlich jene, die noch im Ährchenverband waren. Für den Keim-
versuch wurden dann — ganz unabhängig davon — aus der Probe
300 — 400 möglichst volle Körner ausgewählt, während doch das einzig
Richtige wäre, alles, was nicht zu den fremden Bestandteilen gehört,,
unterschiedslos in die Keimfähigkeitsprüfung mit einzuschliessen. Ganz
abgesehen davon, dass, wie gesagt, bei der Reinheitsbestimmung die
tauben Körner nicht oder nur wenig berücksichtigt wurden, hing es
ganz vom Zufaü — mindestens von der Auffassung des betreffenden
Samenkontrolleurs — ab, ob und wieviele taube Samen mit in das
Keimbett gelangten. Da dies unmöglich richtig sein konnte, habe ich
282 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
schon von Ende der achtziger Jahre an bei allen Proben von Gras-
sämereien im Vergleich stets die Gewichtsmethode zAir Anwendung
gebracht, und Herr Geheimrat Nobbe hat unter Hinweis auf meine
schon damals auf mehrere Hunderte von Einzelfällen sich beziehenden
Versuche gelegentlich der Sitzung des Verbandes der Versuchsstationen
in Dresden im Jahre 1894 diese Methode zur allgemeinen Anwendung
empfohlen. Der Verband hat sie auch angenommen, aber in einem weit
grösseren Umfange, als ich selbst es für wünschenswert gehalten habe.
Im wesentlichen bestand die Methode darin, dass mehrere kleine, von
fremden Bestandteilen sorgfältig gereinigte, abgewogene Proben ins
Keimbett gebracht wurden, und dass wir nachher im Laufe der ersten
Woche die Trennung der tauben, jetzt leicht als solche erkenntlichen
Körner vornahmen, diese trockneten und abwogen, so dass das Gewicht
der vollen, im Keimbett verbleibenden Samen ermittelt und zugleich der
Prozentsatz der Keimfähigkeit derselben zahlenmässig festgestellt werden
konnte. Meine Untersuchungen bezogen sich nur auf grössere Gras-
sämereien, hauptsächlich Knaulgras, Raygräser, Wiesenfuchsschwanz u. dgl..
für die ich die Methode, wie sie damals vorgeschlagen war, auch jetzt
noch für durchaus zweckmässig halte. Keineswegs aber eignet sich
dieselbe für die feineren Grassämereien, wie Poa-, Agrostis-Arten u. dgl.,
denn es ist klar, dass von diesen kleinen Samen zur Erreichung des
Zieles sehr grosse Mengen angewendet werden müssten, so dass die
sich ergebende Arbeit kaum zu bewältigen wäre. Bei der ausser-
ordentlichen Feinheit der hier in Betracht kommenden Spelzen ist auch
die Zuverlässigkeit dieser Methoden bei ihrer Anwendung auf solche
feine Grassämereien ungenügend. Dass in den Verbandsbestimmungen
das Verfahren gerade für die feinen Grassamenarten vorgeschrieben
wurde, entsprach also durchaus nicht meinen Anschauungen. Für
feinere Grassamenarten habe ich schon damals in zahlreichen Fällen ein
Verfahren erprobt, das, wie ich mich erst kürzlich überzeugte, mit dem
neuerdings vom Verbände vorgeschriebenen Gewichtsverfahren grosse
Ähnlichkeit besitzt. Es bestand darin, dass kleinere, gewogene Proben,
nachdem die fremden Bestandteile ausgelesen wareu, samt den tauben
Körnern ins Keimbett gebracht wurden. Diese letzteren wurden dann
nicht, wie bei den grösseren Samenarten, nachträglich wieder aus-
geschieden, sondern dauernd im Keimbett belassen, bzw. im Laufe der
Keimprüfung bei den täglichen Revisionen zur Vermeidung von
Schimmelbildung usw. entfernt. Während des Keimprozesses wurden
dann aus der gesamten Probe 500 — 1000 volle Körner abgezählt und
gewogen. Nach Abschluss des Keimversuchs konnte man dann sagen:
Würde die angesetzte Probe aus lauter vollen, keimfähigen Körnern be-
Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 283
standen haben, so hätte sie, unter Berücksichtigung des Gewichtes der
Probe und der abgezählten vollen Körner, eine zu berechnende Menge
von Keimlingen liefern müssen; da sie aber tatsächlich nur so und so-
viele Keimlinge ergab, so Hess sich durch das Verhältnis der eigent-
liche Gebrauchswert leicht berechnen.
Heute stehen sich nun Zählmethode und Gewichtsmethode gegen-
über. So lange die Zählmethode so ungenügend war, wie ich sie
eben schilderte, musste entschieden die Gewichtsmethode den Vorzug
verdienen. Aber trotzdem ich nach dem Gesagten wohl behaupten darf,
•dass ich zuerst die Gewichtsmethode in Anwendung brachte, so stehe
ich heute doch auf dem Standpunkt, dass die Zählmethode einfacher
und vielleicht noch sicherer und daher empfehlenswerter ist, sobald es
gelingt, schon beim Abzählen eine scharfe Trennung tauber und voller
Körner vorzunehmen. Diese MögUchkeit aber erscheint gegeben, seitdem
die Spiegelapparate eine grössere Vervollkommnung erreicht und damit
allgemeinere Anwendung gefunden haben. Im vorigen Jahre hatten ja an-
lässlich des internationalen Botaniker-Kongresses in Wien viele von uns
Gelegenheit, den Spiegelapparat zu sehen, der an der Samenkontrollstation
in Wien benützt wird. Der Apparat wurde uns, wie alle übrigen Ein-
richtungen, von Herrn Hof rat v, Weinzierl in freundlichster Weise
vorgeführt. Viele von uns hatten damals allerdings das Gefühl, dass
■das Arbeiten an demselben infolge der ziemlich starken Lichtquelle,
vermittelst welcher eine Durchleuchtung der Glasplatte von unten erfolgt,
auf die Dauer für die Augen sehr anstrengend und schädlich sein
müsste. Da aber hierüber nur die Erfahrung entscheiden kann, so
möchte ich an Herrn Hof rat v. Weinzierl die Bitte richten, uns darüber
gefälligst aufklären zu wollen, ob dieses Bedenken gegen die Ver-
w^endung des sonst sicherlich sehr empfehlenswerten Apparates gerecht-
fertigt erscheint.
Vorsitzender: Wünscht sich noch jemand weiter darüber aus-
zusprechen? Wenn sich niemand zum Worte meldet, gebe ich zum
Schluss dem Referenten, Herrn Professor Rodewald, das Wort.
Professor Dr. H. Rodewald-Kiel: Nun meine Herren, dass der
Gegenstand schwierig ist, sehe ich aus den verschiedenen Ansichten,
die zutage getreten sind. Im grossen ganzen scheint die Ansicht dahin
zu gehen, dass die alte Zählmethode den Vorzug verdient, besonders
nach den Ausführungen des Herrn Hofrat v. Weinzierl. Obwohl von
dieser Seite die Übereinstimmung der Methoden konstatiert ist, ist
doch darauf hingewiesen, dass die Ausführung zeitraubender ist,
dass insbesondere viel zu grosse Mengen angesetzt werden
müssen. Wenn Sie bei der Zählmethode 200 Körner abzählen, so
284 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
brauchen Sie bei der Gewichtsmethode auch nur 4U0 Körner abzuwägen^
und überWagen verfügen wir doch, die^/ioo^^'^'^S'^^nini anzeigen. Also, meine
Herren, Sie haben gar keine Schwierigkeiten. Ich habe neuUch noch einem
Hän(]]er gezeigt, mit welcher Leichtigkeit man eine Anzahl Agrostis-
Körnor abzuwiegen vermag. Darin liegt die Schwierigkeit nicht. Aber
ich gebe zu, jede neue Methode muss geübt werden, und wenn sie
einen grösseren Zeitaufwand erfordert, so ist das im wesenthchen
darauf zurückzuführen, dass für diese Methode nicht die Übung vor-
handen ist wie für die Zählmethode. Ich beschäftige mich ziemhch
lange mit der Sache, ca. 25 Jahre, und habe die eine und die andere
Methode versucht. Wenn man nun im Prinzip festhält — was jeden-
falls auch richtig ist — , dass man ungefähr ebensoviel K()rner durch
Abwägen als durch Abzählen ins Keimbett bringen kann, dann wüsste
ich nicht, wodurch der Zeitunterschied hervorgerufen werden sollte.
Wenn durch das Abwägen ein Zeitverlust hervorgerufen wird, dann
beruht das wohl nur auf mangelhafter Übung des Abwäge ns. Darauf
sind die Herren vielleicht nicht so eingeübt wie auf das Abzählen.
Bei einiger Übung wird man das Abwägen ebenso schnell machen
können wie das Abzählen. Jedenfalls w^ürde ich bereit sein, das zu
demonstrieren ; das ist Übungssache. Wenn jemand nach der Gewichts-
methode eine Probe untersucht, dann habe ich die Erfahrung gemacht,
dass es zuerst langsam, nachher schnell geht.
Im allgemeinen scheint keine Neigung für die sogenannte
Gewichtsmethode, auf deren Einführung ich gar keinen Anspruch
mache, zu sein. Die Sache liegt klar auf der Hand, wie sie ein-
geführt ist. Sie können das aus den Untersuchungen über die Fehler
der Samenprüfung ersehen. Dabei stellte sich heraus, dass bei der
üblichen Definition ganz kolossale Differenzen zwischen den Rein-
heitsresultaten der deutschen Versuchsstationen auftraten, deshalb sucht»
man naturgemäss eine andere Definition. Auf diese Weise ist sie gar
nicht von mir allein ausgegangen. Wir haben in der Kommission be-
raten, wie die Vorschriften gemacht werden sollen, man hat mir die
Einführung dieser Methode zugeschoben, weil ich diese Definition ge-
braucht habe in dem Heft über die Fehler der Keimprüfungen.
Nun, meine Herren, trotzdem glauben Sie nicht, dass ich diese
Methode verleugne. Die schärfste Definition ist und bleibt sie, und Sie
werden die Erfahrung machen, dass grosse systematische Fehler zum
Vorschein kommen, wenn Sie nach der Zählmethode weiter arbeiten.
Herr Hofrat v. Weinzierl hat unter einheitlicher Leitung gearbeitet.
Da ist es naturgemäss, dass die systematischen Fehler gering werden.
Sie werden aber wieder zum Vorschein kommen, sowie sich die Methode
Diskussion: Reinlieitsbestimmimg von Saatwaren. 285
■verbreitet. Ich halte es auch für möglich, dass man sich auf eine
■andere Grenzbestimmung einigen kann; so scharf wird dann die Grenze
nicht werden. Ich gebe selber zu, dass die Zählmethode gewisse Vor-
züge hat. Diese Vorzüge habe ich hervorgehoben; sie bestehen im
wesentlichen darin, dass man nach der Reinheitsbestimmung besser den
Abfall schätzen kann — das ist auch vom Herrn Kollegen Voigt her-
vorgehoben — , und das ist ein gewisser Vorzug, den ich nicht leugnen
will. Indessen, das kann nur für den Grosshändler, der den Samen
reinigt, in Frage kommen. Wenn der gereinigte Samen in den Handel
gebracht wird, soll er nicht mehr soviel Spreu enthalten. Der Gross-
händler ist in der Nähe der Station, hat selbst geschultes Personal,
macht die Abfallbestimmungen nach einer Methode, die wir nicht zu
verantworten brauchen, die für ihn einzig und allein von Interesse ist,
und das Interesse besteht darin, dass er keinen Abfall hat, der eventuell
keimfähig wäre. Diese Grenze festzustellen, ist seine Sache! Ich
glaube, diesen Umstand können wir nicht so sehr hoch anschlagen.
Dagegen möchte ich den Umstand, der den grossen systematischen
Fehler betrifft, ziemlich hoch anschlagen. Ich weiss nicht, ob die Ver-
hältnisse sich wesenthch geändert haben! Wir haben in den Stationen
^es Verbandes — ich glaube, es waren 36 — gearbeitet. Da kamen
ziemlich grosse Fehler vor. Wir haben nicht nur gearbeitet, sondern
uns eingehend über die Art, wie zu arbeiten sei, unterhalten, haben
•eingehende Vorschriften gemacht, und da lehrte die Erfahrung, dass es
nicht möglich war, den Fehler zu verringern trotz aller Definitionen.
Ich bin überzeugt, dass unter einheitlicher Leitung die systematischen
Fehler ziemhch klein gemacht werden können. Aber diese einheithche
Leitung ist nicht vorhanden bei den grossen Entfernungen der einzelnen
Stationen voneinander. Besonders, wenn man eine internationale Ver-
einigung in Betracht zieht, ist es schwer, sich über die Grenze zu
■einigen.
Die Untersuchungen in durchfallendem Licht sehe ich nicht in dem
Masse günstig an wie Herr Hofrat v. Weinzierl. Ich habe auch mit
derartigen Beleuchtungsapparaten gearbeitet, wenn auch nicht mit einem
Dunkelkasten, der das diffuse Sonnenhcht ausscheidet. Ich habe aber
mit dem Abbeschen Apparat gearbeitet, der, soweit sich das übersehen
lässt, alle Vorteile besitzt. Man erhält das Licht von allen Seiten und
kann eine beUebige Intensität haben, je nachdem man den Spiegel
intensiv beleuchtet.
Ich würde aus dieser Frage nicht so viel machen, mir ist es
schliesslich ganz einerlei, ob man nach der Zählmethode oder nach
■der Gewichtsmethode arbeiten will, ich mache aber darauf aufmerksam,
286 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
dass die Gegensätze zwischen den verschiedenen Auffassungen wieder
hervortreten werden, um so mehr, je häufiger das Personal wechselt,
und das ist bei einer grossen Anzahl Stationen nicht zu vermeiden.
Ich weiss nicht, ob man daraufhin nicht versuchen sollte, die Ge-
wichtsmethode mit mehr Vertrauen zu betrachten.
Auf die Sterilität des Keimbettes lege ich nicht viel Wert. Der
Boden ist auch nicht steril. Da lässt sich viel behaupten, aber,
wenn man der Sache auf den Grund geht, dann findet man doch,
dass eine so grosse Einwirkung der Spreu — die natürlich aus der-
selben Partie stammt und infektiöse Stoffe derselben Qualität ent-
halten kann wie der Samen — nicht von so grosser Bedeutung ist,
zumal wenn das Keimbett sonst günstigen Keimbedingungen entspricht.
Es ist ja- sehr zweckmässig, dass wir heute keine Beschlüsse zu fassen
haben über die Frage, welche Methode eingeführt werden soll, aber es
ist jedenfalls auch sehr zweckmässig, dass wir uns einmal über die
Vorteile und Nachteile der einen und anderen Methode unterhalten. Die
technischen Vorschriften des Verbandes der landwirtschaftlichen Ver-
suchsstationen müssten ja abgeändert werden, falls die Methode ein-
geführt wird. Das, glaube ich, würde keine so grossen Schwierigkeiten
haben, aber je öfter die Definition geändert wird, um so schwieriger
wird die Sache, um so häufiger werden die Fehler auftreten. Wir
haben damals diese Definition nicht aus Neuerungssucht eingeführt,
sondern mit Rücksicht auf die ganz kolossale Verschiedenheit in der
Auffassung. Da war es uns ein Bedürfnis, uns möglichst scharf
über die Grenze ausdrücken zu können. Ich will also abwarten;
Man wird im Laufe der Zeit Erfahrungen sammeln Die Fehler-
wahrscheinlichkeit der Keimprüfung ist bei beiden Methoden die gleiche,
wenn die gleiche Anzahl Körner ins Keimbett kommt. Insbe-
sondere wäre es zweckmässig, wenn verschiedene Stationen mit dem
Apparat des Herrn Hofrat v. VVeinzierl ausgerüstet würden und wenn
Versuche gemacht würden, ob es gelingt, überall dieselbe Grenze fest-
zuhalten. Nur eins ist mir bei dem Referat aufgefallen, nämlich, dass
eine durchschnittliche Differenz zwischen beiden Methoden vorhanden
bleibt. Da möchte ich die Frage aufwerten: Welche Methode hat denn
die richtigen Resultate geliefert? Ist die Differenz positiv oder negativ?
Es sind da noch verschiedene unklare Fragen, und es ist jedenfalls
zweckmässig, wenn man sich darüljer ausspräche.
Ich bin zur Einleitung einer solchen Diskussion gar nicht durch
meinen eigenen Willen gekommen. Ich bin dem Wunsche aber gern
nachgekommen, nur möchte ich nicht gern als unbedingt eigensinniger
Vertreter der Gewichtsmethode angesehen werden, vor allen Dingen
Diskussion: Reinheitsbestimmung von Saatwaren. 287
nicht als solcher, der historische Ansprüche an diese Methode stellt.
Ein gewisser Unterschied besteht zwischen beiden Methoden. Was
wollen wir nun erreichen? Wir wollen erreichen, dass der Gebrauchs-
wert festgestellt wird, wieviel Kilo keimfähig sind von 100 Kilogramm
Ware, Liefert nun die Gewichtsmethode einen solchen Wert'? Das tut
sie nur dann, wenn entweder alle Samenkörner gleich gross sind oder
wenn die Durchschnittsgewichte der eingeschütteten Samen immer gleich
sind. Das sind alles Bedingungen, die die Gewichtsmethode auch nur
angenähert erfüllt. Wir kommen immer wieder auf die Bestimmung
des Gebrauchswertes zurück, der bis zu einem gewissen Grade von
Zufälligkeiten abhängig ist, Diese Zufälligkeiten können wir vielleicht
einschränken, aber nicht ausmerzen.
Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Entwickelung
einer Methode immer sehr günstig ist, wenn man ihr eine scharfe
Definition zugrunde legt. Es ist mit Hilfe des Diaphanoskops nicht
immer sicher, ob ein Korn zu den reinen oder unreinen Samen
gehört, und erfahrungsgemäss sind die Grenzbestimmungen verschieden.
Das ist nicht meine eigene persönliche Erfahrung, sondern die Erfahrung
von 36 deutschen Versuchsstationen. Diese haben nicht mit dem Spiegel-
apparat gearbeitet. Die zahlreiche Beteiligung an der Diskussion hat
gezeigt, wie nötig es ist, dass einmal Klarheit geschaffen wird auf
diesem Gebiet. Bevor Sie ein abschliessendes Urteil abgeben, möchte
ich Sie bitten, sich doch einmal mit der Gewichtsmethode vertraut zu
machen, sich durch tägliche Übung an die Handhabung dieser Methode
zu gewöhnen, vielleicht kiinnen Sie sich dann damit befreunden.
Hofrat Dr. Th. v. Wehizierl-Wien: Der Herr Kollege hat bemerkt,
dass ich vergessen habe zu sagen, ob die Differenz positiv oder negativ ist.
Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, dass ich hervorgehoben
habe, dass als ein besonderer Vorteil der Gewichtsmethode angegeben
wird, dass die Bestimmung der tauben Körner, wenn benetzte Samen ver-
wandt werden, mittelst der optischen Methode genauer ist als wenn der
Samen in dem Zustande ist, wie er bei der Zählmethode bestimmt wird,
dass man also genauer die tauben Samen ermittelt aus einer zur Keim-
fähigkeit angesetzten Probe, wenn der Samen angequollen ist, gegenüber
dem bei der Zählmethode verwandten Samen in lufttrockenem Zustande.
Nachdem bei den Versuchen durchweg ohne Ausnahme bei der Gewichts-
methode kleinere Zahlen herauskommen, so habe ich daraus geschlossen, dass
unsere Zahlen, die wir gefunden haben, richtiger sind, sonst müssten wir
umgekehrt weniger finden. Bei der Gewichtsmethode sind bei Fuchsschwanz
4°/o gefunden, während wir bei der Zählmethode ll°/o gefunden haben.
Vorsitzender: Meine Herren! Wir wollen damit diese Frage
288 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfnng.
beschliessen. Wir werden morgen nachmittag die Diskussion über ein
anderes Tliema fortsetzen. Herr Regierungsrat Dr. Miltner wird die
Diskussion einleiten über die Frage der Keimversuche. Ich ersuche
•dann Herrn Professor Heinrich, für diesen Tag das Präsidium zu
übernehmen. Morgen nachmittag um 2 Uhr werden wir wieder zu-
sammenkommen.
Dann danke ich dem Herrn Referenten für sein Referat und zu-
gleich denjenigen Herren, die sich an der Diskussion beteiligt haben,
und erkläre iie Sitzung geschlossen.
Schluss 6V2 Uhr nachmittags.
Sitzung am Dienstag, den II. September 1906,
nachmittags 2 Uhr im Hörsaal A des Johanneum.
Vorsitz: Direktor Dr. L. Hiltiier-München.
Anwesend: Atterberg - Kalmar, von Degen - Budapest, Di-
drichsen - Kopenhagen, Dorph Petersen - Kopenhagen, Edler-Jena,
Frankfurt - Kiew, Heinrich - Rostock, Hillmann-Berlin, Hiltner-
München, Holmes- London, Johnson -Dubhn, I ssats che nsko -Peters-
burg, Kambersky-Troppau, Kühle-Gunsleben, Lyttkens-Stockholm,
Qvam-Kristiania, Raatz- Kl. Wanzleben, Rodewald-Kiel, Schumann-
Halle, Simon -Dresden, Steblor-Zürich, von Szyszylowicz-Lemberg,
Vanha-Brünn, Vitek-Prag, Voigt- Hamburg, von Weinzierl-Wien,
Widen- 0rebro.
Professor Dr. Voigt bittet die Anwesenden, sich zunächst zu einer
photographischen Aufnahme in den Hof des Johanneum zu begeben.
Geh. Ökonomierat Prof. Dr. Heinrich-Rostock ersucht, wegen seiner
Kurzsichtigkeit von seinem Vorsitz Abstand zu nehmen. Es wird Di-
rektor Dr. Hiltner-München zum Vorsitzenden für die heutige Sitzung
gewählt.
Vorsitzender: Ich erteile sodann Herrn Direktor Dr. A. von Degen
das Wort zu seinem Vortrag.
A. von Degen, Über Kleeseide. ■_ . ;-' 289
Über Kleeseide.
Von
Direktor Dr. A. von De^Tii-Budapest.
Nach unseren Erfahrungen können Kleesaaten, welche diu'ch die
grobkörnige Seide infiziert worden sind, seilest durch unsere leistungs-
fähigsten Maschinen nicht vollständig gereinigt werden. Es steht uns
also nur ein Mittel zur Verfügung, und das ist die Vertilgung der
Kleeseide auf dem Felde. Wie geschieht nun dies am Ijesten? Alle
Herren Kollegen, welche in Staaten wirken, die gesetzliche Massregeln
zur Ausrottung der Kleeseide auf dem Felde vorschreiben, werden die Er-
fahrung gemacht haben, dass die Behörden — meist wegen Mangel an
Sachkenntnis — diese Massregeln nur höchst mangelhaft durchführen.
Auf Grund meiner Erfahrungen bin ich der Ansicht, daß die Verhältnisse
die Produzenten dazu zwingen werden, den Kampf gegen die Kleeseide
auf dem Felde selbst aufzunehmen. Die Preise grobseidehaltiger V^''aren
sind schon derartig gedrückt, dass sich in infizierten Gegenden die
Produktion von Kleesaat kaum mehr rentiert. Um einen weiteren
Rückgang zu verhindern, ist es meiner Überzeugung nach unsere Pflicht,
hier präventiv einzugreifen. Dies erfordert indes eine Erweiterung des
\Mrkungskreises der Samen kontroUstationen, der sich auf strenge Auf-
sicht insbesondere der Kleesamen produzierenden Gegenden und aut
fachgemässe Kontrolle der Seideausrottung erstrecken müsste. Bei uns
zu Lande hat die Samenkontrollstation absolut keine exekutive Gewalt,
hingegen verlangt der Landwirt, dass die Samenkontrollstation ihn vor
Kleeseide schütze. Wir stehen also in einem Dilemma. Die unvoll-
ständige Ausrottung der Seide verursacht nach unseren Erfahrungen
nur eine vorübergehende Besserung, mit der dem Landwirt nicht gedient
sein kann.
Meine erste Proposition bezieht sich daher auf Massnahmen,
welche eine erfolgreiche Bekämpfung der Seide auf dem Felde be-
zwecken und lautet:
„Alle hier versammelten Stationsvorstände mögen ihren
; Regierungen die nötigen Vorschläge zur einhe'tlichen, streng
und sachgemäss durchgeführten Ausrottung dei Kleeseide auf
dem Felde unterbreiten resp. veranlassen, dass die Durch-
führung der bestehenden diesbezüglichen Massregeln in den
Wirkungskreis der Samenkontrollstationen geleitet wird. Sie
müssten ihre Aufgabe damit beginnen, die einschlägigen, derzeit
Jahiesbeiicht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 19
290 Verhandlungen der I. internationalen Konlerenz für Samenprüfung.
bestehenden Verfügungen der verschiedenen in Betracht kommen-
den Staaten zu sammeln und in übersichtlicher Weise zu ver-
öffentlichen."
Eine andere brennende Frage ist die Beaufsichtigung des
Verkehrs mit Kleeausreuter. Eine strenge Überwachung desselben
erscheint dringend notwendig. Nach unseren Erfahrungen sind die
Landkrämer die ständigen Abnehmer des Kleeausreuters. Wir haben
seiner Zeit mit Herrn Hofrat v. Weinzierl in einer Peststellung an
unsere beiderseitigen Regierungen die Frage aufgeworfen, ob es nicht
angezeigt wäre, eine Lizenz für den Kleesamenhandel einzuführen. Was
soll aber mit dem Kleeausreuter geschehen? Laut dem ungarischen
Gesetz wird der Kleeausreuter konfisziert; das Gutachten der kompetenten
Untersuchungsanstalt muss den Vermerk enthalten, ob die konfiszierte
W^are vernichtet werden soll oder ob sie, eventuell durch Reinigung,
einem anderen Zwecke zugeführt resp. anders verwertet werden kann. Die
von mir und Professor Tangl durchgeführten Versuche überzeugten
uns, dass der Kleeausreuter fein gemahlen und hierdurch denaturiert
ein ziemlich wertvolles Futtermittel abgibt, welches ganz besonders
geeignet erscheint, als Zusatz zu Melasse verfüttert zu werden. Leider
steht der Verwertung des Kleeausreuters als Futtermittel sein hoher
Preis im Wege: bei uns werden für Kleeausreuter 70 Kr. per mctr.
bezahlt. Dass das nichts anderes zu bedeuten hat, als dass der Aus-
reuter als Saatware in den Verkehr gebracht wird, liegt klar auf der
Hand, und ich halte es für unerlässlich, dass diesem Artikel unsere
volle Aufmerksamkeit zugewendet werde Wir stehen hier einer ganz
ausserordentlich schwierig zu lösenden Frage gegenüber, welcher wir
aber nicht ausweichen dürfen. Vielleicht finden wir einen Ausweg,
wenn wir durch Versuche feststellen können, ob und unter welchen
Vorsichtsmassregeln, eventuell unter welchen klimatischen Verhältnissen,
der Kleeausreuter als Saatware zu verwenden ist.
Die vorerwähnten Ausführungen mögen als Begründung einer
weiteren Proposition gelten.
Ich will hier noch erwähnen, dass der direkte Anlass /aw Auf-
stellung dieser Proposition die Publikation unseres Kollegen Dr. A. Volkart
(Bericht der schweizerischen Botanischen Gesellschaft 1901) gegeben hat.
E)r. Volkart hat in dieser Publikation behauptet, dass einige Seidearten,
speziell die Grobseide, in der Schweiz ihren Samen nicht zur Reife
bringen. Bei der eminent praktischen Wichtigkeit dieser Frage ersuche
ich die geehrte Versammlung, diesen Punkt einer eingehenden Be-
sprechung zu unterziehen.
Der nächste Punkt betrittst die Feststellung einer Norm über
A. von Degen, Über Kleeseide. 291
den hochstzulässigen Seidegehalts einer Kleesaatware. In
der Einleitung habe ich darauf hingewiesen, dass die Kleeseide aus der
auf den Markt gebrachten Ware selbst mit unseren besten Reinigungs-
maschinen nicht vollkommen entfernt werden kann. Die Vertreter der
Kleesamen produzierenden Länder werden mir beipflichten, wenn ich
die festgestellte Norm von 10 Stück Seidesamen pro Kilo mit Rücksicht
auf die eingetretene oder bevorstehende Grobseidekalamität für viel zu
hoch halte. Es wäre noch darüber zu diskutieren, ob die Norm für
eine Saatware, welche nur zu Putterbauzwecken dient, und ferner die
l!^orm für Rotklee und Luzerne nicht besonders festgestellt werden
sollen. Die Erledigung dieser Fragen erheischt eine gründliche Aus-
sprache über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Reinigungs-
methoden. Ich möchte schon hier betonen, dass wir von den Händlern
nichts verlangen können, was diese selbst bei Verwendung der besten
Maschinen nicht leisten können. Wie immer wir uns auch über die
festzustellende Norm einigen werden, eine absolute Seidefreiheit der
■.Saatware im allgemeinen werden wir nicht erzielen. Wir müssen im
Kampfe gegen die Seide auf die Mitwirkung der Landwirte rechnen.
Ich schlage als Basis der Verhandlung über die Untersuchungs-
methoden folgende Punkte vor, die aus den bei uns vorgeschriebenen
Methoden zusammengestellt sind und zwar teilweise aus unseren Plom-
bierungsvorschriften, teilweise aus unseren Untersuchungsvorschriften:
1. Auf Seidesamen ist stets das ganze eingesandte Muster, sofern
es 500 gr nicht überschreitet, zu untersuchen.
2. Die Muster von Kleesamen sind vor dem Beginn der Ihiter-
suchung bei Tageslicht einer genauen Okularuntersuchung
zu unterziehen.
3. Lein- und Hanfsamenmuster sind mittelst des 14er und 16er
Siebes abzusieben und das ganze Siebsei Korn für Korn zu unter-
suchen. Von Lotus coiiiiculatus, Trifolium h/jhi'n/um. T. r('pen--<
und Plileum prafpnse ist das ganze eingesandte Muster ohne
Hilfe eines Siebes zu untersuchen.
■ 4. Luzerne-, Rotklee-, Hopfenklee- Inkarnatklee- und W^undklee-
muster sind zuerst durch ein sog. 20 er Sieb zu sieben.
5. Zwanziger Sieb nennen wir ein 40 cm im Durchmesser messendes
mit abhebbarem Boden und Deckel versehenes Sieb aus Weiss-
oder Zinkblech, welches mit einem Stahldrahtgeflecht mit vier-
eckigen Löchern von 1 : 1 mm Drahtweite überzogen ist.
6. Der Boden des Siebes muss unversehrt sein, sonst ist es nicht
ausgeschlossen, dass abgesiebte Seidekörnor durch eine Öffnung
des Bodens in Verlust geraten.
19*
292 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüiung.
7. Das Sieb und der Boden des Siebes mnss vor dem Gel)rauch
unbedingt vollkommen rein sein.
8. Auf das 20 er Sieb darf nie mehr als eine Schicht Samen auf
einmal .u'egossen werden. Die Vernachlässigun.ii- dieser wichtigen
Vorschrift kann selbst die gewissenhafteste Seideuntersuchung
illusorisch machen.
9. Diese Samenschicht wird durch langsame, wenigstens zehn-
malige Bewegung des Siebes im Kreise und Anschlagen der
Seitenwände an die Daumenballen gründlichst abgesiebt.
10. Ist ein grösseres Muster abzusieben, so wird die erste Schicht
vom Siebe vorsichtig entfernt, und eine zweite ev. dritte oder
noch mehr Samenschichten neu aufgegossen und abgesiebt, bis
das ganze Muster abgesiebt ist.
11. Während des Siebens sowohl als besonders bei dem Abheben
des Siebes von seinem Boden ist genau darauf zu achten, dass
von dem Siebsei nichts verschüttet werde. Eingeklemmte Samen
kommen zu dem Siebsei.
12. Ist das Siebsei des 20er Siebes nicht viel, so wird es ohne
weiteres i\orn für Korn mit der Pinzette auf Seidesamen
untersucht.
13. Ist aber das Siebsei wegen Kleinkörnigkeit oder Unreinheit der
Ware bedeutend, enthält es viel Staub, Sand, Erdklümpchen oder
Unkrautsamen, so wird es noch durch die Nobbe-Garnitur ab-
gesiebt. ^
14. Vor Benutzung dieser Garnitur ist darauf zu achten, dass die
einzelnen Siebe in richtiger Reihenfolge eingesetzt und voll-
kommen rein sind.
15. Die Seidesamen sind vor allem in der auf dem Sieb mit ()..5 mm
Lochöffnung gebliebenen Samenmenge zu suchen. Sollten hier
keine gefunden werden, so wird das Siebsei des untersten
Siebes und der Reihenfolge nach die auf den ül)rigen Sieben
befindlichen Samenmengen untersucht.
16. Das Zerlegen der Nobbe-Garnitur soll stets über einem Blatt
reinen Papiers geschehen.
17. Die in die Sieböffnungen eingeklemmten Samen sind stets zu
dem zu untersuchenden Siebsei zu legen.
l!-i. Waren Seidesamen in keiner der Abteilungen vorzufinden, so
ist noch ein Teil ') der über dem 20 er Siebe gebliebenen Samen-
menge auf Grobseide zu untersuchen.
1) Nach neuer A'orschrift 100 gr.
A. von Degen, Über Kleeseide. 293
19. Ein Muster, welches nur leere oder nur unreife, geschrumpfte
Seidesamen in geschlossenen Kapseln, oder Seidestengel oder
Blütenfragmente enthält, ist — unter Angabe des Befundes —
als seidefrei zu attestieren.
Zu Punkt 18 mijchte ich bemerken, dass für die Untersuchung
auf Grobseide keine Menge vorgeschrieben ist; das scheint ein Mangel
unserer Vorschriften zu sein. Es wäre wünschenswert, wenn hier eine
Norm festgestellt werden könnte.
Als Zusatz zu Punkt 19 erlaube ich mir eine einheitliche Ter-
minologie vorzuschlagen sowohl in der Benennung der einzelnen Seide-
arten als auch in den Bezeichnungen , .wenig" und ,,viel" Kleeseide
resp. eine genaue Definition dieser Ausdrücke festzustellen. Diese
kommen selbstverständlich in Betracht, wenn die Seidekörner im Atteste
nicht der Zahl nach angeführt werden.
Bezüghch der Nomenklatur möchte ich auf den Übelstand hin-
weisen, dass ein und dieselbe Seideart von einer Station als Cuscufa
raceniosa, von einer anderen als C. ■siiaveok")is von einer dritten gar
als C. Orouowii, deutsch aber als ,, Grobseide", „grobkörnige Seide", in
Deutschland mit Vorliebe als ,, Schweinsseide" bezeichnet wird.
Ich erlaube mir, dieser Proposition noch eine andere anzufügen;
sie betrifft die Frage der Beschaffung von Normalsieben. Die
Wichtigkeit dieser Frage ist klar, wenn man die früher gebräuchlichen
Siebe, bei welchen die Löcher entfach mit einer Stanze durchgeschlagen
und die Lochöffnungen nicht gleich gross sind, mit den jetzigen ver-
gleicht. Es wäre sehr wichtig, wenn der x'Vusschuss sich mit einer
Firma in Verbindung setzen möchte, welche sich der Mühe unterziehen
wollte, uns Normalsiebe zu verschaffen. Ich will darauf hinweisen,
dass bei Bodenuntersuchungen ganz genau gebohrte Siebe verwendet
werden, die aber unseren Zwecken nicht entsprechen.
Zum Schluss schlage ich der geehrten Versammlung vor, eine
Diskussion über die Frage zu eröffnen, ob es nicht angezeigt wäre, die
hiermit in Verbindung stehenden Detailfragen einer Spezialkommission
zu überweisen.
Vorsitzender: Ich eröffne die Diskussion und bitte den Refe-
renten, die einzelnen Punkte nochmals zu verlesen, damit die Ver-
sammlung dazu Stellung nehmen kann.
Referent Dr. von Degeu-Budapest: Meine Proposition I bezieht
sich auf den Vorschlag, dass alle hier versammelten Stationsvorstände
294 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für SamenpriU'ung.
ihren Regierungen die nötigen Vorschläge betreffend einheitlich, streiiir
und sachgemäss durchgeführter Ausrottung der Kleesei de auf dem
Felde unterbreiten resp. veranlassen möchten, dass die Durchführung
der allenfalls bestehenden Gesetze in den Wirkungskreis der Samen-
kontrollstationen geleitet werden.
Vorsitzender: Wünscht jemand das Wort zu diesem Vorschlage?
Prof. Dr. Edler- Jena: Wir haben in einzelnen Bezirken Polizei-
verordnungen, die das Preisein der Kleefelder von Seide vorschreiben.
Diese Verordnungen haben ihren Zweck nicht erfüllt, und ich glaube
auch, dass sie auch künftig ihren Zw^eck nicht erfüllen werden, da die
Kontrolle durch Polizeiorgane ausgeführt werden muss, denen wenigstens
in den meisten Fällen die nötige Sachkenntnis fehlt. Deshalb verspreche
ich mir von der weiteren Einführung polizeilicher Vorschriften bei uns
in Deutschland wenig, oder ich möchte besser sagen gar nichts.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte doch glauben, dass wenigstens
etwas zu erreichen wäre, halte es aber für richtiger, diese Frage in
andere Hände zu legen, nämlich in die unserer Pflanzenschutz-
stationen.
Dr. P. Hillüiauii Berlin: Diese Vorschriften kömnen doch nur für
diejenigen Länder von Wert sein, wo Kleeseide vorkommt. Ich möchte
sie auf eine Einrichtung aufmerksam machen, die seit kurzem bei der
Deutschen Landwirtschafts -Gesellschaft besonders auch für Kleearten
eingeführt ist, die sogenannten Feldbesichtigungen zwecks Saaten-
anerkennung. Der Anfang war im verflossenen Sommer sehr be-
scheiden, aber wir haben doch eine Reihe von Feldern gefunden, die
seidefrei waren. , Wir sind nun dabei sehr streng vorgegangen aus dem
Grunde, weil in Deutschland bekanntlich die Vermittelungsstellen land-
wirtschaftlicher Körperschaften absolute Seidefreiheit verlangen und
sich auf Konzessionen bisher nicht einlassen wollen. Bei den beiden
Feldern, die wegen Seide ausgeschlossen wurdeji, war auf jedem Felde
nur ein Seidenest vorhanden. Vielleicht wäre es möglich, auch diesen
Weg der Feldbesichtigungen weiter zu verfolgen.
Prof. Dr. Edler- Jena: Ich möchte Herrn Kollegen Dr. Voigt er-
widern, dass das, was die Samenkontrollstationen nicht können, dir
Pflanzenschutzstation auch nicht kann. Ich glaube nicht, dass wir auf
diesem Wege praktisch etwas erreichen und möchte bitten, ihn gar
nicht zu betreten.
Direktor Dr. S. Frankfurt-Kiew: Ich komme aus einer Gegend,
die sehr viel Kleesamen produziert und exportiert. Nun erinnere ich
mich an einen Fall, dass bei Moskau den Bauern Kleesamen verkauft
wurde, der mit Seide vermengt war. Das hat man aufgefunden, die
Diskussion: Kleeseide. 295
Sache hat viel Staub aufgewirbelt und auch die Aufmerksamkeit der
Regierung erweckt. Wie soll man dies nun bekämpfen? Die Sache ist
für uns in Russland ja so schwierig, und wenn wir auch noch so viel
Unterstützung hätten, die Verhältnisse liegen so, dass man eine wirk-
same Samenkontrolle kaum ausüben kann.
Hofrat Dr. Th. von AVeinzierl-Wien: In Ergänzung der Aus-
führungen des Herrn Kollegen Dr. von Degen möchte ich Ihnen einiges
mitteilen aus den Erfahrungen, welche ich in dieser Richtung im Laufe
von 20 Jahren gemacht habe, speziell in Österreich, wo, wie Sie wissen,
noch kein sogenanntes Kleesamengesetz besteht, im Gegensatz zu Ungarn,
wo ein solches schon lange in Kraft ist. Wir haben in einzelnen Ländern
ein besonderes Kleeseidegesetz erhalten, und dieses Gesetz geht darauf
aus, dass die Kontrolle der Cuscuta auf dem Felde durch Organe voll-
zogen wird, welche leider, ich muss es ja selbst sagen, gewöhnlich gar
nicht in der Lage sind, die Kleeseide zu erkennen. Der Schutzmann
und der Gendarm sollen nicht nur die Landstreicher verhaften, sondern
auch die Felder besichtigen? Ist einmal auf einem Felde Kleeseide in
blühendem Zustande angetroffen worden, so wird der betreffende Be-
sitzer bestraft. Der Gemeindevorstand in einem kleinen Ort ist häufig
ein Grundbesitzer, welcher durch sein Amt vielfach in Anspruch ge-
nommen ist, und ich habe mich überzeugt, dass gewöhnlich die-
jenigen Grundstücke, welche dem Gemeindevorstand gehören, die am
meisten verseuchten sind, so dass sich die Herren selbst zuerst zu be-
strafen hätten. In anderen Staaten, wo ähnliche Verhältnisse sind und
wo ähnliche Gesetze bestehen, hat sich das ebenfalls gezeigt, und es
ist nun ein anderes Gesetz vorgeschlagen worden, welches, von einem
Komitee resp. dem Landwirtschaftsrat bearbeitet, wahrscheinlich dem-
nächst in Angriff genommen werden wird. Es wird davon ausgegangen,
dass die Feldpoüzeivorschriften streng durchgeführt werden. Es dürfte in-
teressieren, zu hören, dass wir in Österreich, soweit polizeiliche Vorschriften
in Frage kommen, so ziemlich dieselben Erfahrungen gemacht haben, wie
sie vom Herrn Referenten ausgeführt und von anderer Seite bestätigt
worden sind. Ich habe nun einen anderen Weg betreten, der dahin
geht, nicht den Landwirt, der ohnedies dadurch, dass er Landwirt ist.
schon genug bestraft ist, mit Strafen zu belegen, sondern umgekehrt,
für die richtige Bekämpfung der Kleeseide direkt Prämien
auszusetzen. Ich glaube, dass das ein W^eg ist, der sich jedenfalls
viel mehr empfehlen würde, als Strafbestimmungen allein.
Ich habe dann noch bemerken wollen, dass die gesetzlichen Vor-
schriften tür die Regelung des Handels mit Kleesaaten — mit Sämereien
und mit Düngemitteln überhaupt — bei uns in Österreich im Entstehen
296 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
sind und dass ein Entwurf bereits der Regierung seitens des Land-
wirtschaftsrates und der landwirtscliaftlichen Gesellschaften vorliegt, der
darauf hinausgeht, eine bestimmte Vorschrift für den Handel, insbesondere
mit Kleesaaten, gesetzlich zu erlangen. Er enthält die Hauptbestimmung,
dass die Saaten durchweg dem Deklarations zwange unterworfen
sind. d. h. es muss an jeder Ware erklärt werden, was sie eigentlich
sein soll. Wenn jemand z. B. Kleeausreuter verkaufen will, so sehe ich
gar nicht ein, warum er eine solche Ware nicht verkaufen soll, wenn
er dieselbe nur richtig deklariert. Es dürfte also der Deklarations-
zwang auch eine Handhabe bieten, die meisten Übelstände, die in Frage
kommen, zu bekämpfen.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir müssen die ganze Frage, die Herr
von Degen angeschnitten hat, in zwei Teile trennen. Man wird einen
Unterschied machen müssen zwischen Kleesaat konsumierenden
und Kleesaat produzierenden Ländern.
Prof. Dr. Edler-Jena: Ich glaube, dass wir die Frage hier über-
haupt nicht durch eine Resolution fördern können. Ich möchte l)itten,
diesen Punkt der Resolution einfach fallen zu lassen.
Dr. Fraiikfiirt-Kiew : Ich möchte mich einem früher geäusserten
Wunsche anschliessen, der dahin geht, dass der Ausschuss eine Samm-
lung aller Gesetze zur Überwachung des Samenhandels herausgibt, die
in den verschiedenen Ländern existieren.
Vorsitzender Direktor Dr. L. Hiltner-München : Wenn ich mir
erlauben darf, selbst noch das Wort zu nehmen, so möchte ich darauf
hinweisen, dass man in Bayern mit polizeüiehen Massregeln schon
schlimme Erfahrungen gemacht hat. Unsere agrikulturbotanische Anstalt
betreibt gleichzeitig Samenkontrolle und Pflanzenschutz. Das hat einen
grossen Vorteil, indem sich die Mciglichkeit ergibt, in anderer Richtung
erfolgreich einzugreifen. Wir haben in Bayern eine Organisation ge-
schaffen, die z. B. aus 64 Auskunftsstellen besteht, mit denen zusammen
noch ca. 300 Vertrauensmänner, fast ausschliesslich praktische Land-
wirte, arbeiten. Ich glaube sagen zu können, dass wir dadurch in nicht
allzu langer Zeit in der Lage sein werden, u. a. auch gegen die Klee-
seide mit gutem Erfolge vorzugehen. Wir haben z. B. in diesem Jahre,
nachdem wir aus verschiedenen Bezirken über das Auftreten von Seide
Mitteilungen erhalten hatten, sofort an die Auskunftsstelle des betr.
Bezirkes geschrieben. Diese forscht nach, von wem der Same bezogen
wurde, so dass wir mit dem Lieferanten in Verbindung treten können.
Ich glaube, das ist auch ein Weg und zwar ein sehr wirksamer. Sonst
würde ich mich persönlich auf den Standpunkt stellen, dass, wenn wir
die Frage nicht einer Kommission überweisen wollen, wir mindestens
Diskussion: Kleeseide. 297
dahin einig werden sollten, dass wir unseren Regierungen aufs neue
die Wichtigkeit der Frage ans Herz legen und ihnen anheimgeben,
mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gegen die Kleeseidegefahr vorzu-
gehen, aber ohne polizeiliche Vorschriften.
Referent Dr. von Degen-Budapest: Die ziemliche Länge meines
Referates hat mich verhindert, in diese Details einzugehen. Ich habe
mir die Durchführung meiner Propositition in ähnlicher Weise gedacht,
wie es Herr Direktor Hiltner soeben vorgetragen hat. Die Ausrottung
der Seide ist keine leichte Aufgabe; es ist eine Aufgabe, die mit gründ-
licher Sachkenntnis vorgenommen werden muss, und darum habe ich in
meinem Referat die Demonstration an Ort und Stelle betont. Herrn
Prof. Dr. Edler, der PoHzei Verordnungen für undurchführbar hält,
möchte ich fragen: was sollen wir machen? Mit Maschinen können
wir die Seide nicht entfernen, und wenn keine Massregeln getroffen
werden, wird das eintreffen, worauf ich in meinem Referat schon
liingewiesen habe, nämlich dass die Samenproduktion eingeschränkt
werden wird.
Es ist hier Avährend der Diskussion die Frage aufgeworfen worden,
ob nicht Prämien verteilt werden sollen. Ich halte das für überflüssig,
denn der Produzent erhält die Prämie für reine Ware in Form des
höheren Preises.
Mit der Zweiteilung der Frage bin ich vollständig einverstanden.
Ich wäre zufrieden, wenn meine Proposition in der Weise angenommen
werden würde, dass die Regierungen der Kleesamen produzierenden Länder
darauf aufmerksam gemacht würden, dass die Ausrottung der Kleeseide
energisch in Angriff genommen werden müsste. In welcher Weise .dies
geschehen kann, das soll den betreffenden Regierungen anheimgestellt
werden.
Vorsitzender: Wenn niemand mehr das Wort wünscht, würde
ich vorschlagen, die Resolution in der Fassung, wie der Herr Referent
sie zuletzt genannt hat, anzunehmen. ■■
Das Wort wird nicht gewünscht.
Referent verliest die Resolution, die in nachstehender Fassung an-
genommen wird: ......•..;•
: . ,. Es ist wünschenswert, dass die Regierungen jener Länder,
in welchen Kleesamen produziert werden, aufs neue auf die
Gefahr aufmerksam gemacht werden, die durch die gewöhnUche
Kleeseide und neuerdings durch die Grobseide dem Samenhandel
droht, und dass Schritte zur Ausrottung der Seide auf dem
Felde getan werden.
298 Verliandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Vorsitzender: Wir würden dann zum Punkt 2 ül^ergehen. Ich
bitte den Herrn Referenten, diesen Punkt zu verlesen.
Referent Dr. von Degen-Budapest: Meine zweite Proposition
wünscht die Prüfung der Stichhaltigkeit der Behauptung, dass die Seide,
speziell die Grobseide, in nfirdlichen Lage n ihren Samen nicht
zur Reife bringt.
Hof rat Dr. von Weinzierl-Wien: Ich möchte mir den Vorschlag
gestatten, dass diese Frage dem Aussah uss als eine derjenigen Fragen
zugewiesen werden soll, welche in den Fragebogen, von dem ich gestern
sprach, aufgenommen werden.
Vorsitzender: Ich weiss nicht, ob nicht doch schon Erfahrungen
in dieser Richtung vorliegen. Es wäre erwünscht, darüber zu hören.
Direktor 0. (-tvam-Kristiania: In Norwegen kommt die Kleeseide
überhaupt nicht vor, deshalb spielt bei uns die Kleeseidefrago gar
keine Rolle.
Prof. Dr. A^oigt-Hamburg : Das gleiche w^eiss ich von England.
Unsere Samenhändler behaupten immer, dass in England kein Wert auf
Seidereinheit gelegt werde.
E. M. Holmes-London: Ich kann dies bestätigen. Die Frage ist
für Grossbritannien ohne Wichtigkeit.
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich habe die Erfahrung gemacht,
dass in Galizien in einer Höhe von beiläufig 800 m die Kleeseide absolut
nicht gedeiht. Einmal habe ich von Milano Kleesat bezogen und in
einem Kilo 40000 Körner Kleeseide gefunden. Bei der Ernte war in
Galizien der Klee aus diesem Samen ganz rein. Man sieht also, dass
die südeuropäische Seide sich nicht überall akklimatisiert.
Inspektor A. Lyttkeus-Stockholm : Man sagt, dass in unserem Lande
die Kleeseide reifen Samen nicht hervorbringt. Ich habe indes in den
letzten Jahren, z. B. 1901, im mittleren Schweden Kleeseide mit reifem
Samen geerntet. Man kann also nicht absolut sicher sein, dass in so
nördlichen Klimaten, wie Schweden, Kleeseide nicht gedeihen kann. Wir
haben auch in diesem Jahr einen sehr warmen Sommer gehabt, so dass
ich befürchte, wir werden Kleeseide auch in diesem Jahre haben. Man
kann jedenfalls nicht sagen, dass die Kleeseide in Schweden nicht reift,
was man früher mit Sicherheit behauptete. Es kommt sehr oft Klee-
seide vor, reife Samen aber dürften nur in sehr warmen Sommern zu
finden sein.
Direktor J. Widen-Orebro: Meine Ansicht geht dahin — und ich
stütze mich auf vieljährige Erfahrungen — , dass die Kleeseide im mittleren
Schweden jedes Jahr reift. Im Jahre 1903 war durchweg sehr schlechtes
Wetter, die Ernte der ^ Rotkleesamen war sehr schlecht ausgefallen, es
Diskussion: Kleeseide. 299
wurde aber doch reife Kleeseide gefunden. Auf einem Gute waren
seit 13 Jahren keine Kleesaraen von auswärts bezogen worden, und
doch kommt auf einem gewissen Felde, wenn es Klee trägt, die Klee-
seide jedes Jahr zum Vorschein.
Was die Grobseide betrifft, so ist es nicht ausgeschlossen, dass
auch diese in Schweden reifen kann. Aus der Nähe von Upsaia wurde
mir eine Probe von Rotklee zugeschickt, in welcher 2 Körner von Grob-
seide vorgefunden wurden. Es war mir aber nicht möglich, beim Be-
suche auf dem betreffenden Gute Seide im Stoppel nachzuweisen. Mag
die Grobseide vielleicht auch nicht in Mittelschweden reif werden, so
richtet sie doch so viel Schaden an, dass Schweden ganz entschieden
kein Abnehmer seidehaltiger Kleesamen wird,
Direktor K. Dorpli Peterseii-Kopenhagen: In Übereinstimmung mit
dem Vorredner erkläre ich, dass auch in Dänemark bisweilen reifer
Samen von Kleoseide gefunden wird.
Vorsitzender: Wünscht noch jemand das Wort? Ich kann hier
noch anfügen, dass u. a. auch bei Versuchen in den Alpen in einer
Höhe von etwa 900 m die Seide immer sehr schön aufgelaufen ist und
den Klee gänzlich überzogen, aber keinen Schaden angerichtet hat. Im
nächsten Jahr war sie vollständig verschwunden. Es gibt jedenfalls
auch bei uns in Deutschland Gegenden, für die die Grobseide keine allzu
grosse Gefahr bildet. Dies dürfte auch aus den Erfahrungen der Herren
aus Schweden und Dänemark hervorgehen. L'm aber auf die Proposition
des Herrn Referenten zurückzukommen, würde es immerhin richtig sein,
dass die Kommission sich dafür interessiert.
Wenn niemand mehr das Wort wünscht, bitte ich den Herrn,
Referenten, den nächsten Punkt seiner Proposition zu verlesen.
Referent Dr. v. Degen-Budapest: Meine nächste Proposition be-
trifft die Beaufsichtigung des Verkehrs mit Kleeausreuter.
Vorsitzender: Wünscht hierzu jemand das Wort?
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich habe mich überzeugt, dass
in Galizien, besonders auf den Bauernfeldern, Kleeseide gefunden wird;
bei den Grossgrundbesitzern zeigt sich dieselbe sehr selten. Die Bauern
kaufen nämlich bei uns den Samen meistens bei jüdischen Händlern; die ge-
lieferten Samen sind sehr schlecht, und die Felder werden dadurch verseucht.
Um dies zu verhüten, wäre es meiner Ansicht nach besonders wichtig,
den Handel zu beaufsichtigen. Auf eine Zeitungsannonce hin liess ich
mir Muster von Kleesiebsel schicken und habe . gefunden, dass es lauter
Kleeseide war. Daraufhin habe ich nachgeforscht, wer solches Siebsei
kauft; es war natürlich der Bauer, der ja nicht viel versteht. Meiner
Ansicht nach könnte eine bessere Kontrolle des Importhandels die Klee^
300 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenjjrüfung-.
Seidekalamität zwar niclit vollliommen beseitigen, so doch sehr vermindern.
Kleesiebsel ist meiner Überzeugung nach Iveine Ware, man sollte es
vernichten, d. h. verbrennen, oder verbieten es zu importieren.
Vorsitzender: Ich empfehle, dass der gefassten Resolution unsere
Wünsche betreffs Kleesiebsel angefügt werden.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich wollte nur ganz kurz erklären, dass
wir gegen den Abfall nicht so scharf vorgehen können. Abfälle gibt es
überall, und wir können hier schwerlich ein Verbot erlassen, aber wir
kcinnen die Aufmerksamkeit der Regierungen auch auf diesen Punkt
lenken.
Vorsitzender: Es meldet sich niemand mehr zum Wort. Ich
bitte den Herrn Referenten zum nächsten Punkt überzugehen.
Referent Dr. v. Degen-Budapest: Der nächste Punkt wiire die
Feststellung einer Norm l^etreff den hochstzulässigen Seide-
gehalt einer Saatware.
Dr. P. ScliHinaiui-Halle: Ich luuss erklären, dass der Landwirt
verlangen kann, nur absolut seidefreie Ware zu bekommen. Wir können
vorläufig auch von d'iesem Standpunkt nicht abgehen.
Prof. Dr. Edler-Jena: Der Herr Vorredner hat erklärt, der Land-
wirt könne absolut seidefreie Ware verlangen. Betrachten wir die An-
gelegenheit vom Standpunkt der technischen Möglichkeit, so müssen wir
vorläufig zu der Überzeugung gelangen, dass die Forderung insoweit
auf technische Schwierigkeiten stösst, als wir ja nicht einmal die absolute
Garantie übernehmen können, dass in der Probe, die wir als seidefrei
attestieren, nicht mal ein Kleeseidekorn durchgegangen ist. Keiner der
Herren, die sich mit Seideuntersuchungen beschäftigen, wird mir wider-
sprechen, wenn ich sage, dass das Auslesen einer grösseren Probe klein-
körniger Samen das Auge so ermüdet und dass diese Arbeit so schwierig
ist, dass wir die Garantie einfach nicht übernehmen können, dass nicht
doch einmal ein Korn übersehen worden ist. Wenn aber diese technische
Schwierigkeit besteht, dann hat die Forderung der Landwirte, absolut
seidefreie Ware zu i)ekommen, keine praktische Bedeutung.
Dr. P. Hillmauii-Berlin: Die Lösung dieser schwierigen Frage
liegt vielleicht auf einem anderen Gebiete, welches weniger hierher gehört,
nämlich auf dem Gebiete der Handelsabmachungen. Die Grundregel der
Saatstelle der D. L.-G. hat in dieser Beziehung zwar strenge, aber nicht
unausführbare Bestimmungen. Es gilt eine Lieferung als seidefrei, wenn
in der Probe keine Seide gefunden wurde. Wird aber bei späterer
Untersuchung Seide gefunden, dann ist eine massige Entschädigung von
vornherein festgesetzt in der Weise, dass der betreffende Empfänger
entweder die Ware zurückweisen kann, oder wenn er das nicht will.
Diskussion: Kleeseide. i 301
so bekommt er b'^l^ Entschädigung. Mit diesem Verfahren können auch
Samenhändler wohl ganz einverstanden sein.
Direktor Dr. (j. Stebler-Zürich : Ich glaube auch, dass es der
richtige Weg ist, den Herr Dr. Hillmann vorgeschlagen hat, also dass
jeder Landwirt das Recht hat, die Ware zurückzuweisen, wenn sie nicht
garantiegemäss ist. Eine wichtige Frage ist aber noch die: wie gross
soll die Probe sein, die eingefordert wird, und wieviel soll untersucht
werden? Eine 100 g-Probe kann seidefrei sein, eine 500 g-Probe kann
ein Korn Seide enthalten. Das ist eine wichtige technische Frage, über
die wir uns klar sein sollten. Hat der Käufer das Recht, ein Kilo einzu-
senden, oder muss mau das Recht einschränken und wie weit? Wir
in Zürich verlangen nur eine Probe von 100 g. Herr Kollege Dr. L»egen
hat eine Probe von 500 g festgesetzt; ich halte das für vollkommen
genügend, glaube sogar, man dürfte noch weiter heruntergehen. Für
uns in der Schweiz, wo die Seide sehr wenig schädlich ist, liegt die
Grenze von 100 g gerade recht, hingegen für ein Land wie Ungarn ist
es jedenfalls ratsamer, etwas strenger vorzugehen. Jedenfalls aber sollten
wir uns in diesem Punkte klar sein. Feste Bestimmungen existieren
I»ei uns nicht und, soviel ich weiss, auch in Deutschland nicht.
Prof. Dr. VoijO't- Harn bürg: Ich möchte auf eins aufmerksam machen:
Wir sind, wenn wir uns zur Untersuchung verschieden grosser Proben
bereit finden, etwas ungerecht. Wir geben da den Leuten einen Spiel-
raum, unsere Untersuchung so zu drehen, wie sie sie haben wollen,
Prof. Dr. Rodewald- Kiel behandelt in einer längeren I>arlegung
die Frage der Verantwortung der Stationen bei Untersuchungen auf
Kleeseide. Von Unfehlbarkeit könne gar keine Rede sein, wenn man
bedenke, dass eine Probe von 50 g ungefähr 100000 Körner ergibt. Er
habe dies früher einmal festgestellt. Die Ermüdung des Auges spiele
bei Untersuchungen eine grosse Rolle. In einem detaillierten Beispiel
legt Redner dar, dass das Auge bei andauernder gleicher Beschäftigung
für Feinheiten unempfindlich würde. Die absolute Seidefreiheit einer
Probe zu garantieren, sei demnach unvernünftig, wie durch Obiges dar-
gelegt. Wie die Sache heute läge, könne Redner den von Herrn
Dr. Schumann vertretenen Standpunkt nicht verstehen. Man müsse
nur fordern, was realisierbar sei. Interessieren würde es nun zu er-
fahren, welche Grenze, die Grösse der Proben betreffend, man für die
richtige halte.
Dr. J. V. Szyszylovvicz-Lemberg: Ich halte es für äusserst wichtig,
die Grösse der Proben der einzelnen Kleearten festzustellen.
Prof. Dr. Edler- Jena: Zweifellos spielt die Grösse der Probe eine
bedeutende Rolle. Ich stehe auf dem Standpunkte, man sollte nicht zu
302 Verhandlungen der i. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
grosse Proben verlangen. Ich glaube, duss im allgemeinen mit Proben
von 100 g auszukommen ist und mit 50 g bei kleinen Saaten.
Vorsitzender: Ich schliesse mich den Ausführungen der Herren
Rodewald und Edler vollständig an. Ich erteile nun dem Referenten
das Schlusswort.
Referent l)r. v. Degen-Budapest: Ich schlage vor. dass das
Quantum des zu untersuchenden Musters überhaupt nicht festgestellt
wird, sondern nur die Taxe für eine Quantität. Denn wir können ja
nicht vorschreiben, wenn einer eine Ware kaufen will, dass wir im
Maximum 100 oder 500 g untersuchen und nicht mehr.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir kommen weiter, wenn wir sagen:
100 g ist das Mindestquantum, das wir untersuchen und dessen Befund
wir attestieren.
Dr. V. Degen-Budapest: Bei uns ist es Usus, dass, falls das
Muster kleiner ist als vorgeschrieben, wir es immerhin untersuchen, aber
im Attest den Vermerk machen: Im Muster wurde keine Seide gefunden
— vorausgesetzt, dass dies zutrifft — , jedoch war das Muster zu klein,
um eine beruhigende Auskunft geben zu können.
Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Ich bescheinige nie: ,.L»as Muster ist
seidefrei". Ich konstatiere nur die Tatsache, dass in dem Muster so
und so viel gefunden, oder dass nichts gefunden wurde. Ich attestiere
nur das, was ich gefunden habe.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Das ist ja für den Augenblick Gefühls-
sache. Ich empfehle, dass wir uns schlüssig werden, da die Zeit zu
weit vorrückt.
Hofrat Dr. v. Weiuzierl-Wien legt in längerer Rede die Gepflogen-
heiten der Wiener Station bei Untersuchungen dar und schliesst: Ich
glaube, bevor wir die Frage entscheiden, wie gross die Probe sein soll,
die wir zur Analyse annehmen, müssen wir noch festlegen, welchem
Quantum von ^^'are eine Probe von 100 g entsprechen soll.
Prof. Dr. Rodevvald-Kiel vertritt seine Ansicht, den Standpunkt der
Unfehlbarkeit aufzugeben und es zum Ausdruck zu bringen, dass absolut
sichere Arbeit von einem Menschen nicht verlangt w^erden kann.
Prof. Dr. Edler- Jena: Ich lege den grössten Wert darauf, dass
wir uns in einer Resolution darüber aussprechen, ob eine Latitüde not-
wendig ist oder nicht.
Vorsitzender: Sind die Herreu damit einverstanden, dass wir
erklären, eine solche Ltititüde wäre notwendig?
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Wir sind etwas von unserem Thema
abgekommen. Herr von E>egen hat uns gefragt, wie viel müssen wir
untersuchen, und zu dieser Frage müssen wir wohl zurückkehren. Ich
Diskussion : Kleeseide. 303
mTichte meinerseits fragen: sind wir uns heute noch einig, dass 100 g
bei Rotklee und 50 g bei den kleinen Saaten genügen, oder müssen. wir
das Quantum erhöhen? Wenn wir heute sagen, dass nach unserer
besten Überzeugung 100 g tür Rotklee und 50 g für kleine Saaten
genügen, dann könnten wir diesen Punkt verlassen.
Vorsitzender: Sind die Herren mit diesem Vorschlag einver-
standen?
Es meldet sich niemand mehr zum Wort. Der Vorsitzende bittet
den Referenten fortzufahren.
Referent Dr. v. Degen-Budapest: Es handelt sich jetzt um die
Feststellung der Norm. I)iese Frage steht im engsten Zusammenhang
mit der Leistungsfähigkeit der Reinigungsmaschinen, das ist also eine
Frage, über die wir uns später einigen ktinnten, nachdem wir uns über
die angewendeten Methoden der einzelnen Länder überzeugt haben.
Direktor I >r. (j. Stebler-Zürich : Ich bin der Meinung, dass eine
Latitüde notwendig ist.
Vorsitzender; Ich bitte folgende Resolution anzunehmen : ,,Die
Versammlung erklärt, dass eine Latitüde aus technischen
Gründen bei der Kleeseideuntersuchung notwendig ist."
Die Resolution wird einstimmig angenommen.
Schluss 0 Uhr.
Sitzung am Donnerstag, den 13. September 1906,
vormittags 10 Uhr im Hörsaal B des Johanneum.
Vorsitz: Prof. Dr. 0. Kirchner-Hohenheim.
Anwesend: Blumenau-Hamburg, Buchwald-Berlin, v. Degen-
Budapest, Dorph Petersen-Kopenhagen, Prankfurt-Kiew, Rud. Fritz-
Hamburg, Hillmann -Berlin, Hiltner- München, Issatschensko -Peters-
burg. Kambersky-Troppau, Kirchner-Hohenheim, Lyttkens -Stock-
holm, Persson-Malmö, Qvam-Ghristiania, Raatz-Ivl. Wanzleben, Rode-
Avald-Kiel, Schumann-Halle, Stebler-Zürich, S töhr-Prerau, v. Szy-
s z y 1 0 w i c z - Lemberg , V a ii h a - Brunn , V i t e k - Prag, Vo igt- Hamburg,
Waage -Berlin, v. Weinzierl- Wien, Widen-0rebro.
Vorsitzender: Ich eröffne die heutige Sitzung und bitte Herrn
v. I'egen, sein Referat vorzutragen.
304 Vfrhamllungen der I. internationalen Konferenz für Saiiienprüfung.
Dr. V. Degen-Budapest: Gelegentlich der vorgestern stattgefundenen
Geschäftssitzung der Vorstände der Samenkontrollstationen habe ich in
einem in seinen Begründungen etwas ausführlicheren Referate alle jene
Fragen zusammengestellt, über welche ich eine Aussprache mit meinen
geehrten Herren Kollogen und Fachgenossen zur Erreichung folgender
Zwecke für notwendig gefunden habe:
1. Erreichung einer möglichst gleichförmigen Beurteilung der in
den Verkehr gebrachten Kleesaatwaren von selten der Samen-
kontrollstationen mit besonderer Rücksicht auf die Schwierig-
keiten, mit welchen der Handel jetzt wegen Grobseidehaltigkeit
eines ziemlichen Teiles der Saatware zu kämpfen hat:
2. Massregeln zur Bekämpfung der Seide auf dem Felde und zur
möglichsten Verhütung der Verschleppung der Seidesamen durch
die Saatware, insbesondere durch den Verkehr mit dem Klee-
saatausreuter ;
3. Einführung einer einheitlichen Untersuchungsmethode, insbe-
besondere Feststellung der Grösse des auf Seide zu unter-
suchenden Musters:
4. Einräumung einer Fehlerlatitüde bei Kleesaatuntersuchungen;
5. Feststellung der Maximalmenge der in einer Saatware geduldeten
Seidekörner :
6. Möglichkeit der Verwertbarkeit nicht oder nur ungenügend
reinigbarer Saatwaren in Gegenden, in welchen die Gefahr der
Infektion geringer ist;
7. Einigung über einige andere, mit diesen Hauptfragen in mehr
oder weniger enger Beziehung stehenden Nebenfragen.
Ich habe in der Einleitung meines Referates darauf hingewiesen,
dass das vor dem Jahre 1898 von selten der Samenkontrollstationen
gestellte Postulat der absoluten Kleeseidefreiheit der Saatware durch
die Einschleppung und Naturalisierung der grobkörnigen Soidoarten. ins-
besondere der Cnscuta suavcolcns (sog. C. racvniosd), in den südlicheren
Geländen Europas — also in den Ländern, welche gerade infolge ihres Klimas
in der Lage sind, grössere Mengen von Rotkleesamen zu produzieren
und zu exportieren, ja durch ihren Export einen grossen Teil des Samen-
bedarfes der übrigen Teile Europas zu decken — heute nicht mehr im
allgemeinen aufrecht erhalten werden kann.
Nach unseren Erfahrungen kann eine Kolkleesaat, welche durch
Samen der grobkörnigen Seide infiziert ist, selbst mit unseren leistungs-
fähigsten Reinigungsmaschinen von diesem Besätze nicht sicher voll-
kommen gereinigt werden. Es steht uns also im Kampfe mit dieser
Kalamität nur ein sicheres Mittel zur Verfügung, und das ist die Ver-
Diskussion: Kleeseide. , 305
tilgung der Kleeseid e auf dem Felde. Einstimmigen Anklang hat
eine Proposition gefunden, nach welcher die Versammlung es für
wünschenswert erachtet, dass die Regierungen der Samen produzierenden
Länder auf die Notwendigkeit der strengen Überwachung der Klee-
schläge und energischer Schritte zum Zwecke der Ausrottung der auf-
tretenden Seide auf dem Felde aufmerksam gemacht w^erden sollen.
Wir sind einstimmig darin übereingekommen, dass ein Gesetz oder
feldpolizeihcho Vorschriften allein ohne strenge Durchführung unter
Zuziehung fachkundiger Organe in dieser Beziehung nicht viel nützen.
Mangelhafte Ausrottung der Seidt> verursacht nach meinen Erfahrungen
nur eine vorübergehende Störung der Entwickelung der Kleeseidepflanze,
welche wesentlich dazu beiträgt, dass bei der Samenreife des Klees
Seidekapseln in die Ware gelangen, deren Beurteilung uns die nur zu
gut bekannten Schwierigkeiten bereiten. Im Anschluss an die soeben
erwähnte Proposition habe ich den Vorschlag gemacht, eine zu diesem
Zwecke einzusetzende Spezialkommission mit der Aufgabe zu betrauen,
die diesbezüglichen derzeit in Kraft bestehenden gesetzlichen resp. poli-
zeilichen oder feldpolizeilichen Massnahmen und Vorschriften der in
Betracht kommenden Staaten zu sammeln und in übersichtlicher Weise
zu veröffentlichen.
Bezüglich des Verkehres mit dem Kleeausreuter sind wir
darin übereingekommen, dass eine strenge Überwachung des Verkehrs
mii diesem Handelsartikel dringend notwendig erscheint, da der Handel
mit dem Kleeausreuter eine Hauptursache des Fortbestehens der Ver-
seuchung der Kleefelder bildet. Nach unseren ^Erfahrungen sind die
Landkrämer die ständigen Abnehmer der Kleeausreuter, und durch diese
gelangt die Kleeseide immer wieder auf das Feld.
Eine -weitere Proposition meines Referates, welche die Prüfung der
Stichhaltigkeit der Behauptung fordert, dass Seide, speziell aber die
Grobseide, in nördlicheren Lagen und in Geländen mit käl-
terem Klima ihre Samen auf dem Felde nicht zur Reife bringt,
und welche sich auf Möglichkeit einer Zulassung seide- und besonders
grobseidehaltiger Saatware in solchen Lagen eventuell ausschUesshch zum
Zwecke des Putterbaues bezieht, wurde angenommen. Im Falle der Be-
stätigung dieser Angaben sollen die ungefähren geographischen resp.
klimatischen Grenzen, innerhalb welcher sie zutreffen, festgestellt werden.
Bei der eminent praktischen Wichtigkeit dieser Frage, mit welcher die
Frage der Entwickelung der Seide je nach der verschiedenen Nutzungs-
art des Kleeschlages in engster Beziehung steht, ersuche ich die ge-
ehrte Versammlung, diesen Punkt einer eingehenden Diskussion zu
unterziehen. Im Falle der Annahme meines Vorschlages wäre die Aus-
Jahiesbericlit der Vereinigung für angewandte Botanik. IV. 20
.^06 Verhandlungen der I. internationaJen Konferenz für Sanaenprüfnng.
arbeitung eines Versuchsprogrammes wieder einer Spezialkommission
zuzuweisen. Es handelt sich eben darum, die Absatzgebiete der mit
Grobseide besetzten Ware, die nicht mehr vollständig zu reinigen ist,
genauer kennen zu lernen als bisher.
Der nächste Punkt betrifft die Peststellung einer Norm des
höchsten geduldeten Seidegehaltes einer Saatware. In der
Einleitung meines Referates habe ich darauf hingewiesen, dass die
Grobseide, mit welcher ein ziemlicher Prozentsatz hauptsächlich der in
den letzten Jahren aus den südlicheren Ländern auf den Markt ge-
brachten Kleesaaten besetzt ist, selbst mit unseren besten Reinigungs-
maschinen nicht sicher vollkommen entfernt werden kann. Wir haben
ja oft schon mit der Entfernung der Kleinseide unsere Schwierigkeiten
ganz besonders, wenn die Ware reife Kapseln, Zwillingssamen oder ab-
norm entwickelte Samen enthält. Wir haben uns über die Höhe der
zu duldenden Seidemenge nicht ausgesprochen. Wie bekannt, bestehen
diesbezüghch in den verschiedenen Ländern schon Vorschriften und Ge-
bräuche. Meiner Ansicht nach hängt die Feststellung einer Grenze
innig mit der Frage der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Reinigungs-
verfahren zusammen. Ich habe in meinem Referat den Vorschlag ge-
macht, die Normen für Grob- und Kleinseide getrennt festzustellen. Es
hängt mit dieser Frage aber noch anderes zusammen. Es wäre z. B.
noch darüber zu diskutieren, ob die zum Zwecke der Samen ge-
winnung gebaute Saatware nicht strenger beurteilt werden soll als
jene, die nur zur Futtergewinnung dient. Allerdings lässt sich an
einer Ware nicht erkennen, welchem Zwecke sie zugeführt werden soll:
doch gäbe es da wohl auch noch ein Expediens.
Die Erledigung dieser Frage erheischt also eine vorherige gründ-
liche Aussprache, besser noch Versuche über die Leistungsfähig-
keit der üblichen Reinigungsmethoden. Es soll eben vom Handel
nichts gefordert werden, was dieser selbst durch Anwendung der zweck-
mässigsten maschinellen Einrichtungen unter Verwendung tüchtiger
Fachleute usw. nicht leisten kann. Eben deshalb muss ich die idealen
Postulate der absoluten Seidefreiheit, welche noch aus der Zeit der
alleinigen Herrschaft der Kleinseide auf uns herübergekommen sind, als
heute im allgemeinen nicht erreichbar bezeichnen. Wenn die land-
wirtschaftlichen Genossenschaften nach ihren Statuten noch heute die
Lieferung absolut seidefreien Saatgutes fordern, so werden sie diese
Ware wohl noch erhalten, aber teuer bezahlen müssen.
Aus den Vorschlägen meines Referates bezüglich einheitlicher
Untersuchungsmethoden, Einführung einheitlicher Termino-
logie und Nomenklatur in unseren Attesten usw., welche speziell
Diskussion: Kleeseide. 307
doch nur die Samenkontrollstationen interessieren, will ich hier nur
zwei Punkte hervorheben, die auch das Plenum interessieren dürften.
Die überwiegende Mohrzahl der Vorstände hat sich für Untersuchungen
von 100 g-Mustern zur Peststellung des Seidegehaltes ausgesprochen.
Herr Direktor Stehler hat dieser Proposition hinzugefügt, dass es rat-
sam sei, in Samen produzierenden Ländern, wo Grobseidegefahr be-
steht, grössere Muster zu untersuchen. E»er zweite Punkt, der das
Plenum auch interessieren dürfte, ist. dass sich die hier anwesenden
Vorstände der Samenkontrollstationen einstimmig für die Einräumung
einer Pehlerlatitüde bei Kleeseideuntersuchungen ausgesprochen
haben. Wie hoch diese LatitUde zu bemessen sei, ist nicht festgesetzt
worden; es ist dies eben auch eine Frage, welche von einer Spezial-
kommission vorerst gründlich durchberaten werden muss.
Dies wäre, meine Herren, in grossen Zügen das Resümee nicht
nur meines Referates, sondern auch der an die einzelnen Propositionen
desselben geknüpften Diskussionen.
Vorsitzender: Ich stelle den Vortrag zur Diskussion und möchte
mir den Vorschlag erlauben, dass über die einzelnen Punkte dieses
Referates jedesmal auch eine besondere Diskussion stattfindet, vielleicht
in der Reihenfolge, in welcher der Herr Referent darüber gesprochen
hat. Ich möchte bitten, zur Einleitung der Diskussion jedesmal den
Leitsatz noch einmal vorzutragen, über den wir diskutieren wollen.
Referent Dr. v. De^'eii: Die erste Proposition „Erreichung einer
möglichst gleichförmigen Beurteilung der in den Verkehr ge-
brachten Kleesaatwaren von selten der Samenkontrollstationen
mit besonderer Rücksicht auf die Schwierigkeiten, mit welchen der Handel
jetzt wegen Grobseidehaltigkeit eines ziemlichen Teiles der Saatware
zu kämpfen hat," ist ein allgemeiner Wunsch. Es wäre nun die zweite
Proposition zur Diskussion zu stellen, nämlich „die Massregeln zur Be-
kämpfung der Seide auf dem Felde" resp. die vorgestern ange-
nommene Proposition, welche folgenden Wortlaut hat: „Die Versammlung
hält es für wünschenswert, dass die Regierungen der Samen produzieren-
den Länder auf die Notwendigkeit der strengen Überwachung der Klee-
schläge und energischer Schritte zum Zwecke der Ausrottung der Seide
auf dem Felde aufmerksam gemacht werden sollen."
Vorsitzender: Ich stelle diesen Punkt zur Diskussion.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Wir haben gewünscht — und
wie ich sehe, sind Vertreter des Samenhandels hier — , dass ins-
besondere die Herren, welche den Handel vertreten, ihre Ansichten über
die nach unserer Meinung sehr wichtige Kleeseidefrage aussprechen.
20*
308 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung-.
Dr. Waa^e-Berlin: Gestatten Sie mir, mit ein paar Worten den
Dank der deutschen und österreichischen Samenhändlor auszudrücken,
dass Sie die Liebenswürdigkeit hatten, uns Gelegenheit zu geben, an
Ihrer heutigen Sitzung teilzunehmen und mitzuwirken, wie diese Ver-
hältnisse bestmöglich gestaltet werden können. Seien Sie überzeugt,
dass es der Wunsch des Handels ist, nach dieser liichtung das Beste
zu leisten. Was diesen speziellen Punkt anbetrifft, so freut es mich
besonders, dass derselbe an die erste Stelle gerückt worden ist, denn
der Anbau auf dem Felde ist in der Tat der grundlegende Faktor für
die Gewinnung zuverlässiger Saat, und sobald der Samenhandel von der
Landwirtschaft nach dieser Richtung unterstützt wird, sei es freiwillig,
sei es durch gesetzliche Massnahmen, glaube ich, dass zahlreiche Diffe-
renzen, die das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Handel schwierig
gestalten, ohne w^eiteres beseitigt sind.
Vorsitzender: Ich darf wohl annehmen, dass die Versammlung
über diesen Punkt einer Meinung ist und dass es keinen Zweck hat,
die Diskussion hierüber weiter fortzuführen. Es erhebt sich kein Wider-
spruch, ich stelle das fest. Dann bitte ich, zu dem nächsten Punkte
überzugehen.
Referent Dr. v. Degen: Wenn ich den Wünschen des Herrn Hof rat
V. Weinzierl nachkommen soll, so muss ich die Reihenfolge der Pro-
positionen ändern und als nächsten Punkt die Feststellung der
Maximalmenge des in einer Saatware geduldeten Seidegehalts
nehmen.
Vorsitzender: Wünscht dazu jemand das Wort?
Dr. Hillmailil-Berlin : Ich habe neulich den Verhandlungen nicht
beiwohnen können. Da ist gesagt worden: es handle sich nur um die
Feststellung einer Fehlerlatitüde. Was den Handel anbetrifft, so ge-
hören die Dinge vor ein anderes Forum, wo Händler vertreten sind.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich muss nochmals hervorheben,,
dass der Herr Kollege uns nicht vollkommen verstanden haben dürfte.
Es handelt sich gerade darum, vor diesem Forum die Äusserungen der
Herren zu hören, welche die Ware in den Handel bringen und die Be-
deutung und die Schwierigkeiten der Frage am besten zu beurteilen in
der Lage sind. Wir haben ja die Sitzungen deshalb so eingeteilt, sonst
wären ja unsere um zwei Tage hinausgeschobenen Verhandlungen
zwecklos. Ich würde besonderen Wert darauf legen, dass die Herren,
welche den Handel hier vertreten und unmittelbar an der Frage in-
teressiert sind, sich darüber aussprechen, mit welchem Minimalgehalt an
Kleeseide unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Ware hergestellt
werden kann und welches nach ihrem Dafürhalten die Grenzen sind,.
Diskussion: Kleeseide. 309
^velche speziell in bezug auf den Grobseidegehalt der Ware verlangt
werden müssen.
Dr. Hillniaiiu-Berlin: In dem ursprünglichen Programm der Konferenz
ist von derartigen Beschlüssen nichts gesagt; daraus hat sich das
Missverstündnis hergeleitet.
Dr. Waage-Berlin: Man kann dem Handel irgendwelche Beschrän-
kungen kaum auferlegen, ob er eine Ware, die noch sehr seidehaltig
ist, unter sich verbreitet. Der Kernpunkt ist vielleicht der, ob es
zweckmässig erscheint, gewisse Saaten zu schaffen, die in bezug auf
Kleeseidegehalt eine gewisse Maximalgrenze einhalten. Derartige Saaten
existieren im Handel bereits. Es gibt absolut seidefreie Saaten, die
unter Garantieleistung auch nicht ein Korn enthalten dürfen. Dann
sind da seidegereinigte Saaten, bei deren weiterer Verarbeitung
sich erweisen muss, dass sie die Seidemaschine passiert haben und
grössere Mengen von Verunreinigungen und von Seide nicht mehr ent-
halten dürfen. Es gibt weiter Saaten mit der Bezeichnung „seidefrei
laut Attest", die von einem Attest begleitet sind, das erweist, dass die
untersuchte Probe Seide nicht enthalten hat. Selbstverständlich ist, dass
immerhin die Möglichkeit besteht, in weiteren Proben Seide zu finden:
man darf deshalb nicht absolute Seidefreiheit voraussetzen. Endlich ist
es im Handel noch üblich, eine Saat mit der Bezeichnung „handels-
üblich seidefrei" zu verkaufen. Nach den vor zwei Jahren gefassten
Beschlüssen und nach Verhandlungen mit den Kontrollstationen in dieser
Richtung ist auf 50 bzw. 100 Gramm ein Seidekorn als zulässig erklärt
worden. Dieses Gestatten eines Zufallskornes will nun nicht sagen,
dass im Kilogramm 20 bzw. 10 Körner Seide vorhanden sein dürfen;
es beschränkt die Untersuchungsprobe auf 50 bzw. 100 Gramm und
besagt nichts weiter, als dass darin nur ein Korn Seide vorhanden sein
darf. Endlich wird naturelle Saat gehandelt. Es wird auch nicht Ihre
Meinung sein, diese in bezug auf Seidegehalt beschränken zu wollen.
HofratDr.v.Weiuzierl-Wien: DieserGebrauch ist speziell im deutschen
Samenhandel üblich. Er ist das Resultat des Zustandes, in dem sich der
Handel mit grobseidehaltigen Waren befindet. Hinsichtlich der Be-
zeichnungen muss ich jedoch meine grossen Bedenken gegen einen
solchen Usus aussprechen. Ich habe mir erlaubt, einen kleinen Aufsatz
zu verteilen, welcher das bereits enthält. Ich bin selbstverständlich
weit davon entfernt, eine absolute Seidefreiheit unter den gegenwärtigen
Verhältnissen zu verlangen. Aber wenn konstatiert wird, dass in einer
Saatware Cuscuta, sei es nun Grobseide oder Kleinseide, enthalten ist,
und wenn dieser Besatz ein derartiger ist, dass er nicht innerhalb des
Analysenspielraumes Hegt, dann ist die Ware eben seidehaltig, d. h. es
310 Verhandlungen der 1. internatiunalen Konferenz für Samenprüfung.
sind bei jeder Probeziehung von 100 Gramm 1 — 3 Körner Cuscuta zu
finden, und wir sind dann — und jeder Geschäftsmann auch — verpflichtet,,
zu sagen: die Ware ist seidehaltig. Wenn ich die Ware als auf Seide
gereinigt bezeichne, so ist das eine Bezeichnung, welche den einzelnen
Geschäftsleuten violleicht begreiflich und geläufig ist, sie denken sich
schon das Richtige darunter. Um diese Kreise handelt es sich nicht
so sehr, weil für sie die Verwendung der Ware nicht in Betracht kommt.
Etwas anderes ist es, wenn man eine auf Seide gereinigte Ware einer
landwirtschaftlichen Körperschaft anbietet. Dann kann gar kein Zweifel
darüber vorhanden sein, dass der Käufer sich unter einer auf Seide
gereinigten auch eine seidefreie Ware denkt, denn sonst würde er die
Bemerkung nicht verstehen: entweder ist die Ware mit Seide besetzt
oder sie ist gereinigt und seidefrei.
Wir haben in Osterreich auf diesen Umstand wiederholt aufmerksam
gemacht und auch im Schosse der beteiligten Kreise, w^elche aus
Händlern und Produzenten bestanden, in einer grösseren Versammlung
darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, einen sogenannten De-
klarationszwang bzw. das Verlangen der richtigen Erklärung und Be-
zeichnung im Handel zu fordern. Es würde also notwendig sein,
dass auch die Herren aus den anderen Staaten sich darüber aus-
sprechen, ob sie es nicht für sehr bedenklich halten, dass, nachdem der
Ausdruck „auf Seide gereinigt" eingeführt ist, man diese Ware mit dem
Signum „grobseidehaltig" versieht. Vom Standpunkt der Samen-
kontrolleure möchte ich hinzufügen, dass wir nicht in der Lage sind,
zu konstatieren, ob eine Ware auf Seide gereinigt ist oder nicht. Das
geht aus folgenden Argumenten und den Versuchen, die ich gemacht
habe, hervor. In Wien bekommen wir hinsichtlich der Kleesaaten un-
zählige verschiedene Provenienzen des Ostens, des Südens, des W^estens,.
des Nordens und von Übersee. Es zeigt sich nun, dass der Gehalt an
Grobseide bei gewissen Provenienzen ziemlich häufig, bei anderen sehr
selten ist. Wenn man nun wirklich imstande wäre, eine Ware von der
Kleeseide vollständig zu trennen, so würde schon aus diesem Grunde
die Bezeichnung „auf Seide gereinigt" bedenklich sein. Denn es könnte
ja dann eine Ware, welche überhaupt Kleeseide enthält, ohne dass ver-
schiedene Unkräuter und fremde Bestandteile darin sind, in diese Gruppen
hineinfallen. Nun wissen wir, dass diejenigen Saatwaren, welche auf
Seide wirkUch gereinigt sind, von denjenigen, welche gar keine Reinigung
erfahren haben — wie es z. B. bei den amerikanischen Kleesaaten der
Fall ist, die also wenig Unkrautsamen enthalten, oder bei den italie-
nischen Provenienzen, bei denen dasselbe der Fall ist — , kaum zu
unterscheiden sind. Es können also grobseidehaltige Waren in den Handel
Diskussion: Kleeseide. ßlJ^
kommen, die gar nicht auf Seide gereinigt worden sind. Es folgt
daraus, dass man bei der Samenkontrolle nicht in der Lage ist, mit
Sicherheit zu konstatieren, ob die Ware auf Seide gereinigt ist oder
nicht. Gewöhnlich kommen in den verschiedenen Provenienzen die
beiden Samen nicht in Menge vor, entweder ist die Ware grobseide-
haltig oder sie enthält Cuscuta frifolü, obgleich ich auch schon kon-
statiert habe, dass beide Seidearten gleichzeitig auf dem Felde vor-
kommen. Ich würde glauben, dass man solche Saatware, welche nach
dieser Proposition wohl eine gewisse Menge von Kleeseidekörnern ent-
halten kann und einer bestimmten Verwendung — vielleicht zu Putter-
zwecken — zugeführt werden soll, mit einem besonderen Terminus be-
legt, etwa mit grobseidehaltig bezeichnet. Wir dürfen aber selbstver-
ständlich nicht Kleeseide überhaupt verschweigen und annehmen, das
ist eine auf Kleeseide gereinigte Ware, die zu bestimmen uns die Hilfs-
mittel fehlen.
Direktor Dr. Hiltiier-München: Wenn ich Herrn Dr. Waage richtig ver-
standen habe, hat er gemeint, man soll unterscheiden zwischen absolut als
rein garantierten Waren und solchen, die als auf Kleeseide gereinigt
bezeichnet sind. Das entspricht so ziemlich einem von mir vor 3 bis
4 Jahren gemachten Vorschlage. Es wird nicht daraus zu folgern sein,
dass es Aufgabe der Samenkontrollstationen ist, in allen Fällen fest-
zustellen, ob es sich um eine auf Kleeseide gereinigte Saat handle,
sondern die Händler wollen durch diese Unterscheidung einen Rückhalt
gewinnen. Der Händler will, wenn er eine Saat als absolut seidefrei
verkauft, ausdrücken, dass er die Garantie dafür übernimmt, dass auch
nicht ein Korn Seide in dieser Saat enthalten sei. Wird aber ein Korn
Seide gefunden, dann ist er verpflichtet, die Ware zurückzunehmen :
anderseits möchte er sich decken, wenn er „auf Seide gereinigte Ware"
in den Handel bringt. Es wird nicht angenommen werden können,
dass in diesem Falle der Händler eine Saat in den Handel bringt, die
Seide in grossen Mengen enthält. Auch in diesem Falle wird er
nicht nur dafür Garantie leisten müssen, dass die Ware auf Seide ge-
reinigt, sondern auch nach seinem Dafürhalten von Seide frei ist. In
diesem Falle wird er nur verlangen, dass die von uns festzustehende
Latitüde Platz greift und dass, wenn sich zufällig ein Korn findet,
er dafür nicht belangt werden kann. Ich glaube, dass diese Unter-
scheidung zwischen garantiert absolut seidefreien und auf Seide gereinigten
Saaten doch vielleicht auch für uns annehmbar ist, wie schon daraus
hervorgeht, dass sie im Königreich Sachsen seit 1 — 2 Jahren tatsächlich
angenommen worden ist und, wie Herr Dr. Simon erklärt, sich gut
bewährt hat.
312 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfiino;.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich wollte nur ganz kurz im Zusammen-
hange mit dem, was Herr Dr. Waage gesagt hat, erwähnen, dass,
soweit ich die Sachlage kenne, die Samenhändler unter sich recht
klare Verhältnisse geschaffen haben. Sie wissen, dass die Samen-
händler Deutschlands schon Vorschriften besitzen, die für ihre Handels-
beziehungen Platz greifen und die sich decken mit den Verhältnissen,
wie Kollege Hiltner sie geschildert hat, nur dass „absolut seidefrei"
wegfällt. Der Handel gestattet sich die Latitüde von einem Korn. Will
man bessere Ware, kann man sie sich verschaffen. Wir haben ganz
klar und deutlich diese beiden Kategorien. Dass der Händler mit
natureller Saat handeln muss, ist klar; er muss seine Ware ja irgend-
woher bekommen. Nicht jeder Händler ist, wenn ich so sagen darf.
Fabrikant und reinigt seine Ware selbst. Wir kr»nnen deshalb das Handeln
mit kleeseidehaltigerWare nicht verbieten. Schwieriger wird die Sache, wenn
der Samenhändler an den Konsumenten herantritt; da liegt der wunde
Punkt. Deshalb sollten wir versuchen, uns heute auf das zu konzen-
trieren, worauf es ankommt. Als allgemeinen Gesichtspunkt darf ich
vorausschicken, dass es jedem freisteht, die Qualität zu kaufen, wie er
sie haben will. Bedingungen zu stellen, ist Sache des Käufers. Wenn
jemand absolut seidefreie Saat haben will, soll er sie fordern; er kann
sie dann auch vom Händler bekommen. Wie es mit den anderen
Waren steht, die etwas billiger sind und ungefähr 1 — 2 Kleeseidekörner
enthalten, das müssen wir hier zu entscheiden suchen. Das deckt sich
mit unserer Frage: wie weit können wir dem Händler einen Rückhalt
geben, dass die Ware seidefrei ist. Wir sind dieijenigen, die ihm das
bestätigen müssen; auf diesen Punkt müssen wir hinaus.
Dr. Waage-Berlin: Ich möchte auf zwei Punkte aufmerksam
machen. Es ist bisher bei einer auf Seide gereinigten Ware nur der
Gesichtspunkt in den Vordergrund geschoben worden, dass diese
Reinigung sich ausschliesslich auf Seide bezieht. Ich bitte nicht zu
vergessen, dass diese Reinigung auf Seide in jedem Falle eine erheb-
liche Verbesserung der Ware bedeutet, die deutlich im Preise zum
Ausdruck kommt. Bei einer derartigen auf Seide gereinigten Ware^
wird aber ohne weiteres die Seide so ziemlich vollkommen entfernt sein,
soweit es sich nicht um die sogenannte Grobseide handelt. Es ist etwas
ganz anderes, wenn man derartige auf Seide gereinigte Ware, die Grolj-
seide enthält, mit dieser Bezeichnung versehen würde; darin würde der
Handel wohl kaum etwas finden. Dann möchte ich darauf aufmerksam
machen, dass die Landwirtschaft in der Lage ist, beim Händler zu ver-
langen, was sie will. Ein Schutz der Landwirtschaft braucht umso-
weniger stattzufinden, weil sie, wenn sie garantiert seidefreie Saat
Diskussion: Kleeseide. , 313
kaufen will, solche Ware bei den Händlern bekommen kann; das ist
nur eine reine Preisfrage, wie bei allen Qualitäten. Die übrigen Be-
zeichnungen betr. Seidegehalt beziehen sich nur auf den Handel zwischen
Kaufleuten.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich miJchte vorschlagen, zunächst die
Grobseide aus dem Spiele zu lassen und, wie Herr Dr. v. Degen es
Torgeschlagon hat, uns über die gewöhnliche Seide zu einigen und
vielleicht nachher uns über die Grobseide zu unterhalten, weil die
Reinigungsverfahren für beide Seidearten ganz verschieden sind.
Vorsitzender: Aus der Diskussion kann vielleicht ganz ausscheiden
der Fall, dass vom Konsumenten absolut seidefreio Ware verlangt wird.
Wenn diese Forderung nicht erfüllt wird, ist der Händler ersatzpflichtig.
Wir müssen über den anderen Punkt diskutieren, welcher Seidegehalt
bei der Untersuchung gestattet sein soll, wenn absolute Seidefreiheit
nicht ausbedungen worden ist, und zwar 1. bezüglich der Kleeseide und
2. bezüglich der Grobseide.
Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien : Ich habe verstanden, es handele
sich nicht darum, welche zulässige Menge von Kleeseide gestattet ist.
Ich meine, es kann sich, nachdem die Motivierung auf Grobseide gestützt
ist, nur um grobseidehaltige Saaten handeln. T)\e zulässige Menge von
Kleeseide kommt nicht in Betracht, die haben wir erledigt in der Fehler-
quelle. Es gibt nur eine absolut seidefreie Ware und solche, bei der
die Grobseide nicht entfernt werden kann. Das sind nach meiner
Meinung diejenigen Saaten, die in den einzelnen deutschen Staaten als
auf Seide gereinigt bezeichnet werden. Ich würde also der Meinung
sein, dass es sich nur um Grobseide handeln kann. Bei Kleeseide gibt
es meines Erachtens überhaupt keine Zulässigkeit: dann würde die Frage
A^on selbst wegfallen.
Referent Dr. v. Degen: Es handelt sich bei dieser Proposition in
erster Linie um die Feststellung der zu duldenden Grobseide. Für
Kleinseide haben sich die Verhältnisse nicht geändert, und wir haben
daher auch keinen Anlass, die Postulate, die wir an kleinseidefreie Ware
gestellt haben, zu ändern. In neuerer Zeit sind allerdings mehr Kapseln
in die Ware hineingekommen. Das ist aber auf die mangelhafte und
unvollkommene Ausreutung zurückzuführen. Ich bin dafür, dass wir
bei Kleeseideuntersuchung eine Fehlerlatitüde einräumen, über deren
Höhe wir uns allerdings noch nicht ausgesprochen haben. Die zu
duldende Menge der Grobseide steht im engsten Zusammenhange mit
der erreichbaren Reinheit der Ware. Ich habe die Herren Vertreter des
Handels ersucht, sich über die Leistungsfähigkeit der verschiedenen
Reinigungsmethoden zu äussern. Das gibt den Samenkontrolleuren An-
314 Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
haltspunkte, um sich über die zulässige Menge auszusprechen. Dass
die Leistungsfähigkeit der Maschinen sehr verschieden ist je nach der
Grob- oder Kleinkr»rnigkeit der Saaten und infolge verschiedener anderer
Einflüsse während der Reinigung, ist doch bekannt und ebenso, dass
Seidekapseln viel leichter zu entfernen sind bei trockenem Wetter oder
im geheizten Maschinenräume als in feuchtem, kaltem Zustande. Auf
Details will ich hier nicht weiter eingehen. Die in Ungarn üblichen
Reinigungsraethoden kenne ich so ziemlich, sie sind auch dort nicht
gleich. Ich glaube aber, dass es im Interesse der Erledigung dieser
Frage notwendig wäre, wenn uns seitens des Handels zuverlässige An-
gaben über die Leistungsfähigkeit der üblicheren Reinigungsmethoden
zur Verfügung gestellt werden würden.
Prof. Dr. Rodewald-Kiel: Ich möchte mich zunächst dem Wunsche
des Herrn Dr. v. Degen anschliessen, dass die Herren, die grosse Er-
fahrungen darüber besitzen, wie weit man eine Ware auf Seide reinigen
kann, sich auch einmal darüber äussern. Das interessiert uns und
hängt mit der Feststellung der Latitüde eng zusammen. Wir haben
keinen Grund, vom Handel etwas anderes zu verlangen, als was er
leisten kann. Dann möchte ich aber noch einen anderen Punkt zur
Sprache bringen. Es wird hier unterschieden zwischen Kleinseide und
Grobseide. Meine Herren, was verstehen Sie darunter? Wollen Sie für
die Peststellung, ob Grob- oder Kleinseide, die botanischen Spezies-
bezeichnungen massgebend sein lassen oder die Körnergrösse? Wenn
die botanische Speziesbezeichnung massgebend ist — es gibt auch sehr
kleine Körner von Cuscufa racemosa — dann führt das leicht zu
Komplikationen. Wird ein sehr kleines Korn gefunden, so entsteht die
Frage, ist das Cuscuta trifolü oder Cuscufa racemosa? Die Frage
nach der Spezies muss in solchem Falle von den Samenkontrollstationen
beantwortet werden. Das ist nicht allemal sehr leicht. Heute pflegen
sich die Samenkontrollstationen damit zu begnügen, festzustellen, es ist
Cuscuta in der Saat. Wenn wir aber anderseits feststellen, Grobseide
ist jede Seide, die eine bestimmte Korngrösse überschreitet, dann muss
diese Korngrösse festgestellt werden. Wie soll sie bestimmt werden?
Nach dem Durchmesser? Soll der grösste oder der mittlere Dureh-
messer genommen werden usw. Da kompliziert sich die Frage. Oder
wollen wir den Siebsatz als massgebend ansehen? Das würde wohl
noch das beste sein, w^enn wir dann sagen, was durch ein Sieb von
dieser oder jener Lochweite — etwa 1,20 oder 1,15 mm — nicht hindurch-
fällt, ist Grobseide. Darüber müssten wir uns doch einmal unterhalten.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien : Ich glaube, meine verehrten Herren,,
auf diese Weise werden wir zu keinem Resultat kommen. Es ist un-
Diskussion: Kleeseide. 315'
bedingt notwendig, dass wir einen Weg einschlagen, wie man ihn bei
solchen Versammlungen, wie der unsrigen, immer einschlagen muss.
Ich will damit nicht sagen, dass die Zuweisung irgend einer Frage an
einen Ausschuss ein Begraben dieser Frage bedeutet, wie es in parlamenta-
rischen Kreisen ab und zu vorkommt. Dazu sind wir bei dieser Frage
viel zu sehr mit unserem Ptlichtbewusstsein engagiert. Aber es ist er-
schreckend, wie schnell die Zeit dahinfliegt bei Verhandlungen, die sich
ins Unendhche verlieren. Daher möchte ich bitten, vielleicht in Er-
wägung zu ziehen, ob sich nicht folgender Vorschlag empfehlen dürfte.
Wir haben die Feststellung und Durchführung der Cuscuta- Frage einem
besonderen Ausschuss unserer seit zwei Tagen bestehenden internationalen
Kommission überwiesen. W^ir haben zwar die Ausschussmitglieder noch
nicht namhaft gemacht, wir haben auch die internationale Kommission
noch nicht konstituiert, aber sie de lacto beschlossen, und es ist daher
nur eine Formfrage, die Sache zu erledigen. Ich würde nun vorschlagen,
den Herrn Referenten zu bitten, diesen Punkt, den wir als wichtig anzu-
sehen einstimmig beschlossen haben, noch einmal zu verlesen, damit
er stenographisch aufgenommen und denjenigen Herren, die den
deutschen und österreichischen Handel vertreten, übergeben
werden kann mit der Bitte, darüber in einer ad hoc einzu-
berufenden Versammlung zu sprechen und ihn auch der im
Oktober tagenden Vereinigung der deutschen Samenhändler
zu unterbreiten. Dieser Weg wird derjenige sein, der am besten
zum Ziele führt. Wir wissen, welche Punkte uns vom Standpunkte der
Samenkontroile interessieren und welche Punkte es sind, über welche
wir die Ansichten der Samenhändler kennen lernen möchten. Wenn
die Herren zustimmen, würden wir Herrn E)r. Waage bitten, diese
Frage in beiden Versammlungen vorzutragen und die Äusserungen in
besonderem Komitee in präziser Fassung zu formulieren. Ich möchte
mir zu diesem Antrage einen Zusatzantrag erlauben, welcher dahingehen
würde, speziell diesen Punkt etwas klarer zu fassen, weil, wie aus den
Äusserungen des Herrn Kollegen Hiltner zu entnehmen war, es sich
nur darum handelt, bei grobseidehaltigen Waren eine gewisse Latitüde
festzusetzen. Grobseidehaltige Ware kann aber doch nach den gemachten
Erfahrungen zu Futterzwecken verwendet werden; sie muss dann aber
unter einem Titel oder einer besonderen Bezeichnung in den Handel
gebracht werden; das kann aber nicht sein „auf Seide gereinigt",
sondern es muss eine besondere Bezeichnung sein. In Ungarn, das
mit Grobseide verseucht ist, in Niederöstei'reich, in Bayern, in Schlesien,
überall hat man Grobseide gefunden, und man hat in allen Samen produ-
zierenden Ländern das grösste Interesse daran, für diese Waren Absatz.
H16 Verhandlungen der I. intei-nationalen Konferenz für Samenprüfung.
ZU schaffen. Dieser Absatz muss unter einer einheitlichen Marke er-
folgen; mit „auf Seide gereinigt" kann diese Ware nicht bezeichnet werden.
Vorsitzender: Wünscht jemand zu diesem Antrage des Herrn
Hofrat V. Weinzierl das Wort?
Dr. Hillmanii-Berlin: Ich möchte bitten, dass diese Resolution auch
den landwirtschaftlichen Körperschaften zugänglich gemacht wird. Für
Deutschland würde die Einsendung an den Deutschen Landwirtschaftsrat
in erster Reihe erwünscht sein, der mit den Landwirtschaftskammern, den
landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbänden, der Deutschen Land-
wirtschafts-Gesellschaft und dem Bunde der Landwirte zwecks Verein-
barungen über Handelsgebräuche in Vorbindung steht.
Vorsitzender: Es wird keine Schwierigkeiten haben, diesem
Wunsche zu entsprechen.
Dr. Hiltner-München: Ich erkläre ausdrücklich meine Zustimmung
zu dem Antrage des Herrn v. Weinzierl, weil ich glaube, dass es die
praktischste Art ist, die Sache zu erledigen. Ich bitte es nicht so aufzu-
fassen, als wenn ich die Diskussion aufs neue anfachen wollte, wenn
ich mir darauf hinzuweisen erlaube, dass wir vorgestern diesen scharfen
Unterschied zwischen Grobseide und Kleinseide nicht gemacht haben.
Dr. Stebler-Zürich: Der Antrag des Herrn v. Weinzierl ist
meiner Ansicht nach das Richtige. Wir müssen die Händler danach
fragen, was sie leisten können; auch ist es bei grobseidehaltigen Waren
ihre Sache, zu sagen, was sie garantieren wollen oder nicht. Aber ich
bin auch der Meinung des Herrn v. Weinzierl, dass man die Sache
nicht in allzu allgemeine Formen kleiden soll. Mir ist z. B. der Aus-
druck „auf Seide gereinigt" zu ungenau: das kann man so und anders
auslegen. Es müssen gewisse Zahlenwerte sein und diese Zahlenwerte
festzustellen kann dem Verkäufer überlassen bleiben. Er kann sagen:
Die Ware ist grobseidehaltig. Den Maximalgehalt des Seidegehalts festzu-
stellen, muss ihm überlassen werden. Er garantiert z. B.: Die Probe
enthält höchstens 20 Körner pro Kilogramm (oder er kann eine andere
Zahl nennen), dann wissen Käufer und Verkäufer im voraus, woran sie
sind. Ich glaube, die Sache ist in dieser Beziehung einfach. Um mich
zugleich auszusprechen über den Begriff der Grobseide, so glaube
ich, wir sollten uns hier nicht zu weit einlassen. Alle drei wichtigeren
Seidearten haben grobe Körner. Die meisten groben KfUnier liefern
aber Cuscuta racemosa und C. arvensis, die in neuerer Zeit von Herrn
Dr. V. Degen auch in Kleesaat aus Ungarn festgestellt wurde.
Dr. V. Szyszylowicz-Lemberg: Ich glaube, dass Herr Hof rat
V. Weinzierl Recht hat; wir sollten die Sache in dieser Weise erledigen.
Nur möchte ich dann noch auf die Kapselseide aufmerksam machen.
Diskussion: Xleeseide. 317
Ich weiss nicht, ob die Kapselseide sich auch in anderen Ländern so
häufig zeigt, aber speziell Galizien hat sehr viel Kapselseide, auch kommt
sie jetzt in Rumänien, in der Bukowina und in Siebenbür^-en vor. Es
ist auffallend, dass sie sich in den letzten 3 Jahren so oft gezeigt hat.
und ich meine, dass man sie wahrscheinlich wie die Grobseide behandeln
muss. Einige Händler haben alles mögliche getan, um die Ware zu
reinigen, denn die Kapselseide hat sich selbst in der schönsten Ware
gefunden und diese dadurch minderwertig gemacht. Man muss jedoch
zwischen den reifen und unreifen Kapseln unterscheiden. Ich habe mich
mit der Sache etwas beschäftigt, weil sie bei uns von viel grösserer
Wichtigkeit ist als in anderen Ländern, und mich durch Keimversuche
überzeugt, dass viel Kapselseide gar nicht reif ist und dass man aber
auch Kapseln findet, welche gut entwickelten Samen besitzen. Die
Kommission wird daher sich auch mit der Kapselseide beschäftigen müssen.
Referent Dr. v. J>egen: Ich stimme dem Vorschlage des Herrn
Hofrat V, Weinzierl vollkommen bei. Dann möchte ich bezüglich der
Definition der Grobseide noch etwas hinzufügen. Die Samenkontroll-
stationen können die Definition der Grobseide doch nicht dem Handel
überlassen. Wir unterscheiden die Cnseufa suaveolens von allen übrigen
Arten, einerlei ob ihre Samen gross- oder kleinkr»rnig sind, weil der
Unterschied in den Polgen ein ganz gewaltiger ist. Die Gefahr eines
bedeutenden Schadens ist eine viel grr)ssere, wenn ein Korn Cuscuta
suaveolens in der Saat ist, als wenn sich nur ein abnorm gross ent-
wickeltes Korn vun Cuscuta trifolii vorfindet.
Vorsitzender: Das würde also auch ein Punkt sein, der die
Kommission zu beschäftigen hätte.
Hofrat Dr. v. Weinzierl- Wien: Mir scheint diese Bemerkung des
Kollegen v. Degen ausserordentlich wichtig; ich möchte bitten, das mit
hineinzunehmen. Es muss auch auf die Unterschiede vom botanischen
Standpunkte Rücksicht genommen werden.
Vorsitzender: Ich habe bisher zu dem Antrage des Herrn Hofrat
V. Weinzierl nur zustimmende Äusserungen gehört. Ich darf daher
annehmen, dass es die Ansicht der Versammlung ist, dass diesem An-
trage Folge gegeben wird. Es erhebt sich kein Widerspruch, ich darf
damit annehmen, dass so beschlossen ist, und das Weitere der Kom-
mission überlassen.
Referent Dr. v. Degen: Der nächste Punkt wäre: Einführung
einer einheitlichen Untersuchungsmethode, insbesondere Fest-
stellung der Grösse des auf Seide zu untersuchenden Musters.
Wie ich der Versammlung bereits mitgeteilt habe, haben wir uns auf
}»Iuster von 100 g geeinigt.
31g Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Dr. Hiltner-München: Ich glaube, der Antrag v. Weinzierl sollte
sämtliche Punkte betreffen und die ganze Kleeseidefrage sollte der
Kommission überwiesen werden.
Vorsitzender: Dann habe ich das nicht richtig aufgefasst.
Hofrat Dr. v. Weiiizierl-Wien : Es handelt sich hier um zwei In-
stanzen. Die technischen Fragen haben wir bereits einer Kommission
überwiesen: sie sind hier aufgenommen worden, weil wir die Herren
Interessenten aus den Kreisen der Samenhändler über diese Frage hören
wollten. Es wird sich also darum handeln, 1. dass die einzelnen Pro-
positionen noch einmal verlesen, stenographisch aufgenommen und den
Vertretern der Samenhändler übergeben werden mit der Bitte, in den
beiden bevorstehenden Versammlungen ein Votum herbeizuführen und
2. die Fragen, die nur die Samenkontrollstationen betreffen, einem zu
bildenden Ausschusse zu überweisen.
Vorsitzender: Es wäre dann die Kleeseidefrage für unsere Ver-
sammlung heute erledigt. Es würde sich nur darum handeln, diese
Kommission zu wählen. Ich weiss nicht, ob wir das heute tun sollen,
ob wir es dem Ausschusse überlassen wollen oder ob es morgen ge-
schehen soll.
Prof. Dr. Voi^t-Hamburg: Es ist besser, die geschäftlichen Sachen
auf morgen zu vertagen. Wir sind alle begierig, das Referat von Herrn
Dr. Hiltner heute noch zu hören. Wir sind nun einmal dabei und
haben nur noch einen Vormittag zu vergeben. Wir werden ja voraus-
sichtlich nicht zu einem endgültigen Resultat kommen und auch diese
Sache vielleicht einer Kommission überweisen.
Vorsitzender: Wir würden also zu den zweiten Punkte unserer
Tagesordnung übergehen können. Ich bitte Herrn Dr. Hiltner zu
seinem Referate über Keimprüfungen das \\'ort zu nehmen.
Über Keimprüfungen.
Von
Direktor Dr. L. Hiltner-München.
Meine Herren! Wie Sie aus dem vorgelegten Programm entnommen
haben werden, war eigentlich Herr Direktor Bruijning aus Wageningen
bestimmt, das Referat über die Keimprüfung zu erstatten. Zu unserm
Bedauern hat er vor einigen Tagen abgesagt, und ich bin infolge-
dessen veranlasst worden, an seine Stelle zu treten. Selbstverständlich
L. Hiltner, Über Keimprüfungen. 319
ki»nnen Sie daher von mir nicht erwarten, dass ich Ihnen vollständig
vorbereitet gegen üb er trete, und ich bitte, dies freundlichst berücksichtigen
zu wollen. Das Thema über die Keimprüfung ist so ausgedehnt, dass
ein ausführliches Referat schon allein eine ziemliche Zeit in Anspruch
nehmen würde. Ich will mich jedoch möglichst beschränken. Ich werde
zunächst die technischen Fragen besprechen und dann darauf hinweisen,
was während der Keimprüfung zu beobachten ist.
Was die Technik anbetrifft, so liegt Ihnen eine Broschüre vor,
in der die technischen Vorschriften von vier verschiedenen Verbänden
in sehr übersichtlicher Weise zusammengestellt sind.') Ich werde mich
hauptsächlich an die Vorschriften des Verbandes der landwirtschaftlichen
Versuchsstationen im Deatschen Reiche halten, nicht um gerade an
ihnen eine Kritik zu üben, sondern weil sie mir am geläufigsten sind
und weil ich gefunden habe, dass die Vorschriften der anderen Ver-
bände sich von jenen des deutschen Verbandes wesentlich nicht unter-
scheiden. Wo dies doch der Fall ist, werde ich besonders darauf hin-
weisen. In den Vorschriften des deutschen Verbandes ist nacheinander auf-
geführt, wie ein Samenposten zu behandeln ist, der auf seine Keim-
fähigkeit geprüft werden soll. Da ist in erster Linie die Probeziehung
von grösster Bedeutung, von einer Bedeutung, die wir schon in den
letzten Tagen bei Besprechung der Reinheitsbestimmungen kennen gelernt
haben. Wir haben erfahren, wie in den verschiedenen Staaten darauf
hingearbeitet wird, das subjektive Moment möglichst auszuschalten, die
Proben, die wir ziehen, vollständig objektiv zu gewinnen, und wir
haben gehört, dass bereits Apparate konstruiert worden sind, die
mit Präzision der Aufgabe entsprechen. Ich will auf diese Frage,
die schon besprochen worden ist, nicht näher eingehen; ich möchte nur
das eine hervorheben, dass wir unter allen Umständen, soweit es sich
um das Probeziehen zwecks Feststellung der Keimfähigkeit handelt,
daran festhalten müssen, dass dasjenige, was bei der Analysierung der
Mittelprobe nicht zu den fremden Bestandteilen gerechnet wird, nicht
ausgeschieden werden darf und unterschiedslos zur Keimprüfung ver-
wendet werden muss. Dieser Grundsatz, so einfach er erscheint, ist,
Avie ich neulich schon gelegentlich einer Diskussion erwähnte, jahrelang
von vielen, wenn nicht allen von Stationen, vernachlässigt worden. Nament-
lich bei Grassämereien hat dieser Umstand mit dazu geführt, in Deutsch-
land die sogenannte Gewichtsmethode einzuführen.
Als Zahl der anzukeimenden Samen finden wir in Deutsch-
land 3—400 Körner angegeben, in anderen Staaten geht man etwas
') Vgl. S. 234, Anmerkung.
320 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz lur Samenprül'ung.
weiter und zwar bis zu 600 Körnern. Ich glaube, dass aucli in dieser
Richtung sich ein näheres Eingehen erüljrigt, da wir durch die wert-
vollen Untersuchungen unseres Kollegen Rodewald ziemlich genau
wissen, dass die Genauigkeit nicht mehr wesentlich gesteigert werden
kann, wenn über die Zahl von 3 — 400 Körnern hinausgegangen wird.
Wenn wir die Samen abgewogen oder abgezählt haben, so haben
wir sie für das Keimbett vorzubereiten. E)a finden wir in den tech-
nischen Vorschriften die Angabe, dass für grosse Samen eine fünf-
stündige Vorquellung in reinem Wasser empfohlen wird. Ijieser
Zeitraum ist in die Keimkraftprüfungsdauer einzurechnen. E>iese Angabe
scheint mir schon geeignet, mit einer Kritik einzusetzen. Ich erinnere
daran, dass in den früheren Vorschriften eine 12- oder 15stündige Vor-
quellung für alle Samen direkt vorgeschrieben war, während sie jetzt
nur für grosse Samen empfohlen wird und zwar in reinem Wasser.
Ich erinnere mich ferner sehr genau, dass man früher grosses Gewicht
darauf legte, destilliertes Wasser anzuwenden, während umgekehrt
später in verschiedenen Ver()ffentlichungen, z. B. von Stutzer und
Hartleb. davor gewarnt wurde, destilliertes Wasser zu nehmen, weites
die Samen auslauge. Von dieser Seite wurde Leitungswasser empfohlen,
und jetzt wird reines Wasser vorgeschrieben. Das ist wohl richtig,
aber sehr verschieden zu verstehen. Ich darf das an einem Beispiele
vorführen, das gestern schon erwähnt worden ist. aber in anderem Zu-
sammenhange. Wir hatten in Berlin, als wir die Erkrankungen der
Rübenkeimlinge im Keimbett untersuchten, eine Probe von Rübensamen,
die 50 — 60 °/o kranke Keime lieferte. Das war kurz bevor ich
nach München übersiedelte. In München sollte ich nach einigen Mo-
naten einen Vortrag halten, da wollte ich auch die Rübenerkrankungen
vorführen. Einige Tage vor dem Vortrage behandelte ich den Rüben-
samen in der üblichen Weise, in diesem Falle aber mit Münchener
Leitungswasser, und sah zu meiner Überraschung, dass fast alle ent-
wickelten Keime gesund waren. Das hat mich dann so interessiert,
dass ich Proben nach Berlin schickte und mir anderseits Wasser von
Berlin kommen liess. Da stellte es sich heraus, dass die Mehrzahl der
mit Berliner Wasser behandelten Keime krank wurde, während die in
dem kalkhaltigen Miinchener Wasser gekeimten Samen in der Mehrzahl
gesund waren. Es bedarf also der näheren Präzisierung, was unter
reinem Wasser zu verstehen ist. Was ich eben erwähnt habe, ist
vielleicht auch deshalb von Interesse, weil die Frage der zahlenmässigen
Feststellung der kranken Keime bei Rüben in den letzten Jahren eine
gewisse Bedeutung erlangt hat, und auch schon bei unseren Dis-
kussionen in verschiedenem Sinne beantwortet worden ist. Dann heisst es.
L. Hiltner, Über Keimprüfungen. 321
die Vorquellung wird empfohlen, während sie früher vorgeschrieben
Avar. Die blosse Empfehlung scheint mir sehr bedenklich; denn es
kann nun jeder tun, was er will.
Weiter finden sich genaue Angaben darüber, an welchem Tage
die Keimiingsonergie bestimmt werden soll. Die Höhe derselben
wird aber meist ganz verschieden ausfallen, je nachdem man den Samen
vorgequellt hat oder nicht — also entweder das eine oder das andere
oder eine bestimmte Angabe der Bedingungen, unter welchen die
Keimungsenergie festzustellen ist.
Was das Keimbett anbetrifft, so heisst es: „Die Art des Keim-
beites ist von geringerer Bedeutung, als dass die angesetzten Körner
den wirklichen Durchschnittscharakter der Probe darstellen, voraus-
gesetzt, dass Wärme, Feuchtigkeit und Luftzutritt gut geregelt werden.
In erster Linie wird ein starkes, zuvor sterilisiertes Fliesspapier emp-
fohlen, ferner Sand; auch sterilisierte Tonapparate sind zulässig." Ich
habe im Jahre 1895 im Auftrage des Sächsischen Miuisteriums fast alle
deutschen Samenkontrollstationen, auch einige auswärtige Stationen zu
besuchen Gelegenheit gehabt und habe gefunden, dass trotz der tech-
nischen Vorschriften nicht nur die darin erwähnten Substrate, sondern
noch verschiedene andere in Gebrauch waren. Der eine hat besondere
Vorliebe für Leinwand, der andere für Fliesspapier, der dritte für Sand,
ein vierter für Torf. Der Sand, den ich fand, war entweder reiner
weisser Sand von verschiedener Grobkörnigkeit oder gelber eisenhaltiger
Sand und dergleichen mehr. So weit, wie es hier ausgedrückt ist: „Die
Art des Keimbetts ist von geringerer Bedeutung", darf man nicht gehen.
Ich will nur erinnern an eine Veröffentlichung von mir. in der ich, wie
ich glaube, ziemlich einwandsfrei nachgewiesen habe, dass bei gewissen
Samen, z. B. Lupinensamen, das Resultat ganz verschieden ausfallen
kann, je nachdem man das eine oder das andere Keimbett benutzt. Die
Vorquellung kann im allgemeinen nur in Betracht kommen, wenn man
ein an sich nicht zu feuchtes Keimbett hat; das Resultat wird unter
Umständen ganz verschieden ausfallen, je nachdem man die vorgequellten
Samen in den feuchten Sand hineinsteckt oder obenauf liegen lässt.
E'as sind alles Fragen, die noch gründlicher Durcharbeitung bedürfen.
Hinsichtlich der Feuchtigkeit des Keimbetts heisst es in den
Vorschriften: „Das Fliesspapier und der Sand werden mit 60°/o
der wasserhaltenden Kraft des Materials befeuchtet." Da muss ich auch
sagen, ich weiss nicht recht, auf Grund welcher Versuche man gerade
60% für richtig hält. Mir scheint, dass dabei die Art des Sub-
strates doch sehr zu berücksichtigen ist. Es handelt sich doch auch
nicht nur um die wasserhaltende Kraft, sondern auch darum, wie das
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 21
322 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
'betreffende Medium das Wasser wieder abgibt. Versuche, die ich dar-
über angestellt habe, ergaben, was ja ohnehin bekannt ist, dass sich z. B.
Torf, Sand oder Fliesspapier, dem 60*^/0 Wasser hinzugesetzt werden,
in dieser Richtung sehr verschieden verhalten.
Die Temperatur des Keimbetts ist von ganz besonders starkem
Einfluss. Um möglichst einheitliche Resultate zu erzielen, wurde für
alle Stationen vorgeschrieben — und man hat sich auch überall darauf
eingerichtet — , dass eine möglichst konstante Temperatur von 20^ C
zur Anwendung gelange. Später, als man dann feststellte, dass sehr
viel Samen, namentlich viele Gräser, auf eine intermittierende Wärme
reagieren, hat man entsprechende Einrichtungen getroffen, z. B. in
Wien, wo sämtliche Samen intermittiert werden zwischen 20° und 30°
oder an den deutschen Stationen, wo nur die in den Vorschriften
ausdrücklich genannten Samen, gewisse Gräser, Rüben, einige Koniferen,
intermittiert werden. In dieser Richtung ist ja vielleicht allzu viel Neues
nicht anzuregen. Es wäre höchstens darauf hinzuweisen, dass neuer-
dings bei einigen Samen, z. B. bei Phacelia-Samen, festgestellt worden
ist, dass bei ihnen eine höhere Keimziffer erzielt werden kann, wenn
man nicht von 20° nach oben, sondern nach unten intermittiert.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass u. a. auch manche Koniferensamen
sieh in ähnlicher Weise verhalten, so dass ich anregen möchte, dass
weitere Versuche nach dieser Richtung durchgeführt werden.
Dann kommt die Belichtung des Keimbetts. Da heisst es in
den Vorschriften: „Die Keimkraftprüfungen werden unter Ausschluss
künstlicher Belichtung ausgeführt." Diese Bestimmung muss um so
mehr auffallen, als in Zürich und, so weit ich orientiert bin, auch an
allen nordischen Samenkontrollstationen gerade der Belichtung ebenfalls
sehr grosse Bedeutung beigelegt wird. Wir haben die Frage, welchen
Einfluss die Belichtung auf die Keimung namentlich gewisser Gras-
sämereien ausübt, seitdem ich in München bin, experimentell geprüft
und dabei gefunden, dass das Licht auf die Keimung mancher Gras-
samen einen äusserst günstigen Einfluss ausübt, der nicht in allen
Fällen durch die intermittierende Erwärmung ersetzt werden kann und
der infolgedessen nach meinem Dafürhalten, die grösste Beachtung der
deutschen Kontrollstationen verdient. Wir haben sogar die Beobachtung
gemacht, dass ein und dieselbe Art von Samen, z. B. Knaulgras, je
nach der Herkunft gegen die Belichtung verschieden reagiert. Neusee-
ländisches Knaulgras verhielt sich bei wiederholten Versuchen anders als
solches europäischer Herkunft. p]s würde mich sehr interessieren, von
unserem Kollegen Stehler, der gerade auf diesem Gebiete reiche Er-
fahrungen besitzt, zu hören, ob sich diese Beobachtungen mit den seinigen
L. Miltner, Über Keimprüfungen. 323
decken. Die Zahl der von uns in dieser Beziehung geprüften Proben
war vielleicht zu gering, als dass man allgemeine Schlüsse aus den
Beobachtungen ziehen könnte, aber die Beobachtungen selbst sind sicher
richtig.
Dann finden wir Angaben über die Zeitdauer des Keimver-
suchs. Es wird genau angegeben, bei diesen Samenarten hat der
Keimversuch 10 Tage, bei jenen 14 Tage usw. anzudauern. Die längste
Keimdauer beträgt 42 Tage. Hier möchte ich mich darauf beschränken,
■auf meine Veröffentlichungen überLeguminosensamen hinzuweisen, und ganz
entschieden betonen, dass ich es auch jetzt noch für unrichtig halte, wenn
angegeben wird, der Keimversuch bei Wicken und ähnlichen Arten sei
nach 10 Tagen abzuschliessen. Es ist bei der meist grossen Hart-
schaligkeit vieler dieser Samen keine seltene Erscheinung, dass die
Keimung erst gegen den 10. Keimungstag richtig einzusetzen beginnt,
dann aber in verhältnismässig kurzer Zeit, spätetens in 3 — 4 Wochen,
der Hauptsache nach beendigt ist. Ich erinnere mich an Fälle, wo
Lathyrus- und Wickensamen, bei denen der Keimschluss am 10. Tage
erfolgte, als zu 15 — 20°/o keimfähig angegeben wurden, während bei
Ausdehnung des Versuchs auf 4 Wochen 80 — 90 "/o der Samen normal
keimten. Bei Ahorn- und anderen forstlichen Samen, für die eine
28-tägige Keimdauer vorgeschrieben ist, keimt innerhalb dieser Zeit oft
nicht ein einziges Korn aus. Hier darf doch nicht unberücksichtigt
bleiben, was uns schon in der Natur auffällig genug entgegentritt, dass
viele solcher Samen nur zu bestimmten Jahreszeiten ihr Keimungs-
maximum entwickeln. Durch Nichtberücksichtigung dieser Verhältnisse
ist es schon vorgekommen, dass die Keimfähigkeit ganz gesunder Baum-
samen von Samenkontrollstationen gleich 0 angegeben wurde.
Die eben besprochenen Fragen, die sich auf die Zeitdauer des
Keimversuches, die Bestimmung der Keimungsenergie usw. beziehen,
leiten bereits zum zweiten Teil dessen, was ich zu sagen wünsche,
über, nämlich zu der Frage, worauf wir während des Keimungsver-
suches achten sollen. Meine Herren! Was zunächst die Keimungs-
■energie anbelangt, so wird niemand leugnen, dass diese für be-
stimmte Samen eine ganz besondere Bedeutung besitzt. Ich brauche
nur auf die Braugerste zu verweisen, für welche sie eines der wert-
vollsten und wichtigsten Momente darstellt, Dass die Energie der
Keimung, wenn sie zur Beurteilung von zur Saat bestimmten Samen her-
angezogen werden soll, in bezug auf Vorquellung und unter bestimmten
Bedingungen festgestellt werden muss, habe ich schon erwähnt.
Ich glaube nun, dass wir der Ermittelung der Keimungsenergie
eine weitergehende Bedeutung beilegen müssen, als es gewöhnlich ge-
21*
324 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz l'ür Samenprüfung.
schiebt. Sie wissen vielleicht aus meinen Veröffentlichungen, dass ich
den Schwerpunkt des Keimversuches gelegt sehen möchte darauf, dass
man ihn benutzt, um über den Zustand der Samen möglichst Ge-
wissheit zu erlangen. Gerade die Keimungsenergic gibt uns aber in dieser
Beziehung besonders wertvolle Aufschlüsse. Es ist gestern in einer anderen
Sitzung bereits darauf hingewiesen worden, dass Rübensamen zur Zeit
der Ernte sehr häufig noch nicht vollständig ausgereift sind und des-
halb mangelhaft und langsam keimen, also mit anderen Worten eine
geringere Keimungsenergie besitzen. In der Diskussion habe ich darauf
hingewiesen, dass dies einen extremen Zustand darstelle, dem ein anderer,
nämlich der Zustand der Überreife als das andere Extrem gegenüber-
stehe. Auch dieses letztere ist durch eine geringe Keimungsenergie,
gleichzeitig aber durch Hartschaligkeit der Samen, die eben die langsame
Keimung bedingt, gekennzeichnet. Die Ermittelung der Energie wird,
vorausgesetzt, dass sie nicht lediglich zahlenmässig erfolgt, sondern unter
Berücksichtigung der L^sachen einer etwa sich zeigenden langsamen
Keimung, über den Zustand der Samen erst genügenden Aufschluss
geben. Ganz ähnliche Dinge kennen wir von den Getreidefrüchten.
Wir wissen, dass die Getreidearten in unseren Breiten meistens zur Zeit
der Erntereife noch nicht vollständig keimreif sind, dass namentlich
Weizen und Gerste oft ausserordentlich zögernd keimen, also eine ge-
ringe Keimungsonergie besitzen, und sehr oft selbst in 10 Tagen noch
nicht ausgekeimt sind, während bei wirklich keimreifem Getreide in
spätestens 5-6 Tagen der Keimversuch abgeschlossen werden kann.
Derartige der Nachreife bedürftige Samen keimen, wie ich festgestellt
habe, binnen 2 — 3 Tagen, wenn man sie anschneidet oder ansticht und
dadurch dem Wasser imd der Luft den Zutritt in das Sameninnere ge-
stattet. Ähnliche Verhältnisse haben wir neuerdings bei Grassamen
feststellen können, für die ebenfalls die Tatsache feststeht, dass sie un-
mittelbar nach der Ernte viel zögernder keimen, als wenn sie längere
Zeit gelagert haben. Samen von Ghjccr'ia ((quaficc z. B. gaben un-
mittelbar nach der Ernte im Keimbett in 6 Tagen bei konstant 20*^ C
5°/o, bei abwechselnder Temperatur 19%. Drei Monate später haben
dieselben Samen, nachdem sie inzwischen trocken aufbewahrt worden
waren, in 6 Tagen, also in derselben Zeit und unter denselben Be-
dingungen, 73*^/0 und 94°/o Keimlinge ergeben. Schon hieraus ist zu er-
sehen, dass bei derartigen Samen auch die zu erreichende Keimziffer
keine mathematisch feststehende Zahl ist, sondern fluktuierende Eigen-
schaften besitzt. Das wird noch vorstärkt dadurch, dass wir mitÄnderungen
der Keimfähigkeit zu rechnen hal)en, die beim Lagern der Samen ein-
treten. Bei den Koniferensamen und verschiedenen anderen Arten is^.
L. Hiltnei-, Über Keimprüfungen. 325
mit Sicherheit festgestellt, dass bei ihnen nach längerem Lagern ein
Rückgang in der Keimungsenergie eintritt. Für Erbsen- und Lupinen-
samen und für verschiedene Leguminosen konnte ich ferner nachweisen,
dass nach längerer Lagerung nicht nur unter Umständen ein Rückgang
in der Keimungsenergie, sondern mehr noch ein Rückgang an Eigen-
schaften eintritt, die ich in der betreffenden Veröffentlichung der Ein-
fachheit halber als Lebenskraft bezeichnete. Dieser Rückgang kann
schneller vor sich gehen, als jener der eigenthchen Keimfähigkeit. So
sind Erbsensamen, um nur eines der von mir angegebenen Beispiele
anzuführen, die unter den günstigen Bedingungen des Keimbettes zu
95°/o keimten, ausgesät ins Freie nur zu 5°/o aufgelaufen, während
eine Vergleichsprobe, die im Keimbett dieselbe Ziffer ergab, im Freien
über 90°/o Keimlinge hervorbrachte. Hier hat bei der ersten Probe
die Keimzahl getäuscht über den wirklichen Zustand. Deswegen meine
ich, dass die Samenkontrollstationen, wenigstens in jenen Fällen, wo
sie über den Zustand, die Beschaffenheit der Samenkörner irgend einen
Zweifel haben, wo es sich um einen Prozess handelt oder Beobachtungen
vorliegen, dass die Sarrlen schlecht aufgelaufen sind u. dgl., sich nicht
darauf beschränken dürfen, die Samen nur zu prüfen unter den
günstigsten Bedingungen, sondern dass diese gleichzeitig absichtlich
Bedingungen ausgesetzt werden müssen, die eine Verzögerung der
Keimung veranlassen, Bedingungen, die es bewirken, dass die be-
treffenden Samen ihren eigentlichen Zustand erst richtig enthüllen. Das
haben wir in München durchgeführt, indem wir die Zufuhr des Wassers
zu den keimenden Samen möglichst beschränken. Dabei konnten wir
schon wiederholt Eigenschaften an dem Samen feststellen, die uns sonst
vollständig entgangen wären. So ist z. B. im vorigen Herbste die Klage
eingegangen, dass eine Sorte Getreide, die bei den vergleichenden An-
bauversuchen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft verwendet wurde,
auf verschiedenem Boden — nicht in allen Fällen — sehr schlecht aufge-
laufen sei. Die Keimfähigkeitsprüfung war in Halle ausgeführt worden und
hatte nicht den geringsten Anlass zu Bedenken gegeben; ich glaube,
es waren 97 — 98°/o Keimfähigkeit festgestellt; als die Prüfung bei uns
unter normalen Bedingungen wiederholt wurde, hat sie dieses Ergebnis
vollständig bestätigt. Nachdem wir aber erfahren hatten, dass diese
Saat vielfach schlecht aufgelaufen sei — vielleicht in der Hälfte der Fälle — ,
haben wir sie im Vergleich mit anderen Proben der verzögerten Keimung
ausgesetzt und dabei zeigte sich sofort, dass sie nicht normal war.
Während die Vergleichsprobe unter den ungünstigen Bedingungen nur
zögernd keimte, schliesslich aber die vollen Keimprozente ergab, trat
bei der verdächtigen Probe bei 60 — 70 "/o ein Stillstand ein. Der Rest
326 Verhandlungen der I. internationalen Konfei'enz für Samenprüfung.
verpilzte. In solchen Fällen ist es also nicht richtig, ausschliesslich
die günstigsten Bedingungen für die Keimung zu wählen. In der Mehr-
zahl der Fälle wird es ja unsere Aufgabe sein müssen, festzustellen,
zu wieviel Prozent eine Saat unter den günstigsten Bedingungen keimt; die
verzögernde Keimung soll nur im Vergleich dazu und wo eine besondere
Veranlassung vorliegt, ausgeführt werden.
Das Bestreben, eine möglichst bestimmte Zahl für die Keimfähigkeit
zu gewinnen, hat auch zu dem immer noch andauernden Streit geführt,
ob man in die Keimfähigkeitsziffer die hartschahgen Körner der Legu-
minosen einrechnen soll, und ob tmd wie man bei der Schnittprobe von
Koniferen-, Rübensamen und dgl. die frisch gebliebenen Samen berück-
sichtigen müsse. Ich stehe auf dem Standpunkte, dass wir eigentlich
lediglich Tatsachen festzustellen haben. Ich bin daher ein Gegner einer
derartigen Einrechnung. Der Grad der Hartschaligkeit ist in den ein-
zelnen Jahrgängen verschieden; er wechselt bei den verschiedenen Saaten
einer bestimmten Pflanzenart, und noch mehr Unterschiede zeigt er,
wenn wir verschiedene Samenarten miteinander vergleichen. Z)ie Ein-
rechnung läuft immer auf das Bestreben hinaus, den Wert einer Saat
durch eine bestimmte Zahl auszudrücken.
Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, wie viele Faktoren bei der
Keimung der Samen in Betracht kommen, wie verschieden die Keim-
ziffern oft ausfallen können je nach dem Grade der Feuchtigkeit
und der Temperatur, je nach der Art des Keimmediums und der
Art und der Menge des verwendeten Wassers, je nachdem der Keim-
prozess im Dunkeln oder im Licht sich vollzieht; wenn wir ferner be-
rücksichtigen, wie verschieden die einzelnen Samenarten selbst sich
verhalten und wie die Eigenschaften einzelner Posten Wandlungen durch
die Einflüsse des Lagerns, durch die Einwirkung von Organismen er-
fahren: so müssen wir immer mehr zu der Überzeugung kommen, dass
es unter Umständen unmöglich ist, sagen zu wollen, ein bestimmtes
Saatgut besässe diese oder jene zahlenmässig scharf fixierte Keim-
fähigkeit. So sehr zu berücksichtigen ist, dass der ganze Samenhandet
sich leichter vollzieht, wenn die Eigenschaften der Samen durch be-
stimmte Zahlen ausgedrückt werden, so sehr ich selbst zugebe, dass
mit allgemeinen Bezeichnungen wie „gesund", „frisch", „letzte Ernte"
und dgl, keine Grundlage für genügende Ersatzansprüche geboten werden
kann, und so sehr ich es demnach für unumgänglich notwendig halte,
dass wir auch in Zukunft die Eigenschaften der Samen so weit als
möglich zahlenmässig zu bestimmen suchen, so möchte ich doch davor
warnen, dass wir diese Zahlen mindestens — soweit es sich um Keim-
fähigkeitsziffern handelt — als allzu bestimmte auffassen und dass wir
L. Hiltner, Über Keimprüfangen. 327
uns etwa bei unseren jetzigen und künftigen Verhandlungen als haupt-
sächliches und wünschenswertestes Ziel jenes setzen, zu ermitteln, wie
es möghch ist, die sogenannten Fehler der Keimprüfungen tunlichst zu
vermeiden, damit bei Prüfung an verschiedenen Stellen gleiche Samen-
posten auch gleiche Ziffern ergeben. Durch allzu scharfe Forderung
zahlenmässiger und möglichst genauer Feststellung der Keimfähigkeit
ist der Schwerpunkt der ganzen Frage in der letzten Zeit immer mehr
nach der mathematischen Seite gerückt. So sehr ich nun die Fortschritte
anerkenne, die zweifellos in der Methodik und in der Beurteilung der
ganzen Verhältnisse erzielt worden sind, dadurch, dass die Alathematik
und besonders die Wahrscheinlichkeitsrechnung herangezogen wurden,
so bin ich doch anderseits der Meinung, dass man damit nicht ins
Extrem verfallen darf. Es wäre ja auch sehr bequem und jenen, die
alles in richtige Kategorien bringen wollen, jedenfalls sehr wünschens-
wert, etwa aach die einzelnen Menschen je nach ihren körperlichen und
geistigen Qualitäten ziffernmässig zu qualifizieren und eventuell zu plom-
)>ieren. Niemand wird das für möglich halten. Wie jemand von seinen
Bewunderern vielleicht zu den erstklassigen Menschen gerechnet oder,
um in unserer Ausdrucks weise zu bleiben, zu 95 — 100 ''/o gewertet wird,
während er nach der Meinung anderer eher in jene Kategorien gehört, wo
die grossen Latitüden zur Geltung kommen [grosse Heiterkeit], so kann
auch das Urteil über ein Saatgut, dessen Eigenschaften ja nicht bloss
in der Keimfähigkeit und Reinheit bestehen, sehr verschieden sein.
Unsere Landwirte haben sich aber durch aüzu scharfe Hervorhebung der
Forderung der zahlenmässigen Garantie der Keimfähigkeit entschieden
daran gewöhnt, z. B. von zwei Kleesaatproben; die zu 95 resp. Sö^Jq
keimen, ohne weiteres die erstere vorzuziehen. Wir wissen alle, dass
das ein Fehler ist, wenn wir nicht auch die übrigen Eigenschaften der
Saatware mit berücksichtigen, aber dem Landwirt ist dies nicht immer
bekannt. Wir haben in diesem Jahre in Bayern die Bildung einer Ge-
nossenschaft angeregt zur Züchtung der fränkischen Luzerne, die dort,
wo sie in ihrer ursprünglichen Sortenreinheit geboten wird, wirklich
den Namen „ewiger Klee" verdient, weil sie 2U — 30 Jahre ausdauert,
während alle fremden Sorten meist schon nach wenigen Jahren wieder
verschwinden. Zu vergleichenden Versuchen, die wir im Frühjahr 1906
begannen, haben wir vom Produzenten selbst derartige fränkische Lu-
zerne, die leider noch nicht in grossen Mengen zur Verfügung steht,
bezogen und bei der Keimprüfung zu unserer Überraschung wahrnehmen
müssen, dass sie zu 50 — 60°/o hartschalig war. Ich bin überzeugt,
dass, wenn eine derartige Luzerneprobe nur eine zahlenmässige Be-
urteilung fände, jede Samenkontrollstation vor ihrem Ankauf warnen
328 Verhandlungeu der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
würde. Unsere Feldversuche lassen al)er jetzt schon unzweifelhaft er-
kennen, dass diese Luzerne trotz ihres wegen grosser Hartschaligkeit
mangelhaften Keimvermögens allen anderen im Vergleich mitgeprüften
Luzernesorten von oft prächtigem Aussehen und hervorragender
Keimfähigkeit des Saatgutes wesenthch überlegen ist.
Grosse Differenzen sind auch verursacht worden durch die ver-
schiedene Beurteilung der durch Drusch- oder Ritzmaschinen verletzten
Körner bei Klee. Solche Körner ganz auszuschalten, also sie nicht in
das Keimprozent mit einzurechnen, halte ich für nicht minder verfehlt,
als bei ihnen durch längeres Liegenlassen im Keimbett feststellen zu
wollen, ob man sie als keimfähig mitrechnen darf oder nicht. Ich
möchte hier erinnern an einen Versuch, den ich mit Gelbklee ausgeführt
und beschrieben habe, der im Keimbett etwa 25°/o Druschkörner auf-
wies. Bei der Aussaat in Erde sind die meisten dieser Körner auf-
gelaufen und haben sich schliesslich zu normalen Pflänzchen entwickelt.
Am hypokotylen Glied war noch deutlich die Überwallung einer Wunde
wahrzunehmen; vielfach fehlte auch das eine Keimblatt oder gar die beiden
Kotyledonarblätter. Es wird von Bodenart, Witterung und anderen Verhält-
nissen, auch von der Intensität der Druschverletzung abhängig sein, ob aus
derartigen Körnern hervorgehende Keimlinge sich weiter entwickeln.
Jedenfalls aber sind in dieser Beziehung die Verhältnisse im Keimbett
sogar weit ungünstiger, als im Boden, wo die bald assimilierenden
Pflänzchen eher die Möglichkeit besitzen, die Verletzung auszuheilen.
Meine Herren ! Die Zeit ist zu weit vorgeschritten, ich will schUessen.
Sie sehen, viel Neues konnte ich Ihnen nicht bieten, wohl auer dartun,
welche Schwierigkeiten hoch zu überwinden sind, bis wir so weit kommen,
dass internationale Vereinbarungen über gewisse Methoden getroffen
werden können. So erstrebenswert dies an und für sich ist. so sehr
von manchen Seiten der Wunsch ausgedrückt ist, wir sollten uns doch
auf gewisse Methoden einigen, so sehr möchte ich davor warnen, schon
jetzt dahingehende Beschlüsse zu fassen. Ich gehe so weit, zu be-
haupten, dass wir schliesslich für jede Samenart genaue Vorschritten
haben müssen; ich glaube sogar, dass Saaten derselben Samenart sich
sehr verschieden verhalten, je nach ihrer Provenienz und je nach dem
Jahrgang, so dass, wenn wir etwa heute beschliessen würden, wir
gehen bei dieser Samenart so, bei jener anders vor, wir schon nach
wenigen Jahren gezwungen wären, viele Vorschriften wieder abzuändern.
Ich würde es als einen wesentlichen Erfolg unseres Kongresses be-
trachten, wenn wir uns darüber verständigen und einig zeigen würden,
dass wir uns von allen schablonenmässigen Angaben, die sich unter-
schiedslos auf alle Samenarten beziehen, mögUchst losmachen, dass
Diskussion: Keimprüfungen. 329
wir zusammenarbeitend uns bestreben, die Eigenschaften der einzelnen
Samenarten näher zu studieren, soweit sie für die Samenkontrolle in
Betracht kommen, mnd dass wir später neue Vorschriften für die ein-
zelnen Samenarten ausarbeiten, in denen alle ermittelten Eigenschaften
derselben entsprechende Berücksichtigung finden. Ich persönlich erkläre
mich gern bereit, mit Kollegen aus anderen Ländern Erfahrungen aus-
zutauschen, und ich würde es begrüssen, wenn die übrigen Stationen
diesem Beispiele folgen würden.
Vorsitzender: Der Vortrag ist an Anregungen so ausserordentlich
reich gewesen, dass wir nicht hoffen können, eine Diskussion heute zu
Ende zu führen. Ich möchte an die geehrte Versammlung die Frage
richten, ob wir heute überhaupt noch in eine Diskussion eintreten oder
diese auf morgen verschieben wollen (Zurufe). Es scheint das letztere
gewünscht zu werden.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien : Ich möchte selbstverständlich auch
den Vorschlag unterstützen, die Diskussion auf morgen zu verschieben;
ich weiss aber nicht, ob wir morgen in der Lage sein werden, über
•die vielen anregenden Punkte, welche der Vortrag enthielt, uns aus-
zusprechen. Ich will freilich den morgigen Verhandlungen nicht vor-
greifen, ich will auch nicht, wie aus den verschiedenen Mienen zu
ersehen ist, Ihnen den Vorschlag bezüglich Einsetzung eines Ausschusses
machen, aber wir werden für einzelne Fragen besonders Herren des
Verbandes, die sich bisher mit den einschlägigen Fragen beschäftigt
haben, bitten müssen, in den Ausschuss einzutreten und diese Fragen
dort zu behandeln. Wir werden morgen in geschäftlicher Hinsicht jedenfalls
sehr wichtige Fragen zu erledigen haben ; wir müssen den internationalen
Verband organisieren, wir müssen an die Wahl des Ausschusses gehen; wir
müssten bei der Gelegenheit über die Gegenstände uns orientieren, welche
von den einzelnen Kollegen bearbeitet werden sollen. Einige Herren, die
leider in diesem Jahre verhindert sind, an unseren Verhandlungen teil-
zunehmen, müssen wir auch noch hinzuziehen. Ich glaube, dass vielleicht
mein Antrag angebracht wäre, dass wir die Frage der Keimprüfung
einem Spezialausschusse, dem Keimprüfungsausschusse des internationalen
Verbandes, zuweisen mit den Anregungen, die Kollege Hiltner gegeben
hat, so dass wir von der so sehr befürchteten Ausdehnung der Dis-
kussion abkommen und vielleicht ein rein geschäftliches Programm für
die Sitzung morgen feststellen.
Prof. Dr. Voigt-Hamburg: Ich möchte auf einen Vorschlag zurück-
kommen, den Herr Professor Zacharias in der ersten Sitzung gemacht
330 Verhandlungen der [. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
hat. Die Hamburger Oberschulbehörde ist so liebenswürdig gewesen,
uns heute abend Gelegenheit zu einem gemütlichen Essen zu bieten.
Vielleicht ist es hinterher möglich, dass die massgebenden Herren posi-
tive Vorschläge tür morgen proponieren. Ich glaube, dass es sicher
am praktischsten ist, wenn wir im Kreise einiger Herren die Vor-
schläge formulieren und mit diesen an die Versammlung herantreten.
Referent Dr. Hiltner: Ich möchte das auch unterstützen. Da
morgen unser letzter Verhandlungstag ist, muss es unser Bestreben sein,
die wichtigsten Dinge zu erledigen und weniger wichtige — als solche
sehe ich die Diskussion über den Vortrag an — hintanzuhalten. Ander-
seits möchte ich nicht unterlassen, meiner Aleinung Ausdruck zu geben,
dass wir eine derartige Gelegenheit wie die jetzige, nicht vorübergehen
lassen sollten, um gewisse Erfahrungen, die die Fachgenossen gemacht
haben, kennen zu lernen. Wie ich Herrn Dr. Stebler schon vor
einigen Tagen persönlich sagte, sind z. B. die Methoden, die in Zürich
angewendet werden, so weit sie überhaupt veröffentUcht sind, in der
Literatur so zerstreut, dass es uns allen nur sehr wünschenswert sein
kann, eine Gelegenheit, wo die Herren selbst anwesend sind, wahrzu-
nehmen, um etwas von ihnen zu lernen.
Vorsitzender: Ich würde es für sehr wünschenswert halten,
dass wir uns morgen noch über das Referat des Herrn Dr. Hiltner
aussprechen. Vielleicht können wir ein Kompromiss finden, indem wir
mit den geschäftUchen Verhandlungen beginnen und nachher, soweit
Zeit dazu ist, in die Diskussion eintreten.
Inspektor A. Lyttkeus-Stockholm: An die Regierung in Stockholm
ist die Frage gelangt, was zu tun sei, um den Samenhandel und den
Samenbau zu verbessern. Die Beantwortung der Frage ist der land-
wirtschaftlichen Zentralverwaltung übertragen worden, und diese hat den
verschiedenen landwirtschaftlichen Gesellschaften Gelegenheit gegeben,.
sich darüber zu äussern. Da ist ein Vorschlag gemacht worden, über
den ich, weil er eng mit der Frage der Herkunft der Samen zusammen-
hängt, hier kurz referieren möchte. Es hat nämlich eine Gesellschaft
vorgeschlagen, um die Herkunft festzustellen, den Samen mit Eosin zu
färben. Wenn der Same ins Land hineinkommt, soll das Zollamt ver-
pflichtet sein, eine gewisse Menge, Vt'^/o gefärbten Samen, darunter
zu mischen. Wenn man diesen Gedanken weiter entwickelt, dann kann
man für jedes Land eine andere Farbe festsetzen.
Vorsitzender: Ich schHesse die heutige Sitzung. Die nächste
Sitzung findet morgen um 9 Uhr statt.
Schluss 12V2 Uhr.
Diskussion: Keimprüfungen. 33t
Sitzung am Freitag, den 14. September 1906,
morgens 9 Uhr im Hörsaal B des Johanneum. . •
Vorsitz: Professor Dr. Voigt-Hamburg.
Anwesend: Atterberg-Kalmar, v. Degen- Budapest, Didrichsen^
Kopenhagen, Dorph Petersen-Kopenhagen. Frankfurt-Kiew, Rud.
Fritz- Hamburg, Hillmann-Berhn, Hiltner-München, Issatschenslio-
Petersburg, Kambersky-Troppau, Lyttkens- Stockholm, Qvam-Christia-
nia. Raatz-Kl. Wanzleben, Rodewald-Kiel, Simon -Dresden, Stebler-
Zürich, Stöhr-Prerau, von Szy szylowicz-Lemberg, Vaüha-Brünn,
Vitek-Prag, Voigt-Hamburg, Waage-Berlin, von Weinzierl- Wien,
We 1 s h u t - Hamburg , W i d e n - 0rebro.
Vorsitzender: Ich glaube, in Ihrer aller Wunsch zu handeln^
wenn ich Herrn Kollegen Stehler bitte, die Diskussion über Keim-
prüfung durch eine kleine Auseinandersetzung zu eröffnen.
Direktor Dr. G. Stebler-Zürich: Ich bin gern bereit, diesem^
Wunsche nachzukommen. Der Referent, Herr Regierungsrat Hiltner^
hat uns gestern die Sache in ausserordentlich schöner und klarer
Weise auseinandergesetzt, so dass es leicht ist, eine Diskussion
zu entfalten. Ich bin mit ihm durchaus einverstanden und will die
einzelnen Punkte, die er berührt hat, kurz durchgehen. Ich tue es an.
der Hand der Vorschriften der deutschen landwirtschaftlichen Versuchs-
stationen.
Hinsichtlich der Zahl der einzukeimenden Samen hat es
keinen Zweck, mehr als 400 Körner (2 mal 200 Körner) zu
nehmen; ein Doppelversuch genügt vollkommen. Bei grobkörnigen
Samen, z. B. Getreide, Erbsen, Wicken, genügen 2 mal 100 Körner,,
da eine grössere Quantität sehr viel Raum beansprucht und diese Samen,
sicher und gleichmässig keimen.
Je nachdem der Samen auf die eine oder andere Weise keimt, ist:
die Vorquellung nötig oder nicht. Eine Vorquellung ist angezeigt,
wenn man in Filtrierpapier keimen lässt, z. B. bei Esparsette.
Betreffs des Keimbettes muss man individuahsieren. Man kann
nicht jeden Samen gleichmässig behandeln. Als Keimbett ist die Tonzelle
oder Filtrierpapier zu empfehlen. Für Kiefernsamen hat sich der Kopen--
hagener Apparat ausgezeichnet bewährt.
BetrefCs der Beleuchtung des Keimbettes bin ich der Meinung,,
man sollte die Keimversuche so weit wie möglich im Dunkeln machen^
und zwar hat sich da die intermittierende Erwärmung sehr gut erwiesen^
332 Verhan<llungpn der I. internationalen Konferenz für Samenprüfung.
Es gibt aber viele Samen, wo auch bei intermittierender iu'wärinung
eine gute Keimung nicht möglich ist.
Betreffs der Keimungsenergie bin ich auch der Ansicht wie
der Herr Referent. Die Keimungsenergie ist ein sehr unsicherer Wert-
massstab, und deshalb, sollte man auf diese Ermittelung keinen so
grossen Wort legen. Es ist allerdings richtig, die guten, neuen
Samen keimen rascher als die alten Samen, und da hat es einiger-
massen einen Wert. Jedoch kommt sehr viel auf die Art des Keim-
versuches an, ob eine Bedingung sehr günstig oder weniger günstig
gewesen ist, so dass der eine Samen einmal rascher und das andere
mal weniger rasch keimen kann. Man sollte sich hauptsächlich darauf
beschränken, die Keimzahl zu ermitteln.
Über die Dauer des Keimversuches lassen sich strikte Vor-
schriften nicht machen. Es gibt Samen von gleicher Art, die ausser-
ordentlich langsam keimen, während andere rasch keimen. Wenn man
nun bei einem langsam keimenden Samen vielleicht nach 10 Tagen ab-
schliessen würde, so käme die Ware zu kurz. Man muss beobachten,
was im Keimbett liegt, und wenn noch etwas zu erwarten ist, so wird
der Versuch fortgesetzt. Ins Unendliche lassen sich die Versuche na-
türlich nicht ausdehnen.
Ein wichtiges Moment, das meines Erachtens viel zu wenig ins
Auge gefasst wird, ist die Sterilisierung der Keimapparate. Ein
gut keimender Samen wird auch im uiu-einen Bett ganz gut keimen,
aber um äussere Einflüsse auszuschliessen, sollte man darauf dringen,
ein keimfreies Keimbett zu beschaffen.
ProfessorDr.RodeAvald-Kiel: DieKeimprüfungen sind gewissermassen
das Schmerzenskind, da hierbei die grössten Differenzen vorkommen. Die
Keimfähigkeit ist abhängig von einer Reihe von Bedingungen: 1. Wärme,
2. Sauerstoff, 3. Feuchtigkeit, 4. Licht. Ich möchte die Frage auf werfen: Ist
Licht eine notwendige Bedingung'? L»ieso Frage müssen wir entscheiden,
denn sie kompliziert die Versuchsanstellung ganz ungeheuer. Die Schwierig-
keit der Keimprüfung ist wesentlich dadurch bedingt, dass die einzelnen
Variablen, von denen die Keimfähigkeit abhängig ist, untereinander nicht
unabhängig sind. Wenn die Temperatur sich ändert, verändert sich
der Zustand des Wassers. Wir haben bei dem Wasser mit Dampf-
zustand und flüssigem Zustand zu rechnen. Wenn wir das mathe-
matisch einkleiden wollen, dann können wir sagen: Keimfähigkeit ist
eine Funktion von verschiedenen Variablen, die untereinander nicht un-
abhängig sind. Diese Funktionen lassen sich schwierig behandeln.
Immerhin will ich Ihnen zeigen, dass man doch auf mathematischem
Wege von solchen Funktionen einige Angaben machen kann, und ich
Diskussion : Keimprüfungeu. 333
will gleichzeitig diesen Weg benutzen, um den Nachweis zu führen,
dass die Keimung an sich nicht abhängig sein l\ann vom Licht, unter
Voraussetzungen, die ich genau präzisieren will. Die Wirkung des
Lichts wollen wir einmal mit x bezeichnen. iJie Mathematik lehrt,
dass man jede Funktion, welche Beschaftenheit sie auch habe, ausdrücken
kann durch eine Reihe, weil in einer Reihe alle mathematischen Opera-
tionen, die auf die vier Spezies zurückgehen, vorkommen. Wir können
also schreiben, wenn wir mit K die Keimfähigkeit bezeichnen und
a, b, c Konstanten sind : K — a -[- b x 4- c x^ -j- . . . .
Nehmen wir nun einmal an, wir machen x = 0. Dass das
möglich sein wird, werden Sie nicht bestreiten. Es gibt Körper
die lichtundurchlässig sind. Wenn wir unter Licht das verstehen,
was von unseren Augen angezeigt wird, dann ist es möglich,
X = 0 zu machen. Damit fällt alles weg, bis auf die Konstante a,
d. h. wenn das Licht Einfluss hat, so muss, wenn wir die Keimung
im Dunkeln ansetzen, sich eine konstante Keimziffer ergeben, falls über-
haupt eine Keimung stattfindet, und wenn sie nicht stattfindet, dann ist
sie auch eine konstante Grösse, nämlich 0. Es fragt sich, welche
Grösse hat die Konstante a? und können wir sie aus allgemeinen
mathematischen Betrachtungen bestimmen? Das ist nicht möglfch!
Aber wenn Sie mir zugeben, dass es möglich ist, ein Korn im Dunkeln
überhaupt zur Keimung zu bringen — und meinen p]rfahrungen ent-
spricht das — so sind wir in der Lage, die Grösse der Konstanten a
zu bestimmen, und zwar auf folgende einfache Weise: Wir bringen ein
Korn in eine absolut dunkle Kammer und variieren die übrigen Keim-
bedingungen, bis es uns gelingt, das Korn zum Keimen zu bringen.
Wenn das gelungen ist, ist die Keimfähigkeit dieses Kornes 'iOO°/o;
daraus folgt, dass die Konstante gleich 0 ist, weil die Keimfähigkeit
nicht höher als 100°/o werden kann. Ich will durch diese De-
duktion nicht Beobachtungen bezweifeln, die die Herren gemacht haben,
sondern wie alle mathematischen Betrachtungen zur Präzision dienen,
so soll auch diese Betrachtung zur Präzisierung der Frage nach der
Zahl der Variablen dienen, Sauerstoff, Wasser, Temperatur und Licht
sind die vier Variablen, die in Frage kommen. Die Kombinations-
möglichkeiten sind in dem Falle, dass wir das Licht ausschUessen
können, 1X2X3; das ist eine verhältnismässig beschränkte Zahl.
Wenn wir das Licht noch hinzunehmen und vier Variable haben,
so sind 4X6 = 24 Möglichkeiten zu berücksichtigen. Sie sehen,
meine Herren, dass durch solche mathematischen Betrachtungen die
Versuchsanstellungen sehr vereinfacht werden. Wenn Sie die Frage
nach der Wirkung eines dieser Faktoren lösen wollen, wenn Sie z. B.
334 Verhan<llungen der I. interniitionalen Konferenz für Samenprüfung.
untersuchen wollen, in welchem Zusammenhang die Keimfähigkeit, mit
der Temperatur steht, so ist, da die Variablen untereinander zusammen-
hängen, nötig, gleichzeitig alle anderen Variablen zu beobachten, und
das hat gewisse Schwierigkeiten. Es hat gar keinen Zweck, die eine
Variable zu variieren und die anderen unberücksichtigt zu lassen. Das
allgemeine Verfahren, wie Funktionen mit mehreren Variablen behandelt
werden, ist das: wenn wir die eine Variable auf ihre Wirkung hin unter-
suchen wollen, so müssen w\r die anderen konstant setzen. Das ist
aber in diesem Falle nicht möglich, weil die zu variierenden mit den
konstant zu haltenden Grössen zusammenhängen. Wenn wir die Tem^
peratur variieren, so variieren wir die Dampfspannung und verschiedenes
andere, gar nicht zu sprechen von der Oberflächenspannung, die mit
der Temperatur ebenfalls zusammenhängt. Daraus ergeben sich kolos-
sale Schwierigkeiten. Das hat zur Folge, dass die Schlüsse, die aus
solchen Variationen gezogen werden, mit der allgemeinen Erfahrung
vielfach nicht übereinstimmen.
Die wissenschaftliche Untersuchung der Keimbedingungen gehört
zu den schwierigsten Aufgaben, und es ist nötig, dass zunächst mathe-
matisch-physikalische Analysen der Variablen vorgenommen werden.
So lange das nicht geschieht, werden wir mehr oder weniger empirische
Beobachtungen machen. So lange die Variablen nicht gesondert werden,
werden wir keine exakten Vorschriften über Keimungen machen können,
die ohne systematische Fehler in allen Untersuchungen zu dem gleichen
Resultat kommen. Wir können die Grösse der systematischen Fehler
bestimmen, unser Ziel muss aber sein, sie möglichst zurückzusetzen.
Ich lege auf diese Betrachtungen keinen besonderen ^^'ert•. ich
möchte sie nur vorgeführt haben, um der gewöhnlich landläufigen Be-
hauptung, dass das Licht Einfluss auf die Keimfähigkeit ausübt, zu
widersprechen. Ich habe sehr oft die Behauptungen in meinen Vor-
lesungen aufgestellt, dass das Licht keinen Einfluss auf die Keimfähig-
keit ausübt, sondern dass durch die Änderungen des Lichts die übrigen
Variablen in Mitleidenschaft gezogen werden, und keine der mir be-
kannten Untersuchungen nimmt Rücksicht darauf. Wenn wir solche
Untersuchungen wissenschaftlich verwerten wollen, müssen wir genau
mathematisch vorgehen und müssen den Nachweis führen, dass. während
wir die eine Grösse variieren, wir die anderen tatsächlich konstant ge-
gehalten haben. Der Nachweis lässt sich bei keiner der publizierten
Untersuchungen führen. Ich glaube, dass in diesem Sinne auch die
Untersuchungen von Herrn Miltner nicht beweisend sind.
Ich möchte deshalb bitten, die Behauptung fallen zu lassen, dass
das Licht eine notwendige Keimbedingung ist, denn dadurch wird die
Diskussion: Keimprüfungen. 335
Fragestellung- ganz erheblich kompliziert, im Verhältnis von 6 zu 24. Das
tn'schwert die weitere Untersuchung des Gegenstandes ganz bedeutend.
Direktor Dr. A. Atterberg"-Kalmar: Die beiden ersten Herren
Vorredner haben technische Vorschläge in der Samenkontrolle ge-
geben, und der letzte Herr Redner hat darauf hingewiesen, dass Keim-
versuche auch mathematisch behandelt werden können. Ich will
gegenüber dem, was der erste Herr Redner vorgebracht hat, darauf
hinweisen, dass manche Verhältnisse eine nähere Untersuchung erfordern.
Wie Sie wissen, kommen vollständig ausgebildete, aber doch nicht keim-
reife Samen öfter vor, als man gewöhnlich annimmt. Ich bitte, nur
daran zu denken, wie die Samen der Ulme und des Ahorns sich ver-
halten. Diese Samen können den ganzen Sommer hindurch am Boden
liegen und keimen nicht. Es mag heiss oder kalt, feucht oder trocken
sein, sie können im Licht oder im Dunkeln liegen, sie keimen nicht.
Erst im nächsten Frühjahr keimen sie. Ich glaube nicht, dass man
jetzt so genau weiss, wie man sich zu den Untersuchungen solcher
nicht" keimreifen Samen stellen muss. In anderen Fällen weiss man
doch, wie man diese nicht keimreifen Samen am besten behandeln kann.
Ich habe einige Untersuchungen gemacht über unreifen Samen, besonders
bei den Getreidearten. Es kommt im Norden und auch wohl hier nicht
selten vor, dass bei der Ernte die Getreidesamen schlecht keimen. Im
Norden Europas kann es vorkommen, dass die Getreidesamen gar nicht
keimen. Sie können den ganzen Winter hindurch liegen, ohne die volle
Keimkraft zu bekommen. Erst im Frühling, wenn die Temperatur steigt,
findet man die volle Keimkraft. Ich habe Untersuchungen, wie solche
Samen, die nicht keimen wollen, zu voller Reife zu bringen sind,
gemacht. Meine Untersuchungen sind nach mehreren Richtungen an-
gestellt, um die besten Keimungsverhältnisse aufzufinden. Ich habe an-
fangs versucht, die Samen mit Äther zu behandeln, um die Keim-
reife zu beschleunigen; das ist mir nicht gelungen. Ich habe das An-
stechen versucht, das ging auch nicht. Dann habe ich endlich gefunden,
dass diese Samen ganz verschiedenen Keimertrag liefern bei verschiedener
Temperatur. Ich kann Ihnen einige Ziffern als Beispiel geben. Ich habe
eine Reihe von Samen im Thermostaten bei verschiedenen Temperaturen
l>ehandelt. So keimte eine Probe Gerste bei 28" gar nicht, bei 19°
keimte sie zu 767o' '^ei 15° 98 "/q, bei 10° 99°/o. Eine Weizenprobe
keimte bei 25*^ 61°/n. bei 19° 89°/o und bei niedrigerer Temperatur 99°/o.
Eine andere Probe keimte bei 25° 74"/o, bei 21° 90°/o und bei niedrigerer
Temperatur 98°/o- Haferproben keimten bei 31° gar nicht, bei 25°
92°/o, bei 19° 98°/o usw.
Als Hauptresultat meiner Untersuchungen kommt heraus, dass allerlei
336 Verhandlungen der I. internationalen Konferenz l'ür Sanien[)rüt'ung.
Reifegrade sich bei den Getreidesamen vorfinden. Wenn diese Samen nicht
gut ausgereift sind, so können sie nur bei niedriger Temperatur keimen,
wenn sie aber eine bessere Keimreife haben, können sie bei höherer
Temperatur keimen, und endlich, wenn man völlig keimreifen Samen
besitzt, dann erzielt man bei 30*^ die besten Resultate. Wenn man also
untersuchen will, wie viel Prozente der Samen wirklich Irisch sind, so
muss man bei niedriger Temperatur ankeimen. Bei einer Temperatur
von 13 — 15° keimen die Getreidesamen fast stets schnell, und diese
Temperatur muss dartim stets benutzt werden, wenn man fürchtet, dass
die Getreidesamen noch nicht keimreif sind. Es ist deshalb richtiger,
die Keimproben von Getreidesamen bei niedriger Temperatur anzustellen.
Es kann doch vorkommen, dass die Getreidesamen so unreif sind, dass
sie auch bei 13 — 15° nicht oder nur schlecht keimen. Dann ist es
notwendig zu untersuchen, ob die Samen frisch oder beschädigt sind.
Das kann geschehen durch die Vortrocknung. Bei uns im Norden
ist die Vortrocknung allgemein eingeführt, und ich habe gesehen, dass
man auch hier in Deutschland bei der Gerste Vortrocknung anwendet.
Ich habe mit der Vortrocknung des Getreides ausführliche Untersuchungen
gemacht, um zu sehen, bei welcher Temperatur die Getreidesamen am
besten vorgetrocknet werden, um die volle Reife schnell zu bekommen.
Es hat sich da gezeigt, dass 40" C die beste Temperatur für die Vor-
trocknung ist.
Vorsitzender (unterbrechend): Ich darf darauf aufmerksam
machen, dass die Zeit sehr beschränkt ist und, ohne diese interessanten
Ausführungen länger unterbrechen zu wollen, m()chte ich Sie doch bitten,
sich zu konzentrieren.
Direktor Dr. A. Atterberg": Ich habe ferner gefunden, dass bei
Kiefernsamen die Anwendung wechselnder Temperaturen nicht hilft, um
höhere Keimziffern zu erzielen, sondern man muss bei Kiefernsamen
Lichtkeimung und eine höhere Temperatur als 20^^ benutzen. Ich wollte
noch verschiedenes berichten, da aber die Zeit es nicht erlaubt, ver-
zichte ich darauf.
Dr. J. V. Szyszylowicz-Lemberg: Meiner Ansicht nach müssen
wir die wissenschaftliche Ausführung von der praktischen An-
wendung unterscheiden. Das, was Herr I)r. Stehler angeführt hat,
ist die praktische Ausführung der Methode. Ich habe vor zehn Jahren
angefangen, mich mit Samenkontrolle zu beschäftigen und habe alle
Methoden versucht, hauptsächlich aber die Wiener Methode angewandt.
Dabei habe ich mich jedoch überzeugt, dass meine Poa-Analysen stets
schlechter ausfielen als die von Zürich, und ich war gezwungen, die
Lichtkeimung einzuführen, um mit Zürich konkurrieren zu können. Bei
Diskussion: Keimprüfungen. 337
der Lichtkeimung war das Ergebnis ganz gleicli mit dem von Zilricli.
Es ist sehr schwer zu beurteilen, ob das Licht es ist, welches einwirkt.
Trotzdem jedoch gute Ergebnisse erzielt worden sind, sollte man sich
doch noch weiter mit dieser Methode beschäftigen, sich ihrer annehmen
und wissenschaftlich erklären, warum unter dem Lichteinfluss die
Resultate ganz andere sind. Man muss physiologische Versuche machen
und sich überzeugen, ob wirklich die Lichtstrahlen es sind, die das
zeitigen, was die Erfahrung bis jetzt gelehrt hat. Ich aber habe mich
überzeugt, dass man bei Poa und anderen Gräsern mit Licht keimen
muss, weil sonst die Resultate unzureichend ausfallen.
Mit Herrn Kollegen Rodewald kann ich nicht übereinstimmen.
Er behandelt die Pflanzen und Samen wie einheitUche Grössen, wie
mathematische Einheiten. Meiner Überzeugung nach sind es keine
mathematischen J']inheiten; jeder Samen ist verschieden, jeder Samen eine
ganz andere Einheit. Mit dieser Einheit kann man auf mathematischem
Wege niclit operieren, und ich bin der Ansicht, dass namentlich in der
Samenkontrolle die physikalischen Eigenschafton zu sehr vernachlässigt
worden sind.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich bitte, m. H., zu entschuldigen,
wenn ich gegenüber diesen Ausführungen nicht mit derselben Gründlichkeit
meine im wesentlichen abweichende Ansicht ausführe, weil ich es als
eine mehr oder weniger klar abgeschlossene Frage betrachte, wie der
Einfluss des Lichts bei dem Keimprozess sich geltend macht. Ich spreche
nicht von den Keimversuchen und nicht von der Bekeimung, ich spreche auch
nicht von der Tatsache, die uns allen bekannt und durch die seinerzeit
veröffentlichten Versuche unseres Kollegen Stehler berechtigtes Auf-
sehen erregte, dass das diffuse und auch das direkte Sonnenlicht eine ganz
wesentliche Erhöhung der Keimfähigkeit speziell bei einzelnen kleinen
Samen hervorruft, zu denen insbesondere die meisten Spezies der Gattung-
Po« und auch einige andere gehören. Nach dieser Publikation und nach
den darauffolgenden Versuchen verschiedener Autoren wurde mit voller
Klarheit und ein wandsfrei dargelegt, dass in den meisten Fällen,
namentlich bei Poa, nicht die Temperatur — und zwar die konstante
Temperatur — den Lichteinfluss ersetzt. Durch die Versuche, welche von
Hofrat ProL Wiesner im pflanzenphysiologischen Institut in Wien gemacht
worden sind, wurde nachgewiesen, dass der Lichteinfluss bei der
Keimung als Wärmewert wirkt. Es ist schon nahezu 20 Jahre her, dass
wir uns der Methode zugewandt haben, nach der das Licht als ein in der
Natur vorhandener wirksamer Faktor nur als Temperaturf aktor auch bei
unseren Versuchen zu wirken hat. Nichtsdestoweniger haben wir eine
grosse Anzahl von Parallelversuchen gemacht, die immer noch fortgesetzt
.laliii'.-iliiüiclit <liM' Vereinigung für ;iiigew;indte Botanit IV. 22
338 Vcrhandlunfteii der l. intematidiKilm Konl'crriiz lür Saini'njtrüruiig.
werden. Nachdem der Verband deutscher Versuchsstationen und die meisten
Versuchsstationen Österreichs auch den Licliteinfluss bei der Ausführung
der Keimversuche nicht mehr verwenden, habe ich es nicht für zeit-
gemäss erachtet, eine Zusammenstellung dieses Materials eventuell dieser
Versammlung vorzuführen. Ich sehe aber, dass es doch notwendig ist,
und ich werde die Aufgabe, die mir dadurch gestellt ist, erfüllen; ich
hoffe, dass ich nachträgUch das ßeweismaterial beibringen kann.
Herr Professor Rodewald hat in seiner bekannten scharfsinnigen
Weise auch die Punktionen, aus welchen die Faktoren der Keimung
zusammengestellt sind, dargelegt. Für die Keimbedingungen sind
vor allem der atmosphärische Sauerstoff, das Wasser und bestimmte
Temperaturgrade massgebend. Alle anderen Einflüsse werden als solche,
nicht als Keimungsbedingungen angesehen.
Bei den Keimversuchen kommt eine Reihe von Variablen hinzu,
welche diese Konstanten komplizieren. Dazu gehört vor allem die Art
des Keimbettes als eine wichtige Bedingung. Es ergeben sich ge-
wisse Störungen, wenn man nicht das richtige, dem Samen zusagende
Keimbett gefunden hat, so dass der Faktor einer unwesentlichen Be-
dingung ein wesentlicher Faktor wird. Ich habe Parallelversuche nach
allen Richtungen hin gemacht. Wir haben die sog. Wagnerschen Ton-
zellen gebraucht, haben sterilisiert, sodann verschiedene Erden ver-
wendet, offenes und geschlossenes Papierkeimbett und alle möglichen
Kombinationen angewendet. Es hat sich gezeigt, dass diejenigen Ver-
suche, welche in Tonzellen gemacht wurden, die grössten Unterschiede
zugunsten des Lichteinflusses erkennen Hessen, besonders gegen-
über dem Papierkeimbett, wenn dasselbe nicht so adjustiert und gehandhabt
wird, wie wir es nach den 25-jährigen Erfahrungen für ausserordentlich
praktisch halten. Ich will hinzufügen, dass es sich um Lichtversuche
im Winter handelt; im Frühjahr und im Sommer ist es ganz anders
als im diffusen Licht im Laboratorium. Beim direkten Sonnenhcht wirken
meines Erachtens ganz andere Momente mit. Es hat sich ergeben, dass bei
Versuchen, speziell bei Poa, die Keimung im Licht bedeutend höher war
als im Dunkeln, ja, dass einzelne besonders schlecht keimfähige Samen,
die bei Anwendung verschiedener Methoden nicht zur Keimung gebracht
wurden, im Licht keimten, z. B. konnten wir im Licht bis zu 50 "/o
erreichen, was bei Poa als hohe Ziffer gerechnet werden kann. Also,
die Lichtwirkung ist auffallend! Nun aber fragt es sich, unter welchen
Umständen ist das erreicht worden? Wenn ich das Papierkeimbott so ver-
wende, wie es ursprünglich geschah, dass der Deckel des Keimbettes auf dem
angequollenen Samen vollständig aufliegt, so entsteht beim Benetzen
des Papierkeimbettes der grosse Fehler, dass der Samen zumeist vor-
Diskussion: Keiuiprül'ungen. 339
scliwemmt wird. Fernor kommt hinzu, dass im Kcinischrank, wenn er
nicht so ganz präzis gearbeitet ist, auf der einen Seite die Heizung stärker
ist als auf der anderen, die Proben, die an der stärker erhitzten Seite liegen,
wieder früher austrocknen. Es kann vorkommen, dass in dem Moment, wo
man z. B. das Befeuchten des Keimbettes vornehmen will, das eine Keimbett
derartig trocken ist, dass der Versuch als misslungen betrachtet werden muss.
Bei Keimversuchen muss die peinlichste Sauberkeit herrschen. Ich
habe mich wiederholt bei Vergleichsversuchen überzeugt, dass diese Be-
dingung sehr häufig nicht erfüllt w^urde. Ich habe gefunden — und
das ist wichtig zur Begründung der Methode, welche wir in unserer
Anstalt schon seit langem üben und die, wie sich gezeigt hat, ziemlich
vereinzelt dasteht gegenüber anderen Anstalten — , dass die Differenzen
gegenüber den Lichtkeimversuchen lediglich darauf zurückzuführen sind,
dass man verschiedene Substrate gewählt hat. In den Tonzellen, die
sich im Dunkeln bei verschiedener Temperatur befinden, tritt eine Reihe
von Störungen ein, welche in der Wasserzufuhr und in der Verun-
reinigung der Tonzellen ihren Ursprung haben. Es hat sich das gezeigt
nach siebenjährigem Versuchen derselben parallel mit den eigenen Keim-
betten, und es werden die Versuche mit den Poa-Arten immer noch fort-
geführt; es wird auch Dactylis und Fcstuca ovina verwandt und die
Lichtversuche fortgesetzt. Ich habe ein derartiges Material, dass ich
ganze Bände ausfüllen könnte. Wir bekommen jetzt durch Verwendung
eines ganz eigenartig geformten reinen, sauberen, eine Luftzirkulation
herstellenden Keimbettes, durch eine ausserordentlich peinliche Sauber-
keit und durch die Temperatur, welche in den Keimschränken neuester Kon-
struktion jetzt gleichmässiger verteilt ist, als wir es früher vermochten, gute
Resultate. Die intermittierende Erwärmung ergibt noch günstigere Resultate
als der Lichteinfluss, und zwar hauptsächlich im Winter. Im Sommer und
Frühjahr, überhaupt wenn die durchschnittUche Zimmertemperatur 18 bis
20 '^ beträgt oder über 20 ° steigt, und im Hochsommer, wenn die
Temperatur 26 " und mehr beträgt, müssen wir die Keimlokale ab-
kühlen, vielleicht durch Kühlvorrichtungen, oder man muss einen Keim-
schrank haben, in welchem die Temperatur erniedrigt werden kann.
Da zeigt sich zugunsten des Jjichts eine etwas höhere Keimzahl, weil
die intermittierende Erwärmung geringer ist; die Differenz in der Inter-
missionszeit von 10 und 14 Stunden weist oft nur eine Temperaturdifferenz
von ca. 5° auf. Trotz 20-jähriger Erfahrungen und Versuche und trotz der
Beweiskraft so vieler Tabellen besteht eine Übereinstimmung hinsichtlich der
Heranziehung gewisser Faktoren für die Keimung nicht, und es ist kein Zweifel,
dass diese Frage eine der wesentUchsten ist, insbesondere dort, wo die
Differenzen wirklich nur auf diese erwähnten Ursachen zurückzuführen sind.
22*
34Ü Vcrliaridlungon tler I. inteinationaleu Kunfcienz liir Saiiienprüfuug.
Ich möchte mir erlauben, auf die Ausiührungen des Herrn
Kollegen Atterberg zurückzukommen. Ich habe — ich glaube es war
1898 — eine kleine Abhandlung über die Beurteilung der Brau-
gerste herausgegeben und habe bei dieser Gelegenheit darauf hin-
gewiesen, dass die intermittierende Wärme bei Getreidearten, ins-
besondere bei 18 — 28*', eine schädigende Wirkung ausübt; ebenso ist es
bei Pinus. Es ist auch gar nicht behauptet worden, dass die intermittierende
Erwärmung als wesentlicher Faktor der Keimung sich nur zwischen
20 und 30 " zu bewegen hat. Es sind in unserer Anstalt Versuche mit
Rübensamen bei niedrigerer Intermission ausgeführt. Die Rübensamen
intermittieren bei 16 — 20 ", höchstens bei 18 — 20 °, während andere
Samen von 20 - auf 30 ^ gehen, Getreidearten, speziell Gerste, werden
gar nicht intermittiert. Die Gerste muss bei einer Temperatur von 12 *'
in dem Apparat angestellt werden und gibt dann sehr gute Resultate.
Auch Beobachtungen bezüglich des Alters des Samens haben wir seit
langem gemacht und richten uns auch in der Samenkontrolle danach.
In jetziger Jahreszeit ist unser Getreidelaboratorium mit lauter Gerste-
proben gefüllt. Alljährlich im Anfang Oktober findet in Wien die Gerste-
ausstellung statt, und es ist gewiss eine erfreuliche Errungenschaft, dass
die Beurteilung durch die Jury nach den Resultaten der Untersuchungen
erfolgt; auch der Samenpreis wird durch die Untersuchungen gewonnen.
Diese eine Tatsache ist hinreichend wichtig, dass wir die peinlichste
Sorgfalt auf die Ausgestaltung der Untersuchungsmethode für Gerste
verwenden. Es kommt bei der Keimungsenergie auf die unreifen
Körner an, denn der Einsendungstermin der Proben ist der 15. September
bzw. der 15. August; es ist das gebietsweise konzediert. Wir haben
es also jedenfalls mit solchen Gersten zu tun, die gleich nach der Ernte
nach entsprechender Putzung eingeschickt wurden. Infolgedessen tritt
hier die Erscheinung auf, dass wir auch schlecht keimfähige Gersten
bekommen und dass ein ungünstiges Urteil in dieser Hinsicht über die
Gerste gefällt würde, wenn die Keimfähigkeit bei der Beurteilung heran-
gezogen würde. Das Nachtrocknen machen wir auf folgende Weise:
In eigenen Schränken werden die Proben in offenen zylindrischen
Gläsern, welche mit Nummern versehen sind, aufbewahrt. Die ein-
laufenden Proben werden sortiert, und die Untersuchung wird aus-
geführt, nachdem die Nachtrocknung stattgefunden hat. Die Nach-
trocknung ist notwendig, weil der Wassergehalt der frischen Gersten
oft grosse Schwankungen aufweist. Wir wenden bei allen Getreide-
arten in der Regel keine intermittierende Erwärmung an, sondern
bei Gerste höchstens eine Temperatur von 18 bis 20 ^ C.
Ich möchte daher den Antrag stellen, dass die Frage des Lichtein-
Diskussion: Keimi)iül'ungen. 34J
flu SS es bei Keimversuchen neuerdings an den verschiedenen
Anstalten einer besonderen wissenschaftlichen Untersuchung
unterzogen werde und zwar mit Rücksicht auf jene Umstände,
welche ich angeführt habe. Bei allen Versuchen müsste das gleiche
Keimbett verwandt werden. Ich bin gerne bereit, denjenigen Herren,
die meine Methode überprüfen wollen, unser Keimbett mit der Aus-
rüstung zu schicken, denn der Keimschrank ist nicht wesentlich; wesent-
lich ist nur das Keimbett und dann die Befeuchtung. r)ie Herren,
welche die Befeuchtung in der früheren Weise gemacht haben, werden
immer solche Störungen bekommen.
Vorsitzender: Herr Hofrat v. Weinzierl hat einen Antrag über die
Frage der Einbeziehung des Lichts bei Keimversuchen eingebracht. Das
wäre eine der vielen Fragen, die wir zur Diskussion zu stellen haben.
Ich komme nochmals auf die geschäftliche Lage unserer Konferenz
zurück. Ich habe noch zwei Herren auf der Liste. Wir werden auch
noch die Herren Stehler und Hiltner am Schluss als Referenten und
Korreferenten zu hören haben. Unsere Zeit wird immer knapper. Wir
müssen auch noch den Antrag des Herrn Vanha über Braugerste hören.
Ich bitte daher die Redner, sich möglichst kurz zu fassen. Zunächst
hat Herr Professor Rodewald das Wort.
Prof. Dr. H. Rodewald-Kiel: Ich will mich kurz fassen! Ich merke
ja, dass ein gewisses Widerstreben vorhanden ist, sich auf eine exakte
Behandlung der Keimfrage einzulassen: die ist ja auch schwierig. Aber
eine Forderung möchte ich stellen, und diese Forderung stellt der
Handel. Wenn Sie die Keimmethode stereotypieren wollen, dann muss
der Handel die Bedingung stellen, dass Sie die Fehlergrenze unserer
Keimversuche angeben. Ich fürchte, die wird sehr gross werden.
Prof. J. Vafiha-Brünn: Meiner Ansicht nach sollten wir der Licht-
frage keine zu grosse Bedeutung beilegen, wie man es bis jetzt getan
hat; denn abgesehen davon, dass die Einhaltung einer gleichmässigen
Beleuchtung bei der Durchführung der Keimversuche in den Samen-
kontrollstationen nicht ganz leicht durchführbar, sondern mitunter mit
grossen Schwierigkeiten verbunden ist, hat die Lichtfrage für die land-
wirtschaftliche Praxis, für welche sie bestimmt ist, keine so grosse Be-
deutung. Bekanntlich wird der Samen im Boden untergebracht; dort
soll er keimen. Wenn die Versuche mit der Praxis nun nicht überein-
stimmen, haben sie für dieselbe nicht so grossen Wert. Deshalb glaube
ich, dass die Frage nur mit Rücksicht auf die wissenschaftliche
Forschung eine Bedeutung hat. Ich habe seiner Zeit (vor etwa 8
Jahren) auch über 300 Versuche mit der Keimung von Poa gemacht,
342 \ erhamlluiimjii dw !. iiitcniiitionak'ii Konfeienz für Sameiiprüiuiig.
um der Frage der intermittierenden iM'wärinung nälierzutreten.') Ich
habe die Versuche bei vollständigem Liehtubschi uss 20 m unter der
Erde bei 11 — 35*^ gemacht und habe über 80°/o Keimfähigkeit bei Pua
erreicht, allerdings bei entsprechender Intermittierung der Wärme.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien : Ich habe gemeint, wir sollten den
Einfluss des Lichts an den verschiedenen Versuchsstationen anwenden,
aber nicht den Einfluss des Lichtes auf den auf dem Felde ausgesäten
Samen studieren. Nachdem ich jetzt nach 25 Jahren zur Überzeugung
gekommen bin, dass diese Frage immer noch herumspukt und unsere
diesbezüglichen Erfahrungen nicht Berücksichtigung gefunden haben,
dürfte es von Interesse sein, wenn diese Frage noch einmal aufgegriffen
wird, damit nicht diejenigen Stationen, welche für den Handel vielleicht
nicht solche Bedeutung haben wie unsere Anstalt, in dieser Frage sich auf
den entgegengesetzten Standpunkt stellen. Das Bessere ist der Feind
des Guten, und es ist ja möglich, dass ich überzeugt werde, was ich
aber nicht glaube, nachdem ich so viele Jahre die Sache verfolgt
habe. Ich würde mich sehr freuen, wenn eine Übereinstimmung er-
zielt würde.
Vorsitzender: Will noch jemand in der Frage das Wort nehmen?
L>as scheint nicht der Fall zu sein. Dann darf ich Herrn Kollegen
Stehler bitten, das Wort zu nehmen, wenn er noch einige Bemerkungen
zu machen hat.
Direktor Dr. U. Stebler-Zürich: Ich habe nicht geglaubt, dass
diese Anregung bezüglich des Lichts soviel zu reden geben würde. Ich
bin auch der Meinung, wenn man das Licht entbehren kann, dass man
dann die Keimungen ohne Licht machen soll. Es hat keinen Zweck,
Gerste, Erbsen, Wicke und Bohnen im Licht zu keimen, sie keimen ja
so auch sehr gut. Ich bin mit Herrn Kollegen Rodewald einver-
standen, dass möglicherweise das Licht es an und für sich nicht sein
kann, das die Förderung der Keimung bewirkt, aber das ist schwer zu
sagen. Ich habe schon vor 20 Jahren, als ich den Einfluss des Lichtes
konstatierte, die Frage zu lösen versucht, habe komplizierte Versuche
angestellt, bin aber zu keinem Resultat gelangt. Ist es das Licht? ist
es die Wärme? ist es die desinfizierende Wirkung des Lichts? Ver-
suche sind hier gewiss am Platze, wenn man der Frage vielleicht auch
nur auf indirektem Wege beikommen kann.
Direktor Dr. L. Hiltner- München: Im Interesse des Fortschreitens
1) J. Vanha, Versuche über den Einfluss intermittierender Erwärmung
auf die Keimung von Samen. (Zeitschrift für das landw. Versuclisvvesen in
Österreich 1898, Heft 2).
Diskussion: (^hialitätsprül'ung der Braugerste. 343
und der raschen Erledigung noch ziemlich wichtiger Beratungsgegen-
stände will ich darauf verzichten, noch weiter auf die Keimfrage einzu-
gehen, nachdem ich gestern meinen Standpunkt dargelegt habe und
heute konstatieren kann, dass wir im grossen und ganzen überein-
stimmen. Nur bezijglich der Lichtkeimung möchte ich ganz in Über-
einstimmung mit dem, was Herr Dr. Stehler gesagt hat und im Gegen-
satz zu den Ausführungen des Herrn Vaiiha darauf hinweisen, dass
die Frage eine nicht ganz unerhebhcho praktische Bedeutung besitzt,
dass es sich um eine direkte Frage der Samenkontrolle handelt und
dass zwei grosse Anstalten, Wien und Zürich, hier im Gegensatz zu
einander stehen.
Da wir wissen, dass ausnahmslos alle nordischen Samenkontroll-
stationen der Lichtzuführung die grösste Bedeutung beimessen, halte ich
es unbedingt für notwendig, dass die Frage geprüft werde, und ich
schliesse mich dem Antrage des Herrn Hofrat v. Weinzierl ganz an.
Nur eins möchte ich noch erwähnen : Es ist von mehreren Seiten darauf
hingewiesen worden, dass hunderte von Versuchen ausgeführt worden
sind, ohne dass sich eine Wirkung des Lichtes gezeigt habe. Es ist
aber dabei wohl zu bedenken, dass bei derartigen Versuchen auf den
Zustand des Samens Rücksicht zu nehmen ist, dass z. B. ein voll aus-
gereifter Samen auf das Licht anders reagiert wie ein der Nachreife be-
dürftiger. Es würde jedenfalls von grösstem Interesse sein, wenn die
Sache zu einer gewissen Klärung gebracht würde.
Vorsitzender: Damit wäre die Diskussion über diesen Gegen-
stand geschlossen, und ich hätte den Antrag des Herrn Hof rat v. Wein-
zierl zur Abstimmung zu stellen, ob wir in ähnlicher Weise, wie früher
besprochen, die Einbeziehung der Frage des Lichts zur gemeinsamen
Arbeit an die Teilnehmer der Konferenz weitergeben wollen? Ich darf
annehmen, dass die Herren damit einverstanden sind. Ich brauche wohl
nicht erst abstimmen zu lassen.
Es bleibt uns nun noch übrig, Herrn Kollegen Vaüha über die
Qualitätsprüfung der Braugerste zu hören, Herr Kollege Van ha hat
die Sache in der Sitzung der Vereinigung für angewandte Botanik aus-
einandergesetzt und möchte hier die einzelnen Schlussfolgerungen zur
Diskussion stellen. Es fragt sich nur, ob die Zeit noch dazu ausreicht.
Hofrat Dr. v. Weinzierl-Wien: Ich will selbstverständlich Herrn
Kollegen Van ha nicht veranlassen, dass er in irgend einer Weise seinen
Antrag zurückzieht. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir
uns die weitere Tätigkeit in der Weise denken, für einzelne Fragen be-
stimmte Ausschüsse zu wählen und mit bestimmten Themen zu ver-
sehen. Da Avird nun auch ein Ausschuss sein, der die Frage der Keim-
344 WM-liandliino-en dei' 1. internatii)n;ilon Konferenz für Samenpriifuug.
fähigkeit prüft. Ganz ähnlich, wie Kollege v. Degen seine Propositionen
vorgetragen hat und jetzt Kollege Miltner, so würde ich glauben, dass
ein Weg zur Abkürzung der sein würde, wenn Herr Kollege Vanha die
Vorschläge angeben würde, die er durchgeführt zu sehen wünscht, denn
eine Beschlussfassung über eine bestimmte Methode steht uns in unserer
derzeitigen Konstitution nicht zu. Ich mache den Vorschlag, dass die
von Herrn Kollegen Vaiiha zu bezeichnenden, eventuell einzuleitenden
Parallel- und Vergleichsversuche dem Ausschuss für Keimprüfung zur
Bearljeitung zugewiesen werden.
Vorsitzender: Auch ich möchte mich den Ausführungen des
Herrn Hofrat v, Weinzierl anschliessen und Herrn Vanha bitten, uns
seine für die Braugerste gestellten Forderungen mitzuteilen.
Prof. J. Vafiha-Brünn : Dass die Frage einer einheitlichen
Qualitätsprüfung der Braugerste von grosser Bedeutung ist, ist
unstreitig. Nachdem das ganze Referat bereits in der botanischen
Sitzung vorgetragen worden ist, bleiben hier nur einzelne Punkte vor-
zubringen und einer Beratung zu unterziehen. Nun muss ich es den
Herron freistellen, ob es jetzt geschehen, oder ob es dem inter-
nationalen Komitee zugewiesen werden soll. Ich bin mir allerdings be-
wusst, dass manche Fragen Schwierigkeiten bereiten, um darüber gleich
ein entscheidendes Wort zu treffen. Es würde immerhin einige Zeit
beanspruchen; die hätten wir noch, aber ich hal>e nichts dagegen, dass
die Herren dazu mehr Zeit gewinnen, über einzelne Fragen speziell zu
beraten. Ich beantrage daher, das ganze Referat, welches in dem Jahres-
bericht der Vereinigung für angewandte Botanik erscheinen wird, der
internationalen Kommission für Samenprütung zur Beratung und Antrag-
stellung für die nächste internationale Konferenz zuzuweisen und das
gedruckte Referat den einzelnen Mitgliedern der Kommission zu dem
Behufe zuzusenden. Dadurch würde das Ganze für heute entfallen.
Vorsitzender: Herr Kollege Vanha ist durch die Zusammen-
drängung der Verhältnisse zur Einschränkung seines Vortrages ge-
zwungen. Wir haben tatsächlich keine Zeit, wenn die getroffenen Ver-
anstaltungen innegehalten werden sollen. Wir haben noch die geschäft-
liche Sitzung abzuhalten und müssen uns entschliessen, was aus der
Konferenz werden soll.
Wir hätten uns darüber schlüssig zu machen, ob wir in ähnlicher
\N'eise, wie wir die anderen Fragen zur allgemeinen Bearbeitung weiter-
gaben, auch die vom Herrn Kollegen Vanha angeregten Fragen be-
handeln wollen. Da kein Widerspruch erfolgt, nehme ich an, dass Sie
damit einverstanden sind.
Wir können dann den wissenschaftlichen Teil unserer Beratungen
Verhandlungen der 1. internationalen Konferenz für Samenpriifung. 345
schliessen und jetzt erledigen, was aus unserer Konferenz werden soll.
Die internationale Kommission bestand in Wien aus fünf Herren, die
unter sich die Arbeit gleichmässig verteilten, nur dass mir, weil ich am
Orte der Versammlung war. der grössere Teil der Vorbereitung zufiel.
I»ieser Pünferausschuss hat sich ergänzt durch je einen Vertreter aus
den einzelnen Staaten, so dass eigentlich ein ganz grosser Ausschuss
existierte, in dem jedes Land durch einen oder mehrere Vertreter
repräsentiert war. Ich möchte die Versammlung bitten, aus ihrer Mitte
heraus Vorschläge für die zukünftige Gestaltung zu machen.
Direktor Dr. 0. Stebler-Zürich: Ich glaube, es hegt keine Ver-
anlassung vor, die Sache anders zu gestalten, als sie bis dahin gewesen
ist; der bisherige Ausschuss hat ja die Geschäfte ausgezeichnet besorgt,
speziell hat sich Herr Professor Voigt einer ausserordentlichen Mühe-
waltung unterzogen, und ich beantrage deshalb und glaube, dass alle
damit einverstanden sind — der Beifall, den Sie zollen, ist der beste
Beweis dafür — , dass der bisherige Ausschuss in corpore bestätigt
werde. Soviel ich weiss, liegt von keiner Seite eine Ablehnung vor.
Ein Standpunkt ist es noch, den ich hervorheben will, es ist die
Frage des Ausschusses. Ich glaube, je mehr Ausschüsse wir haben,
desto komphzierter wird die Sache, und deshalb würde ich es für
richtiger halten, man beschränke sich auf einen Ausschuss.
Vorsitzender: Herr Kollege Stehler hat den Antrag gestellt,
den Ausschuss für die hiesige Versammlung auch für die nächste Zu-
kunft bestehen zu lassen, diesem Ausschuss die Bearbeitung der ein-
zelnen Prägen zu übertragen und ihn zu beauftragen, nach Erledigung
derselben eine neue Konferenz einzuberufen.
Es entspinnt sich nun über die Zukunft der Konferenz eine
längere Debatte, in der Herr Hofrat Dr. v. Vv'einzierl die Schaffung
eines Verbandes oder die Bildung einer Sektion der Vereinigung für
angewandte Botanik vorschlägt.
Zum Schluss einigt man sich dahin, entsprechend dem Stebler-
schen Vorschlage, den bisherigen Ausschuss ,f ür die Förderung
der wissenschaftlichen Grundlagen der Samenkontrolle be-
stehen zu lassen, ihm die Bearbeitung der Ergebnisse der von ihm ein-
berufenen Konferenz, sowie die Erledigung der beschlossenen Umfragen
zu übertragen und ihn zu ermächtigen, sobald genügend Material vor-
handen ist, die zweite internationale Konferenz für Samenprüfung an-
zuberaumen.
Direktor J. Widen- 0rebro: Im Anschluss an das, was vor-
geschlagen ist, möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass .so-
wohl bei Herkunftsbestimmungen, sowie auch bei anderen Gelegenheiten
Jahie.sbericht der Vereinigung für angewandte Botanik IV. 23
34() \'erliiui<lliingeii (l(;i- 1. iiil,rni;it.iun;ili'n Ivoiil'urtii/. lür S;iiiK'n[>rüi'uiig.
OS ul't voll Vorteil ist, wenn man über die Produktion von Klee- und
Grassamen besonders in den Ländern, die solclie Samen exportieren,
einen genauen Überbliclv hat. Es wäre deshalb wünschenswert, um
diese Sache bald zu erledigen, wenn in die vorhin erwähnten Frage-
bogen auch solche Fragen hineingebracht werden könnten, wie z. B. wie-
viel Klee- und Grassaat wird in dem Lande produziert, wieviel Klee-
und Grassaat hat das Land zur Aussaat nötig, und, wenn das Land als
Exportland auftritt, wieviel Saat wird exportiert? Auf diese Weise
wird man ganz schnell einen guten Überblick bekommen. In Schweden
wird z. B. viel sogenannter „nordrussischer" Klee verkauft. Jetzt haben
wir aber gehfirt, es wird in Nordrussland gar kein Klee für Export
gebaut. Eine Zusammenstellung, wie die soeben erwähnte, würde uns diese
Provenienzangabe sofort als eine irrtümliche klar machen.
Ausserdem ist das bei der Herkunftsbestimmung sehr von Nutzen,
wenn man Sammlungen von guten Provenienzmustern, besonders von
Kleesamen, Luzerne und Timothee zur Verfügung hat. Es wäre jeden-
falls sehr wünschenswert, wenn in den voraussichthchen Publikationen
des Ausschusses bekannt gemacht werden könnte, welche Herren
Kollegen sich dazu bereit erklären, in einen Austausch solcher Proben zu
treten. Ich halte es für wünschensw^ert, wenn der Ausschuss meine
Vorschläge bei der Publikation berücksichtigen wollte.
Vorsitzender: Ich glaube, die Herren sind alle damit ein-
verstanden, wenn wir die Wünsche des Herrn Widen zu Protokoll
nehmen und, soweit es in unseren Kräften liegt, auszuführen versuchen.
Sicher besteht in guten Vergleichsproben eine Hauptstütze für unsere
Forschungen.
Dr. Th. Waag'e-Berlin : ich möchte noch kurz bemerken, dass in
den nordrussischen Provinzen immerhin in recht beträchtlichen Mengen
Klee gebaut und exportiert wird. Wenn es nicht in dem Umfange
geschieht, wie es möglich ist, liegt es in der Qualität. Die Farbe dieser
nordrussischen Provenienz pflegt solche zu sein, dass sie hier keinen
Markt findet. Das ist der natürliche Grund, warum die Ware im Lande
bleibt. Zum anderen möchte ich bemerken, dass man den Export und
Import der verschiedenen Sämereien sehr sorgfältig in unserem Blatte
„Der Saatenmarkt" aufgeführt findet.
Direktor K. Dorph Peterseil-Kopenhagen : Es wäre gut, um fest-
zustellen, ob der Lichteinttuss auf die Keimfähigkeit von Bedeutung ist,
dass auf den verschiedenen Samenkontrolistationen dieselben Proben-
anaJysen gemacht würden. E)arüber sind wir wohl einig? (Zustimmung.)
Vorsitzender: Wünscht sonst noch jemand das Wort? Es ist
Verhandlungen der 1. intenialioiKikn Konferen/, l'ür Saiiienpniriing. ;)47
dies nicht der Fall. Dann möchte icii den Wunsch wiederholen, den
ich in der ersten Sitzung ausgesprochen habe, dass der Ausschuss
möglichst unterstützt werde in der Vervollständigung und Zusammen-
stellung der verschiedenen Vorschriften, die ich als Manuscript zu-
sammengestellt habe. Ich erwähne ferner noch einen Wunsch des
Herrn Brown -Washington, es möchten die Herren eine kurze Beschreibung
und Abbildungen der verwendeten Apparate dazu liefern.
Ich möchte unsere gemeinsamen Beratungen mit dem Gcdaniven
schliessen, dass die vielseitigen Erfahrungen auf dem Gebiete der Samen-
priifung und insbesondere in der Kunst der Keimversuche uns eine hin-
reichende Garantie bieten, dass das Samenkorn der internationalen An-
näherung unter den Kontrollstationen, das wir hier in Hamburg ins
Keimbett gelegt haben, sich normal oiitwickehi und zu einer kräftigen
Pflanze heranwachsen wird.
Damit schliesse ich die erste internationale Konferenz für Samen-
prüfung.
Schluss mittags 12 '/o ^-'l"'-
Verbesserungen,
Seite 293 Z. 22—24 v. o. statt: . . . wenn man die früher gebräuchlichen Siebe,
bei welchen die Löcher einfach mit einer Stanze durchgeschlagen und
die Lochnffnungen nicht gleich gross sind ... ist zu lesen: . . . wenn
man die früher gebräuchlichen Siebe, bei welchen die Löcher mit ein
und derselben Stanze durchgeschlagen und die Lochöffnungen gleich
gross waren, mit den jetzigen vergleicht.
Seite 311 Z. 5 v. o. statt: . . . beiden Samen nicht in Menge ... ist zu lesen:
. . . beiden Kleeseidearten nicht gemengt . . .
Seite 313 Z. 19 v. o. ist zu lesen: . . . Motivierung „auf das Vorkommen" von
Grobseide . . .
Seite 313 Z. 21 v. o. ist zu lesen: . . . Kleeseide „überhaupt" kommt . . .
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanih IV.
Fi.-. 1
, /ahrcshrric/it litr hrlrrter der anijewn/if/fen Botanik. II.
E.Stender odTuxz. del.
\i"wf ^'^-
' ( ^ 0 ' (
Fig. 3.
Tafll.
S.Iaz/.e,Zük. /nsi.^erün
JaJvesberüJU der l'ertreter der angmcmdtm ßotonik IV.
Fig.L
Ttiflü.
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Fig. 3.
FyS.
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E.Ia.U£,Iiih iTist.Jeriin..
Jah)-esbericJit der Vereinigung für angewandte Botanik IV.
Taf. IV.
Fig. 1
Thiele, Wirkung des Kalis
.hdircshcricht (IrrVcrriiiifliiini für (Oificiraiirlir P,ofaiii/,- TV.
Taf. V.
Fig. ?,
Fis. 4
Thiele, Wirkung des Ivalis.
Jahresbericht der VercinigmKj für auc/eiranclte Botanik IV.
Taf. VI.
Fig. 5
Fig. 6
Thiele, Wirkung des Kalis.
Jahresbericht der Vereinigunn für anyeirandie BoianiL i T.
Taf. VfL
^i- 7
Fi-. 8
Thiele, Wirkuna- des Kalis
Jahirsbci-icJit der S^errhiigiotg für aiigeirandte Bofcniik /T'.
Taf. VIII.
Fiff. 0
Fio-. 10
Thiele, Wirkung des Kalis.
Jahresbericht
Vereinigung fürjngi andte Botanik
Fünfter JalitgaM MI
Mit 5 Tafeln um^ 5 Textabbj[du^^^
BERLIN
Verlag von Gebrüder Borntraeger
SW 11 Grossbeeren Strasse 9
1908
Jahresbericht
der
Yereinigung für angewandte Botanik
Fünfter Jahrgang 1907
Mit 5 Tafeln und 5 Textabbildungen
LIBRARY
NEW YORK
BOTaNICaL
ÖAH:D6N.
BERLIN
Verlag von Gebrüder Borntraeger
SW 11 Grossbeeren Strasse 9
1908
Alle Rechte vorbehalten
Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
NEW YORK
Inhalts-Verzeichnis
Seite
1. Bericht über die 5. Hauptvei'sammlung der Vereinigung
in Dresden vom 8. — 15. September 1907, erstattet von
, Ü. Brick V— XLVIII
Darin enthalten folgende Diskussionen, Referate,
Resolutionen usw.
Diskussion zu Wie 1er, Beziehungen der Botanik zur Technik. VII — XVI
Resolution betr. Botanik an den deutschen Technischen Hoch-
schulen XVI
Diskussion zu Gilg, Pharmakognosie an den deutschen Hoch-
schulen . " XVI— XX
Resolution betr. Pharmakognosie an den deutschen Hoch-
schulen XX
Geschäftliche Sitzung: Jahresbericht, nächstjähriger Ver-
sammlungsort, Antwort der Kolonialabteilung des Aus-
wärtigen Amtes in Berlin auf die Resolution betr.
Förderung der tropischen Land- und Forstwirtschaft, Linne-
Adresse an die Universität Uppsala XX — XXIV
Diskussion zu Volkens, Botanische Zentralstelle für die
Kolonien XXV- XXVIII
Diskussion zu Bernegau, Akklimatisationsver.suche mit Süss-
kartoffelu . ^ XXVIII— XXIX
Diskussion zu Hiltner, Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse
und Probleme XXIX— XXXII
Diskussion zu Stürmer, Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und
ähnlicher Stoffe auf den Boden XXXIII — XXXIX
Diskussion zu Simon, Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien
der Leguminosen XXXIII— XXXV
Diskussion zu Heinze, Serradella- u. Lupinenbau auf schwerem
Boden XL— XLI
?^ Lindnei', P., Schimmelpilzkulturen XLI — XLII
^ Diskussion XLII— XLIII
^. Diskussion zu Ewert, Neue Beispiele für Parthenokarpie . . XLIII
Cs} „ „ Zacharias, Sterile Johannisbeeren .... XLIV-XLV
fy. „ „Johnson, Elektrische Samenprüfung XLV
CL
IV Inhalts-Verzeiclinis.
TllielP, R., Weitere Untersuchungen betreffend die Veränderung Seite
der pflanzlichen Gewebe durch Düngung XLV — XLVI
Diskussion XLVI
Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge XLVII — XLVIII
2. Mitgliederliste für 1907 XLIX-LIX
3. Vorträge und Abhandlungen
Wider, A., Die Beziehungen dei Botanik zur Technik .... 1 — 19
(iilg, E., Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin und
ihre Vertretung an den deutschen Hochschulen .... 20 — 31
Volkons, G., Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien, ihre
Zwecke und Ziele . ... 32— 4S
Mulli, F., Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. Ein
Beitrag zur Samenuntersuchung und Samenzüchtung . . 49-82
Ewert. R., Neue Beispiele für Parthenokarpie . 83 — 85
BeriH'^an, L., Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze .... 86 — 95
Bernesau. L, Akklimatisationsversuche mit Süsskartoffeln . . . 96 — 99
Beriiegail, L., Die Verwendung der Samen von Parkia africana 100 — 101
Johnson, T., Elektrische Samenprüfung (mit 4 Textfiguren) . . 102—112
Stornier, K., Über die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und
ähnlicher Stoffe auf den Boden 113 — 131
Simon, J., Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterieu der
Leguminosen und ihre Bedeutung für die Bodenimpfung 132 — 160
Heinze, B., Neuere Beobachtungen über Serradella- und Lupinen-
bau auf schwerem Boden (mit 1 Textfigur und Tafell — IV) 161 — 199
Hiltner. L., Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse und Pro-
bleme 200—222
Zacliarias, E., Sterile Johannisbeeren (mit Tafel V) 223-225
(«raebner. P., Nichtparasitäre Pflanzenkrankheiteu des Jahres
1907 22(5—233
Verbesserungen 234
Bericht über die 5. Hauptversammlung
der Vereinigung für angewandte Botanik
in Dresden vom 8.— 15. September 1907.
Wie auf der vorjährigen Versammlung in Hamburg hatte auch
für das Jahr 1907 die Vereinigung für angewandte Botanik ihre
diesmalige Hauptversammlung mit der Freien Vereinigung der syste-
matischen Botaniker und Pflanzengeographen am gleichen Orte
und zur gleichen Zeit abzuhalten verabredet. Als Versammlungsort war
anfänglich Leipzig in x\ussicht genommen, wo auch die Deutsche
Botanische Gesellschaft ihre 25. Generalversammlung im September
abzuhalten beschlossen hatte. Als Zeit war die Woche vor der 79. Ver-
sammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte, die vom 15. bis
21. September in Dresden stattfinden sollte, in Aussicht genommen. Da
sich jedoch in Leipzig wegen der zu gleicher Zeit dort abzuhaltenden
Messe Schwierigkeiten für die LIntorkunft ergaben, wurde für
die Kongresse der oben genannten drei Vereinigungen schließlich gleich-
falls Dresden als Versammlungsort gewählt und zwar für die Ver-
einigung für angewandte Botanik und die freie Vereinigung der syste-
matischen Botaniker und Pflanzengeographen die Tage vom 8. bis
11. September und für die Deutsche Botanische Gesellschaft der 12. und
13. September. Vom 13. — 15. September war eine botanische Ex-
kursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge vorgesehen,
an die sich dann die Naturforscherversammlung anschloß.
Auf Grund einer Mitte März veranstalteten Umfrage und nach
späteren Anmeldungen konnte den Mitgliedern Ende Juni ein vorläufiges
Programm und Anfang September das definitive Programm übersandt
werden.
In Dresden fanden sich zur Versammlung 49 Mitglieder ein: von
A r n i m - S c h 1 ag e n t h i n -Nassenheide, B e r n e g a u -Berlin, B r i c k -Hamburg,
Büsgen- Minden, Diels-Marburg, Dingler- Aschaffenburg, Drude-
Dresden, Engler- Dahlem, Ewert Proskau, A. Fischer-Basel, Ch.
Fischer-Frankenthal, H. Fischer-Berlin, Fünf stück -Stuttgart, Gilg-
VI Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Dahlem, Grevillius- Kempen. Gutzeit- Steglitz, Haupt- Bautzen.
Heinze-Hallo, Hiltner-München, Hinneberg-Altona, Hosseus-Bevlin,
Jakowatz-Tetschen, Johnson-Dublin, Kumm-Danzig, Lindemuth-
Berlin, Lindner- Berlin, Metz-Halle, Naumann-Dresden, Neger-
Tharandt, Nestler -Prag, Nilsson-SvalötRetzlaff -Hamburg, Schander -
Bromberg, Schwede-Dresden, Simon -Dresden, Solereder-Erlangen,
Sonder- Oldesloe, Steglich -Dresden, Störmer-Halle, Thiele-Staßfurt,
Thoms-Dahlem, Thost-Berlin, Voigt- Hamburg, Volkons-Dahlem,
Warburg-Berün, Wieler- Aachen, Wittmack-Berlin, Zacharias-Ham-
burg, Zörnig-München und mehrere Damen.
Außerdem nahmen an einigen Sitzungen als Gäste teil: stud. rer.
nat. J. Jan ke- Dresden, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. L. Kny-Berlin,
Oberförster Dr. Koorders-Java, Medizinalrat Kunz-Krause-Dresden,
Dr. E. Lehmann-Dresden, Prof. Dr. P. Pax-Breslau, Dr. 0. Pazschke-
Dresden, r)r. H. Poß-München, Dr. B. Schorler-Dresden und
E. Ule- Berlin.
Als nachträgliche Gabe für die Teilnehmer an den in Ham-
burg veranstalteten Ausflügen nach dem Freihafen und in die Vierlande
lagen aus:
C. Brick, Die Fruchtschuppen des Hamburger Freihafens und die
Station für Pflanzenschutz in Hamburg. (9 S. Aus dem Führer für
den II. Lehrgang des Deutschen Pomologenvereins für Obstbau-Beamte und
-Praktiker in Lübeck vom 29. JuU bis 1. August 1907.)
C. Brick u. a., Gemüse- und Obstbau im Hamburgischen Land-
gebiet. 21 S. Hamburg 19ü7.
Ferner waren zur Verteilung übersandt:
J. Buchwald, L)ie Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung,
Berlin N. Seestraße (Der Müller XXIX, No. 30, 30. VII. 1907. Mit
8 Abbildungen) und
P. Lindner, Endomyces fibuUger n. sp., ein neuer Gärungspilz
und Erzeuger der sog. Kreidekrankheit des Brotes. (Wochenschr. f.
Brauerei, XXIV, No. 36, 7. IX. 1907. Mit 88 Textabbild, u. 2 Tat.)
Ein gemeinsames Mittagessen vereinigte an den drei Sitzungstagen
die Mitglieder der Vereinigungen für angewandte und systematische
Botanik im Hotel Bristol (Bismarckplatz).
Eröffnung. Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. VII
Sonntag, den 8. September
iand sich abends eine zahlreiche Versammlung von Vertretern der an-
gewandten und systematischen Botanik in dem herrlich geschmücliten
Festsaal des Königlichen Belvedere auf der Brühischen Terrasse zur Be-
grüßung ein.
Montag, den 9. September,
9 Uhr vorm, Sitzung in der Technischen Hochsch ule (Hörsaal 41).
Prof. Dr. E. Zacharias eröffnet als Vorsitzender die diesjährige
Versammlung in Dresden.
Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude -Dresden begrüßt mit herzlichen
Worten die erschienenen Mitglieder in Dresden, erwähnt die Hamburger
Versammlung und schlägt vor, an den Präses der Hamburgischen Unter-
richtsverwaltung, Senator Dr. v. Melle, das folgende Telegramm zu
senden :
„Die hier in Dresden versammelten Vereinigungen für
angewandte und systematische Botanik haben die vorjährige
Versammlung in Hamburg in freudiger und dankbarer Er-
innerung und bringen dies Ihnen hierdurch zum Ausdruck."
, Auf diese Depesche ist sodann die nachfolgende Antwort aus Ham-
burg eingelaufen:
„Verbindlichen Dank für den freundlichen telegraphischen
Gruli Ich wünsche den Vereinigungen auch für ihre dortigen
Versammlungen besten Erfolg. von Melle."
Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. A. WielerAachen über
Die Beziehungen der Botanik zur Technik (s. S. 1 — 19).
In der sich an den Vortrag') anschlielienden längeren Diskussion
ergreift zunächst das Wort
Geh. Hofrat Professor Dr. 0. Drude-Dresden; Der verehrte Herr
Kollege hat mit großer Kraft und Energie die Botanik an den Tech-
nischen Hochschulen wachgerüttelt, und seine Ausführungen sind be-
sonders an die Examinationskommission gerichtet, so daß ich großen
Eindruck erwarte, wenn der Vortrag an die geeigneten Stellen gesandt
wird. Wenn ich das Wort ergreife, so geschieht es, um einige Er-
klärungen und Ergänzungen zu geben. Große Unterschiede sind in der
*) Auf S. 14 Zeile 1 u. auf S. 17 Z. (i v. o. ninü es heißen Fabrikingenieur
anstatt Betriebsingenieur.
V'lll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Gestaltung der Botanik an den einzelnen Technischen Hochschulen vor-
handen. Auffallend sind die geringen Rechte, weiche die Botanik ihren
Dozenten, die oft auch geringe Institutsmittel zu haben scheinen, an den
Technischen Hochschulen Preußens verleiht. Die süddeutschen Hoch-
schulen Karlsruhe, Stuttgart und München verhalten sich ganz anders,
ebenso Dresden. Aus dem Prüfungsregulativ allerdings kann man nicht
immer alles beurteilen, wie es an der Hochschule hergeht; denn der
Rang der hier vertretenen Wissenschaften ist verschieden und manche
sind erst aus praktischem Bedürfnis später zugezogen, wie die Botanik.
Der Mensch hat erst Holz benutzt, ehe er die Wissenschaft vom Holz,
kannte. Wir stehen nun hier in Dresden auf dem Standpunkte, die
Studenten nicht mit einer zu großen Zahl von Zwangsfächern zu be-
lasten. Wenn daher in der Prüfungsordnung steht, daß ein Chemiker
wählen soll zwischen Botanik oder Mineralogie, so soll damit ausgedrückt
werden, daß er nur in einer dieser Disziplinen geprült werden soll,
nachdem er wahrscheinlich beide kennen gelernt hat. Die Ausbildung
in beiden Fächern wird aber schon durch diese Form des Regulativs
empfohlen. Wir wollen die Lernfreiheit.
Ebenso kann man nicht alles aus den Titeln der Vorlesungen er-
kennen, was getrieben wird. Unter dem Kollegtitel kann sich Ver-
schiedenes verstecken. Wenn z. B. für die ('hemiker hei uns Physio-
logie im Examen gefordert wird, so ist das ein weiter Begriff. In
Dresden ist die Haupteinteilung so: Technische Mikroskopie und bota-
nische Rohstofflehre als winterliches Kolleg, allgemeine Pflanzenphysiologie
als sommerliches Kolleg mit allgemeiner Entwickelungslehre der Pflanzen
abwechselnd. Die Reihenfolge aber und die Auswahl ist jedem ganz
freigelassen.
Hinsichtlich der geringeren Bedürfnisse in andern Abteilungen, z. B.
hinsichtlich der Baumaterialienlehre, da ist allerdings ein wirklicher
Mangel. Der Mineraloge steht aber der Frage ebenso ratlos gegenüber.
Es müssen hier Ergänzungen stattfinden durch kleine Kurse, wie sie
an keiner Hochschule meines Wissens bisher existieren, für die Hoch-
bauabteilung z. B. hinsichtlich Bau des Holzes und iMnwirkung des Haus-
schwammes. Es müssen einige Zeiten, in die sich mehrere Dozenten,
Botaniker, Chemiker, Geologen und Mineralogen teilen, frei gehalten
werdenzur Ergänzung in solcher Ausbildung. Die Techniker verfolgen in
ihren Vorlesungen über Rohstoffe ja ganz etwas anderes, z. B. Elasti-
zität, Widerstand usw., wie der sie ergänzende Botaniker. Es werden
aber immer nur abgeschlossene größere Kollegien angekündigt, z. T.
für die Prüfungen, z. T. daneben honorarfreie einstündige Vorlesungen,
und selbst diese kosten noch vielen Studenten zu viel Zeit. Es scheint
Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. IX
daher notwendig, das für sie Wissenswerte in gedrängteren Kursen
zu bringen.
Die Diskussion über solche Vorschläge wird vielleicht durch die
Veröffentlichung von Wielers Vortrag erreicht werden. Die Botaniker
der einzelnen Technischen Hochschulen müßten dann vielleicht zusammen-
kommen und dabei könnten interne Sachen zur Sprache kommen, für
welche die heutige Versammlung nicht geeignet ist.
Professor Dr. M. Füiifstück- Stuttgart; Die Ausführungen vom
Kollegen Wieler werden sicher großes Interesse finden. Der Unterricht
in der Baumaterialienkunde ist zweifellos sehr reformbedürftig, aber
die Sache macht große Schwierigkeiten. Bei der jetzigen Organisation
des techn. Studiums ist es unmöglich, noch weitere Ausbildungsgegen-
stände hinzuzufügen. Die Studierenden des Baufachs haben 36 Stunden,
sogar zumeist über 40 Stunden Kolleg und Übungen wöchentlich. Die
Maschinenbauer haben schon jetzt die größten Schwierigkeiten, in der
vorgesehenen Zelt den Stoff zu bewältigen. Sie leisten Widerstand, die
Studienzeit zu verlängern, weil sie der Meinung sind, die Industrie
werde sich zur Wehr setzen. Man möchte gerne Abhilfe schaffen,
aber man weiß nicht, wie man es machen soll. In der BaumaterJalienkunde
könnte man sogenannte vikariierende Vorlesungen einführen. Wir denken
uns das in Stuttgart so, daß der Veitreter der Baumaterialienkunde
z. B. dem Botaniker den Vortrag überläßt, sobald die Behandlung des
Stoffes in das Bereich des Botanikers gehört. Ein Versuch in dieser
Richtung ist bei uns zunächst vom Zoologen und Bildhiiuer mit p]rfolg
gemacht worden. Der Zoologo erscheint von Zeit zu Zeit nach Verein-
barung mit seinem Kollegen auf der Bildfläche und behandelt in wenigen
Vorlesungen das für den Bildhauer Erforderliche in anatomischer Be-
ziehung. Ich glaube, daß vielleicht schon in nächster Zeit diese
Methode auch auf die Baumaterialienkunde Anw'endung finden wird.
Es wird indes nicht zu verkennen sein, daß auch dieser Ausweg nicht
immer leicht gangbar sein wird. Jedenfalls sind gute koUegialische
Beziehungen zwar nicht gerade unerläßlich, aber überaus wünschenswert.
Übrigens sind nicht immer die Vertreter der Naturwissenschaften den
Vertretern der technischen Fächer entgegengekommen. So ist mir be-
kannt, daß der Mineraloge einer Technischen Hochschule erklärte, „eine
Mineralogie für Maurer" lese er nicht, als die Architekten mit dem
Wunsche an ihn herantraten, eine mineralogische Vorlesung unter spezieller
Berücksichtigung der Bedürfnisse der Architekten zu halten.
Die Organisation der Technischen Hochschulen und auch die
Diplomprüfungen sollen nach dem Herrn Referenten so außerordentlich
verschieden sein. Das ist nicht der Fall. E)ie noch vorhandenen Ver-
X Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
schiedenheiten sind gering, sie sollten jedoch auch noch beseitigt werden.
Auf einer Rektorenkonferenz in Hannover im Jahre 1906 hat sich heraus-
gestellt, dali sich eine reguläre l']xamenstechnik herausgebildet hatte.
(Heiterkeit.) Die Studenten gingen von einer Hochschule zur andern
und konnten sich dadurch um Prüfungen in einzelnen Fächern herum-
drücken. Dem ist jetzt vorgebeugt. Das Streben geht überhaupt dahin,
in bezug auf die technischen Fächer in der Organisation des Studiums
und der Prüfungen möglichste Konformität zu erzielen. Stuttgart und
Dresden gehen parallel und unterscheiden sich in bezug auf die Ver-
fassung sehr wenig. Für Stuttgart kommt noch hinzu, dal) dort die
technische Hochschule bis zu einem gewissen Grade die 2. Laiules-
universität zu ersetzen hat.
Was die Blütenlese Wielers aus den Werken der Baumaterialien«
künde betrifi't, so ist Wieler etwas einseitig verfahren, er hat nur
minderwertige Werke aufgeführt, es gibt doch aber auch recht gute.
Was nun die Behandlung der Botanik an den Technischen Hoch-
schulen anbelangt, so kann ich unsere Einrichtungen in Stuttgart aufs
wärmste empfehlen, sie haben sich durchaus bewährt. Lehramts-
kandidaten, Chemiker und Pharmazeuten werden in bezug auf die
botanischen Voi-lesungen in den beiden ersten Semestern gleich behandelt,
sie li()ren während zwei Semester ein vierstündiges Kolleg über die
Grundzüge der allgemeinen und speziollen Botanik und absolvieren ein
mikroskopisches Praktikum (zweistündig und zweisemestrig). Für die
Chemiker schließt sich daran ein Praktikum für technische Mikroskopie
an, dreistündig in einem Semester. In der Diplomprüfung werden die
Chemiker in Botanik mündlich geprüft, in der Hauptprüfung haben sie
mikroskopische Aufgaben zu lösen, von denen auf Cirund der Übungs-
protokolle dispensiert werden kann. — Dringend warne ich davor, sich
nur auf ganz spezielle, nur auf bestimmte Sonderzwecke abzielende
Vorlesungen einzulassen. Wir haben uns mit Erfolg dagegen gewehrt;
bei solchen Bestrebungen kommt nichts heraus. Solche Vorlesungen
schaden mehr als sie nutzen. Technische Mykologie z. B. kann doch
nur derjenige mit J">folg betreiben, der überhaupt etwas von Mykologie
versteht. Wenn eine solche Vorlesung für den Techniker von Nutzen
sein soll, so muli sie sich auf erheblich bi'eiterer Basis aufbauen, als
man sich dies in gewissen Kreisen vorstellt. Icli habe Kenntnis von
einem von technischer Seite entworfenen Programm lür eine solche
^technische Vorlesung" erhalten, dessen Durchführung schlechterdings
unmöglich gewesen wäre. Solche unerfüllbaren Forderungen sind auf
die Unkenntnis zurückzuführen — hierin stimme ich dem Herrn
Referenten vollkommen zu — , welche in den weitesten Kreisen über den
Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XI
heutigen Charakter unserer Wissenschaft besteht. — Darüber, dali an den
Teclinischen Hochschulen botanische Vorlesungen unter besonderer Berück-
sichtigung der Bedürfnisse der Technik von groHem Wert sind, dürften
wohl alle Sachkenner einig sein. Aber zurzeit ist es fast unmöglich,
solche Vorlesungen den Studienplänen einzugliedern. Die technischen
Abteilungen müJiten Konzessionen machen, d. h. sie müliten sich dazu
verstehen, die Studienzeit zu erweitern. Wenn die Hochschulen erst
weiter ausgebaut sein werden, wird auch die Studienzeit erweitert
werden. Die einsichtsvollen Techniker geben die schon jetzt vorhandene
Notwendigkeit der Verlängerung der Studienzeit zu.
AVielev: Herr Geheimrat Drude meint, meine Ausführungen
richteten sich besonders an die Examenskommissionen. Soweit wollte
ich gar nicht einmal gehen ; ich erachte es zunächst nur für notwendig,
den Studierenden die Dinge in Vorlesungen und Übungen zu bieten,
welche ich als technische Botanik bezeichnet habe. Es herrscht eine
weitgehende Abneigung gegen die Botanik, welche zum großen Teil aus
einer Unkenntnis des wahren \\'ertes unserer Wissenschaft herrührt.
Und diese Unkenntnis ist nicht nur im groüen Publikum und bei den
Studierenden vorhanden, sondern auch die Behörden sind nicht immer frei
davon. Als Beleg für diese Behauptung führe ich die Prüfungsordnung
für Nahrungsmittelchemiker an. Sie begnügt sich mit der Teilnahme
des Kandidaten an den mikroskopischen Übungen während eines Se-
mesters. Nun wird mir jeder von Ihnen beipflichten, dal) diese Aus-
bildungszeit viel zu kurz ist. um den Anforderungen der Hauptprüfung
genügen zu können. Zum Glück trägt die Prüfungsordnung die Korrektur
in sich selbst, so daO diese Vorschrift nicht weiter schaden kann, sie
zeigt aber, wie gering man sich die Schwierigkeit unserer Wissenschaft
vorstellt: leider ist diese Ansicht weit verbreitet.
Was die Baumaterialicnkunde anbetrifft, so schwebt mir, wie ich
das ja auch in meinem Vortrag angedeutet habe, nicht eine Ver-
mehrung der Fächer vor, sondern nur eine zweckmäßigere Organisation
des Unterrichtes; denn es ist unpraktisch — und für den Studierenden
nutzlos — , wenn jemand der Vollständigkeit wegen über Dinge vor-
tragen muß, die er nicht versteht, vvo die Möglichkeit besteht, diesen
Teil durch eine geeignetere Kraft lesen zu lassen. Es würde das meines
Erachtens eher eine Entlastung als eine Mehrbelastung der Studierenden
sein. Eine Beteiligung der Botaniker an dem Unterricht in der Bau-
materialienkunde könnte aber vielleicht auch den Anstoli geben, daß
diese sich mit den Pilzkrankheiten des Holzes mehr als bisher be-
schäftigen. Bei einschlägigen Gutachten tritt nicht nur die ungenügende
botanische Bildung der begutachtenden Bauleute, sondern auch der Mangel
XII Bericht über die "). Hauptversammlung- der Vereinigung-.
einer ausreichenden wissenschaftlichen Durcharbeitung dieses Gebietes
hervor. Eine derartige Durcharbeitung kann nur von Botanikern ausgeführt
■vs'erden, und wenn die Botaniker an den Technischen Hochscliulen es
bisher unterlassen haben, sich mit solchen Untersuchungen zu befassen,
so dürfte die mangelnde Anregung daran schuld sein.
Auch in meinem Vorschlag einer zweckmäßigen Gestaltung des
Unterrichts in der technischen Mykologie kann ich keine wesentliche
Mehrbelastung der Studierenden erblicken. Vielfach wird das Verlangte
bereits gelesen, aber zerstreut und stückweise. Eine Zusammenfassung
des ganzen Gebietes würde für den Studierenden nicht nur eine Ver-
tiefung, sondern auch eine Erleichterung bedeuten.
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. L. Wittniack- Berlin: Ich kann nur
das unterschreiben, daß es mit den Gutachten, die über Hausschwamm
ausgestellt werden, oft traurig bestellt ist. Es wäre daher wünschens-
wert, daß auf den Technischen Hoclischulen neben dem Bau des Holzes
auch seine Pilze behandelt werden. Es freut mich zu hören, daß auf
den süddeutschen Hochschulen mehr in der Beziehung geschieht. Ich
habe oft das Gefühl gehabt, daß die technischen Dozenten das Ver-
langen haben, daß ihnen die rein botanischen Sachen abgenommen
würden.
Auch die Wasserpflanzen, welche die Wasserläufe verunkrauten,
ja oft die Wasserläufe hoch anstauen, wie das z. B. vor einigen Jahren
in der Brahe der Fall war, verdienen Berücksichtigung, namentlich w^enn
auch Wasserbautechniker an der botanischen Vorlesung teilnehmen.
Dabei ist selbstverständlich mehr die biologische Seite als die syste-
matische zu betonen.
Der Botaniker muß sich aber auch mit den technischen Eigen-
schaften der Hölzer vertraut machen, damit er weiß, worauf es bei
der Verwendung ankommt. Er könnte ferner das Ornament mit-
behandeln. Der Geh. Reg.-Rat Prof. Jakobsthal in Berlin war Bau-
meister und Botaniker zugleich; er bearbeitete z. B. die Araceen im
Ornament, er zeigte ferner, daß das sog. Granatapfelmuster vom Saflor
entnommen ist, usw.
Der Techniker, der später eine Spinnerei oder Färberei leiten will.
hat das größte Interesse, die Faser.stoffe in ihrem Bau kennen zu lernen:
darum müssen auch diese behandelt werden
^Notwendig erscheint mir, daß an den preußischen Hochschulen
Ordinariate für Botanik eingerichtet werden, damit nicht von den
Studierenden die Botanik als etwas Minderwertiges angesehen wird.
Füiifstück: Nach dem bisherigen Verlauf der Diskussion scheint es
mir dringend zu sein, daß an den preußischen Technischen Hochschulen
Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XIII
Ordinariate für Botanik errichtet werden, wie sie ja längst an den süd-
deutschen l^ochschulen bestehen. Dadurch werden viele Schmerzen
ganz von selbst verschwinden. Aber außer den Gehältern kommen
Räume, Gärten, also grolle Mittel in Frage, und davor schreckt man
zurück. Wenn die Sache nicht so kostspielig wäre, würde sie längst
eingerichtet sein. Die. preußischen Hochschulen werden wohl schließlich
folgen müssen: meines Wissens sind diesbezügliche Bestrebungen für
E'anzig im Gange. Man denkt daran, dort Lehramtskandidaten auszu-
bilden. Das wird eine ganz analoge Ausgestaltung der Hochschule zur
Voraussetzung haben, wie sie bei uns in Stuttgart schon lange vor-
handen ist.
Die Sache hat aber auch eine Schattenseite, auf die ich glaube
aufmerksam machen zu sollen. Eine derartige Erweiterung der Tech-
nischen Hochschule belastet den Vertreter der Botanik sehr stark, sehr
viel stärker mit Unterrichtsverpflichtungen als den Botaniker dei- Uni-
versität. Ich habe beispielsweise durchschnittlich täglich 4 Stunden
Dienst, dazu zwei Institute zu verwalten und nur einen Assistenten zur
Verfügung. Daß man unter solchen Umständen alle Arbeitskraft ein-
setzen muß, um sich auf dem Laufenden zu erhalten, daß man sich an
der Forscherarbeit nur noch in bescheidener Weise beteiligen kann, wird
•begreiflich erscheinen. Aber auch diese Schattenseite wird nach meiner
Überzeugung mit dem weiteren Ausbau der Technischen Hochschulen ver-
schwinden, darum muß sie zunächst in Kauf genommen werden.
l)r. H. Haiipt-Bautzen: Auch in der Praxis selbst macht sich die
Lücke fühlbar, welche durch die mangelhafte Ausbildung der technischen
Beamten, Chemiker, Wasserbautechniker u. a., in der Botanik veranlaßt
wird. Von den Verwaltungsbehörden wird das Fehlen genügender Vor-
bildung auf dem Gebiete der Biologie, der Holzkonservierung usw. bei
den obigen Beamtengruppen empfunden. Für viele Aufgaben der foren-
sischen Praxis fehlt es häufig an geschulten Mikroskopikern, während
an chemischen Sachverständigen zumeist kein Mangel ist. Es dürfte
daher auch von diesen Seiten der Bewegung Verständnis entgegengebracht
werden.
Wieler: Es scheint mir wenig dem Geiste akademischer Lehr-
tätigkeit zu entsprechen, wenn der Dozent so mit Vorlesungen und
Übungen überladen ist, daß er nicht mehr zur wissenschaftlichen
Forschung kommt. Lehrtätigkeit und Forschung bedingen sich doch
gegenseitig.
Dem Kollegen Fünf stück ist zuzugeben, daß die Stellung der
Botanik auf den Technischen Hochschulen Preußens besser wäre, wenn
die Dozentenstellen — übrigens hat Hannover, was wohl den meisten
XIV Bericht über die ."). liau[)tver.samuilung der Verciniguno-.
Botanikoni unbekannt sein wird, ein Ordinariat — in Ordinariate ver-
wandelt würden, aber das ist es allein nicht. Auch glaube ich,
dafi er die bestehenden Einrichtungen unterschätzt. Es läßt sich auch
mit ihnen schon vieles leisten, und man kann nur bedauern, daß sie
nicht mehr ausgenutzt werden und den Hochschulen nicht mehr
zugute kommen, Das Schwergewicht der Botanik an den Technischen
Hochschulen im engeren Sinne liegt in der technischen Botanik,
für welche die theoretische Botanik die Grundlage bildet. Mein
Vortrag sollte deshalb auch ein Appell sein an die Fachgenossen, der
technischen Botanik an allen Technischen Hochschulen zu ihrem Rechte
zu verhelfen, denn der Zustand, wie er mir vorschwebt, ist bisher noch
auf keiner Hochschule Deutschlands erreicht, wenn auch zuzugeben ist,
daß der eine oder andere Zweig hier und da eine entsprechende Berück-
sichtigung findet.
Drude: Es könnte aus alledem, was soeben in langer Diskussion
gesagt ist, fast für die Xichtkenner der Technischen Hochschulen der
Eindruck sich ergeben haben, als ob dieselben z. Z. noch von sehr ge-
ringer Entwickelung wären. Das wäre aber ein ganz falscher Eindruck.
So, wie es mit der Botanik an den preußischen Hochschulen beschaffen
ist, ist es glücklicherweise an den anderen, hinsichtlich der Naturwissen-
schaften kräftiger entwickelten Hochschulen nicht. An vielen Orten hat
schon jetzt die Botanik die gleiche würdige Stellung wie an einer
kleineren Universität. So auch besonders hier: Wir Naturforscher sind
hier in Dresden freie Professoren; wir können lesen, was wir wollen,
z. B. auch ein 10 stündiges Kolleg über Hausschwamm — aber es
kommt dann niemand.
Die Stundenpläne der Abteilung gehen allerdings zur Genehmigung
an die Behörde und müssen wegen der obligatorischen Fächer an-
genommen werden. Der Botaniker muß also für seine Vorlesungen die
Anerkennung der Abteilung gewinnen hinsichtlich des als notwendig
anzusehenden Maßes, auch hinsichtlich der Prüfungen. Daß die Botanik
aber an den preußischen Hochschulen diese Rolle noch nicht spielt, ist
beklagenswert, und es muß hierfür eine Besserung erstrebt werden.
Füilfstück: Vor einigen Jahren machten einflußreiche Vertreter
der technischen Fächer den Versuch, die süddeutschen Technischen
Hochschulen zu reformieren. Ich gewaini den Eindruck, als ginge man
darauf aus, die Technischen Hochschulen zu reinen technischen Unter-
richtsanstalten zu machen. Von den sog. Hilfswissenschaften sollte
gerade nur das zugelassen werden, was direkt für das technische Fach
gebraucht wird. Es sollte vermutlich Botanik, Geologie, i^hysik usw. nur
noch als „technische Botanik", „technische Geologie", „technische
Diskussion: Die Beziehungen der Botanik zur Technik. XV
Physik" usw. gelehrt werden. Der Unterricht in den Hilfswissenschaften
würde so zur reinsten Abrichtung ausgeartet sein. Die mit dem Geiste
der Verfassung unserer Hochschule im Widerspruch stehenden Be-
strebungen hatten glücklicherweise bei unserer Unterrichtsverwaltung
keinen Erfolg; augenblicklich ruhen sie anscheinend ganz. Wir dürfen
jedoch nicht der technischen Botanik für die Technischen Hochschulen
das Wort reden, ohne nachdrücklich gleichzeitig als Grundlage
für dieselbe die theoretische Botanik zu fordern, sonst arbeiten
wir denjenigen in die Hände, welche die Technischen Hochschulen
„reinigen" wollen. Wenn an den Technischen Hochschulen nur „tech-
nische" Botanik vertreten sein soll, so würde man dafür wahrscheinlich
einen einfachen Lehrauftrag für ausreichend erachten, die jetzt be-
stehenden Lehrstühle eingehen lassen und die dadurch frei werdenden
Mittel vielleicht für noch bessere Ausstattung der technischen Fächer
verwenden.
Prof. Dr. A. Yoi^'t- Hamburg: Trotz der rosigen Verhältnisse im
Sachsenlande und in Württemberg scheint nach den Ausführungen
von Professor Wieler doch das Bedürfnis nach einem Ausbau der tech-
nischen Botanik an unseren Hochschulen im allgemeinen vorhanden zu
sein. Es muß gerüttelt werden, sowohl unter den Fachgenossen als
auch besonders oben bei den maßgebenden Behörden. Redner schlägt
die Annahme einer dahingehenden Resolution vor.
Professor Dr. E. (iiilg'-r>ahlem: Ich möchte bitten, in der Resolution
auch die Handelshochschulen zu berücksichtigen. Die Berliner Handels-
hochschule genießt überall eine berechtigte Anerkennung. Trotzdem ist
an ihr kein Botaniker tätig; die Lehre von den pflanzlichen Rohstoffen,
die doch für den Kaufmann von allergrößter Wichtigkeit ist, wird von
einem Chemiker doziert, der unmöglich den rein botanischen Teil der
Frage, wie Morphologie, Anatomie, Pflanzengeographie vollständig be-
herrschen kann.
Vorsitzender Professor Dr. E. Zacharias- Hamburg: Es ist nicht
möglich, die Resolution in allen Punkten hier zu redigieren. Ich bitte, dem
Vorstande die Redaktion zu überlassen unter Hinzuziehung der Herren,
die sich an der Diskussion beteiligt haben.
Drude: Die Sache betrifft nur diejenigen Technischen Hochschulen,
an denen dem Botaniker die nötigen Rechte noch nicht verliehen sind,
also die Anstalten, an denen die ganze Sache rückständig ist. In Sachsen
ist alles in schönster Ordnung und Harmonie, soweit es sich um jetzt
vorliegende Bedürfnisse handelt — ich muß das ausdrücklich hier, am
Orte der Versammlung selbst, erklären.
X\'I IJericlit über die 5. Hauptvorsammliing der Vereiüio'ung.
^^'i('let•: Die Handelshochschulen sollten lieber fortbleiben, da in
dem Vortrage von diesen keine Rede gewesen ist. Die Verhältnisse
liegen nicht auf allen Handelshochschulen gleich. Auch kommt für
sie nicht die technische Botanik in Betracht, sondern die Warenkunde.
Zach.ii'ias: Von dem Bedenken könnte man absehen.
Kiiiif'stiick: Ich stimme Drude bei. Ich bitte der Resolution zu-
zustimmen und dem Vorstande die Redaktion zu überlassen.
Die Anwesenden sind damit einverstanden.
Die Resolution lautet:
Die Versammlung hält eine größere Förderung der
technischen Botanik unter Anerkennung ihrer prak-
tischen Bedeutung für notwendig, damit diese Disziplin
wissenschaftlich weiter ausgebaut werde und um so
reichere Früchte für die Praxis tragen könne. Die
Mittel dozu erblickt die Versammlung in einer stärkereu
Betonung des Unterrichts in der technischen Botanik
an den Technischen Hochschulen und in Maßnahmen,
die den an ihnen wirkenden Botanikern die für die
Pflege ihres Lehrfaches erforderliche Maße gewähr-
leisten würden. Ferner ist die Versammlung der Über-
zeugung, daß der warenkundliche Unterricht an den
Handelshochschulen nur von einem Botaniker in sach-
kundiger Weise erteilt werden kann.
l'm 11 Uhr 20 Min. erhielt das Wort Professor l>r. E. (jil^-
r>ahleni-Berlin zu einem Vortrage:
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin
und ihre Vertretung an den deutschen Hochschule n
(s. S. 20—31).
An den Vortrag schloß sich eine längere Diskussion.
Dr. Zörili^-München: Ich kann mich den Ausführungen des Vor-
tragenden ganz anschließen. Vor allen E)ingen müssen wir auf die
praktische Ausbildung Wert legen, weil diese an erster Stelle dem
Apotheker in seiner späteren Tätigkeit von Nutzen ist. Es ist zu be-
dauern, daß nicht mehr Vertreter der Pharmakognosie diesem Vortrage
beigewohnt haben; eine Aussprache über das zurzeit sehr aktuelle Thema
der Erteilung des pharmakognostischen Unterrichtes an den Hochschulen
wäre wohl sehr angebracht gewesen.
Professor Dr. M. Füiifstück- Stuttgart: Ich stehe auch ganz auf
dem Boden des Kollegen Gilg, pharmazeutische Chemie und Pharma-
kognosie nicht in eine Hand zu legen. Es sind dies zwei 1 »isziplinen,
Diskussion: Die Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen. XVII
deren jede einen ganzen Mann verlangt. Die pliarmazeutischen
Chemiker, die als Dozenten in Betracht kämen, sind schon jetzt in ge-
ringer Anzahl vorhanden. Ich halte es für ausgeschlossen, daß man
auch nur annähernd imstande wäre, unter den Vertretern des akade-
mischen Lehrberufes so viel berufene Lehrkräfte aufzutreiben wie er-
forderlich wären, wenn Pharmakognosie und pharmazeutische Chemie
in eine Hand gelegt würden. Der Vortragende hat gesagt, dali Ver-
treter aus dem praktischen Apothekerberiif mehr als bisher als Dozenten
herangezogen werden sollten. Es ist dies gewiß wünschenswert, aber
Vorsicht dabei geboten. In Stuttgart ist der A^ersuch gemacht worden,
aber er scheiterte. Der betreffende Dozent ging viel zu weit, er verlor
fiich zu sehr in Details in dem an sich löbUchen Bestreben, seinen
Hörern nn'iglichst viel zu bieten. Die Eigenart des Apothekerberufs ist
nach meiner Überzeugung sicher von Einfluß auf den Charakter der
Lehrtätigkeit, wenigstens im allgemeinen.
Die pharmakognostischen Übungen sind von mir in Stuttgart schon
längst eingeführt worden, ehe sie verlangt wurden. Zwei Stunden
Pharmakognosie wöchentlich sind zu wenig, eine Stunde in der Woche
ist vollkommen verfehlt. Die mikroskopischen Übungen in Botanik und
Pharmakognosie sollten tmbedingt in einer Hand liegen.
Professor Dr. H. Tlioms-E)ahlem-ßerlin: Zur Ehrenrettung der
praktischen Apotheker möchte ich bemerken, daß die Sachen nicht so
schlimm liegen, wie der Vorredner sie erwähnt hat. J^^s gibt L)ozenten
atis dem praktischen Apothekerberufe, welclie die Pharmakognosie
lehrend ausgezeichnet vertreten. Das gleiche gilt auch von der
wissenschaftlichen Vertretung der pharmazeutischen Chemie durch
Apotheker oder aus dem Apothekerstand hervorgegangene Lehrer. Als
früherer Apotheker glaube ich mit den Bedürfnissen des Faches besser
vertraut zu sein als ein Chemiker, der sich erst mühsam mit den
chemischen Dingen bekannt machon muß, die der Apotheker zur Aus-
übung seines Berufes nötig hat. Hinsichtlich der Vertretung der Lehr-
fächer der pharmazeutischen Chemie und der Pharmakognosie an den
deutschen Hochschulen bin ich der Ansicht, daß, wenn angängig, diese
Gebiete von zwei Lehrern vertreten werden sollten. Es ist dann aber
nötig, daß beide eine Abgrenzung der Lehrgebiete vornehmen, sich über
den Umfang des jedem einzelnen zugeteilten Lehrstoffes verständigen
nnd dauernd in nahem Konnex bleiben. Auch wird es vorteilhaft sein,
wenn sich beide gemeinsam an Forschungen beteiligen in der Weise.
daß der eine die botanische Seite, der andere die chemische Seite einer
Droge bearbeitet. ' . ■ ' '
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. . ' JJ
XVIII Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Wenn der Herr Vortragende behauptet hat, daß die botanische Identi-
fizierung einer Droge oft sehr viel leichter ist als die chemische, so ist
diesem Ausspruch unbedingt beizupflichten. Ich will aber nur ein Beispiel
anführen, wo die Botanik versagt und die Chemie allein nur Auskunft
geben kann. Deutsche und französische Petersiliensamen sind botanisch
nicht zu unterscheiden, ihre Inhaltsstoffe sind in chemischer Hinsicht
zwar ähnlich, aber dennoch verschieden. Der vom Vortragenden er-
erwähnte Fall, daß Verbascum Blätter anstatt Digitalis-Blätter vor-
handen waren, ist meines Wissens so gewesen, daß hier ein Gemenge
vorlag.
Der Chemiker soll die chemische Seite, der Botaniker die botanische
Seite der Drogen bearbeiten. Drogen sind Dinge, die als Heilmittel
wirken sollen, und die Heilwirkung beruht auf den chemischen Bestand-
teilen. Die Mitwirkung eines Chemikers bei der Untersuchung der
Drogen ist daher von allergrößter Bedeutung.
Besonders in einem Punkte pflichte ich Herrn Professor Gilg voll-
kommen bei, nämlich darin, daß ich mit ihm beklage, daß die Pharma-
kognosie auf unseren deutschen Hochschulen unzureichend vertreten ist.
Ich möchte deshalb eine ähnliche Resolution vorschlagen, wie sie vorhin
hinsichtlich der Vertretung der technischen Botanik auf den deutschen
Technischen Hochschulen gefaßt worden ist.
Apotheker Dr. P. Hiuueberg- Altena: Die Trennung zwischen
Pharmakochemie und Pharmakognosie ist von den Pharmakognosteii
empfohlen, wie Flückiger dies auch schon in seinen Grundlagen der
Pharmakognosie hervorhebt. Die alten Apotheker pflegten Chemie und
Physik und besonders Botanik; die Pharmakognosie war ihr besonderes
Feld. Die Drogen werden unseren heutigen Apotheken ganz anders
geliefert wie früher, in zerschnittener und gepulverter Form. Das
Gebiet ist ein so großes geworden, daß eine Trennung, wie sie in Berlin
besteht, vielleicht angebracht ist. Doch muß jeder der beiden Dozenten
auf dem Gebiete der Chemie wie Botanik so viel Bescheid wissen, daß
er nicht von dem andern abhängig ist.
Ftinfstück: Wir sind uns eigentlich alle einig. Eine Trennung
zwischen Pharmakochemie und Pharmakognosie ist erforderlich, eine
Fühlung zwischen beiden, aber auch mit dem Praktiker ist notwendig.
Vorsicht ist insofern geboten, als die Trennung naturgemäß die Gefahr
der Einseitigkeit in der Behandlung des Stoffes in sich birgt. Pharma-
kognosie ist durchaus kein so spröder Stoff, wie oft gesagt wird, sondern
sogar ein sehr geschmeidiger, vielseitiger. Anatomie, Morphologie,
Systematik und Pflanzengeographie, Physiologie, die Kenntnis der
Diskussion: Die Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen. XIX
Spezialbedürfnisse des Apothekers, Handelsverkehrsverhältnisse, chemische
Kenntnisse usw. müssen dem Dozenten der Pharmakognosie in aus-
reichendem Maße zur Verfügung stehen, wenn er erfolgreich sein soll. Dazu
gehört außer Lehrbefähigung Erfahrung, die nicht von heute auf morgen
erworben werden kann. Ein Botaniker, der einen Auftrag zum Lesen
der Pharmakognosie erhalten hatte, schrieb — wohl um sich als Pharma-
kognost zu legitimieren — sofort ein Lehrbuch, gegen das vom
Botaniker nichts einzuwenden ist, aber vom Standpunkt des Apothekers
sehr viel. Ich bin auf dem Gebiete zwar nie als Forscher hervor-
getreten, habe mich aber seit zwei Jahrzehnten eingehend mit Pharma-
kognosie in ihrem ganzen Umfange — auch nach der praktischen Seite —
beschäftigt, so daß ich glaube, einen gewissen Anspruch auf Erfahrung
und Urteilsfähigkeit erheben zu dürfen.
Cirilg: Ich mochte noch einen Fall anführen, der vor einiger Zeit in der
Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft demonstriert worden ist. Es
wurde eine Probe ,,Crocus" vorgeführt, die nur aus gefärbten Calendula-
Blüten bestand. Die Droge stammte aus einer Apotheke. Es war keine
Spur echter Crocusnarben in der Probe enthalten.
Ich habe nicht die Wichtigkeit des Chemikers bezweifelt, sondern
nur gesagt, daß in manchen Fällen — und in vielen Fällen mehr als
man glaubt — auch der Botaniker ein Wort l)ei der Analyse von Drogen-
pulvern mitzusprechen hat.
Ich gebe zu, daß eine scharfe Trennung zwischen dem Arbeits-
gebiet des pharmazeutischen Chemikers und dem des Pharmakognosten sich
naturgemäß nicht wird durchführen lassen, glaube aber, daß der von
mir vorgeschlagene Weg derjenige ist, welcher am ehesten zum Ziele
führen dürfte.
Nahrungsmittelchemiker Dr. H. Haiipt-Bautzen : Ich schlage vor,
in die Resolution aufzunehmen, daß der praktische Nahrungsmittel-
chemiker ein Interesse daran hat, in der Botanik von jemand ausgebildet
zu werden, der selbst die Bedürfnisse der Praxis kennt und diese
bei der Unterrichtsmethode auch berücksichtigt. Die Leiter der größeren
chemischen Untersuchungsämter werden mir bestätigen können, daß
zwar bei den jungen Nahrungsmittelchemikern fast stets ein ge-
nügendes Durchschnittsmaß chemischer Kenntnisse vorhanden ist,
daß aber die Ausbildung in der angewandten Botanik meist sehr
ungleichmäßig ei'folgt ist und daß diese Kenntnisse stark wechseln
je nach der Stätte, wo der betreffende Kollege seine Ausbildung
empfing.
Vorsitzender Professor Dr. Zacharias: Es erscheint mir praktisch,
wenn die Herren Professor Gilg und Thoms die Resolution, mit der
11*
XX Bericht über die 5. Hauptversaminliing der Voreinigung.
wohl alle einverstanden sind, unter Berücksichtigung der Wünsche von
Dr. Hr.upt redigieren.
]>io Versammlung stimmt dem Vorschlage und der Resolution zu,
die folgende Passung erhalten hat:
Die Versammlung hält unter Anerkennung der
Bedeutung, welche der Pharmakognosie für die Praxis
zukommt, eine größere Förderung dieser Disziplin
neben dem anderen Hauptfach des Pharmazeuten, der
pharmazeutischen Chemie, für notwendig, damit die
Pharmakognosie wissenschaftlich weiter ausgebaut
werden und um so reichere Früchte für die Praxis
tragen könne. Die Mittel dazu erblickt die Versamm-
lung in einer stärkeren Betonung des Unterrichts in
der Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen
sowie in Maßnahmen, die den an ihnen wirkenden
Botanikern bzw. Phar makognosten die für die Pflege
ihrer Wissenschaft erforderliche Muße gewährleisten
würden. Dies erscheint um so notwendiger, als den
Dozenten der Pharmakognosie naturgemäß auch die
ähnliche Ziele verfolgende Ausbildung der Xahrungs-
mittelchemiker auf botanisch-mikroskopischem Gebiet
überwiesen werden muß.
Schluß dei- Sitzung 12^2 Uhr.
Die Nuchmittagssitzung von 3 — 5 Uhr wurde mit der gescliäft-
liclieu Sitzung begonnen.
Der Vorsitzende Prof. Dr. Zacharias- Hamburg erstattet zunächst
den Jahresbericht. Er teilt mit, daß die Vereinigung leider vier Mit-
glieder durch den Tod verloren habe, 0. Kambersky-Troppau (-j- 16. II.
1907), Geh. Regierungsrat Dr. R. Aderhold-Dahlem (f 17. III. 1907),
Prof. Dr. C. Christ-Geisenheim (j 2. V. 1907) und Prof. Dr. C. Müller-
Steglitz (-J- 13. VI. 1907), und fordert die Anwesenden auf, sich zu
Ehren der Verstorbenen von den Plätzen zu erheben.
Ais neue Mitglieder sind zu begrüßen: Prof. Dr. G. Cuboni-
Rom, Dr. P. Esser-Cöln, W. M. Findlay- Aberdeen, Dr. H. Fischer-
Berlin, Dr. B. Hein ze- Halle, Dr. F. W. T. Hunger-Salatiga, Geh. Hof-
rat Prof. Dr. L. Klein-Karlsruhe, Direktor Prof. Dr. A. Mertens-Magde-
burg, Prof. Dr. C. Mez- Halle, Dr. A. Naumann -Dresden, Dr. M. P.
Neumann-Berlin, Dr. H. Paul-Bernau, Prof. Dr. C. v. Rümker-
Breslau, Prof. Dr. C. Schröter-Zürich, Dr. R. Schwede-Dresden, Dr.
Spieckermann-Münster, Prof. Dr. Steglic h-Dresden, v. Vogelsang-
Hovedissen, Prof, Dr. G. Vol kons- Dahlem, Dr. W. Wie dens heim-
Geschäftliche Sitzung. XXI
Aiigustenburg und Dr. H. Zörnig-MUnchen. Ausgetreten sind 4 Mit-
glieder, so dai3 die Mitgliederzahl z. Z. 222 beträgt ').
Der Kassenbericlit mit dem Bericht der Revisoren wird für
die Mitglieder beigelegt werden.
Bei der Wahl des nächstjährigen Versammlungsortes, für
den eine Einladung von Geh. Regierungsrat Prof. E)r. Wortmann nach
Geisenheim vorliegt, bemerkt Prof. Dr. Zacliarias, daß für die Wahl
des Ortes auch andere Gesichtspunkte in Frage kommen. Das Zu-
sammentagen mit der Vereinigung der systematischen Botaniker und
Pflanzengeographen hat sich bewährt, und ein Anschluß der Deutschen
Botanischen Gesellschaft scheint wünschenswert; beide Vereine sind sich
aber noch nicht schlüssig. Es wird sich empfehlen, Wünsche hier zu
äußern, aber eine definitive Beschlußfassung auszusetzen und zunächst
in Verhandlungen mit den beiden genannten Gesellschaften einzutreten.
Die Zeit im September ist manchem nicht günstig, sie liegt mitten in
den Universitätsferien und paßt vielfach nicht für die Reisepläne.
Pfingsten ist vielleicht ein geeigneter Zeitpunkt, noch weniger läßt sich
gegen Anfang August, den Beginn der Hochschul- und den Schluß der
Schulferien, einwenden. Die Vereinigung der systematischen Botaniker
scheint geneigt, Colmar als Ort der nächsten Tagung zu wählen, weil
die Deutsche Dendrologische Gesellschaft ihre meist gut besuchte Ver-
sammlung an diesem Orte im August 1908 abhalten will. Es würde
auch wohl nicht schwierig sein, die Deutsche Botanische Gesellschaft
zu veranlassen, nach Colmar oder Straßburg zu gehen. Auch die
Philomatische Gesellschaft von Elsal'i- Lothringen wäre leicht für diese
Versammlungen zu interessieren. In Cijlmar befindet sich eine Weinbau-
Versuchsstation. Anderseits haben wir nach der Einladung dos Kollegen
Wortmann entschieden den Wunsch, nach Geisenheim zu kommen.
Es könnte auch ein Mittelweg gefunden werden. Im nächsten Jahre
scheint Colmar oder Straßburg ein besonders günstiger Ort zu sein, im
folgenden Jahre könnten wir uns in Geisenheim treffen, wozu auch die
anderen Gesellschaften wohl zu bestimmen sein würden.
Prof. Dr. Wieler-Aachen meint, daß der Vorschlag eines Kom-
promisses zweckmäßig erscheine, wenn die anderen Gesellschaften sich
verpflichten, im folgenden Jahre nach Geisenheim zu kommen. Die
Deutsche Botanische Gesellschaft ist ihrer ganzen Natur nach nicht an
einen besonderen Versammlungsort gebunden. Von Straßburg aus
könnte man nach dem nicht weit belegenen Karlsrahe einen Ausflug machen.
Die Beschlußfassung wird vorläufig ausgesetzt. Nach den später
mit der Vereinigung der systematischen Botaniker und der Deutschen
1) Ende Dezember 1907: 225.
XXII Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Botanischen Gesellschaft gepflogenen Verhandlungen -wird die nächste
Versammlung Anfang August 1908 in Straßburg und Colmar
stattfinden.
Der Vorsitzende teilt sodann ferner mit, daß auf die in Ham-
burg gefaßte Resolution betr. Förderung der tropischen Land-
und Porstwirtschaft das folgende Schreiben der Kolonialabteilung des
Auswärtigen Amtes eingetroffen ist.
K. A. 508/07.
33 835 Berlin, den 24. April 1907.
Sehr geehrter Herr!
Dem Vorstande der Vereinigung für angewandte Botanik
bestätige ich den Empfang des gefälligen Schreibens vom
30. Oktober 1906.
Wenn ich mich auch den Punkten 2 und 3 der überreichten
Resolution ohne weiteres anzuschließen vermag, so bestehen
doch über die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit des zu 1
der Resolution ausgesprochenen Wunsches bei namhaften Be-
ruf sgelehrten wie bei Verwaltungsbeamten ernste Zweifel und
grundsätzUche Bedenken. Ich war hiernach noch nicht in der
Lage, zu dieser für die Entwickelung und das Gedeihen der
Schutzgebiete so bedeutungsvollen Frage, welcher ich meine
volle Aufmerksamkeit zuwende, eine endgültige Stellung zu
nehmen.
gez. Dem bürg.
Die von Prof. E)r. A. Wieler-Aachen in seinem in Hamburg ge-
haltenen Vortrage angeregten Luftaualysen werden im Botanischen
Garten zu Hamburg durch das Hamburgische Chemische Staatslabora-
torium ausgeführt.
Der Hamburgischen Unterrichtsverwaltung und der Hamburg-
Amerika-Linie ist je ein Exemplar des auf die Versammlung in Ham-
burg bezüglichen Jahresberichtes der Vereinigung für 1906 übersandt
worden, wofür Dankschreiben eingegangen sind.
Auf Anregung der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin
hat die Vereinigung für angewandte Botanik sich an einer von
16 deutschen wissenschaftlichen Vereinigungen der Universität Upp-
sala überreichten Linne- Adresse beteiligt. Die von Geh. Regierungs-
rat Prof. Dr. P. A seh erson -Berlin entworfene Adresse hat folgenden
Wortlaut :
Geschäftliche Sitzung. Linne-Adresse, XXIII
Der Universität Uppsala
zur 200. Wiederkehr des Geburtstages von
Carl von Linne
den 2o. Mai 1907,
Die unterzeichneten Vertreter von wissenschaftlichen und gemein-
nützigen Vereinen, welche sich die Pflege der reinen und angewandten
Wissenschaft von Mensch und Tier, von Pflanze und Gestein zur Auf-
gabe gemacht haben, senden der Universität Uppsala die herzlichsten
Glückwünsche zur Wiederkehr des Tages, an dem vor zwei Jahr-
hunderten ihr größter Schüler und ihr am höchsten gefeierter Lehrer,
der große Organisator der biontologischeu Systematik das Licht der
Welt erblickte.
Zwar hat die Hauptstadt des Deutschen Reiches, in welcher die
meisten der unterzeichneten Vereinigungen ihren Sitz haben, nie die
Freude gehabt, den großen Forscher in ihren Mauern begrüßen zu
<iürfen, wie das befreundete Hamburg; indessen fehlte es Linne nicht
an persönlichen Beziehungen zu den Fachgonossen in unserer Stadt.
Ließ sich doch die hiesige Akademie der Wissenschaften nicht die Ehre
entgehen, als eine der ersten unter den auswärtigen Körperschaften
ihren hochberühmten Zeitgenossen zu ihrem Mitgliede zu erwählen.
Ja, wir können einen noch lebenden Zeugen dieser Beziehungen an-
führen, jene nach oftmaliger Versetzung immer noch in unerschöpfter
Jugendkraft zu Riesenwuchs gediehene Zwergpalme, an der unser
Gleditsch das Experimentum Berolinense durchgeführt hat zur größten
Genugtuung seines schwedischen Freundes, des eifrigsten Verfechters
der Sexualität im Gewächsreiche.
Doch was bedarf es solcher an die Örtlichkeit anknüpfenden Über-
lieferungen? Sind doch die Blicke der ganzen gebildeten Menschheit
auf das Pfarrhaus zu Räshult gerichtet, wo heut vor zweihundert Jahren
einem armen Landgeistlichen ein Sprößling geboren wurde, der mensch-
lichem Ermessen nach bestimmt war, den segensreichen, aber be-
scheidenen Beruf seines Vaters zu ergreifen. Aber das Schicksal hatte
es anders bestimmt; der Stein, den die Bauleute verworfen hatten,
wurde zum Eckstein des Ruhmes der Universität Uppsala, zum Grund-
stein der wissenschaftlichen Größe seines Vaterlandes, zum Markstein in
der Geschichte der Naturwissenschaft,
Wir können den großen Forscher nicht durch alle Phasen seines in
so vieler Hinsicht ungewöhnlichen Lebenslaufes verfolgen, wir wollen nur
daran erinnern, wie der Jüngling nach unter den härtesten Ent-
behrungen durchlebten Lehrjahren, eben so reich an wissenschaftlicher
Arbeit, als arm an äußeren Erfolgen, sein Vaterland verUeß, um im
XXIV Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
gastlichen Holland die gelehrte Welt mit einer Fülle von meisterlichen
Schöpfungen zu überraschen. Der jugendliche Forscher, den in seinem
Vaterlande nur wenige gekannt hatten, kehrte als Gelehrter von Welt-
ruf in die Heimat zurück, und nach wenigen Jahren befand sich der
rechte Mann an der rechten Stelle als Inhaber der naturhistorischeii
Lehrkanzel an der ersten Hochschule seines Vaterlandes, der er dann
auch, trotz verlockender Anerbietungen des Auslandes, treu geblieben ist.
Wohl selten hat sich ein akademischer Lehrer solcher Erfolge zu
erfreuen gehabt, wie der Gefeierte des heutigen Tages. Die Zahl der
Studierenden in Uppsala stieg auf das Dreifache; von dem Glanz seines
Namens gelockt, strömten Jünglinge und schon bewährte Forscher aus
ganz Europa und selbst aus fremden Weltteilen zusammen. Der Besuch
seiner Exkursionen war so zahlreich, daß Trompeter und Waldhornisten
nötig waren, um die zerstreuten Scharen wieder zu den Füßen des
Meisters zu sammeln.
Aber das akademische Lehramt war nur ein Teil und nicht der
größere von der weltumfassenden Wirksamkeit des großen Mannes.
Auch unter seinen Fuchgenossen, den Naturhistorikern der ganzen Erde,
stand er in so hohem Ansehen, wie es sich nach ihm vielleicht nur
noch ein Alexander von Humboldt errungen hat. Wie dieser galt er
für die höchste Autorität auf dem Gebiete seiner Wissenschaft. Das von
ihm aufgestellte System und die von ihm ausgestaltete Nomenklatur
wurden nahezu von der Gesamtheit seiner Zeitgenossen angenommen.
Auch an äußeren Ehren und Anerkennungen hat es dorn großen
Gelehrten nicht gefehlt. Nur ein Viertoijahrhundert trennt den armen
Studenten Linnaeus von dem Archiatcr Ritter Carl von Linne.
Aber es entsprach nicht Linnes Natur, auf seinen Lorbeeren aus-
zuruhen. Seine schriftstellerische Tätigkeit, die mit jener Hochflut des
Jahres 1737 einsetzte, wurde mit gleicher Rastlosigkeit mehr als ein
Menschenaltcr hindurch fortgesetzt, bis nicht das Alter, sondern schw^ere
Krankheit ihm die Feder aus der Hand nahm, und nach wenigen
Jahren gezwungener Untätigkeit der müde Greis zur ewigen Ruhe
einging.
Und der Mann, der so hoch in der Wertschätzung seiner Zeit-
genossen dastand, ist auch der heutigen Wissenschaft noch ein Lehrer
und Mehror der Erkenntnis, auch künftigen Generationen ein leuchtendes
Vorbild. Zwar hat sich manche von Linnes theoretischen Ansichten als
nicht zutreffend herausgestellt, zwar haben seine Systeme nach mehr
als hundertjähriger Herrschaft den inzwischen herangereiften natürlichen
Systemen des Tier- und Pflanzenreiches weichen müssen, welche übrigens
Linne selbst stets als das höchst anzustrebende Ziel der Wissenschaft
Geschäftliche Sitzung. Linne-Adresse. XXV
bezeichnet und zu deren Aufstellung er selbst einen mindestens be-
achtenswerten Versuch gemacht hat. Aber dies künstliche System war
zur Zeit seiner Entstehung eine Notwendigkeit. Indem Linne das ge-
samte Wissen seiner Zeit in das Pachwerk dieses Systems einordnete,
ein Wissen, das in dem Chaos einer allgemeinen Verwirrung sich zu
verlieren drohte, erwarb er sich ein unsterbliches Verdienst. Und wie
reich ist der Zuwachs, den unsere Erkenntnis der Tätigkeit Linnes und
seiner Schüler, die er in alle W>lt aussandte, verdankt!
Was aber noch bis in unsere Zeit fortwirkt und fortwirken wird,
solange eine biontologische Systematik existieren wird, das ist die
präzise Kunstsprache und scharfe Diagnostik, welche uns dies klassi-
fikatorische Genie gelehrt hat. Und vor allem die binäre Nomenklatur,
durch welche Linne die bis dahin wie Beschwörungsformeln klingenden
Benennungen der Lebewesen ersetzte und durch diese erfolgreichste
seiner Neuerungen erst die Pflege der biontologischen Wissenschaften
für weitere I^reise möglich gemacht hat. In dieser Beziehimg bleiben
wir seine Schüler und seine für zoologische und botanische Nomenklatur
grundlegenden Schriften, deren Neudruck sich erst kürzlich notwendig
gemacht hat, werden täglich von uns zu Rate gezogen.
So dürfen wir die Erwartung aussprechen, daß der Ruhm Linnes
als Organisator der biontologischen Systematik noch fernere ungezählte
Jahrhunderte überdauern wird.
Von der Universität Uppsala ist daraufhin folgendes Dank-
schreiben gesandt worden:
(Sigillum Academiae LTpsaliensis
Gratiae veritas naturae)
Omnibus, quicumque in feste Linnaeano bisaeculari, quod nuperrime
celebravimus, universitatem nostram tot ac tantis benevolentiae humanitatis-
que documentis prosecuti sunt, gratias quam maximas ea qua par est
observantia agimus.
Dabamus Upsaliae m. Maio a. MCMVII.
Universitatis Regiae Upsaliensis nomine
J. H. Emil Schuck Johan v. Bahr
Rector. Secretarius.
XXVI Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Um 3'/2 ^^hr erhält das \\'ort Prof. Dr. G. Volkcns-Dahlem zu
einem Vortrage
Die botanische Zentralstelle für die Kolonien,
ihre Zwecke und Ziele (s. S. 32 — 48).
Zu diesem Vortrage machte in der Sitzung am Mittwoch Vor-
mittag Prof. Dr. 0. Wai'burg-BerUn folgende Erwiderung: Der Vor-
tragende hat sein Befremden ausgedrückt, daß in dem Vortrage über
„Tropische Landwirtschaft" die Botanische Zentralstelle für die Kolonien
am Botanischen Garten in Dahlem nicht erwähnt worden ist. In dem
genannten Vortrage wurde ein ganz allgemeines Thema behandelt, und
es war die Aufgabe, klarzulegen, wie' wichtig ein solches Institut für
die tropische Landwirtschaft ist. Eine Kritik der bestehenden Institute
ist dabei nicht unternommen worden. Es hätten nicht nur die Botanische
Zentralstelle, sondern auch noch andere Institute genannt werden müssen,
z. B. das Pharmakognostische Institut, das Zoologische Museum, die
Abteilung des Geologischen Instituts, das Landwirtschafthche Institut in
Halle, das Bodenproben untersucht, die Kolonialschule in Witzenhausen,
das Orientalische Seminar, die alle bestrebt sind, einige der sich fühlbar
machenden Lücken auszufüllen. Was die Botanische Zentralstelle be-
tritft, so ist es eine allgemeine Zentralstelle für alle botanischen Fragen
der Kolonien. Dazu würden zwar auch botanisch-landwirtschaft-
liche Fragen gehören; sie würden aber nur einen Teil der Tätigkeit
eines allgemein landwirtschaftlichen Institutes ausmachen, und selbst
wenn dieser Teil der Botanischen Zentralstelle genommen würde, so
bliebe ihr doch noch eine ganz erhebliche Tätigkeit, nämlich die
ganze wissenschaftlich botanische Erforschung der Kolonion. Ich würde
eine Angliederung des Landwirtschaftlichen Institutes an das Botanische
Institut in Dahlem schon deshalb für verkehrt halten, weil dieses Institut
ein preußisches und keine Reichsanstalt ist, noch mehr aber deshalb,
weil es verkehrt wäre, ein allgemein landwirtschaftliches Institut an
ein Institut einer einzelnen Wissenschaft anzugliedern. Als unsere
heimische Landwirtschaftslehre als eine besondere Technik eine größere
Ausdehnung erhielt, wurden für sie besondere landwirtschaftliche In-
stitute geschaffen, und so muß es auch bezüglich der tropischen Land-
wirtschaft sein. Wo aber soll ein solches Institut seinen Anschluß
finden? Ein Anschluß an das Orientalische Seminar ist aus verschiedenen
Gründen nicht möglich, eine Angliederung an die Kolonialschule in
Witzenhausen ist wegen deren abgelegenen Lage nicht ratsam; eher
noch könnte es zweckmäßig sein, sie an die Landwirtschaftliche Hoch-
schule in Berlin anzugliedern, aber auch dies hat seine Bedenken. Es
Diskussion: Die botanische Zentralstelle für die Kolonien nsw. XXV^II
■erscheint hingegen als das Natürlichste, sie an die Kaiserliche Biologische
Anstalt für Land- und Porstwirtschaft in Dahlem anzugliedern. Die
landwirtschaftlichen kolonialen Fragen würden in diesem Institut be-
arbeitet werden, die botanisch-wissenschaftliche Tätigkeit müßte in der
Eotanischen Zentralstelle bleiben, auch die Verteilung von Saaten an
die Kolonien und die Anzucht der Pflanzen für die Kolonien könnte man
bei der Zentralstelle lassen, oder man könnte vielleicht auch die An-
zucht der Arten von Kulturpflanzen dem botanischen Institut lassen,
dagegen die Züchtung von Varietäten und Sorten der Kulturpflanzen
als zu speziell der zu entwickelnden landwirtschaftlichen Abteilung
überlassen. Die botanischen Institute geben sich ja auch bei den
heimischen Kulturpflanzen sehr wenig mit der Anzucht und der
Klassifizierung der Sorten und Varietäten ab, das tun vielmehr
die landwirtschaftlichen Stationen, während umgekehrt die Bearbeitung
der Arten der heimischen Kulturpflanzen durch die botanischen In-
stitute besorgt wird. Wie für die hiesige Landwirtschaft, so denke
ich mir die Portentwickelung auch für die tropische Landwirtschaft,
iUnd es erscheint mir notwendig, daß dieser Schritt möglichst bald
gemacht wird.
Wenn man die tropische Landwirtschaft bei einem wissenschaft-
lichen Institute läßt, so werden die wissenschaftlichen Arbeiten dieses
Instituts durch die sich stetig vermehrenden praktischen Aufgaben
unterdrückt, und das dürfen wir vom wissenschaftlichen Standpunkte aus
nicht zulassen. Wenn hingegen ein besonderes Institut für tropische
Landwirtschaft geschaffen wird, so kann die Botanische Zentralstelle
sich ihrer Hauptaufgabe, der wissenschaftlich-botanischen Erforschung
■der Kolonien um so intensiver widmen. Ich möchte wünschen, daß
sich die Botanische Zentralstelle nach dieser Richtung so weit wie
möghch entwickelt; und dazu kann eine Entlastung von zu sehr in die
Praxis gehenden Arbeiten nur zweckdienlich sein.
Volkens: In seinem Vortrage hat Prof. War bürg gesagt, daß
•es in Deutschland nichts gäbe als einen Experten für tropische Pflanzen-
pathologie an der Biologischen Anstalt, an den Museen einige Sach-
verständige für tropisch- landwirtschaftliche Fragen der beschreibenden
^Naturwissenschaften und auch einige Personen an landwirtschaftlichen
Instituten, die sich auch mit Fragen der tropischen Landwirtschaft be-
fassen. Warburg und ich stehen auf einem grundsätzlich verschiedenen
Standpunkte. Er wünscht ein Institut in Deutschland, ich deren mehrere
in unseren Kolonien, Die botanischen Gärten in unseren Kolonien
müssen zuerst ausgebaut werden. Was hier geleistet werden kann, ist
vorzugsweise Arbeit am grünen Tisch.
XXVIII Bericht über «iie 5. Hauptversammlung- der Vereinigung.
^^'a^bur^: Ich habe in meinem vorjährigen Vortrage durchaus
betont, daß es von Wichtigkeit sei, in den Ivolonien solche Institute zu
haben. Für diese Bestrebungen ist aber in Deutschland eine Zentrale
nötig. Auch für die anderen Stellen muß eine Zusammenfassung ge-
schaffen werden. Gerade bei technischen Fächern ist ein Zusammen-
arbeiten erforderlich. Es ist z. B. jetzt eine neue Entfaserungsmaschine
gebaut worden, die in Magdeburg geprüft werden soll. Da niemand
anders da ist, muß ich, obgleich nicht im geringsten fachkundig, hin-
fahren, um die Maschine mitzuprüfen. Ganz anders wäre es, wenn ein
Institut vorhanden wäre, an dem Fachleute der verschiedenen Gebiete
arbeiteten, und wo dann solche Fragen, die sehr häufig vorkommen,
in ganz anderer Weise als es jetzt möglich ist, fachmännisch bearbeitet
werden könnten.
Volkeiis: Der Umfang einer solchen Zentralstelle würde sehr
groß werden. Sie hätte nicht nur Fasermaschinen zu prüfen, sondern
noch tausend andere, sie hätte eine Unzahl von Fragen zu lösen, die
mit der Erzeugung und Verarbeitung tropischer Produkte in Beziehung-
stehen. Es würde eine Anstalt worden, die man sich nach Raum und
Personenzahl gar nicht zu denken vermag. Auch ich wünsche eine
Zentrale für unsere kolonialen Gärten, aber diese hat nur Auskunfts-
stelle zu sein, die sich mit anderen schon vorhandenen Auskunftsstelion,
mit schon vorhandenen zahlreichen wissenschaftlichen Instituten, mit
Großfirmen und Großindustriellen bei Bedarf in Verbindung setzt. Sie
braucht Fachleute nicht erst anzustellen, sie findet sie im ausreichendsten
Maße in Deutschland vor.
Von 4 Uhr 20 Min. bis 4 Uhr 50 Min. spricht Korpsstabsapotheker
a. D. L. Berne^'aii-Berlin über:
1. Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze (s. S. S6 — 95),
2. Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln (s^
S. 96-99).
3. Die Vorwertung der Samen von Parkia africana (s.
S. 100-101).
In der Diskussion bemerkt
Prof. Dr. Volkeiis-Dahlem: Es erscheint kaum zweifelhaft, daß
man Süßkartoffeln bei uns züchten und zur Reife bringen kann.
Schwierig ist es, die Knollen von einem Jahr in das andere zu bringen;
sie im Winter frisch zu erhalten, ist noch nicht gelungen. Möglicher-
weise kann man ein günstiges Resultat durch Einbetten in Torfmull
erzielen.
Diskussion: Akklimatisationsversuehe mit Süßkartoffeln. XXIX
Apotheker Dr. Hiiiiiel>erg-Altona: Vielleicht kann man die Über-
"svinterung auch dur.ch trockenen Sand erreichen. So aufbewahrte
■Curciima-Rhizome keimten im nächsten Jahre aus.
Beriie^aii: Prof. Schweinfurth hat mit Erfolg einen Versuch,
gemacht, Früchte, z. B. Apfelsinen, nach Sokode im Hinterland von Togo
an Dr. Kersting zu senden, indem er die Früchte in Torfmull ver-
packte. Ich habe frische Kolanüsse in Torfmull aufbewahrt. Dabei
schrumpften die Nüsse ein. da durch den Torfmull den Nüssen die
Feuchtigkeit entzogen wurde. Praktische Versuche betreffend Einbetten
der Süßkartoffeln in Torfmull sind zum Studium der Frage zweifellos
empfehlenswert. Da der Torfmull voraussichtlich den Süßkartoffeln
Feuchtigkeit entziehen und dadurch ein Nährboden für Schimmelpilze
geschaffen wird, würde der Torfmull zweckmäßig mit Formaldehyd zu
.präparieren sein.
Nach Ansicht von Hofgartendirektor Graebener in Karlsruhe emp-
fehlen sich die Kulturversuche mit Süßkartoffeln in Deutschland nur für
Herrschaftsgärtner, übeihaupt nur als Gartenversuche, wo Warmhäuser
für die Überwinterung der Knollen zur Verfügung stehen.
Schluß der Sitzung 5 Uhr.
Nach der Sitzung begaben sich die Teilnehmer mit der Straßen-
bahn oder dem Dampfschiffe nach Loschwitz, um von dem Loschwitz-
berge die herrliche Aussicht auf Dresden und Umgebung zu genießen.
Einige Mitglieder hatten sich der Exkursion der Vereinigung der
systematischen Botaniker und Ptlanzengeographen nach Meißen ange-
schlossen.
Dienstag, den 10. September,
Sitzung von 9 — 1 Uhr in der Technischen Hochschule,
in der Themata über bodenbakteriologische Untersuchungen zum
Vortrag angesetzt waren.
Von 9^^ — 10^" trug zunächst Direktor Dr. L. Hiltiiei'-München vor:
Neuere bodenbakteriologische Ergebnisse und Probleme
(s. S. 170). In der Diskussion ergreift das Wort:
Dr. B. Heiiize-Halle: Im Anschluß an die Ausführungen von Herrn
Reg.-Rat Dr. Hiltner über das bakteriologische Verhalten von Gemischen
verschiedener Erden hinsichtlich ihres Keimgehaltes usw. mögen einige
Beobachtungen mitgeteilt werden, die in Halle über feuchte (frischa)
und trockene (besonders lufttrocken gewordene) Erden in bakteriologisch-
chemischer Hinsicht gemacht worden sind. Nach diesen zeigen feuchte
XXX Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
und trockene Erde ein und desselben Bodens in gewisser Beziehung ein
ähnliches Verhalten wie die erörterten l-]rdgemische.. Es konnte nämlich
von mir zunächst die Beobachtung gemacht werden, daß beim Impfen
von Zuckerlösungen mit Erde fast regelmäßig die mit trockener Erdo
angelegten Kulturen auffallend schneller in Gärung kamen als die mit
feuchter Erde. Weiterhin zeigten sich die Kulturen mit Trockenerde
im allgemeinen auch immer viel gärkräftiger als die Kulturen mit den
entsprechenden Frischerden. Bei späteren Versuchen konnte übrigens
ein entsprechendes ähnliches Verhalten auch noch dann beobachtet
werden, wenn Gemische von trockener und frischer Erde verwandt
wurden. Da diese Beobachtungen und Untersuchungen eine allgemeinere
Gültigkeit der bekannten Remy sehen Bodenbeurteilungsmethoden frag-
lich erscheinen ließen, wurde Herr Dr. Rahn veranlaßt, der Ursache
jenes Verhaltens näher nachzuforschen. Aus seinen weiteren Beob-
achtungen und Untersuchungen ergibt sich dann auch in jedem Falle,
daß eine trockene Erde etwa um 20^^/o wirksamer ist als die
entsprechende feuchte Erde, d. h. sie bildet in Zuckerlösungen
etwa 20°/o mehr organische Säuren, in Zuckerlösungen mit Kalk ca. 20^ Iq
mehr COg, in Peptonlösungen und Harnstofflösungen ca. 20°/o mehr
Ammoniak. Zur Erklärung dieses Verhaltens sind von Herrn Dr. Rahn
mannigfache Versuche angestellt worden. Diese verschiedenen Er-
klärungsversuche haben freilich noch kein positives Resultat ergeben;
immerhin interessieren vielleicht die bisher erhaltenen, wichtigsten Unter-
suchungsergebnisse, die in folgende Sätze zusammengefaßt werden
können'):
Eine bei Zimmertemperatur getrocknete Erdprobe bewirkt gewisse
bakterielle Zersetzungen schneller als die unter sonst gleichen Bedingungen
feucht gehaltene Vergleichsprobe und auch schneller als die feuchte
Muttorerde. Dies wurde durch viele Versuche über Säurebildung in
Zuckerlösung, Kohlensäureentwickelung in Zuckerlösung mit kohlensaurem
Kalk, Ammoniakbildung in HarnstofI'- und Peptonlösung nachgewiesen.
Der Unterschied zwischen trockener und feuchter Erde war am stärksten
bei Gartenerde (etwa 60 "/(,), geringer bei Lauchstedter Erde (etwa 10
bis 30 "/o). bei Cunrauer Sandboden gar nicht vorhanden. Die ver-
schiedene Schnelligkeit des Trocknens hat nur einen geringen Einfluß
auf die Größe der Differenz. Die Keimzahl einer Erde^) wird durch
das Trocknen stets verringert; der Unterschied kann hierdurch also
1) 0. ß,ahn. Bakteriologische Untersuchungen über das Trocknen des
Bodens. (Centralbl. f. Bakt., Abt. II, Bd. XX, 1907, S. 38—61 m. 1 Tai)
2) Dieser Satz ist im allgemeinen natürlich nur bezüglich der sog. gela-
tinewüchsigen, insbesondere der aeroben Organismen gültig.
Diskussion: Neuere bodenbaktoriologische Ergebnisse und Probleme. XXXI
nicht erklärt werden. Der Unterschied beruht nicht auf physikaUschen
Eigenschaften, da sowohl die in Vv'asser verteilten Erdproben wie die
Filtrate den Unterschied zwischen trocken und feucht deutlich zeigen.
Eine stärkere Aufschließung von Bodenbestandteilon kann nicht zur
alleinigen Erklärung dienen, da bei reichlichem Zusatz von Kaliphos-
phaten und Asparagin der Unterschied erhalten bleibt; auch der ver-
schiedene Salpetergehalt der Erden bewirkt nicht die Unterschiede. Die
Substanz, welche diese Unterschiede bewirkt, ist kochfest und durch
Filtrierpapier filtrierbar. Es ist unentschieden, ob es sich um eine Hem-
mung durch die feuchte Erde oder um eine Beschleunigung durch die
trockene Erde handelt. Trockene Erde verliert nach dem Anfeuchten
schon in 24 Stunden den größten Teil ihrer intensiveren Päulniskraft
und unterscheidet sich bald gar nicht mehr von der feuchten Original-
erde. Senfpflanzen wuchsen in trocken gewesener Erde besser als in
dauernd feucht gehaltener. Es ist aber nicht sicher, ob dieser Unter-
schied nicht vorwiegend auf Kosten des verschiedenen Salpetergehalts
zu setzen ist.
Manche Versuche von Herrn Dr. Rahn sprechen allerdings be-
sonders gegen die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit, daß Mineral-
stoffe und N-haltige Substanzen aus trockener Erde auffallend leichter
in Lösung gehen als aus feuchter, frischer Erde (und zwar zum großen
Teile aus Zellen von Pflanzenresten, ferner aber auch aus abgetöteten
niederen tierischen und pflanzlichen Organismenzellen), und damit natür-
lich' auch gegen die Wahrscheinlichkeit, daß die erwähnten Unterschiede
im Verhalten dieser Erden auf diese Weise ihre teilweise Erklärung
finden könnten. Nach neueren weiteren Beobachtungen wird man jedoch
in vielen Fällen mit einer solchen verstärkten Aufschließung von Boden-
bestandteilen tatsächlich rechnen und sie zur teilweisen Erklärung des ver-
schiedenen Verhaltens der genannten Erden heranziehen müssen.
Dr. H. Fischer-Berlin: Die Erklärung für die Erscheinung beruht
darauf, daß sich beim Eintrocknen des Bodens Sporen bilden.
Dr. K. Störmer-Halle: Es ist schon von Pickendey und Buhlert
nachgewiesen, daß beim Eintrocknen der Erde der Salpetergehalt zu-
nimmt. Ich kann dies nur bestätigen. Wenn ein und derselbe Boden
in natürhcher Feuchtigkeit und im eingetrockneten Zustand untersucht
wird, so enthält er im letzteren Falle, auf dieselbe absolut trockene
Bodenmenge berechnet, mehr Ammoniak- und Salpeterstickstoff. Der
Rückschluß auf die Verhältnisse im Ackerboden ist daher nicht ohne
weiteres zulässig.
Hiltiier: Ich kann dies durchaus bestätigen. Unser Chemiker,
Herr E>r. Stiehr, hat sich in den letzten Jahren viel mit der Bestimmung
XXXll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
des Nitrat- und Ammoniakstickstoffs im Boden beschäftigt und dabei
feststellen können, daß die übliche Bestimmung des Salpetergehalts im
Boden meist zu hohe Resultate liefert, weil bei ihr die Erde erst luft-
trocken gemacht werden muß, wobei eine Zunahme des Salpeterstick-
stofts erfolgt. Selbst bei der Entnahme im feuchten Zustande voll-
kommen salpeterfreier oder mindestens auf Salpeter nicht reagierender
Böden ergaben sich nach dem Trocknen doch gewisse Salpetermengen.
Herr Dr. Stiehr hat daher eine andere Methode der Salpeterbestimmung
ausgearbeitet, über die Näheres noch veröffentlicht werden wird.
H. Fischer-Berlin: Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffes auf
Boden und Ernten ist nur biologisch zu erklären. Unter natürlichen
Umständen findet im Boden nur eine sehr langsame Mikrobenvermehrung
statt; Sporenbildner werden vielfach nur als Sporen vorhanden sein, andere
in weniger widerstandsfähigen Dauerzuständen, wohl auch ± mit Reservo-
stoffen erfüllt, in denen organische Substanz festgelegt ist. Künstliche
Kulturen geben nur ein schwaches Abbild des zu vermutenden natür-
lichen Verhaltens. Bei Zuführung von Schwefelkohlenstoff" werden zahl-
lose minder widerstandsfähige Zellen getötet, ihre Substanz wird von
den Überlebenden verarbeitet, die sich nun ganz gewaltig vermehren^
wie die Hiltn ersehen Versuche ja deutlich zeigen. Bei solch reger
Bakterientätigkeit wird viel organische, insbesondere stickstoff'haltige
Substanz, die festgelegt war, mobil gemacht — so erklärt sich unge-
zwungen die von verschiedenen Seiten übereinstimmeiid gemachte Be-
obachtung, daß die Schwefelkohlenstoffwirkung eine Stickstoffwirkung
ist. Diese Auffassung wird ganz wesentlich gestützt durch die bisher
nicht genügend gewürdigte Peststellung von Moritz und Scherpe,
daß Schwefelkohlenstoff keine besondere Wirkung mehr hervorbringt in
einem zuvor durch heiße Dämpfe sterilisierten Boden.
Stornier: Ich ersuche, die Diskussion über die Schwefelkohlen-
stoffwirkung bis nach meinem Vortrage zu vertagen.
Hiltiiei": Es ist sicher, daß die Schwefelkohlenstoffwirkung, wie
ich dies auch schon selbst ausgeführt habe, zum Teil darauf beruht,
daß durch Abtötung von Organismen die in diesem festgelegten Stoffe,
namentlich Stickstoff", wieder in den Kreislauf einbezogen und dadurch
den Pflanzen bzw. anderen Organismen zugänglich gemacht werden.
Daß aber daneben auch die Beseitigung der von mir als Hemmungs-
stoffe bezeichneten Körper eine Rolle spielt, dürfte außer aus den in
meinem Vortrag vorgebrachten Gründen gerade daraus hervorgehen, daß es
eine spezifische Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und mancher anderer
Gifte ist, Bakteriensporen in Nährlösungen, in denen sie auch bei Zusatz
neuer Nährstoffe sich passiv verhalten, zur Keimung zu veranlassen.
Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXTll
Vorsitzender Prof, Dr. Zacliarias: Es wird sich empfehlen, die ge-
samte Diskussion auf den Schluß des Vortrages von Dr. Störmer zu
vertagen.
Von lÜ^*^ — 11°*^ spricht Dr. J. Simon-Dresden unter Vorführung
von Pormalinpräparaten, Photographien und Tabellen über
Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien der
Leguminosen und ihre Bedeutung für die Bodenimpfung
(s. S. 132-160)
und von 11°° — 12*'^ Dr. K. Störmer-Halle über
E)ie Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und ähnlicher
Stoffe auf den Boden (s. S. 113—131).
An diese Vorträge schloß sich die folgende Diskussion.
Hiltiier: Ich möchte zunächst meiner Freude darüber Ausdruck
geben, daß die Ergebnisse, zu denen Herr Dr. Störmer gelangt ist,
nachdem er das SchwefelkohlenstofTproblem für sich allein weiter be-
arbeitet hat, mit den von uns in München gefundenen Resultaten in-
sofern übereinstimmen, als in beiden Fällen die Aufschließung von fest-
gelegtem Stickstoff als Hauptursache der Wirkung des Schwefelkohlen-
stoffs ermittelt wird. Der Unterschied zwischen seinen und meinen Aus-
führungen besteht nur darin, daß ich mich nicht darauf beschränkt
habe, eine Erklärung für die durch den Schwefelkohlenstoff bewirkte
Erhöhung der Fruchtbarkeit der Böden zu geben, sondern daß ich alle
bekannten Wirkungen des Schwefelkohlenstoffs, insbesondere auch die
auf die Bodenmüdigkeit sich erstreckenden, mitberücksichtigt habe.
Bereits in meinem Vortrag habe ich darauf hingewiesen, daß gerade in
dieser Richtung der Schwefelkohlenstoff z. B. in der Pfalz schon aus-,
gedehnte Verwendung findet; allein im Weinbaugebiet von Deidesheim
sind nach glaubwürdigen Mitteilungen im Jahre 1905 von einem Händler
45000 kg Schwefelkohlenstoff an Winzer verkauft worden, nicht etwa
zur Vertilgung der Reblaus, die dort gar nicht vorhanden ist, sondern
zur Behebung von Bodenmüdigkeitserscheinungen. Ich glaube aber nicht,
daß sich diese außerordentliche Wirkung des Schwefelkohlenstoffs in
Weinbergsböden durch die von Herrn Dr. Störmer vertretene Auf-
fassung allein erklären läßt. Für ausgeschlossen halte ich dies bei
jenen eigentümlichen Erscheinungen und Wirkungen, die wir bei den
Versuchen über die Erbsenmüdigkeit des Bodens beobachten konnten.
An diesen Versuchen hat ja Herr Dr. Störmer, solange sie in Dahlem
ausgeführt wurden, selbst teilgenommen. Aber selbst wenn wir nur
die Frage der Erhöhung der Fruchtbarkeit durch den Schwefelkohlen-
stoff ins Auge fassen, so reicht die Erklärung Störmers nicht aus
angesichts der von uns festgestellten Tatsache, daß der Schwefelkohlen-
JaUresbericlit der Vereinigung- für angewandte Botanik V. JXX
XX.\1\ iJericlit über die 5. Hauptversaninilung- der Vereinigung.
Stoff auch bei unseren mit Ziegelmehl ausgeführten Versuchen wirkte,
bei denen von Aufschließung des Stickstoffs durch Abtötung von Orga»
nismen nicht die Rede sein konnte.
\\'orin die Stör morsche und meine Erklärung für die \\'irkung
des Schwei'olkohlenstoffs auf die Fruchtbarkeit des Bodens sich unter-
scheiden, möchte ich in einem Beispiel dartun. In Vorträgen oder
Unterhaltungen, in denen die Schwefelkohlenstofffrage erörtert wurde,
habe ich schon gelegentlich die Beeinflussung der verschiedenen Gruppen
und Arten der Bodenorganismen durch den Schwofelkohlenstoff ver-
glichen mit jener, die ein verheerender, nicht allzulang andauernder
Krieg hervorbringt, indem er auf Kosten Tausender, die ihm zum Opfer
iallen, den Völkern neuen Antrieb zur größten Entfaltung ihrer Energie
gibt. Ist nun diese schon so oft beobachtete günstige Wirkung eines
Krieges oder auch einer andern schweren Heimsuchung eines Volkes
lediglich die Folge davon, daß er große Opfer an Menschenleben fordert,
oder ist nicht vielleicht mehr der Umstand in Betracht zu ziehen, daß
der Krieg jene Hemmungen aller Art wie mit einem Schlag beseitigt,
die sich allmählich bei einem allzulange währenden und mindestens bei
einem sonst nicht sehr tätigen Volke im gesamten öffentlichen Leben
in immer größerem Maße einstellen?
Zu den Ausführungen des Herrn Dr. Simon möchte ich bemerken,
daß mit den Moor eschen Bakterien in überaus zahlreichen Fällen Ver-
suche im Vergleiche zu den von uns gelieferten Kulturen von KnöUchen-
bakterien ausgeführt worden sind. Es ist mir aber kein einziger solcher
Versuch bekannt geworden, bei dem die mit so vieler Reklame ange-
priesenen amerikanischen Kulturen besser gewirkt hätten: meist haben
sie sogar vollständig versagt.
Für die Beobachtungen des Herrn Dr. Simon an Serradella scheinen
mir auch andci-e Erklärungsmöglichkeiten gegeben.
Don Bakterien bei der Samenimpfung keine Nährstoffe beizugeben,
dürfte sich, solange Gelatine- oder Agarkulturen verwendet werden, auf
manchen Böden doch sehr schwer rächen, wie auch Herr Dr. Störmer
bestätigen wird. Es hat sich wenigstens auf den weit verbreiteten EU-
4uvialböden Norddeutschlands diese Beigabe bei den Sojaversuchen als
unerläßlich erwiesen. Dafür, daß die Samenausscheidungsstoffe sehr
s-chädlich auf Knöllchenbakterien wirken, haben wir in München erst in
diesem Jahre wieder neue Beweise erlangt bei Versuchen, die wir mit
Serradella ausführten. Auf vielen Böden allerdings ist die Beigabe von
Nährstoffen, wie ich schon selbst ausführte, nicht notwendig, ja unter
Umständen sogar eher schädlich. Ich darf hier gleich hinzufügen, daß
wir vom nächsten Jahre ab auf Grund unserer Versuche die Kulturen
Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXV
in anderer Form für Impfzwecke abgeben werden, so daß die Frage der
Beigabe von Nährstoffen überhaupt nicht mehr in Betracht kommen wird,
Prof. Dr. A. Fischer-Basel: Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs
läßt vormuten, daß die Tötung der Bakterien, anderer Mikroorganismen
und Tiere zu einem Prozeß führt, der als Autolyse lange bekannt ist.
Die überlebenden Enzyme zerlegen die abgestorbene Körpersubstanz unter
sehr intensiver Entwickelung von löslichen Siickstoffverbindungen. Für
eine solche Auffassung spricht die anfangs beträchtliche Steigerung von
Ammoniak, der aus tryptischen und autolytischen Zerlegungen der Pro-
teinsubstanzen stammen diirfte, und ferner, daß im sterilisierten Boden
diese Wirkung nicht eintritt.
Die löslichen Produkte der Autolyse befördern die Auskeimung der
nicht getöteten Sporen, deren Keimlinge reichlicheres Nährmaterial als
im nicht mit CS2 behandelten Boden vorfanden und die noch übrigen
Reste der abgestorbenen Organismen angreifen. Der Erntegewinn würde
erst eine tertiäre Wirkung dos Schwefelkohlenstoffs sein.
Graf Ariiiiii-Sclilag-eiithiii : Ich möchte mir die Frage erlauben, in
welcher Weise und in welchen Mengen der Schwefelkohlenstoff verwendet
werden muß, um wirksam zu sein"? Ich treibe in sehr großem Umfange
Kartoffelkultur und Kartoffelhochzucht, und es treten nun auf meinen
Versuchsfeldern eine große Menge von Schädlingen, wie Engerlinge,
Drahtwürmer, Springschwänze, Erdraupen usw., schädigend auf. Es
ist für mich als Züchter sehr wichtig, einwandfrei die Ertragsfähigkeit
der einzelnen Sorten prüfen zu können, und da sind nun natürlich die
Einwirkungen der verschiedenen Tiere im Boden in hohem Maße hinder-
lich. Da sie nicht gleichmäßig verteilt sind, vielmehr von Versuchs-
parzelle zu Versuchsparzelle in verschieden starkem Maße auftreten,
fälschen sie die Ergebnisse der Versuchsanstellung in sehr unangenehmer
Weise, und es ist sehr schwer, den Reduktionsfaktor zu finden, durch
den diese ungleichmäßige Einwirkung rechnungsmäßig beseitigt werden
könnte. Ich bin nun auf den Gedanken gekommen, mit Schwefel-
kohlenstoff die Vernichtung der Insekten zu versuchen, um so diesen
Faktor, der neben manchem anderen die Versuchsresultate fälscht, mög-
lichst zu eliminieren. Im großen Betriebe ist nun die Arbeit mit Schwefel-
kohlenstoff recht umständlich und kostspielig. Ich habe die Sache bis-
her in der Weise ausführen lassen, daß ich in Abständen von 50 cm
Löcher in den Boden stoßen ließ, in welche Schwefelkohlenstoff mit
einem geeigneten Apparat, der jedesmal 10 oder 20 ccm entläßt, gefüllt
wurde. Es wäre mir nun sehr wichtig zu erfahren, welche Mengen nach
anderweitigen Versuchen zu verwenden sind, in welcher Entfernung.
Tiefe und Verteilung die Löcher am zweckmäßigsten gemacht werden^
XXX\ I l^ericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
und welche anderweitigen Versuche bereits vorliegen. Der Schwefel-
kohlenstoff soll eine düngerartige, das Pflanzenwachstum stark anregende
Wirkung ausüben. Diese Wirkung ist wahrscheinlich auf verschiedenen
Böden schon deshalb \erschieden, weil der Schwefelkohlenstoff sich je
nach der Bodenart verschieden verteilen wird. Da nun auf meinen
ziemlich grolien Versuchsfeldern immer Verschiedenheiten des Bodens
vorhanden sind, außerdem das Versuchsfeld jedes Jahr auf einem anderen
Schlage sich befindet, so würden, wenn der Schwefelkohlenstoff auf ver-
schiedenen Boden verschieden wirkt, durch die Verwendung von Schwefel-
kohlenstoff die Versuchsergebnisse auf den einzelnen Parzellen wahr-
scheinlich verschieden beeinflußt werden, somit an Stelle des einen Un-
sicherheitsmoments, welches die Insekten bildeten, nunmehr das neue
der verschiedenen Einwirkung des Schwefelkohlenstoffes treten, somit
möglicherweise die Beurteilung des relativen Wertes der einzelnen Sorten
wieder durch einen neuen Faktor erschwert werden. Ich wäre daher
für alle Mitteilungen über die Anwendung von Schwefelkohlenstoff sehr
dankbar.
Stornier: Die Bodenmüdigkeitsfrage habe ich zunächst beiseite ge-
lassen, weil es sich für mich darum handelte, erst einmal die Wirkung
auf den normalen Ackerboden klarzustellen. Die Müdigkeitserschoinungen
sind Vorgänge komplizierter Natur. Die erwähnte Autolyse mag wohl
eine Nebenrolle spielen, aber die Vermehrung der Bakterien nach Schwefel-
kohlenstoff behandlung tritt so schnell ein, daß wir mit deren Zersetzungs-
fähigkeit in erster Linie zu rechnen haben. Selbstverständlich ist eine
analytisch faßbare Menge der entstehenden Zersetzungsprodukte, nament-
lich des Ammoniaks, erst nach Wochen zu erwarten, l^ntersucht man,
wie ich es auch getan habe, ein und denselben Boden im unbehandelten
und im karbosulfurierten Zustande kurze Zeit nach der Schwefelkohlen-
stoffeingabe, etwa nach 4 Tagen, auf die Menge des in Form von Ammo-
niak und Salpetersäure vorhandenen löslichen Stickstoffs, so ist diese
nach so kurzer Frist selbstverständlich in beiden Fällen noch vollkommen
dieselbe.
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs ist bekanntlich proportional
der angewandten Menge, sie läßt sich aber schon bei 25 ccm pro 1 qm
erkennen. Zur Abtötung von Drahtwürmern und anderen Bodenschäd-
lingen müßten nach meinen Erfahrungen aber immerhin etwa 100 ccm
pro 1 qm gegeben werden, unter günstigen Verhältnissen genügen aber
vielleicht schon 50 ccm. Die Anwendung ist also vorläufig noch
recht teuer.
Die Wirkung tritt zwar auf jedem Boden ein, aber man beobachtet
eine wechselnde Gi-öße derselben, die in erster Linie davon abhängt,
Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXVII
welche Bakterienarten zufällig zur Vermehrung gelangen: z. B. solche
Arten, die Ammoniak freimachen, oder andere, die bei den Zersetzungs-
prozessen gerade umgekehrt das Ammoniak festlegen. Es ist die Frage,
ob die kürzere Zeit nach einer Schwefelkohlenstoff behandlung anfänglich
zu beobachtende schädliche Wirkung auf nachgebaute Pflanzen nicht
zum Teil auf die Festlegung des Stickstoffs zurückgeführt werden muß.
Heiiize: Eine vermehrte Aufschließung, d. h. ein stärkeres Löslich-
werden von Bodenstickstoff, welcher ev. wohl sicher zu einem recht
beträchtlichen Teile aus den durch CSo abgetöteten niederen tierischen
und pflanzlichen Organismen herstammt, ist auch schon von Prof. Krüger
und mir als Schwefelkohlenstoffwirkung berücksichtigt worden. Es konnten
nämlich neben bloßen Spuren von NHg in den unbehandelten Erden zu-
nächst regelmäßig immerhin auffallende Mengen Ammoniak in den mit CSo
behandelten Erden festgestellt werden. Weiterhin wurde von uns, zumal
bei einer wiederholten CSg-Behandlung, längere Zeit hindurch eine voil-
ständige Unterdrückung der Salpeterbildung beobachtet (Landw. Jahrb,
1907, Bd. XXX, S. 383 u. 889 und Centralbl. für Bakt., Abt. II. 1907,
Bd. XVIII, S. 56). Nach meinen weiteren Beobachtungen und Unter-
suchungen setzt jedoch späterhin in den behandelten Böden eine auf-
fallend stärkere Salpeterbildung ein, was jedenfalls für eine vermehrte
Auf Schließung von Boden-N als CSg-Wirkung spricht, wofern man nicht
auch gleichzeitig zunächst mit einer gesteigerten N-Assimilation, einer
Begünstigung der Entwickeln ng von Azotobakter und einer erst später
erfolgenden langsamen oder schnelleren Überführung von Organismen-
eiweiß in Salpeter rechnen muß. Auch bei späteren speziellen quantita-
tiven Versuchen (Topfversuchen ohne und mit Zusatz besonderer N-hal-
tiger Substanzen) konnte durch direkte Destillation in CSg-behandelter
Erde ohne Zusätze weit mehr NH3 nachgewiesen werden als in der ent-
sprechenden imbehandelten Erde. Wenn nun auch die Salpeterbildung
je nach den verwandten CS.2 -Mengen kürzere oder längere Zeit im Boden
unterdrückt wird, so ist dies bezüglich der Ammoniakbildung nach
mancherlei quantitativen Versuchen sicher nicht der Fall; letztere wird
vielmehr im allgemeinen immer schon kurz nach der Behandlung eine
gewisse Steigerung erfahren. Auch wurde bei geeigneten CSg-Versuchen
mit besonderen N-Zusätzen, z. B. in Form von Eiweiß, Pepton usw.
zwar eine längere Unterdrückung der Salpeterbildung beobachtet, nicht
aber der NHg-Bildung. CSo- Versuche mit Erden unter Zusatz von ]\Iassen-
kulturen von Bodenorganismen, Pilzen, Algen, Azotobakter usw. sind im
Gange. Neben der N-WMrkung muß aber auch nach meinen speziellen
Untersuchungen als CS2-Wirkung eine zuweilen stärkere, zuw^eilen
w^eniger starke Aufschließung von Mineralstoffen im Boden berücksichtigt
XXXVllI Bericht über die 5. Hauptver.saminlung der Vereinigung.
werden. Beim jetzigen Stande der mikrobiologischen Bodenliunde wird
nun wohl mit Recht die von Dr. Störmer bezüglich der N-Wirkung
als Folge einer CS2-Behandlung hervorgehobene direkte AufschlieOung
von Boden-N in den Vordergrund gestellt werden müssen; dabei wird
man aber manchmal auch eine bedeutend verstärkte N-Assimilation, eine
vermehrte Festlegung von ungebundenem N der Luft durch Organismen-
tätigkeit infolge einer CSs-Behandlung nicht außer acht lassen dürfen,
zumal verschiedene A'ersuche (direkte N Bestimmungen) von Prof. Krüger
und mir unter Umständom eine Zunahme an Gesamt-N bei CS^-behandelten
Bracherden sehr wahrscheinlich machen.
E)aß der — bei einer CS^-Behandlung manchmal eine autfallend
starke Zunahme aufweisende — gesamtlösliche N (Amid-Ammoniak-N
usw.) zum großen Teile aus Organismenleibern stammt, und daß d(^r X
in CSg-behandelten Böden leichter aus den Organismenzellen in Lösung
geht als in den entsprechenden unbehandelten Böden, dürfte wohl nach
den näheren Ausführungen von Dr. Störmer als sicher gelten können.
Der direkte Beweis an der Hand von Massonkulturen von Bodenorganis-
men als Zusatz zu Böden, welche einmal ohne weitere Behandlung
bleiben und dann mit CS2 behandelt werden, wie auch an der Hand der
behandelten und unbehandelten Kulturen selbst, steht freilich zur Zeit
noch aus. Als Beweis dafür können wir jedoch einen neuerdings schon
von 0. Loew und K. Aso^) bekannt gegebenen Versuch heranziehen,
bei welchem Bierhefemassenkultur mit CS2 behandelt wurde und alsdann
die Menge der wasserlöslichen Stoffe mit derjenigen der unbehandelt
gebliebenen Hefe verglichen wurde. Es wurden in den Extrakten der
zum Versuch verwandten Hefemengen folgende Mengen
bei CS2-behandelter bei unbehandelter Hefe
Hefe (Kontroll hefe) .
an Extraktivstoffen 2,962 g 0,411 g
an Stickstoff 0,238 g 0,013 g gefunden.
Hieraus folgt, daß die ursprünglichen Hefezellen (14,42 g Trocken-
substanz) mit 8,70 "/q N durch Abtötung mittelst CSg 20,52 °/o ihrer
Trockensubstanz und '/:, ihres Gesamt-N-Gehaltes verloren hatten, während
die lebende unbehandelte Hefe in derselben Zeit und bei gleicher Tem-
peratur (10 — 15°) nur 2,84 ^|^, ihrer Trockensubstanz mit nur 1,06 °/o
des Gesamt-N abgegeben hatte. Weiterhin wurden auch die Unterschiede
der ausgeschiedenen Minoralstoffe bestimmt. Es wurde aus 8,46 g
Trockensubstanz mit 6,79 "/q oder 0,56 g Asche
1) 0. Loew u. K. Aso, On changes of avaUability of nitrogen iu soils I.
(Bulletin of the College of Agriculture Imperial Universitj^ Tokyo, Vol. VII^
Nr. :}, 1!)07 u. Centralbl. f. Bakt.. Abt. 11, 1907. Bd. XX, S. 47).
Diskussion: Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. XXXIX
bei behandelter Hefe 1,588 g Mineralstoffe mit 0,397 g Asche
„ unbehandelter Hefe 0,217 g „ „ 0,051 g
extrahiert.
Hu^'o Fiselier-Berlin: Die Tatsache, daß ganz allgemein die Bak-
terien Hemmungsstoffe bilden, i.?t durchaus feststehend. Fraglich ist
nur, ob sie ebenso, wie in künstlichen Kulturen, auch im Boden zur
Geltung kommen, oder, wie viele andere Stoffe, von den Bodenteilchen
absorbiert werden. Ferner ist nicht unwahrscheinlich, da(3 in dem Durch-
einander der Mikrobenvegetation des Bodens die Hemmungsstoffe gar
nicht zur Anhäufung gelangen, vielmehr von dieser oder jener Art weiter
verarbeitet werden, was besonders eintreten dürfte als Folge der zuvor
betonten lebhaften Anregung der Wachstumstätigkeit.
Auch hat sich gezeigt, daß ein durch Kochen oder Ausschütteln
bereiteter Bodenauszug, künstlichen Nährböden zugesetzt, wachstums-
fördernd, nicht hemmend wirkt. Übrigens haben Versuche mit ver-
schiedenen im Autoklaven sterilisierten und mit Aufschwemmung von
frischer Ackererde neu infizierten Böden ganz ähnliche Resultate in be-
zug auf Bakterienvermehrung wie auf die „Fäulniskraft" der so be-
handelten Böden ergeben, wie von der Schwefelkohlenstoffwirkung be-
obachtet war.
Hiltuer: Ich weiß meinen bisherigen Ausführungen über die Frage,
ob Hemmungsstoffe im Boden sich geltend machen oder nicht und ob
ein Teil der Schwefelkohlenstoffwirkung zurückzuführen ist auf seine
Fähigkeit, dieselben direkt oder indirekt zu beseitigen, kaum etwas Neues
mehr hinzuzufügen. Die Frage ist jedenfalls nicht so leicht zu beant-
w^orten, als es vielleicht den Anschein hat. Ich habe hier nur meine
Anschauungen zum Ausdruck gebracht und sie, so gut es eben ging, zu
begründen und zu verteidigen gesucht. Die Zukunft wird ja lehren, wer
schließlich recht behält.
H. Fischer: Es hat mir fern gelegen, die Wirkung der Hemmungs-
stoffe ganz zu leugnen: nur darf man dieselbe wohl auch nicht über-
schätzen.
Ein noch für den heutigen Tag auf der Tagesordnung stehender
Vortrag von Dr. H ei nze- Halle mußte auf morgen vertagt werden.
Am Nachmittage wurde gemeinsam mit der Vereinigung der syste-
matischen Botaniker unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. Drude-
Dresden ein Ausflug nach dem Königlichen Schloßgarten in
Fi Unit z unternommen, wohin das Dampfschiff die Teilnehmer von
Blasewitz aus brachte. Der Abend wurde in Kleinzschachwitz gegenüber
Pillnitz zugebracht.
XL Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Mittwoch, den II. September,
9''' — 12^^ Sitzung in der Technischen Hochschule.
Nach Erledigung einiger geschäftlichen Angelegenheiten spricht
92o_95o pr_ ß Heiiize-Halle über
Neuere Beobachtungen über Serradella- und Lupinenanbau auf
schwerem Boden (s. S. 161—199 u. Taf. I— IV).
In der Diskussion ergreift das Wort
Miltner: Der wesentliche Inhalt der Ausführungen war wohl zu-
nächst der, daß es verhältnismäßig leicht ist, Serradella und Lupinen
auf leichtem Boden gleich im ersten Jahre zu bestem Erfolge zu ver-
helfen, während auf schwerem Boden große Hindernisse entgegenstehen.
Das deckt sich auch mit allen Erfahrungen. Das Wachstum der Lu-
pinen und Serradella auf schwerem Boden ist aber durch wiederholten
Anbau direkt zu erzwingen.
Von besonderem Interesse an den Ausführungen des Herrn Refe-
renten ist seine Angabe, daß sich die Serradella als besonders gute Vor-
frucht der Lupinen auf schwererem Boden erwiesen hat. Es dürfte dies
einerseits durch die von uns festgestellte Tatsache, daß Serradella-, und
Lupinenknöllchenbakterien nahe verwandtschaftliche Beziehungen zeigen,
zu erklären sein, anderseits damit, daß bei der Pruchtfolge Serradella-
Lupine auf die Lupine selbst keine ungünstigen Wirkungen sich geltend
machen können, weil jene Bodenmüdigkeitserscheinungen nicht eintreten
können, die sich zeigen, wenn diese Pflanzenart auf sich selbst folgt.
Auf die Frage, warum die Serradella im ersten Jahre auf besseren
und namentlich auf schwereren Böden nicht immer gleich gut wächst,
mit der ich mich schon wiederholt auch in Veröffentlichungen beschäf-
tigt habe, will ich hier nicht eingehen. Nur eine Tatsache, die vielleicht
allgemeineres Interesse verdient, möchte ich im Zusammenhang mit ihr
hier erwähnen. Wir haben nämlich verschiedene Lupinenarten, Serra-
della und andere Leguminosen auf kleinen Parzellen im Gartenboden an-
gebaut, der einen sehr hohen Gehalt an kohlensaurem Kalk besitzt.
Die meisten Lupinenarten kamen auf diesem Boden überhaupt nicht
zur Entwickelung und auch die Serradella stockte, nachdem sie sich
einige Zeit gut entwickelt hatte, fast vollständig. Diese Entwicke-
lungshemmungen ließen sich aber in überraschender Weise durch mehr-
maliges Bespritzen mit '/2 bis l^/^iger Eisenvitriollösung beseitigen. In
solchen Bespritzungen, die auch bei verschiedenen anderen Leguminosen
von recht vorteilhafter Wirkung waren, dürfte somit ein Mittel gegeben
sehi, den Anbau derartiger Pflanzen mindestens auf solchem Boden zu
Demonstration von Schimmelpilzkulturen. XLI
erzwingen, wo ein zu lioher Kalligehalt die Ursache ihres Mißratens
oder ihrer minder guten Entwickelung ist.
Heinze: Serradella ist nicht so empfindhch gegen Kalk wie Lupine.
Durch stärkeren Humusgehalt wird gleichfalls das Wachstum hintenan
gehalten. Außer Kalk müssen aber auch noch andere Ursachen heran-
gezogen werden.
Von 9°°— 10^2 hält
Professor Dr. P. Liilduer-Berlin eine Demonstration von
Schimmelpilzkulturen.
Schon bei der vorjährigen Tagung in Hamburg hatte ich Ge-
legenheit genommen, einige Schimmelpilzkulturen, die auf dünner Nähr-
gelatine zur Entwickelung gebracht waren, vorzuführen. Wenn ich
heute auf denselben Gegenstand zurückkomme, so geschieht dies aus
dem Grunde, weil sich bei mir immer mehr die Überzeugung heraus-
gebildet hat, daß diese Methode berufen sein dürfte, im Unterricht und
in Schausammlungen zur Popularisierung der Schimmelpilzkunde erheb-
lich beizutragen. Ich habe die Farbenpracht solcher Kulturen zum
erstenmal zu beobachten Gelegenheit gehabt, als ich Anfang der 80er
Jahre im Institut meines verehrten Lehrers Herrn Geheimrat Prof. Kny
in Berlin über Epicoccum pmyurasceus arbeitete und zwecks näherer
Untersuchung des roten Farbstoffes, den dieser interessante Pilz bildet,
gezwungen war, eine große Zahl möglichst farbstoffergiebiger Mycelien
zu züchten. Damals ging ich so vor, daß ich auf kreisrunden Glas-
platten von erheblichem Durchmesser eine dünne Pflaumendekoktgelatine
ausbreitete und das Sporenmaterial in der Mitte auftrug. 20 — 30 solcher
Platten kamen, so geimpft, unter große Glasglocken. In den Glas-
zylindern von ca 1 Liter Inhalt, in denen ich nunmehr solche Kulturen
anzulegen pflege, ist die Gelatine sowohl während der Impfung als auch
nachher viel besser vor Infektionen geschützt.
Wie man sieht, vertragen diese Kulturen auch ganz gut eine
weitere Reise; ferner sieht man nirgends durch Wasserkondensation am
Glase das Bild beeinträchtigt, was bei allen Kulturen, welche auf dicker
Schicht gewachsen und nur den Sporenrasen zeigen, unvermeidlich ist.
Besagter Umstand macht die Rollkultur besonders geeignet für Aus-
stellungszwecke. Als vor 2 Jahren in Berlin die große landwirtschaft-
liche Ausstellung war, hatte ich vorzugsweise solche Rollkulturen, z. T.
in besonders großen Gefäßen, ausgestellt, und ich hatte die Freude, daß
angesehene Schulmänner sich ganz begeistert über die instruktive Pracht
dieser Pilzgebilde äußerten. Auch da, wo ein Pilz früher oder später
die Gelatine verflüssigt, fließt doch kraft der großen Adhäsion am Glase
XLll Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
das Myoel nicht an demselben herab. Mit der Zeit, wenn durch Locke-
rung des Verschlußwattepfropt'ens das Verdunsten der Feuchtigkeit all-
mählich genügend vorgeschritten ist, haben wir fast ein Herbarexemplar
vor uns von großer Dauerhaftigkeit. Ich besitze Kulturen seit 6 bis
7 Jaln'on, die sich fast unverändert erhalten haben. Allerdings sind
das keine durch schöne Farben ausgezeichnete Pilze gewesen, denn die
Farbstoffe leiden doch mit der Zeit; aber die ganze Struktur der Kolonie
erleidet keine besonderen Änderungen.
Nur ein Umstand kann dem ganzen Inhalt des GlasgcfäOes ge-
fährlich werden: wenn dasselbe so auf den Tisch oder die Schrankplatte
gelegt wird, daß die Gelatineschicht eine ungleiche Erwärmung bzw.
Abkühlung erfährt. In diesem Falle fängt die Gelatine an abzublättern
oder in einzelne Schollen zu zerfallen. Beiläufig erwähne ich, daß auch
Hefen, namentlich die luftliebenden Kahm- und Mycelhefen prächtige
Bilder und Dauorkulturen nach derselben Methode geben.
Für ein Institut, das viele Besucher im Laufe des Jahres erhält,
bieten solche Kulturen ein bequemes Demonstrationsmaterial, für das
auch schnell das Verständnis gefunden wird. Gerade im Hinblick auf
diesen Umstand habe ich mir die Frage vorgelegt, ob es denn nicht am
einfachsten wäre, diese Prachtkulturen geradezu als Nummern unserer
Kulturensainmlungen einzurichten und von ihnen aus die neuen Ab-
impfungen zu machen. Solange man den Pilz in der Peripherie noch
wachsen sieht, ist man sicher, noch mit Erfolg überimpfen zu können.
Ich will mich nicht darauf einlassen, die einzelnen Arten,
die ich mir hierher habe schicken lassen — die Kulturen sind
während meines Urlaubs von meiner Assistentin Fräulein Dr. Knie-
schewsky angelegt worden — näher zu erläutern; zum Teil sind die
Arten selbst noch gar nicht bestimmt worden : wir haben uns vorläufig
nur an ihrer h'arbenpracht ergötzt und führen sie nur derentwegen
weiter. Ich greife nur die Namen einiger technisch wichtiger Arten
heraus: Mo)iascus purpui-ciis, Aspci'gillus Oryzae, der jüngst von mir
entdeckte Endonnjcv.-! fibu/if/er, der Weinbuketschimmel Sac/t.sia .nia-
veohnts, die Mojiüia variahilis, die Moi/Jlia Candida, der Stärkever-
zuckerungspilz Ami/lomyces- Boux'f'i. Ich gebe mich der angenehmen
Hoffnung hin, daß bei der Billigkeit der Rollzylinder (pro Stück ca. 40
bis 60 Pf.) und bei der leichten Ausführbarkeit der Kultur allenthalben
von derselben Gebrauch gemacht werden möge. Sie zeigt uns, wie der
Pilzorganismus, auch von der Wurzelseite betrachtet, in hohem Grade
interessant werden kann. (Lindner.)
In der Diskussion fragt
Heilize: Wie lange halten sich die Farben in den Kulturen?
Diskussion: Scliimmelpilzkultuieii. — Neue Beispiele f. Paithenokaipie. XLUi
Liiidiier: Das wechselt mit der Art und mit dem jeweiligen phy-
siologischen Zustand der Kultur. Der eine der ausgestellten Schimmel-
pilze stammt von den Rieselfeldern bei Charlottenburg. Er hatte ein
penseefarbiges Zentrum gebildet, während der scharf davon abgesetzte
Rand gelb gefärbt war. Mit der Zeit ist die scharfe Grenze ganz ver-
schwommen und eine Mischfarbe daselbst entstanden. Im allgemeinen
wird man sagen können, daß 4 — 6 Wochen lang die Kulturen den Reiz
der Jugendfrische bewahren, dann erst welken die Farben etwas ab.
Von 10^5— lU^*^ führt sodann Dr. I{. Ewert-Proskau vor
Neue Beispiele für Parthenokarpie (s. S. 83 — 85).
Geheimrat Prof. Dr. Wittiiiack- Berlin fragt, wie lange es dauert,
bis die Regeneration der Narbe eingetreten sei, und ob eine derartige
Narbe auch noch Bedeutung für die Befruchtung haben könne.
Ewert: Die Regeneration der Narbe dauert etwa 8 Tage. Ob die
regenerierte Narbe noch für die Befruchtung in Betracht kommen kann,
konnte noch nicht entschieden Averden. Ein in dieser Richtung ange-
stellter Versuch mifilang, da die Blüte bei der außerordentlich warmen
Witterung im Frühjahr 1907 zu schnell verging.
Dr. H. Fischer-Berlin: Eine Regeneration ist nach dem Abschneiden
der Narbe nicht nötig. Strasburger hat gezeigt, daß die Pollenkörner
auch auf der Schnittfläche keimen und die Schläuche in den Frucht-
knoten eindringen.
Ewert: Auf unserer Versammlung in Hamburg waren Zweifel aus-
gesprochen worden, daß Pollenschläuche in die Schnittfläche der Griffel
einzudringen und auch die Befruchtung zu vollziehen vermögen. Ich
habe indessen damals in Übereinstimmung mit Prof. Zacharias diese
Möghchkeit betont. Auch bei den alten Versuchen von Gärtner trat
trotz Wegschneidens der Narbe normale Samenbildung ein.
Prof. Dr. Zacliarias-Hamburg: Die harten Gewebe werden in dem
nicht befruchteten Fruchtknoten zum Verschwinden gebracht. Fih^ die
Praxis aber ist es wichtig, die Kerngehäuse los zu werden. Die samen-
•losen Äpfel haben aber beträchtliche Kerngehäuse. Ein im Hamburger
botanischen Garten sehr isoliert stehender Gravensteiner, bei dem Fremd-
bestäubung kaum möglich gewesen ist. hatte Früchte ohne ausgebildete
Kerne, aber mit gut ausgebildetem Kerngehäuse geliefert. Einzelne
Früchte hatten Kerne erzeugt, die auf Selbstbestäubung zurückgeführt
werden müssen. Man darf nicht verallgemeinern; ganz nahestehende
Früchte verhalten sich vollkommen verschieden.
Ewert: Beim Apfel ist eine geringere Neigung zum Verschwinden
des Kerngehäuses vorhanden als bei der Birne. In beiden Fällen läßt
XLIV Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
sich aber nachweisen, daß die Kernhauswandungen der kernlosen
Jungfernfrüchte eine geringere Anzahl dickwandiger Zellen besitzen.,
Wiftiiiack: Außer beim Gravensteiner kommt es auch beim Prin/-
apt'el vor, daß er wenig Kerne hat: jedoch ist stets ein deutliches Kern-
gehäuse vorhanden.
Sodann spricht von 10°^ — 11"^ Professor Dr. E. Zacliarias-Ham-
hurg über
Sterile Johannisbeeren (s. S. 223 — 225 u. Taf V).
Ewert: Ich habe die Beobachtung gemacht, daß manche unfrucht-
baren Sträucher sehr ins Holz gehen. Wenn Kirschen infolge zu guter
Ernährung sehr stark treiben, so fallen auch bei ihnen zuweilen die
jungen Früchte ab; es wird eben alles Baumaterial zur Bildung der
Zweige und Blätter benutzt. Bei den unfruchtbaren Johannisbeer-
sträuchern muß entweder die Narbe der Blüten unempfänglich sein oder
der Eiapparat eine mangelhafte Ausbildung besitzen, denn ein eigeneis
Fruchtungsvermögen hat die Johannisbeere nicht, oder man muß all-
gemein physiologische Ursachen wie die oben angedeuteten zur Er-
klärung der Unfruchtbarkeit annehmen.
Zacharias: Es mag bei den Johannisbeeren manches verschieden
sein. Bei den beobachteten Exemplaren gilt das nicht, daß die un-
fruchtbaren Johannisbeersträucher besonders reichlich treiben, manche
der Sträucher im botanischen Garten in Hamburg sind ziemlich
kümmerlich.
Drude fragt, ob der Vortragende auch Ribes alpinum in den
Kreis seiner Untersuchungen gezogen hat. Im botanischen Garten und
in den Anlagen um Dresden findet man fast nur die männlichen
Sträucher, während im Freien der Strauch oft sehr reichlich fruchtend
ist. Nach den Beobachtungen älterer Floristen aber scheinen die Sträucher
nicht immer eingeschlechtig zu sein. Es wäre ja nun möglich, daß diese
Eigenschaft wechselnder Geschlechterverteilung in die andere Art hinein-
kommen könnte.
Dr. A. Naiiniaiiii-Dresden: Ähnliches kommt bei Amygdalus nana
vor. Im Schloßgarten von Czernosek setzen die dort angepflanzten
Sträucher dieser Art reichlich Früchte an, auf der andern Seite der
Elbe kommt eine ähnliche Anpflanzung nie zur Fruchtbildung. Ich fand
bei sämtlichen Sträuchern das Ovarium stark zurückgebildet, namentlich
war die Eianlage ausgeblieben. Ob ungeeignete Bodenverhältnisse oder
Erblichkeit vorliegen, kann ich zurzeit nicht angeben.
Ewert: An Rlhes alpinum habe ich keine näheren Untersuchungen
gemacht. Die Unfruchtbarkeit der Johannisbeeren hat ohne Zweifel sehr
Diskussion: Sterile Johannisbeeren. — Elektrische Samenprüt'ung. XLV
verschiedene Ursachen. Betonen möchte ich aber noch, daß ein von
mir in Proskau angepflanzter unfruclitbarer Strauch ein ungewöhnlich
üppiges Wachstum zeigte.
Wittmack: In den Anlagen, z. B. auch in Berlin, sind meist
männliche Sträucher von Bibes alpinum angepflanzt, weil die Blüten
hübscher und die Blätter größer sind, während die weiblichen Exemplare
kümmerlicher und w^eniger schön aussehen.
Es tritt sodann eine viertelstündige Pause ein, die zum Wechseln
des Hörsaals benutzt wird. In dem physikalischen Hörsaal spricht von
Ij^so — ^-[bö imter Vorführung von Lichtbildern Professor Dr. T. Johnson-
Dublin über
Elektrische Samenprüfung (s. S. 102—112).')
Hiltner: Wie ist es aufzufassen, daß für Poa 8 Tage zur Keimung
notwendig sind? Dauert die Prüfung des einzelnen Samens, so lange
oder ist diese Zeit notwendig, um eine genügende Zahl Samen zu
prüfen?
Johnson: Man kann 10 Samen in der Stunde prüfen. Nach
8 Tagen kann man die Samen probieren. Es ist nicht leicht, die
Prüfung zu machen.
Stornier: Muß Poa erst 7 Tage liegen, um geprüft werden zu
können V
Wittmack: Wie muß der Samen vorbereitet sein? Muß er an-
gequollen sein?
Johnson: Man muß die ersten Stadien der Keimung haben.
Alsdann berichtet Dr. R. Thiele-Staßfurt über
Weitere Untersuchungen betreffend die Veränderung der
pflanzlichen Gewebe durch Düngung.
Der Redner erläutert die Befunde an der Hand einer Anzahl ver-
größerter Photogramme von Stengelquerschnitten und kommt nach seinen
bisherigen Beobachtungen zu folgenden vorläufigen Resultaten: Durch ein-
seitige Stickstoffdüngung werden die Zellen erheblich vergrößert, und
die Zellwände bleiben dünnwandig. Bei einseitiger Phosphorsäure-
düngung wird das Zellumen verengt. Durch einseitige Kalidüngung
w^erden die mechanischen Gewebe verstärkt. Eine Düngung mit allen
3 Nährstoffen läßt gut ausgebildete Organe in die Erscheinung treten.
1) Ergänzend zu der S. 102 gebrachten Anmerkung 2 mag hier er-
wähnt werden, daß Waller in der vom Vortr. eingangs zitierten Arbeit
(Ann. üf Bot. XV, S. 427) den „Flammstrom" folgendermaßen definiert: „By
,blaze currant' I mean to denote the galvanometrieal token of an explosive
change locallv excited in liväng matter." (Brick.)
XLVl Bericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
Zum Schluß betont Referent, daß die bisher von ihm untersuchten
Pflanzen aus dem freien Lande stammen, daß also immerhin der noch
unbekannte Faktor Boden in Berechnung gezogen -werden muß. Da
trotzdem durch verschiedene Ernährung DiiTerenzen in der Gewebe-
bildung auftreten, so ermutigen diese Vorversuche zu weiteren exakten
Versuchen, welche vom Referenten bereits in Angriff genommen sind
und über deren Ausfall er in späteren Sitzungen B<3richt erstatten wird.
In der Diskussion bemerkt
Geheimrat Professor Dr. L. Kny-Berlin: Es erscheint mir nicht
richtig, daß für die Leitbündel die Phosphorsäure von alleiniger Wichtig-
keit sein soll, da bei alleiniger Phosphorsäuredüngung die Pflanzen
sehr klein bleiben.
Thiele: Die Phosphorsäure hat insofern nach den Vorversuchon
eine Einwirkung auf die Gefäße, als diese durch Phosphorsäuro eng-
lumiger werden, während bei einseitiger Kaligabe eine Verengung der
Gefäße nicht beobachtet werden kann.
Schluß der Sitzung 12 '/4 Uhr.
Am Nachmittage wurde gemeinsam mit der Vereinigung der syste-
matischen Botaniker ein Ausflug nach Tharandt unternommen. Leider
mußten hier ein von ProL Dr. F. Neger-Tharandt angekündigter Vor-
trag über Korkeichen- und Pinsapowälder in Südspanien sowie eine
4)emonstration der pflanzenpathologischen Wandtafeln v. Tubeufs wegen
plötzlicher Erkrankung des Vortragenden ausfallen. Lnter Führung von
Prof. Dr. Beck-Tharandt wurden sodann der Porstbotanische
Garten und das Forstbotanische Institut besichtigt.
Der Abend vereinigte die Teilnehmer zu einer Begrüßung der
Deutschen Botanischen Gesellschaft im Ausstellungsgebäude an
der Stübelallee.
Donnerstag, den 12. September,
fand die 25. Generalversammlung der Deutschen Botanischen
Gesellschaft (im Ausstellungsgebäude) statt, an der sich zahlreiche
Mitgüeder unserer Vereinigung, die zugleich der D. B. G. angehören,
beteiligten. Prof. Dr. H. Win kl er- Tübingen gab ein Sammelreferat
über Parthenogenesis im Pflanzenreiche.
Nachmittags fand seitens der gesamten nunmehr in Dresden ver-
sammelten Botaniker eine Besichtigung des Kgl. Botanischen
Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge. XLVII
Gartens unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude statt.
Um 6 Uhr vereinigte man sich zu einem Festessen im KfinigUchen
Belvedere auf der Brühischen Terrasse unter dem Vorsitz von Geheimrat
Prof. Dr. S. Schwendener-BerUn, bei dem Geh. llofrat Prof. Dr.
Kalkowsky die versammelten Botaniker namens der Naturwissen-
schaftlichen Gesellschaft „Isis" in Dresden begrülUe. Geheimrat Prof.
Dr. A. Engler- Berlin namens der Freien Vereinigung der systematischen
Botaniker und Pllanzengeographen und Prof. Dr. E. Zacharias-Bam-
burg namens der Vereinigung tiir angewandte Botanik die Deutsche
Botanische Gesellschaft zu ihrem 25jährigen Bestehen beglückwünschten.
Hofrat Prof. Dr. v. Wettstein Wien feierte den Präsidenten der Ge-
sellschaft, Geheimrat Prof. Dr. Schwendener, und dieser dankte dem
Sachsenlande, der Stadt Dresden und insbesondere dem Geh. Hofrat Prof.
Dr. Drude für die Aufnahme und für die Vorbereitung der Versamm-
lungen.
Freitag, den 13. September,
hielt vormittags die Deutsche Botanische Gesellschaft ihre Festsitzung
ab, in welcher der Präsident der Gesellschaft, Geheimrat Professor
Dr. S. Schwendener, die Festrede hielt.
Nachmittags begann die geplante
Exkursion in das Eibsandstein- und böhmische Mittelgebirge
unter Führung von Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Drude- Dresden,
Dr. A. Naumann-Dresden und Dr. B. Schorler-Dresden, an der
sich von unserer Vereinigung Brick -Hamburg, Büsgen-Münden,
Engler-Dahlem, Johnson- Dtiblin, Kumm-Danzig, Lindner-Berlin,
Simon-Dresden, Warburg-Berlin, Wittmack-Berlin und Zacharias-
Hamburg, ferner v. Carnap- Charlottenburg, Forstmeister Grebe-Hofgeis-
mar, Dr. H. Roß-München, Rudolf-Teplitz und Dr. K. Rudolf-Czernowitz
beteiligten. Der Zweck der Exkursion war der Vergleich der einförmigen
Waldformationen des Eibsandsteingebirges mit den artenreichen Laub-
wäldern, Hügel- und Felsformationen des böhmischen Mittelgebirges.
Die Abfahrt erfolgte Freitag, den 13. September, 2'-° nachmittags
mit der Bahn nach Hirschmühle. Von hier w'urde der Große Zschirn-
stein, mit 561 m hohem Sandsteingipfel, bestiegen^). Der Abstieg
1) Vgl. 0. Drude, üie kartographische Darstellung mitteldeutscher
Vegetationsformationen, p. 22—25 u. Karte JI. Dresden 1907.
XLVIII Ijericht über die 5. Hauptversammlung der Vereinigung.
führte nach Nieder-Grund an der Elbe: sodann ging- es mit der Bahn
nach- Tetschen.
Sonnabend, den 14. September, brachte der Zug um 5^° früh
die Teilnehmer über Böhmisch-Leipa nach Niemes, von wo eine Be-
steigung des den Sandstein durchbrechenden 696 m liohen Basaltgipfels
des Hohen Roll vorgenommen wurde. Von Niemes wurde mit der Bahn
nacli Tetschen zurückgekehrt.
Sonntag, den 15. September, ging es mit der Bahn 8*^ nach
Libochowan, von wo bei leider nicht sehr günstigem Wetter über den
Hrazek und beim Drei-Kreuzberg vorbei nach Czernosek an der Elbe
gegangen wurde. Nach kurzer Mittagsrast brachte ein Wagen die Teil-
nehmer nach Czalositz und die Bahn von dort nach Radzehi, von wo es
zu Fuß nacli der Dubitzer Kapelle mit herrlicher Aussicht auf die
Elbe und das sie begleitende böhmische Mittelgebirge ging. Der Rück-
weg führte über den Mullerstein nach Salesl, zu Schiff vorbei an dem
80 m steil abfallenden Phonolithfelsen des Schreckensteins nach Aussig
und mit der Bahn nach Dresden,
Mehrere MitgUeder machten in Dresden sodann noch die vom
Sonntag, den 15. September, bis Sonnabend, den 21. September,
währende 79. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte,
besonders die Sitzungen der botanischen Abteilung, mit.
Brick.
Mitgliederliste. XLIX
Mitgliederliste
der „Vereinigung für angewandte Botanik" für 1907.
(Adressenänderungen bzw. Unrichtigkeiten im Verzeichnis bittet man, dem
Schriftführer der Vereinigung, Dr. Brick, Station für Pflanzenschutz, Ham-
burg 14, anzuzeigen.)
Abromeit, J., Dr., Privatdozent, Königsberg i. Pr., Botanischer Garten.
Adamovich, Alexander, Gutsbesitzer in Ljvidek (Neusatz), Ungarn.
Ahrens, C, Dr., Beeidigt. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2.
Ap]iel, Otto, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen
Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dalilem-Steglitz bei Berlin.
Arnim-Schlagenthin, Graf v., Nassenheide (Pommern).
Ascher so n, Paul, Dr. phil. et. med., Geh. Regierungsrat, Professor an
der Liniversität, Berlin W., Bülowstraüe 51.
Barth, Hans Philipp, Weingutsbesitzer, Dürkheim a. d. Haardt.
Bassermann -Jordan, Ludwig, Dr. jur., Bürgermeister und Weinguts-
besitzer, tteidesheim (Bayer. Pfalz).
Behn, Dr., Techn. Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen Anstalt,
Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Bohrens, Johannes, Dr., Professor, Direktor d. Kais. Biologischen
Anstalt f. Land- u. Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berün.
ßenecke, W., Dr., a. o. Professor an der Liniversität, Kiel, ßergstr. 27.
Bernegau, li., Korpsstabsapotheker a. D., Berlin W. -Haiensee, Kur-
fürstendamm 101.
Bischkopff, E., Dr., Assistent an der Station oenologique des viti-
vinicultures russes, Odessa, rue Kanatna'ia 19.
Boetticher, Dr., Assistent a. d. Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- und
Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Bolle, Joh., Direktor d. k. k. Landwirtsch, -chemisch. Versuchsstation,
Görz (Istrien).
Braun, K., Dr., Assistent am Landwirtschaftl.- biolog. Institut, Amani
(L>eutsch-Ostafrika), Hafen Tanga.
Brick, Carl, Dr., Leiter der Station für Pflanzenschutz, Hamburg 5,
St. Georgskirchhof 6.
.TaliresLevIcht der Vereinigung' für angewandte Botanik V. JY
L Mitgliederliste.
Bruijning jr,, P. F., Direktor der Rijksproofstation voor Zaadcontröle,
Wageningen (Holland).
Bub.ik, Franz, Dr., Professor an der Landwirtschaftl. Akademie, Tähor
in Böhmen.
Buchwald, J., Dr., Vorsteher d. Botan. Abteilung d. Versuchsanstalt 1'.
Getreideverarbeitung, Berlin N. 65, Seestraße 4 a.
von Buhl, I'^ugen. Dr., Reichsrat, 1 »eideshoim (Bayr. Pfalz).
Buhl, Franz, Weingutsbesitzor, Präsident des Deutsclien Weinbau-
Vereins, Deidesheim (Bayr. Pfalz).
Büsgen, M., Dr., Professor der Botanik an der Forstakademie, Hann.-
Münden.
Busse, Waltor, Dr., Regierungsrat, Privatdozent der Botanik an der
Universität, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt für L;uid-
und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
von Canstein, Freiherr, Dr., Kgl. Landes-Ökonomierat, Bi-rlin NW. 40,
Kronprinzenufer 5/6.
Coleman, Leslie C, Government Mycologist and Entomologist, Ban-
galore, Brit. Indien.
Cuboni, G., Dr., Professor, Direttore della Stazione dl Patologia vege-
tale, Rom, Santa Susanna.
Degen, A. v., Dr., Direktor der Samenkontrollstntion, Budapest II, Kis-
Rokus-utcza Il/b.
Dem, A., Kgl. Bayr. Landesinspektor für Weinbau, Neustadt a. d. Haardt.
Derndinger, Joh., Domänenrat, Karlsruhe i. B., ]-]ttlingerstr. 27.
Diels, Ludwig, Dr., Professor, Marburg i. H., Botanisches Institut.
Dingler, Hermann, Dr., Professor der Botanik an der Forstlichen Hoch-
schule, Aschaffenburg.
Dinklage, M., Kaufmann, Hamburg 13, Oberstr, 56,
Dorph Petersen, K., Direktor Dansk Frökontrol, Kopenhagen V,
Harsdorffswej 7.
Drude, 0., Dr., Geh.. Hofrat, Professor der Botanik an der Technischen
Hochschule und Direktor des Kgl. Botan. Gartens, Dresden-A., Bo-
tanischer Garten.
Dunbar, W. Ph., Dr., Professor, Direktor des Hygienischen Instituts,
Hamburg, Jungiusstr.
Edler, W., Dr., Professor, Landwirtschaftl. Institut d. L'niversität, Jena.
J^n gel mann, Eduard, Weingutsbesitzer, Hallgarten (Rheingau).
Engler, Adolf, Dr., Geh. Ober-Regierungsrat, Professor der Botanik an
der Universität, Direktor des Kgl. Botanischen Gartens u. Museums,
Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Eriksson, Jakob, L»r., Professor, Experimentalfältet bei Stockholm.
Mitgliederliste. LI
Esser. P.. Dr., Direktor dos Botanischen Gartens, Dozent der Botanil<
und Mil^roskopie an der Handels-Hochschule zu Cöln a. Rh., Volks-
garten str. 1.
Ewert, R., Dr., Leiter der Botanischen Abteilung der Versuchsstation
des Pomologischen Instituts, Proskau bei Oppoln.
Paber, F. v., Dr., Hilfsarbeiter an der Kaiserl. Biologischen Anstalt in
Dahlem- Steglitz bei Berlin.
Pabricius, L., Dr., Privatdozent der Porstwissenschaft und Assistent
am Forstbotanischen Institut, München, Amalienstr. 67.
Pindlay, \\'m. M., Agricultural Department, Marischal College, Aberdeen
(Schottland).
Fischer, Alfred, Dr., Professor an der Universität, Direktor des Bo-
tanischen Instituts und Gartens, Basel.
Fischer, Chr., Regierungsrat, Franken thal (Bayer. Pfalz).
Fischer, Hugo, Dr., Privatdozent, Vorstand der Baktoriol. Abteilung
an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, Charlottenburg,
Marchstr. 15. . .
Freu dl, Eligius, Assistent an der k. k. Samen-Kontroll-Station Wien
II/2, k. k. Prater 174.
Fröhlich, Weingutsbesitzer, Edenkoben (Bayer. Pfalz),
Frölich, Gust., Dr., Leiter der Friedrichswerther Samenzucht-Anstalten,
Domäne Friedrichswerth in Thüringen.
Fruwirth, C, Professor an der k. k. Technischen Hochschule,
Wien IV. . . '
Fünfstück, Moritz, Dr., Professor der Botanik an der Kgl. Technischen
Hochschule, Stuttgart, Ameisenbergstr. 7.
Galler, H., Dr., Assistent an der Kgl. Württembergischen Weinbau-
versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg).
Gassner, G., Dr., Professor a, d. Seccion agronomia de la L'niversidad,
Montevideo (Uruguay), Camino Millan 676.
Ger neck, R., Dr., Lehrer an der K. Bayer. Weinbauschule, Veitshöch-
heim bei Würzburg.
Gilbert, Ad., Dr.. Handelschemiker, Hamburg 11, Deichstr. 2.
Gilg. Iv, Dr.. a. o. Professor der Botanik, Kustos am Kgl. Botanischen
Museum, Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 34.
Goethe, Rudolf, Kgl. Landesökonomierat, Darmstadt, Roquetteweg 24.
Görg, Fr., Gutsbesitzer, Deidesheim (Bayer. Pfalz).
Graebner, P., Dr., Kustos am Kgl. Botanisclien Garten, Groli-Lichter-
felde W. bei Berlin, Viktoriastr. 8.
Grevillius, Anders Yngve, l_)r., Landwirtschaftl. Versuchsstation, Kempen
(Rheinprovinzj.
IV*
LTI Mitgliederliste.
Grosser, W., Dr., Direktor der Agrikultur-botanischen Versuchs- und
Samenkontrollstation der Landwirtschat'tskammer, Breslau, Matthias-
platz.
Güssow, H. Th., Assistant to the C\)nsulting Botanist, R. Agricult.
Society of England, 44 Central Hill, l'ppor Norwoud, London S. E.
(England).
Gutzeit, Dr.,' Professor, Vorsteher der Abtlg. für Ptlanzcnkraukheiten
und Bodenbakteriologie am Versuchsfelde der Universität Königs-
berg i. Pr., z. Zt. Steglitz bei Berlin, Arndtstr. 4.
Hanausek, T. F., Dr., k. k. Gymnasialdirektor, Krems a. d. Donau.
Hansen, Adolf, Dr., Geh. Hofrat, Professor der Botanik und Direktor
des Botanischen Gartens, Gießen, fieberstr. 21.
Haselhoff, E., Dr., Vorsteher der Landwirtschaftlichen Versuchsstation,
Marburg a. d. Lahn.
Haupt, Hugo, Dr., Nahrungsmittek-hemiker, Bautzen i. S.
Hecke, Ludwig, Dr., Professor an der Hochschule für Bodenkultur,
Wien III, Hauptstr. 96.
Heering, W., Dr., Oberlehrer, Altona, Alsenstr. 3.
Heinsen, E., Dr., Wissensch. Hilfsarbeiter an den Botanischen Staats-
instituten, Hamburg 20, Hudtwalckerstr. J8.
Heinze, B., Dr., Vorsteher der Bakteriologischen Abteilung an der
Agrikultur-chemischen Versuchsstation Halle a. S., Karlstr. 10.
Henneberg, W., Dr., Abteilungsvorstand im Institut für Gärungs-
gewerbe, Berlin N. 65, Seestr.
Hennings, P., Professor, Kgl. Botanisches Museum, Daiilem-Steglitz bei
Berlin.
Hensler, Karl, Kgl. Landwirtschaftslehrer, Vorstand der Kgl. Landwirt-
schaftsschule, Landau (Pfalz).
Hillmann, Paul, Dr., Vorstand der Saatzuchtstelle der Deutschen Land-
wirtschafts Gesellschaft, Berlin SW., Dessauerstr. 14.
Hiltner, L., Dr., Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt, München-
Schwabing, Osterwaldstr. 9 F.
Hinneberg, P., Dr., Altona-Ottensen, Flottbeker Chaussee 29.
Holmes, E. M., Curator of the JVIuseum of the Pharmacoutical Society
of Great Britain, 17. Bloomsbury Square, London W.C.
Hosseus, C, Dr., Berlin-Schöneberg, Vorbergstr. 9 I.
Hunger, F.W.T., Dr., Direktor der AUgemeen Proefstation, Salatiga (Java).
Jaap, 0., Lehrer, Hamburg 25, Burggarten 1.
J aekel, Hugo, Chemiker, z. Zt. Kochel, Oberbayern, Villa Schnoor.
Jakowatz, A., Dr., Professor a. d. Landw. Akademie, Tetschen-Liebwerd
(Böhmen).
Mitgliederliste. LllI
Johnson, T., E»r., Professor, Royal College of Science, St. Stephen's
Green. East, Dublin (Irland).
Jungcl aussen, C. A., Medizinalassessor, Hamburg 5, Beim Stroh-
hause 10.
Kabät, Jos. E., em. Zuckerl'abriksdirektor, Turnau |i^>öhmen).
Kaiserfeld, W., Dr., Kanzleidirektor, Graz.
Kieflling, L., Dr., Adjunkt an der Kgl. Saatzuchtanstalt, Weihen-
stephan bei Freising.
Kirchner, Oskar, Dr., Professor der Botanik an der Kgi. Württemberg.
Landwirtschaftlichen Akademie, Vorstand des Botanischen Gartens,
der Samenprüfungsanstalt und der Versuchsstation für Pflanzen-
schutz, Hohenheim bei Stuttgart.
Klammer, Gutsbesitzer, Ebensfeld bei Pettau (Steiermark).
Klebahn, H., Dr., Professor, Assistent a. d. Hamburgischen Botanischen
Staatsinstituten, Hamburg 36, Jungiusstralie.
Klein, L., Dr., Geh. Hofrat, Professor d. Botanik a. d. Gr. Bad. Techn.
Hochschule, Direktor d. Botan. Gartens u. Instituts, Karlsruhe i. B.
Koch, Alfred, Dr., Professor, Direktor des Landwirtschaftl.-bakteriolog.
Instituts, Göttingen, Schildweg 13.
Kolkwitz, Richard, E)r., Professor, Privatdozent der Botanik, Mitglied
der Versuchs- und Prüfungsanstalt f. Wasserversorgung und Ab-
wässerboseitigung, Charlottenl>urg 4, Schillerstraüe 75.
Kosaroff, P., Dr., Leiter der Land wirtschaftlichen Versuchsstation Obraszow
Ciflik (Musterwirtschaft) bei Rustschuk (Bulgarien).
Krasser, Fr., L>r., a. o. Professor der Botanik u. Warenkunde a. d.
Deutschen Technischen Hochschule, Prag.
Kraus, C, Dr., Professor der Landwirtschaft an der Technischen
Hochschule, Oberleiter der Kgl. Saatzuchtanstalt in Weihenstephan,
München, Louisenstralle 45.
Kroemer, K., Dr., Vorstand der Pfianzenphysiologischen Versuchsstation
der Kgl. Lehranstalt f. Wein-, Obst- u. Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Krüer, H., Apothekenbesitzer, Ahrensburg bei Hamburg.
Krüger, F., Dr., Professor, Ständiger Hilfsarbeiter an der Kaiserl.
Biolog. Anstalt f. Land- und Forstwirtschaft, Itozent an der Kgl.
Landwirtschaftl. Hochschule, Dahlem-Steglitz b, Berlin.
Kühle, L., Mitinhaber der Saatzüchterei Aderstedt, Gunsieben (Kreis
Oschersleben).
Kumm, P., Dr., Professor, Dozent an der Technischen Hochschule, Kustos
am Westpreußischen Provinzialmuseum, Danzig, Langermarkt 24.
Kurmann, Franz, k. k. Weinbauoberinspektor am k. k. Ackerbau-
ministerium, Wien 1, Liebiggasse 6.
LIV Mitgliederliste.
Lafar, Franz, Dr., Professor der Gäruiigsphysiologio und Bakteriologie
an der Technischen Hochschule, Wien IV, K'arlsplatz 13.
Landauer, Robert, Obstplantagenbesitzer, Würzbvu'g, Gesundbrunnen.
Lang, W., Dr., Assistent a. d. Botan. Institut d. l/andwirtschaftl. Akademie,
Hohenheim (Württemberg).
Laubert, Richard, Dr., Ständiger Hilfsarbeiter a. d. Kaiserl. Biologischen
Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Lenz, Dr., Professor, Direktor d. Naturhistorischen Museums, Lübeck.
Leuschner, Karl, Dr., Administrator, Rann a. d. Save (Unter-Steiermark).
Liebenberg, Adolf Ritter von, t)r., k. k. Hofrat, Professor an der
k. k. Hochschule für Bodenkultur, Wien XIX, Hochschulstr. 24.
Lindau, Gustav, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Kustos am
Kgl. Botanischen Museum, Dahlem- Steglitz bei Berlin.
Lindemuth, Hugo, Kgl. Gartenbaudirektor, Dozent an der Kgl. Land-
wirtschaftlichen Hochschule, Berlin NW. 7, Dorotheenstraüe. Uni-
versitätsgarten.
Lindinger, L., Dr., Wissenschaftl. Hilfsarbeiter an der Station für
Pflanzenschutz, Hamburg 14, Versmannkai.
Lindner, Paul, Dr., Professor, \'orsteher der Abteilung für Reinkultur
am Institut tili' Gärungsgewerl)e, Berlin N. 65, Ecke der See- und
TorfstraOe.
Linhart, G,, Dr., Kgl. Rat, Professor an der Kgl. Ungar. Landwirt-
schaftlichen Akademie, Magyar-Ovär (Ungar. Altenburg).
Lüstner, Gustav, Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Versuchs-
station der Kgl. Lehranstalt für \\'ein-, Obst- und Gartenbau,
Geisenheim a. Rh.
Maallen, Dr., Regierungsrat, Mitglied der Kaiserl. Biologischen Anstalt
für Land- und Forstwirtschaft, Dahlem-Steglitz bei Berlin.
Mährlen, Weinbau-Inspektor, Weinsberg (Württemberg).
Magnus, Paul, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Berlin \N'..
Blumeshof 15.
Malkoff, Konstantin, Direktor d. Landwirtsch. Versuchsstation, Sadovo
b. Philippopel (Bulgarien).
Martinet, G., Chef de l'Ktablissement föderal d'essais et de controle de
semences, Lausanne (Schweiz).
Mayrhofer, Dr., Professor, Vorstand des städtischen Untorsuchungs-
amtes. Mainz.
Meinecke, J^]. P., Dr., Legaciun Alemana, Esmeralda 1Ü48, Buenos
Aires (Argentinien).
M ei 11 n er, Richard, Dr., Professor, Vorstand der Kgl. Wiirtlembg. Wein-
bau-Versuchsanstalt, Weinsberg (Württemberg).
Mitgliederliste. LV
Mertens. A., Dr., Professor, Direktor d. Stadt. Museums für Natur- u.
Heimatkunde, Magdeburg.
Meuschel, (rottlob, Kgl. Kommerzienrat, i. F. J. W. Meuschel sen.,
Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg.
Meuscliel, Otto, Weingutsbesitzer, Buchbrunn bei Würzburg.
Mez, C, Dr., Professor der Botanik an der Universität, Halle a. S.,
Botanisches Institut.
Mikosch, Karl, E»r., Professor an der Technischen Hochschule, Brunn.
Möller. J., Dr., Professor, k. k. Pharmakologisches Institut d. Lfni-
versität, Graz.
Molnär, Leopold, Chefredakteur des „Magyar Borkereskedelem", Direktor
des ,,T^andesverbandes der ungarischen Weinproduzenten und Wein-
händler", Budapest VI, Andrassy ut. 23.
Molz, E., Dr., Assistent an der Pflanzenpathologischen Versuchsstation
der J\gl. Lehranstalt für Wein-, Obst- und Oartenbau, Oeisen-
heim a. Rh.
Morpurgo, G., Professor a. d. Handelshochschule der Hevoltella-Stit'tung,
Museum der Handels- u, Gewerbekammer, Triest, Via Artisti 5.
Müller, H. C, Dr., Professor, Vorsteher d. Agrikult.-chomisch. Kontroll-
Station d. Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen, Halle
a. S., Karlstralie 10.
Müller-Thurgau , Hermann, Dr., Professor, Direktor der Schweize-
rischen Versuchsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau, Wädens-
wil bei Zürich (Schweiz).
Muth, Franz, Dr., Lehrer der Naturwissenschaften an der Großherzogl.
Weinbauschule, Oppenheim a. Rh.
Naumann, A., Dr., Dozent f. Botanik a. d. Kgl, Tierärztlichen Hoch-
schule u. Assistent am Kgl. Botanischen Garten, Dresden-A.
Neger, F., Dr., Professor der Botanik an der Forstakademie, Tharandt.
Nestler, Anton, Dr., Professor für Pflanzen-Anatomie und -Physiologie,
Oberinspektor der Untersuchungsanstalt für Lebensmittel an der
k. k. Deutschen Universität, Prag, Wenzelsplatz 53.
Noumann, M. P., Dr., Vorsteher der chemischen Abteilung der Ver-
suchsanstalt für Getreideverarbeitung, Berlin N. 65, Seestraße 4 a.
Nilsson, N. Hjalmar, Dr., Professor, Svalöf (Schweden).
Noll, Fritz, Dr., Professor der Botanik, Vorstand des Botanischen In-
stituts der Landwirtschaftlichen Akademie, Poppelsdort bei Bonn,
Endenicher Allee 32.
Ostenfeld, C. H., Dr., Inspektor am Botanischen Museum, Kopen-
hagen, Botanisk Have.
Osterspey, Dr., Direktor der Landwirtschaftsschule, Prankenthal (Pfalz).
LVl Mitgliederliste.
Pammol, L. H., Dr., Department of Botany, Jowa State College oi'
Agriculture and Mechanic Arts, Arnes (Jowa).
Paul, H., Dr., Assistent d. Kgl. Bayer. Moorkultiiranstalt, Bernau am
Ghiemsee (Oberbayern) (November — März: München, Königinstr. 3).
Peter, von, Dr., Direktor der Obstbau- und landwirtschaftlichen Winter-
schule, Priedberg (Hessen).
Peters, W., Dr., Preßhefefabrikant, Hamburg 15, Grünerdeich 60.
Potkoff, St., Dr , Professor der Botanik an der Universität, Sofia
(Bulgarien).
Petzet, Th., Oberapotheker am Allgem. Krankenhaus, Hamburg-Eppendorf.
Portele, Karl, Dr., Professor, Hofrat, landwirtschaftlich-technischer Kon-
sulent im k. k. Ackerbau-Ministerium, Wien.
Potonie, H., Dr., Professor, Landesgoologe, Groß-Lichterfelde W bei
Berlin, Potsdamerstraße 35.
Potter, M. C, Dr., Professor an der Universität, Xewcastle-on-Tyne.
Puchner, Dr., Professor, Weihenstephan bei Freising.
Qvam. Olaf, Direktor d. Statons Kemiske Kontroistation og Fr0kontrol-
anstalt, Kristiania (Norwegen), Alfheim, Pilestradet 27.
Raatz, W., Dr., Leiter der Abteilung für Rübensamenzucht der Zucker-
fabrik, Kl. Wanzleben b. Magdeburg.
Ravn, Kölpin, Dr., Professor an der Landboh0Jskolon, Kopenhagen V,
Kochsvej 25.
Reinhardt, 0., Dr., Professor, Privatdozent der Botanik, Berlin N.,
Elsäßerstraße 31.
Reinitzer, Priedr., Professor a. d. Technischen Hochschule, Graz.
Retzlaff, Max, Direktor der westafrikan. Pflanzungs- und Plantagen-
Gesellschaft Bibundi, Hamburg 36, Tesdorpfstr. 9.
Rohling, Alfred, Dr., Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Kgl.
Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung,
Berlin SW. 12, Kochstr. 73.
Rümker, C. v., .Dr., Professor, Direktor des Instituts für landwirtschaftl.
Produktionslehre, Breslau, Matthiasplatz 5.
Ru bland, W,, Dr., Privatdozent der Botanik, Ständiger Hilfsarbeiter an
der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Porstwirtschaft,
Dahlem- Steglitz bei Berlin.
Schander, R., Dr., Vorstand der Pflanzenpathologischen Abteilung der
Landwirtschaftlichen Versuchsstation zu Bromberg, HohenzoUern-
straße.
Schellenberg, H. C, Dr., Dozent für Landwirtschaft am Polytechnikum,
Zürich, Hofstraße 40.
Schenck, H., Dr., Professor der Botanik an der Technischen Hoch-
Mitgliederliste. LVII
schule und Direktor des Botanischen Gartens, Darnistadt, Nikolai-
weg 6.
Schindler, Franz, Professor an der k. k. Deutschen Technischen Hoch-
schule, Brunn (Mähren).
Schindler, Josef, Leiter der Versuchsstation der Landwirtschaft!, ■
Landeslehra)istalt, S. Michele a. E. (Tirol).
Schober, A., Dr., Professor. Schulinspektor, fiamburg 23, Papenstralie 5U.
Schoffer, Heinrich, Kgi. Landesökonomierat, Voi-stand der l\gl. Wein-
bauschule, Weinsberg (Württemberg).
Schröter, C, Dr., Professor der Botanik am Eidgenössischen Poly-
technikum in Zürich V, Merkurstr. 70.
Schumann, P., Dr., Vorstand d. Botan. AbtIg. d. Agrikult.-chemisch.
Kontrollstation d. Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Sachsen,
Halle a. S., Karlstr. 10.
Schwede. R., Dr., Assistent an der Kgl. Technischen Hochschule.
Dresden, Gutzkowstr. 28.
Seifert, W., Professor, Adjunkt an der Versuchsstation. Klostcrnouburg
bei Wien.
Seufferheld, C, W^einbau-Inspoktor, Administrator, Grünhaus bei Trier.
Siebert, A., Direktor des Palmengartens, Prankfurt a. AI.
Simon, J., Dr., I^tlanzenphysiologische Versuchsstation. Dresden -A.,
Pirnaischestr. 32.
Solereder, H., L»r., Professor d. Botanik und Direktor d. Botanis(;hon
Gartens, Erlangen.
Sonder, Chr., Dr., Apothekenbesitzer, Oldesloe (Holstein).
Sperling, Julius, Amtsrat, Dom. Buhlendorf b. Lindau, Anhalt.
Spieckermann, Dr., Abteilungsvorstand i. d. Versuchsstation, Münster
i. Westf.
Stahl, Ernst, L)r., Professor der Botanik und Direktor des Botanischen
Gartens, Jena.
Stehler, G.^ Dr., Direktor d. Samenuntersuchungs- u. Versuchsanstalt,
Zürich (Scliweiz), Eidgen. Cnemiegebäude.
Steglich, Dr., Professor, Pflanzenphysiologische Versuchsstation, Dresden,
Stübel-Allee 2.
Steinle, Domänenrat, Schwaigern (Württemberg).
Störmer, Kurt, Dr., Agrikult.-chem. Kontrollstation d. Landwirtschafts
kammer, Halle a. S., Karlstr. 10.
Szyszylowicz, Ign. Ritter von, Dr., Direktor d. Agrikulturbotanischen Ver-
suchsstation, Priv. -Dozent a. d. k. k. Universität, Lemberg (Galizien),
Thiele, R., Dr.. Dezernent in der Agrikultur-Abteihmg des Kalisyndikats.
Leopoldshai 1-Staßfurt.
Jahresbericht der Vereiniy:uiig für xrgewuudte Botanik V. . V '
.LVIII Mitgliederliste.
Thoms, H., Dr., Professor dor i)harin;izeiitischon Chemie ;ui der Kgl.
Universität, Direktor d. Pharmazeutischen Instituts, Hteglitz bei
Berlin, Hohenzollernstr. 8.
Thnst, Robert, Dr., Verlagsbuchhändier, Groli-Lichterfoide l)ei Perlin,
Willielmstr. 27.
Tischler, A., Dr , <roneral-Stabsarzt a. D., Marburg (Steiermark).
Tubeuf, C. Freiherr von, Dr., Professor für Anatomie, Physiologie und
Pathologie der Pflanzen an der L'niversität und Vorstand dei-
botan. Abteilung der Kgl. Forstlichen VersuclisanstaU., München,
Amalienstr, 67.
Uhlworm, Oskar, Dr., Professor, Oberbibliothekar, Herausgeber des
„Centralblattes für Bakteriologie und Parasiten künde", BorUn W,
Nachodstr. 17.
Vaiiha, Johann, J., Professor, Direktor der Landwirtschaftlichen Landes-
versuchsstation für Pflanzenkultur, Brunn (Mähren).
Vitek, E., Vorstand der Samcnkontroilabteilung d. Chemisch-physiolo-
logischen Versuchsstation an dor k. k. Böhm. Technischen Hoch-
schule, Prag, Karlsplatz 3.
Vogelsang, von, Kammerherr, Rittergutsbesitzer und Saalzücliter,
Hovedissen (Lippe),
Voigt, Alfred, Dr., Professor, Vorstand der Abteilung für Samen-
kontrolle, Hamburg 5, Botanisches Museum.
Volkens, G., Dr., Professor, Kustos am Kgl. Botan. (jarten, Vorstand
d. Botan. Zentralstelle f. d. Kolonien, Dahlem b. Berlin.
Wahl, C. von, Dr., Assistent an der Großherzogl. Landwirtschaftlichen
Versuchsanstalt, Augustenberg bei Grötzingen (Baden).
War bürg, Otto, Dr., Professor, Privatdozent der Botanik an der Uni-
versität und Lehrer am Orientalischen Seminar, Berlin W, Uhland-
straße 175.
Warth, Karl, Stadtpfleger, Vorstand des Württembergischen Weinbau-
Vereins, Stuttgart.
Weber, C, Dr., Professor, Moorvorsuchsstation, Bremen, Friedrich-
Wilhelm-Straße 24.
Wehmer, C, Dr., Professor an der Technischen Hochschule, Hannover,
Callinstraße 12.
Weigmann, Dr., Professor, Vorstand des Instituts für Milchwirt-
schaft, Kiel.
Weigert, Leop., Dr., k. k. Regierungsrat, Direktor d. k. k. höh. Lehr-
anstalt f. Wein- u. Obstbau, Klosterneuburg bei Wien.
Wein, Dr., Professor, Weihenstephan )>ei Freising.
Weinzierl, Th. Ritter von, Dr., Hofrat, Direktor der k. k. Samen-
Mitgliederliste, LIX
konti'ollstation (k. k. LaiidwirtschafUich-bütiuiischo Verstichsstatioii)^
Wien, Pratcr 174.
Wiljmer, Weingutsbositzer, Pottau (Steiermark).
Widen, J., Vorsteher der Agrikultur- chemischen und Samenkontroll-
Station, 0rebro (Schweden).
Wiedcnsheim , W., Dr., Assist, a. d. Grollhor/iOgi. Landwirtsch. Ver-
suchsanstalt, Augustenberg bei (in'Uzingen (Baden).
Wieler, Arwed, Dr., Professor, Dozent für Botanik und Vorstand des
Botanischen Instituts der Technischen llochsidiule, Aachen, Nizza-
alleo 71.
Wilhelm, Karl, L»r., Professor der Botanik an der k. k, Hochschule
für Bod(?nkultur, Wien XIX, HochschulstraDe 17.
Will, M., Dr., Professor, Vorstand der physiolog. Abteilung der Wissen-
schaft!. Station für Brauerei, München, Reichenbachstraße 52.
Wittmack, Ludwig, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor an der Kgl.
Landwirtschattlichen Hochschule und an der Universität, Berlin N, 4,
Invalidenstraße 42.
Wohltmann, Ferdinand, Di'., Geh. Regierungsrat, Professor an der
■ Universität, Direktor des Landwirtschaftlichen Instituts, Halle a. S.,
Gr. Steinstraße 19.
Wolf, Leopold, Leiter der Wiener Redaktion des „ L'ngarischen Wein-
handels", Fachreferent des „Landesverbandes der ungarischen
Weinproduzenten und Weinhändler", Wien XI, Hauptstraße 54.
Wortmann, Julius, Dr., Professor, Direktor der Kgl. Lehranstalt für
Wein-, Obst- und Gartenbau, Geisenheim a. Rh.
Zacharias, I'Muard, Dr., Professor, Direktor dei- Hamburgischen Bota-
nischen Staatsinstitute, Hamburg 17, Sophienterrasse 15a.
Zang, Wilhelm, Dr., Assistent am Botanischen Institut. Hohenheim bei
Stuttgart.
Zederbauer, E., Dr., Assistent an der k. k. Forstlichen Versuchsanstalt,
Mariabrunn bei Wien.
Zornig, H., Dr., Pflanzenphysiologisches Institut, München, Luisenstraße.
Zopf, Wilhelm, Dr., Geh. Regierungsrat, Professor der Botanik an der
Universität und Direktor des Botanischen Gartons, Münster i, Westf.,
Wilhelmstraße 2 a.
Zschokke, Achilles, Dr., Direktor der Kgl. Bayer. Wein- und Obstbau-
schule, Neustadt a. d. Haardt.
Zweifler, Franz, Direktor der Landes- Wein- und Obstbauschule, Mar-
burg a. d. Drau (Steiermark).
Die Beziehungen der Botanil< zur Technik.
Von
A. Wieler, Aachen.
Auf der vorjährigen Tagung der „Vereinigung für angewandte
Botanik" in Hamburg hat uns Herr Geheimrat Drude in lilarer Weise
die „Aufgaben und Ziele der angewandten Botanik" dar-
gelegt. Wir haben seiner Rede entnommen, wie umfangreich dies
Gebiet ist und wie zahlreich die Berührungspunkte sind, welche die
Botanik mit der Praxis hat oder, besser gesagt, haben könnte, denn
dem Erkennen der Beziehungen, welche zwischen einer Wissenschaft
und der Praxis bestehen, braucht noch nicht die Verwertung der
Errungenschaften jener durch diese auf dem Fuße zu folgen. Hat
man aber die Einsicht gewonnen, daß die Ergebnisse einer Wissenschaft
nicht nur unseren Forschungstrieb befriedigen, sondern daß sie auch der
Allgemeinheit von unmittelbarem praktischen Nutzen sein können, so ist
man nicht nur berechtigt, wie ich glaube, sondern auch verpflichtet als
Vertreter dieser Wissenschaft dahinzustreben, daß sie möglichst aus-
giebig für die Praxis nutzbar gemacht werde. Wenn man unter diesem
Gesichtspunkte die angewandte Botanik prüft, so wird man finden, daß
unsere Wissenschaft der Praxis noch auf manchem Gebiete nützlich
werden kann, wo sie bisher noch gar keine oder eine ihrer Bedeutung
bei weitem nicht entsprechende Rolle spielt. Ich möchte mir erlauben,
angeregt durch meine Lehrtätigkeit, an technischen Hochschulen, dies
Verhältnis für den Teil der angewandten Botanik zu untersuchen, den
man als technische Botanik bezeichnen könnte. Allerdings fasse ich
diesen Begriff etwas weiter als Herr Geheimrat Drude,') ich möchte
ihn nicht mit Rohstofflehre oder Warenkunde identifizieren, sondern
darunter Botanik in Anwendung auf die technischen Berufe verstehen.
Keine Gelegenheit dürfte zur Verhandlung über diesen Gegenstand
1) Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik, IV. Jahrg.,
1906, S. 8.
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik. V. i
2 A. Wieler,
günstiger sein als die diesjährige Tagung am Sitze einer technischen
Hochschule; ja wir könnten unseren Dank für die gastUche Aufnahme,
welche wir in ihren Räumen gefunden haben, nicht besser abstatten,
als wenn es uns gelänge, durch unsere Verhandlungen dahinzuwirken,
daß die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik innigere
und für letztere nutzbringendere würden.
Drei Gebiete sind es, auf denen die Botanik mit der Technik in
Verbindung tritt, das Gebiet der Mikroorganismen oder die technische
Mykologie, das Gebiet der pflanzlichen Baumaterialien und das
Gebiet der Rohstoff lehre. Alle drei Gebiete sind nicht scharf von ein-
ander geschieden, sondern greifen mehrfach in einander über. Die tech-
nische Mykologie berührt sich mit dem Gebiet der Baumaterialien durch die
holzzerstörenden Pilze, mit dem der Rohstofflehre durch die Röstungs-
und Permentierungsorganismen. Das Holz, das wichtigste pflanzliche
Baumaterial, ist unter anderem Gesichtspunkt als Rohstoff zu betrachten,
während wiederum bestimmte Rohstoffe wie Farbstoffe, Harze, Kautschuk,
Guttapercha und Hanf als Neben- oder Hilfsmaterialien in der Bau-
materialien künde Berücksichtigung finden.
Auf den genannten Gebieten kann sich unsere Wissenschaft in
doppelter Weise betätigen, in analytischer oder synthetischer Richtung.
Unter analytisch möchte ich das Bestreben verstehen, die gegebenen
Erscheinungen zu zergliedern und auf ihre Ursachen zurückzuführen,
jn den pflanzengeographischen, systematischen, morphologischen, ana-
tomischen oder physiologischen Verhältnissen den hinreichenden Er-
klärungsgrund für die Erscheinungen, d. h. für die gegebenen Tatsachen
der Mj'^kologie, der Baumaterialien und der Rohstoffe aufzudecken. Mit
synthetisch möchte ich die Seite unserer "Wissenschaft bezeichnen,
welche, auf die Kenntnis von der Natur der Organismen bauend. Neues
zu produzieren strebt, sei es, daß sie durch zielbewußte und w'illkürliche
Lenkung der Lebenskräfte neue Produkte hervorruft oder die Ver-
besserung bekannter Produkte bewirkt, sei es, daß sie Methoden ersinnt,
um die Produkte vor der Zerstörung zu schützen oder für weitere Ver-
wertung erst nutzbar zu machen. Beide Richtungen laufen vielfach
neben einander her und beeinflussen sich gegenseitig.
Gestatten Sie mir nun, das Gesagte an einigen Beispielen zu er-
läutern. Am ausgesprochensten treten uns beide Richtungen in der tech-
nischen Mykologie entgegen. Die analytische Richtung hat uns mit
der Natur und den Lebenseigentümlichkeiten der Bakterien und Gärungs-
organismen vertraut gemacht und den Erklärungsgrund für viele bereits
aus der Empirie des täglichen Lebens bekannte Erscheinungen wie die
Alkoholgärung oder die im Hausgebrauch geübten Sterilisierungsmethoden
Die Beziehungen der Botanik zur Technilc. ä
aufgedeckt. Aus dieser Kenntnis ergaben sich neue zweckmäßige
Sterilisierungsmethoden, und die rein theoretische, durch die Krankheiten
des Bieres veranlaßte Untersucliung der Alkoholgärungserreger führte ja
bekanntlich zu einer so vollkommenen Beherrschung der Stoffwechsel-
prozesse dieser Organismen, daß man heute imstande ist, mit Hülfe der
von Hansen in die Bierbrauerei eingeführten Reinkulturen der Gärungs-
erreger aus bekannten Rohmaterialien ein Bier von konstanter Beschaffen-
heit herzustellen. Es erinnert dies Verfahren an die Synthese in der
organischen Chemie, nur mit dem Unterschiede, daß man die chemischen
Operationen aus dem Laboratorium in die Zelle verlegt. Noch mehr
offenbart sich dieser synthetische Charakter unserer Wissenschaft in der
Herstellung der Zitronensäure durch Citromijces-Krten und andere Pilze.
Von ganz anderen, rein theoretischen Gesichtspunkten ausgehende Unter-
suchungen machten Wehmer') mit dem Stoffwechsel von Citromyces
bekannt und führten ihn zur Ausarbeitung eines Verfahrens für die
Gewinnung von Zitronensäure, das patentamtlich geschützt und mit Er-
folg ausgebeutet worden ist.
Der gewaltige Erfolg der Hau senschen Untersuchung über bier-
produzierende Gärungserreger hat zu einer intensiven Beschäftigung mit
dem Gebiete der technischen Mykologie geführt, und wenn es auch noch
nicht gelungen ist, alle in technischen Betrieben durch Mikroorganismen
hervorgerufenen Prozesse befriedigend aufzuhellen, so ist doch manches
wertvolle Resultat erzielt worden, und wir dürfen von der synthetischen
Richtung der angewandten Botanik auf diesem Gebiete für die Zukunft
noch manches bedeutungsvolle Ergebnis erwarten.
Das jugendhche Alter der technischen Mykologie bringt es mit
sich, daß manche Gebiete noch nicht in Angriff genommen oder erst
mangelhaft durchforscht worden sind. Das gilt auch von der Anteil-
nahme der Mikroorganismen an der Herstellung mancher Rohstoffe in
den Röstungs- und Fermentierungsprozessen. Namentlich letztere sind
noch sehr ungenügend erforscht, ich erinnere nur an die Fermentiorung
des Kakaos, während die Röste etwas besser bekannt ist. Wir wissen
von ihr, daß es sich bei der Isolierung der Bastbündel aus den Stengeln
des Leins, des Hanfes, der Jute und einiger weniger bekannter Pflanzen
um eine durch Bakterien hervorgerufene Pektingärung handelt, und daß
'das gewonnene Rohprodukt ganz wesentlich durch die Art des Verlaufs
dieser Gärung beeinflußt wird. Dieser hängt aber sowohl von der Natur
1) Beiträge zur Kenntnis einheimischer Pilze I. Zwei 'neue Schimmel-
pilze als Erreger einer Zitronensäuregärung. Mit 2 Tafeln. Hannover (Hahnsche
Buchhandlung) 1893. Patentschrift No. 72 957 und Zusatz zu diesem Patent
No. 91891 (Mucor piriformis).
1*
4 A. Wieler.
der gärenden Organismen als auch von den Umständen ab, unter denen
sich die Gärung abspielt. Die hochgeschätzten Sorten des belgischen
Flachses soll ihre guten Eigenschaften der Röstung im Flusse Lys
verdanken, wo diese besonders günstige Bedingungen findet. Auf Grund
des Studiums dieser Verhältnisse haben AUison und Pennin gton*)
ein patentiertes Verfahren ausgearbeitet, nach dem eine bessere Qualität
Flachs dadurch erzielt werden kann, daß man dem Röstwasser bestimmte
Salze, welche für die Entwickelung des Pektingärungsbazillus zuträglich
sind, und Bakterien der Lysröste zusetzt.
Noch eines anderen wichtigen Erfolges der synthetischen Rich-
tung in der technischen Mykologie müssen wir hier gedenken: das ist
die Verwertung der Fäulnisorganismen zur Zerstörung organischer
Materie, wie sie in dem „biologischen Klärverfahren" eine bedeutungs
volle Zukunft für die größeren Städte zur Beseitigung der Abwässer
haben dürfte. Es werden hierbei zielbewußt in besonderen Anlagen
die Prozesse eingeleitet, welche sich in den Flußläufen abspielen, wenn
Abwässer in sie gelangen, und die man als Selbstklärung der Flüsse
bezeichnet. Auch die Gewinnung von Trinkwasser aus den Flüssen
zur Versorgung der Städte setzt eine Beseitigung der organischen Sub-
stanz im Wasser voraus, und diese Beseitigung erreicht man in der
Sandfiltration unter Mitwirkung von Mikroorganismen.
Die technische Mykologie greift mit dem Kapitel der holzzerstrirenden
Pilze auch auf die Baumaterialienkunde über. Das Studium dieser
Pilze hat zu Maßregeln geführt, welche es ermöghchen, das Holz gegen
ihre zerstörende Wirkung zu schützen, indem es mit für die Pilze
giftigen Stoffen imprägniert wird, oder indem man ihnen mittelst der
Dämpfungsmethode den Nährboden im Holze entzieht.
Diese letzteren Methoden gründen sich ebensosehr auf die Kennt-
nis von der Natur der Pilze wie auf die von der Natur des Holzes.
Die anatomischen Verhältnisse desselben geben auch die Grundlage für
das Verständnis seiner Eigenschaften, der Schwere. Härte, Festigkeit,
Farbe, Elastizität, des Glanzes usw. ab. Die Entstehung des Holzes, die
Erscheinung der Jahresringe, das Auftreten von Splint und Kern sind
nur entwickelungsgeschichtlich und aus dem Zusammenhang mit der
Ausgestaltung der ganzen Pflanze und ihren Lebenseigentümlichkeiten
zu verstehen.
In diesem Teil der Baumaterialienkunde ist bisher nur die analy-
sierende Richtung unserer Wissenschaft zur Geltung gekommen, und ebenso
herrscht sie auf dem Gebiete der Rohstofflehre vor. Aber schon auf
1) Wiesner, Die Rohstoffe des Pflanzenreichs. 2. Aufl., II, S. 288.
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 5
der Generalversammlung der Deutschen Botanischen Gesellschaft im
Jahre 1901 hat AVarburg') darauf hingewiesen, daß der Charakter
unserer Wissenschaft sie nicht zu dieser Rolle verurteile, sondern daß
sie auch auf dem Gebiete der Rohstofflehre synthetische Züge besäße.
Sie müsse sich nach dieser Richtung hin entwickeln und die Natur der
Blütenpflanzen so zu beherrschen lernen, wie sie die der Alkoholgärungs-
organismen beherrsche, um die besten Kulturmethoden und die zweck-
mäßigsten Methoden zur Erntebereitung angeben zu können. Einst-
weilen dominiert noch die analysierende Richtung, welche uns aus den
Lehren der Zellphysiologie, Anatomie, Morphologie, Systematik und
Pflanzengeographie die Natur, Abstammung und Eigenschaften der Roh-
stoffe verstehen lehrt. Nach Drude umfafit die wissenschaftlich be-
gründete Lehre von den technisch verwendeten Rohstoffen des Pflanzen-
reichs 4 Hauptpunkte:
1. „Feststellung der Merkmale und Herkunft: sowohl nach anato-
mischer Organographie, als nach systematischer Klassifikation,
2. Ermittelung der die Verwendung beeinflussenden Eigenschaften
vom botanisch-physiologischen Standpunkte.
3. Feststellung der Heimat nach natürlichen und Kulturzonen; geo-
graphische Rassen und ihre Bedeutung für den Wert der
Rühstoffsorten.
4. Kritik der Gewinnungsweisen." ^)
Die Eigenschaften eines Rohstoffes sind in erster Linie von der
Natur der Stammpflanze abhängig. Da die Kulturpflanzen stark zum
Variieren neigen, klimatische, Boden- und Kulturverhältnisse ihre Eigen-
schaften und die der von ihnen abstammenden Rohstoffe beeinflussen,
so hat man es in der Gewalt, durch zielbewußte Züchtung und Kreuzung
die Produkte zu verbessern und ihre Kultur in Gebieten einzubürgern,
wo die Stammpflanzen bisher noch nicht v^uchsen oder in einer Form,
welche für ihre Gewinnung ungeeignet ist. Als Beispiel mögen die
Bestrebungen, in unseren Kolonien den Baumwollbau einzubürgern, die
ich als bekannt voraussetze, angeführt werden.
In zweiter Linie ist die Ausbildung des Rohstoffes in quahtativer
und quantitativer Beziehung von den Vegetationsfaktoren abhängig. Aus
den Untersuchungen von Koch^) und KohP) ist bekannt, daß die
') Geschichte und Entwickeluug der angewandten Botanik. Ber. d. D.
Bot. Ges., Bd. XIX.
2) L c, S. 8.
3) Abnorme Änderungen wachsender Pflanzenorgane durch Beschattung.
Berlin, Verlag von Wiegandt u. Hempel.
4) Die Transpiration der Pflanzen und ihre Einwirkung auf die Aus-
bildung pflanzlicher Gewebe. Braunschweig 1886.
Q A. Wieler.
Wandverdickung und zum Teil aucli die Verholzung von dem Lichte
und der Transpiration mitbestimmt werden. Zu dichter Stand der Pflanzen
bedingt eine zu schwache Beleuchtung der Stengel und bewirkt da-
durch eine zu geringe Verdickung der Wände der Bastfasern. Beim
Anbau des Leins z. B. ist sehr genau darauf zu achten, dali ein be-
stimmter Abstand zwischen den Pflanzen eingehalten wird. Ein zu
dichter Stand liefert eine schwache, ein zu weiter Stand eine grobe
Faser. Auch die Intensität des Wachstums, mit der die Ausgiebigkeit
der Transpiration zusammenhängt, ist für die Ausbildung der Fasern
von Bedeutung. Lange, kräftige und feine Fasern werden im allge-
meinen bei gutem lebhaftem Wachstum erzielt. Daß das Wachstum der
Pflanze und damit der Fasern nicht energisch genug ist, ist einer der
Gründe, warum in Süddeutschland der Anbau der Ramiefaser nicht
rentabel ist. Ferner spielt das Alter der Fasern eine Rolle, was auf
der Hand liegt, und bestimmt den Erntetermin. Bei den meisten Fasern
ist es von hoher Bedeutung, den richtigen Erntezeitpunkt nicht zu ver-
säumen, weil sie sonst zu grob werden oder verholzen. Nichts desto
weniger wird das häufig nicht beachtet. So soll das Anwachsen der
geringwertigen Qualitäten Jute auf dem Markt von Kalkutta ganz be-
sonders diesem Umstände zuzuschreiben sein.') Werden die Pflanzen
zu zeitig geerntet, so erhält man bei den meisten Faserpflanzen Fasern
von schönem Aussehen, aber geringer Stärke.
Die Gewinnungsweisen der Rohstoffe sind von ihrer Natur und
dem Ort ihres Vorkommens im Pflanzenkörper abhängig. Die meisten
Gewinnungsmethoden haben sich empirisch herausgebildet, ohne daü sie
deshalb immer die beste Lösung des Problems darstellen. Bei den
Mikroorganismen konnte ich bereits darauf hinweisen, daß der Röste-
prozeü verbesserungsfähig sei. Aber viel lehrreicher ist noch die Ge-
winnungsweise der kautschukliefernden Milchsäfte, hierbei ist man bis-
her lediglich auf die Empirie angewiesen, und durch Probieren hat sich
herausgestellt, daü die bisher geübten Methoden durchaus nicht stets
die zweckmäßigsten sind. Es scheint auch, daß für verschiedene
Kautschukbäume verschiedene Methoden erforderlich sind, ja daß sogar
eine und dieselbe Pflanze in verschiedenen Gegenden nach verschiedenen
Methoden angezapft werden muß, wenn sie dauernd die h<)chstmöglichsten
Erträge, ohne Schaden zu nehmen, liefern soll.^) Von einer wissen-
schaftlichen Durcharbeitung dieses Gebietes sind wir weit entfernt.
1) Sem 1er. Uie tropische Agrikultur. 2. Aufl.. Bd. Ill, S. 670,
Wismar 1903.
2) Warburg. Die Kautschukpflanzen und ihre Kultur. Berlin 1900.
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 7
Hier ist auch noch der scharfen Charakterisierung der Rohstoffe
mittelst des Mikroskopes zu gedenken, welches z. B. die Faserstoffe noch
im verarbeiteten Zustande zu unterscheiden gestattet und dadurch in
Streitfällen die Natur des Rohstoffes einwandfrei zu erkennen ermöglicht.
Auf den Gebieten der Mikroorganismen, Baumaterialien und Roh-
stofflehre, auf den die Beziehungen zwischen der Botanik und Technik
zu suchen sind, wirkt unsere Wissenschaft also teils erklärend und be-
lehrend, teils produzierend, neue Werte schaffend, sie ist damit zu einer
Hilfswissenschaft der Technik geworden. Ist sich die Technik auch
dessen bewußt und bemächtigt sie sich der Bildungselemente, welche
aus dieser Quelle flief5en? LUese Frage muß leicht zu beantworten sein,
wenn man den Bildungsgang, den die akademisch gebildeten Techniker
durchmachen und die einschlägige Literatur, welche auf sie zurückgeht,
daraufhin prüft.
Die einzelnen technischen Berufe sind ja in sehr verschiedenem
Grade an den Beziehungen der Botanik zur Technik interessiert. Für
die Architekten und Ingenieure kommt die Baumaterialienkunde aus dem
Pflanzenreich einschließlich der Holzkrankheiten in Betracht, für den
Tiefbauingenieur außerdem die Abschnitte der technischen Mykologie,
welche die Abwässer- und Trinkwasserfrage behandeln. Diejenigen
Ingenieure und technischen Chemiker, welche die Leitung technischer
Betriebe, in denen pflanzliche Rohstoffe verarbeitet werden, übernehmen
wollen, bedürfen der Kenntnis der Rohstofflehre, die technischen Chemiker
außerdem der Kenntnis der technischen Mykologie, welche in so viele
Gebiete hineingreift, und diese ist unentbehrlich für diejenigen Chemiker,
welche sich zu Nahrungsmittelchemikern ausbilden wollen, oder welche
in einer sonstigen gutachtlich-prüfenden Tätigkeit ihre Lebensaufgabe
erblicken.
Wenn nun auch die Organisation der technischen Hochschulen im
Deutschen Reiche sehr verschiedenartig ist und demnach auch die An-
sprüche, welche an die Ausbüdung der Studierenden, wie sie im Diplom-
examen zum Ausdruck kommen, sehr ungleich sind, so glaube ich mit
meiner Behauptung doch nicht fehlzugehen, daß auf keiner dieser Hoch-
Ule, Kautschiikgewinnung und Kautschukhaiidel am Amazonenstrom.
Tropenpflanzer, Bd. 9, 1905, Beiblätter.
Reintgen, Die Kautschukpflanzen. Ebenda,
Soskin, Kick-xiaerträge in Kamerun. Tropenpflanzer, Bd. 10, 190G.
Strunk, Eine neue Anzapfungsmethode für Kickxia dastica. Ebenda.
Strunk u. Soskin, Nochmals die Kickxiaerträge in Kamerun. Ebenda.
Busse, Kautschukkultur in Deli. Ebenda.
Auch die sonstia-e Kautschukliteratur. ' - • .-•=--
g A. Wieler.
schulen der Botanik die Aufmerksamkeit geschenkt wird, "welche ihr im
Interesse der Technik selbst gebührt, und daß die technischen Hoch-
schulen sich im Lichte stehen, wenn sie für ihre Lehrzwecke die Mit-
wirkung des Botanikers nicht heranziehen.
So weit mir bekannt, stimmen alle Hochschulen darin überein,
daß die Baumaterialienkunde das Lehrgebiet einer ausschlielUich tech-
nisch gebildeten Persönlichkeit ist. Nun haben wir gesehen, daß zum
richtigen Verständnis der pflanzlichen Baumaterialien ein gewisses Maß
botanischer Kenntnisse erforderlich ist. Verfügt der Vortragende über
diese Kenntnis, so kann er das Gebiet natürlich ebenso klar behandeln
wie der Fachmann. Was aber, wenn er nicht über diese Kenntnis
verfügt? Dann wird er den theoretischen Teil ganz fallen lassen oder
er wird ihn, so gut er kann, an der Hand eines Lehrbuches behandeln.
Leider sind aber diese Lehrbücher, wie ich später noch zeigen werde,
nach dieser Richtung hin durchaus nicht vorbildlich. Daraus ergibt sich,
daß in den meisten Fällen die theoretische Ausbildung des Studierenden
auf dem Gebiete der pflanzlichen Baumaterialien sehr mangelhaft, wenn
nicht gar wertlos ist. Seine Kenntnis des Holzes wird dann nicht über
das Niveau des Handwerkers hinausgehen, was besonders mit Rücksicht
auf die schädliche Wirkung der holzzerstörenden Pilze, ihre Bekämpfung
und die Möglichkeit, ihrer Entwickelung vorzubeugen, zu beklagen ist.
Übrigens entspricht es augenscheinlich nicht den Wünschen technischer
Kreise, auf diese botanischen Kenntnisse zu verzichten, widmet doch
jedes Lehrbuch der Baumaterialienkunde diesem Punkte einen kürzeren
oder längeren Abschnitt. Aber diese Literatur läßt gerade das Unzu-
längliche des Unterrichtes in der Baumaterialienkunde an den technischen
Hochschulen erkennen, nicht als ob alle diese Werke von Hochschul-
professoren herrührten, sondern weil die Verfasser mit ihrer fachlichen
Bildung in der technischen Hochschule wurzeln. Die Art, wie hier die
Baumaterialienkunde behandelt wurde, wird für sie vorbildlich sein, und
die Ansprüche, welche sie an die Darstellung der pflanzlichen Verhält-
nisse stellen, wird sich nach dem Maß botanischer Erkenntnis richten,
welche sie auf der Hochschule gewonnen haben. Von allen Autoren
darf man annehmen, daß sie ihrer Meinung nach in diesen Abschnitten
etwas Richtiges und den Zwecken Entsprechendes gegeben haben. Auch
tritt meistens deutlich das Bestreben zutage, etwas Gutes zu leisten.
Wenn dennoch diese' Bestrebungen nicht von Erfolg gekrönt sind, so
daß man sich die Frage vorlegen muß, ob es nicht richtiger wäre, ganz
auf diese Kenntnisse zu verzichten, anstatt das Gedächtnis mit totem
botanischen Wissen zu beschweren, so muß das einen tieferen Grund
haben. Mir scheint er in der mangelnden Anschauung zu liegen, gründet
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 9
sich doch unsere Wissenschaft auf die Anschauung; und wenn diese
unmittelbare Anschauung fehlt, mag es nicht leicht sein, aus den bota-
nischen Lehrbüchern eine anschauliche Vorstellung von dem Aufbau der
Pflanze zu gewinnen. Jedenfalls vermisse ich eine solche in allen
Werken über BaumateriaUenkunde, welche ich einzusehen Gelegenheit
hatte.') Auch das bekannte und sonst gewiß empfehlenswerte Werk von
Gottgetreu macht hiervon keine Ausnahme. Die verschiedenen Dar-
stellungen sind untereinander nur graduell unterschieden. Überein-
stimmend ist in allen Werken das Kapitel über die Fehler und Krank-
heiten der Hölzer unzulänglich. Ich halte die Sache für wichtig genug,
um noch etwas länger dabei zu verweilen, und ich möchte einige Bei-
spiele anführen als Beweis dafür, daß ich nicht übertreibe, und damit
Sie sehen, wie unsere Wissenschaft behandelt um nicht zu sagen miß-
handelt werden kann.
Der „Katechismus der Baustofilehre" von Lange, der in erster
Linie mit Rücksicht auf den Unterricht an Baugewerkschulen abgefaßt
ist, seiner Form wegen sich aber auch als Repetitorium an anderen
Lehranstalten eignen dürfte, enthält über das Holz nur Folgendes:
„Das Holz ist ein Baustoff von großer Tragfähigkeit, Zähigkeit
und Elastizität, dabei leicht zerlegbar, leicht zu bearbeiten und von großer
Feuerbeständigkeit, dagegen anderseits der Zerstörung durch Faulen
ausgesetzt. Es besteht der Hauptsache nach aus Kohlenstoff, W^asser-
stoff und Sauerstoff. Der Zellstoff (Cellulose) besteht aus 44 ^Iq Kohlen-
stoff, 6 °/o Wasserstoff und 50 °/o Sauerstoff. Außerdem sind im Holz-
stoff Eiweißkörper, Stärke, Dextrin, Zucker, Harze, Öle, Gerbsäure vor-
handen, allerdings in geringer Menge. Ein mehr oder minder großer
Wassergehalt ist nicht außer acht zu lassen (25 — 60 °/(j). Das Wachsen
des Holzes geschieht durch Ansetzen von Zellen; der Baustoff derselben
1) Gottgetreu, Physische und chemische Beschaffenheit der Bau-
materialien, deren Wahl, Verhalten und zweckmäßige Verwendung. Ein Hand-
buch für den Unterricht und das Selbststudium. 3. Aufl., Berlin 1880.
Sykyta, Das Holz, dessen Benennungen, Eigenschaften, Krankheiten
und Fehler. Ein Leitfaden zum leichten Erkennen einzelner Holzarten und
eines schadhaften Holzes für Eisenbahn-, Gruben-, Forst-, Holz- und Zivil-
techniker sowie Bau- und Zimmermeister. Prag 1882.
Lange, Direktor des Technikums der freien Hansestadt Bremen, Kate-
chismus der Baustofflehre. Leipzig (J. J. Weber) 1898.
Nöthling, Architekt und Oberlehrer an der Kgl. Baugewerkschule zu
Hildesheim, Baustofflehre. 13. Bd. des Handbuches des Bautechnikers, eine
übersichtliche Zusammenfassung der an Baugewerkschulen gepflegten tech-
nischen Lehrfächer, 1904.
Krüger, Handbuch der Baustofflehre. Wien, Pest, Leipzig (A. Hart-
lebens Verlag) 1899, 2 Bde.
^Q A. Wieler.
ist hauptsächlich der Kohlenstoff, der sich mit Sauerstoff und \\'asser-
stoff verbindet. Allerdings geht bei diesem Bildungsvorgang der größte
Teil des Sauerstoffes in die Luft über. Die Bildungselemente entnimmt
der Baum in Form von Kohlensäure aus der Luft und in Form von
Wasser aus dem Boden. Die Gefäße setzen sich ringförmig an, daher
die sog. Jahresringe, die als Frühjahrsholz sich lockerer, als Herbstholz
sich dichter ansetzen. Nach der Höhe des Baumes bilden sich völlige
Kegel aus. Man unterscheidet, von innen nach außen Mark, Kernholz,
Splintholz, Bast und Rinde. Von innen gehen nach außen Martstrahlen
(Spiegel) S. 124.
Brüchiges Holz hat sehr breite Jahresringe mit dünner Wandung. —
Holzschwamm ist der gefährlichste Feind des Holzes; er entsteht nament-
lich, wenn' nasses Holz ohne Lichtzutritt und Luftwechsel verlegt wird"
(S. 125).
In seiner „Baustofflehre" beschreibt Nöthling das Holz folgender-
maßen:
„Die Hölzer enthalten nur geringe Bestandteile aus dem Mineral-
reiche (etwas Kalk, Kali, Natron, Phosphor, Eisenoxyd und Kieselsäure),
während die Hauptteile organische Stoffe sind (Zucker, Stärke, Pflanzen-
eiweiß, Dextrin, Zellulose, Harze usw.). Die organischen Bestandteile
sind leicht unter dem Einflüsse des Wassers und der Wärme zersetzbar,
während die mineralischen Bestandteile nicht zersetzbar sind und beim
Brennen als Asche zurückbleiben.
Die Pflanze besteht aus Zellen von verschiedener Gestalt und Be-
schaffenheit, welche sich zu Rinde, Bast, Holz und Blättern zusammen-
fügen. Die Zelle ist ein mikroskopisch kleines Bläschen von Walzen-
foi'm, von einer feinen Haut (Zellmembran) umschlossen und mit einer
wässerigen Flüssigkeit (dem Zellsaft) gefüllt. Eine große Zahl von
gleichartigen Zellen schließt sich zusammen zu Zellgeweben. Man unter-
scheidet: Bildungszellgewebe und Dauerzellgewebe. Das Bildungszell-
gewebe (Kambium, Verdickungsring, Ernährungsring) bewirkt das
Wachstum der Pflanze, indem die Zellen durch Teilung sich fortwährend
vermehren; ein Teil der neugebildeten Zelle wird wieder Bildungsgewebe
und setzt die Tätigkeit des Kambiums fort, ein anderer Teil wird Dauer-
zellgewebe und bildet Holz, Rinde, Bast usw. Die Zellen des Dauer-
gewebes teilen sich nicht weiter, sie wachsen nur, indem sich aus dem
Zellsafte neuer Zellenstoff bildet.
Das Holz setzt sich aus einer zahllosen Menge langgestreckter
Holzzellen zusammen, deren Wandungen durch Bildung neuer Ver-
dickungsschichten immer stärker werden und zwar auf Kosten des
inneren Hohlraumes. Letzterer verliert zuletzt den Zellsaft; dann erlischt
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 11
die Lebenstätigkeit der Zelle und das Holzzellgewebe hat die Grenze
seines Wachstums erreicht, ist reifes Holz, Kernholz, geworden, während
das unreife, noch in der Bildung begriffene Holz Splintholz genannt
wird. Zur Bildung des Kernholzes gehört eine Reihe von Jahren.
Betrachtet man den Querschnitt (Hirnschnitt) eines jungen Zweiges,
so zeigen sich verschiedene Zellgewebe: in der Mitte das Mark, von
diesem radial ausgehend die Markstrahlen, beide aas Holzzellen bestehend.
Außen zeigt sich das Kambium, welches nach der Mitte hin Holz-
zellen, nach außen hin Bast- und Rindenzellen bildet. Die Bildung von
Holzzellen aus dem Kambium beginnt im Frühjahre und dauert bis zum
Herbst; die im Frühjahr gebildeten Holzzellen sind weiter und größer,
die im Sommer gebildeten kleiner und enger. Die Gesamtheit der in
einem Jahre gebildeten Zellen heißt ein Jahresring. In jedem Jahres-
ringe zeigt sich eine weniger dichte Schicht, das Frühlingsholz, und
eine dichtere Schicht, das Herbstholz; beide Schichten sind auch meist
durch die Farbe kenntlich und darum leicht von einander zu unterscheiden.
Je mehr die Jahresringe des Holzes sich einander nähern, desto fester
und haltbarer ist das Holz ; zeigen sich zwischen den Jahresringen
Risse, so ist das Holz kern faul oder kernschälig.
Die Textur des Holzes wird durch die verschiedene Dichtigkeit
der Holzbündel ungleichmäßig. Die Markstrahlen, welche sich in allen
Jahresringen neu bilden, sind ebenfalls von verschiedener Breite und
Höhe; sie vermindern namentlich die Spaltbarkeit des Holzes und unier-
-stützen damit den Widerstand gegen Zerknicken. Die Markstrahlen
zeigen sich besonders deutlich in radialen Spaltflächen, in denen sie
nach Länge und Breite bloßgelegt werden, und heißen auch Spiegel-
fasern."
Aus den Merkmalen zur Unterscheidung von Laub- und Nadel-
hölzern hebe ich folgende hervor: „Das Holz (der Laubhölzer) zeigt
einen zusammengesetzteren Bau, die Holzfasern liegen nicht so parallel
und glatt nebeneinander; Markstrahlen verschiedener Höhe und Breite
durchsetzen die Holzfaserbündel und beeinträchtigen die Spaltbarkeit."
„Die Nadelhölzer zeichnen sich vor den Laubhölzern aus durch die
Harzgänge, welche, zwischen den Zellen in der I^ängsachse verlaufend,
unregelmäßig zerstreut sind." „Der Hauptunterschied zwischen Laub-
hülz lind Nadelholz ist der, daß Laubholz einen festen Kern und eine
weiche Rinde hat, während beim Nadelholz die äußeren Holzlagen die
festeren sind" (S. 137).
Wie schwer es ist, falls die Anschauung fehlt, selbst dann funda-
• mentale Fehler zu vermeiden, wenn der Versuch einer erschöpfenden
Darstellung der Entstehung und des Baues des Holzes gemacht wird,
12 A. Wieler.
geht aus dem Krug er sehen „Handbuch der Baustoff lehre" hervor.
Ein Beispiel möge zur Illustrierung des Gesagten genügen. Es ist vom
Dickenwachstum des Dikotylenstammes die Rede. „Im zweiten Jahre
des Wachstums schiebt sich zwischen die Holzkörper und die mit der
Rinde verbundene Bastschicht ein neuer Kreis von Gefäßbündeln ein,
im dritten Jahre abermals ein neuer Gefäl5bündelkreis zwischen Bast-
schicht und Holzkörper des zweiten Kreises und so fort, so daß der
Stamm in jeder Vegetationsperiode um je einen Gefäßbündelkreis wächst.
Diese auf dem Querschnitt meist deutlich erkennbaren, kontinuierlichen
Ringe werden Holzringe oder Jahresringe genannt "
So ist die Literatur beschaffen,^) aus welcher die Architekten und
Ingenieure ihre Kenntnis über die pflanzlichen Baumaterialien schöpfen,
und dementsprechend muß der Unterricht sein, den sie genießen und
eventueU erteilen. Dieser Zustand ist sehr bedauerlich und um so mehr,
als er überhaupt nicht zu bestehen brauchte. In unserer Zeit der
literarischen Arbeitsteilung hätte es bei Herausgabe von Hand- und
Lehrbüchern nahegelegen, den Botaniker zur Mitarbeit heranzuziehen.
Daß man das nicht getan hat,') während der eine oder andere in
chemischen Dingen die Hilfe des Fachmanns in Anspruch genommen
hat, bleibt ein vollkommener Widerspruch, wo doch bekannt ist, wie
gering die Verbreitung wirklicher botanischer Kenntnisse und richtiger
Naturanschauung ist. Wie niedrig muß man in manchen Kreisen unsere
Wissenschaft bewerten !
Der akademische Unterricht in der Baumaterialienkunde hätte un-
zweifelhaft gewonnen, wenn man zum theoretischen Teil den Botaniker
1) In der Diskussion, welche sich an den Vortrag anschloJ3, wurde von
Herrn Professor Fünfstück von der Technischen Hochschule in Stuttgart
darauf aufmerksam gemacht, daß es auch Werke gäbe, welche die hier ge-
rügten Mängel vermieden hätten. Er exemplifizierte auf das Handbuch der
Architektur imd auf Luegers Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfs-
wissenschaften (1894 — 1899). In Band 1 der 1. Abteilung des Handbuches der.
Architektur (1883) ist „das Holz" von Dr. W. F. Exner und Gr. Lauböck
behandelt (S. 159—179). Diese Abhandlung ist rein deskriptiv und setzt, die
erforderlichen botanischen Kenntisse voraus, gehört also streng genommen
nicht zu der von mir geschilderten Kategorie von Darstellungen. Das Lexikon
der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften behandelt das Gebiet
alphabetisch in einzelnen Artikeln. Es eignet sich deshalb vorzüglich als
Nachschlagewerk, dürfte aber schwerlich die Hand- und Lehrbücher der Bau-
materialienkunde besonders für die Studierenden ersetzen können. Immerhin
ist der Hinweis auf dies Werk gerechtfertigt, indem zur Behandlung botanischer
Dinge tatsächlich der Botaniker hinzugezogen, hier also das Prinzip befolgt
worden ist, weh-hes ich oben für die Hand- und Lehrbücher der Bauraaterialien-
kunde als zweckmäßig hingestellt habe.
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 13
herangezogen hätte, da er ja in ganz anderer Weise über das erforder-
liche Demonstrationsmaterial verfügt und mit Hilfe des Mikroskops dem
Zuhörer tatsächlich eine Vorstellung von dem Bau und der Entstehung
des Holzes verschaffen kann.
Gleichfalls ungünstig, wenn auch nicht so ungünstig wie bei der
Baumaterialienkunde, liegen die Verhältnisse bei der Rohstofflehre. Als
besonderes Lehrgebiet ist sie nur an der Technischen Hochschule zu
Dresden vertreten; dort wird auch eine Prüfung in ihr beim Diplom-
examen für Betriebsingenieure abgelegt, für ausreichende botanische
Bildung ist also Sorge getragen. Die Möglichkeit, sieh mit diesem
Gebiet bekannt zu machen, bietet sich den Studierenden an der Tech-
nischen Hochschule zu Aachen, wo an der mit ihr verbandenen Handels-
hochschule Vorlesungen über Warenkunde abgehalten werden. Ein ein-
leitendes Kolleg belehrt als „biologische Grundlagen der Warenkunde"
über die zum Verständnis der Rohstoffe erforderlichen Grundbegriffe aus
der Botanik und Zoologie. An den anderen technischen Hochschulen
Deutschlands wird, soweit mir bekannt, das Gebiet überhaupt nicht
doziert,') höchstens ein einzelner Abschnitt von einem Privatdozenten-)
gelesen, während an den Hochschulen Österreichs die Rohstofflehre
offizieller Lehrgegenstand ist. An unseren deutsehen Hochschulen sind die
Studierenden also meistens nur auf die Mitteilungen angewiesen, welche
sie gelegentlich der Vorlesungen über mechanische und chemische
Technologie erhalten. Unter solchen Umständen werden die botanischen
Beziehungen keine besondere Pflege finden, die Darstellung wird über
das rein Deskriptive schwerlich hinausgehen, die anatomischen Ver-
hältnisse, namentlich bei den Faserstoffen, werden kaum die gebührende
Berücksichtigung finden. Die Verwendung des Mikroskops und die
Übung in der mikroskopischen Technik bleiben ausgeschlossen. Dem
Umstände ist es unzweifelhaft zuzuschreiben, daß sich das Alikroskop
nicht in die technischen Betriebe einbürgert, wenn es auch schon lange
als wünschenswert anerkannt worden ist, wie aus dem Kuhn sehen
Werk über Baumwolle^) hervorgeht. So bleiben denn meistens die
1) Wie sich aus der Diskussion ergab, wird an den Technischen Hoch-
schulen zu Stuttgart und München ein Praktikum für technische Mikroskoi)ie
abgehalten.
2) In Hannover werden mit Erfolg einstündige Vorlesungen über
„Unsere Waldbäume", „Holz und Holzarten" und „Besprechung der wichtigeren
Nutzpflanzen der deutschen Kolonien" gehalten. In Darmstadt wird im Winter
zweistündig über ,, Technisch wichtige Rohstoffe des Pflanzenreiches" gelesen
und im Sommer werden einstündige Übungen dazu abgehalten.
3) H. Kuhn, Die Baumwolle, ihre Kultur, Struktur und Verbreitung.
Mit 1 kolor. Abb. u. 4 Tafeln. Wien 1892.
j^4 ^- Wieler.
Ingenieure, welche als Betriebsingenieure in die Praxis gehen, ohne
entsprechende botanische Ausbildung, während die Verhältnisse für die
technischen Chemiker vielfach günstiger liegen. An manchen Hoch-
schulen wird eine gewisse Ausbildung in der Botanik beim Diplomexamen
gefordert, an manchen wird die Wahl freigelassen zwischen Botanik
und anderen Fächern. Aber wir haben auch eine Reihe von Hoch-
schulen, wo die Botanik als Prüfungsfach ganz ausfällt oder höchstens
als Zusatzprüfung möglich ist. Wo die Chemiker sich eine botanische
Ausbildung aneignen, haben sie die erforderliche Grundlage für das
Verständnis der Rohstofflehre gewonnen und können sich über diese
aus der Literatur unterrichten. In den W'erken unserer österreichischen
Kollegen wie Wiesner, v. Höhnol, Hanausek u. a. m. liegen ja
auch vorzügliche Arbeiten vor, während die rein technologische Literatur,
den Fluch mangelhafter botanischer Ausbildung mit sich schleppend,
vielfach unzulänglich ist. Das bereits erwähnte, für die Verwendung
des Mikroskopes in der Praxis eintretende Buch von Kuhn über die
Baumwolle ist unklar und fehlerhaft, wo es auf die Anatomie der
Pasern zu sprechen kommt. Und dasselbe gilt auch von dem erst im
Jahre 1902 auf Veranlassung der Bremer Baumwollbörse herausgegebenen
Buch über „Die Baumwolle" von Oppel.') Die Abschnitte über Ana-
tomie und Entwickelungsgeschichte der Früchte, Samen und Fasern der
Baumwolle verraten durchaus ungenügende botanische Vorbildung.
Wenn nun auch dies Werk kaum auf das Konto der Technik kommt,
so legt doch der Verfasser technische Werke seiner Darstellung zugrunde
und muß anderseits wesentlich auf die technischen Kreise als Leser
gerechnet haben. Insofern spiegelt auch dies Werk die botanischen
Kenntnisse der technischen Kreise wieder.
Die technische Mykologie ist als besonderes Lehrgebiet nur an
den wenigsten technischen Hochschulen Deutschlands vertreten, in
Danzig^) und München durch Ordinariate mit Rücksicht auf die land-
wirtschaftlichen Nebengewerbe und in Hannover durch eine Dozentur.
Hier wird „Hefe und Alkoholgärung" einerseits und „technische Bakte-
riologie" anderseits von botanischen Gesichtspunkten gelesen. Sonst
werden diese Gebiete in der chemischen Technologie, in der Hygiene
und eventuell in den Ingenieurwissenschaften an entsprechender Stelle
behandelt. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Behandlung nur
1) Die Baumwolle nach Geschichte, Anbau, Verarbeitung und Handel
sowie nach ihrer Stellung im Volksleben und in der Staatswirtschaft. Leipzig,
Duncker & Humblot, 1902.
^) Wie mir infolge des Vortrages mitgeteilt wird, soll dies Ordinariat zu
einer Dozentur herabtre drückt werden.
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 15
eine kurze und knappe sein kann, und daß die entsprechende Vertiefung
des Verständnisses für biologische Vorgänge auf diese Weise schwerlich
erreicht wird. Auch dürfte die Bakteriologie, soweit sie von einem
Mediziner behandelt wird, nach der technischen Seite zu kurz kommen.
Die ungenügende Berücksichtigung der Botanik oder richtiger ge-
sagt der Botaniker von selten der technischen Hochschulen hat noch
einen weiteren Nachteil für die Technik im Gefolge, nämlich den, daß
die Pflege und Erforschung der erwähnten Gebiete unterbleibt, denn die
Botaniker an den technischen Hochschulen wären die berufensten dazu.
Ich glaube niemandem zu nahe zu treten, wenn ich behaupte, daß von
selten der Botaniker an unseren technischen Hochschulen die genannten
Disziplinen keine oder nur geringe Förderung erfahren haben. Es kann
das aber auch nicht überraschen, bestätigt es doch nur die alte Er-
fahrung, daß zwischen der Lehrtätigkeit und der Forschung eine
Wechselwirkung besteht. Wie soll der Botaniker dazu kommen, sich
ohne Anstoß von außen, mit der Baumaterialien- oder Rohstoff lehre zu
befassen? Welcher Anstoß würde aber so mächtig und nachhaltig sein
wie der Zwang, die Materie für Techniker vorzutragen. Alsdann erst
nimmt man die vorhandenen Lücken wahr, lernt man die Bedürfnisse
der Technik verstehen und verfolgt die feineren Beziehungen zwischen
ihr und der Wissenschaft. Eine systematische Pflege der technischen
Botanik ist meines Erachtens erst möghch, wenn man die Botaniker
zu der Lehrtätigkeit heranzieht und sie so stellt, daß sie ihre
Arbeitskraft tatsächlich der Lösung einschlägiger Probleme widmen
können. Heute liegt das Schwergewicht ihrer Tätigkeit an den meisten
technischen Hochschulen in der Lehrtätigkeit für Pharmazeuten, Land-
wirte und Forstwirte oder in einer anderen hauptsächlichen Neben-
beschäftigung, oder die Lehrkräfte sind nebenamtlich angestellt, oder ihre
Stellung ist derartig, daß der Selbsterhaltungstrieb sie zwingt, sich nach
der Lehrtätigkeit an einer anderen Anstalt zu sehnen. Mit dieser Forde-
rung will ich nicht etwa dem Gedanken das Wort reden, dem Botaniker
an der technischen Hochschule seine Forschungsrichtung vorzuschreiben,
vielmehr soll jeder meines Erachtens nach seinem eigenen Ingenium
folgen. Aber es bestehen viele Brücken zwischen der theoretischen
und technischen Botanik, die leicht zu einer Pflege der letzteren hin-
führen, namentUeh wenn eine lehrende Tätigkeit auf diesem Gebiete
hinzutritt. Auch wird man nicht erwarten dürfen, daß sich jeder in
allen Zw^eigen der technischen Botanik forschend betätigen wird, sondern
es wird auch hier eine gesunde Arbeitsteilung Platz greifen, während
die Lehrtätigkeit sich namentlich an kleineren technischen Hochschulen
auf alle erstrecken kflnnte.
IQ A. Wieler.
Ob in dem Persönlichen in absehbarer Zeit eine Änderung zu er-
warten ist, muß dahingestellt bleiben und wird zum Teil davon abhängen,
wie sich die Fachgenossen selbst dazu stellen. Mehr Aussicht auf Ver-
wirklichung scheint mir der Plan zu haben, die technische Botanik in
den Unterrichtsbetrieb hineinzuziehen, bzgl, stärker zu betonen. Aller-
dings steht derselbe an den technischen Hochschulen unverkennbar im
Zeichen der Konzentration. Auch wird jede Vermehrung der Fächer
oder auch nur der Stundenzahl störend empfunden. Dem müßte man
natürlich Rechnung tragen. Man müßte davon Abstand nehmen, den
Unterricht so zu gestalten, wie wir ihn von der Universität her gewöhnt
sind, also eine breite botanische Basis zu bieten, etwa in der Vorlesung
über allgemeine Botanik, auf welche sich dann die Behandlung der
speziellen Gebiete aufbauen würde. Man müßte den umgekehrten
Gang gehen, bei Abhandlung der speziellen Gebiete müßte man die
einschlägigen allgemeinen Begriffe und Vorstellungen erläutern. Nur
für den technischen Chemiker würde ich eine tiefere theoretische
Bildung für wünschenswert erachten, und ich würde es für durchaus
berechtigt halten, von ihm eine obligatorische Beschäftigung mit der
Botanik zu verlangen. Wer sich dem Studium der Naturwissen-
schaften widmet, sollte auch Gelegenheit nehmen, einen Einblick in die
biologischen Wissenschaften zu erhalten, wo der innere Zusammenhang
zwischen allen naturwissenschaftlichen Disziplinen durch die Forschung
immer mehr hervortritt.
Die Beteiligung des Botanikers an den Vorlesungen über Bau-
materialienkunde denke ich mir so, dal5 man dies Kolleg um eine be-
stimmte Anzahl von Stunden kürzt, welche dem Botaniker zuzuweisen
wären, damit er die Entstehung und den anatomischen Charakter des
Holzes, die Stammpflanzen des Holzes und die Holzkrankheiten behandelt.
Allerdings müßte man einen Modus finden, daß diese Vorlesungsstunden
auch besucht würden. Die hier erhobene Forderung, die botanische
Grundlage der Baumaterialienkunde von dem Botaniker lesen zu lassen,
steht nicht ohne Analogen da. Die erforderlichen chemischen, minera-
logischen und geologischen Kenntnisse erwirbt sich der Studierende
beim Chemiker, Mineralogen und Geologen. Auch müßte mein Vorschlag,
sollte man denken, von den Dozenten für Baumaterialien als eine an-
genehme Entlastung empfunden werden. Für die technische Mykologie würde
ich zwei einstündige Vorlesungen vorschlagen — erst die Erfahrung
kann darüber entscheiden, wie viel Zeit für dieses Gebiet erforderlich
ist. In dem einem Kolleg sollten die allgemeinen biologischen Grund-
lagen für das Verständnis der Mikroorganismen und diejenigen speziellen
Abschnitte gegeben werden, welche für alle beteiligten Kreise von Be-
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 17
deutung sind. Hier wäre auch die Abwässerfrage, die Sandfiltration,
die Selbstreinigung der Flüsse, die Röste usw. zu behandeln. Den
Gegenstand des zweiten Kollegs würden die speziellen auf der Tätigkeit
von Mikroorganismen beruhenden Betriebe bilden. Die Abgrenzung
beider Vorlesungen müßte sich aus dem praktischen Bedürfnis ergeben.
Das erste Kolleg wäre für die technischen Chemiker, die Betriebs-
ingenieure und die Tiefbauingenieure, das zweite Kolleg für die tech-
nischen Chemiker bestimmt. Auch sollte Gelegenheit zu bakteriologischen
Übungen und eventuell auch zu solchen über Gärungsorganismen ge-
geben werden.
Am schwierigsten scheint mir die Gestaltung eines zweckent-
sprechenden Unterrichtes in der Rohstofflehre zu sein, wenn er als Er-
gänzung zu den Vorlesungen über mechanische und chemische Techno-
logie gedacht ist, und wenn ein möghchst geringes Maß von Zeit darauf
verwandt werden soll. Neben der Vermittelung des botanischen Ver-
ständnisses und der botanischen Kenntnisse wäre auch dafür zu sorgen,
daß die Studierenden durch eigene Anschauung eine Vorstellung von
den Rohstoffen und ihren Eigenschaften gewännen, also gleichzeitig in
der Handhabung des Mikroskops unterwiesen würden. Es handelt sich
also um eine Verbindung von Vortrag und Übungen. Vielleicht ließe
sich der Unterricht am besten so gestalten, daß die mikroskopische
Beobachtung in den Mittelpunkt gerückt und an sie die theoretische Er-
örterung geknüpft würde.
Meine Vorschläge für die technische Mykologie und die Rohstoft'-
lehre sollen nur die Mindestforderungen enthalten. Wo die Aufgaben
und die Organisation einer Hochschule einen weiteren Ausbau dieser
Gebiete ermöglichen oder fordern, wird ja leicht hinsichtlich des Maßes
und des Umfanges der Vorlesungen und Übungen das Richtige getroffen
werden, es erübrigt sich demnach, an dieser Stelle näher darauf ein-
zugehen.
In meinen bisherigen Erörterungen habe ich mich darauf beschränkt,
die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik darzulegen,
welche sich ohne weiteres dem Botaniker aufdrängen; ich muß nun aber
noch zrsveier Beziehungen gedenken, auf welche von anderer Seite auf-
merksam gemacht wird.
Die eine dieser Beziehungen spricht sich in einer Forderung der
Diplomprüfungs-Ordnung der Technischen Hochschule zu Aachen für die
Ingenieure des Wasserbaues aus ; vermutüch gilt sie für alle technischen
Hochschulen Preußens. Danach sollen bei der Hauptprüfung eingehend
Boden- und Pflanzenkunde geprüft werden. Zum ersten Male erleben
wir es hier, daß die Bedeutung der Botanik für die Technik gerade
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte ßot.anik V. —
13 A. Wieler.
von dieser anerkannt wird und infolge dessen eine Beschäftigung mit
ihr von seiten der Studierenden gefordert wird. Man iiat es aber
scheinbar nirgends für nötig erachtet, den einschlägigen botanischen
Unterricht dem Botanilier zu übertragen. Deshalb ist einstweilen auch
noch nicht ersichtlich, was die Prüfungsordnung unter „Pflanzenkunde"
versteht. Es darf wohl etwas mehr dahinter gesucht werden als die
bloße Kenntnis einiger Pflanzennamen; nach der physiologischen und
ökologischen Seite dürfte eine Vertiefung zu erwarten sein, dafür spricht
schon die Zusammenstellung mit der Bodenkunde in der Prüfungs-
ordnung.
Auf die zweite Beziehung unserer Wissenschaft zur Technik wird
von forstlicher Seite hingewiesen. Es sind das die Hüttenrauchschäden,,
die ihrer Natur nach ein pflanzenphysiologisches Problem sind und des-
halb auch nur aus der Natur der Pflanze verstanden und gewürdigt
werden können. Auf dem internationalen landwirtschaftlichen Kongreß-
in Wien in diesem Frühjahr hat der als Rauchschadensachverständiger
wohlbekannte Oberforstrat Karl Reuß in Dessau die „Maßnahmen gegen
die Ausbreitung von Hüttenrauchschäden im Walde" besprochen. Nach
ihm ist ein Eingreifen durch weitere gesetzliche Maßnahmen überflüssig;
die bestehenden Vorschriften würden vollständig ausreichen, um die
Hüttenrauchschäden einzudämmen, wenn nur nicht ihre Handhabung
ungenügend wäre.
„Nicht das Gesetz", sagt er, „sondern eine unrichtige und unge-
nügende Anwendung hat die Ausdehnung der Schäden veranlaßt."' Da
sich weder die die Betriebe genehmigenden Behörden noch die Gewerbe-
aufsichtsbeamten der vollen Tragweite der schädigenden Wirkung der
sauren Gase bewußt sind, ihr Verantwortlichkeitsgefühl auch nicht durch
die sich oft widersprechenden Sachverständigen-Gutachten geschärft Avird,
werden die Vorschriften nicht mit der nötigen Strenge gehandhabt. „Der
allgenieine Mangel an Sachverstand ist vor allem anderen die Ursache
der Ausdehnung unserer Waldschäden." Zur Beseitigung dieses Mangels
fordert Reuß, daß an geeigneten Hochschulen ein Lehrstuhl für Hütten-
rauchkunde errichtet werde, „damit Gelegenheit geboten ist, Sachver-
ständige und Gewerbeaufsichtsbeamte im Erkennen und Beurteilen der
Rauchschäden und der dagegen anzuwendenden Mittel besser auszubilden
als bisher". Solche Professuren würden naturgemäß auch die Forschung
auf diesem Gebiete wesentlich fördern, aus welchem Grunde der Vor-
schlag gleichfalls dankend zu begrüßen sein würde. Sollte er einmal
verwirklicht werden, so könnten für diese Professuren nur die technischen
Hochschulen in Frage kommen, denn hier studieren die eigentlichen
Interessenten an der Frage. Ihr Kreis ist aber viel bedeutender als.
Die Beziehungen der Botanik zur Technik. 1^9
Reuß annimmt. Auch die Hüttenleute und technischen Chemiker, die
eigentlichen Leiter der schädigenden industriellen Unternehmungen sollten
sich mit dem Sachverhalt vertraut machen. Nicht minder kann man
den Architekten und Ingenieuren, welche in den kommunalen Dienst
übertreten wollen, empfehlen, sich über die Wirkungen des Hüttenrauches
und des Steinkohlenrauches auf die Gesundheit der Menschen und auf
die Vegetation klar zu werden. Liegt es auch nicht im Interesse der
Städte, die Industrie aus ihren Mauern auszuschließen, so sollten sie
es sich doch angelegen sein lassen, ihre schädigende Wirkung möglichst
einzuschränken. Ein Mittel dazu ist in der Anlage der Städte geboten,
indem man die Industrie so lokalisiert, daß die vorherrschenden Winde
den Rauch nicht über die Stadt treiben können, wie es bereits in einigen
Städten Rheinland-Westfalens geschehen sein soll.
Meine Darlegungen haben Sie. wie ich hoffe, davon überzeugt,
daß die Beziehungen zwischen der Botanik und der Technik mannig-
faltig sind, viel mannigfaltiger als von vorneherein erwartet werden
sollte, und daß es sowohl im Interesse der Wissenschaft wie der Tech-
nik bzw. ihrer Vertreter liegt, sie in höherem Maße als bisher zu pflegen.
20 ^- Gilg.
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin und ihre
Vertretung an den deutschen Hochschulen.
Vou
Ernst Oilg, E)ahleni bei Berlin.
Als ich vor einigen Jahren nach dem Tode des Prof. Gareke
das Lehrfach der Pharmiikognosie an der Berliner Universität übernahm,
war mir mein Lehrgegenstand nicht neu. Ich hatte schon seit etwa
zehn Jahren mikroskopische Kurse abgehalten, in welchen die Drogen
in erster Linie berücksichtigt wurden, hielt auch schon viele Semester
Vorlesungen über die Anatomie der Drogen. Und doch war mir zu-
nächst die Entscheidung sehr schwer, wie weit ich meine Disziplin
fassen solle, was wirklich zur Pharmakognosie gehöre.
Denn über dieses Gebiet schien ein leichter Schleier gebreitet, es
war sehr schwierig, fast unmöglich, zu erfahren, wie Pharmakognosie
an den verschiedenen deutschen Hochschulen gelehrt wurde, und die
dürftigen Angaben, die ich erhielt, zeigten mir deutlich, daß nirgends
eine Übereinstimmung bestand, daß keine Klarheit darüber herrschte,
was Pharmakognosie eigentlich ist und welche Bedeutung ihr im
Studium des Pharmazeuten zukommt.
Nachdem ich mir durch langwierige Umfragen an den einzelnen
Hochschulen das notwendige Material gesammelt hatte, hielt ich Ende
des vorigen Jahres vor der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft
einen Vortrag über „die Ausbildung des studierenden Pharmazeuten in
der Pharmakognosie an den deutschen Hochschulen",') in dem ich haupt-
sächlich drei Fragen zu beantworten suchte, nämlich:
1. wie ist heutzutage der BegrifT Pharmakognosie zweckmäßig zu
umgrenzen?,
2. wie wird gegenwärtig an den deutschen Hochschulen Pharmako-
gnosie gelehrt?,
3. wie sollte Pharmakognosie gelehrt werden?
Zu diesem Vortrag sind schon sehr zahlreiche Äußerungen er-
schienen, welche teils unbedingt zustimmend, teils mehr oder weniger
ablehnend lauteten, durch die aber auf alle Fälle unsere Kenntnis der
1) Ber. d. Dtsch. Pharmazeut. Gesellsch. XVI (1906). p. 414—440.
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 21
einschlägigen Verhältnisse ganz erheblich gefördert wurde.') Und so sei
mir gestattet hier nochmals die Pharmakognosiefrage kurz im Zusammen-
hange darzustellen, wobei sich allerdings nicht vermeiden lassen wird,
daß ich manches — teilweise wörtlich — wiederhole, was ich in meinem
früheren Vortrag schon ausgesprochen habe.
Von dem ursprünglich einheitlichen Gebiet der Lehre von den
Heilmitteln trennte sich in Deutschland sehr frühzeitig die Pharmako-
logie, die Lehre von der Wirkung der Heilmittel, als selbständige
Disziplin ab, die naturgemäß dem Mediziner zufiel, während sie für den
Pharmazeuten nicht von Wichtigkeit ist. Als dann im Laufe der letzten
zwanzig Jahre infolge des gewaltigen Aufschwunges der Chemie mehr
und mehr Heilmittel rein chemischer Natur auftauchten, als auch die
sog. „wirksamen Substanzen" der Drogen rein dargestellt und ange-
wendet wurden, trat ziemlich allgemein eine zweite Spaltung ein: die
pharmazeutische C-hemie wurde zu einer besonderen, sehr durch-
j;,ebildeten Disziplin, während der Rest der ursprünglichen Lehre von
den Heilmitteln, das, was man jetzt allgemein als Pharmakognosie
bezeichnet, nur noch gefaßt wurde als die Lehre von der äußeren
Gestalt der Drogen, fast allgemein als ein Lehrgebiet zweiten Ranges
eingeschätzt und an vielen Hochschulen kaum noch oder doch nur sehr
ungenügend gelehrt wurde.
Leider — und mir ganz unbegreiflich — blieb diese Bewertung
der Pharmakognosie auch noch erhalten, als sich die Verhältnisse im
Apothekenwesen ganz wesentlich änderten, als der Apotheker immer
seltener und seltener die verhältnismäßig leicht kenntlichen Ganzdrogen
bezog, sondern an ihrer Stelle Drogen in stark zerkleinerter oder sogar
in Pulverform in die Offizin einführte. Dadurch mußte, da der Pharma-
zeut auf der Universität nicht gründlich genug durchgebildet wurde, der
unbefriedigende Zustand entstehen, daß der Apotheker selbst nicht mehr
imstande war, für die Reinheit seiner Drogen einzustehen, sondern mehr
oder weniger vollständig auf die Zuverlässigkeit seiner Bezugsquellen,
der Großdrogenhäuser, angewiesen war. Um nur ein Beispiel für diesen
das Ansehen des Apothekerstandes schwer schädigenden Zustand anzu-
führen, sei auf eine vor kurzem erschienene Mitteilung des Grazer
Pharmakognosten Möller hingewiesen, wonach in einer Anzahl Apotheken
an Stelle von Digitalis -Blättern die vollständig unwirksamen Verbascum-
Blätter geführt wurden.
Diesem unleidlichen Mißstande hat denn auch das neue Deutsche
Arzneibuch, IV. Ausgabe, Rechnung getragen. Wir finden hier bei fast
') Auf diese Äußerungen werde ich an anderer Stelle ausführlicher ein-
gehen. . .
22 E- ^'^^s-
allen Drogen neben einer makroskopischen Schilderung auch eine mehr
oder weniger ausführliche mikroskopische Beschreibung als Prüfungs-
merkmal beigegeben, und deshalb hat der Lehrer der Pharmakognosie
die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß der Studierende die Methoden der
mikroskopischen Untersuchung der Drogen kennen lernt und sie voll-
ständig beherrscht.
Wir haben also gesehen, daß im allgemeinen an den deutschen
Hochschulen die ursprünglich einheitliche Lehre von den Heilmitteln in
drei Disziphnen aufgeteilt wurde, die Pharmakologie, die Pharmako-
chemie und die Pharmakognosie, die ganz naturgemäß von einem
Mediziner, einem Chemiker und einem Botaniker vertreten wurden.
Daß es von dieser Regel noch einige wenige, durch besondere Verhält-
nisse bedingte Ausnahmen gibt, kommt für unsere Betrachtung nicht
in Frage. In meinem früheren Vortrag habe ich schon ausgeführt,
daß die geschilderte Entwickelung ganz außerordentlich zu begrüßen
ist, daß es als rückständig betrachtet werden muß, wenn an einzelnen
Hochschulen noch zwei dieser Disziplinen von einem und demselben
Lehrer vertreten werden, also etwa Pharmakologie und Pharmakognosie
oder aber Pharmakochemie und Pharmakognosie. Es verdient deshalb
als eine sehr bedauerliche Tatsache hervorgehoben zu werden, daß
neuerdings in Freiburg i. B. das Lehrfach der Pharmakognosie mit dem
der Pharmakologie verknüpft wurde. Die einzelnen Zweige der Natur-
wissenschaften, wie z. B. die Chemie und die Botanik, sind im Laufe
der letzten Jahre so ausgebaut und vertieft worden, daß die ange-
strengteste Arbeit eines Menschen dazu gehört, um einen vollen Über-
blick über eine derselben zu erhalten und zu behalten. Ja auch die
Disziplinen Pharmakologie, Pharmakochemie und Pharmakognosie haben
schon eine solche Selbständigkeit erlangt, verlangen eine so vertiefte
Ausbildung und selbständige Arbeit, daß jede einzelne reichUch im-
stande ist, das Forschungsbedürfnis eines Mannes zu befriedigen und
ihm ständige Anregung zu neuen Arbeiten zu bieten.
Vielfach ist behauptet worden, die Pharmakognosie sei eine Wissen-
schaft für sich. Ich halte dies für grundfalsch. Die Pharmakognosie,
gerade so wie die Pharmakochemie, sind Disziplinen, Zweige von
Wissenschaften, die eine von der Botanik, die andere von der Chemie,
gerade so wie die vielfach zum Vergleich angeführte Hygiene eine
Disziplin der Medizin ist, nicht eine eigene Wissenschaft. Es liegt dies
für jeden Denkenden klar auf der Hand.
Durch ihre ganze Entwickelung ist die Pharmakognosie in Deutsch-
land zu einem Zweige der Botanik und zwar der angewandten Botanik
geworden. Sie ist ganz selbstverständlich keine reine Botanik, gerade
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 23
SO wenig wie etwa die Agrikulturbotanik und viele andere Fächer der
angewandten Botanik, sondern verlangt sehr ansehnliche Kenntnisse in
■den sog. Grenzgebieten, vor allem in Chemie; aber die Hauptwissenschaft,
die möglichst vollständig beherrscht werden sollte, muß die Botanik
sein. Die großen Wissenschaften Botanik und Chemie gleichzeitig kann
gegenwärtig kein Mensch mehr in vollem Umfang überblicken, so daß
er imstande ist, auf beiden Gebieten forschend und produzierend tätig
zu sein. Da nun in Deutschland die Heilmittellehre sich nach früh-
zeitiger Abspaltung der Pharmakologie später noch in die Zweige der
Pharmakochemie und Pharmakognosie getrennt hat, so ist für jeden
Einsichtigen klar, daß schon aus diesem Grunde der Pharmakognost auf
dem Boden der Botanik stehen muß, da ja sein Kollege, der pharma-
zeutische Chemiker, ganz selbstverständUch seinen Hauptstützpunkt in
der reinen Chemie findet.
Merkwürdigerweise ist mir dieser von mir vertretene Standpunkt
von Tschirch und Hart wich zum Vorwurf gemacht worden. Beide
glauben, man müsse zwischen der Lehrtätigkeit und der Porschertätig-
keit des Pharmakognosten unterscheiden; in seiner Porschertätigkeit
könne er sich aut die Pharmukobotanik beschränken, in seiner Lehr-
tätigkeit aber müsse er gleichzeitig Pharmakobotanik und Pharmako-
chemie zum Vortrag bringen. Diese Auffassung ist mir vollständig
unverständlich. Ich glaube, ein Hochschullehrer sollte nur ein Gebiet
■behandeln, nur darin Studierende unterweisen, welches er vollständig
beherrscht, in welchem er selbständig forschend tätig ist. Ich bin der
Ansicht, daß dies ganz selbstverständUch ist, daß hierin gerade der
prinzipielle Unterschied zwischen einem Hochschullehrer und etwa
«inem Gymnasiallehrer besteht, der in mehreren Fächern seine Schüler
unterrichtet, ohne daß von ihm eine wissenschaftliche Betätigung
erwartet würde.
Auch aus einem anderen Grunde ist es nach der Entwickelung
der Dinge an den deutschen Hochschulen von Vorteil oder sogar not-
wendig, daß der Pharmakognost Botaniker ist, d. h. von der Botanik
ausging und durch eingehende Studien über die Besonderheiten seines
Faches zum Pharmakognosten wurde. An fast sämtlichen deutschen
Hochschulen sind, wie wir gesehen haben, pharmazeutische Chemiker
als ordenthche oder außerordenthche Professoren tätig. Diese haben
sich in erster Linie mit den chemischen Verbindungen lehrend und
forschend zu beschäftigen, die in einer Beziehung zur Pharmazie stehen,
sei es in ihrer Anwendung als Arzneimittel, sei es hinsichthch ihres
Gebrauchs als technische Hilfsmittel, Reagenzien usw. Diese chemischen
Verbindungen werden entweder auf synthetischem Wege hergestellt
24 E. Gilg.
oder aus pflanzlichem oder tierischem Rohmaterial, worin sie fertig ge-
bildet vorkommen. Diese Rohmaterialien, deren Wirkung an die darin
vorkommenden chemischen Substanzen gebunden ist, führen den Namen
Drogen, und mit ihrer Charakteristik beschäftigt sich die Pharma-
kognosie. So lange eine Charakteristik der chemischen Bestandteile der
Drogen in wissenschaftUcher Hinsicht noch nicht mfiglich war, überlief
der pharmazeutische Chemiker meist dem Pharmakognosten, der die
äußeren und inneren Merkmale zu charakterisieren hatte, die Erwähnung
dieser chemischen A^orkommnisse in den Vorlesungen. Seitdem aber
die chemischen Bestandteile der Drogen, wie Alkaloide, Glykoside, die
ätherischen Öle usw. hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Konsti-
tution zum großen Teil erforscht sind und in das System der all-
gemeinen Chemie mehr und mehr eingereiht wurden, ist es die Pflicht
des pharmazeutischen Chemikers geworden, die chemischen Bestand-
teile der Drogen in seinen Vorlesungen über Chemie eingehend zu be-
handeln. Dadurch hat der Pharmakognost eine sehr wertvolle Entlastung
erfahren. Er kann sich in seinen Vorlesungen auf die Erwähnung
dieser chemischen Vorkommnisse beschränken und ist jetzt in der Lage,
sich weit eingehender, als es früher möglich war, der Lehre von der
Anatomie der Drogen zuzuwenden. Und gerade eine gründliche mikro-
skopische Schulung ist die Hauptbedingung, die an einen Pharma-
kognosten gestellt werden muß, besonders da in neuerer Zeit immer
mehr verlangt wird, daß der Pharmakognost nicht nur die studierenden
Pharmazeuten, sondern auch die Nahrungsmittelchemiker in die mikro-
skopischen Verhältnisse der Drogen, sowie der Nahrungs- und üenuß-
mittel einführt.
In meinem früheren Aufsatz schon habe ich gesagt: . . . ich
bin sicher, daß die gegenwärtig an den deutschen Hochschulen tätigen
pharmazeutischen Chemiker es durchaus ablehnen würden, entweder
gleichzeitig die Pharmakognosie als zweites Lehrfach mit zu übernehmen,
oder aber gleichberechtigte Kollegen als Pharmakognosten zu er-
halten, deren wissenschaftliche Basis dieselbe wie die ihrige ist und die
vielfach dieselben oder ähnliche Themata bearbeiten würden: es wäre
ia in dem gegebenen Falle eine auch nur einigermaßen scharfe Trennung
der wissenschaftlichen Lehr- und Arbeitsgebiete unmöglich durchzuführen.
Obgleich diese Ausführungen von mehreren Seiten angegriffen
wurden, stehe ich heute ganz genau auf demselben Standpunkt. Ich
behaupte, es ist eine Notwendigkeit, daß das alte Gebiet der Heilmittel-
lehre unter zwei Lehrer aufgeteilt wird, von denen der eine auf dem
Boden der Chemie, der andere auf dem der Botanik steht; ferner, daß
ein Pharmakognost auf vorwiegend chemischer Grundlage den an den
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 25
deutschen Hochschulen tätigen pharmazeutischen Chemikern nur eine
Konkurrenz bedeuten würde, während beide, in der richtigen Weise,
d. h. bei streng abgegrenzten Fächern, nebeneinander wirkend, einander
im besten Sinne ergänzen müssen.
Die Herren, welche sich gegen meine Ausführungen gewendet haben,
haben fast sämtlich „Parteipolitik" getrieben. Entweder vertreten sie
an ihren Hochschulen gleichzeitig Pharmakochemie und Pharmakognosie
und sind deshalb der Ansicht, daß kein Grund für eine Änderung vor-
läge, oder aber sie stehen dem , pharmazeutischen Chemiker nicht gleich-
geordnet gegenüber. Dieser ist Ordinarius und hat dem sog. Pharma-
kognosten, der abhängiger Extraordinarius ist, den Auftrag erteilt, das
oder jenes Gebiet in seinen Vorlesungen zu behandeln: der Pharma-
kognost muß dann ein bestimmtes Feld beackern, darf aber nicht
weiter gehen, als es der Ordinarius erlaubt; wenn dann das so zustande
gekommene Kolleg mehrere Semester gelesen worden ist, glaubt der
Betreffende selbst, daß der Umfang, welchen er der Pharmakognosie
erteilt habe, der einzig richtige sei.
Es ist kaum denkbar oder besser zweifellos ganz unmöglich,
daß bei nicht streng abgegrenzten Fächern gleichberechtigte Kollegen,
d. h. solche, die entweder ordentliche oder aber außerordentliche Pro-
fessoren an einer und derselben Hochschule sind, friedlich und ersprieß-
lich neben einander wirken könnten, wenn sie beide auf dem Boden
der Chemie stehen, wenn versucht wird, auf künstlichem Wege einen
Gegensatz zwischen pharmazeutischer Chemie und Pharmakognosie zu
konstruieren. Es müßte dann eben mit Sicherheit dazu kommen, daß
von ihnen oder ihren Schülern gleiche oder ähnliche Themata in wissen-
schaftlichen Arbeiten behandelt würden, daß in den Vorlesungen derselbe
Gegenstand zweimal behandelt würde usw., kurz, der Reibungsflächen
wären so viele, daß ein wissenschaftliches Einanderergänzen fast aus-
geschlossen erscheint.
Die einzige Möghchkeit einer scharfen Abgrenzung der beiden
Lehr- und Arbeitsgebiete beruht darin, daß die beiden Kollegen ver-
schiedenen Disziplinen angehören, daß der Pharmakognost von der
Botanik ausgegangen ist, während der Pharmakocheiniker — daran
wird von vornherein niemand zweifeln — auf dem Boden der Chemie
steht. Dann ist auch die Möglichkeit gegeben, daß bei wissenschaft-
lichen Arbeiten sich der auf botanischer Grundlage stehende Pharma-
kognost bei seinem ihn ergänzenden Kollegen, dem Pharmakochemiker —
und natürlich auch umgekehrt — Rats erholt, sobald er auf Fragen
stößt, die er mit seinen eigenen chemischen Kenntnissen nicht zu lösen
vermag, oder aber, daß die beiden Kollegen eine Frage gemeinsam in
26 ^- G'lg-
Angriff nehmen. Es wird dabei, da ja eine scharfe Arbeitsteilung vor-
genommen werden kann, nirgends zu Reibungen Itoramen, was — wie
sclion ausgefliiirt — bei niclit sciiarf getrennten Gebieten jederzeit der
Pall wäre und aucli der Fall sein müßte.
Wenn ich ständig behaupte, der Pharmakognost müsse ein voll-
ständig durchgebildeter Botaniker sein, so ist dies natürlich so zu ver-
stehen, daß er die botanische Wissenschaft absolut beherrscht, aber
durch andauernde Vertiefung in die Besonderheiten der Lehre von den
Heilmitteln, durch eigene Arbeiten über pharmakognostische Themata zum
Pharmakognost geworden ist und sich Liebe und Freude an seinem
Wissenszweig erworben hat. Ob er „reiner" Botaniker ist, oder aber
früher Apotheker oder Mediziner war, ist für unsere Frage zunächst
ganz unerheblich.
In Forschung und Lehre findet ein solcher Pharmakognost reichlich,
übergenug Gelegenheit zur Betätigung. Es ist ja noch viel zu wenig
bekannt, wie schwierig eine richtig ausgeführte mikroskopische Pulver-
analyse ist, welche Spezialkenntnisse eine solche Untersuchung verlangt,
wenn sie auf unbedingte Sicherheit — und darauf beruht ja allein ihr
Wert — Anspruch erheben darf. Noch viel weniger wird gegenwärtig
auch gewürdigt, wie rasch ein durchgebildeter Mikroskopiker zum Ziele
gelangen kann, wo der Chemiker oft das Vielfache an Zeit gebraucht,
um ein häufig nur recht unsicheres Resultat zu erzielen. Ich erinnere
hier nur an die Untersuchung der verschiedenen Stärkesorten, sowie der
meisten Drogenpulver. Ganz besonders wichtig ist jedoch eine voll-
ständige Beherrschung der mikroskopischen Methoden in der Toxikologie.
Bei der Konstatierung von Vergiftungen mit Colchicum, Digitalis, Wasser-
schieriing u. v. a. m, versagt die chemische Analyse in den meisten
Fällen, während eine eingehende mikroskopische Untersuchung, allerdings
nur, wenn sie in der richtigen Weise durchgeführt wird, allermeist zum
Ziele führen muß.
Zur Erlangung der notwendigen Kenntnisse und Methoden, die zur
Ausführung solcher mikroskopischen Analysen gebraucht werden, bedarf
es einer sehr vertieften Durchbildung. Der Stufengang, der zurückzu-
legen ist, muß unter allen Umständen mit einer gründliehen botanischen
Schulung, vor allem in der botanischen Mikroskopie, beginnen, und erst,
wenn eine vollständige Beherrschung aller oder wenigstens der wichtigsten
rein botanischen Objekte und der mikroskopischen Methoden erreicht ist,
kann mit Erfolg eine Spezialisierung eintreten, darf weitergeschritten werden
zur Untersuchung von Drogen und Drogenpulvern, sowie der mensch-
lichen Nahvungs- und Genußmittel, deren Analyse wieder die Kenntnis
■einer besonderen und neuerdings recht vertieften Methodik voraussetzt.
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 27
Über die Frage, wie wird gegenwärtig an den deutschen
Hochschulen Pharmakognosie gelehrt'.' will ich hier kurz hinweg-
gehen. Ich konnte in meinem früheren Vortrag schon zeigen, welche
Unsicherheit und Ungleichmäüigkeit herrscht in der Bewertung der
Wichtigkeit der Pharmakognosie, wie an einzelnen Hochschulen, sogar
an sehr hervorragenden, diese Disziplin überhaupt nicht vertreten ist,
während sie an anderen Hochschulen einstündig oder aber zweistündig,
dreistündig, vierstündig bis sechsstündig gelesen wird, ja an einzelnen
Universitäten die Notwendigkeit erkannt ist, das Thema zweisemestrig,
und zwar je vier- bis fünfstündig zu behandeln. Genau dieselbe Un-
gleichmälMgkeit herrscht auch im Hinblick auf das abzuhaltende phar-
makognostische Praktikum. Nach der Lage der Dinge müßte von
den Studierenden in drei aufeinander folgenden Semestern je ein
mikroskopischer Kursus besucht werden. Der erste sollte ein aligemeines
botanisches Praktikum sein, in dem die Studierenden die Theorie
der Lehrbücher praktisch kennen lernen; in dem zweiten Kursus sind
dann die Ganzdrogen, im dritten die Drogenpulver zu untersuchen
und sehr eingehend kennen zu lernen. Gerade diese Drogenunter-
suchung wird jedoch an vielen Hochschulen in völlig ungenügender
Weise betrieben, obgleich sie für den Pliarmazeuten von allergrößter
Wichtigkeit ist.
Zweifellos ist dies in erster Linie darauf zurückzuführen, daß
diese Praktika fast ohne Ausnahme von den ordentlichen Professoren der
Botanik abgehalten werden, welche sich mit pharmakognostischen Fragen
noch niemals beschäftigt, die meistens die Vorlesung über Pharmakognosie
an einen Assistenten oder jungen Privatdozenton abgetreten haben und
„nur der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" die pharmako-
gnostischen Praktika ankündigen.
Welches Interesse bei diesen Herren, deren Hörer doch meist in
überwiegender Anzahl Pharmazeuten sind, an der Pharmakognosie und
den damit zusammenhängenden Fragen vorhanden ist, trat mir vor
kurzem deutlich in Erscheinung. Als ich vom Vorstande der Ver-
einigung für angewandte Botanik aufgefordert wurde, auf dieser
Tagung in Dresden einen Vortrag über die Pharmakognosiefrage zu
haken, nahm ich sehr gerne an. Ich hoffte, daß sich eine Diskussion an-
schließen w^ürde, durch die ein allgemeineres Verständnis vom W'esen
der Pharmakognosie, eine gleichmäßigere Behandlung dieser Disziphn
an den deutschen Hochschulen angebahnt werden könnte. Zu diesem
Zwecke schickte ich an sämtliche Dozenten der Pharmakognosie in
Deutschland und auch an einige anerkannte Lehrer dieses Faches in der
Schw^eiz und in Österreich ein Rundschreiben folgenden Inhalts:
28 E. Gilg.
„Von Seiten des Vorstandes der „Vereinigung für angewandte
Botanik" wurde angeregt, daß gelegentlich der Tagung in Dresden —
und zwar am Montag, dem 9. September, — die Pharmakognosie auf
die Tagesordnung gesetzt werden solle. Ich halte diesen Vorschlag für
sehr dankenswert; denn Jeder, zu dessen Lehr- und Arbeitsgebiet diese
Disziplin gehört, weiß, wie wenig geklärt in Deutschland die Kompetenz-
gebiete der Pharmakognosie sind, wie sehr die Ansichten schwanken
über die Bewertung der Pharmakognosie als Disziplin im allgemeinen
und als Lehrgebiet für den studierenden Pharmazeuten. Eine Aus-
sprache über diese Punkte dürfte von großem Interesse und geeignet
sein, eine Klärung dieser schwebenden Fragen herbeizuführen. Ich er-
laube mir deshalb, an Sie die Anfrage zu richten, ob Sie beabsichtigen,
sich an der Tagung in Dresden zu beteiligen, und eventl. geneigt
sind, über irgend ein pharmakognostisches Thema einen Vortrag zu
halten."
Auf dieses Rundschreiben erhielt ich von drei Herren eine zu-
sagende Antwort, drei antworteten zweifelhaft, fünf ablehnend; von den
übrigen Herren, d. h. also weitaus mehr als der Hälfte, wurde ich
nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Beati possidentes! Wozu eine
Aussprache über Pharmakognosie? Dieses Fach ist ihnen einmal vom
Staat übertragen, sie lesen es so, wie sie wollen, resp. können, meist
schon seit vielen Jahren ganz in gleicher Weise; eine solche Aussprache
könnte ja eine Änderung herbeiführen, diese bedeutete vielleicht Arbeit
und muß deshalb möglichst vermieden werden. Quieta non movere!
Diesen Verhältnissen gegenüber ist immer wieder auf die sehr
zutreffenden Ausführungen Hart wichs hinzuweisen: „Die Anzahl der
wöchentlichen Stunden, in denen Pharmakognosie vorgetragen wird, ist
eine wechselnde und vielfach ganz unzulängliche. In einer ein- oder
zweistündigen Vorlesung z. B, kann dem Pharmazeuten nur mit Mühe
und Not so viel gegeben werden, wie notdürftig bei recht nachsichtigen
Forderungen im Examen ausreicht. Das ist keine wissenschaftliche
akademische Vorlesung, das ist kümmerUcher Examensdrill. In diesen
wenigen Stunden wird eben nur das Notdürftigste gegeben, und das
muß trocken sein und kann den Studierenden keine Liebe zu ihrer
Wissenschaft wecken. Das, was schön und interessant ist an der
Pharmakognosie, kann nicht gebracht worden . . . Freilich, ein großer
Teil der Studenten wird wohl damit zufrieden sein, wenn sie auf die
Pharmakognosie nur wenige Stunden zu verwenden haben, wenn das
Heft, das sie geführt haben, recht dünn ist und sich leicht zum
Examen einpauken läßt. Die Wissenschaft haben sie dabei gar nicht
kennen gelernt."
Die Pharmakognosie als wissenschaftliche Disziplin usw. 29
Auch auf die Frage: Wie sollte Pharmakognosie gelehrt
werden? soll hier nur kurz eingegangen werden.
Es muß vor allem berücksichtigt werden, dat] — wie auch schon
von Linde ausgeführt wurde — der Pharmazeut nur zwei Haupt-
disziplinen besitzt, die Pharmakochemie und die Pharmakognosie; alle
übrigen Studienfächer, also Physik, anorganische, organische und ana-
lytische Chemie, allgemeine nnd spezielle Botanik sind nur Hilfswissen-
schaften. Während nun die 'Pharmakochemie allgemein als ein ernstes
Studium betrieben wird, wird die Pharmakognosie auf den meisten
deutschen Hochschulen zurückgesetzt und vernachlässigt, da man ent-
weder die Wichtigkeit dieser Disziplin für das Studium des Pharmazeuten
nicht erkannt hat oder nicht hat erkennen wollen. Es geht dies — wie
wir gesehen haben — zur Genüge daraus hervor, daß an manchen
Hochschulen nicht einmal ein Kolleg über Pharmakognosie gelesen wird,
w^ährend an anderen Hochschulen eine einsemestrige, ein- bis zweistündige
Vorlesung als ausreichend angesehen wird.
Der Lehrstoff ist so groß, daß er selbst bei einer großen Stunden-
zahl, die an den meisten Hochschulen nicht zu erlangen sein wird, in
einem Semester nicht bewältigt werden kann. Denn es darf nicht ver-
gessen werden, daß in der Vorlesung vor der speziellen Darstellung der
Drogen eine allgemeine Besprechung vorausgeschickt werden muß, worin
die zum Verständnis des Besonderen notwendigen botanischen Tatsachen
erläutert werden. Es ist, wie jeder Dozent der Pharmakognosie erkannt
haben muß, kein Verlaß darauf, daß bei den Studierenden die allernot-
wendigsten Grundlagen vorhanden sind; das, w'as in den Vorlesungen
über Botanik gehört worden ist, wird zum großen Teil bald wieder ver-
gessen und erst in der letzten Zeit vor dem Examen dem Gedächtnis
wieder eingeprägt; ferner ist nicht zu vergessen, daß das, was in den
botanischen Vorlesungen vorgetragen wird, für den Pharmakognosten
sehr vielfach nicht genügend ist. Manches wird hier zu wenig ausführ-
lich behandelt, weil es für den „reinen" Botaniker weniger Bedeutung
hat. Es sei hier nur an die Stärke, die Aleuronkörner und die Sekre-
tionsorgane, sowie an die Entstehung der Sekrete erinnert. Jedenfalls
ist zw^eifellos, daß es eine absolute Notwendigkeit ist, diejenigen Kapitel
der Botanik zu Beginn einer Vorlesung über Pharmakognosie zusammen-
fassend zu behandeln, welche für den Pharmakognosten von spezieller
Wichtigkeit sind, wenn Wert darauf gelegt wird, daß das Kolleg ver-
standen und zum geistigen Eigentum der Studierenden wird.
Mit der Vorlesung über Pharmakognosie muß die praktische, mikro-
skopische Untersuchung der Drogen Hand in Hand gehen. Erst hierbei
kommt es zu einem wirklichen Verständnis des darüber gehörten und
30 E. Gilg.
prägen sich die diesbezüglichen Tatsachen dem Gedächtnis ein. Meiner
i\nsicht nach ist weder eine Vorlesung über Pharmakognosie ohne mikro-
skopische Übungen, noch mikroskopische Übungen ohne die pharmako-
gnostische Vorlesung von praktischem Wert. Erst wenn beide Lern-
gelegenheiten einander ergänzen, können günstige Resultate erzielt
werden. Daß einem Drogenkursus ein mikroskopisch-botanisches Prakti-
kum vorausgegangen sein muß, ist so selbstverständlich, daß kein weiteres
Wort darüber zu verlieren ist. Ebenso notwendig ist jedoch auch, daß
für diejenigen Studierenden, welche nach der neuen Prüfungsordnung
examiniert werden und für die ein Examen in der mikroskopischen
Pulveranalyse vorgeschrieben ist, ein dritter Kursus eingerichtet wird,
in welchem sie die für die Unkundigen sehr schwierigen, aber für den
Kundigen vollen Erfolg versprechenden Methoden kennen lernen, wie
Drogenpulver untersucht und mit Zuverlässigkeit identifiziert werden.
Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, in welchen ein Pulverunter-
sucher, sei er Pharmazeut oder Nahrungsmittelchemiker, seiner Pflicht
genügt zu haben glaubte, wenn er einen Blick in das Mikroskop warf
und iann verkündete, das zu untersuchende Pulver stamme wahrschein-
lich von dem oder jenem Körper. Wir haben jetzt Methoden zur Vor-
fügung, die uns gestatten, eine Pulveranalyse ebenso sicher und bestimmt
zu beantworten, wie eine normale chemische Analyse. Aber es darf
nicht vergessen werden, daß solche Analysen große allgemeine und
große spezielle Kenntnisse verlangen und daß zu ihrer Erledigung Zeit
gehört, daß eine mit Bestimmtheit auszusprechende Entscheidung — und
auf der Bestimmtheit beruht doch allein der Wert einer Analyse — oft
Stunden, oft sogar viele Stunden angestrengter Arbeit bedarf.
Ich bin am Schlüsse meiner Ausführungen. Sie haben gesehen,
daß ich die Spaltung der Heilmittellehre, wie sie in Deutschland fast
allgemein eingetreten ist, freudig begrüße, wonach die Pharmakologie
dem Mediziner, die Pharmakochemie dem Chemiker, die Pharmakognosie
dem Botaniker als Lehrfächer zugefallen sind. Wir haben aber auch
erkannt, daß der Pharmakognost nicht ein sog. „reiner" Botaniker sein
darf, sondern daß er sich in sein Spezialfach eingearbeitet und auch die
Grenzgebiete kennen gelernt haben muß, die die Pharmakognosie in
großer Anzahl zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen besitzt. Gerade
in dieser Hinsicht haben die Vertreter der Pharmakognosie in E)eutsch-
land noch sehr viel von den pharmazeutischen Chemikern zu lernen.
Diese, sämtlich aus dem Apothekerstande hervorgegangen, kennen natur-
gemäß die Bedürfnisse des studierenden Pharmazeuten und haben sich,
nach gründlichem Studium der Chemie, ihrem Spezialfache zugewandt.
Die meisten Lehrer der Pharmakognosie in Deutschland sind dagegen
Die Pharmakognosie nls wissenschaftliche Disziplin usw. 3t
meist ganz zufällig, oft fast gezwungen, zu dieser Disziplin gekommen.
Sie sind keine Pharmakognosten, sondern reine Botaniker, die niemals
in ihrem Fache wissenschaftlich gearbeitet haben, die keine Freude an
diesem Teil ihrer Lehrtätigkeit besitzen und deshalb auch dem Studieren-
den keine Liebe zu der von ihnen vertretenen Disziplin beizubringen
vermögen. Daß der Inhaber eines Lehrstuhls für die Pharmakognosie
aus dem Apothekerstande hervorgegangen ist, mag erwünscht, ja sogar
von Vorteil sein; für notwendig halte ich indessen diese Forderung
nicht, wenn der auf dem Boden der Botanik stehende Pharmakognost
sich mit Liebe und Hingabe dem Unterricht in der Erforschung seiner
Disziplin widmet und den Umfang und die Art seiner Lehre abstimmt
auf die praktischen Bedürfnisse des Apothekerstandes.
32 ^- Volkens.
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien, ihre Zwecke
und Ziele.
Von
G. Volkens, Dahlem.
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien am Kgl. Botanischen
Garten zu Berlin hat sich aus einem Bedürfnis der Praxis heraus ent-
wickelt. Den ersten Anstoß zu ihrer Gründung; gab ein vom 30. August
1888 datiertes Schreiben des Gouverneurs von Kamerun, des Herrn
V. Soden, an den Fürsten Bismarck, worin er die Bitte ausspricht,
die deutschen Konsulate in überseeischen Ländern möchten zur Ein-
sendung von Sämereien tropischer Nutzgewächse an einen in Victoria
zu schaffenden Versuchsgarton aufgefordert werden. Das Schreiben
wurde vom preußischen Kultusministerium an den damaligen stellver-
tretenden Direktor des Berliner Botanischen Gartens, Herrn Prof. Dr.
Urban, zur gutachtlichen Äußerung weitergegeben und von diesem in
dem Sinne beantwortet, daß der Berliner Botanische Garten sich bereit
erkläre, als Zwischenstation zwischen den Konsulaten, den Gebern, und
den deutschen Kolonien, den Empfängern ökonomischer Gew^ächse, zu
dienen und außerdem der tropischen Landwirtschaft in unseren Schutz-
gebieten in jeder Weise fördernd zur Seite zu stehen. Eine Eingabe
des Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg, des Vorsitzenden der
Deutschen Kolonialgesellschaft, vom 22. Januar 1889 richtet bald darauf
an den preußischen Kultusminister ebenfalls das Gesuch, den Botanischen
Garten und das Botanische Museum zu Berlin für kolonialwirtschaftliche
Zwecke nutzbar zu machen. In der Antwort wird darauf hingewiesen,
daß weitere Vorschläge in der Angelegenheit von dem eben neu er-
nannten Direktor des Berliner Gartens. Herrn Prof. Dr. A. Engler,
abgewartet werden müßten. Diese erfolgen in einem Schreiben vom
7. Januar 1890. Engler entwickelt darin ein Programm, das für alle
späteren Verhandlungen die Grundlage abgegeben hat. Nach ihm sollen
der neu zu gründenden Botanischen Zentralstelle im wesentlichen drei
Aufgaben zugewiesen w^erden, sie soll durch direkten Verkehr mit den
Kolonien diesen teils lebende Pflanzen, teils Sämereien tropischer Nutz-
gewächse übermitteln, sie soll alle aus den Kolonien eingehenden lebenden
und getrockneten Pflanzen wissenschaftlich bestimmen und Auskunft
über ihren Nutzwert geben und sie soll drittens belehrend wirken, in-
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. * 33
dem sie weiteren Kreisen Gelegenheit gibt, die überseeischen ökonomischen
Oewächse und ihre Produkte kennen zu lernen.
Die Vorschläge Englers, die im einzelnen näher begründet
Avurden, führten zu einem am 31. März 1891 zwischen dem preußischen
Kultusministerium und der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes
abgeschlossenen und vom Reichstage durch die nötigen Etatsbewilligungen
genehmigten Vertrage, mit dem die Botanische Zentralstelle für die
Kolonien endgültig ins Leben trat. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut:
„1. Die Botanischen Anstalten in Berlin, der Botanische
Garten und das Botanische Museum, werden eine Botanische
Zentralstelle für die Kolonien einrichten, welche die Aufgabe
hat, denselben die erforderlichen Sämereien und Pflanzen zur
Anzucht zu liefern, den Nutzwert der daselbst gezogenen
Pflanzen und Früchte zu bestimmen und sich überhaupt für
die botanische Entwickelung der Kolonien nach besten Kräften
nutzbar zu machen.
2. Die Bereitstellung eines geeigneten Terrains für die
Zentralstelle und die dadurch bedingte Vermehrung der wissen-
schaftlichen Kräfte wird von den Botanischen Anstalten auf
deren Kosten erfolgen, dagegen verpflichtet sich das Auswärtige
Amt, die Kosten für einen Gärtner und für einen Gartenarbeiter,
für die Beschaffung von Sämereien, für Betriebsmaterialien, so-
wie für Verpackung und Transport zu ersetzen und zwar in
der Art, daß dafür ein jährliches Pauschquantum von 3000 Mk.
gezahlt wird, jedoch in dem Fall, wo die wirklich erwachsenen
Ausgaben in einem Rechnungsjahr weniger als 1500 Mk. oder
mehr als 4500 Mk. betragen, eine nachträgliche Erstattung des
Betrages unter 1500 Mk. bzw. über 4500 Mk. beansprucht
werden kann, des Betrages über 4500 Mk. jedoch nur, wenn
darüber vorher eine Verständigung stattgefunden hat. Außer-
dem vorpflichtet sich das Auswärtige Amt, den botanischen
Anstalten einmalig 3000 Mk. für ein Vermehrungshaus und
500 Mk. für eine Mistbeetanlage zu gewähren. Auch versteht
es sich von selbst, daß die Kolonialbehörden stets bereit sein
werden, der Zentralstefle gute Herbarexemplare mit Blüten und
Früchten, letztere nach Umständen in Alkohol, Holzscheiben und
andere Sammlungsgegenstände ähnUcher Art unentgeltlich gegen
Übernahme der Verpackungs- und Transportkosten zu liefern.
3. Der Verkehr zwischen der Botanischen Zentralstelle und
den Behörden in der Kolonie wird in der Regel durch direkte
Korrespondenz erfolgen.
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 3
34 Gr. Volken^.
4. Die Geschäfte, welche sich zwischen dem Auswärtigen
Amt und dem Kgl. Preu loschen Kultusministerium aus Anlaß
dieses Vertrages ergeben, werden durch je einen ständigen
Kommissar der beteiligten Ressorts zur Erledigung vorbereitet.
5. Dieser Vertrag tritt mit dem 1. April 1891 in Kraft
und bleibt so lange in Geltung, bis eine Kündigung erfolgt ist.
Die letztere steht jedem der Vertrag Schließenden in der Weise
frei, daß dieselbe vor Beginn des Rechnungsjahres zu erfolgen
hat und der Vertrag mit dem Rechnungsjahr sein Ende nimmt."
Da in der Folge sich erwies, daß bei dem vermehrten Umfang
der Geschäfte mit dem § 2 dieses Vertrages nicht zu wirtschaften war,
wurde er am 8. Juni 1898 durch folgenden ersetzt:
„Die Bereitstellung eines geeigneten Terrains für diese
Zentralstelle und die dadurch bedingte Vermehrung der wissen-
schaftlichen Ki'äfte wird von den Botanischen Anstalten auf
deren Kosten erfolgen. Dagegen verpflichtet sich das Aus-
wärtige Amt als Beitrag zu den sachlichen Ausgaben, Haus-
bedürfnissen, Kosten der Erhaltung und Vermehrung der Samm-
lungen usw\ jährlich die Summe von 9000 Mk. (1902 auf
10000 erhöht) zu zahlen. Es versteht sich von selbst usw."
Die angedeutete Vermehrung der wissenschaftlichen Kräfte be-
stand darin, daß ich selbst mit dem Auftrage, meine ganze Tätigkeit
kolonialen Aufgaben zu widmen, am 1. April 1898 Herrn Geheimrat
Engler unterstellt und als Kustos der Zentralstelle übernommen wurde,
nachdem ich schon vorher drei Jahre erst als Volontär, dann als Hilfs-
arbeiter am Botanischen Museum tätig gewesen war.
Nach dieser Darlegung der Entstehungsgeschichte der Zentralstelle
sei es mir gestattet, Ihnen einen kurzen Überblick darüber zu geben,
was sie im Verlaufe der letzten 16 Jahre getan, wie sie den ihr zuge-
wiesenen Pflichten nachzukommen sich bemüht hat. Ich gliedere diesen
Überblick nach den drei Gesichtspunkten, die schon von Engler auf-
gestellt worden waren, und bemerke vorausschickend, daß eine ein-
gehende Kenntnis der Gesamtleistungen durch ein Studium der Berichte
gewonnen werden kann, welche alljährlich seit 1892 als Anlagen zu
der amthchen Denkschrift über die Entwickelung der deutschen Schutz-
gebiete nebst der Denkschrift über die Verwendung des Afrikafonds ge-
druckt und dem Reichstage bei Gelegenheit der Etatsberatungen vorge-
legt werden.
Die erste Aufgabe der Zentralstelle ist, unsere Kolonien
mit ökonomischen Gewächsen zu versorgen, ihnen solche teils
lebend teils in Form von Saat zuzuführen. Die Übermittelung der
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 35
lebenden Pflanzen geschah und geschieht in Wardschen Kästen, die aus-
reisenden Gärtnern, Förstern oder sonst Leuton mitgegeben werden, von
denen zu erwarten ist, daß sie die ihnen erteilten Instruktionen über
die Pflege unterwegs befolgen können und wollen. Die erste Sendung,
10 Kästen mit 66 eingeschlossenen Arten in 261 Exemplaren umfassend,
wurde bereits im Juli 1889 nach Kamerun aufgegeben und bildete den
Grundstock des Nutzpflanzenmaterials, mit welchem der Viktoriagarten
daselbst seine Pforten öffnete. 242 Kästen, die 16500 Exemplare ent-
hielten, sind seitdem gefolgt. Im ganzen gingen davon 113 nach
Kamerun, 64 nach Ostafrika, 56 nach Togo, 19 nach Neu- Guinea und
den SUdseeinseln. Die Empfänger waren natürlich in erster Linie die
staatlichen Versuchsgärten und Pflanzungsstationen, so die Botanischen
Gärten in Viktoria und Aniani, die Versuchsgärten in Buea, Lome,
Sokode, Misahöhe, Daressalam, Kwai, Herbertshöhe und Simpsonhafen,
dann aber auch zahlreiche Pflanzungsgesellschaften, Missionen und Private.
Über die Sendungen von Saat kann ich mich kurz fassen. Sie
erfolgten in den ersten Jahren des Bestehens der Zentralstelle in großer
Artenzahl aber in kleinen Portionen, neuerdings umgekehrt in großen
Mengen bei geringerer Zahl der Arten. Genaue Angaben kann ich
nicht machen, aber Ihnen die Versicherung geben, daß die Ziffer der
zur Spedition gelangten Muster ohne Wert, Postpakete und Fracht-
sendungen im Laufe der Jahre auf viele Tausende angewachsen ist.
Wem verdankt die Zentralstelle nun diese Sendungen? Sie besaß,
als sie gegründet wurde, einen nicht unbedeutenden Stock lebender
tropischer Nutzgewächse, den ihr der Berliner Botanische Garten zuwies ;
sie vermehrte diesen teils durch eine umfassende Anzucht von Steck-
lingen, teils durch Kauf, Tausch und in der Hauptsache durch Zu-
wendungen, die ihr durch ihre Beziehungen mit den überseeischen
Botanischen Gärten fast aller Kolonialmächte zuteil wurden. Erst in
einem, dann seit der Übersiedelung nach Dahlem in zwei mit den mo-
dernsten Einrichtungen versehenen W^armhäusern ist sie unausgesetzt
bemüht, die Lücken auszufüllen, die der Pflanzenbestand einerseits in
der Zahl der vertretenen Arten aufweist und die er anderseits durch
die Zahl der abgegebenen Exemplare erleidet. Bei der Erwerbung von
Saat spielen neben tropischen Gärten, wie dem in Peradeniya, Calcutta,
Madras, Singapore, Buitenzorg, Saigon, Jamaica, Trinidad, Georgetown
in Guiana und Sidney vor allem die in der ganzen Welt zerstreuten
deutschen Konsulate, Generalkonsulate und Ministerresidenturen eine
bedeutsame Rolle. Gerade in letzter Zeit sind es besonders diese, die
durch ihre der Kolonialabteilung erstatteten und der Zentralstelle zu-
gehenden Berichte über Kultur- und Nutzpflanzen ihres Gebiets die Auf-
3
36 G- Volkens.
merksamkeit auf wichtige neue Erscheinungen hinlenken und zu deren
Beschaffung in Form von Saat mitwirken. Nicht unwichtig endlich hat
sich das Buitenzorg-Stipendium erwiesen, indem es die Möglichkeit gibt,
den alljährlich nach Java ausreisenden deutschen Botaniker mit Auf-
trägen zu betrauen. Mein Aufenthalt daselbst war ganz in erster Linie
der Erwerbung von Saat hochwertiger Tropenprodukte gewidmet, ebenso
hat auch Herr Geheimrat Engler auf seiner einen großen Teil des
tropischen Asiens berührenden Reise die Überführung von Nutzpflanzen
nach unseren Schutzgebieten fortdauernd im Auge gehabt.
Eine weitere Frage ist: Worauf legt die Zentralstelle bei der Aus-
wahl des zur Verwendung kommenden Materials besonderen Wert?
Eine Reihe von Gesichtspunkten ist da zu berücksichtigen. Ganz ab-
gesehen davon, daß unsere Kolonien nach Klima und Boden sehr un-
gleich sind, daß jede einzelne auf das hin, was ihr zugeführt werden
kann, für sich betrachtet werden muß, ist daran zu denken, daß ein
Botanischer oder Versuchsgarten, ein Plantagenunternehmen, ein Farm-
betrieb, eine Verwaltung, die auch auf das Wohl der Eingeborenen
bedacht ist, sehr verschiedene Ansprüche stellen und demgemäß auch
versorgt zu werden verlangen.
Für die Versuchsgärten draußen hat die Zentralstelle das Ziel, sie
mit allen Nutzpflanzen zu versehen, die überhaupt Aussicht haben, in
der betreffenden Kolonie zu gedeihen. Sie sieht die Aufgabe eines
solchen Versuchsgartens darin, es dem Pflanzer zu ermöglichen, zu
jeder Zeit von einer zur anderen Kultur überzugehen. Da die Konjunk-
turen wechseln, da man nicht wissen kann, was die Zukunft, was die
steigende Entwickelung der Technik für Produkte in den Vordergrund
rückt, soll er sein Hauptaugenmerk darauf richten, saatgebende öko-
nomische Gewächse in denkbarster Mannigfaltigkeit heranzuziehen. Dazu
ist nicht nötig, daß er große Areale mit je einer Art bepflanzt, dazu
ist erforderlich, daß der gegebene Raum möglichst vielseitig ausgenutzt
wird. Er findet dabei Gelegenheit, festzustellen, was an seinem Platze
zu normaler Entwickelung gelangt, welche Ansprüche die Kultur stellt,
welche Schädlinge sich einfinden, wie die Ernte aufzubereiten ist und
so noch vieles mehr, das den Pflanzer in den Stand setzt, aus den ge-
machten Erfahrungen Nutzen zu ziehen. — Was ist nun mit Rück-
sicht hierauf erreicht? Ich muß Sie da auf die Berichte verweisen, welche
die Gouvernements für Deut seh- Ostafrika^ für Togo, Kamerun und Neu-
Guinea alljährlich oder gelegentlich erstatten. Wenn Sie die Listen
durchsehen, die Auskunft über den Pflanzenbestand der Versuchsgärten
in Viktoria, Buoa, Misahöhe, Sokode, Amani und Simpsonhafen geben,
und damit vergleichen, was die Zentralstelle diesen Gärten im Laufe
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 37
der letzten 16 Jahre zugewendet hat, werden Sie konstatieren können,
w^elchen hervorragenden Anteil das Berliner Institut an der Ausstattung
unserer kolonialen, der tropischen Landwirtschaft dienenden, staatlichen
Schöpfungen mit Pflanzenmaterial hat. Der Victoriagarten hat zurzeit gegen
800, Amani 650 Arten von Nutz- und Ziergewächsen in Kultur, sehr
viele bereits im blühenden und fruchtenden Alter, und nur einen Bruch-
teil davon, von im Lande selbst wachsenden Spezies abgesehen, ver-
danken beide einem anderen Geber denn der Zentralstelle.
Durch Victoria und Amani bzw. vorher Kwai und Daressalam,
ebenso durch Misahöhe und Sokode findet seit Jahren schon eine aus-
gedehnte M^eiterverbreitung der wichtigsten Arten durch Saat, Steck-
linge und junge Pflanzen statt, so daß in Ostafrika, Togo und Kamerun
zurzeit der Stätten nicht wenige sind, wo ein mehr oder weniger an-
sehnlicher Stock verschiedenartiger Nutzpflanzen der Ernte entgegen-
reift, deren Voreltern ihre Reise in die Kolonie von Berlin aus ange-
treten haben. Ich nenne nur einige hervorragende, so von Kautschuk-
und Guttabäumen, Hevea hrasüiensis, CastiUoa elastica, Ficus elastica,
F. Schlechterf, Manilwt Olaziovii, Palaquium oblongifolium, Payena
Leerii, von Faserpflanzen Baumwolle, Ramie, Jute, die Sisalagave,
Fourcroya gigantea, Musa textiUs, Rotangpalmen, Carludovica palmata,
von technisch wichtige Produkte liefernden Pflanzen Kampfer- und Seifen-
bäume, Copernicia cerifera, Gerberakazien, Barbatimao- und Malettbaum,
Canaigre, Bambusen verschiedenster Art, von Medizinalpflanzen den Peru-
und Tolubalsambaum, Chinabäume, Koka, von Gewürzen Vanille, Zimmt,
Pfeffer, Kardamom, Ingwer, Muskatnuß, Nelken, von Genußmitteln
Kaffee und Kakao, den mannigfachsten Sorten und Ursprungsländern
angehörig, Tee, Tabak und Betelnuß, von Nutzhölzern und Schatten-
bäumen den Tiek-, Mahagoni- und Pockholzbaum, Afzelia hijuga,
Dutzende von Eukalypten und Kasuarinen, CedreJa odorata, Albizzien,
Erythrinen, Caesalpinien und Cassien, Pitliecolohium Saman und Pelto-
plwrum dasyrhachis, von Obstarten Ananas, Guajaven, Anonen, Durio
zihethinus, Eriobotrya, Persea^ ÄverrJwa, Spondias, NepTtelium, Passi-
flora, Oarcinia, Achras Sapota und Citrus-kviQU. Von Zierpflanzen,
die der Zentralstelle in den Beständen des Berhner Botanischen Gartens
ja besonders reichlich zur Verfügung waren, hebe ich die zahlreichen,
allen Weltteilen entstammenden Palmen hervor, welche den Gärten in
unseren Kolonien, zum Teil schon im erwachsenen Zustande zum
Schmucke gereichen.
Hatte die Zentralstelle bei der Versorgung der Versuchsgärten auf
ein möglichst vielseitiges Pflanzenmaterial nach eigener Auswahl Be-
dacht zu nehmen, so konnte sie sich im Verkehr mit den Forstver-
38 G. Volkens.
waltungen unserer Schutzgebiete, mit den dort ansässigen Pflanzungs-
gesellschaften und Privaten auf das beschränken, was von dieser Seite
an lebenden Gewächsen, Stecklingen und Saat erbeten wurde. Sie hatte
Rücksicht zu nehmen auf die Geringfügigkeit ihrer Mittel, sie konnte
einem neu auf den Plan tretenden Unternehmen nicht das gesamte Saat-
gut liefern, das es brauchte, aber sie konnte doch, besonders in letzter
Zeit, dank gelegentlichen Zuschüssen, die ihr durch Vermittelung erst
des kolonialwirtschaftlichen Komitees, dann der Deutschen Kolonial-
gesellschaft zuteil wurden, vielfach den Wünschen gerecht werden,
die an sie herantraten. Es handelte sich dabei zumeist um Neuein-
führungen, um Pflanzen, die auf dem gewöhnlichen Handelswege nicht
zu beschaffen sind, um hochwertige Sorten verbreiteter Kulturge-
wächse, die da oder dort auftauchen und ein allgemeineres Interesse
auf sich lenken. Erfolg zu verzeichnen hat die Zentralstelle nach dieser
Richtung mit der Einführung des neukaledonischen Kautschukbaums
Ficus Schied iteri, der Ficus elastica und zweier neuen Kautschuk
liefernden Manihot-Arten aus Brasilien in alle unsere tropischen Schutz-
gebiete, mit der Einführung der jetzt aus eigener Saat weiter betriebenen
Tiekholz- und Sisalagavenkultur in Togo, mit der Unterstützung der
Aufforstungsbestrebungen, die sich in Ostafrika und Togo geltend machen,
indem sie Saat des Kampfer-, Malett-, Barbatimaobaums, der brasilianischen
Wachs- und Piassavapalme in größeren Massen lieferte, mit der Über-
mittelung bester Tee- und Cinchona-Sorten an die Gouvernements-
pflanzungen in Buea und Amani, mit der Überführung einer als Nica-
ragua-Criollo bezeichneten Spielart des Kakao aus Ceylon nach Togo,
Kamerun und Neu-Guinea, mit der Verteilung guter Ananasvarietäten
aus Trinidad, mit der Inangriffnahme der Dattelkultur in Südwestafrika
und so noch mit einer Reihe für Forst- und Landwirtschaft in unseren
Schutzgebieten nicht unwichtiger Bereicherungen des Pflanzmaterials, Er-
wähnenswert ist gewiß auch, daß ein Austausch spezifischer Landes-
erzeugnisse unter den einzelnen Kolonien selbst angebahnt wurde, in-
dem beispielsweise die Kickxia elastica nach überall hin, die Kolanuß
von West- nach Ostafrika und Neu-Guinea, die Mascarenhasia elastica
umgekehrt von Ost- nach Westafrika, Äßelia hijuga von den Marianen
nach Togo und Kamerun gelangte.
Ein letzter Zweig der auf Versorgung mit Nutzpflanzen gerichteten
Tätigkeit der Zentralstelle wird durch die Bestrebungen dargestellt,
auch den Ackerbau der Eingeborenen nach Möglichkeit zu heben. Die
besten Sorten des javanischen Wasser- und Bergreises, amerikanische
Maisvarietäten gingen zentnerweise nach Ostafrika und Togo, um die
einheimischen weniger reich tragenden Spielarten zu ersetzen. Die be-
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 39
rühmte schwarze Bohne Venezuelas und Brasiliens, die Sojabohne Japans,
die Velvetbeans und die Cow peas der Amerikaner, Gemüsepflanzen
aller Arten, Kürbisse, Gurken und Melonen gelangten zum schwarzen
Kontinent und in die Südsee so oft oder in solchen Mengen, daß nicht
überall, aber doch da und dort, ihre Kultur nunmehr als eingebürgert
gelten darf. Auch der Futterpflanzen wurde gedacht, in letzter Zeit
nicht weniger der Einführung stickstoffspeichernder Gewächse, die den
Ertrag der Plantagenkulturen zu steigern bestimmt sind. Lange Jahre
hindurch war dem Gouvernement eine Viehhaltung am Kamerunberge
fast unmöglich, gepreßtes Heu wurde von den Almen der Schweiz her
bezogen; die geglückte Einbürgerung des Ploridaklees machte den miß-
lichen Zuständen mit einem Schlage ein Ende.
Nicht jedes Samenkorn, das die Zentralstelle ausstreute, ist auf
fruchtbaren Boden gefallen. Vieles, sehr vieles ging überhaupt nicht
auf, entweder weil es seine Keimkraft während des Transportes
verloren hatte, oder weil es in Hände gelangte, die sich nicht
■einmal die Mühe des Aussäens machten. Vieles ist aufgegangen, aber
der ständige Wechsel der Personen brachte es mit sich, daß der
Nachfolger sich um das nicht kümmerte, was der Vorgänger schuf.
Solche Mißerfolge mußten in den Kauf genommen und dadurch ausge-
glichen werden, daß immer neue Nachschübe erfolgten. Überschaut
man das Facit, so kann die Zentralstelle wohl damit zufrieden sein.
Die Zentralstelle hat an zweiter Stelle die Aufgabe, die
aus den Kolonien eingehenden Pflanzen wissenschaftlich zu
bestimmen und Auskunft über ihren Nutzwert zu geben.
Noch ehe sie gegründet war, besaß das Botanische Museum reiche
Schätze afrikanischer Pflanzen, und auch die Inseln der Südsee, deren
Florenelemente sowohl nach Australien wie zum indo-malayischen Ge-
biet hin ausstrahlen, waren seit der Zeit eines Chamisso durch
Sammlungen im Herbar gut vertreten. Die Grundlagen zum Ver-
gleich mit Originalen, auf dem in einem Museum jede Determination
basieren sollte, waren also gegeben. Man ahnte indessen damals noch
nicht, welche Fülle unbekannter Pflanzenformen unsere Kolonien
noch bargen, man war erstaunt und fast erschreckt zugleich, möchte
ich sagen, als nun Ende der 80 er und besonders in den 90 er
Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der fortschreitenden Er-
schließung der Schutzgebiete die Eingänge sich häuften, als in rascher
Polge aus Ost-, West- und Südafrika, aus Neu- Guinea und den benach-
barten Inseln Sammlungen mit Tausenden von Nummern einliefen, unter
denen die neu zu beschreibenden Arten zum mindesten nach ebenso
vielen Hunderten zählten. Man stand vor einer Aufgabe, die nur durch
40 G- Volkens.
einmütiges Zusammengehen aller am Botanischen Museum und Garten
tätigen wissenschaftlichen Kräfte zu bewältigen war. und sie genügten
nicht, neue mußten herangezogen und auch fern von Berlin weilende
Spezialisten gewonnen w^erden, um das herbeiströmende Material zu be-
arbeiten. Was geleistet worden ist, zeigen ihnen iie letzten 30 Bände
der Englerschen Jahrbücher für systematische Botanik, zeigen ihnen
Werke und Abhandlungen wie: „Die Pflanzenwelt Ostafrikas und seiner
Nachbargebiete ", „Die Hochgebirgsflora Afrikas", „Die Flora Neu-
Guineas und der Südsee-Inseln" . „Die Vegetationsverhältnisse der Karo-
linen, der Marschallinseln und Kiautschaus", zeigen ihnen endlich die
monographischen Bearbeitungen der afrikanischen Moraceen. St^rcu-
liaceen, Combretaceen. Sapotaceen und der Gattung StropJia)ithus. Noch
ist kein Ende der Eingänge an getrockneten Pflanzen abzusehen und
wenn auch viele kleinere und einzelne umfassendere Gebiete in bezug
auf ihre Flora als im großen und ganzen bekannt gelten können, so
sind andere, wie Deutsch-Südwestafrika, der Westen Ostafrikas, der
Osten Togos und Kameruns doch noch weit im Rückstande und machen
es vorläufig unmöglich, an eine Zusammenstellung ihrer Vegetations-
formen in Gestalt eines Florenverzeichnisses heranzugehen.
Allgemeiner unterrichtet sind wir über die einheimischen Nutz-
pflanzen unserer Kolonien. Auf sie achtet nicht nur der wissenschaft-
liche Sammler, auch der Kaufmann, der Stationsleiter, der Pflanzer und
Offizier wendet ihnen sein Interesse zu und erkundigt sich zum wenigsten
nach dem Namen. Fast Woche für Woche gehen Anfragen in dieser
Beziehung ein und müssen beantwortet werden. Oft dreht es sich um
ein einzelnes Objekt, eine Giftpflanze, ein Zauberkraut, ein Nahrungs-
mittel, oft aber auch um ganze Zusammenstellungen von Drogen, von
Nutzhölzern, von Futterpflanzen der Eingeborenen oder von Produkten,
die dem Einsender Aussicht auf eine technische Verwertung in Europa
zu bieten scheinen. Manches bleibt wegen UnvoUkommenheit des ein-
gelieferten Materials ungeklärt, aber vieles hat doch auch dazu beige-
tragen, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise zu erregen. Eine Reihe
neuer Kautschukspender, Öl-, Fett- und Faserpflanzen wurde auf diese
Weise bekannt, die Nährgewächse der Eingeborenen konnten auf ihre
verschiedenen Formen und Spielai'ten hin untersucht werden. Nutz-
hölzer, Drogen, Harze, Gerbstoftprodukte kamen ans Tageslicht, von
denen eins oder das andere sich wohl einmal eine Bedeutung erringen
wird. Noch sind zu wenig kolonial-botanisch geschulte Fachleute in
unseren Kolonion, noch dämmert es den meisten Beamten drüben nicht
auf, welche Verdienste sie sich im Zusammenarbeiten mit der Zentral-
stelle um die Kenntnis der Nutzpflanzen ihres Bezirkes erwerben
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 41
könnten, aber die Anfänge sind doch gemacht, so besonders seit der
Gründung Amanis in Ostafrika und in Togo, wo der Gouverneur Graf
Zech und seine Bezirksamtmänner Dr. Kersting und Dr. Grüner
nach dieser Richtung rastlos tätig sind und die ihnen als wertwoll be-
zeichneten Gewächse auch in Kultur nehmen.
Ich komme damit zur dritten und letztenAufgabederZentral-
stelle. Sie soll belehrend wirken. Sie tut dies schon, indem sie über
die Vegetationsverhältnisse in unseren Kolonien und über die Bedeutung
ihrer Nutzpflanzen Aufschluß gibt. Das Rüstzeug hierfür besitzt sie in
sich selbst und in den Sammlungen des Botanischen Museums. Sie
hat aber weiter zu gehen und bedarf dazu einer umfassenden Verwertung
der Erfahrungen, die in den Kolonien anderer Mächte gemacht und in
zahlreichen Büchern und Zeitschriften niedergelegt sind, sie hat sich
mit heimischen staathchen Instituten, mit kaufmännischen Firmen, mit
Industriellen, die auf den Bezug tropischer Produkte angewiesen sind,
in dauernder Verbindung zu halten, um von diesen belehrt zu werden.
Sie hat sich gutachtlich zu äußern, nicht nur den Gouvernements und
deren Beamten, den Pflanzern, Missionen und Kaufleulen gegenüber,
sondern vor allem auch dem Reichskolonialamt, an welches unausgesetzt
Gesellschaften und Private mit neuen Anregungen, mit Vorschlägen, mit
Bitten um Auskunft über dies oder das herantreten. Besonders in
letzter Zeit, wo das Interesse an unseren Kolonien erfreulicher Weise
sichtlich gewachsen ist, vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgend
ein eingehender Bericht zu erstatten wäre. Da laufen zwischendurch
Hölzer, Fasern, Gerbstoffmaterialien, Kautschukproben ein, über deren
Güte und Handelswert Firmen zu befragen sind, da sind Kulturan-
weisungen zu geben, Schädlinge zu bestimmen, Keimungsversuche zu
machen, kurz Aufgaben zu lösen, die alle Zweige der tropischen Land-
wirtschaft und der Ausnutzung der vegetabilischen Schätze unserer
Schutzgebiete berühren. Die Zentralstelle kann das nicht alles allein
machen, sie ist angewiesen auf ein Zusammengehen mit Behörden und
Firmen. Die staatliche Stelle für Materiahenprüfung, die Versuchsanstalt
für Lederindustrie in Preiberg, die landwirtschaftliche Hochschule in
Berlin, die Vereine der Papierfabrikanten, Firmen wie Traun und Steidt-
mann & Nagel in Hamburg, Merck in Darmstadt, Gehe in Dresden,
Pfaff in Berlin und viele andere müssen herangezogen werden, und es
ist mit Dank festzustellen, daß sie bisher noch in keinem Falle ihre
Unterstützung versagt haben. Als ganz besonders vorteilhaft hat sich
ein Zusammenarbeiten mit der kolonial-chemischen Abteilung des der
Zentralstelle räumlich benachbarten Pharmazeutischen Instituts erwiesen.
Vor nicht langer Zeit mit einer Subvention aus Reichsmitteln bedacht,
42 Gr. Volkens.
ist sie nunmehr imstande, auch kolonial-chemische Fragen allgemeiner
Xatur in Angriff zu nehmen. Eine von der Zentralstelle veranlaßte, an
alle Gouvernements ergangene Aufforderung, Milchsäfte einzusenden,
hat ihr schon Gelegenheit gegeben, sich der Praxis nützlich zu er-
weisen und es ist kein Zweifel, daß sie auch in Zukunft allen An-
sprüchen, die an sie nach chemisch-technischer Seite hin gestellt werden
können, im vollsten Maße gerecht werden wird.
In den Kreis der dritten Aufgabe der Zentralstelle fällt endlich
die Ausbildung von Gärtnern für den Kolonialdienst, die Ausrüstung
wissenschaftlicher Reisender mit botanischem Sammelgerät und die Be-
lehrung sowohl der in die Kolonien gehenden Beamten und Privaten,
als des Publikums überhaupt. Die Gärtner, die nach körperlicher Brauch-
barbefind ung für den Tropendienst vorgemerkt werden, haben sich
praktisch in den Anzuchts- und Schauhäusern der Zentralstelle zu be-
tätigen und sind angewiesen, an den kolonial-botanischen Vorlesungen
teilzunehmen, die ich an der Kgl. Gärtner-Lehranstalt halte. Über
40, von denen eine ganze Anzahl ihren Drang in die Ferne mit dem
Leben hat bezahlen müssen, haben bis jetzt draußen Verwendung ge-
funden, meist als Gouvernementsgärtner, nicht wenige aber auch als
Angestellte von Pflanzungsgesellschaften.
Verhältnismäßig wenig Freude hat die Zentralstelle an ihrer Ob-
liegenheit, Reisende, Beamte und Offiziere auszurüsten. Viele fühlen
sich da berufen, aber wenige sind auserwählt. Die Schwierigkeit des
Sammeins in einem feuchten Klima, Mangel an Vorkenntnissen, er-
lahmender Eifer bei Überhäufung mit anderen Arbeiten verschulden es,
daß nur hier und da einmal das Sammelgerät benutzt wird und das
■eingehende Material die aufgewendeten Kosten lohnt.
Die für Belehrung des Publikums getroffenen Vorkehrungen er-
strecken sich auf Vorführung lebender tropischer Nutzpflanzen in den
Schauhäusern des Botanischen Gartens, auf systematische und nach den
einzelnen Kolonien geordnete Zusammenstellungen vegetabilischer Pro-
dukte im Botanischen Museum und auf Beteiligung an Ausstellungen.
Seit der Übersiedelung der Botanischen Institute nach Dahlem hat in
dieser Beziehung Hervorragendes geschehen können. In einem be-
sonderen V^^armhause werden im Laufe eines jeden Sommers alle wich-
tigeren einjährigen tropischen ökonomischen Gewächse, wie Baumwolle,
Jute, Ramie, Reis, Erdnuß, Indigo, Nährpflanzen der Eingeborenen usw.
herangezogen und täglich zur Schau gestellt. Davor finden Sie ein
größeres Areal mit überseeischen Nutzpflanzen bedeckt, die auch hier
im Laufe eines Sommers zur Reife kommen, so mit Sorghum, Hirse,
JMais, Futterkräutern, Bataten, Tomaten, tropischen Gemüsearten und
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 43
Tabak. Zwei weitere Schauhäuser bergen die mehrjährigen Pflanzen,
die Kaffeearten, Kakao, Gewürze, Nutzhölzer, die Kautschukproduzenten,
Öl-, Fett-, Gespinnst- und Gerbstoffpflanzen, die Obstarten in einer so
reichen Auswahl, daß Sie kaum eines der bekannteren, unsere Kolonial-
waren und tropischen Rohprodukte liefernden Gewächse vermissen
werden.
Der speziell den deutschen Kolonien gewidmete Saal im Botanischen
Museum befindet sich noch in der Ausgestaltung. Es ist gedacht, ihn
so einzurichten, daß die eine Längsseite alles zur Anschauung bringt,
was auf die Kultur und Ernteaufbereitung von Plantagenpflanzen, wie
Kaffee, Kakao, Tee, Kautschuk, Chinabäumen, Öl- und Kokospalme,
Baumwolle, Sisalagaven, in der Hauptsache auf Gewächse also Bezug
hat, die mehreren unserer Kolonien gemeinsam sind. Auf der anderen
Seite sollen bestimmte Kojen für jede einzelne unserer Kolonien einge-
richtet und in diesen das zusammengetragen werden, was sie an be-
sonderen eingeführten oder einheimischen Pflanzen und daraus ge-
wonnenen Materialien birgt. Eine reiche Bildersammlung, Fabrikate,
Tabellen und Modelle sollen in beiden Abteilungen das Verständnis er-
leichtern. Material ist reichlich vorhanden; aber bei der geringen Zahl
der zur Verfügung stehenden Hilfskräfte geht die Aufstellung nicht so
rasch vor sich, als zu wünschen wäre.
Ich gelange zum Schluß, meine Herren, und muß ihn notge-
drungen mit einem Vortrag verknüpfen, der vor einem Jahre in Ham-
burg in dieser Vereinigung der Vertreter der angewandten Botanik
unter dem Titel „Tropische Landwirtschaft" gehalten und in deren
Jahresbericht abgedruckt worden ist. So sehr ich mit diesem Vortrage
in allen seinen Hauptteilen einverstanden bin, so wenig kann ich dies
in bezug auf seinen Ausgang, auf die Forderung sein, in die er gipfelt:
Die Regierung möge eine Zentrale für tropische Landwirt-
schaft als Reichsinstitut im Anschluß an die Biologische An-
stalt für Land- und Forstwirtschaft in Dahlem bei Berlin
gründen. Es ist bezeichnend, daß der Vortragende, der sonst alle
möglichen in der Welt bestehenden Organisationen zur Förderung tro-
pischer Landwirtschaft aufzählt und bespricht, die Botanische Zentral-
stelle am Botanischen Garten zu Berlin mit keinem Wort erwähnt: sie
ist für ihn, der im übrigen den Berliner Garten und das Museum sehr
eifrig benutzt, überhaupt nicht vorhanden. Ich will den Gründen für
diese auffällige Ignorierung nicht nachgehen, jedenfalls war sie mir mit
Veranlassung, Ihnen durch meine heutigen Ausführungen ein Bild da-
von zu geben, daß wir in Deutschland denn doch nicht so ganz ohne
eine Staatsinstitution sind, die unseren Kolonialverwaltungen, unseren
44 G. Volkens.
Pflanzern, unseren heimischen, auf den Bezug von Tropenprodukten an-
gewiesenen Industriellen ratend und tatend zur Seite steht.
Prof. Warburg wünscht eine Zentrale für tropische Landwirt-
schaft, zunächst als Abteilung der Biologischen Reichsanstalt, später,
hofft er, werde sich diese zu einem selbständigen Institut entwickeln.
Zur Begründung weist er auf die Anstalten hin, die andere Kolonial-
mächte geschaffen haben, auf das Department of Agriculture in Washington,
das Imperial Institute in London, das Kolonialmuseum in Haarlem. Seinen
besonderen Beifall findet Prankreich, das eine Ecole nationale superieure
de TAgriculture coloniale, eine Societe fran(,-aise de Colonisation et d'Agri-
culture coloniale und schließlich einen Jardin colonial besitzt, dessen
Direktor gleichzeitig als Generalinspektor der kolonialen Landwirtschaft
Ministerialbeamter ist. Das Department of Agriculture in Washington
kann kaum herangezogen werden, schon darum nicht, weil es ja seine
Wirksamkeit in einem Gebiet entfaltet, dessen Teile durch Telegraph
und Schienenstränge aufs innigste mit der Zentrale verbunden sind.
Für die Philippinen hat Amerika ein eigenes Department in Manila ge-
schaffen. Daß Prankreich am weitesten vorgeschritten erscheint, wird
mit Recht hervorgehoben. Aber ich sage ausdrücklich „erscheint".
Aus dem Vorhandensein dreier großen kolonialen Institute in Paris
darf doch nicht geschlossen werden, daß Prankreich damit nunmehr
den Vogel abgeschossen hat, daß es zur wirtschaftlichen Erschließung
seiner Kolonien wirklich richtige und zweckmäßige Maßnahmen getroffen
hat. Ich leugne das, ich behaupte, Prankreich wandelt mit seinen Be-
strebungen, die Bedürfnisse der tropischen Landwirtschaft in Paris
regeln, seine Kolonien von Paris aus entwickeln zu wollen, auf falschen
Wegen, auf Wegen, die wir uns hüten sollen, gleichfalls einzuschlagen.
England und Holland haben uns Vorbilder zu sein, von deren Schöp-
fungen im Mutterlande Warburg nichts weiter anzugeben weiß, als
das bescheidene Imperial Institute und das noch bescheidenere Kolonial-
museum in Haarlem. Beide Staaten erkannten eben, daß die tropische
Landwirtschaft nur da einschneidend gefördert werden kann, wo sie
betrieben wird, nicht im Mutterlande, sondern in den Kolonien selbst.
Was sie bei sich schufen, sind Auskunftsstellen, Vermittelungsstellen,
Zentralstellen, wie Sie sie nennen wollen, Institutionen, deren Haupt-
aufgabe darin liegt, den Gouvernements, den Leitern von Versuchs-
gärten, den Pflanzenbau treibenden Kolonisten in speziellen Prägen Rat-
schläge zu erteilen, Pflanzmaterial zu beschafien und zu verteilen, die
gezüchteten oder sonstwie gewonnenen Produkte durch wirkliche in
der Praxis stehende Pachmänner auf ihre Qualität und ihren Handels-
wert untersuchen zu lassen.
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 45
Stellen wir uns einmal vor, ein neues, großes Reichsinstitui für
tropische Landwirtschaft bestände in Dahlem und greifen wir irgend
eine Frage heraus, deren Beantwortung Herr Prof. War bürg für
dringend notwendig erachtet, beispielsweise die Frage der Schädlings-
bekämpfung. Kann da in Dahlem Ersprießliches geleistet werden?
Man kann mit großen Kosten sich eigene Kulturhäuser für Kaffee,
Kakao, Kautschukpflanzen, Zuckerrohr, Chinabäume, Öl- und Kokos-
palmen anlegen, man kann auch Schädlinge aus den Kolonien in diese
Kulturhäuser übertragen, aber dem Schädling wie der Wirtspflanze eine
gedeihliche, normale Entwickelung sichern, kann man nicht; man kann
beiden nicht die khmatischen Faktoren, ihre Freunde und Feinde, das
ganze Milieu bieten, das eine wirksame Bekämpfung des Krankheits-
erregers zur Voraussetzung hat. Für die reine Wissenschaft würde
vielleicht hier und da einmal etwas herauskommen, eine schöne Ab-
handlung mit vielen bunten Tafeln, für die Praxis schwerlich je etwas
von Bedeutung. Das Institut würde gut tun. sich von vornherein auf
die Diagnostizierung des Schädlings zu beschränken und aus der Lite-
ratur anzugeben, was da oder dort für Bekämpfungsmittel und mit
welchem Erfolge zur Anwendung gelangt sind. Für eine derartige
Auskunft sind aber genug Stätten in Deutschland vorhanden, die ge-
nügende Experten und genügende Vergleichssammlungen besitzen und
die auch freudig gewillt sind, ihre Dienste anzubieten. Eines neuen
Instituts bedarf es dazu nicht. Und so ist es mit einer Unzahl anderer
Dinge. Warburg führt die Schattenfrage für tropische Baumkulturen
auf, das Problem der Müdigkeit tropischer Böden, des Einflusses vom
Tau auf tropische Kulturpflanzen, ich füge hinzu die Dünger- und Be-
arbeitungsfrage für tropische Böden, die Fragen nach zweckmäßigster
Ernteaufbereitung, die überaus wichtige Arbeiterfrage. Kann eine einzige
davon in Dahlem gelöst werden? Um auf die Schädlinge zurückzu-
kommen, was würde man von einer Kommune sagen, die zur Be-
kämpfung der Brände bedeutende Mittel für ein schönes neues, großes
Spritzenhaus bewilligte, dieses Haus aber nicht in der eigenen Stadt,
sondern in einer anderen, 1000 Meilen davon entlegenen bauen ließe?
Sie sehen, meine Herren, worauf ich hinaus will. Wenn wir die
tropische Landwirtschaft in unseren Kolonien heben wollen, so haben
wir die Hebel nicht hier in Dresden oder in Dahlem anzusetzen, sondern
drüben, in Ost- und Westafrika, in Neu-Guinea und Samoa. Dieser
Forderung gegenüber steht alles andere zurück. Jede Mark, die wir
drüben in einen Versuchsgarten, ein kolonial botanisches oder chemisches
Laboratorium, eine Eisenbahn investieren, wird unvergleichlich viel
höhere Zinsen bringen, als wenn wir sie hier für ein Institut verwenden.
^Q G. Volkens.
in welchem schließlich doch nur an grünen Tischen gearbeitet wird.
Frankreich ist groß in der Theorie, groß im Zentralisieren, aber trotz
seiner vielen kolonialen Schöpfungen im Mutterlande, schöpfen ihm doch
die englischen und deutschen Firmen, die sich in seinen Kolonien nieder-
gelassen haben, den Rahm von der Milch weg. Holland schuf sich
sein Buitenzorg und wer das kennen gelernt hat, der weiß, was es be-
deutet, der weiß, daß es das Muster abzugeben hat, nach dem wir uns
zu richten haben. Ich will nicht näher darauf eingehen. In einem
Vortrage, den ich bei Gelegenheit eines Kolonialkongresses hielt.') habe
ich seinen Einfluß auf den Plantagenbau in Java und Sumatra ein-
gehend geschildert.
Wir brauchen nicht einmal ins Ausland zu gehen, um den Wert
eines in der Kolonie selbst gelegenen Agrikulturinstituts zu erkennen.
Wie haben sich die Verhältnisse in Ostafrika geändert, seitdem Amani
besteht. Es ist zu einem Mittelpunkt geworden für alles, was zu dem
Landbau in diesem Schutzgebiet in Beziehung steht, und es ist sicher
anzunehmen, daß aus ihm, gerade wie in Buitenzorg, ein Kultur-
departement hervorgehenwird, das sich den Departements für Justiz, für das
Heerwesen usw. ebenbürtig an die Seite stellt. Fragen wir doch ein-
mal die in Amani wissenschaftlich und praktisch tätigen Herren — Herren,
die im Leben stehen und doch ohne Zweifel als Autoritäten gelten
können — , ob sie sich von einem großen tropenlandwirtschaftlichen Institut
in Dahlem etwas versprechen. Was sie wünschen, ist im Gegenteil,
von Deutschland möglichst unabhängig zu w-erden, und sie sind auf dem
besten Wege, das zu erreichen. W^as sie in Europa brauchen, ist
allein eine Auskunftsstelle, eine Organisation, die ihnen das Mittel gibt,
europäische Sammlungen zu verwerten, und die Bindeglied ist zwischen
ihnen und den Verbrauchern dessen, was im Lande erzeugt und nach
Europa exportiert wird.
Die dringende Notwendigkeit, in jeder unserer Kolonien einen
Versuchsgarten anzulegen und soweit ein solcher schon besteht, ihn
durch Anghederung von Laboratorien zu einem Institut für tropische
Landwirtschaft auszubauen, ist von der Botanischen Zentralstelle schon
seit mehr als 10 Jahren immer wieder betont und in Eingaben befür-
wortet worden. Die Einsicht des Gouverneurs Graf Götzen hat Amani
entstehen lassen, in Kamerun ist es im Anschluß an den Victoriagarten
zur Errichtung eines kleinen botanischen und eines chemischen Labora-
toriums gekommen, in Neu-Guinea stellt der Garten in Simpsonhafen
die ersten Anfänge einer aufsteigenden Entwickelung dar. Togo ist in
0 Bericht des Deutschen Kolonialkongresses vom Jahre 1902.
Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien. 47
der glücklichen Lage, seit mehr als einem Dezenium zwei naturwissen-
schaftlich geschulte Bezirksamtmänner zu besitzen, die für das Pflanzungs-
wesen vollstes Verständnis haben und dieses Verständnis auch in die
Tat umsetzen. Einen von einem Fachmann geleiteten Garten hat Togo
nicht, ebenso wenig Samoa, das Festland von Xeu-Guinea und die
kleineren Südseeinseln. Südwest-Afrika und Kiautschau scheide ich von
der Betrachtung aus, da beide nach europäischem Muster zu behandeln
sind und in erster Linie Landwirtschaftsschulen erfordern
Wie Amani weiter auszugestalten ist, das wissen seine Leiter
besser als wir. Der Victoriagarten braucht vor allem Selbständigkeit
und einen festen von Gouvernementseinflüssen unabhängigen Etat, der
so hoch ist, daß er seine wissenschafthchen Kräfte vermehren und seine
Laboratorien in bezug auf Bibliothek und Instrumentarium auf eine zeit-
gemäße Höhe bringen kann. Alles andere liegt an den Personen, die
zur Leitung berufen sind.
Hier in Deutschland brauchen wir für die Gegenwart und nächste
Zukunft zweierlei, einmal ein Lehrinstitut, das seine Zöglinge mit den
Grundbegriffen der tropischen Landwirtschaft ausrüstet und sie dann
womöglich, ehe sie in unsere Kolonien gehen, nach Ceylon, nach Indien
oder nach Java zu weiterer Information entsendet, und zweitens eine
Zentralstelle, die für die Gärten draußen, für die Gouvernements und
Pflanzer einen Mittelpunkt abgibt, die auch dem Kolonialamt als Aus-
kunftsstelle zur Seite steht. Die Botanische Zentralstelle am Kgl. Bota-
nischen Garten zu Berlin, die bisher diesem Zweck gedient hat, braucht
nur ausgestaltet zu werden, um auch weitergehenden Ansprüchen
gerecht zu werden. Mit einem Etat von 10000 Mark, von denen nur
6000 für sachliche Ausgaben zur Verfügung stehen, sieht sie sich am
Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Soll sie in der Zukunft mit der steigenden
Entwickelung unserer Kolonien gleichen Schritt halten, so ist das
ohne eine entsprechende Vermehrung der an ihr tätigen wissenschaft-
lichen Kräfte unmöglich. Zu erwägen wäre, ob ihr jetziger Zwitter-
charakter als eine vom Reiche unterstützte, aber dem preußischen Kultus-
ministerium unterstellte Anstalt beizubehalten ist. In der Tatsache, daß
sie dem Reiche ihre Dienste leistet, ihre Beamten aber preußische sind,
liegt eine gewisse Unstimmigkeit, wie man neuerdings zu sagen pflegt.
Es darf aber dabei nicht vergessen werden, daß in den 16 Jahren ihres
Bestehens Friktionen bisher nicht eingetreten sind, und daß eine Zentral-
stelle, wie man sie sich auch ausmalen möge, ohne engen Anschluß an
den größten deutschen Botanischen Garten und das größte deutsche Bo-
tanische Museum, welche zusammen über einen Etat von zirka 200000 M.
verfügen, deren Beamte auch größtenteils die Bearbeitung der ein-
48 G. Voljiens. Die Botanische Zentralstelle für die Kolonien.
gesandten Pflanzen und die Bureau arbeiten erledigen, nicht zu denken
ist. Die Frage, ob Reichsinstitut, ob durch Reichseinflüsse beherrschtes
preußisches Institut, ist schließlich eine formale und durch besondere
Stipulationen eines Vertrages zu lösende. Eine ständige Vertretung im
Kolonialamt zu besitzen, wird für die Zentralstelle, schon zur Ver-
minderung der Schreibarbeit, vielleicht einmal wünschenswert er-
scheinen. Daß sich ihre Geschäfte ins Ungemessene steigern, ist nicht
zu befürchten. In dem Maße, wie sich die Versuchsgärten draußen
zu gut ausgerüsteten Instituten für tropische Agrikultur entwickeln,
werden sie von Deutschland unabhängiger werden, w^erden sie Berlin
nicht mehr brauchen, um sich Saat zu beschaffen, werden sie in
Berlin nicht mehr anzufragen nötig haben, wie man in Java Zucker-
rohr oder Chinabäume kultiviert. Darum hat es eine gewisse Be-
rechtigung, wenn die Botanische Zentralstelle das Ziel ihrer Bestrebungen
in dem Wahlspruche sieht: Inserviendo consumor.
Franz Muth, Über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 49
Über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
Ein Beitrag zur Samenuntersuchung und Samenzüchtung.
Von
Franz Muth.
Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich mit Untersuchungen
über die Ursachen der Differenzen, ^) die bei Keimprüfungen von Sämereien
nicht selten auftreten. Diese Ursachen können bekannthch verschieden
sein, mit die häufigste derselben ist die Infektion der Sämereien vor
oder während der Iveimprüfung durch Mikroorganismen. Von diesen
kommen in erster Linie Schimmelpilze und Bakterien sowie einige Hefen
in Frage.
Die Tatsache, dass Samen und Früchte in feuchter, wasserdampf-
gesättigter Luft meistens alsbald von Schimmelpilzen befallen werden und
dann schlecht oder gar nicht mehr keimen, ist altbekannt. Auch sind
besondere Versuche in dieser Beziehung ausgeführt worden, so z. B. von
F. Haberlandt^) und von Freiherrn von Tautphöus^). Die Frage, ob und
inwieweit die genannten Organismen bei Keimprüfungen nach Massgabe
der technischen Vorschriften des Verbandes landwirtschaftlicher Versuchs-
stationen im Deutschen Reich für Samenprüfungen die Gleichmässigkeit
der Resultate eventuell beeinträchtigen, ist auffallend wenig experimentell
verfolgt worden. Nobbe legt einer solchen Infektion im Keimbett keine
besondere Bedeutung bei; er sagt in seinem Handbuche der Samenunter-
suchung auf Seite 510 nur: „Bei längerer Ausdehnung des Versuchs
tritt an dem Apparate, wie an stetig teuchtwarm erhaltenen Körpern
bekanntlich überall, bisweilen ein Anflug von Schimmelfäden auf. Ob-
schon dieser Anflug den Samen selbst nicht schadet, da nur die Keimungs-
') Vgl. I ter Bericht der Grossh. Badischen Landwirtschaftlichen Ver-
suchsanstalt Augustenberg über ihre Tätigkeit im Jahre 1902, erstattet von
Prof. Dr. J. Behrens, S. 35 u. 36, II ter Bericht dieser Anstalt über das
Jahr 1903, S. 43 — 48, ferner Jahresbericht der Vereinigung der Vertreter der
angewandten Botanik, I. Jahrgang 1903, S. 80—87.
2) F. Haberlandt, Wissenschaftlich-praktische Untersuchungen I,
1875, S. 68.
3) Freiherr von Taut phöus, Die Keimung der Samen bei verschiedener
Beschaffenheit derselben. München 1876. (Justs Botanischer Jahresbericht
1876, S. 883).
Jaaresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 4
50 Franz Muth.
unfähigen zu schimmeln pflegen, machen wir doch darauf aufmerksam,
dass man diesem Umstände dadurch begegnet, dass das Gefäss nach
längerem Gebrauch auf eine halbe Stunde in siedendes Wasser gesetzt
wird. Zusatz von etwas Salizylsäure erlaubt die Dauer des Wasser-
bades wesentlich abzukürzen. Übrigens zeigen nicht nur die zur Keim-
prüfung verwendeten Blumentöpfe und F'liesspapier dieselbe Erscheinung;
es finden sich selbst Samen, die in Erde gesteckt werden, nach einiger
Zeit mit Penicillium besetzt, in der Regel jedoch nur diejenigen, deren
Keimkraft bereits erloschen war. Nur solche Lupinen- und Getreide-
samen pflegen nach einigen Tagen im Apparat schlüpfrig-schleimig und
missfarben zu werden, während direkt neben diesen liegende gesunde
Samen sich frischfarbig und etwas trockenhäutig erhalten."
In den bereits erwähnten technischen Vorschriften des Verbandes
der Versuchsstationen für die Samenprüfungen ist als Schutz gegen zu
weitgehende Schimmelbildung die Erneuerung des Keimbetts während
der Prüfung nach Bedarf empfohlen.
Harz beschäftigt sich in seiner landwirtschaftlichen Samenkunde
in einem besonderen Kapitel auf Seite 294 — 298 mit den verschimmelten
Samen, ohne indes auf die uns hier interessierende Frage näher einzu-
gehen. Er führt dabei die häufigsten von ihm auf Sämereien im Keim-
bett beobachteten Schimmelpilze auf; als solche sind angegeben: Peni-
cillium glaucum mit Coremium vulgare, Aspergillus glaucus, Asper-
gillits fiavus, Asjtergillus nigrescens, Bhizopus nigricans, Miicor
Mucedo, Mucor racemosus, Cladosporium penicillioides und andere
Cladosporium-kviQn. Torula sacchari und Torula cephalosporioides,
Alysidium viride, Cephalothecium roseum, Cephalothecium candidam
und Arthrobotrys oligospora, Haploirichum roseum, einige Sfemphylium-
und Alternaria- Arten, Ulocladium hotrytis, Stilbum hulhosum und
Stysanus stemoniüs. Selten tritt Arthrococcus lactis auf, namentlich
hin und wieder, wenn normalen keimfähigen Samen alte und verdorbene
beigemischt sind. Harz bemerkt dann noch, dass bei und in sehr feucht
liegenden Samen stets Schizomyceten in Menge auftreten. Eingehender
hat sich Hiltner^) mit der Frage der Beeinträchtigung der Resultate der
Keimprüfung infolge Infektion durch Mikroorganismen beschäftigt. Einen
Teil seiner reichen Erfahrung auf diesem Gebiete hat er in seiner Arbeit
über die Keimungsverhältnisse der Leguminosensamen und ihre Beein-
flussung durch Organismenwirkung niedergelegt. Er kommt dabei zu
1) Hiltner, L., Die Keimimgsverhältnisse der Leguminosensamen und ihre
Beeinflussung durch Organismenwirkung (Arbeiten aus der Biologischen Ab-
teilung für Land- und Forstwirtschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamte, ITI.Band,
1902, S. 1—102).
über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 51
dem Resultat, dass Infektionen von Sämereien durch Schimmelpilze und
Bakterien die Keimresultate im Keimbett und im Boden unter Umständen
weitgehend beeinflussen können und dass dieser Umstand die volle Be-
achtung der Samenkontrollstationen verdient.
Bei meinen eigenen Untersuchungen wollte ich in erster Linie
durch orientierende Versuche feststellen, inwieweit durch künstliche In-
fektion mit den am häufigsten vorkommenden Schimmelpilzen beim Ar-
beiten nach den Verbandsvorschriften die Resultate der Keimprüfungen
beeinträchtigt werden, welche dieser Schimmelpilze die gefährlichsten
sind und welche der wichtigeren landwirtschaftlichen Sämereien von
diesen am meisten gefährdet sind. Zu den Parallelversuchen wurden,
wenn möglich, stets dieselben Samenproben verwendet. Auf diese Weise
war eine für praktische Bedürfnisse immerhin genügende Sicherheit für
die Beurteilung der Resultate in der angedeuteten Richtung gegeben.
Die Versuche selbst wurden, wie bereits früher mitgeteilt, in folgender
Weise ausgeführt. Die Samen oder Früchte werden in einem kleinen
Siebchen unter dem Wasserhahn durch einen kräftigen Strahl etwa
5 Minuten abgewaschen, um dann noch mit sterilisiertem Leitungswasser
gründlich abgespült und in solchem 5 Stunden vorgequellt zu werden.
Die meisten frischen und guten Sämereien zeigen bei dieser Behandlung
und bei entsprechender Vorsicht beim Einkeimen und bei der weiteren
Behandlung während der Keimzeit eine geringe oder keine Infektion.
Eine Ausnahme in dieser Beziehung machen sehr häufig grössere
Leguminosensamen, besonders Lupinen, wie die Samen von Luphms
hirsufus, L. mutabilis etc.; bei diesen gelingt es häufig nicht, sie auf
die angegebene Weise genügend keimfrei zu machen. Es ist dies
natürlich nicht auffallend, da wir besonders durch die Untersuchungen
von Hiltner wissen, dass die Leguminosensamen sehr häufig Keime von
Mikroorganismen in den inneren Partien, besonders in der Samenschale
beherbergen. Immerhin genügt aber im allgemeinen diese Art der Ver-
suchsanstellung bei entsprechender Vorsicht während der Keimprüfung
und bei genügender Erfahrung, um sich durch Parallelversuche über
den Einfluss einer künstlichen Infektion zu orientieren. Diese selbst
wurde in der Weise ausgeführt, dass den abgespülten Sämereien bei
der Vorquellung eine iVufschwemmung der Sporen der Schimmelpilze
resp. eine solche von Bakterien oder Hefen in sterilisiertem W\asser zu-
gefügt wurde. Als Keimbett dienten einfache Kuverte aus gewöhnlichem
Piltrierpapier in der Grösse von ungefähr 10X12 cm. Diese Kuverte
wurden schief in Kästen aus verzinntem Weissblech gestellt. Letztere
sind rechteckig, ca. 13 cm breit, 17 cm hoch und von verschiedener
Länge, in der Regel 50 cm. Seitenwände und Deckel sind mit zahl-
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über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
57-
reichen runden Öffnungen zur Förderung der Luftzirkulation verseilen.
Auf dem Boden des Kastens befindet sich eine Wasserschicht von 1 cm
Höhe: über dieser sind an den Seitenwänden Luftöffnungen angebracht
und über diesen ein Boden aus Messinggeflecht zum Aufstellen der
Kuverte. Der Kasten ist durch Scharniere, die mit verzinntem Eisen-
blech eingerahmt sind und in Falzen laufen, die in der Entfernung von
10 cm an den I^ängswänden angebracht sind, in verschiedene Fächer
geteilt. An jedes dieser Scharniere werden 2 oder 4 Kuverte schräg
angelehnt. Das Feuchthalten derselben erfolgt nach Bedürfnis durch
Anfeuchten mit sterilisiertem Leitungswasser mittelst eines grossen Haar-
pinsels und vorsichtiges Abtupfen der Kuverte mit Filtrierpapier. Die
Kästen werden vor jedem Versuch samt Kuverte durch strömenden
Wasserdampf sterilisiert.
Zu den im Keimbett am häufigsten auftretenden Schimmelpilzen
gehört wohl Rhizopus nigricans Ehrenberg und Cephalothecium roseum
Corda. Mit diesen beiden Organismen wurden deshalb zahlreiche In-
fektionsversuche ausgeführt, deren Ergebnisse die Tabellen auf S. 52 — 56-
wiedergeben.
Fassen wir die Keimresultate in unserer Tabelle etwas näher ins-
Auge, so sehen wir aus der nachstehenden kleinen Zusammenstellung,
dass beide Schimmelpilze die Keimzahlen im Durchschnitt wesentlich
heruntergedrückt haben, während die Zahl der faulen Samen durch
die Infektion höher geworden ist; der Prozentsatz der harten, nicht ge-
keimten, scheinbar guten Samen hat sich durch diese nicht wesentlich
verändert.
Keim-
kraft
inO/o
Weniger,
als die
nicht
infiziert.
Samen
Harte,
scheinbar
gesunde
Samen
Mehr
oder
weniger,
als die
nicht
infiziert.
Samen
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Samen
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Mehr,
als die
nicht
infiziert,
Samen
Nicht infiziert 74,70
Mit Rhizopus nigri-
cans Ehr. infiziert 68,51 6,19
Mit Cephalothecium
roseum Cda. in-
fiziert 64,20 10,50
3,70
3,39
4,20
0,31
-}- 0,50
21.60 —
28,10 6,50
31,60 ! 10,00
Cephalothecium roseum ist somit für die Samen und Früchte im
Keimbett bedeutend gefährlicher wie Rhizopus nigricans, obgleich
letzterer im Keimbett sich ausserordentlich viel rascher entwickelt al&
58
Franz ^lutli.
ersterer. Am meisten gefährdet sind bei der Keimprüfung von den
zum Versucli herangezogenen landwirtschaftlich wichtigeren Sämereien
die Leguminosensamen und von diesen wieder die Lupinensamen, weniger
die Cruciferensamen und am wenigsten die Gramineenfrüchte mit Aus-
nahme des Maises. Bemerkt sei noch, dass die Keimversuche, zu denen
je lüO Körner verwendet wurden, in den Monaten Dezember, Januar
und Februar ausgeführt wurden. Die Jahreszeit ist unter Umständen
nicht ohne Einfluss auf die Ergebnisse derartiger Keimversuche, worauf
wir später noch einmal zurückkommen werden. Die Notizen über die
Entwickelung der Keimlinge und des zur Infektion herangezogenen
Pilzes beziehen sich auf den Tag der jeweiligen Keimungsenergie. Bei
den Sämereien, die in den Verbandsvorschriften nicht aufgeführt sind,
ist die Dauer des Keimversuches bei den Bemerkungen über die Ent-
wickelung der nicht infizierten Samen angegeben. Die Bemerkungen
über die Entwickelung des Pilzes und seine Einwirkung auf die Aus-
bildung der Keimlinge beziehen sich stets auf den zur Infektion heran-
gezogenen Schimmelpilz,
Name der Sämerei
Keim-
kraft der
nicht in-
fizierten
Körner
Keim-
kraft der
mit
As-pe)yiUi(fi
lüger in-
fizierten
Körner
in o/o
Grad
der
schäd-
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kung
Keim-
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Körner
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Italienisches Raygras
Französisches Raygras
Buchweizen . . . .
Tabak
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Lein .
Oichorie
Fenchel ,
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67,25
95,00
88,25
88,50
80,50
79,00
95,00
88,00
100,00
52,00
Möhre . .
Wiesenknopf
69,75
80,25
47.50
75,00
56.50
91,00
90,00
93,00
88,00
64,25
92,00
83,00
100,00
44.50
50,00
7i),00
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sehr
stark
stark
sehr
stark
sehr
stark
stark
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stark
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85,50
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90,50
77,00
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24.25
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96.00
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100.00
45,00
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gering
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34,00 1^ I
Im Durchschnitt
79,89
74.98
70,02
74.46
über die Infektion von Sämereien im Keinibott.
59
Bin weiterer Infektionsversucli mit Schimmelpilzen ist in vor-
stehender Tabelle wiedergegeben. Es wurden zu diesem Aspergillus
nigvr van Tiegh., Botrytis cinerea Pers. und PeiiiciUium glaucum Lk.
herangezogen. Dabei wurden stets 4 X lOO Körner in der oben be-
schriebenen Weise eingekeimt. Bei den Keimkraftzahlen sind sämtliche
gekeimten Körner angegeben. Der Rückgang der Zahl der Keimlinge
ist ohne weiteres aus der Tabelle ersichtlich; ausser diesem weisen
die Keimlinge bei der Infektion häufig sehr weitgehende Schädigungen
auf; bei manchen sind die Würzelchen vollständig faul. Der Grad der
Beschädigung ist in der Tabelle in einer besonderen Rubrik angedeutet.
Am grössten ist die ungünstige Wirkung der Infektion bei Botrytis
eiuerea. Aber auch Aspergillus niger wirkt bei einer Anzahl der zum
Versuch herangezogenen Sämereien recht deutlich auf die Höhe der
Keimzahlen ein.
Nachstehend sei noch das Resultat eines weiteren Infektions-
versuches mit diesem Schimmelpilz mitgeteilt. Auch hier ist die Keim-
kraft im Durchschnitt um 12,70 "/(, gefallen. Bezüglich der Wirkung
von Aspe7~gillus niger auf keimende Sämereien sei auch noch auf den
Infektionsversuch mit den Farbenvariationen verschiedener Sämereien
auf Seite 71 — 7ß verwiesen.
Keimkraft der
Keimkraft der
Die Keimkraft
nicht
mit Aspergillus
der infizierten
Bezeichnung der 8ämerei
infizierten
niger infizierten
Samen beträgt
Samen in o/q
Samen in 0/^
weniger in O/q
Gelbklee
93,50
82,75
10,75
Wundklee
85,00
02,25
22,75
Steinklee
71,25
53,25
18,00
Schotenklee, gehörnter . .
78,25
69,75
8,50
Sumpfschotenklee ....
79,25
73,00
(),25
Linsen
97,75
90,50
7,25
Bohnen
99,50
90.75
8,75
Ackerbpörgel . . . . . •
70,50
51,25
19,25
Weitere in derselben Weise mit je 4 X 100 Körnern ausgeführte
Infektionsversuche wurden mit Aspergillus glaucu.s Lk., Cladosporium
herbarum Pers., Mucor piriformis Alfr, Fischer und mit Fusarium
roseum Lk. angestellt.
Aspergillus glaucus erwies sich dabei als ziemlich ungefährlich;
bei Weissklee, Bastardklee, gehörntem Schotenklee, Sumpfschotenklee,
Saatwicken, Linsen, Roggen, Buchweizen, Timothee war nichts Auf-
fallendes zu bemerken, bei Gelbklee. Lupinen, Rotklee, Wundklee, Gerste,
Riesenspörgel, Cichorie zeigten einige Keimlinge deutlich kranke, glasig
60 Franz Muth.
durchscheinende Wurzelspitzen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der
Keimzahlen trat aber auch bei diesen Sämereien mit Ausnahme des
Riesenspörgels und der Cichorie nicht ein. Bei letzterer fiel die Keim-
kraft von 52°(o ^^ 45,5%, bei ersterem von 70°/o auf 56°/o.
Mit Cladosporium herharmn wurden je 4 X 100 Körner folgender
Sämereien infiziert: Rotklee, Weissklee, Bastardklee, Inkarnatklee,
Luzerne, Gelbklee, Steinklee, gehörnter Schotenklee, Sumpfschotenklee,
Wundklee, Saatwicken, Victoria-Erbsen, Linsen, Bohnen, Weizen, Gerste,
Roggen, Timothee, Sommerraps, Winterraps, weisser Senf, Lein, Spörgei,
Buchweizen, Cichorie.
Eine grössere Beeinträchtigung der Keimkraft und der En(-
wickelung der Keimlinge zeigten nur die Bohnen: erstere sank von
98,00 ''/o auf 69,50 ^Iq\ dabei zeigten die Keimlinge durchgehends braune,
kranke Wurzelspitzen. Bei den Linsen, dem Inkarnatklee, Gelbklee,
Steinklee sowie bei der Cichorie waren einige fruktifizierende Kolonien
schon in der zweiten Hälfte der Keimzeit vorhanden; auch Hessen sich
nicht selten kranke Wurzelspitzen bei den Keimlingen konstatieren.
Letzteres war auch bei der Luzerne, dem Rotklee und dem Wundklee
der Fall. Ein wesentlicher Rückgang der Keimkraft oder der Keimungs-
energie war aber bei dem Versuch nur bei den Bohnen zu beobachten.
Mucor piriformis war bei einem Infektionsversuch mit einer Probe
Esparsette, Serradella, enghschem Raygras sowie bei französischem und
italienischem Raygras, ferner von Sorgho, Tabak, Hanf, Fenchel, Möhren
und gemeinem Wiesenknopf ohne sichtbare, schädliche P]inwirkung.
Weder die Keimzahlen noch die Ausbildung der Keimlinge wiesen eine
Beeinträchtigung auf.
Bezüglich der Keimfähigkeit der Saatproben, die zu diesen In-
fektionsversuchen dienten, sei bemerkt, dass es in der Hauptsache die-
selben waren, wie bei den auf Seite 58, 59 und 61 tabellarisch zu-
sammengestellten Keimversuchen. Die in diesen Tabellen nicht auf-
geführten Sämereien waren durchgehends von guter Beschaffenheit und
hoher Keimfähigkeit.
Mit Fusarium roseum wurde ein Infektionsversuch verschiedener
Grassämereien und zwar mit je 100 Körnern angestellt. Die Er-
gebnisse sind aus folgender Tabelle (S. 61) ersichtlich.
Die Stammkultur des Fusarium roseum Lk., weiches zu diesen
und den weiteren Infektionsversuchen verwendet wurde, war von Krals
bakteriologischem Laboratorium in Prag bezogen und auf mit Leitungs-
wasser durchfeuchtetem, sterihsierten, zerriebenen Schwarzbrot weiter
kultiviert worden. Bemerkenswert ist, dass nur auf ganz wenig Körnern
die lachsroten Conidienpolster des Pilzes im Keimbett erschienen, obgleich
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
61
Name der Sämerei
Keimkraft
der nicht
infizierten
Körner
in °/o
Keimkraft
der mit
Fusarium
roseum
infizierten
Körner
in o/o
Grad der
sichtbaren
Schädigung
der Keimlinge
Anthoxanthum odoratum L. . . .
Alopecurus pratensis L
Agrostis stolonifera L
Arundo arenaria L
Aira caespitosa L
Holcus lanatus L
Avena elatior L
Avena flavescens L
Poa pratensis L
Dactylis glornerata L
Cynosurus cristatus L
Festuca ovina L
Festuca rubra L
Festuca pratensis Huds
ßrachypodium silvaticum R. et Seh.
Bromus inermis Leyss
Lolium perenne L
Lolium italicum AI. ßr
32
li
78
66
34
36
68
80
74
74
86
74
16
60
62
64
74
84
22
72
78
84
22
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62
54
54
56
74
72
12
58
38
64
46
84
0
sehr stark
ganz gering
0
sehr stark
0
sehr stark
sehr stark
gering
0
gering
gering
sehr stark
schwach
0
stark
schwach
stark
Im Durchschnitt
63,11
55,00
die Wirkung der Infektion bei der Mehrzahl der Sämereien in keiner
Weise zu verkennen war; ein grosser Teil der Würzelchen der Keim-
linge war gelb oder gelbbraun, glasig durchscheinend, gekrümmt und
frei von Wurzelhaaren. Die diesbezügUchen Verhältnisse sind in der
Tabelle in der Rubrik über den Grad der Beschädigung angedeutet.
Man sieht daraus, dass dieser nicht immer proportional der Beein-
trächtigung der Keimfähigkeit ist, die im Durchschnitt 8,11 °/o beträgt.
Die ungünstige Einwirkung von Fusarium roseum auf keimende Samen
ist des weiteren ersichthch aus den Versuchen mit den verschieden ge-
färbten und verschieden grossen Hanffrüchten auf S. 78 sowie aus dem
auf derselben Seite erwähnten Verhalten der Farbenvariationen einiger
Papilionaceen-Samen bei der Infektion mit diesem Pilz.
Ausser den Schimmelpilzen sind es bekannthch Bakterien, die den
Sämereien im Keimbett und im Boden unter Umständen gefährlich
werden können. Es war deshalb von Interesse, auch mit solchen einen
Infektionsversuch anzustellen. Die Ergebnisse desselben sind in nach-
62
Franz ]\Iiitli,
stehender Tabelle zusammengestellt. Es \vurden jedesmal je 4 X 100
Samen eingekeimt.
Gelbklee
Wimdklee
Steinklee
Gehörnter Schotenklee
SuÄipfschotenklee . .
Wicken
Linsen
Erbsen
Bohnen
Lein
Raps
Cichorie ....
Im Durchschnitt
93.50
85,00
71,25
78,25
79,25
98,00
97,75
99,00
99,50
100,00
96,00
52,00
93,00
88,00
70,50
74,50
83,00
98,00
94,00
99,50
56,00
99,00
95,50
49,00
87,46 83,33
88,00
86,00
65,00
72,00.-
74,00
97,50
97,00
100,00
62,00
99,50
93,50
24,50
96,50
82,50
68,50
77,00
79,.50
97,00
98,50
98,50
.54,00
100,00
98,00
50,50
93,50
91,00
60,00
72,.50
83,50
99,00
98,50
99,.50
100,00
100,00
38,50
93,50
85,00
70,00
62,00
73,00
98,50
96,50
93,00
100,00
95,.50
38,00
79.92
83,33
85.09
82,27
Bei vorstehendem Infektionsversuch ist an den Würzelchen der
Keimlinge mit Ausnahme derjenigen der Bohnen und der Cichorie nichts
Abnormes zu beobachten. Wie aus der Tabelle ersichthch, haben sämtliche
Bakterien das durchschnittUche Keimvermögen beeinträchtigt: Bacillus
ßuorescpns liqHpfncleus hat die Keimzahlen am weitesten, um 7,54 °/o
heruntergedrückt. Es scheint, dass derartige Bakterien, wie auch Miltner
festgestellt hat, altersschwachen oder verletzten Samen und Früchten
leicht gefährlich werden und diese abtöten können, während sie gesunde
und intakte sowie bereits gekeimte Sämereien nicht anzugreifen ver-
mögen. Bei den Bohnen und der Cichorie sind, wie bereits hervor-
gehoben, kranke Würzelchen vorhanden. Dieser Umstand ist aber
jedenfalls in erster Linie wohl nicht auf die Tätigkeit der zur Infektion
verwandten Bakterien zurückzuführen, l'iese zeigen in den W'urzeln
nämlich neben den Bakterien noch reichlich Pilzfäden. Bei den Bohnen
reichte die Saatprobe nicht mehr zu dem Versuche mit Bacillus
asterosporus und dem Bakterium aus Trüffelkonserven.
Einige andere gemeine saprophy tische Bakterien wurden zu dem In-
fektionsversuch mit Linsen herangezogen, der in nachstehender Tabelle
1) Der zu diesem Versuch herangezogene Organismus wurde von Carl v. Wahl aus
Trüffelkonserven, die durch denselben verdorben waren, isoliert. Vgl. Centralblatt f. Bak-
teriologie und Parasitenkunde, II. Abteilung, XVI. Bd. 1906, p. 503.
über die Infektion von Sämereien im Keimhett.
63
Name des zur Infektion der Linsen
verwandten Organismus
Sichtbare
Beeinträchtigung
der normalen
Entwickelung
der Keimlinge
^
-2 S
® a <o
ffi ~ c
^•sa
a-5 =«
«5^5
S <o 2
-w oCB
N^ a
o o c
® ,d
■^ MS
S fl «'
^S3
c«
■^ 1
Fusarium roseum Lk. ....
Fusarium hordei Lindner .
Fusarium solani Sacc
Penicillium roseum Wehmer .
Peuicillium glaucum Lk. . . .
Penicillium olivaceum Wehmer .
Aspergillus niger Van Tieghem .
Aspergillus glaucus Lk. . . .
Aspergillus flavus Lk
Aspergillus candidus Lk. . . .
Mucor mucedo L
Rhizopus nigricans Ehrenb. . .
Thamnidium elegans Lk. . . .
Phycomyces nitens Kunze . . .
Botrytis cinerea Pers
Botrytis parasitica Cav
Cladosporium herbarum Pers.
Monilia Candida Bonord. . . .
Monilia fructigena Pers. . . .
Saccharomyces glutinis Fres.
Bacillus Proteus vulgaris Haus.
Bacillus rubefaciens Ziramerm. .
Bacillus fluorescens liquefacien^
Bacillus prodigiosus Flügge . .
Fl.
Sarcina flava deBy
Sarcina aurantiaca \\. Koch . . . .
Sarcina citrina Gruber
Sarcina rosea Schrot
Bacillus denitrificans Ampola et Garino
Bac.fkiorescens liquefaciens -\- Saccha-
romyces glutinis -(- Bac. prodigiosus
Sacch. glutinis -|- Asperg. glaucus
Rhizopus nigricans -|- Sacch. glutinis
Fusarium solani -|- Bacillus fluorescens
liquefaciens
Saccharom. glutinis -|- Sarcina flava
Penicillium glaucum -|- Bac. Proteus
vulgaris
Fusarium hordei -|- Saccharom. glutinis
Aspergillus niger -)- Saccharom. glutinis
Sarc. aurant. -|- Saccharom. glutinis
sehr stark
stark
sehr stark
deutlich sichtbar
stark
sehr stark
gering
stark
C»
0
0
0
0
0
gering
Stark, die meisten
Samen sind rot gefärbt
()
gering
0
0
Wie bei Bac.
prodigiosus allein.
Wie hei Asp. glaucus
Sehr stark, stärker als
bei Ehizojnis ntyrifuns
Sehr gering,
kaum sichtbar
0
Sehr gering,
kaum bemerkbar
Stärker als bei
Fusar. hordei
Sehr gering
e-erinsr
96
itS
HS
98
96
96
50
96
9«
94
98
92
96
94
98
98
96
98
10(3
100
96
94
94
94
98
94
98
90
96
96
94
92
100
90
96
90
94
100
0
2
2
2
2
4
0
4
0
4
2
6
4
6
2
0
2
0
0
0
2
6
2
2
2
2
0
4
0
0
0
2
0
50
0
2
2
0
2
0
0
0
2
2
2
0
0
2
0
4
4
0
4
2
2
2
0
4
g4 Kranz ]\Iiith.
wiedergegeben ist. Man ersieht daraus, dass auch in diesem Falle der
Bacillus fluorescens Uquefaciens neben dem ausgesprochen parasitäi
auftretenden Bacillus |jro6?«^iosM5 sicli als Schädiger der Samen
im Keimbett deutlich bemerkbar macht. Letzterer hat bereits nach
3 Tagen auf den meisten Samen das rote Pigment in reichhchem Masse
gebildet; die Keimlinge waren sehr schlecht entwickelt.
Bei dem in Rede stehenden Versuche sind die zu diesem heran-
gezogenen Mikroorganismen so gewählt, dass, soweit diese gerade zur
Verfügung standen, Vertreter der häufigsten Schimmelpilze, der häufigsten
Wasserbakterien und Luftkeime zur Verwendung kamen. Die Schimmel-
pilze veranlassen beinahe alle eine starke Beeinträchtigung der normalen
Entwickelung der Keimlinge, während die Bakterien wohl teilweise die
Keimkraft beeinträchtigen, aber die Ausbildung der keimenden Samen
wenig oder gar nicht stören. In der Tabelle sind auch kombinierte
Versuche aufgeführt. Unter natürlichen Verhältnissen im Freien sind
die Samen ja wohl meistens von einem Gemisch von Mikroorganismen
im Boden umgeben. Diese wenigen Versuche weisen nun teils eine
Erhöhung, teils eine Erniedrigung der schädlichen Einwirkung der zur
Infektion verwandten Organismen auf, während anderseits einzelne
Kombinationen keinen Unterschied gegenüber dem Verhalten der einzelnen
zur gemeinschaftlichen Infektion verwandten Organismen erkennen lassen.
Eine Erhöhung weist die gemeinschaftliche Infektion von Rliizopus
nigricans + Saccharomyces gluii?iis auf, eine Verminderung die Ver-
suche mit Fasar'imn Solani -\- Bacillus fluorescens Uquefaciens, mit
Penicilliwii glaucum -\- Bacillus Proteus vulgaris und mit Asper-
gillus niger -\- Saccharomyces glutinis. Die übrigen Kombinationen
zeigen keine solchen Differenzen. Es wäre natürlich verfrüht, aus
diesen wenigen Versuchen positive Schlüsse ziehen zu wollen. Die
diesbezüglichen Untersuchungen sollen deshalb fortgesetzt werden. Es
erscheint aber doch sehr wahrscheinlich, dass die verschiedenen Or-
ganismen im Boden sich das Leben gegenseitig sehr sauer machen
können zum Nutzen der keimenden Samen oder aber, dass sie sich
gegenseitig in ihrer Zerstörungsarbeit unterstützen zu deren Schaden.
Bei dem Infektionsversuch wurden je 50 Samen eingekeimt.
Bezüghch des Verhaltens und der Herkunft der für uns in Frage*
kommenden Infektionserreger der Samen und Keimlinge können wir
5 Kategorien unterscheiden:
1. Für die betreffende Ptlanzenart typische Parasiten, wie
Plioma Befae, Ascochyta Pisi, Fusarium vasinfectum etc.
2. Organismenkeime aus dem Boden der Felder, welchem die
Sämereien entstammen, die unter normalen^, natürlichen Um-
über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 65
ständen im Freien für gewöhnlich nicht parasitär sind, die aber
doch unter Umständen die Samen sowohl im Boden als auch
im Keimbett ungünstig beeinflussen können; wie z. B. Pektin
vergärer, gewisse Schimmelpilze.
Diese Organismen können übrigens eventuell so wie die ganze
auf den Samen auftretende Mikroorganismenflora wichtige Finger-
zeige für die Provenienzbestimmung geben. So wiesen Mais-
proben aus einer bestimmten Gegend der Vereinigten Staaten
Nordamerikas in einem Jahre stets eine gelbe Fenicülium-Avt
in grosser Menge im Keimbett auf, die auf den übrigen Mais-
proben der Saison fehlte.
3. Organismenkeime aus der Luft des Keimzimmers, hauptsächlich
Schimmelpilze, wie PenicÜliu?n glaucum, Rhizopus nigricans etc.
4. Organismen, die aus dem Wasser stammen, das zur Keimung
verwendet wird, in erster Linie Bakterien, wie Bacillus prodi-
giosus, Bacillus fluoreseens Uqitefaciens.
5. Keime, die in den Apparaten, besonders in Tonapparaten, im
Sand usw. von früheren Keimanalysen her noch vorhanden sein
können.
Die Feststellung, zu welcher dieser Kategorien die bei der Keim-
analyse einer Saatprobe auftretenden Organismen gehören, ist natürlich
für eine erfolgreiche, der Praxis dienende Samenuntersuchung von
grosser Wichtigkeit. Besonders verdienen die Vertreter der beiden
ersten Kategorien die eingehendste Berücksichtigung zur Vermeidung der
Verschleppung von Krankheiten oder zur Verhütung von Verlusten bei
der Aussaat. Ferner gestattet das Auftreten von bestimmten Organismen
und damit im Zusammenhang stehenden grösseren Differenzen sehr
häufig einen sicheren Schluss auf die Beschaffenheit und die Beurteilung
einer Saatprobe oder aber anderseits auf eine unrichtige, mangelhafte
Keimungsmethode. Solche Infektionsversuche zeigen nun auch bei un-
gefähr gleicher Stärke der Infektion nicht jedesmal denselben Effekt. Dies
kann sowohl bei Verwendung von verschiedenen oder der gleichen Probe
derselben Samenart, als auch bei deren Infektion mit den gleichen und
verschiedenen Kulturen desselben Organismus der Fall sein. Die Ur-
sachen dieser Erscheinung können in erster Linie dreierlei Art sein:
1. Die Samen waren verschieden in ihrer Widerstandsfähigkeit
gegen schädliche Einflüsse.
2. Die infizierenden Organismen waren in ihren Eigenschaften ver-
schieden; sie hatten eine verschiedene Virulenz, wie dies ja bei
verschiedenen Stämmen solcher Organismen nicht selten der
Fall ist. • . . , .
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 5
66
Fianz Muth.
3. Die äusseren Bedingungen wäiirend des Keimversuches waren
verschieden.
Letzteren Fall zeigt nachstehende Tabelle; man ersieht aus dieser, dass
die höhere Temperatur und die Beschaffenheit des Keimbettes
eine sehr wichtige Rolle gespielt haben. Lässt man Linsen derselben Samen-
probe nach der Infektion mit Fusarmm roseum in einfachen Kuverten
aus Piltrierpapier bei 20° C keimen, so ist die schädliche Wirkung des
Pilzes lange nicht so gross, als wenn die Samen bei 30'' C in dreifachen
Kuverten zur Keimung gebracht werden. Hohe Temperatur, grosse
Feuchtigkeit und mangelhafte Luftzirkulation sind bezüglich des Zu-
standekommens und der Wirkung der Infektion von grosser Bedeutung.
Dieser Versuch zeigt aber auch, dass der von Hiltner vorgeschlagene
Weg, die Böden, in welche die Samen ausgesät werden sollen, vorher
auf ihr Verhalten diesen gegenüber bei der Keimung zu prüfen, unter
Umständen recht illusorisch sein kann. Er zeigt dann anderseits die
grosse Wichtigkeit, die eine sorgfältige, gründliche Bodenbearbeitung vor
der Aussaat empfindlicher Sämereien hat und welche bedeutungsvolle
Rolle die Witterung bei der Keimung auch in der angedeuteten
Richtung spielt.
Keimbett
Keimkraft der Linsen
bei -iOOC in 0/„
Nicht ^'^ ^«^«
infiziert rmmroseum
iniiziert
Keimkraft bei 30° C.
im Thermostaten in %
Nicht ^'^ ^«««-
■ <■• ■ i. riuni roseum
infiziert ....
iniiziert
Einfache Kuverte
aus Filtrierpapier
Doppelte Kuverte
aus Filtrierpapier
Dreifache Kuverte
aus Filtrierpapier
88
95
98
81
84
85
85
80
47
46
37
Bei einer Infektion von Linsen, deren Resultat in der Tabelle über
das Verhalten der Farbenvariationen verschiedener Sämereien bei der
Infektion mit Aspergillus niger auf S. 73 angegeben ist, war die Wirkung
des Pilzes eine ganz andere wie bei dem Versuch auf Seite 63. In
beiden Fällen wurde dieselbe Samenprobe und dieselbe Pilzkultur ver-
wendet. Aber der erste Versuch wurde im Juli an sehr heissen Tagen
bei wasserdampfgesättigter Atmosphäre, der letzte im Monat September
bei bedeutend niedrigerer Temperatur und geringerem Wassergehalt der
Luft ausgeführt. Man sieht, dass sich die Witterungsverhältnisse nicht
nur bei der Keimung im Freien, sondern auch im Keimkasten eventuell
bemerkbar machen können.
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
67
Ein weiterer Versuch über den Einfliiss äusserer Umstände
auf den Einfluss der Infektion mit Aspergillus niger bei Linsen ist
in der nachstehenden kleinen Tabelle zur Darstellung gebracht.
Keimbett
Linse
Keim-
kraft
in O/o
a, nicht infiziert
Harte Faule
Samen Samen
in o/„ in O/j,
Mit Aspergillus niger infiziert
Keim- Harte Faule
kraft Samen Samen
in o/o in O/p in 0/„
Gelbe Tonschalen
Weisse Tonschalen
!)4
94
0
2
4
92
82
2
0
6
18
Als Keimbett dienten bei diesem Versuche unglasierte Tonschalen
und zwar solche aus gewöhnlichem gelben Töpferton und solche aus
weissem Ton; die Schalen, die mit durchlöchertem Deckel aus gleichem
Material bedeckt sind, werden in Blechuntersätzen 1 cm tief in Wasser
gestellt. Die Untersuchung wurde im September mit je 2 X 50 Samen
ausgeführt; die Wirkung der Infektion ist, was die Abnahme der Keim-
zahlen betrifft, verhältnismässig gering, sie zeigt sich aber anderseits
sehr deutlich in einer krankhaften und schlechten Entwickelung der
Würzelchen der KeimUnge. In den weissen Tonschalen haben die Samen
und die Keimlinge mehr durch den Pilz gelitten wie in den gelben Ton-
schalen. Es sei bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht,
dass der Einfluss des Keimbettos und der Art der Behandlung der
einzelnen Sämereien bei der Keimprüfung viel grösser ist, als für ge-
wöhnlich angenommen wird. Ich werde in einer besonderen Abhandlung
auf den Einfluss des Keimbettes auf die Höhe und die Gleichmässigkeit
der Resultate der Keimprüfungen zurückkommen. Die diesbezüglichen
Versuche haben ergeben, dass die natürlichen Keimverhältnisse der
Samen auch in deren Verhalten im künstlichen Keimbette meistens
deutlich zum Ausdruck kommen und dass die Methoden der Keim-
prüfung sich diesen natürlichen Verhältnissen nach Möglichkeit anpassen
müssen. Auch die Wirkung von Infektionen bei der Keimprüfung hängt,
wie wir bereits gesehen, unter Umständen mehr oder weniger von der
Beschaffenheit des Keimbetts ab, je weniger diese den betreffenden
Samen zusagt, desto mehr kann sie eventuell die Tätigkeit schädlicher
Mikroorganismen begünstigen.
Bezüglich der verschiedenen Virulenz verschiedener Stämme
schädlicher Organismen sei nur an die Fitsarium- Arien erinnert. Es
scheint, dass speziell auch die bisherige Art F. roseum Lk. verschiedene
Rassen oder Arten in sich schliesst. Es ist wohl anzunehmen, dass die
Variationsfähigkeit und das Anpassungsvermögen bei diesen fakultativen
5^^^
68
Franz Muth.
Saprophyten verhällnismässig gross ist. Appol') hat sich der dankens-
werten Aufgabe unterzogen, die Pilzgattung Fusarium in biologischer
und morphologischer Richtung eingehend /u bearbeiten. Anderseits geht
aus unseren Infektionsversuchen aber auch hervor, dass manche der
herangezogenen Organismen, wenig wählerisch in der Wahl des Nähr-
substrates, ein weites Gebiet ihrer schädlichen Tätigkeit haben und dass
das Aufstellen besonderer Arten oder Varietäten nach den Nährsubstraten
allein doch so seine Bedenken hat. Auch die Differenz der Konidien-
oder Sporengrösse oder anderer derartiger morphologischer Merkmale
kann hier als teilweise vom Nährsubstrat und anderen Umständen ab-
hängig leicht irreführen. Es muss deshalb die Systematik in solchen
Fällen mehr wie bisher die Biologie zu Hilfe nehmen und sich der
Kultur- und Infektionsversuche zur Lösung ihrer Aufgaben bedienen.
Bezüglich der Eigenschaften der Samen ist in erster Linie daran
zu erinnern, dass alte Saaten vielfach oder meistens bedeutend schlechter
keimen und den Angriffen von Schimmelpilzen und von anderen schäd-
lichen Organismen viel leichter unterliegen als frische Saat. Im übrigen
können wir bei den Eigenschaften in erster Linie innere und äussere
unterscheiden, die natürhch in Korrelation miteinander stehen können;
letztere sind es, auf die wir zunächst unser Augenmerk richten. Be-
trachten wir irgend eine Samenprobe etwas genauer, so fallen uns
meistens alsbald Unterschiede in der Färbung, Grösse und Gestalt der
einzelnen Körner auf. Da ich mich seit längerer Zeit mit Unter-
suchungen über die Farbenvariationen der Samen beschäftige, so war
es von Interesse, deren Verhalten bei der künstlichen Infektion zu ver-
folgen. Die beistehende Tabelle gibt zunächst die Resultate der Keim-
prüfung einiger Papilionaceensamen wieder; die Unterschiede sind, wie
teilweise auch durch andere Untersuchungen bekannt ist, bei einzelnen
sehr beträchtlich.
Ergebnisse der Keimprüfung in
Name der Sämerei
Färbung der
Samen
Keimungs-
Proz
Keim-
enten
Harte
Faule
energie
kraft
Samen
Samen
Medicago sativa
hellgelbgrün
36,25
44,25
55,50
0,25
rotbraun
42,50
56,00
25,00
21,50
Medicago lupiilina
hellgelb
74,00
94,25
4,00
1,75
braungelb
10,25
29,25
0,00
70,75
^) Appel, 0., Beiträge zur Kenntnis der Fusarien und der von ihnen
hervorgerufenen Pflanzenkrankheiten (Arbeiten aus der Kaiserlichen Biolo-
gischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Bd. V, Heft 4, 1906, S. 155—188).
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
69
Ergeb
nisse der
Keimprüfu
ng in
Name der Sämerei
Färbung der
Samen
Keimlings
Prozenten
Keim- Harte
Faule
energie
kraft
Samen
Samen
Ornithopus sativus
gelb
i3,50
70,25
22,25
7,51)
braungelb
20,7.')
26,50
4(),75
26,75
braunrot
3,00
6,50
26,25
67,25
Melilotus albus
gelb
26,00
27,50
71,25
1,25
braungelb
35,75
42,25
18,75
39,00
Melilotus officinalis
gelb
25,00
26,00
73,75
0,25
braungelb
22,75
28.75
15,25
56,00
Anth v'llis vulneraria
hellgelb
53,50
62,25
28,25
9,50
braungelb
42,00
59,75
0,00
40,25
Trifolium pannoni-
hellweisslichgelb
63,50
83,50
4,00
12,50
cum
dunkelbraungelb
7,50
22,00
6,50
71,50
Hedysarum corona-
hellgelblichweiss
75,50
93,-50
6,00
0,50
rium
rotbraun
65,75
84,25
1,25
14,80
Robinia Pseud-
hellbraun m. dunkler
Acacia
Sprenkelung
dunkelbraun mit
dunkler, schwarz-
violetter
30,00
51,50
46,00
2,50
Sprenkelung
22,50
35,50
62,00
2,-50
schwarzviolett
17,50
39,50
58,00
2,50
Galega officinalis
gelbgrün
24,00
31,25
60,75
8,00
braungelb
4,00
7,25
3,25
89,50
Trigonella Foenum
hellgelb
96,00
97,-50
0,60
2,50
graecum
gelbbraun
73,75
77,00
0,00
23,00
rotbraun
52,00
54,50
0,00
45,50
Pisum sativum
rötlich gelb
84,50
87,00
0,00
13,00
(Viktoria-Erbsen)
gelblich weiss
90,25
93,00
0,00
7,00
grünlich gelb
34,00
73,00
2,00
25,00
Onobrychis sativa
hellgelbgrün
87,50
93,00
5,75
1,25
braun
85,75
90.50
4,75
4,75 .
schwarzbraun
71,25
78,25
3,00
18,75
Über das Verhalten der Parbenvariationen einiger Leguminosen-
samen bei der Aussaat gibt nachstehende Tabelle (s. S. 70 oben) Auf-
schluss. Wie die Zahlen zeigen, ist bei der Aussaat der angeführten
Sämereien der Unterschied der Keimzahlen teilweise noch grösser als im
Keimbett.
Das Verhalten der Parbenvarietäten der Linsen, nicht infiziert und
nach der Infektion mit Fusarium roseum Lk., bei der Aussaat in
Lehmboden zeigt die kleine Tabelle auf S. 70 unten. Dieser Versuch
bestätigt die verschiedene Widerstandsfähigkeit der Parbenvariationen der
70
Franz Muth.
Prozente der
Name der Sämerei
Färl)ung der Sämerei
aufgegange-
nen
Samen
Medicago sativa
hellgelbgrün
60
rotbraun
II
Ornithopus sativus
gelb
m
braungelb
40
braunrot
30
Pisum sativum v. gullosum
gelblich
100
(Zuckererbsen)
braun
liO
Lathyrus hirsutus
graugelb
i)0
dunkelbraun
30
rotbraun
10
Lupinus angustifolius
licht hellgrau
10
hellgrau
40
dunkelgrau
60
Lupinus hirsutus v. coeruleus
blassweisslichrot
70
dunkelrot
100
Lupinus luteus
grünlichgelb, getüpfelt
40
rötlichweiss, marmoriert
70
intensiv dunkel marmoriert
SO
Hedjsarum coronarium
hellgelblichweiss
9(J
rotbraun
10
Ervum Ervüia
hellrot
100
dunkelrot
0
''J'rigonella Foenum graecum
hellgelb
60
dunkelbraungelb
10
Linsen auch bei der Keimung im Boden. Es wurden je 50 Samen in
grosse Blumentöpfe, die mit Lehmerde gefüllt waren, in gleichmässiger
Entfernung 1 cm tief ausgesät.
Nach 30 Tagen sind aufgegangen von
Färbung der Linsensamen
den nicht in-
fizierten Samen ^/^
den mit Fusarium
roseum infizierten
Samen Oq
hellgelbgrün
SS (IS
rötlichgelb
()6
30
gelbgrün, dunkelwolkig
marmoriert
82
40
Ein grösserer, orientierender Versuch über das Verhalten der
Farbenvariationen, der Samen oder Früchte verschiedener Pflanzen ist
in der Tabelle auf Seite 71 — 76 wiedergegeben. Bei der Wahl der letzteren
sind — entsprechend den Verhältnissen an unserer Anstalt — in erster
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
71
Nicht infiziert
Infiziert
m. Asperg. niger
Name der Sämerei
Färbung der Samen
oder Früchte
Prozente der
ikeimten Samen
oder Früchte
Prozente der
icht gekeimten,
cheinbar guten
men od. Früchte
^ d a>
S '" i^
^ 0 rr-.
d
t< a 0)
CO o
IP :d
S 0 i-
n ®'0
Prozente der
icht gekeimten,
cheinoar guten
men od. Früchte
t- d o
III
gdfe
Ph.2 o
sc
fl CO CS
So
a =0 rt
Genista tinctoria L.
grüngelb
44
50
(i
44
50
6
bräunlich grüngelb
34
54
12
32
52
16
braun
40
48
12
34
48
18
dunkelrot
44
48
8
42 48
10
Spartium scoparium
grünlich gelb
56
38
6
50
44
6
L.
rot
48
34
18
32
48
20
Cjtisus Laburnum
grünlich schwarzgelb
86
10
4
82
8
10
L.
dunkelschwarzbraun
80
20
—
72
22
6
gelbrotbraun
86
14
—
84
6
10
Lupinus luteus L.
grünlich gelb, dunkel
marmoriert
06
—
34
48
2
50
rötlich weiss, schwach
dunkler marmoriert
94
—
()
8()
2
12
rötlich weiss, sehr
intensiv dunkel
marmoriert
68
8
24
7()
2
22
Lupinus hirsutus L.
hell weisslich rot
54
32
14
52
10
38
dunkelrot
42
58
42
58
—
Lupinus mutabilis
rein hell weiss
88
—
12
80
—
20
Sw.
rötlich weiss
74
6
20
82
—
18
Lupinus niger L.
rötlich schwarz
12
—
88
4
—
96
dunkel schwarzrot
58
26
16
84
10
6
Lupinus angusti-
licht hellgrau
62
2
36
—
—
100
folius L.
grau
68
—
32
44
—
56
dunkelgrau
74
12
14
48 8
44
Medicago sativa L.
grünlich gelb
76
22
2
90
10
. —
gelb
98
2
—
100
—
—
rotbraun
52
—
48
36
—
64
Medicago lupulina
grünlich gelb
50
36
14
32
10
58
L.
gelb
100
—
—
96
—
4
rotbraun
50
8
42
44
—
66
Medicago media
grünlich gelb
74
20
()
66
4
30
Pers.
gelb
98
2
—
100
—
—
rotbraun
48
—
52
32
—
68
Trigonella Foenum
gelb
76
—
24
()4
—
36
graecum L.
rotbraun
58
—
42
34
—
66
Trifolium pratense
hellgelb
90
10
—
92
8
—
L.
violett
94
6
"
92
8
72
Franz M
uth.
Name der Sämerei
Färbung der Samen
oder Früchte
Prozente der
gekeimten Samen ^ \
oder Früchte -•
Prozente der 5^
nicht gekeimten, „.
scheinDar guten 3^
Samen od. Früchte ^
Prozente der n>
faulen Samen 3^
oder Früchte
Infiziert
m. Asperr/. niger
<» t; oj M)-£ o ' ® 9
S S »H N ^a : N_2 IH
O.So |0*=-7!fl'0"2a)
Si 1 a " §
Trifolium incarna-
vveisslich gelb
6()
18
l(j
20
i
80
tum L. (weiss-
gelb rötlich
8(j
6
8
16
—
84
blühendj.
!
Trifolium repens L.
hellgelb
72
26
2
92
8
rotbraun
84
14
2
72
14
14
Trifolium hybridum
grüngelb
(iO
12
28
40
10
50
L.
grünlich braungelb
42
—
58
26
—
74
gelbrot
:54
4
62
40
2
58
dunkel violett
()2
—
38
28
—
72
dunkel schwarzgrün
()«
26
6
38
—
62
Trifolium filiforme
hell gelbgrün
lü
84
—
18
72
10
L.
rötlich gelb
86
12
2
22
8
70
Trifolium fragife-
gelbgrün
14
86
—
10
90
—
rum L.
bräunlichgrün
12
88
—
12
88
—
rotbraun
58
24
18
46
34
20
Trifolium pannoni-
hell weisslich gelb
70
6
18
70
6
24
cum L.
braungelb
(J2
22
16
24
4
72
dunkelbraungelb
24
24
52
2
8
90
Anthyllis Vulne-
Die nicht grüne Hälfte
raria L.
gelblich weiss
Die nicht grüne Hälfte
84
10
6
30
4
66
rötlich gelb
:a
26
20
8
—
92
Lotus corniculatus
braungelb
38
58
4
36
20
44,
L.
dimkelbraun
38
24
38
26
30
44
Lotus uliginosus
grün
8()
8
6
74
18
8
Schk. V. villosus
gelbgrün
70
28
2
84
12
4
hellgelbbraun
9()
4
—
42
14
44
braun
74
22
4
84
8
8
Lotus tetragono-
hellrot
98
2
—
78
—
22
lobus L.
rot
9(i
2
2
86
—
14
dunkelrot
9(i
2
2
92
—
8
Colutea arborescens
braun
—
—
100
—
—
100
L.
schwarzbraun
42 \
52
6
40
50
10
Astragalus baeticus
dunkel grünlich gelb
58
40
2
52
32
16
L.
gelb
G8
26
6
56
34
10
Ornitbopus sativus
hell gelbbraun
68
24
8
68
20
12
Brot.
braungelb
28
38
34
24
38
38
dunkelbraun
20
28
52
14
27
59
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
73
Name der Sämerei
Färbung der Samen
oder Früchte
Nie
n
o
g2fc
§.§s
PL|^ O
4)
sr
Prozente der ^
nicht gekeiniten, __.
scheinbar guten 5"
Samen od. Früchte ^
Prozente der 5'
faulen Samen ^
oder Früchte
Piozente der „
gekeiniten Samen ?
oder Früchte
Infiziert
isperg. niger
1 - "^ 1
:»gs» ie2:5
a o «TS d 'j^
N *- d 1 N 0^ In
° -" "m Ö O "3 OJ
-Ä 2 a> ' '-' S-ö
Hedysariim coro-
hell gelblicliweiss
96
4
90
6
i 4
narium L.
rotbraun
82
—
18
58
- ! 42
Onobrjchis sativa
hellgrün
94
2
4
86
— i 14
Lmk.
hellbrami
94
—
6
82
— 18
braun
90
—
10
84
- i 16
schwarzbraunrot
82
14
4
82
4
1 14
Vicia sativa L.
grünlich graugelb
bräunlich, dicht wolkig
100
—
—
100
— ■
marmoriert
100
—
—
100
—
hellrötlich, marmoriert
94
—
6
90
2
' 8
dunkelrotbraun
68
10
22
38
— ■
62
Vicia Faba L.
rotbraun
100
—
—
85
—
15
grünlichgelbrot
95
5
90
5 5
Vicia silvatica L.
grüngelb
52
46
2
46
54 —
braungelb
90
6
4
58
32 10
rotbraun
50
10
40
34
4 62
Vicia paunonica
braungelb, schwarz
Jacq.
punktiert
96
—
4
94
2 , 4
dunkelrotbraun
78
—
22
76
6 18
dunkelgrau schwarz.
gelb gefleckt
80
—
20
78
6
16
Vicia grandiflora
weisslichgelbgrün
100
—
—
100
—
—
Scop.
gelbbraun
100
—
—
100
—
—
röthchgelb
100
—
—
100
— •
Vicia peregrina L.
gelbgrün
60
2
38
64
—
36
rotbraun
100
—
—
88
10
2
dunkelschwarz, rot-
braun
80
4
16
82
6
12
hellrotbraun, dunkel
marmoriert
86
—
14
72
16
12
braungelb, dunkel
marmoriert
100
—
—
100
—
—
Ervum Lens L.
hellgelbgrün
98
—
2
—
100
rötlich gelb
96
—
4
—
100
gelbgrün, dunkel
wolkig marmoriert
100
—
—
—
—
100
Ervum Ervilia L.
hellgelblich rot
löO
—
—
86
—
14
'
rotbraun
—
"
100
— 1
100
74
Franz Muth.
Name der Sämerei
Färbung der Samen
oder Früclite
Prozente der
gekeimten Samen g
oder Früchte j^-
Prozente der r>-
nicht gekeimten,
scheinbar guten P,
Samen od. Früchte ^3-
iert
t, Ö 0)
CD ® +3
gaf^
N <U t,
£^5
Infiziert
m. Asperg. niger
ö i -^-21
^.a« :t.(C®ut.aa>
a ci, a-S «TS ' a &,
0.^® 0-4^*7: a o^^oj
•-ins ^J^S"' ^<3t3
0,^0 ^ ü-g Q\^£ 0
Pisum sativum L.
V. gullosum Rittr.
gelb
um
—
—
100
—
—
(Zuckererbsen,
Eiesen- Schwert.)
braun
10(1
—
90
—
10
Pisum sativum L.
weisslich gelb
100
—
100
—
—
hortense (Mai-
grünlich gelb
lOÜ
—
—
100
—
—
erbsen)
gelb
100
—
—
96
—
4
Pisum sativum L.
weiss, glänzend
70
80
—
45
5
50
(späte Gold- oder
goldgelb
9-)
—
5
95
—
5
Wachserbse)
grünlich gelb
85
40
25
80
35
35
Pisum arvense L.
braun
80
15
5
90
10
—
V. vernale.
gelbbraun, dunkel
gefleckt
!)2
6
2
94
6
—
schwarz
{>')
35
—
70
30
—
Lathyrus pratensis
gelbgrün, dunkel
L.
violett gesprenkelt
28
72
—
30
70
—
gelb
80
66
4
32
66
2
gelblich braun, dunkel
gesprenkelt
24
62
14
20
60
20
hellbraun
56
26
18
48
12
40
grünlich gelb
26
74
—
32
64
4
rötlich braun violett
■46
44
4
32
64
4
Lathyrus sativus L.
gelb mit brauner
Randung
78
6
16
70
16
14
gelb mit rotbrauner
Sprenkelung
75
15
10
90
—
10
grüngelb
78
10
12
76
18
6
Lathyrus hirsutus
braun
10
—
90
10
—
90
L.
schwarzbraun
86
20
44
34
20
46
Lathyrus hetero-
graubraun
86
14
—
10
90
—
phyllus L.
braun
78
22
—
18
82
—
rotbraun
12
58
30
10
56
40
Lathyrus odoratus
hellbraun
lOO
—
—
98
—
2
L.
dunkelbraun
85
—
15
75
—
25
Orobus coccineus
hellrot, dunkel-
Mill.
schwarzrot getüpfelt
88
12
—
48
28
24
schwarzrot
60
86
4
58
20
22
Cicer arietinum L.
weissl ichgelb,
runzelig, gross
88
—
62
44'
—
56
über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
75
Name der Sämerei
Färbung der Samen
oder Früchte
Nicht infiziert
<c
■"Mo I^.S MrC
CD *J^
N S ^
O .^ <£)
t. (B —
1 E^
S s^ o ° , „ >„ ^
Infiziert
m. Asperg. niger
3 "S
ti 0) <U 5j
I <» -S 'S :3
«Ü&H
' 4) tl
Cicer arietinum L.
Dolichos Lablab L.
Dolichos multi-
florus
Soja hispida Mönch.
(gelbe)
Vigna Catj ang Endl.
Sanguisorba offi-
cinalis L.
Brassica oleracea L.
(Eotkraut)
Brassica oleracea L.
( Wirsing)
Brassica oleracea L.
(Weisskran t)
Brassica Rapa L.,
rapifera (Weisse
Rüben)
Sinapis alba L.
Raphanus sativus L.
Lepidinm sativum
L.
Origanum Majorana
L.
Satureja hortensis
L.
Petroselinum sa-
tivum Hoff in.
gelb, klein, rundlich
gelb, mittlere Grösse
hellbraun, dunkel
wolkig gestreift
dunkelschwarzbraun
hellgelb gestreift
dunkelschwarz
gestreift
dunkelbraun
gelb
gelblich weiss
hellrötlich braun
dunkelbraunrot
Iiellgelb
rotbraun
rotbraun
gelblich grau
schwarzgrau
rotbraun
grau
schwarzgrau
rotbraun
gelblich grau
schwarzgrau
braunrot
schwarzbraun
weisslich gelb
rötlich gelb
rötlichweiss
rot
hellgelbrot
dunkelrotbraun
hellstrohgelb
braungelb
gelbbraun
dunkelschwarzbi'aun
weisslich grau
grünlich grau
46
54
52
68
—
32
48
42
58
78
86
2
12
100
80
18
2
64
54
24
22
56
—
—
100
—
75
—
25
40
75
—
25
55
98
2
—
100
100
—
—
96
36
20
44
10
66
26
8
60
94
—
6
90
86
10
4
82
60
8
32
64
96
—
4
82
96
—
4
82
96
4
—
100 ;
70
24
6
76
90
—
10
80 1
100
—
—
100 1
100
—
—
9()
100
—
—
100
100
98
98
2
—
98
94
4
2
92
94
6
—
90
62
—
38
58
100
—
—
100
12
64
24
12
46
54
-~
48
78
22
—
(iO
16
72
12
16
68
32
—
62
48
36
10
52
22
18
5
10
20
6
2
2
8
10
62
52
40
68
38
34
40
50
22
24
26
100
55
21
—
4
20
70
30
10
6
4
12
6
28
8
16
2
12
6
4
14
42
26
16
14
76
Franz Muth.
.
I
nfiziert
Nicht infiziert
m. Asperg. niger
Name der Sämerei
Färbung der Samen
e der
Samen
üchte
e der
eimten,
■ guten
Früchte
t- a c
5 "
a
e der
eimten,
• guten
Früchte
t. C a>
o 0) •;
oder Früchte
a-^^tj
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Pr
nich
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Same
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Oh « o
Fr
nich
sehe
Same
Oh^ o
Petroselinum sa-
tivum Hoffra.
rotbraun
16
58
26
18
58
24
Apium graveolens
M^eisslich grau
1)2
—
8
90
—
10
L.
grünlich grau
32
—
68
30
—
70
rotbraun
100
—
—
100
—
—
Daucus Carola L.
vi^eisslich
U
14
32
48
16
36
rotbraun
•iO
2
58
40
—
60
Valerianella olitoria
weisslich gelb
84
2
14
84
—
16
Mnch.
gelbbraun
84
8
8
84
6
10
Borago officinalis
gelbbraun
20
—
80
16
—
84
L.
dunkelbraun
96
4
—
94
6
—
Cichorium Endivia
gelblich grau
64
28
8
68
26
8
L.
braunschwarz
70
24
6
76
24
—
Spinacia oleracea L.
weiss
72
28
—
84
16
—
braungelb
40
14
46
48
4
48
grün
52
44
4
52
46
2
Cucumis sativus L.
gelblichweiss
9()
—
4
78
—
22
rein weiss
94
—
6
70
—
30
Nicotiana Tabacum
hellbraun
8
92
—
—
100
—
L.
dunkelbraun
78
22
—
80
20
—
Papaver somni-
dunkelschwarzblau
90
10
—
64
30
16
ferum L. (weiss-
weisslich blau
74
10
16
64
10
26
blüh,, Samen bhmi
braungelb
94
4
2
48
48
4
Papaver somni-
weiss
88
12
—
14
86
—
ferumL.(\veisssam.)
weisslich gelb
76
24
—
S
92
—
Viola tricolorL. (Gar -
braun
92
8
—
96
4
—
tenform maxima)
strohgelb
4
—
96
—
—
100
Beta vulgaris L.
grünlich gelb
65
35
—
65
35
—
(Oberndorfer Kun-
mit 170
Keiml.
m. 165
Keiml.
keln)
gelb
80
mit 172
Keiml.
20
75
m. 16S
Keiml.
25
braun
65
mit 160
Kpiml.
35
■ —
60
m. 160
Keiml.
40
""•
Beta Cicla L. (Ko-
gelb
90
10
—
80
20
—
mischer Kohl)
mit 215
Keiml.
m. 180
Keiml.
dunkelbraun
70
mit 165
Keiml.
30
—
75
m. 155
Keiml.
25
~"
über die Infektion von Sämereien im Keimbett. 77
Linie Leguminosen (Gemüse- und Gründüngungspflanzen) sowie andere
Gemüsearten vertreten. In der Regel wurden von den einzelnen Parben-
varietäten 50 Körner eingekeimt. Als Keimbett dienten einfache Kuverte
aus Piltrierpapier. Die Versuche selbst wurden in der oben bereits be-
schriebenen Weise ausgeführt. Zur Infektion wurde Aspergillus niger
genommen. Man ersieht aus der Tabelle, dass bei den meisten Sämereien
sich die einzelnen Farbenvarietäten verschieden bei der Keimung und
verschieden gegenüber der schädlichen Einwirkung des Pilzes verhalten.
Wenn diese Versuche auch nur orientierender Art sind und wenn auch
aus den Zahlen der Tabelle allein nicht immer ein ganz zutreffendes Bild der
tatsächlichen Verhältnisse zu gewinnen ist, da die Grösse der Keimlinge und
die Gleichmässigkeit in deren Entwickelung nicht stets zum Ausdruck
kommt, so zeigt unsere Tabelle doch recht deutlich, dass die Präge der
Farbenvariationen der Sämereien unsere volle Beachtung auch aus Rück^
sieht für die Praxis verdient; bei einem grossen Teil der untersuchten
Sämereien reagieren die einzelnen Farbenvarietäten sehr verschieden auf
die Infektion. Während z. B. bei der Luzerne die hellgelben Samen
durch Aspergillus niger an ihrer 98°/o betragenden Keimfähigkeit keine
wesentliche Einbusse erleiden, sinkt die Keimkraft bei den rotbraunen
Luzernesamen von 52°/o auf 36°/o- Bei den Samen der Serradella
drückt der erwähnte Schimmelpilz bei den gelblichbraunen Samen die
68°/o betragende Keimfähigkeit nicht herab, bei den braungelben sinkt sie
von 28°/o auf 24°/o und bei den dunkelbraunen von 20°/o auf 14 "/q.
Dabei wird die Ausbildung der Keimlinge bei den dunkelbraunen Samen,
ganz abgesehen von der Verminderung der Zahl, sehr viel ungünstiger
beeinflusst als bei den braungelben. Anders verhalten sich die Farben-
variationen des Rotklees; bei ihm erweisen sich die violetten, die hellgelb-
violetten und die hellgelben Samen als ziemlich gleichwertig, hier tritt keine
so ausgesprochene Differenz in der schädlichen Wirkung des Pilzes auf die
einzelnen Parbenvariationen zutage. Aber immerhin muss nochmals darauf
aufmerksam gemacht werden, dass uns schon die äusseren Eigenschaften
der Samen und Früchte sehr häufig ausserordentlich wichtige Fingerzeige
in praktischer Beziehung geben können, die ja auch vielfach Berück-
sichtigung in der Praxis finden. Das Aussehen zeigt auch bei den Samen
häufig ihr Vorleben und ihren Gesundheitszustand sowie ihr Alter an.
Es sei hier auch noch an meine Untersuchungen über die ver-
schieden gefärbten Früchte des Hanfes erinnert, die im III. Jahresbericht
unserer Vereinigung (S. 76 — 121) veröffenthcht sind. Auch bei diesen
hat der in nachstehender Tabelle wiedergegebene Infektionsversuch mit
Fusarium roseum ergeben, dass die nachteilige Wirkung des Pilzes im
Keimbett bei den einzelnen Farben verschieden ist.
78
Franz Muth.
Färbung der
Früchte des
Breisgauer
Hanfes
Grösse
der
Früchte
Resultate der Keim-
prüfung der nicht-
infizierten Körner
0/
0) (1)
Keim- , ,„ ^^
kraft i-g^H^
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M
Resultate der Keim-
prüfung der mit
Fusarium roseioii
infizierten Körner
in
Keim-
kraft
/o
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^3 Q
Bemerkungen
über den Grad
der Beein-
trächtigung
der Keimlinge
durch den
Pilz
H ellgrün-
silbergrau
mit brauner
Sprenkelung
Silberarrau
Braun
Dunkelgrau
Grün
mittel-
gross
klein
mittel-
g-ross
klein
gross
mittel-
gross
klein
gross
mittel-
gross
klein
gross,
mittel-
gross u.
klein
68
82
84
56
66
82
66
74
68
48
32
—
8
10
4
12
28
—
28
-
18
2(5
26
8
14
4
34
—
26
—
32
—
52
—
58
40
78
68
62
66
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44
76
62
58
52
38
16
24
24
30
54
48
20
38
38
48
50
14
12
18
10
8
12
98
stark, Würzel-
chen alle glasig
durch-
scheinend
stark
sehr stark,
doch nicht so
sehr, wie bei
den kleinen
Kürnern
sehr stark
ziemlich stark
stark
sehr stark
Bezüglich des Fusarium rosemn sei hier noch bemerkt, dass mit
demselben eine grössere Anzahl von Parallelversuchen mit Papihonaceen-
samen zu gleicher Zeit und mit den Farbenvariationen derselben Samen-
proben wie mit Aspergillus niger angestellt wurde; die Wirkung der
Infektion war im allgemeinen nicht so stark wie bei Aspergillus niger.
über die Infektion von .'"Sämereien im Keimbett.
79.
aber im grossen Ganzen dieser vollständig analog. Besonders empfind-
lich zeigten sich die in der Tabelle angegebenen Lupinensamen, die Samen
der genannten Lotusarten, der Linsen und Erbsen.
Es würde hier zu weit führen, auf die praktisch und theoretisch
wichtige Frage der Farbenvariationen der Samen und Früchte
weiter einzugehen; es sei bezüglich derselben nur noch erwähnt, dass
w^ir bei diesen Farbenvariationen wieder Unterschiede machen müssen
bezüglich ihrer Ursachen und Bedeutung. Wir können in erster Linie
Farbenvariationen unterscheiden, die als verhältnismässig konstante
Rassen eigen Schaft zu betrachten sind, wie dies z, B. bei den Mais-
varietäten der Fall ist, dann aber solche, die ich als fluktuierende be-
zeichnen möchte, d. h. solche, die vom Standort, der Temperatur, der
Feuchtigkeit, Beleuchtung usw. abhängig sind resp. mehr oder weniger
von diesen Faktoren beeinflusst werden; drittens lassen sich noch solche
Farben bei den Sämereien unterscheiden, die wir als Krankheits-,
Alters- oder Todesfarben bezeichnen können. Beim Hanf sind z. B.
die weisslich-strohgelben Früchte fast ganz ausnahmslos taub. Bei den
Leguminosensamen sind es besonders häufig die braunrot gefärbten,
die in diese Kategorie gehören.
Bei den fluktuierenden Farbenvariationen sei nur an den Rotklee-
samen erinnert. Es ist bekannt, dass dessen Farbe durch die jeweilige
Jahreswitterung beeinflusst wird. Man kann dies auch leicht durch den
Versuch zeigen. Bei einem solchen, wie er in nachstehender Tabelle
zur Darstellung gebracht ist, lieferten die aus halbviolett-halbhellgelben
Rotkleesamen hervorgegangenen Pflanzen bei normaler Behandlung
17,54 °/o violette, 41,41 "/o hellgelb-violette. 41,05 "/o hellgelbe Samen;
die aus ebenso (je zur Hälfte violett und zur Hälfte hellgelb) gefärbten
Rotklee
Prozente
violetter
Samen
Prozente
hellgelb-
violetter
Samen
Prozente
hellgelber
Samen
Körnergewicht in
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Ausgangsprobe
Normal behandelte Pflanzen
Trocken gehaltene Pflanzen
Sehr feucht gehaltene
Pflanzen
'49,02
17,54
26,72
12,58
26,02
41,41
34,04
15,21
24,81
41,05
39,24
72,21
1 ,759
1,766
1,904
1,854
1,813
1,798
1,782
1,800
1,693
1,697
1,664
1,626
80
Franz Muth.
Samen derselben Probe erwachsenen, recht trocken gehaltenen Pflanzen
heferten 26,72 "/o violette, 34,04 ^'o hellgelbviolette und 39,24*^/0 hell-
gelbe Samen, während bei Verwendung derselben violetthellgelben
Farbenvariation die während der Vegetationsperiode sehr feucht gehaltenen
Pflanzen 12,58 ^/q violette, 15.21 °/o hellgelbviolette und 72,21 °/o hell-
gelbe Samen hervorbrachten.
Keimungsenergie
Keimkraft in
Harte Samen in
Faule Samen in
in Prozenten
Prozenten
Prozenten
Prozenten
ä
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87,00
13,00
10,25
10..J0
2,50
2,50
2,50
47,50
48,75
38,75
54,00
53,50
51,00
45,75
45,25
47,75
0,25
1.25
1,25
32,25
40,00
35,00
37,75
48..50
46,00
62,25
51,25
53,75
0,00
0,25
0,25
45,00
49,00
42,25
57,00
68,00
69,50
43,00
30,00
30,25
0,00
2.00
0,25
Die Versuche mit den Farbenvariationen der Samen haben aber
auch ergeben, dass vielfach eine Korrelation zwischen Samen- und
Blütenfarbe, der Intensität der grünen Färbung der Blätter sowie
der Widerstandsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse besteht. Sehr
schön ist eine solche Korrelation bei Lupinus hirsiitus var. coeriileus
zu sehen. Die dunkelroten Samen liefern durchschnittlich Pflanzen, die
mehr dunkelrote Blüten und satt-dunkelgrüne Blätter tragen, während
die mehr weisslichen Samen Pflanzen mit helleren Blüten und hell-
gelbgrünen Blättern hervorbringen. Ähnlich sind die Verhältnisse
beim Inkarnatklee und beim Bas.tardklee. Bezüglich derartiger Korre-
lationen beim Rotklee habe ich in einer vorläufigen Mitteilung')
folgendes bemerkt: „Eine wichtige und interessante Frage bei dem
Studium der Farben Variationen des Rotklees ist diejenige der Korrelation
zwischen Samen- und Blütenfarbe und deren Einfluss auf das
Wachstum und den Habitus der, Pflanze. Die diesbezüglichen Versuche
und Beobachtungen ergaben, dass ein ausgesprochener Zusammenhang
zwischen beiden in der Weise besteht, dass unter sonst gleichen Ver-
hältnissen die Farbe der Samen auch bei den Blüten der aus denselben
gewachsenen Pflanzen prävaliert. Ferner zeigen Pflanzen mit vor-
^) Vgl. Bericht der Grossh. Badischen Landwirtschaftlichen Versuchs-
anstalt Augustenberg über ihre Tätigkeit im Jahre 1903, p. 49.
über die Infektion von Sämereien im Keimbett. gl
herrschend dunkeh'oten BUlten und mit vorherrschend dunkelvioletten
Samen ein rascheres, üppigeres Wachstum, kräftigen dicken Stengel
und grössere, dunkelgrüne Blätter, als Pflanzen mit vorherrschend
hellen Blüten und hellen Samen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass, w^orauf
auch M. Fischer in letzter Zeit aufmerksam gemacht hat, bei weiterer
Verfolgung dieser korrelativen Verhältnisse sich Rotkleerassen mit
kürzerer oder längerer Vegetationsdauer züchten lassen." Bei den
Kulturversuchen mit Lupinus Jiirsiitus und mit Inkarnatklee hat es sich
gezeigt, dass beim Befall der Pflanzen mit Mehltau die aus den mehr
dunkelroten resp. rötlichgelben Samen erwachsenen Pflanzen durchschnitt-
lich deutlich widerstandsfähiger gegen den Pilz waren und weniger unter
ihm zu leiden hatten als die aus den mehr hellweisslich gefärbten Samen
erwachsenen. Derartige Beobachtungen verdienen unsere besondere Be-
achtung auch aus Rücksicht für die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten.
Bezüghch der Natur des Farbstoffes in den erwähnten Fällen sei
noch bemerkt, dass es sich dabei wohl um Chlorophyllderivate handelt,
darauf weisen schon die erwähnten Korrelationen hin.
Die Grösse der Samen und der Früchte ist nicht selten von Be-
deutung für die Keimfähigkeit und den Grad der ungünstigen Beein-
flussung durch schädliche Mikroorganismen, wie z. B. auch die Unter-
suchungen über die Früchte des Hanfes gezeigt haben.
Die Form der Samen und Früchte scheint im allgemeinen weniger
Einfluss in der angedeuteten Richtung zu besitzen, wenigstens haben
die Versuche bei Luzerne mit langen, bohnenförmigen und mit kurzen,
eckigen, scharf abgeschnittenen Samen bei gleicher Färbung bisher
keinen ausgesprochenen Unterschied ergeben.
Es wurde bereits auch der inneren Eigenschaften der Samen ge-
dacht; in dieser Beziehung leicht bestimmbare Grössen liefert z. B. die Er-
mittelung des liörnergewichtes und des spezifischen Gewichtes, ferner die
des Wasser-, Aschen-, Stickstoff- und unter Umständen des Ölgehaltes.
Bei den diesbezüglichen Versuchen mit den Früchten des Hanfes hat es
sich z. B. gezeigt, dass die Keimfähigkeit und besonders die gleichmässige
Ausbüdung der Keimlinge proportional dem Sinken des Körner- und des
spezifischen Gewichtes zurückgeht, und dass dementsprechend auch die
Widerstandskraft gegen schädliche Einwirkungen abnimmt.
Bei einem Vortrag auf der ersten Generalversammlung unserer
Vereinigung in Berlin im Jahre 1903') über die Schwankungen bei
Keimkraftprüfungen der Samen und ihre Ursachen habe ich darauf
aufmerksam gemacht, dass gerade die bei Keimprüfungen auftretenden
1) Dieser Jahresbericht, I. Jahrgang 1903, p. 80.
Jahresbericlit der Vereinigung für ;ingew;indte Botanik V.
g2 Fi'anz Math. Über die Infektion von Sämereien im Keimbett.
Differenzen im Verein mit dem Aussehen der Saat seiir wichtige Finger-
zeige für die Beurteilung einer Probe geben können. Die weiteren
Untersuchungen bestätigten diese Ansicht; diese Untersuchungen zeigen
aber auch, dass die Pflanzenzüchtung in diesen verhältnismässig leicht
zu ermittelnden Eigenschaften und in deren Prüfung durch passende
Infektionsversuche eventuell unter Zuhilfenahme höherer Temperaturen
und durch Aussaatversuche ein Mittel in der Hand hat, die Wider-
standsfähigkeit der Samen und Pflanzen zu prüfen und unter Umständen
zu steigern. Es scheint mir ein aussichtsvoller Weg für die Pflanzen-
züchtung zu sein, die angedeuteten Verhältnisse weiter eingehend zu
studieren, und diejenigen zu ermittelnden Eigenschaften weiter zu ver-
folgen, die eine grössere Wuchsfreudigkeit, Lebenskraft und Wider-
standsfähigkeit gegen schädliche Einflüsse mit bedingen.
Für die Samenkontrolle sind die angedeuteten Fragen ebenfalls
sehr wichtig. Der Handel und der Landwirt brauchen als feste An-
haltspunkte Zahlen auch bei der Keimprüfung, mit Zensuren allein
wird man in der Praxis nicht immer auskommen. Aber den Keim-
zahlen kann sich, jedenfalls bei Untersuchungen für Landwirte, ganz
gut eine Zensur anschliessen, welche die Keimzahl zu einem Keimbilde
ergänzt. Bei den Hanffrüchten z. B. habe ich versucht, eine feste
breite Basis für ein solches zu gewinnen'). Es ist dies ein Versuch,
wie ich mir einen w^eiteren wissenschaftlichen Ausbau einer der Praxis
dienenden Samenuntersuchung vorstelle.
Für die Samenkontrolle ist es dann weiter, wäe bereits angedeutet
wurde, unter Umständen von groüer Bedeutung, festzustellen, ob die
Pilze, die am Saatgut bei der Keimprüfung auftreten, wirkUch diesem
anhaften. Mit den Sämereien werden natürlich die Krankheiten ver-
schleppt und grosser Schaden angerichtet. Es erwachsen der Samen-
kontrolle bezüglich der Untersuchung des Saatgutes auf schädliche
Organismen noch manche schwierige Aufgaben. Auch die damit zu-
sammenhängende Frage der Desinfektion der Sämereien durch Beizen usw.
bedarf noch teilweise der Klärung und vor allem grösserer Berück-
sichtigung in der Praxis.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, dass die Frage der Intektion von
Sämereien durch Mikroorganismen auch insofern noch Interesse hat, als
manche Widersprüche in der Literatur bezüglich des Einflusses des Lichtes
auf die Keimung der Samen, über die Atmung und die Stoffe in Samen
und Keimlingen wohl teü weise ihren Grund in derartigen Infektionen haben.
1) Dieser Jahresbericht, lil. Jahrgang 19(U/0r), p. 121.
JR. Ewert. ]Neue Beispiele für Parthenokarpie. 83
Neue Beispiele für Parthenokarpie.
Von
Dr. R. Ewert, Proskaa.
Im vorigen Jahre konnte ich auf der Versammlung in Hamburg
«ine größere Anzahl von Äpfeln und Birnen vorlegen, die sich trotz Ver-
hinderung der Befruchtung zu vollkommenen Früchten entwickelt hatten.
Ich hatte damals schon gesagt, daß diese Jungferntrüchtigkeit aller Wahr-
scheinlichkeit nach eine sehr häufige Erscheinung bei unseren ver-
schiedenen Obstarten ist. Es gelang mir nun in der Tat, in diesem
Jahre (1907) nicht allein die Ergebnisse früherer Versuche zu bestätigen,
sondern auch eine Reihe neuer jungfernfrüchtiger Obstsorten aufzufinden.
Dabei habe ich alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln zur Verhinderung
der Bestäubung getroffen, und doch erhielt ich Früchte von normaler
Größe, jedoch ohne Kern resp. mit verkümmerten Kernen (Samenhäuten
ohne Embryo). Eine 107 g schwere Frucht der Guten Luise von
Avranches hat sich entwickelt trotz Isolierung und Kastration der
Blüten und trotzdem die Narben vor dem Aufbrechen der Blüten un-
empfänglich gemacht worden waren.
So stehen wir vor einer Tatsache, die eine vollständige Um-
wälzung in den bisherigen Anschauungen über Fruchtbarkeit und Un-
fruchtbarkeit der Obstbäume hervorrufen muß.
Ich muß diesmal darauf verzichten, eine größere Anzahl von
Jungfernfrüchten vorzulegen und zu besprechen, und beschränke mich
■daher auf einige wenige Beispiele. Auf eine Frage, über die ebenfalls
schon in Hamburg diskutiert worden war, will ich nochmals zurück-
kommen.
Müller-Thurgau hatte behauptet, daß der eigene Pollen, ohne
eine eigentliche Befruchtung auszuüben, allein durch das Hineinwachsen
seines Schlauches in den jungen Fruchtknoten einen Reiz auf die
Fruchtentwickelung auszuüben vermöge, ja* daß ein erstes Anschwellen
der jungen Fruchtanlage mitunter ganz allein auf diese Reiz Wirkung
zurückzuführen sei. Von der Annahme eines derartigen Einflusses des
eigenen Pollens werden wir bei unseren Obstbäumen wohl ganz ab-
sehen müssen. Auch alle meine neueren Versuche deuten darauf hin,
6*
84 R. iivvert.
daß es Selbstfertilität bei unseren Äpfeln und Birnen gar nicht
gibt. Eine größere Wirksamkeit scheint der eigene Pollen beim Stein-
obst zu besitzen.
Gelegentlich meines Vortrages in Hamburg war auch die Frage
behandelt worden, ob Pollenschläuche in frische Wunden des Griffels
einzudringen vermögen. Bei meinen diesbezüglichen Versuchen machte
ich in diesem Jahre die seltsame Entdeckung, daß abgeschnittene
Narben zu regenerieren vermögen. Unterhalb des stehengebliebenen
Grift'elendes bilden sich neue Narbenpapillen.
Die Frage nach den Ursachen der Fruchtbarkeit resp. Unfrucht-
barkeit tritt uns gelegentlich bei allen Obstarten entgegen, und ich habe
daher auch ganz generell alle unsere Gartenfrüchte auf ihr selbständiges
Fruchtungsvermögen untersucht. Ich kam dabei zu dem folgenden Er-
gebnis: Kein selbständiges Fruchtungsvermögen besitzen
Erdbeere, Himbeere, Tomate, Johannisbeere. Ein schwaches
Fruchtungsvermögen ist vorhanden bei der Stachelbeere,
beim Pfirsich, etwas vollkommener bei der Kirsche und
der Rebe. In ihrer vollkommensten Form finden wir die Jungfern-
früchtigkeit bei Äpfeln, Birnen und Gurken.
Bei den Kirschen ist bemerkenswert, daß die kernlosen Früclite
kleine und sehr dünnwandige Steine besitzen. Überhaupt geht aus
meinen anatomischen Untersuchungen hervor, daß ganz allgemein mit
dem Kern die harten Gewebselemente der Früchte, beim
Kernobst speziell die des Gehäuses, zurückgehen.
Auf die Merkwürdigkeit möchte ich ferner noch hinweisen, daß
die Samenknospen auch ohne Befruchtung zu wachsen ver-
mögen. Es wachsen aber nicht allein die Samenhäute, sondern der
Embryosack geht aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls in Teilung:
denn man findet z. B. im Innern der sogenannten hohlen Kerne der
Birnen ein zartes, sehr dünnwandiges Gewebe.
Wohl manche rätselhafte Erscheinung gibt es noch in der Blüten-
biologie der Obstbäume. Warum ist z. B. der eigene Pollen zur Be-
fruchtung untauglich? Führt nicht etwa auch hier ein Fehler in der
Versuchsanstellung zu Trugschlüssen? Erwähnenswert ist in dieser
Beziehung die neuere Entdeckung von Jost, ') nach welcher z. B.
Cytisus Laburnum und Corydalis cava nur dann selbstfertil sind, wenn
die Narben der Blüten mechanisch verletzt werden. Letzteres könnte
z. B. durch Insekten geschehen. Jedenfalls ist es merkwürdig, daß
1) Jost, Über die Selbststerilität einiger Blüten. (Bot. Zeitung 1907,.
Heft V u. VI.)
Neue Beispiele für Parthenokarpie. §5
große sortenreine Obstpflanzungen immerhin nocli sehr viele Früchte
ijiit wohlausgebildeten Kernen haben, wenngleich sie auch im allgemeinen
sehr kernarm sind.
Noch manche Frage in der Blütenbiologie unserer fruchttragenden
Pflanzen harrt ihrer Lösung, nur ein andauerndes, konsequentes Arbeiten
kann auf diesem Gebiete volle Klarheit schaffen. Ich glaube, daß all-
mählich eine ganz neue Pomologie auf wissenschaftlicher Grundlage
entstehen wird, die Jungfernfrüchtigkeit wird dabei eine hervorragende
Rolle spielen.
gg L. Bernegan.
Die Kolanuss als tropische Kulturpflanze.
Von
Korpsstabsapotheker a. D. L. Beriiegau, Berlin.
Die botanisch und chemisch interessante, wirtschaftlich als Tausch-
mittel im afrikanischen Handelsverkehr wertvolle Kolanuß, welche sich
die Eingeborenen Afrikas mit eigenartigem naturwissenschaftlichen Sinn
und Instinkt als koffeinhaltiges Anregungsmittel aus dem Pflanzenreich
ausgesucht und in der Nähe ihrer Hütten und Niederlassungen ange-
pflanzt haben, scheint nach den bislang gesammelten Erfahrungen einer
vor ca. 10 Jahren angelegten Kolapflanzung im Lagosgebiet gute Aus-
sichten als Kulturpflanze zu haben. Als Durchschnittsertrag Tjähriger
Kolabäume sollen im Jahre 1906 20 Mark Ernteertrag erzielt worden
sein. Da die Pflanzungen in Westafrika mehr und mehr den Kolabaum
in Kultur zu nehmen beginnen, möchte ich das Studium der Kola-
frage in chemisch wie botanischer Hinsicht besonders empfehlen.
J. von Liebig stellte zuerst im Jahre 1867') in der Kolanuß
Coffein fest, Heckel und Schlagdenhauffen 1883 neben Coffein noch
Theobromin^). Was die botanische Untersuchung betrifft, so zeigen die
Arbeiten von 0. Warburg^*), A. Tschirch*) und W. Busse-**), daß trotz
der vortrefflichen Monographie von K. Schumann*^) die Frage nach der
Stammpflanze der Kolanuß noch nicht geklärt ist.
Aus diesem Grunde möchte ich heute bei der Mitteilung über die
Erfahrungen betreffs der Kolafrage die Arten auseinanderhalten nach der
Samenteilung der Nüsse, als
1. Zweisamige Kolaarten, Cola dispormatica : Art Cola vera K.Schu-
mann.
') G. Rohlfs, Reise nach Nordafrika vom Mittelländischen Meer bis
zum Busen von Guinea 1865/67.
2) Heckel und Schlagdenhauffen, Des Kolas africains au point de
vue botanique, chimique et therapeutique. (Journal de Chimie et de Pharmacie
Paris 1883.)
3) Tropenpflanzer 1902, S. 625.
i) Flora oder Allgem. Botanische Zeitung, 88. Bd., 1901, 2. Heft.
5) Beiheft zum Tropenpflanzer, Bd. 7, No. 4/5, 1906.
6) K.Schumann, Sterculiaceae, In Engiers Monographien Afrikanischer
Pflanzenfamilien und Gattungen. Leipzig 1900, S. 127.
Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 87
2. Mehrsamige Kolaarten (4- u. 5sami^), Cola polyspermatica : Art
Cola acuminata (Rob. Brown) oder Sferculia acuminata (Palisot
de Beauvaisj. :>._
Die Mitteilung von Tschirch, daß sowohl C. acuminata als C.
Vera Samen mit 2 Kotyledonen besitzen, habe ich auf Grund persön-
licher Beobachtung in Westafrika nicht prüfen können. Es ist mir
nicht gelungen, C. acuminata mit 2 Kotyledonen zu finden. Wenn
Schumann angibt, C. vera liefere nur große Kolanüsse, dagegen C.
acuminata kleine Kolanüsse, oder Tschirch, C. acuminata wie
C. vera besitzen Samen mit 2 Kotyledonen und können also große
Kolanüsse liefern, dagegen C. Ballayi Samen mit 4 Kotyledonen liefere
wahrscheinlich kleine Kolanüsse, so habe ich das bei den westafrika-
nischen Kolaarten nicht bestätigt gefunden. In den Fruchtschoten von
C. vera fand ich Nüsse verschiedener Größe, Form und Farbe, wie
weiß, weißgelblich, fleischfarben, rosafarben, dunkelkirsch- und purpurrot.
Die chemische Untersuchung verschiedener zwei- und mehr-
samiger Kolaarten ergab, abgesehen von einem mehr oder weniger großen
Gehalt an chloroformlöslichen Stoffen usw. oder einem wechselnden
Gehalt von Schleimstoffen (Pektin), keine Unterschiede. Die Alkaloide,.
Coffein und Theobromin, der rote und der gelbe Farbstoff, die Gerbsäure
und die Fettkörper ergaben dieselben Reaktionen. Nur verhielten sich
frische Nüsse anders wie getrocknete, ein Beweis, daß bei der Trocknung
der Nüsse chemische Veränderungen entstehen können und die Auf-
bereitungsweise der Eingeborenen daher keine einwandfreien Kolanüsse
liefern').
Es verhielten sich von zweisamigen Kolanüssen die Mandingo-Kola-
nüsse, Art C. vtra Schumann, aus dem Sierra Leone-Liberia-Conacry-
gebiet und Aschanti-Kolanüsse, Art C. suMobata Warburg, aus dem Gold-
küstengebiet, aus Togo und aus dem Lagosgebiet gleich. Von mehr-
samigen Kolanüssen wurden solche aus Kamerun, aus dem Viktoria-,.
dem Bammum- und Ebolovabozirk untersucht, ferner aus dem Dahomey-
gebiet, Portonovobezirk, Art C. acuminata (P. de B.) R. Br., aus dem
Lagosgebiet, C. acuminataSoHen aus dem Agege und Abeokutagebiet^
Die Mitteilung von K. Schumann'^): „In einer Schote findet man
oft neben einer roten Nuß eine weiße. Dieselbe ist weit geringwertiger",
konnte bezüglich der Geringwertigkeit bei weißen Agege- Kolanüssen nicht
bestätigt werden. Im Gegenteil wurden die weißen Kolanüsse in Lagos
») L. Bernegau, Über Kola. (Tropenpflanzer 1900, S. 126.)
2) K. Schumann, Die Kolanuß. (Berichte der deutschen Pharm.
Ges. X [1900], p. 67.) ■ . ■. .- .. ■; . ,■ .:•■.. .■ > , .
gg L. Bernegau.
teurer bezahlt. Die zweisamigen weißen Agege-Kolanüsse wurden haupt-
sächlich nach Nupe verkauft. Haussakolahändler teilten mit, daß der
König von Nupe die weißen Kolanüsse wegen des Aromas sehr schätzen
soll. Ein Kauversuch zeigte, daß die weißen Agege-Kolanüsse nicht das
Adstringierende haben, sondern beim Kauen milder herb und im Nach-
geschmack aromatischer sind als die roten Nüsse. Anscheinend hängt
das mit dem Reifungsprozeß zusammen, infolge der Einwirkung des
Fruchtfleisches (Säure- oder Permentwirkung) auf die Gerbsäuren der
Nuß. Bei der chemischen Qualitätsprüfung ließ sich bezüglich des
besseren Aromas nichts feststellen, desgleichen konnten keine Unter-
schiede im Vergleich mit guten zweisamigen Mandingo- und Aschanti-
Kolanüssen gefunden werden.
Da (nach den Berichten über die Pharmakognostische Literatur
aller Länder, herausgegeben von der Deutschen Pharmazeutischen Ge-
sellschaft 1900, S. 58) K. Schumann die frischen Nüsse mit Blättern
und Blüten für seine Untersuchungen aus Togo bezogen, möchte ich
es für nicht sicher erwiesen halten, daß das von Schumann unter-
suchte Material von Mandingo- bzw. Sierra Leone-Kolanüssen abstammt,
vielmehr halte ich es für wahrscheinlicher, daß die zweisamigen Kola-
nüsse von Togo von Aschanti-Kolanüssen abstammen, da der von der
Goldküste kommende Sudanhändler Togo auf dem Wege zu den Kola-
märkten des Innern passiert.
Die auf Veranlassung von Dr. Grüner t, Misahöhe, von mir
chemisch untersuchte zweisamige Togo- Kolaart, Kpandukola, Art C.
Vera, die 0. Warburg') botanisch untersucht und als C. asterophora
Warburg bezeichnet hat, dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach auch von
Aschanti-Kolanüssen abstammen. Wenn 0. War bürg sagt, die Avatime-
Kolanuß, von den Eingeborenen „hanurua" genannt, ist zwar eine
minderwertige, aber immerhin noch brauchbare Kolanuß, so dürfte das
irrtümlich sein, da nach W. Busse^), welcher die Avatime-Kolanuß
botanisch untersucht und C Supfiana Busse benannt hat, diese Avatime-
Wasserüola alkaloidlos, mithin überhaupt keine brauchbare Kolanuß ist,
ebensowenig wie die Garcinia Cola Heckel, welche kein Coffein ent-
hält. Graf Zech^) teilte in seinem die Kolanuß behandelnden Aufsatz
über die Avatime- Wasserkola mit, daß nach einem Haussalied: „Der
Aasgeier kein Fleisch und die Hanurua keine Kola ist". Aus diesem
1) 0. Warburg, Die Togokolanüsse. (Tiopenpflanzer 1902, No. 112, p. 629.)
2) W. Busse, Beiträge zur Kolafrage. (Tropenpflanzer 1906, No. 4/5.
Beiheft.)
3) Graf Zech, Über Kola in Westafrika. (Wissensch. Beiliefte zum
Deutsch. Kolonialblatt, 14. Bd., 1. Heft, 1901.)
Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 89
Haussalied geht hervor, daß die Eingeborenen die Wertlosigkeit dieser
Avatime-Kolanuß kennen.
Die Kolapflanzung Agege, welche ca. 1 Stunde von der Eisen-
bahnstation Agege der Strecke Lagos-Ibadan entfernt liegt, ist von einem
intelligenten Schwarzen aus dem Ekbastamme, Mr. Rufus Wright
nach wirtschaftlichen Grundsätzen angelegt, eine kleine 150 englische
Acres große Pflanzung, die intensiv kulturell und ökonomisch bewirt-
schaftet wird. Auf der Pflanzung Agege fand ich im Januar 1904
2000 Kolabäume, zu den Arten C. vera und C. acuminata gehörig, neben
40000 Kakao- und 60000 Kaffeebäumchen vor. Als Schatten- und
Zwischenpflanzen waren wertvolle, schnell Früchte bringende Pflanzen
angebaut, um die Unterhaltungskosten zu vermindern: hochwertige
Bananen- und Ananasfrüchte, ferner Süßkartoffeln und Kassava, die als
Nahrungsmittel für die Arbeiter dienten, und Baumwolle. Zur Bekämpfung
von Schädlingen wurden zahlreiche Hühner und Puter gehalten, die in
der Pflanzung frei herumliefen. Wirtschafthch günstig für die Agege-
pflanzung, für den Absatz ihrer Produkte und zur Erzielung guter Preise
ist ihre Lage in der Nähe von Lagos, dem bedeutenden Kolamarkt West-
afrikas. Die Pflanzung kann per Eisenbahn und Wasserweg ihre Pro-
dukte nach Lagos verfrachten. Im Januar 1904 wurden in Lagos für
200 Stück frische zweisamige rote Kolanüsse 3,6 Shilling, für 200 Stück
zweisamige weiße Kolanüsse 4,6 ShiUing bezahlt. In diesem Jahre
bezog ich mehrmals frische Kolanüsse von Lagos, Akkra und Conacry.
Für zweisamige rote und weiße Kolanüsse aus Lagos und Akkra
wurden 2 Mark für das Kilo, in Conacry 3 Mark für das Kilo gezahlt.
Auf der Agegepflanzung stammten die Kolabäume der zweisamigen
Sorten von Aschanti-Kola, Art C. vera Schumann, von 0. Warburg
C. sublobata genannt (Tropenpflanzer 1902, Heft 12). Die Kolabäume
der viersamigen Art waren schon vor Anlage der Wright'schen
Pflanzungen wahrscheinhch von den Eingeborenen angepflanzt und
stehen gelassen, da diese nicht schleimreichen mehrsamigen l^olanüsse,
Art C. acuminata, bei den Jorubaleuten beliebt sind und gut bezahlt
werden.
Was die Auswahl von Kolaarten für Saatgutzwecke betrifft,
so habe ich als Saatgut für Togo und Kamerun nur auserlesene Kau-
kolaarten, Mandingo-Kolanüsse aus Sierra-Leone, Art C. vera Schumann,
und zweisamige Aschanti-Kolanüsse, Art C. sublobata Warburg, in Liberia
und Lagos angekauft. Gleichfalls stammten die vom Botanischen Garten
in Lagos und von der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Olokumeji
bei Ibadan angekauften Kolapflanzen, Gbanja-Kola, von zweisamigen
Aschanti-Kolanüssen.
90 L. Bernegau.
Die Qualität der irischen Kolanuß beurteilen die schwarzen
Kolahändler (Haussaleute) nach Geschmack, Aroma, Wohlbekömmlichkeit
und prüfen die Qualität durch einen Kauversuch. Der Kolakenner
schneidet die Kolanuß in Scheiben, kaut längere Zeit daran — fast eine
halbe Stunde lang — , spuckt den breiartigen Kaurückstand aus und
trinkt dann Wasser. Eine gute Kaukolanuß darf
1. nicht schleimig sein und
2. nicht zu adstringierend bitter schmecken.
3. Die Speichelsekretion muß schon nach kurzem Kauen stark an-
geregt werden. Darauf beruht die durstlöschende Wirkung, welche
die moharaedanischen Kolakauer sehr schätzen, was erklärlich ist, da
sie auf ihren langen Wüstenmärschen Durststrecken passieren müssen.
4. Sie muß einen lang anhaltenden, süßlich aromatischen, kakao-
artigen Nachgeschmack auslösen, namentlich wenn man nach dem
Kauen Wasser trinkt.
5. Nach dem Kolakauen und W^assertrinken muß der Geschmack
und Atem gereinigt (desodorisierende Wirkung der Kolagerbsäure), An-
regung der Blutzirkulation (durch Coffein und Theobromingerbsäure)
und eine erfrischende Wirkung im Allgemeinbefinden wahrzunehmen sein.
Kaut man schleimhaltige Kolanüsse, so wird beim Kauen die
Mundhöhle schnell mit einem voluminösen fadenziehenden gummiartigen
Stärkebrei angefüllt, der durch die Schleimansammlung den weiteren
Kauprozeß unmöglich macht und damit die durstlöschende und er-
frischende Wirkung verhindert. Wie beim Einkauf von Kafliee, Tee,
Zigarren usw. der Kenner durch die Geschmacksprüfung durch Zunge
und Nase die Qualität, namentlich das Aroma sicherer bewertet als
der Chemiker durch die Analyse, so prüft der schwarze Kolahändler
die Qualität der Kolanuß nach der Wirkung des Kauprozesses und
sortiert nach dem Ausfall dieser Prüfung die Kolanüsse nach Qualitäten.
Der Kolahandel in Westafrika liegt lediglich in den Händen der
Schwarzen.
Auf Grund dieser Beobachtungen über den Kolahandel empfehle
ich Interessenten beim Ankauf von Saatgut die Entnahme von Stich-
proben aus der Mitte und dem Boden der Orginalpackung für die
QuaUtätsprüfung: a) durch den Kauversuch und b) durch die chemische
Untersuchung.
Die chemische Untersuchung erstreckt sich auf die Bestimmung
1. der in Chloroform lösUchen Stoffe,
2. der in Alkohol löslichen Stoffe behufs Bestimmung des roten
Farbstoffes.
Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 91
3. der in Petroläther löslichen Stoffe behafs Bestimmung des
gelben Farbstoffes und der Fette.
4. Es empfiehlt sich ferner ein Destillationsversuch im Vacuum-
destillierapparat zur Prüfung flüchtiger aromatischer Verbindungen. Für
diesen muß man mindestens 1 Kilo frischer Nüsse verwenden. Das
destillierte Kolawasser wird im Scheidetrichter mit Äther mehrmals aus-
geschüttelt; die ätherische Lösung wird dann durch Abdestillierung des
Äthers getrennt. Bei guten Kolaarten erhält man einen gelben unter
dem Mikroskop stark lichtbrechenden harzartigen Körper von würzigem
Aroma, dessen weitere chemische Untersuchung ich mir vorbehalte.
Bei Untersuchung von frischen zweisamigen Mandingo- und
Aschanti-Kolanüssen erhielt ich diesen Körper gleichfalls bei Prüfung mehr-
sämiger C. acuminata-SortGn. Als ich trockene Nüsse des Handels der
Destillation unterwarf, erhielt ich einen braungefärbten Körper, der den aro-
matischen Geruch nicht besaß. Dieser Destillationsversuch mit trockenen
Kolanüssen bestätigt den von mir durch die Prüfung des wässerigen
Koladekokts mit Salzsäure festgestellten Befund (Unterschied der frischen^
sorgfältig getrockneten und der nach Art der Eingeborenen getrockneten
Kolanüsse), daß durch die Trocknung der Kolafarbstoff und die fett- und
harzartigen aromatischen Körper chemische Veränderungen erleiden').
Daher ist die Aufbereitung der Kolanüsse nach Art der Ein-
geborenen, das Trocknen der Nüsse an der Sonne oder während der
Regenzeit durch Erhitzen auf Wellblech zu verwerfen. Rationeller für
die Aufbereitung ist die Trocknung der frischen Kolanüsse in Obstdörr-
apparaten, wie dem Mayfarthschen Trockenapparat, bei Temperaturen
von ca. 70*^, noch besser durch Trocknen im Vacuumtrockenapparat bei
40 bis 50^ C. Durch die Salzsäurereaktion kann man nachweisen, daß
bei sorgfältig getrockneten Nüssen der himbeerrote Farbstoff noch auf-
tritt, aber nicht so scharf wie bei frischen Nüssen. Das aus trockenen
Nüssen der Handelswaren durch Destillation im Vacuumdestillierapparat
hergestellte Kolawasser hai muffigen erdigen Geruch wie nach alten
Kartoffeln, während aus frischen Nüssen hergestelltes destilliertes Kola-
wasser frischen Kartoffelgeruch hat und aromatisch schmeckt.
Aus trocknen Nüssen ist durch Extraktion mit Chloroform das^
Coffein schwerer zu entfernen als aus frischen Nüssen. Beim Trocken-
prozeß scheint bei der Verdunstung des Wassers ein Teil des Coffeins
von der Gerbsäure gebunden zu werden.
Die weitere Prüfung durch zahlreiche Extraktionsversuche während-
der letzten Jahre in Westafrika ergab, daß man aus frischen, sorgfältig
1) Tropenpflanzer, Jahrg. 1900, Heft 3.
92 ^- Bernegau.
vom Baum gepflückten, nicht abgefallenen Kolanüssen bessere Kola-
extrakte gewinnen kann als aus trockenen Nüssen. Auf Grund dieser
Ergebnisse möchte ich die Verarbeitung frischer Kolanüsse zu Extrakt
an den Produktionsorten und die Verschiffung des Extraktes in hermetisch
verschlossenen Blechdosen empfehlen. Die Qualitätsprüfung des Kola-
extraktes kann durch chemische Untersuchungen kontrolliert werden.
Auf Grund der mit frischen und trockenen Kolanüssen gemachten
Erfahrungen unternahm ich Konservierungsversuche nach einer anderen
Richtung hin, wobei das Ziel war:
1. die Kolanuß möglichst frisch und unverändert zu erhalten,
wesentlich für die Verwendung als Kaukola und zur Herstellung von
Extrakt,
2. etwaige Kolaschädlinge, namentlich den von mir im Tropen-
pflanzer') beschriebenen weißen Kolaspringwurm, der ganze Sen-
dungen von Kolanüssen infizieren und entwerten kann, unschädlich zu
machen. Verarbeitet man wurmstichhaltige Nüsse zu Extrakt, so erhält
man niemals einwandfreie Kolaprodukte.
Herr F. Colin aus Conacry, teilte mir über den Kolaschädling
folgendes mit: „Es ist sehr schwer, mit Sicherheit wurmstichfreie Kola
zu bekommen, da der Wurm plötzlich auftritt und sich während des
Transportes erst entwickelt. Diese Wurmkrankheit, Sangara genannt,
ist ein großes Hindernis für den Handel mit Kola und muß trotz aller
aufgewendeten Sorgfalt stets mit derselben gerechnet werden. Die
französische Regierung hat sich seit Jahren damit beschäftigt, eine
Konservierungsmethode, welche den Sangara ausschließt, herauszufinden,
doch bis jetzt vergebens. Für rein wissenschaftliche Zwecke hat man
die Nüsse schon in Spiritus gelegt."
Durch die Spirituskonservierung werden die Kolanüsse extrahiert
und daher chemisch verändert und als Kaukolanüsse unbrauchbar. Die
Konservierungsmethode der Eingeborenen, frische Kolanüsse mit Blättern
zu umhüllen, wodurch sie sich längere Zeit frisch erhalten, ist unzweck-
mäßig. Die Blätter fangen leicht an zu faulen oder zu gähren, und
infizieren dadurch die ganze Sendung. Die Blattkonservierung hat auf
die Vernichtung des Kolawurms keinen Einfluß. Für die Blattkon-
servierung bei den Eingeborenen ist das Blatt von Thamnatococcus
DaniellP) das wertvollste. Kolasendungen, die ich mir durch Blatt-
konservierung aus Westafrika kommen ließ, kamen durchweg in
') L. Bernegau, Studien über die Kolanuß im Jorubalande. (Tropen-
;pflanzer 1904, No. 7, p. 368.)
2) Abbildung im Tropenpflanzer 1904, No. 7, p. 355.
Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 93-
schlechtem Zustande hier an, viel besser waren die Sendungen im
Bastkorb ohne Blattpackung.
Die besten Resultate erhielt ich nach folgendem Konservierungs-
verfahren: Frische sorgfältig ausgelesene wurmstichfreie Kolanüsse
werden in Konservengläser oder Blechdosen gebracht. Die Dosen
werden hermetisch verschlossen und im Autoklav 30 Minuten unter-
Druck erhitzt. Die Kolanüsse w^erden in der Färbe durch den Koch-
prozeß gebleicht, behalten aber ihre Frische und w^erden chemisch
nicht oder nur sehr wenig verändert. Stärke und Cellulose werden
etwas aufgeschlossen, etwas Feuchtigkeit tritt aus den Nüssen in Form,
von Wasser aus. Sind in den Nüssen Würmer enthalten, so werden
dieselben durch den Kochprozeß vernichtet und können die übrigen
Nüsse nicht mehr infizieren. Bleibt die Dose hermetisch verschlossen,,
so halten sich die Nüsse wahrscheinlich unbegrenzt lang. Hat die Dose
eine — wenn auch mit bloßem Auge nicht sichtbare — Öffnung und
kann Luft eintreten, so treten Schimmelpilze auf, und es tritt Gärung
ein. Bei der angegebenen Konservierungsart keimen die Kolanüsse
nicht mehr.
Für Saatgutzwecke erhielt ich die besten Resultate nach,
folgender Konservierungsart; Frische Kolanüsse werden in Dosen oder
Gläser gebracht unter Beigabe von 3 Stück Formalintabletten auf ca.
1 Pfd. Nüsse. In der Pormalinatmosphäre hielten sich die Kolanüsse-
monatelang frisch. Rote Kolanüsse werden bräunlich infolge der oxy-
dierenden Wirkung des Formalins. So konservierte Nüsse bleiben keim-
fähig. Tritt Luft in die Gläser, so bilden sich Schimmelpilze, die sich.
aber nur ganz allmählich entwickeln.
Auf Grund dieser Versuche empfehle ich für die Praxis:
1. Zur Anpflanzung eignen sich die als Kaukolanuß hoch^
wertigen aromareichen zweisamigen Kolasorten, namentlich die Mandingo-
und Aschanti-Kolanüsse, die zur Art Cola vera Schumann gehören.
2. Bei der Anlage von Kolapflanzungen ist darauf zu achten,,
daß der Boden entsprechende Feuchtigkeit besitzt. Es empfiehlt sich,,
die bei der Agegepflanzung gemachten, im Tropenpflanzer näher be-
schriebenen Erfahrungen betr. Anzucht von Saatgut und Verpflanzung,
der jungen Kolapflanzen in die Pflanzung, Pflanzweite, Beschattung, Be-
wässerung, Düngung, Schneiden der Bäume und Bekämpfung von Schäd-
lingen zu beachten.
3. Für die Verwertung der wildwachsenden mehrsamigen, zur-
Art Cola acuminata gehörigen Sorten und auch der schleimhaltigen
Kolanüsse empfiehlt sich die Aufbereitung zu Rohkolaextrakt am Pro-
duktionsort, da diese Cola acuminata-'E^ivakiQ am europäischen Markte-
g^ L. Bernegau.
gute Preise erzielen. Für Anpflanzungszwecke empfehlen sich nur die
nicht schleimhaltigen Cola acuminata-Sorten.
4. Wurmstichige Nüsse sind für Extrakte nicht zu verarbeiten, da
sie keine einwandfreien Extrakte liefern. Solche Nüsse sind zu verl3rennen.
5. Die Eingeborenen sind anzuhalten, die Kolafrüchte abzupflücken,
die Früchte aber nicht zu öffnen, sondern ungeöffnet zur Faktorei
oder Pflanzung zu bringen. Die Aufbereitung durch die Eingeborenen
ist nicht rationell und daher zu verhindern.
6. Für die Aufbereitung der Kolanuß durch Trocknung empfiehlt
sich das Trocknen bei niedrigen Temperaturen im Obstdörrapparat,
besser in Vacuumtrockenapparaten, Die getrockneten Nüsse sind in
hermetisch verschlossenen Dosen, nicht in Säcken aufzubewahren und
zu verschiffen.
7. Für Konservierung frischer Kolanüsse ist die Konservierung in
Gläsern oder Dosen durch Erhitzen unter Druck im Autoklav geeignet.
Die Kolakultur ist für Togo und Kamerun empfehlenswert, weil
der Bedarf an guten Kolanüssen in Afrika enorm steigerungsfähig und
die Nachfrage in Europa von Jahr zu Jahr im Wachsen begriffen ist.
Nach Ansicht von Kennern Nordafrikas ist für frische Kolanüsse in kon-
servierter Form in Marokko, Algier, TripoUs, ferner in der Türkei,
in Ägypten, Arabien, besonders Mekka, und Malta, also da, wo Mo-
hamedaner wohnen, ein Kolamarkt par excellence für Erzielung guter
Durchschnittspreise. In Tripolis stellte ich fest, daß für frische Conacry-
Kolanüsse, Art Cola vcra, 6 frs. per Kilo gezahlt wurden. Diese Kola-
nüsse waren ein Vorbote des neuen Handelsweges Dakar-Tripolis auf
dem Seewege an Stelle des Karawanenweges Timbuktu-Mursuk und zeigen
deutlich Frankreichs wirtschaftUche Fortschritte in seinen afrikanischen
Kolonien.
In Europa, namentlich in England, und in Amerika ist bei der
fortschreitenden Temperenzbewegung die Nachfrage nach frischen Kola-
nüssen von selten der Industrie für Herstellung alkoholfreier anregender
kohlensaurer Fruchtgetränke, der Kakao- und Schokoladenindustrie, der
chemischen Fabriken, Apotheken und der technischen Industrien im
Steigen begriffen.
Eine Überproduktion, wie bei Kaffee, ist bei Kolanüssen voraus-
sichtlich in absehbarer Zeit nicht zu befürchten, ebensowenig eine Ge-
fährdung der Kulturen durch synthetische Darstellung oder Ersatzstoffe,
wie bei dem Indigo- und Cochenillefarbstoffe und vielleicht auch später
beim Kautschuk '). Die Technik verwendet synthetisch dargestellte
1) Vgl. Mitteil, von F. Harri es, Zeitschr. f. angew. Chem. 1907, Heft 30.
Die Kolanuß als tropische Kulturpflanze. 95
Stoffe, sobald sie einen vollkommenen Ersatz der natürlichen Pflanzen-
stoffe bilden und ihre Verwendung finanztechnisch von Nutzen ist.
Genuß- und Nahrungsmittel, die synthetisch dargestellt werden, sind
schwerer einzuführen — die Coffeinsynthese ist E. Fischer schon vor
Jahren gelungen — , weil der Volksinstinkt sie verweigert.
Tripolitanische Händler holten bisher Kolanüsse aus Wostafrika
auf dem Karawanenwege über Timbuktu oder Kano oder den Tsadsee
nach Mursuk. Die Kolanüsse trockneten ein, wurden schimmelig und
verdarben. Es wird nicht lange mehr dauern, dann wird der lang-
wierige, gefährliche Karawanenweg ersetzt sein durch die bequemere,
ungefährlichere Wasser- und Eisenbahnstraße Timbuktu-Dakar des mehr
und mehr sich entwiciielnden wichtigen französischen Hafenplatzes in
Westafrika. Ohne Krisen wird sich die Verlegung des Karawanen weges,
die den Wüstenstämmen, den Berbern und Tuaregs große Zolleinnahmen
brachte, wohl nicht vollziehen, um so mehr, als voraussichtlich binnen
wenigen Jahren bei der zielbewußten engÜschen Eisenbahnpolitik der
Kaufmann von Lagos per Eisenbahn nach Kano fährt und dort seine
Geschäftsabschlüsse macht.
Die frische Conacry-Kola in Tripolis gibt zu denken und erinnert
daran, wie notwendig eine beschleunigte Ausführung der Eisenbahn-
bauton in Togo und Kamerun für den deutschen Handel ist, wenn
derselbe in Zukunft von den großen Handelswerten Zentralafrikas und
des Sudan, die aus Straußenfedern, Ziegenfellen, Elfenbein, Kautschuk
und in Zukunft Baumwolle und ihren Nebenprodukten, Cottonöl und
Baumwollsaatkuchen, Erdnüssen, Tabak und Vieh bestehen, seinen Teil
erhalten will, was notwendig ist für die Zukunft, in der Amerika und
Japan am Welthandel naturgemäß mehr teilnehmen werden.
96 L- Bernegau.
Akklimatisationsversuche mit Sürskartoffeln.
Von
Korpsstabsapotheker a. D. L. Bernegau, Berlin.
Akklimatisationsversuche mit azorischen, kanarischen und Ma-
deira-Sül5kartoffeln wurden veranlaßt durch den wirtschaftlichen Wert
der Süßkartoffeln und die Zollfrage.
Was die Kartoffel für den deutschen Ackerbau bedeutet, ist auf
den Azoren die Süßkartoffel, nämlich eine der wichtigsten Pflanzen
wegen des günstigen Einflusses, den sie in der Fruchtfolge auf die
Kultur des Bodens ausüben soll, wegen der Er-träge, die sie vom Hektar
liefert, wegen ihrer Bedeutung als Nahrungs- und Futtermittel und
als Rohstoff für die Industrie.
Backversuche mit dem aus Trockenkartoffeln hergestellten Kartoffel-
mehl zur Herstellung billiger gesunder Cakes haben befriedigende Er-
gebnisse nicht geliefert. Der letzte Punkt regte mich an, die Süßkartoffel
auf ihre Backfähigkeit hin zu prüfen, da ich den wirtschaftlichen Wert
der Süßkartoffel gelegentlich einer Reise nach den Azoren kennen gelernt.')
Zu den Versuchen wurden azorische ßataten nach folgendem
Verfahren verarbeitet. Die Süßkartoffeln wurden geschält, auf der
Schnitzelmaschine geschnitzelt, dann drei Minuten gedämpft, im Heiß-
luftkanal bei niedriger Temperatur getrocknet und auf der Windmühle
vermählen. Der Mahlverlust betrug 2°/o. Mit dem so hergestellten
Batatenmehl w^urden versuchsweise Cakes aus gleichen Teilen
Bataten- und Weizenmehl dargestellt. Die Batatencakes waren schmack-
haft und wurden von Fachleuten günstig beurteilt.
Die von Herrn Prof. Dr. Thoms, Dahlem, freundhchst ausgeführte
Analyse des Batatenmehls ergab folgende Werte:
Stärke 42,2 "/o
Lösliche Kohlehydrate 39,6 „
(davon Zucker als Dextrose 19,8 °/o)
Rohfaser 2,64 „
Gesamtstickstoff 0,778 "jo, entsprechend
Eiweiß 3,99 „
1) L. Bernegau, Die Kultur der Batate auf der Insel Säo Miguel.
Azoren. (Tropenpflanzer 1903.)
Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln. 97-*
Fett . . . . . •. . . . . .■ 0,55 7o ■-■ •■■:., 11
Asche 3,65 „ v;,'i . :;■>
Wasser Rest :■ .■' . :■ '
Die auf Veranlassung des Ministeriums der Landwirtschaft durch
Herrn Prof. Dr. Gerlach, Posen, ausgeführte Analyse ergab:
Wasser 6,32*^/0
Fett 0,68 „ ■ : '■" '
Rohprotein 5,25 ,. '
Stickstofffreie Ertraktstoffe .... 80,10 „
Rohfaser 3,34 „
Asche 4,31 „ - ,
100^0
Die stickstofffreien Extraktstoffe bestehen im wesentlichen aus
Tranbenzucker, Stärke, Dextrinen, Pektinstoffen und Gummi. An reinem
Eiweiß enthält die Probe 3,25 ^/q; dasselbe ist zu 13^Iq verdaulich.
Die gedörrten Batatenschnitzel wurden von Pferden gern gefressen,
sie liefern ein gesundes Beifutter für die Pferdeverpflegung und regen
4\e Freßlust der Tiere an.
Da backfähige Süßkartoffelmehle guter Qualität zur Herstellung
A^on Volkscakes im M'eltmarkt per 100 kg ca. 18 M. erzielen, würde sich
für die Kolonien die Batatenkultur sowie die Herstellung von Dörrbataten
zu i\usf uhrzwecken empfehlen, wenn der Zollsatz für dieses Produkt
ermäßigt würde. Bei dem heutigen Zollsatz für stärkemehlhaltige Dörr-
früchte und Mehle ist die Ausfuhr von Dörrbataten aus den Kolonien
nicht lohnend.
E)ie bisher erzielten Ergebnisse mit Anpflanzungs versuchen
von Bataten in Deutsehland haben durchweg wenig betriedigende
Resultate geUefert. Die Versuche in Posen, Danzig, in Creisau und
Klein-Machnow i. Pomm. sowie auf der Kartoffelkulturstation in Berlin
fielen negativ aus. Es wurden keine oder nur kleine Knollen erzeugt.
Auf Creisau erfroren die Bataten.
Bessere Ergebnisse wurden in der Botanischen Zentralstelle für
die Kolonien am Königl. Botanischen Garten zu Berlin, unter Leitung
der Herren Geheimer Oberregierungsrat Prof. Dr. Engler und Prof.
Dr. Volkens im Jahre 1905 erzielt. Es wurden über ein Pfund
schwere Bataten geerntet, im Jahre 1906 war die Batatenernte im all-
gemeinen nach Mitteilung von Hern Prof. Dr. Volkens schlecht. Die
größten Früchte wurden merkwürdigerweise auf einem ungedüngten
Boden erzeugt, der aber auf einem der Sonne zugekehrten Abhang lag.
Nach Ansicht des Herrn Prof. Dr. Volkens wird man in E)eutsnhland
.Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. i
98 L. Bernegau.
mit der Anzucht von Saatgut allmählich weiter kommen, so daß später
von einer Beanspruchung südlicher Gegenden zum Zwecke der Vorzucht
abgesehen werden kann.
Dies wäre wichtig, denn von 10 Sendungen Saatgut, welche von
der Insel Säo Miguel, von Las Palmas, von Teneriffa und Madeira be-
zogen wurden, kamen 9 Sendungen in schlechtem Zustande, teilweise
verfault an. Nach diesen Erfahrungen beabsichtige ich, im nächsten
Jahre mit algerischem, südfranzösischem und spanischem Saatgut zu-
nächst in Süddeutschland Pflanzversuche einzuleiten, um zu prüfen,
ob eine Batatenart gefunden wird, die sich dem deutschen Klima
anpaßt.
Der Leiter der Großh. Badischen Hofgartondirektion in Karlsruhe. Herr
Graebener, der seine Erfahrungen über die Batatenkultur in der
Gartenwelt, Jahrg. 8, 1903, S. 121, niedergelegt hat, hat amerikanische
und japanische Batatensorten, eine mit blauen, eine mit gelben und eine
mit weißen Knollen angepflanzt. Die Arten sollen schon durch die
Verschiedenheit der Blätter leicht erkennbar sein. Herr Graebener
hatte die Liebenswürdigkeit, mir über die Erfahrungen mit den amerika-
nischen und japanischen Bataten folgendes mitzuteilen:
„Ich habe auch bis zum vorigen Jahr alle 3 Arten Jahr für Jahr
angepflanzt, da aber die beiden ersteren Sorten sich absolut nicht für
unsern zu kurzen Sommer eigneten und nur dünne Wurzeln, keine
Knollen machten, habe ich sie definitiv über Bord geworfen; die weiße
Sorte liefert jedes Jahr große und dicke Knollen, einzelne davon bis zu
1 Kilo schwer, aber dieselben sind nicht ausgereift. Noch wenn die
Pflanzen in voller Vegetation sind, tritt Prost ein, der den oberirdischen
Teil der Pflanze tötet und damit dem Wachstum der Knollen ein Ende
setzt. Die Folge davon ist, daß solche beim Kochen wässerig sind,
fade schmecken und von niemand sonst als mir allein gegessen werden;
ich habe die Knollen schon auf verschiedene Weise zubereiten lassen,
sie schmecken fast ähnlich wie erfrorene Kartoff'eln.
Die Knollen bewahre ich in einem warmen Keller auf, oder im
warmen Gewächshaus, in kalten Kellern faulen sie bald. Ein Akkli-
matisieren ist so wenig möglich, wie es gelungen ist, Kartoffeln so zu
akklimatisieren, daß sie w^enigstens einen Teil unserer Kälte aushalten,
sie sind heute noch so wenig hart, wie vor 100 Jahren. Ob es gelingen
wird, eine Sorte zu finden oder zu züchten, die in unseren nicht ge-
nügend warmen Sommern ihre Knollen gut ausreift, ist vielleicht mög-
lich; immerhin ist die Anpflanzung (aus erzogenen Stecklingen) so
kompliziert, daß sie nur der Gärtner, nicht auch der Landwirt wird
kultivieren können.
Akklimatisationsversuche mit Süßkartoffeln. 99
In diesem Jahre stehen meine Bataten infolge des naßkalten Früh-
jahres schlecht, und werde ich nur schlechte Ernte haben. Ein Miß-
stand bei der Batatenkultur ist ferner, daß die Mäuse, gedeckt durch
den Blätterwald, in der Erde großen Schaden anrichten und gerade die
größten Knollen ganz aashöhlen.
Sollten Sie einmal im Besitz verschiedener neuer Sorten gelangen,
so bin ich gern bereit, damit Versuche anzustellen."
Die Batate, die auf den Azoren durch fortschreitende Kultur-
verbesserung in vorzüglicher Qualität heute erzeugt wird und deren
Kultur einen günstigen Einfluß auf den Fruchtwechsel ausüben soll, ist
zu Futter- und technischen Zwecken und als Rohstoff für die landwirtschaft-
liche Industrie der Kartoffel überlegen, während diese als Speise-
kartoffel die Süßkartoffel übertrifft und daher niemals durch die Süß-
kartoffel Konkurrenz erleiden wird.
Nationalwirtschaftlich würde es ein Fehler sein, wenn man in den
Kolonien aus Süßkartoffeln, Mais, Cassava oder anderen stärkemehl-
haltigen Früchten Spiritus erzeugen würde, wenn es auch im Interesse der
Kolonien liegen würde und technisch mit Leichtigkeit ausgeführt werden
kfinnte, denn, da die Einfuhr von Kartoffelsprit in Westafrika enorm groß
ist und trotz der hohen Einfuhrzölle und bei der Verwendung für Licht-
und Kraftzwecke noch steigerungsfähig sein dürfte, würde der deutsche
Karfoffelbau geschädigt werden. Nicht aber würde er betroffen werden
durch Einfuhr deklarierter Dörrsüßkartoffeln, da das Kartoffelmehl das
Süßkartoffelmehl nicht ersetzen kann, wohl aber das Süßkartoffelmehl
in Wettbewerb mit Hafermehl aus russischen, amerikanischen und
argentinischen Hafersorten oder mit ausländischen ^laismehlen treten kann.
IQO L. Bernegau.
Die Verwertung der Samen von Parkia africana.
Von
Korpsstabsapotheker a. D. L. Hernegau, Berlin.
Der Gouverneur von Togo, Herr Graf von Zech, übergab mir
Samen der Parkia africana, auch Kaffee des Sudans genannt, mit
der Bitte um Prüfung der Verwertungsfrage. Die Eingeborenen Togos
stellen aus den Samen von Parkia africana Dauadauakuchen her.
deren Zubereitung Hauptmann von Döring') beschrieben hat.
Nach S. Pas sarge 2) ist die Parkia africana oder P. higlobosa,
zur Familie der Leguminosen gehörig, ein breitästiger Baum mit akazien-
ähnlichen Blättern und prachtvollen pfirsichgroßen blutroten Blütenkugeln,
der nach E. Gilg^) in Kamerun im Laubbusch und in der Savanne
vorkommt. Der Baum soll in den weiten Steppengebieten Togos sehr
verbreitet sein, und Togo könnte schon jetzt beträchtliche Mengen von
Samen der Parkia africana ausführen, wenn derselbe eine Verwertung
im Weltmarkt finden würde.
Da bei der Verfütterung von Trockenkartoffeln die Mastfütterung
der Ergänzung billiger eiweiß- und fettreicher Futtermittel bedarf, ist
jede in den deutschen Kolonien vorkommende fett- und eiweißhaltige
Pflanze der Prüfung beachtenswert. Ich bat deshalb den Leiter der
landwirtschaftlichen Versuchsstation der Landwirtschaftskammer für
die Provinz Westfalen, Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. König
in Münster, um Prüfung des Samens der Parkia africana.^)
Der Same der Parkia africana aus Togo wurde von mir zunächst
auf seinen Gehalt an Alkaloiden, besonders Coffein und ätherischen
Ölen untersucht. Der Same enthielt weder Alkaloide noch ätherische
Öle, wohl aber war er fettreich und eiweißhaltig. Versuchsweise wurde
aus dem Samen ein Mehl mit ca. 20°/o Fettgehalt hergestellt, womit
Fütterungsversuche gemacht werden sollen.
1) Amtsblatt von Togo 1907, S. 7 und 8.
2) S. Passarge, Adamaua, S. 810.
3) Übersicht über die auf der deutschen Kamerunexpedition gesammelten
Pflanzen, in S. Passarge, Adamaua, S. 'AÜ.
4) Vgl. Amtsblatt für das Schutzgebiet von Togo, 1907. No. 19.
Die Verwertung der Samen von Parkia africana. 101
E)ie Darstellung der Dauadauakiiohen zeigt, daß die Eingeborenen
die Bereitung eines vegetabilischen käseartigen Nahrungsmittels be-
zweckten, was ihnen mit primitiven Mitteln in mancher Hinsicht ge-
lungen ist.
Als von fett- und eiweißhefernden Pflanzen stammend, kommen in
unseren Kolonien in Frage u. a. die Produkte von Erdnuß, Sesam, Öl- und
Kokospalme und — bei der hoffentlich schnell fortschreitenden Entwickelung
der deutschen Baumwollkultur, deren Nebenprodukte Baumwollsaatkuchen
und Cottonöl sind, — Baumwollsaat, deren Ausnützung wesentlich die
Rentabilität der Baumwollkultur im Wettbewerb mit der amerikanischen
herbeiführen kann. Im Interesse der landwirtschaftlichen Viehhaltung
und der billigeren Fleisch- und Milcherzeugung dürfte es liegen, wenn
die eiweiß- und fetthaltigen Pflanzen und die daraus zubereiteten Futter-
mittel und Fette zu ermäßigten Zollsätzen — besser noch zollfrei — aus
deutschen Kolonien eingeführt werden könnten.
102
T. -lohnson.
Elektrische Samenprüfung.
Von
T. Johnson, Royal College of Science, Dublin.
In einem im Jahre 1901 vor der Royal Society gehaltenen Vor-
trage „An attempt to estimate the vitality of seeds by the Electrical
Method" ') hat Dr. A. D. Waller über eine Reihe von ihm ausgeführter
Untersuchungen Bericht erstattet. Der Zweck dieser Untersuchungen,
bei denen in der Hauptsache Phaseolus-Samen verwendet wurden, war
festzustellen, ob der von M'aller (im Augapfel des Frosches) entdecl<te
Flammstrom („Blaze Current")^) sich gebrauchen liesse zum Nachweis
der Lebendigkeit und des Maßes, in dem diese im Samen vorhanden sei.
Die 1901 in den Annais of Botany XV über diesen Vortrag gebrachte
Notiz hat mich veranlalU, die Sache weiter zu verfolgen. Im Herbst
1906 wohnte ich einer Vorlesung von Dr. Waller bei, in welcher er
über die Lebendigkeit von Protoplasma jeglicher Art sprach. Mangel an
Zeit verhinderten zwar den Vortragenden, Mitteilungen über Samen
zu machen; dennoch habe ich damals die Überzeugung gewonnen, daß
sich der Flammstrom unter Umständen zur Samenprüfung wohl ver-
wenden lassen könne.
») Proceedings of the Royal Society of London. Vol. LXVIII. (Die Figuren
1 und 2 habe ich dieser Arbeit entnommen. Die Abbildungen sind mir von
Herrn Dr. Waller gütigst überlassen worden.)
Ferner :
A. D. Waller: The Signs of life from their electrical aspect. 175pp.
with 68 figures in the text. London (John Murray, Albemarle Street) 1903.
Dasselbe, übersetzt von E., P. und R. du Bois-Reymond, als „Die
Kennzeichen des Lebens vom Staudpunkte elektrischer Untersuchung". 22S S.
mit 68 Fig. Berlin (August Hirschwald) 1905.
(Die Figuren 3 und 4 meiner Abhandlung stammen aus diesem Buche.)
2) Zu der Bezeichnung „Flammstrom" bemerken die Übersetzer E., P.
und R. du Bois-Reymond 1. c. p. 33: „Flammstrom" ist eine Verdeutschung
von „Blazecurrent", zu der sich die Übersetzer wohl oder übel genötigt sahen.
Es soll damit in erster Linie ein solcher Strom bezeichnet werden, der plötzlich
„aufflammt". Der deu.tsche Ausdruck muß also von dem Zeitwort „flammen",
nicht vom Hauptwort „Flamme" abgeleitet werden. In zweiter Linie soll . . .
auf die Verbrennungsvorgänge des lebenden Gewebes angespielt werden.
(Brick.)
Elektrische Samenprüfung. 103
Durch die mir seitens des Department of Agriculture von Irland
und des Herrn Dr. Waller gütigst gewährte Unterstützung war es
mir möglich, im Dezember 1906 die Sache einer eingehenden praktischen
Probe auf ihre Verwendbarkeit hin zu unterziehen.
Als Dr. Waller meine Samensammlung erblickte, zweifelte er,
■daß etwas damit zu erzielen sei, weil seiner Ansicht nach die von mir
gewählten Samen zu klein, zu hart und zu widerstandsfähig seien. Auf
Zureden seiner gelehrten Frau jedoch gingen wir an den Versuch,
und wir haben einige Tage lang zusammen alle drei von früh bis spät
mit Erfolg gearbeitet.
Wie wohl bekannt, werden zwei wichtige Einwände gegen die
gebräuchliche Samenprüfung gemacht und zwar: 1. die für einen aus-
führlichen Bericht erforderliche lange Zeitdauer — im Mittel 10 bis 21 Tage
— und 2. der häufige Mangel an Übereinstimmung in den Berichten
der verschiedenen Versuchsstationen über Samenproben, die von derselben
AVare entnommen wurden, z. B. bei Poa-Arten.
Zeitdauer der elektrischen Prüfung.
Meine Erfahrung lehrt, daß die elektrische Prüfung bei Hafer,
der bei dem gewöhnlichen Verfahren 10 Tage erfordert, in 24 Stunden
vollkommen Aufschluß gibt. Bei Samen von Poa-Arten, deren Keimungs-
prüfung gewöhnlich 28 — 35 Tage in Anspruch nimmt, ist auf elek-
trischem Wege ein Resultat in 8 Tagen zu erzielen. In demselben
Verhältnis würde auch eine kürzere Zeitdauer der Prüfung anderer
Samenarten, wie z. B. Linum, Trifolium, Brassica, Lolium, Dacfylis,
Phleiim, eintreten. Das Verfahren zeigte sich auch anwendbar für die
kleinsten Samensorten, die an die Untersuchungsstationen zur Prüfung
gelangen. ■ ■ .,, ,-
Zuverlässigkeit des elektrischen Verfahrens.
Der Behauptung, daß die gewöhnliche Methode der Samenprüfung
für die meisten Samensorten nicht zuverlässig genug sei, kann ich
nicht zustimmen, obwohl ich zugeben muß, daß mitunter ungleiche
Resultate erzielt werden. Ich habe das elektrische Verfahren durch
die gewöhnliche Prüfung kontrolliert und umgekehrt. Dies hat auch
E)r. Waller früher mit Phaseolus getan. Jetzt bin ich in der Lage,
mit Bestimmtheit sagen zu können, daß das, elektrische Verfahren ganz
zuverlässig ist. Daß es die alte Methode ersetzen wird, wage ich noch
nicht zu behaupten, wohl aber, daß das alte Verfahren durch die elek-
trische Prüfung ergänzt werden kann. Das Verfahren ist noch zu neu,
1Q4 T. Johnson.
und es wird viel Arbeit erfordern, um bestimmte Normen und die Be-
dingungen für die Untersuchung der Keimfälligkeit der verschiedenen
Samenarten festzustellen.
Heute können wir jedoch schon sagen:
1. Der Samen, der unter günstigen Verhältnissen keinen Flamni-
strom zeigt, ist tot oder nicht keimfähig.
2. Ein Samen, der einen Flammstrom gibt, ist lebendig.
3. Je größer der Flammstrom, desto höher ist die in dem Samen
vorhandene Lebendigkeit.
Ein Strom von 0,0001 Volt bedeutet, daß der Samen, obwohl noch
lebendig, nicht keimfähig ist. Dieses hängt natürlich von der Größe des
Samens ab. 0,001 Volt zeigt in den meisten Fällen an, daß der Samen
nur geringe Keimfähigkeit besitzt. Steigt der Strom bis zu einer
Stärke von 0,05 Volt, so ist das ein Zeichen von bedeutender Keim-
fähigkeit.
Einwände gegen das elektrische Verfahren.
1. Ein ruhender trockener Samen, obschon er vielleicht keimfähig-
ist, gibt keinen Flamrastrom. Jeder Samen soll vor der elektrischen
Untersuchung eine Zeitlang — zumeist einige Stunden — bei 20 — 25" C
feucht liegen. Dies ist durchaus notwendig.
2. Es kann jeweils nur ein einzelner Samen untersucht,
werden. Das ist natürlich zeitraubend. Während die für die voll-
kommene Untersuchung erforderliche Zeit eine viel kürzere ist als bei.
der gewöhnlichen Methode, muß bei der elektrischen Prüfung mehr Zeit
auf die von den Assistenten zu verrichtende Arbeit verwandt werden.
3. Die Assistenten müssen besonders eingeschult sein. Daher
wird das neue Verfahren wohl kostspieliger als das jetzige sein.
Überzeugt bin ich, daß die beiden gegen die Samenprüfung obeiii
angeführten Einwände durch das neue Verfahren beseitigt sind.
Der Untersuchungsapparat.
Der Untersuchungsapparat (Fig. 1) ist folgendermaßen zusammen-^
gesetzt:
1. Der Reizapparat besteht aus zwei Leclanchezellen in Verbindung
mit einer sekundären Rolle (Du Bois Reymond-Typus).
2. Der Kempen sator, ein graduierter Widerstandskasten, der
von einem Leclanche gespeist wird.
3. Das Galvanometer, das empfindlich genug sein muß, um
auf einer durchsichtigen Skala einen durch eine Spannung von 0,0001 Volt
verursachten Ausschlag von 1 cm zu zeigen.
Elektrische Samenprüfung.
105
5\,
Compens&Öor
ExciCor
GciLvAnomeCei^
Object of
E.xdLminat^ion
Fig. 1.
4. Unpolarisierbare Elektroden (Fig. lu.2 AB, DuBoisReymoncl-
Typiis). Sie bestellen aus zwei Glasröhren, die mit einer übersättigten
Lösung von Zinksulfat gefüllt sind und in deren jeder ein amalgamierter
Zinkstab steht. Die Röhren sind mit feuchtem, mehr oder weniger zu-
gespitzten Kaolin geschlossen.
Positive Ne^Cive
Positive
A/e^<xCive
B^is. 2.
5. Ein Schaltbrett mit Schlüsseln zur beliebigen Änderung des
Stromkreises.
6. In der Normalkreisanordnung sind Schlüssel eingeschaltet, durch
welche die Reiz- und Kompensatorströme in ihrer Richtung umgekehrt
werden können.
' Das Untersuchungsverfahren.
Der Samen, z. B. ein Haferkorn, wird 24 Stunden lang bei 20° C
feucht gehalten. Er wird dann quer durchschnitten und das Keimende
in bestimmter Richtung zwischen die Elektroden gelegt. Die in Ver-
bindung mit Kompensator und Objekt stehenden Schlüssel des Sehalt-
bretts sind offen, die Schlüssel zur sekundären Rolle und zum Galvano-
meter sind geschlossen. Man drückt den Schlüssel nieder {k in Fig. 1)
und erzeugt so den Reizstrom, der aber verschwindet, weil der Schlüssel
106
T. Jobiiöon.
zur Rolle im Schaltbrett geschlossen ist. Dieser Schlüssel wird dann
geöffnet, der Strom bei k wird unterbrochen, so daß ein einzelner In-
duktionsstrom durch das Objekt geht. Der Galvanometerschlüssel wird
geöffnet und, falls das Objekt lebendig ist, gibt es einen Flammstrom,
dessen Wert durch die Größe und Richtung des Ausschlages auf der
Skala gemessen werden kann. Durch den Kompensator wird dann der
Lichttleck wieder zum Nullpunkt auf der Skala zurückgebracht. Die
Schlüssel im Schaltbrett werden wie am Anfang des Verfahrens ein-
gestellt und nach Umschaltung des Stromwenders nach links wird mit
Hilfe des Stromwählers {U\ ein einzelner (unterbrochener) Schlag („break")
durch das Objekt in der umgekehrten Richtung geschickt. Wie im
iU'sten Fall sieht man das Resultat des Schlages auf der Skala.
Ist der Samen lebendig, so gibt
ein -[" Reizstrom einen + oder — Flammstrom.
» 11 » " I "
Ist der Samen tot, so gibt
ein -\- Reizstrom nur einen — Strom
-1
-I
Ir™
l öLnCidrome
L
l homodrome
1 anöidrome
r
L
Response of
llvtng Organ.
Fi;?. 3
Polarisation
currents of
dead orgaii.
■0050
/39 /9Ö /97 /9e /9b Year
Fi"-. 4.
Ein toter Samen gibt also keinen Flammstrom, sondern einen
Polarisationsstrom, der klein ist, schnell verschwindet und in umge-
kehrter Richtung geht (Fig. 3).
Ich habe oft die Zuverlässigkeit dieses Verfahrens geprüft. Man
schickt einen einzelnen Schlag durch einen lebendigen Samen und beob-
Elektrische Samenprüfung. \()]
achtet einen Flammstrom als Antwort; dann tötet man den Samen durch
Tetanisierung, probiert wieder und sieht, daß jetzt der Samen den
Tetanisierungsstrom des toten Materials zeigt.
Die Fig. 4 zeigt den Wert des Flammstroms bei Samen derselben
Art aus den Jahren 1895 — 1899, also von verschiedenem Alter, die
im Jahre 1900 untersucht wurden.
Es folgen hier eine ausgewählte Reihe von Versuchen mit verschie-
denen Samenarten und die Erfolge ihrer Prüfung. Einige Samen sind
wiederholt probiert w^orden. Die wiedergegebenen Resultate sind typisch.
Lein oder Flachs {Limim usitaiissimiiyn) wurde zunächst
benutzt.
1. Die Samen wurden 20 Stunden im Wärmeschrank bei 20° C
feucht gehalten. Normale Keimkraft 99 "/q-
Ruhe- oder Verletzungsstrom') E. S -)- -) E. S — ^)
— 0,018 + 0,016 H- 0,003
— 0,021 +0,02 4-0,004
— 0,006 +0,003 +0,001
Samen desselben Musters nach nur 4 stündigem Aufenthalt im
Wärmeschrank gaben keinen Flammstrom.
2. Ein anderes Muster zeigte nur 37°/o normale Keimkraft,
d. h. 2 von je 5 Samen. Vor der Prüfung blieben die Samen 18 Stunden
im Wärmeschrank bei 20'' C.
V. S. E. S. + ■ E. S. —
a) —0,0016 +0,001 ' +0,0007 '' " +
b) +0,003 +0,0012 +0,0012
c) + 0,0013 — 0,0001 + 0,00005
d) —0,0003 -0,0001. "• +0,0002
e) +0,0015 —0,0005 +0.0001
Diese Tabelle ist eine genaue Kopie meines Arbeitsbuches. Sie
zeigt, daß nur a und h, die einen Flammstrora von 0,0010 gaben, keim-
fähig sind, und daß c, (^ und e, die nur Polarisationsströme gaben, tot
sind, d. h. 2:5. Die elektrische Prüfung stim.mt also mit der nor-
malen Prüfung überein.
3. Es wurden Leinsamen benutzt, die im Rottungsteich gewiesen
und dabei („water-logged") sich „voll Wasser" gesogen hatten. Na-
türlich sind solche Samen meistens tot; nur 2°/o zeigten sich bei der
gewöhnlichen Keimprüfung lebendig. Das Resultat der elektrischen Prüfung
nach 20stündigem Aufenthalt im Wärmeschrank bei 20*^ C war:-
') V. S. nach Abschälen, Anschneiden usw.
2) E. S -|- = Einzelner Reizstrom in + Richtung.
3) E. S — = Einzelner Reizstrom in — Richtiing.
108 T. Johnson.
V. S. E. S. -h E. S. —
0 bis 0,0001 —0.00005 +0,00002
Der Samen gibt also nur schwache Polarisationsströme und ist
tot. Sein Widerstand, durch den Kompensator gemessen, ist auch
gering; ein lebendiger Samen bietet mehr Widerstand als ein toter Samen.
4. Leinsamen, die 24 Stunden im Wärmeschrank bei 20*^ C ge-
halten worden waren, wurden abgeschält, die Spitze der ^^'urzel ab-
geschnitten und der Keim dann quer durchschnitten. Jede Hälfte des
Keimes wurde sodann geprüft.
a) Unteres Wurzelende des Keimes
V. S. E. S. — E. S. +
— 0,004 — 0,007 — 0,002
b) Oberes Kotyledonende des Keimes
V. S. E. S. — E. S. -f
— 0,004 — 0,002 4- 0,0008
Von einer Probe guter Leinsaat zeigen nach 36 Stunden l)ei
20 — 24° C im Wärmeschrank beinahe alle Samen den Anfang der
Keimung. Einige nicht keimende und vielleicht keimungsunfähige Samen
einer solchen Probe zeigten folgendes Resultat:
a) V. S. E. S. + E. S. —
0,006 —0,0002 —0,0001
Dieser Samen ist augenscheinlich nur schwach lebendig; am besten
bezeichnet man ihn als Zauderer (laggard).
b) V. S. E. S. — E. S. + .
0,002 + 0,0007 — 0,0002
Hier ist der Samen tot und gibt nur Polarisationsströme,
c) V. S. E. S. — E. S. +
0,004 — 0,007 + 0,001
Es ist auch ein Zauderer, wie unter a.
Englisches Raigras (Lolium perenne) wurde 5 Tage im Wärme-
schrank bei 20° C gehalten.
V. S. E. S. — E. S. +
+ 0,02 — 0,015 + 0,005
E»ie weitere Prüfung dieser Art wird vorgenommen werden.
Rotkleesamen (Trifolium pratense) mit einer Keimkraft von
91°/o zeigte einen Plammstrom von einer SJärke von 0,015 bis 0,0002 Volt.
Diese Samen wurden nach allen Richtungen und in allen Teilen hin
geprüft, z. B. durchschnitten, angeschnitten, die Wurzel und die Kotyle-
donen allein. Einige solcher Samen wurden auch gekocht und dann
untersucht, gaben aber keinen oder nur einen ganz schwachen Flammstrom.
V. S.
1.
-f 0,005
2.
0,0007
3.
+ 0,0002
Elektrische SamenprüfuDg. ' 1Q9
Die elektrische Prüfung ist besonders anwendbar, glaube ich, für
die sogenannten ,,harten" Samen.
Kohlrll bensamen {Brassica Rapa) mit 85 ^/o Keimkraft, die
22 Stunden bei 20° C im Wärmeschrank gewesen waren, gaben folgende
Resultate:
E. S. — E. S. +
— 0,0035 — 0,002
0 —0,0001
+ 0,002 ■ + 0,0009
Nummer 2 ist nicht keimfähig und zweifellos tot.
Timothee (PJdeum pratense), 92°/o keimfähig, gab nach 24 Stunden
Aufenthalt im Wärmeschrank einen klaren Flammstrom. Gewöhnlich
war wegen der Kleinheit der Früchte sein Wert nur 0,0001 Volt;
einigemal erreichte er jedoch 0,0007 Volt.
Gemeines Rispengras (Poa trivialis), 62°/o keimfähig, gab
nach 7 tägigem Liegen im Wärmeschrank einen Flammstrom vom Werte
0,0005 Volt; es war durch Tetanisieren zerstört.
Hafer {Avena sativa) zeigte ein sehr interessantes Verhalten.
Die nachfolgende Tabelle gibt die Resultate der Untersuchung von
20 Früchten, die vor der Prüfung 18 — 24 Stunden im Wärmeschrank bei
20° C feucht gehalten worden waren. Die Probe hatte eine Keim-
kraft von 90°/o und eine Keimenergie von 73°/o. Wenn man 0,001 Volt
als Zeichen der Keimfähigkeit annimmt, so kann man leicht feststellen,
wie gut die Resultate der beiden Methoden der Keimprüfung überein-
stimmen. Die Resultate stehen in der Tabelle, wie sie erhalten worden
sind, und wurden nicht ausgewählt.
V. S.
E. S. —
E. S. +
1.
— 0,009
+ 0,0035
■ + 0,001
2.
— 0,0038
-f 0,001
-')
3.
— 0,0025
+ 0,001
— 0,0007
4.
—
+ 0,005
— 0,0007
5.
— 0,0046
. + 0,002
+ 0,0015
6.
— 0,02
+ 0.01
+ 0,005
7.
— 0,026
. + 6
+ 4^)
8.^^
= —0,009
+ 0,001
— 0,001
9.
— 0,018
■ -1-0,015
+ 0,003
10.
— 0,016
-h 0,0013
+ 0,001
11.
— 0,017
+ 0,01
+ 0,003
1) Der Schlag fehlte, weil die Rolle nicht funktionierte.
2 Wert des Ausschlages in Volt nicht gemessen.
110
T. .Johnson.
V. S.
E. S. -
E. S. +
12.
- 0,008
+ 0,003
4- 0,0007
i;-3*— 0,002
+ 0,0007
0
14.
— 0,015
+ 0,002
-i- 0,0008
1.5.
— 0,014
+ 0,007
+ 0,0003
16.
- 0,013
+ 0,0042
+ 0,002
17.
— 0,013
+ 0,0028
-1- 0,0007
18.
+ 0,006
-f 0,0022
+ 0,003
19.
- 0,003
-1- 0,002
-f 0,0007
20.
— 0,013
-0,001
- 0,0007
Zwei Früchte, 8 und 13, sind tot; es sind 18 von 20 oder 90^/o
keimfähig. Um den Widerstand des Kornes zu vermindern habe ich
bei den obigen Versuchen das Korn quer durchschnitten und nur die
untere den Keim enthaltende Keimhälfte probiert. Die obere Hälfte gab nach
20 stündigem Verweilen im Wärmeschrank keinen klaren Flammstrom.
Bei einem weiteren Versuche wurde Hafer drei Tage feucht und
bei 20*^ C aufbewahrt und dann geprüft. Nach Ablauf der drei Tage
hatten die lebenden Haferkörner gekeimt und drei Wurzeln entwickelt;
das Endosperm war ziemlich weich. Ein solches Korn wurde durch-
schnitten, und beide Hälften wurden geprüft. Interessant ist es, daß
auch die obere nur Endosperm enthaltende Hälfte einen Flammstrom
gibt. Hoffentlich wird es durch diese elektrische Methode möglich sein^
zu entscheiden, ob, wie Purie witsch behauptet, jede Endospermzelle
lebendig und selbstverdaulich ist, oder ob, wie Brown und Escombe
annehmen, das 'Leben des Endosperms in der Kleberschicht allein liegt.
Darüber habe ich viele Versuche gemacht, und ich, hoffe bald zu ihrer
Veröffentlichung zu kommen.
In der folgenden Tabelle sind die Körner in der Reihenfolge der
Untersuchungen aufgeführt. Es bedeutet K die Keimhälfte des Kornes,
E die Endospermhälfte. Der Hafer wurde drei Tage lang bei 20° C
feucht gehalten.
V. s.
1. E
— 0,0064
2. E
— 0,004
3. K')
- 0,0035
4. E
— 0.015
5. E
- 0,005
6. K
+ 0,015
7. E
- 0,003
1^ Eine \Vi
irzel
E. S. —
E. S. 4-
-1- 0,001
+ 0,0005
+ 0,0007
4- 0,0004
— 0,001
4- 0,0002
+ 0,006
+ 0,003
+ 0,004
4- 0,0009
— 0,0035
— 0,005
+ 0,0006
0
Elektrische Samenpiüfung. Hl
V. S.
E. V. —
E. V. -f
8.
E
+ 0,0005
0
— 0,0001
9.
E
— 0,0015
+ 0,00016
— 0,0002
10.
E
— 0,0006
+ 0,0009
+ 0,0003
11.
E
+ 0,0013
4- 0,0012
+ 0,0001
12.
E
— 0,004
+ 0,001
+ 0,001
13.
K
- 0,001
+ 0,012
+ 0,002
Um sicher zu sein, daß die elektrische Methode wirklich bei der
Samenprüfung anwendbar ist, wurde das folgende Experiment ausge-
iührt. Haferkörner die 36 Stunden bei 20" C im Wärmeschrank gewesen
waren, wurden durchschnitten und dann in Beziehung zur Keimhälfte
geprüft. Frau Dr. Waller und ich haben die ersten Untersuchungen
{a in der Tabelle) gemacht, und Herr Dr. Waller hat dann bald darauf
in einem anderen Laboratorium, ganz selbständig von uns dieselben
Früchte mit einem anderen Apparate probiert und die Resultate [h in
der Tabelle) niedergeschrieben. Die Übereinstimmung ist allgemein.
Gewöhnlich ist der erste Schlag der wichtigste und der zweite zu ver-
nachlässigen. Hier haben wir vier Schläge zum Vergleich. In beiden
Versuchsreihen wurde gefunden, daß der Samen 4 tot oder fast tot ist.
V.
S.
E.
s. —
E. S.
+
a)
b)
a)
b)
a)
b)
1.
— 0,013
— 0,015
+ 0,0045
+ 0,0068
+ 0,002
+ 0,0026
2.
— 0,005
— 0,003
+ 0,004
+ 0,003
+ 0,007
+ 0,005
3.
— 0,016
— 0,011
-I- 0,006
+ 0,013
+ 0,011
+ 0,001
4.
+ 0,0005
0
+ 0,0002
+ 0,001
+ 0,0001
~ 0,0005
5.
— 0,012
— 0,0104
+ 0,0038
+ 0,011
+ 0,003
+ 0,002
6.
— 0,01
— 0,009
+ 0,003
+ 0,007
+ 0,006
+ 0,004
7.
— 0,015
— 0,009
+ 0,004
+ 0,005
+ 0,002
+ 0,001
S.
— 0,023
— 0,018
H- 0,004
+ 0,016
+ 0,002
+ 0,006
9.
— 0,011
— 0.006
+ 0,009
+ 0,002
+ 0,0004
— 0,0007
.0.
— 0,028
— 0,019
+ 0,012
+ 0,03
+ 0,008
+ 0,08
9 von 10 sind also lebendig und w^ahrscheinlich keimfähig. Die
Resultate von beiden Versuchsreihen stimmen miteinander und mit
denen des gewöhnlichen Verfahrens überein.
Weizen (Triticum vulgare). Im Jahre 1848 nach der Hungersnot,
die in Irland im Jahre 1845 begann, hatte ein Geizhals viel Weizen
in Ähren aufbew^ahrt in der Hoffnung, durch seinen Verkauf bei der
nächsten Hungersnot reich zu werden. Der Bauer ist in diesem Jahre
gestorben. Ein Teil dieser Weizenkörner wurde mir zwecks Bericht
über ihre Lebendigkeit zugeschickt. Die Körner sahen normal aus, hatten
eine gute Farbe und quollen, in Wasser getaucht, bald auf. Schneidet
man das Korn indessen durch, so zeigt sich der Keim braun, verschrumpft
112 ^^- Johnson.
und verfärbt. Ich habe mehrere Körner im Koimapparat und elektrisch
probiert und zwar zusammen mit gesunden Körnern als „Kontrolle".
Die „1848"-Körner ergaben nach mehreren Tagen im Keimapparate kein
Zeichen des Lebens. Die gesunden Körner haben natürlich gut gekeimt.
Ich habe die Wurzel eines dieser letztgenannten Keime elektrisch ge-
prüft und als Resultat bekommen: Widerstand groß; einzelner -j- Schlag
verursacht einen Flammstrom vom Werte 0,01 Volt, derselbe in — Rich-
tung einen Plammstrom von 0,002 Volt; der zweite Schlag folgte schnell
dem ersten. Nach kurzem Tetanisieren wurde der Flammstrom beim
einzelnen Schlag stärker; langes Tetanisieren hat die Wurzel getötet
und der Flammstrom ist ganz verschwunden.
Einige ,,1848"- Weizenkörner sind unter denselben Bedingungen
zur Keimung 24 — 72 Stunden angesetzt worden und dann untersucht:
Der Widerstand der unteren Hälfte eines solchen Kornes ist
gering; im Vergleich mit dem einer Wurzel eines gesunden Kornes wii-
1 : 40. Bei der elektrischen Prüfung zeigte das Korn nur Polarisations-
ströme vom Werte + 0,0002. Das Korn ist daher tot.
Meine Absicht ist jetzt, eine bequeme Methode aufzufinden, bei
der 20 oder mehr Samen schnell nacheinander geprüft \v erden können.
Dann wird die elektrische Methode ein brauchbarer Teil des Apparates
einer jeden Samenprüfungsstation werden.
Die Wirkung des ychwefelkohlenstoffs auf den Boden. II3
Über die Wirkung des Schwefell<ohlenstoffs und
ähnlicher Stoffe auf den Boden.
Von
Di\ K. Störmer, Halle a. S.
Da ich annehmen konnte, daß die Schwefelkohlenstofffrage für
die Vertreter der angewandten Botanik von besonderem Interesse sein
würde, habe ich mir erlaubt, gerade diesen Gegenstand zu einem Vor-
trag zu wählen. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr eingehend
mit dieser Frage beschäftigt und glaube dabei zu Ergebnissen gelangt zu
sein, die sie in ein helleres Licht rücken, nach meiner Ansicht sogar
mindestens eine Lösung enthalten. Ich darf voraussetzen, da(i die
bisher in dieser Richtung festgestellten Tatsachen bekannt sind,
und kann daher ganz kurz darauf verweisen, daß man schon in den
80er Jahren begann, den Schwefelkohlenstoff im Kampfe gegen die
Reblaus zu benützen. Dabei beobachtete man seine merkwürdige ertrag-
steigernde Wirkung, und sowohl von deutscher wie französischer Seite
erfolgten hierüber sehr bald die ersten Veröffentlichungen. Besonders ver-
tieft wurde das Problem durch Oberlin, der schon 1888 die größere
Fruchtbarkeit des mit Schwefelkohlenstoff behandelten Bodens beschrieb
und 1894 in seiner interessanten Schrift: ,, Bodenmüdigkeit und Schwefel-
kohlenstoff" daraufhinwies, daß durch eine Schwefelkohlenstoff-Behandlung
Bodenmüdigkeitserscheinungen beseitigt Averden können. Gleich hier sei
aber betont, daß die ertragsteigernde Wirkung des Schwefel-
kohlenstoffs sich durchaus nicht etwa nur in müden Böden
äußert, sondern bisher auf jeder Bodenart und bei jeder
nachgebauten Pflanze mit gleicher Deutlichkeit eingetreten ist.
Bevor ich in die Erörterung der Ursachen dieser Ertragsteigerung
eintrete, möchte ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß die Ertrag-
steigerung, wie sie Schwefelkohlenstoff bei Einbringung in den Boden hervor-
ruft, von jedem an sich den Pflanzen schädlichen Giftstoff hervorgerufen
wird, wenn er einige Zeit vor dem Anbau von Pflanzen in den
Boden eingebracht wird und bei ihrem Anbau wieder daraus ver-
schwunden ist. Die ältesten Versuche hierzu finden sich in den alten
Rauchschädengutachten von Freytag, Schroeder usw., zum Teil
schon aus den 70 er Jahren. Man fand namentlich dann deutliche
Jahresbericht der Vereinigung für nngewandte Botanik V. g
114: 1^- 'Störmer.
Ertragsteigeriingen, Avenn die in Betracht kuminenden Giftstoffe, wie
arsenige Säure, giftige Metalloxyde in kleinen Mengen verwendet
wurden. Die damaligen Beobachter legten natürlich auf diese Ergeb-
nisse noch wenig Gewicht, obgleich sie ihrem Scharfblick nicht ent-
gangen sind. Wohl in den 90 er Jahren beobachteten dann Nobbe
und Miltner nach privater Mitteilung eine ertragfördernde Wirkung
der arsenigen Säure bei Anwendung im Boden, im Gegensatz zu der
stark schädlichen Wirkung dieses Giftes in der Wasserkultur. 1900
begannen dann in Tharandt Versuche, an denen ich beteiligt war. über
die Wirkung einer Reihe von Giftstoffen auf den Boden, und es zeigte
sich dabei, daß sämtliche geprüften Stoffe, nämlich Schwefelkohlen-
stoff, Chloroform, Benzol, Äther, Wasserstoffsuperoxyd, unzweifelhafte
Ertragsteigerungen herbeiführten. Endlich habe ich selbst im letzten
Jahre eine große Reihe von Stoffen im Vegetationsversuch geprüft, und
es ergab sich dabei, daß bei Anwendung im Herbst folgende Körper im
nächsten Jahre folgende Trockensubstanzernten hervorbrachten, wenn
man Unbehandelt = 100 setzt:
Schwefelkohlenstoff 133.2 u. 160.9
Tetrachlorkohlenstoff 120.2
Chloroform 187.4
Benzol 136.0
Toluol 210.4
Xylol 121.1
Es haben demnach nur p-Kresol, Alkohol und Äther noch keine
Ertragsteigerung hervorgerufen, doch sind diese Stoffe nicht etwa in-
different oder nur schädhch, sondern sie werden entweder, wie p-Kresol,
langsamer aufgearbeitet, so daß ihre ortragsteigernde Wirkung erst
später hervortreten kann, oder es handelt sich, wie bei Äther und Al-
kohol, um sekundäre Reaktionen, die das Ergebnis verdunkeln. In
Tharandt z. B. wirkte Äther vorzüglich ertragsteigernd.
Nach all diesen Ergebnissen steht es fest, daß Giftstoffe, die bei
direkter Einwirkung auf Pflanzen, z. B. in W^asserkulturen, den so-
fortigen Tod oder die schwersten Schädigungen hervorrufen würden,
dann ertragsteigernd wirken, wenn man sie einige Zeit vor dem An-
bau in den lebenden, d. h. nicht sterilisierten Ackerboden einbringt.
Ich mache noch besonders darauf aufmerksam, daß es sich dabei zum
Teil um Stoffe handelt, wie etwa Karbolsäure oder die Kresole, die
nicht wieder gasförmig aus dem Boden verschwinden oder ausge-
waschen werden, denn bei meinen Versuchen handelt es sich um
Kulturen in geschlossenen Töpfen. Es bleibt also nur der Schluß, daß
die nicht verdunstenden Stoffe durch Festlegung oder Zersetzung un-
Phenol
146.0
o-Kresol
170.1
m-Kresol
171.3
p-Kresol
97.7
Alkohol
93.1
Äther
94.2
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. 115
schädlich gemacht werden, und das trifft in der Tat auch zu. So
sonderbar es klingen mag, es ist eine leicht zu erweisende Tatsache,
daß solche Stoffe, wie Karbolsäure, Kresol, T oluol, Xylol von
Bakterien und Streptothrix-Arten als ausschließliche Kohlen-
stoffquelle zur Ernährung benutzt werden können. Zum Beweise
kann ich eine Reihe von Kulturen vorlegen, bei denen die genannten
Stoffe als einzige Kohlenstoffquelle neben ausschließhchen Mineralstoffen —
Stickstoff als Ammonsalz gegeben — das Wachstum der Bakterienrein- und
Rohkulturen ermöglicht haben, wie die klar gebliebenen Vergleichskulturen
ohne die genannten Stoffe bew^eisen (Demonstration). Hier liegt wieder einmal
ein schöner Beweis für die unvergleichliche Vielseitigkeit der Bakterien vor,
denen Stoffe, die fiir höhere Pflanzen und für alle Tiere die stärksten Gifte
sind, als zusagende Nahrung zu dienen vermögen. Natürlich kommt es
darauf an, daß die Konzentration der Gifte eine geringe ist und daß
eine eventuelle Säurewirkung abgestumpft wird. Aber welche be-
deutenden Mengen trotzdem noch in den Boden eingeführt werden
können, ohne seine Ertragfähigkeit auch nur relativ kurze Zeit nachher
wesentlich herabzudrücken, möge ein in Halle ausgeführter Versuch be-
weisen, bei dem die Menge von 100 g Karbolsäure, resp, Rohkresol
pro 1 qm, im Mai gegeben, den 4 Wochen später angebauten Senf
überhaupt nicht in der Ernte herabdrückte. Und bei meinen Topf-
versuchen mit Ertragerhöhung durch Karbolsäure und Kresole traf auf
1 kg Boden 1,25 g dos Giftes, in 5°/oiger Lösung gegeben.
Solche Stoffe wie Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff, Chloro-
form, Benzol u. a. vermögen hingegen den Bakterien nicht als Nahrung zu
dienen; da sie aber trotzdem und gerade besonders stark die Ertragsteigerung
hervorrufen, ist damit der Beweis geführt, daß die Ertragsteigerung
nicht davon abhängt, ob ein Giftstoff -den Bakterien als Nahrung
dienen kann oder nicht. Besonders beweisend ist in dieser Beziehung
der vollkommen oxydierte und daher als Energiequelle unmögliche
Tetrachlorkohlenstoff. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch darauf
hinweisen, daß es ganz von der chemischen Konfiguration abhängt, ob
ein organischer Stoff als Nährstoff quelle dienen kann. Der Benzolring
scheint direkt nur schwer angegriffen zu werden, dagegen ist seine Auf-
spaltung anscheinend leicht, wenn ihnMethyl- oder Hydroxylgruppen belasten.
Die Kohlenwasserstoffe der aliphatischen Reihe müßten dementsprechend
leicht angreifbar sein, und in der Tat sind Methan, Äthan, Äthylen usw. gute
Energiestoffe für gewisse Bakterienarten; ja selbst das hochmolekulare
Paraffin widersteht bekanntlich nicht den Mikroben. Dementsprechend ist
auch Leuchtgas eine Energiequelle für viele Bakterien, unter anderen
für Bacierium oÜgocarbophüum Beij. . Eine mit Leuchtgas ernährte Rein-
8*
IIQ K. stornier.
kultur eines Methylverzehrers auf ausgewaschenem Agar nach
Beijerinck erlaube ich mir vorzulegen. (Demonstration.) Der als
Bad. hexacarbovorum bezeichnete Organismus vermag Methan, Toluol,
Xylol oder Leuchtgas als ausschließliche C-Quelle zu verwerten.
Die bisher aufgeführten Tatsachen haben auf die Frage nach der
Ursache jener rätselhaften ertragsteigernden Wirkung der Gifte im
Boden nur negative Antworten gegeben; sie sind geeignet, auch noch
anderen Theorien den Boden zu entziehen, vor allem der nur bei alleiniger
Betrachtung der Schwefelkohlenstofffrage überhaupt möglichen Minerali-
sierungstheorie des Schwefelkohlenstoffs, die zuerst von Oberlin
aufgestellt wurde. Nach derselben soll der Schwefelkohlenstoff izum Teil
im Boden zu Schwefelsäure oxydiert werden und diese ihrerseits auf den
Boden, namentlich auf die Mineralstoffe, aufschließend wirken. Es ist
nicht zu bezweifeln, daß dieser Vorgang sich im Boden abspielt; denn
es läßt sich leicht nachweisen, daß die SOg-Menge nach einer Schwefel-
kohlenstoff-Behandlung des Bodens zunimmt. Dieser Nachweis ist zuerst
von Moritz und Scherpe, dann von Heinze an Freilanderden geführt
worden; ich selbst habe das gleiche Resultat an Topferden erhalten, wo
der Einwand einer eventuellen stärkeren Auswaschung wegfällt. Der
Gehalt an wasserlöslichen Sulfaten betrug, berechnet auf SO3, bei
Unbehandelt 0 2188°/oo = 100
Schwefelkohlenstoff 0.2795 „ = 127.7
Tetrachlorkohlenstoff 0.1830 „ =83.6
Benzol 0.2272 „ = 103.8.
Man beobachtet also eine deutliche Zunahme der Schwefelsäure
bei Schwefelkohlenstoff; aber die Menge des oxydierten Schwefels ist doch
recht gering, beträgt in meinem Falle z. B. nur 1,5*^/0 des im Schwefel-
kohlenstoff gegebenen Schwefels, und wenn hierdurch auch eine gewisse
Aufschließung von Phosphorsäure und Kali eintreten wird, so ,kann damit
doch die Schwefelkohlenstoffwirkung nicht erklärt werden, weil die
andern schwefelfreien Stoffe natürlich keine Schwefelsäure liefern können,
aber trotzdem ebenso ertragsteigernd wirken.
Außerdem könnte ertragsteigernd die Wirkung der Giftstoffe auch
gar nicht ausschließlich auf ein Mehr an löslicher Phosphorsäure oder
Kali zurückgeführt werden, denn es bliebe dabei der dritte Hauptnährstoff,
der Stickstoff, unberücksichtigt, und gerade auf diesen kommt es an.
Es kann nämlich nicht daran gezweifelt werden, daß die ertrag-
steigernde Wirkung der Giftstoffe auf eine Stickstoffwirkung zurück-
zuführen ist, zumal sie durch dieselben Merkmale, wie sie z.B. eine Salpeter-
düngung hervorbringt, charakterisiert ist. Hiltner und mir ist zwar ver-
dacht worden, daß wir uns in unserer Dahlemer Arbeit ohne weiteres auf
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. J^17
diesen Standpunkt gestellt haben. Uns wurde aber beim täglichen Be-
obachten der Feldversuche von Moritz und Scherpe und unserer
eigenen Topfversuche immer mehr zur Gewißheit, daß es sich in der
Tat um eine Stickstoffwirkung handelt. Da aber die Arbeit von Moritz
und Scherpe gerade den Zweck hatte, die Schwefelkohlenstoff-Wirkung
chemisch aufzuklären, so muiUen wir es selbstverständlich den genannten
Herren überlassen, den Beweis hierfür zu erbringen. Das ist auch mit
einem umfangreichen Versuchsmaterial geschehen. Besonders beweisend
erscheint mir in dieser Beziehung der große Feldversuch vom Jahre 1902,
der einen vollständigen Düngungsversuch in Kombination mit einem
Schwefelkohlenstoff"- Versuch darstellt und bei dem die Schwefelkohlenstoff-
Gabe zufällig dieselbe Ertragssteigerung hervorrief, wie die Chilisaipeter-
düngung in Hi^he von etwa l'/3 Ztr. pro 1 Morgen (vgl. Tabelle 1).
Tabelle I.
Feldversuch von Moritz und Scherpe vom Jahre 1902.
Parzellengröße: 13 qm.
Erntegewicht in ka-
Ohne Schwefelkohlenstoff
Mit Sc
hwefelkohlenstoff
Körner
Stroh
Zusammen
Körner
Stroh
Zusammen
Ungedüngt
1,10
2,85
3,95
i
2,03
4,93
6,96
j
K
1,03
2,79
3,82
16,39
\
1,96
4,56
6,52
27,06
\
P
1,20
3,08
4,28
2,14
5,00
7,14
K -hP
1,22
3,12
4,34
1,77
4,67
6,44
N
2,10
4,59
6,69
i
2,39
6,18
8,57
i
N + K
N + P
2,15
2,09
4,51
4,72
6,66
6,81
26,59
\
2,62
2,35
5,84
5,07
8,46
7,42
'32,81
\
N 4- K + P
2,07
4,36
6,43
2,54
5,82
8,36
Es ergaben darnach 4 Parzellen ohne N-E)üngung einen Gesamt-
ertrag von 16,39 kg, die Stickstoffgabe steigerte den Ertrag auf
26,59 kg, die Schwefelkohlenstoff'- Behandlung auf 27,06 kg; beide
also etwa von 100 auf 163. Stickstoff und Schwefelkohlenstoff
steigerten dann nochmals den Ertrag, aber bezeichnenderweise nicht
mehr um 10 kg, sondern nur noch um 5^/4 kg. Es war also be-
reits Überdüngung mit N eingetreten, weil schon die Schwefelkohlenstoff-
behandlung wie eine N-Gabe gewirkt hat. An Mineralstoffen kann es bei
diesem Versuch nicht gefehlt haben; denn diese sind reichlich gegeben worden,
und waren auch von vornherein so reichlich im Boden vorhanden, daß eine
durch sie hervorgerufene Ernteerhöhung in keinem Falle zu beobachten isi.
Wie dieser, so verlaufen alle Schwefelkohlenstoffversuche, die oft-
118
K. Störmer,
mals auch einen höheren prozentischen N-Gehalt in der Erntemasse,
stets aber eine größere Stickstoffernte erge ben. Die Steigerung be-
wegt sich meist in der Höhe von 30 — 40*^/0, erreicht aber bisweilen dieHöhe
von 80 und mehr ^/q und korrespondiert im übrigen meist mit der
Steigerung der Trockensubstanzernte. Das ist auch nicht anders
möglich, da selbst bei der stärksten Schwefelkohlenstoff-Gabe der Stick-
stoff immer noch im Minimum ist, wie z. B. die Wirkung der weiteren
N-Gabe in dem erwähnten Moritz-Scherpeschen Versuch beweist.
Selbstverständlich verhalten sich in bezug auf die Steigerung der
N-Ernte auch die anderen Giftstoffe genau so wie Schwefelkohlenstoff;
und so waren z. B. bei meinem Versuch, von dem ich bereits die proz.
Erhöhung der Trockensubstanzernte aufgezählt habe, die N-Ernten, wenn
Unbehandelt — 100 gesetzt wird,
bei Schvvefelkohlensloff . . =182,7 bei Phenol =137,8
11. 177,0 „ o-Kresol = 173,5
„ Tetrachlorkohlenstoff. . = 142,7 „ m-Kresol = 165,3
„ Chloroform = 189,4 „ p-Kresol =- 86,8
„ Benzol = 149,3 „ Alkohol = 98,9
„ Toluol =244,5 „ Äther = 96,9
„ Xylol = 136,8
Jede Theorie, welche die Wirkung dieser Giftstoffe zureichend erklären
will, muß nach alledem in erster Linie Aufschluß darüber geben können,
wie diese größeren Stickstoffernten zustande kommen. Wir werden
daher einem sicheren Führer folgen, wenn wir mit dieser Fragestellung
an jeden Erklärungsversuch herantreten. Vermag z. B. die viel um-
strittene A. Koch sehe Reiztheorie die Tatsachen zwanglos zu erklären?
Diese nimmt bekanntlich an, daßsehrkleineMengen des Schwefelkohlenstoffs
im Boden zurückbleiben und nun nicht mehr schädlich, sondern an-
regend auf die Pflanzen wirken, etwa in derselben Weise, wie viele
Gifte, in sehr kleinen Mengen in den tierischen Organismus eingeführt,
zu erhöhter Zelltätigkeit und kräftigeren Wachstumsvorgängen anregen.
Zunächst müßte die Theorie über die A. Kochs che Fassung hinaus er-
weitert werden, da nicht, wieKoch zuerst glaubte, eine spezifische Wirkung
des Schwefelkohlenstoffs vorliegt, die nach ihm z. B. Äther nicht haben soll,
sondern alle Giftstoffe in gleicher Weise wirken. Damit könnte man sich in-
dessen einverstanden erklären, wenn nicht andere Schwierigkeiten vor-
lägen, die die Reiztheorie bisher nicht überwunden hat. Moritz und
Scherpe konnten beobachten, daß eine einmalige Schwefelkohlenstoffgabe
noch im dritten Jahre ertragsteigernd wirkte, und wenn wir durch dieselben
Versuchsansteller auch wissen, daß sich bei den hierfür günstigen
Witterungsverhältnissen des Winters der Schwefelkohlenstoff spiirenweise
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. 119
monatelang- im Boden halten kann, so ist dies sicher nicht der Fall
nach Ablauf zweier Jahre. Wo kommt aber dann die Anregung her?
A.Koch wurde bekanntlich zu seiner Theorie durch die Beobachtung
veranlaßt, daß Schwefelkohlenstoff auch in sterilisierter Erde ertragerhöhend
wirkte. Erst kürzlich hat aber B. Heinze dargetan, auf wie schwachen
Füßen dieser experimentell nicht einwandfreie Versuch ruht, bei dem
vermutlich schon die Sterilisation der verwendeten Erde nicht gelang.
Widerlegt erscheint er mir durch den gleichen, äußerst exakt durch-
geführten Versuch von Moritz und Scherpe, in dem analytisch fest-
gelegt ist, daß dieselbe Dahlemer Erde, einwandfrei sterilisiert, durchaus
nicht, unsterilisiert hingegen in kräftiger Weise auf eine kräftige Carbo-
sulfurierung mit einer Ernteerhöhung reagierte. Ich kann diesem Ver-
such gegenüber auch nicht die Einwände von Vogel und Heinze
gelten lassen, die befürchten, daß die großen Mengen von löslichem
Stickstoff in dem sterilisierten Boden einen etwaigen fördernden Einflul5
des Schwefelkohlenstoffs nicht mehr haben erkennen lassen. Diese Ge-
fahr ist bei dem Dahlemer Boden nicht so groß, und ferner ist zu er-
widern, daß gerade jene in Frage stehende Anregung die Pflanzen ganz
besonders befähigen würde, große N-Mengen zu konsumieren, daß also
infolgedessen auf jeden Fall ein wenn auch geringer Ausschlag zu-
gunsten der sterilisierten mit Schwefelkohlenstoff behandelten Töpfe hätte
eintreten müssen. In der Tat ist das Gegenteil der Fall.
Ferner stimmt die Reiztheorie auch sehr schlecht mit der weiteren
von Moritz und Scherpe erwiesenen Tatsache überein, daß steigenden
Schwefelkohlenstoff-Mengen steigende Erträge parallel gehen, da für den
Reiz nur sehr geringe Mengen in Frage kommen, die schon die
kleinste Schwefelkohlenstoff-Gabe liefern würde.
Behrens hat Hiltner und mir den Vorwurf gemacht, daß wir
über die Reiztheorie kurzerhand weggegangen seien. Ich persönlich muß
gestehen, daß sie mir stets unzulänglich erschien, weil sie die interessante
Schwefelkohlenstofffrage aus dem Lichte oder auch nur Dämmerschein
vorwärtsstrebender Forschung in dieNacht nicht recht faßbarerReizvorgänge
verweist. Aber ich möchte doch daran erinnern, daß wir schon damals
schrieben: „Es ist ersichtlich, daß selbst wenn A. Kochs Erklärung den
Tatsachen entspricht, doch nach wie vor zu untersuchen bleibt, wie der
Schwefelkohlenstoff auf die Mikrobenwelt des Bodens einwirkt und in
welcher Weise davon das Pflanzenwachstum beeinflußt wird." Auch
jetzt will ich nicht verkennen, daß manche Beobachtungen, z. B. die
bessere Ausbildung von LeguminosenknöUchen in einem Boden, der mit
CS2 oder Äther usw. behandelt wurde, als Reizwirkungen gedeutet
werden können; aber dieselbe Tatsache ist auch in einem durch Hitze
120
K. Störmer.
sterilisierten Boden, dem Knüllchenbakterien wieder zugeführt werden,
sicher beobachtet und analytisch bewiesen worden. Hier spielen Vor-
gänge hinein, die durch Abtötung einer schädlichen Wurzelflora und
-fauna usw. erklärt werden müssen. Meiner Überzeugung nach hat die
Reiztheorie zurzeit nur noch wenig Boden unter den Füßen, und in der
Tat haben ihr von neueren Bearbeitern der Frage nur Nobbe und
Richter zugestimmt, während Moritz und Scherpe, sowie Krüger
und Heinze mit uns Stickstoffwirkung und indirekt bakterielle Wirkung
annehmen. Die Nobbe- Richterschen Betrachtungen sind aber schon
deshalb nicht stichhaltig, weil sie sich auf die Annahme gründen,
daß z. B. Chloroform selbst in minimalen Mengen bakterientötend
wirke und infolgedessen nicht die gleiche Bakterienentwickelung, wie
z. B. Schwefelkohlenstoff, hervorrufen könne, trotzdem aber in gleicher
Weise ertragfördernd wirke. Ich brauche wohl nicht weiter auszu-
führen, daß weder Chloroform noch überhaupt irgendein derartiger Stoff
bei vorübergehender Einwirkung imstande ist, einen Boden keimfrei zu
machen.
Die von Miltner und mir aufgestellte Theorie der indirekten bak-
teriellen Wirkung des Schwefelkohlenstoffs geht von der im Jahre 1900
gemachten Beobachtung aus, daß die Behandlung des Bodens mit dem Gifte
zunächst eine Abtötung des größeren Teils der Bakterien verursacht, der
sehr bald ein rapi ies Ansteigen der Bodenmikroben weit über die an-
fänglich vorhandene Menge hinaus folgt. Alle späteren Beobachter be-
stätigen diesen Befund, namentlich wurde die starke Bakterienvermehrung
regelmäßig konstatiert. Hiltner und ich schlössen in unserer ersten
Arbeit, daß diese Bakterienvermehrung durch die mit der anfänglichen
Abtötung eines Teiles der Bakterienflora verbundenen „Gleichgewichts-
störung" der Organismen untereinander, die wir uns in einem gegen-
seitigen Abhängigkeitsverhältnis vorstellten, zu erklären sei, auf jeden
Fall aber erhöhte Umsetzung stickstoffhaltiger Substanzen zur Folge
haben müsse. Die Nährstoffe hierfür liefere entweder das schwerer an-
greifbare Stickstoffkapital des Bodens oder aber Stickstoffsammlung.
Auch die Beseitigung von Stoffwechselprodukten zogen wir in den Kreis-
unserer Betrachtungen. Nach all diesen Richtungen ist inzwischen die
Frage weiter ausgebaut worden. Moritz und Scherpe berichteten
1906, daß ihre rein chemischen Untersuchungen sie vermuten lassen, daß
in der Auf Schließung des den Pflanzen schwerer zugänglichen Boden-
stickstoffes die wesentliche Wirkung der Schwefelkohlenstoffbehandlung
des Bodens zu suchen sei. B. Heinze dagegen neigt mehr der Ansicht zu,
daß die Assimilation des atmosphärischen Stickstoffs durch Azotobakter nach
einer Schwefelkohlenstoffgabe begünstigt werde, und Hiltner endlich erblickt
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. 121
die Lösung der Schwefelkohlenstofffrage darin, daß der Schwefelkohlenstoff
sog. Hemmungsstoffe im Boden beseitige, wodurch die enorme Zu-
nahme der Bakterien ihre Erklärung finde.
Welcher von diesen Lösungsversuchen trifft nun das Richtige,
oder gibt es noch eine andere Lösung? An der Hand meiner Unter-
suchungsergebnisse will ich diese Frage zu beantworten versuchen.
Zunächst einige Worte über die befolgte Methodik. Meine Absicht
war, ein und denselben Boden mit einer Reihe von Giften
verschiedenster chemischer Konstitution zu behandeln und
durch fortlaufende chemische und bakteriologische Unter-
suchungen die Veränderungen im Nährstoffgehalt und in
Flora und Fauna zu kontrollieren, sowie ihn gleichzeitig zu
Vegetationsversuchen zu benützen, um einwandfrei die Wirkung
der Behandlung auf das Pflanzenwachstum festzustellen. Zur bakterio-
logischen und chemischen Untersuchung konnten natürlich nicht alle,
sondern nur 7 ausgewählte Behandlungsarten gelangen. Es sind dies:
1. Unbehandelter Boden,
2. mit Schwefelkohlenstoff behandelter Boden, 1,6 g pro 1 kg Erde
3. „ Tetrachlorkohlenstoff „ „ 2,4 „ „ 1 „ „
4. „ Benzol „ „ 1,6 ,, ,, 1 „
5. „ Xylol „ „ 1,6 „ „ 1 „ „
6. „ Phenol „ „ 1,25 ,, ,, 1 ,,
7. „ p-Kresol „ „ 1,25 „ ., 1 ., „
Die Eingabe der Gifte erfolgte im Oktober 1906. Die ganze An-
lage der geplanten Arbeit erforderte einen Topfversuch, der auch noch
deshalb gewählt wurde, weil die Auswaschung vermieden und die
Feuchtigkeit geregelt werden sollte. Da inzwischen erwiesen ist, daß
die Gifte in den Töpfen ebenso wirken, wie im Freiland, lagen auch
in dieser Richtung keine Bedenken gegen einen Gefäßversuch vor.
Dagegen gewann ich mit einem solchen den großen Vorteil, eine gleichmäßig
gemischte abgesiebte Erde verwenden zu können, die bei der N-Analyse
eine größere Genauigkeit der Resultate versprach. Zur bakteriologischen
Untersuchung wurde sowohl die Plattenauszählungsmethode, als auch
die Auszählung in flüssigen Nährmedien und die Kultur in flüssigen Nähr-
lösungen nach Remy-Löhnis unter Verwendung einer lOprozentigen
Erdimpfung benützt. Zur Auszählung der gesamten Bakterienzahl ver-
wende ich jetzt einen besonderen, neutralen Agarnährboden, auf dem fast
sämtUche Bodenmikroben, sogar Amöben, wachsen. Es gelang mir, damit
weit höhere Keimzahlen als die bisher ermittelten festzustellen, z. B.
ging die Keimzahl in der unbehandelten Erde nicht unter 12 Millionen in
1 g Boden und stieg im Sommer auf über 50 Millionen, so daß ich mit
122
K. Stornier.
der Feststellung dieser Zahlen vermutlich bis nahe an die Grenze der über-
haupt im Erdboden vorhandenen Bakterienmengen gelangt zu sein glaube.
Mit diesem Nährboden lassen sich vermutlich auch die Einflüsse der
Jahreszeit, der Temperatur usw. genauer als bisher feststellen. Ich
bin Jetzt damit beschäftigt, auf diese Weise die annähernd wahre Zahl
der in gebrachtem Boden vorhandenen Bakterien festzustellen.
Bezüglich der Keimzahl ließ sich mit der Methode ermitteln, daß
sämtliche erwähnten Behandlungsarten zu einem Maximum der Bak-
terienvermehrung führten, das abhängig ist einerseits vom ange-
wendeten Giftstoff, anderseits von den zufällig zur Vermehrung ge-
langenden Bakterienarten. Denn wenn es sich auch für jeden Stoff
immer nur um einen relativ engeren Kreis bestimmter Bakterien handelt,
die unter seinem Einflüsse zu der ungeheuren Vermehrung gelangen
können, so sind ihrer doch immer noch genug — ich besitze z. B. etwa
ein Dutzend „schwefelkohlenstofffeste" Bakterienarten — und jede neue
Untersuchung kann neue Überraschungen in bezug auf auftretende
Bakterienarten bringen. Charakterisiert sind diese Arten entweder durch
eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber dem betreffenden Giftstoff,
oder aber, falls er dazu geeignet ist, durch die Fähigkeit, ihn als
Nährstoff gebrauchen zu können. Es handelt sich also um eine Art
elektiver Kultur, bei der entweder ein Nährstoff oder ein Giftstoff elektiv
wirken. Die Keimhöhe steigt bis auf 200 — 400 Millionen im Gramm
Erde und ist am höchsten dort, wo der Giftstoff zugleich als Nährstoff
verwertet werden kann. (Vgl. Tabelle II.)
Tabelle II.
Baktmen^eh.ilt in den Erden, beredmet auf 1 ü' wasserfreie Erde.')
Millionen Keime.
Untersucht
am
Unbehan-
delter
Boden, am 18. Oktober 1906, behandelt mit
T, 1 Sohwefel-
lioüen kohlenstoff
Tetrachlor-
kohlenstoff
Benzol
Xylol
Phenol p-Kresol
29. Okt. 06
8. Dez. 06
11. Febr. 07
21. Jidi 07
16,495
23,44
12,74
54,20
327,4 9,134
31,88 I 10,92
19,65 I 89,61
134.9 —
14,675
56,41
24,41
26,46
18,52
52,52
5,894
175,7
431,00
6,033
3,491
72,22
Nach einiger Zeit sinkt die Keimzahl wieder, ist aber nach fast Jahres-
frist z.B. bei Schwefelkohlenstoff noch 135 Mill. gegenüber 54 Mill. bei dem
') Der Wassergehalt der untersucliten Böden war immer annähernd der-
selbe und ging nicht unter 10% herab.
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. X23
unbehandelten Boden. Ich glaube nicht, daß man Grund hat, diese Zahlen für
sehr hoch zu halten; im Gegenteil handelt es sich meiner Ansicht nach mehr
um Hungerzustände, vergleichbar etwa einer durch Nahrungsmangel zurück-
gehaltenen Bevölkerung eines armen Landes, die schon in wenigen Ge-
nerationen in die Höhe geht, wenn neue Erwerbsquellen erschlossen
werden. Als Resultat dieser Untersuchungen konnte ich jedenfalls ent-
nehmen, daß alle geprüften Giftstoffe die starke Vermehrung
auslösen, demzufolge auch, aligesehen von sekundären Re-
aktionen, gleiche Ursachen hierfür in Frage kommen müssen.
Passen wir zur Ergründung dieser Ursachen die Stickstofffrage
schärfer ins Auge, so haben wir hierfür nacheinander zu behandeln
1. die Stickstoffsammlung,
2. die Nitrifikation und N-Auf Schließung.
Von vornherein wäre es natürlich nicht ausgeschlossen, daß sich ein
stickstoffsammelnder Organismus an der starken Bakterienvermehrung
beteiligt und die Stickstoffmengen aus der Luft gewinnt, die später in
der Mehrornte erscheinen. Und wo assimilierbare Verbindungen, wie
Phenol in Frage kommen, könnte der gewonnene Kohlenstoff in irgend-
einer Form durch eine vermittelnde Bakterienart einem N-Assimilanten
zugute kommen. Zwei Wege wurden eingeschlagen, um über die Be-
deutung der Stickstoffsammlung für die CSa-Frage zu entscheiden;
einerseits die Prüfung mit der Rem y-Löh nisschen Kultur unter
analytischer Bestimmung des dabei assimiherten Stickstoffs und an-
derseits die genaue Gesamt-N-Bestimmungen nach Jodlbauer in den
Erden zu den verschiedensten Zeitpunkten. Beide Methoden führten
in allen Untersuchnngen zu demselben negativen Restiltate. In den
Mannitlösungen war die Stickstoffsammlung bei Beimpfung mit unbe-
handelter Erde ausnahmslos ganz bedeutend höher als durch irgend-
eine der behandelten Erden, im Durchschnitt wie 100 zu 30 bis 40.
Daran änderte sich auch nicht viel, wenn an Stelle des 2-basischen
Kaliphosphates das von B. Heinze empfohlene 3-basische Salz ge-
nommen wurde. Namentlich Azotobakter war in allen behandelten
Erden ganz verschwainden, kräftig vorhanden dagegen im unbehandelten
Boden. Das bestätigt die schon von Maaßen und Behn gefundene
hohe Empfindlichkeit von Azotohacter chroococcum gegenüber Schwefel-
kohlenstoff. (Vgl. Tabelle III, S. 124.)
Ebenso eindeutig sind die Resultate der Gesamt-N-Bestimmungen,
bei denen sich ergab, daß der N-Gehalt in allen Erden von Anfang bis
zu Ende unter Berücksichtigung der Fehlergrenze genau derselbe blieb.
So ergaben z. B. die sorgfältigsten Bestimmungen am 21. Juli 1907
124
K. Störmer.
einen Gesamtstickstoffgehalt von 0,1107 °/o in der unbehandelten wasser-
freien Erde und von 0,1097 ^jo in der entsprechenden Schwefelkohlenstoff
Erde. (Vgl. Tabelle IV.)
Tabelle III.
N-Assimilation in 200 ccm einer l°/oigeii Maniiit-Bodenextrakt-Nährlösuiig,
beinipl't mit 10°/o Erde, kultiviert ca. 30 Ta^e bei 20*^.
Eingabe der Gifte
am 18. Okt. 06.
Untersucht am
29. Okt. 06 ]^'^°«Ph^t
8. Dez. 06 ]^-f^'
ll.Febr.07r^2H^°^
' V3%0
desgl. Phosphat als
K3PO4 10/00
3%o
21. Juli 07
Gewonnener N') in mg bei Beimpfung mit 10%
demselben Boden, behandelt mit
Schwefel- Tetra-
kohlen- chlorkoh-
stoff lenstoff
Erd
e aus
Benzol I Xylol ' Phenol
p-Kresol
20*' = 100! 889 = 44
20^6 = 100 702 = 34
184*^100 576 = 31
1052 = 90
1661 = 90
1822=100
576:
826:
744 =
493:
45
=40
896 = 44 ; 2S8 = 47
770 = 37 949 = 4G
95s = 52 877 = 48
1420=70 6^8 = 32 j 610 = 30
698 = 34 1 965 = 46
668 = 36 ■ 797=43
696 = 34
626=34
Tabelle IV.
(resamt-N-Bestimmiingen «ach Jodlbaur, auf wasserfreie Erde berechnet.
Untersucht
am
Unbehan-
delter Bo-
Dei
Schwefel-
•selbe Bod
Tetra-
en, behandelt am 18. Okt. 06
mit
den
kohlen-
stoff
chlorkoh-
lenstoff
Benzol , Xylol
Phenol
1
p-Kresol
29. Okt. 06
8. Dez. 06
11. Febr. 07
6. März 07
0,10430/0
.0,1101 „
0,1109 „
0,1081 „
0,1051 O/o
0,1097 „
0,1102 „
0,1093 „
0,10750/0
0,1095 „
0,1078 .,
0,10350/0
0,1074 „
0,1104 „
0,1070%
0,1094 ..
0,1121 „
0.10370/0
0,1099 „
0,1067 „
0,10370/0
0,1079 „
0,1093 „
13. März 07
1. April 07
0,1060 „
—
—
0,1114 „
0,1118 „
0,1107 .,
—
21. Juli 07
0,1107 „
0,1097 .,
—
—
—
—
—
Nach alledem läiit sich mit grolier Sicherheit behaupten, daß die
Stickstoffsammlung für die Erklärung der Ertragförderung durch Schwefel-
kohlenstoir usw. nicht herangezogen werden kann.
^6"" Krüger und Heinze daher bei ihren Freilanderden in dem
') Differenz zwischen gegebenem und gefundenem Stickstoff.
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. 125
mit Schwefelkohlenstoff behandelten Boden einen höheren N-Gehalt finden,
so ist dies auf andere Verhältnisse, vermutlich verminderte Auswaschung
des Salpeters, zurückzuführen.
Auch geringere Denitrifikationskraft und geringere Stickstoff-
festlegung sind schon als Ursachen der ertragsfördernden Wirkung des
Schwefelkohlenstoffs angeführt worden, z. B. durch P. Wagner und durch
Pfeiffer. Meine diesbezüglichen Untersuchungen ergaben in Überein-
stimmung mit den Dahlemer Versuchen, daß auch im schweren Oberholzer
Boden die Denitrifikanten durch die GiftstolTe zurückgedrängt werden, ohne
indessen ganz zu verschwinden. Das ist von Hiltner und mir auch nicht
für den Dahlemer Boden behauptet worden, wie Koch anzunehmen scheint.
Ebenso war die N- Festlegung anfänglich bei den behandelten Erden
bis in das Frühjahr hinein geringer, mit Ausnahme von Karbolsäure und
Kresol, also den Stoffen, die als gute C-Quelle dienen, später aber
wieder höher. Diese Verhältnisse ändern sich demnach in den be-
handelten Erden in relativ kurzer Zeit, sind aber meiner Meinung nach
mehr als sekundäre Prozesse zu betrachten, die allerdings das End-
resultat erheblich beeinflussen können. Die Bedeutung und Wirkung
der N-Pestlegung wird klarer, wenn man sie gleichzeitig mit Aramoniak-
bildung und Nitrifikation betrachtet.
Da Stickstoffsammlung und sehr wahrscheinlich auch die voll-
ständigere Erhaltung des löslichen Stickstoffs nicht die Ursache des
besseren Wachstums nach einer Behandlung des Bodens mit Giftstoffen
sein können, so bleibt nach alledem nur noch die Stickstoffauf-
schließung als letzte Erklärungsmöglichkeit übrig, und diese kommt
nach meinen Versuchen auch als hauptsächliche Ursache für die Er-
tragssteigerung in Frage.
Wenn die Pflanzen aus den behandelten Böden größere Stickstoff-
mengen als aus unbehandeltem Boden entnehmen könne, so müssen ihnen
auch größere Mengen an löslichem Stickstoff in jenen zur Verfügung stehen.
Ist dies richtig, so muß auch die Analyse ein Mehr ergeben, und das
läßt sich in der Tat nachweisen. Als lösUche Stickstofformen kommen
Salpeter und Ammoniak in Frage, deren Vorkommen und Menge im
unbehandelten und im giftbehandelten Boden wir kurz betrachten wollen.
Pagnoul zeigte schon 1895, daß der Schwefelkohlenstoff die Nitrifi-
kation anfänglich unterdrückt, daß sie sich aber später wieder um so leb-
hafter einstellt. Die gleiche anfängliche Unterdrückung der Nitrifikation auf
lange Zeit hinaus haben erst kürzlich Krüger und Heinze an Frei-
landböden analytisch nachgewiesen. Auch bei meinem Topfversuche
ließen sich die in Betracht kommenden Verhältnisse in idealer Klarheit
beobachten. (Vgl. Tabelle V, S. 126.)
126
K. Stornier.
Tabelle V. Nitrifikation.
Niti'iflzierter Animoiiiakstickstoft' in mg N, uitriliziert in 100 ccm Boden-
extraktlösuug mit l'^/gg (NH4)2S04, beimpft mit lO^o Erde, kultiviert
ca. 30 Tafte bei 20°.
Unbehan-
delter !
Tj -, ' Schwefel-
ßoden kohlenstoff
Untersucht
am
Boden, behandelt um 18. Okt. üü mit
Benzol Xylol 1 Phenol p-Kresol
Tetrachlor-
kohlenstoff
29. Okt. 06
8. Dez. 06
11. Febr. 07
21. Juli 07
821 = 100 067 = 8
978 = 100: 1« = 15
734 = 100
1060=100
091 = 12
14 '8 = 134
081 = 10
066=7
000 = 0
041 = 5
1*8 = 15
000=0
124 = 15 j 0^1=4
132^14 j 022 = 2
063=9 1 000 = 0
OSö = 7
020 ^ 23
000 = 0
Bis zum April 1907 blieb danach die Nitrifikation in den behandelten
Erden fast gänzlich unterdrückt, so daß m Remy-Löhnis-Kultur nur
10 — 15 Teile gegenüber 100 Teilen N bei unbehandelten Böden nitrifiziert
wurden. Auch die direkte Salpeterbestimmung ergab zu dieser Zeit
im carbosulfurierten Boden nur 70,5 Teile Salpeterstickstoff gegenüber
100 Teilen im Vergleichsboden.
Dann setzte die stärkste Nitrifikation ein, so daß im Juli das Ver-
hältnis in der flüssigen Kultur wie 100 : 133,8, im Boden wie 100: 118,4
war. In diesen Ergebnissen liegt zugleich ein Beweis für die Exakt-
heit und Brauchbarkeit der Remy-Löhnisschen Kulturmethode für
Nitrifikationsversuche.
Bleibt somit auch die Nitrifikation anfänglich lange Zeit unter-
drückt, so kann das gleiche nicht für die Ammoniakbildung kon-
statiert werden. Diese ist vielmehr von Anfang an sehr kräftig, und
so sammelt sich im behandelten Boden eine NH3-Menge an, die sich
z. B. bei Schwefelkuhlenstoff in einem bestimmten Falle zu Unbehandelt
wie 241 : 100 verhielt, somit bedeutend überwog.
Und die Summe beider löslicher Formen des Boden Stickstoffs?
Die Summe ist zu Anfang der Behandlung natürlich genau dieselbe
wie bei Unbehandelt, wird aber sehr bald höher und übertrifft später
die Menge des löslichen Stickstoffs im Vergleichsboden um 12 — 40"/o.
(Vgl. Tabelle VI. S. 127.)
Jedenfalls läßt sich zusammenfassend feststellen, daß mit der leb-
haften Bakterienvermehrung in den behandelten Böden eine erhöhte
Ammoniakbildung stattfindet. Die Nitrifikation bleibt zunächst unterdrückt,
wodurch die winterliche Auswaschung wegfällt oder mindestens stark ver-
mindert wird, betätigt sich aber später an den hohen Ammoniakmengen um
so lobhafter. Schon hiermit haben wir ein sehr interessantes Resultat
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden.
Tabelle VI.
127
Untersucht am
In 100 g wasserfreier Erde • - '
jj von dem am 18. Okt. 06 mit
vom unbehandelten Boden (j^^ behandelten Boden
mg N als
NHg I NgOp I Summe
NH,
mg N als
NoO.
Summe
4. April 07
4. Sept. 07
4. Sept. 07
191 = 100
167 = 100
498 ^ 100
474 = lOU
692 = loo
641 = 100
468=241,0
16' = 96,4
351 ^ 70^5
561=118,4
819=118,4
722=112,6
wie oben, nur Tetrachlor-
kohlenstoff
desgl. Benzol
196=117
20* = 122
725 = 153
547=115
921=143,7
761=117,2
gewonnen. Es zeigt z. B., daß man Sclnvefelkohlenstoff' benützen kann,
um in einem Boden beliebig lange die Nitrifikation zu unterdrücken,
was für Untersuchungen über die Größe der Auswaschung in unseren
Ackerböden unter Umständen sehr wertvoll sein kann. Ferner aber zeigte
Sich bei meinen Versuchen ebenso wie bei denen von Krüger und
Heinze, daß die im nicht gedüngten Boden sich ansammelnde lös-
liche N0O5- oder NH^-Menge nicht über einen bestimmten Betrag, der
bei 8 — lU mg N pro 100 g Erde liegt, hinausgeht. Dann scheint der
Prozeß sich langsamer abzuspielen, und Produktion wie Verbrauch halten
sich die Wage. Danach kann man Nitrifikation sowohl wie Salpeter-
auswaschung auch als regulierende Faktoren betrachten, ohne welche
die Tätigkeit im Boden mit der Zeit aufhören müßte. In dieser Stockung
der Umsetzungen liegt es auch begründet, warum wir mit unseren
Analysen nicht die Menge von Stickstoff feststellen können, die die Pflanze
aus dem Boden entnimmt. Bei dieser handelt es sich um eine dauernde
„Anregung" des Bodens durch Wegnahme der Endprodukte, die Ana-
lyse hingegen bestimmt nur einmal die Höhe der Endprodukte, und be-
rücksichtigt nicht die dauernde Entstehung.
So wertvolle Einblicke diese Erkenntnisse gewähren, eine Er-
klärung über die wahren Ursachen der sonderbaren Wirkung der
Gifte auf den Boden enthalten sie doch noch nicht. Woher stammt
denn das Mehr von aufgeschlossenen StickstofTormen? Welches ist die
Quelle, aus der z. B. das in so starker Weise gebildete Ammoniak an-
fänglich fheßt?
Mit dieser Frage stehen wir dem Schwefelkohlenstoff -Rätsel
in seiner wahren Gestalt gegenüber, und die Beantwortung gibt zu-
gleich die Lösung der gesamten Giftstoffrage. Es handelt sich um
Gifte, und Güte wirken abtötend auf alles organische Leben, das nicht
]^28 ^^- '*^törmer.
in irgendeiner Weise sich schützen kann. Was aber abgetötet ist,
verfällt der Zersetzung. Folglich stammen die Stickstoffmengen und
insbesondere die bald stärker vermehrten Ammoniakmengen von den
getöteten Organismen. Ein Regenwurm, der im Boden lebt, kann nicht
als Pflanzennahrung dienen, denn sein lebendes Plasma hat die Fähig-
keit, sich der Feinde zu erwehren. Tötet nun Schwefelkohlenstoff-
dampf dieses Plasma, so unterliegt es sofort der Zersetzung, bei
welcher bestimmte Bakterienarten zu Hundertmillionen infolge dieser
Nahrungsfülle anschwellen. Das vorher unangreifbare und für die
Pflanzen unzugängliche Protoplasma wird am Ende dieser Zersetzungs-
prozesse den Pflanzen als Nahrung zugänglich. Die starke Ver-
mehrung der Bakterien und die totale Umwandlung des Charakters dieser
Bakterienflora erklären sich darnach als eine Folge der anfänglichen
Abtötung. Die sich abspielenden Vorgänge sind manchen Flußver-
unreinigungen vergleichbar. Wenn z. B. ein Quellwasser anfänglich
rein und klar ist, so bietet es einer geringen Zahl diesen Verhältnissen
angepaßten Organismen die zusagenden Lebensbedingungen. Da ergießt
sich eine Verunreinigung, die Nährstoffe mit sich führt, in den Bach, und
sofort ist sein Charakter vollständig verändert. Seine Keimmenge schwillt
um Millionen an, die ursprünglichen Organismen sind verschwun-
den und haben einer neuen Flora und Fauna Platz gemacht.
Genau so, mutatis mutandis, wirkt die Giftbehandlung des Bodens,
bei der die Abtötung von Organismen aller Art die Zufuhr von
Nährstoffen bedeutet. Hier drängt sich uns die Frage auf, ob die
Menge der abgetöteten Organismen so bedeutend ist, um die Er-
tragssteigerung zu erklären, und ob wir klare Beweise für die
Abtötung besitzen. Wenn man bedenkt, dai5 die ganze CSj-
Wirkung eines Jahres sich aufbaut auf der Mehrentnahme von
3 — 4 mg N aus 100 g Boden, so ist leicht einzusehen daß diese
Menge aus den abgetöteten Organismen gedeckt werden kann.
Und welches sind die Organismen, die in Betracht kommen? Sie
stammen aus fast allen Pflanzen- und Tierklassen, und es mag aufge-
zählt werden, was in dieser Beziehung bisher positiv beobachtet worden
ist. Zunächst kommen sämtliche Tiere des Bodens in Frage, von den
Mäusen angefangen, bis zu den Protozoen. Ich erinnere nur an die
Mengen von Würmern, z. B. Regenwürmer und Enchyträiden, die
in jedem Boden sich finden, an die zahllosen Insekten und Insekten-
larven, die der Boden beherbergt, und ferner an das ungeheure
Reich der Protozoen, die den Boden sicher ebenso bewohnen wie das
Wasser. Das Verschwinden von Amöben nach einer Schwefelkohlenstoff-
Behandlung konnte ich z. B. direkt auf der Agarplatte beobachten, die
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. 129
bei unbehandeltem Boden aus 1 mg mehrere Kolonien, bei CSg-Erde
überhaupt keine anzeigte. Dann die Organismen aus dem Pflanzen-
reich. Alle höheren Pflanzen oder lebenden Rhizome derselben werden
ebenso abgetötet wie ein großer Teil der im Boden lagernden Samen.
Die Vernichtung von Unkrautsamen wurde schon 1901 in Dahlem bei
einem Moritz-Scherpeschen Versuch sehr schön beobachtet. Man kann
sich auf das einfachste von dieser Wirkung des Schwefelkohlenstoffs
überzeugen, wenn man behandelte und nicht behandelte Erde in das
Zimmer stellt und beobachtet, daß nur in der unbehandelten Erde die
vorhandenen Unkrautsamen auflaufen. Bei meinen Versuchen ver-
schwanden die Moose ganz, die Algen zum größeren Teil in der
Schwefelkohlenstoff-Erde. (Demonstration). Auch Pilze sind in vege-
tativer Form sehr empfindlich gegen CSg. Miltner und ich konnten,
schon 1901 beobachten, daß die Pusarium-Pußkrankheit der blauen
Lupinen durch eine CSg - Behandlung des Bodens beseitigt wurde.
Ober die Dezimierung der Bakterien liegen zahlenmäßige Angaben
vor, die den großen Umfang der Abtötung beweisen. Wohlverstanden,
alle diese Organismen können abgetötet werden; in welchem Maße die
Abtötung dann wirklich eintritt, ist abhängig von der Konzentration und
der Dauer der Einwirkung des Giftes. In je größerer Menge das Gift
einwirkt, um so stärker wird es abtötend wirken und daher eine um
so Intensivere und anhaltendere N-WIrkung entfalten können, sofern
nicht sekundäre Reaktionen den löslich gewordenen Stickstoff wieder
festlegen. •"■ ■• ;. .
Als wichtigstes Kriterium zur Beurteilung der Giftwirkung bleibt
schließlich noch das Studium der auftretenden Bakterienarten in Form
von Reinkulturen. Das ist auch in ausführlicher Weise vorgenommen
worden und es konnte dabei immer nur konstatiert werden, daß die auf-
tretenden Bakterien Eigenschaften besitzen, ' die mit meiner Erklärung
der Schwefelkohlenstoffwirkung im Einklang stehen. Namentlich be-
sitzen sie meist ein spezifisches Vermögen, widerstandsfähigere Stoffe
aus dem Tier- und Pflanzenreich, wie Chitin, Hornmehl, Pilzsubstanz
zu zersetzen. Charakteristisch ist nun hierbei, daß bei diesen Prozessen
nicht immer Ammoniak frei wird, sondern daß sich auch Arten finden,
die z. B. bei der Zersetzung von Mehlwurmsubstanz oder aber Chitin
oder Pilzsubstanz Ammoniak festlegen. Andere dagegen produzieren
bei der Zersetzung aus der gleichen Substanz reichlich Ammoniak.
Diese divergierenden Vorgänge geben ein Bild der Prozesse im
Boden, und es wird verständlicher, daß die Ammoniakbildung im Boden
incht leicht über ein bestimmtes Maß hinausgeht, well Freiwerden und
Bindung von Ammoniak bei demselben Zersetzungsprozeß eintreten kann«
Jabiesbeiioht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 9
j[3() K. Störmer.
je nachdem, welche Bakterienart sich daran betätigt. Das schwankende
Bild in den auftretenden Bakterienarten hat schon Maaßen und Behn
zu der Bemerkung veranlaßt, daß, wenn Bakterien überhaupt bei der Be-
günstigung der Vegetation durch Schwefelkohlenstoff eine Rolle spielen,
ganz verschiedene Gruppen von Bakterien die gleiche günstige Wirkung
entfalten müßten. Ein Schulbeispiel hierfür sind die Streptothrix-kTiQu.
Sireptothrix cJiromogena wird, wie alle Pilze, sehr geschädigt, und ebenso
die weiße Art. Man kann oft beobachten, daß sie dauernd zurück-
gedrängt bleiben. Es kann aber auch vorkommen, wie ich es mehr-
fach beobachtete, daß plötzlich nach Schwefelkohlenstoff- oder Benzol- oder
Tetrachlorkohlenstoff -Behandlunggerade eine St reptothrix-AYi'm den Vorder-
grund tritt und sich ungeheuer vermehrt. In diesem Falle handelt es
sich aber nicht mehr um Sireptothrix chromogena oder Str. alba, sondern
um die Erdgeruch bildende Art Sireptothrix odorifera RuUmann, die
vorzüglicn imstande ist, solche Stoffe wie Chitin, Pilzzellulose etc. unter
Bildung eines geradezu betäubenden Erdgeruches zu zersetzen. Das
ausführliche Studium der auftretenden Reinkulturen wird noch viel Zeit
kosten, aber es wird zu keinem anderen Resultat führen, als daß es
äich um mehr oder minder giftfeste Formen handelt, die tierische und
pflanzhche Substanz selbst noch bei Gegenwart der Gifte zersetzen
können. Dadurch sind sie anderen Arten gegenüber, die empfindlicher
sind, im Vorteil und können sich Nährstoffe sichern, die ihnen im
normalen Boden nicht zufallen würden. Gegen Humus verhielten sich
die auftretenden Arten mit Ausnahme der Omnivoren Sireptothrix odori-
fera indifferent. Da die in Frage kommenden Stoffe wie Chitin usw.
sehr langsam zersetzt werden, so erklärt sich hieraus zwanglos die
mehrere Jahre anhaltende ertragfördernde Wirkung des Schwefel-
kohlenstoffs.
Betrachten wir nochmals zusammenfassend die Wirkung der
Gifte und insbesondere die des Schwefelkohlenstoffes, so haben wir
den Eindruck, daß der tödliche Dampf wie ein Gewitter durch den Boden
fährt, das die etwas schwül gewordene .\tmosphäre gründlich reinigt
und Schädlinge wie Nützhnge in gleicher Weise abtötet. Die Leichen
verfallen der Zersetzung und liefern dem Boden neue Kraft,
sodaß infolge dieser doppelten Wirkung Müdigkeitserscheinungen
verschwinden müssen und die Pflanzen meist wieder gesund
wachsen können. Denkbar ist natürlich auch der Fall, daß ein in
Sporenform die Schädigung überdauernder Schädling sich besonders
vermehrt und dann erst recht Krankheitserscheinungen ausgelöst
werden, wie wir es in Dahlem an Erbsen beobachten konnten. Aber
die Wirkung des .Schwefelkohlenstoffs auf die Wurzelflora ist ein
Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf den Boden. '131
eigenes Kapitel, das ich hier beiseite lassen muß. Mit diesen l'nter-
suchungen bin ich jetzt beschäftigt.
Vom landwirtschafthchen Standpunkte aus könnte es nur erwünscht
sein, wenn der Preis des Schwefelkohlenstoffs oder eines anderen Giftes und
geeignete Apparate es ermöglichen würden, von dem Stickstoffkapital des
Bodens, das tot ist, weil es zum großen Teil lebendes Protoplasma darstellt,
mehr als bisher Gebrauch zu machen. Auch an die Verhinderung der
Stickstoffauswaschung kann zunächst theoretisch gedacht werden. Ebenso
könnte die Pflanzenpathologie vom Schwefelkohlenstoff einen noch weit
größeren Gebrauch zum Segen unserer Fluren machen, wenn entsprechende
Apparate und billige Mittel beschafft würden. Mein neuer Wirkungskreis
wird mir Gelegenheit geben, auch nach diesen Seiten hin die Sache zu
verfolgen.
;[32 Joseph Simon.
Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien der
Leguminosen und ihre Bedeutung für die Bodenimpfung.
Von
Dr. Joseph Simon, Dresden,
(Arbeiten der Kgl. Pflanzenphjsiologischen Versuchsstation Dresden.)
Es ist bekanntlich das Verdienst Nobbes und Hiltners, vor
reichlich 10 Jahren die Bodenimpfung mit reinkultivierten Bakterien aus
WurzelknöUchen der gleichnamigen oder einer verwandten Leguminosen-
gattung in die landwirtschaftliche Praxis eingeführt und damit die Grund-
lagen gegeben zu haben für ein Verfahren von außerordentlicher Wichtig-
keit und Tragweite, das nach kurzem Zurückebben infolge von Mißerfolgen
sich zurzeit immer mehr einbürgert und dem von seiten der Praktiker
steigende Beachtung und Wertschätzung entgegengebracht wird. Zur
Bestätigung brauche ich nur auf die große Anzahl von Kulturen, die
die Agrikulturbotanische Anstalt in München alljährlich abgibt, oder
darauf zu verweisen, daß die Pflanzenphysiologische Versuchsstation
Dresden in diesem Frühjahr allein für Anbauversuche mit Serradella
über 600 Kulturen an sächsische Landwirte abgegeben hat.
Daß nicht die Gegenwart von Knöllchen an den Wurzeln von Legu-
minosen allein schon mit Sicherheit beweist, daß nun die betreffende
Pflanzen auch wirklich und in ausgiebigem Maße Stickstoff sammeln, daß
letzteres vielmehr nur dann erfolgt, wenn die Knöllchen durch völlig
angepaßte Bakterien entstanden sind, diese Beschränkung haben Nobbe
und Miltner ihrem Bakterienpräparat Nitragin s. Zt. schon mit auf den
Weg gegeben. Die inzwischen gemachten Beobachtungen und Er-
fahrungen haben jedoch weiter gelehrt, daß die mannigfachsten Momente
und Ursachen die Wirksamkeit auch des besten Bakterienimpfmaterials
in einer Weise beeinflussen können, daß, wenn nicht schon die KnöUchen-
bildung selbst, so doch die fördernde Wirkung der Bakterien beein-
trächtigt oder gänzlich hintangehalten wird; ja unter Umständen mußte
man einen dauernden und direkt schädigenden Einfluß auf die \^'irts-
pflanze konstatieren. Es genügt also nicht, „die völlig angepaßten
Bakterien auf einfache Weise durch Reinkulturimpfung dem Boden ein-
zuverleiben", sondern die Beachtung der mannigfachsten Momente er-
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 133
weist sich als unerläßlich notwendig. Eine ganze Anzahl wertvoller
Arbeiten, unter denen ich besonders auf die vortrefflichen Untersuchungen
Miltners und Störmers, daneben auch auf die Arbeiten der Tharandter
Versuchsstation u. a. verweisen möchte, haben über manche der hier
in Frage kommenden Punkte mehr oder minder erschöpfende Auf-
klärung gebracht; aber immer aufs neue treten besonders bei Peld-
impfversuchen neue Fragen und Rätsel an den Versuchsansteller heran,
deren Klärung meist eben so schwierig ist, wie sie dringend geboten er-
scheint, soll die Methode der Bakterienimpfung ihren Ruf als zuver-
lässige Kulturmaßnahme behaupten können. Als das zu erstrebende
Ziel bleibt unverrückt jenes bestehen, Impfstoff und Impf-
verfahren derartig zu vervollkommnen, daß eine Wirksamkeit
von dieser Seite sicher, die Begleitumstände in dem Maße
kennen, beurteilen und beeinflussen zu lernen, daß ein posi-
tiver Erfolg bei feldmäßigem Anbau innerhalb der natürlichen
Grenzen gesichert erscheint.
W^enn in dieser Hinsicht noch manche offene Frage vorhanden,
und wenn über die wichtigsten Vorgänge im Boden vor und nach der
Einverleibung der Knöllchenbakterien bezüglich der letzteren noch vieles
dunkel ist, so liegt dies gewiß mit daran, daß die Lebensbedingungen
und Lebensäußerungen der Knöllchenbakterien auf den verschiedensten
Substraten, auf künstlichen Nährböden wie in den KnöUchen an der
Pflanze, vor allem aber im Boden nach der Impfung und nach dem
Entleeren der Knöllchen unter den Einflüssen kultureller und physi-
kalischer Bedingungen auf den Lebensprozeß noch lange nicht in dem
notwendigen Maße erforscht und bekannt sind und, soweit sie bekannt,
nicht genügend berücksichtigt werden: ich brauche nur die wider-
sprechenden Anschauungen über die Widerstandsfähigkeit der sogenannten
Knöllchenbakterien gegen Austrocknen, gewiß eine Frage von sehr
großer Bedeutung, anzuführen oder darauf hinzuweisen, daß die Ver-
mehrungsfähigkeit der Knöllchenbakterien im Boden meist angezweifelt
bzw. verneint wird, während in Wirklichkeit die gedachten Kleinwesen
unter geeigneten Bedingungen auch dort eine äußerst rege Vermehrung
erfahren! Bei der Schwesterwissenschaft, der medizinischen Bakterio-
logie, sind die Verhältnisse wesentlich günstiger; hier liegen bekanntlich
äußerst zahlreiche Untersuchungen über die physiologischen Lebens-
verhältnisse und Lebensansprüche pathogener Mikroorganismen vor,
während in dieser Hinsicht unsere Kenntnis bezüglich der Boden-
bakterien, wie gesagt, noch recht lückenhaft sind.
Aus diesen Gründen heraus habe ich bereits seit länger um-
fassende Untersuchungen ausgeführt, die über eine Reihe der hier in
J34 Joseph Simon.
Frage kommenden Momente Aufschiuli geben sollen und auch zum Teil
bereits zu abgeschlossenen Resultaten geführt haben. Ich kann hier
nur einige derselben herausgreifen und kurz besprechen.
Bei der Kultur auf künstlichen Nährböden verhalten sich die
Leguminosenbakterien bekanntlich verschieden, was Miltner und Stornier
in erster Linie veranlaßt hat, zwei Gruppen von K'nöUchenbakterien, gela-
tine- und agarwüchsige, zu unterscheiden, die sie mit der trennenden
Bezeichnung Khizohhmi radicicola und Bhhohium Beijerinckn versehen
haben. Ohne auf die Arteinheit oder Artverschiedenheit der Bakterien
der verschiedenen Leguminosen hier näher einzugehen, will ich nur
kurz erwiihnen, daß von mir in dieser Richtung ausgeführte Unter-
suchungen in den Endresultaten (siehe Tabelle Seite LS5) recht interessante
Momente ergeben haben: Ich weise auf die nahe Verwandtschaft der
Gattungen Pisuni und Vicia hin und dagegen auf das vollständig kon-
träre Verhalten zwischen den Gattungen Trifolium und Medicago in der
Gruppe der Trifolieen; ich erwähne ferner die außerordentliche Verschieden-
heit der gewöhnlichen Bohne und der japanischen Sojabohne, deren
Bakterien schon in der Kultur auf künstlichen Nährböden durchgreifende
Llnterschiede dergestalt zeigen, daß erstere Gelatine bevorzugen, letztere
am besten auf Agar gedeihen, und die auch in der Bakteroidenbildung
sehr bedeutende Unterschiede zutage treten lassen. Einige Worte
möchte ich auch den mit einer kreuzweisen Impfung von Bakterien
der gelben (also einjährigen) und der ausdauernden Lupine angestellten
Versuchen widmen: Es war hier zunächst nur eine Impfwirkung der
Bakterien an der gleichnamigen Pflanze sichtbar, die vorzeitige Ernte
eines Teiles des Versuches Ueß aber auch reichliche KnöUchen an den
Wurzeln der mit den konträren Bakterien geimpften Pflanzen erkennen.
Bei dem stehengebliebenen Teil der Versuchspflanzen trat im weiteren Verlauf
aber auch in dieser Reihe Bakterienwirkuiig ein, inzwischen hatten sich
die Bakterien der einjährigen Pflanze an die ausdauernde angepaßt und
umgekehrt. In der Schlußernto kam dies in einem wesentlichen Plus
gegen ungeimpft zum Ausdruck, das aber immerhin bei weitem nicht
an die durch voll angepaßte Bakterien an der gleichnamigen Pflanze
hervorgerufene Förderung heranreichte.
Schon Beyerinck ') hat in seiner grundlegenden ArbeitimJahre 1888
darauf hingewiesen, und jeder, der Bakterien aus den Wurzeln von
L^'guminosen gewinnt und weiterzüchtet, macht die Beobachtung, daß das
sichtbare Wachstum auf gelatinösen Nährbiklen nur ein relativ kurzes
ist: bei Erbsenbakterien setzt in den ersten Tagen der Kultur auf ge-
') Bot. Zeitung 1888, Seite 725.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 135
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f „ polypliyllus
1 Trifolium pratense .
\ „ repens . .
incarnatum
Medicago sativa . .
„ lupulina .
j Anthyllis vulneraria
1 Ornithopus sativus .
Onobrychis sativa .
i Pisuni sativum . .
I „ ai'vense . .
j Vicia sativa . . .
' ,, villosH . . .
\ Phaseolus vulgaris .
1 Soja hispida . . .
j 3g Joseph Simon.
eigneten! Gelatinenährboden ein üppiges Wachstum mit außerordentlicher
Schleimbildung ein. nach einigen Tagen sinkt dieser Schleim infolge der
Schwere nach den tiefer liegenden Partien , allmählich sistiert das
Wachstum, und nach 10 — 15 Tagen ist von einer Bakterienwucherung
nichts mehr wahrzunehmen. Daß dies nicht etwa darauf zurückzu-
führen ist, daß sich die Bakterien in einen konsistenten Schleim ein-
hüllen und so vom Nährsubstrat getrennt werden, ist hier sehr einfach
nachzuweisen; es sind vielmehr die Ausscheidungsstoffe der Bakterien
selbst und die Zersetzungsprodukte des Substrats, die eine hemmende
Wirkung auf das Wachstum der genannten Kleinwesen ausüben, ich
habe in dieser Richtung umfangreiche Untersuchungen angestellt; doch
schon auf einfache Weise, indem man den auf einer frischangelegten
Gelatinekultur entstandenen ßakterienschleim ganz bzw. zum größeren
oder geringeren Teil entfernt, im Dampf steriUsiert und neues Bak
terienmaterial auf die schieferstarrten Röhrchen überträgt, wird man er-
kennen, daß auf den Impf strichen höchstens noch ganz geringe Bildung
eines wässerigen, durchsichtig hellen Schleimes, meist jedoch gar keine
Entwickelung in die Erscheinung treten wird. Das gleiche ist zu beob-
achten, wenn man die Bakterienmasse mit der obersten Schicht des Nähr-
bodens steril entfernt und diesen wieder impft. Von ganz besonderem
Interesse erschien es mir, den Einfluß der Ausscheidungsstoffe sogenannter
konträrer Bakterienstämme, d. h. solcher, die von miteinander unverträg-
lichen Pflanzen, wie z. B. Wicke contra Rotklee, Lupine und Serradella
contra Rotklee u, a. stammen, zu prüfen, in der Hoffnung, daß hieraus
vielleicht Anhaltspunkte für die Erklärung der angeführten Unverträg-
lichkeitserscheinungen zu gewinnen seien. Diese Versuche hatten nega-
tiven Erfolg: der Zusatz von sterilen Schleimmassen oder verflüssigten
Gelatine- bzw. Agarkulturen — ganz gleich ob von der eigenen oder
einer konträren Pflanze stammend — zu frischem, jungfräulichem Nähr-
boden übt, vorausgesetzt daß nicht eine ungünstige Beschaffenheit der
Konsistenz oder ähnliches den gemischten Nährboden a priori ungeeignet
macht, eine schädigende Beeinflussung des Wachstums nicht aus, so-
lange sich der Zusatz innerhalb gewisser Grenzen hält; ein Plus des-
selben kann aber dem gemischten Nährboden so viel Ausscheidungs- bzw.
Zersetzungsstoffe zuführen, daß das Wachstum geschädigt oder von vorn-
herein sistiert wird. Es scheinen demnach weniger die Ausscheidungs-
stoffe der Bakterien als vielmehr die Zersetzungsprodukte des gelatinösen
Nährbodens zu sein, die den letzteren, indem sie in denselben hinein diffun-
dieren, geradezu vergiften. Eine Erschöpfung des Nährbodens kommt keines-
falls in Betracht, und auch der naheliegende Einwand, daß eine Reaktions-
vöränderung des Nährbodens der springende Punkt sei, ist nicht zutreffend.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 137
Es ist nun weiter unzweifelhaft, daß bei längerer Kultur auf ge-
latinösen Nährböden mit der Entwickelungshemmung eine Abschwächung
der Vegetationskraft der Knöllchenbakterien, auf die ich später noch
zurückkommen werde, gleichzeitig stattfindet, analog wie bekanntlich
Pastour zuerst und schon vor Jahren dies für das Bakterium der
Hühnercholera nachgewiesen hat. Bei der fortgesetzten Kultur auf ge-
latinösen Nährböden, entstehen bei den Knöllchenbakterien Vegetations-
formen, die den in den WurzelknöUchen an der Pflanze normal sich
bildenden Bakteroiden konform sind. Ob und inwieweit zwischen diesen
unter dem Einfluß ungünstiger Ernährungsbedingungen bzw. der eigenen
Stoffwechselprodukte selbst entstandenen, pathologische Erscheinungen
darstellenden, bakteroiden Degenerationsformen, wie sie bekanntlich
fast alle echten Bakterien unter analogen Umständen bilden, und jenen
Produkten, die vermutlich infolge günstiger Ernährungsbedingungen in
den Knöllchen selbst ein Wachstum über das individuelle Maß hinaus
darstellen, ob zwischen diesen wesentlich zu unterscheiden ist, darauf
will ich heute nicht näher eingehen. Für die pathogenen Keime ist
der Nachweis einer Schwächung ihrer Virulenz ja leicht zu erbriiigen,
da hier die Reinkulturen direkt in die Blutbahn bzw. in das betreffende Organ
eingeimpft werden. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei den Legu-
minosenbakterien, diese müssen erst dem Boden einverleibt werden und
zunächst in diesem ihnen ja normalerweise zusagenden Medium
mindestens eine Reihe von Generationen verbringen, ehe sie in die
Wirtspflanze eindringen können. Diese Zwischenkultur und damit
die Natur und Beschaffenheit des Mediums Boden ist daher
von sehr wesentlicher Bedeutung für die spätere Wirksam-
keit der Knöllchenbakterien.
Besonders die Mikroflora des Bodens spielt naturgemäß eine
wichtige Rolle; dieselbe ist bekanntlich eine außerordentlich vielgestaltige
und ihre Zusammensetzung von den mannigfachsten Momenten abhängig.
Die Natur der vorhandenen Kleinwesen spielt aber im Hinblick auf die
Bakterienimpfung eine besonders große Rolle deshalb, weil zwischen.,
den Bakterien gewisser Spezies und den Wurzelmikroben der Legu-
minosen Wechselbeziehungen antagonistischer Natur bestehen, welche
die Vegetationskraft und die Wirksamkeit der letzteren bis in die Wirts-
pflanze hinein wesentlich zu beeinflussen vermögen.
Auf die vielfachen Umstände und Bedingungen, die einen Einfluß
auf die Zusammensetzung der Mikroflora des Kulturlandes ausüben,
näher einzugehen, fällt nicht in den Rahmen meiner Ausführungen:
jedenfalls tobt unter diesen Kleinwesen ein sehr energischer Kampf ums
Dasein, in dem die künstlich dem Boden eingeführten Knöllchenbakterien
][38 Joseph Simon.
eine scharfe Konkurrenz zu bestehen haben und unter Umständen die
Gefahr vorhanden ist, daß die letzteren sich überhaupt nicht entwickehi
können. Diesem Moment zu begegnen, hat jedenfalls Miltner mit-
veranlaßt, bei der von ihm empfohlenen Impfmethode ') den Bakterien
Nährstoffe mit in den Boden zu geben, um sie dadurch widerstands-
fähiger gegen die ihnen drohende Gefahr zu machen. In der Tat sind
unter Umständen günstige Erfolge zu erzielen auf Grund einer derartigen
vorsorgenden Beigabe von geeigneten Nährstoffen. Nicht selten erreicht
man aber das direkte Gegenteil, indem die in Gestalt von Trauben-
zucker. Popton und Milch bestehende Nahrung in viel höherem
Maße schädlichen Mikroorganismen zugute kommt und diese
zu einem derartig ausgedehnten ^Vachstum b(^fähigt, daß
sie die Knöllchenbakterien , noch ehe sie an bzw. in ihre
Pflanzen gelangen, mehr oder minder vollständig über-
wuchern und den Irnpferfolg ganz oder teilweise vereiteln.
Ein derartiges Überwuchern eines der Komponenten ist. ja zahlenmäßig
leicht zu konstatieren. Aber nicht immer braucht dasselbe in der Zahl
zum Ausdruck zu kommen, unter Umständen ist der schädigende Ein-
fluß auf Stoffe zurückzuführen, welche die kontiere Bakterienart aus-
scheidet bzw. bildet, und die den Boden als Substrat für die Knöllchen-
bakterien ungeeignet machen. Kurz, in jedem Falle, wo im Boden
oder am Saatgut schnellwüchsige oder zu den Knöllchen-
bakterien in einem antagonistischen Verhältnis stehende Kl ein-
wesen vorhanden sind, birgt die Beigabe von Nährsalzen
zum Impfstoff eine beträchtliche Gefahr in sich. Ich habe
diese Frage experimentell und eingehend geprüft, und auf Grund dieser
Untersuchungen sehe ich von der Beigabo von Nährsalzen zu den von
Dresden aus zur Abgabe gelangenden Impfkulturen ab.^) Viel wichtiger
erscheint es mir, die Knöllchenbakterien in anderer Weise für die ihnen
bevorstehende Aufgabe vorzubereiten und indirekt zu unterstützen.
Ich kehre zunächst nochmals zu der Kultur der Leguminosen-
bakterien auf gelatinösen Nährböden zurück. Der wachstumshemmende
und schädliche Einfluß des gelatinösen Substrats in älteren Kulturen ist,
wie ich dargelegt habe, zweifellos. Die gewöhnlich geübte Methode,
nach welcher der ganze Inhalt eines Kulturröhrchens herausgenommen,
in Milch oder einer anderen Flüssigkeit verteilt und so zur Impfung
verwendet wird, erscheint mir daher bedenklich. Der mit schädlichen
Stoffen durchsetzte Nährboden — Gelatine bzw. Agar — kommt bei der
1) Prakt. Blätter f. Pflan/enbau und Pflanzenschutz 1903, Nr. 33.
2) s'. Sachs, landw. Zeitschrift 1907, Nr. 34, S. 904.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakteiien d. Leguminosen usw. X39
feinen Verteilung und der dadurch bedingten Auslaugung nur noch ener-
gischer und allgemeiner zur Wirkung auf die Knöllchenbakterien; bei
der Samenimpfung wird die Oberfläche des Saatkorns ebenso wie mit
den Bakterien so auch mit diesen dem \\'achstum derselben aach in der
Verdünnung mindestens nicht förderlichen Stoffen überzogen, und bei
der Einverleibung der Impfflüssigkeit in den Boden wird nicht etwa
durch die starke Verdünnung oder Auslaugung die Wirkung der ge-
nannten Stoffe völlig kompensiert. Selbst bei der Verteilung von
Bakterienschleim für sich allein findet schon eine recht mangelhafte
Verteilung der Bakterienindividuen statt, dieselben haften äußerst zähe
auf relativ lange Zeit im Boden an den Schleimfäden und bleiben der
Einwirkung der wachstumshemmenden Eigenschaften der Zersetzungs-
produkte ausgesetzt. Es kommt aber noch ein anderes Moment hinzu:
wenn der gelatinöse Nährboden auch durch die Kultur von Knöllchen-
bakterien für diese selbst ungeeignet wird, so trifft dies nicht auch für
andere Bakterien zu; im Gegenteil, im Boden vorkommende und den
Knöllchenbakterien feindliche Bakterienspezies wachsen sehr üppig auf
diesem Substrat, und so wird eine Beigabe desselben nur zu sehr ge-
eignet sein, die Entwickelung der eingebrachten Leguminosenorganismen
zu hemmen, die ihrer Feinde aber zu begünstigen.
• Es erscheint daher mindestens als ratsam, nur den
Bakterienschleim selbst und nicht auch das Substrat zu Impf-
zwecken zu benutzen. Ob aber die Verwendung eines-
anderen Mediums für die Fortkultur der Knöllchenbakterien
besonders für die Zeit vor der Verwendung derselben als
Impfstoff nicht mannigfache Vorteile bieten würde, auf diese
Frage werde ich später noch zurückkommen.
Ich habe vorhin wiederholt darauf hingewiesen, daß z. T. eine
Antibipse zwischen manchen der Mikroorganismen, die im Boden zuein-
ander in Wechselwirkung treten, besteht. Dieses Verhältnis erstreckt
sich aber noch weiter und übt seinen maßgeblichen Einfluß noch an
bzw. innerhalb der Pflanze aus, in welche die Leguminosenbakterien ein-
dringen und Knöllchenbildung verursachen.
Bei der Entnahme von Knöllcheninhalt auch aus durchaus frisch
und gesund aussehenden KnöUchen gehen bekanntlich häufig auf der
Platte auch noch andere Bakterienarten auf, und es ist in der Tat eine
gar nicht engbegrenzte Flora, die man im Innern der knöUchenartigen
Gebilde an den Leguminosenwurzeln ündet. Schon Beyerinck erwähnt
dies') und nennt den Bacillus fiuorescens, einen Bacillus Trimethyl-
1) Bot. Zeitung, 1888, S. 749.
J40 Joseph Simon.
amin, einen proteusartigen Vertreter und andere, deren Vorkommen
er als saprophytisch bezeichnet, und die er als nachträgliche Eindringlinge
anspricht. Auch Hiltner und Störmer*) haben in einer Reihe von
Knöllchen mit nicht zerfließendem Inhalt fast ausnahmslos das septierte
Mycel eines Pilzes, der von der Wurzel aus in das Knöllchen eindringt, ge-
funden. Aber bereits bei der primären Infektion selbst können neben der je-
weils angepaßten Knöllchenbakterienform auch noch andere Bakterienspezies
durch die gleiche Eingangspforte, das Wurzelhaar der Pflanze, ein-
dringen, und es hängt einerseits von der Vegetationskraft der eigenen
KnöUchenbakterien anderseits von der Natur und der Vegetationskraft
der fremden Eindringlinge, in erster Linie aber von der Widerstands-
kraft der Pflanze, kurz von dem Gesundheitszustande derselben ab, ob
jener Gleichgewichtszustand zwischen Wirt und KnöUchenbakterium zu-
stande kommt, in dem die Existenz beider eine dauernde Förderung er-
fährt. In diesem Falle wie überhaupt unter normalen Bedingungen
werden die fremden Eindringlinge von der Pflanze resorbiert; andern-
falls können dieselben einen recht wesentlichen Einfluß auf die Wirkung
der KnöUchenbakterien ausüben.
Durch Impfen mit Mischkulturen kann diese Frage direkt ex-
perimentell geprüft werden, und eine Anzahl Versuche ist in dieser Hin-
sicht von mir ausgeführt worden. Ich will kurz auf jene Untersuchungen
eingehen, die ich eingangs schon einmal erwähnt habe, und die eine Auf-
klärung der sogenannten Unverträglichkeit gewisser Kulturpflanzen zu-
einander, z. B. daß Klee kurz nach Wicken, Serradella nach Rotklee usw.
zu mißraten pflegen, anstreben sollten.
In dem einen Falle wurden zu Zottelwicken, im Verhältnis von 1:1,
1 : 10, 1 : 100 gemischt Aufschwemmungen von Bakterien der Zottelwicke
selbst und von Rotklee als Impfstoff benutzt; daß in allen Fällen die
Basis an Bakterien von Zottelwicke die gleiche war und ebenso die ge-
samte Impfmenge, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Es stellte sich
nun die interessante Wirkung ein, daß je nach dem Grad der Ver-
dünnung eine Impfwirkung, wie sie sich im eintretenden Ergrünen der
ganzen Pflanzen ausdrückt, später erst in die Erscheinung trat. In den
Erntegewichten kam wesentlich nur bei der stärksten Beigabe von kon-
trären Bakterien ein Minus zur Geltung. Interessant war der Knöllchen-
besatz an den Wurzeln, am stärksten bzw. am reichlichsten erwies er sich
nämlich an den letztgenannten Pflanzen. Die nachteilige Wirkung ist
im vorliegenden Falle jedenfalls darauf zurückzuführen, daß
1) Arbeiten d. Biolog. Abteil, am Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. HI (1903),
S, 251.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 141
die Rotkleebakterien mit in die Wurzelhaare eingedrungen
sind und in den entstehenden Knöllchen sich weiter ent-
wickelten, jedoch nur auf Kosten der Wirtspflanze ein rein
parasitisches Leben geführt haben, ohne an der Stickstoff-
assimilation sich zu beteiligen. Es scheint aber auch keine nennens-
werte Anpassung an die fremde Pflanze eingetreten zu sein, worauf die
äußerst zahlreiche Knöllchenbildung bei stärkstem Zusatz von Rotklee-
bakterien hindeutet — die Pflanzen waren eben bestrebt, den Ausfall
in ihrer Ernährung zu decken; es ist aber auch möglich, daß StofF-
wechselprodukte der Rotkleebakterien einen hemmenden Einfluß auf die
spezifischen Mikroorganismen ausgeübt haben.
Indem ich darauf hinweise, daß, wie aus der Tabelle über die Art-
einheit der KnöUchenbakterien ersichtlich (siehe S, 135) ist, die genannten
Bakterienstämme sich gegenseitig nicht vertreten können und in Rein-
kultur gegenseitig nicht infektiös wirken, muß es um so auffallender
erscheinen, wenn die experimentelle Prüfung ergab, daß bei diesem Un-
verträglichkeitsversuch in den Knöllchen an der Wickenpflanze reichlich
auch Bakterien von Rotklee vorhanden waren: einfache Ausstrichkul-
turen, die Mischkulturen darstellten, lieferten sowohl an Wicken- wie
an Rotkleopflanzen reichlich Knöllchenbildung und Impfwirkung. Bei
einem anderen Versuch mit Serradella und Lupine einerseits und Rotklee
anderseits wurde zwar die gleiche Wirkung "wie oben erzielt, es waren aber
andere Ursachen, welche dieselben hervorgerufen haben. Zwischen den
Bakterien der letztgenannten Pflanzen besteht ein stärkerer Antagonismus,
die Bakterien von Rotklee konnten wenigstens aus den Wurzelknöilchen
von Lupine und Serradella und umgekehrt nicht gewonnen werden,
wohl aber äußerte sich der Zusatz von in Dampf sterilisierter Schleim-
flüssigkeit der Rotkleebakterien schädigend auf die Impfwirkung der
Lupine und Serradellabakterien. Schlußfolgerungen möchte ich an diese
Beobachtungen jedoch noch nicht knüpfen, bevor die Frage noch nicht
weiter geprüft ist.
Endlich hat bei diesem letzten Versuche ein Zusatz von fein zer-
kleinerten Wurzelmassen der konträren Pflanzen sowohl mit wie ohne
Knöllchen und ebenso auch nach vorangegangener Sterilisation im
strömenden Dampf eine schädigende Wirkung ausgeübt. Auch hier mr)chte
ich mich einer Beurteilung noch enthalten, gleichzeitig aber derauf mehr-
fache Beobachtungen gegründeten Vermutung Ausdruck verleihen, daß in
der landwirtschaftlichen Praxis die unverträgliche Nachwirkung von Serra-
della auf Rotklee teilweise dadurch behoben werden kann, daß man die
Pflanzen durchfrieren läßt, bevor man sie unterackert; die durch das
Gefrieren hervorgerufene Zerreißung der Gewebe hat eine schnellere
142 Joseph Simon.
Verrottung der Serradellapflanzen im Gefolge, worin wohl das fördernde
Moment zu suchen ist. Diesbezügliche Gründüngungsversuche werden
lioff entlich eine befriedigende Lösung der Frage bringen.
Die bereits ausgeführten Arbeiten haben aber jedenfalls interessante
Momente ergeben, die sowohl für die Erklärung der erwähnten Unver-
träglichkeits- wie auch gewisser Bodenmüdigkeitserscheinungen beitragen
dürften, auf die ich gleich weiter eingehen will.
Es ist der normale Entwickelungsgang des WurzelknöUchens, daß
es schlieOlich Päulniserregern zum Opfer fällt und, nachdem es den
Zwecken der Pflanze gedient, seinen Inhalt in den Boden entleert. Dieser
Endprozeß setzt jedoch manchmal sehr frühzeitig ein, so daß es trotz
KnöUchenbildung nicht zu einer Förderung der Wirtspflanze kommt;
man kann sogar unter Umständen beobachten, daß kurz nach der Infektion
durch die Leguminosenbakterien noch andere Bakterien in das Wurzelhaar
eindringen, unter Zersetzungserscheinungen dem Schleimfaden folgen und
das Wurzelhaar zum Absterben bringen; zu einer KnöUchenbildung
kommt es gar nicht. In anderen Fällen werden zwar äußerst zahlreiche
KnöUchen gebildet, es findet immer und immer wieder Infektion und
KnöUchenbildung, aber gar keine oder nur eine geringe Förderung der
Wirtspflanze statt.
Zur Erklärung dieser Tatsachen scheint das Virulenzprinzip im
Sinne Miltners eine zutreffende Beantwortung geben zu kiinnen. In den
von mir eben angeführten Fällen treffen diese Erklärungsmomente je-
doch nicht zu. Daß nicht die Virulenzverhältnisse die Schuld tragen,
ist ja leicht dadurch zu beweisen, daß der benutzte Impfstoff in seiner
Wirksamkeit auf andere in geeignetem Boden herangezogene Pflanzen ge-
prüft wird; eine Prüfung der aus den KnöUchen gezüchteten Reinkulturen
kann natürlich nicht immer ein zutreffendes Bild geben. Ich habe dieselbe
trotzdem vorgenommen: die Verwendung von Knöllcheninfus ergab das
gleiche schädigende Resultat,') hingegen heferte eine auf Gelatine iso-
lierte Reinkultur der vorhandenen Knöllchenbakterien als auffallendes
•Ergebnis einen durchaus normalen Impferfolg. Ein Versuch gestattet
natürlich keine maßgebhchen Rückschlüsse, und ich möchte annehmen,
daß die Knöllchenbakterien doch in der Pflanze sehr wesentlich und
zwar durch die Stoft'wechselprodukte der fremden Eindringlinge in ihrer
Vegelationskraft geschwächt waren: wenn sie später trotzdem einen
guten Impferfolg lieferten, so liegt dies an der zwischengeschobenen
Kultur in der Erde, die nach meinen Erfahrungen überhaupt geschwächte
Knöllchenbakterienstämme binnen wenigen Generationen in ihrer
1) S. Tabelle S. 157.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakteiien d. Leguminosen usw. ^43
Vegetationskraft erneut. Die erste Ans(;haiiung wird wesentlich durcli
die ßeobaclitung gestützt, dal5 in den befallenen nicht zersetzten Knöllchen
neben den Fremdbakterien sehr zahlreiche den Bakteroiden ähnliche Ge-
bilde vorhanden waren, die doch wohl nur Degenerationsformen der
Knöllchenbakterien darstellten .
In der Tat sind es jene Kleinwesen, die neben den Leguminosen-
bakterien eingedrungen sind und sich ebenfalls im Innern der Pflanze
vermehrt haben, welche für die angegebenen Erscheinungen wesentlich
die Schuld tragen. Es handelt sich dabei um gewisse Bakterienarten,
die ganz allgemein im Ackerboden vorhanden sind; normalerweise in
geringer Menge üben sie keinen bemerkenswerten Einfluß aus, findet
aber, und zwar durch ganz bestimmte Momente eine Anreicherung der-
selben im Boden statt, so treten sie in Wechselwirkung zu den
Knöllchenbakterien sowohl im Boden wie auch im Inneren der Knöllchen
und üben besonders in ihren Stoffwechselprodukten einen zunächst
wachstumshemmenden und degenerierenden Einfluß auf die Knöllchen-
bakterien aus. Ursprünglich saprophytisch im Boden lebend, gehen diese
Bakterien zu einem parasitischen Lebenswandel über und wuchern in
den Fällen, wo sie putride Zersetzungen nicht hervorrufen, lange Zeit
im Innern der Pflanze, aber vorwiegend auf Kosten der Knöllchenbakterien
und vielleicht gerade auch auf Kosten der von diesen unter Assimilation
des Luftstickstolfes gebildeten Eiweißkörper. Die Wirtspflanze selbst
wird dabei geradezu intakt gelassen, und, korrekt ausgedrückt, treten die
Fremdbakterien weniger als Parasiten der Leguminose als wie als solche
der Knöllchenbakterien selbst auf; es handelt sich um eine Antibiose,
einen Kampf zwischen dem überlegenen Fremdling und den Knöllchen-
bakterien selbst.
Sowohl bei V^erwendung von Reinkulturen aus dem keineswegs
engumschriebenen Formenkreis von Bakterien, die hier in Betracht
kommen, als auch mit Mischkulturen gelang es bei genügendem Zusatz
derselben in den Boden vor oder bei der Impfung mit KnöUchenbakterien-
Reinkulturen die geschilderten Vorgänge an den W^urzeln der Legumi-
nosen experimentell hervorzurufen und die Wirkung auch hochvirulenter
Knöllchenbakterien vollkommen hintanzuhalten trotz stattfindender Knöllchen-
bildung. Ich maß aber hier beschränkend erwähnen, daß meine dies-
bezüglichen Versuche sich bisher nur auf Erbsen und Rotklee er-
streckten.
Diese Vorgänge sind nun für die Erklärung gewisser Boden-
müdigkeitserscheinungen von großer Bedeutung. Es liegt auf der
Hand, daß bei der Entleerung der Knöllchen zu Ende der Vegetations-
periode eine ungleich größere Menge von Fäulniserregern als von
j^44 Joseph Simon.
KnöUchenbakierien in den Boden gelangt, wodurch zunächst jedenfalls
das bakteriologische Gleichgewicht einseitig gestört wird. Bei rationeller
Bearbeitung des Bodens und der nachfolgenden Kultur einer anderen
Pflanze wird unter dem Einfluß physikalischer Momente und der Natur
der nachgebauten Kulturpflanze ein Gleichgewichtszustand bald wieder her-
gestellt, und die aus den KnöUchen stammenden Fäulnismikroben werden
bald in ihre normalen Grenzen eingedämmt sein. Wenn aber die betr.
Loguminose häufig hintereinander gebaut wird, so findet eine bedeutende
Anreicherung der gedachten Mikroorganismen statt, die sie erst befähigt,
nunmehr parasitär aufzutreten und jene den Anbau der Leguminose
schädlich beeinflussenden Erscheinungen hervorzurufen. Unter dem Ein-
fluß ihrer Ausscheidungsstoffe werden diese Bakterienarten zunächst in ihrer
sog. Virulenz gestärkt, wie dies ja von anderer Seite für Schimmelpilze
nachgewiesen ist, und wie ich es auch für Botrytis bei der Keimlings-
krankheit der Levkojen beobachtet habe. Die Natur der Leguminosen-
pflanze ist allerdings auch von maßgeblichem Einfluß, und es scheint,
daß sie schon allein gewisse Gattungen befähigt, die Entwickelung mancher
Zersetzungsmikroben einzudämmen. Bei der Serradella z. B. habe ich
jene bei Erbse und Rotklee konstatierte vorzeitige Einwanderung erst-
erwähnter Premdbakterien noch nicht beobachten können; dieselbe stellt
ja auch eine mit sich selbst verträgliche Pflanze dar, die gerade nach
wiederholtem Anbau meist immer besser gedeiht, während bei der Kultur
von Erbsen und Rotklee erfahrungsgemäß leicht Bodenmüdigkeit eintritt.
Meine seit dem Jahre 1901 ausgeführten Versuche über die sog.
Virulenz der Knöllchenbakterien, bei denen ich dem bekannten Passage-
verfahren der Mediziner folgte und unter anderem möglichst oft Erbsen
hintereinander in demselben Boden zog, trat bald Bodenmüdigkeit ein.
wenn die Wurzeln und KnöUchen bzw. deren Inhalt im Boden belassen
wurden ; entfernte ich diese aber möglichst quantitativ und wurde die
Erde leicht getrocknet, traten Bodenmüdigkeitserscheinungen nicht ein.
Überhaupt übt einfache Trocknung bzw. Durchlüftung des Bodens
einen meist günstigen Einfluß auf die Zusammensetzung der Bodenflora
sowie auf die spätere Entwickelung und Wirksamkeit gewisser Bakterien-
arten aus: auch habe ich in Verfolg derselben eine nicht unwesentliche
Erhöhung des verfügbaren Nährstoff-, speziell des Stickstoffkapitals kon-
statieren können, worauf wieder die Natur des Bodens und der Ursprung,
liehe Mikrobengehalt desselben von bestimmendem Einfluß zu sein scheint.
In welch hohem Grade im übrigen der Boden normalerweise
einen geeigneten Aufenthaltsort für die Knöllchenbakterien der Legumi-
nosen darstellt, geht wohl schon daraus hervor, daß auf unseren Böden
bei der so oft gebauten Erbse durch eine künstliche Impfung auch
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 145
.„höchst virulenter" Bakterien ein bemerkenswerter Erfolg selten zu er-
zielen ist. In beweiskräftigem Maße wird dies ferner durch die inter-
essanten Ergebnisse eines vergleichenden Serradella-Impfversuches
(Birkenhain) illustriert. Auf Grund einer mehrere Jahre vorher erfolgten
Impfung war eine beträchtliche Impfwirkung auf einem Teil der im
Versuchsjahre ungeimpft gebliebenen Parzelle zu konstatieren, und auch
dort, wo im Versuchsjahre eine Bakterienimpfung vorgenommen worden,
war auf dem Teil des geimpften Stückes, der schon früher einmal eine
Impfung und im Versuchsjahre also eine zweite erhalten hatte, doch
noch eine bemerkenswerte Förderung a conto der ersten Impfung zu
beobachten: Trotz ihres mehrjährigen Verweilens im Boden haben diese
erstmalig demselben einverleibten Bakterien sich nicht nur eine starke
Vegetationskraft bewahrt, sondern sie haben nach der bekannten Theorie
Hiltners schließlich noch eine höhere Virulenz besessen als die zur
Neuimpfung verwandten Kulturen.
ßodenmüdigkeitserscheinungen der geschilderten Art sind aber bei
einem anderen Versuch, den ich noch kurz erwähnen will, recht deut-
lich zu erkennen. Bei Untersuchungen über die Deckung des Stickstoff-
bedarfs der Pflanzen aus der Atmosphäre, die in 1 cl>m großen in den
Boden eingelassenen Klinkerkästen zur Ausführung gelangten, hatte trotz
der Befolgung eines rationellen Fruchtwechsels der Ertrag der Legumi-
nosen sich von Jahr zu Jahr verringert. Die bakteriologische Boden-
untersuchung ließ einen reichen Bakteriengehalt erkennen, darunter auch
die typischen Wuchsformen der Leguminosenwurzelmikroben; in erster
Linie waren aber Vertreter jener Gruppen nachweisbar, von denen eine
schädigende Beeinflussung der ersteren zu erwarten stand. Ein Prüfungs-
anbau in sterilisiertem Erde-Sand-Gemisch zeitigte folgende Erntetrocken-
gewichte:
Versuchspflanze Peluschke- Pisum arvense:
1. Geimpft mit einer Reinkultur von Erbsenbakterien 20,7 g pro Topf
2. „ „ einem Erdauszug aus den Kästen 1 u. 10 4,4 „ „
3. „ „ desgl., nachfolgend behandelt mit CS.^ 12,0 „ „
4. „ „ einem Erdauszug aus den Kästen 3 u. 8 6,8 „ „ „
5. „ „ desgl , nachfolgend behandelt mit CS.2 14,1 „ „ ,,
In allen Reihen zeigten die Wurzeln reichlich Knöllchenbildung,
am zahlreichsten in den Reihen 2 und 4, in der Ausbildung am besten
in der Reihe 1. nach dieser bei 3 und 5. Die bakteriologische Unter-
suchung ergab nur in den Knöllehen der Reihen 2 und 4 eine viel-
gestaltige Flora der angegebenen Art. Der Versuch scheint mir einwand-
frei darzutun, in welch hohem Maße hier die Wirksamkeit der knöUchen-
bildenden Organismen durch die Gegenwart anderer beeinflußt worden
Jahresbericht der Vereinifrung für angewandte Botanik \'. 1';
J^46 Joseph Simon.
ist (2 u. 4), daß forner aber auch die Knöllctienbakterien schon an sich in
ihrer Vegetationskraft geschwächt waren, da sie auch nach Abtötung
der empfindlichercMi, ihnen feindlichen Keime durch Scliwefelkohlen-
stoff in ihren Wirkungen nicht annähernd an die Erfolge der verwandten
Reinkulturen heranreichten.
Ich bin damit zu der Einwirkung von chemischen Stoffen auf
die Knöllchenbakterion gelangt. Bereits vor einer Reihe von Jahren
sind an der Versuchsstation Tharandt auf meine Veranlassung und unter
meiner Mitwirkung mit Kupfersulfat einerseits, mit Äther, Schwefelkohlen-
stoff und Chloroform anderseits umfassende Untersuchungen über den Ein-
fluß einer Bodenbehandlung mit den genannten Stoffen auf nachgebaute
Pflanzen ausgeführt worden. Über mit den letztgenannten Kohlenstoffen
vorgenommene Arbeiten haben Nobbe und Richter bereits unter Be-
nutzung der von mir gegebenen Unterlagen in den ,, Landwirtschaft-
lichen Versuchs-Stationen" berichtet, und es ist nur auf ein Ver-
sehen zurückzuführen, daß mein Name nicht als der eines gleich-
berechtigten Mitarbeiters bei dieser Publikation genannt ist. Ich lege auf
diese Erklärung nur deshalb Wert, weil ich aus ihr die Berechtigung
ableite, auf dem damals eingeschlagenen Pfade weiterzuarbeiten. Da
übrigens die Schlußfolgerungen der beiden Referenten sich mit
meinen Anschauungen über die Versuchsresultate nicht vollkommen
decken, werde ich an anderer Stelle auf diese Versuche eingehender
zurückkommen. Die Tharandter Arbeiten waren mit Hafer als Versuchs-
pflanze ausgeführt. VorangegangeneUntersuchungen mitÄther und Wasser-
stoffsuperoxyd sowie Erbse als Versuchspflanze hatten einen wesentlichen
und günstigen Einfluß der genannten Stoffe auf Knöllchenbildung und Impf-
wirkung erkennen lassen; nach einer starken Ätherbehandlung war die
Knöllchenbildung eine außerordentlich üppige gewesen, das Trockengewicht
der Ernte von unbehandelt zu Äther- behandelt verhielt sich wie 100: 141,5.
Ich habe in Dresden weitere Untersuchungen über den Einfluß einer Boden-
behandlung mit difterenten Zusätzen von CSg auf die gleiche Leguminose
ausgeführt. Auf diese Arbeiten gehe ich nicht näher ein, möchte aber
die Resultate eines Versuches wenigstens hier mitteilen.
CSg-Versuch mit Erbsen, 1906.
Substrat: Nichtsterilisiertes mageres Erde-Sandgemiseh (1:10) mit
stickstofffreien Nährsalzen.
Trockengewichte
la = 19,34 /
Nicht geimpft, nicht behandelt .... on'70 '^^'^^ ^
Geimpft, nicht behandelt " oo'--iR 45.86 g
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. ^47
Trockengewichte
Hl = '^Q 8'S )
Geimpft, 50 cm» CS. pro Topf . . . . ^ " '° 60,38
Geimpft, 100 cm^ CSg pro Topf. . .
Geimpft, 150 cm^ Cög pro Topf . . .
150 cm^ CS, pro Topf, 10 Tage nach dem
Einsetzen der Keimlinge geimpft .
b = 30,53
4a = 0,18
b=: 1,32
5a = 0,67
b= 1,17
6a = 0,31
b= 1,06
100 cm^ CSg pro Topf, 10 Tage nach dem
Einsetzen der Keimlinge geimpft. . . ' .rJn.i 40,17 g
b = 19,74 \
Der Knöllchenbesatz und die Ausbildung der KnöUchen war in den
CSg-Töpfen 3 und 7 a — b ganz außerordentlich, es dürfte hier wohl
keinem Zweifel unterliegen, daß der Schwefelkohlenstoff auf die
Wurzelbakterien der Leguminosen und ihre Wirksamkeit
jedenfalls keinen schädigenden Einfluß ausgeübt hat, ganz
gleich, ob derselbe vor oder nach der Impfung dem Boden
einverleibt wurde. Daß aber die Päulnismikroben in absoluter Voll-
ständigkeit dem Schwefelkohlenstoff zum Opfer gefallen waren, bewiesen
die Erbsenkeimlinge; in den Töpfen 4 — 6 war jedes Wachstum aus-
geblieben, und ohne äußerlich erkennbare Veränderungen waren die ein-
gesetzten Keimlinge im Erde-Sandgemisch verblieben, wie sie eingesetzt
waren. ')
Untersuchungen über den Einfluß löslicher Kupfersalze wurden be-
reits im Jahre 1904 noch an der Versuchsstation Tharandt in Angriff
genommen; dieselben gelangen demnächst zur Veröffentlichung und
sollen hier nicht weiter berücksichtigt werden,-) da sie sich nur
auf Hafer und Senf als Versuchspflanzen beschränkten. Dieselben waren
als Vorarbeiten für Studien über die Wirkung der Bordeauxbrühe ge-
dacht. Dieser Gegenstand ist ja inzwischen schon anderweit und ein-
gehend bearbeitet, wenn auch einer befriedigenden Klärung noch nicht
entgegengeführt worden, ich erinnere an die Vorträge von Aderhold,
Schander und Ewort. Meine weiteren Untersuchungen haben sich, wie
ich gleich bemerken möchte, vorwiegend auf die Wirkung löslicher Kupfer-
1) Die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf die Kulturpflanze bleibt
hier unberücksichtigt; der ganze Versuch wird an anderer Stelle ausführlicher
behandelt werden.
2) Besonders erwähnt sei der fördernde Einfluß einer Gabe von 0,01 pro
Mille CUSO4 auf nachgebauten Hafer.
10^'^
5[48 Joseph Simon.
salze im Boden im Hinblick auf eine Förderung oder Benachteiligung der
Ernährungsbedingungen bestimmter Kulturpflanzen und damit im Zu-
sammenhang auf die Mikroflora des Bodens bezogen. Unter Verwendung
differenter Mengen von Kupfersulfat gelangten umfangreiche Versuche mit
den verschiedensten landwirtschaftlich und gärtnerisch wichtigen Kultur-
pflanzen, mit KnöUchen- und Bodenbakterien, endlich auch mit pathogeneii
Organismen zur Ausführung. Ich greife einige jener Untersuchungen her-
aus, die mit Leguminosen und deren Wurzelbakterien angestellt wurden.
Für die Kultur von KnoUchenbakterien auf Gelatine und Agar erhielten
letztere Zusätze in Gestalt von Kupfersulfatlösung derart, daß der Gehalt
an Kupfervitriol sich verhielt zum Nährboden wie 1 : 500, 1 : 1000. 1 : 5000.
1 : 10 000, 1 : 25 000, 1 : 50 000, 1 : 100 000, 1 : 250 000, 1 : 500 000.
1 : 1 000 000. Geprüft wurden die Bakterien von Phaseolus vulgaris,
Trifolium pratense, Fisum sativum, Medicago sativa, Soja hispida,
Lupinus ongustifolius und Lupiiius polypliyUus. Das Resultat ist
ganz allgemein dahin zusammenzufassen, daß bei der Zugabe von
1 : 500 und 1 : 1000 (die Nährböden sahen dunkelblau bis dunkelgrün
aus) jegliches Wachstum der Bakterien aufhörte. Bei sämtlichen anderen
Zugaben trat, obgleich auch hier mehr oder minder starke Färbung zu
verzeichnen war, üppiges Wachstum und enorme Schleimbildung ein,
genau so, wie in den Vergleichsröhrchen ohne Zusatz, so daß von einer
Schädigung gar nicht die Rede sein konnte. Auch eine Zugabe von
metallischem Kupfer wurde wiederholt geprüft und ergab das gleiche
Resultat: Metallisches Kupfer oxydiert an feuchter Luft zu Grün-
span (basisch kohlensaures Kupfer), das in den gelatinösen Nährboden
hineindiffundiert, trotzdem war auch hier ein geradezu üppiges Wachs-
tum zu konstatieren.
Daß die Verhältnisse im Boden sich wesentlich analog verhalten,
zeigen die in den Trockengewichtszahlen wiedergegebenen Resultate
eines mit Erbsen ausgeführten Topfversuches') bzw. die Ergebnisse der
Wurzeluntersuchungen desselben.
CuSO^-Wirkung auf Erbsen (1906).
Substrat: Nichtsterilisiertes mageres Erde- und Sandgemisch (1 : 10)
mit stickstofffreien Nährsalzen.
la = 13,501 ,. ^,
l-'ngeimpft k _ i. ..i -^'^^ §
Geimpft ^'"^ ~ J^'^J^ ! 39,26
b= 14,31
!a = 19,57
b = 19,69 \
') Die Verhältnisse des Kupfersulfatzusatzes beziehen sich auf die
Trockengewichte des Erde-Sand-Substrates.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. I49
Geimpft, Pflanzen eingesetzt, nach 4 Wochen
1 : 10 000 CuSO, ^1 = ^J^'^^ j 39,87 g
b = 19,84 \
„ Pflanzen eingesetzt, nach 4 Wochen
1:5000 CuSO, ^"^ ^ ^^'^^ I 41,11 g
' b = 21,46 i
5a = 16,76 j ^, ^^
1 : 50 000 CUSO4 i b = 17 44 i ^^'"^^ ^'
« 1 : 10 000 „ f dann Keim- \ ^ J^'^,3 { 32,58 g
pflanzen ein- « _ io 00
^••5000 „ , gesetzt ,3 T 14,26 I '^ ' '^^ ^
8a = 2,18
1000
7.04
Auf die Beeinflussung der Erbsenpflanzen brauche ich nicht nsilier
einzugehen, es interessiert uns jetzt nur das Verhalten der Legumi-
nosenbakterien und hier sprechen die Zahlen für sich. Es muß jedoch
noch betont werden, daß an sämtlichen Wurzeln der Pflanzen 3 — 7 sehr
zahlreiche und wohlausgebildete KnöUchen vorhanden waren, und daß
an den Pflanzen 5 — 7 die Bakterienwirkung erst zu einem späteren
Termin einsetzte, da dieselben in der ersten Zeit der Entwickelung
durch den Kupferzusatz sichtlich geschädigt im Wachstum zurück-
geblieben waren. Es hat also der nachträgliche Zusatz von
CuSO^ weder Knöllchenbildung noch Impfwirkung auch nur
im geringsten beeinträchtigt, und bei vorangegangener
Kupfergabe haben die Bakterien ebenfalls durchaus ihre
Schuldigkeit getan, nachdem die Wirtspflanzen den schädigen-
den Einfluß des Giftes überwunden hatten. E)aß aber selbst die
stärkste Kupfergabo keine nachteilige Wirkung auf die knöUchenbilden-
den Erbsenbakterien ausgeübt hat, das bewiesen deutlich die Wurzeln
der Pflanzen aus Topf 8a und b. Hier zeigten sämtliche Wurzeln
äußerst starke Schädigung: meist hatte die direkt ätzende Wirkung des
Kupfervitriols jegliche Weiterentwickelung der Seitenwurzeln hintan-
gehalten (entsprechend der geringen oberirdischen Substanzbildung) und
zu hypoplastischen Bildungen geführt, welche die Wurzel nur mehr als
einen stark gebräunten kienzopfartigen Stumpf erscheinen ließen; stellen-
weise waren deutliche Anschwellungen und Pusteln vorhanden, hyper-
trophische Wucherungen im primären Gewebe, auf deren histologische
Natur und Ätiologie ich anderwärts näher eingehen werde. In ganz
vereinzelten Fällen haben aber auch hier noch je 1— 2 Seitenwurzeln
die Schädigung überdauert oder nach Festlegung des Cu sich erst
j^^Q Joseph Simon.
weiter entwickelt und noch ein mehr oder minder beträchtUches Wachs-
tum der oberirdischen Pflanzenteile verursacht (in Topf 8 b hatte in
kürzester Frist eine Pflanze es noch bis zu einer Höhe von 1,5 m
gebracht). In allen diesen Fällen war an den nachträglich
gebildeten und normal entwickelten Seitenwurzoln noch
reicher Knöllchenbesatz mit z. T. großen, prächtig ent-
wickelten und stark verzweigten Gebilden zu konstatieren —
also auch hier trotz der hohen Kupfergabe Bakterieninfektion,
K n ö 1 1 c h e n b i 1 d u n g und I m p f w i r k u n g I
Noch einen Fall aus der Praxis möchte ich anführen: Be seier')
hat auf den Cunrauer Moordämmen die Beobachtung gemacht, daß
Pferdebohnen, 'die im Jahre vorher mit einer 5°/oigen Kupfervitriol-
lösung zur Bekämpfung des Hederich im Hafer bespritzt worden waren,
sich durch besonders üppigen Stand und ca. 4 Ztr. höheren Bohnen-
ertrag pro Morgen vor den nichtbespritzten Parzellen auszeichneten.
Beseler hat dann vergleichende Versuche ausgeführt und quantitativ die
Ernteergebnisse ermittelt: es wurden im Mittel von 3 Parzellen geerntet
nach Kupfervitriolbespritzung 338 Pfund Stroh
und 214 Pfund Körner Summa 552 Pfund.
ohne Bespritzung 220 Pfund Stroh und
146 Pfund Körner Summa 366 Pfund.
Das ist in der Tat eine recht beachtenswerte Nachwirkung, die der Versuchs-
ansteller selbst sehr richtig nicht etwa auf eine direkt fördernde und
düngende Wirkung des Kupfersalzes, sondern darauf zurückführt, daß
eine Abtötung schädlicher Pilze stattgefunden.
Das gleiche nehme ich auch auf Grund meiner eigenen Untersuchungen
für manche andere im Verfolg einer Einverleibung von Kupfersalzen auf-
tretende fördernde Wirkungen an. Ich meine damit nicht etwa die
hemmende Beeinflussung höherer pathogener Pilze, sondern den Einfluß
auf die bakteriologische Bodenflora. Eine derartige wesentliche Ver-
schiebung des biologischen Gleichgewichts habe ich experimentell immer
nachweisen können, sie stellt gewissermaßen ein i\nalogon zu der
Wirkung des Schwefelkohlenstoffs und anderer chemischer Agentien
dar, indem der Zusatz von Kupfersalzlösungen ein sofortiges erhebliches
Zurückgehen des Bakteriengehaltes überhaupt wie besonderer Gruppen
von Bodenorganismen im Gefolge gehabt hat.
Ganz allgemein ist man zu der Annahme geneigt, daß niedere
Organismen gegen die Einwirkung löslicher Kupfersalze durchweg sehr
empfindlich seien, eine Schlußfolgerung, die nahe liegt, seitdem schon
1) Dtsch. Landw. Presse 1901, S. 501, und 1902, S. (50.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wuizelbakterien d. Leguminosen xisw. I5I
1893 Nägeli') in einer sehr interessanten Studie die Tatsache fest-
gelegt hat, daß Spuogyra-ZeWen in Kupfersalzlösung von 1 : 1000000000
abstarben, oligodynamische Wirkungen, die Bokorny"^) erst kürzlich
wieder vollinhaltlich bestätigt hat. Andererseils ist aber auch nach-
gewiesen, daß niedere Pilze verschieden widerstandsfähig gegen lösliche
Kupfersalze sind; auf Sproßpilze z. B. wirken dieselben weniger toxisch,
die Entwickelung und Gärtätigkeit der Hefezellen im Most wird erst
bei einem Kupfergehalt von über 0,15 pro Liter hemmend beeinflußt.
Endlich erinnere ich an die mehrfachen Untersuchungen von Ono')
und anderen, von denen eine fördernde Wirkung kleiner Giftmengen
speziell auch von Kupfersulfat auf Aspergillus niger einwandsfrei
festgestellt wurde.
Auch der Einfluß von Kupfersalzlösungen auf Bakterien — aller-
dings fast ausschließlich pathogene Mikroorganismen — ist recht häufig
Gegenstand der Untersuchung gewesen mit dem übereinstimmenden Er-
gebnis, daß die vegetativen Formen selbst durch starke Verdünnungen
sehr schnell abgetötet werden. Ungleich widerstandsfähiger erwiesen
sich die Dauerformen gewisser Spezies; so konstatierten Paul und
Kroenig*), daß Milzbrandsporen in 16'^/oiger Kupfersulfatlösung nach
IOV2 Tagen noch nicht abgetötet waren. Auch dem Amerikaner Georg
Moore^), auf dessen Verdienste ich später noch zurückkommen werde,
verdanken wir hübsche Mitteilungen, nach denen man annehmen sollte,
daß das Kupfer allein schon durch seine Anwesenheit deprimierend auf
alle Krankheitskeime wirkt. Nach seinen Mitteilungen, die auch merk-
würdigerweise Eingang in eine unserer pojtulärwissenschaftlichen Zeit-
schriften**) gefunden haben, „genügt, wenn ein Wasserreservoir von
einem vergifteten Fluß gespeist wird, die Anbringung von Kupferplatten
am Eingange des Reservoirs zur Ertötung der Mikroben." ,,Kein Kupfer-
schmied ist je an der Cholera gestorben!" sagt Moore — gewiß eine
klassische Beweisführung!
Die Untersuchungen, die ich in dieser Richtung vorgenommen
habe, erstreckten sich nicht nur auf die Wurzelbakterien der Leguminosen,
sondern auch auf andere Bodenorganismen, speziell auch auf jene, die ich
vorhin eingehender berührt, die zu den Knöllchenbakterien in einem
') Nägeli, Die oligodynamischen Erscheinimgen, 1893.
2) Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. CVIII, 190.').
3j Siehe Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (]9()4), und Czapek,
Biochemie der Pflanzen (1905).
*) Zeitschrift f. phj^sik. Chemie 1896. . ; . ,
5) U. S. Department of Agriculture, Bull. 64 (1904) und 76 (1905).
6) Himmel und Erde 1906, S. 182.
152 'Joseph Simon.
antagonistischen Verhältnis stehen und die Entwickelung und Wirksam-
keit derselben hemmend beeinflussen können. Haben die angeführten
Versuche mit Erbsen und künstlichen Bakteriennährböden gezeigt, daß
die Knöllchenbakterien sehr widerstandsfähig sind, so hat sich umgekehrt
ergeben, daß die genannten anderen Bodenorganismen, daß die sog.
Säurebildner und Päulnisbakterien und andere ganz allgemein gegen
lösliche Kupfersalze äußerst empfindlich sind und schon bei Gaben,
die auf das Wachstum der Knöllchenbakterien nicht einmal einen
hemmenden Einfluß ausüben, restlos zugrunde gehen. Ich kann diese
Präge jetzt nicht weiter verfolgen; sicher erscheint mir aber, daß in
dieser Beeinflussung der Bodenflora in günstigem Sinne ein
wesentliches Moment enthalten ist zur Erklärung der för-
dernden Wirkung von Kupfermitteln auf Kulturpflanzen, daß
neben der Annahme einer düngenden Wirkung des Eisen-
gehaltes oder einer Reizwirkung, die beide unter Umständen
in Betracht kommen, die Beachtung bodenbakteriologischer
Gesichtspunkte unabweisbar notwendig ist, wie sie gleicher-
weise auch für die Erklärung des schon erwähnten Einflusses
einer Schwefelkohlenstoffbehandlung und einer Austrocknung
des Bodens in Betracht zu ziehen sind.')
Ich komme nunmehr zu den physikalischen Ursachen, welche die
Entwickelung und die Wirksamkeit derLeguminosenbakterien zu beeinflussen
imstande sind. Es würde zu weit führen, wollte ich auf den Einfluß des
Lichtes, extremer Temperaturen, der Feuchtigkeit usw. näher eingehen.
Ganz allgemein werden auch diese Wirkungen weit überschätzt, indem
man geneigt ist, die beim Studium pathogener Keime gemachten Er-
fahrungen auch auf die Verhältnisse bei den Knöllchenbakterien zu über-
tragen. Dasistvölligunzutreffend: icherinnereandas bekannteBuchn ersehe
Schulbeispiel, daß auf einer dem Licht ausgesetzten und nachher ver-
dunkelten Fleischwasserpepton-Agarplatte nur an den Stellen, wo schwarze
Papierstreifen das Wort Typhus bildend die Platte bedeckten, Wachstum
der Typhusbazillen eintrat. Vergleiche man hierzu Gelatinekulturen von
Erbsenbakterien, nachdem die einen dauernd im Licht, die anderen
im Dunkeln gewachsen sind, beide werden ein gleich üppiges und
') Wenn Stornier (Sitzung der Ver. f. Angew. Botanik am 10. Sept. 1907)
die in Verfolg einer CS.^-Behandlung nachweisbare Stickstoffanreicherung im
Boden auf die Leibessubstanz der abgetöteten Organismen zurückführt, so
ist dies an sich zweifellos zutreffend, vermag aber die angeführte Tatsache
nur zum Teil, keinesfalls aber in ihrem vollen Umfange zu erklären. Auch
die Schwefelkohlenstoff Wirkung ist ebenso wie jene löslicher Kupfersalze eine
komplizierte Folge verschiedener Faktoren.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 153
normales Wachstum zeigen. Weiter weise ich darauf hin, wie wir
bei der Kultur von Pflanzen unter sterilen Bedingungen nur zu oft die
Erfahrung machen müssen, daß gerade solche von Sonne und Luft
gedörrte Wanderer spontane Infektionen hervorrufen und eine
unheimliche Vegetationskraft entwickeln können. Eine Wurzel
aus dem ungeimpften Topfe 26b des letzten Versuches'), den ich später
besprechen werde, illustriert das Gesagte. Während alle übrigen Pflanzen
dieses Gefäßes absolut knöllchenfrei sind, befindet sich hier ein prächtiges-
Knöllchengebilde direkt am Wurzelhalse einer Pflanze, die durch diese
Fremdinfektion dermaßen in ihrer Entwickelung gefördert worden war, daß
sie eine Höhe von beinahe 2 Meter erreichte und ein Trockengewicht
ergab, das dem der 5 anderen Pflanzen zusammen beinahe gleichkam.
In meinen weiteren Ausführungen muß ich mich, ohne die Wichtig-
keit anderer Momente damit zurückstellen zu wollen, darauf beschränken,,
nur die Resistenz der Bakterien und speziell der Wurzelorganismen der
Leguminosen gegen Trocknung allgemein und in ihrer Bedeutung, für
die Bodenimpfung zu behandeln.
Für gewöhnlich steht fest, daß die vegetative Zelle einer inten-
siven Trocknung bald evliegt und abstirbt, sofern sie nicht durch
Membranverdickungen u. a. sich zu schützen weiß. Jedenfalls tritt aber
ganz allgemein infolge Wasserentziehung eine Entwickelungshemmung
stets ein. Bakterien, die jedoch z, B. durch Membranverdickungen (von
den Sporen bildenden Organismen sehe ich hier ganz ab) Dauerformen
annehmen, sind ungleich resistenter gegen Wasserentziehung, In
dieser Hinsicht bestehen ganz bedeutende Artdifferenzen: Typhus-,
Diphtherie- und Tuberkelbazillen ertragen nach Löffler wochen- bis
monatelang vollständiges Austrocknen ohne Schaden zu nehmen; hin-
wieder werden Choleraspirillen durch bloßes Austrocknen an der Luft
nach Koch binnen 3 Stunden, nach Gärtner sogar binnen 15 Minuten
abgetötet.
Der Frage, wie sich in dieser Hinsicht die KnöUchenbakterien
verhalten, bin ich schon vor Jahren in Tharandt näher getreten; bei
Arbeiten über die Stickstoff quelle auf ärmstem Dünensande der Insel
Juist wohlgedeihender Pflanzen hatte ich die große Widerstands-
fähigkeit des Azotohacter gegen Trocknung (derselbe verträgt einen
monatelangen Aufenthalt im Exsiccator) kennen gelernt, und es mußte
wertvoll erscheinen, auch das Verhalten der Leguminosenbakterien
in dieser Hinsicht genauer kennen zu lernen. Leider sind die Unter-
«) S. Seite 157.
154 Joseph Simon.
suchungen damals aus dem Stadium von Vorarbeiten nicht heraus-
gekommen.
Inzwischen hat der Amerikaner George F. Moore. Physiologist
in Charge am Pflanzenphysiologischen Laboratorium des Agrikulture
Departements der Vereinigten Staaten in Washington, diese Frage unter-
sucht. Ich muß dies wenigstens annehmen, denn in seiner Schrift ,,Soil
inoculation for Legumes" ') stellt er zwar ohne Angabe irgendwelchen
Untersuchungsmaterials die Behauptung auf, ,,daü die grollen Stäbchen
der Pseudomonas radicicolä,'' wie er die Knöllchenbakterien nennt, ,.wenn
sie auch keine Sporen bilden, glücklicherweise der Austrocknung auf die
Dauer eines Jahres und darüber hinaus widerstehen," und daü ,,sie,
wenn sie wieder ins Leben zurückgerufen werden, dieselbe Wirksam-
keit wie früher besitzen. Die Trockenheit schadet den Bakterien auf
keinen Fall"-).
xAuf diesen und einigen anderen gleich kühnen Behauptungen baut
Moore eine neue Impfmethode auf, die durch ihre Einfachheit wie durch
die vorzüglichen Resultate, über welche der Erfinder in der oben zilierten
Schrift berichtet^), direkt frappiert. Zur Schilderung des neuen Impf-
verfahrens gebe ich Moore selbst das Wort*):
..Die Methode, die im vergangenen Jahre in dem Department of
Agriculture angewendet wurde, bestand darin, daß Watte mit einer
-flüssigen Kultur von Knöllchenbakterien gesättigt wurde. Auf diese
Weise Vv^erden Millionen von Bakterien von der Watte festgehalten, und,
nachdem diese sorgfältig getrocknet ist, bleiben sie wie die Samen
schlafeud, um auf die günstigen Bedingungen zu warten, durch die sie
wieder belebt werden. Wo es möglich ist, steriles Gebrauchsmaterial zu er-
halten und vollkommen den Eintritt von Mikroorganismen zu verhindern,
genügt es, die geimpfte Watte in steriles Wasser zu bringen : wenn
dann die Bakterien sich im Laufe der Zeit genügend vermehrt und eine
entschiedene Trübung der Kultur hervorgerufen haben, ist die Flüssig-
keit zum Gebrauch für den Boden fertig. Das würde jedoch zu lange
dauern, und es ist auch schwierig, falls man große Mengen von Samen
behandeln soll, das Eintreten von anderen Bakterien, Hefen usw., die
alle eine schädliche Wirkung auf das Wachstum der Knöllchenbakterien
ausüben können, zu verhindern. Deshalb erscheint es am zweck-
mäßigsten, das Wasser auf solche Art vorzubereiten. dal5 es das Wachs-
') U. S. Department of Agriculture, Bureau of Plant Industry, RuUetin
Nr. 71. Washington 1905.
•^) a. a. O. 8. 37.
3) a. a. O. S. 45 u. f.
*) a. ü. 0. S. 87 u. 88.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 155
tum des gewünschten Bakteriums hegünstigt und dabei doch das Eindringen
jener Formen von außen verhindert. Polglich wurden zwei Pakete von
Nährsalzen mit der Wattekultur versandt, eins enthielt Zucker, Magnesium-
sulfat und phosphorsaures Kali, das andere Ammoniumphosphat. Durch
den Zusatz der ersten drei Bestandteile zu dem Wasser, welches die mit
Bakterien getränkte Watte enthält, wird eine Lösung gebildet, welche dem
Wachstum der Organismen, die gewöhnlich in der Luft enthalten sind,
nicht sehr zusagt, wohl aber der Vermehrung der knöUchenbildenden
Bakterien sehr förderlich ist. Der Zusatz von Ammoniumphosphat nach
24 Stunden dient dazu, das Wachstum dieser Bakterien noch weiter
zu fördern."
Es ist dem noch hinzuzufügen, daß Moore auch die bisher gebräuch-
lichen gelatinösen Nährböden, weil zu stickstoffreich, als zur Kultur der
Knöllchenbakterien ungeeignet verwirft; auf diesen soll ,,ihr Wachstum ge-
wöhnlich mit einer sehr starken Reduzierung der Virulenz verbunden sein" ^).
Er will ferner beobachtet haben, daß, wenn die so kultivierten Organismen
in den Boden gebracht werden, sie die Fähigkeit verloren haben, sich in
die Schwärmerform zu verwandeln, die notwendig ist, um ,,in die Wurzel-
haare einzudringen. Sie verlieren gleichfalls die Fähigkeit, den atmo-
sphärischen Stickstoff zu binden"^). Moore benutzte deshalb einen
Nähragar folgender Zusammensetzung: 1"/^ Agar, 1"/q Maltose, 0,1 ^'/o
Monokaliumphosphat und 0,02°/o Magnesinmsulphat auf 100 ccm desti-
liertes Wasser.
Auf die Mooresche Publikation noch w^eiter einzugehen, muß ich
mir hier versagen, ich werde dies an anderer Stelle eingehend tun; die
Arbeit gibt schon a priori in vielen Punkten einer scharfen Kritik
Raum."^) Welch praktischer Wert aber für uns dem Impfstoft Nitro-
1) a. a. O. S. 27.
2) a. a. O. S. 27.
-') Wenn trotzdem eine umfassende Prüfung des Moor eschen Impf-
stoffes und Impfverfahrens vorgenommen wurde, so geschah dies deshalb,
weil uns schon im Herbst 1904 von einem hervorragenden deutschen Landwirt
über ausgezeichnete Erfolge berichtet wurde, die in den Verein. Staaten durch
Verwendung dieses Impfstoffes erzielt und von ihm selbst konstatiert worden
waren, und weil von Seiten einer amerikanischen Firma ,,National-Nitro-Culture
Co." unter einem Riesenaufwand an marktschreierischer Reklame dieser Impf-
stoff unter der Bezeichnung ,,Nitro-Culture" den deutschen Landwirten als
„die größte Entdeckung des .Jahrhunderts'' zu enormen Preisen mit dem Be-
merken angeboten wurde, „daß dieses neue, sichere, leichte Verfahren dürres
und unfruchtbares Land ohne stickstoffhaltige Düngemittel und fast kostenlos
enorm ertras;fähi2; mache.".' Der deutsche Vertreter der genannten Firma
156 Joseph Simon.
Culture innewohnt, das dokumentieren die Ergebnisse meiner während
zwei Jahren ( 1905 und 1906) ausgeführten diesbezüglichen Vegetations-
versuche. Die Resultate habe ich seinerzeit in einer in der Sachs.
Landw. Zeitschrift erschienenen Publikation folgendermaßen zusammen-
gefaßt: „Wir haben das Präparat ,Nitro-Culture' einer wiederholten
Prüfung bei Bohnen, Erbsen, Saatwicken, Rotklee, Luzerne, Pferde-
bohnen und Sojabohnen in Gefäß- und Freilandversuchen unterzogen,
welche die vollkommene Untauglichkeit desselben einwandfrei ergeben
hat. In den meisten Fällen blieb überhaupt jegliche Impfwirkung aus
und nur ganz vereinzelt (bei Gefäßversuchen) war eine geringfügige
Förderung einzelner Versuchspflanzen zu konstatieren, die jedoch nicht
annähernd an jene heranreichte, die eine Impfung mit den von uns
reinkultivierten KnöUchenbakterien ohne Ausnahme im Gefolge hatte,
und wie wir sie in solchen Fällen mit absoluter Sicherheit zu erzielen
gewöhnt sind. Übereinstimmend wurde dieses Resultat durch die
mikroskopische und kulturelle Prüfung bestätigt, bei der nur Schimmel-
pilze und indifferente Bakterien, aber keine Wurzelmikroben der Le-
guminosen nachgewiesen werden konnten. Es muß daher von dem
Ankaufe und der Verwendung des Impfstoffes ,Nitro-Culture' nach-
drücklich abgeraten werden." Inzwischen sind auch andernorts Unter-
suchungen mit dem genannten Bakterienpräparat ausgeführt worden
(Remy, Rüssel, Butz u. a.), sämtlich mit negativen Resultaten, und
zahlreiche F'eldversucho haben fast au.snahmslos Mißerfolge gezeitigt.
Die weiten Gesichtspunkte aber, welche George Moore leiteten,
nämlich einerseits wenn möglich eine Steigerung der Vegetationskraft
und Wirksamkeit der Leguminosenbakterien zu erzielen, anderseits
eine für die praktische Verwendung des Impfstoffes möglichst geeignete
Form zur Anwendung zu bringen, sind ja auch die unseren. Jedenfalls
mußte es deshalb notwendig erscheinen, die grundlegenden Vorschläge
Kultur von Bakterien auf Agar von anderer Zusammensetzung,
Vorsendung der Bakterien in eingetrocknetem Zustande,
geeignetes Substrat hierzu Watte,
einer objektiven Prüfung zu unterziehen.
Diesem Zweck diente zum Teil ein umfangreicher Versuch, dem
ich hier jedoch nur wenige Worte widmen will;') in der Hauptsache
glaubte seiner Sache so sicher zu sein, daß er sich direkt an das Kgl. Sachs.
Ministerium wandte mit der Bitte, den Impfstoff einer Prüfung unterziehen
zu lassen.
1) Die Versuchsanordnung und die Resultate sind aus der Zusammen-
stellung S, 157 ersichtlich; da diese Mitteilungen nur als vorhäufige zu betrachten
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbakterien d. Leguminosen usw. 157
Ei'nte-Ti'0(ikeiiftewichte des Widers^andsfälii^keits-Versuches 1907.
1. Teil. Versuchspflauze Pisiiiii sativum.
t % ^ Erbsen-Bakterien vom Herbst 190G. Gel. -Kult.
•« -g ^ letztemal übergeimpft, 10. -Jan. 1907. |
Bakterifiii +
Wasser + Ki'd-
extrakt einge-
trocknet .lUf
Wattekugelii
Bakterien + Wasser
eingetrocknet auf
Wattekagelii
Seide-
fäden
Erde-
Saiid-
Bakt.
+
aiiieri-
kaii.
Salz-
lös^.
einge-
trockn.
auf
Hakt.
auf
Moore
Agar
kulti-
viert
6em. vvatte
ilaiin vom K!. FebriLir bis IT. Juni bei I.ichtabscliluss aufbow.ilu't.
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Die Wurzeln von ileu mit einem Sternchen bezeichnoten Versuchsreihen waren knöllchen-
Irei, die übrigen besaCseu sämtlich mehr oder minder zahlreiche Knöllchen.
J58 Joseph Simon.
strebto derselbe einen zuverlässigen Aufschlufi über die Frage an,
inwieweit die Wurzelbakterien der Leguminosen das Eintrocknen und
das dauernde oder wechselnde Verbleiben in diesem Zustande vertragen.
Das letztere betone ich besonders, denn der Gedanke war nicht von
der Hand zu weisen, daß die auf der Watte eingetrockneten KnöUchen-
bakterien Moores durch den Transport über den Ozean geschädigt
bzw. abgetötet worden seien, daß mit anderen Worten der Wechsel
der relativen Feuchtigkeit der Luft auf die vegetativen
Formen der Knöllchenbakterien schädigend eingewirkt haben
kiuinte.
An der Hand der Ergebnisse dieses Versuches weise ich auf
folgende Momente besonders hin:
1. Auf den geringen Tuterschied in der Wirkung alter Gelatine-
kulturen (Reihe 2. 3, 4, 23). Das völlige Eintrocknen auf
gelatinösen Nährböden vertragen die Knöllchenbakterien jedoch
nicht (1).
2. Das völlige Eintrocknen auf nährstofffreien Substraten, wie sie
Watte- und Seidefäden darstellen, bringt die Knöllchenbakterien
restlos zum Absterben (10 — 16).
3. Wird hingegen Bodenextrakt der Bakterienaufschwemmung zu-
gegeben und diese dann auf Watte zum Eintrocknen gebracht^
so bleibt Lebens- und Vegetationskraft durchaus
erhalten, besonders wenn die weitere Aufbewahrung in ab-
solut trockenem Raum geschieht (5— 8).
4. Schnelles Trocknen wirkt nngleich schädlicher als langsame
Wasserentziehung. Ein Wechsel in der relativen Feuchtigkeit
der Luft wirkt auf die eingetrockneten Knöllchenbakterien
schädlich und kann unter Umständen ein völliges Eingehen der-
selben im Gefolge haben (7 — 9).
5. Die von Moore angegebenen Nährsalze erscheinen als solche
nicht geeignet, ihr Zusatz macht die Knöllchenbakterien gegen
Trocknung nicht widerstandsfähiger (19 — 20).
6. Der von Moore empfohlene relativ stickstofffreie Nähragar ist
zwar zur Vermehrung der Knöllchenbakterien nicht geeignet;
das vorzügliche Ergebnis aber, welches gerade mit den auf
diesem Agar entstandenen Bakterien erzielt wurde, läßt es
dringend notwendig erscheinen, nach dieser Seite hin objektive
Untersuchungen fortzusetzen (21 — 22).
sind, muß wegen der Details auf die spätere Veröffentlichung im Centralblatt
für Bakteriolo2:ie und Parasitenkunde verwiesen werden.
Die Widerstandsfähigkeit d. Wurzelbaktei'ien d. Leguminosen usw. 159
Auf die Bedeutung einiger der in den vorstehenden Ausführungen
berührten Momente für die Implmothoden sei in folgendem nochmals
zusammenfassend hingewiesen:
Bei der Verwendung von Gelatine- bzw. .\garkulturen
zur Impfung soll das durch die Zersetzungs- und Stoff-
wechselprodukte vergiftete Substrat möglichst nicht Ver-
wendung finden.
An sich erscheint die Kultur auf gelatinösen Nährböden
sonst, sofern sie den Bakterien geeignete Wachstumsbedin-
gungen bietet, für die Wirksamkeit derselben als Impf-
material von geringerer Bedeutung. Die zwischen Impfung
und Infektion bzw. Knöllchenbildung im Boden und in der
Pflanze verbrachte Zeit und damit die günstige Beschaffenheit
des ersteren und der Gesundheitszustand der letzteren sind
von maßgeblicher Bedeutung für die Impfwirkung.
Die gelatinösen Nährböden sind für die Isolierung der
KnöUchenbakterien nicht zu entbehren: für die Portkultur
stellen aber auch geeignete Erde und Erdextrakte (mit Mannit
und Traubenzuckerzusatz) ein gutes und 'Unter Umständen
besseres Substrat dar.
KnöUcheninfuse bilden jedenfalls eine ungeeignete
Basis.
Das eingehende Studium der normal und auch der unter
besonderen Verhältnissen im Boden vorkommenden Mikro-
organismen bezüglich ihrer Lebensbedingungen, Lebens-
äußerungen und ihrer Wechselbeziehungen zu den KnöUchen-
bakterien der Leguminosen erscheint dringend geboten»
nächst anderem können dadurch Anhaltspunkte gewonnen
werden, um auf Grund einer bakteriologischen Bodenunter-
suchung die Ursachen mancher Bodenmüdigkeitserschei-
nungen erkennen zu können.
Schwefelkohlenstoff ist zwar an sich ein wertvolles
Hilfsmittel, das biologische Gleichgewicht im Boden in wirk-
samer und für den Anbau von Hülsenfrüchten förderlicher
Weise zu beeinflussen, für die Praxis im großen kann der-
selbe jedoch nicht in Betracht kommen; die Natur der
schädigenden Organismen läßt aber von bestimmten Kultur-
raaßnahmen (Schaffung besserer Bodendurchlüftung usw.)
und Zwischenbau anderer Kulturpflanzen günstige Wirkung
erhoffen.
160 'Joseph Simon, Die Widerstandsfähigkeit der Wurzelbakterien usw.
Ein Aufgeben bewährter Impfmethoden, und wenn sie auch für
die Praxis gewisse Unbequemlichkeiten besitzen, kann natüriich nur dann
in Frage kommen, wenn ein einfacheres Verfahren mindestens die
gleichen Erfolge verbürgt. Weit entfernt, auf wenige Versuche hin
ein neues Verfahren allgemein empfehlen zu wollen, glaube ich doch,
daß die Resultate des letztgenannten Versuches im Verein mit den vor-
angegangenen Ausführungen bestimmte Hinweise geben, in welcher
Richtung eine Vervollkommnung vielleicht zu erzielen sein wird.
B. Heinze. Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. Ißl
Einige neuere Beobachtungen beim Anbau von Serradella
und Lupinen auf schwerem Boden.
Von
Dr. B. Heinze, Halle a. S.
Mit einer Textfigur und Tafel I— IV.
(Ans der bakteriologischen Abteilung der Versuchsstation Halle.)
Serradella') {Ornitliopus sativus Brotero) und Lupine^) {Lu-
pinus albus L., L. luteus h., L. angustifolius L. etc.) sind bekanntlich
beide erst vor wenigen Jahrzehnten — wahrscheinlich von Spanien oder
Portugal aus — über Prankreich oder Belgien bei uns in Deutschland
wieder eingeführt worden, nachdem man diese Pflanzen sicherlich schon
in früherer Zeit verschiedentlich angebaut hatte, die diesbezüglichen Ver-
suche aber, und zwar besonders diejenigen mit Lupinen, vollständig
fehlgeschlagen waren, Beide Pflanzen sind alsdann in der deutschen
Landwirtschaft heimisch geworden und nehmen vielleicht den hervor-
ragendsten Platz unter den neueren Kulturpflanzen ein. Ihre eigentliche
Domäne ist freilich zurzeit immer noch der leichtere, sandige Boden, wie
er gerade in Deutschland, über weite Strecken verbreitet, sich vorfindet.
Besonders mit Hilfe der gelben Lupine ist man nunmehr auf
trockenem Sande, welcher bisher einer extensiveren Kultur kaum
für wert erachtet wurde, tatsächlich in den Stand gesetzt worden,
relativ große Pflanzenmassen zu produzieren; und auf sandigem Boden
mit etwas mehr Feuchtigkeit, als für Lupinen gerade noch ausreichend
ist — insbesondere auf sandigem Lehm — , hat sich die Serradella
bald einen guten Platz neben der Lupine errungen. Ebenso wie die
ij Sie wird auch Krallenklee oder Vogelfuß, auch großer Krallen-
klee, Saatvogelfuß, Sandklee, „Klee des Sandes" und Klauenschote genannt.
Ihr Name ist jedoch nach Blomeyer (cf. Die Kultur der landw. Nutzpflanzen,
Leipzig 1889, Bd. I, S. 576) keineswegs von Serra da Estrella, wie v. König
glaubt (cf. Die Serradella, der Klee des Sandes, 3 Aufl., p. 5), abzuleiten,
ferner auch nicht von dem französischen Serre, Klaue oder Kralle, sondern
von dem spanischen serrar. sägen, serrado gesägt, gezähnt. Auch gibt es
den spanischen Namen Serradilla, Sägekraut. Dies ist nach Blomeyer
unsere Pflanze. Vielleicht gibt es aber, wie die Pflanze, so auch das Wort
im Portugiesischen, w-o es dann freilich Serradela oder Serradilho heißen
müßte. Im übrigen ist sie bei uns neuerdings zuerst wohl von ßimpau oder
von Neuhauß wieder kultiviert worden.
2) Diese wird bekanntlich auch Feigbohne oder Wolfsbohne genannt.
Jahresbericht der Vereinigung für angew.andte Botanik V. 11
IQ2 ß- Heinze.
Lupine ist Serradella als Gründüngungspflanze hoch zu bewerten,
sie ist aber mehr als die Lupine zugleich auch eine ganz ausge-
zeichnete Futterpflanze. Bezüglich ihres Nährwertes steht sie dem
Rotklee annähernd gleich und liefert ein gutes, besonders vom Milch-
vieh gern genommenes Futter. Vor allem aber werden durch dasselbe
kaum irgendwelche Blähungen hervorgerufen.
Auf besseren, schwereren Böden hat man nun früher Serradella
und Lupinen wohl schwerlich jemals zu einer auch nur einigermaßen
freudigen Entwickelung bringen können, die speziellen Versuche in-
dessen wohl auch immer leider zu bald wieder aufgegeben. Nur ganz
vereinzelt hat man späterhin auf solchen Böden eine leidlich gute Ent-
wickelung beobachtet, und erst neuerdings mehren sich solche Beob-
achtungen über besonders günstige Entwickelung der genannten
Leguminosen'), nachdem uns die bekannten, im allgemeinen auch immer
außerordentlich wirksamen Hiltnerschen Kulturen spezifischer
Knöllchenorganismen zur Verfügung stehen.
I. Einige weitere Beobachtungen beim Serradella- und Lupinenbau.
In den letzten 10 Jahren sind nun auch in Halle, bzw. in
Lauchstedt auf humosem Lößlehmboden 2) einige nicht unwichtige
Beobachtungen in dieser Hinsicht gemacht worden.
1) Vgl. u. a. hierzu A. Koch, Jahresberichte über die Fortschritte Inder
Lehre von den Gärungsorganismen, L. Hiltner, Berichte der Agrikultur-
botanischen Anstalt zu München, Lafar, Handbuch der technischen Mykologie,
und Arbeiten d. Biolog. Abtlg. d. Kaiserl. Ges. -Amtes 1903.
2) Der hier in Betracht kommende Boden ist ein humoser Lößlehm
(diluvialen Ursprungs) bester Beschaffenheit: er ist in der Ackerkrume an und
für sich schon nicht kalkarm; sein Kalkgehalt wird aber im Untergrunde
recht beträchtlich und nimmt niit größerer Tiefe immer weiter zu, so daß unter
dem Lößlehmboden, von 1 m Tiefe ab, ein Lößmergel mit ca. 15 — 18% CaCOj
steht. Die mechanische Beschaffenheit, wie auch der ursprüngliche Gehalt an
Nährstoffen ist mit Ausnahme der P2O5 ein recht günstiger zu nennen, wie
aus folgenden analytischen Daten (für Schlag I) ohne weiteres hervorgeht:
Nährstoff
■gehalt
Mechanisch
e Zusammense
31,5 cm
63,0 cm
31,.T cm
63,0 cm
Tiefe
Tiefe
Sieb-
Tiefe
Tiefe
%
%
nummer
0/0
«/o
Stickstoff . .
0,136
0,091
3 mm
—
—
Phosphorsäure
0,098
0,043
2
0,1
—
Kali. . , . .
0,320
0,260
1
0,1
—
Kalk ....
0,(330
1,240
0,5 „
0,2
0,1
Magnesia . .
0,510
0.530
0,2 „
0,9
1,1
F
einsand . .
19,2
25,6
Staubsand . .
64,2
61,7
Abschlämm-
bare Teile .
1.5,2
11,4
Beobachtungen beim Anbau von vSerradella und Lupinen usw. 163
Maercker') schreibt im 1. Lauchstedter Bericlite (1898) von
einem Achtungserfolg zugunsten einer Nitraginimpfung bei (blauen)
Lupinen im Gemenge mit Erbsen, Wicken, Bohnen {Vicia faba) als
Stoppelgründüngung, ohne leider damals weitere Versuche über den
etwaigen Anbauwert der Lupinen anzustellen (1896). Die Länge der
Lupinen betrug übrigens 30 -45 cm ohne Impfung, bzw. 40 — 55 cm
mit Impfung.
1903 war alsdann von Herrn Prof. W. Krüger im sog. bakterio-
logischen Garten der Versuchswirtschaft Lauchstedt im Anschluß an
besondere Gründüngungsversuche in Verbindung mit Brache eine Serra-
dellaparzelle mehr außer Versuch angelegt worden, und zwar ohne
jedwede Impfung. Diese Serradella, als Hauptfrucht angebaut,
hatte einen äußerst kümmerlichen Stand. Auf eine etwaige KnöUchen-
bildung ist nun allerdings damals gar nicht weiter geachtet worden;
soweit ich mich jedoch selbst auf ihren Stand noch besinnen kann,
war dieser wohl ein fast noch schlechterer, als die verschiedenen
späteren Anbaue (ohne Impfung, bzw. mit Impfung ohne Impferfolg) in
den Jahren 1905, 1906 und 1907; eine Knöllchenbildung dürfte
als ausgeschlossen gelten. Auch die Farbe der einzelnen Pflanzen
— ein helles, stark ins Gelbe spielendes Grün — war derartig charakte-
ristisch, daß eine Knöllchenbildung bei dieser Serradella auch ohne
besondere augenscheinliche Feststellung tatsächlich als ausgeschlossen
gelten kann. Auch Herr Prof. Krüger hält auf besondere diesbezüg-
liche Rücksprache hin die Bildung von Knöllchen bei der von ihm 1903
angebauten Serradella für ausgeschlossen. Ein weiterer Anbau im
bakteriologischen Garten erfolgte zunächst nicht.
Im Jahre 1905 ist alsdann von Schneidewind und Meyer mit
Serradella als Gründüngung (und zwar als Gersteneinsaat) ein
recht guter Impferfolg erzielt worden. Die mit Hiltnerschem Kultur-
materiale geimpfte Serradellaparzelle entwickelte sich im Laufe des
Spätsommers noch recht gut, und gab gegenüber der ungeimpft
gebliebenen Parzelle einen bedeutenden Mehrertrag und zwar fas die
Eine ähnliche Zusammensetzung zeigen auch die verschiedenen anderen
Schläge des Lauchstedter (über 200 Morgen großen) Versuchsfeldes; und das
ganze Terrain weist zu Versuchszwecken eine vollauf befriedigende Gleich-
mäßigkeit und Beschaffenheit auf (cf. hierzu I. Lauchstedter Bericht 1898,
S. 22—24).
1) M. Maercker. Erster Bericht über die Versuchswirtschaft Lauch-
stedt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. Unter Mitwirkung
von F. Albert, W. Schneidewind und C. Spallek. Berlin (P. Parey)
1898, S. 161.
11*
164
B. Heiuze.
auf 1 ha
auf 1 ha
D-Ztr.
in O/o
in kg
10,50 „
1,79 „
18,80 „
22,76 „
2,54 „
57,81 „
dreifache Menge Frischsubstanz und ungefähr die doppelte Menge
Trockensubstanz, wie aus den folgenden Zahlen hervorgeht:
Erntemasse Stickstoffernte (Gesamt = N^
frisch trocken
auf 1 ha
D-Ztr.
Ungeimpfte Serradella . . 27,0 ,.
Geimpfte Serradella (Kultur
Hiltner) 72,5 „
Weiterhin war also nach den vorstehenden Zahlen der N-Ge-
winn durch die Impfung von 18,8 kg auf 57,8 kg gestiegen. Im
übrigen hatte die ungeimpft gebliebene Serradella (nach einer
größeren Anzahl von Stichproben zu urteilen) keinerlei Knolle hen
angesetzt und zeigte die typische helle, gelblichgrüne Farbe; die
geimpfte Serradella hingegen hatte durchweg reichlich Knöllchen
gebildet und wies eine schöne, dunkelgrüne Farbe auf.
Der 1906 angebaute Gründüngungshafer entwickelte sich sehr
üppig und zeigte auch immerhin auffallende Unterschiede zugunsten der
Impfung; infolge heftigen Unwetters lagerte er sich aber derartig, daß
das Ernteergebnis kein genaues Bild über den Wert der Grün-
düngung gab.
Die nach der Gründüngung gebauten Zuckerrüben zeigten keine
besonders auffallenden Unterschiede, wie aus folgenden Zahlen her-
vorgeht:
Zuckerriihen
Kartoffeln
Auf 1 ha
Zucker auf
Auf 1 ha
Stärke auf
nach
D.-Ztr.
1 ha; D.-Ztr.
D.-Ztr.
%
1ha; D.-Ztr.
Mehr-
ertrag
bß
Mehr-
ertrag
bß
bß
S-i
Mehr-
ertrag
Ohne Grün-
düngung .
352,9
—
17,1
60,35
—
137,5
—
16,2
22,28
—
Serradella
nicht ge-
impft . .
;340,:{
- 12,6
17,1
58,19 —2,16
146,1
+ 8,6
16.6
24,25
+ 1,97
Serradella
geimpft .
(Kultur Hilt-
ner) . . .
363,0
+ 10,1
17,4
63,16
+ 2,81
168,2
+ 30,7
16,9
28,43
+ 6,15
Die Differenz im Ertrage zugunsten der Impfung beträgt ca. 7 — 8"/^.
Größer war indessen der Unterschied der Kartoffeln in geimpfter
Beobachtungen beim Anbau von Sen-adella und Lupinen usw. ^65
und ungeimpfter Serradella; er betrug 16 — 17 ^/g zugunsten
der Impfung (vgl. hierzu VI. Bericht über die Versuchswirtschaft Lauch-
stedt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen 1907, von
Prof. W. Schneidewind, S. 27 und 36).
Bei einem größeren Impfversuche wurde alsdann im Jahre 1906
u. a. Serradella als Hauptfrucht angebaut, aber ohne Erfolg; auch
konnte (nach einer wiederholt vorgenommenen größeren Anzahl von
Stichproben zu urteilen) weder auf den ungeimpften, noch auf den ge-
impften Serradellaparzellen irgendeine KnöUchenbildung beobachtet
werden. Alle Parzellen wiesen die typische helle, gelbgrüne Farbe auf
und lieferten obendrein auch nur einen recht mäßigen Ertrag. Eine
Erklärung für das Ausbleiben des Impferfolges läßt sich nicht ohne
weiteres geben 'j; auf alle Fälle war das Hiltnersche Kulturmaterial
selbst ausgezeichnet, wie aus der ganzen Entwickelung und dem Ernte-
ergebnis der entsprechenden Topfkulturen mit demselben Material zu
ersehen war. Es betrug die Ernte von je 3 Gefäßen:
(unter sich in den Erntezahlen gut übereinstimmend)
g g Bemerkungen
frisch trocken
Boden nicht sterili- hellgrüne, gelblicheFarbe,
siert, ungeimpft. . 142,9 30,3 keine Knöllchen.
Boden nicht sterili- dunkelgrüne Farbe, sehr
siert, geimpft(Kultur reichlicher Knöllchenan-
Hiltner) . . . . . 329,9 65,7 satz.
Im Anschluß bzw. in direktem Zusammenhange mit sog. Boden-
müdigkeitsversuchen wurde alsdann von mir im vorigen Jahre
(1906) im sog, bakteriologischen Garten auf der oben erwähnten alten
Serradellaparzelle des Jahres 1903 zum zweiten Male Serra-
della als Hauptfrucht angebaut und auf einer direkt daneben
gelegenen, gleich großen Parzelle zum ersten Male und zwar in
beiden Fällen ohne jedwede Impfung. Für beide Parzellen kommt
übrigens für die Jahre 1904 und 1905 dieselbe Vorfrucht, nämlich
Roggen bzw. Hafer, in Betracht. Im Jahre 1902 trugen beide Par-
zellen ebenfalls dieselbe Vorfrucht (Kartoffeln); 1903 trug die eine Par-
zelle, wie oben schon hervorgehoben wurde, zum 1. Male Serradella,
die andere Parzelle ein Gründüngungsgemisch in Form von Bohnen
{Vicia faba), Erbsen und Wicken. 2)
1) Es läßt sich zunächst nur vermuten, daß Düngungszustand und
Art der Bearbeitung, ferner Zeitpunkt der Bestellung und vielleicht auch
Witterung und Vorfrucht hierbei einen zuweilen maßgebenden Einfluß
ausüben.
2) Anmerkung hierzu s. S. 166 unter ')• • '
jgg B. Heinze.
In beträchtlicher Entfernung (ca. 100 m) wurden alsdann (ebenfalls
im bakteriologischen Garten) im Anschluß an ältere Bodenmüdig-
keitsversuche^) u. a. noch 2 bzw. 4 Serradellaparzellen (doppelte
Parzelle und zwar mit teilweiser, später vorzunehmender Behandlung
mit CSg als Vorbeugungsmittel bei etwa auftretenden Erscheinungen
der Bodenmüdigkeit) angelegt; diese erhielten sämtlich bei der Bestellung
eine gleichmäßige Bodenimpfung.
Trotz der Impfung des Bodens^) mit Hiltnerschem, (nach
verschiedenen Topfversuchen zu urteilen) an und für sich vollauf wirk-
samen Kulturmateriale, konnte nun auf diesen letzteren Par-
zellen — nach einer großen Anzahl von Stichproben zu schließen —
nirgends eine Knöllchenbildung festgestellt werden. Bei dem im
allgemeinen recht schlechten Stande der Serradella (mit typisch gelb-
grüner Farbe) war allerdings ein anderer Befund auch gar nicht zu er-
warten.
Was nun die beiden vorher erwähnten, ungeimpften Serra-
dellaparzellen anbelangt, so konnte auf der nördhchen Parzelle mit
erstmaligem Serradellaanbau, gegen die Nachbarparzelle scharf
abschneidend, ebenfalls nirgends eine Knöllchenbildung beobachtet
werden, eine Tatsache, auf welche auch hier bereits das ganze Aus-
sehen und der Stand der Serradella hindeutete.
Ganz anders (im Vergleich zur Nachbarparzelle geradezu üppig)
warjedochderStand der Serradellaparzelle mit zweitem Anbau.
Sämtliche Pflanzen zeigten ein frisches, dunkles Grün und
ihre Wurzeln waren durchweg dicht mit KnöUchen besetzt. Die
Ernte betrug ungefähr das Doppelte wie diejenige auf der nördlichen
Parzelle mit erstmaligem Serradellaanbau. Es wurde nämlich geerntet:
1) Für diesen Vorversuch im Jahre 1906 ergibt sich also von 1902 ab
folgende Fruchtfolge:
I. n.
Nördliche Parzelle Südliche Parzelle
1902 Kartoffeln Kartoffeln 1902
1903 abgeerntete Gründüngung Serradella (1. Anbau) 1903
(Bohnen, Erbsen, Wicken)
1904 Roggen Roggen 1904
1905 Hafer Hafer 1905
1906 Serradella (1. Anbau) Serradella (2. Anbau) 1906
2) Vgl. hierzu: W. Krüger, Zweck und Einrichtung des Versuchs-
feldes für bakteriolog. Untersuchungen. (Landwirtsch. Jahrbücher 1907,
Bd. 36, S. 377 u. 381: Versuche über die Ursache der Bodenmüdigkeit.)
3) Eine ausschließliche bzw. gleichzeitige Samenimpfung mit Hiltnerschen
Kulturen wurde bei diesem Versuche absichtlich nicht vorgenommen.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. \Q'J
an Frischsubstanz an Trockensubstanz
(abgeerntete oberirdische p^o jqO qm (oberirdische Masse)
Masse) ohne Stoppeln
auf der nördlichen Parzelle
{\. Anbau) 196,3 kg 48,4 kg, hingegen
auf der südlichen Parzelle
(2. Anbau) 406,0 „ 94,4 „
Der N-Gehalt der abgeernteten oberirdischen Masse betrug
bei Serradella 1. Anbau (ohne Knöllchen) I,20°/o,
„ Serradella 2. Anbau (mit Knöllchen) 2,26 °/n
und demnach die Gesamt-N-Brnte pro 100 qm bzw. pro ha
bei Serradella 1. Anbau (ohne Knöllchen) 0,571 kg 57,0 kg')
„ Serradella 2. Anbau (mit Knöllchen) 2,133 „ 213,0 „ ')
Hierbei ist allerdings der N-Gehalt der Wurzeln und der Stoppeln ^)
noch unberücksichtigt gelassen. Auf alle Fälle dürfte dieser Ertrag an
organischer Masse und besonders an N bei Serradella auf schwerem
Boden (wenn sie auch hier zunächst allerdings als Hauptfrucht und
nicht als Einbau- oder als Stoppelfrucht angebaut ist) doch wohl
zweifellos schon ein recht bedeutender zu nennen sein.
Dieser Versuch wurde nun im Jahre 1907 in verschiedener Hin-
sicht erweitert fortgeführt und gleichzeitig kontroUiert.
Zunächst möge indessen bezüglich des oben erwähnten CSg-Ver-
suches nicht unerwähnt bleiben, daß hier 1907 merkwürdigerweise
sämtliche 4 Parzellen mit 2. Serradellaanbau keine großen Unterschiede
im Ertrage aufwiesen, obschon der CSg bereits im Herbst gegeben
deutlich ungünstig auf die KnöUchenbildung eingewirkt und der CSg
im Frühjahr einige Wochen vor der Bestellung gegeben, die KnöUchen-
bildung sogar fast ganz verhindert hatte. Die Erträge selbst hielten
sich weiterhin auffallend niedrig. Auf alle Fälle konnte bisher in
Lauchstedt im Gegensatz zu anderweitigen diesbezüglichen Beobach-
tungen nicht die geringste ertragsteigernde Wirkung des CS2
auf die verschiedensten Leguminosen festgestellt werden,
wohl aber bei anderen Früchten.'') Nach den näheren Mitteilungen
1) Diese N-Mengen entsprechen ungefähr 3,7 D.-Ztr. bzw. 13,3 D.-Ztr. Ei-
weiß oder einer eventuell ebensogroßen Zufuhr an Salpeter pro ha; d. i.
also eine Steigerung über 300%.
2) 1906 ist es leider verabsäumt worden, auch das Wurzelwerk auf seinen
N-Gehalt hin zu untersuchen. Nach späteren Beobachtungen und Unter-
suchungen würde sich hier alsdann die Gesamt-N-Ernte noch um ca. 6 bis
8 kg bzw. 22 — 24 kg (beim 1. Anbau bzw. 2. Anbau) erhöhen.
3) Einiges mag jedoch in Kürze auch in diesem Berichte über die Be-
deutung des CSg für Bodenorganismen und Pflanzen Wachstum er-
■[QQ B. Heinze.
über die Ursachen dieser Erscheinung durcli Herrn Dr. Stornier')
und nach meinen früheren speziellen Mitteilungen^) braucht hier nicht
weiter darauf eingegangen zu werden.
Die weiteren Leguminosenversuche^) wurden nun in diesem Jahre
derart angestellt, daß Serradella einmal zum 3. Male, dann aber auch
wähnt werden, zumal es nach all den bisherigen Versuchen, welche von ver-
schiedener Seite über die Wirkung des CSg auf das Pflanzenwachstum
angestellt worden sind, schon jetzt kaum noch einem Zweifel unterliegen
dürfte, daß dieser Stoff (wofern man nicht späterhin vielleicht überhaupt vor-
teilhafter CSa-Derivate oder billige andere, in ähnlicher Weise wirkende Stoffe
wird anwenden können) allmählich auch mehr und mehr praktische Bedeutung
für die Landwirtschaft gewinnen wird. Nach mannigfachen Versuchen wird
nämlich durch eine CSg-Behandlung vielfach eine recht bedeutende Ertrags-
steigerung bei Getreide, ganz besonders aber auch bei Hackfrüchten hervor-
gerufen, und zwar nicht nur auf schwerem Boden, sondern in hervorragendem
Maße auch auf leichten, sandigen Böden.
Nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen in der CS^- Frage und auch
nach meinen speziellen, in Gemeinschaft mit den Herren Dr. Dr. Huf läge,
Rahn und John angestellten Versuchen und Beobachtungen bei einer CS.^-
Behandlung des Bodecs kommen nun hauptsächlich folgende zwei Punkte
zur Erklärung der CS^-Wirkung in Betracht, nämlich einmal eine bald mehr,,
bald weniger weitgehende Aufschließung von Mineralstoffen (infolge
der Bildung von organischen Säuren wie auch von etwas H2SO4 durch Oxydation
von CSjj) dann aber vor allem eine N- Wirkung. Es erfolgt zunächst zwar
eine zeitweise, auffallende Unterdrückung der Salpeterbildung, nicht
aber der Ammoniakbildung; letztere wird vielleicht sogar im allgemeinen
immer gleich kurz nach der Behandlung eine gewisse Steigerung erfahren.
Auch eine zeitweise Begünstigung der N-Assimilatio nsvorgänge
durch Organismen, besonders durch Azotobakter, kommt zweifellos in
Betracht. Vor allem aber muß schließlich auch noch eine vermehrte Auf-
schließung von Bodenstickstoff zum großen Teile in Form von
niederen Pflanzen- und Organismenzellen durch größere CS^-Mengen
berücksichtigt werden: N-haltige Substanzen wie auch mineralische
Stoffe können aus den durch CS.^ abgetöteten Organismen und niederen
Pflanzenzellen leichter und in beträchtlicheren Mengen austreten; die aus
den Zellen in die Umgebung (ins Bodenwasser) diffundierten N- Verbindungen
können relativ leicht nitrifiziert werden und infolgedessen überhaupt zu einex*
später in verstärktem Maße einsetzenden Nitrifikation beitragen.
Vgl. hierzu die ersten diesbez. Mitteilungen von W. Krüger und ß. Heinze
in den Landw. Jahrbüchern: „Über das Wesen der Brache, I", ferner die
Mitteilungen von B. Heinze in Zentralbl. f. Bakt., Abt. II, 1906 u. 1907, von
K. Störmer in diesem Jahresberichte sowie von Loew u. Aso (Zentralbl. f. Bakt.,
Abt. II, 1908, Bd. 20, S. 47, bzw. Bulletin of the College of Agriculture, Tokyo
Imperial University Vol. VII, Nr. 3, 1907).
') Vgl. diesen Jahresbericht S. 113.
2) Centralbl. für Bakteriologie u. Parasitenk., Abt. 11, Bd. XVI und
XVIII, 1906 und 1907.
3) Siehe S. 169 u. 170.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw.
169
Plan I.
Anbauversuche ohne jede Iiiipfuii^ 1906—1907 von Serradella und
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NB. 1908 Fortsetzung dieser Versuche unter besonderer Berücksichtigung, dass
auf Lupinen wieder Lupinen, z. T. aber auch Serradella und umgekehrt nach Serra-
della wieder Serradella, z. T. aber auch nach Serradella wieder Lupinen — wie 1907 —
folgen (cf. auch Plan IIj.
170
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Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. l'] [
verschiedentlich zum 2. Male und zum 1. Male ohne Leguminosenvorfrucht
und zwar nach Senf, nach Hafer und nach Kartoffeln bzw. mit Legu-
minosenvorfrucht und zwar nach Erbsen, nach Bohnen und nach Luzerne
angebaut wurde. Ferner wurden blaue Lupinen und zwar zum 1. Male
angebaut nach Senf, nach Kartotfeln, bzw. ebenfalls wie oben nach Erbsen,
nach Bohnen, nach Luzerne, sowie vor allem auch nach Serradella.
Diese Serradelia- und Lupinenkulturen wurden zunächst sämtlich
ohne jedwede Impfung angelegt. Neben den ungeimpft gebliebenen
Parzellen wurden jedoch an anderer Stelle auch einige neue Parzellen
mit Hiltnerschem Kulturmateriale (Serradella und Lupinen) sowie
auch mit Boden Impfung (Lauchstedter Serradellaerde und Sandboden-
Serradellaerde) angelegt. Im nächsten Jahre (1908) sollen die Ver-
suche dahin erweitert werden, daß neben blauen Lupinen auch gelbe
und weiße in Reinkultur angebaut werden, und daß vor allem auch
bei verschiedener Vorfrucht (1906 und 1907) Lupinen nach Lupinen zu
stehen kommen bzw. Serradella auch nach Lupinen angebaut wird.
Außerdem soll neben Serradellaerde auch Lupinenerde als Impfstoff
für neue Lupinen- und Serradellaparzellen verwandt werden.
Das Nähere über die ausgeführten und noch auszuführenden Ver-
suche ist aus den beigegebenen Plänen I und II (S. 169 u. 170) zu
ersehen.
Auch wurde in diesem Jahre wiederum ein Impfversuch mit Lauch-
stedter Boden in Töpfen angesetzt, dessen Ergebnis ich hier gleich vorweg-
nehmen möchte. Durch die beigegebene Figur 1 und durch Tabelle I u. II
wird das Ergebnis bezüglich des Impferfolges, der Knöllchenbildung und
schließlichen Ernte auch leidlich gut demonstriert. Im übrigen hatte dieser
aus besonderen Gründen vorläufig nur in beschränkter Ausdehnung vorge-
nommene Versuch folgende Anordnung:
3 sterilisierte Töpfe blieben ungeimpft,
3 „ „ wurden geimpft mit Kultur Hiltner,
3 „ „ „ „ „ Boden Lauchstedt (Serra-
dellaerde; IT. Anbau),
3 „ „ „ „ „ Sandboden Elsterwerda (Ser-
radellaerde)
3 nicht sterilisierte Töpfe blieben ungeimpft,
3 „ „ „ wurden geimpft mit Kultur Hiltner,
3 „ „ „ „ „ „ Boden Lauchstedt
(Serradellaerde, II. Anbau).
Wie aus der vorstehenden Tabelle I und der beigegebenen Figur 1 ohne
weiteres hervorgeht, hat das Hiltn ersehe Kulturmaterial sowohl in
sterilisierten, als auch in nicht sterilisierten Gefäßen ganz vorzüglich ge-
wirkt; aber auch durch Impfung mit Lauchstedter Serradellaerde
(2. S. -Anbau ohne jede Impfung) und mit Sandbodenserradellaerde ist in
sterilisierten Töpfen leidlich gute Knöllchenbüdung, allerdings ohne eine
(Fortsetzung des Textes auf S. 174.)
172
B. Heinze.
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nennenswerte Mehrernte, bis zu dem etwas frühzeitigen Erntetermine (28/8)
erzielt worden ; immerhin hatten die meisten Pflanzen schon eine dunkelgrüne
Farbe als Zeichen der eingetretenen Infektion. In den nicht sterilisierten
Töpfen, welche mit Lauchstedter Serradellaerde (2. Anbau) geimpft waren,
kam es auch zu einer auffallend beträchtlichen Mehrernte gegenüber den un-
geimpft gebliebenen. Wenn erst -i — 6 Wochen später geerntet und die warme
Herbstwitterung noch genügend ausgenützt worden wäre, so würden diese
Töpfe den mit Kultur Hiltn er geimpften Töpfen im Ertrage (gesarate Pflanzen-
masse und Gesamt-N-Ernte) wahrscheinlich wenig nachgestanden haben. Eine
schwache Infektion (wenige große Knöllchen) wurde auch in den nicht
sterilisierten, ungeimpftenTöpfen beobachtet, während die ungeimpften
sterilisierten Töpfe sämtlich keinerlei KnöllchenbiJdung aufwiesen.
Die Pflanzen standen durchweg sehr kümmerlich und zeigten sämtlich die
typische, gelblichgrüne Farbe als Zeichen der nicht eingetretenen oder einer
nicht genügend starken Infektion. Bei allen anderen Töpfen mit reichlicher
Knöllchenbildung war die Farbe der Pflanzen durchweg schön dunkelgrün
und ihr Stand ein geradezu üppiger zu nennen. Zur besseien Übersicht sind
in einer besonderen Tabelle (Nr. 2) zu den direkt gefundenen Zahlenreihen
(Erntezahlen, N-O/ß-Zahlen usw.) auch noch weitere „relative Zahlen" hinzu-
gefügt, welche angeben, wie groß die geernteten Trockensiibstanzmassen und
die Gesamtstickstoflernten sind, wenn die 'entsprechenden Zahlen für die un-
geimpft gebliebenen, sterilisierten Töpfe ^= 100 gesetzt wird. Danach erhält
man in den günstigsten Fällen die 41/2 bis ca. Sfache Ernte an
Pflanzenmasse und die ca. 1'^ '/a bis 22^/2fache Ernte an Gesamt-N
(bei Verwendung von Lauchstedter Serradellaerde bzw. von
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Tabelle IL
Serradellakiiltnreii (Gesamternte 1907 an Trockensubstanz und an N,
und relative Zahlen).
(Impfversuch in Töpfen; cf. Tabelle I.)
Art der Impfung
(Nummer)
(91—93); (85—87)
nicht geimpft
(94-96); (88—90)
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Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. ^75
Auf alle Fälle tritt bei dem hier erörterten Topfversuche
(und zwar in auffallendem Gegensatze zu den noch zu besprechenden und
mit demselben Kulturmateriale angestellten Feldversuchen) die Überlegen-
heit der Hiltnerschen Kulturen gegenüber der Anwendung von
Lauchstedter Serradellaboden als Impfstoff sehr deutlich hervor.
Bei später vorgenommener Ernte würde allerdings bei der äußerst günstigen
Witterung des Jahres 1907 sehr wahrscheinlich ein ziemlich weitgehender
Ausgleich zu beobachten gewesen sein. Weitere Versuche sollen u. a. auch
unter Verwendung von Erbsen-, Bohnen-, Kleeboden, besonders aber von
Lupinenerde und zwar nicht nur mit schwerem Boden, sondern auch mit
leichtem, sandigen Boden als Impfstoff gemacht werden, und diesen sollen
sich schließlich noch Impfversuche bei Lupinenkulturen u. a. mit verschiedenen
Leguminosenerden, besonders aber mit Serradellaerden (mit schwerem Boden
und mit Sandboden) anschließen. Erst dann wird man aach hier mehr Klar-
heit über die geeignetsten Bedingungen für eine reichliche Knöllchen-
bildung und für die Knöllchenbildung überhaupt gewinnen können.
Über die Ergebnisse der oben erwähnten Freilandversuche möge
folgendes berichtet werden: Bei den Versuchen ohne Impfung (im sog. hakt.
Garten, cf. Plan I, Paiz. ca. 20 qm groß) wurde beim erstmaligen Serradella-
anbau weder nach Senf noch nach Bohnen (als Vorfrucht) eine Knöllchen-
bildung beobachtet, ebensowenig bei den entsprechenden Lupinenkulturen.
Eine reichliche Knöllchenbildung war jedoch durchweg bei
den Serradellapflanzen derjenigen Parzellen eingetreten, welche Serra-
della zum zweiten und dritten Male trugen; ebenso waren überall viel
KnöUchen bei denjenigen Lupinen vorhanden, welche nach 1. und 2. Serra-
dellaanbau standen, mit dem immerhin auffallenden Unterschiede, daß
die Knöllchenbildung bei den Lupinen auf der Parzelle mit 2. Serradella-
bau besonders schön und fast regelmäßig auch an den Pfahlwurzeln der
einzelnen Pflanzen und zwar als mantelförmige Umlagerung zu beob-
achten war. Auf Tafel L kann man diese Knöllchenbildung gut verfolgen.
Die Serradella- und Lupinenpflanzen ohne KnöUchen hatten durchweg die
typische gelblich-grüne Farbe, während die Pflanzen mit KnöUchen in
reichlicher Zahl immer schön dunkelgrün waren. (Vgl. Taf. IIu.III.) In-
folge der günstigen warmen Herbstwitterung entwickelten sich die stehen-
gelassenen Serradellapflanzen mit KnöUchen noch um ein beträchtliches
Stück weiter, waren teilweise im bakteriologischen Garten außerordentlich
buschig und wurden durchschnittlich bis zu 1 m hoch, so daß der Unter-
schied gegenüber den sich nur wenig weiter entwickelnden Pflanzen ohne
KnöUchen ein sehr großer wurde. (An der Obstplantage wurde die
Serradella sogar 125 — 135 cm hoch, allerdings weniger buschig.) Die
Aufnahme der Serradellapflanzen (Tafel II: 1. Anbau und 3. Anbau) ist
schon ziemlich zeitig gemacht worden (Anfang Juli), so daß leider in ihr
die späteren auffallenden Größenunterschiede nicht hervortreten.
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Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 177
Die speziellen Ernte- und Stickstoffzahlen finden sich ausführlicher
in den Anhangtabellen IV und V zusammengestellt; über die hier in
Betracht kommenden wichtigsten Daten, insbesondere auch über die
N-Bilanz für die extremen Fälle, gibt jedoch schon die Tabelle III nähere
Auskunft. Es wurde nämlich beim 3. Serradellaanbau ungefähr die drei-
fache Menge Grünmasse und die ca. 2 '/2 fache Menge Trockensubstanz
(461 DZ. bzw. 71 DZ.) geerntet wie beim erstmaligen Anbau nach
Senf bzw. nach Bohnen (1.52 DZ. bzw. 29 DZ. pro ha).
Etwas weniger groß sind die Differenzen bei den entsprechenden
Lupinenkulturen, nämlich im Minimum 335 DZ. und 56,9 DZ., im
Maximum 542 DZ. und 95,2 DZ. (cf. auch Plan I S. 169).
Der X-Ertrag ist bei Serradella von 52 kg pro ha (im 1. Jahr
nach Senf bzw. Bohnen), davon 6 kg Wurzel-N, auf 217 kg pro ha
(im 3. Jahr), davon 22 kg Wurzel-N, gestiegen; weniger stark stieg
derselbe bei Lupinen, nämlich von
112 kg pro ha (nach Senf bzw, Bohnen), davon 8 kg Wurzel-N,
auf 226 „ „ „ (nach Serradella, 2. Anbau), „ 28 „ „
Wie ein BUck auf die zusammenfassende Tabelle 3 ohne weiteres
zeigt, dilTeriert der N Gehalt der Serradella und Lupinen mit und ohne
Knöllchen nicht nur in bezug auf die Wurzeln, sondern auch in bezug
auf das Kraut ziemlich bedeutend; aber auch die Stoppeln (wenn Wurzeln
und Stoppeln getrennt bestimmt und untersacht werden) weisen noch
nennenswerte Unterschiede auf.. . .. . - - , ... .
Es betragt der N-Gehalt der Wurzeln; derStoppeln; des Krautes
bei Serradella 1. Anbau
(ohne Knöllchen) . . . 1,32" o l^Oß^/o l,860/o
bei Serradella 3. Anbau
(mit Knöllchen) . . . 3,44% lJ3"/o 3,030 q
bei Lupinen 1. Anbau
(ohne Knöllchen, nach
Senf usw.) ..... L030/o 0,86% 2,040/o
bei Lupinen 1. Anbau
(mit Knöllchen, nach . . .. ■ r :
Serradella) 2,03 o/q 1,22 "/o 2,43 o/o
Im übrigen enthielten
Serradellawurzeln (nach Abnahme der Knöllchen) 1,52 "|o N' d. i.
ca. 10°/o Eiweiß; Serradellaknöllchen selbst (abgelöst) 7,12''/o N, d. i.
fast 50°/o Eiweiß; Lupinenwurzeln (nach Abnahme der Knöllchen)
0,99 °/o N, d. i. ca. 6— 8°/o Eiweiß; Lupinenknöllchen selbst (abgelöst)
6,18°/o N, d. i. ca. 40^/0 Eiweiß in der Trockensubstanz.
Durch diesen Versuch wird nun vor allem die neuere Miltner sehe
Auffassung gestützt, nach welcher Serradellaorganismen und
.Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 12
178 ■^' Heinze.
Lupinenorganismen sich seiir nahe stehen bzw. identisch sind.')
Weiterhin spricht dieser Versuch allem Anscheine nach auch für die
von Hiltner neuerdings vorgenommene Trennung der Leguminosen-
organismen in vorläufig zwei Arten.
Ganz ähnliche Resultate wurden alsdann bei einem größeren Frei-
landversuche (Parz. 100 qm groß cf. Plan II) gewonnen; durch diesen
wurden die vorstehenden Resultate und Beobachtungen zugleich kon-
trolliert und im allgemeinen bestätigt.
Es wurde nämlich keine Knöllchenbildung beobachtet bei Serra-
della ohne Impfung nach Kartoffeln, Hafer, Erbsen und Bohnen,
wohl aber vereinzelte, und vor allem eine nur geringe Knöllchenbildung
bei Serradella ohne Impfung nach Luzerne. Außerordentlich reichliche
Knöllchenbildung war indessen zu beobachten bei Serradella ohne
Impfung 1907 nach Serradella (1906: ungeimpft und geimpft ohne
Erfolg). Hiermit war auch wieder eine beträchtliche Mehrernte verbunden,
nämlich (wie die ausführliche Tabelle VI und die zusammenfassende
Tabelle III zeigen) pro Parzelle (100 qm):
490,0 k/s^ frische Pflanzenmasse (72 kg Trockenmasse) gegenüber
285,0 „ „ ,, (44 „ „ ) nach Hafer,
284,8 „ „ „ (42,7 „ „ ) „ Kartoff.,
268,0 „ „ „ (— „ „ ) „ Erbsen,
226,0 „ „ „ (37,0 „ „ ) „ Bohnen.
Auch Serradella nach Luzerne lieferte auffallend hohe Erträge.
Dies erklärt sich jedoch zum Teil dadurch, daß die Luzerne nach dem
Abernten stark nachgewachsen und dieselbe vor dem Pflügen nicht
erst nochmals geschnitten, sondern mit untergebracht worden war.
Auch der N-Ertrag differiert gewaltig und beträgt
im Minimum pro ha 74 kg (nach Bohnen),
„ Maximum „ „229 „ ( ,, Serradella [2. Anbau]): cf. Tab. IIL
Auf den Parzellen 19, 36 und 37 mit 1. Serradellaanbau unter An-
wendung des Hiltnerschen Kulturmateriales ist schließlich im Berichts-
jahre zwar noch reichliche Knöllchenbildung zu beobachten gewesen, aber
die Infektion ist, wie Tabelle VI des Näheren zeigt, erst ziemlich spät
erfolgt; infolgedessen ist es auch bis zu dem allerdings etwas früh-
zeitigen Erntetermine zu keiner nennenswerten Mehrernte gekommen.
Schwach gewirkt hatte alsdann bei erstmaligem Serradellaanbau
ohne nennenswerten Mehrertrag eine Bodenimpfung mit Serradella-
erde und zwar mit Sandboden; auffallend stark hingegen hatte
eine ebensolche Impfung gewirkt, bei welcher Lauchstedter Serra-
') Vgl. hierzu Hiltner und Stornier (Arbeiten der Biologischen Ab-
teilung d. Kaiserl. Gesundheitsamtes. Berlin 1:]08).
BeobachtuDgen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 179
dellaerde (2. Anbau ans dem bakteriologischen Garten) verwandt
wurde. Es wurde nämlich an Serradella geerntet pro Parzelle (100 qm)
an Frischmasse; an Trockensubstanz
bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 285 kg 44 kg (nach Hafer)
bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 284 „ 43 „ ( „ Kartoffeln)
bei Serradella 1. Anbau ungeimpft 226 „ 37 „ ( „ Bohnen)
bei Serradella 1. Anbau geimpft
mit Serradellaerde (Lauchstedt) 446 „ 69 „ ( „ Kartoffeln)
Weniger gut war der Erfolg bei Verwendung von Lauchstedter
Boden als Impferde, auf welchem Serradella erst einmal stand. Der
ganze Stand und das Aussehen der Pflanzen war jedoch ein ähnlicher
wie bei den oben erörterten Serradellakulturen des bakteriologischen
Gartens. (Vgl. auch die heigegebene Tafel II.)
Im Gegensatz zu dem oben erörterten Topfversuche zeigten nun
diese Versuche für Lauchstedter Boden merkwürdigerweise eine voll-
ständige Überlegenheit der Impferde gegenüber dem an sich
vollauf wirksamen Hiltnerschen Kulturmateriale.
Im übrigen geht wohl unzweideutig schon aus den bisherigon
Versuchen eine allmähliche Anpassung der im Boden vorhandenen
KnöUchenorganismen, der sogenannten Bodenformen, an Serra-
della, wie auch weiterhin an Lupinen hervor.
Die Lupinenkulturen (blaue Lupinen) ohne Impf an g standen
im allgemeinen ähnlich wie die entsprechenden Serradellakulturen. Nach
vielfach vorgenommenen Stichproben war in allen Fällen bei Lupinen
nach Erbsen, Bohnen und Kartoffeln keine Knöllchenbildung
zu beobachten; der Stand war ziemlich kümmerlich, die Lupinen er-
reichten im allgemeinen nur eine Höhe von 80-- 95 cm; nach Kar-
toffeln standen sie durchweg ein wenig besser; die Farbe war typisch
gelblichgrün.
Ausgezeichnet standen jedoch die Lupinen mit schön dunkel-
grüner Farbe und durchweg sehr reichlicher Knöllchenbildung
nach Serradella als Vorfrucht da (cf. Plan II, Parzelle 17, 18 sowie
die Tabellen III, VI und VII und die Tafeln III und IV). Ihre Höhe betrug
im Maximum 120 — 122 cm. Fast gleich gut standen auffallenderweise
die Lupinen nach Luzerne [ebenso wie oben Serradella') nach
Luzerne] ohne jedoch viel und regelmäßig Knöllchen angesetzt zu haben.
1) Übrigens besteht nach verschiedenen, anderweitigen Beobachtungen
bekanntlich eine weitgehende Unverträglichkeit der Serradella mit Klee (Rot-
klee). Für Lauchstedter und ähnliche Bodenverhältnisse konnten allerdings
noch keine besonderen Beobachtungen darüber gemacht werden, ob Serradella
und Rotklee tatsächlich zwei miteinander sehr unverträgliche Pflanzen
sind. Ebenso hegen noch keine Beobachtungen darüber vor, in welcher Weise
12*
180 B. Heinze.
Die mit Kultur Miltner geimpften Lupinen hatten zwar ziemlich
reichlich und fast regelmäßig KnöUchen angesetzt; indessen ist auch
hier (wie oben bei der Serradella) die Infektion erst relativ spät erfolgt,
und infolgedessen ist es auch zu keinem nennenswerten Mehrertrage
gekommen. Die Erträge an Grünmasse usw. und vor allem an N zeigen
bei Lupinen nicht die großen Unterschiede ■ wie bei Serradella, was wohl
zum Teil darin seinen Grund haben mag, daß Lupinen tiefer wurzeln und
sich so u. a. auch etwas mehr Bodenstickstoff zunutze machen können.
Der Ertrag war pro ha an Frischmasse, an Trockensubstanz
im Minimum 322 kg 49,4 kg (nach Erbsen)
im Maximum 508 „ 76,0 ,, ( ,, Serradella
Der N-Ertrag ist von 75 kg (nach Erbsen) auf 202 kg pro ha (nach Serradella)
gestiegen. Näheres über die Ernte, Knöllchenbildung und den N-Gehalt ')
des Krautes und der Wurzeln findet sich in der zusammenfassenden
Tabelle III sowie in den anhangsweise beigegebenen, ausführlicheren
Tabellen VI und VII.
Im übrigen mag hier nicht unerwähnt bleiben, daß die in den 1907
angebauten blauen Lupinen in größerer Anzahl vorhandenen weißen
Lupinen auf den einzelnen Parzellen ebenso gut standen, wie die blauen
und vor allem auch ganz die gleichen Unterschiede bei verschiedener
Vorfrucht aufwiesen. Auch vereinzelt vorhandene gelbe Lupinen (ca. 20
Stück pro Parzelle) waren auf den Serradellaparzellen trotz des relativ
hohen CaCOg-Gehaltes des Bodens recht gut entwickelt und bei reichlicher
Knöllchenbildung im allgemeinen bis zu 85, ausnahmsweise sogar bis
zu 90 cm hoch geworden, während dieselben nach Erbsen, Bohnen,
Kartoffeln, Senf keine Knöll che n angesetzt hatten und im allgemeinen
sich Lupinen nach Rotklee entwickeln, vor allem auch, wenn dieselben bald
zum zweiten Male angebaut werden, ferner, wie umgekehrt einige Jahre oder
gleich nach Lupinen der Rotklee gedeiht. Beim erstmaligen Anbau von
Lupinen und Serradella nach Rotklee dürfte wohl auf Lauchstedter Boden die
Entwickelung zunächst ebenso kümmerlich werden, wie bisher nach Erbsen
oder Bohnen als Vorfrucht.
') Aus besonderen Gründen, vor allem, um das Tabellenmaterial für den
vorliegenden Bericht nicht zu umfangreich zu gestalten, wurden die ausführ-
licheren N-Zahlen über Kraut, Stoppeln und Wurzeln (Zahlen über N-Gehalt
und über die N-Bilanz;, ebenso die Erntezahlen über Wurzeln und Stoppeln
hier fortgelassen. Im allgemeinen sind die N-Zahlen bei Serradella und Lu-
pinen nach Kartoffeln, Hafer und auch nach Leguminosen (wie Erbsen, Bohnen,
ausgenommen Luzerne) annähernd gleich hoch und bedeutend niedriger, als nach
derselben Vorfrucht oder wenn Lupinen nach Serradella standen. Es wurden
ähnliche Zahlen gefunden, wie sie in Tabelle III, IV und V und für die einzelnen
Vorfrüchte zusammengestellt sind. Die Zahlen werden erst später anderweitig-
bekannt gegeben.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 181
aach nur wenig mehr als 50 cm hoch geworden waren (cf. hierzu die entspr.
Tafeln III und IV). Durch die vorstehenden weiteren Versuche wird also
selbst für schwerere Böden wieder bestätigt, daß nach Hiltner(s. oben)
Serradella- und Lupinenorganismen sich sehr leicht vertreten
können. Freilich sind auf Lauchstedter Boden noch keine Versuche
gemacht worden, bei denen nach erstmaUgem Lupinenbau Serradella
angebaut wurde. Diese wird sicli jedoch — nach anderweitigen Erfah-
rungen auf Sandböden — im nächsten Jahre zweifellos auch hier nach
Lupinen bei reichlicher Knöilchenbildung recht gut entwickeln.
Zur näheren Orientierung über die Ernte, wie vor allem auch
über die äußerst wichtige N-Frage bei den soeben erörterten Serradella-
und Lupinenkulturen, können nur ausführhchere Tabellen dienen, welche
deshalb hier zum Teil noch anhangweise') beigefügt worden sind. Über
den Gesamt-N-Gehalt der besprochenen Leguminosenböden, also über
eine ev. kleinere oder größere Zunabme an Gesamt-N, sowie vor allem
u. a. auch über die Aufschließung von Bodenstickstoff, also über den
Abbau N-haltiger Substanzen, insbesondere über Ammoniak- und Salpeter-
bildung haben bisher erst einige wenige A'^orversuche angestellt werden
können. Die Versuche werden fortgesetzt und die Ergebnisse später
bekannt gegeben werden. In den Knöllchen der Serradella, seltener bei
Lupinen, wurden übrigens neben den spezifischen Knöllchenorganismen
fast regelmäßig auch Clostridien- und Plektridienorganismen angetroffen.^)
Über diese Organismen, wie auch besonders über die spezifischen
Knöllchenorganismen, wird jedoch erst später etwas näheres berichtet
werden.
1) S. Tab. IV— VII auf S. 182—185.
2) Solche Organismen sind nämlich niuerdings schon von Rodella
regelmäßig in den Knöllchen von Leguminosen aufgefunden worden und zwar
Olostridium-ähnliche Organismen, welche er mit Clostridium Pastori-
antim von Winogradsky indentifizieren zu können glaubt. (Vgl. hierzu:
Antonio Rodella, „Die Knöllchenorganismen der Leguminosen",
Uentralbl. f. Bakt., Abt. II, 1907, Bd. XVI II, S. 455—461, und dessen ausführ-
lichere Abhandlung: „I bacteri radicicoli delle leguminose" mit 6 Text-
figuren und Tafeln. Padua [Protherion]). Derartige Organismen traf alsdann
Ref. neben sog. Plektridienformen besonders häufig und fast regelmäßig in den
Wurzelknöllchen der Serradella, auffallend weniger zahlreich und regelmäßig
jedoch in denen der Lupinen an. Auch Rodella konnte in den an ihn ein-
gesandten Wurzel-Materialien das Vorhandensein von Clostridium-artigen Or-
ganismen feststellen. Für die weitere Klärung der ganzen N-Frage beim An-
bau von Leguminosen dürften diese Beobachtungen möglicherweise von großer
Bedeutung werden.
182
B. Heinze.
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Bemerkungen :
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1907
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Roggen
1904
1903
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Gründüng.
abgeerntet
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(1. Anbau)
1903
1902
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Kartoffeln
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Beobachtuno-en beim Anbau von Serradella und Lupinen usw
183
Bemerkungen :
Knöllchenbildung und
Entwickelung (Farbe)
der Pflanzen
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ziemlich kümmerliche
Entwickelung derPfl.
und gelblich - grüne
Farbe
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Im allgemeinen ganz
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Farbe.
Sehr reichl. Knöllchen-
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(abgeerntet)
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Kartoffeln
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(An der Obstplantage; cfr. Plan II )
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NB. Zeichenerklärung:
bedeutet keine KnöUchenbildung
„ wenig reichliche bzw. vereinz
++,++ +
Knöllchenb.
sehr reichl. allgemeine KnöUchenbildung
bei mannigfach
vorgenommenen
Stichproben.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 185
Tabelle VII.
Liipineiikultureu: Ernte 1907.
(An der Obstplantage; cfr. Plan II.
1 J
an ._•
1906 Vorfrucht:
Lii|>ilieil (1. Anbau) nach
Abgeerntete
oberird. Masse
pro Parzelle
(100 qm)
frisch trocken
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Farbe
K
Bemerkungen:
der Kulturen und
nöllchenbildung
1 Länge
28./VI. lO./VIII. pJi^^^;,^,
cm
Nr. .1
Erbsen
(Lup ungeimpft 1907)
297,0
36,2
II
il
] oß
0'
0
84
bis
95
Nr. (i
Erbseil
(Lup. ungeimpft 1907)
284,7
37,10
0
0
85
bis
93
Nr. 11
Bohnen
(Lup. ungeimpft 1907)
351,0
43,20
II
0
0
85
bis
105
Nr. 12
Bohnen
(Lup. ungeimpft 1907)
344,0
44,72
0
0
78
bis
103
Nr. 17
Serradella
(Lup. ungeimpft 1907)
410,2
58,})0
dunkelgrün
+++
+++
116
bis
122
Nr, 18
Serradella
(Lup. ungeimpft 1907)
453,1
57,50
+++
+++
115
bis
120
Nr. 23
Luzerne
(Lup. ungeimpft 1907)
422,0
48,00
ziemlich dunkelgrün
mit Stich ins Gelbe
+
+
105
bis
115
Nr. 24
Luzerne
(Lup. ungeimpft 1907)
40(5,0
47,50
+
+
104
bis.
117
_ Na-. 29
Kartoffeln
(Lup. ohne Impfung 1907)
352,0
43,30
mehr gelblichgrün
etwas etwas
dunkler heller
0
0
92
bis
102
Nr. 30
Kartoffeln
(Lup. mit Kultur Hiltner
geimpft 1907)
368,0
45,60
+
++
90
bis
104
+ + :
NB. Zeichenerklärung:
0 bedeutet keine KnöUchenbildung i bei mannigfach
-|- „ wenig reichliche, vereinz. KnöUchenbildung »vorgenommenen
-| — I — \- „ sehr reichl., allgemeine KnöUchenbildung) Stichproben.
Igß ß. Heinze.
II.
ZusanniKMifassiiii^- der wichtigsten bisherigen Versnchsergebuisse.
Serradella und Lupine, zwei typische Sandbodenpflanzen,
entwickeln sich auch auf schwerem Boden unter gewissen
Bedingungen so gut, daß ihre Erträge denen auf Sandböden
kaum nachstehen, und selbst der relativ h ohe Kalkgehalt des
Lauchstedter Lößlehms wirkt keineswegs schädlich.
Beide Pflanzen gediehen kümmerlich ohne Leguminosen-
vorfrucht mach Kartoffeln, Hafer, Senf), ebenso schlecht nach
Erbsen, Bohnen und hatten (nach zahlreichen Stichproben zu
urteilen) keine Knöllchen gebildet.
Sehr gut entwickelten sich Lupinen nach Serradella und
Serradella nach Serradella (2. und 3. Anbau) bei sehr reich-
licher Knöllchenbildung und zwar ohne jede Impfung des
Samens oder Bodens.
Das Hiltnersche Kulturmaterial erwies sich sehr wirksam
bei Serradella in Töpfen mit Lauchstedter Boden und zeigte
sich im Gegensatze zu Freilandversuchen einer Impfung mit
Lauchstedter Serradellaerde (2. Anbau) auffallend überlegen.
Im Preilande hatte zwar die mit Kultur Miltner geimpfte Serra-
della nach spät erfolgter Infektion auch noch ziemlich reichlich
Knöllchen angesetzt, jedoch keine Mehrernte gegenüber un-
geimpfter Serradella gebracht. Auch bei Lupinen ohne Legu-
minosenvorfrucht hatte Kultur Hiltner späteren Knöllchen-
ansatz, aber keine nennenswerte Mehrernte bewirkt.
Im Preilande wurde durch e i n e I m p fu n g d e r z u m erstenmal
ohne Leguminosenvorfrucht angebauten Serradella mit Lauch-
stedter Serradellaerde eine zeitige und außerordentlich reich-
liche Knöllchenbildung und weiterhin sogar eine auffallend
hohe Ernte erzielt.
Eine Impfung mit Sandboden-Serradellaerde blieb ohne
nennenswerten Erfolg, wenn auch schließlich noch eine ziem-
lich reichliche Knüllchenbildung beobachtet werden konnte.
Durch die Versuche erhält allerdings die neuere Hiltner-
sche Auffassung allem Anscheine nach eine Stütze, nach
welcher wenigstens zwei Arten Knöllchenorganismen unter-
schieden werden müssen, und zwar gehören nach ihm zu der
einen Art bzw. Gruppe die Organismen von Serradella, Lupine
und Soja. Richtiger wird man aber später zunächst wohl nur
zwei Rassen von Leguminosenorganismen, ähnlich wie bei den
Hefen, unterscheiden können (s. unten).
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. IQ'J
Aul" alle Fälle dürften sich auch nach den oben erörterten
Versuchen gerade die Organismen von Serradella und Lupine
sehr leicht vertreten können; sicherlich stehen sich dieselben
sehr nahe, wofern sie nicht überhaupt identisch sind.
Alsdann geht aus den verschiedenen Versuchen wohl un-
zweideutig hervor, daß auch die spezif. Serradella- bzw. Lu-
pinenorganismen im Lauchstedter Boden bereits aligemein
vorhanden sind, und zwar als sog. Bodenformen (wahrschein-
lich als Erbsen-, Bohnenorganismen usw.) und daß in geeig-
neter Weise nur eine allmähliche Anpassung derselben an Ser-
radella- und Lupinenpflanzen zu erfolgen braucht und tatsäch-
lich auch erfolgt.
Schließlich möchte ich auch an dieser Stelle für die bei den Ver-
suclien genossene Unterstützung noch meinen besten Dank zum Aus-
druck bringen, und zwar den Herren Dr. Graff und Dr. Dorsch für die
Untersuchung von Ernteprodukten, sowie besonders Herrn Dr. Huflage,
welcher mich bei der Durchführung der Versuche tatkräftigst unterstützt
hat. Besonderer Dank gebührt auch noch Herrn Prof, Dr. Schneidewind
dafür, daß er der bakteriologischen Abteilung der Versuchsstation weiteres
Terrain für die diesbezüghchen, etwas ausgedehnteren Versuche zur Ver-
fügung gestellt hat.
HI.
In welcher Weise läfst sich nun bei unseren beiden Pflanzen eine
reichliche Knöllchenbildunj»; ohne jede Impfung näher erklären?
Wir haben zunächst gesehen und bei den in den letzten Jahren
angestellten Versuchen wiederholt beobachten können, daß Serradella
beim erstmaligen Anbau auf Lauchstedter Boden ohne Impfung
keine Knöllchen bildet, mögen nun auf den betreffenden Parzellen
längere Zeit (zum Teil nachweislich wenigstens 10 Jahre lang)
vorher keine Leguminosen gestanden haben, oder mögen diese einige
Jahre vorher oder erst im direkt voraufgegangenen Jahre als Vorfrucht
angebaut gewesen sein. Auch die Lupinen hatten, wie oben schon
hervorgehoben wurde, weder nach Kartoffeln und Senf, noch nach
Erbsen, Bohnen als direkter Vorfrucht Knöllchen gebildet.
Regelmäßig und auffallend reichlich hatten jedoch Lupinen
nach Serradella, und Serradellapflanzen nach Serradella
Knöllchen angesetzt, und zwar ohne daß hier zunächst irgend eine
Impfung vorgenommen worden wäre. Diese Erscheinung läßt sich für
Lauchstedter Boden auch unter Berücksichtigung aller bisherigen Ver-
suche nicht ohne weiteres erklären.
j^gg B. Heinze.
Etwas schwierig ist vor allem die Frage über das „Woher" der
spezifischen Serradellaorganismen zu beantworten. Dieselben können
natürlich auf das spezielle, ohne jede Impfung gebliebene Feldstück im
sogenannten bakteriologischen Garten (1906 mit 1. und 2. Serradella-
anbau, 1907 mit 1., 2. und 3. Serradellaanbau und 1. Lupinenanbau)
von weiterher „angeflogen" sein, d. h. also mit dem Erdstaube durch
Wind und Regen auf die genannten Parzellen übertragen worden sein,
und zwar in Form von Hiltnerschem Kulturmateriale. Solche Organismen
können zunächst von einem ca. 100 m entfernt liegenden Feldstücke
im bakteriologischen Garten herrühren, wo Kultur Miltner zur Boden-
impfung ohne Erfolg verwandt wurde (1906), ferner von einem sehr
weit entfernt liegenden Stücke, auf Schlag I, wo 1905 mit Kultur
Hiltner eine erfolgreiche Impfung der Serradella als Gründüngung
(Einsaat, s. oben) vorgenommen war, ferner von einem fast gleich weit
entfernten Feldstücke an der Obstplantage, wo Serradella als Hauptfrucht
mit an und für sich vollauf wirksamem Hiltnerschen Kulturmateriale
geimpft (s. den oben erwähnten Topfversuch), indessen ohne jeden Erfolg
angebaut worden war; wenn es auch (u. a. wegen der langen Zeit) sehr
unwahrscheinlich ist, so können unsere Organismen schließlich aber auch
von dem 1896 auf einem anderen, ebenfalls weit entfernten Feldstücke
angewandten Lupinennitragin herrühren.
Zur Erklärung der oben hervorgehobenen Wirkung müßte man nun
annehmen, daß die wenigen, auf solche Weise zu den genannten Par-
zellen gelangten spezifischen Serradella-(oder Lupinen-)Organismen mög-
licherweise gerade in der Erde derjenigen Parzelle, welche schon einmal
Serradella (ohne Knöllchen) trug, besonders günstige Bedingungen zu
einer massenhaften Vermehrung und zur Erlangung einer hohen Wirk-
samkeit, gefunden haben; sie hätten nämlich in dem verrottenden Serra-
dellawurzelwerke einen besonders vorteilhaften Nährboden zur Ent-
wickelung vorgefunden, welcher ihnen auf der Nachbarparzelle fehlte.
Nach verschiedenen Versuchen wurde jedoch selbst auf den-
jenigen Parzellen keine Knöllchenbildung beobachtet, welche direkt neben
den Parzellen mit zahlreichen spezifischen Organismen und reichlicher
allgemeiner Knöllchenbildung lagen, es dürfte daher in der Tat der
Einfluß einer solchen Infektion wenigstens ohne viel praktischen Wert
sein. Eine Übertragung ist zwar nach dem oben Gesagten immerhin
auch noch auf weitere Strecken hin möglich; sie muß aber naturgemäß,
noch geringeren Wert haben, als in dem soeben angeführten Falle,
praktisch also überhaupt kaum noch in Betracht kommen. Neben der
sehr geringen Zahl von so übertragenen Organismen muß man übrigens
auch berücksichtigen, daß nach den bisherigen Erfahrungen solche Orga-
Beobachtungen beim Anbau von Seiradella und Lupinen usw. 189
nlsmen im allgemeinen durch Austroclinen') asw. in ilirer Wirksamkeit ziem-
lich stark leiden. Bei alledem ist schließlich noch besonders zu beachten, daß
die wenigen so übertragenen Serradelia-(oder Lupinen-)Organismen im
Konkurrenzkampfe mit anderen ßodenorganismen, insbesondere auch
mit im Boden bereits massenhaft vorhandenen anderen Leguminosen-
organismen (nämlich von Erbsen, Bohnen, Klee, Luzerne, Wicken),
selbst bei Vorhandensein von Serradellawurzelwerk im Verrottungs-
zustande, sich schwerlich hinreichend stark werden vermehren können,
um beim 2. Anbau von Serradella eine ausreichende zeitige Infektion
und reichliche Knöllchenbildung mit auffallender Mehrernte hervorzurufen
bzw. zu erklären.
Die Möglichkeit einer so zustande kommenden Infektion und einer
weiterhin auf diesem Wege zu erzielenden, eventuell reichlichen Ver-
mehrung und hohen Wirksamkeit ist also auf alle Fälle vorhanden;
die Wahrscheinlichkeit einer solchen ausreichenden Infektion ist jedoch
nach den vorstehenden Erörterungen äußerst gering.
Man muß daher eine andere Erklärung über die Herkunft und
Wirkung spezifischer Serradellaorganismen im Lauchstedter Boden
suchen, welche mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Hierbei mag es zunächst noch eine offene Frage bleiben, ob es
nicht auch noch andere Bodenorganismen gibt, denen die Fähigkeit zu-
kommt, in die Wurzeln von Leguminosen, insbesondere auch von Serra-
della, einzuwandern und Knöllchen zu erzeugen.
Im Lauchstedter Boden sind nun bereits äußerst zahlreich und
wirksam die spezifischen Knöllchen Organismen für Bohnen,
Erbsen usw. vorhanden, wie dies oben auch schon betont wurde, und
man wird natürlich bei diesen Leguminosen in solchem oder ähnlichem
Boden durch eine Impfung mit Hiltnerschem Kulturmateriale einen
nennenswerten Erfolg zugunsten einer Impfung überhaupt nicht erwarten
dürfen und auch niemals erhalten Wenn man unter solchen Verhält-
nissen gleichwohl Impfversuche anstellt und die Ergebnisse unrichtig
deutet, so werden die wertvollen Hiltnerschen Kulturen nur diskredi-
tiert, was leider schon vielfach vorgekommen ist. ■ '..
1) In einem gewissen Gegensatze stehen hierzu allerdings Untersuchungs-
ergebnisse mit anderen Organismen. Aus denselben geht immer wieder hervor,
daß die betreffenden Gelatine-, Agarkulturen u. a. selbst durch vollständiges
Austrocknen keineswegs derartig leiden, daß sie sich überhaupt nicht weiter
entwickeln können. Auf demselben Nährboden erfolgt freüich in den weit-
aus meisten Fällen überhaupt keine augenscheinliche Entwickelung mehr; man
braucht indessen nur möglichst abweichend zusammengesetzte Nährböden zum
Überimpfen zu verwenden und wird dann meist eine recht üppige Weiter-
entwickelung beobachten können.
X90 ^- Heinze.
Bezüglich der spezifischen Serradellaorganismen ist es alsdann
schon nach den bisherig(>n Erfahrungen für mich nicht mehr zweifel-
haft, daß die im Lauchstedter Boden zahlreich vorhandenen anderen
Leguminosenorganismen, besonders die spezifischen Bohnen- und Erbsen-
organismen, sich allmählich an das Serradellawurzelwerk anpassen und
zwar beim Verrotten desselben, wenn genügende Mengen Kalk vorhanden
sind. Da Serradella- und Lupinenwurzeln mehr oder weniger stark in
ihrer Zusammensetzung von Erbsen- und Bohnenwurzeln abweichen, so
sind die spezifischen Organismen der letzteren allerdings nicht ohne
weiteres imstande, in Serradellawurzeln einzuwandern, sich reichlich
weiterzuentwickeln und Knöllchen zu erzeugen; sie können auf diesem
anderen Nährboden zunächst nicht gedeihen.
Anderweitige Beobachtungen haben alsdann immer wieder ergeben,
daß gewisse Organismen ' ) bei weiteren Kulturversuchen zunächst über-
haupt nicht auf schwach sauren oder gar stark sauren Nährmedien wachsen;
bei Zusatz von kohlensaurem Kalk tritt jedoch fast regelmäßig eine auf-
fallend gute Entwickelung ein. Nimmt man aber von den CaCOj-Kulturen
Impfmaterial und überträgt es auf den entsprechenden ursprünglichen
CaCOg-freien, selbst stark sauren Nährboden, so. entwickeln sich die be-
treffenden Organismen auch auf stärker sauren Nährboden nunmehr
leidhch gut, zuweilen sogar ebenso üppig oder noch üppiger als auf
dem sonst verwandten, ganz anders zusammengesetzten, vor allem aber
nicht sauren Nährboden.
Ein ähnliches Verhältnis liegt meiner Ansicht nach hier bei der
Frage vor, warum Erbsen- oder Bohnenorganismen, welche doch auch in
sauren Wurzeln vegetieren, nicht ohne weiteres in Serradella- oder Lu-
pinenwurzeln einwandern und sich vermehren können. Möglicherweise
spielen auch andere Ursachen, z.B. gewisse N- Verbindungen, hierbei mit
eine Rolle; in erster Linie aber dürften wohl die genannten Organismen
den höheren Säuregehalt der Serradella- und Lupinenwurzeln nicht sofort
vertragen; sie müssen sich erst in der soeben erörterten Weise an-
passen. Die Beobachtung, daß gerade Serradella- und Lupinenwurzeln
im allgemeinen weit mehr organische Säuren enthalten als andere
Leguminosen, ist von mir schon wiederholt gemacht worden; genaue quan-
titative Bestimmungen haben indessen hier noch nicht vorgenommen werden
können. Nach neueren Untersuchungen von Lemmermann^) haben
Serradella und Lupinen zunächst tatsächlich einen ähnlich hohen Säure-
•) Wie z. B. Azotobacter auf sauren Agar- oder Galatinenährböden.
2) O. Lemmermann, Ernährungsunterschiede der Leguminosen und
Gramineen und ihre wahrscheinliche Ursache. (Landw. Versuchsstationen
1907, S. 227.)
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 191
gehalt ihrer Wurzeln aulzuweisen; vor allem aber ist ihr Säuregehalt
auffallend höher als bei Erbsen- und Bohnenwurzeln und beträgt fast
das Doppelte von dem der letztgenannten Leguminosen.
Bei den Lupinen würde sich schließlich die reichliche Knöllchen-
bildung nach Serradella zwanglos aus der ähnUchen Zusammensetzung
der Wurzeln hinsichtlich ihres Säuregehaltes erklären, nachdem durch
mannigfache anderweitige Beobachtungen weiterhin schon festgestellt
ist, daß Serradella- und Lupinenorganismen sich sehr nahe stehen oder
identisch sind.
Der einwandfreie Beweis für die Erklärung, daß Erbsen-, Bohnen-
organismen usw. sich leicht an Serradella bzw. an Lupinen anpassen
und schließlich auch bei diesen Leguminosen knöllchenbildend wii-ken,
steht allerdings noch aus und kann nur durch besondere Versuche mit
sterilisierten Töpfen erbracht werden, welche mit Reinkulturen von
Erbsen- oder Bohnenorganismen geimpft werden, nachdem man diese
Reinkulturen auf geeigneten Serradella- oder Lupinennährböden weiter-
gezüchtet hat. Freilich wird man sich hiernach der neueren Ansicht
Miltners, nach welcher, wie oben schon betont wurde, vorläufig wenigstens
zwei besondere — im botanischen Sinne streng zu trennende — Arten
von Leguminosenorganismen') zu unterscheiden sind, nicht völlig
anschUeßen können: man wird vielmehr nur zwei, allerdings weit diffe-
renzierte Rassen ein und derselben Organismenart annehmen
müssen, wie ja früher auch Miltner selbst die verschiedensten
Leguminosenorganismen ledigüch als Anpassungsformen ein und der-
selben Organismenart an die einzelnen Leguminosen ansprach und erst
durch weitere Untersuchungen zu einer etwas abweichenden Auffassung
gekommen ist.
IV.
Einiges über die Impfung- von Serradella und Lupinen
mit Reinkulturen bzw. mit Impferde.
Selbst viele praktische Landwirte waren sich schon längst nicht
mehr über die Wirkung der sogenannten Knöllchenorganismen und
ihren Wert für das Gedeihen der einzelnen Leguminot-en im unklaren;
1) Pur die weitere wissenschaftliche Klärung der ganzen Leguminosen-
frage ist natürlich die Frage der Arteinheit oder Artverschiedenheit
der sog. Knöllchenorganismen nach wie vor sehr interessant und äußerst
wichtig zugleich; inbezug auf die praktische Bedeutung der ganzen Frage spielt
jedoch die letztere Fiage, ob wir nur mit verschiedenen Rassen von Knöllchen-
organismen oder tatsächlich mit verschiedenen Arten rechnen müssen, eine
inehr untergeordnete Rolle.
192 B- Heinze.
die hohe Bedeutung derselben ist nunmehr last allgemein erkannt, und
man sucht durch geeignete Maßnahmen die Leguminosenkultur zu
sichern und möglichst zu fördern. Freilich ist es noch weniger be-
kannt oder wird wenigstens noch nicht genug berücksichtigt, daß diese
niederen Organismen einmal keineswegs allgemein in genügend großer
Zahl und dann vielfach auch nicht in der geeignetsten physiologischen
Form, d. h. in der vollauf wirksamen Form, in all unseren Ackerböden
vorkommen'). Schon vor längerer Zeit hat man aus dem ziemlich
häufigen Mißlingen von Leguminosenkulturen — und zwar selbst bei
relativ günstigen Witterungs- und Düngungsverhältnissen — gerade
auf diese letztgenannte, wichtige Tatsache geschlossen, welche späterhin
durch sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen ihre Bestätigung
finden konnte. Infolge dieser Tatsache suchte man nun schon
damals durch eine Übertragung von rohem Ackerboden von Feldern,
welche die anderweitig anzubauende Hülsenfrucht bereits mit Erfolg ge-
tragen hatten, vor allem auf Neuland, diesem die spezifischen Boden-
organismen in besonders wirksamer Form und in genügender Zahl zu-
zuführen. Durch eine größere Anzahl sehr wertvoller diesbezüglicher Ver-
suche ist von Salfeld u. a. die hohe Bedeutung einer solchen Boden-
übertragung, also einer Impfung mit Erde, für Hochmoor und Sand-
böden, besonders für neukultiviertes Land, nachgewiesen worden.
So wertvoll aber diese Methode auch an und für sich ist, so ist
ihre Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis zunächst doch mit
einigen Schwierigkeiten verbunden, zumal wenn es gilt, die notwendige
Impferde aus entfernterer Gegend zu beschaffen. Man sieht sich ge-
nötigt, öfters beträchtlich viel Zeit und Mühe anzuwenden, und hat keines-
wegs nach Lage der Dinge immer einen sicheren Erfolg zu erwarten,
ganz abgesehen davon, daß der ganzen Methode auch noch manche
sonstigen, schwerwiegenden Mängel anhaften. Wenn ich auch einer
etwaigen, ziemlich weitgehenden Austrocknung der Impf erde während
des Transportes und einer dadurch hervorgerufenen, mehr oder weniger
großen Schädigung der spezifischen Organismen keinen allzu großen
Wert beilege, so ist es meiner Ansicht nach meist recht fraghch, ob
die spezifischen Organismen irgend eines Bodens, z. B. eines Lupinen-
"oder Serradellafoldes. in Form von Irapferde, in einen vöUig anders ge-
arteten Boden gebracht, hier nunmehr auch ohne weiteres beim ersten
1) Daß sie manchen Böden ganz fehlen sollten, erscheint wenig wahrschein-
lich, wenn nicht überhaupt ausgeschlossen. In geringer Zahl, eventuell aller-
dings in wenig wirksamer oder völlig unwirksamer Form, sind dieselben wohl in
allen Böden vorhanden. Wenn man sie bei einigen speziellen Kulturversuchen in
irgend einem Boden nicht findet, so beweist dies ja noch keineswegs ihr Felden.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 193
Anbau von Lupinen oder Serradella reichliche KnöUchenbildung hervor-
rufen, oder ob sich vielmehr diese Organismen alsdann nicht auch
erst an die neuen Bodenverhältnisse mehr anpassen müssen, bevor sie
ihre volle Wirksamkeit auszuüben vermögen. So konnte wenigstens im
Lauchstedter Boden mit einer Sandbodenerde als Impf erde bei Serradella
zwar eine noch leidlich gute KnöUchenbildung beim erstmaligen Anbau
erzielt werden, aber keine Mehrernte.
Auch Zeit, Art und Weise der Impfung, also die ganze Art der
Unterbringung der Impferde, dürfte zuweilen nicht ohne größeren Ein-
fluß auf den etwaigen Impferfolg und den Ertrag sein. Auch die Vor-
frucht wird in manchen Fällen eine gewisse Rolle spielen (z. B. ev.
Unverträglichkeit der Serradella mit Klee?).
Dadurch, daß alsdann im Jahre 1896 Nobbe und Miltner die
Samen- bzw. Bodenimpfung mit Reinkulturen von Leguminosen-
knöllchenorganismen in die Praxis einführten, haben sie sich zweifellos
ein großes Verdienst erworben, wenn auch die Versuche, welche zunächst
in der Praxis mit dem neuen Impfstoff, dem sogenannten „Nitragin",
angestellt wurden, die gehegten und vielfach auch übermäßig hoch-
gespannten Erwartungen naturgemäß gar nicht erfüllen konnten. Auch
ist vor allem erst durch die weiteren, jahrelangen Studien und Versuche
von Hiltner die Gewinnung und weitere Kultur hochwirksamer Orga-
nismen in derartig erhöhtem Maße gesichert worden, daß man unter
Beobachtung besserer Impfmethoden mit den neuerdings in den Handel
gebrachten Kulturen innerhalb der durch Witterungsverhältnisse usw.
gezogenen Grenzen nunmehr auch fast regelmäßig gute, zuverlässige
Ergebnisse erzielt.
Deshalb wird man nach all den bisherigen, zum Teil äußerst
günstigen Erfahrungen in der ganzen Frage beim Anbau von Legu-
minosen, insbesondere auch beim Anbau von Lupinen und Serradella
auf schwereren Böden, eine sachgemäße Organismenimpfung als eine
sehr wertvolle, kulturelle Maßnahme bezeichnen müssen, deren allge-
meine Anwendung sehr zu empfehlen ist, um einen erfolgreichen Anbau
möglichst zu sichern, zumal Mühe und Kosten relativ gering sind. Auf
einem sogenannten erbsen-, höhnen- oder kloesicheren Felde, wo also
die betreff'enden Leguminosen bereits mit gutem Erfolge angebaut waren,
ist natürlich irgend eine künstliche Impfung fast ausnahmslos überflüssig.
In allen denjenigen Fällen aber, wo eine Hülsenfrucht zum ersten Male
angebaut wird, wie die bei uns seltenere Lupine und Serradella, oder
wo es sich um Feldstücke handelt, welche überhaupt zum ersten Male
zu Gründüngungszwecken in Bearbeitung genommen werden, kann eine
Impfung nicht dringend genug angeraten werden. Aus noch nicht näher
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V 13
194
B. Heinze.
bekannten Gründen mißlingen aber zuweilen Leguminosen kulturen auch
dort, wo sie bereits früher und zwar mit Erfolg gebaut wurden. In
solchen Fällen dürfte man mit einer Impfung meist gute Erfolge erzielen.
Beim erstmaligen Anbau von Serradella und Lupinen wird
man nun im allgemeinen wohl immer besser tun, keine Impferde zu
verwenden, besonders wenn man sie eventuell erst aus weit entlegenen
Gegenden beziehen muß, sondern die neuerdings außerordentlich wirk-
samen Hiltnerschen Kulturen, zumal es ohne weiteres einleuchtet, daß
mit Reinkulturen von hochwirksamen spezifischen Organismen — in ähn-
licher Weise wie in den Gärungsgewerben oder anderen technischen Be-
trieben, z. B. in milchwirtschaftlichen Betrieben — im allgemeinen viel vor-
teilhafter gearbeitet werden kann als mit Rohkulturen. Theoretisch ist
wenigstens die Verwendung eines Impfstoffes, w^elcher z. B.die für Serradella
bzw. Lupinen in Betracht kommenden spezifischen Knöllchenorganismen
hochwirksam in Reinkultur enthält, den Rohkulturen zweifellos überlegen,
aber auch praktisch wird die Reinkultur in den meisten Fällen den Roh-
kulturen, in unserem speziellen Falle also der Impf erde, überlegen sein.
Beim weiteren Anbau der genannten Hülsenfrüchte') auf
anderen Feldstücken derselben Wirtschaft oder in der Nähe unter ähn-
lichen Bodenverhältnissen wird man alsdann im allgemeinen freilich
wohl immer ebenso vorteilhaft und vielleicht sogar bequemer Impf erde
an Stelle vun Reinkulturen verwenden können. In solchen Fällen
ist die Impfung eine einfache, leicht durchzuführende Maßregel, welche
früher nur dort größere Kosten verursachte, wo bei Neueinführung einer
Hülsenfruchtpflanze die Erde von entfernten Orten bezogen werden
mußte. 10—20 Zentner Impferde dürften im allgemeinen vollkommen
ausreichend sein für einen Morgen Land. Dabei entnimmt man die
1) Wer freilich beim allerersten Anbau von Serradella und Lupinen in
größerem Maßstabe in seiner Wirtschaft auf schwereren oder leichteren
Böden absolut keine Hiltnerschen oder nach Hiltner gewonnenen Kulturen
zu einer Impfung verwenden will — sei es aus bloßer Bequemlichkeit oder
aus Ängstlichkeit, daß die Impfung trotz genauer beigegebener Gebrauchs-
anweisung schließlich doch nicht richtig ausgeführt werden und der Erfolg aus-
bleiben könnte, oder sei es aus immer noch vorhandenem, nunmehr unberechtigtem
Mißtrauen gegen diese Impfmethode überhaupt — , der mag seinen geplanten,
umfangreicheren Serradella- oder Lupinenbau noch 1 oder 2 Jahre hinaus-
schieben und zunächst ein kleines Stück Feld mit einer der genannten Legu-
minosen oder auch mit beiden bestellen und von diesem Felde für die Ver-
suche in den folgenden Jahren Impf erde entnehmen; dabei wird es eventuell
vorteilhafter und sicherer sein, vorher erst zweimal Serradella oder Lupinen
auf demselben Stück in kleinem Maßstäbe anzubauen und dann erst die Erde
zum Impfen zu verwenden. Die ganze Methode ist jedoch mit kleineren oder
größeren Zeitverlusten verbunden.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 195
Erde nicht nur von der obersten Krume, sondern auch von den etwas
tieferen Schichten dos betreffenden anderen Feldes, mischt sie am besten
erst noch etwas, streut sie mit dem Düngerstreuer oder mit der Hand
vor der Saat aus und eggt ein. Will man ein übriges tun, so kann
man auch schon vor der Herrichtung des Saatbettes einen Teil Impferde
beim Pflügen mit unterbringen. Bei Eintritt ungünstiger Witterung kann
die Impferde auch ruhig einige Zeit im gedeckten Räume aufbewahrt
werden, ohne dal3 sie an Wirksamkeit viel einbüßt. (Vergl. hierzu u. a.
auch die Mitteilungen von Herrn Dr. Simon in diesem Jahresberichte.)
VI.
Über die etwaige Bedeutung* des Serradella- und Lupiuenbaues auf
schwerem Boden für die praktische liandwirtschaft.
Nach den überaus bedeutsamen Erfolgen, welche man mit dem
Anbau von Zwischenfrüchten, und zwar neben Pütterungs- besonders
auch zu Gründüngungszwecken, auf den verschiedensten leichteren
Böden erzielt hatte, war natürlich der Wunsch gar bald in den Vorder-
grund getreten, die Ergebnisse auch auf die besseren, schwereren Böden
zu übertragen; dabei glaubte man sich allerdings von vornherein darüber
klar sein zu müssen, daß auf schweren Böden sich schwerlich eine so
große Ausdehnung des Zwischenfruchtbaues würde durchführen lassen
wie auf sandigen Böden'), Denn im letzteren Palle ist Roggen die auf
weite Plächen angebaute Frucht, welcher ja bekanntlich insofern die
Hauptbedingung eines erfolgreichen Zwischenfruchtbaues erfüllt, als er
frühzeitig das Feld räumt. Auf schwereren Böden tritt an Stelle des
Roggens der Weizen mit auffallend längerer Vegetationszeit. Nach
Weizen kommen im allgemeinen Zwischenfrüchte nicht in Betracht.
Immerhin räumen verschiedene Früchte, wie z. B. Frühkartoffeln, zeitig
genug das Feld, um Zwischenfruchtbau zu ermöglichen; auch früh-
reifende Wintergerste, 4 — Özeilige Sommergerste, in wärmeren Lagen auch
2zeiUeg Sommergerste und auch in mäßiger Ausdehnung Roggen kommen
in Betracht. Aber auch als Einbaufrüchte müssen verschiedene Legu-
minosen berücksichtigt, und auf ihren Anbauwert hin noch viel genauer,
als es bisher geschehen ist oder geschehen konnte, geprüft werden'^).
Als besondere Vorteile der Zwischenkulturen müssen bekannthch
folgende Punkte angesehen werden :
1. wird das Unkraut unterdrückt,
2. wird der mechanische Zustand des Bodens ein besserer.
1) Vgl. hierzu auch den 1. Bericht der Lauchstedter Versuchs Wirtschaft.
2) In Lauchstedt z.B. neuerdings Gelbklee und Serradella; s. 5. und 6.
Bericht.
13*
19t) ^- Heinze.
3. wird die Zersetzung der Mineralstotfe des Bodens begünstigt,
4. werden N-Verluste durch Auswaschung sehr eingeschränkt,
5. kommt auch mehr (für mikrobiologische Prozesse äußerst
wichtige und wertvolle) organische Substanz in den Boden.
Mit Bohnen {Vicia faba), Erbsen und Wicken, meist im Gemenge
angebaut, hat man ja schon längere Zeit auf schwereren Böden, z. B.
auch in Lauchstedt, meist gute Erfolge zu verzeichnen, und sicherlich
wird auf solchen Böden der Anbau von Leguminosen als Zwischen-
oder Einbaufrucht zur Gründüngung noch eine weit größere, allgemeinere
Ausdehnung gewinnen, wofern man erst u. a. auch gerade die mikro-
biologischen Prozesse der Verrottung der Grünsubstanz besser als bisher
beurteilen gelernt hat, um sie schließlich mehr und mehr beherrschen
zu können und in die gerade erwünschte, vorteilhafteste Bahn zu leiten.
Nach vieler Ansicht ist es sogar mehr als wahrscheinlich, daß die
Gründüngung^) besonders wegen der Zufuhr großer Mengen organischer
Substanzen in Zukunft auf schwererem Boden eine größere Rolle spielen
wird als auf leichteren sandigen Böden, ihrer bisherigen Domäne. Man
wird auf diese Weise imstande sein, auch den schweren Boden noch
an humusbildender Substanz anzureichern, ihn physikalisch zu ver-
bessern, ihm vor allem aber auf relativ sehr billige Weise reichlich N,
den teuersten Dünger, zuzuführen,') wenngleich die erzielten Erfolge
natürlich nicht immer so auffallend günstige sein werden wie bei neuerdings
verschiedentlich angestellten Versuchen, bei welchen im Vergleiche
zu dem Salpeter-N die Kosten des N in Form von Stallmist
immerhin noch etwas mehr als die Hälfte, die Kosten des N in
Form von Gründüngung in günstigen Fällen jedoch kaum den
zwanzigsten Teil von jenem betragen.
Gerade die typischen Sandbodenpflanzen, Serradella und Lupinen,
wird man nach den bisherigen Erfahrungen allmählich wohl auch
auf schwerem Boden recht gut allgemeiner mit Erfolg anbauen können
und zwar selbst auf relativ kalkreichen Böden, wie es der Lauchstedter
Lößlehm ist. Übrigens ist der Hauptgrund, warum z. B. Serradella in
verschiedenen Gegenden nach mannigfachen Mißerfolgen auf schwereren
Böden bald wieder verschwunden ist, ganz zweifellos darin zu suchen, daß
man diese Pflanze niemals auf demselben Feldstück zum zweiten oder
dritten Male angebaut hat, sondern immer auf einem anderen Stück.
') Inbezug auf eine größere Ausdehnung des Anbaues von Leguminosen
zur Gründüngung werden freilich auch hier, wie auch in Wirtschaften mit
leichterem Boden vielfach noch mancherlei Schwierigkeiten bestehen bleiben,
und zwar ii. a. besonders in einer rechtzeitigen Unterbringung der Grünmasse
und sorgfältigen Herrichtung des Ackers zur Aufnahme der Saaten.
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 197
Vor allem werden so Serradella und Lupinen sicherlich hier noch eine
größere Rolle spielen, zumal man mit denselben bisweilen schon jetzt
Erträge erzielt hat, welche denen auf Sandboden kaum nachstehen. In
Lauchstedt sind sogar die Erträge, besonders an N, der Serradella und
Lupinen (allerdings als Hauptfrucht) schon auffallend höhere geworden
als bei den entsprechenden, gut geratenen Erbsen oder Bohnen. Aller-
dings wird man vor allem zunächst die Entwickelung der beiden
Pflanzen als Stoppel- oder Zwischenfrucht bzw. als Einbaufrucht, z. B.
Serradella in Hafer oder Gerste, Lupinen als Zwischenreihenfrucht
bei Kartoffeln, mehr berücksichtigen und erst noch genauer verfolgen
müssen, ehe"man beim sachgemäßen Anbau dieser wertvollen Kulturen auf
schwerem Boden allgemeiner größere praktische Erfolge wird erhoffen dürfen.
Bei Serradella mag nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei ihrem Anbau als
Hauptfrucht, — eventuell vorteilhaft gemengt mit wenig Lupinen oder mit
wenig Roggen oder Hafer, um dem Lagern vorzubeugen und um besser
mähen zu können — der erste Schnitt grün oder als Heu gut und vor-
teilhaft verfüttert werden kann und bei einigermaßen günstiger Witterung
der zweite Schnitt zu Gründüngungszwecken noch vollständig ausreicht.
Beim Anbau von Lupinen ist schließlich noch von besonderer Wichtigkeit,
daß gerade diese Pflanzen sehr tief wurzeln und so natürlich weit mehr
Mineralstoffe aufzuschließen vermögen, als andere Leguminosen. Das
auffallendste bleibt jedoch bei beiden Pflanzen die hohe N-Ernte auf
Lauchstedter Boden. Im übrigen sind ihre Ansprüche an Boden und
Klima wohl bei weitem nicht so hohe, wie es in der Literatur vielfach
noch immer hingestellt wird. Über den eventuell großen Anbauwert der
beiden Leguminosen auf schwerem Boden können natürlich erst weitere
Versuche mehr Klarheit bringen.
Erläuterungen zu der Textfigur 1 und zu den Tafeln I— IV.
Figur I: Serradella-Wurzelpräparate (in Formaldehydgelatine ein-
(S. 172) gebettet), von einem vergleichenden Impfversuche [als
Topfversuch mit gewöhnlichem, noch nicht mit Serradella (oder
Lupinen) bestellt gewesenem Lauchstedter Ackerboden]. Prü-
fung von Hiltnerschem Kulturmateriale und Serra-
dellaerden als Impfstoff für sterilisierte und nicht steri-
lisierte Töpfe (cfr. hierzu auch Tabelle I u. II).
a) Sterilisierte Töpfe, ungeimpft:
In allen Töpfen keinerlei Knöllchenbildung. (Entwickelung der
Pflanzen sehr kümmerlich; charakteristisch: helle, gelbgrüneFarbe.)
b) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Kultur Hiltner:
Überall sehr viel Knöllchen. (Sehr guter Stand sämtlicher
Pflanzen; charakteristisch: schöne dunkelgrüne Farbe allgemein.)
198 ß- Heinze.
c) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde Lauchstedt:
In allen Töpfen ziemlich reichliche Knöllchenbildung. (Mäßig
guter Stand der Pflanzen; Farbe fast bei allen Pflanzen schön
dunkelgrün.)
d) Sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde (Sandboden):
In allen Töpfen auffallend weniger reichliche Knöllchenbildung.
(Stand der Pflanzen noch auffallend schlecht; einzelne Pflanzen
etwas dunkelgrün; Farbe meist noch hellgelblichgrün.)
e) Nicht sterilisierte Töpfe, ungeimpft:
An einzelnen Pflanzen einige wenige Knöllchen. (Sehr kümmer-
liche Ent Wickelung der Pflanzen mit hellgelbgrüner Farbe.)
f) Nicht sterilisierte Töpfe, geimpft mit Serradellaerde Lauchstedt:
Allgemein sehr reichlich Knöllchen vorhanden. (Pflanzen recht
gut entwickelt; Farbe durchweg schön dunkelgrün.)
g) Nicht sterilisierte Töpfe, geimpft mit Kultur Hiltner:
Überall sehr viele Knöllchen. (Ausgezeichnete Entwickelung
der Pflanzen; Farbe allgemein schön dunkelgrün.)
NB. Mit Sandboden geimpfte Töpfe (nicht sterilisierte Gefäße) fehlen
leider; bei einem Freilandversuche wurde leidlich gute, allerdings späte In-
fektion beobachtet ohne auffallend dunkelgrüne Farbe der Pflanzen und ohne
Mehrernte (cfr. Tabelle VI).
Tafel I: Wurzelpräparate (in Formaldehydgelatine) von einem
Freilandversuche ohne jede Impfung. Serradella und
blaue Lupinen nach verschiedener Vorfrucht. Serradella
1 — 3 maliger Anbau; Lupinen erstmaliger Anbau.
Fig. 1. Serradella, 1. Anbau (nach Senf, Hafer, Kartoffeln bzw.
Erbsen, Bohuen usw.): nach mannigfachen Stichproben.
Keine Knöllchen (schlechter Pflanzenstand; helle, gelbgrüne
Farbe; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 1).
Fig. 2. Serradella, 2. Anbau:
Allgemein sehr viel Knöllchen (guter Stand der Pflanzen und
schöne, dunkelgrüne Farbe; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 2).
Fig. 8. Serradella, 3. Anbau:
Allgemein sehr viel Knöllchen (Entw. und Farbe der Pflanzen
wie bei Fig. 2; cfr. Tabelle IV u. Tafel II, 2).
Fig. 4. Lupinen, 1. Anbau (nach Kartoffeln, Senf bzw. Erbsen,
Bohnen usw.): nach mannigfachen Stichproben.
Keine Knöllchen (ziemlich schlechter Stand und helle, gelblich-
grüne Farbe; cfr. Tabelle HI u. V u. Tafel III, 1).
Fig. .5. Lupinen, 1. Anbau, nach Serradella, 1. Anbau:
Sehr viel Knöllchen (guter Pflanzenstand, schöne dunkelgrüne
Farbe; cfr. Tabelle lll u. V, Tafel III, 2).
Fig. li. Lupinen, 1. Anbau, nach Serradella, 2. Anbau:
Sehr viel Knöllchen (sehr guter Stand der Pflanzen; dunkel-
grüne Farbe; besonders charakteristisch: die fast allgemein
vorhandene, mantelförmige Umlagerung der Pfahlwurzeln mit
Knöllchen, was allerdings auf der Tafel selbst weniger gut zu
sehen ist).
Tafel II: Serradella. 1. und 3. Anbau ohne jede Impfung; cfr.
Tafel I, 1 und 3. Die Aufnahme ist leider sehr zeitig gemacht
worden ; daher auch nur relativ geringe Unterschiede in der Ent-
wickelung der Pflanzen zu sehen. (Freilandversuche hakt. Garten.)
Beobachtungen beim Anbau von Serradella und Lupinen usw. 199
Fig. 1. Serradella, 1. Anbau, cfr. Tafel I, 1:
Keine KnöUchen (helle, gelblichgriine Farbe der Pflanzen sehr
charakteristisch; schlechter Stand.)
Fig. 2. Serradella, 3. Anbau, cfr. Taf. I, 3.
Allgemein sehr viel Knöllchen; Farbe der Pflanzen sehr cha-
rakteristisch: schön dunkelgrün; sehr gute Entwickelung bis zu
1 m und 1,30 m hoch (cfr. Tabelle IV und VI).
NB. Ganz ähnlich war Aussehen und Stand der Serradella 2. Anbaues.
Auch nach Luzerne v^^ar Aussehen nnd Stand der Serradella fast gleich
gut; Knöllchen w^aren auffallenderweise auch hier angesetzt, wenn auch wenig
regelmäßig und reichlich. (Grund der guten Entwickelung siehe oben.)
Tafel III: Blaue Lupinen, erstmaliger Anbau ohne jede Imp-
fung. (Freilandversuche, Obstplantage.)
Fig. 1. Lupinen, 1. Anbau, cfr. Taf. I, 4 ohne Serradellavorfrucht.
Keine Knöllchen; helle, gelblichgrüne Farbe sehr charakteristisch;
relativ schlechte Entwickelung der Pflanzen, cfr. Tabelle III, V
und VII.
Fig. 2. Lupinen, 1. Anbau nach Serradella = 1. Anbau:
Allgemein sehr viel Knöllchen ; gute, üppige Entwickelung der
Pflanzen; schöne, dunkelgrüne Farbe sehr charakteristisch; cfr.
Tabelle III, V und VII und Tafel I, 5.
Tafel IV: Blaue Lupinen, Parzellenaufnahme zu den auf Tafel III
wiedergegebenen Einzelpflanzen (spätere Aufnahme als die der
Einzelpflanzen). (Versuche a. d. Obstplantage.)
Fig. 1. cfr. Tafel III, Fig. 1 ohne Serradellavorfrucht:
Keine Knöllchen usw.
Fig. 2, cfr. Tafel III, Fig. 2 nach Serradella als Vorfrucht:
Allgemein sehr viel Knöllchen usw.
NB. In ähnlicher Weise, wie auf Tafel III und IV wiedergegeben worden
ist, standen auf den verschiedenen Parzellen auch die vereinzelt vorkommenden
weißen Lupinen; ebenso gut und schlecht standen trotz des relativ
hohen CaCOs-Gehalts des Bodens die gelben Lupinen. Weiße und
gelbe Lupinen zeigten auch genau dasselbe Verhalten bezüglich der Knöllchen-
bildung, wie die vorher besprochenen blauen Lupinen. Fast gleich gut wie
nach Serradella standen auffallenderweise die Lupinen auch nach Luzerne,
obgleich dieselben hier wenig legelmäßig und reichlich Knöllchen angesetzt
hatten (Grund siehe oben).
200 L. Hiltner.
Über neuere Ergebnisse und Probleme auf dem Ge-
biete der landwirtschaftlichen Bakteriologie.
Von
Dr. L. Hiltuer, Direktor der Kgl. Agrikulturbotanischen Anstalt München.
Seit meiner Übersiedlung von Berlin nach München vor nunmehr
5 Jahren wurde von uns auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen
Bakteriologie nur wenig mehr veröffentlicht. Der Hauptzweck meiner
heutigen Ausführungen soll daher sein, zu zeigen, daß wir doch un-
ausgesetzt auch auf diesem Arbeitsgebiete tätig waren, wenn wir auch
naturgemäß mit jenen Herren und Instituten, die sich ausschließUch
mit landwirtschaftlicher Bakteriologie beschäftigen, bei der außerordent-
lichen Vielseitigkeit unserer Anstalt bei weitem nicht mehr konkurrieren
können.
Ich möchte meine Ausführungen beginnen mit der Erörterung des
sogenannten Schwefelkohlenstof f problems. Mit Dr. Störmer ge-
meinsam habe ich an der Kaiserl. Biologischen Anstalt zu Dahlem bei Berlin
eingehend an der Schwefelkohlenstofffrage gearbeitet, und wir sind
dabei, wie aus den diesbezüglichen Veröffentlichungen bekannt sein wird,
schließlich zu ungefähr folgenden Ergebnissen gekommen:
„Der Schwefelkohlenstoff wirkt störend auf das Gleichgewichts-
verhältnis der Mikroorganismen des Bodens, indem die verschiedenen
Arten durch den giftigen Schwefelkohlenstoff verschieden stark beein-
flußt werden. Manche Arten erfahren eine lange Zeit andauernde
Zurückdrängung zugunsten anderer, die sich nun weit mehr als es
vorher der Fall war, entwickeln können, und die Folge davon ist, daß
nach einem nur kurze Zeit anhaltendem Abfall der Gesamtzahl der
Organismen ein außerordenthcher Aufschwung erfolgt. Dieser aber dürfte
in ursächlichem Zusammenhange stehen mit der von allen Seiten be-
stätigten Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens durch eine Behandlung
desselben mit Schwefelkohlenstoff."
Alle speziellen Versuche, die wir ausführten, um die Beeinflussung der
einzelnen durch die Schwefelkohlenstoffbehandlung im Boden sich ab-
spielendQU Vorgänge zu studieren, führten uns zu der Anschauung,
daß es sich im wesentlichen bei der Erhöhung der Fruchtbarkeit des
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 201
Bodens durch Schwefelkohlenstoff um eine Sticksloffwirkung handle.
Diese Anschauung haben wir in unserer Hauptarbeit, die im Jahre 1904
erschienen ist, so gut es uns damals möglich war, zu begründen ge-
sucht, indem wir auf alle bis dahin in dieser Richtung gemachten Be-
obachtungen hinwiesen und namentUch auf die bereits hauptsächlich
durch französische Forscher bekannt gewordene Tatsache aufmerksam
machten, daß durch eine Schwefelkohlenstoffbehandlung die Nitrifikation
im Boden eine starke Zurückdrängung erfahre; wir selbst konnten das
gleiche für die Denitrifikationsbakterien nachweisen. Wenn wir zum
Schlüsse unserer gegen 10 Seiten langen diesbezüglichen Auseinander-
setzungen noch bemerkten, es sei übrigens für jeden, der seinen Blick
für derartige Dinge geschärft habe, schon aus der dunkelgrünen Farbe
der auf einem mit Schwefelkohlenstoff behandelten Boden wachsenden
Pflanzen zu ersehen, daß hier eine Stickstoffwirkung in Betracht käme,
so waren wir uns natürlich dessen bewußt, daß diese Angabe kaum
ein neues Beweisglied, sondern nur ein weiteres Indizium darstellen
könne. Es muß dies, so selbstverständlich es erscheint, doch ganz be-
sonders hervorgehoben werden, weil in einer Kritik, die unsere Arbeit
durch Her-^n Professor Behrens in den Mitteilungen der Deutschen
Landwirtschafts-Gesellschaft erfuhr, die Sache so hingestellt wurde, als
hätten wir es gar nicht einmal versucht, neben diesem Indizium auch
einen wirklichen Beweis für die Richtigkeit unserer Behauptungen zu
erbringen.
Die Hauptsache ist aber jedenfalls wohl, daß wir Recht behalten
haben. Durch die inzwischen auch von anderer Seite ausgeführten Versuche
ist sowohl das Ansteigen der Bakterienzahl im Boden nach einer
Schwefelkohlenstoffbehandlung desselben bestätigt worden, als auch
unsere Annahme, daß die Erhöhung der Fruchtbarkeit auf solchen
Böden hauptsächlich als eine Folge vermehrter Stickstoffzufuhr anzu-
sehen sei. Insbesondere haben Krüger und Heinze für die auffällige
Tatsache, daß in einem mit Schwefelkohlenstoff behandelten Boden die
Nitrifikation sehr lange zurückgehalten werde, neue und zwingende
Beweise erbracht.
Im übrigen will ich hier nicht auf eine Besprechung aller jener
in den letzten Jahren von anderer Seite über die Schwefelkohlenstoff-
frage erfolgten Veröffentlichungen eingehen. Im allgemeinen kann über
sie nur ausgesagt w^erden, daß sie zwar vielfach noch recht interessante
Einzelheiten brachten, eine wirklich befriedigende, für alle bekannten Tat-
sachen genügende Erklärung aber nicht geliefert haben. Es muß dies
jedenfalls um so mehr hervorgehoben werden, als die umfangreichen
Ausführungen Heinz es im Zentralblatt für Bakteriologie über dieses
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 14
2Q2 L Hiltner.
Thema, die ganz so gehalten sind wie in einer abschUeßenden Arbeit,
weit entfernt davon sind, einen wirkhchen Abschluß zu bringen.
Wohin soll es übrigens schheßlich kommen, wenn jeder, der an sich
begrüßenswerte Beiträge zu einer Frage liefert, immer wieder diese
ganze Frage von A bis Z unter Beibringung oft seitenlanger Zitate und
unter Abschweifung auf zahllose andere, mit dem Thema kaum mehr
in Beziehung stehende Dinge bespricht!
Wir selbst waren uns wohl im klaren darüber, daß unsere Pest-
stellungen zwar neue Wege gezeigt hatten tür die Erforschung des
Schwefelkohlenstoffproblems, daß sie aber noch lange nicht genügten,
dieses Problem als gelöst anzusehen.
Ich habe daher mit meinen Münchener Mitarbeitern M, soweit uns
noch Zeit dafür übrig blieb, die Untersuchungen fortgesetzt, und zwar
hauptsächlich zur Beantwortung folgender Fragen:
1. Ist die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs eine spezifische oder
können auch andere Stoffe eine ähnliche Wirkung ausüben?
2. Wie läßt sich die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs erklären?
3. Welche Folgerungen ergeben sich aus der Schwefelkohlen-
stoffwirkung direkt oder indirekt für die landwirtschaftliche
Praxis?
Was die erste Frage anbelangt, so hatte ich schon von Anfang
an die Vermutung, daß der Schwefelkohlenstoft hauptsächlich durch
seine giftigen Eigenschaften wirke und daß infolgedessen auch andere
giftige Stoffe unter gewissen Bedingungen ähnliche Wirkungen hervor-
bringen könnten. Diese Vermutung gründete sich u. a. auf die schon
in Tharand im Jahre 1895 von mir gemachte Beobachtung, daß unter
bestimmten Umständen auch die Behandlung des Bodens mit arsenig-
sauren Salzen eine günstige Wirkung auf das Pflanzenwachstum aus-
übt. Im Jahre 1903 haben wir daher mit ausführlichen Topf- und
Freilandversuchen begonnen, bei welchen teils arsenigsaures, teils
arsensaures Kali in steigenden Mengen dem Boden zugesetzt und
die Wirkung auf verschiedene Pllanzenarten, die mehr oder minder
lange Zeit nach der Behandlung des Bodens zur Einsaat gelangten.
1) An einigen der in München ausgeführten bodenbakteriologischeii
Untersuchungen hat noch Herr Dr. Stornier teilgenommen. Die Hauptmit-
arbeiter aber waren:
H. Eckardt, vom April 1903 bis Dezember 1904;
Dr. A. Kühn, vom Januar 1905 bis Januar 1908 als Bakteriologe;
Dr. Gr. Stiehr, vom Oktober 1905 an als Chemiker.
Den wesentlichsten Anteil an den Arbeiten hat, wie aus den ausführ-
licheren Veröfientlichungen hervorgehen wird, Herr Dr. Kühn genommen.
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 203
verfolgt wurde. Es trat nun wirklich ein, was ich erwartet hatte,
mindestens bei den Topf versuchen. Bei den Freilandversuchen waren
von Anfang an zu große Mengen der Gifte gegeben worden, so daß
mehrere Jahre hindurch nur schädliche Wirkungen verzeichnet werden
konnten. Äußerst interessant aber gestaltete sich die Nachwirkung im
Jahre 1906, über die wir in einer austührlichen Veröffentlichung noch
berichten werden.
Von dem Topfversuch, der in verschiedenster Weise variiert
wurde, sei hier nur vorläufig angegeben, daß im Mittel je mehrerer
Versuchsreihen pro Topf bei einem Versuch mit Hafer geerntet wurden:
wasserfreie Trockensubstanz darin Rohprotei'n
1. ohne AS2O3 10,86 . 1,09
2. mit 0,05 g AS2O3 12,67 1,25
3. „ 0,1 „ „ 11,05 • ■ 1,19
Noch größere Mengen von arseniger Säure wirkten schädlich.
Mehr noch als diese Zahlen es dartun, trat die günstige Wirkung
geringerer Mengen von arseniger Säure im ganzen Verhalten der
Pflanzen hervor; namentlich wies auch hier wieder die dunkelgrüne
Farbe der Blätter von vornherein auf eine Stickstoffwirkung, was
schließlich auch durch die Analyse bestätigt wurde. Die bakteriologische
Untersuchung des Bodens ergab in den Fällen, wo günstige Wirkungen
die Folge der Behandlung waren, auch eine Erhöhung der Bakterien-
zahl, wenn auch nicht in dem starken Maße, wie bei Schwefelkohlen-
stoffbehandlung.
Für die auffallend starke Wirkung der arsenigen Säure auf die
tierischen Organismen und die Unkrautsamen des Bodens werden wir
später ausführlichere, zahlenmäßige Belege bringen.
Zahlreiche, mehrere Jahre zunächst auf Freiland, dann auch
in Vegetationsgefäßen und im Laboratorium durchgeführte Ver-
suche wurden ferner unternommen mit Kresol, bzw. Kresolseifen-
lösungen. Die erste Veranlassung zu diesen Versuchen gab eine
Entschheßung des Kgl. Ba\^r. Staatsministeriums des Innern, durch die
unsere Anstalt beauftragt wurde, festzustellen, ob die für die Behand-
lung reblausverseuchter Böden von Moritz vorgeschlagene Kresolseifen-
lösung die Ertragsfähigkeit des Bodens vielleicht dauernd oder doch
auf sehr lange Zeit hinaus beeinträchtige. Wie ich gegenüber dem
Kgl. Staatsministerium in einem vor Erlaß der Entschließung ab-
gegebenen Gutachten ausführte, daß das Kresol voraussichtlich eher
nützUch als schädlich auf die Fruchtbarkeit des Bodens einwirken werde,
mindestens nach einer mehr oder minder langen Inkubationsdauer, so
ist es auch tatsächlich eingetroffen. Zunächst wirkten die Kresolprä-
14*
204 ^- Hiltner.
parate ungemein schädlich; getötete Regenwürmer und andere größere
Tiere bedeckten den Boden, die Unkrautsamen waren meist vernichtet;
aber schon nach wenigen Wochen hatte sich die Zahl der Boden-
bakterien ungeheuer vermehrt, die ausgesäten Samen von Kulturpflanzen
liefen normal auf und gaben eine höhere Ernte als auf unbehandelt
gebliebenen Flächen, Die Topf- und Laboratoriums versuche lassen keinen
Zweifel, daß auch hier die Erhöhung der Fruchtbarkeit im wesent-
lichen als die Folge einer erhöhten Stickstoffwirkung anzusehen ist.
Schließlich haben wir bereits im Jahre 1905 auf Freiland auf
größeren Parzellen und neuerdings wieder auf anderen Böden und
nach etwas anderen Gesichtspunkten Versuche durchgeführt, bei denen
überaus zahlreiche Stoffe, vor allem giftig wirkende und solche, die als
Abfallprodukte gewonnen werden, bezüglich ihrer Wirkung auf die
Bodenorganismen und die Unkrautsamen einerseits, auf die Fruchtbar-
keit des Bodens anderseits geprüft wurden. Bei den größeren Freiland-
versuchen kamen außerdem auch Stoffe zur Verwendung, die zwar
nicht als direkte Nährstoffe der Pflanzen in Betracht kommen konnten,
von denen aber vorauszusetzen war, daß sie durch ihren Kohlenstoff-
gehalt das Organismenleben begünstigen und dadurch indirekt die
Fruchtbarkeit beeinflussen würden. U. a. wurden geprüft: Eisen- und
Kupfervitriol, Arsenik, Kaliumchlorat, Kaliumperchlorat, Kaliumpermanganat,
Schwefelkohlensioft, Kresol, Karbolineum, Karbolin eumemulsion, For-
malin, Äther, Chloroform, Alkohol, Pikrinsäure, Kalkstickstoff, Rohr-
zucker, verschiedene Fette u. dgl. Es ist natürlich nicht möglich, auf
die sämtlichen Resultate im einzelnen hier näher einzugehen; ich muß
mich vielmehr darauf beschränken, die allgemeinen Ergebnisse hervorzu-
heben. Es sind dies folgende:
1, Alle giftigen Stoffe, sofern sie nur als solche schließ-
lich aus dem Boden wieder verschwinden, sei es durch
Verflüchtigung, Zersetzung oder Umsetzung, beein-
flussen die Fruchtbarkeit des Bodens nach einer
mehr oder minder lang währenden Periode, innerhalb
welcher die Giftwirkung sich äußert, günstig.
2. Auch durch Stoffe, die nur als Nährstoffe für Boden-
organismen in Betracht kommen, seien dieselben
giftig oder ungiftig, können in reicheren Bodenarten
günstige Wirkungen erzielt werden, die unter Um-
ständen den durch direkte Düngung mit Pflanzen-
nährstoffen eintretenden Wirkungen gleich sein können.
Schließlich sei darauf hingewiesen, daß wir uns auch mit der
Frage beschäftigen, ob ähnliche Wirkungen wie durch Giftstoffe nicht
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 205
auch durch elektrische Ströme ausgelöst werden können, und daß
wir dabei Antworten im bejahenden Sinne erhielten.
Auf alle Fälle scheint mir die Möglichkeit vorzuliegen, daß die
Ergebnisse aller jener Versuche, die in den letzten Jahren, namentUch
in Japan und England, über die Reizwirkung von Mangan- und Uran-
salzen, von Kaliumjodid, Cyanverbindungen u. dgl. ausgeführt worden
sind, nicht so sehr durch eine direkte Reizwirkung dieser Stoffe auf
die Pflanzen, als vielmehr in indirekter Weise, d. h. durch eine Wirkung
auf die Bodenorganismen und den Boden, sich erklären lassen. Daß in dem
■einen oder anderen Fall auch direkte Wirkungen solcher Stoffe auf die
Pflanzen eintreten können, soll damit nicht in Abrede gestellt werden.
Ich darf wohl bemerken, daß ich die oben aufgestellten Sätze in der-
selben Formulierung bereits in der Februarsitzung 1906 des Sonderaus-
schusses für Bodenbakteriologie der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft
und ebenso in einem im Klub der Landwirte zu Frankfurt a. M. am
31. März 1906 gehaltenen Vortrag zu begründen suchte und demnach die
Priorität für sie, soweit sie überhaupt neu sind, beanspruchen darf.
Auf die zweite Frage: Wie ist die Schwefelkohlenstoff-
wirkung zu erklären?, die ja eigentlich nunmehr nach den bisherigen
Feststellungen besser dahin lauten würde, wie die Wirkung giftiger
Stoffe im allgemeinen auf den Boden zu erklären sei, scheint ein Teil
der Antwort von vornherein gegeben; denn zweifellos muß durch diese
Stofte etwas im Boden vergiftet werden, was vorher als eine Hemmung
sich geltend machte.
Worin aber besteht diese Hemmung? Ist die eingangs erwähnte,
für die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs von uns aufgestellte Er-
klärung, die auf der Störung des Gleichgewichtes zwischen den Boden-
organismen fußt, auch heute noch als richtig und als ausreichend an-
zusehenfür dasVerständnis der im Boden nach Schwefelkohlenstoffbehandlung
erfolgenden Erhöhung der Organismenzahl? Und ferner:
Steht diese Erhöhung mit jener der Fruchtbarkeit des Bodens
tatsächlich in einem ursächlichen Zusammenhang?
Lassen wir zunächst, um Antworten auf diese Fragen zu finden,
wieder die Ergebnisse von diesbezüglichen Versuchen sprechen:
Zuvor sei aber hervorgehoben, daß wir niemals angegeben haben,
es handle sich bei der durch Schwefelkohlenstoff ausgelösten Stickstoff-
wirkung um eine Stickstoffsammlung, wie dies allem Anschein
nach von manchen Seiten angenommen wird. Alle unsere Beobach-
tungen mußten vielmehr zu der Auffassung führen, daß durch Schwefel-
kohlenstoff lediglich eine den Pflanzen vorher unzugängliche Stickstoff-
206 L. Hiltner.
quelle erschlossen werde, oder mit anderen Worten, daß eine mittelbare-
oder unmittelbare Folge der Sohwefelkohlenstoffwirkung die Umwand-
lung von festgelegtem Stickstoff in eine von der Pflanze auf-
nehmbare Form sei; daß dieser Umwandlung in späteren Stadien
unter gewissen Bedingungen auch Vorgänge folgen können, die zur
StickstofTsammlung führen, ist aber nicht ausgeschlossen, ja sogar
ziemlich wahrscheinlich.
Da frühere, noch in Dahlem ausgeführte Versuche ergeben hatten,
daß durch Strohdüngung eine Festlegung des Stickstoffs erfolgt, die bei
Vegetationsversuchen im Gegensatz zu Freilandversuchen bei Pflanzen,
mit großem StickstofTbedürfnis eine ungemein starke Ernteerniedrigung
zur Folge hat, so haben wir zunächst einen Versuch ausgeführt, durch
den erprobt werden sollte, ob diese P^estlegung des ßodenstickstoffs-
durch Stroh bei gleichzeitiger oder späterer Schwefelkohlenstoffgabe
wieder aufgehoben werde. Das Ergebnis dieses Versuches bestätigte-
die Voraussetzungen, die zu ihm geführt hatten; denn sowohl bei gleich-
zeitiger, als nachfolgender Schwefelkohlenstoffgabe unterblieb die schäd-
liche Wirkung des Strohes vollständig.
Bei der durch Strohdüngung bewirkten Festlegung des Bodenstick-
stofts spielen allem Anschein nach Streptothrix- und andere, höhere-
Pilzarten die Hauptrolle. Da aber bereits früher von uns der Nachweis
erbracht worden ist, daß durch Schwefelkohle nstoffbehandlung im
Boden die Streptothrix- Arten eine besonders starke Zurückdrängung er-
fahren, so schien durch das Ergebnis dieses Strohdüngungsversuches
in der Erkenntnis des Schwefelkohlenstoffproblems ein nicht unwichtiger
Schritt vorwärts getan. Hätten wir uns mit diesem einen Versuch be-
gnügt, so würden wir jedenfalls gefolgert haben, daß die Schwefel-
kohlenstoffwirkung hauptsächlich in der Abtötung jener Organismen
begründet sei, die denBodenstickstoff festlegen. Die alte, anscheinend etwas-
naive Anschauung, der man gelegentlich in Erörterung über die Ursachen
und Beseitigung der Rebenmüdigkeit begegnet, daß nämlich der Schwefel-
kohlenstoff die für die Pflanzen schädlichen Organismen beseitige und
dadurch die nützlichen fördere, hätte wieder ausschheßlich Geltung erlangt,,
wenn auch vielleicht in etwas anderem Sinne, insofern, als es sich nicht,
um die Beseitigung von den Pflanzen direkt schädlichen Organismen
handelte, sondern lediglich von solchen, die mehr durch ihre Kon-
kurrenz und vielleicht durch ein gewisses passives Verhalten,,
nämlich durch lange Zeit andauernde Zurückhaltung des
Bodenstickstoffs, die Kulturpflanzen benachteiligen.
Es ist wohl zweifellos, daß tatsächlich zum Teil die Wirkung des
Schwefelkohlenstoffs und anderer Gifte in dieser Richtung liegt; aber
N^euere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 207
es wäre doch recht voreilig, wollte man behaupten, hiermit wäre das
ganze Problem gelöst. ". . • • ' ..■. ■ . ., :
Um zu entscheiden, ob es sich bei der Wirkung des Schwefel-
tohienstoffs auf festgelegten Stickstoff lediglich um Abtötung von Orga-
nismen handle, die diesen Stickstoff dem allgemeinen Kreislauf entziehen,
haben wir bereits im Jahre 1906 Versuche begonnen, die zugleich
darüber Klarheit schaffen sollten, ob etwa der Schwefelkohlenstoff auf
gewisse Stickstoffverbindungen einen direkten Einfluß auszuüben im-
stande sei. Um von vornherein alles auszuschließen, was die Deutung
des Ergebnisses erschweren konnte, benutzten wir zu den entsprechenden
Topfversuchen nicht Erde, sondern Ziegelmehl, also ein nur aus mine-
ralischen Stoffen bestehendes Medium. Außer der üblichen stickstoff-
freien Nährlösung wurde dann das Ziegelmehl mit verschiedenen stick-
stoffhaltigen Verbindungen, wie salpetersaures Kali, schwefelsaures
Ammon, salpetersaures Ammon, Asparagin, Harnstoff, Amidophenol, Ei-
weiß, Humus, meist in äquivalenten Stickstoffmengen, zum Teil mit, zum
Teil ohne Beigabe von Zucker als Kohlenstoffquelle, versetzt. Ich lasse
hier nur das Resultat eines solchen Versuchs durch die Gegenüber-
stellung von je zwei der gewählten Stoffe folgen. Schwefelkohlenstoff
wurde teils gleichzeitig mit der Stickstoffdüngung, teils 4 Wochen
später zugegeben, und zwar, nachdem vorher eine Impfung mit Erd-
■extrakt stattgefunden hatte.
Es wurden geerntet an Trockensubstanz bei Hafer, der mehrere
Wochen nach Beginn des ganzen Versuches zur Aussaat gelangt war:
Düngung mit Asparagin Amidophenol
ohne CS2 6,00 4,46
mit „ 5,74 1,92 ■ .
Harnstoff Eiweiß
5,78 7,60
9,87 16,52
Namentlich bei Verwendung von Eiweiß, das in Form von ge-
trocknetem Hühnereiweiß benutzt w^urde, als Stickstoffquelle war, wie aus
diesen Zahlen hervorgeht, die Wirkung des Schwefelkohlenstoffs eine
ganz außerordentliche. Hier konnte es sich aher nicht um Erschließung
von Stickstoff handeln, der erst durch Abtötung lebender Organismen
wieder in den Kreislauf eingezogen wurde, ja es handelte sich nicht
•einmal um Stickstofformen, die nicht auch an sich der Zersetzung zu-
gängUch gewesen wären; denn wie sich auch aus dem Vergleich mit
den ohne Stickstoff gebliebenen Reihen deutlich ergab, hat das Eiweiß
auch in den nicht mit Schwefelkohlenstoff behandelten Töpfen schon
eine besonders gute Wirkung auf den Hafer ausgeübt, was natürlich
nur durch den hier vor sich gegangenen Abbau der Eiweißkörper er-
klärt werden kann.
208 ^- Hiltner.
Wir haben ähnliche Versuche auch im laufenden Jahre unter ent-
sprechender Variation der Versuchsbedingungen durchgeführt und außer
Schwefelkohlenstoff noch die Wirkung von Kresol geprüft. Dabei haben
sich die vorjährigen Ergebnisse, namentlich was die Wirkung des Ei-
weißes anbelangt, durchaus bestätigt.
Einige speziellere Laboratoriumsversucho lassen es sehr unwahr-
scheinlich erscheinen, daß diese Ergebnisse zurückgeführt werden können
auf eine direkte Wirkung des .Schwefelkohlenstoffs auf Eiweißstoffe.
Es bleibt vielmehr kaum eine andere Möglichkeit, als anzunehmen, daft
der Schwefelkohlenstoff das gegenseitige Kräfteverhältnis der durch
Impfung zugeführten Organismen störte, wodurch das Eiweiß in ganz,
anderer Richtung zersetzt wurde wie in den Vergleichstöpfen.')
Wie sehr die Art und die Schnelligkeit der Zersetzung oder Um-
setzung gewisser Stoffe abhängig ist von der gegenseitigen Gruppierung-
der im Boden enthaltenen Organismen und natürlich auch von ihrer
Zahl usw., lehren ja in überraschender W^eise die Ergebnisse, zu denen
Remy und nach ihm Löhnis gelangt sind bei den Versuchen, die
Denitrifikationskraft, das Fäulnisvermögen und andere ähnliche Eigen-
schaften der Böden festzustellen durch Übertragung kleiner Mengen der
zu prüfenden Erde in entsprechend zusammengesetzte Nährlösungen.
Derselbe Boden verhält sich, wie Löhnis gezeigt hat, dabei ganz ver-
schieden, je nachdem er vorher bearbeitet worden ist oder nicht, je
nach dem Grade also, in dem sich, wie wir wohl sagen dürfen, seine
Organismenflora durch irgend eine Beeinflussung des Bodens in bezug
auf die Gruppierung der Arten verändert hat.
Wir haben auch nicht versäumt, bei unseren Versuchen in den
mit Eiweiß und anderen Stickstoft'körpern beschickten Töpfen den Gang
und die Schnelligkeit der Zersetzung durch regelmäßig wiederkehrende
Ammoniak- und Salpetersäurebestimmungen zu verfolgen. Es ist dies
auch geschehen in Fällen, wo wir statt Eiweiß getrocknetes Pilzpulver
und ähnliches Material verwendeten. Stets hat sich dabei bestätigt,
daß in Gefäßen ohne Schwefelkohlenstoff die Ammoniakbildung etwas
rascher einsetzte, der dann jene von Salpeter sehr bald folgte, während
sich in den Schwefelkohlen stolftöpfen auf lange Zeit hinaus nur Am-
moniak nachweisen Heß. W'odurch diese Unterdrückung der Nitrifikation
durch Schwefelkohlenstoffbehandlung des Bodens eigentlich bedingt ist,.
1) Eine dritte Möglichkeit, daß nämlich nach Beginn der Zersetzung
entstehende Abbauprodukte mit noch vorhandenem Schwefelkohlenstoff Ver-
bindungen eingehen und durch diese dann der Verlauf der weiteren biologischen
Vorgänge wesentlich beeinflußt wird, haben wir erst in jüngster Zeit näher
ins Auge gefaßt.
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 209
ist wieder eine Frage für sich, mit der wir uns ihrer Wichtigkeit wegen
zurzeit besonders beschäftigen; wahrscheinlich ist es, daß bei dem
in anderer Richtung als gewöhnlich erfolgenden Abbau des Eiweißes
organische Stoffe entstehen, die eine Tätigkeit der Nitriflkationserreger
nicht aufkommen lassen. Vorläufig müssen wir uns jedenfalls mit den
festgestellten Tatsachen begnügen. ' ' ' '
Nach wie vor muß ich aber auf Grund dieser Tatsachen be-
haupten, daß die Hauptursache für die Wirkung des Schweiel-
kohlenstoffs und anderer Gifte gegeben ist in der durch sie
bedingten Gleichgewichtsstörung der Bodenorganismen, und
ich freue mich, damit einen Satz aufs neue bestätigen zu können, der,
Avie ich wohl offen sagen darf, nicht nur durch zahlreiche direkte Be-
obachtungen, sondern auch durch ernstes Nachdenken entstanden ist.
Hieran reiht sich aber noch eine andere, meines Erachtens nicht
minder wichtige Tatsache, nämlich, daß sich Salpeter bei unseren Ver-
suchen, in Übereinstimmung mit den Erfahrungen, zu denen schon
Deherain und andere Forscher gelangt sind, nicht in allzu großen
Mengen im Boden anhäufte: er wird, abgesehen von der Auswaschungs-
möglichkeit, die bei unseren Topfversuchen natürlich keine Rolle spielte,
sehr bald wieder zum größten Teil von anderen Organismen in Beschlag
gelegt. Wir haben dies bei unseren Versuchen besonders eingehend
verfolgt und erblicken in dem Umstand, daß bei unterbleibender
.Salpeterbildung den angebauten Pflanzen eine erheblichere
Menge des aufgeschlossenen Stickstoffs zugute kommt als
dort, wo infolge der rasch einsetzenden Nitrifikation gewisse
Bodenorganismen mit den höheren Pflanzen in erfolgreiche
Konkurrenz treten, indem sie einen beträchtlichen Teil des
aufgeschlossenen und als Salpeter dargebotenen Stickstoffs
für sich in Beschlag nehmen, eine besonders wichtige Folge
der Schwefelkohlenstoffwirkung. ■ -•
Nur nebenbei sei bemerkt, daß meines Erachtens das bessere Ge-
deihen der Pflanzen in mit Schwefelkohlenstoff behandelter Erde einen
zwingenden Beweis für die Fähigkeit der höheren Pflanzen liefert, ihren
Stickstoffbedarf auch aus Ammoniak zu decken.
Nachdem wir festgestellt haben, daß Schwefelkohlenstoff durch seine
das gegenseitige Verhältnis der Organismenarten verändernde Wirkung die
Zersetzung von Eiweiß- und anderen Stickstoffkörpern in andere Bahnen lenkt,
haben wir uns mit der wichtigen Frage zu beschäftigen, ob denn diese
Feststellung praktische Bedeutung besitze, d. h. ob ähnliche Körper
auch außerhalb der Leibessubstanz lebender Organismen im Boden ent-
halten seien, eine Wirkung auf solche durch Behandlung des Bodens
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V. 15
210 L. Miltner.
mit Schwelelkohlenstoff demnach überhaupt in Betracht kommen könne.
Die Antwort darauf dürfte nicht allzu schwer fallen. Aus den nicht
sehr zahlreichen Versuchen, die sich mit den Formen beschäftigen, in
denen der Stickstoff" in den Boden enthalten ist, ist zu ersehen, daß
er, abgesehen von seinem Auftreten in Ammoniak- und Salpetersäureform,^
hauptsächlich in Form von Amiden und Aminen, vor allem auch von
Aminosäuren, ferner von hochkomplizierten eiweißartigen Körpern,.
Nukleinen und dergleichen, sich vorfindet. Namentlich der Moorboden
ist in dieserBeziehungetwasnäheruntersuchtworden, dessen „matierenoire"
ja bekanntlich unter Umständen einen höheren Stickstoflgehalt aufweisen
kann als die Protein körper. Wer jemals ein Hochmoor zu Zeiten gesehen
hat, wo der ganze Boden von Pilzfäden durchwuchert erscheint, wird
kaum im Zweifel sein, daß mindestens ein Teil dieser Stickstoffkörper
in diesen Pilzen abgelagert ist; wer aber die Vergänglichkeit der My-
zelien mindestens der meisten solcher Pilzarten, namentlich ihrer als-
Schwämme über den Boden tretenden Fruchtorgane, sich vergegen-
wärtigt, wird sich weiter sagen, daß sehr bald der größte Teil ihres-
StickstolTs in nicht an Organismen gebundener Form im Boden enthalten
sein wird. Nicht zu vergessen ist auch, daß in gewöhnlichen Acker-
böden zahlreiche Bakterienarten und andere Organismen hoch zusammen-
gesetzte Stickstoffkörper bilden, daß sich ferner im Boden Enzyme ver-
schiedener Art vorfinden. Werden auch alle diese Stoffe mindestens in
einem tätigen Boden wieder angegriffen und zerstört, so verbleibt doch
ein mehr oder minder großer Teil schheßlich unzersetzt, sobald sich
die Organismen, wenn zwischen ihnen ein Gleichgewichtszustand ein-
getreten ist, in ihrer Entwickelung gegenseitig hindern.
Aus stickstoffhaltigen Stoffwechsel- bzw. Zersetzungsprodukten,
sowie aus Enzymen u. dgl., die sich allmählich auf diese Weise im
Boden anhäufen, werden in der Hauptsache die Hemmungsstoffe be-
stehen, und erst durch eine tiefgreifende Einwirkung, etwa durch Er-
höhung der Luftzufuhr, durch gewisse Düngungen, namentlich durch
Kalkdüngungen, und vor allem auch durch Einbringung von Giften in
den Boden, wird eine andere Gruppierung der Organismen erfolgen und
dadurch für diese wieder die Möglichkeit gegeben sein, die Hemmungs-
stoffe anzugreifen und zu beseitigen.
Wenn sich dies so verhält, so muß gerade auf kultiviertem Hoch-
moorboden Schwefelkohlenstoff besonders starke Wirkungen hervor-
bringen, und in der Tat hat sich dies bei unseren Versuchen mit Böden
aller Art auch bestätigt gefunden.
Es ist bekannt, daß das Schwefelkohlenstoffproblem zwei Seiten
hat. Nicht minder interessant und wichtig, als die durch diesen Stoff
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 211
bedingte Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens, ist die von Oberlin
aufgefundene Tatsache, daß er auch die Rebenmüdigkeit zu be-
seitigen imstande ist. Ich selbst habe dies erst Ende Juli dieses
Jahres bei Versuchen, die auf unsere Veranlassung in der Nähe von
Landau in der Pfalz angestellt worden sind, wieder in überraschender
Weise bestätigt gefunden. Nicht so allgemein bekannt dürfte die Tat-
sache sein, daß gerade in der Rheinpfalz Schwefelkohlenstoff schon seit
mehreren Jahren in großer Menge von den Winzern verwendet wird
und zwar, wie sie sagen, zum „Vergiften des Bodens". Während aus-
gehauene Weinberge erst einer mindestens 4— 5 jährigen Ruheperiode
bedürfen, bevor sie wieder gesunde Reben zu tragen imstande sind,
verkürzt sich diese Periode auf wenige Wochen, wenn man den Boden
nach dem Aushauen der Stöcke mit Schwefelkohlenstoff behandelt. Von
besonders großer praktischer Bedeutung ist diese eigentümliche Wirkung
des Schwefelkohlenstoffs, wenn es gilt, in einem Weinborg von sonst
noch befriedigendem Stande vereinzelte schlechte Stöcke durch neue
junge Reben zu ersetzen.
Man könnte nun wohl annehmen, die Wirkung des Schwefelkohlen-
stoffs erkläre sich in diesen Fällen dadurch, daß er die Tendenz der
überwiegenden Mehrzahl der Bodenorganismen, den Stickstoff festzu-
legen, beseitige, aus Gründen, wie wir sie schon kennen lernten. Zum
Teil dürfte diese Erklärung auch zutreffend sein; aber sie scheint mir
doch nicht vollauf zu genügen. Es scheint vielmehr, daß durch den
Schwefelkohlenstoff auch direkt schädliche Stoffe, also eben-
falls Hemmungsstoffe, beseitigt werden.')
Für diese Auffassung sprechen jedenfalls die Ergebnisse von Ver-
suchen über die Bodenmüdigkeit der Erbsen und anderer Leguminosen,
über die wir zum Teil, da sie bereits in Dahlem begonnen wurden-,
schon kurz berichtet haben. Bei diesen Versuchen stellte sich die auf-
fallende Tatsache heraus, daß bei wiederholtem Anbau von Erbsen im
Dahlemer Boden zunächst deutlich die Erscheinungen der ßodenmüdig-
keit auftraten. Dieselben äußerten sich hauptsächlich in einem sehr
starken Befall der Wurzeln durch Bodenorganismen aller Art, der nicht
nur eine schwammartige Beschaffenheit der einzelnen Wurzelfasern,
sondern dadurch auch eine minder gesunde Entwickelung der oberirdischen
') Vielfach wird auch angenommen, der Schwefelkohlenstoff wirke nur
dadurch günstig, daß er die konkurrierenden Wurzeln benachbarter Pflanzen
abtöte; dies könnte aber nur jene Fälle erklären, bei denen es sich um Er-
satz einzelner Stöcke in Weinbergen handelt, keineswegs aber die Tatsache,
daß bei Neuanlage ganzer Weinberge eine mehrjährige Ruheperiode unnötig
wird, sobald der Boden eine Behandlung mit Schwefelkohlenstoff erfährt.
212 L. Hiltner.
Organe und vor allem eine entsprechende f]rtragsverminderung zur
Folge hatte. Besonders deutlich waren diese Bodenmüdigkeitserschei-
nungen bei der 2. und 3. Erbsengeneration; eine 4., 5. und 6. Gene-
ration aber ließen merkwürdigerweise diese Müdigkeitserscheinungen
durchaus vermissen, ja die Pflanzen entwickelten sich sogar nunmehr
von einer Generation zur andern besser als je zuvor. Wir haben be-
kannthch seinerzeit diese Überwindung der Bodenmüdigkeit zurückgeführt
auf die Wirkung von Schutzorganismen, die allmählich immer mehr in
den Vordergrund gelangen und die Veranlassung dazu geben, daß die
Wurzeln der Erbsenpflanzen eine braune bis schwarze Farbe annehmen.
Eine Erde, die unmittelbar aufeinanderfolgend sechs Generationen
von Erbsen getragen hatte, wurde nun teils mit Schwefelkohlenstoff,
teils mit Ätzkalk behandelt. Die Folge war, daß bei der nächsten
Erbsengeneration die schwarze Färbung der Wurzeln vollständig ver-
schwunden war und an Wurzeln und oberirdischen Organen die Er-
scheinungen der Bodenmüdigkeit aufs neue in heftiger Weise sich
zeigten. Durch den Schwefelkohlenstoff und auch durch den Kalk
waren demnach entweder die hypothetischen Schutzorganismen vernichtet
oder doch außer Tätigkeit gesetzt, oder es waren auf irgend eine sonstige
Weise die für die Erbse so günstig gewordenen Verhältnisse wieder
zerstört worden.
Wir haben damals in derartig mit Schwefelkohlenstoff behandelter
Erde außer Erbsen in anderen Töpfen Buchweizen gebaut, wobei sich
ergab, daß die SchwefelkohlenstofTbehandlung eines solchen Bodens, die
also zur Folge hatte, daß die Erbsen wieder mißrieten, auf den Buch-
weizen ungemein günstig einwirkte. Die Umkehrung der Wirkung des
Schwefelkohlenstoffs war also eine für die Erbsenpflanze spezifische Er-
scheinung. Man könnte geradezu daran denken, daß sich im Dahlemer
Boden bei wiederholtem Anbau von Erbsen zunächst auf diese Pflanzen-
art toxisch wirkende Stoffe anhäufen, die die Bodenmüdigkeit be-
wirken und daß bei fortgesetztem Anbau Antitoxine entstehen, die
eben durch den Schwefelkohlenstoff wieder zerstört werden, so daß sich
hierdurch die merkwürdige Umkehrung seiner Wirkung erklärt. Übrigens
kann auch die durch den Schwefelkohlenstoff" bedingte vermehrte Am-
moniakbildung die Erbse vielleicht ungünstig beeinflussen. Sollte sich
die erstgenannte Vermutung bei den weiter durchzuführenden Versuchen
als zutreffend erweisen, so hätten wir die interessante, aber an sich ja
keineswegs überraschende Tatsache vor uns, daß sich im Boden durch
gewisse Stoffe nicht nur Hemmungen zwischen den Mikroorganismen-
arten ergeben, sondern auch für höhere Pflanzenarten, falls diese mehr-
mals rasch hintereinander gebaut werden.
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 213
Unsere in München fortgesetzten Bemühungen, in diese Fragen
mehr Klarheit zu bringen, sind leider bis vor kurzem erfolglos geblieben
und zwar, wie wir erst später einsahen, deshalb, weil wir in München
zu den Versuchen eine Erde von hohem Kalkgehalt verwendeten.
Trotzdem jedes Jahr mindestens zwei Generationen von Erbsen gezogen
wurden, haben wir vergeblich auf das Eintreten von Bodenmüdigkeits-
erscheinungen gewartet; dagegen hat sich im Jahre 1906 und noch
mehr im laufenden Jahre jene eigentümliche Schwarzfärbung der Erbsen-
wurzeln, wenn auch nicht in so hohem Grade wie in der fast kalkfreien
Dahlemer Erde, wieder eingestellt. Es wird demnach möglich sein, den
hier gegebenen, nach meinem Dafürhalten ungemein wichtigen Fragen
wieder experimentell näher zu treten.
So viel steht jetzt schon fest, daß der schwarze Überzug der
Wurzeln aus einem humusartigen Stoff besteht, der durch Schwefel-
kohlenstoff direkt in keiner Weise beeinflußt wird. In Dahlem konnten
wir außerdem bereits feststellen, daß durch die Impfung mit einem
Extrakt aus Boden, in dem die Erbse nach wiederholtem Anbau schwarze
Wurzeln bildete, die Bodenmüdigkeit der Erbse in anderen Gefäßen
beseitigt wurde und zwar unter vorsichgehender Schwärzung der
W^urzeln.
Auf alle Fälle haben uns hier die Schwefelkohlenstoffversuche mit
Vorgängen im Boden bekannt gemacht, die wohl die größte Beachtung
verdienen; denn sie werfen einerseits ein neues Licht auf die Wirkung
des Schwefelkohlenstoffs, anderseits lassen sie uns mit der Möglichkeit
rechnen, daß es gelingen werde, aus Böden, in denen bestimmte Pflanzen-
arten durch fortgesetzten Anbau die Bodenmüdigkeit vollständig über-
wunden haben, gewisse Impfstoffe herzustellen, die vielleicht zur prak-
tischen Verwendung fähig sein werden. Jedenfalls sind wir in der
Lage, schon im kommenden Jahre nicht nur bei der Erbse, sondern
auch bei Klee und anderen Leguminosenarten mit derartigen Versuchen
beginnen zu können.
Ausdrücklich sei schließlich noch hervorgehoben, daß bei der durch
giftige Stoffe bewirkten Autschheßung natürlich außer dem Stickstoff
auch andere Stoffe wieder in den Kreislauf eingezogen und dadurch
den Pflanzen wieder zugänglich gemacht werden können und daß ferner
selbstverständlich die verschiedenen Giftstoffe, je nach ihrer chemischen
Natur, außer ihrer eigentlichen Giftwirkung auch noch spezifische Pro-
zesse auslösen können.
Gehen wir endlich zur 3. Frage über, die lautet: Welche Fol-
gerungen ergeben sich aus der Wirkung des Schwefelkohlen-
stoffs und anderer Gifte für die landwirtschaftliche Praxis?
214 L. Hiltner.
Was zunächst die Möglichkeit anbelangt, den Schwefelkohlenstoff
direkt bei der Pflanzenkultur zu verwenden, so will ich auf die große
Bedeutung, die der Schwefelkohlenstoff bereits im Weinbau gewonnen
hat, nur hinweisen und meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß
dieser Stoff in dem Maße, als er billiger herzustellen ist, auch in der
gärtnerischen und landwirtschaftlichen Praxis noch ausgedehntere Ver-
wendung finden kann. Wir selbst haben schon seit mehreren Jahren
Versuche im Gange, bei denen der Schwefelkohlenstoff angewendet wird
zur Behebung der Baummüdigkeit, ferner der Hopfenmüdigkeit, der
Meerrettichschwärze und zur Beseitigung der Kohlhernie und dergl.
Auch seine kaum übertreflbare Fähigkeit, das Gleichgewichtsverhältnis
der Organismen im Boden zu zerstören und dadurch ganz andere Be-
dingungen hervorzurufen, namentlich den Eintritt der Nitrifikation auf voraus
zu berechnende Zeit zu verschieben, scheint der praktischen Verwertung
zugänglich. Inwieweit es sich dabei empfiehlt, den Schwefelkohlenstoff
unverdünnt in seiner flüssigen Form wie bisher zu verwenden oder ihn
zu emulsionieren, bzw. mit pulver- oder erdförmigen Mitteln, wie Kalk
und dergl. zu vermischen, bleibt weiteren Versuchen vorbehalten.
Unter den andern von uns geprüften Giften verdienen sicher ver-
schiedene auch weiterhin auf ihre praktische Verwendbarkeit erprobt zu
werden, sei es als Ersatz für Schwefelkohlenstoff oder zu bestimmten
Zwecken, wo das eine oder andere vielleicht noch eher in Betracht
kommt. Jedenfalls behalten wir uns vor, in dieser Richtung die bereits
seit mehreren Jahren laufenden Versuche noch weiter zu führen. Schon
jetzt aber kann ich darauf hinweisen, daß voraussichtlich das Kar-
bolineum berufen sein wird, auch in dieser Richtung in der Zukunft
eine große Rolle zu spielen. Es hat bei unseren Versuchen die Wirkung
des Schwefelkohlenstoffs in verschiedenen Fällen übertrofifen und zwar
nicht nur was die Erhöhung der Fruchtbarkeit des Bodens anbelangt,
sondern vor allem durch die große Kraft, Bodenschädlinge, insbesondere
Unkrautsamen aller Art, zu zerstören. Schon im Jahre 1905 haben
wir verschiedene Karbolineumsorten zu derartigen Versuchen mit heran-
gezogen und stets mit ihnen die bei weitem besten Resultate im Ver-
gleich zu anderen Stoffen erhalten.
Der wirklich praktischen Verwendung des Karbolineums zur Be-
handlung des Bodens standen bisher aber zwei wesentliche Schwierig-
keiten entgegen, nämlich:
1. die schwierige Verteilbarkeit des Stoffes,
2. die verhältnismäßig immerhin lange Zeit, die verstreichen muß,
bis sich das Karbolineum im Boden unter der Einwirkung von
Organismen zersetzt.
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 215
Diese Schwierigkeiten lassen sich kaum beseitigen durch Anwen-
dung der bekannten Karbolineumemulsionen, denn die die Emulsion be-
wirkenden Stoffe, namentlich Seifenlösungen und dergl., vermindern die
gerade hier in Betracht kommenden Eigenschaften des Karbolineums in
ziemlichem Grade. Was die Zersetzung des Karbolineums im Boden an-
belangt, so haben wir bereits feststellen können, daß dieselbe im Sommer,
selbst wenn man sehr große Mengen dem Boden einverleibt, ungemein
rasch vor sich geht. Für die Praxis aber käme natürhch mehr die An-
wendung im Herbst und im zeitigen Frühjahr in Betracht. Gerade zu
diesen Jahreszeiten nimmt aber die Zersetzung eine so lange Zeit in
Anspruch, daß die Saat nicht mehr zur normalen Frist vollzogen werden
kann. Wir haben daher schon in diesem Frühjahr Studien über
die Bedingungen, unter welchen die Zersetzung des Karbolineums vor
sich geht, begonnen. In diese Versuche wurden auch zahlreiche andere
•organische Stoffe, namentlich Kresolpräparate, ferner Kalziumsaccharat,
Tannin, Gallussäure, Anilin, Naphtylamin, Kaliumferrocyanid, Cyankali,
GlykokoU, Amidophenol usw. eingezogen, namentlich auch zur Entscheidung
der Frage, inwieweit dieselben als Kohlenstoffquellen für Bodenorganismen
in Betracht kommen können. Mit allen diesen Stoffen sind bisher die
Versuche im positiven Sinne ausgefallen; bei jenen, die zugleich stick-
stoffhaltig sind, kommt auch der Stickstoff für die Ernährung der Orga-
nismen in Betracht.
Bezüglich des Karbolineums haben uns diese Versuche zu einem
Resultat geführt, das es möglich erscheinen läßt, die beiden genannten,
seiner Verwendung entgegenstehenden Schwierigkeiten in höchst ein-
facher Weise zu beseitigen und damit die Anwendung des Karbolineums
zugleich handlicher zu gestalten. Sobald die zahlreichen Versuche, die
wir in dieser Richtung schon angesetzt oder zum Teil für diesen Herbst
Torgesehen haben, zum Abschluß gelangt sein werden, werden wir
liierüber an anderer Stelle ausführlich berichten.
In indirekter Beziehung erscheint mir die Aufdeckung der eigen-
tümUchen Giftwirkungen und ihrer Ursachen nicht minder bedeutungs-
voll, indem durch sie für manche längst bekannte Tatsachen bessere
Erklärungen als die bis jetzt gebräuchlichen gefunden und damit zu-
gleich Fingerzeige gegeben werden für eine rationellere Verwendung
gewisser Düngemittel.
In erster Linie dürfte die ganze Kalkdüngungsfrage in ein
anderes Licht gerückt werden; denn es ist zweifellos, daß die indirekten
Wirkungen der Kalkdüngung zum großen Teil ebenfalls auf eine durch
sie bewirkte Störung des Gleichgewichtszustandes der Bodenorganismen
zurückzuführen sind. Die Tatsache, daß Böden mit stärkerem Gehalt
216 L. Hiltner.
an kohlensaurem Kalk zu den tätigen gehören, daß auf ihnen gewisse
Müdigkeitserscheinungen nicht auftreten u. dgl. wird dem Verständnis
noch näher gerückt, als es bisher möglich war.
Nicht minder dürfte dies der Fall sein bei den mit der Stallmist-
wirkung in Zusammenhang stehenden Fragen. IJaß es nichts Absurderes
geben kann, als den Stallmist und andere organische Düngemittel aus-
schließlich nach ilirem Gehalt an direkten Pflanzennährstoffen zu be-
werten, darüber dürfte wohl jetzt volle Übereinstimmung herrschen;
wodurch aber die bedeutsamen, vielfach durch keine andere Düngung
ersetzbaren Wirkungen gerade des Stallmistes veranlaßt werden, darauf
war bisher keine befriedigende Antwort zu geben. Wohl darf als sicher
angenommen werden, daß die organischen Stoffe des Stallmistes an.
sich, dadurch, daß sie den Bodenbakterien Nahrung bieten, eine recht
wichtige Rolle spielen; haben wir doch auch durch Zusatz von Zucker,,
von Fett u. dgl. zum Boden eigentümliche Wirkungen feststellen können.
Auch die im Stallmist in überaus großen Mengen auftretenden, ver-
schiedenartigen Organismen werden sicherlich im Boden noch z. T.
weiter tätig sein, und nicht minder die verschiedenen Enzyme, die
nachgewiesenermaßen im Stallmist enthalten sind. Aber ein rechtes
Bild von der Art und Weise, in welcher etwa die Organismen und
Enzyme des Stallmistes im Boden zur Funktion gelangen, konnte man
sich bisher nicht machen. Vergegenwärtigen wir uns aber die von
uns festgestellte Wirkung von Giftstoffen, wobei wir ganz davon ab-
sehen wollen, daß sich auch im Stallmist Kresole u. dgl. in nicht un-
beträchtlichen Mengen vorfinden, so wird uns manches erklärlicher.
Kein anderes Medium wird derartig wie der Stallmist imstande sein, im
Boden enthaltene Hemmungsstoffe zu beseitigen und dadurch und durch
seinen eigenen Gehalt an Organismen und an Nährstoffen bezüglich der
im Boden befindlichen Organismen eine vollständige Umwälzung im
gegenseitigen Stärkeverhältnis zu bewirken.
Ich muß, um diese Verhältnisse noch näher beleuchten zu können,
hier auf eine Reihe von Versuchen verweisen, die ein sehr merkwürdiges
Ergebnis geliefert haben. Zu bestimmten, hier nicht in Frage kommenden
Zwecken haben wir schon vor einigen Jahren Mischungen von ver-
schiedenen Erden vorgenommen, die vorher bakteriologisch ziemlich
genau untersucht worden waren. Es stellte sich dabei heraus, daß die
Mischungen schon nach wenigen Wochen eine ganz auffallende Er-
höhung der Bakterienzahl in der Gewichtseinheit aufwiesen, wenn man
ausging von der gefundenen Zahl der Organismen in den beiden
Komponenten der Mischung. Es wurden fünf-, und selbst zehnmal sa
viel Organismen gefunden, als man hätte erwarten sollen; ja in Fällen,.
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 217
wo wir Gartenerde zu gleichen Teilen mit einem etwas faulig riechenden
Sand mit etwa 5 Millionen Bakterien vermischten, erreichte die Zahl
der nach 4 — 6 Wochen in 1 g der Mischung enthaltenen Organismen
eine Höhe, die über eine Milliarde hinausging. Hier konnte es sich
kaum mehr darum handeln, daß etwa durch Vermischung der ver-
schiedenen Medien ein Ausgleich von Nährstoffen für die Organismen
eintrat, sondern es erscheint uns sicher, auch nach Einzelfeststellungen,
auf die ich hier nicht näher eingehen kann, daß die auffallende Er-
höhung der Bakterienzahl in den Mischungen ha iptsächlich zurückzu-
führen ist auf die durch das Zusammentreffen zweier voneinander recht
verschieden zusammengesetzter Organismenhorden besonders weitgehende
Beseitigung der gegenseitigen Hemmungsstoffe. Übertragen wir diese
Auffassung auf den Stallmist, so müssen wir zu der Anschauung ge-
langen, daß seine Wirkung durchaus abhängig sein wird von dem Grade
der Verschiedenheit seiner Organismenflora und deren mannigfaltiger
Stoff'wechselprodukte von jener des damit zu düngenden Bodens. Ein
und derselbe Stallmist wird, unabhängig von seinem Gehalt an Pflanzen-
nährstoff'en, namentlich an Stickstoff, recht verschieden auf verschiedene
Bodenarten einwirken, und es steht zu erwarten, daß wir, sobald einmal
diese Verhältnisse näher erforscht sind, in den Stand gesetzt sein werden,
die biologische Zusammensetzung des Stallmistes je nach den besonderen
Zwecken, für die er dienen soll, besonders auch nach der Bodenart, in
bestimmte Richtungen zu lenken.
Beiläufig möchte ich erwähnen, daß uns diese Studien zur Er-
probung eines neuen, von uns konstruierten Vegetationsgefäßes
geführt haben, durch dessen Verwendung es möglich werden dürfte,
die Ergebnisse von Topfversuchen, namentlich von Düngungsversuchen,
mit denen auf Freiland mehr in Einklang zu bringen, als es bisher
vielfach geschehen kann.
Auch die Bedeutung des Humus und der Mycorrhiza, namentlich
der ectotrophen Mycorrhiza, erfährt nach meinem Dafürhalten manche
Aufklärung,
Neben den bisher geschilderten Versuchen, die alle in mehr oder
minder näherem Zusammenhange mit dem Schwefelkohlenstoffproblem
stehen, haben wir uns in München unausgesetzt auch mit den KnöUchen-
bakterien und ihren Beziehungen zuden Leguminosen beschäftigt.
In erster Linie möchte ich hier darauf verweisen, daß wir Veranlassung
genommen haben, die interessante Mitteilung des Herrn Direktors
Guthke- Bergen bei Celle, wonach Serradella und Rotklee miteinander
unverträglich seien, zum Gegenstand von Untersuchungen zu machen,
die sowohl auf Freiland als in Töpfen angestellt werden. Einen be-
21g L. Hiltner.
sonders guten Einblick in die hier maßgegenden Verhältnisse gewährte
ein Topfversuch, bei welchem einerseits Serradella, anderseits Rotklee
in sterilisierter Erde gezogen wurde. In je mehreren Reihen blieben die
Töpfe ungeimpft ; in den andern wurden, und zwar sofort nach der Aus-
saat, Impfungen vorgenommen mit Reinkulturen von Rotklee- bzw. von
SerradellaknöUchenbakterien. Nach Verlauf von 3 Wochen wurden
mehrere bis dahin ungeimpft gebliebene Töpfe ebenfalls mit den zur
angebauten Pflanze passenden Bakterien geimpft, und dasselbe geschah
bei einem Teil der schon vorher geimpften Gefäße. Die Anordnung
geht am besten aus folgender Tabelle hervor, die zugleich die Ergebnisse
an Trockensubstanz pro Topf beim Serradellaversuch wiedergibt.
Es wurden geerntet:
1. Ungeimpft 135,5 g
2. Sofort bei der Saat und nochmals 3 Wochen
später geimpft mit Serradellabakterien . . . 176,0 g
3. Geimpft 3 Wochen nach der Aussaat mit Serra-
dellabakterien 174,5 g
4. Geimpft bei der Saat mit Rotkleebakterien, nach
3 Wochen mit Serradellabakterien 118,5 g
Man ersieht aus diesen Zahlen zunächst wieder die günstige Wirkung
der Impfung von Serradella mit den zugehörigen KnöUchenbakterien;
sie hatte fast gleichen Erfolg, ob sie nur einmal oder zweimal aus-
geführt wurde. Das uns hier am meisten interessierende Resultat ist
aber jenes der Reihe 4; denn es zeigt uns mit überraschender Schärfe,
wie durch die vorausgegangene Impfung der Serradella mit Rotklee-
bakterien die nachfolgende, für sich allein (in Reihe 3) so wirksame
Impfung mit Serradellabakterien vollständig wirkungslos blieb; die betr.
Töpfe gaben sogar einen Minderertrag gegenüber ungeimpft. Dies
dürfte eine Erklärung der Unverträglichkeit von Rotklee und Serradella
bieten. Gelangen die Serradellawurzeln in einen Boden, der von Rot-
kleebakterien durchsetzt ist, so werden diese Bakterien zwar durch die
Wurzelausscheidungen der Serradella angelockt, sie werden, wie wir
dies tatsächlich nachweisen konnten, sich an der Oberfläche der Wurzel
anhäufen, aber nun auch jene Stoffe, durch die sie angelockt wurden,
so in Beschlag nehmen, daß die nur spärlich vorhandenen, oder gar die erst
später hinzutretenden, echten Serradellabakterien gegenüber den in
diesem Falle für die Pflanze recht nutzlosen, ja sogar schädlichen
Konkurrenten nicht aufkommen können.
Auf alle Fälle zeigt dieser Versuch, daß die Leguminosenpflanzen
auch beeinflußt werden durch KnöUchenbakterien, die nicht in ihre
Neuere Ergebnisse usw. a. d. Gebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 219
Wurzeln eindringen, und daß ebenso, wie ich dies schon in einem
Vortrag in Eisenach auf Grund vieler anderer Beobachtungen behauptete,
auch jene im Boden enthaltenen Knöllchenbakterien, die außerhalb der
Wurzel verbleiben, von dieser eine starke Beeinflussung erfahren. In
dem erwähnten Vortrag habe ich sogar die Behauptung aufgestellt, es
wäre für die Leguminosen in vielen Böden unerläßlich, daß die
Pflanzen auch mit den innerhalb ihrer Rhizosphäre im Boden
verbleibenden Knöllchenbakterien und anderen, den löslichen Stickstoff
festlegenden Organismen in eine Art Symbiose treten müßten, weil
anders es sonst nicht möglich sei, daß sie im Zusammenwirken mit den
KnöUchenorganismen Stickstoff sammeln könnten. Ich erwähne dies
nur, um darauf hinweisen zu können, daß wir es uns angelegen sein
ließen, in der Zwischenzeit für diese Behauptung neue Beweise zu finden,
und daß dies tatsächlich gelungen ist. Im übrigen muß ich es mir
versagen, im einzelnen auf die sonstigen verschiedenen Versuche ein-
zugehen, die wir mit Knöllchenbakterien im Laufe der Jahre angestellt
haben, teils, weil diese Versuche noch nicht abgeschlossen sind, teils,
weil es sich um Fragen handelt, deren Verfolgung zwar sehr aus-
sichtsreich erscheint, über die aber im jetzigen Stadium noch wenig
gesagt werden kann.
Daß unsere Anstalt alljährUch viele Tausende von Reinkulturen
von Knöllchenbakterien liefert und daß mit denselben in recht vielen
Fällen in der Praxis gute, oft selbst ausgezeichnete Erfolge erzielt werden,
ist bekannt. Leider reicht meine Zeit und auch jene meiner iMitarbeiter
nicht aus, um die oft recht interessanten und wichtigen Beobachtungen
der einzelnen Versuchsansteller einmal zu einer zusammenfassenden
Darstellung zu bringen; denn es würde sich hier um die Verarbeitung
von vielen Hunderten von Einzelberichten handeln. Nur einen dieser
Berichte möchte ich herausgreifen, weil er eine neue, überraschende
Tatsache enthält: Herr Rittergutsbesitzer Pflug-Brody führte i. J. 1902
mit von uns gelieferten Kulturen von ErbsenknöUchenbakterien auf einem
großen Schlag Impfungen zu Erbsen aus, berichtete aber damals, daß
er von einem Erfolg nichts habe wahrnehmen können. Im J. 1906
dagegen teilte er mit, er habe auf jenem Schlag abermals Erbsen ge-
baut, und es hätten sich im Laufe der Entwickelung auf den zwei Hälften
des Schlags so auffallende Unterschiede gezeigt, daß er, da der Schlag
in bezug auf Düngung, Bearbeitung u. dgl. stets gleich behandelt
worden sei, wie vor einem Rätsel gestanden sei. Um dasselbe zu lösen,
hätte ^er auf den Wirtschaftsplänen genau nachgeforscht, ob nicht doch
früher eine Verschiedenheit in der Behandlung stattgefunden habe,
und dabei habe er feststellen können, daß gerade dort, wo die Erbsen
220 ^- Hiltner.
i. J. 1906 ganz wesentlich besser standen, 4 Jahre zuvor die damals
erfolglos gebliebene Impfung ausgeführt worden sei. Es würde jeden-
falls von großer Wichtigkeit sein, wenn es gelänge, für diese Beobachtung
eine Erklärung zu finden, was vielleicht eher möglich sein wird, wenn
noch mehr derartige eigentümliche Nachwirkungen der Impfung bekannt
werden sollten. Auf alle Fälle bitte ich jene Herren, die Impfungs-
versuche ausführen, hierauf achten zu wollen.
Unablässig waren wir bestrebt, soweit als möglich die praktische
Verwendbarkeit der Kulturen zu erhöhen; teils durch Verbesserung der
Kulturen selbst, namentlich ihrer Nährböden, teils durch weitere Aus-
gestaltung des Impf Verfahrens. In letzterer Beziehung möchte ich
mindestens verweisen auf Versuche, die nunmehr schon seit 3 Jahren
auf verschiedenen Bodenarten unternommen werden zur Prüfung der
Frage, ob bei Ausführung der Samenimpfung besondere Nährstoffe der
Bakterienflüssigkeit zugeführt werden sollen, und ob die von uns ein-
geführten und bisher gebrauchten Nährstoffe, Pepton und Traubenzucker,
unter allen Umständen den Vorzug verdienen. Schon an anderer Stelle
habe ich kurz darauf hingewiesen, daß sich in dieser Richtung eine
große Mannigfaltigkeit gezeigt hat. Auf manchen Bodenarten hat sich
die Beigabe von Nährstoffen, die auf den Diluvialböden Norddeutsch-
laiids unerläßlich erschienen, nicht nur als zwecklos, sondern sogar
als schädlich erwiesen; auf anderen wurden die besten Erfolge mit ganz
anderen Stoffen erzielt. Wir werden schon im kommenden Frühjahre
in der Lage sein, diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen in allen
Fällen, wo uns über die Bodenbeschaffenheit der zu impfenden Flächen
genauere Angaben gemacht werden. Ebenso sollen die Ergebnisse von
Versuchen Berücksichtigung finden, die vermuten lassen, daß die Wirkung
der Reinkulturen von Knöllchenbakterien in vielen Fällen gesteigert
werden kann durch Beigabe einer anderen Organismenart.
Für die Artfrage der Knöllchenbakterien haben wir neues
ßelegmaterial zu gewinnen gesucht, indem wir etwa 12 verschiedene
Lupinenarten auf den verschiedensten Bodenarten alljährlich bauten und
die Knöllchenverhältnisse eingehender studierten. Aus den bisherigen
Ergebnissen ist jedenfalls die Folgerung abzuleiten, daß die Frage, in-
wieweit bei den verschiedenen Knöllchenbakterien echte Artunterschiede
oder nur Varietäten, bzw. spezialisierte und Anpassungsformen vor-
liegen, eine recht komplizierte ist.
Anlaß zu Versuchen hat auch die auffallende Tatsache gegeben,
daß auf den süddeutschen Hochmooren, im Gegensatz zu den nord-
deutschen, die Impfung meist völlig zwecklos ist, da auf ihnen alle
bisher geprüften Leguminosenarten, mit Ausnahme von Soja, reichlich
Neuere Ergebnisse usw. a. d. G-ebiete d. landwirtschaftl. Bakteriologie. 221
und sehr wirksame Knöilchen ohne Impfung bilden. Nicht minder
wichtig und allem Anscheine nach in Zusammenhang hiermit stehend,
ist die weitere, schon von der Moorkulturanstalt Bernau a. Chiemsee
gemachte und von uns ebenfalls bestätigte Beobachtung, daß auf den
süddeutschen Mooren, ebenfalls im Gegensatze zu den norddeutschen,
die Gründüngung fast bedeutungslos ist. Aus den bisherigen Ergeb-
nissen unserer diesbezüglichen Versuche kann ich bis jetzt nur an-
geben, daß der Boden der süddeutschen Moore von Leguminosen-
knöllchenbakterien, mindestens in den oberen Schichten, vollständig
durchsetzt ist. Die Fragen, um deren Entscheidung wir uns bemühen,
sind daher: "Wie sind diese Bakterien in den Boden gelangt, und haben
sie in ihm, wo doch sicher seit Jahrtausenden Leguminosen nicht ge-
wachsen sind, irgend eine Funktion?
Gestatten Sie mir zum Schluß noch mit wenigen Worten auf ein
neues Gebiet zu verweisen, das sich uns erst in letzter Zeit erschlossen
hat. Sie wissen, daß neben der Frage der Stickstoffsammlung durch
Leguminosen hauptsächlich die Brachefrage mit dazu geführt hat, daß
man der landwirtschafthchen Bakteriologie seit etwa 10 Jahren besonderes
Interesse entgegenbringt. Die Deutsche Land wirtschafts- Gesellschaft ins-
besondere bekundet dieses Interesse, indem sie an verschiedenen
deutschen Versuchsanstalten Brachefeldversuche finanziell unterstützt.
Ich will nun nicht auf diese Brachefrage an sich eingehen, denn
sie würde ein Vortragsthema für sich bilden können, sondern ich möchte
nur darauf verweisen, daß wir bei unseren Studien über die im Brache-
boden sich abspielenden Vorgänge auf die Tatsache gestoßen sind, daß
im Boden neben Bakterien, Pilzen und Algen aller Art, d. h. also neben
pflanzlichen auch tierische Organismen eine sicherlich nicht un-
wichtige Rolle spielen. Insbesondere finden sich in den Böden Amöben,
Flagellaten und Inf usorien, und zwar oft in einer ganz außerordent-
lichen Menge, vor. Mehrere Zoologen, die wir befragten, ob derartige
tierische Organismen im Boden eine Rolle spielen könnten, gaben zwar
die Erklärung ab, daß dies, abgesehen vielleicht von direkt nassen
Böden, vollständig ausgeschlossen sei; denn im gewöhnlichen Ackerboden
fehle es an der für die Entwickelung solcher Tiere unbedingt nötigen
Feuchtigkeit. Die betreffenden Zoologen nahmen an, das Vorkommen
tierischer Organismen im Boden sei ein rein zufälliges, sie seien durch
den Wind oder auf sonstige Weise dorthin gelangt und jedenfalls nur
in Dauerformen, als Zysten usw., vorhanden. Wir sind jedoch auf
Grund unserer Beobachtungen zu ganz anderen Resultaten gekommen.
Wie anders als durch die Annahme, daß die von uns aufgefundenen
tierischen Organismen in den betreffenden Böden selbst ihre Ent-
222 ^- Hiltner. Ergebnisse a. d. Gebiete d. landwirtschai'tl. Bakteriologie.
Wickelung durchlaufen haben, soll es sonst erklärt werden können, daß
wir in gewissen Böden bestimmte Arten von Amöben und Flagellaten
zu Millionen in 1 g Erde fanden, daß ferner sicherlich die Art der
Bodenfauna durchaus abhängig ist von der Beschaffenheit des Bodens.
Und könnte schließlich nicht mit demselben Recht angenommen werden,
die Algen und selbst die Bakterien wären nicht imstande, im Acker-
boden sich zu entwickeln, da sie ja doch ebenso wie die tierischen
Organismen auf eine höhere Feuchtigkeit angewiesen sind?
Wir hegen jedenfalls nicht mehr den geringsten Zweifel darüber,
daß auch die tierischen niederen Organismen im Boden in den Kreislauf
der sich dort abspielenden Prozesse mit eingreifen, und haben dafür
schon verschiedene Anhaltspunkte. Es ist uns nicht nur gelungen»
schon zahlreiche Arten aufzufinden und zu bestimmen, sondern einige
von ihnen auch künstlich in flüssigen und auf festen Nährböden zu
züchten. Dabei haben sich recht interessante Beziehungen dieser Orga-
nismen zu bestimmten Bakterienarten ergeben, die allein schon die
Hoffnung rechtfertigen, daß das Studium der Organismenfauna des
Bodens wichtige Aufschlüsse mit sich bringen wird.
Auch hier scheint übrigens der Schwefelkohlenstoff durch seine
Giftwirkung berufen, die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen
Umständen tierische Organismen im Boden tätig sind. Jedenfalls haben
wir schon im Frühjahr genaue Zählungen aller tierischen Lebewesen
von den Regenwürmern, Nematoden bis zu den Amöben von mit Schwefel-
kohlenstoff behandelt gewesenen und unbehandelt gebliebenen Boden-
parzellen vorgenommen. Besonders haben wir den Schwefelkohlenstoff
auch benutzt zu der Entscheidung der Frage, ob und zu welchen
Zeiten im Bracheboden die tierischen Mikroorganismen wirklich sich
betätigen, ausgehend von der Anschauung, daß deren Dauerzustände
bei vorsichtiger Versuchsanstellung vom Schwefelkohlenstoff bei weitem
nicht so leicht abgetötet werden können, als die aktiven Lebensformen.
Auch hierüber werden wir in unseren ausführlichen Veröffentlichungen
nähere Angaben bringen.
E. Zacharias. Über sterile Johannisbeeren. 223
Über sterile Johannisbeeren.
Von ■
E. Zacharias, Hamburg.
Unter den im Hamburger Marschgebiet angebauten Johannisbeeren
zeichnet sich eine Sorte, die als „Lübecker Johannisbeere" bezeichnet
wird, dadurch aus, daß in größeren Kulturen derselben immer hier und
da Stöcke auftreten, welche gar keine oder nur sehr wenige Früchte
bringen.
Von den in Kultur befindlichen roten Johannisbeeren steht nach
Maurer^) eine größere Zahl Rihes rubrum, einige R. petraeum nahe,
und eine dritte Reihe besitzt Eigenschaften beider in Übergängen und
mannigfaltigen Kombinationen. Die von mir untersuchten Lübecker
Johannisbeeren (Fig. 1 — 4; Fig. 5 — 7 Blüten einer R. rubrum nahe-
stehenden Rasse) hatten glockenförmige Kelche mit bewimperten, innen
rotgefleckten Zipfeln, relativ lange Griffel (2,25 mm) und weichhaarige
Infloreszenzstiele, wie es für R. petraeum angegeben wird.
Die LInfruchtbarkeit der Lübecker ist nach Angabe eines tüchtigen
Züchters nicht etwa eine Erscheinung, die sich in höherem Alter der
Sträucher oder unter besonderen äußeren Bedingungen einstellt. Sie
findet sich vielmehr als konstante Eigentümlichkeit bestimmter Stöcke
in Kulturen, die im übrigen gut tragen^). Auch an Sträuchern, die in den
Hamburger botanischen Garten verpflanzt worden waren, wurde die Er-
scheinung in sukzessiven Jahren beobachtet: Bestimmte Sträucher tragen
sehr wenig, andere gar nicht. Die Sträucher blühen reichlich, die
Beeren beginnen anzuschwellen, während die jungen Fruchtstiele sich
hakenförmig aufwärts krümmen (Fig. 4), werden dann aber früher
oder später bei bestimmten Sträuchern alle, bei anderen zum größten
Teil abgeworfen. Die Vierländer Züchter nennen solche Stöcke „Af-
smiters". In den auf verschiedenen Stufen der Ausbildung abfallenden
Beeren findet man immer nur einzelne angeschwollenene Samenknospen.
ij Maurer. Die Beerensträucher, ihre Anzucht und ihr Anbau. (Udo
Dammers Gartenbaubibliothek 1900.) Vgl. indessen: Janczewski. Bastarde
der Johannisbeeren. (Anzeiger der Akademie der Wissenschaften in Krakau,
Mathem. naturw. Klasse, Nr. 6, Juli 1901.)
2) Ein anderer Züchter behauptet, daß anfänglich fruchtbare Sträucher
in späteren Jahren keine Früchte mehr ansetzen trotz reichlichen Blühens.
224 ^- Zacharias.
Die wenigen Beeren, die reif werden, sind meist klein und enthalten
zum Teil nur einen reifen Samen.
Auch bei schwarzen Johannisbeeren ist schon ähnliches beobachtet
w^orden. Infolge einer Anfrage teilt A. Rothe') mit: „300 Stück
wurden angepflanzt. Diese blühten bald, setzten aber fast nichts an,
nur zwei Sträucher trugen jährlich, meist übervoll. Diese zwei ver-
mehrte ich stark, hackte 1899 bis 1900 die 298 anderen Sträucher
heraus, und bin nun endlich soweit, jährhch gute Ernten zu haben."
Johannes Schroeder bemerkt hierzu am selben Ort: „Wir
pflanzten auch schwarze Johannisbeeren, die an feuchten Stellen wild
wuchsen, in unseren Garten. Dabei machte ich nun die Beobachtung,
daß es trotz sehr reichlicher Blüte tragende und nicht tragende gab.
Von sämtlichen Büschen, die wild wuchsen, war uns nur einer bekannt,
der Früchte ansetzte, alle anderen waren taub."
Die kultivierten, roten und schwarzen Johannisbeeren scheinen sich
demnach ähnlich verhalten zu können wie Ribes alpinum. Hier kommen
bekanntlich^) männliche, weibUche und Zwitterblüten vor. In den
männlichen Blüten sind funktionslose Pistille, in den weibhchen funktions-
lose Staubgefäße vorhanden. Männliche Sträucher werden in der
gärtnerischen Literatur als B. alpinum sterile, weibliche als R. alpinum
bacciferum bezeichnet. Die Pflanze kommt aber auch „unvollkommen
zweihäusig" vor, und dementsprechend fand Dybowski') auf einigen
Sträuchern Beeren in großer Menge, auf anderen sehr selten und auf
wieder anderen gar nicht. Dies würde dem Verhalten der mehr oder
weniger sterilen Sträucher der roten Johannisbeeren entsprechen; und
man kann annehmen, daß hier mehr oder weniger männliche Sträucher
vorliegen. Tatsächlich ist hier guter Pollen vorhanden, wenn auch
ziemlich viel verschrumpfte Pollenkörner vorkommen."*)
In einer mir vor kurzem zugekommenen Arbeit berichtet Ewert*)
über unfruchtbare Johannisbeeren, welche „sich höchst wahrscheinlich
^) A. Rothe. Wenn schwarze Johannisbeeren unfruchtbar sind. (Prak-
tischer Ratgeber 1904, Nr. 10.)
2) Vgl. u. a. Kochs Synopsis. 3. Aufl. Herausgeg. von Hallier und
Wohlfarth. 1892. 1. Bd., p. 961.
Hermann Müller. Die Befruchtung der Blüten. Leipzig 1873, p. 94.
Lauche. Dendrologie, p. 537.
3) Dybowski. Über Ribes alpinum. (Weltall. Warschau 1904, Nr. 11.)
Referat der polnischen Arbeit im Botan. Centralblatt XOIX (1905), p. 117.
*) Bailey (Survival of the unlike p. 351) weist darauf hin, daß schlechter
PoUen bei Kulturpflanzen häufiger sei als schlechte Pistille, vgl. ferner Jan-
czewski 1. c.
5) Ewert. Eine unfruchtbare Johannisbeere. (Gartenflora 1907.)
über sterile Johannisbeeren. 225
von Rihes rubrum ableiten", aus einem Garten bei Görlitz, woselbst
sie wie im Hamburger Marschgebiet neben fruchtbaren vorkamen.
Ewert führt noch einen weiteren derartigen Fall aus Glasgow an.
Ewert stellt fest, daß die Nektarproduktion in den Blüten seiner
unfruchtbaren Stöcke, nicht hinter derjenigen der fruchtbaren zurück-
stand, und daß ferner der Pollen der unfruchtbaren sowohl auf der
eigenen Narbe, als auch in Zuekerlösung keimte.
Bei dem Vergleich der Narbeii verschiedener Johannisbeersorten
fiel es Ewert sodann auf, daß die Narbenbreite (d. h. die „seitliche
Streckung der Narbenflügel", nicht der Umfang der funktionierenden
Narbenfläche) bei seiner unfruchtbaren und bei der „kernlosen" geringer
ist als bei anderen Sorten. Sie betrug bei der unfruchtbaren 0,71 mm.
Etwa dieselbe Narbenbreite (0,75) fand ich bei der Hamburger un-
fruchtbaren. Ewert meint nun, daß die geringe Narbenbreite als „ein An-
zeichen der Unfruchtbarkeit anzusehen sei". Sorgfältige Untersuchung
der in der Umgebung der unfruchtbaren Sträucher stehenden frucht-
baren kann indessen erst zeigen, ob diese Meinung zutreffend ist.
Zu untersuchen bleibt ferner, wie die unfruchibaren Sträucher in
die Kulturen hineingelangen. Die Vierländer Züchter pflegen ihre
Kulturen nicht durch Sämlinge zu vermehren. Bei der Sorgfalt und
scharfen Beobachtungsgabe, die ihnen eigen ist, kann kaum angenommen
werden, daß sie zur Vermehrung unfruchtbare Sträucher heranziehen.
Es ist vielmehr mit der Möglichkeit zu rechnen, daß an fruchtbaren
Sträuchern unfruchtbare (männliche) Sprosse auftreten, die dann ge-
legenthch als Stecklinge in die Kulturen hineingeraten können. Für
die Praxis würde sich daraus die Notwendigkeit einer sorgfältigen
Prüfung der einzelnen Teile der Sträucher, welchen man Stecklinge
entnehmen will, ergeben.
Figurenerklärung zur Tafel V.
Fig. I — 4. Lübecker Johannisbeeren.
Fig. 5—7. Blüten einer im Hamburger botanischen Garten
kultivierten, Rihes rubrum nahestehenden Easse.
Jahvesbeiichf der Vereinigung für angewandte Hntanik V. \Q
226 Paul Graebner.
Über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten
des Sommers 1907.
Von
Paul (liraebner, Groß-Lichterfeldo bei Berlin.
Im letzten Jahresbericht unserer Vereinigung gab ich eine kurze
Übersicht über die wirtschaftsfoindlichen Paktoren der Heide und die
sich daraus ergebenden Pflanzonkrankheiten. Es ging aus dieser Arbeit
hervor, daß die Mehrzahl der Hemmungserscheinungen bei Kultur-
pflanzen des Heidegebietes auf klimatische Einflüsse zurückzuführen
ist und zwar auf direkt und indirekt wirkende Paktoren. Zu den
letzteren sind die durch die reichliche Peuchtigkeit, durch die stärkeren
Niederschläge imd die oft lange Zeit nassen lauen Winter hervorge-
rufenen starken Humus- und Moosbildungen zu rechnen, die ihrerseits
wieder die Veränderung oder Verschlechterung der oberen Bodenschichten
bewirken. Zu den direkt wirkenden Einflüssen sind neben den
wechselnden Trocken- und Peuchtigkeitsperioden, die gerade in den hu-
mosen Böden doppelt wirksam sind, besonders die unzeitigen Proste im
Frühjahr und Sommer zu rechnen, die häufig Schaden anrichten. Der
Sommer 1907 war nun besonders deswegen bemerkenswert, weil ein
Teil dieser direkt wirkenden Paktoren sich auch auf Gebiete ausdehnte,
die sonst zumeist von ihnen verschont bleiben und in denen sich da-
durch der Einfluß studieren ließ.
Zunächst war ein größerer Teil des Sommers bekanntlich sehr
niederschlagreich und neben Nachtfrösten im Mai resp. Juni traten
bereits verhältnismäßig frühzeitig im November stärkere Fröste auf, so
daß an zwei Nächten das Thermometer in unseren Freilandkulturen in
Dahlem auf — 1^ sank. Alle drei Erscheinungen ließen sich in ihren
Polgen an den Kulturpflanzen verfolgen und mfigen hier kurz geschildert
werden.
Was zunächst die Erhöhung der Niederschläge betrifft, so war
jhr Einfluß namentlich bei den Steppenpflanzen zu konstatieren und
zwar sowohl an den krautarligen als an den holzigen Vertretern trockenerer
Florengebiete. Eine Reihe von einjährigen Gewächsen ging ganz
oder zum großen Teile zugrunde oder verkümmerte. Bei allen ließ
sich typische Wurzelfäule konstatieren. Besonders auffällig war die
über einige nichtparasitäre Pt'lanzenkrankheiten des Sommers 1907. 227
P^rscheinung bei einigen (7/eow?^'- Arten und verwandten Gapparidaceen,
die ja als beliebte Sommerblumon jetzt häufiger kultiviert werden.
Scheinbar ganz üppig gedeihende Pflanzen trockneten plötzlich ein und
zeigten dann einen abgestorbenen Stengelgrund und tote Wurzeln. Unter
den Glasplatten brach aus den toten Stongelteilen ein üppig wucherndes
Pilzmyzel hervor, welches aber, da es ohne Pruchtkörper blieb, un-
bestimmbar war. Das Mycel dieses Pilzes spann sich über den Erd-
boden hinweg und griff so von Pflanze zu Pflanze über. In den An-
fangsstadien der Krankheit sah man, dali der Pilz zunächst die am
Stengelgrunde durch den Regen angespülten Boden teilchen durchzog
und dadurch schließlich zu einer fast filzigen Masse vereinigte und
dann den Stengelgrund selbst an einer Seite angriff und ihn schädigte.
Genaue Untersuchung ergab aber, dali auch hier der Pilz ganz augen-
scheinlich nur sekundär auftrat, denn erstens war stets ein großer
Teil der Wurzelspitzen und zum Teil sogar einige größere namentlich
tiefergehende Wurzeln tot und in Fäulnis übergegangen, eh(> der Pilz
seines Scharfrichteramtes walten konnte, und zweitens blieben am
Kande der Kulturen, auf kleinen Erhöhungen stehende Exemplare, die
auch meist kräftiger entwickelt waren, verschont, trotzdem das Pilz-
myzel in den Oberflächenschichten des Bodens nachweisbar war. Zuerst
erlagen stets die Pflanzen in kleinen Senkungen, in denen das Regen-
wasser stärker zusammenlief. Sobald der Pilz den Stengelgrund etwas
stärker angegriffen hatte, erfolgte außerordentlich schnell das Absterben
und die Verjauchung des ganzen Wurzelkörpers, die ebenso schnell
vor sich ging, wenn man an den noch pilzfreien Stellen durch Ab-
ringelung eines Teils des Rindengewebes die Saftzirkulation, namentlich
die Ableitung dos plastischen Materials in die Wurzeln, störte, also durch
eine mechanische Verletzung die Pflanze weiter schädigte. Ganz
ähnliche Bilder, nur ohne die Einwirkung eines Pilzes sondern durch
einfache Wurzelfäule hervorgebracht, konnten bei einer ganzen Reihe
mediterraner und orientalischer Arten namentlich aus den Familien der
Compositen, Umbelliferen und Cruciferen beobachtet werden.
Auch eine Reihe von ausdauernden Kräutern erlagen der über-
großen Sommerfeuchtigkeit, besonders solche, welche die Eigentümlichkeit
haben, während des Hochsommers ihr Laub zu verlieren und die
sommerliche Trockenperiode ihrer Steppenheimat nur in unterirdischen
Organen zu überdauern. Viele von diesen — eine der bekanntesten dürfte
außer den Zwiebel- und Knollengewächsen die übelriechende Ferula
asa foetida sein — behalten die abgestorbenen Reste der Blätter oder
deren unteren Teile, um die Fortsetzungsknospe in sie einzuhüllen. Die
mechanischen Elemente dieser toten Blatteile bleiben in festem Ver-
16*
228 Paul Graebner.
bände mit der Grundachso und sollen als „Tunica" dienen. In so
feuchten Zeiten werden sie aber nicht trocken und beginnen zu faulen:
die Fäulnis macht nun nicht am lebenden Gewebe halt, sondern setzt
sich, den Gefäßbündeln folgend, sehr bald mehr oder weniger tief in
das Innere der Grundachse fort. Von den Leitungselementen aus, die
nach dem Abstorben der Blätter, für deren Bündel sie als Zuleitungs-
wege dienten, aus der Saftbahn ausgeschaltet sind und dadurch eine
geringe Widerstandsfähigkeit zu besitzen scheinen, dringt die Fäuhiis
sehr bald in die umgebenden Gewebe, namentlich die parenchymatischen
ein, dadurch gröHere Herde erzeugend, die sehr bald bis zu den Ge-
fäJibündelteilen der Grundachse selbst vordringen. Wird eine Grundachse
in diesem Stadium trocken gelegt, so heilt die Wunde meist durch Ein-
trocknen der fauligen Teile und Bildung von Wundparenchym aus; ist
die tote Stelle aber bei-eits zu grol5, so daß sie den größten Teil des
Querschnitts der Grundachse einnimmt, so geht das Absterben meist weiter
vor sich, und hat sich die faulige Flüssigkeit bereits in den Gefäßen
nach der Richtung der Hauptknospe zu verbreitet, so hilft meist selbst
ein Ausschneiden des toten und kranken Gewebes nicht mehr, die ganze
Pflanze fällt der Fäulnis anheim.
Für diese Form des Absterbens üeH sich eine große Menge von
Beispielen beibringen, es waren namentlich südeuropäische und asiatische,
aber auch nordamerikanische Arten: unter den letzteren wui'de besonders
die bekannte Zierpflanze Liatris spicata untersucht, die fast gänzlich
abstarb. Bei dieser Pflanze ging die Fäulnis von den Wurzelspitzen
aus. Die Wurzeln starben nach und nach ganz ab und von ihnen
aus drang die faulige Substanz in die Grundachse ein, dort Herde er-
zeugend. Zu gleicher Zeit — die oberirdischen Teile begannen da bereits
zu welken — faulten auch die Blattreste in die Grundachse ein. Die
Blüte der herbstblühenden Knollen- und Zwiebelgewächse war gleichfalls
meist sehr dürftig, viele von ihnen waren abgestorben und verschwunden,
und wahrscheinlich wird das nächste Jahr noch grö(5ere Verluste er-
kennen lassen, die erst durch die fortschreitende Fäulnis während des
Winters in die Erscheinung treten ; wenigstens fand ich jetzt im Herbst
bei einer ganzen Reihe aufgenommener Zwiebeln, besonders aus den
Gattungen Hyacmtlms, Narcissus, FritiUaria, aber auch an den Rhizom-
knoUen von Iris usw. große Fäulnisherde, bei einigen Hyacinfhus- war
beispielsweise der ganze Zwiebelboden faul, während die Zwiebelschuppen
noch erhalten waren, sich aber alle einzeln herauslösen lieOen.
Interessant war das Verhalten von Rlwdodendron ponticum-
Gartenformen, deren eine ganze Anzahl abstarb. Namentlich in einem
jungen mehrjährigen Anzuchtsbeete 3 bis 5 dm hoher Pflanzen zeigten
über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten des Souiniers 1907. 229
sich im Spätsommer viele tote oder eintrocknende Exemplare. Die
Untersuchung ergab folgendes:
Bei einer Anzahl scheinbar noch völlig gesunder Exemplare zeigten
sich die Wurzelspitzen oder schon ein erheblicher Teil der älteren
Wurzehi abgestorben. Es waren dies alles Pflanzen, die in normaler
Höhe in den Boden gebracht waren oder deren Stengelgrund doch nur
mit einer dünnen Schicht der Erde bedeckt war. Diese bestand im
wesentlichen aus zerkleinertem, an der Oberflächonschicht noch ziemlich
locker gelagerten Übergangstorf (Grunewald-Erde), der in etwa 4 l)is
5 cm Tiefe schon deutlich dicht geworden war und die Struktur ziemhch
verloren hatte. Einige von den richtig gopflanzten Exemplaren gingen
auch zugrunde, nachdem sie, wie alle übrigen, im Sommer eine normale
EntwickeUmg gezeigt hatten und reichlich mit Blütenknospen besetzt
waren. Die Mehrzahl der abgestorbenen Pflanzen war aber zu tief in
den Boden gekommen; bis zu 5 cm, also einer doch verhältnismällig
sehr geringen Dicke, lag die humose Erde um den Stammgrund an-
gehäuft. Schon mit bloßem Auge bemerkte man am eingedeckten Teile
der Stämme knotige, bis ca. 1,5 mm dicke Auftreibungen, die nament-
lich am Wurzelhalse oft in gröiSerer Zahl auftraten. Auf dem ana-
tomischen Bilde erwiesen sich diese Gebilde als krankhaft vergrößerte
Ersatzlentizellen, deren Mitte aus stark radial gestreckten, an den Enden
abgerundeten, an einem Ende oft fast sackförmig ausgeweiteten, parenehy-
matischen Zellen bestanden, die weite Lufträume zwischen sich ließen.
An schon abgestorbenen größeren Lentizellen war die ganze Mitte durch
Zusammenfallen des Gewebes bis tief in die lebende Rinde hinein röhren-
förmig hohl. Die ganze innere Umgebung der Ersatzlentizellen war
später stark gebräunt.
Außer diesen krankhaft vergr()ßerten Almungsorganen, die analog
denen gestaltet sind, wie sie v. Tubeuf in der Forstl. Naturw, Zeitschr.
1906 bei Pinus strobus beschreibt und abbildet, und wie sie auch,
wenn auch anders gebaut, sich bei Pinus süvesfris in Moospolstern
finden '), war irgend eine erheblichere Deformation der Gewebe, nament-
lich der Leitungsgewebe des Stammes, nicht nachzuweisen. Nur war,
ebenso wie in den älteren Wurzeln, am Grunde des Stammes der ganze
Holzkörper und die Rinde gebräunt. r)ie Bräunung der Rinde hörte
aber schon nach wenigen (meist 3—5) Zentimetern über dem Wurzel-
hals auf, indem sie sich stellenweise unregelmäßig nach oben zungen-
förmig, sich hin und wieder etwas verbreiternd, vorschob. Die Bräunung
des Holzkörpers, die besonders in den Gefäßen stark war und dort oft
') Vgl. (Jraebaer in Zeitschr. f. Foi'st- und -lagdwesen, ]H()(>, S. 7u.")ff.
230 Paul Graebuer. ;
durch einon (Icutlichen braunen (meist einseitigen) RanQl)elag autfällig
wurde, nahm im Innern des Stammes sehr schnell ab, nur in einzelnen
Gefäßen weiter nach obeii dringend. Der ganze Querschnitt war bis
höchstens 8 cm über dem Wurzelhals gebräunt. Im äußersten Holzteile,
also in den Gefäßen des Jahres 1907, aber hatte sich die jauchige Flüssig-
keit aus den unteren Teilen meist bis etwa 15 cm im ganzen Stamm-
umfang emporgesogen, dort unter dem Cambium einen braunen Ring
hervorbringend. Die parenchymatischen Zellen um die Geläße waren
meist mit abgetötet. Zuletzt Wciren im obersten Teile nur noch 3 bis
8 Lagen toter brauner Zellen zu sehen. Kinzelne tote Streifen ließen
sich bis in die Zweige hinein verfolgen.
Eine weitere sehr auffällige Erscheinung war der frühzeitige Laub-
fall an einer Anzahl ausländischer Gehölze. Von Straßenbäumen waren
es namentlich die Roßkastanien, die bereits während der ersten Hälfte
des Oktober an vielen Orten die Blätter fallen ließen und zwar, soviel
man hier in der Umgebung konstatieren konnte, an den feuchteren
Stellen, während an den hochgelegenen Teilen der Straßen die Blätter
bis zu den ersten Frösten sitzen blieben. Auch in den Pflanzungen des
botanischen Gartens und in Gärten der Umgebung Berlins war dies an
einer Reihe strauch- und baumartiger Gewächse zu beobachten, und
zwar waren es ausnahmslos solche Gewächse, die an natürlichen Stand-
orten trockene Gelände bewohnen. So verloren beispielsweise eine
ganze Anzahl von Leguminosen, besonders Caragana-AHen, Rohinia,
in sehr charakteristischer Weise einen großen Teil ihrer Blättchen vor-
zeitig. Ähnlich wurde der frühzeitige Laubfall notiert bei einer Reihe
von Prunus (Kirschen- und Pflaumenarten), Pirus, namentlich Birnen,
Crataegus, Cotinus coggijgria usw. Bei diesen strauchartigen Ge-
hölzen war die Erscheinung besonders deutlich gegen Ende des Sep-
tember und Anfang Oktober im Arboretum des botanischen Gartens, wo
die Arten nach ihrer systematischen Verwandtschaft in Gruppen zu-
sammengepflanzt sind. Dort waren iramei' bestimmte Pflanzenarten der
genannten Gattungen, die ganz zerstreut zwischen den übrigen standen,
am Grunde von einem dichten Kranze gelben Laubes bedeckt, und
hatten nur noch wenige Blätter, meist an den Zweigspitzen, zu einer
Zeit, als die übrigen noch vollbelaubt dastanden. Soweit ich die Pflanzen
zu untersuchen Gelegenheit hatte, fanden sich sehr zahlreiche abge-
storbene Wurzelspitzen an ihnen. Als im Spätherbst eine Anzahl von
ihnen im botanischen Garten verpflanzt wurde, hatte (Ende Oktober,
November) bereits die Bildung neuer Wurzelspitzen begonnen, die alten
toten waren aber in allen Fällen noch zu konstatieren. Es scheint
mir sicher, daß dieses frühzeitige Absterben des Laubes an diesen
über einige nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten des Sommers 1697. 231
Pflanzen, die sonst keineswegs zu den friihreifenden gehören, auf die
große Feuchtigkeit des Sommers zurückzuführen war; außer den ab-
gestorbenen Wurzelspitzen konnte keine sichtbare Krankheitserscheinung
gefunden werden. Alle gehörten, wie bemerkt, zu den Bewohnern
trockener Orte.
Weiter war der Herbst des Jahres 1907 ausgezeichnet durch die sehr
schlechte Herbstfärbung derjenigen Gehölze, die durch Ihre sonst
prachtvollen Farben zu den Lieblingen der Gärtner geworden sind.
Wenigstens in der Umgebung Berlins war das Fehlen des Herbstlaiibes an
den meisten Orten außerordentlich deutlich. Selbst bei den amerikanischen
Eichen {Quercus coccinea^ Qu. palustris etc.), die bei uns in großen Mengen
angepflanzt sind, ging bei den meisten die Färbung von Grün durch
ein stumpfes Rotbraun in das Braun des Winters über. Ausnahmen mit
lebhafterer Färbung sah ich nur z. B. in einigen sandigen Gärten der
Kolonie Grunewald. Unter den sonst prachtvoll gefärbten, ganz frei der
Sonne ausgesetzten Gehölzen des botanischen Gartens fehlte die Herbst-
färbung mehr oder weniger bei Monis (sonst lebhaft gelb), Liriodend)on
(gleichfalls gelb), Berheris (nur einige Formen des B. vulgaris und Ver-
wandte zeigten schwache Färbung, B. Thuubergii z. B. blieb fast ganz
grün), Evonymus (viele sonst prachtvoll gefärbte Pflanzen blieben
ganz grün, einige waren schwach gefärbt), Bhus Cmeist nur an einem
Teil der schon im Welken begriffenen Blätter rot). Hex glahra (ziemlich
gut gefärbt), Cotinus coggygria (schlecht gefärbt), Acer rubrum (ohne
Färbung), A. ginnala (fast ohne Färbung, schnell sich entlaubend), A.
negundo (Gelbfärbung fast fehlend), A. campestre (leidlich gefärbt),
Aesculus (alle ohne Färbung), Parti lenocissus (gefärbte Blätter, alle
schnell abfallend), Liquidamhcr styraciflua (nur untere Teile der
Zweige einigermaßen gefärbt), Parrotia Persica (schlecht gefärbt),
Spiraea Tliunbergii und 8. prunifolia (schlecht gefärbt), lioa virginicti
(ohne Färbung).
Die Frostwirkungen während der Vegetation speriode waren
gleichfalls recht erheblich. Zunächst trat in einigen Teilen des norddeutschen
Flachlandes Ende Mai in zwei xMächten ein ziemlich starker Prost auf,
der neben vielen empfindlichen Kulturpflanzen, wie Bohnen usw.. auch
einige einheimische Holzgewächse, wie Eiche, Fichte, Tanne usw., erheb-
lich schädigte. Selbst im Juni traten noch Streiffröste auf. Die Wir-
kungen der stärkeren Fröste des 25. Mai auf die forstlichen Holz-
gewächse habe ich in der Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen (1908)
eingehender geschildert. Besonders geschädigt wurden die Eichon-
kulturen; die Fröste töteten z. T. sogar Teile der 2— 3jährigen
Zweige ab. Zahlreich waren die Wirkungen an den Knospen- und
232 ^^"1 Graebner.
Zweigansatzstellen, wo namentlich die saftroichen parenchymatisehen
Teile erfroren waren. Bei der Vernarbung der Prostwunden, die im
Spätsommer des Jahres wieder untersucht wurden, ergaben sich neben
mehr oder weniger starken Gewebewucherungen, die knotige Anschwel-
lungen hervorbrachten, besonders Risse und Spalten in dem toten Ge-
webe, wodurch vorzeitig eine rauhe Oberfläche der Zweige geschaffen
wurde. In den Rissen und Spalten siedeln sich, wie an iilteren ähn-
lichen Stellen nachgewiesen werden konnte, die Flechten in großer
Zahl an, so daß gerade die den Frühfrösten am meisten ausgesetzten
Pflanzen resp. Bestände den auffälligen Flechtenbehang zeigten.
Die in den Nächten vom 6. und 7. November') plötzlich ein-
setzende, bis zu — 7° C betragende Kälteperiode machte sich nament-
lich dadurch bemerkbar, daß an zahlreichen Gehölzen das noch grüne
Laub erfror und im erfrorenen Zustande hängen blieb. Als
dann Ende des Monats und Anfang Dezember wieder Tauwetter eintrat,
z. T. auch mit einer ungewöhnlich hohen Temperatur, die das Wachs-
tum vieler Pflanzen stark anregte, wurde bei der Mehrzahl der Gehölze
die Abtrennungsschicht der Blätter nachträglich ausgebildet und bei ganz
ruhigem Wetter fiel das Laub in großer Menge herab. Eine große
Zahl von Gehölzen behielt indessen ihr Laub auch nach der Zeit der
Wärme und noch jetzt, zur Zeit der Jahreswende, konnten eine ganze
Reihe von Arten notiert werden, deren Blätter in trocknem, z. T. schon
halb verwesten Zustande an den Zweigen hing und nur mit Anwendung
von Kraft losgelöst werden konnten.
Als solche noch jetzt mit trockenem Laube behangenen, sonst es
abwerfenden Arten wurden aufgezeichnet Larrx sihirica, Salix dapli-
noides, acutifolia und einige S. daphnoides-Bastarde, Alnus alnohetula
A. viridis (einige Sträucher dicht belaubt, andere fast kahl), Castanea
sativa (verschiedene dicht belaubt), Deutzia gracilis (namentlich Garten-
formen), mehrere /S^/)?r(7ea- Arten, Exochorda grandiflora, Rosa cinna-
momea, B. Carolina, Cydonia Japonica, Ruhiis odoraius, Mespilus
Germanica (teils mit, teils ohne Blätter), Laburnum vulgare^ Acer
rvhrum (teilweise mit Plättern), Cotinus coggygria, Lindera Benzoin,
Lepargyrea Canadensis, Corwins alba, Samhucus glauca, mehrere
Loiiicera- Arten, besonders L. coerulea in einigen Exemplaren.
Die anatomische Untersuchung ergab, daß bei der Mehrzahl der
genannten Gehölze die Trennungsschicht zwischen Blattstiel und Stengel
nicht ausgebildet war, da sie während der Zeit der Ausbildung ganz oder
teilweise erfroren war. L>as abgetötete Gewebe reichte oft in die Blatt-
1) Nach freiiudlicber Mitteilung- von Prof. Dr. Kaßner-Berlin.
über einige nichtparabitäre Pflanzeiikranklieiteu dos Soiumers 1!)07. 233
kissen hinein und war mitunter stark zerrissen. Bei den meisten waren
naturgemäß die oberen Teile der Zweige stärker mit trockenem Laube
behängt, die unteren zum Teil oder auch ganz kahl, bei manchen Exem-
plaren jedoch, so z. B. bei einigen zu Salix daphnoides, Cccstcmea.
Ci/donia, Mespüus, Laburnum, Lepargijrea, Cornus alba gehörigen,
waren oft ganze Zweige beblättert. Bei diesen waren in den oberen
Teilen der Zweige die Frostwirkungen ganz erheblich stärker; so war
beispielsweise bei Coiimis cocjgygria und bei Cijdonia Japonica der
größte Teil der Blattkissen mit abgetötet und eingetrocknet, die Blatt-
ansatzstelle saß daher in einer kleinen Vertiefung des Zweiges. Cotirms
coggygria bot, wie aus dem vorhergehenden hervorgeht, im letzten
Sommer ganz besonderes Interesse. Zunächst machte sich bei dem
Perückenstrauch ein frühzeitiger Laubfall bemerkbar, ein großer Teil
der Exemplare verlor die Blätter vorzeitig in großer Zahl. Die sitzen-
bleibenden Blätter zeigten fast keine nennenswerte Herbstfärbung und
erfroren schließlich noch am Zweige sitzend. Augenscheinlich war
Cotinus, ebenso wie auch Cgdonia Japonica während des warmen und
langen Spätsommers zu neuer Wurzelbildung und neuer Vegetation an-
geregt worden und dann vor Abschluß derselben vom Proste überrascht.
Daß eine solche Anreizung zu erneuter Vegetation im Herbste vielfach
erfolgte, zeigten die im Herbst blühenden Frühjahrsblüher, wie Spiraea
Thimbergi/, Forsgthia suspensa, Jasminum mtd/ßorum, Lonicera fra-
grantissima u. a.
Verbesserungen.
S. 14 Zeile 1 v. o. und S. 17 Zeile 6 v. o. imiß es heiUen: Kabiikini;enienr
statt ßetriebsingenieur.
S. 107 Zeile 3 v. o. Polarisationsstrom statt Tetanisieriingsstrom.
S. 111 Zeile 10 v. u. ist einzufügen: (00 o/o).
Jahresbericht der Vereinigung für angewandte Botanik V.
Tafel 1.
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Heiuze, Anbau von Serradella und Lupinen.
Jahresbericht der Vereinigfuiig für aiigowandtp Botanik V.
Tafel 11.
Tafel II
Anbau versu che ohne jede Impfung 1907
— im Freilande —
erstmaliger dritter (bzw. zweiter)
Serradella-Anbau
nach Senf (bzw. Hafer, Kartoffeln)
bzw. nach Bohnen (bzw. Erbsen usw.)
öesamtstiekstoflF-Ernte j 52 kg N. (i. Min.), (d. i. ca. 22iJ kg N. (i. Max.); (d. i. ca.
pro 1 lia 1907 330 kg N-haltige Substanz 1500 kg N-haltige Substanz
(Kraut und Wurzeln)) oder Salpeter) oder Salpeter).
Hei uze, Anbau von Serradella und Lupinen.
Jahresbericht der Vereinig;ung für angewandie Botanik V.
A 11 bau versuche ohne jede Impfung 1907
1 — blaue Lupinen im Freilande —
Tafel III
1
I
i
J
erstmaliger Anbau
nach Kartoffeln (Senf usw.)
bzw Bohnen (Erbsen usw.)
öesamtstickstolt^Enite | 75 ^ ^_ ^- ^^-^^
pro 1 lia 1907 ; i7n t„ m_v -
(Kraut und Wurzeln)
Heinze, Anbau von Serradella und Lupinen
^ , , , d. entspr. ca.
470 kg N-halt. Substanz od. Salpeter.
nach Serradella, 1. Anbau,
bzw. Serradella, 2. Anbau,
226 kg N. (i. Max.); d. entspr. ca.
l.öOO kg N-halt. Substanz od. Salpeter.
Jahresbericht der Vereinigiiug für angewandte Botanik V.
Tafel IV.
Tafel IV
Anbauversuche ohne jede Impfung 1907
H^Wk .A.^^K'1
Heinze, Anbau von Serradella und Lupinen.
JakresberiiJit drr l^iTPudgimif Hanc/tuvamÜe Botanik V.
Taf.V.
Fuj.l.
r Fig. 5.
Hemh- Stichr del.
ZacliariaS; Sterile Jo liannisbeereTi
F Lazie,Zii?i.j7ist.3epiz7i
Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin
SW 11 Grossbeeren Strasse 9
Jahresbericht der Vereinigung für an
gewandte Botanik.
Ersterfahrgang 1903. Geheftet 4 Mk.
Zweiter Jahrgang 1903/4. Geh. 5 Mk. 20 Pfg.
Dritter Jahrgang 1904/5. Geheftet 10 Mk.
Vierter Jahrgang 1906. Geheftet 14 Mk.
Der Jahresbericht verfolgt die Aufgabe der Förderung und
Vertiefung der tcissenschaftlichen Erkenntnis im Dienste von Land-
und Forstwirtschaft, Handel und Gewerbe durch botanische Forschung.
Gerade die landiüirtschaftUch-praktische Botanik ist in kurzer Zeit
zu einem Wissenszweig herangewachsen, der bei vollständiger Selbst-
ständigkeit in seilten Errungenschaften bereits hervorragend maass-
gebend geworden ist für den weiteren Fortschritt auf den bezeich-
neten Gebieten. Der Jahresbericht dient daher als Sammelpunkt
für die auf landwirtschaftlichen und verwandten Gebieten ausgeführten
botanischen Forderungen.
Ausführliche Verlagsverzeichnisse gratis und franko.
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