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Full text of "Jahresbericht der Vereinigung für Angewandte Botanik"

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Jahresbericht 


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Berlin 

Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger 


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Jahresbericht 


der 


Yereinigung  für  angewandte  Botanik 


Vierter  Jahrgang  1906 


Mit  8  Tafeln  und  19  Textabbildungen 


LIBRARY 
NEW  YORK 
BOTaNTCaL 

OaKüEN. 


Ber  li  n 

Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger 

SW  11  Dessaiier  Strasse  29 
1907 


XJ 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Druck  von  A.  W.  Hayn's  Erben,  Potsdam. 


Inhalts-Verzeichnis» 


LIBRARY 

NEW  VORK 


Erster  Teil. 

Seite 

1.  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung  in 
Hamburg  vom  11.— 16.  September  190!),  erstattet  von 
C.  Brick IX— LH 

Darin  enthalten  folgende  Reden,  Beschlüsse,  Referate 
und  Diskussionen  über  Vorträge  etc.: 

Y.  Melle,  Begrüssungsansprache XII 

Resolution,    betr.    Förderung    der  tropischen  Land-  und     Forst- 
wirtschaft        XVI 

Diskussion  zu  Hos se US,  Gewinnung  des  Teakholzes  in  Siam  etc.  XVII 

„           „   Thiele,  Einwirkung  des  Kalis  etc XX 

Geschäftliche    Sitzung:    Jahresbericht,    nächstjähriger  Versamm- 
lungsort, Namensänderung,  Änderung  des  Jahresberichtes, 
Gebührenordnung  für  gerichtliche  Gutachten    .....  XXI 
Diskussion  zu  Appel,  Phytopathologie  und  Samenkontrolle  etc.  XXV 
„           ,,    Kühle,  Schälen  der  Rübensamen  etc.      ....  XXIX 
Besichtigung  der  Fruchtschuppen  und  der  Station  für  Pflanzen- 
schutz, Hafenfahrt .  XXXIV 

Diskussion  zu  Johnson,  Kartoffelscborf    .........  XXXVI 

,,  ,,    Graebner,  Nicht  parasitäre  Pflanzenkrankheiten 

der  Heide XXXVI 

Aderhold,  R.,  Amerikanischer  Stachelbeermehltau  und  bakterien- 
kranke Kirschbäunichen  (Referat)      .........  XXXVI 

Diskussion XXXVII 

^^    Wehmer,  C,  Kulturen  von  Asperi/illus  gigcu/teua  (Referat)      .     .     .  XXXVII 

CT)         Diskussion XXXVIII 

Kleballil,  H.,  1.  Blattfleckenkrankheit  der  Platanen,  2.  Krankheiten 

p^                der  Tulpen,  S.  Eine  neue  Krankheit  des  Flieders  (Referat)  XXXVIII 

Diskussion XXXIX 

^    Sitzung    der  Freien  V^ereinigung    der    systematischen  Botaniker 

"^                und  Pflanzengeographen XL 


lY  Inhalts-Verzeichnis. 

Seite 
Besichtigung    des    Botanischen  Gartens    und    Museums  und  der 

Samenkontrollstation XL 

Besichtigung  von  Saatreinigungsanstalten  und  Warenlagerspeicher  XL 
Mni'dfleld,    Das    Lignin    und    Kutin    pflanzlicher    Futterstoffe  in 

chemischer  und  physiologischer  Hinsicht  (Referat)    .     .     .  XLIV 
Kwert,  11..    Die   durch    Bordeauxbrülie  oder  Beschattung  hervor- 
gerufene   Verlangsamung     des    Stoffwechsels    in    grünen 

Blättern XLVL 

Ewert,  R.,  Die  Parthenokarpie  der  Obstbäume    .......  XLVI 

Diskussion XLVII 

Ausflüge  in  die  Zentralheide  und  in  die  Vierlande XLVIII 

Ausflug  nach  Helgoland LT 

Kuckuck,  V.,  Mitteilungen  über  Tangverwertung LI 

2.  Mitgliederliste  für  1906 LUX— LXIII 


3.  Vorträge  und  Abhandlungen. 

Drude,  0.,  Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik  .     .     .  1 — 19 

AVarbui'g,  0.,  Über  die  tropische  Landwirtschaft 20 — 39 

Hosseus,  C,    Die  Gewinnung  des  Teakholzes    in  Slam    und    seine 

Bedeutung  auf  dem  Weltmarkte iO — 50 

Zacharias,  E.,  Über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  (Mit  Taf.  1  u.  II)  51 — 62 

Wielcr,  A.,  Die  Bedeutung  der  Luftanalyse  für  die  Rauchexpertise  63 — 69 
((vam,  (>.,    Zur  Atmung    des  Geti'eides.     Eine  Relation    zwischen 

Keimfähigkeit  und  Atmungsintensität.     (Mit  13  Fig.)      .     .  70 — 87 

Vaiilia,  J.,  Zur  Qualitätsprüfung  der  Braugerste.     (Mit  1   Fig.)      .  88 — 97 
Liiidner,  P..  Über  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste 

des  Gärungsgewerbes 98 — 111 

Johnson,  T.,  Der  Kartoffelschorf  {Spom/ospora  Solan/  Brunch).     {W\t 

Taf.  III) ' 112— ll.ö 

Schramm,  W.  H.,  Zur  Holzvergillmng 116 — 139 

—  —             Zum  Vergrauen  der  Hölzer 140 — 153 

—  —             Zu  den  Farbenangaben  bei  Hölzern 154 — 163 

(jraebner,  P.,    Die  wirtschaftsfeindlichen  Faktoren  der  Heide  und 

die  sich  daraus  ergebenden  Pflanzenkrankheiten.  (Mit  3  Fig.)  164 — 174 

Thiele,  R.,    Über    unsere  Kenntnisse  von  der  Wirkung  des  Kalis 

bei  der  Ernährung  der  Pflanze.     (Mit  Taf.  IV— VIII)      .     .  175—181 

Arnim-Schlagenthin,  Graf  v.,  Über  das  Auftreten  erblicher  Eigen- 
schaften beim  Weizen  durch  äussere  Einflüsse 182 — 189 

Kühle,  L.,    Der    Einfluss    des    Schälens    von  Rübensamen  auf  die 

Keimung  (maschinelle  Entfernimg  der  Perigonhülle)  .     .     .  190 — -200 

Appel,  0.,  Über  die  Stellung  der  Pathologie  bei  der  Samenkontrolle 

und  den  Anbauversuchen.     (Mit  2  Fig.) 201 — 210 


Inhalts-Verzeichnis. 


Zweiter  Teil. 

Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung 

zu  Hamburg-  vom  10. — 14.  September  1906.  gpjj.^ 

Vorarbeiten 213-216 

Begrüssung  und  Arbeitsprogramm 217 — 221 

Stebler,  F.  G.,  Die  Herkunftsbestimmung  der  Saaten 221 — 231 

Diskussion 231 — 233 

Weinzierl,  Tll.  v.,  Die  Wertbestimmung  der  Rübensamen 234 — 241 

Diskussion 241 — 251 

Scliribaiix,  E.,  et  Bussard,  L.,  Comment  il  conviendrait  de  modifier  les 

normes  en  usage  dans  le  commerce  des  semences  de  betteraves  251 — 259 

Einsetzung  einer  internationalen  Kommission  für  Samenprüfung .     .  260 — 266 

Rodewald,  H.,  Die  .Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren 266 — 272 

Diskussion 272—288 

Degen,  A.  v.,  Über  Kleeseide 289—294 

Diskussion 294-318 

Hiltner,  L.,  Über  Keimprüfungen 318—329 

Diskussion 329 — 343 

Verweisung    der  Vorschläge   von  Vaüha  über  die  <^)ualitätsprüfung 

der  Braügei'ste  an  den  Ausschuss 343—344 

Ausschuss  für  die  Förderung  der  wissenschaftlichen  Grundlagen  der 

Samenkontrolle 344 — 347 

Verbesserungen 348 


Erster  Teil 


Versammlungsbericht  und  Mitgliederliste 


sowie 


Vorträge  und  Abhandlungen 


der 


Vereinigung  für  angewandte  Botanik 
1906 


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Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung 

der  Vereinigung  für  angewandte  Botanil< 

In  Hamburg  vom  IL— 16.  September  1906. 

Laut  Beschluss  der  in  Wien  19U5  abgehaltenen  Generalversamm- 
lung fand  die  diesjährige  Hauptversammlung  der  Vereinigung  in 
Hamburg  statt.  x'Vls  Zeit,  deren  Wahl  dem  Vorstande  überlassen 
blieb,  wurde  Mitte  September  bestimmt  und  dies  den  Mitgliedern  durch 
Rundschreiben  Anfang  November  1905  mitgeteilt.  Ebenso  hatte  die  in 
Wien  abgehaltene  Konferenz  der  Agrikulturbotaniker  beschlossen,  im 
Anschluss  an  unsere  Versammlung  eine  internationale  Konferenz 
für  Samenprüfung  in  Hamburg  zu  veranstalten.  Schliesslich  hatte 
die  Freie  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker  und 
Pflanzengeographen  für  ihre  4.  Zusammenkunft  ebenfalls  Hamburg 
und  die  Tage  vom  13. — 16.  September  gewählt.  Es  war  also  .\ussicht 
vorhanden,  dass  sich  Mitte  September  1906  eine  grössere  Zahl  von 
Botanikern  in  Hamburg  zusammenfinden  würde. 

Bereits  Ende  März  1906  konnte  ein  vorläufiges  Programm  der 
Hamburger  Versammlung,  enthaltend  einige  bereits  in  Aussicht  ge- 
nommene Vorträge,  Besichtigungen,  Exkursionen  und  sonstige  Ver- 
anstaltungen, an  die  Mitglieder  versandt  werden.  Dieses  Programm 
wurde  sodann  Anfang  Mai  an  ca.  500  Botaniker,  insbesondere  an  die 
Mitglieder  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  und  die  Teilnehmer 
an  dem  internationalen  botanischen  Kongresse  in  Wien,  verschickt. 
Ein  ergänztes  Programm  mit  den  bis  dahin  angemeldeten  23  Vorträgen 
und  Demonstrationen,  der  Tagesordnung  der  Geschäftssitzung  und  der 
Zeit  der  einzelnen  Veranstaltungen  konnte  dem  3.  Jahresberichte  der 
Vereinigung  Mitte  Juni  1906  beigelegt  werden.  Ende  August  wurde 
dann  das  definitive  Programm  den  Mitgliedern  zugesandt. 

Im  ganzen  hatten  sich  91  Teilnehmer,  von  denen  68  Mitglieder 
der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  waren  oder  auf  der  Versamm- 


X  Bericht  über  die  4.  Hauptversammluno-  der  Vereinigung. 

lun.ü-  sich  als  solche  anmeldeten  und  14  auswärtige  Damen  eingefunden. 
Die  Namen  der  in  Hamburg  anwesend  gewesenen  Mitglieder  unserer 
Vereinigung  sind:  Aderhold-Dahlem,  Ahrens-Hamburg,  Appel- 
Dahlem,  v.  Arnim  -  Schlagenthin-Nassenheide,  Ascherson  -  Berlin, 
Brick-Hamburg,  Buchwald-Berlin,  Büsgen  -  Münden,  v.  Degen - 
Budapest,  Di  eis -Berlin,  D  in  klage -Hamburg,  Dorph  Petersen- Kopen- 
hagen, Drude-Dresden,  Edler-Jena,  Engler-Dahlem,  Ewert-Proskau, 
Fischer  -  Frankenthal,  Friederichsen  -  Rostock,  Gilbert  -  Hamburg, 
Gilg-Dahlem.  Graebner-Gr.  Lichterfelde,  Güssow-London,  Gut/eit- 
Königsberg,  Haupt  -  Bautzen,  He e ring-  Altona,  Heinsen  -  Hamburg, 
Hennings-Berlin,  Hillmann-Berlin,  Hiltner-Miinchen,  Hinneberg- 
Altona,  Holmes- London,  Hosseus-Berlin.  Jaap-Haml>urg,  Jakowatz- 
Tetschen,  Johnson -Dublin,  Kambersky-Troppau,  Kirchner-Hohen- 
heim,  Klebahn -Hamburg,  Kühle-Gunsleben,  Kumm-Danzig,  Lenz- 
Lübeck,  Lindemuth-Berlin,  Lindinger-Hamburg,  Lindner-Berlin, 
Muth-Oppenheim,  Peters-Hamburg,  Petzet -Hamburg,  Qvam- Kristiania, 
Raatz-Kl.  Wanzleben,  Retzlaff-Hamburg,  Schober-Hamburg,  Schu- 
mann-Halle, Simon  -  Dresden,  Sonder  -  Oldesloe,  S tob Ic r  -  Zürich, 
V.  Szyszylowicz-Lemberg,  Thiele-Stassfurt,  T host- Berlin,  Vanha- 
Brünn,  Voigt-Hamburg,  Warburg-Berlin,  Weber-Bremen,  Wehmer- 
Hannover,  v.  Wein zierl- Wien,  Widen-0rebro,  Wiel er -Aachen, 
\Vortmann  -  Geisenheim  und  Zacharias-Hamburg.  An  der  Ver- 
sammlung beteiligten  sich  ferner:  Dr.  A.  Atterberg,  Direktor  der 
Samenkontrullstation  in  Kalmar,  Dr.  G.  Bitter,  Direktor  des  Botanischen 
Gartens  in  Bremen,  Didrichsen,  A.  Mag.  sc,  Assistent  Dansk  Pr0- 
kontrol  in  Kopenhagen,  Dr.  S.  Frankfurt,  Direktor  der  Samenkontroll- 
station in  Kiew,  Dr.  F.  Fiögel,  Privatgelehrter  in  Ahrensburg,  Geh. 
Ökonomierat  Professor  Dr.  R.  Heinrich,  Direktor  der  Landwirtschaft- 
lichen Versuchsstation  in  Rostock,  Dr.  Hochreutiner,  Privatdozent  der 
Botanik  in  Genf,  Prof.  Dr.  B.  L.  Issatschensko,  Direktor  der  Samen- 
kontrollstation am  K.  Botanischen  Garten  in  St.  Petersburg,  Prof.  Dr. 
W.  Krüger,  Direktor  der  Landwirtschaftlichen  Versuchsstation  in 
Bernburg,  E)r.  J.  B.  Kümmerle  aus  Budapest,  Landtbruksinspectören 
A.  Lyttkens,  Ledamot  i  Kgl.  Landtbruksstyrelsen  in  Stockholm, 
Kaufmann  C.  Persson  aus  Malmi),  Prof.  Dr.  H.  Rodewald,  Direktor 
des  Landwirtschaftlichen  Instituts  in  Kiel,  A.  Scherffel  aus  Iglo, 
Lehrer  Justus  Schmidt  aus  Hamburg,  Lehrer  Schütz  aus  Lenzen  a.  Fl., 
V.  Stöhr,  Professor  an  der  landwirtschaftlichen  Landesmittelschule  in 
Prerau  (Mähren),  Geh.  Regierungsrat  Dr.  F.  Stuhlmann  aus  Amani 
(Ostafrika),  Dr.  Z.  v.  Szabö,  Assistent  aus  Budapest,  Dr.  H.  Timpe,  Ober- 
lehrer in  Hamburg,   E.  Vitek,   Vorstand    der  Samenkontrollabteilung  der 


Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung.  XI 

Chemisch-physiologischen  Versuchsstation  in  Prag,  Dr.  Th.  Waage, 
Redakteur  des  „Saaten-  und  Düngermarkt"  aus  Berlin,  und  Prof.  Dr.  E. 
Warming,  Direktor  des  Botanischen  Gartens  und  Museums  in  Kopenhagen. 
Den  Teilnehmern  wurden  seitens  des  Ortsausschusses  —  dank  der 
Munifizenz  eines  hohen  Senates  und  der  Hamburgischen  Unterrichts 
Verwaltung   —  folgende  Schriften  überreicht: 

1.  Die  Botanischen  Institute  der  freien  und  Hansestadt  Hamburg. 
Im  Auftrage  der  Oberschulbehörde  von  E>r.  A.  Voigt.  102  S.  m.  12  Taf. 
Hamburg  1897, 

2.  Jahresberichte  für  19U5  der  Hamburgischen  Botanischen  Staats- 
institute, erstattet  von  Prof.  I>r.  E.  Zacharias,  Prof.  Dr.  A.  Voigt  und 
Dr.  C.  Brick.  (63.  S.  S. -A.  a.  d.  Jahrbuch  der  Hamburgischen 
Wissenschaftlichen  Anstalten  XXIIl.) 

3.  Zehn  Jahre  Hamburgischen  Vorlesungswesens.  Ein  Bericht 
über  die  wissenschaftlichen  Vorlesungen  in  Hamburg  von  Ostern  1895 
bis  Ostern  1905  unter  Berücksichtigung  der  früheren  Zeit,  erstattet 
von  Rat  Dr.  Förster.  (106  S,  m.  7  Anl.  S. -A.  a.  d.  Jahrb.  d. 
Hambg,  Wiss.  Anst.  XXIIl.) 

4.  Verzeichnis  der  Vorlesungen  im  Winterhalbjahr  1906/07,  heraus- 
gegeben von  der  Oberschulbehörde  Hamburg.  46  S.  u,  1  Plan. 
Hamburg  1906. 

5.  Technische  Vorschriften  für  die  Wertbestimmung  von  Saat- 
waren I.  des  Verbandes  landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  im 
Deutschen  Reiche,  II.  des  Verbandes  landwirtschaftlicher  Versuchs- 
stationen in  Russisch-Polen,  111.  für  die  mit  Staatssubvention  errichteten 
Samenkontrollstationen  der  nordischen  Reiche:  Dänemark,  Norwegen 
und  Schweden,  IV.  für  die  Association  of  American  Agricultural  Colleges 
and  Experiment  Stations  sowie  Durchschnittsresultate  für  die  wichtigsten 
Futterpflanzen  und  ein  Bericht  über  die  Samenkontrolle  in  Schweden 
(c.  J.  Widen).  Nach  dem  vorhandenen  Material  zu.sammengestellt  von 
A.  Voigt.  (Als  Manuskript  gedruckt  für  den  1.  internationalen  Kon- 
gress  für  Samenprüfung  in  Hamburg,  September  1906.) 

Von  dem  Verein  zur  Förderung  des  Fremdenverkehrs  war  ferner 
freundlichst  zur  Verfügung  gestellt 

6.  Wegweiser  durch  Hamburg  und  Umgebung.  (153  S.  mit 
zahlreichen  iVbbildungen  und   1   Plan.  Hamlnirg   1905.) 


XII  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Sonntag,  den  9.  September, 

fand  bereits  am  Vormittage  eine  Sitzung  des  Ausschusses  der 
Konferenz  für  Samenprüfung  statt.  Abends  8  Ulir  vereinigte  sich 
eine  grössere  Zahl  der  Teilnehmer  an  dieser  Konferenz  sowie  Hamburger 
Botaniker  in  dem  in  der  Aussenalster  schön  gelegenen  Restaurant 
„Alsterlust"   zur  Begrüssung. 


Montag,  den  10.  September, 

begannen  vormittags  im  Hörsaale  A  des  Johanneum  die  Vorträge 
und  Beratungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samen- 
prüfung, woran  sich  nachmittags  eine  Sitzung  der  Vorstände  in-  und 
ausländischer  Samenkontrollstationen  schloss.  Eine  Fortsetzung  fanden 
die  Beratungen  am  Dienstag,  den  11.  September,  nachmittags,  am 
Donnerstag,  den  13.  September,  vormittags  und  am  Freitag,  den 
14.  September,  vormittags.  Über  diese  Konferenz  erscheint  ein  aus- 
führlicher Bericht  mit  den  daselbst  gehaltenen  Vorträgen  und  der  sich, 
anknüpfenden  Diskussion,  sowie  den  sonstigen  Beratungen  in  dem  dies- 
jährigen Jahresbericht  unserer  Vereinigung  (s.  S.  218  —  348). 

Am  Abend  dieses  Tages  fanden  sich  sodann  zahlreiche  Vertreter 
der  angewandten  Botanik  zur  Begrüssung  um  8  Uhr  in  der 
„Alsterlust"  zusammen. 


Dienstag,  den  II.  September, 

vormittags  10  Uhr  in  der  Aula  des  Johanneum 
Sitzung    der    Vereinigung     der    Vertreter     der     angewandten 

Botanik. 
Der    Vorsitzende,     Professor     Dr.    E.    Zacharias,     eröfTnete    die 
Sitzung     und     erteilte     dem    Präses     der    Hamburgischen    Unterrichts- 
verwaltung, Senator  Dr.  v.  Melle,  das  Wort  zu  folgender  Begrü ssungs- 
an spräche: 

Hochgeehrte  Anwesende! 
In    dieser  Woche    tagen    hier    in    Hamburg    drei    botanische    Ver- 
einigungen, die  Vereinigung  der  Vertreter  der  angewandten  Botanik,  die 
freie  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker  und  Pflanzengeographen 


V.  Melle,  Begrüssiiugsanspraclie.  XIII 

und  die  erste  internationale  Konferenz  für  Samenpriifun.i;-.  Gestatten  Sie 
mir,  diese  gelehrten  Vereinigungen  und  insbesondere  ilire  auswärtigen 
Mitglieder  im  Namen  des  Senats  und  zugleich  im  Namen  der  Ham- 
burgischen Unterrichtsverwaltung  bei  uns  herzlich  willkommen  zu  heissen. 

Stellt  man  der  angewandten  Botanik,  wie  das  üblich,  die  reine 
Botanik  gegenüber,  die  ja  auch  hier  durch  die  Systematiker  vertreten  ist, 
so  möchte  mancher  auf  den  ersten  Blick  meinen,  dass  die  reine  Botanik 
die  ältere  der  beiden  Schwestern  sei.  Dem  ist  aber  doch  wohl  nicht  so. 
Die  ersten  Beobachtungen  über  Wachstum,  Blüte  und  Frucht  der  Pflanzen 
und  über  die  Eigenschaften  der  Pflanzenstoffe  wurden  in  grauer  Vorzeit 
gewiss  rein  empirisch  gemacht  und  lediglich  im  Hinl)lick  auf  ihre  Ver- 
wertung für  wirtschaftliche  Zwecke.  So  kam  man  zur  Verwendung  des 
Holzes  und  anderer  Pflanzenstoffe,  zum  Acker-,  Obst-  und  Weinbau,  zur 
Gewinnung  von  Arzneimitteln  und  zu  vielem  anderen  mehr.  Viel  später 
entstand  die  reine  wissenschaftliche  Botanik,  die  sich  zunächst  von  allen 
praktischen  Nebenaufgaben  fernhielt  und  nur  der  immer  tiefer  l)e- 
gründeten  Erkenntnis  des  Organismus  und  des  Lebens  der  Pflanzen,  ihrer 
geographischen  Verbreitung  und  ihrer  Verwandtschaftsverhältnisse  dienen 
sollte.  Lange  gingen  dann  beide  Zweige  der  Botanik,  die  angewandte 
und  die  reine,  ohne  einander  wesentlich  zu  beachten,  nebeneinander  her, 
und  erst  in  neuerer  Zeit  hat  man  beiderseits  anerkannt,  wie  in  vielen 
Fällen  die  Ergebnisse  der  einen  die  andere  zu  fördern  geeignet  sind. 

Auch  in  Hamburg  begann  man  mit  der  angewandten  Botanik. 
Der  Gartenbau  ist  hier  seit  alter  Zeit  besonders  gepflegt,  so  dass  man 
unsere  Stadt  wohl  als  eine  Gartenstadt  bezeichnet  hat.  Die  Entwickeln ng 
zur  Grossstadt  hat  manchen  alten  Garten  verschwinden  lassen:  noch 
aber  besitzen  wir  zahlreiche  sehenswerte  Privatgärten  an  den  Ufern  der 
Elbe  und  in  den  Stadtteilen  und  Vororten  an  der  Alster.  Ja,  die  Aussen- 
alster  mit  ihrer  landschaftlichen  Umgebung  könnte  man  wohl  als  einen 
grossen  öffentlichen  Garten  bezeichnen,  zu  dem  vom  Mittelpunkte  der 
Stadt  und  von  anderen  Seiten  her  schattenreiche  Alleen  führen.  Ich 
darf  ferner  auf  die  eigenartig  schönen  Gartenanlagen  des  Zentralfried- 
hofes in  Ohlsdorf  und,  was  den  Gemüsebau  betrifft,  auf  die  Vierlande 
und  die  anderen  ländlichen  Marschgebiete  der  Elbe  verweisen.  Wie 
sehr  aber  die  Pflege  des  Gartenbaues  vielfach  naturgemäss  auch  zu  rein 
wissenschafthchen  botanischen  Studien  hinüberleitet,  das  zeigt  das  Bei- 
spiel eines  alten  Hamburger  Ratsherrn,  des  Bürgermeisters  von  Bostel, 
Dieser  besass  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  einen  im  jetzigen  Stadt- 
teil Hörn  belegenen  Garten,  den  Linne  seiner  botanischen  Bedeutung 
halber  besonders  hervorhob.  Der  Gärtner  des  Bürgermeisters  von  Bostel 
aber  —  oder,  wie  man  damals  sagte,   sein  hortulanus  —  Schwerin,   der 


XIV  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  N'creinigung. 

1710  ein  Namensregister  der  in  dem  Garten  kultivierten  in-  und  aus- 
ländischen Gewächse  herausgab,  orl^annte  im  Vorwort  dazu  dankbar  an, 
„dass  er  bei  einer  Herrschaft  in  Dienst  geraten,  die  zu  dieser  Wissen- 
schaft ein  sonderbares  Belieben  trägt  und  die  bei  ihrer  hohen  Amts- 
verrichtung übrige  wenige  Zeit  mit  grosser  Ergötzung  anwendet,  seine 
darob  erlangte  Science  mit  Darlegung  der  berühmtesten  und  neuesten 
Autoren  im  studio  botanico  und  Erklärung  dessen,  so  seine  Begriffe 
übersteigen  möchte,   zu  vermehren  sich  allemal  willfährig  erweiset". 

Dass  weiter  die  angewandte  Botanik  für  den  ersten  Welthandels- 
platz des  Kontinents  von  grösster  Bedeutung  sein  muss,  liegt  auf  der 
Hand.  Wie  viele  Rohstoffe  und  Fabrikate  aus  dem  weiten  Gebiete  des 
Pflanzenreichs  gehen  nicht  in  unseren  Hafen  täglich  ein  und  aus,  um 
fern  oder  nah  in  der  einen  oder  anderen  Weise  verwandt  zu  werden 
zum  Nutzen  der  Menschheit.  Seit  Jahrzehnten  besitzen  wir  in  Ver- 
bindung mit  dem  Botanischen  Museum,  das  eine  lehrreiche  Übersicht 
über  alle  botanischen  Handelsprodukte  der  Erde  und  insbesondere  auch 
unserer  Kolonien  gewährt,  ein  botanisches  Laboratorium  für  Warenkunde, 
das  unseren  Kaufleuten,  Industriellen  und  anderen  Interessenten  wissen- 
schaftliche Auskunft  über  die  verschiedensten  Pflanzen  und  Pflanzenstofte 
erteilt.  Daran  schliesst  sich  seit  etwas  mehr  als  zehn  Jahren  eine  für 
den  hamburgischen  Samenhandel  unentbehrliche  SamenprUfungsanstalt, 
deren  Aufgaben  von  Jahr  zu  Jahr  wachsen.  Als  einen  Beweis  für  die 
steigende  Bedeutung  dieses  Instituts  möchte  ich  es  bezeichnen,  dass  die 
erste  internationale  Konferenz  tür  Samenprüfung  hier  in  Hamburg  statt- 
findet. Dem  Botanischen  Museum  ist  ferner  noch  eine  Station  für 
Pflanzenschutz  unterstellt,  die  sich  am  Hafen  befindet  und  durch  wissen- 
schaftliche Kontrolle  und  Untersuchung  gewisser  vom  Auslande  ein- 
gehender Pflanzen  und  Obstsorten  dafür  Sorge  trägt,  dass  der  deutsche 
Wein-  und  Obstl)au  gegen  die  Einschleppung  schädlicher  Parasiten  ge- 
schützt wird. 

Aber  auch  die  reine  Botanik  hat  in  Hamburg  mit  der  Zeit  ihre 
amtliche  Stätte  gefunden.  An  dem  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  hier 
errichteten  Akademischen  Gymnasium,  einer  Mittelstufe  zwischen  Univer- 
sität und  höherer  Schule,  wirkte  von  1629  an  der  als  grosser  Natur- 
forscher von  Goethe  und  Alexander  von  Humboldt  gefeierte  Jungius,  ein 
Universalgeist,  dessen  hohe  Bedeutung  auch  für  die  botanische  Wissen- 
schaft wiederholt  von  berufener  Seite  anerkannt  ist.  Später  war  die 
Professur  für  Naturwissenschaft  am  Akademischen  Gymnasium  in  der 
Regel  in  den  Händen  eines  Botanikers.  Einer  derselben  begründete  zu 
Anfang  des  111.  Jahrhunderts  den  botanischen  Garten,  der,  überaus 
günstig  gelegen,   unserer  gesamten  Bevölkerung  eine  viel  benutzte  Quelle 


V.  Melle,  Begrüssungsansprache.  XV 

botanischer  Belehrung  und  Anregung  bietet.  In  ihm  wirkte  seitdem 
unter  anderen  Gelehrten  der  grosse  Orchideenkenner  Reichenbach. 

Gegenwärtig  besitzen  wir  in  dem  Direktor  der  Botanischen  Staats- 
institute und  seinen  festangestellten  wissenschaftlichen  Assistenten  eine 
Reihe  ständiger  Dozenten  der  Botanik,  die  regelmässige  öffentliche  Vor- 
lesungen und  praktische  Kurse,  insbesondere  für  Kaufleute,  Zollbeamte 
und  Nahrungsmittelchemiker  abhalten.  Für  das  nächste  Wintersemester 
sind  in  dem  vor  kurzem  veröhentlichten  Vorlesungsverzeichnis,  das 
Ihnen,  meine  Herren,  zugehen  wird,  7  botanische  Kurse  angezeigt  und 
daneben  3  pharmazeutische  der  mit  dem  Botanischen  Museum  eng  ver- 
bundenen Pharmazeutischen  Lehranstalt.  Auch  in  unserem  Landgebiet 
werden  neuerdings  zur  Förderung  des  Obstbaues  von  den  wissenschaft- 
lichen Beamten  der  Botanischen  Staatsinstitute  Vorträge  für  die  be- 
teiligten Landbewohner  gehalten,  die  durch  eine  praktische  l'nterweisung 
seitens  des  am  Botanischen  Garten  angestellten  Baumwärters  ergänzt 
werden. 

Sie  sehen,  meine  Herren,  eine  wie  erhebliche  Rolle  die  Botanik 
bei  uns  spielt,  wie  vielfach  sie  in  das  praktische  Leben  eingreift,  wie 
sehr  insbesondere  der  Welthandel,  der  ja  Hamburgs  Lebensnerv  ist,  ihrer 
Hilfe  bedarf.  Unsere  Kaufleute  sind  in  erster  Linie  Männer  des  prak- 
tischen Lebens,  —  sonst  würden  sie  Hamburgs  Handel  und  Schiffahrt 
nicht  zu  ihrer  jetzigen  Blüte  haben  führen  können.  Aber  sie  erkennen 
nicht  nur  dankbar  die  Verdienste  an.  die  sich  die  angewandte  Botanik 
um  die  Weltwärtschaft  und  um  die  Entwickelung  wichtiger  Zw^eige  auch 
unseres  Handels  erworben  hat,  sondern  sie  bringen  auch  vielfach,  wie 
jener  alte  Bürgermeister  von  Bostel,  den  Portschritten  der  wissenschaft- 
lichen Botanik  ein  lebhaftes  Interesse  entgegen.  Mit  ihnen  bin  ich  über- 
zeugt, dass  in  der  Botanik,  wie  in  manchen  anderen  Zweigen  der  Natur- 
wissenschaften, Theorie  und  Praxis  tunlichst  zusammenwirken,  sich 
gegenseitig  stützen  und  ergänzen  müssen.  Auch  Sie,  meine  Herren, 
sind,  glaube  ich,  von  derselben  Erkenntnis  durchdrungen;  denn  gewiss 
nicht  ohne  Grund  haben  sich  hier  Vertreter  der  reinen  und  der  ange- 
wandten Botanik  zu  gleicher  Zeit  zusammengefunden.  Mögen  denn  Ihre 
diesjährigen  Beratungen  fruchtbringend  sein  für  die  Praxis  wie  für  die 
reine  Wissenschaft! 

Sodann  erhielt  10'/2  Uhr  Geheimer  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude-Dresden 
das  Wort  zu  einem  Vortrage: 

Aufgaben  und  Ziele  der  angewandten  Botanik  (s.  S.   1  — 19). 
Das  Wort  zur  Diskussion  wird  nicht  gewünscht. 


XVI  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Ihm    folgte    11  Uhr  25  Minuten  Prof.  Dr.  ().  Warlnirg-Berlin   mit 

einem  Vortrage  über 

Tropische  Landwirtschaft  (s.   S.  20 — 89). 

Redner  bittet  nach  Schluss  seines  Vortrages,  dass  die  hiesige  Versamm- 
lung sich  mit  den  von  ihm  gemachten  Vorschlägen  einverstanden  er- 
kläre, so  dass  sie  als  Resolution  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik 
betrachtet  werden  kihinen. 

Prof.  Dr.  Biis^eil-M linden  stellt  in  .iM'wägung,  ob  nicht  ausser  der 
Landwirtschaft  auch  die  Forstwirtschaft  zu  berücksichtigen  wäre,  wie 
dies  bei  den  Instituten  in  Dahlem  und  Amani  bereits  der  Fall  sei. 

Prof.  Dr,  Warbur^  hat  nichts  dagegen  einzuwenden,  so  dass  die 
vorgeschlagene  Resolution^)  lautet: 

„Die  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  erachtet  zur 
Förderung  der  tropischen  Land-  und  Porstwirtschaft  sowie  für 
die  wirtschaftliehe  Entwickelung  der  deutschen  Kolonien  für 
wünschenswert 

1.  die  Schaffung  einer  Zentrale  für  tropische  Laml-  und 
Porstwirtschaft  als  Reichsinstitut  im  Anschluss  an  die  Biolo- 
gische Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft  zu  r»ahlem  bei 
Berlin, 

2.  den  Ausbau  des  botanischen  Gartens  zu  Victoria  in 
Kamerun  zu  einem  land-  und  forstwirtschaftlichen  Institut  erster 
Ordnung, 

3.  die  Schaffung  land-  und  forstwirtschaftlicher  Versuchs- 
stationen in  Togo  und  den  Südseekolonien." 

Auf   Vorschlag    von    Prof.   Dr.    Wortmann-Geisenheim    wird    die 
Resolution  durch  Akklamation  angenommen. 
,      Schluss  der  Sitzung  I21/4  Uhr. 

Die  Nachmittagssi  tzung  wurde  von  2'/2— ^  ^'h''  im  IlfH-saal  A 
des  Johanneum  abgehalten. 

Zur  Verfügung  der  Mitglieder  waren  ausgelegt  von  Prof.  t»r. 
Warburg  eine  Anzahl  Exemplare  seiner  Aufsätze:  Die  Landwirtschaft 
in  den  deutschen  Kolonien  (S.-A.  a.  d.  Verhdlg.  d.  dtsch.  Kolonial- 
kongresses 1905),  Ergebnisse  und  Aussichten  der  kolonialen  Landwirt- 
schaft (S.-A.  a.  d.  Tropenpflanzer  1906)  und  Nummer  8  des  Tropen- 
pflanzers 1906,  sowie  von  Dr.  F.  Pedde -Berlin  in  grösserer  Zahl  ein 
neuer  Prospekt  des  von  ihm  herausgegebenen  Repertorium  novarum 
specierum  regni  vegetabilis. 


1)  Diese  Resolution  ist  deui  Staatssekretär  des  Innern  und  dem  Dh-ektor 
der  Kolonialabteiluna:  des  Auswärtigen  Amtes  übersandt  worden. 


Diskussion:  Gewinnung  des  Teakholzes.  XVII 

Im  Sitziingssaale  ausgestellt  sind  ferner  von  F.  Rompel  (Hamburg- 
Barmbek,  Hamburgerstrasse  53)  photographische  Aufnahmen  von  der 
geplanten  Exkursion  in  die  Heide  nach  dem  Wilseder  Berge  und  dem 
Totengrund  bei  Wilsede  und  von  der  Lichtdruckanstalt  von  C.  Griese 
(Hamburg,  Steintwiete  20)  Postkarten  mit  Ansichten  aus  den  Vierlanden, 
wohin  ebenfalls  ein  Ausflug  beabsichtigt  ist. 

Um  2'/2  Öhr  erhält  das  Wort  Dr.  €.  Hosseus-Berlin  zu  einem  von 
Lichtbildern  begleiteten  Vortrage: 

Die  Gewinnung  des  Teakholzes   in  Slam  und  seine  Bedeutung 
auf  dem  Weltmarkte  (s.  S.  40 — 50). 

An  den  Vortrag  schloss  sich  eine  längere  Debatte  an. 

Prof.  Dr.  Wieler-Aachen  fragt  an,  warum  die  deutschen  Firmen, 
wie  der  Vortragende  erwähnt  hat,  sich  nicht  mit  dem  Teakholzhandel 
beschäftigen. 

Dr.  Hosseus:  Es  handelt  sich  darum,  einige  Firmen  für  den  Handel 
mit  Teakholz  zu  interessieren.  Die  deutschen  Firmen  in  Slam  stehen 
auf  dem  Standpunkte,  dass  ein  derartig  grosses  Unternehmen,  wie  eine 
Teakholzgesellschaft,  nicht  angezeigt  sei.  Es  fehlt  ihnen  eine  gewisse 
Grosszügigkeit.  Natürliche  oder  kommerzielle  Bedenken  liegen  nicht 
vor.  Die  dortigen  Firmen  machen  mit  anderen  Sachen  gute  Geschäfte 
und  haben  eine  Erweiterung  ihres  Handels  im  grosszügigen  Stile  herbei- 
zuführen nicht  nötig. 

Prof.  Dr.  Warburj2;-Berlin :  Es  ist  pflanzengeographisch  interessant, 
dass  der  Mekong  eine  so  scharfe  Grenze  ist,  während  im  allgemeinen 
wohl  die  Wasserscheiden,  nicht  aber  die  Flüsse  die  Floren  zu  scheiden 
pflegen.  Für  die  Gebiete  des  unteren  Mekong  könnte  man  vielleicht 
eine  Erklärung  in  der  allmählichen  Anschw^emmung  des  Landes  und  der 
Besiedelung  von  beiden  Seiten  finden,  gilt  das  aber  auch  für  die  höher 
gelegenen  Teile  des  Flussgebietes  oder  sind  dort  die  floristischen  Ver- 
schiedenheiten der  beiden  Ufer  weniger  scharf? 

Dr.  Hosseus:  Über  die  niederen  Regionen  des  Mekong  kann  ich 
keinen  Aufschluss  geben,  da  sie  von  mir  nicht  bereist  W'Urden.  Das  er- 
wähnte Fehlen  von  Teciona  grandis  am  Unken  Ufer  und  damit  die 
pflanzengeographische  Verschiedenheit  beider  Ufer  bezieht  sich  an  und 
für  sich  nur  auf  die  höher  nördlich  gelegenen  Gebiete,  also  auf  das 
Mekonggelände  nach  einem  Laufe  von  ca.  8  Breitegraden  von  der 
Mündung  weg. 

Prof.  Dr.  Warburg-:  Das  Teakholz  von  Siam  ist  besser  als  das 
javanische  Teakholz  und  dasjenige  anderer  Herkunft.  Hängt  dies  von 
den    klimatischen  Verhältnissen    und    dem  Untergrunde  ab?     Lässt  sich 

Jaliiesbeiicht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  II 


XVIII  Bericht  über  die  4.  H.iviptversamtnlung  der  Vereinigung. 

aus    den  Proben    aus    unseren  Kolonien  schliessen.    dass   sich  dort  eine 
gute  Qualität  entwickelt? 

Dr.  Hosseus:  In  unseren  Kolonien  sind  nur  Versuchswälder,  die 
im  letzten  Jahre  zum  ersten  Male  geblüht  haben.  Danach  lässt  sich 
noch  nichts  beurteilen.  Wir  können  aus  ihnen  jetzt  eigenen  Samen 
heranziehen.  Ob  das  Holz  gut  ist,  ist  mir  nicht  bekannt.  Was  das 
Gedeihen  anlangt,  so  kommt  Togo  vor  allen  Dingen  in  Betracht.  Der 
Baum  gedeiht  noch  in  Ägypten,  soll  dort  aber  nach  persönlicher  Mit- 
teilung von  Dr.  Schweinfurth  keine  keimfähigen  Samen  hervorbringen. 
Der  Grund  der  Güte  des  Teakholzes  in  Slam  ist  wohl  darin  zu  suchen, 
dass  die  Hölzer  sich  alleinstehend  besser  entwickeln  können.  Dem 
Boden  wird  zu  viel  Mineralgehalt  von  derselben  Pflanzenart  entzogen; 
in  einem  geschlossenen  W^aldbestand  hat  daher  das  Teakholz  nicht  die 
für  das  gute  Gedeihen  notwendige  Ernährung.  Die  Waldbestände  im 
oberen  Teil  des  Landes  weisen  nicht  so  kräftige  und  hohe  Stämme  auf, 
wie  die  südlicher  gelegenen  Wälder.  Lateritboden  scheint  am  geeignetsten 
und  günstigsten  für  das  Gedeihen  von  Teakholz  zu  sein. 

Kaufmann  Döscher-Hamburg:  Die  vom  Vortragenden  erwähnten 
Preisunterschiede  lassen  sich  sehr  wohl  begründen.  Für  Waggonbau 
wird  zuweilen  das  gewöhnlichste  javanische  Djati-Teakholz  genommen 
und  in  kurzen  Längen  dafür  124  Mk.  bezahlt.  Die  kaiserliche  Werft 
beansprucht  dagegen  nach  bestimmten  Dimensionen  gesägtes  Holz;  für 
lange  Decksplanken  werden  450  Mk.  und  noch  mehr  bezahlt.  Das 
Djatiholz  ist  von  einer  wimmerigen  Qualität,  hat  meistens  viele  Aste 
und  kommt  nur  ausnahmsweise  in  guten  Qualitäten  herüber;  es  fehlt 
ihm  auch  der  Seidenglanz  des  siamesischen  Teakholzes.  Das  javanische 
Teakholz  ist  nach  Europa  durch  die  holländische  Regierung  eingeführt 
worden.  In  Nürnberg  wird  die,  von  Dr.  Hosseus  angezogene  Verwen- 
dung jedenfalls  für  den  Bau  von  Wagen  der  holländischen  Staatsbahn 
vorgeschrieben  sein.  Ich  bedauere,  dass  in  unseren  Kolonien  Versuche 
mit  javanischem  Teakholz  gemacht  werden;  das  indische  Teakholz  wird 
überall  bevorzugt. 

In  Rangoon  handeln  übrigens  deutsche  und  zwar  Firmen  Bremi- 
schen Ursprungs  mit  Teakholz,  z.  B.  Krüger  c*v;  Co.,  Mohr  Brothers. 

Die  weisse  Ameise  soll  niemals  das  Teakholz  anfressen.  Es  gibt 
aber  die  sogenannten  ,,bee  holes"  in  dem  Holze.  Woher  rühren  diese 
Löcher? 

Dt.  Hosseus:  Es  ist  sicher  nicht  die  weisse  Ameise  sondern  eine 
W^espenart,  welche  die  Löcher  im  Teakholze  verursacht. 

Der  Bremer  Vulkan   schreibt,    dass   javanisches  Teakholz    sich    im 
Preise  wesentlich  günstiger  stelle;    es   wird  deshalb   von   vielen  Firmen 


Diskussion:  Gewinnung  des  Teakholzes.  XIX 

jetzt  fast  ausschliesslich  bezogen.  Für  den  Waggonbau  ist  das  Teakholz 
bedeutend  teuerer  als  der  Herr  Vorredner  annimmt;  ausserdem  wird  in 
Nürnberg  nach  den  mir  von  Herrn  von  Rieppel  gemachten  Angaben 
zumeist  indisches  Teakholz  verarbeitet.  Der  Preis  schwankte  in  den 
Jahren  1900 — 1906  bei  Java-Teakholz  für  Blöcher  zwischen  166  und 
192  Mk.  pro  cbm,  für  Dielen  zwischen  247  und  275  Mk.  pro  cbm, 
bei  indischem  Teakholz  für  Blücher  zwischen  215  und  300  Mk.  pro  cbm, 
für  Dielen  zwischen  292  und  300  Mk.  Auch  die  kaiserl.  Werften  zahlen 
wie  bereits  erwähnt,  niemals  einen  derartig  hohen  Preis.  Derselbe  be- 
trägt jetzt  im  Mittel  zwischen  250 — 300  Mk.,  während  für  altes,  lagerndes 
Holz  früher  nur  152 — 206  iMk.  gezahlt  wurde.  Selbst  für  Deckplanken 
werden  gemäss  Mitteilung  der  W^erften  nie  mehr  als  350  Mk,  gezahlt.  Es 
ist  dies  aber  alles  noch  zu  teuer  eingekauft,  wenn  man  bedenkt,  dass 
1  cbm  in  Slam  im  Innern  80  Mk.  kostet;  in  den  letzten  Jahren  ist 
allerdings  durch  das  Monopol  und  die  vermehrte  Nachfrage  eine 
Steigerung  ab  Bangkok  bis  zu  ca.  50  Mk.  erfolgt.  Die  beiden  genannten 
Firmen  sind  Reisfirmen,  die  nur  nebenbei  Teakholz  ausführen,  wie  dies 
auch  in  Slam  z.  B.  andere  deutsche  Firmen  für  einige  hunderttausend 
Mark  tun;  das  kommt  aber  bei  der  Ausfuhr  von  über  8  Millionen  nicht 
in  Betracht.  Das  javanische  Holz  ist  stark  verästelt,  weil  die  Bäume 
im  Gesamtbestande  und  nicht  im  Einzelstande  vorkommen.  Da  kann 
der  Baum  sich  zu  grösserer  Höhe  besser  auswachsen.  In  Slam  ist  das 
Teakholz  oben  im  Lande  schlechter,  unten  im  Lande  besser,  weniger 
verästelt.  Dass  in  den  Kolonien  javanisches  Teakholz  zu  Versuchen 
angebaut  wird,  ist  bedauerlich;  es  sollen  aber  neuerdings  mit  siamesischem 
Samen  Pflanzversuche  gemacht  worden  sein.  Ausserdem  möchte  ich 
nochmals  auf  die  Anpassungsfähigkeit  in  den  Tropen  und  den  Vergleich 
mit  Hevea  hrasiliensis  hinweisen.  Wir  können  uns  jedoch  freuen,  dass 
wir  überhaupt  später  einmal  Teakholz  aus  unseren  Kolonien  werden  be- 
kommen können.  Aus  englischen  Kolonien  solches  zu  erhalten,  wird 
sich  mit  der  Zeit  immer  schwieriger  gestalten. 

Prof.  Dr.  Btts^en-Münden:  In  unseren  Wäldern  bilden  sich  gerade 
im  geschlossenen  Bestände  die  besten  Walzen  und  im  freien  Stande 
eine  starke  Verästelung.  Die  Abmessungen  in  Java  sind  andere  und 
daher  wohl  die  schlechte  Beurteilung.  Was  aus  Java  bisher  kommt, 
stammt  aus  den  Urwäldern.  Man  darf  hoffen,  dass  aus  den  Kultur- 
wäldern langschäftigere  Bäume  gewonnen  und  dass  auch  aus  unseren 
Kolonien  solche  langschäftigen  Bäume  kommen  werden.  Es  kommt  auf 
die  Erziehung  des  Baumes  an. 

In  Slam  soll  der  Teakbaum  auf  Kalkboden  nach  dem  Vortragenden 
nicht  vorkommen,  in  Java  steht  er  auf  Kalk. 

II* 


XXII  Bericht  über  die  -i.  Hauptvcrsammlun.t;-  der  Vereinigung. 

lassen  *)    und    als  Zeit   die  Tage   vor   der  Naturforscherversammlung  zu 
nehmen. 

Ein  Antrag  des  Vorstandes  auf  Änderung  dos  Namens  der 
Vereinigung  in  „Yereiiii^iuift-  für  angewandte  Botanik"  mit  der  Be- 
gründung, dass  der  alte  Titel  sich  im  Verkehr  als  7ai  lang  und  un- 
zweckmässig herausgestellt  habe  und  dass  er  auch  nicht  mehr  zu- 
treffend sei,  da  z.  Z.  nicht  nur  Fachleute,  sondern  auch  viele  Interessenten 
anderer  Kreise  Mitglieder  seien,  wurde  nach  einigen  kurzen  Bemerkungen 
einstimmig  angenommen. 

Dr.  Brick  berichtet  sodann  über  eine  in  Aussicht  genommene 
Änderung  des  Jahresberichtes  der  Vereinigung.  Danach  sollen 
in  Zukunft  die  Referate  über  die  von  den  Mitgliedern  veröffentlichten 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  angewandten  Botanik  fortfallen.  E>er 
Jahresbericht  der  Vereinigung  würde  demnach  bestehen  aus  1.  dem 
Bericht  über  die  Jahresversammlung,  dem  Mitgliederverzeichnis  etc. 
2.  den  .'i.uf  dieser  Versammlung  gehaltenen  Vorträgen  und  3.  Original- 
arbeiten und  Sammelreferaten.  Als  Ersatz  für  die  ausfallenden  Referate 
erhalten  die  MitgUeder  je  einen  Sonderabdruck  dei"  Referate  aus  Justs 
Botanischem  Jahresberichte  von  a)  Geschichte  und  Verbreitung  der  Nutz- 
pflanzen, b)  Pflanzenkrankheiten,  c)  Pharmakognostik,  d)  Kolonialbotanik 
und  e)  landwirtschaftliche  Botanik  (einschl.  landw.  Bakteriologie).  Die 
Lieferung  dieser  Sonderabdrücke  soll  mit  den  Referaten  der  Arbeiten  des 
Jahres  1905  beginnen.  Der  Redakteur  des  Botanischen  Jahresberichts, 
Herr  Dr.  Fed  de-Berlin,  und  der  Verleger,  Herr  Dr.  Thost  (i.  F.  Ge- 
brüder Borntraeger),  haben  sich  mit  dieser  Einteilung  und  Lieferung  ein- 
verstanden erklärt.  Mit  Herrn  Dr.  Thost,  der  ja  auch  der  Verleger 
unseres  Jahresberichtes  ist,  wurde  im  obigen  Sinne  ein  Nachtrag  zu 
dem  früheren  Vertrage  vereinbart,  der  auch  einige  weitere  Vergünsti- 
gungen enthält.  Aufmerksam  gemacht  wurde  noch  besonders  darauf, 
dass  Tabellensatz  in  dem  Jahresbericht  möglichst  zu  vermeiden  ist,  dass 
die  Mehrkosten  für  Tabellen  in  Petitdruck  und  für  umfangreichere 
Korrekturen  vom  Autorhonorar  gekürzt  werden  müssten.  Der  verlesene 
Xachtragsvertrag  wird  seitens  der  Versammlung  genehmigt. 

Als  nächster  Punkt  war  auf  die  Tagesordnung  der  geschäftlichen 
Sitzung  gesetzt  worden:  Stellungnahme  zu  der  von  den  Ver- 
bänden und  Vereinen  deutscher  Architekten  und  Ingenieure 
und   von   den   deutschen  Chemiker-Vereinen  aufgestellten  Ge- 


1)  Der  Vorstand  hat  beschlossen,  die  nächste  Versammlung  in 
Dresden  in  den  Tagen  vom  8. — 11.  September  1907  abzuhalten  und  an 
der  Festsitzung  und  dem  Festessen  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft, 
die  auch  in  Dresden  stattfinden  werden,  teilzunehmen. 


Gebührenordnung  für  gerichtliche  Gutachten  usw.  XXIII 

bührenordnung-  für  gerichtliche  Gutachten  usw.  Dr.  Brick 
referiert  hierüber  folgendermassen :  In  der  Gebührenordnung  für  Zeugen 
und  Sachverständige  der  deutschen  Reichsgesetzgebung  vom  30.  Juni  1878 
besagt  §3:  „Der  Sachverständige  erhält  für  seine  Leistungen  eine  Vergütung 
nach  Massgabe  der  erforderlichen  Zeitversäumnis  im  Betrage  bis  zu  2  M. 
auf  jede  angefangene  Stunde.  Die  Vergütung  ist  unter  Berücksichtigung 
der  Erwerbsverhältnisse  des  Sachverständigen  zu  bemessen  und  für 
jeden  Tag  auf  nicht  mehr  als  10  Stunden  zu  gewähren.  Ausserdem 
sind  dem  Sachverständigen  die  auf  die  Vorbereitung  des  Gutachtens 
verwendeten  Kosten,  sowie  die  für  eine  Untersuchung  verbrauchten  Stoffe 
und  Werkzeuge  zu  vergüten."  Weiter  laulet  §  4:  „Bei  schwierigen 
Untersuchungen  und  Sachprüfungen  ist  dem  Sachverständigen  auf 
Verlangen  für  die  aufgetragene  Leistung  eine  Vergütung  nach  dem 
üblichen  Preise  derselben  und  für  die  ausserdem  stattfindende  Teil- 
nahme an  Terminen  die  im  §  3  bestimmte  Vergütung  zu  gewähren."  Die 
Verbände  und  Vereine  deutscher  Architekten  und  Ingenieure  haben  1901 
eine  Gebührenordnung')  aufgestellt,  deren  §  4  besondere  Gebühren  für 
Gutachten  etc.  behandelt  und  als  zu  berechnende  Vergütung  für  die 
erste  Stunde  20  M.,  für  jede  fernere  Stunde  5  M.  angibt.  I)ie  Freie 
Vereinigung  deutscher  Nahrungsmittelchemiker,  der  Verband  selbständiger 
öffentlicher  Chemiker  Deutschlands  und  der  Verein  deutscher  Chemiker 
haben  einen  Ausschuss  zur  Wahrung  der  gemeinsamen  Interessen  des 
Chemikerstandes  eingesetzt.  Dieser  Ausschuss  hat  in  seiner  zu  Frank- 
furt a.  M.  am  22.  März  1906  abgehaltenen  Sitzung  einstimmig  als  Ge- 
bührenordnung beschlossen  ^) : 

„a)  Für  schwierige  Arbeiten  und  gerichthch  chemische 
Gutachten    wird  ein  Minimalhonorar  von  5  Mk.  für  die  Stunde, 

b)  für  örtliche  Besichtigungen,  Arbeiten  an  Ort  und  Stelle 
und  für  die  aufgewendete  Reisezeit  gleichfalls  ein  Minimalsatz 
von  5  Mk.  für  die*  Stunde  als  angemessen  erachtet. 

c)  Die  durch  die  Reise  erwachsenen  Barauslagen  sind 
hierin  nicht  einbegriffen." 

Der  Referent  schlägt  vor,  dass  auch  die  Vereinigung  für  ange- 
wandte Botanik  sich  diesem  Beschlüsse  der  Chemiker  über  die  Gebühren- 
ordnung, wonach  ein  Minimalsatz  von  5  Mk.  für  die  Stunde  für 
Gutachten  und  örtliche  Besichtigungen  etc.  —  nicht  für  die 
Teilnahme  an  Terminen  (cf.  §  4  der  gerichtlichen  Gebührenordnung)  — 
als   angemessen   erachtet  wird,    anschliesst.     In  der  folgenden  De- 


'i  Kommissionsverlag  Deutsche  Bauzeitung.  G.  ra.  b.  H.,  Berlin  S\V.  11. 
-)  Beilage  zur  Zeitschrift  für  angewandte  Chemie  11)0(5. 


XXIV  Bericlit  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

hatte,  an  der  sich  Wieler,  Wehmer,  Ewert,  Buchwald,  Appel  und 
Brick  beteihgen,  wird  darauf  hingewiesen,  dass  bei  den  Gerichten 
manchmal  Schwierigkeiten  entstehen  werden.  Dem  wird  entgegnet,  dass 
man  vorher  dem  Gerichte  diesen  Beschluss  der  Vereinigung  mit  dem 
Minimalsatz  mitteilen  könne.  Man  darf  zwar  ein  gerichtliches  Gutachten 
nicht  ablehnen,  aber  man  könne  es  aufschieben,  was  zumeist  nicht  im 
Interesse  der  Parteien  liegen  dürfte.  Im  übrigen  besagt  der  Beschluss 
ja  auch  nur,  dass  dieser  Preis  als  angemessen  erachtet  wird.  F'ie 
Versammlung  beschliesst  gemäss  dem  Vorschlage  des  Referenten. 

Schluss  der  Sitzung  5^/^  Uhr. 

Der  Abend  vereinigte  die  Teilnehmer  der  Versammlung  mit  ihren 
Damen  von  6'/2  Uhr  an  zu  einem  gemeinsamen  Essen  in  dem  an 
der  Aussenalster  gelegenen  „Uhlenhorster  Fährhause".  Nach  Aufhebung 
der  Tafel  überraschte  die  Teilnehmer  beim  Heraustreten  in  den  Garten 
ein  von  der  Hamburger  Saatfirma  Ernst  &  von  Spreckelsen  ge- 
spendetes, auf  der  Aussenalster  abgebranntes  Feuerwerk. 


Mittwoch,  den  12.  September, 

Sitzung  von  9 — 12  Uhr  im  Hörsaale   des  Botanischen  Gartens. 

Eine  Zusammenkunft  der  Samenprüfungskonferenz  war  wegen  der 
in  unserer  Vereinigung  zu  behandelnden  Themen  über  Saatkontrolle 
für  diesen  Tag  nicht  angesetzt  worden. 

Die  k.  k.  Forstliche  Versuchsanstalt  zu  Mariabrunn  bei  Wien  hatte 
eine  grössere  Anzahl  von  Sonderabdrucken  der  Arbeit  von  Dr.  E.  Zeder- 
bauer: Die  Keimprüfungsdauer  einiger  Koniferen,  zur  Verfügung  ge- 
stellt und  Hofrat  Dr.  Th.  v.  Weinzierl  aus  der  k.  k.  Samenkontroll- 
station in  Wien  seine  folgenden  Arbeiten:  25.  Jahresbericht  der  k.  k. 
Samenkontrollstation  (k.  k.  Landwirtschaftlich-botanische  Versuchsstation) 
in  Wien  für  das  Jahr  1905,  mit  einer  Übersicht  über  die  Tätigkeit  in 
den  25  Jahren  des  Bestandes  (Wien  1906),  Neue  Apparate  zur  Samen- 
kontrolle (1.  Verbesserter  Sicherheitsbrenner  für  Keimapparate,  2.  Dia- 
phanoskopkasten  zum  Durchleuchten  von  Samen,  3.  Messlatte  für  Ge- 
treidehalme und  Gräser),  Regeln  und  Normen  für  die  Benutzung  der  k. 
k.  Samenkontrollstation  in  Wien  (11.  Aufl.),  Modifizierte  „Wiener 
Normen"    für  Zucker-    und  Futterrübensamen,    sowie    K.  Komers    und 


Diskussion:  Phytopathologie  und  Samenkontrolle  etc.  XXV 

E.  Freudl,  Die  Wertbestimmung  des  Rübensamens,  und  Probeziehungs- 
apparat für  Rübensamen  nach  K.  Komers,   verbessert   von  E.  Freudl, 
Als  erster  Redner  erhielt  Regierungsrat  Dr.  0.  Appel-Dahlem  das 
Wort  zu  einem  halbstündigen  Vortrage: 

Das  Verhältnis   der  Phytopathologie   zur   Samenkontrolle   und 
zu  den  Sorteaanbauversuchen  (s.  S.  201 — 210). 

An  den  Vortrag  knüpfte  sich  eine  längere  Besprechung. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien  bemerkt,  dass  die  Krankheits- 
erscheinungen der  Rübensamen  im  Keimbette  nicht  erwähnt  worden 
seien.  Das  hypokotyle  Glied  wird  hyalin  und  collabiert.  Veranlasser 
sind  Pythium  de  Baryanmn,  PJwma  hetae  und  Bakterien.  Eine  be- 
friedigende wissenschaftliche  Erforschung  ist  bisher  noch  nicht  vorge- 
nommen worden.  In  den  Certiflkaten  der  Wiener  Station  wird  den  Ein- 
sendern —  einige  Zuckerfabriken  beziehen  für  20 — 100000  Kr.  Rüben- 
samen —  von  dem  Auftreten  dieser  Krankheitserscheinung  Kenntnis 
gegeben  und  die  Anzahl  der  kranken  Keime  gesondert  genannt. 
Punkt  5  der  modifizierten  „Wiener  Normen"  für  Zucker-  und  Futter- 
rübensamen (Wochenschrift  f.  Rübenzuckerindustrie  in  der  österr.-ungar. 
Monarchie  1906,  No.  36)  beschäftigt  sich  mit  diesen  kranken  Keimen. 
Eine  Probe,  in  der  mehr  als  5*^/0  Keime  krank  erscheinen,  ist  als  Saat- 
gut nicht  geeignet;  3  ist  als  Grenzwert  zu  betrachten.  Ein  Rüben- 
samen mit  3  kranken  Keimen  oder  Knäueln  ist  nicht  zu  beanstanden, 
wenn    das  Saatgut   den  übrigen  Anforderungen  entspricht. 

L.  Kühle -Gunsleben  bittet,  die  Fragen,  die  sich  auf  Rübensamen 
beziehen,  bis  nach  seinem  Vortrage  zu  verschieben. 

Prof.  Dr.  Edler -Jena  verspricht  sich  von  der  von  Regierungsrat 
Appel  verlangten  obhgatorischen  Einführung  der  Prüfung  auf  Stein- 
brandsporen bei  der  Untersuchung  von  Saatweizen  seitens  der  Samen- 
kontrollstationen nicht  viel.  Für  den  Landwirt  hat  eine  solche  Unter- 
suchung nur  dann  grösseren  Wert,  wenn  selbst  geringe  Mengen  Brand- 
sporen in  der  Saatware  sicher  nachgewiesen  werden  können.  Das  ist 
aber  infolge  der  Schwierigkeiten  der  Probenahme  bei  schwach  infiziertem 
Weizen  ebensowenig  möglich  wie  sichere  Feststellung  einzelner  Klee- 
seidekörner in  grösseren  Posten  Kleesaat.  Die  Untersuchungen  auf 
Brand  würden  deshalb  trotz  der  Einfachheit  ihrer  Ausführung  zu 
häufigen  Differenzen  Veranlassung  geben,  besonders  wenn  der  Landwirt 
infolge  der  attestierten  Brandfreiheit  den  Weizen  ungeheizt  säet  und 
dann  doch  in  dem  Feldbestande  einzelne  brandige  Ähren  findet.  Stärker 
infiziertes  Saatgut  erkennt  der  aufmerksame  Landwirt  selbst  als  solches. 

Dr.  Brick- Hamburg    fragt    an,    wie    sich    Urophlyctis    Alfalfae^ 


XXVI  Bericht  über  die  i.  Hauptversammlung  der   Vereinigung. 

auf  die  bereits  in  der  ausländischen  Tagespresse  aufmerksam  gemacht 
wird,  in  Luzernesaat  nachweisen  lässt.  Die  Krankheit,  die  nach 
V.  Lagorheim  in  Ecuador  1892  grösseren  Schaden  verursacht  haben 
soll,  ist  bei  uns  1901  in  der  Gegend  von  Basel  (aber  auf  elsässischem 
Gebiete)  und  1902  bei  Colmar  beobachtet  worden,  sie  soll  auch  in  ver- 
schiedenen Orten  in  der  Schweiz  und  in  Italien  sowie  neuerdings  im 
südöstlichen  England  aufgetreten  sein.  Die  VerIJreitung  des  Pilzes  kann 
man  sich  nicht  anders  vorstellen,  als  dass  seine  Sporen  zufällig  mit 
dem  Saatgut  verschleppt  und  zugleich  mit  dem  Luzernesamen  aus- 
gesäet  worden  sind,  daher  würde  ein  Auffinden  der  Sporen  im  Saatgute 
von  wesentlichem  Interesse  sein, 

Dr.  Hillinaiin -Berlin  weist  auf  die  Schwierigkeit  hin,  die  Menge 
des  Brandes  an  der  Saatprobe  im  Laboratorium  festzustellen.  Bei  der 
Feldbesichtigung  kann  man  die  Anzahl  der  Steinbrandähren  dagegen 
sehen  und  beurteilen.  In  diesem  Jahre  ist  ein  besonders  starkes  Auf- 
treten des  Steinbrandes  (T'iUeüa)  zu  beobachten  gewesen.  Von  82  an- 
gemeldeten VS'interweizenfeldern  konnten  17  von  der  Deutschen  Landwirt- 
schafts-Gesellschaft wegen  Steinbrandes  für  die  Saatenanerkennung  nicht  als 
ausreichend  erachtet  werden,  und  ausserdem  wurde  12  mal  Steinbrand 
in  einzelnen  Ähren  beobachtet.  Die  Krankheit  ist  zwar  leicht  zu  be- 
kämpfen, aber  die  Massregeln  werden  vom  praktischen  Landwirt  nicht 
genau  genug  ausgeführt.  Bei  tlen  Sortenanbauversuchen  der  D.  L.  G. 
ist  von  vornherein  auf  Feststellungen  der  Pflanzenkrankheiten  geachtet 
worden.  Jeder  Versuchsansteller  ist  ausserdem  angewiesen,  in  Zweifels- 
fällen kranke  Pflanzen  den  Auskunftsstellen  für  Pflanzenschutz  oder  der 
Biologischen  Reichsanstalt  in  L~)ahlem  einzusenden. 

Dr.  Buchwald -Berlin  führt  aus,  dass  die  Brandsporen  in  der 
Müllerei  ebenfalls  eine  Rolle  spielen  wegen  ihrer  Verunreinigung  der 
Kleien.  Um  ein  Bild  von  der  Menge  der  Brandsporen  in  Kleien  zu  er- 
halten, ist  vom  Redner  schon  seit  Jahren  die  von  Herrn  Regierungsrat 
Appel  empfohlene  Methode  angewendet  worden.  Bei  den  Untersuchungen 
ist  auch  versucht,  durch  Zählungen  festzustellen,  wie  viel  Brandsporen 
in  einer  Brandkugel  vorhanden  sind,  und  die  Zahl  auf  2'/2  '^^^ 
3  Millionen  berechnet.  Hieraus  geht  hervor,  dass,  wenn  in  einem 
Weizenfelde  eine  einzige  Ähre  brandig  ist,  später  jedem  Weizenkorn  der 
Ernte  Sporen  anhaften.  Es  dürfte  daher  schwer  sein,  eine  Grenze  für 
die  zulässige  Anzahl  von  Brandsporen  im  Saatgetreide  für  die  Saaten- 
kontrolle festzulegen,  denn  wenn  ein  Weizenkorn  mit  Brand  infiziert  ist, 
sind  es  alle  desselben  Postens.  —  Zu  der  Frage,  den  Weizen  ohne 
Desinfektion  mit  Bordelaiser  Brühe  u.  dergl.  von  Brandsporen  zu  befreien, 
weist   Redner    darauf    hin,    dass    in    den  Mühlen    der    brandige  Weizen 


Diskussion:  Phytopathologie  und  Samenkontrolle  etc.  XXVII 

mit  viel  Wasser  gewaschen  wird.  Gewaschener  Weizen  ist  nachher 
vollkommen  frei  von  Brand  und  liefert  brandfreies  Mehl  und  brandfreie 
Kleie. 

Prof.  J.  Vafiha- Brunn  empfiehlt  die  Vorschläge  von  Appel.  Es 
wird  aber  noch  vieler  Studien  bedürfen,  um  mit  Sicherheit  vorgehen  zu 
können.  An  der  Brünner  Landesversuchsstation  wird  bei  den  Samen- 
untersuchungen schon  seit  8  Jahren  auch  die  Saat  auf  Pflanzen - 
krankheiten  untersucht,  wenn  es  verlangt  wird.  Redner  möchte  noch 
auf  einige  andere  gefährliche  und  sehr  verbreitete  Pilze  aufmerksam 
machen,  so  besonders  auf  Helminthosporium  der  Gerste,  durch  das  oft 
'/g  und  mehr  der  Ernte  verloren  geht.  Dadurch  werden  auch  die 
Resultate  der  Sortenanbauversuche  sehr  beeinflusst.  Auch  bei  Kartoffeln 
sind  viele  Ki^ankheiten,  die  noch  nicht  genau  studiert  sind.  Die  Ring- 
krankheit der  Kartoffel  ist  vorher  schwierig  zu  erkennen,  und  man 
muss  die  Knolle  durchschneiden.  Es  sind  ferner  die  Braunfleckigkeit 
der  Knolle  und  die  vom  Redner  beschriebene  Blattbräune  (Spondes- 
mium  solaui  varians)  oder  Dürrlleckigkeit  zu  beachten, 

L.  Külile-Gunsleben  bemerkt,  dass  man  die  von  Herrn  Regierungsrat 
Dr.  Appel  erhobene  Forderung  nicht  ohne  weiteres  von  der  Hand 
weisen  könne  und  dass  vom  Standpunkte  des  Züchters  aus  Einwendungen 
hiergegen  nicht  erhoben  werden  k("»nnten  um  so  weniger  als  es  für  diesen 
ziemlich  einfach  sei,  sein  Saatgetreide  steinbrandfrei  abzuliefern.  Nach 
den  Feststellungen  des  Freiherrn  v.  Tubeuf,  auf  dessen  Veranlassung 
nach  seinem  Fortgange  von  Berlin  Regierungsrat  Dr.  Appel  im  Verein 
mit  Kühle  die  diesbezüglichen  Versuche  in  grossem  Massstabe  aus- 
führte, werden  die  Sporen  des  Steinbrandes  sicher  abgetötet,  wenn  man 
den  infizierten  Weizen  10  Minuten  lang  einer  Temperatur  von  70° 
aussetzt,  während  die  Keimfähigkeit  des  Weizens  von  dieser  Temperatur 
in  keiner  Weise  beeinflusst  wird.  Mit  einem  Trockenapparat  ist  wohl 
jeder  moderne  Züchter  heute  versehen ;  er  hat  also  nichts  weiter  nötig, 
als  den  Weizen  in  der  angegebenen  Zeit  bei  der  angegebenen  Temperatur 
den  Trockenapparat  passieren  zu  lassen  und  in  sterile  Säcke  aufzufangen. 
Dass  dieses  Verfahren  grosse  Vorzüge  vor  den  seither  bekannten  be- 
sitzt, liegt  auf  der  Hand.  Der  entbrandete  Weizen  kann  beliebig  lange 
aufbewahrt  werden.  Die  Laboratoriums  versuche,  sowie  die  in  Dahlem 
und  auf  dem  Rittergute  Aderstedt  angelegten  Versuchsfelder  haben  be- 
wiesen, dass  das  Verfahren  prompt  wirkt.  Wenn  nun  die  Entbrandiing 
mit  Hilfe  eines  Trockenapparates  so  einfach  ist,  so  kann  man  es  nicht 
als  Härte  bezeichnen,  wenn  Bestimmungen  getroffen  werden,  dass  der 
Züchter  niu*  dergestalt  behandeltes  Saatgut  abliefert.     • 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl    schüttelt    die  Probe    mit  Chloroform  und 


XXVIII  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereiniguno-. 

erhält  dadurch  die  Brandsporen.  Mit  einem  Okularraster  werden  die 
Sporen  dann  gezählt.  10  Brandsporen  im  Gesichtsfelde  sind  z.  B, 
gleich  ^/,oo  Gewichtsprozent.  Welche  Menge  von  Brandsporen,  Tilletia 
caries  und  T.  levis,  in  einer  Probe  geduldet  werden  kimne,  hängt  be- 
kanntlich von  dem  Grade  der  schädigenden  Wirkung  der  Sporen  dieses 
Pilzes  auf  die  Verdauungsorgane  der  betreffenden  Tiere  ab.  eine  Frage, 
welche  bisher  gänzlich  einwandfrei  noch  nicht  entschieden  ist. 

Es  ist  gelungen,  Rumex  hymenosepalus  iri  Niederösterreich  auf 
Sandboden  mit  Erfolg  zu  kultivieren.  Im  zweiten  Jahre  jedoch  treten 
Krankheitserscheinungen  auf,  die  in  Flecken  des  Laubes  und  Ver- 
schrumpfen der  W^irzeln  bestehen,  so  dass  die  Kulturen  besonders  nach 
trockenem  warmen  Prülijahrs weiter  arg  geschädigt  werden.  Der  Pilz 
ist,  nach  der  Bestimmung  der  k.k.  Pflanzenschutzstation  in  Wien, 
Phyllosticta  Acetosae  Sacc. 

Regierungsrat  Dr.  Appel  antwortet  auf  die  verschiedenen  ge- 
äusserten Fragen  in  seinem  Schlussworte:  Pütterungsversuche  mit 
Brandsporen  sind  neuerdings  wieder  in  der  Kaiserl,  Biolog.  Anstalt  aus- 
geführt worden  und  zwar  mit  Schweinen  und  Geflügel,  da  gerade  für 
diese  beiden  Tiergattungen  noch  eine  Nachprüfung  der  bisher  vor- 
liegenden Versuche  wünschenswert  erschien.  Die  benutzten  Tiere 
wurden  geschlachtet  und  dadurch  festgestellt,  dass  selbst  beim  Ver- 
füttern sehr  grosser  Mengen  von  Brandsporen  nicht  nur  keine  äusser- 
lich  bemerkbare  Beeinflussung  der  Tiere  durch  brandhaltiges  Futter 
stattfindet,  sondern  dass  auch  keinerlei  vorübergehender  Reiz  auf  die 
inneren  Organe  ausgeübt  wird.  —  Das  Waschen  des  Weizens,  um  ihn 
vom  Brand  zu  befreien,  ist  sehr  bekannt  und  zuerst  von  Linhart  be- 
sonders empfohlen  worden,  aber  auch  in  dem  Flugblatt  (No.  28)  der 
Kaiserl.  Biolog.  Anstalt  über  den  Steinbrand  des  Weizens  als  ein  wesent- 
liches Mittel  im  Kampf  gegen  den  Steinbrand  angeführt.  Durch 
Waschen  mit  warmem  Wasser  kann  man  einen  Zustand  erzielen,  der 
praktisch  als  brandfrei  bezeichnet  werden  kann.  Bei  der  im  Vortrage 
geforderten  Untersuchung  auf  anhaftende  Steinbrandsporen  ist  nicht  eine 
prozentuale  Feststellung  verlangt  worden;  der  Praktiker  kann  aber  sehr 
wohl  eine  Untersuchung  verlangen,  die  ihn  in  die  Lage  versetzt,  zu 
entscheiden,  ob  er  beizen  muss  oder  nicht.  Es  ist  dies  um  so  wichtiger, 
als  der  Steinbrand  nicht  durch  Infektion  vom  Boden  aus,  sondern  aus- 
schliesslich durch  das  Saatgut  verbreitet  wird.  Die  in  dem  Vortrag 
mitgeteilte  Methode  des  Nachweises  durch  Ausschütteln  wird  aber  allen 
Anforderungen  der  Praxis  vollkommen  gerecht.  Wenn  auch  jetzt  noch 
die  Samenkontrollstationen  —  vielleicht  weil  sie  nicht  überall  über 
botanisch  geschulte  Kräfte  verfügen  — ,  diesen  Untersuchungen    gegen- 


Diskussion :  Phytopathologie  und  Samenkontrolle  etc.  XXIX 

Über  sich  ablehnend  verhalten,  so  dürfte  sich  dieser  Standpunkt  kaum 
auf  die  Dauer  aufrecht  erhalten  lassen,  da  die  Praxis  sicher  mit  der 
Zeit  einsehen  wird,  welche  Vorteile  ihr  aus  einer  solchen  Untersuchung 
erwachsen  und  diese  dann  fordern  wird.  Auch  der  Samenhandel  hat 
an  derartigen  Untersuchungen  ein  Interesse,  da  es  sehr  wohl  möglich 
ist,  ein  Saatgut,  das  frei  von  ansteckungsfähigem  Steinbrand,  Roggen- 
stengelbrand, Haferbrand  und  gedecktem  Gerstenbrand  ist,  zu  liefern. 
Die  einzige  Schwierigkeit  in  dieser  Beziehung  liegt  zurzeit  nur  noch 
im  offenen  Gerstentlugbrand  und  im  Weizenflugbrand,  deren  direkte 
Bekämpfung  noch  nicht  mit  Sicherheit  möglich  ist. 

Bezüglich  einer  Verbreitung  von  Urophlycüs  und  Hehnhifhosporium 
ist  dem  Redner  nichts  Genaues  bekannt.  UrojMyctis  ist  bis  jetzt  auch 
noch  nicht  als  durch  Saatgut  verschleppbar  verdächtigt,  wohl  aber 
Hehn'inthosporiii'))}.  Der  letztgenannte  Pilz  ist  in  diesem  Jahre  besonders 
stark  aufgetreten  und  die  dadurch  hervorgerufene  Beschädigung  vor 
allem  deshalb  gross,  weil  er  nicht  nur  die  bekannte  Streifen krankheit 
der  Blätter,  sondern  auch  eine  Taubheit  der  Blüten  hervorgerufen  hat. 
Diese  kam  dadurch  zustande,  dass  der  Befall  ein  sehr  frühzeitiger  war 
und  der  Pilz  schon  auf  den  noch  in  der  Knospenlage  befindlichen 
Blättern  sich  ansiedelte  und  von  diesen  dann  auf  die  noch  in  den 
Scheiden  steckenden  Ähren  und  Halme  überging.  So  befallene  Pflanzen 
brachten  keine  Körner  und  zeigten  ein  bräunüches,  nicht  mit  der  so- 
genannten Weissährigkeit  zu  verwechselndes  Aussehen.  Die  Höhe  des 
Befalles  war  häufig  10 — lö^/g  und  erreichte  in  einzelnen  Fällen  bis 
30*^/0  Ährenausfall.  Da  eine  Reihe  von  Feldern  besichtigt  werden 
konnte,  auf  denen  mit  Kupfer  gebeizte  Wintergerste  ausgesät  war,  konnte 
festgestellt  werden,  dass  eine  Saatgutbeize  nicht  geholfen  hatte. 

Gegen  den  Einwand,  dass  jetzt  schon  Sortenversuehe  auch  ohne  Mit- 
wirkung eines  Pathologen  und  ohne  Gefahr,  verdeckte  Fehler  zu  übersehen, 
durchgeführt  wurden,  legte  der  Vortragende  nochmals  dar,  dass  es  sich 
bei  der  Mitwirkung  von  Pathologen  an  Anbauversuchen  nicht  um  den 
Nachweis  allbekannter  Krankheiten,  wie  Rost,  Brand  usw.  handeln 
könne,  sondern  um  die  Beobachtung  des  Gesundheitszustandes  der 
Pflanzen  im  allgemeinen.  Gerade  in  dieser  Hinsicht  würden  durch  Auf- 
linden nicht  allgemeiner  Krankheitserscheinungen,  wie  z.  B.  Ophioholus, 
Fusarium  vasin fectum  (St.  Johanniskrankheit  der  Erbse)  u.  a.  m. 
diese  Versuche  wesentlich  an  Zuverlässigkeit  gewinnen. 

Von   10^^  bis  10^^  sprach  L.  Kühle-Gunsleben  über 
den  Einfluss  des  Schälens  von  Rübensamen  auf  die    Keimung 
[maschinelle  Entferntmg  der  PerigonhüUe]  (s.  S.  190  —  200). 

Dem  Vortrage  folgte  eine  längere  Diskussion. 


XXX  Bericht  über  die  4.  Hau])tversammlung  der  Vereinigung. 

Direktor  Dr.   Hiltiier-Miinchen  hat  das  Verfahren,  die  Rübonsaraen 
mit  Schwefelsäure  zu    l)ehandeln,    vorgeschlagen.     Er   steht  auch  heule 
noch    auf    dem  Standpunkte,    dass    dieses    Verfahren    praktisch    durch- 
führbar,   da    nur    eine  geringe  Benetzung    notwendig  ist.     Es  wird  der 
doppelte  Zweck  erreicht,   die  Perigonhülle  zu  entfernen,  die  Organismen 
zu  zerstören  und  die  sog.  Hartschaligkeit  zu  beseitigen.    Die  Versuche  in 
Dahlem  sind  mit  drei  verschiedenen  Erden,  typischen  Rübenböden,  gemacht 
worden.     Die    mit  Schwefelsäure  gebeizten  Samen   lieferten  in  der  Zäh- 
ringer   und  in  der  Dahlemer  Erde    viel  mehr  Keimpflanzen    als    in   der 
dritten,  aus  Wintorbergshof  in  der  Uckermark  stammenden  Erde.    Durch 
die  Behandlung    werden    die  Samen  dem  filinfluss  der  Bodenorganismen 
zugänglich.       Eine    Infektion    mit    Wurzelljrand     kann    von    der    Erde 
und  von  den  Knäueln  aus  erfolgen.     Die  Wurzel  ist  fast  immun  gegen 
die    verschiedenen  Organismen.     Erst    wenn    die  Perigonhülle   eine  Zer- 
setzung erfahren  hat,  wobei  besonders  Oxalate  auftreten,  wird  eine  Dis- 
position   geschaffen,    wodurch    eine  Infektion    eintreten    kann.     Die  von 
Prof.  Sigmund    aus    Prag    im    Münchener    Laboratorium    ausgeführten 
Versuche  haben  hierfür  eine  weitere  Bestätigung  gebracht.  —  Es  muss 
Protest    dagegen  erhoben  werden,    dass    in  Österreich    dem  Vorkommen 
von  Fhoma  betae    an    den  Knäueln    so  grosses  Gewicht  beigelegt  wird, 
so  dass    z.  B.   1 — 2  °/o    kranke    Knäuel    zum    Zurückweisen    der    Ware 
dienen  können.    —    Geschälte    oder    gebeizte    Samen    bieten    auf  guten 
Rübenböden  einen  grossen  Vorteil:  ein  rascheres  und  durch  Beseitigung  der 
eventl.  vorhandenen  Hartschaligkeit  zahlreicheres  Auflaufen.     E>ie  Frage, 
ob  das  Schälverfahren  oder  das  Verfahren    mit  Schwefelsäure  den  Vor- 
zug verdient,    kann    nur    durch    weitere  Versuche    entschieden  werden. 
Prof.  A^aüha-Brünn  teilt  mit.  dass  seine   auf  verschiedenen  Boden- 
arten und  in  sterilisiertem  Boden    angestellten  Versuche  mit  geschältem 
und  nicht  geschältem  Samen    derselben  Sorte  folgendes  ergeben  haben: 
Bei  Freilandversuchen    mit  geschältem  Samen  hat  man  keine  guten  Er- 
fahrungen   gemacht.       Es    zeigte    sich    dieselbe    Zahl    wurzelbrandiger 
Pflanzen    bei    geschältem    und   ungeschältem   Samen.     Die  l'rsache   des 
Wurzelbrandes    liegt    teils  im  Samen,    teils  im  Boden:    in    sterilisiertem 
Boden  entstehen  aus  geschältem  Samen  einige  Prozent  kranker  Pflanzen 
weniger.    Es  trat  aber  auch  eine  Krankheit  der  Rübenwurzel  auf,  die  bisher 
noch  nicht  bekannt  ist,  wahrscheinlich  bakterieller  Natur.     Jedoch  auch 
zwei  Fälle  von  Trockenfäule    sind   vorgekommen.     Bei  dem  Schälen  er- 
folgt also  keine  vollkommene  Sterilisierung.     Auch  bei  dem  mit  Schwefel- 
säure   behandelten  Samen    bekommt    man    in   sterilisiertem  Boden  noch 
einige  Pflanzen    mit  Wurzelbrand.     Die  Krankheitskeime  sind  also  wohl 
auch  im  Innern  der  Samen. 


Diskussion:  Schälen  der  Rübensamen  etc.  XXXI 

Dr.  Fraukfiirt-Kiew  bemerkt,  dass  bei  reichlicher  Feuchtigkeit  sich 
keine  bedeutenden  Unterschiede  zwischen  geschältem  und  ungeschältem 
Rübensamen  in  der  Keimung  ergeben.  Es  hängt  mit  den  Vegetations- 
bedingungen zusammen,  ob  eine  Rübenpflanze  erkrankt  oder  nicht. 
Das  schnellere  und  kräftigere  Auflaufen  der  Samen  ist  von  weit  grösserer 
Bedeutung  besonders  für  Russland,  da  schnell  gesät  werden  muss  und 
nur  wenig  Feuchtigkeit  im  Boden  vorhanden  ist.  Man  keimt  in 
manchen  Gegenden  die  Samen  vorher  an.  Das  ist  aber  ein  sehr  ge- 
fährliches Verfahren,  namentlich  wenn  nach  der  Aussaat  sogleich  die 
Trockenheit  anfängt.  Schnelles  Auflaufen  der  Samen  ist  in  Russland 
sehr  notwendig. 

Dr.  Raatz-Kl.  Wanzleben  bemerkt,  dass  die  sog.  Hartschaligkeit 
des  Rübensamens  von  der  Hartschaligkeit  der  Leguminosen  gänzlich 
verschieden  sei.  Während  bei  den  Leguminosen  die  Samen  haut  das 
Eindringen  des  Wassers  verhindere,  könnten  die  latent  keimfähigen 
Rübensamen  —  ebenso  wie  frisch  geerntetes  Getreide  —  vollständig 
durchtränkt  im  Keimbett  liegen,  ohne  zu  keimen.  —  Schimmelpilze, 
welche  die  Keimpflanzen  im  Apparat  ergreifen,  werden  im  Ackerboden 
von  Bakterien  befallen,  so  dass  sie  nicht  zur  wirksamen  Entwickelung 
kommen. 

Dr.  Miltner:  Von  einer  Hartschaligkeit  der  Rübensamen  im  Sinne 
der  Leguminosensamen  kann  allerdings  nicht  gesprochen  werden,  wohl 
aber  kommt  bei  den  Rübenknäueln  eine  Erscheinung  vor.  die  in  der 
Wirkung  vollkommen  gleich  ist,  dass  nämlich  das  Wasser  nicht  zu  den 
Samen  gelangen  kann,  weil  der  Fruchtdeckel  sich  nicht  leicht  löst.  In 
gewissen  Jahren  spielt  diese  Art  der  Hartschaligkeit,  die  bis  zu  30  und 
40  "/o  steigen  kann,  eine  praktisch  recht  beachtenswerte  Rolle. 

Dr.  ßaatz:  Die  Anschauung,  dass  die  Lossprengung  des  Keim- 
deckels durch  irgend  ein  Verfahren  zu  einer  besseren  Keimung  führe, 
sei  wohl  nicht  haltbar,  Rübensamen,  die  sich  trotz  der  im  Keimbett 
genügend  vorhandenen  Feuchtigkeit  als  trocken  resp.  ungequollen  er- 
weisen, werden  fast  niemals  gefunden. 

Dr.  Hiltner:  Die  beregte  Erscheinung  zeigt  nicht  eine  Nachreife- 
bedürftigkeit an,  wie  sie  bei  Getreidekörnern  so  häufig  sich  äussert, 
sondern  sie  ist  im  Gegenteil  die  Folge  von  Überreife. 

L.  Kühle  erwidert  sodann,  dass  die  Ansicht  von  Dr.  Raatz  schon 
durch  Direktor  Dr.  Hiltner  richtiggestellt  sei.  Es  sei  richtig,  dass 
nach  dem  besten  Schäl-  und  Beizverfahren  noch  kranke  Keime  vor- 
kommen. Es  habe  dies,  wie  er  bereits  ausgeführt  habe,  seinen  Grund 
eben  darin,  dass  unter  jeder  Samenpartie,  somit  auch  unter  jeder  zu 
den  Keimversuchen  verwandten  Probe  Samenknäuel  vorhanden  sind,   bei 


XXXII  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

denen  bereits  der  Embryo  in  der  Pruchthfihlo  infiziert  war;  in  solchen 
Fällen  sei  eine  Heilung  natürlich  ausgeschlossen.  Unter  den  weitaus 
ungünstigeren  Bedingungen  des  Freilandes  kommt  solcher  Samen  über- 
haupt nicht  zur  Keimung.  —  Was  nun  die  Ausführungen  des  Hofrat 
Dr.  von  Weinzierl  über  den  Passus  der  neuen  Wiener  Normen  an- 
langt, nach  welchem  über  3  kranke  Keime  hinweggesehen  werden 
könne,  wenn  der  Samen  im  übrigen  den  an  ihn  zu  stellenden  An- 
forderungen genüge,  so  sei  darauf  zu  erwidern,  dass  die  Beziehungen 
der  Krankheitserscheinungen  im  Keimbett  zu  denen  im  Freilande  noch 
nicht  genügend  geklärt  seien,  um  zu  solchen,  in  den  gesamten  Rüben- 
samenhandel  tief  einschneidenden  Massnahmen  zu  schreiten,  wie  sie  die 
neuen  Wiener  Normen  vorschlagen.  Diese  Anregung  sei  schon  früher 
von  Prof.  Li n hart  auf  dem  internationalen  Chemikerkongress  in  Berlin  ge- 
macht, dort  aber  unter  der  eben  genannten  Begründung,  zu  der  sich 
besonders  Geheimrat  Dr.  Ad  er  hold,  Prof.  Hollrung  und  Regierungsrat 
Hiltner  äusserten,  abgelehnt  worden.  Der  Nachweis,  welche  Keime 
kontagiös  erkrankt  seien  und  welche  nur  so  scheinen,  sei  nach  dem 
grobsinnlichen  Befunde  überhaupt  nicht  zu  führen  und  erfordere  in 
jedem  Falle  eine  bakteriologische  Untersuchung.  Jedenfalls  müssten  die 
Samenzüchter  bei  den  unausbleiblichen  Differenzen  auf  dem  bündigen 
Nachweise  bestehen.  Die  Versuchsstationen  würden  sich  hiermit  eine 
böse  Last  aufladen  und  häufig  das  Dichterwort  von  „den  nicht  wieder 
loszuwerdenden  Geistern"  zitieren;  auch  müsse  unbedingt  gefordert 
werden,  dass  jede  Möglichkeit  einer  Infektion  im  Keimraume  der  Ver- 
suchsstationen ausgeschlossen  werde.  Aber  auch  im  sterilsten  Keim- 
bette könne  man  mit  ganz  gesundem  Samen  kranke  Keime  erzielen. 
Hierbei  spielen  die  äusseren  Bedingungen,  besonders  aber  das  Wasser, 
eine  grosse  Rolle.  Reg.-RatDr.  Hiltner  habe  seinerzeit  auf  dem  erwähnten 
Chemikerkongresse  bemerkt,  dass  er  mit  Berliner  Wasser  kranke  Keime 
erzielte,  während  bei  der  Verwendung  von  Münchener  Wasser  die  Keime 
aus  demselben  Saatgute  vollständig  gesund  geblieben  seien.  So  seltsam 
dies  scheine,  so  werde  es  doch  durch  die  eigenen  Untersuchungen  des 
Redners  bestätigt.  Diese  haben  ergeben,  dass  Wasser  mit  einem  hohen 
Gehalt  an  Chloralkalien  scheinbar  kranke  Keime  verursache;  die  in 
diesem  Falle  festgestellte  Bräunung  der  Keime  sei  jedoch  gänzlich  un- 
bedenklich und  beruhe  aut  physiologischen  Ursachen.  Auch  könne  eine 
Bräunung  der  Wurzelrinde,  wie  Hiltner  und  Peters  nachgewiesen 
haben,  auf  einer  Einwirkung  von  Schutzbakterien  beruhen.  Aus  alle- 
dem gehe  hervor,  dass  Schwierigkeiten  unvermeidlich  seien.  3  kranke 
Keime  könnten  sehr  leicht  festgestellt  werden;  die  Rübensamenzüchter 
würden    bei    strenger    Durchführung    der    neuen  Wiener  Normen   unter 


Diskussion:  Schälen  der  Rübensamen  etc.  XXXIII 

Umständen  sehr  geschädigt.  Hierfür  folgendes  Beispiel:  Ein  nach  An- 
kunft am  Bestimmungsorte  untersuchter  Waggon  enthält  3  oder  mehr 
kranke  Keime.  Der  Abnehmer  möchte  aus  irgend  einem  Grunde  von 
der  Übernahme  der  Saat  loskommen  und  stellt  ihn  auf  Grund  dos  dies- 
bezüglichen Passus  der  neuen  Wiener  Normen  zur  Verfügung.  Der 
Waggon  hat  bei  weiten  Entfernungen  unter  Umständen  400 — 500  Mark 
Fracht  gekostet.  Es  bleibt  dem  Samenzüchter,  wenn  die  Übernahme 
wegen  des  Vorhandenseins  von  kranken  Keimen  abgelehnt  wird,  nichts 
anderes  übrig,  als  entweder  die  Saat  im  Bestimmungslande  zu  jedem 
Preise  loszuschlagen  oder  aber  unter  Tragung  der  gleich  hohen  Rück- 
fracht zurückzunehmen.  Da  er  solche  Verluste  nicht  ohne  weiteres  auf 
sich  nehmen  kann,  so  werden  Rechtsstreitigkeiten  die  Folge  sein,  in 
denen  das  Gutachten  der  Versuchsstationen  das  letzte  Wort  zu  sprechen 
hat.  Redner  glaubt  kaum,  dass  nach  den  jetzt  vorliegenden  Ergeb- 
nissen der  wissenschaftlichen  Forschungen  irgend  eine  Versuchsstation 
die  Verantwortung  dafür  auf  sich  nehmen  könne,  dem  angeblich  er- 
krankten Samen  eine  unanfechtbare  Diagnose  und  Prognose  zu  stellen, 
auf  Grund  deren  ein  richterliches  Urteil  abgegeben  werden  könne. 
Prof.  L inhart  habe  sich  ein  unstreitiges  Verdienst  durch  seine  Arbeiten 
auf  diesem  Gebiete  erworben.  Es  sei  mit  Freuden  zu  begrüssen,  dass 
auch  die  Wiener  Station  diesen  Fragen  ihre  Aufmerksamkeit  schenke 
und  dieselben  in  gründlicher  Weise  bearbeite,  denn  Klärung  auf  diesem 
Gebiete  sei  nicht  zuletzt  im  Interesse  der  deutschen  Rübensamenzüchter 
erforderlich.  Es  könne  aber  nicht  zugegeben  werden,  dass  die  not- 
wendige Klarheit  schon  heute  bestehe,  und  deshalb  sei  davor  zu  warnen, 
auf  Grund  der  heutigen  Forschung  eine  neue  Norm  für  den  Handel 
festzusetzen.  ■ 

Um  iP^Uhr  erhält  das  Wort  Prof.  J.  Vafiha-Brünn  zu  einem  Vortrage: 

Die  Qualitätsprüfung  der  Braugerste  (s.  S.  88 — 97). 

Die  Diskussion  hierüber  sollte  auf  Wunsch  des  Vortragenden  in 
einer  Sitzung  der  Konferenz  für  Samenprüfung  stattfinden  (s.  S.  343 — 344). 
Die  vom  Vortr.  gemachten  Vorschläge  wurden  dem  Ausschusse  für  Samen- 
prüfung zur  weiteren  Bearbeitung  für  die  nächste  Konferenz  überwiesen. 

Als  letzter  Vortragender  in  der  Sitzung  spricht  von  11^°  Uhr  ab 
Dr.  P.  Mllth-Oppenheim  über 

Die  hifektion  von  Sämereien  durch  Mikroorganismen  im 

Keimbett.') 
Das  Wort  zur  Diskussion  wird  nicht  gewünscht. 


1)  Die  Arbeit  wird  im  nächsten  Jahresbericht  erscheinen. 

.Tahresbei'icht  der  Vereinigung  für  ungew.indte  Botanik    IV.  JJJ 


XXXIV  Iknicht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Für  2'/2  ^^^^  ^^^  sodann  eine  Besichtigung  der  im  Freihafen 
(Versmannkai)  belegenen  Pruchtschuppen  und  der  Station  für 
Pflanzenschutz  angesetzt.  Kaidirektor  Winter  erläuterte  zunächst 
den  zahlreich  erschienenen  Teilnehmern  und  ihren  Damen  den  Betrieb 
im  Hamburger  Hafen  und  speziell  der  3  Fruchtschuppen,  Dr.  Brick  die 
Einfuhr  von  Südfrüchten  (Apfelsinen,  Mandarinen,  Zitronen,  Ananas, 
Bananen,  Kokosnüsse),  Weintrauben  und  amerikanischem  Obst,  wobei  er 
auf  das  kleine  Büchlein  von  G.  Schmidt,  Hamburgs  Südfruchthandel 
einst  und  jetzt  (2.  Aufl.,  Hamburg  1905),  und  die  Jahresberichte  iler 
Station  für  Pflanzenschutz  hinwies.  Im  Fruchtschuppen  A  lagerten 
ausser  Früchten  Waren  pflanzlicher  Abstammung  der  verschiedensten 
Art,  da  zur  Zeit  der  geringen  Fruchteinfuhr  die  Schuppen  auch  für  die 
Löschung  anderer  Güter  benutzt  werden.  Der  Fruchtschuppen  B  war  leider 
zur  Hälfte  leer,  da  der  erwartete  Dampfer  mit  Südfrüchten  nicht  recht- 
zeitig eingetroffen  war;  dafür  konnten  an  ihm  aber  der  Bau,  die 
Heizungsanlagen  und  andere  Einrichtungen  um  so  besser  besichtigt 
werden.  In  der  an  den  Fruchtschuppen  B  angrenzenden  Station  für 
Pflanzenschutz,  die  hauptsächlich  der  Kontrolle  der  eingeführten 
Pflanzen  und  des  amerikanischen  Obstes  dient,  hatte  Dr.  Brick  eine 
Ausstellung  von  Präparaten  der  in  der  Station  und  auf  Exkursionen  ge- 
sammelten Pflanzenschädlinge  veranstaltet.  Hervorzuheben  sind  darunter 
die  Sammlungen  der  dem  Obst-  und  Gartenbau  schädlichen  Schildläuse 
sowie  die  Parasiten  des  amerikanischen  Obstes.  Viel  bewundert  wurde 
auch  eine  (ohne  Wurzelballen)  140  cm  hohe,  regelmässig  gewachsene 
und  voll  beastete  Araucaria  cxcelsa,  die  als  einjähriger  Sämling  im 
April  1900  in  Wasserkultur  genommen  worden  war,  jetzt  also  ö'/a  Ji^hre 
alt  ist;  als  Nahrung  für  die  Pflanze  wird  dem  Wasser  Wagnersches 
Nährsalz  in  Konzentration  von  0,2  °/o  zugesetzt.  Aufgestellte  mikro- 
skopische Präparate  zeigten  die  bei  der  Kontrolle  des  amerikanischen 
Obstes  hauptsächlich  in  Frage  kommenden  Parasiten,  besonders  die 
San  Jose-Schildlaus  [Aspir/lotus  perniriosus).  Der  Rückweg  wurde 
aussen  an  der  Wasserseite  der  Fruchtschuppen  genommen,  um  die  Ein- 
richtungen tür  Lösch-  und  Ladezwecke  zu  besichtigen.  An  dem  gegen- 
überliegenden Ufer  des  Baakenhafens  lagen  die  grossen  Dampfer  der 
Woermann-Linie  (nach  Westafrika),  der  Deutschen  Ostafrika-Linie  und 
der  Deutschen  Levante-Linie. 

Um  4  Uhr  erwarteten  am  Fruchtschuppen  A  zwei  Hafendampfer 
die  Gesellschaft,  die  sich  durch  neue  Ankömmlinge  aus  der  Freien  Ver- 
einigung der  systematischen  Botaniker  und  Pflanzengeogi'aphen  vermehrt 
hatte,  zu  einer  Hafenfahrt,  die  in  einstündiger  Fahrt  durch  die  aus- 
gedehnten Hafenanlagen    an    den    nach    allen  Weltrichtungen  fahrenden 


Hafenfahrt.  XXXV 

grossen  Dampfern  und  Segelschiffen  vorbeiführte.  Gelandet  wurde  an 
dem  Kai  der  Kuhwärder  Häfen,  um  dort  zunächst  das  grosse  Elek- 
trizitätswerk, sodann  die  Werkstätten  und  Kaischuppen  der  Ham- 
burg-Amerika-Linie in  Augenschein  zu  nehmen.  Ungeheure  Waren- 
mengen aller  Art  aus  Amerika  und  Ostasien  waren  hier  aus  den  riesigen 
Dampfern  dieser  Linie  gelöscht  worden.  Einer  dieser  mächtigen  Dampfer, 
die  nach  New  York  fahrende  13  333  t  grosse  „Pennsylvania",  wurde 
sodann  in  allen  Räumlichkeiten  und  Einrichtungen  einer  eingehenden 
Besichtigung  unterzogen.  In  dem  schönen  Speisesaale  der  1.  Kajüte 
dieses  Dampfers  fanden  sich  um  6V2  Uhr  die  Teilnehmer  und  ihre 
Damen  wieder  zusammen  zu  einem  von  der  Hamburg-Amerika- 
Linie  dargebotenen  Essen.  Direktor  Dr.  Ecker  begrüsste  die  Gäste 
im  Namen  der  Hamburg-Amerika-Linie.  Hofrat  Dr.  von  Weinzierl- 
Wien  feierte  die  Gastgeberin,  hob  ihre  Bedeutung  für  den  Welthandel 
hervor,  dankte  für  die  Bereitwilligkeit,  mit  der  sie  die  Besichtigung 
ihrer  grossartigen  Anlagen  und  ihrer  Schiffe  gestattet  hatte,  und  toastete 
auf  das  fernere  Blühen  dieser  bedeutendsten  Schiffahrtsgesellchaft  der 
Welt.  Die  Eligenartigkeit  des  Raumes,  der  für  viele  der  Anwesenden  neue 
Aufenthalt  in  einem  elegant  ausgestatteten  Speisesaal  eines  modernen 
transatlantischen  Dampfers,  die  schön  geschmückten  Tafeln,  das  vor- 
zügliche Mahl  und  die  Liebenswürdigkeit  der  Herren  von  der  Hamburg- 
Amerika-Linie  werden  allen  Teilnehmern  wohl  in  dauernder  Erinnerung 
bleiben.  Um  10 '/a  Uhr  brachten  die  Hafendampfer  die  Gesellschaft 
wieder  aus  den  Kuhwärder-Häfen  nach  dem  andern  Eibufer. 


Donnerstag,  den  13.  September. 

Sitzung  von  9 — 1:^  Uhr  im  Hörsaale   des  Botanischen  Gartens. 

Für  diese  Sitzung  waren  Themen  aus  dem  Gebiete  der  Phyto- 
pathologie angekündigt.  Vorher  aber  erhielt  das  Wort  ein  Redner, 
dessen  Vortrag  in  der  gestrigen  Sitzung  wegen  der  vorgerückten  Zeit 
von  der  Tagesordnung  abgesetzt  werden  musste. 

Direktor  0.  Qvam-Christiania  sprach  von  9^4 — 10  Uhr  über 

Beziehung   zwischen  Keimfähigkeit   und   Atmungsintensität 

(s.  S.  70-87). 
Das  Wort  zur  Diskussion  wird  nicht  gewünscht. 

Ill* 


XXXVI  Bericht  über  die  -i.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Im  nächsten  Vortrage  behandelte  Prof.  Dr.  T.  Jolilisoii-Dublin  den 
Kartoffelschorf    {Spoiigospora    Solan/)    |s.  S.   112 — 115  u.  Taf.  III]. 

Reg.-Rat  Dr.  Appel-Dahlem  teilt  mit.  dass  es  ihm  bis  jetzt  trotz 
vielfacher  Bemühung  noch  nicht  gelungen  ist,  lebendes  Material  des' 
SpongosjwraSchovfes  aus  L)eutschland  zu  erhalten.  Die  Untersuchung 
von  Alkoholmaterial  aus  Wiesa  in  Sachsen,  das  aus  der  Frank  sehen 
Sammlung  stammt  und  jetzt  in  der  Sammlung  der  Kaiserl.  Biologischen 
Anstalt  ist,  hat  keine  Sporen  erkennen  lassen,  stimmt  aber  sonst  mit 
dem  vom  Vortragenden  entworfenen  Bilde  des  aus  Irland  stammenden 
Materials  überein.  Weiter  macht  Redner  darauf  aufmerksam,  dass  die 
Krankheit  schon  vor  Brunchorst  gut  abgebildet  und  beschrieben  worden 
ist  und  zwar  1856  durch  C.  E.  von  Mercklin  in  seinem  Aufsatz: 
„Nachträgliche  Bemerkungen  zur  Kartoffelkrankheit".  Nach  der  Be- 
schreibung und  vor  allem  nach  der  Abbildung  kann  es  kaum  zweifel- 
haft sein,  dass  die  vorliegende  -Krankheit,  die  Mercklin  als  Kartoffel- 
grind  bezeichnet,  identisch  mit  Spongospora  Solani  ist.  Die  etwas  an 
Sponqospora  erinnernden  Abbildungen  von  v.  Marti us,  bei  denen 
ähnlich  aussehende,  aber  viel  kleinere  Inhaltskürper  der  Kartoffelzellen 
vorkommen,  scheinen  jedoch  nicht  hierher  zu  gehören.  Vielmehr  hat 
es  V.  Oven  wahrscheinlich  gemacht,  dass  sie  anorganischen  Ursprunges 
sind.  Zum  Schlüsse  bittet  Appel,  auf  die  Erscheinung  der  >S[po?2_9'Ospora 
zu  achten   und  ihm  frisches  Material  zugänglich  zu   machen. 

Dr.  P.  Graebner-Berlin  spricht  darauf  von  lO^l^—iO'^U  Uhr  über 
nicht  parasitäre  Pflanzenkrankheiten  der  Heide  (s.  S.  164 — 174). 

Dr.  F.  Muth-Oppenheim  bemerkt,  dass  Obstbäume  in  Oppenheim 
ganz  ähnliche  Erscheinungen  zeigen  wie  das  vom  Vortragenden  ge- 
schilderte Verhalten  der  Kiefernwurzeln  in  der  Heide.  Die  <»bstl)äume 
bilden  dort  nur  flach  verlaufende  und  keine  in  die  Tiefe  gehenden  Wurzeln, 
und  ihr  Wachstum  ist  reduziert.  Die  Ursache  ist  aber  der  hohe  Wasser- 
stand des  Rheines. 

Geh.  Regierungsrat  Dr.  R.  Aderliold-Dahlem  zeigte  sodann 

1.  in  Formaldehyd  konservierte  Präparate  vom  amerikanischen 
Stachelbeermehltau  (Sphaerotheca  mors  uvae),  die  den  Pilz  sowohl 
auf  den  Beeren  als  auch  an  den  jungen  Triebspitzen  vor  Augen  führten, 
und  verwies  dabei  auf  die  neue  Auflage  des  von  der  Kaiserlichen 
Biologischen  Anstalt  ü})er  diesen  Pilz  herausgegebenen  Plugblattes 
(Nr.  35),  aus  welchem  dessen  bedauerlich  weitgehende  Verbreitung  in 
Deutschland  entnommen  werden  kann; 

2.  bakterienkranke  Kirschbäumchon  bzw.  Kirschbaumteile 
vind   Photographien    von    solchen    sowie  Kulturen    und  Abbildungen   des 


Aderliold,  Eakterienkranke  Kirschbäumchen.  XXXVII 

Erregers  des  Bakterienbrandes,  Bacillus  spoiigiosus  Adrh.  et  Ruhld. 
Besonders  interessant  waren  ein  durch  Transplantation  von  Rinden- 
stücken aus  kranken  Bäumen  und  ein  durch  Impfung  mit  diesem  Bak- 
terium völlig  bzw.  l)is  zum  Wurzelhals  herab  zum  Absterben  gebrachtes 
Bäumchen.  Eine  vorläufige  Mitteilung  über  den  Gegenstand  dieser 
Demonstrationen  haben  Aderhold  und  Ruhland  in  der  II.  Abteilung 
des  Centralblattes  für  Bakteriologie  und  Parasitenkunde  XV  (1905), 
S.  376  und  in  Heft  II,  S.  18/19  der  Mitteilungen  aus  der  Kaiserlichen 
Biologischen  Anstalt  gegeben.  Eine  ausführliche  Arbeit  darüber  wird 
demnächst  in  den  ,, Arbeiten"  derselben  Anstalt  folgen.         (Aderhold.) 

Prof.  Dr.  Wortmanii-Geisenheim  fragt,  ob  schon  Bekämpfungs- 
mittel gegen  den   Bakterionbrand  der  Obstbäume  gefunden  worden  sind. 

Geheimrat  I)r.  Aderhold:  Vorläufig  sind  keine  anderen  Be- 
kämpfungsmittel vorhanden  als  sorgfältiges  Aufsuchen  und  Ausschneiden 
der  Brandstellen,  wobei  der  Abfall  "sorgfältig  zu  sammeln  und  zu  ver- 
brennen ist.  Abschneiden  oder  Ausroden  und  Verbrennen  aller  ein- 
gehenden Äste  oder  Bäume. 

Graf  V.  Ariiiin-Sclilas:eiitliin-Nassenheide  fragt,  ob  von  dem  Bak- 
terienbrande   auch  andere  Obstbäume  als  Kirschen  heimgesucht  w^erden. 

Geheimrat  Dr.  Aderhold:  Ob  auch  andere  Obstbäume  als  Kirsch- 
bäume unter  demselben  Bakterienbrande  leiden,  ist  noch  nicht  sicher 
erwiesen.  An  mehreren  Fundorten  desselben  litten  Zwetschen,  Pfirsiche 
und  Aprikosen,  je  einmal  auch  Apfel  unter  äusserhch  gleichen  Er- 
scheinungen. Es  ist  aber  bisher  nicht  gelungen,  aus  diesen  Baumarten 
den  Bacillus  spongiosiis  oder  ein  anderes  Bakterium  zu  isolieren,  mit 
dem  Impfungen  Erfolg  gegeben  hätten.  Da  Dr.  Ruhland  und  ich 
indes  uns  zunächst  auf  das  Studium  der  Kirschbaumkrankheit  kon- 
zentriert und  die  ähnliche  Krankheit  anderer  Baumarten  nur  gelegent- 
lich studiert  haben,  legen  wir  den  negativen  Ergebnissen  keine  Beweis- 
kraft bei,  glauben  vielmehr,  dass  es  gelingen  wird  zu  zeigen,  dass 
Bacillus'  spongiosus  alle  Steinobstarten  und  vielleicht  auch  das  Kern- 
obst schädigen  kann. 

Prof.  Dr.  €.  Weinner-Hannover  demonstriert 

Kulturen  des  Aspergillus  gigaiiteus, 

eines  durch  seine  ausserordenthche  Grösse  interessanten  Pilzes,  dessen 
Conidienträger  diejenigen  anderer  Aspergillus -Arten  um  ca.  das  lOfache 
an  Länge  übertreffen,  in  Erlenmeyer-Kolben  auf  verschiedenen  Sub- 
straten und  hebt  dabei  hervor,  dass  dieser  Pilz  auch  physiologisch 
von  Interesse  ist.  Seine  2 — 3  cm  langen  Conidienträger  sind  aus- 
gesprochen positiv  heliotrop:    Dunkelheit  verhindert  ihre  Entstehnng  zu- 


XXXVUI       Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

nächst  ganz,  sofern  das  Substrat  kein  besonders  günstiges  ist  (Würze- 
Agar),  auf  guten  Substraten  (Würze,  Würze-Gelatine,  Graubrod)  ist  die 
Empfindlichkeit  gegen  Lichtmangel  geringer.  Ahnliche  Beobachtungen 
sind  schon  von  Brefeld,  Gräntz.  Lendner  für  einige  Mucor-  und 
Coprinus-P^vien  sowie  Piloholus  inicrosporus  mitgeteilt.  Die  ausge- 
stellten Kulturen  zeigten  den  Einfluss  von  Licht  und  Dunkelheit  auf  die 
Conidienträgerbildung.  Sehr  empfindlich  ist  der  Pilz  auch  gegen  Wärme- 
einflüsse, während  sein  Optimum  bei  ungefähr  25 — 30 '^  liegt,  hat 
man  bei  ungefähr  35°  schon  das  Wachstumsmaximum,  und  wenige  Grade 
über  40"  töten  Mycel  wie  Conidien  ab.  Dagegen  ertragen  die  Conidien 
langjähriges  Austrocknen,  noch  nach  fünf  Jahren  sind  sie  fast  un- 
geschwächt keimfähig.  Technische  Bedeutung  hat  diese  Pilzart  nicht, 
sie  findet  sich  aber  in  der  sauren  Hefenmaische,  wie  sie  in  Brennereien 
zur  Züchtung  der  Hefe  dargestellt  wird;  immerhin  scheint  sie  selten 
zu  sein.  Mikroskopisch  ist  sie  kaum  von  Aspergillus  davatus  zu 
unterscheiden,  nur  die  Maasse  der  Blase  und  des  Stieles  sind  bei  diesem 
geringer.  Zum  Vergleich  lagen  Kulturen  von  A.  clavaiiis.  A.  niger, 
A.    Wentii  und  A.  fumigatus  aus,  (Wehmer.) 

Geheimrat  Dr.  Aderhold-Dahlem  fragt,  ob  Perithecien  erzogen 
WDrden  sind  oder  nur  Conidien, 

Prof.  Dr.  Welimer  erwidert,  dass  bisher  nur  Conidien  entstanden  sind. 

Prof.  Dr.  P.  Lindiier-Berlin :  Hat  der  Pilz  verzuckernde  Eigen- 
schaften ? 

Prof.  Dr.  Wehmer:  Physiologisch  ist  der  Pilz  noch  unvollkommen 
erforscht,  er  verzuckert  etwas,  säuert  und  verflüssigt  massig. 

Prof.  Dr.  H.  Klebahn-Hamburg  demonstrierte  Präparate  einiger  von 
ihm  untersuchten  Pflanzenkrankheiten  und  gab  dann  eine  kurze  Be- 
sprechung der  dieselben  erregenden  Pilze. 

L  Die  Blattfleckenkrankheit  der  Platanen.  Die  Zusammen- 
gehörigkeit der  Gnomonia  veneta  (Sacc.  et  Speg.)  Kleb.,  des  Oloeosporium 
ntrvisequum  (Puck.)  Sacc,  der  Discula  Platcmi  (Peck)  Sacc,  des 
Sporonenia  Plafani  Bäumler  und  einiger  weiterer,  ursprünghch  als 
selbständige  Arten  beschriebener  Fungi  imperfecti  wurde  in  den  Jahrb. 
f.  wiss.  Bot.  XLL  S.  515  eingehend  nachgewiesen.  Es  werden  Rein- 
kulturen aus  den  drei  erstgenannten  vorgelegt,  deren  vollkommene  Über- 
einstimmung ein  Hauptargument  für  den  Zusammenhang  bildet. 

2.  Krankheiten  der  Tulpen.  Die  Tulpen  leiden  in  Holland  und 
vielfach  auch  bei  uns  an  zwei  Krankheiten,  die  man  bisher  für  eine 
einzige  hielt.  Die  eine  wird  durch  Bofrgtis  parasitica  Ca.\cira.  erzeugt; 
sie  ist  mehr  eine  Krankheit  der  oberirdischen  Teile.     Aus  angegriffenen 


Klebahn,  Krankheiten  der  Tulpen  und  des  Flieders.  XXXIX 

Zwiebeln  gehen  aber  nicht  selten  Tochterzwiebeln  hervor,  an  denen  die 
kleinen  schwarzen  Botn/fisSklevoiien  festsitzen.  Ausgepflanzt  bilden 
solche  Zwiebeln  Ausgangsherde  der  Krankheit.  Die  andere  Krankheit 
wird  durch  einen  Pilz  hervorgebracht,  von  dem  bisher  nur  Mycel  und 
Sklerotien,  und  zwar  grosse,  braune,  lose  sitzende  nachgewiesen  werden 
konnten,  Sderotiuni  Tiilfparwi/.  Kleb.  Derselbe  zerstört  die  Zwiebeln, 
bevor  sie  zum  Austreiben  kommen,  und  bildet  auf  den  Poldern,  da 
die  Sklerotien  mindestens  zwei  Jahre  infektionstüchtig  bleiben,  die  in 
Holland  als  „Kwade  plekken"  bezeichneten  Stellen,  auf  denen  die  Tulpen 
ganz  oder  fast  ganz  ausbleiben.  Es  wurden  Präparate  künstlich  mit 
beiden  Pilzen  infizierter  Tulpen,  sowie  der  mit  dem  Sclerotium  Tuli- 
jjarum  nicht  identischen  Sclerotinia  hulhorum  Wakker  vorgelegt.  (Vgl. 
Jahrb.  d.  Hamburg,  wiss.  Anstalten  XXII,  3.  Beiheft.) 

3.  Eine  neue  Krankheit  des  Flieders,  Si/rinya  viügarls.  Die 
Krankheit  macht  sich  beim  Priihtreiben  des  Flieders  sehr  unangenehm 
bemerkbar.  Sie  äussert  sich  darin,  dass  die  Blütenknospen  entweder 
überhaupt  nicht  austreiben  oder  nach  kurzem  Wachsen  umfallen.  Der 
nähere  Grund  besteht  darin,  dass  entweder  die  Knospen  selbst  oder 
längere  oder  kürzere  Strecken  der  Rinde,  oft  ganz  unten  an  den 
Stämmen,  gebräunt  und  abgetr)tet  sind.  In  dem  gebräunten  Gewebe 
wurde  in  allen  Fällen  ein  in  die  Verwandtschaft  der  Peronosporeen  zu 
stellender  Pilz  gefunden,  der  Oosporen,  aber  keine  Conidienträger  be- 
sitzt {PhloeopJithora  Syringae  Kleb.).  Wie  die  Infektion  zustande  kommt, 
ist  noch  nicht  aufgeklärt,  da  die  Oosporen  nicht  frei  zu  machen  sind 
und  andere  Sporen  fehlen.  Es  sprechen  einige  Beobachtungen  dafür, 
dass  dieselbe  von  der  Erde  ausgeht.  Mit  Hilfe  kranker  Rindenteile 
gelang  es  mehrere  Male,  Krankheit  und  Pilz  zu  übertragen.  Es  wurden 
Präparate  beim  Treiben  umgefallener,  den  Pilz  enthaltender  Fliederblüten 
sowie  Reinkulturen  des  Pilzes  vorgelegt,  der  auf  sterilen  Miihren  be- 
sonders gut  wächst.  (Vorlauf.  Mitteilg.  im  Centralbl.  f.  Bakteriologie  u. 
Parasitenkunde  XV  [1905],  S.  335.)  (Klebahn.) 

Graf  V.  Arnim- Seh la^"enthin  fragt  an,  ob  ein  Bekämpfungsmittel 
versucht  sei. 

Prof.  Dr.  Klebahu:  Die  Krankheit  ist  noch  nicht  genügend  er- 
forscht. Eine  andere  Art  des  Einschiagens  und  Aufhebens  der  Flieder- 
stöcke, so  dass  der  Stamm  nicht  mit  Erde  in  Berührung  kommt,  sei 
vielleicht  zu  empfehlen. 

Geheimrat  Dr.  Aderliold-Dahlem  fragt  an,  ob  der  Fliederpilz  mit 
Aplianomyces  levis  verglichen  worden  ist.  Diese  Art  kann  Rübenkeim- 
linge angreifen.     Es  wäre  möglich,  dass  beide  Pilze  identisch  sind. 


XL  Bericht  über  die  4.  Haiiptversaiamlung  der  Vereinigung-. 

Prof.  Dr.  Weliiner-Hannover:  Kann  man  Botrytis  cinerea  und  B. 
parasitica  auf  den  ersten  Blick  gut  unterscheiden? 

Prof.  Dr.  Klebahii:  Die  morphologischen  Unterschiede  lassen  sich 
schwer  ausdrücken,  sind  auch  wohl  schwankend.  B.  cinerea  bedarf 
noch  genauerer  Untersuchung.  Entscheidend  ist  das  biologische  Ver- 
halten. Der  Tulpenpilz  geht  nur  auf  Tulpen,  nicht  auf  Hyazinthen, 
Narzissen  und  andere  Pflanzen;  Botrytis  von  Narzissen  und  anderen 
Pflanzen  infizierte  die  Tulpen  nicht. 

Schluss   der  Sitzung  IP/4  Uhr. 

An  die  Sitzung  schloss  sich  ein  Rundgang  durch  den  Bo- 
tanischen Garten  unter  Führung  des  Direktors,  Prof.  Dr.  Zacharias. 

Zur  gleichen  Zeit,  9 — 12  Uhr,  fand  im  Hörsaal  B  des  Johanneum 
eine  allgemeine  Sitzung  der  Konferenz  für  Samenprüfung  statt,  und 
die  Freie  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker  und 
Pflanzengeographen  hielt  im  Hörsaal  A  des  Johanneum  ihre  Sitzung 
ab,  in  der  unter  dem  Vorsitz  von  Geheimrat  Prof.  Dr.  Eng  1er -Berlin 
folgende  Vorträge  gehalten  wurden: 

Prof.  Dr.  P.  Kumm-Danzig;  Die  Fortschritte  in  der  Sicherung  von 
Resten  ursprünglicher  Pflanzenformationen. 

Prof.  Dr.  C.  Weber -Bremen:  Über  die  Vegetation  und  den  Aufbau 
norddeutscher  Moore. 

Prof.  Dr.  E.  Gilg-Berlin:  Die  Verwandtschaftsverhältnisse  und  die 
geographische  Verbreitung  der  amerikanischen  Arten  der  Gattung  Draha. 

Geheimrat  Prof.  Dr.  A.  Engler-Berlin:  Gegenwärtiger  Stand  der 
Arbeiten  an  der  „Vegetation  der  Erde",  der  „Natürlichen  Pflanzen- 
familien"  und  dem   „Pflanzenreich". 

Dr.  L,  Diel s- Berlin:  Die  Morphologie  der  Droseraceen. 

Am  Nachmittage  begaben  sich  um  2  Uhr  die  Teilnehmer  mit  ihren 
Damen  zum  Botanischen  Museum  (am  Lübecker  Tor),  dessen  Samm- 
lungen ebenso  wie  die  Abteilung  für  S am enkon trolle  und  die  im 
gleichen  Gebäude  untergebrachte  Pharmazeutische  Lehranstalt  unter 
Führung  von  Dr.  Brick,  Dr.  Hallier,  Prof.  Dr.  Voigt  und  Prof.  Ltr. 
Zacharias  besichtigt  wurden. 

Um  1/24  Uhr  wurden  am  Museum  bereit  stehende  Rundfahrtwagen 
bestiegen  zu  einer  Fahrt  um  die  Aussenalster  durch  die  von  Villen 
eingenommenen  Stadtteile   mit  ihren  schön  gepflegten  Gärten. 

Ein  Teil  der  Gesellschaft  verliess  sodann  die  Wagen  am  Fischmarkt, 
um  sich  die  in  der  Nähe  gelegenen  Lagerhäuser  und  Saatreinigungs- 
anstalten der  Firmen  Ernst  &  v.  Spreckelsen  und  R.  Lief  mann 
STihne  Nachfolger  anzusehen.  Die  mächtigen  Gebäude  hatten  zu 
Ehren  ihrer  Gäste  ein  festUches  Gewand  angelegt.    Vom  Giebel  bis  zum 


Saatreinigungsanstalten  und  Warenlagerspeicher.  XLI 

Keller  prangte    alles    im   saubersten  Weiss.     Diese  Speicher  werden  am 
besten  mi't  grossen  Mühlenbetrieben  verglichen.     An  einem  Arm  der  die 
ganze  Altstadt  durchziehenden  Kanäle,   Fleete  genannt,  gelegen,   können 
sie    vermittelst    kleinerer  Kähne,    sog.  Schuten,    die  Ladungen  auf  dem 
Wasserwege  aus   den  Seeschiffen  übernehmen.     Kräftige,  oft  noch  recht 
altmodische  Winden  befördern  die  Saaten  auf  den  (»bersten  Boden.     Von 
hier  gelangen  diese    durch  Zuleitungen    in    die  auf  dem  nächst  tieferen 
Boden  aufgestellten  Reinigungsmaschinen  und  fliessen  aus  diesen  sofort 
in  den  darunter  gelegenen  Boden,  wie  die  Stockwerke  der  Speicher  all- 
gemein heissen,  ab.     So  bleibt  der  abgereinigte  Teil  auf  dem  Maschinen- 
boden zurück  und  kommt  mit  der  gereinigten  Ware    nicht  mehr  in  Be- 
rührung.    In  den  Reinigungs-,  Putz-  und  Sortiermaschinen  erkennt  man 
zwar  meist  bekannte,    allgemein    übliche  Modelle  wieder,    sie    sind  aber 
fast    alle    auf    Grund     der    reichen    langjährigen    Erfahrungen    der    be- 
treffenden Firmen  und  aus  dem  Bestreben   heraus,    möglichst   reine  und 
gut    aussehende    Ware    bei    geringstem    Verlust    zu    erhalten,     für    die 
speziellen  Zwecke   des  Lagers  verändert   und  verbessert  worden   und  in 
ihrer  Form  Originale  und  Geheimnis    des    Besitzers.     Von    den    Lagern 
wurden  die  Besucher   dann  in  die  Kontor-  und   Laboratoriumsräume  ge- 
führt.    In   diesen    wird    eine    exakte    Samenkontrolltätigkeit    ausgeführt. 
Die  meist  notwendigen  schnellen  Orientierungen  über  die  Qualität   eines 
Saatgutes  machen  eigene  kleine  Laboratorien  für  den  Grosshändier  zum 
dringenden  Bedürfnis.     Die  Einholung  eines  Gutachtens  selbst  von  einer 
nahe  gelegenen    Kontrollstation    erfordert  häufig    noch    zuviel   Zeit.     Gut 
geschulte  und   meist  in  einer  Kontrollstation   ausgebildete  Damen  waren 
hier  eifrig  auf  der  Suche  nach  Kleeseidekörnern    und  anderen  Unkraut- 
samen   oder    bedienten    und    revidierten    die    vielen,    sauber  gehaltenen 
Keimapparate.     Nach    den    ermüdenden  Wanderungen    über    die    vielen 
Treppen  und  Böden  erwartete  die  Besucher  im  Privatkontor  eine  von  den 
Besitzern  freundlichst  dargebotene  Erfrischung.  (Voigt.) 

Die  Interessenten  für  Warenkunde  fuhren  bis  zum  Freihafen  zur 
Besichtigung  des  Waren  lag  er  Speichers  der  Firma  Ockelmann 
&  Cpn Sorten,  die  für  zahlreiche  Kaufleute  hier  die  verschiedensten 
Waren  zu  Lager  hat.  Der  Inhaber  der  Firma,  Herr  Beuk,  hatte  auf 
einem  der  Böden  eine  kleine  Ausstellung  seiner  botanischen  Schätze  ver- 
anstaltet, die  er  den  Besuchern  bereitwilhgst  zur  Verfügung  stellte.  Auf 
den  einzelnen  Böden  lagerten  in  der  Originalverpackung  die  vielen  Ballen, 
Säcke,  Kisten  u.  ä.  Tabak,  Kaffee.  Kakao,  Koka,  Brasilkautschuk,. 
Gummi  Gelaton,  Quebrachoextrakt,  Gelbholzextrakt,  Gummi  arabicum, 
helles  und  dunkles  Carnaubawachs,  Lorbeerblätter,  Muskatnüsse,  Colo- 
quinten,     Piment,     Wolle,     China-Ziegenfelle,     Lammfelle,     Mähnenhaare^ 


XLII  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Kamelhaare,  Bienen  wachs,  Glimmer,  Marieuglas  etc.  Reichlich  wurde 
von    der  Erlaubnis    zum  Mitnehmen    kleiner  Proben  Gebrauch   gemacht. 

Zu  8  Uhr  abends  hatte  die  Hamburgische  Unterrichts- 
verwaltung zu  einem  Festmahle  im  Grundsteinkeller  des  Rat- 
hauses eine  besondere  Einladung  ergehen  lassen,  der  etwa  150  Botaniker 
und  geladene  Gäste  Folge  geleistet  hatten.  L)er  Präses  der  Oberschul- 
beh()rde,  Senator  Dr.  v.  3Ielle  begrüsste  die  p]rschieniMien  mit  folgenden 
Worten ; 

Meine  hochgeehrten  Herren  I  Die  Wissenschaft  bedarf,  wenn  sie 
sich  frei  entfalten  und  erfolgreich  weiter  entwickeln  soll,  nicht  nur  der 
Geisteskraft  und  der  rastlosen  Arbeit  der  Gelehrten,  sondern  auch  des 
Schutzes  und  der  Förderung  seitens  des  Staates,  wie  des  gesicherten 
Friedens,  der  für  jede  Kulturarbeit  die  erste  Bedingung  ist.  Stolz 
blicken  wir  Deutsche  auf  unser  im  Rate  der  Völker  Achtung  gebietend 
dastehendes  Deutsches  Reich  und  sein  erhabenes  Oberhaupt,  den 
Deutschen  Kaiser  Wilhelm  IL,  der  uns  den  Frieden  erhalten  hat,  der  allen 
Zweigen  der  Wissenschaft  ein  allezeit  reges,  persfmliches  Interesse 
entgegenbringt  und  der  Sorge  trägt,  dass  neben  den  Einzelstaaten  auch 
das  Reich  die  Erfüllung  wichtiger  wissenschaftlicher  Aufgaben  in  seine 
kräftige  Hand  nimmt. 

Doch  die  Wissenschaft,  die  eine  universale  geistige  Macht  ist,  soll 
und  kann  nicht  Halt  machen  an  den  politischen  Landesgrenzen.  Diese 
Erkenntnis  hat  nicht  nur  zu  internationalen  Gelehrtenkongressen  geführt, 
sondern  auch  zum  Zusammentreten  von  offiziellen  Vertretern  der  ver- 
schiedenen Staaten  behufs  gemeinsamer  Erörterung  mannigfacher,  für 
die  Staaten  selbst  oder  bestimmte  Kreise  ihrer  Angehörigen  bedeutsamer 
wissenschaftlicher  Fragen  und  Probleme.  Eine  solche  Versammlung 
staatlicher  Delegierter  ist  die  hier  jetzt  tagende  erste  internationale 
Konferenz  für  Samenprüfung.  Dass  sie  als  eine  neue  Etappe  auf  dem 
bedeutsamen  Wege  internationaler  Beratung  und  Verständigung  zustande 
gekommen  ist,  das  danken  wir  dem  bereitwilligen  Entgegenkommen  der 
in  dieser  Konferenz  vertretenen  Regierungen. 

Meine  Herren!  Ich  fordere  Sie  auf,  einzustimmen  in  den  Ruf 
„Seine  Majestät,  der  Deutsche  Kaiser  Wilhelm  IL,  Ihre  Majestäten,  die 
Souveräne  und  die  hohen  Staatsoberhäupter  der  hier  vertretenen  aus- 
ländischen Staaten,  sie  leben  hoch!" 

In  der  darauf  folgenden  Ansprache  wünscht  der  Redner  der  „an- 
gewandten Botanik"  auch  ferner  das  beste  Blühen  und  Gedeihen.  \A'enn 
Redner  sich  an  die  EröfTnungsfeierlichkeit  erinnere,  so  müsse  er  an- 
erkennen, dass  Prof.  Drude  für  die  angewandte  Botanik  ein  Arbeitsfeld 
entrollt   habe,    das    tiefer   als    sonst   eine  Wissenschaft  in  das  praktische 


Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung.  XLIII 

Lebon  hineinrage.  Prof.  Warburg  habe  sodann  unserer  Kolonialbotanik 
und  tropischen  Landwirtschaft  die  besten  Wege  zum  Erfolg  gewiesen, 
und  die  von  ihm  vorgeschlagene  Resolution,  welche  die '  ungeteilte  Zu- 
stimmung der  Versammlung  gefunden  habe,  sei  in  der  Tat  derartig, 
dass  man  nur  den  Wunsch  hegen  könne,  dass  Reichskanzler  und  Bundes- 
rat dazu  ihre  Zustimmung  im  Interesse  der  Kolonien  geben  möchten. 
Redner  glaube,  dass  auch  der  Hamburger  Senat  diese  Angelegenheit  im 
Bundesrat  unterstützen  werde.  Ebenso  erfreuUch  sei  es,  dass  die 
internationale  Samenkonferenz  gutes  Gedeihen  ihrer  Verhandlungen  zu 
verzeichnen  habe  und  nicht  minder  die  dritte  Gruppe,  vertreten  durch 
die  Ptlanzen-Systeraatiker  und  -Geographen.  Also  überall  ernste  Arbeit. 
Die  Anwesenden  würden  aber  wohl  auch  von  Hamburg  den  Eindruck 
gewonnen  haben,  dass  hier  ernst  und  tüchtig  gearbeitet  werde.  Man 
habe  Hamburg  eine  materielle  Stadt  genannt;  dem  sei  aber  nicht  so. 
In  Hamburg  werde  länger  gearbeitet,  als  in  vielen  anderen  Orten.  Länger 
in  dem  Sinne,  dass  es  in  Hamburg  keine  Rentiers  gebe.  Wenn  der 
der  Kaufmann  durch  seine  Söhne  im  höheren  Alter  im  Geschäft  ent- 
lastet werde,  so  stelle  er  immer  noch  seine  Kräfte  in  den  ehrenamt- 
lichen Dienst  der  hamburgischen  Verwaltung,  so  dass  man  in  Hamburg 
„in  den  Sielen  sterbe".  Aber  eine  materielle  Stadt  sei  Hamburg  darum 
noch  lange  nicht.  Das  zeige  die  vielfache  Unterstützung,  die  hier 
wissenschaftlichen  und  anderen  geistigen  Bestrebungen  zuteil  werde. 
Das  beweise  ferner,  wie  Redner  scherzend  hinzufügte,  schon  das  ein- 
fache Menü  des  Abends;  es  sei  dieses  Menü  nur  „angewandte  Botanik" 
und  etwas  Zoologie  in  der  Hoflnung,  dass  die  Herren  Botaniker  nicht 
auch  Vegetarier  aus  lauter  Interesse  für  die  Wissenschaft  geworden 
seien.  Der  Toast  klang  aus  in  ein  Hoch  auf  die  gegenwärtig  in  Hamburg 
tagenden  Vereinigungen  für  Botanik,  denen  auch  auf  den  nun  bevor- 
stehenden Ausflügen  nach  Vierlanden,  in  die  Heide  und  nach  Helgoland 
<3as  „selten  schöne"   Hamburger  Wetter  weiter  hold  sein  möge. 

(Nach  Hbg.  Premdenblatt  No.  216.) 
Don  Dank  stattete  Geh,  Hofrat  Prof.  Dr.  Drude- Dresden  ab  und 
brachte  ein  Hoch  dem  Chef  der  Hamburgischen  Unterrichtsverwaltung. 
Herrn  Senator  Dr.  v.  Melle.  Hof  rat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien  gedachte 
der  Arbeit  des  Ortsausschusses,  vor  allem  der  hohen  Verdienste  des 
Herrn  Prot  Dr.  Zacharias.  Dieser  wiederum  dankte  für  die  Anerkennung, 
gedachte  seiner  Mitarbeiter,  Prof.  Dr.  Voigt  und  Dr.  Brick,  sowie  der 
Hamburger  Kaufleute,  deren  Geschäfte  vielfach  mit  der  angewandten 
Botanik  in  unmittelbarem  Zusammenhange  stehen,  und  feierte  die  an- 
wesenden Vertreter  der  botanischen  Praxis.  Schhesslich  forderte  Ge- 
hehnrat  Prof.  Dr.   Engler-Berlin  zu  einem  Hoch  auf  Hamburg  auf. 


XLIV  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Freitag,  den  14.  September, 

Yoji  9 — 12  Uhr  Sitzung   im  Hörsaale    des  Botanischen  Gartens, 
Als  erster  Vortragender  sprach  Dr.  3Iiir(lfteld-Hamburg  über 

das  Lignin  und  Kutin  pflanzlicher  Futterstoffe  in  chemischer 
und  physiologischer  Hinsicht'). 

In  der  Analyse  einiger  unserer  Futter-  und  auch  Lebensmittel 
spielt  die  sogenannte  Roh-  oder  Holzfaser  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Rolle.  Die  mannigfachen  Methoden,  welche  in  der  angewandten  Chemie 
zu  ihrer  analytischen  Bestimmung  ausgearbeitet  wurden,  sind  jedoch 
alle  mehr  oder  weniger  konventioneller  Natur,  da  sie  unter  den  BegrifT 
der  Roh-  oder  Holzfaser  noch  Stofte  unterbringen,  welche  in  den  ül)rigen 
Anaiysendaten  bereits  bewertet  werden. 

Das  von  J.  König  neuerdings  vorgeschlagene  Glyzerin-Schwefel- 
säureverfahren zur  Bestimmung  der  Rohfaser,  sowie  das  Wasserstoff- 
superoxyd-Oxydationsverfahren zur  Bestimmung  der  Zellulose  leidet 
wohl  am  wenigsten  unter  diesen  Mängeln.  Auf  Veranlassung  J.  Kihiigs 
haben  Dr.  A.  Pürstenberg  und  der  Vortragende  eingehende  Unter- 
suchungen über  die  chemischen  Bestandteile  der  Königschen  Rohfaser 
angestellt  und  auch  die  Verdauung  der  einzelnen  Bestandteile  beobachtet. 

Die  chemischen  Untersuchungen  hatten  folgende  Ergebnisse: 
Ausser  geringfügigen  Verunreinigungen  durch  N-Substanzen  und  Pento- 
sane  bestand  die  nach  dem  Glyzerin-Schwefelsäureverfahren  gewonnene 
Rohfaser  der  Gras-  und  Kleiearten  aus  drei  Gruppen  chemisch  charak- 
terisierter Bestandteile: 

1.  aus  den  Zellulosen  (nicht  durch  Wasserstoffsuperoxyd  oxy- 
dierbaren, in  Kupferoxydammoniak  unlöslichen  Substanzen): 

2.  aus  den  Ligninen  (durch  Wasserstoffsuperoxyd  oxydierbaren,, 
in  Kupferoxydammoniak  unlöslichen  Substanzen)  und 

3.  aus  dem  Kutin  (einem  wachsähnlichen  Körper,  welcher  weder 
durch  Wasserstoffsuperoxyd  noch  durch  Kupferoxydammoniak 
verändert  wurde). 

Die  Zellulosen  zeigten  (namenthch  in  der  Weizen-  und  Roggen- 
kleie)   nicht    immer    den    theoretischen  KohlenstofTgehalt    von  44,44  "^/q,- 

1)  Siehe:  A.  Fürstenberg,  Inaugur;d  -  Dissertation,  Münster  19Ü5.. 
K.  Murdfield,  Inaugural-Dissertation,  Münster  19ü().  J.  König,  Zeitschr.  f. 
Unters,  der  Nahrungs-  u.  Genussmittel  I  (1898),  S.  3;  VI  (1903),  S.  769; 
VII  (1906),  S.  385.  J.  König,  A.  Fürstenberg  u.  H.  Murdfield,  Land- 
wirtsch.  Versuchsstationen  LXV  (1906),  S.  5;").  J.  König,  Ber.  der  Deutsch. 
Chem.  Gesellsch.  XTV  (1906). 


Mui-dfield,  Das  Lignin  und  Kutin  pflanzlicher  Futterstoffe  etc.        XLV 

entsprechend  der  Formel  (Gg  H^^3  O5)  n,  wenngleich  sie  sich  durch  ihr 
sonstiges  Verhalten  durchaus  nicht  von  der  wahren  Zellulose  unter- 
schieden. Sie  lieferten  teilweise  merklich  höhere  Kohlenstoffwerte;  es 
wurde  festgestellt,  dass  diese  Erhöhung  des  Kohlenstoffgehaltes  auf  das 
Vorhandensein  von  Methyl-,  Äthyl-,  Aceiyl-  oder  ähnlichen  Einlagerungen 
zurückzuführen  ist.  Die  nach  dem  Jodmethoxyl- Verfahren  von  Zeissl 
gewonnenen  Methylzahlen  korrespondierten  mit  den  gefundenen  Kohlen- 
stoff werten. 

Die  Lignine  zeigen  stets  schw\ankenden  Gehalt  an  Kohlenstoff 
(von  52 — 60  °/o)  und  müssen  als  ein  Konglomerat  von  chemisch  ähnlich 
gearteten  Körpern  angesehen  werden.  Ihre  Methylzahlen  sind  teil- 
weise recht  beträchtlich. 

Das  Kutin  (so  benannt  wegen  seiner  ausserordentlichen  Ähnlich- 
keit mit  dem  „cutine"  Fremys)  hat  einen  Kohlenstoffgehalt  von 
78 — 80  °/o  (in  der  aschefreien  Trockensubstanz).  Ob  die  Kieselsäure, 
welche  eine  stetige  Begleiterscheinung  des  Kutins  ist,  eng  mechanisch 
oder  vielleicht  sogar  chemisch  mit  dem  organischen  Teil  des  Kutins 
verbunden  ist,   wurde  noch  nicht  genau  festgestellt. 

Die  genannten  chemischen  Befunde  veranlassten  den  Vortragenden 
zur  Ausarbeitung  eines  Verfahrens  zur  Bestimmung  von  Zellulose,  Lignin 
und  Kutin.  Sie  führten  ferner  zu  der  Annahme,  dass  die  Verholzung 
der  pflanzlichen  Membran  eine  allmähliche  Einlagerung  von  kohlenstoff- 
haltigen Kernen  in  die  ursprüngliche  Zellulose  sei;  ein  genetischer  Zu- 
sammenhang zwischen  Kutin  und  Zellulose  konnte  dagegen  nicht  auf- 
gefunden werden. 

Die  durch  Verdauungsversuche  bei  Schafen,  Schweinen  und 
Kaninchen  festgestellten  physiologischen  Ergebnisse  gipfeln  im  allgemeinen 
darin,  dass  Vortr.  sowohl  dem  Lignin  als  auch  dem  Kutin  sehr  ver- 
dauungsstörende  Eigenschaften  zuspricht.  Im  übrigen  werden  von  den 
Rohfaserbestandteilen  die  Zellulose  am  besten,  die  Lignine  wesentlich 
schwächer  und  das  Kutin  fast  gar  nicht  ausgenutzt.  Allgemein  ist  zu 
bemerken,  dass  stets  die  kohlenstoffärmeren  Bestandteile  verdauhcher 
erscheinen  als  die  an  Kohlenstoff  reicheren  Gruppen.     (Murdfield.) 

Prof.  Dr.  P.  Liiidiier-Berlin  trug  sodann  unter  Vorlage  von  Kul- 
turen und  Apparaten  vor  über 

Neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  des  Gärungsgewerbes 

(s.  S.  98—111). 

Zur  Diskussion  meldet  sich  niemand. 


XLVI  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Dr.  R.  Ewert-Proskau   demonstrierte 
die    durch  Bordeauxbrühe    oder  Beschattung    hervorgerufene 
Verlangsamung   des    Stoffweclisels   in   grünen   Blättern. 

An  einer  grösseren  Menge  von  präparierten  Kartoffel-,  Bohnen- 
und  Weinblättern  wurde  gezeigt,  dass  halbseitig  mit  4  ^/oiger  Bordeaux- 
brühe bestrichene  Blätter  nach  vorangegangenen  sonnigen  Tagen 
in  den  Morgenstunden  auf  der  behandelten  Hälfte  noch  Stärke  führen 
können,  während  ihre  unbehandelte  Hälfte  schon  stärkefrei  ist.  Auf 
dieser  Tatsache  beruht  vornehmlich  die  irrtümliche  Auffassung,  dass 
bordelaisierte  Blätter  resp.  Blattteile  stärker  assimilieren  wie  unbe- 
handelte. Letztere  Annahme  wird  auch  dadurch  entkräftet,  dass  nach 
ängerer  Besonnung  gerade  die  unbehandelte  Seite  wieder  mehr  Stärke 
aufweist.  Da  nicht  allein  durch  Kupferkalk,  sondern  auch  z.  B.  durch 
eine  3°/(,ige  Kalkmilch  die  gleichen  Erscheinungen  hervorgerufen  worden 
können,  wie  ebenfalls  durch  entsprechende  Kartoffelblattpräparate  demon- 
striert wird,  so  ist  damit  der  Beweis  geliefert,  dass  es  sich  bei  der 
langsameren  Abführung  der  Stärke  gar  nicht  um  eine  spezifische 
Kupferwirkung  zu  handeln  braucht,  sondern  dass  allein  schon  durch  die 
Schattenwirkung  des  Kupferkalk-  resp.  Kalkbelags  der  gleiche  Erfolg 
erzielt  werden  kann.  (Ewert.) 

Bei  der  sehr  vorgeschrittenen  Zeit  wurde  die  Aussprache  über  den 
Gegenstand  auf  die  Exkursion  nach  den  Vierlanden  verschoben. 

Dr.  R.  Ewert-Proskau  sprach  sodann  über 

die   Parthenokarpie   der   Obstbäume. 

An  einer  grösseren  Anzahl  lebender  und  präparierter  Früchte 
wurde  gezeigt,  dass  man  gewisse  Apfel-  und  Birnsorten  ganz  nach 
Belieben  kernlos  oder  kernhaltig  erziehen  kann.  Es  geschieht  in  der 
Weise,  dass  man  jede  Art  der  Bestäubung  verhindert.  Wir  haben  es 
hier  also  mit  Parthenokarpie  zu  tun. 

Da  bei  den  Blüten  sehr  vieler  Apfel-  und  Birnsorten  die  Narben 
weit  über  die  Antheren  hinausragen  und  aus  diesem  Grunde  eine  Eigen- 
bestäubung sehr  erschwert  ist,  so  erhält  man  auch  dann  schon  kern- 
lose Früchte,  wenn  man  allein  die  Fremdbestäubung  z.  B.  mit  Hilfe 
von  Gazehüllen  ausschliesst.  Es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  die  von 
Waite  behauptete  Selbstfertilität  sich  vielfach  mit  Parthenokarpie  deckt. 

Die  ohne  jede  Bestäubung  entstandenen  Früchte  können  die 
gleiche  Grösse  erreichen  wie  diejenigen,  welche  sich  unter  Einwirkung 
fremden  Pollens  entwickelt  haben,  doch  haben  beide  ihre  charakteristische 
Gestalt.  E)ie  mit  ganz  verkümmerten  Samen  versehenen  Früchte  der 
Birnsorte    „Gute    Luise    von    Avranches"    haben    z.  B.    eine    schlankere 


Ewert,  .Die  Parthenokarpie  der  Obstbäume.  XLVII 

Form  wie  die  normale  Kerne  fülirenden  Früchte  derselben  Sorte.  Man 
kann  daher  schon  aus  der  Form  der  Frucht  mit  grosser  Sicherheit  auf 
ihren  Iverngehalt  schliessen.  Es  wurden  verschiedene  Früchte  vor  der 
Versammlung  durchschnitten,  und  die  Probe  auf    das  Exempel  stimmte. 

Die  Bedeutung  der  Entdeckung  der  Parthenokarpie  bei  unseren 
Obstbäumen  beruht  nicht  so  sehr  darauf,  dass  man  Fruchtsorten,  die 
sich  unter  natürlichen  Bedingungen  kernhaltig  entwickeln,  zwingen 
kann,  sich  kernlos  auszubilden,  sondern  sie  besteht  hauptsächlich  in  der 
Tatsache,  das  es  unter  unseren  vielen  Obstsorten  solche  gibt,  die  ohne 
Befruchtung  Früchte  zu  liefern  vermiigen;  denn  letztere  verdienen  in 
allen  den  Fällen,  in  denen  die  Bestäubung  und  besonders  die  Fremd- 
bestäubung erschwert  ist  —  Verhinderung  des  Bienenflugs  durch  un- 
günstige Witterung,  Massenanbau  einer  Obstsorte  —  den  Vorzug. 

Eine  Reihe  weiterer  Beobachtungen,  die  in  Zusammenhang  mit 
der  I\ernlosigkeit  stehen,  wurde  gemacht;  so  ist  z.  B.  das  Verhalten 
der  Obstmade  zu  den  kernlosen  Früchten  zu  erwähnen.  Es  würde  in- 
dessen zu  weit  führen,  hier  auf  Einzelheiten  einzugehen.  Ausführlichere 
Mitteilungen  über  die  vom  Vortr.  angewandte  Methode  zur  künstlichen 
Erzielung  kernloser  Früchte  sowie  genauere  Anführungen  der  Ver- 
suchsergebnisse sollen  demnächst  in  einer  besonderen  Schrift  erfolgen,  so 
dass  im  nächsten  Frühjahr,  da  das  Verfahren  sehr  einfach  ist,  jeder- 
mann die  Versuche  in  seinem  Garten  wiederholen  kann.      (Ewert.) 

Prof.  iJr.  Kirchuer-Hohenheim  bemerkt  in  der  Diskussion,  dass  er 
das  Vorkommen  der  Parthenokarpie  bei  den  Obstbäumen  an  sich  nicht 
in  Zw'eifel  ziehen  wolle,  dieselbe  sei  aber  durch  Abhaltung  der  Fremd- 
bestäubung allein  selbst  bei  solchen  Sorten,  in  deren  Blüten  die  Narben 
weit  über  die  Antheren  hinausragen,  noch  nicht  bewiesen,  es  müsse 
vielmehr  auch  eine  Kastration  der  Blüten  stattfinden.  Ferner  findet 
Redner  es  für  angebracht,  die  Bezeichnung  Parthenokarpie  durch  das 
deutsche  Wort  Fruchtungsvermögen  zu  ersetzen. 

Prof.  Dr.  Zacharias-Hamburg  weist  auf  die  Behauptung  Müller- 
Thurgaus  hin,  nach  welcher  der  Pollenschlauch,  ohne  eine  eigent- 
liche Befruchtung  zu  vollziehen,  doch  einen  Wachstumsreiz  auf  die 
junge  Fruchtanlage  ausüben  soll.  Aus  dem  Fehlen  der  Kerne  kann 
daher  nicht  ohne  weiteres  gefolgert  werden,  dass  die  Fruchtbildung 
ohne  Einwirkung  des  Pollens  erfolgt  sei. 

Dr.  R.  Ewert-Proskau  betont  diesen  Einwänden  gegenüber,  dass 
er  ja  keineswegs  auf  Grund  von  Versuchen,  bei  denen  nur  die  Fremd- 
bestäubung verhindert  worden  sei,  das  Vorkommen  der  Parthenokarpie 
bei  unseren  Obstbäumen  behaupte,  sondern  er  tue  es  hauptsächlich  auf 
Grund    von  Ergebnissen    derjenigen  Versuche,    die    darauf    hinausliefen. 


XLVIII  llericht  über  die  4.   Hauptversammlung  der   N'ereinigung-. 

die  Narben  vor  dem  Aufbrechen  der  Blüten  durch  geeignete  chemische 
Mittel  ihrer  Empfängnisfähigkeit  überhaupt  zu  berauben.  Durch  ein 
derartiges  Verfahren  sei  auch  das  Kastrieren  der  Blüten  unnötig  ge- 
worden, das  auch  deswegen  vermieden  sei,  um  niclit  W'undparasiten 
das  Eindringen  in  die  jungen  Fruchtanlagen  zu  ermöglichen. 

Zum  Schlüsse  wurde  noch  die  Frage  diskutiert,  ob  das  Vordringen 
des  Pollenschlauchs  zur  Samenknospe  abhängig  sei  von  der  normalen 
Funktion  der  Narbe,  speziell  dem  Austritt  des  Narbensekrets, 

Dr.  Haiipt-Bautzen  vertritt  die  Ansicht,  dass  eine  derartige  Ab- 
hängigkeit des  Befruchtungsvorganges  von  der  Empfängnisfähigkeit  der 
Narbe  besteht,  Dr.  Ewert  und  Prof.  Dr.  Zacliarias  sind  der  Meinung, 
es  sei  nicht  undenkbar,  dass  gelegenthch  z.  B.  bei  zufälliger  Verletzung 
des  Griffels  der  Pollenschlauch  auch  unabhängig  von  der  Narbe  zur 
Samenknospe  zu  gelangen  vermöge,  da  die  Keimung  der  Pollenkörner 
in  den  verschiedensten  Medien  erfolgen  kann  und  keineswegs  vom  Vor- 
handensein  des  Narbensekrets  abhängig  ist, 

Professor  Dr.  E.  Zacliarias-ffaniburg  hielt  sodann  unter  Vorzeigung 
von  Präparaten  einen  Vortrag 

über  Degeneration  bei  Erdbeeren   (s.   S.  51 — 62  u.  Taf.  I — H)_ 

Ingenieur  W.  H.  Schramm-Graz  hatte  durch  Professor  P.  Reinitzer- 
Graz  drei  Arbeiten  über  Farbe  und  Verfärbung  der  Hölzer  ein- 
gesandt, die  jedoch  der  vorgerückten  Zeit  wegen  nicht  mehr  zum 
Referat  gebracht  werden  konnten.  Sie  gelangen  in  dem  diesjährigen 
Jahresbericht  zum  Abdruck  (s.  S.   116  — 163). 

Zu  einem  Ausflug  in  die  Zentral-Heide  unter  Führung  von 
Dr,  Brick  hatten  sich  um  T'/a  L'hr  morgens  am  Hannoverschen  Bahn- 
hofe zusammengefunden:  Ascherson  Berlin,  Bitter-Bremen,  Brick- 
Hamburg,  Büsgen-Münden,  Diels-Berlin,  Dinklage-Hamburg,  Engler- 
Berlin,  Flögel-. Ahrensburg,  Friederichsen-Rostock,  Graebner-Berlin, 
Hochreutiner-Genf,  Jaap-Hamburg,  Johnson-Dublin,  Kümmerle- 
Budapest,  Muth- Oppenheim,  Petzet- Hamburg,  Schmidt- Hamburg, 
Schütz-Lenzen,  v.  Szabo-Budapest  und  Warming-Kopenhagen,  sowie 
Frau  Dr.  Graebner-Berlin  und  die  Herren  Rat  Dr,  Bleiken.  Kauf- 
mann F.  Gabain  und  Photograph  F.  Rompel  aus  Hamburg.  Der  um 
7  Uhr  43  Minuten  abgehende  Zug  brachte  die  Exkursionsteilnehmer 
über  Buchholz  nach  Wintermoor,  wo  Wagen  bereit  standen  zur  Fahrt 
über  das  malerisch  zwischen  Eichen  gelegene  Forsthaus  Ehrhorn  nach 
Einem.  Kurz  vor  diesem  Gehöft  wurden  die  Wagen  verlassen,  um  eine 
hohe  Binnenlandsdüne  mit  ihrer  Vegetation  zu  besichtigen.  Dann 
ging  es  zu  Fuss  weiter  nach  dem  unter  alten  Buchen  sjelegenen  Heide- 


Ausflug  in  die  Heide  und  in  die  Vierlande.  XLIX 

geh  oft  Kinem,  wo  sich  Herr  Förster  Schröder  der  Gesellschaft  aii' 
schloss.  Bald  hinter  Einem  tauchten  die  zahlreichen  alten  Wacholder 
in  ihren  eigenartigen  Formen  auf;  eine  besonders  schöne  und  reiche 
Wacholdervegetation  bot  der  kleine  Hexengrund  dar.  In  der  Ferne  sah 
man  bereits  die  durch  eine  jetzt  einsame  Fichte  gekennzeichnete  Höhe 
des  Wllseder  Berges,  des  nächsten  Zieles  der  Exkursion.  Von  dem 
Wege  dahin  wurde  etwas  abgewichen,  um  einen  malerischen  alten 
typischen  Heideschafstall  mit  seinem  bis  auf  den  Boden  reichenden 
Heidekrautdache,  einen  der  eigenartigen  Bienenstände  der  Heide,  einen 
schönen  Wacholderwald  und  die  Saatbeete  für  die  forstlichen  An- 
pflanzungen zu  betrachten.  Der  169,2  m  hohe  Wilseder  Berg,  die 
höchste  Erhebung  der  Lüneburger  Heide,  der  wegen  seiner  bei  klarem 
Wetter  weiten  Fernsicht  (Türme  von  Hamburg,  Deister,  Harz  mit  dem 
Brockenhause)  und  wegen  des  Überblickes  über  die  Heide  ein  hervor- 
ragender Aussichtspunkt  ist,  zeigt  zwar  noch  auf  seinem  Gipfel  und  den 
Abhängen  reine  Heidevegetation,  in  der  zahlreiche  grosse  und  kleine 
Steinblöcke  als  Zeichen  der  Eiszeit  zerstreut  umherliegen,  aber  schon 
rücken  die  Forstkulturen  bedenklich  nahe  an  ihn  heran.  Der  hier  in 
dieser  Umgebung  auf  der  Höhe  des  Wilseder  Berges  bei  schönem 
Wetter  beabsichtigte  Vortrag  von  Dr.  P.  Graebner-Berlin   über 

die  Vegetationsbedingungen  der  Heide') 

musste  des  Regens  wegen  verschoben  werden,  bis  man  im  Gasthofe  zu 
Wilsede  ein  schützendes  Dach  gefunden  hatte. 

Die  Tour  führte  sodann  nachmittags  nach  dem  romantischen,  jedem 
Heidefreunde  bekannten  Totengrund,  einer  Talsenkung  von  eigenartiger 
Schönheit,  namentlich  zur  Zeit  der  Heideblüte.  Ausserordentlich  zahl- 
reiche Wacholderbüsche  bekleiden  in  lockerem  Bestände,  wie  die  Cypressen 
auf  einem  südländischen  Friedhofe  wirkend,  besonders  die  Süd-  und 
Westhänge  —  auf  dem  Messtischblatte  (1378  Behringen)  als  Stein- 
grund  bezeichnet  — ,  während  auf  der  ausgedehnten  Talsohle  nur  reine 
Calluna  wächst.  Der  östliche  Teil,  ein  21  ha  grosser  flacher  Tal- 
kessel, ist  kürzlich  von  Prof.  Dr.  Thomson  in  Münster,  einem  be- 
geisterten Heidewanderer,  käuflich  erworben  worden  und  soll  für  immer 
in  seiner  jetzigen  Gestalt  als  ein  Naturdenkmal  erhalten  bleiben. 
Wünschenswert  wäre,  dass  auch  die  hier  gelegenen  Süd-  und  West- 
hänge der  Wilseder  Hochfläche,  der  Steingrund,  mit  den  Resten  jenes 
gewaltigen  Granitblockes,  dessen  erhaltenes  letztes  Viertel  noch  7,7  m 
Umfang  und  2,2  m  Höhe  hat,  in  ihrer  ursprünglichen  Form  als  typische 


')  Der    Vortrag     wird     in    Englers    Botanischen    Jahrbüchern    1907    er- 
scheinen. 

Tabresbericht  der  Vereinigung  für  .ingewandte  Botanik  IV.  IV 


L  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  clor  Vereinigung. 

Heidelandschaft  späteren  Generationen  erhalten  bliebe.  Weiter  g'ing"s 
zunäclist  durch  die  hohe  Heide  der  Talsohle,  sodann  auf  der  Schneise 
49/56  und  auf  dem  nach  Oberhaverbock  führenden  Wege  durch  den 
kgl.  Forst  Langeloh.  Beim  westhchen  Austritt  aus  dem  Walde  führte 
der  Marsch  auf  typischem,  durch  kümmerliche  Birken  gekennzeichnetem 
Heidewege,  an  dem  zu  l)eiden  Seiten  zahlreiche  Hünen  grab  hü  gel 
lagen,  nach  den  in  einem  Eichenhain  gelegenen  Höfen  von  Ober- 
haverbeck,  in  deren  einem  alte  hohe  Hex  aquifolium  bewundert 
wurden,  und  sodann  nach  dem  sich  ähnlich  darbietenden  Niederhaverbeck. 
Hier  wurde  in  die  bereitstehenden  Wagen  gestiegen  und  durch  das 
Haverbecker  Holz,  das  sich  gleichfalls  durch  reichen  Wacholder- 
bestand auszeichnet,  über  Einem  —  vorbei  an  einer  in  der  Heide  frei- 
stehenden schönen  Rotl)Uche  von  4,10  m  Stammumfang  —  und  Ehr- 
horn  nach  Wintermoor  zurückgekehrt,  von  wo  man  mit  der  Bahn  um 
8'/2   ^^1^^'  wieder  in  Hamburg  eintraf. 

Für  die  in  den  Sitzungen  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik 
und  der  Konferenz  für  Samenkontrolle  anwesenden  Kongressteilnehmer 
mit  ihren  Damen  war  für  den  Nachmittag  ein  Ausflug  in  die  Vier- 
lande  unter  Führung  von  Professor  Dr.  Zacharias  und  Professor  Dr. 
Voigt  vorgesehen.  Der  Zug  um  2  Uhr  25  Minuten  von  Bahnhof  Lippelt- 
strasse  brachte  die  Teilnehmer  in  knapp  halbstündiger  Fahrt  nach  dem 
freundlichen  hamburgischen  Städtchen  Bergedorf,  von  wo  der  Ausflug 
in  die  Vierlande  per  Wagen  angetreten  wurde.  Wenn  auch  die  Jahres- 
zeit zu  sehr  vorgeschritten  war,  um  den  Gemüse-,  Blumen-  und  Obst- 
garten Hamburgs  in  vollster  Entwickelung  sehen  zu  können,  so  bot  doch 
die  Fahrt  einen  Einblick  in  die  interessante  Eigenart  der  Eibmarschen 
und  den  emsigen  Betrieb  ihrer  Bewohner.  Auf  hohen,  schmalen,  an 
ihren  Biischungen  meist  mit  alten  Obstbäumen  bestandenen  Deichen 
fuhren  die  Wagen  dahin.  Zwischen  den  Kronen  der  Bäume  schweifte 
der  Blick  frei  über  das  tiefer  gelegene  IVIarschland.  Die  langen, 
schmalen,  durch  Gräben  getrennten  Landstreifen  trugen  z.  T.  noch  den 
Rest  der  alljährlichen  Zierblumenkulturen,  Astern,  Dahlien  u.  a.  m., 
andere  wieder  waren  mit  einem  der  wichtigsten  Exportartikel  der  Vier- 
lande bestanden,  mit  Maiblumen,  die  als  junge  Keime  zu  Millionen  gezüchtet 
und  meist  übers  Meer  gesandt  werden.  Mit  diesen  wechseln  wieder  Erdbeer- 
beete, Beerensträucher  und  Gemüsekulturen  in  Ininter  Reihenfolge.  Hin  und 
wieder  blickt  aus  dem  Grün  der  als  Windschutz  geschorenen  Linden 
der  strohbedeckte  und  von  einem  Storchennest  gekrönte  Giebel  eines  alt- 
ehrwürdigen Bauernhauses  über  den  Deichrand  und  gibt  mit  der  origi- 
nellen Anordnung  der  Steine  innerhalb  der  Fachwerkrahmen  und  den 
Schnitzereien    an    den  Balken    ein    deutliches  Bild    von    dem  Kunstsinn 


Ausflug  nach  Helgoland.     Kuckuck,  Tangverwertung.  LI 

seiner  Bewohner.  In  dem  Kirchdorfe  Curslack  wurde  die  Kaffeepause 
benutzt  zur  Besichtigung  einzelner  Kulturen,  zum  Besuch  der  freund- 
lichen, alten  Kirche  und  zu  einem  Blick  in  die  Behausungen  der  Vier- 
länder. Von  hier  ging  die  Fahrt  zunächst  durch  einen  Teil  der  Vierlande, 
der  mehr  reine  Landwirtschaft,  Getreidebau  und  Viehzucht,  treibt,  um 
dann  wieder  in  Kirch  ward  er  und  in  dem  Endziel  der  Fahrt,  dem  freundlich 
an  der  Elbe  gelegenenZoUenspieker,  einer  einstigen  Zollstelle,  ähnliche  Be- 
wirtschaftungsverhältnisse anzutreffen  wie  auf  dem  ersten  Teile  des  Aus- 
fluges. Nach  einem  einfachen  Abendessen  in  dem  ehrwürdigen  Zollen- 
spieker  führte  ein  Dampfer  die  Teilnehmer  auf  der  schweigenden,  bereits 
vom  Dunkel  des  Herbstabends  überschatteten  Oberelbe  in  etwa  ein- 
stündiger Fahrt  dem  Lichtermeer  des  Hamburger  Hafens  zu.  Auf  der 
Eibhöhe  oberhalb  der  Landungsbrücken  trafen  die  Ausflügler  mit  den 
Heidewanderern  zusammen,  um  von  der  Terrasse  des  Hotels  Wiezel  noch 
eine  Weile  sich  gemeinsam  des  bei  der  abendlichen  Beleuchtung  be- 
sonders schönen  Hafenbildes  zu  erfreuen.  (Voigt.) 


Sonnabend,  den  15.,  und  Sonntag,  den  16.  September, 

Ausflug  nach  Helgoland. 
Der  Dampfer  „Cobra"  führte  Sonnabend  8  Uhr  morgens  von  den 
St.  Pauli-Landungsbrücken  50  Herren  und  Damen  des  Botanikerkongresses 
elbabwärts  vorbei  an  den  herrlichen  Ufern  bis  Blankenese  und  Schulau, 
an  Finkenwärder,  dem  Kirschenlande  der  Luhe,  der  Einmündung  des 
Nord-Ostsee-Kanals,  Glückstadt  und  anderen  Orten,  Cuxhaven,  der  Insel 
Neuwerk  mit  ihrem  alten  Leuchtturme  und  vorbei  an  zahlreichen  ein- 
kommenden Schiffen  nach  Helgoland.  Leider  musste  dos  schlechten 
Wetters  wegen  in  Helgoland  die  geplante  Exkursion  in  Böten  zum 
Studium  der  Algenvegetation  und  das  Dredschen  im  Nordhafen  auf- 
gegeben werden.  Dafür  wurde  imter  der  Führung  von  Prof.  Dr.  Ehren- 
baum, Prot.  Dr.  Hartlaub  und  Prof.  Dr.  Kuckuck  die  Biologische 
Anstalt,  das  Aquarium  und  das  Nordseemuseum  besichtigt.  In 
diesem  hielt  Prof.  Dr.  P.  Kuckuck-Helgoland  einen  Vortrag: 

Mitteilungen  über  Tangverwertung. 
Der  Vortragende   schilderte  kurz    die  Verarbeitung  der  Laminarien 
und  Fucaceen   auf    Jod,    wobei    er    auch    der    kleinen  Kelpbrennerei 
gedachte,  die  früher  auf  Helgoland  existierte,   und  l)esprach  im  Anschluss 

IV* 


LI[  Bericht  über  die  4.  Hauptversammlung  der  Vereinigulla; 

daran  einige  nebensächliche  Verwendungen,  die  für  Helgoland  charakte- 
ristisch sind,  so  die  Düngung  der  Äcker  auf  dem  Oberlande  mit  den 
am  Strande  angetriebenen  Laminarien  und  die  Herstellung  der  „Stipites 
Laminariae"  aus  Stengeln  der  Lmn'inar'ni  hypcrborca.  Ausführlicher 
wurde  dann  die  Norgine-Fabrikation  behandelt,  bei  welcher  die  auch 
bei  Helgoland  häufigen  Laminaria- Arten,  L.  digitata,  L.  hyperhorea 
und  L.  sacchar'ma  nach  dem  Verfahren  des  Norwegers  Axel  Krefting 
auf  organische  Bestandteile  und  speziell  auf  Tanginsäure  verarbeitet 
werden,  eine  organische  stickstofffreie  Säure,  die  als  „Calciumtangat" 
gewonnen  und  meist  mit  einer  entsprechenden  Menge  Soda  vermischt 
als  „Norgine"  in  den  Handel  kommt.  E>ie  Norgine  gibt  einen  vorzüg- 
lichen Klebestoff  ab,  der  sich  besonders  in  der  Textilindustrie  als 
Appreturmittel  mit  Vorteil  verwenden  lässt,  aber  auch  zum  Binden  von 
Malerfarben  und  für  zahlreiche  andere  Zwecke  benatzt  werden  kann. 
An  der  Küste  der  Bretagne  hat  man  eine  gut  rentierende  Fabrik  be- 
gründet, die  zugleich  Jod  liefert.  Auch  in  Deutschland  hat  sich  eine 
Gesellschaft  gebildet,  die  den  Seetang  auf  Norgine  verarbeiten  will.  Da 
aber  an  den  deutschen  Küsten  die  Laminarien-Vegetation  nur  spärlich  ist 
oder  gänzlich  fehlt,  so  würde  nur  Helgoland  in  Betracht  kommen,  und 
w^enn  auch  hier  die  Bestände  sehr  üppig  sind  und  ein  Areal  von  etwa 
5 — 10  Quadratkilometern  bedecken,  so  würde  dies  doch  für  einen  fabrik- 
mässigen  Betrieb  kaum  genügen.  (Kuckuck.) 

Sodann  wurde  ein  Spaziergang  auf  dem  Oberland  unter- 
nommen zur  Besichtigung  der  Flora  und  der  eigenartigen  geologischen 
Formation  von  Helgoland.  Am  Sonntag  konnten  Ausflüge  zur  Düne 
und  Rundfahrten  um  die  Insel  unternommen  werden.  Die  Dampfer 
um  1  Uhr  10  Minuten  mittags  und  6  Uhr  nachmittags  führten  die 
meisten  Teilnehmer  wieder  nach  Hamburg  zurück.  Eine  nicht  unbe- 
trächtliche Zahl  blieb  jedoch  noch  auf  der  herrlichen  Insel,  um  die  Algen 
in  Müsse  zu  studieren  und  zu  sammeln. 


Montag,  den  17.,  und  Dienstag,  den  18.  September, 

war  für  die  Kückreisenden  im  neuen  Botanischen  Museum  in 
Dahlem  bei  Berlin  eine  Ausstellung  interessanter  neuer  Er- 
werbungen und  Sammlungen  mit  Erläuterungsvorträgen  von  Geheim- 
rat Prof.  Dr.  A.  Engler  veranstaltet. 

Brick. 


Mitgliederliste.  Lnl 


Mitgliederliste 
der  „Vereinigung  für  angewandte  Botanik'^  für  1906. 

(Adressenändei'ungen    bzw.    Uni-ichtigkeiten    im    Verzeichnis    bittet    man  bald- 
möglichst dem  Schriftführer  der  Vereinigung,  Dr.  Brick,  Station  für  Pflanzen- 
schutz, Hamburg  14,  anzuzeigen.) 

Abromeit,  J.,  Dr.,  Privatdozent,  Königsberg  i.  Pr.,  Botan.  Garten. 

Adamovich,   Alexander,   Gutsbesitzer  in  Ujvidek  (Neusatz),  Ungarn. 

Ader  hold,  Rudolf,  Dr.,  Geh.  Regierungsrat,  Direktor  der  Kaiserl,  Bio- 
logischen Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz 
bei  Berlin  (f  17.  III.   1907). 

Ahrens,  C,  Dr.,   Beeidigt.   Handelschemiker,    Hamburg   11,  Deichstr.   2. 

Appel,  Otto,  Dr.,  Regierungsrat,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen 
Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft,    Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Arnim- Schlagenthin,  Graf  v.,  Nassenheide  (Pommern). 

Ascherson,  Paul,  Dr.  phil.  et  med..  Geh.  Regieriingsrat,  Professor  an 
der  Universität,  Berlin  W.,  Bülowstrasse  51. 

Barth,  Hans  Philipp,  Weingutsbesitzer,  Dürkheim  a.  d.  Haardt. 

Barth,  Georg,  Dr.,  Vorstand  des  Betriebslaboratoriums  der  Aktienbrauerei 
zum  Lfiwenbräu,  München. 

Bassermann-Jordan,  Ludwig,  Dr.  jur.,  Bürgermeister  und  Weinguts- 
l)esitzer,  Deidesheim  (Bayr.   Pfalz). 

Behn,  Dr.,  Techn.  Hilfsarbeiter  a.  d.  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt 
Dahlem- Steglitz  bei  Berlin. 

Behrens,  Johannes,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  Grossherzogl.  Bad.  Land- 
wirtschaftlichen Versuchsanstalt,  Augustenberg,  Post  Grötzingen  in 
Baden. 

Benecke,  W.,  Dr.,  a.  o.  Professor  an  der  Universität,  Kiel,  Bergstr.  27. 

Bernegau,  L.,  Korpsstabsapotheker  a.  D.,  Berlin-Halensee. 

Bischkopff,  E.,  Dr.,  Assistent  an  der  Station  oenologique  des  viti- 
vinicultures  russes,  Odessa,  rue  Kanatnaia   19. 

Boetticher,  Dr..  Assistent  a.  d.  Kgl.  Lehranstalt  f.  Wein-,  Obst-  und 
Gartenbau,  Geisenheim  a.  Rh. 

Bolle,  Joh.,  Direktor  d.  k.  k.  Landwirtsch. -chemisch.  Versuchsstation, 
GTirz  (Istrien). 


LiY  Mitgliederliste. 

JBraun,  1\.,  I  >r.,  Botaniker  und  Assistent  am  Landwii'tscluiftl.-biolog. 
Institut,  Amani  (1  )eutsc]i-Ostafrika),   Hafen  Tanga. 

Brick,  Carl,  Dr.,  Leiter  der  Station  für  Pflanzenschutz.  Hamburg  5, 
St.  Georgskirchhof  6. 

Bruijning  jr.,  F.  F.,  I»irektor  der  Rijksproefstation  voor  Zaadcontröle, 
Wageningen  (Holland). 

Bubak,  Franz,  T»r.,  Professor  an  der  Landwirtschaft!.  Akademie,  Tnbor 
in  Biihmen. 

Buchwald,  J.,  Dr.,  Leiter  d.  Botan.  Abteilung  d,  Versuchsanstalt  f. 
Getreideverwertung,  Berlin  N.  4,   Invalidenstr.  48. 

von  Buhl,  Eugen,  Dr.,  Reichsrat,  Deidesheim  (Bayr,  Ptalz). 

Buhl,  Franz,  Weingutsbesitzer,  Präsident  des  Deutschen  Weinbau- 
Vereins,  Deidesheim  (Bayr.  Pfalz), 

Büsgon,  M.,  r)r.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstakademie,  Hann,- 
Münden. 

Busse,  Walter,  Dr.,  Regierungsrat,  Privatdozent  der  Botanik  an  der 
Universität,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  für  Land- 
und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

von  Canstein,  Freiherr,  r)r.,  Kgl.  Landes-Ökonomierat,  Berlin  NW.  40, 
Kronprinzenufer  5/6. 

Christ,  Karl,  r)r.,  Professor,  Kgl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und 
Gartenbau,  Geisenheim  a,  Rh. 

Coleman,  Leshe  C.,  Government  Mycologist  and  Entomologist,  Ban- 
galore,   Brit.  Indien. 

Degen,  A.  v.,  Dr.,  Direktor  der  Samenkontrollstation,  Budapest  II, 
Kis-Rukus-utcza  Il/b. 

L)ern,  A.,  Kgl.  Bayr.  Landesinspektor   für  Weinbau,  Neustadt  a.  d.  Haardt. 

Derndinger,  Joh.,  Domänenrat,   Karlsruhe  i.  B.,  Ettlingerstrasse  27. 

r)iels,  Ludwig,  I  >r.,  Professor,  Marburg  i.  H.,  Botanisches  Institut. 

I»ingler,  Hermann,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstlichen  Hoch- 
schule, Aschaffenburg. 

iMnklage,   M.,  Kaufmann,  Hamburg   13,  Oberstr.  56. 

L)orph  Petersen,  K.,  Direktor  E)ansk  Fr0kontrol,  Kopenhagen  V, 
HarsdorfCswej   7. 

L>rude,  0.,  iJr.,  Geh.  Hofrat,  Professor  dei"  Botanik  an  der  Technischen 
Hochschule  u.  L>irektor  des  Kgl.  Botan.  Gartens,  l>resden-A.,  Bo- 
tanischer Garten. 

I»unbar,  W.  Ph.,  ])r.,  Professor,  Direktor  des  Hygienischen  Instituts, 
Hamburg,  Jungiusstr. 

Edler,  ^^^,  iJr.,  Professor,  Landwirtscliaftl.  Institut  d.  LTniversität,  Jena. 

Engelmann,   Eduard,  Weingutsbesitzer,  Hallgarten  (Rheingau). 


Mitgliederliste.  LV 

Engler.  Adolf,  Dr.,  Geh,  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik  an  der 
Universität,  Direktor  des  Kgl.  Botanischen  Gartens  und  Museums, 
Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Eriksson,  Jakob,  Dr.,   Professor,   Experimentalfältet  bei  Stockholm. 

Ewert,  R.,  Dr.,  Leiter  der  Botanischen  Abteilung  der  Versuchsstation 
des  Pomologischen  Instituts,  Proskau  bei  Oppeln. 

Faber,  F.  v.,  Dr.,  Hilfsarbeiter  an  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  in 
Dahlem- Steglitz  bei  Berlin  (z.  Z.  Botan.  Garten  Victoria,  Kamerun). 

Fabricius,  L.,  Dr.,  Privatdozent  der  Forstwissenschaft  und  Assistent  am 
Forstbotanischen  Institut,  München,  Amalienstr.  07. 

Fischer,  Alfred,  Dr.,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des  Bo- 
tanischen Instituts  und  Gartens,   Basel. 

Fischer,  Regierungsrat,  Frankenthal  (Bayr.  Pfalz). 

Freudl,  Eligius,  Assistent  an  der  k.  k.  Samen-Kontroll-Station,  Wien, 
II/2  k.  k.  Prater  174. 

Fried  er  ichsen,  Max,  Dr.,  a.  o.  Professor  d.  Geographie  a.  d.  Uni- 
versität, Rostock  i.  M.  (v.   1.  IV.  07  ab  Bern). 

Fröhlich,  Weingutsbesitzer,  Edenkoben  (Bayr.  Pfalz). 

Frölich,  Gust.,  Dr.,  Leiter  der  Friedrichswerther  Samenzucht-Anstalten, 
Domäne  Friedrichswerth  in  Thüringen. 

Fruwirth,  C,  Professor  an  der  Landwirtschaftlichen  Akademie, 
Direktor  d.  Kgl.  Württ.   Saatzuchtanstalt,    Hohenheim  b.  Stuttgart. 

Fünf  stück,  Moritz,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Kgl.  Technischen 
Hochschule,  Stuttgart,  Ameisenbergstr.  7. 

Galler,  H.,  Dr.,  Assistent  an  der  Kgl.  Württembergischen  Weinbau- 
versuchsanstalt,  Weinsberg  (Württemberg). 

Gassner,  G.,  Dr.,  Professor  a.  d.  Seccion  agronomia  de  la  Universidad, 
Montevideo  (Uruguay). 

Ger  neck,  R.,  I»r.,   Veitshöchheim  bei  Würzburg. 

Gilbert,  Ad.,  Dr.,  Handelschemiker,  Hamburg  11,  Deichstr.  2. 

Gilg,  E.,  Dr.,  a,  o.  Professor  der  Botanik,  Kustos  am  Kgl.  Botanischen 
Museum,  Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  34. 

Goethe,  Rudolf,    Kgl.   Landesökonomierat,    Darmstadt,  Roquetteweg  24. 

Görg,  Fr.,  Gutsbesitzer,  Deidesheim  (Bayr.  Pfalz). 

Graebner,  P.,  Dr.,  Kustos  am  Kgl.  Botanischen  Garten,  Gross-Lichter- 
felde  W.  bei  Berlin,  Viktoriastrasse  8. 

Grevillius,  Anders  Yngve,  Dr.,  Landwirtsch.  Versuchsstation,  Kempen 
(Rheinprovinz). 

Grosser,  W.,  Dr.,  Direktor  der  Agrikultur-botanischen  Versuchs-  und 
Samenkontrollstation  der  Landwirtschaftskammer,  Breslau,  Mat- 
thiasplatz. 


LVI  Mitgliederliste. 

Giissow.  H.  Th..  Assistant  to  the  Consulting  Botanist,  H.  Agricult. 
Society  of  England,  44  Central  Hill,  Upper  Is'orwood,  London  S.  E. 
(England). 

Gutzeit,  Dr.,  Professor,  Vorsteher  d.  Abtlg.  f.  Pflanzenkrankheiten  u. 
Bodenbakteriologie  am  Versuchsfelde  der  Universität  KfUiigs- 
berg  i.  Pr.  (z.  Zt.  Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  4). 

Hanausek,  T.  F.,    Dr.,    k.  k.  Gymnasialdirektor,    Krems    a,  d.  l»onau. 

Hansen,  Adolf,  Dr.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  Botanischen 
Gartens,  Giessen,  Leberstrasso  21. 

Haselhoff,  E.,  Dr.,  Vorsteher  der  Landwirtschaftl.  Versuchsstation, 
Marburg  a.  d.  Lahn. 

Haupt,  Hugo,  Dr.,  Nahrungsmittelchemiker,  Bautzen  i./S. 

Hecke,  Ludwig,  Dr.,  Professor  an  der  Hochschule  für  Bodenkultur, 
Wien  III,  Hauptstrasse  96. 

Heering,  W.,  Dr.,  Oberlehrer,  Altona,  Waterloostr    14. 

Heinsen,  E.,  Dr.,  Wissensch.  Hilfsarb.  a.  d.  Botanischen  Staatsinstituteri 
Hamburg  20,  Hudtwalckerstr,  18. 

Henneberg,  W.,  Dr.,  Abteilungsvorstand  im  Institut  für  Gärungs- 
gewerbe, Berlin  N.  65,  Seestrasse. 

Hennings,  P.,  Professor,  Kgl.  Botanisches  Museum,  Dahlem-Steglitz 
bei  Berlin. 

Hensler,  Karl,  Kgl.  Landwirtschaftslehrer,  Vorstand  der  Kgl.  Land- 
wirtschaftsschule, Landau  (Pfalz). 

Hill  mann,  Paul,  Dr.,  Vorstand  der  Saatzuchtstelle  der  Deutschen  Land- 
wirtschafts-Gesellschaft, Berlin  SW.,  Dessauerstrasse  14. 

Hiltner,  L.,  Dr.,  Direktor  der  Kgl.  Agrikulturbotanischen  Anstalt,  München- 
Schwabing,  Osterwaidstrasse  9. 

Hinneberg,  P.,  I»r.,  Altona-Ottensen,  Flottbeker  Chaussee  29. 

Holmes,  E.  M.,  Curator  of  the  Museum  of  the  Pharmaceutical  Society 
of  Great  Britain,  17,  Bloomsbury  Square,  London  W.C. 

Hessens,  C,  Dr.,  BerUn-Schöneberg,  Vorbergstrasse  9  I. 

Jaap,  0.,  Lehrer,  Hamburg  25,  Burggarten   1. 

Jäekel,  Hugo,  Chemiker,  z.  Zt.   Kochel,   Oberbayern,    Villa  Schnoor. 

Ja ko walz,  A.,  Dr.,  Professor  a.  d.  Landw.  Akademie,  Tetschen-Liebwerd 
(Böhmen). 

Johnson,  T.,  I)r.,  Professor,  Royal  College  of  Science,  St.  Stephen's 
Green,  East,  Dublin  (Irland). 

Jungclaussen,    C.    A.,    Medizinaiassossor,    Hamburg    5,    Beim    Stroh- 
hause  10. 
Kabät,  Jos.  E.,  em.  Zuckerfabriksdirektor,  Tnrnau  (Böhmen). 
Kaiserfeld,   W.,  Dr.,  Kanzleidirektor,   Graz. 


Mitgliederliste.  LVII 

Kambersky,  0.,  Vorstand  der  Agrikulturbotanischeii  Landesversuchs- 
und  Samenkontrollstation,  Troppau  (Österr.-Schlesien)  (f  16.  II.  1907). 

Kiessling,  L.,  Dr.,  Adjunkt  an  der  Kgl.  Saatzuchtanstalt,  Weihen- 
stephan bei  Freising. 

Ivirchner,  Oskar,  Dr..  Professor  der  Botanik  an  der  Kgl.  Württemberg. 
Landwirtschaftlichen  Akademie,  Vorstand  des  Botanischen  Gartens, 
der  Samenprüfungsanstalt  und  der  Versuchsstation  für  Pflanzen- 
schutz, Hohenheim  bei  Stuttgart. 

Klammer,  Gutsbesitzer,  Ebensfeld  bei  Pettau  (Steiermark). 

Kleb  ahn,  H.,  Dr.,  Professor,  Assistent  a.  d.  Hamburgischen  Botanischen 
Staatsinstituten,  Hamburg  36,  Botanischer  Garten. 

Koch,  Alfred,  Dw  Professor,  Direktor  des  Landwirtschaftl.-bakteriolog. 
Instituts,   Göttingen,   Schildweg   13. 

Kolkwitz,  Richard,  Dr.^  Professor,  Privatdozent  der  Botanik,  Mitglied 
der  Versuchs-  und  Prüfungsanstalt  f.  Wasserversorgung  und  Ab- 
wässerbeseitigung, Charlottenburg  4,  Schillerstrasse  75. 

Kosarof  f,  P.,  Dr.,  Leiter  der  Landwirtschaftlichen  Versuchsstation  Obraszow 
Ciflik  (Musterwirtschaft)  bei  Rustschuk  (Bulgarien). 

Krasser,  Fr.,  Dr.,  a.  o.  Professor  der  Botanik  u.  Warenkunde  a.  d. 
Deutschen  Technischen  Hochschule,  Prag. 

Kraus,  C,  Dr.,  Professor  der  Landwirtschaft  an  der  Technischen 
Hochschule,  Oberleiter  der  Kgl.  Saatzuchtanstalt  in  Weihenstephan, 
München,  Louisenstrasse  45. 

Kroemer,  K.,  Dr., Vorstand  derPflanzenphysiologischen Versuchsstation  der 
Kgl.  Lehranstalt   f.  Wein-,   Obst-  u.  Gartenbau,  Geisenheim  a.  Rh. 

Krüer,  H.,  Apothekenbesitzer,  Ahrensburg  bei  Hamburg. 

Krüger,  F.,  Dr.,  Professor,  Ständiger  Hilfsarbeiter  a.  der  Kaiserl. 
Biolog.  Anstalt  f.  Land-  und  Forstwirtschaft,  Dozent  an  der  Kgl. 
Landwirtschaft!.  Hochschule,   Dahlem-Steglitz  b.  Berlin. 

Kühle,  L.,  Mitinhaber  der  Saatzüchterei  Aderstedt,  Gunsleben  (Kreis 
Oschersleben). 

Kumm,  P.,  t»r.,  Professor,  Dozent  an  der  Technischen  Hochschule,  Kustos 
am  Westpreussischen  Provinzialmuseum,   Danzig,  Langermarkt  24. 

Kur  mann,  Franz,  k.  k.  Weinbauoberinspektor  am  k.  k.  Ackerbau- 
ministerium. Wien  I,  Liebiggasse  6. 

Lafar,  Franz,  Dr.,  Professor  der  Gärungsphysiologie  und  Bakteriologie 
an  der  Technischen  Hochschule,  Wien  IV,  Karlsplatz   13. 

Landauer,  Robert,  Obstplantagenbesitzer,   Würzburg,  Gesundbrunnen. 

Lang,  W.,  Dr.,  Assistent  a.  d.  Botan.  Institut  d.  Landwirtschaftl.  Akademie, 
Hohenheim  (Württemberg). 


LVIII  Mitgliederliste. 

Laubert,  Richard,  Dr.,  Ständiger  Hilfsarbeiter  a.  d.  Kaiserl.  Biologischen 
Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz   bei  Berlin. 

Lenz,  Dr..   Professor,    Direktor  d.  Xaturhistorischen  Museums,     Lübeck. 

Leuschner,  Karl,  Dr.,  Administrator,  Rann  a.  d.  Savo  (Unter- Steiermark). 

Liebenberg,  Adolf  Ritter  von,  Dr.,  k.  k.  Hofrat,  Professor  an  der 
k.    k.  Hochschule    für  Bodenkultur,    Wien  XIX,    Hochschulstr.  24. 

Lindau,  Gustav,  Dr.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik,  Kustos  am 
Kgl.  Botanischen  Museum,  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Lindemuth,  Hugo,  Kgl.  Garteninspektor,  Dozent  an  der  Kgl.  Land- 
wirtschaftlichen Hochschule,  Berlin  NW.  7,  Dorotheenstrasse, 
Universitätsgarten . 

Lindinger,  L.,  Dr.,  Wissensch.  Hilfsarbeiter  an  der  Station  für 
Pflanzenschutz,  Hamburg   14,   Versmannkai. 

Lindner,  Paul,  Dr.,  Professor,  Vorsteher  der  Abteilung  für  Reinkultur 
am  Institut  für  Gärungsgewerbe,  Berlin  N.  65,  Ecke  der  S^o-  und 
Torfstrasse. 

L  in  hart,  G.,  Dr.,  Kgl.  Rat,  Professor  an  der  Kgl.  Ungar.  Landwirt- 
schaftlichen Akademie,  Magyar-Ovar  (Ungar.   Altenburg). 

Lüstner,  Gustav,  Dr.,  Vorstand  der  Pflanzenpathologischen  Versuchs- 
station der  Kgl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Gartenbau, 
Geisenheim  a.  Rh. 

Maassen,  Dr.,  Regierungsrat,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt 
für  Land-   und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Mährlen,  Weinbau-Inspektor,  Weinsberg  (Württemberg). 

Magnus,  Paul,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Berlin  W., 
Blumeshof  15. 

Malkoff,  Konstantin,  Direktor  d.  Landwirtsch.  Versuchsstation,  Sadovo 
b.  Philippopel  (Bulgarien). 

^lartinet,  G.,  Chef  de  l'Etablissement  föderal  d"ossais  et  de  controle  de 
semences,  Lausanne  (Schweiz). 

Mayrhofer,  Dr.,  Professor,  Vorstand  des  städtischen  Untersuchungs- 
amtes, Mainz. 

Mein  ecke,  E.  P.,  Dr.,  Argentinien  (nähere  Adresse  unbekannt). 

Meissner,  Richard,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  Kgl.  Württembg. 
Weinbau- Versuchsanstalt,  Weinsberg  (Württemberg). 

Meuschol,  Gottlob,  Kgl.  Kommerzienrat,  i.  F.  J.  W.  Meuschel  sen., 
\Veingutsbüsitzer,  Buchbrunn  bei  Würzburg. 

Meuschel,  Otto,  Weingutsbesitzer,  Buchbrunn  bei  Würzburg. 

Mikosch,  Karl,   Dr.,  Professor  an  der  Technischen   Hochschule,   Brunn. 

Möller.  J.,  Dr.,  Professor,  k.  k.  Pharmakologisches  Institut  d.  Uni- 
versität,  Graz. 


Mitgliederliste.  LIX 

Möslinger,  W.,  Dr.,  Inhaber  eines  öffentlichen  Laboratoriums  für 
Nahrungs-  und  Genussmittel,  Neustadt  a.  d.  Haardt. 

Molnar,  Leopold,  Chefredakteur  des  „Magyar  Borkereskedelem",  Direktor 
des  ,, Landesverbandes  der  ungarischen  Weinproduzenten  und  Wein- 
händler", Budapest  VI,  Bajza-Utcza  26. 

Molz,  E.,  Dr.,  A.ssistent  an  der  Pflanzenpathologischen  Versuchsstation 
der  Kgl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Gartenbau,  Geisen- 
heim  a.  Rh. 

Morpurgo,  G.,  Professor  a.  d.  Handelshochschule  der  Revoltella-Stiftung, 
Museum    der  Handels-   u.  Gewerbekammer,    Triest,    Via  Artisti  5. 

Müller,  Carl,  Dr.,  Professor,  Dozent  für  Botanik  an  der  Technischen 
Hochschule,  Vorstand  der  pflanzenphysiologischen  Abteilung  der 
Gärtnerlehranslalt  in  Dahlem.  Steglitz  bei  Berlin,  Zimmermann- 
strasse  15. 

]Müller,  H.  C,  r)r.,  Vorsteher  d.  Agrikult.-chcmisch.  KontroU- Station  d. 
Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Sachsen,  Halle  a.  S.,  Karl- 
strasse  lü. 

Müüer-Thurgau,  Hermann,  Dr.,  Professor,  Direktor  der  Schweize- 
rischen Versuchsanstalt  für  Obst-,  Wein-  und  Gartenbau,  W^ädens- 
weil  bei  Zürich  (Schweiz). 

Muth,  Franz,  Dr.,  Lehrer  der  Naturwissenschaften  an  der  Grossherzogl. 
W^einbauschule,  Oppenheim  a.  Rh. 

Neger,   F.,  Dr.,   Professor  der  Botanik  a,n  der  Forstakademie,   Tharand. 

Nestler,  Anton,  Dr.,  Professor  für  Pflanzen-Anatomie  und  -Physiologie, 
Oberinspektor  der  Untersuchungsanstalt  für  Lebensmittel  an  der 
k.  k.  Deutschen  Universität,  Prag,  Wenzelsplatz  53. 

Nilsson,  N.  Hjalmar,  Dr.,  Professor,  Svalöf  (Schweden). 

NoU,  Fritz,  Dr.,  Professor  der  Botanik,  Vorstand  des  Botanischen  In- 
stituts der  Landwirtschaftlichen  Akademie,  Poppeisdorf  bei  Bonn, 
Endenicher  Allee  32. 

Ostenfeld,  C.  H.,  Dr.,  Inspektor  am  Botanischen  Museum,  Kopen- 
hagen, Botanisk  Have. 

Osterspey,  Dr.,  Direktor  der  Landwirtschaftsschule,  Frankenthal  (Pfalz). 

Pammel,  L.  H.,  Dr.,  Department  of  Botany,  Jowa  State  College  of 
Agriculture  and  Mechanic  Arts,   Ames  (Jowa). 

Peter,  von,  Dr.,  Direktor  der  Obstbau-  und  landwirtschaftlichen  ^^'inter- 
schule,  Friedberg  (Hessen). 

Peters,  W.,  Dr.,  Presshefe fabrikant,   Hamburg  15,  Grünerdeich  60. 

Petkoff,  St.,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Sofia 
(Bulgarien). 

Petzet,   Th.,  Oberapotheker,  Allgem.  Krankenhaus,   Hamburg-Eppendorf, 


LX  Mitgliederliste. 

Po r tele,  Karl,  Dr.,  Professor,  Hofrat,  landwirtschaftlich-technischer  Kwu- 
sulent  im  k.  k.  Ackerbau-Ministerium,  Wien. 

Potonie,  H.,  Dr.,  Professor,  Landesgeologe,  Gross-Lichterfelde-W.  bei 
Berlin,  Potsdamerstrasse  35. 

Potter,  M.  C,  Dr.,  Professor  an  der  Universität,  Xewcastle-on-Tyne. 

Puchner,   Dr.,  Professor,  Weihenstephan  bei  Preising. 

Qvam,  Olaf,  Direktor  d.  Statens  Kemiske  Kontroistation  og  Fr(/kontrol- 
anstalt,  Kristiania  (Norwegen),  Pilestradet  27. 

Raatz,  W.,  Dr.,  Leiter  der  Abteilung  für  Rübensamenzucht  der  Zucker- 
fabrik,  Kl.  Wanzleben  b    Magdeburg. 

Ravn,  Kölpin,  Dr.,  Konsulent  f.  Pflanzenkrankheiten  d.  dänischen  land- 
wirtschaftl.  Vereine,  Kopenhagen  V,  Grundstrip  Sidevej   1. 

Reinhardt,  0.,  Dr.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik.  Berlin  X., 
Elsässerstrasse  31. 

Reinitzer,  Priedr.,  Professor  a.  d.  Technischen  Hochschule,  Graz. 

Retzlaff,  Max,  Kaufmann,  Hamburg  36,  Tesdorpfstr.  9. 

Rohling,  Alfred,  Dr.,  Wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  an  der  Kgl. 
Prüfungsanstalt  für  Wasserversorgung  und  Abwässerbeseitigung, 
Berlin  SW.   12,  Kochstr.  73. 

Ruhland,  W.,  Dr.,  Privatdozent  der  Botanik,  Ständiger  Hilfsarbeiter  an 
der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  für  Land-  imd  Forstwirtschaft, 
E>ahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Schander,  R.,  Dr.,  Vorstand  der  Pflanzenpathologischen  Abteilung  der 
Landwirtschaftlichen  Versuchsstation  zu  Bromberg,  Hohenzollern- 
strasse. 

Schellenberg,  H.  C,  Dr.,  Dozent  der  Landwirtschaft  am  Polytechnikum^ 
Zürich,  Hofstrasse  40. 

Schencrk,  H.,  Dr ,  Professor  der  Botanik  an  der  Technischen  Hoch- 
schule und  Direktor  des  Botanischen  Gartens,  Darmstadt,  Xikolai- 
weg  6. 

Schindler,  Franz,  Professor  a.  d.  k.  k.  Deutschen  Technischen  Hoch- 
schule, Brunn  (Mähren). 

Schindler,  Josef,  Leiter  der  Versuchsstation  der  LandwirtschaftL 
Landeslehranstalt,  S.  Michele  a.  E.  (Tirol). 

Schober,  A.,  Dr.,  Professor,  Schulinspektor,  Hamburg  23,  Papen- 
strasse  50. 

Schoffer,  Heinrich,  Kgl.  Landes-Ökonomierat,  Vorstand  der  Kgl.  Wein- 
bauschule, Weinsberg  (Württemberg). 

Schumann,  P.,  Dr.,  Vorstand  d.  Botan.  Abtlg.  d.  Agrikult.-chemisch. 
Kontrollstation  d.  Landwirtschaftskammer  f.  d.  Pro\.  Sachsen, 
Halle  a.  S.,  Karlstr.   10. 


Mitgliederliste.  LXI 

Seifert,  W.,  Professor,   Adjunkt  an  der  Versuchsstation.   Klosterneuburg 

bei  Wien. 
Seufferheld.    Karl,    Weinbau-Inspektor,    Lehrer    für  Weinbau    an    der 

Kgl.  Lehranstalt  für  "Wein-,  Obst-  und  Gartenbau,   Geisenheini  a.  Rh, 
Siebert,  A.,  Direktor  des  Palmengartens,  Prankfurt  a.  M. 
Simon,    S.,    Dr„    Assistent    an    der    Samenkontrollstation,    Dresden- A., 

Pirnaischestr.  32. 
Solereder,  H.,  Dr.,    Professor  d.  Botanik  und  Direktor  d.  Botanischen 

Gartens,   Erlangen. 
Sonder,  Chr.,  Dr.,  Apothekenbesitzer,  Oldesloe  (Holstein). 
Stahl,  Ernst,  Dr.,  Professor  der  Botanik  und  IMrektor  des  Botanischen 

Gartens,  Jena. 
Stehler,   G,,  Dr.,    Direktor  d.   Samenuntersuchungs-  u.  Versuchsanstalt, 

Zürich  (Schweiz),  Eidgen.  Chemiegebäude. 
Steinle,  Domänenrat,  Schwaigern  (Württemberg). 
Stornier,  Kurt,  Dr.,   Agrikult.-chem.  Kontrollstation  d.  Landwirtschafts- 

kammer,   Halle  a.   S.,  Karlstrasso   10. 
Szyszj'lowicz ,  Ign.  Ritter  von,   Dr.,    Direktor  d.   Agrikulturbotanischen 

Versuchsstation,    Priv. -Dozent    a.     d.    k.    k.    Universität,     Lemberg 

(Galizien). 
Thiele,  R.,   Dr.,  Dezernent  in  der  Agrikultur-Abteilung  des  Kalisyndikats, 

Leopoldshall-Stassfurt. 
Thoms,  H.,  Dr ,    Professor    der   pharmazeutischen  Chemie   au  der  Kgi. 

Universität,  Steglitz  bei  Berlin,  Hohenzollernstrasse  3. 
Thost,    Robert,    Dr.,     Verlagsbuchhändler,     Grosslichterfelde,     Wilhelm- 

strasse  27. 
Tischler.  A.,  Dr.,  General-Stabsarzt  a.  D.,  Marburg  (Steiermark). 
Tubeuf,  C.  Freiherr  von,  Dr..  Professor  der  Botanik  und  Vorstand  des 

Forstbotanischen  Instituts,  München.  Amalienstrasse  67. 
Uhlworm,    Oskar,    Dr.,    Professor.    OberbibUothekar,    Herausgeber    des 

„Centralblattes   für  Bakteriologie   und  Parasitenkunde",   Berlin  W., 

Nachodstr.   17. 
Urban,    Direktor    der    Kgl.  Bayer.  Weinbauschule,    Veitshöchheim    bei 

Würzburg, 
Vanha,  Johann  J.,  Professor,  Direktor  der  Landwirtschaftlichen  Landes- 

Versuchsstation  für  Pflanzenkultur,  Brunn  (Mähren). 
Vitek,  E.,    Vorstand    der  Samenkontrollabteilung  d.  Chemisch-pliysiolo- 

logischen  Versuchsstation    a.    d.    k.    k.   Böhm.  Technischen   Hoch- 
schule, Prag,  Karlsplatz  3. 
Voigt,    Alfred,    Dr.,    Professor,    Vorstand    der    Abteilung    für    Samen- 
kontrolle, Hamburg  5,  Botanisches  Museum. 


LXII  Mitgliederliste. 

Wahl,  C.  von,  Dr.,  Assistent  an  der  ürosshorzogl.  Landwirtschaftlichen 
Versuchsanstalt,  Augustenberg  bei  Grötzingen  (Baden). 

War  bürg,  Otto,  Dr.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  l  Uni- 
versität und  Lehrer  am  Orientalischen  Seminar,  Berlin  W.,  L'hland- 
strasse  175. 

Warth,  Karl,  Stadtpfleger,  Vorstand  des  Württembergischen  Weinbau- 
Vereins,  Stuttgart. 

Weber,  C,  Dr.,  Professor,  Moorversuchsstation,  Bremen,  Friedrich 
Wilhelmstrasse  24. 

Wehmer,  C,  Dr.,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule,  Hannover, 
Callinstrasse  12. 

Weigmann,  Dr.,  Professor,  A'orstand  des  Instituts  für  Milchwirt- 
schaft, Kiel. 

Weigert,  Leop.,  Dr.,  k.  k.  Regierungsrat,  Direktor  d.  k.  k.  höh.  Lehr- 
anstalt f.   Wein-  u.  Obstbau,  Klosterneuburg  bei  Wien. 

Wein,  Dr.,  Professor,  Weihenstephan  bei  Freising. 

Weinzierl,  Th.  Kitter  von,  Dr.,  Hofrat,  Direktor  der  k.  k.  Samen- 
kontrollstation (k.  k.  Landwirtschaftlich-botanische  Versuchsstation), 
Wien,  Prater  174. 

W ibmer,  Weingutsbesitzer,  Pettau  (Steiermark). 

Widen,  J.,  Vorsteher  der  Agrikultur-chemischen  und  Samenkontroll- 
Station,   0rebro  (Schweden). 

Wieler,  Arwed,  Dr.,  Professor,  Dozent  für  Botanik  und  Vorstand  des 
Botanischen  Instituts  der  Technischen  Hochschule,  Aachen,  Nizza- 
allee  71. 

Wilhelm,  Karl,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  k.  k.  Hochschule 
für  Bodenkultur,  Wien  XIX,   Hochschulstrasse   17. 

Will.  H.,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  physiolog.  Abteilung  der  Wissen- 
schaftl.  Station  für  Brauerei,   München,  Reichenbachstrasse  32. 

Wittmack,  Ludwig,  Dr.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  an  der  Kgl. 
Landwirtschaftlichen  Hochschule  und  an  der  Universität,  Berlin  N.  4, 
Invalidenstrasse  42. 

Wo  hl  t  mann,  Ferdinand,  Dr.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  an  der 
Universität,  Direktor  des  Landwirtschaftlichen  Instituts,  Halle  a.  S., 
Gr.  Steinstrasse   19. 

Wolf,  Leopold,  Leiter  der  Wiener  Redaktion  des  „Ungarischen  Wein- 
handel", Fachreferent  des  „Landesverbandes  der  ungarischen 
Weinproduzenten  und  Weinhändler",  Wien  XI,   Hauptstrasse  54. 

Wortmann,  Julius,  Dr.,  Professor,  Direktor  der  Kgl.  Lehranstalt  für 
Wein-,  Obst-  und  Gartenbau,  Geisenheim  a.   Rh. 


Mitgliederliste.     '  "  LXITI 

Zacharias,  Eduard,  Dr.,  Professor,   Direktor   der  Hambiirgischen  Bota- 
nischen Staatsinstitute,  Hamburg   17,  Sophienterrasse  15a. 

Zang,  Wilhelm,  Dr.,  Assistent  am  Botanischen  Institut,    Hohenheim  bei 
Stuttgart. 

Zederbauer,  E.,  Dr.,   Assistent  a.  d.  k.   k.  Forstlichen  Versuchsanstalt, 
Mariabrunn  bei  Wien. 

Zopf,    Wilhelm,    Dr..     Professor    der  Botanik    an    der    Universität    und  ' 
Direktor    des    Botanischen    Gartens.    Münster    i.  Westf.,    Wilhelm- 
strasse 2  a. 

Zschokke,   Achilles,  Dr.,  Direktor  der  Kgl.  Bayer.  Wein-  und  Obstbau- 
schule, Neustadt  a.  d.  Haardt. 

Zweifler,    Franz,    Direktor  der  Landes- Wein-  und  Obstbauschule,  Mar- 
burg a.  d.  Drau  (Steiermark). 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik. 

Von 
Professor  Dr.  0.  Drade,  Dresden. 

Es  ist  mir  die  Ehre  zuteil  geworden,  zusammen  mit  Professor 
War  bürg  die  Aufgaben,  welche  den  verschiedenartigen  Vertretern  der 
angewandten  Botanik  gestellt  sind,  die  Ziele,  welche  uns  insgesamt  als 
Leitsterne  unserer  Arbeit  vorschweben,  kurz  zusammenfassend  zu  be- 
handeln. 

Schon  die  Auswahl  dieser  beiden  Reden  und  von  uns  beiden 
Rednern  drückt  den  Wunsch  aus,  wenigstens  in  diesen  allgemeinen 
Behandlungen  an  den  Boden  zu  erinnern,  in  dem  die  diesjährige  Ver- 
sammlung wurzelt:  an  Hamburg  und  an  die  hier,  an  der  blühendsten 
Stätte  deutschen  Handels,  zunächst  und  vor  allem  in  Betracht  kommenden 
Beziehungen  der  angewandten  Botanik  zu  den  Bedürfnissen  des  deutschen 
Volkes. 

Je  nach  dem  Orte  und  den  hauptsächlich  dorthin  eilenden  Ver- 
tretern erscheinen  die  Beziehungen  zwischen  den  praktischen  Bedürfnissen 
und  der  botanischen  Wissenschaft  in  anderem  Lichte.  Bei  den  Sitzungen 
im  August  1903  zu  Mainz  war  ein  Anschluss  gesucht  und  gegeben  an 
den  Deutschen  Weinbaukongress,  und  zahlreiche  Vorträge  verliehen 
diesem  Anschluss  wissenschaftlichen  Ausdruck. 

Hier  in  Hamburg  steht  die  diesjährige  Versammlung  unter  dem 
Zeichen  der  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung;  Fruchtspeicher 
und  Saatreinigungsanstalten  sollen  uns  vorgeführt  werden  an  Stelle  von 
Bottichen  mit  gärenden  Traubensäften;  dazu  werden  die  reichen  Samm- 
lungen des  Hamburger  botanischen  Museums  nicht  verfehlen,  auf  alle, 
welche  das  Arbeitsgebiet  der  angewandten  Botanik  im  Bereiche  der 
kolonialen  Einfuhrprodukte  durchmustern  wollen,  einen  tiefen  Eindruck 
zu  hinterlassen;  es  ist  vorbildlich  in  seiner  Auswahl  der  Stoffe  und  in 
seinen  nicht  systematisch  aufgestellten  Produktensammlungen,  die  besser, 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik.  IV.  1 


2  0.  Drude. 

als  es  eine  Reihe  von  Vorträgen  vermöchte,  die  Ziele  der  ganzen  tech- 
nologisch-warenkundlichen Seite  der  angewandten  Botanik  enthüllen. 
Noch  kam  unsere  junge  Vereinigung  bisher  an  keinem  Orte  zusammen, 
wo  sie  nach  dieser  Seite  hin  eine  so  vortreffliche  Anregung  hätte 
empfangen  können.  Zwischen  den  enormen  Ansammlungen  im  Berliner 
Museum  und  den  fragmentarischen  Produktensammlungen  anderer  Städte 
und  botanischer  Institute  die  goldene  Mitte  haltend,  hat  sich  das  Ham- 
burger Museum  einen  vortreffüchen  Ruf  erworben,  der  nach  dem  Umzüge 
in  sein  neues  Heim  mit  steigender  Entfaltung  seiner  Kräfte  unzweifelhaft 
sich  glänzend  befestigen  und,  zusammen  mit  dem  schönen  botanischen 
Garten,  Hamburgs  wissenschaftlichen  Staatsanstalten  zur  grössten  Zierde 
gereichen  wird. 

Sehr  verschiedene  Kreise  unserer  an  wissenschaftlichen  Veranstal- 
tungen reichen  Zeit  werden  gerade  von  dieser  Seite  der  angewandten 
Botanik  lebhaft  angezogen  und  durch  sie  der  praktischen  Seite  unserer 
Wissenschaft  auch  theoretisch  näher  geführt.  Ich  darf  heute  an  den 
ungeteilten  Beifall  erinnern,  den  am  5.  und  6.  Oktober  1899  die  Mit- 
glieder des  internationalen  Geographenkongresses,  von  Berlin  aus  der 
Einladung  Hamburgs  folgend,  bei  ihren  Besichtigungen  diesem  damals 
unter  f  Sadebecks  Leitung  stehenden  Museum  darbrachten:  in  be- 
sonderer Dankbarkeit  muss  ich  daran  denken,  wie  '/2  ^^^r  später,  Ende 
April  1900,  gerade  dies  Hamburger  Museum  mit  Erlaubnis  des  hohen 
Senates  einen  bedeutungsvollen  Anteil  nahm  an  einer  in  Dresden,  an- 
schliessend an  eine  dortige  grosse  Gartenbauausstellung,  veranstalteten 
und  für  Sachsen  ersten  Kolonialausstellung,  für  welche  Sadebeck 
eifrigst  Sorge  trug.  Durch  die  Mitwirkung  der  grossen  botanischen 
Museen  zu  Berlin  und  Hamburg  wurde  damals  in  zündender  Weise,  und 
hauptsächlich  durch  die  formvollendete  Gruppierung  in  dem  grossen 
Hamburger  Saale,  die  hohe  Bedeutung  und  der  Reiz,  nach  Wissenschaft 
und  Praxis  hin,  gerade  dieser  sonst  im  Binnenlande  noch  wenig  gewürdigten 
Seite  der  angewandten  Botanik  vorgeführt,  und  noch  heute  ist  jene  Aust 
Stellung  bei  uns  in  dankbarer  Erinnerung  geblieben. 

So  war  es  mit  Freude  zu  begrüssen,  dass  die  diesjährige  Sitzung- 
sich Hamburg  und  die  tatkräftige  Führung  von  Professor  Zacharias 
auswählte,  um  neben  den  älteren  bei  dieser  Vereinigung  gepflegten  land- 
wirtschaftlichen Beziehungen  auch  die  der  Weltwirtschaft  mit  ihren 
riesigen  Bedürfnissen  an  Pflanzenrohstoffen  in  das  rechte  Licht  zu  stellen 
und  die  Vielseitigkeil  unseres  Arbeitsfeldes  von  neuem  darzutun. 

„Die  Vereinigung  der  Vertreter  der  Angewandten  Botanik 
verfolgt  die  Aufgabe  der  Förderung  und  Vertiefung  der 
wissenschaftlichen    Erkenntnis    im     r»ienste     von     Land-    und 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  3 

Forstwirtschaft,  von  Handel  und  Gewerbe  durch  botanische 
Forschung",  so  bezeichnete  in  jener  Sitzung  1903  zu  Mainz  der  Vor- 
sitzende die  Zwecke  der  Vereinigung  in  knappen  Worten. 

Die  heutige  Vielseitigkeit  der  „Angewandten  Botanik"  und 
die  Leistungen,  welche  zur  Erreichung  dieses  Standpunktes 
die  botanische  Wissenschaft  unternahm,  kann  man  erst 
richtig  würdigen  unter  der  Erwägung,  dass  die  praktischen 
Disziplinen,  denen  sie  dient  oder  die  sie  zu  fiirdern  bestrebt 
ist,  alle  uralt  sind,  sie  selbst  aber  gerade  in  ihrer  Ver- 
wendung jung.  Entgegengesetzt  zwar  erscheint  der  Standpunkt  des 
zweiten  Redners  vom  heutigen  Tage,  Professor  Warburg,  wenn  er 
erklärt:  „Die  angewandte  Botanik  reicht  bis  in  die  Uranfänge  mensch- 
licher Kultur  zurück,  sie  ist  zweifelsohne  die  älteste  aller  botanischen 
Disziphnen."  ') 

Warburg  führt  weiter  aus,  dass  wir  dreien  der  noch  heute 
wichtigsten  Zweige  der  angewandten  Botanik  gleichzeitig  in  den  Über- 
lieferungen der  ältesten  Völker  der  grossen  vorderasiatisch- ägyptischen 
Kulturzone  in  schon  ziemlich  hoher  Ausbildung  begegnen,  nämlich  der 
Ackerbau-,  der  Gartenbau-  und  der  Heilmittellehre;  aber  auch  die  tech- 
nologische Botanik  reiche  in  ihren  Anfängen  bis  in  jene  Periode  zurück, 
wie  das  Bierbrauen,  die  Weinbereitung,  das  Brotbacken,  die  Papier- 
bereitung, das  Färben,  Spinnen,  Weben,  sowie  die  Kunst  der  Einbalsa- 
mierung z.  B.  der  Ägypter  beweise.  Aber  indem  Warburg  selbst 
hinzufügt,  dass  nicht  wissenschaftliche  Grundlagen  für  diese  Disziplinen, 
sondern  eine  durch  Tradition  erhaltene  und  allmählich  sich  erweiternde 
Empirie  ihre  hohe  Ausbildung  in  schon  alter  Zeit  bewirkt  hat,  stellt 
auch  er  selbstverständlich  sich  auf  gleiche  Grundlage  mit  meiner  An- 
schauung. 

Nur  wenige  Wissenschaften  reichen,  wie  die  Astronomie,  in  die 
ältesten  Zeiten  menschlicher  Kultur  nachweislich  zurück  und  besitzen 
direkten  Anschluss  an  die  heutige,  weit  vorgeschrittene  Gegenwart.  Im 
übrigen  war  nur  der  Kunstsinn  des  Menschen  schon  sehr  frühzeitig 
rege,  und  ebenso  seine  rastlose  Erfindungskraft  für  die  Begründung  und 
den  weiteren  Ausbau  technischer  Betriebe. 

Viele  Disziplinen,  die  heute  umfangreiche  Lehrgegenstände  der 
Technischen  Hochschulen  bilden,  reichen  mit  ihren  Anfängen  bis  in  die 
erwähnten  alten  Zeiten  zurück,  aber  keine  unserer  heutigen  Wissen- 
schaften der  drei  Reiche  der  Natur.  Und  daher  halte  ich  es  für  ange- 
messen,   in    der    menschlichen    Kulturgeschichte    zwischen    technischen 


1)  Bar.  D.  B.  Ges.  1901,  XIX,  (1.53). 


4  O.  Drude. 

Betrieben  und  abstrakten  Wissenschaften  zu  unterscheiden.     Die  „Ange- 
wandte Botanik"   aber  gehört  zu  den  abstrakten  Wissenschaften. 

Ich  greife  zur  Beleuchtung  ein  einzelnes  Beispiel  heraus,  die  Ge- 
schichte des  Papieres.  Die  alten  Ägypter  waren  zweifellos  gut  mit  den 
Eigenschaften  der  Papyrus-Staude  vertraut,  die  sie  zu  ihren  Rollen  ver- 
wendeten. Von  China  her  kam,  nach  dem  Ersatz  der  Papiere  aus 
Seidenzeug  durch  die  Broussonetia- Faser,  in  den  ersten  Jahrhunderten 
p.  Chr.  ganz  allmählich  die  Technik  der  geschöpften  Papiere  nach 
Westen.  Hier,  in  den  Steppen  Turkestans,  mussten  Leinen  und  Hanf 
den  Ersatz  für  Broussonetia  liefern,  und  so  wurde  nach  der  Eroberung 
von  Samarkand  durch  die  Türken  i.  J.  704  diese  Technik  im  arabischen 
Orient  weiter  verbreitet.  Um  1000  p.  Chr.  sehen  wir  in  Ägypten  Papiere 
von  Leinen  und  Hanf  die  Papyros-RoUen  ersetzen,  im  Alter  der  Kreuzzüge 
dieselben  in  Europa  an  die  Stelle  treten.  Nun  kommt  das  eifrige  Nach- 
spüren von  Surrogaten  für  die  wertvollen  Bastfasern,  heute  erst  verbündet 
sich  die  Papierfabrikation  zur  Bereicherung  ihrer  Rohstoffe  und  zur 
Sicherung  ihrer  Unterscheidungen  der  Mitwirkung  der  Botanik. 

Das  Wesen  der  „Angewandten  Botanik"  besteht  in  der  Ein- 
wirkung richtig  verstandener  wissenschaftlicher  Methoden  auf  jene  ur- 
alten Gewerbe  und  Betriebe,  welche  die  menschliche  Kultur  begründeten 
und  weiter  führten.  Das  Ackerfeld  ist  anfänglich  kein  botanischer 
Versuchsgarten  gewesen,  und  der  Bauer  will  und  soll  auch  heute  noch 
kein  Botaniker  sein,  so  wenig  wie  der  Papierfabrikant;  aber  die  Keim- 
kraft des  Saatgutes  nach  richtigen  Methoden  zu  prüfen,  den  Ersatz  des 
Stallmistes  durch  KnöUchenbakterien  zu  erproben,  in  dem  fertigen  Papiere 
die  verwendeten  Materialien  sicher  nachzuweisen  und  Leinfasern  von  Stroh, 
Jute  und  Fichtenholz  zu  unterscheiden:  das  ist  die  botanische  Mitwirkung 
und  Hülfsleistung  an  die  Praxis,  das  sind  die  Errungenschaften  wissen- 
schaftlichen Denkens  und  Forschens,  welche  sich  nun  nachträglich 
mit  eigenem  Siegeslauf  als  unentbehrlich  empfunden  an  tausenderlei 
Dinge  des  täglichen  Lebens  anheften,  welche  die  Praxis  belehren  und 
sie  auf  neue  Bahnen  weisen,  oder  auch  über  sie  eine  Kontrolle  ausüben 
und  bei  Fälschungsklagen  dem  Richter  mit  der  Wucht  des  Beweises  zur 
Seite  stehen. 

Ausführungen. 

Wenn  ich  nun  hier  an  dieser  Stelle  etwas  sagen  soll  über  die 
Einzelgebiete  der  ,, Angewandten  Botanik",  über  die  erstaunliche  Mannig- 
faltigkeit der  Beziehungen,  welche  die  Resultate  rein  wissenschaft- 
licher Forschung  mit  den  Bedürfnissen  der  Praxis  in  Verbindung  gesetzt 
haben   und  sie  in   immer  engerer  Verbindung  erhalten,   so  erscheint  mir 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  5 

einem  Kreise  von  Sacliverständigen  gegenüber,  wie  er  hiier  versammelt 
ist,  dies  sehr  schwierig  in  Anbetracht  der  Kürze  der  zur  Verfügung 
stehenden  Zeit.  Ich  kann  an  die  mir  gestellte  Aufgabe  nur  herangehen 
in  der  Hoffnung,  dass  manchen  Vertretern  der  angewandten  Botanik 
nur  einseitige  Beziehungen  sehr  vertraut  sind,  dass  es  Ihnen  Interesse 
gewährt,  an  andere  Beziehungen  erinnert  zu  werden,  die  nicht  minder 
wertvoll  sind,  dass  endlich  Sie  alle  einer  Gesamtübersicht  über  unser 
grosses  Arbeitsgebiet  deswegen  einmal  gern  folgen  werden,  um  sich  an 
seiner  Grösse  zu  erfreuen.  Denn  es  ist  noch  von  besonderem  Wert: 
bei  unserer  Arbeit  handelt  es  sich  nicht  um  erkünstelte  Fragen,  sondern 
um  Aufgaben,  welche  gewissermassen  aus  der  Praxis  des  täglichen 
Lebens  herausgeboren  sind  und  den  Ruf  nach  Unterstützung  durch  die 
Kenntnisse  von  Botanikern  haben  ergehen  lassen. 

Die  Zusammenfassung  der  Angewaiidteu  Botanik  erscheint  mir 
nach  fünf  Hauptrichtungen  am  zweckmässigsten  zu  geschehen : 

1.  Förderung  der  Pflanzenproduktion  (von  der  Auswahl  des  Saat- 
gutes an  bis  zur  Physiologie  der  Ernährung,  Befruchtung)  in 
Feld  und  Garten,  Wiese,  Wald.  Dazu  gesellt  sich  der  Plan- 
tagenbau in  unseren  Kolonien. 

2.  Kultur  nützlicher  Mikroorganismen  zu  technischen  Zwecken 
(Bier,  Wein,   Kefir,  Sauerteig  usw.). 

3.  Bekämpfung  der  bei  1  und  2  hinderlichen  Feinde  (Unkräuter, 
Pilz-  und  Insektenkrankheiten,  Rauchschäden,  Umschlagen  des 
Bieres.  —  Anschluss  an  Abteilung  4:  Hausschwamm  und  andere 
holzzerstörende  Pilze). 

4.  Kenntnis  der  leblosen  vegetabilischen  Rohstoffe  als  Handelsware  zu 
technischen,  medizinischen  und  Genusszwecken  (Kaffee,  Brau- 
gerste, vegetabilisches  Elfenbein,  Früchte.  —  Technische  Wert- 
schätzung der  Hölzer  des  Erdkreises.  —  Rinden,  Fasern.  — 
Indigo,  Öle,  Harze.  —  Alkaloide  und  Glykoside  pharmakognos- 
tischer  Drogen). 

5.  Pflanzengeographische  Grundlagen  der  Weltwirtschaft:  khmatische 
Gebundenheit  der  Kultur  sowohl  als  auch  der  natürlichen 
Rohstofferzeugung  (Verteilung  der  Cerealien,  Textilien,  Kaut- 
schuke, Färb-  und  Gerbstoffe,  Kenntnis  der  natürlichen  Hilfs- 
quellen der  verschiedenen  Länder  als  Grundlage  des  gegen- 
seitigen Austausches  von  Rohstoffen  und  verarbeiteten  Waren). 

Auf  diesen  sehr  verschiedenen  Gebieten  arbeitet  die  angewandte  Botanik 
teils  beschreibend  und  nach  Diagnosen  bestimmend,  teils  physiologisch- 
experimentell, teils  anatomisch-mikrospisch,  und  sie  stellt  sich  vielfach  in 


e  O.  Dru.le. 

Ergänzung  mit  der  organischen  Chemie,  die  häufig  ihre  treueste  Ver- 
bündete ist,  indem  sie  die  im  Welthandel  gelieferten  Rohstoffe  auf  ihre 
wirksamen  Bestandteile  ausbeutet,  anderseits  aber  auch  der  Verwendung 
natürlicher  Rohstoffe  entgegen  zu  wirken  sucht  mit  den  Hilfsmitteln  ihrer 
eigenen,  chemischen  Synthese.  Auch  in  der  Hygiene  kommen  chemische 
und  botanisch  -  mikroskopische  Methoden  nebeneinander  auf  dasselbe 
Arbeitsfeld. 


Diese  fünf  unterschiedenen  Hauptgebiete  haben  naturgemäss  recht 
verschiedenartige  Bearbeitung  durch  die  heutigen  Vertreter  der  ange- 
wandten Botanik  erfahren,  und  in  der  Regel  arbeitet  ein  jeder,  der 
einen  praktisch  -  wissenschaftlichen  Beruf  erfüllt,  nur  nach  einer  Rich- 
tung hin. 

Voran  stehen  die  kulturellen  Interessen,  und  da  ist  zunächst 
auch  insbesondere  der  Beziehungen  zum  Gartonbau  zu  gedenken. 

Hier  in  Hamburg,  einer  den  Gartenbau  so  trefflich  pflegenden  Stadt, 
drängt  sich  die  Rücksichtnahme  auf  diese  Beziehungen  besonders  auf, 
gerade  so  wie  sie  auch  z.  B.  die  praktischen  Leistungen  des  jetzigen 
botanischen  Gartens  in  Dresden  sich  dienstbar  gemacht  haben.  Was 
Hamburg  anbetrifft,  so  hatten  wir  die  Freude,  aus  den  Worten  des 
Herrn  Senators  Dr.  v.  Melle  den  Wert  zu  erkennen,  den  man  hier  der 
Verbindung  von  Botanik  und  Gartenbau  zollt,  einer  Verbindung,  welche 
überhaupt  als  die  alierinnigste  zu  bezeichnen  ist. 

Wenn  man  den  Gartenbau  mit  seinen  in  die  Urzeiten  alter  Kultur- 
geschichte zurückreichenden  Anfängen  als  eine  selbständige  Betriebs- 
tätigkeit ansieht,  so  kann  man  sagen:  unter  den  heutigen  Verhältnissen 
ist  der  Gartenbau  so  sehr  von  botanischer  Wissenschaft  durchdrungen 
und  wirkt  so  sehr  auf  sie  befruchtend  zurück,  dass  eine  Trennung 
beider  unmöglich  erscheint.  Es  dienen  ja  auch  die  botanischen  Gärten 
beiden  Interessen,  indem  sie  bald  wissenschaftliche  Untersuchungen 
unter  Zuhilfenahme  gärtnerischer  Praxis  ausführen,  bald  aber  die  Praxis 
selbst  mit  den  Hilfsmitteln  theoretischer  Wissenschaft  zu  fördern,  be- 
sonders aber  zu  einem  Verständnis  empirisch  gesammelter  Erfahrungen 
zu  führen  suchen. 

Mit  der  Betonung  der  Innigkeit  dieser  beiderseitigen  Beziehungen 
wollen  wir  hier  heute  diesen  Gegenstand  kurz  abmachen,  da  unsere 
„Vereinigung"  an  sich  anderen  Zweigen  dient;  nur  ein  Hinweis  über 
die  Dienste,  welche  gärtnerische  Praktiker  der  Botanik  ihrerseits  leisten, 
mag  hier  noch  eingeschaltet  werden. 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  7 

Die  Gesetzmässigkeiten  in  der  Kreuzung  und  Zuchtwahl  der  Rassen 
mit  allen  schwierigen  Fragen  der  Vererbung  sind  von  Gärtnern  in 
vollem  Umfange  selbständig  in  ihren  Betrieb  gestellt.  Die  Frage,  ob 
bei  Kreuzung  von  Rassen  auch  neue,  eigenartige  Merkmale  des  Bastardes 
entstehen  können,  ist  nun  eine  für  die  theoretische  Botanik  ungemein 
wichtige. 

Dass  wir  sie  heute  zumeist  ablehnen  und  den  Bastarden  nur  eine 
verschiedene  Auswahl  elterlicher  Merkmale  zuschreiben,  ist  in  erster  Linie 
den  umfangreichsten  gärtnerischen  Züchtungserfahrungen  zuzuschreiben. 
Luther  Burbank  in  Kalifornien  widmet  sein  Leben  nur  diesen  Studien 
als  gärtnerischer  Praktiker;  in  seinem  Garten  hat  er  eine  Kultur  von 
300  000  verschiedenen  Pflaumenzüchtungen;  als  er  aber  eine  Rasse  ohne 
Steinschalen  um  den  Kern  vorführte,  musste  er  als  Erklärung  angeben, 
dass  sie  aus  Hybridisation  mit  einer  schon  als  „prune  sans  noyau",  als 
steinlos  in  Frankreich  gekauften  und  dort  zwei  Jahrhunderte  schon 
bekannt  gewesenen  Mutation  entstanden,  nicht  aber  bei  seinen  Kreu- 
zungen als  neues  Merkmal  herausgebildet  sei.  In  derselben  Weise  hat 
Lemoine  in  Nancy  seine  gefüllten  Fliedersorten  aus  der  Kreuzung  mit 
einer  aus  alter  französischer  Kultur  herrührenden  Syringa  azurea  ge- 
züchtet, weiche  schon  doppelte  Blüten  hatte:  auch  hier  war  dieses 
besondere  Merkmal  nicht  etwa  bei  der  Kreuzung  neu  entstanden. 

Es  ist  schon  wiederholt  darauf  hingewiesen  und  hat  bei  der 
Gründung  unserer  „Vereinigung"  vielleicht  die  bedeutsamste  Rolle  gespielt, 
dass  die  landwirtschaftlichen  Interessen  in  der  Angewandten  Botanik 
schon  frühzeitig  in  besonderer  Entwickelung  von  Instituten,  welche  wissen- 
schaftliche Grundlagen  mit  praktischen  Zielen  vereinigten,  hervorgetreten 
sind.  Man  erinnere  sich  daran,  dass  die  Arbeiten  von  Lieb  ig  und 
Boussingault  zu  Zeiten  der  methodischen  Umformung  botanischer 
Wissenschaft  durch  Schleidens  Lehrbuch  solche  Ziele  verfolgten,  die 
seitdem  schärfer  erkannt  und  bedeutend  vertieft  w^orden  sind.  An  die 
mit  physiologisch- mikroskopischen  Methoden  arbeitende  Botanik  neuerer 
Richtung  suchte  die  Landwirtschaft  Anschluss  und  zog  botanische 
Assistenten  heran,  bildete  zuerst  ein  besonderes,  praktisch  dienendes 
Personal  in  den  landwirtschaftlichen  Versuchsstationen  heran 
und  führte  die  Samenkontrolle  als  eine  angewandte  Disziplin  ein, 
deren  hohe  Bedeutung  heute  durch  die  gleichzeitig  mit  uns  tagende 
erste  internationale  Samenprüfungskonferenz  in  zu  klarer  Welse  her- 
vortritt, als  dass  sie  hier  auch  nur  noch  ein  einziges  Wort  nötig 
machte. 

In  unserer  Vereinigung  sind,  nach  den  bisherigen  Versammlungen 
und  Jahresberichten  zu  urteilen,  die  Beziehungen  zur  angewandten  Anatomie 


g  O.  Drude. 

in  der  Warenkunde  und  zur  Förderung  der  Rohstofflehre  überhaupt 
weniger  hervorgetreten,  obwohl  gerade  dieser  Zweig  sehr  aussichtsvoll 
ist  und,  abgesehen  von  der  schon  lange  nach  ähnlichen  Methoden 
arbeitenden  Pharmakognosie,  einen  besonders  wertvollen  Lehrgegenstand 
für  die  Technischen  Hochschulen,  die  eigentUche  „technische"  oder 
„technologische  Botanik"  bildet. 

Sie  wurzelt  in  der  bereits  1793  von  Beckmann  und  Böhmer 
wissenschaftUch  begründeten  und  begrenzten  technologischen  Rohstoff- 
lehre oder  „Warenkunde",  welche  zuerst  mit  äusserlichen  Beschreibungen 
und  der  Aufzählung  der  besonderen  Eigenschaften  von  den  diese  Rohstoffe 
liefernden  Nutzpflanzen  und  mit  der  geographischen  Verbreitung  derselben 
begann.  Heute  erkennen  wir  in  der  festen  Verbindung  dieser  älteren 
„Warenkunde"  mit  der  bestimmenden  Anatomie  und  der  Zellphysiologie 
das  wissenschaftliche  Gefüge  und  den  dauernd  befestigten  Untergrund, 
auf  dem  allein  die  Beziehungen  zwischen  den  Bedürfnissen  der  Tech- 
nologie und  der  wissenschaftlichen  Botanik  zur  selbständigen  Blüte 
gelangen  können,  und  dies  liefert  zugleich  den  Massstab  für  unsere 
Beurteilung  in  der  Geschichte  der  Rohstofflehre  und  ihrer  eigenen  Hand- 
bücher. Wenn  wir  die  an  der  Jahrhundertwende  erschienene  neue 
Rohstofflehre  von  J,  Wiesner  in  ihrer  chemisch  -  physiologisch  und 
anatomisch-systematisch  durchgeführten  Vertiefung  mit  den  vor  mehr 
als  100  Jahren  geschriebenen ,  damals  hochgelehrten  und  dem  ent- 
stehenden Bedürfnis  der  Praxis  vollkommen  gerecht  werdenden  Büchern 
von  Beckmann  und  Böhmer  vergleichen,  so  überblicken  wir  sofort 
den  ganzen  Entwickelungsgang  und  wissenschaftlichen  Fortschritt  der 
technischen  Botanik  und  sehen,  dass  wie  auf  anderen  Gebieten  so  auch 
hier  aus  einer  einfachen  Empirie  sich  ein  kompliziertes  Lehrsystem 
entwickelte.  Dies  war  ursprünglich  zum  grossen  Teil  den  Pharmazeuten 
überlassen,  weil  auf  deren  anatomisch-mikroskopische  Ausbildung  für 
die  Praxis  ein  genügendes  Gewicht  gelegt  war;  noch  jezt,  wo  die  ent- 
sprechenden Arbeitsgebiete  zum  Lehrgegenstand  der  speziellen  Botanik 
an  den  Technischen  Hochschulen  geworden  sind,  behandeln  die  ein- 
schlägigen Lehr-  und  Handbücher  vieles  ganz  gemeinsam. 

Folgende  Hauptpunkte    umfassen    die    wissenschaftlich   begründete 
Lehre  von  den  technisch  verwendeten  Rohstoffen  des  Pflanzenreichs: 

1.  Feststellung  der  Merkmale  und  Herkunft: 

sowohl  nach    anatomischer  Organographic,    als    nach   systemati- 
scher Klassifikation. 

2.  Ermittelung  der  die  Verwendung  beeinflussenden  Eigenschaften 
vom  botanisch-physiologischen  Standpunkte. 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  9' 

3.  Feststellung  der  Heimat  nach  natürlichen  und  Kuiturzonen : 
geographische  Rassen  und  ihre  Bedeutung  für  den  Wert  der 
Rohstoffsorten. 

4.  Kritik  der  Gewinnungs weisen. 

Zu  solcher  eigenen  Entwickelüng  dieser  Disziplin  drängt  die  Gegen- 
wart: immer  mehr  stellt  sich  eine  nützliche  Arbeitsteilung  zwischen  Mittel- 
europa und  den  reichen  Tropenländern  heraus,  so  dass  die  Entfaltung 
der  technologischen  Industrie  zur  Verarbeitung  von  Rohstoffen  bei 
uns  stattfindet,  während  die  Tropen  zur  Entfaltung  des  Plantagenbaues 
und  zur  rationellen  Ausbeutung  natürlicher  Vegetationsbestände  für  den 
Gewinn  solcher  Rohstoffe  vorschreiten.  In  der  Vielseitigkeit  wissen- 
schaftlicher und  praktischer  Rücksichten  hat  sich  dabei  die  technische 
Rohstotflehre  zu  einer  besonderen  Disziplin  entwickelt;  zur  beschreibenden 
Warenkunde  ist  die  technologische  Mikroskopie  hinzugekommen. 
Die  botanischen  Museen  eröffnen  den  Nutzpflanzenprodukten  ihre  Säle 
und  fördern  dadurch  gemeinnütziges  Wissen  ;  Monographien  werden  in 
ihnen  bearbeitet,  wie  z.  B.  der  grosse  Band  über  die  „Nutzpflanzen 
Ostafrikas"   im  Berliner  Museum    durch  Engler    und   seine    Mitarbeiter. 

Eine  sehr  hohe  Bedeutung  ist  in  den  Kreisen  unserer  „angewandten" 
Botaniker  von  jeher  der  Beschäftigung  mit  den  Mikroorganismen 
eingeräumt  worden.  Die  wissenschaftUchen  Begründer  dieser  Richtung 
haben  wir  Älteren  noch  persönlich  als  glänzende  Sterne  gekannt,  ich 
nenne  nur  A.  de  Bary,  Perd.  Cohn,  in  dessen  kleinem  physiologischen 
Laboratorium  in  Breslau  der  Ursprung  auch  von  so  vielen  medizinisch- 
hygienischen Arbeiten  über  Bakterien  zu  suchen  war,  dazu  Paste ur 
als  Mann  der  wissenschaftlichen  Praxis,  der  die  chemischen  Anschau- 
ungen über  den  Gärungsprozess  seit  1860  so  wesentUch  umgestaltete 
und  von  der  Gay-Lussacschen  Gleichung  auf  organische  Wachstums- 
und Umsetzungstätigkeiten  mikroskopisch  zu  beobachtender  Pilze  zur 
Erklärung  kam.  Aus  der  Schule  de  Barys  führte  Reess  die  Arbeiten 
über  die  Hefepilze  mehr  von  der  theoretischen,  sodann  aber  der  dänische 
Forscher  Hansen  mehr  von  der  praktischen  Seite  weiter,  und  seitdem 
gehört  das  Mikroskop  zum  technischen  Betriebe  der  Grossbrauereien. 
Unserem  unermüdlichen  früheren  Vorsitzenden  Wortmann  sind  dann 
die  glänzenden  Erfolge  zu  danken,  welche  in  entsprechender  Weise 
durch  Untersuchung  der  Mosthefen  die  Anschauungen  über  die  Wein- 
gärungen auf  viel  strengere  Grundlagen  stellten,  auch  hier  die  Rein- 
kulturen in  ihrer  Bedeutung  hervorhoben  und  auf  theoretischem  Gebiete^ 
z.  B.  durch  Aufstellung  von  einer  biologischen  Theorie  der  Gärung, 
ebenso  weitere  Fortschritte  anbahnten.  Die  Geisenheimer  Berichte 
über  Obst-,  Wein-    und  Gartenbau    bieten    geradezu    überraschende  Bei- 


IQ  O.  Drude. 

spiele  für  den  Portschritt,  den  die  Botanilc  einer  alten  menschlichen 
Betriebstätigkeit  jetzt  gebracht  hat. 

Wie  hier  die  Bierbrauer  und  Weinbauer  sozusagen  in  den  Bann- 
kreis der  botanischen  Wissenschaft  hineingezogen  wurden,  so  hat  sich 
aus  der  Phytopathologie,  und  dort  wiederum  besondersaus  den  ent- 
wickelungsgeschichtlichon  Studien  an  Krankheit  erregenden  Pilzen  und 
Bakterien,  eine  eigene  grosse  angewandte  Wissenschaft  gebildet,  welcher 
Forst-  und  Landwirtschaft,  sowie  der  Gartenbau  zum  grössten  Danke 
verpflichtet  sind. 

Wenn  wir  uns  daran  erinnern,  wie  erst  l'/a  Jahrzehnte  vergangen 
sind,  seitdem  Jacob  Eriksson  mit  seinem  Aufrufe  zur  energischen  An- 
spannung wissenschaftlicher  Hilfsinstitute  in  den  Dienst  der  Bekämpfung 
grosser,  enorme  Geldsummen  verschlingender  Krankheitsepidemien  auf 
dem  internationalen  land-  und  forstwirtschaftlichen  Kongress  in  Wien 
1890  hervortrat,  so  kann  es  uns  mit  Freude  erfüllen,  zu  sehen,  wie  viel 
von  jenen  Forderungen  im  Deutschen  Reiche  zur  Tat  geworden  ist.  Ein 
grosses  Institut  in  Berlin  mit  einem  Stabe  ausgezeichneter  Forscher 
nimmt  diese  Angelegenheit  von  Reichswegen  in  die  Hand,  die  Grenzen 
sind,  wie  in  unseren  Hafenstädten  die  Tore  zur  See,  bewacht  von  Posten, 
die  statt  der  Gewehre  Mikroskope  führen,  Männer  wie  R.  Hartig,  Frank, 
Kirchner,  Sorauer  und  in  jüngster  Zeit  zumal  v.  Tubeuf  haben  sich 
hervorgetan  durch  Handbücher  und  Herausgabe  glänzender  Mono- 
graphien. 

Noch  möchten  einige  Beispiele  für  den  heutigen  Umfang  und 
die  Vielseitigkeit  der  Angewandten  Botanik  angeführt  werden,  um 
von  den  Gebieten  grossen  Umfangs  auf  die  mühselige  Einzelarbeit 
zurückzuleiten. 

Als  Millardet  vor  jetzt  22  Jahren  die  sogen.  Bordeauxbrühe  zur 
Bekämpfung  von  Pilzkrankheiten  des  Weinstocks,  später  der  Kartoffel, 
empfahl,  konnte  er  kaum  ahnen,  welche  Menge  von  Untersuchungen 
sich  an  dieselbe  anschliessen  würden,  die  auch  in  unseren  Berichten 
durch  Vorträge  von  Aderhold,  Schander,  Ewert  u.a.  hervortreten.  Dass 
ein  giftiger  Stof!  auch  unter  Umständen  Ertragserhöhung  herbeiführt, 
dass  daran  das  Jahresklima  wechselnd  mit  beteiligt  ist,  dass  es  sich 
dabei  um  Nebenwirkungen,  wie  Dämpfung  des  Sonnenlichtes  auf  den 
bespritzten  Blättern  handeln  kann,  bei  denen  das  dem  Kalk  beigemengte 
giftige  Kupfer  in  eine  ganz  andere  Wirksamkeit  tritt,  braucht  hier  nur 
angedeutet  zu  werden. 

Vielfältig  verschiedene  Urteile  sind  über  die  Möglichkeit,  die  Hanf- 
und Leinfasern  sicher  zu  unterscheiden,  gefällt  worden.  Noch  steht  un- 
übertroffen da  die  mühsame,  vor  30  Jahren  durch  einen    Gerichtsfall  in 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  XI 

Zürich  hervorgerufene  Arbeitsleistung  von  Gramer,  dem  damaligen 
Botaniker  am  eidgenössischen  Polytechnikum,  der  zu  dem  Schlüsse 
kam,  dass  ein  sicheres  Urteil  sich  nur  aus  den  zufällig  beigemengten 
Resten  von  Oberhautfetzen  und  Haaren  erzielen  lasse.  Sehr  bemerkens- 
wert ist  damals  auch  gewesen,  dass  die  als  Sachverständige  hinzu- 
gezogenen Leinenfabrikanten  zum  gleichen  Urteile  wie  Gramer  über  die 
ihnen  vorgelegten  Zeugproben  kamen,  ohne  jedoch  ihr  Urteil  irgendwie 
begründen  zu  können,  während  die  mikroskopische  Analyse  nach  der 
■einen  oder  anderen  Richtung  hin  zu  einem  sicher  begründeten  Urteil 
kommt. 

In  der  Imprägnierung  des  Holzes,  welches  der  Witterung  und 
feuchten  Erde  und  damit  zerstörenden  Organismen  ausgesetzt  ist,  liegt 
ein  Sparmittel  von  grosser  nationalökonomischer  Bedeutung.  Man  über- 
lege sich,  dass  z.  B.  in  einer  der  beiden  sächsischen  Imprägnierungs- 
anstalten für  Eisenbahnschwellen  zu  Löbau  oft  weit  über  100000  Holz- 
schwellen mit  einem  Schlusswert  von  je  3  Mk.  jährlich  zur  Ablieferung 
kamen,  deren  Haltbarkeit  bei  Anwendung  von  Kiefernholz  auf  15  bis 
20  Jahre  gestellt  wurde,  so  dass  jedes  Jahr  mehr  ca.  20000  Mk. 
an  Schwellenmaterial  ersparte  —  dass  dieses  Holz  bei  dem  raschen 
Umtrieb  sächsischer  Forsten  aus  dem  Osten  gekauft  werden  rausste,  da 
die  inländischen  Stämme  meist  nicht  stark  genug  w^aren  —  und  man 
ersieht,  dass  gute  Konservierungsmethoden  des  Holzes  geradezu  die  zu 
klein  gewordenen  Waldtlächen  bei  uns  in  etwas  ausgleichen  könuen. 
E)aher  die  Aufmerksamkeit,  welche  hier  ein  ganz  anderer  Zweig  der 
angewandten  Botanik  diesem  Gegenstande  schuldet,  indem  die  besten 
Methoden  zur  Einbringung  einer  möglichst  grossen  Menge  pilzteindlicher 
Lauge  (Zinkchlorid)  in  das  Innere  des  Holzes  experimentell  geprüft 
werden  müssen.  Es  handelt  sich  dabei  auch  um  die  Wirkung  des  sogen. 
„Dämpfens"  des  Holzes,  d.  h.  der  Methode,  durch  Einwirkung  von 
112^  C  heissem  Dampfe  während  einer  Stunde  —  wie  man  sich  dachte 
—  die  Ei  Weissstoffe  zu  koagulieren  und  die  Aufnahme  der  Lauge  vor- 
zubereiten, während  sich  herausstellte,  dass  die  Temperatur  im  Innern 
der  Schwelle  am  Schlüsse  jener  Stunde  nur  auf  36  "^  G.  gestiegen  und 
die  Aufnahme  für  Lauge  in  den  äusseren  Schichten  herabgesetzt  war. 

Einen  stets  grösseren  Umfang  nimmt  die  Bestimmung  und  Kontrolle 
von  Handelswaren,  sowohl  von  technologischen  als  auch  von  Nahrungs- 
und  Genussmitteln,  in  den  dazu  bestimmten  Laboratorien  an,  und  Samm- 
lungen mit  geeichten  Stücken  von  richtiger  Herkunft  sind  dazu  not- 
wendig, wenn  sie  auch  nicht  leicht  zu  der  Grösse  des  Hamburger 
Museums  sich  aufschwingen  können.  Viele  Fragen  stellen  die  Zollbehörden, 
um   die  richtige   Tarifbestimmung  anwenden  zu  können.     Sind  dieselben 


12  O.  Drude. 

leicht  zu  beantworten  in  den  Fällen,  wo  nach  Mais-  oder  Hirsesorten, 
nach  Mandel-  oder  Pfirsichkernen  gefragt  wird,  so  ist  es  schon  ein 
heikles  Unternehmen,  das  „argentinischen  Strohhüten"  zugrunde 
liegende  Rohmaterial  zu  nennen,  besonders  wenn  das  Vergleichsmaterial 
der  Flechtstoffe  in  der  Vergleichssammlung  versagt. 

Es  mag  an  einen  Aufsatz  von  Porstmeister  Jen t seh')  über  die 
Tarifposition  „Holz"  im  Eisenbahngütertarif  erinnert  werden,  der  be- 
sonders die  Ungenauigkeit  der  als  „Pitch  Pine"  bezeichneten  Handels- 
ware hervorhebt,  in  der  botanische  und  merkantile  Namen  keineswegs 
übereinstimmen  und  öfters  eine  wirklich  korrekte  anatomische  Vergleichs- 
bestimmung sich  nötig  machen  würde. 

Es  ist  ein  notwendiger  glücklicher  Umstand  für  dieses  Gebiet  der 
Angewandten  Botanik,  dass  Handbücher  existieren,  in  erster  Linie 
Wiesners  neue  Ausgabe  der  „Rohstoffe  des  Pflanzenreiches",  welche  die 
anatomische  Charakteristik  der  Mehrzahl  der  technologisch  und  merkantil 
in  Betracht  kommenden  Rohmaterialien  schon  jetzt  in  rühmenswerter 
Vollständigkeit  vereinigen;  sie  werden  ergänzt  durch  die  anatomischen 
Werke  der  Pharmakognosie,  wie  besonders  A.  Tschirchs  zweibändigen 
„Atlas",  und  durch  die  neuere  Literatur  über  Mikroskopie  der  vege- 
tabiUschen  Nahrungs-  und  Genussmittel.  Einige  wenige  Lehrbücher 
sorgen  für  den  besonderen  Bedarf  der  Technischen  Hochschulen,  so 
das  von  Hanausek.^) 

Sie  zeigen,  dass  sogar  die  nicht  organische  Struktur  besitzenden 
Rohstoffe  der  mikroskopischen  Technik  unterworfen  werden  können, 
Gummigutt,  Elemiharze  u.  a.  werden  in  ihren  Auflösungserscheinungen 
beobachtet,  Kristalle  von  Harzsäuren  werden  mit  Hilfe  des  Polarisations- 
mikroskopes  erkannt,  Beimengungen  von  Chlorophyll  (wie  z.  B.  in  der 
„Jungfernöl"  genannten  feinen  Sorte  des  Olivenöls)  spektroskopisch  von 
wertlosen  Nachahmungen  mit  grünlicher  Farbe  unterschieden:  überall 
baut  sich  eine   eigene  Methodik  aus. 

Wir  haben  nun  auch  noch  die  Beziehungen  der  Rohstofflehre  zur 
sj'^nthetischen  Chemie  zu  streifen  und  die  wichtige  Frage  zu  berühren, 
inwieweit  eine  Ablösung  der  direkten  vegetabilischen  Rohstolfproduktion 
durch  chemische  Erzeugnisse  möglich  ist. 

Die  organische  Naturforschung,  so  imposant  sie  sich  heutzutage 
entwickelt  hat,  muss  doch  der  Möglichkeit  freier  Erfindung  entbehren, 
da  der  Kernpunkt  der  vitalistischen  Erscheinungen  und  die  Lösung  der 
Frage  vom  Ursprung  des  Lebens    nicht  in  ihre  Hand  gegeben  ist.     Um 


1)  Mündener  Forstliche  Hefte  VIII,  52—72,  bes.  S.  66. 

2)  Lehrbuch  d.  Technischen  Mikroskopie.     Stuttg.  190L 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  13 

so  mehr  glaubt  nunmehr  die  industrielle  Welt  auch  hinsichtlich  der 
organischen  Verbindungen  die  freie  Erfindung  den  exakten  Wissen- 
schaften, der  erfindungsreichen  Chemie,  unabhängig  von  der  aus  der 
Urnahrung  aufbauenden  organischen  Welt,  anvertrauen  zu  können;  sie 
hofft  die  Hunderte  von  Rohstoffen  aus  unseren  Laboratorien  geliefert  zu 
erhalten,  welche  jetzt  der  Welthandel  als  Pflanzenprodukte  einführt. 
Schon  erscheinen  die  alten  Färbereipflanzen,  Waid,  Krapp,  selbst  Indigo- 
fera,  entbehrlich;  die  Riechstoffe  der  Iris  fiorentinci,  der  Veilchenblüte, 
Orange  und  Heliotrop  können  auf  dem  Wege  chemischer  Synthese  rein 
dargestellt  werden;  das  Aroma  der  Vanille  sollen  wir  durch  das  Vanillin 
der  chemischen  Fabriken  ersetzen.  Alkaloide  wie  Coniin  u.  a.  sind 
synthetisch  hergestellt;  warum  soll  es  nicht  auch  mit  dem  Alkaloid  des 
Kaffees  so  geschehen? 

Eine  Milliarde  Mark  bewegt  sich  alljährlich  im  Welthandel  zur 
Ablieferung  der  Säcke  voll  Kaffeebohnen  an  die  alten  Kulturländer; 
Deutschland  bezahlt  alljährlich  viele  Millionen  dazu,  ebensoviel  für  das 
noch  viel  unnützere  Alkaloid  Nikotin  im  Tabak. 

Niemand  kann  heute  bestreiten,  dass  es  zu  den  sehr  wahrschein- 
lichen Möglichkeiten  chemischer  Erfindung  gehört,  die  jetzt  noch  nicht 
synthetisch  hergestellten  Alkaloide  Coffein  und  Nikotin  künstlich  her- 
stellen zu  lernen;  niemand  kann  bestreiten,  dass  es  einen  grossen  wirt- 
schaftlichen Erfolg  für  Deutschland,  bedeuten  und  einen  starken  Um- 
schwung im  Welthandel  hervorrufen  würde,  wenn  es  solche  Genuss- 
mittel exportierte. 

Es  gibt  noch  viel  weitergehende  Wünsche  nach  künstlicher  Stärke, 
chemischem  Brot;  aber  auch  wenn  wir  uns  gar  nicht  so  weit  in  nie- 
mals zu  verwirklichenden  Ideen  verlieren,  so  gibt  es  auch  bei  den  hand- 
greiflich vor  uns  liegenden  Zielen  der  chemischen  Synthese  gewisse 
Grenzen,  welche  nur  für  eine  gewisse  Zahl  und  Menge  von  Rohstoffen 
die  Pflanze  entbehrlich  erscheinen  lassen.  Für  die  grosse  Hauptmasse 
gilt  auch  heute  noch,  dass  jetzt  wie  in  Zukunft  die  organische  Chemie 
keine  besseren  und  billigeren  Arbeitskräfte  zur  Beschaffung  ihres  eigenen 
Rohmaterials  annehmen  kann,  als  die  chemisch-physiologischen  Prozesse 
der  im  Sonnenhchte  arbeitenden  Pflanzenwelt  auf  der  ganzen  Erde! 

Bei  Lieferung  grosser,  in  ihrer  Totalität  nutzbarer  Massen  (Zucker, 
Fette)  oder  bei  der  Einsammlung  reicher  Stoffgemenge  (Harze, 
Kautschuke  usw.)  oder  gar  organisierter  Substanzen  (Fasern)  wird  und 
muss  die  Pflanzenproduktion  die  direkte  Quelle  bleiben  und  liefert  als- 
dann ihre  Rohstoffe  an  die  technische  Chemie  zur  Aufbereitung  und 
Umarbeitung. 

Die  kulturelle  und  technologische  Botanik  behält  auf  diesen  Gebieten 


j  j.  O.  Drude. 

dauernd  ihren  Rang  als  ewig  junge  und  sich  selbst  regenerierende 
Quelle  für  die  Bedarfsmassen  unserer  Industrie  und  der  mit  dem  heutigen 
Kulturleben  zusammenhängenden  mannigfaltigen  Bedürfnisse;  ihr  folgt 
die  chemische  Industrie  mit  ihren  sich  vervollkommnenden  Methoden 
erst  nach. 

Das  braucht  sich  aber  nicht  so  zu  erhalten  auf  der  ganzen  Um- 
fangslinie  der  Rohstoffe,  welche  der  Mensch  ursprünglich  aus  dem 
Pflanzenreich  kennen  lernte,  und  es  wird  sogar  von  wesentlichem  Nutzen, 
nationalökonomisch  betrachtet,  sein,  wenn  für  gewisse  Rohstoffe  die 
chemische  Industrie  mit  dem  Ausbau  ihrer  synthetischen  Methoden  auch 
die  direkte  Produktion  in  die  Hand   nimmt. 

Man  bedenke,  wie  grosse  Flächen  nutzbaren  Ackerlandes  bei  uns 
und  in  den  Tropen  dazu  verwendet  werden  müssen,  um  verhältnis- 
mässig ganz  geringe  Mengen  eines  gesuchten  Rohstoffes  zu  erzeugen. 
Tausende  von  Rosenblüten  gehören  dazu,  um  einen  Tropfen  Rosenöl  als 
Destillat  zu  liefern;  ganze  grosse  Rosengärten  werden  diesem  Zweck 
geopfert. 

Um  den  Kampfer  zu  erhalten,  werden  mächtige  Bäume  von  der 
Grösse  unserer  Eichen  gefällt  und  —  sogar  noch  mit  unvollkommenen 
Methoden  —  in  Holzspäne  zerhackt  der  Destülation  unterworfen. 

Ganz  ähnlich  ist  es  mit  dem  Indigo  und  anderen  Farbstoffen, 
welche  als  Nebenbestandteile  des  Zellsaftes  erst  mit  dem  Tode  der 
lebendigen  Zellen  in  Wirkung  treten. 

Wo  die  Pflanzenkultur  nur  kleine  Mengen  von  Rohstoffen  auf 
grossen  Flächen  liefern  kann,  ist  es  erwünscht,  dass  die  technische 
Chemie  dieselben  auf  reicherem  synthetischen  Wege  liefere,  der  oft  ein 
viel  einfacherer  sein  wird,  als  der  entsprechende  Spaltungsprozess  im 
Gewebe  der  lebenden  Pflanze. 

Und   damit  befinden  wir  uns  in  dem  Gebiete  der 
weltwirtschaftlichen  Erwägungen. 

Durch  die  Steigerung  der  Mannigfaltigkeit  und  Quantität  unserer 
Bedürfnisse  bei  gleichbleibender  Landfläche  werden  unausgesetzt  Ände- 
rungen im  Welthandel  herbeigeführt,  besonders  aber  dann,  wenn  wir 
denselben  Rohstoff  aus  verschiedenen  Stammpflanzen,  ergänzt  durch 
chemische  Synthese  oder  nur  Aufbereitung,  gewinnen  kiinnen.  v 

Manche  Einfuhrprodukte  werden  dann  abgelöst  durch  andere; 
manche  wird  man  zuerst  in  fremden  Pflanzen  kennen  lernen  und  später 
aus  einheimischen  zu  gewinnen  suchen  (Beispiel:  Rohr-  und  Rüben- 
zucker; aus  den  Importländern  Mitteleuropas  sind  z.  T.  Exportgebiete 
geworden). 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  X5- 

Die  Aufgabe  der  Angewandten  Botanik  wird  mit  darin 
bestehen,  die  Gewinnung  der  Rohstoffe  auf  die  wirksamsten 
Nutzpflanzen  und  die  ergiebigsten  Klimate  beschränken  zu 
helfen. 

Und  diese  Aufgabe  befindet  sich  unter  dem  steigenden  Einfluss 
der  chemisch-synthetischen  Industrie,  welche  neue  Werte  ohne  pflanzliche 
Herkunft  in  einer  wahrscheinlich  stetig  sich  steigernden  Umwälzung 
auf  den  Markt  wirft. 

Ich  habe  diese  weltwirtschaftlichen  Erwägungen  zunächst  betont 
bei  nicht  organisierten  Rohstoffen,  welche  wie  Farbstoffe,  Alkaloide  und 
ätherische  Öle  eines  wirklich  künstlichen  Ersatzes  fähig  sind,  entweder 
durch  ganz  andere,  aber  ähnlich  oder  besser  wirkende  Kompositionen, 
oder  durch  dieselben  synthetisch  hergestellten  Stoffe  gleicher  Qualität 
zu  billigerem  Preise, 

Wir  können  solche  Erwägungen  aber  auch  ausdehnen  auf  die  not- 
wendigen Nahrungs-  und  Genussmittel  aus  dem  Pflanzenreich  und 
können  die  Frage  aufwerfen,  ob  schon  jetzt  das  der  mitteleuropäischen 
Lage  am  besten  entsprechende  Verhältnis  vom  Anbau  gewisser  Cereahen, 
Textil-,  Öl-,  Gerbstoffe  usw\  liefernder  Pflanzen  und  der  Einfuhr  der 
übrigen  Rohstoffe  auf  vielseitigen  Handelswegen  erreicht  sei,  oder  ob 
hier  wesentliche  Verbesserungen  möglich  sind? 

Und  wenn  wir  in  die  weitere  Zukunft  blicken,  so  sehen  wir  ganz 
andere  Erschütterungen  des  heutigen  Welthandelsystems  mit  seinen  Aus- 
und  Einfuhren  dadurch  entstehen,  dass  früher  oder  später  in  unseren 
Kolonien  selbst  eine  technologische  und  chemische  Industrie  erwachen 
wird,  welche  dort  ganz  andere  vegetabilische  Hilfsmittel  zur  Verfügung 
haben  wird,  als  wir  in  unserer  einheimischen  Pflanzenwelt  sie  besitzen 
mit  der  Einfuhr  trockener  Rinden,   Blätter,  Früchte. 

Von  solchen  Gedanken  geht  auch  eine  nicht  uninteressante  Ab- 
handlung von  Ottomar  Thiele')  aus,  welche  allerdings  die  Ergänzung 
unserer  eigenen  Rohstoffproduktion  im  Lande  etwas  optimistisch  ansieht. 
Denn  für  Nahrungsmittel  scheint  sie  doch  im  allgemeinen  abzulehnen 
zu  sein,  so  vielerlei  Nahrung  auch  dem  Wilden  sogar  in  Steppen  geboten 
wird.  Die  bestehende  Geschmacksrichtung  bei  uns  setzt  der  Einführung 
neuer  Nahrungsmittel  im  allgemeinen  Widerstand  entgegen,  wofür 
manche  Beispiele  vorliegen. 

Die  Knollen  vom  Topinambur,  von  Stachys  affin/s  als  Gemüse 
wollen  sich  nicht  einbürgern,  obwohl   sie  gut  in  unseren  warmen  Lagen 


•)  Über       wirtschaftliche       Verwertung       ethnologischer      Forschungen, 
Tübingen  1906. 


16  0.  Drude. 

gedeihen  und  eine  ganz  gute  Ergänzung  des  Gemüsemarktes  bilden 
würden,  mindestens  so  gut  wie  Teltower  Rübchen  und  ähnliches.  So 
^wichtige  Einführungen  aber,  wie  die  Kartoffel,  scheinen  überhaupt  nicht 
mehr  möglich  zu  sein. 

Anders  steht  es  mit  der  Einfuhr  von  Ernteprodukten  fremder 
Länder:  seitdem  die  Erdnüsse  auch  in  Nordamerika  so  stark  im  Anbau 
zugenommen  haben,  kann  man  ihre  Zunahme  auf  dem  deutschen  Prucht- 
markt  wohl  bemerken  —  ganz  zu  schweigen  von  der  enormen  Zunahme 
des  Erdnussöls  als  einer  Handelsware,  deren  Herkunft  vielfach  den 
davon  zehrenden  Kreisen  unserer  Bevölkerung  kaum  richtig  bekannt 
geworden  ist. 

Aber  es  mag  wenigstens  ganz  allgemein  daran  erinnert  werden, 
dass  auf  dem  weiten  Erdenrund  sehr  viel  mehr  essbare  Pflanzen  dem 
hungernden  Menschen  geboten  werden,  als  die  immerhin  nicht  sehr 
grosse  Anzahl  von  richtigen,  in  allgemeinen  Anbau  übergegangenen 
„Kulturpflanzen"  ahnen  lässt.  Ganze  Völkerstämme  leben,  wenigstens 
in  bestimmten  Jahreszeiten,  von  Samen  und  Früchten,  Knollen  und 
Wurzeln,  die  bei  uns  kaum  als  fähig  erachtet  würden  als  Menschen- 
nahrung zu  dienen.  So  die  Hottentotten  an  der  Walfischbai  von  der 
Narasgurke,  die  Klamath-Indianer  Oregons  von  den  Samen  einer  gelben 
Seerose,  „Wokas"  genannt,')  andere  Indianerstämme  von  Wasserreis 
{Zizanid)\  die  in  ärmlicher  Steppe  lebenden  Indianer  des  Mendocino- 
distrikts  in  Kalifornien  haben  mehr  als  100  Nährpflanzen  der  wilden 
Flora  und  treiben  keinen  Ackerbau.^) 

Dagegen  liegen  genug  Anlässe  vor,  um  uns  in  berechtigter  Weise 
Umschau  halten  zu  lassen  nach  einer  weiteren  Ergänzung  unserer 
heutigen  technischen  und  pharmakognostischen  Rohstotfe. 

Beispiele  technologisch  wichtiger  Pflanzen,  die  Nutzen  versprechen, 
lassen  sich  schon  jetzt  in  grosser  Menge  anführen;  der  Kürze  halber 
mache  ich  hier  nur  einige  Andeutungen. 

Bastfasern.  D o dg e^)  (1894)  zeigt  eine  Menge  von  in  der  U  nie n  wild- 
wachsenden Malvaceen  u.  a.  au. 

Rose*)  (1899)  zählt  die  mexikanischen  Agave-Arten  und  andere  treffliche 
Faserpflanzen  mit  z.  T.  noch  unbekannter  Verwendung  auf. 


1)  Siehe    Fr.    V.    Coville,    Wokas,    a    primitive    food    of    the    Klamath 
Indians.     Smithsonian  Institution  No.  130.     Washington  1904. 

2)  Siehe  V.  K.  Cliesnut  in  Contrib.  U.  S.  National  Herbarium,  VII,  No.  3. 
Washington  1902. 

^)  Report  on  the    uncultivated  Bast  fibers  of  the  United  States.     (Dep. 
~of  Agriculture,  Fiber  luvest.  Rep.  0.) 

*)  Contrib.  from    the    U.  S.  National  Herbarium    V,    No.   4,    S.  239—251. 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten  Botanik.  ■        ^7 

Versuche  mit  Boehmeria-Faserkultur  im  südlichen  Frankreich  sind  von 
Erfolg,  in  Deutschland  nicht. 

Chemische  Rohstoffe.  Runiex  hymenosepalus  SiUsTe'K.a.f^  und  Louisiana 
enthält  treffliches  Gerbmaterial;  die  Pflanze  hält  aus  in  Sachsen. 

Die  Rohmaterialien  der  ostasiatischen  Lackfabrikation,  Pflanzen  wie 
Rhus  vernicifera  und  andere,    wären    unserer  Industrie  zugänglich    zu  machen. 

Viele  Pflanzen  mit  Färb-  und  Riechstoffen  verdienen  zum  mindesten 
erhöhte  Aufmerksamkeit,  auch  Seifenwurzeln  und  -Rinden,  welche  sich  viel- 
fach im  Gebrauch  wilder  Völker  finden. 

Von  Überlegungen  dieser  Art  aus  kann  man  der  Anschauung  von 
Ottomar  Thiele  am  Schluss  seiner  obengenannten  Abhandlung  wohl 
beipflichten,  dass  eine  Bereicherung  der  für  unser  Wirtschaftsleben  nütz- 
lichen Produkte  auf  einem  sicher  und  verhältnismässig  einfach  zum  Ziele 
führenden  Wege  durchaus  geboten  erscheint,  nämUch  dadurch,  dass  ^\v 
noch  zu  einer  besseren,  vollkommeneren  Kenntnis  jener  verschiedenen 
Pflanzenprodukte  zu  gelangen  suchen,  welche  im  Wirtschaftsleben  der 
Naturvölker  eine  Rolle  spielen. 


Wir  haben  die  verschiedenen  Richtungen,  in  denen  sich  das  weite 
Arbeitsgebiet  der  Angewandten  Botanik  bewegt,  in  Leitsätzen,  Andeutungen 
und  Einzelbeispielen  durchgesprochen  und  können  zum  Schluss  nicht 
anders,  als  im  Sinne  der  botanischen  Wissenschaft  unserer  hohen  Be- 
friedigung darüber  Ausdruck  zu  verleihen,  dass  durch  diese  verschieden- 
artigsten Berührungen  mit  der  Praxis  menschlicher  Gewerbe  und  Be- 
triebe der  Wirkungskreis  der  Gesamtbotanik  sich  wesentlich  erweitert 
hat  und  immer  mehr  sich  zu  erweitern  bestimmt  ist. 

Und  dabei  ist  kein  prinzipieller  Unterschied  zwischen  angewandter 
und  theoretischer  Botanik. 

Denn  in  allen  ihren  Forschungen  unterscheidet  sich  die  ange- 
wandte Botanik  von  der  allgemeinen  Botanik  nur  durch  das  dem 
praktischen  Bedürfnis  entgegenkommende  Ziel,  nicht  aber  durch  die 
Grundlage  und  Methode,  so  wie  es  schon  Professor  Behrens  in  dem 
Jahresbericht  1903/04')  unserer  Vereinigung  ausdrückte:  wir  würden 
„fruchtlose  Arbeit  beim  Verlassen  der  Wege  der  exakten  Wissenschaft" 
ausführen. 

Erst  die  Verbindung  beider  schafft  das  Richtige,  dadurch  geht  ein 
erweiterter  Gesichtskreis  für  die  ganze  Botanik  hervor;  Kenner 
müssen  sich  herausbilden,  wie  Irüher  in  einzelnen  Familien  des  Pflanzen- 
reichs, so  jetzt  in  einzelnen  Kapiteln  der  angewandten  Botanik  an  den 
zugehörigen    Instituten,    welche    in    der    Regel    dem    einen     oder    dem 


1)  Jahresbericht  II,  32. 

J^Uiesbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik.  IV. 


jg  O.  Drude. 

anderen  Hauptzweige  praktischer  Verwendungsart  dienstbar  gemacht 
werden. 

Sogar  auf  die  Gestaltung  des  Schulunterrichts  kann  der  Umfang 
und  die  Porschungstätigkeit  auf  so  vielen  Gebieten  der  angewandten 
Botanik  von  durchschlagender  Bedeutung  und  Anziehungskraft  nicht 
ohne  Einfluss  bleiben,  da  hier  die  Botanik  sich  freier  und  gefälliger 
bietet  für  vermittelnde  Einschaltung  in  andere  Lehrgegenstände. 

Dass  das  Verständnis  für  gewisse  Vorgänge  des  täglichen  Haus-  und 
Wirtschaftslebens  geradezu  eine  unentbehrUche  Bildungssache  sei.  das 
betont  schon  mit  Recht  Professor  Lindner, 2)  indem  er  darauf  hinweist, 
dass  der  Lehrer  an  höheren  Töchterschulen  die  biologischen  Seiten  der 
Gärungserscheinungen  solle  verstehen  lehren.  Wie  viele  ähnliche  Forde- 
rungen lassen  sich  den  Fachschulen  entgegenhalten ! 

Aber  darüber  hinaus  erscheint  als  ein  der  idealen  Goistesrichtung 
entsprechender  Lehrgegenstand  von  höchstem  Interesse  die  Verbindung 
der  Ethnographie  mit  den  äusseren  Bedingungen  der  Pflanzenkultur  und 
Pflanzonnutzung,  zugleich  die  natürliche  Grundlage  des  Welthandels  auf 
pflanzengeographischen  Bedingungen.  Dies  muss  belebend  wirken  auf 
das  Verständnis  menschlicher  Betriebsamkeit  und  daran  hier  in  Hamburg, 
am  Orte  der  jetzt  mächtig  weiterflutenden  Bewegung  für  Hebung  des 
naturwissenschaftlichen  Unterrichts,  zu  erinnern,  erscheint  wie  eine 
Pflicht  der  Dankbarkeit. 

Solche  Dinge  gehören  sicherlich  mit  zur  „Allgemeinen  Bildung", 
welche  viel  mehr  nach  dem  geistigen  Verständnis  der  Gegenwait  und 
der  treibenden  Kräfte  im  Menschenleben  streben  muss,  als  nach  einer 
blossen  Anhäufung  einzelner  Kenntnisse.  Denn  durch  die  Forderung  der 
letzteren  allein  könnten  die  biologischen  Wissenschaften  gerade  so  be- 
lastend wirken,  wie  andere. 

Schlusszusammenfassung. 

Wir  haben  gesehen,  dass  die  ,, Angewandte  Botanik"  sich  erst  zu 
einer  wirklich  zuverlässigen  Verbündeten  der  praktischen  Disziplinen 
herausbilden  konnte,  nachdem  der  Umfang  und  die  Methodik  der  streng 
wissenschaftUchen  allgemeinen  Botanik  die  heutige  Grösse  und  Schärfe, 
besonders  durch  die  Ausbildung  des  physiologischen  Experiments  und 
der  mikroskopischen  Technik  erlangt  hatte.  Nur  durch  die  Anwendung 
der  Errungenschaften  strenger  Forschung  auf  dem  Gebiete  reiner 
Wissenschaft  ist  sie  wertvoll  geworden,  nur  durch  diese  fortgesetzte 
Anwendung  wird  sie  wertvoll  bleiben. 

Sie    hat    sich    überall    als   ein  leitender  oder  mitwirkender  Faktor 


2)  Siehe  Jahresbericht  l.  79. 


Aufgaben  und  Ziele  der  Angewandten   Botanik.  19 

erst  viel  später  in  praktischen  Fragen  betätigt,  als  die  selbständigen 
Disziplinen,  denen  sie  jetzt  hilft,  ihre  empirische  Entwickelung  durch- 
laufen haben.  Jetzt  erst,  nachträglich,  erkämpft  sich  die  angewandte 
Botanik  ihren  eigenen  Standpunkt,  jetzt  erst  sind  wir  in  die  Periode 
gekommen,  wo  aus  dem  Studium  der  Botanik  an  den  Hochschulen 
praktische  Botaniker  zu  besonderem  ausübenden  Beruf  neben  dem  Lehr- 
beruf hervorgehen. 

Jetzt  nimmt  die  Angewandte  Botanik  einen  grossen,  vermittelnden 
Standpunkt  ein  zwischen  Landwirtschaft,  Forstwirtschaft  und  Gartenbau, 
zwischen  technischer  Chemie,  Pharmakognosie,  zwischen  den  Wissen- 
schaften der  Fabrikingenieure  und  sogar  der  Weltwirtschaft  und  Welt- 
handel bearbeitenden  Nationalökonomie,  sich  mit  eigenen  natürlichen  Ge- 
sichtspunkten selbständig  entfaltend. 

Ich  sage  „selbständig",  denn  sie  tritt  nicht  in  einer  dienenden 
Rolle  auf,  welche  bestellte  Aufträge  ohne  weiteres  abwickeln  könnte, 
auch  kann  ihr  nicht  das  schwere  Rüstzeug  der  allgemein-botanischen 
Wissenschaft  genügend  helfen  für  ihren  eigenen  Beruf:  sie  muss  viel- 
mehr mit  eigener  Kraft  erfinderisch  auftreten  und,  der  durch  das  prak- 
tische Bedürfnis  gegebenen  besonderen  Lage  entsprechend,  die  For- 
schung selbständig  weiterführen.  Im  Dienste  der  Praxis  eröffnet  sie 
auch  neue,  eigene  Forschungsrichtungen  und  hilft  am  stolzen  Bau 
unserer  botanischen  Wissenschaft  unausgesetzt  fördernd  mit. 

Wie  kein  Zweig  der  Naturforschung  ohne  die  Entfaltung  seiner 
Machtmittel  in  Instituten  und  Sammlungen  gedeihen  kann,  so  hat  auch 
die  Angewandte  Botanik  ihre  besonderen  Institute  und  Museen  nötig, 
welche  in  starker  Arbeitsteilung  den  jeweilig  gestellten  besonderen  Auf- 
gaben gerecht  werden  müssen:  Vergleichs-  und  Bestimmungsammlungen, 
solche  für  Phytopathologie,  für  die  ungeheure  Fülle  vegetabilischer  Roh- 
stolTe  und  ihre  Verfälschungen.  Nicht  überall  können  solche  Samm- 
lungen in  gleicher  Fülle  vorhanden  sein;  eine  geschickte  Ergänzung  und 
ein  Bund  zur  gegenseitigen  Hilfsleistung  wird  mehr  als  zuvor  dringend 
notwendig.  Die  „Vereinigung  der  Vertreter  der  angewandten  Botanik" 
hat  einen  solchen  Bund  von  Männern  der  Wissenschaft  geschaffen;  es 
kommt  darauf  an,  ihn  auf  die  hervorragenden  Institute  auszudehnen, 
ähnlich  wie  der  „Verband  landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  im 
Deutschen  Reiche".  Von  der  Geschicklichkeit,  die  hierin  entfaltet  werden 
wird,  hängt  unzweifelhaft  auch  die  Blüte  unserer  Vereinigung  mit  ab; 
möge  diese  Versammlung  in  Hamburg  kräftig  dazu  mitwirken  und  mögen 
die  Hamburger  botanischen  Institute  in  wachsender  Blüte  einen  Ehrenplatz 
in  diesem  Bunde  behaupten! 

2* 


2U 


O.   Warbui-or. 


Tropische  Landwirtschaft. 

Von 
Professor  Dr.  0.  Warburg,  Berlin. 

Die  tropische  Landwirtschaft  ist  ihrer  Natur  nach  eine  ausser- 
ordentlich komplizierte  Disziplin.  Wie  bei  der  heimischen  Landwirtschaft 
wetteifern  fast  alle  naturwissenschaftlichen  Fächer,  dieselbe  zu  fördern, 
auch  die  Technik  trägt  zu  ihrer  Entwickelung  bei,  und  es  ist  ebenso 
wie  bei  der  heimischen  Landwirtschaft  schon  jetzt  nicht  mehr  möglich, 
sich  in  den  verschiedenen  Teilen  derselben  dauernd  orientiert  zu  halten. 

Es  kann  daher  auch  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  hier  in  dem 
Kreise  der  Vertreter  der  angewandten  Botanik,  einen  Überblick  über  die 
verschiedenen  Forschungsrichtungen  zu  geben,  welche  die  tropische 
Landwirtschaft  zu  fördern  bestrebt  sind,  und  ebensowenig  können  wir 
hier  die  in  ihren  Wurzeln  sich  weithin  erstreckende  Geschichte  derselben 
verfolgen,  da  hierzu  die  Vertiefung  nicht  nur  in  die  Prähistorie 
unserer  ältesten]  Kulturvölker,  sondern  auch  in  die  Sitten-  und  Re- 
ligionsgeschichte der  meisten  primitiven  Völker  der  Tropen  nötig  sein 
würde. 

Wir  wollen  uns  ein  bescheideneres  Ziel  stecken  und  uns  nur  klar 
zu  machen  suchen, 

1.  was    momentan    als    die    Haupttendenz    der    Entwickelung    der 
tropischen  Landwirtschaft  anzusehen  ist, 

2.  welche  Aufgabe    der  landwirtschaftlichen  Tropenbotanik    hierbei 
zufällt. 

3.  auf    welche    Weise    wir    diese    Aufgabe    am    besten   einer    be- 
friedigenden Lösung  werden  zuführen  können. 

Vorher  sei  nur  auf  zwei  Punkte  hingewiesen.  Der  erste  ist  die 
Tatsache,  —  die  übrigens  schon  im  Jahre  1901,  gleichfalls  hier  in 
Hamburg,  auf  der  Deutschen  Naturforscherversammlung  in  einem  Referat 
über  die  Geschichte  und  Entwickelung  der  angewandten  Botanik  von  uns 
hervorgehoben  wurde,  —  dass  die  tropische  Landwirtschaft  als  botanische 
Wissenschaft  einer  der  jüngsten  Zweige  der  angewandten  Botanik  darstellt. 
Es  ist  klar,  dass  viele  der  sehr  erheblichen  Mängel  der  wissenschaft- 
lichen Ausbildung  dieser  Disziplin  nur  darin  ihre  Ursachen  finden,  dass 


Tropische  Landwirtscliaft.  21 

bisher  die  Zeit  zu  kurz  gewesen  ist,  um  das  Gebiet  gründlich  durch- 
zuarbeiten. Freilich  ist  dies  nicht  der  einzige  Grund  der  zweifellosen 
Rückständigkeit  der  landwirtschaftlichen  Tropenbotanik,  eine  andere 
ebenso  erhebliche  Ursache  ist  die,  dass  es  bis  jetzt  noch  viel  zu  wenig 
Zentren  gibt,  wo  man  die  nCitige  Arbeitsmöglichkeit,  die  nötigen  Arbeits- 
kräfte und  die  mindestens  ebenso  wichtige  Anregung  zu  solchen  Arbeiten 
findet.  Ein  drittes  Moment  liegt  auf  klimatischem  Gebiet  und  besteht 
darin,  dass  einerseits  in  den  warmen  Gegenden  für  die  weisse,  momentan 
fast  noch  allein  für  solche  Arbeiten  in  Betracht  kommende  Rasse  die 
Arbeitskraft  an  sich  erheblich  geschwächt  ist,  die  Unterbrechungen  durch 
Erholungsreisen  sehr  gross  sind,  und  es  anderseits  nur  wenigen 
Weissen  vergönnt  ist,  dauernd  in  den  Tropen    mit  Energie  zu  arbeiten. 

Sind  also  durch  die  Kürze  der  Zeit,  die  geringe  Zahl  und  die 
durch  klimatische  Ursachen  verminderte  Kraft  der  Arbeiter  viele 
Lücken  unserer  Disziplin  hinreichend  erklärt,  so  kommt  als  ein 
wohl  noch  wichtigerer  Umstand  in  Betracht  die  gewaltige  Ausdehnung 
des  Arbeitsgebietes.  Für  die  wissenschaftliche  Botanik  machte  Treub 
zuerst  darauf  aufmerksam,  dass  die  tropische  Pflanzenwelt  das  allgemeine, 
umfassende  darstellt,  während  die  Pflanzenwelt  der  gemässigten  Zone 
nur  einen  Spezialfall  bildet,  und  zwar  gilt  dies  sowohl  für  die  biologischen 
Verhältnisse    als  auch    für    die  Anatomie,  Morphologie    und  Systematik. 

Genau  das  gleiche  gilt  aber  auch  für  die  Landwirtschaft.  Die 
heimische  Landwirtschaft  ist  im  Verhältnis  zur  tropischen  als  eine  ihrem 
Umfang  nach  begrenztere,  ihrem  Wesen  nach  weniger  vielseitige  anzu- 
sehen. Die  tropische  Landwirtschaft  ist  ihrer  Natur  nach  mannigfaltiger 
und  vielgestaltiger  als  die  Landwirtschaft  der  gemässigten  Zone.  C)ass 
dies  uns  im  allgemeinen  nicht  gerade  auffällt,  beruht  darauf,  dass  wir 
gewohnt  sind,  die  tropische  Landwirtschaft  vom  Standpunkt  der 
heimischen  aus  zu  betrachten.  Die  tropische  Landwirtschaft  steckt  eben 
noch  —  wenigstens  in  theoretischer  und  wissenschaftlicher  Beziehung  — 
in  den  Kinderschuhen  und  hat  sich  vielfach  noch  nicht  von  den  Fesseln 
befreit,  die  eine  Übertragung  der  in  der  gemässigten  Zone  ausgebildeten 
landwirtschaftlichen  Methoden    ihr    notw^endigerweise  auferlegen  musste. 

Auch  mit  der  wissenschaftlichen  Botanik  verhielt  es  sich  ja  früher 
ähnlich.  Zu  Linnes  Zeiten  war  die  Kenntnis  der  tropischen  l^flanzen- 
welt  noch  so  gering,  dass  damals  weit  mehr  Pflanzen  der  gemässigten 
Zone  bekannt  waren  als  der  tropischen.  Und  was  die  biologischen  Ver- 
hältnisse betrifft,  so  hat  sich  erst  in  den  letzten  20  Jahren  gezeigt,  wie 
viel  mannigfaltiger  die  biologische  Botanik  der  warmen  Zone  ist  als  die 
der  gemässigten.  Die  Arbeiten  von  Treub,  Goebel,  Schimper,  Stahl, 
Haberland,   Karsten,    Wies n er  und    vieler    anderer    haben    uns  erst 


22  O-  Warburg. 

die  Augen  für  diese  Mannigfaltigkeit  tropen-biologischer  Probleme  ge- 
öffnet, ebenso  wie  wir  trotz  mancher  rühmlicher  Vorläufer,  wie  Rumpf, 
van  Rheede,  Burmann  etc.,  doch  erst  durch  die  Botaniker  des  vorigen 
Jahrhunderts,  wie  Roxburgh,  Wallich,  Wight,  Hookor  und 
Thomson,  Blume  und  Miquel,  Martius  und  viele  andere,  die 
Mannigfaltigkeit    der  tropischen  Pflanzenformen  zu    crmessen    begannen. 

Was  die  tropische  Landwirtschaft  betrifft,  so  befinden  wir  uns  erst 
jetzt  in  diesem  Übergangsstadium.  Wir  ahnen  zwar  schon  lange,  dass- 
wir  die  tropische  Landwirtschaft  nicht  mit  den  an  den  heimischen  Fluren 
herangebildeten  Augen  beurteilen  dürfen  und  dass  dort  viele  Verhältnisse 
obwalten,  die  bei  uns  nicht  existieren  oder  doch  nur  in  schwächlichen 
Erscheinungsformen  ihr  Analogen  haben,  in  ähnlicher  Weise  wie  etwa 
die  Schling-  und  Überpflanzen  unserer  Zone  nur  ein  schwaches  Abbild 
der  Lianen  und  Epiphyten  der  Tropen,  die  Holzleisten  an  der  Basis 
unserer  Bäume  nur  ein  Miniaturbild  der  Nischenstämme  der  tropischen 
Baumriesen  darstellen;  aber  zur  Klarheit  sind  wir  noch  nicht  durch- 
gedrungen. Niemand  hat  bisher  die  Verschiedenheiten  scharf  definiert 
oder  in  bestimmte  Rubriken  und  Formeln  eingeordnet.  Diesem  Um- 
stand ist  es  vor  allem  zuzuschreiben,  dass  die  tropisch-landwirtschaft- 
liche Botanik  noch  mehr  oder  weniger  den  Eindruck  eines  Chaos  her- 
vorruft, wo  jeder,  durch  unmittelbare  Bedürfnisse  getrieben,  allein  für 
sich  arbeitet,  ohne  sich  um  seinen  Nachbar  zu  kümmern,  ohne  Methode 
und  System,  vielfach  sogar  ohne  Kenntnis  desjenigen,  was  in  anderen 
Gebieten  in  bezug  hierauf  geleistet  wird. 

Soweit  dieijenigen,  die  an  der  Ausbildung  der  tropisch -landwirt- 
schaftlichen Botanik  arbeiten,  überhaupt  wissenschaftlich  geschult  sind, 
knüpfen  sie  an  die  Erfahrungen  der  heimischen  landwirtschaftlichen 
Botanik  an,  ohne  die  Tragweite  der  oft  recht  verschiedenen  Verhältnisse 
der  Tropen  genügend  zu  bemerken  und  in  Rechnung  zu  ziehen.  Em- 
pirisch hat  man  natürlich  schon  viele  der  Differenzen  erkannt  und  zum 
Teil  auch  berücksichtigen  gelernt,  methodisch  jedoch  sind  diese  Fragen 
nur  in  seltenen  Fällen  studiert  worden  trotz  ihrer  überaus  grossen  Be- 
deutung für  die  tropische  Landwirtschaft. 

Um  das  an  wenigen  leichtverständlichen  Beispielen  zu  erläutern, 
sei  hier  vor  allem  der  so  vielfach,  meist  aber  nur  ausserordentlich  laien- 
haft erörterten  Schattenfrage  für  tropische  Baumkulturen  gedacht.  Wie 
viel  leidenschaftliche  Erörterungen  findet  man  über  diese  für  die  Tropen- 
kulturen so  wichtige  Frage  in  den  landwirtschaftlichen  Organen  der 
heissen  Länder.  Wie  platzen  hier  die  Meinungen  der  verschiedenen 
,, alten  Praktiker"  aufeinander  und  wie  töricht  sind  oft  die  theoretischen 
Erörterungen    und   teleologischen  Begründungen.     Wer  hat  aber  jemals 


Tropische  Landwirtschaft.  25 

versucht,  diese  Frage  einer  streng  wissenschaftlichen  Beurteilung  zuzu- 
führen, wer  hat  sich  bemüht,  die  einzelnen  Fäden  zu  entwirren,  welche 
dieses  entschieden  komplexe  biologische  Problem  zu  einem  für  uns  vor- 
läufig noch  unlösbaren  Knoten  verschlungen  haben? 

Ein  anderes  Problem  ist  das  der  Müdigkeit  der  tropischen  Böden. 
Während  eine  solche  in  unsern  Gegenden  entweder  erst  mit  Erschöpfung 
des  Bodens  durch  intensive  Kultur  und  Ernteentnahme  auftritt  oder  in- 
folge deutlich  nachweisbarer  parasitärer  Krankheiten,  kennen  wir  aus 
den  Tropen  derartige  Erscheinungen  ohne  für  uns  nachweisbare  Ur- 
sachen, und  doch  wäre  es  von  der  grössten  praktischen  Bedeutung, 
wenn  man  die  Ursachen  im  einzelnen  zu  ergründen  suchte. 

So  gut  wie  gar  nichts  wissen  wir  auch  über  den  in  den  Tropen 
sehr  bedeutenden  Einfluss  des  Taus  auf  die  Kulturpflanzen,  desgleichen 
der  Luftelektrizität,  der  Stickstoffanreicherung  im  Boden,  der  in  den 
tropischen  Gebieten  viel  schneller  vor  sich  gehenden  Zertrümmerung 
und  Auslaugung  des  Bodens,  der  in  warmen  und  trockenen  Gebieten 
als  Nährstofflieferant  so  wichtigen  Staubregen,  der  Kapillarität  des 
Bodens  unter  den  mannigfachen  Verhältnissen,  wie  sie  die  Tropen 
bieten. 

Hunderte  von  Fragen  drängen  sich  auf,  die  in  unseren  kühleren 
Gegenden  teils  g-ar  nicht  bearbeitet  w^erden  können,  teils  nur  einer  ein- 
seitigen Durcharbeitung  zugänglich  sind,  während  sie  in  den  Tropen 
intensivere  und  mannigfachere  Erscheinungsformen  bedingen,  und  daher 
dort  einer  generelleren  und  vielfach  auch  leichter  zum  Ziel  gelangenden 
Behandlung  unterworfen  werden  können.  Wie  viel  Probleme  mögen 
aber  noch  in  den  Tropen  versteckt  liegen,  die  sich  uns  erst  bei  einer 
weiteren  Ausbildung  der  tropisch-landwirtschaftlichen  Botanik  offenbaren 
werden,   deren   Existenz   wir  aber  jetzt  noch  nicht  zu  ahnen  vermögen! 

Auch  nach  einer  anderen  Richtung  hin  steht  die  tropische  Land- 
wirtschaft der  heimischen  bedeutend  nach,  das  ist  bezüglich  der  Aus- 
wahl   der   Kulturpflanzen. 

Besonders  auffallend  ist  es,  dass  die  verschiedenen  Kategorien 
der  Nutzpflanzen  sich  in  bezug  hierauf  so  verschieden  verhalten,  manche 
derselben  zeichnen  sich  durch  verhältnismässig  zahlreiche,  andere  durch 
nur  wenige  Vertreter  in  den  Tropen  aus. 

Merkwürdig  gering  ist  z.  ß.  die  Zahl  der  tropisch  indigenen  Blatt- 
und  Stengelgemüse,  auch  die  Zahl  der  tropischen  Getreidearten  ist  auf- 
fallend gering.  Hingegen  übertreffen  die  tropischen  kultivierten  Knollen 
und  Rhizome  die  unsrigen  um  ein  bedeutendes  an  Zahl.  Während  bei  uns 
ausser  dem  Topinambur  und  den  Rüben,  fast  nur  die  aus  südlichen  andinen 
Gegenden    stammende    Kartoffel  kultiviert  wird,  werden    in    den   Tropen 


24 


O.  Warburg. 


nicht  nur  4  Knollengewächse  allgemein  kultiviert,  nämlich  die  beiden 
altweltlichen,  Taro  und  Yams,  und  die  beiden  neuweltlichen,  Batate  und 
Maniok,  sondern  fast  jedes  Gebiet  hat  noch  seine  Spezialitäten,  die  Südsee 
Tacca  pinnatifida,  Indien  Canna  und  Curcuma,  das  wärmere  Ost- 
asien Sagittaria,  Nelumbo  etc.,  Afrika  Co/ew*'- Arten,  Südamerika 
Xanthosoma,  Maranta  etc. 

Auch  die  als  Nahrungsmittel  kultivierten  Leguminosen  sind  in  den 
Tropen  bedeutend  zahlreicher  als  in  der  gemässigten  Zone.  Während 
bei  uns  nur  die  Gattungen  Phaseolus,  Pisum,  Faha,  im  Mittelmeergebiet 
noch  Cicer,  Lens  und  Laihyrus  in  Kultur  sind,  kommen  in  den  Tropen 
noch  hinzu  Vertreter  der  Gattungen  Cajanus,  VIgna,  Doliclios, 
Canavalia,  Psophocarpus,  Pachyrhizus,  Cgamopsis,  Voandzeia,  Arachis, 
(wenn  auch  mehr  als  Ölfrucht)  und  die  noch  viel  zu  wenig  gewürdigte 
nährstoffreichste  aller  Leguminosen,  die  Sojabohne  {Glycine  soja).  So 
bedeutend  die  Zahl  der  in  Kultur  genommenen  Knollengewächse  und 
Leguminosen,  und  in  noch  höherem  Masse  der  Gewürze  und  Früchte  der 
Tropen  im  Verhältnis  zur  gemässigten  Zone  auch  erscheinen  mag,  so 
erschöpft  sie  doch  nicht  im  entferntesten  die  Möglichkeiten,  welche  die 
gewaltige  und  überreiche  Pflanzenwelt  der  Tropen  dem  Menschen  zur 
Auswahl  bietet. 

Unbedeutend  an  Zahl  sind  hingegen  die  tropischen  Kulturpflanzen 
der  verschiedenen  Kategorien  der  technischen  Nutzpflanzen,  d.  h.  wenn 
wir  von  den  Feit-  und  Faserpflanzen  absehen,  die  wie  Kokos,  Sesam, 
Erdnuss,  Ricinus,  oder  wie  Baumwolle,  Jute,  Ramie,  Sisal,  Sunn, 
Manilahanf  eine  grosse  und  dauernd  zunehmende  Bedeutung  erlangt 
haben.  Unter  den  Farbpflanzen  ist  als  Kulturpflanze  grösseren  Stiles 
fast  nur  die  durch  die  künstliche  Indigodarstellung  immer  mehr  ver- 
drängte Indigopflanze  zu  betrachten,  höchstens  noch  Curcuma  und 
Arnatto  {Bixa  orellana),  unter  den  Gerbpflanzen  neben  den  an  Be- 
deutung schnell  zunehmenden  australischen  Gerbakazien  noch  Gambir 
und  Dividivi,  unter  den  Medizinalpflanzen  vor  allem  die  noch  immer  an 
Bedeutung  wachsenden  CincJiona-Arien,  während  der  Coca-Strauch  mehr 
als  Genussmittel  denn  als  Arzneimittel  kultiviert  wird,  unter  den  HcHzern 
neben  dem  überall  volkstümlichen  Bambus  vor  allem  das  Teakholz. 
Die  für  den  Handel  recht  wichtigen  Kategorien  der  Harze  und  Gummi- 
sorten werden  noch  immer  in  den  Tropen  so  gut  wie  ausschliesslich 
von  wildwachsenden  Pflanzen  gewonnen,  während  hingegen  der  Kaut- 
schuk in  rapide  zunehmendem  Masse  von  kultivierten  Pflanzen  her- 
stammt. 

Was  ist  nun  die  Ursache,  dass  in  manchen  der  erwähnten  Kate- 
gorien die  Kulturpflanzen  so  reichlich,  in  andern  wieder  so  spärlich  ver- 


Tropische  Landwirtscliaft.  25" 

treten  sind?  Auf  den  ersten  Blick  befremdet  es  einigermassen,  dass 
gerade  die  Zahl  der  in  Kultur  gebrachten  Früchte  und  Gewürze  so- 
gross,  der  Knollen,  Leguminosen,  Genussmittel,  Fett-  und  Faserpflanzen 
noch  ziemlich  bedeutend,  diejenige  der  Getreide,  Blattgemüsse  und  der 
meisten  technischen  Pflanzen  so  gering  ist. 

Der  Schlüssel  zur  Erklärung  liegt  in  der  Geschichte  der  tropischen 
Landwirtschaft  und  zwar  sind  hierfür  vor  allem  zwei  Faktoren  mass- 
gebend: 

1.  das  geringe  Bedürfnis  der  tropischen  Völker  zur  Heranbildung^ 
von  Kulturpflanzen, 

2.  die    geringe  Befähigung    der    meisten    tropischen  Völker   zur 
Heranziehung  von  Kulturpflanzen. 

Da  die  Natur  der  Tropen  den  dort  lebenden  Stämmen,  so  lange 
die  Volksdichte  eine  geringe  war,  den  Grundstoff  zur  Nahrung  und 
Kleidung  ohne  Agrikultur  darbot,  lag  für  die  Tropenbewohner  keine  Ver- 
anlassung vor,  sich  ohne  äusseren  Zwang  mit  Landwirtschaft  zu  be- 
fassen. Auch  jetzt  ist  ja  noch  in  den  meisten  afrikanischen  Tropen- 
gegenden dies  der  Hauptgrund  der  geringen  wirtschaftlichen  Leistungen, 
der  Eingeborenen:  wünschten  sie  nicht  Pulver  und  Alkohol  zu  besitzen, 
jetzt  auch  in  steigendem  Masse  Baumwollstoff"e  und  Schmuck,  oder 
würden  sie  nicht  schon  vielfach  zu  Steuern  und  gemeinnützigen  Arbeiten 
herangezogen,  so  wäre  ihre  Arbeitsleistung  noch  geringer  als  sie  in 
Wirklichkeit  ist. 

Anders  lag  die  Sache  bei  den  tropischen  Kulturvölkern  in  Indien 
und  in  den  Hochländern  Südamerikas.  Die  mit  der  Bildung  grösserer 
Staaten  zusammenhängenden  friedlichen  Perioden  hatten  eine  derartige 
Volksvermehrung  zur  Folge,  dass  die  Befriedigung  der  Bedürfnisse  von-, 
selbst  zum  Landbau  zwang.  Soweit  nicht  die  dazu  nötigen  Kultur- 
pflanzen aus  kühleren  Gegenden  bezogen  werden  konnten,  haben  sich^ 
die  Tropenbewohner  selbst  ihre  Nutzpflanzen  in  Kulturpflanzen  umge- 
wandelt, genau  so  wie  wir  es  von  einzelnen  anderen  Gebieten  wissen,. 
dass  anderswo  vernachlässigte  Pflanzen  dort,  wo  nichts  Besseres  vor- 
handen war,  zu  Kulturpflanzen  umgewandelt  worden  sind.  Eins  der" 
eklatantesten  Beispiele  hierfür  bildet  die  Heranzüchtung  der  gewöhnlichen 
pohnesischen  Schraubenpalme  [Pandaniis  odoratissimus)  zu  einer  in 
vielen  Sorten  gezüchteten  Obstpflanze  durch  die  Eingeborenen  der 
Marschallinseln.  Auch  die  Heranbildung  des  unscheinbaren  Grases 
Eragrostls  abyssinica  zu  einem  Getreide,  sowie  der  bekannten  Zierbanane, 
der  Musa  Ensete  zu  einer  Knollenpflanze  im  abessinischen  Hochland,, 
gehört    in    die   gleiche  Kategorie  der  Heranzüchtung  von  Kulturpflanzen. 


26 


0.  Warburi: 


als  Fülg-o  insularer  —  in  diesem  Falle  montan-insularer  —  Zwangsver- 
hältnisse. 

Während  nun  diese  insularen  Züchtungen  infolge  ihrer  Ent- 
stehungsweise in  abgeschlossenen  Gebieten  eine  weite  Verbreitung  nicht 
erlangten,  haben  sich  die  indischen  und  andinen  Kulturpflanzen  durch 
die  ganzen  Tropen  verbreitet  und  ebenso  diejenigen  Kulturpflanzen  des 
vorderasiatischen  Weltkulturzentrums,  welche  sich  den  Tropen  klimatisch 
anpassen  konnten  und  welche  in  die  primitiven  Formen  der  Landwirt- 
schaft, wie  z.  B.  die  der  Hackkultur  der  meisten  Tropenvölker,  hinein- 
passten. 

So  kommt  es,  dass  die  meisten  tropischen  Kulturpflanzen  indischen 
oder  andinen  Ursprungs  sind,  wozu  dann  noch  manche  vorderasiatischen 
hinzugekommen  sind,  aber  auch  diese  meist  auf  dem  l'mwege  über 
Indien.  Selbst  wo  in  den  anderen  Gebieten  der  Tropen  die  gleichen 
Nutzpflanzen  wild  vorhanden  waren,  haben  die  dortigen  Stämme  sie 
doch  als  Kulturpflanze  erst  von  den  Kulturzentren  Südasiens  und  des 
andinen  Amerikas  erhalten.  Ein  klassisches  Beispiel  hierfür  ist  ja  der 
Reis,  der  sowohl  in  Afrika  als  auch  in  Australien  wild  vorkommt  und 
weit  verbreitet  ist,  als  Kulturform  hingegen  eine  typisch  südasiatische 
Errungenschaft  ist.  Geradezu  verblüffend  ist  es,  wie  wenig  neue  Kultur- 
pflanzen, wenn  man  von  dem  von  Arabien  hev  beeinflussten  Abessinien 
absieht,  die  afrikanischen  ViHker  geschaffen  haben.  Wenn  man  von  der 
Kolanuss  und  der  (»ipalme  absieht,  die  vor  dem  Kindringen  der  europäischen 
Einflüsse  in  Westafrika  und  der  arabisch-indischen  Einflüsse  in  Ost- 
afrika wohl  bestenfalls  als  Halbkulturpflanzen  anzusehen  waren,  und  von 
Voandzeia  suhterranea,  die  vielleicht  erst  durch  die  malayischen 
Bewohner  Madagaskars  als  Kulturpflanze  eine  Bedeutung  erlangte, 
so  sind  höchstens  noch  einzelne  Yams,  Coleus-  und  Paniciim- kviQXi 
als  echt  afrikanische  Kulturpflanzen  anzusehen,  da  sich  die  meisten  der 
früher  für  afrikanisch-indigen  angesehenen  Leguminosen  und  Getreide- 
. arten,  z.  B.  Dolichos  lahlah,  Pennisetum,  Sorghum,  als  ursprünglich 
asiatisch  herausgestellt  haben. 

Ganz  ohne  einheimische  Kulturpflanzen  blieben  im  allgemeinen 
freilich  nur  diejenigen  Stämme,  die  ausschliesslich  von  Jagd-  und  Vieh- 
zucht lebten,  wie  z.  B.  fast  alle  Australneger,  die  afrikanischen  Zwerg- 
stämme und  einige  Indianerstämme.  Die  sesshaften  Volksstämme  haben 
meist  die  eine  oder  andere  Kulturpflanze  der  Heimat  zur  Nahrung  ge- 
züchtet, und  zwar  ist  es  natürlich,  dass  es  im  wesentlichen  die  so  über- 
aus leicht  zu  kultivierenden  Knollengewächse  gewesen  sind,  mit  deren 
Kultur  die  primitiven  Völker  in  das  Stadium  des  Ackerbaues  einge- 
treten   sind.      So     haben    sogar    die    Papuas    ihre    besondere    Yamsart 


Tropische  Landwirtschaft.  27 

(Dioscorea  papuana)  neben  der  eingeführten  Colocasia  antiquorum  ent- 
wickelt, die  Indianer,  Südamerikas  haben  die  verschiedenen  XantJio- 
^oma-Arten  in  Kultur  gebracht,  die  ostafrikanischen  Neger  die  Dioscorea 
abyssinica,  die  andinen  Indianer  neben  der  Kartoffel  die  sog.  andinen 
Knollen  (ülliicus,  Ärracacia,  Oxalis  usw.),  E)ies  ist  also  der  Grund,  dass 
■die  Zahl  namentlich  der  kultivierten  Knollengewächse  der  Tropen  eine 
relativ  grosse  ist. 

Ebenso  fanden  die  verschiedenen  Völker,  schon  früh  einige 
heimische  Genussmittel  heraus,  so  die  westafrikanischen  Neger  die 
Kolanuss,  die  Indianer  Südamerikas  neben  dem  Kakao  und  Tabak  noch 
■Coca,  Guarana  und  Mate,  die  Südasiaten  Haschisch  und  Betelpfefter,  die 
Südseeinsulaner  die  Kawa  {Piper  metlnjsticum),  welche  Pflanzen  dann 
früher  oder  später,  die  Mate  erst  vor  wenigen  Jahren,  die  Guarana 
und  Kawa  noch  kaum  in  Kultur  gebracht  wurden.  Hierdurch  ist 
also  die  nicht  unbedeutende  Zahl  der  kultivierten  Genussmittel  zu 
erklären. 

Die  Kultur  der  Gewürze  verdanken  wir  hingegen  fast  ausschliess- 
lich dem  Bedürfnisse  der  tropischen  Kulturvölker  nach  Reizmitteln, 
wenngleich  der  frühzeitig  —  schon  im  Altertum  —  beginnende  und 
während  des  Mittelalters  sich  stark  entwickelnde  Gewürzhandel  nach 
Europa  einen  sehr  wesentlichen  Stimulus  zur  Vermehrung  und 
Verbreitung  der  Kultur  der  Gewürzpflanzen  gebildet  hat.  Bekanntlich 
stammen  die  meisten  unserer  besseren  Gewürze  (darunter  schwarzer 
Pfeffer,  Kardamom,  Zimmet,  Ingwer,  Nelke,  Muskat)  aus  dem  indischen 
Kulturkreise,  nur  zwei  (spanischer  Pfeffer  und  Vanille")  aus  dem 
amerikanischen,  und  weit  zahlreicher  sind  noch  die  in  Indien 
kultivierten  Gewürze,  die  nicht  in  den  Welthandel  gelangen.  Vermutlich 
ist  die  Ursache  dieser  Erscheinung  die,  dass  die  Reisnahrung  der  süd- 
asiatischen Völker  gebieterischer  nach  Reizmitteln  verlangt  als  die 
Maisnahrung  der  amerikanischen  Völker. 

Wohl  hatten  auch  die  Naturvölker  der  Tropen  ihre  Gewürze,  aber 
nur  selten  nahmen  sie  dieselben  in  Kultur,  und  noch  heute  werden 
Kumbapfeffer  (Xylopia),  Kalebassenmuskat  (Mo)iodora),  Samen  von 
Piper-  und  Amomum- Arten  auf  den  afrikanischen  Märkton  massenhaft 
verkauft,  ohne  dass  es  darum  wirkliche  Kulturpflanzen  geworden 
wären. 

Ebenso  ist  die  zahlreiche  Ausbildung  der  Leguminosen  zu  Kultur- 
pflanzen in  den  Tropen  im  wesentlichen  auch  dem  indischen  Einfluss 
zuzuschreiben.  Hier  mag  der  Proteinhunger  infolge  der  Reisnahrung 
ein  wichtiger  Stimulus  zur  Herausbildung  so  vieler  Kulturleguminosen 
gewesen  sein. 


23  O.  Warburg. 

Wenn  Blattgemüse  nicht  in  grösserer  Mannigl'altiglieit  in  den 
Tropen  kultiviert  werden,  so  liegt  dies  hingegen  daran,  dass  dort  jeder- 
zeit junge  Blätter  wilder  oder  in  Halbkultur  befindlicher  Pflanzen  genügend 
zur  Verfügung  stehen,  dazu  kommen  noch  Bambusschossen  und  der 
sog.  Palmkohl,  so  dass  ein  Bedürfnis  nach  frischen  kultivierten  Gemüsen 
bei  den  tropischen  Völkern  nicht  in  dem  Masse  besteht,  wie  bei  uns,, 
während  die  einwandernden  Europäer  sich  auch  in  den  Tropen  an  ihre 
altgewohnten  Gemüse  zu  halten  pflegen. 

Dass  die  Zahl  der  Getreidearten  der  Tropen  so  gering  ist,  hängt 
mit  der  für  primitive  Völker  relativ  schwierigen  Kultur  derselben  zusammen. 
Bis  auf  den  Mais,  bei  der  schon  die  einzelne  Pflanze  ein  erhebliches 
Quantum  leicht  sammelbarer  Nahrung  repräsentiert,  sind  die  Getreide- 
arten nur  der  Massenkultur  zugänglich,  die  ein  grösseres  Quantum  von 
Arbeit  infolge  des  Reinigens  und  Lockerns  des  Bodens  erfordert,  wozu 
die  primitiven  Hilfsmittel  der  früheren  Zeiten,  wie  zugespitzte  Hölzer,, 
kaum  ausreichten.  Als  aber  die  Hackkultur  sich  einführte,  existierten 
auch  schon  Verbindungen  mit  höheren  Kulturvölkern,  die  gleichzeitige 
auch  ihre  Kulturpflanzen  brachten.  So  kamen  die  asiatischen  Getreide- 
arten nach  Afrika;  wo  früher  nur  Knollen  gebaut  wurden,  findet  man 
jetzt  Felder  von  Sorghum,  Pennisetum  und  Eleusine-}^\vsQ,  ja  die  in- 
telligenten Stämme  im  Sudan  haben  sogar  selbst  einige  der  dortigen 
Panicum-kviQxv  in  Kultur  gebracht.  Viel  später  kam  der  Reisbau  nach. 
Afrika,  der  aber  dort  nur  langsame  Fortschritte  machte,  da  er  ohne 
Pfkigkultur  wenig  lohnend  ist,  und  der  Pflugkultur  in  Afrika  vielfach 
die  endemischen  Tierkrankheiten  (Küstenfieber,  Tsetse  und  Texasfieber)' 
augenbhcklich  noch  schwer  üborsteigbare  Schranken  entgegenstehen.  Weit 
grössere  Fortschritte  macht  hingegen  der  Maisbau  in  Afrika,  und  es 
lässt  sich  voraussehen,  dass  der  Mais  dort,  wo  ihm  das  Klima  zusagt,. 
mit  der  Zeit,  wie  in  Amerika,  die  bei  weitem  wichtigste  Getreideart 
werden  wird. 

Dass  die  Zahl  der  kultivierten  Früchte  in  den  Tropen  so  gross- 
ist,  dürfte  vor  allem  damit  zusammenhängen,  dass  selbst  die  Naturvölker 
vor  aufsprossenden  Fruchtbäumen  einen  gewissen  Respekt  haben.  Die 
Zahl  der  nutzbaren  Fruchtbäume  ist  ja  eine  Legion,  und  bei  einem 
grossen  Teil  derselben  gelangen  weggeworfene  Samen  leicht  zur 
Keimung. 

Auf  diese  W^eise  umgibt  sich  jede  Hütte  der  Eingeborenen  mit  der 
Zeit  von  selbst  mit  einigen  Fruchtbäumen,  und  es  entstehen  so  spon- 
tane Halbkulturen,  die,  wenn  sie  wertvoll  sind,  leicht  zu  Vollkulturen' 
Veranlassung  geben.     Trotzdem    ist    es  auffallend,    wie    auch    bei    den. 


Tropische  Landwirtschaft.  29 

Früchten  in  den  einzelnen  Pflanzengattungen  meist  diejenigen  Arten  sich 
durchsetzen,  die  aus  einem  alten  Kulturzentrum  stammen;  von  allen 
Mangi f er a- Arten  ist  fast  nur  die  vorderindische  Mangifera  indica 
wirklich  weit  verbreitet,  von  allen  Artocarjms- Arten  hat  nicht  der  hoch- 
gezüchtete malayisch-polynesische  Brotfruchtbaum,  sondern  die  vorder- 
indische Jackfrucht  (Ärtocarpus  iiitegrifoUa)  die  weiteste  Verbreitung. 
Trotzdem  bilden  die  Früchte,  mit  Ausnahme  der  Knollengewächse,  die 
einzige  Kategorie  unter  den  Kulturpflanzen,  in  welcher  diejenigen 
amerikanischen  Ursprungs  an  Bedeutung  nicht  hinter  denen  der  alten 
Welt  zurückstehen.  Den  asiatischen  Früchten  aus  den  Gattungen  Musa, 
■Citrus,  Mangifera,  Oareinia,  Nepheliwn,  Durio  usw.  vermag  Amerika 
mit  Erfolg  die  Gattungen  Ananas,  Änona,  Fersea,  Pa^mya,  Passiflora, 
Anacardium,  Psidium  entgegenzustellen,  und  in  bezug  auf  Nussfrüchte 
sind  die  amerikanischen  Gattungen  Bertholletia,  Lecythis,  Caryocar 
den  altweltlichen  Canarktm-  und  Terminalia- Arten  entschieden  überlegen. 
Auffallend  ist  es  hingegen,  dass  Afrika  so  wenig  gute  Früchte  der 
tropischen  Kultur  geschenkt  hat.  Wir  wissen  zwar  nicht,  was  sich 
später  aus  den  indigenen  afrikanischen  Früchten  wie  Blighia  sa.pida, 
Treculia  afrlcana,  Pachylobiis  edulis.,  Cordyla  africana,  Sarcocephalus 
sambucinus,  den  Sclerocarya-  und  Paruiariuni-Arten  durch  Kultur  wird 
herausbilden  lassen,  vorläufig  sind  aber  alle  diese  meist  nur  in  Halb- 
kultur befindlichen   Obstsorten  noch  ziemlich  minderwertig. 

Was  die  in  Kultur  befindlichen  tropischen  Fettpflanzen  betrifft, 
so  ist  ihre  Zahl  nur  gross  im  Verhältnis  zu  derjenigen  der  gemässigten 
Zone.  Bedenkt  man  aber,  in  wie  viel  geringerem  Grade  dem  Tropen- 
bewohner tierisches  Fett  zur  Verfügung  steht,  als  dem  Bewohner  kühlerer 
Gegenden,  so  muss  man  sich  wundern,  dass  nicht  viel  mehr  der  ja  so 
überaus  zahlreichen  Fett  liefernden  Gewächse  der  Tropen  in  Kultur 
gebracht  sind.  Vermutlich  ist  der  Grund  der,  dass  einerseits  das  Be- 
dürfnis nach  fetter  Nahrung  in  den  Tropen  nicht  so  gross  ist  wie  bei 
uns,  anderseits  aber,  dass  es  dem  Tropenbewohner  so  leicht  gemacht 
ist,  die  genügende  Menge  Fett  für  seinen  Bedarf  jederzeit  zu  erlangen. 
Die  vielen  Fett  liefernden  Palmen,  allen  voran  die  Kokos-  und  Ölpalme, 
befriedigen  in  grossen  Gebieten  der  Tropen  jedes  Verlangen  nach  fett- 
haltiger Nahrung;  in  vielen  palmlosen  Gebieten  Innerafrikas  tritt  der 
Schibutterbaum  (Dutyrospermum  ParJ^ii)  als  freigebiger  Fettlieferant 
massenhaft  auf,  und  nur  in  den  übrigen  trockneren  Gebieten  Afrikas 
und  Indiens  lag  das  Bedürfnis  vor,  durch  Sesam-  und  Erdnussbau  das 
Bedürfnis  nach  Fettnahrung  zu  befriedigen.  Erst  in  den  letzten  De- 
zennien, wo  infolge  billigerer  Frachten  die  Tropen  für  den  Fetthandel 
der  Welt  von  Bedeutung  geworden  sind,  speziell  für  die   Bereitung  von 


,5jQ  O.  Warb  uro-. 

Seife,  Stearin  und  ^^argarine,  steigt  der  Anbau  der  Fettpflanzen  in  den 
Tropen  ganz  gewaltig. 

Weit  allgemeiner  war  das  Bedürfnis  für  kultivierte  Faserstoffe, 
wenigstens  seitdem  durch  die  Zunahme  der  Kultur  der  Tropenvölker 
und  der  grösseren  Volksmenge  mancher  derselben  die  Versorgung  mit 
Bastzeug  von  wilden  Bäumen  nicht  mehr  zur  Bekleidung  genügt. 
Als  Relikt  dieser  früheren  Periode  findet  man  noch  heute  im  Innern 
Afrika  vielfach  das  Lendentuch  aus  Feigenrinde  als  einziges  Kleidungs- 
stück und  dem  entsprechend  findet  man  durch  das  ganze  tropische  Afrika 
Ficus  rokko  und  F.  chlamifdodora  als  Kulturpflanzen  in  den  Dörfern.  Die 
Kultur  wirklicher  Faserpflanzen  ging  in  den  Tropen  der  alten  Welt- 
wiederum  von  Indien  aus,  was  wenigstens  für  die  indische  Baumwolle, 
Jute,  Sunn  und  Dekkanhanf  erwiesen  erscheint,  während  wir  die  Kultur 
der  Bastbananen,  der  Ramienessel  und  des  Papiermaulbeerbaumes  dem 
südöstlichen  Asien  zu  verdanken  haben.  Auch  Amerika  hat  einige 
wichtige  Faserpflanzen  der  tropischen  Landwirtschaft  geliefert,  neben 
den  besten  Sorten  der  Baumwolle  die  Sisalagaven  und  die  Bromeliaceen- 
fasern  (Ananas  und  Pita). 

Dass  die  Zahl  der  sonstigen  kultivierten  technischen  Pflanzen 
in  den  Tropen  eine  so  geringe  ist,  hat  einfach  seinen  Grund  darin,  dass 
die  technische  Verwertung  der  Pflanzenprodukte  in  den  Tropen  im  allge- 
meinen noch  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe  steht  und  eine  Versendung  der 
Produkte  nach  Europa  erst  im  vorigen  Jahrhundert  begonnen  hat.  Auch 
wo  gi'össere  lokale  Bedürfnisse  vorlagen,  wie  in  dem  stark  bevölkerten 
Indien,  genügten  vielfach  die  wilden  Nutzpflanzen  zur  Befriedigung.  Die 
Wälder  lieferten  die  Hölzer,  ebenso  die  Gerbstoffe  (Myrobalanen,  Katechu),. 
die  Gummiarten  (Akazien),  die  Harze  (Dipterocarpaceen,  Burseraceen 
etc.),  die  technischen  Fette  (Sapotaceen,  Euphorbiaceen  etc.).  Die  Gärten 
lieferten  die  Aromata,  die  Farbstoffe  (Henna,  Curcuma,  Sappan),  auch 
manche  ArzneistofTe,  für  den  Hausgebrauch  das  Material  für  Bauten 
und  Geräte  aller  Art  (Bambus).  Grössere  Kulturen  dieser  technischen 
Pflanzen  wurden  erst  Bedürfnis,  als  Eisenbahnen  billige  Verbindungen 
schufen  und  in  den  Grossstädten  Fabriken  nach  europäischer  Art  be- 
gründet wurden,  besonders  aber,  als  die  Industriestaaten  Europas  und 
Amerikas  ihren  Tribut  an  Rohstoffen  verlangten. 


Was  dieser  Überblick  uns  zeigt,  ist,  dass  die  tropischen  Landwirt- 
schaft bis  vor  kurzem  die  Resultante  zahlreicher  räumlich  begrenzter 
lokaler  Faktoren  bildete.    Es  spielte  einerseits  der  Zufall,  die  Dichtigkeit 


Tropische  Landwirtschaft.  31- 

der  Bevölkerung,  der  Volksinstinkt  und  die  Volkssitte  eine  grosse  Rolle 
in  der  Auswahl  der  Kulturpflanzen,  anderseits  war  der  Kulturzustand 
oder  der  Einfluss  des  räumlich  nächsten  tropischen  Kulturvolkes  von  der 
grössten  Bedeutung  für  die  mehr  oder  minder  grosse  Mannigfaltigkeit 
und  die  niedrigere  oder  höhere  Entwickelungsstufe  der  tropischen  Land- 
wirtschaft des  betreffenden  Landes. 

Jetzt  hingegen  greift  der  nivellierende  Einfluss  des  Bedarfes  der 
Kulturzentren  mit  Hilfe  der  verbesserten  und  verbilligten  Kommunikations- 
mittel tief  in  die  tropische  Landwirtschaft  ein  und  ist  im  Begriffe,  sie  in 
derart  fundamentaler  Weise  umzugestalten,  dass  der  sorglose  nachlässige 
landwirtschaftliche  Betrieb  der  Gegenwart  vielleicht  in  nicht  zu  ferner 
Zukunft  auch  in  den  Tropen  einer  rationellen  Ausnutzung  des  Bodens 
Platz  gemacht  haben  wird,  und  die  jetzt  noch  dort  vorherrschende 
primitive  Hackkultur  und  die  altertümliche  Hakenpflugkultur  den 
späteren  Geschlechtern  als  ländliches  Idyll  längst  vergangener  Zeiten 
erscheinen  werden. 

Wer  hätte  vor  50  Jahren  weissagen  wollen,  dass  ganze  Provinzen 
Brasiüens  jetzt  ein  grosses  Kaffeeland  darstellen,  wer  hätte  die  mächtige 
Entwickelung  der  Rohrzuckerkultur  auf  den  verschiedensten  Inseln  der 
alten  und  neuen  Welt,  die  gewaltige  Ausdehnung  der  Teekultur  in 
Indien,  der  Tabakkultur  in  Cuba  und  Sumatra,  der  Cinchonakultur  in 
den  Bergen  Javas,  der  Kautschukkultur  in  den  Straits  Settlements  und 
Ceylons,  der  Sisalkultur  in  Yucatan  und  Deutschostafrika,  der  Erdnuss- 
kultur  in  Senegambien  voraussehen  können?  Alle  diese  Kulturen  sind 
bestimmt,  Produkte  für  den  Welthandel  zu  liefern,  und  es  ist  nicht  ab- 
zusehen, wie  viele  diesen  noch  folgen  werden.  Schon  ist  man  auf  dem 
besten  Wege,  die  Tropen  in  ganz  anderer  Weise  als  bisher  für  den 
Baumwollbau  nutzbar  zu  machen,  da  das  bisherige  klassische  Land  der 
Baumwollkultur,  die  südlichen  Teile  der  Vereinigten  Staaten,  bestenfalls 
nur  noch  für  einige  Jahre  dem  steigenden  Baumvvollkonsum  der  Mensch- 
heit zu  genügen  vermag.  Schon  nimmt  der  tropische  Fruchthandel 
ganz  andere  Dimensionen  an  als  früher,  ist  doch  neuerdingssogarein  direkter 
Bananen-Dampferverkehr  zwischen  Costarica  imd  England  eingerichtet 
worden ;  und  welch  gewaltiger  Ausdehnung  ist  dieser  Fruchthandel  noch 
fähig  bei  weiterer  Beschleunigung  der  Fahrten  und  Verbilligung  des 
Transportes.  Ist  es  doch  geradezu  beschämend  für  die  europäischen 
Kolonialmächte,  Deutschland  mit  inbegriffen,  dass  sie  bisher  noch  nicht  ein- 
mal ihre  westafrikanischen  Kolonien  für  den  Bananenimport  auszunutzen 
vermocht  haben.  Aber  von  noch  unendlich  viel  grösserer  Bedeutung 
werden  die  Tropen  dermaleinst  werden  als  wichtigste  Brotfruchtlieferanten 
der    gesamten  Menschheit,    welcher  Zeitpunkt    spätestens  dann  eintreten 


32  ^'  Warburg. 

muss.    wenn    die  Kornprodiiktion    der  gemässigten  Zone  für  die  schnell 
steigende  Bevölkerung  derselben  nicht  mehr  ausreichen  wird. 

Noch  zwar  liegen  gewaltige  Gebiete  in  Argentinien,  Canada  und 
Sibirien  brach,  und  noch  kann  die  Produktion  durch  intensive  Kultur 
dort,  wo  jetzt  extensive  herrscht,  bedeutend  vermehrt  werden,  aber  alles 
hat  seine  Grenze,  und  vor  allem  sind  die  Produktionskosten  in  den 
"Tropen  geringer  infolge  der  dortigen  grösseren  Erträge  und  der  geringen 
Bedürfnisse  der  Arbeiter. 

Die  ersten  Zeichen  dieser  Entwickelung  sehen  wir  in  dem  steigen- 
den Maisexport  Westafrikas  und  besonders  Togos,  während  der  Reis 
Südasiens  sogar  schon  seit  langem  einen  unentbehrlichen  Nahrungs- 
zuschuss  für  das  stark  bevölkerte  nördliche  China  hat  liefern  müssen. 
AVenn  auch  der  westafrikanische  Mais  vorläufig  nur  zu  Futterzweckon 
dient,  so  entlastet  er  doch,  falls  er  erst  in  grösseren  Mengen  eintreffen 
'\vird,  erheblich  die  Getreideproduktion  der  gemässigten  Zone:  hat  aber 
dieser  Export  erst  ordentlich  Puss  gefasst,  so  ist  er  einer  rapiden  Aus- 
dehnung fähig,  und  wird  Schritt  für  Schritt  genau  so  wie  der  Export 
der  Baumwolle  längs  den  schiffbaren  Flüssen  und  neu  angelegten 
Bahnen  tief  ins  Innere  des  dunkeln  Kontinentes  eindringen. 

Derselbe  Vorgang  dürfte  sich  schon  bald  bei  den  tropischen  Hirse- 
arten und  Leguminosen  wiederholen,  und  wer  weiss,  ob  es  noch  lange  dauert, 
bis  auch  die  Knollenfrüchte  der  Tropen  als  letzte  Kategorie  tropischer 
pflanzlicher  Produkte  in  den  Welthandel  mit  einbezogen  werden,  sei  es 
in  der  Form  von  E^örrprodukten,  sei  es  als  Mehl  oder  gar  als  frische 
Knollen,  in  der  Art  wie  die  Kartoffeln  von  Algier  und  Malta  schon  jetzt 
nach  Mittel-  und  nach  Nordeuropa  gelangen.  Wie  dem  auch  sein  mag;  eins 
ist  jedenfalls  über  jedem  Zweifel  erhaben:  Das  allgemeine  Ent- 
wickelungsziel  der  tropischen  Landwirtschaft  besteht,  unter 
•allmählicher  Abwendung  von  den  bisherigen  primitiven  und  durch  lokale 
Verhältnisse  bedingten  Formen,  in  der  sukzessiven  Umwandelung 
zu  einem    integrierenden  Teil  der  Weltwirtschaft. 

Was  ist  also  die  Hauptaufgabe  der  tropischen  landwirt- 
schaftlichen Botanik'  Die  tropische  Landwirtschaft  hat  sich 
den  weltwirtschaftlichen  Bedürfnissen  unterzuordnen  und 
.anzupassen  und  der  angewandten  Botanik  fällt  hierbei  die 
■ehrenvolle  Aufgabe  zu,  dieser  Entwickelung  die  Wege  zu 
bahnen,  die  in  diesem  gewaltigen  Um wandelungsprozesse  un- 
vermeidlichen Reibungen  zu  mildern  und  die  Hemmungen  zu 
■beseitigen. 

Haben    wir    schon    früher    an  einzelnen  Beispielen  gezeigt,    welche 
allgemeinen  Aufgaben    der  Botanik    obliegen    um  eine  sichere  Basis  für 


Tropische  Landwirtscliaft.  33 

die  gesamte  tropische  Landwirtschaft  zu  schaffen,  so  herrscht  bei  dem 
hier  angeschnittenen  Probleme  die  IndividuaUsierung;  jede  Frage  muss 
einzeln  studiert  und  erledigt  werden.  Was  für  die  Baumwolle  gilt,  um 
sie  in  den  Tropen  konkurrenzfähig  zu  machen  gegenüber  den  nord- 
amerikanischeu  und  ägyptischen  Produktionsgebieten,  gilt  nicht  vom  Mais, 
was  dem  Zuckerrohr  in  seinem  Kampf  gegen  die  Zuckerrübe  nützt,  ist 
ohne  Bedeutung  für  den  Ersatz  der  Kartoffel  durch  die  Batate,  was  die 
Ananas-  oder  Bananenkultur  befördert,  nützt  der  Produktion  pflanz- 
licher Fette  in  den  Tropen  nichts. 

Dass  eine  der  Hauptaufgaben  des  Botanikers  die  sein  muss,  von 
jeder  lür  die  Volkswirtschaft  in  Betracht  kommenden  Pflanzenart  die  für 
die  verschiedenen  Tropenklimate  passenden  Varietäten  heranzuzüchten, 
versteht  sich  von  selbst.  Gerade  in  dieser  Beziehung  ist  in  den  letzten 
Jahren  viel  gesündigt  worden;  man  hat  sich  bemüht,  die  edelsten  und 
am  feinsten  differenzierten  Sorten  zu  importieren  und  hat  diese  natur- 
gemäss  meist  schwächlichen  Gewächse  dann  im  fremden  Lande  un- 
barmherzig dem  Kampf  ums  Dasein  ausgeliefert:  oder  man  hat  umge- 
kehrt die  robusten  Rückschlagstypen,  die  man  im  halb  verwilderten  Zu- 
stand vorfand,  angepflanzt,  und  wundert  sich  jetzt,  dass  diese  Kulturen 
sich  schlecht  rentieren.  Hier  wäre  es  Sache  des  landwirtschaftlichen 
Tropenbotanikers  gewesen,  die  schwierige  Frage  der  Akklimatisation  und 
Auslese  nach  wissenschaftlichen  Grundsätzen  zu  leiten. 

Aber  genau  so  wichtig,  wie  die  Heranzüchtung  der  für  jedes  Khma 
passenden  richtigen  Sorten  ist  auch  die  Auswahl  der  für  das  betreffende 
Land  geeignetsten  Nutzpflanzen.  Wie  oft  hört  man  Laien  sagen,  diese 
oder  jene  Kultur  passt  nicht  für  dieses  oder  jenes  Land,  denn,  wenn  sie 
geeignet  wäre,  existierte  sie  schon  daselbst.  Es  ist  ein  grosser  Irrtum  anzu- 
nehmen, dass  jedes  Gebiet  schon  mit  den  für  dasselbe  passenden  Kultur- 
pflanzen hinreichend  versorgt  sei.  Die  Verhältnisse  ändern  sich  schnell, 
Kulturpflanzen,  die  vor  10  Jahren  einen  hohen  Wert  besassen,  sind  jetzt 
entwertet,  andere  steigen  im  Preise,  manche  werden  unmodern,  andere 
neue  treten  hinzu.  E)azu  kommt  die  ständige  Umsvandelung  der  wich- 
tigsten allgemeinen  Faktoren;  die  Verkehrsverhältnisse  werden  besser, 
die  Bevölkerung  nimmt  zu,  die  Löhne  werden  höher,  die  Arbeiterwerbung 
wird  schwieriger,  die  Zollverhältnisse  verändern  sich,  neue  Konkurrenz- 
gebiete entstehen,  politische  Missgriffe  oder  allgemeine  wirtschaftliche 
Stagnation  ruinieren  das  Land  oder  verändern  den  Wechselkurs.  Was 
vor  einigen  Jahren  eine  blühende  Kultur  war,  liegt  infolgedessen  jetzt 
darnieder,  neue  Kulturen  verdrängen  die  alten,  kümmerliche  Kulturen 
gelangen  plötzlich  zu  grosser  Blüte.*  .     . 

Hier    sollte    es  nun  die    Pflicht    des    landwirtschaftlichen    Tropen- 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte   Kotanik.     IV.  3 


34 


O.   Waibursi'. 


botanikors  sein,  stets  Umschau  zu  halten  ;  seine  Aufgabe  wäre  es,  recht- 
zeitig neue  Bahnen  für  das  ihn  interessierende  Land  ausfindig  zu 
machen. 

Was  \yäre  z.  B.  aus  dem  Plantagenbau  unserer  deutschon  Kolonien 
geworden,  hätte  man  sich  nicht  rechtzeitig,  auf  den  Rat  einiger  weniger 
privater  Fachleute  der  tropischen  Landwirtschaft  in  Ostafrika  vom  Kaffee- 
bau ab  und  dem  Sisalhanf  zugewandt,  hätte  man  nicht  in  Kamerun  den 
Kakaobau  durch  Kautschukkultur  vervollständigt,  hätte  man  nicht  in 
Neuguinea  den  Tabakbau  durch  Kokos-  und  Kautschukkultur  ersetzt. 
Vielleicht  wird  man  in  weiteren  10  Jahren  wieder  andere  Kulturen  an 
Stelle  oder  noben  den  bisherigen  betreiben  müssen. 

l'm  abtM'  die  hierzu  nötigen  Schritte  rechtzeitig  einleiten  zu  kfhmen, 
bedarf  es  natürlich  auch  guter  weltwirtschaftlicher  Kenntnisse.  Der 
landwirtschaftliche  Tropenbotaniker  darf  nicht  den  grössten  Teil  seiner 
Zeit  hinter  Mikroskop  und  Lupe  verbringen,  denn  er  muss  auch  Handels- 
zeitungen der  verschiedenen  Länder  und  Fachschriften  der  verschiedenen 
Industrien  studieren,  um  stets  orientiert  zu  sein  über  das,  was  sich  in 
der  Weltwirtschaft  anbahnt,  und  um  rechtzeitig  vorbeugende  Massregeln 
treffen  zu  können. 

Besonders  schwere  Aufgaben  hat  der  Botaniker,  der  Landstrecken 
zu  seiner  Interessensphäre  zählt,  die  ül)erhaupt  noch  keine  für  den 
Weltmarkt  geeigneten  Pflanzen  besitzen.  Es  gibt  gewaltige  kUmatische 
Striche,  die  vorläufig  überhaupt  noch  nichts  Brauchbares  für  den  Welt- 
verkehr erzeugt  haben,  da  alle  von  aussen  gekommenen  Kulturpflanzen 
an  der  speziellen  Eigenart  des  Klimas  gescheitert  sind.  Solche  Gebiete 
sind  einerseits  die  durch  besonders  lange  Trockenzeiten  ausgezeichneten 
Wüstensteppen  sowie  die  echten  Wüsten,  anderseits  gehören  auch  die 
sehr  hochgelegenen  Plateaus  und  Berggegenden  dazu,  deren  Regenzeit 
durch  Hagel  oder  Fröste  unregelmässig  unterbrochen  wird,  wie  es  z.  B. 
in  den  andinen  Gebieten  und  in  den  Massaihochländern  teilweise  der 
Fall  ist.  Auch  Sumpf-  und  Überschwemmungsgebiete,  felsige  und 
sandige  Strecken  sowie  Dünen  stellen  die  Land-  resp.  Forstwirtschaft 
der  Tropen  vor  schwierige  Aufgaben.  Durch  systematische,  wenn  auch 
langsame  Heranzüchtung  passender  Kulturpflanzen  auch  solche  Gebiete 
langsam  der  Kultur  zuzuführen,  ist  sicher  eine  der  reizvollsten  Aufgaben 
des  landwirtschaftlichen  Tropenbotanikers.  Dass  konsequente  und  be- 
harrlich ausdauernde  Arbeit  hierbei  Erfolge  erzielen  wird,  kann  einem 
Zweifel  kaum  unterliegen;  sehen  wir  doch  auch,  wie  sich  unsere  wich- 
tigsten aus  den  wärmeren  Gebieten  'stammenden  Kulturpflanzen  mit  der 
Zeit  den  nordischen  Gegenden  angepasst  haben. 


Tropische'  Landwirtschaft.  'S^ 

Eine  weitere  für  die  Tropen  wie  für  die  gemässigte  Zone  gleich 
wichtige  Aufgabe  ist  die  stetige  Sorga  um  das  Gedeihen  der.'ausge- 
wählten  Kulturpflanzen,  Mit  der  Einführung  und  Heranzüchtung  neuer 
Sorten  und  Arten  ist  noch  wenig  getan.  Das  Studium  der  Lebens- 
bedingungen mit  den  sich  daraus  ergebenden  pralitischen  Rückschlüssen, 
der  passendsten  Vermehrungsweise,  Pfropfung  und  Hybridisation,  Um- 
pflanzung, Beschneidung,  Düngung.  Beschattung,  der  Vermeidung  der 
liUmatischen  Schädlichkeiten,  der  Bekämpfung  der  tierischen  und  pflanz- 
hchen  SchädUnge  sowie  der  Verbesserung  der  Böden,  das  alles  sind  die 
bei  uns  selbstverständlichen,  in  den  Tropen  bisher  nur  zum  Teil  be- 
achteten Aufgaben  des  Botanikers.  Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen 
wegen  der  schwierigeren  Verhältnisse  in  den  Tropen  die  Verbesserung 
der  Erntemethoden,  der  Aufbewahrung  und  des  Versandes  der  Ernte, 
besonders  aber  die  oft  sehr  komplizierte  Aufbereitung  der  Ernten,  wozu 
das  Studium  der  Oxydations-  und  Fermentierungsprozesse  vor  allem  be- 
nötigt wird.  ..'...; 

Ist  denn  nun  aber  der  landwirtschaftliche  Tropenbotaniker  auch 
imstande,  alle  diese  Aufgaben  zu  erfüllen?  Ist  nicht  viel  mehr  zu 
fürchten,  dass  die  geschilderten  Autgaben  in  menschlich  absehbarer  Zeit 
ungelöste  Probleme  bleiben  werden?  Wo  sind  denn  die  Organisationen, 
die.  Institute,  die  solche  weitschauenden  Aufgaben  unternehmen  können, 
wo  sind  die  dazu  nötigen  Geldmittel,  und  schliesslich  die  Gelehrten,  die 
das  Verständnis  für  diese  Fragen  besitzen  und  \n  der  Lage  sind,  diesen 
wichtigen  Aufgaben  ihre  ganze  Kraft  zu  widmen? 

Leider  muss  man  eingestehen,  dass  wir  noch  sehr  weit  von  einer 
auch  nur  einigermassen  befriedigenden  Lösung  dieser  in  erster  Linie 
organisatorischen  Fragen  entfernt  sind.  Während  in  der  gemässigten 
Zone  sämtliche  Kulturstaaten  ein  engmaschiges  Netz  agrikultureller  Schulen 
und  Institute  über  die  Länder  gebreitet  haben,  in  denen  jede  Frage  leicht 
eine  grössere  Anzahl  geschulter  Bearbeiter  findet,  ist  es  um  die  tropische 
Landwirtschaft  noch  sehr  schlecht  bestellt.  Sowohl  die  unabhängigen 
Staaten  Südamerikas  als  auch  die  Kolonialvölker  der  nördlichen  Zone 
als  Leiter  ihrer  tropischen  Kolonien  beschränken  sich  meist  auf  ein 
einziges  Institut  in  jedem  Staate,  und  zwar  sind  es  fast  stets  Zwitter- 
organisationen, die  sowohl  der  Wissenschaft,  d.  h.  der  botanischen  Er- 
forschung des  Landes,  als  auch  der  Landwirtschaft  zu  dienen  haben. 
Dies  würde  nun  nichts  schaden,  wenn  sie,  wie  das  grossartige  Institut 
in  Buitenzorg  auf  Java,  über  einen  grossen  Stab  von  wissenschaftlichen 
Arbeitern  verfügten:  ist  dies  aber,  wie  in  fast  allen  übrigen  tropischen 
Instituten  —  nur  Britisch- Westindien  und  Deutsch-Ostafrika  machen 
noch  in  bescheidenem  Masse  eine  Ausnahme  —   nicht  der  Fall,  so  muss 

3* 


36 


O.  Wiirbura:. 


entweder  die  wissenschaftliche  Erforschung  oder  die  Hebung  der  Land- 
wirtschaft der  leidende  Teil  sein.  Wenn  freilich,  wie  es  meist  der 
Fall  ist.  das  einzelne  Institut  nur  einen  einzigen  Gelehrten  zur  Verfügung 
hat,  der  gewöhnUch  noch  durch  administrative  Tätigkeit  stark  in  Anspruch 
genommen  ist,  und  häufig  nicht  einmal  über  einen  Assistenten  als  Hilfs- 
kraft verfügt,  so  ist  für  die  Hebung  der  Landwirtschaft  nicht  viel  zu 
erwarten. 

So  wenig  befriedigend  nun  zwar  der  Stand  der  landwirtschaftlichen 
Institute  der  Tropen  momentan  auch  ist,  so  systemlos  auch  in  den 
meisten  Instituten  bisher  gearbeitet  wird,  so  sind  dies  doch  Fehler,  die 
geändert  worden  können  und  geändert  werden  müssen.  Woran  es  fehlt 
ist  vor  allem  eine  breit  angelegte  Organisation.  Man  kann  von  den  isolierten 
Instituten  der  Tropen  nicht  verlangen,  dass  sie  sich  selbständig  diese 
Organisation  schaffen,  wie  es  die  Vertreter  der  heimischen  Landwirtschaft 
getan  haben.  Viele  der  Leiter  tropischer  botanischer  Gärten  sind  Land- 
wirtschafter nur  im  Nebenfach,  die  meisten  betrachten  ihre  dortigen 
Stellungen  nur  als  Provisorium  resp.  als  Cbergangsstufe  zu  anderen 
Stellungen.  Dazu  kommt,  dass  die  Verbindung  der  einzelnen  tropischen 
Gebiete  untereinander  oftmals  schwieriger  ist  als  die  Verbindung  mit 
dem  Mutterlande.  Auch  erhalten  die  Institute  vom  Mucterlande  nur 
selten  in  landwirtschaftlicher  Beziehung  wesentliche  Anregungen  und 
fast  nie  irgendwelche  Ermunterung;  denn  offizielle  Vertreter  der  tropischen 
Landwirtschalt  in  den  Mutterlanden  gibt  es  kaum,  und  den  Gelehrten 
oder  Interessenten,  die  sich  privatim  mit  der  tropischen  Landwirtschaft 
befassen,  fehlt  meist  der  innere  Zusammenhang  mit  diesen  tropischen 
Instituten.  Auch  die  wenigen  Zeitschriften  für  tropische  Landwirtschaft 
bieten  in  hezug  hierauf  keinen  genügenden  Ersatz;  denn  sie  müssen, 
um  zu  existieren,  sich  meist  mit  den  speziellen  Interessen  der  europäi- 
schen Pflanzer  beschäftigen,  während  die  viel  ausgedehnteren  und  daher 
auch  für  den  Weltverkehr  viel  wichtigeren  Kulturen  der  Eingeborenen 
mehr  nebensächlich  behandelt  werden.  Selbst  so  weit  die  Zeitschriften 
von  ihrem  Leserkreise  unabhängiger  sind,  wie  z.  B.  die  Journale  der 
Institute  von  Buitenzorg  und  Amani  oder  unsere  deutsche  Zeitschrift  für 
tropische  Landwirtschaft  „Der  Tropenpflanzer",  das  Organ  des  Kolonial- 
wirtschaftlichen  Komitees,  so  können  sie  sich  doch  dem  Einfluss  der 
naturgemäss  an  den  Plantagenkulturen  am  meisten  interessierten  Lands- 
leute nicht  entziehen. 


Worin  besteht  nun  diese  Organisation,  die  wir  für  wünschenswert 
halten,    um    einen    grösseren  Zug    in    die    tropische   Landwirtschaft    zu 


Tropische  Landwirtschaft.  37 

bringen?  Wir  brauchen  erstens  eine  systematischere  Ausgestaltung  und 
mithin  eine  Vermehrung  und  Vergrösserung  der  tropischen  Institute  und 
zweitens  ein  zentrales  Institut  im  Mutterlande,  welches  die  notwendigen 
Arbeiten  in  grosszügiger  Weise  organisiert,  das  Materialien  sammelt  und 
den  kolonialen  Instituten  zur  Verfügung  stellt,  ein  Institut,  w^elches  ein 
eigenes,  unabhängiges  Journal  herausgibt,  das  nicht  die  Interessen  der 
europäischen  Grosskulturen  bevorzugt,  sondern  von  einer  hohen  Warte 
aus  sämtliche  Fragen  der  tropischen  Landwirtschaft  sachlich  und  wissen- 
schaftlich behandelt,  ein  Institut,  an  das  sich  die  für  wissenschaftlichen 
Fortschritt  zugänglichen  Interessenten  der  tropischen  Landwirtschaft  in 
Form  einer  Vereinigung  eng  angliedern  könnten. 

Anfänge  zu  einer  solchen  Organisation  finden  wir  schon  in  ver- 
schiedenen Ländern.  Die  Vereinigten  Staaten  haben  in  ihrem  grossartig 
organisierten  Department  of  Agriculture  in  Washington  mehrere  Sach- 
verständige, auch  für  tropische  landwirtschaftliche  Fragen.  England  besitzt 
in  seinem  Imperial  Institute  wenigstens  einige  chemische  und  technolo- 
gische Kolonialexperten,  ebenso  Holland  in  seinem  Kolonialmuseum  in 
Haarlem.  Deutschland  besitzt  jetzt  wenigstens  einen  Experten  für  tropi- 
sche Pflanzenpathologie  an  der  Biologischen  Anstalt  für  Land-  und  Forst- 
wirtschaft in  Dahlem,  ausserdem  —  wie  übrigens  auch  die  anderen 
Länder  —  an  den  Museen  einige  Sachverständige  für  tropisch-landwirt- 
schaftliche Fragen  der  beschreibenden  Naturwissenschaften,  sowie  ferner 
auch  einige  Personen  an  landwirtschaftlichen  Instituten,  die  sich  auch 
mit  Fragen  der  tropischen  Landwirtschaft  befassen. 

Frankreich  ist  entschieden  in  dieser  Beziehung  am  weitesten  vor- 
geschritten. Einerseits  besitzt  es  eine  Hochschule  für  koloniale  Land- 
wirtschaft (Ecole  nationale  superieure  de  TAgriculture  coloniale)  in  Paris, 
an  der  natürlich  viele  Gebiete  der  tropischen  Landwirtschaft  durch  Fach- 
gelehrte vertreten  sind,  ferner  eine  Societe  frangalse  de  Colonisation  et 
d"Agriculture  coloniale,  in  der  sich  die  Interessenten  der  kolonialen  Land- 
wirtschaft zusammenfinden,  und  schliesslich  auch  einen  Jardin  colonial, 
dessen  Direktor  gleichzeitig  als  Generalinspektor  der  kolonialen  Land- 
wirtschaft Ministerialbeamter  ist.  Eine  genügende  Organisation  für  die 
Entwickelung  der  tropischen  Landwirtschaft  auf  wissenschaftlicher  Basis 
ist  aber  selbst  in  Frankreich  nicht  vorhanden:  sie  könnte  jedoch  dort 
durch  Zusammenfassung  der  Lehrkräfte  zu  einem  grossen  Institut  leicht 
hergestellt  werden. 

Für  Deutschland  ist  die  Schaffung  einer  Organisation  geradezu 
ein  Bedürfnis;  der  bisherige  Weg  privater  Betätigung  hat  sich  im  Hin- 
blick auf  die  schnellen  Wandlungen  in  der  Weltwirtschaft  als  völlig 
unzureichend    erwiesen.     Genau    so    wie    wir  wissenschaftliche  Zentral- 


ag  O.  Warlnirg. 

Stellen  für  die  Erforschung  der  Kolonien  besitzen,  so  müssen  wir  auch 
eine  Zentralstelle  für  die  angewandte  Wissenschaft  der  tropischen  Land- 
wirtschaft schaffen,  da  eine  solche  für  das  wirtschaftliche  Gedeihen  der 
Kolonien  von  der  allerhervorragendsten  Wichtigkeit  ist. 

In  der  Biologischen  Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft  zu 
Dahlem  haben  wir  einen  geeigneten  Ansatzpunkt,  zumal  es  ein  Reichs- 
institut ist.  Wie  das  Institut  ursprünglich  eine  Abteilung  des  Reichs- 
gesundheitsamtes war,  bis  es  vor  kurzem  selbständig  wurde,  so  sollte 
ihm  jetzt  eine  Zentrale  für  tropische  Landwirtschaft  angegliedert  werden, 
vorläufig  als  Abteilung.  Es  ist  voraus  zu  sehen,  dass  diese  Zentrale 
sich  mit  der  Zeit,  nach  Herausbildung  der  nötigen  Kräfte,  von  selbst 
in  ein  selbständiges  Institut  für  tropische  Landwirtschaft  aus- 
wachsen  wird. 

Wir  würden  dann  endlich  einen  Ort  haben,  wo  nicht  nur  alle 
kolonialen  landwirtschafthchen  Fragen  aus  den  verschiedensten  Fächern 
begutachtet  werden,  sondern  auch  eine  Stelle,  welche  die  landwirtschaft- 
lichen Institute  und  Stationen  der  Kolonien  zu  kontrollieren  und  mit 
Anregungen  zu  versehen  hätte,  und  wo  schliesslich  auch  die  landwirt- 
schaftlichen Beamten  und  Gelehrten  eine  zweckentsprechende  Vorl)ildung 
finden  würden. 

Neben  dieser  für  die  Entwickelang  der  tropischen  und  speziell 
deutsch-kolonialen  Landwirtschaft  bei  weitem  wichtigsten  Frage  seien 
hier  noch  einige  Forderungen  gestellt,  die  gleichfalls  von  grosser  Be- 
deutung sind. 

So  vortrefflich  sich  das  Biologische  Institut  für  Land-  und  Forst- 
wirtschaft in  Amani  (Deutsch-Ostafrika)  entwickelt  hat,  so  rückständig 
ist  noch  das  für  Westafrika  bestimmte  Institut,  nämlich  der  Botanische 
Garten  zu  Victoria  in  Kamerun.  Die  mit  der  wachsenden  agrikulturellen 
Bedeutung  Westafrikas,  mit  der  Entwickelung  der  Kakaokultur,  der 
Palmölgewinnung,  des  Baumwollbaues  und  der  Kautschukkultur  —  um 
nur  die  wichtigsten  zu  nennen  —  zusammenhängenden  Fragen  können 
unmöglich  von  den  wenigen  wissenschaftlichen  Beamten  des  Gartens 
in  Victoria  auch  nur  einigermassen  befriedigend  gelöst  werden.  Es  ist 
eine  unabweisbare  Pflicht,  dass  es  gleichfalls  wie  Amani,  zu  einem 
landwirtschaftlichen  Institut  erster  Ordnung  ausgebaut  werde. 

Schliesslich  sollten  jetzt  endlich  auch  die  Beschlüsse  des  Kolonial- 
rates, dass  wirtschaftliche  Versuchsgärten  in  Togo  und  den  Kolonien 
der  Südsee  errichtet  werden,  in  die  Tat  umgesetzt  werden.  Die  Station 
in  Togo  könnte  Victoria  unterstellt  werden,  während  die  Stationen  in  der 
Südsee  im   Bismarckarchipel  ihr  Zentrum  haben  müssten. 


Tropische  Landwirtschaft.  39 

Gerade  jetzt  scheint  der  Zeitpunkt  günstig  zu  sein,  dass  wir,  als 
Vertreter  der  angewandten  Botanik,  klare  und  bestimmte  Forderungen 
stellen,  die  sich  in  den  folgenden  Sätzen  zusammenfassen  lassen: 

1.  Schaffung  einer  Zentrale  für  tropische  Landwirtschaft  als 
Reichsinstitut  im  Anschluss  an  die  Biologische  Anstalt  für 
Land-  und  Forstwirtschaft  in.  Dahlem  bei  Berlin; 

2.  Ausbau  des  Botanischen  Gartens  zu  Victoria  in  Kamerun  zu 
einem  landwirtschafthchen  Institut  erster  Ordnung; 

3.  Schaffung  landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  in  Togo  und 
den  Südseekolonien.  ... 

Nur  wenn  wir  auf  diese  Weise  bezüglich  der  tropischen  und 
kolonialen  Landwirtschaft  einen  gehörigen  Schritt  vorwärts  getan  haben 
•werden,  können  wir  hoffen  und  erwarten,  dass  Deutschland  wie  in  der 
heimischen  so  auch  in  der  tropischen  Landwirtschaft  den  ihm  gebühren- 
den Platz  einnehmen  wird,  der  deutschen  Wissenschaft  zui-  Ehre,  dem 
Vaterlande  zum  Segen. 


4Q  C.  C.  Hosseus. 


Die  Gewinnung  des  Teakholzes  in  Siam  und  seine 
Bedeutung  auf  dem  Weltmari<te. 

Von 
Dr.  C.  €.  Hosseiis,  Berlin. 

Leider  ist  es  mir  nicht  möglich,  am  heutigen  Tage,  wie  beab- 
sichtigt, bereits  einen  definitiv  abschliessenden  Bericht  über  mein  Thema 
zu  geben,  da  erstens  mein  Aufenthalt  nach  meiner  Rückkehr  aus  Siam 
hier  in  Europa  erst  kurz  ist,  und  zweitens  auf  Anfragen  im  Auslande 
noch  keine  genügenden  Mitteilungen  eingetroffen  sind.  Ich  bitte  also, 
das  Folgende  als  vorläufige  Notizen  zu  betrachten. 

Dennoch  geziemt  es  sich  bereits  jetzt  in  gebührender  Weise,  Seiner 
Exzellenz,  dem  Staatssekretär  des  Reichsmarineamts,  den  Kaiserlichen 
Werften,  den  Privatwerften,  sowie  den  Vereinigten  Maschinenwerken  zu 
Nürnberg  und  Augsburg  meinen  verbindlichsten  Dank  auszusprechen, 
für  die  liebenswürdige  Überlassung  von  Aktenmaterial. 

Meine  Reise  nach  Siam  hatte  vor  allem  den  Zweck,  botanisch- 
systematische Sammlungen  anzulegen.  Bei  dieser  Gelegenheit  war  es 
möglich,  auch  dem  Studium  der  Teakholzfrage  näher  zu  treten. 

Das  Teakholz,  Tectona  grandis,  geh()rt  zur  Familie  der  Verbenaceen 
(Viticeae)  und  ist  ein  laubwerfender  Urwaldbaum.  Die  Stämme  besitzen 
einen  hohen  Wuchs  und  sind  sehr  oft  von  Lianen  (zumeist  Leguminosen) 
und  Würgern  {Ficus-kviQw)  umschlungen.  Epiphytische  Orchideen 
kommen  fast  nie  auf  ihnen  vor;  die  anderen  Epiphyten  sind  auf  den 
Gipfel  beschränkt.  Tedowa  ^rawtii.9  finden  wir  in  natürlichen  Stand- 
orten auf  Java,  in  Birma  und  in  Siam.  In  Java  sind  Wälder,  nur  aus 
Teakholz  bestehend,  festgestellt,  in  den  beiden  anderen  Ländern  soll 
Tectona  grandis  gewöhnlich  vereinzelt  im  gemischten  Waldbestande 
wachsen 

Für  Siam  möchte  ich  nun  dreierlei  Arten  des  Vorkommens  unter- 
scheiden: 1.  vereinzelt  an  den  Flussufern,  2.  waldbeherrsciiend  an  Hügel- 
ausläufern und  3.  formationsbildend  als  sekundärer  Bestand  an  Orten, 
wo  früher  Pagoden  standen  oder  jetzt  noch  stehen,  als  sog.  Heihge 
Haine.  Für  die  zweite  Verbreitungserscheinung  sei  versuciit,  hypothetisch 
eine  Erklärung  zu  geben.     Die    kleineren  Hügel    zeigen   ebenso  wie;  die 


Die  Gewinnung  d.  Teakholzes  in  Siam  u.  seine  Bedeutung  auf  d.  Weltmärkte.    41 

grösseren  vor  allem  auf  der  Süd-Südwestseite  Teakholz,  während  die 
anderen  Seiten  mit  Dipterocarpaceen  bestanden  sind.  Es  sieht  so  aus, 
als  sei  hier  ehedem  Reis  gebaut  worden,  in  der  zweiten  Periode  erfolgte 
dann,  nachdem  der  Boden  nicht  mehr  reich  und  nährstoffhaltig  genug 
für  diesen  war,  eine  natürliche  Aussaat  der  oben  im  Westwalde  zer- 
streut wachsenden,  älteren  Teakbäume,  welche  als  Resultat  den  jetzigen, 
fast  reinen  Wald  hervorrief. 

Teakholz  kommt  niemals  an  direkt  feuchten  Stellen  vor,  oder  gar 
dort,  wo  das  Wasser  während  der  Regenzeit  steht,  weil  es  keinen  Ab- 
fluss  findet:  ebensowenig  treffen  wir  es  im  ausgetrockneten  Rotholz- 
walde (Dipterocarpaceen)  an:  zwei  Umstände,  auf  die  vor  allem  bei  den 
Anpflanzungen  in  unseren  Kolonien  zu  sehen  ist. 

Erfreulicherweise  hat  sich  in  diesen  das  Teakholz  bisher  gut  ein- 
gebürgert und  trägt  bereits  Samen,  so  dass  es  nicht  mehr  nötig  ist, 
das  ganze  Quantum  für  den  Bedarf  aus  dem  Auslande  zu  beziehen. 
Trotz  dieser  erfreulichen  Mitteilungen  von  selten  des  Herrn  Professor 
Preuss  müssen  wir  bedenken,  dass  die  Stämme  frühestens  in  einem 
Alter  von  50  Jahren  schlagbar  sind.  Die  Anlagen  sind  etwas  über  10 
Jahre  alt,  so  dass  wir  fürs  erste  unter  keinen  Umständen  damit  rechnen 
können,  irgend  welchen  positiven  Nutzen  vor  40  Jahren  aus  diesen 
Pflanzungen  ziehen  zu  können.  Grössere  Aufforstungen  können  also  in 
den  Kolonien  immer  nur  auf  reine  Staatskosten  oder  aber  auf  Kosten 
einer  weitsehenden  Gesellschaft  gemacht  werden,  die  dazu  in  der  Lage 
wäre,  weil  sie  nicht  an  irgendwelchen  Prozenten  interessiert  ist.  Für  die 
Anpflanzungen  kommt  ausserdem,  wie  wir  gesehen  haben,  nur  ein  be- 
schränktes Gelände  in  Betracht.  Eine  weitere  Schwierigkeit  ist,  dass 
Tectona  grandis  laubwerfend  und  also  auf  periodische  Jahreszeiten  an- 
gewiesen ist. 

Bevor  aber  praktische  Versuche  gemacht  sind,  erscheint  es  unbe- 
rechtigt, nur  auf  Grund  pflanzengeographischer  Studien  den  Baum  für 
ein  anderes  Land  als  ungeeignet  zu  bezeichnen;  sehen  wir  doch  z.  B. 
an  dem  Vorkommen  und  dem  glänzenden  Gedeihen  von  Hevea  hrasl- 
liensis  auf  der  malaiischen  Halbinsel,  dass  derartige  theoretische  Schlüsse 
oft  sehr  trügen  können. 

Was  das  Wachstum  von  Tectona  anbelangt,  so  ist  zu  bemerken, 
dass  der  Baum  in  den  ersten  Jahren  mächtig  in  die  Höhe  schiesst,  dass 
aber  dann  das  Wachsen  sich  bedeutend  verzögert  und  dass  der  Baum 
erst  nach  frühestens  50  Jahren  fällbar  ist.  Tectona  grandis  geht  nie- 
mals über  700  m  Höhe  aufwärts  in  Siam,  es  ist  dies  eine  äusserst  in- 
teressante natürliche  Wachstumsbeschränkung.  Doch  sei  auch  hier 
wieder  an  die   Versuche  mit  Hevea  hrasiliensis,  unserem  so  dankbaren 


42  <-'•  t^-  Hosseus. 

Kautschuklieferer  erinnert,  welcher  nach  den  neuen  Versuchen  von  Mr. 
Arden  auf  dem  Gunong  Angsi  bis  900  m  ii,  d.  M.  gut  gedeiht.  Auch 
in  dieser  Beziehung  müssten  wolil  praktische  Versuche  theoretischen 
Erörterungen  vorausgehen. 

Von  Interesse  ist  es,  des  weiteren  festzustellen,  auf  welchem 
Boden  Tectona  grandis  hauptsächlich  gedeiht.  Zumeist  ist  das  Vor- 
kommen auf  leichtem  Laterit.  Auf  Kalkstein,  so  z.  B.  in  der  Gegend 
■von  Djieng  Dao,  ist  nirgends  Tectona  zu  finden,  während  sie  auf  dem 
verwitterten  Boden  des  Archaikums,  also  Gneiss  und  Granit  (z.  ß.  des 
Doi  Ka  Luang)  vorzüglich  gedeiht. 

Auch  auf  vulkanischem  Boden,  hierzu  ist  die  Djieng  Kong-Gegend 
zu  rechnen,  stehen  die  Wälder  vorzüglich  in  geschlossenem  Bestände, 
Die  Wälder  von  Muang  Fang  sind  auf  Schwemmlandboden  an  und  für 
sich  bereits  in  ca.  300  m  Höhe  auf  verhältnismässig  ebenem  Gelände. 
Der  Teakholzbestand  der  Ostseite  des  siamesischen  Landes  befindet  sich 
fiuch  auf  Laterit, 

Wenn  wir  nun  zu  der  geographischen  Verbreitung  des 
Teakholzes  in  Slam  übergehen,  so  sei  erwähnt,  dass  dasselbe  in  den 
von  mir  besuchten  Gebieten  des  Mänam  Fing  hinter  dem  IG.  Breite- 
grad hinter  Pagnam  Poh  bei  Muang  Kami  (erste  Reise)  sein  südlichstes 
Vorkommen  hat.  Auf  der  zweiten  Reise  wurde  die  Südgrenze  in  der 
Höhe  von  Ban  Pinit  (Ban  Pum)  auf  einem  ca.  50  m  hohen  Hügel  bei 
Ban  Jang  gefunden,  wobei  es  sich  nur  um  einige  wenige  Einspreng- 
unge im  Urwalde  handelte.  Im  weiteren  Verlaufe  der  Reise  nach 
Petschabun  und  Muang  Lom  wurde  kein  Teakholz  mehr  gefunden.  Das 
nächste  Vorkommen  nordwärts  ist  östlich  von  Pisanulok  und  erstreckt 
sich  gegen  den  Mäkong  zu.  Es  ist  auffallend,  dass  über  dem  Mäkong, 
d.  h.  also  auf  seiner  linken  Seite,  keine  Teakholzwälder  mehr  vor- 
kommen sollen.  Das  nördlichste  Verbreitungsgebiet  habe  ich  bei  r)jieng 
Kong  am  20.  Breitegrad  am  rechten  Mäkongufer  gefunden,  hier  bilden 
die  Wälder  einen  verhältnismässig  reinen  dichten  Bestand,  im  Gegensatz 
z.  B.  zu  den  Wäldern  der  Westseite  Slams  in  Muang  Fang  und  am 
Mäkok-Flusse.  Ich  habe  mich  des  weiteren  bei  den  Eingeborenen  und 
speziell  bei  den  Hooh,  die  aus  Jünann  mit  ihren  Karawanen  alljährlich 
herab  kommen,  erkundigt,  ob  weiter  nördlich  noch  Teakholz  vorkomme. 
Die  Antwort  lautete  immer  „nein".  Eine  Bestätigung  hierfür  bekam  ich 
von  dem  französischen  Regierungsvertreter  in  Hue  Sai  für  die  hnke 
französische  Mäkongseite  aufwärts.  Als  Beleg  führt  er  an,  dass  alles 
zum  Bau  der  Regierungsgebäude  verwandte  Teakholz  von  der  siame- 
sischen rechten  Flussseite  stamme.  Ein  Teil  der  Konzessionen  dort 
oben  sind  an  einen  Franzosen  vero-eben;  iro-endwelche  Kontrolle  scheint 


Die  Gewinnung  d.  Teakholzes  in  Siam  n.  seine  Bedeutung  auf  d.  Weltmarkte.    43 

nicht  vorhanden  zu  sein.  Audi  der  Gouverneur  von  Djieng  Kong 
schlägt  ohne  weitere  spezielle  Erlaubnis,  was  für  seinen  Hausbedarf  und 
für  den  Bedarf  der  Franzosen  über  der  Grenze  ihm  nutzbringend  er- 
scheint. So  kann  uns  denn  sein  Reichtum,  darunter  der  Besitz  von 
25  Elefanten,  nicht  wundern,     j     .;■    .;     ■■:    ■!  .     :      '         ....:.'     ' 

Das  geographische  Vorkommen  von  Teakholz  in  Siam  erstreckt 
sich  über  ein  weites  Areal  von  ca.  4  Breitegraden  und  4  Längegraden. 
Leider  ist  aber  die  Ausnützung  und  die  Pflege  der  Wälder  nicht  im 
Verhältnisse  zu  ihrer  Bedeutung  betrieben  worden.  Eine  Ausnahme 
hiervon  machen  die  in  der  Nähe  der  Wat  (buddistische  Tempel) 
gelegenen  grösseren  Haine  mit  Tectona  grandis.  Diese  heiUgen 
Wälder  unterliegen  nicht  den  Forstgesetzen,  nur  äusserst  selten  wird 
aus  denselben  von  selten  der  Priester,  die  eine  Verbesserung  an  ihren 
Gebäuden  vorzunehmen  haben,  oder  ein  neues  Wat  bauen  wollen, 
ein  alter  Stamm  gefällt;  doch  ist  dabei  immer  für  ungerotteten 
Nachwuchs  gesorgt.  Ausserdem  fallen  diese  heiUgen  Haine  nur  selten 
den  Waldbränden  zum  Opfer,  da  sie  isolierter  liegen.  Für  den  Nach- 
w^uchs  des  Teakholzes  sonst  sind  die  Waldbrände  von  schädlichster  Be- 
deutung. Die  siamesische  Regierung  konnte  sich  bisher  noch  nicht  ent- 
schliessen,  irgend  eine  Gegenmassregel  zu  treffen.  So  kommt  es,  dass 
1.  viele  alte  Bäume  zugrunde  gehen,  2.  sich  kein  Nachwuchs  entwickeln 
kann,  3.  selbst  bereits  gefällte  Stämme  den  Waldbränden  zum  Opfer 
fallen,  wodurch  den  Gesellschaften  ein  grosser  Schaden  entsteht. 

Direkte  Aufforstungen  wie  in  Birma  oder  Neuanpflanzungen 
wie  in  Indien  kennt  man  in  Siam  noch  nicht.  Es  liegt  dies  wieder  an 
2wei  Punkten,  erstens  wäll  die  siamesische  Regierung  momentan  soviel 
Geld  als  möglich  aus  den  Wäldern  ziehen,  ohne  ihrerseits  etwas  hinein- 
zustecken, anderseits  sind  die  englischen  Beamten  der  siamesischen 
Forstbehörde  zum  grossen  Teil  nur  wenig  vorgebildet,  noch  weniger 
aber  sicher  daran  interessiert,  eine  grössere  Produktion  für  die  Zukunft 
zu  schaffen.  Diese  sog.  „Anweiser"  kommen  für  gewöhnlich  auf  fünf 
Jahre  aus  Indien  herüber,  um  in  Siam  mehr  Geld  als  drüben  zu  ver- 
dienen ;  haben  sie  sich  genügend  bereichert,  so  kehren  sie  entweder  in 
den  indischen  Staatsdienst  zurück,  oder  sie  gehen  „für  gut"  nach  Europa, 
So  ist  es  ganz  natürlich,  dass  dieses  Beamtentum  im  allgemeinen  nicht 
das  geringste  Interesse  an  streng  siamesisch-forstwirtschaftlichen  Fragen 
nimmt.  Die  eingeborenen  Beamten  sind  aber  noch  nicht  derartig  ge-, 
schult,  dass  sie  überhaupt  für  irgend  einen  Forstdienst  in  Betracht 
kommen  können.  So  werden  wir  es  denn  erleben  müssen,  dass  nach 
zehn  Jahren  Siam  nicht  mehr  so  viel  Holz  liefern  kann  wie  heute, 
wenn  nicht  überhaupt  ein   grosser  Teil   der  Wälder  erschöpft 


44 


C.  C.  Hosseus. 


ist.  Es  soll  passieren,  dass  der  aufsichthabende  Porstbeamte  nicht  ein 
einziges  Mal  seinen  ganzen  Distrikt  besucht  hat.  Als  Entschuldigung 
muss  angeführt  werden,  dass  die  Herren  wirklich  mit  Schreibereien  und 
der  Abzahlung  der  den  Hauptfluss  horabkommenden  Stämme  derartig 
viel  zu  tun  haben,  dass  sie  nicht  imstande  sind,  die  Wälder  aufzu- 
suchen, um  so  mehr,  als  der  Mangel  an  Verkehrswegen  jeden  Marsch 
unendlich  erschwert.  Die  Gesellschaften  haben  ihrerseits  wieder  in  der 
Natur  ein  Element,  das  sich  ihnen  je  nachdem  als  Freund  oder  Feind 
erweist:  das  Wasser,  das  in  zwei  Gestalten  mit  dem  Teakholzhande'' 
aufs  innigste  verknüpft  ist.  Es  sind  dies  die  Stromschnellen  und  die 
Überschwemmungen.  Die  Beförderung  durch  die  Stromschnellen  ver- 
ursacht oft  grosse  Mühe,  oft  dienen  sie  aber  auch  als  sonst  unerreich- 
bar rascher  Transportweg;  ähnlich  wie  die  Überschwemmungen.  Tritt 
in  der  Regenzeit  über  der  Gegend  ein  Wolkenbruch  ein,  so  sind  die 
Berechnungen  der  Angestellten  der  Gesellschaften  mit  einem  Schlage 
umgestossen.  Liegen  nämlich  die  bereits  gefällten  Stämme  noch  un- 
markiert in  den  Wäldern,  so  entsteht  der  Gesellschaft  ein  ungeheurer 
Verlust,  weil  die  Forstbeamten  die  Stämme  nicht  kontrollieren  können 
und  sie  als  herrenloses  Gut  von  irgend  welchen  Eingeborenen  aus  dem 
Flusse  aufgefangen  werden.  Sind  die  Stämme  dagegen  bereits  ge- 
zeichnet, so  wird  dadurch  viele  Arbeit  erspart,  die  Hölzer  kommen  be- 
quem aus  den  Wäldern  in  die  Nebenflüsse.  Es  ist  nun  nur  die  Aufgabe, 
dieselben  gut  kontrollieren  zu  lassen.  Anders  liegt  der  dritte  Fall,  wenn 
die  Stämme  bereits  zu  Flössen  miteinander  verbunden  sind.  Die  Gewalt 
des  Wassers  reisst  dieselben  häufig  auseinander.  Ist  der  aufsicht- 
habende Forstbeamte  an  der  Durchgangsstation  tüchtig,  so  entstehen 
aber  der  Gesellschaft  keine  weiteren  Verluste. 

Es  sei  hier  nun  kurz  noch  auf  die  Art  der  Gewinnung  de» 
Teakholzes  hingewiesen.  Es  ist  Bestimmung,  dass,  bevor  ein  Teak- 
holzbaum gefällt  wird,  man  ihn  gürtelt,  d.  h.  einen  ca.  15  cm.  breiten 
Ring  in  ihn  mit  der  Axt  einschlägt.  Auf  diese  Weise  wird  erzielt, 
dass  der  Baum  in  nicht  zu  langer  Zeit  abstirbt.  Bei  dem  Teakholz  ist 
nur  der  längere  Zeit  in  diesem  toten  Zustande  gestandene  Stamm  wert- 
voll. Man  lässt  ihn  gewöhnlich  2  Jahre  so  stehen.  Dann  hat  er  die 
genügende  Widerstandsfähigkeit  gegen  alle  Elemente  in  sich  aufgenommen.. 
Die  jüngeren  Äste  sind  fast  alle  schon  abgefallen,  eine  hohe,  kahle  Stange 
ragt  er  unter  seinen  Genossen  in  die  Lüfte.  Nach  2  Jahren  wird  er 
dann  gefällt  und  von  den  Elefanten  an  den  Fluss  gebracht  zum  Weiter- 
transport nach  Bangkok.  Es  ist  des  weiteren  Forstgesetz,  dass  die. 
Stämme  nur  in  einem  gewissen  Zwischenräume  gegürtelt  werden  dürfen. 

Sind  die  Stämme  einen  kleineren    Fluss,   wie  z.  B.  den  Glong  Wang 


Die  Gewinnnng  d.  Teakholzes  in  Siam  u.  seine  Bedeutung  auf  d.  Weltmarkte.    45 

Djao,  herabgekommen,  so  werden  sie  an  dem  Einflüsse  desselben  in  den 
Hauptfluss,  in  diesem  Falle  den  Mä  Ping,  aufgefangen  und  auf  einem 
Stapelplatze  aufgeschichtet.  Ist  eine  genügende  Anzahl  von  Stämmen 
zusammen,  so  werden  sie  untereinander  mit  Rotang  zu  einem  grossen 
Flosse  von  oft  50  — 100  Stämmen  vereinigt.  Auf  diesem  Flosse  ist  in 
der  Mitte  eine  Hütte  angebracht,  in  welcher  sich  die  Flösser  befinden.  Ein 
Mann  ist  der  Aufsichthabende  auf  dem  Flosse,  zwei  Leute  befinden  sich 
rückwärts  im  Wasser  an  einem  langen  Seile,  ihnen  fällt  die  Aufgabe  zu,  das 
Floss  zu  steuern  und  event.  vom  Boden  oder  vom  Felsen  abzustossen. 
Oft  passiert  es,  wie  bereits  erwähnt,  speziell  in  der  Hochwasserzeit,  wo 
ja  immer  nur  diese  Flösse  talwärts  gehen,  dass  in  einer  Überschwemmungs- 
periode einige  derselben  zertrümmert  werden  und  die  Leute  sich  nur  mit 
Mühe  und  Not  retten  können.  Bis  ein  Boot  von  Raheng  oder  noch  von 
höher  den  Mä  Ping  abwärts  bis  nach  Bangkok  gelangt,  vergehen  viele 
Monate;  treten  plötzlich  unvorhergesehene  Veränderungen  im  Wasser- 
niveau ein,  d.  h.  sinkt  der  Fluss  bedeutend,  dann  sind  Monate  nicht 
ausreichend  für  den  Transport.  Jetzt  helsst  es  eben  an  irgend  einer 
Stelle  das  Floss  verankern  bis  zur  nächsten  Regenzeit.  Mit  Beginn  der- 
selben ist  es  dann  erst  möglich,  nach  Bangkok  zu  gelangen.  Unter  den 
jetzigen  Verhältnissen  hat  dies  nichts  zu  sagen,  da  die  Gesellschaften  in 
richtiger  Erkenntnis  der  Marktlage  in  Bangkok  bereits  viel  Holz  für  die 
nächsten  Jahre  aufgespeichert  haben.  Die  Bezahlung  dieser  Flossleute 
ist  eine  äusserst  gute,  oft  120  Mk,  monatlich.  Eine  der  Hauptaufgaben 
der  Beamten  der  Gesellschaften  ist,  in  der  Regenzeit  mit  ihren  Booten 
nachzusehen,  wo  sich  die  einzelnen  Flösse  befinden,  ob  ihnen  kein 
Unglück  zugestossen  und  ob  die  Steuerleute  nicht  zu  säumig  sind. 

Äusserst  wichtig  für  den  Teakholzhandel  sind  die  Elefanten^ 
^vie  hier  an  einem  Beispiel  demonstriert  sei.  Hochaufgeschichtet  ver- 
sperren die  Wasserstrasse  ungefähr  150  Teakholzstämme;  zwischen  ihnen 
und  den  eifrig  die  Stämme  markierenden  Lao  und  Kamu  (ein  Volksstamm 
vom  Mäkong)  in  malerischer  Tracht  bewegen  sich  3  gewaltige  Gesellen. 
Einer  davon,  ein  uralter  Elefant  mit  mächtigen  Stosszähnen,  hebt  gerade 
einen  dicken  Stamm  mit  der  ganzen  Macht  seines  Rüssels.  Da  scheint 
er  eine  Ungeschicklichkeit  gemacht  zu  haben,  denn  dröhnend  fallen  die 
Schläge  des  Treibers  auf  sein  Haupt  und  seinen  Rücken.  Der  Koloss 
bläst  zuerst  wutentbrannt  aus  seinem  Rüssel  Wasser,  trompetet,  schlägt 
die  Ohren  noch  heftiger  als  gewöhnlich  gegen  den  gewaltigen  Kopf, 
macht  einige  energische  Schritte,  dann  greift  er  von  neuem  den  Stamm 
an,  dieses  Mal,  um  ihn  mit  dem  Kopfe  vorwärts  zu  schieben.  In  dieser 
doppelten  Weise  werden  die  Elefanten  hier  zur  Arbeit  im  Flusse  heran- 
gezogen.    W'-As  die  Stangen  unserer  Holzknechte  beim  Triften  verrichten. 


46  C.  C.  Hessens. 

dieselben  Leistungen  werden  hier  in  kürzester  Zeit  von  den  Elefanten 
gomaclit;  zuerst  umschlingt  der  kräftige  Rüssel  den  Stamm  und  bringt 
ihn  in  die  richtige  Lage,  dann  sorgen  die  mächtigen  Nasenbeinknochen 
.und  nötigenfalls  auch  die  Stosszähne  dafür,  dass  er  ins  richtige  Fahr- 
wasser gelangt.  Vorher  aber  erwies  sich  unser  Tropenhaustier  schon 
dadurch  nützlich,  dass  es  die  frischgefällten  Bäume  aus  dem  Waldinnern 
uns  Flussufer  beförderte.  Ist  die  Tagesarbeit  verrichtet  und  wird  Feier- 
abend gemacht,  dann  tritt  der  Elefant  zum  vierten  und  letzten  Male  in 
Funktion,  indem  er  die  müden  Holzfäller  und  Holzmarkierer  auf  seinem 
breiten  Rücken  nach  Hause  trägt.  Freilich  allzuviel  darf  man  dem 
Gesellen  auch  nicht  zumuten,  da  er  äusserst  empfindlich  und  seiner 
Würde  wohl  bewusst  ist.  Im  Wasser  arbeitet  er  willig,  von  einigen 
Stachelaufmunterungen  unterstützt,  den  ganzen  Tag.  Anders  ist  es  auf 
dem  Festlande;  meine  Gewährsleute  gaben  an,  er  sei  nicht  zu  mehr  als 
4  Stunden  Arbeit  zu  erweichen,  dann  bedürfe  er  der  Ruhe.  Ich  selbst 
habe  freilich  mit  meinem  Elefanten  ganz  andere  günstigere  Erfahrungen 
gemacht.  Ausserdem  muss  er  in  der  heissen  Periode  jeden  vierten 
Tag  rasten.  Über  die  Tragfähigkeit  des  Elefanten  hört  man  sehr  ver- 
schiedene Ansichten;  sicher  ist,  dass  sie  zumeist  von  der  Güte  und  der 
praktischen  Anfertigung  des  Sattels  abhängt.  Ausserdem  ist  die  Ver- 
wendung des  p]lefanten  in  den  sonst  unzugängigen  Stromschnellen  für 
den  Teakholzhandel  von  grösster  Wichtigkeit.  Nur  auf  den  Elefanten  und 
vermittels  derselben  ist  es  möghch,  die  Weiterbeförderung  der  Stämme 
zu  regulieren. 

Freilich  ist  mit  solchem  Holztransport  auf  dem  Flusse  für  die  ent- 
gegenkommenden Boote  eine  grosse  Gefahr  verbunden,  sie  werden  näm- 
lich entweder  zertrümmert,  wenn  das  Nahen  nicht  rechtzeitig  wahr- 
genommen wird,  oder  bei  dem  Eintreten  der  Gefahr  muss  eine  Verstauung 
an  möglichst  sicherer  Stelle  erfolgen.  Dann  ist  eine  Weiterfahrt  erst 
mögUch,  nachdem  die  Elefanten  mit  ihren  Treibern  den  Platz  passiert 
haben.  Unter  allen  Umständen  bedeutet  dies  eine  grosso  Verkehrs- 
störung für  den  einzigen  Verkehrsweg  zwischen  Nord  und  Süd.  1  >er 
Preis  des  Elefanten  ist  zwischen  3000  und  5000  M.  Für  den  Handel 
kommt  noch  als  unangenehme  Beigabe  hinzu  das  Stehlen  der  Tiere  aus 
siamesischem  Gebiete  zumeist  von  den  Bergbewohnern,  und  ihre  Ver- 
frachtung über  die  Grenze  nach  Birma  (vgl.  den  Konsulatsrapport  von 
Mr.  Stringer  für  Djieng  Mai).  Zum  Teil  ist  das  ungenügende  Vor- 
gehen von  Seiten  der  Regierung  gegenüber  Stehler  und  Hehler  auf  die 
ungenügende,  nicht  ausreichende  Landpolizistenbesatzung  zurückzuführen. 
So  erfolgte  einmal  innerhalb  zweier  Monate  in  Ra  Heng  ein  Diebstahl 
von  8  Elefanten,  obwohl  alle  gebranntmarkt  waren. 


Die  Gewinnung  d.  Teakholzes  in  Siam  u.  seine  Bedeutung  auf  d.  Weltmarkte.    47 

-  ^  In  münohen  Gebieten  reicht  aber  der  Elefant  nicht  einmal  aus,  da 
die  Bergschluchten  zu  eng  sind  und  sich  die  Stämme  in  ihnen  ver- 
keilen (vgl.  Doi  Intanon  Conzession  des  Lao  Fürsten).  Hier  wird  es- 
nötig  sein,  vermittels  einer  Kleinbahn  die  Schluchten,  welche  einen 
Transport  des  Teakholzes  auf  dem  Wasserwege  nicht  zulassen,  zu  um- 
gehen. Die  Stämme  werden  auf  dieser  talwärts  bis  zu  der  geeigneten 
Verflössungsstelle  gebracht  werden. 

Um  nun  zur  derzeitigen  Bewertung  des  Teakholzes  überzugehen, 
so  ist  diese  immer  noch  im  Steigen  begriiTen.  Es  handelt  sich  hier 
auch  nicht  um  eine  temporäre  Erhöhung,  wie  seinerzeit  bei  der  Baum- 
wolle, sondern,  wie  wir  bereits  sahen,  liegen  die  Verhältnisse  durch  die 
geringe  Produktion  des  Rohstoffes  für  den  Abnehmer  so  ungünstig,  dass 
die  Gesellschaften  völlig  freie  Hand  in  der  Stellung  des  Preises  haben. 
Ein  Beispiel,  wie  hoch  zurzeit  das  Holz  bewertet  ist,  ergibt  sich  daraus,, 
dass  eine  chinesische  Firma  in  Bangkok,  die  für  2  Mill.  Mark  ihre  Kon- 
zessionen und  ihren  Waldbestand  verkaufte,  von  4  Seiten  Offerten  er- 
halten hat.  Der  grösste  Teil  der  Konzessionen  für  die  Teakholzwälder 
ist  bereits  in  festen  Händen.  Während  England,  Dänemark  und  neuer- 
dings Frankreich  grosse  Gesellschaften  besitzen,  die  ihre  Länder  auch 
mit  dem  sehr  guten  siamesischen  Teakholze  versehen  können,  sind  wir 
Deutsche  mehr  oder  weniger  auf  die  Gnade  dieser  Gesellschaften  an- 
gewiesen und  haben  keine  solche  Gesellschaft.  Es  ist  dies  um  so  mehr 
ins  Gewicht  fallend,  als  wir  auch  in  den  beiden  anderen  Tektona-Gebieten,. 
Bii'ma  und  Java,  nicht  direkt  beteiligt  sind,  abgesehen  von  einigen  Reis- 
exportfirmen, die  auch  nebenbei  etwas  Teakholz  ausführen.  Bekannt- 
lich bedürfen  wir  eine  Unmenge  dieses  Holzes,  das  billiger  und  mit  weit 
mehr  Garantie  von  uns  selbst  aus  diesen  Ländern,  vor  allem  aus  Siam,. 
geliefert  werden  könnte. 

Die  Verwendung  des  Holzes  von  Tectona  f/rand/s,  deren  Blatt 
überdies  einen  roten  Farbstoff  liefert,  kommt  vor  allem  für  3  Branchen 
in  Betracht:  ■  ,  .  .;,  ■.,'•... 

1.  für  die  Kriegs-  und  Handelsmarine, 

2.  für  den  Waggonbau  und 

3.  für  die  Möbel  und  Häuserherstellung. 

Im  Schiffbau  wird  dasselbe]  in  erster  Linie  für  die  Panzerhinter- 
lagen  und  den  Belag  der  Ober-  und  Aussendecks  der  Neubauten  ver- 
wendet, ausserdem  zu  L)eckshäusern,  zu  Möbeln  und  zu  inneren  Ein- 
richtungen. Wegen  seiner  hervorragenden  Eigenschaften  eignet  es  sich 
vorzüglich  zum  Schiffbau.  „Während  die  europäische,  sowie  auch  die 
amerikanische  Eiche  einen  hohen  Säuregehalt  hat,  enthält  das  Teakholz 


^g  C  C.  Hosseus. 

Öl,  wodurch  es  sich  in  Berührung  mit  Elisen  und  Stahl  sehr  gut  kon- 
serviert. Es  wird  deshalb  im  Schiffbau  stets  da  angewendet,  wo  das 
Holz  in  direlvte  Berührung  mit  Eisen  und  Stahl  kommt.  Es  besitzt 
eine  ausserordentliche  Festigkeit  und  leidet  wenig  unter  den  ver- 
schiedenen Witterungseinflüssen,  weshalb  es  auch  mit  Vorliebe  dort  ver- 
wendet wird,  wo  das  Holz  stets  Wind  und  Wetter  ausgesetzt  ist."  (Mit- 
teilung der  Germaniawerft  in  Kiel).  Man  unterscheidet  nach  den  Angaben 
•der  Howaldts-Werke  in  Kiel  drei  Arten  der  Verwendung:  Teakbohlen,  Bretter 
und  Planken,  und  zwar  Bohlen  in  Länge  nicht  unter  6',  in  Breiten  von 
4 — 12",  bei  einer  Dicke  von  2 — 6"  zur  Herstellung  von  Wasserborden, 
Skylights,  Türen,  Deckshäusern,  Unterlagen  für  Ankerspille,  Dampf- 
winden, Reeling  usw.  Planken  kommen  in  Längen  nicht  unter  8',  in 
Breiten  von  4—5"  und  2 — 3"  stark,  zur  Verwendung  von  Decks. 
Bretter  finden  Verwendung  für  Deckshäuser,  Türen,  Schanzkleidung  um 
Kommandobrücken,  Tischlerarbeiten  in  Längen  nicht  unter  5',  bei  einer 
Breite  von  4  -  6"    und  1 — 4"   stark. 

Beim  Waggonbau  wird  das  Teakholz  sehr  viel  benützt;  so  werden 
neuerdings  z,  B.  auf  die  Eisenträger  der  D-Zugwagen  Teakholzplanken 
gebracht,  um  eine  angenehmere  Federung  zu  bewirken.  Auch  für  die 
Treppen,  für  Kästen,  für  Vertäfelungen  ist  Teakholz  sehr  angebracht. 
Die  Verwendung  ist,  wie  wir  später  für  die  Vereinigten  Nürnberg- 
Augsburgschen  Maschinenwerke  noch  sehen  werden,  eine  äusserst 
grosse. 

Was  den  Verbrauch  für  die  Möbelfabrikation  anbelangt,  so  ist 
es  auffallend,  dass  in  Norddeutschland  derselbe  gegenüber  Süddeutsch- 
land ein  ganz  verschwindender  ist.  In  den  Tropen  ist  die  Ver- 
wendung schon  aus  praktischen  Gründen  natürlich  eine  sehr  grosse. 
Neuerdings  hat  man  sogar  aus  Teakholz  kleine  zusammenlegbare  Häuser 
für  den  Urwald  hergestellt,  die  sich  äusserst  günstig  bewähren. 

Teakholzkisten  sind  für  einen  Reisenden  in  Tropenländern  von 
unschätzbarem  Werte,  da  die  weissen  Ameisen  nicht  in  sie  eindringen,  die 
Kisten  jeder  Witterung  Widerstand  leisten  und,  wenn  gut  verschliessbar, 
auch  im  Falle  eines  Sturzes  ins  Wasser  unverwüstlich  sind.  Um  ein 
Beispiel  der  Nützlichkeit  von  Tectona  zu  geben,  sei  angeführt,  dass  mir 
unterwegs,  in  dem  Hause  zu  W.  D.  der  grösste  Teil  meines  Presspapiers 
aufgefressen  wurde,  das  noch  in  den  europäischen  Tonnenkisten  ver- 
packt war,  während  das  Papier,  welches  auf  den  Teakholzplanken  lag, 
nicht  angegriffen  wurde. 

Es  sei  nun  noch  auf  den  Verbrauch,  den  Preis  und  die  Aus- 
fuhr   aus  Slam  hingewiesen.     In   den  Jahren   1903  bis  1905  benötigten 


Die  Gewinnung  d.  Teakholzes  in  Siara  u.  seine  Bedeutiing  auf  d.  Weltmarkte.      49 

6  deutsche  Werften  ca.  5560  cbm.  Hierzu  führt  die  Kaiserliche  Werft 
zu  Wilhelmshafen  an,  dass  der  Verbrauch  sich  nicht  gut  nach  Jahren 
zusammenstellen  lässt,  da  die  Zeit,  in  welcher  auf  einem  Neubau  z.  B. 
die  Panzerhinterlage  eingebaut  wird,  eine  verhältnismässig  kurze  ist, 
und  der  hohe  Verbrauch  in  dem  Zeitraum  ein  falsches  Bild  geben  würde. 
Eine  deutsche  Waggonfabrik  hatte  in  den  Jahren  1900  bis  1906 
einen  Gesamtbedarf  von  ca.  2000  cbm. 

Bei  den  Preisen,  welche  die  kaiserlichen  Werften  zahlen,  stand 
Danzig,  welches  ausschhessUch  Bangkok-  und  Moulmeinholz  verwendet, 
mit  152  bis  206  Mk.  pro  cbm  am  günstigsten  (in  den  Jahren  1904 
bis  1906),  dann  folgt  Kiel  mit  250  Mk.  durchschnittlich  und  endlich 
Wilhelmshafen  mit  265  bis  300  Mk.  Der  Unterschied  ergibt  sich  daraus, 
dass  das  Holz  in  Danzig  schon  jahrelang  lagert  und  früher  billig  ein- 
gekauft wurde,  während  erst  in  den  letzten  Jahren  die  Preissteigerung 
eintrat. 

Von  einer  anderen  Werft  lauten  die  detailliert(^n  Angaben: 
Die  Einfuhrkosten  stellen  sich  frei  Lager  unverzollt  auf 
220  —  230  Mk.  für  den  cbm  für  besägte  Balken, 
250-260    „       „        „       „        „     Bretter  und  Bohlen,  für 

Tischlerzwecke, 
330 — 350    „       „        „       „        „    Decksplanken. 
Die  Einheitspreise  sind  ja   allerdings  gegenüber  anderen    Holzarten 
recht  hohe,  doch  wiegt  die  grosse  Dauerhaftigkeit  der  daraus  gefertigten 
Arbeiten  die  hohen  Kosten  weit  auf. 

Das  Bangkok-  und  Moulmeinholz  ist  da))ei  dem  javanischen  bei 
weitem  vorzuziehen. 

Wir  kommen  zum  Schlüsse  zur  Höhe  der  Ausfuhr  aus  Slam. 
Diese  betrug  im  Jahre  1903  60753  Tonnen  im  Werte  von  8276405 
Tical,  d.  h.  ca.  170  Mk.  pro  Tonne.  Im  allgemeinen  ist  die  Ausfuhr 
aus  Slam  im  Steigen  begriffen,  doch  kommen  auch  hier  Schwankungen 
vor,  so  weist  das  Jahr  1895  die  zweithöchste  Stelle  in  der  Exportliste 
der  letzten  15  Jahre  auf  mit  61  770  Tonnen,  gegen  78308  Tonnen  im 
Jahre  1904.  Die  Gesamtausfuhr  der  Jahre  1889  ))is  1904  betrug  aus 
Slam  664813  Tonnen  gegenüber  der  Ausfuhr  von  Hirma  in  denselben 
Jahren  von  2878566  Tonnen. 

Im  Gesamtexport  von  Slam  nimmt  Teakholz  die  zweite  Stelle  ein; 
so  wurde  im  Jahre  1903  nach  Reis  mit  rund  56  Millionen  Tical  Teak- 
holz im  Werte  von  über  8  Millionen  Tical  ausgeführt  (gegenüber  anderen 
Hölzern  im  Werte  von  ca.  340000  Tical,   1  Tical  =  1,23  xMk.). 

An  diesem  wichtigen  Handelsartikel  nun  sind  wir  Deutsche  fast 
gar  nicht  beteiligt.     Es  ist  deshalb  wohl  von   Interesse,   auch  noch  fest- 

,l:i)uesbericlit  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  4: 


50  C'.  C.  Hosseus.  Die  Gewinnunj;-  des  Teakholzes  in  Siam  etc. 

zustollen,  ilass  der  deutsche  Schiffsverkehr,  den  wir  der  tatkräftigen 
Initiative  des  Norddeutschen  Lloyd  verdanken  und  der  hoffentlich  die 
neuerdmgs  einsetzende  scharfe  japanische  Konkurrenz  überwinden  wird, 
an  erster  Stelle  steht:  für  den  Import  305  Dampfer,  1  Segelboot  mit 
326000  Tonnen  und  einer  Ladung  im  Werte  von  ca.  38  Millionen  Tical. 
für  den  Export  310  Dampfer  und  ein  Segelschiff  mit  zusammen  800000 
Tonnen   und   einer  Ladung  im  Werte  von  ca.  45V2   Millionen  Ticjil. 

An  der  Ausfuhr  speziell  von  Reis  ist  hauptsächlich  die  Firma 
Rickmers-Bremen  beteiligt. 

Mögen  diese  Ausführungen  dazu  beitragen,  unserem  Handel  auch 
in  dem  leider  so  vernachlässigtem  Siam  neue  Einfuhr-  und  Ausfuhr- 
gebiete zu  erschliessen. 


E.  Zacharias,  Über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  51 


Ueber  Degeneration  bei  Erdbeeren. 

Von 
E.  Zacharias,  Hamburg. 

(Mit  2  Tafeln.) 

Die  Frage,  ob  Sorten  von  Kulturpflanzen,  welche  auf  vegetativem 
Wege  fortgepflanzt  werden,  degenerieren  können,  wenn  sie  ein  gewisses 
Mter  erreicht  haben,  ist  eine  alte  und  vielfach  erörterte.  Man  versteht 
dabei  unter  „Degeneration"  eine  Abnahme  der  Widerstandsfähigkeit 
gegen  ungünstige  Bedingungen,  eine  Abnahme  des  Gedeihens  überhaupt, 
oder  im  besonderen  nur  ein  Schwinden  derjenigen  Eigenschaften  derent- 
wegen die  Sorten  kultiviert  werden.  Obwohl  sich  solche  Degeneration 
auf  Grund  unserer  gegenwärtigen  Kenntnisse  nicht  nachweisen  lässt, 
taucht  die  Annahme  derselben  in  den  Kreisen  der  Praktiker  doch  immer 
wieder  auf.  So  sagt  z.  B.  Möschke^)  hinsichtlich  der  Erdbeeren  all- 
gemein: „Die  Pflanzen  degenerieren,  d.  h,  je  länger  die  ungeschlecht- 
liche Vermehrung  einer  Sorte  fortgesetzt  wird,  desto  intensiver  tritt  eine 
Erschöpfung,  ein  Müdewerden  ein,  welches  sich  im  Nachlassen  der  Frucht- 
barkeit, mitunter  auch  des  freudigkräftigen  Wachstums  und  der  Gesund- 
heit, sowie  auch  in  einer  grösser  werdenden  Empfindlichkeit  gegen 
schädliche  Einflüsse  und  Schädlinge  äussert." 

Neuerdings  ist  die  Frage  u,  a.  hinsichtlich  des  ,, Abbaues"  der 
Karte fTelsorten  eingehend  geprüft  worden.  Tuckermann  ^)  gelangt  nach 
der  Prüfung  des  vorliegenden  Tatsachenmaterials  zu  dem  Schluss,  dass 
ein  allgemeines  Ableben  von  Sorten,  welches  mit  ihrem  Alter,  als  Folge 
der  vegetativen  Fortpflanzung  notwendig  sich  einstellen  muss,  nicht  vor- 
komme, wohl  aber  bei  manchen  Sorten  ein  örtUches  Entarten  infolge 
ungünstiger   örtlicher   Einflüsse.     Zu    ähnlichen  Schlüssen   gelangt   auch 


i)  Möschke,  Die  Erdbeeren.  Neueudamm  1905.  2.  Aufl.  p.  18.  Vgl.  auch 
Goeschke,   Das  Buch  der  Erdbeeren.  2.  Aufl.  Berlin  1888.  p.  50. 

2)  Tuckermann,  Beitrag  zur  Frage  des  Abbaues  der  Kartoffeln. 
Breslauer  Dissertation,  1904.  Vgl.  auch  Fruwirth,  Die  Züchtung  der  land- 
wirtschaftlichen Kulturpflanzen,     Bd.  III.     Berlin  190(). 

4.* 


52 


E.  Zach;u"ias. 


Molz')  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  an  Reben  gewonnenen 
Erfahrungen. 

Es  wird  nun  nicht  etwa  beabsichtigt,  die  Fragen  mich  dem  Vor- 
kommen einer  Degeneration  und  ilire  Literatur  hier  allgemeiner  zu 
behandeln,  nur  ein  Spezialfall  soll  erörtert  werden.  Die  früher  in  den 
Vierlanden  bei  Hamburg  in  grossem  l'mfange  betriebene  Kultur  der 
,, Vierländer  Erdbeere",  einer  Kulturform  der  Fragaria  elatior,  ist  in 
neuerer  Zeit  mehr  und  mehr  aufgegel)en  worden.  Namentlich  deshalb, 
weil  neuere  grossfrüchtigere  Sorten  rentabler  sind  (es  ist  ein  wirtschaft- 
licher Abbau  eingetreten),  dann  aber  auch,  weil  die  Vierländer  Erdbeere 
bei  manchen  Züchtern  im  Ertrage  zurückging,  zum  Teil  verkrüppelte 
Früchte  brachte.  ^)  Die  Züchter  meinten,  die  Sorte  sei  degeneriert. 
Nähere  Untersuchung  ergab,  dass  die  Züchter  seit  langer  Zeit  die  nicht- 
tragenden männlichen  Stöcke  der  diözischen  Sorte  in  ihrenKulturen  vermindert 
hatten,  wodurch  vielfach  eine  hinreichende  Bestäubung  der  weiblichen 
Stöcke  verhindert  werden  musste.  Schon  DuhameP)  sagt  von  der 
Fragaria  moschata  (Capron):  ,,Et  si  sa  culture  est  tellement  negligee 
que  la  plupart  des  Jardiniers  ne  le  connaissent  que  de  nom  c'est  plutot 
ä  cause  de  sa  sterilite  ä  laquelle  ils  ne  savent  pas  le  remede,"  und 
führt  dann  weiter  aus,  dass  Duchesne*)  das  Vorhandensein  weiblicher 
und  männlicher  Stöcke  nachgewiesen  habe. 

Die  Tatsache,  dass  die  nichttragenden  (männlichen)  Stöcke  für  den 
Fruchtansatz   erforderlich    seien,    war    den    Vierländern    zum    Teil    seit 


')  E,  Molz,  Über  das  Wesen  der  ungeschlechtlichen  Vermehniug  und 
ihre  Bedeutung  für  den  Pflanzenbau,  insbesondere  die  Obst-  und  ßebenkultur. 
S.-A.  aus  Fühlings  Landw.  Ztg.,  .Ö3.  Jahrg.  1904,  Heft  15—18,  p.  18,  24,  u.  a.  a.  O. 

Vgl.  ferner  Bailey,  The  Survival  of  the  Unlike.  XXIV.  Reflections  upon 
the  longevit3'  oi'  varieties.  New  York  189(i.  Mfibius,  Beiträge  zur  Lehre 
von  der  Fortpflanzung  der  G-ewächse.    Jena  1899. 

-)  Vgl.  E.  Zacharias,  Über  den  mangelhaften  Ertrag  der  Vierländer 
Erdbeeren.      Verhandl.  des  Naturw.  Vereins    zu  Hamburg  1903.     3.  Folge,  XI, 

3)  Duhamel,  Traite  des  arbres  fruitiers.  Paris  MDCCLXVIII.  T.  I, 
p.  247.  —  Des  Herrn  Du  Hamel  du  Mouceau  Natiu-geschichte  oder  ausführliche 
Beschreibung  der  Erdbeerpflanzen,  aus  dessen  Abhandlung  von  den  Obst- 
bäumen besonders  herausgegeben  und  um  mehrerer  Vollständigkeit  willen  mit 
dem  nötigsten  aus  des  Herrn  Du  Chesne,  Histoire  naturelle  des  Fraisiers 
vennehrt.  Aus  dem  Französichen  übersetzt.  Mit  IX  Kupfertafeln.  Nürnberg 
bei  Adam  Wolfgang  Winterschmidt,  Kupferstecher,  Kunsthändler  undi\lusikalien- 
verleger.    1775.    p    27. 

*)  Duchesne,  Histoire  naturelle  des  Fraisiers.  Paris  MDCCLXVl. 

Vgl,  auch  A.  Schulz,  Beitr.  z.  Kenntn,  der  Bestäubungseinrichtungen 
und  Geschlechtsverteilung  bei  den  Pflanzen.  Bibliotheca  Botanica.  Kassel 
1890.     p.  187. 


über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  53 

längerer  Zeit  bekannt.  Sie  ist  aber,  wie  ich  in  einer  früheren  Mit- 
teilung (I.  c.)  dargelegt  iiabe,  nicht  immer  hinreichend  beachtet  worden. 
Dem  bereits  Mitgeteilten  mag  noch  hinzugefügt  werden,  dass  manche 
Züchter  auch  ganz  richtig  beobachtet  haben ,  die  Blüten  der  nicht 
tragenden  Stöcke  seien  grösser  als  die  Blüten  der  ,, guten"  (weiblichen) 
Stöcke,  und  ferner,  dass  die  weiblichen  Blüten  ,, glatt",  die  männlichen 
,,rauh"  seien.  Rauh  erscheinen  ihnen  die  männlichen  Blüten  durch 
das  Vorhandensein  zahlreicher  langer,  fruchtbarer  Staubgefässe,  während 
die  weiblichen  Blüten  mit  ihren  kurzen  rudimentären  Staubgefässen  den 
Eindruck   relativer  ., Glätte"  hervorrufen. 

Nicht  selten  wird  die  i^]rkenntnis  des  Sachverhaltes  den  Züchtern 
durch  mangelnde  Schärfe  der  Darstellung  in  den  für  Praktiker 
bestimmten  Büchern  erschwert.  So  rät  Zürn  ^)  z.  B.  sämtliche  männ- 
liche Exemplare  sobald  wie  mögUch  herauszureissen,  hat  dabei  allerdings, 
wie  man  aus  dem  Zusammenhang  schliessen  kann,  Kulturen  im  Auge, 
in  welchen  ausser  eingeschlechtigen,  auch  Zwitterpflanzen  vorkommen. 
Auch  die  Behandlung,  welche  dem  Gegenstande  in  der  neuen  x\uflage 
von  Sorauers  Handbuche  -)  zuteil  wird,  ist  geeignet  zu  irrtümlicher 
Auffassung  zu  führen.  Es  heisst  hier  p.  290:  „Die  Vierländer  Erd- 
beeren bezeichnet  Zacharias  als  eine  Sorte,  die  meist  entweder  nur 
männlich  oder  nur  weiblich,  selten  monözisch  auftritt.  Er  ist  der  Ansicht, 
da  auf  den  Feldern  wenig  männliche  Pflanzen  vorhanden  sind,  so  falle 
die  Befruchtung  unvollkommen  aus.  Es  wird  hervorgehoben,  dass  stets 
wenig  Pistille  sich  ausbilden,  so  dass  sie  nur  einen  Teil  des  ange- 
schwollenen Fruchtbodens  bedecken.  Wir  legen  auf  letzteren  Punkt  das 
Hauptgewicht  und  raten  zu  Land-  und  Sortenwechsel.  Zacharias 
empfiehlt,  mehr  männliche  Pflanzen  zwischim  den  weiblichen  zu  halten." 
Insoweit  hier  nur  hervorgehoben  werden  soll,  dass  unter  Umständen 
auch  andere  Ursachen  dem  mangelhaften  Ertrage  der  Vierländer  Erd- 
beeren zugrunde  liegen  können,  als  unzureichende  Bestäubung,  ist  gegen 
die  vorstehenden  Sätze  nichts  einzuwenden.  Bedenklich  sind  sie  jedoch 
insofern  sie  auch  dahin    verstanden  werden    können,    dass    die    Fürsor2:e 


*)  Zürn,  Die  Erdbeere.  Gartenbau-Bibliothek,  herausgeg.  v.  Dr.  Ucio 
Danimer.  Berlin  1900.  p.  11.  Die  Angaben  Zürns  erinnern  an  diejenigen  von 
Lindley  (A  guide  to  the  Orchard  and  Kitchen  Garden.  London  1831.  p.  490 
500,  501),  die  gleichfalls  geeignet  sind,  Missverständnisse  hervorzurufen. 

Barfuss,  Das  Erdbeerbuch.  Berlin  (F.  Parey)  1901,  p,  9,  sagt  sogar  liin- 
sichtlich  der  Vierländer  Erdbeere:  „in  manchen  Böden  bilien  die  Pflanzen  nur 
Staubfäden,  aber  keine  Früchte.  Erscheinen  solche  Pflanzen,  so  müssen  sie 
entfernt  und  durch  tragende  Pflanzen  ersetzt  werden. 

2)  Sorauer,     Handbuch   der   Pflanzenkrankheiten.   3.  Aufl.    190(5.  p.  200. 


54 


E.  Zacharias. 


für  eine  hinreichende  Anzahl  von  Männchen   in  den   Knlluren  unwesent- 
lich seien.  ') 

Unter  den  Pflanzen,  welche  der  Hamburger  botanische  Garten  aus 
den  Kulturen  eines  Vierländer  Züchters,  der  noch  befriedigende  Erträge 
erzielt,  bekam,  fanden  sich  männliche  Pflanzen  in  hinreichender  Zahl. 
Von  zwei  eingetopften  weiblichen  Pflanzen  wurde  die  eine  isoliert,  die 
andere  bestäubt  Von  letzterer  wurden  am  7.  Juli  1905  86  normale  Früchte 
geerntet.  Sämtliche  Blüten  hatten  angesetzt  Ins  auf  drei,  welche  nicht 
bestäubt  werden  konnten,  da  kein  Pollen  mehr  vorhanden  war,  als 
sie  aufblühten.  I»ie  Blüte  der  weiblichen  Pflanzen  begann  etwas  später 
als  diejenige  der  männlichen. 2)  Im  Jahre  1906  l)egann  die  Blüte  der 
weiblichen  Pflanzen  am  14.  Mai,  diejenige  der  männlichen  am  12.  Mai. 
Die  letzten  männlichen  und  weiblichen  Blüten  blühten  in  diesem  Falle 
allerdings  gleichzeitig  am  5.  Juni.  Es  mag  in  diesem  Zusammenhange 
erwähnt  werden,  dass  in  dem  durch  milde  Witterung  ausgezeichneten 
Oktober  1906  zahlreiche  männliche  Pflanzen  zum  zweitenmal  l)lühten, 
nicht  aber  die  weüjlichen. 

Die  im  Frühjahr  1905  isolierte  weibliche  Pflanze  trug  94  Blüten, 
von  welchen  keine  ansetzte.  Auch  „verkrüppelte  Beeren"  wurden 
nicht  gebildet. 

Äusserlich  unterscheiden  sich  die  Pistille  der  männlichen  Blüten 
nicht  von  denjenigen  der  weiblichen,  auch  keimt  der  Pollen  auf  den 
Narben  der  Männchen.  Indessen  sind  die  Samenknospen  hier  im  Ver- 
hältnis zur  Fruchtknotenhöhle  wesentlich  kleiner,  als  bei  den  Weibchen. 
Ein  „Ansetzen"  wurde  bei  den  Männchen  niemals  beobachtet.^)  Die 
von  den  weiblichen  Pflanzen  geernteten  Samen  waren  keimfähig. 

Demnach  kann  von  einer  Degeneration  der  Vierländer  Erdbeeren 
im  allgemeinen  keine  Rede  sein. 


1)  Vgl.  E.  Zacharias  I.  c.  p.  32  hinsichtlich  der  Angaben  v.  Gloede. 
Los  bonnes  Fraises.    Paris  1870. 

2j  Ähnliches  fand  Fruvvirth  bei  Hanfpflanzen,  die  sich  auf  dem  Felde 
unter  annähernd  gleichen  Verhältnissen  befanden.     1.  c.     p.  69. 

3)  Nach  Madame  Eliza  de  Vilmorin  in  Decaisne's  (Jardin  fruitier 
du  Museum.  Paris  1862 — 75.  Tome  IX)  können  die  Carpelle  der  männlichen 
Blüten  von  Fragaria  elaiior  unter  besonders  günstigen  Umständen  zu  Früchten 
heranreifen:  „h  Verrieres,  oü  ce  fraisier  se  plait  beaucoup,  j'ai  vu  des  pieds  ä 
fleurs  mäles  donner  des  fruits  aussi  gros  que  ceux  des  pieds  ä  fleurs  femelles, 
la  seule  difference  etant  que  les  fruits  prodiiits  par  les  fleurs  mäles  avaient  le 
pedoncule  plus  faible  et  les  graines  moins  nombreuses  et  plus  ecartees". 

Bei  Lindley  (A  guide  to  the  orchard  and  kitchen  garden.  London 
1831.  p.  490)  findet  sich  die  Angabe:  „The  flowers  called  the  males  produce 
occasionally  a  small  imperfect  fruit,  with  projecting  seeds". 


über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  55 

Die  in  den  Hamburger  Garten  gelangten  Pflanzen  aus  den  Kulturen 
des  oben  erwähnten  Züchters  zeigen  bei  Männchen  und  Weibchen  Ver- 
schiedenheiten in  der  Blattgestalt,  welche  eine  .Unterscheidung  der 
Pflanzen  auch  im  nichtblühenden  Zustande  stets  ermöghchen.  Die 
Piederblättchen  der  Männchen,  Taf.  I  Fig.  1,  sind  im  allgemeinen 
breiter,  mehr  abgerundet  als  bei  den  Weibchen,  Taf.  I  Fig.  2,  deren 
Blättchen  sich  namentlich  an  der  Basis  stärker  verschmälern.  Ihr  Rand 
krümmt  sich  meist  unregelmässig  wellig  zurück,  was  bei  den  Männchen 
nicht  eintritt.  Ferner  wölbt  sich  die  Blattfläche  zwischen  den  Nerven 
zweiter  Ordnung  bei  den  Weibchen  stärker  empor  als  bei  den  Männchen. 
Die  drei  Teilblättchen  des  männlichen  Blattes  sind  annähernd  in  einer 
Ebene  ausge)>reitet,  während  das  bei  dem  weiblichen  Blatte  nicht  der 
Fall  ist  und  endlich  ist  der  Stiel  des  letzteren  durch  grössere  Länge 
ausgezeichnet. 

Abgesehen  von  den  geschilderten  Differenzen  unterschieden  sich 
bisher  in  den  Kulturen  des  botanischen  Gartens  die  weiblichen  Stöcke 
durch  kräftigere  Entwickelung  von  den  männlichen.  1  »iesor  Unterschied 
tritt  jedoch  gegenwärtig  (Oktober  1906)  an  jungen,  im  August  1906 
gepflanzten  Ausläuferpflanzen  nicht  in  die  Erscheinung.  Möglicherweise 
hängt  das  damit  zusammen,  dass  der  Gärtner,  da  viele  Elternpflanzen 
zur  Verfügung  standen,  zur  Bepf lanzung  des  Beetes  nur  besonders  kräftige 
Ausläufersprosse  der  Männchen  verwendet  haben  mag.  Duhamel 
(1.  c.  p.  249).  Goeschke  (1.  c.  p.  58)  u.  a.  l)Ozeichnen  die  männlichen 
Stöcke  der  von  Fragaria  elatior  abstammenden  Kulturformen  als  die 
stärkeren,  und  ebenso  sagt  Duchesne  (1.  c.  p.  145):  abgesehen  vom 
Geschlecht  unterscheiden  sie  sich  nicht,  nur  scheinen  die  Männchen  ein 
wenig  stärker  und  behaarter  zu  sein. 

Hinsichtlich  der  Abstammung  der  unter  sich  differenten  Männchen 
und  Weibchen  in  den  Kulturen  des  Hamburger  Gartens  w^ürden  sich 
verschiedene  ^Möglichkeiten  diskutieren  lassen.  Übrigens  sind  auch  bei 
anderen  diöcischen  Pflanzen  Verschiedenheiten  der  Vegetationsorgane 
bei  Männchen  und  Weibchen  beobachtet  worden. ') 

Eine  besondere  Besprechung  verdient  das  Verhalten  von  Pflanzen, 
die  von  einem  Züchter  bezogen  worden  waren,  der  über  besonders  ge- 
ringen Ertrag  klagte.  Diese  Pflanzen  und  ihre  Nachkommenschaft  sollen 
unter  den  Namen  „H-Pflanzen"  zusammengefasst  werden,  die  bisher  be- 
schriebenen mögen  „G-Pflanzen"  heissen.  40  H-Pflanzen  wurden  im 
Sommer  1901  in  Kultur  genommen.      „Die  Untersuchung-)  ihrer  Blüten 


')  Vgl.    u.    a.    Bitter,      Parthenogenesis    und    Variabilität    der    Brvonia 
dioica.     Abb.  Nat.  Verein,  Bremen  1904.     Bd.  XVIII,  p.   10^. 

2)  E.  Zacharias  1.  c.  p.  27.  .  ■ ,.  . 


56 


E.  Zacharias. 


ergab,  dass  die  Staubfäden  meist  auffallend  kurz  blieben,  und  kleine, 
sich  bald  bräunende  Staubbeutel  trugen,  welche  keinen  Pollen  pro- 
duzierten. Hier  und  da  kamen  allerdings  auch  besser  entwickelte  Staub- 
gefässe  vor,  welche  wechselnde  Mengen  anscheinend  normalen  Pollens 
ergaben.  Diejenigen  Blüten,  welche  eine  Anzahl  besser  entwickelter 
Staubgefässo  enthielten,  waren  meist  grösser,  als  diejenigen,  welche  nur 
sterile  Staubgefässo  besassen.  Sämtliche  Pflanzen  können  als  vor- 
wiegend weiblich  bezeichnet  werden.  In  ihren  vegetativen  Teilen') 
zeigten  sie  ein  gutes  Gedeihen,  indessen  wurden  nur  wenige  Beeren 
geerntet,  und  auch  diese  waren  nicht  normal  entwickelt.  Es  hatten 
sich  immer  nur  einzelne  Pistille  zu  Früchtchen  ausgebildet  und 
dementsprechend  waren  nur  eng  begrenzte,  unter  den  Früchtchen 
befindliche  Teile  der  Blütenachse  fleischig  angeschwollen  (Taf.  11 
Fig.  1).  Die  wenigen  im  Jahre  1902  geernteten  Samen  haben 
nicht  gekeimt."  Ein  besserer  Ertrag  dieser  Stöcke  war  schon  deshalb 
nicht  zu  erwarten,  weil  es  an  männlichen,  hinreichend  Pollen  |)rodu- 
zierenden  Pflanzen  fehlte.  Im  Jahre  1903  kamen  von  den  40  Pflanzen 
5  nicht  zur  Blüte  und  auch  an  den  blühenden  Pflanzen  war  die  Anzahl 
der  Blüten  auffallend  gering.  In  den  folgenden  Jahren  verminderte  sich 
die  Anzahl  der  blühenden  Pflanzen  mehr  und  mehr. 

r)ie  Notizen  aus  dem  Jahre  1904  sind  durch  einen  Unfall  ver- 
loren gegangen.  In  diesem  Jahre  sind  eine  Anzahl  von  Pflanzen  besei- 
tigt worden.  1905  waren  noch  28  Pflanzen  vorhanden.  Von  diesen 
wurden  zwei  im  März  eingetopft,  um  Bestäubungsversuchen  zu  dienen. 
Sie  wurden  in  sonniger  Lage  unter  denselben  Bedingungen  kultiviert  wie 
die  beiden  eingetopften  G-Pflanzen,  deren  Fruchtertrag  weiter  oben 
geschildert  worden  ist;  ihre  vegetative  Entwickelung  war  gut;  sie  haben 
aber  nicht  geblüht.  Von  den  übrigen  26  Pflanzen  blühten  nur  12,  und  auch 
diese  brachten  im  allgemeinen  nur  wenig  Blüten.  Im  Sommer  gelangten 
sämtliche  Pflanzen  bis  auf  zwei,  welche  geblüht  hatten  und  eingetopft 
wurden,  auf  ein  sonniges  Beet.  Hier  gingen  im  Winter  und  Frühjahr 
zwei  Pflanzen  ein,  so  dass  im  Frühjahr  1906  im  ganzen  noch  26  Pflanzen 
vorhanden  waren.  Von  diesen  blühten  nur  6.  Unter  den  blühenden 
befanden  sich  die  l)eiden  im  Sommer  1905  eingetopften,  welche  auch  im 
Frühjahr  1905  geblüht  hatten,  unter  den  nichtblühenden  die  beiden  im 
März  1905  eingetopften,  welche  auch  im  Frühjahr  1905  nicht  geblüht 
hatten  und  dann  im  Sommer  nebst  den  übrigen  Pflanzen  auf  das  sonnige 
Beet  gepflanzt  worden  waren.     Neben  den  H-Pflanzen  wurden  unter  den- 


1)  Die    Blätter    näherten  sich    in    ihrer    Gestalt    den     Blättern    der    (I- 
Männchen, 


über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  57 

selben  Bedingungen  männliche  und  weibliche  G-Pflanzen  kultiviert,  die- 
überreich  blühten.  Die  wenigen  blühenden  H-Pflanzen  hatten  im  Vergleich 
mit  den  G-Pflanzen  nur  wenig  Blüten,  welche  im  allgemeinen  kleiner 
waren  als  die  Blüten  der  weiblichen  G-Pflanzen,  ferner  waren  die  Blüten- 
stände der  H-Pflanzen  niedriger.  Vor  ihrer  Verpflanzung  auf  das  sonnige 
Beet  hatten  die  H-Pflanzen  auf  einem  Beet  gestanden,  welches  nach 
Süden  hin  durch  ein  Gebüsch  ein  wenig  beschattet  wird.  Nach  Göschke 
(1.  c.  p.  57)  gedeihen  Jedoch  die  Vierländer  Erdbeeren  auch  in  schattiger 
Lage,  unter  dem  Schutze  von  grossen  Bäumen  etc.  ganz  gut.  Dass  der 
weitere  Rückgang  der  Blütenbildung  nach  der  Überpflanzung  auf  das 
sonnige  Beet  mit  der  geringen  Beschattung  der  Pflanzen  auf  ihrem 
vorigen  Standort  im  Zusammenhang  stand,  ist  nicht  anzunehmen.  ') 

Die  vegetative  Entwickelung  der  H-Pflanzen,  die  im  Jahre  1905 
noch  gut  war,  Hess  im  Jahre  1906  nach;  auch  waren  ihre  Blätter 
weniger  tiefgrün,  etwas  mehr  gelblich  gefärbt  als  die  Blätter  der  daneben- 
stehenden G-Pflanzen. 

Sehr  gering  blieb  stets  die  Beerenernte  der  H-Pflanzen:  1903 
wenige  verkrüppelte  Beeren,  1905  an  3  Pflanzen  7  verkrüppelte  Beeren. 
Im  Jahre  1906  wurden  die  vorhandenen  Blüten  durch  Insekten,  ausser- 
dem aber  noch  künstlich  mit  dem  Pollen  der  an  dem  nunmehrigen  Stand- 
ort der  Pflanzen  reichlich  auf  dem  benachbarten  Beet  blühenden 
G-Männchen  bestäubt.  Trotzdem  entwickelte  nur  eine  Infloreszenz  11 
gutausgebildete  Beeren,  von  denen  ein  Teil  völlig  mit  anscheinend 
normalen  Früchtchen  besetzt  war.  Die  übrigen  Infloreszenzen  trugen, 
insoweit  sie  überhaupt  angesetzt  hatten,  nur  verkrüppelte,  mit  einzelnen 
Früchtchen  besetzte  Beeren.  Auch  die  beiden  im  Sommer  1905  ein- 
getopften Pflanzen  trugen  nur  je  eine  verkrüppelte  Beere,  obwohl  ihre 
wenigen  Blüten  sorgfältig  mit  G-Pollen  bestäubt  worden  waren. 

Von  den  im  Jahre   1906   geernteten  Samen   hat   ein  Teil  gekeimt. 

Die  Ausbildung  verkrüppelter  Beeren  wird  in  der  Gartenliteratur 
auf  eine  Beschädigung  des  Fruchtblattträgers  durch  Frost  oder  Dürre 
zurückgeführt.  „Bei  den  durch  Frost  entstandenen  Verkrüppelungen  (sagt 
Spangenberg)^)  sehen  wir  teilweise  Umgrenzungen  der  Frostwirkung 
an  den  Früchten  in  Gestalt  unregelmässiger  schwarzer  Vertiefungen  oder 
schwarzer  Knoten;  bei  den  durch  Dürre  entstandenen  erkennen  wir 
Verhärtungen  des  Fruchtfleisches,  entstanden  durch  zu  geringe  Feuchtig- 
keit oder  durch  gänzliches  Fehlen  derselben  im  Boden." 


1)  Vgl.  Wilhelm  Benecke  ,  Einige  Bemerkungen  über  die  Bedingungen 
des  Blühens  und  Fruchtens  der  Gewächse,  Bot.  Ztg.  1906,  TL  AbtIg..  p.  97  u. 
die  liier  zitierte  Literatur. 

2)  Spangenberg.     Praktische  Erdbeerknltur.  Frankfurt  a.  O.  190.').  p.  24. 


.58 


E.  Zacharias. 


Schon  Duchesno  ')  beschreibt,  dass  die  ersten  Blüten  der  Praisiers 
de  bois  zuweilen  durch  Frostschaden  im  Zentrum  absterben.  Ovarien 
und  Fruchtboden  werden  dann  schwarz,  während  Staubgefässo  sich 
normal  entwickeln.  ^)  Von  dieser  Schädigung  durch  Frost  unterscheidet 
dann  Duchesne  ein  Vertrocknen  der  Ovarien  und  des  Fruchtbodens, 
wobei  keine  Schwärzung  eintritt.  Dieses  Vertrocknen  wird  aber  in  dem 
von  Duchesne  für  den  Fraisier  coucou  {Fragaria  s'ilvesiris  ahortivä)^) 
geschilderten  Fall  nicht  durch  WasscM-mangel  im  Boden,  sondern  durch 
Unfruchtbarkeit  der  meisten  Pistille  bedingt.  An  den  Narben  konnte 
Duchesne  keine  Fohler  entdecken,  trotzdem  hatte  er  1766  niemals 
vollständige  Beeren  an  den  Praisiers  coucou  gesehen.  „Certains  stig- 
mates  (heisst  es  1766  1.  c.  p.  107)  etant  propres  ä  etre  fecondes,  les 
ovaires  auxquels  ils  repondent  viennent  a  bien,  et  alors  la  partie  du 
Support  qui  soutient  chacun  d'cux  et  entoure  son  vaisseau  nourricier, 
prend  aussi  de  l'accroissement,  il  forme  un  bouton  pulpeux  de  figure 
ronde,  et  dont  la  peau  rougit  faiblement,  Tovaire  qui  termine  ce  bouton 
est  fort  rouge  et  plus  gros  memo  que  coux  du  Fraisier  ordinaire  :  quand 
ils  sen  trouvent  plusieurs  de  fecondes  les  uns  pres  des  autres,  ces  especes 
de  Supports  particuhers  se  confondent,  et  forment.  pour  ainsi  dire,  des 
portions  de  Fraises." 

Diese  Beschreibung  passt  vortrefflich  auf  die  verkrüppelten  Beeren 
der  H-Pflanzen.  Da  sie  nicht  nur  an  den  isolierten,  sehr  wenig  Pollen 
produzierenden  H-Pflanzen,  sondern  auch  nach  der  Bestäubung  mit 
G  Pollen  unter  Bedingungen  auftraten,  welche  eine  reiche  Ernte  völlig 
normaler  Früchte  bei  den  unmittelbar  benachbarten,  gleichzeitig  blühenden 
G-Pflanzen  gestatteten,  dürfte  anzunehmen  sein,  dass  ein  grosser  Teil 
der  H-Pistille  überhaupt  nicht  befruchtungsfähig  gewesen  sei.  Allerdings 
zeigten  im  Frühjahr  1906  manche  Blüten  der  H-Pßanzen  geschwärzte 
Fruchtblattträger,  eine  Erscheinung,  die  nach  Angabe  der  Praktiker  ein 
untrügliches  Zeichen  von  Frostbeschädigung  sein  soll.'')  Es  ist  hier  noch 
weitere  Prüfung  des  Sachverhaltes  erforderlich.  Namentlich  wird  auch 
zu  untersuchen  sein,  ob  mit  zunehmendem  Alter  der  Pflanzen  eine  Ände- 


J)  1.  c.  Remanjues  particulieres,  p.  2. 

2)  Auch  Linne  hat  entsprechende  Beobachtungen  gemacht.  Im  Jahre 
176-±  schrieb  er  an  Duchesne:  ,,Dum  de  sexu  loqueris,  rogo.  caveas  ne  flores 
frigore  vernali  destnictos  pro  masculis  habeas,  quod  frequeuter  apud^  nos 
contingit."  (Duchesne  ,  Sur  les  Fraisiers.  Encyclopedie  methodique.  Botanique 
par  Lamarck,  Tome  II,  Paris  1786,  p.  534.) 

3j  Vergl.  hinsichtlich  des  Fraisier  coucou  die  Anm.  ;;tn  Schliisse  dieser 
Mitteilung. 

4)  Vgl.  u.  a.  Der  praktische  Ratgeber  im  Obstr  und  Gartenbau.  Frank- 
furt a.  O.,  Jahrgang  11300,  p.  224. 


über  Degeneratinn  bei  Erdbeeren.  59 

rung  in  den  Geschlechtsverhältnissen  der  Blüten  eintritt.')  Wie  alt  die 
H-Pflanzen  waren,  als  sie  in  den  botanisclien  Garten  gelangten,  ist  nicht 
bekannt. 

Von  allgemeinerem  Interesse  ist  die  Abnahme  der  Blütenbildung  und 
schhesslich  auch  der  vegetativen  Entwickelung  der  H-Pflanzen  mit  zu- 
nehmendem  Alter. 

Nach  allgemeiner  Angabe  der  Erdbeerpflanzer  pflegt  der  Ertrag 
der  Kulturen  vom  dritten  Jahre  an  abzunehmen.  Verschiedene  Sorten 
scheinen  sich  verschieden  zu  verhalten. 

Hinsichtlich  der  Fragaria  moseliata  bemerkt  Duchesne  (1766,  I.  c. 
p.  501):  man  tue  gut  die  Pflanzung  nach  zwei  Ernten  zu  erneuern.^) 
Ebenso  sagt  Zürn  (1.  c.  p.  12):  „Die  Vierländer  Erdbeere  verlangt  zum 
Fruchtbarsein  eine  Neupflanzung  alle  zwei  Jahre."  Es  wird  empfohlen 
die  Anlage  neuer  Erdbeerpflanzungen  auf  einem  Gelände  zu  bewirken,  das 
seit  längerer  Zeit  keine  Erdbeeren  getragen  hat.  Ferner  wird  in  der 
Gartenliteratur  darauf  hingewiesen,  dass  die  Rhizome  älterer  Pflanzen 
sich  mehr  und  mehr  über  den  Boden  erheben,  und  dass  infolgedessen 
die  an  den  jungen  Rhizomteilen  gebildeten  neuen  Wurzeln  meist  ver- 
trocknen ohne  den  Boden  zu  erreichen.  Das  „Zurückgehen"  mancher 
Stauden,  welches  man  in  botanischen  Gärten  l^eobachten  kann,  dürfte  zum 
Teil  durch  entsprechende  Verhältnisse  bedingt  werden. 

Nach  Rimbach')  gehört  Fragaria  vesca  zu  denjenigen  Pflanzen, 
deren  „kontraktile  Advontivwurzeln  einseitig  an  der  mehr  oder  weniger 
aufrecht  wachsenden  Sprossachse  wirken  und  dieselbe  seitlich  nieder- 
ziehen. Die  Pflanze  bildet  meist  einen  längeren,  häufig  verzweigten 
Erdstamm  und  ihre  Abwärtsbewegung  ist  verhältnismässig  gering." 
Die  Züchter   suchen  das  Abtrocknen  der  Wurzeln    älterer  Pflanzen   zum 


*)  Bezüglich  des  Einflusses  äusserer  Bedingungen  ;uii'  die  Geschlechts- 
verhältnisse bei  Erdbeeren  vgl.  u.  a. : 

Downing.  The  Fruits  and  Fruit  trees  of  America.  London  184."), 
p.  524. 

Bailey.     The    principles    of  Fruit-Growing.     New-York  1897.  p.  227. 

Zacharias  1.  c.  p.  30  ,  ferner  p.  54  dieser  Abhandlung. 

2)  Demgegenüber  bemerkt  allerdings  Decaisne  (Le  jardin  Fruitier  du 
Museum.  Tome  IX.  Paris  18()2 — 75):  „Un  des  grands  merites  de  ce  Fraisier 
est  de  n'etre  pas  difficile  sur  le  choix  du  terrain,  d'y  rester  de  longues  annees 
et  d'v  produire  abondamment,  sans  qu'on  ait  d'autre  soin  a  prendre  que  cekii 
de  couper  las  coulants." 

3)  Rimbach.  Die  kontraktilen  Wurzeln  und  ihre  Tätigkeit.  (Fünfstücks 
Beiträge  zur  wissenschaftlichen    Botanik.     Bd.  II,    Abt.  I.  1897.) 

Vgl.  auch  Stroever,  Wurzelverkürzung.  Diss.  Jena  1892  und  die  hier 
zitierte  Literatur. 


60 


E.  Zacharias. 


Teil  durch  Anhäufeln  von  Boden  zu  verhindern  und  G.  Lindemann') 
berichtet  z.  B.,  dass  er  durch  Bedecken  der  ziemlich  weit  über  den 
Boden  emporragenden  Wurzelhälse  sechsjähriger  Pflanzen  mit  Erde 
vortreffliche  Resultate  erzielt  habe,  liulessen  scheinen  für  das  Zurück- 
gehen der  älteren  Pflanzen  auch  noch  andere  l'mstände  als  das  etwaige 
Abtrocknen  der  jungen  Wurzeln  in  Frage  kommen  zu  können.  Jeden- 
falls konnte  das  Zurückgehen  der  H-Pflanzen  durch  ein  Tiefersetzen^ 
welches  gelegentlich  ihrer  Umpflanzung  im  Jahre  1905  erfolgte,  nicht 
aufgehalten  werden.  Auch  ungünstige  Bodenverhältnisse  können  für 
den  Rückgang  der  H-Pflanzen  kaum  verantwortlich  gemacht  werden,  da 
sie  im  botanischen  Garten  auf  BiUlen  kultiviert  wurden  und  werden,  die 
jedenfalls  seit  Jahren  keine  Erdbeeren  getragen  haben,  und  auf  welchen 
die  jüngeren  G-Pflanzen  vortrefflich  gedeihen.  Dementsprechend  sagt 
auch  Gloede  (1.  c.  p.  26),  dass  Erdbeeranpflanzungen,  auch  wenn  man  für 
Bedeckung  der  Rhizome  und  Düngung  gesorgt  hat,  nur  zwei  bis  drei 
befriedigende  Ernten  geben. 2)  Die  Untersuchung  über  die  Ursachen  des 
Zurückgehens  älterer  Pflanzen  soll  in  den  nächsten  Jahren  fortgesetzt 
werden. 

Es  ergibt  sich  weiter  die  Frage,  ob  die  von  den  alten  H-Pflanzen 
abstammenden  Ausläuferpflanzen  die  ungünstigen  Eigenschaften  ihrer 
Stammpflanzen  erben,  so  dass  etwa  durch  Vermehrung  derartiger  alter 
Pflanzen  auf  vegetativem  Wege  eine  sehr  blütenarme  oder  nicht  blühende 
Sorte  erzielt  werden  könnte.  Die  Angaben  mancher  Züchter  sprechen 
dafür. 

Nach  Möschke  (1.  c.  p.  18,  24)  wirkt  die  Entnahme  der  jungen 
1  pflanzen  von  alten,  total  erschöpften  Beständen  besonders  nachteilg.  Vor 
dem  Abtragen  stehende  alte  Pflanzen  sollen  nicht  als  Mutterpflanzen 
dienen.  Berner^)  „fiel  es  in  seinen  Neuanlagen  auf,  dass  die  Pflanzen, 
welche  aus  einjähriger  Anlage  entnommen  wurden,  nur  zwei  Prozent 
Nichtblüher    hatten,    die    anderen    dagegen,    welche    aus   älterer  Anlage 


1)  G.  Lindemann.  Die  Erdbeerbeete  müssen  aufgefüllt  werden.  T»er 
praktische  Eatgeber  im  Obst-  und  Gartenbau.  Jahrg.  190-i,  p.  114.  Schon 
Miller  (The  Gardeners  .üictionary,  London  1733,  2  Ed.)  rät:  „about  Michaelmas 
throw  a  little  fine  earth  over  the  Beds  between  the  plants,  being  very 
careful  not  to  lay  it  to  thick  as  to  bury  the  plants  this  will  greatly 
strengtben  them  and  cause  their  fruit  to  be  larger  and  in  greater  Quantities 
than  they  would  be  if  left  undressed. 

2)  Vgl.  auch:  Le  comte  de  Lambertye.  Le  Fraisier.  Paris  IKli-l, 
p.  194,   195. 

^)  Bern  er.  Fruchtbarkeit  der  Erdbeeren.  Der  praktische  Ratgeber  im 
Obst-  und  Gartenbau.     Jahrg.  1903,  p-  ^1^- 


über  Degeneration  bei  Erdbeeren.  61 

stammten,  hatten  18  Prozent".  Ebenso  hat  schon  Miller*)  mitgeteilt, 
dass  man  von  alten  Stöcken  sterile  Ausläuferpflanzen  erhält. 

Von  den  beiden  im  März  1905  eingetopften  und  später  wieder 
ausgepflanzten  nicht  blühenden  H-Stöcken  wurden  1905  29  Ausläufer- 
pflanzen abgenommen  und  mit  den  beiden  Stammpflanzen  auf  dasselbe 
Beet  gepflanzt.  1906  blühten  von  diesen  sieben.  Die  Anzahl  der 
Blüten  an  den  einzelnen  Pflanzen  war  gering.  Sie  waren  weibHch  bis 
auf  einige  Blüten  mit  fruchtbaren  Staubgefässen,  welche  unter  weiblichen 
Blüten  an  einer  der  Pflanzen  auftraten.  Manche  Blüten  zeigten  ge- 
schwärzte  Fruchtblattträger,    mögen    also    durch  Frost    gelitten    haben. 

Nach  sorgfältiger  Bestäubung  mit  G- Pollen  setzten  die  meisten 
Blüten  nicht  an,  andere  brachten  verkrüppelte  Beeren  mit  wenigen 
Früchtchen,  nur  sechs  Beeren  waren  leidlich  entwickelt,  besassen  aber 
auch  noch  viel  fehlgeschlagene  Früchtchen. 

Die  vegetative  Entwickelung  der  Pflanzen  war  zum  Teil  recht 
schwach,  was  damit  zusammenhängen  kann,  dass  bei  ihrer  Entnahme 
von  den  zwei  Mutterpflanzen  nicht  nur  die  stärksten  verwendet  wurden, 
wie  es  zu  geschehen  pflegt,  wenn  die  Züchter  von  einer  gr(')sseren  An- 
zahl von  Mutterpflanzen  den  Nachwuchs  abnehmen. 

Erst  das  weitere  Verhalten  dieser  Pflanzen  nach  etwaiger  Er- 
starkung und  dasjenige  einer  grösseren  Anzahl  in  diesem  Jahre  den 
alten  H-Pflanzen  entnommener  Ausläufersprosse  und  ihrer  Nachkommen- 
schaft wird  ein  Urteil  über  die  aufgeworfene  Frage  gestatten. 


Anm.  Unter  dem  Namen  „Coucou"  sind  von  verschiedenen  Atttoren 
sterile  Pflanzen  verschiedener  Art  zusammengefasst  worden.^)  De  la 
Quintinye")  sagt  von  den  Coucous:  „la  plüpart  d'entr' eux  sont  Prai- 
siers,  qui  ont  degenere",  und  rät  dringend,  sie  sorgfältig  aus  den  Kulturen 
zu  entfernen.  Dass  Quintinye  hier,  wie  Lambertye  es  für  möglich  zu 


1)  Zitiert  nach  Duchesne.  In  der  mir  vorliegenden  '2.  Aufl.  von  Millers 
Clardeners  Dictionarj  (1733)  fehlt  die  Angabe.  Vgl.  ferner:  Green.  The  Uni- 
versal Herbai.  2.  edition.  London  182-i.  vol.  I,  p.  575  und  Lambertye  1.  c. 
p.  217,  220,  2(U,  277.  Auf  die  allgemeinere  Literatur  der  hier  in  Betracht 
kommenden  Erblichkeitsfragen  soll  an  dieser  Stelle  nicht  eingegangen  werden. 

2)  Über  etwaige  Beziehungen  der  Coucous  zu  Fragarla  HayenbacMana. 
vesca  und  coUina  vgl.  die  Ausführungen  von  Madame  Eliza  de  Vilmorin  und 
von  Gay  in  dem  Artikel  über  den  Fraisier  de  Bargemon  bei  Decaisne.  Jardin 
Fruitier  du  Museum.  T.  IX.  Paris  18G2— 75;  ferner:  Le  comte  de  Lambertye 
(1.  c.)  p.  31,  34,  36,  126,  254. 

3)  De  la  Quintinye.  Instruction  pour  les  jardins  fruitiers  et  potagers. 
Nouvelle  edition  T.  II,  p.  118.  Paris  1739. 


g2  K-  Zacharias,    Über  Degeneration  Ijei   Enlbeerv-n. 

hallen  scheint,  die  männlichen  Stöcke  von  Frcf/ar/a  elatior  im  Auge 
gehabt  hat,  geht  aus  dem  Zusammenhang  nicht  hervor.  Allerdings 
wird  nach  Poiteau")  das  Männchen  von  Frayarki  chit/or  „designe 
vulgalrement  sous  le  nom  de  Fraisier  coucou". 

1)  Poiteau.     J'omologie  Franraise.     Zitiert   nach    Lambert\"0.  I.e.  [>.  31. 


Flgurenor  klärung. 

Tafel  1. 
Figur  1.    Blatt  einer  männlichen  Pflanze. 
Figur  2.    Blatt  einer  weiblichen  Pflanze. 

Tafel  II. 
Figur  1.    Verkrüppelte  Beere  einer  H-Pflanze  vergrössert. 

Die  Figur  zeigt  ein  befruchtetes  Pistill,  welches  dem  fleischig 
angeschwollenen  Teile  des  Fruchtblattträgers  aufsitzt.  Die  übrigen 
Pistille  samt  den  Staubgefässrudimenten  der  weiblichen  Blüte  sind 
vertrocknet. 
Figur  2.  Beere  einer  H-Pflanze  mit  einer  grösseren  Anzahl  befruchteter  Pistille, 
daneben  unbefruchtete. 

Die  Beere  dementsprechend  nicht  normal  abgerundet. 
Fignr  3.    Normale  Beeren  einer  G-Pflanze. 


A.  Wieler,    Die  Bedeutung  der  Luftaualyse  für  die  Rauchexpertise.      Q^ 


Die  Bedeutung  der  Luftanalyse  für  die  Raucliexpertise. 

Von 

A.  AVieler,  Aachen. 

Es  war  ursprünglich  nicht  meine  Absicht,  auf  der  Versammlung 
der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  in  Hamburg  einen  Vortrag  zu 
halten.  Als  ich  aber  an  einem  sehr  schönen  klaren  Nachmittage  durch 
die  Lüneburger  Heide  gefahren  war  und  vergeblich  nach  dem  bekannten 
Stadtbilde  ausschaute,  als  wir  uns  Hamburg  näherten  —  so  war  die 
Stadt  in  Dunst  und  Qualm  eingehüllt  —  bin  ich  anderen  Sinnes  ge- 
worden. Da  schien  es  mir  doch  zweckmässig  zu  sein,  auch  bei  dieser 
Versammlung  und  an  diesem  Ort<>  das  in  neuerer  Zeit  in  immer  steigen- 
dem Masse  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  ziehende  Rauchschadenproblem 
zu  berühren.  Ich  hal)e  deshalb  gerne  die  Gelegenheit  ergriffen,  um 
einenPunkt  zurSprache  zu  l>ringen,  der  mir  ganz  besonders  am  Herzen  liegt. 

Die  Ursache  der  Rauchschäden  sind  bekanntlich  die  sauren  Gase, 
welche  mit  den  übrigen  Verbrennungsprodukten  den  Kaminen  ent- 
strömen. Es  kommen  hierbei  nicht  nur  industrielle  Unternehmungen  in 
Betracht,  welche  saure  Gase  als  Nebenprodukte  des  Betriebes  entweichen 
lassen,  sondern  alle  Feuerungen,  da  die  Kohle  in  höherem  oder  ge- 
ringerem Grade  Schwefel  enthält,  wodurch  schweflige  Säure  in  die  Luft 
gelangt.  Von  allen  sauren  Gasen  ist  daher  die  schweflige  Säure  am 
verbreitetsten  und  spielt  bei  den  Rauchschäden  die  hervortretendste 
Rolle.  Wie  beträchtlich  die  aus  der  Verbrennung  der  Kohlen  entstehende 
schweflige  Säure  ins  Gewicht  fällt,  mag  eine  Berechnung  illustrieren, 
welche  Hasenclever')  vor  einigen  Dezennien  für  Stollberg  i.  Rh.  ange- 
stellt hat.  Danach  produzierten  28  industrielle  Unternehmungen  in 
24  Stunden  aus  der  verbrannten  Kohle  34500  kg  SOg,  aus  der  Fabri- 
kation 51338  kg  SO2  und  750  kg  HCl,  so  dass  mehr  als  ein  E>rittel 
der  in  diesem  Gebiet  produzierten  Säuremenge  aus  den  verijrannten 
Kohlen  herstammte.  Wo  die  Hausfeuerungen  sich  häufen  wie  in  den 
grossen  Städten,    muss  die  aus  der  Kohle  stammende  schweflige  Säure 


1)  Über  die  Beschädigung  der  Vegetation  durch  saure  Gase.    Chemische 
Industrie  1879. 


g4  A.  Wieler. 

gleichfalls  ihren  schädlichen  Einfluss  geU.eiid  machen.  Und  wenn  mit 
dem  Anwachsen  der  Städte  die  Vegetation  notleidet,  so  trägt  jene  einen 
wesentlichen  Teil  der  Schuld,  wenn  nicht  die  Hauptschuld. 

Obgleich  man  sich  in  neuerer  Zeit  mohrfach  eingehend  mit  der 
Einwirkung  der  sauren  Gase  auf  die  Vegetation  beschäftigt  hat,  ist  die 
Rauchexpertise  doch  auch  heute  noch  recht  unbefriedigend  und  haupt- 
sächlich deshalb,  weil  man  über  die  in  der  Luft  herrschende  Säure- 
Iconzentration  nicht  unterrichtet  ist.  Welche  praktische  Bedeutung  hat 
■es.  die  Säurokonzentration,  bei  welcher  Schäden  auftreten  können,  zu 
ermitteln,  wenn  wir  im  unklaren  darüber  bleil)en,  welche  Konzentrationen 
dort  herrschen,  wo  die  Säureschäden  beobachtet  werden?  Schon  das 
wissenschaftliche  Gewissen  wird  immer  von  neuem  daran  mahnen,  diese 
Lücke  auszufüllen.  Und  mit  Recht  darf  man  hoffen,  eine  sichere  Grund- 
lage für  die  Rauchexpertise  aus  der  Ermittlung  der  in  der  Luft  herrschen- 
den Säurekonzentration  zu  gewinnen. 

Bei  der  Ermittelung  der  Rauchschäden  spielt  heute  die  chemische 
Analyse,  allerdings  unter  Berücksichtigung  des  ganzen  Zustandes  der 
Vegetation  die  erste  Rolle.  Aus  einem  hohen  Säuregehalt  gegenüber 
■dem  normalen  in  den  Blattorganen  wird  vielfach  selbst,  wenn  diese  keine 
sichtbaren  Beschädigungen  aufweisen,  auf  eine  Schädigung  der  Pflanzen 
durch  die  Säure  geschlossen.  Es  wird  dabei  übersehen,  dass  die  An- 
wesenheit selbst  einer  verhältnismässig  bedeutenden  Monge  Säure  in  den 
Blättern  durchaus  kein  Kriterium  für  eine  Schädigung  derselben  ist. 
Der  Schädigungsgrad  und  die  Menge  der  aufgenommenen  Säure  gehen, 
wie  aus  mancherlei  Angaben  hervorgeht,  durchaus  nicht  Hand  in  Hand, 
da  die  Wirkung  der  Säure  in  erster  Linie  von  der  Konzentration,  unter 
wek'lier  die  Pflanzen  stehen,  abhängig  ist.  So  können  nach  Wislicenus 
durch  Säure  stark  beschädigte  Blätter  sehr  geringe  Mengen  Säure  ent- 
halten, vollständig  unbeschädigte  reich  daran  sein.  In  der  Oberförsterei 
Clausthal  konnte  ))eispielsweise  festgestellt  werden,  dass  die  gesunden 
Krummholzkiefern  im  Hüttenrauch  0,327,  ausserhalb  desselben  0,138 % 
SO,,  in  den  Nadeln  enthielten. 

Nicht  jeder  Säuregeha,lt  in  der  Luft  führt  zu  einer  Schädigung 
der  Pflanzen,  sondern  diese  müssen  vorübergehend  oder  dauernd  unter 
der  Einwirkung  bestimmter  Konzentrationen  der  Säure  stehen,  wenn  sie 
durch  ihre  Blattorgane  direkt  oder  indirekt  Schaden  nehmen  sollen. 
Wo  diese  Bedingung  nicht  erfüllt  ist,  können  die  beobachteten  Schäden 
auch  nicht  durch  die  Blattorgane  hindurch  eingetreten  sein.  Es  würde 
alsdann  die  Analyse  zu  sehr  irrigen  Schlüssen  führen  können.  Eine 
durch  sie  feststellbare  Steigerung  des  Säuregehaltes  der  Blattorgane 
gibt  zunächst  nur  darüber  Aufschluss,    l)is    zu  welcher   Entfernung  von 


Die  Bedeutung  der  Liiftanalyse  für  die  Raucliexperti.se.  65 

.der  Rauchquelle  die  Säure  geführt  wird  und  kann  bei  richtiger  Inter- 
pretation Anhaltspunkte  für  die  mit  wachsender  Entfernung  von  der 
, Rauchquelle  abnehmende  Säuremenge  in  der  Luft  geben.  Will  man 
eine  tiefere  Einsicht  in  die  sich  in  den  Rauchschadengebieten  abspielen- 
den Vorgänge  gewinnen,  so  ist  es  unbedingt  nötig,  eine  Vorstellnng  von 
der  in  der  Luft  herrschenden  Säurekonzentration  zu  erhalten,  es  sei 
denn,  es  handle  sich  um  so  handgreifliche  Beschädigungen,  dass  sich 
die  Anwendung  feinerer  Methoden  erülnigt. 

Die  Säurekonzentration,  unter  welcher  die  Pflanzen  in  einem  Rauch- 
schadengebiet stehen,  lässt  sich  auf  keine  andere  Weise  feststellen  als 
durch  eine  Analyse  der  Luft.  Aus  einem  Vergleich  der  dort  herrschen- 
den Konzentration  mit  den  Konzentrationen,  bei  welchen  in  den  Ver- 
suchen eine  Beschädigung  der  Blattorgane  oder  eine  Beeinflussung  ihrer 
Punktion  erfolgt,  muss  sich  dann  beurteilen  lassen,  ob  eine  Einwirkung 
der  Säure  auf  die  Pflanze  durch  die  Blattorgane  hindurch  vorliegen 
kann.  Auf  Grund  seiner  experimentellen  Untersuchungen  kommt 
Wislicenus  zu  dem  Schluss,  dass  die  Grenzkonzentration  für  schweflige 
Säure  bei  der  empfindlichen  Pichte  l)ei  l  :  500000  liegt.  Wo  also  Rauch- 
schäden an  Pichten  auftreten,  müsste  die  .  herrschende  Säurekonzen- 
tration oberhalb  dieser  Grenze  liegen,  vorausgesetzt  natürlich,  dass  dieser 
Wert  richtig  bestimmt  ist.  Das  sind  immerhin  noch  sehr  bedeutende 
Verdünnungen  für  die  gewöhnlichen  analytischen  Methoden,  und  sie 
haben  den  Nachteil,  •  dass  man  gezwungen  ist,  den  Versuch  auf  eine 
grössere  Zahl  von  Stunden  auszudehnen,  da  die  Absorption  der  Säure 
aus  der  Luft  durch  das  Absorptionsmittel  nicht  beliebig  gesteigert  werden 
kann.  Man  muss  immer  damit  rechnen,  1000  —  2000  Liter  Luft  auf- 
zufangen. Ich  habe  meine  Versuche  meistens  auf  6  Stunden  ausge- 
dehnt, wobei  1200  Liter  durch  das  Absorptionsmittel  durchgeleitet  wurden. 
Im  übrigen  ist  die  Methode  sehr  einfach.  Mittelst  eines  Aspirators  irgend- 
welcher Konstruktion  wird  die  genau  gemessene  Luft  durch  die  Wasch- 
flaschen mit  der  Absorptionsflüssigkeit  durchgesogen.  Ich  verwendete 
als  Absorptionsmittel  eine  Lösung  von  Kaliumkarbonat,  welche  den 
Nachweis  jeglicher  Säure  gestattet.  Herr  Porstrat  Ger  lach  in 
Waidenburg  i.  S.,  der  sich  unabhängig  von  mir  sogar  schon  vor  mir 
mit  derartigen  Analysen  befasste,  benutzte  anfänglich  Kalilauge,  in  neuerer 
Zeit  eine  Bromitlauge,  ^)  w^elche  zur  Absorption  der  schwefligen  Säure 
geeigneter  sein  dürfte  als  Kalilauge  oder  Kaliumkarbonat.  Die  Säuren 
sind     in    den    Absorptionsmitteln    gewichtsanalytisch     nach     bekannten . 


1)  50/0    Lösung  von    kohlensaurem   Kalium,    der  Brom    bi.s    zur    starken 
Gelbfärbung  zugesetzt  wird.  ,  ■■■:.;„    ~  ;.• 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  ang-ewnndto   lidt.inik    IV.  g 


66 


A.  Wieler. 


Methoden  zu  bestimmen,  die   scliweflige  Säure  beispielsweise  als  schwefel- 
saurer Baryt. 

Der  Hauptnachteil  dieser  ganzen  Methode  besteht  in  der  grossen 
Unbequemlichkeit,  stundenlang  in  kurzen  Intervallen  die  Aspiratorgefässe 
wechseln  zu  müssen.  Bei  dem  kleineren  der  von  mir  benutzten  Apparate 
mussten  die  Gefässo  alle  drei,  bei  dem  grösseren  alle  fünf  Minuten 
gewechselt  w^erden.  Diese  Unbequemlichkeit  und  der  Zeitverlust  sind 
so  beträchtlich,  dass  man  die  Versuche  über  das  absolut  Notwendige 
hinaus  nicht  ausdehnen  wird.  Nun  lassen  sich  zum  Glück  die  mit  der 
Hand  zu  bedienenden  Apparate  durch  automatisch  wirkende  Apparate 
ersetzen,  die  freilich  teurer  und  komplizierter  sind,  die  aber  beliebig  viele 
Analysen  auszuführen  gestatten  würden. 

Mit  meinen  beiden  Apparaten  habe  ich  in  der  kleinen  und  grossen 
Probstei  bei  Stolberg  i.  Rh.  eine  grössere  Zahl  Analysen')  ausführen 
lassen,  als  der  Wind  auf  den  Wald  zustand.  Der  Standort  war  von 
der  ersten  und  wohl  auch  wichtigsten  Rauchquelle  in  der  kleinen  Probstei 
1200  und  in  der  grossen  Probstei  2400  m  entfernt.  Es  wurden  folgende 
Werte  ermittelt  für 

die  kleine  Probstei  die  grosse  Probstei 

1:1888000  1:216000 

1:     275000  1:450000 

1  :    390000  1  : 380000 

1:    662000  1:431000 

1  : 500000 
1:315000 
1  :  460000 
Man  sieht  aus  diesen  Zahlen,    dass   die  Säurekonzentration   in   der 
Luft  stark  schwanken  kann,  und  damit  muss   man    natürlich  immer  bei 
den  Analysen  rechnen.     Andererseits  haben  die   meisten    Bestimmungen 
eine  Konzentration    ergeben,    w^elche    oberhalb    der    Grenzkonzentration 
1  :  500000,  in  mehreren  Fällen  erheblich  oberhalb  derselben  hegt.    Diese 
Methode  ist  auch  bei  sehr  viel  stärkerer  Verdünnung  der  Säure   in   der 
Luft    noch   anwendbar,    w^enn    man    nur    entsprechend    grössere  Mengen 
Luft  durch  die  Absorptionsgefässe  hindurchsaugt,  wie  das  aus  einer  Reihe 
von     auf    dem    Aussichtsturm     im    Aachener     Stadtwald    ausgeführten 
Bestimmungen  hervorgeht: 

bei  West-  und  Nordwestwand       .     .     .     1  :    2043000 

„    Südwind 1:27370000 

„    Westwind 1  :    2232000 


')  Wieler,  Untersuchungen  über  die  Einwirkung  schwefliger  Säure    auf 
die  Pflanzen.     Berlin  1905.     S.  356  ff. 


Die  Bedeutung  der  Luftanalyse  für  die  Rauchexpertise.  67 

bei  Ost-Nordostwind 1:     1700000  ^ 

„    Nordostwind 1  :    1665000     ■' 

„    starkem  Ostwind 1:    2730000 

Wenn  man  von  der  südlichen  Richtung  absieht,  enthält  die  Luft 
auch  hier  noch  erhebliche  Mengen  Säure.  Im  Süden  ebenso  wie  im 
Osten  vom  Aussichtsturm  liegen  keine  Rauchquellen.  AVeiin  dennoch 
bei  starkem  Ostwind  eine  Konzentration  von  1  :  2730000  gefunden  wurde, 
so  muss  diese  Menge  aus  dem  nordöstlich  gelegenen  Slolberg  stammen. 
Dieselbe  Rauchquelle,  welche  für  den  Probsteiwald  in  Betracht  kommt, 
liegt  von  dem  Aussichtsturm  IOV4  km  in  nordöstlicher  Richtung  entfernt 
und  liefert  hier  noch  eine  Konzentration  von  1  :  1665000  und  1  :  1700000. 
Der  verhältnismässig  hohe  Säuregehalt  aus  westlicher  Richtung  ist  auf 
das  in  8  km  Entfernung  auf  belgischem  Gebiete  Hegende  Bleyberg  mit 
Bleierzgruben  zurückzuführen. 

Die  Ergebnisse  meiner  Versuche  dürften  dazu  ermuntern,  derartige 
llntersuchungen  fortzusetzen  und  die  Analysen  tunlichst  zu  vermehren. 
Ich  verkenne  nicht,  dass  diesem  Vorhaben  auch  Schwierigkeiten  entgegen- 
stehen. Es  sind  das  in  erster  Linie  die  meteorologischen  Verhältnisse. 
Wechselnde  Windrichtung,  ungleiche  Windgeschwindigkeit,  Nebel  oder 
heitere  und  trockene  Luft,  alle  diese  Umstände  müssen  das  Resultat 
modifizieren.  Es  wird  vielfach  zufällig  sein,  ob  man  die  richtigen  Um- 
stände erfasst  hat.  Diese  Einflüsse  lassen  sich  aber  beseitigen  oder 
beschränken  durch  eine  Vermehrung  der  Analysen.  Li  den  Säuregehalt 
der  Luft  können  auch  dadurch  Schwankungen  kommen,  dass  die  aus 
den  Kaminen  der  industriellen  Etablissements  austretenden  Säuremengen 
nicht  konstant  sind,  und  wenn  diese  Mengen  in  kurzen  Zeiträumen  stark 
schwanken,  könnte  natürlich  die  Luftanalyse  falsche  Vorstellungen  von 
dem  Sachverhalt  geben,  da  die  Absorption  immer  über  eine  grössere 
Zahl  von  Stunden  ausgedehnt  werden  muss,  um  die  ausreichende  Menge 
Säure  zu  absorbieren. 

Aber  alle  diese  Bedenken  dürfen  nicht  davon  abschrecken,  solche 
Luftanalysen  auszuführen,  denn  auch  hier  gehört  dem  Mutigen  die  Welt, 
und  ein  einziges  positives  Ergebnis  kann  für  viele  negative  entschädigen. 
Der  Gewinn,  welcher  aus  solchen  Analysen  entspringt,  ist  bedeutend, 
denn  dies  ist  der  einzige  Weg,  wie  Klarheit  über  die  Verteilung  der 
Säure  in  der  Luft  zu  erhalten  ist;  heute  sind  wir  noch  sehr  mangelhaft 
darüber  unterrichtet,  wie  die  Verteilung  der  Säure  bei  ruhender  und 
bewegter,  bei  feuchter  und  trockener  Luft,  bei  klarem  und  nebeligem 
Wetter  ist,  und  deshalb  können  alle  diese  Faktoren  bei  Beurteilung  der 
Beschädigung  der  Vegetation  durch  die  sauren  Gase  nicht  genügend  ge- 
würdigt   werden.     Eine    svstematische    Erforschung    dieser   Verhältnisse 


ßS 


A.  Wieler. 


mittelst  Luftanalysen  wäre  sehr  wünschenswert.  Bis  sich  dieser  Wunsch 
aber  verwirklichen  lässt,  möchte  ich  jeden  Kollegen,  der  in  die  Lage 
kommt,  als  Sachverständiger  in  Rauchschadenprozessen,  l>ei  denen  die 
Höhe  des  Objektes  auch  einen  grösseren  Aufwand  an  Kosten  rechtfertigt, 
tätig  sein  zu  müssen,  und  denjenigen,  der  in  oder  bei  einem  Rauch- 
schadengebiet lebt  und  über  die  entsprechenden  Mittel  verfügt,  anregen, 
seine  Aufmerksamkeit  der  Luftanalyse  zuzuwenden  und  sie  eventuell  zur 
Ermittelung  der  LTrsache  der  Beschädigung  anzuwenden.  Dass  unter 
Umständen  auf  diesem  Wege  ein  einwandfreier  Beweis  für  dit^  Schädi- 
gung der  Vegetation  durch  die  Rauchgase  eines  bestimmten  industrielle!) 
Unternehmens  erbracht  werden  kann,  geht  aus  einer  brieflichen  Mit- 
teilung des  Herrn  Forstrat  Gerlach  in  Waldonburg  i,  Sa.  hervor. 

Die  dortigen  Waldungen  leiden  unter  der  Einwirkung  einer  Sulflt- 
zellulose-  und  Papierfabrik.  In  einer  Entfernung  von  2  km  von  der- 
.selben  wurde  der  Gehalt  der  Luft  an  schwefliger  Säure  bestimmt.  Die 
Analyse  ergab  ein  Verhältnis  von  1  :  20000,  eine  Konzentration,  welcher 
selbst  wenn  sie  nur  kurze  Zeit  einwirkt,  namhafte  Schäden  anrichten 
muss,  und  den  Wald  zerstören  kann,  wenn  sie  dauernd  herrscht.  Wir 
haben  hier  ein  drastisches  Beispiel,  dass  die  Säurekonzentration  in  der 
Luft  viel  höher  ist,  als  man  im  allgemeinen  anzunehmen  geneigt  ist. 

Am  leichtesten  und  bequemsten  Hessen  sich  die  Luftanalysen  in 
grösserem  Umfange  in  den  grossen  Städten  ausführen,  welche  ja  geradezu 
als  Rauchschadengebiete  betrachtet  werden  können.  In  allen  grossen 
Städten  wird  Klage  geführt,  dass  die  Vegetation  sich  nicht  mehr  so 
freudig  entwickeln  will  wie  früher,  dass  manche  Ptlanzonarten  überhaupt 
nicht  mehr  zu  ziehen  sind,  dass  gewisse  Flechten  nicht  mehr  auftreten 
usw.  Das  sind  alles  Anzeichen,  dass  in  dem  engen  Zusammenwohnen 
der  Menschen  etwas  Schädhches  für  die  Pflanzen  liegt,  und  dies  Schädliche 
sind  die  sauren  Gase,  welche  aus  den  Feuerungen  in  die  Luft  gelangen. 
In  den  Städten  gesellt  sich  zu  diesem  botanischen  Interesse  noch  ein 
hygienisches;  denn  die  sauren  Gase  sind  auch  für  die  Gesundheit  der 
Menschen  nicht  vorteilhaft.  Wenn  nun  auch  die  Ermittelung  des  Säure- 
gehaltes der  Luft  für  die  Hygiene  zunächst  nur  akademisches  Interesse 
hat,  so  ist  doch  nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  für  sie  aus  dieser 
Kenntnis  praktische  Resultate  herausspringen  können.  Das  Interesse, 
welches  Gartenbau  und  Hygiene  an  der  Verunreinigung  der  Luft  durch 
saure  Gase  nehmen,  dürfte  es  gerechtfertigt  erscheinen  lassen,  auch  in 
den  Städten  Luftanalysen  auszuführen. 

In  den  grossen  Städten  ist,  wie  gesagt,  die  Luftanalyse  leicht  aus- 
zuführen, da  man  keiner  grossen  Apparatur  und  keiner  Beaufsichtigung 
derselben   bedarf  wie    etwa   im  Walde   oder   auf   freiem  Felde.     Eine   an 


Die  Bedentung  der  Luftanalyse  für  die  Rauchexpertise  69* 

die  Wasserleitung  angelegte  Wasserstrahlluftpumpe  würde  einen  auto- 
matisch arbeitenden  Aspirator  ersetzen.  Um  die  durchgesogene  Luft- 
menge zu  bestimmen,  könnte  zwischen  die  Pumpe  und  die  Absorptions- 
gefässe  ein  von  der  nächsten  Gasanstalt  geliehener  Gasmesser  einge- 
schaltetwerden. Der  Wasserzustrom  zur  Pumpe  gestattet  eine  Regulierung 
der  Menge  Luft,  welche  stündlich  durch  die  Absorptionsgefässe  streichen 
soll.  Wenn  ich  bei  meinem  Handapparat  stündlich  200  1  durchlaufen 
Hess,  wurde  alle  Säure  in  drei  hintereinandergeschalteten  einfachen 
Waschflaschen  mit  je  100  cbcm  Flüssigkeit  absorbiert.  Die  Hauptarbeit 
würde  aus  dem  Wechsel  der  Absorptionsflüssigkeit  und  aus  der  Schwefel- 
säurebestimmung, mit  der  sich  der  Botaniker  wohl  nur  ungern  befassen 
wird,  erwachsen.  Aber  auch  die  letztere  Schwierigkeit  dürfte  sich  leicht 
heben  lassen,  wenn  die  Analysen  einem  gewiegten  Analytiker,  der  schon 
in  kurzer  Zeit  eine  grosse  Zahl  von  Schwefelsäurebestimmungen  aus- 
führen könnte,  übertragen  würden.  So  wäre  man  in  den  Städten  leicht 
in  der  Lage,   eine  grössere  Zahl  von  Luftanalysen  auszuführen. 

In  keiner  unserer  grossen  Städte  scheinen  mir  die  Bedingungen 
für  die  Ausführung  des  Vorgeschlagenen  so  günstig  zu  liegen  wie  in 
Hamburg,  und  ich  möchte  deshalb  den  Hamburger  I\ol]egen  warm  ans 
Herz  legen,  sich  mit  dieser  Aufgabe  zu  befassen.  Die  bedeutende 
Industrie  Hamburgs,  der  rege  Dampfer-  und  Eisenbahnverkehr  und  die 
zahlreichen  Hausfeuerungen  von  ungefähr  1  Million  Menschen  müssen 
hier  eine  Luft  schaffen,  die  gewiss  reich  an  sauren  Gasen  ist.  Über 
sämtliche  meteorologische  Faktoren  ist  man  durch  die  Aufzeichnungen 
der  Seewarte  aufs  genaueste  unterrichtet.  Die  wissenschaftlichen  Staats- 
anstalten  verfügen  über  die  entsprechenden  wissenschaftlichen  Kräfte  für 
die  Versuchsanstellung  und  zur  Ausführung  der  Analysen  und  könnten 
die  Untersuchungen  ohne  wesentliche  pekuniäre  Mehrbelastung  ausführen. 
An  je  zahlreicheren  Punkten  die  Luft  analysiert  würde,  um  so  besser 
wäre  es;  aber  es  würde  schon  sehr  viel  gewonnen  werden,  wenn  auch 
nur  an  einem  einzigen  Punkt  vielleicht  ein  Jahr  lang  in  zwölf-  oder 
vierundzwanzigstündigen  Abschnitten  die  Luft  untersucht  würde.  Der 
Nachdruck  liegt  natürlich  auf  der  Bestimmung  der  schwefligen  Säure; 
doch  würde  es  sich  empfehlen,  gelegentlich  auch  die  anderen  Säuren  zu 
berücksichtigen. 

Erhält  man  durch  derartige  während  eines  längeren  Zeitraumes 
fortgesetzte  Analysen  einen  Einblick  in  die  Säureverhältnisse  der  Luft, 
so  darf  man  erwarten,  eine  befriedigende  Erklärung  für  das  Zurück- 
gehen bezw.  für  das  Eingehen  der  Vegetation  in  den  Städten  zu 
gewinnen;  und  von  diesen  Erfahrungen  wird  man  auph  zur  Beurteilung 
der  durch  Hüttenrauch   hervorgerufenen   Schäden  Nutzen  ziehen  können. 


7(0 


O.  Qvam. 


Zur  Atmung  des  Getreides. 
Eine  Relation  zwischen  Keimfähigkeit  und  Atmungsintensität.'> 

Von 

Olaf  Uvam,  Christiania. 

(Mit  13  Figuren.) 

Vor  einigen  Jahren  habe  ich  an  der  staatlichen  Samenkontrollstatioii 
in  Christiania  Versuche  mit  Hafer  von  verschiedenem  Feuchtigkeitsgehalt 
ausgeführt,  um  die  Menge  der  durch  die  Atmung  gebildeten  Kohlensäure- 
zu  bestimmen.  Da  die  gefundenen  Resultate  vielleicht  von  Interesse  sein 
werden,  weil  sie  Schlüsse  gestatten,  die  von  praktischer  Bedeutung  werden 
können,  möchte  ich  hier  kurz  die  Versuche  besprechen. 

Eine  Partie  Ligowo-Hafer  mit  natürlicher  Feuchtigkeit  von  18,6  °/o, 
wurde  in  zwei  Teile  geteilt.  Der  eine  Teil  wurde  benutzt,  gerade  wie- 
er  war;  der  andere  wurde,  um  ihn  vor  dem  Gebrauch  etwas  zu  trocknen,. 
in  einem  warmen  Zimmer  in  dünner  Schicht  auf  dem  Tische  aus- 
gebreitet. Seine  Feuchtigkeit  war  nach  zwei  Tagen  auf  9,6  ^/q  herunter- 
gegangen. 

5  Liter  =  2,8  kg  von  jeder  dieser  zwei  Haferpartien,  die  also  in 
allem  mit  Ausnahme  der  Feuchtigkeit  vollständig  gleich  waren,  wurden 
gleichzeitig  in  Arbeit  genommen.  Die  Samen  wurden  in  einem  Apparat  von 
unten  skizzierter  Gestalt  (Fig.  1)  auf  ihre  Atmung  untersucht.  Das  Ver- 
fahren wird  aus  folgendem  hervorgehen:  Eine  Glasfhische  A  wurde  mit 
demjenigen  Hafer,  der  untersuclit  werden  soUte,  gefüllt.  Diese  Flasche 
kommunizierte  mit  zwei  Waschflaschen  a,  die  mit  Kalilauge  gefüllt  waren, 
zwei  Trockenröhren  b  und  d,  einem  Liebigschen  Kaliapparat  e  und  einer 
Flasche  f,  wie  es  aus  der  Zeichnung  hervorgeht.  Die  Flasche  f  war 
zuerst  mit  Wasser  gefüllt.  Wenn  der  Glashahn  g  geöffnet  wird,  sinkt 
das  Wasser  tropfenweise  durch  das  Rohr  h  herunter,  so  dass  eine  Luft- 
verdünnung in  der  Flasche  f  entsteht,    die   wieder  eine  Luftverdünnung 


1)  Vortrag  in  der  Biologischen  Gesellschaft  zu  Christiania,  gehalten  Märzi 
190R.  Vorläufige  Mitteilung  publiziert  in  „Tidsskrift  for  det  norske  Land- 
brug". 


Zur  Atmung;  des  Getreides. 


71 


in  der  Flasche  A  zur  Folge  hat.  Frei  von  Kohlensäure  und  Wasser- 
dämpfen gelangt  die  Luft  in  die  Flasche  A  hinein.  Der  Hafer  in  dieser 
wird  atmen  und  Kohlensäure  entwickeln,  die  sich  mit  der  Luft  mischt 
und  mit  dieser  durch  das  Trockenrohr  d  und  den  Kaliapparat  e  ge- 
führt wird. 


=\ 


\C\ 


Fis;.   1. 


Ich  benutzte  gleichzeitig  zwei  Apparate  von  dieser  Konstruktion, 
den  einen  für  den  trockenen,  den  andern  für  den  feuchten  Hafer.  Der 
Versuch  dauerte  vier  Monate.  Der  Kaliapparat  e  wurde  alle  drei  oder 
fünf  Tage  gewogen.  In  untenstehender  Tabelle  sind  die  gefundenen 
Mengen  Kohlensäure  in  vier  aufeinanderfolgenden  Monaten  zusammen- 
gestellt: 

Tabelle  1.     Anzahl  gr  Kohlensäure  (COg) 


I. 

II. 

Hafer  mit 

Hafer  mit 

9,2% 

18,6  o/o 

Feuchtigkeit 

Feuchtigkeit 

gr. 

gr. 

Januar  

0,12 

12,46 

Februar       .... 

0,07 

8,57 

März 

0,08 

6,36 

April      .          ... 

0,10 

4,41 

72 


O.  Qvain. 


Wie  diese  Tabelle  zeigt,  hält  sich  die  Menge  von  Kohlensäure  bei 
der  trockenen  Ware  ziemlich  konstant  und  zwar  ca.  0,1  gr  pro  Monat, 
während  sie  bei  der  feuchten  Ware  überall  bedeutend  grtisser  ist  —  bis 
lOOfach  —  und  von  Monat  zu  Monat  abnimmt. 

Die  Keimfähigkeit  beider  Partien  wurde  ebenfalls  zu  verschiedenen 
Zeiten  untersucht  und  —  yvie  aus  der  untenstehenden  Tabelle  hervor- 
geht —  innerhalb  der  Fehlergrenze  bei  der  Probe  I  relativ  konstant  ge- 
funden, während  sie  bei  der  feuchten  Ware  von  Monat  zu  Monat  ab- 
genommen hat. 

Tabelle  2.     Keimfähigkeit. 


Datum 

I. 

Datum 

II. 

1903. 

/o 

1903. 

/o 

12.  Dezember    .... 

93 

12.  Dezember   .... 

83 

1904. 

1904. 

27.  xMai 

79 

9.   Februar       .... 

55 

2.  Juni 

88 

27.  Mai 

46 

9.  September  .... 

80 

9.  September  .... 

1 

Obgleich  die  Untersuchung  der  Keimfähigkeit  nicht  in  entsprechen- 
den Zeiten  ausgeführt  worden  ist,  sondern  nur  die  erste  und  die  letzte 
Untersuchung  gleichzeitig  stattfand,  sind  diese  Zahlen  doch  mit  den 
Zahlen  für  die  Kohlensäureentwickelung  in  Tabelle  1  direkt  vergleich- 
bar. Man  sieht,  dass  für  diejenige  Ware,  die  ihre  Keimfähigkeit  un- 
verändert beibehalten  hat,  auch  die  entwickelte  Kohlensäure  von  Monat 
zu  Monat  unverändert  geblieben  ist,  während  bei  der  anderen  Ware, 
wo  die  Keimfähigkeit  abnimmt,  auch  die  Meng.'  von  Kohlensäure  von 
Monat  zu  Monat  geringer  wird. 

Es  liegt  nun  der  Schluss  nahe,  dass  die  Keimfähigkeit  und 
die  Menge  der  durch  die  Atmung  des  Getreides  entwickelten 
Kohlensäure  in  irgend  einer  Verbindung  miteinander  stehen 
müssen,  und  —  falls  diese  bekannt  wäre  —  dann  könnte 
man  einen  Ausdruck  für  die  Keimfähigkeit  dadurch  finden, 
dass  man  die  Atmungsintensität  bestimmt.  Es  .würde  für 
die  praktische  Samenkontrolle  von  grosser  Bedeutung  sein,  wenn  man 
auf  diesem  Wege  die  Keimfähigkeit  einer  Saatware  bestimmen  könnte; 
es  gelänge  dies  alsdann  in  wenigen  Tagen,  während  es  nach  der  älteren 
Methode  10  —  30  Tage  in  Anspruch  nimmt.  Das  Studium  der  ein- 
schlägigen Literatur    zeigt,    dass'  keiner   der  früheren  Forscher    auf  die 


Zur  Atmung  des  Getreides.  73 

Keimfähigkeit    der   Sämereien,    die    als   Material    bei  Atmungsversuchen 
verwendet  wurden,  Rücksicht  genommen  hat. 

Kurze  Übersicht  über  die  Resultate  der  früheren 
Untersuchungen. 

Die  ersten  umfassenden  Versuche  über  die  Atmung  bei  Getreide 
wurden  von  Münz^)  um  das  Jahr  1880  ausgeführt;  er  studierte  die 
Phänomene,  die  sich  bei  der  Aufbewahrung  von  Getreide  in  den  grossen 
Eisenbehältern  (Silos)  zeigten,  welche  von  der  Omnibusgesellschaft  in 
Paris  als  Lagerraum  für  Getreide  benutzt  wurden.  Diese  Silos  waren 
von  prismatischer  Gestalt  und  fassten  ca,  220  cbm.  Gleichzeitig  machte 
er  auch  Versuche  im  Laboratorium.  Seine  Resultate  können  in  folgende 
Punkte  zusammengefasst  werden: 

1.  Der  Einfluss  von  freier  und  abgesperrter  Luft.  Wenn 
Proben  von  demselben  Getreide  bei  gleicher  Temperatur  aufbewahrt 
wurden  —  einmal  unter  freier  Zuströmung  der  Luft,  ein  andermal  in 
geschlossenen  Behältern  — ,  so  wurde  im  ersten  Falle  bis  zehnmal 
mehr  00^  als  in  dem  anderen  gebildet. 

2.  Die  Bindung  des  Sauerstoffs  im  Getreide.  Das  Volum 
der  entwickelten  CO,  ist  immer  geringer  als  das  Volum  des  aus  der  Luft 
absorbierten  Sauerstoffs.  Neben  der  vollständigen  Verbrennung,  die  als 
Produkt  ein  Gas  COg  gibt,  muss  also  auch  eine  unvollständige  Ver- 
brennung stattfinden,  eine  Oxydation  von  Bestandteilen  des  Getreides, 
in  dem  Verbrennungsprodukte  gebildet  werden,  die  von  fester  oder 
flüssiger  Konsistenz  sind,  und  welche  deswegen  in  dem  Getreide  bleiben 
müssen.  Es  sind  besonders  die  Fettkörper  des  Getreides,  an  die  dieser 
Teil  des  Sauerstoffs  gebunden  wird, 

.  3.  Die  Einwirkung  der  Feuchtigkeit  im  Getreide.  Das 
Getreide  besitzt  normal  eine  Wassermenge,  die  zwischen  11  und  19^ Iq 
variiert.  Sehr  trockenes  Getreide  entwickelt  nur  geringe  Mengen  COg, 
aber  die  Menge  steigt  sehr  mit  der  Feuchtigkeit,  und  wenn  der 
Wassergehalt  über  13  —  14°/o  beträgt,  steigt  die  COg-Entwickelung  enorm. 
4.  Die  Temperatur.  Die  Menge  der  gebildeten  CO2  wächst  schnell 
mit  der  Temperatur  bis  zu  50°,  wo  nach  Meinung  des  Autors  die  Grenze 
für  die  Lebensphänomene  liegt.  Bei  dieser  Temperatur  hört  die  Ver- 
brennung eine  Weile  auf,  wird  aber  die  Temperatur  noch  allmählich 
weiter  gesteigert,  wächst  sie  von  neuem  mit  grosser  Energie.  Daraus 
schhesst  Müntz,  dass  es  zwei  Arten  von  Verbrennungen  'gibt,  eine  von 
physiologischer,  die  andere  von  rein  chemischer  Beschaffenheit. 


2)  Münz:  Sur  lacon  servation  des  grains  par  l'ensilage.     (Oomptes  rendus 
des  seances  de  l'Academie  des  sciences  de  Paris  1881,  S.  97  und  137.) 


Y4  0-  Qvfim- 

5.  Die  Einwirkung  von  Desinfektionsmitteln.  Durch  An- 
wendung von  Schwefelkohlenstoff  (CSg)  nimmt  die  Kohlensäureentwickelung 
ab,  bleibt  aber  noch  z.  T.  bestehen:  die  Verbrennung  chemischer  Art 
setzt  sich  offenbar  weiter  fort, 

Burlakow')  hat  gefunden,  dass  der  Keimling  vielmal  intensiver 
(20 mal)  atmet  als  das  Endosperm.  Godlewski  und  Polzenius  ^) 
desgl.  Nabokich^)  sterilisierten  die  Überfläche  von  Erbsen  und  unter- 
suchten die  intramolekulare  Atmung  der  Körner,  in  luftfreiem  Wasser 
und  in  Zuckerlösung  sich  befanden. 

Nabokich*)  hat  auch  gezeigt,  dass  das  Sterilisationsmittel  P^influss 
auf  die  Atmungsintensität  hat,  so  dass  diese  anfangs  steigt,  um  später 
wieder  abzunehmen. 

Die  letzten  Untersuchungen  mit  Getreide  sind  von  Kolkwitz^)  aus- 
geführt. Er  hat  gefunden,  dass  1  kg  2-R  Gerste  mit  einer  natürlichen 
Feuchtigkeit  von 

10— 12°/o  in  24  Stunden  entwickelt  0,3—0,4  gr  00^, 

14      10   /o     „       „  „  „  1,0      1,4     „       „ 

Kolkwitz  glaubt  weiter  gefunden  zu  haben,  dass  es  von  grosser 
Bedeutung  ist,  ob  die  Feuchtigkeit  natürUch  oder  künstlich  zugesetzt 
ist.  Er  schreibt:  „Es  wurde  ein  Quantum  Gerstenkörner  eine  halbe 
Stunde  lang  in  Leitungswasser  eingeweicht  und  dann  auf  einem  paraffi- 
nierten  Drahtnetz,  an  welches  Luft  von  oben  und  unten  treten  konnte, 
ausgebreitet.  Nach  acht  Stunden  waren  die  Körner  ai^.ssen  wieder  ganz 
trocken  und  nach  weiteren  14  Stunden,  während  welcher  Zeit  sie 
wiederholt,  auch  über  Nacht,  gewendet  wurden,  besassen  sie  einen 
Feuchtigkeitsgehalt  von  15°/o-  Nach  den  vorher  beschriebenen  Versuchen 
hätte  1  kg  solcher  Körner  innerhalb  24  Stunden  1,5  mg  Co^  ausscheiden 
müssen;  es  ergaben  sich  aber  13  mg,  also  etwas  mehr  als  neunmal  mehr. 
Man  sieht  daraus,  wie  verschieden  natürliche  und  künstliche  Durch- 
feuchtung des  Samens    sind,    und  wie  grossen  Irrtümern    man   sich  bei 


1)  Burlakow;  Über  Atmung  des  Keims  des  Weizens,  Triticum  vulgare. 
(Arbeiten  Naturf.  Gesellschaft  Charkow).  Referiert  in  Just,  Botanischer  Jahres- 
bericht, Bd.  25,  1900. 

2)  Godlewski  und  Polzenius:  Über  Alkoholbildung  bei  der  intra- 
molekularen Atmung  höherer  Pflanzen.  (Anzeiger  Akad.  Wiss.  Krakau  1897). 
Ref.  in  Just,  Botanischer  Jahresbericht,  Bd.  25,  1900. 

3)  Nabokich:  Über  die  intramolekulare  Atmung  der  höheren  Pflanzen. 
(Berichte  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  1903,  Bd.  21,  8.467—476.) 

*)  Nabokich:  Über  Einfluss  der  Sterilisation  der  Samen  auf  Atmung» 
(B.  D.  B.  G.  1903,  Bd.  21,  S.  291—297.) 

^)  Kolkwitz:  Über  Atmung  der  Gerstenkörner.  (Blätter  für  Gersten-, 
Hopfen-  und  Kartoffelbau  1901,  S.  370-383). 


Zur  Abmung  des  Getreides. 

seinen  Versuchen  aussetzen  könnte,  wenn  man  dabei  beregnetes    Material 
verwenden  würde." 

Hierzu  möchte  ich  bemerlien,  dass  dieser  Schluss  von  Kolkwitz, 
vielleicht  nicht  richtig  ist,  weil  er  nicht  berücksichtigt  hat,  dass  Bakterien 
und  Pilze  sich  bei  einer  derartigen  Behandlung  auf  dem  Getreide  ent- 
wickeln und  mit  ihren  Atmungsprodukten  das  Resultat  stören  können. 
Ausserdem  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  Körner  nach  24  Stunden 
nicht  mehr  dieselbe  Feuchtigkeit  von  aussen  nach  innen  haben.  Die 
äusseren  Schichten  des  Korns  besitzen  wahrscheinlich  bedeutend  mehr 
und  die  inneren  bedeutend  weniger  Feuchtigkeit  als  15°/(j.  Da  die 
Atmung  mehr  als  proportional  mit  der  Feuchtigkeit  steigt,  ist  es  klar, 
dass  eine  energischere  Atmung  entstehen  wird,  wenn  der  gesamt© 
Wassergehalt  des  Korns  ungleichmässig,  als  wenn  er  gleichmässig  durch 
das  ganze  Korn  verteilt  ist. 

Kolkwitz  hat  gefunden,  dass  1  kg  Gerste  in  24  Stunden  bei 
Zimmertemperatur  entwickelte 

bei  einer  Feuchtigkeit  von  COa 

33    'lo  2000  mg 

20,5^0  359    „ 

19,5«/o  123    „ 

Weiter  hat  er  gearbeitet  über  die  Atmung  bei  verschiedenen  Tem- 
peraturen, bei  verschiedenem  Sauerstoffgehalt  der  Luft,  mit  zerstückelten 
Körnern  und  über  den  Einfluss  von  Desinfektionsmitteln. 

Versuche. 

Ehe  ich  die  Atmung  von  Getreide  mit  verschiedener  Keimfähigkeit 
zu  bestimmen  versuchte,  wollte  ich  wissen,  ob  es  überhaupt  möglich  ist,, 
bei  wiederholten  Versuchen  mit  einer  und  derselben  Ware  überein- 
stimmende Resultate  zu  erhalten.  Ebenso  ist  es  von  Bedeutung,, 
den  Einfluss  der  Temperatur  und  der  Feuchtigkeit  auf  die  Menge  der 
bei  der  Atmung  gebildeten  COg  zu  kennen.  Die  früheren  von  Müntz. 
und  Kolkwitz  ausgeführten  Versuche  geben  zwar  Auskunft  hierüber; 
da  diese  aber  nicht  mit  sterilem  Materiale  ausgeführt  sind,  und  da- 
die  Anzahl  der  Versuche  nicht  umfassend  genug  ist,  habe  ich  es  für 
notwendig  erachtet,  neue  Versuche  hierüber  auszuführen.  Da  das  Ge- 
treide, um  energisch  zu  atmen,  befeuchtet  werden  muss,  war  es  ferner- 
notwendig zu  prüfen,  ob  der  Zeitpunkt  der  Untersuchung  nach  der  Ein- 
weichung in  Wasser  für  die  Atmungsenergie  von  Bedeutung  sein  könnte. 
Hierüber  liegen  für  Getreide  frühere  Untersuchungen  nicht  vor. 

Im  folgenden  seien  die  Resultate  von  Versuchen  mit  dem  genannten 
Ziele  vor  Augen  wiedergegeben. 


Yß  0.  Qvam. 

Die  oben  skizzierte,  von  mir  Ijenutzte  Methode  war  mit  Fehlern 
behaftet,  die  sie  für  diese  neuen  Versuche  ungeeignet  machten.  Sie 
verlangte  eine  zu  grosse  Menge  Versuchsmaterial  und  konnte  trotz- 
dem nicht  genau  werden,  da  es  unmöglich  war  während  der  langen 
Zeit,  die  notwendig  war,  um  wiegbare  Mengen  GOj  zu  bekommen,  die 
Temperatur  konstant  zu  halten.  Ähnliches  gilt,  teilweise  in  noch  höherem 
Grade,  für  die  von  Müntz  und  Kolkwitz  benutzten  Methoden.  Ich 
musste  demnach  eine  andere  Methode  verwenden:  Statt  die  durch  die 
Atmung  gebildete  COg  zu  wägen,  suchte  ich  sie  durch  Messung  zu  be-' 
stimmen. 

Wenn  man  das  Korn,  wie  oben  gesagt,  befeuchtet,  wird  hierdurch 
das  Getreide  gute  Lebensbedingungen  für  Bakterien  und  Pilze  bieten; 
solche  werden  sich  schnell  entwickeln  können,  ihre  Atmungsprodukte 
sich  mit  denjenigen  des  Getreides  mischen  und  die  ganze  Untersuchung 
unmöglich  machen. 

Um  dieses  zu  hindern,  sterilisierte  ich  das  Getreide  mit  einer 
alkoholischen  Sublimatlösung.  Das  Sublimat  wurde  nachher  durch  ge- 
wöhnliches Leitungswasser  entfernt,  wodurch  gleichzeitig  das  Getreide 
eingeweicht  wurde.  Die  Organismen,  die  durch  dieses  Wasser  wieder 
dem  Getreide  zugeführt  wurden,  waren  verhältnismässig  nicht  viele, 
und  in  der  kurzen  Zeit,  die  der  Versuch  dauerte,  kamen  sie  nicht  so 
W'Oit  in  ihrer  Entwickelung,  dass  ihre  Atmungsprodukte  neben  denen  des 
Getreides  merkbar  geworden   wären. 

Es  sei  hierzu  bemerkt,  dass  das  Leitungswasser  in  Christiania 
rein  und  von  Organismen  ziemlich  frei  ist,  und  dass  dies  für  die  guten 
Resultate  der  Versuche  vielleicht  nicht  ohne  Belang  gewesen  ist.  Wenn 
steriles  lufthaltiges  Wasser  hätte  benutzt  werden  können,  wäre  dies 
natürlich  das  beste  gewesen.  Dazu  bot  sich  aber  bei  meinen  Versuchen 
keine  Gelegenheit.  Durch  Kontrollversuche  habe  ich  mich  aber  über- 
zeugt, dass  die  angewandte  Sterilisation  auf  die  Keimfähigkeit  des 
Getreides  keine  schädliche  Wirkung  gehabt  hat. 

Pas  Verfahren  ist  kurz  folgendes:    Von    einer  Getreideware,   deren 
Peuchtigkeit  bekannt,  wurde  soviel  abgewogen,   dass  das  Trockengewicht, 
der    Körner    200  g    betrug.     Die  Sterilisation    wurde    in    einer    Liisung 
von  folgender  Zusammensetzung  vorgenommen: 

15  g  Sublimat 
500  „   Alkohol 
3500  „  Wasser. 

•Nachdem  das  Getreide  in  dieser  Mischung  15  Minuten  gewesen 
war,    wurde   es   in  Trichter,    die    mit  der  Wasserleitung    in  Verbindung 


Zur  Atmung;  des  Getreides. 


77 


standen,  überführt.  Hier  blieben  die  Proben  zwei  bis  vier  Stunden, 
wonach  sie  in  Erlenmeyerkolben  von  nachstehender  Gestalt  (Fig.  2) 
übertragen  wurden.  •     ■         ■-  •-      • 


Fig2. 

a  und  b  sind  zwei  Glasröhren,  von,  denen  a  durch  eine  Kautschuk- 
blase (c)  von  unten  und  b  durch  einen  Quetschhahn  (d)  von  oben  abge- 
schlossen ist. 

Diese  Erlenmeyerkolben  wurden  in  ein  Wasserbad  eine  Stunde  bei 
freiem  Luftzutritt  und  nachher  noch  zwei  Stunden  abgesperrt  gestellt.  Eine 
Probe  des  Luftinhalts  wurde  jetzt  auf  COo  analysiert.  Hierzu  wurde 
Buntes  Glasbürette  benutzt.  Ich  hatte  immer  zwei  oder  mehrere  Ver- 
suche  gleichzeitig  in    Arbeit. 

Da  die  COa-Analyse  von  einer  Probe  15—20  Minuten  in  Anspruch 
nahm,  musste  ich,  um  vorzubeugen,  dass  die  Parallelversuche  mehr  als 
zwei  Stunden  stehen  mussten,  ehe  sie  auf  CO2  analysiert  wurden,  einen 
Apparat  benutzen,  welcher  Luftproben  aufnehmen  und  aufbewahren 
konnte.  Hierzu  habe  ich  einen  Apparat  folgender  Konstrtiktion  (Fig.  3) 
zusammengestellt.  ■  ,  :      .'       '  ' 


Fi-   3. 


78 


O.  Qvara. 


Die  zwei  Gefässe  A,  die  mit  Quecksilber  gefüllt  sind,  kommuni^ 
zieren  mit  der  Flasche  B,  die  auf  und  herab  gehoben  werden  kann. 
Sind  die  Röhren  A  mit  Quecksilber  gefüllt  und  durch  ein  Glasrohr  b  in 
Verbindung  mit  einem  Erlenmeyerkolben  gesetzt  und  werden  die  Hähne 
oben  und  unten  von  dem  einen  Gefäss  A  geöffnet  und  die  Flasche  B 
auf  den  Boden  gestellt,  so  wird  die  Luft  des  Erlenmeyerkolben  in  das 
Rohr  A  hineingesogen.  Die  Kautschukblase  (e)  wird  sich  mit  Luft  von 
aussen  füllen,  so  dass  kein  Vakuum  in  dem  Erlenmeyerkolben  entstehen 
kann.  Das  andere  Gefäss  A  kann  in  derselben  Weise  mit  der  Luft 
eines  anderen  Erlenmeyerkolben  gefüllt  werden.  Die  Luftmischungen 
können  in  dieser  Weise  aufbewahrt  werden,  bis  es  bequem  ist,  sie  auf 
CO2  zu  analysieren. 


Resultate. 

Einfluss  der  Temperatur  und  des  Zeitpunktes  der 
Untersuchung. 

Bei  diesen  Versuchen  wurde  die  Feuchtigkeit  konstant  gehalten 
und  zwar  derart,  dass  auf  200  g  Getreide  (Trockengewicht)  100  g 
Wasser  kamen.  Die  Proben  wurden  dreimal  auf  Atmungsintensität  unter- 
sucht, und  zwar  24,  48  und  72  Stunden  nachdem  sie  eingeweicht 
worden  waren.  Die  Resultate  sind  in  den  untenstehenden  Tabellen 
wiedergegeben. 

Jeder  Tabelle  habe  ich  eine  graphische  Darstellung  beigefügt.  Die 
Temperatur  ist  auf  die  Abscissenachse  und  die  COa-Menge  auf  die  Ordi- 
natenachse  eingetragen. 

Tabelle  3.     Nach  24  Stunden. 
Feuchtigkeit:  200  g;  Trockengewicht:   100  g  Wasser. 


Tempe- 
ratur 

Anzahl  cm^  CO2  in   100  cm^  Luft 

Parallelversuch 

Mittel 

a 

b 

150 

4,0 

4,2 

4,1 

20  >^ 

4,2 

5,8 

5,0 

20" 

5,0 

5,2 

5,1 

25" 

8,5 

8,7 

8,6 

30° 

11,4 

10,7 

11,1 

35° 

11,7 

11,6 

11,7 

40" 

12,2 

11,6 

11,9 

Zur  AtmunQ-  des  Getreides. 


79 


12 
10 

8 

cm3  CO.,     6 


lU        lö        liU       HO       oO       cü       -iu       45"  Celsius. 

Fie:.  4. 


Tabelle  4.     Nach  4.8  Stunden. 
Feuchtigkeit:  200  g;  Trockengewicht:   100  g  Wasser. 


Tempe- 
ratur 


Anzahl  cm^  CO.  in  100  cm^  Luft 


Parallelversuch 


Mittel 


20° 
20« 
20° 
25° 
30° 
350 
40° 
450 


6,9 

7,0 

6,3 

9,5 

11,6 

14,0 

18,0 

23,6 


öß 

6,75  1 

6,6 

6'8        6,7 

7,0 

6,65  ] 

9,6 

9,6 

10,9 

11,3 

13,9 

13,9 

17,1 

17.6 

— 

23,6 

cm3  CO, 


10   15   20   25   30   35   40   45 o  Celsius. 

Fis:.  5. 


80 


O.  Qvam. 


Tabelle  5.     Nach  72  Stunden. 
Feuchtigkeit:  200  g;  Trockengewicht:   100  g  Wasser. 


Tempe- 
ratur 

Anzahl  cm^  COg  in   lUO  cm''  Luft 

Parallelversuch 

Mirtpl 

a 

h 

20» 

7,8 

7,9 

7,9 

20° 

8,6 

— 

8,6  \  '^'1 

25 '^ 

11,4 

11,4. 

11,4 

30° 

11,6       !        11,6 

11,6 

35° 

13,4 

— 

13,4 

COo 


10 


35      iO"  Celsius. 


Fiff.   (>. 


Wie  aus  obenstehenden  Tabellen  und  Kurven  hervorgeht,  steigt 
die  COg-Bildung  schnell  mit  der  Temperatur,  aber,  wie  es  scheint,  ver- 
schieden, je  nachdem  die  Untersuchung  am  ersten,  zweiten  oder  dritten 
Tage  nach  der  Einweichung  in  Wasser  stattfindet.  Man  wird  auch 
ersehen,  dass  die  Paralleluntersuchungen  ganz  gut  übereinstimmen. 

Alle  Kurven   zeigen   einen  Kehrpunkt   zwischen  25"  und  30°.     Die 
Menge  der  gebildeten  COg  steigt  etwas  von  Tag    zu   Tag,    aber  in  ver 
schiedener  Weise  je    nach  der  benutzten  Temperatur.     Um  dieses  deut- 
licherdarzustellen habe  ich  aus  obigen  Tabellen  die  nachstehende  zusammen- 
gestellt. 


Zur  Atmuna-  des  Getreides. 


81 


Tabelle   6.      Schwankungen     der    Atmungsintensität     während 
der  drei  ersten  Tage. 


Tempe- 

Anzahl cm 
entwickelt 

^  CO2  in  lOU  cm3  Luft, 
in  Zeit  von  2  Stunden 

ratur 

1.  Tag 

2.  Tag 

3.  Tag 

15'' 

4,1 

— 

— 

20° 

5,1 

6,7 

8,1 

25« 

8,6 

11.6 

11,4 

30° 

11,1 

11,3 

11,6 

35" 

11,7 

I3,y 

13,4 

400 

12,2 

17,6 

— 

45  0 

— 

23,6 

— • 

cm^'  CO2  (Mittel) 


24 
22 

20 

18 
16  J 
14 
12 
10 

8 

6 

i 

2 


I.Tat 


,  Tag.        3.  Ta^ 


Fi^.  7. 


Hieraus  ist  ersichtlich,  dass  die  Atmungsintensität  von  Tag  zu 
Tage  steigt,  aber  nicht  in  derselben  Weise  bei  den  verschiedenen  Tem- 
peraturen.    Am  wenigsten  steigt  die  C0.2-Menge  bei  30°. 


Einfluss  der  Feuchtigkeit. 
Dadurch,  dass  nach  der  Sterilisation  die  Auswaschung  des  Subli- 
mats durch  Wasser  kürzere  oder  längere  Zeit  dauerte,  liess  sich  einiger- 
massen  die  Feuchtigkeit  der  Körner  regulieren.  Die  Temperatur  wurde 
bei  diesen  Versuchen  konstant  auf  30°  gehalten.  Bei  den  früheren 
Versuchen  war  es  nicht  schwierig,  verhältnismässig  gut  übereinstimmende 
Resultate  der  Parallelversuche  zu  erhalten.     Dagegen  hat  sich  dieses  als 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  .ingewandte  Botanik  IV.  (^ 


82 


0.  Qvam. 


bedeutend  schwieriger  erwiesen,  wenn  der  Feuchtiglieitsgehalt  niedriger 
war.  Ich  habe  deswegen  bei  den  letztgenannten  Untersuchungen  viele 
Bestimmungen  ausgeführt  und  den  Mittelwert  aus  diesen  berechnet. 
Die  dadurch  gefundenen  Zahlen  dürften  daher  nicht  weit  von  den 
richtigen  liegen. 

Die  Bestimmungen  wurden  wie  früher  sowohl  am  ersten,  zweiten 
als  dritten  Tage  nach  der  Einweichung  in  Wasser  ausgeführt.  Die 
Resultate  sind  in  nachstehende  Tabellen  eingetragen.  Eine  graphische 
Darstellung  begleitet  jede  Tabelle. 


Tabelle  7.     Nach  24  Stunden.     Temperatur  30°. 


Anzahl  g 

Anzahl  cm^  CO2  in  100  cm»  Luft 

AVasser  auf 

200  g 

Parallelversuch 

trockene 
Körner 

Mittpl 

a 

b 

iMl  Lud 

100 

11,4 

10,7 

11,1 

90 

10,4 

— 

90 

8,0 

10,2 

9,5 

80 

6,4 

6,2 

80 

4,5 

5,3 

80 

4,8 

5,4 

80 

7,1 

6,0 

80 

6,7 

— 

5.7 

80 

5,7 

6,5 

80 

4,8 

5,4 

80 

5,0 

6,0 

80 

— 

6,0 

Anzahl  cm^  COg 
(Mittelzahl) 


80 


Töö"    g  Wasser  auf  200g  trockene  Körner 


Fis.  8. 


Zur  Atmung  des  Getreides. 
Tabelle  8.     Nach  48  Stunden.     Temperatur  30°. 


83 


Anzahl 
g  Wasser 
auf  200    g 

trockene 

Anzahl  cm^  CO2  in 

100  cni^  Luft 

Parallelversuch 

Mittel 

KTirner 

a               b 

100 

11,6 

10,9 

11,3 

90 

9,0 

— 

9,0 

85 

8,0 

— 

8.0 

80 

5,1 

5,5 

/ 

80 

5,1 

— 

80 

5,5 

5,6 

\ 

5.2 

80 

5,0 

5,0 

Anzahl 

cm3  CO2 

(Mittelzahi) 


100 


g  Wasser  auf  200  g  trockene  Körner, 


Fio-.  9. 


Tabelle  9.     Nach  72  Stunden.     Temperatur  30". 


Anzahl 

g  Wasser 

auf  200    g 

trockene 

Anzahl  cm^  CO2  in  100  cm^  Luft 

Parallelversuch 

Mittel 

Körner 

a 

b 

100 
90 
85 
80 
80 

11,6 

6,8 
5,4 
4,2 
3,6 

11,6 

6,8 
5,7 
5,0 
3,3 

11.6 

6,8 
5,6 

4,0 

Anzahl  cm^  CO2 
(Mittelzahl) 


-0  85  Vi)       100  g  Wasser  auf  200  g  trockene  Körner. 
Fig.  10.  ,  • 


84 


O.  Qvam. 


Diese  Tabellen  und  Kurven  zeigen  deutlich,  dass  die  COg -Bildung 
rasch  mit  der  Feuchtigkeit  steigt:  dieses  war  bei  allen  Untersuchungs- 
serien der  Fall.  Steigt  die  Feuchtigkeit  von  80 — 100  g  auf  200  g 
Trockengewicht,  so  steigt  die  Menge  der  gebildeten  Kohlensäure  von  5,7 
bis  11,1  ccm  am  ersten,  von  5,2 — 11,3  ccm  am  zweiten  und  von  4,0 
bis   11,6  ccm  am  dritten   Tage. 

Früher  haben  wir  gesehen,  dass  die  Atmungsintensität  sich  ziem- 
lich konstant  3  Tage  hindurch  hält,  wenn  die  Feuchtigkeit  100  :  200  g 
Trockengewicht  und  die  Temperatur  30'^  w^ar. .  Die  letzten  Tabellen 
zeigen,  dass  dieses  nicht  der  Fall  ist,  wenn  die  Feuchtigkeit  des  Getreides 
niedriger  ist.  Dieses  wird  durch  untenstehende  Tabelle  und  die  beglei- 
tende Zeichnung  deutlicher  dargestellt.  Die  Tabelle  ist  aus  den  früheren 
zusammengestellt. 


Tabelle  10.     Schwankungen  der  Atmungsintensität. 
Temperatur  30^. 


Anzahl 

g  Wasser  auf 

200  g 

Anzahl  cm^  COg  in  100  cm»  Luft, 
gebildet  in  Zeit  von  2  Stunden 

Trocken  gew. 

1.  Tag      1     2.  Tag 

3.  Tag 

100 
90 
85 
80 

11,1 
9,5 

5,7 

11,3 
9,0 
8,0 
5,2 

11,6 
6,8 
5,6 
4,0 

12, 
10 

Anzahl     ^ 
cm3  CO2    6^ 
2 


1.  Tag  2.  Tag 

Fio-.    11. 


3.  Taj 


Man  sieht,  dass  nur  eine  Kurve  etwa  parallel  mit  der  Abscissen- 
achse  verläuft,  es  ist  diejenige,  bei  der  die  Feuchtigkeit  100 :  200 
beträgt.  Die  übrigen  biegen  sich  alle  gegen  die  Abscissenachse,  ein  Zeichen, 
dass  die  entsprechenden  Getreideproben  immer  weniger  an  jedem  Tag 
atmen.  Diese  Proben  scheinen  nicht  genügend  Feuchtigkeit  zu  besitzen, 
um  die  stärkere  Atmung  3  Tage  hindurch  beibehalten  zu  können. 


Zur  Atmun»-  des  Getreides. 


85 


E)ie  gefundenen  Zahlen  genügen 
nicht,  um  weitergehende  Schlüsse  zu 
ziehen;  zweifelsohne  gibt  es  aber  eine 
Relation  zwischen  Temperatur  und 
Feuchtigkeit  in  ihrer  gemeinsamen 
Wirkung  auf  die  Atmungsintensität 
des  Getreides. 

Verschiedenes  bei  den  früher  skiz- 
zierten   Kurven    scheint 
darauf  hinzudeuten, dass 
/    pvjl  der  eine  dieser  Faktoren 

^^  I  XJ  (jie  Wirkung  des  ande- 

ren vergrössert.  Die 
Tatsache,  dass  weder 
die  Temperatur  noch  die 
Feuchtigkeit  allein, 
selbst  wenn  sie  sehr 
hoch  sind,  imstande 
sind,  die  COo-Bildung 
nennenswert  zu  steigern, 
zeigt  dasselbe. 


fr 


Fi2-.  12 


Einfluss  der  Keim- 
fähigkeit. 

Die  früher  ausgeführ- 
ten Versuche  haben  ge- 
zeigt: 

1.  Dass  es  möglich 
ist,  bei  wieder- 
holten Unter- 
suchungen einer  und  derselben 
Ware  übereinstimmende  Resul- 
tate zu  erhalten,  wenn  das  Ge- 
treide stark  befeuchtet  ist  (wenig- 
stens 100  g  M'asser  auf  200  g 
Trockengewicht  der  Körner), 
während  dies  nicht  der  Fall  ist, 
wenn  der  Wassergehalt  nied- 
riger ist; 


gg  O.  Qvam. 

2.  dass  SU*^  eine  günstige  Temperatur  ist,  wenn  die  Feuchtigkeit 
lÜO  :  200  Trockengewicht  beträgt. 

Es  l)leibt  noch  die  Prüfung  der  Keimfähigkeit  übrig.  Bis  jetzt 
habe  ich  nicht  viele  rntersuchungen  ausgeführt. 

Das  Verfahren  bei  diesen  Versuchen  war  ein  anderes  als  früher: 
Die  Sterilisation  in  Sublimat,  die  Auswaschung  mit  Wasser  und  der 
Atmungsversuch  selbst  wurden  in  einem  und  demselben  Gefäss  von 
umstehender  Gestalt  (Fig.  12)  ausgeführt,  j-^s  besteht  aus  zwei  Teilen  a 
und  b,  von  welchen  der  eine  luftdicht  in  den  anderen  eingeschliffen  ist« 
Beide  sind  mit  Glashähnen  c  und  d  versehen.  Morgens  um  9  Uhr 
wurden  die  Behälter  mit  dem  abgewogenen  Getreide  und  der  alkohoUschen 
Hublimatlösung  gefüllt  und  15  Minuten  umgeschüttelt.  Die  Öffnung  bei 
c  wurde  jetzt  durch  einen  Gummischlauch  mit  der  Wasserleitung  in 
Verbindung  gesetzt.  Nach  4  Stunden  wurde  die  Verbindung  wieder 
abgebrochen.  Die  Hähne  blieben  of!en,  damit  das  überschüssige  Wasser 
ausfliessen  und  Luft  einströmen  konnte.  Des  Abends  wurde  nochmals 
Wasser  durchgeleitet,  ebenso  am  Morgen  des  nächsten  Tages,  15  bis 
20  Minuten  jedesmal.  Am  Abend  dieses  Tages  wurden  die  Behälter 
gewogen  und  dadurch  die  Menge  des  vom  Getreide  aufgenommenen 
Wassers  bestimmt.  Die  Feuchtigkeit  sollte  bei  diesen  Versuchen  derart 
sein,  dass  auf  200  g  Trockengewicht  der  Körner  110  g  Wasser  kamen. 
Gewöhnlich  fehlton  einige  ccm  an  dieser  Menge,  weshalb  das  Fehlende 
zirka  12  Stunden  vor  dem  Atmungsversuch  zugesetzt  wurde. 

Am  folgenden  Morgen  —  also  2  Tage  nach  dem  Beginn  der  Ver- 
suche —  wurden  die  Atmungsversuche  ausgeführt.  E>ie  Behälter  wurden 
in  ein  Wasserbad  (Temperatur  35°)  gelegt  und  während  der  ersten  Stunden 
mit  COg-freier  Luft  durchlüftet.  Danach  blieben  sie  mit  zugemachten  Hähnen 
noch  2  Stunden  in  dem  Wasserbad  liegen,  wonach  der  Luftinhalt  der 
Behälter  auf  CO2,  wie  früher,  analysiert  wurde.  Die  Versuchsanordnung 
wird  aus  umstehender  Figur  13  ohne  weiteres  hervorgehen,  a  ist  mit 
Wasser  gefüllt,  b  und  c  mit  Kalilauge.  Die  Luftströmung  wurde  mit  Hilfe 
einer  Wasserstrahlpumpe  hergestellt. 

Resultate. 
Die  Keimfähigkeit  der  auf  Atraungsintensität  untersuchten  Getreide- 
proben habe  ich  nach  zwei  Methoden  —  sowohl  nach  der  gewöhnlichen 
Keimmethode    als    teilweise    nach    einer    Methode ,    die    ich    die    Wäge- 
raethode')  genannt   habe,   —  untersucht.     Mit  Absicht    habe  ich  Proben 


1)  Qvam:  Zur  Bestimmung  des  Keimvermögens  bei  Getreidevvaren. 
Vorschlag  zu  einer  neuen  Methode.  (Die  landwirtschaftlichen  Versuchsstationen 
Bd.  62  1190.0],  S.  40.")— 44H). 


Zur  Atmung  des  Getreides. 

ausgesucht,     die    von    sehr     verschiedener    Koimfähigkoit    waren. 
Resultate  wird  man  aus  untenstehender  Tabelle  ersehen. 

Tabelle    11. 


87 
Die 


Keimfähigkeit  nach 

Totale  Menge  von  COg 

gewöhn- 
licher 
Methode 

Wäge- 
methode 

a 

b 

Mittel 

'lo        \        gl' 

ccni 

ccm 

ccm 

Gerste, 

Hannchen  Nr 

1241 

100')     !    3,75') 

83,9 

75,7^) 

83,9 

n 

«            « 

1317 

09')     i    2,41  M 

57,5 

57,8 

57,6 

n 

/V                     " 

1329 

59')     ,    1,55  3) 

30,3 

30.1 

30,2 

» 

n                   '? 

1316 

98 ')     !       — 

90,5 

84,1 

87,3 

» 

zweizeilige   „ 

1319 

98  2)     i    2,40*) 

104,2 

— 

104,2 

5) 

«           " 

1239 

80^) 

1,76*) 

74.3 

71,1 

72,7 

n 

»                        55 

1240 

68  2) 

1,51 

54,2 

54,2 

54,2 

Wie  aus  dieser  Tabelle  ersichtlich  ist,  geben  die  verschiedenen 
Saatwaren  eine  sehr  verschiedene  Menge  von  COg.  Da  die  Proben 
derselben  Behandlung  unterworfen  und  daher  in  allem,  mit  Ausnahme 
der  Keimfähigkeit,  vollständig  gleich  waren,  muss  der  Unterschied  in  der 
Keimfähigkeit  die  Ursache  des  Unterschieds  in  der  Atmungsintensität  sein. 

Die  im  Anfange  dieses  Vortrages  ausgesprochene  Vermutung,  dass 
die  Keimfähigkeit  und  die  Menge  der  durch  die  Atmung  des  Getreides 
entwickelten  COg  in  irgend  einer  Verbindung  miteinander  stehen  müssten 
wird  durch  diese  Versuche  bewiesen. 

Es  ist  demnach  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Keimfähigkeit  einer 
Saatware  durch  Atmungsversuche  zu  finden.  Dass  eine  solche  Methode 
von  praktischer  Bedeutung  sein  kann,  wird  einleuchtend,  wenn  man 
sich  erinnert,  dass  die  Bestimmung  der  Keimfähigkeit  von  Hannchen- 
Gerste  12  Tage  und  von  gewöhnhcher  2-R-Gerste  10  Tage  in  Anspruch 
nimmt,  während  sie  durch  einen  Atmungs versuch  in  2'/2  Tagen  gefunden 
werden  kann. 


1)  Nach  12  Tagen. 

2)  Nach  10  Tagen 

3)  Nach  13  Tagen 

4)  Nach  11  Tagen 

5)  Auszulassen  wegen  Versuchsfehlers. 


Joli.  Vaülia. 


Die  Qualitätsprüfung  der  Braugerste. 

Von 

Professor  Joli.  Vaüha, 

Direktor  der  landwirtschaftlichen  Landes-Versuchsstation  in  Brunn. 

(Mit  einer  Figur.) 

In  Anbetracht  der  grossen  Wichtigkeit,  welche  die  Beurteilung 
der  Braugerste  in  der  letzten  Zeit  genommen  hat,  erscheint  es  not- 
wendig, dass  bei  einer  internationalen  Versammlung  hochgeehrter  Fach- 
genossen eine  einheitliche  Art  der  Wertbestimmung  der  Brau- 
gerste einer  Beratung  unterzogen  und  über  die  einzelnen  Bestimmungs- 
punkte,   soweit  es  möglich  ist,    ein  entscheidendes  Wort  gefällt    werde. 

Die  Untersuchung  der  Braugerste  hat  nicht  nur  für  die  Anforde- 
rungen der  Landwirtschaft  und  des  Samenhandels,  sondern  auch  für 
diejenigen  der  Brauindustrie  Rechnung  zu  tragen.  Man  muss  gestehen, 
dass  die  bisher  geübte  Qualitätsprüfung  der  Braugerste  nicht  nur  nicht 
einheitlich,  sondern  in  mancher  Hinsicht  auch  nicht  genügend  präzis 
durchgeführt  wurde.     So  besonders: 

1.  Die  Feststellung  der  Bescliaffeiilieit  des  Endosperms  hat  bisher 
nicht  die  erforderliche  Schärfe  eines  Experiments  errreicht,  und  sie  blieb 
sogar  einer  subjektiven  Willkür  des  Untersuchenden  überlassen,  so  dass 
die  Versuchsresultate  nie  übereinstimmen  konnten.  Namentlich  die  Ver- 
wendung der  meist  verbreiteten  Parinatome  aller  Art  kann  aus  bekannten 
Gründen  nicht  gebilligt  werden. 

Der  Parinatom  liefert  stets  sehr  ungenaue  Resultate  und  zumeist 
viel  höhere  Glasigkeit  als  das  Diaphanoskop,  so  dass  er  meiner  Ansicht  nach 
nicht  zu  empfehlen  ist.  Die  Ungenauigkeit  liegt  teils  darin,  dass  es 
zwischen  den  einzelnen  Mehligkeitsstufen  keine  scharfe  Grenze  gibt, 
teils  darin,  dass  man  damit  den  Querschnitt  des  Kornes  nur  an  einer 
Stelle  und  nicht  das  ganze  Korn  untersucht.  Es  hängen  somit  die 
Resultate  stets  von  der  Subjektivität  des  Untersuchenden  ab,  so  dass  sie 
fast  nie  übereinstimmen. 

Etwas  bessere  Resultate  liefert  schon  das  Diaphanoskop, 
wenigstens  in  der  Hinsicht,  dass  man  damit  das  ganze  Korn  und  nicht 
nur   den  Querschnitt  untersucht,  und  dass   es  den  Vorteil  hat,    den  ge- 


Die  Qualitätsprüfung  der  Braugerste. 


89 


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90 


Job.    Vaiiha. 


prüften  Samen  noch  zum  Versuchsaabau  verwenden  zu  können.  Aber  dio 
Art  der  Untersuchung  der  Endospermbeschaffenheit  entspricht  den 
gestellten  Anforderungen  durchaus  nicht. 

L)ie  Mehligkeit  des  Kornes  hängt  teils  von  der  Bodenbeschaffenheit, 
teils  von  der  Düngungsart,  teils  aber  auch  von  der  Witterung  namentlich 
zur  Zeit  der  Reife  und  Ernte,  sowie  von  der  Art  und  Zeit  der  Pechsung 
und  Aufbewahrung  usw.  ab.  Alle  diese  Faktoren  verändern  das  Endosperm 
in  hohem  Masse.  Es  gibt  aber  keine  scharfe  Grenze  zwischen  den 
mehligen,  übergehenden  und  glasigen  Kornern.  Wichtig  ist  dal)ei  die 
Tatsache,  dass  durch  entsprechendes  Anfeuchten  der  Kfirner 
alle  übergehenden  gänzlich  und  die  glasigen  fast  gänzlich 
in  mehlige  Körner  übergeführt  werden  können. 

AufdiesenUmstand  hat  schonGrönlund  hingewiesen,  und  neuerdings 
(1905)  hat  Prior  auf  Grund  dessen  die  Bestimmung  des  sogenannten 
„Auflösungsgrades"   in  Vorschlag  gebracht. 

Ich  habe  schon  im  Jahre  1904  Versuche  in  dieser  Richtung  an- 
gestellt; es  sind  dabei  überraschende  Resultate  herausgekommen,  welche  in 
der  folgenden  Tabelle  übersichtlich  zusammengestellt  sind. 

Tabelle  II. 


Gerstensorte 

Nicht  geweichte 

Gerste  zeigte 
Glasigkeit  in  o/q 

Geweichte  Gerste  zeigte  Glasig- 
keit nach  der  Weichdauer   von 

No. 

Fari-        Diapha- 
natom       noskop 

«0                   % 

2 

4 

8 

12 

16 

20 

24 

Stunden 

1 
2 
3 
4 

5 

() 
7 
8 
1) 
10 

Hannagerste  I  .     .     . 

Hannagerste  IV     .     . 

Hannajuvelgerste  .     . 

Kwassitzer     Hanna- 
gerste     

Jarohiiovitzer  Hanna- 
gerste     

Böhmische  (lerste 

Chevalier  II    (Svalöf) 

Nolcs  Imperial  A  .     . 

Goldenthorpe  Imp.     . 

Kneifergerste     .     .     . 

31,7 
11,0 
14,7 

20,3 

26,3 
22,0 

18,0 
10,3 
12,0 
11,7 

15,7 
6,0 

8,7 

11,7 

11,3 

13,3 

11,0 

6,3 

8,0 
5,7 

13,3 
1,0 

5,7 

5,0 

4,7 
9,0 
7,7 
1,3 
0,7 
0,3 

13,0 
1,0 
4,3 

4,7 

4,3 
3,7 
4,3 
0,7 
0,3 

11,7 

1,0 

3,7 

2,3 
2,3 

2,7 
0,3 

7,7 

0,7 

0,7 
2,0 
0,7 

4,7 

0,3 
0,3 

1,3 

Kurz  zusammengefasst  bedeuten  die  Resultate  folgendes: 
Es  haben   sich   somit  Gersten   mit   ca.   10— 12°/o  Glasigkeit  schon 
nach  einer  VVeichdauer  von  etwa  vier   Stunden  vollständig   iu 


Die  Qualitätsprüfung  der  Braugerste. 


91 


ganz  mehlige  umgewandelt.  Bei  denjenigen  mit  ca.  20— 2(j°/o 
Glasigkeit  hat  die  rmwandlung  etwa  1(3  bis  20  Stunden  er- 
fordert.') 

Nun  in  der  Malzindtistrie  ist  im  allgemeinen  eine  Weichdauer  von 
4<S  bis  120  Stunden  üblich.  Nachdem  aber  auch  die  hartkörnige  Gerste, 
wie  Hanna  I  mit  31,7  °/o  Glasigkeit,  schon  in  ca.  20  Stunden  ganz  mehlig 
geworden  ist,  ist  einleuchtend,  wie  falsch  die  Gerste  in  ihrem  Mehligkeits- 
grade  nach  der  bislang  üblichen 
Untersuchungsmethode  beurteilt 
und  danach  bewertet  wurde. 

Ich  möchte  somit  beantragen, 
dass  die  Feststellung  der 
Beschaffenheit  des  Endo- 
sperms  bei  der  Gerste  nach 
V  0  r  h  e  r  g  e  1 1  e  n  d  e  r  2  4  s  t  ü  n  d  i  g  e  r 
Weiche  in  gewöhnlichem  Wasser 
und  nach  darauf  folgender 
langsamer  Trocknung  an  der 
Luft  bei  Zimmertemperatur  (ca. 
20"  C)  in  der  Regel  mit  dem 
Diaphanoskop  (2  X  100  Körner) 
vorgenommen  werde.  2) 


1)  Zu  bemerken  ist,  dass  alle 
Gerstensorten  unter  gleichen  Vege- 
tationsbedingungen gewachsen  sind, 
gleichzeitig  geerntet  und  gleich  auf- 
bewahrt wurden.  D!e  geweichte 
Gerste  wurde  nur  mit  dem  Diaphanoskop  untersucht. 

^)Das  Diaphanoskop  (siehe  Abbildung)  kann  sich  ein  jeder  leicht 
herstellen:  Eine  etwa  80  cm  hohe,  40  cm  breite  und  25  cm  tiefe  Kiste  wird  in 
einer  Höhe  von  ca.  33  cm  vorne  und  38  cm  hinten  durch  eine  schiefe  Quer- 
wand in  eine  obere  schwarz  anzustreichende  und  eine  untere  weisse  Kammer 
geteilt.  Bei  der  oberen  Hälfte  wird  die  Vorderwand  und  bei  der  unteren 
Hälfte  die  Hintervvand  beseitigt. 

Die  Querwand  hat  eine  18  X  13  cm  grosse  Öffnung,  auf  die  eine  Zähl- 
platte (a,  b)  mit  100  Löchern  zu  liegen  kommt.  Die  Platte  besteht  aus  stärkerem 
Packpapier,  in  welches  100  ca.  1  X  0,5  cm  grosse  Öffnungen  mit  einem  Hohl- 
meissel  geschlagen  werden;  sodann  wird  sie  auf  einer  Glasplatte  befestigt. 

Oben  wird  ein  schwarzes  Tuch  befestigt,  welches  vorne  frei  herabhängt 
und  eine  Dunkelkammer  herstellt  Der  Apparat  wird  auf  einen  Tisch  vor  eine 
Lampe  oder  nur  vor  das  Fenster  gestellt. 

Behufs  Verstärkung  der  Beleuchtung  kann  an  die  Lampe  noch  ein  in 
vertikaler  Richtung  beweghcher  Reflektor  R  angebracht  werden,  oder  es 
kann  eine  in  der  Lichtkammer  befestigte  Spiegelplatte,  welche  um  die  horizon- 


m 


.loli.   Vanha 


Die  Untersuchung  der  nicht  geweichten  Gerste  mit  dem  Ltiaphiinoskop 
soll  zum  Vergleich  nebenbei  auch  stattfinden;  massgebend  bliebe  jedoch 
nur  die  geweichte  Gerste.  Der  Prozentsatz  der  mehligen  Körner  nach 
der  Weiche  ist  dann  die  echte  Mehligkeit  und  kann  „die  Milde" 
oder  nach  Vorschlag  Priors  der  „Auflösungsgrad"  genannt  werden. 

2.  Zur  Feststellung  der  A^ollkönii^keit  oder  der  prozentischen 
Korn  grosse  und  der  so  wichtigen  Gleich  mässigkeit  der  Körner 
ist  die  Sortierung  einer  Durchschnittsprobe  von  100  g  durch  einen  Blech- 
siebsatz mit  länglichen  Schlitzöffnungen  2,75,  2,50  und  2,25  mm  Loch- 
breite bereits  vielerorts  eingeführt.  1  »lese  Methode  kann  allgemein  bei- 
behalten werden.     Körner  kleiner  als  2,25  mm   bilden  den   „Ausputz". 

Die  100  g  Probe  soll  fünf  Minuten  lang  bei  ca.  300  Touren  pro 
Minute  mit  dem  Hand-  oder  Maschinensieb  sortiert  werden. 

3.  Ebenso  wäre  die  Art  der  Bestimnniuft'  des  absoluten  Gewichtes 
—  des  1000  Korngewichtes  —  durch  Abwiegen  von  zweimal  500 
oder  einmal  1000  Körnern  als  genügend  zu  betrachten,  wobei  be- 
schädigte und  verkümmerte  Samen  beseitigt  werden. 

4.  Das  Volumgewielit  (Hektoliter^ewiclit)  ist  mittelst  des  neuen 
Literapparates  oder  eines  '/^  Literapparates  der  deutschen  Xormaleichungs- 
kommission  durch  dreimalige  Wägung  der  Probe  zu  bestimmen. 

Eine  vorgängige  Reinigung  der  Probe  ist  nur  dann  auszuführen, 
wenn  es  sich  um  die  Wertbestimmung  einer  Sorte  als  solcher  handelt 
{gemäss  den  technischen  Vorschritten  des  Verbandes  der  deutschen 
Versuchsstationen). 

Nachdem  aber  die  Art  des  Drusches  auf  das  Hektolitergewicht 
und  auch  sonst  von  nicht  geringer  Bedeutung  ist,  sollte  in  dem  Unter- 
suchungsbefund auch  angegeben  werden,  ob  die  Gerste  nicht  „kurz 
gedroschen"  ist,  d.  h.  ob  die  Samenspitzen  nicht  weit  abgebrochen 
sind,  und  ob  der  Same  nicht  sogar  durch  Drusch  stark  beschädigt 
ist,  auf  welchen  Umstand  die  Malzindustrie  besonders  grossen  Wert  legt. 

5.  Die  Reinheitsbestiinmung  ist  mit  einer  Durchschnittsprobe  von 
mindestens  100  g  vorzunehmen.  Zu  den  reinen  Samen  sind  alle 
echten  und  unverletzen  oder  nur  schwach  verletzten  Samen  ohne  Rück- 
sicht auf  ihre  grössere  oder  geringere  Ausbildung  zu  rechnen. 

Als  „fremde  Bestandteile"  werden  betrachtet:  alle  tauben  Körner, 
die  als  nicht  keimfähig  anerkannt  werden,  alle  Bruchstücke  von  Samen 
und  Pflanzen,  Spreu,  schwer  beschädigte  und  fremde  Samen,  sowie  alle 
Unkrautsämereien  usw.  einerseits,  Sand  und  Erdpartikelchen  anderseits. 
Die  zwei  letzteren  als  ganz  wertlose  Bestandteile  sollen  ausserdem  extra 

tale  Achse  drehbar  und   in  jede  Lage    stellbar  ist,   die  Lichtstrahlen  aufwärts 
.auf  die  Zählplatte  werfen. 


Die  Qualitätsprüfung  der  Braugerste.  93' 

in  Gewichtsprozenten  angegeben  werden.  Ebenso  sollen  die  gefährlichen 
Unkräuter,  wne  Rhinanilius  (Klappertopf),  Melampyrum pratense  (Wachtel- 
weizen), Agrostemma  githago  (Kornrade),  Lolium  temulentum  (Tau- 
mellolch) und  Mutterkorn,  zu  den  wertlosen  gerechnet  und  als  schädUch 
extra  notiert  werden. 

Die  Verunreinigungen  ohne  die  Bruchkörner  dürfen  höchsten  1,5  °/o 
betragen. 

6.  Die  Sorteiireiuheit  und  Echtheit  kann  nach  den  botanischen 
Merkmalen  festgestellt  werden. 

7.  Die  Keiniprüfuug"  kann  in  üblicher  Weise  entweder  in  Papier- 
lappen aus  starkem  Fliesspapier  oder  im  Sandkeimbett  bei  Zimmer- 
temperatur nach  vorhergehender  fünfstündiger  Vorquellung  mit  4  X  100 
Samen  durchgeführt  werden.  Eine  zu  grosse  Feuchtigkeit  des  Keim- 
bettes ist  stets  zu  vermeiden. 

Die  Keimdauer  beträgt    10  Tage,    die  Vorqueliung   eingerechnet» 

Die  Keimungsenergie  wird  durch  die  Zahl  der  in  den  ersten 
drei  Tagen  ausgekeimten  Samen  ausgedrückt.  Als  gekeimt  wird  jedes 
Korn  betrachtet,  bei  w^elchem  die  Keimspitze  die  Samenschale  durch- 
brochen hat. 

In  der  Samenprobe  sollen  grosse,  mittlere  und  kleine  sowie  auch 
dunkle  Körner  in  etwa  demselben  Verhältnis  vertreten  sein  wie  in  der 
Gesamtprobe. 

Die  Keimkraftlatitude  beträgt  5  '•^q. 

Da  die  Gerste  einer  längeren  Ruheperiode  zur  Keimung  bedarf,  kann 
mit  der  Keimprüfung  erst  etw^a  2  Monate  nach  der  Ernte  begonnen 
w^erden. 

8.  Der  Spelzeiigehalt  ist  von  2U0  Kfirnern  festzustellen.  Zur 
Trennung  der  Spelzen  wird  der  Samen  in  7(J  °/o  Schw^efelsäure  zwei 
Stunden  lang  mazeriert.  Nachdem  dann  die  Spelzen  zwischen  den  Fingern 
abgerieben  und  durch  Wasserstrom  ohne  nachherige  Weiche  abgespült 
worden  sind,  wird  der  entspelzte  Samen  mittelst  Piltrierpapier  abgetrocknet, 
auf  trockenes  Filtrierpapier  dünn  ausgebreitet  und  eine  Stunde  an  der 
Luft  getrocknet;  sodann  wird  er  abermals  gewogen.  Die  Gewichtsdifferenz 
in  Prozenten  ausgedrückt  ist  der  Spelzenanteil. ^) 

')  Die  bisherige  Schwefelsäuremethode  (24stxindiges  Mazerieren  in 
SOprozentiger  Schwefelsäure  und  darauf  eine  24  stündige  Wasserweiche)  hat  durch 
Angreifen  und  Auslaugen  des  Endosperms  grosse  Fehler  verursacht  und  hat 
sich  als  unvervvendbar  erwiesen. 

Direkte  Methoden,  wie  z.  B.  die  Ammoniakmethode  nach  Luff  oder  die 
nach  Horkj'-Klose,  liefern  zu  niedrige  Zahlen,  da  sie  sich  nicht  auch  auf  die 
Frucht-  und  Samenschale,  welche  auch  zur  Samenhülle  gehören,  beziehen  und 
für  eine  "Tössere  Zahl  von  Untersuchuna-en  nicht  verwenden  lassen.  .  ■ 


94  -Joh-  Vafiha. 

Kommen  nach  dem  Entspelzen  etwa  beschädigte  Körner  vor,  so 
werden  sie  gezählt,  beseitigt  und  durch  entsprechende  Korrektur  aus- 
geghchen.  In  diesem  Falle  wird  das  Gewicht  der  entspelzten,  unl>e- 
schädigten  und  eine  Stunde  an  der  Luft  getrockneten  Körner  durch 
ihre  Zahl  dividiert  und  mit  der  Zahl  der  beseitigten  Körner  multipliziert. 
Das  so  gefundene  Korrekturgewicht  ist  dem  Gewicht  der  entspelzten 
Körner  hinzuzuaddieren. 

Der  Spelzengehalt  soll  nicht  über  15  °/o  der  lufttrockenen  Substanz 
betragen. 

Es  ist  wünschenswert,  das  Spelzengewicht  auch  auf  Trocken- 
substanz zu  berechnen. 

Ist  die  Gerste  abnorm  feucht,  so  ist  auch  der  Wassergehalt  un- 
bedingt zu  bestimmen. 

9.  Bei  der  gewichtsprozentischen  Bestimmung  des  Spelzengehaltes 
ist  auch  die  Angabe  über  die  Feinheit  der  Spelzen,  welche  sich  an  der 
Querrunzelung  erkennen  lässt,  als  „sehr  fein",  „fein",  „mittel"  oder  „grob- 
spelzig"  und  ob  die  Gerste  „kurz  oder  lang  gedroschen"  ist,  beizufügen. 

10.  Ferner  ist  auch  die  Farbe  der  Spelzen,  wenn  sie  abnorm 
ist,   „strohgelb",   „weissgelb",   „dunkel"   oder   „grau^'   zu  notieren, 

11.  Von  nicht  geringer  Bedeutung  ist  die  Brannspitzig'keit  und 
die  Braunlarbuug  der  Gerste,  welche  von  verschiedenen  Pilzen  hervor- 
gerufen wird.  Sie  ist  aber  nicht  mit  der  nur  schwachen  Bräunung  der 
Spitzen  zu  verwechseln,  welche  durch  feuchte  Witterung  zur  Erntezeit 
verursacht  wird,  aber  sonst  nicht  schädlich  ist.  Zu  der  Braunspitzigkeit 
gehört  auch  die  Braun  fleckigkeit  der  Spelzen,  verursacht  nach 
unseren  Untersuchungen  durch  parasitische  Pilze,  Helm') uthospor'nim  und 
Bliynchosporium,  welche  nicht  nur  auf  der  Malztenne  schädlich  sind 
sondern  auch  vom  Saatkorn  auf  die  Pflanze  übergehen  können  und  sie 
oft  vernichten. 

Es  ist  also  bei  der  Qualitätsbeurteilung  der  Gerste  auch  die  Angabe 
über  die  Menge  der  braunspitzigen,  braunfleckigen  und  braunen 
Körner,  zusammen  in  Gewichtsprozenten  oder- Körnerzahl  ausgedrückt, 
in  einer  Durchschnittsprobe  von   100  g  anzuführen. 

12.  Ebenso  ist  der  Geruch,  ob  „frisch"  (strohartig)  oder  „dumpfig" 
oder  sogar  „schimmlig"   zu  notieren. 

13.  Auch  die  Angabe  über  die  Körnerforni  ist  wünschenswert,  da 
man  aus  der  Form  des  Kornes  auf  die  Vermälzungsfähigkeit  und  in  der 
Regel  auch  auf  die  wertvollste  Eigenschaft  einer  Braugerste  —  auf  den 
Stärkegehalt  —  schliessen  kann.  r>abei  ist  besonders  auf  das  gegen- 
seitige Verhältnis  der  Kornbreile  zur   Länge    und    auf  die  grössere  oder 


Die  (>)ualitätsprüfung-  der  Braugerste.  95 

geringere  Ausbildung  des  Kornes  namentlicli    in    der  Mitte   und   an    den 
beiden  Kornspitzen,  die  VoIIbauchiglieit,  zu  achten. 

Die  entsprechende  Bezeichnung  ist  dann  „l^urzkörnig",  „mittel- 
körnig", „langkörnig",  „vollkörnig",  „nur  in  der  Mitte  vollkörnig", 
„lang-  oder  kurzspitzig",   „flach",   „breit"   oder   „schmächtig". 

14.  Der  Auswuchs  der  Gerste  ist  in  einer  Probe  von  200  Körnern 
durch  die  Zahl  der  ausgekeimten  Körner  prozentisch  auszudrücken. 

15.  Von  grossem  Einfluss  fast  auf  alle  Werteigenschaften  der 
•Gerste  sowohl  auf  die  Keimfähigkeit  als  auch  auf  das  absolute  und  das 
Volumgewicht,  auf  den  Spelzengehalt,  Farbe,  Geruch  usw.  ist  der  Peuch- 
tigkeitszu stand  der  zu  untersuchenden  Probe. 

Ist  also  die  Gerste  abnorm  feucht,  so  empfieht  es  sich  auch  den 
Feuchtigkeitsgehalt  der  lufttrockenen  Probe  zu  bestimmen: 

Eine  Durchschnittsprobe  von  ca.  5  — 10  g  wird  zunächst  bei  ca. 
80'^  C  eine  Stunde  lang  vorgetrocknet  und  darauf  bis  zur  Gewichts- 
konstanz zirka  5  Stunden  bei   105*'  C  getrocknet. 

Der  Wassergehalt  soll   15  ^j^  nicht  übersteigen. 

16.  Die  Fälschung  der  Farbe  durch  Schwefelu  kann  in  folgen- 
der Weise  ermittelt  werden:  Etwa  10  g  Körner  werden  mit  destilliertem 
Wasser  begossen  und  umgerührt.  Nach  etwa  10  Minuten  wird  ein  blaues 
Lackmuspapier  eingetaucht;  rötet  sich  das  Papier,  so  ist  anzunehmen, 
dass  die  Gerste  geschwefelt  ist. 

Zur  genauen  Bestimmung  der  Schwefelung  ist  die  chemische 
Methode  mit  20prozentiger  Salzsäure,  welche  bei  der  Prüfung  des 
Hopfens  auf  Schwefelung  befolgt  wird,  vorzunehmen. 

Die  einzufordernde  Samenmenge  soll  l'/r,  Liter  betragen. 
Falls  keine  Volumgewichtsbestimmung  verlangt  wird,   genügen  250  g. 

Probeziehung:  Die  zur  Untersuchung  gelangende  Probe  soll  dem 
Durchschnittscharakter  der  Ware  entsprechen.  Es  sollen  mittelst  eines 
Probenstechers  (z.  B.  des  Nobbeschen)  von  oben,  von  der  Mitte  und  von 
unten  eines  jeden  einzelnen  Sackes,  bei  grosser  Zahl  von  jedem  fünften 
oder  zehnten  Sack,  oder  von  verschiedenen  Stellen  der  ausgeleerten  und 
gut  gemischten  Ware  mehrere  Einzelproben  genommen  werden,  von 
welchen  dann  eine  oder  zwei  Durchschnittsproben   gezogen  werden. 

Zur  Sicherstellung  der  Entschädigunsansprüche  sollte  die  Probe- 
ziehung vor  zwei  unparteiischen  oder  amtlichen  Zeugen  vorgenommen 
werden.  Zur  Bestimmung  des  Wassergehaltes  soll  die  Einsendung  der 
Probe    in   luftdichtverschlossenen    Gläsern    oder    Blechbüchsen   erfolgen. 

Zur  Herstellung  einer  engeren  Mittelprobe  empfiehlt  sich 
die   „Fliessprobe",  d.  h.  das  langsame  gleichmässige   Ausschütten   aus 


gg  Joli.   \"aüha. 

einer  Flasche  mit  Ausguss  unter  gleichmässig'cr  periodisclier  Ausson- 
derung kleiner  Mengen'). 

Eine  Mittelprobe  kann  auch  auf  folgende  Weise  hergestellt  werden: 
Der  Same  wird  auf  einem  glatten  Papier  mit  einem  Hornspatel  gut 
gemischt,  gleichmässig  in  dünner,  überall  gleich  hoher  Schicht  ausge- 
breitet und  an  mehreren  geometrisch  bestimmten  Stellen  werden  mit 
dem  Spatel  kleine  Proben  genommen;  dabei  ist  darauf  zu  achten,  dass 
auch  die  auf  dem  Boden  liegenden  Körner  mitgenommen  worden.-) 

Ein  vollständiges  Bild  über  die  Qualität  der  Braugerste  kann  erst 
erlangt  werden,  wenn  die  Gerste  auch  einer  chemischen  Analyse 
unterzogen  wird;  diese  Bestimmungen  gehören  jedoch  nicht  in  den  Rahmen 
der  Samenkontrolle. 

Insbesondere  ist  hier  der  Gehalt  au  stickstofffreien  Extraktiv- 
stoffen respektive  der  Stärkegehalt  und  der  Gehalt  an  Proteinstoffen^ 
welche  namentlich  in  der  neuesten  Zeit  an  Wichtigkeit  zugenommen 
haben,  zu  bestimmen. 

Bezüglich  des  Stickstoff-  und  Proteingehaltes  (=  N  X  6'25) 
wäre  zu  empfehlen,  dass  zur  Bestimmung  derselben  nicht  die  Probe  vom 
Gerstenschrot,  sondern  2  —  3  g  ganze  Gerstenkörner  genommen 
werden,  w^eil  bei  der  Probenahme  zufällig  mehr  oder  weniger  Spelzen 
mit  der  Kleberschicht  in  die  Durchschnittsprobo  gelangen  und  das  Resultat 
falsch  beeinflussen  können. 

Es  ist  jedoch  für  die  Beurteilung  der  Gerste  nicht  so  sehr  der 
Gesamtstickstoff,  respektive  das  Gesamtprotein,  sondern  das 
Löslichkeitsverhältnis  der  Eiweissstofle  massgebend,  und  zwar  hat 
die  Menge  der  löslichen  Protein-  sowie  der  Extraktivstoffe  in  der  Gerste 
nicht  nur  für  die  Malz-  und^  Brauindustrie  sondern  auch  für  den  Land- 
wirt namentlich  in  bezug  auf  das  Saatgut  grosse  Bedeutung,  wie  unsere 
Versuche  eklatant  gezeigt  haben."') 

Es  soll  daher  bei  der  Gerste  nebst  dem  Stärke-  oder  Extrakt- 


^)  Einen  sehr  zweckmässigen  Apparat  haben  zu  diesem  Behufe  K,  Komers 
und  E.  Freu  dl  in  der  Wiener  k.  k.  Samenkontrollstatiou  für  Eübensamen 
konstruiert,  welcher  die  Arbeit  sehr  genau  verrichtet  und  zugleich  zehn  Durch- 
schnittsproben zieht. 

2)  Bei  der  Zusammenstellung  der  vorliegenden  Vorschriften  v.^urde  ge- 
trachtet, die  von  dem  Verbände  laudwirtsch.  Versuchsstationen  im  Deutschen 
Reiche  bereits  angenommenen  technischen  Vorschriften  möglichst  einzuhalten. 

3)  J.  Vau  ha,  Versuche  über  den  Einfluss  der  chemischen  Zusammen- 
setzung der  Gerste  auf  die  Qualität  und  das  E.eproduktionsverraögen  der 
Gerstenpflanze  und  über  die  Vererbung  dieser  Werteigenschaften.  (Zeitschrift 
für  das  landwirt.  Versuchswesen  in  Oesterreich  1905  und  „Shornik  zemedelsky" 
Prerau  190-5.) 


Zur  (»Qualitätsprüfung  der  Braugerste.  97 

gehalt  sowohl  der  Gehalt  an  Gesamtprotein  als  auch  die  Menge 
der  löslichen  und  unlöslichen,  beziehungsweise  auch  der 
koagulierbaren  und  nichtkoagulierbaren  Eiweissstot'fe  be- 
stimmt werden. 

Nachdem  die  Stärkebestimmung  nach  der  bisher  üblichen 
Methode  von  Maerker  zu  umständlich  und  langwierig  ist,  wäre  eine 
direkte  Extraktbestimmung  durch  Einwirkung  der  frischen  ^hilz- 
diastase  vorzuziehen. 

Wegen  der  grossen  Wichtigkeit  eines  gemeinsamen  Vorgehens 
bei  der  Qualitätsprüfung  und  Beurteilung  der  Gerste  wären 
die  hief  vorgebrachten  Untersuchungsmethoden  ,  welche  grossenteils 
bereits  bei  den  meisten  Versuchsstationen  eingeführt  sind,  und  es  sich 
hier  nur  um  die  dringend  notwendige  Einheitlichkeit  handelt,  zur  all- 
gemeinen Befolgung  zu  empfehlen. 


JaliiesbericUt  der  Vereinigung:  für  argew^ndle  l'ot:inik    IV. 


98 


P.  Lindner. 


Über  einige  neuere   biologische  Methoden  im   Dienste 
des  Gärungsgewerbes. 

Von 
Professor  Dr.  Paul  Liudiiei'-Berlin. 

Wenn  ich  mich  diesmal  mit  einem  Vortrag  angemeldet  habe,  so 
geschah  es  zum  grossen  Teil  aus  der  Empfindung  heraus,  dass  auf 
einer  Tagung  in  Hamburg,  als  einer  Hochburg  der  Gärungsindustrie, 
auch  die  gärungsgewerbliche  Botanik  vertreten  sein  und  zum  Worte 
kommen  müsse. 

Ihren  Anteil  an  den  Erfolgen  des  Gewerbes  im  einzelnen  darzu_ 
legen,  ist  wohl  kaum  nötig.  Ich  erinnere  nur  kurz  daran,  wie  durch 
die  Einführung  der  Hefereinkultur  durch  Emil  Christian  Hansen  ein 
ganz  neues  lieben  in  die  Betriebe  kam,  wie  Laboratorien  in  grosser  Zahl 
angelegt  wurden,  während  man  früher  von  der  Bierchemie,  solange  die 
Vorgänge  bei  der  Keimung  und  dem  Verzuckerungsprozess  nicht  genügend 
bekannt  waren,  nicht  viel  wissen  wollte,  wie  ein  flottes  Hetegeschäft  im 
Inland  sowie  nach  dem  Ausland  sich  entwickelte  —  gerade  Hamburg 
kann  davon  erzählen,  da  hier  die  meisten  überseeischen  Reinhefesen- 
dungen in  den  kalten  Schiffsräumen  verstaut  werden  — ,  wie  die  Kalami- 
täten der  Biertrübungen  beinahe  ganz  ausgemerzt  und  so  ausserordent- 
liche Werte  gerettet  wurden.  Statt  den  Gärungsphysiologen  zu  verleugnen, 
seine  Anwesenheit  womöglich  zu  verschleiern,  wie  es  früher  Tifter 
vorgekommen  war,  benutzte  man  ihn  fast  zur  Reklame,  wie  man  ander- 
seits nicht  unterliess,  in  den  Annoncen  besonders  darauf  hinzuweisen, 
dass  man  seinen  Betrieb  oder  seine  Reinzuchtapparate  unter  Kontrollo 
dieser  oder  jener  Versuchsstation  oder  des  eigenen  Laboratoriums 
gestellt  habe. 

Nun  sollte  man  meinen,  in  unserer  Mitgliederliste  wimmele  es  nur 
so  von  angewandten  Gärungsbotanikern. 

Da  ist  nun  das  gerade  Gegenteil  zu  konstatieren.  Nur  ganz 
sporadisch  ist  —  wenn  man  von  den  Kollegen  vom  Weinbau  absieht  — 
ein  Gärungsphysiologe  darin  zu  finden,  der  sich  als  Botaniker  ausgibt. 
Die  Mehrzahl  der  Gärungsphysiologen  sind  eben  von  Haus  aus  Chemiker, 
und  als  solche  suchen  sie  auf  den  Kongressen    für  angewandte  Chemie 


über  einige  neuere  biologische  Methoilen  im  Dienste  iL  Gärungsgewerbes.        99 

gegenseitig  Fühlung  zu  nehmen.  Ich  glaube  nicht,  dass  sich  hierin  in 
der  nächsten  Zukunft  etwas  ändern  wird. 

Die  chemische  Industrie  bietet  vielseitige  Aussichten  der  AnsteUung 
und  lockt  daher  viele  zum  Studium,  so  dass  das  Angebot  meist  grösser 
ist  als  die  Nachfrage.  Für  den  Botaniker  liegt  die  Sache  anders,  und 
daher  herrscht  hier  beinahe  Mangel  an  Kräften. 

Dass  der  Chemiker  ohne  besondere  botanische  Vorbildung  verhält- 
nismässig schnell  die  biologischen  Methoden  sich  aneignen  kann,  liegt 
an  der  Einfachheit  der  letzteren.  Bei  uns  am  Institut  für  Gärungs- 
gewerbe wird  der  junge  Chemiker,  nachdem  er  fleissig  im  analytischen 
Laboratorium  gearbeitet  hat,  gewissermasseu  zur  Belohnung  am  Schluss 
seiner  Ausbildung  in  das  botanische  Laboratorium  versetzt.  Dieses  soll 
ihn  dahin  bringen,  dass  er  die  Kulturmethoden  beherrscht  und  die  wich- 
tigsten mikroskopischen  Bilder  deuten  kann;  ferner  muss  er  sich  in  der 
Handhabung  der  Hefereinzucht  Fertigkeit  aneignen.  So  ausgebildet  kann 
er  beim  Übergang  in  die  Praxis  dieser  schon  sehr  von  Nutzen  sein. 
Da  die  botanischen  Arbeitsweisen  ihm  meist  ganz  neu  sind,  widmet  er 
sich  denselben  fast  durchweg  mit  grossem  Interesse,  so  dass  er  nach 
Verlauf  eines  Jahres  schon  eine  grosse  Sicherheit  bekommt  und  bei 
längerem  Verbleiben  keine  Kontrolle  mehr  nötig  hat  oder  nur  in  besonders 
schwierigen  Fällen.  Leider  ist  dann  meist  aber  auch  die  Zeit  seines 
Fortganges  gekommen. 

So  sehr  also  der  leitende  Botaniker  bei  der  grossen  Zahl  der 
Chemikerassistenten  —  ich  habe  wohl  schon  nahe  an  lOÜ  Assistenten 
im  Laufe  von  20  Jahren  ausbilden  helfen  —  in  gewissem  Sinne  Schule 
macht,  so  sind  ihm  doch  noch  nicht  Mitarbeiter  entstanden  für  eigent- 
liche wissenschaftliche  botanische  Arbeiten,  namentlich  nicht  für  solche 
biologischer,  morphologischer  oder  systematischer  Natur.  Das  ist  eine 
Schattenseite  des  Systems,  die  aber  ganz  von  selbst  verschwinden  wird, 
sobald  die  Zahl  derjenigen  Studierenden  wächst,  die  von  vornherein  sich 
für  das  Gärungsgewerbe  vorbereiten  und  deshalb  in  gleicher  Weise 
Chemie  wie  Botanik  studieren,  wie  es  für  den  Gärungsphysiologen  das 
einzig  richtige  ist. 

Die  neuerliche  Einrichtung  des  staatlichen  Brauerei -Ingenieur- 
examens gewährleistet  übrigens  schon  eine  gleichmässig  gute  Ausbildung 
in  Chemie  sowie  in  Botanik,  und  hier  bietet  sich  dem  Gärungsphysio- 
logen Gelegenheit,  experimentelle  Prüfungsaufgaben  zu  stellen,  die  bisher 
noch  nicht  in  Angriff  genommen  worden  sind.  Es  kommen  so  gewisser- 
masseu kleine  Doktorarbeiten  zustande,   die  nicht  ohne  Nutzen  sind. 

Nach  dieser  orientierenden  Einleitung  kann  ich  zu  meinem  eigent- 
lichen Thema  übergehen.     Ich  gedenke  dasselbe  so   zu   behandeln,  dass 

7* 


-^QQ  P.  Limlner. 

ich  mich  nicht  so  sehr  auf  eine  möglichst  genaue  Beschreibung  der 
biologischen  Methoden  einhisse  —  zum  grössten  Teil  existieren  dieselben 
schon  —  als  vielmehr,  dass  ich  zu  denselben  gewissermassen  nur  einige 
Randglossen  mache.  In  ihrer  Gesamtheit  sollen  die  Ausführungen  Ihnen 
ein  ungefähres  Bild  geben  von  den  Umständen  und  Bedürfnissen,  welche 
mich  zu  der  Auffindung  der  verschiedenen  Methoden  geführt  haben,  und 
wie  ich  versucht  habe,  dieselben  sowohl  für  Unterrichtszwecke  wie  für 
die  praktische  Betriebskontrolle  und  die  Laboratoriumsanalyse  zu  verwerten. 

Ich  möchte  beginnen  mit  der  biologischen  Luftanalyse,  wie  ich  sie 
seit  1887   anwende. 

Es  handelte  sich  damals  in  einer  Brauerei,  ganz  in  der  Nähe 
Hamburgs,  um  die  Frage,  ob  die  Würze  auf  dem  Kühlschiff  eine  starke 
Infektion  vom  Hof  aus,  der  schlecht  gepflastert  war  und  inmitten  eine 
Schankhalle  trug,  deren  Abwässer  über  das  Pflaster  liefen,  erhalten 
könne.  Da  eine  schleunige  Entscheidung  dieser  Frage  beantragt  war 
und  ich  die  nötigen  Nährgelatinen  und  Würzen  gerade  nicht  bei  der 
Abreise  zur  Verfügung  hatte,  kam  ich  auf  den  Gedanken,  die  Keime 
an  Ort  und  Stelle  trocken  einzufangen  und  erst  bei  der  Rückkehr  von 
der  Reise  mit  jenen  zu  füttern.  Ich  wählte  einfache  Standzylinder  als 
Auffangegefässe,  verstopfte  sie  mit  Watte  und  steriUsierte  sie. 

Anfänglich  benutzte  ich  einfach  Würze,  um  die  hereingefallenen 
Keime  von  den  Innenwänden  abzuspülen  und  am  Boden  des  Stand- 
zylinders zur  Entwickelung  zu  bringen.  Später  nahm  ich  Nährgelatine 
und  rollte  die  Glasgefässe  aus,  nach  Art  einer  Es  mar  ch sehen  Rollkulfcur. 
Diese  Methode  erwies  sich  weit  einfacher  als  die  Kochsche  Methode, 
die  ich  ein  Jahr  zuvor  bei  einem  bakteriologischen  Kursus  im  alten 
Kochschen  Institut  in  der  Klosterstrasse  kennen  gelernt  hatte.  Dort  wurde 
die  Gelatine  in  ein  Schälchen  gegossen,  erstarren  gelassen,  dann  letzteres 
mittelst  eines  Motallbügels  in  einen  Standzylinder  herabgelassen.  Es 
entwickelten  sich  dabei  nur  die  Keime,  die  gerade  auf  die  Oberfläche 
der  Gelatine  fielen.  Man  bekam  nur  Oberflächenbilder,  nicht  so  schöne, 
dünne,  fast  durchscheinende  Kolonien,  wie  sie  in  der  dünnen  Gelatine- 
schicht des  Zylinders  wachsen.     (Demonstration  einiger  Luftzylinder.) 

Für  den  Unterricht  bietet  diese  Methode  ausserordentliche  Vorteile. 
Ich  pflege  bei  Gelegenheit  des  grossen  Winterkursus  an  unserem 
Institut  den  Studierenden  stets  solche  ,, Luftzylinder"  mit  in  die  Weih- 
nachtsferien zu  ge))en  und  überlasse  es  jedem,  die  Örtlichkeit  selbst  zu 
bestimmen,  an  der  er  die  Keime  aus  der  Luft  einfangen  will.  Die  ver- 
schiedenartigen Bilder  in  den  Zylindern  lehren  auf  den  ersten  Blick,  wie 
verschieden  die  Mikroben  der  Art  und  Zahl  nach  verteilt  sind;  ins- 
besondere erweckt  aber  das  von  Tag  zu  Tag  zunehmende  Wachstum  der 


"Übei-  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Gärungsgewerbes.      l(Jl 

Kolonien  lebhaftes  Interesse.  Ich  habe  einige  solche  Zjiinder  mitgebracht. 
Der  eine  ist  auf  einem  Weinberge  bei  Koblenz  aui'gestellt  worden,  der 
andere  in  Berlin  Unter  den  Linden  an  der  Ecke  der  Priedrichstrasse. 
Merkwürdigerweise  zeigen  beide  diesell)o  Schimmelvegetation  der  Botrytis. 
Der  Befund  lässt  vermuten,  dass  mit  den  vielen  Weintrauben,  die  in 
Berlin  auch  im  Winter  eingeführt  werden,  auch  die  Botrytis  ein- 
geschleppt ist. 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  Ihnen  auch  einige  Schimmelpilzkulturen 
zu  zeigen,  die  sich  in  der  dünnen  Würzegelatine  weiterer  GlaszyUnder 
wunderbar  schfin  entwickelt  haben.  Ich  empfehle  Ihnen  solche 
Kulturen  sehr  zum  genaueren  Studium  der  Pilze;  namentlich  lassen  sich 
gute  Vergleiche  über  die  Wachstumsgeschwindigkeiten  verschiedenei" 
Arten  damit  anstellen.  Indem  diese  Kulturen  langsam  austrocknen» 
liefern  sie  die  schönsten  Museal-Dauerpräparate,  die  jahrelang  aushalten. 
Auch  Hefen,  namentlich  Kahmhefen,  liefern  herrliche  Flachkolonien, 
und  kann  man  mit  Leichtigkeit  Dutzende  von  Hefen  in  einem  Glase 
nebeneinander  wachsen  lassen.  Nach  dem  Eintrocknen  stellt  ein  solches 
Gefäss  gewissermassen  ein  gläsernes  Herbarium  dar. 

Für  weniger  luftliebende  Hefen  bietet  jedoch  diese  Kulturmethode 
wenig  Vorteile;  da  ist  schon  die  Kultur  auf  einer  dicken  Gelatineschicht 
in  Form  von  Riesenkolonien  ausgiebiger  in  bezug  auf  unterscheidende 
Merkmale  der  einzelnen  Hefen.  Ich  zeige  hier  nur  einige  Bilder  solcher 
Kolonien  aus  meiner  „Mikroskopischen  Betriebskontrolle"  und  erwähne 
nur,  dass  Herr  Kollege  Will  in  den  letzten  Jahren  über  den  Aufbau 
solcher  Kolonien  ausführhche  Studien  gemacht  hat.  I'ie  Impfstrich- 
kulturen der  gleichen  Hefen  liefern  bei  weitem  nicht  so  schöne  Bilder. 
Indem  ich  Ihnen  solche  Impfstrichphotographien  zeige,  will  ich  Ihnen  auch 
das  Geheimnis  verraten,  um  das  ich  oft  ausgefragt  wurde:  wie  die 
Reflexe  auf  den  Reagensgläsern  zu  vermeiden  gewesen  sind?  Die  Sache 
ist  sehr  einfach;  die  Gläser  wurden  horizontal  gelegt  und  zwar  so,  dass 
die  Axe  des  photographischen  Apparates  den  Winkel  halbiert,  den  das 
auffallende  und  vom  Reagensglas  reflektierte  Licht  bildet. 

Ich  komme  zu  der  sogenannten  ,, Tropfenkultur",  bei  der  irgend 
eine  Vegetation  mit  Nährflüssigkeit  gemischt  und  in  Tropfenform  in  eine 
sterile  Glasschale  eingetragen  wird. 

Die  ganze  Methodik  erscheint  hier  so  einfach,  dass  man  sicher 
denkt,  dass  ihrer  Erfindung  keine  grosse  Überlegung  vorhergegangen 
sein  dürfte. 

Dem  ist  aber  durchaus  nicht  so:  Ich  habe  erst  auf  recht  kompli- 
zierte Weise  die  Zerlegung  einer  Flüssigkeit  in  einzelne  Teilmengen 
bewerkstelligt. 


102 


P.  Limlner. 


So  hatte  ich  z.  B.  GlasriUiren  so  aufblasen  lassen,  dass  sie  wie 
eine  geradlinige  Peilenkette  etwa  aussahen.  Die  Füllung  derselben  z.B. 
mit  Bottichwürze  ging  ja  sehr  einfach  vor  sich,  jedoch  war  bei  diesem 
wie  bei  einem  zweiten  Modell,  bei  dem  nur  die  Unterseite  der  Röhre 
halbkugelige  Blasen  aufwies,  die  Probeentnahme  aus  den  einzelnen 
Kammern  nicht  gut  mögUch.  Erst  die  Betrachtung  der  adhärierenden 
Regentropfen  an  den  Fensterscheiben  der  Eisenbahnwagen  brachte  mich 
dann  auf  die  einfache  Idee  der  Verteilung  der  Flüssigkeit  mittelst  einer 
Pipette  auf  die  trockene  Glasfläche.  Das  Glas  muss  jedoch  eine  Spur 
fettig  sein. 

Das  Bedürfnis  zur  Auffindung  dieser  Methode  war  gegeben  durch 
die  Abneigung  der  Praktiker,  mit  Gelatine  zu  arbeiten.  Die  Gelatine 
anwärmen,  mit  Würze  vermischen,  Platten  giessen,  Kolonien  ausstechen, 
das  ist  alles  viel  zu  umständlich  in  der  Praxis. 

Diese  Methode,  die  ich  zuerst  1(S92  beschrieb,  eignet  sich  sehr 
gut  zur  Untersuchung  des  Keimgehaltes  von  Wasser,  Würze,  klar 
filtriertem  Bier  usw. :  ferner  zum  Nachweis  von  staubiger  oder  flockender 
Hefe  in  Presshefe,  von  der  man  vermutet,  dass  sie  mit  minderwertiger 
Bierhefe  vermischt  sei. 

Selbst  wenn  5 — 10  Keime,  z.  B.  Hefen,  auf  den  Tropfen  kommen, 
bilden  sich  meist  ebensoviel  Hefenflecke,  so  dass  man  annähernd  quan- 
titativ den  Keimgehalt  der  betreffenden  Probe  feststellen  kann.  In  der 
Praxis  erfordert  die  Anlage  einer  solchen  Kultur  weder  viel  Vorbereitung, 
noch  viel  Zeit  und  Mühe.  Durch  Verwischen  einer  Anzahl  Tropfen  mit 
dem  sauberen  Finger  erhält  man  sogleich  eine  gute  Durchschnittsprobe 
zur  mikroskopischen  Prüfung. 

Auch  beim  Arbeiten  mit  Gelatine  lässt  sich  diese  Methode  gut  an- 
wenden, namentlich  wo  verflüssigende  Bakterien  vermutet  werden.  Die- 
jenigen Gelatinetropfen,  die  kein  verflüssigendes  Bakterium  enthalten, 
bleiben  völlig  intakt:  in  einer  zusammenhängenden  Plattenkultur  würde 
bald  die  ganze  Gelatine  verflüssigt  werden. 

Dasselbe  Prinzip  wie  bei  der  Tropfenkultur  —  nur  Glas  und  Nähr- 
flüssigkeit —  findet  sich  in  meiner  Tropf chenkultur  wieder,  die  ich 
1893  beschrieben  habe. 

Man  sollte  meinen,  den  Anstoss  zu  dieser  Methode  hätte  die 
Tropfenkultur  gegeben.     Weit  gefehlt I 

Er  kam  von  der  Fragestellung:  Wie  oft  kann  eine  Hefemutterzelle 
Tochtersprosse  abgliedern.  In  Gelatine  gewachsene  Kolonien  machten 
die  Mutterzelle  sehr  bald  nicht  mehr  in  dem  Haufen  von  Nachkommen 
der  direkten  Beobachtung  zugänglich.    Es  musste  zum  hängenden  Tropfen 


"L'ber  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Grärungsgewerbes.      103 

Zuflucht   genommen  worden;  jedoch  musste  der  so  klein  sein,    dass  die 
zur  Aussaat  gelangte  alte  Zelle  gewissermassen  fest  lag. 

Da  auch  nachts  die  Beobachtung  fortgesetzt  werden  musste  und 
meine  Wohnung  weit  entfernt  von  dem  Laboratorium  lag,  musste  ich 
darauf  sinnen,  die  Kultur  bequem  transportieren  zu  können.  Die  Ge- 
wohnheit, direkt  auf  Glas  mit  Tinte  und  Feder  zu  schreiben,  mag  un- 
willkürlich mich  dazu  verleitet  haben,  das  Auftragen  der  Nährflüssig- 
keit mittelst  einer  Zeichenfeder  vorzunehmen.  Später  mussten  auch 
hindere  Dinge,  wie  abgekochte  Zahnstocher  zum  Auftragen  der  Tröpfchen 
bzw.  Striche  herhalten.  Wichmann  und  Zikes  tragen  kleine  Flüssig- 
keilströpfchen mittelst  einer  feinen  Kapillare  auf  einen  dünnen  Xähr- 
gelatinekuchen  auf. 

Beiläufig  erwähne  ich,  dass  die  Zelle  sich  zunächst  völlig  wieder 
verjüngte,  indem  sie  Plasma  speicherte  und  dann  mit  der  Sprossung 
begann.  Unter  den  Hunderten  von  Nachkommen  konnten  7  —  <S  direkte 
Töchter  beobachtet  werden,  und  dabei  sah  die  Mutterzelle  durchaus  nicht 
entkräftet  aus.  Es  waren  also  Urur  ....  nichten  bei  der  Sprossung 
der  letzten  direkten  Töchter  bereits  vorhanden. 

Die  leichte  Auffindbarkeit  der  einzelnen  Zellen  und  die  Übersichtlichkeit 
der  Entwickelung  in  solch  kleinem  Tröpfchen  bewogen  mich  zunächst, 
diese  Methode  zur  Isolierung  von  einzelnen  Zellen  für  die  Zwecke  der 
Reinkultur  vorzuschlagen;  jedoch  habe  ich  keinen  besonderen  Wert  darauf 
gelegt,  dass  man  wirklich  diese  Methode  statt  der  H  an  senschen  Einzell- 
kultur in  dünner  Gelatineschicht  macht.  Wohl  aber  erkannte  ich  bald, 
dass  die  Methode  für  die  biologische  Analyse  sich  ausgezeichnet  eignete. 
Ich  kann  wohl  sagen,  dass  diese  Methode  in  kurzer  Zeit  zur  Standard- 
methode im  Laboratorium  erhoben  wurde,  aber  nicht  nur  hier,  sondern 
auch  beim  Unterricht  in  den  mikroskopischen  Übungen.  Dr.  med.  Dreuw 
von  dem  Un naschen  dermatologischen  Institut  hier  in  Hamburg,  der 
sie  bei  der  Untersuchung  einer  durch  einen  Pilz  hervorgerufenen  Finger- 
nägelkrankeit  für  medizinische  Studien  anwandte,  gab  ihr  den  sehr 
zutreffenden  Namen  Federstrichkultur,  insofern  man  eine  Zeichenfeder 
zum  Auftragen  der  Kulturtröpfchen  benutzt,  die  am  zweckmässigsten  in 
Strichform  von  solcher  Breite,  dass  sie  im  Gesichtsfeld  des  Mikroskops 
bequem  übersehen  werden  können,   angelegt  werden. 

Ruhige,  ungestörte,  aber  verhältnismässig  schnelle  Entwickelung 
der  Kolonien  aus  den  einzelnen  Aussaatzellen,  Wegfall  von  störenden 
Flüssigkeitsströmungen  während  der  Beobachtung,  klares  Hervortreten 
der  einzelnen  Zellen  in  der  Flüssigkeit  (im  Gegensatz  zu  Gelatine- 
präparaten), das  sind  die  wichtigsten  Vorteile  der  Tröpfchenkultur. 

Innerhalb  24  Stunden    ist  die  Analyse    in  der  Regel  zu  erledigen. 


JQ4  P.  Lindner. 

Besonders  schätzen  lernt  man  diese  Methode  aber  beim  l'nterrichf. 
Die  Kulturen  sind  leicht  und  schnell  anzuleg*en,  halten  sich  monatelang, 
können  von  einem  Tage  zum  andern  betrachtet  und  in  den  Verände- 
rungen eingehend  studiert  wertlen. 

Als  besonders  interessante  Fragen,  die  leicht  mit  dieser  Methode 
zu  studieren  sind,  nenne  ich  die  nach  der  Individualität  der  Zellen, 
ferner  die  nach  der  I.ebensdauer  der  Zellgenorationen,  die  ihrer  Selbst- 
verdauung, der  Sporenbildung  innerhalb  der  Flüssigkeit,  der  Myzelbildung, 
lerner  die  nach  der  Vermohrungsgeschwindigkeit  und  der  Vermehrungs- 
ziffer. 

Auch  der  Einfluss  der  Konzentration  ist  leicht  zu  studieren.  Man 
macht  einen  Strich  und  zählt  wieviel  Sekunden  er  bis  zum  Eintrocknen 
braucht.  Wenn  man  z.  B.  in  dieser  Zeit  langsam  30  bis  40  Striche 
anlegt,  so  nimmt  in  dieser  Reihe  die  Konzentration  proportional  ab. 

Für  den  Praktiker,  der  sich  ihrer  bei  der  biologischen  Betriebs- 
kontrolle bedient,  spielt  die  leichte  Unterscheidbarkeit  von  wilden  und 
normalen  Hefen  schon  bei  schwachen  oder  mittleren  Vergrösserungen 
eine  Hauptrolle.  I  >ie  Kulturen  sind  leicht  mit  der  Post  als  Muster  ohne 
Wert  zu  versenden,  und  es  kommt  nicht  selten  vor,  dass  ein  Praktiker 
sich  durch  uns  kontrollieren  lässt,  ob  er  die  mikroskopischen  Bilder  der 
eingesandten  Kulturen  richtig  gedeutet  hat.  Viele  Hunderte  oder  gar 
Tausende  von  intelligenten  Praktikern  setzen  sich  in  ihren  Mussestunden 
hin  und  studieren  die  selbst  angefertigten  Kulturen. 

Ich  habe  endlich  noch  einen  Vorteil  dieser  Kulturmethode  zu  er- 
wähnen: man  kann  die  Bilder  gut  photographieren,  und  zwar  auch 
dieselben  Stellen  des  Präparates  ohne  Schwierigkeiten  zu  wiederholten  ISIalon. 

Einige  Worte  nur  will  ich  über  meine  „Adhäsionskultur"  sagen: 
sie  kommt  besonders  für  die  mikrophotographischen  Aufnahmen  in  Be- 
tracht; aber  sie  wurde  nicht  erfunden  zu  dem  Zweck,  um  möglichst 
ebene  Bilder  zti  erhalten,  sondern  sie  verdankt  ihre  lüitstehnng  meiner 
Neugierde  in  einer  bangen  Stunde,  als  ich  erfuhr,  dass  eine  heftige 
Diphtheritis  sich  bei  mir  eingestellt  hatte.  Ich  wollte  gern  nach  meiner 
eventuellen  Genesung  den  Bacillus  genauer  kennen  lernen.  Geeignete 
Nährmedien  waren  nicht  zur  Stelle;  da  verfiel  ich  plfUzlich  auf  die  Idee, 
ein  Klatschpräparat  von  meinem  hinteren  Zungenbelag  auf  einem  sterilen 
Deckgläschen  zu  machen  und  durch  Aufkitten  desselben  auf  einem  hohlen 
Objektträger  (mitteilst  Vaselin)  das  Eintrocknen  des  feuchten  Belages  zu 
verhüten.  Als  ich  nach  Wochen  wieder  das  Laboratorium  betreten 
konnte,  fand  ich  bei  der  mikroskopischen  Durchsicht  dieser  bei  37°  auf- 
bewahrt gebliebenen  Kultur  eine  Unmenge  deutlich  differenzierter  Bak- 
terienkolonien; alle  prachtvoll  übersichtlich  in  einer  Ebene  geordnet. 


"über  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Gärungsgewerbes.      105 

Die  Adhäsionskiiltur  wende  ich  in  allen  den  Fällen  an,  wo  ich 
eine  Orientierung  gewinnen  will  über  die  in  irgend  einem  natürlichen 
Nährsubstrat  vorkommenden  Formen,  z.  B,  in  den  Schleimflüssen  der- 
Bäume,  in  tierischen  oder  ])flanzlichen  Sekreten,  in  Honig,  in  Sirupen,, 
in  Erdproben.  l>amit  die  Ivultur  angehen  kann,  muss  natürlich  mit 
sterilem  Wasser  die  betreifende  Flüssigkeit  entsprechend  verdünnt 
werden. 

Eine  Adhäsionskultur  so  anzulegen,  dass  sie  prächtige  Entwicke- 
lungsbilder  gibt,  ist  ziemlich  schwer;  bald  ist  die  Kultur  zu  feucht,  bald 
ist  sie  zu  trocken;  wer  aber  die  richtige  Mitte  zu  treffen  versteht,  der 
wird  an  dieser  Methode  seine  Freude  haben,  am  meisten  der  Mikro- 
photograph.  Als  solcher  kann  ich  es  aussprechen,  dass  die  Herausgabe 
meines  „Atlas  der  mikroskopischen  Grundlagen  der  Gäiungskunde" 
lediglich  möglich  war  durch  Ausnützung  der  erwähnten  l)eiden  Methoden,, 
der  Adhäsions-  und  Trüpfchenkultur. 

Die  Adhäsionskultur  bietet  die  Möglichkeit,  ganz  sporadisch  auf- 
tretende Keime  ohne  Mühe  von  den  anderen  abzusondern:  man  lässt 
einfach,  nachdem  diebetreffende  Stelle,  wo  der  seltene  Organismus  sich, 
befindet,  auf  der  Oberseite  des  Deckgläschens  markiert  ist,  die  Kultur 
durch  Abheben  des  Deckgläschens  vom  hohlen  Objektträger  leicht  ein- 
trocknen; an  der  markierten  Stelle  tupft  man  dann  den  Belag  mit  einer 
sterilen  Zeichenfeder  los,  am  besten,  so  lange  er  noch  sirupartige  Kon- 
sistenz hat.  Nun  kann  man  das  Material  in  Plattenkulturen  oder  Tröpfchen- 
kulturen weiter  zum  Wachsen  zu  bringen  suchen. 

Besonders  interessant  gestaltet  sich  die  Beobachtung  von  Amöben 
und  Infusionstierchen  in  den  dünnen  Flüssigkeitslamellen  am  Deckgläschen. 
Zu  bemerken  ist,  dass  die  1  »eckgläschen  hier  fettfrei  sein  müsen,  während 
sie  bei  der  Tröpfchenkultur  einen  Fetthauch  haben  müssen. 

Ich  darf  wohl  schliesslich  noch  daran  erinnern,  dass  die  Adhäsions- 
kultur in  der  freien  Natur  am  meisten  anzutreffen  ist,  so  an  allen 
Oberflächen  der  Felsen,  Bäume,  Sträucher,  der  Bodenpartikelchen  usw. 
Die  knappe  Nahrung  und  die  beständige  Eintrocknungsgefahr  sichern 
hier  auch  dem  schwachen  Organismus  die  Existenz  im  Konkurrenz- 
kampf mit  dem  starken.  In  den  Erscheinungen  der  .\dhäsions- 
kultur  am  Deckgläschen  spiegelt  sich  ziemlich  naturgetreu 
der  Kampf  da  draussen  in  den  feuchten  Belägen  der  Ober- 
flächen ab. 

Interessant  sind  hier  die  Veränderungen,  welche  die  mittleren  Zellen 
der  in  kreisförmigen  Scheiben  wachsenden  Kolonien  betreffen.  Es  sind 
■Hungererscheinungen,  die  sich  in  Vergrösserung  der  Vakuolen  und  der 
Zellen    und    in  dem  Schwinden   von  Plasmaglykogen  usw.  äussern.     In. 


-[Qg  P.  Lindner. 

■den  meisten  Fällen  tritt  auch  die  Sporenbildung  hier  sehr  schön  auf, 
wie  verschiedene  Bilder  aus  meinem  Atlas  zeigen. 

Das  Gegenstück  zur  Adhäsionskultur  in  bezug  auf  Lufteinfiuss  ist 
das  sogenannte  „Vaselinein Schlusspräparat".  Hier  ist  ebenfalls 
eine  ganz  dünne  Flüssigkeitsschicht  vorhanden,  aber  diese  ist  zwischen 
einem  flachen  Objektträger  und  einem  l'cckgläschen  eingesperrt  und 
ringsum  von  einem  Vaselinring  vor  dem  Luftzutritt  geschützt.  Ich  hatte 
mehrfach  diese  Methode  empfohlen,  z.  B.  zum  Nachweis  von  Sarcina  in 
Hefe.  Neuerdings  haben  Bethges  und  Heller  dieser  Methode  eine 
besondere  Empfindlichkeit  in  bezug  auf  Sarcinanachweis  nachgerühmt 
bei  Verwendung  von  kleistertrübem  Bier  als  Nährflüssigkeit.  Auch  diese 
Kulturmethode  besitzt  den  Vorzug,  dass  infolge  der  ungestörten  Ent- 
wickelung  die  auftretenden  Organismenkolonien  dichtgedrängt  bei  ein- 
ander bleiben,  oft  in  einem  Stammbaum,  dessen  Bild  die  Aufeinanderfolge 
der  Zellen  genau  wiederspiegelt.  Fast  ganz  niedergehalten  wird  die 
Entwickelung  der  aeroben  Keime,  während  die  anaeroben  auf  Kosten 
jener  begünstigt  wird,  indem  nämlich  die  aeroben  Keime  leicht  bei  Luft- 
abschluss  der  Selbstverdauung  anheimfallen. 

Da  das  Vaselineinschlusspräparat,  wie  die  Tröpfchenkultur,  eine 
gute  Beobachtung  von  Keimungsbildern  gestatten,  lassen  sie  sich  in 
allen  den  Fällen  nutzbar  machen,  wo  das  Keimungsbild  analytischen, 
diagnostischen  Wert  besitzt.  So  habe  ich  z.  B.  die  Tröpfchmikultur  als 
die  geeignetste  Methode  zum  Nachweis  von  Bierhefe  in  Presshefe  vor- 
geschlagen, von  der  Erfahrung  ausgehend,  dass  untergärige  Bierhefe 
(die  wegen  ihres  billigen  Preises  öfters  als  Beimischung  zu  der  wert- 
volleren Presshefe  benutzt  wird)  im  Gegensatz  zur  Presshefe  fast  nie  in 
sperrigen  Sprossverbänden  wächst. 

Henneberg  wendet  die  Tropf chenkultur  an  zur  schnellen  Ent- 
scheidung der  Frage,  ob  in  einer  Brennereimaische  oder  Würze  oder  in 
einer  Presshefe  den  normalen  Kulturmilchsäurebazillen  auch  in  mehr  oder 
weniger  grosser  Zahl  ,, wilde",  also  der  Gärung  schädliche  Milchsäure- 
bakterien beigemischt  sind 

Für  den  Gärungsphysiologen  ist  es  wichtig,  dass  er  im  Gärungs- 
betrieb vorgefundene  Organismen  möglichst  genau  charakterisiert.  Da, 
wo  die  makroskopische  und  mikroskopische  Betrachtung  ungenügende 
Anhaltspunkte  gibt  zur  Unterscheidung  gleichartig  aussehender  Kolonien, 
ist  die  physiologische  Gärmethode  im  hohlen  Objektträger  wohl 
das  genaueste  und  am  schnellsten  Entscheidung  bringende  Auskunftsmittel. 
Auf  diese  Methode  bin  ich  verfallen,  als  ich  seinerzeit  im  Zusammen- 
arbeiten mit  Emil  Fischer  in  den  Besitz  der  seltenen  und  teueren 
Zuckerarten  gelangte.     Es  war  mein  Wunsch,  möglichst  viel  Hefen  auf 


über  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Gärungsgewerbes       107 

ihr  Verhalten  gegen  diese  kostspieligen  Zuckerarten  zu  prüfen.  Die 
Lr>sung,  die  ich  dafür  gefunden  habe,  wird  an  Ehifachheit  nicht  über- 
troften  werden  können.  Ich  habe  in  Gemeinschaft  mit  einigen  Mitarbeitern, 
wie  Dennhardt,  Kownatzki,  über  3000  Gärversuche  mit  den  kleinen 
Zuckermengen  ausführen  können.  Wenn  Lafar  später  die  Methode  als 
K leingär meth od e  bezeichnete,  so  hat  er  damit  einen  treffenden  Aus- 
druck gefunden.  Durch  sie  wurde  z.  B.  der  wichtige  Nachweis  erbracht, 
dass  es  auch  Presshefen  gibt,  welche  Melibiose  vergären  können,  ent- 
gegen der  Bauschen  Angabe,  welche  vordem  bei  gerichtlichen  Ent- 
scheidungen eine  ausschlaggebende  Rolle  gespielt  hat. 

Für  die  Praxis  der  Gärungsgewerbe  ist  aber  nicht  die  Vergärbar- 
keit  des  vorhandenen  Zuckers  durch  die  Hefe  allein  massgebend.  Es 
kommt  auch  darauf  an,  wieviel  sie  davon  zum  Aufbau  ihrer  Zellsubstanz 
verwenden  kann.  Das  gleiche  gilt  in  bezug  auf  die  stickstoffhaltigen 
Stoffe  der  Würze.  Letzteres  Moment  ist  z.  B.  von  besonderer  Wichtig- 
keit dort,  wo  man  durch  Selbstverdauung  gewonnenen  Bierhefeextrakt 
bei  der  Erzeugung  von  Presshefe  mit  verwerten  will,  oder  als  Zusatz  zu 
Brennereimaischen.  Diesen  beiden  die  Assimilation  von  Kohleh^  draten 
und  stickstoffhaltigen  Körpern  betreffenden  Fragen  habe  ich  mich  in 
letzter  Zeit  zugewandt.  Resultate  liegen  bereits  vor  in  bezug  auf  die 
Verdaulichkeit  bzw.  xAssimilierbarkeit  der  Stoffwechselprodukte  der  Bierhefe, 
die  Professor  Kutscher  in  Marburg  uns  möglichst  rein  hergestellt  hat. 
Es  hat  sich  gezeigt,  dass  die  Kahmhefen  und  überhaupt  die  luftliebenden 
Hefen  sich  fast  alle  Abbauprodukte  der  Bierhefenautolyse  wieder  zunutze 
machen  können;  die  obergärigen  Bierhefen  sind  dagegen  am  wählerischsten: 
sie  assimilieren  nur  wenige  von  jenen  Stoifen.  Die  untergärigen  Bier- 
hefen und  die  wilden  Hefen  wachsen  auf  einer  grösseren  Zahl  jener 
Stoffe,  jedoch  mit  der  Abstufung,  dass  erstere  nur  wenig  kräftiges 
AVachstum,  letztere  dagegen  ein  sehr  gutes  Wachstum  ergeben. 

Die  genannten  Hefekategorien  bilden  nach  diesen  Versuchen  physio- 
logisch gut  gegeneinander  abgegrenzte  Gruppen  derart,  dass,  wenn 
zufällig  der  Vertreter  der  einen  sich  in  die  Versuchsanstellung  mit  den 
Vertretern  der  anderen  eingeschlichen  hat,  sofort  dieses  ausfällt. 

Bei  den  meisten  Kahmhefen  setzt  am  2.  bis  3.  Tage  schon  ein 
kräftiges  Wachstum  ein,  bei  einigen  erst  viel  später,  vielleicht  am  5.  bis 
■ö.  Tage;  jedoch  sind  dann  am  8. — 10.  Tage  die  Vegetationen  schon 
-ebenso  kräftig  wie  die  der  früh  angegangenen  Hefen.  Es  scheint  also 
erst  eine  Angewöhnung  an  die  betreffenden  Stoffe  oder  eine  enzymatische 
A''eränderung  derselben  vorausgehen  zu  müssen,  bevor  sie  zu  Plasma 
verarbeitet  werden  können. 

Über  die  Assimilation  verschiedener  Kohlehydrate  durch  die  Hefen  — 


][Qg  P.  Lindner. 

Beijerinck  hat  bereits  dementsprechonde  Versuche  mit  einer  geringeren 
Auswahl  von  Hefen  gemacht  —  werden  erst  kommende  Untersuchungen 
Aufschluss  geben.  Wichtiger  noch  als  das  Verhalten  gegen  die  Stoff- 
wechselprodukte der  Hefe  selbst,  wird  das  Studium  der  Hefen  in  bezug 
auf  die  Assimilation  der  Eiweissumsatzstoffe  der  Gerste  und  des 
Malzes  sein.  Hier  wird  jedoch  erst  abzuwarten  sein,  ob  die  Chemiker 
imstande  sind,  einwandfreies  Material  zu  liefern. 

Indem  icli  Ihnen,  meine  Herren,  einige  Assimila  tionskiilturen  in 
eingetrocknetem  Zustand  vorlege  —  die  Kulturen  sind  von  dem  Ober- 
assistenten meines  Laboratoriums,  Herrn  Dr.  Stockhausen,  angefertigt  — 
mache  ich  Sie  noch  aufmerksam  auf  eine  interessante  Erscheinung  beim 
Eintrocknen  solcher  Kulturen.  Sie  sehen,  dass  sich  überall  Kristalle 
ausgeschieden  haben:  nur  in  der  Umgebung  einiger  kräftiger  Hefevege- 
tationen fehlen  sie.  Wir  schliessen  daraus,  dass  hier  der  kristallisierende 
Stoff  von  der  Hefe  assimiliert  worden  ist. 

Beiläufig  lege  ich  Ihnen  eine  Stärkegelatineplatte  nach  Wijsmann 
vor,  die  mit  Malzauszug,  der  auf  verschieden  hohe  Temperaturen  erhitzt 
war,  betupft  worden  ist.  Da  wo  kein  durchsichtiges  Fenster  in  der 
trüben  Gelatine  mehr  entstanden,  hatte  der  betreffende  Tropfen  des 
erhitzten  Malzauszuges  keine  wirksame  E)iastase  mehr. 

Sie  haben  also  hier  die  einfachste  und  sicherste  Methode  vor  sich, 
um  die  Einwirkung  der  mehr  oder  weniger  schnellen  Temperatur- 
steigerung auf  die  Diastase  kennen  zu  lernen.  Indem  die  Platte  mit 
Jodlösung  am  Schluss  Übergossen  wurde,  kamen  die  durchsichtigen, 
durch  Verzuckenmg  der  Stärke  entstandenen  Fenster  deutlicher  zum 
Vorschein. 

Mit  einer  einfachen  Verwendung  des  Tuschpinsels  und  des  Gummi- 
fingers will  ich  Sie  zum  Schluss  meiner  Ausführungen  noch  bekannt 
machen.  Bei  der  Anlage  von  Plattenkulturen  ist  es  wichtig,  die  richtige 
Verdünnung  zu  treffen,  und  da  man  im  voraus  selten  eine  richtige 
Schätzung  machen  kann,  war  man  bislang  darauf  angewiesen,  mehrere 
Platten  zu  giessen.  Ich  benutze  nur  eine  Gelatineplatte  und  trage  mit 
Hilfe  eines  Tuschpinsel  6  —  8  —  10  Verdünnungen  darauf  auf.  Man  spart 
dabei  wesentlich  an  Arbeit,  an  Gelatine  und  Gelassen. 

Ein  überraschendes  Bild  dürfte  Ihnen  der  Anblick  einer  Anzahl 
Gärröhrchen  darbieten,  die  ich  hier  aufgestellt  habe  und  die  sämtlich 
mit  einem  Gummifinger,  wie  ihn  die  Ärzte  zum  Tuschieren  gebrauchen,, 
versehen  sind.  Es  handelt  sich  um  die  einfachste  Art  eines  Gärversuches 
bei  Abschluss  der  Luft. 

Hier  in  diesen  graduierten  Röhrchen,  die  genau  10  ccm  enthalten,, 
sind  verschiedene  Flüssigkeiten  eingefüllt  worden.    Der  Verschluss  geschah 


über  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Gärungsgewerbes.      109 

mit  Hilfe  der  vorher  in  heissera  Wasser  sterilisierten  und  durch  Drehen 
zwischen  den  Fingern  w^asser-  und  luftfrei  gemachten  Gummifinger.  Der 
äussere  Luftdruck  bewirkt,  dass  beim  Umkehren  des  Gläschens  der 
Gummifinger  völlig  zusammengeklappt  bleibt.  Nur  wenn  sich  Gas  im 
Röhrchen  entwickelt,  wird  ein  Teil  der  Flüssigkeit  in  den  Gummifinger 
nach  unten  gedrückt.  Die  in  diesem  Teil  der  Flüssigkeit  entstehende 
Gasmasse  steigt  unbehindert  hoch  und  vereinigt  sich  mit  der  Gasmasse 
unter  dem  geschlossenen  Rr)hrchenende.  Die  Menge  des  gebildeten  Gases 
kann  ohne  weiteres  abgelesen  werden. 

Mit  Hilfe  dieses  Apparates  kann  man  mit  Leichtigkeit  bestimmen, 
Avie  viel  Gas  sich  z.  B.  aus  2,5  g  Malzschrot,  das  mit  Wasser  auf 
10  ccm  aufgefüllt  ist.  bei  40°  C,  dem  Optimum  der  Buttersäuregärung, 
entwickelt.  Ich  führe  als  interessantes  Beispiel  an,  dass  in  einem 
Versuch  etwa  4(J  ccm  Gas  daraus  hervorgegangen  sind. 

Diesen  .\pparat  kann  man  benutzen  zur  Feststellung,  ob  eine  Hefe 
^lelitrioselösung  nur  zum  Teil  oder  ganz  vergärt  (Nachweis,  ob  eine  Hefe 
ol)ergärig  oder  untergärig),  ob  ein  Harn  Zucker  enthält,  ob  eine  bereits 
angestellte  Würze  schnell  oder  langsam  in  Gärung  kommt,  ob  die  Gärung 
bei  dieser  oder  jener  Temperatur  aufhört. 

Die  Apparate  beanspruchen  nur  ganz  geringen  Raum,  sie  können 
in  den  kleineren  Abteilungen  der  Thermostaten  in  grösserer  Zahl 
untergebracht  werden.  Sie  eignen  sich  vorzüglich,  um  beim  Unter- 
richt das  Gärungsphänomen  zu  erläutern,  indem  die  gesamte  ent- 
wickelte Gasmenge  zur  Anschauung  gebracht  wird. 

Inwieweit  diese  Methode  verlässliche  Resultate  geben  wird  beim 
Vergleich  der  Gärungsgeschwindigkeiten  in  verschiedenen^  mit  gleicher 
Hefenaussaat  versehenen  Würzen  oder  in  gleichen  mit  verschiedenen  Hefen 
angestellten  Würzen,  beim  Vergleich  des  Kohlensäuregehaltes  verschiedener 
Biere,    das  wird    erst  noch  durch  genauere  Versuche   zu  ermitteln  sein. 

Obwohl  nicht  ganz  zum  Thema  gehörig,  möchte  ich  doch  nicht 
verabsäumen,  in  Rücksicht  auf  die  Herren  von  der  Samenkontrolle,  zum 
Schluss  einer  Methode  Erwähnung  zu  tun,  die  uns  leicht  über  den 
Ei  weiss  geh  alt  der  Braugerste  —  für  andere  Körnerfrüchte  ist  die 
Alethode  jedenfalls  auch  gangbar  —  orientiert. 

Sie  sehen  hier  auf  Kartonpapier,  in  gleich  grosse  Bleistiftkreise 
aufgetragen,  je  0,2  g  Gerstenmehl,  das  vorher  mit  der  Pap penhoim sehen 
Triacidlösung  in  wässeriger  Lösung  gefärbt  und  nachher  vom  Überschuss 
der  Farbe  durch  Wässern  befreit  worden  ist. 

Je  mehr  Eiweissstoffe,  je  intensiver  die  Färbung  des  durch  Zentri- 
fugieren  aus  der  Flüssigkeit  wiedererhaltenen  Mehles,  Schon  in  den 
Zentrifugiergläschen    kann    man   die    unterschiedliche  Farbaufnahme  der 


IIQ  r.  Lindner. 

verschiedenen  eiweissreichen  Gerstenmehle  erkennen.  Indem  man  jedoch 
die  ausgeschleuderte  Masse,  mit  wenig  Wasser  aufgerührt,  auf  Karton- 
papier ausbreitet  und  daselbst  eintrocknen  lässt,  bekommt  man  einen 
besseren  Überblick.  In  20 — 30  Minuten  ist  es  möglich,  vier  Gersten  in 
bezug  auf  Eiweissgehalt  vergleichend  zu  prüfen. 

Wie  ich  erfahren  habe,  gibt  es  Aufkäufer  von  Braugersten,  die, 
mit  Seckmühle,  Zentrifuge  und  Triacidlösung  ausgerüstet,  die  Märkte 
besuchen  und  die  angebotene  Ware  sogleich  mittelst  der  Triacidmethode 
prüfen.     Auch  Malzfabriken  und  Brauereien  bedienen  sich  derselben. 

Ich  will  aber  gleich  betonen,  dass  die  Anwendung  dieser  Methode 
schnelles  und  gewandtes  Arbeiten  voraussetzt.  Wer  darin  nicht  beschlagen 
ist,  der  wird  wenig  Freude  an  der  Methode  erleben. 

Dass  auch  schon  anatomische  Verschiedenheiten  bei  verschieden 
eiweissreichen  Gersten  zutage  treten,  darüber  werden  Sie  belehrt  durch 
gelungene  Photogramme  von  Gerstenschnitten,  die  Herr  Lauck  in  meinem 
Laboratorium  angefertigt  hat  und  die  Ihnen  z.  B.  zeigen,  dass  eine  Gerste 
mit  19  "/q  Eiweiss  sowohl  eine  dickere  Aleuronschicht  aufweist  und  auch 
mehr  Reserveeiweiss  unterhalb  derselben  gespeichert  hat,  als  eine  solche 
mit  9  "/o  Eiweiss. 

Die  umständliche  Präparation  der  Körner  —  Einbetten  in  Paraffin 
usw.  —  und  die  Kostspieligkeit  eines  guten  Mikrotoms  lassen  allerdings 
eine  praktische  Verwendung  dieser  Methode  der  Orientierung  über  den 
Eiweissgehalt  nicht  zu.  Es  ist  jedoch  nicht  ausgeschlossen,  dass  bei 
geschickter  Handhabung  des  Rasiermessers  schon  Schnitte  aus  freier 
Hand  brauchbare  Bilder  geben,  aus  denen  die  Beschaffenheit  der  Aleuron- 
schicht und  der  Reserveeiweissschicht  ersichtlich  ist.  Diese  Schnitt- 
diagnosen haben  nur  den  grossen  Nachteil,  dass  sie  eben  nur  für  ein 
Korn  und  für  den  betreffenden  Schnitt  Geltung  haben,  und  dass  bei  der 
Auswahl  eines  nicht  typischen  Kornes  von  der  betreffenden  Probe  leicht 
ein   ganz   falscher  Schluss   auf   die  Gesamtprobe   gezogen  werden   kann. 

Viele  Schnitte  von  vielen  Kiirnern  zu  machen,  ist  aber  sehr  um- 
ständlich und  ohne  Zuhilfenahme  der  Photographie  oder  von  Messungen 
ist  auch  ein  Vergleich  der  einzelnen  Schnitte  untereinander  zu  sehr  von 
der  subjektiven  Anschauung  abhängig. 

Ich  bin  am  Schluss  meiner  Darlegungen  angelangt.  Sie  werden 
denselben  haben  entnehmen  können,  dass  gerade  auf  dem  Gebiete  der 
Gärung  die  Botanik  ein  dankbares  Feld  der  praktischen  Betätigung 
gefunden  hat.  Der  Einfluss  auf  die  Praxis  ist  insbesondere  dadurch  ein 
so  ausgedehnter  geworden,  weil  nicht  der  Botaniker  allein  die  biologischen 
Methoden  der  Betriebskontrolle  ausübt,  sondern  auch  ein  grosser  Teil  der 
Praktiker  selbst. 


•  über  einige  neuere  biologische  Methoden  im  Dienste  d.  Gärnngsgewerbes.      HX 

Diesem  Umstand  ist  es  aber  mit  zuzuschreiben,  dass  der  Gärungs- 
praktiker  wohl  denjenigen  Laienstand  repräsentiert,  der  mit  am  meisten 
von  der  Welt  des  Mikroskopes  Einsicht  genommen  hat  und  über  das 
Leben  der  Mikroben  Bescheid  weiss. 

Die  Gärungspraktiker  bilden  eine  überaus  gute  Kundschaft  für  die 
optischen  Werkstätten,  und  man  kann  wohl  sagen,  dass  grosse  Kapitalien 
bereits  für  Mikroskope  von  Brauereien,  Brennereien  und  Presshefen- 
fabriken aufgewendet  worden  sind. 

Es  kann  nur  gewünscht  werden,  dass  auch  in  der  Land-  und  Forstwirt- 
schaft vom  Laienelement  in  gleich  rühriger  Weise  vom  Mikroskop  Gebrauch 
gemacht  wird,  wie  in  der  Gärungstechnik.  Je  mehr  dies  geschieht,  je 
grösser  wird  auch  die  Wertschätzung  der  Botanik  als  angewandter 
Wissenscliaft  zunehmen. 


112  T.  Johnson. 


Der  Kartoffe Ischorf  Spongospora  Solan i  Brunch. 

Von 

T.  Johnson-Dublin. 

(Mit  einer  Tafel.i 

Es  gibt  viele  Leute,  welche  glauben,  dass  die  Einführung  der  Kar- 
toffel in  Irland  durch  Sir  Walter  Raleigh  vor  mehr  als  300  Jahren 
kein  ungetrübter  Segen  gewesen  sei.  E)ie  Hungersnot  in  Irland  im  Jahre 
1845  wurde  infolge  des  Ausfalles  der  Kartoffelernte  verursacht.  Je 
ärmer  die  Leute,  desto  öfter  war  die  Kartoffel  beinahe  die  einzige  Quelle 
ihrer  Nahrung.  Wie  wohl  allgemein  bekannt,  war  der  Pilz  Phi/tophthora 
infestans  die  Ursache  des  Fehlschlagens.  Während  der  letzten  Wochen 
haben  nun  einige  Zeitungen  angekündigt,  dass  es  in  diesem  Jahre  wegen 
des  nassen  Wetters  besonders  in  den  westlichen  Gegenden  Irlands 
wiederum  eine  Fehlernte  geben  wird,  und  sie  haben  die  Regierung  um 
Unterstützung  („Government  Relief")  angegangen.  Das  Wetter  ist  im 
Jahre  1905  günstig  gewesen,  und  infolgedessen  ist  in  diesem  Jahre  (1906) 
das  Spritzen  mit  Bordeauxbrühe  sehr  vernachlässigt  worden.  Jedes  Jahr 
kann  man  um  Mitte  oder  Ende  Juli  Kartoffelfelder  sehen,  auf  denen  die 
Pflanzen  schon  ganz  verdorrt  sind.  Obwohl  unter  günstigen  Be- 
dingungen der  Ertrag  100  000  kg  pro  Hektar  (d.  h.  20  oder  mehr  tons 
per  acre)  ist,  so  betrug  in  diesem  -lahre  (1906)  die  allgemeine  Ernte 
•ein  Fünftel  oder  weniger. 

Einige  Ursachen  der  niedrigen  Ernte  mögen  hier  erwähnt  werden: 

1.  Kulturfehler,  z.  B.  Kartoffeln  und  Hafer  werden  Jahr  um  Jahr 
in  einigen  Gegenden  abwechselnd  gebaut  ohne  Beigabe  der 
nötigen  Düngung; 

2.  es  wird  kranke  Saat  verwandt,  welche  die  Bauern  von  ihren 
eigenen  Ernten  aufbewahren: 

3.  die  Bespritzung  wird  vernachlässigt. 

Krankheiten  der  einen  oder  anderen  Art  nehmen  hierdurch  über- 
hand. Die  durch  PhyfopJifJ/ora  infestans  verursachte  Krankheit,  genannt 
Blattbrand  (,.Leaf-Blight"),  ist  von  den  Bauern  am  meisten  gefürchtet, 
vielfach  kommt  aber  diese  Furcht  zu  spät.  Höchstwahrscheinlich  ist  der 
Gelbbrand  („Yellow-Blight")  ebenso  gefährlich  wie  der  Blattbrand.  Der 
Namen  Gelbbrand  ist  den  Fällen  beigelegt,  wo  die  Blätter  wegen  der 
Unterbrechung  der  Nahrungszuleitung  von  den  Wurzeln  nach  den  Blättern 
frühzeitig  gelb  werden.  Dieses  Verstopfen  der  Leitungsbahnen  hat  ver- 
schiedene Erreger.  Sclerotinia  {Peziza)  sclerotiorum  wird  gegenwärtig 
in    vielen   Fällen  als  wirkliche  Ursache   des  Gelbbrandes   angesehen;    in 


Der  Kartoffelschorf.  113 

anderen  Fällen  ist  sie  nur  als  Begleitung,  d.  h.  als  Saprophyt,  nicht  als 
echter  Parasit  vorhanden.  Verschiedene  Arten  von  Bakterien  können 
gleichfalls  Gelbbrand  verursachen.  Keine  Art  ist  schädlicher  als  Bacillus 
pJnjtoi)htJiorus  Appel. 

Eine  weitere  Plage,  die  vielen  Verlust  verursacht,  ist  Sporidesmium 
Solani  varians  Vanha,  der  Erreger  der  „Blatt dürre"  oder  „Braun- 
f leckigkeit".  Beiläufig  möchte  ich  hier  erwähnen,  dass  die  Phoma 
solanicola  von  Prillieux  und  Delacroix  das  Pyknidenstadium  des 
Sporidesmium  zu  sein  scheint. 

Viele  dieser  Krankheiten  werden  bei  uns  in  Irland  nicht  genügend 
beachtet,  noch  weniger  bekannt  aber  sind  die  Schorfkrankheiten. 
Laudwirte  haben  mir  oft  gesagt,  der  Schorf  tue  der  Kartoffel  nichts  — 
je  schorfiger  die  Kartoffel  desto  mehlreicher.  Wie  weit  der  Schorf  die 
Ernte  erniedrigt,  ist  noch  nicht  bestimmt.  Rhizoctonia  Solani  oder, 
wie  sie  jetzt  nach  den  Untersuchungen  von  Rolfs  und  GLissow  genannt 
werden  muss,  Corticium  vagmn  B.  et  C.  var.  Solani  Burt.  mit  seinen 
oberflächlich  sitzenden  Sklerotien  ist  die  verbreitetste  Art  und  kommt  häufig 
auf  den  Häuten  der  ungeschälten  Knollen  mit  auf  den  Tisch.  Ein  weiterer 
verbreiteter  Urheber  des  Schorfes  ist  anscheinend  Phellomyces  sclerotio- 
pJiorus  Frank.  Appel  hat  kürzlich  gezeigt,  dass  dieser  Pilz  das 
sterile  Stadium  von  Spond/jlocladimn  atrovirens  Harz  ist.  Gelegent- 
lich hatte  mein  Assistent  das  Konidienstadium  eines  mir  unbekannten 
Pilzes  gezeichnet;  erst  aus  der  Arbeit  von  Appel  und  Laubert  habe 
ich  ersehen,  dass  dieser  Pilz  8.  atrovirens  war.  Seitdem  habe  ich  dasselbe 
Stadium  einigemal  —  einmal  auch  in  England  —  in  diesem  Jahre  beobachtet. 

Vor  zwei  Jahren  hat  ein  Beamter  unserer  Regierungsabteilung  mir 
einige  schorfige  Kartoffelknollen  gebracht.  Sie  zeigten  leichte  Ver- 
tiefungen, deren  Oberfläche  mit  Körnchen,  die  wie  Sandkörner  aussahen, 
bedeckt  war.  Die  mikroskopische  Untersuchung  bewies,  dass  die  Ursache 
der  Pilz  Spongospora  Solani  war,  der  von  Brunc hörst  im  Jahre  1S86 
entdeckt  und  beschrieben  worden  ist.  Diese  Art  des  Grindes  ist  oder 
war  sehr  gemein  in  Norwegen  und  Brunchorst  nahm  an,  dass  S.  Solani 
der  gewöhnUche  Erzeuger  des  Schorfes  überall  wäre.  Doch  ist  S.  Solani 
sehr  selten  zu  tretfen.  Seit  ihrer  Entdeckung  ist  sie  ausserhalb  Nor- 
wegens nur  einige  Male  in  Deutschland  und  jetzt  in  Irland  beobachtet 
worden.  Wegen  seiner  Seltenheit  war  Frank  geneigt,  den  Pilz  als  einen 
nördlichen  Typus  zu  betrachten.  Es  erscheint  zweifellos,  dass  S.  Solani 
der  Kartoffel kultur  ausser  in  Norwegen  wenig  Verluste  verursacht.  Jedoch 
ist  der  Pilz  von  beträchtlichem  biologischen  Interesse.  Er  gehört,  wie 
bereits  Brunchorst  testgestellt  hat,  zur  Gruppe  der  Myxomyceten  oder 
Mycetozoen  und  ist  in  vielen  Beziehungen  der  Plasmodiopliora  ähnlich 

Jaliiesteiicht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  8 


114  T.  Johnson. 

Das  Aussehen  der  kranken  Knolle  (Fig.  1)  ist  von  Brun- 
•chorst  vollständig  beschrieben  und  abgebildet  worden.  Die  Haut  der 
Knolle  zeigt  Knoten,  die  zuerst  ganz  glatt  sind,  dann  rauh  und  brüchig 
werden,  indem  die  Haut  von  dem  gesunden  Gewebe  der  Knolle  losgelöst 
und  das  kranke  Gewebe  blossgelegt  wird.  Der  Parasit  greift  fort- 
schreitend das  Knollenfleisch  an,  und  der  ursprüngliche  Knoten  wird 
eine  kraterförmige  Vertiefung,  Die  von  Brunchorst  beschriebenen  Kork- 
schichten, wodurch  die  Knolle  sich  gegen  den  Feind  zu  schützen  sucht, 
habe  ich  nicht  beobachtet. 

Das  Mikroskop  zeigt,  dass  die  schon  erwähnten  Körnchen  Sporen - 
balle  sind.  Sie  stellen  das  Fruchtstadium  der  Spongospora  dar.  Jeder 
Ball  besteht  aus  einer  grossen  Anzahl  eckiger  Sporen,  die  3,5  /tt  im 
Durchschnitt  gross  sind.  Der  Ball  ist  nicht  hohl,  sondern  wie  ein 
Waschschwamm;  die  Sporen  sind  darin  in  Reihen  angeordnet,  die  zwischen 
sich  Löcher  lassen.  Die  Bälle  stellen  also  durchlöcherte  Kugeln  dar, 
deren  Oberfläche  und  Substanz  ein  Netz-  oder  Balkenwerk  ist;  die  Balken 
sind  die  Sporen  und  zwischen  den  Sporen  sind  Hohlräume.  So  sind 
diese  Sporenbälle  eine  von  Kanälen  durchbohrte  Sporenmasse,  die  Kanäle 
stehen  miteinander  in  Verbindung  und  reichen  bis  an  die  Oberfläche  der 
Kugel.  Bei  der  Reife  liegen  die  Sporenbälle  frei  wie  Sandkörner  auf 
der  Oberfläche  der  Vertiefung  oder  der  anfänglichen  Erhöhung. 

Brunchorst  versuchte,  die  Struktur  der  Sporen  und  ihre  weitere 
Entwickelung  zu  beobachten.  Mit  Hilfe  von  Färbungen  hat  er  einen 
stärker  als  der  übrige  Inhalt  gefärbten  Punkt  gesehen,  den  er  als  Zell- 
kern betrachtet.  Eine  Keimung  der  Sporen  konnte  er  nicht  beobachten, 
obwohl  er  diese  auf  viele  Weise  hervorzurufen  versuchte.  Ich  selbst 
habe  mir  auch  viele  Mühe  gegeben,  die  Struktur  und  Keimung  der 
Sporen  zu  studieren.  Den  besten  Erfolg  habe  ich  gewonnen  durch 
Färbung  mit  „Baumwollenblau"  und  Milchsäure,  wie  sie  mir  von  M. 
Delacroix  für  einen  anderen  Zweck  empfohlen  worden  war.  Bei  An- 
wendung dieses  Färbemittels  wies  der  Inhalt  der  Sporen  drei  dunkle 
Punkte  auf,  und  es  scheint  mir  daher,  dass  die  Sporen  vielleicht  viel- 
kernig sind.  Der  Gebrauch  dieses  Reagens  bewirkt  den  Tod  des  Mate- 
rials. Ich  habe  jedoch  auch  frisches  Material  untersucht  und  Kulturen 
von  Sporenbällen,  von  Teilen  der  Bälle  und  von  Schnitten  der  frischen 
erkrankten  Knolle  gemacht.  Die  Kartoffelgelatine,  die  von  Appel  emp- 
fohlen wird,  hat  sich  dabei  vortrefflich  bewährt.  Oft  habe  ich  die  Wände 
der  Sporen  durchbohrt  gesehen,  die  Sporen  leer  und  die  Bälle  in  dem 
Prozess  der  Auflösung.  Gelegentlich  habe  ich  beobachtet,  dass  die 
Wand  einer  Spore  durchlöchert  war,  und  in  der  Spore  zwei  oder  drei  leb- 
haft sich  bewegende  Körper  vorhanden  waren,  die  vielleicht  als  Schwärm- 


Der  Kartoffelschorf.  1^15 

sporen,  kaum  aber  als  eingedrungene  Fremdkörper  zu  betrachten  sind. 
Die  Petrischalen-Kulturen  von  Sporenbällen  waren  sehr  interessant.  Es 
gdlang  mir,  eine  Anzahl  von  Sporenbällen  zu  erzeugen,  und  ich  habe  oft 
in  den  Kulturen  anscheinend  Plasmodien  gesehen,  aber  es  gelang  mir  nicht, 
die  Verbindungsglieder  mit  Sicherheit  zu  gewinnen.  Grösseren  Erfolg  habe 
ich  bei  der  Kultur  der  Schnitte  aus  der  frischen  erkrankten  Knolle  ge- 
habt. Hier  konnte  man  die  Bildung  der  Bälle  und  zu  derselben  Zeit  den 
Fortgang  der  Krankheit  in  der  Knolle  verfolgen. 

Auf  der  nackten  Oberfläche  der  Knolle,  d.  h.  der  Oberfläche  des 
Kraukheitsfleckes,  haben  die  Zellen  der  Knolle  ihre  Identität  verloren 
und  werden  von  den  lockeren  Sporenbällen  eingenommen. 

Tiefer  nach  innen  sind  die  Wirtszellen  noch  erkennbar  (Fig.  2). 
Sie  verlieren  oder  haben  schon  ihre  Stärkekörner  verloren  und  sind  von 
einem  oder  mehreren  Bällen  mehr  oder  weniger  vollkommen  erfüllt 
(Fig.  3).  In  dieser  Gegend  zeigen  die  Bälle  ihre  Sporen  nicht  deutUch. 
In  noch  tieferen  Schichten  sind  die  Stärkekörner  verschwunden,  und  das 
Protoplasma  in  der  Wirtszelle  ist  mit  Vakuolen  erfüllt,  köi-nig  und  ganz 
einem  Plasmodium  ähnlich.  Es  glückte  mir,  einen  solchen  Körper  in 
amöboider  Bewegung  zu  sehen  (Fig.  4). 

Ich  bin  mit  Brunc hörst  überzeugt,  dass  SpoJigospora  ein  echter 
Myxomycet  ist. 

Noch  eine  Kultur  habe  ich  gemacht.  Im  April  1905  wurde  ein 
Stück  einer  erkrankten  Knolle  ausgepflanzt,  daraus  entstand  eine  kleine 
neue  schorfige  Knolle,  die  bei  der  Untersuchung  die  Bälle  der  Spongo- 
spora  aufwies.  Es  überraschte  mich  dies  nicht,  weil  das  Originalmaterial 
auch  auf  einem  Rhizomzweig  eine  Schorfstelle  hatte  (Fig.  5). 

Es  war  meine  Hoffnung,  die  Art  des  Durchganges  des  Pilzes  von 
Zelle  zu  Zelle  studieren  und  viele  andere  Lücken  in  unserer  Kenntnis 
dieses  interessanten  Pilzes  ausfüllen  zu  können,  aber  bei  der  Rückkehr  von 
meinen  Ferien  im  Herbst  1905  fand  ich,  dass  das  ganze  frische  Material 
während  der  Reinigung  meines  Arbeitszimmers  unglücklicherweise  weg- 
geworfen worden  war. 

Figurenerklärung    der    Tafel  III. 
Figur  1     Schorfige  Kartoffelknolle  mit  zwei  Flecken. 
Figur  2.    Querschnitt  eines  schorfigen  Fleckes  einer  Knolle, 
a  Erhöhung  voll  von  Sporenbällen. 

In  der  Richtung  der  Linie  b  c  entsteht  später  eine  Vertiefung. 
Figur  3.    Mikrophotographie    eines    Querschnittes    durch    die    Schorfstelle,    die 
Sporenbälle    und    die  Tiefe    ihres  Eindringens  in  die  Knolle  zeigend. 
Figur  4.    Vier  Stadien  desselben  Plasmodiums  je  nach  einer  Minute  Zwischenzeit. 
Figur  5.    Schorfige  Knolle  in  Verbindung  mit  schorfigem  Rhizomzweig. 

8* 


IIQ  W.  H.  Schramm. 


Zur  Holzvergilbung. 

Von 
W.  H.  Schramm,  Graz. 

Angeregt  durch  die  Lehrtätigkeit  in  den  Kursen  für  Holzfärberei 
des  steiermärkischen  Gewerbeförderungsinstitutes  in  Graz  wurden  von 
A.  Jungl  und  mir  in  den  Jahren  1903  bis  1905  umfangreiche  Versuchs- 
reihen hauptsäclilich  zu  dem  Zwecke  durchgeführt,  Methoden  zur  sicheren 
Herstellung  lichtechter  Holzfärbungen  zu  ermitteln.  Hierbei  wurde  unsere 
Aufmerksamkeit  wiederholt  auf  die  Erscheinung  gelenkt,  dass  auch 
ungefärbte  Hölzer  im  Licht  zum  Teil  recht  stark  ihre  Farbe  veränderten, 
und  wir  waren  schliesslich  genötigt,  dieser  Erscheinung,  soweit  sie 
technische  Bedeutung  für  die  Holzfärberei  oder  überhaupt  für  die  Ver- 
wendung der  Hölzer  zu  gewerblichen  oder  technischen  Zwecken  hatte, 
nachzugehen.  Über  diesen  Teil  unserer  Versuche  haben  Jungl  und  ich 
in   der   Zeitschrift    „'Die  Innendekoration"  ')  ausführlich  Bericht  erstattet. 

Nun  schien  mir  aber  diese  Parbenveränderung  der  Hrdzer  im 
Lichte  auch  an  und  für  sich  einiges  Interesse  zu  verdienen,  mindestens  hatte 
ich  die  Anregung  zu  geben,  ihr  bei  der  Schilderung  der  Farbe  der  Hölzer 
in  Zukunft  vermehrte  Aufmerksamkeit  zu  widmen.  Ich  glaubte  dies 
am  besten  dadurch  erreichen  zu  können,  wenn  ich  mich  bemühte,  durch 
weitere  Beobachtungen  und  Versuche  wenn  milglich  einige  Kenntnis  von 
den  chemischen  Vorgängen,  die  hierbei  in  Betracht  kommen,  zu  erlangen. 
Auch  hoffte  ich  durch  derartige  Untersuchungen  einen  Standpunkt  ge- 
winnen zu  können,  der  vielleicht  irgend  einen  Ausblick  zur  Theorie  des 
Bleichens  nicht  nur  der  Hölzer  ergeben  möchte.  Zur  Vornahme  weiterer 
Versuche  stand  mir  das  in  Gemeinschaft  mit  Jungl  allerdings  zu  anderen 
Zwecken  hergestellte  Versuchsmaterial  zur  Verfügung.  Jungl  und  ich 
hatten  dreizehn,  meist  europäische  Holzarten  auf  ihr  Verhalten  bei  Be- 
strahlung durch  Sonnenlicht  geprüft.  Diese  Belichtungsversuche  wurden 
genau  nach  der  von  mir  vergeschlagenen  Methode  zur  Prüfung  der 
Lichtechtheit    von  Holzfärbungen    ausgeführt.^)     Es    mag  hier   wohl  die 


')  Verlag  von  Alexandgi"  Koch,  Darmstadt.     Juliheft  190(5  u.  f. 
2j  W.  Schramm,  Das  Färben  des  Holzes  in  alter  und  neuer  Zeit.     Graz 
1904,  S.  27  lind  28. 


Zur  Holzversilbuno;. 


117 


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118 


W.  H.  Schramm. 


Angabe  genügen,  dass  die  Hcilzer  durch  Glasbedeckung  —  sie  standen  im 
Innenraum  eines  nach  Südsüdwest  gerichteten  Doppelfensters  —  vor  dem 
Einfhiss  der  Witterung  geschützt  waren.  Die  Farbenveränderung  der 
Hölzer  ist  aus  der  umstehenden,  von  mir  und  Jungl  zusammengestellten 
Tabelle  1  zu  ersehen.  Die  Brettchen  waren  vorlier  frisch  gehobelt  und 
nass  mit  Bimstein  geschliffen  worden.  Nach  dem  Trocknen  wurde  jedes 
Brettchen  in  vier  Teile  geteilt   und  je  ein  Teil   im  Dunkeln  aufbewahrt. 

Tabelle  2. 
Abschnitte  je  eines  Brettchens  aus  Hölzern  der  in  der  Tabelle  1 
angegebenen  Stammpflanzen  wurden  durch  zehn  Tage  der  Einwirkung 
einer  ammoniakalischen  Wasserstoffsuperoxydlösung  ausgesetzt.  L>iese 
Lösung  war  durch  Zusammengiessen  von  1750  ccm  einer  käufüchen 
Wasserstoffsuperoxydlösung,  die  sch-wach  sauer  reagierte  und  nach  einer 
Bestimmung  mittelst  Chamäleonlösung  2 ''/o  Wasserstoffsuperoxyd  enthielt, 
und  25.6  ccm  Ammoniak  (spez.  Gewicht  =  0,91)  hergestellt  worden.') 
Der  bei  den  einzelnen  Hölzern  sehr  verschiedene  Erfolg  des  Bleich- 
prozesses ist   aus   der  nachfolgenden  Tabelle  zu  ersehen. 


Ungebleichte  Hölzer 

Name  des  Holzes 

Farbe  nach  erfolgter  Bleiche 

nach  ihrer  Farbtiefe 
geordnet 

Ahorn 

Viel   heller  geworden,   gelblich- 
weiss 

Ahorn 

Birnbaum 

Fast  wie  vorher 

Fichte 

Fichte 

Sehr  wenig  lichter  geworden 

Weisserle 

Linde 

Viel  heller  geworden,  Gelbstich 

Linde 

Rotbuche 

Viel  heller  geworden,  Gelbstich 

Rotbuche 

Weisserle 

Viel  heller  geworden,  Gelbstich 

Esche 

Esche 

Sehr  viel  heller  geworden,  sehr 
hell  bräunlichgelb 

Vogelkirsche,  Kern 

LTlme  (Rüsten,  Kern 

Sehr  viel  heller  geworden,  sehr 
hell  bräunlichgelb 

Birnbaum 

Eiche,  Kern 

Wenig  heller  geworden 

Eiche,  Kern 

Vogelkirsche,  Kern 

Wenig  heller  geworden 

Ulme  (Rüster)  Kern 

Amerikanischer  Nuss- 

Viel  heller  geworden,  sehr  hell- 

Nussbaum, Kern 

baum,  Kern 

braun 

Nussbaum,  Kern 

Viel  heller  geworden,  sehr  hell- 

Mahagoni 

Mahagoni 

braun 

Viel  heller  geworden 

Amerikanischer    Nuss- 
baum, Kern 

1)  Zu    vergleichen  ist:  P.  Ebell,  Das  Wasserstoffsuperoxyd  als  Bleich- 
mittel für  Holz.     (Chemikerztg.  XI.  1530.  7./12.  87.  —  Ch.  C.  1888,  S.  352.) 


Zur  Holzvergilbung.  ][19 

Die  Hölzer  sind  darin  nach  ihrer  Helligkeit  nach  erfolgter  Bleiche, 
mit  dem  hellsten  beginnend,  geordnet.  Zum  Vergleich  diene  die  da- 
neben gestellte,  im  gleichen  Sinne  ausgeführte  Anordnung  der  unge- 
bleichten Hölzer. 

Tabelle  8  (s.  S.   120—123). 

Es  wurden  gleichzeitig  die  g  e  b  1  e  ic  h  t  e  n  und  u  n  g  e  b  1  e  i  c  h  t  e  n  H  o  1  z  - 
abschnitte  der  Belichtung  ausgesetzt.  Leider  waren  die  Brettchen 
etwas  voreilig  einer  Oberflächenbehandlung  ausgesetzt  worden,  indem  sie 
mit  einer  Auflösung  von  Schellack  in  95°/o  Weingeist  und  dann  mit  sehr 
wenig  weissem  Wachs  bestrichen  worden  waren.  Die  Farben  erscheinen 
infolgedessen  etwas  tiefer,  als  bei  den  unbestrichenen  Hölzern,  doch 
nähern  sie  sich  den  Farben  derselben  weit  mehr,  als  den  viel  tieferen 
Farben  polierter  Hölzer.  Die  Lichtwirkung  wird  durch  diese  sehr  dihmen 
Überzugsschichten  von  höchstens  0,01 — 0,02  mm  L)icke  nicht  merklich 
vermindert,  wie  Jungl  und  ich  nachgewiesen  haben.')  l)ie  Farben- 
veränderungen der  Überzugsschichten  selbst  sind  zu  gering,  als  dass  sie 
in  Betracht  gezogen  werden  miissten. 

Die  Behchtungszeit  war  in  den  Monaten  von  August  1904  bis  Februar 
1905.  Die  ersten  26  Tage  entsprachen,  da  sie  fast  alle  heiter  und 
heiss  waren,  in  ihrer  Wirkung,  beurteilt  nach  dem  Ausbleichen  von 
Typenfärbungen  (Standardfärbungen),  42  Tagen  im  Juli  und  August 
1904.  Die  letzten  148  Tage  waren  in  ihrer  Lichtwirkung  etwa  ein- 
und  einhalbmal  so  stark,  als  die  ersten  26  Tage. 

Die  geschilderten  Farben  Veränderungen  lassen  sich  im  allgemeinen 
auf  zwei  deutlich  unterscheidbare  Vorgänge  zurückführen,  die  häufig 
gleichzeitig  vor  sich  gehen:  1.  auf  eine  Änderung  der  den  einzelnen 
Hölzern  eigentümlichen  Farbtöne,  auf  ein  Umschlagen,  Verblassen  oder 
auf  eine  Erhöhung  derselben,  besonders  deutlich  erkennbar  ist  das  z.  B. 
an  Mahagoni-  und  amerikanischem  Nussholz  (die  raschen  Farbenver- 
änderimgen  auf  den  frischen  Schnittflächen  einiger  Farbhölzer  gehören 
indessen  wohl  nicht  hierher),  2.  auf  das  Auftreten  von  bräunhch- 
gelben,  gelb-  bis  rötUchbraunen,  manchmal  schön  gelbbraunen  Färbungen. 
Da  der  zweite  Vorgang  meistens  überwiegt  und  namentlich  bei  langer 
Behchtung  stark  hervortritt,  habe  ich  die  geschilderte  Art  der  Farben- 
veränderungen  der  Hölzer  im  Lichte  Holzvergilbung  genannt.     Damit 


M  W.  H.  Schramm  und  A.  Jungl,  Über  die  Dicke  von  Färb-  und  Politur- 
schichten bei  oberflächlich  gefärbtem  und  poliertem  Holz.  (Technologische 
Mitteilungen  des  Bayerischen  Gewerbemuseums  in  Nürnberg,  1906,  No.  13.) 

Dieselben,  Über  den  Schutz  von  Holzfärbungen  durch  Politur-  oder- 
Wachsschichten.     (Innendekoration  1906,  Aprilheft.) 


120 


W.  IT.  Schramm. 


Name  des  Holzes  und 

Tabelle  3:  Farbe  oder 

Behandlang  desselben 

nach  1  Tag 

nach  :5  Tagen 

nach  5  Tagen 

Fichte 

l  nverändert 

L  nverändert 

Sehr     wenig     dunkler 
gegen  braungelb 

Fichte,  gebleicht 

— 

Merklich  dunkler  gegen 
braiiu 

Ahorn 

Unverändert 

Kaum    merklich  ■  Merklich  dunkler  gegen 

dunkler 

braun 

Ahorn,  gebleicht 

Sehr     wenig     dunkler 
gegen  braun 

Weisserle 

Kaum       merk- 

Sehr wenig  ge- 

Sehr    wenig      gegen 

barer  Graustich 

gen  graubraun 

braun 

Weisserle,  gebleicht 

— 

Kaum          merklicher 
Braunstich 

Amerikanischer   Nuss- 

Etwas  dunkler 

Dunkler,      mehr 

Viel     dunkler     gegen 

baum,  Kern 

gegen  braun 

braun 

Amerikanischer    Nuss- 

— 

— 

Viel     dunkler     gegen 

baiim,Kern,  gebleicht 

braun 

Eiche,  Kern 

L^nverändert 

Kaum       merk- 

Kaum merklich  gegen 

licher    Braun- 

braungelb 

stich 

Eiche,  Kern,  gebleicht 

— 

— 

Sehr     wenig     gegen 
graubraun 

Esche 

Kaum       merk- 

Kaum      merk- 

Kaum       merklicher 

licher  Graustich 

licher    Braun- 
stich 

Braunstich 

Esche,  gebleicht 

— 

■ 

Kaum        merklicher 
ßraunstich 

Linde 

Kaum       merk- 

Kaum   merklich 

Merklich  dunkler  gegen 

licher  Graustich 

dunkler 

braun 

Linde,  gebleicht 

— 

— 

Merklich  dunkler  gegen 
braun 

Rotbuche 

Kaum       merk- 

Sehr wenigdunk- 

Merklich dunklergegen 

licher    Braun- 

ler,   mehr  ge- 

braun 

strich 

gen  braun 

Rotbuche,  gebleicht 

— 

— 

Etwas    dunkler   gegen 
braun 

Ulme  (Rüster),  Kern 

Kaum       merk- 

Kaum      merk- 

Kaum       merklicher 

licher  Graustich 

licher    Braun- 
stich 

Braunstich 

Ulme  (Rüster),   Kern, 

— 

— 

Sehr     wenig     gegen 

gebleicht 

braun 

Zur  Holzvergilbiing. 


121 


Farbenveränderung  der  Hölzer 


nach  13  Tasen 


nach  2(j  Tagen 


nach  17(j  Ta2:en 


Gegen  gelbbraun 

Viel  mehr  gegen  gelb- 
braun 
Viel  mehrgegen  braun 

Merklich  dunkler 

Sehr     wenig     gegen 
graubraun 

Kaum  merklich  dunk- 
ler 


Bräunlichgoklgelb 

Bräunlichgoldgelb 

Hellgelbbraun 

Bräunlichgelb 

Hellgelbbraun 

Brauneelb 


Gegen  gelbbraun  |  Gelbbraun 

Viel  mehr  gegen  braun 
Viel  mehr  segen  gelb 


Etwas     mehr     gegen 

braungelb 
Hellgelbbraun 


Gegen  grau 

Kaum       merklicher 
Braunstich 

Gesen  braun 


Viel  mehr  gegen  braun 

! 
Viel  mehr  gegen  braun 

Viel  mehr  gegen  braun 

Viel  mehr  gegen  braun 

Kaum       merklicher 
Braunstich 

Merklich  gegen  braun 


Dunkler,  gegen  braun- 
gelb 
Hellgelbbraun 


Ähnlich  dem  unge- 
bleichten Holz  nach 
176  Tagen 

Hellgelbbraun 

Gegen  gelb 

Viel  dunkler,  gegen 
braun 

Viel  mehr  gegen  gelb- 
braun 
Heller,  gegen  gelb 


Gegen  braun  gelb 


Gelbbraun 
Gelbbraun 

Hellgelbbraun,  dunkler  als  nach 

26  Tagen 
Bräunlichgoldgelb,   viel   dunkler 

als  nach  26  Tagen 
Viel  mehr  gegen  gelb  als   nach 

26  Tagen 
Fast  wie  das  ungebleichte  Holz 

nach    176  Tagen,    doch    viel 

mehr  gegen  goldgelb 
Sehr  viel  heller  und  matter  als 

nach  26  Tagen 
Viel  mehr  gegen  gelb 

Wenig  heller,  nur  vielmehr  gegen 
gelb,  als  nach  26  Tagen 

Fast  wie  das  ungebleichte  Holz 
nach  176  Tagen,  noch  gelber 

Nicht  viel  mehr  gegen  gelb,  nur 
wenig  heller,  als  nach26Tagen 

Dunkler  als  nach  26  Tagen, 
bräunlichgoldgelb 

Wenig  heller,    viel  mehr  gegen 

gelb  als  nach  26  Tagen 
Bräunlichgoldgelb 


Viel  mehr  gegen    gelb  als  nach 
26  Tagen 


Dunkelgoldgelb 

Viel  heller  und  mehr  gegen  gelb 
als  nach  26  Tagen 

Hellgoldbraun 


122 


W.  H.  Schräm i 


Name  des  Holzes  und 

Farbe  oder  Farb- 

Behandlung  desselben 

nach  1  Tag 

nach  3  Tagen 

nach  5  Tagen 

Nussbaum,  Kern 

Unverändert 

Unverändert 

Kaum         merklicher 
Gelbstich 

Nussbaum,    Kern,    ge- 

— 

— 

Kaum        merklicher 

bleicht 

Braunstich 

Vogelkirsche,  Kern 

Unvei'ändert 

Wenig  dunkler 

Merklich  dunkler  gegen 
braun 

Vogelkirsche,      Kern, 

— 

— 

Unverändert 

gebleicht 

Birnbaum 

Kaum    merklich 

Sehr       wenig 

Sehr     wenig     dunkler 

dunkler 

dunkler 

gegen  braun 

Birnbaum,  gebleicht 

— 

— 

Sehr     wenig     dunkler 
gegen  braun 

Mahagoni 

Etwas       mehr 
gegen  rot 

Mehr  gegen  rot 

Viel  dunkler  gegen  rot 

Mahagoni,  gebleicht 

" 

Kaum        merklicher 
Graustich 

ist  auch  schon  ein  Zusammenhang  mit  der  anscheinend  ganz  analogen 
Vergilbung  holzschUffhaltiger  Papiere  angedeutet. 

Viel  deutlicher,  weil  von  dem  ersten  Vorgang  getrennt,  ist  die 
Holzvergilbung  an  gebleichten  Hölzern  wahrzunehmen.  Wider  Erwarten 
färben  sich  diese)  ben  im  Lichte  ebenfalls  ziemlich  rasch  gelb- 
braun, wodurch  das  Bleichen  der  Hölzer  nur  zu  einem  wenig 
beständigen  Erfolg  führt.')  Offenbar  werden  durch  das  Bleichen 
nur  jene  Stolpe  verändert  oder  entfernt,  die  man,  da  sie  die  den  Hölzern 
eigentümlichen  Farbtöne  verursachen,  allgemein  als  „Holzfarbstoffe" 
bezeichnet,  während  jener  Stoff  oder  jene  Stoffe,  die  die  Vergilbung  bewirken, 
mindestens  in  ihrer  Wirkungsfähigkeit  in  bezug  auf  diese  nicht  verändert 
werden.  Am  deutlichsten  kann  man  die  Entfernung  der  Holzfarbstoffe  an  dem 
Holz  des  wilden  Birnbaumes,  das  durch  Bleichen  elfenbeinfarben  wird, 
am  Mahagoni-  und  amerikanischen  Nussholz  beobachten.  - 

Die  Holzvergilbung  ist,  so  oft  sie  im  einzelnen  auch  beobachtet  worden 
sein  mag,  bisher  noch  nicht  zusammenfassend  behandelt  oder  als  eine  beson- 
dere Art  von  Holzveränderung  beschrieben  worden.  In  der  mir  zugänglichen 
Literatur  habe   ich  nur    an   drei,    zum  Teil    ziemhch    entlegenen    Orten 


1)  W.  H.  Schramm  und  A.  Jungl,  Das  Bleichen  des  Holzes.     (Techn. 
Mittig.  d.  Bayr.  Gewerbemuseums  Nürnberg.     1907.) 


Zur  Holzvergilbnng. 


123 


verändeiamg  der  Hölzer 


nach  13  Tagen 

nach  2()  Tagen 

nach  176  Tagen 

Kaum       merklicher 

Gegen  braungelb 

Viel  heller  und  mehr  gegen  gelb 

Gelbstich 

als  nach  26  Tagen 

Kaum       merklicher 

Dunkler,  gegen  braun 

Wenig  heller,    viel  mehr  gegen 

Braunstich 

gelb  als  nach  26  Tagen 

Merklich  gegen  braun 

Viel  mehr  gegen  braun 

Heller  und  mehr  gegen  gelb  als 
nach  2()  Tagen. 

Unveiändert 

Mehr  gegen  braungelb 

Hellgoldbraun 

Merklich  gegen  braun 

Dunkler 

Heller  und  mehr  gegen  gelb  als 
nach  26  Tagen 

Merklich  dunkler 

Wenig     gegen    gelb- 
braun 

Dunkelgoldgelbbraun 

Gegen  rot 

Viel  mehr  gegen  rot 

Matter,  mehr  gegen  gelb  als 
nach  26  Tagen 

Kaum       merklicher 

Dunkler,  gegen  braun 

Wenig  heller,    viel  mehr  gegen 

Braunstich 

gelb  als  nach  26  Tagen 

Ansätze  hierzu  gefunden.  Zuerst  wurde  ein  solcher  von  Marcet  gemacht, 
dessen  Angaben  (Bibl.  Univ.,  Febr.  1830;  Philos.  Mag.  et  Annais,  Sept. 
183Ü,  S.  225)  mir  leider  nur  auszugsweise  zur  Verfügimg  stehen.') 
Doch  scheint  Marcet  nur  mit  Ulmenholz  Versuche  ausgeführt  zu  haben. 
Später  finden  sich  einige  Angaben  in  dem  Buche  ,,Die  Holzbeizkunst 
oder  Holzfärberei"  von  C.  F.  G.  Thon.-)  Dieser  weist  sehr  lebhaft  auf 
die  Farbenveränderungen  der  Hölzer  im  Sonnenlicht  hin,  ohne  indessen 
die  Mitwirkung  der  Witterung  deutlich  auszuschliessen.  Auf  seine  phan- 
tastischen Erklärungsversuche  will  ich  nicht  eingehen,  hingegen  zu  einer 
weiteren  Schilderung  der  Holzvergilbnng  seine  vorzügliche  Beschreibung 
der  Vergilbung  und  Bräimung  des  Rotfichtenholzes  hersetzen:  „ —  daher 
färbt  sich  Holz  von  alten,  ausgewachsenen  Rotfichten,  das  bei  dem  Fällen 
insgemein  eine  w^eisse  Farbe  zeigt,  nach  der  Verarbeitung  und  den  freien 
Einwirkungen  der  Sonne  ausgesetzt,  anfangs  in  das  Gelbliche,  geht  aus 
diesem  allmählich  in  das  Gelbe,  in  das  Bräunlichgelbe,  in  das  Bräunliche 
über  und  wandelt  sich  nach  Jahren  in  das  Hochbraune  um;  wobei  es 
jedoch  sehr  natürlich  ist,  dass  die  gleichsam  angeborenen,  die  Jahres- 
ringe   begrenzenden   Schattierungen    dieses  Holzes,    sowie    die  Astkreise 


1)  Dinglers  Polytechn.  Journ.  XXXVHL  S.  157. 

2)  Weimar  1840. 


;[24  ^^  •  ^-  Schramm. 

oder  sogenannten  Knoten  zuerst  eine  höhere  Farbe  annehmen  und  um 
so  viel  mehr  sich  dem  Dunkelbraunen  nähern,  je  länger  das  Sonnenlicht 
-auf  sie  wirkt."')  Vor  einigen  Jahren  hat  dann  E.  Pliva  als  dritter  aut 
die  Farbenveränderung  der  Hölzer  im  Sonnenlichte  hingewiesen,  ohne 
indessen  auf  die  Erscheinung  an  und  für  sich  einzugehen.  Sein  Interesse 
war  hauptsächlich  auf  eine  technische  Verwertung  derselben  zur  Aus- 
arbeitung eines  neuen  Dekorationsverfahrens  für  weiche  Hölzer  gerichtet, 
indem  er  die  starke  Farbenveränderung  mancher  Hölzer  seinem  ,, Sonnen- 
kopierverfahren  auf  Holz"  zugrunde  legte. ^) 

Bei  den  für  die  Zwecke  der  Papierfabrikation  hergestellten  Holz- 
schliffsorten  wird  angegeben,  dass  der  Holzschlift  mancher  Holzarten  mit 
der  Zeit  eine  rötliche  Färbung  annimmt. ^^  Jute  wird  mit  der  Zeit  dunk- 
ler,*) auch  nach  erfolgter  Bleiche. 

Weiter  finden  sich  in  der  mir  zugänglichen  Literatur  wohl  ver- 
einzelte Angaben  über  ein  ,, Nachdunkeln"  einzelner  Hölzer  ,,an  Licht  und 
Luft",  über  ,, einen  erst  unter  dem  Einfluss  von  Licht  und  Luft  hervor- 
tretenden Kern",  über  ,, Farbenveränderungen  an  frischen  Schnittflächen 
an  der  Luft",  doch  abgesehen  davon,  dass  diese  Angaben  meist  wenig 
bestimmt  gehalten  sind  und  häufig  auch  ganz  andere  Vorgänge  als  die 
Holzvergilbung  zum  Gegenstande  haben,  fehlen  sie  oft  gerade  bei  solchen 
Hölzern,  die  der  Vergilbung  im  hohen  Grade  unterworfen  sind,  Nirgends 
ist  darauf  hingewiesen,  dass  die  Holzvergilbung,  wäe  aus  meinen  und 
Jungls  Versuchen  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  hervorgeht,  eine  ganz 
allgemeine  Eigenschaft  der  Hölzer  ist  und  ganz  regelmässig  auftritt, 
.sobald  nur  die  äusseren  Bedingungen  hierzu  vorhanden  sind.-^) 

Doch  hat  man  bei  einzelnen  besonders  auffälligen  Farbenverände- 
rungen der  Hölzer  nach  den  Ursachen  derselben  geforscht.  Es  sind  meist 
solche,  die  zur  direkten  oder  indirekten  Ursache  das  Vorhandensein  und 
den  Lebensprozess  von  Mikroorganismen  haben,  wie  die  Trockenfäule 
■oder  Rotstreifigkeit,  das  Blauwerden  des  Splintes  von  Kiefernholz  durch 


1)  Thon,  a.  a.  0.     S.  63  uud  (i4. 

^)  E.  Pliva  im  Supplement  zum  Zentralbhitt,  für  das  gewerbl.  Unterrichts- 
wesen in  Oesterreich  Bd.  XIV  (1895),   S.  4. 

3)  Muspratts  Chemie.  6.  Bd.  1898,  S.  1689;  ferner:  E.  Müller  und 
A.  Haussener,  Die  Herstellung  und  Prüfung  des  Papieres.  1906  (?),  S.  1370. 
E.  Hoyer,  Die  Fabrikation  des  Papieres.     1887,  S.  155. 

*)  Muspratts  Chemie,     6.  Bd.     1898.  S.  1773. 

S)  Ich  möchte  hier  auf  eine  in  der  Literatur  seither  nicht  mehr  berück- 
sichtigte Anmerkung  von  Eisner  über  die  Bräunung  des  Buchsbaumholzes 
„an  der  Luft"  hinweisen  (Gewerbeblatt  für  Sachsen  18-12.  No.  30;  Dinglers  Poly- 
techn.  Journ.  LXXXV,  S.  57)  und  ferner  auf  einige  andere  ebenfalls  nicht  mehr 
berücksichtigte  Angaben  in  Dinglers  Polytechn.  Journ.  CII,  S.297  u.  XXX VI, S.  199. 


Zur  Holzvergilbung.  \'2b^ 

Ceratosiomella  pilifera  (Fr.)  Winter  usw.  Von  solchen  und  ähn- 
lichen Holzveränderungen  unterscheidet  sich  die  Holzvergilbung  grund- 
sätzlich dadurch,  dass  bei  ihrem  Zustandekommen  die  Bedingungen  zu 
einer  Mitwirkung  von  Mikroorganismen  nicht  vorhanden  sind.  So  liess 
die  grosse  Trockenheit,  in  der  die  Versuchshölzer  sich  fortwährend 
befanden  —  sie  waren  während  der  Versuche  nicht  nur  durch  Glas,, 
sondern  zum  Teil  auch  durch  einen  Überzug  von  Wachs-  oder  Schellack- 
schichten vor  Feuchtigkeit  geschützt  — ,  an  eine  solche  Mitwirkung  wohl 
nicht  denken.  Auch  die  Behandlung  eines  Teiles  der  Hölzer  mit  einer  aus 
95^/0  Weingeist  hergestellten  Schellacklösung  kommt  dagegen  in  Betracht.^) 
Indessen  findet  man  in  der  Literatur  auch  drei  Arten  von  Holzver. 
änderungen  beschrieben,  die  mit  sehr  auffälligen  Farbenveränderiingen 
der  Hölzer  verbunden  sind,  und  ebenfalls  wenigstens  ohne  anfängliche 
oder  ursächliche  Mitwirkung  von  Mikroorganismen  vor  sich  gehen  sollen. 
E)iese  Holzveränderungen  sind:  Das  ,, Grauwerden  des  Holzes",  ,,die 
Bräunung  der  Hölzer"  und  ,,die  staubige  Verwesung  des  Holzes".^)  Für 
die  letztere  ist  jedoch  neuerdings  eine  Mitwirkung  von  Mikroorganismen 
vermutet  worden.^)  Diese  Holzveränderungen  wurden  zuerst  von  W  iesner 
einer  eingehenden  Betrachtung  unterzogen  und  als  , .typische  Arten  der  Zer- 
störung reifer  Hölzer"  hingestellt  und  benannt.  ,.Das  Graiiwerden  oder 
die  Vergrau ung"  beschreibt  Wiesner  als  eine  fast  allen  Holzarten  eigen- 
tümliche Veränderung,  während  er  die  ,, Bräunung"  nur  an  Nadelhölzern 
und  zwar  am  Föhren-,  Fichten-  und  Tannenholze  beobachtete.  Sehr  wahr- 
scheinhch  stellt  die  Holzvergilbung  auch  die  Anfangserscheinungen  des 
Vergrauens  und  der  Bräunung  dar,  und  es  ist  weder  zu  leugnen,  dass 
bei  beiden  Holzveränderungen  stets  eine  ihnen  vorausgehende  geringere 
oder  grössere  Vergilbung  zu  beobachten  ist,  noch  wäre  es  einzusehen, 
warum  die  Hölzer,  wenn  auch  im  Freien,  dem  Sonnenlichte  ausgesetzt, 
die  so  rasch  eintretende  Vergilbung  nicht  erfahren  sollten,  bevor  die, 
einen  viel  längeren  Zeitraum  in  Anspruch  nehmenden,  aber  auch  viel 
tiefergehenden  Veränderungen  der  Oberflächen  eintreten.  Bei  Hölzern, 
die  den  äusseren  Bedingungen  des  Vergrauens  ausgesetzt  sind,  kann 
indessen  die  Vergilbung  nicht  Sbhr  weit  fortschreiten,  da  sie  bald  von 
der  Vergrauung  abgelöst  wird ;  doch  werden  dann  tiefer  liegende  Schichten 


1)  Zu  vergleiclien  wäre:  B.  Malenkovic,   Ist  Holz  durch  Bakterien  ver- 
gärbar?    (Chem.  Cbl.     1905,  Bd.  2,  S.  1190.) 

2)  J.  W iesner,  Über    die  Zerstörung    der  Hölzer    an    der    Atmosphäre. 
(Sitzungsberichte  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  1864.) 

•'')  C.  V.  Tubeuf  im  11.  Kap.  des  Handbuches  der  technischen  Mykologie 
von  Dr.  F.  T.afor  (1905),  S.  324. 


^26  ^^'-  ^-  ''^'clinimm. 

der  Hölzer  von  der  Vergilbung  ergriffen,  da  die  chemische  Wirkung  des 
Lichtes,  wie  Jungl  und  ich  nachgewiesen  haben,  durch  Holzschichten 
von  0,1—0,25  mm  Dicke^)  je  nach  der  Holzart  und  sicher  noch  leichter 
durch  Schichten  von  bis  zum  Auftreten  der  Zellulosereaktionen  abge- 
bauten Zellen,  aus  welchen  nach  Wiesnei-  die  vergrauten  Schichten  der 
Hölzer  bestehen,^)  zu  dringen  vermag. 

Zu  der  Holzbräunung  scheint  die  Holzvergilbung  in  einem  Ver- 
hältnis zu  stehen,  das  sich  etwa  durch  folgenden  Satz  kennzeichnen 
Hesse:  Die  Holzvergilbung  kann  bei  einigen  Holzarten  in  Holzbräunung 
übergehen,  wenn  die  äusseren  Bedingungen  hierzu  vorhanden  sind. 
Bisher  wurde  dies  nur  an  einigen  Nadelhölzern  beobachtet. 

Es  ist  jedoch  notwendig,  sofort  hinzuzufügen,  dass  natürlich  keine  volle 
Gewissheit  darüber  besteht,  dass  der  Vergilbungsvorgang  bei  Hölzern 
im  Freien  und  solchen  unter  Dach  der  gleiche  ist.  Zwar  wirken  hier 
wie  dort  Licht  und  massig  feuchte  Luft;  aber  im  Freien  kommt  noch 
die  mechanische  Einwirkung  der  atmosphärischen  Niederschläge  und 
ebenso  auch  die  chemische  Einwirkung  derselben  und  aller  darin  gelösten 
oder  suspendierten  Stoffe  hinzu.  Wies n er ^)  berichtet  denn  auch  von 
sehr  merklichen  mechanischen  Veränderungen  an  der  Oberfläche  gebräunter 
Hölzer.  Ob  solche  stets  mit  der  Bräunung  verbunden  sind,  etwa  wenn 
diese  bei  den  unter  Dach  befindhchen  Hölzern,  natürlich  unter  Ausschluss 
von  Mikroorganismen,  vor  sich  geht,  müsste  noch  untersucht  werden. 
Für  die  Holzvergilbung  ist  es  geradezu  kennzeichnend,  dass  sie  ohne 
mechanische  Einwirkung  auf  die  Holzoberfläche  vor  sich  geht,  sie  triit 
bei  Hölzern,  die  durch  Wachs-  oder  Schellackschichten  vor  jeder  mecha- 
nischen Einwirkung  gescliützt  sind,  fast  genau  in  der  gleichen  Weise 
auf  wie  bei  ungeschützten  Hölzern.  Ein  weiteres  auffälliges  Merkmal 
der  Holzvergilbung  ist  die  geringe  Dicke  der  vergilbten  Holzschichten. 
Es  ist  das  insofern  merkwürdig,  als  das  Licht  recht  gut  auch  durch 
stärkere  Holzschichten  durchzudringen  vermag.  Eine  ganz  ähnliche 
Erscheinung  ist  bei  dem  Ausbleiehen  gefärbter  Stoffe  zu  beobachten,  bei 
welchen  auch  die  Lichtwirkung  zunächst  in  den  dünnsten  Oberflächen- 
schichten stattfindet  und  nach  der  Tiefe  rasch  abnimmt,  während  das 
Licht  selbst  noch  viel  tiefere  Schichten  des  betreffenden  Stoffes  zu  durch- 
dringen vermag.')  Diese  Ähnlichkeit  weist  deutlich  auf  photochemische 
Vorgänge  bei  der  Vergilbung  der  Hölzer  hin. 

Dass    die  Mitwirkung    des    Lichtes    für   das    Zustandekommen  der 


1)  W.  H.  Schramm  und  A.  Jungl,  Über  die  Tiefenausdehnung  der 
bleichenden  Luftwirkung  an  gefärbten  Stoffen.  (Dr.  A.  Leimes  Färberzeitung 
lüOG,  S.  333.) 

2)  Wiesner  a.  a.  O. 


Zur  Holzvergilbung.  127 

Vergilbungserscheinung  unbedingt  notwendig  ist,  geht  aus  der  Tatsache 
hervor,  dass  Hölzer,  die  wohl  vor  Licht,  nicht  aber  vor  Luft  geschützt 
aufbewahrt  werden,  nicht  vergilben.  Die  Vergilbung  tritt  im  zerstreuten 
Tageslicht  sehr  viel  langsamer  ein,  als  im  vollen  Sonnenlicht.  Es  mag 
bemerkt  werden,  dass  Jungl  und  ich,  wie  es  fast  sicher  vorauszusehen 
war  und  wie  es  Wiesner')  auch  für  holzschliff haltiges  Papier  nach- 
gewiesen hat,  fanden,  dass  die  Vergilbung  überwiegend  durch  Lichtsorten 
von  geringen  Wellenlängen  bewirkt  wird. 2) 

Um  den  chemischen  Vorgängen,  die  unter  Mitwirkung  der  strah- 
lenden Energie  bei  der  Holzvergilbung  vor  sich  gehen,  näher  zu  kommen, 
ist  es  notwendig  die  Wirkungsmöglichkeiten  jener  Stoffe,  die  hier  in 
Frage  kommen,  einer  kurzen  Betrachtung  zu  unterziehen.  Zuvor  möchte 
ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  die  Art  der  Farbenveränderung'  durch 
Vergilbung  bei  verschiedenen  Hölzern  die  Vermutung  aufdrängt,  hier 
einen  bei  allen  Hölzern  gleichartigen,  denselben  oder  sehr  ähnliche  Stoffe 
betreffenden  chemischen  Vorgang  vor  sich  zu  haben.  Die  Farben  der 
Hölzer  werden  durch  die  Vergilbung  einander  immer  ähnlicher,  schUesslich 
sehen  sie  aus  wie  mit  einem  gelben  Farbstoff  gefärbt,  so  sehr  die 
Stärke    der  Vergilbung   bei  verschiedenen  Hölzern    auch   verschieden  ist. 

Von  aussen  treten  an  das  Holz  nur  die  Bestandteile  der  Luft  heran. 

Dass  die  auffällige  Farbenveränderung  an  der  Oberfläche  mancher 
Farbhölzer  durch  die  Einwirkung  des  Sauerstoffes  und,  im  besonderen 
Fall,  auch  unter  Mitwirkung  des  geringen  Ammoniakgehaltes  der  Luft 
vor  sich  geht,  ist,  wenn  man  die  bekannten  chemischen  Eigenschaften 
der  in  diesen  Hölzern  enthaltenen  Chromogene  berücksichtigt,  höchst- 
wahrscheinlich. Aber  auch  die  Kohlensäure  vermag,  wie  das  jüngst 
W.  Zimmermann  für  das  Amarantholz^)  nachgewiesen  hat,  einen  solchen, 
in  dem  vorliegenden  Fall  besonders  auffälligen  Farbenwechsel  hervorzu- 
bringen. 

Die  wichtigste  Frage  ist  nun  zunächst  die,  ob  und  in  welcher  Weise 
der  Sauerstoffgehalt  der  I^uft  bei  der  Vergilbüng  mitwirkt.  Heinrich  Marcet 
bemerkte,  „dass  das  Holz  gewisser  Bäume,  vorzüglich  der  Ulme,  der 
Luft  ausgesetzt,  mehr   oder  weniger   rot   wird.     Er    fand    jedoch    durch 

1)  J.  Wiesner,  Untersuchungen  über  das  rasche  Vergilben  des  Papieres. 
(Dinglers  Polytechnisches  Journal  XXVI  [1886J,  S.  387.) 

2)  „Das  elektrische  Licht"  (Bogenlampe  oder  Glühlicht?)  „bewirkt  wie 
das  Sonnenlicht  das  Vergilben  von  Papieren,  welche  Holzstoff  enthalten." 
(Meistner,  Elektrotech.  Zeitschrift,  1887,  Bd.  8,  S.  252),  nach  J.  M.  Eder, 
Die  chemischen  Wirkungen  des  Lichtes.  1891.  E.  Pliva  konnte  durch 
elektrisches  Glühlicht  nur  eine  unmerkhche  Holzbräunung  erzielen.     (A.  a.  O.) 

^)  W.  Zimmermann,  Zur  Kenntnis  des  Amarantholzes.  (Technologische 
Mitteilungen  des  Bayr.  Gewerbemuseums  Nürnberg  190(3,  No.  7  und  9.) 


J9g  W-  H.  Schr;imm. 

zahlreiche  Versuche,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist,  wenn  man  den  Zweig- 
in dem  Augenblicke,  wo  er  querdurch  abgeschnitten  wurde,  in  einen 
vollkommen  luftleeren  Raum  oder  in  eine  Gasart  bringt,  welche  keinen 
Sauerstoff  enthält;  dass  aber,  im  Gegenteile,  die  Farbe  in  Sauerstoff  gas  greller 
wird  als  in  gemeiner  Luft."  Leider  ist  hier  die  gleichzeitige  Mitwirkung 
des  Lichtes  nicht  angegeben,  doch  hat  eine  solche  wohl  höchstwahr- 
scheinlich stattgefunden. 

Wiesner  hat  die  chemischen  Umwandlungen  bei  der  ilolzbräunung 
für  eine  Umsetzung  der  Zellulose  der  Zellmembranen  in  Huminkörper 
erklärt  und  letztere  durch  die  von  Mulder  dafür  angegebenen  Reaktionen 
nachzuweisen  gesucht.  Bei  der  heutigen  zweifelhaften  Ansicht  über 
diese  Stoffe  würde  man  den  Humificierungsvorgang  vielleicht  bestimmter 
durch  den  Nachweis  einer  Kohlenstoffanreicherung  in  den  gebräunten 
Holzteilen  unter  gleichzeitiger  Abgabe  von  Kohlensäure  und  Wasser  fest- 
zustellen versuchen.  Bei  der  Holzbräunung  ist  also  die  Mitwirkung 
von  Luftsauerstoff  sehr  wahrscheinhch. 

Sehr  beachtenswert  sind  auch  einige  Versuche,  die  Wiesner  mit 
holzschliffhaltigem  Papier  ausgeführt  hat.  Bei  diesem  stellte  er  zunächst 
fest,  dass  nur  der  Holzstoff  und  nicht  die  ,. Zellulose"  an  der  Vergilbung 
teilnimmt.  Er  fand  weiter,  dass  die  Vergilbung  nur  bei  Luftzutritt  vor 
sich  geht  und  schloss  daraus,  dass  diese  ,,ein  durch  das  Licht  bedingter 
Oxydationsprozess"  sei.')  Zu  diesem  Schluss  wird  man  nach  Feststellung 
der  Notwendigkeit  einer  Anwesenheit  von  Sauerstoff  nur  allzu  leicht 
gedrängt,  obwohl  er  nicht  ganz  einwandfrei  ist.  Es  könnte  sehr  wohl 
die  Anwesenheit  von  Sauerstoff  zu  einem  chemischen  Vorgang  notwendig 
sein,  ohne  dass  derselbe  ein  Oxydationsvorgang  ist.  Nach  neueren 
Forschungen  neigt  man  für  das  Ausbleichen  von  Farbstoffen  immer  mehr  zu 
der  Ansicht,  dass  hierbei  die  Farbstoffe  der  Hauptreaktion  nach  keiner 
Oxydation  unterliegen,  obwohl  die  Notwendigkeit  der  Anwesenheit,  wenn 
auch  geringer  Mengen,  von  Sauerstoff  durch  zahlreiche  Versuche  als 
erwiesen  gelten  muss.  Nach  den  Versuchen  von  Marcet  und  nach 
Wiesners  Versuchen  mit  holzschliffhaltigem  Papier  kann  kaum  ein 
Zweifel  darüber  bestehen,  dass  die  Anwesenheit  von  Sauerstoff  zur  Holz- 
vergilbung  notwendig  ist.  Dagegen  sprechen  auch  die  Versuche  mit 
HfUzern  nicht,  die  mit  Wachs-  oder  Schollackschichten  bedeckt  waren, 
da  diese  nur  einseitige  Bedeckung  den  Luftzutritt  wohl  erschweren,  aber 
nicht  verhindern  konnte.  Ob  aber  wirklich  ein  Oxydationsvorgang  statt- 
findet und  welcher  Art  derselbe  ist,  ob  das  Oxydationsprodukt  im  Holz 
zurückbleibt  oder  gasförmig  entweicht,  könnte  nur  mit  Hilfe  quantitativer 

1)  Wiesner  a.  a.  0. 


Zur  Holzvergilbung.  J^29 

Analysen  sicher  festgestellt  werden.  Für  eine  derartige  Untersuchung  ei'- 
scheint  mir  die  einwandfreie  Beschaffung  der  notwendigen  Substanz- 
mengen schwierig  ausführbar.  Ich  habe  daher  die  Annahme  eines 
Oxydationsvorganges  bei  der  Holzvergilbung  durch  Versuche  zu  unter- 
stützen getrachtet,  die  bezweckteji,  die  Vergilbung  durch  Anwendung 
bekannter  Oxydationsmittel  auf  künstliche  Weise  herzustellen.  Ich  habe 
einige  Hölzer  in  Form  von  Hobelspänen  der  Vorbehandlung  zur  Aus- 
führung der  Holzstoffreaktion  nach  Mäule')  unterworfen  und  konnte  wahr- 
nehmen, dass  sich  hierbei  ihre  Farbtöne  ebenfalls  in  das  Gelbbraune  bis 
Goldbraune  geändert  hatten;  auch  gaben  sie  dann  mit  Phloroglucin  und 
Salzsäure,  ferner  mit  Eisenvitriollösung  überaus  ähnliche,  mit  Ammoniak 
jedoch  nur  im  allgemeinen  ähnliche  Reaktionen  wie  die  vergilbten  Hölzer. 
Mit  einer  wässerigen  Lösung  von  schwefeliger  Säure  wurden  die 
oxydierten  Hölzer  nur  dann  wieder  etwas  heller,  wenn  sie  damit 
behandelt  wurden,  bevor  sie  nach  der  oxydierenden  Behandlung  ge- 
trocknet waren.  Einmal  getrocknet,  wurden  sie  mit  schwefeliger  Säure 
ebenso  wenig  heller  wie  die  vergilbten  Hölzer.  Sehr  ähnhche  Ergebnisse 
wie  bei  der  Oxydation  mit  1  ^'/q  Kaliumpermanganatlösung  und  Nach- 
behandlung mit  verdünnter  Salzsäure  und  Wasser  nach  Mäule  erhielt 
ich,  als  ich  die  Hölzer  einige  Tage  den  Dämpfen  von  rauchender  Salpeter- 
säure aussetzte.  Doch  könnte  man  hier  die  auftretenden  goldgelben 
Färbungen  der  Bildung  von  Nitroprodukten  zuschreiben. ^j 

Ich  wurde  zu  diesem  Versuch  durch  die  Beobachtung  angeregt, 
dass  frisches  Fichtenholz,  welches  einer  Schale,  die  konzentrierte  Salpeter- 
säure enthielt,  als  Unterlage  diente,  sich  rings  um  die  Schale  grau 
gefärbt  hatte. 

Über  die  Beziehungen  zwischen  dem  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft 
und  der  Holzvergilbung  eine  Untersuchung  anzustellen,  habe  ich  nicht 
für  notwendig  gefunden,  da  Wiesner  für  holzstoffhaltiges  Papier  bereits 
nachgewiesen  hat,  dass  Feuchtigkeit  wohl  fördernd  einwirkt,  aber  nicht 
unbedingt  notwendig  ist.^) 

Von  weiteren  Bestandteilen  der  Luft  kommen  noch  Kohlensäure 
und  Ammoniak  in  Betracht. 

Die  Hölzer  der  Eiche,  Rotbuche,  Weisserle,  Fichte,  des  Nussbaumes 
änderten  ihre  Farbe  nicht,  als  ich  sie    einige  Zeit  in    eine  Kohlensäure- 


')  Das  Verhalten  verholzter  Membranen  gegen  K  Mn  O4,  eine  Holzreaktion. 
(Fünfstücks  Beiträge  zur  wissenschaftl.  Botanik,  Bd.  IV.  1900,  S.  166.) 

3)  Nach  längerem  Verweilen  in  den  Dämpfen  von  rauchender  Salpeter- 
säure war  die  Oberfläche  des  Fichtenholzes  mit  unzähliclien  Harztröpfchen 
bedeckt. 

3)  Wiesner  a.  a,  0. 

J^hiesbericht  der  Yei-einigiing  für  angewandte  Botanik     IV.  I) 


130  ^^"-  H.  Schramm. 

-atmosphäre:  gebracht  hatte.  Die  Kohlensäure  dürfte  also  bei  der  Yer- 
^ilbung  keine  Rolle  spielen,  was  ja  ziemlich  sicher  vorauszusehen  war 
und  nur  nach  den  Erfahrungen  Zimmermanns  am  Amarantholz  einer 
Bestätigung  zu  bedürfen  schien 

Einer  Mitwirkung  des  geringen  Ammoniakgehaltes  der  Luft  bei  der 
Holzvergilbung  steht  zunächst  die  Tatsache  entgegen,  dass  im  Dunkeln, 
aber  unter  Luftzutritt  aufbewahrte  Hölzer  ihre  Farbe  nicht  ändern.  Allein 
die  altbekannte,  höclist  auffällige  Farbenveränderung,  die  manche  Hölzer 
bei  der  Einwirkung  von  Ammoniak  erfahren  und  die  neuerdings  in  der 
Holzfärberei  wichtige  Anwendung  gefunden  hat,  machte  doch  eine 
nähere  Untersuchung  zur  Pflicht.  Ausser  Ammoniak  wirken  bekanntlich 
noch  andere  alkalische  Stoffe  auf  die  Farben  der  Hölzer  verdunkelnd  ein 
und  werden  darum  ebenfalls  in  der  Holzfärberei  angewendet.  In  allen 
diesen  Fällen  glaubte  man  die  Wirkung  der  alkalischen  Stoffe  als  eine 
ausserordentliche  Beschleunigung  der  Oxydation  der  in  den  Hölzern  ent- 
haltenen ,, Gerbstoffe"  erklären  zu  können.  Doch  sind  mir  Experimental- 
untersuchungen,  die  diese  Erklärung  begründen  könnten,  nicht  bekannt 
geworden. 

Zunächst  war  festzustellen,  ob  Ammoniak  bei  Abwesenheit  von 
Sauerstoff  keine  Verfärbung  der  Hölzer  hervorrufen  könne.  Ich  habe  zu 
diesem  Zwecke  Eichenholz  in  Spänen  von  0,25  mm  Dicke  in  einen 
Kolben  gebracht,  den  ich  dann  durch  wiederholtes  Auspumpen  mit  der 
Wasserstrahlluftpumpe  und  Entfernen  des  Sauerstoffes  durch  Phosphor 
soweit  sauerstofffrei  machte,  als  es  bei  dieser  Versuchsanordnung  mög- 
lich ist. ')  Ich  Hess,  nachdem  der  Phosphor  lange  zu  leuchten  aufgehört 
hatte,  etwas  Ammoniakflüssigkeit  durch  einen  Hahntrichter  auf  den  Boden 
des  Kolbens  ausfliessen.  Da  auch  die  Bohrung  des  Hahnes  mit  sauer- 
stofffreier Luft  gefüllt  gewesen  war,  war  der  Sauerstoff  möglichst  aus- 
geschlossen. Trotzdem  färbte  sich  das  Eichenholz  in  der  Ammoniakgas- 
atmosphäre sehr  rasch  rotbraun.  Die  Färbung  unterschied  sich  von  der 
in  einem  Parallelversuch  mit  Ammoniak  und  Luft  hergestellten,  dunkleren 
und  schwärzlichbraunen  ausser  durch  den  Farbton  durch  den  Umstand, 
dass  sie,  nachdem  man  die  Späne  aus  dem  Kolben  genommen  und  so 
•rasch  als  möglich  in  verdünnte  Essigsäure  gebracht  hatte,  vollständig 
verschwand,  während  die  Vergleichsfärbung  nur  etwas  heller  wurde. 
Aus  diesem  Versuch  kann  man  schliessen,  dass  Ammoniakgas  allein  mit 
Bestandteilen  des  Eichenholzes,    sehr  wahrscheinlich  der  Eichenholzgerb- 


')  Um  die  Menge  des  noch  vorhandenen  Sauerstoffes  auf  das  überhaupt 
geringstmögliche  Mass  herabzudrücken,  müsste  man  die  Holzspäne  in  eine 
Geisslersche  Röhre  einschliessen  und  diese  bis  zum  Auftreten  des  Kathoden- 
lichtes evakuieren. 


Zur  Holzvergilbung.  131 

säure,  eine  braun  gefärbte  durch  verdünnte  Säuren  zersetzbare  Verbindung 
zu  geben  vermag,  dass  aber  bei  Anwesenheit  von  Sauerstoff  offenbar  ein 
anderer  chemischer  Vorgang  unter  Mitwirlsung  desselben  vor  sich  geht. 

Weitere  Versuche,  die  später  angeführt  werden  sollen,  ergaben, 
dass  eine  auch  nur  einigermassen  in  Betracht  kommende  Mitwirkung 
von  Ammoniak  bei  der  Holzvergilbung  nicht  stattfindet. 

Liess  die  Betrachtung  der  Luftbestandteile  die  Notwendigkeit  der 
Anwesenheit  von  Sauerstoff  und  die  fördernde  Wirkung  der  Luftfeuchtig- 
keit für  die  Holzvergilbung  erkennen,  so  stösst  man  bei  dem  Versuch, 
unter  den  Bestandteilen  der  Hölzer  die  daran  beteiligten  Stoffe  zu  be- 
stimmen, auf  die  gegenwärtig  noch  unüberwindhche  Schwierigkeit,  die 
durch  den  gegenüber  der  sonstigen  hohen  Entwickelung  der  organischen 
Chemie  höchst  ärmlichen  Stand  unserer  Kenntnisse  von  der  Chemie  der 
Hölzer  verursacht  wird.  Aber  auch  nach  einer  zukünftigen  Erschliessung 
derselben  wird  man  vor  der  bereits  angedeuteten  Schwierigkeit  stehen, 
die  aus  der  geringen  Gewichtsmenge  der  an  der  Vergilbung  beteiligten 
Holzanteile  hervorgeht.  Vorläufig  ist  alles,  was  sich  erreichen  lässt,  eine 
beiläufige  Orientierung  durch  einige  Parbenreaktionen,  wobei  man  sich 
der  allgemeinen  geringeren  Sicherheit  aller  Farbenreaktionen  bewusst 
bleiben  muss. 

Von  den  Bestandteilen  der  Hölzer  sind  es  die  meist  unter  dem 
Sammelnamen  „Zellulose"  begriffenen  Zellulosen,  die  unter  den  Holz- 
bestandteilen noch  am  besten  chemisch  charakterisiert  erscheinen.  Gerade 
sie  nehmen  aber  an  der  Vergilbung  keinen  Anteil.  Von  den  Verände- 
rungen, die  man  an  bekannten  Zellulosen  unter  den  äusseren  Bedingungen 
der  Holzvergilbung  beobachtet  hat,  gibt  es  keine,  die  mit  Farbenver- 
änderungen verbunden  sind.  Vergilbt  holzschlifffreios  Papier,  so  ist  nach 
C.  Wurster')  und  A.  Müller,  Jacobs^)  höchstwahrscheinlich  die  Harz- 
leimung,  nach  E.  Muth'')  „Gerbstoff",  nach  Klemm*)  die  Zersetzung 
von  „Eisenseifen"  die  Ursache.  Nach  Wiesner  „unterhegen  aus  völlig 
unverholzten  Fasern  bereitete  Papiere  gar  nicht  der  Vergilbung,  wenn 
nur  dafür  Sorge  getragen  wird,  dass  kein  Staub  darauf  fällt. "^)  Chemische 
Veränderungen  der  in  den  Hölzern  vorkommenden  Zellulosen  sind  also 
ursächhch  an  der  Holzvergilbung  gewiss  nicht  beteiligt   und  gehen,  wenn 


1)  Berichte  d.  D.  Chem.  Gesellschaft  XIX,  2,  S.  3217. 

2)  Über  die  Anwendung  der  Amide  höherer  Fettsäuren  zur  Papierleimung. 
<Z.  f.  an  gew.  Chem.  XVIII,  S.  1145.) 

3)  Dinglers  Polytechn.  Journ.  COXCI,  S.  235. 

*)  Klemm,    Handbuch    der    Papierkunde,    1904.     —    E.    Müller     und 
A.  Haussener,  Die  Herstellung  und  Prüfung  des  Papieres,  Ö.  1676. 

5)  A.  a.  O.  ' 


132  ^-  H-  Schramm. 

sie  eintreten,  nur  nebenher  mit.  Von  den  übrigen  in  den  Hölzern  ent- 
haltenen Stoffen  zogen  zunächst  jene  meine  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
die  man  auch  gegenwärtig  meist  noch  unter  dem  wissenschaftlich  unhalt- 
baren Begriff  „Gerbstoff"  zusammenfasst.'j  Man  hat  in  diesen  „Gerb- 
stoffen" jene  Stoffe  erkennen  wollen,  die  bei  manchen  Hölzern  die  Farbenver- 
änderung mit  Ammoniak  oder  auch  anderen  alkalischen  Stoffen  bewirken. 
Zu  dieser  Annahme  führte  offenbar  die  Beobachtung,  dass  das  an  Eichen- 
holzgerbsäure reiche  Eichenholz  sich  mit  gasförmigem  Ammoniak  besonders 
rasch  dunkel  färbt,  sowie  die  bekannte  Tatsache,  dass  die  Eichenholz- 
gerbsäure sowie  einige  andere  besser  bekannte,  zu  den  „Gerbstoffen" 
gerechnete  Stoffe  bei  Gegenwart  von  Alkalien  sich  an  der  Luft  rasch 
bräunen.  Auch  Ammoniakgas  wirkt  aut  diese  Stoffe  bräunend  ein;  so 
war  Tanninpulver,  das  ich  versuchsweise  in  dünnen  Schichten  den  Dämpfen 
von  Ammoniakflüssigkeit  ausgesetzt  hatte,  nach  einigen  Stunden  zu  tief- 
schwarzbraunen, stark  glänzenden  Brocken  zusammengebacken,  die  indessen 
in  Wasser  noch  leicht  löslich  waren. 

Nach  der  Ansicht  0.  Löws  ,, beruht  die  Braunfärbung  des  Kernholzes 
der  Eiche  auf  einer  allmählichen,  unter  Gelbfärbung  fortschreitenden 
Oxydation  des  darin  enthaltenen  Gerbstoffes,  wobei  zuletzt  durch  Konden- 
sationsvorgänge ein  unlöslicher  gelbbrauner  Körper  gebildet  wird. 
Hierbei  soll  das  im  Holz  enthaltene  Kahphosphat  eine  Rolle  spielen."-) 
Nördlinger-'')  erörtert  unter  Hinweis  auf  die  Eigenschaften  der  Gallus- 
säure die  Frage,  ob  an  dem  „Brauschwerden"  des  Eichenholzes  nicht  der 
Gerbstoffgehalt  Anteil  habe. 

Es  war  nicht  ausgeschlossen,  dass  diese  sogenannten  Gerbstoffe 
bei  der  Holzvergilbung  wesenthch  mitwirkten.  Die  Färbung  des  Ulmen- 
holzes durch  Luft  soll  nach  Marcet  eine  Art  Oxygenierung  des  in  dem- 
selben enthaltenen  Gerbstoffes  sein.  Zuerst  versuchte  ich,  mich  von  der 
Richtigkeit  der  vorhin  erwähnten  Annahme  zu  überzeugen.  Da  man 
schliesslich  die  Eisensalzprobe  für  ausschlaggebend  gehalten  hatte,  um 
die  Anwesenheit  von  Gerbstoffen  in  einem  Pflanzenbestandteil  nachzu- 
weisen, so  wird  der  tatsächliche  Inhalt  dieser  Annahme  unter  Benützung 
eines  Vorschlages  von  Fr.  Reinitzer^)  viel  richtiger  ausgedrückt,  wenn 
man   etwa    sagt:    die   Farbenveränderung    mancher    Hölzer,    vorwiegend 


1)  Zu    vergleichen  ist:    Fr.   Reinitzer,    Der    Gerbstoff  begriff.    („Lotos" 
1891,  Neue  Folge,  XI  Bd.) 

2)  Untersuchungen  aus  dem  forstbotanischen  Institut  zu  München,  heraus- 
gegeben von  Dr.  R.  H artig,  II,  1882,  8.  51. 

3)  H.  Nördlinger,  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer.  1860.  S.  457. 
*)  A.  a.  0. 


Zur  Holzvergilbung.  133 

nach  braun,  durch  Ammoniak  oder  andere  alkalische  Stoffe  rührt  von 
der  Anwesenheit  eisen  färbender  Stoffe  her. 

Es  ist  klar,  dass  man  von  jener  Eigenschaft  der  Stoffe,  mit  Eisen- 
salzlösungen Färbungen  zu  geben,  nicht  ohne  weiteres  auf  andere  Eigen- 
schaften derselben,  z.  B.  auf  die  Fähigkeit,  sich  an  der  Luft  bei  Gegen- 
wart von  Alkalien  zu  bräunen,  oder  auf  das  Vermögen,  in  Lösungen 
basischer  Farbstoffe  gefärbte  Niederschläge  zu  erzeugen,  schliessen  darf. 
Trotzdem  hat  man  versucht,  die  Hölzer  nach  der  Tiefe  der  Färbungen, 
die  sie  mit  Eisensalzlösungen  geben,  in  ,, gerbstoffreichere"  und  , .gerb- 
stoffärmere" und  demnach  in  solche  zu  unterscheiden,  die  mit  basischen 
Farbstoffen  vielleicht  lichtechter  oder  weniger  lichtecht  anzufärben  seien.*) 
Es  wäre  infolge  dessen  ein  sehr  zweifelhafter  Beweis  für  die  Richtigkeit 
jener  Annahme,  wenn  man  zu  zeigen  versuchte,  dass  die  Tiefe  der 
Färbungen  mit  Eisensalzen  und  mit  Ammoniak  an  den  verschiedenen 
Holzarten  in  demselben  Verhältnis  zu-  oder  abnehme.  Übrigens  gehngt 
auch  dieser  zweifelhafte  Beweis  nur  sehr  unvollkommen.  Bei  meinen 
Versuchen  fand  ich,  wenn  man  etwa  Eichenholz  als  Mass  nimmt,  eine 
befriedigende  Übereinstimmung  nur  bei  Nussholz,  amerikanischem  Nuss- 
holz,  Mahagoniholz  und  Vogelkirschholz,  eine  nur  sehr  geringe  bei 
Weisserlenholz,  Linden-  und  Ahornholz,  gar  keine  bei  Fichten-,  Rot- 
buchen-, Ulmen-,  Birn-  und  Eschenholz.  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegen- 
heit bemerken,  dass  man  die  Hölzer  nach  der  Tiefe  und  Tönung  der 
Färbungen,  die  sie  mit  Bisensalzen  geben,  recht  wohl  in  Gruppen  ein- 
teilen kann;  da  eine  solche  Einteilung  nur  einen  technischen  Wert  für 
das  Graufärben  der  Hölzer  haben  könnte  und  gar  keinen  wissenschaft- 
lichen Wert  besitzt,  hielt  ich  es  für  zwecklos,  sie  hier  zu   bringen. ^j 

Was  also  von  der  Annahme  übrig  bleibt,  ist  die  Tatsache,  dass  sich 
einige  Hölzer,  die  sich  mit  Eisensalzen  stark  grau  färben,  mit  Ammoniak 
stark  bräunen.  In  bezug  auf  die  Holzvergilbung  können  nun  zwei 
Fragen  gestellt  werden,  die  nach  einer  Mitwirkung  der  eisenfärbenden  Stoffe 
und  die  nach  einer  Mitwirkung  jener  Stoffe,  die  sich  mit  alkahschen 
Stoffen  an  der  Luft  bräunen.  Nun  konnte  aber  kein  bei  den  verschiedenen 
Hölzern  gleich  bleibendes  Verhältnis  zwischen  der  Stärke  der  Holzver- 
gilbung und  der  Stärke  der  Holzbräunung  mit  Ammoniak  und  ebenso 
wenig  zwischen  Holzvergilbung  und  Eisensalzreaktion  gefunden  werden. 


')  E.  ßotter,  Über  die  Verwendung  der  künstlichen  organisclien  Farb- 
stoffe in  der  Holzbearbeitung.    (Färber-Zeitung  1895/6,  S.  428.) 

2)  E.  Rotter  veröffentlichte  (am  bereits  angegebenen  Ort)  eine  derartige 
Einteilung,  doch  ohne  nähere  Kennzeichnung  der  Farbtöne  auf  den  verschie- 
denen Hölzern. 


134 


W.  H.  Sc'luamin. 


Bestände  ein  solches  gleichblelljendes  Verhältnis,  so  müsste  ausser- 
dem, da  die  Holzvergilbung  bei  den  gebleichten ')  Hölzern  fast  genau  so 
stark  auftritt  wie  bei  den  ungebleichten,  die  Ammoniak-  und  Eisensalz- 
reaktion bei  diesen  wie  bei  jenen  gleich  stark  eintreten.  Beides  ist 
nicht  der  Fall.  Auf  gebleichtes  Eichenholz  z.  B.  übt  Ammoniak  fast 
gar  keine  Wirkung  aus  und  Eisenvitriol  eine  bedeutend  schwächere. 
Doch  tritt  durch  das  Bleichen  bei  den  Hölzern  durchaus  keine  gleich- 
massige  Abnahme  der  Stärke  der  Eisensalzreaktion  ein;  während  diese 
bei  Eichen-,  Nuss-,  amerikanischem  Nuss-,  Mahagoni-  und  Birnholz  stark 
abnimmt,  ist  die  Abnahme  der  Stärke  bei  Ahorn-,  I^otbuchen-,  Weiss- 
erlen-, Eschen-,  Ulmen-,  Linden-,  Vogelkirsch-  und  Fichtenholz  nur 
unbedeutend  oder  gar  nicht  zu  bemerken.  .  > 

Umgekehrt  müssten  auf  vergilbten  Hfilzern  beide  Reaktionen  viel 
schwächer  eintreten.  Bei  Versuchen,  die  ich  darüber^  anstellte,  ergab 
sich,  dass  die  mit  EisenvitrioUösung  auf  den  vergilben  Hölzern  erzeugten 
Färbungen  allerdings  —  gegenüber  den  auf  un vergilbten  erzeugten  — Unter- 
schiede aufwiesen.  Bei  einigen  Hölzern  konnte  dieser  Unterschied  auf 
das  Hinzutreten  des  durch  die  Vergilbung  entstandenen,  gelbbraunen 
Tones  zurückgeführt  werden,  bei  anderen  z.  B.  auf  Eichen-,  amerikani- 
schem Nuss-  und  Birnholz  war  die  Färbung  schwächer.  Auf  Ahorn- 
und  Fichtenholz  ergaben  die  Versuche  die  sehr  auffällige  Erscheinung, 
dass  auf  vergilbtem  Holz  die  Färbungen  bedeutend  kräftiger  ausfielen 
und  offenbar  in  diesen  Hölzern  auch  nach  nur  massiger  Ver- 
gilbung eisenfärbende  Stoffe  in  grösserer  Menge  in  Wirksam- 
keit treten  konnten  als  vorher.  Damit  ganz  übereinstimmende 
Ergebnisse  erhielt  ich  bei  Versuchen  mit  Hölzern,  die  durch  Kalium- 
permanganat oder  Dämpfe  von  rauchender  Salpetersäure  künstlich  ver- 
gilbt waren. ^)     Zu    annähernd    ähnlichen   Ergebnissen    dürfte    auch   ein 

1)  Unter  „gebleichten"  Hölzern  sind  stets  mit  ammoniakalischem  Wasser- 
stoffsuperoxyd gebleichte  zu  verstehen. 

2)  Mit  allem  Vorbehalt  und  dem  gleichzeitigen  Hinweis  auf  die  ungerecht- 
fertigte Gepflogenheit,  eisenfärbende  Stoffe  in  Pflanzenteilen  als  „Gerbstoffe" 
zu  bezeichnen,  möchte  ich  bemerken,  dass  man  in  den  Ablaugen  der  Sulfit- 
zellulosefabrikation Gerbstoff  gefunden  haben  will  (Muspratts  Technisclie 
Chemie,  Bd.  VI  [1898],  S.  1579J,  und  dass  in  älteren  Patentschriften  Verfahren 
zur  Herstellung  von  „Gerbstoffen"  aus  Torf,  Stein-  oder  Braunkohlen  unter 
Anwendung  oxydierender  Mittel  vorgeschlagen  werden  (Muspratts  Chemie, 
Bd.  III  [1891],  S.  1218,  1219).  V.  Gräfe  erhielt  bei  seinen  „Untersuchungen 
über  die  Holzsubstanz"  (Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XXV,  S.  .1009)  aus 
Konifereuholz  Brenzkatechin,  das  bekanntlich  mit  Eisensalzen  dunkelgrüne 
Färbungen  gibt.  Cross  u.  Bevan  fanden,  dass  durch  Behandlung  verholzter 
Pflanzenteile  mit  Chlor  Mairogallol  und  Leukogallol  entsteht  (Journ.  Chcm. 
Soc,  Bd.  IV  [1889],  S.  213). 


Zur  Holzvergübnng.  |35 

Vergleich  der  Ammoniakreaktion  auf  einerseits  unvergilbten,  anderseits 
vergilbten  oder  künstlich  vergilbten  Hölzern  nach  einigen  vorläufigen 
Versuchen,   die  ich  anstellte,  führen. 

Auch  auf  vergilbtem  Papier,  das  Pichtenholzschlit'f  enthielt,  bekam 
ich  mit  Eisenvitriollrtsung,  sowie  mit  Ammoniak  weit  stärkere  Färbungen, 
als  auf  unvergilbtem.  ...^ 

Zweifellos  ergibt  sich  aus  allem  Vorhergesagten,  dass  die  eisen- 
färbenden und  die  mit  Ammoniak  sich  bräunenden  Stoffe  in  den  Hölzern 
bei  der  Holzvergilbung,  wenn  überhaupt,  nur  einen  sein*  nebensächlichen 
Anteil  nehmen. 

Ich  komme  nun  zu  dem  sogenannten  LigninaiUtMl  in  den  Hölzern. 
Auch  unter  Ligninist  bekanntlich  nur  ein  Sammelbegriff  zu  verstehen. 
Der  Ligninanteil  ist  bei  verschiedenen  Hölzern  verschieden.  Der  wirk- 
liche Gehalt  der  Hölzer  an  Lignin  ist  gegenwärtig  noch  nicht  sicher 
ermittelt,  doch  geben  die  von  R.  Benedikt  und  M.  Bamberger  ^) 
bestimmten  Methylzahlen  der  Hölzer  ein  relatives  Mass  dafür. 

Die  Stärke  der  Holzvergilbung  und  die  Grösse  der  Methylzahl  steht 
bei  verschiedenen  Hölzern  in   keinem  gleichbleibenden  Verhältnis. 

Hatte  man  bei  den  bisher  betrachteten  unter  Sammelbegriffen 
zusammengefassten  Stoffen  mit  der  Schwierigkeit  zu  rechnen,  dass 
sie  in  den  verschiedenen  Hölzern  sicher  nicht  die  gleichen,  ja  vielleicht 
nicht  einmal  sehr  ähnliche  seien,  so  fällt  diese  Schwierigkeit  anscheinend 
weg  bei  jenem  Stoff  oder  jenen  Stoffen,  die  bei  den  sogenannten  Holz- 
stoffreaktionen farbenerzeugend  wirken.  Von  den  meisten  Autoren  wird 
die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  es  wahrscheinlich  derselbe  oder  dieselben 
wenigen  Stoffe  seien,  die  in  allen  H()lzern  oder  verholzten  Pflanzenteilen 
verkommen  und  bei  den  Ligninreaktionen  mitwirken,  wenn  sie  auch 
darüber,  welche  chemischen  Stoffe  mit  jenen  Parbenerzougern  über- 
einstimmen, noch  nicht  einig  geworden  sind.  2)  Doch  fehlt  es  auch  nicht 
an  Stimmen,  die  es  nicht  für  ausgeschlossen  halten,  dass  die  Lignin- 
reaktionen bei  den  einzelnen  Hölzern  durch  verschiedene,  wenn  auch 
„homologe"   Stoffe  verursacht  würden.'^) 

Tatsächlich  bekommt  man,  wenn  man  Holzstoffreaktionen  auf  ver- 
schiedenen Hölzern  ausführt,  an  Farbtiefe  und  Tönung  sehr  verschiedene 


1)  R.  Benedikt  ii.  M.  Bamberger,  Über  eine  quantitative  I^eaktion  des 
Ligains.     (Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XI,  S.  260.) 

2)  Eine  Zusammenstellung    der    sog.  Holzstoffreaktiouen   findet    sich  im 
zweiten  Band    von  J.  Wiesner,  Die  Rolistoffe  des  Pflanzeiu-eiches,  S.  45  u.  46. 

3)  V.    Gräfe,    Untersuchungen    über    die    Holzsubstanz    vom    chemisch- 
physiologischen  Standpunkte.     (Monatshefte  für  Chemie,  Bd.  XXV,  S.  1018.) 


]^36  W.  H.  Schramm. 

Färbungen.  Aus  diesem  Grunde  erscheinen  jene  Methoden,  ^velche  auf 
Farbenerscheinungen  quantitative  Bestimmungen  des  Holzschliffs  in  Papier 
begründen,  sehr  unsicher,  wenn  die  im  Papier  enthaltene  Holzschliffart 
nicht  qualitativ  bestimmt  und  dann  ein  genau  entsprechendes  Standard- 
papier genommen  wird.') 

Ich  habe  mich  bei  meinen  makroskopisch  angestellten  Versuchen 
auf  die  Anwendung  von  schwefelsaurem  Anilin  und  von  Phloroglucin 
und  Salzsäure  beschränkt.  Um  mich  vor  Täuschung  zu  bewahren,  habe 
ich  die  Reaktionen  in  verschiedenen  Abänderungen  und  mit  verschiedenen 
Konzentrationen  der  Reagentien  ausgeführt.  Trotzdem  konnte  ich  die 
verwendeten  dreizehn  Holzarten  nach  der  Tiefe  der  auf  ihnen  erhaltenen 
Färbungen  stets  in  dieselben  Gruppen  teilen  oder  mit  ihnen  die  gleiche 
Reihe  bilden.  So  ergaben  verschiedene  Reaktionen  mit  Phloroglucin  und 
Salzsäure  folgende  Gruppen: 

Sehr  tiefe  Färbungen: 
Fichte,  Ahorn. 

Mittlere  Färbungen : 

Weisserle,  Ulme  (Ivern),  Linde,  Nussbaum  (Kern). 

Helle  Färbungen: 

Rotbuche,   Eiche  (Kern),  Esche  (Kern),  amerikanischer  Nuss- 
baum (Kern). 

Sehr  helle  Färbungen: 

Mahagoni,  Birnbaum,  Vogelkirsche. ^) 

Eine  nähere  Betrachtung  der  verschiedenen  Stärke  der  Holzver- 
p:ilbung  bei  den  untersuchten  dreizehn  Hölzern  zeigte  mir,  dass  zwischen 
dieser  und  der  Tiefe  der  Färbungen  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  ein 
ziemlich  gleichbleibendes  Verhältnis  herrscht. 

Auf  den  gebleichten  und  den  mit  Ammoniak   behandelten    Hölzern 


1)  Klemm  (a.  a.  O.)  verlangte  schon  verschiedene  Farbengradleitern  für 
Nadelholzschliff  und  Laubhoizschliff. 

■'')  Bfesonders  auffällig  erscheint  die  sehr  schwache  Reaktion  bei  der 
letzten  Gruppe.  Ich  erinnerte  mich  hier  daran,  dass  von  Höhnel  seinen 
„Xylophilinextrakt"  als  Reagens  auf  Holzstoff  aus  Kirschenholz  hergestellt 
hatte.  (Anzeiger  d.  k.  Akademie  d.  Wissenschaften,  Wien,  Bd.  XIV  [1877],  S.  229.) 
Mit  einer  durch  Kochen  von  Kirschholzspänen  mit  Alkohol  herge.stellten  Flüssig- 
keit, zu  der  ich  Salzsäure  hinzu  gefügt  hatte,  erhielt  ich  auf  den  Hölzern  ebenso 
starke  Färbungen  wie  mit  der  Wiesnerschen  Phloroglucinlösung.  Es  ist 
naheliegend,  irgend  einen  Zusammenhang  zwischen  der  schwachen  Reaktion  mit 
Phloroglucin  und  Salzsäure  und  dem  verhältnismässig  starken  Gehalt  an  Xylo- 
philin  zu  vermuten.  Zu  vergleichen  ist:  H.  Möller,  Über  das  Vorkommen 
von  Phloroglucin  in  den  Pflanzen.  (Ber.  d.  Dtsch.  Pharm.  Ges.,  Vit.  S.  344 
bis  352.  —  Ohem.  Cbl.  1897,  Bd.  II,  S.  1151.) 


Zur  Holzvergilbung.  15^ 

waren  die  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure,  sowie  mit  schwefelsaurem 
Anilin  erzeugten  Färbungen  gleich  stark  wie  auf  den  entsprechenden 
ungebleichten  Hölzern.  Die  vergilbten  und  die  mit  Kaliumpermanganat 
behandelten  Hölzer  geben  die  Phloroglucinreaktion  bedeutend  schwächer, 
die  mit  Dämpfen  von  rauchender  Salpetersäure  behandelten  Hölzer  geben 
sie  nur  mehr  sehr  schwach. 

Die  angeführten  Tatsachen  weisen  auf  einen  Zusammenhang  der 
die  Färbungen  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  oder  mit  Anilinsulfat 
verursachenden  Stoffe  mit  der  Holzvergilbung  recht  deutlich  hin,  doch 
lässt  sich  vor  einer  näheren  Prüfung  dieser  Stoffe  auf  ihr  Verhalten 
zum  Licht  Bestimmtes  darüber  nicht  aussagen.  Es  könnten  recht  wohl 
die  Holzvergilbung  und  Abnahme  der  Stärke  der  Phloroglucinreaktion 
bewirkenden  Vorgänge  nebeneinander  und  ohne  ursächlichen  Zusammen- 
hang sich  abspielen.  Auch  andere  Regelmässigkeiten  könnten  nur  zu- 
fällige sein.  Doch  lässt  sich  der  Satz  aussprechen,  dass  die  Stärke  der 
Färbung  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  ein  relatives  Mass  für  die  Ver- 
gilb ungsfähigkeit  der  Hölzer  geben  kann. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  gewinnt  die  Phloroglucinreaktion 
auf  Papier  die  Bedeutung  einer  Probe  auf  die  durch  irgendwelche  Mengen 
irgend  eines  Holzschliffes  verursachte   Vergilbungsfähigkeit. 

Indem  ich  diese  vorläufigen  Bemerkungen  zur  Holzvergilbung 
schliesse,  darf  ich  den  Hinweis  darauf  nicht  unterlassen,  dass  selbst- 
verständlich noch  weitere  Untersuchungen  über  das  Verhältnis  der  in 
den  Hölzern  enthaltenen,  die  Ligninreaktionen  verursachenden  Chromogene 
sowie  anderer  dem  Ligninanteil  der  Hölzer  zugerechneter  Stoffe  —  ich 
möchte  z.  B.  nur  den  Holzgummi^)  erwähnen  —  zur  Holzvergilbung 
ausgeführt  werden  müssen,  um  über  diese  soweit  Klarheit  zu  erlangen, 
wie  es  bei  den  spärlichen  Kenntnissen  über  jene  Stoffe  heute  überhaupt 
möglich  ist.  Auch  der  Harz-,  Öl-  oder  Fettgehalt  der  Hölzer  verdient 
in  bezug  auf  die  Holzvergilbung  einige  Beachtung. 

Derartige  Untersuchungen  und  die  Anwendung  der  Ergebnisse  zur 
Beleuchtung  der  verschiedenen  Arten  von  Papiervergilbung  werden  die 
Gegenstände  einer  weiteren  Mitteilung  sein. 

Was  bis  jetzt  aus  meinen  Darlegungen  und  Versuchen  als  einiger- 
massen  gesichert  hervorgeht,  möchte   ich  in  den  folgenden  Sätzen  kurz 


8)  Ob  Holzgummi  bei  der  Holzvergilbung  eine  Rolle  spielt,  ist  sehr  frag- 
lich. Es  ist  anzunehmen,  dass  durch  das  Bleichen  mit  ammoniakalischem 
Wasserstoffsuperoxyd  ein  Teil  des  Holzgummis  entfernt  wurde.  Kirschholz 
enthält  12,4:^ Jq,  Buchenholz,  das  viel  stärker  vergilbt,  nur  5—6%  Holzgummi. 
(Zu  vergleichen  ist  To Ileus,  Handbuch  der  Kohlenhydrate.  IL  Bd.  1895. 
S;   201.) 


138  W.  H.  Schramm. 

zusammenfassen,  wobei  ich  bemerken  muss,  dass  diejenigen  Sätze,  die 
Allgemeines  aussprechen,  auf  das  Allgemeine  nur  aus  den  Erfahrungen 
an  dreizehn  Holzarten  schliessen,  und  sie  daher  streng  genommen  stets  mit 
einem   „wahrscheinlich"   eingeleitet  werden  sollten. 

1.  Lufttrockene  Hölzer  verändern  auf  den  frischen  Schnittflächen 
unter  dem  Einflüsse  des  Lichtes  und  der  Luft  allgemein  ihre  Farbe. 

2.  Die  Farbenveränderungen  können  sehr  verschiedenartig  sein 
und  betreffen  zum  Teil  die  sogenannten  Holzfarbstotfe  oder  auch  be- 
stimmte Chromogene. 


3.  Eine  Art  von  Farbenveränderungen  kann  indessen  als  allgemein 
und  auf  allen  Hölzern  in  sehr  ähnlicher  Weise  auftretend  bezeichnet 
werden;  sie  wurde  nach  den  hierbei  entstehenden  Farbtönen  von  mir 
Holz  vergilb  ung  genannt. 

4.  E)ie„Holzvergilbung"  gehtfast  immer  der  „Holzvergrauung"  voraus, 
bei  einigen    Nadelhölzern   geht    sie  schliesslich  in   „Holzbräunung"    über. 

5.  Die  Holzvergilbung  geht  ohne  mechanische  Einwirkung  auf  die 
Holzoberfiäche  vor  sich.  r)ie  Dicke  der  vergilbten  Holzschichten  ist  eine 
sehr  geringe. 

6.  Mikroorganismen  wirken  bei  der  Holzvergilbung  höchstwahr- 
scheinlich nicht  mit. 

7.  Licht  ist  zur  Holzvergilbung  notwendig.  Sonnenlicht  wirkt  viel 
stärker  als  zerstreutes  Tageslicht.  Vorzugsweise  wirken  Lichtsorten  von 
geringeren  Wellenlängen. 

8.  Luftsauerstoff  ist  zur  Holzvergilbung  notwendig;  höchstwahr- 
scheinlich findet  ein  Oxydationsvorgang  statt,  da  die  Holzvergilbung 
durch  Anwendung  von  Oxydationsmitteln  nachgeahmt  werden  kann. 

9.  Von  weiteren  Bestandteilen  der  Luft  wirkt  Wasserdampf 
fördernd,  Kohlensäure  und  Ammoniak  nicht  oder  nicht  bemerkenswert  ein. 

10.  Die  vergilbten  Hölzer  zeigen  andere  Farbenreaktionen  als  die 
unvergilbten.  Die  Färbungen  mit  Eisensalzlösungen  und  die  mit  gas- 
förmigem Ammoniak  sind  stärker  oder  schwächer,  die  Färbungen  mit 
Phloroglucin  und  Salzsäure  sind  stets  viel  schwächer  auf  den  vergilbten 
als  auf  den  unvergilbten  HfHzern.  In  der  Oberfläche  mancher  Hölzer 
vermehren  sich  durch  Belichtung  die  eisenfärbenden  Stoffe. 

11.  Die  in  den  Hölzern  enthaltenen  Zellulosen,  ferner  eisenfärbende 
imd  mit  Alkalien  sich  bräunende  Stoffe  sind  an  der  Holzvergilbung  nicht 
oder  nur  nebensächlich  beteiligt. 

12.  Die  Stärke  der  Holzvergilbung  und  die  Grösse  der  Methylzahl 
steht  bei  den  verschiedenen  Hölzern  in  keinem  gleichbleibenden  Verhältnis; 


Zur  Holzvergilbimg.  139 

ein  solches  besteht  aber  zwischen  der  Stärke  der  Holzvergilbung  und  der 
Tiefe  der  Färbung  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure.  Dieser  letztere 
Umstand,  sowie  die  Abnahme  der  Stärke  der  Holzstoffreaktionen  auf 
vergilbton  Hölzern  deutet  auf  eine  Mitwirkung  jener  Stoffe,  die  bei  den 
sogenannten  Holzstoffreaktionen  farbenerzeugend  wirken,  bei  der  Holz- 
vergilbung hin;  doch  lässt  sich  Bestimmtes  darüber  vorläufig  nicht  aussagen. 


13.  Die  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  und  auch  mit  anderen 
Reagentien  auf  Holzstoff  auf  den  verschiedenen  Hölzern  erhaltenen  Fär- 
bungen sind  an  Farbtiefe  und  Tönung  sehr  verschieden.  Ihre  Stärke 
kann  ein  relatives  Mass  für   die  Vergilbungsfähigkeit   der  Hölzer  geben. 

14.  Bei  Anwendung  jener  Methoden,  welche  auf  die  Farben- 
erscheinungen der  Holzstoffreaktionen  quantitative  Bestimmungen  des 
Holzschliffs  in  Papiersorten  begründen,  muss  das  verschiedenartige  Ver- 
halten von  Holzschliffsorten  verschiedener  Hölzer  berücksichtigt  werden. 
Doch  kann  vielleicht  die  Phloroglucinprobe  zum  Abschätzen  der  durch 
irgend  welche  Holzschliffarten  bewirkten  Vergilbungsfähigkeit  eines 
Papieres  benützt  werden.  •  - 

15.  Gebleichte  Hölzer  vergilben  ebenfalls.  Durch  Bleichen  mit 
ammoniakalischem  Wasserstoffsuperoxyd  werden  aus  den  Hölzern  wohl, 
die  Holzfarbstoffe,  ferner  eisenfärbende  und  mit  Ammoniak  sich  bräu- 
nende Stoffe  entfernt  oder  so  verändert,  dass  sie  nicht  mehr  entsprechend 
reagieren  können,  nicht  aber  die  Vergilbungsstoffe. 

1(3.  Die  Stärke  der  Holzstoffreaktion  hatte  an  den  gebleichten 
Hölzern  nicht  merklich  abgenommen. 

17.  Vermutlich  besitzen  alle  Faserstoffe  so  lange  Vergilbungsfähig- 
keit,  als  sie  Holzstoffreaktion  geben. 


18.  Ein  gleichbleibendes  Verhältnis  zwischen  der  Tiefe  der  Fär- 
bungen, die  auf  verschiedenen  Hölzern  einerseits  mit  Eisensalzlösungen, 
andererseits  mit  gasförmigem  Ammoniak  entstehen,  konnte  nicht  wahr- 
genommen werden. 

19.  Eichenholzspäne  färben  sich  auch  bei  Ausschluss  von  Luftsauer- 
stoff mit  gasförmigem  Ammoniak  rotbraun,  doch  ist  die  entstandene 
Färbung  durch  verdünnte  Essigsäure  zersetzbar.  Da  letzteres  bei  der 
Färbung,  die  bei  Anwesenheit  von  Luftsauerstoff  mit  Ammoniak  auf 
Eichenholz  entsteht,  nicht  der  Fall  ist,  so  ist  anzunehmen,  dass  bei 
ihrem  Zustandekommen  Luftsauerstoff  mitwirkt.  Es  scheint  somit 
die  alte  durch  keine  Versuche  gestützte  Ansicht,  dass  die  Bräunung  des 
Eichenholzes  mit  Ammoniak  durch  eine  Oxydation  des  Gerbstoffes  bewirkt 
werde,  einige  Berechtigung  zu  haben. 


140  ^^'-  tl.  Scliramiii. 


Zum  Vergrauen  der  Hölzer. 

Von 
W.  H.  Scliramm,  Graz. 

Von  den  Veränderungen,  die  geschlagenes  Holz  im  Freien  unter 
den  verschiedenartigsten  Einflüssen  erleidet,  ist  allbekannt  und  vielleicht 
■darum  sehr  wenig  beachtet  jene,  die  nur  an  der  Oberfläche  des  Holzes 
vor  sich  geht  und  wegen  der  hierbei  auftretenden  Farbe  das  „Vergrauen" 
des  Holzes  genannt  wird.  Nun  hat  man  in  neuerer  Zeit  von  kunst- 
gowerbhcher  Seite  dieser  Erscheinung  einige  Aufmerksamkeit  zugewendet, 
indem  man  nicht  nur  den  mechanischen  Erfolg  der  Ober  flächen  Verände- 
rung, das  reliefartige  Hervortreten  des  Spätholzes,  sondern  auch  dif^ 
graue  Farbe  dekorativ  zu  verwerten  suchte.  Ich  habe  vor  einiger  Zeit 
die  Methoden,  die  zur  Erreichung  des  ersteren  Zweckes  in  Anwendung 
gekommen  sind  oder  vorgeschlagen  wurden,  zusammengestellt:')  es 
sind  dies  teils  mechanische,  teils  chemische.  Hierbei  war  es  wünschens- 
wert zu  wissen,  wie  denn  die  Natur  bei  der  Hervorbringung  jener  eigen- 
tümlichen Art   von  Holzveränderung  verfährt. 

Eine  L>urchsicht  der  mir  zugänglichen  Literatur  führte  mich  ausser 
zu  einer  sehr  knappen  Schilderung  des  Vorganges  durch  Berzelius^) 
weiter  nur  zu  der  umfangreichen  Arbeit  von  Wiesner.^)  Da  auch 
von  Tubeuf  in  dem  von  ihm  bearbeiteten  Kapitel  des  von  F.  Lafar 
herausgegebenen  Handbuches  der  technischen  Mykologie,'^)  das  von 
der  Zerstörung  des  im  Freien  verwendeten  rohen  oder  bearbeiteten 
Holzes  handelt,  bei  der  Besprechung  des  Vergrauens  der  Hölzer  nur  die 
Wiesnersche  Arbeit  heranzieht,  so  ist  wohl  anzunehmen,  dass  die 
•durch  Wiesner  über  den  Vorgang  des  Vergrauens  uns  vermittelten 
Kenntnisse  bis  heute  die  einzigen  geblieben  sind,  die  wir  darüber  be- 
sitzen.    Die  mechanischen  Vorgänge  beim  Vergrauen   und  ihre  Ursachen 


')  Über  das  Ätzen    des  Holzes.     (Mitteihmgen  des  mährischen  Gewej'be- 
museums  in  Brunn  1905,  No.  9,  S.  137). 

2)  Lehrbuch  der  Chemie.     3.  Bd.,  1.  Abt.,  1827,  S.  G03.     (Aus  dem  Schwe- 
dischen übersetzt  von  Wo  hl  er.) 

3)  Über  die  Zerstörung  der  Hölzer  an  der  Atmosphäre.     (Öitz.-Bericht  der 
K.  Akad.  d.  Wissenschaft,  49.  Bd.,   18()4,  S.  Gl). 

4)  Jena  1905. 


Zum  Vergrauen  der  Hölzer.  141 

hat  Wiesner  eingehend  erörtert,  nicht  so  sehr  hingegen  die  Ursachen 
für  das  Zustandekommen  jener  eigentümhchen  grauen  Färbungen.  Das 
für  letzteres  in  Betracht  kommende  Hauptergebnis  seiner  Untersuchungen 
spricht  Wiesner  mit  den  Worten  aus:  „Diese  licht-  bis  dunkelgraue 
Schicht  des  Holzes  besteht  aus  Zellen,  welche  durch  die  atmosphärischen 
Niederschläge  ausgelaugt,  ihrer  Infiltrationsprodukto  ganz  oder  zum 
grossen  Teile  beraubt  wurden,  so  zwar,  dass  die  zurückbleibenden 
Membranen  bloss  aus  chemisch  reiner  oder  nahezu  chemisch  reiner 
Zellulose  bestehen."  Das  vergraute  Holz  wäre  demnach  mit  einer 
Schicht,  ,, einem  haarigen  oder  wolligen  Überzug"  von  z.  T.  halbfrei- 
gelegten Pasern  bedeckt,  deren  stark  durchscheinende  Zellmembranen 
farblos  sind.  Versucht  man  nun  diesen  Überzug  künstlich  nachzuahmen, 
indem  man  verschiedene  Hölzer  mit  möglichst  dünn  g.'schabtem  Seidenpapier 
bedeckt,  so  ergibt  sich  die  Tatsache,  dass  durch  einen  solchen  Überzug 
nur  die  fast  weissen  oder  hellsilbergrauen  bis  lichtgrauen  Färbungen, 
die  man  mitunter  an  vergrauten  Hölzern  wahrnehmen  kann,  zustande 
kommen  können.  Die  durch  unzählige  Lichtbrechungen  uns  weiss 
erscheinende  Schicht  farbloser  Fasern  mag  zum  Teil  die  Wirkung 
eines  trüben  Mittels  vor  dunklem  Hintergrund  ausüben,  wodurch  die 
Farben  des  Untergrundes  nach  blau  abgestimmt  werden  und  aus  den 
gelblichen  bis  bräunlichen  Farbtönen  der  Hölzer  graue  Töne  entstehen. 
Hierbei  spielt  dann  die  dem  Vergrauen  stets  vorhergehende  Vergilbung 
oder  Bräunung  der  Hölzer  durch  Vertiefung  der  Untergrundfarbe  eben- 
falls eine  Rolle. 

Für  das  Zustandekommen  der  viel  häufigeren  mittel-  bis  dunkel- 
grauen oder  graubraunen  Färbungen  müssen  wir  also  noch  nach  andei'on 
Ursachen  ausblicken.  Auch  hier  weist  uns  Wiesner  einen  Weg  durch 
die  Angabe,  dass  häufig  „Sporen  von  Pilzen  oder  Flechten"  in  das 
,, Innere  der  vergrauten  Zellen"  gelangen,  ja  dass  ,,bei  all  zu  reichlicher 
Entwickelung  von  Pilzen  die  Sporen  und  Myzehen  derselben  auch  in 
noch  unvergraute  Zellen  eindringen  und  dann  eine  andere  Zerstörungsart 
des  sich  hierbei  schw^ärzenden  Holzes  hervorrufen". 

In  den  vergrauten  Schichten  kann  man  in  der  Tat  überaus  häufig 
ein  dunkelgefärbtes  Pilzmyzel  wahrnehmen.  Die  graue  Farbe  solcher 
Hölzer  käme  dann  z.  T.,  ähnlich  wie  bei  pointillierten  Mischfarben,  durch 
Addition  von  unzähligen  braunen,  hellgrauen  und  weissen  Farben- 
eindrücken zustande. 

Betrachtet  man  indessen  vergraute  Hölzer  im  Mikroskop,  zunächst 
vielleicht  am  besten  nur  bei  sehr  massiger  Vergrösserung  im  auffallenden 
Lichte,  so  wird  man  finden,  dass  in  den  allermeisten  Fällen  die  oberfläch- 
lichen Schichten  von  Holzfasern,  die  nach  Wiesner  aus  reiner  oder  fast 


1^2  ^^  •  H.  Schrainni. 

reiner  Zellulose  bestehen  —  ich  will  sie  kurz  als  ,, Zellulosefasern" 
bezeichnen  — ,  selbst  eine  hell-  bis  dunkelgraue  Farbe  besitzen,  dass  sie 
nur  bei  fast  ,,silberweissen"  Hölzern  weiss  sind,  während  bei  dunkler 
vergrauten  Hölzern  farblose  Fasern  oder  w^eisse  FilzflTickchen  nur  stollen- 
weise und  häufig  auch  gar  nicht  erblickt  werden  krtnnen. 

Die  Zellulosoiasern,  die  wie  mit  einem  grauen  Farbstoff  gefärbt 
erscheinen,  verursachen  hier  offenbar  hauptsächlich  den  graufarl)igen 
Eindruck,  wenn  auch  die  vorher  geschilderten  Ursachen  unzweifelhaft 
ebenfalls  mitwirken.  So  erhält  man  aus  mittelgrauem  Holz  durch  ge- 
eignete Entfär)>ung  der  Zellulosefasern  natürlich  nicht  bräunliches,  sondern 
hellsilbergraues  Holz.  Aber  auch  das  unter  den  Zellulosefasern  liegende 
unversehrte  Holz  erscheint  manchmal  grünlich-  oder  bräunlichgrau,  also 
anders  gefärbt  wie  das  nur  vergilbte  oder  gebräunte  Holz,  dessen  Farbe 
dann  zum  Vorschein  kommt,  wenn  man  durch  Entfärbungsmittel  die 
grünlichgrauen  oder  bräunUchgrauen  Färbungen  zerstört  hat.  Ich  konnte 
dies  an  mehreren  vergrauten  Holzarten  gut  wahrnehmen,  nachdem  durch 
kräftiges  Bürsten  unter  Anwendung  von  Wasser  oder  auch  durch  Schaben 
des  nassgemachten  Holzes  mit  einem  Messingspatel  die  Zellulosefasern 
entfernt  worden  waren. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  auf  welche  Weise  die  geschilderten 
Färbungen  der  Zellulosefasern  und  des  unter  diesen  liegenden  un- 
versehrten Holzes  zustande  kommen  k/innen.  Bei  gelegentlicher 
Betrachtung  von  Bretterzäunen  aus  Fichtenholz  war  mir  auf- 
gefallen, dass  die  Vergrauung  an  den  Nagelköpfen  ihren  Ausgangs- 
punkt zu  nehmen  schien.  Die  Vermutung  war  da  höchst  nahe- 
liegend, dass  Eisen  bei  der  Vergrauung  irgendwie  mitwirke.  Ich 
will  nicht  leugnen,  dass  meine  Kenntnis  davon,  dass  man  eben  mit 
Eisensalzlösungen  Hölzer  grau  färben  kann,  mich  in  dieser  Vermutung 
bestärkte.  Leider  stand  mir  nur  Fichtenholz  zur  Verfügung,  das  in  der  Um- 
gebung der  Nagelköpfe  graugrün  bis  braungrau  gefärbt  war.  Bildung 
von  Zellulosefasern  w^ar  l)ei  diesem  noch  nicht  eingetreten,  da  die  Holz- 
proben die  Reaktion  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  fast  stärker  als 
das  nicht  grau  gefärbte,  sondern  nur  vergilbte  Holz  desselben  Brettes 
gaben  (aber  natürlich  doch  viel  schwächer  als  innen  liegendes  Holz 
aus  demselben  Brett). 

Bestreicht  man  irgend  eine  Holzart  mit  einer  konzentrierten  Eisen- 
vitriollösung, so  entsteht  bekanntlich  eine  je  nach  der  Holzart  verschiedene 
graue  Färbung,  die  mit  einer  wässerigen  Lösung  von  Oxalsäure  wieder 
abgezogen  werden  kann.  Ich  will  diese  Färbungen,  die  mit  Eisensalz- 
lösungen auf  Hölzern  entstehen,  kurz  als  Eisengrau  bezeichnen.  Stellt 
man    solche  Eisengrau's  etwa    aus  Tannin    oder   ähnlichen  Stoffen    und 


Zum   Vergrauen  <ler  Hölzer.  143 

Eisensalzen  in  der  Eprouvette  her  und  entfärbt  sie  mit  Oxalsäure,  so 
entsteht  in  der  farblosen  Lösung-,  die  man  auf  diese  Weise  erhält,  wenn 
man  sie  mit  Ammoniak  im  Überschuss  versetzt,  wieder  die  vorherige 
Färbung.  Der  erwartete  Bisengehalt  in  den  vergrauten  Teilen  des  Fichten- 
holzes war  leicht  nachzuweisen,  die  graue  Färl)ung  war  durch  Behandlung 
mit  heisser  Oxalsäurelösung  leicht  und  vollständig  al)ziehbar,  und  nur 
die  Ammoniakprobe  versagte,  da  auch  destilliertes  Wasser,  in  dem  man 
das  Holz  aufgekocht  und  das  natürlich  keine  ]-]ntfärbung  bewirkt  hatte, 
mit  Ammoniak  Färbungen  gab. 

Nun  war  es  anfänglich  unerklärlich,  dass  das  auf  Fichtenholz  auch 
mit  höchst  konzentrierter  Eisen vitriolh'isung  künstlich  erzeugte  Eisengrau 
stets  nur  sehr  hell  war,  während  die  in  der  Umgebung  von  Nagelköpfen 
vergrauten  Holzteile  oft  ein  dunkles  Grau  aufweisen,  ja  in  den  Spätholz- 
teilen manchmal  fast  schwarz  erscheinen.  Ich  hatte  aus  diesem  Grunde 
zuerst  an  einen  Verkohlungsprozess  des  Holzes  gedacht,  der  durch  das 
Eisen  stark  beschleunigt  werden  könnte,')  dagegen  sprach  aber  die  Ab- 
lösbarkeit  auch  sehr  dunkler  Färbungen  durch  Oxalsäureir)sung.  Später 
vermutete  ich,  dass  die  dunkelgraue  Färbung  von  ausserordentlich  fein 
verteilten  Eisenoxyduloxydteilchen  herrühre;  aber  auch  gegen  diese  Ver- 
mutung sprach  die  leichte  Ablösbarkeit  der  Färbung  durch  Oxalsäure- 
h'isung,  da,  trotzdem  Eisenoxyduioxyd  in  dieser  etwas  löslich  ist,  Fär- 
bungen, die  ich  künstlich  durch  Aufreiben  von  Eisenoxyduioxyd  auf 
Fichtenholz  erzeugt  hatte,  mit  Oxalsäurelösung  (^rst  nach  längerem  Kochen 
und  niemals  vollständig  entfernbar  waren. 

Nachdem  ich  dann  gefunden  hatte,  dass  bei  der  Holz  vergilb  ung 
im  Fichtenholz  ein  eisenfärbender  Stoff  entsteht,'^)  war  nicht 
nur  diese  Schwierigkeit  beseitigt,  sondern  es  ergab  sich  auch,  dass  man 
die  Farbe  der  eisengrauen  Holzproben  täuschend  nachahmen  konnte, 
indem    man    stark  vergilbtes  Fichtenholz  mit  Eisenvitriollösung  bestrich. 

Meine  nächste  Aufgabe  war  nun,  die  Oberfläche  vergrauter  Hölzer 
auf  ihren  Eisengehalt  zu  prüfen.  Es  braucht  wohl  kaum  besonders 
erwähnt  zu  werden,  dass  jede  vermutete  Täuschungsmöglichkeit  aus- 
geschlossen wurde.  Die  vergrauten  Ol^erflächen  wurden  durch  Bürsten 
oder  Waschen  möglichst  sorgfältig  vom  Staub  befreit,  manchmal  die 
oberste  Schicht  auch  gänzlich  abgehoben,  und  stets  gleichzeitig  auch 
Holzteile    aus    dem    Inneren    der  Hiilzer    auf   ihren  Eisengehalt  geprüft. 


1)  Friedrich  Kuhlmann.  Über  die  oxydierei\de  und  zerstörende 
Wirkung,  welche  das  Eisenoxyd  auf  Holz,  Gewebe.  Farbstoffe  und  andere 
organische  Substanzen  ausübt.  (Comptes  rendus,  Aug.  1859,  No.  7.  —  Dmglers 
Polytechn.  Journ.  CLV,  S.  31). 

2)  Vgl.  W.  H.  Seh  ramm.  Zur  Holzvergilbung.  (Diesen  .Jaliresbericht  p.  116). 


144 


W.  H.  Schramm. 


Das  Ergebnis  war,  dass  in  allen  vergrauten  Holzoberflächon,  die 
geprüft  wurden,  Eisen  gefunden  wurde,  in  den  Oberflächenschichten 
nur  vergilbter  oder  gebräunter  Hölzer  aber  nicht  oder  nur  in  verhältnis- 
mässig weit  geringeren  Mengen.  Nur  vergilbte  oder  gebräunte  Hölzer 
werden  durch  Behandlung  mit  Oxalsäureliisung  auch  nicht  heller. 

r>ie  Frage  nach  der  Herkunft  des  Eisens  bietet  gar  keine  Schwierig- 
keiten. Dort,  wo  Nägel  im  Holze  stecken,  können  diese  als  Quelle  für 
das  Eisen  angesehen  werden.  Die  Eisenlösung,  die  sich  durch  Ein- 
wirkung der  Nässe  auf  die  Nägel  bildet,  wird  nicht  nur  durch  elas 
Herabrinnen  der  Flüssigkeit  über  die  Oberfläche  des  Holzes,  sondern 
offenbar  auch  durch  Membrandiffusion  im  Holze  verbreitet.  Man  kann 
dies  daraus  schliessen,  dass  die  graugefärbten  Holzteile  nicht  nur  unttM-- 
halb,  sondern  auch  oberhalb  der  Nagelköpfe  zu  finden  sind,  und  dass 
auch  dort,  wo  das  Holz  mit  den  Längsseiten  wagorecht  angebracht 
wurde,  die  grauen  Stellen  sich  in  der  Längsrichtung  der  Fasern  weiter 
ausdehnen,  als  quer  zu  derselben. 

Im  späteren  Stadium  der  Vergrauung,  in  dem  das  Holz  bereits 
mit  einem  Filz  von  Zellulosefasern  bedeckt  ist  und  infolgedessen  Flüssig- 
keiten gierig  aufsaugt  und  auf  seiner  Oberfläche  verbreitet,  bietet  der 
Gedanke  an  die  BeffUxlerung  der  Eisenlösung  gewiss  gar  keine  Schwierig- 
keiten mehr.  Durch  diese  starke  Wasseraufsaugefähigkeit  erklärt  sich 
auch  z.  T.  die  Erscheinung,  dass  vergraute  Hölzer  im  nassen  Zustande 
verhältnismässig  viel  dunkler  erscheinen  als  unvergraute.  Das  Wasser 
dringt  tiefer  in  das  Holz  ein  und  die  Schicht,  innerhalb  welcher  Licht 
nicht  reflektiert  wird,  ist  viel  tiefer.  Hierzu  kommt  nun  allerdings  noch 
der  Umstand,  dass  der  Filz  von  Zollulosefasern  im  trockenen  Zustande 
weit  mehr  weisses  Licht  zurückwirft  als  die  Oberfläche  unvergrauten 
Holzes,  im  nassen  Zustande  aber  überhaupt  fast  keines,  da  alle  Zwischen- 
räume mit  einer  Flüssigkeit  ausgefüllt  sind,  die  das  Licht  fast  ebenso 
bricht,  wie  die  Zellulosefasern. 

Eine  zweite  Quelle  für  das  Eisen  ist  dann  der  Staub;  dass  dieser 
an  allen  Orten  Eisen  enthält  ist  wohl  sicher.  Der  starke  Eisengehalt 
des  auf  den  Hölzern  liegenden  Staubes  wurde  auch  wiederholt  nach- 
gewiesen. Schliesslich  wäre  daran  zu  denken,  dass  auch  das  in  dem 
Holz  selbst  enthaltene  Eisen  durch  chemischen  Abbau  der  Holzfasern 
zur  Wirkung  gelangen  könnte.  Ob  letzteres  stattfindet  oder  nicht,  Hesse 
sich  nur  dadurch  mit  Sicherheit  entscheiden,  dass  man  Hölzer  unter 
sorgfältigem  Ausschluss  alles  von  aussen  kommenden  Eisens  vergrauen 
liesse. 

Der  Umstand,  dass  es  vergraute  Hölzer  gibt,  die  fast  weiss  sind 
und    erst    nach  Bestreichen     mit    Eisensalzlösungen     sich    grau    färben. 


Zuiu   Vergrauen  der  Hölzer.  145 

spricht  auch  nicht  unbedingt  dagegen,  da  sie  vielleicht  nur  sehr  wenig 
„maskiertes  Eisen"  enthalten,  das  nach  dem  chemischen  Abbau  der 
Holzfasern  in  Wirksamkeit  treten  könnte. 

Durch  den  allgemeinen  Nachweis  des  Eisens  in  den  Oberflächen- 
schichten vergrauter  Hölzer  wurde  die  Möglichkeit  sehr  nahe  gerückt, 
dass  sowohl  die  graue  Färbung  der  Zellulosefasern  als  auch  die  grün- 
lich- bis  Ijräunlichgraue  des  unter  diesen  befindlichen  unversehrten 
Holzes  durch  Eisen  bewirkt  wird,  das  mit  einigen  in  den  Hölzern  vor. 
kommenden  eisenfärbenden  Stoffen  sich  verbindet.  Hierfür  sprechen 
auch  noch  einige  andere  Umstände,  so  z.  B.,  dass  diese  „Eisentinten" 
eine  sehr  starke  Pärbekraft  besitzen,  also  nur  sehr  wenig  Eisen  not- 
wendig ist,  und  ferner,  dass  es  mit  Leichtigkeit  gelingt,  jene  ver- 
schiedenen grauen  Färbungen  nachzuahmen,  indem  man  fllr  das  unver- 
sehrte Holz  vergilbte  oder  gebräunte  Hölzer  mit  Eisensalzlösungen  be- 
streicht, für  die  Zellulosefasern,  indem  man  Watte  mit  Tanninlösung  vor- 
beizt und  nach  dem  Auswaschen  mit  Eisensalzlösung  tränkt.  Aber  der 
unbedingt  sichere  Beweis  für  den  ursächlichen  Zusammenhang  des  Vor- 
kommens von  Eisen  und  der  grauen  Färbung  von  Zellulosefasern  und 
Holz  ist  damit  noch  nicht  erbracht.  Es  könnten  ja  die  Bedingungen 
für  das  Vergrauen  des  Holzes  und  die  Ansammlung  von  Eisen  an  der 
Oberfläche  ganz  zufällig  zusammentreffen.  Auch  der  ursächliche  Zu- 
sammenhang könnte  in  anderer  Weise  stattfinden,  etwa  indem  das 
Eisen  beschleunigend  bei  der  Vergrauung  mitwirkt  oder  vielleicht  im 
Lebensprozess  von  Mikroorganismen,  die  die  Vergrauung  beschleunigen, 
eine  fördernde  Rolle  spielt.  Bei  der  Umwandlung  von  Zellulose  in  Oxy- 
zellulose  kann  Eisenoxyd  bekanntlich  als  Sauerstoftuberträger  wirken, 
und  es  wäre  noch  zu  prüfen,  ob  die  Zellulosefasern  nicht  zum  Teil  aus 
Oxyzellulose  bestehen.  Ferner  wurde  von  Friedrich  Kuhlmann  ^)  schon 
frühe  die  seither  auf  andern  Gebieten  so  oft  bestätigte  sauerstoffüber- 
tragende Wirkung  des  Eisenoxydes  als  die  Ursache  einer  von  ihm  l»eob- 
achteten  stellenweise  sehr  tief  gehenden  Zerstöirung  der  hölzernen 
Planken  einer  SchitTsbekleidung  wahrscheinlich  gemacht.  Und  hält 
man  diese  Erfahrungen  zu  der  von  mir  gefundenen  Tatsache  des 
ganz  allgemeinen  Vorkommens  von  Eisen  in  den  vergrauten  Ober- 
flächen der  Hölzer  und  zwar  fast  durchaus  als  Eisenoxyd,  so  kann 
man  der  höchst  naheliegenden  Vermutung,  dass  das  Eisenoxyd  —  auch 
abgesehen  von  der  wahrscheinlichen  Erzeugung  der  grauen  Färbung  — 
bei  der  Vergrauung  der  Hr)lzer  fördernd  einwirkt,  mindestens  grosse 
Wahrscheinlichkeit  zusprechen. 


M  A.  a.  O.     Ferner    ist    zu    vergleichen    eine    Ahhaadlung    von    Herve 
Mangon  in  Comptes  rendus,  Aug.  1859,  No.  9.  —  Dinglers  Polyt.  J.  CLV,  S,  'S. 

.Tahresbeiicbt  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  IV.  10 


146  ^^  •   "•  •'"^L'liramm. 

Der  analytische  Nachweis  für  das  Vorhandensein  von  Eisengrau 
kann  eben  leider  nicht  in  voller  Strenge  erbracht  werden,  da  alle 
Reaktionen  hierbei  wieder  auf  Flisenreaktionen  hinauskommen,  sich  also 
nur  auf  den  einen  Bestandteil  bi^ziehen.  Die  aus  den  Hölzern  stammen- 
den organischen  Stofle  sind  viel  zu  wenig  bekannt,  um  analytisch 
mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden  zu  können,  und  ihre  wichtigste 
Reaktion,  nach  der  man  sie  gerade  als  „eisenfärbende  Stoffe" ')  zusammen- 
fassen kann,  ist  hier  vorweggenommen. 

Ich  will  von  den  zahlreichen  Versuchen,  die  ich  ausführte,  hier 
nur  diejenigen  anführen,  die  für  meine  Untersuchung  als  typisch  gelten 
mögen  oder  allgemeines  Interesse  haben  dürften.  Es  sei  bemerkt,  dass 
die  meisten  Reaktionen  makroskopisch  ausgeführt  wurden. 

Von  den  vergrauten  Hölzern  waren  einige,  die  ich  der  Gefälligkeit 
des  Herrn  A.  Jungl  in  Graz  verdanke,  aus  dem  Grunde  für  die  Unter- 
suchung sehr  günstig,  weil  sie  unter  einem  kleinen  und  engen  Vordach 
so  aufbewahrt  worden  waren,  dass  sie  mit  den  Enden  in  das  Freie 
ragten.  Hier,  wo  die  Witterung  und  eisenhaltiger  Staub  auf  sie  ein- 
wirken konnten,  waren  sie  stark  vergraut,  während  die  geschützt  liegen- 
den Teile  meist  nur  graubraun  oder  grünlichbraun  geworden  waren. 
Dementsprechend  gaben  die  vergrauten  Teile  die  Reaktion  mit  Phloro- 
glucin  und  Salzsäure  nicht  mehr  oder  nur  sehr  schwach,  während  di(^ 
graubraunen  Teile  noch  mehr  oder  weniger  reagierten,  doch  natürlich 
viel  schwächer  als  Holz  aus  dem  Innern  der  Stücke. 

Die  Reaktion  mit  Eisenvitriollösung  fiel  sehr  verschiedenartig  aus. 
je  nachdem  vorhanden  gewesener  oisenfärbender  Stoff  durch  die  \Vitti>- 
rung  ausgelaugt  oder  verändert  oder  vielleicht  zur  Bildung  von  Eisen- 
grau bereits  verbraucht  worden  war  oder  sich  (in  den  graubraunen 
Teilen  des  Holzes)  neu  gebildet  oder  angesammelt  hatte.  Selbstverständ- 
lich wurden  die  entstandenen  Färbungen  erst  dann  beurteilt,  nachdem 
sie  durch  die  rasche  Oxydation  des  Eisenoxydulsalzes  durch  den  Luft- 
sauerstoff' ihre  möglichste  Tiefe  erlangt  hatten. 

Auf  den  vergrauten  Teilen  war  eine  gewisse  Sättigung  mit  Eisen 
dadurch  wahrzunehmen,  dass  die  Färbung  sieh  mit  Eisenvitriol  meist 
nur  wenig  erhöhte  und  dabei  bräunlicher  wurde.  Man  kann  das  ver- 
schieden erklären,  entweder  aus  dem  Mangel  an  eisenfärbenden  Stoff"en 
oder  aber  durch  die  Annahme,  dass  etwa  vorhandene  eisenfärbende 
Stoffe  bereits  zur  Bildung  von  Eisengrau  verbraucht  worden  waren. 
Die  mit  Eisenvitriol  erzielten  Eisenfärbungen  wurden  stets  mit  den  auf 
dem  unveränderten  Holz  hergestellten  Färbungen  verglichen. 

1)  Fr.  Ueinitzer.  Der  GerbstuFfbcgriff.    (Lotos  1891,  Neue  Folge  Bd.  XP.. 


Zum   Vei-p,rauen  der  Hölzer.  147 

Die  Prüfung  auf  Eisen  wurde  in  der  Weise  ausgefülirt,  dass  die 
Holzal)Sclinitte  mit  verdünnter  Salzsäure  einige  Stunden  bei  gewölinliclier 
Temperatur  ausgezogen  wurden.  Die  Lösung  wurde  dann  abgegossen, 
mit  Wasser  etwas  nacligewasclien  und  dann  Real\tionen  auf  Eisenoxyd 
gemaclit.  Der  Nacliweis  von  Eisenoxydul,  der  wiederholt,  aber  erfolglos 
versucht  wurde,  hätte  übrigens  auch  nur  geringen  Wert  gehabt,  da 
Eisenoxydullösungen  mit  eisenfärbenden  organischen  Stoffen  w^ohl 
meistens  keine  Fällungen  geben.') 

Es  ist  begreiflich,  dass  die  Tiefe  der  durch  die  Eisenoxydreaktionen 
entstandenen  Färbungen  nicht  sehr  viel  grösser  ist,  als  die  Tiefe  der 
Graufär))ung,  da  auch  die  Eisengraureaktionen  zu  den  empfindlichsten 
Reaktionen  auf  Eisenoxyd  zählen.^) 

Durch  Wägung  der  Holzabschnitte  und  Messung  der  zugesetzten 
Flüssigkeitsmengen  wurde  die  Möglichkeit  hergestellt,  die  Ergel)nisse  mit 
Sicherheit  vergleichen  zu  können.  Sowohl  bezüglich  des  Eisengehaltes 
als  auch  der  mit  Salzsäure  allein  eintretenden  Färbungen  wurden  stets 
Paralieh'ersuche  mit  aus  dem  Innern  der  Holzstücke  stammenden  Holz- 
teilen gemacht. 

Bei  den  Versuchen  mit  Oxalsäure  wurden  die  Holzteile  mit  kalt 
gesättigter  wässeriger  Lösung  einmal  aufgekocht  und  stets  Parallel- 
versuche mit  reinem  Wasser  an  Stelle  der  Oxalsäurelösung  ausgeführt. 
Auch  wairden  zu  weiteren  Vergleichen  manchmal  aus  dem  Innern  der 
Holzstücke  genommene  Abschnitte  mit  Oxalsäurelösung  und  mit  Wasser 
gekocht. 

Holz  der  Fichte,  Picea  eoccelsa  (Lam.)  Lk, 

Das  Holz  wurde  zunächst  mit  einer  Bürste  und  viel  Wasser  kräftig 
gei)ürstet  Nachdem  es  wieder  trocken  geworden  war.  wurden  mit 
einem  Bronzemesser  die  vergrauten  Schichten  abgehoben  und  ebenso 
dem  Innern  des  Holzes  Späne  entnommen.  Gleiche  Gewichtsteile  der 
Späne  wurden  mit  den  gleichen  Mengen  Salzsäure  (Spez.  Gewicht  1,U) 
in  der  Kälte  ausgezogen,  nach  vier  Stunden  die  gleiche  Volummenge 
Wasser  hinzugesetzt,   durchgeschüttelt  und  von  den  Spänen  abgegossen. 

In  dem  Auszug  der  Holzspäne  aus  dem  Innern  konnte  mit  Ferri- 
cyankalium  kein  Eisenoxydul  und,   nach  Oxydation  mit  Salpetersäure  oder 

1)  Zu  vergleichen  ist  Herve  Mangon  a.  a.  O.  und  ferner  H.  Rose 
und  R.  Finkaner,  Handbuch  der  analytischen  Chemie,  (i.  Aufl.  1867.  l.Bd., 
8.  247. 

2)  A.  Wagner,  Über  Empfindlichkeitsgrenzen  einiger  Reaktionen  auf 
Eisen  und  Kupfer.     (Z.  f.  analyt.  Chem.  XX,  S.  349). 

10* 


]^48  ^^  •  ^-  Schramm. 

auch  mit  Bromwasser,  mit  Ferrocyankalium  und  Kliodankaliuin  auch 
l<eine  Spur  von   Eisenoxyd  nachgewiesen  worden. 

Der  Auszug  der  vergrauten  Holzspäne  gab  mit  P^erricyankalium 
keine,  mit  Ferrocyankalium  und  mit  Schwefelammonium  sehr  deutliche 
Eisenreaktion. 

Die  graue  Schicht  von  Zellulosefaserh  wurde,  mit  Oxalsäurelüsung 
behandelt,  weiss  oder  doch  viel  heller;  darunter  liegendes  unversehrtes, 
aber  graugrün  gefärbtes  Holz  nahm  dabei  die  Farbe  des  vergilbten 
Holzes  an.  Gelegentlich  findet  man  heilsilbergraues  Holz  mit  last 
weisser  Zellulosefasernschicht;  die  Eisenreaktion  ist  dann  entsprechend 
schwach,  und  mit  Eisenvitriol  bekommt  man  dunklere  Färlmngen.  Auch 
mit  Salzsäure  werden  die  vergrauten  Abschnitte  heller. 

Holz  der  Eiche  (Kern),   Querciis  peduitculafa  Ehrh. 

Vergrautes  Eichenholz  ist  offenbar  nicht  häufig  zu  linden,  da 
Wiesner  es  als  wahrscheinlich  hinstellt,  dass  neben  manchen  anderen 
Holzarten  auch  Eichenholz  nie  vergraue.^) 

Das  mir  vorliegende  Stück  ist  auf  den  Teilen,  die  der  ^^'ittel■ung■ 
ausgesetzt  gewesen  waren,  schiui  silbergrau. 

Die  vergrauten  Teile  geben  eine  starke  Eisenoxydreaktion.  Holz- 
späne aus  dem  Innern  hatten  an  Salzsäure  weder  Eisenoxydul  noch 
Eisenoxyd  abgegeben.  Die  Reaktionen  waren  genau  in  derselben  Weise 
vorgenommen  worden  wie  bei  dem  Fichtenholz. 

Der  Zellulosefilz  ist  grau  gefärbt  und  konnte  mit  Salzsäure  und 
mit  Oxalsäure  entfärbt  werden.  Die  braunen,  geschützt  liegenden  Teile 
gaben  eine  kaum  merkliche  Eisenreaktion.  Da  Eichenholz  sehr  viel 
von  eisenfärbenden  Stoffen,  hauptsächlich  wohl  Eichenholzgerbsäure,  nach 
Böttinger^)  Digallussäuremethyläther,  enthält,  so  hätten  anscheinend 
gerade  hier  tiefe  graue  Töne  beobachtet  werden  sollen.  Nun  ist  aber 
zu  bedenken,  dass  das  Eisengrau  die  Funktion  zweier  Komponenten  ist 
und  es  hier  auch  auf  die  Menge  des  Eisens  ankommt.  So  kann  man 
z.  B.  Eichenholz  allerdings  durch  Bestreichen  mit  konzentrierter  Eisen- 
vitriollösung dunkelblaugrau  färben,  nimmt  man  aber  verdünntere 
Lösungen,  so  entstehen  eben  entsprechend  hellere  und  auch  sehr  helle 
Färbungen  Aber  noch  ein  anderer  Umstand  kommt  hinzu.  Die  Monge 
der  eisenfärbenden  Stoffe  nimmt  an  der  Oberfläche  des  der  Witterung 
ausgesetzten  Eichenhplzes.  sei  es    durch  Auswaschung    oder    chemische 


')  A.  a.  O.  S.  (i(i. 

2)  Ann.  Chem.  CCXXXVIII,  S.  ;{()(;.  Zu  vergleiclieu  ist  auch  l'aul 
Metz!L!,er,  Beitiäge  zur  Charakteristik  des  Holzkörpers  der  Eiche.  (Bot. 
Centralbl.  LXVIIl.  S.  4«.  —  Chem.  Cbl.  1S!)7,  Tl.  S.  \^:^\]. 


Zum   Vergrauen  der  Hölzer.  1^49 

Umwandlung  oder  durch    beidos,  ab.       E)as    vergraute  Holz    wurde    mit 
Eisenvitriollösung   nur  wenig   dunkler    gegen    braungrau,    während    das 
unvergraute  Holz  tief    dunkelblaugrau   wurde.     Ebenso  gibt  mit  Wasser- 
ausgelaugtes  oder  vergilbtes  Eichenholz  schwächere    oder    mehr    bräun- 
liche Färbungen  mit  Eisenvitriol  als  unversehrtes  Holz. 

Um  ü))er  die  Menge  des  Eisens  in  der  Oberflächenschicht  des  ver- 
grauten Holzes  zu  einer  beiläufigen  Vorstellung  zu  gelangen,  wurde  die 
Menge  des  Eisens  im  salzsauren  Auszuge  kolorimetrisch  bestimmt. 
Hierbei  gelangt  allerdings  nicht  das  gesamte  in  der  Oberflächenschicht 
vorhandene  Eisen  zur  Messung.  In  10  Quadratzentimetern  der  sehr 
dünn  abgehobenen  Oberflächenschichte  wurden  auf  diese  Art  0,0002  g 
Eisen  gefunden.  Mit  einer  Lösung  von  2  g  Eisenvitriol  in  1  1  Wasser 
kann  man  aber  bereits  ein  Hellgrau  auf  Eichenholz  erzeugen,  dal)ei  be- 
rechnen sich  für  10  cm-  0,0004  g  Eisen. 

Bemerkenswert  erschif^n  mir  auch  ein  Eichenholz,  das  ich  ebenfalls 
Herrn  Jungl  verdanke.  Es  stammt  aus  einer  Eichen  welle,  die  sehr 
lange  im  feuchten  Erdreich  gelegen  und  durch  und  durch  eine 
•dunkelgraubraune  Farbe  angenommen  hatte.  Das  Holz  war  sonst  un- 
verändert, ja  eher  härter  als  frisches  Holz.  Die  Färbung  ist  eine  Eisen- 
färbung: mit  Salzsäure  und  mit  Oxalsäure  liess  sich  das  Holz  mit 
Leichtigkeit  entfärben,')  Eisen  wurde  in  ziemlicher  Menge  nachgewiesen. 
Eichenholz,  das  in  anderer  Weise,  durch  Einwirkung  alkalischer  Stoff'e, 
braun  geworden  war,  z.  B,  durch  Ammoniak,  wurde  mit  Salzsäure  nur 
wenig,  mit  Oxalsäure  gar  nicht  heller. 

Holz  des  Ahorns,  Acer  Pseudoplatamis  L. 

Die  vergrauten  Teile  sind  silbergrau,  der  Pilz  von  Zellulosefasern 
ist  gelblichgrau,  doch  sieht  man  stellenweise  fast  ganz  weisse  Pilz- 
ilöckchen.  Mit  Oxalsäurelösung  findet  Entfärbung  des  Filzes  und  des 
darunter  liegenden  Holzes  statt.  Mit  Salzsäure  wurde  vergrautes  Holz 
■ —  nur  makroskopisch  betrachtet  —   sehr  hellgrau. 

Mit  holzessigsaurem  Eisen  nach  vorheriger  Behandlung  mit  Ätz- 
kalilauge durchgefärbtes  Ahornholz  von  grünlichgrauer  Farbe  gibt  eine 
ungefähr  gleich  starke  Eisenreaktion  wie  das  vergraute  Holz.  Auch 
die  graubraunen  Teile  des  Ahornholzes  gaben  schwache  Eisen- 
reaktion und  wurden  dementsprechend  mit  Oxalsäure  heller,  mit  Eisen- 
vitriol aber  viel  dunkler  graugrün,  während  das  vergraute  Holz  damit 
kaum  merklich  gegen  braun  an  Farbe  zunahm. 


1)  A.  Müller  fand  im  fossilen  Eichenholz  einen  besonders  hohen  Eisen- 
oxydgehalt der  Asche.  Es  war  also  in  reichlicher  Menge  Eisenoxyd  zugeführt 
worden.  (Landvv.Versuchs-Stat. XXXVI,  S.  263—65.  —  Chem.  Gbl.l889,n,  S.895.) 


150  W.  H.  Schramm. 

Holz    des    Nussbaums   (Kern),  Ji((//(nis  rcf/if/  L. 
Die  schön  silbergrauen  Teile  geben  nur  <Mne  schwaclie  Eisenreak- 
tion, werden  mit  Salzsäure  viel  heller  .ü;rau  und  mir   Oxalsiiuro  entfärl)t. 

Holz  der  Weisserle.  Aliius  'uicaiic  D(". 
Das  mir  vorliegende  Stück  war  sehr  hellgrau,  der  Filz  von  Zellu- 
losefasern fast  weiss.  Dementsprechend  war  auch  die  Eisenreaktion 
sehr  schwach;  das  Holz  wurde  mit  Salzsäure  oder  mit  Oxalsäure 
kaum  heller.  Hingegen  wurden  die  vergrauten  und  die  gebräunten 
Teile  mit  Eisenvitriol  verhältnismässig  viel  dunkler  grau  als  Holz  aus 
dem  Inneren  der  Stücke. 


Der  mikroskopische  Nachweis  des  Eisens  in  den  ver- 
grauten Holzteilen  erscheint  von  vornherein  schwierig,  wenn  man 
beobachtet  hat,  dass  bei  starker  Vergrrtsserung  auch  die  grau  gefärbten 
Fasern  sehr  schwach  gefärbt,  ja  manchmal  fast  farblos  erscheinen, 
und  wenn  man  l)edenkt,  dass  die  Tiefe  der  Idauen  Färbung  mit  Ferro- 
cyankalium  nicht  viel  tiefer  sein  kann  als  die  Tiefe  des  Eisengraus. 
Doch  war  die  mikroskopische  Beobachtung  notwendig  für  den  Nach- 
weis, dass  das  Eisen  in  der  Holzoberfläche  gleichmässig  verteilt  ist, 
die  Fasern  also  wirklich  mit  Eisengrau  gefärbt  sind. 

Querschnitte  normal  auf  die  vergraute  OI)erfläche  sind  sehr  schwierig 
auszuführen:  es  wurden  daher  von  der  angefeuchteten  Holzoberfläche 
mit  einem  sehr  dünn  ausgezogenen  Glasstab  einige  Filzflöckchen  zur 
mikroskopischen  Prüfung  auf  Eisen  al)geschabt. 

Für  diese  wurde  die  von  H.  Molisch  angegebene  Reaktion  zum 
Nachweis  des  „locker  gel)undenen"  Eisens  in  Zellen  angewendet.')  E>ie 
abgeschabten  Holzfasern  wurden  auf  dem  Objektträger  etwa  eine  Stunde 
lang  in  eine  2"/o  Lösung  von  Ferrocyankalium  eingelegt  und  dann  iC^/o 
Salzsäure  hinzugefügt. 

Da  die  Blaufärbung  meist  erst  nach  einiger  Zeit  deutlich  wurde, 
war  (nach  Molisch)  zu  befürchten,  dass  durch  Einwirkung  der  Salz- 
säure auf  Ferrocyankalium  Ferrocyanwasserstolfsäure  gefällt  würde,  die 
sich  dann  oxydierte.  I)och  konnte  an  eisenfreien  Filtrierpapierfasern, 
die  der  gleichen  Behandlung  unterzogen  worden  waren  und  unter  dem- 
selben Deckglas  wie  die  Holzfasern  lagen,  niemals,  auch  nicht  nach 
Stunden,  eine  Blaufärbung  wahrgenommen  werden. 

Es  zeigte  sich,    dass  bei  verschiedenen  Hölzern    nicht   alle  Fasern 


1)  Die  Pflanze  in  ihren  Beziehungen  zum  Eisen.     1892. 


Zum  Vergrauen  der  H()lzer.  151 

eine  blaugriine  Färbung  annahmen,  also  einige  gewiss  kein  Eisengrau 
enthielten ;  es  waren  das  offenbar  jene  Fasern,  die  bei  der  Betrachtung 
im  auffallenden  Lichte  besonders  weiss  erschienen. 

Manchmal  konnte  man  vereinzelte  sehr  tief  blau  gefärbte  Bröckchen 
wahrnehmen,  vielleicht  Staubkörnchon,  die  trotz  sorgfältiger  i^einigung 
der  Holzoberfläche  zurückgeblie])en  waren  und  infolge  ihres  Eisengehaltes 
mit  Ferrocyankalium  und  Salzsäure  viel  Berlinerblau  auf  sich  nieder- 
geschlagen hatten.  In  der  Nähe  dieser  blauen  Briickchen  waren  die 
Fasern  meist  stärker  blaugrün  gefärbt.  An  solchen  Stellen  mag  das 
Berlinerblau  von  den  Brrickchen  auf  die  Fasern  übertragen  worden  sein. 
Doch  kann  man  dadurch  nicht  etwa  überhaupt  die  Färbung  der  Fasern 
erklären,  da  solche,  die  weital)  von  den  blauen  K'lümpchen  lagen,  eben- 
falls gleichmässig  grünlichblau  gefärbt  waren,  wähi-end  die  Flüssigkeit 
und  die  Filtrierpapierfasern  ungefärbt  blieben.  Die  Färbungen  der  P'asern 
sind,  wie  vorausgesehen,  meist  sehr  schwach,  vergraute  Fasern  werden 
grün  oder  blaugrün,  vergilbte  oder  gebräunte  oder  solche  aas  dem 
Innern  des  Holzes  färben  sich  nicht. 

Sehr  hübsch  lässt  sich  die  gleiche  Reaktion  makroskopisch  auf 
den  vergrauten  Hiilzern  selbst  ausführen.  These  färben  sich,  mit  10 "/^ 
Salzsäure  und  gleich  nachher  mit  2'7o  Ferrocyankaliumlr.sung  bestrichen, 
grün  bis  blau. 


Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  mit  den  geschilderten  Reaktionen 
alle  möglichen  Beweise  für  das  Vorhandensein  von  Eisengrau  bei  ver- 
grauten Hölzern  noch  nicht  erbracht  sind.  Es  kiinnte  die  Untersuchung- 
einerseits  auf  mikroskopische  Schnitte  ausgedehnt  werden  und  anderer- 
seits versucht  werden,  das  Zustandekommen  des  A'ergrauens  unter  ver- 
schiedenen, künstlich  hergestellten  Bedingungen  zu  beobachten.  Da  mir 
zu  einer  derartigen  weiteren  Portsetzung  der  Versuche  die  Zeit  mangelt, 
muss  ich  mich  damit  begnügen,  auf  bisher  nicht  bekannt  gewesene,  mit 
Wahrscheinlichkeit  bei  der  Vergrauung  der  Hölzer  mitwirkende  Vorgänge 
hingewiesen  zu  haben.')  Diese  Hinweise  mögen  im  folgenden  noch 
einmal  zusammengefasst  sein. 

')  Aufbewahrter,  nasser  Holzschliff  verfärbt  sich  manchuial  in  das  Blau- 
graue. (E.  Müller  und  A.  Haussner,  Die  Herstellung  tind  Prüfung  des  Papieren, 
S.  1409.)  Diese  Färbung  soll  ebenfalls  eine  „Eisenreaktion-'  sein.  E.  Muth 
bezeichnet  „Gerbstoffe"  (Dinglers  Polyt.  Journ.  CCXCI,  S.  2.35),  Klemm 
(Handbuch  der  Papierkunde  [1904],:  Müller  und  Hau.ssner,  S.  1676)  „Eisen- 
seifen" als  die  Ursachen  der  Vergilbung  „holzstofffreier"  (holzschlifffreier) 
Papiere.  Auch  E.  Hojer  (Die  Fabrikation  des  Papieres  [1887]  S.  2:5)  bespricht 
die  Rolle  des  Eisens  bei  der  Papiervergilbung,  doch  im  zweit  ei lulen  Sinne. 


j^2  ^^-  H-  Schramm. 

Die  Farben  vergrauter  Hölzer  kommen  durch  verschiedene  Ursachen 
zustande,  die  aber  häufig  zusammenwirken. 

1.  Eine  Schicht  farbloser  Fasern,  die  nach  Wiesner  aus  Zellulose 
bestehen,  wirkt  als  trübes  Mittel  vor  dunklem  Hintergrunde, 
wodurch  die  gelblichen  oder  bräunlichen  Farbtrme  der  unter 
den  „Zellulosefasern"  liegenden,  vielleicht  auch  noch  vergilbten 
oder  gebräunten  Holzteile  nach  blau  abgestimmt  werden.  Ver- 
graute Hölzer  geben  die  Reaktion  mit  Phlorogluciu  und  Salz- 
säure nicht  oder  nur  sehr  schwach,  vergilbte  oder  gebräunte 
geben  sie  hingegen  meistens  noch  sehr  deutlich. 

2.  Pilze  oder  Flechten,  die  fast  immer  in  der  Oberflächenschicht 
vergrauter  Hölzer  sich  vorfinden,  verursachen  unzählige  braune 
Farbeneindrücke,  die  in  Verbindung  mit  ebenfalls  unzähligen 
durch  die  Zellulosefasern  verursachten  weissen  oder  hellgrauen 
Farbeneindrücken  schliesslich  einen  graufarbigen  (iesamteindruck 
hervorbringen. 

3.  Durch  Eisen  sind  die  Zellulosefasern  sehr  häufig  grau,  das 
unter  ihnen  liegende  Holz  grünlichgrau  bis  bräunlichgrau  ge- 
färbt. Die  grauen  Färbungen  kommen  dadurch  zustande,  dass 
Eisen,  das  entweder  aus  den  in  den  Hölzern  steckenden  Eisenteilen 
oder  aus  eisenhaltigem  Staub  durch  die  atmosphärischen  Nieder- 
schläge auf  der  Holzoberfläche  verbreitet  wurde  oder  aus 
dem  Holzo  selbst  stammt  und  durch  chemischen  Abbau  der  Sub- 
stanzen der  Holzfaser  reaktionsfähig  wurde,  mit  den  in  den 
Hölzern  enthaltenen  eisenfärbenden  Stoffen  grau  gefärbte  Ver- 
bindungen eingeht.  Dies  wird  wahrscheinlich  gemacht  durch 
folgende  Feststellungen: 

a)  Die  Vergrauung  nimmt  bei  Hölzern,  die  Eisenteile  enthalten, 
von  diesen  ihren  Ausgangspunkt. 

b)  Die  grauen  P^ärbungen  können  nachgeahmt  werden  durch 
Bestreichen  der  Hölzer  mit  Eisensalzlösungen.  In  den  Fällen, 
wo  erst  durch  Belichtung  in  den  Hölzern  eisenfärbende  Stoffe 
entstehen  oder  sich  ansammeln,  müssen  dazu  vergilbte  oder 
gebräunte  Hölzer  genommen  werden. 

c)  In  allen  vergrauten  Holzoberflächen  wurde  Eisenoxyd  nach- 
gewiesen, in  nur  vergilbten  oder  gebräunten  Hölzern  hingegen 
nicht  oder  nur  in  verhältnismässig  weit  geringeren  Mengen. 
Erstere  werden  durch  Oxalsäurelösung  entfärbt,  letztere  nicht. 

d)  Die  färbenden  „Eisentinten"  haben  sehr  grosso  Färbekraft; 
es  genügt  also  sehr  wenig  Eisen  zum  Zustandekommen  von 


Zum  Vergrauen  der  Hölzer.  I53 

Eisengrau.  Die  in  einigen  Fällen  in  Holzoberflächen  bestimmten 
Eisenmengen  wurden  hierfür  für  ausreichend  gefunden. 
Da  das  Eisen  fast  durchaus  als  Eisenoxyd  in  den  vergrauten 
Holzoberflächen  vorkommt,  so  kann  man  der  Vermutung,  dass  Eisen 
auch,  abgesehen  von  der  wahrscheinlichen  Erzeugung  der  grauen  Färbung 
bei  der  Vergrauung  der  Hr)lzer,  durch  Sauerstoffübertragung  fördernd 
einwirkt,  mindestens  grosse  Wahrscheinlichkeit  zusprechen. 

Eichenholz    kann,    wie    ich    entgegen    den  Angaben   der  Literatur 
gefunden  habe,  ebenfalls  vergrauen. 


154  W.   }I.  Schramm. 


Zu  den  Farbenangaben  bei  Hölzern. 

Von 
W.  H.  Solirainiii,  Graz. 

Die  Farbe  ist  eine  der  wichtigsten  technisrlien  Eigenschaften  'ier 
Hölzer,  die  oft  geradezu  entscheidend  ist  für  die  Brauchbarl<eit  derselben 
und  zwar  nicht  nur  dort,  wo  sie  durch  die  Farbe  wirken  sollen,  da 
häufig  von  der  Farbe  auch  auf  andere  technische  Eigenschaften  ge- 
schlossen wird.  In  amtlichen  Prüfungsvorschriften  sind  manchmal  für 
einzelne  Hölzer,  um  sie  für  brauchbar  erklären  zu  können,  bestimmte 
Farben  zur  Bedingung  gemacht.  Solche  Vorschriften  erscheinen,  wenn 
man  die  Veränderlichkeit  aller  Farbenphiinomene  in  Betracht  zieht,  zu 
engherzig  oder  nur  von  lokaler  Bedeutung.  Von  grosser  Wichtigkeit 
ist  die  Farbe  der  Hölzer  auch  als  eine  der  hauptsächlichsten  physi- 
kalischen Eigenschaften,  die  zur  Erkennung  derselben  dienen  kann.  In 
Bestimmungstabellen  der  Hölzer  nehmen  Farbenangaben  meist  eine 
bedeutende  Stelle  ein. 

Nun  hat  die  S  c  h  i  1  d  e  r  u  n  g  v  o  n  F  a  r  h  t  ö  n  e  n  ihre  bekannten  Schwierig- 
keiten. Selbst  wenn  man  absieht  von  den  subjektiven  Verschiedenheiten 
des  Farbensehens  bei  den  einzelnen  Personen,  decken  sich  auch  häufig  die 
sprachlichen  Ausdrücke  für  den  gleichen  Farbeneindruck  nicht.  Besonders 
gross  werden  die  Schwierigkeiten  bei  wenig  ausgesprochenen  Misch- 
farben. Will  man  solche  Mischtöne  schildern,  so  bleibt  häufig  kein 
anderer  Ausweg  als  die  Aneinanderreihung  mehrerer  Farbwerte.  Doch 
erwecken  Ausdrücke  wie  „rötlichbraungrau"  und  dergleichen  manchmal 
eher  Heiterkeit  oder  Unwillen  als  eine  anschauliche  Vorstellung.  Man 
hat  ja  diesen  Übelstand  von  jeher  stark  empfunden,  und  es  bleibt 
dabei  nur  merkwürdig,  dass  alle  Versuche,  ihn  durch  eine  in 
allen  Händen  befindliche  einheitliche  Farbenskala,  soweit  es  eben  mög- 
lich ist,  auszumerzen,  zu  keinem  durchgreifenden  Erfolg  führten,  ob- 
wohl auf  diese  Weise  sogar  geringere  subjektive  Unterschiede  des  Farben- 
sehens für  das  Endergebnis  einer  Farbenbeurteilung  zum  Verschwinden 
gebracht  werden  können.') 


1)  Schon  Leonardo  da  Vinci  soll  sich  mit  diesem  Problem  beschäftigt 
haben,     im  Jahre  lT9(i  erschien  dann  der  „Entwurf  eines  allgemeinen  Farben- 


Zu  den  Far1)enangaben  bei  Hnlzern.  155 

Solchen  Versuchen  stehen  eben  grosse  Schwierigkeiten  entgegen. 
Obwohl  hier  nicht  der  Ort  ist,  auf  diese  Schwierigkeiten  näher  einzu- 
gehen, wird  gerade  die  Betrachtung  der  Holzfarbentöne  zu  einigen  der- 
selben, wie  Wirkung  des  Untergrundes  und  der  Oberfläche,  Glanz  u.  a., 
hinleiten.  Bei  Raddes  internationaler  Parbenskala  erscheint  mir  die 
Technik  der  Parl)enerzeugung  einer  allgemeinen  Anwendung  derselben  hin- 
derlich. Viel  zu  geringe  Beachtung  haben  nach  meiner  Ansicht  die  Vorschläge 
J.  Klaudys^)  zur  Ermöglichung  einer  einheitlichen  Benennung  von  Farbtönen 
gefunden.  Bei  der  Schilderung  der  Farbtöne  der  Hölzer  kommt  noch  als  be- 
sondere Schwierigkeit  die  grosse  Ähnlichkeit  derselben  in  Betracht. 
Demjenigen,  der  niemals  seine  Aufmerksamkeit  den  Farbenunterschieden 
der  Hölzer  zugewendet  hat,  erscheint  alles  Hf>lz  braun.  E)as  findet  nun 
einerseits  seinen  Grund  wohl  darin,  dass  die  Farben  verarbeiteter  Hölzer 
durch  Vergilbung  und  Bräunung  sich  immer  ähnlicher  werden  und  auch 
Gewerbe  und  Industrie  durch  Braunfärben  der  Hölzer  einer  solchen 
Gleichmachung  bewusst  oder  unbewusst  zustreben;  anderseits  hat  bei 
dem  Zustandekommen  der  Holzfarbtöne  die  Xatur  eben  auch,  wenn  man 
so  sagen  darf,  braun  in  braun  gemalt.  Sehr  deutlich  wird  dies  sicht- 
bar, wenn  man  die  Holzfarbtöne  unter  Anwendung  einer  Farbenskala  zu 
bestimmen  sucht.  Auch  J.  Klaudy^)  sagt  darüber:  „I»ie  Naturholztöne 
erweisen  sich  als  innerhall)  merkwürdig  enger  Grenzen  befindlich." 
Durch  diesen  Umstand  wird  die  Erscheinung  erklärt,  dass  die  Holzfarb- 
töne häufig  objektiv  ganz  unrichtig  geschildert  werden.  In  dem  Be- 
streben, geringe  Unterschiede,  die  meist  im  Hinneigen  zu  einzelnen  be- 
stimmteren Farben  bestehen,  herauszuheben,  werden  diese  überschätzt 
oder  übertrieben  geschildert,  von  dem  bräunlichen  Grundton  wird  ab- 
strahiert, und  Hölzer  w^erden  für  „gelbrot",  „gelb",  „orange",  ,,rot",  ..violett- 
rot", ,, dunkelviolett"  erklärt,  die  wirklich  gar  nicht  diese  reinen  Farbtöne 
sondern  nur  Mischtöne  derselben  mit  braunen  oder  grauen  aufweisen. 
Wie  sehr  dies  manchmal  der  Fall  ist,  davon  kann  man  sich  leicht  über- 
zeugen,  wenn  man   Hölzer,  denen  reine  Farbtöne  zugeschrieben  werden. 


Vereins  oder  A-^ersuch  und  Muster  einer  gemeinnützigen  Bestimmung  und  Be- 
nennung der  Farben"  von  J.  Ch.  Schaff  1er.  Ferner  veröffenthchte  E.  Che  vreul 
ein  „Verfahren  um  die  Farben  der  Körper  nach  einer  rationellen  und  experi 
mentellen  Methode  zu  bestimmen  und  zu  benennen".  {Dinglers  Polyt.  Journ. 
CXXI,  S.  367.)  Zu  vergleichen  ist  auch  A.  Hof  mann,  Farbensystem.  (Chein. 
Ztg.  XXV,  S.  155-157.  —  Chem.  Cbl,  1901,  8.  1—708). 

2)  Über  ein  einfaches  Verfahren  zur  Herstellung  beliebiger  Farbtr»ne  auf 
Holz,  Papier  etc.  und  ein  Vorschlag  zur  Benennung  t)eliebiger 
Farbtrme.  (V^ortrag  gehalten  im  niedei'österreichischen  Gewerbeverein  am 
5.  Dezember  1902.^) 

3)  A.  a.  0.  S.  9. 


J56  ^-   ^-  Schlamm. 

mit  solchen  vergleicht,  die  jene  Farbtöne  wirklich  aufweisen.  Man  er- 
hält letztere,  wenn  man  sehr  helles  Ahorn-  oder  Lindenholz,  das  man 
vorher  vielleicht  auch  noch  gebleicht  hat,  mit  Teerfarbstofflösungen  oder 
sehr  dünnen  Aquarellfarben  bestreicht.  Es  wäre  wünschenswert,  dass 
jeder  Sammlung  von  Hölzern,  die  zu  Studienzwecken  dienen  soll,  eine 
Anzahl  solcher  gefärbter  Hölzer  beigegeben  werde,  um  zur  Bescheiden- 
heit in  der  Anwendung  reiner  oder  hoher  Farben  zur  Schilderung  der 
Holzfarbtöne  zu  mahnen. 

Ein  sehr  ähnlicher  Fehler  wird  manchmal  begangen,  wenn  es  sieh 
um  die  Kennzeichnung  der  Helligkeitsunterschiede  handelt.  Es 
weisen  weit  weniger  Hölzer  mittlere  oder  gar  dunkle  Färbungen  auf, 
als  man  nach  den  Angaben  der  Literatur  vermuten  könnte. 

Auch  auf  die  störende  Wirkung  des  Glanzes  bei  der  Beurteilung 
von  Holzfarbtönen  wäre  noch  hinzuweisen.  Es  kann  vorkommen,  dass 
dieser  zur  Farbe  gerechnet  wird.  Die  Oberflächen  gespaltenen,  ge- 
hobelten, geschliffenen  Holzes  unterscheiden  sich  wesentlich.  Durch 
das  Schleifen  werden  alle  Hölzer  etwas  mehr  grau.  Vielleicht  bleibt 
manchmal  von  dem  angewendeten  Schleifmittel  etwas  in  der  Holzober- 
fläche zurück.  Geschliffenes  Ahornholz  bekommt  einen  violetten 
Schimmer.  Hölzer,  die  eisenfärbende  Stoffe  enthalten,  bekommen  auch 
im  lufttrockenen  Zustand  durch  das  Hobeleisen  oder  die  Ziehklinge  leicht 
einen  etwas  geänderten  Farbton.  Werden  die  Hölzer  nun  gar  poliert 
oder  gewachst,  so  treten  noch  andere  optische  Erscheinungen  auf,  die 
störend  wirken  können;  von  ihnen  soll  später  noch  die  Rede  sein. 

Viele  Hölzer  zeigen  ein  sehr  lebhaftes  Farbenspiel,  Frühholz 
und  Spätholz  sind  anders  gefärbt.  In  solchen  Fällen  bleibt  nur  übrig, 
eine  sehr  eingehende  Schilderung  der  Farben  der  einzelnen  Holzteile 
zu  entwerfen.  Daneben  soll  aber  doch  der  Hauptfarbton  angegeben 
und  gleichzeitig  vom  Glanz  abstrahiert  werden.  Mein  Vorschlag  geht 
dahin,  zu  diesem  Zweck  nicht  die  Farbe  der  Holzoberfläche,  sondern 
die  einer  Schicht  von  frisch  hergestellten  Säge-  oder  Raspelspänen 
oder  etwa  auch  die  Farbe  eines  nicht  geglätteten  frischen  Hirnschnittes 
zu  beurteilen.  Kann  das  Eisen  der  Werkzeuge  auf  die  Farbe  ver- 
ändernd einwirken,  so  müssen  solche  aus  anderen  Metallen  genommen 
werden.*) 

Alle  Schwierigkeiten  bei  der  Angabe   von  Holzfarbentönen   werden 


1)  Eisen,  das  voii  den  Werkzeugen  auf  die  frische  Schnittfläche  gelangt 
ist,  lässt  sich  nachweisen,  indem  man  diese  mit  10%  Salzsäure  bestreicht  und 
etwas  später,  nachdem  die  Farben  Veränderung  des  Holzes  durch  die  Salzsäure 
beendigt  ist,  einige  Tropfen  einer  2"/o-L()Sung  von  gelbem  Blutlaugensalz  auf 
die  mit  Salzsäure  benetzte  Stelle  brinsrt. 


Zu  den  Farbenangal)en  bei  Hölzern.  ■   ^57 

noch  bedeutend  durch  den  Umstand  gesteigert,  dass  die  Farbe  der  Hölzer 
an  denselben  Stücken  nicht  unveränderlich  ist,  einen  Umstand,  auf  den 
in  der  Literatur  wohl  gelegentlich  hingewiesen  wird,  dem  al^er  bisher 
viel  zu  wenig  Beachtung  geschenkt  wurde,  namentlich  nicht  in  jener 
bewusst  methodischen  Weise,  die  bei  wissenschaftlichen  Angaben  uner- 
lässlich  ist. 

Von  dem  Augenblick  an,  wo  das  Holz  aus  dem  Innern  des  Baumes 
an  das  Tageslicht  kommt,  macht  es  eine  Reihe  von  Farbenveränderungen 
durch,  die  durch  Zustandsänderungen  des  Holzes  bedingt  sind.  Je 
nach  dem  Zustand  kann  die  Farbe  etwas  oder  auch  stark  von  der  Farbe 
des  ursprünglichen  Zustandes,  also  der  Farbe  des  frisch  geschlagenen 
Holzes,  abweichen,  so  dass  es  also  notwendig  erscheint,  den  Farben- 
angaben auch  Angaben  des  Zustandes,  für  den  sie  galten,  anzufügen. 
Nun  sind  in  der  Literatur  solche  Angaben  wohl  zu  finden,  aber  meistens 
sind  es  nur  gelegentliche  Hinweise,  oder  es  wird  in  allgemeinen 
Kapiteln  über  Farbenveränderungen  gesprochen,  bei  den  einzelnen 
Hölzern  aber  dann  nicht  die  notwendige  Anwendung  gemacht.  Häufig 
wird  stillschweigend  vorausgesetzt,  dass  die  Farbenangaben  lufttrockene 
Hölzer  betreffen.  ^lanchmal  werden  dann  allerdings  irrtümlich  Grün- 
holzfarben dafür  eingesetzt.  So  kommt  es  auch,  dass  in  Bestimmungs- 
tabellen  für  Hölzer  nicht  mit  einem  einzigen  Worte  erwähnt  wird,  ob  die 
Farbenangaben  Grünholz  oder  lufttrockenes  Holz  betreffen  und  dergleichen 
mehr. 

Streng  genommen  sind  es  vier  verschiedene  Zustandsarten,  in 
welchen  das  Holz  vorliegen  kann. 

1.  Grün,   unmittelbar  nach  der  Fällung. 

2.  Grün,  nachdem  das  Holz  einige  Zeit  der  Luft  und  etwa  auch 
dem  Licht  ausgesetzt  gewesen  war. 

3.  Lufttrocken,  frische  Schnittfläche. 

4.  Lufttrocken,  nachdem  das  Holz  einige  Zeit  der  Luft  und  etwa 
auch  dem  Licht  ausgesetzt  gewesen  war,  also  dann  im  mehr 
oder  minder  vergilbten  oder  gebräunten  Zustand. 

Allenfalls  könnte  man  poliertes  oder  gewachstes  Holz  als  eine 
fünfte  Zustandsart  bezeichnen. 

H.  Nördlinger  unterscheidet  in  seinem  1890  erschienenen  Büchlein 
„Die  gewerblichen  Eigenschaften  der  Hölzer"  (Stuttgart)  dreierlei  Parben- 
zustände,  ,, denjenigen  des  saftreichen  Grünholzes  am  Stock  der  Bäume, 
den  des  halbwelken  Holzes  und  den  des  lufttrockenen." 

Ich  will  nun  nicht  behaupten,  dass  jedes  Holz  in  jedem  der  vier 
oder  fünf  möglichen  Zustandsarten  eine  verschiedene  Färbung  aufweist, 
aber  sehr  häufig  kommt  dies  (sben  doch  vor,  viel  häufiger  und  viel  all- 


158 


^\'.   Jl.  Sciiraiiiin. 


gemeiner  als  man  nach  den  Avenigen  Angaben,  die  sich  in  der  Lireratur 
vorfinden,  vermuten  möchte. 

Als  sehr  beliebtes  Beispiel,  um  daran  die  Farltenveränderimgen 
der  HiUzer  aufzuweisen,  wird  vielfach  das  Holz  der  Schwarzerle, 
Älnus  glutinosa  Gaertn.  herangezogen.  Ich  setze  die  Farbenangaben 
einiger  wichtigen  Werke  darüber  her: 

,,Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer"  von  Dr.  H.  Xördlinger 
(1860),  S.  47:  ,,Die  eigentümliche  Farbe  des  grünen  Holzes  bildet  sich 
häufig  erst  an  der  Luft  aus,  so  die  des  Erlenholzes,  das  auf  dem 
frisciien  Schrot  nur  fleischrot  sieht,  nach  '/2  Stunde  aber  stark  gelbrot,'* 
und  S.  511:   ,, Grünorange,  trocken  hellrot." 

,,Die  gewerblichen  Eigenschatten  der  Hölzer"  von  l)i'.  II.  Xörd- 
linger (1890),  S.  6:  ,, Fleischrot,  dann  gelbrot  und  endlich  braunrot." 

.,Die  RohstofTe  des  Pflanzenreiches"  von  Dr.  J.  Wiesner,  2.  Aufl., 
Bd.  II,  S.  36:  ,,Das  Holz  der  Erlen  z.B.,  im  Innern  des  Stammes  weiss- 
lich.  wird  unter  dem  Einflüsse  der  Luft,  namentlich  am  Querschnitt 
frisch  gefällter  Bäume,  rasch  mehr  oder  weniger  rot,"  und  S.  886:  ,,Holz 
rcUlichweiss  bis  gelbrot." 

,, Forstliche  Botanik"  von  fJr.  Frank  Schwarz  (1892),  S.  478:  Älnus 
glutinosa.     Das  frische  Holz  sieht  weiss  aus,  beim  Liegen  wird  es  rötlich  " 

Versucht  man  diese  Angaben  zur  Kennzeichnung  der  Farben,  die 
Erlenholz  in  den  vier  bis  fünf  verschiedenen  Zustandsarten  annehmen 
kann,   zu  verwenden,   so  ergibt  sich  folgendes: 


Nach 

Nördllns-oi 


Aus  „Die  Roh- 
stoffe des 
Pflanzen- 
reiches" 


1.   Grün   unmittelbar    nach    Fleischrot  S. 47; 
der  Pälluns;  Orange  S.  511 


Weisslich 


2.  Grün,  nach  Einwirkung 
von  Licht  und  Luft 


3.  Lufttrocken,  frische 
Schnittfläche 


Gelbrot 


4.  Lufttrocken,  nach  Ein- 
wirkung von  Licht  und 
Luft 


Hellrot 

oder 

rotbraun 


Mehr  oder 
weniger  rot 


Nach  eigener 
Beobachtung 


Bräunlich- 
orange 


Rötlich  weiss 

bis 

ü-elbrof.' 


Sehr  helles, 

bräunliches 

Geli)rosa 


5.  Lufttrocken,  frische 
Schnittfläche  poliert 


Bräunlichgelb 
orange 

Bräunlich- 
orange 


Zu  den  Falbenangaben  bei  Hölzern.  159 

Die  Angaben  der  Forstbotanik  sind  niclit  sicher  einzureihen. 

Als  weiteres  Beispiel  möchte  ich  nur  noch  auf  das  Holz  der 
Schwarznuss,  Jiigkms  nigra  L.,  hinweisen.  Von  ihm  wird  angegeben, 
dass  es  „dem  Holz  des  gemeinen  Nussbaumes  ähnlich  sei.  doch  mit 
lebhafter  braunem,  oft  etwas  violett  oder  rötlich  getöntem 
Kern".  Diese  violette  oder  rötUche  Tönung  ist  aber  nur  an  frischen 
Schnittflächen  des  lufttrockenen  Holzes  wahrzunehmen;  werden  diese 
einige  Tage  der  Einwirkung  von  Licht  und  Luft  ausges(^tzt,  so  ver- 
wandelt sich  die  Farbe,  die  man  etwa  als  karmingrau  bezeichnen 
könnte,  in  ein  reines,  warmes  Braun.  Die  Farben  des  grünen  Holzes 
sind  bisher  noch  nicht  verzeichnet. 

Leider  ist  über  das  Wesen  d  e  r  F  a  r  b  e  n  v  e  r  ä  n  d  e  r  u  n  g  e  n  der  Hölzer 
fast  nichts  bekannt.  In  vielen  Fällen  sind  gewiss  chemische  Verände- 
rungen die  Ursache.  Ob  solche  auch  für  die  Umwandlung  der  Grün- 
holzfarbe in  die  Trockenfarbo  anzunehmen  sind,  ist  allerdings  sehr 
fraglich.  Nördlinger^)  nimmt  an,  dass  „in  manchen  Fällen  beim  Aus- 
trocknen der  Hölzer  allmählich  viel  Saft  und  damit  sich  umsetzende 
Farbstoffe  an  die  Oberfläche  geführt  werden".  Ähnliches  wollte  offen- 
bar Thon^)  ausdrücken,  als  er  etwas  naiv  schrieb:  „Durch  die  Ein- 
wirkung des  freien  Sonnenlichtes  wird  nämlich  der  in  dem  inneren 
Holzkörper  befindliche  Kohlenstoff  entbunden  und  durch  die  Wärme 
nach  aussen  hingezogen."  R.  Hartig^)  vermutete  im  besonderen  Fall 
eine  (»xydation  von   „Gerbstoff". 

Der  Hauptsache  nach  wird  der  Übergang  der  Grünholzfarbe  in  die 
Farbe  des  lufttrockenen  Holzes  wohl  durch  das  Trocknen  bedingt  und 
ist  dann  ein  physikalischer  Vorgang.  Durch  Verdunstung  der  Flüssig- 
keit, die  im  grünen  Holze  enthalten  ist,  und  durch  Eintreten  von 
Luft  an  ihre  Stelle  kommen  unzähUge  lichtreflektierende  Grenzflächen 
zur  Wirksamkeit;  das  Licht  kann  nicht  mehr  so  tief  eindringen, 
ist  vielmehr  Oberflächenlicht  und  enthält  viel  mehr  weisses  Licht.*) 
E)urch    Tränkung    des    Holzes    mit   Wasser    muss    dann    die    Grünholz- 


^)  Die  technischen  Eigenschaften  der  Hölzer.     1860,  S.  -iO. 

'^)  Die  Holzbeizkunst  oder  Holzfärberei.     1840,  S.  02. 

'^')  L^ntersuchungen  aus  dem  forstbotanischen  Institut  zu  München.  II, 
18SL>,  S.  49  u.  52. 

*)  Nördlinger  a.  a.  0.  sagt  über  das  Durchscheinen  der  Hölzer 
folgendes:  „Das  Holz  ist  durchsichtigei-,  als  man  sich  gewöhnlich  vorstellt. 
Schon  durch  eine  fingerdicke,  trockene  Fichtenhirnscheibe,  sieht  man  das  Licht 
einer  Kerze  bei  gehöriger  Näherung  rot  durchschimmern.  Noch  stärker  aber 
ist  die  Ei-scheinung  am  saftreichen  Holz,  so  dass  im  Verhältnis  zur  grossen 
Durchsichtigkeit  des  nassen  Splints  das  trockene  Reifholz  derselben  Fichten- 
scheibe noch  sehr  undurchsichtig  erscheint.'' 


160  ^^  •  ^-  Schramm 

färbe  -wieder  lierstellbar  sein.  Allerdings  müsste  die  Tränkunii-  in  einer 
Weise  vorgenommen  werden,  dass  Holzfarbstoffe  dabei  nicht  ausgelaugt 
werden  und  nicht  Mikroorganismen  in  farbenverändernde  Tätigkeit  treten 
können.  Eine  ähnliche,  ja  vielleicht  noch  stärkere  Wirkung  als  die 
Tränkung  mit  Wasser  müsste  die  Tränkung  mit  Ölen,  Har/.-  oder  Wachs- 
auflösungen  haben. 

Vermutlich  sind  also  die  bekanntesten  Holzfarben,  die  .^Farben 
poUerter  oder  gewachster  Hölzer,  Grünholzfarben,  vermehrt  noch  etwa 
durch  die  bei  der  Vergilbung  im  Licht  hinzutretenden  gelben  bis  gelb- 
braunen Töne  und  durch  die  Eigenfarbe  der  Politur  und  des  Wachses. 
In  den  holzverarbeitenden  Gewerben  wird  das  Aussehen  eines  Holzes  im 
polierten  Zustande  durch  Nässen  des  Holzes  voraus  geprüft,  die  Wirkung 
einer  Färbung,  wenn  das  Holz  auch  poliert  werden  soll,  im  nassen  Zu- 
stande beurteilt  u.  dgl. 

Der  Forstmann  beachtet  und  kennt  natürlich  vorzugsweise  die 
eigentliche  Grünholzfarbe,  der  Rohstofichemiker,  der  Botaniker,  das 
Kunstgewerbe  und  die  Industrie  erhalten  die  Hölzer  hingegen  meist  im 
lufttrockenen  Zustande.  Beim  Holzeinkauf  hütet  sich  der  erfahrene 
Industrielle  oder  Gewerbsmann,  die  Farben  der  Hölzer  nur  auf  der  Ober- 
fläche zu  beurteilen;  er  entfernt  die  obersten  Holzschichten,  um  die 
Trockenfarbe  auf  der  frischen  Schnittfläche  bewerten  zu  können.')  r»as- 
selbe  ist  bei  der  Bestimmung  von  Hölzern  durchaus  anzuraten,  da  fast 
immer  die  Farbe  dersoll)en  an  der  Oberfläche  durch  Einwirkung  von 
Licht  und  Luft  verändert  ist. 

An  Sammlungsstücken  aber,  die  in  Glaskästen  aufbewahrt  jahre- 
lang der  Einwirkung  von  Licht  und  Luft  ausgesetzt,  womöglich  auch 
geschliffen  und  poliert  sind,  die  in  der  Literatur  angegebenen  Holzfarben 
zu  entdecken,  —  etwa  an  einem  derart  gelbgraubraun  gewordenen  Ahorn- 
holzstück die  für  Ahornholz  angegebene  gelblichweisse  bis  rötlichweisse 
Farbe  zu  erkennen,  —  dazu  gehiirt  entweder  eine  ausserordentliche,  durch 
Erfahrung  geschärfte  Fähigkeit  zum  Abstrahieren  oder  ein  ausserordent- 
licher Mangel  an  ursprünglicher  Beobachtungsgabe. 

Endlich  mfichte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  häufig  gedämpfte 
Hölzer  im  Handel  vorkommen,  und  es  deshalb  auch  wünschenswert  er- 
scheint, anzugeben,  in  welcher  Art  die  Farben  der  Hrdzer  durch  das 
Dämpfen  verändert  werden.  Für  einige  der  wichtigsten  Hölzer  machte 
Streicher^)    folgende    Angaben,    die    aber    auch    wahrscheinlich    einer 


')  Zu  vergleichen  ist  z.  B.  Sclimidt  und  Härtung,  liegeln  beim  Kin- 
kauf  verschiedener  Hölzer,     (Dinglers  Polj'techn.  Journ.  CIL  S.  397.) 

2)  A.  Streicher,  Das  Auslaugen  des  Hol/.es.  (Dinglers  Polytechn. 
Journ.  XXXVI  [1830],  S.  199.) 


Zu   den   Farbenangaben  bei  Hölzern.  161 

Revision  bedürfen:  „Die  Farbe  jeder  Holzart  wird  durch  Auslaugen  um 
vieles  dunkler.  So  wird  Tannen-  und  Fichtenholz  bräunlichgelb,  als 
ob  es  schon  viele  Jahre  an  der  Luft  gelegen  hätte."  „Birnbaum  wird 
rötlichbraun  und  ist  dann  von  Türkisch-Haselnussholz  schwer  zu  unter- 
scheiden. Ahorn  sticht  ins  Rötliche,  Mahagoni  wird  tiei'  rot.  Buchen 
braun,  Eichen  nussbraun  und  Nussbaum  wird  mehr  oder  minder 
schwarzbraun.  Kirschbaumholz  wird,  nach  der  Gattung  der  Frucht, 
die  der  Baum  getragen  hat.  gelbrot  oder  dunkelrot.  Diese  Ver- 
änderung der  Farbe  zeigt  sich  aber  nicht  nur  auf  der  Ober- 
fläche, sondern  ist  durch  das  ganze  Stück,  die  Dicke  desselben  mag 
sein  wie  sie  wolle,  gleichmässig  verbreitet.  Bei  Pfosten  von  Nussbaum 
zeigt  es  sich  am  deutlichsten,  wie  aus  den  grossen  Saftröhren  der 
Färbestoff  ausgeflobsen  und  sich  allen  Fasern  mitgeteilt  hat,  indem 
nun  auch  der  früher  ganz  weisse  Sphnt  eine  schrme  l)raune  Farbe  er- 
hält." 

Auch  künstlich  vollständig  durchgefärbtes  Holz  kommt  manchmal 
im  Handel  vor  und  krmnte  in  einigen  Fällen  x\nlass  zu  Täuschungen 
geben. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  kurz  noch  einmal  alles  zusammenfassen, 
was  mir  für  eine  einwandfreie  Angabe  der  Farben  der  Holzarten  von 
Wichtigkeit  zu  sein  scheint. 

Da  eine  genaue  Kenntnis  der  Farben  der  Holzarten  wissenschaftlich 
und  technisch  wichtig  ist,  erschien  es  mir  notwendig,  auf  einige  Um- 
stände hinzuweisen,  die  hei  Angaben  über  die  Farbton  der  Hölzer  bisher 
vielfach  nicht  genügend  oder  auch  gar  nicht  berücksichtigt  worden 
sind,  so  dass  viele  dieser  Angaben  einer  Nachprüfung  bedürftig  er- 
scheinen. E)ie  einwandfreie  Schilderung  der  Holzfarbtöme  stösst  auf 
Schwierigkeiten,  die 

I.  Parbenangaben  überhaupt  eigentümlich  sind,  l)ei  solchen  über 
Hölzer  aber  besonders  schwerwiegend   hervortreten, 

11.  durch    die  Veränderlichkeit   der    Hfilzer    hervorgerufen    werden. 

1.  Die  Holzlarben  sind  meist  wenig  ausgesprochene  Mischfarben. 
Die  Schwierigkeit,  solche  zu  schildern,  ist  bekanntlich  sehr 
gross.  Sehr  wünschenswert  wäre  deshalb  hier  die  Ver- 
gieichung  mit  den  Farbtönen  einer  internationalen  Farben- 
skala, für  deren  Verwirklichung  die  Vorschläge  J.  Klaudys 
zur  Ermöglichung  einer  einheitlichen  Benennung  von  Fari)- 
töiuen  Beachtung  verdienen. 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  ang-ew.indto  Hotanik    IV.  1 1 


^g2  W.  H.  Schramm. 

2.  Die  Farben  der  Hölzer  sind  meistens  untereinander  sehr 
ähnlich,  weshalb  sie  in  dem  Bestrel)en,  die  geringen  Unter- 
schiede deutlich  herauszuheben,  häufig  o))1ektiv  ganz  unrichtig 
geschildert  werden : 

a)  Das  Hinneigen  zu  Itestimmten  Parbtrmen  wird  überschätzt 
und  von  dem  bräunlichen  oder  gelblichen  Grundton  ganz 
abstrahiert.  Um  diesem  Fehler  auszuweichen,  empfehle 
ich  die  Vergleichung  mit  künstlich  in  bestimmten  reinen 
Farbtönen  gefärbten  H/ilzern. 

b)  Helligkeitsunterschiede  werden   überschätzt. 

c)  Es  wird  nicht  oder  nicht  genügend  von  der  Wirkung 
des  Glanzes  abstrahiert.  Gespaltene,  gesägte,  ge- 
hobelte und  al)geschliffene  Holzflächen  zeigen  an  dem- 
selben Holzstück  scheinbar  verschiedene  Farben.  Manch- 
mal bestehen  indessen  solche  Farbenunterschiede  wirklich, 
z.  B.  wenn  das  Eisen  der  Werkzeuge  farljverändernd  ein- 
gewirkt hat  oder  etwas  von  dem  Schleifmittel  in  der 
Holzoberfläche  zurückgeblieben  ist. 

d)  Unterschiede  in  der  Farbe  des  Spätholzes  und  Frühholzes 
werden  makroskopisch  häufig  gar  nicht,  der  Gesamtfarben- 
eindruck durch   Einzeleindrücke  verschoben  angegeben. 

Um  den  beiden  letztgenannten  Schwierigkeiten  (c,  d)  auszuweichen, 
habe  ich  vorgeschlagen,  nicht  die  Farbe  der  Holzotierfläche.  sondern  die 
einer  Schicht  von  frisch  hergestellten  Hobel-  oder  Raspelspänen  oder 
etwa  auch  die  Farbe  eines  nicht  geglätteten,  frischen  Hirnschnittes  zu 
))eurteilen. 

n. 

Die  F'arbe  ist  an  denselben   Stücken  nicht  unveränderlich. 

Von  dem  Augenblick  an,  wo  das  Holz  aus  dem  Innern  des 
Baumes  an  das  Tageslicht  kommt,  macht  es  eine  Reihe  von  Zustands- 
änderungen  durch,  die  meistens  mit  Farbenveränderungen  verknüpft 
sind.  Je  nach  dem  Zustande  des  Holzes  kann  die  Farl>e  mt'hr  oder 
weniger  von  der  Farbe  des  frisch  geschlagenen  Holzes  abweichen,  so 
dass  es  also  notwendig  erscheint,  den  Farbenangaben  auch  Angaben 
des  Zustandes,  für  den  sie  gelten,  anzufügen. 

Es  sind  vier  verschiedene  Zustandsarten,  in  welchen  das  Holz  vor- 
liegen kann: 

1.  Grün,   unmittelbar  nach  der  Fällung. 

2.  Grün,  nachdem  das  Holz  einige  Zeit  der  Luft  und  etwa  auch 
dem  Licht  ausgesetzt  gewesen  war  (halbwelk). 


Zu  (Ion  Farl)cnangaben  bei   Hölzern.  1Q^ 

3.  Lufttrocken,   frische  Schnittfläche, 

4.  Lufttroclven,  nachdem  das  Holz  einige  Zeit  der  Luft  und  etwa 
auch  dem  Lichte  ausgesetzt  gewesen  war,  also  dann  im 
mehr  oder  minder  vergilbten  oder  gehräunten  Zustand. 

Bei  der  Bestimmung  von  HfUzern  wird  man  sich  also  zuerst  zu 
vergewissern  haben,  in  welcher  Zustandsart  sie  vorliegen.  Zweckmässig 
dürfte  es  sein,  zur  Bestimmung  Angaben  nur  für  den  ersten  und  dritten 
Zustand  zu  gei)en.  Es  ist  dann  mr)glich  und  stets  anzuraten,  zur  Be- 
urteihmg  frische  Schnittflächen   herzustellen. 

Sammlungen  von  Holzarten  sollen  vor  Licht  geschützt  aufl)ewahrt 
werden.')  Sammlungsstücke,  die  zu  Unterrichtszwecken  dienen,  sollten 
nur  dann,  wenn  es  sich  darum  handelt,  den  dekorativen  Wert  einer 
Holzart  zu  zeigen,  poliert  oder  gewachst  werden.  Dio^  Farben  polierter 
■oder  gewachster  H/ilzer  nähern  sich  wahrscheinlich  den  Grünholz- 
farben.    Gedämpfte  Hölzer  zeigen  abweichende  Farben, 


1)    Auch    ammoniakalischo    Dämpfe    sind     fernzuhalten.       Ammoniakgas 
bräunt  sehr  viele  Hölzer. 


jg^  P.  üraebnei 


Die  wirtschaftsfeindlichen  Fai<toren  der  Heide  und  die 
sich  daraus  ergebenden  Pflanzenkrankheiten. 

Von 
Paul  (Traebiier,  Gr.-Lichterfelde-Beiiin. 

Jede  Wanderung  durch  das  Gebiet  der  Heide,  namentlich  durch 
die  grossen  Heidegebiete  des  nordwestdeutschen  Flachlandes,  lässt  selbst 
den  Laien  es  erkennen,  dass  wir  hier  Landesteiie  mit  geringer  Stoff- 
produktion, mit  geringem  Jahreszuwachs,  mit  geringer  Ernte  vor  uns 
haben.  Wald  und  Feld  zeigen  auf  grosse  Entfernungen  oft  gleich 
kümmerliches  Gedeihen  und  gleich  geringen  wirtschaftlichen  Wert.  Das 
verhältnismässige  Xiedrigbleiben  der  Kulturgewächse  sowie  der  indigenen 
Pflanzen  geben  dem  ganzen  Gelände  eine  oberflächhche  Ähnlichkeit  mit 
der  Formation  der  Steppe,  die  die  kontinentalen  Gebiete  Europas  be- 
wohnt. Diese  äusserliche  Ähnlichkeit  hat  viele  Geographen  und  auch 
Pflanzengeographen  veranlasst,  beide  Vegetationsformationen.  Steppe 
und  Heide,  zusammenzufassen  und  dem  \\'alde  und  der  Wiese  gegen- 
überzustellen. Ich  habe  bereits  mehrfach')  darauf  hingewiesen,  dass, 
wenn  man  die  hauptsächlichst  wirkenden  Faktoren  der  Formationsbildung 
zur  natürUchen  Einteilung  der  Formationen,  der  Pf  lanzenvereine,  verwenden 
will,  die  Heide  und  die  Steppe  gewissermassen  zwei  extreme  Formationen 
darstellen.  Betrachtet  man  beispielsweise  eine  Heide,  einen  Wald  und 
eine  Steppe  resp.  Wüste  auf  ursprünglich  ganz  gleichartigen  Boden- 
arten, so  findet  sich  die  Heide  stets  in  den  Gebieten  reichen  Regenfalles, 
namentlich  reicher  Luftfeuchtigkeit,  die  auch,  wie  wir  später  sehen 
werden,  die  hemmenden  Paktoren  bedingen.  Der  Wald  findet  sich  in 
schönster  Entwickelung,  wo  weder  die  Feuchtigkeit  noch  die  Trockenheit 
zu  sehr  auf  Veränderung  des  Bodens  hingewirkt  haben  oder  Vegetations- 
hemmungen bewirken.  Die  Steppe  hat  ihren  Ursprung  in  einer  mehr 
oder  weniger  ausgeprägten  sommerlichen  Ruheperiode,  hervorgel »rächt 
durch    eine  Zeit  der  Trocknis,    die  je   nach    ihrer  Länge   und   hitensität 


1)  Schriften  der  Naturrorsch.  Ges.  Danzig.  N.  F.  IX.  1898.  —  Natur- 
wissenschaftl.  Wocheuschr.  XIII.  1898.  —  Warming,  Lehrbuch  d.  ökolog. 
Pflanzengeogr.     2.  Aufl.,  p.  125. 


Die  wirtschaftsfeindlichen  Faktoren  der  Heide  etc.  165 

alle  Übergänge  hervorbringt  von  dem  an  den  Wald  grenzenden  nur 
eigentlich  einen  gehemmten  Wald  darstellenden  Steppenwalde  (Busch- 
steppe), bei  immer  grösser  und  grösser  werdenden  Schädigungen  des 
Holzwuchses  zur  Krautsteppe  und  schliesshch  zur  Wüste.  Bei  den 
Steppen  der  gemässigten  Khmate  sind  also  zwei  Ruheperioden,  der 
Winter  und  die  Sommertrocknis,  das  Charakteristikum. 

Bei  allen  Formationen,  die  den  Heidegebieten  eigen  sind,  macht 
sich  stets  gegenüber  denen  der  Wald-  und  Steppengebiete  eine  starke 
Anreicherung  von  Humus  bemerkbar.  Das  faUende  Laub,  die  absterbenden 
Krautteile  usw.  werden  dadurch,  dass  sie  namentlich  während  der  Herbst- 
nnd  Frühjahrsmonate  dauernd  von  Wasser  durchtränkt  werden,  durch 
die  gehemmte  Tätigkeit  der  Pilze  usw.  vor  der  Verwesung  bewahrt,  es 
tritt  vielmehr  die  Fäulnis,  die  Humusbildung,  statt  der  lebhaften  Oxydation 
der  toten  organischen  Substanz  eine  Anreicherung  von  Kohlenstoff  in 
die  Erscheinung.  Wir  wissen,  dass  Humus  im  richtigen  Gemische  mit 
dem  Mineralboden  in  lockerer  Konsistenz  ein  vortrefflicher  Pflanzenträger 
ist  durch  seine  wasserhaltende  und  regulierende  Kraft,  durch  die 
Absorption  der  Nährstoffe,  deren  Versickern  in  den  Untergrund  er  ver- 
meidet, kurz  namentlich  durch  die  Verbesserung  der  physikalischen 
Eigenschaften  des  Bodens.  Das  trifft  aber  alles  nur  zu,  solange  der 
Humus  durch  die  Tätigkeit  der  Tiere  und  Pflanzen  im  Boden  locker  und 
milde  bleibt,  sobald  aber  infolge  seiner  Anreicherung,  seiner  durch  lange 
Zeiträume  erfolgenden  dauernden  Durchnässung,  durch  starke  Säure- 
biidung  usw.  die  Regenwürmer  und  ihre  Begleiter  verschwinden,  und 
der  Humus  sich  verdichtet,  ist  er  das  vegetationsfeindlichste  Element, 
welches  bei  uns  auf  grossen  Bodenstrecken  bekannt  ist.  Seine  iuft- 
abschliessende  Wirkung  vermag  ganze  Bestände  von  Pflanzen  hJiherer 
Stoff  Produktion  zu  vernichten.  Wie  stark  Luftabschluss  wirkt,  haben 
kürzhch  in  einem  Aufsatz^)  ver()ff entlichte  Messungen,  die  Herr  Dr. 
Wächter  und  ich  im  Laboratorium  der  Königl.  Gärtnerlehranstalt  in 
Dahlem  angestellt  haben,  gezeigt.  Während  ein  dichter,  an  sich  also 
schon  schwer  luftdurchlässiger,  äusserst  feiner  Sandboden,  in  dichtestei' 
Lagerung  und  mit  Wasser  gesättigt,  bei  einem  Wasserüljerdruck  von 
50  cm  durch  4  cm  dicken  Boden  einen  Liter  Luft  in  nicht  ganz  20 
Minuten  hindurch  Hess,  musste  für  den  aut  demselben  Boden  entstandenen 
Fichtenrohhumus  in  dichter  Lagerung  270  cm  Wasserüberdruck  ange- 
wendet werden,  um  Luft  hindurchzupressen  und  auch  unter  diesen 
Umständen  brauchte  ein  Liter  Luft  noch  über  eine  Stunde  Zeit,  um  hindurch 
zu  gehen.     Dass   unter  solchen  Umständen   die    natürliche  Durchlüftung 


1)  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  XXXVIIl  (1906).  p.    (13. 


|gg  P.  Graebner. 

des  Bodens  sehr  stark   geändert   und  heoinflusst  werden  miiss,  liegt  auf 
der  Hand. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  das  V(n'hältnis  der   anfangs    und  später 
wirkenden  Faktoren  bei  der  Entwickelung  eines  Waldbestandes.     Bei  der 
Anpflanzung  eines  Bestandes  von  Waldbäumen  hat  man  die  Heideliunius- 
schicht,    die    auf  der  Oberfläche    lagerte,    entfernt,    durch    Lagerung  an 
an  der  Luft  zermürl>t  und  entsäuert  oder  mit  dem  JNlineralboden  gemischt,, 
auf   jeden    Fall    also  die    schwer  luftdurchlässigen   Schichten    der  Ober- 
fläche   entfernt    und    unschädlich  gemacht.     Die  jungen  aufwachsenden 
Pflanzen  finden  daher  jetzt  günstigere  Diirchlüftungsbedingungen  im  Buden 
vor  und    werden  mit  ihren  Wurzeln    jetzt  möglichst  die  ihnen  günstige 
Wurzeltiefe  aufsuchen.     Die  Wurzeln  worden  soweit  in  die  Tiefe  herab- 
streichen, wie  die  Bodenkonsistenz  die  Erneuerung  des  von  den  Wurzeln 
veratmeten  Sauerstoffs    in    der  Tiefe    zulässt.     Gelangen    die  Bäume  an 
die    untere  Grenze    des    noch    erträglichen  Sauerstol?gehaltes,    so    sieht 
man  eine  eigentümliche  Wurzelbildung  Platz  greifen,  die  sich  namentlich 
an  den  Pfahlwurzeln  (Herzwairzeln)  bemerkbar  macht,    und  ihren  Grund 
in    dem    in    den   Jahreszeiten    wechselnden  Luftgehalt   hat.     I>ie  Spitzen 
dieser  Wurzeln,    die    infolge    des   gerade    an    ihnen    heruntersteigenden 
Saftstromes    des    plastischen   Materials    besonders    kräftig    gebaut    sind, 
endigen  nach  unten  in  mehrere  bis  zahlreiche  kurze  dicke,  fingerHirmig 
gestellte  Wurzeln,  zwischen  denen  sich,  je  nach  dem  Alter,   mehr  oder 
weniger    zahlreiche    abgestorbene    Wurzeln    und    Wurzelreste    befinden. 
Die   anatomische  Untersuchung    zeigt,    dass  wir  es  hier    mit    einem  oft 
ganz     komplizierten     System     von     Wurzeln    zu     tun    haben,    welches 
dadurch    zustande    kommt,    dass    die    einmal    bis    zu     gewisser    Tiefe 
gedrungenen    Wurzeln    infolge    Luftmangels    an    der    Spitze    absterben, 
dass    dann,    wenn   in    anderer  Jahreszeit   die   Durchlüftung    des  Bodens 
eine  bessere  wird,  die  abgestorbene  Hauptwurzel  durch  eine    bis  einige 
Seitenwurzeln,  die  sich  gleichfalls  abwärts  richten,  ergänzt  wird.     Wird 
nun  bereits  die   obere  Bodenschicht  durch  Wasseraufnahme   oder    durch 
Verbrauch  des    Sauerstoffes    innerhalb    der   oberen  Bodenschichten  luft- 
ärmer, so  fehlt  es  wieder  an  Luft  im  Untergrunde,  und  die  neugebildeten 
Wurzelspitzen    sterben  ganz    oder  teilweise   wieder  ab.     Dieser  mit  Ab- 
sterben abwechselnde  Zuwachs   dauert  mitunter  ziemlich  lange,  so  lange 
jedenfalls,  bis    durch    die    alljährliche  Schüttung    der  Nadeln    (und    um 
Nadelhölzer,  Kiefer  und  Fichte,  handelt  es  sich  hier  in  den  Waldungen  der 
Heide  ja  fast  stets)  eine  Humusschicht  gebildet  ist,    die  nicht  mehr  aus 
den  locker  aufgeschichteten  Resten  der  Abfälle  besteht,  sondern  in  ihren 
unteren  Teilen    eine  dichtere  Lagerung    anzunehmen   beginnt   und  dann 
sehr  häufig  (namentlich  in  Kiefernw^äldern)  auch  einen  später  noch  näher 


Die  wirtschaftsfeindlichen  Faktoren  der  Heide  etc.  {ßj 

ZU  besprechenden  Moosfilz  zu  tragen  beginnt.  Von  diesem  Zeitpunitt  an 
beginnt  nun  ein  dauerndes  Absterben  der  in  die  Tiefe  gedrungenen 
Wurzeln;  das  jährliche  Zurücksterben  infolge  des  Luftmangels  in  der 
Tiefe  überwiegt  fast  stets  den  jährlichen  Zuwachs.  Immer  höher  und 
höher  gelegene  Seitenwurzeln  der  Hauptwurzel  zeigen  die  charakteristische 
Verzweigung  und  Bildung  kurzer  (jetzt  nicht  mehr  so  dicker)  Wurzeln, 
wie  wir  sie  anfangs  bei  der  oder  den  Pfahlwurzeln  beobachteten.  Es 
ist  interessant  festzustellen,  wie  oft  von  Jahr  zu  Jahr  die  Jahresringe 
etwas  höher  aufhören.')  In  späterem  Alter  lässt  sich  das  meist  nicht  mehr 
feststellen,  da  die  abgestorbenen  Wurzeln  dann  in  den  unteren  Teilen  zu 
stark  vermürbt  werden. 

In  den  ersten  Jahren  des  Absterbens  der  unteren  Wurzeln  greift 
der  Vorgang  ziemlich  wenig  in  das  Leben  des  ganzen  Baumes  ein,  die 
Ernährungsverhältnisse  werden  nur  wenig  verändert  und  verschoben, 
wenn  aber  ein  beträchtlicher  Teil  der  unteren  Wurzeln  bereits  dem 
Absterben  anheimgefallen  ist,  wenn  schon  etwas  grössere  Seitenwurzeln 
in  Mitleidenschaft  gezogen  sind,  geht  die  weitere  Abtötung  der  Pfahl- 
wurzeln meist  viel  schneller  vor  sich.  Die  Vernichtung  der  Wurzeln  im 
Untergrunde  bedingt  natürlich,  dass  das  in  ihnen  abgetötete  Protoplasma, 
welches  ja  stets  in  reicher  Menge  vorhanden  ist,  sich  alsbald  zu  zer- 
setzen, zu  faulen  beginnt.  Sind  die  Wurzeln  nur  klein  und  dünn,  so 
wird  die  geringe  Menge  gebildeter  fauler  Substanz  leicht  von  dem  ge- 
sunden Gewebe  abgestossen,  ist  aber  das  abgestorbene  Gewebe  umfang- 
reich, so  wird  die  gebildete  jauchige  Flüssigkeit  rein  mechanisch  im 
Holzkörper  der  noch  lebenden  Teile  in  die  Höhe  gesogen  und  befördert 
hier  das  Absterben  weiterer  Teile.  Dieser  Zeitpunkt  des  Absterbens 
der  gesamten  im  Untergrunde  lebenden  Wurzeln  bedeutet  natürlich  für 
den  jetzt  stets  mindestens  schon  mehrere  Jahrzehnte  alten  Baum  eine 
starke  Krisis.  Die  Zuleitung  des  Saftstromes  aus  dem  L^ntergrunde 
hört  völlig  auf,  und  der  Baum  ist  nun  nur  noch  auf  die  Tätigkeit  der 
oberflächlich  streichenden  Wurzeln  angewiesen. 

Als  augenfällige  Reaktion  darauf  beobachtet  man  nun  allgemein 
eine  plötzliche  Erstarkung  der  anfangs  ziemlich  dünnen  oberen  Wurzeln, 
die  an  ihrer  Oberseite  sehr  starke  Jahresringe  ansetzen,^)  dadurch 
stark  exzentrisch  werden  und  oft  ganz  brettartig  ausgebildet  sind 
(a.  a.  0.  Fig.  1  zeigt  der  rechte  Stamm  rechts  solche  brettartige 
Wurzel  und  daneben  liegend  eine  solche  aufgeschnitten).  Häufig  gehngt 
es  den  Bäumen  nicht,    in  der  Kräftigung  der  oberen  Wurzeln    mit  dem 


1)  VgL  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  1906,  Fig.   1. 


^,gg  P.  Graebner. 

Absterben  der  unteren  Wurzeln  Schritt  zu  halten,  und  sie  gehen  dann 
meist  schon  in  ziemlich  jugendlichem  Alter  ein,  meist  fallen  sie  im 
letzten  Ende  Parasiten  zum  Opfer,  die  die  gesclnvächten  Bäume  befallen. 
Geht  das  Absterben  der  Grundwurzeln  aber  langsam  und  stetig  vor  sich, 
so  vermag  der  Baum  allmählich  ganz  die  Wunden  zu  vernarben  und  von 
den  Oberflächenwurzeln  zu  leben.  In  einem  Bestände  tritt  das  Ab- 
sterben der  Wurzeln  im  Untergrunde  je  nach  der  Kraft  der  Ent- 
wickelung  des  einzelnen  Individuums  oder  abhängig  von  kleinen  Zu- 
fäUigkeiten  des  Standortes  bei  den  einzelnen  Bäumen  oft  in  recht  ver- 
schiedenen Jahren  ein,  ein  Zeichen,  dass  nicht  irgendwelche  plötzliche 
Einflüsse,  sondern  ein  langsam  und  stetig  wirkender  Faktor  die  Schuld 
an  der  Erscheinung  trägt.  Zuletzt  sind  die  Wurzeln  meist  alle  bis  auf 
30—40  cm  Tiefe  abgestorben. 

Selbst  wenn  es  dem  Baume  gelungen  ist,  sein  Wurzelsystem  den 
veränderten  Durchlüftungsverhältnissen  anzupassen  und  so  wieder 
äusserlich  zu  gesunden,  ist  er  jetzt  doch  in  viel  ungünstigere 
Vegetationsbedingungen  gebracht  worden  als  vorher.  Ganz  abgesehen 
davon,  dass  er  jetzt  gezwungen  ist,  seine  Nährstoffe  nur  aus  einem 
Bruchteil  des  Bodens  herauszuziehen,  der  ihm  anfangs  zur  Verfügung 
stand  und  dass  durch  diese  geringe  Wurzeltiefe  die  Wurzelkonkurrenz 
der  nebeneinanderstehenden  Bäume  um  das  Mehrfache  gewachsen  ist, 
tritt  die  Hauptschädigung  ein  durch  die  so  stark  wechselnde  Massen- 
zufuhr. W^ährend  der  Untergrund  auch  in  trockenen  Zeiten  doch  stets 
eine  gewisse  Feuchtigkeit  bewahrte,  sind  die  oberen  Bodenschichten  von 
den  Schwankungen  der  Niederschläge  ganz  ausserordentlich  abhängig.  Die 
Bäume  werden  also  stark  unter  den  Trockenperioden  leiden.  Dazu 
kommt  noch,  dass,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Oberfläche  sehr  stark 
humos  ist  und  bekanntermassen  der  Humus  sehr  schwer  sein  Wasser 
abgibt.  W^ährend  Pflanzen  aus  Sandboden  das  Wasser  bis  auf  wenige 
(mitunter  sogar  unter  2)  Prozent  heraussaugen  können,  fangen  die- 
selben Pflanzen  im  Humus  bereits  bei  noch  reichlicher  Anwesenheit  von 
Wasser  (mitunter  bis  über  40 "/q)  an  zu  welken  (Schimpers  physiolo- 
gische Trocknis);  die  Bäume  konnten  also  das  Wasser  des  Untergrundes 
auch  besser  verwerten. 

Die  Folge  der  schwankenden  Feuchtigkeit,  des  Wechsels  von 
Nässe  und  Trockenheit  ist  dann  das  eigentümliche  Absterben  und  Ver- 
harzen der  Wurzelspitzen  an  den  oberflächlich  streichenden  Wurzeln  in 
den  Zeiten  mangelnden  Regens.  In  feuchteren  Sommern  wenig,  in 
trockneren  stärker  wird  daher  der  Baum  eines  grossen  Teils  seiner 
Wurzelspitzen  beraubt,  und  je  trockner  der  Sommer  ist,  desto  tiefer  ge- 
legene Wurzeln    werden    selbstredend    davon    betroffen,    und    ein    sehr 


Die  wirtschaftsfeindlichen  Faktoren  der  Heide  etc. 


169 


trockener  Sommer  vermag-  nun  leicht  einem  solchen  krankenden  Bestände 
den  Rest  zu  geben.') 

Dass  die  Nadelhölzer  diesen  Unterbrechungen  der  Vegetations- 
periode im  Sommer  gegenüber  besonders  ungünstig  gestellt  sind,  ist 
gleichfalls  mehrfach  hervorgehoben  worden.  M'io  Arn.  Engler^)  nach- 
wies, steht  normalerweise  das  Wurzelwachstiim  der  NadelhJilzer  vom 
Herbst  bis  Frühjahr  absolut  still,  während  es  bei  den  Laubhölzern 
gerade  während  dieser  Zeit,  soweit  es  der  Prost  gestattet,  ein  sehr  leb- 
haftes ist.  Die  Nadel- 
hitlzer  werden  hier  also 
zweimal  im  Jahre  in 
ihrem  Zuwachs  unter- 
brochen, daher  die  stär- 
kere Anfälligkeit  der 
Nadelhölzer  in  der  Heide. 
E»ie  Unterbrechtmg  des 
Wurzelwachstums  in 
den  Sommermonaten  be- 
wirkt, dass  die  Nadel- 
hölzer erst  kurz  vor  der 
im  Herbst  einsetzen- 
sollenden Ruhe  wieder 
zur  Ausbildung  norma- 
ler Wurzelspitzen  ge- 
langen; die  Folge  ist 
eine  weitere  Vegetations- 
störung, die  sich  darin 
bemerkbar  macht,  dass 
die  Heidekoniferen  mit- 
unter noch  einen  Wur- 
zelzuwachs zeigen  zu 
Zeiten,  die  sonst  schon 
der  Ruheperiode  ange- 
hören sollten.  Wir  werden  zum  Schluss  weiter  auf  derartige  Störungen 
zurückkommen. 

Zugleich  mit  dem  schädlichen  Humus    bildet  sich,    wie   bereits  be- 
merkt, namenthch  in  Kiefernwäldern  häufig  eine  dichte  Moosschicht  aus. 


Fig.  1. 
Ortsteinkiefern   aus  der  Oberförsterei  Munster   mit 
sich    stark    verjüngenden,    auf    dem    Ortstein    um- 
biegenden Pfahlwurzeln.  —  B.  Stange  phot. 


1)  Vgl.  Näheres    darüber    Zeitschrift    f.    Forst-    u.  Jagdwesen    XXXVIII 
(1906),  p.  710. 

2)  Mitteilungen    der    schweizerischen    Zentralanstalt    f.   forstl.  Versuchs- 
wesen VII  (1905),  p.  247 ff. 


170 


Graebner. 


die  ihrerseits  ungünstig  Avirkt;  auch  darüber  habe  ich  in  der  Zeitschritt  für 
Porst-  und  Jagdwesen  a.  a.  0.  Ausführlicheres  berichtet.  Zugleich  mit 
dem  Entzüge  leichter  Niederschläge  umgibt  die  oft  mehrere  Dezimeter 
dicke  Moosschicht  den  Grund  der  Stämme,  hüllt  sie  dadurch  in  eine 
feuchte  Umgebung  ein,  die  stets  eine  oft  unfrirmliche  Deformation  der 
Atmungsorgane,  der  Ersatzlentizellen  usw.,  bewirkt.')  Dass  das  sich 
hier    bildende    Wuchergewebe    die    Eingangspforte     tür    Parasiten    9<Mn 

könne,  ist  gleichfalls 
a.  a.  0.  auseinander- 
gesetzt. —  Der  Stamm 
auf  Figur  2  lässt  deut- 
lich die  krause  Form 
der  Rinde  erkennen, 
bei  Figur  3  erscheint 
sie  wieder  gesundet. 

Pflanzen,  die  im 
Heidegebiete  auf  einem 
bereits  stark  mit  Roli- 
humus  bedeckten  Ge- 
lände, also  auf  einer 
offenen  Callunaheide 
aufwachsen,  dringen 
wegen  der  Luftarmut- 
überhaupt  nicht  tiefer 
in  den  Boden  ein,  und 
wenn  gar  im  Unter- 
grunde die  sich  so 
häufig  findenden  Hem- 
mungsschichten, der 
Ortstein  oder  die  Brand- 
erde ^),  vorhanden  sind, 
biegen  die  Wurzeln 
wagerecht  ab  (Fig.  1). 
In  jedem  Falle  sind  aber  unter  den  obwaltenden  Umständen  die  oberflächlich 
streichenden  Wurzeln  die  stärksten  und  kräftigsten;  oft  nur  wenige  Zenti- 
meter tief  laufen  sie  unter  der  Erdoberfläche  dahin,  meist  nur  ganz  unwesent- 
lich verzweigt.     Die  Nebenwurzeln,  die  stets  angelegt  werden,  gehen  fast 


Fig.  2 
Kiefer  auf  ßohhumusboden  mit  Moos  aus  der  Ober- 
försterei   Munster.      Untere    Wurzeln    schwach    und 
abgestorben,     obere     (exzentrisch)     stark     verdickt. 
B.  Stange  phot. 


1)  Zeitschrift  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  1906  a.  a.  0. 

2)  Grabe  bestätigt  auch  (Zeitschr.  f.  Forst-  u.  Jagdwesen  XXXVllI 
[1906],  p.  602),  dass  selbst  die  Branderde  von  den  Wurzeln  gemieden  wird,  also 
jedenfalls  eine  Hemmung  darstellt. 


l)ie  wirtschaftsfeindlichen  Faktoren  der  Heide  et( 


171 


immer  an  der  Sommertrockenheit  in  dem  Humus  zugrunde  und  leiden  erheb- 
lich mehr  als  die  saftreiche  stärkere  Hauptwurzel.  Viele  Meter  lang  kann 
man  diese  flachen  Wurzeln  verfolgen.  Es  ergibt  sich  das  typische  Bild 
der  nahrungsuchenden, 
namentlich  Stickstoff  hung- 
rigen Pflanze.  Je  mehr 
die  ehemals  tiefwurzeln- 
den Kulturpflanzen  ge- 
zwungen werden,  flach 
zu  wurzeln,  sich  in  ihren 
Lebensgewohnheiten  den 
wild  auf  der  Heide  auf- 
wachsenden Arten  anzu- 
bequemen, desto  mehr 
treten  auch  bei  ihnen 
die  ausserordentlich  lan- 
gen und  flachen  Wurzeln 
hervor.  Wenn  man  eine 
solche  mehrere  Meter 
lange  Wurzel  betrachtet, 
fällt  vor  allen  Dingen  die 
geringe  Verjüngung  nach 
der  Spitze  zu  auf:  auf 
mehrere  Meter  bleibt  die 
Wurzel  etwa  gleich  dick, 
sie  gleicht  einem  dicken 
Stricke.  Verfolgt  man  die 
Entwickelung  der  auf  vie- 
len Heideflächen  wild 
aufwachsenden  Holzge- 
wächse und  der  auf  vielen 
Kulturflächen  stehenden 
in  ihrer  ober-  und  unter- 
irdischen Entwickelung, 
so    ist  anfangs,    d.  h.  in 

den  ersten  Jahrzehnten  (bei  den  angepflanzten  Bäumen  naturgemäss- 
stets  länger),  das  Verhältnis  der  oberirdischen  Teile  zu  den  Wurzeln  ein 
leidlich  normales,  die  Bäume  zeigen  befriedigendes  Längenwachstum 
und  Beblätterung.  Im  Laufe  der  Zeit  stellen  sich  dann  immer  deutlicher 
die  oben  erwähnten  Schädigungen  durch  die  flache  Lage  der  Wurzeln 
ein,   der  Jahreszuwachs  lässt  nach,   die  Bäume  zeigen    frühzeitig  Alters- 


Fig.  H. 

Wie  BMgur  2  aus  demselben  J3e.stande,  aber  später 

vom   Rohliumus    und  Moos    befreit,    mit   jungen 

(quergerunzelten)       senkrechten      Wurzeln.       B. 

Stange  pliot. 


172 


P.  Graebner. 


Erscheinungen  (Blüten  usw.)  und  die  Beblätterung  wird  ungenügend:  so 
werden  bei  den  Kiefern  meist  reichlicli  die  Hälfte  der  Nadeln  durch  die 
Schütte  vernichtet,  es  bleibt  da  meist  nur  ein  (nicht  einmal  vollständiger) 
Jahrgang  von  Nadeln  an  der  Spitze  der  Gezweige  stehen.  Dadurch 
leidet  die  Produktion  des  plastischen  Materials  naturgemäss  ganz  be- 
deutend, die  knappe  Hälfte  der  Nadeln  kann  die  Assimilationsarbeit  nicht 
in  genügender  Weise  bewältigen,  und  da  nun  ein  unverhältnismässig 
grosser  Teil  zur  Bildung  neuer  Wurzeln  verbraucht  wird,  tritt  eine 
weitere  Ursache  zur  Schwäche  in  die  Erscheinung,  die  sich  in  der  Ver- 
kleinerung der  im  Frühjahr  von  dem  plastischen  Material  des  Vorjahres 
aufzubauenden  Zuwachssprosse  und  in  der  auffälUgen  Schwäche  aller 
seitlichen  Gezweige  bemerkbar  macht.  Die  Folge  ist  eine  weitere  Ab- 
nahme der  Blättermengo  und  allmählich  ein  ganz  auffälliges  Missverhält- 
nis zwischen  dem  Holzkörper  und  der  Laubmasse,  welches  ganz  deut- 
lich wird,  wenn  man  die  grosse  Menge  der  Wurzeln  mit  in  Betracht 
zieht.  Es  tritt  der  Zeitpunkt  ein,  an  dem  die  geringe  Menge  des  vor- 
handenen Laubes  nicht  mehr  imstande  ist,  das  Kambium  des  Stammes, 
der  Äste  und  der  Wurzeln  mit  der  zur  normalen  Neubildung  der  Jahres- 
ringe nötigen  plastischen  Substanz  zu  versehen  und  dann  noch  für  Ver- 
längerung der  Wurzeln  und  Gezweige  zu  sorgen.  Bei  einiger  Kenntnis 
der  herrschenden  Verhältnisse  sind  solche  sich  in  jedem  älteren  Bestände 
findenden  Bäume  im  kritischen  Alter  leicht  kenntlich,  bei  ihnen  genügt 
nun  nur  noch  ein  geringer  Anstoss,  eine  stärkere  Schütteperiode,  eine 
Trocknis  des  Sommers  usw.,  um  sie  gänzlich  zum  Absterben  zu  bringen. 
Bei  vielen  Heideflächen  kann  man  durch  Auszählung  des  Zuwachses 
und  der  absterbenden  Bäume  den  positiven  Schluss  ziehen,  dass  das 
Feld  ohne  Hilfe  des  Menschen  stets  das  bleibt,  was  es  ist,  dass  es  sich 
niemals  zum  Walde  umwandelt,  ja  eine  Reihe  von  Flächen  sind  mir  be- 
kannt geworden,  an  denen  die  Zahl  der  Holzgewächse  sichtlich  weniger 
wurden,  und  auf  einer  (in  der  Oberförsterei  Munster)  starb  ohne  äusser- 
lich  erkennbare  Ursache  in  einem  Jahre  die  grösste  Menge  des  Restes 
der  dort  aufgewachsenen  Iviefern  ganz  ab.  Ich  werde  später  über  diese 
wichtigen  Vorgänge  Näheres  berichten. 

Oben  ist  bereits  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  durch 
die  Störung  im  Wurzelwachstum  der  Nadelhölzer  die  Wurzelruhe  in 
der  Heide  häufig  nicht  zu  dem  Zeitpunkt  eintritt,  an  dem  sie  normaler- 
weise erfolgen  sollte:  das  bedeutet,  dass  das  ganze  Wachstum  des 
Baumes  nicht  zur  rechten  Zeit  abgeschlossen  wird,  dass,  wie  der 
Gärtner  sagt,  das  Ausreifen  des  Holzes  und  der  Knospen  nicht  in 
normaler  Weise  geschieht.  Unter  ,, Reife"  haben  wir  hier  jenen  Zustand 
der      den     W^inter     überdauernden    Organe      anzusehen,      in    dem    das 


Die   wirt.schaftst'eindlichen  Faktoren  der  Heide  etc.  173 

plastische  Material  soviel  als  irgend  mtiglich  in  den  Zustand  der  Reserve- 
substanz übergeführt  ist,  in  dem  sich  so  wenig  wie  möglich  davon 
in  gelöster  Form  in  den  Leitungsbahnen  befindet.  Die  Erfahrung 
lehrt,  dass  dieselben  Pflanzen  im  ausgereiften  Zustande  viel  besser  alle 
Unbilden  der  Witterung  zu  ortragen  imstande  sind,  als  wenn  diese  Reife 
nicht  hat  eintreten  können.  Viele  Pflanzen  des  Mittelmeergebietes  er- 
tragen in  ihrer  Heimat  mit  dem  langen  warmen  Herbst  ohne  Schaden 
mehrere  Kältegrade,  während  sie  bei  uns  dem  geringsten  Froste  total 
erliegen;  eine  Reihe  von  Gehölzen  {Broussonetia,  Tamarix  usw.)  wächst 
z.  B.  in  der  ungarischen  Ebene  bei  denselben  Kältegraden,  denen  sie 
bei  uns  zum  grössten  Teile  zum  Opfer  fallen,  zu  stattlichen  Bäumen 
heran,  sicher  wegen  des  langen  warmen  Herbstes,  der  das  Ausreifen 
befr)rdert. 

Die  ungünstigen  Witterungs-  und  daraus  folgend  die  Bewurzelungs- 
verhältnisse  bedingen  nun  fast  bei  allen  Kulturpflanzen  derartige 
Störungen,  wenn  sie  sich  selbst  überlassen  bleiben.  Wohl  in  wenigen 
Gegenden  Deutschlands  (wenn  überhaupt)  finden  sich  beispielsw^eise  an 
den  Obstbäumen  so  zahlreiche  Frostschäden  wie  in  der  Heide.  An 
älteren  Bäumen  sind  oft  auf  einem  Aste  von  Meterlänge  mehrere  (bis  zu 
einem  Dutzend)  grosser  Frostbeulen.  Krebs  und  Brand  sind  massenhaft 
verbreitet,  und  zahlreiche  trockene  Aste  und  Zweige  vervollständigen  das 
Bild.  E)as  Vorhandensein  so  vielen  trockenen  Holzes  in  den  Baum- 
kronen befördert  nun  natürlich  wieder  die  Ansiedelung  von  Parasiten, 
namentlich  von  Polyporaceen,  die  zunächst  als  Saprophyten  in  das  durch 
den  Frost  oder  durch  die  den  Gezweiggrund  umgebenden  Frostwunden 
zum  Absterben  gebrachte  Holz  eindrangen  und  dann  abwärts  wandern 
und  schliesslich  den  ganzen  Stamm  durchsetzton,  der  dann  natürlich 
auch  allmählich  dem  Absterben  anheimfiel.  Ich  kenne  (^Ibstgärten  in 
der  Lüneburger  Heide,  in  denen  sich  auch  kein  einziger  älterer  Stamm 
befand,  der  nicht  von  den  Konsolen  der  Polyporus-Fruchtkörper  verziert 
wurde.  Selbst  die  einheimischen  Waldbäume  leiden  bei  den  eigenartigen 
Witterungsverhältnissen  nicht  selten  im  Winter  unter  dem  Frost  (auch 
im  Sommer  wird  hin  und  wieder  der  Laubkörper  durch  Frost  geschädigt) 
und  selbst  die  Kiefer  ist  an  ungünstigen  Lagen  nicht  frei  von  Frostwunden. 
Sorauer')  hat  eine  solche  stark  am  Prostkrebs  leidende  Kiefer  dar- 
gestellt. Die  geschwächten  Eichen  werden  meist  durch  Holzparasiten 
zerstört. 

Um  zu  untersuchen,  in  wieweit  der  Luftabschluss  des  Bodens  und 
die  eigenartigen,    wechselnden  Feuchtigkeitsverhältnisse  durch    das  Vor- 


1)  Handbuch  der  Pflanzenkrankheiten,  3.  Aufl.   1.  Bd.,  S.  249,  Fig  22. 


174         ''•  Graebiier,  Die  vvirtschaftsl'eimllicheii   Faktoren  der  Heide  etc. 

handensein  und  die  Bildung*  von  Rohiiumus  diese  Kranklieiten  und 
namentlich  die  Bewurzelung  des  Bodens  beeinflussen,  wurden  in  der 
Oberförsterei  Munster  zahlreiche  Beobachtungen  angestellt,  in  Be- 
ständen, in  denen  sich  viel  Rohhumus  und  z.  T.  auch  viel  Moos  be- 
findet. Das  Moos  resp.  der  Rohhumus  wurde  vom  Boden  entfernt  und 
dadurch  natürlich  die  Durchlüftungsverhältnisso  geändert.  Soweit  sich 
bis  jetzt  beurteilen  lässt,  ergaben  sich  auf  den  Böden,  die  nicht  in 
einiger  Tiefe  (meist  etwa  3  dm)  noch  eine  weitere  Hemmungsschicht. 
Ortstein,  Branderde  usw..  besassen,  ganz  überraschende  Resultate.  Auf  den 
vom  Rohhumus  befreiten  Teilen  drangen  alsbald  eine  Anzahl  von 
Wurzeln,  teils  in  der  Nähe  des  Stammes  selbst,  teils  als  Seitenwurzeln 
starker  tlachstreichender  Wurzeln  senkrecht  in  die  Tiefe  und  zeigten 
dabei  ein  so  auffälliges  Dickenwachstum,  die  junge  Rinde  war  oft  stark 
quer  gerunzelt,  dass  sie  in  wenigen  Jahren  eine  ansehnliche  Dicke  er- 
reichten. Fig.  2  und  3  zeigt  2  Stämme  aus  der  Oberförsterei  Munster, 
von  denen  der  eine  noch  beim  Fällen  unter  Rohhumus  und  Moos  steckte, 
der  andere  seit  etwa  6  Jahren  vom  Humus  l)etreit  war.  Der  erste 
Stamm  zeigt  die  Wurzeln  in  fortschreitendem  Absterben  begriffen,  alle 
Wurzeln  in  3  bis  4  dm  Tiefe  sind  bereits  völlig  tot,  die  noch  tieferen 
waren  schon  ganz  vermorscht.  Auf  dem  humuslosen  Terrain  hat  der 
andere  Stamm,  der  gleichfalls  die  abgestorbenen  älteren  unteren  Wurzeln 
besass,  in  den  letzten  Jahren  kräftige  Pfahlwurzeln  in  den  Boden  ge- 
sandt, ist  also  in  seinen  W^urzelverhältnissen  gesundet.  Die  flach- 
streichenden Wurzeln  zeigen  jetzt  wieder  —  im  Gegensatze  zu  den  in  die 
Tiefe  gehenden  —  einen  sehr  schwachen  Zuwachs,  die  Jahresringe  sind 
ausserordentlich  dünn,  die  Pfahlwurzeln  haben  dagegen  sehr  breite, 
kräftige  Jahresringe,  einen  starken  Zuwachs,  der  sich  deutlich  an  der 
Ouerrunzelung  der  \A'urzeln  auch   im  Bilde  erkennen  lässt. 


R.  Thiele,  Über  vinsere  Kenntnisse  von  der  Wirkung  des  Kalis  etc.      175 


Über  unsere  Kenntnisse   von  der  Wirkung  des  Kalis 
bei  der  Ernährung  der  Pflanze. 

Von 

Dr.  R.  Thiele,  Stassfurt. 
(Mit  Tafel  LV-VIII.) 

Während  die  Wirkung  des  Stickstoffs  auf  die  Pflanze  in  der  Regel 
eine  sehr  augenfällige,  man  möchte  beinahe  sagen  aufdringliche,  ist,  tritt 
sie  bei  den  anderen  Nährstoffen,  ganz  besonders  bei  dem  Kali,  mehr 
zurück,  da  dieser  Baustoff  in  erster  Linie  im  Inneren  des  Pflanzenleibes 
verwendet  wird.  Wenn  sie  auch  nicht  so  auffällig  in  die  Erscheinung 
treten,  so  gehören  die  Ivalium Verbindungen  doch  zu  den  unentbehrhchsten 
Ptlanzennährstofien,  und  ein  Ersatz  etwa  durch  Natrium-,  Rubidium-, 
Lithium-  oder  Cäsiumverbindungen  ist  nach  den  Arbeiten  von  Nägeli, 
Molisch,  Benecke,  Pagnoul,  Loew,  Jordan  und  Jenter')  und 
anderen  ausgeschlossen.  Wenn  man  neuerdings  wiederum  behauptet, 
dass  das  Kali  durch  Natron  substituiert  werden  könne,  so  dürfte  man 
diese  Behauptungen  zunächst  doch  wohl  noch  etwas  skeptisch  auf- 
nehmen. 

Seit  langiT  Zeit  hat  sich  die  Wissenschaft  bemüht,  die  physio- 
logische Rolle  des  Ivalis  für  das  Pflanzenleben  zu  ergründen,  eine  Auf- 
gabe, die  bis  heute  noch  nicht  als  geh'lst  bezeichnet  werden  kann,  da 
einerseits  diese  rntersuchungen  dem  Experimentator  grosse  Schwierig- 
keiten in  den  Weg  legen,  anderseits  aber  entschieden  noch  andere 
Faktoren  bei  der  Beurteilung  dieser  Frage  ehie  Rolle  spielen,  denn  ein- 
mal ändert  sich  die  Pflanze  je  nach  der  herrschenden  Witterung, 
weiterhin  sind  die  jeweiligen  Wasserverhältnisse  des  Bodens  ausschlag- 
gebend für  die  p]rziehung  des  zukünftigen  Pflanzenmaterials.  Schon 
diese  Faktoren  k(»nnen  bei  der  Betrachtung  der  physiologischen  Wirkung 
eines  Nährstoffes  eine  nicht  unbeträchtliche  Differenz  auslösen. 

Wenn  wir  zunächst  die  Frage  ins  Auge  fassen,  welche  Konzen- 
trationen vorhanden  sein  müssen,   um  die  Pflanze  zur  Reaktion  auf  Kali 


1)  Das  Literaturverzeichnis    wird    hei  der  Hauptarbeit  veröffentlicht,    da 
dasselbe  hier  nur  im  Auszüge  besprochen  ist. 


176  ^-  'i'tiele. 

zu  veranlassen,  so  gibt  uns  die  Arbeit  von  Coupin  darüber  den 
Beweis.,  dass  schon  liomöopatliische  ivalilösungen  auf  die  Pflanzen  nach- 
weislich nicht  ohne  Wirkung  sind.  Er  stellte  nämlich  für  den  Weizen 
fest,  dass  dieser  bereits  reagierte,  W(Min  die  verwendrte'n  kaiifreien 
Bodenarten  die  nachstehenden  Ivalimengen  erhielten: 

Kalium-Karbonat 0,0U000()1  ^/o, 

„     -Sulfat 0,0000008 ''/o, 

„     -Chlorid       .     .  .       0,000003  "/o, 

„     -Nitrat 0,000004  ^/o- 

Nun  gehört  aber  der  Weizen  nicht  einmal  zu  den  Pflanzen,  die  man 
als  kaliliebend  oder  kalifressend  bezeichnet,  es  darf  demnach  angenommen 
werden,  dass,  wenn  Coupin  derartige  Pflanzen  zu  seinen  Versuchen 
benutzt  hätte,  noch  ganz  andere  Zahlen  für  die  Empfindlichkeit  in  die 
Erscheinung  getreten  wären. 

Gehen  wir  auf  die  eigentliche  Funktion  des  Kalis  im  Pflanzen- 
kiirper  ein,  so  zeigen  uns  die  vorliegenden  Arbeiten,  dass  die  Meinungen 
darüber  recht  geteilte,  wenn  nicht  gar  widersprechende  sind.  Soviel  ist 
sicher:  das  Kalium  kommt  in  erster  Linie  in  jugendlichen  Organen  vor, 
ferner  auch  im  Verband  mit  ruhenden  und  wandernden  Reservestoffen, 
Daher  bringen  es  Lieb  ig  und  Nobbe  mit  der  Translokation  der  Kohlen- 
hydrate in  Verbindung,  und  Nobbe  beobachtete  speziell,  dass  z.  B. 
Buchweizenpflanzen  die  Stärke  aus  den  Blätter  nicht  entleeren,  wenn  kein 
Kali  vorhanden  ist. 

De  Vries  nimmt  an,  dass  es  die  Aufgabe  des  Kalis  sei.  die 
Turgorkraft  in  den  Zellen  zu  erhiHieu.  weswegen  es  seinen  Hauptsitz  in 
den   wachsenden  Organen  habe. 

Bokorny  findet,  dass  zwischen  dem  Kali  und  der  Kohleiisäure- 
assimilation  eine  bestimmte  Beziehung  besteht,  und  hält  es  nicht  für 
unwahrscheinlich,  dass  das  Kali  einen  Bestandteil  des  assimilierenden 
Protoplasten  darstellt. 

Loew  meint,  dass  die  Kalisalze  in  der  Pflanze  einen  konden- 
sierenden Binfluss  ausüben.  Bei  der  Bildung  der  Stärkekörner,  der 
Fette  und  der  Proteide  fänden  demnach  chemische  Kondensations- 
vorgänge statt,  bei  welchen  ein  Kaliumproteinkörper  eine  aktive  Rolle 
spiele. 

Baumann  glaubt,  dass  der  Transport  der  Kohlehydrate  an  das 
Kali  gebunden  ist,  dass  daher  kaliarme  Pflanzen  weniger  Wärme  er- 
zeugen. Diese  werden  demnach  leichter  erfrieren,  als  solche,  die  mehr 
Kohlehydrate  besitzen,  die  also  eine  grössere  Wärmemenge  produzieren. 
Wenngleich  diese  Hypothese  mehrfachen  Angriffen  ausgesetzt  gewesen 
ist,  so  verdient  sie  doch  insofern  Berücksichtigung,  als  wir  wissen,  dass 


über  imsere  Kenntnisse  von  d.  Wirkung  d.  Kalis  bei  d.  i^^rnälirunij,-  d.  Pflanze.    177 

die  Gefrierpunkte  sowohl  von  Zucker-,  als  auch  von  Salzlösungen  pro- 
portional der  Konzentration  sinken,  dass  also  ein  Erfrieren  um  so  weniger 
statthaben  wird,  je  konzentrierter    die  Lösungen    in    den  Pflanzen    sind. 

Aus  den  hier  angeführten  Meinungen  geht  deutlich  hervor,  dass 
man  über  die  physiologische  Wirkung  des  Kalis  in  der  Pflanze  noch 
wenig  orientiert  ist,  und  dass  es  jedenfalls  noch  ernster  F^orschung 
bedarf,  ehe  diese   wichtige  Frage  endgültig  gelöst  sein  wird. 

Da  man,  wie  oben  erwähnt,  festgestellt  hat,  dass  das  Kali  in  den 
jugendlichen  bzw.  in  den  wachsenden  Organen  vorkommt,  so  lag  es 
nahe  zu  prüfen,  ob  durch  dasselbe  bei  jenen  Geweben  eine  Veränderung 
nach  der  einen  oder  der  anderen  Seite  eintritt. 

Tacke  beobachtete  denn  auch,  dass  durch  Mangel  an  Kali  eine 
auffallende  Schlaffheit  und  geringe  Widerstandsfähigkeit  der  Getreide- 
halme eintritt. 

Vageier  sagt  über  die  Kali  Wirkung  auf  die  Gewebe:  „Das  Kali 
zeigt  eine  überaus  günstige  Einwirkung  durcli  Steigerung  des  Assimi- 
lationsgewebes und  Parenchyms  und  Reduktion  der  improduktiven 
Gewebe,  ohne  dass  dadurch  die  Festigkeit  des  Halmes  leidet.  Bemerkens- 
wert ist  die  Verstärkung  der  Cuticula."  .  . 

Während  nun  Vageier  Pflanzenmaterial  analysierte,  bei  welchem 
durch  Düngung  mit  Kali,  Phosphorsäure  und  Stickstoff  und  deren  ver- 
schiedenen Kombinationen  hervorgerufene  anatomische  Veränderungen 
dem  absoluten  Überschuss  des  vorhandenen  Nährstoffes  zugeschrieben 
werden  müssen,  ging  Solacolu  einen  anderen  Weg.  Er  liess  nämlich 
den  einen  oder  anderen  Nährstoff  vöUig  fehlen.  Allerdings  hatten  seine 
Pflanzen  den  Nachteü,  dass  sie  Wasserkulturen  entstammten.    .      ,  ,  . 

Zunächst  unterwarf  er  die  Atmung  einer  genaueren  Untersuchung 
und  stellte  fest,  dass  die  Assimilationstätigkeit  bei  den  Pflanzen,  welchen 
das  Kali  mangelte,  eine  äusserst  geringe  war;  weiter  beobachtete  er, 
dass  die  Pflanzen  ohne  Kali  nur  sehr  kleine  Wurzeln,  sehr  kurze  Inter- 
nodien,  schlecht  entwickelte  Blätter  und  einen  sehr  weichen  und 
gebeugten  Stengel  aufwiesen. 

Der  anatomische  Befund  ergab,  dass  bei  der  normalen  Pflanze  die 
Epidermis,  Hypodermis  und  das  Parenchymgewebe  vollständig  verhärtet 
waren.  Die  12  Gefässbündel  enthielten  4  Gefässe  von  grossem  Durch- 
messer, die  markführenden  Gewebe  2  Reihen  grosser  Zellen.  Die  ohne 
Kali  ernährten  Pflanzen  zeigten  schwache  Epidermiswände  und  kein 
hartes  Sklerenchymgewebe.  r>ie  mit  Kali  ernährten  Pflanzen  hatten 
dagegen  eine  stark  ausgebildete  Epidermis,  und  die  drei  darunter  liegen- 
den Zellschichten  besassen  verholzte  Wände.  Es  waren  1 1  Gefässbündel 
vorhanden,  jedes  enthielt  4  grosse  Gefässe.        :     :        .  .: 

J-ahiesbericht  der  Vereinigung  für  ungewandte  Botanik    IV.  12 


J78  ^-  'l'liiele. 

Auch  bei  den  Blättern  ergaben  sich  charakteristische  Unterschiede. 
Während  beim  normalen  Blatt  die  .Epidermis-  und  die  Parenchymzellen 
gross,  die  Pallisadenzellen  gut  entwickelt  waren,  war  bei  den  ohne 
Kali  ernährten  Pflanzen  die  erste  Zellreihe  unter  der  Epidermis  ver- 
härtet und  das  Pallisadengewebe  nicht  gut  ausgebildet.  Auch  enthielt 
das  letztere  auffallend  wenig  Chlorophyllkörner.  Die  mit  Kali  gezogenen 
Pflanzen  zeigten  starke  Sklerenchymeinlagerungen  und  ausreichende 
Chlorophyllbildung. 

Dem  gegenüber  fand  nun  Lienuu,  dass  die  Phospliorsäure  ein 
fiirdernder  Faktor,  Kali,  Stickstoff  und  Kalk  hemmende  Paktoren  bei  der 
Gewebebildung  seien.  Er  stellte  u.  a.  auch  die  Behauptung  auf:  „Zu 
starke  Mengen  der  drei  letzten  Stoffe  können  also  für  das  Getreide 
durch  Schwächung  der  Zellwandungen  eine  Disposition  zum  Lagern 
schaffen.*' 

Bei  der  Zusammenfassung  der  Resultate  über  seine  mikroskopischen 
Untersuchungen  sagt  Lienau:  „Starke  Düngung  mit  Kali  und  Stick- 
stoff setzte  trotz  gleichzeitiger  Gabe  von  viel  Phosphorsäure  die  Dichte 
der  Halme  herab." 

Diese  Ansicht  Lienaus  steht  nun  aber  im  Gegensatz  mit  unseren 
bisherigen  physiologischen  Beobachtungen,  die  für  Kalk  und  Kali  zur 
Genüge  gezeigt  haben,  dass  diese  Stoffe  zur  Kräftigung  und  zur  Festigung 
der  Gewebe  dienen. 

Dass  dem  tatsächlich  so  ist,  dass  also  eine  Kalidüngung  nicht  eine 
Disposition  zum  Lagern  schafft,  sondern  im  Gegenteil  zur  Festigung  der 
Halme  l),'it.rägt,  zeigt  uns  Figur  1  auf  Tafel  IV,  die  einem  Düngungs- 
versuch entnommen    ist,    welcher    die  Wirkung  des  Kalis  beweisen  soll. 

Wenn  sich  makroskopisch  schon  so  frappante  Differenzen  zeigen, 
so  liegt  die  Annahme  sehr  nahe,  dass  auch  die  mikroskopischen  Befunde 
kaum  mit  denjenigen  von  Lienau  sich  «lecken  werden,  sondern  dass 
auch  die  in  die  Erscheinung  tretenden  Abweichungen  sich  mehr  den 
Befunden  von  Solacolu  und  Vageier  nähern.  Das  ist  denn  auch  der 
Fall!  Schon  meine  Voruntersuchungen  bestätigen  deutlich,  dass 
Lienau  bei  seinen  Schlussfolgerungen  ein  Irrtum  unterlaufen  sein  muss. 
Betrachten  wir  zuerst  die  Querschnitte  der  Halme  einer  Gerstenpflanze 
direkt  über  der  Erde  auf  den  Tafeln  IV  u.  V,  deren  einzelne  Figuren 
(2 — 4)  einen  Querschnitt  von  einem  ungedüngten,  einem  nur  mit 
Phosphorsäure  und  einem  mit  Phosphorsäure  und  Kali  gedüngten  Halm 
darstellen,  so  sind  die  Unterschiede  so  in  dit'  Augen  springende,  dass 
von  einer  weiteren  Erklärung  vorläufig  abgesehen  werden  kann.  Soviel 
ist  Jedoch  sicher,  dass  sich  das  Stützgewebe  um  so  kräftiger  ausgebildet 
hat,    je    rationeller    die   Pflanze    ernährt    worden    war.      Auf    der    Tafel 


über  unsere  Kenntnisse  von  d.  Wirkung  d.  Kalis  l)ei  d.  Ernälirung  d.  Pflanze.    ]  79 

VI  Fig.  5  u.  6  und  Tafel  VII  Fig.  7  finden  wir  Schnitte  über  den! 
4.  Internodiiun,  bei  welchen  die  Unterschiede  weniger  scharf  zutage  treten. 
Dagegen  beweisen  uns  die  Tafel  VII  Fig.  8  und  Tafel  VIII  Fig.  9 
u.  10  deutlich,  dass  direkt  unter  der  Ähre  die  Differenzen  wiederum 
sehr  deutliche  sind.  Näher  auf  die  Einzelheiten  einzugehen,  verbietet  mir 
der  Raum,  ich  betrachte  daher  die  vorliegende  Besprechung  als  eine 
vorläufige  Mitteilung  und  behalte  mir  vor,  auf  das  mir  zur  Verfügung 
stehende  umfangreiche  Material  demnächst  ausführlicher  zurückzu- 
kommen, i 

Ausser  diesen  streng  wissenschaftlichen  Beobachtungen  mögen  hier 
noch  einige  allgemeine  Platz  finden,  welche  zeigen,  dass  auch  eine  Ver- 
besserung der  Qualität  der  für  die  Allgemeinheit  wichtigen  Produkte 
durch  das  Kali  erzielt  wird,  und  dass  weiterhin  —  selbstverständlich 
bei  Anwesenheit  der  übrigen  Nährstoffe  —  der  Habitus  der  gesamten 
Pflanze  sich  gewöhnlich  recht  vorteilhaft  von  den  mangelhaft,  also  ohne 
Kali  ernährten  Pflanzen  abhebt. 

So  wiesen  Wilfarth  und  Wimmer  nach,  dass  diejenigen  Pflanzen- 
organe, in  denen  Fett,  Zucker  und  Stärke  abgelagert  wird,  bei  genügen- 
der Kalizufuhr  weit  grössere  Vermehrung  zeigen  als  das  Kraut,  dass 
also  eine  Veränderung  des  Verhältnisses  dieser  Organe  zu  einander  eintritt. 

Sie  behaupten  ferner,  dass  zwischen  Kaliwirkung  und  Stärke- 
bildung eine  Beziehung  besteht,  dass  also  bei  steigender  Kaligabe  eine 
Steigerung  des  Zuckers  bei  der  Rülie  und  der  Stärke  l)ei  der  Kartoffel 
in  die  Erscheinung  tritt.  Da  aber  ebenfalls  eine  Zunahme  der  Trocken- 
substanz statthat,  so  ist  diese  prozentische  Anreicherung  nicht  eine  so 
in  die  Augen  springende. 

Ferner  beobachtete  Wohltmann,  dass  l)ei  den  Rüben  die  Kali- 
düngung eine  hellere  Blattfärbung  hervorruft,  dass  aber  trotzdem  der 
Zuckergehalt  nicht  unwesentlich  in  die  Höhe  geht.  Wilfarth  stellte 
fest,  dass,  wenn  die  Rübe  mangelhaft  mit  Kali  ernährt  wird,  sie  auf 
1000  Teile  nur  4  Teile  Kali  enthält,  bei  normaler  Ernährung  dagegen 
6,7  bis  8  Teile,  und  wenn  man  ihr  6  mal  so  viel  K'aH  gil)t  als  sie  nötig 
hat,  so  besitzt  sie  auf  1000  Teile  Zucker  37  Teile  Kali. 

Die  Gerste  erfährt  durch  eine  rationelle  Kalizut'uhr  eine  Erhöhung 
ihres  Brauwertes,  wie  die  bisherigen  Versuche  deutlich  erkennen  lassen. 
Trotz  alledem  ist  das  Urteil  hierüber  noch  kein  endgültiges,  und  es 
werden,  um  die  bisher  bestehenden  Beweise  zu  vermehren,  zahlreiche 
Untersuchungen  in  dieser  Richtung  angestellt. 

Auch  der  Hopfen  wird  erheblich  verbessert.  So  fand  Kulka,  dass 
durch  Kali  seine  Feinheit  und  Güte  vermehrt  wird.     Allerdings  wird  der 

12- 


IgO  E.  Thiele. 

Mehlgehalt  vermindert,   aber  dieser  Verminderung  kann  wiederum  durch 
eine  rationelle  Phosphorsäuredüngung  entgegengetreten  werden. 

Was  die  Zuckerrübe  anbetrifft,  so  tritt  gerade  liei  dieser  die 
Notwendigkeit  der  Ernährung  mit  Kali  deutlich  in  die  Erscheinung.  Es 
ist  dadurch  die  Rübe  weniger  den  Angriffen  der  Nematoden  ausgesetzt, 
und  ihr  Zuckergehalt  erfährt  eine  Steigerung.  Schliesslich  hat  die 
Praxis  beobachtet,  dass  die  Körnigkeit  des  Rübensaftes,  welche  durch 
die  Bildung  von  Kalksalzen  bei  der  Saturation  entsteht  und  beim  Kochen 
lästig  wirkt,   bei  einer  rationellen  .Ernährung  mit  Kalisalzen  nachlässt. 

Die  Kartoffel  hat  nach  Hecke  in  der  ersten  Hälfte  der  Vege- 
tation ein  Stickstoffbedürfnis,  trotzdem  ist  die  relative  Kaliaufnahme  in 
der  ersten  Wachstumsperiode  grösser  als  in  der  zweiten.  Weiterhin 
wurde  für  die  Kartoffel  festgestellt,  dass  das  40  °/o  ige  Kalidüngesaiz 
eine  viel  günstigere  Wirkung  auf  die  Stärkev(U'mehrung  ausübt  als  der 
Kainit.  Wenngleich  dieser  Auffassung  nicht  widersprochen  werden  kann, 
so  steht  doch  der  Anwendung  des  Kainits  zur  Düngung  der  Kartoffeln 
nichts  im  Wege,  wenn  dieser  bereits  im  Herbst  vor  der  Anbauzeit  der 
Kartoffel  dem  Boden  einverleibt  wird. 

Der  Lein,  jene  Gespinstpflanze,  deren  Kultur  von  allen  Seiten 
jetzt  wieder  angeregt  wird,  reagiert  ebenfalls  ganz  exakt  auf  die  Zufuhr 
einer  genügenden  KaUmenge,  denn  mit  Hilfe  dieser  erzeugt  er  eine 
besonders  widerstandsfähige  und  längere  Faser.  Es  wird  also  sein  Wert 
als  Gespinstpflanze  durch  eine  zweckmässige  Kalidüngung  nicht  un- 
beträchtlich erhöht. 

Das  Gemüse  ist  ebenfalls  dankbar  für  eine  Ka.lizufuhr,  durch 
welche  sein  Saftreichtum  vermehrt  und  sein  Geschmack  verfeinert  wird. 

Ganz  besonders  eklatant  ist  aber  die  Wirkung  beim  Obst.  Während 
z.  B.  der  Kalk  einen  Einfluss  auf  den  Zuckergehalt  hat.  wird  Geschmack, 
Aroma  und  Farbe  durch  das  Kali  becinflusst,  während  wiederum  die 
Phosphorsäure  auf  die  Saftbildung  wirkt. 

Aus  der  vorstehenden  kurzen  Zusammenstellung  gelit  deutlich 
hervor,  dass  das  Kali  im  Leben  der  Pflanze  eine  hochwichtige  Rollo 
spielt,  deren  Ergründung  sowohl  für  die  Wissenschaft  als  auch  für  die 
Praxis  von  ausserordentlichem  Wert  ist,  da  man  durch  jene  Kenntnis 
endlich  in  den  Stand  gesetzt  würde,  in  der  Praxis  noch  zielbewusster 
mit  der  Kalidüngung  vorzugehen  als   man  es   heute  zu  tun  gewohnt  ist. 

Möge  daher  die  vorstehende  Zusammenfassung  als  Anregung,  zu 
weiteren  Forschungen  und  Beobachtungen  nicht  nur  auf  dem  Gebiete 
der  angewandten  Botanik,  sondern  auch  auf  dem  der  Agrikulturchemie 
dienen. 


über  unsere  Kenntnisse  von  d.  Wirkung  d.  Kalis  bei  d.  Ernährung  d.  Pflanze.    Ig^ 

Beschreibung  der  Tafeln. 
Tafel  IV.     Fig.  1.     Gerstendüngungsversuch.     Die  Bilder  von  links  nach  rechts 
zeigen    Pflanzen  von  der  ungedüngteu  Parzelle,  von  einer 
nur    mit    Phosphorsäure    und    Stickstoff    und     endlich    von 
..      ,  einer    mit    Kali,    Phosphorsäure    und    Stickstoff  gedüngten 

.    :         .    ,        1  Parzelle.  ' 

„  2.  Querschnitt  durch  einen  Gerstenhalm  (Durchschnittspflanze 
einer  ungedüngten  Parzelle)  dicht  über  dem  Boden. 
V  V.  „  3.  Querschnitt  durch  einen  Gerstenhalm  einer  Durchschnitts- 
pflanze dicht  über  dem  Boden  von  einer  nur  mit  Phosphor- 
säure gedüngten  Parzelle. 
„  4.  Querschnitt,  wie  bei  Figur  3.  Die  Parzelle  erhielt  als 
Düngung  Kali  und  Phosphorsäure. 

VI.  „      5.     Querschnitt    durch    einen    Gerstenhalm    zwischen    dem    4. 

und  5.  Internodium.     Ohne  Düngung. 
„6.     Querschnitt  wie  bei  Figur  5.     Düngung  nur  Phosphorsäure. 

VII.  „      7.     Querschnitt  wie  bei  Figur  5.     Düngung  Kali  und  Phosphor- 

säure. 
„      8.     Querschnitt  desselben  Gerstenhalmes  dicht  unter  der  Ähre. 
Ungedüngt. 
.,      VIII.    „      9.     Wie  Figur  8.     Nur  Phosphorsäure. 

„    10.     Wie  Figur  8.     Kali  und  Phosphorsäure. 

(Vergrösserung  der  Figuren  2 — 10  130:1.) 


Jg2  Graf  V.  Arnim-Schlagenthin. 


Über  das  Auftreten  erblicher  Eigenschaften  beim  Weizen 
durch  äussere  Einflüsse. 

Von 
Graf  V.  Ariiiui-Sclila^enthiu,  Nassenheide. 

De  Vries  hat  neuerdings  in  mehreren  Fachzeitschriften  auf  die 
Erfolge  der  Saatzuchtanstalt  Svalöf  und,  insbesondere  darauf  hingewiesen, 
wie  die  dortigen  Arbeiten  in  ganz  überraschender  Weise  bewiesen  hätten, 
dass  unsere  Kulturpflanzen,  insbesondere  also  in  diesem  Falle  Getreide, 
ein  Gemisch  scharf  abgegrenzter  Typen  darstellen,  welche,  soweit  keine 
Bastardierung  eintritt,  sich  absolut  konstant  im  Wege  der  sogenannten 
Pedigreezüchtung  vererben. 

In  seiner  Mutationstheoric  und  anderen  Schriften  hat  er  ferner  auf 
die  hervorragende  Konstanz  der  Mutationen  hingewiesen  und  gezeigt, 
wie  z.  B  aus  Samen  von  Oeuotltera  und  vielen  anderen  Pflanzen  plötz- 
lich unvermittelt  ganz  neue  Formen  entstehen. 

Eine  Frage  aber  ist  m.  \\\  nicht  erörtert  oder  doch  nur  gestreift, 
nämlich  die,  in  welchem  Moment  des  Lebens  der  einzelnen  Pflanze  die 
Mutanten  entstehen;  die  Frage  ist  die,  ob  der  Samen,  aus  dem  die 
neue  Mutante  entsteht,  im  Momente  seiner  Entstehung  bereits  so  weit 
vorgebildet  ist,  dass  eben  nur  die  Mutationstype  daraus  hervorgehen, 
kann,  oder  ob  die  Entscheidung,  was  aus  dem  Samenkorn  eigentlich  werden 
wird  —  ob  die  dem  Originaltyp  entsprechende  Pflanze  oder  die  Mutante  — , 
erst  in  einem  späteren  Moment  gefällt  wird. 

Es  ist  klar,  welche  prinzipielle  Wichtigkeit  diese  Frage  hat.  Wenn 
die  Entscheidung,  welcher  Typ  aus  dem  Samen  entsteht,  erst  in  einem 
späteren  Moment  als  dem  der  Bildung  des  Samens  resp.  der  Befruchtung 
der  weiblichen  Blüte  durch  den  Pollen  getroffen  wird,  so  würde  dies 
vielleicht  einen  sehr  schwerwiegenden  Einwand  gegen  diejenigen  Ver- 
erbungstheorien (Weis mann  u.  a.)  bedeuten,  nach  denen  der  Erwerb 
neuer  Formen  oder  Eigenschaften  ganz  mechanisch  durch  das  Verhältnis 
bestimmt  sein  soll,  in  dem  väterliche  und  mütterliche  evtl.  latente  Eigen- 
schaften (Determinanten  oder  wie  man  sonst  diese  minimalen  Kompo- 
nenten nennen  will)  bei  der  Befruchtung  auf  den  entstehenden  Embryo 
übergehen.  —  Dass  bish(>r  eine  völlige  Übereinstimmung  der  Befruchtungs- 


über  d.  Auftreten  erblicher  Eigenschaften  b.  Weizen  dui-ch  äussere  Einflüsse.  183 

Vorgänge  bei  den  Pflanzen  mit  den  animalischen  nicht  nachgewiesen  ist, 
ist  zunächst  wohl  irrelevant,  braucht  wohl  jedenfalls  hier  zunächst  nicht 
berücksichtigt  werden. 

Nun  scheint  es,  als  ob  es  sich  beweisen  lässt,  dass  unter  Um- 
ständen die  Entstehung  echter  Mutanten  tatsächlich  nicht  im  Moment 
der  Befruchtung  „determiniert"  wird,  sondern  häufig  die  Entscheidung 
auf  einen  späteren  Zeitpunkt  verschoben  wird. 

Die  Tatsache,   auf  welche  diese  Annahme  sich  gründet,  ist  folgende: 

Vor  zwei  und  drei  Jahren  wurden  grosse  Mengen  Weizen  in 
Deutschland  durch  Prühjahrsfröste  arg  beschädigt.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit wurden  die  englischen  W^eizen  und  viele  Pedigreezüchtungen 
deutscher  Züchter  auf  vielen  Gütern  vollständig  vernichtet.  Einzelne 
Sorten  indessen  widerstanden  der  Prostwirkung  entweder  vollkommen 
—  dies  war  eine  auf  den  der  Prostwirkung  ausgesetzten  Stellen  seltene 
Ausnahme  —  oder  wurden  —  das  war  die  Regel  bei  den  widerstands- 
fähigen Sorten  —  nur  stark  beschädigt.  Dies  geschah  wahrscheinlich  in 
der  Weise,  dass  einzelne  weniger  widerstandsfähige  oder  durch  ihren 
Standort  mehr  der  Prostwirkung  ausgesetzte  Pflanzen  getutet  oder  ihre 
Bestockungsfähigkeit  gemindert  wurde.  Da  der  Prost  nicht  in  allen 
Teilen  Deutschlands  in  gleicher  Weise  schädigend  wirkte,  so  war  in 
diesen  beiden  Jahren  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Entwickelung  derselben 
Weizensorten  an  verschiedenen  Standorten  zu  vergleichen.  Dabei 
handelte  es  sich  in  den  von  mir  beobachteten  Fällen  stets  um  Weizen, 
der  aus  einem  und  demselben  Saatgut  stammte,  so  dass  eine  etwa 
dem   Prostjahr  vorangegangene  natürliche  Selektion  ausgeschlossen  war. 

Beiläufig  sei  hier  bemerkt,  da  noch  vielfach  die  Wirkung  des 
Frostes  falsch  gedeutet  wird,  dass,  wie  ich  glaube  zuerst  nachgewiesen 
zu  haben,  die  Frostwirkung  bei  unseren  winterharten  Getreidesorten 
nicht  die  direkte  Folge  der  Kälte  ist,  nicht,  abgesehen  von  Ausnahme- 
fällen auf  Moorböden,  etwa  darauf  beruht,  dass  infolge  der  Kälte  eine 
Zerreissung  der  Pflanzenzellen  oder  Wurzeln  eintritt,  vielmehr  die  Schädi- 
gung in  ganz  anderer  Weise  zustande  kommt.  Die  Schädigung  tritt 
vielmehr  anscheinend  nur  dann  ein,  wenn,  während  eine  Pflanze  in 
gefrorenem,  praktisch  daher  völlig  trockenem  Boden  steht,  durch  Be- 
sonnung und  Erwärmung  die  oberen  Pflanzenteile  zur  Lebenstätigkeit 
angeregt  werden.  Während  die  Blätter  infolgedessen  mit  der  Atmung, 
Kohlensäureassimilation  und  Verdunstung  beginnen,  fehlt  die  Wasser- 
zufuhr aus  der  Wurzel,  und  es  tritt  Vertrocknung  ein.  Ich  vermute, 
dass  dieses  Vertrocknen  indessen  noch  schneUer  und  verderblicher  wirkt 
als  das  Vertrocknen  im  Sommer  bei  Wassermangel,  weil  hier  nicht  nur 
die  Wasserzufuhr  abgeschnitten    ist,    sondern    auch  die   Säftezirkulation 


jg4  Graf  V.  Arnim-Schlageuthin. 

zwischen  den  oberen  und  unteren  Teilen  der  Pflanze.  Dies  muss  zu 
einer  weitgehenden  Stiirung  führen,  möglicherweise  zu  einer  giftartigen 
^^'irkung  der  sich  anstauenden  Assimilationsprodukte. 

Tatsächlich  halten  die  Pflanzen  sehr  andauernde  hohe  Kältegrade 
ohne  Schaden  aus,  wenn  nur  die  Erwärmung  der  oberen  Teile,  der 
Blätter,  verhindert  wird. 

Dies  erklärt  auch,  weshalb  äusserst  geringe  Niveaudifferenzen, 
wäe  sie  durch  Wagengeleise,  Fussspuren  und  Ähnliches  verursacht 
w^erden,  die  Pflanzen  vor  Frostschaden  schützen  können  und  ferner, 
weshalb  oft  unmittelbar  nebeneinanderstehende  Pflanzen  sich  bei  sonst 
gleichen  Umständen  ganz  verschieden  verhalten.  Die  zufällig  vor  Er- 
wärmung im  Blattteil  geschützten  sind  immer  im  Vorteil  gegenüber 
denen,  welche  mit  ihrer  Wurzel  im  gefrorenen  Boden  stehen,  während 
zugleich  die  Blätter  sich  stark  erwärmen.  Es  treten  daher  auch  die 
starken  Beschädigungen  unseres  Wintergetreides  regelmässig  bei  relativ 
mildem  Wetter,  bei  relativ  geringen  Kältegraden  ein  und  bleiben  aus 
bei  Blachfrost,  solange  der  Boden  nicht  gefroren  ist. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dass,  wenn  von  zwei  nebeneinander- 
stehenden Pflanzen  die  eine  mehr  von  Frost  leidet  als  die  andere,  nicht 
ohne  weiteres  immer  auf  höhere  Widerstandsfähigkeit  der  letzteren  ge- 
schlossen werden  kann,  —  dass  es  sich  aber  auch  ganz  natürlich  er- 
klärt, wäe  es  kommt,  dass  der  Frost  nicht  notw^endig  alle  Pflanzen  eines 
Feldes  gleichmässig,  sondern  die  einen  mehr  die  anderen  weniger  schädigt 
und  dass  nur  ein  Teil  getötet  wird. 

In  Deutschland  ist  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  bereits  von 
einzelnen  hervorragenden  Züchtern,  —  die,  wie  von  Lochow,  Beseler, 
von  Arnim-Criewen  und  andere,  teilweise  gleichzeitig  und  unabhängig 
von  Svalöf  nach  denselben  Prinzipien,  wenn  auch  ohne  gleichen  wissen- 
schaftlichen Apparat,  Pedigreezüchtung  getrieben  haben  (die  frühere 
Züchtungsweise  der  Massenauslese  ist  längst  ziemlich  allgemein  von 
den  moderneren  Züchtern  verlassen)  —  ein  Reihe  sehr  wertvoller  Pedigree- 
züchtungen  von  Roggen,  Weizen,  Hafer  und  Gerste  geschaffen  worden, 
die  natürlich  die  gleiche  Konstanz  zeigten,  wie  sie  bei  den  Svalöfer 
Pedigreezüchtungen  wissenschaftlich  genau  festgestellt  ist.  Man  war 
also  in  der  Lage,  in  den  genannten  Frostjahren  nicht  bloss  bei  den  von 
mir  in  Deutschland  eingeführten  Svalöfer  Weizenzüchtungen,  sondern 
auch  bei  einer  Reihe  von  anderen  Pedigreezüchtungen  die  Wirkungen 
des  Frostes  zu  studieren. 

Es  ergab  sich  nun,  dass  überall,  wo  eine  starke  Schädigung  der 
Weizensaaten   ohne   totale  Vernichtung   eingetreten  war,    aus  den  bisher 


über  d.  Auftreten  erblicher  Ei.i>easchaften  b.  Weizen  dnrch  äussere  Einflüsse.   Ig5 

konstanten  Pedigreezüchtungen  eine   grosse  Zahl  netter  Typen  entstand. 
r>ies  trat  am  sinnfälligsten  bei  den  Squareheadtypen  atif. 

Es  entstanden  nämlich,  ganz  wie  bei  echten  Mutationen, 
plötzlich  ttnd  tmvermittelt  Typen  mit  langgestreckten  glatten 
Ähren,  mit  begrannten  Ähren  oder  mit  einem  sammetartigen 
Flaum  bedeckte,  begrannte  und  unbegrannte  Ähren.  Diese 
neuen,  völlig  von  dem  ursprünglichen  bis  dahin  sehr  konstanten  Typus 
abweichenden  Formen  sind  ihrerseits  wieder  völlig  konstant,  wahr- 
scheinlich mehr  noch  als  die  Typen,  aus  denen  sie  hervorgingen. 

Von  Bastardierung^  Vizinismus,  zufälligen  Vermengungen  kann 
hier  absolut  nicht  die  Rede  sein,  da  es  sich  bei  den  von  mir  beob- 
achteten Feldern  stets  um  Felder  hervorragend  tüchtiger  Saatzüchter 
handelt,  bei  denen  niemals  ähnliche  Typen,  wie  die  infolge  des  Frostes 
neu  entstandenen,  angebaut  worden  sind.  Soweit  es  sich  in  Deutschland 
(in  Svalöf  sind  übrigens  gleiche  Erscheinungen  atifgetreten)  um  die 
Vermehrungsfelder  der  Deutsch-Schwedischen  Saatzuchtanstalt  handelt, 
erfolgt  der  Anbau  des  Svalöfer  Getreides  unter  fortlaufender  Kontrolle 
von  Svalöf  und  mir  selbst,  dazu  tritt  die  regelmässige  Revision  der 
Felder  behufs  Anerkennung  durch  die  Deutsche  Landwirtschaftsgesell- 
.schaft,  durch  Sachverständige  wie  Professor  von  Rümker,  Professor 
Edler,  Dr.  Hillmann  und  andere.  Es  ist  also  jede  luögliche  Garantie 
dafür  geboten,  dass  solche  elementaren  Fehler,  wie  sie  die  zufällige 
Vermengung  mit  anderen  Sorten  darstellt,  nicht  haben  eintreten  können. 

Man  kann  nun  natürlich  nicht  annehmen,  dass  die  sämtlichen 
Pedigreezüchtungen  von  Svalöf  und  deutschen  Ursprungs  plötzlich  gleich- 
zeitig in  eine  Alutationsperiode  eingetreten  sind. 

Sollte  aber  jemand  auf  diesen  Gedanken  kommen,  so  würde  er 
durch  folgendes  widerlegt  werden.  Eine  Reihe  von  Anbausteilen  für  Svalöfer 
und  andere  Pedigreezüchtungen  blieb  in  den  gedachten  Jahren  von  der 
intensiven  Schädigung  durch  Frühjahrsfröste  verschont.  Hier  erhielten 
sich,  obgleich  der  angebaute  Weizen  aus  demselben  Saatgut  stammte, 
welches  auf  den  frostbeschädigten  Anbaustellen  die  Mutanten  erzeugte, 
die  Pedigreezüchtungen  völlig  oder  nahezu  konstant.  Man  kann  wohl 
nicht  einwenden,  dass  diese  Grundlage  wissenschaftlich  nicht  genau 
genug  sei,   um  daraus  weitergehende  Schlüsse  zu  ziehen. 

Es  handelt  sich  hier  vielmehr  darum,  dass,  w^enn  auch  ohne 
Versuchsabsicht  und  Versuchsplan,  tatsächlich  ein  Versuch  mit  vielen 
Millionen  von  Pflanzen  gemacht  worden  ist,  bei  dem  jede  denkbare 
Garantie  gegeben  gewesen  zu  sein  scheint,  dass  eben  zufällige  Ver- 
mengungen    und    Bastardierungen    nicht     die    Ursache    der    Entstehung 


j^g(j  Graf  V.  Arnini-Schlayeiithin. 

neuer  Formen  gewesen  sind,  sondern  lediglich  die  Beeinilussung  durcli 
den  Prost. 

Ist  dieses  aber  der  Fall,  so  ergibt  sich  weiter  die  prinzipiell  wichtiije 
Konsequenz,  dass  die  nur  auf  den  durch  Frost  beschädigt t^ii  Feldern 
entstandenen  Mutanten  eben  in  einem  späteren  Stadium  der  Entwickelung 
der  Pflanze  entstanden  sind,  also  unabhängig  von  <lon  Vorgängen  bei 
der  Befruchtung  resp.   bei  der  Bildung  des  Korns. 

Natürlich  kann  man  nun  den  Vorgang  auch  so  auslegen,  dass 
man  sagt,  im  Korn  „latent"  vorhandene  Anlagen  seien  durch  die  Frost- 
wirkung erst  veranlasst  worden,  hervorzutreten;  so  lange  man  sich  dar- 
über klar  ist,  dass  dem  Wort  „latent"  kein  klarer  Begriff  entspricht, 
d.  h.  dass  das  Wort  nichts  erklärt,  ist  dagegen  nichts  einzuwenden.  Jeder 
Reaktion  eines  Organismus  entspricht  natürlich  eine  Anlage,  und  wenn 
es  sich  um  eine  solche,  die  ausnahmsweise  nur,  aber  doch  regelmässig 
unter  bestimmten  Umständen  eintritt,  handelt,  kann  man  immer  von  einer 
latenten  Anlage  sprechen.  Dem  Wesen  der  Sache  ist  man  aber  wohl 
dadurch  nicht  näher  gekommen.  Für  die  Berechtigung  des  Ausdrucks 
„latente  Anlage"  im  Zusammenhange  mit  den  hier  in  Rede  stehenden 
Mutationen  spricht  nur  der  Umstand,  dass  anscheinend  die  Möglichkeit 
vorliegt,  im  Wege  der  Pedigreezucht  bei  Weizen  die  Neigung  zur 
Mutantenbildung  unter  Frostwirkung  zu  beseitigen  oder  zu  reduzieren. 
Würde  experimentell  nachgewiesen,  dass  einzelne  Pflanzen  desselben 
Stammes  unter  Frostwirkung  nicht  oder  nur  sehr  schwer  zu  Mutationen 
veranlasst  werden  können,  während  diese  bei  anderen  leicht  erreichbar 
sind,  so  würde  die  Bezeichnung  ..latente  Anlage"  als  Bezeichnung  für 
eine  verborgene,  nur  auf  besondere  Anregung  hervortretende  Eigenschaft 
einzelner  Pflanzen,  durch  welche  sich  diese  von  anderen  unterscheiden, 
wertvoll  sein,  auch  wenn  man  über  ihr  Wesen  noch  nichts  weiss. 
Würden  dagegen  bei  allen  Pflanzen  unter  annähernd  gleichen  Umständen 
unter  Frostwirkung  Mutationen  regelmässig  auftreten,  so  scheint  der 
Ausdruck  nicht  glücklich  gewählt,  weil  man  eben  die  allen  oder  ganzen 
Kategorien  vonOrganismen  gemeinsamen  Eigenschaften  nicht  als  „Anlagen" 
zu  bezeichnen  pflegt.  Es  ist  die  Ansicht  geäussert  worden,  die  Frost- 
wirkung könne  vielleicht  als  ein  gewaltsamer  Eingriff  in  den  Organismus 
angesehen  werden,  und  wie  dieser  auf  andere  Eingriffe  ebenfalls  z.  B. 
durch  anormale  Halmbildung  reagiere,  was  er  nur  auf  Grund  einer  An- 
lage dazu  könne,  so  reagiere  er  auch  auf  Frost  durch  Bildung  neuer 
Typen  statt  der  normalen  Squareheadform. 

Indessen  der  Vergleich  hinkt;  denn  alle  anderen  Reaktionen  auf 
Eingriffe  treten  regelmässig  ein  und  sind  nicht  konstant  erblich, 
während  hier  vfHlig  konstante  Mutanten  entstehen.     Man  kann  natürhch 


tJber  (1.  Auftreten  erblicher  Eigenschaften  b.  Weizen  durch  äussere  Einflüsse.   |87 

jede  Gruppierung  der  Zellen  oder  ihrer  Komponenten  auf  eine  früher 
vorhandene  Anlage  zurückführen,  wie  z.  B.  die  E^ähigkeit  des  Organismus, 
eine  Wunde  zu  schliessen  und  zu  heilen.  Um  eine  solche  Anlage  handelt 
es  sich  hier  aber  nicht;  das  wesentliche  ist,  dass  eine  ganz  neue  Form 
oder  Eigenschaft  hervorgerufen  wird,  die  sich  konstant  vererbt,  aber 
ohne  Portdauer  der  Einwirkung  des  Erregers,  hier  also  des  Frostes 
im  Boden  bei  erwärmten  Blättern,  und  die  regelmässig  in  späteren 
Generationen  wiederkehrt,  ganz  wie  eine  im  regelmässigen  Erbgang  er- 
worbene Eigenschaft,  genau  wie  bei  einer  echten  Mutation. 

Sollten  diese  Ausführungen  bei  weiterer  Prüfung  sich  als  richtig 
erweisen  —  die  Prüfung  könnte  wohl  nur  in  der  Weise  geschehen, 
(lass  das  Verhalten  von  Pflanzen  in  gefrorenem  Erdboden  bei  gleich- 
zeitiger Erwärmung  der  Blätter  experimentoll  geprüft  wird  — ,  so  würden 
daraus  für  die  Wissenschaft  und  Praxis  vielleicht  wichtige  Resultate 
sich  ergeben,  nämlich  die  Möglichkeit,  ad  libitum  durch  Kälte  und  viel- 
leicht durch  andere  ähnlich  wirkende  Mittel  die  Bildung  von  Mutanten 
anzuregen.  Dabei  würde  dann  auch  noch  die  Frage  zu  studieren  sein, 
ob  und  inwieweit  die  durch  Kälte  angeregten  Mutanten  widerstandsfähige 
Typen  darstellen. 

Bei  den  Mutationen,  die  in  den  beiden  erwähnten  Frostjahren  bei 
Squarehead  entstanden,  war  das  eigentümlich,  dass  gleichzeitig  neben- 
einander verschiedene  neue  Typen  aus  einer  Sorte  entstanden,  also  in 
einem  Felde  bei  einer  Sorte  Squarehead  glatte  langgestreckte,  sodann 
begrannte  etwas  dichtere  und  behaarte,  die  teils  lang  teils  squarehead- 
ähnlich  waren. 

Diese  mein  Erstaunen  und  Nachdenken  erweckenden  Vorgänge 
sind  vielfach  als  wenig  wunderbar  behandelt  worden,  man  begnügte 
sich  damit,  sie  als  Atavismen  zu  bezeichnen  und  beruhigte  sich  dabei. 
Indessen  kann  ich  doch  meine  Zweifel  nicht  unterdrücken,  ob  wirklich 
dem  Wort  nicht  auch  in  diesem  Falle  der  Mangel  eines  klaren  Begriffs 
gegenübersteht.  Denn  in  diesem  Falle  würde  es  sich  also  um  den 
gleichzeitigen  Rückschlag  infolge  der  Frostwirkungen  auf  mindestens 
fünf  Urahnenformen  handeln,  wahrscheinlich  einige  mehr,  was  eine 
etwas  gewagte  Annahme  zu  sein  scheint.  Übrigens  möchte  ich  auf  die 
Ausführungen  von  de  Vries  über  Atavismen  in  seinem  neuesten  Buche 
,, Arten  und  Varietäten  und  ihre  Entstehung  durch  Mutation"  verweisen. 

Die  Mutationen  durch  Kältewirkung  beim  Weizen  sind  nicht  die 
einzigen,  die  nicht  direkt  auf  Vorgänge  bei  der  Befruchtung  sich  zurück- 
führen lassen;  auch  Brand  z.B.  kann  die  Bildung  ähnhcher  Typen,  wie 
es  scheint,  anregen,  wie  sie  durch  Kälte  entstehen.  Hier  aber  ist  die 
Prüfung  ihrer  Konstanz   untunhch.     Es  gibt  wahrscheinlich   eine  Menge= 


J^gg  Graf  V.  Arnira-8clilagentlnn. 

anderer  Erreger  von  Mutationen;  es  wäre  eine  lohnende  Aufgabe  sie  zu 
finden  und  zwar  um  so  mehr,  als  die  Frage,  warum  und  wie  eigentlich 
Mutanten  entstehen  und  welches  ihre  systematische  Bedeutung  ist,  viel- 
leicht dann  ihrer  Lösung  näher  gebracht  würde. 

Ist  meine  Ansicht  richtig,  dass  die  beobachteten  Si^uurehead-Varia- 
tionen  oder  richtiger  Mutationen  durch  die  Einflüsse,  welche  man  kurz 
als  Prostwirkung  bezeichnet,  wenn  es  auch  sich  um  etwas  Komplizierteres 
handelt,  veranlasst  sind,  und  ferner,  dass  daneben  wahrscheinlich  noch 
andere  Erreger  ähnlicher  Formänderungen  vorhanden  sind,  die  noch 
nicht  oder  doch  nicht  aus  diesem  Gesichtspunkt  beobachtet  oder  fest- 
gestellt sind,  so  würden  damit  die  Mutationen  bei  Pflanzen,  die  keinem 
Frost  ausgesetzt  waren,  ihrem  inneren  Wesen  nach  etwas  mehr  bekannt 
werden. 

Daran  schliesst  sich  dann  natürlich  die  Frage,  wie  Mutanten,  die 
durch  einen  bestimmten  Erreger  hervorgerufen  sind,  z.  B.  also  durch 
Frostwirkung,  sich  in  Zukunft  gleicher  oder  anderer  Frostwirkung  gegen- 
über verhalten;  ob  diese  Mutanten  eine  Adaptation  an  die  Verhältnisse, 
etwa  die  neuen  Typen  Schutzmassregeln  gegen  den  Frost,  darstellen,  die 
mutierten  Pflanzen  also  frostsicherer  geworden  sind,  ob  ferner  —  und  das 
ist  prinzipiell  und  praktisch  wohl  noch  wichtiger  —  die  Mu- 
tanten resp.  deren  Nachkommen,  wenn  sie  gleicher  oder 
intensiverer  Frostwirkung  ausgesetzt  werden,  von  neuem 
mutieren,  von  neuem  konstante  neue  Formen  hervorbringen 
können,  und  etwa  die  Veränderungen,  die  dadurch  hervor- 
gerufen werden,  in  derselben  Richtung  erfolgen,  also  z.  B.  die 
Grannen  und  Behaarung  sich  noch  stärker  entwickeln,  oder 
ob  wiederum  ganz  neue  Formen  entstehen. 

Nach  meinen  bisherigen  Beobachtungen,  deren  Zuverlässigkeit  ich 
indessen  vorläufig  nicht  behaupten  kann,  ist  es  nicht  wahrscheinlich, 
dass  die  neuen  Formen  sämtlich  als  Adaptationen  an  die  Frostgefahr,  als 
besonders  frostwiderstandsfähig  anzusehen  sind. 

Ist  die  Ansicht  richtig,  dass  die  beschriebene  komplizierte  Frost- 
wirkung die  Ursache  des  Mutierens  beim  Weizen  ist,  so  würde  es  an- 
scheinend zwei  Arten  von  Mutation  geben,  eine,  für  welche  durch 
innere  unbekannte  Ursachen  bereits  bei  der  Befruchtung  resp.  Bildung 
des  Samens  die  Grundlage  oder  Anlage  geschaffen  wird,  die  andere, 
welche  erst  in  einem  späteren  Entwickelungsstadium  der  Pflanze  durch 
äussere  Einflüsse  entsteht. 

Der  Unterschied  zwischen  beiden  Arten  von  Mutationen  ist  also  der, 
dass  bei  der  einen  die  Entscheidung,  ob  aus  einem  gegebenen  Samen 
<:'ine  Mutante  entsteht,   in  dem  Augenblick  der  Befruchtung  oder  während 


über  d.  Auftreten  erblicher  Kigenschaften  b.  Weizen  durch  äussere  Einflüsse.   139 

der  Bildung  des  Samens  bereits  erfolgt,  und  dass  durch  spätereEinwirkungen 
ihr  Dasein  nicht  mehr  bedingt  wird,  während  bei  der  zweiten  Art 
während  der  Samenbildung  die  Entscheidung,  welche  Form  die  Pflanze 
haben  wird,  ob  die  normale  oder  die  ,, mutierte",  noch  offen  bleibt  und 
erst  im  Laufe  der  Entwickelung  der  Pflanze  erfolgt.  Bisher  waren  m,  W. 
pl(»tzliche  konstante  Veränderungen,  also  richtige  Mutationen  infolge 
späterer  Einwirkung,   so  gut  wie  unbekannt. 

Es  scheint,  dass  verschiedene  Einflüsse  ähnlich  auf  die  Pflanze 
wirken  können;  z.  B.  scheint  es,  dass  bei  Pfropfung  und  Kopulierung 
zuweilen  die  Unterlage  durch  das  Pfropfreis  in  der  Weise  beeinflusst 
werden  kann.  Burbank  teilt  solche  Fälle  mit,  und  ich  glaube,  einen 
solchen  selbst  schon  gesehen  zu  haben.  Indessen  weiss  ich  darüber 
nichts  Sicheres  aus  eigener  Beobachtung,  und  ich  will  daher  diese  Er- 
örterung auf  das  Material  beschränken,  welches  eben  die  von  mir 
kontrollierten  Weizenfelder  ergaben. 

Auch  Sommergerste  scheint  unter  dem  Einfluss  von  Frühjahrs- 
frosten  Mutanten  zu  bilden;  indessen  ist  hier  doch  der  Zusammenhang 
zwischen  Frostwirkung  und  Mutation  zu  wenig  sicher,  um  auf  dieser 
Grundlage  weitergehende  Folgerungen  aufzubauen. 


190  L.   Külik". 


Der  Einfluss  des  Schälens  von   Rübensamen  auf  die 
Keimung  (maschinelle  Entfernung  der  Perigonhülle). 

Von 

L.  Kühle. 

Als  mein  verehrter  Freund  Herr  Professor  Li n hart  aus  Ungarisch- 
Altenburg  mir  vor  nunmehr  7  Jahren  seine  Idee  entwickelte,  durch 
mechanische  Entfernung  der  Perigonhülle  des  Rübensamens  die  in  und 
an  derselben  haftenden  Mikroorganismen  zu  beseitigen,  und  micli  bat, 
die  praktische  Verwirklichung  dieser  Idee  zu  versuchen,  da  bin  ich  — 
offen  gestanden  —  mit  sehr  viel  Skepsis  an  diese  Arbeit  herangetreten. 
Nicht  etwa,  weil  ich  an  der  Richtigkeit  der  Linhartschen  Theorie  ge- 
zweifelt hätte,  doch  erschien  mir  die  praktische  Durchführung  derselben 
schwer  oder  gar  nicht  möglich. 

Wenn  ich  diesen  Erw^ägungen  entgegen  trotzdem  an  die  Lösung 
der  Aufgabe  herantrat,  so  geschah  es  ohne  alle  Illusionen  und  eigentlich 
nur,  um  einem  gegebenen  Versprechen  gerocht  zu  werden.  Dass  ich 
die  technischen  Schwierigkeiten  nicht  überschätzt  hatte,  kam  mir  denn 
auch  ))ald  zum  Bewusstsein,  als  eine  Modellmaschine  nach  der  anderen 
in  die  Rumpelkammer  wanderte.  Anderseits  war  mir  jedoch  schon  bei 
diesen  ersten  Versuchen  die  Überzeugung  geworden,  dass  das  Unmöglich- 
scheinende bei  richtiger  Handhabung  doch  möglich  sei.  Die  Labora- 
toriumsversuche hatten  weiterhin  mit  dem  bei  diesen  ersten  Versuchen 
gewonnenen  Material,  wenn  demselben  begreiflicherweise  auch  noch 
viele  Mängel  anhafteten,  so  schöne  Resultate  aufzuweisen,  dass  ich 
nunmehr  mit  grösstem  Vertrauen   auf  das  Gelingen   weiterarbeitete. 

Schon  am  30.  Mai  des  Jahres  1900  konnte  ich  in  der  Jubiläums- 
versammlung des  Vereins  der  Deutschen  Zuckerindustrie  zu  Magdeburg  zum 
ersten  Male  über  das  Verfahren  berichten  und  weiterhin,  dass  meine  neueste 
Modellmaschine  zufriedenstellend  'arbeite  und  sowohl  Laboratoriums-  als 
Feldversuche  vorzüglich  ausgefallen  stylen.  Allerdings  habe  ich  bei 
dieser  Gelegenheit  darauf  hingewiesen,  dass  verschiedene  Momente  noch 
der  Aufklärung  bedürfen  und  Vorsicht  bei  Verwendung  des  geschälten 
bzw.  desinfizierten  Samens  noch  immer  am  Platze  sei.  So  war  es  mir 
zweifelhaft,    wie    sich    der  Samen    vci'haltm   würde,   wt'un   bei  der  Aus- 


Der  Eini'liiss  des  8chälens  von   Hiihensamen  auf  die  Keimung.  [91 

saat  grosse  Trockenheit  herrschte,  und  ferner,  wie  er  längeres  Lagern 
vertragen  würde,  und  ob  nicht  lüerbei  eine  Nachinfektion  leichter  ein- 
trete als  bei.  ungeschältem  Samen. 

Gegner  des  Verfahrens  haben  dann  später  meine  damals  aus- 
gesprochenen Bedenken  aufgegriffen  und  mir  entgegengehalten:  durch 
Entfernung  der  Perigonhülle  als  wasseranziehenden  und  wasserhaltenden 
Bestandteil  des  Rübensamens  sei  dieser  der  Gefahr  ausgesetzt,  in 
trockenem  Keimbett  überhaupt  nicht  aufzulaufen;  ausserdem  werde, 
wie  besonders  Hiltner  und  Peters  in  Heft  3  des  4.  Bandes  der 
Arbeiten  aus  der  Biologischen  Abteilung  für  Land-  und  Forstwissen- 
schaft des  [\aiserl.  Gesundheitsamtes  ausführten,  der  geschälte  Samen 
leichter  infiziert  als  der  ungeschälte,  weil  die  beim  Schälen  in  Staub 
zerfallende  Perigonhülle  sich  in  den  Vertiefungen  des  Perikarpiums  fest- 
setze und  dort  der  Zersetzung  sehr  leicht  zugänglich  sei.  Die  Zer- 
setzungsprodukte, vorzugsweise  Oxalate,  sollen  jedoch,  gleichfalls  nach 
Miltner  und  Peters,  den  jungen  Keimling  derartig  schwächen,  dass 
er  den  Angriffen  sonst  harmloser  Saprophyten   zugänglich  werde. 

Ehe  ich  auf  diese  Punkte  näher  eingehe,  möchte  ich  zuvor  eine 
Beschreibung  und  Begründung  des  Schälverfahrens  geben. 

Das  Rübensamenknäuel  besteht,  wie  wir  alle  wissen,  aus  mehreren 
in  den  Fruchthöhlen  des  Perikarpiums  eingebetteten  Samen;  die  Frucht- 
hiihle  ist  durch  den  Pruchtdeckid  abgeschlossen  und  das  ganze  harte 
Gehäuse  von  den  angetrockneten  und  verkorkten  Stützblättern,  Kelch- 
blättern, Ötengelresten  oder,  kurz  gesagt,  der  Perigonhülle  umgeben. 
Gerade  in  dieser  Perigonhülle  kommen,  wie  ausser  anderen  Forschern 
auch  besonders  Linhart  nachgewiesen  hat,  die  Dauerformen  einer  Reihe 
von  Mikroorganismen  teils  saprophytischen,  teils  parasitären  Charakters 
vor,  die  mit  mehr  oder  weniger  grosser  Gewissheit  als  die  Erreger  der 
kontagiösen  Rübenkrankheiten  angesehen  werden. 

Wenn  auch  ohne  weiteres  die  Richtigkeit  der  besonders  auch  von 
Hi^ltner  und  Peters  in  der  oben  erwähnten  Arbeit  der  biologischen 
Reichsanstalt  aufgestellten  Theorie,  dass  die  Infektion  des  Keimlings 
ebenso  sehr  von  der  Ackererde  als  vom  Samen  aus  erfolge  und  von 
verschiedenen  anderen  Momenten  mit  abhängig  sei,  zugegeben  werden 
muss,  so  ist  anderseits  doch  wohl  kaum  die  Forderung  als  unberechtigt 
von  der  Hand  zu  weisen,  dass  in  erster  Linie  der  Versuch  zu  unter- 
nehmen sei,  den  Samen  selbst  nach  Möglichkeit  von  den  anhaftenden 
Infektionserregern  zu  befreien.  Von  diesen  Erwägangen  ist  Professor 
Linhart    und    bin   ich   selbst  in  Verfolg  seiner  ^Anregung  ausgegangen. 

Die  praktische  Verwirklichung  dieser  Foi'derung  ist  auf  ver- 
schiedenen Wegen    versucht    worden.      Wim m er  und  Wilfart   redeten 


192  I^-  Kühle. 

der  Beizung  mit  Karbolsäure,  Miltner  der  mit  Schwei'elsäiire  das  \¥ort, 
und  Linhart  war  der  erste,  der  eine  mechanische  Kntfernung:  der  Sub- 
strate vorschlug. 

Die  chemische  Behandlung  des  Rübensamenknäuels  allein  hat  die 
erhoffte  Wirkung  nicht  gehabt;  die  Luftblasen,  die  sich  in  der  rauhen 
Oberfläche  und  den  Vertiefungen  des  Samenknäuels  belinden,  scheinen 
eine  vollständige  Durchtränkung  der  Hülle  mit  der  desinfizierenden 
Flüssigkeit  zu  hindern.  Die  Anwendung  von  konzentrierter  Schwefel- 
säure wird  —  scheinbar  so  einfach  im  Laboratorium  —  im  Grossen 
immer  eine  heikle  Sache  bleiben,  weil  die  nur  sehr  schwer  ganz  zu 
beseitigenden  Reste  eine  sehr  üble  Nachwirkung  haben  und  den,  der 
das  Verfahren  nicht  mit  der  grössten  Sorgfalt  anwendet,  leicht  vom 
Regen  in  die  Traufe  bringen  können.  Ich  glaube  jedoch  heute  aut 
Grund  Tjähriger  Erfahrung  behaupten  zu  dürfen,  dass  das  Schälen  des 
Rübensamens  im  Verein  mit  einer  anschliessenden,  zweckentsprechenden 
Desinfektion  alles  das  erreicht,  was  in  dieser  Hinsicht  überhaupt  erreicht 
werden  kann. 

Ganz  zu  beseitigen  werden  die  Mikroorganismen  niemals  sein  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen:  Das  Infektionsstadium  kann  ein  drei- 
faches sein.  Im  leichtesten  und  weitaus  häufigsten  Stadium  haften  die 
Dauerformen  der  Infektionserreger  auf  und  in  der  äusseren  Hülle  und 
w^erden  mit  dieser  vollkommen  entfernt.  Im  zweiten  Stadium  hat  sich 
bereits  das  Myzel  entwickelt  und  ist  bis  in  die  äussere  Schicht  des 
harten  Gehäuses  vorgedrungen.  Hier  kann  eine  gründliche  Durch- 
tränkung des  Samenknäuels,  das  nach  der  Entfernung  der  PerigonhüUe 
dem  Desinfektionsmittel  leicht  zugänglich  ist,  noch  sehr  gute  Erfolge 
haben.  Im  dritten  Stadium  sind  die  Pilzfädeu  durch  Sprünge  oder 
Risse  im  Pruchtdeckel  bereits  bis  zum  Samenkorn  vorgedrungen,  und 
jede  Hilfe  ist  in  diesem  Stadium  natürlich  ausgeschlossen.  Da  in  den 
weitaus  meisten  Fällen  unter  den  in  das  Keimbett  eingelegten  Knäueln 
das  eine  oder  andere  sich  befindet,  bei  dem  der  Embryo  bereits  in  der 
Fruchthöhle  infiziert  war,  so  ist  es  begreiflich,  dass  auch  nach  der 
sorgfältigsten  Desinfektion  immer  noch  kranke  Keime  gefunden  werden. 
Das  Eine  steht  jedoch  fest,  dass  die  Zahl  der  kranken  Keime  nach  dem 
Schälen  und  Desinfizieren  erheblich  sinkt. 

Bei  den  Keim  versuchen  mit  geschälten  und  desinfizierten  Samen 
konnte  nun  eine  sehr  wertvolle  Begleiterscheinung  festgestellt  werden, 
wertvoll  sowohl  in  hygienischer  als  auch  besonders  in  landwirtschaftlich- 
technischer Hinsicht.  Der  geschälte  und  desinfizierte  Samen  trieb  nicht 
nur  seine  Keime  in  der  Keimschale  um  mehrere  Tage,  im  Freilande, 
wenn   die  Allgemeinbedingungen  für  den  Aufgang  sehr  ungünstig  waren. 


Der  Einfluss  des  Schälens  von  Rübensamen  auf  die  Keimung.  193 

sogar  bis  zu  10  und  14  Tagen  früher  aus  als  der  ungeschälte,  sondern 
er  brachte  auch  eine  ziemlich  bedeutend,  im  Durchschnitt  um  ca.  20 
bis  25  °/o  höhere  Keimziffer  pro  100  Knäule  heraus.  Die  Erklärung 
hierfür  dürfte  wohl  in  folgendem  zu  suchen  sein:  Einmal  wird  durch 
die  Entfernung  der  das  Absprengen  des  Pruchtdeckels  durch  den  Embryo 
hindernden  Perigonhülle  und  sonstiger  Widerstände,  sowie  dadurch, 
dass  auch  vom  Pruchtdeckel  durch  die  mechanische  Bearbeitung  ein 
Teil  hinweg  genommen  wird,  der  Fehler  der  Hartschaligkeit  —  grossen- 
teils  die  Ursache  mangelnder  Keimfähigkeit  —  kompensiert;  das  andere 
Mal  aber  nimmt  das  Samenkorn  direkt  und  mit  grösserer  Vehemenz 
Wasser  auf  als  der  ungeschälte  Samen.  Diesem  Umstände  muss  wohl 
ein  besonders  grosser  Keimreiz  zugeschrieben  werden. 

Um  diese  meine  Theorie  zu  stützen  und  gleichzeitig  meine  eigenen, 
wie  eingangs  erwähnt,  bereits  im  Jahre  1900  ausgesprochenen  und  von 
den  Gegnern  des  Verfahrens  aufgenommenen  Bedenken  zu  zerstreuen.  — 
dass  es  nämUch  gefährlich  sei,  das  wasseranziehende  und  wasser- 
haltende Moment  des  Rübensamenknäuels  zu  entfernen  —  habe  ich  eine 
Reihe  von  Untersuchungen  ausgeführt  und  dabei  zu  meiner  Befriedigung 
festgestellt,  dass  nicht  nur  die  Perigonhülle  —  diese  allerdings  in 
höherem  Grade  —  sondern  auch  das  Perikarpium  und  nicht  zuletzt  das 
Samenkorn  selbst  wasseranziehende    und   wasserhaltende  Kraft  besitzen. 

Zum  vergleichenden  Versuche  habe  ich  den  Samen  vorjähriger, 
also  1905  er  Ernte  benutzt.  Ein  Teil  davon  war  ungeschält,  der  andere 
Teil  im  Pebruar  ds.  Js.  geschält  und  desinfiziert  und  seitdem  gelagert. 
Die  Versuche  wurden  im  August  ds.  Js.,  also  länger  als  6  Monate 
nach  der  Präparation  des  Samens  ausgeführt.  Der  Durchschnittswasser- 
gehalt betrug 

bei  dem  ungeschälten  Samen 14,50 "/o- 

„       „      geschälten  Samen 14,30 °/q, 

„       „      ebenfalls  seit    Februar   ds.   Js.   ge- 
lagerten Schälabfall 14,00  "/o- 

Schon  aus  diesen  Zahlen  geht  hervor,  dass  der  Perigonhülle  eine 
grössere  wasserhaltende  Kraft  als  dem  Perikarpium  nicht  zukommt, 
eher  scheint  dieselbe  etwas  geringer  zu  sein  als  die  des  harten  Gehäuses. 

Ungeschälter  sowie  geschälter  Samen  und  der  Schälabfall, 
3  X  24  Stunden  zwischen  Filtrierpapier  von  20°/o  Feuchtigkeit  auf- 
bewahrt, hatten  an  Feuchtigkeit  zugenommen: 

a)  geschälter  Samen 3,06  "/q, 

b)  ungeschälter  Samen 6,47  "/q, 

c)  die  abgeschälte  PerigonhüUe  allein  .     .     .     8,38  ^/q. 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  .ingewandte  Botanik  IV.  13 


194  ^-  Kühle. 

Wenn  auch  aus  diesen  Zahlen  hervorgeht,  dass  die  PerigonhüUe 
leicht  und  schnell  Wasser  aufnimmt,  so  ist  damit  noch  nicht  bewiesen, 
dass  dieses  aufgenommene  Wasser  nun  auch  ungeschmälert  dem 
Samenkorn  zur  Keimung  zugeführt  wird.  Die  nachstehenden  Zahlen 
sprechen  nicht  hierfür.  Der  ungeschälte  Samen  hatte  zwar  um  6,47 "/q 
Wasser  aufgenommen,  sein  hartes  Gehäuse  wies  nach  Entfernung  der 
PerigonhüUe  jedoch  nur  eine  Zunahme  von  2,10''/o,  also  0,96 ''/o 
weniger  auf    als  der    von  der  PerigonhüUe    befreite    geschälte  Samen. 

Das  Samenkorn  im  geschälten  Samen  halte  vor  der  Lagerung  im 
feuchten  Piltrierpapier  9,0^ Iq  Wasser,  das  Samenkorn  des  ungeschälten 
Samens  nur  8,4 "/o  Wasser.  Obgleich  also  das  ungeschälte  Knäuel,  wie 
aus  den  vorhin  erwähnten  Zahlen  hervorgeht,  eine  höhere  Gesamt- 
leuchtigkeit  aufwies  als  das  geschälte,  so  ist  das  Samenkorn  selbst 
trotz  der  schützenden  Hülle  anscheinend  bei  gleicher  Lagerung  mehr 
ausgetrocknet;  dieser  Umstand  ist  wohl  auf  die  grössere  wasseranziehende 
Kraft  der  PerigonhüUe,  die  auch  das  harte  Gehäuse  und  das  Samen- 
korn nicht  verschont,  wenn  sie  sich  nicht  von  aussen  her  sättigen  kann, 
zurückzuführen. 

x\ndererseits  scheint  dem  harten  Gehäuse  und  dem  Samenkorn  selbst 
zwar  eine  schwächere  wasseranziehende,  jedoch  grössere  wasser- 
haltende Kraft  als  der  PerigonhüUe  zuzukommen  —  ein  Faktor,  der, 
wie  ich  später  ausführen  werde,  von  wesentlicher  Bedeutung  für  den 
Keimungsprozess  im  Freilande  ist. 

Das  Samenkorn  des  ungeschälten  Knäuels  hatte,  wie  wir  gesehen 
haben,  vor  der  Lagerung  im  feuchten  Pliesspapier  8,4 "/q  Wasser,  nach 
der  3  X  24  stündigen  Lagerung  genau  denselben  Wassergehalt  trotz 
der  erheblichen  Wasseraufnahme  der  PerigonhüUe.  Das 
Samenkorn  des  geschälten  Knäuels  hatte  jedoch  nach  der  Behandlung 
im  feuchten  Pliesspapier  eine  Vermehrung  des  Wassergehaltes  um  1,6 °/o 
erfahren.  Ich  glaube  hiermit  den  Beweis  für  meine  vorhin  aufgesteUte 
Behauptung  erbracht  zu  haben,  dass  bei  geschältem  Knäuel  das  Samen- 
korn direkt  und  mit  grösserer  SchneUigkeit  Wasser  aufnehmen  kann 
als  bei  ungeschältem  Knäuel. 

Für  das  Freiland  hat  dieser  Umstand  eine  nicht  unwesentliche 
Bedeutung.  Da  die  PerigonhüUe  nicht  die  gleiche  wasserhaltende  Kraft 
besitzt  wie  das  harte  Gehäuse  bzw.  das  Samenkorn  selbst,  diese 
beiden  jedoch  das  Wasser  nicht  mit  gleicher  SchneUigkeit  aufnehmen 
wie  die  äussere  Hülle,  so  kann  die  Gefahr  eintreten,  dass,  sobald  nach 
der  Aussaat  trockenes  Wetter  und  austrocknende  Winde  eine  wesent- 
liche Verringerung  der  Bodenfeuchtigkeit  in  der  Ackerkrume  herbei- 
führen, gleichzeitig  eine  Verdunstung  des  aufgenommenen  Wassers  aus 


Der  Einfluss  des  Schälens  von  Rübensamen  auf  die  Keimung.         195 

der  Perigonhülle  stattfindet,  ehe  noch  der  Embryo  die  zum  Keimprozess 
notwendige  Menge  hat  an  sich  ziehen  können. 

Bei  geschältem  Knäuel  nimmt  das  harte  Gehäuse  sowie  das  Samen- 
korn selbst  direkt  und  mit  grösserer  Energie  Wasser  auf  und  gibt  es 
nicht  so  leicht  wie  die  eine  grosse  Verdunstungsfläche  bietende  rauhe 
Perigonhülle  wieder  ab.  Das  Samenkorn  kommt  also  mit  einem 
geringeren  Masse  von  Feuchtigkeit  im  Keimbette  sowohl  als  auch  im 
Preilande  aus  und  in  der  Tat  beweisen  die  Vorgänge  sowohl  in  der 
Keimschale  wie  im  Freilande  die  Richtigkeit  dieser  Annahme. 

Die  Keimprüf  ungen  an  dem  zu  den  oben  erwähnten  Versuchen 
benutzten  Samen  im  sterilisierten  Sandkeimbette  mit  18°/o  Feuchtigkeit 
und  einer  Lufttemperatur  von  20°  bei  Tage  und  15"  des  Nachts  hatten 
folgendes  Resultat.     Es  wurden  gezählt  von   100  Knäulen 

des  ungeschälte 
Samens 
nach  3  Tagen  im  Durchschnitt       —    Keime 

4  — 

n         O  „  n  w  O  " 

r  6  „  „  „  78  „ 

„    14       „        „  „  172 

Krank  waren  7         „ 

Nicht  gekeimt  hatten  13  Knäule 

Gewicht  der  172  Keime  7,695  g,    der  208  Keime  10,375  g, 

also  Gewicht  des  einzelnen  Keims  0,044  g,    des  einzelnen  0,05  g. 

Um  aber  nicht  nur  meine  eigenen  Beobachtungen  sprechen  zu 
lassen,  gebe  ich  die  Resultate  aus  zwei  Originalattesten  der  agrikultur- 
chemischen Kon  troll  Station  zu  Halle  a.  S.  vom  31.  Dezember  1904  und 
vom  9.  Januar  1906  wieder. 

Nach  dem  ersten  Atteste  hat  geschälter  und  desinfizierter  Samen 
der  Ernte  1904 

von   100  Knäulen  nach  7  Tagen  239  Keime, 

„       „  „  „     14       „       252        „       ausgetrieben; 

es  keimten  nicht  5  Knäule. 

1  kg  lieferte  nach  14  Tagen   136  000  Keime. 
Nach  dem  zweiten  Atteste,  über  eine  Partie  der  Ernte  1905  hatten: 
100  Knäule  nach  7  Tagen  217  Keime, 

„    14      „       223 
1  kg  lieferte  112  000 

'■"■)  Ein  Beweis,  dass  in  der  6  monatigen  Lagerung  keine  Nachinfektion 
erfolgt  war.  . 

13* 


:les  geschältei 

1       also 

Samens 

mehr 

4  Keime 

4  Keime 

27        „ 

27       „ 

39       „ 

34       „ 

164       „ 

86       „ 

208       „ 

36       „ 

5       „  % 

9  Knäule 

196  ^-  i'^"hie. 

Nicht  unerwähnt  möchte  ich  hierbei  lassen,  dass  der  Gehalt  an 
fremden  Bestandteilen,  wie  dieses  ja  nach  dem  Präparierverfahren  nur 
natürUch  ist,  in  dem  einen  Falle  0,6 °/o,  in  dem  anderen  0,2 °/o  betrug; 
der  Wassergehalt  einmal  15,92  "/o,  das  andere  Mal  14,69  "/q. 

Dass  die  Erfolge  im  Preilande  nicht  anders  sind,  dafür  aus  der 
grossen  Zahl  der  mir  zur  Verfügung  stehenden  Atteste  auszugsweise 
einige  Beispiele. 

Die  Zuckerfabrik  Aarberg  (Schweiz)  schreibt  unter  dem  30.  August 
1904,  dass  „der  geschälte  Samen  bereits  nach  7  Tagen,  der  ungeschälte 
teilweise  erst  nach  14  Tagen  aufgelaufen  ist". 

Die  Zuckerfabrik  Wierschoslawitz  schreibt  unter  dem  2.  Sep- 
tember 1904.  dass  „der  Aufgang  des  geschälten  Samens  gegen  den 
nicht  präparierten  um  5  Tage  früher  erfolgte  und  dass  das  Wachstum 
ein  freudiges  war". 

Die  Zuckerfabrik  L)ahlenwarsleben  bei  Magdeburg  teilt  unter 
dem  9.  September  1904  mit,  dass  „die  präparierte  Saat  nicht  unerheb- 
lich früher  aufhef  und  sich  der  anderen  gegenüber  durch  frischeres, 
besseres  Wachstum  auszeichnete  und  dass  der  Unterschied  noch  immer 
beobachtet  w^erden  könne". 

Die  Zuckerfabrik  Greifenberg  in  Pommern  schreibt  unter  dem 
27.  August  1904,  dass  „der  Aufgang  ein  viel  besserer  und  gleich- 
massigerer  gewesen  sei  als  bei  den  übrigen  Samen;  auch  war  das  erste 
Wachstum  der  jungen  Pflanzen  ein  freudigeres". 

Die  Zuckerfabrik  Wolmirstedt  teilt  unter  dem  12.  September  1904 
mit,  dass  „der  geschälte  Samen  3—4  Tage  früher  gekommen  sei  und 
dass  die  Rüben  diesen  Vorsprung  bis  zum  Eintritt  der  grossen  Dürre 
behalten  hätten". 

Die  Zuckerfabrik  Opalenitza  (Posen)  schreibt  unter  dem  3.  Sep- 
tember 1904,  dass  „der  Aufgang  des  präparierten  Samens  einige  Tage 
früher  erfolgte". 

Die  Standard  Beet  Öugar  Co.  in  Leavitt  (Vereinigte  Staaten) 
schreibt  unter  dem  14.  August  1902,  dass  ,,der  geschälte  Samen  so 
hervorragend  schön  steht,  dass  der  Unterschied  gegen  den  ungeschälten 
schon  in  bedeutender  Entfernung  auffällt:  der  Samen  lief  schneller  auf, 
und  die  Rüben  standen  dicker  als  die  aus  gewöhnlichem  Samen.  Es 
scheint  in  der  Tat  vorteilhafter,  diesen  geschälten  Samen  den  gewöhn- 
lichen Sorten  vorzuziehen." 

Die  Landwirtschaftliche  Station  mit  bakteriologischem  Laboratorium 
des  Departements  zu  Laon  schreibt  in  dem  Bericht  über  das  Jahr  1903 
über  ,,Die  Anwendung  des  geschälten  Zuckerrübensamens"  nach  wört- 
licher Übersetzung:  ,, ,  so  erscheint  das  Schälen  des  Rübensamens 


Der  Einflnss  des  Schälens  von  Rübensamen  auf  die  Keimung.         197 

von  vornherein  als  ein  sehr  logisches  Verfahren  und  als  ebenso  an- 
gebracht, wie  die  Trennung  des  Getreides  von  seinen  Hülsen  vor  der 
Aussaat.  Die  Ausführung  aber  erschien  bis  vor  kurzem  als  unmöglich, 
und  wir  fragen  uns  heute  noch,  wie  man  dieses  schwierige  Problem 
hat  lösen  können,  ohne  den  Embryo  zu  beschädigen.  Wir  haben  uns 
leider  keinerlei  Aufklärungen  über  die  Art  und  Weise  des  Schälverfahrens 
beschaffen  können,  aber  das  steht  fest,  das  Ziel  ist  erreicht  Avorden. 
Dieser  geschälte  Samen  ist  dunkel  gefärbt.  Das  eigentliche  Samenkorn, 
der  Kern,  ist  nicht  völlig  nackt,  sondern  ist  noch  von  einer  dünnen, 
holzigen  Schicht  umschlossen.  Der  geschälte  Samen  ist  fester  und 
kleiner  als  unpräparierter,  sein  Ausdrillen  mit  der  Maschine  ist  sicherlich 
viel  leichter  und  muss  regelmässiger  erfolgen.  Wir  haben  mehrere 
Keimversuche  gemacht;  das  Resultat  derselben  ist  glänzend  in  Hin- 
sicht auf  die  Schnelligkeit  und  Stärke  der  Keimkraft.  Es  ist  wohl  be- 
greiflich, dass  die  Samenkörner,  welche  nun  nicht  mehr  von  einer  groben 
Hülle  umgeben  sind,  viel  schneller  die  Feuchtigkeit  des  Bodens  auf- 
nehmen und  leichter  aufgehen.  Bei  unseren  Versuchen  hat  sich  ein 
Vorsprung  von  mehreren  Tagen  gezeigt.  Es  steht  in  der  Tat  völlig 
fest,  dass  die  Vorzüge  die  folgenden  sind:  1.  geringeres  Volumen  des 
Samens,  2.  leichteres  und  regelmässigeres  Ausdrillen  und  Ersparnis  an 
Samen,  3.  schnellerer  Aufgang  und  4.  Entfernung  der  Parasiten- 
keimlinge." 

Aus  diesem  Jahre  ging  mir  unter  dem  18.  Mai  ein  Schreiben  des 
Herrn  Prof.  Dr.  Remy,  Bonn,  zu  des  Inhalts:  ,,Beim  Aufgang  Ihres 
Rübensamens  zeigt  sich  in  diesem  Jahre  eine  ganz  auffällige  Überlegen- 
heit der  geschälten  und  desinfizierten  Saat  bei  Sorte  B.  Es  würde  mich 
interessieren  zu  hören,  ob  es  sich  in  beiden  Fällen  um  genau  die  gleiche 
Saat  handelt." 

Ich  glaube,  hiermit  den  unanfechtbaren  Beweis  erbracht  zu  haben, 
dass  der  geschälte  und  desinfizierte  Samen  in  allen  Boden-  und  khma- 
tischen  Verhältnissen  bezüglich  Aufgang  und  W^achstum  in  der  ersten 
Vegetationsperiode  eine  nicht  unw^esentliche  Überlegenheit  über  den  unbe- 
handelten Samen  gezeigt  hat. 

Herr  Rittergutsbesitzer  Hinsch  auf  Lachmirowitz,  welcher  schon 
früher  unabhängig  von  mir  und  Herrn  Prof.  Linhart  auf  die  Idee 
gekommen  war,  den  Rübensamen  durch  Abreiben  schneller  zum  Keimen 
zu  bringen  und  seine  diesbezüglichen  Versuche  mit  einer  zu  diesem 
Zwecke  zurechtgemachten  Kaffeemühle  unternahm,  ist  der  erste  gewesen, 
welcher  Anbauversuche  mit  dem  von  mir  hergestellten  geschälten  und 
desinfizierten  Rttbensamen  in  grösserem  Massstabe  unternahm.  Derselbe 
'bzw.  die    unter    seiner  Mitverwaltung    stehende    Zuckerfabrik    Montwy 


J98  ^-  Kühle. 

baut  seit  dieser  Zeit  geschälten  und  desinfizierten  Samen  in  grossem 
Massstabe,  Wie  mir  Herr  Hinsch  und  ebenso  auch  Herr  Direktor 
Baude-Montwy,  die  von  allen  Praktikern  bezüglich  des  geschälten 
Samens  die  meisten  Erfahrungen  haben,  verschiedentlich  mitteilten, 
•war  der  geschälte  und  desinfizierte  Samen  dem  ungeschälten  stets 
überlegen.  Genannte  Herren  bezeichneten  den  Anbau  desselben  auf 
solchen  Bodenarten,  auf  denen  das  Unkraut  leicht  emporschiesst,  geradezu 
als  eine  Notwendigkeit  vom  landwirtschaftlich-technischen  Standpunkt 
aus,  Icli  möchte  nicht  unterlassen,  an  dieser  Stelle  auf  die  Verdienste 
hinzuweisen,  welche  Herr  Hinsch  und  Herr  Direktor  Baude-Montwy 
um  die  Fortschritte  des  Schälverfahrens  besitzen,  und  den  genannten 
Herren  für  die  tatkräftige  Unterstützung,  welche  sie  meinen  Bestrebungen 
auf  diesem  Gebiete  haben  angedeihen  lassen,  meinen  herzhchsten  Dank 
auszusprechen. 

Dass  es  in  landwirtschaftlich-technischer  Hinsicht  von  grosser  Be- 
deutung ist,  einen  Samen  zur  Verfügung  zu  stellen,  der  schneller  und 
sicherer  aufläuft,  liegt  ohne  weiteres  auf  der  Hand.  Nicht  nur  kann 
der  Kampf  gegen  das  Unkraut  früher  aufgenommen  werden,  auch  das 
Vereinzeln  kann  früher  geschehen  und  der  jungen  Pflanze  schneller 
ein  grösserer  Ernährungsspielraum  gegeben  werden. 

Dass  auch  die  in  der  ersten  Vegetationsperiode  schneller  und 
freudiger  wachsende  Pflanze  widerstandsfähiger  den  Angriffen  tierischer 
und  pflanzlicher  Feinde  gegenüber  wird,  leuchtet  ein.  Der  geschälte 
und  desinfizierte  Samen  dürfte  daher  wohl  als  ein  geeignetes 
Kampfmittel  gegen  Wurzelbrand  anzusehen  sein,  so  lange 
man  kein  besseres  hat. 

Der  hier  und  da  erhobene  Einwand,  dass  das  Schälen  und  Des- 
infizieren den  Samen  übermässig  verteuere,  ist  vollständig  hinfällig. 
Zwar  gehen  beim  Schälen  ca.  25  %  des  Sameneigengewichtes  verloren ; 
der  Verlust  besteht  jedoch  nur  in  Ballastsubstanz.  In  75  Pfund  ge- 
schälten Samens  sind  daher  genau  so  viel  Knäule  enthalten  wie  in 
100  Pfund  des  ungeschälten.  Die  Aussaat  kann  demnach  einmal  um  diese 
25  °/o  und  angesichts  der  erhöhten  Keimziffer  um  mindestens  weitere 
5  °/'o,  in  Summa  also  um  30  °/o  ermässigt  werden.  Wenn  nun  der  Preis 
für  den  geschälten  Samen  um  25  %  erhöht  wird,  so  ist  diese  Erhöhung, 
wie  aus  dem  eben  Gesagten  hervorgeht,  nur  eine  scheinbare.  Bei  ver- 
nünftiger Anwendung  und  sparsamer,  zweckentsprechender  Aussaat  (es 
genügen  8  — 10  Pfund  pro  Morgen  gegenüber  15 — 18  Pfund  des  un- 
geschälten) ist  der  geschälte  und  desinfizierte  Samen  billiger  als  der 
ungeschälte.  Für  das  Schälen  und  Desinfizieren  berechnet  meine  Firma 
nur  die  Selbstkosten  in  Höhe  von  2,00  Mk,  p.  50  kg. 


Der  Einfluss  des  Schälens  von  Fiübensamen  auf  die  Keimung.  199 

Ich  komme  nun  zu  dem  von  Hiltner  und  Peters  erhobenen  Ein- 
wände, dass  nämhch  die  beim  Schälen  in  Staub  zerfallende  PerigonhüUe 
sich  in  den  Vertiefungen  des  Knäuels  festsetze  und  dort  in  dieser  Form 
der  Zersetzung  »leichter  zugänglich  sei,  die  Zersetzungsprodukte,  vorzugs- 
weise Oxalate,  aber  den  Keimling  so  schwächen,  dass  er  nun  den  An- 
griffen sonst  harmloser  Saprophyten  (Schwächeparasiten)  zugänglich 
werde.  Dass  die  Theorie  der  Einwirkung  der  Oxalate  richtig  ist.  erscheint 
nicht  unwahrscheinlich;  ich  muss  mich  jedoch  vorläufig  des  Urteils 
hierüber  noch  enthalten,  da  unsere  diesbezüglichen  Versuche  noch  nicht 
abgeschlossen  sind.  Das  Eine  habe  ich  jedoch  festgestellt:  Düngte  ich 
das  sonst  sterile  Sandkeimbett  mit  25  °/o  der  abgeschälten  PerigonhüUe, 
so  erhielt  ich  bei  Verwendung  von  geschältem  und  nicht  desinfi- 
zierten Samen: 

nach     3  Tagen   —  Keime 
„        4      „  5       „ 

„       5      „        12       „ 
6      „      100       „ 
„      14      ,,       175       ,,     mit  einem  Gewichte  von  5,665  g. 

Nicht  gekeimt  hatten  16  Knäule,  krank  waren  52  Keime. 

Es  deckt  sich  dieser  Befund  mit  den  Angaben  von  Hiltner 
und  Peters. 

Verwendete  ich  jedoch  im  gleichen,  also  mit  25  °/o  Schälabfall 
gedüngten  Keimbette  geschälten  und  desinfizierten  Samen,  so  erhielt 
ich  bei  einer  Gesamtkeimziffer  von  198  Keimen  mit  einem  Gewichte 
von  8,92  g  nur  12  kranke  Keime! 

Ich  behalte  mir  vor,  die  diesbezüglichen  Versuche  eingehender  in 
einer  demnächst  zu  veröffentlichenden  Arbeit  zu  behandeln;  die  vor- 
stehende Mitteilungen  sollen  nur  vorläufige  sein. 

Die  schädigende  Einwirkung  der  PerigonhüUe  ist  somit  klar 
bewiesen,  und  wenn  es  auch  vorläufig  unentschieden  bleiben  mag,  ob  die 
Zersetzungsprodukte  der  Hülle  oder  die  ihr  anhaftenden  Parasiten  die  Ur- 
sache dieser  Schädlichkeit  bilden,  so  darf  wohl  nicht  zuletzt  nach  den  Fest- 
stellungen von  Hiltner  und  Peters  die  Forderung  nach  völliger  Beseiti- 
gung der  so  gefährlichen  PerigonhüUe  erhoben  werden. 

Hiltner  und  Peters  haben  zu  ihren  Versuchen  geschälten  Samen 
verwendet,  dessen  PerigonhüUe  zwischen  Schmirgelpapier  abgerieben 
worden  war.  Da  in  ihrem  Berichte  nirgend  eine  Desinfektion  des  ab- 
geriebenen Samens  erwähnt  wird,  so  muss  ich  annehmen,  dass  eine  solche 
nicht  vorgenommen  worden  ist.  Dass  eine  spätere  Infektion  des  geschälten 
und  nicht  desintizierten  Samens  leichter  möglich  ist  als  des  ungeschälten, 
habe  ich  schon  im  Jahre  1900  ausgesprochen.    Um  diese  zu  verhüten,  habe 


200     ^-  Kühle,  Der  Einfluss  des  Schälens  von  Rübensanien  auf  die  Keimung. 

ich  die  Desinfektion  dem  Schälen  folgen  lassen  und  zwar  mit  gutem 
Erfolge,  Auch  erscheint  es  mir  bei  der  Art  und  Weise,  wie  die  Manipulation 
ausgeführt  wurde,  Ijegreiflich,  wenn  Hiltner-Peters  zu  der  Ansicht 
kommen,  die  in  Staub  zerfallende  Perigonhülle  setze  sich  in  den  Ver- 
tiefungen und  Pagen  des  Perikarpiums  fest  und  sei  dort  der  Zersetzung 
leichter  zugänglich. 

Ich  führe  das  Schälen  in  der  Weise  aus,  dass  schon  während  des 
Schälprozesses  der  Perigonstaub  in  starkem  Luftstrom  abgesogen  und 
abgeführt  wird.  In  unmittelbarem  Anschluss  an  das  Schäl  verfahren 
findet  die  Desinfektion  statt  und  hiernach  die  vorsichtige  Trocknung  des 
Samens,  der  nach  der  Desinfektion  ca.  48 — 50  **/o  Wasser  enthält,  also 
genügend  mit  der  desinfizierenden  Flüssigkeit  durchtränkt  sein  muss. 

Hiltner-Peters  hätten  sich  den  zu  den  Versuchen  erforderlichen 
Samen  nicht  auf  diesem  primitiven  Wege  herzustellen  brauchen;  auf 
Wunsch  würde  ich  gern  bereit  gewesen  sein,  den  Herren  jedes  ge- 
wünschte Quantum  des  geschälten  und  desinfizierten  Samens,  wie  er 
von  meiner  Firma,  der  Rüben-  und  Getreidesamen-Züchterei  Rittergut 
Aderstedt,  bereits  in  grossem  Massstabe  in  den  Handel  gebracht  wird, 
zu  überlassen.  Nur  an  solchen  in  den  Handel  kommenden  Samen  war 
meines  Erachtens  überhaupt  der  Wert  oder  Unwert  des  Schälverfahrens 
zu  erproben,  und  die  Fehler  wären  auf  diese  Weise  bei  Ausführung  der 
diesbezüglichen  Versuche  unterblieben.  An  der  sonst  so  wertvollen  und 
gründlichen  Arbeit  habe  ich  noch  die  chemischen  Analysen  der  drei  zum 
Versuche  benutzten  Bodenarten  vermisst ;  diese  hätten  vielleicht  wert- 
volle Fingerzeige  über  die  Ursachen  des  in  gesundheitlicher  Beziehung 
verschiedenen  Verhaltens  der  in  Zähringer,  Dahlemer  und  Winterbergs- 
hofer  Erde  gewachsenen  Keimlinge  und  Rüben  geboten.  Besonders  die 
Feststellung  des  Gehaltes  an  Kalk  und  Phosphorsäure  wäre  sehr  inter- 
essant gewesen. 

Es  sollte  mich  freuen,  wenn  die  genannten  Herren  durch  meine 
Ausführungen  veranlasst  würden,  ihre  Arbeit  auf  die  erwähnten  Punkte 
hin  nochmals  zu  prüfen.  Ich  stehe  ihnen  jedenfalls  mit  meinen  Er- 
fahrungen auf  diesem  Gebiete  und  in  jeder  sonst  gewünschten  Weise 
nach  Kräften  gern  zur  Verfügung. 

Dass  Herr  Dr.  Peters  sich  der  Erforschung  des  noch  so  dunklen 
Wurzelbrandes  energisch  zu  widmen  gedenkt,  hat  er  in  seiner  neuesten, 
sehr  wertvollen  Arbeit  ,,Zur  Kenntnis  des  W^urzelbrandes"  bewiesen. 
Eine  endliche  Klärung  auf  diesem  Gebiete  läge  nicht  zuletzt  im  Interesse 
der  deutschen  Rübensamenzucht. 


0.  Appel,  Über  die  Stellung  der  Pathologie  bei  der  Samcnkontrolle  etc.     201 


Über  die  Stellung  der  Pathologie  bei  der  Samenkontrolle 
und  den  Anbauversuchen. 

Voa 
Reg. -Rat  Dr.  Otto  Appel. 

(Mit  2  Abbildungen.) 

Bei  dem  ausserordentlichen  Aufschwung,  den  die  Pathologie  im 
letzten  Jahrzehnt  vor  allem  in  der  Erkenntnis  der  Ptlanzenkrankheiten, 
aber  auch  in  mancher  Richtung  der  Bekämpfung  genommen  hat,  ist  es 
auffallend,  dass  sie  sowohl  bei  der  Samenkontrolle  als  auch  bei  der 
Anstellung  von  vergleichenden  Ertragsversuchen  nicht  mehr  Berück- 
sichtigung findet  als  früher.  In  den  offiziellen  Normen  für  die  Samen- 
kontrolle ist  das  einzige  Objekt  aus  dem  Gebiete  der  Pflanzenkrankheiten, 
dem  sich  die  Aufmerksamkeit  zuwendet,  die  Seide,  und  die  Erörterungen 
über  ihr  Vorkommen  und  über  die  Grundsätze  für  die  Beurteilung  seide- 
haltiger  Kleesaat  nehmen  sogar  einen  sehr  breiten  Raum  in  den  Ver- 
handlungen der  Samenuntersuchungsanstalten  ein.  Neuerdings  ist  zwar 
durch  Li n hart  der  Versuch  gemacht  worden,  auch  eine  Beurteilung 
des  Rübensamens  unter  Berücksichtigung  der  ihm  anhaftenden  Krank- 
heitskeime herbeizuführen,  aber  es  scheint  mir,  dass  gerade  dieses 
Objekt  besonders  ungünstig  war,  um  Gesichtspunkte  der  Pathologie  zur 
Geltung  zu  bringen.  Der  Grund  hierfür  liegt  darin,  dass  die  Krankheiten 
des  Rübenkeimlings,  um  die  es  sich  dabei  handelt,  noch  nicht  genügend 
erforscht  sind,  und  dass  man  noch  nicht  sicher  weiss,  wie  weit  die 
dafür  verantwortlich  gemachten  Organismen  auch  wirklich  pathogen 
sind.  Es  scheint  mir  aber  unerlässlich  für  das  Verlangen 
einer  Berücksichtigung  krankheitserregender  Keime  bei  der 
Samenkontrolle,  dass  die  Pathogenität  der  betreffenden  Or- 
ganismen absolut  sicher  erwiesen  ist  und  dass  die  Ver- 
schleppung durch  das  Saatgut  eine  wesentliche  Rolle  beim 
Auftreten  der  betreffenden  Krankheit  spielt. 

Diese  beiden  Voraussetzungen  treffen  für  den  Brand  unserer  haupt- 
sächlichsten Getreidearten  vollständig  zu.  Ein  Zweifel  daran,  dass  die 
Brandpilze    die    alleinige    Ursache    der    Brandkrankheiten    sind,    dürfte 


202  0.  Appel. 

nirgends  vorhanden  sein,  und  auch  die  Tatsache,  dass  diese  Krankheiten 
ausschliessUch  durch  das  Saatgut  verschleppt  werden,  ist  ausreichend 
festgestellt. ')  Es  fragt  sich  nun  nur  noch,  welchen  Vorteil  die  prak- 
tische Landwirtschaft  aus  der  Untersuchung  des  Saatgutes  auf  anhaftende 
Brandsporen  ziehen  könnte. 

Wenden  wir  uns  zunächst  dem  Steinbrand  zu,  so  finden  wir  zwar 
in  vielen  kleineren  Betrieben,  namentlich  Süddeutschlands,  dass  eine 
ausreichende  Bekämpfung  des  Steinbrandes  nicht  durchgeführt  wird. 
Anderseits  wird  besonders  auf  den  grossen  Gütern  Norddeutschlands 
alles  Weizensaatgut  gebeizt,  gleichgültig,  ob  ihm  Brand  anhaftet  oder 
nicht.  Die  Einführung  einer  Saatgutbohandlung  in  den  erstgenannten 
Fällen  wird  vielfach  damit  abgelehnt,  dass  man  ja  nicht  wisse,  ob 
Steinbrand  vorhanden  sei,  und  dass  unter  Umständen  die  mit  der 
Beizung  verbundene  ungünstige  Einwirkung  auf  die  Keimfähigkeit  ganz 
unnötigerweise  herbeigeführt  würde.  Dasselbe  Bedenken  wird  aber 
auch  dort  erhoben,  wo  ständig  gebeizt  wird.  Und  es  unterliegt  gar 
keinem  Zweifel,  dass  eine  Menge  Geld  und  Arbeitskraft  gespart  werden 
könnte,  wenn  man  völlig  brandfreies  Getreide  unbehandelt  zur  Aussaat 
brächte. 

In  der  Entwickelung  unserer  Bekämpfungsmittel  lag  zweifellos  die 
Berechtigung,  zunächst  anzustreben,  dass  aller  Weizen  vor  der  Aussaat 
gebeizt  wird.  Denn  erstlich  war  der  Brand  fast  überall  verbreitet  und 
auch  später  wusste  man  zunächst  nicht,  ob  man  freies  oder  infiziertes 
Saatgut  vor  sich  hatte.  Bei  dem  allmählichen  Seltnerwerden  des  Brandes 
ist  nach  dieser  Methode  ein  Beizen  völlig  gesunden  Saatguts  sehr  häufig 
geworden.  Aus  diesen  Verhältnissen  erklärt  es  sich,  dass  die  Sorgfalt  bei 
der  Ausführung  dieser  Arbeiten  nachgelassen  hat,  und  weiter,  dass  die 
Sicherheit  der  Wirkung  scheinbar  ungleichmässig  ist.  Denn  überall  da, 
wo  kein  Brand  ist.  wird  auch  die  schlecht  durchgeführte  ßeizung  wirken. 
Bei  einem  wirklich  starken  Befall  aber  versagt  dann  jede  nicht  sorg- 
fältig ausgeführte  Arbeit. 

Alle  diese  Verhältnisse  werden  sofort  klarer,  w^enn  man  weiss,  ob 
ein  Saatgut  bratidhaltig  ist  oder  nicht,  man  wird  dann  nicht  mehr  das 
Beizen  als  einfache  Gewohnheitsarbeit  betrachten,  bei  der  es  nicht  so 
genau  darauf  ankommt,  wie  sie  ausgeführt  wird,  sondern  man  wird  sie 
nur  anwenden,  wenn  eine  wirklich  vorhandene  Gefahr  zu  beseitigen  ist. 
Dann  aber  wird    man  sich    bewusst  sein,    dass  von    der  richtigen  Aus- 


')  Siehe  Appel  und  Gassner,  Der  derzeitige  Stand  unserer  Kenntnisse 
von  den  Flugbrandarten  des  Getreides  und  ein  neuer  Apparat  zur  einfachen 
Durchführung  der  Heisswasserbehandlung  des  Saatgutes.  Mitteilungen  aus 
der  Kaiserl.  Biolog.  Anstalt.     Heft  3.     Berlin  (P.  Parej)  1907. 


über  die  Stellung  d.  Pathologie  bei  d.  Samenkontrolle  u.  d.  Anbauversuchen.      203 

führung  der  Erfolg  abhängt.  Auch  bei  ganz  stark  verbrandetem  Saat- 
gut aber  ist  ein  voller  Erfolg  möglich,  und  ich  gehe  sogar  so  weit,  zu 
behaupten,  dass  das  Vorhandensein  einer  Anzahl  von  Steinbrandähren  in 
einem  Felde  ein  Beweis  dafür  ist,  dass  infiziertes  Saatgut  verwendet  und 
eine  Beizung  nicht   oder    nicht    ordnungsgemäss   ausgeführt   worden  ist. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  ein  Nachweis  des  Vorhandenseins 
von  Brandsporen  im  Saatgut  mit  Sicherheit  zu  führen  ist,  und  ich  ant- 
worte darauf  mit  „ja".  Schon  in  dem  von  mir  bearbeiteten  Flugblatt 
über  den  Steinbrand  des  Weizens')  habe  ich  eine  Methode  angegeben  zur 
Prüfung  des  Weizens  auf  Steinbrandsporen.  Sie  besteht  darin,  dass 
man  eine  gewisse  Menge  Samenkörner  in  einem  langhalsigen  Kolben 
oder  einem  anderen  entsprechenden  Gerät  mit  Wasser  übergiesst  und 
kräftig  ausschüttelt.  Da  ein  Teil  der  Brandsporen  beim  nachherigen 
Stehenlassen  aufsteigt,  so  kann  man  durch  eine  einfache  mikroskopische 
Untersuchung  leicht  den  Nachweis  von  ihrem  Vorhandensein  bringen. 
Für  den  Gebrauch  des  Praktikers  genügt  diese  Methode  im  allgemeinen, 
und  sie  hat  sich  auch  schon  da  und  dort  eingeführt,  besonders  im  An- 
schluss  an  mikroskopische  Untersuchungen  in  der  Betriebskontrolle  der 
Gärungsgewerbe.  Noch  ist  aber  das  Mikroskop  in  der  Landwirtschaft 
nicht  allgemein  eingeführt,  und  deshalb  ist  es  wohl  natürlich,  dass 
der  Landwirt  mit  der  Forderung  solcher  Untersuchungen  an  die  Samen- 
untersuchungsanstalten herantritt,  und  es  wäre  zweifellos  wünschenswert, 
•dass  eine  einheitliche  Norm  aufgestellt  würde,  nach  der  überall  der 
Brandnachweis  geführt  wird. 

Um  dies  zu  können,  habe  ich  eine  Reihe  von  Versuchen  ausge- 
führt, die  die  Zuverlässigkeit  der  Ausschüttelmethode  dartun.  Zunächst 
wurden  100  Gramm  eines  brandfreien  Weizens  mit  0,1  Gramm  Stein- 
brandsporen gut  vermischt  und  20  Gramm  in  einem  Reagenzglas  mit 
Wasser  Übergossen  und  ausgeschüttelt.  Die  überstehende  Flüssigkeit 
war  trübe  und  wimmelte  von  Sporen.  Auch  bei  einer  Vermischung 
von  500  Gramm  und  1000  Gramm  Weizen  mit  je  0,1  Gramm  Steinbrand- 
sporen war  die  Flüssigkeit  noch  deutlich  trübe  und  auch  der  Unterschied 
liess  sich  in  der  Färbung  erkennen.  Erst  bei  1000  Gramm  Weizen  mit 
0,01  g  blieb  das  Wasser  fast  klar;  mikroskopisch  Hessen  sich  aber 
noch  deutlich  Brandsporen  nachweisen.  Vergleicht  man  die  Quantität, 
so  entspricht  0,01  g  etwa  dem  Inhalte  eines  einzelnen  Brandkornes. 
Als  Mittel  aus  zahlreichen  Wägungen  hat  sich  als  Gewicht  eines  solchen 
0,0185  g  ergeben,  wovon  auf  die  Hülle  etwa  0,006  g  entfällt,  so 
dass  für  den  Inhalt  allein  etwa  0,0125  g  verbleibt.     Unter    natürlichen 


')  Flugblatt  No.  6  der  Kaiserl.  Biol.  Anstalt. 


204  O.  Appel. 

Verhältnissen  kann  man  ungefähr  35  solcher  Hraniikörner  auf  eine 
Ähre  rechnen.  Diese  35  Körner  würden  aber  nach  obigem  0,4375  g 
Sporen  enthalten,  und  damit  könnte  man  43,75  Kilo  Weizen  so  infizieren, 
dass  der  Nachweis  durch  Ausschütteln  noch  sicher  möglich  ist.  Diese 
Körnermenge  entspricht  ungefähr  dem  Inhalt  von  22000  Ähren;  es 
lässt  sich  also  mit  dieser  einfachen  Schüttelmethode  ein  Brandbefall  von 
1  :  22000  nachweisen.  Dieser  Prozentsatz  hat  auf  den  Ertrag  keinerlei 
Einfluss,  ja  er  ist  so  gering,  dass  er  wohl  in  sehr  vielen  Fällen  gänzlich 
übersehen  wird. 

Es  lag  nun  aber  nahe,  den  Versuch  zu  machen,  die  Methode  noch 
zu  verbessern.  Dies  gelang  auch  unter  Zuhilfenahme  der  Zentrifuge')- 
Schüttelt  man  eine  Probe  Weizen,  von  dem  lOU  Gramm  mit  0,1  Gramm 
Steinbrand  gemischt  waren  und  an  dem  äusserlich  eine  Infektion  noch 
nicht  wahrnehmbar  ist,  aus  und  zentrifugiert  dann,  so  erhält  man  ein 
braunschwarzes  Sediment.  Dasselbe  war  noch  hellbraun  bei  0,1  Gramm 
Brand  auf  1000  Gramm  Weizen,  und  es  war  kaum  nötig,  erst  mikro- 
skopisch zu  untersuchen.  Bei  einer  Mischung  von  0,01  zu  1000  er- 
gab sich  ein  weissliches  Sediment,  das  hauptsächlich  aus  Stärkekörnern 
bestand,  zwischen  denen  noch  zahlreiche  Sporen  vorhanden  waren. 
Selbst  bei  0,001  und  0,0001  g  im  Kilo  Weizen  waren  noch  Brandsporen 
ganz  unzweifelhaft  und  in  jedem  Präparat  aus  dem  Sediment  nachzu- 
weisen. Legen  wir  einer  Berechnung  die  obigen  Zahlen  zugrunde,  so 
entspricht  dies  einem  Nachweis  von  1:2200000  Ähren  oder  bei  einem 
Ertrag  von  12  Zentner  pro  Morgen  auf  die  Fläche  berechnet  von  einer 
Ähre  in  3,6  Morgen. 

Damit  hat  aber  d  er  Nachweis  eine  Sicherheit  erlangt,  die 
der  Feldbesichtigung  weit  überlegen  ist,  denn  solche  minimalen 
Brandmengen,  wie  sie  ein  zehntausendstel  Gramm  im  Kilo 
Weizen  darstellen,  können  auf  dem  Felde  nicht  exakt  nach- 
gewiesen werden. 

Man  könnte  nun  einwenden,  dass  die  künstlich  zugemischten 
Sporenmassen  leichter  sich  ausschütteln  lassen  als  die  natürlich  an- 
haftenden. ]^]s  ist  dies  zwar  unwahrscheinlich,  weil  beim  Steinbrand 
die  Sporen  erst  beim  Erdrusch  frei  werden  und  ausstäubend  sich  auf 
die  Körner  ablagern,  ein  Vorgang,  der  ganz  dem  Überstäuben  und 
Anschütteln  bei  künstlicher  Infektion  entspricht.  Trotzdem  wurden  eine 
Anzahl  Proben    untersucht,    die  von  besichtigten  Feldern  stammten,   und 


1)  Es  genügt  liierzu  eine  kleine  Handzentrifuge,  wie  solche  in  Laboratorien 
allgemein  verwendet  werden. 


über  die  Stellung  d.  Pathologie  bei  d.  Samenkontrolle  u.  d.  Anbau  versuchen.      205 

das  Ergebnis  war  der  Nachweis  von  Brand  auch  in  mehreren  Proben, 
die  ausdrücklich  als  brandfrei  bezeichnet  waren. 

Für  den  Steinbrand  sind  hiermit  die  Verhältnisse,  die  zu  seinem 
Nachweis  führen,  klargelegt.  Es  fragt  sich  nun,  wie  steht  es  mit  den 
anderen  Brandarten.  Bis  jetzt  sind  diese  alle  dem  Rteinbrand  gegenüber 
arg  vernachlässigt  worden.  Es  kommt  dies  daher,  dass  ihre  Biologie 
nicht  so  gut  bekannt,  war  und  dass  sie  mit  weniger  Regelmässigkeit  auf- 
treten. Welche  Umstände  dies  bedingen  und  welche  äusseren  Einflüsse 
dabei  in  Frage  kommen,  habe  ich  mit  Gassner  vor  kurzem  dargelegt.^) 

Der  Nachweis  vonRoggenstengelbrand(  üroc/jsiis  occulta)  dürfte 
sich  ebenso  gestalten  wie  der  des  Steinbrandes.  Beim  Hartbrand 
der  Gerste  (Ustüago  Jensenii)  und  dem  gedeckten  Haferbrand 
( Z7.  levis)  liegt  die  Sache  ebenfalls  ähnhch,  trotzdem  wir  es  hier  mit 
bespelzten  Getreidearten  zu  tun  haben.  Auch  die  Sporen  dieser  Pilze 
werden  mit  dem  Drusch  verstäubt  und  haften  den  Körnern  äusserlich 
an,   so  dass   ein  Abschütteln    möglich  ist. 

Etwas  anders  liegt  der  Fall  bei  dem  Haferflugbrand.  Ustüago 
avenae  stäubt  schon  während  der  Blüte,  und  die  Sporen  kommen  da- 
durch nicht  nur  äusserlich  an  die  Spelzen  sondern  auch  zwischen  die- 
selben. Die  allenfalls  aussen  anhaftenden  Sporen  werden  zum  grössten  Teil 
durch  Regen  und  Wind  entfernt.  Trotzdem  aber  gelingt  es  mit  Ausschütteln 
und  Zentrifugieren  bei  einigermassen  nennenswertem  Brandgehalt,  diesen 
nachzuweisen.  Eine  andere  Art  des  Nachweises  besteht  darin,  dass  man 
eine  Anzahl  Körner  auf  das  Vorhandensein  von  Flugbrandsporen  unter- 
sucht. Man  findet  sie  unschwer  gewöhnlich  in  Mehrzahl  zusammen  an 
der  Oberfläche  des  entspelzten  Kornes,  und  man  kann  mit  nicht  allzu 
grossem  Zeitaufwand    eine  grosse  Anzahl   auf  diese  Weise   untersuchen. 

Bei  den  bisher  genannten  Brandarten  tritt  eine  Keimlingsinf  ektion 
ein,  d.  h.  die  äusserhch  anhaftenden  Sporen  treiben  in  der  feuchten 
Umgebung  des  Bodens  ihre  Keimschläuche  aus  und  wachsen  je  nach 
ihrer  Art  direkt  oder  nach  Bildung  einer  Konidienzwischenform  in  die 
junge  Keimpflanze  hinein. 

Bei  den  beiden  noch  übrig  bleibenden  Arten,  nämlich 
Ustüago  tritici  und  U.  hordei,  findet  eine  Blüteninfektion  statt, 
so  dass  das  Saatkorn  den  Brand  schon  innerlich  enthält.  Der  Nach- 
weis dieses  im  Innern  des  Keimlings  vorhandenen  Mycels  ist  ver- 
hältnismässig schwierig  und  zeitraubend.  Es  müssen  die  zu  unter- 
suchenden Körner  eingebettet,  geschnitten  und  gefärbt  werden.  Wollte 
man  auf  diese  Art  den  Gehalt  eines  Saatgutes  an  Flugbrand  feststellen, 

1)  I.  c. 


206  O-  ^PPel- 

so  würden  100 — 200  Körner  zu  untersuchen  sein,  eine  Arbeit,  die  die 
meisten  Samenuntersuchungsanstalten  wegen  Alangel  an  botanisch  ge- 
schulten Kräften  zurzeit  wenigstens  kaum  durchführen  können.  Aber 
auch  in  dieser  Beziehung  gibt  die  Ausschüttelmethode,  besonders  ))eim 
^¥eizen,  gute  Anhaltspunkte,  und  man  kann  wenigstens  stark  Flugbrand 
haltiges  Material  als  solches  erkennen.  Dieses  ist  aber  hier  von  be- 
sonderer Wichtigkeit,  da  ja  die  bei  allen  anderen  Brandarten  zuverlässige 
Saatgutbehandlung  bei  Weizen-  und  Gerstenflugbrand  versagt.  Durch 
einen  rechtzeitigen  Nachweis  könnte  aber  mancher  Landwirt  vor  dem 
Anbau  von  Saatgut  bewahrt  werden,  das  ihm  unvermeidlich  Schaden 
bringen  muss. 

Ein  anderes  Beispiel  für  die  Zweckmässigkeit  einer  Untersuchung 
von  Saatgut  auf  Krankheitskeime  bietet  die  Kartoffel.  Gerade  in  den 
letzten  Jahren  haben  sich  zwei  Krankheiten  bemerkbar  gemacht,  die 
sich  zweifellos  durch  die  Legekartoffeln  vererben.  Es  sind  dies  die 
B  akterienringkrankheit  und  die  Blattrollkrankheit.  Über  beide  habe 
ich  in  dem  letzten  Hefte  dieser  Berichte  bereits  eine  kurze  Mitteilung  ge- 
macht. Bei  der  Ringkrankheit  sind  die  Gefässe  der  Knollen  stark  gebräunt, 
bei  der  Blattrollkrankheit  dagegen  nur  gelb  verfärbt.  In  ausgeprägten 
Fällen  wird  der  Landwirt  selbst  erkennen  können,  dass  es  sich  hier  um 
kranke  Kartoffeln  handelt  und  bei  Neuanschaffung  von  Saatgut  sich 
durch  Aufschneiden  einer  grösseren  Anzahl  von  ihrem  Zustande  über- 
zeugen. Aber  vielfach  würde  er  gern  diese  Arbeit  der  grösseren  Sicher- 
heit wegen  in  einer  Versuchsstation,  die  wohl  hier  eher  kompetent  wäre 
als  eine  Samen  Untersuchungsanstalt,  vornehmen  lassen.  Von  Sachver- 
ständigen würden  auch  die  weniger  augenfälligen  Fälle  leicht  aufgefunden 
werden  können.  Der  Nachweis  würde  dann  nicht  nur  durch  die  ein- 
fache Inaugenscheinnahme  zu  führen  sein,  sondern  am  besten  auf  kul- 
turellem Wege.  Schneidet  man  nämlich  aus  den  verfärbten  Gefäss- 
bündeln  mit  dem  umliegenden  Gewebe  Stückchen  so  heraus,  dass  man  eine 
Infektion  vermeidet,  und  bringt  diese  in  einem  Reagenszylinder  auf  ein 
Stückchen  sterihsierte  Kartoffel,  so  wachsen  innerhalb  weniger  Tage 
Bakterien  oder  Pilze  aus  den  erkrankten  Gewebeteilen  heraus.  Ein 
einfaches  Feuchtlegen  genügt  hierzu  nicht,  es  hängt  dies  damit  .  zu- 
sammen, dass  die  Organismen  an  vielen  Stellen  sehr  spärlich  vorhanden 
sind  und  die  Oberfläche  sich  rasch  abschliesst.  Deshalb  ist  auch  der 
mikroskopische  Nachweis  oft  nur  sehr  schwer  zu  erbringen.  Das  Kultur- 
verfahren aber  ersetzt  die  andere  Methode  vollkommen,  und  eine  solche 
Untersuchung  nimmt  nicht  mehr  als  4 — 5  Tage  in  Anspruch. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  in  dieser  Beziehung  auch  die 
Leguminosensamen.    Es  ist  ganz  auffallend,    wie  viel  kranke  Samen 


über  die  Stellung  d.  Pathologie  bei  d.  Samenkontrolle  u.  d.  Anbauversuchen.     207 

von  Lupinen  und  Vicia  Faba  in  den  Handel  kommen.  Zwar  sind  sie 
häufig  nur  mit  dunklen  Flecken  besetzt,  und  ihre  Keimlinge  kommen  bei 
einer  Keimprobe  ganz  normal  zum  Vorschein.  Aber  wenn  man  die 
Vegetation  solcher  Pflanzen  weiter  verfolgt,  so  findet  man,  dass  ein 
grosser  Teil  derselben  vorzeitig  eingeht.  Als  einen  hauptsächlichen  Erreger 
derartiger  Erscheinungen  fand  ich  eine  jP^^armm- Art.  Deutlicher  ist  das  Bild 
beim  Kleesamen.  Zu  verschiedenen  Malen  erhielt  ich  solchen,  dessen  Aussaat 
nach    dem  Bericht    der  Einsender    nur    wenige  Pflanzen  ergeben    hatte, 


Abb    1. 
Kleesamen  im  Keimbett  von  Fusarium  überzogen. 


und  Keimproben  ergaben,  dass  die  meisten  Samen,  noch  ehe  sie  das 
Würzelchen  heraustrieben,  von  Pusariuramycel  wie  von  Piöckchen 
überdeckt  wurden  (Abb.  1).  Auch  in  Erde  waren  nur  etwa  8°/o  gesunder 
Pflanzen  zu  erzielen.  Der  Pilz,  der  reichUch  Mikro-  und  Makrokonidien 
ausbildete,  behielt  auch  seine  Pathogenität  in  künstlicher  Kultur.  Ge- 
sunder Kleesamen,  mit  Konidien  infiziert,  ergab  keinen  einzigen  gesunden 
Keimling.  Wie  sich  das  Aufgehen  bei  Topfaussaat  gestaltete,  zeigt 
das  folgende  Bild  (Abb.  2). 

Es  kann  daher  keinem  Zweifel  unterliegen,   dass  es  für  Kleesamen 
pathogene  Fusarien    gibt.     An    anderer  Stelle  werde   ich    noch  ausführ- 


208 


0.  Appel. 


lieber  zeigen,  dass  es  sicli  dabei  nicht  um  eine  einzelne  scharfum- 
scbriebone  Art  handelt,  sondern  dass  verschiedene  Formen  in  derselben 
Weise  auftreten.  Dies  schliesst  natürlich  nicht  aus,  dass  es  auch  mehr 
oder  weniger  harmlose  Bewohner  von  Leguminosensamen  in  dieser 
Pilzgattung  gibt.  Einen  solchen  scheint  Behrens')  bei  seinen  Ver- 
suchen gehabt  zu  haben. 

Ein  derartig  heftiger  Angriff  würde  natürlich  auch  bei  einer  nach 
unseren  heutigen  Methoden  ausgeführton  Samenkontrolle  nicht  über- 
sehen werden,  da  ja  die  Keimfähigkeit  direkt  zerstört  ist.  Aber 
dieselben  Pilze  greifen  auch  grosse  Leguminosensamen  an,  und  bei 
diesen     ist     dann     der    Krankhoitsverlauf    ein    mehr    chronischer,      Zu- 


Abb.  2. 
Links  Aussaat  von  gesunden  Kleesamen,    rechts  Samen  vorher  mit  Fusarium- 

Konidien  infiziert. 


nächst  werden  die  Gewebeteile,  die  in  der  Nähe  der  Angriffsstelle 
liegen,  vom  Mycel  durchwuchert;  allmählich  schreitet  dasselbe  immer 
weiter  fort,  bis  es  die  Kotyledonen  zerstört  hat.  Inzwischen  ist  aber 
die  Keimung  längst  ohne  Störung  vor  sich  gegangen,  und  die  Pflanze 
hat  sich  normal  weiter  entwickelt.  Früher  oder  später  aber,  je  nach  den 
äusseren  Verhältnissen,  tritt  das  Mycel  in  den  Stengel  ein  und  fängt  an, 
den  basalen  Teil  desselben  zu  zerstören.  Das  Ende  ist  dann  ein  scheinbar 
plötzliches  Abwelken  der  Pflanze.  Beschleunigend  auf  diesen  ganzen 
Prozess  wirken  die  Faktoren,  die  eine  langsame  p]ntwickelung  der 
Pflanze    in    der  Jugend    veranlassen,    wie    dies    z.   B.  Trockenheit    bald 


•)  Behrens,    Bericht  der   Grossherzogl.  Bad.  landwirtschaftl.  Versuchs- 
anstalt Augustenberg  1904  (ersch.  1905). 


über  die  Stellung  d.  Pathologie  bei  d.  Samenkontrolle  u.  d.  Anbauversuchen.     209 

nach  der  Aussaat  oder  Bodenverkrustung  tun.  Besonders  günstige 
Verhältnisse  können  allerdings  auch  ein  Ausheilen  zur  Folge  haben. 
Dies  tritt  dann  ein,  wenn  das  Wachstum  so  gefördert  wird,  dass  der 
Pilz  den  Stengel  erst  sehr  spät  erreicht,  oder  wenn  die  Lebensbedingungen 
für  den  Pilz  ungünstig  werden. 

Es  gibt  noch  eine  ganze  Reihe  von  Krankheiten,  die  wahrscheinlich 
durch  das  Saatgut  verschleppt  werden  und  mit  deren  Nachweis  man 
der  Landwirtschaft  grosse  Dienste  leisten  könnte,  ich  erinnere  nur  an 
den  Kleekrebs,  an  Helminthosporium  u.  a.  m. 

Man  sollte  sich  nicht  darauf  berufen,  dass  das  Verlangen  nach 
solchen  Untersuchungen  verhältnismässig  selten  gestellt  wird,  sondern 
vielmehr  sollten  die  Pathologen  eine  besondere  Aufmerksamkeit  der  Auf- 
findung der  Verbreitungsarten  widmen  und  in  Verbindung  mit  Samen- 
untersuchungsanstalten und  Versuchsstationen  Methoden  für  den  Nach- 
weis von  Krankheitserregern  an  Samen  und  anderen  Vermehrungsorganen 
ausarbeiten. 

Will  man  das  in  richtiger  Weise  durchführen,  so  wird  es  freilich 
nötig  sein,  die  Zahl  der  in  den  erwähnten  Anstalten  zurzeit  noch  sehr 
spärlich  vertretenen  Botaniker  zu  erhöhen. 


Bei  den  Krankheiten,  die  bei  der  Samenkontrolle  berücksichtigt 
werden  sollten,  handelt  es  sich  um  solche,  die  genau  bekannt  sind. 
Bei  den  Sortenversuchen,  bei  denen  vielfach  die  Pathologie  höchst  stief- 
mütterlich bedacht  wird,  sind  vor  allen  Dingen  diejenigen  Krankheiten 
zu  berücksichtigen,  die  weniger  bekannt  sind.  Eigentlich  sollte  es  als 
selbstverständlich  angesehen  werden,  dass  z,  B.  bei  Getreideversuchen 
etwaiges  Auftreten  von  Brand  und  Rost  berücksichtigt  wird.  Dagegen 
kann  man  nicht  von  jedem  Versuchsansteller  verlangen,  dass  er  genau 
über  die  Wirkung  und  die  Art  der  Fusskrankheiten  und  anderer 
weniger  bekannter  Erscheinungen  orientiert  ist.  Jn  der  Tat  werden 
gerade  die  weniger  bekannten  Krankheiten  oft  übersehen  oder  doch 
bei  der  Zusammenstellung  der  Ergebnisse  nicht  genügend  berück- 
sichtigt. Es  ist  mir  schon  der  Einwand  gemacht  worden,  dass 
es  gleichgültig  sei,  durch  welche  Faktoren  die  eine  Sorte  gegenüber 
einer  anderen  zurückstehe.  Sei  dies  infolge  einer  Krankheit  der  Fall, 
so  sei  eben  die  Disposition  hierzu  ein  für  die  Sorte  ungünstiges  Moment. 
Dieser  Schluss  ist  jedoch  in  sehr  vielen  Fällen  nicht  richtig,  denn  den 
Krankheitskeim  kann  die  eine  Sorte  schon  mitgebracht  haben,  und  es 
ist  also  möglich,  dass  die  freibleibende  Sorte  nur  deswegen  gesund  war, 
weil  für  sie  die  Infektionsmögüchkeit  fehlte.  Dispositionsfragen  lassen 
sich  aber    nicht  nebenbei  bei  Sortenprüfungsfragen   erledigen.     Dagegen 

Jrthiesbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  14: 


210     ^-  Appel,  Über  die  Stellung  der  Pathologie  bei  der  Sanienkontrolle  etc. 

können  die  Beobachtungen  bei  solchen  verwertbares  Material  für  die 
Fragen  der  Pathologie  liefern.  Wie  bei  Getreide,  geht  es  aber  noch  mehr  bei 
4en  Hülsenfrüchten,  deren  Krankheiten  im  allgemeinen  noch  wenig  be- 
kannt sind,  und  die  letzten  Jahre  beweisen  die  Gültigkeit  meiner  Aifs- 
führung  auch  für  die  Kartoffeln. 

Wenn  ich  hier  cVUSschliessUch  Pilzkrankheiten  als  Beispiele  ange- 
führt habe,  so  soll  damit  natürlich  nicht  gesagt  sein,  dass  diese  besonders 
berücksichtigt  werden  müssen,  vielmehr  gilt  dasselbe  für  Beschädigungen 
durch  Tiere.  Auch  bei  diesen  wird  im  allgemeinen  bei  Anstellung  von 
vergleichenden  Versuchen  ganz  besonders  auf  dip  weniger  auffälligen 
Erscheinungen  zu  achten  sein. 

Passe  ich  das  Ganze  zusammen,  so  erscheint  es  mir  berechtigt, 
fplgende  Forderungen  zu  erheben: 

In  den  Samenuntersuchungsanstalten  ist  d^für  zu  sorgen, 
^ass,  zunächst  wenigstens  auf  besonderen  Wunsph,  ein  Urteil  über 
die  den  Samen  anhaftenden  Keime  bestimmter  Krankheiten 
abgegeben  werden  kann.  (Für  Kartoffeln  würde  diese  Untersuchung 
den  Versuchsstationen  zufallen.) 

Bei  vergleichenden  Anbauversuchen  ist  mehr  wie  bisher 
den  Krankheitserscheinungen  Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 
Die  Beobachtungen  in  dieser  Richtung  sind  den  Veröffent- 
lic^iungen  über  die  Ergebnisse  (^er  Versuche  beizufügen. 


Einige  Tage,  nachdem  ich  diesen  Vortrag  auf  der  Versammlung 
in  Hamburg  gehalten  hatte,  erhielt  ich  Heft  9  der  Praktischen  Blätter 
für  Pflanzenbau  und  Pflanzenschutz.  In  diesem  findet  sich  auf  der  ersten 
Seite  als  Mitteilung  d.K. Agrikulturbotanischen  Anstalt  in  München  eineAuf- 
forderung  zvim  Kampfe  gegen  den  Steinbrand  des  Weizpns.  In  dieser  heisst 
es:  „Da  aber  mit  der  Möghchkeit  gerechnet  werden  muss,  dass  auch  vqr^ 
auswärts  bezogenes  Saatgut  brandig  ist,  so  wolle  man  in  Zweifelst'älleii 
kleine  Proben  von  etwa  100  g  des  Weizens  an  die  Anstalt  schickpn, 
ilie  eine  unentgeltliche  Untersuchung  darüber  vornehmen  wird,  ob  a,T\ 
den  Körnern  Brand  vorkommt  bzw.  ob  eine  Beizung  notwendig  ist." 
In  dieser  Veröffentlichung,  die  unabhängig  von  meinem  Vortrag  erfolgt 
ist,  sehe  ich  eine  Bestätigung  dafür,  da'ss  meine  Anschauungen  nicht 
vereinzelt  dastehen,  und  es  ist  nur  zu  hoffen,  dass  diese  Anregungen 
recht  bald  und  vielseitig  durchgeführt  werden. 


Zweiter  Teil. 


Verhandlungen 


der 


I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung 

zu  Hamburg 


vom 


ID.— 14.  September  1906. 


i-^^- 


Erste  internationale  Konferenz  für  Samenprüfung 
zu  Hamburg  vom  10.— 14.  September  1906. 

Aul  dem  IL  internationalen  Botanikerkongress  in  Wien  im  Früh- 
jahr 1905  fand  auf  Anregung  des  Direktors  der  k.  k.  landwirtschaftlich- 
botanischen Versuchs-  und  Samenkontrollstation  in  Wien  Herrn  Hofrat 
Dr.  Ritter  von  Weinzierl  eine  Zusammenkunft  der  Vertreter  der  Agri- 
kulturbotanik statt  mit  dem  ausgesprochenen  Zweck,  die  Methoden 
und  Normen  der  Samenkontrolle  einer  internationalen  Besprechung 
zu  unterwerfen  und  gegebenenfalls  eine  einheitliche  Handhabung  anzu- 
bahnen. 

Andere  Aufgaben  des  Kongresses  hinderten  aber  eine  weitere  Ver- 
folgung der  Anregung  in  Wien.  Es  wurde  daher  beschlossen,  zum 
Herbst  1906  eine  besondere  internationale  Konferenz  für  Samenprüfung 
nach  Hamburg  zu  berufen  und  sie  der  Tagung  der  Vereinigung  für 
angewandte  Botanik  anzuschliessen. 

Mit  den  Vorarbeiten  für  diese  Konferenz  wurde  ein  Ausschuss  be- 
traut, bestehend  aus  den  Herren  E,  Brown,  Botanist  in  Charge  U.  S. 
Department  of  Agriculture,  Washington,  F.  F.  Bruijning  jr.,  Direktor 
der  Rijksproefstation  voor  Zaadcontrole  zu  Wageningen-Holland,  Regierungs- 
rat  Dr.  Hiltner,  Direktor  der  Agrikulturbotanischen  Anstalt  zu  München, 
Prof.  Dr.  A.  Voigt,  Vorstand  der  Abteilung  für  Samenkontrolle  an  den 
Botanischen  Staatsinstituten  zu  Hamburg,  Hofrat  Dr.  Th.  Ritter  von 
Weinzierl,  Direktor  der  k.  k.  Landwirtschaftlich-botanischen  Versuchs- 
und Samenkontrollstation  in  Wien. 

Den  Vorsitz  übernahm  Direktor  Bruijning  jr.- Wageningen,  die 
Geschäftsführung  Professor  Voigt- Hamburg. 

Die  Aufgaben  der  Konferenz  sollten  in  erster  Linie  sein: 

I.  Die  schon  bestehenden  Beziehungen  unier  den  Instituten  der 
einzelnen  Staaten  zu  fördern  und  im  Interesse  des  internationalen 
Saatenverkehrs  und  der  produzierenden  und  konsumierenden 
Landwirtschaft  auszubauen,   und 


214        Verhandlungen  der  1.  intei'nationalen  Konferenz  für  Sainenprüfung. 

11.  durch  Besprechung  der  wissenschaftlichen  Grundlagen  für  die 
Arbeiten  dieser  von  Jahr  zu  Jahr  an  Bedeutung  gewinnenden 
Laboratorien  nach  und  nach  zu  einheitlichen  Grundsätzen  für 
die  Methoden    und    Normen   der  Samenprüfungen    zu  gelangen. 

Durch  das  bereitwillige  Entgegenkommen  des  Chefs  der  hambur- 
gischen Unterrichtsverwaltung,  Sektion  für  die  wissenschaftlichen  An- 
stalten, Herrn  Senator  Dr.  W.  von  Melle,  sowie  teilweise  durch  die  gütige 
Vermittelung  des  Vorstandes  der  Senatskommission  für  die  Reichs-  und 
auswärtigen  Angelegenheiten,  Sr.  Magnifizenz  Herrn  Bürgermeister 
Dr.  Burchard,  ist  es  dann  gelungen,  die  Entsendung  offizieller 
Vertreter  aus  den  meisten  an  der  vorliegenden  Frage  interessierten 
Staaten  zu  erreichen. 

Es  nahmen  an  den  Beratungen  teil  für  Dänemark  Direktor  Dorph 
Peters  fen-Kopenhagen,  für  Norwegen  Direktor  Olaf  Qv  am -Kristiania, 
für  Schweden  Direktor  J.  Widen-0rebro,  für  Russland  Prof.  Dr. 
B.  Issatschensko  -  St.  Petersburg,  für  Österreich  Hofrat  Dr.  Ritter 
von  Wein  zierl -Wien,  für  Ungarn  Dr.  A.  von  De  gen -Budapest,  für  die 
Schweiz  Direktor  Dr.  P.  G.  Stehler- Zürich,  für  England  Dr.  Güssow 
von  der  Royal  Agricultural  Society-London.  Die  Vertretung  der  argen- 
tinischen Republik  war  von  dem  dortigen  Ackerbau ministerium  Prof.  Dr. 
A.  Voigt-Hamburg  übertragen  worden.  Die  Vertreter  der  Vereinigten 
Staaten  von  Nordamerika,  Frankreich  und  Holland  waren  im  letzten 
Augenblick  verhindert.  Der  Bevollmächtigte  Italiens  erhielt  die  mini- 
sterielle Ermächtigung  zur  Teilnahme  an  der  Konferenz  leider  erst  am 
letzten  Tage  derselben. 

Die  deutsche  Landwirtschaftsgesellschaft  war  vertreten  durch  Dr. 
Paul  Hillmann-Berlin  und  Prof.  Dr.  H.  Rodewald-Kiel,  der  Verband 
landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  im  Deutschen  Reiche  durch  Geh. 
Ökonomierat  Prof.  Dr.  Heinrich- Rostock  und  Prof.  Dr.  Edler -Jena, 
Bayern  durch  Regierungsrat  Dr.  L.  Hiltner-München,  Württemberg  durch 
Prof.  Dr.  0.  Kir  ebner- Hohenheim,  Sachsen  durch  Dr.  J.  Simon -Dresden. 

Die  Vereinigung  der  Samenhändler  Deutschlands  hatte  Dr.  Th. 
Waage-Berlin  zur  Teilnahme  entsendet,  die  Samenhändler  Österreichs 
Herrn  Fanta-Prag.  Der  Verein  der  am  Samenhandel  interessierten 
Firmen  Hamburgs  war  durch  seinen  Vorsitzenden  Herrn  Blumenau- 
Hamburg  vertreten,  der  Verein  in  Stettin  durch  Dr.  Waage. 

Ausserdem  waren  zu  der  Konferenz  erschienen  Dr.  A.  Atterberg- 
Kalmar,  Mag.  sc.  A.  Didrichsen-Kopenhagen,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr. 
Drude-Dresden,  Dr.  S.  Prankfurt-Kiew,  E.  M.  Holmes-London,  Prof. 
Dr.  Johnson-Dublin,  0.  KamberSky-Troppau,  Prof.  Dr.  W.  Krüger- 
J^ernburg,   L.    Kühle -Gunsleben,    Landtbruksinspectören    A.   Lyttkens- 


Verhandlungen  der  t.  internationalen  Könfferenz  für  Sämehprhfürig.        215 

Stockholm,  Dr.  Raatz-Kl.  Wanzleben,  Dr.  P  Schumann -Halle,  Prot. 
V.  Stöhr-Prerau,  Dr.  J.  von  Szyszylowicz-Lemberg,  Prof.  J.  Vanha- 
Briinn,  E.  Vitek-Präg,  Prof.  Dr.  E.  Zacharias-Hamburg. 

Um  den  geplanten  Arbeiten  dieser  ersten  Konferenz  die  nötigen 
unterlagen  zu  schafTen,  waren  für  die  einzelnen  Beratungsgegenstände 
einleitende  Referate  erwünscht.  Diese  wurden  von  folgenden  Herren 
bereitwilligst  übernommen : 

F.  F.  Bruijning  jr. -Wageningen:  Keimprüfungen, 

A.  von  De  gen -Budapest:  Kleeseide, 

H.  Rodewald-Kiel:  Reinheifcsanalysen, 

F.  G.  Stebl er- Zürich:  Herkunftsbestimmüngen, 

Th.  V.  Weinzierl-Wien:  Rübensamen. 

Für  den  in  letzter  Stünde  verhinderten  Direktor  Bruijning  über- 
nahm in  Uebenswürdigster  Weise  Herr  Direktor  Hiltner- München  das 
Referat  über  die  Keimpirüfungen. 

In  den  nachstehenden  Sitzungsprotokollen  sind  die  obigen  Referate 
mit  den  daran  anschliessenden  Diskussionen  im  Wortlaut  wied(?rgegeben. 

Als  Ergebnis  dieser  ersten  Konferenz  konnten  bindende  Beschlüsse 
der  Natur  der  Sache  nach  nicht  erwartet  werden.  Die  Verhältnisse 
liegen  in  den  einzelnen  Ländern  und  Staaten  zu  verschieden.  Für 
manche  bestehen  bereits  gesetzliche  Vorschriften  für  die  Samenprüfüng, 
in  anderen  Ländern  gibt  es  für  eine  Reihe  von  Stationen  Verbandsvor- 
schriften, die  beide  nicht  ohne  weiteres  geändert  werden  können. 

Trotzdem  haben  die  Verhandlungen  einen  sehr  befriedigenden  und 
für  die  wirtschaftUche  Förderung  der  Samenkontrolle  äusserst  anregenden 
Verlauf  genommen. 

Li  der  Seide  frage  sind  von  dem  Herrn  Referenten  eine  Anzahl 
Fragen  aufgestellt  worden,  die  auf  dem  Wege  der  Umfrage  sämtlichen 
Stationen  sowie  den  Verbänden  der  Samenhändler  zur  Beantwortung 
vorgelegt  werden  sollen. 

Desgleichen  wurde  eine  Eingabe  an  die  in  Betracht  kommenden 
Regierungen  beschlossen,  die  erneut  auf  die  Schädlichkeit  und  Gefähr- 
lichkeit der  Kleeseide  hinweisen  und  eine  energische  Bekämpfung  dieses 
Unkrauts  erbitten  soll. 

Für  die  Untersuchungen  auf  Kleeseide  selbst  ist  die  Notwendigkeit 
einer  einheitlichen  Festsetzung  der  zu  prüfenden  Saatmenge  und  die 
Zulassung  einer  Fehlerlatitüde  für  die  Untersuchung  im  Prinzip  an- 
erkannt worden. 

Die  Wertbestimmung  der  Rübensamen  nach  den  auf  Grund 
eingehender  Untersuchungen  festgesetzten  neuen  Wiener  Normen  soll 
den  Fachgenossen  zur  Begutachtung  und  Äusserung    vorgelegt  werden; 


216        Verhandinngen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

desgleichen  ein  ausführlicher  Vorschlag  der  Pariser  Station  über  Ab- 
änderung der  für  die  Rübensamen  üblichen  Normen. 

Hinsichtlich  der  Reinheitsanalysen  hat  sich  die  grössere  Anzahl 
der  Teilnehmer  für  die  Beibehaltung  der  bisher  üblichen  Zählmethode 
erklärt. 

Die  Fragen  über  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  die  Keimung  der 
Samen  sollen  den  Pachgenossen  zur  weiteren  Prüfung  empfohlen  und 
ihre  Ansichten  und  Resultate  vom  Ausschuss  gesammelt  werden. 

Das  Studium  der  Unkräuter  und  ihrer  Samen  soll  mr)glichst  ge- 
fördert, Beobachtungen  in  den  einzelnen  Produktions-  und  Anbaugebieten 
gesammelt  und  neue  Funde  möglichst  durch  die  gefundenen  Exemplare 
oder  durch  die  aus  den  Samen  erzogenen  Pflanzen  belegt  werden.  Die 
Station  in  Zürich  hat  sich  bereit  erklärt,  Mitteilungen  über  diese  Frage 
entgegenzunehmen  und  zu  verarbeiten. 

Eine  ausführlich  begründete  und  in  dem  Jahresbericht  der  Ver- 
einigung für  angewandte  Botanik  niedergelegte  Arbeit  von  Prof.  Van  ha 
über  die  Bewertung  der  Braugerste  soll  ebenfalls  in  ihren  Schluss- 
folgerungen der  Beurteilung  der  Fachgenossen  empfohlen  werden. 

Die  Bearbeitung  der  Verhandlungen  dieser  ersten  internationalen 
Konferenz  für  Samenprüfung  und  die  Ausführung  der  Resolutionen  wurde 
dem  bestehenden  Ausschuss  übertragen  und  ihm  anheimgegeben,  nach 
Erledigung  dieser  Aufträge  einen  zweiten  Kongress  anzuberaumen. 

Der  Ausschuss  für  die  internationale  Konferenz 
für  Samenprüfung,  Hamburg  1906. 

I.  A.: 
A.  Voigt- Hamburg. 


Sonntag,  den  9.  September  1906, 

vormittags   11   Uhr. 
Vorbesprechung  im  Botanischen  Museum. 

Anwesend:  Dorph  Petersen  -  Kopenhagen,  Heinrich  -  Rostock, 
Johnson-Dublin,  Qv  am -Kristiania,  Stebler-Zürich,  Voigt -Hamburg, 
von  Weinzierl-Wien,  Widen-0rebro,  Zacharias-Hamburg. 

In  dieser  Sitzung  wurde  der  Arbeitsplan  für  die  Konferenz  fest- 
gesetzt. 


Verhandlangen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung.'       217 

Sitzung  am  Montag,  den  10.  September  1906, 

vormittags   10  Uhr,    im  Hfirsaal  A  des  Johanneums. 

Vorsitz:   Professor  Dr.  E.  Zacliarias,  Hofrat  Dr.  Tli.  v.  WeiuzierJ. 

Anwesend:  Atterberg-Kalmar,  Blumenau-Hamburg,  Brick- 
Hamburg,  v.  Degen  -  Budapest,  Didrichsen  -  Kopenhagen,  Dorph 
Petersen -Kopenhagen,  Drude -Dresden,  Edler-Jena,  Panta-Prag, 
Frankfurt-Kiew,  Rud.  Pritz -Hamburg,  Güssow-London,  Heinrich- 
Rostock,  Hillmann -Berlin,  Hiltner-München,  Holmes-London, 
Johnson-Dublin,  Issatschensko-Petersburg,  Kambersky-Troppau, 
Kirchner-Hohenheim,  Krüger- Bernburg,  Kühle-Giinsleben,  Lorenz- 
Hamburg,  Lyttkens-Stockholm,  Mo  ritzen -Hamburg,  Persson-Malmö, 
Qv  am -Kristiania,  Raatz-Kl.Wanzleben,  Rodewald-Kiel,  Schumann- 
Halle,  Stebler-Zürich,  Stöhr-Prerau,  von  Szyszylowicz- Lemberg, 
Vanha -Brunn,  Vitek-Prag,  Voigt- Hamburg,  Waage-Berlin,  von 
Weinzierl-Wien,  Weishut-Hamburg,  Widen-0rebro,  Zacharias- 
Hamburg. 

Prof.  Dr.  Zacharias-Hamburg:  Meine  Herren !  Im  Namen  der  Hambur- 
gischen Botanischen  Staatsinstitute  erlaube  ich  mir,  Sie  hier  recht  herz- 
hch  zu  begrüssen.  Entsprechend  der  Wichtigkeit  des  Samenhandels  für 
unsere  Stadt  hat  man  hier  seit  Jahren  Wert  darauf  gelegt,  die  Samen- 
kontrolle weiter  und  weiter  auszugestalten.  Unsere  botanischen  Institute 
haben  diesem  Zweige  der  angewandten  Botanik  ihre  ganz  besondere 
Aufmerksamkeit  und  Sorgfalt  gewidmet.  Es  gereicht  uns  daher  zu 
grosser  Freude,  dass  Sie  so  bereitwiUig  der  Einladung  hierher  nach 
Hamburg  gefolgt  sind,  um  Ihre  Arbeitskraft  und  Ihre  reichen  Erfahrungen 
in  den  Dienst  dieser  Beratungen  zu  stellen,  von  denen  wir  eine  wesent- 
üche  Förderung  der  Sache  erwarten.  Ich  darf  wohl  mit  voller  Zuver- 
sicht der  Hoffnung  Ausdruck  geben,  dass  diese  Konferenz  in  ihren 
Resultaten  zu  Ihrer  aller  Befriedigung  ausfallen  wird.  Ich  möchte  nun 
Herrn  Prof.  Voigt  bitten,  uns  mitzuteilen,  in  welcher  W^eise  bis  heute 
diese  Beratungen  eingeleitet  worden  sind. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Meine  sehr  geehrten  Herren!  Wie  Ihnen 
allen  wohl  bekannt  ist,  hat  die  Wiege  unserer  Konferenz  in  Wien  gestanden. 
Wir  verdanken  unserem  liebenswürdigen  Kollegen  Herrn  Hofrat  v.  Wein- 
zierl  die  Anregung,  dass  wir  heute  hier  zusammen  sind.  Auf  dem 
internationalen  Botanikerkongress  ist  es  zu  einem  vorläufigen  Besehluss 
in  den  uns  interessierenden  Dingen  gekommen.  Wir  haben  einen  Aus- 
schuss    gewählt,     der    aus    den    Herren    Kollegen    Brown -Washington, 


218       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Bruijn in g -Wageningen,  Hiltner-München,  von  Weinzierl-Wien  und 
mir  besteht.  Dieser  Ausschuss  hatte  die  Aufgabe,  sich  durch  eine 
Reihe  von  Herren  aus  den  auswärtigen  Staaten  zu  kooptieren  und 
dann  an  die  Fachkollegen  heranzutreten,  um  eine  internationale 
Konferenz  vorzubereiten.  Sie  wissen,  dass  alle  solche  Vorbereitungen 
immer  langsamer  gehen,  als  man  vorher  annimmt.  Wir  konnten  mit 
den  offiziellen  Einladungen  an  die  verschiedenen  Vertreter  im  Auslande 
erst  im  April  herantreten  und  die  weiteren  Einladungen  an  die  Fach- 
kollegen erst  im  Juni  versenden. 

Wir  sind  uns  im  engeren  Ausschusse  vollständig  klar  darüber, 
dass  wir  bindende  Beschlüsse  hier  in  Hamburg  nicht  fassen  können. 
Das  liegt  in  der  Eigenart  der  Dinge.  Jedes  Land  hat  seine  besonderen 
Verhältnisse,  auf  die  allgemeine  Beschlüsse  natürlich  nicht  einwirken 
können.  Es  war  klar,  dass  wir  unsere  Aufmerksamkeit  vor  allen  Dingen 
der  wissenschaftlichen  Samenkontrolle  zuwenden  müssen,  und  aus  diesem 
Gesichtspunkte  ist  diese  Versammlung  berufen  worden.  Wir  haben  ver- 
sucht, die  namhaften  Kollegen  heranzuziehen,  um  uns  über  die  wichtigsten 
Fragen  kurz  berichten  zu  lassen,  und  das  ist,  wie  Sio  aus  dem  Programm 
ersehen  haben  werden,  hinreichend  gelungen. 

Ich  möchte  nun  noch  ganz  kurz  über  den  Erfolg  unserer  Ein- 
ladungen berichten.  Ich  habe  eine  Liste  von  ungefähr  150  Fachkollegen 
aufgestellt,  sie  allen  Herren  zur  Durchsicht  zugesandt  und  kaum  wesent- 
liche Änderungen,  nur  kleine  Ergänzungen  bekommen.  Wir  haben  so- 
mit wohl  so  ziemlich  alle  Herren  erreicht,  die  für  unseren  Zweck  in 
Frage  kommen.  Von  diesen  150  Herren  haben  wir  25  definitiv  zu- 
sagende und  25  die  Teilnahme  vorläufig  in  Aussicht  stellende  Antworten 
erhalten.     Etwa  70  Herren  haben  bedauert,  nicht  teihiehmen  zu   können. 

Jedenfalls  ist  die  beinahe  erschöpfende  Beantwortung  unserer  Um- 
frage ein  Beweis  für  das  überall  vorhandene  Interesse.  Leider  hat 
im  letzten  Augenblick  eine  Reihe  sehr  wünschenswerter  Teilnehmer  ab- 
gesagt. Aus  der  Mitte  dieser  Herren  möchte  ich  Ihnen  in  erster  Linie 
den  Altmeistor  unserer  Samenkontrolle,  Herrn  Geheimrat  Prof.  LH-.  Nobbe, 
nennen  und  Ihnen  auch  vorlesen,   was  er  uns  schreibt: 

Zu  meinem  tiefen  Bedauern  finde  ich  mich  im  letzten 
Augenblick  durch  Gesundheitsrücksichten  verhindert,  der  freund- 
hchen  Einladung  zu  der  ersten  internationalen  Konferenz  für 
Samenprüfung  in  Hamburg  Folge  zu  leisten. 

Ich  wünsche  Ihren  Verhandkmgen,  in  denen  ich  den 
energischen    Keim   grosser    Fortschritte    erblicke     und 


Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Sanoenprüfung.        219 

denen  meine  wärmste  Sympathie  gewidmet  ist,  den  besten  Er- 
folg, und  bitte  Sie,  den  teilnehmenden  Herren  Kollegen  meinen 
verehrungsvollen  Gruss  gütigst  übermitteln  zu  wollen. 

Wir  haben  dann  leider  auch  verzichten  müssen  auf  zwei  Herren 
unseres  Ausschusses  Bj'own  und  Bruijning,  die  im  letzten  Augenblick 
ihre  feste  Absicht,  zu  erscheinen,  aufgeben  mussten,  auf  Kollegen  Lin- 
hart,  der  fest  zugesagt  hatte,  ebenso  auf  Herrn  Geheimrat  Wittmack. 
Herr  Pinlayson  musste  wegen  Erkrankung  seiner  Kinder  die  Annahme 
der  Einladung  zurückziehen.  Auch  Herr  Prof.  Jönsson-Lund  ist  leider 
im  letzten  Augenblick  verhindert.  Herr  Michow-Canada,  der  zufällig 
in  Zürich  weilt,  konnte  aus  Familienrücksichten  nicht  kommen.  Herr 
Schribaux- Paris  hat  im  letzten  Augenblick  abgesagt.  Zwei  Herren, 
Vertreter  von  Russisch  Polen,  haben  wogen  Passschwierigkeiten  ihre 
Zusage  zurückziehen  müssen. 

Das  wäre  so  im  allgemeinen  die  Übersicht  über  das,  was  wir  bis 
jetzt  getan  haben. 

Prof.  Dr.  Zacliarias:  Darf  ich  dann  Herrn  Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl 
bitten,  den  Vorsitz  zu  übernehmen '.- 

Vorsitzender  Hofrat  Dr.  v.  Weiuzierl:  Meine  sehr  geehrten  Herreh! 
Ich  danke  zunächst  für  die  sehr  ehrenvolle  Wahl,  in  der  heutigen  Sitzung 
den  Vorsitz  zu  führen.  Ich  möchte  mir  gestatten,  noch  einige  Worte 
vorauszuschicken.  Ich  glaube,  nicht  weiter  ausführen  zu  müssen,  welche 
Momente  massgebend  waren,  im  vorigen  Jahre  den  Antrag  bezüglich 
dieser  internationalen  Konferenz  zu  stellen.  Es  ist  Ihnen  allen  bekannt, 
welche  Wünsche  wir  alle  zusammen  haben  und  welche  Wünsche  auch 
besonders  diejenigen  hegen,  die  in  erster  Linie  ein  Interesse  an  einer 
richtigen  Organisation  und  einer  einwandfreien  Untersuchung  bei  der 
Samenkontrolle  haben,  nämlich  die  Händler.  Die  Hauptinteressenten  in 
der  Frage  der  Samenkontrolle  sind  ja  nicht  wir  allein  als  diejenigen, 
welche  die  Arbeit  der  Analyse  auszuführen  haben,  sondern  gewöhnlich 
die  Händler  und  Landwirte.  Ich  glaube  also,  dass  es  nicht  nur  sozu- 
sagen selbstverständlich  ist,  sondern  dass  wir  als  Vertreter  der  Unter- 
suchungsinstitute die  Pflicht  haben,  auch  diejenigen,  welche  diesen 
Ständen  angehören,  zu  solchen  Beratungen  heranzuziehen.  Wenn  wir 
uns  auch  die  Aufgabe  gestellt  haben,  in  erster  Linie  die  theoretischen 
Grundlagen  unserer  Arbeit  zu  prüfen  und  die  Feinheit  der  Methoden 
weiterhin  auszugestalten,  so  glaube  ich  doch,  dass  wir  derselben  eine 
weitere  anzuschliessen  haben,  nämlich  auch  die  Wünsche  und  Ansichten 
zu  hören,  welche  über  diese  Tätigkeit  bei  den  unmittelbaren  Interessenten 
heute  bestehen.     Die  verehrte  Versammlung  wird  mir  gewiss  zustimmen. 


220       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprül'ung. 

dass  die  praktische  Ausführung  dieses  Wunsches  Schwierigkeiten  hat. 
Die  Schwierigkeit  liegt  hauptsächlich  darin,  dass  irgend  eine  hier  wissen- 
schaftlich erörterte  und  dann  diskutierte  Frage  von  diesen  drei  Berufs- 
ständen, wenn  ich  so  sagen  darf,  in  verschiedener  Weise  aufgefasst 
und  dementsprechend  in  verschiedener  W^eise  behandelt  wird,  so  dass  die 
Gefahr  besteht,  dass  sich  derartige  Verhandlungen  zu  sehr  in  die  Länge 
ziehen,  ohne  den  eigentlichen  Kern  der  Sache  zu  treffen.  Da  ist  es 
uns  in  unseren  gestrigen  langwierigen  Besprechungen  als  das  Zweck- 
dienlichste erschienen,  wenn  wir  die  Herren  bitten,  die  Verhandlungen 
in  zweifacher  Weise  zu  führen:  in  einer  Weise,  die  lediglich  internen 
Fragen  —  seien  es  solche  der  feinen  wissenschaftlichen  Methoden,  seien 
es  Fragen  des  Standes  und  Fragen,  die  durchweg  die  früher  genannten 
Berufskreise  wenig  oder  gar  nicht  tangieren,  —  in  besonderen  Sitzungen 
zu  behandeln,  hingegen  solche  Fragen,  Avolche  heute  schon  eine  Er- 
örterung der  Interessenten  aus  den  Kreisen  der  Samenhändler  und  Land- 
wirte unbedingt  nötig  machen,  in  allgemeiner  Sitzung  zu  behandeln. 
Diese  Auffassung  hatte  eine  Umänderung  des  Programms  zur  Folge, 
die  vielleicht  noch  nicht  allen  Herren  bekannt  ist,  was  ich  kurz  hier 
einschalten  möchte.  Aus  diesen  Gesichtspunkten  und  Gründen  haben  wir 
uns  gedacht,  wir  werden  heute  vormittag  die  allgemeine  Sitzung  haben 
und  darin  diejenigen  Referate  behandeln,  welche  von  allgemeinem 
Interesse  sind,  eine  besondere  Besprechung  jedoch  nicht  so  notwendig 
haben.  Daher  haben  wir  uns  entschlossen,  für  die  heutige  Versamm- 
lung in  erster  Linie  eine  Darstellung  des  Gesamtstandes  unserer  Kenntnis 
über  die  Provenienzfrage  ohne  Rücksicht  auf  ihre  geschäftliche  Ver- 
wertung und  ihre  kommerzielle  Bedeutung  zu  geben  und  zweitens  die 
Wertbestimmung  der  Rübensamen,  insofern  dieselbe  Fortschritte  und 
neuere  Methoden  bringt,  zu  besprechen.  Es  sollen  diese  Referate  gleichsam 
Vorträge  sein,  an  welche  sich  heute  keine  Diskussion  zu  knüpfen  hätte. 
Der  Nachmittag,  der  programmmässig  einer  Sache,  die  mir  momentan 
nicht  geläufig  ist,  hätte  dienen  sollen,  ist  in  Aussicht  genommen  für  diese 
interne  Sitzung.  Das  Programm  würde  daher  insofern  geändert  werden 
müssen,  als  die  Nachmittagssitzung  lediglich  eine  interne  Versammlung 
der  Vorstände  der  Samenkontrollstationen  bilden  soll,  in  der  die  vorhin 
kurz  angedeuteten  Fragen  besprochen  werden.  Für  Dienstag  nachmittag 
von  2 — 5'/2  Uhr  ist  dann  eine  Fortsetzung  der  internationalen  Konferenz 
der  Vorstände  der  Samenkontrollstationen  und  endlich  am  Donnerstag 
und  zwar  wieder  um  10  Uhr  eine  allgemeine  Sitzung  in  Aussicht  ge- 
nommen. In  dieser  soll  den  Interessenten  Gelegenheit  geboten  werden, 
Fragen  der  Technik  der  Samenprüfung  einer  Erörterung  zu  unterziehen 
bzw.  sich  an  der  EUskussion  zu  beteiligen.    Es  ist  in  Aussicht  genommen. 


F.  G.  Stehler.   Die  Herknnftsbestimmung  der  Saaten.  221 

eine  der  einschneidenden  Fragen  der  Samenkontrolle  aufzurollen  bzw. 
Ihnen  Gelegenheit  zu  geben,  sich  darüber  zu  äussern  und  Ihre  Wünsche 
eventuell  Ihre  abweichenden  Ansichten  vorzubringen.  Durch  diese  kleine 
Abänderung  des  Programms  glaubten  wir  den  Wünschen  der  unmittelbar 
an  der  SamänkontroUe  interessierten  Stände  mehr  zu  entsprechen,  als 
dies  dadurch  geschehen  wäre,  wenn  wir  alle  Fragen  zusammenwerfen, 
die  nicht  für  alle  von  Bedeutung  sind.  Es  ist  also  diesen  Verhand- 
lungen ein  Zeitraum  von  zwei  Stunden  gewidmet,  der  wohl  genügen 
dürfte,  uns  zu  orientieren  und  uns  für  unsere  Arbeit  weitere  Direktiven 
zu   geben. 

Das  wollte  ich  mir  erlauben  vorauszuschicken.  Ich  gestatte  mir 
nun,  auf  Grund  des  abgeänderten  Programms  Herrn  Dr.  Stehler  zu 
bitten,  uns  sein  Referat  über  die  Provenienzfrage  zu  erstatten. 


Die  Herkunftsbestimmung  der  Saaten. 

Von 
Direktor  Dr.  F.  G.  Steblei'-Zürich. 

Die  Bestimmung  der  Herkunft  eines  Samens  ist  relativ 
neueren  Datums.  Das  Gebiet  ist  denn  auch  dasjenige,  das  am  wenigsten 
ausgebaut  ist.  Die  Praxis  des  Handels  hat  es  längst  empfunden,  dass 
es  notwendig  sei,  die  verschiedenen  Herkünfte  der  Handelssaaten  be- 
urteilen zu  können.  Erst  in  relativ  neuer  Zeit  hat  sich  auch  die 
Wissenschaft  der  Frage  angenommen.  Der  Erste,  der  auf  die  Bestimmung 
der  Provenienz  der  Handelssaaten  wissenschaftlich  aufmerksam  machte, 
war  Wittmack,  der  im  Jahre  1873  zuerst  die  Ambrosia  in  Rotklee 
amerikanischer  Provenienz  avisierte.  Später  hat  sich  dann  Nobbe  der 
Sache  angenommen  und  einzelne  neue  Arten  namhaft  gemacht,  freilich 
ohne  sie  zuerst  nach  ihrer  Herkunft  richtig  zu  deuten.  Noch  später 
ist  die  Hohenheimer  Station  dazu  gekommen,  welche  auf  Plantago 
aristata  und  Potentilla  norvegica  aufmerksam  machte  als  Verunreini- 
gungen, die  in  nordamerikanischen  Saaten  vorkommen.  Auch  andere 
Stationen  haben  nach  und  nach  an  der  Entwickelung  dieses  Gebietes 
mitgearbeitet;  ich  erinnere  an  die  ausgezeichneten  Arbeiten  von  Möller- 
Holst,  der  s.  Zt.  gleichzeitig  mit  Nobbe  die  Samenkontrolle  eingeführt 
und  entwickelt  hat,  und  an  die  Arbeiten  von  Christian  Jenssen.  Vor 
längerer  Zeit  hat  sich  auch  die  Züricher  Station  der  Frage  angenommen. 
Seit  dem  Jahre   1875  schon  befassen  wir   uns    mit  der  Bestimmung  der 


222       YerhaTKJlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Provonienzunkräuter  und  haben  im  Laufe  der  Jahre  viele  hundert  Arten 
kultiviert.  Die  Arbeit  ist  etwas  langwierig,  da  es  darunter  solche  gibt, 
die  zwei  bis  drei  Jahre  bis  zur  vollkommenen  Entwickelung  brauchen. 
Jede  einzelne  Spezies  musste  kultiviert  werden.  Wir  haben  denn  auch 
im  Laufe  der  Jahre  eine  ganz  bedeutende  Anzah!  charakteristischer  Un- 
krautsamen feststellen  können. 

Die  Sache  ist  insofern  von  grosser  praktischer  Bedeutung,  als 
die  verschiedenen  Provenienzen  sehr  verschiedenen  Wert  haben  können. 
Ich  erinnere  z.  B.  an  den  Rotklee  aus  Chile,  dessen  Geringwertigkeit  be- 
kannt ist,  an  die  Luzerne  aus  Utah,  an  Neuseeländer  Knaulgras,  die 
ebenfalls  nur  geringen  Wert  haben,  an  Knaulgras,  das  in  Wäldern  ge- 
sammelt wird,  das.  wenn  es  im  Felde  kultiviert  wird,  kleiner  bleibt  als 
Knaulgras,  das  in  Wiesen  gezogen  wird;  ich  erinnere  an  amerikanischen 
Wiesenschwingel,  der  sich  nicht  bewährt,  weil  er  dem  Rost  zum  Opfer 
fällt.  In  neuerer  Zeit  kommen  syrische  Saaten  in  den  Handel,  die  sich 
ebenfalls  als  geringwertig  entpuppt  haben.  Es  ist  deshalb  von  grossem 
Wert,  dass  man  die  verschiedenen  Provenienzen  mit  möglichster  Sicher- 
heit unterscheiden  kann. 

An  der  Saat  selbst  ist  die  Unterscheidung  der  Provenienz  nur 
in  Ausnahmefällen  möglich.  Es  gibt  zwar  gewisse  Provenienzen,  die 
im  Samen  selbst  einen  Unterschied  erkennen  lassen.  Ich  erinnere 
an  den  südfranzösischen  Rotklee,  der  sich  durch  metallischen  Glanz  aus- 
zeichnet, wie  sonst  kein  anderer  Klee  ihn  besitzt,  an  die  Nuance  des 
italienischen  Rotklees,  an  den  Glanz  des  sogenannten  Cowgrass  der  Eng- 
länder, der  der  Ware  in  der  Regel  künstlich  beigebracht  wird,  an  das 
matte  strohfarbige  Aussehen  des  Neuseeländer  Rohrschwingels  usw.  Diese 
Merkmale  des  Samens  sind  aber,  wie  gesagt,  nicht  zuverlässig;  sie 
können  zur  Unterscheidung  der  Provenienz  zwar  mit  herangezogen  werden, 
sind  aber  in  der  Regel  nicht  genügend. 

Einen  viel  zuverlässigeren  Anhalt  geben  uns  die  Beimengungen 
einer  Saat,  die  Verunreinigungen,  die  leblosen  sowohl  wie  die 
Unkrautverunreinigungen.  Den  russischen  Klee  erkennt  man  teilweise 
an  der  schwarzen  Erde,  die  dem  Klee  beigemischt  ist;  die  Luzerne  aus 
Südfrankreich  kann  man  sehr  häufig  erkennen  an  den  Muschel fragmenten, 
ebenso  den  ungarischen  Klee  an  Beimengungen  von  dunkler  Erde. 

Die  zuverlässigsten  Merkmale  liefern  uns  aber  die  Unkraut- 
beimengungen. Es  gibt  natürlich  sehr  viele  Saaten,  die  sehr  wenige 
Unkrautbeimengungen  enthalten,  und  dann  ist  es  oft  sehr  schwierig,  die 
Herkunft  zu  erkennen.  Die  meisten  Klee-  und  Grassaaten  sind  aber 
Samen    von    perennierenden  Pflanzen    und    sind  infolgedessen  meist  mit 


F,  Gr.  Stebler,  Die  Herkunftsbestimmung  der  Saaten. 


223 


allerlei  fremden  Arten  verunreinigt,  die  sich  im  Laufe  der  Jahre  dem 
Bestände  beigemischt  haben.  Bei  der  Luzerne  z.  B.  mischen  sich  auf 
4pm  Pßlde  allerlei  Pflanzen  bei,  die  bei  der  Samenernte  mitgeerntet 
werden  und  dann  als  Verunreinigungen  mit  in  die  geerntete  Saat 
kommen.  Viele  von  ihnen  sind  für  die  Feststellung  der  Provenienz  be- 
deutungslos, andere  sind  hingegen  sehr  wichtig.  Aber  auch  unter  den 
Handelssaaten  von  einjährigen  Pflanzen  kommen  vielfach  allerlei  L-nkraut- 
samen  vor,  die  zur  Peststellung  der  Herkunft  wichtig  sind.  Besonders 
unter  den  Ausputzwicken,  den  sogenannten  Trieu  rwicken,  kommt  ein 
Sammelsurium  von  allen  möglichen  Spezies  vor,  die  zur  Feststellung  der 
Herkunft  einen  Anhalt  geben.  Die  folgende  Tabelle  gibt  ein  Bild  von 
4er  Verunreinigung  einer  Kleesaat.  Die  550  Gramm  schwere 
Probe  enthielt: 


Plantago  layiceolata    . 

.     4500  Körner 

Daucus  Carota. 

.     2240       „ 

Cichorium  Intyhus 

.     1140       „ 

Brunella  (alba) 

.       160       „ 

Cuscuta  trifolü 

.       151       „ 

Lotus  corniculatas 

56       „ 

Centaurea  Jacea     . 

39       „ 

LoUum  perenne 

35       „ 

Rumex  Aeetosella  .     . 

23       „ 

Chenopodium  alJmm  . 

21       „ 

Malva  (Alcea)   .     .     .     . 

16       ,. 

Silene  infiata     .     .     . 

15       „ 

Anagallis  arvens'm 

10       „ 

Rumex  crispus . 

10       „ 

Verben a  officinalis 

6       „ 

Medicago  liipidina 

5       „ 

Rubus  fruticosus  .     .     . 

5       „ 

Leoni4)don  hisphlus    . 

5       „ 

Sherard/a  arvensis     . 

4       „ 

Trifolium  procumhens 

3       „ 

Rumex  conglom.eratus 

3       ., 

Arthrolobiuni  scorpi 

:oides     3 

Helfninthia  echioidt 

3S  .              3 

ConvolvulU'S  (trven-ns 

3       „ 

Polygomwi  avicidare  . 

3 

Anthemis  arvensis 

2 

Atriplex  patula      .     . 

2 

Echiuw  vulgare      .     . 

9 

224       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Echinochloa  crus  galli    .     .  2  Körner 

Dipsaciis  pilosus    ....  2 

Trifolium  incarnatum,  Crepis  virens,  Malva  mosehafa,  Cirsium  lan- 
ceolatum,  Hijpochaeris  radicata,  Picris  hieracioides,  Conium  maculatum, 
Setaria  viridis,  TortJif-t  in  fest  a  je  1  Korn. 

Aus  dem  Gesamtbilde  lässt  sich  schliessen,  dass  die  Saat  aus  dem 
mittleren  Frankreich  stammt. 

Die  ersten  drei  genannten  Arten:  Planfago  hmccolata,  Daucus 
Carota  und  CicJiorium  Intyhus  kommen  fast  in  jeder  Saat  vor  und 
können  deshalb  zur  Provenienzbestimmung  nicht  herangezogen  werden. 
Gewisse  Arten  sind  aber  an  einen  engeren  Kreis  gebunden;  das  sind 
die  sogenannten  Provenienzunkräuter.  Andere  haben  wieder  etwas 
grössere  Verbreitung,  sie  sind  zwar  für  die  betreflTende  Gegend  nicht 
typisch,  können  aber  einigermassen  zur  Peststellung  der  Herkunft 
benutzt  werden;  wir  bezeichnen  diese  Arten  als  Begleitsamen.  Ich 
will  Ihnen  ein  Bild  der  wichtigsten  Provenienzen  der  Handels- 
saaten, soweit  sie  Futtersamen  betreffen,  kurz  entwickeln.  Ich  unter- 
scheide sieben  Hauptgruppen.  Wir  wollen  dieselben  der  Reihe  nach 
namhaft  machen.') 

I.  Südeuropäische  Provenienz. 

(Südfrankreich,  Italien,  Spanien.) 

Sorghtini  halepense  Pers.  in  ital.  Luzerne  (häufig), 
Panicuni  erucifovme  Sbth.  et  Sm.  in  span.  Luzerne  (Iraal), 
Cynodon  Dacti/Ion  Pers.  in  südfranz.  Luzerne  (hie  und  da), 
Rumex  pulcher  L.  in  südfranz.  Luzerne  (hie  und  da), 
Tun/ca  jtrolifrra  Scop.  in  südfranz.  Rotklee  (wenn  ungereinigt!). 
Meseda  Phyteuma  L.  in  südfranz.  Luzerne  (hie  und  da), 
Rapistrum  rngosum  All.  in  südfranz.  Luzerne  (hie  und  da), 
Erucastrum  incanum  Koch  in  südfranz.  Luzerne  (vereinzelt), 
Eriica  safiva  Lam.  in  südfranz.  Luzerne  (vereinzelt), 
Arthrolohmnn  scovpioides  DC.   in  südfranz.  Luzerne   und  Rotklee 

häufig,  steigt  bis  ins  Zentrum  von  Frankreich, 
Amini  tnajus  L.  in  südfranz.  Luzerne  (z.  häufig), 
Torilis  nodosa  Gärtn.  in  südfranz.  Luzerne,  aber  auch  in  westfranz.  und 

engl.  Rotklee, 
Heliotropium  eiiropaeum  L.  in  südfranz.  Luzerne  (vereinzelt), 
Salvia  verbenaca  L.  in  ital.  Luzerne  (z.  häufig). 


1)  In    den    während    des    Vortrages    zirkulierenden    Sammlungen    (etwa 
200  selbstgezogene  Arten)  wurden  die  wichtigsten  Eepräsentauten  vorgeführt. 


F.  G.  Stehler,  Die  Herkunftsl^estimmung  der  Saaten.     "  225 

Plantago  arenaria  W.  K.  in  südfranz.  Luzerne  (hie  und  da),  aber  aucli 

in  ungarischem  Rotklee, 
Vlantayo  Cynops  L.  in  südfranz.  Luzerne  (ott), 
Centaurea  aspera  L.  in  südfranz.  Luzerne  u.  Rotklee, 
Centanrea  .solsfif/alis  L.   in    südfranz.  Luzerne    und    Rotklee    häufig   (in 

Ungar.  Rotklee), 
Cru])ina   vulgaris  Cass.  in  südfranz.   Fromental  (hie  und  da), 
Hehninfhia  ecliioides   Gärtn.    in   südfranz.    Luzerne  und  Rotklee    häufig, 

aber  auch  in  westfranz.  und  engl.  Rotklee, 
Picris  stvicta  Jord.  in  südfranz.  Luzerne  häufig, 
BarJ{hau.sia  sdosa  Hall.  fil.  in  ital.  Weissklee. 

Die  Rüdeuropäischen  Unkräuter  erscheinen  bei  uns  häufiger 
in  Klee-  und  Luzernefeldern  als  die  amerikanischen,  haben  aber  doch 
Schwierigkeiten,  mit  dem  Klee  reife  Samen  zu  tragen.  Als  ganz  sicher 
südeuropäisch  (mit  Einschluss  des  Zentrums  von  Frankreich)  muss 
Arfhrolobium  und  Attuiii  bezeichnet  werden,  während  HelmiutJiia  und 
Toiilii^,  den  atlantischen  Küsten  entlang  streichend,  auch  noch  in  eng- 
lischen Saaten  auftreten  können  und  Centauroa  solstitialis  (nach  von 
Degen)  auch  in  ungarischem  Rotklee  auftreten  kann.  Ausserdem  besitzt 
der  Süden  noch  einige  andere  Charakteristika,  die  aber  seltener  auf- 
treten. 

Die  italienische  Luzerne  zeichnet  sich  durch  einige  Unkräuter 
aus,  die  zwar  auch  in  Südfrankreich  häufig  sind,  dort  aber  die  Luzerne- 
felder zu  meiden  scheinen:  Salvia  rerbeuaca  und  Sorghum  Jialepense. 
Ausschliesslich  italienisch,  nicht  französisch,  ist  das  nicht  selten  in 
italienischer  Luzerne  auftretende  Trifolium  supviioii  Savi. 

II.  Westeuropäische  Provenienz. 

(Grossbritannien,  Nordfrankreich,  Niederlande.) 

Alopecurus  agrestis  L.,  typisch  westeurop.  Unkraut  (meist  als  Caryopse 
in  Rotklee,  Inkarnatklee,   Hopfen-  und  Wundklee  und  Gräsern), 

Silene  conica  L.  in  franz.  Inkarnatklee, 

Sileiie  gallica  L.  in  franz.  Rotklee  und  (die  Kapsel!)  in  syrischer  Wicke, 

Bunias  Erucago  L.  in  franz.  Esparsette, 

Ouonis  repens  L.  in  franz.  Rotklee, 

Geranium  molle  L.  in  franz.,  engl.  u.  niederl.  Saaten,  namentlich  in 
Weissklee,  Rotklee,  auch  in  Gräsern, 

Geranium  pusillum  L.  ebenso, 

Geranium.  dissechim  L.  ebenso, 

Malva  crispa  L.  in  mittelfranz.  Luzerne, 

MaJva  moschata  L.  ebenso, 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte   Bcitanik    IV.  15 


026       Verhandlungen  der  J.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Bupleurum    rofuiidifolhim  L.  in    südfranz.  Fromental,    auch    in    unga- 
rischen Saaten, 

I*etro8€linum  segetum  Koch  typisch  westeuropäisch,  in  franz.  Rotklee, 

Verhena  offichi((Us  L.  in  franz.  Rotklee  bis  in    den   Norden   von  Frank- 
reich, 

Teucrium  Bofrijs  L.  in  franz.  Rotklee,  selten  in  Schwarzwälder  Rotklee, 

Ajuga  CJioinaepiti/s  Schreb.  in  franz.  Rotklee  (hie  und  da), 

Linaria  Ehd'nie  Mill.  in  franz.  Rotklee  (hie  und  da), 

Valorianella   MonsonU   DC.    in   franz.,    engl,    und    andern    westeurop. 
Saaten  häufig, 

ISJtrrardio    arvcn-sis    L.   in    allen    westeurop.    Saaten,    häufiger    als    in 
osteurop., 

XerantJieiiiim  cylindraceum  Sm.  in  franz.  Rotklee, 

Carduus  mdcms  L.  in  franz.  Rotklee, 

Lampsana  conmiunis  L.  in  nordwesteurop.  Saaten,  namentlich  in  Pfälzer 
Rotklee, 

Crepis  hiennis  L.  in  südfranz.  Fromental, 

Laduca  saligna  L.  in  franz.  Rotklee. 

Westeuropäische    Saaten    sind    namentlich    durch    eine    Reihe 

wintergrüner  (überwinternder,  einjähriger)  Gewächse  (^-i))  ausgezeichnet, 

die    den    strengeren  Winter   des   kontinentalen  Ostens  nicht  auszuhalten 

scheinen,  so  der  AlopeciDiis  agrcsf}-'<,  die    Valerien ella - hrten  und  auch 

die  drei  Gerauium-kvicn. 

III.  Nordamerikanische  Provenienz. 

(Vereinigte  Staaten,  Kanada.) 

Panicum  capillare  L.  in  Rotklee  (häufig), 
Panicum  dichotomuiii  L.  in  Timothe,  Agrostis  (zieml.  häufig), 
Panicum  vlrgafum  L.  in  Luzerne  (selten), 
Panicum  ckwdestinum  L.  in  Wiesenschwingel  (hie  und  da), 
Paspalum  cUiaüfolium  Michx.  in  Rotklee,  Wiesenschwingel, 
Cenchrus  trihuloides  L.  in  Luzerne  (selten), 
Glyceria  nervafa  Trin.  in   Wiesenrispengras  (hie  und  da), 
Vulpia  tenella  Willd.  in  Agrostis  (häufig), 
Carex  cephalophora  Mühlenb.  in  Wiesonrispengras  (häufig), 
Tradescantia  virginica  L.  in  Wiesenschwingel  (selten), 
Ranunculus  parviflorus  L.  in    Texas-Luzerne  (Imal),  aus  Europa  ein- 
geschleppt, 
Lcpidium    virgi)iicHm    Ij.    in    Timothe,     Rotklee,     Fioringras.     Wiesen- 

rispengras, 
Poteutilla  norvegica  L.  in  Timothe  (oft), 


F.  Gr.  Stehler,  Die  Heikunftsbestimmung  der  Saaten.  227 

Geranium  carolin('n-'<('  L.  in  Wiesenschwingel  (vereinzelt), 

Euphorhia  Predii  Gass.  in  Rotklee  (oft), 

>S*2Vi«  spiiiosa  L.  in  Rotklee  (oft),   ursprünglich  aus  dem  Orient  stammend, 

CupTwa  viscosissima  Jacq.  in  Rotklee  (selten), 

Cuscuta  arvensis  Beyr.  in  Rotklee  (hie  und  da),  in  Luzerne  (in  manchen 

Jahrgängen  häufig), 
Salvia  laticoolata  Willd.  in  Luzerne,   Wiesenschwingel  (vereinzelt), 
Physalis  lanceolata    Michx.  in  Rotklee,    Wiesenschwingel   (hie  und  da), 
Planfago  arisfafa  Gray  in  Rotklee,   Wiesenschwingel  (z.  häufig), 
Plantago  Bugelii  Dcsne.  in  Rotklee,  Timothe,   Fioringras  (sehr  liäufig), 
Planfago  rhodospermo  Michx.  in  amerik.  Wiesenschwingel  in  einem  Jahr 

häufig  (bestimmt  vom  U.  S.  Department  of  Agriciüture  in  Washington), 
Ambrosia  artemisiaefolia  L.  in  Rotklee  in  manchen  Jahren  häufig, 
Ambrosia  trifida  L.  in  amer,  Sommerweizen, 
Grindelia  squarrosa  Dun.  in  amer.  Luzerne  (oft), 
Rudheckia  hirta  L.  in  Timothe  (hie  und  da), 
Helianthus  annuus  L.  in  Luzerne  (häufig). 
Java  xanthifolia  Nutt.  in  Luzerne  (oft). 

Begioitsamen  (alle  häufig): 
Digitaria  fiUformis  Koel,  in  Rotklee, 

PJileum  pratense  L.  in  Rotklee,  Agrostis,  Poa  compressa,  Alsike  etc.. 
Polygonum,  Persicaria  L.  in  Rotklee,   Wiesenschwingel, 
Amarantits  retroftexus  L.  in  Rotklee, 
Melandryum  noctifi,0)'iim  Fr.  in  Bastardklee, 
Erysimum  cheiranthoides  L.  in  Timothe,  Bastardklee, 
Nepeta  Cataria  L.  in  Bastardklee,  Weissklee, 
Antheriiis  Cofida  L,  in  Bastardklee,  Weissklee,  Poa  compressa. 

Reine  amerikanische  Saaten  lassen  sich  in  der  Regel  leicht 
erkennen;  schwieriger  sind  Mischungen  festzustellen.  Doch  müssen 
alle  Saaten,  welche  die  an  erster  Stelle  genannten  Unkräuter  enthalten, 
als  amerikanisch  oder  mit  amerikanischer  Saat  vermischt  bezeichnet 
werden,  da  die  amerikanischen  Pflanzen  bei  uns  alle  Spätblüher  sind 
und  deshalb  wohl  auf  Ödland,  nie  aber  in  Kleeäckern  reife  Samen  tragen 
können.  Sie  entwickeln  sich  in  Mitteleuropa  überhaupt  ausserordentlich 
selten  in  Klee  oder  Kleegras. 

IV.  Australische  Provenienz. 

(Neu-Seeland.) 
Agrostis  Forsteri  R.  et  S.  (determ.  E.  Hackel)    Imal   in  Wiesenfuchs- 
schwanz, 

15* 


228        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Sanienprüfung. 

Agrosfis    avenoides    Hook.    i.    Imal  in    Knaulgras     und    Imal     in    Rot- 
schwingel, 
Danthonia  semiaiuiulcris  R.  Br.  hie  und  da  in  K'naulgras. 

Begleitsamen  (häufig)  namentlich  in  Knaulgras: 
Hypochaeris  radicata  L., 
Crepis  virens  Vill. 

Neuseeländische  Saaten  lassen  sich  nur  ausnahmsweise  an  den 
Samen  der  in  Neuseeland  einheimischen  Pflanzen  bestimmen,  da  die 
neuseeländische  Flora  wenige  Pflanzen  besitzt,  die;  sich  den  Lebens- 
bedingungen im  Kulturland  anzupassen  vermochten.  Dafür  sind  dort 
europäische  Eindringlinge  zu  sehr  lästigen  Unkräutern  geworden,  so 
insbesondere  die  im  Knaulgras  so  häufig  zu  treffende  Hypochaeris  radi- 
cata. Neuseeländer  Knaulgras  lässt  sich  oft  nur  sehr  schwer  oder  gar 
nicht  von  mitteleuropäischen  Saaten  unterscheiden,  so  charakteristisch  die 
stereotype  Beimengung  von  SoJcns  lai/afus,  Broiitifs  ti/oUis  und  Hypo- 
cliaeris  ist. 

V,  Asiatische  Provenienz. 

(Syrien,  Turkestan.) 

Fhalar'is  paradoxa  L.  in  syr.  Wicke, 

Avena  sterüis  L.  in  syr.  Wicke, 

Beta  trigyna  W.  et  K.  in  syr.  Wicke, 

Rapistrum  Orientale  DC.  in  syr.  Wicke, 

Medicago  cylindracea  DC.  in  syr.  Wicke, 

Medicago  tuhercidata  Willd.  in  syr.  Wicke, 

Melilotus  ine-s.saniensis  L.  in  syr.  Wicke, 

Onobrychis  caput  yaJIi  Lam.   in   syr.   Wicke, 

Hippocrepis  unisiliquosa  L.  in  syr.  Wicke, 

Scorpiiinis  fiubviUosus  L.  in  syr.   Wicke, 

Lathyrus  setifolius  L.  in  syr.  Wicke, 

Euphorbia  segetalis  L.  in  Turkestaner  Luzerne, 

Centaurea   Picris    Fall.    (Acroptilon    Picris    DC.y   in    Turkestaner 

Luzerne  (determ.  Dr.   v.  Degen), 
Krubcra  Icptopirylla  Hoffm.  in  mediterr.  Lein, 
Bupleurnm  protracfani  Hoftm.   et  Lk.  in  mediterr.  Lein  und  afrikanisch. 

Anis, 
Cusctita   araOica    Pres,    in    Trifolium    alexandrinum    (Ägypten)    sehr 

häufig, 
Anchusa  italica  Reiz,  in  syr,  Wicke, 
Salvia  .silvestris  L.  in  Turkestaner  Luzerne, 


F.  G.  Stehler,  Die  Herkunftsbestimmung  der  Saaten.  229 

Salvia  Sclarea  L.  in  Turkestanor  Luzerne, 
Cephalaria  sijriaca  Schrad.  in  syr.  Wicke, 
Calendula  offirinalis  L.  in  syr.   Wicke, 
Chrysanthemum  coronarium  L.  in  syr.  Wicke, 
Notohasis  syriaca  Cass.  in  syr.  Wicke, 
Ccntaurea  Cakitrapa  L.  in  Turkestaner  Luzerne, 
Plantago  Coronopus  L,  in  syr.   Wicke  (ganze  Ähre!). 

Die  Unkräuter  aus  syrisctier  Wicke  sind  typisch  mediterran  and 
zeigen  viele  Beziehungen  zu  den  südeuropäischen.  Alle  treten  auch  in 
Südeuropa  auf,  jedoch  viele  bisher  nicht  in  Saaten.  Die  Unkräuter  der 
Turkestaner  Luzerne  können  dagegen  den  kontinentaleren  Charakter  des 
dortigen  Klimas  nicht  verleugnen. 

VI.  Osteuropäische  Provenienz. 

(Österreich-Ungarn,  Russland.) 

Silene  diahotonna  Ehrh.  in  russischem  Rotklee  typisch,  nun  auch 
in  schlesischem  und  süddeutschem,  jedoch  nie  in  so  grosser  Zahl, 

Vaccaria  segetalts  Garcke  in  russ.  Getreide  und  Rotklee, 

Delphin'nim  Consolkla  L.  in  ungar.  Rotklee, 

Nigella  arvensis  L.  in  ung.  Rotklee, 

Glauciuin  covniculatuni  Crtz.  in  ungar.  und  russ.  Rotklee, 

Berteroa  incaua  DC.  in  russ.  Rotklee, 

Canielina  deufata  Pers.  in  russ,  Lein, 

Urysimuni  Orientale  R.  Br.  in  russ.  Getreide,  selten  in  Rotklee 
und  Senf, 

Lathijrus  Apliaca  L,  in  ungar.  Trieurwicke, 

Lathyrus  hirsufus  L.  in  ungar.  Trieurwicke, 

Vicia  hdhyroides  L.  in  ungar.  Knaulgras, 

Hibiseus  Trionum  L.  in  ungar.  und  russ.  Rotklee, 

Lyfhrum  hyssopifolhim  L.  in  ungar.  Rotklee, 

Bifora  radialis  M.  B.  in  ungar.  Trieurwicke, 

Uchiuo.bfpermum  Lappida  Lehm,  in  ungar.  u.  russ.  Rotklee, 

Siderifis  monfana  L.  in  ungar.  Rotklee, 

Ballotn  nigra  L.  in  ungar.  Rotklee, 

Hyoscyanms  niger  L.  in  russ.  Rotklee, 

Galiuni  fricorne  With.  in  ungar.  Trieurwicke,  auch  galizischen  und 
anderen  osteurop.  Saaten, 

Anthetnis  austriaca  Jacq.  in  ungar.  Rotklee, 

Carduas  acanthoides  L.  in  russisch  Rotklee, 

Centaurea  maculosa  Koch  in  ungar.  Rotklee. 


230       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Bügleitsamen: 
Sefaria  glaiica  Beauv.  in   osteurop.  Saaten    viel    häufiger    als    in   west- 

europ.,  so  auch  alle  folgenden: 
Setaria  viridis  Beauv.,    Polygonion  lapothifoliuni  Ivoch,    Clwiiopodium 

alhn})i  L,,  Mehtndryu)))  album  Garcke,    Thlaspi  arvense  L.,  Lepi- 

dium  campesfre  R.  Br.,  Coronilla  varia  L .,  GaJega   off\einalis  L., 

Conium  maculatum  L.,  Cmicalis  daucoides  h.,  DruitcUd  olha  Fall.. 

Salvia    vcrücUlata  L.,     Dipsacus    fuUonuvi    Mill.,     Crepis    iecto- 

7'U)II   L. 

Die  osteuropäischen  Saaten  sind  ausserordentlich  schwer  sicher 
zu  bestimmen  und  von  mitteleuropäischen  zu  trennen,  da  sie  ganz  all- 
mählich in  diese  übergehen  und  eine  sichere  Grenze  kaum  zu  ziehen 
ist.  Ausserdem  sind  die  osteurop.  Unkräuter,  wie  das  Beispiel  der 
Sileiie  dirhoto))ia  beweist,  in  Westeuropa  leichter  als  jede  andere  Pro- 
venienz einzubürgern.  Am  besten  zum  Ziele,  zur  Bestimmung  einer 
Saat  als  osteuropäisch,  führt  die  Beachtung  aller  Unkräuter  in  einer 
Probe  (Anlegung  eines  Verzeichnisses),  das  Gesamtbild  gibt  bessern  An- 
halt als  einzelne  Samen,  Einzelne  russische  und  einzelne  ungarische 
Provenienzen  (d.  h.  aus  bestimmten  Gegenden)  sind  übrigens  sehr  leicht 
zu  erkennen;  die  Mohrzahl  ist  schwer  von  mitteleuropäischen  zu  trennen, 
lue  Erkennung  von  Mischungen  gelingt  (wegen  der  Akklimatisations- 
befähigung  der  osteuropäischen  Unkräuter)  nur  in   Ausnahmefällen. 

VII.  Südamerikanische  Provenienz 

(Chile,   Argentinien.) 

Medicago  denticulatc    Willd.  in    chilen.    Rotklee    (auch   in  syr.  Wickel), 
Medicago  uniculata  ^\'illd.   in  chilen.   Rotklee, 
Melilotus  parrifiortis  Desf.  in  chilen.  Rotklee, 
Animi   Visnaga  L.  in  chilen.  Rotklee, 

Ciisruta  raceviosa  Mart.   in    chilen.   Rotkleo,    mit    diesem    nach    Europa 
(Ungarn,    England,    Ueutschland    usf.)    verschleppt,    auch   in   süd- 
französischer Luzerne  seit   1840  eingebürgert, 
Ceratochfoff  ausfralfs  Sprgl.   in  argentinischer  Luzerne:  ist  in  Süd- 
amerika einheimisch. 

Nur  Ciisciifcf  rdccmosd  ist  ein  autochthon  südamerikanisches  Un- 
kraut, ab(M'  (wie  alle  Parasiten!)  leicht  verschleppbar  und  nun  schon 
längst  in  v^üdf rankreich  und  in  neuorer  Zeit  auch  in  anderen  europ. 
Staaten  eingebürgert.  Alle  anderen  Unkräuter  sind  ursprünglich  mediterran. 

Die  meisten  der  von  uns  gefundenen  und  bestimmten  Arten  sind 
jeweilig   in  unseren  .lahresberichten  aufgeführt    worden,    und    viele  sind 


F.  Gr.  Stehler,  Die  Herkunftsbestimmung  der  Saaten.  231 

in  dem  Werke  „Die  besten  Futterpflanzen"')  abgebildet  nnd  kurz  be- 
schrieben. 

Es  ist  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  Versuchsanstalten,  diesen 
Zweig  der  Samenuntersuchung  auszubauen.  Wie  schon  gesagt,  haben 
wir  uns  in  Zürich  seit  mehr  als  zwanzig  Jahren  mit  dem  Gegenstand 
befasst  und  dabei  reiche  Ernte  gehallen.  Jeder  Same,  den  wir  in  einer 
Probe  finden  und  den  wir  nicht  kennen,  wird  auf  die  Seite  getan  und 
kultiviert;  er  wird  angekeimt,  die  Keimpflanze  wird  dann  in  einen  Topf 
pikiert,  zuerst  im  Glashause  und  im  Sommer  im  freien  Lande  kultiviert, 
beobachtet  und  später  bestimmt.  So  haben  wir  im  Laufe  der  Jahre  eine 
grosse  Anzahl  charakteristischer  Arten  herausgebracht. 

Jede  Station  sollte  es  sich  zur  Aufgabe  machen,  vorerst  die  Pro- 
duktion im  eigenen  Lande  nach  dieser  Richtung  zu  untersuchen.  Sie 
ist  am  besten  in  der  Lage,  die  einheimischen  Unkräuter  zu  unterscheiden. 
Die  Pflanzen  sollten  auf  dem  Felde  beobachtet  und  nachher  die  Samen 
in  der  Saat  gesucht  und  bestimmt  werden.  Es  sollten  von  jeder  einzelnen 
Provenienz  Übersichten  zusammengestellt  und  die  typischen  Arten  her- 
vorgehoben werden.  Dann  wäre  es  wünschenswert,  wenn  die  ver- 
schiedenen i\nstalten  gegenseitig  in  Tausch  treten  würden,  denn  für 
manche  ist  es  sehr  schwer,  gewisse  Samen  zu  bekommen,  während  es 
einer  anderen  Anstalt  sehr  leicht  ist,  eine  grosse  (Quantität  Samen  zu 
erhalten. 


Vorsitzender:  Wünscht  einer  der  Herren  eine  Anfrage  zu 
stellen  oder  sich  über  den  Gegenstand  auszusprechen? 

Geh.  Hof  rat  Prof.  Dr.  Drude- Dresden:  Ich  wollte  den  an- 
regenden Worten  des  Herrn  Vortragenden  nur  die  Bemerkung  hinzu- 
fügen, dass  es  vom  Standpunkte  der  angewandten  Botanik  aus  sehr 
interessant  erscheint,  den  für  Deutschland  charakteristischen  Unkräutern 
nachzuspüren,  inwieweit  sie  sich  in  Kleefeldern  vorfinden.  Eine  ganze 
Reihe  von  den  Pflanzen,  die  hier  genannt  sind,  findet  sich  in  Alitte!- 
deutschland  vor.  Die  Centaurea  z.  B.  ist  im  Gebiete  von  Halle  so 
charakteristisch,  dass  sie  in  erster  Linie  auf  Odländereien  vorkommt, 
dann  aber  auch  auf  besseren  Boden  sich  überträgt;  so  habe  ich  sie 
selbst  zwischen  Klee  und  auf  Brachäckern  gesehen.  Für  das  Zentrum 
von  Deutschland    wäre    es  von    grossem    Interesse,    dem  nachzuspüren. 


1)  Die    besten    Futterpflanzen.     1.  Teil,    :3.  Auflage    1902:    II.  Teil, 
3.  Auflage  1907. 


232        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

inwieweit  die  östlichen  Unkräuter  von  Ungarn,  Mähren  usw.  sich  dem 
Herzen  Deutschlands  nähern,  inwieweit  sie  noch  Anteil  nehmen  kfinnen 
an  der  Vegetation,  Dass  bei  uns  in  dem  käuflichen  Kleesamen  solche 
Unkräuter  nicht  mehr  nachgewiesen  sind,  kommt,  glaube  ich,  daher 
dass  die  Felder,  in  denen  wir  solche  Unkräuter  finden,  gew()hnlich  in 
schlechter  Kultur  stehen  und  nicht  zum  Anbau  von  Saatgut,  sondern 
nur  zum  Anbau  von  Futterpflanzen  benutzt  werden.  Von  hohem  Inter- 
esse würde  es  daher  sein,  dass  wir  nicht  nur  die  Vermischung  der 
Saat  feststellen,  sondern  auch  das  Vorkommen  der  Unkräuter  auf  den 
deutschen  Fluren  selbst.  Ich  halte  die  Mitarbeit  von  Beobachtern  in 
den  verschiedenen  Teilen  Deutschlands  für  sehr  erwünscht,  um  nicht 
nur  die  Saat,  sondern  auch  das  Gedeihen  der  Unkräuter  auf  unseren 
Feldern  zu  untersuchen.  Ich  erkläre  mich  auf  das  Vielseitigste  ange- 
regt durch  die  Ausführungen  des  Herrn  Kollegen  Stehler  und  habe 
nur  von  meinem  Standpunkte  aus  diese  Anregungen  weiter  führen 
wollen. 

Vorsitzender:  Wünscht  noch  jemand  das  Wort?  Wenn  es  nicht 
der  Fall  ist,  so  glaube  ich  im  Sinne  aller  Herren  zu  sprechen,  wenn  ich 
dem  Kollegen  Stehler  den  besten  Dank  ausspreche  für  seinen  ausge- 
zeichneten Vortrag.  Ich  möchte  mir  erlauben,  die  Anregung,  die  Kollege 
Stehler  gegeben  hat,  zu  unterstützen.  Wenn  es  überhaupt  gestattet  ist, 
die  Sache  in  Form  von  Anträgen  in  eine  bestimmte  Richtung  zu  leiten,, 
so  würde  ich  glauben,  dass  es  angezeigt  wäre,  dass  wir  es  zum  min- 
desten als  wünschenswert  betrachten,  dass  die  Stationen  untereinander 
dieser  Anregung  Folge  leisten  und  in  Form  eines  nocn  näher  zu  be- 
stimmenden Fragebogens  sich  über  ihre  Wahrnehmungen  hinsichtlich 
der  Provenienz  alljährlich  aussprechen,  und  dass  Tatsachen,  die  gefunden 
worden  sind  und  die  für  die  Publikation  noch  nicht  genügendes  Material 
bieten,  ausgetauscht  werden,  damit  wir  auf  diese  Weise  in  den  Stand 
gesetzt  werden,  auch  in  dieser  Frage  einen  Fortschritt  zu  verzeichnen. 
Ich  würde  bitten,  sich  noch  darüber  zu  äussern,  ob  die  Herren  sich  mit 
den  in  Form  eines  Antrages  oder  einer  Anregung  geäusserten  Wünschen 
des  Kollegen  Stehler  hinsichtlich  des  Austausches  der  mit  den  ver- 
schiedenen Provenienzen  gemachten  Erfahrungen  einverstanden  erklären. 
Ich  möchte  bitten,  dass  das  vom  Ausschuss  in  das  Resume  aufge- 
nommen wird. 

Dr.  V.  Deg'eii-Budapest:  Geehrte  Versammlung!  Ich  würde  vor- 
schlagen, dass  die  Sammlung  dieser  Daten  in  einer  Zentralstelle  erfolge, 
w^elche  die  eingelaufenen  Daten  zu  bearbeiten  hätte.  Ich  halte  es  aber 
für  unbedingt  notwendig,  dass  die  Daten  durch  Belege  gestützt  werden, 
wenn  möglich    durch  Samen,    noch    besser  durch  eine  daraus  gezogene 


Die  Herkuni'tsbestimmuDg  der  Saaten.  233 

Pflanze.  Jede  Angabe  über  Provenienzunkräuter  zieht  gewisse  Folgen 
nach  sich;  deshalb  ist  es  unbedingt  notwendig,  dass  alle  diese  Angaben 
sicher  begründet  sind.  Ich  erlaube  mir  vorzuschlagen,  dass,  wenn  die 
Züricher  Station  sich  dieser  Aufgabe  unterziehen  will,  diese  Station  als 
das  Zentrum  bezeichnet  werde. 

Vorsitzender:  Die  Herren  haben  die  Anregung  gehört,  und  ich. 
bitte,  sich  darüber  zu  äussern.  Ich  erlaube  mir  hinzuzufügen,  dass  ich 
dasselbe  gedacht  habe.  Um  aber  nicht  weiteren  Anregungen,  welche 
von  meiner  Seite  hinsichtUch  der  zukünftigen  Gestaltung  unserer  Be- 
ratungen ausgehen  werden,  vorzugreifen,  möchte  ich  mir  erlauben,  darauf 
aufmerksam  zu  machen,  dass  wir  beabsichtigen,  eine  internationale 
Kommission  zusammenzusetzen,  welche  alle  diese  Fragen,  die  heute  und 
an  den  folgenden  Tagen  als  akut  bezeichnet  werden  und  die  den  Gegen- 
stand weiterer  Arbeit  und  Beratung  bilden,  sammelt  und  das  Weitere 
veranlasst.     Wünscht  zu  dieser  Frage  noch  jemand  das  Wort'.' 

Dr.  Stebler:  Ich  habe  immer  mit  Interesse  die  neuen  Daten  der 
Versuchsanstalten  verfolgt  und  habe  sie  in  den  Publikationen  auch  immer 
zu  Rate  gezogen,  soweit  sie  mir  Gewähr  boten.  Es  ist  deshalb  sehr 
wünschenswert,  dass  die  Bestimmungen  durch  Material  belegt  würden. 
Wenn  man  Pflanzen  vor  sich  hat,  so  hat  die  Sache  erst  Wert.  Ich  bin 
sehr  gern  bereit,  alles  Material,  das  mir  zugeschickt  wird,  zu  verwerten. 
Das  wird  am  besten  in  unseren  Jahresberichten  geschehen.  Für  jede 
Kleinigkeit  ist  man  ja  dankbar,  denn  es  ist  immer  ein  Baustein  mehr 
zum  grossen  Gebäude. 

Vorsitzender:  Wünscht  noch  jemand  zu  dem  Gegenstande  zu 
sprechen?  Das  ist  nicht  der  FaU.  Wir  können  deshalb  zu  dem  zweiten 
Punkte  unserer  Tagesordnung  übergehen,  nämlich  der  Wertbestimmung 
der  Rübensamen.  Das  Referat  fällt  mir  zu;  ich  bitte  deshalb  Herrn 
Professor  Zacharias  den  Vorsitz  zu   übernehmen. 

Prof.  Dr.  Zacharias  übernimmt  den  Vorsitz. 


234        Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Die  Wertbestimmung  der  Rübensamen. 

Von 

Hof  rat  Dr.  Tli.  v.  Weiiizierl-Wien. 

Eine  ausserordentlich  wichtige  Frage  der  Samenkontrolle,  die  so- 
wohl in  praktischer  wie  auch  in  theoretischer  Hinsicht  insbesondere  jene 
Anstalten  ausserordentlich  in  Anspruch  nimmt,  die  in  Zentren  des  Rüben- 
samenhandels,  namentlich  aber  des  Handels  mit  Zuckerrübensamen  liegen, 
ist  die  Frage  nach  der  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  Ich 
brauche  hier  nicht  eine  erschöpfende  historische  Darstellung  zu  geben, 
zumal  eine  Zusammenstellung')  mit  ausserordentlicher  Raschheit  durch 
Herrn  Kollegen  Voigt  bewirkt  worden  ist,  sondern  ich  will  diejenigen 
Modifikationen  besprechen,  welche  auf  Grund  der  an  unserer  Anstalt  in 
\\'ien  gemachten  Untersuchungen  sich  hinsichtlich  der  Samenkontrolle 
gewiss  als  anwendbar  bezeichnen  lassen. 

Bekanntlieh  wurden  an  allen  Anstalten  bei  Bewertung  des  Rüben- 
samens mit  Ausnahme  der  sogenannten  Magdeburger  Normen  die  Grössen- 
verhältnisse  der  Knäuel  nicht  in  Rücksicht  gezogen.  Es  ist  ein- 
leuchtend, aus  welchen  Gründen  dies  geschah.  Die  Gründe,  welche 
speziell  mich  veranlasst  haben,  s.  Zt.  gegen  diese  Gliederung  in  gross- 
iind  kleinkörnige  Saat  mich  auszusprechen,  liegen  einfach  darin,  dass 
es  bei  der  Beurteilung  einer  Saat  an  der  Grenze  der  Grob-  und  Klein- 
körnigkeit —  wenn  man  in  Betracht  zieht,  wie  gross  der  AnalysenfehU^r 
ist  —  vorkommen  kann,  dass  ein  und  dieselbe  Saat  nach  der  einen 
Analyse  als  kleinkiUMiig  und  nach  der  anderen  Analyse  als  grobkörnig 
bezeichnet  und  infolgedessen  nach  zwei  verschiedenen  Massstäben  be- 
urteilt und  somit  zwei  verschiedenen  Anforderungen  entsprechen  würde. 
I>ass  aber  der  Rübensamen  eine  ausserordentliche  Mannigfaltigkeit  in 
den  Grössenverhältnlssen    bietet,    das  weiss    jeder,    der    nicht    nur    den 

')  Technische  Vorschriften  für  die  Wertbestimmung  von  Saatwaren 
I.  des  Verbandes  landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  im  Deutschen  Reiche, 
IL  des  Verbandes  landwirtschaftlicher  Versuchsstationen  in  Russisch  -  Polen, 
III.  für  die  mit  Staatssubvention  errichteten  Samenkontrollstationen  der  nor- 
dischen Reiche:  Dänemark,  Norwegen  und  Schweden.  IV.  für  die  Association 
of  American  Agricultural  Colleges  and  Experiment  Stations,  sowie  Durch- 
schnittsresultate für  die  wichtigsten  Futterpflanzen  und  ein  Bericht  über  die 
Samenkontrolle  in  Schweden.  Nach  dem  vorhandenen  Material  zusammen- 
gestellt und  als  Manuskript  gedruckt  für  den  ersten  internationalen  Kongress 
für  vSamenprüfungen  in  Hamburg,  September  1906. 


Th.  V.  Weinzier],  Die  Wertbestimmuüg  der  Rübensamen.  235 

Rübensamen  des  Handels,  der  vielfach  nicht  von  ein  und  derselben  Saat 
herstammt,  kennt,  sondern  der  auch  mit  Kulturversuchen  sich  befasst  und 
selbst  Aberntungen  vorgenommen  hat.  Wenn  man  die  Entwickelung 
der  Rübenknäuel  verfolgt,  kann  man  wahrnehmen,  dass  man  die  ver- 
schiedenartigsten Grössenverhältnisse  vorfindet.  Es  würde  zu  weit 
führen,  durch  rechnerische  Beispiele  die  Relation  darzulegen,  welche 
zwischen  der  Körnergrösse,  dem  Gewichte,  und  der  aus  einer  gewissen 
Anzahl  von  Knäueln  hervorgegangenen  Keimlinge  sich  herstellt;  es  würde 
ferner  zu  weit  führen,  durch  Beispiele  klar  zu  legen,  dass  eben  gerade 
■die  Grösse  ausschlaggebend  ist,  wenn  man  auch  noch  das  Gewicht  der 
Körner  in  Berücksichtigung  zieht,  oder,  wie  wir  in  unserem  Gutachten 
sagen,  die  Anzahl  der  Körner  in  einem  bestimmten  Gewicht  der  Ware. 
Die  Grössenverhältnisse  des  Rübensamens  sind,  wie  gesagt,  zuerst  bei 
den  Magdeburger  Normen  berücksichtigt  worden,  aber  der  Umstand,  dass 
man  nur  die  Extreme  aufgestellt  hat,  hat  wieder  dazu  geführt,  die 
Sache  mehr  oder  weniger  als  undurchführbar  zu  bezeichnen,  und  hat 
auch  mit  sich  gebracht,  dass  die  anderen  Anstalten  sich  diesen  Normen 
nicht  angeschlossen  und  dass  weder  die  Berliner,  noch  die  Hallenser 
noch  die  Wiener  Normen  von  dieser  Abstufung  und  Abtrennung  An- 
wendung gemacht  haben. 

Ein  anderer  Umstand,  meine  Herren,  der  Ihnen  ja  sehr  gut  be- 
kannt ist  und  als  ein  sehr  grosser  Übelstand  in  unserer  Arbeit  be- 
zeichnet werden  muss,  ist  die  erste  Proben  Ziehung.  Wir  wissen  ja 
schon  von  anderen  Sämereien,  welche  Schwierigkeiten  es  macht,  ein 
entsprechendes  Durchschnittsmuster,  also  ein  Analysenmuster,  zu 
ziehen.  Bei  Rübensamen,  welcher  die  verschiedenste  Anzahl  von  Einzel- 
früchten enthält,  fällt  das  um  so  mehr  ins  Gewicht  resp.  ist  das  um  so 
bedenklicher,  wenn  man  aus  dieser  Zahl  Umrechnungen  für  den  Ge- 
brauchswert des  Rübensaatgutes  macht.  Wir  sind  uns  der  Mängel  und 
der  Schwächen  unserer  derzeitigen  bislang  verwendeten  Rübensamen- 
untersuchungsmethoden  bewusst  gewesen.  Wie  die  Herren  aus  unseren 
Jahresberichten  kennen  dürften,  geht  uns  alljährlich  eine  grosse  Zahl 
von  Zucker-  und  Futterrübensamen  zu,  denn  die  Gesamtproduktion  von 
Österreich  und  ein  Teil  der  ungarischen  Produktion  sind  an  den  Einkauf 
von  Rübensamen  gebunden,  und  der  ganze  Handel,  der  nach  Schluss- 
briefen erfolgt,  schliesst  nach  gewissen  Normen  der  Versuchsstationen 
al).  Wir  sind  nicht  nur  in  einer  gewissen  Zwangslage  gewesen,  sondern 
wir  haben  es  auch  als  unsere  Pflicht  und  unsere  Aufgabe  angesehen, 
Verbesserungen  hinsichtlich  der  Rübensamenunterbuchung  anzustreben. 
Wir  sind  dabei  wieder  auf  unsere  ursprüngliche  Idee,  nämlich  Heran- 
ziehung   der    Grössenverhältnisse  als  Massstab,    zurückgekommen.     Das 


236      Verhindlaag   en  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Thema,  welches  hier  vorgelegen  hat,  wurde  zwei  Herren  meiner  Anstalt 
schon  vor  zwei  Jahren  übergeben.  Sie  haben  nach  eitriger  und  mühe- 
voller Arbeit,  wie  ich  glaube  und  wie  aus  der  hierüber  schon  publizierten 
Arbeit')  zu  entnehmen  ist,  tatsächlich  die  Frage  gelöst,  insofern  als  es 
ihnen  gelungen  ist,  eine  Methode  herauszufinden,  nach  welcher  man 
möglichst  einwandfreie,  richtige  und  gute  Durchschnittsmuster  ziehen 
liann.  Das  ist  die  Sache,  mit  der  man  anzufangen  hat.  Man  ist 
schliesslich  dahin  gelangt,  dass  man  ein  eingelaufenes  Mustor  von 
250 — 300  g  in  einer  kugelförmigen  Glasschale  gut  durcheinander  mischt 
und  so  sorgfältig  wie  möglich  mit  Einbeziehung  des  betreffenden  Restes 
der  Verunreinigungen  ein  Muster  für  die  Analyse  herstellt  Dieses 
Muster  wurde  für  die  Reinheitsbestimmung,  dann  für  die  Auszählung 
der  Körner  nach  der  Zählmethode  und  schliesslich  für  die  Ermittelung 
des  Wassergehaltes  verwendet.  Nun  ist  es  gewissermassen  die  Subjek- 
tivität gewesen,  die  den  Ausschluss  grösserer  Differenzen  verursacht. 
Ich  meine,  wenn  ein  und  derselbe  Analytiker  immer  ein  und  dieselbe 
Arbeit  ausführt,  so  gleichen  sich  Versuchsfohler  wieder  aus;  sie  wachsen 
dagegen  bedeutend,  wenn  ein  anderer  diese  Handgriffe  übernimmt  und 
die  Subjektivität  damit  verloren  geht.  Wir  sind  darauf  ausgegangen, 
durch  eine  maschinelle  Vorrichtung  eine  möglichst  vollständige  Durch- 
schnittsprobe zu  bekommen.  Der  Probeziehungsapparat^)  besteht 
aus  einem  Trichter,  in  welchem  250  g  Saat  eingeführt  werden.  Von 
hier  aus  gelangt  der  Rübensamen  in  einen  horizontalen  Zylinder,  in 
welchem  das  langsam  einfallende  Rübensaatgut  mittelst  einer  Schnecke 
nach  vorwärts  geschoben  wird  und  schliesslich  auf  eine  langsam  rotierende 
Scheibe,  welche  in  zehn  Segmente  eingeteilt  ist,  fällt.  Die  Übertragung 
durch  Zahnräder  ist  eine  derartige,  dass  die  Umdrehungsgeschwindigkeit 
der  Scheibe  die  Arbeit  des  Apparates  nicht  alteriert,  da  mit  der  Um- 
drehungsgeschwindigkeit der  Scheibe  auch  das  Ausfliessen  des  Samens 
in  gleichem  Verhältnis  zu-  oder  abnimmt  und  die  Scheibe  daher  nicht  weiter 
kontrolliert  zu  werden  braucht;  der  Apparat  kann  mit  der  Hand  oder  durch 
einen  Motor  in  Bewegung  gesetzt  werden.  Wenn  also  das  Ausfliessen 
des  Saatgutes  hier  beendet  ist,'  so  können  diese  Segmente  als  Schüssel- 
chen aus  dem  Probezieher  herausgenommen  werden,  und  man  hat  jetzt, 
wenn  man  beispielsweise  bis  zu  200  g  aufgeschüttet  hat,    ein  Quantum 


^)  Körners,  K.  u.  Freiidl,  E.,  Die  Wertbestimmving  des  liübensamens 
(Österr.-Ungar.  Zeitschr.  f.  Zuckerindustrie  u.  Landwirtsch.  1!)()6,  H.  5,  105  S. 
m.  3  Abb.  u.  3  Taf.  —  Mittig.  d.  k.  k.  Samenkontrollstation  in  Wien  No.  334. 
Wien  [W.  Frick]  190()). 

^)  Probeziehungsapparat  für  Rübensanieu  nach  K.  Komers,  verbessert 
von  E.  Freudl.     (Wiener  Landwirtsch.  Ztg.  1905,  No.  45,  m.  Abb.» 


Th.  V.  Weinzierl,  Die  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  237 

von  20  g  in  jeder  Schale  Ich  brauche  nicht  zu  erwähnen,  dass  der 
Apparat  so  vollständig  arbeiten  muss,  dass  sämtliche  Verunreinigungen, 
auch  Staub,  mit  herausbefördert  werden,  was  durch  die  eng  an  den 
Zylinder  anschliessende  Schnecke  bewirkt  wird. 

Durch  dieselben  Assistenten,  die  seit  Jahren  mit  der  Sache 
zu  tun  haben,  und  deren  Subjektivität  infolgedessen  am  geringsten  ist, 
und  die  auch  diese  Maschine  bedient  haben,  sind  viele  Vergleichs- 
versuche gemacht  worden,  sodass  wir  vergleichen  konnten,  innerhalb 
welcher  Grenzen  die  Schwankungen  liegen.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass 
die  Schw^ankungen  nur  sehr  geringe  waren.  Auch  diese  Frage  der  Fehler- 
grenze und  Schwankungen  ist,  soweit  sie  mathematisch  gefasst  werden 
kann,  in  der  genannten  Arbeit  zum  Ausdruck  gebracht  und  unter 
Benutzung  des  Gaussschen  Fehlergesetzes  die  Schwankungen  der 
Keimungsresultate  der  in  Vergleich  gezogenen  Methoden  berechnet. 
Allerdings  muss  ich  sofort  bemerken,  bevor  ich  von  einer  Bestimmung 
der  .Fehler  spreche,  dass  es  ja  andererseits  der  Umstand,  dass  wir 
etwas  rascher  mit  der  Publikation  vorgehen,  es  nicht  ermöglicht  hat, 
auch  mit  anderen  Stationen  gleichzeitig  Versuche  anzustellen,  und 
daher  eigentliche  systematische  Fehler  nicht  haben  berücksichtigt  werden 
können.  Das  wäre  eine  jener  Anregungen,  welche  auch  von  unserer 
Konferenz  ausgehen  sollten,  und  ich  würde  es  als  einen  besonderen 
Erlolg  unserer  Konferenz  ansehen,  wenn  wir  auf  Grund  dieser  Vorschläge 
und  Anträge  tatsächlich  die  Arbeit  nach  dieser  Methode  unter- 
einander durchführen  und  vergleichende  Proben  austauschen  und  somit 
zu  einer  Nutzanwendung  unserer  theoretischen  Auseinandersetzungen 
gelangen.  Ich  habe  das  nur  bemerkt,  weil  gewiss  jeder,  der  die  Arbeit 
aufmerksam  liest  und  die  weitgehenden  Berechnungen  sieht,  diesen  Ein- 
wand erheben  wird.  Es  ist  vorbehalten,  diesen  sogenannten  systema- 
tischen Fehler  zu  finden,  worüber  sich  erst  dann  völlige  Klarheit  ergeben 
wird.  P]r  wird  zweifellos  nicht  so  gross  sein,  wie  er  nach  der  früheren 
Methode  war. 

Als  ein  weiterer  Fortschritt  muss  die  Tatsache  betrachtet  werden, 
dass  es  durch  diese  Arbeit  gelungen  ist,  die  Grössenverhältnisse 
der  Knäuel  in  einer  Probe  nicht  nur  zum  Ausdruck  zu  bringen,  sondern 
auch  tatsächlich  die  zur  Keimung  notwendigen  100  Knäuel  nach  einem 
einfachen  Schlüssel  genau  auszurechnen.  Auf  diese  Weise  wird  eine 
der  wichtigsten  Fehlerquellen,  die  wir  immer  alle  bedauert  haben, 
und  die  zu  grossen  Differenzen  geführt  hat,  bedeutend  eingeschränkt. 
Der  eingeschlagene  Weg  ist  folgender:  Es  wird  nach  dieser  Muster- 
ziehung zunächst  eine  Reinheitsbestimmung  gemacht:  auch  hier  haben 
wir  eine   andere  Auffassung   unserer  Wertbestimmung  zugrunde    gelegt. 


238        Verhandlungen  der  I.  intelnationalen  Konferenz   für  Samenprülung. 

indem  wir  nicht  bloss  den  ausgesiebten  Samen  als  reinen  Samen  ange- 
sehen haben,  sondern  wir  haben  uns  die  Frage  gestellt,  welche  Menge 
von  sogen.  Abfallknäueln  in  einer  Probe  vorhanden  ist,  und  wir  be- 
zeichnen diejenigen  Knäuel,  welche  durch  ein  2  mm-Schlitzsieb  hindurch- 
fallen, als  sogen.  Abfallknäuel.  Wir  haben  jetzt  also  durch  die  Hand- 
auslese und  durch  das  Sieben 

1.  volle  und  reine  Knäuel, 

2.  Verunreinigungen,    als  da    sind    Staub,    Erde,    fremde  Bestand- 
teile,  und 

3.  Abfallknäuel  —   und  das  haben  wir  bisher  nicht  berücksichtigt. 
Es    ist    wiederholt    die  Frage   aufgestellt    worden:    soll   man  jetzt, 

wenn  man  das  Sieb  verwendet,  den  gesamten  Abfall  als  Verunreinigung 
ansehen,  oder  sind  diese  kleinen  Knäuel  noch  keimfähig,  liefern  sie  noch 
Pflanzen?  Es  sind  bekanntlich  eine  Menge  Arbeiten  gemacht  wordeiu 
die  ergeben  haben,  dass  man  gewiss  auch  noch  Pflanzen  davon  bekommt, 
dass  das  aber  im  grossen  und  ganzen  ein  Quantum  ist,  welches. man 
unbedingt  vernachlässigen  kann,  und  dass  das,  was  früher  als  Abfall- 
knäuel in  den  Verunreinigungen  enthalten  war,  überhaupt  als  fremde 
Bestandteile  angesehen  werden  kann.  Dieser  Vorgang  war  es  ja,  welcher 
tatsächlich,  ich  muss  es  selbst  sagen,  herausgefordert  hat,  dass  man 
eben  sagt:  ja,  die  Knäuel,  die  geerntet  sind,  die  auch  noch  keimfähig 
sind,  können  unmöglich  deshalb,  weil  sie  klein  sind  und  durch  das  Sieb 
hindurchfallen,  als  fremde  Bestandteile  bezeichnet  werden;  etwas  Fremdes 
ist  ja  gar  nicht  hineingekommen.  Es  war  deshalb  notwendig,  die  Sache 
in  der  Form  zu  machen,  dass  man  die  Abfallknäuel  besonders  behandelte. 
Man  hat  verschiedene  Rübensamen  untersucht  und  ist  zu  interessanten 
Resultaten  gekommen.  Man  kann  jetzt  sogar  das  Gemenge  konstatieren, - 
in  welchem  Verhältni'^  der  Prozentsatz  der  Abfallknäuel  zu  der  ganzen 
Ware  steht.  Kurz  und  gut,  es  ist  dieser  höchst  einfache  Gesichtspunkt 
von  nicht  unbeträchtlicher  Bedeutung  geworden.  Nun,  ich  will  die 
Sache  nicht  weiter  ausführen,  die  Konsequenzen  ergeben  sich  von  selbst, 
und  die  Beweisführung  für  diese  Darlegungen  ist  in  dem  kleinen  Referat 
enthalten. 

Wir  haben  also  mit  anderen  Worten  1.  eine  Probezieliung,  die 
möglichst  fehlerfrei  ist.  Wir  haben  endlich  bei  der  Wertbemessung  die 
Abfallknäuel  hinzugenommen.  Wir  mussten  daher  von  Anfang  an  aus 
einer  Probe  eine  grössere  Anzahl  von  Mustern  ziehen,  und  da  hat  sich 
die  Einteilung  in  Segmente  gut  bewährt.  Nun  wurde  ein  System 
von  Sieben  in  Verwendung  genommen  und  zwar  von  7 — 2  mm.  Ich 
werde  mir  erlauben,  ein  einziges  Zahlenbeispiel  anzuführen.  Wir  haben 
z.  B.  von  Knäueln  als  Rückstand  gefunden:  auf  dem  6  mm-Sieb  in  dem 


Th.  V.  Weinzierl,  Die  Wertbestiminung  der  liübensamen. 


239 


einen  Falle  0,  in  dem  anderen  Falle  12  —  es  handelte  sich  nämlich  um 
zwei  verschiedene  Rübensamenposten  • — ,  auf  dem  Sieb  5  mm  waren  9 
bzw.  44,  auf  dem  4V2  nim-Sieb  waren  68  bzw.  112  usw.  Ich  will  nicht 
alle  Zahlen  anführen,  ich  erwähne  nur,  dass  auf  dem  3,5  mm-Sieb  die 
höchste  Ziffer  von  305  einerseits  und  208  andererseits  erreicht  wurde, 
während  auf  Sieb  2  die  eine  Probe  176  und  die  zweite  Probe  0  gezeigt 
hat.  Damit  ist  schon  bewiesen,  welche  Extreme  vorhanden  sind.  Und 
nun  haben  wir  eine  Anzahl  von  Knäueln  gehabt,  welche  nach  demselben 
Verhältnis  auszulegen  waren.  Es  ist  jetzt  ganz  einfach.  Ich  habe  zum 
Keimversuch  auszulegen 

von  den  Rückständen    des    6       mm-Siebes  0  2 

5         „        „         1 

4^2      .,        .         Ö 
4 


3 

2V2 


9 


9 
28 
21 
19 
16 


i 
17 
21 
31 
20 
2 
0 


das  macht  zusammen     100        100 

Ich  habe  auf  Grund  des  Prozentverhältnisses  sofort  den  Schlüssel, 
wieviel  ich  von  den  Siebprodukten  wegzunehmen  habe.  Die  so  zu- 
sammengestellten 100  Knäuel  besitzen  dasselbe  Mischungsverhältnis,  wie 
es  in  der  Probe  wirklich  vorhanden  ist.  Das  war  eine  ausserordentlich 
wichtige  Tatsache,  und  es  ergibt  sich  denn  auch  aus  den  Vergleichs- 
versuchen, dass  die  Proben,  die  von  dem  verschiedenen  bei  der  Proben- 
ziehung   beschäftigten  Personal  ausgelegt  wurden,    gut  übereinstimmen. 

Nachdem  nun  eine  derartige  Aufstellung  gefunden  wurde,  hat  sich 
ein  weiterer  wichtiger  Bewertungsfaktor  eigentlich  von  selbst  ergeben. 
Wir  haben  lange  darüber  hin  und  her  debattiert  und  deliberiert,  welches 
Schema  der  Bewertung  man  jetzt  aufstellen  soll.  Wir  haben  ja 
bereits  gesehen,  es  gibt  nicht  nur  grosse,  mittlere  und  kleine  Knäuel 
sondern  es  gibt  so  viele  Übergänge  und  so  viele  Grenzen,  dass,  wenn 
wir  nur  drei  Abstufungen  einführen,  ganz  dasselbe  eintritt  wie  bei  zwei 
Abstufungen.  Diese  Kombination  ergibt  sich  von  selbst.  p]s  ist  nur 
die  eine  Konsequenz  gewesen,  welche  ich  mir  erlaubt  habe,  in  diese  von 
mir  herausgegebenen  modifizierten  Wiener  Normen^)  aufzunehmen, 
nämlich  eine  Tabelle,   die  von  Knäuel  zu   Knäuel  geht,    so  dass  man  nur 


1)  Wochenschr.  d.  Zentralvereins  f.  Rübenzuckerindnstrie  in  der  Österr.- 
Ungar.  Monarchie  1906,  No.  36.  —  Mitteilg.  d.  k.  k.  .Samenkontrollstation  in 
Wien,  No.  335. 


240        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprülung. 

das  Resultat  mit  der  Tabelle  zu  vergleichen  braucht  und  sieht,  mit 
welchem  Massstab  man  messen  kann.  Dass  man  auf  diese  Weise  der 
richtigen  Bewertung  des  Riibensaatgutes,  die  schwieriger  ist  als  bei  allen 
anderen  Samen,  ein  gutes  Stück  näher  gekommen  ist,  dürfte  keinem 
Zweifel  unterliegen.  Wir  haben  auch  die  verschiedenen  Parallelversuche, 
Avelche  an  unserer  Anstalt  gemacht  worden  sind,  mit  den  verschiedenen 
Qualitäten,  mit  den  grössten  Extremen,  mit  den  verschiedenen  Über- 
gängen vorgenommen;  wir  haben  künstliche  Mischungen  hergestellt  und 
g(Miau  durch  die  Analyse  die  theoretisch  festgestellten  Mittelwerte,  die 
sich  durch  Berechnung  ergaben,  durch  den  Versuch  auch  wirklich  ge- 
funden. Das  hat  gezeigt,  dass  wir  nicht  nur  schon  berechtigt  sind,  eine 
Tabelle,  welche  die  Normalwerte  für  die  Keimfähigkeit  pro  Gramm  enthält, 
aufzustellen,  sondern  dass  es  sich  eigentlich  von  selbst  versteht  in  dem 
Momente,  als  man  in  der  Lage  ist,  das  Verhältnis  der  wirklichen  Knäuel- 
grösse  in  Kalkül  zu  ziehen. 

Eine  weitere  Konsequenz  dieser  modifizierten  Bewertungsmethode 
ist  die  Ermittelung  des  Analysenspielraumes,  Das  ist  auch 
wichtig  hervorzuheben,  dass  wir  zu  der  allerdings  von  verschiedenen 
Seiten  vorgeschlagenen  und  von  uns  als  richtig  anerkannten  Einführung 
kommen  mussten,  nämlich  die  Latitude  als  Analysenspielraum  für  alle 
Fälle  gelten  zu  lassen  und  nicht  nur,  wenn  die  Ware  an  den  Grenz- 
werten ist.  Eigentliche  Grenzwerte  sind  hier  nicht  festgestellt,  sondern 
es  ist  nm^  gesagt,  ein  normales  Rübensaatgut  soll  diesen  Anforderungen 
entsprechen.  Es  ist  immer  ein  bestimmtes  Knäuelgewicht  mit  der  Keim- 
fähigkeit- in  Verbindung  gebracht,  so  dass  sich  jederzeit  durch  Rechnung 
auch  die  Keimfähigkeit  pro  100  Knäuel  aus  der  Tabelle  finden  lässt, 
weil  ja  die  Keimfähigkeit  von  100  Körnern  in  Relation  steht  zu  der 
Zahl  der  Keime  in  einem  Gramm  und  der  Zahl  der  Knäuel  in  einem 
Gramm. 

Es  ist  begreiflich,  dass  die  Bewertungsmethode  Jetzt  ein  ganz 
anderes  Bild  gibt  wie  früher.  Früher  ist  man  nicht  gewohnt  gewesen, 
die  Keimfähigkeit  durch  die  Anzahl  der  Keime  und  Knäuel  von  100  g 
auszurechnen.  Jetzt  handelt  es  sich  nur  darum,  die  Zahl  der  Knäuel  in 
einem  bestimmten  Gewicht  zu  finden  und  die  Keimfähigkeit  derselben 
zu  ermitteln,  so  ist  damit  der  dritte  Faktor,  die  Keimzahl  pro  100  Knäuel, 
bestimmt.  Es  hat  sich  weiterhin  daraus  ergeben,  dass  die  Bewertung 
der  Vergütung,  wie  wir  sie  bislang  vorgenommen  haben,  selbstverständ- 
lich auch  nicht  vollkommen  den  Anforderungen  entspricht  oder  ent- 
sprochen hat,  welche  man  hinsichtlich  der  richtigen  Verteilung  der  in 
der  Probe  enthaltenen  Rübenknäuel  verschiedener  Grösse  gestellt  hat. 
Hingegen    gestattet    diese  Bewertungstabelle   auch   in  der  Richtung  eine 


Th.  V.  Weinzierl,  Die  Wertbestimmung  der  Hübensamen.  241 

befriedigende  Lösung;  in  der  Sclirii't,  welche  ich  schon  genannt  habe, 
ist  auch  die  Berechnung  in  einem  Beispiele  durchgeführt  worden,  das 
ich  in  die  modifizierten  Wiener  Normen  aufgenommen  habe.  Das  er- 
gibt sich  von  selbst.  Man  kann  mit  anderen  Worten  jetzt  nach  dieser 
Bewertungsmethode  irgend  eine  ganz  bestimmte  Analyse,  welche  vor- 
liegt, mit  der  Tabelle  vergleichen  und  hat  dann  gleich  einen  Mass- 
stab, was  man  von  der  Ware  zu  halten  hat.  E)iese  Tabellen  sind  leicht 
zu  handhaben,  und  wenn  die  Herron  Gelegenheit  haben  werden,  was 
ich  sehr  wünschen  würde,  da  uns  die  Urheberschaft  in  diesem  Falle 
zufällt,  die  Vergleichsversuche  an  den  verschiedenen  Anstalten  durch- 
zuführen, so  wird  sich  jeder  davon  überzeugen,  dass  der  kleine  Mehr- 
aufwand an  Zeit  und  Mühe  durch  Präzision,  durch  die  befriedigende 
Lösung  und  durch  die  befriedigende  Verkleinerung  des  Analysenfehlers 
wettgemacht  wird,  und  dass  man  auf  diese  Weise  in  die  Lage  kommt, 
auch  die  Bewertung  des  Rübensaatgutes  präziser  und  mit  Rücksicht  auf 
die  Händler  zufriedenstellender  zu  ermöghchen. 

Ich  glaube,  damit  die  Hauptpunkte  dieser  Vorschläge  und  dieser 
in  der  Schrift  als  modifizierte  Wiener  bezeichneten  Normen  dargelegt 
2u  haben.  Es  würde  mich  sehr  freuen,  wenn  einer  der  Herren,  sofern 
ich  klar  genug  gewesen  bin,  die  Gelegenheit  benutzen  würde,  um  sich 
über  diese  Vorschläge  auszusprechen. 


Vorsitzender:  Wünscht  einer  der  Herren  das  Wort  zu  dem 
Referat'.' 

Prof.  Dr.  Rodewald  Kiel:  Meine  Herren!  Die  Ausführungen  des 
Herrn  Hof  rat  Dr.  v.  Weinzierl  haben  gewiss  alle  interessiert,  die  mit 
Rübenuntersuchungen  zu  tun  haben.  Ich  gehöre  nicht  zu  denjenigen, 
die  viele  Rübenuntersuchungen  machen,  trotzdem  hat  mich  diese  Arbeit, 
welche  an  der  Wiener  Versuchsanstalt  entstanden  ist,  sehr  interessiert, 
wie  überhaupt  alles,  was  auf  die  Methode  der  Keimfähigkeits-  und  der 
Reinheitsbestimmung  Bezug  hat.  Es  ist  wohl  zweifellos,  dass  durch  die 
Methodik,  die  von  Wien  aus  vorgetragen  ist,  eine  etwas  grössere  Ge- 
nauigkeit der  Reinheitsbestimmung  erreicht  wird.  Aber,  meine  Herren, 
der  schwache  Punkt  bei  der  Rübensamenuntersuchung  ist  die  Keim- 
prüfung der  Rübensamen,  denn  die  Fehler  der  Keimprüfung  zählen 
nach  10 — 20 "/o  der  Keimhnge,  während  .  die  Fehler  der  Reinheits. 
bestimmung  verhältnismässig  nur  klein  sind.  Ich  glaube  schon,  dass 
man  auch  mit  einfachem  Auswählen  —  ohne  Absonderung  der  Knäuel- 

.Jahresbericlit  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  IV.  16 


242        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

rezidive  durch  Sieben  —  zu  einem  Ergebnis  kommen  würde,  das  zu 
der  Genauigkeit  der  Keimprüfung  in  einem  wünsclienswertcn  Verhältnis 
steht.  Indessen  habe  ich  auch  nichts  dagegen,  wenn  man  durch  Sieb- 
sätze dieKnäuel  in  verschiedene  ürössenklassen  trennen  will,  aber  ich  möchte 
doch  fragen :  sind  alle  diese  Übergänge,  die  in  den  Grössen  der  ver- 
schiedenen Knäueln  vorhanden  sind,  gesetzlos,  oder  wie  sind  sie  be- 
schaffen? Es  würde  mich  sehr  interessieren,  wenn  die  Untersuchungen 
nach  dieser  Richtung  erweitert  worden  wären.  Ich  habe  früher  mal 
von  verschiedenen  Samen  (Cerealien,  Erbsen,  Raps,  Rübsen,  Kleesamen) 
folgenden  Versuch  machen  lassen.  Ich  habe  die  Gewichte  der  Ivörner 
einzeln  bestimmt.  Trägt  man  nun  diese  Gewichte  in  Koordinaten  ein^ 
so  bekommt  man  eine  Kurve  von  bestimmter  Gestalt.  Diejenigen  Herren 
Botaniker,  die  sich  mit  Variationsstatistik  beschäftigt  haben,  wissen,  dass 
die  Grössenverhältnisse  der  Pflanzen  einer  bestimmten  Gesetzmässigkeit 
folgen.  Bei  meinen  Untersuchungen,  die  damals  von  Herrn  Hedde  aus- 
geführt wurden,  stellte  es  sich  heraus,  dass  jene  Kurve,  von  der  ich 
sprach,  die  als  Abszisse  die  Zahl  und  als  Ordinate  das  Gewicht  der 
einzelnen  Samen  hat,  sich  durch  das  Gausssche  Pehlergesetz  vollständig 
ausgleichen  lässt  mit  der  Genauigkeit,  die  man  bei  chemischen  Analysen 
beanspruchen  kann,  also  mit  einer  Abweichung  von  2  — 3*^/o,  mithin 
ziemlich  genau.  Nun,  meine  Herren,  wenn  eine  kontinuierliche  Kurve 
der  Knäuelgrössen  vorhanden  ist  und  man  diese  durch  Siebsätze  ab- 
stufen und  unterbrechen  will,  so  tritt  immer  die  Schwierigkeit  ein,  dass 
die  Siebprodukte  dem  Gewichte  nach  anders  ausfallen,  je  nach  der  Kraft, 
die  beim  Sieben  aufgewendet  wird.  Es  wäre  mir  interessant  gewesen, 
wenn  man  die  Fehler  bei  den  Siebprodukten  festgestellt  hätte.  Die 
Fehler  der  Keimprüfung  sind  ja  auch  von  der  Wiener  Station  genau 
berechnet  worden.  Die  Genauigkeit,  die  durch  die  Zählprozentmethode 
erzielt  worden  ist,  ist  nicht  so  sehr  hoch  ausgefallen  gegenüber  den 
anderen  Methoden.  Die  von  Herrn  Hofrat  v.  Weinzierl  beschriebenen 
Versuche  lieferten  die  Genauigkeitszahlen  und  zwar  bezüglich  der  Keime 
nach  sechs  Tagen  und  für  die  Zählprozentmethode  0,055,  für  die  Ge- 
wichtsmethode 0,066  und  für  die  alte  Zählmethode  0,052.  Diese  Zahlen 
sind  so  wenig  von  einander  verschieden,  dass  man  sagen  kann,  die  eine 
Methode  leistet  so  viel  wie  die  andere,  aber  die  absolute  Höhe  der  Ge- 
nauigkeit ist  unter  jeder  Anforderung,  die  man  an  eine  wissenschaftlich 
exakte  Methode  stellen  kann.  Das  liegt  in  der  Natur  der  Sache  und 
hat  seinen  Grund  wahrscheinlich  darin,  dass  die  Keimungsbedingungen 
noch  nicht  erschöpfend  genug  bekannt  sind,  oder  dass  auf  den  Keimungs- 
prozess  gewisse  Verhältnisse  einen  Einfluss  ausüben,  die  bei  den  Unter- 
suchungsmethoden nicht  genug  berücksichtigt  werden.    Es  kommen  der- 


Diskussion:  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  243 

artige  Sachen  vor.  Wir  haben  damals  bei  den  Untersuchungen,  die  von 
der  Deutschen  Landwirtschaftsgesellschaft  ausgingen,  gesehen,  dass 
zwischen  den  einzelnen  Stationen  sehr  grosse  systematische  Fehler  bei 
der  Keimprüfung  auftraten;  das  ist  ein  Zeichen  dafür,  dass  trotz  aller 
Vorschriften  die  Keimungsbedingungen  doch  nicht  im  exakten  Sinne 
konstant  gehalten  wurden.  Ich  war  in  diesem  Sommer  damit  beschäftigt 
die  Ursache  der  systematischen  Fehler  etwas  mehr  atifzuklären.  Meine 
Untersuchungen  bezogen  sich  allerdings  nicht  auf  Rübensamen,  sondern 
auf  Rotklee  und  wurden  zusammen  mit  Herrn  Landwirtschaftslehrer 
A.  Schäfer  ausgeführt.  Ich  will  nicht  näher  darauf  eingehen,  aber 
doch  bemerken,  dass  die  Teniperaturfehler  bei  der  Sache  sehr  wesentlich 
sind  und  dass  auch  die  besten  Apparate,  wie  sie  jetzt  im  Gebrauch  sind, 
Temperaturfehler  in  den  Keimpaketen  möglich  machen,  die  ^2  bis  1  Grad 
betragen,  wenn  es  den  Keimpaketen  in  dem  Thermostaten  möglich  ist, 
in  irgend  einer  Weise  Wasser  zu  verdunsten.  Ich  verwandte  nämlich 
einen  Thermostaten,  dessen  Thermometer  bei  geschlossener  Tür  tage- 
lang Schwankungen  von  höchstens  0,5  Grad  aufwies.  In  diesem 
Thermostaten  brachte  ich  in  der  Mitte  auf  einem  Brett  ein  Thermo- 
element an  und  verband  es  mit  einem  Galvanometer.  Das  Galvanometer 
zeigte  0,  es  wurde  stromlos,  ein  Zeichen,  dass  sich  die  Temperatur  in 
dem  Thermostaten  vollständig  ausglich.  Auf  die  oberen  Lötstellen  packte 
ich  meine  Keimpakete.  Da  stellte  es  sich  heraus,  dass  das  Galvano- 
meter sofort  Ausschlag  gab.  Ich  hatte  sehr  feine,  für  andere  Zwecke 
gebaute  Instrumente  und  Messwerkzeuge  zur  Verfügung,  mit  denen  ich 
bis  zu  V.30C0  Grad  messen  konnte,  und  ich  vermochte  deshalb  genauer 
zu  messen,  als  es  für  diesen  Zweck  eigentlich  nötig  war.  Es  stellte 
sich  heraus,  dass  auch  bei  geschlossenem  Thermostaten  die  Temperatur 
'/4 — V.i — V2  —  1  Grad  schwankte,  unter  Umständen  aber  über  diese 
Grenze  noch  hinausging,  je  nach  den  Verdunstungsbedingungen.  Ich 
bin  überzeugt,  dass  die  Lüftungseinrichtungen  der  auf  den  verschiedenen 
Stationen  gebrauchten  Keimapparate  sehr  verschieden  sind;  die  einen 
werden  die  Gelegenheit  geben,  viel  Wasser  zu  verdunsten,  die  anderen 
nur  weniger.  Damit  steht  in  direkter  Beziehung  eine  Temperaturdifferenz. 
Nun  will  ich  noch  einen  Versuch  mit  Rotklee  bekannt  geben,  der  eigent- 
lich nicht  hierher  gehört,  der  aber  zeigt,  dass  diese  Temperaturdifferenz, 
die  bei  Wasserverdunstung  in  den  Keimapparaten  nachweisüch  vor- 
handen sein  kann,  genügt,  um  recht  erhebliche  systematische  Fehler 
hervorzubringen.  Um  das  zu  konstatieren,  liess  ich  hart  gebliebene 
Körner  von  einer  Rotkleeprobe  nehmen,  nochmals  in  Wasser  atislegcn 
und  von  nachgequollenen  Körnern  befreien;  dann  wurden  sie  getrocknet 
und  zweimal   1000  Körner   abgezählt,    in  zwei  kleine  50  Grammflaschen 

16* 


244        Verhandlnno-en  der  I.   internationalen   I^onferonz  für  S.imenprüfung. 

getan,  mit  destilliertem  Wasser  übergössen  und  die  eine  Probe  in 
einen  Thermostaten  gebracht,  der  auf  20  °,  und  die  andere  Probe 
in  einen  zweiten  Thermostaten,  der  auf  '60  °  eingestellt  war.  Nun 
wurde  täglich  die  Probe  ganz  kurze  Zeit  herausgenommen  und  die 
nachgequollenen  Körner  ausgezählt.  Diese  nachgequollenen  Körner 
konnten  mit  Sicherheit  zur  Keimung  gebracht  werden.  Da  stellte 
es  sich  heraus,  dass  bei  30  °  innerhalb  zehn  Tagen  —  es  ist  das 
die  gewöhnliche  Keimzeit  des  Rotklees  —  etwa  17,1  "/q  mehr  gequollen 
Ovaren  als  bei  20 ".  Nun,  meine  Herren,  das  macht,  Proportionalität 
vorausgesetzt,  für  jeden  Grad  Temperaturdifferenz  einen  Unterschied 
von  1,7  °/o-  Bei  den  vergleichenden  Keimprüfungsversuchen,  die  von 
der  Deutschen  Landwirtschaftsgesellschaft  ausgingen,  betug  bei  Rotklee 
der  systematische  Fehler  2  "/q.  Ein  Grad  der  Temperaturdifferenz,  wenn 
er  über  10  Tage  wirkt,  würde  imstande  sein,  den  systematischen 
Fehler  um  1,7  °/o  zu  verändern.  Nun,  meine  Herren,  Sie  sehen,  dass  der 
Temperaturfehler  bei  den  Quellungsbedingungen  jedenfalls  eine  grosse 
Rolle  spielt.  Ich  habe  die  Untersuchungen  noch  nicht  fortgeführt,  vor 
allen  Dingen  noch  nicht  auf  Gräser  ausgedehnt,  es  wird  aber  noch  ge- 
schehen. 

Wenn  nun  so  bedeutende  Fehler  in  der  Keimprüfung  bei  Rüben- 
samen entstehen,  wie  sie  in  den  Wiener  Untersuchungen  genau  be- 
rechnet sind,  so  ist  doch  auch  vielleicht  eine  Ursache  vorhanden,  die  die 
F'ehlergrüüse  bedingt  und,  meine  Herren,  es  hat  keinen  rechten  Zweck, 
uns  auf  der  einen  Seite  einer  Genauigkeit  zu  bedienen,  mit  Aufwand 
von  vieler  Arbeit,  die  vielleicht  Fehler  von  0,1  °/o  ausschliesst,  während 
w'ir  auf  der  anderen  Seite  mit  Keimprüfungsfehlern  von  10 — 20  ^Iq  zu 
rechnen  haben.  Im  allgemeinen  stellt  man  an  eine  wissenschaftliche 
Methode  die  Anforderung,  dass  sie  gleichmässig  arbeitet,  wenn  sie  ver- 
schiedene Konstanten,  die  bei  der  Berechnung  zusammenwirken,  bestimmt. 
Hier  sind  es  die  Reinheit  und  die  Keimfähigkeit,  die  zusammen  den 
Gebrauchswert  der  Ware  bestimmen.  Es  hat  keinen  rechten  Zweck, 
die  Reinheitsbestimmung  auf  eine  sehr  grosse  Genauigkeit  zu  steigern, 
während    die  Keimfähigkeitsprüfung   noch   sehr  grosse  Lücken  aufweist. 

Allerdings  betreffs  der  Keimfähigkeit  der  Knäuel  steht  die  Sache 
günstiger  für  die  Zählprozentmethode.  Die  Genauigkeit  der  Zählprozent- 
methode ist  bei  Bestimmung  der  keimfähigen  Knäuel  nach  6  Tagen  0,197, 
bei  der  Gewichtsmethode  0,141  und  bei  der  Abzählmethode  0,143,  nach 
12  Tagen  ist  das  Verhältnis  265  :  144  :  134.  Somit  ist  also  die  Zähl- 
prozentmethode bei  Bestimmung  der  keimfähigen  Knäuel  den  beiden 
anderen  Methoden  überlegen  und  zwar  nicht  ganz  um  das  Doppelte. 
Ich    glaube,    man    wird  gut  tun,   vor  allen  Dingen   sein   Augenmerk  auf 


Diskussion:  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  245 

die  Verfeinerung  der  Keimprüfung  zu  richten.  Ob  das  gelingen  wird, 
ist  eine  andere  Frage.  Die  Keimprüfung  ist  ein  physiologischer  Vor- 
gang, der  von  sehr  vielen  Variahein  abhängig  ist.  Man  kann  aber 
annehmen,  dass  die  einzelnen  Variabein  l)eherrschbar  sind.  Seit  langen 
Jahren  war  ich  auch  der  Meinung,  dass  es  kaum  gelingen  würde,  den 
systematischen  Fehler  zu  verkleinern.  Durch  die  vorhin  erwähnten 
Untersuchungen  bin  ich  zu  einer  anderen  Überzeugung  gelangt.  Das 
wollte  ich  den  interessanten  Ausführungen  des  Herrn  Hofrat  Weinzierl 
hinzufügen.  Wir  sind  ja  zusammengekommen,  um  gegenseitig  unsere 
Erfahrungen  auszutauschen. 

L.  Kühle-Gunsleben:  Meine  Herren!  An  den  Vorschlägen  der 
Wiener  Station  erscheint  mir  besonders  bedenklich,  dass  an  Abfall- 
knäueln höchstens  l^/^  vorhanden  sein  darf.  Es  steht  heute  noch 
durchaus  nicht  fest,  ob  solche  Knäuel  vollständig  wertlos  sind.  Meine 
eigenen  Untersuchungen,  die  ich  eine  ganze  Reihe  von  Jahren  fortgesetzt 
habe,  haben  mir  keine  Beweise  für  ihre  Minderwertigkeit  zu  schaffen 
vermocht.  Ich  selbst  siebe  durch  ein  3  mm-Sieb.  Um  jedoch  auf  i^j^ 
Abfallknäuel  zu  kommen,  ist  eine  sehr  grosse  Siebfläche  nötig.  Es 
würden  alle  Rübensamenzüchter  gezwungen  sein,  ihre  Siebanlagen  bedeutend 
zu  vergrössern.  Das  wird  kaum  möglich  sein.  Anderseits  würden 
Differenzen  dadurch  entstehen,  dass,  sobald  der  Samen  nach  der  Sor- 
tierung noch  längere  Zeit  gelagert  hat,  zahlreiche  Knäuel,  die  ur- 
sprünglich über  das  Sieb  gegangen  sind,  an  Grösse  so  einbüssen,  dass 
sie  bei  späterer  Untersuchung  durch  das  2  mm-Sieb  ohne  weiteres 
durchfallen.  Diese  Gefahr  ist  um  so  grösser,  je  trockener  der  Samen 
eingelagert  wurde  und  je  länger  sein  Transport  dauert.  Es  würde  das 
erhebliche  Differenzen  verursachen,  und  die  Leidtragenden  würden  in 
erster  Linie  die  deutschen  Rübensamenzüchter  sein,  da  sie  am  ge- 
samten Rübensamenhandel  am  meisten  beteiligt  sind.  Es  ist  ihnen  das 
Leben  schon  an  und  für  sich  recht  sauer  gemacht;  durch  eine  derartige 
Bestimmung  würde  ein  neues  Moment  hinzugefügt,  welches  wohl  nicht 
dazu  beitragen  dürfte,  das  Verhältnis  zwischen  Konsumenten  und  Produ- 
zenten friedfertiger  zu  gestalten.  Wie  schon  erwähnt,  ist  der  Unwert 
der  kleinknäueligen  Samen  noch  nicht  schlüssig  festgestellt.  Ehe  derartige 
einschneidende  Bestimmungen  getroffen  werden,  müssen  meines  Er- 
achtens  diese  Feststellungen  erst  unbedingt  vorangehen.  Es  kommt 
weiter  hinzu,  dass  heute  ein  ziemlich  grosses  Quantum  geschälten 
Samens  auf  dem  Markte  ist.  Bei  dem  geschälten  Samen  gehen  20— 25"/o 
der  ursprünglichen  Knäuelmasse  verloren,  es  müsste  also  für  den  ge- 
schälten Samen  eine  besondere  Norm  geschaffen  werden.  Ganz  besonders 
bedenkhch  erscheint  mir  auch  die  Bestimmung,    dass  in  betreff  der  bei 


246        Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

den  Keimversuchen  konstatierten  kranken  Keime  über  eine  Anzalil  von 
3  liinweggesehen  werden  kann,  wenn  das  Saatgut  den  übrigen  An- 
forderungen entspricht.  Ich  selbst  bin  mit  meinem  verehrten  Freunde 
Prof.  Li  n  hart,  welcher  schon  verjähren  Anregungen  in  gleicher  Richtung 
gemacht  hat,  die  damals  auch  von  der  Wiener  Station,  so  weit  ich 
weiss,  nicht  aufgenommen  wurden,  darin  einig,  dass  die  am  Samen 
haftenden  Dauerformen  verschiedener  Mikroorganismen  die  Ursache  für 
die  Erkrankung  der  Rübenptlanzen  sein  können  und  dass  eine  Infektion 
der  Keimlinge  vom  Samen  ausgehen  kann.  Auch  neuerdings  hat  Herr 
Dr.  Peters  von  der  Biologischen  Reichsanstalt  mitgeteilt,  dass  ihm  In- 
fektionen mit  Reinkulturen  von  Plioma  betae  und  Pythium  de  Baryanum 
gelungen  sind.  Immerhin  erscheint  mir  bis  heute  der  Zusammenhang 
der  Krankheitserscheinungen  im  Keimbette  und  im  Preilande  noch  nicht 
so  genügend  geklärt,  dass  man  schon  jetzt  zu  derartig  einschneidenden 
Bestimmungen  schreiten  kann.  Was  krank  ist  und  was  nicht  krank 
ist,  sagen  die  „neuen  Wiener  Normen"  nicht;  sie  sprechen  lediglich 
von  kranken  Keimen.  Es  muss  doch  unterschieden  werden,  welche 
Krankheitsformen  in  Frage  kommen  sollen.  Vor  allen  Dingen  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  in  jedem  Falle  der  bakteriologische  Nachweis  für 
das  Bestehen  einer  kontagiösen  Erkrankung  zu  erbringen  sein  wird. 
Ein  Keim,  der  gebräunt  ist  und  krank  aussieht,  braucht  nicht  in  diesem 
Sinne  krank  zu  sein.  Es  kann  ja  diese  Erscheinung  irgend  eine  physio- 
logische Ursache  haben,  mit  der  der  Samen  gar  nichts  zu  tun  hat,  die 
vielleicht  auf  das  Wasser,  das  zum  Einquellen  benutzt  worden  ist,  viel- 
leicht auch  auf  das  Keimbett,  auf  Temperatuifehler  usw.  zurückzuführen 
ist.  Deshalb  sollte  die  Wiener  Station  ihre  Vorschläge  nach  dieser 
Richtung  nachprüfen.  Jedenfalls  bin  ich  der  Ansicht,  dass  die  Materie 
noch  nicht  so  spruchreif  ist,  um  bereits  zu  bindenden  Beschlüssen  kommen 
zu  können.  Dazu  gehören  noch  weitere  intensiv  durchzuführende  Unter- 
suchungen und  Feststellungen. 

Professor  Dr.  Edler-Jena:  Ich  möchte  mir  nur  eine  Bemerkung 
gestatten,  um  einem  Missverständnis  vorzubeugen.  Es  schien  mir,  als 
ob  Herr  Hofrat  v.  Weinzierl  der  Ansicht  sei,  dass  die  Magdeburger 
Normen  von  den  deutschen  Stationen  aufgestellt  worden  wären.  Mit 
der  Aufstellung  dieser  Normen  haben  die  Stationen  gar  nichts  zu  tun 
gehabt,  und  sie  gehen  uns  unmittelbar  auch  nichts  an;  sie  sind  vom 
Handel  aufgestellt,  und  wir  haben  gegebenenfalls  durch  die  Untersuchung 
nur  zu  entscheiden,  ob  die  Ware  der  Norm  entspricht.  W^eiter  möchte 
ich  darauf  aufmerksam  machen,  dass  die  für  uns  geltenden  Bestimmungen 
ein  Ausscheiden  der  kleinen  Knäuel  vor  der  Keimprüfung  gar  nicht  zu- 


Diskussion:  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  247 

lassen,  sondern  dass  wir  stets  die  Probe,  so  wie  sie  eingesandt  ist,  zu 
untersuchen  haben. 

Vorsitzender:  Wird  sonst  das  Wort  gewünscht  zu  diesem 
Gegenstände? 

Hofrat  Dr.  v.  Weiiizierl-Wien:  Wenn  Sie  gestatten,  möchte  ich  auf 
diese  verschiedenen  Bemerkungen  einiges  anführen.  Bei  allen  vorgebrachten 
Einwänden  wird  es  nicht  möglich  sein,  mit  der  Gründlichkeit,  wie  die 
Sache  es  erfordert,  zu  entgegnen,  namentlich  dem  vorletzten  Herrn 
Redner  gegenüber  nicht,  da  ja  Herr  Kühle  noch  nicht  im  Besitze  der 
ausführlichen  Arbeit  ist,  in  w^elcher  über  etwa  6  Seiten  gerade  die 
Frage  der  kranken  Keime  besprochen  worden  ist. 

Ich  möchte  zunächst  Herrn  Professor  Rodewald  danken  für  seine 
Anregungen.  Namentlich  der  Fehler  bei  den  Siebprodukton  wird  gewiss 
zu  berücksichtigen  sein;  auch  glaube  ich  in  meiner  Darstellung  bereits 
gesagt  zu  haben,  dass  man  eine  gewisse  Gesetzmässigkeit  in  der  An- 
ordnung der  Rübenknäuel  nach  ihren  Grössenverhältnissen  annehmen 
kann,  wenn  auch  durch  diese  vorgenommene  Absiebung  eine  Unter- 
brechung der  von  ihm  genannten  Kurve  eintritt.  Im  allgemeinen  wäre 
das  nach  Ansicht  des  verehrten  Kollegen  wohl  nicht  von  diesem  Belange 
gegenüber  dem  ziemlich  grossen  Fehler,  welcher  den  Keimversuchen 
als  solchen  anhaftet.  Ich  muss  sagen:  ich  bin  mir  dieser  Schwächen 
und  Mängel  vollauf  bewusst  gewesen  und  habe  gleich  in  der  Einleitung 
gesagt,  dass  wir  in  erster  Linie  auf  solche  Fehler  ausgehen,  welche 
ohne  grosse  Schwierigkeiten  zu  beseitigen  im  Bereiche  der  Möglichkeit 
und  der  technischen  Durchführbarkeit  liegt,  nämlich  die  Herstellung 
guter  Durclischnittsproben  unter  Berücksichtigung  bestimmter  Grössen- 
verhältnisse.  1  )ie  systematischen  Fehler  haben  wir  nicht  in  Rechnung 
gezogen:  die  werden  durch  diese  Vergleichsversuche  ermittelt  werden. 
Aber  dass  Fehler  dadurch  entstehen,  dass  eben  durch  Einflüsse  speziell 
bei  der  Keimung,  z.  B.  durch  Erfüllung  oder  Nichterfüllung  gewisser 
Keimungsbedingungen,  Störungen  und  Differenzen  eintreten,  das  ist 
uns  allen  bekannt.  Wir  waren  in  Wien  bemüht,  in  der  Richtung  eine 
Vervollkommnung  durchzuführen,  und  die  Beschreibung  der  Durch- 
führung des  Keimversuches  in  der  Schrift  hat  speziell  mit  Rücksicht 
auf  die  Temperatur  eine  Vervollkommnung  erfahren.  Sie  ist  natürlich 
nicht  in  der  Weise  zu  deuten,  wie  sie  Herr  Professor  Rodewald  ge- 
deutet hat,  nämlich  mit  Rücksicht  auf  die  Konstanz  der  Temperatur; 
denn  den  Herren  ist  ja  bekannt,  das3  wir  seit  mehr  als  24  Jahren, 
durch  grosse,  noch  immer  vergleichsweise  fortgeführte  Versuchsreihen 
gestützt,  konstatiert  haben,  dass  die  intermittierende  Erwärmung 
die  natürlichen  Verhältnisse,  soweit    es    im  Bereiche    des  Laboratorium- 


248        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Versuches  liegt,  ersetzt.  Wir  haben  es  hier  nicht  mit  konstanten  Tempe- 
raturen zu  tun.  Nur  wenn  wir  voraussetzen  oder  annehmen,  dass  ein 
Keimapparat  so  konstruiert  ist  und  so  an  allen  Stationen  gehandhabt 
wird  —  ich  nehme  ja  nur  den  Fall  an  — ,  so  müsste  naturgemäss  mit 
Rücksicht  auf  die  Keimungsbedingungen  der  Fehler  nicht  in  Betracht 
kommen  oder  nicht  massgebend  sein,  weil  die  Temperaturdifferenz  ein 
Einfluss  ist,  den  man  ja  geradezu  wünscht  oder  veranlasst.  Unsere 
Apparate  sind  alle  auf  schwankende  Temperaturen,  die  zwischen 
18 — 28°  C  betragen,  automatisch  eingerichtet.  Auch  haben  wir  kon- 
statiert, wie  die  Schwankungen  sich  in  den  einzelnen  Etagen  des  Thermo- 
staten ergeben  und  welche  Kurven  sich  hinsichtlich  der  Temperatur- 
Schwankungen  zeigen.  Da  ergibt  sich,  dass  das  Keimbett  nicht  in  dem 
Moment,  wo  die  Temperaturanzeige  28"  ist,  auch  eine  Temperatur  von 
28"  hat  und  wenn  die  Temperaturanzeige  18''  ist,  das  Keimbett  diese 
Temperatur  tatsächlich  nicht  besitzt.  Wenn  unter  diesen  Verhältnissen 
gleichartig  gearbeitet  wird,  werden  die  Fehler  müglichbt  klein  werden, 
und  wenn  wir  noch  andere  Momente  finden  würden,  welche  speziell 
ausschlaggebend  beim  Keimversuche  sind,  wird  eine  Verbesserung  dieses 
Fehlers  von  10*^/0  erreicht  werden,  was  bekanntlich  bei  Rübensamen  eigent- 
lich nicht  viel  ist.  Was  die  Bemerkungen  des  Herrn  Kühle  betrifft,  so 
möchte  ich  auf  die  genannte  Publikation  hinweisen  und  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  wir  ein  2  mm  Schlitz  sieb  verwenden  natürlich  in  der 
Voraussetzung,  dass  wir  Rübensamen  des  Handels  vor  uns  haben.  Wenn 
heute  z.  B.  nur  geschälte  Esparsette  in  den  Handel  kommt,  so  werden  eben 
die  für  diese  Samenart  aufgestellten  Normen  gelten  kfmnen,  ebensowenig  bei 
geschältem  Rübensamen  angewendet.  Wir  sieben  durch  ein  2  mm-Sieb  und 
haben  diese  Versuche  bereits  durchgeführt.  Wir  haben  hinsichtlich  dieser 
kleinen  Knäuel  und  zwar  hinsichtlich  ihrer  Keimfähigkeit,  ihres  Ver- 
haltens im  Keimbett  und  im  Freiland  eine  ganze  Anzahl  von  Beobachtungen 
gemacht,  welche  uns  dahin  geführt  haben,  die  Masse  der  Keimlingssubstanz 
zu  ermitteln;  wir  haben  eine  Relation  gefunden  zwischen  der  Keimfähigkeit 
und  der  Keimlingsmasse.  Es  kommt  eben  auf  die  Menge  der  entwickelten 
Keimsubstanz  an,  welche  die  Keimlinge  besitzen  und  alle  die  Einwände, 
welche  sich  auf  die  weiter  betonte  Frage  der  kranken  Keime  beziehen, 
fallen,  bei  genauer  Prüfung  unseres  Standpunktes,  zweifellos  hinweg.  Um 
nicht  mehr  zu  sagen,  als  in  diesem  Falle  notwendig  ist,  will  ich  speziell  auf 
den  Satz  aufmerksam  machen,  welcher  aus  einer  Reihe  von  Betrachtungen 
bezüglich  der  bisherigen  Beurteilungsmethoden  der  kranken  Knäuel  sich 
ergeben  hat.  Dieser  Satz  lautet:  „Bei  der  Wertbestimmung  des  Rüben- 
samens als  Saatgut  wird  es  sich  somit  nicht  um  die  Feststellung  handeln, 
ob  Krankheitskeime  verbanden  sind  oder  nicht,  sondern  es  wird  vielmehr 


Diskussion:  Wertbestimmung  der  Rübensamen.  249 

darauf  ankommen,  wie  viel  Keime  selbst  unter  den  günstigsten  Be- 
dingungen des  Keimbettes  sich  nicht  zu  behaupten  vermögen  und  daher 
im  Freilande  sicher  eingehen  werden.  Das  Schicksal  aller  übrigen 
Keime  im  Freilande  hängt  ganz  von  den  Verhältnissen  ab,  die  später 
auf  dem  Felde  auf  sie  einwirken  und  kann  selbstverständlich  weder 
durch  einen  Laboratoriumsversuch  noch  durch  einen  Anbauversuch  an 
einem  beliebigen  Orte  von  vornherein  festgestellt  werden." 

Dieser  Satz  ergab  sich  aus  einer  Reihe  von  Beobachtungen  und 
Versuchen,  welche  gezeigt  haben,  dass  das,  was  wir  als  kranke  Keime 
bezeichnen,  so  zu  verstehen  ist,  dass  es  eine  auf  irgend  eine  Weise 
hervorgerufene  Infektion  eines  schwächlichen  Keimlings  ist,  und  je 
schwächlicher  die  Keimlinge  sind,  desto  mehr  derartige  kranke  Keime 
entstehen.  xVuch  die  Frage  wurde  untersucht,  ob  die  Anzahl  der  im 
Keimbett  auftretenden  kranken  Keime  mit  der  Anzahl  der  im  freien 
Lande  auftretenden  übereinstimmt.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  diejenige 
Ware,  welche  im  Keimapparat  kranke  Keime  gibt,  auch  unter  allen  Um- 
ständen kranke  Keimpflanzen  draussen  erzeugt.  Sie  haben  eine  schwäch- 
liche Konstitution,  so  dass  sie  den  stets  minder  günstigen  Verhältnissen  des 
Freilandes  erliegen.  Der  Prozentsatz  der  Keimlinge  bis  zu  3  oder  4  würde 
aber  gar  keine  Berechtigung  geben,  die  Ware  als  krank  zu  bezeichnen. 
Ich  will  die  Sache  nicht  weiter  ausführen  und  stehe  in  der  Angelegenheit 
übermorgen  zur  Verfügung  für  den  Fall,  dass  den  Herren  die  Darlegungen 
nicht  klar  sein  sollten.  Ich  will  bemerken,  dass  allen  diesen  Anregungen, 
für  die  ich  sehr  dankbar  bin,  noch  Rechnung  getragen  wird,  und  dass 
sie  dazu  beitragen  dürften,  dass  die  Herren  Kollegen  und  die  Stationen, 
welche  mit  diesen  Fragen  zu  tun  haben,  aus  dieser  Methode  eine 
Anregung  schöpfen  möchten,  auch  in  dieser  Richtung  die  Sache  zu  ver- 
folgen. 

Prof.  Dr.  Rodewald-Kiel:  Meine  Herren!  Ich  habe  vorhin  auf  Rotklee 
exemplifiziert.  Ich  wollte  nur  ausführen,  dass  uns  manche  Bedingungen 
unklar  sind,  die  einen  Einfluss  auf  die  Höhe  der  Keimfähigkeit  haben. 
Es  ist  der  Nachweis  geführt,  dass  die  Mischung  der  Knäuel  eine  viel 
gleichmässigere  war,  als  sie  wieder  aus  dem  Apparat  herauskamen. 
Das  kann  seinen  Grund  in  der  Methode  haben.  Ich  wollte  darauf  auf- 
merksam machen,  dass  da  der  schwierige  Punkt  liegt.  Schliesslich  ist 
es  nicht  nötig,  die  Genauigkeit  nach  der  einen  Richtung  so  sehr  zu 
steigern,  wenn  man  nach  der  anderen  Seite  mit  so  kolossalen  Fehlern 
rechnen  muss.  Die  Fehler  der  Keimprüfung,  die  bei  den  Wiener  Ver- 
suchen so  sorgfältig  berechnet  worden  sind,  sind  nach  den  Vorschlägen 
von  Simony  aus  den  ersten  und  zweiten  Potenzen  berechnet.  Man 
kann    sie    auch    aus    irgend    einer    beliebigen   Potenz    bestimmen.     Der 


250       Verhandlungen  der  [.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Vorschlag  von  Simony  mag  vielleicht  bei  gewissen  Bestimmungen  und 
Untersuchungen  seine  Berechtigung  haben,  aber  in  diesem  Falle  ist  es 
eine  unnütze  Arbeit,  und  ich  möchte  hier  eine  Bemerkung  daranknüpfen. 
Wir  sind  hier  versammelt  an  einem  Orte,')  wo  ein  grosser  Hamburger 
seinen  Ursprung  genommen  hat.  Ich  meine  Heinrich  Hertz,  den 
Physiker,  der  sich  mit  der  Frage,  wie  genau  eine  physikalische  Kon- 
stante bestimmt  werden  muss,  um  praktische  Resultate  und  Gesetz- 
mässigkeiten daraus  ableiten  zu  können,  beschäftigt  und  seine  Ansicht 
in  einer  These,  die  ich  zur  Verlesung  bringen  möchte,  zusammen- 
gefasst  hat.  Hertz  sagt:  „Ein  Fehler  von  ^loo  '^^^  wahren  Wertes 
bildet  die  Grenze  für  die  wünschenswerte  Genauigkeit,  ein  Fehler  von 
Viooo  ^ös  wahren  Wertes  die  Grenze  für  die  mögliche  Genauigkeit  in 
der  Bestimmung  einer  piiysikaUschon  Konstanten;  genauer  als  bis  auf 
'/,0Q0  ihres  Wertes  Jässt  sich  kaum  eine  physikalische  Konstante  auch 
nur  definieren."  Nun,  meine  Herren,  ich  glaube,  wir  können  uns  auf 
die  Erfahrungen,  die  Hertz  bei  der  Bestimmung  von  physikalischen 
Konstanten  gemacht  hat,  verlassen.  Nun  möchte  ich  darauf  aufmerksam 
machen,  dass,  wenn  die  Rechnung  nach  den  Angaben  von  Simony 
durchgeführt  wird,  sie  als  grösste  Abweichung  bei  den  Wiener  Unter- 
suchungen 1,1  "/o  von  der  Rechnung  nach  den  ersten  Potenzen  liefert. 
Wir  haben  hier  die  Genauigkeit,  die  Hertz  als  wünschenswert  bezeichnet, 
schon  bei  der  Rechnung  nach  den  ersten  Potenzen. 

Vorsitzender:  Die  Zeit  ist  seiir  weit  vorgeschritten,  und  ich 
möchte  deshalb  vorschlagen,  bis  auf  eine  kurze  Bemerkung,  die  Herr 
Hofrat  V.  Weinzierl  noch  zu  machen  hat,  die  Sitzung  zu  schliessen. 
Wir  werden  ja  noch  in  späteren  Sitzungen  Gelegenheit  haben,  auf  das 
näher  einzugehen,  was  Herr  Professor  Rodewald  ausgeführt  hat  und 
noch  ausführen  wird.  Speziell  bezüglich  der  Rübensamen  haben  wir 
noch  am  Mittwoch  die  Möglichkeit  uns  zu  unterhalten.  Es  ist  ausreichende 
Gelegenheit  gel)oten,  die  hier  angeschivittenen  Fragen  in  späteren  Sitzungen 
zu  traktieren. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl- Wien:  Ich  möchte  nur  ganz  kurz  mit- 
teilen, dass  mir  von  dem  im  letzten  Augenblick  am  Erscheinen  leider 
verhinderten  Herrn  Direktor  Schribaux-Paris  eine  Arbeit  über  den 
gleichen  Gegenstand,  über  den  ich  zu  referieren  hatte,  übersandt  worden 
ist,  nämlich  über  die  Modifikation  der  Normen  und  die  Prüfung  in  der 
Untersuchung  der  Rübensamen.  Ich  war  nicht  in  der  Lage,  das  jetzt 
noch  berücksichtigen  zu  können  und  erlaube  mir,  die  Arbeit  als  Material 
zu  übergeben  mit  der  Bitte,   in  das  Protokoll  aufzunehmen,   dass  sie  vor- 

')  Johanneum. 


Schribaux  et  Bussard,  Normes  des  semences  de  betteraves.  251 

gelegt    worden  ist  und  dass    wir  vielleicht  Gelegenheit  nehmen  werden, 
später  auf  die  Sache  noch  einzugehen, 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  möchte  noch  kurz  auf  die  Zusammen- 
stellung von  Technischen  Vorschriften  für  die  W«rtbe- 
stimmung  von  Saatwaren')  aufmerksam  machen.  Ich  habe  ver- 
sucht, die  gesamten  mir  bekannt  gewordenen  Vorschriften  zusammen- 
zustellen, ich  habe  dann  noch  einige  Durchschnittsresultate  hinzugefügt 
und  zum  Schluss  einen  kurzen  geschichtlichen  Abriss  über  die  Samen- 
kontrolle in  Schweden  von  Herrn  Widen  gebracht.  Es  besteht  die 
Absicht,  für  diese  als  Manuskript  gedruckte  Arbeit  von  allen  Kontroll- 
stationen, die  hier  versammelt  sind,  Ergänzungen  zu  erbitten,  um  bei 
der  nächsten  Zusammenkunft  eine  brauchbare  Übersicht  über  die  Samen- 
kontrolle geben  zu  kiinnen. 

iJie  ausführliche  Mitteilung  des  Kollegen  Schribaux  über  die 
Wertbestimmung  des  Rüben samen  wird  im  Konferenzbericht  zum  Ab- 
druck gelangen. 

Vorsitzender:  Der  gestern  festgelegte  Arbeitsplan  liegt  jetzt  im 
Druck  vor.  Der  Plan  muss  eine  kleine  Modifikation  erfahren.  Da  wir 
heute  sehr  fleissig  gewesen  sind,  so  wird  es  kaum  möglich  sein,  uns 
heute  nachmittag  vor  8'/2  Uhr  hier  wieder  zu  vereinigen  —  es  ist  im 
Programm  vorgesehen  um  3  Öhr  — ,  ich  würde  deshalb  vorschlagen,  uns 
um  3'/2  Uhr  wieder  zu  versammeln.  Dann  haben  wir  Zeit  genug,  die 
Sitzung  bis  in  den  Abend  auszudehnen.  Ich  würde  für  diese  Sitzung- 
Herrn  Direktor  Stebler  bitten,   den  Vorsitz  zu  übernehmen. 

Schluss  1'/^  Uhr. 


Comment  il   conviendrait  de   modifier  ies   normes  en 
usage  dans  le  commerce  des  semences  de  betteraves. 

Par 

E.  Schribaux,  Directeur,  et  Leon  Bussard,  Sous-directeur 
de  la  Station  d'essais  de  semences  de  Paris. 

Quand  le  cultivateur  a  fait  choix  d'une  betterave  de  bonne  race 
parfaitement  selectionnee,  possedant  en  un  mot  des  qualites  hereditaires 
bien  etablles,    il  est    essentiel    qu'il    s"adresse  ä  des   semences   germant 


1)  Siehe  p.  2:M  Anmerkung. 


252        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung, 

tres  vite  et  en  tres  grand  nombro,  livrant  des  germes  sains  et  aussi 
vigoureux  quo  possible. 

Si  les  graines  levent  en  presque  totalite,  le  semis  fournit  une 
ligne  ininterrompue  de  plantules,  et,  au  demariage,  il  devient  facile  de 
placer  les  racines  ä  des  intervalles  reguliers;  le  nombre  des  manquants 
se  trouvera,  par  ce  fait.  reduit  au  minimum. 

Une  germination  rapide  restreint  les  chances  de  destruetion  des 
plantules,  toujours  si  nombreuses  au  debut  de  la  Vegetation;  Tavance 
qu'ello  leur  assure,  se  maintenant  jusqu'a  la  recolte,  favorise  ä  la  fois 
les  rendements  et  la  qualite  des  racines,  Quant  a  la  sante  et  ä  la 
vigueur  initiales  des  graines,  elles  sont  la  meilleure  garantie  d"un  deve- 
loppement  satisfaisant  pendant  tout  le  cours  de  la  campagne, 

C'est  aux  stations  speciales  que  l'agriculteur  s'adresso,  non  pour 
determiner  les  qualites  hereditaires  des  semences,  appreciables  seulement 
par  une  experience  de  culture,  mais  pour  juger  de  leur  vitalite,  pour 
juger  des  qualites  individuelles  que  nous  venons  d'enumerer, 

Teile  qu'ello  se  pratique  actuellement,  l'analyse  des  semences  ne 
renseigne  pas  l'agriculteur  aussi  completement  qu'ello  le  pourrait  sur  la 
Performance  des  graines  de  botteraves,  pour  employer  un  terme  usite 
chez  les  hommes  de  cheval. 

Par  une  decision  du  4  fevrier  1894,  le  Syndicat  des  iabricants  de 
sucre  de  France,  s'inspirant  ä  la  fois  des  normes  de  Magdebourg  et  des 
chiffres  adoptes  par  la  sucrerie  autrichienne,  a  fixe  comme  suit  les  con- 
ditions  des  marches  de  graines  de  betteraves: 

1,  La  graine  de  betterave  proviendra  de  la  derniere  recolte.  Elle 
sera  loyale  et  marchande,  c'est-a-dire  qu'elle  remplira  les  conditions 
suivantes: 

Elle  donnera  do  5000Ü  ä  70000  germes   par    kilogramme    de  se- 
mences, 
„  „  „    150  germes   par  100   glomerules    de    semences  h 

gros  grains, 
„  „  „    130  germes  par   100   glomerules   a   petits  grains. 

Los  semences  a  gros  grains  sont  celles  dont  le  nombre  ne  depasse 
pas  45  par  grammo, 

2,  II  est  admls  qu'apres  15  jours  do  germination,  il  y  aura,  au 
maximum,  les  nombres  ci-apres  de  graines  n'ayant  pas  germe. 

20  "/o  pour  les  semences  ä  gros  grains, 
30  ^Jq     „       „  „  ä  petits  grains. 

3,  L'humidite  ne  devra  pas  depasser  15  °/o  du  poids  total  brut; 
les  impuretes  (matieres  etrangeres  :  terro,  bois,  feuilles  etc.)  n'exce- 
deront  pas  la  proportion  de  3  7o- 


Schribaux  et  Bussard,  Normes  des  semences  de  betteraves.  253 

Avant  de  discuter  ces  chiffres,  rappelons  quelques  notions  physio- 
logiques  tres  simples,  qui  serviront  de  base  ä  notre  argumentation. 

Quand  ou  suit  le  developpement  d'une  betterave  portegraine,  on 
constate  que  la  floraison  est  successive  et  se  prolonge  pendant  plusieurs 
semaines.  Elle  debute  sur  Taxe  piincipal  et  se  poursuit  sur  les  axes 
secondaires,  en  commen(^ant  par  les  plus  rapproches  du  sol.  Sar  chacun 
des  axes  eile  progresse  de  la  base  vers  le  sommet;  bref,  qu'on  envisage 
seit  l'inflorescence  tout  entiere,  soit  un  axe  en  particulier,  la  tloraison 
est  regulierement  basifuge:  les  fleurs  de  la  base  d'un  axe  quelconque 
sont  pleinement  epanouies  lorsque  celles  du  sommet  se  trouvent  encore 
completement  ferraees.  Ajoutons  qu'au  sommet  seulement  des  differents 
rameaux,  on  trouve  des  fleurs  isolees  qui  fourairont,  par  consequent, 
des  ,,graines"  renfermant  une  seule  amande;  un  peu  plus  bas,  les  tleurs 
se  soudent  deux  ä  deux,  puls  trois  ä  trois,  en  nombre  d'autant  plus 
grand,  en  definitive,  qu'on  se  rapproche  davantage  de  la  base.  On  en 
trouve  jusqu'ii  5 — 6,  qui  produiront  des  semences  renfermant  5 — 6 
amandes  ou  graines  (les  botanistes  designent  sous  le  nom  de  graine 
le  produit  d'un  ovule  feconde  et  parvenu  ä  maturite).  Ce  qu'on  appelle 
improprement  ,, graine  de  betterave"  est,  en  realite,  un  assemblage  de 
fruits  soudes  les  uns  aux  autres,  un  fruit  comp  ose  ou  glomerule- 
D'apres  ce  que  nous  venons  de  dire,  les  plus  gros  glomerules  sont  issus 
des  fleurs  epanouies  les  premieres.  Or,  dans  la  machine  vegetale,  comme 
dans  une  machine  quelconque,  l'importance  du  travail  organique,  le 
rendement,  est  en  raison  directe  de  la  duree  de  ce  travail;  les  fleurs 
apparues  les  premieres  fabriquent  les  amandes  les  plus  lourdes,  les  plus 
müres,  les  mieux  constituees.  Ce  fait,  que  Tun  de  nous^)  a  mis  en 
lumiere  il  y  a  plusieurs  annees,  estgeneral;  il  est  vrai  pour  la  betterave 
comme  pour  les  autres  especes  vegetales.  Aux  plus  gros  glomerules, 
provenant,  nous  le  repetons,  des  fleurs  epanouies  les  premieres  cor- 
respondant  les  amandes  les  plus  grosses;  aux  plus  petits  glomerules,  les 
amandes  les  plus  petites. 

Le  poids  des  glomerules  et  celui  des  amandes  varient  dans  le 
memo  sens.     Pour  le  verifier,  voici  comment  nous  avons  opere. 

Un  meme  lot  de  semences,  passe  a  plusieurs  cribles  dont  les 
ouvertures,  circulaires,  mesuraient  respectivement  b^j^,  5,  4^2»  4,  8'/2, 
et  3  millimetres  de  diametre,  nous  a  fourni  7  categories  de  glomerules 
de  poids  decroissants.  Les  amandes  extraites,  par  un  battage  special, 
des  glomerules  de  chaque  serie  ont  ete  comptees  et  pesees,  et  le  poids 
du    mille   calcule  d'apres  ces  donnees.     Les   diagrammes  ci-dessous  tra- 

1)  Schribaux.  Contribution  ä  ramelioration  des  plautes  cultivees. 
Cornptes  rendiis  de  rAcademie  des  Sciences.     Paris  2.5  juillet  1892. 


254        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

duisent  les  resultats  que  nous  avons  obtenus,  abstraction  faite  de  ceux 
qui  se  rapportent  aux  tres  gros  glomerules  (poids  52  gr. )  et  aux  tres 
petits  (6  gr.  800),  ces  derniers  resultats,  de  meme  sens  que  les  autres» 
n'offrant  aucun  interet  pratique. 

Poids  relatif  des  glomerules  et  des  amendes  correspondantes: 


Poids  de              1 

II 

111 

IV 

V 

1000 

glomerules     12  g  850 

IGg  325 

19  g  625 

25  g  675 

34  g  750 

=           100 

127 

153 

200 

270 

Poids  de 

lOOOamandes 

correspon- 

dantes       2  g  044 

2  g  335 

2  g  481 

2  g  818 

3  g  051 

=           100 

114 

121 

138 

149 

Les  amandes  les  plus  lourdes  fournissent  les  betteraves  les  plus 
vigoureuses,  les  meilleures  recoltes  par  consequent.  Les  differences 
constatees  en  culture  avec  les  petites  semences,  on  le  concoit,  s"atteiiuent 
d'autant  plus  que  la  maturite  du  porte-graine  a  ete  plus  parfaite,  plus 
reguliere,  que  la  saison  vegetative  a  ete  plus  favorable  aux  racines  issues 
des  differentes  semences.  Mais  que  la  maturite  des  betteraves  porte- 
graines  laisse  ä  desirer,  que  los  plantules  issues  des  graines  de  differents 
poids  aient  ä  lutter  contre  la  secheresse,  contre  des  Champignons  ou 
d'autres  circonstances  defavorables,  c'est  alors  que  la  superiorite  des 
gros  glomerules  s'affirme  nettement.  Comme  la  prudence  commande  au 
cultivateur    de    mettre    toutes    les  chances  de  son  cote,  ses  preferences 


Schribaux  et  Bussard,  Normes  des  semences  de  betteraves. 


255 


doivent  donc  aller  aux  gros  glomerules.  Pour  les  betteraves  comme 
pour  les  aiitres  especes,  la  notion  du  poids  des  graines  presente  donc 
un  interet  tres  reel. 

Comment  se  classent  Celles  que  nous  livrent  les  producteurs. 
Voici  les  chiffres  que  nous  avons  obtenus  ä  la  Station  pour  les  trois 
dernieres  campagnes  d'analyses  (les  poids  indiques  se  rapportent  ä  1000 
glomerules). 

1903-1904 


B 

x 

8 

s 

ä 

S      o 

IS  ^ 

So^ 

, 

CO    ,-H 

bß  cr> 

T— 1       1— ■ 

o 

2  "^ 

'•" 

Petites  graines 
19,61  0/, 


Graines  moyennes 
51,68  o/o 


Grosses  graines 
28,71  o/q 


1904—1905 


CS 

u 
bJD 

00    ^ 

OJO     o 
CO  ^" 

rr> 

Petites  graines 
20,40  % 


Graines  moyennes 
52,30  o/o 


Grosses  graines 
27,30  o/„ 


256       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Sanienprüi'ung. 


1905—1906 


ü 

_^ 

y,^ 

■oTj 

j^' 

>s^^ 

^ 

^/^ 

\. 

T-^ 

^^ 

^ 

V 

o 

\\ 

2    .--T 

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s 

ör. 

O    ^^ 

QC 

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05 

O 

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o 

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CO 

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/ 

-* 

CO 

0^ 

QC 
0) 

C 

l-^ 

^ 

^ 

-a 

Ol 

< 

Petites  graines 
40,41  o/o 


Graines  moyennes 
40,40  o/n 


Grosses  graines 
19, 19  o/o 


Les  normes  enonces  plus  haut  etablissent  seulement  deux  eategories 
de  glomerules  suivant  leur  grosseur:  1.  les  petits  glomerules,  qui  sont 
au  nombre  de  45  au  moins  par  gramme  (ils  pesent,  par  consequent, 
1000 


45 


22,2  gr.  le    mille):    2.  les    gros    glomerules,    qui    comprennent 


tous  ceux  d'un  poids  superieur  a  22,2  gr.    A  cette  Classification,  qui  est 
trop  sommaire,  nous  proposons  de  substituer  la  suivante,  de  distinguer: 
les  petits  glomerules,  pesant  moins  de   18  gr.  le  1000, 
les  glomerules  moyens,  pesant  de  18  a  22  grammes, 
les  gros  glomerules,  pesant  plus  de  22  grammes. 

Le  Syndicat  des  fabricants  de  sucre  se  contente,  pour  les  petites 
graines,  d'une  germination  minima  de  70  ^j^;  ce  chil'fre  est  trop  faible. 
Voici,  en  effet,  les  moyennes  que  nous  avons  atteintes  pendant  les 
trois  dernic'res  campagnes  d'analyses,  avec  les  graines  pesant  de  18 
ä  22  gr. : 

en  1903—1904     .     .     .     72,09  "/q, 

en  1904—1905     .     .     .     73,80%, 

en  1905—1906     .     .     .     82,61  »/o- 
Meme    pendant    la    mauvaise   annee  1903—1904,  le  chiffre  regle- 
mentaire    de  70  "/o  a  ete  depasse;    il  atteint  72  "/q.     Notons   que,    dans 
cette  moyenne,    entrent    quelques    echantillons  tres  mauvais,  adresses  a 
la  Station  a  la  suite  de  litiges, 

Ces  cbiffres  nous  autorisent  ä  reclamer,  pour  les  glomerules  moyens, 
une  germination  d"au  moins  75  "/g,  en  conservant  celle  de  70  °/o  pour 
les  petits  glomerules  et  de  80  ^/q  pour  les  gros. 


Schribaux  et  Bussard,   Normes  des  semenees  de  betteraves.  257 

La  necessite  de  relever  le  taux  de  germination  des  glomerules 
moyens  s"impose  d'autant  plus  que  ceux-ci  sont  les  plus  iiombreux ;  nous 
avons  vu  qu'en  1903— 1904,  ils  representaient  51,68  °/o,  en  1904  —  1905 
52,30  °/o,  disons  la  moitie  au  moins,  des  echantillons  du  commerce.  En 
1905 — 1906,  annee  exceptionnellement  bonne  les  petites  semenees  ayant 
parfaitement  muri,  on  en  a  moins  elimine  au   criblage, 

Ces  minima,  nous  en  sommes  convaincus,  pourront  encore  etre 
releves  ä  bref  delai.  lorsque  la  dessiccation  artificielle  des  semenees  se 
generalisera,  lorsque  les  producleurs  prendront  l'habitude  de  poussor 
plus  loin  le  criblage  de  leurs  graines,  en  eliminant  les  petites  graines 
steriles  qu'on  rencontre  encore  trop  souvent  dans  les  echantillons. 

Dans  le  tableau  ci-dessous,  nous  indiquons  los  taux  de  germination 
releves,  pendant  les  trois  dernieres  annees,  pour  les  glomerules  de  diffe- 
rents  poids  essayes  a  la  Station: 


Glomerules 

pesant 

1903-  1904 

1904—1905 

1905—1906 

moins  < 

de 

/o 

/o 

/o 

14  grammes 

57,50 

66,0 

72,75       ' 

14  k   16 

V 

62,25 

73,75 

74,07 

16  a  18 

» 

64,13 

72,91 

77.23 

18  ä  20 

» 

70,09 

73,19 

82,00 

20  a  22 

,. 

74,02 

74,54 

83,43 

plus  de  22 

„ 

'     78,27 

77,91 

86,52 

Les  chiffres  de  ce  tableau  mettent  en  lumiere  ce  fait  que  les  ecarts 
de  germination  qui  existent  entre  les  grosses  et  les  petites  semenees. 
attenues  dans  les  bonnes  annees,  par  suite  d'une  maturation  plus  egale 
des  diverses  parties  de  l'inflorescence,  s"accentuent  au  contraire  dans 
les  mauvaises,  oii  la  superiorite  des  grosses  graines  so  manifeste  de 
fa<;on  eclatante. 

Ceci  vient  encore  ä  Tappui  de  notre  these  :  11  laut  donner  la  pre- 
ference  aux  grosses  graines.  Aux  raisons  de  cette  preference  que  nous 
avons  dejä  fait  connaitre  s'en  ajoute  une  autre  :  elles  germent  plus  vite 
que  les  petites.  C"est  ce  qui  ressort  des  chiffres  ci-dessous.  Ce  que 
nous  appelons  ici  gros  glomerules,  ce  sont  ceux  qui  restent  sur  un 
crible  ä  trous  circulaires  de  5'/2  ^^  ^^  diametre;  les  moyens  passent 
ä  travers  ce  crible  et  sont  retenus  par  celui  de  3V2  ^™I  l^s  petits 
traversent  ce  dernier  crible. 

Sur  100  glomerules  germants  de  chaque  categorie,  voici,  pour 
10  essais  pris  ;i  la  suite  parmi  nos  analyses  de  l'annee  1905  —  1906, 
c'est-a-dire  d'une  annee  exceptionnellement  bonne,  la  proportion  moyenne 
de  ceux  qui  sont  sortis  apres  5  jours: 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  17       ' 


258       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Gros  glomerules     .     .     .     96,18  *^/o, 
Glomerules  moyeiis     .     .     85,86  "/q, 
Petits  glomerules  .     .     .     79,12  ^/q. 
Puisqiie  nous  parlons  de  la  rapidite  de  la  germination,  de  Tenergie 
germinative,  faisons  remarquer  que,  dans  certains  pays  comme  en  France 
on  n'en  tient  pas  compte;  les  normes  adoptees  ailleurs  ne  sont  pas  assez 
elevees. 

L'energie  germinative  fournit  la  meilleure  mesure  de  la  vitalite 
des  semences;  il  Importe  donc  grandement  de  s"y  arreter.  Les  graines 
seches  de  recolte  recente  germent  rapidement,  elles  produisent  des  plan- 
tules  vigom'euses  et  viables;  les  vieilles  graines.  au  contraire,  germent 
avec  lenteur,  comme  a  regret,  et  beaucoup  des  germes  qu'elles  emettent 
dans  les  appareils  perissent  en  pieine  terre.  Si  Ton  ne  considere  que 
le  resultat  final  de  l'essai,  le  .nombre  de  glomerules  germes  apres 
14  jours,  terme  reglementaire,  peut  etre  sensiblement  le  meme  dans  les 
deux  cas,  alors  qu'il  existerait  en  culture  des  differences  considerables 
dans  la  levee  des  semis. 

En  faisant  entrer  en  compte  l'energie  germinative,  on  aboutit  ä 
une  notion  plus  exacte  de  la  puissance  reproductrice  de  la  semence. 
Beaucoup  de  laboratoires  fönt  connaitre  aux  Interesses  le  nombre  de 
glomerules  germes  apres  7  jours;  ä  notre  avis,  il  conviendrait  de  fixer 
ä  5  jours  le  terme  de  ce  releve  preliminaire.  La  vitalite  des  semences 
se  trouverait  plus  nettement  mise  en  lumiere  et  cette  fagon  de  proceder 
aurait  encore  l'avantago  de  renseigner  l'interesse  deux  jours  plus  tot. 

De  l'examen  des  registres  oii  sont  consignes  les  resultats  des  quel- 
ques milliers  d'essais  executes  depuis  22  ans  ä  la  Station  de  Paris,  il 
ressort  que  les  bonnes  semences  de  betteraves  fournissent,  apres  5  jours 
de  sejour  dans  nos  germoirs  en  papier  a  filtrer,  deposes  ä  l'etuve 
Schribaux,  les  ^/j  au  moins  des  glomerules  germes  comptes  a  la  fin  de 
l'essai.     C'est  ce  chiffre  que  nous  voudrions  voir  adopte. 

Nous  arrivons  ä  la  proportion  des  germes  fournis  seit  par  lUO 
glomerules  soit  par  un  kilogramme  de  semences.  En  admettant  que  le 
nombre  des  germes  livres  par  100  glomerules  soit  interessant  a  connaitre, 
il  est  parfaitement  inutile  de  l'indiquer.  L'experience  demontre,  en  effet 
que,  si  les  glomerules  germes  atteignent  le  pourcentage  de  70 — 80  fixe 
par  les  normes,  la  proportion  de  germes  exigee  (130  — 150)  se  trouve 
le  plus  souvent  realisee;  quant  au  nombre  de  germes  par  kilogramme, 
il  Test  presque  invariablement.  La  premiere  condition  remplie,  la  seconde 
l'est  egalement.  C'est  donc  compliquer  l'analyse  ä  plaisir,  la  rendre 
plus  laborieuse  et  moins  intelligible  que  de  determiner  le  nombre  de 
germes  fournis  par  les  glomerules. 


Schribanx  et  Bussard,  Normes  des  semences  de  betteraves.  259 

On  sait  qu'ä  poids  egal,  los  petlts  glomerules  produisent,  clans 
les  essais  de  laboratoire,  plus  do  germes  qiie  les  gros;  i'indication  du 
nombre  de  germes  au  kilogramme  favorise  doiic  les  petites  graines  qui, 
pratiquement,  sont  los  plus  mauvaises.  II  y  a  1;\  une  erreur  qu'on  ne 
saurait  laisser  se  perpetuor. 

En  resume,  nous  demandons  quo  les  modifications  suivantes 
soient  apportees  aux  normes  en  usage  dans  le  commerce  des  semences 
de  betteraves:  • 

1.  En  ce  (luil  concerne  le  pourcentage  des  glomerules  en 
et'at  de  germer:  '  : 

Apres  14  jours  d'essai,  le  nombre  des  glomerules  germes  atteindra 
au  minimum 

70  °/o  pour  les  semences  d'un  poids  inferieur  a  18  gr.  le  mille, 
75  ^jo  pour  Celles  dont  le  poids  est  compris  entre  18  et  22  gr, 
80  °/o  pour  Celles  d'un  poids  superieur  a  22  grammes. 

2.  En  ce  qui  concerne  l'energie  germinative: 

Apres  5  jours  d'essai,  les  *l^  au  moins  des  glomerules  susceptil)les 
de  germer  devront  avoir  produit  un  germe,  ce  qui  revient  ä  dire  que 
les  semences  pesant  moins  de  18  grammes  le  mille  aiiront  donne,  au 
minimum,  56  "/o  de  glomerules  germes;  celles  d'un  poids  compris  entre 
18  et  22  grammes,  60  %,  et  celles  d'un  poids  superieur  ä  22  grammes, 
64%. 

3.  En  ce  qui  concerne  les  germes: 

Suppression    complete    des    indications    relatives   aux    nombres    de 
germes  par  100  glomerules  et  par  kilogramme  de  semences. 
Paris,  Aoüt  19Ü6. 


Sitzung  am  Montag,  den  10.  September  1906, 

nachmittags  3  '/2   *- hi ,  im  Hörsaal  A  des  Johanneums. 

Vorsitz:  Direktor  Dr.  F.  (j.  Stebler-Zürich. 

Anwesend:  Atterberg  -  Kalmar,  von  E» e gen  -  Budapest,  Dorph 
Petersen-Kopenhagen,  Drude-Dresden,  Edler- Jona,  Frankfurt-Kiew, 
Heinrich-Rostock,  Hillmann-Berlin,  Hiltner-München,  Johnson- 
Dublin,  Issatschensko-Petersburg,  Kambersky-Troppau,  Kirchner- 
Hohenheim,  Krüger- Bernburg,  Lyttkens-Stockholm,  Qvam- Kristiania, 
Raatz-Kl,  Wanzleben,    Rodewald-Kiel,    S  ch  umannn-Halle,    Simon- 

17* 


260       Verhandlungen  der  [.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Dresden.  Stebler-Zürich,  Stöhr-Preruu,  von  Szyszylowicz-Lemberg, 
Vanha-Brünn,  Vitek-Prag,  Voigt-Humburg,  von  Weinzierl-Wien, 
Wi  den  -  örebro  und  Zacharias-Hamburg. 

Vorsitzender:  VVenn  es  den  Herren  angenehm  ist,  so  wollen  wir 
unsere  Sitzung  wieder  eröffnen.  Es  wird  zunächst  Herr  Hofrat 
von  Weinzierl  einen  Antrag  begründen,  den  er  in  der  Vorstandssitzung 
des  Ausschüsse^  schon  vorgebracht  hat.  Ich  bitte  Herrn  Hof  rat 
von  Weinzierl  das  Wort  zu  nehmen. 

Hofrat  Dr.  TIi.  v.  Weinzierl-Wien:  Ich  habe  mir  schon  heute  vor- 
mittag gestattet,  darauf  hinzuweisen,  bevor  wir  in  die  Verhandlung 
unserer  weiteren  Fragen  eintreten,  dass  wir  uns  doch  darül)er  klar 
sein  wollen,  was  eigentüch  die  Zukunft  dieser  —  wie  ich  glaube  mit 
Befriedigung  konstatieren  zu  können  —  allgemein  beifällig  aufgenommenen 
Institution  unserer  internationalen  Konferenz  sein  soll.  Wir  haben 
darüber  schon  gesprochen  und  sind  zu  dem  Resultat  gelangt,  dass  es 
sehr  wünschenswert  wäre,  wenn  —  in  Anbetracht  der  Umstände,  dass 
in  dem  Verband  der  deutschen  Versuchsstationen  nur  die  Samenkontroll- 
stationen des  Deutschen  Reiches  inbegrififen  sind  —  auch  die  grossen 
Stationen,  die  ausserhalb  des  Deutschen  Reiches  wirken  und  hinsichtlich 
ihrer  Inanspruchnahme  seitens  der  Interessenten  auch  einen  nicht  un- 
bedeutenden Einfluss  auf  den  Samenhandel  ausüben,  auf  Grund  der 
ersten  Konferenz  auch  weiterhin  untereinander  eine  innigere  Fühlung 
durch  die  Gründung  eines  Verbandes  oder  einer  internationalen  Ver- 
einigung erhalten  würden.  Wir  sind  uns  voll  bewusst,  dass  die  tech- 
nischen Fragen,  die  wir  als  Programmpunkte  aufgestellt  haben,  nicht 
erschr)pfend  behandelt  werden  können,  und  ich  habe  mir  erlaubt,  speziell 
bei  den  Rübensamen  Untersuchungen,  die  selbstverständlich  nur  einen  Teil 
der  Fragen  bilden,  darauf  hinzuweisen,  dass  bei  einer  Methode,  die 
zweifellos  als  Fortschritt  bezeichnet  werden  muss,  noch  eine  Überprüfung 
und  eine  Einführung  an  den  verschiedenen  Stationen  notwendig  ist. 
Ebensowenig  wäre  es  möglich,  die  Frage  der  Roinheitsbestimmung,  des 
Seidegehaltes,  der  Keimung  usw.  methodisch  erschöpfend  zu  behandeln.  Ich 
möchte  mir  deshalb  erlauben,  im  Namen  des  Ausschusses  den  Antrag  zu 
stellen,  dass  wir  eine  internationale  Kommission  für  Samenprüfung 
einsetzen.  Diese  internationale  Kommission  ist. in  der  Weise  zu  organi- 
sieren, dass  wir  eine  bestimmte  Geschäftsstelle  schaffen,  welche  die 
Aufgabe  hätte,  —  mit  Rücksicht  darauf,  dass  wir  alle  in  ziemlich 
grossen  Entfernungen  tätig  sind  und  nicht  alle  Jahr  eine  Konferenz  stattfinden 
kann,  —  vielleicht  mit  Hilfe  eines  zu  entwerfenden  Fragebogens,  die  jeweilig 
eingeleiteten  Versuche   und  Wahrnehmungen    über   die   einheitlichen  Me- 


Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung.       261 

thoden  aus  diesen  Fragebögen  zusammenzustellen  und  das  Resume 
jedem  einzelnen  Mitglied  der  internationalen  Kommission  zu  übermitteln. 
Der  Ausschuss  erhofft  daraus  eine  allgemeine  Förderung  der  Samen- 
kontrolle und  sieht  darin  ein  wichtiges  Mittel  zu  einer  innigeren  fach- 
lichen Fühlung  unter  den  einzelnen  Mitgliedern.  Ich  glaube,  eine 
weitere  Begründung  oder  Ausführung  nicht  geben  zu  sollen,  da  die 
Sache  nur  Projekt  ist  und  ein  fixes  Programm  nicht  besteht,  aber  die 
Grundgedanken  dürften  aus  diesen  wenigen  Worten  klar  sein.  Ich 
würde  bitten,  sich  vielleicht  darüber  auszusprechen.  Es  ist  jetzt  gerade 
wohl  der  geeignete  Moment,  diesen  Antrag  vorzubringen. 

Vorsitzender:  Meine  Herren I  Sie  haben  den  Antrag  von  Herrn 
Kollegen  v.  Weinzierl  gehört.     Ich  bitte,  sich  darüber  zu  äussern. 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Aleine  Herren!  Ich  glaube,  dass 
der  Antrag  des  Herrn  Hof  rat  v.  Weinzierl  so  klar  ist,  dass  darüber 
nicht  viel  Worte  zu  verlieren  sind.  Wir  sind  hier  versammelt,  um 
etwas  zu  leisten.  Wenn  wir  uns  jedoch  nur  mit  dem  Reden  begnügen, 
wird  nicht  viel  geleistet  werden.  Erst  dann,  wenn  das.  was  hier  ge- 
sprochen wird,  von  der  Versuchskommission  untersucht  und  gründlich 
bearbeitet  wird,  könnte  die  Arbeit  Erfolg  haben.  Ich  finde,  dass  es 
zweckmässig  ist,  einen  internationalen  Verband  zu  wählen  und  einen 
Plan  zur  Bearbeitung  aufzustellen,  der  unter  die  verschiedenen  Stationen 
verteilt  werden  sollte.  Bei  dieser  Gelegenheit  muss  ich  (\en  ersten 
Vortrag  von  Herrn  Direktor  Stehler  anführen.  Gewiss,  vieles  ist  bereits 
getan  worden,  aber  trotzdem  bereits  einige  Sachen  publiziert  sind,  waren 
die  Mittel  sehr  klein  und  der  Erfolg  zu  gering.  Nur  in  dem  Falle,  dass 
solche  Arbeiten  planmässig  ausgeführt  werden,  wird  etwas  geleistet. 
Seit  drei  Jahren  untersuche  ich  die  Provenienz  galizischen  Rotklees  und 
bin  zu  der  Überzeugung  gelangt,  dass  solche  Arbeiten,  die  sich  auf  das 
politische  Gebiet  beschränken,  zwecklos  sind.  So  musste  ich  z.  B.,  um 
meine  Arbeiten  zu  vervollständigen,  mich  nach  Russisch-Polen,  ja  sogar 
nach  dem  eigentlichen  Russland  begeben.  Denn  erst  dann  kann  man 
einen  Überblick  gewinnen.  Allein  Arbeiten  dieser  Art  sind  so  umfang- 
reich, dass  man  sie  nur  gemeinschaftlich  ausführen  kann.  Wenn  ich  mich 
also  mit  den  Leitern  der  Versuchsstationen  in  Russland  vereinige,  können 
wir  vollständige  und  gründliche  Arbeit  leisten.  Ich  finde,  dass  solche 
internationalen  Verbände  absolut  notwendig  sind,  sonst  ist  unsere  Ver- 
sammlung eigentlich  zwecklos  verlaufen.  Wir  haben  viel  gelernt,  uns 
aber  auch  überzeugt,  dass  ohne  einen  Verband  die  Fortsetzung  solcher 
Arbeiten  verfehlt  ist. 

Vorsitzender:  Wenn  niemand  weiter  das  Wort  wünscht,  so 
nehme  ich  aus  Ihrem  Stillschweigen  an,  dass  Sie  mit  der  Anregung  des 


262        Verhandlungen  der  J.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Herrn  Hofrat  von  Weinzierl  einverstanden  sind.  Ich  fasse  die  Sache 
nicht  als  einen  Antrag  —  wir  können  ja  keine  Beschlüsse  lassen  — 
sondern  mehr  als  eine  Anregung  auf.  Es  kann  dann  jeder  sich  Rechen- 
schaft geben,  inwieweit  er  da  die  Hand  bieten  kann  oder  nicht  dazu  in 
der  Lage  ist.  Ich  denke,  das  Zweckmässigste  würde  sein,  wenn  wir 
den  bisherigen  Ausschuss  auch  weiter  funktionieren  lassen. 
Herr  Professor  Voigt  würde  wohl  am  besten  die  Geschäftsführung  unter 
Herbeiziehung  der  bisherigen  Ausschussmitglieder  weiter  besorgen,  bis 
dann  vielleicht  in  ein  paar  Jahren  oder  im  nächsten  Jahr  eine  neue 
Versammlung  einberufen  wird,  um  neuerdings  über  den  Gegenstand  zu 
verhandeln.  Ich  darf  Herrn  Professor  Voigt  bitten,  sich  hierüber  aus- 
zusprechen. 

Professor  Dr.  Yoig't-Hamburg:  Ich  bin  sehr  gern  bereit,  auf  dem 
Wege  weiter  zu  arbeiten,  den  wir  mit  dem  einmalig  gewählten  Aus- 
schuss betreten  haben,  aber  ich  glaube,  wir  müssen  uns  doch  wohl  in 
bezug  auf  den  Ausschuss,  der  existiert,  noch  etwas  genauer  klar  worden. 
In  Wien  waren  fünf  Herren  gewählt,  die  den  engeren  Ausschuss 
bilden:  diese  fünf  Herren  haben  sich  ergänzt  durch  Vertreter  aus  den 
verschiedenen  Staaten,  in  denen  Samenkontrolle  in  grösserem  oder  ge- 
ringerem Umfange  betrieben  wird.  Ich  möchte  glauben,  dass  wir  den 
Ausschuss,  der  jetzt  gemeint  ist,  so  auffassen  müssen,  dass  wir  aus 
jedem  Lande  einen  Herrn  haben,  an  den  wir  uns  wenden  können. 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Es  ist  uns  unbekannt,  wer  zum 
weiteren  Ausschuss  gehört.  Ausserdem  soll  meiner  Ansicht  nach  unser 
Ausschuss  nicht  idealer  Natur  sein.  Es  sind  Bedürfnisse  da,  die  man 
decken  muss.  Wir  müssen  als  Mitglieder  eine  gewisse  Summe  zahlen, 
um  die  Kosten  zu  decken.  Es  werden  ja  alle  Arbeiten  publiziert 
werden,  und  ich  glaube,  dass  die  Leiter  der  Versuchsstationen,  die  dazu 
gehören,  und  die  Staaten  gern  bereit  sein  werden,  die  Kosten  zu  tragen. 
Meiner  Meinung  nach  wird  das  ein  Verband  sein,  der  formell  existiert 
und  nicht  nur  eine  Stütze  für  die  Zukunft  bildet. 

Inspektor  A.  Lyttkens-Stockholm:  Ich  erlaube  mir  die  Frage,  wie 
man  sich  den  Verband  gedacht  hat  und  wie  er  wirken  soll.  Man  ist, 
wie  ich  glaube,  in  Deutschland  gewöhnt,  dass  dieser  Verband  die  Me- 
thode vorschreibt  und  sie  diskutiert,  und  dass  man  dann  übereinkommt, 
welche  Methode  bevorzugt  werden  soll.  In  Dänemark,  Schweden  und 
Norwegen  ist  es  anders.  Da  sind  es  nicht  die  Kontrollstationen,  welche 
die  Methode  bestimmen,  sondern  es  sind  dort  die  Regierungen,  welche 
diejenige  Methode  bestimmen,  der  man  folgen  soll.  Wenn  ein  solcher 
Verband  eingia'ichtet  wird  und  wir  in  Skandinavien  diesem  Verbände 
beitreten,  so  müssen  wir  dann  der  Methode  folgen,  welche  der  Verband 


Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung.       263 

vorschreibt.      Das  können  wir  ja   nicht,    da  die  Regierungen  bei  uns  die 
Methode  zu  bestimmen   haben.     Ich  möchte  diese  Frage  stellen. 

Professor  Dr.  Zacharias-Hamburg:  Es  besteht  hier  ein  Missver- 
ständnis. Der  Herr  Antragsteller  und  die  Herren  vom  Ausschuss  sind 
nicht  der  Meinung,  dass  ein  fester  Verband  geschaffen  werden  soll,  der 
Vorschriften  zu  machen  hat,  nach  denen  die  Mitglieder  sich  zu  richten 
haben.  Das  ist  durchaus  nicht  die  Meinung  der  Herren.  Das  Wort 
„Verband"  führt  zu  einem  Missverständnis.  Es  soll  nur  eine  Gemein- 
schaft geschaffen  werden,  die  das  wissenschaftliche  Studium  der  Samen- 
kontrollstationen unterstützt,  die  wissenschaftlichen  Resultate  der  ein- 
zelnen Stationen  sammelt  und  zur  weiteren  Förderung  den  anderen  zu- 
gänglich macht.  Das  ist,  soweit  ich  unterrichtet  bin,  die  Quintessenz 
des  Antrages  und  damit  wird  der  Herr  Vorredner  auch  einver- 
standen sein. 

Dr.  J.  V.  Szyszylovvicz-Lemberg:  Da  ich  das  \\'ort  „Verband"  ge- 
braucht habe,  werde  ich  es  weiter  ausführen.  Wir  kr)nnen  nur  die 
Methode  ausarbeiten  und,  wenn  sie  gut  ist,  werden  alle  Regierungen 
sie  anerkennen.  Die  Regierungen  können  die  Methode  nicht  machen. 
Wenn  dieser  Verband  oder  die  Vereinigung  —  die  Bezeichnung  ist 
gleichgültig  —  die  beste  Methode  ausarbeitet,  bin  ich  sicher,  dass  alle 
Regierungen  sie  annehmen  worden.  Dann  wird  alles  das  beseitigt,  was 
jetzt  ein  Missstand  ist,  dass  alle  Versuchsstationen  verschiedene  Methoden 
haben. 

Vorsitzender:  Ich  glaube,  es  ist  nicht  die  gleiche  Ansicht  aller 
Herren,  wie  sie  die  drei  Herren  Szyszylowicz,  Weinzierl  und 
Zacharias  ausgesprochen  haben.  Ich  glaube,  unsere  Aufgabe  liegt 
mehr  in  der  Idee  des  Anregens,  es  soll  eine  freie  Vereinigung  statt- 
finden, und  es  sollen  allgemeine  Fragen  behandelt  werden,  aber  wir 
sollen  nicht  die  Methode  festsetzen.  Das  kommt  ja  von  sell)st.  Dass 
wir  bestimmte  Vorschriften  machen,  dazu  hat  der  Verband  gar  keine 
Kompetenz. 

lh\  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Es  wird  so  eine  Verbindung  sein, 
wie  die  Akademie  der  Wissenschaften,  die  danach  trachtet,  die  Wissen- 
schaft zu  entwickeln  und  alles  positiv  zu  erreichen.  Wir  werden  auch 
danach  streben,  die  Methode  zu  verbessern  und  uns  gegenseitig  zu 
helfen.  Ob  die  Methode  angenommen  wird,  hängt  von  den  Leitern  der 
Versuchsstationen  ab,  denn  diese  sind  die  Berater  der  Regierung.  Falte 
etwas  positiv  Gutes  geschaffen  wird,  wird  die  Regierung  es  schon  annehmen. 
Es  ist  eine  wissenschaftliche  Vereinigung,  die  zu  praktischen  Zwecken  führt. 

Inspektor  A.  Lyttkens-Stockholm:  Unter  solchen  Bedingungen 
glaube    ich    zusagen    zu    können,    dass    auch    die  Vertreter  der  schwe- 


264       Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

dischen  SamenkontroUstationen  gesonnen  sind,  in  den  Verband  einzutreten. 
Wir  sind  nur  zu  dreien  hier  zusammen.  Ich  will  aber  gern  als  Inspektor 
der  Stationen  in  Schweden  ein  Rundschreiben  an  sämtliche  Stationen 
schicken.  Ich  glaube,  ich  kann  zusagen,  dass  sämtliche  Stationen  in 
diesen  Verband  eintreten. 

Professor  Dr.  Voigt-Hamburg:  Wir  können  ja  vielleicht  aus  dem 
ersten  Rundschreiben  das  klassische  Wort  „Förderung  der  wissenschaft- 
lichen Grundlagen  der  Samenkontrolle"  aufgreifen  und  dazu  das  Leitwort 
setzen:  „Internationale  Kommission  zur  Förderung  der  wissenschaftlichen 
Grundlagen  der  Samenkontrolle".  Der  Ausschuss,  der  uns  heute  zu- 
sammengerufen hat,  erklärt  sich  gewissermassen  in  Permanenz.  So  lange 
wir  nicht  wissen,  ob  die  Vertreter  der  einzelnen  Staaten  sich  zusammen- 
schliessen  können,  tun  wir  ebensogut,  es  bei  der  „Kommission  zur 
Förderung  der  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Samenkontrolle"  zu 
belassen.  Wir  haben  heute  am  Schluss  des  Vortrages  des  Herrn  Hofrat 
von  Weinzierl  gehört,  dass  in  dieser  Form  sich  sehr  Gutes  schaffen 
Hesse,  z.  B.  dadurch,  dass  irgend  eine  Station  vom  wissenschaftlichen 
Ausschuss  beauftragt  wird,  auf  gewissen  Gebieten  Material  zu  sammeln. 
Es  ist  das  ja  nur  ein  Weg,  auf  den  ich  heute  hinweisen  will.  Wir  würden 
die  Kommission  in  Permanenz  erklären,  einige  Herren  hineinwählen  und 
aus  jedem  Lande  einige  Vertreter  dazu  nehmen,  die  über  die  Verhält- 
nisse in  ihren  Ländern  berichten,  so  dass  durch  diesen  Zusammenhang 
die  Sache  gefördert  wird  und  weiter  kommt. 

Hofrat  I»r.  Th.  v.  Weinzierl-W^ien :  Ich  möchte  m  geschäftlicher 
Hinsicht  mir  die  Bemerkung  erlauben,  dass  ich  mir  diese  Kommission 
oder  die  Durchführung  der  Sache  so  denke,  dass  wir  vor  Schluss 
unserer  Konferenz  einen  Bogen  auflegen  und  diejenigen  Herren  bitten 
sich  einzuzeichnen,  die  beabsichtigen,  dieser  internationalen  Kommission 
beizutreten.  Diese  Unterschrift  ist  natürlich  nur  zu  unserer  Orientierung 
und  unverbindlich.  Es  wird  dann  ein  Zirkular  ausgearbeitet  werden,  in 
welchem  der  Zweck  und  die  Aufgaben  dieser  internationalen  Kommission 
dargelegt  werden.  Dieses  gedruckte  Zirkular,  welches  von  dem  von 
Ihnen  zu  wählenden  Ausschuss  mit  seinem  Präsidium  an  der  Spitze  zu 
zeichnen  wäre,  wird  an  alle  diejenigen  Herren  übersandt  werden,  welche 
in  der  Präsenzliste  stehen  oder  ihre  Zustimmung  durch  die  Unterschrift 
gegeben  haben.  Auf  Grund  dieser  Ihnen  in  dem  gedruckten  Formular 
zugegangenen  Darlegung  können  Sie  sich  erst  definitiv  entschliessen, 
und  diejenigen  Herren,  die  nicht  selbständige  Leiter  von  Anstalten  sind 
oder  die  Zustimmung  ihrer  Behörden  gebrauchen,  können  ihren  Re- 
gierungen dann  sagen,  um  was  es  sich  hier  handelt.  Diese  idealen 
Aufgaben  mit  praktischem  Hintergrund  sind  in  dieser  Kommission  beab- 


Verhandlungen  der  T.  internationalen  Konferenz  für  Satnenprüfung.        265 

sichtigt.  Wir  treten  unverbindlich  ein  und  wollen  hauptsächlich  die 
wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Samenkontrolle  fördern  mit  Rücksicht 
auf  unser  Land  bzw.  unsorn  Staat,  Das  dürfte  am  besten  auf  diese 
Weise  eingeleitet  und  diese  Frage  momentan  als  erledigt  betrachtet 
werden. 

Professor  I)r.  Voigt-Hamburg:  Ich  mi'ichte  mir  noch  eine  Frage 
erlauben.  Von  verschiedenen  auswärtigen  Vertretern  habe  ich  ein  ge- 
wisses Einverständnis  vernommen  für  das,  was  Herr  Hof  rat  v.  Weinzierl 
vorgetragen  hat.  Ich  habe  aber  von  den  Herren  unseres  als  Beispiel 
in  Deutschland  vorangehenden  Verbandes  der  landwirtschaftlichen  Ver- 
suchsstationen noch  nichts  gehört  und  möchte  von  diesen  Herren  gerne 
eine  Antwort  haben,  ob  sie  in  der  Form,  wie  sie  heute  an  unseren 
Sitzungen  teilnehmen,  auch  späterhin  dem  Ausschuss  zur  Förderung  der 
wissenschaftlichen  Grundlage  der  Samenkontrolle  beitreten  werden,  denn 
gerade  in  Deutschland  liegen  die  Verhältnisse  etwas  anders. 

Geh.  Ökonomierat  Prof. Dr.  Heinrich-Rostock:  Soweit  es  die  Förderung 
der  wissenschaftlichen  Grundlagen  betrifft,  glaube  ich,  wird  unser  Verband 
absolut  keine  Schwierigkeiten  machen,  in  corpore  oder  einzeln  beizu- 
treten. Aber  jedenfalls  würden  wir  dies  nur  ad  referendum  entgegen- 
nehmen.    Bestimmte  Äusserungen  können  wir  nicht  geben. 

Professor  Dr.  Edler- Jena:  Es  ist  doch  eine  persiinliche  Sache. 
Gerade  so  gut,  wie  die  Herren  heute  daran  teilnehmen,  werden  sie  sich 
doch  auch  an  den  späteren  Verhandlungen  beteiligen. 

Direktor  K.  Dorph  Petersen-Koponhagen:  Für  die  Samenkontroll- 
station im  Staate  Dänemark  möchte  ich  ganz  ruhig  dem  zustimmen, 
was  Herr  Inspektor  Lyttkens  gesagt  hat.  Ich  will  sehr  gerne  mit- 
arbeiten und  glaube,  es  ist  eine  sehr  gute  Sache,  die  vorbereitet  wird. 
Ich  möchte  für  Dänemark  dem  Aussschuss  besten  Dank  sagen,  weil  er 
die  Sache  so  ausgezeichnet  gut  vorbereitet  hat. 

Direktor  Dr.  S.  Fraiikfiirt-Kiew :  Nachdem  sich  schon  verschiedene 
Herren  geäussert  haben,  glaube  ich  es  nötig  zu  haben,  mich  auch  als 
Vertreter  aus  Russland  zu  äussern.  Die  Samenkontrolle  ist  bei  uns  so 
wenig  entwickelt,  dass  der  Verband  der  russischen  Stationen  sicher 
daran  teilnehmen  wird,  und  ich  bin  sicher,  dass  auch  die  Regierung  zu- 
stimmen wird. 

Vorsitzender:  Es  wird  eine  Liste  herumgehen,  in  welche  sich 
die  Anwesenden  einzeichnen  können,  ob  sie  in  dieser  Auffassung  mit- 
machen wollen  oder  nicht.  Es  übernimmt  keiner  eine  Verpflichtung, 
dass  er  sich  gewissen  Vorschriften  unterzieht,  sondern  es  handelt  sich 
nur  um  die  wissenschaftliche  Förderung  der  SamenköntroUe,  also  eine  freie 


266       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Vereinigung    von   Leuten,     die    sich    das    gleiclie  Ziel    gesteckt  haben.*) 
Ich  betrachte  die  Frage  nun  als  erledigt. 

Wir  wollen  nun  ein  anderes  Thema  vornehmen.  Herr  Professor 
Rodewald  hatte  die  Güte,  das  Referat  über  die  Reinheitsunter- 
suchungen zu  übernehmen,  und  ich  ersuche  ihn,  seinen  Vortrag 
zu  halten. 


Die  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren. 

Von 

Professor  Dr.  H.  Rodewald,  Kiel. 

Ich  wollte  eigentlich  über  die  Frage  der  Reinheitsbestimmungen 
keinen  Vortrag  halten,  denn  Sie  sind  alle  Fachleute  und  haben  alle  Rein- 
heitsbestimmungen gemacht  und  wissen  alle,  worum  es  sich  handelt, 
sondern  ich  wollte  eigentlich  nur  eine  Diskussion  anregen,  denn,  meine 
Herren,  die  Reinheitsbestimmung  ist  ebenso  konventionell  wie  die  Keim- 
prüfung, wenigstens  sind  bei  den  Keimprüfungen  die  Keimungsbedin- 
gungen  konventionell.  Es  hängt  ganz  und  gar  das  Resultat  der  Rein- 
heitsbestimmung davon  ab,  was  man  als  „rein"  bezeichnen  will,  und 
diese  Grenze  zwischen  „rein"  und  „unrein"  festzulegen,  ist  eine  pure 
Definitionssache.  Wir  können  uns  darüber  unterhalten,  welche  Definition 
die  beste  und  praktischste  ist.  Dabei  können  wir  von  zwei  Gesichts- 
punkten ausgehen.  Einmal  können  wir  dem  Bedürfnis  der  Landwirt- 
schaft und  der  Samenhändler  Rechnung  tragen  und  die  Grenze  nach 
dieser  Richtung  hin  festlegen.  Zweitens  können  wir  von  dem  Gesichts- 
punkt der  Genauigkeit  der  Methode  ausgehen  und  untersuchen:  welche 
Grenze  ist  nach  dieser  Richtung  hin  die  beste?  E)amit  scheinen  mir 
die  Möglichkeiten  über  die  Reinheitsbestimmung  überhaupt  erschöpft 
zu  sein. 

Soviel  ich  weiss,   ist  seit  langer  Zeit  in  den  meisten  SamenkontroU- 


1)  Zur  Mitarbeit  erklärten  sich  bereit: 

Att erberg-Kalmar,  von  Degen-Budapest,  Dorph  Petersen-Kopen- 
hagen,  Edler-Jena,  Frankfurt-Kiew,  Heinrich-Rostock,  Hillmann- 
Berlin,  H  iltner-München.  Johnson-Dublin,  Issatscheusko-Petersburg, 
Kambersky-Troppau,  Krüger-Bernburg,  Lyttkens-Stockholm,  Qvam- 
Kristiania.  Paatz-KI.  VVanzleben,  vSchumann -Halle,  Simon  -  Dresden, 
Stebler  -  Zürich,  Stöhr  -  Prerau,  von  Sz^^szylowicz  -  Lemberg,  Vanha- 
Brünn,  Vitek-Prag,  Voigt- Hamburg,  von  Weinzierl- Wien,  Widen- 
C'rebro  und  Zacharias-Hambura-. 


H.  Eodewald,  Die  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  267 

Stationen,  wo  Reinheitsbestimmungen  gemacht  werden,  eine  Grenze 
zwischen  rein  und  unrein  üblich,  die  als  „rein"  das  bezeichnet,  was  aller 
Wahrscheinlichkeit  dem  Anschein  nach  auch  keimfähig  ist.  Bei  Klee- 
arten würde  also,  um  das  etwas  näher  zu  illustrieren,  die  Grenze  da 
liegen,  wo  auf  der  einen  Seite  die  ganz  unbeschädigten  Körner  aufhören 
und  auf  der  anderen  Seite  die  beschädigten,  zerbrochenen  Körner  und 
die  fremden  Bestandteile,  fremde  Samen,  Steine  und  Sand,  anfangen. 
Es  gibt  da  aber  Übergänge,  die  Ihnen  bekannt  sind.  Unter  einem 
Muster  Rotklee,  Weissklee  sind  die  Samen  verschieden  entwickelt  von 
vollen,  gut  ausgereiften  Samenkörnern  bis  zu  eingeschrumpften  Samen, 
von  denen  man  nicht  weiss,  ob  sie  keimfähig  sind,  ob  man  sie  den 
reinen  Körnern  zurechnen  oder  ob  man  sie  zu  dem  Bruch  tun  soll. 
I)iese  Grenze  ist  etwas  schwierig  festzuhalten.  Die  üblichen  Vor- 
schriften sagen  darüber  folgendes:  Falls  man  in  Zweifel  ist,  soll  man 
das  fragliche  Korn  zu  den  reinen  Körnern  tun  und  durch  Keimprüfung 
entscheiden,  ob  es  keimfähig  ist  oder  nicht.  Aber  die  Grenze  des 
Zweifels  und  die  Ansichten  sind  individuell  sehr  verschieden,  und  da- 
durch kommt  es,  dass  der  eine  die  Grenze  anders  zieht  als  der  andere. 
Man  kann  nun  wohl  an  ein  und  derselben  Station  mit  einem  und  dem- 
selben Personal  eine  scharfe  Grenze  ziehen,  die  so  scharf  ist,  dass  man 
sie  sich  eigentlich  nicht  besser  wünschen  kann.  Wir  haben  früher 
selbst  Untersuchungen  über  die  Grenze  ausgeführt,  und  ich  habe,  um 
einmal  zu  sehen,  wie  weit  denn  die  Grenze  scharf  herzustellen  ist,  ein 
und  dieselbe  Probe  von  ein  und  derselben  Person,  ohne  dass  sie  es 
wusste,  nach  und  nach  hundertmal  analysieren  lassen,  um  die  Beimengen 
und  die  Reinheit  festzustellen.  Der  Fehler  war  nicht  sehr  bedeutend, 
er  betrug  ungefähr  3  ''/o,  verhältnismässig  also  wenig.  Das  ist  ein 
Zeichen,  dass  man  sich  individuell  eine  Grenze  bilden  kann,  die  auch 
scharf  festzuhalten  ist.  Sobald  man  aber  das  Personal  wechselt,  und 
wenn  man  sich  auch  die  Mühe  gibt,  das  Personal  mit  den  gleichen  An- 
weisungen zu  versehen,  so  zeigt  es  sich,  dass  doch  eine  individuelle 
Verschiedenheit  obwaltet,  und  das  ist  besonders  dann  der  Fall,  wenn 
das  auslesende  Personal  nicht  mehr  unter  einheitlicher  Leitung  steht, 
wie  dies  naturgemäss  ist,  wenn  man  die  verschiedenen  Stationen  mit- 
einander vergleicht.  Da  sind  zunächst  einmal  verschiedene  Personen, 
die  die  Anweisung  für  die  Grenze  geben,  und  dann  sind  verschiedene 
Personen  da,  die  die  Grenze  feststellen  und  auslesen.  Es  fragt  sich 
nun,  ob  es  zweckmässig  ist,  diese  Grenze  festzuhalten?  Es  scheint, 
als  ob  der  Samenhandel  für  diese  Grenze  Interesse  hat.  Er  gewinnt 
den  Vorteil  durch  die  Analyse,  durch  die  Reinheitsbestimmung,  den  Ab- 
fall   schätzen    zu  können,    denn  was  nicht  keimfähig  ist,  soll  nach  An- 


268       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Sameni)rüfving- 

sieht  der  Sachverständigen  ausgeschieden  werden.  Wenn  unreine  Proben 
zur  Reinheitsuntersuchung  gelangen,  so  weiss  der  Händler,  der  die 
Analyse  machen  lässt,  gleich,  er  hat  so  und  soviel  Abfall  zu  erwarten. 
Aber  diese  Grenze  ist  fluktuierend  und  individuell  verschieden  und  wird 
stets  zu  grossen  systematischen  Fehlern  zwischen  den  einzelnen 
Stationen  Anlass  geben.  Wir  sind  eigentlich  hier,  diesen  Unterschied 
zu  verwischen  und  möglichst  auszugleichen.  Da  entsteht  nun  die  Frage, 
ob  es  nicht  möglich  ist,  eine  andere  Grenze,  die  ausserdem  den  prakti- 
schen Anforderungen  entspricht,  festzulegen.  Diese  Grenze  würde  zu 
ziehen  sein  durch  die  Vorschrift,  die  den  Speziesbegriff  an  die  Spitze 
stellt  und  sagt:  Alles,  was  von  der  betreffenden  Saat  stammt  oder  zu 
den  betreffenden  Früchten  gehört,  wird  als  rein  bezeichnet,  ganz  gleich- 
gültig, ob  es  vermutlich  keimfähig  ist  oder  nicht.  Diese  Grenze  ist 
jedenfalls  schärfer  als  die  vorhin  besprochene,  denn  darüber  wird  ein 
Sachverständiger  nie  im  Zweifel  sein,  ob  eine  Spelze  z.  B.  eine  Spelze 
von  Poa  ist  oder  eine  Spelze  von  einer  anderen  Spezies.  Aber  den 
Vorteil,  den  ich  vorhin  von  der  anderen  Grenze  erwähnte,  nämlich,  dass 
nach  der  Analyse  gleich  abzuschätzen  ist,  wie  gross  der  Abfall  bei  der 
Reinigung  sein  wird,  bietet  sie  nicht. 

Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  bei  den  Versuchen,  die  auf  Veran- 
lassung der  Deutschen  Landwirtsehafts-Gesellschaft  gemacht  worden  sind, 
beide  Definitionen  der  praktischen  Prüfung  zu  unterziehen.  Vielleicht 
haben  Sie  das  auch  in  den  Berichten,  die  ich  an  die  Deutsche  Land- 
wirtschafts-Gesellschaft eingereicht  habe,  gelesen.  Dabei  hat  sich  her- 
ausgestellt, dass  der  systematische  Fehler  immer  grösser  war,  wenn  die 
Reinheitsbestimmungen  nach  der  ersten  Grenzbestimmung  veranlasst 
wurden,  Über  die  Spezies  sind  wir  nie  im  unklaren.  Wir  würden  auf 
diesem  Wege  zu  einer  sicheren  Reinheitsbestimmung  gelangen,  und  das 
hat  mich  veranlasst,  gerade  diese  Reinheitsbestimmung  besonders  bei 
feinen  Gräsern,  wo  die  Grenze  schwer  zu  finden  ist,  zu  befürworten. 
Daraus  ergeben  sich  Konsequenzen  bezüglich  der  Bestimmung  der  Keim- 
fähigkeit. Wenn  wir  die  erste  Grenze,  wie  wir  die  alte  nennen  wollen^ 
festhalten,  so  genügt  es,  für  die  Keimprüfung  einzelne  Körner  abzu- 
zählen. Wir  haben  dann  jedes  einzelne  auf  die  Keimfähigkeit  zu 
prüfende  Korn  vor  uns. 

Nicht  so  bei  der  zweiten  Prüfung!  Da  haben  wir  Spelzen  und 
Unreines  vor  uns  und  können  nicht  nach  der  Zählmethode  arbeiten, 
denn  Spelzen  und  Früchte  sind  selbstverständlich  sehr  verschieden  und 
lassen  sich  nicht  als  gleiche  Individuen  ins  Keimbett  bringen.  Man 
wird  kaum  Schwierigkeiten  haben,  wenn  man  die  Keimprüfung  nach 
Gewicht    vornimmt    und    ein    bestimmtes  Gewicht   zur  Keimprüfung   ins- 


H.  Rodewald,  Die  Reinheitsbestimmung  von  Saatwareii.  269 

Keimbett  bringt.  Es  fragt  sich,  ob  die  Spelzen  —  um  solche  handelt 
es  sich  bei  den  Gräsern  —  oder  die  geschrumpften  Körner  —  um 
solche  handelt  es  sich  bei  den  Kleearten  — ,  die  man  ja  bei  der  Ge- 
wichtsmethode mit  ins  Keimbett  bringt,  imstande  sind,  die  Keimprüfung 
erheblich  zu  stören.  Soweit  meine  Erfahrung  reicht,  i^  das  nicht  der 
Fall,  denn  es  kommt  darauf  an,  wie  stark  man  das  Keimbett  mit 
Samen  beschwert.  Hat  man  genügend  grosse  Keimflächen  zur  Ver- 
fügung, so  dass  die  Keime  einzeln  zu  liegen  kommen,  so  schadet  es 
nicht,  ob  einige  Spelzen  oder  geschrumpfte  Körner  darin  sind.  Ausser- 
dem muss  man  mit  der  Tatsache  rechnen,  dass  wir  aseptische  Keim- 
betten nicht  herstellen  können,  und  wenn  wir  das  auch  anfangs  können, 
so  bleiben  sie  nicht  aseptisch,  wenn  wir  die  Körner  zur  Keimprüfung 
hineinlegen,  denn  die  Körner  selbst  sind  infiziert. 

Zugunsten  der  Exaktheit  der  Grenzbestimmung  spricht  entschieden 
die  zweite  Methode,  und  ich  glaube,  zugunsten  der  schnelleren  Übersicht 
über  die  Resultate  und  vor  allem  zugunsten  der  Gewohnheit  spricht  die 
erste  Methode.  Ich  bezweifle  aber  sehr,  dass  es  gelingen  wird,  mittelst 
der  ersten  Methode  genügend  genaue  Reinheitsbestimmungen  zu  be- 
kommen, und  es  wird  dann  wohl  so  bleiben,  wie  es  seit  langen  Jahren 
gewesen  ist,  dass  jede  Station  ihre  besonderen  Koeffizienten  hat,  durch 
welche  die  Untersuchungen  reduzierbar  werden  auf  die  Untersuchungen 
anderer  Stationen.  Allein  das  ist  nicht  der  Zweck,  den  wir  hier  ver- 
folgen. Wir  wünschen  möglichst  gleiche  Vorschriften  über  die  Reinheits- 
bestimmungen, die  aber  dann  auch  so  beschaffen  sein  müssen,  dass  man 
sie  innehalten  kann.  Aus  diesem  Grunde  bin  ich  bei  der  Reinheits- 
bestimmung mehr  für  die  zweite  Grenze,  besonders  dann,  wenn  es  sich 
um  feinere  Gräser,  z,  B.  Dactylis  und  dergleichen,  handelt.  Bei  Lolium 
würde  es  sich  auch  empfehlen,  obwohl  es  nicht  wesentlich  ist.  Man 
kann  darüber  natürlich  sehr  geteilter  Ansicht  sein,  und  das  haben 
die  verschiedenen  Untersuchungsmethoden  und  -Resultate  der  ver- 
schiedenen Stationen  genügend  bewiesen.  Ich  meine,  es  würde  zur 
Klärung  der  Sachlage  beitragen,  wenn  man  sich  darüber  ausspräche, 
welche  Grenze  wünschenswert  ist  und  ob  man  eine  bessere  Definition 
angeben  kann.  Von  einer  objektiven  Methode  muss  man  verlangen, 
dass  eine  Grenze  zwischen  dem,  was  als  rein,  und  dem,  was  als  unrein 
zu  bezeichnen  ist,  feststeht,  sonst  kann  man  von  einer  Reinheits- 
bestimmung nicht  sprechen,  oder  man  muss  die  Reinheitsbestimmung 
ganz  fallen  lassen  und  sich  auf  die  Keimfähigkeit  beschränken. 

Ich  zweifle  keinen  Augenblick  daran,  dass  jeder  sich  eine  Grenze 
wählen  und  sie  scharf  innehalten  kann.  Wie  gesagt,  ich  habe  das 
schon  vor  recht  langer  Zeit  untersuchen  lassen  in  einer  Arbeit,    die  ich 


270       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

in  den  „Landwirtschaftlichen  Versuchsstationen"  über  die  Fehler  der 
Reinheitsbestimmung  bei  der  Untersuchung  von  Kleesamen  publiziert 
habe.  Dabei  hat  sich  herausgestellt,  dass  die  Fehler  bei  ein  und  der- 
selben Person  nur  gering  sind,  und  dass,  wenn  man  eine  Grenze  fest- 
hält, man  die  Fehler  unter  bestimmter  Voraussetzung  theoretisch  nahezu 
genau  berechnen  kann.  Diese  Voraussetzung  ist  die  folgende:  Ich 
nehme  an,  dass  die  Beimengungen  im  wesentlichen  von  derselben  Grössen- 
ordnung  wie  die  Samen  sind,  stelle  dann  das  durchschnittliche  Korn- 
gewichts- und  Zahlenverhältnis  fest  und  berechne  nach  denselben  Formeln, 
nach  denen  sich  die  Fehler  der  Keimprüfung  berechnen  lassen,  auch 
die  Fehler  der  Reinheitsprüfung.  Man  hat  dann  den  Vorteil,  dass  die 
Fehler  der  Reinheitsprüfung  zunächst  von  der  Grösse  der  Reinheit  selbst 
in  Abhängigkeit  gebracht  werden.  Das  ist  sehr  wichtig,  denn  Sie 
werden  alle  die  Erfahrung  gemacht  haben,  dass  es  sehr  viel  schwieriger 
ist,  eine  Reinheitsbestimmung,  bei  der  die  Reinheit  um  50  °/o  herum 
liegt,  genau  zu  machen  als  eine  Reinheitsbestimmung  von  einer  Saat, 
deren  Reinheit  etwas  unter  100  %  Hegt.  Schwerer  wird  es  erst,  wenn 
grössere  Mengen  Bruch  und  Spreu  vorhanden  sind.  Besonders  wenn 
es  sich  um  feinere  Gräser  handelt,  die  oft  nur  eine  Reinheit  von  70, 
80,  50  oder  60  °/o  haben,  ist  es  sehr  wichtig,  eine  scharfe  Grenz- 
bestimmung zwischen  rein  und  unrein  festzulegen.  Über  die  Keim- 
fähigkeit muss  die  Keimprüfung  doch  entscheiden. 

Man  kann  das  Keimbett  sehr  gut  von  Schimmelpilzen  und  der- 
gleichen rein  halten.  Es  kommt  darauf  an,  dass  ordentlich  gelüftet 
wird.  Die  Lüftung  bedingt  eine  bessere  Verdunstung,  und  damit  sind 
ganz  andere  Bedingungen,  die  günstig  und  ungünstig  wirken  können, 
gegeben.  Lüftung  muss  geschehen,  damit  die  Wasserverdunstung  nicht 
verhindert  wird.     Ich  will  auf  diese  Frage  nicht  näher  eingehen. 

Was  nun  die  Keimmethodo  anbetrifft,  so  muss  die  Keimfähigkeit, 
wenn  die  zweite  Definition  für  die  Reinheitsbestimmungen  benutzt 
werden  soll,  auf  die  Gewichtseinheit  bezogen  werden.  Dieser  Keim- 
methode hat  man  den  Vorwurf  gemacht,  dass  sie  kleinkörnige  Ware 
bevorzugt,  denn  man  sagt  sich:  bei  grobkörniger  Ware  kommen  weniger 
Körner  auf  ein  Gramm  als  bei  kleinkörniger  Ware,  letztere  liefert  somit 
pro  g  auch  mehr  Keimlinge  und  erscheint  besser  als  grobk(>rnige  Ware. 
Nach  meinem  Dafürhalten  ist  es  unzulässig,  die  Korngrösse  nach  der 
Keimfähigkeit  zu  beurteilen.  Korngriisse  und  Keimfähigkeit  sind  ganz 
etwas  anderes,  sind  ganz  verschieden.  Wenn  ich  die  Korngrösse  be- 
urteilen will,  muss  ich  das  Gewicht  von  1000  Körnern  bestimmen. 
r»as  muss  ich  auch,  wenn  ich  die  nach  der  Gewichtsmethode  bestimmte 
Keimfähigkeit    in    Relativzahlen    ausdrücken    will,    wenn    ich   feststellen 


H.  Rodewald,  Die  Reinheitsbestimmung  von  Saatvvaren.  271 

will,  wieviel  von  100  k^-  keimfähig  ist.  Ich  muss  dann  auch  mit  dem 
mittleren  Gewicht  eines  Kornes  und  zwar  eines  voraussichtlich  keim- 
fähigen Kornes  operieren,  und  dann  komme  ich  wieder  an  jene  Grenze, 
die  ohne  Keimprüfung  darüber  entscheiden  muss,  ob  ein  Korn  keimfähig 
ist  oder  nicht.  Wenn  ich  das  Gewicht  von  1000  Körnern  bestimmen 
will,  darf  ich  also  nur  solche  Körner  nehmen,  die  voraussichtlich  keim- 
fähig sind,  aber  ich  brauche  nur   1000  Körner  abzuzählen. 

Um  den  Gebrauchswert  nach  der  Zählmethode  festzustellen,  ge- 
nügen 1000  Köi-ner  nicht.  Wir  sind  gezwungen,  eine  grössere  Anzahl 
von  Körnern,  5000  bis  10000,  auszulesen.  Die  Arbeit  wird  wesentlich 
erleichtert,  wenn  ich  jene  schwierige  Grenze  bei  nur  1000  Körnern 
statt  bei  10000  zu  bestimmen  habe.  Dann  kommt  hinzu,  dass  ich 
Hilfsmittel  gebrauchen  kann,  um  mich  zu  vergewissern,  ob  eine  Spelze 
eine  Scheinfrucht  enthält  oder  nicht.  Ich  kann  transparente  Beleuchtung 
anwenden.  Bei  manchen  Gräsern,  z.  B.  bei  Fuchsschwanz,  leistet  die 
transparente  Beleuchtung  ganz  gute  Dienste,  wenn  sie  zweckmässig  ein- 
gerichtet ist.  Diese  Bedingungen  sind  bei  dem  Abbeschen  Beleuchtungs- 
apparat genau  erfüllt.  Die  transparente  Beleuchtung  können  wir 
variieren,  einmal  nach  deV  Intensität  des  Lichts  und  zweitens  nach  der 
Richtung  der  Strahlen.  Die  Beleuchtung  ist  am  vollkommensten,  wenn 
die  Intensität  möglichst  hoch  ist,  so  hoch,  wie  sie  das  Auge  auf  die 
Dauer  verträgt,  und  wenn  die  Richtung  möglichst  so  ist.  dass  das  Licht 
von  einer  Halbhohlkugel,  in  deren  Zentrum  sich  die  Frucht  befindet, 
ausstrahlt.  L)ies  wird  nahezu  von  der  Abbeschen  Linse  erreicht.  Das 
Licht,  das  von  dem  Spiegel  kommt,  wird  durch  die  Abbesche  Be- 
leuchtungslinse in  die  erwähnte  Richtung  gebracht,  und  bei  dieser  Be- 
leuchtung kann  man  dann  in  vielen  Fällen  unschwer  erkennen,  ob  eine 
Fuchsschwanzspelze  gefüllt  ist  oder  nicht.  Es  geht  aber  nicht  bei  allen 
Samen.  Bei  Poa  hat  man  grosse  Schwierigkeiten  und  bei  Dactylis  ist 
die  Grenze  absolut  nicht  sicher  festzustellen.  Auch  hier  ist  wieder  der 
kontinuierliche  Übergang  von  schwerer,  ausgereifter  Dactylis-Frucht  bis 
zur  leeren  Spelze  vorhanden.  Da  steht  man  immer  vor  der  Frage: 
Wo  ist  die  Grenze  für  die  Bestimmung  des  lOOO  Korngewichts?  Diese 
Grenze  festzulegen,  bietet  grosse  Schwierigkeiten.  Der  Fehler  des 
1000  Korngewichts  überträgt  sich  nun  auf  die  Gebrauchswertrechnung 
und  ist  nicht  nur  von  Bedeutung  für  die  Beurteilung  der  Korngrösse 
des  Samens.  Die  Keimfähigkeit  kann  man  nach  der  Zahl  der  Keimlinge, 
die  ein  Gramm  liefert,  beurteilen.  Es  ist  nicht  allemal  nötig,  dass  man 
die  Sache  prozentualisch  ausdrückt  und  in  Relativzahlen  zusammenfasst, 
w^enn  ich  auch  zugebe,  dass  dies  wünschenswert  ist.  Jedenfalls  ist  es 
zweckmässig,    sich   über  die  Frage  einmal  zti  unterhalten,    wo  man  die 


272     Verliandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung-. 

Grenze  haben  will  und  wohin  man  sie  legen  will;  wenn  man  überein- 
stimmende Zahlen  in  den  verschiedenen  Stationen  erzielen  will,  ist  es 
absolut  notwendig,  dass  man  die  Grenze  scharf  bestimmbar  und  frei 
von  jeder  subjektiven  Anschauung  macht. 

Man  könnte  annehmen,  dass  die  Grenze  genügend  scharf  gezogen 
ist,  so  dass  die  Reinheitsbestimmungen  sich  genügend  genau  machen 
lassen  mittelst  der  ersten  Definition.  Das  gebe  ich  ohne  weiteres  zu, 
wenn  es  sich  um  Kleearten  und  gut  ausgereiften  und  gut  ausgebildeten 
Samen  handelt;  sobald  es  sich  aber  um  Scheinfrüchte  der  Gräser 
handelt,  die  mit  den  Spelzen  verbunden  sind,  muss  ich  es  verneinen.  Der 
„Saatenmarkt"  hat  genügend  Reinheitsanalysen  zusammengestellt  von 
Fuchsschwanz  usw.,  die  von  verschiedenen  Stationen  geliefert  wurden, 
und  diese  Zusammenstellungen  zeigen,  wie  gross  die  Verschiedenheit 
der  individuellen  Auffassung  ist. 

Nun,  meine  Herren,  das  war  es,  was  ich  über  den  Gegenstand 
sagen  wollte.  Ich  bin  weder  für  die  eine,  noch  für  die  andere  Methode, 
sondern  ich  stelle  an  eine  Definition  der  Reinheit  die  Anforderung,  dass 
sich  die  Grenze  auch  danach  ziehen  lässt.  Wenn  Sie  glauben,  dass  die 
zweite  Definition  auf  Schwierigkeiten  stösst,  d-ann  müssen  Sie  doch  den 
Nachweis  führen,  dass  sich  mittelst  der  ersten  Definition  eine  genügend 
genaue  Übereinstimmung  der  Reinheitsbestimmungen  verschiedener 
Stationen  erzielen  lässt. 


Vorsitzender:  Meine  Herren,  Sie  haben  das  Referat  von  Herrn 
Kollegen  Rodewald  gehört,  und  es  dürfte  gut  sein,  wenn  Sie  sich 
darüber  aussprechen.  Bekanntlich  wird  in  den  meisten  Stationen  noch 
nach  der  Zählmethode  untersucht.  Die  Anregung  des  Herrn  Professor 
Rodewald  ist  mehr  eine  persönliche,  die  aber  bis  dato,  so  viel  ich 
weiss,  noch  nicht  allgemein  angewandt  wird.     (Zuruf:  Doch!) 

Professor  Dr.  H.  Rodevvald-Kiel:  Darf  ich  ergänzend  hinzufügen, 
dass  die  Gewichtsmethode  im  Verband  landwirtschaftlicher  Versuchs- 
stationen offiziell  eingeführt  ist,  aber  nicht  für  alle  Samen  sondern  nur  für 
eine  beschränkte  Anzahl,  hauptsächlich  für  feinere  Gräser,  und  gerade 
da  hat  sie  grösseren  Wert.  Für  andere  Samen  ist  es  ziemlich  einerlei. 
Da  lässt  sich  auch  durch  die  andere  Definition  eine  Grenze  finden,  die 
leidlich  genau  ist  und  zu  der  Genauigkeit  der  Keimprüfung  in  einem 
brauchbaren  Verhältnis  steht. 

Vorsitzender:  Dann  ist  die  Sache  ja  so  weit  anders.  Die 
Stationen,    die    einem  Verband    angehören,    sind    gleichsam    schon    ge- 


Diskussion:  Eeinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  273 

bunden  und  können  sich  nicht  für  etwas  anderes  entscheiden.  (Zuruf: 
■Ja  gewiss!)  Es  würde  sich  nur  darum  handeln,  von  den  anderen 
Herren,  die  noch  nicht  gebunden  sind,  die  Anschauungen  kennen  zu 
lernen.  Soviel  ich  weiss,  hat  man  noch  in  Dänemark  und  Schweden 
die  Zählmethode,  auch  in  Budapest,  Wien  und  Lomberg;  überhaupt, 
soviel  ich  weiss,  hat  man  in  allen  deutschen  Stationen  noch  die  Zähl- 
methode. Was  ich  von  mir  aus  erklären  kann,  so  könnte  ich  mich 
nicht  entschliessen,  diese  Methode  zu  akzeptieren  aus  dem  einfachen 
Grunde,  weil  sie  zu  viel  Zeit  in  Anspruch  nimmt  und  w^eil  unsere 
Untersuchungen  meines  Erachtens  nach  eine  grössere  Genauigkeit  in- 
volvieren als  diese  Gewichtsmethode.  Ich  will  der  Diskussion  übrigens 
nicht  vorgreifen,  sondern  gewärtige,  dass  sich  die  übrigen  Herren 
darüber  aussprechen. 

Hofrat  Dr.  Th.  v.  Weiiizierl-Wien:  Wir  haben,  meine  Herren,  seit 
zwei  Jahren  eine  grosse  Zahl  von  Parallelversuchen  durchgeführt,  und 
ich  möchte  hier  einige  Beispiele  anführen.  Die  Sache  ist  wichtig 
genug,  so  dass  ich  wohl  auf  einige  Details  eingehen  kann.  Es  w^urde 
hauptsächlich  Knaulgras,  Schafschwingel  und  Wiesenfuchsschwanz  ge- 
wählt. Wir  haben  nicht  nur  das  Laborantenpersonal  beschäftigt  sondern 
auch  durch  die  wissenschaftlichen  Hilfskräfte  die  Untersuchungen 
gemacht  und  auch  Analysen  von  demjenigen  Personal  ausführen  lassen, 
das  sonst  nicht  für  die  feinen  Gräser  verwandt  wird,  so  dass  wir  Gelegenheit 
hatten,  die  technische  Subjektivität  möglichst  auszugleichen.  Jede  von  diesen 
Proben  wurde  dreimal  versucht  und  im  ganzen  zirka  500  Proben  der  Unter- 
suchung unterzogen.  Der  Weg  war  folgender:  Wir  haben  zunächst 
unsere  gewöhnliche  Zählmethode  mit  einer  Probe  gemacht.  Ich  führe 
z.  B.  Knaulgras  an.  Als  Gewicht  der  Probe  wurde  6,565  g  konstatiert. 
Von  dieser  Probe  wurden  mit  der  Handauslese  5,611  g  reine  Samen, 
0,6  g  Verunreinigungen  und,  was  das  allerwesentlichste  ist,  0,354  g 
taube  Samen  bestimmt.  Das  macht  85,5  %  Reinheit,  9,1  %  Verun- 
reinigungen, 5,4  °/o  taube  Samen.  Zur  Ermittelung  der  tauben  Samen 
verwenden  wir  seit  zwei  Jahren  den  von  mir  konstruierten  Apparat, 
dessen  Beschreibung  und  Abbildung  ich  mir  erlaubte  Ihnen  vorzulegen, 
und  den  ich  als  „Diaphanoskop"  bezeichnet  habe.  Derselbe  beruht  im 
wesentlichen  auf  dem  Prinzip  der  Durchleuchtung,  nur  ist  dabei  das 
diffuse  Tageslicht,  das  die  Arbeit  sehr  erschwert,  ausgeschaltet.  Wir 
haben  die  Erfahrung  gemacht,  dass  bei  der  Ermittelung  der  tauben 
Samen  durch  den  Samenspiegel,  wo  man  im  diffusen  Licht  arbeitet,  das 
Auge  in  einer  Weise  in  Anspruch  genommen  wird,  dass  die  beleuchtete 
Fläche  nicht  die  entsprechende  Wirkung  ausübt.  Wir  haben  matte 
Scheiben,  Linsen  und  Blenden  verwandt.     Es  war  naheliegend,  das  diffuse 

Jalirnsbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  \Q 


274       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  .Samenprüfung, 

Licht  abzuhalten,  und  ich  bin  auf  die  Einrichtung  des  Dunkelkastens 
(Diaphanoskop)  gekommen.  Als  Lichtquelle  für  die  Durchleuchtung  der 
Samen  dienen  zwei  in  der  Lade  des  nach  der  Höhe  verschiebbaren  Tisches 
verborgene  elektrische  Leuchtkörper  (Birnen)  von  verschiedener  Kerzen- 
stärke, so  dass  durch  Einschaltung  eines  oder  beider  die  als  Arbeits- 
fläche dienende  kreisförmige,  mit  einer  matten  Glastafel  bedeckte 
Öffnung  der  Tischplatte  je  nach  der  Samenart  genügend  intensiv  erhellt 
werden  kann.  Diejenigen  Herren,  die  Gelegenheit  hatten,  unsere  Anstalt 
zu  besichtigen,  habe  ich  auf  diese  Einrichtung  aufmerksam  gemacht, 
und  die  meisten  Herren,  die  sich  mit  Samenkontrolle  beschäftigen,  haben 
sich  von  der  Wirkung  des  Apparats  im  vorigen  Jahre  durch  eigene 
Arbeit  selbst  überzeugt.  Es  wird  durch  den  Apparat  das  erreicht,  was 
der  Herr  Kollege  Professor  Rodewald  schon  angeregt  hat,  nämlich 
eine  Unterscheidung  der  betreffenden  tauben  Früchte  von  den  vollen, 
aber  in  weitaus  vollkommenerem  Masse  als  durch  den  Spiegelkasten  im 
diffusen  Tageslicht.  Es  bedarf  das  keiner  Erörterung,  weil  sich  die 
Sache  von  selbst  empfiehlt.  Wenn  man  in  der  l)unkelkammer  sitzt 
und  kleine  matte  Scheiben  und  Blenden  einschaltet,  ist  es  begreiflich, 
dass  man  in  einigen  Minuten  ohne  Anstrengung  der  Augen  die 
Arbeit  machen  kann.  Dasselbe  Arbeitspersonal,  das  früher  an  dem 
Spiegelkasten  arbeitete,  kann  die  doppelte  Anzahl  Proben  erledigen, 
ohne  sich  so  anzustrengen,  wie  es  früher  der  Fall  war.  Ich  erwähne, 
dass  die  Erkennung  der  tauben  Früchte  speziell  bei  Knaulgras  und  den 
Schwingelarten  vorzüglich  gelingt.  Diese  haben  bei  dem  gewöhnlichen 
Spiegelkasten  meistens  Schwierigkeiten  gemacht.  Bei  der  Bestimmung  der 
tauben  Früchte  wurde  durch  die  wiederholte  Untersuchung  verschiedener 
Muster  durch  die  nämlichen  und  durch  verschiedene  Arbeitskräfte  eine  Über- 
einstimmung der  Resultate  von  0,1 — 0,4*'/o  erzielt,  sonach  eine  ganz  zu- 
friedenstellende Genauigkeit  erreicht.  Es  wurden  dann  in  der  üblichen 
Weise  von  diesen  reinen  Samen,  die  keine  tauben  Körner  enthalten, 
4  mal  je  200  Körner  abgezählt,  ins  Keimbett  ausgelegt  und  in  der  be- 
kannten Art  und  Weise  die  Keimprozente  festgestellt.  Wir  halben  bei 
dieser  Knaulgrasprobe  eine  Keimfähigkeit  von  88,4  °/n  von  der  reinen 
Saat  in  einem  Zeitraum  von  24  Tagen  konstatiert. 

Gleichzeitig  wurde  nun  die  Gewichtsmethode  gemacht,  und  zwar 
haben  wir  den  Weg  eingeschlagen,  der  uns  aus  den  Verbandsvorschriften 
bekannt  ist.  Von  der  mit  6,565  g  ausgewogenen  Probe  wurden  alle 
Fremdbestandteile  im  Gewicht  von  0,6  g  abgeschieden;  von  dem 
verbleibenden  Rest,  der  alle  vollkörnigen  und  alle  tauben  Früchte 
enthielt,  haben  wir  Proben  von  durchschnittlich  0,4  g  —  und  zwar 
0,446,    0,494,    0,362   und  0,397  g,    in   Summa    also   1,699  g  —   zum 


■  Diskussion:  Keinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  275 

Keimversuch  ausgelebt,  der  mit  einem  Resultate  von  1706  gekeimten 
gegenüber  272  ungekeimten  Früchten,  also  mit  einer  Keimfähigkeit  von 
86,3  ^Iq  als  Zählprozent  nach  der  Gewichtsmethode  abschloss.  Nachdem 
wir  die  anfangs  gefundene  Reinheit  von  90,9  ^Iq  noch  durch  3,6  °/o. 
entsprechend  den  tauben  Samen,  korrigieren,  erhalten  wir  eine  Reinheit 
von  87,3  "/o-  Bekanntlich  wird  —  den  Herren,  die  die  deutschen  Vor- 
schriften nicht  handhaben  und  vielleicht  nicht  kennen,  erlaube  ich  mir, 
das  noch  zu  bemerken  —  vorgeschrieben  oder  empfohlen,  dass  die 
schliessUch  in  dem  Keimapparat  vorgefundenen  ungekeimten  Samen 
durch  den  Spiegel  untersucht  werden,  ob  sie  taub  sind,  und  es  wird 
angenommen,  dass  die  tauben  Früchte  im  benetzton  Zustande  leichter 
zu  erkennen  sind.  Es  werden  dann  die  so  konstatierten  tauben  Samen 
getrocknet  und  gewogen,  und  mit  diesem  Gewicht  wird  nun  die  nach 
der  Ausscheidung  der  Premdbestandteile  gewonnene  Zahl  für  die  Reinheit 
korrigiert.  Es  ergibt  sich  die  Relation:  Aus  den  1699  Gewichtsteilen 
sind  60,7  g  oder  3,6  "/o  taub,  also  eine  Reinheit  von  87,3°/,,. 

Wenn  wir  die  beiden  Resultate  ein  und  derselben  Probe  vergleichen, 
so  haben  wir  die  Reinheit  nach  der  Zählmethode  85,5 °/o  und  nach  der  Ge- 
wichtsmethode 87,3  °/o,  die  Keimfähigkeit  nach  der  Zäblmethode  88,4 "/o 
und  nach  der  Gewichtsmethode  86,3%.  Es  ist  hier  eine  Differenz,  die  ja 
verhältnismässig  gering  ist ;  wenn  wir  die  Differenz  von  2  °/o  bei  der 
Reinheit  als  den  sj'stematischen  Fehler  annehmen,  so  würde  sich  85 
mit  87  ausgleichen,  bei  der  Keimfähigkeit  86,3  mit  88,4,  also  keine 
nennenswerte  Differenz  ergeben.  Wenn  man  alle  Knaulgras-,  Fuchs- 
schwanz- und  Schafschwingelversuche  in  einer  Tabelle  zusammenfasst, 
so  sieht  man  doch  eine  Übereinstimmung,  und  diese  besteht  darin,  dass  die 
Prozente  der  tauben  Früchte  durchweg  kleiner  sind  bei  der  Gewichts- 
methode als  bei  der  Zählmethode  (unter  der  Voraussetzung,  dass  man 
das  Diaphanoskop  verwendet),  und  dementsprechend  ist  die  Reinheit  nach 
der  Gewichtsmethode  höher,  weil  ja  durch  die  Bestimmung  der  tauben 
Früchte  die  Reinheit  korrigiert  wird. 

Die  Daten,  welche  die  Auslaugung  von  Spelzen  und  die  damit  zu- 
sammenhängenden feineren  Arbeiten  lieferten,  konnte  ich  leider  nicht 
zusammenstellen  lassen,  weil  die  Zeit  zu  kurz  war.  Ich  behalte  mir 
daher  vor,  dies  in  einer  eigenen  Publikation  näher  auszuführen.  Ich 
möchte  bemerken,  dass  hauptsächlich  der  Fehler,  —  wenn  man  über- 
haupt von  Fehlern  sprechen  will  — ,  besser  gesagt,  die  Differenz  sich 
ergibt  in  der  Bestimmung  der  tauben  Samen.  Das  geht  deuthch  hervor, 
wenn  man  dieselben  Proben  behandelt.  Soviel  ist  sicher,  dass  die  Prozente 
der  tauben  Samen  bei  der  Gewichtsmethode  kleiner,  bei  der 
Zählmethode  grösser  sind. 

18* 


276       Verhandlungen  der  l.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Nun,  was  hat  sich  weiter  ergeben  für  die  Praxis  der  Samen- 
kontrolle? Auch  das  ist  für  uns,  die  wir  diese  Untersuchungen  ausführen, 
von  besonderer  Wichtigkeit.  Damit  keine  Störung  eintreten  konnte, 
wurde  der  Thermostat,  in  den  die  nach  der  Gewichtsmethode  behandelten 
Proben  eingelegt  waren,  für  keine  anderen  Proben  benutzt.  Wir  hatten 
mit  diesen  Proben  grosse  Schwierigkeiten  wegen  der  Verunreinigungen, 
die  den  tauben  Samen  anhaften.  Es  ist  unvermeidlich,  dass  auch  Erde 
und  sonstige  Bestandteile  in  den  Keimapparat  gelangen  und  dass  alle 
diese  leblosen  Fragmente,  die  erfahrungsgemäss  in  den  Keimapparaten 
den  Anlass  zur  Entwickelung  von  Schimmelpilzen  geben,  tatsächlich  eine 
solche  Verunreinigung  des  Keimbetts  hervorrufen,  dass  wiederholt  das 
Umlegen  dieser  Samenproben  vorgenommen  werden  musste.  Es  wurde 
gleichzeitig  die  Probe  dann  zweimal  gemacht  und  zwar  wurde  eine 
Probe  umgelegt  und  die  andere  nicht,  damit  nicht  allenfalls  die  Differenz 
zurückzuführen  ist  auf  die  Störung,  die  durch  das  Umlegen  hervor- 
gerufen wird.  Es  hat  sich  da  gezeigt,  dass  die  umgelegten  Samen  um 
eine  Kleinigkeit  bessere  Resultate  ergaben,  aber  die  Differenzen  waren 
nicht  bedeutend.  Besonders  bei  Wiesenfuchsschwanz  hatte  eine  ener- 
gische Störung  konstatiert  werden  können. 

Wir  haben  dann  weiterhin,  was  die  Praxis  der  Samenkontrolle 
anbetrifft,  Beobachtungen  gemacht  über  die  Zeit,  welche  notwendig  ist 
zur  Ausführung  der  beiden  Methoden.  Es  wurden  aus  je  20  Unter- 
suchungen von  Knaulgras,  Schafschwingel  und  Wiesenfuchsschwanz  die 
durchschnittlichen  Zahlen  zusammengestellt.  Nach  der  Zählmethode 
hat  bei  Knaulgras  die  Arbeit  40  Minuten  in  Anspruch  genommen  für  die 
Ermittelung  der  tauben  Samen  inklusive  Auslegung  in  den  Keimapparat, 
nach  der  Gew^chtsmethode  2  Stunden  10  Minuten,  bei  Wiesenfuchs- 
schwanz 44  Minuten  nach  der  Zählmethode  und  1  Stunde  45  Minuten 
nach  der  Gewichtsmethode,  bei  Schafschwingel  40  Minuten  nach  der 
Zählmethode  und  2  Stunden  7  Minuten  nach  der  Gewichtsmethodo.  Es 
sind  also  ganz  kolossale  Zeitdifferenzen  vorhanden.  Wenn  man  bedenkt, 
dass  das  von  geschultem  Personal  gemacht  wurde,  so  ist  es  w^ohl  be- 
denklich, wenn  wir  uns  der  Gewichtsmethode  anschliessen  würden. 
Nach  der  Zählmethode  hat  bei  Wiesenfuchsschwanz  die  Reinheit  82*^/o  er- 
geben, mit  7"/(,  Verunreinigungen  und  11  "/g  tauben  Samen;  die  Keimfähig- 
keit war  nach  24  Tagen  mit  78  "/q  abgeschlossen.  Nach  der  Gewichts- 
methode wurde  eine  Reinheit  von  89°/o  konstatiert,  eine  Verunreinigung 
von  7  "/q,  taube  Samen  4  °/o.  Ich  glaube,  ich  habe  den  extremen 
Fall  gerade  herausgesucht,  denn  hier  ist  eine  Differenz  von  7  ^Iq  an 
tauben  Samen.  Auch  die  Differenz  zwischen  der  Reinheit  ist  ziemlich  be- 
deutend ;  sie  ist  höher  gefunden  worden  bei  der  Gewichtsmethode  als  bei  der 


Diskussion:  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  277 

Zählmethode.  Wir  haben  ferner  nach  der  Gewichtsmethode  eine  Keim- 
fähigkeit von  69,8  °/o  gegenüber  73  ^Iq  nach  der  Zählmethode  kon- 
statiert; das  wäre  also  auch  eine  geringere  Keimfähigkeit  und  auch  eine 
grössere  Differenz,  als  sie  bei  Knaulgras  konstatiert  wurde. 

Ein  ebenso  eklatanter  Fall  ist  die  Gruppe  der  Schafschwingel- 
versuche. Diese  haben  bei  der  Bestimmung  der  Verunreinigungen 
7,9  °/o  nach  beiden  Methoden,  die  tauben  Früchte  hingegen  bei  der  Zähl- 
methode 23,3  °/o  und  nach  der  Gewichtsmethode  16,4  ^j^  ergeben.  Die 
Reinheitsangabe  ist  nach  der  Gewichtsmethode  demzufolge  wieder  höher, 
indes  die  Keimfähigkeitsprozente  nur  in  den  Zehnteln  differieren,  72  °/q 
gegen  72,9  o/°.  •        ■ 

Ich  habe  nur  von  drei  Spezies  die  Resultate  herausgegriffen,  um 
Ihnen  zu  zeigen,  dass  die  Differenzen,  wenn  sie  auch  nicht  namhaft 
sind  und  innerhalb  des  Versuchsfehlers  liegen,  dennoch  eine  Reihe  von 
Übelständen  aufweisen,  deren  wir  uns  vollkommen  bewusst  sind.  Der 
Fehler  in  der  Bestimmung  der  tauben  Früchte  ist  zweifellos,  weil  wir 
mit  derselben  Probe  einmal  diese,  das  andere  Mal  jene  Methode  ein- 
geschlagen haben.  Die  Differenz  liegt  nur  in  der  Bestimmung  der 
tauben  Früchte  und,  nachdem  diese  Bestimmung  bei  der  Gewichts- 
methode durchweg  kleinere  Ziffern  ergibt,  kann  dies  nicht  darauf 
zurückgeführt  werden  — ,  wie  es  bei  der  Begründung  dieser  Methode 
angeführt  wird  — ,  dass  diese  Bestimmung  tauber  Früchte  genauer  und 
sicherer  ist,  weil  man  doch,  wenn  dies  der  Fall  wäre,  mehr  taube 
Samen  ermitteln  müsste  nach  der  einen  Methode  als  nach  der  anderen. 
Nun  ist  das  aber  umgekehrt  bei  allen  der  Fall  ohne  Rücksicht  auf  eine 
bestimmte  Spezies. 

Zudem  möchte  ich  auf  einen  sehr  wichtigen  Übelstand  aufmerksam 
machen.  Jeder,  der  Samenkontrolle  praktisch  ausführt,  weiss,  dass  jede 
Anstalt  eine  gewisse  eigene  Hauskontrolle  hat.  Die  technischen  Hilfs- 
kräfte, unsere  Laboranten  und  die  Gehilfinnen,  welche  die  mechanischen 
Arbeiten  machen,  werden  in  jedem  Laboratorium  von  den  betreffenden 
wissenschaftUchen  Beamten  bzw.  Assistenten  kontrolliert.  Diese  Kon- 
trolle besteht  darin,  dass  joder  für  sich  die  Auszählung  in  ein  Buch 
einträgt,  und  diese  Muster  sind  so  ausgesucht,  dass  ein  Laborant  niemals 
die  gleichen  Nummern  bekommt.  Es  ist  durch  diese  Kontrolle  ein  Irrtum 
sofort  festzustellen,  aber  diese  Kontrolle  im  Laboratorium  bei  den  Keim- 
versuchen, welche  bei  uns  die  Grundlage  des  Betriebes  bildet,  fällt  bei 
der  Gewichtsmethode  ganz  weg,  weil  da  ja  keine  abgezählte,  sondern 
eine  der  Zahl  nach  unbekannte  abgewogene  Menge  zur  Keimung  aus- 
gelegt wird.  Da  liegt  die  Möglichkeit  vor,  leichter  einen  Zählfehler  zu 
machen,    als    wenn    der   Betreffende  immer    nur   von    200   wegzuzählen 


278        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

hat.  Es  entzieht  sich  daher  eine  auffüllige  Differenz  ganz  der  Beur- 
teilung des  betreffenden  Assistenten.  Die  häufigsten  Fehler  sind  Zähl- 
fehler, und  die  Gewichtsmethode  verlangt  eine  noch  viel  ausgeprägtere 
Zählkunst  als  die  Zählmethode.  Macht  man  die  Arbeit  nicht  sehr  genau, 
so  kommt  man  nicht  zu  einem  brauchbaren  Resultat.  Wenn  man  ein 
kleineres  Quantum  nimmt,  vielleicht  ungefähr  200  Körnern  entsprechend, 
so  muss  der  Fehler  naturgemäss  viel  grösser  werden,  denn  um  dieses 
Quantum  zu  wiegen,  muss  ich  in  der  vierten  Dezimalstelle  wiegen.  Der 
Betreffende  hat  nicht  nur  bedeutend  mehr  zu  zählen,  sondern  auch"  be- 
deutend mehr  zu  wägen,  und  wenn  er  auch  die  Auszählung  verringert, 
indem  er  kleinere  Gewichte  nimmt,  so  kann  er  es  unmöglich  so  genau 
einrichten,  dass  eine  bestimmte  Zahl  dem  Gewicht  entspricht,  weil  be- 
sonders bei  kleinen  Gewichten  die  Differenzen  ziemlich  gross  sind. 

Ich  glaube  aus  diesen  Ausführungen,  welche  aus  unserer  Praxis 
stammen,  schUessen  zu  dürfen,  dass  wir  keinen  Anlass  haben,  uns 
dieser  Gewichtsmethode  anzuschliessen,  sondern  im  Gegenteil,  wir  würden 
durch  die  Gewichtsmethode  unsere  Arbeit  unnötig  erschweren  und  viel- 
leicht noch  andere  Fehler  hineinbringen  durch  die  schwierige  Kon- 
trolle des  Abzählens  und  die  Einbeziehung  von  tauben  Früchten  in  das 
Keimbett. 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg :  Ich  habe  diese  Methode  auch 
versucht,  habe  aber  die  Versuche  nicht  in  der  Weise  gemacht,  wie 
Herr  Hofrat  von  Weinzierl.  Ich  habe  den  Assistenten  80  Muster 
gegeben,  habe  die  Versuche  möglichst  genau  gemacht  und  mich  über- 
zeugt, dass  diese  Methode  ebensogut  ist  wie  die  alte,  aber  nur  dann, 
wenn  geübtes  Personal  sie  anwendet.  Ich  habe  einige  Muster 
einer  Anfängerin  gegeben,  die  noch  sehr  wenig  gearbeitet  hatte, 
und  diese  hat  es  schlecht  gemacht.  Dagegen  sind  die  anderen  Unter- 
suchungen, welche  bessere  Gehilfen  ausgeführt  haben,  gut  ausgefallen, 
und  ich  bin  zu  der  Ansicht  gelangt,  dass  in  vielen  Fällen,  wo  man  ge- 
übtes Personal  zur  Verfügung  hat,  diese  Methode  angezeigt  erscheint. 
Auch  bin  ich  überzeugt,  dass  die  Methode,  die  Herr  Professor  Rode- 
wald angewandt  hat,  sehr  gut  ist,  und  ich  bin  der  Ansicht,  dass  die 
Methoden,  die  wir  benützt  haben,  miteinander  übereinstimmen.  Wir 
haben  nichts  gegen  die  wissenschaftliche  Ausführung  der  Methode  an- 
führen können,  aber  während  der  Saison,  wo  wir  eine  Menge  Proben 
haben,  ist  es  absolut  unmöglich,  die  Untersuchung  nach  dieser  Methode 
auszuführen,  denn  sie  ist  sehr  zeitraubend,  und  bei  ihr  muss  der 
Assistent  oder  der  Leiter  selbst  das  Personal  bei  der  Arbeit  mehr  über- 
wachen als  bei  der  Zählmethode.  Ich  bin  sicher,  dass,  wenn  die  Me- 
thode   eingeführt   werden  sollte,    man    mehr  Personal   anstellen  und  ge- 


Diskussion:  Keinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  279 

nauer  aufpassen  müsste,  und  dies  alles  würde  einen  grösseren  Arbeits- 
aufwand nach  sich  ziehen.  Man  sollte  zwar  die  Kosten  nicht  scheuen, 
sondern  die  Analysen  genau  ausführen.  Ich  habe  mich  aber  überzeugt, 
dass,  obgleich  diese  Methode  gut  ist,  sie  auf  keinen  Fall  praktischer 
und  besser  ist  als  die  alte  Methode.  Es  ist  daher  kein  Grund  vor- 
handen, die  neue  Methode  einzuführen. 

Professor  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  möchte  einige  Bedenken  gegen 
die  Ausführungen  des  Herrn  Professor  Rodewald  geltend  machen, 
die  ich  früher  bereits  geäussert  habe  und  von  denen  ich  mich  noch 
nicht  ganz  habe  trennen  können.  So  ideal  es  wäre,  eine  objektive 
Methode  zu  bekommen  und  jeden  subjektiven  Fehler  des  Personals  aus- 
zuschliessen,  für  so  schwierig  halte  ich  es,  sie  wirklich  einzuführen, 
zumal  in  der  Form,  wie  sie  jetzt  vorliegt.  Wir  haben  jetzt  zwei  Rein- 
heiten! Wenn  wir  nach  den  heute  bestehenden  Vorschriften  der  land- 
wirtschaftlichen Versuchsstationen  Raygras  untersuchen,  so  ist  bei  Ray- 
gras der  taube  Samen  Spreu,  untersuchen  wir  Dactylis,  so  ist  der  taube 
Samen  reine  Saat.  W^as  ist  nun  reine  Saat?  SicherUch  doch  das 
erstere  und  nicht  die  tauben  Spelzen.  Es  kann  unmöglich  die  Bezeichnung 
„reine  Saat"  für  die  neue  Methode  beibehalten  werden.  Wir  müssen 
dann  schon  sagen:  Die  Probe  enthält  so  und  soviel  °/o  fremde  Bestand- 
teile. Diesen  Zwiespalt  können  wir  in  der  Methode  nicht  entfernen,  und 
ich  befürchte,  wir  schaffen  nur  Verwirrungen.  In  meiner  an  sich  doch 
verhältnismässig  langjährigen  Samenkontrollpraxis  habe  ich  manchen 
Winterabend  gesessen  und  selbst  Reinheitsanalysen  gemacht,  und  ich 
muss  Ihnen  da  das  Geständnis  machen,  dass  es  mir  schwieriger  ge- 
worden ist,  bei  Rotklee  zu  entscheiden,  was  ist  gutes  Korn  und  was 
ist  vertrocknet,  als  bei  den  Gräsern  zu  entscheiden,  was  ist  taub  und 
was  ist  volle  Frucht.  Ich  mache  sehr  gerne  Reinheitsanalysen  von 
feinen  Gräsern,  wenn  sie  auch  zeitraubend  sind.  Die  Reinheit  von 
Alopecurus  z.  B.  lässt  sich  mit  absoluter  Sicherheit  feststellen,  so  dass 
darüber  keine  Zweifel  bestehen  können.  Unsere  Schmerzenskinder  sind 
Dactylis  und  zum  Teil  die  Poa- Arten.  Was  Dactylis  und  Poa  anbetrifft 
so  hilft  uns  da  der  Samenspiegel  oder  das  verbesserte  Diaphanoskop 
über  die  Schwierigkeiten  hinweg.  Die  Herren,  die  viel  Dactylis  unter- 
suchen, hauptsächlich  die  nordischen  Herren  Kollegen  und  Herr  Kollege 
Stebler,  werden  mir  zugeben,  dass  gut  geschultes  Personal  wohl  im- 
stande ist,  Untersuchungen  auf  volle  und  taube  Samen  zu  machen. 
Ich  habe  gerade  in  der  letzten  Zeit  mit  den  Kollegen  in  Dänemark  und 
mit  Herrn  Brujning  vergleichende  Analysen  über  Dactylis  gemacht. 
Ohne  uns  vorher  darüber  zu  unterhalten,  wie  wir  es  machen  wollen, 
und    ohne   dass   wir  uns   vorher  gesagt  haben,   was  wir  heraus  hatten, 


280        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung-. 

haben  die  Resultate  sehr  gut  übereingestimmt.  Es  waren  Abweichungen 
da,  aber  keine  grossen,  sie  lagen  innerhalb  der  Fehlergrenze  von  5  "/,> 
im  Gebrauchswert. 

Ich  möchte  zunächst  meine  Bedenken  gegen  die  Gewichts- 
methode aufrecht  erhalten,  so  gern  ich  auch  Herrn  Professor  Rode- 
wald auf  dem  Wege  der  objektiven  Resultate  folgen  möchte.  Dazu 
kommt,  dass  auch  im  Handel  eine  kolossale  Verwirrung  entsteht.  Dieser 
praktische  Gesichtspunkt  ist  von  Herrn  Professor  Rodewald  ganz  richtg 
betont  worden.  Unsere  Grosshändler  wollen  beim  Einkauf  umgehend  von 
uns  wissen,  wieviel  gute  Ware  und  wieviel  Spreu  in  einer  Saat  ist;  sie 
können  nicht  warten,  bis  man  ihnen  nach  Abschluss  der  Keimversuche 
ein  Resultat  gibt.  Der  Grosshandel  muss  sich  meist  sehr  schnell  ent- 
schliessen.  Ob  die  Ware  frisch  und  gut  ist,  kann  er  vielfach  aus  dem 
Aussehen  usw.  ermitteln.  Den  Gehalt  an  Spreu  kann  er  nicht  in  dem 
Masse  feststellen,   da  müssen  wir  mit  unseren  Analysen  helfen. 

Nun  will  ich  ganz  kurz  auf  die  Keim  kraftprüf  ung  zurück- 
kommen. Ich  kann  mich  dem  Gedanken  nicht  ganz  verschiiessen,  dass 
wir  nach  der  Gewichtsmethode  bei  den  feinen  Gräsern  viel  unnötiges, 
unreines  und  mindestens  störendes  Zeug  ins  Keimbett  bekommen.  Ich 
möchte  mich  den  Worten  des  Herrn  Professor  Rodewald  anschliessen, 
der  sagt:  Der  Keimversuch  ist  ein  physiologisches  Experiment,  er  bedarf 
noch  sehr  des  Studiums.  Dann  ist  es  aber  auch  besser,  nur  mit  den  als 
voll  erkannten  Samen  zu  experimentieren  und  nicht  den  Versuch  und 
das  Resultat  durch  überflüssige  Beimischung  zu  behindern.  Ich  glaube 
ferner,  dass  bei  der  Auswahl  zum  Keimen  nach  der  Gewichtsmethode 
es  viel  unsicherer  ist  —  wegen  der  vielen  beigemengten  Spreu  — ,  eine 
der  natürlichen  Mischung  des  Musters  entsprechende  Durchschnittsprobe 
und  damit  gleichmässige  Ergebnisse  zu  erhalten,  als  wenn  die  reine 
Saat  der  Zählmethodo  zugrunde  hegt.  Was  die  Gewichtsmethode  in 
der  sog.  Reinheit  an  Genauigkeit  gegenüber  der  Zählmethode  gewinnt, 
büsst  sie  nach  meinem  Dafürhalten  bei  der  Keimprüfung  wieder  ein. 

Dann  möchte  ich  mein  letztes  Bedenken,  das  ich  auch  früher 
schon  immer  betont  habe,  nicht  unerwähnt  lassen.  Ohne  Peststellung 
des  Korngewichts  erzielt  —  bei  gleichen  Keimprozenten  —  stets  das 
kleinkörnigere  Saatgut  die  höhere  Keimzahl  im  Gramm.  Das  Korn- 
gewicht muss  also  zur  Bewertung  einer  Ware  mit  herangezogen 
werden.  Dieses  muss  aber  für  die  anscheinend  keimfähigen  Körner  er- 
mittelt werden.  Diese  Feststellung  ist  nun  genau  dasselbe,  wie  eine 
Reinheitsanalyse  der  alten  Zählmethode.  V\'ährend  aber  bei  dieser  Me- 
thode Gewicht    und  Keimkraft   von   denselben  Körnern   ermittelt  werden 


Diskussion:  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  281 

kann,  stehen  die  Peststellungen  der  Zählmethode  in  keiner  Beziehung 
zueinander. 

Direktor  K.  Dorpli  Petersen-Kopenhagen :  Wie  Herr  Kollege  Pro- 
fessor Voigt  gesagt  hat,  machen  wir  in  Dänemark  viele  Grassamen. 
Untersuchungen  und  speziell  Untersuchungen  über  kleine  Grassamen- 
sorten. Dabei  erlaube  ich  mir,  zu  bemerken,  dass  die  dänische  Samen- 
kontrolle bei  der  Reinheitsbestimmung  wesentlich  dieselbe  Methode  an- 
wendet, wie  sie  von  den  Herren  Direktor  Stehler,  Hofrat  v.  Weinzierl 
und  Professor  Voigt  erwähnt  worden  sind.  Von  den  eingesandten 
Proben  nehmen  wir  verhältnismässig  kleine,  aber  sehr  genaue  Durch- 
schnittsproben und  untersuchen  jeden  Samen  genau,  ob  es  auch  reiner 
Samen  ist.  Wie  Herr  Kollege  Professor  Voigt  gesagt  hat,  haben  wir 
die  Analysen  zusammen  mit  Hamburg  gemacht;  auch  zusammen  mit 
den  Samenkontrollstationen  in  Zürich  imd  Wageningen  haben  wir  die- 
selben Proben  analysiert.  Wir  haben  überall  sehr  gut  übereinstimmende 
Resultate  erzielt.  Nur  einige  ganz  schlechte  Qualitäten  und  speziell 
Dactylis  waren  auch  unsere  Schmerzenskinder.  Es  handelte  sich, 
höchstens  um  3— 4"/o  Unterschied  in  den  Reinheiten.  Wir  haben 
niedrigere  Reinheiten  gefunden,  da  wir  ein  wenig  strenger  arbeiten. 
Ich  meine,  dass  die  Analysen  für  den  einzelnen  Landwirt  oder  Samen- 
händler nur  Bedeutung  haben,  wenn  man  alles,  was  Spreu  oder  Spelze 
ist,  auch  genau  ausscheidet.  Sonst  hat  die  Reinheitsbestimmung  gar 
keinen  Wert. 

Direktor  Dr.  L.  Hiltiier-München:  Ich  bin  1885  als  Assistent  in 
Tharand  eingetreten  und  habe  bei  Herrn  Geheimrat  Nobbe  die  Samen- 
kontrolle erlernt.  Ich  habe  mich  später  überzeugt,  dass  damals  viele 
deutsche  und  auswärtige  Stationen  die  Untersuchungen  von  Grassamen 
beispielsweise  von  Dactylis  glomerata,  in  folgender  Weise  vornahmen: 
Nach  Vorschrift  des  Verbandes  wurde  eine  gut  gezogene  Mittelprobe, 
soviel  ich  mich  erinnere  etwa  10  g,  in  fremde  und  eigene  Bestandteile 
getrennt.  Die  tauben  Körner  blieben  dabei  fast  ganz  unberücksichtigt, 
namentlich  jene,  die  noch  im  Ährchenverband  waren.  Für  den  Keim- 
versuch wurden  dann  —  ganz  unabhängig  davon  —  aus  der  Probe 
300 — 400  möglichst  volle  Körner  ausgewählt,  während  doch  das  einzig 
Richtige  wäre,  alles,  was  nicht  zu  den  fremden  Bestandteilen  gehört,, 
unterschiedslos  in  die  Keimfähigkeitsprüfung  mit  einzuschliessen.  Ganz 
abgesehen  davon,  dass,  wie  gesagt,  bei  der  Reinheitsbestimmung  die 
tauben  Körner  nicht  oder  nur  wenig  berücksichtigt  wurden,  hing  es 
ganz  vom  Zufaü  —  mindestens  von  der  Auffassung  des  betreffenden 
Samenkontrolleurs  —  ab,  ob  und  wieviele  taube  Samen  mit  in  das 
Keimbett    gelangten.     Da    dies   unmöglich  richtig  sein  konnte,   habe  ich 


282        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

schon    von  Ende    der    achtziger  Jahre    an    bei    allen   Proben   von  Gras- 
sämereien   im    Vergleich    stets    die    Gewichtsmethode    zAir    Anwendung 
gebracht,    und    Herr  Geheimrat  Nobbe    hat    unter  Hinweis    auf    meine 
schon    damals    auf  mehrere  Hunderte  von  Einzelfällen  sich  beziehenden 
Versuche  gelegentlich  der  Sitzung  des  Verbandes   der  Versuchsstationen 
in  Dresden    im  Jahre  1894   diese  Methode   zur  allgemeinen  Anwendung 
empfohlen.     Der  Verband  hat  sie  auch  angenommen,  aber  in  einem  weit 
grösseren  Umfange,  als  ich  selbst  es  für  wünschenswert  gehalten  habe. 
Im    wesentlichen    bestand   die  Methode  darin,    dass  mehrere  kleine,    von 
fremden    Bestandteilen     sorgfältig    gereinigte,     abgewogene    Proben     ins 
Keimbett  gebracht  wurden,    und    dass  wir  nachher  im  Laufe  der  ersten 
Woche    die  Trennung    der  tauben,    jetzt  leicht  als  solche  erkenntlichen 
Körner  vornahmen,  diese  trockneten  und  abwogen,  so  dass  das  Gewicht 
der  vollen,  im  Keimbett  verbleibenden  Samen  ermittelt  und  zugleich  der 
Prozentsatz  der  Keimfähigkeit  derselben  zahlenmässig  festgestellt  werden 
konnte.     Meine  Untersuchungen    bezogen    sich    nur    auf  grössere  Gras- 
sämereien, hauptsächlich  Knaulgras,  Raygräser,  Wiesenfuchsschwanz  u.  dgl.. 
für  die  ich  die  Methode,   wie   sie  damals  vorgeschlagen  war,  auch  jetzt 
noch    für    durchaus    zweckmässig    halte.     Keineswegs   aber   eignet  sich 
dieselbe  für  die  feineren  Grassämereien,  wie  Poa-,  Agrostis-Arten  u.  dgl., 
denn    es    ist    klar,    dass  von  diesen  kleinen  Samen  zur  Erreichung  des 
Zieles    sehr   grosse  Mengen    angewendet  werden    müssten,    so   dass  die 
sich    ergebende    Arbeit    kaum    zu    bewältigen    wäre.      Bei    der  ausser- 
ordentlichen  Feinheit  der  hier  in  Betracht  kommenden  Spelzen  ist  auch 
die    Zuverlässigkeit    dieser  Methoden    bei    ihrer  Anwendung    auf    solche 
feine  Grassämereien  ungenügend.      Dass    in  den  Verbandsbestimmungen 
das   Verfahren    gerade    für    die    feinen    Grassamenarten    vorgeschrieben 
wurde,    entsprach    also    durchaus    nicht    meinen    Anschauungen.      Für 
feinere  Grassamenarten  habe  ich  schon  damals  in  zahlreichen  Fällen  ein 
Verfahren  erprobt,  das,  wie  ich  mich  erst  kürzlich  überzeugte,  mit  dem 
neuerdings    vom  Verbände    vorgeschriebenen    Gewichtsverfahren    grosse 
Ähnlichkeit  besitzt.     Es  bestand  darin,  dass  kleinere,   gewogene  Proben, 
nachdem    die   fremden  Bestandteile   ausgelesen  wareu,   samt  den  tauben 
Körnern    ins  Keimbett    gebracht   wurden.     Diese  letzteren  wurden  dann 
nicht,    wie    bei    den    grösseren    Samenarten,    nachträglich    wieder    aus- 
geschieden, sondern  dauernd  im  Keimbett   belassen,    bzw.  im  Laufe  der 
Keimprüfung     bei     den     täglichen     Revisionen     zur    Vermeidung     von 
Schimmelbildung  usw.    entfernt.      Während    des   Keimprozesses   wurden 
dann    aus   der  gesamten  Probe  500 — 1000   volle  Körner   abgezählt  und 
gewogen.     Nach  Abschluss   des  Keimversuchs  konnte  man  dann   sagen: 
Würde  die  angesetzte  Probe  aus  lauter  vollen,  keimfähigen  Körnern  be- 


Diskussion:  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  283 

standen  haben,  so  hätte  sie,  unter  Berücksichtigung  des  Gewichtes  der 
Probe  und  der  abgezählten  vollen  Körner,  eine  zu  berechnende  Menge 
von  Keimlingen  liefern  müssen;  da  sie  aber  tatsächlich  nur  so  und  so- 
viele  Keimlinge  ergab,  so  Hess  sich  durch  das  Verhältnis  der  eigent- 
liche Gebrauchswert  leicht  berechnen. 

Heute  stehen  sich  nun  Zählmethode  und  Gewichtsmethode  gegen- 
über. So  lange  die  Zählmethode  so  ungenügend  war,  wie  ich  sie 
eben  schilderte,  musste  entschieden  die  Gewichtsmethode  den  Vorzug 
verdienen.  Aber  trotzdem  ich  nach  dem  Gesagten  wohl  behaupten  darf, 
•dass  ich  zuerst  die  Gewichtsmethode  in  Anwendung  brachte,  so  stehe 
ich  heute  doch  auf  dem  Standpunkt,  dass  die  Zählmethode  einfacher 
und  vielleicht  noch  sicherer  und  daher  empfehlenswerter  ist,  sobald  es 
gelingt,  schon  beim  Abzählen  eine  scharfe  Trennung  tauber  und  voller 
Körner  vorzunehmen.  Diese  MögUchkeit  aber  erscheint  gegeben,  seitdem 
die  Spiegelapparate  eine  grössere  Vervollkommnung  erreicht  und  damit 
allgemeinere  Anwendung  gefunden  haben.  Im  vorigen  Jahre  hatten  ja  an- 
lässlich des  internationalen  Botaniker-Kongresses  in  Wien  viele  von  uns 
Gelegenheit,  den  Spiegelapparat  zu  sehen,  der  an  der  Samenkontrollstation 
in  Wien  benützt  wird.  Der  Apparat  wurde  uns,  wie  alle  übrigen  Ein- 
richtungen, von  Herrn  Hof  rat  v,  Weinzierl  in  freundlichster  Weise 
vorgeführt.  Viele  von  uns  hatten  damals  allerdings  das  Gefühl,  dass 
■das  Arbeiten  an  demselben  infolge  der  ziemlich  starken  Lichtquelle, 
vermittelst  welcher  eine  Durchleuchtung  der  Glasplatte  von  unten  erfolgt, 
auf  die  Dauer  für  die  Augen  sehr  anstrengend  und  schädlich  sein 
müsste.  Da  aber  hierüber  nur  die  Erfahrung  entscheiden  kann,  so 
möchte  ich  an  Herrn  Hof  rat  v.  Weinzierl  die  Bitte  richten,  uns  darüber 
gefälligst  aufklären  zu  wollen,  ob  dieses  Bedenken  gegen  die  Ver- 
w^endung  des  sonst  sicherlich  sehr  empfehlenswerten  Apparates  gerecht- 
fertigt erscheint. 

Vorsitzender:  Wünscht  sich  noch  jemand  weiter  darüber  aus- 
zusprechen? Wenn  sich  niemand  zum  Worte  meldet,  gebe  ich  zum 
Schluss  dem  Referenten,   Herrn  Professor  Rodewald,  das  Wort. 

Professor  Dr.  H.  Rodewald-Kiel:  Nun  meine  Herren,  dass  der 
Gegenstand  schwierig  ist,  sehe  ich  aus  den  verschiedenen  Ansichten, 
die  zutage  getreten  sind.  Im  grossen  ganzen  scheint  die  Ansicht  dahin 
zu  gehen,  dass  die  alte  Zählmethode  den  Vorzug  verdient,  besonders 
nach  den  Ausführungen  des  Herrn  Hofrat  v.  Weinzierl.  Obwohl  von 
dieser  Seite  die  Übereinstimmung  der  Methoden  konstatiert  ist,  ist 
doch  darauf  hingewiesen,  dass  die  Ausführung  zeitraubender  ist, 
dass  insbesondere  viel  zu  grosse  Mengen  angesetzt  werden 
müssen.     Wenn    Sie    bei    der    Zählmethode    200    Körner    abzählen,    so 


284        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

brauchen  Sie  bei  der  Gewichtsmethode  auch  nur  4U0  Körner  abzuwägen^ 
und  überWagen  verfügen  wir  doch,  die^/ioo^^'^'^S'^^nini  anzeigen.  Also,  meine 
Herren,  Sie  haben  gar  keine  Schwierigkeiten.  Ich  habe  neuUch  noch  einem 
Hän(]]er  gezeigt,  mit  welcher  Leichtigkeit  man  eine  Anzahl  Agrostis- 
Körnor  abzuwiegen  vermag.  Darin  liegt  die  Schwierigkeit  nicht.  Aber 
ich  gebe  zu,  jede  neue  Methode  muss  geübt  werden,  und  wenn  sie 
einen  grösseren  Zeitaufwand  erfordert,  so  ist  das  im  wesenthchen 
darauf  zurückzuführen,  dass  für  diese  Methode  nicht  die  Übung  vor- 
handen ist  wie  für  die  Zählmethode.  Ich  beschäftige  mich  ziemhch 
lange  mit  der  Sache,  ca.  25  Jahre,  und  habe  die  eine  und  die  andere 
Methode  versucht.  Wenn  man  nun  im  Prinzip  festhält  —  was  jeden- 
falls auch  richtig  ist  — ,  dass  man  ungefähr  ebensoviel  K()rner  durch 
Abwägen  als  durch  Abzählen  ins  Keimbett  bringen  kann,  dann  wüsste 
ich  nicht,  wodurch  der  Zeitunterschied  hervorgerufen  werden  sollte. 
Wenn  durch  das  Abwägen  ein  Zeitverlust  hervorgerufen  wird,  dann 
beruht  das  wohl  nur  auf  mangelhafter  Übung  des  Abwäge ns.  Darauf 
sind  die  Herren  vielleicht  nicht  so  eingeübt  wie  auf  das  Abzählen. 
Bei  einiger  Übung  wird  man  das  Abwägen  ebenso  schnell  machen 
können  wie  das  Abzählen.  Jedenfalls  w^ürde  ich  bereit  sein,  das  zu 
demonstrieren ;  das  ist  Übungssache.  Wenn  jemand  nach  der  Gewichts- 
methode eine  Probe  untersucht,  dann  habe  ich  die  Erfahrung  gemacht, 
dass  es  zuerst  langsam,  nachher  schnell  geht. 

Im  allgemeinen  scheint  keine  Neigung  für  die  sogenannte 
Gewichtsmethode,  auf  deren  Einführung  ich  gar  keinen  Anspruch 
mache,  zu  sein.  Die  Sache  liegt  klar  auf  der  Hand,  wie  sie  ein- 
geführt ist.  Sie  können  das  aus  den  Untersuchungen  über  die  Fehler 
der  Samenprüfung  ersehen.  Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  bei  der 
üblichen  Definition  ganz  kolossale  Differenzen  zwischen  den  Rein- 
heitsresultaten der  deutschen  Versuchsstationen  auftraten,  deshalb  sucht» 
man  naturgemäss  eine  andere  Definition.  Auf  diese  Weise  ist  sie  gar 
nicht  von  mir  allein  ausgegangen.  Wir  haben  in  der  Kommission  be- 
raten, wie  die  Vorschriften  gemacht  werden  sollen,  man  hat  mir  die 
Einführung  dieser  Methode  zugeschoben,  weil  ich  diese  Definition  ge- 
braucht habe  in  dem  Heft  über  die  Fehler  der  Keimprüfungen. 

Nun,  meine  Herren,  trotzdem  glauben  Sie  nicht,  dass  ich  diese 
Methode  verleugne.  Die  schärfste  Definition  ist  und  bleibt  sie,  und  Sie 
werden  die  Erfahrung  machen,  dass  grosse  systematische  Fehler  zum 
Vorschein  kommen,  wenn  Sie  nach  der  Zählmethode  weiter  arbeiten. 
Herr  Hofrat  v.  Weinzierl  hat  unter  einheitlicher  Leitung  gearbeitet. 
Da  ist  es  naturgemäss,  dass  die  systematischen  Fehler  gering  werden. 
Sie  werden  aber  wieder  zum  Vorschein  kommen,  sowie  sich  die  Methode 


Diskussion:  Reinlieitsbestimmimg  von  Saatwaren.  285 

■verbreitet.  Ich  halte  es  auch  für  möglich,  dass  man  sich  auf  eine 
■andere  Grenzbestimmung  einigen  kann;  so  scharf  wird  dann  die  Grenze 
nicht  werden.  Ich  gebe  selber  zu,  dass  die  Zählmethode  gewisse  Vor- 
züge hat.  Diese  Vorzüge  habe  ich  hervorgehoben;  sie  bestehen  im 
wesentlichen  darin,  dass  man  nach  der  Reinheitsbestimmung  besser  den 
Abfall  schätzen  kann  —  das  ist  auch  vom  Herrn  Kollegen  Voigt  her- 
vorgehoben — ,  und  das  ist  ein  gewisser  Vorzug,  den  ich  nicht  leugnen 
will.  Indessen,  das  kann  nur  für  den  Grosshändler,  der  den  Samen 
reinigt,  in  Frage  kommen.  Wenn  der  gereinigte  Samen  in  den  Handel 
gebracht  wird,  soll  er  nicht  mehr  soviel  Spreu  enthalten.  Der  Gross- 
händler ist  in  der  Nähe  der  Station,  hat  selbst  geschultes  Personal, 
macht  die  Abfallbestimmungen  nach  einer  Methode,  die  wir  nicht  zu 
verantworten  brauchen,  die  für  ihn  einzig  und  allein  von  Interesse  ist, 
und  das  Interesse  besteht  darin,  dass  er  keinen  Abfall  hat,  der  eventuell 
keimfähig  wäre.  Diese  Grenze  festzustellen,  ist  seine  Sache!  Ich 
glaube,  diesen  Umstand  können  wir  nicht  so  sehr  hoch  anschlagen. 
Dagegen  möchte  ich  den  Umstand,  der  den  grossen  systematischen 
Fehler  betrifft,  ziemlich  hoch  anschlagen.  Ich  weiss  nicht,  ob  die  Ver- 
hältnisse sich  wesenthch  geändert  haben!  Wir  haben  in  den  Stationen 
^es  Verbandes  —  ich  glaube,  es  waren  36  —  gearbeitet.  Da  kamen 
ziemlich  grosse  Fehler  vor.  Wir  haben  nicht  nur  gearbeitet,  sondern 
uns  eingehend  über  die  Art,  wie  zu  arbeiten  sei,  unterhalten,  haben 
•eingehende  Vorschriften  gemacht,  und  da  lehrte  die  Erfahrung,  dass  es 
nicht  möglich  war,  den  Fehler  zu  verringern  trotz  aller  Definitionen. 
Ich  bin  überzeugt,  dass  unter  einheitlicher  Leitung  die  systematischen 
Fehler  ziemhch  klein  gemacht  werden  können.  Aber  diese  einheithche 
Leitung  ist  nicht  vorhanden  bei  den  grossen  Entfernungen  der  einzelnen 
Stationen  voneinander.  Besonders,  wenn  man  eine  internationale  Ver- 
einigung in  Betracht  zieht,  ist  es  schwer,  sich  über  die  Grenze  zu 
■einigen. 

Die  Untersuchungen  in  durchfallendem  Licht  sehe  ich  nicht  in  dem 
Masse  günstig  an  wie  Herr  Hofrat  v.  Weinzierl.  Ich  habe  auch  mit 
derartigen  Beleuchtungsapparaten  gearbeitet,  wenn  auch  nicht  mit  einem 
Dunkelkasten,  der  das  diffuse  Sonnenhcht  ausscheidet.  Ich  habe  aber 
mit  dem  Abbeschen  Apparat  gearbeitet,  der,  soweit  sich  das  übersehen 
lässt,  alle  Vorteile  besitzt.  Man  erhält  das  Licht  von  allen  Seiten  und 
kann  eine  beUebige  Intensität  haben,  je  nachdem  man  den  Spiegel 
intensiv  beleuchtet. 

Ich  würde  aus  dieser  Frage  nicht  so  viel  machen,  mir  ist  es 
schliesslich  ganz  einerlei,  ob  man  nach  der  Zählmethode  oder  nach 
■der  Gewichtsmethode  arbeiten  will,  ich  mache  aber  darauf  aufmerksam, 


286        Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

dass  die  Gegensätze  zwischen  den  verschiedenen  Auffassungen  wieder 
hervortreten  werden,  um  so  mehr,  je  häufiger  das  Personal  wechselt, 
und  das  ist  bei  einer  grossen  Anzahl  Stationen  nicht  zu  vermeiden. 
Ich  weiss  nicht,  ob  man  daraufhin  nicht  versuchen  sollte,  die  Ge- 
wichtsmethode mit  mehr  Vertrauen  zu  betrachten. 

Auf  die  Sterilität  des  Keimbettes  lege  ich  nicht  viel  Wert.  Der 
Boden  ist  auch  nicht  steril.  Da  lässt  sich  viel  behaupten,  aber, 
wenn  man  der  Sache  auf  den  Grund  geht,  dann  findet  man  doch, 
dass  eine  so  grosse  Einwirkung  der  Spreu  —  die  natürlich  aus  der- 
selben Partie  stammt  und  infektiöse  Stoffe  derselben  Qualität  ent- 
halten kann  wie  der  Samen  —  nicht  von  so  grosser  Bedeutung  ist, 
zumal  wenn  das  Keimbett  sonst  günstigen  Keimbedingungen  entspricht. 
Es  ist  ja-  sehr  zweckmässig,  dass  wir  heute  keine  Beschlüsse  zu  fassen 
haben  über  die  Frage,  welche  Methode  eingeführt  werden  soll,  aber  es 
ist  jedenfalls  auch  sehr  zweckmässig,  dass  wir  uns  einmal  über  die 
Vorteile  und  Nachteile  der  einen  und  anderen  Methode  unterhalten.  Die 
technischen  Vorschriften  des  Verbandes  der  landwirtschaftlichen  Ver- 
suchsstationen müssten  ja  abgeändert  werden,  falls  die  Methode  ein- 
geführt wird.  Das,  glaube  ich,  würde  keine  so  grossen  Schwierigkeiten 
haben,  aber  je  öfter  die  Definition  geändert  wird,  um  so  schwieriger 
wird  die  Sache,  um  so  häufiger  werden  die  Fehler  auftreten.  Wir 
haben  damals  diese  Definition  nicht  aus  Neuerungssucht  eingeführt, 
sondern  mit  Rücksicht  auf  die  ganz  kolossale  Verschiedenheit  in  der 
Auffassung.  Da  war  es  uns  ein  Bedürfnis,  uns  möglichst  scharf 
über  die  Grenze  ausdrücken  zu  können.  Ich  will  also  abwarten; 
Man  wird  im  Laufe  der  Zeit  Erfahrungen  sammeln  Die  Fehler- 
wahrscheinlichkeit der  Keimprüfung  ist  bei  beiden  Methoden  die  gleiche, 
wenn  die  gleiche  Anzahl  Körner  ins  Keimbett  kommt.  Insbe- 
sondere wäre  es  zweckmässig,  wenn  verschiedene  Stationen  mit  dem 
Apparat  des  Herrn  Hofrat  v.  VVeinzierl  ausgerüstet  würden  und  wenn 
Versuche  gemacht  würden,  ob  es  gelingt,  überall  dieselbe  Grenze  fest- 
zuhalten. Nur  eins  ist  mir  bei  dem  Referat  aufgefallen,  nämlich,  dass 
eine  durchschnittliche  Differenz  zwischen  beiden  Methoden  vorhanden 
bleibt.  Da  möchte  ich  die  Frage  aufwerten:  Welche  Methode  hat  denn 
die  richtigen  Resultate  geliefert?  Ist  die  Differenz  positiv  oder  negativ? 
Es  sind  da  noch  verschiedene  unklare  Fragen,  und  es  ist  jedenfalls 
zweckmässig,  wenn  man  sich  darüljer  ausspräche. 

Ich  bin  zur  Einleitung  einer  solchen  Diskussion  gar  nicht  durch 
meinen  eigenen  Willen  gekommen.  Ich  bin  dem  Wunsche  aber  gern 
nachgekommen,  nur  möchte  ich  nicht  gern  als  unbedingt  eigensinniger 
Vertreter    der  Gewichtsmethode    angesehen    werden,    vor    allen    Dingen 


Diskussion:  Reinheitsbestimmung  von  Saatwaren.  287 

nicht  als  solcher,  der  historische  Ansprüche  an  diese  Methode  stellt. 
Ein  gewisser  Unterschied  besteht  zwischen  beiden  Methoden.  Was 
wollen  wir  nun  erreichen?  Wir  wollen  erreichen,  dass  der  Gebrauchs- 
wert festgestellt  wird,  wieviel  Kilo  keimfähig  sind  von  100  Kilogramm 
Ware,  Liefert  nun  die  Gewichtsmethode  einen  solchen  Wert'?  Das  tut 
sie  nur  dann,  wenn  entweder  alle  Samenkörner  gleich  gross  sind  oder 
wenn  die  Durchschnittsgewichte  der  eingeschütteten  Samen  immer  gleich 
sind.  Das  sind  alles  Bedingungen,  die  die  Gewichtsmethode  auch  nur 
angenähert  erfüllt.  Wir  kommen  immer  wieder  auf  die  Bestimmung 
des  Gebrauchswertes  zurück,  der  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von 
Zufälligkeiten  abhängig  ist,  Diese  Zufälligkeiten  können  wir  vielleicht 
einschränken,   aber  nicht  ausmerzen. 

Ich  möchte  Sie  darauf  aufmerksam  machen,  dass  die  Entwickelung 
einer  Methode  immer  sehr  günstig  ist,  wenn  man  ihr  eine  scharfe 
Definition  zugrunde  legt.  Es  ist  mit  Hilfe  des  Diaphanoskops  nicht 
immer  sicher,  ob  ein  Korn  zu  den  reinen  oder  unreinen  Samen 
gehört,  und  erfahrungsgemäss  sind  die  Grenzbestimmungen  verschieden. 
Das  ist  nicht  meine  eigene  persönliche  Erfahrung,  sondern  die  Erfahrung 
von  36  deutschen  Versuchsstationen.  Diese  haben  nicht  mit  dem  Spiegel- 
apparat gearbeitet.  Die  zahlreiche  Beteiligung  an  der  Diskussion  hat 
gezeigt,  wie  nötig  es  ist,  dass  einmal  Klarheit  geschaffen  wird  auf 
diesem  Gebiet.  Bevor  Sie  ein  abschliessendes  Urteil  abgeben,  möchte 
ich  Sie  bitten,  sich  doch  einmal  mit  der  Gewichtsmethode  vertraut  zu 
machen,  sich  durch  tägliche  Übung  an  die  Handhabung  dieser  Methode 
zu  gewöhnen,  vielleicht  kiinnen  Sie  sich  dann  damit  befreunden. 

Hofrat  Dr.  Th.  v.  Wehizierl-Wien:  Der  Herr  Kollege  hat  bemerkt, 
dass  ich  vergessen  habe  zu  sagen,  ob  die  Differenz  positiv  oder  negativ  ist. 
Ich  erlaube  mir,  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  ich  hervorgehoben 
habe,  dass  als  ein  besonderer  Vorteil  der  Gewichtsmethode  angegeben 
wird,  dass  die  Bestimmung  der  tauben  Körner,  wenn  benetzte  Samen  ver- 
wandt werden,  mittelst  der  optischen  Methode  genauer  ist  als  wenn  der 
Samen  in  dem  Zustande  ist,  wie  er  bei  der  Zählmethode  bestimmt  wird, 
dass  man  also  genauer  die  tauben  Samen  ermittelt  aus  einer  zur  Keim- 
fähigkeit angesetzten  Probe,  wenn  der  Samen  angequollen  ist,  gegenüber 
dem  bei  der  Zählmethode  verwandten  Samen  in  lufttrockenem  Zustande. 
Nachdem  bei  den  Versuchen  durchweg  ohne  Ausnahme  bei  der  Gewichts- 
methode kleinere  Zahlen  herauskommen,  so  habe  ich  daraus  geschlossen,  dass 
unsere  Zahlen,  die  wir  gefunden  haben,  richtiger  sind,  sonst  müssten  wir 
umgekehrt  weniger  finden.  Bei  der  Gewichtsmethode  sind  bei  Fuchsschwanz 
4°/o  gefunden,  während  wir  bei  der  Zählmethode  ll°/o  gefunden  haben. 
Vorsitzender:    Meine    Herren!     Wir    wollen    damit    diese    Frage 


288        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfnng. 

beschliessen.  Wir  werden  morgen  nachmittag  die  Diskussion  über  ein 
anderes  Tliema  fortsetzen.  Herr  Regierungsrat  Dr.  Miltner  wird  die 
Diskussion  einleiten  über  die  Frage  der  Keimversuche.  Ich  ersuche 
•dann  Herrn  Professor  Heinrich,  für  diesen  Tag  das  Präsidium  zu 
übernehmen.  Morgen  nachmittag  um  2  Uhr  werden  wir  wieder  zu- 
sammenkommen. 

Dann  danke  ich  dem  Herrn  Referenten  für  sein  Referat  und  zu- 
gleich denjenigen  Herren,  die  sich  an  der  Diskussion  beteiligt  haben, 
und  erkläre  iie  Sitzung  geschlossen. 

Schluss  6V2  Uhr  nachmittags. 


Sitzung  am  Dienstag,  den  II.  September  1906, 

nachmittags  2   Uhr   im  Hörsaal  A  des  Johanneum. 
Vorsitz:  Direktor  Dr.  L.  Hiltiier-München. 

Anwesend:  Atterberg  -  Kalmar,  von  Degen  -  Budapest,  Di- 
drichsen  -  Kopenhagen,  Dorph  Petersen  -  Kopenhagen,  Edler-Jena, 
Frankfurt  -  Kiew,  Heinrich  -  Rostock,  Hillmann-Berlin,  Hiltner- 
München,  Holmes- London,  Johnson -Dubhn,  I ssats che nsko -Peters- 
burg, Kambersky-Troppau,  Kühle-Gunsleben,  Lyttkens-Stockholm, 
Qvam-Kristiania,  Raatz- Kl.  Wanzleben,  Rodewald-Kiel,  Schumann- 
Halle,  Simon -Dresden,  Steblor-Zürich,  von  Szyszylowicz-Lemberg, 
Vanha-Brünn,  Vitek-Prag,  Voigt- Hamburg,  von  Weinzierl-Wien, 
Widen-  0rebro. 

Professor  Dr.  Voigt  bittet  die  Anwesenden,  sich  zunächst  zu  einer 
photographischen    Aufnahme    in    den   Hof    des  Johanneum   zu   begeben. 

Geh.  Ökonomierat  Prof.  Dr.  Heinrich-Rostock  ersucht,  wegen  seiner 
Kurzsichtigkeit  von  seinem  Vorsitz  Abstand  zu  nehmen.  Es  wird  Di- 
rektor Dr.  Hiltner-München  zum  Vorsitzenden  für  die  heutige  Sitzung 
gewählt. 

Vorsitzender:  Ich  erteile  sodann  Herrn  Direktor  Dr.  A.  von  Degen 
das  Wort  zu  seinem  Vortrag. 


A.  von  Degen,  Über  Kleeseide.  ■_        .    ;-'  289 

Über  Kleeseide. 

Von 
Direktor  Dr.  A.  von  De^Tii-Budapest. 

Nach  unseren  Erfahrungen  können  Kleesaaten,  welche  diu'ch  die 
grobkörnige  Seide  infiziert  worden  sind,  seilest  durch  unsere  leistungs- 
fähigsten Maschinen  nicht  vollständig  gereinigt  werden.  Es  steht  uns 
also  nur  ein  Mittel  zur  Verfügung,  und  das  ist  die  Vertilgung  der 
Kleeseide  auf  dem  Felde.  Wie  geschieht  nun  dies  am  Ijesten?  Alle 
Herren  Kollegen,  welche  in  Staaten  wirken,  die  gesetzliche  Massregeln 
zur  Ausrottung  der  Kleeseide  auf  dem  Felde  vorschreiben,  werden  die  Er- 
fahrung gemacht  haben,  dass  die  Behörden  —  meist  wegen  Mangel  an 
Sachkenntnis  —  diese  Massregeln  nur  höchst  mangelhaft  durchführen. 
Auf  Grund  meiner  Erfahrungen  bin  ich  der  Ansicht,  daß  die  Verhältnisse 
die  Produzenten  dazu  zwingen  werden,  den  Kampf  gegen  die  Kleeseide 
auf  dem  Felde  selbst  aufzunehmen.  Die  Preise  grobseidehaltiger  V^''aren 
sind  schon  derartig  gedrückt,  dass  sich  in  infizierten  Gegenden  die 
Produktion  von  Kleesaat  kaum  mehr  rentiert.  Um  einen  weiteren 
Rückgang  zu  verhindern,  ist  es  meiner  Überzeugung  nach  unsere  Pflicht, 
hier  präventiv  einzugreifen.  Dies  erfordert  indes  eine  Erweiterung  des 
\Mrkungskreises  der  Samen kontroUstationen,  der  sich  auf  strenge  Auf- 
sicht insbesondere  der  Kleesamen  produzierenden  Gegenden  und  aut 
fachgemässe  Kontrolle  der  Seideausrottung  erstrecken  müsste.  Bei  uns 
zu  Lande  hat  die  Samenkontrollstation  absolut  keine  exekutive  Gewalt, 
hingegen  verlangt  der  Landwirt,  dass  die  Samenkontrollstation  ihn  vor 
Kleeseide  schütze.  Wir  stehen  also  in  einem  Dilemma.  Die  unvoll- 
ständige Ausrottung  der  Seide  verursacht  nach  unseren  Erfahrungen 
nur  eine  vorübergehende  Besserung,  mit  der  dem  Landwirt  nicht  gedient 
sein  kann. 

Meine  erste  Proposition  bezieht  sich  daher  auf  Massnahmen, 
welche  eine  erfolgreiche  Bekämpfung  der  Seide  auf  dem  Felde  be- 
zwecken und  lautet: 

„Alle    hier    versammelten  Stationsvorstände    mögen   ihren 
;  Regierungen   die    nötigen    Vorschläge    zur   einhe'tlichen,    streng 

und  sachgemäss  durchgeführten  Ausrottung  dei  Kleeseide  auf 
dem  Felde  unterbreiten  resp.  veranlassen,  dass  die  Durch- 
führung der  bestehenden  diesbezüglichen  Massregeln  in  den 
Wirkungskreis  der  Samenkontrollstationen  geleitet  wird.  Sie 
müssten  ihre  Aufgabe  damit  beginnen,  die  einschlägigen,  derzeit 

Jahiesbeiicht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  IV.  19 


290        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konlerenz  für  Samenprüfung. 

bestehenden  Verfügungen  der  verschiedenen  in  Betracht  kommen- 
den Staaten  zu  sammeln  und  in  übersichtlicher  Weise  zu  ver- 
öffentlichen." 

Eine  andere  brennende  Frage  ist  die  Beaufsichtigung  des 
Verkehrs  mit  Kleeausreuter.  Eine  strenge  Überwachung  desselben 
erscheint  dringend  notwendig.  Nach  unseren  Erfahrungen  sind  die 
Landkrämer  die  ständigen  Abnehmer  des  Kleeausreuters.  Wir  haben 
seiner  Zeit  mit  Herrn  Hofrat  v.  Weinzierl  in  einer  Peststellung  an 
unsere  beiderseitigen  Regierungen  die  Frage  aufgeworfen,  ob  es  nicht 
angezeigt  wäre,  eine  Lizenz  für  den  Kleesamenhandel  einzuführen.  Was 
soll  aber  mit  dem  Kleeausreuter  geschehen?  Laut  dem  ungarischen 
Gesetz  wird  der  Kleeausreuter  konfisziert;  das  Gutachten  der  kompetenten 
Untersuchungsanstalt  muss  den  Vermerk  enthalten,  ob  die  konfiszierte 
W^are  vernichtet  werden  soll  oder  ob  sie,  eventuell  durch  Reinigung, 
einem  anderen  Zwecke  zugeführt  resp.  anders  verwertet  werden  kann.  Die 
von  mir  und  Professor  Tangl  durchgeführten  Versuche  überzeugten 
uns,  dass  der  Kleeausreuter  fein  gemahlen  und  hierdurch  denaturiert 
ein  ziemlich  wertvolles  Futtermittel  abgibt,  welches  ganz  besonders 
geeignet  erscheint,  als  Zusatz  zu  Melasse  verfüttert  zu  werden.  Leider 
steht  der  Verwertung  des  Kleeausreuters  als  Futtermittel  sein  hoher 
Preis  im  Wege:  bei  uns  werden  für  Kleeausreuter  70  Kr.  per  mctr. 
bezahlt.  Dass  das  nichts  anderes  zu  bedeuten  hat,  als  dass  der  Aus- 
reuter als  Saatware  in  den  Verkehr  gebracht  wird,  liegt  klar  auf  der 
Hand,  und  ich  halte  es  für  unerlässlich,  dass  diesem  Artikel  unsere 
volle  Aufmerksamkeit  zugewendet  werde  Wir  stehen  hier  einer  ganz 
ausserordentlich  schwierig  zu  lösenden  Frage  gegenüber,  welcher  wir 
aber  nicht  ausweichen  dürfen.  Vielleicht  finden  wir  einen  Ausweg, 
wenn  wir  durch  Versuche  feststellen  können,  ob  und  unter  welchen 
Vorsichtsmassregeln,  eventuell  unter  welchen  klimatischen  Verhältnissen, 
der  Kleeausreuter  als  Saatware  zu  verwenden  ist. 

Die  vorerwähnten  Ausführungen  mögen  als  Begründung  einer 
weiteren  Proposition  gelten. 

Ich  will  hier  noch  erwähnen,  dass  der  direkte  Anlass  /aw  Auf- 
stellung dieser  Proposition  die  Publikation  unseres  Kollegen  Dr.  A.  Volkart 
(Bericht  der  schweizerischen  Botanischen  Gesellschaft  1901)  gegeben  hat. 
E)r.  Volkart  hat  in  dieser  Publikation  behauptet,  dass  einige  Seidearten, 
speziell  die  Grobseide,  in  der  Schweiz  ihren  Samen  nicht  zur  Reife 
bringen.  Bei  der  eminent  praktischen  Wichtigkeit  dieser  Frage  ersuche 
ich  die  geehrte  Versammlung,  diesen  Punkt  einer  eingehenden  Be- 
sprechung zu  unterziehen. 

Der  nächste   Punkt   betrittst   die  Feststellung  einer  Norm   über 


A.  von  Degen,  Über  Kleeseide.  291 

den  hochstzulässigen  Seidegehalts  einer  Kleesaatware.  In 
der  Einleitung  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass  die  Kleeseide  aus  der 
auf  den  Markt  gebrachten  Ware  selbst  mit  unseren  besten  Reinigungs- 
maschinen  nicht  vollkommen  entfernt  werden  kann.  Die  Vertreter  der 
Kleesamen  produzierenden  Länder  werden  mir  beipflichten,  wenn  ich 
die  festgestellte  Norm  von  10  Stück  Seidesamen  pro  Kilo  mit  Rücksicht 
auf  die  eingetretene  oder  bevorstehende  Grobseidekalamität  für  viel  zu 
hoch  halte.  Es  wäre  noch  darüber  zu  diskutieren,  ob  die  Norm  für 
eine  Saatware,  welche  nur  zu  Putterbauzwecken  dient,  und  ferner  die 
l!^orm  für  Rotklee  und  Luzerne  nicht  besonders  festgestellt  werden 
sollen.  Die  Erledigung  dieser  Fragen  erheischt  eine  gründliche  Aus- 
sprache über  die  Leistungsfähigkeit  der  verschiedenen  Reinigungs- 
methoden. Ich  möchte  schon  hier  betonen,  dass  wir  von  den  Händlern 
nichts  verlangen  können,  was  diese  selbst  bei  Verwendung  der  besten 
Maschinen  nicht  leisten  können.  Wie  immer  wir  uns  auch  über  die 
festzustellende  Norm  einigen  werden,  eine  absolute  Seidefreiheit  der 
■.Saatware  im  allgemeinen  werden  wir  nicht  erzielen.  Wir  müssen  im 
Kampfe  gegen  die  Seide  auf  die  Mitwirkung  der  Landwirte  rechnen. 
Ich  schlage  als  Basis  der  Verhandlung  über  die  Untersuchungs- 
methoden folgende  Punkte  vor,  die  aus  den  bei  uns  vorgeschriebenen 
Methoden  zusammengestellt  sind  und  zwar  teilweise  aus  unseren  Plom- 
bierungsvorschriften,    teilweise    aus    unseren  Untersuchungsvorschriften: 

1.  Auf  Seidesamen  ist  stets  das  ganze  eingesandte  Muster,  sofern 
es  500  gr  nicht  überschreitet,   zu  untersuchen. 

2.  Die  Muster  von  Kleesamen  sind  vor  dem  Beginn  der  Ihiter- 
suchung  bei  Tageslicht  einer  genauen  Okularuntersuchung 
zu  unterziehen. 

3.  Lein-  und  Hanfsamenmuster  sind  mittelst  des  14er  und  16er 
Siebes  abzusieben  und  das  ganze  Siebsei  Korn  für  Korn  zu  unter- 
suchen. Von  Lotus  coiiiiculatus,  Trifolium  h/jhi'n/um.  T.  r('pen--< 
und  Plileum  prafpnse  ist  das  ganze  eingesandte  Muster  ohne 
Hilfe  eines  Siebes  zu  untersuchen. 

■    4.  Luzerne-,    Rotklee-,    Hopfenklee-    Inkarnatklee-   und   W^undklee- 
muster  sind  zuerst  durch  ein  sog.  20  er  Sieb  zu  sieben. 

5.  Zwanziger  Sieb  nennen  wir  ein  40  cm  im  Durchmesser  messendes 
mit  abhebbarem  Boden  und  Deckel  versehenes  Sieb  aus  Weiss- 
oder Zinkblech,  welches  mit  einem  Stahldrahtgeflecht  mit  vier- 
eckigen Löchern  von   1  :  1  mm   Drahtweite  überzogen  ist. 

6.  Der  Boden  des  Siebes  muss  unversehrt  sein,  sonst  ist  es  nicht 
ausgeschlossen,  dass  abgesiebte  Seidekörnor  durch  eine  Öffnung 
des  Bodens  in  Verlust  geraten. 

19* 


292        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüiung. 

7.  Das  Sieb  und  der  Boden  des  Siebes  mnss  vor  dem  Gel)rauch 
unbedingt  vollkommen  rein  sein. 

8.  Auf  das  20  er  Sieb  darf  nie  mehr  als  eine  Schicht  Samen  auf 
einmal  .u'egossen  werden.  Die  Vernachlässigun.ii-  dieser  wichtigen 
Vorschrift  kann  selbst  die  gewissenhafteste  Seideuntersuchung 
illusorisch  machen. 

9.  Diese  Samenschicht  wird  durch  langsame,  wenigstens  zehn- 
malige Bewegung  des  Siebes  im  Kreise  und  Anschlagen  der 
Seitenwände  an  die  Daumenballen  gründlichst  abgesiebt. 

10.  Ist  ein  grösseres  Muster  abzusieben,  so  wird  die  erste  Schicht 
vom  Siebe  vorsichtig  entfernt,  und  eine  zweite  ev.  dritte  oder 
noch  mehr  Samenschichten  neu  aufgegossen  und  abgesiebt,  bis 
das  ganze  Muster  abgesiebt  ist. 

11.  Während  des  Siebens  sowohl  als  besonders  bei  dem  Abheben 
des  Siebes  von  seinem  Boden  ist  genau  darauf  zu  achten,  dass 
von  dem  Siebsei  nichts  verschüttet  werde.  Eingeklemmte  Samen 
kommen  zu  dem  Siebsei. 

12.  Ist  das  Siebsei  des  20er  Siebes  nicht  viel,  so  wird  es  ohne 
weiteres  i\orn  für  Korn  mit  der  Pinzette  auf  Seidesamen 
untersucht. 

13.  Ist  aber  das  Siebsei  wegen  Kleinkörnigkeit  oder  Unreinheit  der 
Ware  bedeutend,  enthält  es  viel  Staub,  Sand,  Erdklümpchen  oder 
Unkrautsamen,  so  wird  es  noch  durch  die  Nobbe-Garnitur  ab- 
gesiebt. ^ 

14.  Vor  Benutzung  dieser  Garnitur  ist  darauf  zu  achten,  dass  die 
einzelnen  Siebe  in  richtiger  Reihenfolge  eingesetzt  und  voll- 
kommen rein  sind. 

15.  Die  Seidesamen  sind  vor  allem  in  der  auf  dem  Sieb  mit  ()..5  mm 
Lochöffnung  gebliebenen  Samenmenge  zu  suchen.  Sollten  hier 
keine  gefunden  werden,  so  wird  das  Siebsei  des  untersten 
Siebes  und  der  Reihenfolge  nach  die  auf  den  ül)rigen  Sieben 
befindlichen  Samenmengen  untersucht. 

16.  Das  Zerlegen  der  Nobbe-Garnitur  soll  stets  über  einem  Blatt 
reinen  Papiers  geschehen. 

17.  Die  in  die  Sieböffnungen  eingeklemmten  Samen  sind  stets  zu 
dem  zu  untersuchenden  Siebsei  zu  legen. 

l!-i.  Waren  Seidesamen  in  keiner  der  Abteilungen  vorzufinden,  so 
ist  noch  ein  Teil  ')  der  über  dem  20 er  Siebe  gebliebenen  Samen- 
menge auf  Grobseide  zu  untersuchen. 


1)  Nach  neuer  A'orschrift  100  gr. 


A.  von  Degen,  Über  Kleeseide.  293 

19.  Ein  Muster,  welches  nur  leere  oder  nur  unreife,  geschrumpfte 
Seidesamen  in  geschlossenen  Kapseln,  oder  Seidestengel  oder 
Blütenfragmente  enthält,  ist  —  unter  Angabe  des  Befundes  — 
als  seidefrei  zu  attestieren. 

Zu  Punkt  18  mijchte  ich  bemerken,  dass  für  die  Untersuchung 
auf  Grobseide  keine  Menge  vorgeschrieben  ist;  das  scheint  ein  Mangel 
unserer  Vorschriften  zu  sein.  Es  wäre  wünschenswert,  wenn  hier  eine 
Norm  festgestellt  werden  könnte. 

Als  Zusatz  zu  Punkt  19  erlaube  ich  mir  eine  einheitliche  Ter- 
minologie vorzuschlagen  sowohl  in  der  Benennung  der  einzelnen  Seide- 
arten als  auch  in  den  Bezeichnungen  , .wenig"  und  ,,viel"  Kleeseide 
resp.  eine  genaue  Definition  dieser  Ausdrücke  festzustellen.  Diese 
kommen  selbstverständlich  in  Betracht,  wenn  die  Seidekörner  im  Atteste 
nicht  der  Zahl  nach  angeführt  werden. 

Bezüghch  der  Nomenklatur  möchte  ich  auf  den  Übelstand  hin- 
weisen, dass  ein  und  dieselbe  Seideart  von  einer  Station  als  Cuscufa 
raceniosa,  von  einer  anderen  als  C.  ■siiaveok")is  von  einer  dritten  gar 
als  C.  Orouowii,  deutsch  aber  als  ,, Grobseide",  „grobkörnige  Seide",  in 
Deutschland  mit  Vorliebe  als  ,, Schweinsseide"  bezeichnet  wird. 

Ich  erlaube  mir,  dieser  Proposition  noch  eine  andere  anzufügen; 
sie  betrifft  die  Frage  der  Beschaffung  von  Normalsieben.  Die 
Wichtigkeit  dieser  Frage  ist  klar,  wenn  man  die  früher  gebräuchlichen 
Siebe,  bei  welchen  die  Löcher  entfach  mit  einer  Stanze  durchgeschlagen 
und  die  Lochöffnungen  nicht  gleich  gross  sind,  mit  den  jetzigen  ver- 
gleicht. Es  wäre  sehr  wichtig,  wenn  der  x'Vusschuss  sich  mit  einer 
Firma  in  Verbindung  setzen  möchte,  welche  sich  der  Mühe  unterziehen 
wollte,  uns  Normalsiebe  zu  verschaffen.  Ich  will  darauf  hinweisen, 
dass  bei  Bodenuntersuchungen  ganz  genau  gebohrte  Siebe  verwendet 
werden,  die  aber  unseren  Zwecken  nicht  entsprechen. 

Zum  Schluss  schlage  ich  der  geehrten  Versammlung  vor,  eine 
Diskussion  über  die  Frage  zu  eröffnen,  ob  es  nicht  angezeigt  wäre,  die 
hiermit  in  Verbindung  stehenden  Detailfragen  einer  Spezialkommission 
zu  überweisen. 


Vorsitzender:  Ich  eröffne  die  Diskussion  und  bitte  den  Refe- 
renten, die  einzelnen  Punkte  nochmals  zu  verlesen,  damit  die  Ver- 
sammlung dazu  Stellung  nehmen  kann. 

Referent  Dr.  von  Degeu-Budapest:  Meine  Proposition  I  bezieht 
sich  auf  den  Vorschlag,    dass   alle   hier   versammelten  Stationsvorstände 


294       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  SamenpriU'ung. 

ihren  Regierungen  die  nötigen  Vorschläge  betreffend  einheitlich,  streiiir 
und  sachgemäss  durchgeführter  Ausrottung  der  Kleesei  de  auf  dem 
Felde  unterbreiten  resp.  veranlassen  möchten,  dass  die  Durchführung 
der  allenfalls  bestehenden  Gesetze  in  den  Wirkungskreis  der  Samen- 
kontrollstationen geleitet  werden. 

Vorsitzender:  Wünscht  jemand  das  Wort  zu  diesem  Vorschlage? 

Prof.  Dr.  Edler- Jena:  Wir  haben  in  einzelnen  Bezirken  Polizei- 
verordnungen, die  das  Preisein  der  Kleefelder  von  Seide  vorschreiben. 
Diese  Verordnungen  haben  ihren  Zweck  nicht  erfüllt,  und  ich  glaube 
auch,  dass  sie  auch  künftig  ihren  Zw^eck  nicht  erfüllen  werden,  da  die 
Kontrolle  durch  Polizeiorgane  ausgeführt  werden  muss,  denen  wenigstens 
in  den  meisten  Fällen  die  nötige  Sachkenntnis  fehlt.  Deshalb  verspreche 
ich  mir  von  der  weiteren  Einführung  polizeilicher  Vorschriften  bei  uns 
in  Deutschland  wenig,  oder  ich  möchte  besser  sagen  gar  nichts. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  möchte  doch  glauben,  dass  wenigstens 
etwas  zu  erreichen  wäre,  halte  es  aber  für  richtiger,  diese  Frage  in 
andere  Hände  zu  legen,  nämlich  in  die  unserer  Pflanzenschutz- 
stationen. 

Dr.  P.  Hillüiauii  Berlin:  Diese  Vorschriften  kömnen  doch  nur  für 
diejenigen  Länder  von  Wert  sein,  wo  Kleeseide  vorkommt.  Ich  möchte 
sie  auf  eine  Einrichtung  aufmerksam  machen,  die  seit  kurzem  bei  der 
Deutschen  Landwirtschafts -Gesellschaft  besonders  auch  für  Kleearten 
eingeführt  ist,  die  sogenannten  Feldbesichtigungen  zwecks  Saaten- 
anerkennung. Der  Anfang  war  im  verflossenen  Sommer  sehr  be- 
scheiden, aber  wir  haben  doch  eine  Reihe  von  Feldern  gefunden,  die 
seidefrei  waren.  ,  Wir  sind  nun  dabei  sehr  streng  vorgegangen  aus  dem 
Grunde,  weil  in  Deutschland  bekanntlich  die  Vermittelungsstellen  land- 
wirtschaftlicher Körperschaften  absolute  Seidefreiheit  verlangen  und 
sich  auf  Konzessionen  bisher  nicht  einlassen  wollen.  Bei  den  beiden 
Feldern,  die  wegen  Seide  ausgeschlossen  wurdeji,  war  auf  jedem  Felde 
nur  ein  Seidenest  vorhanden.  Vielleicht  wäre  es  möglich,  auch  diesen 
Weg  der  Feldbesichtigungen  weiter  zu  verfolgen. 

Prof.  Dr.  Edler- Jena:  Ich  möchte  Herrn  Kollegen  Dr.  Voigt  er- 
widern, dass  das,  was  die  Samenkontrollstationen  nicht  können,  dir 
Pflanzenschutzstation  auch  nicht  kann.  Ich  glaube  nicht,  dass  wir  auf 
diesem  Wege  praktisch  etwas  erreichen  und  möchte  bitten,  ihn  gar 
nicht  zu  betreten. 

Direktor  Dr.  S.  Frankfurt-Kiew:  Ich  komme  aus  einer  Gegend, 
die  sehr  viel  Kleesamen  produziert  und  exportiert.  Nun  erinnere  ich 
mich  an  einen  Fall,  dass  bei  Moskau  den  Bauern  Kleesamen  verkauft 
wurde,    der  mit  Seide    vermengt  war.     Das    hat  man  aufgefunden,    die 


Diskussion:  Kleeseide.  295 

Sache  hat  viel  Staub  aufgewirbelt  und  auch  die  Aufmerksamkeit  der 
Regierung  erweckt.  Wie  soll  man  dies  nun  bekämpfen?  Die  Sache  ist 
für  uns  in  Russland  ja  so  schwierig,  und  wenn  wir  auch  noch  so  viel 
Unterstützung  hätten,  die  Verhältnisse  liegen  so,  dass  man  eine  wirk- 
same Samenkontrolle  kaum  ausüben  kann. 

Hofrat  Dr.  Th.  von  AVeinzierl-Wien:  In  Ergänzung  der  Aus- 
führungen des  Herrn  Kollegen  Dr.  von  Degen  möchte  ich  Ihnen  einiges 
mitteilen  aus  den  Erfahrungen,  welche  ich  in  dieser  Richtung  im  Laufe 
von  20  Jahren  gemacht  habe,  speziell  in  Österreich,  wo,  wie  Sie  wissen, 
noch  kein  sogenanntes  Kleesamengesetz  besteht,  im  Gegensatz  zu  Ungarn, 
wo  ein  solches  schon  lange  in  Kraft  ist.  Wir  haben  in  einzelnen  Ländern 
ein  besonderes  Kleeseidegesetz  erhalten,  und  dieses  Gesetz  geht  darauf 
aus,  dass  die  Kontrolle  der  Cuscuta  auf  dem  Felde  durch  Organe  voll- 
zogen wird,  welche  leider,  ich  muss  es  ja  selbst  sagen,  gewöhnlich  gar 
nicht  in  der  Lage  sind,  die  Kleeseide  zu  erkennen.  Der  Schutzmann 
und  der  Gendarm  sollen  nicht  nur  die  Landstreicher  verhaften,  sondern 
auch  die  Felder  besichtigen?  Ist  einmal  auf  einem  Felde  Kleeseide  in 
blühendem  Zustande  angetroffen  worden,  so  wird  der  betreffende  Be- 
sitzer bestraft.  Der  Gemeindevorstand  in  einem  kleinen  Ort  ist  häufig 
ein  Grundbesitzer,  welcher  durch  sein  Amt  vielfach  in  Anspruch  ge- 
nommen ist,  und  ich  habe  mich  überzeugt,  dass  gewöhnlich  die- 
jenigen Grundstücke,  welche  dem  Gemeindevorstand  gehören,  die  am 
meisten  verseuchten  sind,  so  dass  sich  die  Herren  selbst  zuerst  zu  be- 
strafen hätten.  In  anderen  Staaten,  wo  ähnliche  Verhältnisse  sind  und 
wo  ähnliche  Gesetze  bestehen,  hat  sich  das  ebenfalls  gezeigt,  und  es 
ist  nun  ein  anderes  Gesetz  vorgeschlagen  worden,  welches,  von  einem 
Komitee  resp.  dem  Landwirtschaftsrat  bearbeitet,  wahrscheinlich  dem- 
nächst in  Angriff  genommen  werden  wird.  Es  wird  davon  ausgegangen, 
dass  die  Feldpoüzeivorschriften  streng  durchgeführt  werden.  Es  dürfte  in- 
teressieren, zu  hören,  dass  wir  in  Österreich,  soweit  polizeiliche  Vorschriften 
in  Frage  kommen,  so  ziemlich  dieselben  Erfahrungen  gemacht  haben,  wie 
sie  vom  Herrn  Referenten  ausgeführt  und  von  anderer  Seite  bestätigt 
worden  sind.  Ich  habe  nun  einen  anderen  Weg  betreten,  der  dahin 
geht,  nicht  den  Landwirt,  der  ohnedies  dadurch,  dass  er  Landwirt  ist. 
schon  genug  bestraft  ist,  mit  Strafen  zu  belegen,  sondern  umgekehrt, 
für  die  richtige  Bekämpfung  der  Kleeseide  direkt  Prämien 
auszusetzen.  Ich  glaube,  dass  das  ein  W^eg  ist,  der  sich  jedenfalls 
viel  mehr  empfehlen  würde,  als  Strafbestimmungen  allein. 

Ich  habe  dann  noch  bemerken  wollen,  dass  die  gesetzlichen  Vor- 
schriften tür  die  Regelung  des  Handels  mit  Kleesaaten  —  mit  Sämereien 
und  mit  Düngemitteln  überhaupt   —  bei  uns  in  Österreich  im  Entstehen 


296       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

sind  und  dass  ein  Entwurf  bereits  der  Regierung  seitens  des  Land- 
wirtschaftsrates und  der  landwirtscliaftlichen  Gesellschaften  vorliegt,  der 
darauf  hinausgeht,  eine  bestimmte  Vorschrift  für  den  Handel,  insbesondere 
mit  Kleesaaten,  gesetzlich  zu  erlangen.  Er  enthält  die  Hauptbestimmung, 
dass  die  Saaten  durchweg  dem  Deklarations  zwange  unterworfen 
sind.  d.  h.  es  muss  an  jeder  Ware  erklärt  werden,  was  sie  eigentlich 
sein  soll.  Wenn  jemand  z.  B.  Kleeausreuter  verkaufen  will,  so  sehe  ich 
gar  nicht  ein,  warum  er  eine  solche  Ware  nicht  verkaufen  soll,  wenn 
er  dieselbe  nur  richtig  deklariert.  Es  dürfte  also  der  Deklarations- 
zwang auch  eine  Handhabe  bieten,  die  meisten  Übelstände,  die  in  Frage 
kommen,  zu  bekämpfen. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Wir  müssen  die  ganze  Frage,  die  Herr 
von  Degen  angeschnitten  hat,  in  zwei  Teile  trennen.  Man  wird  einen 
Unterschied  machen  müssen  zwischen  Kleesaat  konsumierenden 
und  Kleesaat  produzierenden  Ländern. 

Prof.  Dr.  Edler-Jena:  Ich  glaube,  dass  wir  die  Frage  hier  über- 
haupt nicht  durch  eine  Resolution  fördern  können.  Ich  möchte  l)itten, 
diesen  Punkt  der  Resolution  einfach  fallen  zu  lassen. 

Dr.  Fraiikfiirt-Kiew :  Ich  möchte  mich  einem  früher  geäusserten 
Wunsche  anschliessen,  der  dahin  geht,  dass  der  Ausschuss  eine  Samm- 
lung aller  Gesetze  zur  Überwachung  des  Samenhandels  herausgibt,  die 
in  den  verschiedenen  Ländern  existieren. 

Vorsitzender  Direktor  Dr.  L.  Hiltner-München :  Wenn  ich  mir 
erlauben  darf,  selbst  noch  das  Wort  zu  nehmen,  so  möchte  ich  darauf 
hinweisen,  dass  man  in  Bayern  mit  polizeüiehen  Massregeln  schon 
schlimme  Erfahrungen  gemacht  hat.  Unsere  agrikulturbotanische  Anstalt 
betreibt  gleichzeitig  Samenkontrolle  und  Pflanzenschutz.  Das  hat  einen 
grossen  Vorteil,  indem  sich  die  Mciglichkeit  ergibt,  in  anderer  Richtung 
erfolgreich  einzugreifen.  Wir  haben  in  Bayern  eine  Organisation  ge- 
schaffen, die  z.  B.  aus  64  Auskunftsstellen  besteht,  mit  denen  zusammen 
noch  ca.  300  Vertrauensmänner,  fast  ausschliesslich  praktische  Land- 
wirte, arbeiten.  Ich  glaube  sagen  zu  können,  dass  wir  dadurch  in  nicht 
allzu  langer  Zeit  in  der  Lage  sein  werden,  u.  a.  auch  gegen  die  Klee- 
seide mit  gutem  Erfolge  vorzugehen.  Wir  haben  z.  B.  in  diesem  Jahre, 
nachdem  wir  aus  verschiedenen  Bezirken  über  das  Auftreten  von  Seide 
Mitteilungen  erhalten  hatten,  sofort  an  die  Auskunftsstelle  des  betr. 
Bezirkes  geschrieben.  Diese  forscht  nach,  von  wem  der  Same  bezogen 
wurde,  so  dass  wir  mit  dem  Lieferanten  in  Verbindung  treten  können. 
Ich  glaube,  das  ist  auch  ein  Weg  und  zwar  ein  sehr  wirksamer.  Sonst 
würde  ich  mich  persönlich  auf  den  Standpunkt  stellen,  dass,  wenn  wir 
die  Frage    nicht    einer  Kommission    überweisen  wollen,    wir  mindestens 


Diskussion:  Kleeseide.  297 

dahin  einig  werden  sollten,  dass  wir  unseren  Regierungen  aufs  neue 
die  Wichtigkeit  der  Frage  ans  Herz  legen  und  ihnen  anheimgeben, 
mit  allen  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  gegen  die  Kleeseidegefahr  vorzu- 
gehen, aber  ohne  polizeiliche  Vorschriften. 

Referent  Dr.  von  Degen-Budapest:  Die  ziemliche  Länge  meines 
Referates  hat  mich  verhindert,  in  diese  Details  einzugehen.  Ich  habe 
mir  die  Durchführung  meiner  Propositition  in  ähnlicher  Weise  gedacht, 
wie  es  Herr  Direktor  Hiltner  soeben  vorgetragen  hat.  Die  Ausrottung 
der  Seide  ist  keine  leichte  Aufgabe;  es  ist  eine  Aufgabe,  die  mit  gründ- 
licher Sachkenntnis  vorgenommen  werden  muss,  und  darum  habe  ich  in 
meinem  Referat  die  Demonstration  an  Ort  und  Stelle  betont.  Herrn 
Prof.  Dr.  Edler,  der  PoHzei Verordnungen  für  undurchführbar  hält, 
möchte  ich  fragen:  was  sollen  wir  machen?  Mit  Maschinen  können 
wir  die  Seide  nicht  entfernen,  und  wenn  keine  Massregeln  getroffen 
werden,  wird  das  eintreffen,  worauf  ich  in  meinem  Referat  schon 
liingewiesen  habe,  nämlich  dass  die  Samenproduktion  eingeschränkt 
werden  wird. 

Es  ist  hier  Avährend  der  Diskussion  die  Frage  aufgeworfen  worden, 
ob  nicht  Prämien  verteilt  werden  sollen.  Ich  halte  das  für  überflüssig, 
denn  der  Produzent  erhält  die  Prämie  für  reine  Ware  in  Form  des 
höheren  Preises. 

Mit  der  Zweiteilung  der  Frage  bin  ich  vollständig  einverstanden. 
Ich  wäre  zufrieden,  wenn  meine  Proposition  in  der  Weise  angenommen 
werden  würde,  dass  die  Regierungen  der  Kleesamen  produzierenden  Länder 
darauf  aufmerksam  gemacht  würden,  dass  die  Ausrottung  der  Kleeseide 
energisch  in  Angriff  genommen  werden  müsste.  In  welcher  Weise  .dies 
geschehen  kann,  das  soll  den  betreffenden  Regierungen  anheimgestellt 
werden. 

Vorsitzender:  Wenn  niemand  mehr  das  Wort  wünscht,  würde 
ich  vorschlagen,  die  Resolution  in  der  Fassung,  wie  der  Herr  Referent 
sie  zuletzt  genannt  hat,  anzunehmen.  ■■ 

Das  Wort  wird  nicht  gewünscht. 

Referent  verliest  die  Resolution,  die  in  nachstehender  Fassung  an- 
genommen wird:  ......•..;• 

:  .  ,.  Es  ist  wünschenswert,  dass  die  Regierungen  jener  Länder, 
in  welchen  Kleesamen  produziert  werden,  aufs  neue  auf  die 
Gefahr  aufmerksam  gemacht  werden,  die  durch  die  gewöhnUche 
Kleeseide  und  neuerdings  durch  die  Grobseide  dem  Samenhandel 
droht,  und  dass  Schritte  zur  Ausrottung  der  Seide  auf  dem 
Felde  getan  werden. 


298       Verliandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Vorsitzender:  Wir  würden  dann  zum  Punkt  2  ül^ergehen.  Ich 
bitte  den  Herrn  Referenten,  diesen  Punkt  zu  verlesen. 

Referent  Dr.  von  Degen-Budapest:  Meine  zweite  Proposition 
wünscht  die  Prüfung  der  Stichhaltigkeit  der  Behauptung,  dass  die  Seide, 
speziell  die  Grobseide,  in  nfirdlichen  Lage  n  ihren  Samen  nicht 
zur  Reife  bringt. 

Hof  rat  Dr.  von  Weinzierl-Wien:  Ich  möchte  mir  den  Vorschlag 
gestatten,  dass  diese  Frage  dem  Aussah uss  als  eine  derjenigen  Fragen 
zugewiesen  werden  soll,  welche  in  den  Fragebogen,  von  dem  ich  gestern 
sprach,  aufgenommen  werden. 

Vorsitzender:  Ich  weiss  nicht,  ob  nicht  doch  schon  Erfahrungen 
in  dieser  Richtung  vorliegen.     Es  wäre  erwünscht,    darüber    zu    hören. 

Direktor  0.  (-tvam-Kristiania:  In  Norwegen  kommt  die  Kleeseide 
überhaupt  nicht  vor,  deshalb  spielt  bei  uns  die  Kleeseidefrago  gar 
keine  Rolle. 

Prof.  Dr.  A^oigt-Hamburg :  Das  gleiche  w^eiss  ich  von  England. 
Unsere  Samenhändler  behaupten  immer,  dass  in  England  kein  Wert  auf 
Seidereinheit  gelegt  werde. 

E.  M.  Holmes-London:  Ich  kann  dies  bestätigen.  Die  Frage  ist 
für  Grossbritannien  ohne  Wichtigkeit. 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Ich  habe  die  Erfahrung  gemacht, 
dass  in  Galizien  in  einer  Höhe  von  beiläufig  800  m  die  Kleeseide  absolut 
nicht  gedeiht.  Einmal  habe  ich  von  Milano  Kleesat  bezogen  und  in 
einem  Kilo  40000  Körner  Kleeseide  gefunden.  Bei  der  Ernte  war  in 
Galizien  der  Klee  aus  diesem  Samen  ganz  rein.  Man  sieht  also,  dass 
die  südeuropäische  Seide  sich  nicht  überall  akklimatisiert. 

Inspektor  A.  Lyttkeus-Stockholm :  Man  sagt,  dass  in  unserem  Lande 
die  Kleeseide  reifen  Samen  nicht  hervorbringt.  Ich  habe  indes  in  den 
letzten  Jahren,  z.  B.  1901,  im  mittleren  Schweden  Kleeseide  mit  reifem 
Samen  geerntet.  Man  kann  also  nicht  absolut  sicher  sein,  dass  in  so 
nördlichen  Klimaten,  wie  Schweden,  Kleeseide  nicht  gedeihen  kann.  Wir 
haben  auch  in  diesem  Jahr  einen  sehr  warmen  Sommer  gehabt,  so  dass 
ich  befürchte,  wir  werden  Kleeseide  auch  in  diesem  Jahre  haben.  Man 
kann  jedenfalls  nicht  sagen,  dass  die  Kleeseide  in  Schweden  nicht  reift, 
was  man  früher  mit  Sicherheit  behauptete.  Es  kommt  sehr  oft  Klee- 
seide vor,  reife  Samen  aber  dürften  nur  in  sehr  warmen  Sommern  zu 
finden  sein. 

Direktor  J.  Widen-Orebro:  Meine  Ansicht  geht  dahin  —  und  ich 
stütze  mich  auf  vieljährige  Erfahrungen  — ,  dass  die  Kleeseide  im  mittleren 
Schweden  jedes  Jahr  reift.  Im  Jahre  1903  war  durchweg  sehr  schlechtes 
Wetter,  die  Ernte  der  ^  Rotkleesamen  war  sehr    schlecht    ausgefallen,  es 


Diskussion:  Kleeseide.  299 

wurde  aber  doch  reife  Kleeseide  gefunden.  Auf  einem  Gute  waren 
seit  13  Jahren  keine  Kleesaraen  von  auswärts  bezogen  worden,  und 
doch  kommt  auf  einem  gewissen  Felde,  wenn  es  Klee  trägt,  die  Klee- 
seide jedes  Jahr  zum  Vorschein. 

Was  die  Grobseide  betrifft,  so  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass 
auch  diese  in  Schweden  reifen  kann.  Aus  der  Nähe  von  Upsaia  wurde 
mir  eine  Probe  von  Rotklee  zugeschickt,  in  welcher  2  Körner  von  Grob- 
seide vorgefunden  wurden.  Es  war  mir  aber  nicht  möglich,  beim  Be- 
suche auf  dem  betreffenden  Gute  Seide  im  Stoppel  nachzuweisen.  Mag 
die  Grobseide  vielleicht  auch  nicht  in  Mittelschweden  reif  werden,  so 
richtet  sie  doch  so  viel  Schaden  an,  dass  Schweden  ganz  entschieden 
kein  Abnehmer  seidehaltiger  Kleesamen  wird, 

Direktor  K.  Dorpli  Peterseii-Kopenhagen:  In  Übereinstimmung  mit 
dem  Vorredner  erkläre  ich,  dass  auch  in  Dänemark  bisweilen  reifer 
Samen  von  Kleoseide  gefunden   wird. 

Vorsitzender:  Wünscht  noch  jemand  das  Wort?  Ich  kann  hier 
noch  anfügen,  dass  u.  a.  auch  bei  Versuchen  in  den  Alpen  in  einer 
Höhe  von  etwa  900  m  die  Seide  immer  sehr  schön  aufgelaufen  ist  und 
den  Klee  gänzlich  überzogen,  aber  keinen  Schaden  angerichtet  hat.  Im 
nächsten  Jahr  war  sie  vollständig  verschwunden.  Es  gibt  jedenfalls 
auch  bei  uns  in  Deutschland  Gegenden,  für  die  die  Grobseide  keine  allzu 
grosse  Gefahr  bildet.  Dies  dürfte  auch  aus  den  Erfahrungen  der  Herren 
aus  Schweden  und  Dänemark  hervorgehen.  L'm  aber  auf  die  Proposition 
des  Herrn  Referenten  zurückzukommen,  würde  es  immerhin  richtig  sein, 
dass  die  Kommission  sich  dafür  interessiert. 

Wenn  niemand  mehr  das  Wort  wünscht,  bitte  ich  den  Herrn, 
Referenten,  den  nächsten  Punkt  seiner  Proposition  zu  verlesen. 

Referent  Dr.  v.  Degen-Budapest:  Meine  nächste  Proposition  be- 
trifft die  Beaufsichtigung  des  Verkehrs  mit  Kleeausreuter. 

Vorsitzender:    Wünscht  hierzu  jemand  das  Wort? 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Ich  habe  mich  überzeugt,  dass 
in  Galizien,  besonders  auf  den  Bauernfeldern,  Kleeseide  gefunden  wird; 
bei  den  Grossgrundbesitzern  zeigt  sich  dieselbe  sehr  selten.  Die  Bauern 
kaufen  nämlich  bei  uns  den  Samen  meistens  bei  jüdischen  Händlern;  die  ge- 
lieferten Samen  sind  sehr  schlecht,  und  die  Felder  werden  dadurch  verseucht. 
Um  dies  zu  verhüten,  wäre  es  meiner  Ansicht  nach  besonders  wichtig, 
den  Handel  zu  beaufsichtigen.  Auf  eine  Zeitungsannonce  hin  liess  ich 
mir  Muster  von  Kleesiebsel  schicken  und  habe .  gefunden,  dass  es  lauter 
Kleeseide  war.  Daraufhin  habe  ich  nachgeforscht,  wer  solches  Siebsei 
kauft;  es  war  natürlich  der  Bauer,  der  ja  nicht  viel  versteht.  Meiner 
Ansicht  nach  könnte  eine  bessere  Kontrolle  des  Importhandels  die  Klee^ 


300     Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenjjrüfung-. 

Seidekalamität  zwar  niclit  vollliommen  beseitigen,  so  doch  sehr  vermindern. 
Kleesiebsel  ist  meiner  Überzeugung  nach  Iveine  Ware,  man  sollte  es 
vernichten,  d.  h.   verbrennen,  oder  verbieten  es  zu  importieren. 

Vorsitzender:  Ich  empfehle,  dass  der  gefassten  Resolution  unsere 
Wünsche  betreffs  Kleesiebsel  angefügt  werden. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  wollte  nur  ganz  kurz  erklären,  dass 
wir  gegen  den  Abfall  nicht  so  scharf  vorgehen  können.  Abfälle  gibt  es 
überall,  und  wir  können  hier  schwerlich  ein  Verbot  erlassen,  aber  wir 
kcinnen  die  Aufmerksamkeit  der  Regierungen  auch  auf  diesen  Punkt 
lenken. 

Vorsitzender:  Es  meldet  sich  niemand  mehr  zum  Wort.  Ich 
bitte  den  Herrn  Referenten  zum  nächsten  Punkt  überzugehen. 

Referent  Dr.  v.  Degen-Budapest:  Der  nächste  Punkt  wiire  die 
Feststellung  einer  Norm  l^etreff  den  hochstzulässigen  Seide- 
gehalt einer  Saatware. 

Dr.  P.  ScliHinaiui-Halle:  Ich  luuss  erklären,  dass  der  Landwirt 
verlangen  kann,  nur  absolut  seidefreie  Ware  zu  bekommen.  Wir  können 
vorläufig  auch  von  d'iesem  Standpunkt  nicht  abgehen. 

Prof.  Dr.  Edler-Jena:  Der  Herr  Vorredner  hat  erklärt,  der  Land- 
wirt könne  absolut  seidefreie  Ware  verlangen.  Betrachten  wir  die  An- 
gelegenheit vom  Standpunkt  der  technischen  Möglichkeit,  so  müssen  wir 
vorläufig  zu  der  Überzeugung  gelangen,  dass  die  Forderung  insoweit 
auf  technische  Schwierigkeiten  stösst,  als  wir  ja  nicht  einmal  die  absolute 
Garantie  übernehmen  können,  dass  in  der  Probe,  die  wir  als  seidefrei 
attestieren,  nicht  mal  ein  Kleeseidekorn  durchgegangen  ist.  Keiner  der 
Herren,  die  sich  mit  Seideuntersuchungen  beschäftigen,  wird  mir  wider- 
sprechen, wenn  ich  sage,  dass  das  Auslesen  einer  grösseren  Probe  klein- 
körniger Samen  das  Auge  so  ermüdet  und  dass  diese  Arbeit  so  schwierig 
ist,  dass  wir  die  Garantie  einfach  nicht  übernehmen  können,  dass  nicht 
doch  einmal  ein  Korn  übersehen  worden  ist.  Wenn  aber  diese  technische 
Schwierigkeit  besteht,  dann  hat  die  Forderung  der  Landwirte,  absolut 
seidefreie  Ware  zu  i)ekommen,   keine  praktische  Bedeutung. 

Dr.  P.  Hillmauii-Berlin:  Die  Lösung  dieser  schwierigen  Frage 
liegt  vielleicht  auf  einem  anderen  Gebiete,  welches  weniger  hierher  gehört, 
nämlich  auf  dem  Gebiete  der  Handelsabmachungen.  Die  Grundregel  der 
Saatstelle  der  D.  L.-G.  hat  in  dieser  Beziehung  zwar  strenge,  aber  nicht 
unausführbare  Bestimmungen.  Es  gilt  eine  Lieferung  als  seidefrei,  wenn 
in  der  Probe  keine  Seide  gefunden  wurde.  Wird  aber  bei  späterer 
Untersuchung  Seide  gefunden,  dann  ist  eine  massige  Entschädigung  von 
vornherein  festgesetzt  in  der  Weise,  dass  der  betreffende  Empfänger 
entweder    die  Ware  zurückweisen    kann,    oder  wenn    er  das  nicht  will. 


Diskussion:  Kleeseide.  i  301 

so  bekommt  er  b'^l^  Entschädigung.  Mit  diesem  Verfahren  können  auch 
Samenhändler  wohl  ganz  einverstanden  sein. 

Direktor  Dr.  (j.  Stebler-Zürich :  Ich  glaube  auch,  dass  es  der 
richtige  Weg  ist,  den  Herr  Dr.  Hillmann  vorgeschlagen  hat,  also  dass 
jeder  Landwirt  das  Recht  hat,  die  Ware  zurückzuweisen,  wenn  sie  nicht 
garantiegemäss  ist.  Eine  wichtige  Frage  ist  aber  noch  die:  wie  gross 
soll  die  Probe  sein,  die  eingefordert  wird,  und  wieviel  soll  untersucht 
werden?  Eine  100  g-Probe  kann  seidefrei  sein,  eine  500  g-Probe  kann 
ein  Korn  Seide  enthalten.  Das  ist  eine  wichtige  technische  Frage,  über 
die  wir  uns  klar  sein  sollten.  Hat  der  Käufer  das  Recht,  ein  Kilo  einzu- 
senden, oder  muss  mau  das  Recht  einschränken  und  wie  weit?  Wir 
in  Zürich  verlangen  nur  eine  Probe  von  100  g.  Herr  Kollege  Dr.  L»egen 
hat  eine  Probe  von  500  g  festgesetzt;  ich  halte  das  für  vollkommen 
genügend,  glaube  sogar,  man  dürfte  noch  weiter  heruntergehen.  Für 
uns  in  der  Schweiz,  wo  die  Seide  sehr  wenig  schädlich  ist,  liegt  die 
Grenze  von  100  g  gerade  recht,  hingegen  für  ein  Land  wie  Ungarn  ist 
es  jedenfalls  ratsamer,  etwas  strenger  vorzugehen.  Jedenfalls  aber  sollten 
wir  uns  in  diesem  Punkte  klar  sein.  Feste  Bestimmungen  existieren 
I»ei  uns  nicht  und,   soviel  ich  weiss,  auch  in   Deutschland  nicht. 

Prof.  Dr.  VoijO't- Harn  bürg:  Ich  möchte  auf  eins  aufmerksam  machen: 
Wir  sind,  wenn  wir  uns  zur  Untersuchung  verschieden  grosser  Proben 
bereit  finden,  etwas  ungerecht.  Wir  geben  da  den  Leuten  einen  Spiel- 
raum, unsere  Untersuchung  so  zu  drehen,  wie  sie  sie  haben  wollen, 

Prof.  Dr.  Rodewald- Kiel  behandelt  in  einer  längeren  I>arlegung 
die  Frage  der  Verantwortung  der  Stationen  bei  Untersuchungen  auf 
Kleeseide.  Von  Unfehlbarkeit  könne  gar  keine  Rede  sein,  wenn  man 
bedenke,  dass  eine  Probe  von  50  g  ungefähr  100000  Körner  ergibt.  Er 
habe  dies  früher  einmal  festgestellt.  Die  Ermüdung  des  Auges  spiele 
bei  Untersuchungen  eine  grosse  Rolle.  In  einem  detaillierten  Beispiel 
legt  Redner  dar,  dass  das  Auge  bei  andauernder  gleicher  Beschäftigung 
für  Feinheiten  unempfindlich  würde.  Die  absolute  Seidefreiheit  einer 
Probe  zu  garantieren,  sei  demnach  unvernünftig,  wie  durch  Obiges  dar- 
gelegt. Wie  die  Sache  heute  läge,  könne  Redner  den  von  Herrn 
Dr.  Schumann  vertretenen  Standpunkt  nicht  verstehen.  Man  müsse 
nur  fordern,  was  realisierbar  sei.  Interessieren  würde  es  nun  zu  er- 
fahren, welche  Grenze,  die  Grösse  der  Proben  betreffend,  man  für  die 
richtige  halte. 

Dr.  J.  V.  Szyszylovvicz-Lemberg:  Ich  halte  es  für  äusserst  wichtig, 
die  Grösse  der  Proben  der  einzelnen  Kleearten  festzustellen. 

Prof.  Dr.  Edler- Jena:  Zweifellos  spielt  die  Grösse  der  Probe  eine 
bedeutende  Rolle.     Ich  stehe  auf  dem  Standpunkte,  man  sollte  nicht  zu 


302        Verhandlungen  der  i.  internationalen   Konferenz  für  Samenprüfung. 

grosse  Proben  verlangen.  Ich  glaube,  duss  im  allgemeinen  mit  Proben 
von  100  g  auszukommen  ist  und  mit  50  g  bei  kleinen  Saaten. 

Vorsitzender:  Ich  schliesse  mich  den  Ausführungen  der  Herren 
Rodewald  und  Edler  vollständig  an.  Ich  erteile  nun  dem  Referenten 
das  Schlusswort. 

Referent  l)r.  v.  Degen-Budapest:  Ich  schlage  vor.  dass  das 
Quantum  des  zu  untersuchenden  Musters  überhaupt  nicht  festgestellt 
wird,  sondern  nur  die  Taxe  für  eine  Quantität.  Denn  wir  können  ja 
nicht  vorschreiben,  wenn  einer  eine  Ware  kaufen  will,  dass  wir  im 
Maximum    100  oder  500  g  untersuchen  und  nicht  mehr. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Wir  kommen  weiter,  wenn  wir  sagen: 
100  g  ist  das  Mindestquantum,  das  wir  untersuchen  und  dessen  Befund 
wir  attestieren. 

Dr.  V.  Degen-Budapest:  Bei  uns  ist  es  Usus,  dass,  falls  das 
Muster  kleiner  ist  als  vorgeschrieben,  wir  es  immerhin  untersuchen,  aber 
im  Attest  den  Vermerk  machen:  Im  Muster  wurde  keine  Seide  gefunden 
—  vorausgesetzt,  dass  dies  zutrifft  — ,  jedoch  war  das  Muster  zu  klein, 
um  eine  beruhigende  Auskunft  geben  zu  können. 

Prof.  Dr.  Rodewald-Kiel:  Ich  bescheinige  nie:  ,.L»as  Muster  ist 
seidefrei".  Ich  konstatiere  nur  die  Tatsache,  dass  in  dem  Muster  so 
und  so  viel  gefunden,  oder  dass  nichts  gefunden  wurde.  Ich  attestiere 
nur  das,  was  ich  gefunden  habe. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Das  ist  ja  für  den  Augenblick  Gefühls- 
sache. Ich  empfehle,  dass  wir  uns  schlüssig  werden,  da  die  Zeit  zu 
weit  vorrückt. 

Hofrat  Dr.  v.  Weiuzierl-Wien  legt  in  längerer  Rede  die  Gepflogen- 
heiten der  Wiener  Station  bei  Untersuchungen  dar  und  schliesst:  Ich 
glaube,  bevor  wir  die  Frage  entscheiden,  wie  gross  die  Probe  sein  soll, 
die  wir  zur  Analyse  annehmen,  müssen  wir  noch  festlegen,  welchem 
Quantum  von  ^^'are  eine  Probe   von   100  g  entsprechen  soll. 

Prof.  Dr.  Rodevvald-Kiel  vertritt  seine  Ansicht,  den  Standpunkt  der 
Unfehlbarkeit  aufzugeben  und  es  zum  Ausdruck  zu  bringen,  dass  absolut 
sichere  Arbeit  von  einem  Menschen  nicht  verlangt  w^erden  kann. 

Prof.  Dr.  Edler- Jena:  Ich  lege  den  grössten  Wert  darauf,  dass 
wir  uns  in  einer  Resolution  darüber  aussprechen,  ob  eine  Latitüde  not- 
wendig ist  oder  nicht. 

Vorsitzender:  Sind  die  Herreu  damit  einverstanden,  dass  wir 
erklären,  eine  solche  Ltititüde  wäre  notwendig? 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Wir  sind  etwas  von  unserem  Thema 
abgekommen.  Herr  von  E>egen  hat  uns  gefragt,  wie  viel  müssen  wir 
untersuchen,   und  zu  dieser  Frage  müssen  wir  wohl  zurückkehren.    Ich 


Diskussion :  Kleeseide.  303 

mTichte  meinerseits  fragen:  sind  wir  uns  heute  noch  einig,  dass  100  g 
bei  Rotklee  und  50  g  bei  den  kleinen  Saaten  genügen,  oder  müssen. wir 
das  Quantum  erhöhen?  Wenn  wir  heute  sagen,  dass  nach  unserer 
besten  Überzeugung  100  g  tür  Rotklee  und  50  g  für  kleine  Saaten 
genügen,  dann  könnten  wir  diesen  Punkt  verlassen. 

Vorsitzender:  Sind  die  Herren  mit  diesem  Vorschlag  einver- 
standen? 

Es  meldet  sich  niemand  mehr  zum  Wort.  Der  Vorsitzende  bittet 
den  Referenten  fortzufahren. 

Referent  Dr.  v.  Degen-Budapest:  Es  handelt  sich  jetzt  um  die 
Feststellung  der  Norm.  I)iese  Frage  steht  im  engsten  Zusammenhang 
mit  der  Leistungsfähigkeit  der  Reinigungsmaschinen,  das  ist  also  eine 
Frage,  über  die  wir  uns  später  einigen  ktinnten,  nachdem  wir  uns  über 
die  angewendeten  Methoden  der  einzelnen  Länder  überzeugt  haben. 

Direktor  I  >r.  (j.  Stebler-Zürich :  Ich  bin  der  Meinung,  dass  eine 
Latitüde  notwendig  ist. 

Vorsitzender;  Ich  bitte  folgende  Resolution  anzunehmen :  ,,Die 
Versammlung  erklärt,  dass  eine  Latitüde  aus  technischen 
Gründen  bei  der  Kleeseideuntersuchung  notwendig  ist." 

Die  Resolution  wird  einstimmig  angenommen. 

Schluss  0  Uhr. 


Sitzung  am  Donnerstag,  den  13.  September  1906, 

vormittags   10  Uhr  im  Hörsaal  B  des  Johanneum. 

Vorsitz:  Prof.  Dr.  0.  Kirchner-Hohenheim. 

Anwesend:  Blumenau-Hamburg,  Buchwald-Berlin,  v.  Degen- 
Budapest,  Dorph  Petersen-Kopenhagen,  Prankfurt-Kiew,  Rud.  Fritz- 
Hamburg,  Hillmann -Berlin,  Hiltner- München,  Issatschensko -Peters- 
burg. Kambersky-Troppau,  Kirchner-Hohenheim,  Lyttkens -Stock- 
holm, Persson-Malmö,  Qvam-Ghristiania,  Raatz-Ivl. Wanzleben,  Rode- 
Avald-Kiel,  Schumann-Halle,  Stebler-Zürich,  S  töhr-Prerau,  v.  Szy- 
s  z  y  1 0  w  i  c  z  -  Lemberg ,  V  a ii  h  a  -  Brunn ,  V  i  t e  k  -  Prag,  Vo  igt-  Hamburg, 
Waage -Berlin,  v.  Weinzierl- Wien,  Widen-0rebro. 

Vorsitzender:  Ich  eröffne  die  heutige  Sitzung  und  bitte  Herrn 
v.  I'egen,  sein  Referat  vorzutragen. 


304        Vfrhamllungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Saiiienprüfung. 

Dr.  V.  Degen-Budapest:  Gelegentlich  der  vorgestern  stattgefundenen 
Geschäftssitzung  der  Vorstände  der  Samenkontrollstationen  habe  ich  in 
einem  in  seinen  Begründungen  etwas  ausführlicheren  Referate  alle  jene 
Fragen  zusammengestellt,  über  welche  ich  eine  Aussprache  mit  meinen 
geehrten  Herren  Kollogen  und  Fachgenossen  zur  Erreichung  folgender 
Zwecke  für  notwendig  gefunden  habe: 

1.  Erreichung  einer  möglichst  gleichförmigen  Beurteilung  der  in 
den  Verkehr  gebrachten  Kleesaatwaren  von  selten  der  Samen- 
kontrollstationen mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schwierig- 
keiten, mit  welchen  der  Handel  jetzt  wegen  Grobseidehaltigkeit 
eines  ziemlichen  Teiles  der  Saatware  zu  kämpfen  hat: 

2.  Massregeln  zur  Bekämpfung  der  Seide  auf  dem  Felde  und  zur 
möglichsten  Verhütung  der  Verschleppung  der  Seidesamen  durch 
die  Saatware,  insbesondere  durch  den  Verkehr  mit  dem  Klee- 
saatausreuter ; 

3.  Einführung  einer  einheitlichen  Untersuchungsmethode,  insbe- 
besondere  Feststellung  der  Grösse  des  auf  Seide  zu  unter- 
suchenden Musters: 

4.  Einräumung    einer    Fehlerlatitüde    bei    Kleesaatuntersuchungen; 

5.  Feststellung  der  Maximalmenge  der  in  einer  Saatware  geduldeten 
Seidekörner : 

6.  Möglichkeit  der  Verwertbarkeit  nicht  oder  nur  ungenügend 
reinigbarer  Saatwaren  in  Gegenden,  in  welchen  die  Gefahr  der 
Infektion  geringer  ist; 

7.  Einigung  über  einige  andere,  mit  diesen  Hauptfragen  in  mehr 
oder  weniger  enger  Beziehung  stehenden  Nebenfragen. 

Ich  habe  in  der  Einleitung  meines  Referates  darauf  hingewiesen, 
dass  das  vor  dem  Jahre  1898  von  selten  der  Samenkontrollstationen 
gestellte  Postulat  der  absoluten  Kleeseidefreiheit  der  Saatware  durch 
die  Einschleppung  und  Naturalisierung  der  grobkörnigen  Soidoarten.  ins- 
besondere der  Cnscuta  suavcolcns  (sog.  C.  racvniosd),  in  den  südlicheren 
Geländen  Europas  —  also  in  den  Ländern,  welche  gerade  infolge  ihres  Klimas 
in  der  Lage  sind,  grössere  Mengen  von  Rotkleesamen  zu  produzieren 
und  zu  exportieren,  ja  durch  ihren  Export  einen  grossen  Teil  des  Samen- 
bedarfes der  übrigen  Teile  Europas  zu  decken  —  heute  nicht  mehr  im 
allgemeinen  aufrecht  erhalten  werden  kann. 

Nach  unseren  Erfahrungen  kann  eine  Kolkleesaat,  welche  durch 
Samen  der  grobkörnigen  Seide  infiziert  ist,  selbst  mit  unseren  leistungs- 
fähigsten Reinigungsmaschinen  von  diesem  Besätze  nicht  sicher  voll- 
kommen gereinigt  werden.  Es  steht  uns  also  im  Kampfe  mit  dieser 
Kalamität  nur  ein  sicheres  Mittel  zur  Verfügung,    und  das  ist  die  Ver- 


Diskussion:  Kleeseide.         ,  305 

tilgung  der  Kleeseid e  auf  dem  Felde.  Einstimmigen  Anklang  hat 
eine  Proposition  gefunden,  nach  welcher  die  Versammlung  es  für 
wünschenswert  erachtet,  dass  die  Regierungen  der  Samen  produzierenden 
Länder  auf  die  Notwendigkeit  der  strengen  Überwachung  der  Klee- 
schläge und  energischer  Schritte  zum  Zwecke  der  Ausrottung  der  auf- 
tretenden Seide  auf  dem  Felde  aufmerksam  gemacht  w^erden  sollen. 
Wir  sind  einstimmig  darin  übereingekommen,  dass  ein  Gesetz  oder 
feldpolizeihcho  Vorschriften  allein  ohne  strenge  Durchführung  unter 
Zuziehung  fachkundiger  Organe  in  dieser  Beziehung  nicht  viel  nützen. 
Mangelhafte  Ausrottung  der  Seidt>  verursacht  nach  meinen  Erfahrungen 
nur  eine  vorübergehende  Störung  der  Entwickelung  der  Kleeseidepflanze, 
welche  wesentlich  dazu  beiträgt,  dass  bei  der  Samenreife  des  Klees 
Seidekapseln  in  die  Ware  gelangen,  deren  Beurteilung  uns  die  nur  zu 
gut  bekannten  Schwierigkeiten  bereiten.  Im  Anschluss  an  die  soeben 
erwähnte  Proposition  habe  ich  den  Vorschlag  gemacht,  eine  zu  diesem 
Zwecke  einzusetzende  Spezialkommission  mit  der  Aufgabe  zu  betrauen, 
die  diesbezüglichen  derzeit  in  Kraft  bestehenden  gesetzlichen  resp.  poli- 
zeilichen oder  feldpolizeilichen  Massnahmen  und  Vorschriften  der  in 
Betracht  kommenden  Staaten  zu  sammeln  und  in  übersichtlicher  Weise 
zu  veröffentlichen. 

Bezüglich  des  Verkehres  mit  dem  Kleeausreuter  sind  wir 
darin  übereingekommen,  dass  eine  strenge  Überwachung  des  Verkehrs 
mii  diesem  Handelsartikel  dringend  notwendig  erscheint,  da  der  Handel 
mit  dem  Kleeausreuter  eine  Hauptursache  des  Fortbestehens  der  Ver- 
seuchung der  Kleefelder  bildet.  Nach  unseren  ^Erfahrungen  sind  die 
Landkrämer  die  ständigen  Abnehmer  der  Kleeausreuter,  und  durch  diese 
gelangt  die  Kleeseide  immer  wieder  auf  das  Feld. 

Eine  -weitere  Proposition  meines  Referates,  welche  die  Prüfung  der 
Stichhaltigkeit  der  Behauptung  fordert,  dass  Seide,  speziell  aber  die 
Grobseide,  in  nördlicheren  Lagen  und  in  Geländen  mit  käl- 
terem Klima  ihre  Samen  auf  dem  Felde  nicht  zur  Reife  bringt, 
und  welche  sich  auf  Möglichkeit  einer  Zulassung  seide-  und  besonders 
grobseidehaltiger  Saatware  in  solchen  Lagen  eventuell  ausschUesshch  zum 
Zwecke  des  Putterbaues  bezieht,  wurde  angenommen.  Im  Falle  der  Be- 
stätigung dieser  Angaben  sollen  die  ungefähren  geographischen  resp. 
klimatischen  Grenzen,  innerhalb  welcher  sie  zutreffen,  festgestellt  werden. 
Bei  der  eminent  praktischen  Wichtigkeit  dieser  Frage,  mit  welcher  die 
Frage  der  Entwickelung  der  Seide  je  nach  der  verschiedenen  Nutzungs- 
art des  Kleeschlages  in  engster  Beziehung  steht,  ersuche  ich  die  ge- 
ehrte Versammlung,  diesen  Punkt  einer  eingehenden  Diskussion  zu 
unterziehen.     Im  Falle  der  Annahme  meines  Vorschlages  wäre  die  Aus- 

Jahiesbericlit  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik.  IV.  20 


.^06       Verhandlungen  der  I.  internationaJen  Konferenz  für  Sanaenprüfnng. 

arbeitung  eines  Versuchsprogrammes  wieder  einer  Spezialkommission 
zuzuweisen.  Es  handelt  sich  eben  darum,  die  Absatzgebiete  der  mit 
Grobseide  besetzten  Ware,  die  nicht  mehr  vollständig  zu  reinigen  ist, 
genauer  kennen  zu  lernen  als  bisher. 

Der  nächste  Punkt  betrifft  die  Peststellung  einer  Norm  des 
höchsten  geduldeten  Seidegehaltes  einer  Saatware.  In  der 
Einleitung  meines  Referates  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass  die 
Grobseide,  mit  welcher  ein  ziemlicher  Prozentsatz  hauptsächlich  der  in 
den  letzten  Jahren  aus  den  südlicheren  Ländern  auf  den  Markt  ge- 
brachten Kleesaaten  besetzt  ist,  selbst  mit  unseren  besten  Reinigungs- 
maschinen nicht  sicher  vollkommen  entfernt  werden  kann.  Wir  haben 
ja  oft  schon  mit  der  Entfernung  der  Kleinseide  unsere  Schwierigkeiten 
ganz  besonders,  wenn  die  Ware  reife  Kapseln,  Zwillingssamen  oder  ab- 
norm entwickelte  Samen  enthält.  Wir  haben  uns  über  die  Höhe  der 
zu  duldenden  Seidemenge  nicht  ausgesprochen.  Wie  bekannt,  bestehen 
diesbezüghch  in  den  verschiedenen  Ländern  schon  Vorschriften  und  Ge- 
bräuche. Meiner  Ansicht  nach  hängt  die  Feststellung  einer  Grenze 
innig  mit  der  Frage  der  Leistungsfähigkeit  der  verschiedenen  Reinigungs- 
verfahren zusammen.  Ich  habe  in  meinem  Referat  den  Vorschlag  ge- 
macht, die  Normen  für  Grob-  und  Kleinseide  getrennt  festzustellen.  Es 
hängt  mit  dieser  Frage  aber  noch  anderes  zusammen.  Es  wäre  z.  B. 
noch  darüber  zu  diskutieren,  ob  die  zum  Zwecke  der  Samen  ge- 
winnung gebaute  Saatware  nicht  strenger  beurteilt  werden  soll  als 
jene,  die  nur  zur  Futtergewinnung  dient.  Allerdings  lässt  sich  an 
einer  Ware  nicht  erkennen,  welchem  Zwecke  sie  zugeführt  werden  soll: 
doch  gäbe  es  da  wohl  auch  noch  ein  Expediens. 

Die  Erledigung  dieser  Frage  erheischt  also  eine  vorherige  gründ- 
liche Aussprache,  besser  noch  Versuche  über  die  Leistungsfähig- 
keit der  üblichen  Reinigungsmethoden.  Es  soll  eben  vom  Handel 
nichts  gefordert  werden,  was  dieser  selbst  durch  Anwendung  der  zweck- 
mässigsten  maschinellen  Einrichtungen  unter  Verwendung  tüchtiger 
Fachleute  usw.  nicht  leisten  kann.  Eben  deshalb  muss  ich  die  idealen 
Postulate  der  absoluten  Seidefreiheit,  welche  noch  aus  der  Zeit  der 
alleinigen  Herrschaft  der  Kleinseide  auf  uns  herübergekommen  sind,  als 
heute  im  allgemeinen  nicht  erreichbar  bezeichnen.  Wenn  die  land- 
wirtschaftlichen Genossenschaften  nach  ihren  Statuten  noch  heute  die 
Lieferung  absolut  seidefreien  Saatgutes  fordern,  so  werden  sie  diese 
Ware  wohl  noch  erhalten,  aber  teuer  bezahlen  müssen. 

Aus  den  Vorschlägen  meines  Referates  bezüglich  einheitlicher 
Untersuchungsmethoden,  Einführung  einheitlicher  Termino- 
logie   und  Nomenklatur    in  unseren  Attesten   usw.,    welche    speziell 


Diskussion:  Kleeseide.  307 

doch  nur  die  Samenkontrollstationen  interessieren,  will  ich  hier  nur 
zwei  Punkte  hervorheben,  die  auch  das  Plenum  interessieren  dürften. 
Die  überwiegende  Mohrzahl  der  Vorstände  hat  sich  für  Untersuchungen 
von  100  g-Mustern  zur  Peststellung  des  Seidegehaltes  ausgesprochen. 
Herr  Direktor  Stehler  hat  dieser  Proposition  hinzugefügt,  dass  es  rat- 
sam sei,  in  Samen  produzierenden  Ländern,  wo  Grobseidegefahr  be- 
steht, grössere  Muster  zu  untersuchen.  E»er  zweite  Punkt,  der  das 
Plenum  auch  interessieren  dürfte,  ist.  dass  sich  die  hier  anwesenden 
Vorstände  der  Samenkontrollstationen  einstimmig  für  die  Einräumung 
einer  Pehlerlatitüde  bei  Kleeseideuntersuchungen  ausgesprochen 
haben.  Wie  hoch  diese  LatitUde  zu  bemessen  sei,  ist  nicht  festgesetzt 
worden;  es  ist  dies  eben  auch  eine  Frage,  welche  von  einer  Spezial- 
kommission  vorerst  gründlich  durchberaten  werden   muss. 

Dies  wäre,  meine  Herren,  in  grossen  Zügen  das  Resümee  nicht 
nur  meines  Referates,  sondern  auch  der  an  die  einzelnen  Propositionen 
desselben  geknüpften  Diskussionen. 

Vorsitzender:  Ich  stelle  den  Vortrag  zur  Diskussion  und  möchte 
mir  den  Vorschlag  erlauben,  dass  über  die  einzelnen  Punkte  dieses 
Referates  jedesmal  auch  eine  besondere  Diskussion  stattfindet,  vielleicht 
in  der  Reihenfolge,  in  welcher  der  Herr  Referent  darüber  gesprochen 
hat.  Ich  möchte  bitten,  zur  Einleitung  der  Diskussion  jedesmal  den 
Leitsatz  noch  einmal  vorzutragen,    über  den  wir  diskutieren  wollen. 

Referent  Dr.  v.  De^'eii:  Die  erste  Proposition  „Erreichung  einer 
möglichst  gleichförmigen  Beurteilung  der  in  den  Verkehr  ge- 
brachten Kleesaatwaren  von  selten  der  Samenkontrollstationen 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen  der  Handel 
jetzt  wegen  Grobseidehaltigkeit  eines  ziemlichen  Teiles  der  Saatware 
zu  kämpfen  hat,"  ist  ein  allgemeiner  Wunsch.  Es  wäre  nun  die  zweite 
Proposition  zur  Diskussion  zu  stellen,  nämlich  „die  Massregeln  zur  Be- 
kämpfung der  Seide  auf  dem  Felde"  resp.  die  vorgestern  ange- 
nommene Proposition,  welche  folgenden  Wortlaut  hat:  „Die  Versammlung 
hält  es  für  wünschenswert,  dass  die  Regierungen  der  Samen  produzieren- 
den Länder  auf  die  Notwendigkeit  der  strengen  Überwachung  der  Klee- 
schläge und  energischer  Schritte  zum  Zwecke  der  Ausrottung  der  Seide 
auf  dem  Felde  aufmerksam  gemacht  werden  sollen." 

Vorsitzender:   Ich  stelle  diesen  Punkt  zur  Diskussion. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien:  Wir  haben  gewünscht  —  und 
wie  ich  sehe,  sind  Vertreter  des  Samenhandels  hier  — ,  dass  ins- 
besondere die  Herren,  welche  den  Handel  vertreten,  ihre  Ansichten  über 
die  nach  unserer  Meinung  sehr  wichtige  Kleeseidefrage  aussprechen. 

20* 


308       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung-. 

Dr.  Waa^e-Berlin:  Gestatten  Sie  mir,  mit  ein  paar  Worten  den 
Dank  der  deutschen  und  österreichischen  Samenhändlor  auszudrücken, 
dass  Sie  die  Liebenswürdigkeit  hatten,  uns  Gelegenheit  zu  geben,  an 
Ihrer  heutigen  Sitzung  teilzunehmen  und  mitzuwirken,  wie  diese  Ver- 
hältnisse bestmöglich  gestaltet  werden  können.  Seien  Sie  überzeugt, 
dass  es  der  Wunsch  des  Handels  ist,  nach  dieser  liichtung  das  Beste 
zu  leisten.  Was  diesen  speziellen  Punkt  anbetrifft,  so  freut  es  mich 
besonders,  dass  derselbe  an  die  erste  Stelle  gerückt  worden  ist,  denn 
der  Anbau  auf  dem  Felde  ist  in  der  Tat  der  grundlegende  Faktor  für 
die  Gewinnung  zuverlässiger  Saat,  und  sobald  der  Samenhandel  von  der 
Landwirtschaft  nach  dieser  Richtung  unterstützt  wird,  sei  es  freiwillig, 
sei  es  durch  gesetzliche  Massnahmen,  glaube  ich,  dass  zahlreiche  Diffe- 
renzen, die  das  Verhältnis  zwischen  Landwirtschaft  und  Handel  schwierig 
gestalten,  ohne  w^eiteres  beseitigt  sind. 

Vorsitzender:  Ich  darf  wohl  annehmen,  dass  die  Versammlung 
über  diesen  Punkt  einer  Meinung  ist  und  dass  es  keinen  Zweck  hat, 
die  Diskussion  hierüber  weiter  fortzuführen.  Es  erhebt  sich  kein  Wider- 
spruch, ich  stelle  das  fest.  Dann  bitte  ich,  zu  dem  nächsten  Punkte 
überzugehen. 

Referent  Dr.  v.  Degen:  Wenn  ich  den  Wünschen  des  Herrn  Hof  rat 
V.  Weinzierl  nachkommen  soll,  so  muss  ich  die  Reihenfolge  der  Pro- 
positionen  ändern  und  als  nächsten  Punkt  die  Feststellung  der 
Maximalmenge  des  in  einer  Saatware  geduldeten  Seidegehalts 
nehmen. 

Vorsitzender:  Wünscht  dazu  jemand  das  Wort? 

Dr.  Hillmailil-Berlin :  Ich  habe  neulich  den  Verhandlungen  nicht 
beiwohnen  können.  Da  ist  gesagt  worden:  es  handle  sich  nur  um  die 
Feststellung  einer  Fehlerlatitüde.  Was  den  Handel  anbetrifft,  so  ge- 
hören   die  Dinge  vor    ein    anderes  Forum,    wo  Händler    vertreten  sind. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien:  Ich  muss  nochmals  hervorheben,, 
dass  der  Herr  Kollege  uns  nicht  vollkommen  verstanden  haben  dürfte. 
Es  handelt  sich  gerade  darum,  vor  diesem  Forum  die  Äusserungen  der 
Herren  zu  hören,  welche  die  Ware  in  den  Handel  bringen  und  die  Be- 
deutung und  die  Schwierigkeiten  der  Frage  am  besten  zu  beurteilen  in 
der  Lage  sind.  Wir  haben  ja  die  Sitzungen  deshalb  so  eingeteilt,  sonst 
wären  ja  unsere  um  zwei  Tage  hinausgeschobenen  Verhandlungen 
zwecklos.  Ich  würde  besonderen  Wert  darauf  legen,  dass  die  Herren, 
welche  den  Handel  hier  vertreten  und  unmittelbar  an  der  Frage  in- 
teressiert sind,  sich  darüber  aussprechen,  mit  welchem  Minimalgehalt  an 
Kleeseide  unter  den  gegenwärtigen  Verhältnissen  eine  Ware  hergestellt 
werden    kann    und  welches    nach    ihrem  Dafürhalten  die  Grenzen  sind,. 


Diskussion:  Kleeseide.  309 

^velche    speziell    in    bezug    auf  den  Grobseidegehalt  der  Ware  verlangt 
werden  müssen. 

Dr.  Hillniaiiu-Berlin:  In  dem  ursprünglichen  Programm  der  Konferenz 
ist  von  derartigen  Beschlüssen  nichts  gesagt;  daraus  hat  sich  das 
Missverstündnis  hergeleitet. 

Dr.  Waage-Berlin:  Man  kann  dem  Handel  irgendwelche  Beschrän- 
kungen kaum  auferlegen,  ob  er  eine  Ware,  die  noch  sehr  seidehaltig 
ist,  unter  sich  verbreitet.  Der  Kernpunkt  ist  vielleicht  der,  ob  es 
zweckmässig  erscheint,  gewisse  Saaten  zu  schaffen,  die  in  bezug  auf 
Kleeseidegehalt  eine  gewisse  Maximalgrenze  einhalten.  Derartige  Saaten 
existieren  im  Handel  bereits.  Es  gibt  absolut  seidefreie  Saaten,  die 
unter  Garantieleistung  auch  nicht  ein  Korn  enthalten  dürfen.  Dann 
sind  da  seidegereinigte  Saaten,  bei  deren  weiterer  Verarbeitung 
sich  erweisen  muss,  dass  sie  die  Seidemaschine  passiert  haben  und 
grössere  Mengen  von  Verunreinigungen  und  von  Seide  nicht  mehr  ent- 
halten dürfen.  Es  gibt  weiter  Saaten  mit  der  Bezeichnung  „seidefrei 
laut  Attest",  die  von  einem  Attest  begleitet  sind,  das  erweist,  dass  die 
untersuchte  Probe  Seide  nicht  enthalten  hat.  Selbstverständlich  ist,  dass 
immerhin  die  Möglichkeit  besteht,  in  weiteren  Proben  Seide  zu  finden: 
man  darf  deshalb  nicht  absolute  Seidefreiheit  voraussetzen.  Endlich  ist 
es  im  Handel  noch  üblich,  eine  Saat  mit  der  Bezeichnung  „handels- 
üblich seidefrei"  zu  verkaufen.  Nach  den  vor  zwei  Jahren  gefassten 
Beschlüssen  und  nach  Verhandlungen  mit  den  Kontrollstationen  in  dieser 
Richtung  ist  auf  50  bzw.  100  Gramm  ein  Seidekorn  als  zulässig  erklärt 
worden.  Dieses  Gestatten  eines  Zufallskornes  will  nun  nicht  sagen, 
dass  im  Kilogramm  20  bzw.  10  Körner  Seide  vorhanden  sein  dürfen; 
es  beschränkt  die  Untersuchungsprobe  auf  50  bzw.  100  Gramm  und 
besagt  nichts  weiter,  als  dass  darin  nur  ein  Korn  Seide  vorhanden  sein 
darf.  Endlich  wird  naturelle  Saat  gehandelt.  Es  wird  auch  nicht  Ihre 
Meinung  sein,  diese  in  bezug  auf  Seidegehalt  beschränken  zu  wollen. 
HofratDr.v.Weiuzierl-Wien:  DieserGebrauch  ist  speziell  im  deutschen 
Samenhandel  üblich.  Er  ist  das  Resultat  des  Zustandes,  in  dem  sich  der 
Handel  mit  grobseidehaltigen  Waren  befindet.  Hinsichtlich  der  Be- 
zeichnungen muss  ich  jedoch  meine  grossen  Bedenken  gegen  einen 
solchen  Usus  aussprechen.  Ich  habe  mir  erlaubt,  einen  kleinen  Aufsatz 
zu  verteilen,  welcher  das  bereits  enthält.  Ich  bin  selbstverständlich 
weit  davon  entfernt,  eine  absolute  Seidefreiheit  unter  den  gegenwärtigen 
Verhältnissen  zu  verlangen.  Aber  wenn  konstatiert  wird,  dass  in  einer 
Saatware  Cuscuta,  sei  es  nun  Grobseide  oder  Kleinseide,  enthalten  ist, 
und  wenn  dieser  Besatz  ein  derartiger  ist,  dass  er  nicht  innerhalb  des 
Analysenspielraumes  Hegt,  dann  ist  die  Ware  eben  seidehaltig,   d.  h.  es 


310       Verhandlungen  der  1.  internatiunalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

sind  bei  jeder  Probeziehung  von  100  Gramm  1  —  3  Körner  Cuscuta  zu 
finden,  und  wir  sind  dann  —  und  jeder  Geschäftsmann  auch  —  verpflichtet,, 
zu  sagen:  die  Ware  ist  seidehaltig.  Wenn  ich  die  Ware  als  auf  Seide 
gereinigt  bezeichne,  so  ist  das  eine  Bezeichnung,  welche  den  einzelnen 
Geschäftsleuten  violleicht  begreiflich  und  geläufig  ist,  sie  denken  sich 
schon  das  Richtige  darunter.  Um  diese  Kreise  handelt  es  sich  nicht 
so  sehr,  weil  für  sie  die  Verwendung  der  Ware  nicht  in  Betracht  kommt. 
Etwas  anderes  ist  es,  wenn  man  eine  auf  Seide  gereinigte  Ware  einer 
landwirtschaftlichen  Körperschaft  anbietet.  Dann  kann  gar  kein  Zweifel 
darüber  vorhanden  sein,  dass  der  Käufer  sich  unter  einer  auf  Seide 
gereinigten  auch  eine  seidefreie  Ware  denkt,  denn  sonst  würde  er  die 
Bemerkung  nicht  verstehen:  entweder  ist  die  Ware  mit  Seide  besetzt 
oder  sie  ist  gereinigt  und  seidefrei. 

Wir  haben  in  Osterreich  auf  diesen  Umstand  wiederholt  aufmerksam 
gemacht  und  auch  im  Schosse  der  beteiligten  Kreise,  w^elche  aus 
Händlern  und  Produzenten  bestanden,  in  einer  grösseren  Versammlung 
darauf  hingewiesen,  dass  es  notwendig  ist,  einen  sogenannten  De- 
klarationszwang bzw.  das  Verlangen  der  richtigen  Erklärung  und  Be- 
zeichnung im  Handel  zu  fordern.  Es  würde  also  notwendig  sein, 
dass  auch  die  Herren  aus  den  anderen  Staaten  sich  darüber  aus- 
sprechen, ob  sie  es  nicht  für  sehr  bedenklich  halten,  dass,  nachdem  der 
Ausdruck  „auf  Seide  gereinigt"  eingeführt  ist,  man  diese  Ware  mit  dem 
Signum  „grobseidehaltig"  versieht.  Vom  Standpunkt  der  Samen- 
kontrolleure möchte  ich  hinzufügen,  dass  wir  nicht  in  der  Lage  sind, 
zu  konstatieren,  ob  eine  Ware  auf  Seide  gereinigt  ist  oder  nicht.  Das 
geht  aus  folgenden  Argumenten  und  den  Versuchen,  die  ich  gemacht 
habe,  hervor.  In  Wien  bekommen  wir  hinsichtlich  der  Kleesaaten  un- 
zählige verschiedene  Provenienzen  des  Ostens,  des  Südens,  des  W^estens,. 
des  Nordens  und  von  Übersee.  Es  zeigt  sich  nun,  dass  der  Gehalt  an 
Grobseide  bei  gewissen  Provenienzen  ziemlich  häufig,  bei  anderen  sehr 
selten  ist.  Wenn  man  nun  wirklich  imstande  wäre,  eine  Ware  von  der 
Kleeseide  vollständig  zu  trennen,  so  würde  schon  aus  diesem  Grunde 
die  Bezeichnung  „auf  Seide  gereinigt"  bedenklich  sein.  Denn  es  könnte 
ja  dann  eine  Ware,  welche  überhaupt  Kleeseide  enthält,  ohne  dass  ver- 
schiedene Unkräuter  und  fremde  Bestandteile  darin  sind,  in  diese  Gruppen 
hineinfallen.  Nun  wissen  wir,  dass  diejenigen  Saatwaren,  welche  auf 
Seide  wirkUch  gereinigt  sind,  von  denjenigen,  welche  gar  keine  Reinigung 
erfahren  haben  —  wie  es  z.  B.  bei  den  amerikanischen  Kleesaaten  der 
Fall  ist,  die  also  wenig  Unkrautsamen  enthalten,  oder  bei  den  italie- 
nischen Provenienzen,  bei  denen  dasselbe  der  Fall  ist  — ,  kaum  zu 
unterscheiden  sind.    Es  können  also  grobseidehaltige  Waren  in  den  Handel 


Diskussion:  Kleeseide.  ßlJ^ 

kommen,  die  gar  nicht  auf  Seide  gereinigt  worden  sind.  Es  folgt 
daraus,  dass  man  bei  der  Samenkontrolle  nicht  in  der  Lage  ist,  mit 
Sicherheit  zu  konstatieren,  ob  die  Ware  auf  Seide  gereinigt  ist  oder 
nicht.  Gewöhnlich  kommen  in  den  verschiedenen  Provenienzen  die 
beiden  Samen  nicht  in  Menge  vor,  entweder  ist  die  Ware  grobseide- 
haltig  oder  sie  enthält  Cuscuta  frifolü,  obgleich  ich  auch  schon  kon- 
statiert habe,  dass  beide  Seidearten  gleichzeitig  auf  dem  Felde  vor- 
kommen. Ich  würde  glauben,  dass  man  solche  Saatware,  welche  nach 
dieser  Proposition  wohl  eine  gewisse  Menge  von  Kleeseidekörnern  ent- 
halten kann  und  einer  bestimmten  Verwendung  —  vielleicht  zu  Putter- 
zwecken —  zugeführt  werden  soll,  mit  einem  besonderen  Terminus  be- 
legt, etwa  mit  grobseidehaltig  bezeichnet.  Wir  dürfen  aber  selbstver- 
ständlich nicht  Kleeseide  überhaupt  verschweigen  und  annehmen,  das 
ist  eine  auf  Kleeseide  gereinigte  Ware,  die  zu  bestimmen  uns  die  Hilfs- 
mittel fehlen. 

Direktor  Dr.  Hiltiier-München:  Wenn  ich  Herrn  Dr.  Waage  richtig  ver- 
standen habe,  hat  er  gemeint,  man  soll  unterscheiden  zwischen  absolut  als 
rein  garantierten  Waren  und  solchen,  die  als  auf  Kleeseide  gereinigt 
bezeichnet  sind.  Das  entspricht  so  ziemlich  einem  von  mir  vor  3  bis 
4  Jahren  gemachten  Vorschlage.  Es  wird  nicht  daraus  zu  folgern  sein, 
dass  es  Aufgabe  der  Samenkontrollstationen  ist,  in  allen  Fällen  fest- 
zustellen, ob  es  sich  um  eine  auf  Kleeseide  gereinigte  Saat  handle, 
sondern  die  Händler  wollen  durch  diese  Unterscheidung  einen  Rückhalt 
gewinnen.  Der  Händler  will,  wenn  er  eine  Saat  als  absolut  seidefrei 
verkauft,  ausdrücken,  dass  er  die  Garantie  dafür  übernimmt,  dass  auch 
nicht  ein  Korn  Seide  in  dieser  Saat  enthalten  sei.  Wird  aber  ein  Korn 
Seide  gefunden,  dann  ist  er  verpflichtet,  die  Ware  zurückzunehmen : 
anderseits  möchte  er  sich  decken,  wenn  er  „auf  Seide  gereinigte  Ware" 
in  den  Handel  bringt.  Es  wird  nicht  angenommen  werden  können, 
dass  in  diesem  Falle  der  Händler  eine  Saat  in  den  Handel  bringt,  die 
Seide  in  grossen  Mengen  enthält.  Auch  in  diesem  Falle  wird  er 
nicht  nur  dafür  Garantie  leisten  müssen,  dass  die  Ware  auf  Seide  ge- 
reinigt, sondern  auch  nach  seinem  Dafürhalten  von  Seide  frei  ist.  In 
diesem  Falle  wird  er  nur  verlangen,  dass  die  von  uns  festzustehende 
Latitüde  Platz  greift  und  dass,  wenn  sich  zufällig  ein  Korn  findet, 
er  dafür  nicht  belangt  werden  kann.  Ich  glaube,  dass  diese  Unter- 
scheidung zwischen  garantiert  absolut  seidefreien  und  auf  Seide  gereinigten 
Saaten  doch  vielleicht  auch  für  uns  annehmbar  ist,  wie  schon  daraus 
hervorgeht,  dass  sie  im  Königreich  Sachsen  seit  1 — 2  Jahren  tatsächlich 
angenommen  worden  ist  und,  wie  Herr  Dr.  Simon  erklärt,  sich  gut 
bewährt  hat. 


312       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfiino;. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  wollte  nur  ganz  kurz  im  Zusammen- 
hange mit  dem,  was  Herr  Dr.  Waage  gesagt  hat,  erwähnen,  dass, 
soweit  ich  die  Sachlage  kenne,  die  Samenhändler  unter  sich  recht 
klare  Verhältnisse  geschaffen  haben.  Sie  wissen,  dass  die  Samen- 
händler Deutschlands  schon  Vorschriften  besitzen,  die  für  ihre  Handels- 
beziehungen Platz  greifen  und  die  sich  decken  mit  den  Verhältnissen, 
wie  Kollege  Hiltner  sie  geschildert  hat,  nur  dass  „absolut  seidefrei" 
wegfällt.  Der  Handel  gestattet  sich  die  Latitüde  von  einem  Korn.  Will 
man  bessere  Ware,  kann  man  sie  sich  verschaffen.  Wir  haben  ganz 
klar  und  deutlich  diese  beiden  Kategorien.  Dass  der  Händler  mit 
natureller  Saat  handeln  muss,  ist  klar;  er  muss  seine  Ware  ja  irgend- 
woher bekommen.  Nicht  jeder  Händler  ist,  wenn  ich  so  sagen  darf. 
Fabrikant  und  reinigt  seine  Ware  selbst.  Wir  kr»nnen  deshalb  das  Handeln 
mit  kleeseidehaltigerWare  nicht  verbieten.  Schwieriger  wird  die  Sache,  wenn 
der  Samenhändler  an  den  Konsumenten  herantritt;  da  liegt  der  wunde 
Punkt.  Deshalb  sollten  wir  versuchen,  uns  heute  auf  das  zu  konzen- 
trieren, worauf  es  ankommt.  Als  allgemeinen  Gesichtspunkt  darf  ich 
vorausschicken,  dass  es  jedem  freisteht,  die  Qualität  zu  kaufen,  wie  er 
sie  haben  will.  Bedingungen  zu  stellen,  ist  Sache  des  Käufers.  Wenn 
jemand  absolut  seidefreie  Saat  haben  will,  soll  er  sie  fordern;  er  kann 
sie  dann  auch  vom  Händler  bekommen.  Wie  es  mit  den  anderen 
Waren  steht,  die  etwas  billiger  sind  und  ungefähr  1 — 2  Kleeseidekörner 
enthalten,  das  müssen  wir  hier  zu  entscheiden  suchen.  Das  deckt  sich 
mit  unserer  Frage:  wie  weit  können  wir  dem  Händler  einen  Rückhalt 
geben,  dass  die  Ware  seidefrei  ist.  Wir  sind  dieijenigen,  die  ihm  das 
bestätigen  müssen;  auf  diesen  Punkt  müssen  wir  hinaus. 

Dr.  Waage-Berlin:  Ich  möchte  auf  zwei  Punkte  aufmerksam 
machen.  Es  ist  bisher  bei  einer  auf  Seide  gereinigten  Ware  nur  der 
Gesichtspunkt  in  den  Vordergrund  geschoben  worden,  dass  diese 
Reinigung  sich  ausschliesslich  auf  Seide  bezieht.  Ich  bitte  nicht  zu 
vergessen,  dass  diese  Reinigung  auf  Seide  in  jedem  Falle  eine  erheb- 
liche Verbesserung  der  Ware  bedeutet,  die  deutlich  im  Preise  zum 
Ausdruck  kommt.  Bei  einer  derartigen  auf  Seide  gereinigten  Ware^ 
wird  aber  ohne  weiteres  die  Seide  so  ziemlich  vollkommen  entfernt  sein, 
soweit  es  sich  nicht  um  die  sogenannte  Grobseide  handelt.  Es  ist  etwas 
ganz  anderes,  wenn  man  derartige  auf  Seide  gereinigte  Ware,  die  Grolj- 
seide  enthält,  mit  dieser  Bezeichnung  versehen  würde;  darin  würde  der 
Handel  wohl  kaum  etwas  finden.  Dann  möchte  ich  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  die  Landwirtschaft  in  der  Lage  ist,  beim  Händler  zu  ver- 
langen, was  sie  will.  Ein  Schutz  der  Landwirtschaft  braucht  umso- 
weniger    stattzufinden,    weil    sie,    wenn    sie    garantiert    seidefreie    Saat 


Diskussion:  Kleeseide.  ,         313 

kaufen  will,  solche  Ware  bei  den  Händlern  bekommen  kann;  das  ist 
nur  eine  reine  Preisfrage,  wie  bei  allen  Qualitäten.  Die  übrigen  Be- 
zeichnungen betr.  Seidegehalt  beziehen  sich  nur  auf  den  Handel  zwischen 
Kaufleuten. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  miJchte  vorschlagen,  zunächst  die 
Grobseide  aus  dem  Spiele  zu  lassen  und,  wie  Herr  Dr.  v.  Degen  es 
Torgeschlagon  hat,  uns  über  die  gewöhnliche  Seide  zu  einigen  und 
vielleicht  nachher  uns  über  die  Grobseide  zu  unterhalten,  weil  die 
Reinigungsverfahren  für  beide  Seidearten  ganz  verschieden  sind. 

Vorsitzender:  Aus  der  Diskussion  kann  vielleicht  ganz  ausscheiden 
der  Fall,  dass  vom  Konsumenten  absolut  seidefreio  Ware  verlangt  wird. 
Wenn  diese  Forderung  nicht  erfüllt  wird,  ist  der  Händler  ersatzpflichtig. 
Wir  müssen  über  den  anderen  Punkt  diskutieren,  welcher  Seidegehalt 
bei  der  Untersuchung  gestattet  sein  soll,  wenn  absolute  Seidefreiheit 
nicht  ausbedungen  worden  ist,  und  zwar  1.  bezüglich  der  Kleeseide  und 
2.   bezüglich  der  Grobseide. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl- Wien :  Ich  habe  verstanden,  es  handele 
sich  nicht  darum,  welche  zulässige  Menge  von  Kleeseide  gestattet  ist. 
Ich  meine,  es  kann  sich,  nachdem  die  Motivierung  auf  Grobseide  gestützt 
ist,  nur  um  grobseidehaltige  Saaten  handeln.  T)\e  zulässige  Menge  von 
Kleeseide  kommt  nicht  in  Betracht,  die  haben  wir  erledigt  in  der  Fehler- 
quelle. Es  gibt  nur  eine  absolut  seidefreie  Ware  und  solche,  bei  der 
die  Grobseide  nicht  entfernt  werden  kann.  Das  sind  nach  meiner 
Meinung  diejenigen  Saaten,  die  in  den  einzelnen  deutschen  Staaten  als 
auf  Seide  gereinigt  bezeichnet  werden.  Ich  würde  also  der  Meinung 
sein,  dass  es  sich  nur  um  Grobseide  handeln  kann.  Bei  Kleeseide  gibt 
es  meines  Erachtens  überhaupt  keine  Zulässigkeit:  dann  würde  die  Frage 
A^on  selbst  wegfallen. 

Referent  Dr.  v.  Degen:  Es  handelt  sich  bei  dieser  Proposition  in 
erster  Linie  um  die  Feststellung  der  zu  duldenden  Grobseide.  Für 
Kleinseide  haben  sich  die  Verhältnisse  nicht  geändert,  und  wir  haben 
daher  auch  keinen  Anlass,  die  Postulate,  die  wir  an  kleinseidefreie  Ware 
gestellt  haben,  zu  ändern.  In  neuerer  Zeit  sind  allerdings  mehr  Kapseln 
in  die  Ware  hineingekommen.  Das  ist  aber  auf  die  mangelhafte  und 
unvollkommene  Ausreutung  zurückzuführen.  Ich  bin  dafür,  dass  wir 
bei  Kleeseideuntersuchung  eine  Fehlerlatitüde  einräumen,  über  deren 
Höhe  wir  uns  allerdings  noch  nicht  ausgesprochen  haben.  Die  zu 
duldende  Menge  der  Grobseide  steht  im  engsten  Zusammenhange  mit 
der  erreichbaren  Reinheit  der  Ware.  Ich  habe  die  Herren  Vertreter  des 
Handels  ersucht,  sich  über  die  Leistungsfähigkeit  der  verschiedenen 
Reinigungsmethoden  zu  äussern.     Das  gibt  den  Samenkontrolleuren  An- 


314       Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

haltspunkte,  um  sich  über  die  zulässige  Menge  auszusprechen.  Dass 
die  Leistungsfähigkeit  der  Maschinen  sehr  verschieden  ist  je  nach  der 
Grob-  oder  Kleinkr»rnigkeit  der  Saaten  und  infolge  verschiedener  anderer 
Einflüsse  während  der  Reinigung,  ist  doch  bekannt  und  ebenso,  dass 
Seidekapseln  viel  leichter  zu  entfernen  sind  bei  trockenem  Wetter  oder 
im  geheizten  Maschinenräume  als  in  feuchtem,  kaltem  Zustande.  Auf 
Details  will  ich  hier  nicht  weiter  eingehen.  Die  in  Ungarn  üblichen 
Reinigungsraethoden  kenne  ich  so  ziemlich,  sie  sind  auch  dort  nicht 
gleich.  Ich  glaube  aber,  dass  es  im  Interesse  der  Erledigung  dieser 
Frage  notwendig  wäre,  wenn  uns  seitens  des  Handels  zuverlässige  An- 
gaben über  die  Leistungsfähigkeit  der  üblicheren  Reinigungsmethoden 
zur  Verfügung  gestellt  werden  würden. 

Prof.  Dr.  Rodewald-Kiel:  Ich  möchte  mich  zunächst  dem  Wunsche 
des  Herrn  Dr.  v.  Degen  anschliessen,  dass  die  Herren,  die  grosse  Er- 
fahrungen darüber  besitzen,  wie  weit  man  eine  Ware  auf  Seide  reinigen 
kann,  sich  auch  einmal  darüber  äussern.  Das  interessiert  uns  und 
hängt  mit  der  Feststellung  der  Latitüde  eng  zusammen.  Wir  haben 
keinen  Grund,  vom  Handel  etwas  anderes  zu  verlangen,  als  was  er 
leisten  kann.  Dann  möchte  ich  aber  noch  einen  anderen  Punkt  zur 
Sprache  bringen.  Es  wird  hier  unterschieden  zwischen  Kleinseide  und 
Grobseide.  Meine  Herren,  was  verstehen  Sie  darunter?  Wollen  Sie  für 
die  Peststellung,  ob  Grob-  oder  Kleinseide,  die  botanischen  Spezies- 
bezeichnungen massgebend  sein  lassen  oder  die  Körnergrösse?  Wenn 
die  botanische  Speziesbezeichnung  massgebend  ist  —  es  gibt  auch  sehr 
kleine  Körner  von  Cuscufa  racemosa  —  dann  führt  das  leicht  zu 
Komplikationen.  Wird  ein  sehr  kleines  Korn  gefunden,  so  entsteht  die 
Frage,  ist  das  Cuscuta  trifolü  oder  Cuscufa  racemosa?  Die  Frage 
nach  der  Spezies  muss  in  solchem  Falle  von  den  Samenkontrollstationen 
beantwortet  werden.  Das  ist  nicht  allemal  sehr  leicht.  Heute  pflegen 
sich  die  Samenkontrollstationen  damit  zu  begnügen,  festzustellen,  es  ist 
Cuscuta  in  der  Saat.  Wenn  wir  aber  anderseits  feststellen,  Grobseide 
ist  jede  Seide,  die  eine  bestimmte  Korngrösse  überschreitet,  dann  muss 
diese  Korngrösse  festgestellt  werden.  Wie  soll  sie  bestimmt  werden? 
Nach  dem  Durchmesser?  Soll  der  grösste  oder  der  mittlere  Dureh- 
messer genommen  werden  usw.  Da  kompliziert  sich  die  Frage.  Oder 
wollen  wir  den  Siebsatz  als  massgebend  ansehen?  Das  würde  wohl 
noch  das  beste  sein,  w^enn  wir  dann  sagen,  was  durch  ein  Sieb  von 
dieser  oder  jener  Lochweite  —  etwa  1,20  oder  1,15  mm  —  nicht  hindurch- 
fällt,  ist  Grobseide.    Darüber  müssten  wir  uns  doch  einmal  unterhalten. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien :  Ich  glaube,  meine  verehrten  Herren,, 
auf  diese  Weise  werden  wir  zu   keinem  Resultat    kommen.     Es  ist  un- 


Diskussion:  Kleeseide.  315' 

bedingt  notwendig,  dass  wir  einen  Weg  einschlagen,  wie  man  ihn  bei 
solchen  Versammlungen,  wie  der  unsrigen,  immer  einschlagen  muss. 
Ich  will  damit  nicht  sagen,  dass  die  Zuweisung  irgend  einer  Frage  an 
einen  Ausschuss  ein  Begraben  dieser  Frage  bedeutet,  wie  es  in  parlamenta- 
rischen Kreisen  ab  und  zu  vorkommt.  Dazu  sind  wir  bei  dieser  Frage 
viel  zu  sehr  mit  unserem  Ptlichtbewusstsein  engagiert.  Aber  es  ist  er- 
schreckend, wie  schnell  die  Zeit  dahinfliegt  bei  Verhandlungen,  die  sich 
ins  Unendhche  verlieren.  Daher  möchte  ich  bitten,  vielleicht  in  Er- 
wägung zu  ziehen,  ob  sich  nicht  folgender  Vorschlag  empfehlen  dürfte. 
Wir  haben  die  Feststellung  und  Durchführung  der  Cuscuta- Frage  einem 
besonderen  Ausschuss  unserer  seit  zwei  Tagen  bestehenden  internationalen 
Kommission  überwiesen.  W^ir  haben  zwar  die  Ausschussmitglieder  noch 
nicht  namhaft  gemacht,  wir  haben  auch  die  internationale  Kommission 
noch  nicht  konstituiert,  aber  sie  de  lacto  beschlossen,  und  es  ist  daher 
nur  eine  Formfrage,  die  Sache  zu  erledigen.  Ich  würde  nun  vorschlagen, 
den  Herrn  Referenten  zu  bitten,  diesen  Punkt,  den  wir  als  wichtig  anzu- 
sehen einstimmig  beschlossen  haben,  noch  einmal  zu  verlesen,  damit 
er  stenographisch  aufgenommen  und  denjenigen  Herren,  die  den 
deutschen  und  österreichischen  Handel  vertreten,  übergeben 
werden  kann  mit  der  Bitte,  darüber  in  einer  ad  hoc  einzu- 
berufenden Versammlung  zu  sprechen  und  ihn  auch  der  im 
Oktober  tagenden  Vereinigung  der  deutschen  Samenhändler 
zu  unterbreiten.  Dieser  Weg  wird  derjenige  sein,  der  am  besten 
zum  Ziele  führt.  Wir  wissen,  welche  Punkte  uns  vom  Standpunkte  der 
Samenkontroile  interessieren  und  welche  Punkte  es  sind,  über  welche 
wir  die  Ansichten  der  Samenhändler  kennen  lernen  möchten.  Wenn 
die  Herren  zustimmen,  würden  wir  Herrn  E)r.  Waage  bitten,  diese 
Frage  in  beiden  Versammlungen  vorzutragen  und  die  Äusserungen  in 
besonderem  Komitee  in  präziser  Fassung  zu  formulieren.  Ich  möchte 
mir  zu  diesem  Antrage  einen  Zusatzantrag  erlauben,  welcher  dahingehen 
würde,  speziell  diesen  Punkt  etwas  klarer  zu  fassen,  weil,  wie  aus  den 
Äusserungen  des  Herrn  Kollegen  Hiltner  zu  entnehmen  war,  es  sich 
nur  darum  handelt,  bei  grobseidehaltigen  Waren  eine  gewisse  Latitüde 
festzusetzen.  Grobseidehaltige  Ware  kann  aber  doch  nach  den  gemachten 
Erfahrungen  zu  Futterzwecken  verwendet  werden;  sie  muss  dann  aber 
unter  einem  Titel  oder  einer  besonderen  Bezeichnung  in  den  Handel 
gebracht  werden;  das  kann  aber  nicht  sein  „auf  Seide  gereinigt", 
sondern  es  muss  eine  besondere  Bezeichnung  sein.  In  Ungarn,  das 
mit  Grobseide  verseucht  ist,  in  Niederöstei'reich,  in  Bayern,  in  Schlesien, 
überall  hat  man  Grobseide  gefunden,  und  man  hat  in  allen  Samen  produ- 
zierenden Ländern  das  grösste  Interesse  daran,  für  diese  Waren  Absatz. 


H16        Verhandlungen  der   I.  intei-nationalen   Konferenz  für  Samenprüfung. 

ZU    schaffen.     Dieser  Absatz    muss  unter    einer  einheitlichen  Marke    er- 
folgen; mit  „auf  Seide  gereinigt"  kann  diese  Ware  nicht  bezeichnet  werden. 

Vorsitzender:  Wünscht  jemand  zu  diesem  Antrage  des  Herrn 
Hofrat  V.  Weinzierl  das  Wort? 

Dr.  Hillmanii-Berlin:  Ich  möchte  bitten,  dass  diese  Resolution  auch 
den  landwirtschaftlichen  Körperschaften  zugänglich  gemacht  wird.  Für 
Deutschland  würde  die  Einsendung  an  den  Deutschen  Landwirtschaftsrat 
in  erster  Reihe  erwünscht  sein,  der  mit  den  Landwirtschaftskammern,  den 
landwirtschaftlichen  Genossenschaftsverbänden,  der  Deutschen  Land- 
wirtschafts-Gesellschaft und  dem  Bunde  der  Landwirte  zwecks  Verein- 
barungen über  Handelsgebräuche  in   Vorbindung  steht. 

Vorsitzender:  Es  wird  keine  Schwierigkeiten  haben,  diesem 
Wunsche  zu  entsprechen. 

Dr.  Hiltner-München:  Ich  erkläre  ausdrücklich  meine  Zustimmung 
zu  dem  Antrage  des  Herrn  v.  Weinzierl,  weil  ich  glaube,  dass  es  die 
praktischste  Art  ist,  die  Sache  zu  erledigen.  Ich  bitte  es  nicht  so  aufzu- 
fassen, als  wenn  ich  die  Diskussion  aufs  neue  anfachen  wollte,  wenn 
ich  mir  darauf  hinzuweisen  erlaube,  dass  wir  vorgestern  diesen  scharfen 
Unterschied  zwischen  Grobseide  und  Kleinseide  nicht  gemacht  haben. 

Dr.  Stebler-Zürich:  Der  Antrag  des  Herrn  v.  Weinzierl  ist 
meiner  Ansicht  nach  das  Richtige.  Wir  müssen  die  Händler  danach 
fragen,  was  sie  leisten  können;  auch  ist  es  bei  grobseidehaltigen  Waren 
ihre  Sache,  zu  sagen,  was  sie  garantieren  wollen  oder  nicht.  Aber  ich 
bin  auch  der  Meinung  des  Herrn  v.  Weinzierl,  dass  man  die  Sache 
nicht  in  allzu  allgemeine  Formen  kleiden  soll.  Mir  ist  z.  B.  der  Aus- 
druck „auf  Seide  gereinigt"  zu  ungenau:  das  kann  man  so  und  anders 
auslegen.  Es  müssen  gewisse  Zahlenwerte  sein  und  diese  Zahlenwerte 
festzustellen  kann  dem  Verkäufer  überlassen  bleiben.  Er  kann  sagen: 
Die  Ware  ist  grobseidehaltig.  Den  Maximalgehalt  des  Seidegehalts  festzu- 
stellen, muss  ihm  überlassen  werden.  Er  garantiert  z.  B.:  Die  Probe 
enthält  höchstens  20  Körner  pro  Kilogramm  (oder  er  kann  eine  andere 
Zahl  nennen),  dann  wissen  Käufer  und  Verkäufer  im  voraus,  woran  sie 
sind.  Ich  glaube,  die  Sache  ist  in  dieser  Beziehung  einfach.  Um  mich 
zugleich  auszusprechen  über  den  Begriff  der  Grobseide,  so  glaube 
ich,  wir  sollten  uns  hier  nicht  zu  weit  einlassen.  Alle  drei  wichtigeren 
Seidearten  haben  grobe  Körner.  Die  meisten  groben  KfUnier  liefern 
aber  Cuscuta  racemosa  und  C.  arvensis,  die  in  neuerer  Zeit  von  Herrn 
Dr.  V.  Degen  auch  in  Kleesaat  aus  Ungarn  festgestellt  wurde. 

Dr.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Ich  glaube,  dass  Herr  Hof  rat 
V.  Weinzierl  Recht  hat;  wir  sollten  die  Sache  in  dieser  Weise  erledigen. 
Nur    möchte    ich    dann  noch  auf  die  Kapselseide    aufmerksam    machen. 


Diskussion:  Xleeseide.  317 

Ich  weiss  nicht,  ob  die  Kapselseide  sich  auch  in  anderen  Ländern  so 
häufig  zeigt,  aber  speziell  Galizien  hat  sehr  viel  Kapselseide,  auch  kommt 
sie  jetzt  in  Rumänien,  in  der  Bukowina  und  in  Siebenbür^-en  vor.  Es 
ist  auffallend,  dass  sie  sich  in  den  letzten  3  Jahren  so  oft  gezeigt  hat. 
und  ich  meine,  dass  man  sie  wahrscheinlich  wie  die  Grobseide  behandeln 
muss.  Einige  Händler  haben  alles  mögliche  getan,  um  die  Ware  zu 
reinigen,  denn  die  Kapselseide  hat  sich  selbst  in  der  schönsten  Ware 
gefunden  und  diese  dadurch  minderwertig  gemacht.  Man  muss  jedoch 
zwischen  den  reifen  und  unreifen  Kapseln  unterscheiden.  Ich  habe  mich 
mit  der  Sache  etwas  beschäftigt,  weil  sie  bei  uns  von  viel  grösserer 
Wichtigkeit  ist  als  in  anderen  Ländern,  und  mich  durch  Keimversuche 
überzeugt,  dass  viel  Kapselseide  gar  nicht  reif  ist  und  dass  man  aber 
auch  Kapseln  findet,  welche  gut  entwickelten  Samen  besitzen.  Die 
Kommission  wird  daher  sich  auch  mit  der  Kapselseide  beschäftigen  müssen. 

Referent  Dr.  v.  J>egen:  Ich  stimme  dem  Vorschlage  des  Herrn 
Hofrat  V,  Weinzierl  vollkommen  bei.  Dann  möchte  ich  bezüglich  der 
Definition  der  Grobseide  noch  etwas  hinzufügen.  Die  Samenkontroll- 
stationen können  die  Definition  der  Grobseide  doch  nicht  dem  Handel 
überlassen.  Wir  unterscheiden  die  Cnseufa  suaveolens  von  allen  übrigen 
Arten,  einerlei  ob  ihre  Samen  gross-  oder  kleinkr»rnig  sind,  weil  der 
Unterschied  in  den  Polgen  ein  ganz  gewaltiger  ist.  Die  Gefahr  eines 
bedeutenden  Schadens  ist  eine  viel  grr)ssere,  wenn  ein  Korn  Cuscuta 
suaveolens  in  der  Saat  ist,  als  wenn  sich  nur  ein  abnorm  gross  ent- 
wickeltes Korn  vun  Cuscuta  trifolii  vorfindet. 

Vorsitzender:  Das  würde  also  auch  ein  Punkt  sein,  der  die 
Kommission  zu  beschäftigen  hätte. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl- Wien:  Mir  scheint  diese  Bemerkung  des 
Kollegen  v.  Degen  ausserordentlich  wichtig;  ich  möchte  bitten,  das  mit 
hineinzunehmen.  Es  muss  auch  auf  die  Unterschiede  vom  botanischen 
Standpunkte  Rücksicht  genommen  werden. 

Vorsitzender:  Ich  habe  bisher  zu  dem  Antrage  des  Herrn  Hofrat 
V.  Weinzierl  nur  zustimmende  Äusserungen  gehört.  Ich  darf  daher 
annehmen,  dass  es  die  Ansicht  der  Versammlung  ist,  dass  diesem  An- 
trage Folge  gegeben  wird.  Es  erhebt  sich  kein  Widerspruch,  ich  darf 
damit  annehmen,  dass  so  beschlossen  ist,  und  das  Weitere  der  Kom- 
mission überlassen. 

Referent  Dr.  v.  Degen:  Der  nächste  Punkt  wäre:  Einführung 
einer  einheitlichen  Untersuchungsmethode,  insbesondere  Fest- 
stellung der  Grösse  des  auf  Seide  zu  untersuchenden  Musters. 
Wie  ich  der  Versammlung  bereits  mitgeteilt  habe,  haben  wir  uns  auf 
}»Iuster  von   100  g  geeinigt. 


31g       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Dr.  Hiltner-München:  Ich  glaube,  der  Antrag  v.  Weinzierl  sollte 
sämtliche  Punkte  betreffen  und  die  ganze  Kleeseidefrage  sollte  der 
Kommission  überwiesen  werden. 

Vorsitzender:   Dann  habe  ich  das  nicht  richtig  aufgefasst. 

Hofrat  Dr.  v.  Weiiizierl-Wien :  Es  handelt  sich  hier  um  zwei  In- 
stanzen. Die  technischen  Fragen  haben  wir  bereits  einer  Kommission 
überwiesen:  sie  sind  hier  aufgenommen  worden,  weil  wir  die  Herren 
Interessenten  aus  den  Kreisen  der  Samenhändler  über  diese  Frage  hören 
wollten.  Es  wird  sich  also  darum  handeln,  1.  dass  die  einzelnen  Pro- 
positionen noch  einmal  verlesen,  stenographisch  aufgenommen  und  den 
Vertretern  der  Samenhändler  übergeben  werden  mit  der  Bitte,  in  den 
beiden  bevorstehenden  Versammlungen  ein  Votum  herbeizuführen  und 
2.  die  Fragen,  die  nur  die  Samenkontrollstationen  betreffen,  einem  zu 
bildenden  Ausschusse  zu   überweisen. 

Vorsitzender:  Es  wäre  dann  die  Kleeseidefrage  für  unsere  Ver- 
sammlung heute  erledigt.  Es  würde  sich  nur  darum  handeln,  diese 
Kommission  zu  wählen.  Ich  weiss  nicht,  ob  wir  das  heute  tun  sollen, 
ob  wir  es  dem  Ausschusse  überlassen  wollen  oder  ob  es  morgen  ge- 
schehen soll. 

Prof.  Dr.  Voi^t-Hamburg:  Es  ist  besser,  die  geschäftlichen  Sachen 
auf  morgen  zu  vertagen.  Wir  sind  alle  begierig,  das  Referat  von  Herrn 
Dr.  Hiltner  heute  noch  zu  hören.  Wir  sind  nun  einmal  dabei  und 
haben  nur  noch  einen  Vormittag  zu  vergeben.  Wir  werden  ja  voraus- 
sichtlich nicht  zu  einem  endgültigen  Resultat  kommen  und  auch  diese 
Sache  vielleicht  einer  Kommission  überweisen. 

Vorsitzender:  Wir  würden  also  zu  den  zweiten  Punkte  unserer 
Tagesordnung  übergehen  können.  Ich  bitte  Herrn  Dr.  Hiltner  zu 
seinem  Referate   über  Keimprüfungen  das  \\'ort  zu  nehmen. 


Über  Keimprüfungen. 

Von 
Direktor  Dr.  L.  Hiltner-München. 

Meine  Herren!  Wie  Sie  aus  dem  vorgelegten  Programm  entnommen 
haben  werden,  war  eigentlich  Herr  Direktor  Bruijning  aus  Wageningen 
bestimmt,  das  Referat  über  die  Keimprüfung  zu  erstatten.  Zu  unserm 
Bedauern  hat  er  vor  einigen  Tagen  abgesagt,  und  ich  bin  infolge- 
dessen veranlasst  worden,  an  seine  Stelle  zu  treten.     Selbstverständlich 


L.  Hiltner,  Über  Keimprüfungen.  319 

ki»nnen  Sie  daher  von  mir  nicht  erwarten,  dass  ich  Ihnen  vollständig 
vorbereitet  gegen  üb  er  trete,  und  ich  bitte,  dies  freundlichst  berücksichtigen 
zu  wollen.  Das  Thema  über  die  Keimprüfung  ist  so  ausgedehnt,  dass 
ein  ausführliches  Referat  schon  allein  eine  ziemliche  Zeit  in  Anspruch 
nehmen  würde.  Ich  will  mich  jedoch  möglichst  beschränken.  Ich  werde 
zunächst  die  technischen  Fragen  besprechen  und  dann  darauf  hinweisen, 
was  während  der  Keimprüfung  zu   beobachten  ist. 

Was  die  Technik  anbetrifft,  so  liegt  Ihnen  eine  Broschüre  vor, 
in  der  die  technischen  Vorschriften  von  vier  verschiedenen  Verbänden 
in  sehr  übersichtlicher  Weise  zusammengestellt  sind.')  Ich  werde  mich 
hauptsächlich  an  die  Vorschriften  des  Verbandes  der  landwirtschaftlichen 
Versuchsstationen  im  Deatschen  Reiche  halten,  nicht  um  gerade  an 
ihnen  eine  Kritik  zu  üben,  sondern  weil  sie  mir  am  geläufigsten  sind 
und  weil  ich  gefunden  habe,  dass  die  Vorschriften  der  anderen  Ver- 
bände sich  von  jenen  des  deutschen  Verbandes  wesentlich  nicht  unter- 
scheiden. Wo  dies  doch  der  Fall  ist,  werde  ich  besonders  darauf  hin- 
weisen. In  den  Vorschriften  des  deutschen  Verbandes  ist  nacheinander  auf- 
geführt, wie  ein  Samenposten  zu  behandeln  ist,  der  auf  seine  Keim- 
fähigkeit geprüft  werden  soll.  Da  ist  in  erster  Linie  die  Probeziehung 
von  grösster  Bedeutung,  von  einer  Bedeutung,  die  wir  schon  in  den 
letzten  Tagen  bei  Besprechung  der  Reinheitsbestimmungen  kennen  gelernt 
haben.  Wir  haben  erfahren,  wie  in  den  verschiedenen  Staaten  darauf 
hingearbeitet  wird,  das  subjektive  Moment  möglichst  auszuschalten,  die 
Proben,  die  wir  ziehen,  vollständig  objektiv  zu  gewinnen,  und  wir 
haben  gehört,  dass  bereits  Apparate  konstruiert  worden  sind,  die 
mit  Präzision  der  Aufgabe  entsprechen.  Ich  will  auf  diese  Frage, 
die  schon  besprochen  worden  ist,  nicht  näher  eingehen;  ich  möchte  nur 
das  eine  hervorheben,  dass  wir  unter  allen  Umständen,  soweit  es  sich 
um  das  Probeziehen  zwecks  Feststellung  der  Keimfähigkeit  handelt, 
daran  festhalten  müssen,  dass  dasjenige,  was  bei  der  Analysierung  der 
Mittelprobe  nicht  zu  den  fremden  Bestandteilen  gerechnet  wird,  nicht 
ausgeschieden  werden  darf  und  unterschiedslos  zur  Keimprüfung  ver- 
wendet werden  muss.  Dieser  Grundsatz,  so  einfach  er  erscheint,  ist, 
Avie  ich  neulich  schon  gelegentlich  einer  Diskussion  erwähnte,  jahrelang 
von  vielen,  wenn  nicht  allen  von  Stationen,  vernachlässigt  worden.  Nament- 
lich bei  Grassämereien  hat  dieser  Umstand  mit  dazu  geführt,  in  Deutsch- 
land die  sogenannte  Gewichtsmethode  einzuführen. 

Als  Zahl  der  anzukeimenden  Samen  finden  wir  in  Deutsch- 
land 3—400  Körner    angegeben,    in    anderen  Staaten    geht   man  etwas 


')  Vgl.  S.  234,  Anmerkung. 


320        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  lur  Samenprül'ung. 

weiter  und  zwar  bis  zu  600  Körnern.  Ich  glaube,  dass  aucli  in  dieser 
Richtung  sich  ein  näheres  Eingehen  erüljrigt,  da  wir  durch  die  wert- 
vollen Untersuchungen  unseres  Kollegen  Rodewald  ziemlich  genau 
wissen,  dass  die  Genauigkeit  nicht  mehr  wesentlich  gesteigert  werden 
kann,  wenn  über  die  Zahl  von  3 — 400  Körnern  hinausgegangen  wird. 
Wenn  wir  die  Samen  abgewogen  oder  abgezählt  haben,  so  haben 
wir  sie  für  das  Keimbett  vorzubereiten.  E)a  finden  wir  in  den  tech- 
nischen Vorschriften  die  Angabe,  dass  für  grosse  Samen  eine  fünf- 
stündige Vorquellung  in  reinem  Wasser  empfohlen  wird.  Ijieser 
Zeitraum  ist  in  die  Keimkraftprüfungsdauer  einzurechnen.  E>iese  Angabe 
scheint  mir  schon  geeignet,  mit  einer  Kritik  einzusetzen.  Ich  erinnere 
daran,  dass  in  den  früheren  Vorschriften  eine  12-  oder  15stündige  Vor- 
quellung für  alle  Samen  direkt  vorgeschrieben  war,  während  sie  jetzt 
nur  für  grosse  Samen  empfohlen  wird  und  zwar  in  reinem  Wasser. 
Ich  erinnere  mich  ferner  sehr  genau,  dass  man  früher  grosses  Gewicht 
darauf  legte,  destilliertes  Wasser  anzuwenden,  während  umgekehrt 
später  in  verschiedenen  Ver()ffentlichungen,  z.  B.  von  Stutzer  und 
Hartleb.  davor  gewarnt  wurde,  destilliertes  Wasser  zu  nehmen,  weites 
die  Samen  auslauge.  Von  dieser  Seite  wurde  Leitungswasser  empfohlen, 
und  jetzt  wird  reines  Wasser  vorgeschrieben.  Das  ist  wohl  richtig, 
aber  sehr  verschieden  zu  verstehen.  Ich  darf  das  an  einem  Beispiele 
vorführen,  das  gestern  schon  erwähnt  worden  ist.  aber  in  anderem  Zu- 
sammenhange. Wir  hatten  in  Berlin,  als  wir  die  Erkrankungen  der 
Rübenkeimlinge  im  Keimbett  untersuchten,  eine  Probe  von  Rübensamen, 
die  50 —  60  °/o  kranke  Keime  lieferte.  Das  war  kurz  bevor  ich 
nach  München  übersiedelte.  In  München  sollte  ich  nach  einigen  Mo- 
naten einen  Vortrag  halten,  da  wollte  ich  auch  die  Rübenerkrankungen 
vorführen.  Einige  Tage  vor  dem  Vortrage  behandelte  ich  den  Rüben- 
samen in  der  üblichen  Weise,  in  diesem  Falle  aber  mit  Münchener 
Leitungswasser,  und  sah  zu  meiner  Überraschung,  dass  fast  alle  ent- 
wickelten Keime  gesund  waren.  Das  hat  mich  dann  so  interessiert, 
dass  ich  Proben  nach  Berlin  schickte  und  mir  anderseits  Wasser  von 
Berlin  kommen  liess.  Da  stellte  es  sich  heraus,  dass  die  Mehrzahl  der 
mit  Berliner  Wasser  behandelten  Keime  krank  wurde,  während  die  in 
dem  kalkhaltigen  Miinchener  Wasser  gekeimten  Samen  in  der  Mehrzahl 
gesund  waren.  Es  bedarf  also  der  näheren  Präzisierung,  was  unter 
reinem  Wasser  zu  verstehen  ist.  Was  ich  eben  erwähnt  habe,  ist 
vielleicht  auch  deshalb  von  Interesse,  weil  die  Frage  der  zahlenmässigen 
Feststellung  der  kranken  Keime  bei  Rüben  in  den  letzten  Jahren  eine 
gewisse  Bedeutung  erlangt  hat,  und  auch  schon  bei  unseren  Dis- 
kussionen in  verschiedenem  Sinne  beantwortet  worden  ist.    Dann  heisst  es. 


L.  Hiltner,  Über  Keimprüfungen.  321 

die  Vorquellung  wird  empfohlen,  während  sie  früher  vorgeschrieben 
Avar.  Die  blosse  Empfehlung  scheint  mir  sehr  bedenklich;  denn  es 
kann  nun  jeder  tun,  was  er  will. 

Weiter  finden  sich  genaue  Angaben  darüber,  an  welchem  Tage 
die  Keimiingsonergie  bestimmt  werden  soll.  Die  Höhe  derselben 
wird  aber  meist  ganz  verschieden  ausfallen,  je  nachdem  man  den  Samen 
vorgequellt  hat  oder  nicht  —  also  entweder  das  eine  oder  das  andere 
oder  eine  bestimmte  Angabe  der  Bedingungen,  unter  welchen  die 
Keimungsenergie  festzustellen  ist. 

Was  das  Keimbett  anbetrifft,  so  heisst  es:  „Die  Art  des  Keim- 
beites  ist  von  geringerer  Bedeutung,  als  dass  die  angesetzten  Körner 
den  wirklichen  Durchschnittscharakter  der  Probe  darstellen,  voraus- 
gesetzt, dass  Wärme,  Feuchtigkeit  und  Luftzutritt  gut  geregelt  werden. 
In  erster  Linie  wird  ein  starkes,  zuvor  sterilisiertes  Fliesspapier  emp- 
fohlen, ferner  Sand;  auch  sterilisierte  Tonapparate  sind  zulässig."  Ich 
habe  im  Jahre  1895  im  Auftrage  des  Sächsischen  Miuisteriums  fast  alle 
deutschen  Samenkontrollstationen,  auch  einige  auswärtige  Stationen  zu 
besuchen  Gelegenheit  gehabt  und  habe  gefunden,  dass  trotz  der  tech- 
nischen Vorschriften  nicht  nur  die  darin  erwähnten  Substrate,  sondern 
noch  verschiedene  andere  in  Gebrauch  waren.  Der  eine  hat  besondere 
Vorliebe  für  Leinwand,  der  andere  für  Fliesspapier,  der  dritte  für  Sand, 
ein  vierter  für  Torf.  Der  Sand,  den  ich  fand,  war  entweder  reiner 
weisser  Sand  von  verschiedener  Grobkörnigkeit  oder  gelber  eisenhaltiger 
Sand  und  dergleichen  mehr.  So  weit,  wie  es  hier  ausgedrückt  ist:  „Die 
Art  des  Keimbetts  ist  von  geringerer  Bedeutung",  darf  man  nicht  gehen. 
Ich  will  nur  erinnern  an  eine  Veröffentlichung  von  mir.  in  der  ich,  wie 
ich  glaube,  ziemlich  einwandsfrei  nachgewiesen  habe,  dass  bei  gewissen 
Samen,  z.  B.  Lupinensamen,  das  Resultat  ganz  verschieden  ausfallen 
kann,  je  nachdem  man  das  eine  oder  das  andere  Keimbett  benutzt.  Die 
Vorquellung  kann  im  allgemeinen  nur  in  Betracht  kommen,  wenn  man 
ein  an  sich  nicht  zu  feuchtes  Keimbett  hat;  das  Resultat  wird  unter 
Umständen  ganz  verschieden  ausfallen,  je  nachdem  man  die  vorgequellten 
Samen  in  den  feuchten  Sand  hineinsteckt  oder  obenauf  liegen  lässt. 
E'as    sind   alles  Fragen,    die   noch   gründlicher  Durcharbeitung  bedürfen. 

Hinsichtlich  der  Feuchtigkeit  des  Keimbetts  heisst  es  in  den 
Vorschriften:  „Das  Fliesspapier  und  der  Sand  werden  mit  60°/o 
der  wasserhaltenden  Kraft  des  Materials  befeuchtet."  Da  muss  ich  auch 
sagen,  ich  weiss  nicht  recht,  auf  Grund  welcher  Versuche  man  gerade 
60%  für  richtig  hält.  Mir  scheint,  dass  dabei  die  Art  des  Sub- 
strates doch  sehr  zu  berücksichtigen  ist.  Es  handelt  sich  doch  auch 
nicht  nur  um  die  wasserhaltende  Kraft,    sondern  auch  darum,    wie  das 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  21 


322       Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

'betreffende  Medium  das  Wasser  wieder  abgibt.  Versuche,  die  ich  dar- 
über angestellt  habe,  ergaben,  was  ja  ohnehin  bekannt  ist,  dass  sich  z.  B. 
Torf,  Sand  oder  Fliesspapier,  dem  60*^/0  Wasser  hinzugesetzt  werden, 
in  dieser  Richtung  sehr  verschieden  verhalten. 

Die  Temperatur  des  Keimbetts  ist  von  ganz  besonders  starkem 
Einfluss.  Um  möglichst  einheitliche  Resultate  zu  erzielen,  wurde  für 
alle  Stationen  vorgeschrieben  —  und  man  hat  sich  auch  überall  darauf 
eingerichtet  — ,  dass  eine  möglichst  konstante  Temperatur  von  20^  C 
zur  Anwendung  gelange.  Später,  als  man  dann  feststellte,  dass  sehr 
viel  Samen,  namentlich  viele  Gräser,  auf  eine  intermittierende  Wärme 
reagieren,  hat  man  entsprechende  Einrichtungen  getroffen,  z.  B.  in 
Wien,  wo  sämtliche  Samen  intermittiert  werden  zwischen  20°  und  30° 
oder  an  den  deutschen  Stationen,  wo  nur  die  in  den  Vorschriften 
ausdrücklich  genannten  Samen,  gewisse  Gräser,  Rüben,  einige  Koniferen, 
intermittiert  werden.  In  dieser  Richtung  ist  ja  vielleicht  allzu  viel  Neues 
nicht  anzuregen.  Es  wäre  höchstens  darauf  hinzuweisen,  dass  neuer- 
dings bei  einigen  Samen,  z.  B.  bei  Phacelia-Samen,  festgestellt  worden 
ist,  dass  bei  ihnen  eine  höhere  Keimziffer  erzielt  werden  kann,  wenn 
man  nicht  von  20°  nach  oben,  sondern  nach  unten  intermittiert. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  u.  a.  auch  manche  Koniferensamen 
sieh  in  ähnlicher  Weise  verhalten,  so  dass  ich  anregen  möchte,  dass 
weitere  Versuche  nach  dieser  Richtung  durchgeführt  werden. 

Dann  kommt  die  Belichtung  des  Keimbetts.  Da  heisst  es  in 
den  Vorschriften:  „Die  Keimkraftprüfungen  werden  unter  Ausschluss 
künstlicher  Belichtung  ausgeführt."  Diese  Bestimmung  muss  um  so 
mehr  auffallen,  als  in  Zürich  und,  so  weit  ich  orientiert  bin,  auch  an 
allen  nordischen  Samenkontrollstationen  gerade  der  Belichtung  ebenfalls 
sehr  grosse  Bedeutung  beigelegt  wird.  Wir  haben  die  Frage,  welchen 
Einfluss  die  Belichtung  auf  die  Keimung  namentlich  gewisser  Gras- 
sämereien ausübt,  seitdem  ich  in  München  bin,  experimentell  geprüft 
und  dabei  gefunden,  dass  das  Licht  auf  die  Keimung  mancher  Gras- 
samen einen  äusserst  günstigen  Einfluss  ausübt,  der  nicht  in  allen 
Fällen  durch  die  intermittierende  Erwärmung  ersetzt  werden  kann  und 
der  infolgedessen  nach  meinem  Dafürhalten,  die  grösste  Beachtung  der 
deutschen  Kontrollstationen  verdient.  Wir  haben  sogar  die  Beobachtung 
gemacht,  dass  ein  und  dieselbe  Art  von  Samen,  z.  B.  Knaulgras,  je 
nach  der  Herkunft  gegen  die  Belichtung  verschieden  reagiert.  Neusee- 
ländisches Knaulgras  verhielt  sich  bei  wiederholten  Versuchen  anders  als 
solches  europäischer  Herkunft.  p]s  würde  mich  sehr  interessieren,  von 
unserem  Kollegen  Stehler,  der  gerade  auf  diesem  Gebiete  reiche  Er- 
fahrungen besitzt,  zu  hören,  ob  sich  diese  Beobachtungen  mit  den  seinigen 


L.  Miltner,  Über  Keimprüfungen.  323 

decken.  Die  Zahl  der  von  uns  in  dieser  Beziehung  geprüften  Proben 
war  vielleicht  zu  gering,  als  dass  man  allgemeine  Schlüsse  aus  den 
Beobachtungen  ziehen  könnte,  aber  die  Beobachtungen  selbst  sind  sicher 
richtig. 

Dann  finden  wir  Angaben  über  die  Zeitdauer  des  Keimver- 
suchs. Es  wird  genau  angegeben,  bei  diesen  Samenarten  hat  der 
Keimversuch  10  Tage,  bei  jenen  14  Tage  usw.  anzudauern.  Die  längste 
Keimdauer  beträgt  42  Tage.  Hier  möchte  ich  mich  darauf  beschränken, 
■auf  meine  Veröffentlichungen  überLeguminosensamen  hinzuweisen,  und  ganz 
entschieden  betonen,  dass  ich  es  auch  jetzt  noch  für  unrichtig  halte,  wenn 
angegeben  wird,  der  Keimversuch  bei  Wicken  und  ähnlichen  Arten  sei 
nach  10  Tagen  abzuschliessen.  Es  ist  bei  der  meist  grossen  Hart- 
schaligkeit  vieler  dieser  Samen  keine  seltene  Erscheinung,  dass  die 
Keimung  erst  gegen  den  10.  Keimungstag  richtig  einzusetzen  beginnt, 
dann  aber  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit,  spätetens  in  3  —  4  Wochen, 
der  Hauptsache  nach  beendigt  ist.  Ich  erinnere  mich  an  Fälle,  wo 
Lathyrus-  und  Wickensamen,  bei  denen  der  Keimschluss  am  10.  Tage 
erfolgte,  als  zu  15 — 20°/o  keimfähig  angegeben  wurden,  während  bei 
Ausdehnung  des  Versuchs  auf  4  Wochen  80 — 90 "/o  der  Samen  normal 
keimten.  Bei  Ahorn-  und  anderen  forstlichen  Samen,  für  die  eine 
28-tägige  Keimdauer  vorgeschrieben  ist,  keimt  innerhalb  dieser  Zeit  oft 
nicht  ein  einziges  Korn  aus.  Hier  darf  doch  nicht  unberücksichtigt 
bleiben,  was  uns  schon  in  der  Natur  auffällig  genug  entgegentritt,  dass 
viele  solcher  Samen  nur  zu  bestimmten  Jahreszeiten  ihr  Keimungs- 
maximum entwickeln.  Durch  Nichtberücksichtigung  dieser  Verhältnisse 
ist  es  schon  vorgekommen,  dass  die  Keimfähigkeit  ganz  gesunder  Baum- 
samen von  Samenkontrollstationen  gleich  0  angegeben  wurde. 

Die  eben  besprochenen  Fragen,  die  sich  auf  die  Zeitdauer  des 
Keimversuches,  die  Bestimmung  der  Keimungsenergie  usw.  beziehen, 
leiten  bereits  zum  zweiten  Teil  dessen,  was  ich  zu  sagen  wünsche, 
über,  nämlich  zu  der  Frage,  worauf  wir  während  des  Keimungsver- 
suches achten  sollen.  Meine  Herren!  Was  zunächst  die  Keimungs- 
■energie  anbelangt,  so  wird  niemand  leugnen,  dass  diese  für  be- 
stimmte Samen  eine  ganz  besondere  Bedeutung  besitzt.  Ich  brauche 
nur  auf  die  Braugerste  zu  verweisen,  für  welche  sie  eines  der  wert- 
vollsten und  wichtigsten  Momente  darstellt,  Dass  die  Energie  der 
Keimung,  wenn  sie  zur  Beurteilung  von  zur  Saat  bestimmten  Samen  her- 
angezogen werden  soll,  in  bezug  auf  Vorquellung  und  unter  bestimmten 
Bedingungen  festgestellt  werden  muss,  habe  ich  schon  erwähnt. 

Ich  glaube  nun,  dass  wir  der  Ermittelung  der  Keimungsenergie 
eine  weitergehende  Bedeutung   beilegen   müssen,    als  es  gewöhnlich  ge- 

21* 


324        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  l'ür  Samenprüfung. 

schiebt.  Sie  wissen  vielleicht  aus  meinen  Veröffentlichungen,  dass  ich 
den  Schwerpunkt  des  Keimversuches  gelegt  sehen  möchte  darauf,  dass 
man  ihn  benutzt,  um  über  den  Zustand  der  Samen  möglichst  Ge- 
wissheit zu  erlangen.  Gerade  die  Keimungsenergic  gibt  uns  aber  in  dieser 
Beziehung  besonders  wertvolle  Aufschlüsse.  Es  ist  gestern  in  einer  anderen 
Sitzung  bereits  darauf  hingewiesen  worden,  dass  Rübensamen  zur  Zeit 
der  Ernte  sehr  häufig  noch  nicht  vollständig  ausgereift  sind  und  des- 
halb mangelhaft  und  langsam  keimen,  also  mit  anderen  Worten  eine 
geringere  Keimungsenergie  besitzen.  In  der  Diskussion  habe  ich  darauf 
hingewiesen,  dass  dies  einen  extremen  Zustand  darstelle,  dem  ein  anderer, 
nämlich  der  Zustand  der  Überreife  als  das  andere  Extrem  gegenüber- 
stehe. Auch  dieses  letztere  ist  durch  eine  geringe  Keimungsenergie, 
gleichzeitig  aber  durch  Hartschaligkeit  der  Samen,  die  eben  die  langsame 
Keimung  bedingt,  gekennzeichnet.  Die  Ermittelung  der  Energie  wird, 
vorausgesetzt,  dass  sie  nicht  lediglich  zahlenmässig  erfolgt,  sondern  unter 
Berücksichtigung  der  L^sachen  einer  etwa  sich  zeigenden  langsamen 
Keimung,  über  den  Zustand  der  Samen  erst  genügenden  Aufschluss 
geben.  Ganz  ähnliche  Dinge  kennen  wir  von  den  Getreidefrüchten. 
Wir  wissen,  dass  die  Getreidearten  in  unseren  Breiten  meistens  zur  Zeit 
der  Erntereife  noch  nicht  vollständig  keimreif  sind,  dass  namentlich 
Weizen  und  Gerste  oft  ausserordentlich  zögernd  keimen,  also  eine  ge- 
ringe Keimungsonergie  besitzen,  und  sehr  oft  selbst  in  10  Tagen  noch 
nicht  ausgekeimt  sind,  während  bei  wirklich  keimreifem  Getreide  in 
spätestens  5-6  Tagen  der  Keimversuch  abgeschlossen  werden  kann. 
Derartige  der  Nachreife  bedürftige  Samen  keimen,  wie  ich  festgestellt 
habe,  binnen  2 — 3  Tagen,  wenn  man  sie  anschneidet  oder  ansticht  und 
dadurch  dem  Wasser  imd  der  Luft  den  Zutritt  in  das  Sameninnere  ge- 
stattet. Ähnliche  Verhältnisse  haben  wir  neuerdings  bei  Grassamen 
feststellen  können,  für  die  ebenfalls  die  Tatsache  feststeht,  dass  sie  un- 
mittelbar nach  der  Ernte  viel  zögernder  keimen,  als  wenn  sie  längere 
Zeit  gelagert  haben.  Samen  von  Ghjccr'ia  ((quaficc  z.  B.  gaben  un- 
mittelbar nach  der  Ernte  im  Keimbett  in  6  Tagen  bei  konstant  20*^  C 
5°/o,  bei  abwechselnder  Temperatur  19%.  Drei  Monate  später  haben 
dieselben  Samen,  nachdem  sie  inzwischen  trocken  aufbewahrt  worden 
waren,  in  6  Tagen,  also  in  derselben  Zeit  und  unter  denselben  Be- 
dingungen, 73*^/0  und  94°/o  Keimlinge  ergeben.  Schon  hieraus  ist  zu  er- 
sehen, dass  bei  derartigen  Samen  auch  die  zu  erreichende  Keimziffer 
keine  mathematisch  feststehende  Zahl  ist,  sondern  fluktuierende  Eigen- 
schaften besitzt.  Das  wird  noch  vorstärkt  dadurch,  dass  wir  mitÄnderungen 
der  Keimfähigkeit  zu  rechnen  hal)en,  die  beim  Lagern  der  Samen  ein- 
treten.     Bei    den  Koniferensamen   und  verschiedenen  anderen  Arten  is^. 


L.  Hiltnei-,  Über  Keimprüfungen.  325 

mit  Sicherheit  festgestellt,  dass  bei  ihnen  nach  längerem  Lagern  ein 
Rückgang  in  der  Keimungsenergie  eintritt.  Für  Erbsen-  und  Lupinen- 
samen und  für  verschiedene  Leguminosen  konnte  ich  ferner  nachweisen, 
dass  nach  längerer  Lagerung  nicht  nur  unter  Umständen  ein  Rückgang 
in  der  Keimungsenergie,  sondern  mehr  noch  ein  Rückgang  an  Eigen- 
schaften eintritt,  die  ich  in  der  betreffenden  Veröffentlichung  der  Ein- 
fachheit halber  als  Lebenskraft  bezeichnete.  Dieser  Rückgang  kann 
schneller  vor  sich  gehen,  als  jener  der  eigenthchen  Keimfähigkeit.  So 
sind  Erbsensamen,  um  nur  eines  der  von  mir  angegebenen  Beispiele 
anzuführen,  die  unter  den  günstigen  Bedingungen  des  Keimbettes  zu 
95°/o  keimten,  ausgesät  ins  Freie  nur  zu  5°/o  aufgelaufen,  während 
eine  Vergleichsprobe,  die  im  Keimbett  dieselbe  Ziffer  ergab,  im  Freien 
über  90°/o  Keimlinge  hervorbrachte.  Hier  hat  bei  der  ersten  Probe 
die  Keimzahl  getäuscht  über  den  wirklichen  Zustand.  Deswegen  meine 
ich,  dass  die  Samenkontrollstationen,  wenigstens  in  jenen  Fällen,  wo 
sie  über  den  Zustand,  die  Beschaffenheit  der  Samenkörner  irgend  einen 
Zweifel  haben,  wo  es  sich  um  einen  Prozess  handelt  oder  Beobachtungen 
vorliegen,  dass  die  Sarrlen  schlecht  aufgelaufen  sind  u.  dgl.,  sich  nicht 
darauf  beschränken  dürfen,  die  Samen  nur  zu  prüfen  unter  den 
günstigsten  Bedingungen,  sondern  dass  diese  gleichzeitig  absichtlich 
Bedingungen  ausgesetzt  werden  müssen,  die  eine  Verzögerung  der 
Keimung  veranlassen,  Bedingungen,  die  es  bewirken,  dass  die  be- 
treffenden Samen  ihren  eigentlichen  Zustand  erst  richtig  enthüllen.  Das 
haben  wir  in  München  durchgeführt,  indem  wir  die  Zufuhr  des  Wassers 
zu  den  keimenden  Samen  möglichst  beschränken.  Dabei  konnten  wir 
schon  wiederholt  Eigenschaften  an  dem  Samen  feststellen,  die  uns  sonst 
vollständig  entgangen  wären.  So  ist  z.  B.  im  vorigen  Herbste  die  Klage 
eingegangen,  dass  eine  Sorte  Getreide,  die  bei  den  vergleichenden  An- 
bauversuchen der  Deutschen  Landwirtschafts-Gesellschaft  verwendet  wurde, 
auf  verschiedenem  Boden  —  nicht  in  allen  Fällen  —  sehr  schlecht  aufge- 
laufen sei.  Die  Keimfähigkeitsprüfung  war  in  Halle  ausgeführt  worden  und 
hatte  nicht  den  geringsten  Anlass  zu  Bedenken  gegeben;  ich  glaube, 
es  waren  97 — 98°/o  Keimfähigkeit  festgestellt;  als  die  Prüfung  bei  uns 
unter  normalen  Bedingungen  wiederholt  wurde,  hat  sie  dieses  Ergebnis 
vollständig  bestätigt.  Nachdem  wir  aber  erfahren  hatten,  dass  diese 
Saat  vielfach  schlecht  aufgelaufen  sei  —  vielleicht  in  der  Hälfte  der  Fälle  — , 
haben  wir  sie  im  Vergleich  mit  anderen  Proben  der  verzögerten  Keimung 
ausgesetzt  und  dabei  zeigte  sich  sofort,  dass  sie  nicht  normal  war. 
Während  die  Vergleichsprobe  unter  den  ungünstigen  Bedingungen  nur 
zögernd  keimte,  schliesslich  aber  die  vollen  Keimprozente  ergab,  trat 
bei   der  verdächtigen  Probe  bei  60 — 70 "/o  ein  Stillstand  ein.     Der  Rest 


326        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konfei'enz  für  Samenprüfung. 

verpilzte.  In  solchen  Fällen  ist  es  also  nicht  richtig,  ausschliesslich 
die  günstigsten  Bedingungen  für  die  Keimung  zu  wählen.  In  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  wird  es  ja  unsere  Aufgabe  sein  müssen,  festzustellen, 
zu  wieviel  Prozent  eine  Saat  unter  den  günstigsten  Bedingungen  keimt;  die 
verzögernde  Keimung  soll  nur  im  Vergleich  dazu  und  wo  eine  besondere 
Veranlassung  vorliegt,  ausgeführt  werden. 

Das  Bestreben,  eine  möglichst  bestimmte  Zahl  für  die  Keimfähigkeit 
zu  gewinnen,  hat  auch  zu  dem  immer  noch  andauernden  Streit  geführt, 
ob  man  in  die  Keimfähigkeitsziffer  die  hartschahgen  Körner  der  Legu- 
minosen einrechnen  soll,  und  ob  tmd  wie  man  bei  der  Schnittprobe  von 
Koniferen-,  Rübensamen  und  dgl.  die  frisch  gebliebenen  Samen  berück- 
sichtigen müsse.  Ich  stehe  auf  dem  Standpunkte,  dass  wir  eigentlich 
lediglich  Tatsachen  festzustellen  haben.  Ich  bin  daher  ein  Gegner  einer 
derartigen  Einrechnung.  Der  Grad  der  Hartschaligkeit  ist  in  den  ein- 
zelnen Jahrgängen  verschieden;  er  wechselt  bei  den  verschiedenen  Saaten 
einer  bestimmten  Pflanzenart,  und  noch  mehr  Unterschiede  zeigt  er, 
wenn  wir  verschiedene  Samenarten  miteinander  vergleichen.  Z)ie  Ein- 
rechnung läuft  immer  auf  das  Bestreben  hinaus,  den  Wert  einer  Saat 
durch  eine  bestimmte  Zahl  auszudrücken. 

Wenn  wir  uns  aber  vergegenwärtigen,  wie  viele  Faktoren  bei  der 
Keimung  der  Samen  in  Betracht  kommen,  wie  verschieden  die  Keim- 
ziffern oft  ausfallen  können  je  nach  dem  Grade  der  Feuchtigkeit 
und  der  Temperatur,  je  nach  der  Art  des  Keimmediums  und  der 
Art  und  der  Menge  des  verwendeten  Wassers,  je  nachdem  der  Keim- 
prozess  im  Dunkeln  oder  im  Licht  sich  vollzieht;  wenn  wir  ferner  be- 
rücksichtigen, wie  verschieden  die  einzelnen  Samenarten  selbst  sich 
verhalten  und  wie  die  Eigenschaften  einzelner  Posten  Wandlungen  durch 
die  Einflüsse  des  Lagerns,  durch  die  Einwirkung  von  Organismen  er- 
fahren: so  müssen  wir  immer  mehr  zu  der  Überzeugung  kommen,  dass 
es  unter  Umständen  unmöglich  ist,  sagen  zu  wollen,  ein  bestimmtes 
Saatgut  besässe  diese  oder  jene  zahlenmässig  scharf  fixierte  Keim- 
fähigkeit. So  sehr  zu  berücksichtigen  ist,  dass  der  ganze  Samenhandet 
sich  leichter  vollzieht,  wenn  die  Eigenschaften  der  Samen  durch  be- 
stimmte Zahlen  ausgedrückt  werden,  so  sehr  ich  selbst  zugebe,  dass 
mit  allgemeinen  Bezeichnungen  wie  „gesund",  „frisch",  „letzte  Ernte" 
und  dgl,  keine  Grundlage  für  genügende  Ersatzansprüche  geboten  werden 
kann,  und  so  sehr  ich  es  demnach  für  unumgänglich  notwendig  halte, 
dass  wir  auch  in  Zukunft  die  Eigenschaften  der  Samen  so  weit  als 
möglich  zahlenmässig  zu  bestimmen  suchen,  so  möchte  ich  doch  davor 
warnen,  dass  wir  diese  Zahlen  mindestens  —  soweit  es  sich  um  Keim- 
fähigkeitsziffern handelt  —  als  allzu  bestimmte  auffassen  und  dass  wir 


L.  Hiltner,  Über  Keimprüfangen.  327 

uns  etwa  bei  unseren  jetzigen  und  künftigen  Verhandlungen  als  haupt- 
sächliches und  wünschenswertestes  Ziel  jenes  setzen,  zu  ermitteln,  wie 
es  möghch  ist,  die  sogenannten  Fehler  der  Keimprüfungen  tunlichst  zu 
vermeiden,  damit  bei  Prüfung  an  verschiedenen  Stellen  gleiche  Samen- 
posten auch  gleiche  Ziffern  ergeben.  Durch  allzu  scharfe  Forderung 
zahlenmässiger  und  möglichst  genauer  Feststellung  der  Keimfähigkeit 
ist  der  Schwerpunkt  der  ganzen  Frage  in  der  letzten  Zeit  immer  mehr 
nach  der  mathematischen  Seite  gerückt.  So  sehr  ich  nun  die  Fortschritte 
anerkenne,  die  zweifellos  in  der  Methodik  und  in  der  Beurteilung  der 
ganzen  Verhältnisse  erzielt  worden  sind,  dadurch,  dass  die  Alathematik 
und  besonders  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  herangezogen  wurden, 
so  bin  ich  doch  anderseits  der  Meinung,  dass  man  damit  nicht  ins 
Extrem  verfallen  darf.  Es  wäre  ja  auch  sehr  bequem  und  jenen,  die 
alles  in  richtige  Kategorien  bringen  wollen,  jedenfalls  sehr  wünschens- 
wert, etwa  aach  die  einzelnen  Menschen  je  nach  ihren  körperlichen  und 
geistigen  Qualitäten  ziffernmässig  zu  qualifizieren  und  eventuell  zu  plom- 
)>ieren.  Niemand  wird  das  für  möglich  halten.  Wie  jemand  von  seinen 
Bewunderern  vielleicht  zu  den  erstklassigen  Menschen  gerechnet  oder, 
um  in  unserer  Ausdrucks  weise  zu  bleiben,  zu  95 — 100 ''/o  gewertet  wird, 
während  er  nach  der  Meinung  anderer  eher  in  jene  Kategorien  gehört,  wo 
die  grossen  Latitüden  zur  Geltung  kommen  [grosse  Heiterkeit],  so  kann 
auch  das  Urteil  über  ein  Saatgut,  dessen  Eigenschaften  ja  nicht  bloss 
in  der  Keimfähigkeit  und  Reinheit  bestehen,  sehr  verschieden  sein. 
Unsere  Landwirte  haben  sich  aber  durch  aüzu  scharfe  Hervorhebung  der 
Forderung  der  zahlenmässigen  Garantie  der  Keimfähigkeit  entschieden 
daran  gewöhnt,  z.  B.  von  zwei  Kleesaatproben;  die  zu  95  resp.  Sö^Jq 
keimen,  ohne  weiteres  die  erstere  vorzuziehen.  Wir  wissen  alle,  dass 
das  ein  Fehler  ist,  wenn  wir  nicht  auch  die  übrigen  Eigenschaften  der 
Saatware  mit  berücksichtigen,  aber  dem  Landwirt  ist  dies  nicht  immer 
bekannt.  Wir  haben  in  diesem  Jahre  in  Bayern  die  Bildung  einer  Ge- 
nossenschaft angeregt  zur  Züchtung  der  fränkischen  Luzerne,  die  dort, 
wo  sie  in  ihrer  ursprünglichen  Sortenreinheit  geboten  wird,  wirklich 
den  Namen  „ewiger  Klee"  verdient,  weil  sie  2U — 30  Jahre  ausdauert, 
während  alle  fremden  Sorten  meist  schon  nach  wenigen  Jahren  wieder 
verschwinden.  Zu  vergleichenden  Versuchen,  die  wir  im  Frühjahr  1906 
begannen,  haben  wir  vom  Produzenten  selbst  derartige  fränkische  Lu- 
zerne, die  leider  noch  nicht  in  grossen  Mengen  zur  Verfügung  steht, 
bezogen  und  bei  der  Keimprüfung  zu  unserer  Überraschung  wahrnehmen 
müssen,  dass  sie  zu  50 — 60°/o  hartschalig  war.  Ich  bin  überzeugt, 
dass,  wenn  eine  derartige  Luzerneprobe  nur  eine  zahlenmässige  Be- 
urteilung   fände,    jede    Samenkontrollstation    vor    ihrem  Ankauf  warnen 


328        Verhandlungeu  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

würde.  Unsere  Feldversuche  lassen  al)er  jetzt  schon  unzweifelhaft  er- 
kennen, dass  diese  Luzerne  trotz  ihres  wegen  grosser  Hartschaligkeit 
mangelhaften  Keimvermögens  allen  anderen  im  Vergleich  mitgeprüften 
Luzernesorten  von  oft  prächtigem  Aussehen  und  hervorragender 
Keimfähigkeit  des  Saatgutes  wesenthch  überlegen  ist. 

Grosse  Differenzen  sind  auch  verursacht  worden  durch  die  ver- 
schiedene Beurteilung  der  durch  Drusch-  oder  Ritzmaschinen  verletzten 
Körner  bei  Klee.  Solche  Körner  ganz  auszuschalten,  also  sie  nicht  in 
das  Keimprozent  mit  einzurechnen,  halte  ich  für  nicht  minder  verfehlt, 
als  bei  ihnen  durch  längeres  Liegenlassen  im  Keimbett  feststellen  zu 
wollen,  ob  man  sie  als  keimfähig  mitrechnen  darf  oder  nicht.  Ich 
möchte  hier  erinnern  an  einen  Versuch,  den  ich  mit  Gelbklee  ausgeführt 
und  beschrieben  habe,  der  im  Keimbett  etwa  25°/o  Druschkörner  auf- 
wies. Bei  der  Aussaat  in  Erde  sind  die  meisten  dieser  Körner  auf- 
gelaufen und  haben  sich  schliesslich  zu  normalen  Pflänzchen  entwickelt. 
Am  hypokotylen  Glied  war  noch  deutlich  die  Überwallung  einer  Wunde 
wahrzunehmen;  vielfach  fehlte  auch  das  eine  Keimblatt  oder  gar  die  beiden 
Kotyledonarblätter.  Es  wird  von  Bodenart,  Witterung  und  anderen  Verhält- 
nissen, auch  von  der  Intensität  der  Druschverletzung  abhängig  sein,  ob  aus 
derartigen  Körnern  hervorgehende  Keimlinge  sich  weiter  entwickeln. 
Jedenfalls  aber  sind  in  dieser  Beziehung  die  Verhältnisse  im  Keimbett 
sogar  weit  ungünstiger,  als  im  Boden,  wo  die  bald  assimilierenden 
Pflänzchen    eher    die  Möglichkeit    besitzen,    die  Verletzung    auszuheilen. 

Meine  Herren !  Die  Zeit  ist  zu  weit  vorgeschritten,  ich  will  schUessen. 
Sie  sehen,  viel  Neues  konnte  ich  Ihnen  nicht  bieten,  wohl  auer  dartun, 
welche  Schwierigkeiten  hoch  zu  überwinden  sind,  bis  wir  so  weit  kommen, 
dass  internationale  Vereinbarungen  über  gewisse  Methoden  getroffen 
werden  können.  So  erstrebenswert  dies  an  und  für  sich  ist.  so  sehr 
von  manchen  Seiten  der  Wunsch  ausgedrückt  ist,  wir  sollten  uns  doch 
auf  gewisse  Methoden  einigen,  so  sehr  möchte  ich  davor  warnen,  schon 
jetzt  dahingehende  Beschlüsse  zu  fassen.  Ich  gehe  so  weit,  zu  be- 
haupten, dass  wir  schliesslich  für  jede  Samenart  genaue  Vorschritten 
haben  müssen;  ich  glaube  sogar,  dass  Saaten  derselben  Samenart  sich 
sehr  verschieden  verhalten,  je  nach  ihrer  Provenienz  und  je  nach  dem 
Jahrgang,  so  dass,  wenn  wir  etwa  heute  beschliessen  würden,  wir 
gehen  bei  dieser  Samenart  so,  bei  jener  anders  vor,  wir  schon  nach 
wenigen  Jahren  gezwungen  wären,  viele  Vorschriften  wieder  abzuändern. 
Ich  würde  es  als  einen  wesentlichen  Erfolg  unseres  Kongresses  be- 
trachten, wenn  wir  uns  darüber  verständigen  und  einig  zeigen  würden, 
dass  wir  uns  von  allen  schablonenmässigen  Angaben,  die  sich  unter- 
schiedslos   auf    alle    Samenarten    beziehen,    mögUchst    losmachen,    dass 


Diskussion:  Keimprüfungen.  329 

wir  zusammenarbeitend  uns  bestreben,  die  Eigenschaften  der  einzelnen 
Samenarten  näher  zu  studieren,  soweit  sie  für  die  Samenkontrolle  in 
Betracht  kommen,  mnd  dass  wir  später  neue  Vorschriften  für  die  ein- 
zelnen Samenarten  ausarbeiten,  in  denen  alle  ermittelten  Eigenschaften 
derselben  entsprechende  Berücksichtigung  finden.  Ich  persönlich  erkläre 
mich  gern  bereit,  mit  Kollegen  aus  anderen  Ländern  Erfahrungen  aus- 
zutauschen, und  ich  würde  es  begrüssen,  wenn  die  übrigen  Stationen 
diesem  Beispiele  folgen  würden. 


Vorsitzender:  Der  Vortrag  ist  an  Anregungen  so  ausserordentlich 
reich  gewesen,  dass  wir  nicht  hoffen  können,  eine  Diskussion  heute  zu 
Ende  zu  führen.  Ich  möchte  an  die  geehrte  Versammlung  die  Frage 
richten,  ob  wir  heute  überhaupt  noch  in  eine  Diskussion  eintreten  oder 
diese  auf  morgen  verschieben  wollen  (Zurufe).  Es  scheint  das  letztere 
gewünscht  zu  werden. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien :  Ich  möchte  selbstverständlich  auch 
den  Vorschlag  unterstützen,  die  Diskussion  auf  morgen  zu  verschieben; 
ich  weiss  aber  nicht,  ob  wir  morgen  in  der  Lage  sein  werden,  über 
•die  vielen  anregenden  Punkte,  welche  der  Vortrag  enthielt,  uns  aus- 
zusprechen. Ich  will  freilich  den  morgigen  Verhandlungen  nicht  vor- 
greifen, ich  will  auch  nicht,  wie  aus  den  verschiedenen  Mienen  zu 
ersehen  ist,  Ihnen  den  Vorschlag  bezüglich  Einsetzung  eines  Ausschusses 
machen,  aber  wir  werden  für  einzelne  Fragen  besonders  Herren  des 
Verbandes,  die  sich  bisher  mit  den  einschlägigen  Fragen  beschäftigt 
haben,  bitten  müssen,  in  den  Ausschuss  einzutreten  und  diese  Fragen 
dort  zu  behandeln.  Wir  werden  morgen  in  geschäftlicher  Hinsicht  jedenfalls 
sehr  wichtige  Fragen  zu  erledigen  haben ;  wir  müssen  den  internationalen 
Verband  organisieren,  wir  müssen  an  die  Wahl  des  Ausschusses  gehen;  wir 
müssten  bei  der  Gelegenheit  über  die  Gegenstände  uns  orientieren,  welche 
von  den  einzelnen  Kollegen  bearbeitet  werden  sollen.  Einige  Herren,  die 
leider  in  diesem  Jahre  verhindert  sind,  an  unseren  Verhandlungen  teil- 
zunehmen, müssen  wir  auch  noch  hinzuziehen.  Ich  glaube,  dass  vielleicht 
mein  Antrag  angebracht  wäre,  dass  wir  die  Frage  der  Keimprüfung 
einem  Spezialausschusse,  dem  Keimprüfungsausschusse  des  internationalen 
Verbandes,  zuweisen  mit  den  Anregungen,  die  Kollege  Hiltner  gegeben 
hat,  so  dass  wir  von  der  so  sehr  befürchteten  Ausdehnung  der  Dis- 
kussion abkommen  und  vielleicht  ein  rein  geschäftliches  Programm  für 
die  Sitzung  morgen  feststellen. 

Prof.  Dr.  Voigt-Hamburg:  Ich  möchte  auf  einen  Vorschlag  zurück- 
kommen, den  Herr  Professor  Zacharias  in  der  ersten  Sitzung  gemacht 


330       Verhandlungen  der  [.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

hat.  Die  Hamburger  Oberschulbehörde  ist  so  liebenswürdig  gewesen, 
uns  heute  abend  Gelegenheit  zu  einem  gemütlichen  Essen  zu  bieten. 
Vielleicht  ist  es  hinterher  möglich,  dass  die  massgebenden  Herren  posi- 
tive Vorschläge  tür  morgen  proponieren.  Ich  glaube,  dass  es  sicher 
am  praktischsten  ist,  wenn  wir  im  Kreise  einiger  Herren  die  Vor- 
schläge  formulieren    und   mit  diesen   an   die  Versammlung   herantreten. 

Referent  Dr.  Hiltner:  Ich  möchte  das  auch  unterstützen.  Da 
morgen  unser  letzter  Verhandlungstag  ist,  muss  es  unser  Bestreben  sein, 
die  wichtigsten  Dinge  zu  erledigen  und  weniger  wichtige  —  als  solche 
sehe  ich  die  Diskussion  über  den  Vortrag  an  —  hintanzuhalten.  Ander- 
seits möchte  ich  nicht  unterlassen,  meiner  Aleinung  Ausdruck  zu  geben, 
dass  wir  eine  derartige  Gelegenheit  wie  die  jetzige,  nicht  vorübergehen 
lassen  sollten,  um  gewisse  Erfahrungen,  die  die  Fachgenossen  gemacht 
haben,  kennen  zu  lernen.  Wie  ich  Herrn  Dr.  Stebler  schon  vor 
einigen  Tagen  persönlich  sagte,  sind  z.  B.  die  Methoden,  die  in  Zürich 
angewendet  werden,  so  weit  sie  überhaupt  veröffentUcht  sind,  in  der 
Literatur  so  zerstreut,  dass  es  uns  allen  nur  sehr  wünschenswert  sein 
kann,  eine  Gelegenheit,  wo  die  Herren  selbst  anwesend  sind,  wahrzu- 
nehmen, um  etwas  von  ihnen  zu  lernen. 

Vorsitzender:  Ich  würde  es  für  sehr  wünschenswert  halten, 
dass  wir  uns  morgen  noch  über  das  Referat  des  Herrn  Dr.  Hiltner 
aussprechen.  Vielleicht  können  wir  ein  Kompromiss  finden,  indem  wir 
mit  den  geschäftUchen  Verhandlungen  beginnen  und  nachher,  soweit 
Zeit  dazu  ist,  in  die  Diskussion  eintreten. 

Inspektor  A.  Lyttkeus-Stockholm:  An  die  Regierung  in  Stockholm 
ist  die  Frage  gelangt,  was  zu  tun  sei,  um  den  Samenhandel  und  den 
Samenbau  zu  verbessern.  Die  Beantwortung  der  Frage  ist  der  land- 
wirtschaftlichen Zentralverwaltung  übertragen  worden,  und  diese  hat  den 
verschiedenen  landwirtschaftlichen  Gesellschaften  Gelegenheit  gegeben,. 
sich  darüber  zu  äussern.  Da  ist  ein  Vorschlag  gemacht  worden,  über 
den  ich,  weil  er  eng  mit  der  Frage  der  Herkunft  der  Samen  zusammen- 
hängt, hier  kurz  referieren  möchte.  Es  hat  nämlich  eine  Gesellschaft 
vorgeschlagen,  um  die  Herkunft  festzustellen,  den  Samen  mit  Eosin  zu 
färben.  Wenn  der  Same  ins  Land  hineinkommt,  soll  das  Zollamt  ver- 
pflichtet sein,  eine  gewisse  Menge,  Vt'^/o  gefärbten  Samen,  darunter 
zu  mischen.  Wenn  man  diesen  Gedanken  weiter  entwickelt,  dann  kann 
man  für  jedes  Land  eine  andere  Farbe  festsetzen. 

Vorsitzender:  Ich  schHesse  die  heutige  Sitzung.  Die  nächste 
Sitzung  findet  morgen  um  9  Uhr  statt. 

Schluss  12V2  Uhr. 


Diskussion:  Keimprüfungen.  33t 


Sitzung  am  Freitag,  den  14.  September  1906, 

morgens  9  Uhr  im  Hörsaal  B  des  Johanneum.  .  • 

Vorsitz:  Professor  Dr.  Voigt-Hamburg. 

Anwesend:  Atterberg-Kalmar,  v.  Degen- Budapest,  Didrichsen^ 
Kopenhagen,  Dorph  Petersen-Kopenhagen.  Frankfurt-Kiew,  Rud. 
Fritz- Hamburg,  Hillmann-Berhn,  Hiltner-München,  Issatschenslio- 
Petersburg,  Kambersky-Troppau,  Lyttkens- Stockholm,  Qvam-Christia- 
nia.  Raatz-Kl. Wanzleben,  Rodewald-Kiel,  Simon -Dresden,  Stebler- 
Zürich,  Stöhr-Prerau,  von  Szy  szylowicz-Lemberg,  Vaüha-Brünn, 
Vitek-Prag,  Voigt-Hamburg,  Waage-Berlin,  von  Weinzierl- Wien, 
We  1  s  h  u  t -  Hamburg ,    W  i  d  e  n  -  0rebro. 

Vorsitzender:  Ich  glaube,  in  Ihrer  aller  Wunsch  zu  handeln^ 
wenn  ich  Herrn  Kollegen  Stehler  bitte,  die  Diskussion  über  Keim- 
prüfung durch  eine  kleine  Auseinandersetzung  zu  eröffnen. 

Direktor  Dr.  G.  Stebler-Zürich:  Ich  bin  gern  bereit,  diesem^ 
Wunsche  nachzukommen.  Der  Referent,  Herr  Regierungsrat  Hiltner^ 
hat  uns  gestern  die  Sache  in  ausserordentlich  schöner  und  klarer 
Weise  auseinandergesetzt,  so  dass  es  leicht  ist,  eine  Diskussion 
zu  entfalten.  Ich  bin  mit  ihm  durchaus  einverstanden  und  will  die 
einzelnen  Punkte,  die  er  berührt  hat,  kurz  durchgehen.  Ich  tue  es  an. 
der  Hand  der  Vorschriften  der  deutschen  landwirtschaftlichen  Versuchs- 
stationen. 

Hinsichtlich  der  Zahl  der  einzukeimenden  Samen  hat  es 
keinen  Zweck,  mehr  als  400  Körner  (2  mal  200  Körner)  zu 
nehmen;  ein  Doppelversuch  genügt  vollkommen.  Bei  grobkörnigen 
Samen,  z.  B.  Getreide,  Erbsen,  Wicken,  genügen  2  mal  100  Körner,, 
da  eine  grössere  Quantität  sehr  viel  Raum  beansprucht  und  diese  Samen, 
sicher  und  gleichmässig  keimen. 

Je  nachdem  der  Samen  auf  die  eine  oder  andere  Weise  keimt,  ist: 
die  Vorquellung  nötig  oder  nicht.  Eine  Vorquellung  ist  angezeigt, 
wenn  man  in  Filtrierpapier  keimen  lässt,  z.  B.  bei  Esparsette. 

Betreffs  des  Keimbettes  muss  man  individuahsieren.  Man  kann 
nicht  jeden  Samen  gleichmässig  behandeln.  Als  Keimbett  ist  die  Tonzelle 
oder  Filtrierpapier  zu  empfehlen.  Für  Kiefernsamen  hat  sich  der  Kopen-- 
hagener  Apparat  ausgezeichnet  bewährt. 

BetrefCs  der  Beleuchtung  des  Keimbettes  bin  ich  der  Meinung,, 
man  sollte  die  Keimversuche  so  weit  wie  möglich  im  Dunkeln  machen^ 
und  zwar  hat  sich  da  die  intermittierende  Erwärmung  sehr  gut  erwiesen^ 


332       Verhan<llungpn  der  I.  internationalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

Es  gibt  aber  viele  Samen,  wo  auch  bei  intermittierender  iu'wärinung 
eine  gute  Keimung  nicht  möglich  ist. 

Betreffs  der  Keimungsenergie  bin  ich  auch  der  Ansicht  wie 
der  Herr  Referent.  Die  Keimungsenergie  ist  ein  sehr  unsicherer  Wert- 
massstab, und  deshalb,  sollte  man  auf  diese  Ermittelung  keinen  so 
grossen  Wort  legen.  Es  ist  allerdings  richtig,  die  guten,  neuen 
Samen  keimen  rascher  als  die  alten  Samen,  und  da  hat  es  einiger- 
massen  einen  Wert.  Jedoch  kommt  sehr  viel  auf  die  Art  des  Keim- 
versuches an,  ob  eine  Bedingung  sehr  günstig  oder  weniger  günstig 
gewesen  ist,  so  dass  der  eine  Samen  einmal  rascher  und  das  andere 
mal  weniger  rasch  keimen  kann.  Man  sollte  sich  hauptsächlich  darauf 
beschränken,  die  Keimzahl  zu  ermitteln. 

Über  die  Dauer  des  Keimversuches  lassen  sich  strikte  Vor- 
schriften nicht  machen.  Es  gibt  Samen  von  gleicher  Art,  die  ausser- 
ordentlich langsam  keimen,  während  andere  rasch  keimen.  Wenn  man 
nun  bei  einem  langsam  keimenden  Samen  vielleicht  nach  10  Tagen  ab- 
schliessen  würde,  so  käme  die  Ware  zu  kurz.  Man  muss  beobachten, 
was  im  Keimbett  liegt,  und  wenn  noch  etwas  zu  erwarten  ist,  so  wird 
der  Versuch  fortgesetzt.  Ins  Unendliche  lassen  sich  die  Versuche  na- 
türlich nicht  ausdehnen. 

Ein  wichtiges  Moment,  das  meines  Erachtens  viel  zu  wenig  ins 
Auge  gefasst  wird,  ist  die  Sterilisierung  der  Keimapparate.  Ein 
gut  keimender  Samen  wird  auch  im  uiu-einen  Bett  ganz  gut  keimen, 
aber  um  äussere  Einflüsse  auszuschliessen,  sollte  man  darauf  dringen, 
ein  keimfreies  Keimbett  zu  beschaffen. 

ProfessorDr.RodeAvald-Kiel:  DieKeimprüfungen  sind  gewissermassen 
das  Schmerzenskind,  da  hierbei  die  grössten  Differenzen  vorkommen.  Die 
Keimfähigkeit  ist  abhängig  von  einer  Reihe  von  Bedingungen:  1.  Wärme, 
2.  Sauerstoff,  3.  Feuchtigkeit,  4.  Licht.  Ich  möchte  die  Frage  auf  werfen:  Ist 
Licht  eine  notwendige  Bedingung'?  L»ieso  Frage  müssen  wir  entscheiden, 
denn  sie  kompliziert  die  Versuchsanstellung  ganz  ungeheuer.  Die  Schwierig- 
keit der  Keimprüfung  ist  wesentlich  dadurch  bedingt,  dass  die  einzelnen 
Variablen,  von  denen  die  Keimfähigkeit  abhängig  ist,  untereinander  nicht 
unabhängig  sind.  Wenn  die  Temperatur  sich  ändert,  verändert  sich 
der  Zustand  des  Wassers.  Wir  haben  bei  dem  Wasser  mit  Dampf- 
zustand und  flüssigem  Zustand  zu  rechnen.  Wenn  wir  das  mathe- 
matisch einkleiden  wollen,  dann  können  wir  sagen:  Keimfähigkeit  ist 
eine  Funktion  von  verschiedenen  Variablen,  die  untereinander  nicht  un- 
abhängig sind.  Diese  Funktionen  lassen  sich  schwierig  behandeln. 
Immerhin  will  ich  Ihnen  zeigen,  dass  man  doch  auf  mathematischem 
Wege  von  solchen  Funktionen    einige  Angaben    machen  kann,    und  ich 


Diskussion :  Keimprüfungeu.  333 

will  gleichzeitig  diesen  Weg  benutzen,  um  den  Nachweis  zu  führen, 
dass  die  Keimung  an  sich  nicht  abhängig  sein  l\ann  vom  Licht,  unter 
Voraussetzungen,  die  ich  genau  präzisieren  will.  Die  Wirkung  des 
Lichts  wollen  wir  einmal  mit  x  bezeichnen.  iJie  Mathematik  lehrt, 
dass  man  jede  Funktion,  welche  Beschaftenheit  sie  auch  habe,  ausdrücken 
kann  durch  eine  Reihe,  weil  in  einer  Reihe  alle  mathematischen  Opera- 
tionen, die  auf  die  vier  Spezies  zurückgehen,  vorkommen.  Wir  können 
also  schreiben,  wenn  wir  mit  K  die  Keimfähigkeit  bezeichnen  und 
a,  b,  c  Konstanten  sind :  K  —  a  -[-  b  x  4-  c  x^  -j-  .  .   .  . 

Nehmen  wir  nun  einmal  an,  wir  machen  x  =  0.  Dass  das 
möglich  sein  wird,  werden  Sie  nicht  bestreiten.  Es  gibt  Körper 
die  lichtundurchlässig  sind.  Wenn  wir  unter  Licht  das  verstehen, 
was  von  unseren  Augen  angezeigt  wird,  dann  ist  es  möglich, 
X  =  0  zu  machen.  Damit  fällt  alles  weg,  bis  auf  die  Konstante  a, 
d.  h.  wenn  das  Licht  Einfluss  hat,  so  muss,  wenn  wir  die  Keimung 
im  Dunkeln  ansetzen,  sich  eine  konstante  Keimziffer  ergeben,  falls  über- 
haupt eine  Keimung  stattfindet,  und  wenn  sie  nicht  stattfindet,  dann  ist 
sie  auch  eine  konstante  Grösse,  nämlich  0.  Es  fragt  sich,  welche 
Grösse  hat  die  Konstante  a?  und  können  wir  sie  aus  allgemeinen 
mathematischen  Betrachtungen  bestimmen?  Das  ist  nicht  möglfch! 
Aber  wenn  Sie  mir  zugeben,  dass  es  möglich  ist,  ein  Korn  im  Dunkeln 
überhaupt  zur  Keimung  zu  bringen  —  und  meinen  p]rfahrungen  ent- 
spricht das  —  so  sind  wir  in  der  Lage,  die  Grösse  der  Konstanten  a 
zu  bestimmen,  und  zwar  auf  folgende  einfache  Weise:  Wir  bringen  ein 
Korn  in  eine  absolut  dunkle  Kammer  und  variieren  die  übrigen  Keim- 
bedingungen, bis  es  uns  gelingt,  das  Korn  zum  Keimen  zu  bringen. 
Wenn  das  gelungen  ist,  ist  die  Keimfähigkeit  dieses  Kornes  'iOO°/o; 
daraus  folgt,  dass  die  Konstante  gleich  0  ist,  weil  die  Keimfähigkeit 
nicht  höher  als  100°/o  werden  kann.  Ich  will  durch  diese  De- 
duktion nicht  Beobachtungen  bezweifeln,  die  die  Herren  gemacht  haben, 
sondern  wie  alle  mathematischen  Betrachtungen  zur  Präzision  dienen, 
so  soll  auch  diese  Betrachtung  zur  Präzisierung  der  Frage  nach  der 
Zahl  der  Variablen  dienen,  Sauerstoff,  Wasser,  Temperatur  und  Licht 
sind  die  vier  Variablen,  die  in  Frage  kommen.  Die  Kombinations- 
möglichkeiten sind  in  dem  Falle,  dass  wir  das  Licht  ausschUessen 
können,  1X2X3;  das  ist  eine  verhältnismässig  beschränkte  Zahl. 
Wenn  wir  das  Licht  noch  hinzunehmen  und  vier  Variable  haben, 
so  sind  4X6  =  24  Möglichkeiten  zu  berücksichtigen.  Sie  sehen, 
meine  Herren,  dass  durch  solche  mathematischen  Betrachtungen  die 
Versuchsanstellungen  sehr  vereinfacht  werden.  Wenn  Sie  die  Frage 
nach  der  Wirkung  eines  dieser  Faktoren  lösen  wollen,    wenn  Sie  z.  B. 


334       Verhan<llungen  der  I.  interniitionalen  Konferenz  für  Samenprüfung. 

untersuchen  wollen,  in  welchem  Zusammenhang  die  Keimfähigkeit,  mit 
der  Temperatur  steht,  so  ist,  da  die  Variablen  untereinander  zusammen- 
hängen, nötig,  gleichzeitig  alle  anderen  Variablen  zu  beobachten,  und 
das  hat  gewisse  Schwierigkeiten.  Es  hat  gar  keinen  Zweck,  die  eine 
Variable  zu  variieren  und  die  anderen  unberücksichtigt  zu  lassen.  Das 
allgemeine  Verfahren,  wie  Funktionen  mit  mehreren  Variablen  behandelt 
werden,  ist  das:  wenn  wir  die  eine  Variable  auf  ihre  Wirkung  hin  unter- 
suchen wollen,  so  müssen  w\r  die  anderen  konstant  setzen.  Das  ist 
aber  in  diesem  Falle  nicht  möglich,  weil  die  zu  variierenden  mit  den 
konstant  zu  haltenden  Grössen  zusammenhängen.  Wenn  wir  die  Tem^ 
peratur  variieren,  so  variieren  wir  die  Dampfspannung  und  verschiedenes 
andere,  gar  nicht  zu  sprechen  von  der  Oberflächenspannung,  die  mit 
der  Temperatur  ebenfalls  zusammenhängt.  Daraus  ergeben  sich  kolos- 
sale Schwierigkeiten.  Das  hat  zur  Folge,  dass  die  Schlüsse,  die  aus 
solchen  Variationen  gezogen  werden,  mit  der  allgemeinen  Erfahrung 
vielfach  nicht  übereinstimmen. 

Die  wissenschaftliche  Untersuchung  der  Keimbedingungen  gehört 
zu  den  schwierigsten  Aufgaben,  und  es  ist  nötig,  dass  zunächst  mathe- 
matisch-physikalische Analysen  der  Variablen  vorgenommen  werden. 
So  lange  das  nicht  geschieht,  werden  wir  mehr  oder  weniger  empirische 
Beobachtungen  machen.  So  lange  die  Variablen  nicht  gesondert  werden, 
werden  wir  keine  exakten  Vorschriften  über  Keimungen  machen  können, 
die  ohne  systematische  Fehler  in  allen  Untersuchungen  zu  dem  gleichen 
Resultat  kommen.  Wir  können  die  Grösse  der  systematischen  Fehler 
bestimmen,   unser  Ziel    muss   aber    sein,    sie   möglichst   zurückzusetzen. 

Ich  lege  auf  diese  Betrachtungen  keinen  besonderen  ^^'ert•.  ich 
möchte  sie  nur  vorgeführt  haben,  um  der  gewöhnlich  landläufigen  Be- 
hauptung, dass  das  Licht  Einfluss  auf  die  Keimfähigkeit  ausübt,  zu 
widersprechen.  Ich  habe  sehr  oft  die  Behauptungen  in  meinen  Vor- 
lesungen aufgestellt,  dass  das  Licht  keinen  Einfluss  auf  die  Keimfähig- 
keit ausübt,  sondern  dass  durch  die  Änderungen  des  Lichts  die  übrigen 
Variablen  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  und  keine  der  mir  be- 
kannten Untersuchungen  nimmt  Rücksicht  darauf.  Wenn  wir  solche 
Untersuchungen  wissenschaftlich  verwerten  wollen,  müssen  wir  genau 
mathematisch  vorgehen  und  müssen  den  Nachweis  führen,  dass.  während 
wir  die  eine  Grösse  variieren,  wir  die  anderen  tatsächlich  konstant  ge- 
gehalten haben.  Der  Nachweis  lässt  sich  bei  keiner  der  publizierten 
Untersuchungen  führen.  Ich  glaube,  dass  in  diesem  Sinne  auch  die 
Untersuchungen  von   Herrn  Miltner  nicht  beweisend  sind. 

Ich  möchte  deshalb  bitten,  die  Behauptung  fallen  zu  lassen,  dass 
das  Licht   eine  notwendige  Keimbedingung  ist,    denn  dadurch    wird  die 


Diskussion:  Keimprüfungen.  335 

Fragestellung-  ganz  erheblich  kompliziert,  im  Verhältnis  von  6  zu  24.  Das 
tn'schwert  die   weitere  Untersuchung   des  Gegenstandes   ganz  bedeutend. 

Direktor  Dr.  A.  Atterberg"-Kalmar:  Die  beiden  ersten  Herren 
Vorredner  haben  technische  Vorschläge  in  der  Samenkontrolle  ge- 
geben, und  der  letzte  Herr  Redner  hat  darauf  hingewiesen,  dass  Keim- 
versuche auch  mathematisch  behandelt  werden  können.  Ich  will 
gegenüber  dem,  was  der  erste  Herr  Redner  vorgebracht  hat,  darauf 
hinweisen,  dass  manche  Verhältnisse  eine  nähere  Untersuchung  erfordern. 
Wie  Sie  wissen,  kommen  vollständig  ausgebildete,  aber  doch  nicht  keim- 
reife Samen  öfter  vor,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Ich  bitte,  nur 
daran  zu  denken,  wie  die  Samen  der  Ulme  und  des  Ahorns  sich  ver- 
halten. Diese  Samen  können  den  ganzen  Sommer  hindurch  am  Boden 
liegen  und  keimen  nicht.  Es  mag  heiss  oder  kalt,  feucht  oder  trocken 
sein,  sie  können  im  Licht  oder  im  Dunkeln  liegen,  sie  keimen  nicht. 
Erst  im  nächsten  Frühjahr  keimen  sie.  Ich  glaube  nicht,  dass  man 
jetzt  so  genau  weiss,  wie  man  sich  zu  den  Untersuchungen  solcher 
nicht"  keimreifen  Samen  stellen  muss.  In  anderen  Fällen  weiss  man 
doch,  wie  man  diese  nicht  keimreifen  Samen  am  besten  behandeln  kann. 
Ich  habe  einige  Untersuchungen  gemacht  über  unreifen  Samen,  besonders 
bei  den  Getreidearten.  Es  kommt  im  Norden  und  auch  wohl  hier  nicht 
selten  vor,  dass  bei  der  Ernte  die  Getreidesamen  schlecht  keimen.  Im 
Norden  Europas  kann  es  vorkommen,  dass  die  Getreidesamen  gar  nicht 
keimen.  Sie  können  den  ganzen  Winter  hindurch  liegen,  ohne  die  volle 
Keimkraft  zu  bekommen.  Erst  im  Frühling,  wenn  die  Temperatur  steigt, 
findet  man  die  volle  Keimkraft.  Ich  habe  Untersuchungen,  wie  solche 
Samen,  die  nicht  keimen  wollen,  zu  voller  Reife  zu  bringen  sind, 
gemacht.  Meine  Untersuchungen  sind  nach  mehreren  Richtungen  an- 
gestellt, um  die  besten  Keimungsverhältnisse  aufzufinden.  Ich  habe  an- 
fangs versucht,  die  Samen  mit  Äther  zu  behandeln,  um  die  Keim- 
reife zu  beschleunigen;  das  ist  mir  nicht  gelungen.  Ich  habe  das  An- 
stechen versucht,  das  ging  auch  nicht.  Dann  habe  ich  endlich  gefunden, 
dass  diese  Samen  ganz  verschiedenen  Keimertrag  liefern  bei  verschiedener 
Temperatur.  Ich  kann  Ihnen  einige  Ziffern  als  Beispiel  geben.  Ich  habe 
eine  Reihe  von  Samen  im  Thermostaten  bei  verschiedenen  Temperaturen 
l>ehandelt.  So  keimte  eine  Probe  Gerste  bei  28"  gar  nicht,  bei  19° 
keimte  sie  zu  767o'  '^ei  15°  98 "/q,  bei  10°  99°/o.  Eine  Weizenprobe 
keimte  bei  25*^  61°/n.  bei  19°  89°/o  und  bei  niedrigerer  Temperatur  99°/o. 
Eine  andere  Probe  keimte  bei  25°  74"/o,  bei  21°  90°/o  und  bei  niedrigerer 
Temperatur  98°/o-  Haferproben  keimten  bei  31°  gar  nicht,  bei  25° 
92°/o,  bei  19°  98°/o  usw. 

Als  Hauptresultat  meiner  Untersuchungen  kommt  heraus,  dass  allerlei 


336        Verhandlungen  der  I.  internationalen  Konferenz  l'ür  Sanien[)rüt'ung. 

Reifegrade  sich  bei  den  Getreidesamen  vorfinden.  Wenn  diese  Samen  nicht 
gut  ausgereift  sind,  so  können  sie  nur  bei  niedriger  Temperatur  keimen, 
wenn  sie  aber  eine  bessere  Keimreife  haben,  können  sie  bei  höherer 
Temperatur  keimen,  und  endlich,  wenn  man  völlig  keimreifen  Samen 
besitzt,  dann  erzielt  man  bei  30*^  die  besten  Resultate.  Wenn  man  also 
untersuchen  will,  wie  viel  Prozente  der  Samen  wirklich  Irisch  sind,  so 
muss  man  bei  niedriger  Temperatur  ankeimen.  Bei  einer  Temperatur 
von  13 — 15°  keimen  die  Getreidesamen  fast  stets  schnell,  und  diese 
Temperatur  muss  dartim  stets  benutzt  werden,  wenn  man  fürchtet,  dass 
die  Getreidesamen  noch  nicht  keimreif  sind.  Es  ist  deshalb  richtiger, 
die  Keimproben  von  Getreidesamen  bei  niedriger  Temperatur  anzustellen. 
Es  kann  doch  vorkommen,  dass  die  Getreidesamen  so  unreif  sind,  dass 
sie  auch  bei  13  — 15°  nicht  oder  nur  schlecht  keimen.  Dann  ist  es 
notwendig  zu  untersuchen,  ob  die  Samen  frisch  oder  beschädigt  sind. 
Das  kann  geschehen  durch  die  Vortrocknung.  Bei  uns  im  Norden 
ist  die  Vortrocknung  allgemein  eingeführt,  und  ich  habe  gesehen,  dass 
man  auch  hier  in  Deutschland  bei  der  Gerste  Vortrocknung  anwendet. 
Ich  habe  mit  der  Vortrocknung  des  Getreides  ausführliche  Untersuchungen 
gemacht,  um  zu  sehen,  bei  welcher  Temperatur  die  Getreidesamen  am 
besten  vorgetrocknet  werden,  um  die  volle  Reife  schnell  zu  bekommen. 
Es  hat  sich  da  gezeigt,  dass  40"  C  die  beste  Temperatur  für  die  Vor- 
trocknung ist. 

Vorsitzender  (unterbrechend):  Ich  darf  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  die  Zeit  sehr  beschränkt  ist  und,  ohne  diese  interessanten 
Ausführungen  länger  unterbrechen  zu  wollen,  m()chte  ich  Sie  doch  bitten, 
sich  zu  konzentrieren. 

Direktor  Dr.  A.  Atterberg":  Ich  habe  ferner  gefunden,  dass  bei 
Kiefernsamen  die  Anwendung  wechselnder  Temperaturen  nicht  hilft,  um 
höhere  Keimziffern  zu  erzielen,  sondern  man  muss  bei  Kiefernsamen 
Lichtkeimung  und  eine  höhere  Temperatur  als  20^^  benutzen.  Ich  wollte 
noch  verschiedenes  berichten,  da  aber  die  Zeit  es  nicht  erlaubt,  ver- 
zichte ich  darauf. 

Dr.  J.  V.  Szyszylowicz-Lemberg:  Meiner  Ansicht  nach  müssen 
wir  die  wissenschaftliche  Ausführung  von  der  praktischen  An- 
wendung unterscheiden.  Das,  was  Herr  I)r.  Stehler  angeführt  hat, 
ist  die  praktische  Ausführung  der  Methode.  Ich  habe  vor  zehn  Jahren 
angefangen,  mich  mit  Samenkontrolle  zu  beschäftigen  und  habe  alle 
Methoden  versucht,  hauptsächlich  aber  die  Wiener  Methode  angewandt. 
Dabei  habe  ich  mich  jedoch  überzeugt,  dass  meine  Poa-Analysen  stets 
schlechter  ausfielen  als  die  von  Zürich,  und  ich  war  gezwungen,  die 
Lichtkeimung  einzuführen,  um  mit  Zürich  konkurrieren  zu  können.    Bei 


Diskussion:  Keimprüfungen.  337 

der  Lichtkeimung  war  das  Ergebnis  ganz  gleicli  mit  dem  von  Zilricli. 
Es  ist  sehr  schwer  zu  beurteilen,  ob  das  Licht  es  ist,  welches  einwirkt. 
Trotzdem  jedoch  gute  Ergebnisse  erzielt  worden  sind,  sollte  man  sich 
doch  noch  weiter  mit  dieser  Methode  beschäftigen,  sich  ihrer  annehmen 
und  wissenschaftlich  erklären,  warum  unter  dem  Lichteinfluss  die 
Resultate  ganz  andere  sind.  Man  muss  physiologische  Versuche  machen 
und  sich  überzeugen,  ob  wirklich  die  Lichtstrahlen  es  sind,  die  das 
zeitigen,  was  die  Erfahrung  bis  jetzt  gelehrt  hat.  Ich  aber  habe  mich 
überzeugt,  dass  man  bei  Poa  und  anderen  Gräsern  mit  Licht  keimen 
muss,  weil  sonst  die  Resultate  unzureichend  ausfallen. 

Mit  Herrn  Kollegen  Rodewald  kann  ich  nicht  übereinstimmen. 
Er  behandelt  die  Pflanzen  und  Samen  wie  einheitUche  Grössen,  wie 
mathematische  Einheiten.  Meiner  Überzeugung  nach  sind  es  keine 
mathematischen  J']inheiten;  jeder  Samen  ist  verschieden,  jeder  Samen  eine 
ganz  andere  Einheit.  Mit  dieser  Einheit  kann  man  auf  mathematischem 
Wege  niclit  operieren,  und  ich  bin  der  Ansicht,  dass  namentlich  in  der 
Samenkontrolle  die  physikalischen  Eigenschafton  zu  sehr  vernachlässigt 
worden  sind. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien:  Ich  bitte,  m.  H.,  zu  entschuldigen, 
wenn  ich  gegenüber  diesen  Ausführungen  nicht  mit  derselben  Gründlichkeit 
meine  im  wesentlichen  abweichende  Ansicht  ausführe,  weil  ich  es  als 
eine  mehr  oder  weniger  klar  abgeschlossene  Frage  betrachte,  wie  der 
Einfluss  des  Lichts  bei  dem  Keimprozess  sich  geltend  macht.  Ich  spreche 
nicht  von  den  Keimversuchen  und  nicht  von  der  Bekeimung,  ich  spreche  auch 
nicht  von  der  Tatsache,  die  uns  allen  bekannt  und  durch  die  seinerzeit 
veröffentlichten  Versuche  unseres  Kollegen  Stehler  berechtigtes  Auf- 
sehen erregte,  dass  das  diffuse  und  auch  das  direkte  Sonnenlicht  eine  ganz 
wesentliche  Erhöhung  der  Keimfähigkeit  speziell  bei  einzelnen  kleinen 
Samen  hervorruft,  zu  denen  insbesondere  die  meisten  Spezies  der  Gattung- 
Po«  und  auch  einige  andere  gehören.  Nach  dieser  Publikation  und  nach 
den  darauffolgenden  Versuchen  verschiedener  Autoren  wurde  mit  voller 
Klarheit  und  ein  wandsfrei  dargelegt,  dass  in  den  meisten  Fällen, 
namentlich  bei  Poa,  nicht  die  Temperatur  —  und  zwar  die  konstante 
Temperatur  —  den  Lichteinfluss  ersetzt.  Durch  die  Versuche,  welche  von 
Hofrat  ProL  Wiesner  im  pflanzenphysiologischen  Institut  in  Wien  gemacht 
worden  sind,  wurde  nachgewiesen,  dass  der  Lichteinfluss  bei  der 
Keimung  als  Wärmewert  wirkt.  Es  ist  schon  nahezu  20  Jahre  her,  dass 
wir  uns  der  Methode  zugewandt  haben,  nach  der  das  Licht  als  ein  in  der 
Natur  vorhandener  wirksamer  Faktor  nur  als  Temperaturf  aktor  auch  bei 
unseren  Versuchen  zu  wirken  hat.  Nichtsdestoweniger  haben  wir  eine 
grosse  Anzahl  von  Parallelversuchen  gemacht,  die  immer  noch  fortgesetzt 

.laliii'.-iliiüiclit  <liM'  Vereinigung  für  ;iiigew;indte  Botanit    IV.  22 


338        Vcrhandlunfteii  der   l.  intematidiKilm   Konl'crriiz  lür  Saini'njtrüruiig. 

werden.  Nachdem  der  Verband  deutscher  Versuchsstationen  und  die  meisten 
Versuchsstationen  Österreichs  auch  den  Licliteinfluss  bei  der  Ausführung 
der  Keimversuche  nicht  mehr  verwenden,  habe  ich  es  nicht  für  zeit- 
gemäss  erachtet,  eine  Zusammenstellung  dieses  Materials  eventuell  dieser 
Versammlung  vorzuführen.  Ich  sehe  aber,  dass  es  doch  notwendig  ist, 
und  ich  werde  die  Aufgabe,  die  mir  dadurch  gestellt  ist,  erfüllen;  ich 
hoffe,  dass  ich  nachträgUch  das  ßeweismaterial  beibringen  kann. 

Herr  Professor  Rodewald  hat  in  seiner  bekannten  scharfsinnigen 
Weise  auch  die  Punktionen,  aus  welchen  die  Faktoren  der  Keimung 
zusammengestellt  sind,  dargelegt.  Für  die  Keimbedingungen  sind 
vor  allem  der  atmosphärische  Sauerstoff,  das  Wasser  und  bestimmte 
Temperaturgrade  massgebend.  Alle  anderen  Einflüsse  werden  als  solche, 
nicht  als  Keimungsbedingungen  angesehen. 

Bei  den  Keimversuchen  kommt  eine  Reihe  von  Variablen  hinzu, 
welche  diese  Konstanten  komplizieren.  Dazu  gehört  vor  allem  die  Art 
des  Keimbettes  als  eine  wichtige  Bedingung.  Es  ergeben  sich  ge- 
wisse Störungen,  wenn  man  nicht  das  richtige,  dem  Samen  zusagende 
Keimbett  gefunden  hat,  so  dass  der  Faktor  einer  unwesentlichen  Be- 
dingung ein  wesentlicher  Faktor  wird.  Ich  habe  Parallelversuche  nach 
allen  Richtungen  hin  gemacht.  Wir  haben  die  sog.  Wagnerschen  Ton- 
zellen gebraucht,  haben  sterilisiert,  sodann  verschiedene  Erden  ver- 
wendet, offenes  und  geschlossenes  Papierkeimbett  und  alle  möglichen 
Kombinationen  angewendet.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  diejenigen  Ver- 
suche, welche  in  Tonzellen  gemacht  wurden,  die  grössten  Unterschiede 
zugunsten  des  Lichteinflusses  erkennen  Hessen,  besonders  gegen- 
über dem  Papierkeimbett,  wenn  dasselbe  nicht  so  adjustiert  und  gehandhabt 
wird,  wie  wir  es  nach  den  25-jährigen  Erfahrungen  für  ausserordentlich 
praktisch  halten.  Ich  will  hinzufügen,  dass  es  sich  um  Lichtversuche 
im  Winter  handelt;  im  Frühjahr  und  im  Sommer  ist  es  ganz  anders 
als  im  diffusen  Licht  im  Laboratorium.  Beim  direkten  Sonnenhcht  wirken 
meines  Erachtens  ganz  andere  Momente  mit.  Es  hat  sich  ergeben,  dass  bei 
Versuchen,  speziell  bei  Poa,  die  Keimung  im  Licht  bedeutend  höher  war 
als  im  Dunkeln,  ja,  dass  einzelne  besonders  schlecht  keimfähige  Samen, 
die  bei  Anwendung  verschiedener  Methoden  nicht  zur  Keimung  gebracht 
wurden,  im  Licht  keimten,  z.  B.  konnten  wir  im  Licht  bis  zu  50  "/o 
erreichen,  was  bei  Poa  als  hohe  Ziffer  gerechnet  werden  kann.  Also, 
die  Lichtwirkung  ist  auffallend!  Nun  aber  fragt  es  sich,  unter  welchen 
Umständen  ist  das  erreicht  worden?  Wenn  ich  das  Papierkeimbott  so  ver- 
wende, wie  es  ursprünglich  geschah,  dass  der  Deckel  des  Keimbettes  auf  dem 
angequollenen  Samen  vollständig  aufliegt,  so  entsteht  beim  Benetzen 
des  Papierkeimbettes    der    grosse  Fehler,    dass   der  Samen  zumeist  vor- 


Diskussion:  Keiuiprül'ungen.  339 

scliwemmt  wird.  Fernor  kommt  hinzu,  dass  im  Kcinischrank,  wenn  er 
nicht  so  ganz  präzis  gearbeitet  ist,  auf  der  einen  Seite  die  Heizung  stärker 
ist  als  auf  der  anderen,  die  Proben,  die  an  der  stärker  erhitzten  Seite  liegen, 
wieder  früher  austrocknen.  Es  kann  vorkommen,  dass  in  dem  Moment,  wo 
man  z.  B.  das  Befeuchten  des  Keimbettes  vornehmen  will,  das  eine  Keimbett 
derartig  trocken  ist,  dass  der  Versuch  als  misslungen  betrachtet  werden  muss. 
Bei  Keimversuchen  muss  die  peinlichste  Sauberkeit  herrschen.  Ich 
habe  mich  wiederholt  bei  Vergleichsversuchen  überzeugt,  dass  diese  Be- 
dingung sehr  häufig  nicht  erfüllt  w^urde.  Ich  habe  gefunden  —  und 
das  ist  wichtig  zur  Begründung  der  Methode,  welche  wir  in  unserer 
Anstalt  schon  seit  langem  üben  und  die,  wie  sich  gezeigt  hat,  ziemlich 
vereinzelt  dasteht  gegenüber  anderen  Anstalten  — ,  dass  die  Differenzen 
gegenüber  den  Lichtkeimversuchen  lediglich  darauf  zurückzuführen  sind, 
dass  man  verschiedene  Substrate  gewählt  hat.  In  den  Tonzellen,  die 
sich  im  Dunkeln  bei  verschiedener  Temperatur  befinden,  tritt  eine  Reihe 
von  Störungen  ein,  welche  in  der  Wasserzufuhr  und  in  der  Verun- 
reinigung der  Tonzellen  ihren  Ursprung  haben.  Es  hat  sich  das  gezeigt 
nach  siebenjährigem  Versuchen  derselben  parallel  mit  den  eigenen  Keim- 
betten, und  es  werden  die  Versuche  mit  den  Poa-Arten  immer  noch  fort- 
geführt; es  wird  auch  Dactylis  und  Fcstuca  ovina  verwandt  und  die 
Lichtversuche  fortgesetzt.  Ich  habe  ein  derartiges  Material,  dass  ich 
ganze  Bände  ausfüllen  könnte.  Wir  bekommen  jetzt  durch  Verwendung 
eines  ganz  eigenartig  geformten  reinen,  sauberen,  eine  Luftzirkulation 
herstellenden  Keimbettes,  durch  eine  ausserordentlich  peinliche  Sauber- 
keit und  durch  die  Temperatur,  welche  in  den  Keimschränken  neuester  Kon- 
struktion jetzt  gleichmässiger  verteilt  ist,  als  wir  es  früher  vermochten,  gute 
Resultate.  Die  intermittierende  Erwärmung  ergibt  noch  günstigere  Resultate 
als  der  Lichteinfluss,  und  zwar  hauptsächlich  im  Winter.  Im  Sommer  und 
Frühjahr,  überhaupt  wenn  die  durchschnittUche  Zimmertemperatur  18  bis 
20  '^  beträgt  oder  über  20  °  steigt,  und  im  Hochsommer,  wenn  die 
Temperatur  26  "  und  mehr  beträgt,  müssen  wir  die  Keimlokale  ab- 
kühlen, vielleicht  durch  Kühlvorrichtungen,  oder  man  muss  einen  Keim- 
schrank haben,  in  welchem  die  Temperatur  erniedrigt  werden  kann. 
Da  zeigt  sich  zugunsten  des  Jjichts  eine  etwas  höhere  Keimzahl,  weil 
die  intermittierende  Erwärmung  geringer  ist;  die  Differenz  in  der  Inter- 
missionszeit  von  10  und  14  Stunden  weist  oft  nur  eine  Temperaturdifferenz 
von  ca.  5°  auf.  Trotz  20-jähriger  Erfahrungen  und  Versuche  und  trotz  der 
Beweiskraft  so  vieler  Tabellen  besteht  eine  Übereinstimmung  hinsichtlich  der 
Heranziehung  gewisser  Faktoren  für  die  Keimung  nicht,  und  es  ist  kein  Zweifel, 
dass  diese  Frage  eine  der  wesentUchsten  ist,  insbesondere  dort,  wo  die 
Differenzen  wirklich  nur  auf  diese  erwähnten  Ursachen  zurückzuführen  sind. 

22* 


34Ü        Vcrliaridlungon   tler   I.   inteinationaleu    Kunfcienz   liir  Saiiienprüfuug. 

Ich  möchte  mir  erlauben,  auf  die  Ausiührungen  des  Herrn 
Kollegen  Atterberg  zurückzukommen.  Ich  habe  —  ich  glaube  es  war 
1898  —  eine  kleine  Abhandlung  über  die  Beurteilung  der  Brau- 
gerste herausgegeben  und  habe  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hin- 
gewiesen, dass  die  intermittierende  Wärme  bei  Getreidearten,  ins- 
besondere bei  18  —  28*',  eine  schädigende  Wirkung  ausübt;  ebenso  ist  es 
bei  Pinus.  Es  ist  auch  gar  nicht  behauptet  worden,  dass  die  intermittierende 
Erwärmung  als  wesentlicher  Faktor  der  Keimung  sich  nur  zwischen 
20  und  30  "  zu  bewegen  hat.  Es  sind  in  unserer  Anstalt  Versuche  mit 
Rübensamen  bei  niedrigerer  Intermission  ausgeführt.  Die  Rübensamen 
intermittieren  bei  16 — 20  ",  höchstens  bei  18  —  20  °,  während  andere 
Samen  von  20  -  auf  30  ^  gehen,  Getreidearten,  speziell  Gerste,  werden 
gar  nicht  intermittiert.  Die  Gerste  muss  bei  einer  Temperatur  von  12 *' 
in  dem  Apparat  angestellt  werden  und  gibt  dann  sehr  gute  Resultate. 
Auch  Beobachtungen  bezüglich  des  Alters  des  Samens  haben  wir  seit 
langem  gemacht  und  richten  uns  auch  in  der  Samenkontrolle  danach. 
In  jetziger  Jahreszeit  ist  unser  Getreidelaboratorium  mit  lauter  Gerste- 
proben gefüllt.  Alljährlich  im  Anfang  Oktober  findet  in  Wien  die  Gerste- 
ausstellung statt,  und  es  ist  gewiss  eine  erfreuliche  Errungenschaft,  dass 
die  Beurteilung  durch  die  Jury  nach  den  Resultaten  der  Untersuchungen 
erfolgt;  auch  der  Samenpreis  wird  durch  die  Untersuchungen  gewonnen. 
Diese  eine  Tatsache  ist  hinreichend  wichtig,  dass  wir  die  peinlichste 
Sorgfalt  auf  die  Ausgestaltung  der  Untersuchungsmethode  für  Gerste 
verwenden.  Es  kommt  bei  der  Keimungsenergie  auf  die  unreifen 
Körner  an,  denn  der  Einsendungstermin  der  Proben  ist  der  15.  September 
bzw.  der  15.  August;  es  ist  das  gebietsweise  konzediert.  Wir  haben 
es  also  jedenfalls  mit  solchen  Gersten  zu  tun,  die  gleich  nach  der  Ernte 
nach  entsprechender  Putzung  eingeschickt  wurden.  Infolgedessen  tritt 
hier  die  Erscheinung  auf,  dass  wir  auch  schlecht  keimfähige  Gersten 
bekommen  und  dass  ein  ungünstiges  Urteil  in  dieser  Hinsicht  über  die 
Gerste  gefällt  würde,  wenn  die  Keimfähigkeit  bei  der  Beurteilung  heran- 
gezogen würde.  Das  Nachtrocknen  machen  wir  auf  folgende  Weise: 
In  eigenen  Schränken  werden  die  Proben  in  offenen  zylindrischen 
Gläsern,  welche  mit  Nummern  versehen  sind,  aufbewahrt.  Die  ein- 
laufenden Proben  werden  sortiert,  und  die  Untersuchung  wird  aus- 
geführt, nachdem  die  Nachtrocknung  stattgefunden  hat.  Die  Nach- 
trocknung ist  notwendig,  weil  der  Wassergehalt  der  frischen  Gersten 
oft  grosse  Schwankungen  aufweist.  Wir  wenden  bei  allen  Getreide- 
arten in  der  Regel  keine  intermittierende  Erwärmung  an,  sondern 
bei  Gerste  höchstens  eine  Temperatur  von  18  bis  20  ^  C. 

Ich  möchte  daher  den  Antrag  stellen,  dass  die  Frage  des  Lichtein- 


Diskussion:   Keimi)iül'ungen.  34J 

flu  SS  es  bei  Keimversuchen  neuerdings  an  den  verschiedenen 
Anstalten  einer  besonderen  wissenschaftlichen  Untersuchung 
unterzogen  werde  und  zwar  mit  Rücksicht  auf  jene  Umstände, 
welche  ich  angeführt  habe.  Bei  allen  Versuchen  müsste  das  gleiche 
Keimbett  verwandt  werden.  Ich  bin  gerne  bereit,  denjenigen  Herren, 
die  meine  Methode  überprüfen  wollen,  unser  Keimbett  mit  der  Aus- 
rüstung zu  schicken,  denn  der  Keimschrank  ist  nicht  wesentlich;  wesent- 
lich ist  nur  das  Keimbett  und  dann  die  Befeuchtung.  r)ie  Herren, 
welche  die  Befeuchtung  in  der  früheren  Weise  gemacht  haben,  werden 
immer  solche  Störungen  bekommen. 

Vorsitzender:  Herr  Hofrat  v.  Weinzierl  hat  einen  Antrag  über  die 
Frage  der  Einbeziehung  des  Lichts  bei  Keimversuchen  eingebracht.  Das 
wäre    eine   der  vielen  Fragen,   die  wir  zur   Diskussion  zu  stellen   haben. 

Ich  komme  nochmals  auf  die  geschäftliche  Lage  unserer  Konferenz 
zurück.  Ich  habe  noch  zwei  Herren  auf  der  Liste.  Wir  werden  auch 
noch  die  Herren  Stehler  und  Hiltner  am  Schluss  als  Referenten  und 
Korreferenten  zu  hören  haben.  Unsere  Zeit  wird  immer  knapper.  Wir 
müssen  auch  noch  den  Antrag  des  Herrn  Vanha  über  Braugerste  hören. 
Ich  bitte  daher  die  Redner,  sich  möglichst  kurz  zu  fassen.  Zunächst 
hat  Herr  Professor  Rodewald  das  Wort. 

Prof.  Dr.  H.  Rodewald-Kiel:  Ich  will  mich  kurz  fassen!  Ich  merke 
ja,  dass  ein  gewisses  Widerstreben  vorhanden  ist,  sich  auf  eine  exakte 
Behandlung  der  Keimfrage  einzulassen:  die  ist  ja  auch  schwierig.  Aber 
eine  Forderung  möchte  ich  stellen,  und  diese  Forderung  stellt  der 
Handel.  Wenn  Sie  die  Keimmethode  stereotypieren  wollen,  dann  muss 
der  Handel  die  Bedingung  stellen,  dass  Sie  die  Fehlergrenze  unserer 
Keimversuche  angeben.     Ich  fürchte,  die  wird  sehr  gross  werden. 

Prof.  J.  Vafiha-Brünn:  Meiner  Ansicht  nach  sollten  wir  der  Licht- 
frage keine  zu  grosse  Bedeutung  beilegen,  wie  man  es  bis  jetzt  getan 
hat;  denn  abgesehen  davon,  dass  die  Einhaltung  einer  gleichmässigen 
Beleuchtung  bei  der  Durchführung  der  Keimversuche  in  den  Samen- 
kontrollstationen nicht  ganz  leicht  durchführbar,  sondern  mitunter  mit 
grossen  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  hat  die  Lichtfrage  für  die  land- 
wirtschaftliche Praxis,  für  welche  sie  bestimmt  ist,  keine  so  grosse  Be- 
deutung. Bekanntlich  wird  der  Samen  im  Boden  untergebracht;  dort 
soll  er  keimen.  Wenn  die  Versuche  mit  der  Praxis  nun  nicht  überein- 
stimmen, haben  sie  für  dieselbe  nicht  so  grossen  Wert.  Deshalb  glaube 
ich,  dass  die  Frage  nur  mit  Rücksicht  auf  die  wissenschaftliche 
Forschung  eine  Bedeutung  hat.  Ich  habe  seiner  Zeit  (vor  etwa  8 
Jahren)  auch   über  300  Versuche    mit    der  Keimung  von  Poa  gemacht, 


342        \  erhamlluiimjii  dw  !.   iiitcniiitionak'ii   Konfeienz  für  Sameiiprüiuiig. 

um  der  Frage  der  intermittierenden  iM'wärinung  nälierzutreten.')  Ich 
habe  die  Versuche  bei  vollständigem  Liehtubschi uss  20  m  unter  der 
Erde  bei  11 — 35*^  gemacht  und  habe  über  80°/o  Keimfähigkeit  bei  Pua 
erreicht,  allerdings  bei  entsprechender  Intermittierung  der  Wärme. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien :  Ich  habe  gemeint,  wir  sollten  den 
Einfluss  des  Lichts  an  den  verschiedenen  Versuchsstationen  anwenden, 
aber  nicht  den  Einfluss  des  Lichtes  auf  den  auf  dem  Felde  ausgesäten 
Samen  studieren.  Nachdem  ich  jetzt  nach  25  Jahren  zur  Überzeugung 
gekommen  bin,  dass  diese  Frage  immer  noch  herumspukt  und  unsere 
diesbezüglichen  Erfahrungen  nicht  Berücksichtigung  gefunden  haben, 
dürfte  es  von  Interesse  sein,  wenn  diese  Frage  noch  einmal  aufgegriffen 
wird,  damit  nicht  diejenigen  Stationen,  welche  für  den  Handel  vielleicht 
nicht  solche  Bedeutung  haben  wie  unsere  Anstalt,  in  dieser  Frage  sich  auf 
den  entgegengesetzten  Standpunkt  stellen.  Das  Bessere  ist  der  Feind 
des  Guten,  und  es  ist  ja  möglich,  dass  ich  überzeugt  werde,  was  ich 
aber  nicht  glaube,  nachdem  ich  so  viele  Jahre  die  Sache  verfolgt 
habe.  Ich  würde  mich  sehr  freuen,  wenn  eine  Übereinstimmung  er- 
zielt würde. 

Vorsitzender:  Will  noch  jemand  in  der  Frage  das  Wort  nehmen? 
L>as  scheint  nicht  der  Fall  zu  sein.  Dann  darf  ich  Herrn  Kollegen 
Stehler  bitten,  das  Wort  zu  nehmen,  wenn  er  noch  einige  Bemerkungen 
zu  machen  hat. 

Direktor  Dr.  U.  Stebler-Zürich:  Ich  habe  nicht  geglaubt,  dass 
diese  Anregung  bezüglich  des  Lichts  soviel  zu  reden  geben  würde.  Ich 
bin  auch  der  Meinung,  wenn  man  das  Licht  entbehren  kann,  dass  man 
dann  die  Keimungen  ohne  Licht  machen  soll.  Es  hat  keinen  Zweck, 
Gerste,  Erbsen,  Wicke  und  Bohnen  im  Licht  zu  keimen,  sie  keimen  ja 
so  auch  sehr  gut.  Ich  bin  mit  Herrn  Kollegen  Rodewald  einver- 
standen, dass  möglicherweise  das  Licht  es  an  und  für  sich  nicht  sein 
kann,  das  die  Förderung  der  Keimung  bewirkt,  aber  das  ist  schwer  zu 
sagen.  Ich  habe  schon  vor  20  Jahren,  als  ich  den  Einfluss  des  Lichtes 
konstatierte,  die  Frage  zu  lösen  versucht,  habe  komplizierte  Versuche 
angestellt,  bin  aber  zu  keinem  Resultat  gelangt.  Ist  es  das  Licht?  ist 
es  die  Wärme?  ist  es  die  desinfizierende  Wirkung  des  Lichts?  Ver- 
suche sind  hier  gewiss  am  Platze,  wenn  man  der  Frage  vielleicht  auch 
nur  auf  indirektem  Wege  beikommen  kann. 

Direktor  Dr.  L.  Hiltner- München:    Im    Interesse  des  Fortschreitens 


1)  J.  Vanha,  Versuche  über  den  Einfluss  intermittierender  Erwärmung 
auf  die  Keimung  von  Samen.  (Zeitschrift  für  das  landw.  Versuclisvvesen  in 
Österreich  1898,  Heft  2). 


Diskussion:  (^hialitätsprül'ung  der  Braugerste.  343 

und  der  raschen  Erledigung  noch  ziemlich  wichtiger  Beratungsgegen- 
stände will  ich  darauf  verzichten,  noch  weiter  auf  die  Keimfrage  einzu- 
gehen, nachdem  ich  gestern  meinen  Standpunkt  dargelegt  habe  und 
heute  konstatieren  kann,  dass  wir  im  grossen  und  ganzen  überein- 
stimmen. Nur  bezijglich  der  Lichtkeimung  möchte  ich  ganz  in  Über- 
einstimmung mit  dem,  was  Herr  Dr.  Stehler  gesagt  hat  und  im  Gegen- 
satz zu  den  Ausführungen  des  Herrn  Vaiiha  darauf  hinweisen,  dass 
die  Frage  eine  nicht  ganz  unerhebhcho  praktische  Bedeutung  besitzt, 
dass  es  sich  um  eine  direkte  Frage  der  Samenkontrolle  handelt  und 
dass  zwei  grosse  Anstalten,  Wien  und  Zürich,  hier  im  Gegensatz  zu 
einander  stehen. 

Da  wir  wissen,  dass  ausnahmslos  alle  nordischen  Samenkontroll- 
stationen der  Lichtzuführung  die  grösste  Bedeutung  beimessen,  halte  ich 
es  unbedingt  für  notwendig,  dass  die  Frage  geprüft  werde,  und  ich 
schliesse  mich  dem  Antrage  des  Herrn  Hofrat  v.  Weinzierl  ganz  an. 
Nur  eins  möchte  ich  noch  erwähnen :  Es  ist  von  mehreren  Seiten  darauf 
hingewiesen  worden,  dass  hunderte  von  Versuchen  ausgeführt  worden 
sind,  ohne  dass  sich  eine  Wirkung  des  Lichtes  gezeigt  habe.  Es  ist 
aber  dabei  wohl  zu  bedenken,  dass  bei  derartigen  Versuchen  auf  den 
Zustand  des  Samens  Rücksicht  zu  nehmen  ist,  dass  z.  B.  ein  voll  aus- 
gereifter Samen  auf  das  Licht  anders  reagiert  wie  ein  der  Nachreife  be- 
dürftiger. Es  würde  jedenfalls  von  grösstem  Interesse  sein,  wenn  die 
Sache  zu  einer  gewissen  Klärung  gebracht  würde. 

Vorsitzender:  Damit  wäre  die  Diskussion  über  diesen  Gegen- 
stand geschlossen,  und  ich  hätte  den  Antrag  des  Herrn  Hof  rat  v.  Wein- 
zierl zur  Abstimmung  zu  stellen,  ob  wir  in  ähnlicher  Weise,  wie  früher 
besprochen,  die  Einbeziehung  der  Frage  des  Lichts  zur  gemeinsamen 
Arbeit  an  die  Teilnehmer  der  Konferenz  weitergeben  wollen?  Ich  darf 
annehmen,  dass  die  Herren  damit  einverstanden  sind.  Ich  brauche  wohl 
nicht  erst  abstimmen  zu  lassen. 

Es  bleibt  uns  nun  noch  übrig,  Herrn  Kollegen  Vaüha  über  die 
Qualitätsprüfung  der  Braugerste  zu  hören,  Herr  Kollege  Van  ha  hat 
die  Sache  in  der  Sitzung  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  aus- 
einandergesetzt und  möchte  hier  die  einzelnen  Schlussfolgerungen  zur 
Diskussion  stellen.     Es  fragt  sich  nur,  ob  die  Zeit  noch  dazu  ausreicht. 

Hofrat  Dr.  v.  Weinzierl-Wien:  Ich  will  selbstverständlich  Herrn 
Kollegen  Van  ha  nicht  veranlassen,  dass  er  in  irgend  einer  Weise  seinen 
Antrag  zurückzieht.  Ich  möchte  darauf  aufmerksam  machen,  dass  wir 
uns  die  weitere  Tätigkeit  in  der  Weise  denken,  für  einzelne  Fragen  be- 
stimmte Ausschüsse  zu  wählen  und  mit  bestimmten  Themen  zu  ver- 
sehen.    Da  Avird  nun  auch  ein  Ausschuss  sein,  der  die  Frage  der  Keim- 


344        WM-liandliino-en  dei'   1.   internatii)n;ilon  Konferenz  für  Samenpriifuug. 

fähigkeit  prüft.  Ganz  ähnlich,  wie  Kollege  v.  Degen  seine  Propositionen 
vorgetragen  hat  und  jetzt  Kollege  Miltner,  so  würde  ich  glauben,  dass 
ein  Weg  zur  Abkürzung  der  sein  würde,  wenn  Herr  Kollege  Vanha  die 
Vorschläge  angeben  würde,  die  er  durchgeführt  zu  sehen  wünscht,  denn 
eine  Beschlussfassung  über  eine  bestimmte  Methode  steht  uns  in  unserer 
derzeitigen  Konstitution  nicht  zu.  Ich  mache  den  Vorschlag,  dass  die 
von  Herrn  Kollegen  Vaiiha  zu  bezeichnenden,  eventuell  einzuleitenden 
Parallel-  und  Vergleichsversuche  dem  Ausschuss  für  Keimprüfung  zur 
Bearljeitung  zugewiesen  werden. 

Vorsitzender:  Auch  ich  möchte  mich  den  Ausführungen  des 
Herrn  Hofrat  v,  Weinzierl  anschliessen  und  Herrn  Vanha  bitten,  uns 
seine  für  die  Braugerste  gestellten  Forderungen  mitzuteilen. 

Prof.  J.  Vafiha-Brünn :  Dass  die  Frage  einer  einheitlichen 
Qualitätsprüfung  der  Braugerste  von  grosser  Bedeutung  ist,  ist 
unstreitig.  Nachdem  das  ganze  Referat  bereits  in  der  botanischen 
Sitzung  vorgetragen  worden  ist,  bleiben  hier  nur  einzelne  Punkte  vor- 
zubringen und  einer  Beratung  zu  unterziehen.  Nun  muss  ich  es  den 
Herron  freistellen,  ob  es  jetzt  geschehen,  oder  ob  es  dem  inter- 
nationalen Komitee  zugewiesen  werden  soll.  Ich  bin  mir  allerdings  be- 
wusst,  dass  manche  Fragen  Schwierigkeiten  bereiten,  um  darüber  gleich 
ein  entscheidendes  Wort  zu  treffen.  Es  würde  immerhin  einige  Zeit 
beanspruchen;  die  hätten  wir  noch,  aber  ich  hal>e  nichts  dagegen,  dass 
die  Herren  dazu  mehr  Zeit  gewinnen,  über  einzelne  Fragen  speziell  zu 
beraten.  Ich  beantrage  daher,  das  ganze  Referat,  welches  in  dem  Jahres- 
bericht der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  erscheinen  wird,  der 
internationalen  Kommission  für  Samenprütung  zur  Beratung  und  Antrag- 
stellung für  die  nächste  internationale  Konferenz  zuzuweisen  und  das 
gedruckte  Referat  den  einzelnen  Mitgliedern  der  Kommission  zu  dem 
Behufe  zuzusenden.     Dadurch  würde  das  Ganze  für  heute  entfallen. 

Vorsitzender:  Herr  Kollege  Vanha  ist  durch  die  Zusammen- 
drängung der  Verhältnisse  zur  Einschränkung  seines  Vortrages  ge- 
zwungen. Wir  haben  tatsächlich  keine  Zeit,  wenn  die  getroffenen  Ver- 
anstaltungen innegehalten  werden  sollen.  Wir  haben  noch  die  geschäft- 
liche Sitzung  abzuhalten  und  müssen  uns  entschliessen,  was  aus  der 
Konferenz  werden  soll. 

Wir  hätten  uns  darüber  schlüssig  zu  machen,  ob  wir  in  ähnlicher 
\N'eise,  wie  wir  die  anderen  Fragen  zur  allgemeinen  Bearbeitung  weiter- 
gaben, auch  die  vom  Herrn  Kollegen  Vanha  angeregten  Fragen  be- 
handeln wollen.  Da  kein  Widerspruch  erfolgt,  nehme  ich  an,  dass  Sie 
damit  einverstanden  sind. 

Wir  können  dann   den   wissenschaftlichen   Teil  unserer  Beratungen 


Verhandlungen  der  1.  internationalen  Konferenz  für  Samenpriifung.         345 

schliessen  und  jetzt  erledigen,  was  aus  unserer  Konferenz  werden  soll. 
Die  internationale  Kommission  bestand  in  Wien  aus  fünf  Herren,  die 
unter  sich  die  Arbeit  gleichmässig  verteilten,  nur  dass  mir,  weil  ich  am 
Orte  der  Versammlung  war.  der  grössere  Teil  der  Vorbereitung  zufiel. 
I»ieser  Pünferausschuss  hat  sich  ergänzt  durch  je  einen  Vertreter  aus 
den  einzelnen  Staaten,  so  dass  eigentlich  ein  ganz  grosser  Ausschuss 
existierte,  in  dem  jedes  Land  durch  einen  oder  mehrere  Vertreter 
repräsentiert  war.  Ich  möchte  die  Versammlung  bitten,  aus  ihrer  Mitte 
heraus  Vorschläge  für  die  zukünftige  Gestaltung  zu  machen. 

Direktor  Dr.  0.  Stebler-Zürich:  Ich  glaube,  es  hegt  keine  Ver- 
anlassung vor,  die  Sache  anders  zu  gestalten,  als  sie  bis  dahin  gewesen 
ist;  der  bisherige  Ausschuss  hat  ja  die  Geschäfte  ausgezeichnet  besorgt, 
speziell  hat  sich  Herr  Professor  Voigt  einer  ausserordentlichen  Mühe- 
waltung unterzogen,  und  ich  beantrage  deshalb  und  glaube,  dass  alle 
damit  einverstanden  sind  —  der  Beifall,  den  Sie  zollen,  ist  der  beste 
Beweis  dafür  — ,  dass  der  bisherige  Ausschuss  in  corpore  bestätigt 
werde.     Soviel  ich  weiss,  liegt  von  keiner  Seite  eine  Ablehnung  vor. 

Ein  Standpunkt  ist  es  noch,  den  ich  hervorheben  will,  es  ist  die 
Frage  des  Ausschusses.  Ich  glaube,  je  mehr  Ausschüsse  wir  haben, 
desto  komphzierter  wird  die  Sache,  und  deshalb  würde  ich  es  für 
richtiger  halten,  man  beschränke  sich  auf  einen  Ausschuss. 

Vorsitzender:  Herr  Kollege  Stehler  hat  den  Antrag  gestellt, 
den  Ausschuss  für  die  hiesige  Versammlung  auch  für  die  nächste  Zu- 
kunft bestehen  zu  lassen,  diesem  Ausschuss  die  Bearbeitung  der  ein- 
zelnen Prägen  zu  übertragen  und  ihn  zu  beauftragen,  nach  Erledigung 
derselben  eine  neue  Konferenz  einzuberufen. 

Es  entspinnt  sich  nun  über  die  Zukunft  der  Konferenz  eine 
längere  Debatte,  in  der  Herr  Hofrat  Dr.  v.  Vv'einzierl  die  Schaffung 
eines  Verbandes  oder  die  Bildung  einer  Sektion  der  Vereinigung  für 
angewandte  Botanik   vorschlägt. 

Zum  Schluss  einigt  man  sich  dahin,  entsprechend  dem  Stebler- 
schen  Vorschlage,  den  bisherigen  Ausschuss  ,f  ür  die  Förderung 
der  wissenschaftlichen  Grundlagen  der  Samenkontrolle  be- 
stehen zu  lassen,  ihm  die  Bearbeitung  der  Ergebnisse  der  von  ihm  ein- 
berufenen Konferenz,  sowie  die  Erledigung  der  beschlossenen  Umfragen 
zu  übertragen  und  ihn  zu  ermächtigen,  sobald  genügend  Material  vor- 
handen ist,  die  zweite  internationale  Konferenz  für  Samenprüfung  an- 
zuberaumen. 

Direktor  J.  Widen- 0rebro:  Im  Anschluss  an  das,  was  vor- 
geschlagen ist,  möchte  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dass  .so- 
wohl bei  Herkunftsbestimmungen,  sowie  auch  bei  anderen  Gelegenheiten 

Jahie.sbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    IV.  23 


34()         \'erliiui<lliingeii  (l(;i-   1.   iiil,rni;it.iun;ili'n    Ivoiil'urtii/.   lür  S;iiiK'n[>rüi'uiig. 

OS  ul't  voll  Vorteil  ist,  wenn  man  über  die  Produktion  von  Klee-  und 
Grassamen  besonders  in  den  Ländern,  die  solclie  Samen  exportieren, 
einen  genauen  Überbliclv  hat.  Es  wäre  deshalb  wünschenswert,  um 
diese  Sache  bald  zu  erledigen,  wenn  in  die  vorhin  erwähnten  Frage- 
bogen auch  solche  Fragen  hineingebracht  werden  könnten,  wie  z.  B.  wie- 
viel Klee-  und  Grassaat  wird  in  dem  Lande  produziert,  wieviel  Klee- 
und  Grassaat  hat  das  Land  zur  Aussaat  nötig,  und,  wenn  das  Land  als 
Exportland  auftritt,  wieviel  Saat  wird  exportiert?  Auf  diese  Weise 
wird  man  ganz  schnell  einen  guten  Überblick  bekommen.  In  Schweden 
wird  z.  B.  viel  sogenannter  „nordrussischer"  Klee  verkauft.  Jetzt  haben 
wir  aber  gehfirt,  es  wird  in  Nordrussland  gar  kein  Klee  für  Export 
gebaut.  Eine  Zusammenstellung,  wie  die  soeben  erwähnte,  würde  uns  diese 
Provenienzangabe  sofort  als  eine  irrtümliche  klar  machen. 

Ausserdem  ist  das  bei  der  Herkunftsbestimmung  sehr  von  Nutzen, 
wenn  man  Sammlungen  von  guten  Provenienzmustern,  besonders  von 
Kleesamen,  Luzerne  und  Timothee  zur  Verfügung  hat.  Es  wäre  jeden- 
falls sehr  wünschenswert,  wenn  in  den  voraussichthchen  Publikationen 
des  Ausschusses  bekannt  gemacht  werden  könnte,  welche  Herren 
Kollegen  sich  dazu  bereit  erklären,  in  einen  Austausch  solcher  Proben  zu 
treten.  Ich  halte  es  für  wünschensw^ert,  wenn  der  Ausschuss  meine 
Vorschläge  bei  der  Publikation  berücksichtigen  wollte. 

Vorsitzender:  Ich  glaube,  die  Herren  sind  alle  damit  ein- 
verstanden, wenn  wir  die  Wünsche  des  Herrn  Widen  zu  Protokoll 
nehmen  und,  soweit  es  in  unseren  Kräften  liegt,  auszuführen  versuchen. 
Sicher  besteht  in  guten  Vergleichsproben  eine  Hauptstütze  für  unsere 
Forschungen. 

Dr.  Th.  Waag'e-Berlin :  ich  möchte  noch  kurz  bemerken,  dass  in 
den  nordrussischen  Provinzen  immerhin  in  recht  beträchtlichen  Mengen 
Klee  gebaut  und  exportiert  wird.  Wenn  es  nicht  in  dem  Umfange 
geschieht,  wie  es  möglich  ist,  liegt  es  in  der  Qualität.  Die  Farbe  dieser 
nordrussischen  Provenienz  pflegt  solche  zu  sein,  dass  sie  hier  keinen 
Markt  findet.  Das  ist  der  natürliche  Grund,  warum  die  Ware  im  Lande 
bleibt.  Zum  anderen  möchte  ich  bemerken,  dass  man  den  Export  und 
Import  der  verschiedenen  Sämereien  sehr  sorgfältig  in  unserem  Blatte 
„Der  Saatenmarkt"  aufgeführt  findet. 

Direktor  K.  Dorph  Peterseil-Kopenhagen :  Es  wäre  gut,  um  fest- 
zustellen, ob  der  Lichteinttuss  auf  die  Keimfähigkeit  von  Bedeutung  ist, 
dass  auf  den  verschiedenen  Samenkontrolistationen  dieselben  Proben- 
anaJysen  gemacht  würden.    E)arüber  sind  wir  wohl  einig?  (Zustimmung.) 

Vorsitzender:     Wünscht  sonst  noch  jemand  das  Wort?     Es  ist 


Verhandlungen   der   1.   intenialioiKikn   Konferen/,   l'ür  Saiiienpniriing.        ;)47 

dies  nicht  der  Fall.  Dann  möchte  icii  den  Wunsch  wiederholen,  den 
ich  in  der  ersten  Sitzung  ausgesprochen  habe,  dass  der  Ausschuss 
möglichst  unterstützt  werde  in  der  Vervollständigung  und  Zusammen- 
stellung der  verschiedenen  Vorschriften,  die  ich  als  Manuscript  zu- 
sammengestellt habe.  Ich  erwähne  ferner  noch  einen  Wunsch  des 
Herrn  Brown -Washington,  es  möchten  die  Herren  eine  kurze  Beschreibung 
und  Abbildungen  der  verwendeten  Apparate  dazu  liefern. 

Ich  möchte  unsere  gemeinsamen  Beratungen  mit  dem  Gcdaniven 
schliessen,  dass  die  vielseitigen  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Samen- 
priifung  und  insbesondere  in  der  Kunst  der  Keimversuche  uns  eine  hin- 
reichende Garantie  bieten,  dass  das  Samenkorn  der  internationalen  An- 
näherung unter  den  Kontrollstationen,  das  wir  hier  in  Hamburg  ins 
Keimbett  gelegt  haben,  sich  normal  oiitwickehi  und  zu  einer  kräftigen 
Pflanze  heranwachsen  wird. 

Damit  schliesse  ich  die  erste  internationale  Konferenz  für  Samen- 
prüfung. 

Schluss  mittags  12 '/o  ^-'l"'- 


Verbesserungen, 


Seite  293  Z.  22—24  v.  o.  statt:  .  .  .  wenn  man  die  früher  gebräuchlichen  Siebe, 
bei  welchen  die  Löcher  einfach  mit  einer  Stanze  durchgeschlagen  und 
die  Lochnffnungen  nicht  gleich  gross  sind  ...  ist  zu  lesen:  .  .  .  wenn 
man  die  früher  gebräuchlichen  Siebe,  bei  welchen  die  Löcher  mit  ein 
und  derselben  Stanze  durchgeschlagen  und  die  Lochöffnungen  gleich 
gross  waren,  mit  den  jetzigen  vergleicht. 

Seite  311  Z.  5  v.  o.  statt:  .  .  .  beiden  Samen  nicht  in  Menge  ...  ist  zu  lesen: 
.  .  .  beiden  Kleeseidearten  nicht  gemengt  .  .  . 

Seite  313  Z.  19  v.  o.  ist  zu  lesen:  .  .  .  Motivierung  „auf  das  Vorkommen"  von 
Grobseide  .  .  . 

Seite  313  Z.  21  v.  o.  ist  zu  lesen:  .  .  .  Kleeseide  „überhaupt"  kommt  .  .  . 


Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanih  IV. 


Fi.-.  1 


,  /ahrcshrric/it  litr  hrlrrter  der  anijewn/if/fen  Botanik.  II. 


E.Stender  odTuxz.  del. 


\i"wf     ^'^- 


'      (  ^  0  '  ( 


Fig.  3. 


Tafll. 


S.Iaz/.e,Zük.  /nsi.^erün 


JaJvesberüJU der  l'ertreter  der  angmcmdtm  ßotonik  IV. 


Fig.L 


Ttiflü. 


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Fig.  3. 


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■rtS^i 


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E.Ia.U£,Iiih  iTist.Jeriin.. 


Jah)-esbericJit  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  IV. 


Taf.  IV. 


Fig.  1 


Thiele,  Wirkung  des  Kalis 


.hdircshcricht  (IrrVcrriiiifliiini  für  (Oificiraiirlir    P,ofaiii/,-  TV. 


Taf.  V. 


Fig.  ?, 


Fis.  4 


Thiele,  Wirkung  des  Ivalis. 


Jahresbericht  der  VercinigmKj  für  auc/eiranclte  Botanik  IV. 


Taf.  VI. 


Fig.  5 


Fig.  6 


Thiele,  Wirkung  des  Kalis. 


Jahresbericht  der  Vereinigunn  für  anyeirandie  BoianiL  i  T. 


Taf.  VfL 


^i-  7 


Fi-.  8 


Thiele,  Wirkuna-  des  Kalis 


Jahirsbci-icJit  der  S^errhiigiotg  für  aiigeirandte  Bofcniik  /T'. 


Taf.  VIII. 


Fiff.  0 


Fio-.  10 


Thiele,  Wirkung  des  Kalis. 


Jahresbericht 


Vereinigung  fürjngi andte  Botanik 


Fünfter  JalitgaM  MI 


Mit  5  Tafeln  um^  5  Textabbj[du^^^ 


BERLIN 

Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger 

SW  11  Grossbeeren  Strasse  9 
1908 


Jahresbericht 


der 


Yereinigung  für  angewandte  Botanik 


Fünfter  Jahrgang  1907 


Mit   5   Tafeln   und   5   Textabbildungen 


LIBRARY 
NEW  YORK 
BOTaNICaL 

ÖAH:D6N. 


BERLIN 

Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger 

SW  11   Grossbeeren  Strasse  9 
1908 


Alle    Rechte    vorbehalten 


Druck  von  A.  W.  Hayn's  Erben,  Potsdam. 


NEW  YORK 

Inhalts-Verzeichnis 


Seite 

1.  Bericht   über    die    5.  Hauptvei'sammlung    der  Vereinigung 
in    Dresden    vom    8. — 15.    September    1907,     erstattet    von 

,  Ü.   Brick V— XLVIII 

Darin     enthalten    folgende    Diskussionen,     Referate, 
Resolutionen  usw. 
Diskussion   zu  Wie  1er,    Beziehungen   der  Botanik  zur  Technik.    VII — XVI 
Resolution  betr.  Botanik    an  den  deutschen  Technischen  Hoch- 
schulen       XVI 

Diskussion  zu  Gilg,  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hoch- 
schulen    .     " XVI— XX 

Resolution  betr.  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hoch- 
schulen       XX 

Geschäftliche  Sitzung:  Jahresbericht,  nächstjähriger  Ver- 
sammlungsort, Antwort  der  Kolonialabteilung  des  Aus- 
wärtigen Amtes  in  Berlin  auf  die  Resolution  betr. 
Förderung  der  tropischen  Land-  und  Forstwirtschaft,  Linne- 

Adresse   an   die   Universität  Uppsala XX — XXIV 

Diskussion     zu     Volkens,     Botanische     Zentralstelle     für     die 

Kolonien XXV- XXVIII 

Diskussion  zu  Bernegau,    Akklimatisationsver.suche    mit  Süss- 

kartoffelu       .     ^ XXVIII— XXIX 

Diskussion  zu  Hiltner,  Neuere  bodenbakteriologische  Ergebnisse 

und  Probleme XXIX— XXXII 

Diskussion  zu  Stürmer,  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  und 

ähnlicher  Stoffe  auf  den  Boden XXXIII — XXXIX 

Diskussion  zu  Simon,  Widerstandsfähigkeit  der  Wurzelbakterien 

der  Leguminosen XXXIII— XXXV 

Diskussion  zu  Heinze,  Serradella- u.  Lupinenbau  auf  schwerem 

Boden XL— XLI 

?^  Lindnei',  P.,  Schimmelpilzkulturen XLI — XLII 

^        Diskussion XLII— XLIII 

^.  Diskussion  zu  Ewert,   Neue  Beispiele   für  Parthenokarpie     .     .     XLIII 
Cs}  „  „    Zacharias,  Sterile  Johannisbeeren      ....   XLIV-XLV 

fy.  „  „Johnson,  Elektrische  Samenprüfung XLV 

CL 


IV  Inhalts-Verzeiclinis. 

TllielP,  R.,  Weitere  Untersuchungen  betreffend  die  Veränderung        Seite 

der  pflanzlichen  Gewebe  durch  Düngung XLV — XLVI 

Diskussion XLVI 

Exkursion  in  das  Eibsandstein-  und  böhmische  Mittelgebirge  XLVII — XLVIII 


2.  Mitgliederliste  für  1907 XLIX-LIX 


3.  Vorträge  und  Abhandlungen 

Wider,  A.,  Die  Beziehungen  dei   Botanik  zur  Technik     ....  1 — 19 
(iilg,  E.,  Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  und 

ihre  Vertretung  an  den  deutschen  Hochschulen     ....  20 — 31 
Volkons,  G.,  Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien,   ihre 

Zwecke  und  Ziele     . ...  32— 4S 

Mulli,  F.,    Über   die  Infektion   von   Sämereien   im  Keimbett.     Ein 

Beitrag  zur  Samenuntersuchung  und  Samenzüchtung    .     .  49-82 

Ewert.  R.,  Neue  Beispiele  für  Parthenokarpie .  83 — 85 

BeriH'^an,  L.,  Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze    ....  86 — 95 

Bernesau.  L,  Akklimatisationsversuche  mit  Süsskartoffeln  .     .     .  96 — 99 

Beriiegail,  L.,    Die  Verwendung  der  Samen    von  Parkia  africana  100  —  101 

Johnson,  T.,  Elektrische  Samenprüfung  (mit  4  Textfiguren)     .     .  102—112 
Stornier,  K.,    Über    die  Wirkung    des    Schwefelkohlenstoffs    und 

ähnlicher  Stoffe  auf  den  Boden 113  —  131 

Simon,    J.,    Die    Widerstandsfähigkeit    der    Wurzelbakterieu    der 

Leguminosen    und   ihre  Bedeutung  für  die  Bodenimpfung  132 — 160 
Heinze,  B.,  Neuere  Beobachtungen  über  Serradella-  und  Lupinen- 
bau auf  schwerem  Boden  (mit  1  Textfigur  und  Tafell — IV)  161 — 199 
Hiltner.  L.,    Neuere    bodenbakteriologische  Ergebnisse   und  Pro- 
bleme     200—222 

Zacliarias,  E.,  Sterile  Johannisbeeren  (mit  Tafel  V) 223-225 

(«raebner.    P.,    Nichtparasitäre    Pflanzenkrankheiteu    des    Jahres 

1907 22(5—233 


Verbesserungen 234 


Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung 

der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik 

in  Dresden  vom  8.— 15.  September  1907. 

Wie  auf  der  vorjährigen  Versammlung  in  Hamburg  hatte  auch 
für  das  Jahr  1907  die  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  ihre 
diesmalige  Hauptversammlung  mit  der  Freien  Vereinigung  der  syste- 
matischen Botaniker  und  Pflanzengeographen  am  gleichen  Orte 
und  zur  gleichen  Zeit  abzuhalten  verabredet.  Als  Versammlungsort  war 
anfänglich  Leipzig  in  x\ussicht  genommen,  wo  auch  die  Deutsche 
Botanische  Gesellschaft  ihre  25.  Generalversammlung  im  September 
abzuhalten  beschlossen  hatte.  Als  Zeit  war  die  Woche  vor  der  79.  Ver- 
sammlung Deutscher  Naturforscher  und  Ärzte,  die  vom  15.  bis 
21.  September  in  Dresden  stattfinden  sollte,  in  Aussicht  genommen.  Da 
sich  jedoch  in  Leipzig  wegen  der  zu  gleicher  Zeit  dort  abzuhaltenden 
Messe  Schwierigkeiten  für  die  LIntorkunft  ergaben,  wurde  für 
die  Kongresse  der  oben  genannten  drei  Vereinigungen  schließlich  gleich- 
falls Dresden  als  Versammlungsort  gewählt  und  zwar  für  die  Ver- 
einigung für  angewandte  Botanik  und  die  freie  Vereinigung  der  syste- 
matischen Botaniker  und  Pflanzengeographen  die  Tage  vom  8.  bis 
11.  September  und  für  die  Deutsche  Botanische  Gesellschaft  der  12.  und 
13.  September.  Vom  13.  — 15.  September  war  eine  botanische  Ex- 
kursion in  das  Eibsandstein-  und  böhmische  Mittelgebirge  vorgesehen, 
an  die  sich  dann  die  Naturforscherversammlung  anschloß. 

Auf  Grund  einer  Mitte  März  veranstalteten  Umfrage  und  nach 
späteren  Anmeldungen  konnte  den  Mitgliedern  Ende  Juni  ein  vorläufiges 
Programm  und  Anfang  September  das  definitive  Programm  übersandt 
werden. 

In  Dresden  fanden  sich  zur  Versammlung  49  Mitglieder  ein:  von 
A  r  n i  m  -  S  c  h  1  ag e n t h i n -Nassenheide,  B e r n  e g a u -Berlin,  B  r i c k  -Hamburg, 
Büsgen- Minden,  Diels-Marburg,  Dingler- Aschaffenburg,  Drude- 
Dresden,  Engler- Dahlem,  Ewert  Proskau,  A.  Fischer-Basel,  Ch. 
Fischer-Frankenthal,   H.   Fischer-Berlin,   Fünf  stück -Stuttgart,  Gilg- 


VI  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Dahlem,  Grevillius- Kempen.  Gutzeit- Steglitz,  Haupt- Bautzen. 
Heinze-Hallo,  Hiltner-München,  Hinneberg-Altona,  Hosseus-Bevlin, 
Jakowatz-Tetschen,  Johnson-Dublin,  Kumm-Danzig,  Lindemuth- 
Berlin,  Lindner- Berlin,  Metz-Halle,  Naumann-Dresden,  Neger- 
Tharandt,  Nestler -Prag,  Nilsson-SvalötRetzlaff -Hamburg,  Schander - 
Bromberg,  Schwede-Dresden,  Simon -Dresden,  Solereder-Erlangen, 
Sonder- Oldesloe,  Steglich -Dresden,  Störmer-Halle,  Thiele-Staßfurt, 
Thoms-Dahlem,  Thost-Berlin,  Voigt- Hamburg,  Volkons-Dahlem, 
Warburg-Berün,  Wieler- Aachen,  Wittmack-Berlin,  Zacharias-Ham- 
burg,  Zörnig-München  und  mehrere  Damen. 

Außerdem  nahmen  an  einigen  Sitzungen  als  Gäste  teil:  stud.  rer. 
nat.  J.  Jan ke- Dresden,  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  L.  Kny-Berlin, 
Oberförster  Dr.  Koorders-Java,  Medizinalrat  Kunz-Krause-Dresden, 
Dr.  E.  Lehmann-Dresden,  Prof.  Dr.  P.  Pax-Breslau,  Dr.  0.  Pazschke- 
Dresden,  r)r.  H.  Poß-München,  Dr.  B.  Schorler-Dresden  und 
E.  Ule- Berlin. 

Als  nachträgliche  Gabe  für  die  Teilnehmer  an  den  in  Ham- 
burg veranstalteten  Ausflügen  nach  dem  Freihafen  und  in  die  Vierlande 
lagen  aus: 

C.  Brick,  Die  Fruchtschuppen  des  Hamburger  Freihafens  und  die 
Station  für  Pflanzenschutz  in  Hamburg.  (9  S.  Aus  dem  Führer  für 
den  II.  Lehrgang  des  Deutschen  Pomologenvereins  für  Obstbau-Beamte  und 
-Praktiker  in  Lübeck  vom  29.  JuU  bis   1.  August  1907.) 

C.  Brick  u.  a.,  Gemüse-  und  Obstbau  im  Hamburgischen  Land- 
gebiet.    21   S.     Hamburg   19ü7. 

Ferner  waren  zur  Verteilung  übersandt: 

J.  Buchwald,  L)ie  Versuchsanstalt  für  Getreideverarbeitung, 
Berlin  N.  Seestraße  (Der  Müller  XXIX,  No.  30,  30.  VII.  1907.  Mit 
8  Abbildungen)  und 

P.  Lindner,  Endomyces  fibuUger  n.  sp.,  ein  neuer  Gärungspilz 
und  Erzeuger  der  sog.  Kreidekrankheit  des  Brotes.  (Wochenschr.  f. 
Brauerei,  XXIV,  No.  36,  7.  IX.  1907.  Mit  88  Textabbild,  u.  2  Tat.) 
Ein  gemeinsames  Mittagessen  vereinigte  an  den  drei  Sitzungstagen 
die  Mitglieder  der  Vereinigungen  für  angewandte  und  systematische 
Botanik  im  Hotel  Bristol  (Bismarckplatz). 


Eröffnung.     Diskussion:  Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.     VII 

Sonntag,  den  8.  September 

iand  sich  abends  eine  zahlreiche  Versammlung  von  Vertretern  der  an- 
gewandten und  systematischen  Botanik  in  dem  herrlich  geschmücliten 
Festsaal  des  Königlichen  Belvedere  auf  der  Brühischen  Terrasse  zur  Be- 
grüßung ein. 


Montag,  den  9.  September, 

9  Uhr  vorm,  Sitzung   in   der  Technischen  Hochsch  ule  (Hörsaal  41). 
Prof.  Dr.  E.  Zacharias    eröffnet   als  Vorsitzender   die  diesjährige 
Versammlung  in   Dresden. 

Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude -Dresden  begrüßt  mit  herzlichen 
Worten  die  erschienenen  Mitglieder  in  Dresden,  erwähnt  die  Hamburger 
Versammlung  und  schlägt  vor,  an  den  Präses  der  Hamburgischen  Unter- 
richtsverwaltung, Senator  Dr.  v.  Melle,  das  folgende  Telegramm  zu 
senden : 

„Die    hier    in    Dresden    versammelten  Vereinigungen    für 
angewandte    und    systematische  Botanik    haben    die    vorjährige 
Versammlung    in    Hamburg    in    freudiger    und     dankbarer    Er- 
innerung und  bringen  dies  Ihnen  hierdurch  zum  Ausdruck." 
,   Auf  diese  Depesche  ist  sodann  die  nachfolgende  Antwort  aus  Ham- 
burg eingelaufen: 

„Verbindlichen  Dank  für  den  freundlichen  telegraphischen 
Gruli  Ich  wünsche  den  Vereinigungen  auch  für  ihre  dortigen 
Versammlungen  besten  Erfolg.  von  Melle." 

Den    ersten    Vortrag    hielt    Professor    Dr.  A.  WielerAachen    über 

Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik  (s.   S.    1  — 19). 

In  der  sich  an  den  Vortrag')  anschlielienden  längeren  Diskussion 
ergreift  zunächst  das  Wort 

Geh.  Hofrat  Professor  Dr.  0.  Drude-Dresden;  Der  verehrte  Herr 
Kollege  hat  mit  großer  Kraft  und  Energie  die  Botanik  an  den  Tech- 
nischen Hochschulen  wachgerüttelt,  und  seine  Ausführungen  sind  be- 
sonders an  die  Examinationskommission  gerichtet,  so  daß  ich  großen 
Eindruck  erwarte,  wenn  der  Vortrag  an  die  geeigneten  Stellen  gesandt 
wird.  Wenn  ich  das  Wort  ergreife,  so  geschieht  es,  um  einige  Er- 
klärungen und  Ergänzungen  zu  geben.     Große  Unterschiede  sind  in  der 


*)  Auf  S.  14  Zeile   1  u.  auf  S.  17  Z.  (i  v.  o.  ninü  es  heißen  Fabrikingenieur 
anstatt  Betriebsingenieur. 


V'lll  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Gestaltung  der  Botanik  an  den  einzelnen  Technischen  Hochschulen  vor- 
handen. Auffallend  sind  die  geringen  Rechte,  weiche  die  Botanik  ihren 
Dozenten,  die  oft  auch  geringe  Institutsmittel  zu  haben  scheinen,  an  den 
Technischen  Hochschulen  Preußens  verleiht.  Die  süddeutschen  Hoch- 
schulen Karlsruhe,  Stuttgart  und  München  verhalten  sich  ganz  anders, 
ebenso  Dresden.  Aus  dem  Prüfungsregulativ  allerdings  kann  man  nicht 
immer  alles  beurteilen,  wie  es  an  der  Hochschule  hergeht;  denn  der 
Rang  der  hier  vertretenen  Wissenschaften  ist  verschieden  und  manche 
sind  erst  aus  praktischem  Bedürfnis  später  zugezogen,  wie  die  Botanik. 
Der  Mensch  hat  erst  Holz  benutzt,  ehe  er  die  Wissenschaft  vom  Holz, 
kannte.  Wir  stehen  nun  hier  in  Dresden  auf  dem  Standpunkte,  die 
Studenten  nicht  mit  einer  zu  großen  Zahl  von  Zwangsfächern  zu  be- 
lasten. Wenn  daher  in  der  Prüfungsordnung  steht,  daß  ein  Chemiker 
wählen  soll  zwischen  Botanik  oder  Mineralogie,  so  soll  damit  ausgedrückt 
werden,  daß  er  nur  in  einer  dieser  Disziplinen  geprült  werden  soll, 
nachdem  er  wahrscheinlich  beide  kennen  gelernt  hat.  Die  Ausbildung 
in  beiden  Fächern  wird  aber  schon  durch  diese  Form  des  Regulativs 
empfohlen.     Wir  wollen  die  Lernfreiheit. 

Ebenso  kann  man  nicht  alles  aus  den  Titeln  der  Vorlesungen  er- 
kennen, was  getrieben  wird.  Unter  dem  Kollegtitel  kann  sich  Ver- 
schiedenes verstecken.  Wenn  z.  B.  für  die  ('hemiker  hei  uns  Physio- 
logie im  Examen  gefordert  wird,  so  ist  das  ein  weiter  Begriff.  In 
Dresden  ist  die  Haupteinteilung  so:  Technische  Mikroskopie  und  bota- 
nische Rohstofflehre  als  winterliches  Kolleg,  allgemeine  Pflanzenphysiologie 
als  sommerliches  Kolleg  mit  allgemeiner  Entwickelungslehre  der  Pflanzen 
abwechselnd.  Die  Reihenfolge  aber  und  die  Auswahl  ist  jedem  ganz 
freigelassen. 

Hinsichtlich  der  geringeren  Bedürfnisse  in  andern  Abteilungen,  z.  B. 
hinsichtlich  der  Baumaterialienlehre,  da  ist  allerdings  ein  wirklicher 
Mangel.  Der  Mineraloge  steht  aber  der  Frage  ebenso  ratlos  gegenüber. 
Es  müssen  hier  Ergänzungen  stattfinden  durch  kleine  Kurse,  wie  sie 
an  keiner  Hochschule  meines  Wissens  bisher  existieren,  für  die  Hoch- 
bauabteilung z.  B.  hinsichtlich  Bau  des  Holzes  und  iMnwirkung  des  Haus- 
schwammes.  Es  müssen  einige  Zeiten,  in  die  sich  mehrere  Dozenten, 
Botaniker,  Chemiker,  Geologen  und  Mineralogen  teilen,  frei  gehalten 
werdenzur  Ergänzung  in  solcher  Ausbildung.  Die  Techniker  verfolgen  in 
ihren  Vorlesungen  über  Rohstoffe  ja  ganz  etwas  anderes,  z.  B.  Elasti- 
zität, Widerstand  usw.,  wie  der  sie  ergänzende  Botaniker.  Es  werden 
aber  immer  nur  abgeschlossene  größere  Kollegien  angekündigt,  z.  T. 
für  die  Prüfungen,  z.  T.  daneben  honorarfreie  einstündige  Vorlesungen, 
und   selbst  diese  kosten  noch  vielen  Studenten  zu  viel  Zeit.      Es  scheint 


Diskussion:  Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  IX 

daher    notwendig,    das    für    sie   Wissenswerte    in    gedrängteren   Kursen 
zu  bringen. 

Die  Diskussion  über  solche  Vorschläge  wird  vielleicht  durch  die 
Veröffentlichung  von  Wielers  Vortrag  erreicht  werden.  Die  Botaniker 
der  einzelnen  Technischen  Hochschulen  müßten  dann  vielleicht  zusammen- 
kommen und  dabei  könnten  interne  Sachen  zur  Sprache  kommen,  für 
welche  die  heutige  Versammlung  nicht  geeignet  ist. 

Professor  Dr.  M.  Füiifstück- Stuttgart;  Die  Ausführungen  vom 
Kollegen  Wieler  werden  sicher  großes  Interesse  finden.  Der  Unterricht 
in  der  Baumaterialienkunde  ist  zweifellos  sehr  reformbedürftig,  aber 
die  Sache  macht  große  Schwierigkeiten.  Bei  der  jetzigen  Organisation 
des  techn.  Studiums  ist  es  unmöglich,  noch  weitere  Ausbildungsgegen- 
stände hinzuzufügen.  Die  Studierenden  des  Baufachs  haben  36  Stunden, 
sogar  zumeist  über  40  Stunden  Kolleg  und  Übungen  wöchentlich.  Die 
Maschinenbauer  haben  schon  jetzt  die  größten  Schwierigkeiten,  in  der 
vorgesehenen  Zelt  den  Stoff  zu  bewältigen.  Sie  leisten  Widerstand,  die 
Studienzeit  zu  verlängern,  weil  sie  der  Meinung  sind,  die  Industrie 
werde  sich  zur  Wehr  setzen.  Man  möchte  gerne  Abhilfe  schaffen, 
aber  man  weiß  nicht,  wie  man  es  machen  soll.  In  der  BaumaterJalienkunde 
könnte  man  sogenannte  vikariierende  Vorlesungen  einführen.  Wir  denken 
uns  das  in  Stuttgart  so,  daß  der  Veitreter  der  Baumaterialienkunde 
z.  B.  dem  Botaniker  den  Vortrag  überläßt,  sobald  die  Behandlung  des 
Stoffes  in  das  Bereich  des  Botanikers  gehört.  Ein  Versuch  in  dieser 
Richtung  ist  bei  uns  zunächst  vom  Zoologen  und  Bildhiiuer  mit  p]rfolg 
gemacht  worden.  Der  Zoologo  erscheint  von  Zeit  zu  Zeit  nach  Verein- 
barung mit  seinem  Kollegen  auf  der  Bildfläche  und  behandelt  in  wenigen 
Vorlesungen  das  für  den  Bildhauer  Erforderliche  in  anatomischer  Be- 
ziehung. Ich  glaube,  daß  vielleicht  schon  in  nächster  Zeit  diese 
Methode  auch  auf  die  Baumaterialienkunde  Anw'endung  finden  wird. 
Es  wird  indes  nicht  zu  verkennen  sein,  daß  auch  dieser  Ausweg  nicht 
immer  leicht  gangbar  sein  wird.  Jedenfalls  sind  gute  koUegialische 
Beziehungen  zwar  nicht  gerade  unerläßlich,  aber  überaus  wünschenswert. 
Übrigens  sind  nicht  immer  die  Vertreter  der  Naturwissenschaften  den 
Vertretern  der  technischen  Fächer  entgegengekommen.  So  ist  mir  be- 
kannt, daß  der  Mineraloge  einer  Technischen  Hochschule  erklärte,  „eine 
Mineralogie  für  Maurer"  lese  er  nicht,  als  die  Architekten  mit  dem 
Wunsche  an  ihn  herantraten,  eine  mineralogische  Vorlesung  unter  spezieller 
Berücksichtigung  der  Bedürfnisse  der  Architekten  zu   halten. 

Die  Organisation  der  Technischen  Hochschulen  und  auch  die 
Diplomprüfungen  sollen  nach  dem  Herrn  Referenten  so  außerordentlich 
verschieden   sein.     Das   ist  nicht  der  Fall.     E)ie  noch   vorhandenen  Ver- 


X  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

schiedenheiten  sind  gering,  sie  sollten  jedoch  auch  noch  beseitigt  werden. 
Auf  einer  Rektorenkonferenz  in  Hannover  im  Jahre  1906  hat  sich  heraus- 
gestellt, dali  sich  eine  reguläre  l']xamenstechnik  herausgebildet  hatte. 
(Heiterkeit.)  Die  Studenten  gingen  von  einer  Hochschule  zur  andern 
und  konnten  sich  dadurch  um  Prüfungen  in  einzelnen  Fächern  herum- 
drücken. Dem  ist  jetzt  vorgebeugt.  Das  Streben  geht  überhaupt  dahin, 
in  bezug  auf  die  technischen  Fächer  in  der  Organisation  des  Studiums 
und  der  Prüfungen  möglichste  Konformität  zu  erzielen.  Stuttgart  und 
Dresden  gehen  parallel  und  unterscheiden  sich  in  bezug  auf  die  Ver- 
fassung sehr  wenig.  Für  Stuttgart  kommt  noch  hinzu,  dal)  dort  die 
technische  Hochschule  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  2.  Laiules- 
universität  zu  ersetzen  hat. 

Was  die  Blütenlese  Wielers  aus  den  Werken  der  Baumaterialien« 
künde  betrifi't,  so  ist  Wieler  etwas  einseitig  verfahren,  er  hat  nur 
minderwertige  Werke  aufgeführt,  es  gibt  doch  aber  auch  recht  gute. 

Was  nun  die  Behandlung  der  Botanik  an  den  Technischen  Hoch- 
schulen anbelangt,  so  kann  ich  unsere  Einrichtungen  in  Stuttgart  aufs 
wärmste  empfehlen,  sie  haben  sich  durchaus  bewährt.  Lehramts- 
kandidaten, Chemiker  und  Pharmazeuten  werden  in  bezug  auf  die 
botanischen  Voi-lesungen  in  den  beiden  ersten  Semestern  gleich  behandelt, 
sie  li()ren  während  zwei  Semester  ein  vierstündiges  Kolleg  über  die 
Grundzüge  der  allgemeinen  und  speziollen  Botanik  und  absolvieren  ein 
mikroskopisches  Praktikum  (zweistündig  und  zweisemestrig).  Für  die 
Chemiker  schließt  sich  daran  ein  Praktikum  für  technische  Mikroskopie 
an,  dreistündig  in  einem  Semester.  In  der  Diplomprüfung  werden  die 
Chemiker  in  Botanik  mündlich  geprüft,  in  der  Hauptprüfung  haben  sie 
mikroskopische  Aufgaben  zu  lösen,  von  denen  auf  Cirund  der  Übungs- 
protokolle dispensiert  werden  kann.  —  Dringend  warne  ich  davor,  sich 
nur  auf  ganz  spezielle,  nur  auf  bestimmte  Sonderzwecke  abzielende 
Vorlesungen  einzulassen.  Wir  haben  uns  mit  Erfolg  dagegen  gewehrt; 
bei  solchen  Bestrebungen  kommt  nichts  heraus.  Solche  Vorlesungen 
schaden  mehr  als  sie  nutzen.  Technische  Mykologie  z.  B.  kann  doch 
nur  derjenige  mit  J">folg  betreiben,  der  überhaupt  etwas  von  Mykologie 
versteht.  Wenn  eine  solche  Vorlesung  für  den  Techniker  von  Nutzen 
sein  soll,  so  muli  sie  sich  auf  erheblich  bi'eiterer  Basis  aufbauen,  als 
man  sich  dies  in  gewissen  Kreisen  vorstellt.  Icli  habe  Kenntnis  von 
einem  von  technischer  Seite  entworfenen  Programm  lür  eine  solche 
^technische  Vorlesung"  erhalten,  dessen  Durchführung  schlechterdings 
unmöglich  gewesen  wäre.  Solche  unerfüllbaren  Forderungen  sind  auf 
die  Unkenntnis  zurückzuführen  —  hierin  stimme  ich  dem  Herrn 
Referenten  vollkommen  zu   — ,  welche  in  den  weitesten  Kreisen  über  den 


Diskussion:  Die  Beziehungen  der   Botanik  zur  Technik.  XI 

heutigen  Charakter  unserer  Wissenschaft  besteht.  —  Darüber,  dali  an  den 
Teclinischen  Hochschulen  botanische  Vorlesungen  unter  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Bedürfnisse  der  Technik  von  groHem  Wert  sind,  dürften 
wohl  alle  Sachkenner  einig  sein.  Aber  zurzeit  ist  es  fast  unmöglich, 
solche  Vorlesungen  den  Studienplänen  einzugliedern.  Die  technischen 
Abteilungen  müJiten  Konzessionen  machen,  d.  h.  sie  müliten  sich  dazu 
verstehen,  die  Studienzeit  zu  erweitern.  Wenn  die  Hochschulen  erst 
weiter  ausgebaut  sein  werden,  wird  auch  die  Studienzeit  erweitert 
werden.  Die  einsichtsvollen  Techniker  geben  die  schon  jetzt  vorhandene 
Notwendigkeit  der  Verlängerung  der  Studienzeit  zu. 

AVielev:  Herr  Geheimrat  Drude  meint,  meine  Ausführungen 
richteten  sich  besonders  an  die  Examenskommissionen.  Soweit  wollte 
ich  gar  nicht  einmal  gehen  ;  ich  erachte  es  zunächst  nur  für  notwendig, 
den  Studierenden  die  Dinge  in  Vorlesungen  und  Übungen  zu  bieten, 
welche  ich  als  technische  Botanik  bezeichnet  habe.  Es  herrscht  eine 
weitgehende  Abneigung  gegen  die  Botanik,  welche  zum  großen  Teil  aus 
einer  Unkenntnis  des  wahren  \\'ertes  unserer  Wissenschaft  herrührt. 
Und  diese  Unkenntnis  ist  nicht  nur  im  groüen  Publikum  und  bei  den 
Studierenden  vorhanden,  sondern  auch  die  Behörden  sind  nicht  immer  frei 
davon.  Als  Beleg  für  diese  Behauptung  führe  ich  die  Prüfungsordnung 
für  Nahrungsmittelchemiker  an.  Sie  begnügt  sich  mit  der  Teilnahme 
des  Kandidaten  an  den  mikroskopischen  Übungen  während  eines  Se- 
mesters. Nun  wird  mir  jeder  von  Ihnen  beipflichten,  dal)  diese  Aus- 
bildungszeit viel  zu  kurz  ist.  um  den  Anforderungen  der  Hauptprüfung 
genügen  zu  können.  Zum  Glück  trägt  die  Prüfungsordnung  die  Korrektur 
in  sich  selbst,  so  daO  diese  Vorschrift  nicht  weiter  schaden  kann,  sie 
zeigt  aber,  wie  gering  man  sich  die  Schwierigkeit  unserer  Wissenschaft 
vorstellt:  leider  ist  diese  Ansicht  weit  verbreitet. 

Was  die  Baumaterialicnkunde  anbetrifft,  so  schwebt  mir,  wie  ich 
das  ja  auch  in  meinem  Vortrag  angedeutet  habe,  nicht  eine  Ver- 
mehrung der  Fächer  vor,  sondern  nur  eine  zweckmäßigere  Organisation 
des  Unterrichtes;  denn  es  ist  unpraktisch  —  und  für  den  Studierenden 
nutzlos  — ,  wenn  jemand  der  Vollständigkeit  wegen  über  Dinge  vor- 
tragen muß,  die  er  nicht  versteht,  vvo  die  Möglichkeit  besteht,  diesen 
Teil  durch  eine  geeignetere  Kraft  lesen  zu  lassen.  Es  würde  das  meines 
Erachtens  eher  eine  Entlastung  als  eine  Mehrbelastung  der  Studierenden 
sein.  Eine  Beteiligung  der  Botaniker  an  dem  Unterricht  in  der  Bau- 
materialienkunde könnte  aber  vielleicht  auch  den  Anstoli  geben,  daß 
diese  sich  mit  den  Pilzkrankheiten  des  Holzes  mehr  als  bisher  be- 
schäftigen. Bei  einschlägigen  Gutachten  tritt  nicht  nur  die  ungenügende 
botanische  Bildung  der  begutachtenden  Bauleute,  sondern  auch  der  Mangel 


XII  Bericht  über  die  ").  Hauptversammlung-  der  Vereinigung-. 

einer  ausreichenden  wissenschaftlichen  Durcharbeitung  dieses  Gebietes 
hervor.  Eine  derartige  Durcharbeitung  kann  nur  von  Botanikern  ausgeführt 
■vs'erden,  und  wenn  die  Botaniker  an  den  Technischen  Hochscliulen  es 
bisher  unterlassen  haben,  sich  mit  solchen  Untersuchungen  zu  befassen, 
so  dürfte  die  mangelnde  Anregung  daran  schuld  sein. 

Auch  in  meinem  Vorschlag  einer  zweckmäßigen  Gestaltung  des 
Unterrichts  in  der  technischen  Mykologie  kann  ich  keine  wesentliche 
Mehrbelastung  der  Studierenden  erblicken.  Vielfach  wird  das  Verlangte 
bereits  gelesen,  aber  zerstreut  und  stückweise.  Eine  Zusammenfassung 
des  ganzen  Gebietes  würde  für  den  Studierenden  nicht  nur  eine  Ver- 
tiefung, sondern  auch  eine  Erleichterung  bedeuten. 

Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  L.  Wittniack- Berlin:  Ich  kann  nur 
das  unterschreiben,  daß  es  mit  den  Gutachten,  die  über  Hausschwamm 
ausgestellt  werden,  oft  traurig  bestellt  ist.  Es  wäre  daher  wünschens- 
wert, daß  auf  den  Technischen  Hoclischulen  neben  dem  Bau  des  Holzes 
auch  seine  Pilze  behandelt  werden.  Es  freut  mich  zu  hören,  daß  auf 
den  süddeutschen  Hochschulen  mehr  in  der  Beziehung  geschieht.  Ich 
habe  oft  das  Gefühl  gehabt,  daß  die  technischen  Dozenten  das  Ver- 
langen haben,  daß  ihnen  die  rein  botanischen  Sachen  abgenommen 
würden. 

Auch  die  Wasserpflanzen,  welche  die  Wasserläufe  verunkrauten, 
ja  oft  die  Wasserläufe  hoch  anstauen,  wie  das  z.  B.  vor  einigen  Jahren 
in  der  Brahe  der  Fall  war,  verdienen  Berücksichtigung,  namentlich  w^enn 
auch  Wasserbautechniker  an  der  botanischen  Vorlesung  teilnehmen. 
Dabei  ist  selbstverständlich  mehr  die  biologische  Seite  als  die  syste- 
matische zu  betonen. 

Der  Botaniker  muß  sich  aber  auch  mit  den  technischen  Eigen- 
schaften der  Hölzer  vertraut  machen,  damit  er  weiß,  worauf  es  bei 
der  Verwendung  ankommt.  Er  könnte  ferner  das  Ornament  mit- 
behandeln. Der  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Jakobsthal  in  Berlin  war  Bau- 
meister und  Botaniker  zugleich;  er  bearbeitete  z.  B.  die  Araceen  im 
Ornament,  er  zeigte  ferner,  daß  das  sog.  Granatapfelmuster  vom  Saflor 
entnommen  ist,   usw. 

Der  Techniker,  der  später  eine  Spinnerei  oder  Färberei  leiten  will. 
hat  das  größte  Interesse,  die  Faser.stoffe  in  ihrem  Bau  kennen  zu  lernen: 
darum  müssen  auch  diese  behandelt  werden 

^Notwendig  erscheint  mir,  daß  an  den  preußischen  Hochschulen 
Ordinariate  für  Botanik  eingerichtet  werden,  damit  nicht  von  den 
Studierenden  die  Botanik  als  etwas  Minderwertiges  angesehen  wird. 

Füiifstück:  Nach  dem  bisherigen  Verlauf  der  Diskussion  scheint  es 
mir  dringend  zu  sein,  daß  an  den  preußischen  Technischen  Hochschulen 


Diskussion:  Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  XIII 

Ordinariate  für  Botanik  errichtet  werden,  wie  sie  ja  längst  an  den  süd- 
deutschen l^ochschulen  bestehen.  Dadurch  werden  viele  Schmerzen 
ganz  von  selbst  verschwinden.  Aber  außer  den  Gehältern  kommen 
Räume,  Gärten,  also  grolle  Mittel  in  Frage,  und  davor  schreckt  man 
zurück.  Wenn  die  Sache  nicht  so  kostspielig  wäre,  würde  sie  längst 
eingerichtet  sein.  Die. preußischen  Hochschulen  werden  wohl  schließlich 
folgen  müssen:  meines  Wissens  sind  diesbezügliche  Bestrebungen  für 
E'anzig  im  Gange.  Man  denkt  daran,  dort  Lehramtskandidaten  auszu- 
bilden. Das  wird  eine  ganz  analoge  Ausgestaltung  der  Hochschule  zur 
Voraussetzung  haben,  wie  sie  bei  uns  in  Stuttgart  schon  lange  vor- 
handen ist. 

Die  Sache  hat  aber  auch  eine  Schattenseite,  auf  die  ich  glaube 
aufmerksam  machen  zu  sollen.  Eine  derartige  Erweiterung  der  Tech- 
nischen Hochschule  belastet  den  Vertreter  der  Botanik  sehr  stark,  sehr 
viel  stärker  mit  Unterrichtsverpflichtungen  als  den  Botaniker  dei-  Uni- 
versität. Ich  habe  beispielsweise  durchschnittlich  täglich  4  Stunden 
Dienst,  dazu  zwei  Institute  zu  verwalten  und  nur  einen  Assistenten  zur 
Verfügung.  Daß  man  unter  solchen  Umständen  alle  Arbeitskraft  ein- 
setzen muß,  um  sich  auf  dem  Laufenden  zu  erhalten,  daß  man  sich  an 
der  Forscherarbeit  nur  noch  in  bescheidener  Weise  beteiligen  kann,  wird 
•begreiflich  erscheinen.  Aber  auch  diese  Schattenseite  wird  nach  meiner 
Überzeugung  mit  dem  weiteren  Ausbau  der  Technischen  Hochschulen  ver- 
schwinden,  darum  muß  sie  zunächst  in  Kauf  genommen   werden. 

l)r.  H.  Haiipt-Bautzen:  Auch  in  der  Praxis  selbst  macht  sich  die 
Lücke  fühlbar,  welche  durch  die  mangelhafte  Ausbildung  der  technischen 
Beamten,  Chemiker,  Wasserbautechniker  u.  a.,  in  der  Botanik  veranlaßt 
wird.  Von  den  Verwaltungsbehörden  wird  das  Fehlen  genügender  Vor- 
bildung auf  dem  Gebiete  der  Biologie,  der  Holzkonservierung  usw.  bei 
den  obigen  Beamtengruppen  empfunden.  Für  viele  Aufgaben  der  foren- 
sischen Praxis  fehlt  es  häufig  an  geschulten  Mikroskopikern,  während 
an  chemischen  Sachverständigen  zumeist  kein  Mangel  ist.  Es  dürfte 
daher  auch  von  diesen  Seiten  der  Bewegung  Verständnis  entgegengebracht 
werden. 

Wieler:  Es  scheint  mir  wenig  dem  Geiste  akademischer  Lehr- 
tätigkeit zu  entsprechen,  wenn  der  Dozent  so  mit  Vorlesungen  und 
Übungen  überladen  ist,  daß  er  nicht  mehr  zur  wissenschaftlichen 
Forschung  kommt.  Lehrtätigkeit  und  Forschung  bedingen  sich  doch 
gegenseitig. 

Dem  Kollegen  Fünf  stück  ist  zuzugeben,  daß  die  Stellung  der 
Botanik  auf  den  Technischen  Hochschulen  Preußens  besser  wäre,  wenn 
die  Dozentenstellen  —   übrigens    hat  Hannover,    was    wohl  den  meisten 


XIV  Bericht  über  die  .").  liau[)tver.samuilung  der  Verciniguno-. 

Botanikoni  unbekannt  sein  wird,  ein  Ordinariat  —  in  Ordinariate  ver- 
wandelt würden,  aber  das  ist  es  allein  nicht.  Auch  glaube  ich, 
dafi  er  die  bestehenden  Einrichtungen  unterschätzt.  Es  läßt  sich  auch 
mit  ihnen  schon  vieles  leisten,  und  man  kann  nur  bedauern,  daß  sie 
nicht  mehr  ausgenutzt  werden  und  den  Hochschulen  nicht  mehr 
zugute  kommen,  Das  Schwergewicht  der  Botanik  an  den  Technischen 
Hochschulen  im  engeren  Sinne  liegt  in  der  technischen  Botanik, 
für  welche  die  theoretische  Botanik  die  Grundlage  bildet.  Mein 
Vortrag  sollte  deshalb  auch  ein  Appell  sein  an  die  Fachgenossen,  der 
technischen  Botanik  an  allen  Technischen  Hochschulen  zu  ihrem  Rechte 
zu  verhelfen,  denn  der  Zustand,  wie  er  mir  vorschwebt,  ist  bisher  noch 
auf  keiner  Hochschule  Deutschlands  erreicht,  wenn  auch  zuzugeben  ist, 
daß  der  eine  oder  andere  Zweig  hier  und  da  eine  entsprechende  Berück- 
sichtigung findet. 

Drude:  Es  könnte  aus  alledem,  was  soeben  in  langer  Diskussion 
gesagt  ist,  fast  für  die  Xichtkenner  der  Technischen  Hochschulen  der 
Eindruck  sich  ergeben  haben,  als  ob  dieselben  z.  Z.  noch  von  sehr  ge- 
ringer Entwickelung  wären.  Das  wäre  aber  ein  ganz  falscher  Eindruck. 
So,  wie  es  mit  der  Botanik  an  den  preußischen  Hochschulen  beschaffen 
ist,  ist  es  glücklicherweise  an  den  anderen,  hinsichtlich  der  Naturwissen- 
schaften kräftiger  entwickelten  Hochschulen  nicht.  An  vielen  Orten  hat 
schon  jetzt  die  Botanik  die  gleiche  würdige  Stellung  wie  an  einer 
kleineren  Universität.  So  auch  besonders  hier:  Wir  Naturforscher  sind 
hier  in  Dresden  freie  Professoren;  wir  können  lesen,  was  wir  wollen, 
z.  B.  auch  ein  10 stündiges  Kolleg  über  Hausschwamm  —  aber  es 
kommt  dann  niemand. 

Die  Stundenpläne  der  Abteilung  gehen  allerdings  zur  Genehmigung 
an  die  Behörde  und  müssen  wegen  der  obligatorischen  Fächer  an- 
genommen werden.  Der  Botaniker  muß  also  für  seine  Vorlesungen  die 
Anerkennung  der  Abteilung  gewinnen  hinsichtlich  des  als  notwendig 
anzusehenden  Maßes,  auch  hinsichtlich  der  Prüfungen.  Daß  die  Botanik 
aber  an  den  preußischen  Hochschulen  diese  Rolle  noch  nicht  spielt,  ist 
beklagenswert,     und    es    muß    hierfür    eine  Besserung    erstrebt   werden. 

Füilfstück:  Vor  einigen  Jahren  machten  einflußreiche  Vertreter 
der  technischen  Fächer  den  Versuch,  die  süddeutschen  Technischen 
Hochschulen  zu  reformieren.  Ich  gewaini  den  Eindruck,  als  ginge  man 
darauf  aus,  die  Technischen  Hochschulen  zu  reinen  technischen  Unter- 
richtsanstalten zu  machen.  Von  den  sog.  Hilfswissenschaften  sollte 
gerade  nur  das  zugelassen  werden,  was  direkt  für  das  technische  Fach 
gebraucht  wird.  Es  sollte  vermutlich  Botanik,  Geologie,  i^hysik  usw.  nur 
noch     als     „technische    Botanik",     „technische    Geologie",      „technische 


Diskussion:  Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  XV 

Physik"  usw.  gelehrt  werden.  Der  Unterricht  in  den  Hilfswissenschaften 
würde  so  zur  reinsten  Abrichtung  ausgeartet  sein.  Die  mit  dem  Geiste 
der  Verfassung  unserer  Hochschule  im  Widerspruch  stehenden  Be- 
strebungen hatten  glücklicherweise  bei  unserer  Unterrichtsverwaltung 
keinen  Erfolg;  augenblicklich  ruhen  sie  anscheinend  ganz.  Wir  dürfen 
jedoch  nicht  der  technischen  Botanik  für  die  Technischen  Hochschulen 
das  Wort  reden,  ohne  nachdrücklich  gleichzeitig  als  Grundlage 
für  dieselbe  die  theoretische  Botanik  zu  fordern,  sonst  arbeiten 
wir  denjenigen  in  die  Hände,  welche  die  Technischen  Hochschulen 
„reinigen"  wollen.  Wenn  an  den  Technischen  Hochschulen  nur  „tech- 
nische" Botanik  vertreten  sein  soll,  so  würde  man  dafür  wahrscheinlich 
einen  einfachen  Lehrauftrag  für  ausreichend  erachten,  die  jetzt  be- 
stehenden Lehrstühle  eingehen  lassen  und  die  dadurch  frei  werdenden 
Mittel  vielleicht  für  noch  bessere  Ausstattung  der  technischen  Fächer 
verwenden. 

Prof.  Dr.  A.  Yoi^'t- Hamburg:  Trotz  der  rosigen  Verhältnisse  im 
Sachsenlande  und  in  Württemberg  scheint  nach  den  Ausführungen 
von  Professor  Wieler  doch  das  Bedürfnis  nach  einem  Ausbau  der  tech- 
nischen Botanik  an  unseren  Hochschulen  im  allgemeinen  vorhanden  zu 
sein.  Es  muß  gerüttelt  werden,  sowohl  unter  den  Fachgenossen  als 
auch  besonders  oben  bei  den  maßgebenden  Behörden.  Redner  schlägt 
die  Annahme  einer  dahingehenden  Resolution  vor. 

Professor  Dr.  E.  (iiilg'-r>ahlem:  Ich  möchte  bitten,  in  der  Resolution 
auch  die  Handelshochschulen  zu  berücksichtigen.  Die  Berliner  Handels- 
hochschule genießt  überall  eine  berechtigte  Anerkennung.  Trotzdem  ist 
an  ihr  kein  Botaniker  tätig;  die  Lehre  von  den  pflanzlichen  Rohstoffen, 
die  doch  für  den  Kaufmann  von  allergrößter  Wichtigkeit  ist,  wird  von 
einem  Chemiker  doziert,  der  unmöglich  den  rein  botanischen  Teil  der 
Frage,  wie  Morphologie,  Anatomie,  Pflanzengeographie  vollständig  be- 
herrschen kann. 

Vorsitzender  Professor  Dr.  E.  Zacharias- Hamburg:  Es  ist  nicht 
möglich,  die  Resolution  in  allen  Punkten  hier  zu  redigieren.  Ich  bitte,  dem 
Vorstande  die  Redaktion  zu  überlassen  unter  Hinzuziehung  der  Herren, 
die  sich  an  der  Diskussion  beteiligt  haben. 

Drude:  Die  Sache  betrifft  nur  diejenigen  Technischen  Hochschulen, 
an  denen  dem  Botaniker  die  nötigen  Rechte  noch  nicht  verliehen  sind, 
also  die  Anstalten,  an  denen  die  ganze  Sache  rückständig  ist.  In  Sachsen 
ist  alles  in  schönster  Ordnung  und  Harmonie,  soweit  es  sich  um  jetzt 
vorliegende  Bedürfnisse  handelt  —  ich  muß  das  ausdrücklich  hier,  am 
Orte  der  Versammlung  selbst,  erklären. 


X\'I  IJericlit  über  die  5.  Hauptvorsammliing  der  Vereiüio'ung. 

^^'i('let•:    Die  Handelshochschulen    sollten   lieber  fortbleiben,    da  in 
dem   Vortrage    von    diesen    keine  Rede    gewesen    ist.     Die  Verhältnisse 
liegen    nicht    auf    allen    Handelshochschulen    gleich.     Auch    kommt    für 
sie  nicht  die  technische  Botanik  in  Betracht,    sondern   die  Warenkunde. 
Zach.ii'ias:  Von  dem  Bedenken  könnte  man  absehen. 
Kiiiif'stiick:     Ich   stimme  Drude   bei.     Ich  bitte  der  Resolution  zu- 
zustimmen  und   dem  Vorstande  die  Redaktion  zu   überlassen. 
Die  Anwesenden  sind  damit  einverstanden. 
Die  Resolution  lautet: 

Die  Versammlung  hält  eine  größere  Förderung  der 
technischen  Botanik  unter  Anerkennung  ihrer  prak- 
tischen Bedeutung  für  notwendig,  damit  diese  Disziplin 
wissenschaftlich  weiter  ausgebaut  werde  und  um  so 
reichere  Früchte  für  die  Praxis  tragen  könne.  Die 
Mittel  dozu  erblickt  die  Versammlung  in  einer  stärkereu 
Betonung  des  Unterrichts  in  der  technischen  Botanik 
an  den  Technischen  Hochschulen  und  in  Maßnahmen, 
die  den  an  ihnen  wirkenden  Botanikern  die  für  die 
Pflege  ihres  Lehrfaches  erforderliche  Maße  gewähr- 
leisten würden.  Ferner  ist  die  Versammlung  der  Über- 
zeugung, daß  der  warenkundliche  Unterricht  an  den 
Handelshochschulen  nur  von  einem  Botaniker  in  sach- 
kundiger Weise  erteilt  werden  kann. 

l'm  11  Uhr  20  Min.  erhielt  das  Wort  Professor  l>r.  E.  (jil^- 
r>ahleni-Berlin  zu  einem  Vortrage: 

Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin 

und  ihre  Vertretung  an  den  deutschen  Hochschule  n 
(s.   S.  20—31). 

An  den  Vortrag  schloß  sich  eine  längere  Diskussion. 

Dr.  Zörili^-München:  Ich  kann  mich  den  Ausführungen  des  Vor- 
tragenden ganz  anschließen.  Vor  allen  E)ingen  müssen  wir  auf  die 
praktische  Ausbildung  Wert  legen,  weil  diese  an  erster  Stelle  dem 
Apotheker  in  seiner  späteren  Tätigkeit  von  Nutzen  ist.  Es  ist  zu  be- 
dauern, daß  nicht  mehr  Vertreter  der  Pharmakognosie  diesem  Vortrage 
beigewohnt  haben;  eine  Aussprache  über  das  zurzeit  sehr  aktuelle  Thema 
der  Erteilung  des  pharmakognostischen  Unterrichtes  an  den  Hochschulen 
wäre  wohl   sehr  angebracht  gewesen. 

Professor  Dr.  M.  Füiifstück- Stuttgart:  Ich  stehe  auch  ganz  auf 
dem  Boden  des  Kollegen  Gilg,  pharmazeutische  Chemie  und  Pharma- 
kognosie nicht    in    eine  Hand  zu  legen.      Es  sind  dies  zwei  1  »isziplinen, 


Diskussion:  Die  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hochschulen.         XVII 

deren  jede  einen  ganzen  Mann  verlangt.  Die  pliarmazeutischen 
Chemiker,  die  als  Dozenten  in  Betracht  kämen,  sind  schon  jetzt  in  ge- 
ringer Anzahl  vorhanden.  Ich  halte  es  für  ausgeschlossen,  daß  man 
auch  nur  annähernd  imstande  wäre,  unter  den  Vertretern  des  akade- 
mischen Lehrberufes  so  viel  berufene  Lehrkräfte  aufzutreiben  wie  er- 
forderlich wären,  wenn  Pharmakognosie  und  pharmazeutische  Chemie 
in  eine  Hand  gelegt  würden.  Der  Vortragende  hat  gesagt,  dali  Ver- 
treter aus  dem  praktischen  Apothekerberiif  mehr  als  bisher  als  Dozenten 
herangezogen  werden  sollten.  Es  ist  dies  gewiß  wünschenswert,  aber 
Vorsicht  dabei  geboten.  In  Stuttgart  ist  der  A^ersuch  gemacht  worden, 
aber  er  scheiterte.  Der  betreffende  Dozent  ging  viel  zu  weit,  er  verlor 
fiich  zu  sehr  in  Details  in  dem  an  sich  löbUchen  Bestreben,  seinen 
Hörern  nn'iglichst  viel  zu  bieten.  Die  Eigenart  des  Apothekerberufs  ist 
nach  meiner  Überzeugung  sicher  von  Einfluß  auf  den  Charakter  der 
Lehrtätigkeit,  wenigstens  im  allgemeinen. 

Die  pharmakognostischen  Übungen  sind  von  mir  in  Stuttgart  schon 
längst  eingeführt  worden,  ehe  sie  verlangt  wurden.  Zwei  Stunden 
Pharmakognosie  wöchentlich  sind  zu  wenig,  eine  Stunde  in  der  Woche 
ist  vollkommen  verfehlt.  Die  mikroskopischen  Übungen  in  Botanik  und 
Pharmakognosie  sollten  tmbedingt  in  einer  Hand  liegen. 

Professor  Dr.  H.  Tlioms-E)ahlem-ßerlin:  Zur  Ehrenrettung  der 
praktischen  Apotheker  möchte  ich  bemerken,  daß  die  Sachen  nicht  so 
schlimm  liegen,  wie  der  Vorredner  sie  erwähnt  hat.  J^^s  gibt  L)ozenten 
atis  dem  praktischen  Apothekerberufe,  welclie  die  Pharmakognosie 
lehrend  ausgezeichnet  vertreten.  Das  gleiche  gilt  auch  von  der 
wissenschaftlichen  Vertretung  der  pharmazeutischen  Chemie  durch 
Apotheker  oder  aus  dem  Apothekerstand  hervorgegangene  Lehrer.  Als 
früherer  Apotheker  glaube  ich  mit  den  Bedürfnissen  des  Faches  besser 
vertraut  zu  sein  als  ein  Chemiker,  der  sich  erst  mühsam  mit  den 
chemischen  Dingen  bekannt  machon  muß,  die  der  Apotheker  zur  Aus- 
übung seines  Berufes  nötig  hat.  Hinsichtlich  der  Vertretung  der  Lehr- 
fächer der  pharmazeutischen  Chemie  und  der  Pharmakognosie  an  den 
deutschen  Hochschulen  bin  ich  der  Ansicht,  daß,  wenn  angängig,  diese 
Gebiete  von  zwei  Lehrern  vertreten  werden  sollten.  Es  ist  dann  aber 
nötig,  daß  beide  eine  Abgrenzung  der  Lehrgebiete  vornehmen,  sich  über 
den  Umfang  des  jedem  einzelnen  zugeteilten  Lehrstoffes  verständigen 
nnd  dauernd  in  nahem  Konnex  bleiben.  Auch  wird  es  vorteilhaft  sein, 
wenn  sich  beide  gemeinsam  an  Forschungen  beteiligen  in  der  Weise. 
daß  der  eine  die  botanische  Seite,  der  andere  die  chemische  Seite  einer 
Droge  bearbeitet.  '       .    ■  '   ' 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  .    '        JJ 


XVIII  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Wenn  der  Herr  Vortragende  behauptet  hat,  daß  die  botanische  Identi- 
fizierung einer  Droge  oft  sehr  viel  leichter  ist  als  die  chemische,  so  ist 
diesem  Ausspruch  unbedingt  beizupflichten.  Ich  will  aber  nur  ein  Beispiel 
anführen,  wo  die  Botanik  versagt  und  die  Chemie  allein  nur  Auskunft 
geben  kann.  Deutsche  und  französische  Petersiliensamen  sind  botanisch 
nicht  zu  unterscheiden,  ihre  Inhaltsstoffe  sind  in  chemischer  Hinsicht 
zwar  ähnlich,  aber  dennoch  verschieden.  Der  vom  Vortragenden  er- 
erwähnte Fall,  daß  Verbascum  Blätter  anstatt  Digitalis-Blätter  vor- 
handen waren,  ist  meines  Wissens  so  gewesen,  daß  hier  ein  Gemenge 
vorlag. 

Der  Chemiker  soll  die  chemische  Seite,  der  Botaniker  die  botanische 
Seite  der  Drogen  bearbeiten.  Drogen  sind  Dinge,  die  als  Heilmittel 
wirken  sollen,  und  die  Heilwirkung  beruht  auf  den  chemischen  Bestand- 
teilen. Die  Mitwirkung  eines  Chemikers  bei  der  Untersuchung  der 
Drogen  ist  daher  von  allergrößter  Bedeutung. 

Besonders  in  einem  Punkte  pflichte  ich  Herrn  Professor  Gilg  voll- 
kommen bei,  nämlich  darin,  daß  ich  mit  ihm  beklage,  daß  die  Pharma- 
kognosie auf  unseren  deutschen  Hochschulen  unzureichend  vertreten  ist. 
Ich  möchte  deshalb  eine  ähnliche  Resolution  vorschlagen,  wie  sie  vorhin 
hinsichtlich  der  Vertretung  der  technischen  Botanik  auf  den  deutschen 
Technischen  Hochschulen  gefaßt  worden  ist. 

Apotheker  Dr.  P.  Hiuueberg- Altena:  Die  Trennung  zwischen 
Pharmakochemie  und  Pharmakognosie  ist  von  den  Pharmakognosteii 
empfohlen,  wie  Flückiger  dies  auch  schon  in  seinen  Grundlagen  der 
Pharmakognosie  hervorhebt.  Die  alten  Apotheker  pflegten  Chemie  und 
Physik  und  besonders  Botanik;  die  Pharmakognosie  war  ihr  besonderes 
Feld.  Die  Drogen  werden  unseren  heutigen  Apotheken  ganz  anders 
geliefert  wie  früher,  in  zerschnittener  und  gepulverter  Form.  Das 
Gebiet  ist  ein  so  großes  geworden,  daß  eine  Trennung,  wie  sie  in  Berlin 
besteht,  vielleicht  angebracht  ist.  Doch  muß  jeder  der  beiden  Dozenten 
auf  dem  Gebiete  der  Chemie  wie  Botanik  so  viel  Bescheid  wissen,  daß 
er  nicht  von  dem  andern  abhängig  ist. 

Ftinfstück:  Wir  sind  uns  eigentlich  alle  einig.  Eine  Trennung 
zwischen  Pharmakochemie  und  Pharmakognosie  ist  erforderlich,  eine 
Fühlung  zwischen  beiden,  aber  auch  mit  dem  Praktiker  ist  notwendig. 
Vorsicht  ist  insofern  geboten,  als  die  Trennung  naturgemäß  die  Gefahr 
der  Einseitigkeit  in  der  Behandlung  des  Stoffes  in  sich  birgt.  Pharma- 
kognosie ist  durchaus  kein  so  spröder  Stoff,  wie  oft  gesagt  wird,  sondern 
sogar  ein  sehr  geschmeidiger,  vielseitiger.  Anatomie,  Morphologie, 
Systematik     und     Pflanzengeographie,    Physiologie,     die    Kenntnis     der 


Diskussion:  Die  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hochschulen.         XIX 

Spezialbedürfnisse  des  Apothekers,  Handelsverkehrsverhältnisse,  chemische 
Kenntnisse  usw.  müssen  dem  Dozenten  der  Pharmakognosie  in  aus- 
reichendem Maße  zur  Verfügung  stehen,  wenn  er  erfolgreich  sein  soll.  Dazu 
gehört  außer  Lehrbefähigung  Erfahrung,  die  nicht  von  heute  auf  morgen 
erworben  werden  kann.  Ein  Botaniker,  der  einen  Auftrag  zum  Lesen 
der  Pharmakognosie  erhalten  hatte,  schrieb  —  wohl  um  sich  als  Pharma- 
kognost  zu  legitimieren  —  sofort  ein  Lehrbuch,  gegen  das  vom 
Botaniker  nichts  einzuwenden  ist,  aber  vom  Standpunkt  des  Apothekers 
sehr  viel.  Ich  bin  auf  dem  Gebiete  zwar  nie  als  Forscher  hervor- 
getreten, habe  mich  aber  seit  zwei  Jahrzehnten  eingehend  mit  Pharma- 
kognosie in  ihrem  ganzen  Umfange  —  auch  nach  der  praktischen  Seite  — 
beschäftigt,  so  daß  ich  glaube,  einen  gewissen  Anspruch  auf  Erfahrung 
und  Urteilsfähigkeit  erheben  zu  dürfen. 

Cirilg:  Ich  mochte  noch  einen  Fall  anführen,  der  vor  einiger  Zeit  in  der 
Deutschen  Pharmazeutischen  Gesellschaft  demonstriert  worden  ist.  Es 
wurde  eine  Probe  ,,Crocus"  vorgeführt,  die  nur  aus  gefärbten  Calendula- 
Blüten  bestand.  Die  Droge  stammte  aus  einer  Apotheke.  Es  war  keine 
Spur  echter  Crocusnarben  in  der  Probe  enthalten. 

Ich  habe  nicht  die  Wichtigkeit  des  Chemikers  bezweifelt,  sondern 
nur  gesagt,  daß  in  manchen  Fällen  —  und  in  vielen  Fällen  mehr  als 
man  glaubt  —  auch  der  Botaniker  ein  Wort  l)ei  der  Analyse  von  Drogen- 
pulvern mitzusprechen  hat. 

Ich  gebe  zu,  daß  eine  scharfe  Trennung  zwischen  dem  Arbeits- 
gebiet des  pharmazeutischen  Chemikers  und  dem  des  Pharmakognosten  sich 
naturgemäß  nicht  wird  durchführen  lassen,  glaube  aber,  daß  der  von 
mir  vorgeschlagene  Weg  derjenige  ist,  welcher  am  ehesten  zum  Ziele 
führen  dürfte. 

Nahrungsmittelchemiker  Dr.  H.  Haiipt-Bautzen :  Ich  schlage  vor, 
in  die  Resolution  aufzunehmen,  daß  der  praktische  Nahrungsmittel- 
chemiker ein  Interesse  daran  hat,  in  der  Botanik  von  jemand  ausgebildet 
zu  werden,  der  selbst  die  Bedürfnisse  der  Praxis  kennt  und  diese 
bei  der  Unterrichtsmethode  auch  berücksichtigt.  Die  Leiter  der  größeren 
chemischen  Untersuchungsämter  werden  mir  bestätigen  können,  daß 
zwar  bei  den  jungen  Nahrungsmittelchemikern  fast  stets  ein  ge- 
nügendes Durchschnittsmaß  chemischer  Kenntnisse  vorhanden  ist, 
daß  aber  die  Ausbildung  in  der  angewandten  Botanik  meist  sehr 
ungleichmäßig  ei'folgt  ist  und  daß  diese  Kenntnisse  stark  wechseln 
je  nach  der  Stätte,  wo  der  betreffende  Kollege  seine  Ausbildung 
empfing. 

Vorsitzender  Professor  Dr.  Zacharias:  Es  erscheint  mir  praktisch, 
wenn  die  Herren  Professor   Gilg    und  Thoms    die   Resolution,    mit  der 

11* 


XX  Bericht  über  die  5.  Hauptversaminliing  der  Voreinigung. 

wohl  alle  einverstanden  sind,  unter  Berücksichtigung    der  Wünsche  von 
Dr.  Hr.upt  redigieren. 

]>io  Versammlung  stimmt  dem  Vorschlage  und  der  Resolution  zu, 
die  folgende  Passung  erhalten  hat: 

Die  Versammlung  hält  unter  Anerkennung  der 
Bedeutung,  welche  der  Pharmakognosie  für  die  Praxis 
zukommt,  eine  größere  Förderung  dieser  Disziplin 
neben  dem  anderen  Hauptfach  des  Pharmazeuten,  der 
pharmazeutischen  Chemie,  für  notwendig,  damit  die 
Pharmakognosie  wissenschaftlich  weiter  ausgebaut 
werden  und  um  so  reichere  Früchte  für  die  Praxis 
tragen  könne.  Die  Mittel  dazu  erblickt  die  Versamm- 
lung in  einer  stärkeren  Betonung  des  Unterrichts  in 
der  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hochschulen 
sowie  in  Maßnahmen,  die  den  an  ihnen  wirkenden 
Botanikern  bzw.  Phar  makognosten  die  für  die  Pflege 
ihrer  Wissenschaft  erforderliche  Muße  gewährleisten 
würden.  Dies  erscheint  um  so  notwendiger,  als  den 
Dozenten  der  Pharmakognosie  naturgemäß  auch  die 
ähnliche  Ziele  verfolgende  Ausbildung  der  Xahrungs- 
mittelchemiker  auf  botanisch-mikroskopischem  Gebiet 
überwiesen  werden  muß. 
Schluß  dei-  Sitzung  12^2  Uhr. 

Die  Nuchmittagssitzung  von  3 — 5  Uhr  wurde  mit  der  gescliäft- 
liclieu  Sitzung  begonnen. 

Der  Vorsitzende  Prof.  Dr.  Zacharias- Hamburg  erstattet  zunächst 
den  Jahresbericht.  Er  teilt  mit,  daß  die  Vereinigung  leider  vier  Mit- 
glieder durch  den  Tod  verloren  habe,  0.  Kambersky-Troppau  (-j-  16.  II. 
1907),  Geh.  Regierungsrat  Dr.  R.  Aderhold-Dahlem  (f  17.  III.  1907), 
Prof.  Dr.  C.  Christ-Geisenheim  (j  2.  V.  1907)  und  Prof.  Dr.  C.  Müller- 
Steglitz  (-J-  13.  VI.  1907),  und  fordert  die  Anwesenden  auf,  sich  zu 
Ehren  der  Verstorbenen  von  den  Plätzen  zu  erheben. 

Ais  neue  Mitglieder  sind  zu  begrüßen:  Prof.  Dr.  G.  Cuboni- 
Rom,  Dr.  P.  Esser-Cöln,  W.  M.  Findlay- Aberdeen,  Dr.  H.  Fischer- 
Berlin,  Dr.  B.  Hein ze- Halle,  Dr.  F.  W.  T.  Hunger-Salatiga,  Geh.  Hof- 
rat Prof.  Dr.  L.  Klein-Karlsruhe,  Direktor  Prof.  Dr.  A.  Mertens-Magde- 
burg,  Prof.  Dr.  C.  Mez- Halle,  Dr.  A.  Naumann -Dresden,  Dr.  M.  P. 
Neumann-Berlin,  Dr.  H.  Paul-Bernau,  Prof.  Dr.  C.  v.  Rümker- 
Breslau,  Prof.  Dr.  C.  Schröter-Zürich,  Dr.  R.  Schwede-Dresden,  Dr. 
Spieckermann-Münster,  Prof.  Dr.  Steglic  h-Dresden,  v.  Vogelsang- 
Hovedissen,    Prof,    Dr.    G.    Vol  kons- Dahlem,    Dr.  W.  Wie dens heim- 


Geschäftliche  Sitzung.  XXI 

Aiigustenburg  und  Dr.  H.  Zörnig-MUnchen.     Ausgetreten    sind  4   Mit- 
glieder, so  dai3  die  Mitgliederzahl  z.  Z.  222  beträgt '). 

Der  Kassenbericlit    mit    dem    Bericht    der    Revisoren    wird    für 
die  Mitglieder  beigelegt  werden. 

Bei  der  Wahl  des  nächstjährigen  Versammlungsortes,  für 
den  eine  Einladung  von  Geh.  Regierungsrat  Prof.  E)r.  Wortmann  nach 
Geisenheim  vorliegt,  bemerkt  Prof.  Dr.  Zacliarias,  daß  für  die  Wahl 
des  Ortes  auch  andere  Gesichtspunkte  in  Frage  kommen.  Das  Zu- 
sammentagen mit  der  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker  und 
Pflanzengeographen  hat  sich  bewährt,  und  ein  Anschluß  der  Deutschen 
Botanischen  Gesellschaft  scheint  wünschenswert;  beide  Vereine  sind  sich 
aber  noch  nicht  schlüssig.  Es  wird  sich  empfehlen,  Wünsche  hier  zu 
äußern,  aber  eine  definitive  Beschlußfassung  auszusetzen  und  zunächst 
in  Verhandlungen  mit  den  beiden  genannten  Gesellschaften  einzutreten. 
Die  Zeit  im  September  ist  manchem  nicht  günstig,  sie  liegt  mitten  in 
den  Universitätsferien  und  paßt  vielfach  nicht  für  die  Reisepläne. 
Pfingsten  ist  vielleicht  ein  geeigneter  Zeitpunkt,  noch  weniger  läßt  sich 
gegen  Anfang  August,  den  Beginn  der  Hochschul-  und  den  Schluß  der 
Schulferien,  einwenden.  Die  Vereinigung  der  systematischen  Botaniker 
scheint  geneigt,  Colmar  als  Ort  der  nächsten  Tagung  zu  wählen,  weil 
die  Deutsche  Dendrologische  Gesellschaft  ihre  meist  gut  besuchte  Ver- 
sammlung an  diesem  Orte  im  August  1908  abhalten  will.  Es  würde 
auch  wohl  nicht  schwierig  sein,  die  Deutsche  Botanische  Gesellschaft 
zu  veranlassen,  nach  Colmar  oder  Straßburg  zu  gehen.  Auch  die 
Philomatische  Gesellschaft  von  Elsal'i- Lothringen  wäre  leicht  für  diese 
Versammlungen  zu  interessieren.  In  Cijlmar  befindet  sich  eine  Weinbau- 
Versuchsstation.  Anderseits  haben  wir  nach  der  Einladung  dos  Kollegen 
Wortmann  entschieden  den  Wunsch,  nach  Geisenheim  zu  kommen. 
Es  könnte  auch  ein  Mittelweg  gefunden  werden.  Im  nächsten  Jahre 
scheint  Colmar  oder  Straßburg  ein  besonders  günstiger  Ort  zu  sein,  im 
folgenden  Jahre  könnten  wir  uns  in  Geisenheim  treffen,  wozu  auch  die 
anderen  Gesellschaften  wohl  zu  bestimmen  sein  würden. 

Prof.  Dr.  Wieler-Aachen  meint,  daß  der  Vorschlag  eines  Kom- 
promisses zweckmäßig  erscheine,  wenn  die  anderen  Gesellschaften  sich 
verpflichten,  im  folgenden  Jahre  nach  Geisenheim  zu  kommen.  Die 
Deutsche  Botanische  Gesellschaft  ist  ihrer  ganzen  Natur  nach  nicht  an 
einen  besonderen  Versammlungsort  gebunden.  Von  Straßburg  aus 
könnte  man  nach  dem  nicht  weit  belegenen  Karlsrahe  einen  Ausflug  machen. 

Die  Beschlußfassung  wird  vorläufig  ausgesetzt.  Nach  den  später 
mit  der  Vereinigung    der  systematischen  Botaniker    und    der  Deutschen 

1)  Ende  Dezember  1907:  225. 


XXII  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Botanischen  Gesellschaft  gepflogenen  Verhandlungen  -wird  die  nächste 
Versammlung  Anfang  August  1908  in  Straßburg  und  Colmar 
stattfinden. 

Der  Vorsitzende  teilt  sodann  ferner  mit,  daß  auf  die  in  Ham- 
burg gefaßte  Resolution  betr.  Förderung  der  tropischen  Land- 
und  Porstwirtschaft  das  folgende  Schreiben  der  Kolonialabteilung  des 
Auswärtigen  Amtes  eingetroffen  ist. 

K.  A.  508/07. 

33  835  Berlin,  den  24.  April  1907. 

Sehr  geehrter  Herr! 
Dem  Vorstande    der  Vereinigung    für    angewandte   Botanik 
bestätige    ich    den    Empfang    des    gefälligen    Schreibens    vom 
30.  Oktober  1906. 

Wenn  ich  mich  auch  den  Punkten  2  und  3  der  überreichten 
Resolution  ohne  weiteres  anzuschließen  vermag,  so  bestehen 
doch  über  die  Zweckmäßigkeit  und  Durchführbarkeit  des  zu  1 
der  Resolution  ausgesprochenen  Wunsches  bei  namhaften  Be- 
ruf sgelehrten  wie  bei  Verwaltungsbeamten  ernste  Zweifel  und 
grundsätzUche  Bedenken.  Ich  war  hiernach  noch  nicht  in  der 
Lage,  zu  dieser  für  die  Entwickelung  und  das  Gedeihen  der 
Schutzgebiete  so  bedeutungsvollen  Frage,  welcher  ich  meine 
volle  Aufmerksamkeit  zuwende,  eine  endgültige  Stellung  zu 
nehmen. 

gez.  Dem  bürg. 

Die  von  Prof.  E)r.  A.  Wieler-Aachen  in  seinem  in  Hamburg  ge- 
haltenen Vortrage  angeregten  Luftaualysen  werden  im  Botanischen 
Garten  zu  Hamburg  durch  das  Hamburgische  Chemische  Staatslabora- 
torium ausgeführt. 

Der  Hamburgischen  Unterrichtsverwaltung  und  der  Hamburg- 
Amerika-Linie  ist  je  ein  Exemplar  des  auf  die  Versammlung  in  Ham- 
burg bezüglichen  Jahresberichtes  der  Vereinigung  für  1906  übersandt 
worden,  wofür  Dankschreiben  eingegangen  sind. 

Auf  Anregung  der  Gesellschaft  Naturforschender  Freunde  zu  Berlin 
hat  die  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  sich  an  einer  von 
16  deutschen  wissenschaftlichen  Vereinigungen  der  Universität  Upp- 
sala  überreichten  Linne- Adresse  beteiligt.  Die  von  Geh.  Regierungs- 
rat Prof.  Dr.  P.  A seh erson -Berlin  entworfene  Adresse  hat  folgenden 
Wortlaut : 


Geschäftliche  Sitzung.     Linne-Adresse,  XXIII 

Der  Universität  Uppsala 

zur  200.  Wiederkehr  des  Geburtstages  von 

Carl  von  Linne 

den  2o.  Mai   1907, 

Die  unterzeichneten  Vertreter  von  wissenschaftlichen  und  gemein- 
nützigen Vereinen,  welche  sich  die  Pflege  der  reinen  und  angewandten 
Wissenschaft  von  Mensch  und  Tier,  von  Pflanze  und  Gestein  zur  Auf- 
gabe gemacht  haben,  senden  der  Universität  Uppsala  die  herzlichsten 
Glückwünsche  zur  Wiederkehr  des  Tages,  an  dem  vor  zwei  Jahr- 
hunderten ihr  größter  Schüler  und  ihr  am  höchsten  gefeierter  Lehrer, 
der  große  Organisator  der  biontologischeu  Systematik  das  Licht  der 
Welt  erblickte. 

Zwar  hat  die  Hauptstadt  des  Deutschen  Reiches,  in  welcher  die 
meisten  der  unterzeichneten  Vereinigungen  ihren  Sitz  haben,  nie  die 
Freude  gehabt,  den  großen  Forscher  in  ihren  Mauern  begrüßen  zu 
<iürfen,  wie  das  befreundete  Hamburg;  indessen  fehlte  es  Linne  nicht 
an  persönlichen  Beziehungen  zu  den  Fachgonossen  in  unserer  Stadt. 
Ließ  sich  doch  die  hiesige  Akademie  der  Wissenschaften  nicht  die  Ehre 
entgehen,  als  eine  der  ersten  unter  den  auswärtigen  Körperschaften 
ihren  hochberühmten  Zeitgenossen  zu  ihrem  Mitgliede  zu  erwählen. 
Ja,  wir  können  einen  noch  lebenden  Zeugen  dieser  Beziehungen  an- 
führen, jene  nach  oftmaliger  Versetzung  immer  noch  in  unerschöpfter 
Jugendkraft  zu  Riesenwuchs  gediehene  Zwergpalme,  an  der  unser 
Gleditsch  das  Experimentum  Berolinense  durchgeführt  hat  zur  größten 
Genugtuung  seines  schwedischen  Freundes,  des  eifrigsten  Verfechters 
der  Sexualität  im  Gewächsreiche. 

Doch  was  bedarf  es  solcher  an  die  Örtlichkeit  anknüpfenden  Über- 
lieferungen? Sind  doch  die  Blicke  der  ganzen  gebildeten  Menschheit 
auf  das  Pfarrhaus  zu  Räshult  gerichtet,  wo  heut  vor  zweihundert  Jahren 
einem  armen  Landgeistlichen  ein  Sprößling  geboren  wurde,  der  mensch- 
lichem Ermessen  nach  bestimmt  war,  den  segensreichen,  aber  be- 
scheidenen Beruf  seines  Vaters  zu  ergreifen.  Aber  das  Schicksal  hatte 
es  anders  bestimmt;  der  Stein,  den  die  Bauleute  verworfen  hatten, 
wurde  zum  Eckstein  des  Ruhmes  der  Universität  Uppsala,  zum  Grund- 
stein der  wissenschaftlichen  Größe  seines  Vaterlandes,  zum  Markstein  in 
der  Geschichte  der  Naturwissenschaft, 

Wir  können  den  großen  Forscher  nicht  durch  alle  Phasen  seines  in 
so  vieler  Hinsicht  ungewöhnlichen  Lebenslaufes  verfolgen,  wir  wollen  nur 
daran  erinnern,  wie  der  Jüngling  nach  unter  den  härtesten  Ent- 
behrungen durchlebten  Lehrjahren,  eben  so  reich  an  wissenschaftlicher 
Arbeit,    als  arm    an    äußeren  Erfolgen,    sein  Vaterland    verUeß,    um  im 


XXIV  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

gastlichen  Holland  die  gelehrte  Welt  mit  einer  Fülle  von  meisterlichen 
Schöpfungen  zu  überraschen.  Der  jugendliche  Forscher,  den  in  seinem 
Vaterlande  nur  wenige  gekannt  hatten,  kehrte  als  Gelehrter  von  Welt- 
ruf in  die  Heimat  zurück,  und  nach  wenigen  Jahren  befand  sich  der 
rechte  Mann  an  der  rechten  Stelle  als  Inhaber  der  naturhistorischeii 
Lehrkanzel  an  der  ersten  Hochschule  seines  Vaterlandes,  der  er  dann 
auch,  trotz  verlockender  Anerbietungen  des  Auslandes,  treu  geblieben  ist. 

Wohl  selten  hat  sich  ein  akademischer  Lehrer  solcher  Erfolge  zu 
erfreuen  gehabt,  wie  der  Gefeierte  des  heutigen  Tages.  Die  Zahl  der 
Studierenden  in  Uppsala  stieg  auf  das  Dreifache;  von  dem  Glanz  seines 
Namens  gelockt,  strömten  Jünglinge  und  schon  bewährte  Forscher  aus 
ganz  Europa  und  selbst  aus  fremden  Weltteilen  zusammen.  Der  Besuch 
seiner  Exkursionen  war  so  zahlreich,  daß  Trompeter  und  Waldhornisten 
nötig  waren,  um  die  zerstreuten  Scharen  wieder  zu  den  Füßen  des 
Meisters  zu  sammeln. 

Aber  das  akademische  Lehramt  war  nur  ein  Teil  und  nicht  der 
größere  von  der  weltumfassenden  Wirksamkeit  des  großen  Mannes. 
Auch  unter  seinen  Fuchgenossen,  den  Naturhistorikern  der  ganzen  Erde, 
stand  er  in  so  hohem  Ansehen,  wie  es  sich  nach  ihm  vielleicht  nur 
noch  ein  Alexander  von  Humboldt  errungen  hat.  Wie  dieser  galt  er 
für  die  höchste  Autorität  auf  dem  Gebiete  seiner  Wissenschaft.  Das  von 
ihm  aufgestellte  System  und  die  von  ihm  ausgestaltete  Nomenklatur 
wurden    nahezu    von   der  Gesamtheit    seiner  Zeitgenossen  angenommen. 

Auch  an  äußeren  Ehren  und  Anerkennungen  hat  es  dorn  großen 
Gelehrten  nicht  gefehlt.  Nur  ein  Viertoijahrhundert  trennt  den  armen 
Studenten  Linnaeus  von  dem  Archiatcr  Ritter  Carl  von  Linne. 

Aber  es  entsprach  nicht  Linnes  Natur,  auf  seinen  Lorbeeren  aus- 
zuruhen. Seine  schriftstellerische  Tätigkeit,  die  mit  jener  Hochflut  des 
Jahres  1737  einsetzte,  wurde  mit  gleicher  Rastlosigkeit  mehr  als  ein 
Menschenaltcr  hindurch  fortgesetzt,  bis  nicht  das  Alter,  sondern  schw^ere 
Krankheit  ihm  die  Feder  aus  der  Hand  nahm,  und  nach  wenigen 
Jahren  gezwungener  Untätigkeit  der  müde  Greis  zur  ewigen  Ruhe 
einging. 

Und  der  Mann,  der  so  hoch  in  der  Wertschätzung  seiner  Zeit- 
genossen dastand,  ist  auch  der  heutigen  Wissenschaft  noch  ein  Lehrer 
und  Mehror  der  Erkenntnis,  auch  künftigen  Generationen  ein  leuchtendes 
Vorbild.  Zwar  hat  sich  manche  von  Linnes  theoretischen  Ansichten  als 
nicht  zutreffend  herausgestellt,  zwar  haben  seine  Systeme  nach  mehr 
als  hundertjähriger  Herrschaft  den  inzwischen  herangereiften  natürlichen 
Systemen  des  Tier-  und  Pflanzenreiches  weichen  müssen,  welche  übrigens 
Linne    selbst  stets  als  das  höchst  anzustrebende  Ziel  der  Wissenschaft 


Geschäftliche  Sitzung.     Linne-Adresse.  XXV 

bezeichnet  und  zu  deren  Aufstellung  er  selbst  einen  mindestens  be- 
achtenswerten Versuch  gemacht  hat.  Aber  dies  künstliche  System  war 
zur  Zeit  seiner  Entstehung  eine  Notwendigkeit.  Indem  Linne  das  ge- 
samte Wissen  seiner  Zeit  in  das  Pachwerk  dieses  Systems  einordnete, 
ein  Wissen,  das  in  dem  Chaos  einer  allgemeinen  Verwirrung  sich  zu 
verlieren  drohte,  erwarb  er  sich  ein  unsterbliches  Verdienst.  Und  wie 
reich  ist  der  Zuwachs,  den  unsere  Erkenntnis  der  Tätigkeit  Linnes  und 
seiner  Schüler,  die  er  in  alle  W>lt  aussandte,  verdankt! 

Was  aber  noch  bis  in  unsere  Zeit  fortwirkt  und  fortwirken  wird, 
solange  eine  biontologische  Systematik  existieren  wird,  das  ist  die 
präzise  Kunstsprache  und  scharfe  Diagnostik,  welche  uns  dies  klassi- 
fikatorische  Genie  gelehrt  hat.  Und  vor  allem  die  binäre  Nomenklatur, 
durch  welche  Linne  die  bis  dahin  wie  Beschwörungsformeln  klingenden 
Benennungen  der  Lebewesen  ersetzte  und  durch  diese  erfolgreichste 
seiner  Neuerungen  erst  die  Pflege  der  biontologischen  Wissenschaften 
für  weitere  I^reise  möglich  gemacht  hat.  In  dieser  Beziehimg  bleiben 
wir  seine  Schüler  und  seine  für  zoologische  und  botanische  Nomenklatur 
grundlegenden  Schriften,  deren  Neudruck  sich  erst  kürzlich  notwendig 
gemacht  hat,  werden  täglich  von  uns  zu  Rate  gezogen. 

So  dürfen  wir  die  Erwartung  aussprechen,  daß  der  Ruhm  Linnes 
als  Organisator  der  biontologischen  Systematik  noch  fernere  ungezählte 
Jahrhunderte  überdauern  wird. 


Von    der   Universität  Uppsala    ist    daraufhin    folgendes    Dank- 
schreiben gesandt  worden: 

(Sigillum  Academiae  LTpsaliensis 
Gratiae  veritas  naturae) 

Omnibus,  quicumque  in  feste  Linnaeano  bisaeculari,  quod  nuperrime 
celebravimus,  universitatem  nostram  tot  ac  tantis  benevolentiae  humanitatis- 
que  documentis  prosecuti  sunt,  gratias  quam  maximas  ea  qua  par  est 
observantia  agimus. 

Dabamus  Upsaliae  m.  Maio  a.  MCMVII. 

Universitatis  Regiae  Upsaliensis  nomine 
J.  H.  Emil  Schuck  Johan  v.  Bahr 

Rector.  Secretarius. 


XXVI  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Um  3'/2  ^^hr  erhält    das  \\'ort    Prof.    Dr.  G.  Volkcns-Dahlem    zu 
einem  Vortrage 

Die  botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien, 
ihre  Zwecke  und  Ziele  (s.  S.  32 — 48). 
Zu  diesem  Vortrage  machte  in  der  Sitzung  am  Mittwoch  Vor- 
mittag Prof.  Dr.  0.  Wai'burg-BerUn  folgende  Erwiderung:  Der  Vor- 
tragende hat  sein  Befremden  ausgedrückt,  daß  in  dem  Vortrage  über 
„Tropische  Landwirtschaft"  die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien 
am  Botanischen  Garten  in  Dahlem  nicht  erwähnt  worden  ist.  In  dem 
genannten  Vortrage  wurde  ein  ganz  allgemeines  Thema  behandelt,  und 
es  war  die  Aufgabe,  klarzulegen,  wie' wichtig  ein  solches  Institut  für 
die  tropische  Landwirtschaft  ist.  Eine  Kritik  der  bestehenden  Institute 
ist  dabei  nicht  unternommen  worden.  Es  hätten  nicht  nur  die  Botanische 
Zentralstelle,  sondern  auch  noch  andere  Institute  genannt  werden  müssen, 
z.  B.  das  Pharmakognostische  Institut,  das  Zoologische  Museum,  die 
Abteilung  des  Geologischen  Instituts,  das  Landwirtschafthche  Institut  in 
Halle,  das  Bodenproben  untersucht,  die  Kolonialschule  in  Witzenhausen, 
das  Orientalische  Seminar,  die  alle  bestrebt  sind,  einige  der  sich  fühlbar 
machenden  Lücken  auszufüllen.  Was  die  Botanische  Zentralstelle  be- 
tritft,  so  ist  es  eine  allgemeine  Zentralstelle  für  alle  botanischen  Fragen 
der  Kolonien.  Dazu  würden  zwar  auch  botanisch-landwirtschaft- 
liche Fragen  gehören;  sie  würden  aber  nur  einen  Teil  der  Tätigkeit 
eines  allgemein  landwirtschaftlichen  Institutes  ausmachen,  und  selbst 
wenn  dieser  Teil  der  Botanischen  Zentralstelle  genommen  würde,  so 
bliebe  ihr  doch  noch  eine  ganz  erhebliche  Tätigkeit,  nämlich  die 
ganze  wissenschaftlich  botanische  Erforschung  der  Kolonion.  Ich  würde 
eine  Angliederung  des  Landwirtschaftlichen  Institutes  an  das  Botanische 
Institut  in  Dahlem  schon  deshalb  für  verkehrt  halten,  weil  dieses  Institut 
ein  preußisches  und  keine  Reichsanstalt  ist,  noch  mehr  aber  deshalb, 
weil  es  verkehrt  wäre,  ein  allgemein  landwirtschaftliches  Institut  an 
ein  Institut  einer  einzelnen  Wissenschaft  anzugliedern.  Als  unsere 
heimische  Landwirtschaftslehre  als  eine  besondere  Technik  eine  größere 
Ausdehnung  erhielt,  wurden  für  sie  besondere  landwirtschaftliche  In- 
stitute geschaffen,  und  so  muß  es  auch  bezüglich  der  tropischen  Land- 
wirtschaft sein.  Wo  aber  soll  ein  solches  Institut  seinen  Anschluß 
finden?  Ein  Anschluß  an  das  Orientalische  Seminar  ist  aus  verschiedenen 
Gründen  nicht  möglich,  eine  Angliederung  an  die  Kolonialschule  in 
Witzenhausen  ist  wegen  deren  abgelegenen  Lage  nicht  ratsam;  eher 
noch  könnte  es  zweckmäßig  sein,  sie  an  die  Landwirtschaftliche  Hoch- 
schule in  Berlin  anzugliedern,    aber  auch  dies  hat  seine  Bedenken.     Es 


Diskussion:  Die  botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien  nsw.       XXV^II 

■erscheint  hingegen  als  das  Natürlichste,  sie  an  die  Kaiserliche  Biologische 
Anstalt  für  Land-  und  Porstwirtschaft  in  Dahlem  anzugliedern.  Die 
landwirtschaftlichen  kolonialen  Fragen  würden  in  diesem  Institut  be- 
arbeitet werden,  die  botanisch-wissenschaftliche  Tätigkeit  müßte  in  der 
Eotanischen  Zentralstelle  bleiben,  auch  die  Verteilung  von  Saaten  an 
die  Kolonien  und  die  Anzucht  der  Pflanzen  für  die  Kolonien  könnte  man 
bei  der  Zentralstelle  lassen,  oder  man  könnte  vielleicht  auch  die  An- 
zucht der  Arten  von  Kulturpflanzen  dem  botanischen  Institut  lassen, 
dagegen  die  Züchtung  von  Varietäten  und  Sorten  der  Kulturpflanzen 
als  zu  speziell  der  zu  entwickelnden  landwirtschaftlichen  Abteilung 
überlassen.  Die  botanischen  Institute  geben  sich  ja  auch  bei  den 
heimischen  Kulturpflanzen  sehr  wenig  mit  der  Anzucht  und  der 
Klassifizierung  der  Sorten  und  Varietäten  ab,  das  tun  vielmehr 
die  landwirtschaftlichen  Stationen,  während  umgekehrt  die  Bearbeitung 
der  Arten  der  heimischen  Kulturpflanzen  durch  die  botanischen  In- 
stitute besorgt  wird.  Wie  für  die  hiesige  Landwirtschaft,  so  denke 
ich  mir  die  Portentwickelung  auch  für  die  tropische  Landwirtschaft, 
iUnd  es  erscheint  mir  notwendig,  daß  dieser  Schritt  möglichst  bald 
gemacht  wird. 

Wenn  man  die  tropische  Landwirtschaft  bei  einem  wissenschaft- 
lichen Institute  läßt,  so  werden  die  wissenschaftlichen  Arbeiten  dieses 
Instituts  durch  die  sich  stetig  vermehrenden  praktischen  Aufgaben 
unterdrückt,  und  das  dürfen  wir  vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus 
nicht  zulassen.  Wenn  hingegen  ein  besonderes  Institut  für  tropische 
Landwirtschaft  geschaffen  wird,  so  kann  die  Botanische  Zentralstelle 
sich  ihrer  Hauptaufgabe,  der  wissenschaftlich-botanischen  Erforschung 
■der  Kolonien  um  so  intensiver  widmen.  Ich  möchte  wünschen,  daß 
sich  die  Botanische  Zentralstelle  nach  dieser  Richtung  so  weit  wie 
möghch  entwickelt;  und  dazu  kann  eine  Entlastung  von  zu  sehr  in  die 
Praxis  gehenden  Arbeiten  nur  zweckdienlich  sein. 

Volkens:  In  seinem  Vortrage  hat  Prof.  War  bürg  gesagt,  daß 
•es  in  Deutschland  nichts  gäbe  als  einen  Experten  für  tropische  Pflanzen- 
pathologie an  der  Biologischen  Anstalt,  an  den  Museen  einige  Sach- 
verständige für  tropisch- landwirtschaftliche  Fragen  der  beschreibenden 
^Naturwissenschaften  und  auch  einige  Personen  an  landwirtschaftlichen 
Instituten,  die  sich  auch  mit  Fragen  der  tropischen  Landwirtschaft  be- 
fassen. Warburg  und  ich  stehen  auf  einem  grundsätzlich  verschiedenen 
Standpunkte.  Er  wünscht  ein  Institut  in  Deutschland,  ich  deren  mehrere 
in  unseren  Kolonien,  Die  botanischen  Gärten  in  unseren  Kolonien 
müssen  zuerst  ausgebaut  werden.  Was  hier  geleistet  werden  kann,  ist 
vorzugsweise  Arbeit  am  grünen  Tisch. 


XXVIII      Bericht  über  «iie  5.  Hauptversammlung-  der  Vereinigung. 

^^'a^bur^:  Ich  habe  in  meinem  vorjährigen  Vortrage  durchaus 
betont,  daß  es  von  Wichtigkeit  sei,  in  den  Ivolonien  solche  Institute  zu 
haben.  Für  diese  Bestrebungen  ist  aber  in  Deutschland  eine  Zentrale 
nötig.  Auch  für  die  anderen  Stellen  muß  eine  Zusammenfassung  ge- 
schaffen werden.  Gerade  bei  technischen  Fächern  ist  ein  Zusammen- 
arbeiten erforderlich.  Es  ist  z.  B.  jetzt  eine  neue  Entfaserungsmaschine 
gebaut  worden,  die  in  Magdeburg  geprüft  werden  soll.  Da  niemand 
anders  da  ist,  muß  ich,  obgleich  nicht  im  geringsten  fachkundig,  hin- 
fahren, um  die  Maschine  mitzuprüfen.  Ganz  anders  wäre  es,  wenn  ein 
Institut  vorhanden  wäre,  an  dem  Fachleute  der  verschiedenen  Gebiete 
arbeiteten,  und  wo  dann  solche  Fragen,  die  sehr  häufig  vorkommen, 
in  ganz  anderer  Weise  als  es  jetzt  möglich  ist,  fachmännisch  bearbeitet 
werden  könnten. 

Volkeiis:  Der  Umfang  einer  solchen  Zentralstelle  würde  sehr 
groß  werden.  Sie  hätte  nicht  nur  Fasermaschinen  zu  prüfen,  sondern 
noch  tausend  andere,  sie  hätte  eine  Unzahl  von  Fragen  zu  lösen,  die 
mit  der  Erzeugung  und  Verarbeitung  tropischer  Produkte  in  Beziehung- 
stehen.  Es  würde  eine  Anstalt  worden,  die  man  sich  nach  Raum  und 
Personenzahl  gar  nicht  zu  denken  vermag.  Auch  ich  wünsche  eine 
Zentrale  für  unsere  kolonialen  Gärten,  aber  diese  hat  nur  Auskunfts- 
stelle zu  sein,  die  sich  mit  anderen  schon  vorhandenen  Auskunftsstelion, 
mit  schon  vorhandenen  zahlreichen  wissenschaftlichen  Instituten,  mit 
Großfirmen  und  Großindustriellen  bei  Bedarf  in  Verbindung  setzt.  Sie 
braucht  Fachleute  nicht  erst  anzustellen,  sie  findet  sie  im  ausreichendsten 
Maße  in  Deutschland  vor. 

Von  4  Uhr  20  Min.  bis  4  Uhr  50  Min.  spricht  Korpsstabsapotheker 
a.  D.  L.  Berne^'aii-Berlin  über: 

1.  Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze  (s.  S.  S6 — 95), 

2.  Akklimatisationsversuche  mit  Süßkartoffeln  (s^ 
S.  96-99). 

3.  Die  Vorwertung  der  Samen  von  Parkia  africana  (s. 
S.   100-101). 

In  der  Diskussion  bemerkt 

Prof.  Dr.  Volkeiis-Dahlem:  Es  erscheint  kaum  zweifelhaft,  daß 
man  Süßkartoffeln  bei  uns  züchten  und  zur  Reife  bringen  kann. 
Schwierig  ist  es,  die  Knollen  von  einem  Jahr  in  das  andere  zu  bringen; 
sie  im  Winter  frisch  zu  erhalten,  ist  noch  nicht  gelungen.  Möglicher- 
weise kann  man  ein  günstiges  Resultat  durch  Einbetten  in  Torfmull 
erzielen. 


Diskussion:  Akklimatisationsversuehe  mit  Süßkartoffeln.  XXIX 

Apotheker  Dr.  Hiiiiiel>erg-Altona:  Vielleicht  kann  man  die  Über- 
"svinterung  auch  dur.ch  trockenen  Sand  erreichen.  So  aufbewahrte 
■Curciima-Rhizome  keimten  im  nächsten  Jahre  aus. 

Beriie^aii:  Prof.  Schweinfurth  hat  mit  Erfolg  einen  Versuch, 
gemacht,  Früchte,  z.  B.  Apfelsinen,  nach  Sokode  im  Hinterland  von  Togo 
an  Dr.  Kersting  zu  senden,  indem  er  die  Früchte  in  Torfmull  ver- 
packte. Ich  habe  frische  Kolanüsse  in  Torfmull  aufbewahrt.  Dabei 
schrumpften  die  Nüsse  ein.  da  durch  den  Torfmull  den  Nüssen  die 
Feuchtigkeit  entzogen  wurde.  Praktische  Versuche  betreffend  Einbetten 
der  Süßkartoffeln  in  Torfmull  sind  zum  Studium  der  Frage  zweifellos 
empfehlenswert.  Da  der  Torfmull  voraussichtlich  den  Süßkartoffeln 
Feuchtigkeit  entziehen  und  dadurch  ein  Nährboden  für  Schimmelpilze 
geschaffen  wird,  würde  der  Torfmull  zweckmäßig  mit  Formaldehyd  zu 
.präparieren  sein. 

Nach  Ansicht  von  Hofgartendirektor  Graebener  in  Karlsruhe  emp- 
fehlen sich  die  Kulturversuche  mit  Süßkartoffeln  in  Deutschland  nur  für 
Herrschaftsgärtner,  übeihaupt  nur  als  Gartenversuche,  wo  Warmhäuser 
für  die  Überwinterung  der  Knollen  zur  Verfügung  stehen. 

Schluß  der  Sitzung  5  Uhr. 

Nach  der  Sitzung  begaben  sich  die  Teilnehmer  mit  der  Straßen- 
bahn oder  dem  Dampfschiffe  nach  Loschwitz,  um  von  dem  Loschwitz- 
berge die  herrliche  Aussicht  auf  Dresden  und  Umgebung    zu    genießen. 

Einige  Mitglieder  hatten  sich  der  Exkursion  der  Vereinigung  der 
systematischen  Botaniker  und  Ptlanzengeographen  nach  Meißen  ange- 
schlossen. 


Dienstag,  den  10.  September, 

Sitzung  von  9 — 1   Uhr  in  der  Technischen  Hochschule, 
in  der  Themata  über  bodenbakteriologische  Untersuchungen  zum 
Vortrag  angesetzt  waren. 

Von  9^^ — 10^"  trug  zunächst  Direktor  Dr.  L.  Hiltiiei'-München  vor: 
Neuere  bodenbakteriologische  Ergebnisse  und  Probleme 
(s.   S.    170).     In  der  Diskussion  ergreift  das  Wort: 

Dr.  B.  Heiiize-Halle:  Im  Anschluß  an  die  Ausführungen  von  Herrn 
Reg.-Rat  Dr.  Hiltner  über  das  bakteriologische  Verhalten  von  Gemischen 
verschiedener  Erden  hinsichtlich  ihres  Keimgehaltes  usw.  mögen  einige 
Beobachtungen  mitgeteilt  werden,  die  in  Halle  über  feuchte  (frischa) 
und  trockene  (besonders  lufttrocken  gewordene)  Erden  in  bakteriologisch- 
chemischer Hinsicht  gemacht  worden  sind.     Nach  diesen  zeigen  feuchte 


XXX  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

und  trockene  Erde  ein  und  desselben  Bodens  in  gewisser  Beziehung  ein 
ähnliches  Verhalten  wie  die  erörterten  l-]rdgemische..  Es  konnte  nämlich 
von  mir  zunächst  die  Beobachtung  gemacht  werden,  daß  beim  Impfen 
von  Zuckerlösungen  mit  Erde  fast  regelmäßig  die  mit  trockener  Erdo 
angelegten  Kulturen  auffallend  schneller  in  Gärung  kamen  als  die  mit 
feuchter  Erde.  Weiterhin  zeigten  sich  die  Kulturen  mit  Trockenerde 
im  allgemeinen  auch  immer  viel  gärkräftiger  als  die  Kulturen  mit  den 
entsprechenden  Frischerden.  Bei  späteren  Versuchen  konnte  übrigens 
ein  entsprechendes  ähnliches  Verhalten  auch  noch  dann  beobachtet 
werden,  wenn  Gemische  von  trockener  und  frischer  Erde  verwandt 
wurden.  Da  diese  Beobachtungen  und  Untersuchungen  eine  allgemeinere 
Gültigkeit  der  bekannten  Remy sehen  Bodenbeurteilungsmethoden  frag- 
lich erscheinen  ließen,  wurde  Herr  Dr.  Rahn  veranlaßt,  der  Ursache 
jenes  Verhaltens  näher  nachzuforschen.  Aus  seinen  weiteren  Beob- 
achtungen und  Untersuchungen  ergibt  sich  dann  auch  in  jedem  Falle, 
daß  eine  trockene  Erde  etwa  um  20^^/o  wirksamer  ist  als  die 
entsprechende  feuchte  Erde,  d.  h.  sie  bildet  in  Zuckerlösungen 
etwa  20°/o  mehr  organische  Säuren,  in  Zuckerlösungen  mit  Kalk  ca.  20^ Iq 
mehr  COg,  in  Peptonlösungen  und  Harnstofflösungen  ca.  20°/o  mehr 
Ammoniak.  Zur  Erklärung  dieses  Verhaltens  sind  von  Herrn  Dr.  Rahn 
mannigfache  Versuche  angestellt  worden.  Diese  verschiedenen  Er- 
klärungsversuche haben  freilich  noch  kein  positives  Resultat  ergeben; 
immerhin  interessieren  vielleicht  die  bisher  erhaltenen,  wichtigsten  Unter- 
suchungsergebnisse, die  in  folgende  Sätze  zusammengefaßt  werden 
können'): 

Eine  bei  Zimmertemperatur  getrocknete  Erdprobe  bewirkt  gewisse 
bakterielle  Zersetzungen  schneller  als  die  unter  sonst  gleichen  Bedingungen 
feucht  gehaltene  Vergleichsprobe  und  auch  schneller  als  die  feuchte 
Muttorerde.  Dies  wurde  durch  viele  Versuche  über  Säurebildung  in 
Zuckerlösung,  Kohlensäureentwickelung  in  Zuckerlösung  mit  kohlensaurem 
Kalk,  Ammoniakbildung  in  HarnstofI'-  und  Peptonlösung  nachgewiesen. 
Der  Unterschied  zwischen  trockener  und  feuchter  Erde  war  am  stärksten 
bei  Gartenerde  (etwa  60  "/(,),  geringer  bei  Lauchstedter  Erde  (etwa  10 
bis  30  "/o).  bei  Cunrauer  Sandboden  gar  nicht  vorhanden.  Die  ver- 
schiedene Schnelligkeit  des  Trocknens  hat  nur  einen  geringen  Einfluß 
auf  die  Größe  der  Differenz.  Die  Keimzahl  einer  Erde^)  wird  durch 
das  Trocknen    stets    verringert;    der   Unterschied    kann    hierdurch    also 


1)  0.  ß,ahn.    Bakteriologische  Untersuchungen    über    das  Trocknen    des 
Bodens.    (Centralbl.  f.  Bakt.,  Abt.  II,  Bd.  XX,   1907,  S.  38—61  m.  1  Tai) 

2)  Dieser  Satz  ist  im  allgemeinen  natürlich  nur  bezüglich  der  sog.  gela- 
tinewüchsigen,  insbesondere  der  aeroben  Organismen  gültig. 


Diskussion:    Neuere  bodenbaktoriologische  Ergebnisse  und  Probleme.       XXXI 

nicht  erklärt  werden.  Der  Unterschied  beruht  nicht  auf  physikaUschen 
Eigenschaften,  da  sowohl  die  in  Vv'asser  verteilten  Erdproben  wie  die 
Filtrate  den  Unterschied  zwischen  trocken  und  feucht  deutlich  zeigen. 
Eine  stärkere  Aufschließung  von  Bodenbestandteilon  kann  nicht  zur 
alleinigen  Erklärung  dienen,  da  bei  reichlichem  Zusatz  von  Kaliphos- 
phaten und  Asparagin  der  Unterschied  erhalten  bleibt;  auch  der  ver- 
schiedene Salpetergehalt  der  Erden  bewirkt  nicht  die  Unterschiede.  Die 
Substanz,  welche  diese  Unterschiede  bewirkt,  ist  kochfest  und  durch 
Filtrierpapier  filtrierbar.  Es  ist  unentschieden,  ob  es  sich  um  eine  Hem- 
mung durch  die  feuchte  Erde  oder  um  eine  Beschleunigung  durch  die 
trockene  Erde  handelt.  Trockene  Erde  verliert  nach  dem  Anfeuchten 
schon  in  24  Stunden  den  größten  Teil  ihrer  intensiveren  Päulniskraft 
und  unterscheidet  sich  bald  gar  nicht  mehr  von  der  feuchten  Original- 
erde. Senfpflanzen  wuchsen  in  trocken  gewesener  Erde  besser  als  in 
dauernd  feucht  gehaltener.  Es  ist  aber  nicht  sicher,  ob  dieser  Unter- 
schied nicht  vorwiegend  auf  Kosten  des  verschiedenen  Salpetergehalts 
zu   setzen  ist. 

Manche  Versuche  von  Herrn  Dr.  Rahn  sprechen  allerdings  be- 
sonders gegen  die  Möglichkeit  bzw.  Wahrscheinlichkeit,  daß  Mineral- 
stoffe und  N-haltige  Substanzen  aus  trockener  Erde  auffallend  leichter 
in  Lösung  gehen  als  aus  feuchter,  frischer  Erde  (und  zwar  zum  großen 
Teile  aus  Zellen  von  Pflanzenresten,  ferner  aber  auch  aus  abgetöteten 
niederen  tierischen  und  pflanzlichen  Organismenzellen),  und  damit  natür- 
lich' auch  gegen  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  die  erwähnten  Unterschiede 
im  Verhalten  dieser  Erden  auf  diese  Weise  ihre  teilweise  Erklärung 
finden  könnten.  Nach  neueren  weiteren  Beobachtungen  wird  man  jedoch 
in  vielen  Fällen  mit  einer  solchen  verstärkten  Aufschließung  von  Boden- 
bestandteilen tatsächlich  rechnen  und  sie  zur  teilweisen  Erklärung  des  ver- 
schiedenen Verhaltens  der  genannten  Erden  heranziehen  müssen. 

Dr.  H.  Fischer-Berlin:  Die  Erklärung  für  die  Erscheinung  beruht 
darauf,   daß  sich  beim  Eintrocknen  des  Bodens  Sporen  bilden. 

Dr.  K.  Störmer-Halle:  Es  ist  schon  von  Pickendey  und  Buhlert 
nachgewiesen,  daß  beim  Eintrocknen  der  Erde  der  Salpetergehalt  zu- 
nimmt. Ich  kann  dies  nur  bestätigen.  Wenn  ein  und  derselbe  Boden 
in  natürhcher  Feuchtigkeit  und  im  eingetrockneten  Zustand  untersucht 
wird,  so  enthält  er  im  letzteren  Falle,  auf  dieselbe  absolut  trockene 
Bodenmenge  berechnet,  mehr  Ammoniak-  und  Salpeterstickstoff.  Der 
Rückschluß  auf  die  Verhältnisse  im  Ackerboden  ist  daher  nicht  ohne 
weiteres  zulässig. 

Hiltiier:  Ich  kann  dies  durchaus  bestätigen.  Unser  Chemiker, 
Herr  E>r.  Stiehr,   hat  sich  in  den  letzten  Jahren  viel  mit  der  Bestimmung 


XXXll        Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

des  Nitrat-  und  Ammoniakstickstoffs  im  Boden  beschäftigt  und  dabei 
feststellen  können,  daß  die  übliche  Bestimmung  des  Salpetergehalts  im 
Boden  meist  zu  hohe  Resultate  liefert,  weil  bei  ihr  die  Erde  erst  luft- 
trocken gemacht  werden  muß,  wobei  eine  Zunahme  des  Salpeterstick- 
stofts  erfolgt.  Selbst  bei  der  Entnahme  im  feuchten  Zustande  voll- 
kommen salpeterfreier  oder  mindestens  auf  Salpeter  nicht  reagierender 
Böden  ergaben  sich  nach  dem  Trocknen  doch  gewisse  Salpetermengen. 
Herr  Dr.  Stiehr  hat  daher  eine  andere  Methode  der  Salpeterbestimmung 
ausgearbeitet,  über  die  Näheres  noch  veröffentlicht  werden  wird. 

H.  Fischer-Berlin:  Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffes  auf 
Boden  und  Ernten  ist  nur  biologisch  zu  erklären.  Unter  natürlichen 
Umständen  findet  im  Boden  nur  eine  sehr  langsame  Mikrobenvermehrung 
statt;  Sporenbildner  werden  vielfach  nur  als  Sporen  vorhanden  sein,  andere 
in  weniger  widerstandsfähigen  Dauerzuständen,  wohl  auch  ±  mit  Reservo- 
stoffen  erfüllt,  in  denen  organische  Substanz  festgelegt  ist.  Künstliche 
Kulturen  geben  nur  ein  schwaches  Abbild  des  zu  vermutenden  natür- 
lichen Verhaltens.  Bei  Zuführung  von  Schwefelkohlenstoff"  werden  zahl- 
lose minder  widerstandsfähige  Zellen  getötet,  ihre  Substanz  wird  von 
den  Überlebenden  verarbeitet,  die  sich  nun  ganz  gewaltig  vermehren^ 
wie  die  Hiltn ersehen  Versuche  ja  deutlich  zeigen.  Bei  solch  reger 
Bakterientätigkeit  wird  viel  organische,  insbesondere  stickstoff'haltige 
Substanz,  die  festgelegt  war,  mobil  gemacht  —  so  erklärt  sich  unge- 
zwungen die  von  verschiedenen  Seiten  übereinstimmeiid  gemachte  Be- 
obachtung, daß  die  Schwefelkohlenstoffwirkung  eine  Stickstoffwirkung 
ist.  Diese  Auffassung  wird  ganz  wesentlich  gestützt  durch  die  bisher 
nicht  genügend  gewürdigte  Peststellung  von  Moritz  und  Scherpe, 
daß  Schwefelkohlenstoff  keine  besondere  Wirkung  mehr  hervorbringt  in 
einem  zuvor  durch  heiße  Dämpfe  sterilisierten  Boden. 

Stornier:  Ich  ersuche,  die  Diskussion  über  die  Schwefelkohlen- 
stoffwirkung bis  nach  meinem  Vortrage  zu  vertagen. 

Hiltiiei":  Es  ist  sicher,  daß  die  Schwefelkohlenstoffwirkung,  wie 
ich  dies  auch  schon  selbst  ausgeführt  habe,  zum  Teil  darauf  beruht, 
daß  durch  Abtötung  von  Organismen  die  in  diesem  festgelegten  Stoffe, 
namentlich  Stickstoff",  wieder  in  den  Kreislauf  einbezogen  und  dadurch 
den  Pflanzen  bzw.  anderen  Organismen  zugänglich  gemacht  werden. 
Daß  aber  daneben  auch  die  Beseitigung  der  von  mir  als  Hemmungs- 
stoffe bezeichneten  Körper  eine  Rolle  spielt,  dürfte  außer  aus  den  in 
meinem  Vortrag  vorgebrachten  Gründen  gerade  daraus  hervorgehen,  daß  es 
eine  spezifische  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  und  mancher  anderer 
Gifte  ist,  Bakteriensporen  in  Nährlösungen,  in  denen  sie  auch  bei  Zusatz 
neuer  Nährstoffe  sich  passiv  verhalten,  zur  Keimung  zu  veranlassen. 


Diskussion:  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.      XXXTll 

Vorsitzender  Prof,  Dr.  Zacliarias:  Es  wird  sich  empfehlen,  die  ge- 
samte Diskussion  auf  den  Schluß  des  Vortrages  von  Dr.  Störmer  zu 
vertagen. 

Von  lÜ^*^ — 11°*^  spricht  Dr.  J.  Simon-Dresden  unter  Vorführung 
von  Pormalinpräparaten,  Photographien  und  Tabellen   über 

Die  Widerstandsfähigkeit    der   Wurzelbakterien    der 

Leguminosen    und    ihre  Bedeutung  für  die  Bodenimpfung 

(s.  S.   132-160) 
und  von  11°° — 12*'^  Dr.  K.  Störmer-Halle  über 

E)ie  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  und  ähnlicher 

Stoffe  auf  den  Boden  (s.  S.   113—131). 

An  diese  Vorträge  schloß  sich   die  folgende  Diskussion. 

Hiltiier:  Ich  möchte  zunächst  meiner  Freude  darüber  Ausdruck 
geben,  daß  die  Ergebnisse,  zu  denen  Herr  Dr.  Störmer  gelangt  ist, 
nachdem  er  das  SchwefelkohlenstofTproblem  für  sich  allein  weiter  be- 
arbeitet hat,  mit  den  von  uns  in  München  gefundenen  Resultaten  in- 
sofern übereinstimmen,  als  in  beiden  Fällen  die  Aufschließung  von  fest- 
gelegtem Stickstoff  als  Hauptursache  der  Wirkung  des  Schwefelkohlen- 
stoffs ermittelt  wird.  Der  Unterschied  zwischen  seinen  und  meinen  Aus- 
führungen besteht  nur  darin,  daß  ich  mich  nicht  darauf  beschränkt 
habe,  eine  Erklärung  für  die  durch  den  Schwefelkohlenstoff  bewirkte 
Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  der  Böden  zu  geben,  sondern  daß  ich  alle 
bekannten  Wirkungen  des  Schwefelkohlenstoffs,  insbesondere  auch  die 
auf  die  Bodenmüdigkeit  sich  erstreckenden,  mitberücksichtigt  habe. 
Bereits  in  meinem  Vortrag  habe  ich  darauf  hingewiesen,  daß  gerade  in 
dieser  Richtung  der  Schwefelkohlenstoff  z.  B.  in  der  Pfalz  schon  aus-, 
gedehnte  Verwendung  findet;  allein  im  Weinbaugebiet  von  Deidesheim 
sind  nach  glaubwürdigen  Mitteilungen  im  Jahre  1905  von  einem  Händler 
45000  kg  Schwefelkohlenstoff  an  Winzer  verkauft  worden,  nicht  etwa 
zur  Vertilgung  der  Reblaus,  die  dort  gar  nicht  vorhanden  ist,  sondern 
zur  Behebung  von  Bodenmüdigkeitserscheinungen.  Ich  glaube  aber  nicht, 
daß  sich  diese  außerordentliche  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  in 
Weinbergsböden  durch  die  von  Herrn  Dr.  Störmer  vertretene  Auf- 
fassung allein  erklären  läßt.  Für  ausgeschlossen  halte  ich  dies  bei 
jenen  eigentümlichen  Erscheinungen  und  Wirkungen,  die  wir  bei  den 
Versuchen  über  die  Erbsenmüdigkeit  des  Bodens  beobachten  konnten. 
An  diesen  Versuchen  hat  ja  Herr  Dr.  Störmer,  solange  sie  in  Dahlem 
ausgeführt  wurden,  selbst  teilgenommen.  Aber  selbst  wenn  wir  nur 
die  Frage  der  Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  durch  den  Schwefelkohlen- 
stoff ins  Auge  fassen,  so  reicht  die  Erklärung  Störmers  nicht  aus 
angesichts  der  von  uns  festgestellten  Tatsache,  daß  der  Schwefelkohlen- 

JaUresbericlit  der  Vereinigung-  für  angewandte  Botanik  V.  JXX 


XX.\1\        iJericlit  über  die  5.  Hauptversaninilung-  der  Vereinigung. 

Stoff  auch  bei  unseren  mit  Ziegelmehl  ausgeführten  Versuchen  wirkte, 
bei  denen  von  Aufschließung  des  Stickstoffs  durch  Abtötung  von  Orga» 
nismen  nicht  die  Rede  sein  konnte. 

\\'orin  die  Stör  morsche  und  meine  Erklärung  für  die  \\'irkung 
des  Schwei'olkohlenstoffs  auf  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  sich  unter- 
scheiden, möchte  ich  in  einem  Beispiel  dartun.  In  Vorträgen  oder 
Unterhaltungen,  in  denen  die  Schwefelkohlenstofffrage  erörtert  wurde, 
habe  ich  schon  gelegentlich  die  Beeinflussung  der  verschiedenen  Gruppen 
und  Arten  der  Bodenorganismen  durch  den  Schwofelkohlenstoff  ver- 
glichen mit  jener,  die  ein  verheerender,  nicht  allzulang  andauernder 
Krieg  hervorbringt,  indem  er  auf  Kosten  Tausender,  die  ihm  zum  Opfer 
iallen,  den  Völkern  neuen  Antrieb  zur  größten  Entfaltung  ihrer  Energie 
gibt.  Ist  nun  diese  schon  so  oft  beobachtete  günstige  Wirkung  eines 
Krieges  oder  auch  einer  andern  schweren  Heimsuchung  eines  Volkes 
lediglich  die  Folge  davon,  daß  er  große  Opfer  an  Menschenleben  fordert, 
oder  ist  nicht  vielleicht  mehr  der  Umstand  in  Betracht  zu  ziehen,  daß 
der  Krieg  jene  Hemmungen  aller  Art  wie  mit  einem  Schlag  beseitigt, 
die  sich  allmählich  bei  einem  allzulange  währenden  und  mindestens  bei 
einem  sonst  nicht  sehr  tätigen  Volke  im  gesamten  öffentlichen  Leben 
in  immer  größerem  Maße  einstellen? 

Zu  den  Ausführungen  des  Herrn  Dr.  Simon  möchte  ich  bemerken, 
daß  mit  den  Moor  eschen  Bakterien  in  überaus  zahlreichen  Fällen  Ver- 
suche im  Vergleiche  zu  den  von  uns  gelieferten  Kulturen  von  KnöUchen- 
bakterien  ausgeführt  worden  sind.  Es  ist  mir  aber  kein  einziger  solcher 
Versuch  bekannt  geworden,  bei  dem  die  mit  so  vieler  Reklame  ange- 
priesenen amerikanischen  Kulturen  besser  gewirkt  hätten:  meist  haben 
sie  sogar  vollständig  versagt. 

Für  die  Beobachtungen  des  Herrn  Dr.  Simon  an  Serradella  scheinen 
mir  auch  andci-e  Erklärungsmöglichkeiten  gegeben. 

Don  Bakterien  bei  der  Samenimpfung  keine  Nährstoffe  beizugeben, 
dürfte  sich,  solange  Gelatine-  oder  Agarkulturen  verwendet  werden,  auf 
manchen  Böden  doch  sehr  schwer  rächen,  wie  auch  Herr  Dr.  Störmer 
bestätigen  wird.  Es  hat  sich  wenigstens  auf  den  weit  verbreiteten  EU- 
4uvialböden  Norddeutschlands  diese  Beigabe  bei  den  Sojaversuchen  als 
unerläßlich  erwiesen.  Dafür,  daß  die  Samenausscheidungsstoffe  sehr 
s-chädlich  auf  Knöllchenbakterien  wirken,  haben  wir  in  München  erst  in 
diesem  Jahre  wieder  neue  Beweise  erlangt  bei  Versuchen,  die  wir  mit 
Serradella  ausführten.  Auf  vielen  Böden  allerdings  ist  die  Beigabe  von 
Nährstoffen,  wie  ich  schon  selbst  ausführte,  nicht  notwendig,  ja  unter 
Umständen  sogar  eher  schädlich.  Ich  darf  hier  gleich  hinzufügen,  daß 
wir    vom    nächsten  Jahre  ab  auf  Grund  unserer  Versuche  die  Kulturen 


Diskussion:  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.      XXXV 

in  anderer  Form  für  Impfzwecke  abgeben  werden,  so  daß  die  Frage  der 
Beigabe  von  Nährstoffen  überhaupt  nicht  mehr  in  Betracht  kommen  wird, 

Prof.  Dr.  A.  Fischer-Basel:  Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs 
läßt  vormuten,  daß  die  Tötung  der  Bakterien,  anderer  Mikroorganismen 
und  Tiere  zu  einem  Prozeß  führt,  der  als  Autolyse  lange  bekannt  ist. 
Die  überlebenden  Enzyme  zerlegen  die  abgestorbene  Körpersubstanz  unter 
sehr  intensiver  Entwickelung  von  löslichen  Siickstoffverbindungen.  Für 
eine  solche  Auffassung  spricht  die  anfangs  beträchtliche  Steigerung  von 
Ammoniak,  der  aus  tryptischen  und  autolytischen  Zerlegungen  der  Pro- 
teinsubstanzen stammen  diirfte,  und  ferner,  daß  im  sterilisierten  Boden 
diese  Wirkung  nicht  eintritt. 

Die  löslichen  Produkte  der  Autolyse  befördern  die  Auskeimung  der 
nicht  getöteten  Sporen,  deren  Keimlinge  reichlicheres  Nährmaterial  als 
im  nicht  mit  CS2  behandelten  Boden  vorfanden  und  die  noch  übrigen 
Reste  der  abgestorbenen  Organismen  angreifen.  Der  Erntegewinn  würde 
erst  eine  tertiäre  Wirkung  dos  Schwefelkohlenstoffs  sein. 

Graf  Ariiiiii-Sclilag-eiithiii :  Ich  möchte  mir  die  Frage  erlauben,  in 
welcher  Weise  und  in  welchen  Mengen  der  Schwefelkohlenstoff  verwendet 
werden  muß,  um  wirksam  zu  sein"?  Ich  treibe  in  sehr  großem  Umfange 
Kartoffelkultur  und  Kartoffelhochzucht,  und  es  treten  nun  auf  meinen 
Versuchsfeldern  eine  große  Menge  von  Schädlingen,  wie  Engerlinge, 
Drahtwürmer,  Springschwänze,  Erdraupen  usw.,  schädigend  auf.  Es 
ist  für  mich  als  Züchter  sehr  wichtig,  einwandfrei  die  Ertragsfähigkeit 
der  einzelnen  Sorten  prüfen  zu  können,  und  da  sind  nun  natürlich  die 
Einwirkungen  der  verschiedenen  Tiere  im  Boden  in  hohem  Maße  hinder- 
lich. Da  sie  nicht  gleichmäßig  verteilt  sind,  vielmehr  von  Versuchs- 
parzelle zu  Versuchsparzelle  in  verschieden  starkem  Maße  auftreten, 
fälschen  sie  die  Ergebnisse  der  Versuchsanstellung  in  sehr  unangenehmer 
Weise,  und  es  ist  sehr  schwer,  den  Reduktionsfaktor  zu  finden,  durch 
den  diese  ungleichmäßige  Einwirkung  rechnungsmäßig  beseitigt  werden 
könnte.  Ich  bin  nun  auf  den  Gedanken  gekommen,  mit  Schwefel- 
kohlenstoff die  Vernichtung  der  Insekten  zu  versuchen,  um  so  diesen 
Faktor,  der  neben  manchem  anderen  die  Versuchsresultate  fälscht,  mög- 
lichst zu  eliminieren.  Im  großen  Betriebe  ist  nun  die  Arbeit  mit  Schwefel- 
kohlenstoff recht  umständlich  und  kostspielig.  Ich  habe  die  Sache  bis- 
her in  der  Weise  ausführen  lassen,  daß  ich  in  Abständen  von  50  cm 
Löcher  in  den  Boden  stoßen  ließ,  in  welche  Schwefelkohlenstoff  mit 
einem  geeigneten  Apparat,  der  jedesmal  10  oder  20  ccm  entläßt,  gefüllt 
wurde.  Es  wäre  mir  nun  sehr  wichtig  zu  erfahren,  welche  Mengen  nach 
anderweitigen  Versuchen  zu  verwenden  sind,  in  welcher  Entfernung. 
Tiefe    und  Verteilung    die  Löcher  am  zweckmäßigsten  gemacht  werden^ 


XXX\  I       l^ericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

und  welche  anderweitigen  Versuche  bereits  vorliegen.  Der  Schwefel- 
kohlenstoff soll  eine  düngerartige,  das  Pflanzenwachstum  stark  anregende 
Wirkung  ausüben.  Diese  Wirkung  ist  wahrscheinlich  auf  verschiedenen 
Böden  schon  deshalb  \erschieden,  weil  der  Schwefelkohlenstoff  sich  je 
nach  der  Bodenart  verschieden  verteilen  wird.  Da  nun  auf  meinen 
ziemlich  grolien  Versuchsfeldern  immer  Verschiedenheiten  des  Bodens 
vorhanden  sind,  außerdem  das  Versuchsfeld  jedes  Jahr  auf  einem  anderen 
Schlage  sich  befindet,  so  würden,  wenn  der  Schwefelkohlenstoff  auf  ver- 
schiedenen Boden  verschieden  wirkt,  durch  die  Verwendung  von  Schwefel- 
kohlenstoff die  Versuchsergebnisse  auf  den  einzelnen  Parzellen  wahr- 
scheinlich verschieden  beeinflußt  werden,  somit  an  Stelle  des  einen  Un- 
sicherheitsmoments, welches  die  Insekten  bildeten,  nunmehr  das  neue 
der  verschiedenen  Einwirkung  des  Schwefelkohlenstoffes  treten,  somit 
möglicherweise  die  Beurteilung  des  relativen  Wertes  der  einzelnen  Sorten 
wieder  durch  einen  neuen  Faktor  erschwert  werden.  Ich  wäre  daher 
für  alle  Mitteilungen  über  die  Anwendung  von  Schwefelkohlenstoff  sehr 
dankbar. 

Stornier:  Die  Bodenmüdigkeitsfrage  habe  ich  zunächst  beiseite  ge- 
lassen, weil  es  sich  für  mich  darum  handelte,  erst  einmal  die  Wirkung 
auf  den  normalen  Ackerboden  klarzustellen.  Die  Müdigkeitserschoinungen 
sind  Vorgänge  komplizierter  Natur.  Die  erwähnte  Autolyse  mag  wohl 
eine  Nebenrolle  spielen,  aber  die  Vermehrung  der  Bakterien  nach  Schwefel- 
kohlenstoff behandlung  tritt  so  schnell  ein,  daß  wir  mit  deren  Zersetzungs- 
fähigkeit in  erster  Linie  zu  rechnen  haben.  Selbstverständlich  ist  eine 
analytisch  faßbare  Menge  der  entstehenden  Zersetzungsprodukte,  nament- 
lich des  Ammoniaks,  erst  nach  Wochen  zu  erwarten,  l^ntersucht  man, 
wie  ich  es  auch  getan  habe,  ein  und  denselben  Boden  im  unbehandelten 
und  im  karbosulfurierten  Zustande  kurze  Zeit  nach  der  Schwefelkohlen- 
stoffeingabe, etwa  nach  4  Tagen,  auf  die  Menge  des  in  Form  von  Ammo- 
niak und  Salpetersäure  vorhandenen  löslichen  Stickstoffs,  so  ist  diese 
nach  so  kurzer  Frist  selbstverständlich  in  beiden  Fällen  noch  vollkommen 
dieselbe. 

Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  ist  bekanntlich  proportional 
der  angewandten  Menge,  sie  läßt  sich  aber  schon  bei  25  ccm  pro  1  qm 
erkennen.  Zur  Abtötung  von  Drahtwürmern  und  anderen  Bodenschäd- 
lingen müßten  nach  meinen  Erfahrungen  aber  immerhin  etwa  100  ccm 
pro  1  qm  gegeben  werden,  unter  günstigen  Verhältnissen  genügen  aber 
vielleicht  schon  50  ccm.  Die  Anwendung  ist  also  vorläufig  noch 
recht  teuer. 

Die  Wirkung  tritt  zwar  auf  jedem  Boden  ein,  aber  man  beobachtet 
eine  wechselnde  Gi-öße  derselben,    die    in    erster  Linie    davon    abhängt, 


Diskussion:  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.     XXXVII 

welche  Bakterienarten  zufällig  zur  Vermehrung  gelangen:  z.  B.  solche 
Arten,  die  Ammoniak  freimachen,  oder  andere,  die  bei  den  Zersetzungs- 
prozessen gerade  umgekehrt  das  Ammoniak  festlegen.  Es  ist  die  Frage, 
ob  die  kürzere  Zeit  nach  einer  Schwefelkohlenstoff behandlung  anfänglich 
zu  beobachtende  schädliche  Wirkung  auf  nachgebaute  Pflanzen  nicht 
zum  Teil  auf  die  Festlegung  des  Stickstoffs  zurückgeführt  werden  muß. 
Heiiize:  Eine  vermehrte  Aufschließung,  d.  h.  ein  stärkeres  Löslich- 
werden von  Bodenstickstoff,  welcher  ev.  wohl  sicher  zu  einem  recht 
beträchtlichen  Teile  aus  den  durch  CSo  abgetöteten  niederen  tierischen 
und  pflanzlichen  Organismen  herstammt,  ist  auch  schon  von  Prof.  Krüger 
und  mir  als  Schwefelkohlenstoffwirkung  berücksichtigt  worden.  Es  konnten 
nämlich  neben  bloßen  Spuren  von  NHg  in  den  unbehandelten  Erden  zu- 
nächst regelmäßig  immerhin  auffallende  Mengen  Ammoniak  in  den  mit  CSo 
behandelten  Erden  festgestellt  werden.  Weiterhin  wurde  von  uns,  zumal 
bei  einer  wiederholten  CSg-Behandlung,  längere  Zeit  hindurch  eine  voil- 
ständige  Unterdrückung  der  Salpeterbildung  beobachtet  (Landw.  Jahrb, 
1907,  Bd.  XXX,  S.  383  u.  889  und  Centralbl.  für  Bakt.,  Abt.  II.  1907, 
Bd.  XVIII,  S.  56).  Nach  meinen  weiteren  Beobachtungen  und  Unter- 
suchungen setzt  jedoch  späterhin  in  den  behandelten  Böden  eine  auf- 
fallend stärkere  Salpeterbildung  ein,  was  jedenfalls  für  eine  vermehrte 
Auf  Schließung  von  Boden-N  als  CSg-Wirkung  spricht,  wofern  man  nicht 
auch  gleichzeitig  zunächst  mit  einer  gesteigerten  N-Assimilation,  einer 
Begünstigung  der  Entwickeln ng  von  Azotobakter  und  einer  erst  später 
erfolgenden  langsamen  oder  schnelleren  Überführung  von  Organismen- 
eiweiß in  Salpeter  rechnen  muß.  Auch  bei  späteren  speziellen  quantita- 
tiven Versuchen  (Topfversuchen  ohne  und  mit  Zusatz  besonderer  N-hal- 
tiger  Substanzen)  konnte  durch  direkte  Destillation  in  CSg-behandelter 
Erde  ohne  Zusätze  weit  mehr  NH3  nachgewiesen  werden  als  in  der  ent- 
sprechenden imbehandelten  Erde.  Wenn  nun  auch  die  Salpeterbildung 
je  nach  den  verwandten  CS.2 -Mengen  kürzere  oder  längere  Zeit  im  Boden 
unterdrückt  wird,  so  ist  dies  bezüglich  der  Ammoniakbildung  nach 
mancherlei  quantitativen  Versuchen  sicher  nicht  der  Fall;  letztere  wird 
vielmehr  im  allgemeinen  immer  schon  kurz  nach  der  Behandlung  eine 
gewisse  Steigerung  erfahren.  Auch  wurde  bei  geeigneten  CSg-Versuchen 
mit  besonderen  N-Zusätzen,  z.  B.  in  Form  von  Eiweiß,  Pepton  usw. 
zwar  eine  längere  Unterdrückung  der  Salpeterbildung  beobachtet,  nicht 
aber  der  NHg-Bildung.  CSo- Versuche  mit  Erden  unter  Zusatz  von  ]\Iassen- 
kulturen  von  Bodenorganismen,  Pilzen,  Algen,  Azotobakter  usw.  sind  im 
Gange.  Neben  der  N-WMrkung  muß  aber  auch  nach  meinen  speziellen 
Untersuchungen  als  CS2-Wirkung  eine  zuweilen  stärkere,  zuw^eilen 
w^eniger  starke  Aufschließung  von  Mineralstoffen  im  Boden  berücksichtigt 


XXXVllI        Bericht   über  die  5.  Hauptver.saminlung  der  Vereinigung. 

werden.  Beim  jetzigen  Stande  der  mikrobiologischen  Bodenliunde  wird 
nun  wohl  mit  Recht  die  von  Dr.  Störmer  bezüglich  der  N-Wirkung 
als  Folge  einer  CS2-Behandlung  hervorgehobene  direkte  AufschlieOung 
von  Boden-N  in  den  Vordergrund  gestellt  werden  müssen;  dabei  wird 
man  aber  manchmal  auch  eine  bedeutend  verstärkte  N-Assimilation,  eine 
vermehrte  Festlegung  von  ungebundenem  N  der  Luft  durch  Organismen- 
tätigkeit infolge  einer  CSs-Behandlung  nicht  außer  acht  lassen  dürfen, 
zumal  verschiedene  A'ersuche  (direkte  N  Bestimmungen)  von  Prof.  Krüger 
und  mir  unter  Umständom  eine  Zunahme  an  Gesamt-N  bei  CS^-behandelten 
Bracherden  sehr  wahrscheinlich  machen. 

E)aß  der  —  bei  einer  CS^-Behandlung  manchmal  eine  autfallend 
starke  Zunahme  aufweisende  —  gesamtlösliche  N  (Amid-Ammoniak-N 
usw.)  zum  großen  Teile  aus  Organismenleibern  stammt,  und  daß  d(^r  X 
in  CSg-behandelten  Böden  leichter  aus  den  Organismenzellen  in  Lösung 
geht  als  in  den  entsprechenden  unbehandelten  Böden,  dürfte  wohl  nach 
den  näheren  Ausführungen  von  Dr.  Störmer  als  sicher  gelten  können. 
Der  direkte  Beweis  an  der  Hand  von  Massonkulturen  von  Bodenorganis- 
men als  Zusatz  zu  Böden,  welche  einmal  ohne  weitere  Behandlung 
bleiben  und  dann  mit  CS2  behandelt  werden,  wie  auch  an  der  Hand  der 
behandelten  und  unbehandelten  Kulturen  selbst,  steht  freilich  zur  Zeit 
noch  aus.  Als  Beweis  dafür  können  wir  jedoch  einen  neuerdings  schon 
von  0.  Loew  und  K.  Aso^)  bekannt  gegebenen  Versuch  heranziehen, 
bei  welchem  Bierhefemassenkultur  mit  CS2  behandelt  wurde  und  alsdann 
die  Menge  der  wasserlöslichen  Stoffe  mit  derjenigen  der  unbehandelt 
gebliebenen  Hefe  verglichen  wurde.  Es  wurden  in  den  Extrakten  der 
zum  Versuch  verwandten  Hefemengen  folgende  Mengen 

bei  CS2-behandelter         bei  unbehandelter  Hefe 
Hefe  (Kontroll hefe) . 

an  Extraktivstoffen  2,962  g  0,411   g 

an  Stickstoff  0,238  g  0,013  g     gefunden. 

Hieraus  folgt,  daß  die  ursprünglichen  Hefezellen  (14,42  g  Trocken- 
substanz) mit  8,70  "/q  N  durch  Abtötung  mittelst  CSg  20,52  °/o  ihrer 
Trockensubstanz  und  '/:,  ihres  Gesamt-N-Gehaltes  verloren  hatten,  während 
die  lebende  unbehandelte  Hefe  in  derselben  Zeit  und  bei  gleicher  Tem- 
peratur (10 — 15°)  nur  2,84  ^|^,  ihrer  Trockensubstanz  mit  nur  1,06  °/o 
des  Gesamt-N  abgegeben  hatte.  Weiterhin  wurden  auch  die  Unterschiede 
der  ausgeschiedenen  Minoralstoffe  bestimmt.  Es  wurde  aus  8,46  g 
Trockensubstanz  mit  6,79  "/q  oder  0,56  g  Asche 

1)  0.  Loew  u.  K.  Aso,  On  changes  of  avaUability  of  nitrogen  iu  soils  I. 
(Bulletin  of  the  College  of  Agriculture  Imperial  Universitj^  Tokyo,  Vol.  VII^ 
Nr.  :},   1!)07  u.  Centralbl.  f.  Bakt..  Abt.  11,  1907.  Bd.  XX,  S.  47). 


Diskussion:  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.      XXXIX 

bei  behandelter  Hefe  1,588  g  Mineralstoffe  mit  0,397  g  Asche 

„    unbehandelter  Hefe      0,217   g  „  „     0,051  g 

extrahiert. 

Hu^'o  Fiselier-Berlin:  Die  Tatsache,  daß  ganz  allgemein  die  Bak- 
terien Hemmungsstoffe  bilden,  i.?t  durchaus  feststehend.  Fraglich  ist 
nur,  ob  sie  ebenso,  wie  in  künstlichen  Kulturen,  auch  im  Boden  zur 
Geltung  kommen,  oder,  wie  viele  andere  Stoffe,  von  den  Bodenteilchen 
absorbiert  werden.  Ferner  ist  nicht  unwahrscheinlich,  da(3  in  dem  Durch- 
einander der  Mikrobenvegetation  des  Bodens  die  Hemmungsstoffe  gar 
nicht  zur  Anhäufung  gelangen,  vielmehr  von  dieser  oder  jener  Art  weiter 
verarbeitet  werden,  was  besonders  eintreten  dürfte  als  Folge  der  zuvor 
betonten  lebhaften  Anregung  der  Wachstumstätigkeit. 

Auch  hat  sich  gezeigt,  daß  ein  durch  Kochen  oder  Ausschütteln 
bereiteter  Bodenauszug,  künstlichen  Nährböden  zugesetzt,  wachstums- 
fördernd, nicht  hemmend  wirkt.  Übrigens  haben  Versuche  mit  ver- 
schiedenen im  Autoklaven  sterilisierten  und  mit  Aufschwemmung  von 
frischer  Ackererde  neu  infizierten  Böden  ganz  ähnliche  Resultate  in  be- 
zug  auf  Bakterienvermehrung  wie  auf  die  „Fäulniskraft"  der  so  be- 
handelten Böden  ergeben,  wie  von  der  Schwefelkohlenstoffwirkung  be- 
obachtet war. 

Hiltuer:  Ich  weiß  meinen  bisherigen  Ausführungen  über  die  Frage, 
ob  Hemmungsstoffe  im  Boden  sich  geltend  machen  oder  nicht  und  ob 
ein  Teil  der  Schwefelkohlenstoffwirkung  zurückzuführen  ist  auf  seine 
Fähigkeit,  dieselben  direkt  oder  indirekt  zu  beseitigen,  kaum  etwas  Neues 
mehr  hinzuzufügen.  Die  Frage  ist  jedenfalls  nicht  so  leicht  zu  beant- 
w^orten,  als  es  vielleicht  den  Anschein  hat.  Ich  habe  hier  nur  meine 
Anschauungen  zum  Ausdruck  gebracht  und  sie,  so  gut  es  eben  ging,  zu 
begründen  und  zu  verteidigen  gesucht.  Die  Zukunft  wird  ja  lehren,  wer 
schließlich  recht  behält. 

H.  Fischer:  Es  hat  mir  fern  gelegen,  die  Wirkung  der  Hemmungs- 
stoffe ganz  zu  leugnen:  nur  darf  man  dieselbe  wohl  auch  nicht  über- 
schätzen. 

Ein  noch  für  den  heutigen  Tag  auf  der  Tagesordnung  stehender 
Vortrag  von  Dr.  H ei nze- Halle  mußte  auf  morgen  vertagt  werden. 

Am  Nachmittage  wurde  gemeinsam  mit  der  Vereinigung  der  syste- 
matischen Botaniker  unter  Führung  von  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Drude- 
Dresden  ein  Ausflug  nach  dem  Königlichen  Schloßgarten  in 
Fi  Unit  z  unternommen,  wohin  das  Dampfschiff  die  Teilnehmer  von 
Blasewitz  aus  brachte.  Der  Abend  wurde  in  Kleinzschachwitz  gegenüber 
Pillnitz  zugebracht. 


XL  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Mittwoch,  den  II.  September, 

9''' — 12^^  Sitzung  in  der  Technischen   Hochschule. 

Nach  Erledigung  einiger  geschäftlichen  Angelegenheiten  spricht 
92o_95o  pr_  ß    Heiiize-Halle  über 

Neuere  Beobachtungen  über  Serradella-  und  Lupinenanbau  auf 
schwerem  Boden  (s.   S.   161—199  u.  Taf.  I— IV). 

In  der  Diskussion  ergreift  das  Wort 

Miltner:  Der  wesentliche  Inhalt  der  Ausführungen  war  wohl  zu- 
nächst der,  daß  es  verhältnismäßig  leicht  ist,  Serradella  und  Lupinen 
auf  leichtem  Boden  gleich  im  ersten  Jahre  zu  bestem  Erfolge  zu  ver- 
helfen, während  auf  schwerem  Boden  große  Hindernisse  entgegenstehen. 
Das  deckt  sich  auch  mit  allen  Erfahrungen.  Das  Wachstum  der  Lu- 
pinen und  Serradella  auf  schwerem  Boden  ist  aber  durch  wiederholten 
Anbau  direkt  zu   erzwingen. 

Von  besonderem  Interesse  an  den  Ausführungen  des  Herrn  Refe- 
renten ist  seine  Angabe,  daß  sich  die  Serradella  als  besonders  gute  Vor- 
frucht der  Lupinen  auf  schwererem  Boden  erwiesen  hat.  Es  dürfte  dies 
einerseits  durch  die  von  uns  festgestellte  Tatsache,  daß  Serradella-,  und 
Lupinenknöllchenbakterien  nahe  verwandtschaftliche  Beziehungen  zeigen, 
zu  erklären  sein,  anderseits  damit,  daß  bei  der  Pruchtfolge  Serradella- 
Lupine  auf  die  Lupine  selbst  keine  ungünstigen  Wirkungen  sich  geltend 
machen  können,  weil  jene  Bodenmüdigkeitserscheinungen  nicht  eintreten 
können,    die  sich  zeigen,    wenn    diese  Pflanzenart   auf  sich  selbst  folgt. 

Auf  die  Frage,  warum  die  Serradella  im  ersten  Jahre  auf  besseren 
und  namentlich  auf  schwereren  Böden  nicht  immer  gleich  gut  wächst, 
mit  der  ich  mich  schon  wiederholt  auch  in  Veröffentlichungen  beschäf- 
tigt habe,  will  ich  hier  nicht  eingehen.  Nur  eine  Tatsache,  die  vielleicht 
allgemeineres  Interesse  verdient,  möchte  ich  im  Zusammenhang  mit  ihr 
hier  erwähnen.  Wir  haben  nämlich  verschiedene  Lupinenarten,  Serra- 
della und  andere  Leguminosen  auf  kleinen  Parzellen  im  Gartenboden  an- 
gebaut, der  einen  sehr  hohen  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk  besitzt. 
Die  meisten  Lupinenarten  kamen  auf  diesem  Boden  überhaupt  nicht 
zur  Entwickelung  und  auch  die  Serradella  stockte,  nachdem  sie  sich 
einige  Zeit  gut  entwickelt  hatte,  fast  vollständig.  Diese  Entwicke- 
lungshemmungen  ließen  sich  aber  in  überraschender  Weise  durch  mehr- 
maliges Bespritzen  mit  '/2  bis  l^/^iger  Eisenvitriollösung  beseitigen.  In 
solchen  Bespritzungen,  die  auch  bei  verschiedenen  anderen  Leguminosen 
von  recht  vorteilhafter  Wirkung  waren,  dürfte  somit  ein  Mittel  gegeben 
sehi,    den  Anbau   derartiger  Pflanzen  mindestens  auf  solchem  Boden  zu 


Demonstration  von  Schimmelpilzkulturen.  XLI 

erzwingen,  wo  ein  zu  lioher  Kalligehalt  die  Ursache  ihres  Mißratens 
oder  ihrer  minder  guten  Entwickelung  ist. 

Heinze:  Serradella  ist  nicht  so  empfindhch  gegen  Kalk  wie  Lupine. 
Durch  stärkeren  Humusgehalt  wird  gleichfalls  das  Wachstum  hintenan 
gehalten.  Außer  Kalk  müssen  aber  auch  noch  andere  Ursachen  heran- 
gezogen werden. 

Von  9°°— 10^2  hält 

Professor  Dr.  P.   Liilduer-Berlin   eine  Demonstration  von 

Schimmelpilzkulturen. 

Schon  bei  der  vorjährigen  Tagung  in  Hamburg  hatte  ich  Ge- 
legenheit genommen,  einige  Schimmelpilzkulturen,  die  auf  dünner  Nähr- 
gelatine zur  Entwickelung  gebracht  waren,  vorzuführen.  Wenn  ich 
heute  auf  denselben  Gegenstand  zurückkomme,  so  geschieht  dies  aus 
dem  Grunde,  weil  sich  bei  mir  immer  mehr  die  Überzeugung  heraus- 
gebildet hat,  daß  diese  Methode  berufen  sein  dürfte,  im  Unterricht  und 
in  Schausammlungen  zur  Popularisierung  der  Schimmelpilzkunde  erheb- 
lich beizutragen.  Ich  habe  die  Farbenpracht  solcher  Kulturen  zum 
erstenmal  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt,  als  ich  Anfang  der  80er 
Jahre  im  Institut  meines  verehrten  Lehrers  Herrn  Geheimrat  Prof.  Kny 
in  Berlin  über  Epicoccum  pmyurasceus  arbeitete  und  zwecks  näherer 
Untersuchung  des  roten  Farbstoffes,  den  dieser  interessante  Pilz  bildet, 
gezwungen  war,  eine  große  Zahl  möglichst  farbstoffergiebiger  Mycelien 
zu  züchten.  Damals  ging  ich  so  vor,  daß  ich  auf  kreisrunden  Glas- 
platten von  erheblichem  Durchmesser  eine  dünne  Pflaumendekoktgelatine 
ausbreitete  und  das  Sporenmaterial  in  der  Mitte  auftrug.  20 — 30  solcher 
Platten  kamen,  so  geimpft,  unter  große  Glasglocken.  In  den  Glas- 
zylindern von  ca  1  Liter  Inhalt,  in  denen  ich  nunmehr  solche  Kulturen 
anzulegen  pflege,  ist  die  Gelatine  sowohl  während  der  Impfung  als  auch 
nachher  viel  besser  vor  Infektionen  geschützt. 

Wie  man  sieht,  vertragen  diese  Kulturen  auch  ganz  gut  eine 
weitere  Reise;  ferner  sieht  man  nirgends  durch  Wasserkondensation  am 
Glase  das  Bild  beeinträchtigt,  was  bei  allen  Kulturen,  welche  auf  dicker 
Schicht  gewachsen  und  nur  den  Sporenrasen  zeigen,  unvermeidlich  ist. 
Besagter  Umstand  macht  die  Rollkultur  besonders  geeignet  für  Aus- 
stellungszwecke. Als  vor  2  Jahren  in  Berlin  die  große  landwirtschaft- 
liche Ausstellung  war,  hatte  ich  vorzugsweise  solche  Rollkulturen,  z.  T. 
in  besonders  großen  Gefäßen,  ausgestellt,  und  ich  hatte  die  Freude,  daß 
angesehene  Schulmänner  sich  ganz  begeistert  über  die  instruktive  Pracht 
dieser  Pilzgebilde  äußerten.  Auch  da,  wo  ein  Pilz  früher  oder  später 
die  Gelatine  verflüssigt,  fließt  doch  kraft  der  großen  Adhäsion  am  Glase 


XLll  Bericht   über  die  5.   Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

das  Myoel  nicht  an  demselben  herab.  Mit  der  Zeit,  wenn  durch  Locke- 
rung des  Verschlußwattepfropt'ens  das  Verdunsten  der  Feuchtigkeit  all- 
mählich genügend  vorgeschritten  ist,  haben  wir  fast  ein  Herbarexemplar 
vor  uns  von  großer  Dauerhaftigkeit.  Ich  besitze  Kulturen  seit  6  bis 
7  Jaln'on,  die  sich  fast  unverändert  erhalten  haben.  Allerdings  sind 
das  keine  durch  schöne  Farben  ausgezeichnete  Pilze  gewesen,  denn  die 
Farbstoffe  leiden  doch  mit  der  Zeit;  aber  die  ganze  Struktur  der  Kolonie 
erleidet  keine  besonderen  Änderungen. 

Nur  ein  Umstand  kann  dem  ganzen  Inhalt  des  GlasgcfäOes  ge- 
fährlich werden:  wenn  dasselbe  so  auf  den  Tisch  oder  die  Schrankplatte 
gelegt  wird,  daß  die  Gelatineschicht  eine  ungleiche  Erwärmung  bzw. 
Abkühlung  erfährt.  In  diesem  Falle  fängt  die  Gelatine  an  abzublättern 
oder  in  einzelne  Schollen  zu  zerfallen.  Beiläufig  erwähne  ich,  daß  auch 
Hefen,  namentlich  die  luftliebenden  Kahm-  und  Mycelhefen  prächtige 
Bilder  und  Dauorkulturen   nach  derselben   Methode  geben. 

Für  ein  Institut,  das  viele  Besucher  im  Laufe  des  Jahres  erhält, 
bieten  solche  Kulturen  ein  bequemes  Demonstrationsmaterial,  für  das 
auch  schnell  das  Verständnis  gefunden  wird.  Gerade  im  Hinblick  auf 
diesen  Umstand  habe  ich  mir  die  Frage  vorgelegt,  ob  es  denn  nicht  am 
einfachsten  wäre,  diese  Prachtkulturen  geradezu  als  Nummern  unserer 
Kulturensainmlungen  einzurichten  und  von  ihnen  aus  die  neuen  Ab- 
impfungen  zu  machen.  Solange  man  den  Pilz  in  der  Peripherie  noch 
wachsen  sieht,  ist  man  sicher,    noch   mit  Erfolg  überimpfen    zu  können. 

Ich  will  mich  nicht  darauf  einlassen,  die  einzelnen  Arten, 
die  ich  mir  hierher  habe  schicken  lassen  —  die  Kulturen  sind 
während  meines  Urlaubs  von  meiner  Assistentin  Fräulein  Dr.  Knie- 
schewsky  angelegt  worden  —  näher  zu  erläutern;  zum  Teil  sind  die 
Arten  selbst  noch  gar  nicht  bestimmt  worden :  wir  haben  uns  vorläufig 
nur  an  ihrer  h'arbenpracht  ergötzt  und  führen  sie  nur  derentwegen 
weiter.  Ich  greife  nur  die  Namen  einiger  technisch  wichtiger  Arten 
heraus:  Mo)iascus  purpui-ciis,  Aspci'gillus  Oryzae,  der  jüngst  von  mir 
entdeckte  Endonnjcv.-!  fibu/if/er,  der  Weinbuketschimmel  Sac/t.sia  .nia- 
veohnts,  die  Mojiüia  variahilis,  die  Moi/Jlia  Candida,  der  Stärkever- 
zuckerungspilz Ami/lomyces-  Boux'f'i.  Ich  gebe  mich  der  angenehmen 
Hoffnung  hin,  daß  bei  der  Billigkeit  der  Rollzylinder  (pro  Stück  ca.  40 
bis  60  Pf.)  und  bei  der  leichten  Ausführbarkeit  der  Kultur  allenthalben 
von  derselben  Gebrauch  gemacht  werden  möge.  Sie  zeigt  uns,  wie  der 
Pilzorganismus,  auch  von  der  Wurzelseite  betrachtet,  in  hohem  Grade 
interessant  werden   kann.  (Lindner.) 

In   der  Diskussion   fragt 

Heilize:   Wie  lange  halten  sich  die  Farben   in  den  Kulturen? 


Diskussion:  Scliimmelpilzkultuieii.  —  Neue  Beispiele  f.  Paithenokaipie.      XLUi 

Liiidiier:  Das  wechselt  mit  der  Art  und  mit  dem  jeweiligen  phy- 
siologischen Zustand  der  Kultur.  Der  eine  der  ausgestellten  Schimmel- 
pilze stammt  von  den  Rieselfeldern  bei  Charlottenburg.  Er  hatte  ein 
penseefarbiges  Zentrum  gebildet,  während  der  scharf  davon  abgesetzte 
Rand  gelb  gefärbt  war.  Mit  der  Zeit  ist  die  scharfe  Grenze  ganz  ver- 
schwommen und  eine  Mischfarbe  daselbst  entstanden.  Im  allgemeinen 
wird  man  sagen  können,  daß  4 — 6  Wochen  lang  die  Kulturen  den  Reiz 
der  Jugendfrische  bewahren,   dann  erst  welken  die  Farben  etwas  ab. 

Von   10^5— lU^*^  führt  sodann  Dr.  I{.  Ewert-Proskau   vor 
Neue  Beispiele  für  Parthenokarpie  (s.  S.  83 — 85). 

Geheimrat  Prof.  Dr.  Wittiiiack- Berlin  fragt,  wie  lange  es  dauert, 
bis  die  Regeneration  der  Narbe  eingetreten  sei,  und  ob  eine  derartige 
Narbe  auch  noch  Bedeutung  für  die  Befruchtung  haben  könne. 

Ewert:  Die  Regeneration  der  Narbe  dauert  etwa  8  Tage.  Ob  die 
regenerierte  Narbe  noch  für  die  Befruchtung  in  Betracht  kommen  kann, 
konnte  noch  nicht  entschieden  Averden.  Ein  in  dieser  Richtung  ange- 
stellter Versuch  mifilang,  da  die  Blüte  bei  der  außerordentlich  warmen 
Witterung  im  Frühjahr   1907   zu  schnell  verging. 

Dr.  H.  Fischer-Berlin:  Eine  Regeneration  ist  nach  dem  Abschneiden 
der  Narbe  nicht  nötig.  Strasburger  hat  gezeigt,  daß  die  Pollenkörner 
auch  auf  der  Schnittfläche  keimen  und  die  Schläuche  in  den  Frucht- 
knoten eindringen. 

Ewert:  Auf  unserer  Versammlung  in  Hamburg  waren  Zweifel  aus- 
gesprochen worden,  daß  Pollenschläuche  in  die  Schnittfläche  der  Griffel 
einzudringen  und  auch  die  Befruchtung  zu  vollziehen  vermögen.  Ich 
habe  indessen  damals  in  Übereinstimmung  mit  Prof.  Zacharias  diese 
Möghchkeit  betont.  Auch  bei  den  alten  Versuchen  von  Gärtner  trat 
trotz  Wegschneidens  der  Narbe  normale  Samenbildung  ein. 

Prof.  Dr.  Zacliarias-Hamburg:  Die  harten  Gewebe  werden  in  dem 
nicht  befruchteten  Fruchtknoten  zum  Verschwinden  gebracht.  Fih^  die 
Praxis  aber  ist  es  wichtig,  die  Kerngehäuse  los  zu  werden.  Die  samen- 
•losen  Äpfel  haben  aber  beträchtliche  Kerngehäuse.  Ein  im  Hamburger 
botanischen  Garten  sehr  isoliert  stehender  Gravensteiner,  bei  dem  Fremd- 
bestäubung kaum  möglich  gewesen  ist.  hatte  Früchte  ohne  ausgebildete 
Kerne,  aber  mit  gut  ausgebildetem  Kerngehäuse  geliefert.  Einzelne 
Früchte  hatten  Kerne  erzeugt,  die  auf  Selbstbestäubung  zurückgeführt 
werden  müssen.  Man  darf  nicht  verallgemeinern;  ganz  nahestehende 
Früchte  verhalten  sich  vollkommen   verschieden. 

Ewert:  Beim  Apfel  ist  eine  geringere  Neigung  zum  Verschwinden 
des  Kerngehäuses    vorhanden    als  bei  der  Birne.     In  beiden  Fällen  läßt 


XLIV  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

sich    aber    nachweisen,     daß    die    Kernhauswandungen     der     kernlosen 
Jungfernfrüchte  eine  geringere  Anzahl  dickwandiger  Zellen  besitzen., 

Wiftiiiack:  Außer  beim  Gravensteiner  kommt  es  auch  beim  Prin/- 
apt'el  vor,  daß  er  wenig  Kerne  hat:  jedoch  ist  stets  ein  deutliches  Kern- 
gehäuse vorhanden. 

Sodann  spricht  von  10°^ — 11"^  Professor  Dr.  E.  Zacliarias-Ham- 
hurg  über 

Sterile  Johannisbeeren  (s.  S.  223 — 225  u.  Taf  V). 

Ewert:  Ich  habe  die  Beobachtung  gemacht,  daß  manche  unfrucht- 
baren Sträucher  sehr  ins  Holz  gehen.  Wenn  Kirschen  infolge  zu  guter 
Ernährung  sehr  stark  treiben,  so  fallen  auch  bei  ihnen  zuweilen  die 
jungen  Früchte  ab;  es  wird  eben  alles  Baumaterial  zur  Bildung  der 
Zweige  und  Blätter  benutzt.  Bei  den  unfruchtbaren  Johannisbeer- 
sträuchern muß  entweder  die  Narbe  der  Blüten  unempfänglich  sein  oder 
der  Eiapparat  eine  mangelhafte  Ausbildung  besitzen,  denn  ein  eigeneis 
Fruchtungsvermögen  hat  die  Johannisbeere  nicht,  oder  man  muß  all- 
gemein physiologische  Ursachen  wie  die  oben  angedeuteten  zur  Er- 
klärung der  Unfruchtbarkeit  annehmen. 

Zacharias:  Es  mag  bei  den  Johannisbeeren  manches  verschieden 
sein.  Bei  den  beobachteten  Exemplaren  gilt  das  nicht,  daß  die  un- 
fruchtbaren Johannisbeersträucher  besonders  reichlich  treiben,  manche 
der  Sträucher  im  botanischen  Garten  in  Hamburg  sind  ziemlich 
kümmerlich. 

Drude  fragt,  ob  der  Vortragende  auch  Ribes  alpinum  in  den 
Kreis  seiner  Untersuchungen  gezogen  hat.  Im  botanischen  Garten  und 
in  den  Anlagen  um  Dresden  findet  man  fast  nur  die  männlichen 
Sträucher,  während  im  Freien  der  Strauch  oft  sehr  reichlich  fruchtend 
ist.  Nach  den  Beobachtungen  älterer  Floristen  aber  scheinen  die  Sträucher 
nicht  immer  eingeschlechtig  zu  sein.  Es  wäre  ja  nun  möglich,  daß  diese 
Eigenschaft  wechselnder  Geschlechterverteilung  in  die  andere  Art  hinein- 
kommen könnte. 

Dr.  A.  Naiiniaiiii-Dresden:  Ähnliches  kommt  bei  Amygdalus  nana 
vor.  Im  Schloßgarten  von  Czernosek  setzen  die  dort  angepflanzten 
Sträucher  dieser  Art  reichlich  Früchte  an,  auf  der  andern  Seite  der 
Elbe  kommt  eine  ähnliche  Anpflanzung  nie  zur  Fruchtbildung.  Ich  fand 
bei  sämtlichen  Sträuchern  das  Ovarium  stark  zurückgebildet,  namentlich 
war  die  Eianlage  ausgeblieben.  Ob  ungeeignete  Bodenverhältnisse  oder 
Erblichkeit  vorliegen,  kann  ich  zurzeit  nicht  angeben. 

Ewert:  An  Rlhes  alpinum  habe  ich  keine  näheren  Untersuchungen 
gemacht.     Die  Unfruchtbarkeit  der  Johannisbeeren  hat  ohne  Zweifel  sehr 


Diskussion:  Sterile  Johannisbeeren.  —  Elektrische  Samenprüt'ung.      XLV 

verschiedene  Ursachen.  Betonen  möchte  ich  aber  noch,  daß  ein  von 
mir  in  Proskau  angepflanzter  unfruclitbarer  Strauch  ein  ungewöhnlich 
üppiges  Wachstum  zeigte. 

Wittmack:  In  den  Anlagen,  z.  B.  auch  in  Berlin,  sind  meist 
männliche  Sträucher  von  Bibes  alpinum  angepflanzt,  weil  die  Blüten 
hübscher  und  die  Blätter  größer  sind,  während  die  weiblichen  Exemplare 
kümmerlicher  und  w^eniger  schön  aussehen. 

Es  tritt  sodann  eine  viertelstündige  Pause  ein,  die  zum  Wechseln 
des  Hörsaals  benutzt  wird.  In  dem  physikalischen  Hörsaal  spricht  von 
Ij^so — ^-[bö  imter  Vorführung  von  Lichtbildern  Professor  Dr.  T.  Johnson- 
Dublin  über 

Elektrische  Samenprüfung  (s.  S.   102—112).') 

Hiltner:  Wie  ist  es  aufzufassen,  daß  für  Poa  8  Tage  zur  Keimung 
notwendig  sind?  Dauert  die  Prüfung  des  einzelnen  Samens,  so  lange 
oder  ist  diese  Zeit  notwendig,  um  eine  genügende  Zahl  Samen  zu 
prüfen? 

Johnson:  Man  kann  10  Samen  in  der  Stunde  prüfen.  Nach 
8  Tagen  kann  man  die  Samen  probieren.  Es  ist  nicht  leicht,  die 
Prüfung  zu  machen. 

Stornier:  Muß  Poa  erst  7  Tage  liegen,  um  geprüft  werden  zu 
können  V 

Wittmack:  Wie  muß  der  Samen  vorbereitet  sein?  Muß  er  an- 
gequollen sein? 

Johnson:  Man  muß  die  ersten  Stadien  der  Keimung  haben. 

Alsdann  berichtet  Dr.  R.  Thiele-Staßfurt  über 

Weitere  Untersuchungen  betreffend  die  Veränderung  der 
pflanzlichen  Gewebe  durch  Düngung. 
Der  Redner  erläutert  die  Befunde  an  der  Hand  einer  Anzahl  ver- 
größerter Photogramme  von  Stengelquerschnitten  und  kommt  nach  seinen 
bisherigen  Beobachtungen  zu  folgenden  vorläufigen  Resultaten:  Durch  ein- 
seitige Stickstoffdüngung  werden  die  Zellen  erheblich  vergrößert,  und 
die  Zellwände  bleiben  dünnwandig.  Bei  einseitiger  Phosphorsäure- 
düngung wird  das  Zellumen  verengt.  Durch  einseitige  Kalidüngung 
w^erden  die  mechanischen  Gewebe  verstärkt.  Eine  Düngung  mit  allen 
3  Nährstoffen    läßt    gut    ausgebildete  Organe    in  die  Erscheinung  treten. 


1)  Ergänzend  zu  der  S.  102  gebrachten  Anmerkung  2  mag  hier  er- 
wähnt werden,  daß  Waller  in  der  vom  Vortr.  eingangs  zitierten  Arbeit 
(Ann.  üf  Bot.  XV,  S.  427)  den  „Flammstrom"  folgendermaßen  definiert:  „By 
,blaze  currant'  I  mean  to  denote  the  galvanometrieal  token  of  an  explosive 
change  locallv  excited  in  liväng  matter."  (Brick.) 


XLVl  Bericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

Zum  Schluß  betont  Referent,  daß  die  bisher  von  ihm  untersuchten 
Pflanzen  aus  dem  freien  Lande  stammen,  daß  also  immerhin  der  noch 
unbekannte  Faktor  Boden  in  Berechnung  gezogen  -werden  muß.  Da 
trotzdem  durch  verschiedene  Ernährung  DiiTerenzen  in  der  Gewebe- 
bildung auftreten,  so  ermutigen  diese  Vorversuche  zu  weiteren  exakten 
Versuchen,  welche  vom  Referenten  bereits  in  Angriff  genommen  sind 
und   über  deren  Ausfall  er  in  späteren  Sitzungen  B<3richt  erstatten  wird. 

In  der  Diskussion  bemerkt 

Geheimrat  Professor  Dr.  L.  Kny-Berlin:  Es  erscheint  mir  nicht 
richtig,  daß  für  die  Leitbündel  die  Phosphorsäure  von  alleiniger  Wichtig- 
keit sein  soll,  da  bei  alleiniger  Phosphorsäuredüngung  die  Pflanzen 
sehr  klein  bleiben. 

Thiele:  Die  Phosphorsäure  hat  insofern  nach  den  Vorversuchon 
eine  Einwirkung  auf  die  Gefäße,  als  diese  durch  Phosphorsäuro  eng- 
lumiger  werden,  während  bei  einseitiger  Kaligabe  eine  Verengung  der 
Gefäße  nicht  beobachtet  werden  kann. 

Schluß  der  Sitzung  12 '/4  Uhr. 

Am  Nachmittage  wurde  gemeinsam  mit  der  Vereinigung  der  syste- 
matischen Botaniker  ein  Ausflug  nach  Tharandt  unternommen.  Leider 
mußten  hier  ein  von  ProL  Dr.  F.  Neger-Tharandt  angekündigter  Vor- 
trag über  Korkeichen-  und  Pinsapowälder  in  Südspanien  sowie  eine 
4)emonstration  der  pflanzenpathologischen  Wandtafeln  v.  Tubeufs  wegen 
plötzlicher  Erkrankung  des  Vortragenden  ausfallen.  Lnter  Führung  von 
Prof.  Dr.  Beck-Tharandt  wurden  sodann  der  Porstbotanische 
Garten  und  das  Forstbotanische  Institut  besichtigt. 

Der  Abend  vereinigte  die  Teilnehmer  zu  einer  Begrüßung  der 
Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  im  Ausstellungsgebäude  an 
der  Stübelallee. 


Donnerstag,  den  12.  September, 

fand  die  25.  Generalversammlung  der  Deutschen  Botanischen 
Gesellschaft  (im  Ausstellungsgebäude)  statt,  an  der  sich  zahlreiche 
Mitgüeder  unserer  Vereinigung,  die  zugleich  der  D.  B.  G.  angehören, 
beteiligten.  Prof.  Dr.  H.  Win  kl  er- Tübingen  gab  ein  Sammelreferat 
über  Parthenogenesis  im  Pflanzenreiche. 

Nachmittags  fand  seitens  der  gesamten  nunmehr    in    Dresden  ver- 
sammelten   Botaniker    eine    Besichtigung    des     Kgl.     Botanischen 


Exkursion  in  das  Eibsandstein-  und  böhmische  Mittelgebirge.       XLVII 

Gartens  unter  Führung  von  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude  statt. 
Um  6  Uhr  vereinigte  man  sich  zu  einem  Festessen  im  KfinigUchen 
Belvedere  auf  der  Brühischen  Terrasse  unter  dem  Vorsitz  von  Geheimrat 
Prof.  Dr.  S.  Schwendener-BerUn,  bei  dem  Geh.  llofrat  Prof.  Dr. 
Kalkowsky  die  versammelten  Botaniker  namens  der  Naturwissen- 
schaftlichen Gesellschaft  „Isis"  in  Dresden  begrülUe.  Geheimrat  Prof. 
Dr.  A.  Engler- Berlin  namens  der  Freien  Vereinigung  der  systematischen 
Botaniker  und  Pllanzengeographen  und  Prof.  Dr.  E.  Zacharias-Bam- 
burg  namens  der  Vereinigung  tiir  angewandte  Botanik  die  Deutsche 
Botanische  Gesellschaft  zu  ihrem  25jährigen  Bestehen  beglückwünschten. 
Hofrat  Prof.  Dr.  v.  Wettstein  Wien  feierte  den  Präsidenten  der  Ge- 
sellschaft, Geheimrat  Prof.  Dr.  Schwendener,  und  dieser  dankte  dem 
Sachsenlande,  der  Stadt  Dresden  und  insbesondere  dem  Geh.  Hofrat  Prof. 
Dr.  Drude  für  die  Aufnahme  und  für  die  Vorbereitung  der  Versamm- 
lungen. 


Freitag,  den  13.  September, 

hielt  vormittags  die  Deutsche  Botanische  Gesellschaft  ihre  Festsitzung 
ab,  in  welcher  der  Präsident  der  Gesellschaft,  Geheimrat  Professor 
Dr.  S.   Schwendener,  die  Festrede  hielt. 

Nachmittags  begann  die  geplante 
Exkursion  in  das  Eibsandstein-  und  böhmische  Mittelgebirge 
unter  Führung  von  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  0.  Drude- Dresden, 
Dr.  A.  Naumann-Dresden  und  Dr.  B.  Schorler-Dresden,  an  der 
sich  von  unserer  Vereinigung  Brick -Hamburg,  Büsgen-Münden, 
Engler-Dahlem,  Johnson- Dtiblin,  Kumm-Danzig,  Lindner-Berlin, 
Simon-Dresden,  Warburg-Berlin,  Wittmack-Berlin  und  Zacharias- 
Hamburg,  ferner  v.  Carnap- Charlottenburg,  Forstmeister  Grebe-Hofgeis- 
mar,  Dr.  H.  Roß-München,  Rudolf-Teplitz  und  Dr.  K.  Rudolf-Czernowitz 
beteiligten.  Der  Zweck  der  Exkursion  war  der  Vergleich  der  einförmigen 
Waldformationen  des  Eibsandsteingebirges  mit  den  artenreichen  Laub- 
wäldern, Hügel-  und  Felsformationen   des  böhmischen  Mittelgebirges. 

Die  Abfahrt  erfolgte  Freitag,  den  13.  September,  2'-°  nachmittags 
mit  der  Bahn  nach  Hirschmühle.  Von  hier  w'urde  der  Große  Zschirn- 
stein,    mit   561   m    hohem    Sandsteingipfel,    bestiegen^).      Der    Abstieg 


1)    Vgl.     0.  Drude,    üie    kartographische    Darstellung     mitteldeutscher 
Vegetationsformationen,  p.  22—25  u.  Karte  JI.     Dresden  1907. 


XLVIII       Ijericht  über  die  5.  Hauptversammlung  der  Vereinigung. 

führte  nach  Nieder-Grund  an  der  Elbe:    sodann    ging-    es  mit  der  Bahn 
nach-  Tetschen. 

Sonnabend,  den  14.  September,  brachte  der  Zug  um  5^°  früh 
die  Teilnehmer  über  Böhmisch-Leipa  nach  Niemes,  von  wo  eine  Be- 
steigung des  den  Sandstein  durchbrechenden  696  m  liohen  Basaltgipfels 
des  Hohen  Roll  vorgenommen  wurde.  Von  Niemes  wurde  mit  der  Bahn 
nacli  Tetschen  zurückgekehrt. 

Sonntag,  den  15.  September,  ging  es  mit  der  Bahn  8*^  nach 
Libochowan,  von  wo  bei  leider  nicht  sehr  günstigem  Wetter  über  den 
Hrazek  und  beim  Drei-Kreuzberg  vorbei  nach  Czernosek  an  der  Elbe 
gegangen  wurde.  Nach  kurzer  Mittagsrast  brachte  ein  Wagen  die  Teil- 
nehmer nach  Czalositz  und  die  Bahn  von  dort  nach  Radzehi,  von  wo  es 
zu  Fuß  nacli  der  Dubitzer  Kapelle  mit  herrlicher  Aussicht  auf  die 
Elbe  und  das  sie  begleitende  böhmische  Mittelgebirge  ging.  Der  Rück- 
weg führte  über  den  Mullerstein  nach  Salesl,  zu  Schiff  vorbei  an  dem 
80  m  steil  abfallenden  Phonolithfelsen  des  Schreckensteins  nach  Aussig 
und  mit  der  Bahn  nach  Dresden, 

Mehrere  MitgUeder  machten  in  Dresden  sodann  noch  die  vom 
Sonntag,  den  15.  September,  bis  Sonnabend,  den  21.  September, 
währende  79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und  Ärzte, 
besonders  die  Sitzungen  der  botanischen  Abteilung,   mit. 

Brick. 


Mitgliederliste.  XLIX 


Mitgliederliste 
der  „Vereinigung  für  angewandte  Botanik"  für  1907. 

(Adressenänderungen    bzw.    Unrichtigkeiten    im  Verzeichnis    bittet    man,    dem 
Schriftführer    der  Vereinigung,    Dr.   Brick,    Station   für  Pflanzenschutz,    Ham- 
burg 14,  anzuzeigen.) 

Abromeit,  J.,  Dr.,  Privatdozent,  Königsberg  i.  Pr.,  Botanischer  Garten. 

Adamovich,  Alexander,  Gutsbesitzer  in  Ljvidek  (Neusatz),  Ungarn. 

Ahrens,  C,   Dr.,    Beeidigt.   Handelschemiker,  Hamburg   11,  Deichstr.   2. 

Ap]iel,  Otto,  Dr.,  Regierungsrat,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen 
Anstalt   für  Land-    und  Forstwirtschaft,   Dalilem-Steglitz  bei  Berlin. 

Arnim-Schlagenthin,  Graf  v.,  Nassenheide  (Pommern). 

Ascher  so  n,  Paul,  Dr.  phil.  et.  med.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  an 
der  Liniversität,  Berlin  W.,  Bülowstraüe  51. 

Barth,  Hans  Philipp,  Weingutsbesitzer,  Dürkheim  a.  d.  Haardt. 

Bassermann -Jordan,  Ludwig,  Dr.  jur.,  Bürgermeister  und  Weinguts- 
besitzer, tteidesheim  (Bayer.  Pfalz). 

Behn,  Dr.,  Techn.  Hilfsarbeiter  a.  d.  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt, 
Dahlem-Steglitz  bei   Berlin. 

Bohrens,  Johannes,  Dr.,  Professor,  Direktor  d.  Kais.  Biologischen 
Anstalt  f.  Land-  u.  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz  bei  Berün. 

ßenecke,  W.,  Dr.,  a.  o.  Professor  an  der  Liniversität,  Kiel,  ßergstr.  27. 

Bernegau,  li.,  Korpsstabsapotheker  a.  D.,  Berlin  W. -Haiensee,  Kur- 
fürstendamm  101. 

Bischkopff,  E.,  Dr.,  Assistent  an  der  Station  oenologique  des  viti- 
vinicultures  russes,  Odessa,  rue  Kanatna'ia  19. 

Boetticher,  Dr.,  Assistent  a.  d.  Kgl.  Lehranstalt  f.  Wein-,  Obst-  und 
Gartenbau,  Geisenheim  a.  Rh. 

Bolle,  Joh.,  Direktor  d.  k.  k.  Landwirtsch, -chemisch.  Versuchsstation, 
Görz  (Istrien). 

Braun,  K.,  Dr.,  Assistent  am  Landwirtschaftl.- biolog.  Institut,  Amani 
(L>eutsch-Ostafrika),  Hafen  Tanga. 

Brick,  Carl,  Dr.,  Leiter  der  Station  für  Pflanzenschutz,  Hamburg  5, 
St.  Georgskirchhof  6. 

.TaliresLevIcht  der  Vereinigung'  für  angewandte   Botanik    V.  JY 


L  Mitgliederliste. 

Bruijning  jr,,  P.  F.,  Direktor  der  Rijksproofstation  voor  Zaadcontröle, 
Wageningen  (Holland). 

Bub.ik,  Franz,  Dr.,  Professor  an  der  Landwirtschaftl.  Akademie,  Tähor 
in  Böhmen. 

Buchwald,  J.,  Dr.,  Vorsteher  d.  Botan.  Abteilung  d.  Versuchsanstalt  1'. 
Getreideverarbeitung,  Berlin  N.  65,  Seestraße  4  a. 

von  Buhl,  I'^ugen.  Dr.,  Reichsrat,   1  »eideshoim  (Bayr.  Pfalz). 

Buhl,  Franz,  Weingutsbesitzor,  Präsident  des  Deutsclien  Weinbau- 
Vereins,  Deidesheim  (Bayr.  Pfalz). 

Büsgen,  M.,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstakademie,  Hann.- 
Münden. 

Busse,  Waltor,  Dr.,  Regierungsrat,  Privatdozent  der  Botanik  an  der 
Universität,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  für  L;uid- 
und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

von  Canstein,  Freiherr,  Dr.,  Kgl.  Landes-Ökonomierat,  Bi-rlin  NW.  40, 
Kronprinzenufer  5/6. 

Coleman,  Leslie  C,  Government  Mycologist  and  Entomologist,  Ban- 
galore,  Brit.   Indien. 

Cuboni,  G.,  Dr.,  Professor,  Direttore  della  Stazione  dl  Patologia  vege- 
tale,  Rom,  Santa  Susanna. 

Degen,  A.  v.,  Dr.,  Direktor  der  Samenkontrollstntion,  Budapest  II,  Kis- 
Rokus-utcza  Il/b. 

Dem,  A.,  Kgl.  Bayr.  Landesinspektor  für  Weinbau,  Neustadt  a.  d.  Haardt. 

Derndinger,   Joh.,   Domänenrat,    Karlsruhe  i.  B.,  ]-]ttlingerstr.  27. 

Diels,  Ludwig,  Dr.,  Professor,  Marburg  i.  H.,  Botanisches  Institut. 

Dingler,  Hermann,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Forstlichen  Hoch- 
schule, Aschaffenburg. 

Dinklage,  M.,  Kaufmann,  Hamburg  13,  Oberstr,  56, 

Dorph  Petersen,  K.,  Direktor  Dansk  Frökontrol,  Kopenhagen  V, 
Harsdorffswej   7. 

Drude,  0.,  Dr.,  Geh..  Hofrat,  Professor  der  Botanik  an  der  Technischen 
Hochschule  und  Direktor  des  Kgl.  Botan.  Gartens,  Dresden-A.,  Bo- 
tanischer Garten. 

Dunbar,  W.  Ph.,  Dr.,  Professor,  Direktor  des  Hygienischen  Instituts, 
Hamburg,  Jungiusstr. 

Edler,  W.,  Dr.,   Professor,  Landwirtschaftl.   Institut  d.   L'niversität,  Jena. 

J^n  gel  mann,  Eduard,  Weingutsbesitzer,  Hallgarten  (Rheingau). 

Engler,  Adolf,  Dr.,  Geh.  Ober-Regierungsrat,  Professor  der  Botanik  an 
der  Universität,  Direktor  des  Kgl.  Botanischen  Gartens  u.  Museums, 
Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Eriksson,  Jakob,  L»r.,  Professor,  Experimentalfältet  bei  Stockholm. 


Mitgliederliste.  LI 

Esser.  P..  Dr.,  Direktor  dos  Botanischen  Gartens,  Dozent  der  Botanil< 
und  Mil^roskopie  an  der  Handels-Hochschule  zu  Cöln  a.  Rh.,  Volks- 
garten str.   1. 

Ewert,  R.,  Dr.,  Leiter  der  Botanischen  Abteilung  der  Versuchsstation 
des  Pomologischen  Instituts,   Proskau  bei  Oppoln. 

Paber,  F.  v.,  Dr.,  Hilfsarbeiter  an  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  in 
Dahlem- Steglitz  bei  Berlin. 

Pabricius,  L.,  Dr.,  Privatdozent  der  Porstwissenschaft  und  Assistent 
am   Forstbotanischen   Institut,  München,  Amalienstr.  67. 

Pindlay,  \\'m.  M.,  Agricultural  Department,  Marischal  College,  Aberdeen 
(Schottland). 

Fischer,  Alfred,  Dr.,  Professor  an  der  Universität,  Direktor  des  Bo- 
tanischen Instituts  und  Gartens,  Basel. 

Fischer,   Chr.,   Regierungsrat,  Franken thal  (Bayer.  Pfalz). 

Fischer,  Hugo,  Dr.,  Privatdozent,  Vorstand  der  Baktoriol.  Abteilung 
an  der  Landwirtschaftlichen  Hochschule  in  Berlin,  Charlottenburg, 
Marchstr.    15.  .  . 

Freu  dl,  Eligius,  Assistent  an  der  k.  k.  Samen-Kontroll-Station  Wien 
II/2,  k.  k.  Prater  174. 

Fröhlich,  Weingutsbesitzer,  Edenkoben  (Bayer.  Pfalz), 

Frölich,  Gust.,  Dr.,  Leiter  der  Friedrichswerther  Samenzucht-Anstalten, 
Domäne  Friedrichswerth  in  Thüringen. 

Fruwirth,  C,  Professor  an  der  k.  k.  Technischen  Hochschule, 
Wien  IV.         .  .    ' 

Fünfstück,  Moritz,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Kgl.  Technischen 
Hochschule,   Stuttgart,   Ameisenbergstr.   7. 

Galler,  H.,  Dr.,  Assistent  an  der  Kgl.  Württembergischen  Weinbau- 
versuchsanstalt, Weinsberg  (Württemberg). 

Gassner,  G.,  Dr.,  Professor  a,  d.  Seccion  agronomia  de  la  L'niversidad, 
Montevideo  (Uruguay),  Camino  Millan  676. 

Ger  neck,  R.,  Dr.,  Lehrer  an  der  K.  Bayer.  Weinbauschule,  Veitshöch- 
heim bei  Würzburg. 

Gilbert,  Ad.,  Dr..  Handelschemiker,  Hamburg   11,   Deichstr.  2. 

Gilg.  Iv,  Dr..  a.  o.  Professor  der  Botanik,  Kustos  am  Kgl.  Botanischen 
Museum,   Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  34. 

Goethe,  Rudolf,    Kgl.   Landesökonomierat,  Darmstadt,   Roquetteweg  24. 

Görg,  Fr.,   Gutsbesitzer,   Deidesheim  (Bayer.  Pfalz). 

Graebner,  P.,  Dr.,  Kustos  am  Kgl.  Botanisclien  Garten,  Groli-Lichter- 
felde  W.   bei  Berlin,  Viktoriastr.  8. 

Grevillius,  Anders  Yngve,  l_)r.,  Landwirtschaftl. Versuchsstation,  Kempen 
(Rheinprovinzj. 

IV* 


LTI  Mitgliederliste. 

Grosser,  W.,  Dr.,  Direktor  der  Agrikultur-botanischen  Versuchs-  und 
Samenkontrollstation  der  Landwirtschat'tskammer,  Breslau,  Matthias- 
platz. 

Güssow,  H.  Th.,  Assistant  to  the  C\)nsulting  Botanist,  R.  Agricult. 
Society  of  England,  44  Central  Hill,  l'ppor  Norwoud,  London  S.  E. 
(England). 

Gutzeit,  Dr.,'  Professor,  Vorsteher  der  Abtlg.  für  Ptlanzcnkraukheiten 
und  Bodenbakteriologie  am  Versuchsfelde  der  Universität  Königs- 
berg i.  Pr.,  z.  Zt.  Steglitz  bei  Berlin,  Arndtstr.  4. 

Hanausek,  T.  F.,  Dr.,  k.  k.  Gymnasialdirektor,  Krems  a.  d.  Donau. 

Hansen,  Adolf,  Dr.,  Geh.  Hofrat,  Professor  der  Botanik  und  Direktor 
des  Botanischen  Gartens,  Gießen,  fieberstr.  21. 

Haselhoff,  E.,  Dr.,  Vorsteher  der  Landwirtschaftlichen  Versuchsstation, 
Marburg  a.  d.  Lahn. 

Haupt,  Hugo,  Dr.,  Nahrungsmittek-hemiker,  Bautzen  i.  S. 

Hecke,  Ludwig,  Dr.,  Professor  an  der  Hochschule  für  Bodenkultur, 
Wien  III,  Hauptstr.  96. 

Heering,  W.,  Dr.,  Oberlehrer,  Altona,  Alsenstr.  3. 

Heinsen,  E.,  Dr.,  Wissensch.  Hilfsarbeiter  an  den  Botanischen  Staats- 
instituten, Hamburg  20,  Hudtwalckerstr.   J8. 

Heinze,  B.,  Dr.,  Vorsteher  der  Bakteriologischen  Abteilung  an  der 
Agrikultur-chemischen  Versuchsstation  Halle  a.  S.,  Karlstr.   10. 

Henneberg,  W.,  Dr.,  Abteilungsvorstand  im  Institut  für  Gärungs- 
gewerbe, Berlin  N.  65,  Seestr. 

Hennings,  P.,  Professor,  Kgl.  Botanisches  Museum,  Daiilem-Steglitz  bei 
Berlin. 

Hensler,  Karl,  Kgl.  Landwirtschaftslehrer,  Vorstand  der  Kgl.  Landwirt- 
schaftsschule, Landau  (Pfalz). 

Hillmann,  Paul,  Dr.,  Vorstand  der  Saatzuchtstelle  der  Deutschen  Land- 
wirtschafts Gesellschaft,  Berlin  SW.,  Dessauerstr.   14. 

Hiltner,  L.,  Dr.,  Direktor  der  Kgl.  Agrikulturbotanischen  Anstalt,  München- 
Schwabing,  Osterwaldstr.  9  F. 

Hinneberg,  P.,  Dr.,  Altona-Ottensen,  Flottbeker  Chaussee  29. 

Holmes,  E.  M.,  Curator  of  the  JVIuseum  of  the  Pharmacoutical  Society 
of  Great  Britain,   17.  Bloomsbury  Square,  London  W.C. 

Hosseus,  C,  Dr.,  Berlin-Schöneberg,  Vorbergstr.  9  I. 

Hunger,  F.W.T.,  Dr.,  Direktor  der  AUgemeen  Proefstation,  Salatiga  (Java). 

Jaap,  0.,  Lehrer,  Hamburg  25,  Burggarten   1. 

J aekel,  Hugo,  Chemiker,  z.  Zt.  Kochel,  Oberbayern,  Villa  Schnoor. 

Jakowatz,  A.,  Dr.,  Professor  a.  d.  Landw.  Akademie,  Tetschen-Liebwerd 
(Böhmen). 


Mitgliederliste.  LllI 

Johnson,  T.,  E»r.,  Professor,  Royal  College  of  Science,  St.  Stephen's 
Green.  East,   Dublin  (Irland). 

Jungcl aussen,  C.  A.,  Medizinalassessor,  Hamburg  5,  Beim  Stroh- 
hause  10. 

Kabät,  Jos.  E.,  em.   Zuckerl'abriksdirektor,   Turnau   |i^>öhmen). 

Kaiserfeld,  W.,   Dr.,   Kanzleidirektor,  Graz. 

Kieflling,  L.,  Dr.,  Adjunkt  an  der  Kgl.  Saatzuchtanstalt,  Weihen- 
stephan bei  Freising. 

Kirchner,  Oskar,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Kgi.  Württemberg. 
Landwirtschaftlichen  Akademie,  Vorstand  des  Botanischen  Gartens, 
der  Samenprüfungsanstalt  und  der  Versuchsstation  für  Pflanzen- 
schutz, Hohenheim  bei  Stuttgart. 

Klammer,   Gutsbesitzer,  Ebensfeld  bei  Pettau  (Steiermark). 

Klebahn,  H.,  Dr.,  Professor,  Assistent  a.  d.  Hamburgischen  Botanischen 
Staatsinstituten,  Hamburg  36,  Jungiusstralie. 

Klein,  L.,  Dr.,  Geh.  Hofrat,  Professor  d.  Botanik  a.  d.  Gr.  Bad.  Techn. 
Hochschule,  Direktor  d.  Botan.   Gartens  u.  Instituts,  Karlsruhe  i.  B. 

Koch,  Alfred,  Dr.,  Professor,  Direktor  des  Landwirtschaftl.-bakteriolog. 
Instituts,  Göttingen,  Schildweg  13. 

Kolkwitz,  Richard,  E)r.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik,  Mitglied 
der  Versuchs-  und  Prüfungsanstalt  f.  Wasserversorgung  und  Ab- 
wässerboseitigung,   Charlottenl>urg  4,   Schillerstraüe  75. 

Kosaroff,  P.,  Dr.,  Leiter  der  Land  wirtschaftlichen  Versuchsstation  Obraszow 
Ciflik  (Musterwirtschaft)  bei  Rustschuk  (Bulgarien). 

Krasser,  Fr.,  L>r.,  a.  o.  Professor  der  Botanik  u.  Warenkunde  a.  d. 
Deutschen  Technischen  Hochschule,  Prag. 

Kraus,  C,  Dr.,  Professor  der  Landwirtschaft  an  der  Technischen 
Hochschule,  Oberleiter  der  Kgl.  Saatzuchtanstalt  in  Weihenstephan, 
München,  Louisenstralle  45. 

Kroemer,  K.,  Dr.,  Vorstand  der  Pfianzenphysiologischen  Versuchsstation 
der  Kgl.  Lehranstalt  f.  Wein-,  Obst-  u.  Gartenbau,  Geisenheim  a.  Rh. 

Krüer,  H.,  Apothekenbesitzer,  Ahrensburg  bei  Hamburg. 

Krüger,  F.,  Dr.,  Professor,  Ständiger  Hilfsarbeiter  an  der  Kaiserl. 
Biolog.  Anstalt  f.  Land-  und  Forstwirtschaft,  Itozent  an  der  Kgl. 
Landwirtschaftl.  Hochschule,  Dahlem-Steglitz  b,  Berlin. 

Kühle,  L.,  Mitinhaber  der  Saatzüchterei  Aderstedt,  Gunsieben  (Kreis 
Oschersleben). 

Kumm,  P.,  Dr.,  Professor,  Dozent  an  der  Technischen  Hochschule,  Kustos 
am   Westpreußischen  Provinzialmuseum,    Danzig,  Langermarkt  24. 

Kurmann,  Franz,  k.  k.  Weinbauoberinspektor  am  k.  k.  Ackerbau- 
ministerium, Wien  1,  Liebiggasse  6. 


LIV  Mitgliederliste. 

Lafar,  Franz,  Dr.,  Professor  der  Gäruiigsphysiologio  und  Bakteriologie 
an  der  Technischen  Hochschule,  Wien   IV,   K'arlsplatz   13. 

Landauer,  Robert,  Obstplantagenbesitzer,  Würzbvu'g,  Gesundbrunnen. 

Lang,  W.,  Dr.,  Assistent  a.  d.  Botan.  Institut  d.  l/andwirtschaftl.  Akademie, 
Hohenheim  (Württemberg). 

Laubert,  Richard,  Dr.,  Ständiger  Hilfsarbeiter  a.  d.  Kaiserl.  Biologischen 
Anstalt  für  Land-   und  Forstwirtschaft,    Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Lenz,  Dr.,  Professor,    Direktor  d.  Naturhistorischen  Museums,    Lübeck. 

Leuschner,  Karl,  Dr.,  Administrator,  Rann  a.  d.  Save  (Unter-Steiermark). 

Liebenberg,  Adolf  Ritter  von,  t)r.,  k.  k.  Hofrat,  Professor  an  der 
k.   k.   Hochschule    für    Bodenkultur,    Wien  XIX,    Hochschulstr.  24. 

Lindau,  Gustav,  Dr.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik,  Kustos  am 
Kgl.  Botanischen  Museum,  Dahlem- Steglitz  bei  Berlin. 

Lindemuth,  Hugo,  Kgl.  Gartenbaudirektor,  Dozent  an  der  Kgl.  Land- 
wirtschaftlichen Hochschule,  Berlin  NW.  7,  Dorotheenstraüe.  Uni- 
versitätsgarten. 

Lindinger,  L.,  Dr.,  Wissenschaftl.  Hilfsarbeiter  an  der  Station  für 
Pflanzenschutz,  Hamburg  14,   Versmannkai. 

Lindner,  Paul,  Dr.,  Professor,  \'orsteher  der  Abteilung  für  Reinkultur 
am  Institut  tili'  Gärungsgewerl)e,  Berlin  N.  65,  Ecke  der  See-  und 
TorfstraOe. 

Linhart,  G,,  Dr.,  Kgl.  Rat,  Professor  an  der  Kgl.  Ungar.  Landwirt- 
schaftlichen Akademie,  Magyar-Ovär  (Ungar.  Altenburg). 

Lüstner,  Gustav,  Dr.,  Vorstand  der  Pflanzenpathologischen  Versuchs- 
station der  Kgl.  Lehranstalt  für  \\'ein-,  Obst-  und  Gartenbau, 
Geisenheim  a.  Rh. 

Maallen,  Dr.,  Regierungsrat,  Mitglied  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt 
für  Land-  und  Forstwirtschaft,  Dahlem-Steglitz  bei  Berlin. 

Mährlen,  Weinbau-Inspektor,  Weinsberg  (Württemberg). 

Magnus,  Paul,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Berlin  \N'.. 
Blumeshof  15. 

Malkoff,  Konstantin,  Direktor  d.  Landwirtsch.  Versuchsstation,  Sadovo 
b.  Philippopel  (Bulgarien). 

Martinet,  G.,  Chef  de  l'Ktablissement  föderal  d'essais  et  de  controle  de 
semences,   Lausanne  (Schweiz). 

Mayrhofer,  Dr.,  Professor,  Vorstand  des  städtischen  Untorsuchungs- 
amtes.  Mainz. 

Meinecke,  J^].  P.,  Dr.,  Legaciun  Alemana,  Esmeralda  1Ü48,  Buenos 
Aires  (Argentinien). 

M ei  11  n er,  Richard,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  Kgl.  Wiirtlembg.  Wein- 
bau-Versuchsanstalt, Weinsberg  (Württemberg). 


Mitgliederliste.  LV 

Mertens.  A.,  Dr.,  Professor,  Direktor  d.  Stadt.  Museums  für  Natur-  u. 
Heimatkunde,  Magdeburg. 

Meuschel,  (rottlob,  Kgl.  Kommerzienrat,  i.  F.  J.  W.  Meuschel  sen., 
Weingutsbesitzer,   Buchbrunn  bei   Würzburg. 

Meuscliel,   Otto,   Weingutsbesitzer,   Buchbrunn  bei   Würzburg. 

Mez,  C,  Dr.,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität,  Halle  a.  S., 
Botanisches  Institut. 

Mikosch,  Karl,   E»r.,    Professor  an  der  Technischen  Hochschule,  Brunn. 

Möller.  J.,  Dr.,  Professor,  k.  k.  Pharmakologisches  Institut  d.  Lfni- 
versität,  Graz. 

Molnär,  Leopold,  Chefredakteur  des  „Magyar  Borkereskedelem",  Direktor 
des  ,,T^andesverbandes  der  ungarischen  Weinproduzenten  und  Wein- 
händler", Budapest  VI,  Andrassy  ut.   23. 

Molz,  E.,  Dr.,  Assistent  an  der  Pflanzenpathologischen  Versuchsstation 
der  J\gl.  Lehranstalt  für  Wein-,  Obst-  und  Oartenbau,  Oeisen- 
heim  a.  Rh. 

Morpurgo,  G.,  Professor  a.  d.  Handelshochschule  der  Hevoltella-Stit'tung, 
Museum  der  Handels-  u,  Gewerbekammer,   Triest,   Via  Artisti  5. 

Müller,  H.  C,  Dr.,  Professor,  Vorsteher  d.  Agrikult.-chomisch.  Kontroll- 
Station  d.  Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Sachsen,  Halle 
a.  S.,   Karlstralie   10. 

Müller-Thurgau ,  Hermann,  Dr.,  Professor,  Direktor  der  Schweize- 
rischen Versuchsanstalt  für  Obst-,  Wein-  und  Gartenbau,  Wädens- 
wil  bei   Zürich  (Schweiz). 

Muth,  Franz,  Dr.,  Lehrer  der  Naturwissenschaften  an  der  Großherzogl. 
Weinbauschule,  Oppenheim  a.  Rh. 

Naumann,  A.,  Dr.,  Dozent  f.  Botanik  a.  d.  Kgl,  Tierärztlichen  Hoch- 
schule u.  Assistent  am  Kgl.  Botanischen  Garten,  Dresden-A. 

Neger,   F.,   Dr.,   Professor  der  Botanik  an   der  Forstakademie,   Tharandt. 

Nestler,  Anton,  Dr.,  Professor  für  Pflanzen-Anatomie  und  -Physiologie, 
Oberinspektor  der  Untersuchungsanstalt  für  Lebensmittel  an  der 
k.  k.  Deutschen  Universität,  Prag,  Wenzelsplatz  53. 

Noumann,  M.  P.,  Dr.,  Vorsteher  der  chemischen  Abteilung  der  Ver- 
suchsanstalt für  Getreideverarbeitung,   Berlin  N.  65,   Seestraße  4  a. 

Nilsson,  N.   Hjalmar,   Dr.,  Professor,   Svalöf  (Schweden). 

Noll,  Fritz,  Dr.,  Professor  der  Botanik,  Vorstand  des  Botanischen  In- 
stituts der  Landwirtschaftlichen  Akademie,  Poppelsdort  bei  Bonn, 
Endenicher  Allee  32. 

Ostenfeld,  C.  H.,  Dr.,  Inspektor  am  Botanischen  Museum,  Kopen- 
hagen, Botanisk  Have. 

Osterspey,  Dr.,  Direktor  der  Landwirtschaftsschule,  Prankenthal  (Pfalz). 


LVl  Mitgliederliste. 

Pammol,    L.  H.,    Dr.,    Department    of  Botany,    Jowa    State   College    oi' 

Agriculture  and  Mechanic  Arts,  Arnes  (Jowa). 
Paul,  H.,  Dr.,    Assistent    d.  Kgl.  Bayer.  Moorkultiiranstalt,    Bernau  am 

Ghiemsee  (Oberbayern)  (November — März:  München,  Königinstr.  3). 
Peter,  von,  Dr.,  Direktor  der  Obstbau-  und  landwirtschaftlichen  Winter- 
schule, Priedberg  (Hessen). 
Peters,   W.,  Dr.,  Preßhefefabrikant,   Hamburg  15,   Grünerdeich  60. 
Potkoff,    St.,    Dr ,    Professor    der    Botanik    an    der    Universität,    Sofia 

(Bulgarien). 
Petzet,  Th.,  Oberapotheker  am  Allgem.  Krankenhaus,  Hamburg-Eppendorf. 
Portele,  Karl,  Dr.,  Professor,  Hofrat,  landwirtschaftlich-technischer  Kon- 

sulent  im  k.  k.  Ackerbau-Ministerium,  Wien. 
Potonie,    H.,    Dr.,    Professor,    Landesgoologe,    Groß-Lichterfelde  W  bei 

Berlin,  Potsdamerstraße  35. 
Potter,  M.  C,  Dr.,   Professor  an  der  Universität,  Xewcastle-on-Tyne. 
Puchner,  Dr.,  Professor,  Weihenstephan  bei  Freising. 
Qvam.  Olaf,  Direktor  d.  Statons  Kemiske  Kontroistation  og  Fr0kontrol- 

anstalt,  Kristiania  (Norwegen),  Alfheim,  Pilestradet  27. 
Raatz,   W.,   Dr.,   Leiter  der  Abteilung  für  Rübensamenzucht  der  Zucker- 
fabrik, Kl.   Wanzleben  b.   Magdeburg. 
Ravn,  Kölpin,    Dr.,    Professor  an  der  Landboh0Jskolon,     Kopenhagen  V, 

Kochsvej  25. 
Reinhardt,    0.,    Dr.,    Professor,    Privatdozent   der  Botanik,    Berlin  N., 

Elsäßerstraße  31. 
Reinitzer,  Priedr.,  Professor  a.  d.  Technischen  Hochschule,  Graz. 
Retzlaff,  Max,    Direktor    der    westafrikan.  Pflanzungs-   und  Plantagen- 
Gesellschaft  Bibundi,  Hamburg  36,  Tesdorpfstr.  9. 
Rohling,    Alfred,     Dr.,    Wissenschaftlicher    Hilfsarbeiter    an     der     Kgl. 

Prüfungsanstalt    für   Wasserversorgung    und    Abwässerbeseitigung, 

Berlin  SW.   12,  Kochstr.  73. 
Rümker,  C.  v.,  .Dr.,  Professor,  Direktor  des  Instituts  für  landwirtschaftl. 

Produktionslehre,  Breslau,  Matthiasplatz  5. 
Ru bland,   W,,  Dr.,  Privatdozent  der  Botanik,  Ständiger  Hilfsarbeiter  an 

der    Kaiserl.  Biologischen   Anstalt    für    Land-  und  Porstwirtschaft, 

Dahlem- Steglitz  bei  Berlin. 
Schander,   R.,  Dr.,  Vorstand  der  Pflanzenpathologischen  Abteilung  der 

Landwirtschaftlichen  Versuchsstation    zu    Bromberg,    HohenzoUern- 

straße. 
Schellenberg,  H.  C,  Dr.,  Dozent  für  Landwirtschaft  am  Polytechnikum, 

Zürich,  Hofstraße  40. 
Schenck,    H.,    Dr.,    Professor   der   Botanik   an    der  Technischen    Hoch- 


Mitgliederliste.  LVII 

schule  und  Direktor  des  Botanischen  Gartens,    Darnistadt,  Nikolai- 
weg 6. 

Schindler,  Franz,  Professor  an  der  k.  k.  Deutschen  Technischen  Hoch- 
schule,  Brunn  (Mähren). 

Schindler,  Josef,  Leiter  der  Versuchsstation  der  Landwirtschaft!, ■ 
Landeslehra)istalt,  S.   Michele  a.  E.   (Tirol). 

Schober,  A.,  Dr.,  Professor.  Schulinspektor,  fiamburg  23,  Papenstralie  5U. 

Schoffer,  Heinrich,  Kgi.  Landesökonomierat,  Voi-stand  der  l\gl.  Wein- 
bauschule, Weinsberg  (Württemberg). 

Schröter,  C,  Dr.,  Professor  der  Botanik  am  Eidgenössischen  Poly- 
technikum in  Zürich  V,   Merkurstr.   70. 

Schumann,  P.,  Dr.,  Vorstand  d.  Botan.  AbtIg.  d.  Agrikult.-chemisch. 
Kontrollstation  d.  Landwirtschaftskammer  f.  d.  Prov.  Sachsen, 
Halle  a.  S.,  Karlstr.   10. 

Schwede.  R.,  Dr.,  Assistent  an  der  Kgl.  Technischen  Hochschule. 
Dresden,  Gutzkowstr.  28. 

Seifert,  W.,  Professor,  Adjunkt  an  der  Versuchsstation.  Klostcrnouburg 
bei  Wien. 

Seufferheld,   C,  W^einbau-Inspoktor,  Administrator,   Grünhaus  bei  Trier. 

Siebert,   A.,  Direktor  des  Palmengartens,   Prankfurt  a.  AI. 

Simon,  J.,  Dr.,  I^tlanzenphysiologische  Versuchsstation.  Dresden -A., 
Pirnaischestr.  32. 

Solereder,  H.,  L»r.,  Professor  d.  Botanik  und  Direktor  d.  Botanis(;hon 
Gartens,  Erlangen. 

Sonder,  Chr.,   Dr.,   Apothekenbesitzer,   Oldesloe  (Holstein). 

Sperling,  Julius,   Amtsrat,   Dom.   Buhlendorf  b.  Lindau,   Anhalt. 

Spieckermann,  Dr.,  Abteilungsvorstand  i.  d.  Versuchsstation,  Münster 
i.  Westf. 

Stahl,  Ernst,  L)r.,  Professor  der  Botanik  und  Direktor  des  Botanischen 
Gartens,  Jena. 

Stehler,  G.^  Dr.,  Direktor  d.  Samenuntersuchungs-  u.  Versuchsanstalt, 
Zürich  (Scliweiz),  Eidgen.  Cnemiegebäude. 

Steglich,  Dr.,  Professor,  Pflanzenphysiologische  Versuchsstation,  Dresden, 
Stübel-Allee  2. 

Steinle,  Domänenrat,  Schwaigern  (Württemberg). 

Störmer,  Kurt,  Dr.,  Agrikult.-chem.  Kontrollstation  d.  Landwirtschafts 
kammer,  Halle  a.  S.,  Karlstr.   10. 

Szyszylowicz,  Ign.  Ritter  von,  Dr.,  Direktor  d.  Agrikulturbotanischen  Ver- 
suchsstation, Priv. -Dozent  a.  d.  k.  k.  Universität,  Lemberg  (Galizien), 

Thiele,  R.,  Dr..  Dezernent  in  der  Agrikultur-Abteihmg  des  Kalisyndikats. 
Leopoldshai  1-Staßfurt. 

Jahresbericht  der  Vereiniy:uiig  für  xrgewuudte   Botanik    V.  .  V  ' 


.LVIII  Mitgliederliste. 

Thoms,  H.,  Dr.,  Professor  dor  i)harin;izeiitischon  Chemie  ;ui  der  Kgl. 
Universität,  Direktor  d.  Pharmazeutischen  Instituts,  Hteglitz  bei 
Berlin,  Hohenzollernstr.  8. 

Thnst,  Robert,  Dr.,  Verlagsbuchhändier,  Groli-Lichterfoide  l)ei  Perlin, 
Willielmstr.  27. 

Tischler,  A.,  Dr  ,  <roneral-Stabsarzt  a.   D.,  Marburg  (Steiermark). 

Tubeuf,  C.  Freiherr  von,  Dr.,  Professor  für  Anatomie,  Physiologie  und 
Pathologie  der  Pflanzen  an  der  L'niversität  und  Vorstand  dei- 
botan.  Abteilung  der  Kgl.  Forstlichen  VersuclisanstaU.,  München, 
Amalienstr,  67. 

Uhlworm,  Oskar,  Dr.,  Professor,  Oberbibliothekar,  Herausgeber  des 
„Centralblattes  für  Bakteriologie  und  Parasiten  künde",  BorUn  W, 
Nachodstr.  17. 

Vaiiha,  Johann,  J.,  Professor,  Direktor  der  Landwirtschaftlichen  Landes- 
versuchsstation für  Pflanzenkultur,   Brunn  (Mähren). 

Vitek,  E.,  Vorstand  der  Samcnkontroilabteilung  d.  Chemisch-physiolo- 
logischen  Versuchsstation  an  dor  k.  k.  Böhm.  Technischen  Hoch- 
schule, Prag,   Karlsplatz  3. 

Vogelsang,  von,  Kammerherr,  Rittergutsbesitzer  und  Saalzücliter, 
Hovedissen  (Lippe), 

Voigt,  Alfred,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  Abteilung  für  Samen- 
kontrolle, Hamburg  5,  Botanisches  Museum. 

Volkens,  G.,  Dr.,  Professor,  Kustos  am  Kgl.  Botan.  (jarten,  Vorstand 
d.  Botan.  Zentralstelle  f.  d.  Kolonien,  Dahlem  b.  Berlin. 

Wahl,  C.  von,  Dr.,  Assistent  an  der  Großherzogl.  Landwirtschaftlichen 
Versuchsanstalt,  Augustenberg  bei  Grötzingen  (Baden). 

War  bürg,  Otto,  Dr.,  Professor,  Privatdozent  der  Botanik  an  der  Uni- 
versität und  Lehrer  am  Orientalischen  Seminar,  Berlin  W,  Uhland- 
straße  175. 

Warth,  Karl,  Stadtpfleger,  Vorstand  des  Württembergischen  Weinbau- 
Vereins,  Stuttgart. 

Weber,  C,  Dr.,  Professor,  Moorvorsuchsstation,  Bremen,  Friedrich- 
Wilhelm-Straße  24. 

Wehmer,  C,  Dr.,  Professor  an  der  Technischen  Hochschule,  Hannover, 
Callinstraße  12. 

Weigmann,  Dr.,  Professor,  Vorstand  des  Instituts  für  Milchwirt- 
schaft,  Kiel. 

Weigert,  Leop.,  Dr.,  k.  k.  Regierungsrat,  Direktor  d.  k.  k.  höh.  Lehr- 
anstalt f.  Wein-  u.  Obstbau,  Klosterneuburg  bei  Wien. 

Wein,  Dr.,  Professor,  Weihenstephan  )>ei  Freising. 

Weinzierl,    Th.   Ritter  von,    Dr.,    Hofrat,    Direktor    der   k.   k.   Samen- 


Mitgliederliste,  LIX 

konti'ollstation  (k.  k.  LaiidwirtschafUich-bütiuiischo  Verstichsstatioii)^ 
Wien,  Pratcr  174. 

Wiljmer,   Weingutsbositzer,   Pottau  (Steiermark). 

Widen,  J.,  Vorsteher  der  Agrikultur- chemischen  und  Samenkontroll- 
Station,    0rebro  (Schweden). 

Wiedcnsheim ,  W.,  Dr.,  Assist,  a.  d.  Grollhor/iOgi.  Landwirtsch.  Ver- 
suchsanstalt,  Augustenberg  bei  (in'Uzingen   (Baden). 

Wieler,  Arwed,  Dr.,  Professor,  Dozent  für  Botanik  und  Vorstand  des 
Botanischen  Instituts  der  Technischen  llochsidiule,  Aachen,  Nizza- 
alleo   71. 

Wilhelm,  Karl,  L»r.,  Professor  der  Botanik  an  der  k.  k,  Hochschule 
für  Bod(?nkultur,   Wien   XIX,  HochschulstraDe   17. 

Will,  M.,  Dr.,  Professor,  Vorstand  der  physiolog.  Abteilung  der  Wissen- 
schaft!. Station  für  Brauerei,   München,  Reichenbachstraße  52. 

Wittmack,  Ludwig,  Dr.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  an  der  Kgl. 
Landwirtschattlichen  Hochschule  und  an  der  Universität,  Berlin  N,  4, 
Invalidenstraße  42. 

Wohltmann,    Ferdinand,    Di'.,    Geh.  Regierungsrat,    Professor    an    der 
■   Universität,   Direktor  des  Landwirtschaftlichen  Instituts,   Halle  a.  S., 
Gr.   Steinstraße   19. 

Wolf,  Leopold,  Leiter  der  Wiener  Redaktion  des  „ L'ngarischen  Wein- 
handels", Fachreferent  des  „Landesverbandes  der  ungarischen 
Weinproduzenten  und  Weinhändler",  Wien  XI,   Hauptstraße  54. 

Wortmann,  Julius,  Dr.,  Professor,  Direktor  der  Kgl.  Lehranstalt  für 
Wein-,  Obst-  und  Gartenbau,   Geisenheim  a.  Rh. 

Zacharias,  I'Muard,  Dr.,  Professor,  Direktor  dei-  Hamburgischen  Bota- 
nischen Staatsinstitute,  Hamburg   17,  Sophienterrasse   15a. 

Zang,  Wilhelm,  Dr.,  Assistent  am  Botanischen  Institut.  Hohenheim  bei 
Stuttgart. 

Zederbauer,  E.,  Dr.,  Assistent  an  der  k.  k.  Forstlichen  Versuchsanstalt, 
Mariabrunn  bei  Wien. 

Zornig,   H.,  Dr.,  Pflanzenphysiologisches  Institut,  München,  Luisenstraße. 

Zopf,  Wilhelm,  Dr.,  Geh.  Regierungsrat,  Professor  der  Botanik  an  der 
Universität  und  Direktor  des  Botanischen  Gartons,  Münster  i,  Westf., 
Wilhelmstraße  2  a. 

Zschokke,  Achilles,  Dr.,  Direktor  der  Kgl.  Bayer.  Wein-  und  Obstbau- 
schule, Neustadt  a.  d.  Haardt. 

Zweifler,  Franz,  Direktor  der  Landes- Wein-  und  Obstbauschule,  Mar- 
burg a.  d.  Drau  (Steiermark). 


Die  Beziehungen  der  Botanil<  zur  Technik. 

Von 
A.  Wieler,  Aachen. 

Auf  der  vorjährigen  Tagung  der  „Vereinigung  für  angewandte 
Botanik"  in  Hamburg  hat  uns  Herr  Geheimrat  Drude  in  lilarer  Weise 
die  „Aufgaben  und  Ziele  der  angewandten  Botanik"  dar- 
gelegt. Wir  haben  seiner  Rede  entnommen,  wie  umfangreich  dies 
Gebiet  ist  und  wie  zahlreich  die  Berührungspunkte  sind,  welche  die 
Botanik  mit  der  Praxis  hat  oder,  besser  gesagt,  haben  könnte,  denn 
dem  Erkennen  der  Beziehungen,  welche  zwischen  einer  Wissenschaft 
und  der  Praxis  bestehen,  braucht  noch  nicht  die  Verwertung  der 
Errungenschaften  jener  durch  diese  auf  dem  Fuße  zu  folgen.  Hat 
man  aber  die  Einsicht  gewonnen,  daß  die  Ergebnisse  einer  Wissenschaft 
nicht  nur  unseren  Forschungstrieb  befriedigen,  sondern  daß  sie  auch  der 
Allgemeinheit  von  unmittelbarem  praktischen  Nutzen  sein  können,  so  ist 
man  nicht  nur  berechtigt,  wie  ich  glaube,  sondern  auch  verpflichtet  als 
Vertreter  dieser  Wissenschaft  dahinzustreben,  daß  sie  möglichst  aus- 
giebig für  die  Praxis  nutzbar  gemacht  werde.  Wenn  man  unter  diesem 
Gesichtspunkte  die  angewandte  Botanik  prüft,  so  wird  man  finden,  daß 
unsere  Wissenschaft  der  Praxis  noch  auf  manchem  Gebiete  nützlich 
werden  kann,  wo  sie  bisher  noch  gar  keine  oder  eine  ihrer  Bedeutung 
bei  weitem  nicht  entsprechende  Rolle  spielt.  Ich  möchte  mir  erlauben, 
angeregt  durch  meine  Lehrtätigkeit,  an  technischen  Hochschulen,  dies 
Verhältnis  für  den  Teil  der  angewandten  Botanik  zu  untersuchen,  den 
man  als  technische  Botanik  bezeichnen  könnte.  Allerdings  fasse  ich 
diesen  Begriff  etwas  weiter  als  Herr  Geheimrat  Drude,')  ich  möchte 
ihn  nicht  mit  Rohstofflehre  oder  Warenkunde  identifizieren,  sondern 
darunter  Botanik  in  Anwendung  auf  die  technischen  Berufe  verstehen. 
Keine    Gelegenheit    dürfte    zur    Verhandlung    über    diesen    Gegenstand 


1)  Jahresbericht    der  Vereinigung    für    angewandte  Botanik,    IV.  Jahrg., 
1906,  S.  8. 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik.     V.  i 


2  A.  Wieler, 

günstiger  sein  als  die  diesjährige  Tagung  am  Sitze  einer  technischen 
Hochschule;  ja  wir  könnten  unseren  Dank  für  die  gastUche  Aufnahme, 
welche  wir  in  ihren  Räumen  gefunden  haben,  nicht  besser  abstatten, 
als  wenn  es  uns  gelänge,  durch  unsere  Verhandlungen  dahinzuwirken, 
daß  die  Beziehungen  zwischen  der  Botanik  und  der  Technik  innigere 
und  für  letztere  nutzbringendere  würden. 

Drei  Gebiete  sind  es,  auf  denen  die  Botanik  mit  der  Technik  in 
Verbindung  tritt,  das  Gebiet  der  Mikroorganismen  oder  die  technische 
Mykologie,  das  Gebiet  der  pflanzlichen  Baumaterialien  und  das 
Gebiet  der  Rohstoff  lehre.  Alle  drei  Gebiete  sind  nicht  scharf  von  ein- 
ander geschieden,  sondern  greifen  mehrfach  in  einander  über.  Die  tech- 
nische Mykologie  berührt  sich  mit  dem  Gebiet  der  Baumaterialien  durch  die 
holzzerstörenden  Pilze,  mit  dem  der  Rohstofflehre  durch  die  Röstungs- 
und Permentierungsorganismen.  Das  Holz,  das  wichtigste  pflanzliche 
Baumaterial,  ist  unter  anderem  Gesichtspunkt  als  Rohstoff  zu  betrachten, 
während  wiederum  bestimmte  Rohstoffe  wie  Farbstoffe,  Harze,  Kautschuk, 
Guttapercha  und  Hanf  als  Neben-  oder  Hilfsmaterialien  in  der  Bau- 
materialien künde  Berücksichtigung  finden. 

Auf  den  genannten  Gebieten  kann  sich  unsere  Wissenschaft  in 
doppelter  Weise  betätigen,  in  analytischer  oder  synthetischer  Richtung. 
Unter  analytisch  möchte  ich  das  Bestreben  verstehen,  die  gegebenen 
Erscheinungen  zu  zergliedern  und  auf  ihre  Ursachen  zurückzuführen, 
jn  den  pflanzengeographischen,  systematischen,  morphologischen,  ana- 
tomischen oder  physiologischen  Verhältnissen  den  hinreichenden  Er- 
klärungsgrund für  die  Erscheinungen,  d.  h.  für  die  gegebenen  Tatsachen 
der  Mj'^kologie,  der  Baumaterialien  und  der  Rohstoffe  aufzudecken.  Mit 
synthetisch  möchte  ich  die  Seite  unserer  "Wissenschaft  bezeichnen, 
welche,  auf  die  Kenntnis  von  der  Natur  der  Organismen  bauend.  Neues 
zu  produzieren  strebt,  sei  es,  daß  sie  durch  zielbewußte  und  w'illkürliche 
Lenkung  der  Lebenskräfte  neue  Produkte  hervorruft  oder  die  Ver- 
besserung bekannter  Produkte  bewirkt,  sei  es,  daß  sie  Methoden  ersinnt, 
um  die  Produkte  vor  der  Zerstörung  zu  schützen  oder  für  weitere  Ver- 
wertung erst  nutzbar  zu  machen.  Beide  Richtungen  laufen  vielfach 
neben  einander  her  und  beeinflussen  sich  gegenseitig. 

Gestatten  Sie  mir  nun,  das  Gesagte  an  einigen  Beispielen  zu  er- 
läutern. Am  ausgesprochensten  treten  uns  beide  Richtungen  in  der  tech- 
nischen Mykologie  entgegen.  Die  analytische  Richtung  hat  uns  mit 
der  Natur  und  den  Lebenseigentümlichkeiten  der  Bakterien  und  Gärungs- 
organismen vertraut  gemacht  und  den  Erklärungsgrund  für  viele  bereits 
aus  der  Empirie  des  täglichen  Lebens  bekannte  Erscheinungen  wie  die 
Alkoholgärung  oder  die  im  Hausgebrauch  geübten  Sterilisierungsmethoden 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technilc.  ä 

aufgedeckt.  Aus  dieser  Kenntnis  ergaben  sich  neue  zweckmäßige 
Sterilisierungsmethoden,  und  die  rein  theoretische,  durch  die  Krankheiten 
des  Bieres  veranlaßte  Untersucliung  der  Alkoholgärungserreger  führte  ja 
bekanntlich  zu  einer  so  vollkommenen  Beherrschung  der  Stoffwechsel- 
prozesse dieser  Organismen,  daß  man  heute  imstande  ist,  mit  Hülfe  der 
von  Hansen  in  die  Bierbrauerei  eingeführten  Reinkulturen  der  Gärungs- 
erreger aus  bekannten  Rohmaterialien  ein  Bier  von  konstanter  Beschaffen- 
heit herzustellen.  Es  erinnert  dies  Verfahren  an  die  Synthese  in  der 
organischen  Chemie,  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  man  die  chemischen 
Operationen  aus  dem  Laboratorium  in  die  Zelle  verlegt.  Noch  mehr 
offenbart  sich  dieser  synthetische  Charakter  unserer  Wissenschaft  in  der 
Herstellung  der  Zitronensäure  durch  Citromijces-Krten  und  andere  Pilze. 
Von  ganz  anderen,  rein  theoretischen  Gesichtspunkten  ausgehende  Unter- 
suchungen machten  Wehmer')  mit  dem  Stoffwechsel  von  Citromyces 
bekannt  und  führten  ihn  zur  Ausarbeitung  eines  Verfahrens  für  die 
Gewinnung  von  Zitronensäure,  das  patentamtlich  geschützt  und  mit  Er- 
folg ausgebeutet  worden  ist. 

Der  gewaltige  Erfolg  der  Hau  senschen  Untersuchung  über  bier- 
produzierende Gärungserreger  hat  zu  einer  intensiven  Beschäftigung  mit 
dem  Gebiete  der  technischen  Mykologie  geführt,  und  wenn  es  auch  noch 
nicht  gelungen  ist,  alle  in  technischen  Betrieben  durch  Mikroorganismen 
hervorgerufenen  Prozesse  befriedigend  aufzuhellen,  so  ist  doch  manches 
wertvolle  Resultat  erzielt  worden,  und  wir  dürfen  von  der  synthetischen 
Richtung  der  angewandten  Botanik  auf  diesem  Gebiete  für  die  Zukunft 
noch  manches  bedeutungsvolle  Ergebnis  erwarten. 

Das  jugendhche  Alter  der  technischen  Mykologie  bringt  es  mit 
sich,  daß  manche  Gebiete  noch  nicht  in  Angriff  genommen  oder  erst 
mangelhaft  durchforscht  worden  sind.  Das  gilt  auch  von  der  Anteil- 
nahme der  Mikroorganismen  an  der  Herstellung  mancher  Rohstoffe  in 
den  Röstungs-  und  Fermentierungsprozessen.  Namentlich  letztere  sind 
noch  sehr  ungenügend  erforscht,  ich  erinnere  nur  an  die  Fermentiorung 
des  Kakaos,  während  die  Röste  etwas  besser  bekannt  ist.  Wir  wissen 
von  ihr,  daß  es  sich  bei  der  Isolierung  der  Bastbündel  aus  den  Stengeln 
des  Leins,  des  Hanfes,  der  Jute  und  einiger  weniger  bekannter  Pflanzen 
um  eine  durch  Bakterien  hervorgerufene  Pektingärung  handelt,  und  daß 
'das  gewonnene  Rohprodukt  ganz  wesentlich  durch  die  Art  des  Verlaufs 
dieser  Gärung  beeinflußt  wird.    Dieser  hängt  aber  sowohl  von  der  Natur 


1)  Beiträge  zur  Kenntnis  einheimischer  Pilze  I.  Zwei 'neue  Schimmel- 
pilze als  Erreger  einer  Zitronensäuregärung.  Mit  2  Tafeln.  Hannover  (Hahnsche 
Buchhandlung)  1893.  Patentschrift  No.  72  957  und  Zusatz  zu  diesem  Patent 
No.  91891  (Mucor  piriformis). 

1* 


4  A.  Wieler. 

der  gärenden  Organismen  als  auch  von  den  Umständen  ab,  unter  denen 
sich  die  Gärung  abspielt.  Die  hochgeschätzten  Sorten  des  belgischen 
Flachses  soll  ihre  guten  Eigenschaften  der  Röstung  im  Flusse  Lys 
verdanken,  wo  diese  besonders  günstige  Bedingungen  findet.  Auf  Grund 
des  Studiums  dieser  Verhältnisse  haben  AUison  und  Pennin gton*) 
ein  patentiertes  Verfahren  ausgearbeitet,  nach  dem  eine  bessere  Qualität 
Flachs  dadurch  erzielt  werden  kann,  daß  man  dem  Röstwasser  bestimmte 
Salze,  welche  für  die  Entwickelung  des  Pektingärungsbazillus  zuträglich 
sind,  und  Bakterien  der  Lysröste  zusetzt. 

Noch  eines  anderen  wichtigen  Erfolges  der  synthetischen  Rich- 
tung in  der  technischen  Mykologie  müssen  wir  hier  gedenken:  das  ist 
die  Verwertung  der  Fäulnisorganismen  zur  Zerstörung  organischer 
Materie,  wie  sie  in  dem  „biologischen  Klärverfahren"  eine  bedeutungs 
volle  Zukunft  für  die  größeren  Städte  zur  Beseitigung  der  Abwässer 
haben  dürfte.  Es  werden  hierbei  zielbewußt  in  besonderen  Anlagen 
die  Prozesse  eingeleitet,  welche  sich  in  den  Flußläufen  abspielen,  wenn 
Abwässer  in  sie  gelangen,  und  die  man  als  Selbstklärung  der  Flüsse 
bezeichnet.  Auch  die  Gewinnung  von  Trinkwasser  aus  den  Flüssen 
zur  Versorgung  der  Städte  setzt  eine  Beseitigung  der  organischen  Sub- 
stanz im  Wasser  voraus,  und  diese  Beseitigung  erreicht  man  in  der 
Sandfiltration  unter  Mitwirkung  von  Mikroorganismen. 

Die  technische  Mykologie  greift  mit  dem  Kapitel  der  holzzerstrirenden 
Pilze  auch  auf  die  Baumaterialienkunde  über.  Das  Studium  dieser 
Pilze  hat  zu  Maßregeln  geführt,  welche  es  ermöghchen,  das  Holz  gegen 
ihre  zerstörende  Wirkung  zu  schützen,  indem  es  mit  für  die  Pilze 
giftigen  Stoffen  imprägniert  wird,  oder  indem  man  ihnen  mittelst  der 
Dämpfungsmethode  den  Nährboden  im  Holze  entzieht. 

Diese  letzteren  Methoden  gründen  sich  ebensosehr  auf  die  Kennt- 
nis von  der  Natur  der  Pilze  wie  auf  die  von  der  Natur  des  Holzes. 
Die  anatomischen  Verhältnisse  desselben  geben  auch  die  Grundlage  für 
das  Verständnis  seiner  Eigenschaften,  der  Schwere.  Härte,  Festigkeit, 
Farbe,  Elastizität,  des  Glanzes  usw.  ab.  Die  Entstehung  des  Holzes,  die 
Erscheinung  der  Jahresringe,  das  Auftreten  von  Splint  und  Kern  sind 
nur  entwickelungsgeschichtlich  und  aus  dem  Zusammenhang  mit  der 
Ausgestaltung  der  ganzen  Pflanze  und  ihren  Lebenseigentümlichkeiten 
zu  verstehen. 

In  diesem  Teil  der  Baumaterialienkunde  ist  bisher  nur  die  analy- 
sierende Richtung  unserer  Wissenschaft  zur  Geltung  gekommen,  und  ebenso 
herrscht  sie  auf  dem  Gebiete  der  Rohstofflehre  vor.     Aber  schon  auf 


1)  Wiesner,  Die  Rohstoffe  des  Pflanzenreichs.     2.  Aufl.,  II,  S.  288. 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  5 

der  Generalversammlung  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  im 
Jahre  1901  hat  AVarburg')  darauf  hingewiesen,  daß  der  Charakter 
unserer  Wissenschaft  sie  nicht  zu  dieser  Rolle  verurteile,  sondern  daß 
sie  auch  auf  dem  Gebiete  der  Rohstofflehre  synthetische  Züge  besäße. 
Sie  müsse  sich  nach  dieser  Richtung  hin  entwickeln  und  die  Natur  der 
Blütenpflanzen  so  zu  beherrschen  lernen,  wie  sie  die  der  Alkoholgärungs- 
organismen beherrsche,  um  die  besten  Kulturmethoden  und  die  zweck- 
mäßigsten Methoden  zur  Erntebereitung  angeben  zu  können.  Einst- 
weilen dominiert  noch  die  analysierende  Richtung,  welche  uns  aus  den 
Lehren  der  Zellphysiologie,  Anatomie,  Morphologie,  Systematik  und 
Pflanzengeographie  die  Natur,  Abstammung  und  Eigenschaften  der  Roh- 
stoffe verstehen  lehrt.  Nach  Drude  umfafit  die  wissenschaftlich  be- 
gründete Lehre  von  den  technisch  verwendeten  Rohstoffen  des  Pflanzen- 
reichs 4  Hauptpunkte: 

1.  „Feststellung  der  Merkmale  und  Herkunft:  sowohl  nach  anato- 
mischer   Organographie,    als  nach    systematischer  Klassifikation, 

2.  Ermittelung  der  die  Verwendung  beeinflussenden  Eigenschaften 
vom  botanisch-physiologischen  Standpunkte. 

3.  Feststellung  der  Heimat  nach  natürlichen  und  Kulturzonen;  geo- 
graphische Rassen  und  ihre  Bedeutung  für  den  Wert  der 
Rühstoffsorten. 

4.  Kritik  der  Gewinnungsweisen."  ^) 

Die  Eigenschaften  eines  Rohstoffes  sind  in  erster  Linie  von  der 
Natur  der  Stammpflanze  abhängig.  Da  die  Kulturpflanzen  stark  zum 
Variieren  neigen,  klimatische,  Boden-  und  Kulturverhältnisse  ihre  Eigen- 
schaften und  die  der  von  ihnen  abstammenden  Rohstoffe  beeinflussen, 
so  hat  man  es  in  der  Gewalt,  durch  zielbewußte  Züchtung  und  Kreuzung 
die  Produkte  zu  verbessern  und  ihre  Kultur  in  Gebieten  einzubürgern, 
wo  die  Stammpflanzen  bisher  noch  nicht  v^uchsen  oder  in  einer  Form, 
welche  für  ihre  Gewinnung  ungeeignet  ist.  Als  Beispiel  mögen  die 
Bestrebungen,  in  unseren  Kolonien  den  Baumwollbau  einzubürgern,  die 
ich  als  bekannt  voraussetze,  angeführt  werden. 

In  zweiter  Linie  ist  die  Ausbildung  des  Rohstoffes  in  quahtativer 
und  quantitativer  Beziehung  von  den  Vegetationsfaktoren  abhängig.  Aus 
den    Untersuchungen    von    Koch^)    und    KohP)    ist    bekannt,    daß  die 


')  Geschichte   und   Entwickeluug  der  angewandten  Botanik.     Ber.  d.  D. 
Bot.  Ges.,  Bd.  XIX. 

2)  L  c,  S.  8. 

3)  Abnorme  Änderungen  wachsender  Pflanzenorgane  durch  Beschattung. 
Berlin,  Verlag  von  Wiegandt  u.  Hempel. 

4)  Die  Transpiration    der  Pflanzen    und    ihre  Einwirkung    auf    die  Aus- 
bildung pflanzlicher  Gewebe.     Braunschweig  1886. 


Q  A.  Wieler. 

Wandverdickung  und  zum  Teil  aucli  die  Verholzung  von  dem  Lichte 
und  der  Transpiration  mitbestimmt  werden.  Zu  dichter  Stand  der  Pflanzen 
bedingt  eine  zu  schwache  Beleuchtung  der  Stengel  und  bewirkt  da- 
durch eine  zu  geringe  Verdickung  der  Wände  der  Bastfasern.  Beim 
Anbau  des  Leins  z.  B.  ist  sehr  genau  darauf  zu  achten,  dali  ein  be- 
stimmter Abstand  zwischen  den  Pflanzen  eingehalten  wird.  Ein  zu 
dichter  Stand  liefert  eine  schwache,  ein  zu  weiter  Stand  eine  grobe 
Faser.  Auch  die  Intensität  des  Wachstums,  mit  der  die  Ausgiebigkeit 
der  Transpiration  zusammenhängt,  ist  für  die  Ausbildung  der  Fasern 
von  Bedeutung.  Lange,  kräftige  und  feine  Fasern  werden  im  allge- 
meinen bei  gutem  lebhaftem  Wachstum  erzielt.  Daß  das  Wachstum  der 
Pflanze  und  damit  der  Fasern  nicht  energisch  genug  ist,  ist  einer  der 
Gründe,  warum  in  Süddeutschland  der  Anbau  der  Ramiefaser  nicht 
rentabel  ist.  Ferner  spielt  das  Alter  der  Fasern  eine  Rolle,  was  auf 
der  Hand  liegt,  und  bestimmt  den  Erntetermin.  Bei  den  meisten  Fasern 
ist  es  von  hoher  Bedeutung,  den  richtigen  Erntezeitpunkt  nicht  zu  ver- 
säumen, weil  sie  sonst  zu  grob  werden  oder  verholzen.  Nichts  desto 
weniger  wird  das  häufig  nicht  beachtet.  So  soll  das  Anwachsen  der 
geringwertigen  Qualitäten  Jute  auf  dem  Markt  von  Kalkutta  ganz  be- 
sonders diesem  Umstände  zuzuschreiben  sein.')  Werden  die  Pflanzen 
zu  zeitig  geerntet,  so  erhält  man  bei  den  meisten  Faserpflanzen  Fasern 
von  schönem  Aussehen,  aber  geringer  Stärke. 

Die  Gewinnungsweisen  der  Rohstoffe  sind  von  ihrer  Natur  und 
dem  Ort  ihres  Vorkommens  im  Pflanzenkörper  abhängig.  Die  meisten 
Gewinnungsmethoden  haben  sich  empirisch  herausgebildet,  ohne  daü  sie 
deshalb  immer  die  beste  Lösung  des  Problems  darstellen.  Bei  den 
Mikroorganismen  konnte  ich  bereits  darauf  hinweisen,  daß  der  Röste- 
prozeü  verbesserungsfähig  sei.  Aber  viel  lehrreicher  ist  noch  die  Ge- 
winnungsweise der  kautschukliefernden  Milchsäfte,  hierbei  ist  man  bis- 
her lediglich  auf  die  Empirie  angewiesen,  und  durch  Probieren  hat  sich 
herausgestellt,  daü  die  bisher  geübten  Methoden  durchaus  nicht  stets 
die  zweckmäßigsten  sind.  Es  scheint  auch,  daß  für  verschiedene 
Kautschukbäume  verschiedene  Methoden  erforderlich  sind,  ja  daß  sogar 
eine  und  dieselbe  Pflanze  in  verschiedenen  Gegenden  nach  verschiedenen 
Methoden  angezapft  werden  muß,  wenn  sie  dauernd  die  h<)chstmöglichsten 
Erträge,  ohne  Schaden  zu  nehmen,  liefern  soll.^)  Von  einer  wissen- 
schaftlichen Durcharbeitung  dieses  Gebietes  sind  wir  weit  entfernt. 


1)  Sem  1er.      Uie     tropische     Agrikultur.      2.    Aufl..     Bd.     Ill,     S.    670, 
Wismar  1903. 

2)  Warburg.  Die  Kautschukpflanzen  und  ihre  Kultur.     Berlin  1900. 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  7 

Hier  ist  auch  noch  der  scharfen  Charakterisierung  der  Rohstoffe 
mittelst  des  Mikroskopes  zu  gedenken,  welches  z.  B.  die  Faserstoffe  noch 
im  verarbeiteten  Zustande  zu  unterscheiden  gestattet  und  dadurch  in 
Streitfällen  die  Natur  des  Rohstoffes  einwandfrei  zu  erkennen  ermöglicht. 

Auf  den  Gebieten  der  Mikroorganismen,  Baumaterialien  und  Roh- 
stofflehre, auf  den  die  Beziehungen  zwischen  der  Botanik  und  Technik 
zu  suchen  sind,  wirkt  unsere  Wissenschaft  also  teils  erklärend  und  be- 
lehrend, teils  produzierend,  neue  Werte  schaffend,  sie  ist  damit  zu  einer 
Hilfswissenschaft  der  Technik  geworden.  Ist  sich  die  Technik  auch 
dessen  bewußt  und  bemächtigt  sie  sich  der  Bildungselemente,  welche 
aus  dieser  Quelle  flief5en?  LUese  Frage  muß  leicht  zu  beantworten  sein, 
wenn  man  den  Bildungsgang,  den  die  akademisch  gebildeten  Techniker 
durchmachen  und  die  einschlägige  Literatur,  welche  auf  sie  zurückgeht, 
daraufhin  prüft. 

Die  einzelnen  technischen  Berufe  sind  ja  in  sehr  verschiedenem 
Grade  an  den  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik  interessiert.  Für 
die  Architekten  und  Ingenieure  kommt  die  Baumaterialienkunde  aus  dem 
Pflanzenreich  einschließlich  der  Holzkrankheiten  in  Betracht,  für  den 
Tiefbauingenieur  außerdem  die  Abschnitte  der  technischen  Mykologie, 
welche  die  Abwässer-  und  Trinkwasserfrage  behandeln.  Diejenigen 
Ingenieure  und  technischen  Chemiker,  welche  die  Leitung  technischer 
Betriebe,  in  denen  pflanzliche  Rohstoffe  verarbeitet  werden,  übernehmen 
wollen,  bedürfen  der  Kenntnis  der  Rohstofflehre,  die  technischen  Chemiker 
außerdem  der  Kenntnis  der  technischen  Mykologie,  welche  in  so  viele 
Gebiete  hineingreift,  und  diese  ist  unentbehrlich  für  diejenigen  Chemiker, 
welche  sich  zu  Nahrungsmittelchemikern  ausbilden  wollen,  oder  welche 
in  einer  sonstigen  gutachtlich-prüfenden  Tätigkeit  ihre  Lebensaufgabe 
erblicken. 

Wenn  nun  auch  die  Organisation  der  technischen  Hochschulen  im 
Deutschen  Reiche  sehr  verschiedenartig  ist  und  demnach  auch  die  An- 
sprüche, welche  an  die  Ausbüdung  der  Studierenden,  wie  sie  im  Diplom- 
examen zum  Ausdruck  kommen,  sehr  ungleich  sind,  so  glaube  ich  mit 
meiner  Behauptung  doch  nicht  fehlzugehen,  daß  auf  keiner  dieser  Hoch- 


Ule,   Kautschiikgewinnung    und  Kautschukhaiidel    am  Amazonenstrom. 
Tropenpflanzer,  Bd.  9,  1905,  Beiblätter. 

Reintgen,  Die  Kautschukpflanzen.     Ebenda, 

Soskin,  Kick-xiaerträge  in  Kamerun.     Tropenpflanzer,  Bd.  10,  190G. 

Strunk,  Eine  neue  Anzapfungsmethode  für  Kickxia  dastica.     Ebenda. 

Strunk  u.  Soskin,  Nochmals  die  Kickxiaerträge  in  Kamerun.     Ebenda. 

Busse,  Kautschukkultur  in  Deli.     Ebenda. 

Auch  die  sonstia-e  Kautschukliteratur.  '  -  •     .-•=-- 


g  A.  Wieler. 

schulen  der  Botanik  die  Aufmerksamkeit  geschenkt  wird,  "welche  ihr  im 
Interesse  der  Technik  selbst  gebührt,  und  daß  die  technischen  Hoch- 
schulen sich  im  Lichte  stehen,  wenn  sie  für  ihre  Lehrzwecke  die  Mit- 
wirkung des  Botanikers  nicht  heranziehen. 

So  weit  mir  bekannt,  stimmen  alle  Hochschulen  darin  überein, 
daß  die  Baumaterialienkunde  das  Lehrgebiet  einer  ausschlielUich  tech- 
nisch gebildeten  Persönlichkeit  ist.  Nun  haben  wir  gesehen,  daß  zum 
richtigen  Verständnis  der  pflanzlichen  Baumaterialien  ein  gewisses  Maß 
botanischer  Kenntnisse  erforderlich  ist.  Verfügt  der  Vortragende  über 
diese  Kenntnis,  so  kann  er  das  Gebiet  natürlich  ebenso  klar  behandeln 
wie  der  Fachmann.  Was  aber,  wenn  er  nicht  über  diese  Kenntnis 
verfügt?  Dann  wird  er  den  theoretischen  Teil  ganz  fallen  lassen  oder 
er  wird  ihn,  so  gut  er  kann,  an  der  Hand  eines  Lehrbuches  behandeln. 
Leider  sind  aber  diese  Lehrbücher,  wie  ich  später  noch  zeigen  werde, 
nach  dieser  Richtung  hin  durchaus  nicht  vorbildlich.  Daraus  ergibt  sich, 
daß  in  den  meisten  Fällen  die  theoretische  Ausbildung  des  Studierenden 
auf  dem  Gebiete  der  pflanzlichen  Baumaterialien  sehr  mangelhaft,  wenn 
nicht  gar  wertlos  ist.  Seine  Kenntnis  des  Holzes  wird  dann  nicht  über 
das  Niveau  des  Handwerkers  hinausgehen,  was  besonders  mit  Rücksicht 
auf  die  schädliche  Wirkung  der  holzzerstörenden  Pilze,  ihre  Bekämpfung 
und  die  Möglichkeit,  ihrer  Entwickelung  vorzubeugen,  zu  beklagen  ist. 
Übrigens  entspricht  es  augenscheinlich  nicht  den  Wünschen  technischer 
Kreise,  auf  diese  botanischen  Kenntnisse  zu  verzichten,  widmet  doch 
jedes  Lehrbuch  der  Baumaterialienkunde  diesem  Punkte  einen  kürzeren 
oder  längeren  Abschnitt.  Aber  diese  Literatur  läßt  gerade  das  Unzu- 
längliche des  Unterrichtes  in  der  Baumaterialienkunde  an  den  technischen 
Hochschulen  erkennen,  nicht  als  ob  alle  diese  Werke  von  Hochschul- 
professoren herrührten,  sondern  weil  die  Verfasser  mit  ihrer  fachlichen 
Bildung  in  der  technischen  Hochschule  wurzeln.  Die  Art,  wie  hier  die 
Baumaterialienkunde  behandelt  wurde,  wird  für  sie  vorbildlich  sein,  und 
die  Ansprüche,  welche  sie  an  die  Darstellung  der  pflanzlichen  Verhält- 
nisse stellen,  wird  sich  nach  dem  Maß  botanischer  Erkenntnis  richten, 
welche  sie  auf  der  Hochschule  gewonnen  haben.  Von  allen  Autoren 
darf  man  annehmen,  daß  sie  ihrer  Meinung  nach  in  diesen  Abschnitten 
etwas  Richtiges  und  den  Zwecken  Entsprechendes  gegeben  haben.  Auch 
tritt  meistens  deutlich  das  Bestreben  zutage,  etwas  Gutes  zu  leisten. 
Wenn  dennoch  diese'  Bestrebungen  nicht  von  Erfolg  gekrönt  sind,  so 
daß  man  sich  die  Frage  vorlegen  muß,  ob  es  nicht  richtiger  wäre,  ganz 
auf  diese  Kenntnisse  zu  verzichten,  anstatt  das  Gedächtnis  mit  totem 
botanischen  Wissen  zu  beschweren,  so  muß  das  einen  tieferen  Grund 
haben.     Mir  scheint  er  in  der  mangelnden  Anschauung  zu  liegen,  gründet 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  9 

sich  doch  unsere  Wissenschaft  auf  die  Anschauung;  und  wenn  diese 
unmittelbare  Anschauung  fehlt,  mag  es  nicht  leicht  sein,  aus  den  bota- 
nischen Lehrbüchern  eine  anschauliche  Vorstellung  von  dem  Aufbau  der 
Pflanze  zu  gewinnen.  Jedenfalls  vermisse  ich  eine  solche  in  allen 
Werken  über  BaumateriaUenkunde,  welche  ich  einzusehen  Gelegenheit 
hatte.')  Auch  das  bekannte  und  sonst  gewiß  empfehlenswerte  Werk  von 
Gottgetreu  macht  hiervon  keine  Ausnahme.  Die  verschiedenen  Dar- 
stellungen sind  untereinander  nur  graduell  unterschieden.  Überein- 
stimmend ist  in  allen  Werken  das  Kapitel  über  die  Fehler  und  Krank- 
heiten der  Hölzer  unzulänglich.  Ich  halte  die  Sache  für  wichtig  genug, 
um  noch  etwas  länger  dabei  zu  verweilen,  und  ich  möchte  einige  Bei- 
spiele anführen  als  Beweis  dafür,  daß  ich  nicht  übertreibe,  und  damit 
Sie  sehen,  wie  unsere  Wissenschaft  behandelt  um  nicht  zu  sagen  miß- 
handelt werden  kann. 

Der  „Katechismus  der  Baustofilehre"  von  Lange,  der  in  erster 
Linie  mit  Rücksicht  auf  den  Unterricht  an  Baugewerkschulen  abgefaßt 
ist,  seiner  Form  wegen  sich  aber  auch  als  Repetitorium  an  anderen 
Lehranstalten  eignen  dürfte,  enthält  über  das  Holz  nur  Folgendes: 

„Das  Holz  ist  ein  Baustoff  von  großer  Tragfähigkeit,  Zähigkeit 
und  Elastizität,  dabei  leicht  zerlegbar,  leicht  zu  bearbeiten  und  von  großer 
Feuerbeständigkeit,  dagegen  anderseits  der  Zerstörung  durch  Faulen 
ausgesetzt.  Es  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  Kohlenstoff,  W^asser- 
stoff  und  Sauerstoff.  Der  Zellstoff  (Cellulose)  besteht  aus  44  ^Iq  Kohlen- 
stoff, 6  °/o  Wasserstoff  und  50  °/o  Sauerstoff.  Außerdem  sind  im  Holz- 
stoff Eiweißkörper,  Stärke,  Dextrin,  Zucker,  Harze,  Öle,  Gerbsäure  vor- 
handen, allerdings  in  geringer  Menge.  Ein  mehr  oder  minder  großer 
Wassergehalt  ist  nicht  außer  acht  zu  lassen  (25 — 60  °/(j).  Das  Wachsen 
des  Holzes  geschieht  durch  Ansetzen  von  Zellen;  der  Baustoff  derselben 


1)  Gottgetreu,  Physische  und  chemische  Beschaffenheit  der  Bau- 
materialien, deren  Wahl,  Verhalten  und  zweckmäßige  Verwendung.  Ein  Hand- 
buch für  den  Unterricht  und  das  Selbststudium.     3.  Aufl.,  Berlin  1880. 

Sykyta,  Das  Holz,  dessen  Benennungen,  Eigenschaften,  Krankheiten 
und  Fehler.  Ein  Leitfaden  zum  leichten  Erkennen  einzelner  Holzarten  und 
eines  schadhaften  Holzes  für  Eisenbahn-,  Gruben-,  Forst-,  Holz-  und  Zivil- 
techniker sowie  Bau-  und  Zimmermeister.     Prag  1882. 

Lange,  Direktor  des  Technikums  der  freien  Hansestadt  Bremen,  Kate- 
chismus der  Baustofflehre.     Leipzig  (J.  J.  Weber)  1898. 

Nöthling,  Architekt  und  Oberlehrer  an  der  Kgl.  Baugewerkschule  zu 
Hildesheim,  Baustofflehre.  13.  Bd.  des  Handbuches  des  Bautechnikers,  eine 
übersichtliche  Zusammenfassung  der  an  Baugewerkschulen  gepflegten  tech- 
nischen Lehrfächer,  1904. 

Krüger,  Handbuch  der  Baustofflehre.  Wien,  Pest,  Leipzig  (A.  Hart- 
lebens Verlag)  1899,  2  Bde. 


^Q  A.  Wieler. 

ist  hauptsächlich  der  Kohlenstoff,  der  sich  mit  Sauerstoff  und  \\'asser- 
stoff  verbindet.  Allerdings  geht  bei  diesem  Bildungsvorgang  der  größte 
Teil  des  Sauerstoffes  in  die  Luft  über.  Die  Bildungselemente  entnimmt 
der  Baum  in  Form  von  Kohlensäure  aus  der  Luft  und  in  Form  von 
Wasser  aus  dem  Boden.  Die  Gefäße  setzen  sich  ringförmig  an,  daher 
die  sog.  Jahresringe,  die  als  Frühjahrsholz  sich  lockerer,  als  Herbstholz 
sich  dichter  ansetzen.  Nach  der  Höhe  des  Baumes  bilden  sich  völlige 
Kegel  aus.  Man  unterscheidet,  von  innen  nach  außen  Mark,  Kernholz, 
Splintholz,  Bast  und  Rinde.  Von  innen  gehen  nach  außen  Martstrahlen 
(Spiegel)  S.   124. 

Brüchiges  Holz  hat  sehr  breite  Jahresringe  mit  dünner  Wandung.  — 
Holzschwamm  ist  der  gefährlichste  Feind  des  Holzes;  er  entsteht  nament- 
lich, wenn'  nasses  Holz  ohne  Lichtzutritt  und  Luftwechsel  verlegt  wird" 
(S.  125). 

In  seiner  „Baustofflehre"  beschreibt  Nöthling  das  Holz  folgender- 
maßen: 

„Die  Hölzer  enthalten  nur  geringe  Bestandteile  aus  dem  Mineral- 
reiche (etwas  Kalk,  Kali,  Natron,  Phosphor,  Eisenoxyd  und  Kieselsäure), 
während  die  Hauptteile  organische  Stoffe  sind  (Zucker,  Stärke,  Pflanzen- 
eiweiß, Dextrin,  Zellulose,  Harze  usw.).  Die  organischen  Bestandteile 
sind  leicht  unter  dem  Einflüsse  des  Wassers  und  der  Wärme  zersetzbar, 
während  die  mineralischen  Bestandteile  nicht  zersetzbar  sind  und  beim 
Brennen  als  Asche  zurückbleiben. 

Die  Pflanze  besteht  aus  Zellen  von  verschiedener  Gestalt  und  Be- 
schaffenheit, welche  sich  zu  Rinde,  Bast,  Holz  und  Blättern  zusammen- 
fügen. Die  Zelle  ist  ein  mikroskopisch  kleines  Bläschen  von  Walzen- 
foi'm,  von  einer  feinen  Haut  (Zellmembran)  umschlossen  und  mit  einer 
wässerigen  Flüssigkeit  (dem  Zellsaft)  gefüllt.  Eine  große  Zahl  von 
gleichartigen  Zellen  schließt  sich  zusammen  zu  Zellgeweben.  Man  unter- 
scheidet: Bildungszellgewebe  und  Dauerzellgewebe.  Das  Bildungszell- 
gewebe (Kambium,  Verdickungsring,  Ernährungsring)  bewirkt  das 
Wachstum  der  Pflanze,  indem  die  Zellen  durch  Teilung  sich  fortwährend 
vermehren;  ein  Teil  der  neugebildeten  Zelle  wird  wieder  Bildungsgewebe 
und  setzt  die  Tätigkeit  des  Kambiums  fort,  ein  anderer  Teil  wird  Dauer- 
zellgewebe und  bildet  Holz,  Rinde,  Bast  usw.  Die  Zellen  des  Dauer- 
gewebes teilen  sich  nicht  weiter,  sie  wachsen  nur,  indem  sich  aus  dem 
Zellsafte  neuer  Zellenstoff  bildet. 

Das  Holz  setzt  sich  aus  einer  zahllosen  Menge  langgestreckter 
Holzzellen  zusammen,  deren  Wandungen  durch  Bildung  neuer  Ver- 
dickungsschichten  immer  stärker  werden  und  zwar  auf  Kosten  des 
inneren  Hohlraumes.    Letzterer  verliert  zuletzt  den  Zellsaft;  dann  erlischt 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  11 

die  Lebenstätigkeit  der  Zelle  und  das  Holzzellgewebe  hat  die  Grenze 
seines  Wachstums  erreicht,  ist  reifes  Holz,  Kernholz,  geworden,  während 
das  unreife,  noch  in  der  Bildung  begriffene  Holz  Splintholz  genannt 
wird.     Zur  Bildung  des  Kernholzes  gehört  eine  Reihe  von  Jahren. 

Betrachtet  man  den  Querschnitt  (Hirnschnitt)  eines  jungen  Zweiges, 
so  zeigen  sich  verschiedene  Zellgewebe:  in  der  Mitte  das  Mark,  von 
diesem  radial  ausgehend  die  Markstrahlen,  beide  aas  Holzzellen  bestehend. 
Außen  zeigt  sich  das  Kambium,  welches  nach  der  Mitte  hin  Holz- 
zellen, nach  außen  hin  Bast-  und  Rindenzellen  bildet.  Die  Bildung  von 
Holzzellen  aus  dem  Kambium  beginnt  im  Frühjahre  und  dauert  bis  zum 
Herbst;  die  im  Frühjahr  gebildeten  Holzzellen  sind  weiter  und  größer, 
die  im  Sommer  gebildeten  kleiner  und  enger.  Die  Gesamtheit  der  in 
einem  Jahre  gebildeten  Zellen  heißt  ein  Jahresring.  In  jedem  Jahres- 
ringe zeigt  sich  eine  weniger  dichte  Schicht,  das  Frühlingsholz,  und 
eine  dichtere  Schicht,  das  Herbstholz;  beide  Schichten  sind  auch  meist 
durch  die  Farbe  kenntlich  und  darum  leicht  von  einander  zu  unterscheiden. 
Je  mehr  die  Jahresringe  des  Holzes  sich  einander  nähern,  desto  fester 
und  haltbarer  ist  das  Holz ;  zeigen  sich  zwischen  den  Jahresringen 
Risse,  so  ist  das  Holz  kern  faul   oder  kernschälig. 

Die  Textur  des  Holzes  wird  durch  die  verschiedene  Dichtigkeit 
der  Holzbündel  ungleichmäßig.  Die  Markstrahlen,  welche  sich  in  allen 
Jahresringen  neu  bilden,  sind  ebenfalls  von  verschiedener  Breite  und 
Höhe;  sie  vermindern  namentlich  die  Spaltbarkeit  des  Holzes  und  unier- 
-stützen  damit  den  Widerstand  gegen  Zerknicken.  Die  Markstrahlen 
zeigen  sich  besonders  deutlich  in  radialen  Spaltflächen,  in  denen  sie 
nach  Länge  und  Breite  bloßgelegt  werden,  und  heißen  auch  Spiegel- 
fasern." 

Aus  den  Merkmalen  zur  Unterscheidung  von  Laub-  und  Nadel- 
hölzern hebe  ich  folgende  hervor:  „Das  Holz  (der  Laubhölzer)  zeigt 
einen  zusammengesetzteren  Bau,  die  Holzfasern  liegen  nicht  so  parallel 
und  glatt  nebeneinander;  Markstrahlen  verschiedener  Höhe  und  Breite 
durchsetzen  die  Holzfaserbündel  und  beeinträchtigen  die  Spaltbarkeit." 
„Die  Nadelhölzer  zeichnen  sich  vor  den  Laubhölzern  aus  durch  die 
Harzgänge,  welche,  zwischen  den  Zellen  in  der  I^ängsachse  verlaufend, 
unregelmäßig  zerstreut  sind."  „Der  Hauptunterschied  zwischen  Laub- 
hülz  lind  Nadelholz  ist  der,  daß  Laubholz  einen  festen  Kern  und  eine 
weiche  Rinde  hat,  während  beim  Nadelholz  die  äußeren  Holzlagen  die 
festeren  sind"  (S.   137). 

Wie  schwer  es  ist,  falls  die  Anschauung  fehlt,  selbst  dann  funda- 

•  mentale  Fehler  zu  vermeiden,    wenn    der  Versuch    einer    erschöpfenden 

Darstellung    der  Entstehung    und    des  Baues  des  Holzes  gemacht  wird, 


12  A.  Wieler. 

geht  aus  dem  Krug  er  sehen  „Handbuch  der  Baustoff  lehre"  hervor. 
Ein  Beispiel  möge  zur  Illustrierung  des  Gesagten  genügen.  Es  ist  vom 
Dickenwachstum  des  Dikotylenstammes  die  Rede.  „Im  zweiten  Jahre 
des  Wachstums  schiebt  sich  zwischen  die  Holzkörper  und  die  mit  der 
Rinde  verbundene  Bastschicht  ein  neuer  Kreis  von  Gefäßbündeln  ein, 
im  dritten  Jahre  abermals  ein  neuer  Gefäl5bündelkreis  zwischen  Bast- 
schicht und  Holzkörper  des  zweiten  Kreises  und  so  fort,  so  daß  der 
Stamm  in  jeder  Vegetationsperiode  um  je  einen  Gefäßbündelkreis  wächst. 
Diese  auf  dem  Querschnitt  meist  deutlich  erkennbaren,  kontinuierlichen 
Ringe  werden  Holzringe  oder  Jahresringe  genannt  " 

So  ist  die  Literatur  beschaffen,^)  aus  welcher  die  Architekten  und 
Ingenieure  ihre  Kenntnis  über  die  pflanzlichen  Baumaterialien  schöpfen, 
und  dementsprechend  muß  der  Unterricht  sein,  den  sie  genießen  und 
eventueU  erteilen.  Dieser  Zustand  ist  sehr  bedauerlich  und  um  so  mehr, 
als  er  überhaupt  nicht  zu  bestehen  brauchte.  In  unserer  Zeit  der 
literarischen  Arbeitsteilung  hätte  es  bei  Herausgabe  von  Hand-  und 
Lehrbüchern  nahegelegen,  den  Botaniker  zur  Mitarbeit  heranzuziehen. 
Daß  man  das  nicht  getan  hat,')  während  der  eine  oder  andere  in 
chemischen  Dingen  die  Hilfe  des  Fachmanns  in  Anspruch  genommen 
hat,  bleibt  ein  vollkommener  Widerspruch,  wo  doch  bekannt  ist,  wie 
gering  die  Verbreitung  wirklicher  botanischer  Kenntnisse  und  richtiger 
Naturanschauung  ist.  Wie  niedrig  muß  man  in  manchen  Kreisen  unsere 
Wissenschaft  bewerten ! 

Der  akademische  Unterricht  in  der  Baumaterialienkunde  hätte  un- 
zweifelhaft gewonnen,    wenn  man  zum  theoretischen  Teil  den  Botaniker 


1)  In  der  Diskussion,  welche  sich  an  den  Vortrag  anschloJ3,  wurde  von 
Herrn  Professor  Fünfstück  von  der  Technischen  Hochschule  in  Stuttgart 
darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  es  auch  Werke  gäbe,  welche  die  hier  ge- 
rügten Mängel  vermieden  hätten.  Er  exemplifizierte  auf  das  Handbuch  der 
Architektur  imd  auf  Luegers  Lexikon  der  gesamten  Technik  und  ihrer  Hilfs- 
wissenschaften (1894 — 1899).  In  Band  1  der  1.  Abteilung  des  Handbuches  der. 
Architektur  (1883)  ist  „das  Holz"  von  Dr.  W.  F.  Exner  und  Gr.  Lauböck 
behandelt  (S.  159—179).  Diese  Abhandlung  ist  rein  deskriptiv  und  setzt,  die 
erforderlichen  botanischen  Kenntisse  voraus,  gehört  also  streng  genommen 
nicht  zu  der  von  mir  geschilderten  Kategorie  von  Darstellungen.  Das  Lexikon 
der  gesamten  Technik  und  ihrer  Hilfswissenschaften  behandelt  das  Gebiet 
alphabetisch  in  einzelnen  Artikeln.  Es  eignet  sich  deshalb  vorzüglich  als 
Nachschlagewerk,  dürfte  aber  schwerlich  die  Hand-  und  Lehrbücher  der  Bau- 
materialienkunde besonders  für  die  Studierenden  ersetzen  können.  Immerhin 
ist  der  Hinweis  auf  dies  Werk  gerechtfertigt,  indem  zur  Behandlung  botanischer 
Dinge  tatsächlich  der  Botaniker  hinzugezogen,  hier  also  das  Prinzip  befolgt 
worden  ist,  weh-hes  ich  oben  für  die  Hand-  und  Lehrbücher  der  Bauraaterialien- 
kunde  als  zweckmäßig  hingestellt  habe. 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  13 

herangezogen  hätte,  da  er  ja  in  ganz  anderer  Weise  über  das  erforder- 
liche Demonstrationsmaterial  verfügt  und  mit  Hilfe  des  Mikroskops  dem 
Zuhörer  tatsächlich  eine  Vorstellung  von  dem  Bau  und  der  Entstehung 
des  Holzes  verschaffen  kann. 

Gleichfalls  ungünstig,  wenn  auch  nicht  so  ungünstig  wie  bei  der 
Baumaterialienkunde,  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  Rohstofflehre.  Als 
besonderes  Lehrgebiet  ist  sie  nur  an  der  Technischen  Hochschule  zu 
Dresden  vertreten;  dort  wird  auch  eine  Prüfung  in  ihr  beim  Diplom- 
examen für  Betriebsingenieure  abgelegt,  für  ausreichende  botanische 
Bildung  ist  also  Sorge  getragen.  Die  Möglichkeit,  sieh  mit  diesem 
Gebiet  bekannt  zu  machen,  bietet  sich  den  Studierenden  an  der  Tech- 
nischen Hochschule  zu  Aachen,  wo  an  der  mit  ihr  verbandenen  Handels- 
hochschule Vorlesungen  über  Warenkunde  abgehalten  werden.  Ein  ein- 
leitendes Kolleg  belehrt  als  „biologische  Grundlagen  der  Warenkunde" 
über  die  zum  Verständnis  der  Rohstoffe  erforderlichen  Grundbegriffe  aus 
der  Botanik  und  Zoologie.  An  den  anderen  technischen  Hochschulen 
Deutschlands  wird,  soweit  mir  bekannt,  das  Gebiet  überhaupt  nicht 
doziert,')  höchstens  ein  einzelner  Abschnitt  von  einem  Privatdozenten-) 
gelesen,  während  an  den  Hochschulen  Österreichs  die  Rohstofflehre 
offizieller  Lehrgegenstand  ist.  An  unseren  deutsehen  Hochschulen  sind  die 
Studierenden  also  meistens  nur  auf  die  Mitteilungen  angewiesen,  welche 
sie  gelegentlich  der  Vorlesungen  über  mechanische  und  chemische 
Technologie  erhalten.  Unter  solchen  Umständen  werden  die  botanischen 
Beziehungen  keine  besondere  Pflege  finden,  die  Darstellung  wird  über 
das  rein  Deskriptive  schwerlich  hinausgehen,  die  anatomischen  Ver- 
hältnisse, namentlich  bei  den  Faserstoffen,  werden  kaum  die  gebührende 
Berücksichtigung  finden.  Die  Verwendung  des  Mikroskops  und  die 
Übung  in  der  mikroskopischen  Technik  bleiben  ausgeschlossen.  Dem 
Umstände  ist  es  unzweifelhaft  zuzuschreiben,  daß  sich  das  Alikroskop 
nicht  in  die  technischen  Betriebe  einbürgert,  wenn  es  auch  schon  lange 
als  wünschenswert  anerkannt  worden  ist,  wie  aus  dem  Kuhn  sehen 
Werk    über    Baumwolle^)    hervorgeht.     So    bleiben    denn    meistens    die 


1)  Wie  sich  aus  der  Diskussion  ergab,  wird  an  den  Technischen  Hoch- 
schulen zu  Stuttgart  und  München  ein  Praktikum  für  technische  Mikroskoi)ie 
abgehalten. 

2)  In  Hannover  werden  mit  Erfolg  einstündige  Vorlesungen  über 
„Unsere  Waldbäume",  „Holz  und  Holzarten"  und  „Besprechung  der  wichtigeren 
Nutzpflanzen  der  deutschen  Kolonien"  gehalten.  In  Darmstadt  wird  im  Winter 
zweistündig  über  ,, Technisch  wichtige  Rohstoffe  des  Pflanzenreiches"  gelesen 
und  im  Sommer  werden  einstündige  Übungen  dazu  abgehalten. 

3)  H.  Kuhn,  Die  Baumwolle,  ihre  Kultur,  Struktur  und  Verbreitung. 
Mit  1   kolor.  Abb.  u.  4  Tafeln.     Wien  1892. 


j^4  ^-  Wieler. 

Ingenieure,  welche  als  Betriebsingenieure  in  die  Praxis  gehen,  ohne 
entsprechende  botanische  Ausbildung,  während  die  Verhältnisse  für  die 
technischen  Chemiker  vielfach  günstiger  liegen.  An  manchen  Hoch- 
schulen wird  eine  gewisse  Ausbildung  in  der  Botanik  beim  Diplomexamen 
gefordert,  an  manchen  wird  die  Wahl  freigelassen  zwischen  Botanik 
und  anderen  Fächern.  Aber  wir  haben  auch  eine  Reihe  von  Hoch- 
schulen, wo  die  Botanik  als  Prüfungsfach  ganz  ausfällt  oder  höchstens 
als  Zusatzprüfung  möglich  ist.  Wo  die  Chemiker  sich  eine  botanische 
Ausbildung  aneignen,  haben  sie  die  erforderliche  Grundlage  für  das 
Verständnis  der  Rohstofflehre  gewonnen  und  können  sich  über  diese 
aus  der  Literatur  unterrichten.  In  den  W'erken  unserer  österreichischen 
Kollegen  wie  Wiesner,  v.  Höhnol,  Hanausek  u.  a.  m.  liegen  ja 
auch  vorzügliche  Arbeiten  vor,  während  die  rein  technologische  Literatur, 
den  Fluch  mangelhafter  botanischer  Ausbildung  mit  sich  schleppend, 
vielfach  unzulänglich  ist.  Das  bereits  erwähnte,  für  die  Verwendung 
des  Mikroskopes  in  der  Praxis  eintretende  Buch  von  Kuhn  über  die 
Baumwolle  ist  unklar  und  fehlerhaft,  wo  es  auf  die  Anatomie  der 
Pasern  zu  sprechen  kommt.  Und  dasselbe  gilt  auch  von  dem  erst  im 
Jahre  1902  auf  Veranlassung  der  Bremer  Baumwollbörse  herausgegebenen 
Buch  über  „Die  Baumwolle"  von  Oppel.')  Die  Abschnitte  über  Ana- 
tomie und  Entwickelungsgeschichte  der  Früchte,  Samen  und  Fasern  der 
Baumwolle  verraten  durchaus  ungenügende  botanische  Vorbildung. 
Wenn  nun  auch  dies  Werk  kaum  auf  das  Konto  der  Technik  kommt, 
so  legt  doch  der  Verfasser  technische  Werke  seiner  Darstellung  zugrunde 
und  muß  anderseits  wesentlich  auf  die  technischen  Kreise  als  Leser 
gerechnet  haben.  Insofern  spiegelt  auch  dies  Werk  die  botanischen 
Kenntnisse  der  technischen  Kreise  wieder. 

Die  technische  Mykologie  ist  als  besonderes  Lehrgebiet  nur  an 
den  wenigsten  technischen  Hochschulen  Deutschlands  vertreten,  in 
Danzig^)  und  München  durch  Ordinariate  mit  Rücksicht  auf  die  land- 
wirtschaftlichen Nebengewerbe  und  in  Hannover  durch  eine  Dozentur. 
Hier  wird  „Hefe  und  Alkoholgärung"  einerseits  und  „technische  Bakte- 
riologie" anderseits  von  botanischen  Gesichtspunkten  gelesen.  Sonst 
werden  diese  Gebiete  in  der  chemischen  Technologie,  in  der  Hygiene 
und  eventuell  in  den  Ingenieurwissenschaften  an  entsprechender  Stelle 
behandelt.     Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  daß  diese  Behandlung  nur 


1)  Die  Baumwolle  nach  Geschichte,  Anbau,  Verarbeitung  und  Handel 
sowie  nach  ihrer  Stellung  im  Volksleben  und  in  der  Staatswirtschaft.  Leipzig, 
Duncker  &  Humblot,  1902. 

^)  Wie  mir  infolge  des  Vortrages  mitgeteilt  wird,  soll  dies  Ordinariat  zu 
einer  Dozentur  herabtre drückt  werden. 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  15 

eine  kurze  und  knappe  sein  kann,  und  daß  die  entsprechende  Vertiefung 
des  Verständnisses  für  biologische  Vorgänge  auf  diese  Weise  schwerlich 
erreicht   wird.     Auch    dürfte    die    Bakteriologie,    soweit    sie   von    einem 
Mediziner  behandelt  wird,  nach  der  technischen  Seite  zu  kurz  kommen. 
Die  ungenügende  Berücksichtigung  der  Botanik  oder   richtiger  ge- 
sagt der  Botaniker    von   selten    der    technischen   Hochschulen   hat  noch 
einen   weiteren  Nachteil   für   die  Technik   im  Gefolge,    nämlich  den,  daß 
die  Pflege  und  Erforschung  der  erwähnten  Gebiete  unterbleibt,  denn  die 
Botaniker  an  den  technischen  Hochschulen  wären  die  berufensten  dazu. 
Ich  glaube  niemandem  zu  nahe  zu  treten,   wenn  ich  behaupte,  daß  von 
selten  der  Botaniker  an  unseren  technischen  Hochschulen  die  genannten 
Disziplinen  keine  oder  nur  geringe  Förderung  erfahren  haben.     Es  kann 
das  aber    auch    nicht    überraschen,    bestätigt  es   doch   nur   die  alte  Er- 
fahrung,    daß    zwischen    der    Lehrtätigkeit    und    der    Forschung    eine 
Wechselwirkung  besteht.     Wie   soll   der   Botaniker   dazu   kommen,    sich 
ohne  Anstoß   von  außen,    mit  der  Baumaterialien-   oder  Rohstoff  lehre  zu 
befassen?     Welcher  Anstoß  würde  aber  so  mächtig  und  nachhaltig  sein 
wie   der  Zwang,    die  Materie   für  Techniker   vorzutragen.     Alsdann   erst 
nimmt   man    die   vorhandenen  Lücken    wahr,    lernt  man    die  Bedürfnisse 
der  Technik  verstehen  und  verfolgt   die   feineren  Beziehungen  zwischen 
ihr  und   der  Wissenschaft.     Eine   systematische   Pflege   der   technischen 
Botanik  ist    meines  Erachtens    erst    möghch,    wenn    man    die  Botaniker 
zu    der    Lehrtätigkeit     heranzieht     und     sie     so    stellt,     daß     sie    ihre 
Arbeitskraft    tatsächlich    der    Lösung    einschlägiger    Probleme     widmen 
können.     Heute  liegt  das  Schwergewicht  ihrer  Tätigkeit  an  den  meisten 
technischen   Hochschulen   in    der  Lehrtätigkeit   für  Pharmazeuten,  Land- 
wirte   und    Forstwirte    oder    in    einer    anderen   hauptsächlichen  Neben- 
beschäftigung, oder  die  Lehrkräfte  sind  nebenamtlich  angestellt,  oder  ihre 
Stellung  ist  derartig,  daß  der  Selbsterhaltungstrieb  sie  zwingt,  sich  nach 
der  Lehrtätigkeit  an  einer  anderen  Anstalt  zu  sehnen.     Mit  dieser  Forde- 
rung will  ich  nicht  etwa  dem  Gedanken  das  Wort  reden,  dem  Botaniker 
an  der  technischen  Hochschule  seine  Forschungsrichtung  vorzuschreiben, 
vielmehr    soll   jeder    meines  Erachtens    nach  seinem   eigenen   Ingenium 
folgen.     Aber    es    bestehen    viele   Brücken    zwischen    der    theoretischen 
und   technischen   Botanik,    die   leicht   zu   einer  Pflege   der  letzteren   hin- 
führen,   namentUeh    wenn    eine    lehrende  Tätigkeit   auf    diesem  Gebiete 
hinzutritt.     Auch    wird  man    nicht    erwarten  dürfen,    daß   sich  jeder  in 
allen  Zw^eigen  der  technischen  Botanik  forschend  betätigen  wird,  sondern 
es   wird   auch   hier  eine   gesunde  Arbeitsteilung  Platz   greifen,    während 
die  Lehrtätigkeit    sich  namentlich  an  kleineren   technischen  Hochschulen 
auf  alle  erstrecken  kflnnte. 


IQ  A.  Wieler. 

Ob  in  dem  Persönlichen  in  absehbarer  Zeit  eine  Änderung  zu  er- 
warten ist,  muß  dahingestellt  bleiben  und  wird  zum  Teil  davon  abhängen, 
wie  sich  die  Fachgenossen  selbst  dazu  stellen.  Mehr  Aussicht  auf  Ver- 
wirklichung scheint  mir  der  Plan  zu  haben,  die  technische  Botanik  in 
den  Unterrichtsbetrieb  hineinzuziehen,  bzgl,  stärker  zu  betonen.  Aller- 
dings steht  derselbe  an  den  technischen  Hochschulen  unverkennbar  im 
Zeichen  der  Konzentration.  Auch  wird  jede  Vermehrung  der  Fächer 
oder  auch  nur  der  Stundenzahl  störend  empfunden.  Dem  müßte  man 
natürlich  Rechnung  tragen.  Man  müßte  davon  Abstand  nehmen,  den 
Unterricht  so  zu  gestalten,  wie  wir  ihn  von  der  Universität  her  gewöhnt 
sind,  also  eine  breite  botanische  Basis  zu  bieten,  etwa  in  der  Vorlesung 
über  allgemeine  Botanik,  auf  welche  sich  dann  die  Behandlung  der 
speziellen  Gebiete  aufbauen  würde.  Man  müßte  den  umgekehrten 
Gang  gehen,  bei  Abhandlung  der  speziellen  Gebiete  müßte  man  die 
einschlägigen  allgemeinen  Begriffe  und  Vorstellungen  erläutern.  Nur 
für  den  technischen  Chemiker  würde  ich  eine  tiefere  theoretische 
Bildung  für  wünschenswert  erachten,  und  ich  würde  es  für  durchaus 
berechtigt  halten,  von  ihm  eine  obligatorische  Beschäftigung  mit  der 
Botanik  zu  verlangen.  Wer  sich  dem  Studium  der  Naturwissen- 
schaften widmet,  sollte  auch  Gelegenheit  nehmen,  einen  Einblick  in  die 
biologischen  Wissenschaften  zu  erhalten,  wo  der  innere  Zusammenhang 
zwischen  allen  naturwissenschaftlichen  Disziplinen  durch  die  Forschung 
immer  mehr  hervortritt. 

Die  Beteiligung  des  Botanikers  an  den  Vorlesungen  über  Bau- 
materialienkunde denke  ich  mir  so,  dal5  man  dies  Kolleg  um  eine  be- 
stimmte Anzahl  von  Stunden  kürzt,  welche  dem  Botaniker  zuzuweisen 
wären,  damit  er  die  Entstehung  und  den  anatomischen  Charakter  des 
Holzes,  die  Stammpflanzen  des  Holzes  und  die  Holzkrankheiten  behandelt. 
Allerdings  müßte  man  einen  Modus  finden,  daß  diese  Vorlesungsstunden 
auch  besucht  würden.  Die  hier  erhobene  Forderung,  die  botanische 
Grundlage  der  Baumaterialienkunde  von  dem  Botaniker  lesen  zu  lassen, 
steht  nicht  ohne  Analogen  da.  Die  erforderlichen  chemischen,  minera- 
logischen und  geologischen  Kenntnisse  erwirbt  sich  der  Studierende 
beim  Chemiker,  Mineralogen  und  Geologen.  Auch  müßte  mein  Vorschlag, 
sollte  man  denken,  von  den  Dozenten  für  Baumaterialien  als  eine  an- 
genehme Entlastung  empfunden  werden.  Für  die  technische  Mykologie  würde 
ich  zwei  einstündige  Vorlesungen  vorschlagen  —  erst  die  Erfahrung 
kann  darüber  entscheiden,  wie  viel  Zeit  für  dieses  Gebiet  erforderlich 
ist.  In  dem  einem  Kolleg  sollten  die  allgemeinen  biologischen  Grund- 
lagen für  das  Verständnis  der  Mikroorganismen  und  diejenigen  speziellen 
Abschnitte   gegeben   werden,   welche  für   alle   beteiligten  Kreise  von  Be- 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  17 

deutung  sind.  Hier  wäre  auch  die  Abwässerfrage,  die  Sandfiltration, 
die  Selbstreinigung  der  Flüsse,  die  Röste  usw.  zu  behandeln.  Den 
Gegenstand  des  zweiten  Kollegs  würden  die  speziellen  auf  der  Tätigkeit 
von  Mikroorganismen  beruhenden  Betriebe  bilden.  Die  Abgrenzung 
beider  Vorlesungen  müßte  sich  aus  dem  praktischen  Bedürfnis  ergeben. 
Das  erste  Kolleg  wäre  für  die  technischen  Chemiker,  die  Betriebs- 
ingenieure und  die  Tiefbauingenieure,  das  zweite  Kolleg  für  die  tech- 
nischen Chemiker  bestimmt.  Auch  sollte  Gelegenheit  zu  bakteriologischen 
Übungen  und  eventuell  auch  zu  solchen  über  Gärungsorganismen  ge- 
geben werden. 

Am  schwierigsten  scheint  mir  die  Gestaltung  eines  zweckent- 
sprechenden Unterrichtes  in  der  Rohstofflehre  zu  sein,  wenn  er  als  Er- 
gänzung zu  den  Vorlesungen  über  mechanische  und  chemische  Techno- 
logie gedacht  ist,  und  wenn  ein  möghchst  geringes  Maß  von  Zeit  darauf 
verwandt  werden  soll.  Neben  der  Vermittelung  des  botanischen  Ver- 
ständnisses und  der  botanischen  Kenntnisse  wäre  auch  dafür  zu  sorgen, 
daß  die  Studierenden  durch  eigene  Anschauung  eine  Vorstellung  von 
den  Rohstoffen  und  ihren  Eigenschaften  gewännen,  also  gleichzeitig  in 
der  Handhabung  des  Mikroskops  unterwiesen  würden.  Es  handelt  sich 
also  um  eine  Verbindung  von  Vortrag  und  Übungen.  Vielleicht  ließe 
sich  der  Unterricht  am  besten  so  gestalten,  daß  die  mikroskopische 
Beobachtung  in  den  Mittelpunkt  gerückt  und  an  sie  die  theoretische  Er- 
örterung geknüpft  würde. 

Meine  Vorschläge  für  die  technische  Mykologie  und  die  Rohstoft'- 
lehre  sollen  nur  die  Mindestforderungen  enthalten.  Wo  die  Aufgaben 
und  die  Organisation  einer  Hochschule  einen  weiteren  Ausbau  dieser 
Gebiete  ermöglichen  oder  fordern,  wird  ja  leicht  hinsichtlich  des  Maßes 
und  des  Umfanges  der  Vorlesungen  und  Übungen  das  Richtige  getroffen 
werden,  es  erübrigt  sich  demnach,  an  dieser  Stelle  näher  darauf  ein- 
zugehen. 

In  meinen  bisherigen  Erörterungen  habe  ich  mich  darauf  beschränkt, 
die  Beziehungen  zwischen  der  Botanik  und  der  Technik  darzulegen, 
welche  sich  ohne  weiteres  dem  Botaniker  aufdrängen;  ich  muß  nun  aber 
noch  zrsveier  Beziehungen  gedenken,  auf  welche  von  anderer  Seite  auf- 
merksam gemacht  wird. 

Die  eine  dieser  Beziehungen  spricht  sich  in  einer  Forderung  der 
Diplomprüfungs-Ordnung  der  Technischen  Hochschule  zu  Aachen  für  die 
Ingenieure  des  Wasserbaues  aus ;  vermutüch  gilt  sie  für  alle  technischen 
Hochschulen  Preußens.  Danach  sollen  bei  der  Hauptprüfung  eingehend 
Boden-  und  Pflanzenkunde  geprüft  werden.  Zum  ersten  Male  erleben 
wir    es    hier,    daß   die  Bedeutung   der    Botanik   für   die  Technik  gerade 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  ßot.anik    V.  — 


13  A.  Wieler. 

von  dieser  anerkannt  wird  und  infolge  dessen  eine  Beschäftigung  mit 
ihr  von  seiten  der  Studierenden  gefordert  wird.  Man  iiat  es  aber 
scheinbar  nirgends  für  nötig  erachtet,  den  einschlägigen  botanischen 
Unterricht  dem  Botanilier  zu  übertragen.  Deshalb  ist  einstweilen  auch 
noch  nicht  ersichtlich,  was  die  Prüfungsordnung  unter  „Pflanzenkunde" 
versteht.  Es  darf  wohl  etwas  mehr  dahinter  gesucht  werden  als  die 
bloße  Kenntnis  einiger  Pflanzennamen;  nach  der  physiologischen  und 
ökologischen  Seite  dürfte  eine  Vertiefung  zu  erwarten  sein,  dafür  spricht 
schon  die  Zusammenstellung  mit  der  Bodenkunde  in  der  Prüfungs- 
ordnung. 

Auf  die  zweite  Beziehung  unserer  Wissenschaft  zur  Technik  wird 
von  forstlicher  Seite  hingewiesen.  Es  sind  das  die  Hüttenrauchschäden,, 
die  ihrer  Natur  nach  ein  pflanzenphysiologisches  Problem  sind  und  des- 
halb auch  nur  aus  der  Natur  der  Pflanze  verstanden  und  gewürdigt 
werden  können.  Auf  dem  internationalen  landwirtschaftlichen  Kongreß- 
in Wien  in  diesem  Frühjahr  hat  der  als  Rauchschadensachverständiger 
wohlbekannte  Oberforstrat  Karl  Reuß  in  Dessau  die  „Maßnahmen  gegen 
die  Ausbreitung  von  Hüttenrauchschäden  im  Walde"  besprochen.  Nach 
ihm  ist  ein  Eingreifen  durch  weitere  gesetzliche  Maßnahmen  überflüssig; 
die  bestehenden  Vorschriften  würden  vollständig  ausreichen,  um  die 
Hüttenrauchschäden  einzudämmen,  wenn  nur  nicht  ihre  Handhabung 
ungenügend   wäre. 

„Nicht  das  Gesetz",  sagt  er,  „sondern  eine  unrichtige  und  unge- 
nügende Anwendung  hat  die  Ausdehnung  der  Schäden  veranlaßt."'  Da 
sich  weder  die  die  Betriebe  genehmigenden  Behörden  noch  die  Gewerbe- 
aufsichtsbeamten der  vollen  Tragweite  der  schädigenden  Wirkung  der 
sauren  Gase  bewußt  sind,  ihr  Verantwortlichkeitsgefühl  auch  nicht  durch 
die  sich  oft  widersprechenden  Sachverständigen-Gutachten  geschärft  Avird, 
werden  die  Vorschriften  nicht  mit  der  nötigen  Strenge  gehandhabt.  „Der 
allgenieine  Mangel  an  Sachverstand  ist  vor  allem  anderen  die  Ursache 
der  Ausdehnung  unserer  Waldschäden."  Zur  Beseitigung  dieses  Mangels 
fordert  Reuß,  daß  an  geeigneten  Hochschulen  ein  Lehrstuhl  für  Hütten- 
rauchkunde errichtet  werde,  „damit  Gelegenheit  geboten  ist,  Sachver- 
ständige und  Gewerbeaufsichtsbeamte  im  Erkennen  und  Beurteilen  der 
Rauchschäden  und  der  dagegen  anzuwendenden  Mittel  besser  auszubilden 
als  bisher".  Solche  Professuren  würden  naturgemäß  auch  die  Forschung 
auf  diesem  Gebiete  wesentlich  fördern,  aus  welchem  Grunde  der  Vor- 
schlag gleichfalls  dankend  zu  begrüßen  sein  würde.  Sollte  er  einmal 
verwirklicht  werden,  so  könnten  für  diese  Professuren  nur  die  technischen 
Hochschulen  in  Frage  kommen,  denn  hier  studieren  die  eigentlichen 
Interessenten    an    der  Frage.     Ihr  Kreis    ist    aber    viel   bedeutender  als. 


Die  Beziehungen  der  Botanik  zur  Technik.  1^9 

Reuß  annimmt.  Auch  die  Hüttenleute  und  technischen  Chemiker,  die 
eigentlichen  Leiter  der  schädigenden  industriellen  Unternehmungen  sollten 
sich  mit  dem  Sachverhalt  vertraut  machen.  Nicht  minder  kann  man 
den  Architekten  und  Ingenieuren,  welche  in  den  kommunalen  Dienst 
übertreten  wollen,  empfehlen,  sich  über  die  Wirkungen  des  Hüttenrauches 
und  des  Steinkohlenrauches  auf  die  Gesundheit  der  Menschen  und  auf 
die  Vegetation  klar  zu  werden.  Liegt  es  auch  nicht  im  Interesse  der 
Städte,  die  Industrie  aus  ihren  Mauern  auszuschließen,  so  sollten  sie 
es  sich  doch  angelegen  sein  lassen,  ihre  schädigende  Wirkung  möglichst 
einzuschränken.  Ein  Mittel  dazu  ist  in  der  Anlage  der  Städte  geboten, 
indem  man  die  Industrie  so  lokalisiert,  daß  die  vorherrschenden  Winde 
den  Rauch  nicht  über  die  Stadt  treiben  können,  wie  es  bereits  in  einigen 
Städten  Rheinland-Westfalens  geschehen  sein  soll. 

Meine  Darlegungen  haben  Sie.  wie  ich  hoffe,  davon  überzeugt, 
daß  die  Beziehungen  zwischen  der  Botanik  und  der  Technik  mannig- 
faltig sind,  viel  mannigfaltiger  als  von  vorneherein  erwartet  werden 
sollte,  und  daß  es  sowohl  im  Interesse  der  Wissenschaft  wie  der  Tech- 
nik bzw.  ihrer  Vertreter  liegt,  sie  in  höherem  Maße  als  bisher  zu  pflegen. 


20  ^-  Gilg. 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  und  ihre 
Vertretung  an  den  deutschen  Hochschulen. 

Vou 
Ernst  Oilg,  E)ahleni  bei  Berlin. 

Als  ich  vor  einigen  Jahren  nach  dem  Tode  des  Prof.  Gareke 
das  Lehrfach  der  Pharmiikognosie  an  der  Berliner  Universität  übernahm, 
war  mir  mein  Lehrgegenstand  nicht  neu.  Ich  hatte  schon  seit  etwa 
zehn  Jahren  mikroskopische  Kurse  abgehalten,  in  welchen  die  Drogen 
in  erster  Linie  berücksichtigt  wurden,  hielt  auch  schon  viele  Semester 
Vorlesungen  über  die  Anatomie  der  Drogen.  Und  doch  war  mir  zu- 
nächst die  Entscheidung  sehr  schwer,  wie  weit  ich  meine  Disziplin 
fassen  solle,  was  wirklich  zur  Pharmakognosie  gehöre. 

Denn  über  dieses  Gebiet  schien  ein  leichter  Schleier  gebreitet,  es 
war  sehr  schwierig,  fast  unmöglich,  zu  erfahren,  wie  Pharmakognosie 
an  den  verschiedenen  deutschen  Hochschulen  gelehrt  wurde,  und  die 
dürftigen  Angaben,  die  ich  erhielt,  zeigten  mir  deutlich,  daß  nirgends 
eine  Übereinstimmung  bestand,  daß  keine  Klarheit  darüber  herrschte, 
was  Pharmakognosie  eigentlich  ist  und  welche  Bedeutung  ihr  im 
Studium  des  Pharmazeuten  zukommt. 

Nachdem  ich  mir  durch  langwierige  Umfragen  an  den  einzelnen 
Hochschulen  das  notwendige  Material  gesammelt  hatte,  hielt  ich  Ende 
des  vorigen  Jahres  vor  der  Deutschen  Pharmazeutischen  Gesellschaft 
einen  Vortrag  über  „die  Ausbildung  des  studierenden  Pharmazeuten  in 
der  Pharmakognosie  an  den  deutschen  Hochschulen",')  in  dem  ich  haupt- 
sächlich drei  Fragen  zu  beantworten  suchte,  nämlich: 

1.  wie  ist  heutzutage  der  BegrifT  Pharmakognosie   zweckmäßig  zu 
umgrenzen?, 

2.  wie  wird  gegenwärtig  an    den  deutschen  Hochschulen  Pharmako- 
gnosie gelehrt?, 

3.  wie  sollte  Pharmakognosie  gelehrt  werden? 

Zu  diesem  Vortrag  sind  schon  sehr  zahlreiche  Äußerungen  er- 
schienen, welche  teils  unbedingt  zustimmend,  teils  mehr  oder  weniger 
ablehnend   lauteten,   durch    die   aber  auf  alle  Fälle   unsere  Kenntnis  der 


1)  Ber.  d.  Dtsch.  Pharmazeut.  Gesellsch.  XVI  (1906).  p.  414—440. 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  21 

einschlägigen  Verhältnisse  ganz  erheblich  gefördert  wurde.')  Und  so  sei 
mir  gestattet  hier  nochmals  die  Pharmakognosiefrage  kurz  im  Zusammen- 
hange darzustellen,  wobei  sich  allerdings  nicht  vermeiden  lassen  wird, 
daß  ich  manches  —  teilweise  wörtlich  —  wiederhole,  was  ich  in  meinem 
früheren  Vortrag  schon  ausgesprochen  habe. 

Von  dem  ursprünglich  einheitlichen  Gebiet  der  Lehre  von  den 
Heilmitteln  trennte  sich  in  Deutschland  sehr  frühzeitig  die  Pharmako- 
logie, die  Lehre  von  der  Wirkung  der  Heilmittel,  als  selbständige 
Disziplin  ab,  die  naturgemäß  dem  Mediziner  zufiel,  während  sie  für  den 
Pharmazeuten  nicht  von  Wichtigkeit  ist.  Als  dann  im  Laufe  der  letzten 
zwanzig  Jahre  infolge  des  gewaltigen  Aufschwunges  der  Chemie  mehr 
und  mehr  Heilmittel  rein  chemischer  Natur  auftauchten,  als  auch  die 
sog.  „wirksamen  Substanzen"  der  Drogen  rein  dargestellt  und  ange- 
wendet wurden,  trat  ziemlich  allgemein  eine  zweite  Spaltung  ein:  die 
pharmazeutische  C-hemie  wurde  zu  einer  besonderen,  sehr  durch- 
j;,ebildeten  Disziplin,  während  der  Rest  der  ursprünglichen  Lehre  von 
den  Heilmitteln,  das,  was  man  jetzt  allgemein  als  Pharmakognosie 
bezeichnet,  nur  noch  gefaßt  wurde  als  die  Lehre  von  der  äußeren 
Gestalt  der  Drogen,  fast  allgemein  als  ein  Lehrgebiet  zweiten  Ranges 
eingeschätzt  und  an  vielen  Hochschulen  kaum  noch  oder  doch  nur  sehr 
ungenügend  gelehrt  wurde. 

Leider  —  und  mir  ganz  unbegreiflich  —  blieb  diese  Bewertung 
der  Pharmakognosie  auch  noch  erhalten,  als  sich  die  Verhältnisse  im 
Apothekenwesen  ganz  wesentlich  änderten,  als  der  Apotheker  immer 
seltener  und  seltener  die  verhältnismäßig  leicht  kenntlichen  Ganzdrogen 
bezog,  sondern  an  ihrer  Stelle  Drogen  in  stark  zerkleinerter  oder  sogar 
in  Pulverform  in  die  Offizin  einführte.  Dadurch  mußte,  da  der  Pharma- 
zeut auf  der  Universität  nicht  gründlich  genug  durchgebildet  wurde,  der 
unbefriedigende  Zustand  entstehen,  daß  der  Apotheker  selbst  nicht  mehr 
imstande  war,  für  die  Reinheit  seiner  Drogen  einzustehen,  sondern  mehr 
oder  weniger  vollständig  auf  die  Zuverlässigkeit  seiner  Bezugsquellen, 
der  Großdrogenhäuser,  angewiesen  war.  Um  nur  ein  Beispiel  für  diesen 
das  Ansehen  des  Apothekerstandes  schwer  schädigenden  Zustand  anzu- 
führen, sei  auf  eine  vor  kurzem  erschienene  Mitteilung  des  Grazer 
Pharmakognosten  Möller  hingewiesen,  wonach  in  einer  Anzahl  Apotheken 
an  Stelle  von  Digitalis -Blättern  die  vollständig  unwirksamen  Verbascum- 
Blätter  geführt  wurden. 

Diesem  unleidlichen  Mißstande  hat  denn  auch  das  neue  Deutsche 
Arzneibuch,  IV.  Ausgabe,  Rechnung  getragen.     Wir  finden  hier  bei  fast 


')  Auf  diese  Äußerungen  werde  ich  an  anderer  Stelle    ausführlicher  ein- 
gehen. .         . 


22  E-  ^'^^s- 

allen  Drogen  neben  einer  makroskopischen  Schilderung  auch  eine  mehr 
oder  weniger  ausführliche  mikroskopische  Beschreibung  als  Prüfungs- 
merkmal  beigegeben,  und  deshalb  hat  der  Lehrer  der  Pharmakognosie 
die  Aufgabe,  dafür  zu  sorgen,  daß  der  Studierende  die  Methoden  der 
mikroskopischen  Untersuchung  der  Drogen  kennen  lernt  und  sie  voll- 
ständig beherrscht. 

Wir  haben  also  gesehen,  daß  im  allgemeinen  an  den  deutschen 
Hochschulen  die  ursprünglich  einheitliche  Lehre  von  den  Heilmitteln  in 
drei  Disziphnen  aufgeteilt  wurde,  die  Pharmakologie,  die  Pharmako- 
chemie  und  die  Pharmakognosie,  die  ganz  naturgemäß  von  einem 
Mediziner,  einem  Chemiker  und  einem  Botaniker  vertreten  wurden. 
Daß  es  von  dieser  Regel  noch  einige  wenige,  durch  besondere  Verhält- 
nisse bedingte  Ausnahmen  gibt,  kommt  für  unsere  Betrachtung  nicht 
in  Frage.  In  meinem  früheren  Vortrag  habe  ich  schon  ausgeführt, 
daß  die  geschilderte  Entwickelung  ganz  außerordentlich  zu  begrüßen 
ist,  daß  es  als  rückständig  betrachtet  werden  muß,  wenn  an  einzelnen 
Hochschulen  noch  zwei  dieser  Disziplinen  von  einem  und  demselben 
Lehrer  vertreten  werden,  also  etwa  Pharmakologie  und  Pharmakognosie 
oder  aber  Pharmakochemie  und  Pharmakognosie.  Es  verdient  deshalb 
als  eine  sehr  bedauerliche  Tatsache  hervorgehoben  zu  werden,  daß 
neuerdings  in  Freiburg  i.  B.  das  Lehrfach  der  Pharmakognosie  mit  dem 
der  Pharmakologie  verknüpft  wurde.  Die  einzelnen  Zweige  der  Natur- 
wissenschaften, wie  z.  B.  die  Chemie  und  die  Botanik,  sind  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  so  ausgebaut  und  vertieft  worden,  daß  die  ange- 
strengteste Arbeit  eines  Menschen  dazu  gehört,  um  einen  vollen  Über- 
blick über  eine  derselben  zu  erhalten  und  zu  behalten.  Ja  auch  die 
Disziplinen  Pharmakologie,  Pharmakochemie  und  Pharmakognosie  haben 
schon  eine  solche  Selbständigkeit  erlangt,  verlangen  eine  so  vertiefte 
Ausbildung  und  selbständige  Arbeit,  daß  jede  einzelne  reichUch  im- 
stande ist,  das  Forschungsbedürfnis  eines  Mannes  zu  befriedigen  und 
ihm  ständige  Anregung  zu  neuen  Arbeiten  zu  bieten. 

Vielfach  ist  behauptet  worden,  die  Pharmakognosie  sei  eine  Wissen- 
schaft für  sich.  Ich  halte  dies  für  grundfalsch.  Die  Pharmakognosie, 
gerade  so  wie  die  Pharmakochemie,  sind  Disziplinen,  Zweige  von 
Wissenschaften,  die  eine  von  der  Botanik,  die  andere  von  der  Chemie, 
gerade  so  wie  die  vielfach  zum  Vergleich  angeführte  Hygiene  eine 
Disziplin  der  Medizin  ist,  nicht  eine  eigene  Wissenschaft.  Es  liegt  dies 
für  jeden  Denkenden  klar  auf  der  Hand. 

Durch  ihre  ganze  Entwickelung  ist  die  Pharmakognosie  in  Deutsch- 
land zu  einem  Zweige  der  Botanik  und  zwar  der  angewandten  Botanik 
geworden.     Sie   ist  ganz   selbstverständlich  keine  reine  Botanik,    gerade 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  23 

SO  wenig  wie  etwa  die  Agrikulturbotanik  und  viele  andere  Fächer  der 
angewandten  Botanik,  sondern  verlangt  sehr  ansehnliche  Kenntnisse  in 
■den  sog.  Grenzgebieten,  vor  allem  in  Chemie;  aber  die  Hauptwissenschaft, 
die  möglichst  vollständig  beherrscht  werden  sollte,  muß  die  Botanik 
sein.  Die  großen  Wissenschaften  Botanik  und  Chemie  gleichzeitig  kann 
gegenwärtig  kein  Mensch  mehr  in  vollem  Umfang  überblicken,  so  daß 
er  imstande  ist,  auf  beiden  Gebieten  forschend  und  produzierend  tätig 
zu  sein.  Da  nun  in  Deutschland  die  Heilmittellehre  sich  nach  früh- 
zeitiger Abspaltung  der  Pharmakologie  später  noch  in  die  Zweige  der 
Pharmakochemie  und  Pharmakognosie  getrennt  hat,  so  ist  für  jeden 
Einsichtigen  klar,  daß  schon  aus  diesem  Grunde  der  Pharmakognost  auf 
dem  Boden  der  Botanik  stehen  muß,  da  ja  sein  Kollege,  der  pharma- 
zeutische Chemiker,  ganz  selbstverständUch  seinen  Hauptstützpunkt  in 
der  reinen  Chemie  findet. 

Merkwürdigerweise  ist  mir  dieser  von  mir  vertretene  Standpunkt 
von  Tschirch  und  Hart  wich  zum  Vorwurf  gemacht  worden.  Beide 
glauben,  man  müsse  zwischen  der  Lehrtätigkeit  und  der  Porschertätig- 
keit  des  Pharmakognosten  unterscheiden;  in  seiner  Porschertätigkeit 
könne  er  sich  aut  die  Pharmukobotanik  beschränken,  in  seiner  Lehr- 
tätigkeit aber  müsse  er  gleichzeitig  Pharmakobotanik  und  Pharmako- 
chemie zum  Vortrag  bringen.  Diese  Auffassung  ist  mir  vollständig 
unverständlich.  Ich  glaube,  ein  Hochschullehrer  sollte  nur  ein  Gebiet 
■behandeln,  nur  darin  Studierende  unterweisen,  welches  er  vollständig 
beherrscht,  in  welchem  er  selbständig  forschend  tätig  ist.  Ich  bin  der 
Ansicht,  daß  dies  ganz  selbstverständUch  ist,  daß  hierin  gerade  der 
prinzipielle  Unterschied  zwischen  einem  Hochschullehrer  und  etwa 
«inem  Gymnasiallehrer  besteht,  der  in  mehreren  Fächern  seine  Schüler 
unterrichtet,  ohne  daß  von  ihm  eine  wissenschaftliche  Betätigung 
erwartet  würde. 

Auch  aus  einem  anderen  Grunde  ist  es  nach  der  Entwickelung 
der  Dinge  an  den  deutschen  Hochschulen  von  Vorteil  oder  sogar  not- 
wendig, daß  der  Pharmakognost  Botaniker  ist,  d.  h.  von  der  Botanik 
ausging  und  durch  eingehende  Studien  über  die  Besonderheiten  seines 
Faches  zum  Pharmakognosten  wurde.  An  fast  sämtlichen  deutschen 
Hochschulen  sind,  wie  wir  gesehen  haben,  pharmazeutische  Chemiker 
als  ordenthche  oder  außerordenthche  Professoren  tätig.  Diese  haben 
sich  in  erster  Linie  mit  den  chemischen  Verbindungen  lehrend  und 
forschend  zu  beschäftigen,  die  in  einer  Beziehung  zur  Pharmazie  stehen, 
sei  es  in  ihrer  Anwendung  als  Arzneimittel,  sei  es  hinsichthch  ihres 
Gebrauchs  als  technische  Hilfsmittel,  Reagenzien  usw.  Diese  chemischen 
Verbindungen    werden    entweder    auf    synthetischem    Wege    hergestellt 


24  E.  Gilg. 

oder  aus  pflanzlichem  oder  tierischem  Rohmaterial,  worin  sie  fertig  ge- 
bildet vorkommen.  Diese  Rohmaterialien,  deren  Wirkung  an  die  darin 
vorkommenden  chemischen  Substanzen  gebunden  ist,  führen  den  Namen 
Drogen,  und  mit  ihrer  Charakteristik  beschäftigt  sich  die  Pharma- 
kognosie. So  lange  eine  Charakteristik  der  chemischen  Bestandteile  der 
Drogen  in  wissenschaftUcher  Hinsicht  noch  nicht  mfiglich  war,  überlief 
der  pharmazeutische  Chemiker  meist  dem  Pharmakognosten,  der  die 
äußeren  und  inneren  Merkmale  zu  charakterisieren  hatte,  die  Erwähnung 
dieser  chemischen  A^orkommnisse  in  den  Vorlesungen.  Seitdem  aber 
die  chemischen  Bestandteile  der  Drogen,  wie  Alkaloide,  Glykoside,  die 
ätherischen  Öle  usw.  hinsichtlich  ihrer  Zusammensetzung  und  Konsti- 
tution zum  großen  Teil  erforscht  sind  und  in  das  System  der  all- 
gemeinen Chemie  mehr  und  mehr  eingereiht  wurden,  ist  es  die  Pflicht 
des  pharmazeutischen  Chemikers  geworden,  die  chemischen  Bestand- 
teile der  Drogen  in  seinen  Vorlesungen  über  Chemie  eingehend  zu  be- 
handeln. Dadurch  hat  der  Pharmakognost  eine  sehr  wertvolle  Entlastung 
erfahren.  Er  kann  sich  in  seinen  Vorlesungen  auf  die  Erwähnung 
dieser  chemischen  Vorkommnisse  beschränken  und  ist  jetzt  in  der  Lage, 
sich  weit  eingehender,  als  es  früher  möglich  war,  der  Lehre  von  der 
Anatomie  der  Drogen  zuzuwenden.  Und  gerade  eine  gründliche  mikro- 
skopische Schulung  ist  die  Hauptbedingung,  die  an  einen  Pharma- 
kognosten gestellt  werden  muß,  besonders  da  in  neuerer  Zeit  immer 
mehr  verlangt  wird,  daß  der  Pharmakognost  nicht  nur  die  studierenden 
Pharmazeuten,  sondern  auch  die  Nahrungsmittelchemiker  in  die  mikro- 
skopischen Verhältnisse  der  Drogen,  sowie  der  Nahrungs-  und  üenuß- 
mittel  einführt. 

In  meinem  früheren  Aufsatz  schon  habe  ich  gesagt:  .  .  .  ich 
bin  sicher,  daß  die  gegenwärtig  an  den  deutschen  Hochschulen  tätigen 
pharmazeutischen  Chemiker  es  durchaus  ablehnen  würden,  entweder 
gleichzeitig  die  Pharmakognosie  als  zweites  Lehrfach  mit  zu  übernehmen, 
oder  aber  gleichberechtigte  Kollegen  als  Pharmakognosten  zu  er- 
halten, deren  wissenschaftliche  Basis  dieselbe  wie  die  ihrige  ist  und  die 
vielfach  dieselben  oder  ähnliche  Themata  bearbeiten  würden:  es  wäre 
ia  in  dem  gegebenen  Falle  eine  auch  nur  einigermaßen  scharfe  Trennung 
der  wissenschaftlichen  Lehr-  und  Arbeitsgebiete  unmöglich  durchzuführen. 

Obgleich  diese  Ausführungen  von  mehreren  Seiten  angegriffen 
wurden,  stehe  ich  heute  ganz  genau  auf  demselben  Standpunkt.  Ich 
behaupte,  es  ist  eine  Notwendigkeit,  daß  das  alte  Gebiet  der  Heilmittel- 
lehre unter  zwei  Lehrer  aufgeteilt  wird,  von  denen  der  eine  auf  dem 
Boden  der  Chemie,  der  andere  auf  dem  der  Botanik  steht;  ferner,  daß 
ein  Pharmakognost    auf    vorwiegend   chemischer  Grundlage  den  an  den 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  25 

deutschen  Hochschulen  tätigen  pharmazeutischen  Chemikern  nur  eine 
Konkurrenz  bedeuten  würde,  während  beide,  in  der  richtigen  Weise, 
d.  h.  bei  streng  abgegrenzten  Fächern,  nebeneinander  wirkend,  einander 
im  besten  Sinne  ergänzen  müssen. 

Die  Herren,  welche  sich  gegen  meine  Ausführungen  gewendet  haben, 
haben  fast  sämtlich  „Parteipolitik"  getrieben.  Entweder  vertreten  sie 
an  ihren  Hochschulen  gleichzeitig  Pharmakochemie  und  Pharmakognosie 
und  sind  deshalb  der  Ansicht,  daß  kein  Grund  für  eine  Änderung  vor- 
läge, oder  aber  sie  stehen  dem ,  pharmazeutischen  Chemiker  nicht  gleich- 
geordnet gegenüber.  Dieser  ist  Ordinarius  und  hat  dem  sog.  Pharma- 
kognosten,  der  abhängiger  Extraordinarius  ist,  den  Auftrag  erteilt,  das 
oder  jenes  Gebiet  in  seinen  Vorlesungen  zu  behandeln:  der  Pharma- 
kognost  muß  dann  ein  bestimmtes  Feld  beackern,  darf  aber  nicht 
weiter  gehen,  als  es  der  Ordinarius  erlaubt;  wenn  dann  das  so  zustande 
gekommene  Kolleg  mehrere  Semester  gelesen  worden  ist,  glaubt  der 
Betreffende  selbst,  daß  der  Umfang,  welchen  er  der  Pharmakognosie 
erteilt  habe,   der  einzig  richtige  sei. 

Es  ist  kaum  denkbar  oder  besser  zweifellos  ganz  unmöglich, 
daß  bei  nicht  streng  abgegrenzten  Fächern  gleichberechtigte  Kollegen, 
d.  h.  solche,  die  entweder  ordentliche  oder  aber  außerordentliche  Pro- 
fessoren an  einer  und  derselben  Hochschule  sind,  friedlich  und  ersprieß- 
lich neben  einander  wirken  könnten,  wenn  sie  beide  auf  dem  Boden 
der  Chemie  stehen,  wenn  versucht  wird,  auf  künstlichem  Wege  einen 
Gegensatz  zwischen  pharmazeutischer  Chemie  und  Pharmakognosie  zu 
konstruieren.  Es  müßte  dann  eben  mit  Sicherheit  dazu  kommen,  daß 
von  ihnen  oder  ihren  Schülern  gleiche  oder  ähnliche  Themata  in  wissen- 
schaftlichen Arbeiten  behandelt  würden,  daß  in  den  Vorlesungen  derselbe 
Gegenstand  zweimal  behandelt  würde  usw.,  kurz,  der  Reibungsflächen 
wären  so  viele,  daß  ein  wissenschaftliches  Einanderergänzen  fast  aus- 
geschlossen erscheint. 

Die  einzige  Möghchkeit  einer  scharfen  Abgrenzung  der  beiden 
Lehr-  und  Arbeitsgebiete  beruht  darin,  daß  die  beiden  Kollegen  ver- 
schiedenen Disziplinen  angehören,  daß  der  Pharmakognost  von  der 
Botanik  ausgegangen  ist,  während  der  Pharmakocheiniker  —  daran 
wird  von  vornherein  niemand  zweifeln  —  auf  dem  Boden  der  Chemie 
steht.  Dann  ist  auch  die  Möglichkeit  gegeben,  daß  bei  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  sich  der  auf  botanischer  Grundlage  stehende  Pharma- 
kognost  bei  seinem  ihn  ergänzenden  Kollegen,  dem  Pharmakochemiker  — 
und  natürlich  auch  umgekehrt  —  Rats  erholt,  sobald  er  auf  Fragen 
stößt,  die  er  mit  seinen  eigenen  chemischen  Kenntnissen  nicht  zu  lösen 
vermag,    oder  aber,    daß   die  beiden  Kollegen  eine  Frage  gemeinsam  in 


26  ^-  G'lg- 

Angriff  nehmen.  Es  wird  dabei,  da  ja  eine  scharfe  Arbeitsteilung  vor- 
genommen werden  kann,  nirgends  zu  Reibungen  Itoramen,  was  —  wie 
sclion  ausgefliiirt  —  bei  niclit  sciiarf  getrennten  Gebieten  jederzeit  der 
Pall  wäre  und  aucli  der  Fall  sein  müßte. 

Wenn  ich  ständig  behaupte,  der  Pharmakognost  müsse  ein  voll- 
ständig durchgebildeter  Botaniker  sein,  so  ist  dies  natürlich  so  zu  ver- 
stehen, daß  er  die  botanische  Wissenschaft  absolut  beherrscht,  aber 
durch  andauernde  Vertiefung  in  die  Besonderheiten  der  Lehre  von  den 
Heilmitteln,  durch  eigene  Arbeiten  über  pharmakognostische  Themata  zum 
Pharmakognost  geworden  ist  und  sich  Liebe  und  Freude  an  seinem 
Wissenszweig  erworben  hat.  Ob  er  „reiner"  Botaniker  ist,  oder  aber 
früher  Apotheker  oder  Mediziner  war,  ist  für  unsere  Frage  zunächst 
ganz  unerheblich. 

In  Forschung  und  Lehre  findet  ein  solcher  Pharmakognost  reichlich, 
übergenug  Gelegenheit  zur  Betätigung.  Es  ist  ja  noch  viel  zu  wenig 
bekannt,  wie  schwierig  eine  richtig  ausgeführte  mikroskopische  Pulver- 
analyse ist,  welche  Spezialkenntnisse  eine  solche  Untersuchung  verlangt, 
wenn  sie  auf  unbedingte  Sicherheit  —  und  darauf  beruht  ja  allein  ihr 
Wert  —  Anspruch  erheben  darf.  Noch  viel  weniger  wird  gegenwärtig 
auch  gewürdigt,  wie  rasch  ein  durchgebildeter  Mikroskopiker  zum  Ziele 
gelangen  kann,  wo  der  Chemiker  oft  das  Vielfache  an  Zeit  gebraucht, 
um  ein  häufig  nur  recht  unsicheres  Resultat  zu  erzielen.  Ich  erinnere 
hier  nur  an  die  Untersuchung  der  verschiedenen  Stärkesorten,  sowie  der 
meisten  Drogenpulver.  Ganz  besonders  wichtig  ist  jedoch  eine  voll- 
ständige Beherrschung  der  mikroskopischen  Methoden  in  der  Toxikologie. 
Bei  der  Konstatierung  von  Vergiftungen  mit  Colchicum,  Digitalis,  Wasser- 
schieriing  u.  v.  a.  m,  versagt  die  chemische  Analyse  in  den  meisten 
Fällen,  während  eine  eingehende  mikroskopische  Untersuchung,  allerdings 
nur,  wenn  sie  in  der  richtigen  Weise  durchgeführt  wird,  allermeist  zum 
Ziele  führen  muß. 

Zur  Erlangung  der  notwendigen  Kenntnisse  und  Methoden,  die  zur 
Ausführung  solcher  mikroskopischen  Analysen  gebraucht  werden,  bedarf 
es  einer  sehr  vertieften  Durchbildung.  Der  Stufengang,  der  zurückzu- 
legen ist,  muß  unter  allen  Umständen  mit  einer  gründliehen  botanischen 
Schulung,  vor  allem  in  der  botanischen  Mikroskopie,  beginnen,  und  erst, 
wenn  eine  vollständige  Beherrschung  aller  oder  wenigstens  der  wichtigsten 
rein  botanischen  Objekte  und  der  mikroskopischen  Methoden  erreicht  ist, 
kann  mit  Erfolg  eine  Spezialisierung  eintreten,  darf  weitergeschritten  werden 
zur  Untersuchung  von  Drogen  und  Drogenpulvern,  sowie  der  mensch- 
lichen Nahvungs-  und  Genußmittel,  deren  Analyse  wieder  die  Kenntnis 
■einer   besonderen   und   neuerdings  recht  vertieften  Methodik  voraussetzt. 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  27 

Über  die  Frage,  wie  wird  gegenwärtig  an  den  deutschen 
Hochschulen  Pharmakognosie  gelehrt'.'  will  ich  hier  kurz  hinweg- 
gehen. Ich  konnte  in  meinem  früheren  Vortrag  schon  zeigen,  welche 
Unsicherheit  und  Ungleichmäüigkeit  herrscht  in  der  Bewertung  der 
Wichtigkeit  der  Pharmakognosie,  wie  an  einzelnen  Hochschulen,  sogar 
an  sehr  hervorragenden,  diese  Disziplin  überhaupt  nicht  vertreten  ist, 
während  sie  an  anderen  Hochschulen  einstündig  oder  aber  zweistündig, 
dreistündig,  vierstündig  bis  sechsstündig  gelesen  wird,  ja  an  einzelnen 
Universitäten  die  Notwendigkeit  erkannt  ist,  das  Thema  zweisemestrig, 
und  zwar  je  vier-  bis  fünfstündig  zu  behandeln.  Genau  dieselbe  Un- 
gleichmälMgkeit  herrscht  auch  im  Hinblick  auf  das  abzuhaltende  phar- 
makognostische  Praktikum.  Nach  der  Lage  der  Dinge  müßte  von 
den  Studierenden  in  drei  aufeinander  folgenden  Semestern  je  ein 
mikroskopischer  Kursus  besucht  werden.  Der  erste  sollte  ein  aligemeines 
botanisches  Praktikum  sein,  in  dem  die  Studierenden  die  Theorie 
der  Lehrbücher  praktisch  kennen  lernen;  in  dem  zweiten  Kursus  sind 
dann  die  Ganzdrogen,  im  dritten  die  Drogenpulver  zu  untersuchen 
und  sehr  eingehend  kennen  zu  lernen.  Gerade  diese  Drogenunter- 
suchung wird  jedoch  an  vielen  Hochschulen  in  völlig  ungenügender 
Weise  betrieben,  obgleich  sie  für  den  Pliarmazeuten  von  allergrößter 
Wichtigkeit  ist. 

Zweifellos  ist  dies  in  erster  Linie  darauf  zurückzuführen,  daß 
diese  Praktika  fast  ohne  Ausnahme  von  den  ordentlichen  Professoren  der 
Botanik  abgehalten  werden,  welche  sich  mit  pharmakognostischen  Fragen 
noch  niemals  beschäftigt,  die  meistens  die  Vorlesung  über  Pharmakognosie 
an  einen  Assistenten  oder  jungen  Privatdozenton  abgetreten  haben  und 
„nur  der  Not  gehorchend,  nicht  dem  eigenen  Triebe"  die  pharmako- 
gnostischen Praktika  ankündigen. 

Welches  Interesse  bei  diesen  Herren,  deren  Hörer  doch  meist  in 
überwiegender  Anzahl  Pharmazeuten  sind,  an  der  Pharmakognosie  und 
den  damit  zusammenhängenden  Fragen  vorhanden  ist,  trat  mir  vor 
kurzem  deutlich  in  Erscheinung.  Als  ich  vom  Vorstande  der  Ver- 
einigung für  angewandte  Botanik  aufgefordert  wurde,  auf  dieser 
Tagung  in  Dresden  einen  Vortrag  über  die  Pharmakognosiefrage  zu 
haken,  nahm  ich  sehr  gerne  an.  Ich  hoffte,  daß  sich  eine  Diskussion  an- 
schließen w^ürde,  durch  die  ein  allgemeineres  Verständnis  vom  W'esen 
der  Pharmakognosie,  eine  gleichmäßigere  Behandlung  dieser  Disziphn 
an  den  deutschen  Hochschulen  angebahnt  werden  könnte.  Zu  diesem 
Zwecke  schickte  ich  an  sämtliche  Dozenten  der  Pharmakognosie  in 
Deutschland  und  auch  an  einige  anerkannte  Lehrer  dieses  Faches  in  der 
Schw^eiz  und  in  Österreich  ein  Rundschreiben  folgenden  Inhalts: 


28  E.  Gilg. 

„Von  Seiten  des  Vorstandes  der  „Vereinigung  für  angewandte 
Botanik"  wurde  angeregt,  daß  gelegentlich  der  Tagung  in  Dresden  — 
und  zwar  am  Montag,  dem  9.  September,  —  die  Pharmakognosie  auf 
die  Tagesordnung  gesetzt  werden  solle.  Ich  halte  diesen  Vorschlag  für 
sehr  dankenswert;  denn  Jeder,  zu  dessen  Lehr-  und  Arbeitsgebiet  diese 
Disziplin  gehört,  weiß,  wie  wenig  geklärt  in  Deutschland  die  Kompetenz- 
gebiete der  Pharmakognosie  sind,  wie  sehr  die  Ansichten  schwanken 
über  die  Bewertung  der  Pharmakognosie  als  Disziplin  im  allgemeinen 
und  als  Lehrgebiet  für  den  studierenden  Pharmazeuten.  Eine  Aus- 
sprache über  diese  Punkte  dürfte  von  großem  Interesse  und  geeignet 
sein,  eine  Klärung  dieser  schwebenden  Fragen  herbeizuführen.  Ich  er- 
laube mir  deshalb,  an  Sie  die  Anfrage  zu  richten,  ob  Sie  beabsichtigen, 
sich  an  der  Tagung  in  Dresden  zu  beteiligen,  und  eventl.  geneigt 
sind,  über  irgend  ein  pharmakognostisches  Thema  einen  Vortrag  zu 
halten." 

Auf  dieses  Rundschreiben  erhielt  ich  von  drei  Herren  eine  zu- 
sagende Antwort,  drei  antworteten  zweifelhaft,  fünf  ablehnend;  von  den 
übrigen  Herren,  d.  h.  also  weitaus  mehr  als  der  Hälfte,  wurde  ich 
nicht  einmal  einer  Antwort  gewürdigt.  Beati  possidentes!  Wozu  eine 
Aussprache  über  Pharmakognosie?  Dieses  Fach  ist  ihnen  einmal  vom 
Staat  übertragen,  sie  lesen  es  so,  wie  sie  wollen,  resp.  können,  meist 
schon  seit  vielen  Jahren  ganz  in  gleicher  Weise;  eine  solche  Aussprache 
könnte  ja  eine  Änderung  herbeiführen,  diese  bedeutete  vielleicht  Arbeit 
und  muß  deshalb  möglichst  vermieden  werden.     Quieta  non  movere! 

Diesen  Verhältnissen  gegenüber  ist  immer  wieder  auf  die  sehr 
zutreffenden  Ausführungen  Hart  wichs  hinzuweisen:  „Die  Anzahl  der 
wöchentlichen  Stunden,  in  denen  Pharmakognosie  vorgetragen  wird,  ist 
eine  wechselnde  und  vielfach  ganz  unzulängliche.  In  einer  ein-  oder 
zweistündigen  Vorlesung  z.  B,  kann  dem  Pharmazeuten  nur  mit  Mühe 
und  Not  so  viel  gegeben  werden,  wie  notdürftig  bei  recht  nachsichtigen 
Forderungen  im  Examen  ausreicht.  Das  ist  keine  wissenschaftliche 
akademische  Vorlesung,  das  ist  kümmerUcher  Examensdrill.  In  diesen 
wenigen  Stunden  wird  eben  nur  das  Notdürftigste  gegeben,  und  das 
muß  trocken  sein  und  kann  den  Studierenden  keine  Liebe  zu  ihrer 
Wissenschaft  wecken.  Das,  was  schön  und  interessant  ist  an  der 
Pharmakognosie,  kann  nicht  gebracht  worden  .  .  .  Freilich,  ein  großer 
Teil  der  Studenten  wird  wohl  damit  zufrieden  sein,  wenn  sie  auf  die 
Pharmakognosie  nur  wenige  Stunden  zu  verwenden  haben,  wenn  das 
Heft,  das  sie  geführt  haben,  recht  dünn  ist  und  sich  leicht  zum 
Examen  einpauken  läßt.  Die  Wissenschaft  haben  sie  dabei  gar  nicht 
kennen  gelernt." 


Die  Pharmakognosie  als  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  29 

Auch  auf  die  Frage:  Wie  sollte  Pharmakognosie  gelehrt 
werden?  soll  hier  nur  kurz  eingegangen  werden. 

Es  muß  vor  allem  berücksichtigt  werden,  dat]  —  wie  auch  schon 
von  Linde  ausgeführt  wurde  —  der  Pharmazeut  nur  zwei  Haupt- 
disziplinen besitzt,  die  Pharmakochemie  und  die  Pharmakognosie;  alle 
übrigen  Studienfächer,  also  Physik,  anorganische,  organische  und  ana- 
lytische Chemie,  allgemeine  nnd  spezielle  Botanik  sind  nur  Hilfswissen- 
schaften. Während  nun  die 'Pharmakochemie  allgemein  als  ein  ernstes 
Studium  betrieben  wird,  wird  die  Pharmakognosie  auf  den  meisten 
deutschen  Hochschulen  zurückgesetzt  und  vernachlässigt,  da  man  ent- 
weder die  Wichtigkeit  dieser  Disziplin  für  das  Studium  des  Pharmazeuten 
nicht  erkannt  hat  oder  nicht  hat  erkennen  wollen.  Es  geht  dies  —  wie 
wir  gesehen  haben  —  zur  Genüge  daraus  hervor,  daß  an  manchen 
Hochschulen  nicht  einmal  ein  Kolleg  über  Pharmakognosie  gelesen  wird, 
w^ährend  an  anderen  Hochschulen  eine  einsemestrige,  ein-  bis  zweistündige 
Vorlesung  als  ausreichend  angesehen  wird. 

Der  Lehrstoff  ist  so  groß,  daß  er  selbst  bei  einer  großen  Stunden- 
zahl, die  an  den  meisten  Hochschulen  nicht  zu  erlangen  sein  wird,  in 
einem  Semester  nicht  bewältigt  werden  kann.  Denn  es  darf  nicht  ver- 
gessen werden,  daß  in  der  Vorlesung  vor  der  speziellen  Darstellung  der 
Drogen  eine  allgemeine  Besprechung  vorausgeschickt  werden  muß,  worin 
die  zum  Verständnis  des  Besonderen  notwendigen  botanischen  Tatsachen 
erläutert  werden.  Es  ist,  wie  jeder  Dozent  der  Pharmakognosie  erkannt 
haben  muß,  kein  Verlaß  darauf,  daß  bei  den  Studierenden  die  allernot- 
wendigsten  Grundlagen  vorhanden  sind;  das,  w'as  in  den  Vorlesungen 
über  Botanik  gehört  worden  ist,  wird  zum  großen  Teil  bald  wieder  ver- 
gessen und  erst  in  der  letzten  Zeit  vor  dem  Examen  dem  Gedächtnis 
wieder  eingeprägt;  ferner  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  das,  was  in  den 
botanischen  Vorlesungen  vorgetragen  wird,  für  den  Pharmakognosten 
sehr  vielfach  nicht  genügend  ist.  Manches  wird  hier  zu  wenig  ausführ- 
lich behandelt,  weil  es  für  den  „reinen"  Botaniker  weniger  Bedeutung 
hat.  Es  sei  hier  nur  an  die  Stärke,  die  Aleuronkörner  und  die  Sekre- 
tionsorgane, sowie  an  die  Entstehung  der  Sekrete  erinnert.  Jedenfalls 
ist  zw^eifellos,  daß  es  eine  absolute  Notwendigkeit  ist,  diejenigen  Kapitel 
der  Botanik  zu  Beginn  einer  Vorlesung  über  Pharmakognosie  zusammen- 
fassend zu  behandeln,  welche  für  den  Pharmakognosten  von  spezieller 
Wichtigkeit  sind,  wenn  Wert  darauf  gelegt  wird,  daß  das  Kolleg  ver- 
standen und  zum  geistigen  Eigentum  der  Studierenden  wird. 

Mit  der  Vorlesung  über  Pharmakognosie  muß  die  praktische,  mikro- 
skopische Untersuchung  der  Drogen  Hand  in  Hand  gehen.  Erst  hierbei 
kommt    es   zu   einem   wirklichen  Verständnis  des  darüber  gehörten  und 


30  E.  Gilg. 

prägen  sich  die  diesbezüglichen  Tatsachen  dem  Gedächtnis  ein.  Meiner 
i\nsicht  nach  ist  weder  eine  Vorlesung  über  Pharmakognosie  ohne  mikro- 
skopische Übungen,  noch  mikroskopische  Übungen  ohne  die  pharmako- 
gnostische  Vorlesung  von  praktischem  Wert.  Erst  wenn  beide  Lern- 
gelegenheiten einander  ergänzen,  können  günstige  Resultate  erzielt 
werden.  Daß  einem  Drogenkursus  ein  mikroskopisch-botanisches  Prakti- 
kum vorausgegangen  sein  muß,  ist  so  selbstverständlich,  daß  kein  weiteres 
Wort  darüber  zu  verlieren  ist.  Ebenso  notwendig  ist  jedoch  auch,  daß 
für  diejenigen  Studierenden,  welche  nach  der  neuen  Prüfungsordnung 
examiniert  werden  und  für  die  ein  Examen  in  der  mikroskopischen 
Pulveranalyse  vorgeschrieben  ist,  ein  dritter  Kursus  eingerichtet  wird, 
in  welchem  sie  die  für  die  Unkundigen  sehr  schwierigen,  aber  für  den 
Kundigen  vollen  Erfolg  versprechenden  Methoden  kennen  lernen,  wie 
Drogenpulver  untersucht  und  mit  Zuverlässigkeit  identifiziert  werden. 
Die  Zeiten  sind  glücklicherweise  vorbei,  in  welchen  ein  Pulverunter- 
sucher, sei  er  Pharmazeut  oder  Nahrungsmittelchemiker,  seiner  Pflicht 
genügt  zu  haben  glaubte,  wenn  er  einen  Blick  in  das  Mikroskop  warf 
und  iann  verkündete,  das  zu  untersuchende  Pulver  stamme  wahrschein- 
lich von  dem  oder  jenem  Körper.  Wir  haben  jetzt  Methoden  zur  Vor- 
fügung, die  uns  gestatten,  eine  Pulveranalyse  ebenso  sicher  und  bestimmt 
zu  beantworten,  wie  eine  normale  chemische  Analyse.  Aber  es  darf 
nicht  vergessen  werden,  daß  solche  Analysen  große  allgemeine  und 
große  spezielle  Kenntnisse  verlangen  und  daß  zu  ihrer  Erledigung  Zeit 
gehört,  daß  eine  mit  Bestimmtheit  auszusprechende  Entscheidung  —  und 
auf  der  Bestimmtheit  beruht  doch  allein  der  Wert  einer  Analyse  —  oft 
Stunden,  oft  sogar  viele  Stunden  angestrengter  Arbeit  bedarf. 

Ich  bin  am  Schlüsse  meiner  Ausführungen.  Sie  haben  gesehen, 
daß  ich  die  Spaltung  der  Heilmittellehre,  wie  sie  in  Deutschland  fast 
allgemein  eingetreten  ist,  freudig  begrüße,  wonach  die  Pharmakologie 
dem  Mediziner,  die  Pharmakochemie  dem  Chemiker,  die  Pharmakognosie 
dem  Botaniker  als  Lehrfächer  zugefallen  sind.  Wir  haben  aber  auch 
erkannt,  daß  der  Pharmakognost  nicht  ein  sog.  „reiner"  Botaniker  sein 
darf,  sondern  daß  er  sich  in  sein  Spezialfach  eingearbeitet  und  auch  die 
Grenzgebiete  kennen  gelernt  haben  muß,  die  die  Pharmakognosie  in 
großer  Anzahl  zu  anderen  wissenschaftlichen  Disziplinen  besitzt.  Gerade 
in  dieser  Hinsicht  haben  die  Vertreter  der  Pharmakognosie  in  E)eutsch- 
land  noch  sehr  viel  von  den  pharmazeutischen  Chemikern  zu  lernen. 
Diese,  sämtlich  aus  dem  Apothekerstande  hervorgegangen,  kennen  natur- 
gemäß die  Bedürfnisse  des  studierenden  Pharmazeuten  und  haben  sich, 
nach  gründlichem  Studium  der  Chemie,  ihrem  Spezialfache  zugewandt. 
Die    meisten  Lehrer    der  Pharmakognosie    in  Deutschland   sind  dagegen 


Die  Pharmakognosie  nls  wissenschaftliche  Disziplin  usw.  3t 

meist  ganz  zufällig,  oft  fast  gezwungen,  zu  dieser  Disziplin  gekommen. 
Sie  sind  keine  Pharmakognosten,  sondern  reine  Botaniker,  die  niemals 
in  ihrem  Fache  wissenschaftlich  gearbeitet  haben,  die  keine  Freude  an 
diesem  Teil  ihrer  Lehrtätigkeit  besitzen  und  deshalb  auch  dem  Studieren- 
den keine  Liebe  zu  der  von  ihnen  vertretenen  Disziplin  beizubringen 
vermögen.  Daß  der  Inhaber  eines  Lehrstuhls  für  die  Pharmakognosie 
aus  dem  Apothekerstande  hervorgegangen  ist,  mag  erwünscht,  ja  sogar 
von  Vorteil  sein;  für  notwendig  halte  ich  indessen  diese  Forderung 
nicht,  wenn  der  auf  dem  Boden  der  Botanik  stehende  Pharmakognost 
sich  mit  Liebe  und  Hingabe  dem  Unterricht  in  der  Erforschung  seiner 
Disziplin  widmet  und  den  Umfang  und  die  Art  seiner  Lehre  abstimmt 
auf  die  praktischen  Bedürfnisse  des  Apothekerstandes. 


32  ^-  Volkens. 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien,    ihre  Zwecke 

und  Ziele. 

Von 
G.  Volkens,  Dahlem. 

Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien  am  Kgl.  Botanischen 
Garten  zu  Berlin  hat  sich  aus  einem  Bedürfnis  der  Praxis  heraus  ent- 
wickelt. Den  ersten  Anstoß  zu  ihrer  Gründung;  gab  ein  vom  30.  August 
1888  datiertes  Schreiben  des  Gouverneurs  von  Kamerun,  des  Herrn 
V.  Soden,  an  den  Fürsten  Bismarck,  worin  er  die  Bitte  ausspricht, 
die  deutschen  Konsulate  in  überseeischen  Ländern  möchten  zur  Ein- 
sendung von  Sämereien  tropischer  Nutzgewächse  an  einen  in  Victoria 
zu  schaffenden  Versuchsgarton  aufgefordert  werden.  Das  Schreiben 
wurde  vom  preußischen  Kultusministerium  an  den  damaligen  stellver- 
tretenden Direktor  des  Berliner  Botanischen  Gartens,  Herrn  Prof.  Dr. 
Urban,  zur  gutachtlichen  Äußerung  weitergegeben  und  von  diesem  in 
dem  Sinne  beantwortet,  daß  der  Berliner  Botanische  Garten  sich  bereit 
erkläre,  als  Zwischenstation  zwischen  den  Konsulaten,  den  Gebern,  und 
den  deutschen  Kolonien,  den  Empfängern  ökonomischer  Gew^ächse,  zu 
dienen  und  außerdem  der  tropischen  Landwirtschaft  in  unseren  Schutz- 
gebieten in  jeder  Weise  fördernd  zur  Seite  zu  stehen.  Eine  Eingabe 
des  Fürsten  zu  Hohenlohe-Langenburg,  des  Vorsitzenden  der 
Deutschen  Kolonialgesellschaft,  vom  22.  Januar  1889  richtet  bald  darauf 
an  den  preußischen  Kultusminister  ebenfalls  das  Gesuch,  den  Botanischen 
Garten  und  das  Botanische  Museum  zu  Berlin  für  kolonialwirtschaftliche 
Zwecke  nutzbar  zu  machen.  In  der  Antwort  wird  darauf  hingewiesen, 
daß  weitere  Vorschläge  in  der  Angelegenheit  von  dem  eben  neu  er- 
nannten Direktor  des  Berliner  Gartens.  Herrn  Prof.  Dr.  A.  Engler, 
abgewartet  werden  müßten.  Diese  erfolgen  in  einem  Schreiben  vom 
7.  Januar  1890.  Engler  entwickelt  darin  ein  Programm,  das  für  alle 
späteren  Verhandlungen  die  Grundlage  abgegeben  hat.  Nach  ihm  sollen 
der  neu  zu  gründenden  Botanischen  Zentralstelle  im  wesentlichen  drei 
Aufgaben  zugewiesen  w^erden,  sie  soll  durch  direkten  Verkehr  mit  den 
Kolonien  diesen  teils  lebende  Pflanzen,  teils  Sämereien  tropischer  Nutz- 
gewächse übermitteln,  sie  soll  alle  aus  den  Kolonien  eingehenden  lebenden 
und  getrockneten  Pflanzen  wissenschaftlich  bestimmen  und  Auskunft 
über  ihren  Nutzwert  geben  und  sie  soll  drittens    belehrend    wirken,    in- 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  *  33 

dem  sie  weiteren  Kreisen  Gelegenheit  gibt,  die  überseeischen  ökonomischen 
Oewächse  und  ihre  Produkte  kennen  zu  lernen. 

Die    Vorschläge    Englers,     die    im    einzelnen    näher    begründet 

Avurden,  führten  zu  einem  am  31.  März  1891  zwischen  dem  preußischen 

Kultusministerium    und    der    Kolonialabteilung    des    Auswärtigen    Amtes 

abgeschlossenen  und  vom  Reichstage  durch  die  nötigen  Etatsbewilligungen 

genehmigten   Vertrage,    mit    dem    die    Botanische    Zentralstelle    für    die 

Kolonien  endgültig  ins  Leben  trat.     Der  Vertrag  hat  folgenden  Wortlaut: 

„1.  Die   Botanischen   Anstalten    in   Berlin,    der    Botanische 

Garten    und    das  Botanische   Museum,    werden   eine  Botanische 

Zentralstelle    für    die   Kolonien    einrichten,    welche  die  Aufgabe 

hat,    denselben    die    erforderlichen   Sämereien  und  Pflanzen  zur 

Anzucht    zu    liefern,     den    Nutzwert    der    daselbst    gezogenen 

Pflanzen  und  Früchte   zu    bestimmen    und    sich    überhaupt    für 

die    botanische   Entwickelung  der  Kolonien  nach  besten  Kräften 

nutzbar  zu  machen. 

2.  Die  Bereitstellung  eines  geeigneten  Terrains  für  die 
Zentralstelle  und  die  dadurch  bedingte  Vermehrung  der  wissen- 
schaftlichen Kräfte  wird  von  den  Botanischen  Anstalten  auf 
deren  Kosten  erfolgen,  dagegen  verpflichtet  sich  das  Auswärtige 
Amt,  die  Kosten  für  einen  Gärtner  und  für  einen  Gartenarbeiter, 
für  die  Beschaffung  von  Sämereien,  für  Betriebsmaterialien,  so- 
wie für  Verpackung  und  Transport  zu  ersetzen  und  zwar  in 
der  Art,  daß  dafür  ein  jährliches  Pauschquantum  von  3000  Mk. 
gezahlt  wird,  jedoch  in  dem  Fall,  wo  die  wirklich  erwachsenen 
Ausgaben  in  einem  Rechnungsjahr  weniger  als  1500  Mk.  oder 
mehr  als  4500  Mk.  betragen,  eine  nachträgliche  Erstattung  des 
Betrages  unter  1500  Mk.  bzw.  über  4500  Mk.  beansprucht 
werden  kann,  des  Betrages  über  4500  Mk.  jedoch  nur,  wenn 
darüber  vorher  eine  Verständigung  stattgefunden  hat.  Außer- 
dem vorpflichtet  sich  das  Auswärtige  Amt,  den  botanischen 
Anstalten  einmalig  3000  Mk.  für  ein  Vermehrungshaus  und 
500  Mk.  für  eine  Mistbeetanlage  zu  gewähren.  Auch  versteht 
es  sich  von  selbst,  daß  die  Kolonialbehörden  stets  bereit  sein 
werden,  der  Zentralstefle  gute  Herbarexemplare  mit  Blüten  und 
Früchten,  letztere  nach  Umständen  in  Alkohol,  Holzscheiben  und 
andere  Sammlungsgegenstände  ähnUcher  Art  unentgeltlich  gegen 
Übernahme    der  Verpackungs-   und   Transportkosten   zu   liefern. 

3.  Der  Verkehr  zwischen  der  Botanischen  Zentralstelle  und 
den  Behörden  in  der  Kolonie  wird  in  der  Regel  durch  direkte 
Korrespondenz  erfolgen. 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  3 


34  Gr.  Volken^. 

4.  Die  Geschäfte,  welche  sich  zwischen  dem  Auswärtigen 
Amt  und  dem  Kgl.  Preu loschen  Kultusministerium  aus  Anlaß 
dieses  Vertrages  ergeben,  werden  durch  je  einen  ständigen 
Kommissar    der    beteiligten  Ressorts  zur  Erledigung  vorbereitet. 

5.  Dieser  Vertrag  tritt  mit  dem  1.  April  1891  in  Kraft 
und  bleibt  so  lange  in  Geltung,  bis  eine  Kündigung  erfolgt  ist. 
Die  letztere  steht  jedem  der  Vertrag  Schließenden  in  der  Weise 
frei,  daß  dieselbe  vor  Beginn  des  Rechnungsjahres  zu  erfolgen 
hat  und  der  Vertrag  mit  dem  Rechnungsjahr  sein  Ende  nimmt." 

Da  in  der  Folge  sich  erwies,  daß  bei  dem  vermehrten  Umfang 
der  Geschäfte  mit  dem  §  2  dieses  Vertrages  nicht  zu  wirtschaften  war, 
wurde  er  am  8.  Juni  1898  durch  folgenden  ersetzt: 

„Die    Bereitstellung    eines    geeigneten    Terrains    für    diese 
Zentralstelle  und  die  dadurch  bedingte  Vermehrung  der  wissen- 
schaftlichen   Ki'äfte    wird    von    den    Botanischen   Anstalten    auf 
deren    Kosten    erfolgen.     Dagegen    verpflichtet    sich     das    Aus- 
wärtige Amt  als  Beitrag  zu    den    sachlichen    Ausgaben,    Haus- 
bedürfnissen,   Kosten  der  Erhaltung  und  Vermehrung  der  Samm- 
lungen   usw\    jährlich    die   Summe    von    9000   Mk.    (1902   auf 
10000   erhöht)    zu    zahlen.     Es  versteht  sich  von  selbst  usw." 
Die    angedeutete    Vermehrung    der    wissenschaftlichen    Kräfte    be- 
stand   darin,    daß    ich   selbst  mit  dem  Auftrage,    meine  ganze  Tätigkeit 
kolonialen    Aufgaben    zu    widmen,    am    1.  April  1898   Herrn  Geheimrat 
Engler  unterstellt  und  als  Kustos  der  Zentralstelle   übernommen  wurde, 
nachdem  ich  schon  vorher  drei  Jahre  erst  als  Volontär,   dann  als  Hilfs- 
arbeiter am  Botanischen  Museum  tätig  gewesen  war. 

Nach  dieser  Darlegung  der  Entstehungsgeschichte  der  Zentralstelle 
sei  es  mir  gestattet,  Ihnen  einen  kurzen  Überblick  darüber  zu  geben, 
was  sie  im  Verlaufe  der  letzten  16  Jahre  getan,  wie  sie  den  ihr  zuge- 
wiesenen Pflichten  nachzukommen  sich  bemüht  hat.  Ich  gliedere  diesen 
Überblick  nach  den  drei  Gesichtspunkten,  die  schon  von  Engler  auf- 
gestellt worden  waren,  und  bemerke  vorausschickend,  daß  eine  ein- 
gehende Kenntnis  der  Gesamtleistungen  durch  ein  Studium  der  Berichte 
gewonnen  werden  kann,  welche  alljährlich  seit  1892  als  Anlagen  zu 
der  amthchen  Denkschrift  über  die  Entwickelung  der  deutschen  Schutz- 
gebiete nebst  der  Denkschrift  über  die  Verwendung  des  Afrikafonds  ge- 
druckt und  dem  Reichstage  bei  Gelegenheit  der  Etatsberatungen  vorge- 
legt werden. 

Die  erste  Aufgabe  der  Zentralstelle  ist,  unsere  Kolonien 
mit  ökonomischen  Gewächsen  zu  versorgen,  ihnen  solche  teils 
lebend    teils    in    Form    von    Saat    zuzuführen.      Die    Übermittelung    der 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  35 

lebenden  Pflanzen  geschah  und  geschieht  in  Wardschen  Kästen,  die  aus- 
reisenden Gärtnern,  Förstern  oder  sonst  Leuton  mitgegeben  werden,  von 
denen  zu  erwarten  ist,  daß  sie  die  ihnen  erteilten  Instruktionen  über 
die  Pflege  unterwegs  befolgen  können  und  wollen.  Die  erste  Sendung, 
10  Kästen  mit  66  eingeschlossenen  Arten  in  261  Exemplaren  umfassend, 
wurde  bereits  im  Juli  1889  nach  Kamerun  aufgegeben  und  bildete  den 
Grundstock  des  Nutzpflanzenmaterials,  mit  welchem  der  Viktoriagarten 
daselbst  seine  Pforten  öffnete.  242  Kästen,  die  16500  Exemplare  ent- 
hielten, sind  seitdem  gefolgt.  Im  ganzen  gingen  davon  113  nach 
Kamerun,  64  nach  Ostafrika,  56  nach  Togo,  19  nach  Neu- Guinea  und 
den  SUdseeinseln.  Die  Empfänger  waren  natürlich  in  erster  Linie  die 
staatlichen  Versuchsgärten  und  Pflanzungsstationen,  so  die  Botanischen 
Gärten  in  Viktoria  und  Aniani,  die  Versuchsgärten  in  Buea,  Lome, 
Sokode,  Misahöhe,  Daressalam,  Kwai,  Herbertshöhe  und  Simpsonhafen, 
dann  aber  auch  zahlreiche  Pflanzungsgesellschaften,  Missionen  und  Private. 

Über  die  Sendungen  von  Saat  kann  ich  mich  kurz  fassen.  Sie 
erfolgten  in  den  ersten  Jahren  des  Bestehens  der  Zentralstelle  in  großer 
Artenzahl  aber  in  kleinen  Portionen,  neuerdings  umgekehrt  in  großen 
Mengen  bei  geringerer  Zahl  der  Arten.  Genaue  Angaben  kann  ich 
nicht  machen,  aber  Ihnen  die  Versicherung  geben,  daß  die  Ziffer  der 
zur  Spedition  gelangten  Muster  ohne  Wert,  Postpakete  und  Fracht- 
sendungen im  Laufe  der  Jahre  auf  viele  Tausende  angewachsen  ist. 

Wem  verdankt  die  Zentralstelle  nun  diese  Sendungen?  Sie  besaß, 
als  sie  gegründet  wurde,  einen  nicht  unbedeutenden  Stock  lebender 
tropischer  Nutzgewächse,  den  ihr  der  Berliner  Botanische  Garten  zuwies ; 
sie  vermehrte  diesen  teils  durch  eine  umfassende  Anzucht  von  Steck- 
lingen, teils  durch  Kauf,  Tausch  und  in  der  Hauptsache  durch  Zu- 
wendungen, die  ihr  durch  ihre  Beziehungen  mit  den  überseeischen 
Botanischen  Gärten  fast  aller  Kolonialmächte  zuteil  wurden.  Erst  in 
einem,  dann  seit  der  Übersiedelung  nach  Dahlem  in  zwei  mit  den  mo- 
dernsten Einrichtungen  versehenen  W^armhäusern  ist  sie  unausgesetzt 
bemüht,  die  Lücken  auszufüllen,  die  der  Pflanzenbestand  einerseits  in 
der  Zahl  der  vertretenen  Arten  aufweist  und  die  er  anderseits  durch 
die  Zahl  der  abgegebenen  Exemplare  erleidet.  Bei  der  Erwerbung  von 
Saat  spielen  neben  tropischen  Gärten,  wie  dem  in  Peradeniya,  Calcutta, 
Madras,  Singapore,  Buitenzorg,  Saigon,  Jamaica,  Trinidad,  Georgetown 
in  Guiana  und  Sidney  vor  allem  die  in  der  ganzen  Welt  zerstreuten 
deutschen  Konsulate,  Generalkonsulate  und  Ministerresidenturen  eine 
bedeutsame  Rolle.  Gerade  in  letzter  Zeit  sind  es  besonders  diese,  die 
durch  ihre  der  Kolonialabteilung  erstatteten  und  der  Zentralstelle  zu- 
gehenden Berichte  über  Kultur-  und  Nutzpflanzen  ihres  Gebiets  die  Auf- 

3 


36  G-  Volkens. 

merksamkeit  auf  wichtige  neue  Erscheinungen  hinlenken  und  zu  deren 
Beschaffung  in  Form  von  Saat  mitwirken.  Nicht  unwichtig  endlich  hat 
sich  das  Buitenzorg-Stipendium  erwiesen,  indem  es  die  Möglichkeit  gibt, 
den  alljährlich  nach  Java  ausreisenden  deutschen  Botaniker  mit  Auf- 
trägen zu  betrauen.  Mein  Aufenthalt  daselbst  war  ganz  in  erster  Linie 
der  Erwerbung  von  Saat  hochwertiger  Tropenprodukte  gewidmet,  ebenso 
hat  auch  Herr  Geheimrat  Engler  auf  seiner  einen  großen  Teil  des 
tropischen  Asiens  berührenden  Reise  die  Überführung  von  Nutzpflanzen 
nach  unseren  Schutzgebieten  fortdauernd  im  Auge  gehabt. 

Eine  weitere  Frage  ist:  Worauf  legt  die  Zentralstelle  bei  der  Aus- 
wahl des  zur  Verwendung  kommenden  Materials  besonderen  Wert? 
Eine  Reihe  von  Gesichtspunkten  ist  da  zu  berücksichtigen.  Ganz  ab- 
gesehen davon,  daß  unsere  Kolonien  nach  Klima  und  Boden  sehr  un- 
gleich sind,  daß  jede  einzelne  auf  das  hin,  was  ihr  zugeführt  werden 
kann,  für  sich  betrachtet  werden  muß,  ist  daran  zu  denken,  daß  ein 
Botanischer  oder  Versuchsgarten,  ein  Plantagenunternehmen,  ein  Farm- 
betrieb, eine  Verwaltung,  die  auch  auf  das  Wohl  der  Eingeborenen 
bedacht  ist,  sehr  verschiedene  Ansprüche  stellen  und  demgemäß  auch 
versorgt  zu  werden  verlangen. 

Für  die  Versuchsgärten  draußen  hat  die  Zentralstelle  das  Ziel,  sie 
mit  allen  Nutzpflanzen  zu  versehen,  die  überhaupt  Aussicht  haben,  in 
der  betreffenden  Kolonie  zu  gedeihen.  Sie  sieht  die  Aufgabe  eines 
solchen  Versuchsgartens  darin,  es  dem  Pflanzer  zu  ermöglichen,  zu 
jeder  Zeit  von  einer  zur  anderen  Kultur  überzugehen.  Da  die  Konjunk- 
turen wechseln,  da  man  nicht  wissen  kann,  was  die  Zukunft,  was  die 
steigende  Entwickelung  der  Technik  für  Produkte  in  den  Vordergrund 
rückt,  soll  er  sein  Hauptaugenmerk  darauf  richten,  saatgebende  öko- 
nomische Gewächse  in  denkbarster  Mannigfaltigkeit  heranzuziehen.  Dazu 
ist  nicht  nötig,  daß  er  große  Areale  mit  je  einer  Art  bepflanzt,  dazu 
ist  erforderlich,  daß  der  gegebene  Raum  möglichst  vielseitig  ausgenutzt 
wird.  Er  findet  dabei  Gelegenheit,  festzustellen,  was  an  seinem  Platze 
zu  normaler  Entwickelung  gelangt,  welche  Ansprüche  die  Kultur  stellt, 
welche  Schädlinge  sich  einfinden,  wie  die  Ernte  aufzubereiten  ist  und 
so  noch  vieles  mehr,  das  den  Pflanzer  in  den  Stand  setzt,  aus  den  ge- 
machten Erfahrungen  Nutzen  zu  ziehen.  —  Was  ist  nun  mit  Rück- 
sicht hierauf  erreicht?  Ich  muß  Sie  da  auf  die  Berichte  verweisen,  welche 
die  Gouvernements  für  Deut  seh- Ostafrika^  für  Togo,  Kamerun  und  Neu- 
Guinea  alljährlich  oder  gelegentlich  erstatten.  Wenn  Sie  die  Listen 
durchsehen,  die  Auskunft  über  den  Pflanzenbestand  der  Versuchsgärten 
in  Viktoria,  Buoa,  Misahöhe,  Sokode,  Amani  und  Simpsonhafen  geben, 
und    damit    vergleichen,    was    die    Zentralstelle   diesen  Gärten  im  Laufe 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  37 

der  letzten  16  Jahre  zugewendet  hat,  werden  Sie  konstatieren  können, 
w^elchen  hervorragenden  Anteil  das  Berliner  Institut  an  der  Ausstattung 
unserer  kolonialen,  der  tropischen  Landwirtschaft  dienenden,  staatlichen 
Schöpfungen  mit  Pflanzenmaterial  hat.  Der  Victoriagarten  hat  zurzeit  gegen 
800,  Amani  650  Arten  von  Nutz-  und  Ziergewächsen  in  Kultur,  sehr 
viele  bereits  im  blühenden  und  fruchtenden  Alter,  und  nur  einen  Bruch- 
teil davon,  von  im  Lande  selbst  wachsenden  Spezies  abgesehen,  ver- 
danken beide  einem  anderen  Geber  denn  der  Zentralstelle. 

Durch  Victoria  und  Amani  bzw.  vorher  Kwai  und  Daressalam, 
ebenso  durch  Misahöhe  und  Sokode  findet  seit  Jahren  schon  eine  aus- 
gedehnte M^eiterverbreitung  der  wichtigsten  Arten  durch  Saat,  Steck- 
linge und  junge  Pflanzen  statt,  so  daß  in  Ostafrika,  Togo  und  Kamerun 
zurzeit  der  Stätten  nicht  wenige  sind,  wo  ein  mehr  oder  weniger  an- 
sehnlicher Stock  verschiedenartiger  Nutzpflanzen  der  Ernte  entgegen- 
reift, deren  Voreltern  ihre  Reise  in  die  Kolonie  von  Berlin  aus  ange- 
treten haben.  Ich  nenne  nur  einige  hervorragende,  so  von  Kautschuk- 
und  Guttabäumen,  Hevea  hrasüiensis,  CastiUoa  elastica,  Ficus  elastica, 
F.  Schlechterf,  Manilwt  Olaziovii,  Palaquium  oblongifolium,  Payena 
Leerii,  von  Faserpflanzen  Baumwolle,  Ramie,  Jute,  die  Sisalagave, 
Fourcroya  gigantea,  Musa  textiUs,  Rotangpalmen,  Carludovica  palmata, 
von  technisch  wichtige  Produkte  liefernden  Pflanzen  Kampfer-  und  Seifen- 
bäume, Copernicia  cerifera,  Gerberakazien,  Barbatimao-  und  Malettbaum, 
Canaigre,  Bambusen  verschiedenster  Art,  von  Medizinalpflanzen  den  Peru- 
und  Tolubalsambaum,  Chinabäume,  Koka,  von  Gewürzen  Vanille,  Zimmt, 
Pfeffer,  Kardamom,  Ingwer,  Muskatnuß,  Nelken,  von  Genußmitteln 
Kaffee  und  Kakao,  den  mannigfachsten  Sorten  und  Ursprungsländern 
angehörig,  Tee,  Tabak  und  Betelnuß,  von  Nutzhölzern  und  Schatten- 
bäumen den  Tiek-,  Mahagoni-  und  Pockholzbaum,  Afzelia  hijuga, 
Dutzende  von  Eukalypten  und  Kasuarinen,  CedreJa  odorata,  Albizzien, 
Erythrinen,  Caesalpinien  und  Cassien,  Pitliecolohium  Saman  und  Pelto- 
plwrum  dasyrhachis,  von  Obstarten  Ananas,  Guajaven,  Anonen,  Durio 
zihethinus,  Eriobotrya,  Persea^  ÄverrJwa,  Spondias,  NepTtelium,  Passi- 
flora, Oarcinia,  Achras  Sapota  und  Citrus-kviQU.  Von  Zierpflanzen, 
die  der  Zentralstelle  in  den  Beständen  des  Berhner  Botanischen  Gartens 
ja  besonders  reichlich  zur  Verfügung  waren,  hebe  ich  die  zahlreichen, 
allen  Weltteilen  entstammenden  Palmen  hervor,  welche  den  Gärten  in 
unseren  Kolonien,  zum  Teil  schon  im  erwachsenen  Zustande  zum 
Schmucke  gereichen. 

Hatte  die  Zentralstelle  bei  der  Versorgung  der  Versuchsgärten  auf 
ein  möglichst  vielseitiges  Pflanzenmaterial  nach  eigener  Auswahl  Be- 
dacht   zu    nehmen,    so    konnte    sie    sich   im  Verkehr  mit  den  Forstver- 


38  G.  Volkens. 

waltungen  unserer  Schutzgebiete,  mit  den  dort  ansässigen  Pflanzungs- 
gesellschaften und  Privaten  auf  das  beschränken,  was  von  dieser  Seite 
an  lebenden  Gewächsen,  Stecklingen  und  Saat  erbeten  wurde.  Sie  hatte 
Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Geringfügigkeit  ihrer  Mittel,  sie  konnte 
einem  neu  auf  den  Plan  tretenden  Unternehmen  nicht  das  gesamte  Saat- 
gut liefern,  das  es  brauchte,  aber  sie  konnte  doch,  besonders  in  letzter 
Zeit,  dank  gelegentlichen  Zuschüssen,  die  ihr  durch  Vermittelung  erst 
des  kolonialwirtschaftlichen  Komitees,  dann  der  Deutschen  Kolonial- 
gesellschaft zuteil  wurden,  vielfach  den  Wünschen  gerecht  werden, 
die  an  sie  herantraten.  Es  handelte  sich  dabei  zumeist  um  Neuein- 
führungen, um  Pflanzen,  die  auf  dem  gewöhnlichen  Handelswege  nicht 
zu  beschaffen  sind,  um  hochwertige  Sorten  verbreiteter  Kulturge- 
wächse, die  da  oder  dort  auftauchen  und  ein  allgemeineres  Interesse 
auf  sich  lenken.  Erfolg  zu  verzeichnen  hat  die  Zentralstelle  nach  dieser 
Richtung  mit  der  Einführung  des  neukaledonischen  Kautschukbaums 
Ficus  Schied iteri,  der  Ficus  elastica  und  zweier  neuen  Kautschuk 
liefernden  Manihot-Arten  aus  Brasilien  in  alle  unsere  tropischen  Schutz- 
gebiete, mit  der  Einführung  der  jetzt  aus  eigener  Saat  weiter  betriebenen 
Tiekholz-  und  Sisalagavenkultur  in  Togo,  mit  der  Unterstützung  der 
Aufforstungsbestrebungen,  die  sich  in  Ostafrika  und  Togo  geltend  machen, 
indem  sie  Saat  des  Kampfer-,  Malett-,  Barbatimaobaums,  der  brasilianischen 
Wachs-  und  Piassavapalme  in  größeren  Massen  lieferte,  mit  der  Über- 
mittelung bester  Tee-  und  Cinchona-Sorten  an  die  Gouvernements- 
pflanzungen in  Buea  und  Amani,  mit  der  Überführung  einer  als  Nica- 
ragua-Criollo  bezeichneten  Spielart  des  Kakao  aus  Ceylon  nach  Togo, 
Kamerun  und  Neu-Guinea,  mit  der  Verteilung  guter  Ananasvarietäten 
aus  Trinidad,  mit  der  Inangriffnahme  der  Dattelkultur  in  Südwestafrika 
und  so  noch  mit  einer  Reihe  für  Forst-  und  Landwirtschaft  in  unseren 
Schutzgebieten  nicht  unwichtiger  Bereicherungen  des  Pflanzmaterials,  Er- 
wähnenswert ist  gewiß  auch,  daß  ein  Austausch  spezifischer  Landes- 
erzeugnisse unter  den  einzelnen  Kolonien  selbst  angebahnt  wurde,  in- 
dem beispielsweise  die  Kickxia  elastica  nach  überall  hin,  die  Kolanuß 
von  West-  nach  Ostafrika  und  Neu-Guinea,  die  Mascarenhasia  elastica 
umgekehrt  von  Ost-  nach  Westafrika,  Äßelia  hijuga  von  den  Marianen 
nach  Togo  und  Kamerun  gelangte. 

Ein  letzter  Zweig  der  auf  Versorgung  mit  Nutzpflanzen  gerichteten 
Tätigkeit  der  Zentralstelle  wird  durch  die  Bestrebungen  dargestellt, 
auch  den  Ackerbau  der  Eingeborenen  nach  Möglichkeit  zu  heben.  Die 
besten  Sorten  des  javanischen  Wasser-  und  Bergreises,  amerikanische 
Maisvarietäten  gingen  zentnerweise  nach  Ostafrika  und  Togo,  um  die 
einheimischen  weniger  reich  tragenden  Spielarten   zu  ersetzen.     Die  be- 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  39 

rühmte  schwarze  Bohne  Venezuelas  und  Brasiliens,  die  Sojabohne  Japans, 
die  Velvetbeans  und  die  Cow  peas  der  Amerikaner,  Gemüsepflanzen 
aller  Arten,  Kürbisse,  Gurken  und  Melonen  gelangten  zum  schwarzen 
Kontinent  und  in  die  Südsee  so  oft  oder  in  solchen  Mengen,  daß  nicht 
überall,  aber  doch  da  und  dort,  ihre  Kultur  nunmehr  als  eingebürgert 
gelten  darf.  Auch  der  Futterpflanzen  wurde  gedacht,  in  letzter  Zeit 
nicht  weniger  der  Einführung  stickstoffspeichernder  Gewächse,  die  den 
Ertrag  der  Plantagenkulturen  zu  steigern  bestimmt  sind.  Lange  Jahre 
hindurch  war  dem  Gouvernement  eine  Viehhaltung  am  Kamerunberge 
fast  unmöglich,  gepreßtes  Heu  wurde  von  den  Almen  der  Schweiz  her 
bezogen;  die  geglückte  Einbürgerung  des  Ploridaklees  machte  den  miß- 
lichen Zuständen  mit  einem  Schlage  ein  Ende. 

Nicht  jedes  Samenkorn,  das  die  Zentralstelle  ausstreute,  ist  auf 
fruchtbaren  Boden  gefallen.  Vieles,  sehr  vieles  ging  überhaupt  nicht 
auf,  entweder  weil  es  seine  Keimkraft  während  des  Transportes 
verloren  hatte,  oder  weil  es  in  Hände  gelangte,  die  sich  nicht 
■einmal  die  Mühe  des  Aussäens  machten.  Vieles  ist  aufgegangen,  aber 
der  ständige  Wechsel  der  Personen  brachte  es  mit  sich,  daß  der 
Nachfolger  sich  um  das  nicht  kümmerte,  was  der  Vorgänger  schuf. 
Solche  Mißerfolge  mußten  in  den  Kauf  genommen  und  dadurch  ausge- 
glichen werden,  daß  immer  neue  Nachschübe  erfolgten.  Überschaut 
man  das  Facit,  so  kann  die  Zentralstelle  wohl  damit  zufrieden  sein. 

Die  Zentralstelle  hat  an  zweiter  Stelle  die  Aufgabe,  die 
aus  den  Kolonien  eingehenden  Pflanzen  wissenschaftlich  zu 
bestimmen  und  Auskunft  über  ihren  Nutzwert  zu  geben. 
Noch  ehe  sie  gegründet  war,  besaß  das  Botanische  Museum  reiche 
Schätze  afrikanischer  Pflanzen,  und  auch  die  Inseln  der  Südsee,  deren 
Florenelemente  sowohl  nach  Australien  wie  zum  indo-malayischen  Ge- 
biet hin  ausstrahlen,  waren  seit  der  Zeit  eines  Chamisso  durch 
Sammlungen  im  Herbar  gut  vertreten.  Die  Grundlagen  zum  Ver- 
gleich mit  Originalen,  auf  dem  in  einem  Museum  jede  Determination 
basieren  sollte,  waren  also  gegeben.  Man  ahnte  indessen  damals  noch 
nicht,  welche  Fülle  unbekannter  Pflanzenformen  unsere  Kolonien 
noch  bargen,  man  war  erstaunt  und  fast  erschreckt  zugleich,  möchte 
ich  sagen,  als  nun  Ende  der  80  er  und  besonders  in  den  90  er 
Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts  mit  der  fortschreitenden  Er- 
schließung der  Schutzgebiete  die  Eingänge  sich  häuften,  als  in  rascher 
Polge  aus  Ost-,  West-  und  Südafrika,  aus  Neu- Guinea  und  den  benach- 
barten Inseln  Sammlungen  mit  Tausenden  von  Nummern  einliefen,  unter 
denen  die  neu  zu  beschreibenden  Arten  zum  mindesten  nach  ebenso 
vielen  Hunderten  zählten.     Man  stand  vor  einer  Aufgabe,  die  nur  durch 


40  G-  Volkens. 

einmütiges  Zusammengehen  aller  am  Botanischen  Museum  und  Garten 
tätigen  wissenschaftlichen  Kräfte  zu  bewältigen  war.  und  sie  genügten 
nicht,  neue  mußten  herangezogen  und  auch  fern  von  Berlin  weilende 
Spezialisten  gewonnen  w^erden,  um  das  herbeiströmende  Material  zu  be- 
arbeiten. Was  geleistet  worden  ist,  zeigen  ihnen  iie  letzten  30  Bände 
der  Englerschen  Jahrbücher  für  systematische  Botanik,  zeigen  ihnen 
Werke  und  Abhandlungen  wie:  „Die  Pflanzenwelt  Ostafrikas  und  seiner 
Nachbargebiete ",  „Die  Hochgebirgsflora  Afrikas",  „Die  Flora  Neu- 
Guineas  und  der  Südsee-Inseln" .  „Die  Vegetationsverhältnisse  der  Karo- 
linen, der  Marschallinseln  und  Kiautschaus",  zeigen  ihnen  endlich  die 
monographischen  Bearbeitungen  der  afrikanischen  Moraceen.  St^rcu- 
liaceen,  Combretaceen.  Sapotaceen  und  der  Gattung  StropJia)ithus.  Noch 
ist  kein  Ende  der  Eingänge  an  getrockneten  Pflanzen  abzusehen  und 
wenn  auch  viele  kleinere  und  einzelne  umfassendere  Gebiete  in  bezug 
auf  ihre  Flora  als  im  großen  und  ganzen  bekannt  gelten  können,  so 
sind  andere,  wie  Deutsch-Südwestafrika,  der  Westen  Ostafrikas,  der 
Osten  Togos  und  Kameruns  doch  noch  weit  im  Rückstande  und  machen 
es  vorläufig  unmöglich,  an  eine  Zusammenstellung  ihrer  Vegetations- 
formen in  Gestalt  eines  Florenverzeichnisses  heranzugehen. 

Allgemeiner  unterrichtet  sind  wir  über  die  einheimischen  Nutz- 
pflanzen unserer  Kolonien.  Auf  sie  achtet  nicht  nur  der  wissenschaft- 
liche Sammler,  auch  der  Kaufmann,  der  Stationsleiter,  der  Pflanzer  und 
Offizier  wendet  ihnen  sein  Interesse  zu  und  erkundigt  sich  zum  wenigsten 
nach  dem  Namen.  Fast  Woche  für  Woche  gehen  Anfragen  in  dieser 
Beziehung  ein  und  müssen  beantwortet  werden.  Oft  dreht  es  sich  um 
ein  einzelnes  Objekt,  eine  Giftpflanze,  ein  Zauberkraut,  ein  Nahrungs- 
mittel, oft  aber  auch  um  ganze  Zusammenstellungen  von  Drogen,  von 
Nutzhölzern,  von  Futterpflanzen  der  Eingeborenen  oder  von  Produkten, 
die  dem  Einsender  Aussicht  auf  eine  technische  Verwertung  in  Europa 
zu  bieten  scheinen.  Manches  bleibt  wegen  UnvoUkommenheit  des  ein- 
gelieferten Materials  ungeklärt,  aber  vieles  hat  doch  auch  dazu  beige- 
tragen, die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  zu  erregen.  Eine  Reihe 
neuer  Kautschukspender,  Öl-,  Fett-  und  Faserpflanzen  wurde  auf  diese 
Weise  bekannt,  die  Nährgewächse  der  Eingeborenen  konnten  auf  ihre 
verschiedenen  Formen  und  Spielai'ten  hin  untersucht  werden.  Nutz- 
hölzer, Drogen,  Harze,  Gerbstoftprodukte  kamen  ans  Tageslicht,  von 
denen  eins  oder  das  andere  sich  wohl  einmal  eine  Bedeutung  erringen 
wird.  Noch  sind  zu  wenig  kolonial-botanisch  geschulte  Fachleute  in 
unseren  Kolonion,  noch  dämmert  es  den  meisten  Beamten  drüben  nicht 
auf,  welche  Verdienste  sie  sich  im  Zusammenarbeiten  mit  der  Zentral- 
stelle    um    die    Kenntnis    der    Nutzpflanzen    ihres    Bezirkes    erwerben 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  41 

könnten,  aber  die  Anfänge  sind  doch  gemacht,  so  besonders  seit  der 
Gründung  Amanis  in  Ostafrika  und  in  Togo,  wo  der  Gouverneur  Graf 
Zech  und  seine  Bezirksamtmänner  Dr.  Kersting  und  Dr.  Grüner 
nach  dieser  Richtung  rastlos  tätig  sind  und  die  ihnen  als  wertwoll  be- 
zeichneten Gewächse  auch  in  Kultur  nehmen. 

Ich  komme  damit  zur  dritten  und  letztenAufgabederZentral- 
stelle.  Sie  soll  belehrend  wirken.  Sie  tut  dies  schon,  indem  sie  über 
die  Vegetationsverhältnisse  in  unseren  Kolonien  und  über  die  Bedeutung 
ihrer  Nutzpflanzen  Aufschluß  gibt.  Das  Rüstzeug  hierfür  besitzt  sie  in 
sich  selbst  und  in  den  Sammlungen  des  Botanischen  Museums.  Sie 
hat  aber  weiter  zu  gehen  und  bedarf  dazu  einer  umfassenden  Verwertung 
der  Erfahrungen,  die  in  den  Kolonien  anderer  Mächte  gemacht  und  in 
zahlreichen  Büchern  und  Zeitschriften  niedergelegt  sind,  sie  hat  sich 
mit  heimischen  staathchen  Instituten,  mit  kaufmännischen  Firmen,  mit 
Industriellen,  die  auf  den  Bezug  tropischer  Produkte  angewiesen  sind, 
in  dauernder  Verbindung  zu  halten,  um  von  diesen  belehrt  zu  werden. 
Sie  hat  sich  gutachtlich  zu  äußern,  nicht  nur  den  Gouvernements  und 
deren  Beamten,  den  Pflanzern,  Missionen  und  Kaufleulen  gegenüber, 
sondern  vor  allem  auch  dem  Reichskolonialamt,  an  welches  unausgesetzt 
Gesellschaften  und  Private  mit  neuen  Anregungen,  mit  Vorschlägen,  mit 
Bitten  um  Auskunft  über  dies  oder  das  herantreten.  Besonders  in 
letzter  Zeit,  wo  das  Interesse  an  unseren  Kolonien  erfreulicher  Weise 
sichtlich  gewachsen  ist,  vergeht  kaum  eine  Woche,  in  der  nicht  irgend 
ein  eingehender  Bericht  zu  erstatten  wäre.  Da  laufen  zwischendurch 
Hölzer,  Fasern,  Gerbstoffmaterialien,  Kautschukproben  ein,  über  deren 
Güte  und  Handelswert  Firmen  zu  befragen  sind,  da  sind  Kulturan- 
weisungen zu  geben,  Schädlinge  zu  bestimmen,  Keimungsversuche  zu 
machen,  kurz  Aufgaben  zu  lösen,  die  alle  Zweige  der  tropischen  Land- 
wirtschaft und  der  Ausnutzung  der  vegetabilischen  Schätze  unserer 
Schutzgebiete  berühren.  Die  Zentralstelle  kann  das  nicht  alles  allein 
machen,  sie  ist  angewiesen  auf  ein  Zusammengehen  mit  Behörden  und 
Firmen.  Die  staatliche  Stelle  für  Materiahenprüfung,  die  Versuchsanstalt 
für  Lederindustrie  in  Preiberg,  die  landwirtschaftliche  Hochschule  in 
Berlin,  die  Vereine  der  Papierfabrikanten,  Firmen  wie  Traun  und  Steidt- 
mann  &  Nagel  in  Hamburg,  Merck  in  Darmstadt,  Gehe  in  Dresden, 
Pfaff  in  Berlin  und  viele  andere  müssen  herangezogen  werden,  und  es 
ist  mit  Dank  festzustellen,  daß  sie  bisher  noch  in  keinem  Falle  ihre 
Unterstützung  versagt  haben.  Als  ganz  besonders  vorteilhaft  hat  sich 
ein  Zusammenarbeiten  mit  der  kolonial-chemischen  Abteilung  des  der 
Zentralstelle  räumlich  benachbarten  Pharmazeutischen  Instituts  erwiesen. 
Vor  nicht  langer  Zeit  mit  einer   Subvention    aus   Reichsmitteln    bedacht, 


42  Gr.  Volkens. 

ist  sie  nunmehr  imstande,  auch  kolonial-chemische  Fragen  allgemeiner 
Xatur  in  Angriff  zu  nehmen.  Eine  von  der  Zentralstelle  veranlaßte,  an 
alle  Gouvernements  ergangene  Aufforderung,  Milchsäfte  einzusenden, 
hat  ihr  schon  Gelegenheit  gegeben,  sich  der  Praxis  nützlich  zu  er- 
weisen und  es  ist  kein  Zweifel,  daß  sie  auch  in  Zukunft  allen  An- 
sprüchen, die  an  sie  nach  chemisch-technischer  Seite  hin  gestellt  werden 
können,  im  vollsten  Maße  gerecht  werden  wird. 

In  den  Kreis  der  dritten  Aufgabe  der  Zentralstelle  fällt  endlich 
die  Ausbildung  von  Gärtnern  für  den  Kolonialdienst,  die  Ausrüstung 
wissenschaftlicher  Reisender  mit  botanischem  Sammelgerät  und  die  Be- 
lehrung sowohl  der  in  die  Kolonien  gehenden  Beamten  und  Privaten, 
als  des  Publikums  überhaupt.  Die  Gärtner,  die  nach  körperlicher  Brauch- 
barbefind ung  für  den  Tropendienst  vorgemerkt  werden,  haben  sich 
praktisch  in  den  Anzuchts-  und  Schauhäusern  der  Zentralstelle  zu  be- 
tätigen und  sind  angewiesen,  an  den  kolonial-botanischen  Vorlesungen 
teilzunehmen,  die  ich  an  der  Kgl.  Gärtner-Lehranstalt  halte.  Über 
40,  von  denen  eine  ganze  Anzahl  ihren  Drang  in  die  Ferne  mit  dem 
Leben  hat  bezahlen  müssen,  haben  bis  jetzt  draußen  Verwendung  ge- 
funden, meist  als  Gouvernementsgärtner,  nicht  wenige  aber  auch  als 
Angestellte  von  Pflanzungsgesellschaften. 

Verhältnismäßig  wenig  Freude  hat  die  Zentralstelle  an  ihrer  Ob- 
liegenheit, Reisende,  Beamte  und  Offiziere  auszurüsten.  Viele  fühlen 
sich  da  berufen,  aber  wenige  sind  auserwählt.  Die  Schwierigkeit  des 
Sammeins  in  einem  feuchten  Klima,  Mangel  an  Vorkenntnissen,  er- 
lahmender Eifer  bei  Überhäufung  mit  anderen  Arbeiten  verschulden  es, 
daß  nur  hier  und  da  einmal  das  Sammelgerät  benutzt  wird  und  das 
■eingehende  Material  die  aufgewendeten  Kosten  lohnt. 

Die  für  Belehrung  des  Publikums  getroffenen  Vorkehrungen  er- 
strecken sich  auf  Vorführung  lebender  tropischer  Nutzpflanzen  in  den 
Schauhäusern  des  Botanischen  Gartens,  auf  systematische  und  nach  den 
einzelnen  Kolonien  geordnete  Zusammenstellungen  vegetabilischer  Pro- 
dukte im  Botanischen  Museum  und  auf  Beteiligung  an  Ausstellungen. 
Seit  der  Übersiedelung  der  Botanischen  Institute  nach  Dahlem  hat  in 
dieser  Beziehung  Hervorragendes  geschehen  können.  In  einem  be- 
sonderen V^^armhause  werden  im  Laufe  eines  jeden  Sommers  alle  wich- 
tigeren einjährigen  tropischen  ökonomischen  Gewächse,  wie  Baumwolle, 
Jute,  Ramie,  Reis,  Erdnuß,  Indigo,  Nährpflanzen  der  Eingeborenen  usw. 
herangezogen  und  täglich  zur  Schau  gestellt.  Davor  finden  Sie  ein 
größeres  Areal  mit  überseeischen  Nutzpflanzen  bedeckt,  die  auch  hier 
im  Laufe  eines  Sommers  zur  Reife  kommen,  so  mit  Sorghum,  Hirse, 
JMais,    Futterkräutern,    Bataten,    Tomaten,    tropischen    Gemüsearten    und 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  43 

Tabak.  Zwei  weitere  Schauhäuser  bergen  die  mehrjährigen  Pflanzen, 
die  Kaffeearten,  Kakao,  Gewürze,  Nutzhölzer,  die  Kautschukproduzenten, 
Öl-,  Fett-,  Gespinnst-  und  Gerbstoffpflanzen,  die  Obstarten  in  einer  so 
reichen  Auswahl,  daß  Sie  kaum  eines  der  bekannteren,  unsere  Kolonial- 
waren und  tropischen  Rohprodukte  liefernden  Gewächse  vermissen 
werden. 

Der  speziell  den  deutschen  Kolonien  gewidmete  Saal  im  Botanischen 
Museum  befindet  sich  noch  in  der  Ausgestaltung.  Es  ist  gedacht,  ihn 
so  einzurichten,  daß  die  eine  Längsseite  alles  zur  Anschauung  bringt, 
was  auf  die  Kultur  und  Ernteaufbereitung  von  Plantagenpflanzen,  wie 
Kaffee,  Kakao,  Tee,  Kautschuk,  Chinabäumen,  Öl-  und  Kokospalme, 
Baumwolle,  Sisalagaven,  in  der  Hauptsache  auf  Gewächse  also  Bezug 
hat,  die  mehreren  unserer  Kolonien  gemeinsam  sind.  Auf  der  anderen 
Seite  sollen  bestimmte  Kojen  für  jede  einzelne  unserer  Kolonien  einge- 
richtet und  in  diesen  das  zusammengetragen  werden,  was  sie  an  be- 
sonderen eingeführten  oder  einheimischen  Pflanzen  und  daraus  ge- 
wonnenen Materialien  birgt.  Eine  reiche  Bildersammlung,  Fabrikate, 
Tabellen  und  Modelle  sollen  in  beiden  Abteilungen  das  Verständnis  er- 
leichtern. Material  ist  reichlich  vorhanden;  aber  bei  der  geringen  Zahl 
der  zur  Verfügung  stehenden  Hilfskräfte  geht  die  Aufstellung  nicht  so 
rasch  vor  sich,  als  zu  wünschen  wäre. 

Ich  gelange  zum  Schluß,  meine  Herren,  und  muß  ihn  notge- 
drungen mit  einem  Vortrag  verknüpfen,  der  vor  einem  Jahre  in  Ham- 
burg in  dieser  Vereinigung  der  Vertreter  der  angewandten  Botanik 
unter  dem  Titel  „Tropische  Landwirtschaft"  gehalten  und  in  deren 
Jahresbericht  abgedruckt  worden  ist.  So  sehr  ich  mit  diesem  Vortrage 
in  allen  seinen  Hauptteilen  einverstanden  bin,  so  wenig  kann  ich  dies 
in  bezug  auf  seinen  Ausgang,  auf  die  Forderung  sein,  in  die  er  gipfelt: 
Die  Regierung  möge  eine  Zentrale  für  tropische  Landwirt- 
schaft als  Reichsinstitut  im  Anschluß  an  die  Biologische  An- 
stalt für  Land-  und  Forstwirtschaft  in  Dahlem  bei  Berlin 
gründen.  Es  ist  bezeichnend,  daß  der  Vortragende,  der  sonst  alle 
möglichen  in  der  Welt  bestehenden  Organisationen  zur  Förderung  tro- 
pischer Landwirtschaft  aufzählt  und  bespricht,  die  Botanische  Zentral- 
stelle am  Botanischen  Garten  zu  Berlin  mit  keinem  Wort  erwähnt:  sie 
ist  für  ihn,  der  im  übrigen  den  Berliner  Garten  und  das  Museum  sehr 
eifrig  benutzt,  überhaupt  nicht  vorhanden.  Ich  will  den  Gründen  für 
diese  auffällige  Ignorierung  nicht  nachgehen,  jedenfalls  war  sie  mir  mit 
Veranlassung,  Ihnen  durch  meine  heutigen  Ausführungen  ein  Bild  da- 
von zu  geben,  daß  wir  in  Deutschland  denn  doch  nicht  so  ganz  ohne 
eine    Staatsinstitution    sind,    die  unseren  Kolonialverwaltungen,    unseren 


44  G.  Volkens. 

Pflanzern,  unseren  heimischen,  auf  den  Bezug  von  Tropenprodukten  an- 
gewiesenen Industriellen  ratend  und  tatend  zur  Seite  steht. 

Prof.  Warburg  wünscht  eine  Zentrale  für  tropische  Landwirt- 
schaft, zunächst  als  Abteilung  der  Biologischen  Reichsanstalt,  später, 
hofft  er,  werde  sich  diese  zu  einem  selbständigen  Institut  entwickeln. 
Zur  Begründung  weist  er  auf  die  Anstalten  hin,  die  andere  Kolonial- 
mächte geschaffen  haben,  auf  das  Department  of  Agriculture  in  Washington, 
das  Imperial  Institute  in  London,  das  Kolonialmuseum  in  Haarlem.  Seinen 
besonderen  Beifall  findet  Prankreich,  das  eine  Ecole  nationale  superieure 
de  TAgriculture  coloniale,  eine  Societe  fran(,-aise  de  Colonisation  et  d'Agri- 
culture  coloniale  und  schließlich  einen  Jardin  colonial  besitzt,  dessen 
Direktor  gleichzeitig  als  Generalinspektor  der  kolonialen  Landwirtschaft 
Ministerialbeamter  ist.  Das  Department  of  Agriculture  in  Washington 
kann  kaum  herangezogen  werden,  schon  darum  nicht,  weil  es  ja  seine 
Wirksamkeit  in  einem  Gebiet  entfaltet,  dessen  Teile  durch  Telegraph 
und  Schienenstränge  aufs  innigste  mit  der  Zentrale  verbunden  sind. 
Für  die  Philippinen  hat  Amerika  ein  eigenes  Department  in  Manila  ge- 
schaffen. Daß  Prankreich  am  weitesten  vorgeschritten  erscheint,  wird 
mit  Recht  hervorgehoben.  Aber  ich  sage  ausdrücklich  „erscheint". 
Aus  dem  Vorhandensein  dreier  großen  kolonialen  Institute  in  Paris 
darf  doch  nicht  geschlossen  werden,  daß  Prankreich  damit  nunmehr 
den  Vogel  abgeschossen  hat,  daß  es  zur  wirtschaftlichen  Erschließung 
seiner  Kolonien  wirklich  richtige  und  zweckmäßige  Maßnahmen  getroffen 
hat.  Ich  leugne  das,  ich  behaupte,  Prankreich  wandelt  mit  seinen  Be- 
strebungen, die  Bedürfnisse  der  tropischen  Landwirtschaft  in  Paris 
regeln,  seine  Kolonien  von  Paris  aus  entwickeln  zu  wollen,  auf  falschen 
Wegen,  auf  Wegen,  die  wir  uns  hüten  sollen,  gleichfalls  einzuschlagen. 
England  und  Holland  haben  uns  Vorbilder  zu  sein,  von  deren  Schöp- 
fungen im  Mutterlande  Warburg  nichts  weiter  anzugeben  weiß,  als 
das  bescheidene  Imperial  Institute  und  das  noch  bescheidenere  Kolonial- 
museum in  Haarlem.  Beide  Staaten  erkannten  eben,  daß  die  tropische 
Landwirtschaft  nur  da  einschneidend  gefördert  werden  kann,  wo  sie 
betrieben  wird,  nicht  im  Mutterlande,  sondern  in  den  Kolonien  selbst. 
Was  sie  bei  sich  schufen,  sind  Auskunftsstellen,  Vermittelungsstellen, 
Zentralstellen,  wie  Sie  sie  nennen  wollen,  Institutionen,  deren  Haupt- 
aufgabe darin  liegt,  den  Gouvernements,  den  Leitern  von  Versuchs- 
gärten, den  Pflanzenbau  treibenden  Kolonisten  in  speziellen  Prägen  Rat- 
schläge zu  erteilen,  Pflanzmaterial  zu  beschafien  und  zu  verteilen,  die 
gezüchteten  oder  sonstwie  gewonnenen  Produkte  durch  wirkliche  in 
der  Praxis  stehende  Pachmänner  auf  ihre  Qualität  und  ihren  Handels- 
wert untersuchen  zu  lassen. 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  45 

Stellen  wir  uns  einmal  vor,  ein  neues,  großes  Reichsinstitui  für 
tropische  Landwirtschaft  bestände  in  Dahlem  und  greifen  wir  irgend 
eine  Frage  heraus,  deren  Beantwortung  Herr  Prof.  War  bürg  für 
dringend  notwendig  erachtet,  beispielsweise  die  Frage  der  Schädlings- 
bekämpfung. Kann  da  in  Dahlem  Ersprießliches  geleistet  werden? 
Man  kann  mit  großen  Kosten  sich  eigene  Kulturhäuser  für  Kaffee, 
Kakao,  Kautschukpflanzen,  Zuckerrohr,  Chinabäume,  Öl-  und  Kokos- 
palmen anlegen,  man  kann  auch  Schädlinge  aus  den  Kolonien  in  diese 
Kulturhäuser  übertragen,  aber  dem  Schädling  wie  der  Wirtspflanze  eine 
gedeihliche,  normale  Entwickelung  sichern,  kann  man  nicht;  man  kann 
beiden  nicht  die  khmatischen  Faktoren,  ihre  Freunde  und  Feinde,  das 
ganze  Milieu  bieten,  das  eine  wirksame  Bekämpfung  des  Krankheits- 
erregers zur  Voraussetzung  hat.  Für  die  reine  Wissenschaft  würde 
vielleicht  hier  und  da  einmal  etwas  herauskommen,  eine  schöne  Ab- 
handlung mit  vielen  bunten  Tafeln,  für  die  Praxis  schwerlich  je  etwas 
von  Bedeutung.  Das  Institut  würde  gut  tun.  sich  von  vornherein  auf 
die  Diagnostizierung  des  Schädlings  zu  beschränken  und  aus  der  Lite- 
ratur anzugeben,  was  da  oder  dort  für  Bekämpfungsmittel  und  mit 
welchem  Erfolge  zur  Anwendung  gelangt  sind.  Für  eine  derartige 
Auskunft  sind  aber  genug  Stätten  in  Deutschland  vorhanden,  die  ge- 
nügende Experten  und  genügende  Vergleichssammlungen  besitzen  und 
die  auch  freudig  gewillt  sind,  ihre  Dienste  anzubieten.  Eines  neuen 
Instituts  bedarf  es  dazu  nicht.  Und  so  ist  es  mit  einer  Unzahl  anderer 
Dinge.  Warburg  führt  die  Schattenfrage  für  tropische  Baumkulturen 
auf,  das  Problem  der  Müdigkeit  tropischer  Böden,  des  Einflusses  vom 
Tau  auf  tropische  Kulturpflanzen,  ich  füge  hinzu  die  Dünger-  und  Be- 
arbeitungsfrage für  tropische  Böden,  die  Fragen  nach  zweckmäßigster 
Ernteaufbereitung,  die  überaus  wichtige  Arbeiterfrage.  Kann  eine  einzige 
davon  in  Dahlem  gelöst  werden?  Um  auf  die  Schädlinge  zurückzu- 
kommen, was  würde  man  von  einer  Kommune  sagen,  die  zur  Be- 
kämpfung der  Brände  bedeutende  Mittel  für  ein  schönes  neues,  großes 
Spritzenhaus  bewilligte,  dieses  Haus  aber  nicht  in  der  eigenen  Stadt, 
sondern  in  einer  anderen,   1000  Meilen  davon  entlegenen  bauen  ließe? 

Sie  sehen,  meine  Herren,  worauf  ich  hinaus  will.  Wenn  wir  die 
tropische  Landwirtschaft  in  unseren  Kolonien  heben  wollen,  so  haben 
wir  die  Hebel  nicht  hier  in  Dresden  oder  in  Dahlem  anzusetzen,  sondern 
drüben,  in  Ost-  und  Westafrika,  in  Neu-Guinea  und  Samoa.  Dieser 
Forderung  gegenüber  steht  alles  andere  zurück.  Jede  Mark,  die  wir 
drüben  in  einen  Versuchsgarten,  ein  kolonial  botanisches  oder  chemisches 
Laboratorium,  eine  Eisenbahn  investieren,  wird  unvergleichlich  viel 
höhere  Zinsen  bringen,  als  wenn  wir  sie  hier  für  ein  Institut  verwenden. 


^Q  G.  Volkens. 

in  welchem  schließlich  doch  nur  an  grünen  Tischen  gearbeitet  wird. 
Frankreich  ist  groß  in  der  Theorie,  groß  im  Zentralisieren,  aber  trotz 
seiner  vielen  kolonialen  Schöpfungen  im  Mutterlande,  schöpfen  ihm  doch 
die  englischen  und  deutschen  Firmen,  die  sich  in  seinen  Kolonien  nieder- 
gelassen haben,  den  Rahm  von  der  Milch  weg.  Holland  schuf  sich 
sein  Buitenzorg  und  wer  das  kennen  gelernt  hat,  der  weiß,  was  es  be- 
deutet, der  weiß,  daß  es  das  Muster  abzugeben  hat,  nach  dem  wir  uns 
zu  richten  haben.  Ich  will  nicht  näher  darauf  eingehen.  In  einem 
Vortrage,  den  ich  bei  Gelegenheit  eines  Kolonialkongresses  hielt.')  habe 
ich  seinen  Einfluß  auf  den  Plantagenbau  in  Java  und  Sumatra  ein- 
gehend geschildert. 

Wir  brauchen  nicht  einmal  ins  Ausland  zu  gehen,  um  den  Wert 
eines  in  der  Kolonie  selbst  gelegenen  Agrikulturinstituts  zu  erkennen. 
Wie  haben  sich  die  Verhältnisse  in  Ostafrika  geändert,  seitdem  Amani 
besteht.  Es  ist  zu  einem  Mittelpunkt  geworden  für  alles,  was  zu  dem 
Landbau  in  diesem  Schutzgebiet  in  Beziehung  steht,  und  es  ist  sicher 
anzunehmen,  daß  aus  ihm,  gerade  wie  in  Buitenzorg,  ein  Kultur- 
departement hervorgehenwird,  das  sich  den  Departements  für  Justiz,  für  das 
Heerwesen  usw.  ebenbürtig  an  die  Seite  stellt.  Fragen  wir  doch  ein- 
mal die  in  Amani  wissenschaftlich  und  praktisch  tätigen  Herren  —  Herren, 
die  im  Leben  stehen  und  doch  ohne  Zweifel  als  Autoritäten  gelten 
können  — ,  ob  sie  sich  von  einem  großen  tropenlandwirtschaftlichen  Institut 
in  Dahlem  etwas  versprechen.  Was  sie  wünschen,  ist  im  Gegenteil, 
von  Deutschland  möglichst  unabhängig  zu  w-erden,  und  sie  sind  auf  dem 
besten  Wege,  das  zu  erreichen.  W^as  sie  in  Europa  brauchen,  ist 
allein  eine  Auskunftsstelle,  eine  Organisation,  die  ihnen  das  Mittel  gibt, 
europäische  Sammlungen  zu  verwerten,  und  die  Bindeglied  ist  zwischen 
ihnen  und  den  Verbrauchern  dessen,  was  im  Lande  erzeugt  und  nach 
Europa  exportiert  wird. 

Die  dringende  Notwendigkeit,  in  jeder  unserer  Kolonien  einen 
Versuchsgarten  anzulegen  und  soweit  ein  solcher  schon  besteht,  ihn 
durch  Anghederung  von  Laboratorien  zu  einem  Institut  für  tropische 
Landwirtschaft  auszubauen,  ist  von  der  Botanischen  Zentralstelle  schon 
seit  mehr  als  10  Jahren  immer  wieder  betont  und  in  Eingaben  befür- 
wortet worden.  Die  Einsicht  des  Gouverneurs  Graf  Götzen  hat  Amani 
entstehen  lassen,  in  Kamerun  ist  es  im  Anschluß  an  den  Victoriagarten 
zur  Errichtung  eines  kleinen  botanischen  und  eines  chemischen  Labora- 
toriums gekommen,  in  Neu-Guinea  stellt  der  Garten  in  Simpsonhafen 
die  ersten  Anfänge  einer  aufsteigenden  Entwickelung  dar.     Togo   ist    in 


0  Bericht  des  Deutschen  Kolonialkongresses  vom  Jahre  1902. 


Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien.  47 

der  glücklichen  Lage,  seit  mehr  als  einem  Dezenium  zwei  naturwissen- 
schaftlich geschulte  Bezirksamtmänner  zu  besitzen,  die  für  das  Pflanzungs- 
wesen vollstes  Verständnis  haben  und  dieses  Verständnis  auch  in  die 
Tat  umsetzen.  Einen  von  einem  Fachmann  geleiteten  Garten  hat  Togo 
nicht,  ebenso  wenig  Samoa,  das  Festland  von  Xeu-Guinea  und  die 
kleineren  Südseeinseln.  Südwest-Afrika  und  Kiautschau  scheide  ich  von 
der  Betrachtung  aus,  da  beide  nach  europäischem  Muster  zu  behandeln 
sind  und  in  erster  Linie  Landwirtschaftsschulen  erfordern 

Wie  Amani  weiter  auszugestalten  ist,  das  wissen  seine  Leiter 
besser  als  wir.  Der  Victoriagarten  braucht  vor  allem  Selbständigkeit 
und  einen  festen  von  Gouvernementseinflüssen  unabhängigen  Etat,  der 
so  hoch  ist,  daß  er  seine  wissenschafthchen  Kräfte  vermehren  und  seine 
Laboratorien  in  bezug  auf  Bibliothek  und  Instrumentarium  auf  eine  zeit- 
gemäße Höhe  bringen  kann.  Alles  andere  liegt  an  den  Personen,  die 
zur  Leitung  berufen  sind. 

Hier  in  Deutschland  brauchen  wir  für  die  Gegenwart  und  nächste 
Zukunft  zweierlei,  einmal  ein  Lehrinstitut,  das  seine  Zöglinge  mit  den 
Grundbegriffen  der  tropischen  Landwirtschaft  ausrüstet  und  sie  dann 
womöglich,  ehe  sie  in  unsere  Kolonien  gehen,  nach  Ceylon,  nach  Indien 
oder  nach  Java  zu  weiterer  Information  entsendet,  und  zweitens  eine 
Zentralstelle,  die  für  die  Gärten  draußen,  für  die  Gouvernements  und 
Pflanzer  einen  Mittelpunkt  abgibt,  die  auch  dem  Kolonialamt  als  Aus- 
kunftsstelle zur  Seite  steht.  Die  Botanische  Zentralstelle  am  Kgl.  Bota- 
nischen Garten  zu  Berlin,  die  bisher  diesem  Zweck  gedient  hat,  braucht 
nur  ausgestaltet  zu  werden,  um  auch  weitergehenden  Ansprüchen 
gerecht  zu  werden.  Mit  einem  Etat  von  10000  Mark,  von  denen  nur 
6000  für  sachliche  Ausgaben  zur  Verfügung  stehen,  sieht  sie  sich  am 
Ende  ihrer  Leistungsfähigkeit.  Soll  sie  in  der  Zukunft  mit  der  steigenden 
Entwickelung  unserer  Kolonien  gleichen  Schritt  halten,  so  ist  das 
ohne  eine  entsprechende  Vermehrung  der  an  ihr  tätigen  wissenschaft- 
lichen Kräfte  unmöglich.  Zu  erwägen  wäre,  ob  ihr  jetziger  Zwitter- 
charakter als  eine  vom  Reiche  unterstützte,  aber  dem  preußischen  Kultus- 
ministerium unterstellte  Anstalt  beizubehalten  ist.  In  der  Tatsache,  daß 
sie  dem  Reiche  ihre  Dienste  leistet,  ihre  Beamten  aber  preußische  sind, 
liegt  eine  gewisse  Unstimmigkeit,  wie  man  neuerdings  zu  sagen  pflegt. 
Es  darf  aber  dabei  nicht  vergessen  werden,  daß  in  den  16  Jahren  ihres 
Bestehens  Friktionen  bisher  nicht  eingetreten  sind,  und  daß  eine  Zentral- 
stelle, wie  man  sie  sich  auch  ausmalen  möge,  ohne  engen  Anschluß  an 
den  größten  deutschen  Botanischen  Garten  und  das  größte  deutsche  Bo- 
tanische Museum,  welche  zusammen  über  einen  Etat  von  zirka  200000  M. 
verfügen,    deren    Beamte    auch    größtenteils    die    Bearbeitung    der    ein- 


48  G.  Voljiens.     Die  Botanische  Zentralstelle  für  die  Kolonien. 

gesandten  Pflanzen  und  die  Bureau  arbeiten  erledigen,  nicht  zu  denken 
ist.  Die  Frage,  ob  Reichsinstitut,  ob  durch  Reichseinflüsse  beherrschtes 
preußisches  Institut,  ist  schließlich  eine  formale  und  durch  besondere 
Stipulationen  eines  Vertrages  zu  lösende.  Eine  ständige  Vertretung  im 
Kolonialamt  zu  besitzen,  wird  für  die  Zentralstelle,  schon  zur  Ver- 
minderung der  Schreibarbeit,  vielleicht  einmal  wünschenswert  er- 
scheinen. Daß  sich  ihre  Geschäfte  ins  Ungemessene  steigern,  ist  nicht 
zu  befürchten.  In  dem  Maße,  wie  sich  die  Versuchsgärten  draußen 
zu  gut  ausgerüsteten  Instituten  für  tropische  Agrikultur  entwickeln, 
werden  sie  von  Deutschland  unabhängiger  werden,  w^erden  sie  Berlin 
nicht  mehr  brauchen,  um  sich  Saat  zu  beschaffen,  werden  sie  in 
Berlin  nicht  mehr  anzufragen  nötig  haben,  wie  man  in  Java  Zucker- 
rohr oder  Chinabäume  kultiviert.  Darum  hat  es  eine  gewisse  Be- 
rechtigung, wenn  die  Botanische  Zentralstelle  das  Ziel  ihrer  Bestrebungen 
in  dem  Wahlspruche  sieht:  Inserviendo  consumor. 


Franz  Muth,  Über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett.  49 


Über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 
Ein  Beitrag  zur  Samenuntersuchung  und  Samenzüchtung. 

Von 

Franz  Muth. 

Seit  mehreren  Jahren  beschäftige  ich  mich  mit  Untersuchungen 
über  die  Ursachen  der  Differenzen,  ^)  die  bei  Keimprüfungen  von  Sämereien 
nicht  selten  auftreten.  Diese  Ursachen  können  bekannthch  verschieden 
sein,  mit  die  häufigste  derselben  ist  die  Infektion  der  Sämereien  vor 
oder  während  der  Iveimprüfung  durch  Mikroorganismen.  Von  diesen 
kommen  in  erster  Linie  Schimmelpilze  und  Bakterien  sowie  einige  Hefen 
in  Frage. 

Die  Tatsache,  dass  Samen  und  Früchte  in  feuchter,  wasserdampf- 
gesättigter  Luft  meistens  alsbald  von  Schimmelpilzen  befallen  werden  und 
dann  schlecht  oder  gar  nicht  mehr  keimen,  ist  altbekannt.  Auch  sind 
besondere  Versuche  in  dieser  Beziehung  ausgeführt  worden,  so  z.  B.  von 
F.  Haberlandt^)  und  von  Freiherrn  von  Tautphöus^).  Die  Frage,  ob  und 
inwieweit  die  genannten  Organismen  bei  Keimprüfungen  nach  Massgabe 
der  technischen  Vorschriften  des  Verbandes  landwirtschaftlicher  Versuchs- 
stationen im  Deutschen  Reich  für  Samenprüfungen  die  Gleichmässigkeit 
der  Resultate  eventuell  beeinträchtigen,  ist  auffallend  wenig  experimentell 
verfolgt  worden.  Nobbe  legt  einer  solchen  Infektion  im  Keimbett  keine 
besondere  Bedeutung  bei;  er  sagt  in  seinem  Handbuche  der  Samenunter- 
suchung auf  Seite  510  nur:  „Bei  längerer  Ausdehnung  des  Versuchs 
tritt  an  dem  Apparate,  wie  an  stetig  teuchtwarm  erhaltenen  Körpern 
bekanntlich  überall,  bisweilen  ein  Anflug  von  Schimmelfäden  auf.  Ob- 
schon  dieser  Anflug  den  Samen  selbst  nicht  schadet,  da  nur  die  Keimungs- 


')  Vgl.  I  ter  Bericht  der  Grossh.  Badischen  Landwirtschaftlichen  Ver- 
suchsanstalt Augustenberg  über  ihre  Tätigkeit  im  Jahre  1902,  erstattet  von 
Prof.  Dr.  J.  Behrens,  S.  35  u.  36,  II ter  Bericht  dieser  Anstalt  über  das 
Jahr  1903,  S.  43 — 48,  ferner  Jahresbericht  der  Vereinigung  der  Vertreter  der 
angewandten  Botanik,  I.  Jahrgang  1903,  S.  80—87. 

2)  F.    Haberlandt,     Wissenschaftlich-praktische     Untersuchungen     I, 

1875,  S.  68. 

3)  Freiherr  von  Taut phöus,  Die  Keimung  der  Samen  bei  verschiedener 
Beschaffenheit    derselben.     München    1876.     (Justs    Botanischer    Jahresbericht 

1876,  S.  883). 

Jaaresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  4 


50  Franz  Muth. 

unfähigen  zu  schimmeln  pflegen,  machen  wir  doch  darauf  aufmerksam, 
dass  man  diesem  Umstände  dadurch  begegnet,  dass  das  Gefäss  nach 
längerem  Gebrauch  auf  eine  halbe  Stunde  in  siedendes  Wasser  gesetzt 
wird.  Zusatz  von  etwas  Salizylsäure  erlaubt  die  Dauer  des  Wasser- 
bades wesentlich  abzukürzen.  Übrigens  zeigen  nicht  nur  die  zur  Keim- 
prüfung verwendeten  Blumentöpfe  und  F'liesspapier  dieselbe  Erscheinung; 
es  finden  sich  selbst  Samen,  die  in  Erde  gesteckt  werden,  nach  einiger 
Zeit  mit  Penicillium  besetzt,  in  der  Regel  jedoch  nur  diejenigen,  deren 
Keimkraft  bereits  erloschen  war.  Nur  solche  Lupinen-  und  Getreide- 
samen pflegen  nach  einigen  Tagen  im  Apparat  schlüpfrig-schleimig  und 
missfarben  zu  werden,  während  direkt  neben  diesen  liegende  gesunde 
Samen  sich  frischfarbig  und  etwas  trockenhäutig  erhalten." 

In  den  bereits  erwähnten  technischen  Vorschriften  des  Verbandes 
der  Versuchsstationen  für  die  Samenprüfungen  ist  als  Schutz  gegen  zu 
weitgehende  Schimmelbildung  die  Erneuerung  des  Keimbetts  während 
der  Prüfung  nach  Bedarf  empfohlen. 

Harz  beschäftigt  sich  in  seiner  landwirtschaftlichen  Samenkunde 
in  einem  besonderen  Kapitel  auf  Seite  294 — 298  mit  den  verschimmelten 
Samen,  ohne  indes  auf  die  uns  hier  interessierende  Frage  näher  einzu- 
gehen. Er  führt  dabei  die  häufigsten  von  ihm  auf  Sämereien  im  Keim- 
bett beobachteten  Schimmelpilze  auf;  als  solche  sind  angegeben:  Peni- 
cillium glaucum  mit  Coremium  vulgare,  Aspergillus  glaucus,  Asper- 
gillits  fiavus,  Asjtergillus  nigrescens,  Bhizopus  nigricans,  Miicor 
Mucedo,  Mucor  racemosus,  Cladosporium  penicillioides  und  andere 
Cladosporium-kviQn.  Torula  sacchari  und  Torula  cephalosporioides, 
Alysidium  viride,  Cephalothecium  roseum,  Cephalothecium  candidam 
und  Arthrobotrys  oligospora,  Haploirichum  roseum,  einige  Sfemphylium- 
und  Alternaria- Arten,  Ulocladium  hotrytis,  Stilbum  hulhosum  und 
Stysanus  stemoniüs.  Selten  tritt  Arthrococcus  lactis  auf,  namentlich 
hin  und  wieder,  wenn  normalen  keimfähigen  Samen  alte  und  verdorbene 
beigemischt  sind.  Harz  bemerkt  dann  noch,  dass  bei  und  in  sehr  feucht 
liegenden  Samen  stets  Schizomyceten  in  Menge  auftreten.  Eingehender 
hat  sich  Hiltner^)  mit  der  Frage  der  Beeinträchtigung  der  Resultate  der 
Keimprüfung  infolge  Infektion  durch  Mikroorganismen  beschäftigt.  Einen 
Teil  seiner  reichen  Erfahrung  auf  diesem  Gebiete  hat  er  in  seiner  Arbeit 
über  die  Keimungsverhältnisse  der  Leguminosensamen  und  ihre  Beein- 
flussung   durch  Organismenwirkung    niedergelegt.     Er    kommt  dabei  zu 


1)  Hiltner,  L.,  Die  Keimimgsverhältnisse  der  Leguminosensamen  und  ihre 
Beeinflussung  durch  Organismenwirkung  (Arbeiten  aus  der  Biologischen  Ab- 
teilung für  Land-  und  Forstwirtschaft  am  Kaiserlichen  Gesundheitsamte,  ITI.Band, 
1902,  S.  1—102). 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett.  51 

dem  Resultat,  dass  Infektionen  von  Sämereien  durch  Schimmelpilze  und 
Bakterien  die  Keimresultate  im  Keimbett  und  im  Boden  unter  Umständen 
weitgehend  beeinflussen  können  und  dass  dieser  Umstand  die  volle  Be- 
achtung der  Samenkontrollstationen  verdient. 

Bei  meinen  eigenen  Untersuchungen  wollte  ich  in  erster  Linie 
durch  orientierende  Versuche  feststellen,  inwieweit  durch  künstliche  In- 
fektion mit  den  am  häufigsten  vorkommenden  Schimmelpilzen  beim  Ar- 
beiten nach  den  Verbandsvorschriften  die  Resultate  der  Keimprüfungen 
beeinträchtigt  werden,  welche  dieser  Schimmelpilze  die  gefährlichsten 
sind  und  welche  der  wichtigeren  landwirtschaftlichen  Sämereien  von 
diesen  am  meisten  gefährdet  sind.  Zu  den  Parallelversuchen  wurden, 
wenn  möglich,  stets  dieselben  Samenproben  verwendet.  Auf  diese  Weise 
war  eine  für  praktische  Bedürfnisse  immerhin  genügende  Sicherheit  für 
die  Beurteilung  der  Resultate  in  der  angedeuteten  Richtung  gegeben. 
Die  Versuche  selbst  wurden,  wie  bereits  früher  mitgeteilt,  in  folgender 
Weise  ausgeführt.  Die  Samen  oder  Früchte  werden  in  einem  kleinen 
Siebchen  unter  dem  Wasserhahn  durch  einen  kräftigen  Strahl  etwa 
5  Minuten  abgewaschen,  um  dann  noch  mit  sterilisiertem  Leitungswasser 
gründlich  abgespült  und  in  solchem  5  Stunden  vorgequellt  zu  werden. 
Die  meisten  frischen  und  guten  Sämereien  zeigen  bei  dieser  Behandlung 
und  bei  entsprechender  Vorsicht  beim  Einkeimen  und  bei  der  weiteren 
Behandlung  während  der  Keimzeit  eine  geringe  oder  keine  Infektion. 
Eine  Ausnahme  in  dieser  Beziehung  machen  sehr  häufig  grössere 
Leguminosensamen,  besonders  Lupinen,  wie  die  Samen  von  Luphms 
hirsufus,  L.  mutabilis  etc.;  bei  diesen  gelingt  es  häufig  nicht,  sie  auf 
die  angegebene  Weise  genügend  keimfrei  zu  machen.  Es  ist  dies 
natürlich  nicht  auffallend,  da  wir  besonders  durch  die  Untersuchungen 
von  Hiltner  wissen,  dass  die  Leguminosensamen  sehr  häufig  Keime  von 
Mikroorganismen  in  den  inneren  Partien,  besonders  in  der  Samenschale 
beherbergen.  Immerhin  genügt  aber  im  allgemeinen  diese  Art  der  Ver- 
suchsanstellung bei  entsprechender  Vorsicht  während  der  Keimprüfung 
und  bei  genügender  Erfahrung,  um  sich  durch  Parallelversuche  über 
den  Einfluss  einer  künstlichen  Infektion  zu  orientieren.  Diese  selbst 
wurde  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  den  abgespülten  Sämereien  bei 
der  Vorquellung  eine  iVufschwemmung  der  Sporen  der  Schimmelpilze 
resp.  eine  solche  von  Bakterien  oder  Hefen  in  sterilisiertem  W\asser  zu- 
gefügt wurde.  Als  Keimbett  dienten  einfache  Kuverte  aus  gewöhnlichem 
Piltrierpapier  in  der  Grösse  von  ungefähr  10X12  cm.  Diese  Kuverte 
wurden  schief  in  Kästen  aus  verzinntem  Weissblech  gestellt.  Letztere 
sind  rechteckig,  ca.  13  cm  breit,  17  cm  hoch  und  von  verschiedener 
Länge,  in  der  Regel  50  cm.     Seitenwände    und  Deckel    sind    mit  zahl- 

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52 


Franz  Muth. 


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über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


57- 


reichen  runden  Öffnungen  zur  Förderung  der  Luftzirkulation  verseilen. 
Auf  dem  Boden  des  Kastens  befindet  sich  eine  Wasserschicht  von  1  cm 
Höhe:  über  dieser  sind  an  den  Seitenwänden  Luftöffnungen  angebracht 
und  über  diesen  ein  Boden  aus  Messinggeflecht  zum  Aufstellen  der 
Kuverte.  Der  Kasten  ist  durch  Scharniere,  die  mit  verzinntem  Eisen- 
blech eingerahmt  sind  und  in  Falzen  laufen,  die  in  der  Entfernung  von 
10  cm  an  den  I^ängswänden  angebracht  sind,  in  verschiedene  Fächer 
geteilt.  An  jedes  dieser  Scharniere  werden  2  oder  4  Kuverte  schräg 
angelehnt.  Das  Feuchthalten  derselben  erfolgt  nach  Bedürfnis  durch 
Anfeuchten  mit  sterilisiertem  Leitungswasser  mittelst  eines  grossen  Haar- 
pinsels und  vorsichtiges  Abtupfen  der  Kuverte  mit  Filtrierpapier.  Die 
Kästen  werden  vor  jedem  Versuch  samt  Kuverte  durch  strömenden 
Wasserdampf  sterilisiert. 

Zu  den  im  Keimbett  am  häufigsten  auftretenden  Schimmelpilzen 
gehört  wohl  Rhizopus  nigricans  Ehrenberg  und  Cephalothecium  roseum 
Corda.  Mit  diesen  beiden  Organismen  wurden  deshalb  zahlreiche  In- 
fektionsversuche ausgeführt,  deren  Ergebnisse  die  Tabellen  auf  S.  52 — 56- 
wiedergeben. 

Fassen  wir  die  Keimresultate  in  unserer  Tabelle  etwas  näher  ins- 
Auge,  so  sehen  wir  aus  der  nachstehenden  kleinen  Zusammenstellung, 
dass  beide  Schimmelpilze  die  Keimzahlen  im  Durchschnitt  wesentlich 
heruntergedrückt  haben,  während  die  Zahl  der  faulen  Samen  durch 
die  Infektion  höher  geworden  ist;  der  Prozentsatz  der  harten,  nicht  ge- 
keimten, scheinbar  guten  Samen  hat  sich  durch  diese  nicht  wesentlich 
verändert. 


Keim- 
kraft 
inO/o 


Weniger, 

als  die 

nicht 

infiziert. 
Samen 


Harte, 
scheinbar 
gesunde 

Samen 


Mehr 

oder 

weniger, 

als  die 

nicht 

infiziert. 

Samen 

in  0/0 


Faule 

Samen 

in  "/n 


Mehr, 

als  die 

nicht 

infiziert, 

Samen 


Nicht  infiziert  74,70 

Mit  Rhizopus  nigri- 
cans Ehr.  infiziert        68,51  6,19 

Mit  Cephalothecium 
roseum  Cda.  in- 
fiziert          64,20  10,50 


3,70 
3,39 

4,20 


0,31 


-}-  0,50 


21.60  — 

28,10  6,50 

31,60     !      10,00 


Cephalothecium  roseum  ist  somit  für  die  Samen  und  Früchte  im 
Keimbett  bedeutend  gefährlicher  wie  Rhizopus  nigricans,  obgleich 
letzterer    im  Keimbett    sich    ausserordentlich  viel  rascher  entwickelt  al& 


58 


Franz  ^lutli. 


ersterer.  Am  meisten  gefährdet  sind  bei  der  Keimprüfung  von  den 
zum  Versucli  herangezogenen  landwirtschaftlich  wichtigeren  Sämereien 
die  Leguminosensamen  und  von  diesen  wieder  die  Lupinensamen,  weniger 
die  Cruciferensamen  und  am  wenigsten  die  Gramineenfrüchte  mit  Aus- 
nahme des  Maises.  Bemerkt  sei  noch,  dass  die  Keimversuche,  zu  denen 
je  lüO  Körner  verwendet  wurden,  in  den  Monaten  Dezember,  Januar 
und  Februar  ausgeführt  wurden.  Die  Jahreszeit  ist  unter  Umständen 
nicht  ohne  Einfluss  auf  die  Ergebnisse  derartiger  Keimversuche,  worauf 
wir  später  noch  einmal  zurückkommen  werden.  Die  Notizen  über  die 
Entwickelung  der  Keimlinge  und  des  zur  Infektion  herangezogenen 
Pilzes  beziehen  sich  auf  den  Tag  der  jeweiligen  Keimungsenergie.  Bei 
den  Sämereien,  die  in  den  Verbandsvorschriften  nicht  aufgeführt  sind, 
ist  die  Dauer  des  Keimversuches  bei  den  Bemerkungen  über  die  Ent- 
wickelung der  nicht  infizierten  Samen  angegeben.  Die  Bemerkungen 
über  die  Entwickelung  des  Pilzes  und  seine  Einwirkung  auf  die  Aus- 
bildung der  Keimlinge  beziehen  sich  stets  auf  den  zur  Infektion  heran- 
gezogenen Schimmelpilz, 


Name  der  Sämerei 


Keim- 
kraft der 
nicht  in- 
fizierten 
Körner 


Keim- 
kraft der 
mit 

As-pe)yiUi(fi 
lüger  in- 
fizierten 
Körner 
in  o/o 


Grad 
der 
schäd- 
lichen 
Ein- 
wir- 
kung 


Keim- 
kraft der 
mit 

Hüfrijtis 

cinereii 

in-  I 
ii zierten  : 
Körner 


Grad 

der 
schäd- 
licTien 
Ein- 
wir- 
kung 


Keim- 
kraft dor 
mit 
Pmi- 

cillilllll. 

i/laiii-t(iii 

in- 
fizierten 
Körnrr 


Grad 
der 
schäd- 
lichen 
Ein- 
wir- 
kung 


Esparsette  . 
Serradella   . 


Gerste 

Englisches  Eaygras  . 
Italienisches  Raygras 
Französisches  Raygras 
Buchweizen     .     .     .     . 


Tabak 
Hanf  . 
Lein  . 
Oichorie 

Fenchel  , 


Sl,50 
67,25 

95,00 

88,25 
88,50 
80,50 
79,00 

95,00 

88,00 

100,00 

52,00 


Möhre     .     . 

Wiesenknopf 


69,75 

80,25 
47.50 


75,00 
56.50 

91,00 
90,00 
93,00 
88,00 
64,25 

92,00 

83,00 

100,00 

44.50 

50,00 

7i),00 
43.50 


stark 


sehr 
stark 
stark 


sehr 
stark 

sehr 
stark 
stark 

sehr 
stark 


76,50 
40,50 

99,50 
87,00 
89,00 
85,50 
47,50 

90,50 
77,00 
97,50 
24.25 

60,00 

72,00 
33,50 


stark 

sehr 
stark 

0 

0 

0 

0 

i  sehr 
'  stark 
\      0 
stark 
0 

sehr 
I  stark 

sehr 

stark 
0 

sehr 
stark 


75,50 

54,00 

95,00 
90,00 
80,50 
8L50 
70,00 

96.00 

85,50 

100.00 

45,00 


0 

sehr 
stark 

0 

0 

0 

0 
stark 

gering 
stark 

0 
stark 


49,00  I   ^ 

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86,50  .;  !» 

34,00  1^  I 


Im  Durchschnitt 


79,89 


74.98 


70,02 


74.46 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keinibott. 


59 


Bin  weiterer  Infektionsversucli  mit  Schimmelpilzen  ist  in  vor- 
stehender Tabelle  wiedergegeben.  Es  wurden  zu  diesem  Aspergillus 
nigvr  van  Tiegh.,  Botrytis  cinerea  Pers.  und  PeiiiciUium  glaucum  Lk. 
herangezogen.  Dabei  wurden  stets  4  X  lOO  Körner  in  der  oben  be- 
schriebenen Weise  eingekeimt.  Bei  den  Keimkraftzahlen  sind  sämtliche 
gekeimten  Körner  angegeben.  Der  Rückgang  der  Zahl  der  Keimlinge 
ist  ohne  weiteres  aus  der  Tabelle  ersichtlich;  ausser  diesem  weisen 
die  Keimlinge  bei  der  Infektion  häufig  sehr  weitgehende  Schädigungen 
auf;  bei  manchen  sind  die  Würzelchen  vollständig  faul.  Der  Grad  der 
Beschädigung  ist  in  der  Tabelle  in  einer  besonderen  Rubrik  angedeutet. 
Am  grössten  ist  die  ungünstige  Wirkung  der  Infektion  bei  Botrytis 
eiuerea.  Aber  auch  Aspergillus  niger  wirkt  bei  einer  Anzahl  der  zum 
Versuch  herangezogenen  Sämereien  recht  deutlich  auf  die  Höhe  der 
Keimzahlen  ein. 

Nachstehend  sei  noch  das  Resultat  eines  weiteren  Infektions- 
versuches mit  diesem  Schimmelpilz  mitgeteilt.  Auch  hier  ist  die  Keim- 
kraft im  Durchschnitt  um  12,70 "/(,  gefallen.  Bezüglich  der  Wirkung 
von  Aspe7~gillus  niger  auf  keimende  Sämereien  sei  auch  noch  auf  den 
Infektionsversuch  mit  den  Farbenvariationen  verschiedener  Sämereien 
auf    Seite  71 — 7ß  verwiesen. 


Keimkraft  der 

Keimkraft  der 

Die  Keimkraft 

nicht 

mit  Aspergillus 

der  infizierten 

Bezeichnung  der  8ämerei 

infizierten 

niger   infizierten 

Samen  beträgt 

Samen  in  o/q 

Samen  in  0/^ 

weniger  in  O/q 

Gelbklee 

93,50 

82,75 

10,75 

Wundklee 

85,00 

02,25 

22,75 

Steinklee 

71,25 

53,25 

18,00 

Schotenklee,  gehörnter      .     . 

78,25 

69,75 

8,50 

Sumpfschotenklee     .... 

79,25 

73,00 

(),25 

Linsen 

97,75 

90,50 

7,25 

Bohnen 

99,50 

90.75 

8,75 

Ackerbpörgel     .     .     .     .     .     • 

70,50 

51,25 

19,25 

Weitere  in  derselben  Weise  mit  je  4  X  100  Körnern  ausgeführte 
Infektionsversuche  wurden  mit  Aspergillus  glaucu.s  Lk.,  Cladosporium 
herbarum  Pers.,  Mucor  piriformis  Alfr,  Fischer  und  mit  Fusarium 
roseum  Lk.  angestellt. 

Aspergillus  glaucus  erwies  sich  dabei  als  ziemlich  ungefährlich; 
bei  Weissklee,  Bastardklee,  gehörntem  Schotenklee,  Sumpfschotenklee, 
Saatwicken,  Linsen,  Roggen,  Buchweizen,  Timothee  war  nichts  Auf- 
fallendes zu  bemerken,  bei  Gelbklee.  Lupinen,  Rotklee,  Wundklee,  Gerste, 
Riesenspörgel,    Cichorie  zeigten  einige  Keimlinge  deutlich  kranke,  glasig 


60  Franz  Muth. 

durchscheinende  Wurzelspitzen.  Eine  wesentliche  Beeinträchtigung  der 
Keimzahlen  trat  aber  auch  bei  diesen  Sämereien  mit  Ausnahme  des 
Riesenspörgels  und  der  Cichorie  nicht  ein.  Bei  letzterer  fiel  die  Keim- 
kraft von  52°(o  ^^  45,5%,   bei  ersterem  von  70°/o  auf  56°/o. 

Mit  Cladosporium  herharmn  wurden  je  4  X  100  Körner  folgender 
Sämereien  infiziert:  Rotklee,  Weissklee,  Bastardklee,  Inkarnatklee, 
Luzerne,  Gelbklee,  Steinklee,  gehörnter  Schotenklee,  Sumpfschotenklee, 
Wundklee,  Saatwicken,  Victoria-Erbsen,  Linsen,  Bohnen,  Weizen,  Gerste, 
Roggen,  Timothee,  Sommerraps,  Winterraps,  weisser  Senf,  Lein,  Spörgei, 
Buchweizen,  Cichorie. 

Eine  grössere  Beeinträchtigung  der  Keimkraft  und  der  En(- 
wickelung  der  Keimlinge  zeigten  nur  die  Bohnen:  erstere  sank  von 
98,00  ''/o  auf  69,50  ^Iq\  dabei  zeigten  die  Keimlinge  durchgehends  braune, 
kranke  Wurzelspitzen.  Bei  den  Linsen,  dem  Inkarnatklee,  Gelbklee, 
Steinklee  sowie  bei  der  Cichorie  waren  einige  fruktifizierende  Kolonien 
schon  in  der  zweiten  Hälfte  der  Keimzeit  vorhanden;  auch  Hessen  sich 
nicht  selten  kranke  Wurzelspitzen  bei  den  Keimlingen  konstatieren. 
Letzteres  war  auch  bei  der  Luzerne,  dem  Rotklee  und  dem  Wundklee 
der  Fall.  Ein  wesentlicher  Rückgang  der  Keimkraft  oder  der  Keimungs- 
energie war  aber  bei  dem  Versuch  nur  bei  den  Bohnen   zu  beobachten. 

Mucor  piriformis  war  bei  einem  Infektionsversuch  mit  einer  Probe 
Esparsette,  Serradella,  enghschem  Raygras  sowie  bei  französischem  und 
italienischem  Raygras,  ferner  von  Sorgho,  Tabak,  Hanf,  Fenchel,  Möhren 
und  gemeinem  Wiesenknopf  ohne  sichtbare,  schädliche  P]inwirkung. 
Weder  die  Keimzahlen  noch  die  Ausbildung  der  Keimlinge  wiesen  eine 
Beeinträchtigung  auf. 

Bezüglich  der  Keimfähigkeit  der  Saatproben,  die  zu  diesen  In- 
fektionsversuchen dienten,  sei  bemerkt,  dass  es  in  der  Hauptsache  die- 
selben waren,  wie  bei  den  auf  Seite  58,  59  und  61  tabellarisch  zu- 
sammengestellten Keimversuchen.  Die  in  diesen  Tabellen  nicht  auf- 
geführten Sämereien  waren  durchgehends  von  guter  Beschaffenheit  und 
hoher  Keimfähigkeit. 

Mit  Fusarium  roseum  wurde  ein  Infektionsversuch  verschiedener 
Grassämereien  und  zwar  mit  je  100  Körnern  angestellt.  Die  Er- 
gebnisse sind  aus  folgender  Tabelle  (S.  61)  ersichtlich. 

Die  Stammkultur  des  Fusarium  roseum  Lk.,  weiches  zu  diesen 
und  den  weiteren  Infektionsversuchen  verwendet  wurde,  war  von  Krals 
bakteriologischem  Laboratorium  in  Prag  bezogen  und  auf  mit  Leitungs- 
wasser durchfeuchtetem,  sterihsierten,  zerriebenen  Schwarzbrot  weiter 
kultiviert  worden.  Bemerkenswert  ist,  dass  nur  auf  ganz  wenig  Körnern 
die  lachsroten  Conidienpolster  des  Pilzes  im  Keimbett  erschienen,  obgleich 


über  die  Infektion  von  Sämereien   im  Keimbett. 


61 


Name  der  Sämerei 

Keimkraft 

der  nicht 

infizierten 

Körner 

in  °/o 

Keimkraft 

der  mit 

Fusarium 

roseum 

infizierten 

Körner 

in  o/o 

Grad  der 

sichtbaren 

Schädigung 

der  Keimlinge 

Anthoxanthum  odoratum  L.  .     .     . 

Alopecurus  pratensis  L 

Agrostis  stolonifera  L 

Arundo  arenaria  L 

Aira  caespitosa    L 

Holcus  lanatus  L 

Avena  elatior  L 

Avena  flavescens  L 

Poa  pratensis  L 

Dactylis  glornerata  L 

Cynosurus  cristatus  L 

Festuca  ovina  L 

Festuca  rubra  L 

Festuca  pratensis  Huds 

ßrachypodium  silvaticum  R.  et  Seh. 

Bromus  inermis  Leyss 

Lolium  perenne  L 

Lolium  italicum  AI.  ßr 

32 

li 
78 
66 
34 
36 
68 
80 
74 
74 
86 
74 
16 
60 
62 
64 
74 
84 

22 
72 
78 
84 
22 
38 
62 
54 
54 
56 
74 
72 
12 
58 
38 
64 
46 
84 

0 

sehr  stark 

ganz  gering 

0 
sehr  stark 

0 

sehr  stark 

sehr  stark 
gering 

0 

gering 

gering 

sehr  stark 

schwach 

0 

stark 

schwach 

stark 

Im  Durchschnitt 

63,11 

55,00 

die  Wirkung  der  Infektion  bei  der  Mehrzahl  der  Sämereien  in  keiner 
Weise  zu  verkennen  war;  ein  grosser  Teil  der  Würzelchen  der  Keim- 
linge war  gelb  oder  gelbbraun,  glasig  durchscheinend,  gekrümmt  und 
frei  von  Wurzelhaaren.  Die  diesbezügUchen  Verhältnisse  sind  in  der 
Tabelle  in  der  Rubrik  über  den  Grad  der  Beschädigung  angedeutet. 
Man  sieht  daraus,  dass  dieser  nicht  immer  proportional  der  Beein- 
trächtigung der  Keimfähigkeit  ist,  die  im  Durchschnitt  8,11  °/o  beträgt. 
Die  ungünstige  Einwirkung  von  Fusarium  roseum  auf  keimende  Samen 
ist  des  weiteren  ersichthch  aus  den  Versuchen  mit  den  verschieden  ge- 
färbten und  verschieden  grossen  Hanffrüchten  auf  S.  78  sowie  aus  dem 
auf  derselben  Seite  erwähnten  Verhalten  der  Farbenvariationen  einiger 
Papilionaceen-Samen  bei  der  Infektion  mit  diesem  Pilz. 

Ausser  den  Schimmelpilzen  sind  es  bekannthch  Bakterien,  die  den 
Sämereien  im  Keimbett  und  im  Boden  unter  Umständen  gefährlich 
werden  können.  Es  war  deshalb  von  Interesse,  auch  mit  solchen  einen 
Infektionsversuch    anzustellen.     Die  Ergebnisse    desselben  sind  in  nach- 


62 


Franz  ]\Iiitli, 


stehender  Tabelle    zusammengestellt.     Es    \vurden  jedesmal  je  4  X  100 
Samen  eingekeimt. 


Gelbklee 

Wimdklee 

Steinklee 

Gehörnter  Schotenklee 
SuÄipfschotenklee  .     . 

Wicken 

Linsen   

Erbsen    

Bohnen 

Lein 


Raps 

Cichorie      .... 
Im  Durchschnitt 


93.50 
85,00 
71,25 
78,25 
79,25 
98,00 
97,75 
99,00 
99,50 
100,00 
96,00 
52,00 


93,00 
88,00 
70,50 
74,50 
83,00 
98,00 
94,00 
99,50 
56,00 
99,00 
95,50 
49,00 


87,46        83,33 


88,00 
86,00 
65,00 
72,00.- 
74,00 
97,50 
97,00 
100,00 
62,00 
99,50 
93,50 
24,50 


96,50 
82,50 
68,50 
77,00 
79,.50 
97,00 
98,50 
98,50 
.54,00 
100,00 
98,00 
50,50 


93,50 
91,00 
60,00 
72,.50 
83,50 
99,00 
98,50 
99,.50 

100,00 
100,00 

38,50 


93,50 
85,00 
70,00 
62,00 
73,00 
98,50 
96,50 
93,00 

100,00 
95,.50 

38,00 


79.92 


83,33 


85.09 


82,27 


Bei  vorstehendem  Infektionsversuch  ist  an  den  Würzelchen  der 
Keimlinge  mit  Ausnahme  derjenigen  der  Bohnen  und  der  Cichorie  nichts 
Abnormes  zu  beobachten.  Wie  aus  der  Tabelle  ersichthch,  haben  sämtliche 
Bakterien  das  durchschnittUche  Keimvermögen  beeinträchtigt:  Bacillus 
ßuorescpns  liqHpfncleus  hat  die  Keimzahlen  am  weitesten,  um  7,54  °/o 
heruntergedrückt.  Es  scheint,  dass  derartige  Bakterien,  wie  auch  Miltner 
festgestellt  hat,  altersschwachen  oder  verletzten  Samen  und  Früchten 
leicht  gefährlich  werden  und  diese  abtöten  können,  während  sie  gesunde 
und  intakte  sowie  bereits  gekeimte  Sämereien  nicht  anzugreifen  ver- 
mögen. Bei  den  Bohnen  und  der  Cichorie  sind,  wie  bereits  hervor- 
gehoben, kranke  Würzelchen  vorhanden.  Dieser  Umstand  ist  aber 
jedenfalls  in  erster  Linie  wohl  nicht  auf  die  Tätigkeit  der  zur  Infektion 
verwandten  Bakterien  zurückzuführen,  l'iese  zeigen  in  den  W'urzeln 
nämlich  neben  den  Bakterien  noch  reichlich  Pilzfäden.  Bei  den  Bohnen 
reichte  die  Saatprobe  nicht  mehr  zu  dem  Versuche  mit  Bacillus 
asterosporus  und  dem  Bakterium  aus  Trüffelkonserven. 

Einige  andere  gemeine  saprophy tische  Bakterien  wurden  zu  dem  In- 
fektionsversuch mit  Linsen  herangezogen,  der  in  nachstehender  Tabelle 


1)  Der  zu  diesem  Versuch  herangezogene  Organismus  wurde  von  Carl  v.  Wahl  aus 
Trüffelkonserven,  die  durch  denselben  verdorben  waren,  isoliert.  Vgl.  Centralblatt  f.  Bak- 
teriologie und  Parasitenkunde,  II.  Abteilung,  XVI.  Bd.    1906,  p.  503. 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimhett. 


63 


Name  des  zur  Infektion  der  Linsen 
verwandten  Organismus 


Sichtbare 

Beeinträchtigung 

der  normalen 

Entwickelung 

der  Keimlinge 


^ 

-2  S 

®  a  <o 

ffi  ~  c 

^•sa 

a-5  =« 

«5^5 

S  <o  2 

-w  oCB 

N^  a 

o  o  c 

®   ,d 

■^  MS 

S  fl  «' 

^S3 

c« 

■^          1 

Fusarium  roseum  Lk.  .... 
Fusarium  hordei  Lindner    . 

Fusarium  solani  Sacc 

Penicillium  roseum  Wehmer  . 
Peuicillium  glaucum  Lk.     .     .     . 
Penicillium  olivaceum  Wehmer  . 
Aspergillus  niger  Van  Tieghem  . 
Aspergillus  glaucus  Lk.       .     .     . 

Aspergillus  flavus  Lk 

Aspergillus  candidus  Lk.     .     .     . 

Mucor  mucedo  L 

Rhizopus  nigricans  Ehrenb.  .  . 
Thamnidium  elegans  Lk.  .  .  . 
Phycomyces  nitens  Kunze  .     .     . 

Botrytis  cinerea  Pers 

Botrytis  parasitica  Cav 

Cladosporium  herbarum  Pers. 
Monilia  Candida  Bonord.      .     .     . 
Monilia  fructigena  Pers.      .     .     . 
Saccharomyces    glutinis  Fres. 
Bacillus  Proteus  vulgaris  Haus. 
Bacillus  rubefaciens  Ziramerm.    . 
Bacillus    fluorescens    liquefacien^ 
Bacillus  prodigiosus  Flügge    .     . 


Fl. 


Sarcina  flava  deBy 

Sarcina  aurantiaca  \\.  Koch     .     .     .     . 

Sarcina  citrina  Gruber 

Sarcina  rosea  Schrot 

Bacillus  denitrificans  Ampola  et  Garino 
Bac.fkiorescens  liquefaciens  -\-  Saccha- 
romyces glutinis  -(-  Bac.  prodigiosus 
Sacch.  glutinis  -|-  Asperg.  glaucus 
Rhizopus    nigricans  -|-  Sacch.  glutinis 

Fusarium  solani  -|-  Bacillus  fluorescens 
liquefaciens 

Saccharom.    glutinis  -|-    Sarcina    flava 

Penicillium  glaucum  -|-  Bac.  Proteus 
vulgaris 

Fusarium  hordei  -|-  Saccharom.  glutinis 

Aspergillus  niger  -)- Saccharom.  glutinis 
Sarc.    aurant.    -|-   Saccharom.    glutinis 


sehr  stark 
stark 


sehr  stark 

deutlich  sichtbar 

stark 

sehr  stark 


gering 
stark 

C» 

0 

0 

0 

0 

0 

gering 

Stark,  die  meisten 

Samen  sind  rot  gefärbt 

() 
gering 

0 

0 

Wie  bei  Bac. 

prodigiosus  allein. 

Wie  hei  Asp. glaucus 

Sehr  stark,  stärker  als 

bei  Ehizojnis  ntyrifuns 

Sehr  gering, 
kaum  sichtbar 

0 

Sehr  gering, 

kaum  bemerkbar 

Stärker  als  bei 

Fusar.  hordei 

Sehr  gering 

e-erinsr 


96 
itS 
HS 
98 
96 
96 
50 
96 
9« 
94 
98 
92 
96 
94 
98 
98 
96 
98 
10(3 
100 
96 
94 
94 

94 
98 
94 
98 
90 
96 

96 
94 

92 

100 
90 

96 

90 

94 

100 


0 
2 
2 
2 
2 
4 
0 
4 
0 
4 
2 
6 
4 
6 
2 

0 
2 

0 
0 
0 
2 

6 
2 

2 
2 
2 
0 


4 
0 
0 
0 
2 
0 
50 
0 
2 

2 
0 
2 
0 
0 
0 
2 
2 
2 
0 
0 
2 

0 

4 

4 
0 
4 
2 
2 
2 

0 
4 


g4  Kranz  ]\Iiith. 

wiedergegeben  ist.  Man  ersieht  daraus,  dass  auch  in  diesem  Falle  der 
Bacillus  fluorescens  Uquefaciens  neben  dem  ausgesprochen  parasitäi 
auftretenden  Bacillus  |jro6?«^iosM5  sicli  als  Schädiger  der  Samen 
im  Keimbett  deutlich  bemerkbar  macht.  Letzterer  hat  bereits  nach 
3  Tagen  auf  den  meisten  Samen  das  rote  Pigment  in  reichhchem  Masse 
gebildet;  die  Keimlinge  waren  sehr  schlecht  entwickelt. 

Bei  dem  in  Rede  stehenden  Versuche  sind  die  zu  diesem  heran- 
gezogenen Mikroorganismen  so  gewählt,  dass,  soweit  diese  gerade  zur 
Verfügung  standen,  Vertreter  der  häufigsten  Schimmelpilze,  der  häufigsten 
Wasserbakterien  und  Luftkeime  zur  Verwendung  kamen.  Die  Schimmel- 
pilze veranlassen  beinahe  alle  eine  starke  Beeinträchtigung  der  normalen 
Entwickelung  der  Keimlinge,  während  die  Bakterien  wohl  teilweise  die 
Keimkraft  beeinträchtigen,  aber  die  Ausbildung  der  keimenden  Samen 
wenig  oder  gar  nicht  stören.  In  der  Tabelle  sind  auch  kombinierte 
Versuche  aufgeführt.  Unter  natürlichen  Verhältnissen  im  Freien  sind 
die  Samen  ja  wohl  meistens  von  einem  Gemisch  von  Mikroorganismen 
im  Boden  umgeben.  Diese  wenigen  Versuche  weisen  nun  teils  eine 
Erhöhung,  teils  eine  Erniedrigung  der  schädlichen  Einwirkung  der  zur 
Infektion  verwandten  Organismen  auf,  während  anderseits  einzelne 
Kombinationen  keinen  Unterschied  gegenüber  dem  Verhalten  der  einzelnen 
zur  gemeinschaftlichen  Infektion  verwandten  Organismen  erkennen  lassen. 
Eine  Erhöhung  weist  die  gemeinschaftliche  Infektion  von  Rliizopus 
nigricans  +  Saccharomyces  gluii?iis  auf,  eine  Verminderung  die  Ver- 
suche mit  Fasar'imn  Solani  -\-  Bacillus  fluorescens  Uquefaciens,  mit 
Penicilliwii  glaucum  -\-  Bacillus  Proteus  vulgaris  und  mit  Asper- 
gillus niger  -\-  Saccharomyces  glutinis.  Die  übrigen  Kombinationen 
zeigen  keine  solchen  Differenzen.  Es  wäre  natürlich  verfrüht,  aus 
diesen  wenigen  Versuchen  positive  Schlüsse  ziehen  zu  wollen.  Die 
diesbezüglichen  Untersuchungen  sollen  deshalb  fortgesetzt  werden.  Es 
erscheint  aber  doch  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  verschiedenen  Or- 
ganismen im  Boden  sich  das  Leben  gegenseitig  sehr  sauer  machen 
können  zum  Nutzen  der  keimenden  Samen  oder  aber,  dass  sie  sich 
gegenseitig  in  ihrer  Zerstörungsarbeit  unterstützen  zu  deren  Schaden. 
Bei  dem  Infektionsversuch  wurden  je  50  Samen  eingekeimt. 

Bezüghch  des  Verhaltens  und  der  Herkunft  der  für  uns  in  Frage* 
kommenden  Infektionserreger  der  Samen  und  Keimlinge  können  wir 
5  Kategorien  unterscheiden: 

1.  Für      die     betreffende     Ptlanzenart      typische      Parasiten,    wie 
Plioma    Befae,    Ascochyta    Pisi,    Fusarium   vasinfectum    etc. 

2.  Organismenkeime    aus    dem    Boden   der    Felder,    welchem    die 
Sämereien    entstammen,    die    unter    normalen^,    natürlichen  Um- 


über  die  Infektion  von   Sämereien  im  Keimbett.  65 

ständen  im  Freien  für  gewöhnlich  nicht  parasitär  sind,  die  aber 
doch  unter  Umständen    die   Samen    sowohl    im  Boden  als  auch 
im  Keimbett  ungünstig  beeinflussen  können;  wie    z.   B.  Pektin 
vergärer,  gewisse  Schimmelpilze. 

Diese  Organismen  können  übrigens  eventuell  so  wie  die  ganze 
auf  den  Samen  auftretende  Mikroorganismenflora  wichtige  Finger- 
zeige für  die  Provenienzbestimmung  geben.  So  wiesen  Mais- 
proben aus  einer  bestimmten  Gegend  der  Vereinigten  Staaten 
Nordamerikas  in  einem  Jahre  stets  eine  gelbe  Fenicülium-Avt 
in  grosser  Menge  im  Keimbett  auf,  die  auf  den  übrigen  Mais- 
proben der  Saison  fehlte. 

3.  Organismenkeime  aus  der  Luft  des  Keimzimmers,  hauptsächlich 
Schimmelpilze,  wie  PenicÜliu?n  glaucum,  Rhizopus  nigricans  etc. 

4.  Organismen,  die  aus  dem  Wasser  stammen,  das  zur  Keimung 
verwendet  wird,  in  erster  Linie  Bakterien,  wie  Bacillus  prodi- 
giosus,  Bacillus  fluoreseens  Uqitefaciens. 

5.  Keime,  die  in  den  Apparaten,  besonders  in  Tonapparaten,  im 
Sand  usw.  von  früheren  Keimanalysen  her  noch  vorhanden  sein 
können. 

Die  Feststellung,  zu  welcher  dieser  Kategorien  die  bei  der  Keim- 
analyse einer  Saatprobe  auftretenden  Organismen  gehören,  ist  natürlich 
für  eine  erfolgreiche,  der  Praxis  dienende  Samenuntersuchung  von 
grosser  Wichtigkeit.  Besonders  verdienen  die  Vertreter  der  beiden 
ersten  Kategorien  die  eingehendste  Berücksichtigung  zur  Vermeidung  der 
Verschleppung  von  Krankheiten  oder  zur  Verhütung  von  Verlusten  bei 
der  Aussaat.  Ferner  gestattet  das  Auftreten  von  bestimmten  Organismen 
und  damit  im  Zusammenhang  stehenden  grösseren  Differenzen  sehr 
häufig  einen  sicheren  Schluss  auf  die  Beschaffenheit  und  die  Beurteilung 
einer  Saatprobe  oder  aber  anderseits  auf  eine  unrichtige,  mangelhafte 
Keimungsmethode.  Solche  Infektionsversuche  zeigen  nun  auch  bei  un- 
gefähr gleicher  Stärke  der  Infektion  nicht  jedesmal  denselben  Effekt.  Dies 
kann  sowohl  bei  Verwendung  von  verschiedenen  oder  der  gleichen  Probe 
derselben  Samenart,  als  auch  bei  deren  Infektion  mit  den  gleichen  und 
verschiedenen  Kulturen  desselben  Organismus  der  Fall  sein.  Die  Ur- 
sachen dieser  Erscheinung  können  in  erster  Linie  dreierlei  Art  sein: 

1.  Die  Samen  waren  verschieden  in  ihrer  Widerstandsfähigkeit 
gegen  schädliche  Einflüsse. 

2.  Die  infizierenden  Organismen  waren  in  ihren  Eigenschaften  ver- 
schieden; sie  hatten  eine  verschiedene  Virulenz,  wie  dies  ja  bei 
verschiedenen  Stämmen  solcher  Organismen  nicht  selten  der 
Fall  ist.  •  .      .     ,    . 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  5 


66 


Fianz  Muth. 


3.  Die  äusseren  Bedingungen   wäiirend   des  Keimversuches   waren 
verschieden. 

Letzteren  Fall  zeigt  nachstehende  Tabelle;  man  ersieht  aus  dieser,  dass 
die  höhere  Temperatur  und  die  Beschaffenheit  des  Keimbettes 
eine  sehr  wichtige  Rolle  gespielt  haben.  Lässt  man  Linsen  derselben  Samen- 
probe nach  der  Infektion  mit  Fusarmm  roseum  in  einfachen  Kuverten 
aus  Piltrierpapier  bei  20°  C  keimen,  so  ist  die  schädliche  Wirkung  des 
Pilzes  lange  nicht  so  gross,  als  wenn  die  Samen  bei  30''  C  in  dreifachen 
Kuverten  zur  Keimung  gebracht  werden.  Hohe  Temperatur,  grosse 
Feuchtigkeit  und  mangelhafte  Luftzirkulation  sind  bezüglich  des  Zu- 
standekommens und  der  Wirkung  der  Infektion  von  grosser  Bedeutung. 
Dieser  Versuch  zeigt  aber  auch,  dass  der  von  Hiltner  vorgeschlagene 
Weg,  die  Böden,  in  welche  die  Samen  ausgesät  werden  sollen,  vorher 
auf  ihr  Verhalten  diesen  gegenüber  bei  der  Keimung  zu  prüfen,  unter 
Umständen  recht  illusorisch  sein  kann.  Er  zeigt  dann  anderseits  die 
grosse  Wichtigkeit,  die  eine  sorgfältige,  gründliche  Bodenbearbeitung  vor 
der  Aussaat  empfindlicher  Sämereien  hat  und  welche  bedeutungsvolle 
Rolle  die  Witterung  bei  der  Keimung  auch  in  der  angedeuteten 
Richtung  spielt. 


Keimbett 


Keimkraft  der  Linsen 
bei  -iOOC  in  0/„ 

Nicht  ^'^  ^«^« 

infiziert       rmmroseum 
iniiziert 


Keimkraft  bei  30°  C. 
im  Thermostaten  in  % 

Nicht  ^'^  ^«««- 

■    <■•  ■     i.        riuni  roseum 
infiziert  .... 

iniiziert 


Einfache  Kuverte 
aus  Filtrierpapier 
Doppelte  Kuverte 
aus  Filtrierpapier 

Dreifache  Kuverte 
aus  Filtrierpapier 


88 
95 
98 


81 
84 


85 
85 
80 


47 
46 
37 


Bei  einer  Infektion  von  Linsen,  deren  Resultat  in  der  Tabelle  über 
das  Verhalten  der  Farbenvariationen  verschiedener  Sämereien  bei  der 
Infektion  mit  Aspergillus  niger  auf  S.  73  angegeben  ist,  war  die  Wirkung 
des  Pilzes  eine  ganz  andere  wie  bei  dem  Versuch  auf  Seite  63.  In 
beiden  Fällen  wurde  dieselbe  Samenprobe  und  dieselbe  Pilzkultur  ver- 
wendet. Aber  der  erste  Versuch  wurde  im  Juli  an  sehr  heissen  Tagen 
bei  wasserdampfgesättigter  Atmosphäre,  der  letzte  im  Monat  September 
bei  bedeutend  niedrigerer  Temperatur  und  geringerem  Wassergehalt  der 
Luft  ausgeführt.  Man  sieht,  dass  sich  die  Witterungsverhältnisse  nicht 
nur  bei  der  Keimung  im  Freien,  sondern  auch  im  Keimkasten  eventuell 
bemerkbar  machen  können. 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


67 


Ein  weiterer  Versuch  über  den  Einfliiss  äusserer  Umstände 
auf  den  Einfluss  der  Infektion  mit  Aspergillus  niger  bei  Linsen  ist 
in  der  nachstehenden  kleinen  Tabelle  zur  Darstellung  gebracht. 


Keimbett 

Linse 

Keim- 
kraft 
in  O/o 

a,  nicht  infiziert 

Harte         Faule 
Samen        Samen 
in  o/„          in  O/j, 

Mit  Aspergillus  niger  infiziert 

Keim-         Harte          Faule 
kraft         Samen       Samen 
in  o/o          in  O/p          in  0/„ 

Gelbe  Tonschalen 
Weisse  Tonschalen 

!)4 
94 

0 
2 

4 

92 

82 

2 
0 

6 

18 

Als  Keimbett  dienten  bei  diesem  Versuche  unglasierte  Tonschalen 
und  zwar  solche  aus  gewöhnlichem  gelben  Töpferton  und  solche  aus 
weissem  Ton;  die  Schalen,  die  mit  durchlöchertem  Deckel  aus  gleichem 
Material  bedeckt  sind,  werden  in  Blechuntersätzen  1  cm  tief  in  Wasser 
gestellt.  Die  Untersuchung  wurde  im  September  mit  je  2  X  50  Samen 
ausgeführt;  die  Wirkung  der  Infektion  ist,  was  die  Abnahme  der  Keim- 
zahlen betrifft,  verhältnismässig  gering,  sie  zeigt  sich  aber  anderseits 
sehr  deutlich  in  einer  krankhaften  und  schlechten  Entwickelung  der 
Würzelchen  der  KeimUnge.  In  den  weissen  Tonschalen  haben  die  Samen 
und  die  Keimlinge  mehr  durch  den  Pilz  gelitten  wie  in  den  gelben  Ton- 
schalen. Es  sei  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  der  Einfluss  des  Keimbettos  und  der  Art  der  Behandlung  der 
einzelnen  Sämereien  bei  der  Keimprüfung  viel  grösser  ist,  als  für  ge- 
wöhnlich angenommen  wird.  Ich  werde  in  einer  besonderen  Abhandlung 
auf  den  Einfluss  des  Keimbettes  auf  die  Höhe  und  die  Gleichmässigkeit 
der  Resultate  der  Keimprüfungen  zurückkommen.  Die  diesbezüglichen 
Versuche  haben  ergeben,  dass  die  natürlichen  Keimverhältnisse  der 
Samen  auch  in  deren  Verhalten  im  künstlichen  Keimbette  meistens 
deutlich  zum  Ausdruck  kommen  und  dass  die  Methoden  der  Keim- 
prüfung sich  diesen  natürlichen  Verhältnissen  nach  Möglichkeit  anpassen 
müssen.  Auch  die  Wirkung  von  Infektionen  bei  der  Keimprüfung  hängt, 
wie  wir  bereits  gesehen,  unter  Umständen  mehr  oder  weniger  von  der 
Beschaffenheit  des  Keimbetts  ab,  je  weniger  diese  den  betreffenden 
Samen  zusagt,  desto  mehr  kann  sie  eventuell  die  Tätigkeit  schädlicher 
Mikroorganismen  begünstigen. 

Bezüglich  der  verschiedenen  Virulenz  verschiedener  Stämme 
schädlicher  Organismen  sei  nur  an  die  Fitsarium- Arien  erinnert.  Es 
scheint,  dass  speziell  auch  die  bisherige  Art  F.  roseum  Lk.  verschiedene 
Rassen  oder  Arten  in  sich  schliesst.  Es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  die 
Variationsfähigkeit  und  das  Anpassungsvermögen  bei  diesen  fakultativen 

5^^^ 


68 


Franz  Muth. 


Saprophyten  verhällnismässig  gross  ist.  Appol')  hat  sich  der  dankens- 
werten Aufgabe  unterzogen,  die  Pilzgattung  Fusarium  in  biologischer 
und  morphologischer  Richtung  eingehend  /u  bearbeiten.  Anderseits  geht 
aus  unseren  Infektionsversuchen  aber  auch  hervor,  dass  manche  der 
herangezogenen  Organismen,  wenig  wählerisch  in  der  Wahl  des  Nähr- 
substrates, ein  weites  Gebiet  ihrer  schädlichen  Tätigkeit  haben  und  dass 
das  Aufstellen  besonderer  Arten  oder  Varietäten  nach  den  Nährsubstraten 
allein  doch  so  seine  Bedenken  hat.  Auch  die  Differenz  der  Konidien- 
oder  Sporengrösse  oder  anderer  derartiger  morphologischer  Merkmale 
kann  hier  als  teilweise  vom  Nährsubstrat  und  anderen  Umständen  ab- 
hängig leicht  irreführen.  Es  muss  deshalb  die  Systematik  in  solchen 
Fällen  mehr  wie  bisher  die  Biologie  zu  Hilfe  nehmen  und  sich  der 
Kultur-  und  Infektionsversuche  zur  Lösung  ihrer  Aufgaben  bedienen. 
Bezüglich  der  Eigenschaften  der  Samen  ist  in  erster  Linie  daran 
zu  erinnern,  dass  alte  Saaten  vielfach  oder  meistens  bedeutend  schlechter 
keimen  und  den  Angriffen  von  Schimmelpilzen  und  von  anderen  schäd- 
lichen Organismen  viel  leichter  unterliegen  als  frische  Saat.  Im  übrigen 
können  wir  bei  den  Eigenschaften  in  erster  Linie  innere  und  äussere 
unterscheiden,  die  natürhch  in  Korrelation  miteinander  stehen  können; 
letztere  sind  es,  auf  die  wir  zunächst  unser  Augenmerk  richten.  Be- 
trachten wir  irgend  eine  Samenprobe  etwas  genauer,  so  fallen  uns 
meistens  alsbald  Unterschiede  in  der  Färbung,  Grösse  und  Gestalt  der 
einzelnen  Körner  auf.  Da  ich  mich  seit  längerer  Zeit  mit  Unter- 
suchungen über  die  Farbenvariationen  der  Samen  beschäftige,  so  war 
es  von  Interesse,  deren  Verhalten  bei  der  künstlichen  Infektion  zu  ver- 
folgen. Die  beistehende  Tabelle  gibt  zunächst  die  Resultate  der  Keim- 
prüfung einiger  Papilionaceensamen  wieder;  die  Unterschiede  sind,  wie 
teilweise  auch  durch  andere  Untersuchungen  bekannt  ist,  bei  einzelnen 
sehr  beträchtlich. 


Ergebnisse  der  Keimprüfung  in 

Name  der  Sämerei 

Färbung  der 
Samen 

Keimungs- 

Proz 
Keim- 

enten 
Harte 

Faule 

energie 

kraft 

Samen 

Samen 

Medicago  sativa 

hellgelbgrün 

36,25 

44,25 

55,50 

0,25 

rotbraun 

42,50 

56,00 

25,00 

21,50 

Medicago  lupiilina 

hellgelb 

74,00 

94,25 

4,00 

1,75 

braungelb 

10,25 

29,25 

0,00 

70,75 

^)  Appel,  0.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Fusarien  und  der  von  ihnen 
hervorgerufenen  Pflanzenkrankheiten  (Arbeiten  aus  der  Kaiserlichen  Biolo- 
gischen Anstalt  für  Land-  und  Forstwirtschaft,  Bd.  V,  Heft  4,  1906,  S.  155—188). 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


69 


Ergeb 

nisse  der 

Keimprüfu 

ng  in 

Name  der  Sämerei 

Färbung  der 
Samen 

Keimlings 

Prozenten 
Keim-         Harte 

Faule 

energie 

kraft 

Samen 

Samen 

Ornithopus    sativus 

gelb 

i3,50 

70,25 

22,25 

7,51) 

braungelb 

20,7.') 

26,50 

4(),75 

26,75 

braunrot 

3,00 

6,50 

26,25 

67,25 

Melilotus  albus 

gelb 

26,00 

27,50 

71,25 

1,25 

braungelb 

35,75 

42,25 

18,75 

39,00 

Melilotus  officinalis 

gelb 

25,00 

26,00 

73,75 

0,25 

braungelb 

22,75 

28.75 

15,25 

56,00 

Anth  v'llis  vulneraria 

hellgelb 

53,50 

62,25 

28,25 

9,50 

braungelb 

42,00 

59,75 

0,00 

40,25 

Trifolium  pannoni- 

hellweisslichgelb 

63,50 

83,50 

4,00 

12,50 

cum 

dunkelbraungelb 

7,50 

22,00 

6,50 

71,50 

Hedysarum  corona- 

hellgelblichweiss 

75,50 

93,-50 

6,00 

0,50 

rium 

rotbraun 

65,75 

84,25 

1,25 

14,80 

Robinia  Pseud- 

hellbraun  m. dunkler 

Acacia 

Sprenkelung 
dunkelbraun  mit 
dunkler,  schwarz- 
violetter 

30,00 

51,50 

46,00 

2,50 

Sprenkelung 

22,50 

35,50 

62,00 

2,-50 

schwarzviolett 

17,50 

39,50 

58,00 

2,50 

Galega  officinalis 

gelbgrün 

24,00 

31,25 

60,75 

8,00 

braungelb 

4,00 

7,25 

3,25 

89,50 

Trigonella  Foenum 

hellgelb 

96,00 

97,-50 

0,60 

2,50 

graecum 

gelbbraun 

73,75 

77,00 

0,00 

23,00 

rotbraun 

52,00 

54,50 

0,00 

45,50 

Pisum  sativum 

rötlich  gelb 

84,50 

87,00 

0,00 

13,00 

(Viktoria-Erbsen) 

gelblich  weiss 

90,25 

93,00 

0,00 

7,00 

grünlich  gelb 

34,00 

73,00 

2,00 

25,00 

Onobrychis  sativa 

hellgelbgrün 

87,50 

93,00 

5,75 

1,25 

braun 

85,75 

90.50 

4,75 

4,75    . 

schwarzbraun 

71,25 

78,25 

3,00 

18,75 

Über  das  Verhalten  der  Parbenvariationen  einiger  Leguminosen- 
samen bei  der  Aussaat  gibt  nachstehende  Tabelle  (s.  S.  70  oben)  Auf- 
schluss.  Wie  die  Zahlen  zeigen,  ist  bei  der  Aussaat  der  angeführten 
Sämereien  der  Unterschied  der  Keimzahlen  teilweise  noch  grösser  als  im 
Keimbett. 

Das  Verhalten  der  Parbenvarietäten  der  Linsen,  nicht  infiziert  und 
nach  der  Infektion  mit  Fusarium  roseum  Lk.,  bei  der  Aussaat  in 
Lehmboden  zeigt  die  kleine  Tabelle  auf  S.  70  unten.  Dieser  Versuch 
bestätigt  die  verschiedene  Widerstandsfähigkeit  der  Parbenvariationen  der 


70 


Franz  Muth. 


Prozente  der 

Name  der  Sämerei 

Färl)ung  der  Sämerei 

aufgegange- 

nen 

Samen 

Medicago  sativa 

hellgelbgrün 

60 

rotbraun 

II 

Ornithopus  sativus 

gelb 

m 

braungelb 

40 

braunrot 

30 

Pisum  sativum  v.  gullosum 

gelblich 

100 

(Zuckererbsen) 

braun 

liO 

Lathyrus  hirsutus 

graugelb 

i)0 

dunkelbraun 

30 

rotbraun 

10 

Lupinus  angustifolius 

licht  hellgrau 

10 

hellgrau 

40 

dunkelgrau 

60 

Lupinus  hirsutus  v.  coeruleus 

blassweisslichrot 

70 

dunkelrot 

100 

Lupinus  luteus 

grünlichgelb,  getüpfelt 

40 

rötlichweiss,  marmoriert 

70 

intensiv  dunkel  marmoriert 

SO 

Hedjsarum  coronarium 

hellgelblichweiss 

9(J 

rotbraun 

10 

Ervum  Ervüia 

hellrot 

100 

dunkelrot 

0 

''J'rigonella  Foenum  graecum 

hellgelb 

60 

dunkelbraungelb 

10 

Linsen  auch  bei  der  Keimung  im  Boden.  Es  wurden  je  50  Samen  in 
grosse  Blumentöpfe,  die  mit  Lehmerde  gefüllt  waren,  in  gleichmässiger 
Entfernung   1   cm  tief  ausgesät. 


Nach  30  Tagen  sind  aufgegangen  von 

Färbung  der  Linsensamen 

den  nicht  in- 
fizierten Samen  ^/^ 

den  mit  Fusarium 

roseum  infizierten 

Samen  Oq 

hellgelbgrün 

SS                            (IS 

rötlichgelb 

()6 

30 

gelbgrün,  dunkelwolkig 

marmoriert 

82 

40 

Ein  grösserer,  orientierender  Versuch  über  das  Verhalten  der 
Farbenvariationen,  der  Samen  oder  Früchte  verschiedener  Pflanzen  ist 
in  der  Tabelle  auf  Seite  71  —  76  wiedergegeben.  Bei  der  Wahl  der  letzteren 
sind  —  entsprechend  den  Verhältnissen  an  unserer  Anstalt  —  in  erster 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


71 


Nicht  infiziert 

Infiziert 
m.  Asperg.  niger 

Name  der   Sämerei 

Färbung  der  Samen 
oder  Früchte 

Prozente  der 
ikeimten  Samen 
oder  Früchte 

Prozente  der 
icht  gekeimten, 
cheinbar  guten 
men  od.  Früchte 

^  d  a> 

S     '"     i^ 

^    0  rr-. 

d 
t<  a  0) 

CO  o 
IP        :d 

S  0  i- 

n     ®'0 

Prozente  der 
icht  gekeimten, 
cheinoar  guten 
men  od.  Früchte 

t-  d  o 
III 

gdfe 

Ph.2  o 

sc 

fl    CO    CS 

So 

a    =0    rt 

Genista  tinctoria  L. 

grüngelb 

44 

50 

(i 

44 

50 

6 

bräunlich  grüngelb 

34 

54 

12 

32 

52 

16 

braun 

40 

48 

12 

34 

48 

18 

dunkelrot 

44 

48 

8 

42      48 

10 

Spartium  scoparium 

grünlich  gelb 

56 

38 

6 

50 

44 

6 

L. 

rot 

48 

34 

18 

32 

48 

20 

Cjtisus    Laburnum 

grünlich  schwarzgelb 

86 

10 

4 

82 

8 

10 

L. 

dunkelschwarzbraun 

80 

20 

— 

72 

22 

6 

gelbrotbraun 

86 

14 

— 

84 

6 

10 

Lupinus    luteus  L. 

grünlich  gelb,  dunkel 

marmoriert 

06 

— 

34 

48 

2 

50 

rötlich  weiss,  schwach 

dunkler  marmoriert 

94 

— 

() 

8() 

2 

12 

rötlich  weiss,  sehr 

intensiv  dunkel 

marmoriert 

68 

8 

24 

7() 

2 

22 

Lupinus  hirsutus  L. 

hell  weisslich  rot 

54 

32 

14 

52 

10 

38 

dunkelrot 

42 

58 

42 

58 

— 

Lupinus     mutabilis 

rein  hell  weiss 

88 

— 

12 

80 

— 

20 

Sw. 

rötlich  weiss 

74 

6 

20 

82 

— 

18 

Lupinus  niger  L. 

rötlich  schwarz 

12 

— 

88 

4 

— 

96 

dunkel  schwarzrot 

58 

26 

16 

84 

10 

6 

Lupinus       angusti- 

licht  hellgrau 

62 

2 

36 

— 

— 

100 

folius  L. 

grau 

68 

— 

32 

44 

— 

56 

dunkelgrau 

74 

12 

14 

48        8 

44 

Medicago  sativa  L. 

grünlich  gelb 

76 

22 

2 

90 

10 

.    — 

gelb 

98 

2 

— 

100 

— 

— 

rotbraun 

52 

— 

48 

36 

— 

64 

Medicago    lupulina 

grünlich  gelb 

50 

36 

14 

32 

10 

58 

L. 

gelb 

100 

— 

— 

96 

— 

4 

rotbraun 

50 

8 

42 

44 

— 

66 

Medicago         media 

grünlich  gelb 

74 

20 

() 

66 

4 

30 

Pers. 

gelb 

98 

2 

— 

100 

— 

— 

rotbraun 

48 

— 

52 

32 

— 

68 

Trigonella  Foenum 

gelb 

76 

— 

24 

()4 

— 

36 

graecum  L. 

rotbraun 

58 

— 

42 

34 

— 

66 

Trifolium    pratense 

hellgelb 

90 

10 

— 

92 

8 

— 

L. 

violett 

94 

6 

" 

92 

8 

72 

Franz  M 

uth. 

Name  der    Sämerei 

Färbung  der  Samen 
oder  Früchte 

Prozente  der 
gekeimten  Samen      ^     \ 
oder  Früchte         -• 

Prozente  der          5^ 

nicht  gekeimten,      „. 

scheinDar  guten       3^ 

Samen  od.  Früchte    ^ 

Prozente  der          n> 

faulen  Samen         3^ 

oder  Früchte 

Infiziert 
m.  Asperr/.  niger 

<»  t;        oj  M)-£  o  '  ®  9 

S   S  »H       N   ^a        :  N_2  IH 
O.So    |0*=-7!fl'0"2a) 

Si     1     a  "  § 

Trifolium     incarna- 

vveisslich  gelb 

6() 

18 

l(j 

20 

i 

80 

tum     L.     (weiss- 

gelb  rötlich 

8(j 

6 

8 

16 

— 

84 

blühendj. 

! 

Trifolium  repens  L. 

hellgelb 

72 

26 

2 

92 

8 

rotbraun 

84 

14 

2 

72 

14 

14 

Trifolium  hybridum 

grüngelb 

(iO 

12 

28 

40 

10 

50 

L. 

grünlich  braungelb 

42 

— 

58 

26 

— 

74 

gelbrot 

:54 

4 

62 

40 

2 

58 

dunkel  violett 

()2 

— 

38 

28 

— 

72 

dunkel  schwarzgrün 

()« 

26 

6 

38 

— 

62 

Trifolium    filiforme 

hell  gelbgrün 

lü 

84 

— 

18 

72 

10 

L. 

rötlich  gelb 

86 

12 

2 

22 

8 

70 

Trifolium      fragife- 

gelbgrün 

14 

86 

— 

10 

90 

— 

rum  L. 

bräunlichgrün 

12 

88 

— 

12 

88 

— 

rotbraun 

58 

24 

18 

46 

34 

20 

Trifolium    pannoni- 

hell  weisslich  gelb 

70 

6 

18 

70 

6 

24 

cum  L. 

braungelb 

(J2 

22 

16 

24 

4 

72 

dunkelbraungelb 

24 

24 

52 

2 

8 

90 

Anthyllis        Vulne- 

Die  nicht  grüne  Hälfte 

raria  L. 

gelblich  weiss 
Die  nicht  grüne  Hälfte 

84 

10 

6 

30 

4 

66 

rötlich  gelb 

:a 

26 

20 

8 

— 

92 

Lotus    corniculatus 

braungelb 

38 

58 

4 

36 

20 

44, 

L. 

dimkelbraun 

38 

24 

38 

26 

30 

44 

Lotus        uliginosus 

grün 

8() 

8 

6 

74 

18 

8 

Schk.   V.   villosus 

gelbgrün 

70 

28 

2 

84 

12 

4 

hellgelbbraun 

9() 

4 

— 

42 

14 

44 

braun 

74 

22 

4 

84 

8 

8 

Lotus      tetragono- 

hellrot 

98 

2 

— 

78 

— 

22 

lobus  L. 

rot 

9(i 

2 

2 

86 

— 

14 

dunkelrot 

9(i 

2 

2 

92 

— 

8 

Colutea  arborescens 

braun 

— 

— 

100 

— 

— 

100 

L. 

schwarzbraun 

42    \ 

52 

6 

40 

50 

10 

Astragalus  baeticus 

dunkel  grünlich  gelb 

58 

40 

2 

52 

32 

16 

L. 

gelb 

G8 

26 

6 

56 

34 

10 

Ornitbopus    sativus 

hell  gelbbraun 

68 

24 

8 

68 

20 

12 

Brot. 

braungelb 

28 

38 

34 

24 

38 

38 

dunkelbraun 

20 

28 

52 

14 

27 

59 

über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


73 


Name  der   Sämerei 

Färbung  der  Samen 
oder  Früchte 

Nie 

n 
o 

g2fc 

§.§s 

PL|^   O 
4) 

sr 

Prozente  der          ^ 

nicht  gekeiniten,      __. 

scheinbar  guten       5" 

Samen  od.  Früchte    ^ 

Prozente  der          5' 
faulen  Samen         ^ 
oder  Früchte 

Piozente  der         „ 
gekeiniten  Samen   ? 
oder  Früchte 

Infiziert 
isperg.  niger 

1     -    "^  1 

:»gs»  ie2:5 

a  o  «TS     d      'j^ 

N      *-  d         1     N   0^   In 
°  -"  "m   Ö       O  "3    OJ 

-Ä  2  a> '   '-'  S-ö 

Hedysariim      coro- 

hell  gelblicliweiss 

96 

4 

90 

6 

i      4 

narium  L. 

rotbraun 

82 

— 

18 

58 

-     !    42 

Onobrjchis     sativa 

hellgrün 

94 

2 

4 

86 

—     i     14 

Lmk. 

hellbrami 

94 

— 

6 

82 

—         18 

braun 

90 

— 

10 

84 

-    i     16 

schwarzbraunrot 

82 

14 

4 

82 

4 

1     14 

Vicia  sativa  L. 

grünlich  graugelb 
bräunlich,  dicht  wolkig 

100 

— 

— 

100 

— ■ 

marmoriert 

100 

— 

— 

100 

— 

hellrötlich,  marmoriert 

94 

— 

6 

90 

2 

'      8 

dunkelrotbraun 

68 

10 

22 

38 

—  ■ 

62 

Vicia  Faba  L. 

rotbraun 

100 

— 

— 

85 

— 

15 

grünlichgelbrot 

95 

5 

90 

5           5 

Vicia  silvatica  L. 

grüngelb 

52 

46 

2 

46 

54         — 

braungelb 

90 

6 

4 

58 

32         10 

rotbraun 

50 

10 

40 

34 

4         62 

Vicia        paunonica 

braungelb,  schwarz 

Jacq. 

punktiert 

96 

— 

4 

94 

2     ,      4 

dunkelrotbraun 

78 

— 

22 

76 

6         18 

dunkelgrau  schwarz. 

gelb  gefleckt 

80 

— 

20 

78 

6 

16 

Vicia        grandiflora 

weisslichgelbgrün 

100 

— 

— 

100 

— 

— 

Scop. 

gelbbraun 

100 

— 

— 

100 

— 

— 

röthchgelb 

100 

— 

— 

100 

— • 

Vicia    peregrina   L. 

gelbgrün 

60 

2 

38 

64 

— 

36 

rotbraun 

100 

— 

— 

88 

10 

2 

dunkelschwarz,  rot- 

braun 

80 

4 

16 

82 

6 

12 

hellrotbraun,  dunkel 

marmoriert 

86 

— 

14 

72 

16 

12 

braungelb,  dunkel 

marmoriert 

100 

— 

— 

100 

— 

— 

Ervum  Lens  L. 

hellgelbgrün 

98 

— 

2 

— 

100 

rötlich  gelb 

96 

— 

4 

— 

100 

gelbgrün,  dunkel 

wolkig  marmoriert 

100 

— 

— 

— 

— 

100 

Ervum    Ervilia    L. 

hellgelblich  rot 

löO 

— 

— 

86 

— 

14 

' 

rotbraun 

— 

" 

100 

—    1 

100 

74 


Franz  Muth. 


Name  der   Sämerei 

Färbung  der  Samen 
oder  Früclite 

Prozente  der 
gekeimten  Samen     g 
oder  Früchte         j^- 

Prozente  der          r>- 
nicht  gekeimten, 
scheinbar  guten       P, 
Samen  od.  Früchte    ^3- 

iert 

t,    Ö    0) 
CD    ®  +3 

gaf^ 

N    <U    t, 

£^5 

Infiziert 
m.  Asperg.  niger 

ö      i      -^-21 

^.a«    :t.(C®ut.aa> 

a  ci,     a-S  «TS  '  a     &, 
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•-ins      ^J^S"'     ^<3t3 

0,^0    ^  ü-g  Q\^£  0 

Pisum    sativum   L. 

V.    gullosum    Rittr. 

gelb 

um 

— 

— 

100 

— 

— 

(Zuckererbsen, 

Eiesen-  Schwert.) 

braun 

10(1 

— 

90 

— 

10 

Pisum    sativum    L. 

weisslich  gelb 

100 

— 

100 

— 

— 

hortense        (Mai- 

grünlich gelb 

lOÜ 

— 

— 

100 

— 

— 

erbsen) 

gelb 

100 

— 

— 

96 

— 

4 

Pisum    sativum    L. 

weiss,  glänzend 

70 

80 

— 

45 

5 

50 

(späte  Gold-  oder 

goldgelb 

9-) 

— 

5 

95 

— 

5 

Wachserbse) 

grünlich  gelb 

85 

40 

25 

80 

35 

35 

Pisum    arvense    L. 

braun 

80 

15 

5 

90 

10 

— 

V.  vernale. 

gelbbraun,  dunkel 

gefleckt 

!)2 

6 

2 

94 

6 

— 

schwarz 

{>') 

35 

— 

70 

30 

— 

Lathyrus    pratensis 

gelbgrün,  dunkel 

L. 

violett  gesprenkelt 

28 

72 

— 

30 

70 

— 

gelb 

80 

66 

4 

32 

66 

2 

gelblich  braun,  dunkel 

gesprenkelt 

24 

62 

14 

20 

60 

20 

hellbraun 

56 

26 

18 

48 

12 

40 

grünlich  gelb 

26 

74 

— 

32 

64 

4 

rötlich  braun  violett 

■46 

44 

4 

32 

64 

4 

Lathyrus  sativus  L. 

gelb  mit  brauner 

Randung 

78 

6 

16 

70 

16 

14 

gelb  mit  rotbrauner 

Sprenkelung 

75 

15 

10 

90 

— 

10 

grüngelb 

78 

10 

12 

76 

18 

6 

Lathyrus     hirsutus 

braun 

10 

— 

90 

10 

— 

90 

L. 

schwarzbraun 

86 

20 

44 

34 

20 

46 

Lathyrus       hetero- 

graubraun 

86 

14 

— 

10 

90 

— 

phyllus  L. 

braun 

78 

22 

— 

18 

82 

— 

rotbraun 

12 

58 

30 

10 

56 

40 

Lathyrus    odoratus 

hellbraun 

lOO 

— 

— 

98 

— 

2 

L. 

dunkelbraun 

85 

— 

15 

75 

— 

25 

Orobus      coccineus 

hellrot,  dunkel- 

Mill. 

schwarzrot  getüpfelt 

88 

12 

— 

48 

28 

24 

schwarzrot 

60 

86 

4 

58 

20 

22 

Cicer  arietinum   L. 

weissl  ichgelb, 

runzelig,  gross 

88 

— 

62 

44' 

— 

56 

über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 


75 


Name  der   Sämerei 


Färbung  der  Samen 
oder  Früchte 


Nicht  infiziert 


<c 


■"Mo    I^.S  MrC 


CD  *J^ 
N  S  ^ 
O  .^    <£) 

t.    (B  — 


1     E^ 


S  s^  o  °  ,  „  >„  ^ 


Infiziert 
m.  Asperg.  niger 


3  "S 

ti    0)    <U   5j 

I  <»  -S  'S  :3 


«Ü&H 


'    4)   tl 


Cicer    arietinum   L. 
Dolichos  Lablab  L. 


Dolichos  multi- 

florus 


Soja  hispida  Mönch. 

(gelbe) 
Vigna  Catj  ang  Endl. 

Sanguisorba       offi- 

cinalis  L. 
Brassica  oleracea  L. 

(Eotkraut) 

Brassica  oleracea  L. 
( Wirsing) 

Brassica  oleracea  L. 
(Weisskran  t) 

Brassica  Rapa  L., 
rapifera  (Weisse 
Rüben) 

Sinapis  alba  L. 

Raphanus  sativus  L. 

Lepidinm  sativum 
L. 

Origanum  Majorana 
L. 

Satureja  hortensis 
L. 

Petroselinum  sa- 
tivum Hoff  in. 


gelb,  klein,  rundlich 

gelb,  mittlere  Grösse 

hellbraun,  dunkel 

wolkig  gestreift 

dunkelschwarzbraun 

hellgelb  gestreift 

dunkelschwarz 

gestreift 

dunkelbraun 

gelb 

gelblich  weiss 

hellrötlich  braun 

dunkelbraunrot 

Iiellgelb 

rotbraun 

rotbraun 

gelblich  grau 

schwarzgrau 

rotbraun 

grau 

schwarzgrau 

rotbraun 

gelblich  grau 

schwarzgrau 

braunrot 
schwarzbraun 

weisslich  gelb 
rötlich  gelb 
rötlichweiss 

rot 

hellgelbrot 

dunkelrotbraun 

hellstrohgelb 

braungelb 

gelbbraun 

dunkelschwarzbi'aun 

weisslich  grau 

grünlich  grau 


46 



54 

52 

68 

— 

32 

48 

42 



58 

78 

86 

2 

12 

100 

80 

18 

2 

64 

54 

24 

22 

56 

— 

— 

100 

— 

75 

— 

25 

40 

75 

— 

25 

55 

98 

2 

— 

100 

100 

— 

— 

96 

36 

20 

44 

10 

66 

26 

8 

60 

94 

— 

6 

90 

86 

10 

4 

82 

60 

8 

32 

64 

96 

— 

4 

82 

96 

— 

4 

82 

96 

4 

— 

100  ; 

70 

24 

6 

76 

90 

— 

10 

80  1 

100 

— 

— 

100  1 

100 

— 

— 

9() 

100 

— 

— 

100 

100 





98 

98 

2 

— 

98 

94 

4 

2 

92 

94 

6 

— 

90 

62 

— 

38 

58 

100 

— 

— 

100 

12 

64 

24 

12 

46 

54 

-~ 

48 

78 

22 

— 

(iO 

16 

72 

12 

16 

68 

32 

— 

62 

48 

36 

10 

52 

22 

18 

5 
10 


20 
6 


2 
2 

8 
10 


62 
52 
40 
68 
38 
34 


40 
50 

22 

24 

26 

100 

55 

21 


— 

4 

20 

70 

30 

10 

6 

4 

12 

6 

28 

8 

16 

2 

12 

6 

4 
14 


42 


26 


16 


14 


76 


Franz  Muth. 


. 

I 

nfiziert 

Nicht  infiziert 

m.  Asperg.  niger 

Name  der   Sämerei 

Färbung  der  Samen 

e  der 

Samen 
üchte 

e  der 
eimten, 
■  guten 
Früchte 

t-  a  c 
5  " 

a 

e  der 
eimten, 
•  guten 
Früchte 

t.  C  a> 
o  0)  •; 

oder  Früchte 

a-^^tj 

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Pr 

nich 

sehe 

Same 

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Oh  «  o 

Fr 

nich 

sehe 

Same 

Oh^  o 

Petroselinum        sa- 

tivum Hoffra. 

rotbraun 

16 

58 

26 

18 

58 

24 

Apium     graveolens 

M^eisslich  grau 

1)2 

— 

8 

90 

— 

10 

L. 

grünlich  grau 

32 

— 

68 

30 

— 

70 

rotbraun 

100 

— 

— 

100 

— 

— 

Daucus    Carola    L. 

vi^eisslich 

U 

14 

32 

48 

16 

36 

rotbraun 

•iO 

2 

58 

40 

— 

60 

Valerianella  olitoria 

weisslich  gelb 

84 

2 

14 

84 

— 

16 

Mnch. 

gelbbraun 

84 

8 

8 

84 

6 

10 

Borago      officinalis 

gelbbraun 

20 

— 

80 

16 

— 

84 

L. 

dunkelbraun 

96 

4 

— 

94 

6 

— 

Cichorium    Endivia 

gelblich  grau 

64 

28 

8 

68 

26 

8 

L. 

braunschwarz 

70 

24 

6 

76 

24 

— 

Spinacia  oleracea  L. 

weiss 

72 

28 

— 

84 

16 

— 

braungelb 

40 

14 

46 

48 

4 

48 

grün 

52 

44 

4 

52 

46 

2 

Cucumis  sativus  L. 

gelblichweiss 

9() 

— 

4 

78 

— 

22 

rein  weiss 

94 

— 

6 

70 

— 

30 

Nicotiana  Tabacum 

hellbraun 

8 

92 

— 

— 

100 

— 

L. 

dunkelbraun 

78 

22 

— 

80 

20 

— 

Papaver          somni- 

dunkelschwarzblau 

90 

10 

— 

64 

30 

16 

ferum    L.  (weiss- 

weisslich  blau 

74 

10 

16 

64 

10 

26 

blüh,,  Samen  bhmi 

braungelb 

94 

4 

2 

48 

48 

4 

Papaver          somni- 

weiss 

88 

12 

— 

14 

86 

— 

ferumL.(\veisssam.) 

weisslich  gelb 

76 

24 

— 

S 

92 

— 

Viola  tricolorL.  (Gar  - 

braun 

92 

8 

— 

96 

4 

— 

tenform  maxima) 

strohgelb 

4 

— 

96 

— 

— 

100 

Beta     vulgaris     L. 

grünlich  gelb 

65 

35 

— 

65 

35 

— 

(Oberndorfer     Kun- 

mit 170 
Keiml. 

m.   165 
Keiml. 

keln) 

gelb 

80 

mit  172 
Keiml. 

20 

75 
m.   16S 
Keiml. 

25 

braun 

65 
mit  160 
Kpiml. 

35 

■ — 

60 
m.   160 
Keiml. 

40 

""• 

Beta  Cicla  L.  (Ko- 

gelb 

90 

10 

— 

80 

20 

— 

mischer  Kohl) 

mit  215 
Keiml. 

m.  180 
Keiml. 

dunkelbraun 

70 
mit  165 
Keiml. 

30 

— 

75 
m.  155 
Keiml. 

25 

~" 

über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett.  77 

Linie  Leguminosen  (Gemüse-  und  Gründüngungspflanzen)  sowie  andere 
Gemüsearten  vertreten.  In  der  Regel  wurden  von  den  einzelnen  Parben- 
varietäten  50  Körner  eingekeimt.  Als  Keimbett  dienten  einfache  Kuverte 
aus  Piltrierpapier.  Die  Versuche  selbst  wurden  in  der  oben  bereits  be- 
schriebenen Weise  ausgeführt.  Zur  Infektion  wurde  Aspergillus  niger 
genommen.  Man  ersieht  aus  der  Tabelle,  dass  bei  den  meisten  Sämereien 
sich  die  einzelnen  Farbenvarietäten  verschieden  bei  der  Keimung  und 
verschieden  gegenüber  der  schädlichen  Einwirkung  des  Pilzes  verhalten. 
Wenn  diese  Versuche  auch  nur  orientierender  Art  sind  und  wenn  auch 
aus  den  Zahlen  der  Tabelle  allein  nicht  immer  ein  ganz  zutreffendes  Bild  der 
tatsächlichen  Verhältnisse  zu  gewinnen  ist,  da  die  Grösse  der  Keimlinge  und 
die  Gleichmässigkeit  in  deren  Entwickelung  nicht  stets  zum  Ausdruck 
kommt,  so  zeigt  unsere  Tabelle  doch  recht  deutlich,  dass  die  Präge  der 
Farbenvariationen  der  Sämereien  unsere  volle  Beachtung  auch  aus  Rück^ 
sieht  für  die  Praxis  verdient;  bei  einem  grossen  Teil  der  untersuchten 
Sämereien  reagieren  die  einzelnen  Farbenvarietäten  sehr  verschieden  auf 
die  Infektion.  Während  z.  B.  bei  der  Luzerne  die  hellgelben  Samen 
durch  Aspergillus  niger  an  ihrer  98°/o  betragenden  Keimfähigkeit  keine 
wesentliche  Einbusse  erleiden,  sinkt  die  Keimkraft  bei  den  rotbraunen 
Luzernesamen  von  52°/o  auf  36°/o-  Bei  den  Samen  der  Serradella 
drückt  der  erwähnte  Schimmelpilz  bei  den  gelblichbraunen  Samen  die 
68°/o  betragende  Keimfähigkeit  nicht  herab,  bei  den  braungelben  sinkt  sie 
von  28°/o  auf  24°/o  und  bei  den  dunkelbraunen  von  20°/o  auf  14 "/q. 
Dabei  wird  die  Ausbildung  der  Keimlinge  bei  den  dunkelbraunen  Samen, 
ganz  abgesehen  von  der  Verminderung  der  Zahl,  sehr  viel  ungünstiger 
beeinflusst  als  bei  den  braungelben.  Anders  verhalten  sich  die  Farben- 
variationen des  Rotklees;  bei  ihm  erweisen  sich  die  violetten,  die  hellgelb- 
violetten und  die  hellgelben  Samen  als  ziemlich  gleichwertig,  hier  tritt  keine 
so  ausgesprochene  Differenz  in  der  schädlichen  Wirkung  des  Pilzes  auf  die 
einzelnen  Parbenvariationen  zutage.  Aber  immerhin  muss  nochmals  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden,  dass  uns  schon  die  äusseren  Eigenschaften 
der  Samen  und  Früchte  sehr  häufig  ausserordentlich  wichtige  Fingerzeige 
in  praktischer  Beziehung  geben  können,  die  ja  auch  vielfach  Berück- 
sichtigung in  der  Praxis  finden.  Das  Aussehen  zeigt  auch  bei  den  Samen 
häufig  ihr  Vorleben  und  ihren  Gesundheitszustand  sowie  ihr  Alter  an. 
Es  sei  hier  auch  noch  an  meine  Untersuchungen  über  die  ver- 
schieden gefärbten  Früchte  des  Hanfes  erinnert,  die  im  III.  Jahresbericht 
unserer  Vereinigung  (S.  76 — 121)  veröffenthcht  sind.  Auch  bei  diesen 
hat  der  in  nachstehender  Tabelle  wiedergegebene  Infektionsversuch  mit 
Fusarium  roseum  ergeben,  dass  die  nachteilige  Wirkung  des  Pilzes  im 
Keimbett  bei  den  einzelnen  Farben  verschieden  ist. 


78 


Franz  Muth. 


Färbung  der 

Früchte  des 

Breisgauer 

Hanfes 


Grösse 

der 
Früchte 


Resultate  der  Keim- 
prüfung der  nicht- 
infizierten  Körner 

0/ 


0)      (1) 


Keim- ,    ,„  ^^ 

kraft  i-g^H^ 


i^l' 


;^ 


M 


Resultate  der  Keim- 
prüfung der  mit 
Fusarium  roseioii 
infizierten  Körner 
in 


Keim- 
kraft 


/o 


-ki         Ott) 


^3    Q 


Bemerkungen 
über  den  Grad 
der  Beein- 
trächtigung 
der  Keimlinge 
durch  den 
Pilz 


H  ellgrün- 
silbergrau 
mit  brauner 
Sprenkelung 


Silberarrau 


Braun 


Dunkelgrau 


Grün 


mittel- 
gross 

klein 


mittel- 
g-ross 


klein 
gross 
mittel- 
gross 
klein 
gross 
mittel- 
gross 
klein 
gross, 
mittel- 
gross u. 
klein 


68 


82 


84 


56 
66 

82 

66 

74 

68 
48 


32 

— 

8 

10 

4 

12 

28 

— 

28 

- 

18 

2(5 

26 

8 

14 

4 

34 

— 

26 

— 

32 

— 

52 

— 

58 

40 

78 

68 

62 
66 

52 

3() 
44 

76 

62 

58 

52 

38 


16 


24 


24 


30 


54 

48 

20 

38 
38 

48 
50 


14 


12 


18 


10 

8 


12 


98 


stark,  Würzel- 
chen alle  glasig 
durch- 
scheinend 

stark 

sehr  stark, 

doch  nicht  so 

sehr,  wie  bei 

den  kleinen 

Kürnern 

sehr  stark 


ziemlich  stark 
stark 

sehr  stark 


Bezüglich  des  Fusarium  rosemn  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  mit 
demselben  eine  grössere  Anzahl  von  Parallelversuchen  mit  Papihonaceen- 
samen  zu  gleicher  Zeit  und  mit  den  Farbenvariationen  derselben  Samen- 
proben wie  mit  Aspergillus  niger  angestellt  wurde;  die  Wirkung  der 
Infektion   war  im  allgemeinen  nicht  so  stark  wie  bei  Aspergillus  niger. 


über  die  Infektion  von  .'"Sämereien  im  Keimbett. 


79. 


aber  im  grossen  Ganzen  dieser  vollständig  analog.  Besonders  empfind- 
lich zeigten  sich  die  in  der  Tabelle  angegebenen  Lupinensamen,  die  Samen 
der  genannten  Lotusarten,  der  Linsen  und  Erbsen. 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  auf  die  praktisch  und  theoretisch 
wichtige  Frage  der  Farbenvariationen  der  Samen  und  Früchte 
weiter  einzugehen;  es  sei  bezüglich  derselben  nur  noch  erwähnt,  dass 
w^ir  bei  diesen  Farbenvariationen  wieder  Unterschiede  machen  müssen 
bezüglich  ihrer  Ursachen  und  Bedeutung.  Wir  können  in  erster  Linie 
Farbenvariationen  unterscheiden,  die  als  verhältnismässig  konstante 
Rassen  eigen  Schaft  zu  betrachten  sind,  wie  dies  z,  B.  bei  den  Mais- 
varietäten der  Fall  ist,  dann  aber  solche,  die  ich  als  fluktuierende  be- 
zeichnen möchte,  d.  h.  solche,  die  vom  Standort,  der  Temperatur,  der 
Feuchtigkeit,  Beleuchtung  usw.  abhängig  sind  resp.  mehr  oder  weniger 
von  diesen  Faktoren  beeinflusst  werden;  drittens  lassen  sich  noch  solche 
Farben  bei  den  Sämereien  unterscheiden,  die  wir  als  Krankheits-, 
Alters-  oder  Todesfarben  bezeichnen  können.  Beim  Hanf  sind  z.  B. 
die  weisslich-strohgelben  Früchte  fast  ganz  ausnahmslos  taub.  Bei  den 
Leguminosensamen  sind  es  besonders  häufig  die  braunrot  gefärbten, 
die  in  diese  Kategorie  gehören. 

Bei  den  fluktuierenden  Farbenvariationen  sei  nur  an  den  Rotklee- 
samen erinnert.  Es  ist  bekannt,  dass  dessen  Farbe  durch  die  jeweilige 
Jahreswitterung  beeinflusst  wird.  Man  kann  dies  auch  leicht  durch  den 
Versuch  zeigen.  Bei  einem  solchen,  wie  er  in  nachstehender  Tabelle 
zur  Darstellung  gebracht  ist,  lieferten  die  aus  halbviolett-halbhellgelben 
Rotkleesamen  hervorgegangenen  Pflanzen  bei  normaler  Behandlung 
17,54  °/o  violette,  41,41  "/o  hellgelb-violette.  41,05  "/o  hellgelbe  Samen; 
die  aus  ebenso  (je  zur  Hälfte  violett  und  zur  Hälfte  hellgelb)  gefärbten 


Rotklee 


Prozente 

violetter 

Samen 


Prozente 
hellgelb- 
violetter 
Samen 


Prozente 

hellgelber 

Samen 


Körnergewicht  in 
Gramm 


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Xi   CO 


Ausgangsprobe 

Normal  behandelte  Pflanzen 
Trocken  gehaltene  Pflanzen 
Sehr  feucht  gehaltene 
Pflanzen 


'49,02 
17,54 
26,72 

12,58 


26,02 
41,41 
34,04 

15,21 


24,81 
41,05 
39,24 

72,21 


1 ,759 

1,766 

1,904 

1,854 

1,813 

1,798 

1,782 

1,800 

1,693 
1,697 
1,664 

1,626 


80 


Franz  Muth. 


Samen  derselben  Probe  erwachsenen,  recht  trocken  gehaltenen  Pflanzen 
heferten  26,72  "/o  violette,  34,04  ^'o  hellgelbviolette  und  39,24*^/0  hell- 
gelbe Samen,  während  bei  Verwendung  derselben  violetthellgelben 
Farbenvariation  die  während  der  Vegetationsperiode  sehr  feucht  gehaltenen 
Pflanzen  12,58  ^/q  violette,  15.21  °/o  hellgelbviolette  und  72,21  °/o  hell- 
gelbe Samen  hervorbrachten. 


Keimungsenergie 

Keimkraft  in 

Harte  Samen  in 

Faule  Samen  in 

in  Prozenten 

Prozenten 

Prozenten 

Prozenten 

ä 

c 

O        i            Ö 

c 

c 

c 

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81, .50 

86,00 

83,00 

84,50 

87,25 

87,00 

13,00 

10,25 

10..J0 

2,50 

2,50 

2,50 

47,50 

48,75 

38,75 

54,00 

53,50 

51,00 

45,75 

45,25 

47,75 

0,25 

1.25 

1,25 

32,25 

40,00 

35,00 

37,75 

48..50 

46,00 

62,25 

51,25 

53,75 

0,00 

0,25 

0,25 

45,00 

49,00 

42,25 

57,00 

68,00 

69,50 

43,00 

30,00 

30,25 

0,00 

2.00 

0,25 

Die  Versuche  mit  den  Farbenvariationen  der  Samen  haben  aber 
auch  ergeben,  dass  vielfach  eine  Korrelation  zwischen  Samen-  und 
Blütenfarbe,  der  Intensität  der  grünen  Färbung  der  Blätter  sowie 
der  Widerstandsfähigkeit  gegen  schädliche  Einflüsse  besteht.  Sehr 
schön  ist  eine  solche  Korrelation  bei  Lupinus  hirsiitus  var.  coeriileus 
zu  sehen.  Die  dunkelroten  Samen  liefern  durchschnittlich  Pflanzen,  die 
mehr  dunkelrote  Blüten  und  satt-dunkelgrüne  Blätter  tragen,  während 
die  mehr  weisslichen  Samen  Pflanzen  mit  helleren  Blüten  und  hell- 
gelbgrünen Blättern  hervorbringen.  Ähnlich  sind  die  Verhältnisse 
beim  Inkarnatklee  und  beim  Bas.tardklee.  Bezüglich  derartiger  Korre- 
lationen beim  Rotklee  habe  ich  in  einer  vorläufigen  Mitteilung') 
folgendes  bemerkt:  „Eine  wichtige  und  interessante  Frage  bei  dem 
Studium  der  Farben  Variationen  des  Rotklees  ist  diejenige  der  Korrelation 
zwischen  Samen-  und  Blütenfarbe  und  deren  Einfluss  auf  das 
Wachstum  und  den  Habitus  der,  Pflanze.  Die  diesbezüglichen  Versuche 
und  Beobachtungen  ergaben,  dass  ein  ausgesprochener  Zusammenhang 
zwischen  beiden  in  der  Weise  besteht,  dass  unter  sonst  gleichen  Ver- 
hältnissen die  Farbe  der  Samen  auch  bei  den  Blüten  der  aus  denselben 
gewachsenen    Pflanzen    prävaliert.       Ferner    zeigen    Pflanzen    mit    vor- 


^)  Vgl.  Bericht    der  Grossh.    Badischen    Landwirtschaftlichen  Versuchs- 
anstalt Augustenberg  über  ihre  Tätigkeit  im  Jahre  1903,  p.  49. 


über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett.  gl 

herrschend  dunkeh'oten  BUlten  und  mit  vorherrschend  dunkelvioletten 
Samen  ein  rascheres,  üppigeres  Wachstum,  kräftigen  dicken  Stengel 
und  grössere,  dunkelgrüne  Blätter,  als  Pflanzen  mit  vorherrschend 
hellen  Blüten  und  hellen  Samen.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass,  w^orauf 
auch  M.  Fischer  in  letzter  Zeit  aufmerksam  gemacht  hat,  bei  weiterer 
Verfolgung  dieser  korrelativen  Verhältnisse  sich  Rotkleerassen  mit 
kürzerer  oder  längerer  Vegetationsdauer  züchten  lassen."  Bei  den 
Kulturversuchen  mit  Lupinus  Jiirsiitus  und  mit  Inkarnatklee  hat  es  sich 
gezeigt,  dass  beim  Befall  der  Pflanzen  mit  Mehltau  die  aus  den  mehr 
dunkelroten  resp.  rötlichgelben  Samen  erwachsenen  Pflanzen  durchschnitt- 
lich deutlich  widerstandsfähiger  gegen  den  Pilz  waren  und  weniger  unter 
ihm  zu  leiden  hatten  als  die  aus  den  mehr  hellweisslich  gefärbten  Samen 
erwachsenen.  Derartige  Beobachtungen  verdienen  unsere  besondere  Be- 
achtung auch  aus  Rücksicht  für  die  Bekämpfung  von  Pflanzenkrankheiten. 

Bezüghch  der  Natur  des  Farbstoffes  in  den  erwähnten  Fällen  sei 
noch  bemerkt,  dass  es  sich  dabei  wohl  um  Chlorophyllderivate  handelt, 
darauf  weisen  schon  die  erwähnten  Korrelationen  hin. 

Die  Grösse  der  Samen  und  der  Früchte  ist  nicht  selten  von  Be- 
deutung für  die  Keimfähigkeit  und  den  Grad  der  ungünstigen  Beein- 
flussung durch  schädliche  Mikroorganismen,  wie  z.  B.  auch  die  Unter- 
suchungen über  die  Früchte  des  Hanfes  gezeigt  haben. 

Die  Form  der  Samen  und  Früchte  scheint  im  allgemeinen  weniger 
Einfluss  in  der  angedeuteten  Richtung  zu  besitzen,  wenigstens  haben 
die  Versuche  bei  Luzerne  mit  langen,  bohnenförmigen  und  mit  kurzen, 
eckigen,  scharf  abgeschnittenen  Samen  bei  gleicher  Färbung  bisher 
keinen  ausgesprochenen  Unterschied  ergeben. 

Es  wurde  bereits  auch  der  inneren  Eigenschaften  der  Samen  ge- 
dacht; in  dieser  Beziehung  leicht  bestimmbare  Grössen  liefert  z.  B.  die  Er- 
mittelung des  liörnergewichtes  und  des  spezifischen  Gewichtes,  ferner  die 
des  Wasser-,  Aschen-,  Stickstoff-  und  unter  Umständen  des  Ölgehaltes. 
Bei  den  diesbezüglichen  Versuchen  mit  den  Früchten  des  Hanfes  hat  es 
sich  z.  B.  gezeigt,  dass  die  Keimfähigkeit  und  besonders  die  gleichmässige 
Ausbüdung  der  Keimlinge  proportional  dem  Sinken  des  Körner-  und  des 
spezifischen  Gewichtes  zurückgeht,  und  dass  dementsprechend  auch  die 
Widerstandskraft  gegen  schädliche  Einwirkungen  abnimmt. 

Bei  einem  Vortrag  auf  der  ersten  Generalversammlung  unserer 
Vereinigung  in  Berlin  im  Jahre  1903')  über  die  Schwankungen  bei 
Keimkraftprüfungen  der  Samen  und  ihre  Ursachen  habe  ich  darauf 
aufmerksam  gemacht,  dass  gerade  die  bei  Keimprüfungen    auftretenden 


1)  Dieser  Jahresbericht,  I.  Jahrgang  1903,  p.  80. 

Jahresbericlit  der  Vereinigung  für  ;ingew;indte  Botanik  V. 


g2  Fi'anz  Math.     Über  die  Infektion  von  Sämereien  im  Keimbett. 

Differenzen  im  Verein  mit  dem  Aussehen  der  Saat  seiir  wichtige  Finger- 
zeige für  die  Beurteilung  einer  Probe  geben  können.  Die  weiteren 
Untersuchungen  bestätigten  diese  Ansicht;  diese  Untersuchungen  zeigen 
aber  auch,  dass  die  Pflanzenzüchtung  in  diesen  verhältnismässig  leicht 
zu  ermittelnden  Eigenschaften  und  in  deren  Prüfung  durch  passende 
Infektionsversuche  eventuell  unter  Zuhilfenahme  höherer  Temperaturen 
und  durch  Aussaatversuche  ein  Mittel  in  der  Hand  hat,  die  Wider- 
standsfähigkeit der  Samen  und  Pflanzen  zu  prüfen  und  unter  Umständen 
zu  steigern.  Es  scheint  mir  ein  aussichtsvoller  Weg  für  die  Pflanzen- 
züchtung zu  sein,  die  angedeuteten  Verhältnisse  weiter  eingehend  zu 
studieren,  und  diejenigen  zu  ermittelnden  Eigenschaften  weiter  zu  ver- 
folgen, die  eine  grössere  Wuchsfreudigkeit,  Lebenskraft  und  Wider- 
standsfähigkeit gegen  schädliche  Einflüsse  mit  bedingen. 

Für  die  Samenkontrolle  sind  die  angedeuteten  Fragen  ebenfalls 
sehr  wichtig.  Der  Handel  und  der  Landwirt  brauchen  als  feste  An- 
haltspunkte Zahlen  auch  bei  der  Keimprüfung,  mit  Zensuren  allein 
wird  man  in  der  Praxis  nicht  immer  auskommen.  Aber  den  Keim- 
zahlen kann  sich,  jedenfalls  bei  Untersuchungen  für  Landwirte,  ganz 
gut  eine  Zensur  anschliessen,  welche  die  Keimzahl  zu  einem  Keimbilde 
ergänzt.  Bei  den  Hanffrüchten  z.  B.  habe  ich  versucht,  eine  feste 
breite  Basis  für  ein  solches  zu  gewinnen').  Es  ist  dies  ein  Versuch, 
wie  ich  mir  einen  w^eiteren  wissenschaftlichen  Ausbau  einer  der  Praxis 
dienenden  Samenuntersuchung  vorstelle. 

Für  die  Samenkontrolle  ist  es  dann  weiter,  wäe  bereits  angedeutet 
wurde,  unter  Umständen  von  groüer  Bedeutung,  festzustellen,  ob  die 
Pilze,  die  am  Saatgut  bei  der  Keimprüfung  auftreten,  wirkUch  diesem 
anhaften.  Mit  den  Sämereien  werden  natürlich  die  Krankheiten  ver- 
schleppt und  grosser  Schaden  angerichtet.  Es  erwachsen  der  Samen- 
kontrolle bezüglich  der  Untersuchung  des  Saatgutes  auf  schädliche 
Organismen  noch  manche  schwierige  Aufgaben.  Auch  die  damit  zu- 
sammenhängende Frage  der  Desinfektion  der  Sämereien  durch  Beizen  usw. 
bedarf  noch  teilweise  der  Klärung  und  vor  allem  grösserer  Berück- 
sichtigung in   der  Praxis. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Frage  der  Intektion  von 
Sämereien  durch  Mikroorganismen  auch  insofern  noch  Interesse  hat,  als 
manche  Widersprüche  in  der  Literatur  bezüglich  des  Einflusses  des  Lichtes 
auf  die  Keimung  der  Samen,  über  die  Atmung  und  die  Stoffe  in  Samen 
und  Keimlingen  wohl  teü weise  ihren  Grund  in  derartigen  Infektionen  haben. 


1)  Dieser  Jahresbericht,  lil.  Jahrgang  19(U/0r),  p.  121. 


JR.  Ewert.     ]Neue  Beispiele  für  Parthenokarpie.  83 


Neue  Beispiele  für  Parthenokarpie. 

Von 
Dr.  R.  Ewert,  Proskaa. 

Im  vorigen  Jahre  konnte  ich  auf  der  Versammlung  in  Hamburg 
«ine  größere  Anzahl  von  Äpfeln  und  Birnen  vorlegen,  die  sich  trotz  Ver- 
hinderung der  Befruchtung  zu  vollkommenen  Früchten  entwickelt  hatten. 
Ich  hatte  damals  schon  gesagt,  daß  diese  Jungferntrüchtigkeit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  eine  sehr  häufige  Erscheinung  bei  unseren  ver- 
schiedenen Obstarten  ist.  Es  gelang  mir  nun  in  der  Tat,  in  diesem 
Jahre  (1907)  nicht  allein  die  Ergebnisse  früherer  Versuche  zu  bestätigen, 
sondern  auch  eine  Reihe  neuer  jungfernfrüchtiger  Obstsorten  aufzufinden. 
Dabei  habe  ich  alle  erdenklichen  Vorsichtsmaßregeln  zur  Verhinderung 
der  Bestäubung  getroffen,  und  doch  erhielt  ich  Früchte  von  normaler 
Größe,  jedoch  ohne  Kern  resp.  mit  verkümmerten  Kernen  (Samenhäuten 
ohne  Embryo).  Eine  107  g  schwere  Frucht  der  Guten  Luise  von 
Avranches  hat  sich  entwickelt  trotz  Isolierung  und  Kastration  der 
Blüten  und  trotzdem  die  Narben  vor  dem  Aufbrechen  der  Blüten  un- 
empfänglich gemacht  worden  waren. 

So  stehen  wir  vor  einer  Tatsache,  die  eine  vollständige  Um- 
wälzung in  den  bisherigen  Anschauungen  über  Fruchtbarkeit  und  Un- 
fruchtbarkeit der  Obstbäume  hervorrufen  muß. 

Ich  muß  diesmal  darauf  verzichten,  eine  größere  Anzahl  von 
Jungfernfrüchten  vorzulegen  und  zu  besprechen,  und  beschränke  mich 
■daher  auf  einige  wenige  Beispiele.  Auf  eine  Frage,  über  die  ebenfalls 
schon  in  Hamburg  diskutiert  worden  war,  will  ich  nochmals  zurück- 
kommen. 

Müller-Thurgau  hatte  behauptet,  daß  der  eigene  Pollen,  ohne 
eine  eigentliche  Befruchtung  auszuüben,  allein  durch  das  Hineinwachsen 
seines  Schlauches  in  den  jungen  Fruchtknoten  einen  Reiz  auf  die 
Fruchtentwickelung  auszuüben  vermöge,  ja*  daß  ein  erstes  Anschwellen 
der  jungen  Fruchtanlage  mitunter  ganz  allein  auf  diese  Reiz  Wirkung 
zurückzuführen  sei.  Von  der  Annahme  eines  derartigen  Einflusses  des 
eigenen  Pollens  werden  wir  bei  unseren  Obstbäumen  wohl  ganz  ab- 
sehen müssen.     Auch  alle  meine  neueren  Versuche   deuten  darauf    hin, 

6* 


84  R.  iivvert. 

daß  es  Selbstfertilität  bei  unseren  Äpfeln  und  Birnen  gar  nicht 
gibt.  Eine  größere  Wirksamkeit  scheint  der  eigene  Pollen  beim  Stein- 
obst zu  besitzen. 

Gelegentlich  meines  Vortrages  in  Hamburg  war  auch  die  Frage 
behandelt  worden,  ob  Pollenschläuche  in  frische  Wunden  des  Griffels 
einzudringen  vermögen.  Bei  meinen  diesbezüglichen  Versuchen  machte 
ich  in  diesem  Jahre  die  seltsame  Entdeckung,  daß  abgeschnittene 
Narben  zu  regenerieren  vermögen.  Unterhalb  des  stehengebliebenen 
Grift'elendes  bilden  sich  neue  Narbenpapillen. 

Die  Frage  nach  den  Ursachen  der  Fruchtbarkeit  resp.  Unfrucht- 
barkeit tritt  uns  gelegentlich  bei  allen  Obstarten  entgegen,  und  ich  habe 
daher  auch  ganz  generell  alle  unsere  Gartenfrüchte  auf  ihr  selbständiges 
Fruchtungsvermögen  untersucht.  Ich  kam  dabei  zu  dem  folgenden  Er- 
gebnis: Kein  selbständiges  Fruchtungsvermögen  besitzen 
Erdbeere,  Himbeere,  Tomate,  Johannisbeere.  Ein  schwaches 
Fruchtungsvermögen  ist  vorhanden  bei  der  Stachelbeere, 
beim  Pfirsich,  etwas  vollkommener  bei  der  Kirsche  und 
der  Rebe.  In  ihrer  vollkommensten  Form  finden  wir  die  Jungfern- 
früchtigkeit  bei  Äpfeln,  Birnen  und  Gurken. 

Bei  den  Kirschen  ist  bemerkenswert,  daß  die  kernlosen  Früclite 
kleine  und  sehr  dünnwandige  Steine  besitzen.  Überhaupt  geht  aus 
meinen  anatomischen  Untersuchungen  hervor,  daß  ganz  allgemein  mit 
dem  Kern  die  harten  Gewebselemente  der  Früchte,  beim 
Kernobst  speziell  die  des  Gehäuses,  zurückgehen. 

Auf  die  Merkwürdigkeit  möchte  ich  ferner  noch  hinweisen,  daß 
die  Samenknospen  auch  ohne  Befruchtung  zu  wachsen  ver- 
mögen. Es  wachsen  aber  nicht  allein  die  Samenhäute,  sondern  der 
Embryosack  geht  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ebenfalls  in  Teilung: 
denn  man  findet  z.  B.  im  Innern  der  sogenannten  hohlen  Kerne  der 
Birnen  ein  zartes,  sehr  dünnwandiges  Gewebe. 

Wohl  manche  rätselhafte  Erscheinung  gibt  es  noch  in  der  Blüten- 
biologie der  Obstbäume.  Warum  ist  z.  B.  der  eigene  Pollen  zur  Be- 
fruchtung untauglich?  Führt  nicht  etwa  auch  hier  ein  Fehler  in  der 
Versuchsanstellung  zu  Trugschlüssen?  Erwähnenswert  ist  in  dieser 
Beziehung  die  neuere  Entdeckung  von  Jost, ')  nach  welcher  z.  B. 
Cytisus  Laburnum  und  Corydalis  cava  nur  dann  selbstfertil  sind,  wenn 
die  Narben  der  Blüten  mechanisch  verletzt  werden.  Letzteres  könnte 
z.  B.    durch    Insekten    geschehen.     Jedenfalls    ist    es  merkwürdig,    daß 


1)  Jost,    Über    die    Selbststerilität    einiger  Blüten.     (Bot.   Zeitung  1907,. 
Heft  V  u.  VI.) 


Neue  Beispiele  für  Parthenokarpie.  §5 

große  sortenreine  Obstpflanzungen  immerhin  nocli  sehr  viele  Früchte 
ijiit  wohlausgebildeten  Kernen  haben,  wenngleich  sie  auch  im  allgemeinen 
sehr  kernarm  sind. 

Noch  manche  Frage  in  der  Blütenbiologie  unserer  fruchttragenden 
Pflanzen  harrt  ihrer  Lösung,  nur  ein  andauerndes,  konsequentes  Arbeiten 
kann  auf  diesem  Gebiete  volle  Klarheit  schaffen.  Ich  glaube,  daß  all- 
mählich eine  ganz  neue  Pomologie  auf  wissenschaftlicher  Grundlage 
entstehen  wird,  die  Jungfernfrüchtigkeit  wird  dabei  eine  hervorragende 
Rolle  spielen. 


gg  L.  Bernegan. 


Die  Kolanuss  als  tropische  Kulturpflanze. 

Von 
Korpsstabsapotheker  a.  D.  L.  Beriiegau,  Berlin. 

Die  botanisch  und  chemisch  interessante,  wirtschaftlich  als  Tausch- 
mittel im  afrikanischen  Handelsverkehr  wertvolle  Kolanuß,  welche  sich 
die  Eingeborenen  Afrikas  mit  eigenartigem  naturwissenschaftlichen  Sinn 
und  Instinkt  als  koffeinhaltiges  Anregungsmittel  aus  dem  Pflanzenreich 
ausgesucht  und  in  der  Nähe  ihrer  Hütten  und  Niederlassungen  ange- 
pflanzt haben,  scheint  nach  den  bislang  gesammelten  Erfahrungen  einer 
vor  ca.  10  Jahren  angelegten  Kolapflanzung  im  Lagosgebiet  gute  Aus- 
sichten als  Kulturpflanze  zu  haben.  Als  Durchschnittsertrag  Tjähriger 
Kolabäume  sollen  im  Jahre  1906  20  Mark  Ernteertrag  erzielt  worden 
sein.  Da  die  Pflanzungen  in  Westafrika  mehr  und  mehr  den  Kolabaum 
in  Kultur  zu  nehmen  beginnen,  möchte  ich  das  Studium  der  Kola- 
frage in  chemisch  wie  botanischer  Hinsicht  besonders  empfehlen. 

J.  von  Liebig  stellte  zuerst  im  Jahre  1867')  in  der  Kolanuß 
Coffein  fest,  Heckel  und  Schlagdenhauffen  1883  neben  Coffein  noch 
Theobromin^).  Was  die  botanische  Untersuchung  betrifft,  so  zeigen  die 
Arbeiten  von  0.  Warburg^*),  A.  Tschirch*)  und  W.  Busse-**),  daß  trotz 
der  vortrefflichen  Monographie  von  K.  Schumann*^)  die  Frage  nach  der 
Stammpflanze  der  Kolanuß  noch  nicht  geklärt  ist. 

Aus  diesem  Grunde  möchte  ich  heute  bei  der  Mitteilung  über  die 
Erfahrungen  betreffs  der  Kolafrage  die  Arten  auseinanderhalten  nach  der 
Samenteilung  der  Nüsse,  als 

1.  Zweisamige  Kolaarten,  Cola  dispormatica :  Art  Cola  vera  K.Schu- 
mann. 


')  G.  Rohlfs,  Reise  nach  Nordafrika  vom  Mittelländischen  Meer  bis 
zum  Busen  von  Guinea  1865/67. 

2)  Heckel  und  Schlagdenhauffen,  Des  Kolas  africains  au  point  de 
vue  botanique,  chimique  et  therapeutique.  (Journal  de  Chimie  et  de  Pharmacie 
Paris  1883.) 

3)  Tropenpflanzer  1902,  S.  625. 

i)  Flora  oder  Allgem.  Botanische  Zeitung,  88.  Bd.,  1901,  2.  Heft. 

5)  Beiheft  zum  Tropenpflanzer,  Bd.  7,  No.  4/5,  1906. 

6)  K.Schumann,  Sterculiaceae,  In  Engiers  Monographien  Afrikanischer 
Pflanzenfamilien  und  Gattungen.     Leipzig  1900,  S.  127. 


Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze.  87 

2.  Mehrsamige  Kolaarten  (4-  u.  5sami^),  Cola  polyspermatica :  Art 
Cola  acuminata  (Rob.  Brown)  oder  Sferculia  acuminata  (Palisot 
de  Beauvaisj.  :>._ 

Die  Mitteilung  von  Tschirch,  daß  sowohl  C.  acuminata  als  C. 
Vera  Samen  mit  2  Kotyledonen  besitzen,  habe  ich  auf  Grund  persön- 
licher Beobachtung  in  Westafrika  nicht  prüfen  können.  Es  ist  mir 
nicht  gelungen,  C.  acuminata  mit  2  Kotyledonen  zu  finden.  Wenn 
Schumann  angibt,  C.  vera  liefere  nur  große  Kolanüsse,  dagegen  C. 
acuminata  kleine  Kolanüsse,  oder  Tschirch,  C.  acuminata  wie 
C.  vera  besitzen  Samen  mit  2  Kotyledonen  und  können  also  große 
Kolanüsse  liefern,  dagegen  C.  Ballayi  Samen  mit  4  Kotyledonen  liefere 
wahrscheinlich  kleine  Kolanüsse,  so  habe  ich  das  bei  den  westafrika- 
nischen Kolaarten  nicht  bestätigt  gefunden.  In  den  Fruchtschoten  von 
C.  vera  fand  ich  Nüsse  verschiedener  Größe,  Form  und  Farbe,  wie 
weiß,  weißgelblich,  fleischfarben,  rosafarben,  dunkelkirsch-  und  purpurrot. 

Die  chemische  Untersuchung  verschiedener  zwei-  und  mehr- 
samiger  Kolaarten  ergab,  abgesehen  von  einem  mehr  oder  weniger  großen 
Gehalt  an  chloroformlöslichen  Stoffen  usw.  oder  einem  wechselnden 
Gehalt  von  Schleimstoffen  (Pektin),  keine  Unterschiede.  Die  Alkaloide,. 
Coffein  und  Theobromin,  der  rote  und  der  gelbe  Farbstoff,  die  Gerbsäure 
und  die  Fettkörper  ergaben  dieselben  Reaktionen.  Nur  verhielten  sich 
frische  Nüsse  anders  wie  getrocknete,  ein  Beweis,  daß  bei  der  Trocknung 
der  Nüsse  chemische  Veränderungen  entstehen  können  und  die  Auf- 
bereitungsweise der  Eingeborenen  daher  keine  einwandfreien  Kolanüsse 
liefern'). 

Es  verhielten  sich  von  zweisamigen  Kolanüssen  die  Mandingo-Kola- 
nüsse,  Art  C.  vtra  Schumann,  aus  dem  Sierra  Leone-Liberia-Conacry- 
gebiet  und  Aschanti-Kolanüsse,  Art  C.  suMobata  Warburg,  aus  dem  Gold- 
küstengebiet, aus  Togo  und  aus  dem  Lagosgebiet  gleich.  Von  mehr- 
samigen  Kolanüssen  wurden  solche  aus  Kamerun,  aus  dem  Viktoria-,. 
dem  Bammum-  und  Ebolovabozirk  untersucht,  ferner  aus  dem  Dahomey- 
gebiet,  Portonovobezirk,  Art  C.  acuminata  (P.  de  B.)  R.  Br.,  aus  dem 
Lagosgebiet,  C.  acuminataSoHen   aus  dem    Agege  und  Abeokutagebiet^ 

Die  Mitteilung  von  K.  Schumann'^):  „In  einer  Schote  findet  man 
oft  neben  einer  roten  Nuß  eine  weiße.  Dieselbe  ist  weit  geringwertiger", 
konnte  bezüglich  der  Geringwertigkeit  bei  weißen  Agege- Kolanüssen  nicht 
bestätigt  werden.     Im  Gegenteil  wurden  die  weißen  Kolanüsse  in  Lagos 

»)  L.  Bernegau,  Über  Kola.  (Tropenpflanzer  1900,  S.  126.) 
2)  K.    Schumann,     Die    Kolanuß.      (Berichte    der     deutschen     Pharm. 
Ges.  X  [1900],  p.  67.)  ■  .     ■.     .-    ..  ■;    .    ,■     .:•■..  .■    >  ,   . 


gg  L.  Bernegau. 

teurer  bezahlt.  Die  zweisamigen  weißen  Agege-Kolanüsse  wurden  haupt- 
sächlich nach  Nupe  verkauft.  Haussakolahändler  teilten  mit,  daß  der 
König  von  Nupe  die  weißen  Kolanüsse  wegen  des  Aromas  sehr  schätzen 
soll.  Ein  Kauversuch  zeigte,  daß  die  weißen  Agege-Kolanüsse  nicht  das 
Adstringierende  haben,  sondern  beim  Kauen  milder  herb  und  im  Nach- 
geschmack aromatischer  sind  als  die  roten  Nüsse.  Anscheinend  hängt 
das  mit  dem  Reifungsprozeß  zusammen,  infolge  der  Einwirkung  des 
Fruchtfleisches  (Säure-  oder  Permentwirkung)  auf  die  Gerbsäuren  der 
Nuß.  Bei  der  chemischen  Qualitätsprüfung  ließ  sich  bezüglich  des 
besseren  Aromas  nichts  feststellen,  desgleichen  konnten  keine  Unter- 
schiede im  Vergleich  mit  guten  zweisamigen  Mandingo-  und  Aschanti- 
Kolanüssen  gefunden  werden. 

Da  (nach  den  Berichten  über  die  Pharmakognostische  Literatur 
aller  Länder,  herausgegeben  von  der  Deutschen  Pharmazeutischen  Ge- 
sellschaft 1900,  S.  58)  K.  Schumann  die  frischen  Nüsse  mit  Blättern 
und  Blüten  für  seine  Untersuchungen  aus  Togo  bezogen,  möchte  ich 
es  für  nicht  sicher  erwiesen  halten,  daß  das  von  Schumann  unter- 
suchte Material  von  Mandingo-  bzw.  Sierra  Leone-Kolanüssen  abstammt, 
vielmehr  halte  ich  es  für  wahrscheinlicher,  daß  die  zweisamigen  Kola- 
nüsse von  Togo  von  Aschanti-Kolanüssen  abstammen,  da  der  von  der 
Goldküste  kommende  Sudanhändler  Togo  auf  dem  Wege  zu  den  Kola- 
märkten des  Innern  passiert. 

Die  auf  Veranlassung  von  Dr.  Grüner t,  Misahöhe,  von  mir 
chemisch  untersuchte  zweisamige  Togo- Kolaart,  Kpandukola,  Art  C. 
Vera,  die  0.  Warburg')  botanisch  untersucht  und  als  C.  asterophora 
Warburg  bezeichnet  hat,  dürfte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  von 
Aschanti-Kolanüssen  abstammen.  Wenn  0.  War  bürg  sagt,  die  Avatime- 
Kolanuß,  von  den  Eingeborenen  „hanurua"  genannt,  ist  zwar  eine 
minderwertige,  aber  immerhin  noch  brauchbare  Kolanuß,  so  dürfte  das 
irrtümlich  sein,  da  nach  W.  Busse^),  welcher  die  Avatime-Kolanuß 
botanisch  untersucht  und  C  Supfiana  Busse  benannt  hat,  diese  Avatime- 
Wasserüola  alkaloidlos,  mithin  überhaupt  keine  brauchbare  Kolanuß  ist, 
ebensowenig  wie  die  Garcinia  Cola  Heckel,  welche  kein  Coffein  ent- 
hält. Graf  Zech^)  teilte  in  seinem  die  Kolanuß  behandelnden  Aufsatz 
über  die  Avatime- Wasserkola  mit,  daß  nach  einem  Haussalied:  „Der 
Aasgeier  kein  Fleisch    und   die  Hanurua  keine  Kola    ist".     Aus    diesem 


1)  0.  Warburg,  Die  Togokolanüsse.  (Tiopenpflanzer  1902,  No.  112,  p.  629.) 

2)  W.    Busse,    Beiträge    zur  Kolafrage.    (Tropenpflanzer   1906,    No.  4/5. 
Beiheft.) 

3)  Graf   Zech,    Über    Kola    in  Westafrika.    (Wissensch.    Beiliefte    zum 
Deutsch.  Kolonialblatt,  14.  Bd.,  1.  Heft,  1901.) 


Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze.  89 

Haussalied  geht  hervor,  daß  die  Eingeborenen  die  Wertlosigkeit  dieser 
Avatime-Kolanuß  kennen. 

Die  Kolapflanzung  Agege,  welche  ca.  1  Stunde  von  der  Eisen- 
bahnstation Agege  der  Strecke  Lagos-Ibadan  entfernt  liegt,  ist  von  einem 
intelligenten  Schwarzen  aus  dem  Ekbastamme,  Mr.  Rufus  Wright 
nach  wirtschaftlichen  Grundsätzen  angelegt,  eine  kleine  150  englische 
Acres  große  Pflanzung,  die  intensiv  kulturell  und  ökonomisch  bewirt- 
schaftet wird.  Auf  der  Pflanzung  Agege  fand  ich  im  Januar  1904 
2000  Kolabäume,  zu  den  Arten  C.  vera  und  C.  acuminata  gehörig,  neben 
40000  Kakao-  und  60000  Kaffeebäumchen  vor.  Als  Schatten-  und 
Zwischenpflanzen  waren  wertvolle,  schnell  Früchte  bringende  Pflanzen 
angebaut,  um  die  Unterhaltungskosten  zu  vermindern:  hochwertige 
Bananen-  und  Ananasfrüchte,  ferner  Süßkartoffeln  und  Kassava,  die  als 
Nahrungsmittel  für  die  Arbeiter  dienten,  und  Baumwolle.  Zur  Bekämpfung 
von  Schädlingen  wurden  zahlreiche  Hühner  und  Puter  gehalten,  die  in 
der  Pflanzung  frei  herumliefen.  Wirtschafthch  günstig  für  die  Agege- 
pflanzung,  für  den  Absatz  ihrer  Produkte  und  zur  Erzielung  guter  Preise 
ist  ihre  Lage  in  der  Nähe  von  Lagos,  dem  bedeutenden  Kolamarkt  West- 
afrikas. Die  Pflanzung  kann  per  Eisenbahn  und  Wasserweg  ihre  Pro- 
dukte nach  Lagos  verfrachten.  Im  Januar  1904  wurden  in  Lagos  für 
200  Stück  frische  zweisamige  rote  Kolanüsse  3,6  Shilling,  für  200  Stück 
zweisamige  weiße  Kolanüsse  4,6  ShiUing  bezahlt.  In  diesem  Jahre 
bezog  ich  mehrmals  frische  Kolanüsse  von  Lagos,  Akkra  und  Conacry. 
Für  zweisamige  rote  und  weiße  Kolanüsse  aus  Lagos  und  Akkra 
wurden  2  Mark  für  das  Kilo,  in  Conacry  3  Mark  für  das  Kilo  gezahlt. 
Auf  der  Agegepflanzung  stammten  die  Kolabäume  der  zweisamigen 
Sorten  von  Aschanti-Kola,  Art  C.  vera  Schumann,  von  0.  Warburg 
C.  sublobata  genannt  (Tropenpflanzer  1902,  Heft  12).  Die  Kolabäume 
der  viersamigen  Art  waren  schon  vor  Anlage  der  Wright'schen 
Pflanzungen  wahrscheinhch  von  den  Eingeborenen  angepflanzt  und 
stehen  gelassen,  da  diese  nicht  schleimreichen  mehrsamigen  l^olanüsse, 
Art  C.  acuminata,  bei  den  Jorubaleuten  beliebt  sind  und  gut  bezahlt 
werden. 

Was  die  Auswahl  von  Kolaarten  für  Saatgutzwecke  betrifft, 
so  habe  ich  als  Saatgut  für  Togo  und  Kamerun  nur  auserlesene  Kau- 
kolaarten, Mandingo-Kolanüsse  aus  Sierra-Leone,  Art  C.  vera  Schumann, 
und  zweisamige  Aschanti-Kolanüsse,  Art  C.  sublobata  Warburg,  in  Liberia 
und  Lagos  angekauft.  Gleichfalls  stammten  die  vom  Botanischen  Garten 
in  Lagos  und  von  der  Landwirtschaftlichen  Versuchsstation  Olokumeji 
bei  Ibadan  angekauften  Kolapflanzen,  Gbanja-Kola,  von  zweisamigen 
Aschanti-Kolanüssen. 


90  L.  Bernegau. 

Die  Qualität  der  irischen  Kolanuß  beurteilen  die  schwarzen 
Kolahändler  (Haussaleute)  nach  Geschmack,  Aroma,  Wohlbekömmlichkeit 
und  prüfen  die  Qualität  durch  einen  Kauversuch.  Der  Kolakenner 
schneidet  die  Kolanuß  in  Scheiben,  kaut  längere  Zeit  daran  —  fast  eine 
halbe  Stunde  lang  — ,  spuckt  den  breiartigen  Kaurückstand  aus  und 
trinkt  dann  Wasser.     Eine  gute  Kaukolanuß  darf 

1.  nicht  schleimig  sein  und 

2.  nicht  zu  adstringierend  bitter  schmecken. 

3.  Die  Speichelsekretion  muß  schon  nach  kurzem  Kauen  stark  an- 
geregt werden.  Darauf  beruht  die  durstlöschende  Wirkung,  welche 
die  moharaedanischen  Kolakauer  sehr  schätzen,  was  erklärlich  ist,  da 
sie  auf  ihren  langen  Wüstenmärschen  Durststrecken    passieren   müssen. 

4.  Sie  muß  einen  lang  anhaltenden,  süßlich  aromatischen,  kakao- 
artigen Nachgeschmack  auslösen,  namentlich  wenn  man  nach  dem 
Kauen  Wasser  trinkt. 

5.  Nach  dem  Kolakauen  und  W^assertrinken  muß  der  Geschmack 
und  Atem  gereinigt  (desodorisierende  Wirkung  der  Kolagerbsäure),  An- 
regung der  Blutzirkulation  (durch  Coffein  und  Theobromingerbsäure) 
und  eine  erfrischende  Wirkung  im  Allgemeinbefinden  wahrzunehmen  sein. 

Kaut  man  schleimhaltige  Kolanüsse,  so  wird  beim  Kauen  die 
Mundhöhle  schnell  mit  einem  voluminösen  fadenziehenden  gummiartigen 
Stärkebrei  angefüllt,  der  durch  die  Schleimansammlung  den  weiteren 
Kauprozeß  unmöglich  macht  und  damit  die  durstlöschende  und  er- 
frischende Wirkung  verhindert.  Wie  beim  Einkauf  von  Kafliee,  Tee, 
Zigarren  usw.  der  Kenner  durch  die  Geschmacksprüfung  durch  Zunge 
und  Nase  die  Qualität,  namentlich  das  Aroma  sicherer  bewertet  als 
der  Chemiker  durch  die  Analyse,  so  prüft  der  schwarze  Kolahändler 
die  Qualität  der  Kolanuß  nach  der  Wirkung  des  Kauprozesses  und 
sortiert  nach  dem  Ausfall  dieser  Prüfung  die  Kolanüsse  nach  Qualitäten. 
Der  Kolahandel  in  Westafrika  liegt  lediglich  in  den  Händen  der 
Schwarzen. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  über  den  Kolahandel  empfehle 
ich  Interessenten  beim  Ankauf  von  Saatgut  die  Entnahme  von  Stich- 
proben aus  der  Mitte  und  dem  Boden  der  Orginalpackung  für  die 
QuaUtätsprüfung:  a)  durch  den  Kauversuch  und  b)  durch  die  chemische 
Untersuchung. 

Die  chemische  Untersuchung  erstreckt  sich  auf  die  Bestimmung 

1.  der  in  Chloroform  lösUchen  Stoffe, 

2.  der  in  Alkohol  löslichen  Stoffe  behufs  Bestimmung  des  roten 
Farbstoffes. 


Die   Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze.  91 

3.  der  in  Petroläther  löslichen  Stoffe  behafs  Bestimmung  des 
gelben  Farbstoffes  und  der  Fette. 

4.  Es  empfiehlt  sich  ferner  ein  Destillationsversuch  im  Vacuum- 
destillierapparat  zur  Prüfung  flüchtiger  aromatischer  Verbindungen.  Für 
diesen  muß  man  mindestens  1  Kilo  frischer  Nüsse  verwenden.  Das 
destillierte  Kolawasser  wird  im  Scheidetrichter  mit  Äther  mehrmals  aus- 
geschüttelt; die  ätherische  Lösung  wird  dann  durch  Abdestillierung  des 
Äthers  getrennt.  Bei  guten  Kolaarten  erhält  man  einen  gelben  unter 
dem  Mikroskop  stark  lichtbrechenden  harzartigen  Körper  von  würzigem 
Aroma,  dessen  weitere  chemische  Untersuchung  ich  mir  vorbehalte. 

Bei  Untersuchung  von  frischen  zweisamigen  Mandingo-  und 
Aschanti-Kolanüssen  erhielt  ich  diesen  Körper  gleichfalls  bei  Prüfung  mehr- 
sämiger  C.  acuminata-SortGn.  Als  ich  trockene  Nüsse  des  Handels  der 
Destillation  unterwarf,  erhielt  ich  einen  braungefärbten  Körper,  der  den  aro- 
matischen Geruch  nicht  besaß.  Dieser  Destillationsversuch  mit  trockenen 
Kolanüssen  bestätigt  den  von  mir  durch  die  Prüfung  des  wässerigen 
Koladekokts  mit  Salzsäure  festgestellten  Befund  (Unterschied  der  frischen^ 
sorgfältig  getrockneten  und  der  nach  Art  der  Eingeborenen  getrockneten 
Kolanüsse),  daß  durch  die  Trocknung  der  Kolafarbstoff  und  die  fett-  und 
harzartigen  aromatischen  Körper  chemische  Veränderungen  erleiden'). 

Daher  ist  die  Aufbereitung  der  Kolanüsse  nach  Art  der  Ein- 
geborenen, das  Trocknen  der  Nüsse  an  der  Sonne  oder  während  der 
Regenzeit  durch  Erhitzen  auf  Wellblech  zu  verwerfen.  Rationeller  für 
die  Aufbereitung  ist  die  Trocknung  der  frischen  Kolanüsse  in  Obstdörr- 
apparaten, wie  dem  Mayfarthschen  Trockenapparat,  bei  Temperaturen 
von  ca.  70*^,  noch  besser  durch  Trocknen  im  Vacuumtrockenapparat  bei 
40  bis  50^  C.  Durch  die  Salzsäurereaktion  kann  man  nachweisen,  daß 
bei  sorgfältig  getrockneten  Nüssen  der  himbeerrote  Farbstoff  noch  auf- 
tritt, aber  nicht  so  scharf  wie  bei  frischen  Nüssen.  Das  aus  trockenen 
Nüssen  der  Handelswaren  durch  Destillation  im  Vacuumdestillierapparat 
hergestellte  Kolawasser  hai  muffigen  erdigen  Geruch  wie  nach  alten 
Kartoffeln,  während  aus  frischen  Nüssen  hergestelltes  destilliertes  Kola- 
wasser frischen  Kartoffelgeruch  hat  und  aromatisch  schmeckt. 

Aus  trocknen  Nüssen  ist  durch  Extraktion  mit  Chloroform  das^ 
Coffein  schwerer  zu  entfernen  als  aus  frischen  Nüssen.  Beim  Trocken- 
prozeß scheint  bei  der  Verdunstung  des  Wassers  ein  Teil  des  Coffeins 
von  der  Gerbsäure  gebunden  zu  werden. 

Die  weitere  Prüfung  durch  zahlreiche  Extraktionsversuche  während- 
der  letzten  Jahre  in  Westafrika  ergab,   daß  man  aus  frischen,  sorgfältig 


1)  Tropenpflanzer,  Jahrg.  1900,  Heft  3. 


92  ^-  Bernegau. 

vom  Baum  gepflückten,  nicht  abgefallenen  Kolanüssen  bessere  Kola- 
extrakte gewinnen  kann  als  aus  trockenen  Nüssen.  Auf  Grund  dieser 
Ergebnisse  möchte  ich  die  Verarbeitung  frischer  Kolanüsse  zu  Extrakt 
an  den  Produktionsorten  und  die  Verschiffung  des  Extraktes  in  hermetisch 
verschlossenen  Blechdosen  empfehlen.  Die  Qualitätsprüfung  des  Kola- 
extraktes kann  durch  chemische  Untersuchungen  kontrolliert  werden. 

Auf  Grund  der  mit  frischen  und  trockenen  Kolanüssen  gemachten 
Erfahrungen  unternahm  ich  Konservierungsversuche  nach  einer  anderen 
Richtung  hin,  wobei  das  Ziel  war: 

1.  die  Kolanuß  möglichst  frisch  und  unverändert  zu  erhalten, 
wesentlich  für  die  Verwendung  als  Kaukola  und  zur  Herstellung  von 
Extrakt, 

2.  etwaige  Kolaschädlinge,  namentlich  den  von  mir  im  Tropen- 
pflanzer') beschriebenen  weißen  Kolaspringwurm,  der  ganze  Sen- 
dungen von  Kolanüssen  infizieren  und  entwerten  kann,  unschädlich  zu 
machen.  Verarbeitet  man  wurmstichhaltige  Nüsse  zu  Extrakt,  so  erhält 
man  niemals  einwandfreie  Kolaprodukte. 

Herr  F.  Colin  aus  Conacry,  teilte  mir  über  den  Kolaschädling 
folgendes  mit:  „Es  ist  sehr  schwer,  mit  Sicherheit  wurmstichfreie  Kola 
zu  bekommen,  da  der  Wurm  plötzlich  auftritt  und  sich  während  des 
Transportes  erst  entwickelt.  Diese  Wurmkrankheit,  Sangara  genannt, 
ist  ein  großes  Hindernis  für  den  Handel  mit  Kola  und  muß  trotz  aller 
aufgewendeten  Sorgfalt  stets  mit  derselben  gerechnet  werden.  Die 
französische  Regierung  hat  sich  seit  Jahren  damit  beschäftigt,  eine 
Konservierungsmethode,  welche  den  Sangara  ausschließt,  herauszufinden, 
doch  bis  jetzt  vergebens.  Für  rein  wissenschaftliche  Zwecke  hat  man 
die  Nüsse  schon  in  Spiritus  gelegt." 

Durch  die  Spirituskonservierung  werden  die  Kolanüsse  extrahiert 
und  daher  chemisch  verändert  und  als  Kaukolanüsse  unbrauchbar.  Die 
Konservierungsmethode  der  Eingeborenen,  frische  Kolanüsse  mit  Blättern 
zu  umhüllen,  wodurch  sie  sich  längere  Zeit  frisch  erhalten,  ist  unzweck- 
mäßig. Die  Blätter  fangen  leicht  an  zu  faulen  oder  zu  gähren,  und 
infizieren  dadurch  die  ganze  Sendung.  Die  Blattkonservierung  hat  auf 
die  Vernichtung  des  Kolawurms  keinen  Einfluß.  Für  die  Blattkon- 
servierung bei  den  Eingeborenen  ist  das  Blatt  von  Thamnatococcus 
DaniellP)  das  wertvollste.  Kolasendungen,  die  ich  mir  durch  Blatt- 
konservierung   aus    Westafrika     kommen     ließ,     kamen     durchweg     in 


')  L.  Bernegau,   Studien  über    die  Kolanuß   im  Jorubalande.    (Tropen- 
;pflanzer  1904,  No.  7,  p.  368.) 

2)  Abbildung  im  Tropenpflanzer  1904,  No.  7,  p.  355. 


Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze.  93- 

schlechtem  Zustande   hier    an,     viel    besser    waren    die    Sendungen    im 
Bastkorb  ohne  Blattpackung. 

Die  besten  Resultate  erhielt  ich  nach  folgendem  Konservierungs- 
verfahren: Frische  sorgfältig  ausgelesene  wurmstichfreie  Kolanüsse 
werden  in  Konservengläser  oder  Blechdosen  gebracht.  Die  Dosen 
werden  hermetisch  verschlossen  und  im  Autoklav  30  Minuten  unter- 
Druck  erhitzt.  Die  Kolanüsse  w^erden  in  der  Färbe  durch  den  Koch- 
prozeß gebleicht,  behalten  aber  ihre  Frische  und  w^erden  chemisch 
nicht  oder  nur  sehr  wenig  verändert.  Stärke  und  Cellulose  werden 
etwas  aufgeschlossen,  etwas  Feuchtigkeit  tritt  aus  den  Nüssen  in  Form, 
von  Wasser  aus.  Sind  in  den  Nüssen  Würmer  enthalten,  so  werden 
dieselben  durch  den  Kochprozeß  vernichtet  und  können  die  übrigen 
Nüsse  nicht  mehr  infizieren.  Bleibt  die  Dose  hermetisch  verschlossen,, 
so  halten  sich  die  Nüsse  wahrscheinlich  unbegrenzt  lang.  Hat  die  Dose 
eine  —  wenn  auch  mit  bloßem  Auge  nicht  sichtbare  —  Öffnung  und 
kann  Luft  eintreten,  so  treten  Schimmelpilze  auf,  und  es  tritt  Gärung 
ein.  Bei  der  angegebenen  Konservierungsart  keimen  die  Kolanüsse 
nicht  mehr. 

Für  Saatgutzwecke  erhielt  ich  die  besten  Resultate  nach, 
folgender  Konservierungsart;  Frische  Kolanüsse  werden  in  Dosen  oder 
Gläser  gebracht  unter  Beigabe  von  3  Stück  Formalintabletten  auf  ca. 
1  Pfd.  Nüsse.  In  der  Pormalinatmosphäre  hielten  sich  die  Kolanüsse- 
monatelang  frisch.  Rote  Kolanüsse  werden  bräunlich  infolge  der  oxy- 
dierenden Wirkung  des  Formalins.  So  konservierte  Nüsse  bleiben  keim- 
fähig. Tritt  Luft  in  die  Gläser,  so  bilden  sich  Schimmelpilze,  die  sich. 
aber  nur  ganz  allmählich  entwickeln. 

Auf  Grund  dieser  Versuche  empfehle  ich  für  die  Praxis: 

1.  Zur  Anpflanzung  eignen  sich  die  als  Kaukolanuß  hoch^ 
wertigen  aromareichen  zweisamigen  Kolasorten,  namentlich  die  Mandingo- 
und  Aschanti-Kolanüsse,  die  zur  Art  Cola  vera  Schumann  gehören. 

2.  Bei  der  Anlage  von  Kolapflanzungen  ist  darauf  zu  achten,, 
daß  der  Boden  entsprechende  Feuchtigkeit  besitzt.  Es  empfiehlt  sich,, 
die  bei  der  Agegepflanzung  gemachten,  im  Tropenpflanzer  näher  be- 
schriebenen Erfahrungen  betr.  Anzucht  von  Saatgut  und  Verpflanzung, 
der  jungen  Kolapflanzen  in  die  Pflanzung,  Pflanzweite,  Beschattung,  Be- 
wässerung, Düngung,  Schneiden  der  Bäume  und  Bekämpfung  von  Schäd- 
lingen zu  beachten. 

3.  Für  die  Verwertung  der  wildwachsenden  mehrsamigen,  zur- 
Art  Cola  acuminata  gehörigen  Sorten  und  auch  der  schleimhaltigen 
Kolanüsse  empfiehlt  sich  die  Aufbereitung  zu  Rohkolaextrakt  am  Pro- 
duktionsort, da  diese  Cola  acuminata-'E^ivakiQ  am  europäischen  Markte- 


g^  L.  Bernegau. 

gute  Preise  erzielen.     Für  Anpflanzungszwecke    empfehlen   sich  nur  die 
nicht  schleimhaltigen  Cola  acuminata-Sorten. 

4.  Wurmstichige  Nüsse  sind  für  Extrakte  nicht  zu  verarbeiten,  da 
sie  keine  einwandfreien  Extrakte  liefern.    Solche  Nüsse  sind  zu  verl3rennen. 

5.  Die  Eingeborenen  sind  anzuhalten,  die  Kolafrüchte  abzupflücken, 
die  Früchte  aber  nicht  zu  öffnen,  sondern  ungeöffnet  zur  Faktorei 
oder  Pflanzung  zu  bringen.  Die  Aufbereitung  durch  die  Eingeborenen 
ist  nicht  rationell  und  daher  zu  verhindern. 

6.  Für  die  Aufbereitung  der  Kolanuß  durch  Trocknung  empfiehlt 
sich  das  Trocknen  bei  niedrigen  Temperaturen  im  Obstdörrapparat, 
besser  in  Vacuumtrockenapparaten,  Die  getrockneten  Nüsse  sind  in 
hermetisch  verschlossenen  Dosen,  nicht  in  Säcken  aufzubewahren  und 
zu  verschiffen. 

7.  Für  Konservierung  frischer  Kolanüsse  ist  die  Konservierung  in 
Gläsern  oder  Dosen    durch  Erhitzen  unter  Druck  im  Autoklav  geeignet. 

Die  Kolakultur  ist  für  Togo  und  Kamerun  empfehlenswert,  weil 
der  Bedarf  an  guten  Kolanüssen  in  Afrika  enorm  steigerungsfähig  und 
die  Nachfrage  in  Europa  von  Jahr  zu  Jahr  im  Wachsen  begriffen  ist. 
Nach  Ansicht  von  Kennern  Nordafrikas  ist  für  frische  Kolanüsse  in  kon- 
servierter Form  in  Marokko,  Algier,  TripoUs,  ferner  in  der  Türkei, 
in  Ägypten,  Arabien,  besonders  Mekka,  und  Malta,  also  da,  wo  Mo- 
hamedaner  wohnen,  ein  Kolamarkt  par  excellence  für  Erzielung  guter 
Durchschnittspreise.  In  Tripolis  stellte  ich  fest,  daß  für  frische  Conacry- 
Kolanüsse,  Art  Cola  vcra,  6  frs.  per  Kilo  gezahlt  wurden.  Diese  Kola- 
nüsse waren  ein  Vorbote  des  neuen  Handelsweges  Dakar-Tripolis  auf 
dem  Seewege  an  Stelle  des  Karawanenweges  Timbuktu-Mursuk  und  zeigen 
deutlich  Frankreichs  wirtschaftUche  Fortschritte  in  seinen  afrikanischen 
Kolonien. 

In  Europa,  namentlich  in  England,  und  in  Amerika  ist  bei  der 
fortschreitenden  Temperenzbewegung  die  Nachfrage  nach  frischen  Kola- 
nüssen von  selten  der  Industrie  für  Herstellung  alkoholfreier  anregender 
kohlensaurer  Fruchtgetränke,  der  Kakao-  und  Schokoladenindustrie,  der 
chemischen  Fabriken,  Apotheken  und  der  technischen  Industrien  im 
Steigen  begriffen. 

Eine  Überproduktion,  wie  bei  Kaffee,  ist  bei  Kolanüssen  voraus- 
sichtlich in  absehbarer  Zeit  nicht  zu  befürchten,  ebensowenig  eine  Ge- 
fährdung der  Kulturen  durch  synthetische  Darstellung  oder  Ersatzstoffe, 
wie  bei  dem  Indigo-  und  Cochenillefarbstoffe  und  vielleicht  auch  später 
beim    Kautschuk ').      Die    Technik    verwendet    synthetisch    dargestellte 


1)  Vgl.  Mitteil,  von  F.  Harri  es,  Zeitschr.  f.  angew.  Chem.  1907,  Heft  30. 


Die  Kolanuß  als  tropische  Kulturpflanze.  95 

Stoffe,  sobald  sie  einen  vollkommenen  Ersatz  der  natürlichen  Pflanzen- 
stoffe bilden  und  ihre  Verwendung  finanztechnisch  von  Nutzen  ist. 
Genuß-  und  Nahrungsmittel,  die  synthetisch  dargestellt  werden,  sind 
schwerer  einzuführen  —  die  Coffeinsynthese  ist  E.  Fischer  schon  vor 
Jahren  gelungen  — ,  weil  der  Volksinstinkt  sie  verweigert. 

Tripolitanische  Händler  holten  bisher  Kolanüsse  aus  Wostafrika 
auf  dem  Karawanenwege  über  Timbuktu  oder  Kano  oder  den  Tsadsee 
nach  Mursuk.  Die  Kolanüsse  trockneten  ein,  wurden  schimmelig  und 
verdarben.  Es  wird  nicht  lange  mehr  dauern,  dann  wird  der  lang- 
wierige, gefährliche  Karawanenweg  ersetzt  sein  durch  die  bequemere, 
ungefährlichere  Wasser-  und  Eisenbahnstraße  Timbuktu-Dakar  des  mehr 
und  mehr  sich  entwiciielnden  wichtigen  französischen  Hafenplatzes  in 
Westafrika.  Ohne  Krisen  wird  sich  die  Verlegung  des  Karawanen weges, 
die  den  Wüstenstämmen,  den  Berbern  und  Tuaregs  große  Zolleinnahmen 
brachte,  wohl  nicht  vollziehen,  um  so  mehr,  als  voraussichtlich  binnen 
wenigen  Jahren  bei  der  zielbewußten  engÜschen  Eisenbahnpolitik  der 
Kaufmann  von  Lagos  per  Eisenbahn  nach  Kano  fährt  und  dort  seine 
Geschäftsabschlüsse  macht. 

Die  frische  Conacry-Kola  in  Tripolis  gibt  zu  denken  und  erinnert 
daran,  wie  notwendig  eine  beschleunigte  Ausführung  der  Eisenbahn- 
bauton in  Togo  und  Kamerun  für  den  deutschen  Handel  ist,  wenn 
derselbe  in  Zukunft  von  den  großen  Handelswerten  Zentralafrikas  und 
des  Sudan,  die  aus  Straußenfedern,  Ziegenfellen,  Elfenbein,  Kautschuk 
und  in  Zukunft  Baumwolle  und  ihren  Nebenprodukten,  Cottonöl  und 
Baumwollsaatkuchen,  Erdnüssen,  Tabak  und  Vieh  bestehen,  seinen  Teil 
erhalten  will,  was  notwendig  ist  für  die  Zukunft,  in  der  Amerika  und 
Japan  am  Welthandel  naturgemäß  mehr  teilnehmen  werden. 


96  L-  Bernegau. 


Akklimatisationsversuche  mit  Sürskartoffeln. 

Von 
Korpsstabsapotheker  a.  D.  L.  Bernegau,  Berlin. 

Akklimatisationsversuche  mit  azorischen,  kanarischen  und  Ma- 
deira-Sül5kartoffeln  wurden  veranlaßt  durch  den  wirtschaftlichen  Wert 
der  Süßkartoffeln  und  die  Zollfrage. 

Was  die  Kartoffel  für  den  deutschen  Ackerbau  bedeutet,  ist  auf 
den  Azoren  die  Süßkartoffel,  nämlich  eine  der  wichtigsten  Pflanzen 
wegen  des  günstigen  Einflusses,  den  sie  in  der  Fruchtfolge  auf  die 
Kultur  des  Bodens  ausüben  soll,  wegen  der  Er-träge,  die  sie  vom  Hektar 
liefert,  wegen  ihrer  Bedeutung  als  Nahrungs-  und  Futtermittel  und 
als  Rohstoff  für  die  Industrie. 

Backversuche  mit  dem  aus  Trockenkartoffeln  hergestellten  Kartoffel- 
mehl zur  Herstellung  billiger  gesunder  Cakes  haben  befriedigende  Er- 
gebnisse nicht  geliefert.  Der  letzte  Punkt  regte  mich  an,  die  Süßkartoffel 
auf  ihre  Backfähigkeit  hin  zu  prüfen,  da  ich  den  wirtschaftlichen  Wert 
der  Süßkartoffel  gelegentlich  einer  Reise  nach  den  Azoren  kennen  gelernt.') 
Zu  den  Versuchen  wurden  azorische  ßataten  nach  folgendem 
Verfahren  verarbeitet.  Die  Süßkartoffeln  wurden  geschält,  auf  der 
Schnitzelmaschine  geschnitzelt,  dann  drei  Minuten  gedämpft,  im  Heiß- 
luftkanal  bei  niedriger  Temperatur  getrocknet  und  auf  der  Windmühle 
vermählen.  Der  Mahlverlust  betrug  2°/o.  Mit  dem  so  hergestellten 
Batatenmehl  w^urden  versuchsweise  Cakes  aus  gleichen  Teilen 
Bataten-  und  Weizenmehl  dargestellt.  Die  Batatencakes  waren  schmack- 
haft und  wurden  von  Fachleuten  günstig  beurteilt. 

Die  von  Herrn  Prof.  Dr.  Thoms,  Dahlem,  freundhchst  ausgeführte 
Analyse  des  Batatenmehls  ergab  folgende  Werte: 

Stärke 42,2  "/o 

Lösliche  Kohlehydrate 39,6  „ 

(davon  Zucker  als  Dextrose  19,8 °/o) 

Rohfaser 2,64  „ 

Gesamtstickstoff  0,778  "jo,  entsprechend 

Eiweiß 3,99   „ 

1)  L.  Bernegau,  Die  Kultur  der  Batate  auf  der  Insel  Säo  Miguel. 
Azoren.     (Tropenpflanzer  1903.) 


Akklimatisationsversuche  mit  Süßkartoffeln.  97-* 

Fett       .     .     .     .     .   •.     .     .     .     .     .■      0,55  7o    ■-■  •■■:.,  11 

Asche 3,65  „       v;,'i  .  :;■> 

Wasser Rest  :■  .■'  .    :■  ' 

Die  auf  Veranlassung  des  Ministeriums  der  Landwirtschaft  durch 
Herrn  Prof.  Dr.  Gerlach,  Posen,  ausgeführte  Analyse  ergab: 

Wasser 6,32*^/0 

Fett 0,68  „       ■       :  '■"    ' 

Rohprotein 5,25  ,.  ' 

Stickstofffreie  Ertraktstoffe      ....     80,10  „ 

Rohfaser 3,34  „ 

Asche 4,31  „  -       , 

100^0 

Die  stickstofffreien  Extraktstoffe  bestehen  im  wesentlichen  aus 
Tranbenzucker,  Stärke,  Dextrinen,  Pektinstoffen  und  Gummi.  An  reinem 
Eiweiß  enthält  die  Probe  3,25 ^/q;  dasselbe  ist  zu  13^Iq  verdaulich. 

Die  gedörrten  Batatenschnitzel  wurden  von  Pferden  gern  gefressen, 
sie  liefern  ein  gesundes  Beifutter  für  die  Pferdeverpflegung  und  regen 
4\e  Freßlust  der  Tiere  an. 

Da  backfähige  Süßkartoffelmehle  guter  Qualität  zur  Herstellung 
A^on  Volkscakes  im  M'eltmarkt  per  100  kg  ca.  18  M.  erzielen,  würde  sich 
für  die  Kolonien  die  Batatenkultur  sowie  die  Herstellung  von  Dörrbataten 
zu  i\usf uhrzwecken  empfehlen,  wenn  der  Zollsatz  für  dieses  Produkt 
ermäßigt  würde.  Bei  dem  heutigen  Zollsatz  für  stärkemehlhaltige  Dörr- 
früchte und  Mehle  ist  die  Ausfuhr  von  Dörrbataten  aus  den  Kolonien 
nicht  lohnend. 

E)ie  bisher  erzielten  Ergebnisse  mit  Anpflanzungs versuchen 
von  Bataten  in  Deutsehland  haben  durchweg  wenig  betriedigende 
Resultate  geUefert.  Die  Versuche  in  Posen,  Danzig,  in  Creisau  und 
Klein-Machnow  i.  Pomm.  sowie  auf  der  Kartoffelkulturstation  in  Berlin 
fielen  negativ  aus.  Es  wurden  keine  oder  nur  kleine  Knollen  erzeugt. 
Auf  Creisau  erfroren  die  Bataten. 

Bessere  Ergebnisse  wurden  in  der  Botanischen  Zentralstelle  für 
die  Kolonien  am  Königl.  Botanischen  Garten  zu  Berlin,  unter  Leitung 
der  Herren  Geheimer  Oberregierungsrat  Prof.  Dr.  Engler  und  Prof. 
Dr.  Volkens  im  Jahre  1905  erzielt.  Es  wurden  über  ein  Pfund 
schwere  Bataten  geerntet,  im  Jahre  1906  war  die  Batatenernte  im  all- 
gemeinen nach  Mitteilung  von  Hern  Prof.  Dr.  Volkens  schlecht.  Die 
größten  Früchte  wurden  merkwürdigerweise  auf  einem  ungedüngten 
Boden  erzeugt,  der  aber  auf  einem  der  Sonne  zugekehrten  Abhang  lag. 
Nach  Ansicht  des  Herrn  Prof.  Dr.  Volkens  wird    man    in  E)eutsnhland 

.Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    V.  i 


98  L.  Bernegau. 

mit  der  Anzucht  von  Saatgut  allmählich  weiter  kommen,  so  daß  später 
von  einer  Beanspruchung  südlicher  Gegenden  zum  Zwecke  der  Vorzucht 
abgesehen  werden  kann. 

Dies  wäre  wichtig,  denn  von  10  Sendungen  Saatgut,  welche  von 
der  Insel  Säo  Miguel,  von  Las  Palmas,  von  Teneriffa  und  Madeira  be- 
zogen wurden,  kamen  9  Sendungen  in  schlechtem  Zustande,  teilweise 
verfault  an.  Nach  diesen  Erfahrungen  beabsichtige  ich,  im  nächsten 
Jahre  mit  algerischem,  südfranzösischem  und  spanischem  Saatgut  zu- 
nächst in  Süddeutschland  Pflanzversuche  einzuleiten,  um  zu  prüfen, 
ob  eine  Batatenart  gefunden  wird,  die  sich  dem  deutschen  Klima 
anpaßt. 

Der  Leiter  der  Großh.  Badischen  Hofgartondirektion  in  Karlsruhe.  Herr 
Graebener,  der  seine  Erfahrungen  über  die  Batatenkultur  in  der 
Gartenwelt,  Jahrg.  8,  1903,  S.  121,  niedergelegt  hat,  hat  amerikanische 
und  japanische  Batatensorten,  eine  mit  blauen,  eine  mit  gelben  und  eine 
mit  weißen  Knollen  angepflanzt.  Die  Arten  sollen  schon  durch  die 
Verschiedenheit  der  Blätter  leicht  erkennbar  sein.  Herr  Graebener 
hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  über  die  Erfahrungen  mit  den  amerika- 
nischen und  japanischen  Bataten  folgendes  mitzuteilen: 

„Ich  habe  auch  bis  zum  vorigen  Jahr  alle  3  Arten  Jahr  für  Jahr 
angepflanzt,  da  aber  die  beiden  ersteren  Sorten  sich  absolut  nicht  für 
unsern  zu  kurzen  Sommer  eigneten  und  nur  dünne  Wurzeln,  keine 
Knollen  machten,  habe  ich  sie  definitiv  über  Bord  geworfen;  die  weiße 
Sorte  liefert  jedes  Jahr  große  und  dicke  Knollen,  einzelne  davon  bis  zu 
1  Kilo  schwer,  aber  dieselben  sind  nicht  ausgereift.  Noch  wenn  die 
Pflanzen  in  voller  Vegetation  sind,  tritt  Prost  ein,  der  den  oberirdischen 
Teil  der  Pflanze  tötet  und  damit  dem  Wachstum  der  Knollen  ein  Ende 
setzt.  Die  Folge  davon  ist,  daß  solche  beim  Kochen  wässerig  sind, 
fade  schmecken  und  von  niemand  sonst  als  mir  allein  gegessen  werden; 
ich  habe  die  Knollen  schon  auf  verschiedene  Weise  zubereiten  lassen, 
sie  schmecken  fast  ähnlich  wie  erfrorene  Kartoff'eln. 

Die  Knollen  bewahre  ich  in  einem  warmen  Keller  auf,  oder  im 
warmen  Gewächshaus,  in  kalten  Kellern  faulen  sie  bald.  Ein  Akkli- 
matisieren ist  so  wenig  möglich,  wie  es  gelungen  ist,  Kartoffeln  so  zu 
akklimatisieren,  daß  sie  w^enigstens  einen  Teil  unserer  Kälte  aushalten, 
sie  sind  heute  noch  so  wenig  hart,  wie  vor  100  Jahren.  Ob  es  gelingen 
wird,  eine  Sorte  zu  finden  oder  zu  züchten,  die  in  unseren  nicht  ge- 
nügend warmen  Sommern  ihre  Knollen  gut  ausreift,  ist  vielleicht  mög- 
lich; immerhin  ist  die  Anpflanzung  (aus  erzogenen  Stecklingen)  so 
kompliziert,  daß  sie  nur  der  Gärtner,  nicht  auch  der  Landwirt  wird 
kultivieren  können. 


Akklimatisationsversuche  mit  Süßkartoffeln.  99 

In  diesem  Jahre  stehen  meine  Bataten  infolge  des  naßkalten  Früh- 
jahres schlecht,  und  werde  ich  nur  schlechte  Ernte  haben.  Ein  Miß- 
stand bei  der  Batatenkultur  ist  ferner,  daß  die  Mäuse,  gedeckt  durch 
den  Blätterwald,  in  der  Erde  großen  Schaden  anrichten  und  gerade  die 
größten  Knollen  ganz  aashöhlen. 

Sollten  Sie  einmal  im  Besitz  verschiedener  neuer  Sorten  gelangen, 
so  bin  ich  gern  bereit,   damit  Versuche  anzustellen." 

Die  Batate,  die  auf  den  Azoren  durch  fortschreitende  Kultur- 
verbesserung in  vorzüglicher  Qualität  heute  erzeugt  wird  und  deren 
Kultur  einen  günstigen  Einfluß  auf  den  Fruchtwechsel  ausüben  soll,  ist 
zu  Futter-  und  technischen  Zwecken  und  als  Rohstoff  für  die  landwirtschaft- 
liche Industrie  der  Kartoffel  überlegen,  während  diese  als  Speise- 
kartoffel die  Süßkartoffel  übertrifft  und  daher  niemals  durch  die  Süß- 
kartoffel Konkurrenz  erleiden  wird. 

Nationalwirtschaftlich  würde  es  ein  Fehler  sein,  wenn  man  in  den 
Kolonien  aus  Süßkartoffeln,  Mais,  Cassava  oder  anderen  stärkemehl- 
haltigen  Früchten  Spiritus  erzeugen  würde,  wenn  es  auch  im  Interesse  der 
Kolonien  liegen  würde  und  technisch  mit  Leichtigkeit  ausgeführt  werden 
kfinnte,  denn,  da  die  Einfuhr  von  Kartoffelsprit  in  Westafrika  enorm  groß 
ist  und  trotz  der  hohen  Einfuhrzölle  und  bei  der  Verwendung  für  Licht- 
und  Kraftzwecke  noch  steigerungsfähig  sein  dürfte,  würde  der  deutsche 
Karfoffelbau  geschädigt  werden.  Nicht  aber  würde  er  betroffen  werden 
durch  Einfuhr  deklarierter  Dörrsüßkartoffeln,  da  das  Kartoffelmehl  das 
Süßkartoffelmehl  nicht  ersetzen  kann,  wohl  aber  das  Süßkartoffelmehl 
in  Wettbewerb  mit  Hafermehl  aus  russischen,  amerikanischen  und 
argentinischen  Hafersorten  oder  mit  ausländischen  ^laismehlen  treten  kann. 


IQO  L.  Bernegau. 


Die  Verwertung  der  Samen  von  Parkia  africana. 

Von 
Korpsstabsapotheker  a.  D.  L.  Hernegau,  Berlin. 

Der  Gouverneur  von  Togo,  Herr  Graf  von  Zech,  übergab  mir 
Samen  der  Parkia  africana,  auch  Kaffee  des  Sudans  genannt,  mit 
der  Bitte  um  Prüfung  der  Verwertungsfrage.  Die  Eingeborenen  Togos 
stellen  aus  den  Samen  von  Parkia  africana  Dauadauakuchen  her. 
deren  Zubereitung  Hauptmann  von  Döring')  beschrieben  hat. 

Nach  S.  Pas  sarge  2)  ist  die  Parkia  africana  oder  P.  higlobosa, 
zur  Familie  der  Leguminosen  gehörig,  ein  breitästiger  Baum  mit  akazien- 
ähnlichen Blättern  und  prachtvollen  pfirsichgroßen  blutroten  Blütenkugeln, 
der  nach  E.  Gilg^)  in  Kamerun  im  Laubbusch  und  in  der  Savanne 
vorkommt.  Der  Baum  soll  in  den  weiten  Steppengebieten  Togos  sehr 
verbreitet  sein,  und  Togo  könnte  schon  jetzt  beträchtliche  Mengen  von 
Samen  der  Parkia  africana  ausführen,  wenn  derselbe  eine  Verwertung 
im  Weltmarkt  finden  würde. 

Da  bei  der  Verfütterung  von  Trockenkartoffeln  die  Mastfütterung 
der  Ergänzung  billiger  eiweiß-  und  fettreicher  Futtermittel  bedarf,  ist 
jede  in  den  deutschen  Kolonien  vorkommende  fett-  und  eiweißhaltige 
Pflanze  der  Prüfung  beachtenswert.  Ich  bat  deshalb  den  Leiter  der 
landwirtschaftlichen  Versuchsstation  der  Landwirtschaftskammer  für 
die  Provinz  Westfalen,  Herrn  Geheimen  Regierungsrat  Prof.  Dr.  König 
in  Münster,  um  Prüfung  des  Samens  der  Parkia  africana.^) 

Der  Same  der  Parkia  africana  aus  Togo  wurde  von  mir  zunächst 
auf  seinen  Gehalt  an  Alkaloiden,  besonders  Coffein  und  ätherischen 
Ölen  untersucht.  Der  Same  enthielt  weder  Alkaloide  noch  ätherische 
Öle,  wohl  aber  war  er  fettreich  und  eiweißhaltig.  Versuchsweise  wurde 
aus  dem  Samen  ein  Mehl  mit  ca.  20°/o  Fettgehalt  hergestellt,  womit 
Fütterungsversuche  gemacht  werden  sollen. 


1)  Amtsblatt  von  Togo  1907,  S.  7  und  8. 

2)  S.  Passarge,  Adamaua,  S.  810. 

3)  Übersicht  über  die  auf  der  deutschen  Kamerunexpedition  gesammelten 
Pflanzen,  in  S.  Passarge,  Adamaua,  S.  'AÜ. 

4)  Vgl.  Amtsblatt  für  das  Schutzgebiet  von  Togo,  1907.  No.  19. 


Die  Verwertung  der  Samen  von  Parkia  africana.  101 

E)ie  Darstellung  der  Dauadauakiiohen  zeigt,  daß  die  Eingeborenen 
die  Bereitung  eines  vegetabilischen  käseartigen  Nahrungsmittels  be- 
zweckten, was  ihnen  mit  primitiven  Mitteln  in  mancher  Hinsicht  ge- 
lungen ist. 

Als  von  fett-  und  eiweißhefernden  Pflanzen  stammend,  kommen  in 
unseren  Kolonien  in  Frage  u.  a.  die  Produkte  von  Erdnuß,  Sesam,  Öl-  und 
Kokospalme  und —  bei  der  hoffentlich  schnell  fortschreitenden  Entwickelung 
der  deutschen  Baumwollkultur,  deren  Nebenprodukte  Baumwollsaatkuchen 
und  Cottonöl  sind,  —  Baumwollsaat,  deren  Ausnützung  wesentlich  die 
Rentabilität  der  Baumwollkultur  im  Wettbewerb  mit  der  amerikanischen 
herbeiführen  kann.  Im  Interesse  der  landwirtschaftlichen  Viehhaltung 
und  der  billigeren  Fleisch-  und  Milcherzeugung  dürfte  es  liegen,  wenn 
die  eiweiß-  und  fetthaltigen  Pflanzen  und  die  daraus  zubereiteten  Futter- 
mittel und  Fette  zu  ermäßigten  Zollsätzen  —  besser  noch  zollfrei  —  aus 
deutschen  Kolonien  eingeführt  werden  könnten. 


102 


T.  -lohnson. 


Elektrische  Samenprüfung. 

Von 
T.  Johnson,  Royal  College  of  Science,  Dublin. 

In  einem  im  Jahre  1901  vor  der  Royal  Society  gehaltenen  Vor- 
trage „An  attempt  to  estimate  the  vitality  of  seeds  by  the  Electrical 
Method" ')  hat  Dr.  A.  D.  Waller  über  eine  Reihe  von  ihm  ausgeführter 
Untersuchungen  Bericht  erstattet.  Der  Zweck  dieser  Untersuchungen, 
bei  denen  in  der  Hauptsache  Phaseolus-Samen  verwendet  wurden,  war 
festzustellen,  ob  der  von  M'aller  (im  Augapfel  des  Frosches)  entdecl<te 
Flammstrom  („Blaze  Current")^)  sich  gebrauchen  liesse  zum  Nachweis 
der  Lebendigkeit  und  des  Maßes,  in  dem  diese  im  Samen  vorhanden  sei. 
Die  1901  in  den  Annais  of  Botany  XV  über  diesen  Vortrag  gebrachte 
Notiz  hat  mich  veranlalU,  die  Sache  weiter  zu  verfolgen.  Im  Herbst 
1906  wohnte  ich  einer  Vorlesung  von  Dr.  Waller  bei,  in  welcher  er 
über  die  Lebendigkeit  von  Protoplasma  jeglicher  Art  sprach.  Mangel  an 
Zeit  verhinderten  zwar  den  Vortragenden,  Mitteilungen  über  Samen 
zu  machen;  dennoch  habe  ich  damals  die  Überzeugung  gewonnen,  daß 
sich  der  Flammstrom  unter  Umständen  zur  Samenprüfung  wohl  ver- 
wenden lassen  könne. 


»)  Proceedings  of  the  Royal  Society  of  London.  Vol.  LXVIII.  (Die  Figuren 
1  und  2  habe  ich  dieser  Arbeit  entnommen.  Die  Abbildungen  sind  mir  von 
Herrn  Dr.  Waller  gütigst  überlassen  worden.) 

Ferner : 

A.  D.  Waller:  The  Signs  of  life  from  their  electrical  aspect.  175pp. 
with  68  figures  in  the  text.     London  (John  Murray,  Albemarle  Street)  1903. 

Dasselbe,  übersetzt  von  E.,  P.  und  R.  du  Bois-Reymond,  als  „Die 
Kennzeichen  des  Lebens  vom  Staudpunkte  elektrischer  Untersuchung".  22S  S. 
mit  68  Fig.     Berlin  (August  Hirschwald)  1905. 

(Die  Figuren  3  und  4  meiner  Abhandlung   stammen  aus  diesem  Buche.) 

2)  Zu  der  Bezeichnung  „Flammstrom"  bemerken  die  Übersetzer  E.,  P. 
und  R.  du  Bois-Reymond  1.  c.  p.  33:  „Flammstrom"  ist  eine  Verdeutschung 
von  „Blazecurrent",  zu  der  sich  die  Übersetzer  wohl  oder  übel  genötigt  sahen. 
Es  soll  damit  in  erster  Linie  ein  solcher  Strom  bezeichnet  werden,  der  plötzlich 
„aufflammt".  Der  deu.tsche  Ausdruck  muß  also  von  dem  Zeitwort  „flammen", 
nicht  vom  Hauptwort  „Flamme"  abgeleitet  werden.  In  zweiter  Linie  soll  .  .  . 
auf  die  Verbrennungsvorgänge  des  lebenden  Gewebes  angespielt  werden. 

(Brick.) 


Elektrische  Samenprüfung.  103 

Durch  die  mir  seitens  des  Department  of  Agriculture  von  Irland 
und  des  Herrn  Dr.  Waller  gütigst  gewährte  Unterstützung  war  es 
mir  möglich,  im  Dezember  1906  die  Sache  einer  eingehenden  praktischen 
Probe  auf  ihre  Verwendbarkeit  hin  zu  unterziehen. 

Als  Dr.  Waller  meine  Samensammlung  erblickte,  zweifelte  er, 
■daß  etwas  damit  zu  erzielen  sei,  weil  seiner  Ansicht  nach  die  von  mir 
gewählten  Samen  zu  klein,  zu  hart  und  zu  widerstandsfähig  seien.  Auf 
Zureden  seiner  gelehrten  Frau  jedoch  gingen  wir  an  den  Versuch, 
und  wir  haben  einige  Tage  lang  zusammen  alle  drei  von  früh  bis  spät 
mit  Erfolg  gearbeitet. 

Wie  wohl  bekannt,  werden  zwei  wichtige  Einwände  gegen  die 
gebräuchliche  Samenprüfung  gemacht  und  zwar:  1.  die  für  einen  aus- 
führlichen Bericht  erforderliche  lange  Zeitdauer  —  im  Mittel  10  bis  21  Tage 
—  und  2.  der  häufige  Mangel  an  Übereinstimmung  in  den  Berichten 
der  verschiedenen  Versuchsstationen  über  Samenproben,  die  von  derselben 
AVare  entnommen  wurden,  z.  B.  bei  Poa-Arten. 

Zeitdauer  der  elektrischen  Prüfung. 

Meine  Erfahrung  lehrt,  daß  die  elektrische  Prüfung  bei  Hafer, 
der  bei  dem  gewöhnlichen  Verfahren  10  Tage  erfordert,  in  24  Stunden 
vollkommen  Aufschluß  gibt.  Bei  Samen  von  Poa-Arten,  deren  Keimungs- 
prüfung gewöhnlich  28  —  35  Tage  in  Anspruch  nimmt,  ist  auf  elek- 
trischem Wege  ein  Resultat  in  8  Tagen  zu  erzielen.  In  demselben 
Verhältnis  würde  auch  eine  kürzere  Zeitdauer  der  Prüfung  anderer 
Samenarten,  wie  z.  B.  Linum,  Trifolium,  Brassica,  Lolium,  Dacfylis, 
Phleiim,  eintreten.  Das  Verfahren  zeigte  sich  auch  anwendbar  für  die 
kleinsten  Samensorten,  die  an  die  Untersuchungsstationen  zur  Prüfung 
gelangen.  ■    ■  .,,  ,- 

Zuverlässigkeit  des  elektrischen  Verfahrens. 

Der  Behauptung,  daß  die  gewöhnliche  Methode  der  Samenprüfung 
für  die  meisten  Samensorten  nicht  zuverlässig  genug  sei,  kann  ich 
nicht  zustimmen,  obwohl  ich  zugeben  muß,  daß  mitunter  ungleiche 
Resultate  erzielt  werden.  Ich  habe  das  elektrische  Verfahren  durch 
die  gewöhnliche  Prüfung  kontrolliert  und  umgekehrt.  Dies  hat  auch 
E)r.  Waller  früher  mit  Phaseolus  getan.  Jetzt  bin  ich  in  der  Lage, 
mit  Bestimmtheit  sagen  zu  können,  daß  das, elektrische  Verfahren  ganz 
zuverlässig  ist.  Daß  es  die  alte  Methode  ersetzen  wird,  wage  ich  noch 
nicht  zu  behaupten,  wohl  aber,  daß  das  alte  Verfahren  durch  die  elek- 
trische Prüfung  ergänzt  werden  kann.     Das  Verfahren  ist  noch  zu  neu, 


1Q4  T.  Johnson. 

und  es  wird  viel  Arbeit  erfordern,  um  bestimmte  Normen  und  die  Be- 
dingungen für  die  Untersuchung  der  Keimfälligkeit  der  verschiedenen 
Samenarten  festzustellen. 

Heute  können  wir  jedoch  schon  sagen: 

1.  Der  Samen,    der  unter  günstigen  Verhältnissen    keinen   Flamni- 
strom  zeigt,  ist  tot  oder  nicht  keimfähig. 

2.  Ein  Samen,   der  einen  Flammstrom  gibt,  ist  lebendig. 

3.  Je  größer  der  Flammstrom,  desto  höher  ist  die   in  dem  Samen 
vorhandene  Lebendigkeit. 

Ein  Strom  von  0,0001  Volt  bedeutet,  daß  der  Samen,  obwohl  noch 
lebendig,  nicht  keimfähig  ist.  Dieses  hängt  natürlich  von  der  Größe  des 
Samens  ab.  0,001  Volt  zeigt  in  den  meisten  Fällen  an,  daß  der  Samen 
nur  geringe  Keimfähigkeit  besitzt.  Steigt  der  Strom  bis  zu  einer 
Stärke  von  0,05  Volt,  so  ist  das  ein  Zeichen  von  bedeutender  Keim- 
fähigkeit. 

Einwände  gegen  das  elektrische  Verfahren. 

1.  Ein  ruhender  trockener  Samen,  obschon  er  vielleicht  keimfähig- 
ist, gibt  keinen  Flamrastrom.  Jeder  Samen  soll  vor  der  elektrischen 
Untersuchung  eine  Zeitlang  —  zumeist  einige  Stunden — bei  20  —  25"  C 
feucht  liegen.     Dies  ist  durchaus  notwendig. 

2.  Es  kann  jeweils  nur  ein  einzelner  Samen  untersucht, 
werden.  Das  ist  natürlich  zeitraubend.  Während  die  für  die  voll- 
kommene Untersuchung  erforderliche  Zeit  eine  viel  kürzere  ist  als  bei. 
der  gewöhnlichen  Methode,  muß  bei  der  elektrischen  Prüfung  mehr  Zeit 
auf  die  von  den  Assistenten    zu    verrichtende  Arbeit    verwandt  werden. 

3.  Die  Assistenten  müssen  besonders  eingeschult  sein.  Daher 
wird  das  neue  Verfahren  wohl  kostspieliger  als  das  jetzige  sein. 

Überzeugt  bin  ich,  daß  die  beiden  gegen  die  Samenprüfung  obeiii 
angeführten  Einwände  durch  das  neue  Verfahren  beseitigt  sind. 

Der  Untersuchungsapparat. 
Der  Untersuchungsapparat  (Fig.  1)  ist  folgendermaßen  zusammen-^ 
gesetzt: 

1.  Der  Reizapparat  besteht  aus  zwei  Leclanchezellen  in  Verbindung 
mit  einer  sekundären  Rolle  (Du  Bois  Reymond-Typus). 

2.  Der  Kempen sator,  ein  graduierter  Widerstandskasten,  der 
von  einem  Leclanche  gespeist  wird. 

3.  Das  Galvanometer,  das  empfindlich  genug  sein  muß,  um 
auf  einer  durchsichtigen  Skala  einen  durch  eine  Spannung  von  0,0001  Volt 
verursachten  Ausschlag  von   1  cm  zu  zeigen. 


Elektrische  Samenprüfung. 


105 


5\, 


Compens&Öor 


ExciCor 


GciLvAnomeCei^ 


Object  of 
E.xdLminat^ion 


Fig.  1. 


4.  Unpolarisierbare  Elektroden  (Fig.  lu.2  AB,  DuBoisReymoncl- 
Typiis).  Sie  bestellen  aus  zwei  Glasröhren,  die  mit  einer  übersättigten 
Lösung  von  Zinksulfat  gefüllt  sind  und  in  deren  jeder  ein  amalgamierter 
Zinkstab  steht.  Die  Röhren  sind  mit  feuchtem,  mehr  oder  weniger  zu- 
gespitzten Kaolin  geschlossen. 


Positive    Ne^Cive 


Positive 
A/e^<xCive 


B^is.  2. 


5.  Ein  Schaltbrett  mit  Schlüsseln  zur  beliebigen  Änderung  des 
Stromkreises. 

6.  In  der  Normalkreisanordnung  sind  Schlüssel  eingeschaltet,  durch 
welche  die  Reiz-  und  Kompensatorströme  in  ihrer  Richtung  umgekehrt 
werden  können. 


'  Das  Untersuchungsverfahren. 

Der  Samen,  z.  B.  ein  Haferkorn,  wird  24  Stunden  lang  bei  20°  C 
feucht  gehalten.  Er  wird  dann  quer  durchschnitten  und  das  Keimende 
in  bestimmter  Richtung  zwischen  die  Elektroden  gelegt.  Die  in  Ver- 
bindung mit  Kompensator  und  Objekt  stehenden  Schlüssel  des  Sehalt- 
bretts sind  offen,  die  Schlüssel  zur  sekundären  Rolle  und  zum  Galvano- 
meter sind  geschlossen.  Man  drückt  den  Schlüssel  nieder  {k  in  Fig.  1) 
und  erzeugt  so  den  Reizstrom,  der  aber  verschwindet,  weil  der  Schlüssel 


106 


T.  Jobiiöon. 


zur  Rolle  im  Schaltbrett  geschlossen  ist.  Dieser  Schlüssel  wird  dann 
geöffnet,  der  Strom  bei  k  wird  unterbrochen,  so  daß  ein  einzelner  In- 
duktionsstrom durch  das  Objekt  geht.  Der  Galvanometerschlüssel  wird 
geöffnet  und,  falls  das  Objekt  lebendig  ist,  gibt  es  einen  Flammstrom, 
dessen  Wert  durch  die  Größe  und  Richtung  des  Ausschlages  auf  der 
Skala  gemessen  werden  kann.  Durch  den  Kompensator  wird  dann  der 
Lichttleck  wieder  zum  Nullpunkt  auf  der  Skala  zurückgebracht.  Die 
Schlüssel  im  Schaltbrett  werden  wie  am  Anfang  des  Verfahrens  ein- 
gestellt und  nach  Umschaltung  des  Stromwenders  nach  links  wird  mit 
Hilfe  des  Stromwählers  {U\  ein  einzelner  (unterbrochener)  Schlag  („break") 
durch  das  Objekt  in  der  umgekehrten  Richtung  geschickt.  Wie  im 
iU'sten  Fall  sieht  man  das  Resultat  des  Schlages  auf  der  Skala. 
Ist  der  Samen  lebendig,  so  gibt 

ein   -["  Reizstrom  einen   +   oder  —  Flammstrom. 

»  11  »  "       I  " 

Ist  der  Samen  tot,  so  gibt 

ein   -\-  Reizstrom  nur  einen   —   Strom 


-1 


-I 


Ir™ 

l    öLnCidrome 

L 

l    homodrome 

1   anöidrome 

r 

L 

Response    of 
llvtng  Organ. 

Fi;?.  3 

Polarisation 
currents  of 
dead    orgaii. 

■0050 


/39    /9Ö    /97    /9e    /9b  Year 
Fi"-.  4. 


Ein  toter  Samen  gibt  also  keinen  Flammstrom,  sondern  einen 
Polarisationsstrom,  der  klein  ist,  schnell  verschwindet  und  in  umge- 
kehrter Richtung  geht  (Fig.  3). 

Ich  habe  oft  die  Zuverlässigkeit  dieses  Verfahrens  geprüft.  Man 
schickt    einen   einzelnen  Schlag  durch  einen  lebendigen  Samen  und  beob- 


Elektrische  Samenprüfung.  \()] 

achtet  einen  Flammstrom  als  Antwort;  dann  tötet  man  den  Samen  durch 
Tetanisierung,  probiert  wieder  und  sieht,  daß  jetzt  der  Samen  den 
Tetanisierungsstrom  des  toten  Materials  zeigt. 

Die  Fig.  4  zeigt  den  Wert  des  Flammstroms  bei  Samen  derselben 
Art  aus  den  Jahren  1895 — 1899,  also  von  verschiedenem  Alter,  die 
im  Jahre    1900  untersucht  wurden. 

Es  folgen  hier  eine  ausgewählte  Reihe  von  Versuchen  mit  verschie- 
denen Samenarten  und  die  Erfolge  ihrer  Prüfung.  Einige  Samen  sind 
wiederholt  probiert  w^orden.     Die  wiedergegebenen  Resultate  sind  typisch. 

Lein  oder  Flachs  {Limim  usitaiissimiiyn)  wurde  zunächst 
benutzt. 

1.  Die  Samen  wurden  20  Stunden  im  Wärmeschrank  bei  20°  C 
feucht  gehalten.     Normale  Keimkraft  99  "/q- 

Ruhe-  oder  Verletzungsstrom')  E.   S   -)- -)  E.   S  — ^) 

—  0,018  +  0,016  H-  0,003 

—  0,021  +0,02  4-0,004 

—  0,006  +0,003  +0,001 
Samen    desselben    Musters    nach  nur    4  stündigem  Aufenthalt    im 

Wärmeschrank  gaben  keinen  Flammstrom. 

2.  Ein  anderes  Muster  zeigte  nur  37°/o  normale  Keimkraft, 
d.  h.  2  von  je  5  Samen.  Vor  der  Prüfung  blieben  die  Samen  18  Stunden 
im  Wärmeschrank  bei  20''  C. 

V.  S.  E.  S.  +  ■         E.  S.  — 

a)  —0,0016  +0,001  '        +0,0007         ''    "    + 

b)  +0,003  +0,0012  +0,0012 

c)  +  0,0013  —  0,0001  +  0,00005 

d)  —0,0003  -0,0001.  "•         +0,0002 

e)  +0,0015  —0,0005  +0.0001 

Diese  Tabelle  ist  eine  genaue  Kopie  meines  Arbeitsbuches.  Sie 
zeigt,  daß  nur  a  und  h,  die  einen  Flammstrora  von  0,0010  gaben,  keim- 
fähig sind,  und  daß  c,  (^  und  e,  die  nur  Polarisationsströme  gaben,  tot 
sind,  d.  h.  2:5.  Die  elektrische  Prüfung  stim.mt  also  mit  der  nor- 
malen Prüfung  überein. 

3.  Es  wurden  Leinsamen  benutzt,  die  im  Rottungsteich  gewiesen 
und  dabei  („water-logged")  sich  „voll  Wasser"  gesogen  hatten.  Na- 
türlich sind  solche  Samen  meistens  tot;  nur  2°/o  zeigten  sich  bei  der 
gewöhnlichen  Keimprüfung  lebendig.  Das  Resultat  der  elektrischen  Prüfung 
nach  20stündigem  Aufenthalt  im  Wärmeschrank  bei  20*^  C  war:- 


')  V.  S.  nach  Abschälen,  Anschneiden  usw. 

2)  E.  S  -|-  =  Einzelner    Reizstrom  in  +  Richtung. 

3)  E.  S  —  =  Einzelner  Reizstrom  in  —  Richtiing. 


108  T.  Johnson. 

V.  S.  E.  S.  -h  E.  S.  — 

0  bis  0,0001  —0.00005  +0,00002 

Der  Samen  gibt  also  nur  schwache  Polarisationsströme  und  ist 
tot.  Sein  Widerstand,  durch  den  Kompensator  gemessen,  ist  auch 
gering;  ein  lebendiger  Samen  bietet  mehr  Widerstand  als  ein  toter  Samen. 
4.  Leinsamen,  die  24  Stunden  im  Wärmeschrank  bei  20*^  C  ge- 
halten worden  waren,  wurden  abgeschält,  die  Spitze  der  ^^'urzel  ab- 
geschnitten und  der  Keim  dann  quer  durchschnitten.  Jede  Hälfte  des 
Keimes  wurde  sodann  geprüft. 

a)  Unteres  Wurzelende  des  Keimes 

V.  S.  E.  S.  —  E.  S.  + 

—  0,004  —  0,007  —  0,002 

b)  Oberes  Kotyledonende  des  Keimes 

V.  S.  E.  S.  —  E.  S.  -f 

—  0,004  —  0,002  4-  0,0008 

Von  einer  Probe  guter  Leinsaat  zeigen  nach  36  Stunden  l)ei 
20 — 24°  C  im  Wärmeschrank  beinahe  alle  Samen  den  Anfang  der 
Keimung.  Einige  nicht  keimende  und  vielleicht  keimungsunfähige  Samen 
einer  solchen  Probe  zeigten  folgendes  Resultat: 

a)  V.  S.  E.  S.  +  E.  S.  — 
0,006                    —0,0002                 —0,0001 

Dieser  Samen  ist  augenscheinlich  nur  schwach  lebendig;  am  besten 
bezeichnet  man  ihn  als  Zauderer  (laggard). 

b)  V.  S.  E.  S.  —  E.  S.  +       . 
0,002                     +  0,0007                  —  0,0002 

Hier  ist  der  Samen  tot  und  gibt  nur  Polarisationsströme, 
c)  V.  S.  E.  S.  —  E.  S.  + 

0,004  —  0,007  +  0,001 

Es  ist  auch  ein  Zauderer,  wie  unter  a. 

Englisches  Raigras  (Lolium perenne)  wurde  5  Tage  im  Wärme- 
schrank bei  20°  C  gehalten. 

V.  S.  E.  S.  —  E.  S.  + 

+  0,02  —  0,015  +  0,005 

E»ie  weitere  Prüfung  dieser  Art  wird  vorgenommen  werden. 

Rotkleesamen  (Trifolium  pratense)  mit  einer  Keimkraft  von 
91°/o  zeigte  einen  Plammstrom  von  einer  SJärke  von  0,015  bis  0,0002  Volt. 
Diese  Samen  wurden  nach  allen  Richtungen  und  in  allen  Teilen  hin 
geprüft,  z.  B.  durchschnitten,  angeschnitten,  die  Wurzel  und  die  Kotyle- 
donen allein.  Einige  solcher  Samen  wurden  auch  gekocht  und  dann 
untersucht,  gaben  aber  keinen  oder  nur  einen  ganz  schwachen  Flammstrom. 


V.  S. 

1. 

-f  0,005 

2. 

0,0007 

3. 

+  0,0002 

Elektrische  SamenprüfuDg.  '  1Q9 

Die  elektrische  Prüfung  ist  besonders  anwendbar,  glaube  ich,  für 
die  sogenannten   ,,harten"  Samen. 

Kohlrll bensamen  {Brassica  Rapa)  mit  85 ^/o  Keimkraft,  die 
22  Stunden  bei  20°  C  im  Wärmeschrank  gewesen  waren,  gaben  folgende 
Resultate: 

E.  S.  —  E.  S.  + 

—  0,0035  —  0,002 

0  —0,0001 

+  0,002       ■  +  0,0009 

Nummer  2  ist  nicht  keimfähig  und  zweifellos  tot. 

Timothee  (PJdeum  pratense),  92°/o  keimfähig,  gab  nach  24  Stunden 
Aufenthalt  im  Wärmeschrank  einen  klaren  Flammstrom.  Gewöhnlich 
war  wegen  der  Kleinheit  der  Früchte  sein  Wert  nur  0,0001  Volt; 
einigemal  erreichte  er  jedoch  0,0007  Volt. 

Gemeines  Rispengras  (Poa  trivialis),  62°/o  keimfähig,  gab 
nach  7  tägigem  Liegen  im  Wärmeschrank  einen  Flammstrom  vom  Werte 
0,0005  Volt;  es  war  durch  Tetanisieren  zerstört. 

Hafer  {Avena  sativa)  zeigte  ein  sehr  interessantes  Verhalten. 
Die  nachfolgende  Tabelle  gibt  die  Resultate  der  Untersuchung  von 
20  Früchten,  die  vor  der  Prüfung  18 — 24  Stunden  im  Wärmeschrank  bei 
20°  C  feucht  gehalten  worden  waren.  Die  Probe  hatte  eine  Keim- 
kraft von  90°/o  und  eine  Keimenergie  von  73°/o.  Wenn  man  0,001  Volt 
als  Zeichen  der  Keimfähigkeit  annimmt,  so  kann  man  leicht  feststellen, 
wie  gut  die  Resultate  der  beiden  Methoden  der  Keimprüfung  überein- 
stimmen. Die  Resultate  stehen  in  der  Tabelle,  wie  sie  erhalten  worden 
sind,  und  wurden  nicht  ausgewählt. 


V.  S. 

E.  S. — 

E.  S.  + 

1. 

—  0,009 

+  0,0035 

■  +  0,001 

2. 

—  0,0038 

-f  0,001 

-') 

3. 

—  0,0025 

+  0,001 

—  0,0007 

4. 

— 

+  0,005 

—  0,0007 

5. 

—  0,0046 

.   +  0,002 

+  0,0015 

6. 

—  0,02 

+  0.01 

+  0,005 

7. 

—  0,026 

.  +  6 

+  4^) 

8.^^ 

=  —0,009 

+  0,001 

—  0,001 

9. 

—  0,018 

■  -1-0,015 

+  0,003 

10. 

—  0,016 

-h  0,0013 

+  0,001 

11. 

—  0,017 

+  0,01 

+  0,003 

1)  Der  Schlag  fehlte,  weil  die  Rolle  nicht  funktionierte. 
2    Wert  des  Ausschlages  in  Volt  nicht  gemessen. 


110 


T.  .Johnson. 

V.  S. 

E.  S.  - 

E.  S. + 

12. 

-  0,008 

+  0,003 

4-  0,0007 

i;-3*— 0,002 

+  0,0007 

0 

14. 

—  0,015 

+  0,002 

-i-  0,0008 

1.5. 

—  0,014 

+  0,007 

+  0,0003 

16. 

-  0,013 

+  0,0042 

+  0,002 

17. 

—  0,013 

+  0,0028 

-1-  0,0007 

18. 

+  0,006 

-f  0,0022 

+  0,003 

19. 

-  0,003 

-1-  0,002 

-f  0,0007 

20. 

—  0,013 

-0,001 

-  0,0007 

Zwei  Früchte,  8  und  13,  sind  tot;  es  sind  18  von  20  oder  90^/o 
keimfähig.  Um  den  Widerstand  des  Kornes  zu  vermindern  habe  ich 
bei  den  obigen  Versuchen  das  Korn  quer  durchschnitten  und  nur  die 
untere  den  Keim  enthaltende  Keimhälfte  probiert.  Die  obere  Hälfte  gab  nach 
20 stündigem  Verweilen   im  Wärmeschrank    keinen    klaren  Flammstrom. 

Bei  einem  weiteren  Versuche  wurde  Hafer  drei  Tage  feucht  und 
bei  20*^  C  aufbewahrt  und  dann  geprüft.  Nach  Ablauf  der  drei  Tage 
hatten  die  lebenden  Haferkörner  gekeimt  und  drei  Wurzeln  entwickelt; 
das  Endosperm  war  ziemlich  weich.  Ein  solches  Korn  wurde  durch- 
schnitten, und  beide  Hälften  wurden  geprüft.  Interessant  ist  es,  daß 
auch  die  obere  nur  Endosperm  enthaltende  Hälfte  einen  Flammstrom 
gibt.  Hoffentlich  wird  es  durch  diese  elektrische  Methode  möglich  sein^ 
zu  entscheiden,  ob,  wie  Purie witsch  behauptet,  jede  Endospermzelle 
lebendig  und  selbstverdaulich  ist,  oder  ob,  wie  Brown  und  Escombe 
annehmen,  das 'Leben  des  Endosperms  in  der  Kleberschicht  allein  liegt. 
Darüber  habe  ich  viele  Versuche  gemacht,  und  ich,  hoffe  bald  zu  ihrer 
Veröffentlichung  zu  kommen. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Körner  in  der  Reihenfolge  der 
Untersuchungen  aufgeführt.  Es  bedeutet  K  die  Keimhälfte  des  Kornes, 
E  die  Endospermhälfte.  Der  Hafer  wurde  drei  Tage  lang  bei  20°  C 
feucht  gehalten. 


V.  s. 

1.  E 

—  0,0064 

2.  E 

—  0,004 

3.  K') 

-  0,0035 

4.  E 

—  0.015 

5.  E 

-  0,005 

6.  K 

+  0,015 

7.  E 

-  0,003 

1^  Eine  \Vi 

irzel 

E.  S. — 

E.  S.  4- 

-1-  0,001 

+  0,0005 

+  0,0007 

4-  0,0004 

—  0,001 

4-  0,0002 

+  0,006 

+  0,003 

+  0,004 

4-  0,0009 

—  0,0035 

—  0,005 

+  0,0006 

0 

Elektrische  Samenpiüfung.  Hl 


V.  S. 

E.  V. — 

E.  V. -f 

8. 

E 

+  0,0005 

0 

—  0,0001 

9. 

E 

—  0,0015 

+  0,00016 

—  0,0002 

10. 

E 

—  0,0006 

+  0,0009 

+  0,0003 

11. 

E 

+  0,0013 

4-  0,0012 

+  0,0001 

12. 

E 

—  0,004 

+  0,001 

+  0,001 

13. 

K 

-  0,001 

+  0,012 

+  0,002 

Um  sicher  zu  sein,  daß  die  elektrische  Methode  wirklich  bei  der 
Samenprüfung  anwendbar  ist,  wurde  das  folgende  Experiment  ausge- 
iührt.  Haferkörner  die  36  Stunden  bei  20"  C  im  Wärmeschrank  gewesen 
waren,  wurden  durchschnitten  und  dann  in  Beziehung  zur  Keimhälfte 
geprüft.  Frau  Dr.  Waller  und  ich  haben  die  ersten  Untersuchungen 
{a  in  der  Tabelle)  gemacht,  und  Herr  Dr.  Waller  hat  dann  bald  darauf 
in  einem  anderen  Laboratorium,  ganz  selbständig  von  uns  dieselben 
Früchte  mit  einem  anderen  Apparate  probiert  und  die  Resultate  [h  in 
der  Tabelle)  niedergeschrieben.  Die  Übereinstimmung  ist  allgemein. 
Gewöhnlich  ist  der  erste  Schlag  der  wichtigste  und  der  zweite  zu  ver- 
nachlässigen. Hier  haben  wir  vier  Schläge  zum  Vergleich.  In  beiden 
Versuchsreihen  wurde  gefunden,  daß  der  Samen  4  tot  oder  fast  tot  ist. 


V. 

S. 

E. 

s.  — 

E.  S. 

+ 

a) 

b) 

a) 

b) 

a) 

b) 

1. 

—  0,013 

—  0,015 

+  0,0045 

+  0,0068 

+  0,002 

+  0,0026 

2. 

—  0,005 

—  0,003 

+  0,004 

+  0,003 

+  0,007 

+  0,005 

3. 

—  0,016 

—  0,011 

-I-  0,006 

+  0,013 

+  0,011 

+  0,001 

4. 

+  0,0005 

0 

+  0,0002 

+  0,001 

+  0,0001 

~  0,0005 

5. 

—  0,012 

—  0,0104 

+  0,0038 

+  0,011 

+  0,003 

+  0,002 

6. 

—  0,01 

—  0,009 

+  0,003 

+  0,007 

+  0,006 

+  0,004 

7. 

—  0,015 

—  0,009 

+  0,004 

+  0,005 

+  0,002 

+  0,001 

S. 

—  0,023 

—  0,018 

H-  0,004 

+  0,016 

+  0,002 

+  0,006 

9. 

—  0,011 

—  0.006 

+  0,009 

+  0,002 

+  0,0004 

—  0,0007 

.0. 

—  0,028 

—  0,019 

+  0,012 

+  0,03 

+  0,008 

+  0,08 

9  von  10  sind  also  lebendig  und  w^ahrscheinlich  keimfähig.  Die 
Resultate  von  beiden  Versuchsreihen  stimmen  miteinander  und  mit 
denen  des  gewöhnlichen  Verfahrens  überein. 

Weizen  (Triticum  vulgare).  Im  Jahre  1848  nach  der  Hungersnot, 
die  in  Irland  im  Jahre  1845  begann,  hatte  ein  Geizhals  viel  Weizen 
in  Ähren  aufbew^ahrt  in  der  Hoffnung,  durch  seinen  Verkauf  bei  der 
nächsten  Hungersnot  reich  zu  werden.  Der  Bauer  ist  in  diesem  Jahre 
gestorben.  Ein  Teil  dieser  Weizenkörner  wurde  mir  zwecks  Bericht 
über  ihre  Lebendigkeit  zugeschickt.  Die  Körner  sahen  normal  aus,  hatten 
eine  gute  Farbe  und  quollen,  in  Wasser  getaucht,  bald  auf.  Schneidet 
man  das  Korn  indessen  durch,  so  zeigt  sich  der  Keim  braun,   verschrumpft 


112  ^^-  Johnson. 

und  verfärbt.  Ich  habe  mehrere  Körner  im  Koimapparat  und  elektrisch 
probiert  und  zwar  zusammen  mit  gesunden  Körnern  als  „Kontrolle". 
Die  „1848"-Körner  ergaben  nach  mehreren  Tagen  im  Keimapparate  kein 
Zeichen  des  Lebens.  Die  gesunden  Körner  haben  natürlich  gut  gekeimt. 
Ich  habe  die  Wurzel  eines  dieser  letztgenannten  Keime  elektrisch  ge- 
prüft und  als  Resultat  bekommen:  Widerstand  groß;  einzelner -j-  Schlag 
verursacht  einen  Flammstrom  vom  Werte  0,01  Volt,  derselbe  in  —  Rich- 
tung einen  Plammstrom  von  0,002  Volt;  der  zweite  Schlag  folgte  schnell 
dem  ersten.  Nach  kurzem  Tetanisieren  wurde  der  Flammstrom  beim 
einzelnen  Schlag  stärker;  langes  Tetanisieren  hat  die  Wurzel  getötet 
und  der  Flammstrom  ist  ganz  verschwunden. 

Einige  ,,1848"- Weizenkörner  sind  unter  denselben  Bedingungen 
zur  Keimung  24 — 72  Stunden  angesetzt  worden    und   dann   untersucht: 

Der  Widerstand  der  unteren  Hälfte  eines  solchen  Kornes  ist 
gering;  im  Vergleich  mit  dem  einer  Wurzel  eines  gesunden  Kornes  wii- 
1  :  40.  Bei  der  elektrischen  Prüfung  zeigte  das  Korn  nur  Polarisations- 
ströme vom  Werte  +  0,0002.     Das  Korn  ist  daher  tot. 

Meine  Absicht  ist  jetzt,  eine  bequeme  Methode  aufzufinden,  bei 
der  20  oder  mehr  Samen  schnell  nacheinander  geprüft  \v erden  können. 
Dann  wird  die  elektrische  Methode  ein  brauchbarer  Teil  des  Apparates 
einer  jeden  Samenprüfungsstation  werden. 


Die   Wirkung  des  ychwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  II3 


Über  die  Wirkung  des  Schwefell<ohlenstoffs  und 
ähnlicher  Stoffe  auf  den  Boden. 

Von 

Di\  K.  Störmer,  Halle  a.  S. 

Da  ich  annehmen  konnte,  daß  die  Schwefelkohlenstofffrage  für 
die  Vertreter  der  angewandten  Botanik  von  besonderem  Interesse  sein 
würde,  habe  ich  mir  erlaubt,  gerade  diesen  Gegenstand  zu  einem  Vor- 
trag zu  wählen.  Ich  habe  mich  in  den  letzten  Jahren  sehr  eingehend 
mit  dieser  Frage  beschäftigt  und  glaube  dabei  zu  Ergebnissen  gelangt  zu 
sein,  die  sie  in  ein  helleres  Licht  rücken,  nach  meiner  Ansicht  sogar 
mindestens  eine  Lösung  enthalten.  Ich  darf  voraussetzen,  da(i  die 
bisher  in  dieser  Richtung  festgestellten  Tatsachen  bekannt  sind, 
und  kann  daher  ganz  kurz  darauf  verweisen,  daß  man  schon  in  den 
80er  Jahren  begann,  den  Schwefelkohlenstoff  im  Kampfe  gegen  die 
Reblaus  zu  benützen.  Dabei  beobachtete  man  seine  merkwürdige  ertrag- 
steigernde Wirkung,  und  sowohl  von  deutscher  wie  französischer  Seite 
erfolgten  hierüber  sehr  bald  die  ersten  Veröffentlichungen.  Besonders  ver- 
tieft wurde  das  Problem  durch  Oberlin,  der  schon  1888  die  größere 
Fruchtbarkeit  des  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Bodens  beschrieb 
und  1894  in  seiner  interessanten  Schrift:  ,, Bodenmüdigkeit  und  Schwefel- 
kohlenstoff" daraufhinwies,  daß  durch  eine  Schwefelkohlenstoff-Behandlung 
Bodenmüdigkeitserscheinungen  beseitigt  Averden  können.  Gleich  hier  sei 
aber  betont,  daß  die  ertragsteigernde  Wirkung  des  Schwefel- 
kohlenstoffs sich  durchaus  nicht  etwa  nur  in  müden  Böden 
äußert,  sondern  bisher  auf  jeder  Bodenart  und  bei  jeder 
nachgebauten  Pflanze  mit  gleicher  Deutlichkeit  eingetreten  ist. 

Bevor  ich  in  die  Erörterung  der  Ursachen  dieser  Ertragsteigerung 
eintrete,  möchte  ich  die  Aufmerksamkeit  darauf  lenken,  daß  die  Ertrag- 
steigerung, wie  sie  Schwefelkohlenstoff  bei  Einbringung  in  den  Boden  hervor- 
ruft, von  jedem  an  sich  den  Pflanzen  schädlichen  Giftstoff  hervorgerufen 
wird,  wenn  er  einige  Zeit  vor  dem  Anbau  von  Pflanzen  in  den 
Boden  eingebracht  wird  und  bei  ihrem  Anbau  wieder  daraus  ver- 
schwunden ist.  Die  ältesten  Versuche  hierzu  finden  sich  in  den  alten 
Rauchschädengutachten  von  Freytag,  Schroeder  usw.,  zum  Teil 
schon    aus    den    70  er   Jahren.      Man    fand    namentlich    dann    deutliche 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  nngewandte   Botanik  V.  g 


114:  1^-  'Störmer. 

Ertragsteigeriingen,  Avenn  die  in  Betracht  kuminenden  Giftstoffe,  wie 
arsenige  Säure,  giftige  Metalloxyde  in  kleinen  Mengen  verwendet 
wurden.  Die  damaligen  Beobachter  legten  natürlich  auf  diese  Ergeb- 
nisse noch  wenig  Gewicht,  obgleich  sie  ihrem  Scharfblick  nicht  ent- 
gangen sind.  Wohl  in  den  90  er  Jahren  beobachteten  dann  Nobbe 
und  Miltner  nach  privater  Mitteilung  eine  ertragfördernde  Wirkung 
der  arsenigen  Säure  bei  Anwendung  im  Boden,  im  Gegensatz  zu  der 
stark  schädlichen  Wirkung  dieses  Giftes  in  der  Wasserkultur.  1900 
begannen  dann  in  Tharandt  Versuche,  an  denen  ich  beteiligt  war.  über 
die  Wirkung  einer  Reihe  von  Giftstoffen  auf  den  Boden,  und  es  zeigte 
sich  dabei,  daß  sämtliche  geprüften  Stoffe,  nämlich  Schwefelkohlen- 
stoff, Chloroform,  Benzol,  Äther,  Wasserstoffsuperoxyd,  unzweifelhafte 
Ertragsteigerungen  herbeiführten.  Endlich  habe  ich  selbst  im  letzten 
Jahre  eine  große  Reihe  von  Stoffen  im  Vegetationsversuch  geprüft,  und 
es  ergab  sich  dabei,  daß  bei  Anwendung  im  Herbst  folgende  Körper  im 
nächsten  Jahre  folgende  Trockensubstanzernten  hervorbrachten,  wenn 
man  Unbehandelt  =  100  setzt: 

Schwefelkohlenstoff  133.2  u.  160.9 

Tetrachlorkohlenstoff  120.2 

Chloroform  187.4 

Benzol  136.0 

Toluol  210.4 

Xylol  121.1 

Es  haben  demnach  nur  p-Kresol,  Alkohol  und  Äther  noch  keine 
Ertragsteigerung  hervorgerufen,  doch  sind  diese  Stoffe  nicht  etwa  in- 
different oder  nur  schädhch,  sondern  sie  werden  entweder,  wie  p-Kresol, 
langsamer  aufgearbeitet,  so  daß  ihre  ortragsteigernde  Wirkung  erst 
später  hervortreten  kann,  oder  es  handelt  sich,  wie  bei  Äther  und  Al- 
kohol, um  sekundäre  Reaktionen,  die  das  Ergebnis  verdunkeln.  In 
Tharandt  z.  B.  wirkte  Äther  vorzüglich  ertragsteigernd. 

Nach  all  diesen  Ergebnissen  steht  es  fest,  daß  Giftstoffe,  die  bei 
direkter  Einwirkung  auf  Pflanzen,  z.  B.  in  W^asserkulturen,  den  so- 
fortigen Tod  oder  die  schwersten  Schädigungen  hervorrufen  würden, 
dann  ertragsteigernd  wirken,  wenn  man  sie  einige  Zeit  vor  dem  An- 
bau in  den  lebenden,  d.  h.  nicht  sterilisierten  Ackerboden  einbringt. 
Ich  mache  noch  besonders  darauf  aufmerksam,  daß  es  sich  dabei  zum 
Teil  um  Stoffe  handelt,  wie  etwa  Karbolsäure  oder  die  Kresole,  die 
nicht  wieder  gasförmig  aus  dem  Boden  verschwinden  oder  ausge- 
waschen werden,  denn  bei  meinen  Versuchen  handelt  es  sich  um 
Kulturen  in  geschlossenen  Töpfen.  Es  bleibt  also  nur  der  Schluß,  daß 
die    nicht    verdunstenden   Stoffe    durch   Festlegung  oder  Zersetzung  un- 


Phenol 

146.0 

o-Kresol 

170.1 

m-Kresol 

171.3 

p-Kresol 

97.7 

Alkohol 

93.1 

Äther 

94.2 

Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  115 

schädlich  gemacht  werden,  und  das  trifft  in  der  Tat  auch  zu.  So 
sonderbar  es  klingen  mag,  es  ist  eine  leicht  zu  erweisende  Tatsache, 
daß  solche  Stoffe,  wie  Karbolsäure,  Kresol,  T  oluol,  Xylol  von 
Bakterien  und  Streptothrix-Arten  als  ausschließliche  Kohlen- 
stoffquelle zur  Ernährung  benutzt  werden  können.  Zum  Beweise 
kann  ich  eine  Reihe  von  Kulturen  vorlegen,  bei  denen  die  genannten 
Stoffe  als  einzige  Kohlenstoffquelle  neben  ausschließhchen  Mineralstoffen  — 
Stickstoff  als  Ammonsalz  gegeben  —  das  Wachstum  der  Bakterienrein-  und 
Rohkulturen  ermöglicht  haben,  wie  die  klar  gebliebenen  Vergleichskulturen 
ohne  die  genannten  Stoffe  bew^eisen  (Demonstration).  Hier  liegt  wieder  einmal 
ein  schöner  Beweis  für  die  unvergleichliche  Vielseitigkeit  der  Bakterien  vor, 
denen  Stoffe,  die  fiir  höhere  Pflanzen  und  für  alle  Tiere  die  stärksten  Gifte 
sind,  als  zusagende  Nahrung  zu  dienen  vermögen.  Natürlich  kommt  es 
darauf  an,  daß  die  Konzentration  der  Gifte  eine  geringe  ist  und  daß 
eine  eventuelle  Säurewirkung  abgestumpft  wird.  Aber  welche  be- 
deutenden Mengen  trotzdem  noch  in  den  Boden  eingeführt  werden 
können,  ohne  seine  Ertragfähigkeit  auch  nur  relativ  kurze  Zeit  nachher 
wesentlich  herabzudrücken,  möge  ein  in  Halle  ausgeführter  Versuch  be- 
weisen, bei  dem  die  Menge  von  100  g  Karbolsäure,  resp,  Rohkresol 
pro  1  qm,  im  Mai  gegeben,  den  4  Wochen  später  angebauten  Senf 
überhaupt  nicht  in  der  Ernte  herabdrückte.  Und  bei  meinen  Topf- 
versuchen mit  Ertragerhöhung  durch  Karbolsäure  und  Kresole  traf  auf 
1  kg  Boden  1,25  g  dos  Giftes,  in  5°/oiger  Lösung  gegeben. 

Solche  Stoffe  wie  Schwefelkohlenstoff,  Tetrachlorkohlenstoff,  Chloro- 
form, Benzol  u.  a.  vermögen  hingegen  den  Bakterien  nicht  als  Nahrung  zu 
dienen;  da  sie  aber  trotzdem  und  gerade  besonders  stark  die  Ertragsteigerung 
hervorrufen,  ist  damit  der  Beweis  geführt,  daß  die  Ertragsteigerung 
nicht  davon  abhängt,  ob  ein  Giftstoff  -den  Bakterien  als  Nahrung 
dienen  kann  oder  nicht.  Besonders  beweisend  ist  in  dieser  Beziehung 
der  vollkommen  oxydierte  und  daher  als  Energiequelle  unmögliche 
Tetrachlorkohlenstoff.  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  darauf 
hinweisen,  daß  es  ganz  von  der  chemischen  Konfiguration  abhängt,  ob 
ein  organischer  Stoff  als  Nährstoff  quelle  dienen  kann.  Der  Benzolring 
scheint  direkt  nur  schwer  angegriffen  zu  werden,  dagegen  ist  seine  Auf- 
spaltung anscheinend  leicht,  wenn  ihnMethyl- oder  Hydroxylgruppen  belasten. 
Die  Kohlenwasserstoffe  der  aliphatischen  Reihe  müßten  dementsprechend 
leicht  angreifbar  sein,  und  in  der  Tat  sind  Methan,  Äthan,  Äthylen  usw.  gute 
Energiestoffe  für  gewisse  Bakterienarten;  ja  selbst  das  hochmolekulare 
Paraffin  widersteht  bekanntlich  nicht  den  Mikroben.  Dementsprechend  ist 
auch  Leuchtgas  eine  Energiequelle  für  viele  Bakterien,  unter  anderen 
für  Bacierium  oÜgocarbophüum  Beij.  .  Eine  mit  Leuchtgas  ernährte  Rein- 

8* 


IIQ  K.  stornier. 

kultur  eines  Methylverzehrers  auf  ausgewaschenem  Agar  nach 
Beijerinck  erlaube  ich  mir  vorzulegen.  (Demonstration.)  Der  als 
Bad.  hexacarbovorum  bezeichnete  Organismus  vermag  Methan,  Toluol, 
Xylol  oder  Leuchtgas  als  ausschließliche  C-Quelle  zu  verwerten. 

Die  bisher  aufgeführten  Tatsachen  haben  auf  die  Frage  nach  der 
Ursache  jener  rätselhaften  ertragsteigernden  Wirkung  der  Gifte  im 
Boden  nur  negative  Antworten  gegeben;  sie  sind  geeignet,  auch  noch 
anderen  Theorien  den  Boden  zu  entziehen,  vor  allem  der  nur  bei  alleiniger 
Betrachtung  der  Schwefelkohlenstofffrage  überhaupt  möglichen  Minerali- 
sierungstheorie des  Schwefelkohlenstoffs,  die  zuerst  von  Oberlin 
aufgestellt  wurde.  Nach  derselben  soll  der  Schwefelkohlenstoff  izum  Teil 
im  Boden  zu  Schwefelsäure  oxydiert  werden  und  diese  ihrerseits  auf  den 
Boden,  namentlich  auf  die  Mineralstoffe,  aufschließend  wirken.  Es  ist 
nicht  zu  bezweifeln,  daß  dieser  Vorgang  sich  im  Boden  abspielt;  denn 
es  läßt  sich  leicht  nachweisen,  daß  die  SOg-Menge  nach  einer  Schwefel- 
kohlenstoff-Behandlung des  Bodens  zunimmt.  Dieser  Nachweis  ist  zuerst 
von  Moritz  und  Scherpe,  dann  von  Heinze  an  Freilanderden  geführt 
worden;  ich  selbst  habe  das  gleiche  Resultat  an  Topferden  erhalten,  wo 
der  Einwand  einer  eventuellen  stärkeren  Auswaschung  wegfällt.  Der 
Gehalt  an  wasserlöslichen  Sulfaten  betrug,  berechnet  auf  SO3,  bei 
Unbehandelt  0  2188°/oo  =  100 

Schwefelkohlenstoff     0.2795   „   =  127.7 
Tetrachlorkohlenstoff  0.1830   „   =83.6 
Benzol  0.2272   „   =  103.8. 

Man  beobachtet  also  eine  deutliche  Zunahme  der  Schwefelsäure 
bei  Schwefelkohlenstoff;  aber  die  Menge  des  oxydierten  Schwefels  ist  doch 
recht  gering,  beträgt  in  meinem  Falle  z.  B.  nur  1,5*^/0  des  im  Schwefel- 
kohlenstoff gegebenen  Schwefels,  und  wenn  hierdurch  auch  eine  gewisse 
Aufschließung  von  Phosphorsäure  und  Kali  eintreten  wird,  so  ,kann  damit 
doch  die  Schwefelkohlenstoffwirkung  nicht  erklärt  werden,  weil  die 
andern  schwefelfreien  Stoffe  natürlich  keine  Schwefelsäure  liefern  können, 
aber  trotzdem  ebenso  ertragsteigernd  wirken. 

Außerdem  könnte  ertragsteigernd  die  Wirkung  der  Giftstoffe  auch 
gar  nicht  ausschließlich  auf  ein  Mehr  an  löslicher  Phosphorsäure  oder 
Kali  zurückgeführt  werden,  denn  es  bliebe  dabei  der  dritte  Hauptnährstoff, 
der  Stickstoff,  unberücksichtigt,  und  gerade  auf  diesen  kommt  es  an. 
Es  kann  nämlich  nicht  daran  gezweifelt  werden,  daß  die  ertrag- 
steigernde Wirkung  der  Giftstoffe  auf  eine  Stickstoffwirkung  zurück- 
zuführen ist,  zumal  sie  durch  dieselben  Merkmale,  wie  sie  z.B. eine  Salpeter- 
düngung hervorbringt,  charakterisiert  ist.  Hiltner  und  mir  ist  zwar  ver- 
dacht worden,  daß  wir  uns  in  unserer  Dahlemer  Arbeit  ohne  weiteres  auf 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  J^17 

diesen  Standpunkt  gestellt  haben.  Uns  wurde  aber  beim  täglichen  Be- 
obachten der  Feldversuche  von  Moritz  und  Scherpe  und  unserer 
eigenen  Topfversuche  immer  mehr  zur  Gewißheit,  daß  es  sich  in  der 
Tat  um  eine  Stickstoffwirkung  handelt.  Da  aber  die  Arbeit  von  Moritz 
und  Scherpe  gerade  den  Zweck  hatte,  die  Schwefelkohlenstoff-Wirkung 
chemisch  aufzuklären,  so  muiUen  wir  es  selbstverständlich  den  genannten 
Herren  überlassen,  den  Beweis  hierfür  zu  erbringen.  Das  ist  auch  mit 
einem  umfangreichen  Versuchsmaterial  geschehen.  Besonders  beweisend 
erscheint  mir  in  dieser  Beziehung  der  große  Feldversuch  vom  Jahre  1902, 
der  einen  vollständigen  Düngungsversuch  in  Kombination  mit  einem 
Schwefelkohlenstoff"- Versuch  darstellt  und  bei  dem  die  Schwefelkohlenstoff- 
Gabe  zufällig  dieselbe  Ertragssteigerung  hervorrief,  wie  die  Chilisaipeter- 
düngung  in  Hi^he  von  etwa   l'/3  Ztr.  pro   1  Morgen  (vgl.  Tabelle  1). 

Tabelle  I. 
Feldversuch    von    Moritz   und    Scherpe   vom   Jahre    1902. 
Parzellengröße:    13  qm. 
Erntegewicht  in  ka- 


Ohne  Schwefelkohlenstoff 

Mit  Sc 

hwefelkohlenstoff 

Körner 

Stroh 

Zusammen 

Körner 

Stroh 

Zusammen 

Ungedüngt 

1,10 

2,85 

3,95 

i 

2,03 

4,93 

6,96 

j 

K 

1,03 

2,79 

3,82 

16,39 
\ 

1,96 

4,56 

6,52 

27,06 

\ 

P 

1,20 

3,08 

4,28 

2,14 

5,00 

7,14 

K  -hP 

1,22 

3,12 

4,34 

1,77 

4,67 

6,44 

N 

2,10 

4,59 

6,69 

i 

2,39 

6,18 

8,57 

i 

N  +  K 
N  +  P 

2,15 

2,09 

4,51 

4,72 

6,66 

6,81 

26,59 

\ 

2,62 
2,35 

5,84 
5,07 

8,46 
7,42 

'32,81 

\ 

N  4-  K  +  P 

2,07 

4,36 

6,43 

2,54 

5,82 

8,36 

Es  ergaben  darnach  4  Parzellen  ohne  N-E)üngung  einen  Gesamt- 
ertrag von  16,39  kg,  die  Stickstoffgabe  steigerte  den  Ertrag  auf 
26,59  kg,  die  Schwefelkohlenstoff'- Behandlung  auf  27,06  kg;  beide 
also  etwa  von  100  auf  163.  Stickstoff  und  Schwefelkohlenstoff 
steigerten  dann  nochmals  den  Ertrag,  aber  bezeichnenderweise  nicht 
mehr  um  10  kg,  sondern  nur  noch  um  5^/4  kg.  Es  war  also  be- 
reits Überdüngung  mit  N  eingetreten,  weil  schon  die  Schwefelkohlenstoff- 
behandlung wie  eine  N-Gabe  gewirkt  hat.  An  Mineralstoffen  kann  es  bei 
diesem  Versuch  nicht  gefehlt  haben;  denn  diese  sind  reichlich  gegeben  worden, 
und  waren  auch  von  vornherein  so  reichlich  im  Boden  vorhanden,  daß  eine 
durch  sie  hervorgerufene  Ernteerhöhung  in  keinem  Falle  zu  beobachten  isi. 
Wie     dieser,    so    verlaufen     alle    Schwefelkohlenstoffversuche,     die    oft- 


118 


K.  Störmer, 


mals  auch  einen  höheren  prozentischen  N-Gehalt  in  der  Erntemasse, 
stets  aber  eine  größere  Stickstoffernte  erge  ben.  Die  Steigerung  be- 
wegt sich  meist  in  der  Höhe  von  30  — 40*^/0,  erreicht  aber  bisweilen  dieHöhe 
von  80  und  mehr  ^/q  und  korrespondiert  im  übrigen  meist  mit  der 
Steigerung  der  Trockensubstanzernte.  Das  ist  auch  nicht  anders 
möglich,  da  selbst  bei  der  stärksten  Schwefelkohlenstoff-Gabe  der  Stick- 
stoff immer  noch  im  Minimum  ist,  wie  z.  B.  die  Wirkung  der  weiteren 
N-Gabe  in  dem  erwähnten  Moritz-Scherpeschen  Versuch  beweist. 

Selbstverständlich  verhalten  sich  in  bezug  auf  die  Steigerung  der 
N-Ernte  auch  die  anderen  Giftstoffe  genau  so  wie  Schwefelkohlenstoff; 
und  so  waren  z.  B.  bei  meinem  Versuch,  von  dem  ich  bereits  die  proz. 
Erhöhung  der  Trockensubstanzernte  aufgezählt  habe,  die  N-Ernten,  wenn 
Unbehandelt  —  100  gesetzt  wird, 

bei  Schvvefelkohlensloff     .     .  =182,7  bei  Phenol =137,8 

11.  177,0  „    o-Kresol =  173,5 

„    Tetrachlorkohlenstoff.     .  =  142,7  „    m-Kresol =  165,3 

„    Chloroform =  189,4  „    p-Kresol =-    86,8 

„    Benzol =  149,3  „    Alkohol =    98,9 

„    Toluol =244,5  „    Äther =    96,9 

„    Xylol =  136,8 

Jede  Theorie,  welche  die  Wirkung  dieser  Giftstoffe  zureichend  erklären 
will,  muß  nach  alledem  in  erster  Linie  Aufschluß  darüber  geben  können, 
wie  diese  größeren  Stickstoffernten  zustande  kommen.  Wir  werden 
daher  einem  sicheren  Führer  folgen,  wenn  wir  mit  dieser  Fragestellung 
an  jeden  Erklärungsversuch  herantreten.  Vermag  z.  B.  die  viel  um- 
strittene A.  Koch  sehe  Reiztheorie  die  Tatsachen  zwanglos  zu  erklären? 
Diese  nimmt  bekanntlich  an,  daßsehrkleineMengen  des  Schwefelkohlenstoffs 
im  Boden  zurückbleiben  und  nun  nicht  mehr  schädlich,  sondern  an- 
regend auf  die  Pflanzen  wirken,  etwa  in  derselben  Weise,  wie  viele 
Gifte,  in  sehr  kleinen  Mengen  in  den  tierischen  Organismus  eingeführt, 
zu  erhöhter  Zelltätigkeit  und  kräftigeren  Wachstumsvorgängen  anregen. 
Zunächst  müßte  die  Theorie  über  die  A.  Kochs  che  Fassung  hinaus  er- 
weitert werden,  da  nicht,  wieKoch  zuerst  glaubte,  eine  spezifische  Wirkung 
des  Schwefelkohlenstoffs  vorliegt,  die  nach  ihm  z.  B.  Äther  nicht  haben  soll, 
sondern  alle  Giftstoffe  in  gleicher  Weise  wirken.  Damit  könnte  man  sich  in- 
dessen einverstanden  erklären,  wenn  nicht  andere  Schwierigkeiten  vor- 
lägen, die  die  Reiztheorie  bisher  nicht  überwunden  hat.  Moritz  und 
Scherpe  konnten  beobachten,  daß  eine  einmalige  Schwefelkohlenstoffgabe 
noch  im  dritten  Jahre  ertragsteigernd  wirkte,  und  wenn  wir  durch  dieselben 
Versuchsansteller  auch  wissen,  daß  sich  bei  den  hierfür  günstigen 
Witterungsverhältnissen  des  Winters  der  Schwefelkohlenstoff  spiirenweise 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  119 

monatelang-  im  Boden  halten  kann,  so  ist  dies  sicher  nicht  der  Fall 
nach  Ablauf  zweier  Jahre.     Wo  kommt    aber    dann  die  Anregung  her? 

A.Koch  wurde  bekanntlich  zu  seiner  Theorie  durch  die  Beobachtung 
veranlaßt,  daß  Schwefelkohlenstoff  auch  in  sterilisierter  Erde  ertragerhöhend 
wirkte.  Erst  kürzlich  hat  aber  B.  Heinze  dargetan,  auf  wie  schwachen 
Füßen  dieser  experimentell  nicht  einwandfreie  Versuch  ruht,  bei  dem 
vermutlich  schon  die  Sterilisation  der  verwendeten  Erde  nicht  gelang. 
Widerlegt  erscheint  er  mir  durch  den  gleichen,  äußerst  exakt  durch- 
geführten Versuch  von  Moritz  und  Scherpe,  in  dem  analytisch  fest- 
gelegt ist,  daß  dieselbe  Dahlemer  Erde,  einwandfrei  sterilisiert,  durchaus 
nicht,  unsterilisiert  hingegen  in  kräftiger  Weise  auf  eine  kräftige  Carbo- 
sulfurierung  mit  einer  Ernteerhöhung  reagierte.  Ich  kann  diesem  Ver- 
such gegenüber  auch  nicht  die  Einwände  von  Vogel  und  Heinze 
gelten  lassen,  die  befürchten,  daß  die  großen  Mengen  von  löslichem 
Stickstoff  in  dem  sterilisierten  Boden  einen  etwaigen  fördernden  Einflul5 
des  Schwefelkohlenstoffs  nicht  mehr  haben  erkennen  lassen.  Diese  Ge- 
fahr ist  bei  dem  Dahlemer  Boden  nicht  so  groß,  und  ferner  ist  zu  er- 
widern, daß  gerade  jene  in  Frage  stehende  Anregung  die  Pflanzen  ganz 
besonders  befähigen  würde,  große  N-Mengen  zu  konsumieren,  daß  also 
infolgedessen  auf  jeden  Fall  ein  wenn  auch  geringer  Ausschlag  zu- 
gunsten der  sterilisierten  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Töpfe  hätte 
eintreten  müssen.     In  der  Tat  ist  das  Gegenteil  der  Fall. 

Ferner  stimmt  die  Reiztheorie  auch  sehr  schlecht  mit  der  weiteren 
von  Moritz  und  Scherpe  erwiesenen  Tatsache  überein,  daß  steigenden 
Schwefelkohlenstoff-Mengen  steigende  Erträge  parallel  gehen,  da  für  den 
Reiz  nur  sehr  geringe  Mengen  in  Frage  kommen,  die  schon  die 
kleinste  Schwefelkohlenstoff-Gabe  liefern  würde. 

Behrens  hat  Hiltner  und  mir  den  Vorwurf  gemacht,  daß  wir 
über  die  Reiztheorie  kurzerhand  weggegangen  seien.  Ich  persönlich  muß 
gestehen,  daß  sie  mir  stets  unzulänglich  erschien,  weil  sie  die  interessante 
Schwefelkohlenstofffrage  aus  dem  Lichte  oder  auch  nur  Dämmerschein 
vorwärtsstrebender  Forschung  in  dieNacht  nicht  recht  faßbarerReizvorgänge 
verweist.  Aber  ich  möchte  doch  daran  erinnern,  daß  wir  schon  damals 
schrieben:  „Es  ist  ersichtlich,  daß  selbst  wenn  A.  Kochs  Erklärung  den 
Tatsachen  entspricht,  doch  nach  wie  vor  zu  untersuchen  bleibt,  wie  der 
Schwefelkohlenstoff  auf  die  Mikrobenwelt  des  Bodens  einwirkt  und  in 
welcher  Weise  davon  das  Pflanzenwachstum  beeinflußt  wird."  Auch 
jetzt  will  ich  nicht  verkennen,  daß  manche  Beobachtungen,  z.  B.  die 
bessere  Ausbildung  von  LeguminosenknöUchen  in  einem  Boden,  der  mit 
CS2  oder  Äther  usw.  behandelt  wurde,  als  Reizwirkungen  gedeutet 
werden  können;    aber    dieselbe  Tatsache  ist  auch  in  einem  durch  Hitze 


120 


K.  Störmer. 


sterilisierten  Boden,  dem  Knüllchenbakterien  wieder  zugeführt  werden, 
sicher  beobachtet  und  analytisch  bewiesen  worden.  Hier  spielen  Vor- 
gänge hinein,  die  durch  Abtötung  einer  schädlichen  Wurzelflora  und 
-fauna  usw.  erklärt  werden  müssen.  Meiner  Überzeugung  nach  hat  die 
Reiztheorie  zurzeit  nur  noch  wenig  Boden  unter  den  Füßen,  und  in  der 
Tat  haben  ihr  von  neueren  Bearbeitern  der  Frage  nur  Nobbe  und 
Richter  zugestimmt,  während  Moritz  und  Scherpe,  sowie  Krüger 
und  Heinze  mit  uns  Stickstoffwirkung  und  indirekt  bakterielle  Wirkung 
annehmen.  Die  Nobbe- Richterschen  Betrachtungen  sind  aber  schon 
deshalb  nicht  stichhaltig,  weil  sie  sich  auf  die  Annahme  gründen, 
daß  z.  B.  Chloroform  selbst  in  minimalen  Mengen  bakterientötend 
wirke  und  infolgedessen  nicht  die  gleiche  Bakterienentwickelung,  wie 
z.  B.  Schwefelkohlenstoff,  hervorrufen  könne,  trotzdem  aber  in  gleicher 
Weise  ertragfördernd  wirke.  Ich  brauche  wohl  nicht  weiter  auszu- 
führen, daß  weder  Chloroform  noch  überhaupt  irgendein  derartiger  Stoff 
bei  vorübergehender  Einwirkung  imstande  ist,  einen  Boden  keimfrei  zu 
machen. 

Die  von  Miltner  und  mir  aufgestellte  Theorie  der  indirekten  bak- 
teriellen Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  geht  von  der  im  Jahre  1900 
gemachten  Beobachtung  aus,  daß  die  Behandlung  des  Bodens  mit  dem  Gifte 
zunächst  eine  Abtötung  des  größeren  Teils  der  Bakterien  verursacht,  der 
sehr  bald  ein  rapi  ies  Ansteigen  der  Bodenmikroben  weit  über  die  an- 
fänglich vorhandene  Menge  hinaus  folgt.  Alle  späteren  Beobachter  be- 
stätigen diesen  Befund,  namentlich  wurde  die  starke  Bakterienvermehrung 
regelmäßig  konstatiert.  Hiltner  und  ich  schlössen  in  unserer  ersten 
Arbeit,  daß  diese  Bakterienvermehrung  durch  die  mit  der  anfänglichen 
Abtötung  eines  Teiles  der  Bakterienflora  verbundenen  „Gleichgewichts- 
störung" der  Organismen  untereinander,  die  wir  uns  in  einem  gegen- 
seitigen Abhängigkeitsverhältnis  vorstellten,  zu  erklären  sei,  auf  jeden 
Fall  aber  erhöhte  Umsetzung  stickstoffhaltiger  Substanzen  zur  Folge 
haben  müsse.  Die  Nährstoffe  hierfür  liefere  entweder  das  schwerer  an- 
greifbare Stickstoffkapital  des  Bodens  oder  aber  Stickstoffsammlung. 
Auch  die  Beseitigung  von  Stoffwechselprodukten  zogen  wir  in  den  Kreis- 
unserer  Betrachtungen.  Nach  all  diesen  Richtungen  ist  inzwischen  die 
Frage  weiter  ausgebaut  worden.  Moritz  und  Scherpe  berichteten 
1906,  daß  ihre  rein  chemischen  Untersuchungen  sie  vermuten  lassen,  daß 
in  der  Auf  Schließung  des  den  Pflanzen  schwerer  zugänglichen  Boden- 
stickstoffes die  wesentliche  Wirkung  der  Schwefelkohlenstoffbehandlung 
des  Bodens  zu  suchen  sei.  B.  Heinze  dagegen  neigt  mehr  der  Ansicht  zu, 
daß  die  Assimilation  des  atmosphärischen  Stickstoffs  durch  Azotobakter  nach 
einer  Schwefelkohlenstoffgabe  begünstigt  werde,  und  Hiltner  endlich  erblickt 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  121 

die  Lösung  der  Schwefelkohlenstofffrage  darin,  daß  der  Schwefelkohlenstoff 
sog.  Hemmungsstoffe  im  Boden  beseitige,  wodurch  die  enorme  Zu- 
nahme der  Bakterien  ihre  Erklärung  finde. 

Welcher  von  diesen  Lösungsversuchen  trifft  nun  das  Richtige, 
oder  gibt  es  noch  eine  andere  Lösung?  An  der  Hand  meiner  Unter- 
suchungsergebnisse will  ich  diese  Frage  zu  beantworten  versuchen. 
Zunächst  einige  Worte  über  die  befolgte  Methodik.  Meine  Absicht 
war,  ein  und  denselben  Boden  mit  einer  Reihe  von  Giften 
verschiedenster  chemischer  Konstitution  zu  behandeln  und 
durch  fortlaufende  chemische  und  bakteriologische  Unter- 
suchungen die  Veränderungen  im  Nährstoffgehalt  und  in 
Flora  und  Fauna  zu  kontrollieren,  sowie  ihn  gleichzeitig  zu 
Vegetationsversuchen  zu  benützen,  um  einwandfrei  die  Wirkung 
der  Behandlung  auf  das  Pflanzenwachstum  festzustellen.  Zur  bakterio- 
logischen und  chemischen  Untersuchung  konnten  natürlich  nicht  alle, 
sondern  nur  7  ausgewählte  Behandlungsarten  gelangen.     Es    sind  dies: 

1.  Unbehandelter  Boden, 

2.  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelter  Boden,   1,6     g  pro   1   kg  Erde 

3.  „  Tetrachlorkohlenstoff  „  „  2,4      „  „  1  „       „ 

4.  „  Benzol  „  „  1,6     ,,  ,,  1  „ 

5.  „  Xylol  „  „  1,6     „  „  1  „      „ 

6.  „  Phenol  „  „  1,25  ,,  ,,  1  ,, 

7.  „  p-Kresol  „  „  1,25  „  .,  1  .,       „ 

Die  Eingabe  der  Gifte  erfolgte  im  Oktober  1906.  Die  ganze  An- 
lage der  geplanten  Arbeit  erforderte  einen  Topfversuch,  der  auch  noch 
deshalb  gewählt  wurde,  weil  die  Auswaschung  vermieden  und  die 
Feuchtigkeit  geregelt  werden  sollte.  Da  inzwischen  erwiesen  ist,  daß 
die  Gifte  in  den  Töpfen  ebenso  wirken,  wie  im  Freiland,  lagen  auch 
in  dieser  Richtung  keine  Bedenken  gegen  einen  Gefäßversuch  vor. 
Dagegen  gewann  ich  mit  einem  solchen  den  großen  Vorteil,  eine  gleichmäßig 
gemischte  abgesiebte  Erde  verwenden  zu  können,  die  bei  der  N-Analyse 
eine  größere  Genauigkeit  der  Resultate  versprach.  Zur  bakteriologischen 
Untersuchung  wurde  sowohl  die  Plattenauszählungsmethode,  als  auch 
die  Auszählung  in  flüssigen  Nährmedien  und  die  Kultur  in  flüssigen  Nähr- 
lösungen nach  Remy-Löhnis  unter  Verwendung  einer  lOprozentigen 
Erdimpfung  benützt.  Zur  Auszählung  der  gesamten  Bakterienzahl  ver- 
wende ich  jetzt  einen  besonderen,  neutralen  Agarnährboden,  auf  dem  fast 
sämtUche  Bodenmikroben,  sogar  Amöben,  wachsen.  Es  gelang  mir,  damit 
weit  höhere  Keimzahlen  als  die  bisher  ermittelten  festzustellen,  z.  B. 
ging  die  Keimzahl  in  der  unbehandelten  Erde  nicht  unter  12  Millionen  in 
1  g  Boden  und  stieg  im  Sommer  auf  über  50  Millionen,   so  daß  ich  mit 


122 


K.  Stornier. 


der  Feststellung  dieser  Zahlen  vermutlich  bis  nahe  an  die  Grenze  der  über- 
haupt im  Erdboden  vorhandenen  Bakterienmengen  gelangt  zu  sein  glaube. 
Mit  diesem  Nährboden  lassen  sich  vermutlich  auch  die  Einflüsse  der 
Jahreszeit,  der  Temperatur  usw.  genauer  als  bisher  feststellen.  Ich 
bin  Jetzt  damit  beschäftigt,  auf  diese  Weise  die  annähernd  wahre  Zahl 
der  in  gebrachtem  Boden  vorhandenen  Bakterien  festzustellen. 

Bezüglich  der  Keimzahl  ließ  sich  mit  der  Methode  ermitteln,  daß 
sämtliche  erwähnten  Behandlungsarten  zu  einem  Maximum  der  Bak- 
terienvermehrung führten,  das  abhängig  ist  einerseits  vom  ange- 
wendeten Giftstoff,  anderseits  von  den  zufällig  zur  Vermehrung  ge- 
langenden Bakterienarten.  Denn  wenn  es  sich  auch  für  jeden  Stoff 
immer  nur  um  einen  relativ  engeren  Kreis  bestimmter  Bakterien  handelt, 
die  unter  seinem  Einflüsse  zu  der  ungeheuren  Vermehrung  gelangen 
können,  so  sind  ihrer  doch  immer  noch  genug  —  ich  besitze  z.  B.  etwa 
ein  Dutzend  „schwefelkohlenstofffeste"  Bakterienarten  —  und  jede  neue 
Untersuchung  kann  neue  Überraschungen  in  bezug  auf  auftretende 
Bakterienarten  bringen.  Charakterisiert  sind  diese  Arten  entweder  durch 
eine  größere  Widerstandsfähigkeit  gegenüber  dem  betreffenden  Giftstoff, 
oder  aber,  falls  er  dazu  geeignet  ist,  durch  die  Fähigkeit,  ihn  als 
Nährstoff  gebrauchen  zu  können.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Art 
elektiver  Kultur,  bei  der  entweder  ein  Nährstoff  oder  ein  Giftstoff  elektiv 
wirken.  Die  Keimhöhe  steigt  bis  auf  200  —  400  Millionen  im  Gramm 
Erde  und  ist  am  höchsten  dort,  wo  der  Giftstoff  zugleich  als  Nährstoff 
verwertet  werden  kann.     (Vgl.   Tabelle  II.) 


Tabelle  II. 
Baktmen^eh.ilt    in    den  Erden,    beredmet  auf  1  ü'   wasserfreie  Erde.') 

Millionen  Keime. 


Untersucht 
am 


Unbehan- 
delter 


Boden,  am  18.  Oktober  1906,  behandelt  mit 


T,     1  Sohwefel- 

lioüen     kohlenstoff 


Tetrachlor- 
kohlenstoff 


Benzol 


Xylol 


Phenol         p-Kresol 


29.  Okt.  06 
8.  Dez.  06 
11.  Febr.  07 
21.  Jidi  07 


16,495 
23,44 
12,74 
54,20 


327,4  9,134 

31,88  I    10,92 

19,65  I    89,61 

134.9  — 


14,675 

56,41 

24,41 


26,46 
18,52 
52,52 


5,894 
175,7 
431,00 


6,033 
3,491 
72,22 


Nach  einiger  Zeit  sinkt  die  Keimzahl  wieder,  ist  aber  nach  fast  Jahres- 
frist z.B.  bei  Schwefelkohlenstoff  noch  135  Mill.  gegenüber  54  Mill.  bei  dem 


')  Der  Wassergehalt  der  untersucliten  Böden  war  immer  annähernd  der- 
selbe und  ging  nicht  unter  10%  herab. 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  X23 

unbehandelten  Boden.  Ich  glaube  nicht,  daß  man  Grund  hat,  diese  Zahlen  für 
sehr  hoch  zu  halten;  im  Gegenteil  handelt  es  sich  meiner  Ansicht  nach  mehr 
um  Hungerzustände,  vergleichbar  etwa  einer  durch  Nahrungsmangel  zurück- 
gehaltenen Bevölkerung  eines  armen  Landes,  die  schon  in  wenigen  Ge- 
nerationen in  die  Höhe  geht,  wenn  neue  Erwerbsquellen  erschlossen 
werden.  Als  Resultat  dieser  Untersuchungen  konnte  ich  jedenfalls  ent- 
nehmen, daß  alle  geprüften  Giftstoffe  die  starke  Vermehrung 
auslösen,  demzufolge  auch,  aligesehen  von  sekundären  Re- 
aktionen, gleiche  Ursachen  hierfür  in  Frage  kommen  müssen. 
Passen  wir  zur  Ergründung  dieser  Ursachen  die  Stickstofffrage 
schärfer    ins    Auge,    so    haben    wir    hierfür  nacheinander  zu  behandeln 

1.  die  Stickstoffsammlung, 

2.  die  Nitrifikation  und  N-Auf Schließung. 

Von  vornherein  wäre  es  natürlich  nicht  ausgeschlossen,  daß  sich  ein 
stickstoffsammelnder  Organismus  an  der  starken  Bakterienvermehrung 
beteiligt  und  die  Stickstoffmengen  aus  der  Luft  gewinnt,  die  später  in 
der  Mehrornte  erscheinen.  Und  wo  assimilierbare  Verbindungen,  wie 
Phenol  in  Frage  kommen,  könnte  der  gewonnene  Kohlenstoff  in  irgend- 
einer Form  durch  eine  vermittelnde  Bakterienart  einem  N-Assimilanten 
zugute  kommen.  Zwei  Wege  wurden  eingeschlagen,  um  über  die  Be- 
deutung der  Stickstoffsammlung  für  die  CSa-Frage  zu  entscheiden; 
einerseits  die  Prüfung  mit  der  Rem  y-Löh  nisschen  Kultur  unter 
analytischer  Bestimmung  des  dabei  assimiherten  Stickstoffs  und  an- 
derseits die  genaue  Gesamt-N-Bestimmungen  nach  Jodlbauer  in  den 
Erden  zu  den  verschiedensten  Zeitpunkten.  Beide  Methoden  führten 
in  allen  Untersuchnngen  zu  demselben  negativen  Restiltate.  In  den 
Mannitlösungen  war  die  Stickstoffsammlung  bei  Beimpfung  mit  unbe- 
handelter Erde  ausnahmslos  ganz  bedeutend  höher  als  durch  irgend- 
eine der  behandelten  Erden,  im  Durchschnitt  wie  100  zu  30  bis  40. 
Daran  änderte  sich  auch  nicht  viel,  wenn  an  Stelle  des  2-basischen 
Kaliphosphates  das  von  B.  Heinze  empfohlene  3-basische  Salz  ge- 
nommen wurde.  Namentlich  Azotobakter  war  in  allen  behandelten 
Erden  ganz  verschwainden,  kräftig  vorhanden  dagegen  im  unbehandelten 
Boden.  Das  bestätigt  die  schon  von  Maaßen  und  Behn  gefundene 
hohe  Empfindlichkeit  von  Azotohacter  chroococcum  gegenüber  Schwefel- 
kohlenstoff.    (Vgl.  Tabelle  III,  S.  124.) 

Ebenso  eindeutig  sind  die  Resultate  der  Gesamt-N-Bestimmungen, 
bei  denen  sich  ergab,  daß  der  N-Gehalt  in  allen  Erden  von  Anfang  bis 
zu  Ende  unter  Berücksichtigung  der  Fehlergrenze  genau  derselbe  blieb. 
So    ergaben    z.  B.   die   sorgfältigsten    Bestimmungen   am    21.  Juli   1907 


124 


K.  Störmer. 


einen  Gesamtstickstoffgehalt  von  0,1107  °/o  in  der  unbehandelten  wasser- 
freien Erde  und  von  0,1097  ^jo  in  der  entsprechenden  Schwefelkohlenstoff 
Erde.     (Vgl.  Tabelle  IV.) 

Tabelle  III. 

N-Assimilation  in  200  ccm  einer  l°/oigeii  Maniiit-Bodenextrakt-Nährlösuiig, 

beinipl't  mit  10°/o  Erde,  kultiviert  ca.  30  Ta^e  bei  20*^. 


Eingabe  der  Gifte 
am  18.  Okt.  06. 
Untersucht  am 


29.  Okt.  06  ]^'^°«Ph^t 
8.  Dez.  06  ]^-f^' 
ll.Febr.07r^2H^°^ 

'       V3%0 

desgl.  Phosphat  als 
K3PO4  10/00 
3%o 
21.  Juli  07 


Gewonnener  N')  in  mg  bei  Beimpfung  mit  10% 
demselben  Boden,  behandelt  mit 
Schwefel-     Tetra- 
kohlen-    chlorkoh- 
stoff         lenstoff 


Erd 


e  aus 


Benzol    I     Xylol     '    Phenol 


p-Kresol 


20*' =  100!  889  =  44 
20^6  =  100  702  =  34 
184*^100    576  =  31 


1052  =  90 

1661  =  90 

1822=100 


576: 

826: 
744  = 

493: 


45 
=40 


896  =  44  ;  2S8  =  47 
770  =  37  949  =  4G 
95s  =  52     877  =  48 


1420=70      6^8  =  32  j  610  =  30 


698  =  34  1  965  =  46 
668  =  36  ■  797=43 


696  =  34 
626=34 


Tabelle  IV. 
(resamt-N-Bestimmiingen  «ach  Jodlbaur,  auf  wasserfreie  Erde  berechnet. 


Untersucht 
am 

Unbehan- 
delter Bo- 

Dei 
Schwefel- 

•selbe Bod 
Tetra- 

en, behandelt  am  18.  Okt.  06 

mit 

den 

kohlen- 
stoff 

chlorkoh- 
lenstoff 

Benzol    ,     Xylol 

Phenol 

1 

p-Kresol 

29.  Okt.  06 
8.  Dez.  06 
11.  Febr.  07 
6.  März  07 

0,10430/0 
.0,1101  „ 
0,1109  „ 
0,1081  „ 

0,1051  O/o 
0,1097  „ 
0,1102  „ 
0,1093  „ 

0,10750/0 
0,1095  „ 
0,1078  ., 

0,10350/0 
0,1074  „ 
0,1104  „ 

0,1070% 
0,1094  .. 
0,1121   „ 

0.10370/0 
0,1099  „ 
0,1067  „ 

0,10370/0 
0,1079  „ 
0,1093  „ 

13.  März  07 
1.  April  07 

0,1060  „ 

— 

— 

0,1114  „ 

0,1118  „ 

0,1107  ., 

— 

21.  Juli  07 

0,1107  „ 

0,1097  ., 

— 

— 

— 

— 

— 

Nach  alledem  läiit  sich  mit  grolier  Sicherheit  behaupten,  daß  die 
Stickstoffsammlung  für  die  Erklärung  der  Ertragförderung  durch  Schwefel- 
kohlenstoir  usw.  nicht  herangezogen  werden  kann. 

^6""  Krüger  und  Heinze  daher  bei  ihren  Freilanderden  in  dem 
')  Differenz  zwischen  gegebenem  und  gefundenem  Stickstoff. 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  125 

mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Boden  einen  höheren  N-Gehalt  finden, 
so  ist  dies  auf  andere  Verhältnisse,  vermutlich  verminderte  Auswaschung 
des  Salpeters,   zurückzuführen. 

Auch  geringere  Denitrifikationskraft  und  geringere  Stickstoff- 
festlegung sind  schon  als  Ursachen  der  ertragsfördernden  Wirkung  des 
Schwefelkohlenstoffs  angeführt  worden,  z.  B.  durch  P.  Wagner  und  durch 
Pfeiffer.  Meine  diesbezüglichen  Untersuchungen  ergaben  in  Überein- 
stimmung mit  den  Dahlemer  Versuchen,  daß  auch  im  schweren  Oberholzer 
Boden  die  Denitrifikanten  durch  die  GiftstolTe  zurückgedrängt  werden,  ohne 
indessen  ganz  zu  verschwinden.  Das  ist  von  Hiltner  und  mir  auch  nicht 
für  den  Dahlemer  Boden  behauptet  worden,  wie  Koch  anzunehmen  scheint. 
Ebenso  war  die  N- Festlegung  anfänglich  bei  den  behandelten  Erden 
bis  in  das  Frühjahr  hinein  geringer,  mit  Ausnahme  von  Karbolsäure  und 
Kresol,  also  den  Stoffen,  die  als  gute  C-Quelle  dienen,  später  aber 
wieder  höher.  Diese  Verhältnisse  ändern  sich  demnach  in  den  be- 
handelten Erden  in  relativ  kurzer  Zeit,  sind  aber  meiner  Meinung  nach 
mehr  als  sekundäre  Prozesse  zu  betrachten,  die  allerdings  das  End- 
resultat erheblich  beeinflussen  können.  Die  Bedeutung  und  Wirkung 
der  N-Pestlegung  wird  klarer,  wenn  man  sie  gleichzeitig  mit  Aramoniak- 
bildung  und  Nitrifikation  betrachtet. 

Da  Stickstoffsammlung  und  sehr  wahrscheinlich  auch  die  voll- 
ständigere Erhaltung  des  löslichen  Stickstoffs  nicht  die  Ursache  des 
besseren  Wachstums  nach  einer  Behandlung  des  Bodens  mit  Giftstoffen 
sein  können,  so  bleibt  nach  alledem  nur  noch  die  Stickstoffauf- 
schließung als  letzte  Erklärungsmöglichkeit  übrig,  und  diese  kommt 
nach  meinen  Versuchen  auch  als  hauptsächliche  Ursache  für  die  Er- 
tragssteigerung in  Frage. 

Wenn  die  Pflanzen  aus  den  behandelten  Böden  größere  Stickstoff- 
mengen als  aus  unbehandeltem  Boden  entnehmen  könne,  so  müssen  ihnen 
auch  größere  Mengen  an  löslichem  Stickstoff  in  jenen  zur  Verfügung  stehen. 
Ist  dies  richtig,  so  muß  auch  die  Analyse  ein  Mehr  ergeben,  und  das 
läßt  sich  in  der  Tat  nachweisen.  Als  lösUche  Stickstofformen  kommen 
Salpeter  und  Ammoniak  in  Frage,  deren  Vorkommen  und  Menge  im 
unbehandelten   und  im  giftbehandelten  Boden  wir  kurz  betrachten  wollen. 

Pagnoul  zeigte  schon  1895,  daß  der  Schwefelkohlenstoff  die  Nitrifi- 
kation anfänglich  unterdrückt,  daß  sie  sich  aber  später  wieder  um  so  leb- 
hafter einstellt.  Die  gleiche  anfängliche  Unterdrückung  der  Nitrifikation  auf 
lange  Zeit  hinaus  haben  erst  kürzlich  Krüger  und  Heinze  an  Frei- 
landböden analytisch  nachgewiesen.  Auch  bei  meinem  Topfversuche 
ließen  sich  die  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  in  idealer  Klarheit 
beobachten.     (Vgl.  Tabelle  V,  S.   126.) 


126 


K.  Stornier. 


Tabelle  V.     Nitrifikation. 
Niti'iflzierter  Animoiiiakstickstoft'  in  mg  N,  uitriliziert  in  100  ccm  Boden- 
extraktlösuug   mit  l'^/gg  (NH4)2S04,    beimpft    mit  lO^o  Erde,    kultiviert 

ca.  30  Tafte  bei  20°. 


Unbehan- 
delter   ! 

Tj    -,  '  Schwefel- 

ßoden      kohlenstoff 


Untersucht 
am 


Boden,  behandelt  um  18.  Okt.  üü  mit 

Benzol  Xylol      1     Phenol         p-Kresol 


Tetrachlor- 
kohlenstoff 


29.  Okt.  06 
8.  Dez.  06 
11.  Febr.  07 
21.  Juli  07 


821  =  100   067  =  8 
978  =  100:    1«  =  15 


734  =  100 
1060=100 


091  =  12 
14 '8  =  134 


081  =  10 

066=7 
000  =  0 


041  =  5 
1*8  =  15 
000=0 


124  =  15  j    0^1=4 

132^14    j     022  =  2 
063=9      1     000  =  0 


OSö  =  7 
020  ^  23 

000  =  0 


Bis  zum  April  1907  blieb  danach  die  Nitrifikation  in  den  behandelten 
Erden  fast  gänzlich  unterdrückt,  so  daß  m  Remy-Löhnis-Kultur  nur 
10  —  15  Teile  gegenüber  100  Teilen  N  bei  unbehandelten  Böden  nitrifiziert 
wurden.  Auch  die  direkte  Salpeterbestimmung  ergab  zu  dieser  Zeit 
im  carbosulfurierten  Boden  nur  70,5  Teile  Salpeterstickstoff  gegenüber 
100  Teilen  im  Vergleichsboden. 

Dann  setzte  die  stärkste  Nitrifikation  ein,  so  daß  im  Juli  das  Ver- 
hältnis in  der  flüssigen  Kultur  wie  100  :  133,8,  im  Boden  wie  100:  118,4 
war.  In  diesen  Ergebnissen  liegt  zugleich  ein  Beweis  für  die  Exakt- 
heit und  Brauchbarkeit  der  Remy-Löhnisschen  Kulturmethode  für 
Nitrifikationsversuche. 

Bleibt  somit  auch  die  Nitrifikation  anfänglich  lange  Zeit  unter- 
drückt, so  kann  das  gleiche  nicht  für  die  Ammoniakbildung  kon- 
statiert werden.  Diese  ist  vielmehr  von  Anfang  an  sehr  kräftig,  und 
so  sammelt  sich  im  behandelten  Boden  eine  NH3-Menge  an,  die  sich 
z.  B.  bei  Schwefelkuhlenstoff  in  einem  bestimmten  Falle  zu  Unbehandelt 
wie  241  :  100  verhielt,  somit  bedeutend  überwog. 

Und    die   Summe    beider    löslicher  Formen    des  Boden  Stickstoffs? 

Die  Summe    ist    zu  Anfang    der   Behandlung    natürlich    genau    dieselbe 

wie  bei  Unbehandelt,    wird  aber  sehr  bald    höher    und    übertrifft   später 

die  Menge  des  löslichen  Stickstoffs    im  Vergleichsboden    um   12  — 40"/o. 

(Vgl.  Tabelle  VI.  S.   127.) 

Jedenfalls  läßt  sich  zusammenfassend  feststellen,  daß  mit  der  leb- 
haften Bakterienvermehrung  in  den  behandelten  Böden  eine  erhöhte 
Ammoniakbildung  stattfindet.  Die  Nitrifikation  bleibt  zunächst  unterdrückt, 
wodurch  die  winterliche  Auswaschung  wegfällt  oder  mindestens  stark  ver- 
mindert wird,  betätigt  sich  aber  später  an  den  hohen  Ammoniakmengen  um 
so  lobhafter.     Schon    hiermit   haben   wir   ein   sehr   interessantes  Resultat 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden. 
Tabelle  VI. 


127 


Untersucht  am 


In  100  g  wasserfreier  Erde  •    -  ' 

jj  von  dem  am  18.  Okt.  06  mit 
vom  unbehandelten  Boden  (j^^  behandelten  Boden 


mg  N  als 
NHg      I     NgOp      I    Summe 


NH, 


mg  N  als 
NoO. 


Summe 


4.  April  07 
4.  Sept.  07 
4.  Sept.  07 


191  =  100 

167  =  100 


498  ^  100 

474  =  lOU 


692  =  loo 
641  =  100 


468=241,0 
16'  =  96,4 


351  ^  70^5 

561=118,4 


819=118,4 
722=112,6 


wie  oben,  nur  Tetrachlor- 
kohlenstoff 
desgl.  Benzol 


196=117 

20*  =  122 


725  =  153 

547=115 


921=143,7 

761=117,2 


gewonnen.  Es  zeigt  z.  B.,  daß  man  Sclnvefelkohlenstoff'  benützen  kann, 
um  in  einem  Boden  beliebig  lange  die  Nitrifikation  zu  unterdrücken, 
was  für  Untersuchungen  über  die  Größe  der  Auswaschung  in  unseren 
Ackerböden  unter  Umständen  sehr  wertvoll  sein  kann.  Ferner  aber  zeigte 
Sich  bei  meinen  Versuchen  ebenso  wie  bei  denen  von  Krüger  und 
Heinze,  daß  die  im  nicht  gedüngten  Boden  sich  ansammelnde  lös- 
liche N0O5-  oder  NH^-Menge  nicht  über  einen  bestimmten  Betrag,  der 
bei  8 — lU  mg  N  pro  100  g  Erde  liegt,  hinausgeht.  Dann  scheint  der 
Prozeß  sich  langsamer  abzuspielen,  und  Produktion  wie  Verbrauch  halten 
sich  die  Wage.  Danach  kann  man  Nitrifikation  sowohl  wie  Salpeter- 
auswaschung auch  als  regulierende  Faktoren  betrachten,  ohne  welche 
die  Tätigkeit  im  Boden  mit  der  Zeit  aufhören  müßte.  In  dieser  Stockung 
der  Umsetzungen  liegt  es  auch  begründet,  warum  wir  mit  unseren 
Analysen  nicht  die  Menge  von  Stickstoff  feststellen  können,  die  die  Pflanze 
aus  dem  Boden  entnimmt.  Bei  dieser  handelt  es  sich  um  eine  dauernde 
„Anregung"  des  Bodens  durch  Wegnahme  der  Endprodukte,  die  Ana- 
lyse hingegen  bestimmt  nur  einmal  die  Höhe  der  Endprodukte,  und  be- 
rücksichtigt nicht  die  dauernde  Entstehung. 

So  wertvolle  Einblicke  diese  Erkenntnisse  gewähren,  eine  Er- 
klärung über  die  wahren  Ursachen  der  sonderbaren  Wirkung  der 
Gifte  auf  den  Boden  enthalten  sie  doch  noch  nicht.  Woher  stammt 
denn  das  Mehr  von  aufgeschlossenen  StickstofTormen?  Welches  ist  die 
Quelle,  aus  der  z.  B.  das  in  so  starker  Weise  gebildete  Ammoniak  an- 
fänglich fheßt? 

Mit  dieser  Frage  stehen  wir  dem  Schwefelkohlenstoff -Rätsel 
in  seiner  wahren  Gestalt  gegenüber,  und  die  Beantwortung  gibt  zu- 
gleich die  Lösung  der  gesamten  Giftstoffrage.  Es  handelt  sich  um 
Gifte,  und   Güte  wirken  abtötend   auf   alles  organische  Leben,    das  nicht 


]^28  ^^-  '*^törmer. 

in  irgendeiner  Weise  sich  schützen  kann.  Was  aber  abgetötet  ist, 
verfällt  der  Zersetzung.  Folglich  stammen  die  Stickstoffmengen  und 
insbesondere  die  bald  stärker  vermehrten  Ammoniakmengen  von  den 
getöteten  Organismen.  Ein  Regenwurm,  der  im  Boden  lebt,  kann  nicht 
als  Pflanzennahrung  dienen,  denn  sein  lebendes  Plasma  hat  die  Fähig- 
keit, sich  der  Feinde  zu  erwehren.  Tötet  nun  Schwefelkohlenstoff- 
dampf dieses  Plasma,  so  unterliegt  es  sofort  der  Zersetzung,  bei 
welcher  bestimmte  Bakterienarten  zu  Hundertmillionen  infolge  dieser 
Nahrungsfülle  anschwellen.  Das  vorher  unangreifbare  und  für  die 
Pflanzen  unzugängliche  Protoplasma  wird  am  Ende  dieser  Zersetzungs- 
prozesse den  Pflanzen  als  Nahrung  zugänglich.  Die  starke  Ver- 
mehrung der  Bakterien  und  die  totale  Umwandlung  des  Charakters  dieser 
Bakterienflora  erklären  sich  darnach  als  eine  Folge  der  anfänglichen 
Abtötung.  Die  sich  abspielenden  Vorgänge  sind  manchen  Flußver- 
unreinigungen vergleichbar.  Wenn  z.  B.  ein  Quellwasser  anfänglich 
rein  und  klar  ist,  so  bietet  es  einer  geringen  Zahl  diesen  Verhältnissen 
angepaßten  Organismen  die  zusagenden  Lebensbedingungen.  Da  ergießt 
sich  eine  Verunreinigung,  die  Nährstoffe  mit  sich  führt,  in  den  Bach,  und 
sofort  ist  sein  Charakter  vollständig  verändert.  Seine  Keimmenge  schwillt 
um  Millionen  an,  die  ursprünglichen  Organismen  sind  verschwun- 
den und  haben  einer  neuen  Flora  und  Fauna  Platz  gemacht. 
Genau  so,  mutatis  mutandis,  wirkt  die  Giftbehandlung  des  Bodens, 
bei  der  die  Abtötung  von  Organismen  aller  Art  die  Zufuhr  von 
Nährstoffen  bedeutet.  Hier  drängt  sich  uns  die  Frage  auf,  ob  die 
Menge  der  abgetöteten  Organismen  so  bedeutend  ist,  um  die  Er- 
tragssteigerung zu  erklären,  und  ob  wir  klare  Beweise  für  die 
Abtötung  besitzen.  Wenn  man  bedenkt,  dai5  die  ganze  CSj- 
Wirkung  eines  Jahres  sich  aufbaut  auf  der  Mehrentnahme  von 
3  —  4  mg  N  aus  100  g  Boden,  so  ist  leicht  einzusehen  daß  diese 
Menge  aus  den  abgetöteten  Organismen  gedeckt  werden  kann. 
Und  welches  sind  die  Organismen,  die  in  Betracht  kommen?  Sie 
stammen  aus  fast  allen  Pflanzen-  und  Tierklassen,  und  es  mag  aufge- 
zählt werden,  was  in  dieser  Beziehung  bisher  positiv  beobachtet  worden 
ist.  Zunächst  kommen  sämtliche  Tiere  des  Bodens  in  Frage,  von  den 
Mäusen  angefangen,  bis  zu  den  Protozoen.  Ich  erinnere  nur  an  die 
Mengen  von  Würmern,  z.  B.  Regenwürmer  und  Enchyträiden,  die 
in  jedem  Boden  sich  finden,  an  die  zahllosen  Insekten  und  Insekten- 
larven, die  der  Boden  beherbergt,  und  ferner  an  das  ungeheure 
Reich  der  Protozoen,  die  den  Boden  sicher  ebenso  bewohnen  wie  das 
Wasser.  Das  Verschwinden  von  Amöben  nach  einer  Schwefelkohlenstoff- 
Behandlung  konnte  ich    z.  B.  direkt  auf  der  Agarplatte  beobachten,    die 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  129 

bei  unbehandeltem  Boden  aus  1  mg  mehrere  Kolonien,  bei  CSg-Erde 
überhaupt  keine  anzeigte.  Dann  die  Organismen  aus  dem  Pflanzen- 
reich. Alle  höheren  Pflanzen  oder  lebenden  Rhizome  derselben  werden 
ebenso  abgetötet  wie  ein  großer  Teil  der  im  Boden  lagernden  Samen. 
Die  Vernichtung  von  Unkrautsamen  wurde  schon  1901  in  Dahlem  bei 
einem  Moritz-Scherpeschen  Versuch  sehr  schön  beobachtet.  Man  kann 
sich  auf  das  einfachste  von  dieser  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs 
überzeugen,  wenn  man  behandelte  und  nicht  behandelte  Erde  in  das 
Zimmer  stellt  und  beobachtet,  daß  nur  in  der  unbehandelten  Erde  die 
vorhandenen  Unkrautsamen  auflaufen.  Bei  meinen  Versuchen  ver- 
schwanden die  Moose  ganz,  die  Algen  zum  größeren  Teil  in  der 
Schwefelkohlenstoff-Erde.  (Demonstration).  Auch  Pilze  sind  in  vege- 
tativer Form  sehr  empfindlich  gegen  CSg.  Miltner  und  ich  konnten, 
schon  1901  beobachten,  daß  die  Pusarium-Pußkrankheit  der  blauen 
Lupinen  durch  eine  CSg  -  Behandlung  des  Bodens  beseitigt  wurde. 
Ober  die  Dezimierung  der  Bakterien  liegen  zahlenmäßige  Angaben 
vor,  die  den  großen  Umfang  der  Abtötung  beweisen.  Wohlverstanden, 
alle  diese  Organismen  können  abgetötet  werden;  in  welchem  Maße  die 
Abtötung  dann  wirklich  eintritt,  ist  abhängig  von  der  Konzentration  und 
der  Dauer  der  Einwirkung  des  Giftes.  In  je  größerer  Menge  das  Gift 
einwirkt,  um  so  stärker  wird  es  abtötend  wirken  und  daher  eine  um 
so  Intensivere  und  anhaltendere  N-WIrkung  entfalten  können,  sofern 
nicht  sekundäre  Reaktionen  den  löslich  gewordenen  Stickstoff  wieder 
festlegen.  •"■  ■•  ;.       . 

Als  wichtigstes  Kriterium  zur  Beurteilung  der  Giftwirkung  bleibt 
schließlich  noch  das  Studium  der  auftretenden  Bakterienarten  in  Form 
von  Reinkulturen.  Das  ist  auch  in  ausführlicher  Weise  vorgenommen 
worden  und  es  konnte  dabei  immer  nur  konstatiert  werden,  daß  die  auf- 
tretenden Bakterien  Eigenschaften  besitzen,  '  die  mit  meiner  Erklärung 
der  Schwefelkohlenstoffwirkung  im  Einklang  stehen.  Namentlich  be- 
sitzen sie  meist  ein  spezifisches  Vermögen,  widerstandsfähigere  Stoffe 
aus  dem  Tier-  und  Pflanzenreich,  wie  Chitin,  Hornmehl,  Pilzsubstanz 
zu  zersetzen.  Charakteristisch  ist  nun  hierbei,  daß  bei  diesen  Prozessen 
nicht  immer  Ammoniak  frei  wird,  sondern  daß  sich  auch  Arten  finden, 
die  z.  B.  bei  der  Zersetzung  von  Mehlwurmsubstanz  oder  aber  Chitin 
oder  Pilzsubstanz  Ammoniak  festlegen.  Andere  dagegen  produzieren 
bei  der  Zersetzung  aus  der  gleichen  Substanz  reichlich  Ammoniak. 
Diese  divergierenden  Vorgänge  geben  ein  Bild  der  Prozesse  im 
Boden,  und  es  wird  verständlicher,  daß  die  Ammoniakbildung  im  Boden 
incht  leicht  über  ein  bestimmtes  Maß  hinausgeht,  well  Freiwerden  und 
Bindung  von  Ammoniak  bei  demselben  Zersetzungsprozeß  eintreten  kann« 

Jabiesbeiioht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  9 


j[3()  K.  Störmer. 

je  nachdem,  welche  Bakterienart  sich  daran  betätigt.  Das  schwankende 
Bild  in  den  auftretenden  Bakterienarten  hat  schon  Maaßen  und  Behn 
zu  der  Bemerkung  veranlaßt,  daß,  wenn  Bakterien  überhaupt  bei  der  Be- 
günstigung der  Vegetation  durch  Schwefelkohlenstoff  eine  Rolle  spielen, 
ganz  verschiedene  Gruppen  von  Bakterien  die  gleiche  günstige  Wirkung 
entfalten  müßten.  Ein  Schulbeispiel  hierfür  sind  die  Streptothrix-kTiQu. 
Sireptothrix  cJiromogena  wird,  wie  alle  Pilze,  sehr  geschädigt,  und  ebenso 
die  weiße  Art.  Man  kann  oft  beobachten,  daß  sie  dauernd  zurück- 
gedrängt bleiben.  Es  kann  aber  auch  vorkommen,  wie  ich  es  mehr- 
fach beobachtete,  daß  plötzlich  nach  Schwefelkohlenstoff-  oder  Benzol-  oder 
Tetrachlorkohlenstoff -Behandlunggerade  eine  St  reptothrix-AYi'm  den  Vorder- 
grund tritt  und  sich  ungeheuer  vermehrt.  In  diesem  Falle  handelt  es 
sich  aber  nicht  mehr  um  Sireptothrix  chromogena  oder  Str.  alba,  sondern 
um  die  Erdgeruch  bildende  Art  Sireptothrix  odorifera  RuUmann,  die 
vorzüglicn  imstande  ist,  solche  Stoffe  wie  Chitin,  Pilzzellulose  etc.  unter 
Bildung  eines  geradezu  betäubenden  Erdgeruches  zu  zersetzen.  Das 
ausführliche  Studium  der  auftretenden  Reinkulturen  wird  noch  viel  Zeit 
kosten,  aber  es  wird  zu  keinem  anderen  Resultat  führen,  als  daß  es 
äich  um  mehr  oder  minder  giftfeste  Formen  handelt,  die  tierische  und 
pflanzhche  Substanz  selbst  noch  bei  Gegenwart  der  Gifte  zersetzen 
können.  Dadurch  sind  sie  anderen  Arten  gegenüber,  die  empfindlicher 
sind,  im  Vorteil  und  können  sich  Nährstoffe  sichern,  die  ihnen  im 
normalen  Boden  nicht  zufallen  würden.  Gegen  Humus  verhielten  sich 
die  auftretenden  Arten  mit  Ausnahme  der  Omnivoren  Sireptothrix  odori- 
fera indifferent.  Da  die  in  Frage  kommenden  Stoffe  wie  Chitin  usw. 
sehr  langsam  zersetzt  werden,  so  erklärt  sich  hieraus  zwanglos  die 
mehrere  Jahre  anhaltende  ertragfördernde  Wirkung  des  Schwefel- 
kohlenstoffs. 

Betrachten  wir  nochmals  zusammenfassend  die  Wirkung  der 
Gifte  und  insbesondere  die  des  Schwefelkohlenstoffes,  so  haben  wir 
den  Eindruck,  daß  der  tödliche  Dampf  wie  ein  Gewitter  durch  den  Boden 
fährt,  das  die  etwas  schwül  gewordene  .\tmosphäre  gründlich  reinigt 
und  Schädlinge  wie  Nützhnge  in  gleicher  Weise  abtötet.  Die  Leichen 
verfallen  der  Zersetzung  und  liefern  dem  Boden  neue  Kraft, 
sodaß  infolge  dieser  doppelten  Wirkung  Müdigkeitserscheinungen 
verschwinden  müssen  und  die  Pflanzen  meist  wieder  gesund 
wachsen  können.  Denkbar  ist  natürlich  auch  der  Fall,  daß  ein  in 
Sporenform  die  Schädigung  überdauernder  Schädling  sich  besonders 
vermehrt  und  dann  erst  recht  Krankheitserscheinungen  ausgelöst 
werden,  wie  wir  es  in  Dahlem  an  Erbsen  beobachten  konnten.  Aber 
die    Wirkung    des  .Schwefelkohlenstoffs     auf     die    Wurzelflora    ist    ein 


Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  den  Boden.  '131 

eigenes  Kapitel,    das    ich    hier    beiseite    lassen  muß.     Mit  diesen  l'nter- 
suchungen  bin  ich  jetzt  beschäftigt. 

Vom  landwirtschafthchen  Standpunkte  aus  könnte  es  nur  erwünscht 
sein,  wenn  der  Preis  des  Schwefelkohlenstoffs  oder  eines  anderen  Giftes  und 
geeignete  Apparate  es  ermöglichen  würden,  von  dem  Stickstoffkapital  des 
Bodens,  das  tot  ist,  weil  es  zum  großen  Teil  lebendes  Protoplasma  darstellt, 
mehr  als  bisher  Gebrauch  zu  machen.  Auch  an  die  Verhinderung  der 
Stickstoffauswaschung  kann  zunächst  theoretisch  gedacht  werden.  Ebenso 
könnte  die  Pflanzenpathologie  vom  Schwefelkohlenstoff  einen  noch  weit 
größeren  Gebrauch  zum  Segen  unserer  Fluren  machen,  wenn  entsprechende 
Apparate  und  billige  Mittel  beschafft  würden.  Mein  neuer  Wirkungskreis 
wird  mir  Gelegenheit  geben,  auch  nach  diesen  Seiten  hin  die  Sache  zu 
verfolgen. 


;[32  Joseph  Simon. 


Die  Widerstandsfähigkeit  der  Wurzelbakterien  der 
Leguminosen  und  ihre  Bedeutung  für  die  Bodenimpfung. 

Von 
Dr.  Joseph  Simon,  Dresden, 
(Arbeiten  der  Kgl.  Pflanzenphjsiologischen  Versuchsstation  Dresden.) 

Es  ist  bekanntlich  das  Verdienst  Nobbes  und  Hiltners,  vor 
reichlich  10  Jahren  die  Bodenimpfung  mit  reinkultivierten  Bakterien  aus 
WurzelknöUchen  der  gleichnamigen  oder  einer  verwandten  Leguminosen- 
gattung in  die  landwirtschaftliche  Praxis  eingeführt  und  damit  die  Grund- 
lagen gegeben  zu  haben  für  ein  Verfahren  von  außerordentlicher  Wichtig- 
keit und  Tragweite,  das  nach  kurzem  Zurückebben  infolge  von  Mißerfolgen 
sich  zurzeit  immer  mehr  einbürgert  und  dem  von  seiten  der  Praktiker 
steigende  Beachtung  und  Wertschätzung  entgegengebracht  wird.  Zur 
Bestätigung  brauche  ich  nur  auf  die  große  Anzahl  von  Kulturen,  die 
die  Agrikulturbotanische  Anstalt  in  München  alljährlich  abgibt,  oder 
darauf  zu  verweisen,  daß  die  Pflanzenphysiologische  Versuchsstation 
Dresden  in  diesem  Frühjahr  allein  für  Anbauversuche  mit  Serradella 
über  600  Kulturen  an  sächsische  Landwirte  abgegeben  hat. 

Daß  nicht  die  Gegenwart  von  Knöllchen  an  den  Wurzeln  von  Legu- 
minosen allein  schon  mit  Sicherheit  beweist,  daß  nun  die  betreffende 
Pflanzen  auch  wirklich  und  in  ausgiebigem  Maße  Stickstoff  sammeln,  daß 
letzteres  vielmehr  nur  dann  erfolgt,  wenn  die  Knöllchen  durch  völlig 
angepaßte  Bakterien  entstanden  sind,  diese  Beschränkung  haben  Nobbe 
und  Miltner  ihrem  Bakterienpräparat  Nitragin  s.  Zt.  schon  mit  auf  den 
Weg  gegeben.  Die  inzwischen  gemachten  Beobachtungen  und  Er- 
fahrungen haben  jedoch  weiter  gelehrt,  daß  die  mannigfachsten  Momente 
und  Ursachen  die  Wirksamkeit  auch  des  besten  Bakterienimpfmaterials 
in  einer  Weise  beeinflussen  können,  daß,  wenn  nicht  schon  die  KnöUchen- 
bildung  selbst,  so  doch  die  fördernde  Wirkung  der  Bakterien  beein- 
trächtigt oder  gänzlich  hintangehalten  wird;  ja  unter  Umständen  mußte 
man  einen  dauernden  und  direkt  schädigenden  Einfluß  auf  die  \^'irts- 
pflanze  konstatieren.  Es  genügt  also  nicht,  „die  völlig  angepaßten 
Bakterien  auf  einfache  Weise  durch  Reinkulturimpfung  dem  Boden  ein- 
zuverleiben", sondern  die  Beachtung    der    mannigfachsten  Momente    er- 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      133 

weist  sich  als  unerläßlich  notwendig.  Eine  ganze  Anzahl  wertvoller 
Arbeiten,  unter  denen  ich  besonders  auf  die  vortrefflichen  Untersuchungen 
Miltners  und  Störmers,  daneben  auch  auf  die  Arbeiten  der  Tharandter 
Versuchsstation  u.  a.  verweisen  möchte,  haben  über  manche  der  hier 
in  Frage  kommenden  Punkte  mehr  oder  minder  erschöpfende  Auf- 
klärung gebracht;  aber  immer  aufs  neue  treten  besonders  bei  Peld- 
impfversuchen  neue  Fragen  und  Rätsel  an  den  Versuchsansteller  heran, 
deren  Klärung  meist  eben  so  schwierig  ist,  wie  sie  dringend  geboten  er- 
scheint, soll  die  Methode  der  Bakterienimpfung  ihren  Ruf  als  zuver- 
lässige Kulturmaßnahme  behaupten  können.  Als  das  zu  erstrebende 
Ziel  bleibt  unverrückt  jenes  bestehen,  Impfstoff  und  Impf- 
verfahren derartig  zu  vervollkommnen,  daß  eine  Wirksamkeit 
von  dieser  Seite  sicher,  die  Begleitumstände  in  dem  Maße 
kennen,  beurteilen  und  beeinflussen  zu  lernen,  daß  ein  posi- 
tiver Erfolg  bei  feldmäßigem  Anbau  innerhalb  der  natürlichen 
Grenzen  gesichert  erscheint. 

W^enn  in  dieser  Hinsicht  noch  manche  offene  Frage  vorhanden, 
und  wenn  über  die  wichtigsten  Vorgänge  im  Boden  vor  und  nach  der 
Einverleibung  der  Knöllchenbakterien  bezüglich  der  letzteren  noch  vieles 
dunkel  ist,  so  liegt  dies  gewiß  mit  daran,  daß  die  Lebensbedingungen 
und  Lebensäußerungen  der  Knöllchenbakterien  auf  den  verschiedensten 
Substraten,  auf  künstlichen  Nährböden  wie  in  den  KnöUchen  an  der 
Pflanze,  vor  allem  aber  im  Boden  nach  der  Impfung  und  nach  dem 
Entleeren  der  Knöllchen  unter  den  Einflüssen  kultureller  und  physi- 
kalischer Bedingungen  auf  den  Lebensprozeß  noch  lange  nicht  in  dem 
notwendigen  Maße  erforscht  und  bekannt  sind  und,  soweit  sie  bekannt, 
nicht  genügend  berücksichtigt  werden:  ich  brauche  nur  die  wider- 
sprechenden Anschauungen  über  die  Widerstandsfähigkeit  der  sogenannten 
Knöllchenbakterien  gegen  Austrocknen,  gewiß  eine  Frage  von  sehr 
großer  Bedeutung,  anzuführen  oder  darauf  hinzuweisen,  daß  die  Ver- 
mehrungsfähigkeit der  Knöllchenbakterien  im  Boden  meist  angezweifelt 
bzw.  verneint  wird,  während  in  Wirklichkeit  die  gedachten  Kleinwesen 
unter  geeigneten  Bedingungen  auch  dort  eine  äußerst  rege  Vermehrung 
erfahren!  Bei  der  Schwesterwissenschaft,  der  medizinischen  Bakterio- 
logie, sind  die  Verhältnisse  wesentlich  günstiger;  hier  liegen  bekanntlich 
äußerst  zahlreiche  Untersuchungen  über  die  physiologischen  Lebens- 
verhältnisse und  Lebensansprüche  pathogener  Mikroorganismen  vor, 
während  in  dieser  Hinsicht  unsere  Kenntnis  bezüglich  der  Boden- 
bakterien, wie  gesagt,  noch  recht  lückenhaft  sind. 

Aus  diesen  Gründen  heraus  habe  ich  bereits  seit  länger  um- 
fassende Untersuchungen    ausgeführt,    die    über   eine  Reihe  der  hier  in 


J34  Joseph   Simon. 

Frage  kommenden  Momente  Aufschiuli  geben  sollen  und  auch  zum  Teil 
bereits  zu  abgeschlossenen  Resultaten  geführt  haben.  Ich  kann  hier 
nur  einige  derselben  herausgreifen  und   kurz  besprechen. 

Bei  der  Kultur  auf  künstlichen  Nährböden  verhalten  sich  die 
Leguminosenbakterien  bekanntlich  verschieden,  was  Miltner  und  Stornier 
in  erster  Linie  veranlaßt  hat,  zwei  Gruppen  von  K'nöUchenbakterien,  gela- 
tine-  und  agarwüchsige,  zu  unterscheiden,  die  sie  mit  der  trennenden 
Bezeichnung  Khizohhmi  radicicola  und  Bhhohium  Beijerinckn  versehen 
haben.  Ohne  auf  die  Arteinheit  oder  Artverschiedenheit  der  Bakterien 
der  verschiedenen  Leguminosen  hier  näher  einzugehen,  will  ich  nur 
kurz  erwiihnen,  daß  von  mir  in  dieser  Richtung  ausgeführte  Unter- 
suchungen in  den  Endresultaten  (siehe  Tabelle  Seite  LS5)  recht  interessante 
Momente  ergeben  haben:  Ich  weise  auf  die  nahe  Verwandtschaft  der 
Gattungen  Pisuni  und  Vicia  hin  und  dagegen  auf  das  vollständig  kon- 
träre Verhalten  zwischen  den  Gattungen  Trifolium  und  Medicago  in  der 
Gruppe  der  Trifolieen;  ich  erwähne  ferner  die  außerordentliche  Verschieden- 
heit der  gewöhnlichen  Bohne  und  der  japanischen  Sojabohne,  deren 
Bakterien  schon  in  der  Kultur  auf  künstlichen  Nährböden  durchgreifende 
Llnterschiede  dergestalt  zeigen,  daß  erstere  Gelatine  bevorzugen,  letztere 
am  besten  auf  Agar  gedeihen,  und  die  auch  in  der  Bakteroidenbildung 
sehr  bedeutende  Unterschiede  zutage  treten  lassen.  Einige  Worte 
möchte  ich  auch  den  mit  einer  kreuzweisen  Impfung  von  Bakterien 
der  gelben  (also  einjährigen)  und  der  ausdauernden  Lupine  angestellten 
Versuchen  widmen:  Es  war  hier  zunächst  nur  eine  Impfwirkung  der 
Bakterien  an  der  gleichnamigen  Pflanze  sichtbar,  die  vorzeitige  Ernte 
eines  Teiles  des  Versuches  Ueß  aber  auch  reichliche  KnöUchen  an  den 
Wurzeln  der  mit  den  konträren  Bakterien  geimpften  Pflanzen  erkennen. 
Bei  dem  stehengebliebenen  Teil  der  Versuchspflanzen  trat  im  weiteren  Verlauf 
aber  auch  in  dieser  Reihe  Bakterienwirkuiig  ein,  inzwischen  hatten  sich 
die  Bakterien  der  einjährigen  Pflanze  an  die  ausdauernde  angepaßt  und 
umgekehrt.  In  der  Schlußernto  kam  dies  in  einem  wesentlichen  Plus 
gegen  ungeimpft  zum  Ausdruck,  das  aber  immerhin  bei  weitem  nicht 
an  die  durch  voll  angepaßte  Bakterien  an  der  gleichnamigen  Pflanze 
hervorgerufene  Förderung  heranreichte. 

Schon  Beyerinck  ')  hat  in  seiner  grundlegenden  ArbeitimJahre  1888 
darauf  hingewiesen,  und  jeder,  der  Bakterien  aus  den  Wurzeln  von 
L^'guminosen  gewinnt  und  weiterzüchtet,  macht  die  Beobachtung,  daß  das 
sichtbare  Wachstum  auf  gelatinösen  Nährbiklen  nur  ein  relativ  kurzes 
ist:  bei  Erbsenbakterien  setzt  in  den  ersten  Tagen  der  Kultur    auf    ge- 

')  Bot.  Zeitung  1888,  Seite  725. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      135 


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+  +  f  1    .^       ,  1  +  1  ^11 

1    Ijiipinus  luteus    .     .     . 
'          „         angustifolius 
f          „         polypliyllus 
1  Trifolium  pratense  . 
\         „          repens .     . 
incarnatum 

Medicago  sativa  .     . 

„           lupulina    . 

j  Anthyllis  vulneraria 

1  Ornithopus  sativus  . 

Onobrychis  sativa    . 
i  Pisuni  sativum     .     . 
I       „       ai'vense     .     . 
j  Vicia  sativa     .     .     . 
'       ,,      villosH    .     .     . 
\  Phaseolus  vulgaris  . 
1  Soja  hispida     .     .     . 

j  3g  Joseph  Simon. 

eigneten!  Gelatinenährboden  ein  üppiges  Wachstum  mit  außerordentlicher 
Schleimbildung  ein.  nach  einigen  Tagen  sinkt  dieser  Schleim  infolge  der 
Schwere  nach  den  tiefer  liegenden  Partien  ,  allmählich  sistiert  das 
Wachstum,  und  nach  10 — 15  Tagen  ist  von  einer  Bakterienwucherung 
nichts  mehr  wahrzunehmen.  Daß  dies  nicht  etwa  darauf  zurückzu- 
führen ist,  daß  sich  die  Bakterien  in  einen  konsistenten  Schleim  ein- 
hüllen und  so  vom  Nährsubstrat  getrennt  werden,  ist  hier  sehr  einfach 
nachzuweisen;  es  sind  vielmehr  die  Ausscheidungsstoffe  der  Bakterien 
selbst  und  die  Zersetzungsprodukte  des  Substrats,  die  eine  hemmende 
Wirkung  auf  das  Wachstum  der  genannten  Kleinwesen  ausüben,  ich 
habe  in  dieser  Richtung  umfangreiche  Untersuchungen  angestellt;  doch 
schon  auf  einfache  Weise,  indem  man  den  auf  einer  frischangelegten 
Gelatinekultur  entstandenen  ßakterienschleim  ganz  bzw.  zum  größeren 
oder  geringeren  Teil  entfernt,  im  Dampf  steriUsiert  und  neues  Bak 
terienmaterial  auf  die  schieferstarrten  Röhrchen  überträgt,  wird  man  er- 
kennen, daß  auf  den  Impf  strichen  höchstens  noch  ganz  geringe  Bildung 
eines  wässerigen,  durchsichtig  hellen  Schleimes,  meist  jedoch  gar  keine 
Entwickelung  in  die  Erscheinung  treten  wird.  Das  gleiche  ist  zu  beob- 
achten, wenn  man  die  Bakterienmasse  mit  der  obersten  Schicht  des  Nähr- 
bodens steril  entfernt  und  diesen  wieder  impft.  Von  ganz  besonderem 
Interesse  erschien  es  mir,  den  Einfluß  der  Ausscheidungsstoffe  sogenannter 
konträrer  Bakterienstämme,  d.  h.  solcher,  die  von  miteinander  unverträg- 
lichen Pflanzen,  wie  z.  B.  Wicke  contra  Rotklee,  Lupine  und  Serradella 
contra  Rotklee  u,  a.  stammen,  zu  prüfen,  in  der  Hoffnung,  daß  hieraus 
vielleicht  Anhaltspunkte  für  die  Erklärung  der  angeführten  Unverträg- 
lichkeitserscheinungen zu  gewinnen  seien.  Diese  Versuche  hatten  nega- 
tiven Erfolg:  der  Zusatz  von  sterilen  Schleimmassen  oder  verflüssigten 
Gelatine-  bzw.  Agarkulturen  —  ganz  gleich  ob  von  der  eigenen  oder 
einer  konträren  Pflanze  stammend  —  zu  frischem,  jungfräulichem  Nähr- 
boden übt,  vorausgesetzt  daß  nicht  eine  ungünstige  Beschaffenheit  der 
Konsistenz  oder  ähnliches  den  gemischten  Nährboden  a  priori  ungeeignet 
macht,  eine  schädigende  Beeinflussung  des  Wachstums  nicht  aus,  so- 
lange sich  der  Zusatz  innerhalb  gewisser  Grenzen  hält;  ein  Plus  des- 
selben kann  aber  dem  gemischten  Nährboden  so  viel  Ausscheidungs-  bzw. 
Zersetzungsstoffe  zuführen,  daß  das  Wachstum  geschädigt  oder  von  vorn- 
herein sistiert  wird.  Es  scheinen  demnach  weniger  die  Ausscheidungs- 
stoffe der  Bakterien  als  vielmehr  die  Zersetzungsprodukte  des  gelatinösen 
Nährbodens  zu  sein,  die  den  letzteren,  indem  sie  in  denselben  hinein  diffun- 
dieren, geradezu  vergiften.  Eine  Erschöpfung  des  Nährbodens  kommt  keines- 
falls in  Betracht,  und  auch  der  naheliegende  Einwand,  daß  eine  Reaktions- 
vöränderung  des  Nährbodens  der  springende  Punkt  sei,  ist  nicht  zutreffend. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      137 

Es  ist  nun  weiter  unzweifelhaft,  daß  bei  längerer  Kultur  auf  ge- 
latinösen Nährböden  mit  der  Entwickelungshemmung  eine  Abschwächung 
der  Vegetationskraft  der  Knöllchenbakterien,  auf  die  ich  später  noch 
zurückkommen  werde,  gleichzeitig  stattfindet,  analog  wie  bekanntlich 
Pastour  zuerst  und  schon  vor  Jahren  dies  für  das  Bakterium  der 
Hühnercholera  nachgewiesen  hat.  Bei  der  fortgesetzten  Kultur  auf  ge- 
latinösen Nährböden,  entstehen  bei  den  Knöllchenbakterien  Vegetations- 
formen, die  den  in  den  WurzelknöUchen  an  der  Pflanze  normal  sich 
bildenden  Bakteroiden  konform  sind.  Ob  und  inwieweit  zwischen  diesen 
unter  dem  Einfluß  ungünstiger  Ernährungsbedingungen  bzw.  der  eigenen 
Stoffwechselprodukte  selbst  entstandenen,  pathologische  Erscheinungen 
darstellenden,  bakteroiden  Degenerationsformen,  wie  sie  bekanntlich 
fast  alle  echten  Bakterien  unter  analogen  Umständen  bilden,  und  jenen 
Produkten,  die  vermutlich  infolge  günstiger  Ernährungsbedingungen  in 
den  Knöllchen  selbst  ein  Wachstum  über  das  individuelle  Maß  hinaus 
darstellen,  ob  zwischen  diesen  wesentlich  zu  unterscheiden  ist,  darauf 
will  ich  heute  nicht  näher  eingehen.  Für  die  pathogenen  Keime  ist 
der  Nachweis  einer  Schwächung  ihrer  Virulenz  ja  leicht  zu  erbriiigen, 
da  hier  die  Reinkulturen  direkt  in  die  Blutbahn  bzw.  in  das  betreffende  Organ 
eingeimpft  werden.  Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Legu- 
minosenbakterien, diese  müssen  erst  dem  Boden  einverleibt  werden  und 
zunächst  in  diesem  ihnen  ja  normalerweise  zusagenden  Medium 
mindestens  eine  Reihe  von  Generationen  verbringen,  ehe  sie  in  die 
Wirtspflanze  eindringen  können.  Diese  Zwischenkultur  und  damit 
die  Natur  und  Beschaffenheit  des  Mediums  Boden  ist  daher 
von  sehr  wesentlicher  Bedeutung  für  die  spätere  Wirksam- 
keit der  Knöllchenbakterien. 

Besonders  die  Mikroflora  des  Bodens  spielt  naturgemäß  eine 
wichtige  Rolle;  dieselbe  ist  bekanntlich  eine  außerordentlich  vielgestaltige 
und  ihre  Zusammensetzung  von  den  mannigfachsten  Momenten  abhängig. 
Die  Natur  der  vorhandenen  Kleinwesen  spielt  aber  im  Hinblick  auf  die 
Bakterienimpfung  eine  besonders  große  Rolle  deshalb,  weil  zwischen., 
den  Bakterien  gewisser  Spezies  und  den  Wurzelmikroben  der  Legu- 
minosen Wechselbeziehungen  antagonistischer  Natur  bestehen,  welche 
die  Vegetationskraft  und  die  Wirksamkeit  der  letzteren  bis  in  die  Wirts- 
pflanze hinein  wesentlich  zu  beeinflussen  vermögen. 

Auf  die  vielfachen  Umstände  und  Bedingungen,  die  einen  Einfluß 
auf  die  Zusammensetzung  der  Mikroflora  des  Kulturlandes  ausüben, 
näher  einzugehen,  fällt  nicht  in  den  Rahmen  meiner  Ausführungen: 
jedenfalls  tobt  unter  diesen  Kleinwesen  ein  sehr  energischer  Kampf  ums 
Dasein,  in  dem  die  künstlich  dem  Boden  eingeführten  Knöllchenbakterien 


][38  Joseph  Simon. 

eine  scharfe  Konkurrenz  zu  bestehen  haben  und  unter  Umständen  die 
Gefahr  vorhanden  ist,  daß  die  letzteren  sich  überhaupt  nicht  entwickehi 
können.  Diesem  Moment  zu  begegnen,  hat  jedenfalls  Miltner  mit- 
veranlaßt, bei  der  von  ihm  empfohlenen  Impfmethode ')  den  Bakterien 
Nährstoffe  mit  in  den  Boden  zu  geben,  um  sie  dadurch  widerstands- 
fähiger gegen  die  ihnen  drohende  Gefahr  zu  machen.  In  der  Tat  sind 
unter  Umständen  günstige  Erfolge  zu  erzielen  auf  Grund  einer  derartigen 
vorsorgenden  Beigabe  von  geeigneten  Nährstoffen.  Nicht  selten  erreicht 
man  aber  das  direkte  Gegenteil,  indem  die  in  Gestalt  von  Trauben- 
zucker. Popton  und  Milch  bestehende  Nahrung  in  viel  höherem 
Maße  schädlichen  Mikroorganismen  zugute  kommt  und  diese 
zu  einem  derartig  ausgedehnten  ^Vachstum  b(^fähigt,  daß 
sie  die  Knöllchenbakterien ,  noch  ehe  sie  an  bzw.  in  ihre 
Pflanzen  gelangen,  mehr  oder  minder  vollständig  über- 
wuchern und  den  Irnpferfolg  ganz  oder  teilweise  vereiteln. 
Ein  derartiges  Überwuchern  eines  der  Komponenten  ist.  ja  zahlenmäßig 
leicht  zu  konstatieren.  Aber  nicht  immer  braucht  dasselbe  in  der  Zahl 
zum  Ausdruck  zu  kommen,  unter  Umständen  ist  der  schädigende  Ein- 
fluß auf  Stoffe  zurückzuführen,  welche  die  kontiere  Bakterienart  aus- 
scheidet bzw.  bildet,  und  die  den  Boden  als  Substrat  für  die  Knöllchen- 
bakterien ungeeignet  machen.  Kurz,  in  jedem  Falle,  wo  im  Boden 
oder  am  Saatgut  schnellwüchsige  oder  zu  den  Knöllchen- 
bakterien in  einem  antagonistischen  Verhältnis  stehende  Kl  ein- 
wesen  vorhanden  sind,  birgt  die  Beigabe  von  Nährsalzen 
zum  Impfstoff  eine  beträchtliche  Gefahr  in  sich.  Ich  habe 
diese  Frage  experimentell  und  eingehend  geprüft,  und  auf  Grund  dieser 
Untersuchungen  sehe  ich  von  der  Beigabo  von  Nährsalzen  zu  den  von 
Dresden  aus  zur  Abgabe  gelangenden  Impfkulturen  ab.^)  Viel  wichtiger 
erscheint  es  mir,  die  Knöllchenbakterien  in  anderer  Weise  für  die  ihnen 
bevorstehende  Aufgabe  vorzubereiten  und  indirekt  zu  unterstützen. 

Ich  kehre  zunächst  nochmals  zu  der  Kultur  der  Leguminosen- 
bakterien auf  gelatinösen  Nährböden  zurück.  Der  wachstumshemmende 
und  schädliche  Einfluß  des  gelatinösen  Substrats  in  älteren  Kulturen  ist, 
wie  ich  dargelegt  habe,  zweifellos.  Die  gewöhnlich  geübte  Methode, 
nach  welcher  der  ganze  Inhalt  eines  Kulturröhrchens  herausgenommen, 
in  Milch  oder  einer  anderen  Flüssigkeit  verteilt  und  so  zur  Impfung 
verwendet  wird,  erscheint  mir  daher  bedenklich.  Der  mit  schädlichen 
Stoffen  durchsetzte  Nährboden  —  Gelatine  bzw.  Agar  —  kommt  bei  der 

1)  Prakt.  Blätter  f.  Pflan/enbau  und  Pflanzenschutz  1903,  Nr.  33. 

2)  s'.  Sachs,  landw.  Zeitschrift  1907,  Nr.  34,  S.  904. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakteiien  d.  Leguminosen  usw.      X39 

feinen  Verteilung  und  der  dadurch  bedingten  Auslaugung  nur  noch  ener- 
gischer und  allgemeiner  zur  Wirkung  auf  die  Knöllchenbakterien;  bei 
der  Samenimpfung  wird  die  Oberfläche  des  Saatkorns  ebenso  wie  mit 
den  Bakterien  so  auch  mit  diesen  dem  \\'achstum  derselben  aach  in  der 
Verdünnung  mindestens  nicht  förderlichen  Stoffen  überzogen,  und  bei 
der  Einverleibung  der  Impfflüssigkeit  in  den  Boden  wird  nicht  etwa 
durch  die  starke  Verdünnung  oder  Auslaugung  die  Wirkung  der  ge- 
nannten Stoffe  völlig  kompensiert.  Selbst  bei  der  Verteilung  von 
Bakterienschleim  für  sich  allein  findet  schon  eine  recht  mangelhafte 
Verteilung  der  Bakterienindividuen  statt,  dieselben  haften  äußerst  zähe 
auf  relativ  lange  Zeit  im  Boden  an  den  Schleimfäden  und  bleiben  der 
Einwirkung  der  wachstumshemmenden  Eigenschaften  der  Zersetzungs- 
produkte ausgesetzt.  Es  kommt  aber  noch  ein  anderes  Moment  hinzu: 
wenn  der  gelatinöse  Nährboden  auch  durch  die  Kultur  von  Knöllchen- 
bakterien für  diese  selbst  ungeeignet  wird,  so  trifft  dies  nicht  auch  für 
andere  Bakterien  zu;  im  Gegenteil,  im  Boden  vorkommende  und  den 
Knöllchenbakterien  feindliche  Bakterienspezies  wachsen  sehr  üppig  auf 
diesem  Substrat,  und  so  wird  eine  Beigabe  desselben  nur  zu  sehr  ge- 
eignet sein,  die  Entwickelung  der  eingebrachten  Leguminosenorganismen 
zu  hemmen,  die  ihrer  Feinde  aber  zu  begünstigen. 

•  Es  erscheint  daher  mindestens  als  ratsam,  nur  den 
Bakterienschleim  selbst  und  nicht  auch  das  Substrat  zu  Impf- 
zwecken zu  benutzen.  Ob  aber  die  Verwendung  eines- 
anderen Mediums  für  die  Fortkultur  der  Knöllchenbakterien 
besonders  für  die  Zeit  vor  der  Verwendung  derselben  als 
Impfstoff  nicht  mannigfache  Vorteile  bieten  würde,  auf  diese 
Frage  werde  ich  später  noch  zurückkommen. 

Ich  habe  vorhin  wiederholt  darauf  hingewiesen,  daß  z.  T.  eine 
Antibipse  zwischen  manchen  der  Mikroorganismen,  die  im  Boden  zuein- 
ander in  Wechselwirkung  treten,  besteht.  Dieses  Verhältnis  erstreckt 
sich  aber  noch  weiter  und  übt  seinen  maßgeblichen  Einfluß  noch  an 
bzw.  innerhalb  der  Pflanze  aus,  in  welche  die  Leguminosenbakterien  ein- 
dringen und  Knöllchenbildung  verursachen. 

Bei  der  Entnahme  von  Knöllcheninhalt  auch  aus  durchaus  frisch 
und  gesund  aussehenden  KnöUchen  gehen  bekanntlich  häufig  auf  der 
Platte  auch  noch  andere  Bakterienarten  auf,  und  es  ist  in  der  Tat  eine 
gar  nicht  engbegrenzte  Flora,  die  man  im  Innern  der  knöUchenartigen 
Gebilde  an  den  Leguminosenwurzeln  ündet.  Schon  Beyerinck  erwähnt 
dies')  und    nennt   den    Bacillus  fiuorescens,  einen    Bacillus   Trimethyl- 


1)  Bot.  Zeitung,  1888,  S.  749. 


J40  Joseph  Simon. 

amin,  einen  proteusartigen  Vertreter  und  andere,  deren  Vorkommen 
er  als  saprophytisch  bezeichnet,  und  die  er  als  nachträgliche  Eindringlinge 
anspricht.  Auch  Hiltner  und  Störmer*)  haben  in  einer  Reihe  von 
Knöllchen  mit  nicht  zerfließendem  Inhalt  fast  ausnahmslos  das  septierte 
Mycel  eines  Pilzes,  der  von  der  Wurzel  aus  in  das  Knöllchen  eindringt,  ge- 
funden. Aber  bereits  bei  der  primären  Infektion  selbst  können  neben  der  je- 
weils angepaßten  Knöllchenbakterienform  auch  noch  andere  Bakterienspezies 
durch  die  gleiche  Eingangspforte,  das  Wurzelhaar  der  Pflanze,  ein- 
dringen, und  es  hängt  einerseits  von  der  Vegetationskraft  der  eigenen 
KnöUchenbakterien  anderseits  von  der  Natur  und  der  Vegetationskraft 
der  fremden  Eindringlinge,  in  erster  Linie  aber  von  der  Widerstands- 
kraft der  Pflanze,  kurz  von  dem  Gesundheitszustande  derselben  ab,  ob 
jener  Gleichgewichtszustand  zwischen  Wirt  und  KnöUchenbakterium  zu- 
stande kommt,  in  dem  die  Existenz  beider  eine  dauernde  Förderung  er- 
fährt. In  diesem  Falle  wie  überhaupt  unter  normalen  Bedingungen 
werden  die  fremden  Eindringlinge  von  der  Pflanze  resorbiert;  andern- 
falls können  dieselben  einen  recht  wesentlichen  Einfluß  auf  die  Wirkung 
der  KnöUchenbakterien  ausüben. 

Durch  Impfen  mit  Mischkulturen  kann  diese  Frage  direkt  ex- 
perimentell geprüft  werden,  und  eine  Anzahl  Versuche  ist  in  dieser  Hin- 
sicht von  mir  ausgeführt  worden.  Ich  will  kurz  auf  jene  Untersuchungen 
eingehen,  die  ich  eingangs  schon  einmal  erwähnt  habe,  und  die  eine  Auf- 
klärung der  sogenannten  Unverträglichkeit  gewisser  Kulturpflanzen  zu- 
einander, z.  B.  daß  Klee  kurz  nach  Wicken,  Serradella  nach  Rotklee  usw. 
zu  mißraten  pflegen,  anstreben  sollten. 

In  dem  einen  Falle  wurden  zu  Zottelwicken,  im  Verhältnis  von  1:1, 
1  :  10,  1 :  100  gemischt  Aufschwemmungen  von  Bakterien  der  Zottelwicke 
selbst  und  von  Rotklee  als  Impfstoff  benutzt;  daß  in  allen  Fällen  die 
Basis  an  Bakterien  von  Zottelwicke  die  gleiche  war  und  ebenso  die  ge- 
samte Impfmenge,  brauche  ich  wohl  kaum  zu  erwähnen.  Es  stellte  sich 
nun  die  interessante  Wirkung  ein,  daß  je  nach  dem  Grad  der  Ver- 
dünnung eine  Impfwirkung,  wie  sie  sich  im  eintretenden  Ergrünen  der 
ganzen  Pflanzen  ausdrückt,  später  erst  in  die  Erscheinung  trat.  In  den 
Erntegewichten  kam  wesentlich  nur  bei  der  stärksten  Beigabe  von  kon- 
trären Bakterien  ein  Minus  zur  Geltung.  Interessant  war  der  Knöllchen- 
besatz  an  den  Wurzeln,  am  stärksten  bzw.  am  reichlichsten  erwies  er  sich 
nämlich  an  den  letztgenannten  Pflanzen.  Die  nachteilige  Wirkung  ist 
im  vorliegenden  Falle  jedenfalls   darauf   zurückzuführen,  daß 


1)  Arbeiten  d.  Biolog.  Abteil,  am  Kaiserl.  Gesundheitsamt,  Bd.  HI  (1903), 
S,  251. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      141 

die  Rotkleebakterien  mit  in  die  Wurzelhaare  eingedrungen 
sind  und  in  den  entstehenden  Knöllchen  sich  weiter  ent- 
wickelten, jedoch  nur  auf  Kosten  der  Wirtspflanze  ein  rein 
parasitisches  Leben  geführt  haben,  ohne  an  der  Stickstoff- 
assimilation sich  zu  beteiligen.  Es  scheint  aber  auch  keine  nennens- 
werte Anpassung  an  die  fremde  Pflanze  eingetreten  zu  sein,  worauf  die 
äußerst  zahlreiche  Knöllchenbildung  bei  stärkstem  Zusatz  von  Rotklee- 
bakterien hindeutet  —  die  Pflanzen  waren  eben  bestrebt,  den  Ausfall 
in  ihrer  Ernährung  zu  decken;  es  ist  aber  auch  möglich,  daß  StofF- 
wechselprodukte  der  Rotkleebakterien  einen  hemmenden  Einfluß  auf  die 
spezifischen  Mikroorganismen  ausgeübt  haben. 

Indem  ich  darauf  hinweise,  daß,  wie  aus  der  Tabelle  über  die  Art- 
einheit der  KnöUchenbakterien  ersichtlich  (siehe  S,  135)  ist,  die  genannten 
Bakterienstämme  sich  gegenseitig  nicht  vertreten  können  und  in  Rein- 
kultur gegenseitig  nicht  infektiös  wirken,  muß  es  um  so  auffallender 
erscheinen,  wenn  die  experimentelle  Prüfung  ergab,  daß  bei  diesem  Un- 
verträglichkeitsversuch in  den  Knöllchen  an  der  Wickenpflanze  reichlich 
auch  Bakterien  von  Rotklee  vorhanden  waren:  einfache  Ausstrichkul- 
turen, die  Mischkulturen  darstellten,  lieferten  sowohl  an  Wicken-  wie 
an  Rotkleopflanzen  reichlich  Knöllchenbildung  und  Impfwirkung.  Bei 
einem  anderen  Versuch  mit  Serradella  und  Lupine  einerseits  und  Rotklee 
anderseits  wurde  zwar  die  gleiche  Wirkung  "wie  oben  erzielt,  es  waren  aber 
andere  Ursachen,  welche  dieselben  hervorgerufen  haben.  Zwischen  den 
Bakterien  der  letztgenannten  Pflanzen  besteht  ein  stärkerer  Antagonismus, 
die  Bakterien  von  Rotklee  konnten  wenigstens  aus  den  Wurzelknöilchen 
von  Lupine  und  Serradella  und  umgekehrt  nicht  gewonnen  werden, 
wohl  aber  äußerte  sich  der  Zusatz  von  in  Dampf  sterilisierter  Schleim- 
flüssigkeit der  Rotkleebakterien  schädigend  auf  die  Impfwirkung  der 
Lupine  und  Serradellabakterien.  Schlußfolgerungen  möchte  ich  an  diese 
Beobachtungen  jedoch  noch  nicht  knüpfen,  bevor  die  Frage  noch  nicht 
weiter  geprüft  ist. 

Endlich  hat  bei  diesem  letzten  Versuche  ein  Zusatz  von  fein  zer- 
kleinerten Wurzelmassen  der  konträren  Pflanzen  sowohl  mit  wie  ohne 
Knöllchen  und  ebenso  auch  nach  vorangegangener  Sterilisation  im 
strömenden  Dampf  eine  schädigende  Wirkung  ausgeübt.  Auch  hier  mr)chte 
ich  mich  einer  Beurteilung  noch  enthalten,  gleichzeitig  aber  derauf  mehr- 
fache Beobachtungen  gegründeten  Vermutung  Ausdruck  verleihen,  daß  in 
der  landwirtschaftlichen  Praxis  die  unverträgliche  Nachwirkung  von  Serra- 
della auf  Rotklee  teilweise  dadurch  behoben  werden  kann,  daß  man  die 
Pflanzen  durchfrieren  läßt,  bevor  man  sie  unterackert;  die  durch  das 
Gefrieren  hervorgerufene    Zerreißung    der    Gewebe    hat    eine    schnellere 


142  Joseph  Simon. 

Verrottung  der  Serradellapflanzen  im  Gefolge,  worin  wohl  das  fördernde 
Moment  zu  suchen  ist.  Diesbezügliche  Gründüngungsversuche  werden 
lioff entlich  eine  befriedigende  Lösung  der  Frage  bringen. 

Die  bereits  ausgeführten  Arbeiten  haben  aber  jedenfalls  interessante 
Momente  ergeben,  die  sowohl  für  die  Erklärung  der  erwähnten  Unver- 
träglichkeits-  wie  auch  gewisser  Bodenmüdigkeitserscheinungen  beitragen 
dürften,  auf  die  ich  gleich  weiter  eingehen  will. 

Es  ist  der  normale  Entwickelungsgang  des  WurzelknöUchens,  daß 
es  schlieOlich  Päulniserregern  zum  Opfer  fällt  und,  nachdem  es  den 
Zwecken  der  Pflanze  gedient,  seinen  Inhalt  in  den  Boden  entleert.  Dieser 
Endprozeß  setzt  jedoch  manchmal  sehr  frühzeitig  ein,  so  daß  es  trotz 
KnöUchenbildung  nicht  zu  einer  Förderung  der  Wirtspflanze  kommt; 
man  kann  sogar  unter  Umständen  beobachten,  daß  kurz  nach  der  Infektion 
durch  die  Leguminosenbakterien  noch  andere  Bakterien  in  das  Wurzelhaar 
eindringen,  unter  Zersetzungserscheinungen  dem  Schleimfaden  folgen  und 
das  Wurzelhaar  zum  Absterben  bringen;  zu  einer  KnöUchenbildung 
kommt  es  gar  nicht.  In  anderen  Fällen  werden  zwar  äußerst  zahlreiche 
KnöUchen  gebildet,  es  findet  immer  und  immer  wieder  Infektion  und 
KnöUchenbildung,  aber  gar  keine  oder  nur  eine  geringe  Förderung  der 
Wirtspflanze  statt. 

Zur  Erklärung  dieser  Tatsachen  scheint  das  Virulenzprinzip  im 
Sinne  Miltners  eine  zutreffende  Beantwortung  geben  zu  kiinnen.  In  den 
von  mir  eben  angeführten  Fällen  treffen  diese  Erklärungsmomente  je- 
doch nicht  zu.  Daß  nicht  die  Virulenzverhältnisse  die  Schuld  tragen, 
ist  ja  leicht  dadurch  zu  beweisen,  daß  der  benutzte  Impfstoff  in  seiner 
Wirksamkeit  auf  andere  in  geeignetem  Boden  herangezogene  Pflanzen  ge- 
prüft wird;  eine  Prüfung  der  aus  den  KnöUchen  gezüchteten  Reinkulturen 
kann  natürlich  nicht  immer  ein  zutreffendes  Bild  geben.  Ich  habe  dieselbe 
trotzdem  vorgenommen:  die  Verwendung  von  Knöllcheninfus  ergab  das 
gleiche  schädigende  Resultat,')  hingegen  heferte  eine  auf  Gelatine  iso- 
lierte Reinkultur  der  vorhandenen  Knöllchenbakterien  als  auffallendes 
•Ergebnis  einen  durchaus  normalen  Impferfolg.  Ein  Versuch  gestattet 
natürlich  keine  maßgebhchen  Rückschlüsse,  und  ich  möchte  annehmen, 
daß  die  Knöllchenbakterien  doch  in  der  Pflanze  sehr  wesentlich  und 
zwar  durch  die  Stoft'wechselprodukte  der  fremden  Eindringlinge  in  ihrer 
Vegelationskraft  geschwächt  waren:  wenn  sie  später  trotzdem  einen 
guten  Impferfolg  lieferten,  so  liegt  dies  an  der  zwischengeschobenen 
Kultur  in  der  Erde,  die  nach  meinen  Erfahrungen  überhaupt  geschwächte 
Knöllchenbakterienstämme      binnen      wenigen      Generationen      in      ihrer 


1)  S.  Tabelle  S.   157. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakteiien  d.  Leguminosen  usw.      ^43 

Vegetationskraft  erneut.  Die  erste  Ans(;haiiung  wird  wesentlich  durcli 
die  ßeobaclitung  gestützt,  dal5  in  den  befallenen  nicht  zersetzten  Knöllchen 
neben  den  Fremdbakterien  sehr  zahlreiche  den  Bakteroiden  ähnliche  Ge- 
bilde vorhanden  waren,  die  doch  wohl  nur  Degenerationsformen  der 
Knöllchenbakterien  darstellten . 

In  der  Tat  sind  es  jene  Kleinwesen,  die  neben  den  Leguminosen- 
bakterien eingedrungen  sind  und  sich  ebenfalls  im  Innern  der  Pflanze 
vermehrt  haben,  welche  für  die  angegebenen  Erscheinungen  wesentlich 
die  Schuld  tragen.  Es  handelt  sich  dabei  um  gewisse  Bakterienarten, 
die  ganz  allgemein  im  Ackerboden  vorhanden  sind;  normalerweise  in 
geringer  Menge  üben  sie  keinen  bemerkenswerten  Einfluß  aus,  findet 
aber,  und  zwar  durch  ganz  bestimmte  Momente  eine  Anreicherung  der- 
selben im  Boden  statt,  so  treten  sie  in  Wechselwirkung  zu  den 
Knöllchenbakterien  sowohl  im  Boden  wie  auch  im  Inneren  der  Knöllchen 
und  üben  besonders  in  ihren  Stoffwechselprodukten  einen  zunächst 
wachstumshemmenden  und  degenerierenden  Einfluß  auf  die  Knöllchen- 
bakterien aus.  Ursprünglich  saprophytisch  im  Boden  lebend,  gehen  diese 
Bakterien  zu  einem  parasitischen  Lebenswandel  über  und  wuchern  in 
den  Fällen,  wo  sie  putride  Zersetzungen  nicht  hervorrufen,  lange  Zeit 
im  Innern  der  Pflanze,  aber  vorwiegend  auf  Kosten  der  Knöllchenbakterien 
und  vielleicht  gerade  auch  auf  Kosten  der  von  diesen  unter  Assimilation 
des  Luftstickstolfes  gebildeten  Eiweißkörper.  Die  Wirtspflanze  selbst 
wird  dabei  geradezu  intakt  gelassen,  und,  korrekt  ausgedrückt,  treten  die 
Fremdbakterien  weniger  als  Parasiten  der  Leguminose  als  wie  als  solche 
der  Knöllchenbakterien  selbst  auf;  es  handelt  sich  um  eine  Antibiose, 
einen  Kampf  zwischen  dem  überlegenen  Fremdling  und  den  Knöllchen- 
bakterien selbst. 

Sowohl  bei  V^erwendung  von  Reinkulturen  aus  dem  keineswegs 
engumschriebenen  Formenkreis  von  Bakterien,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  als  auch  mit  Mischkulturen  gelang  es  bei  genügendem  Zusatz 
derselben  in  den  Boden  vor  oder  bei  der  Impfung  mit  KnöUchenbakterien- 
Reinkulturen  die  geschilderten  Vorgänge  an  den  W^urzeln  der  Legumi- 
nosen experimentell  hervorzurufen  und  die  Wirkung  auch  hochvirulenter 
Knöllchenbakterien  vollkommen  hintanzuhalten  trotz  stattfindender  Knöllchen- 
bildung.  Ich  maß  aber  hier  beschränkend  erwähnen,  daß  meine  dies- 
bezüglichen Versuche  sich  bisher  nur  auf  Erbsen  und  Rotklee  er- 
streckten. 

Diese  Vorgänge  sind  nun  für  die  Erklärung  gewisser  Boden- 
müdigkeitserscheinungen von  großer  Bedeutung.  Es  liegt  auf  der 
Hand,  daß  bei  der  Entleerung  der  Knöllchen  zu  Ende  der  Vegetations- 
periode    eine    ungleich    größere    Menge    von    Fäulniserregern     als     von 


j^44  Joseph  Simon. 

KnöUchenbakierien  in  den  Boden  gelangt,  wodurch  zunächst  jedenfalls 
das  bakteriologische  Gleichgewicht  einseitig  gestört  wird.  Bei  rationeller 
Bearbeitung  des  Bodens  und  der  nachfolgenden  Kultur  einer  anderen 
Pflanze  wird  unter  dem  Einfluß  physikalischer  Momente  und  der  Natur 
der  nachgebauten  Kulturpflanze  ein  Gleichgewichtszustand  bald  wieder  her- 
gestellt, und  die  aus  den  KnöUchen  stammenden  Fäulnismikroben  werden 
bald  in  ihre  normalen  Grenzen  eingedämmt  sein.  Wenn  aber  die  betr. 
Loguminose  häufig  hintereinander  gebaut  wird,  so  findet  eine  bedeutende 
Anreicherung  der  gedachten  Mikroorganismen  statt,  die  sie  erst  befähigt, 
nunmehr  parasitär  aufzutreten  und  jene  den  Anbau  der  Leguminose 
schädlich  beeinflussenden  Erscheinungen  hervorzurufen.  Unter  dem  Ein- 
fluß ihrer  Ausscheidungsstoffe  werden  diese  Bakterienarten  zunächst  in  ihrer 
sog.  Virulenz  gestärkt,  wie  dies  ja  von  anderer  Seite  für  Schimmelpilze 
nachgewiesen  ist,  und  wie  ich  es  auch  für  Botrytis  bei  der  Keimlings- 
krankheit der  Levkojen  beobachtet  habe.  Die  Natur  der  Leguminosen- 
pflanze ist  allerdings  auch  von  maßgeblichem  Einfluß,  und  es  scheint, 
daß  sie  schon  allein  gewisse  Gattungen  befähigt,  die  Entwickelung  mancher 
Zersetzungsmikroben  einzudämmen.  Bei  der  Serradella  z.  B.  habe  ich 
jene  bei  Erbse  und  Rotklee  konstatierte  vorzeitige  Einwanderung  erst- 
erwähnter Premdbakterien  noch  nicht  beobachten  können;  dieselbe  stellt 
ja  auch  eine  mit  sich  selbst  verträgliche  Pflanze  dar,  die  gerade  nach 
wiederholtem  Anbau  meist  immer  besser  gedeiht,  während  bei  der  Kultur 
von  Erbsen  und  Rotklee  erfahrungsgemäß  leicht  Bodenmüdigkeit  eintritt. 
Meine  seit  dem  Jahre  1901  ausgeführten  Versuche  über  die  sog. 
Virulenz  der  Knöllchenbakterien,  bei  denen  ich  dem  bekannten  Passage- 
verfahren der  Mediziner  folgte  und  unter  anderem  möglichst  oft  Erbsen 
hintereinander  in  demselben  Boden  zog,  trat  bald  Bodenmüdigkeit  ein. 
wenn  die  Wurzeln  und  KnöUchen  bzw.  deren  Inhalt  im  Boden  belassen 
wurden ;  entfernte  ich  diese  aber  möglichst  quantitativ  und  wurde  die 
Erde  leicht  getrocknet,    traten    Bodenmüdigkeitserscheinungen  nicht  ein. 

Überhaupt  übt  einfache  Trocknung  bzw.  Durchlüftung  des  Bodens 
einen  meist  günstigen  Einfluß  auf  die  Zusammensetzung  der  Bodenflora 
sowie  auf  die  spätere  Entwickelung  und  Wirksamkeit  gewisser  Bakterien- 
arten aus:  auch  habe  ich  in  Verfolg  derselben  eine  nicht  unwesentliche 
Erhöhung  des  verfügbaren  Nährstoff-,  speziell  des  Stickstoffkapitals  kon- 
statieren können,  worauf  wieder  die  Natur  des  Bodens  und  der  Ursprung, 
liehe  Mikrobengehalt  desselben  von  bestimmendem  Einfluß  zu  sein  scheint. 

In  welch  hohem  Grade  im  übrigen  der  Boden  normalerweise 
einen  geeigneten  Aufenthaltsort  für  die  Knöllchenbakterien  der  Legumi- 
nosen darstellt,  geht  wohl  schon  daraus  hervor,  daß  auf  unseren  Böden 
bei  der  so    oft    gebauten  Erbse    durch    eine    künstliche    Impfung    auch 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      145 

.„höchst  virulenter"  Bakterien  ein  bemerkenswerter  Erfolg  selten  zu  er- 
zielen ist.  In  beweiskräftigem  Maße  wird  dies  ferner  durch  die  inter- 
essanten Ergebnisse  eines  vergleichenden  Serradella-Impfversuches 
(Birkenhain)  illustriert.  Auf  Grund  einer  mehrere  Jahre  vorher  erfolgten 
Impfung  war  eine  beträchtliche  Impfwirkung  auf  einem  Teil  der  im 
Versuchsjahre  ungeimpft  gebliebenen  Parzelle  zu  konstatieren,  und  auch 
dort,  wo  im  Versuchsjahre  eine  Bakterienimpfung  vorgenommen  worden, 
war  auf  dem  Teil  des  geimpften  Stückes,  der  schon  früher  einmal  eine 
Impfung  und  im  Versuchsjahre  also  eine  zweite  erhalten  hatte,  doch 
noch  eine  bemerkenswerte  Förderung  a  conto  der  ersten  Impfung  zu 
beobachten:  Trotz  ihres  mehrjährigen  Verweilens  im  Boden  haben  diese 
erstmalig  demselben  einverleibten  Bakterien  sich  nicht  nur  eine  starke 
Vegetationskraft  bewahrt,  sondern  sie  haben  nach  der  bekannten  Theorie 
Hiltners  schließlich  noch  eine  höhere  Virulenz  besessen  als  die  zur 
Neuimpfung  verwandten  Kulturen. 

ßodenmüdigkeitserscheinungen  der  geschilderten  Art  sind  aber  bei 
einem  anderen  Versuch,  den  ich  noch  kurz  erwähnen  will,  recht  deut- 
lich zu  erkennen.  Bei  Untersuchungen  über  die  Deckung  des  Stickstoff- 
bedarfs der  Pflanzen  aus  der  Atmosphäre,  die  in  1  cl>m  großen  in  den 
Boden  eingelassenen  Klinkerkästen  zur  Ausführung  gelangten,  hatte  trotz 
der  Befolgung  eines  rationellen  Fruchtwechsels  der  Ertrag  der  Legumi- 
nosen sich  von  Jahr  zu  Jahr  verringert.  Die  bakteriologische  Boden- 
untersuchung ließ  einen  reichen  Bakteriengehalt  erkennen,  darunter  auch 
die  typischen  Wuchsformen  der  Leguminosenwurzelmikroben;  in  erster 
Linie  waren  aber  Vertreter  jener  Gruppen  nachweisbar,  von  denen  eine 
schädigende  Beeinflussung  der  ersteren  zu  erwarten  stand.  Ein  Prüfungs- 
anbau in  sterilisiertem  Erde-Sand-Gemisch  zeitigte  folgende  Erntetrocken- 
gewichte: 

Versuchspflanze  Peluschke- Pisum  arvense: 

1.  Geimpft  mit  einer  Reinkultur  von  Erbsenbakterien        20,7  g  pro  Topf 

2.  „  „     einem  Erdauszug  aus  den  Kästen  1  u.  10      4,4  „     „ 

3.  „  „     desgl.,   nachfolgend  behandelt  mit  CS.^       12,0  „     „ 

4.  „  „     einem  Erdauszug  aus  den  Kästen  3  u.  8     6,8  „     „       „ 

5.  „  „     desgl ,  nachfolgend  behandelt  mit  CS.2       14,1  „     „       ,, 
In  allen  Reihen    zeigten    die  Wurzeln    reichlich    Knöllchenbildung, 

am  zahlreichsten  in  den  Reihen  2  und  4,  in  der  Ausbildung  am  besten 
in  der  Reihe  1.  nach  dieser  bei  3  und  5.  Die  bakteriologische  Unter- 
suchung ergab  nur  in  den  Knöllehen  der  Reihen  2  und  4  eine  viel- 
gestaltige Flora  der  angegebenen  Art.  Der  Versuch  scheint  mir  einwand- 
frei darzutun,  in  welch  hohem  Maße  hier  die  Wirksamkeit  der  knöUchen- 
bildenden  Organismen  durch  die  Gegenwart    anderer    beeinflußt    worden 

Jahresbericht  der  Vereinifrung  für  angewandte   Botanik    \'.  1'; 


J^46  Joseph  Simon. 

ist  (2  u.  4),  daß  forner  aber  auch  die  Knöllctienbakterien  schon  an  sich  in 
ihrer  Vegetationskraft  geschwächt  waren,  da  sie  auch  nach  Abtötung 
der  empfindlichercMi,  ihnen  feindlichen  Keime  durch  Scliwefelkohlen- 
stoff  in  ihren  Wirkungen  nicht  annähernd  an  die  Erfolge  der  verwandten 
Reinkulturen   heranreichten. 

Ich  bin  damit  zu  der  Einwirkung  von  chemischen  Stoffen  auf 
die  Knöllchenbakterion  gelangt.  Bereits  vor  einer  Reihe  von  Jahren 
sind  an  der  Versuchsstation  Tharandt  auf  meine  Veranlassung  und  unter 
meiner  Mitwirkung  mit  Kupfersulfat  einerseits,  mit  Äther,  Schwefelkohlen- 
stoff und  Chloroform  anderseits  umfassende  Untersuchungen  über  den  Ein- 
fluß einer  Bodenbehandlung  mit  den  genannten  Stoffen  auf  nachgebaute 
Pflanzen  ausgeführt  worden.  Über  mit  den  letztgenannten  Kohlenstoffen 
vorgenommene  Arbeiten  haben  Nobbe  und  Richter  bereits  unter  Be- 
nutzung der  von  mir  gegebenen  Unterlagen  in  den  ,, Landwirtschaft- 
lichen Versuchs-Stationen"  berichtet,  und  es  ist  nur  auf  ein  Ver- 
sehen zurückzuführen,  daß  mein  Name  nicht  als  der  eines  gleich- 
berechtigten Mitarbeiters  bei  dieser  Publikation  genannt  ist.  Ich  lege  auf 
diese  Erklärung  nur  deshalb  Wert,  weil  ich  aus  ihr  die  Berechtigung 
ableite,  auf  dem  damals  eingeschlagenen  Pfade  weiterzuarbeiten.  Da 
übrigens  die  Schlußfolgerungen  der  beiden  Referenten  sich  mit 
meinen  Anschauungen  über  die  Versuchsresultate  nicht  vollkommen 
decken,  werde  ich  an  anderer  Stelle  auf  diese  Versuche  eingehender 
zurückkommen.  Die  Tharandter  Arbeiten  waren  mit  Hafer  als  Versuchs- 
pflanze ausgeführt.  VorangegangeneUntersuchungen  mitÄther  und  Wasser- 
stoffsuperoxyd sowie  Erbse  als  Versuchspflanze  hatten  einen  wesentlichen 
und  günstigen  Einfluß  der  genannten  Stoffe  auf  Knöllchenbildung  und  Impf- 
wirkung erkennen  lassen;  nach  einer  starken  Ätherbehandlung  war  die 
Knöllchenbildung  eine  außerordentlich  üppige  gewesen,  das  Trockengewicht 
der  Ernte  von  unbehandelt  zu  Äther-  behandelt  verhielt  sich  wie  100: 141,5. 
Ich  habe  in  Dresden  weitere  Untersuchungen  über  den  Einfluß  einer  Boden- 
behandlung mit  difterenten  Zusätzen  von  CSg  auf  die  gleiche  Leguminose 
ausgeführt.  Auf  diese  Arbeiten  gehe  ich  nicht  näher  ein,  möchte  aber 
die  Resultate  eines  Versuches  wenigstens  hier  mitteilen. 
CSg-Versuch  mit  Erbsen,   1906. 

Substrat:  Nichtsterilisiertes   mageres  Erde-Sandgemiseh  (1:10)  mit 

stickstofffreien  Nährsalzen. 

Trockengewichte 

la  =  19,34  / 
Nicht  geimpft,  nicht  behandelt      ....  on'70     '^^'^^  ^ 

Geimpft,  nicht  behandelt "         oo'--iR     45.86  g 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      ^47 

Trockengewichte 


Hl  =  '^Q  8'S  ) 
Geimpft,  50  cm»  CS.  pro  Topf    .     .     .     .       ^       "  '°       60,38 

Geimpft,   100  cm^  CSg  pro  Topf.     .     . 

Geimpft,   150  cm^  Cög  pro  Topf  .     .     . 


150  cm^  CS,  pro  Topf,  10  Tage  nach  dem 
Einsetzen  der  Keimlinge  geimpft . 


b  =  30,53 

4a  =  0,18 

b=:  1,32 

5a  =  0,67 

b=  1,17 

6a  =  0,31 

b=  1,06 


100  cm^  CSg  pro  Topf,  10  Tage  nach  dem  

Einsetzen  der  Keimlinge  geimpft.      .      .       '         .rJn.i  40,17  g 

b  =  19,74  \ 

Der  Knöllchenbesatz  und  die  Ausbildung  der  KnöUchen  war  in  den 
CSg-Töpfen  3  und  7  a — b  ganz  außerordentlich,  es  dürfte  hier  wohl 
keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  der  Schwefelkohlenstoff  auf  die 
Wurzelbakterien  der  Leguminosen  und  ihre  Wirksamkeit 
jedenfalls  keinen  schädigenden  Einfluß  ausgeübt  hat,  ganz 
gleich,  ob  derselbe  vor  oder  nach  der  Impfung  dem  Boden 
einverleibt  wurde.  Daß  aber  die  Päulnismikroben  in  absoluter  Voll- 
ständigkeit dem  Schwefelkohlenstoff  zum  Opfer  gefallen  waren,  bewiesen 
die  Erbsenkeimlinge;  in  den  Töpfen  4  —  6  war  jedes  Wachstum  aus- 
geblieben, und  ohne  äußerlich  erkennbare  Veränderungen  waren  die  ein- 
gesetzten Keimlinge  im  Erde-Sandgemisch  verblieben,  wie  sie  eingesetzt 
waren. ') 

Untersuchungen  über  den  Einfluß  löslicher  Kupfersalze  wurden  be- 
reits im  Jahre  1904  noch  an  der  Versuchsstation  Tharandt  in  Angriff 
genommen;  dieselben  gelangen  demnächst  zur  Veröffentlichung  und 
sollen  hier  nicht  weiter  berücksichtigt  werden,-)  da  sie  sich  nur 
auf  Hafer  und  Senf  als  Versuchspflanzen  beschränkten.  Dieselben  waren 
als  Vorarbeiten  für  Studien  über  die  Wirkung  der  Bordeauxbrühe  ge- 
dacht. Dieser  Gegenstand  ist  ja  inzwischen  schon  anderweit  und  ein- 
gehend bearbeitet,  wenn  auch  einer  befriedigenden  Klärung  noch  nicht 
entgegengeführt  worden,  ich  erinnere  an  die  Vorträge  von  Aderhold, 
Schander  und  Ewort.  Meine  weiteren  Untersuchungen  haben  sich,  wie 
ich  gleich  bemerken  möchte,  vorwiegend  auf  die  Wirkung  löslicher  Kupfer- 


1)  Die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  auf  die  Kulturpflanze  bleibt 
hier  unberücksichtigt;  der  ganze  Versuch  wird  an  anderer  Stelle  ausführlicher 
behandelt  werden. 

2)  Besonders  erwähnt  sei  der  fördernde  Einfluß  einer  Gabe  von  0,01  pro 
Mille  CUSO4  auf  nachgebauten  Hafer. 

10^'^ 


5[48  Joseph  Simon. 

salze  im  Boden  im  Hinblick  auf  eine  Förderung  oder  Benachteiligung  der 
Ernährungsbedingungen  bestimmter  Kulturpflanzen  und  damit  im  Zu- 
sammenhang auf  die  Mikroflora  des  Bodens  bezogen.  Unter  Verwendung 
differenter  Mengen  von  Kupfersulfat  gelangten  umfangreiche  Versuche  mit 
den  verschiedensten  landwirtschaftlich  und  gärtnerisch  wichtigen  Kultur- 
pflanzen, mit  KnöUchen-  und  Bodenbakterien,  endlich  auch  mit  pathogeneii 
Organismen  zur  Ausführung.  Ich  greife  einige  jener  Untersuchungen  her- 
aus, die  mit  Leguminosen  und  deren  Wurzelbakterien  angestellt  wurden. 

Für  die  Kultur  von  KnoUchenbakterien  auf  Gelatine  und  Agar  erhielten 
letztere  Zusätze  in  Gestalt  von  Kupfersulfatlösung  derart,  daß  der  Gehalt 
an  Kupfervitriol  sich  verhielt  zum  Nährboden  wie  1  :  500,  1  :  1000.  1  :  5000. 
1  :  10  000,  1  :  25  000,  1  :  50  000,  1  :  100  000,  1  :  250  000,  1  :  500  000. 
1  :  1  000  000.  Geprüft  wurden  die  Bakterien  von  Phaseolus  vulgaris, 
Trifolium  pratense,  Fisum  sativum,  Medicago  sativa,  Soja  hispida, 
Lupinus  ongustifolius  und  Lupiiius  polypliyUus.  Das  Resultat  ist 
ganz  allgemein  dahin  zusammenzufassen,  daß  bei  der  Zugabe  von 
1  :  500  und  1  :  1000  (die  Nährböden  sahen  dunkelblau  bis  dunkelgrün 
aus)  jegliches  Wachstum  der  Bakterien  aufhörte.  Bei  sämtlichen  anderen 
Zugaben  trat,  obgleich  auch  hier  mehr  oder  minder  starke  Färbung  zu 
verzeichnen  war,  üppiges  Wachstum  und  enorme  Schleimbildung  ein, 
genau  so,  wie  in  den  Vergleichsröhrchen  ohne  Zusatz,  so  daß  von  einer 
Schädigung  gar  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Auch  eine  Zugabe  von 
metallischem  Kupfer  wurde  wiederholt  geprüft  und  ergab  das  gleiche 
Resultat:  Metallisches  Kupfer  oxydiert  an  feuchter  Luft  zu  Grün- 
span (basisch  kohlensaures  Kupfer),  das  in  den  gelatinösen  Nährboden 
hineindiffundiert,  trotzdem  war  auch  hier  ein  geradezu  üppiges  Wachs- 
tum zu  konstatieren. 

Daß  die  Verhältnisse  im  Boden  sich  wesentlich  analog  verhalten, 
zeigen  die  in  den  Trockengewichtszahlen  wiedergegebenen  Resultate 
eines  mit  Erbsen  ausgeführten  Topfversuches')  bzw.  die  Ergebnisse  der 
Wurzeluntersuchungen  desselben. 

CuSO^-Wirkung  auf  Erbsen  (1906). 

Substrat:  Nichtsterilisiertes  mageres  Erde-  und  Sandgemisch  (1  :  10) 

mit  stickstofffreien  Nährsalzen. 

la  =  13,501    ,.  ^, 
l-'ngeimpft k  _  i.  ..i      -^'^^  § 


Geimpft ^'"^  ~  J^'^J^  !  39,26 


b=  14,31 
!a  =  19,57 
b  =  19,69  \ 


')  Die    Verhältnisse     des    Kupfersulfatzusatzes     beziehen     sich    auf    die 
Trockengewichte  des  Erde-Sand-Substrates. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      I49 

Geimpft,  Pflanzen  eingesetzt,  nach  4  Wochen 

1  :  10  000  CuSO, ^1  =  ^J^'^^  j  39,87  g 

b  =  19,84  \ 

„        Pflanzen  eingesetzt,  nach  4  Wochen 

1:5000  CuSO, ^"^  ^  ^^'^^  I  41,11  g 

'  b  =  21,46  i 

5a  =  16,76  j  ^,  ^^ 
1  :  50  000  CUSO4         i  b  =  17  44  i  ^^'"^^  ^' 

«        1  :  10  000         „  f    dann    Keim-  \  ^  J^'^,3  {  32,58  g 

pflanzen  ein-  «     _   io  00 
^••5000  „  ,  gesetzt         ,3  T  14,26  I  '^ ' '^^  ^ 

8a  =    2,18 


1000 


7.04 


Auf  die  Beeinflussung  der  Erbsenpflanzen  brauche  ich  nicht  nsilier 
einzugehen,  es  interessiert  uns  jetzt  nur  das  Verhalten  der  Legumi- 
nosenbakterien und  hier  sprechen  die  Zahlen  für  sich.  Es  muß  jedoch 
noch  betont  werden,  daß  an  sämtlichen  Wurzeln  der  Pflanzen  3 — 7  sehr 
zahlreiche  und  wohlausgebildete  KnöUchen  vorhanden  waren,  und  daß 
an  den  Pflanzen  5 — 7  die  Bakterienwirkung  erst  zu  einem  späteren 
Termin  einsetzte,  da  dieselben  in  der  ersten  Zeit  der  Entwickelung 
durch  den  Kupferzusatz  sichtlich  geschädigt  im  Wachstum  zurück- 
geblieben waren.  Es  hat  also  der  nachträgliche  Zusatz  von 
CuSO^  weder  Knöllchenbildung  noch  Impfwirkung  auch  nur 
im  geringsten  beeinträchtigt,  und  bei  vorangegangener 
Kupfergabe  haben  die  Bakterien  ebenfalls  durchaus  ihre 
Schuldigkeit  getan,  nachdem  die  Wirtspflanzen  den  schädigen- 
den Einfluß  des  Giftes  überwunden  hatten.  E)aß  aber  selbst  die 
stärkste  Kupfergabo  keine  nachteilige  Wirkung  auf  die  knöUchenbilden- 
den  Erbsenbakterien  ausgeübt  hat,  das  bewiesen  deutlich  die  Wurzeln 
der  Pflanzen  aus  Topf  8a  und  b.  Hier  zeigten  sämtliche  Wurzeln 
äußerst  starke  Schädigung:  meist  hatte  die  direkt  ätzende  Wirkung  des 
Kupfervitriols  jegliche  Weiterentwickelung  der  Seitenwurzeln  hintan- 
gehalten (entsprechend  der  geringen  oberirdischen  Substanzbildung)  und 
zu  hypoplastischen  Bildungen  geführt,  welche  die  Wurzel  nur  mehr  als 
einen  stark  gebräunten  kienzopfartigen  Stumpf  erscheinen  ließen;  stellen- 
weise waren  deutliche  Anschwellungen  und  Pusteln  vorhanden,  hyper- 
trophische Wucherungen  im  primären  Gewebe,  auf  deren  histologische 
Natur  und  Ätiologie  ich  anderwärts  näher  eingehen  werde.  In  ganz 
vereinzelten  Fällen  haben  aber  auch  hier  noch  je  1—  2  Seitenwurzeln 
die    Schädigung    überdauert    oder    nach    Festlegung    des   Cu    sich    erst 


j^^Q  Joseph  Simon. 

weiter  entwickelt  und  noch  ein  mehr  oder  minder  beträchtUches  Wachs- 
tum der  oberirdischen  Pflanzenteile  verursacht  (in  Topf  8  b  hatte  in 
kürzester  Frist  eine  Pflanze  es  noch  bis  zu  einer  Höhe  von  1,5  m 
gebracht).  In  allen  diesen  Fällen  war  an  den  nachträglich 
gebildeten  und  normal  entwickelten  Seitenwurzoln  noch 
reicher  Knöllchenbesatz  mit  z.  T.  großen,  prächtig  ent- 
wickelten und  stark  verzweigten  Gebilden  zu  konstatieren  — 
also  auch  hier  trotz  der  hohen  Kupfergabe  Bakterieninfektion, 
K  n  ö  1 1  c  h  e  n  b  i  1  d  u  n  g  und  I  m  p  f  w  i  r  k  u  n  g  I 

Noch  einen  Fall  aus  der  Praxis  möchte  ich  anführen:  Be seier') 
hat  auf  den  Cunrauer  Moordämmen  die  Beobachtung  gemacht,  daß 
Pferdebohnen,  'die  im  Jahre  vorher  mit  einer  5°/oigen  Kupfervitriol- 
lösung zur  Bekämpfung  des  Hederich  im  Hafer  bespritzt  worden  waren, 
sich  durch  besonders  üppigen  Stand  und  ca.  4  Ztr.  höheren  Bohnen- 
ertrag pro  Morgen  vor  den  nichtbespritzten  Parzellen  auszeichneten. 
Beseler  hat  dann  vergleichende  Versuche  ausgeführt  und  quantitativ  die 
Ernteergebnisse  ermittelt:  es  wurden  im  Mittel  von  3  Parzellen  geerntet 
nach  Kupfervitriolbespritzung  338  Pfund  Stroh 

und  214  Pfund  Körner Summa  552  Pfund. 

ohne     Bespritzung     220     Pfund     Stroh     und 

146  Pfund  Körner Summa  366  Pfund. 

Das  ist  in  der  Tat  eine  recht  beachtenswerte  Nachwirkung,  die  der  Versuchs- 
ansteller selbst  sehr  richtig  nicht  etwa  auf  eine  direkt  fördernde  und 
düngende  Wirkung  des  Kupfersalzes,  sondern  darauf  zurückführt,  daß 
eine  Abtötung  schädlicher  Pilze  stattgefunden. 

Das  gleiche  nehme  ich  auch  auf  Grund  meiner  eigenen  Untersuchungen 
für  manche  andere  im  Verfolg  einer  Einverleibung  von  Kupfersalzen  auf- 
tretende fördernde  Wirkungen  an.  Ich  meine  damit  nicht  etwa  die 
hemmende  Beeinflussung  höherer  pathogener  Pilze,  sondern  den  Einfluß 
auf  die  bakteriologische  Bodenflora.  Eine  derartige  wesentliche  Ver- 
schiebung des  biologischen  Gleichgewichts  habe  ich  experimentell  immer 
nachweisen  können,  sie  stellt  gewissermaßen  ein  i\nalogon  zu  der 
Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  und  anderer  chemischer  Agentien 
dar,  indem  der  Zusatz  von  Kupfersalzlösungen  ein  sofortiges  erhebliches 
Zurückgehen  des  Bakteriengehaltes  überhaupt  wie  besonderer  Gruppen 
von  Bodenorganismen  im  Gefolge  gehabt  hat. 

Ganz  allgemein  ist  man  zu  der  Annahme  geneigt,  daß  niedere 
Organismen  gegen  die  Einwirkung  löslicher  Kupfersalze  durchweg  sehr 
empfindlich  seien,  eine  Schlußfolgerung,  die    nahe    liegt,    seitdem  schon 


1)  Dtsch.  Landw.  Presse  1901,  S.  501,  und  1902,  S.  (50. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wuizelbakterien  d.  Leguminosen  xisw.      I5I 

1893  Nägeli')  in  einer  sehr  interessanten  Studie  die  Tatsache  fest- 
gelegt hat,  daß  Spuogyra-ZeWen  in  Kupfersalzlösung  von  1  :  1000000000 
abstarben,  oligodynamische  Wirkungen,  die  Bokorny"^)  erst  kürzlich 
wieder  vollinhaltlich  bestätigt  hat.  Andererseils  ist  aber  auch  nach- 
gewiesen, daß  niedere  Pilze  verschieden  widerstandsfähig  gegen  lösliche 
Kupfersalze  sind;  auf  Sproßpilze  z.  B.  wirken  dieselben  weniger  toxisch, 
die  Entwickelung  und  Gärtätigkeit  der  Hefezellen  im  Most  wird  erst 
bei  einem  Kupfergehalt  von  über  0,15  pro  Liter  hemmend  beeinflußt. 
Endlich  erinnere  ich  an  die  mehrfachen  Untersuchungen  von  Ono') 
und  anderen,  von  denen  eine  fördernde  Wirkung  kleiner  Giftmengen 
speziell  auch  von  Kupfersulfat  auf  Aspergillus  niger  einwandsfrei 
festgestellt  wurde. 

Auch  der  Einfluß  von  Kupfersalzlösungen  auf  Bakterien  —  aller- 
dings fast  ausschließlich  pathogene  Mikroorganismen  —  ist  recht  häufig 
Gegenstand  der  Untersuchung  gewesen  mit  dem  übereinstimmenden  Er- 
gebnis, daß  die  vegetativen  Formen  selbst  durch  starke  Verdünnungen 
sehr  schnell  abgetötet  werden.  Ungleich  widerstandsfähiger  erwiesen 
sich  die  Dauerformen  gewisser  Spezies;  so  konstatierten  Paul  und 
Kroenig*),  daß  Milzbrandsporen  in  16'^/oiger  Kupfersulfatlösung  nach 
IOV2  Tagen  noch  nicht  abgetötet  waren.  Auch  dem  Amerikaner  Georg 
Moore^),  auf  dessen  Verdienste  ich  später  noch  zurückkommen  werde, 
verdanken  wir  hübsche  Mitteilungen,  nach  denen  man  annehmen  sollte, 
daß  das  Kupfer  allein  schon  durch  seine  Anwesenheit  deprimierend  auf 
alle  Krankheitskeime  wirkt.  Nach  seinen  Mitteilungen,  die  auch  merk- 
würdigerweise Eingang  in  eine  unserer  pojtulärwissenschaftlichen  Zeit- 
schriften**) gefunden  haben,  „genügt,  wenn  ein  Wasserreservoir  von 
einem  vergifteten  Fluß  gespeist  wird,  die  Anbringung  von  Kupferplatten 
am  Eingange  des  Reservoirs  zur  Ertötung  der  Mikroben."  ,,Kein  Kupfer- 
schmied ist  je  an  der  Cholera  gestorben!"  sagt  Moore  —  gewiß  eine 
klassische  Beweisführung! 

Die  Untersuchungen,  die  ich  in  dieser  Richtung  vorgenommen 
habe,  erstreckten  sich  nicht  nur  auf  die  Wurzelbakterien  der  Leguminosen, 
sondern  auch  auf  andere  Bodenorganismen,  speziell  auch  auf  jene,  die  ich 
vorhin    eingehender    berührt,    die    zu    den   Knöllchenbakterien    in  einem 


')  Nägeli,  Die  oligodynamischen  Erscheinimgen,   1893. 

2)  Archiv  f.  d.  ges.  Physiologie,  Bd.  CVIII,  190.'). 

3j  Siehe  Jost,  Vorlesungen  über  Pflanzenphysiologie  (]9()4),  und  Czapek, 
Biochemie  der  Pflanzen  (1905). 

*)  Zeitschrift  f.  phj^sik.  Chemie  1896.  .  ;  .        , 

5)  U.  S.  Department  of  Agriculture,  Bull.  64  (1904)  und  76  (1905). 

6)  Himmel  und  Erde  1906,  S.  182. 


152  'Joseph  Simon. 

antagonistischen  Verhältnis  stehen  und  die  Entwickelung  und  Wirksam- 
keit derselben  hemmend  beeinflussen  können.  Haben  die  angeführten 
Versuche  mit  Erbsen  und  künstlichen  Bakteriennährböden  gezeigt,  daß 
die  Knöllchenbakterien  sehr  widerstandsfähig  sind,  so  hat  sich  umgekehrt 
ergeben,  daß  die  genannten  anderen  Bodenorganismen,  daß  die  sog. 
Säurebildner  und  Päulnisbakterien  und  andere  ganz  allgemein  gegen 
lösliche  Kupfersalze  äußerst  empfindlich  sind  und  schon  bei  Gaben, 
die  auf  das  Wachstum  der  Knöllchenbakterien  nicht  einmal  einen 
hemmenden  Einfluß  ausüben,  restlos  zugrunde  gehen.  Ich  kann  diese 
Präge  jetzt  nicht  weiter  verfolgen;  sicher  erscheint  mir  aber,  daß  in 
dieser  Beeinflussung  der  Bodenflora  in  günstigem  Sinne  ein 
wesentliches  Moment  enthalten  ist  zur  Erklärung  der  för- 
dernden Wirkung  von  Kupfermitteln  auf  Kulturpflanzen,  daß 
neben  der  Annahme  einer  düngenden  Wirkung  des  Eisen- 
gehaltes oder  einer  Reizwirkung,  die  beide  unter  Umständen 
in  Betracht  kommen,  die  Beachtung  bodenbakteriologischer 
Gesichtspunkte  unabweisbar  notwendig  ist,  wie  sie  gleicher- 
weise auch  für  die  Erklärung  des  schon  erwähnten  Einflusses 
einer  Schwefelkohlenstoffbehandlung  und  einer  Austrocknung 
des  Bodens  in  Betracht  zu  ziehen    sind.') 

Ich  komme  nunmehr  zu  den  physikalischen  Ursachen,  welche  die 
Entwickelung  und  die  Wirksamkeit  derLeguminosenbakterien  zu  beeinflussen 
imstande  sind.  Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  auf  den  Einfluß  des 
Lichtes,  extremer  Temperaturen,  der  Feuchtigkeit  usw.  näher  eingehen. 
Ganz  allgemein  werden  auch  diese  Wirkungen  weit  überschätzt,  indem 
man  geneigt  ist,  die  beim  Studium  pathogener  Keime  gemachten  Er- 
fahrungen auch  auf  die  Verhältnisse  bei  den  Knöllchenbakterien  zu  über- 
tragen. Dasistvölligunzutreffend:  icherinnereandas  bekannteBuchn ersehe 
Schulbeispiel,  daß  auf  einer  dem  Licht  ausgesetzten  und  nachher  ver- 
dunkelten Fleischwasserpepton-Agarplatte  nur  an  den  Stellen,  wo  schwarze 
Papierstreifen  das  Wort  Typhus  bildend  die  Platte  bedeckten,  Wachstum 
der  Typhusbazillen  eintrat.  Vergleiche  man  hierzu  Gelatinekulturen  von 
Erbsenbakterien,  nachdem  die  einen  dauernd  im  Licht,  die  anderen 
im    Dunkeln    gewachsen    sind,    beide    werden    ein    gleich    üppiges    und 


')  Wenn  Stornier  (Sitzung  der  Ver.  f.  Angew.  Botanik  am  10.  Sept.  1907) 
die  in  Verfolg  einer  CS.^-Behandlung  nachweisbare  Stickstoffanreicherung  im 
Boden  auf  die  Leibessubstanz  der  abgetöteten  Organismen  zurückführt,  so 
ist  dies  an  sich  zweifellos  zutreffend,  vermag  aber  die  angeführte  Tatsache 
nur  zum  Teil,  keinesfalls  aber  in  ihrem  vollen  Umfange  zu  erklären.  Auch 
die  Schwefelkohlenstoff  Wirkung  ist  ebenso  wie  jene  löslicher  Kupfersalze  eine 
komplizierte  Folge  verschiedener  Faktoren. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      153 

normales  Wachstum  zeigen.  Weiter  weise  ich  darauf  hin,  wie  wir 
bei  der  Kultur  von  Pflanzen  unter  sterilen  Bedingungen  nur  zu  oft  die 
Erfahrung  machen  müssen,  daß  gerade  solche  von  Sonne  und  Luft 
gedörrte  Wanderer  spontane  Infektionen  hervorrufen  und  eine 
unheimliche  Vegetationskraft  entwickeln  können.  Eine  Wurzel 
aus  dem  ungeimpften  Topfe  26b  des  letzten  Versuches'),  den  ich  später 
besprechen  werde,  illustriert  das  Gesagte.  Während  alle  übrigen  Pflanzen 
dieses  Gefäßes  absolut  knöllchenfrei  sind,  befindet  sich  hier  ein  prächtiges- 
Knöllchengebilde  direkt  am  Wurzelhalse  einer  Pflanze,  die  durch  diese 
Fremdinfektion  dermaßen  in  ihrer  Entwickelung  gefördert  worden  war,  daß 
sie  eine  Höhe  von  beinahe  2  Meter  erreichte  und  ein  Trockengewicht 
ergab,    das   dem  der  5  anderen  Pflanzen   zusammen   beinahe  gleichkam. 

In  meinen  weiteren  Ausführungen  muß  ich  mich,  ohne  die  Wichtig- 
keit anderer  Momente  damit  zurückstellen  zu  wollen,  darauf  beschränken,, 
nur  die  Resistenz  der  Bakterien  und  speziell  der  Wurzelorganismen  der 
Leguminosen  gegen  Trocknung  allgemein  und  in  ihrer  Bedeutung,  für 
die  Bodenimpfung  zu  behandeln. 

Für  gewöhnlich  steht  fest,  daß  die  vegetative  Zelle  einer  inten- 
siven Trocknung  bald  evliegt  und  abstirbt,  sofern  sie  nicht  durch 
Membranverdickungen  u.  a.  sich  zu  schützen  weiß.  Jedenfalls  tritt  aber 
ganz  allgemein  infolge  Wasserentziehung  eine  Entwickelungshemmung 
stets  ein.  Bakterien,  die  jedoch  z,  B.  durch  Membranverdickungen  (von 
den  Sporen  bildenden  Organismen  sehe  ich  hier  ganz  ab)  Dauerformen 
annehmen,  sind  ungleich  resistenter  gegen  Wasserentziehung,  In 
dieser  Hinsicht  bestehen  ganz  bedeutende  Artdifferenzen:  Typhus-, 
Diphtherie-  und  Tuberkelbazillen  ertragen  nach  Löffler  wochen-  bis 
monatelang  vollständiges  Austrocknen  ohne  Schaden  zu  nehmen;  hin- 
wieder werden  Choleraspirillen  durch  bloßes  Austrocknen  an  der  Luft 
nach  Koch  binnen  3  Stunden,  nach  Gärtner  sogar  binnen  15  Minuten 
abgetötet. 

Der  Frage,  wie  sich  in  dieser  Hinsicht  die  KnöUchenbakterien 
verhalten,  bin  ich  schon  vor  Jahren  in  Tharandt  näher  getreten;  bei 
Arbeiten  über  die  Stickstoff  quelle  auf  ärmstem  Dünensande  der  Insel 
Juist  wohlgedeihender  Pflanzen  hatte  ich  die  große  Widerstands- 
fähigkeit des  Azotohacter  gegen  Trocknung  (derselbe  verträgt  einen 
monatelangen  Aufenthalt  im  Exsiccator)  kennen  gelernt,  und  es  mußte 
wertvoll  erscheinen,  auch  das  Verhalten  der  Leguminosenbakterien 
in    dieser   Hinsicht    genauer    kennen   zu  lernen.     Leider  sind  die  Unter- 

«)  S.  Seite  157. 


154  Joseph  Simon. 

suchungen    damals    aus    dem    Stadium    von   Vorarbeiten    nicht    heraus- 
gekommen. 

Inzwischen  hat  der  Amerikaner  George  F.  Moore.  Physiologist 
in  Charge  am  Pflanzenphysiologischen  Laboratorium  des  Agrikulture 
Departements  der  Vereinigten  Staaten  in  Washington,  diese  Frage  unter- 
sucht. Ich  muß  dies  wenigstens  annehmen,  denn  in  seiner  Schrift  ,,Soil 
inoculation  for  Legumes" ')  stellt  er  zwar  ohne  Angabe  irgendwelchen 
Untersuchungsmaterials  die  Behauptung  auf,  ,,daü  die  grollen  Stäbchen 
der  Pseudomonas  radicicolä,''  wie  er  die  Knöllchenbakterien  nennt,  ,.wenn 
sie  auch  keine  Sporen  bilden,  glücklicherweise  der  Austrocknung  auf  die 
Dauer  eines  Jahres  und  darüber  hinaus  widerstehen,"  und  daü  ,,sie, 
wenn  sie  wieder  ins  Leben  zurückgerufen  werden,  dieselbe  Wirksam- 
keit wie  früher  besitzen.  Die  Trockenheit  schadet  den  Bakterien  auf 
keinen  Fall"-). 

xAuf  diesen  und  einigen  anderen  gleich  kühnen  Behauptungen  baut 
Moore  eine  neue  Impfmethode  auf,  die  durch  ihre  Einfachheit  wie  durch 
die  vorzüglichen  Resultate,  über  welche  der  Erfinder  in  der  oben  zilierten 
Schrift  berichtet^),  direkt  frappiert.  Zur  Schilderung  des  neuen  Impf- 
verfahrens gebe  ich  Moore  selbst  das  Wort*): 

..Die  Methode,  die  im  vergangenen  Jahre  in  dem  Department  of 
Agriculture  angewendet  wurde,  bestand  darin,  daß  Watte  mit  einer 
-flüssigen  Kultur  von  Knöllchenbakterien  gesättigt  wurde.  Auf  diese 
Weise  Vv^erden  Millionen  von  Bakterien  von  der  Watte  festgehalten,  und, 
nachdem  diese  sorgfältig  getrocknet  ist,  bleiben  sie  wie  die  Samen 
schlafeud,  um  auf  die  günstigen  Bedingungen  zu  warten,  durch  die  sie 
wieder  belebt  werden.  Wo  es  möglich  ist,  steriles  Gebrauchsmaterial  zu  er- 
halten und  vollkommen  den  Eintritt  von  Mikroorganismen  zu  verhindern, 
genügt  es,  die  geimpfte  Watte  in  steriles  Wasser  zu  bringen :  wenn 
dann  die  Bakterien  sich  im  Laufe  der  Zeit  genügend  vermehrt  und  eine 
entschiedene  Trübung  der  Kultur  hervorgerufen  haben,  ist  die  Flüssig- 
keit zum  Gebrauch  für  den  Boden  fertig.  Das  würde  jedoch  zu  lange 
dauern,  und  es  ist  auch  schwierig,  falls  man  große  Mengen  von  Samen 
behandeln  soll,  das  Eintreten  von  anderen  Bakterien,  Hefen  usw.,  die 
alle  eine  schädliche  Wirkung  auf  das  Wachstum  der  Knöllchenbakterien 
ausüben  können,  zu  verhindern.  Deshalb  erscheint  es  am  zweck- 
mäßigsten, das  Wasser  auf  solche  Art  vorzubereiten.  dal5  es  das  Wachs- 


')  U.  S.  Department  of  Agriculture,    Bureau   of   Plant   Industry,    RuUetin 
Nr.  71.     Washington  1905. 
•^)  a.  a.  O.  8.  37. 
3)  a.  a.  O.  S.  45  u.  f. 
*)  a.  ü.  0.  S.  87  u.  88. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      155 

tum  des  gewünschten  Bakteriums  hegünstigt  und  dabei  doch  das  Eindringen 
jener  Formen  von  außen  verhindert.  Polglich  wurden  zwei  Pakete  von 
Nährsalzen  mit  der  Wattekultur  versandt,  eins  enthielt  Zucker,  Magnesium- 
sulfat und  phosphorsaures  Kali,  das  andere  Ammoniumphosphat.  Durch 
den  Zusatz  der  ersten  drei  Bestandteile  zu  dem  Wasser,  welches  die  mit 
Bakterien  getränkte  Watte  enthält,  wird  eine  Lösung  gebildet,  welche  dem 
Wachstum  der  Organismen,  die  gewöhnlich  in  der  Luft  enthalten  sind, 
nicht  sehr  zusagt,  wohl  aber  der  Vermehrung  der  knöUchenbildenden 
Bakterien  sehr  förderlich  ist.  Der  Zusatz  von  Ammoniumphosphat  nach 
24  Stunden  dient  dazu,  das  Wachstum  dieser  Bakterien  noch  weiter 
zu  fördern." 

Es  ist  dem  noch  hinzuzufügen,  daß  Moore  auch  die  bisher  gebräuch- 
lichen gelatinösen  Nährböden,  weil  zu  stickstoffreich,  als  zur  Kultur  der 
Knöllchenbakterien  ungeeignet  verwirft;  auf  diesen  soll  ,,ihr  Wachstum  ge- 
wöhnlich mit  einer  sehr  starken  Reduzierung  der  Virulenz  verbunden  sein"  ^). 
Er  will  ferner  beobachtet  haben,  daß,  wenn  die  so  kultivierten  Organismen 
in  den  Boden  gebracht  werden,  sie  die  Fähigkeit  verloren  haben,  sich  in 
die  Schwärmerform  zu  verwandeln,  die  notwendig  ist,  um  ,,in  die  Wurzel- 
haare einzudringen.  Sie  verlieren  gleichfalls  die  Fähigkeit,  den  atmo- 
sphärischen Stickstoff  zu  binden"^).  Moore  benutzte  deshalb  einen 
Nähragar  folgender  Zusammensetzung:  1"/^  Agar,  1"/q  Maltose,  0,1  ^'/o 
Monokaliumphosphat  und  0,02°/o  Magnesinmsulphat  auf  100  ccm  desti- 
liertes  Wasser. 

Auf  die  Mooresche  Publikation  noch  w^eiter  einzugehen,  muß  ich 
mir  hier  versagen,  ich  werde  dies  an  anderer  Stelle  eingehend  tun;  die 
Arbeit  gibt  schon  a  priori  in  vielen  Punkten  einer  scharfen  Kritik 
Raum."^)     Welch    praktischer  Wert    aber    für    uns    dem  Impfstoft  Nitro- 


1)  a.  a.  O.  S.  27. 

2)  a.  a.  O.  S.  27. 

-')  Wenn  trotzdem  eine  umfassende  Prüfung  des  Moor  eschen  Impf- 
stoffes und  Impfverfahrens  vorgenommen  wurde,  so  geschah  dies  deshalb, 
weil  uns  schon  im  Herbst  1904  von  einem  hervorragenden  deutschen  Landwirt 
über  ausgezeichnete  Erfolge  berichtet  wurde,  die  in  den  Verein.  Staaten  durch 
Verwendung  dieses  Impfstoffes  erzielt  und  von  ihm  selbst  konstatiert  worden 
waren,  und  weil  von  Seiten  einer  amerikanischen  Firma  ,,National-Nitro-Culture 
Co."  unter  einem  Riesenaufwand  an  marktschreierischer  Reklame  dieser  Impf- 
stoff unter  der  Bezeichnung  ,,Nitro-Culture"  den  deutschen  Landwirten  als 
„die  größte  Entdeckung  des  .Jahrhunderts''  zu  enormen  Preisen  mit  dem  Be- 
merken angeboten  wurde,  „daß  dieses  neue,  sichere,  leichte  Verfahren  dürres 
und  unfruchtbares  Land  ohne  stickstoffhaltige  Düngemittel  und  fast  kostenlos 
enorm    ertras;fähi2;    mache.".'     Der    deutsche  Vertreter    der    genannten    Firma 


156  Joseph  Simon. 

Culture  innewohnt,  das  dokumentieren  die  Ergebnisse  meiner  während 
zwei  Jahren  ( 1905  und  1906)  ausgeführten  diesbezüglichen  Vegetations- 
versuche. Die  Resultate  habe  ich  seinerzeit  in  einer  in  der  Sachs. 
Landw.  Zeitschrift  erschienenen  Publikation  folgendermaßen  zusammen- 
gefaßt: „Wir  haben  das  Präparat  ,Nitro-Culture'  einer  wiederholten 
Prüfung  bei  Bohnen,  Erbsen,  Saatwicken,  Rotklee,  Luzerne,  Pferde- 
bohnen und  Sojabohnen  in  Gefäß-  und  Freilandversuchen  unterzogen, 
welche  die  vollkommene  Untauglichkeit  desselben  einwandfrei  ergeben 
hat.  In  den  meisten  Fällen  blieb  überhaupt  jegliche  Impfwirkung  aus 
und  nur  ganz  vereinzelt  (bei  Gefäßversuchen)  war  eine  geringfügige 
Förderung  einzelner  Versuchspflanzen  zu  konstatieren,  die  jedoch  nicht 
annähernd  an  jene  heranreichte,  die  eine  Impfung  mit  den  von  uns 
reinkultivierten  KnöUchenbakterien  ohne  Ausnahme  im  Gefolge  hatte, 
und  wie  wir  sie  in  solchen  Fällen  mit  absoluter  Sicherheit  zu  erzielen 
gewöhnt  sind.  Übereinstimmend  wurde  dieses  Resultat  durch  die 
mikroskopische  und  kulturelle  Prüfung  bestätigt,  bei  der  nur  Schimmel- 
pilze und  indifferente  Bakterien,  aber  keine  Wurzelmikroben  der  Le- 
guminosen nachgewiesen  werden  konnten.  Es  muß  daher  von  dem 
Ankaufe  und  der  Verwendung  des  Impfstoffes  ,Nitro-Culture'  nach- 
drücklich abgeraten  werden."  Inzwischen  sind  auch  andernorts  Unter- 
suchungen mit  dem  genannten  Bakterienpräparat  ausgeführt  worden 
(Remy,  Rüssel,  Butz  u.  a.),  sämtlich  mit  negativen  Resultaten,  und 
zahlreiche  F'eldversucho  haben  fast  au.snahmslos  Mißerfolge  gezeitigt. 

Die  weiten  Gesichtspunkte  aber,  welche  George  Moore  leiteten, 
nämlich  einerseits  wenn  möglich  eine  Steigerung  der  Vegetationskraft 
und  Wirksamkeit  der  Leguminosenbakterien  zu  erzielen,  anderseits 
eine  für  die  praktische  Verwendung  des  Impfstoffes  möglichst  geeignete 
Form  zur  Anwendung  zu  bringen,  sind  ja  auch  die  unseren.  Jedenfalls 
mußte    es   deshalb  notwendig  erscheinen,    die  grundlegenden  Vorschläge 

Kultur  von  Bakterien  auf  Agar  von  anderer  Zusammensetzung, 

Vorsendung  der  Bakterien  in  eingetrocknetem  Zustande, 

geeignetes  Substrat  hierzu  Watte, 
einer  objektiven  Prüfung  zu  unterziehen. 

Diesem  Zweck  diente  zum  Teil  ein  umfangreicher  Versuch,  dem 
ich    hier   jedoch   nur  wenige  Worte  widmen  will;')    in    der  Hauptsache 


glaubte  seiner  Sache  so  sicher  zu  sein,  daß  er  sich  direkt  an  das  Kgl.  Sachs. 
Ministerium  wandte  mit  der  Bitte,  den  Impfstoff  einer  Prüfung  unterziehen 
zu  lassen. 

1)  Die  Versuchsanordnung    und    die  Resultate    sind    aus  der  Zusammen- 
stellung S,  157  ersichtlich;  da  diese  Mitteilungen  nur  als  vorhäufige  zu  betrachten 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbakterien  d.  Leguminosen  usw.      157 


Ei'nte-Ti'0(ikeiiftewichte  des  Widers^andsfälii^keits-Versuches  1907. 
1.  Teil.     Versuchspflauze  Pisiiiii  sativum. 

t    %    ^       Erbsen-Bakterien  vom  Herbst  190G.    Gel. -Kult. 

•«    -g    ^  letztemal  übergeimpft,  10.  -Jan.  1907.  | 


Bakterifiii  + 
Wasser  +  Ki'd- 
extrakt  einge- 
trocknet  .lUf 

Wattekugelii 


Bakterien  +  Wasser 

eingetrocknet  auf 


Wattekagelii 


Seide- 
fäden 


Erde- 
Saiid- 


Bakt. 

+ 
aiiieri- 
kaii. 
Salz- 
lös^. 
einge- 
trockn. 
auf 


Hakt. 

auf 

Moore 

Agar 

kulti- 
viert 


6em.    vvatte 

ilaiin  vom  K!.  FebriLir  bis  IT.  Juni  bei  I.ichtabscliluss  aufbow.ilu't. 


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1 

Die  Wurzeln  von  ileu  mit  einem  Sternchen  bezeichnoten  Versuchsreihen  waren  knöllchen- 
Irei,  die  übrigen  besaCseu  sämtlich  mehr  oder  minder  zahlreiche  Knöllchen. 


J58  Joseph  Simon. 

strebto  derselbe  einen  zuverlässigen  Aufschlufi  über  die  Frage  an, 
inwieweit  die  Wurzelbakterien  der  Leguminosen  das  Eintrocknen  und 
das  dauernde  oder  wechselnde  Verbleiben  in  diesem  Zustande  vertragen. 
Das  letztere  betone  ich  besonders,  denn  der  Gedanke  war  nicht  von 
der  Hand  zu  weisen,  daß  die  auf  der  Watte  eingetrockneten  KnöUchen- 
bakterien  Moores  durch  den  Transport  über  den  Ozean  geschädigt 
bzw.  abgetötet  worden  seien,  daß  mit  anderen  Worten  der  Wechsel 
der  relativen  Feuchtigkeit  der  Luft  auf  die  vegetativen 
Formen  der  Knöllchenbakterien  schädigend  eingewirkt  haben 
kiuinte. 

An    der    Hand    der    Ergebnisse    dieses   Versuches    weise    ich    auf 
folgende  Momente  besonders  hin: 

1.  Auf  den  geringen  Tuterschied  in  der  Wirkung  alter  Gelatine- 
kulturen (Reihe  2.  3,  4,  23).  Das  völlige  Eintrocknen  auf 
gelatinösen  Nährböden  vertragen  die  Knöllchenbakterien  jedoch 
nicht  (1). 

2.  Das  völlige  Eintrocknen  auf  nährstofffreien  Substraten,  wie  sie 
Watte-  und  Seidefäden  darstellen,  bringt  die  Knöllchenbakterien 
restlos  zum  Absterben  (10 — 16). 

3.  Wird  hingegen  Bodenextrakt  der  Bakterienaufschwemmung  zu- 
gegeben und  diese  dann  auf  Watte  zum  Eintrocknen  gebracht^ 
so  bleibt  Lebens-  und  Vegetationskraft  durchaus 
erhalten,  besonders  wenn  die  weitere  Aufbewahrung  in  ab- 
solut trockenem  Raum  geschieht  (5—  8). 

4.  Schnelles  Trocknen  wirkt  nngleich  schädlicher  als  langsame 
Wasserentziehung.  Ein  Wechsel  in  der  relativen  Feuchtigkeit 
der  Luft  wirkt  auf  die  eingetrockneten  Knöllchenbakterien 
schädlich  und  kann  unter  Umständen  ein  völliges  Eingehen  der- 
selben im  Gefolge  haben  (7 — 9). 

5.  Die  von  Moore  angegebenen  Nährsalze  erscheinen  als  solche 
nicht  geeignet,  ihr  Zusatz  macht  die  Knöllchenbakterien  gegen 
Trocknung  nicht  widerstandsfähiger  (19 — 20). 

6.  Der  von  Moore  empfohlene  relativ  stickstofffreie  Nähragar  ist 
zwar  zur  Vermehrung  der  Knöllchenbakterien  nicht  geeignet; 
das  vorzügliche  Ergebnis  aber,  welches  gerade  mit  den  auf 
diesem  Agar  entstandenen  Bakterien  erzielt  wurde,  läßt  es 
dringend  notwendig  erscheinen,  nach  dieser  Seite  hin  objektive 
Untersuchungen  fortzusetzen  (21 — 22). 


sind,  muß  wegen  der  Details  auf  die  spätere  Veröffentlichung  im  Centralblatt 
für  Bakteriolo2:ie  und  Parasitenkunde  verwiesen  werden. 


Die  Widerstandsfähigkeit  d.  Wurzelbaktei'ien  d.  Leguminosen  usw.      159 

Auf  die  Bedeutung  einiger  der  in  den  vorstehenden  Ausführungen 
berührten  Momente  für  die  Implmothoden  sei  in  folgendem  nochmals 
zusammenfassend  hingewiesen: 

Bei  der  Verwendung  von  Gelatine-  bzw.  .\garkulturen 
zur  Impfung  soll  das  durch  die  Zersetzungs-  und  Stoff- 
wechselprodukte vergiftete  Substrat  möglichst  nicht  Ver- 
wendung finden. 

An  sich  erscheint  die  Kultur  auf  gelatinösen  Nährböden 
sonst,  sofern  sie  den  Bakterien  geeignete  Wachstumsbedin- 
gungen bietet,  für  die  Wirksamkeit  derselben  als  Impf- 
material von  geringerer  Bedeutung.  Die  zwischen  Impfung 
und  Infektion  bzw.  Knöllchenbildung  im  Boden  und  in  der 
Pflanze  verbrachte  Zeit  und  damit  die  günstige  Beschaffenheit 
des  ersteren  und  der  Gesundheitszustand  der  letzteren  sind 
von  maßgeblicher  Bedeutung  für  die  Impfwirkung. 

Die  gelatinösen  Nährböden  sind  für  die  Isolierung  der 
KnöUchenbakterien  nicht  zu  entbehren:  für  die  Portkultur 
stellen  aber  auch  geeignete  Erde  und  Erdextrakte  (mit  Mannit 
und  Traubenzuckerzusatz)  ein  gutes  und  'Unter  Umständen 
besseres  Substrat  dar. 

KnöUcheninfuse  bilden  jedenfalls  eine  ungeeignete 
Basis. 

Das  eingehende  Studium  der  normal  und  auch  der  unter 
besonderen  Verhältnissen  im  Boden  vorkommenden  Mikro- 
organismen bezüglich  ihrer  Lebensbedingungen,  Lebens- 
äußerungen und  ihrer  Wechselbeziehungen  zu  den  KnöUchen- 
bakterien der  Leguminosen  erscheint  dringend  geboten» 
nächst  anderem  können  dadurch  Anhaltspunkte  gewonnen 
werden,  um  auf  Grund  einer  bakteriologischen  Bodenunter- 
suchung die  Ursachen  mancher  Bodenmüdigkeitserschei- 
nungen erkennen  zu  können. 

Schwefelkohlenstoff  ist  zwar  an  sich  ein  wertvolles 
Hilfsmittel,  das  biologische  Gleichgewicht  im  Boden  in  wirk- 
samer und  für  den  Anbau  von  Hülsenfrüchten  förderlicher 
Weise  zu  beeinflussen,  für  die  Praxis  im  großen  kann  der- 
selbe jedoch  nicht  in  Betracht  kommen;  die  Natur  der 
schädigenden  Organismen  läßt  aber  von  bestimmten  Kultur- 
raaßnahmen  (Schaffung  besserer  Bodendurchlüftung  usw.) 
und  Zwischenbau  anderer  Kulturpflanzen  günstige  Wirkung 
erhoffen. 


160     'Joseph  Simon,  Die  Widerstandsfähigkeit  der  Wurzelbakterien  usw. 

Ein  Aufgeben  bewährter  Impfmethoden,  und  wenn  sie  auch  für 
die  Praxis  gewisse  Unbequemlichkeiten  besitzen,  kann  natüriich  nur  dann 
in  Frage  kommen,  wenn  ein  einfacheres  Verfahren  mindestens  die 
gleichen  Erfolge  verbürgt.  Weit  entfernt,  auf  wenige  Versuche  hin 
ein  neues  Verfahren  allgemein  empfehlen  zu  wollen,  glaube  ich  doch, 
daß  die  Resultate  des  letztgenannten  Versuches  im  Verein  mit  den  vor- 
angegangenen Ausführungen  bestimmte  Hinweise  geben,  in  welcher 
Richtung  eine   Vervollkommnung  vielleicht  zu   erzielen  sein  wird. 


B.  Heinze.    Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.      Ißl 


Einige  neuere  Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella 
und  Lupinen  auf  schwerem  Boden. 

Von 

Dr.  B.  Heinze,   Halle  a.  S. 

Mit  einer  Textfigur  und  Tafel  I— IV. 

(Ans  der  bakteriologischen  Abteilung  der  Versuchsstation  Halle.) 

Serradella')  {Ornitliopus  sativus  Brotero)  und  Lupine^)  {Lu- 
pinus  albus  L.,  L.  luteus  h.,  L.  angustifolius  L.  etc.)  sind  bekanntlich 
beide  erst  vor  wenigen  Jahrzehnten  —  wahrscheinlich  von  Spanien  oder 
Portugal  aus  —  über  Prankreich  oder  Belgien  bei  uns  in  Deutschland 
wieder  eingeführt  worden,  nachdem  man  diese  Pflanzen  sicherlich  schon 
in  früherer  Zeit  verschiedentlich  angebaut  hatte,  die  diesbezüglichen  Ver- 
suche aber,  und  zwar  besonders  diejenigen  mit  Lupinen,  vollständig 
fehlgeschlagen  waren,  Beide  Pflanzen  sind  alsdann  in  der  deutschen 
Landwirtschaft  heimisch  geworden  und  nehmen  vielleicht  den  hervor- 
ragendsten Platz  unter  den  neueren  Kulturpflanzen  ein.  Ihre  eigentliche 
Domäne  ist  freilich  zurzeit  immer  noch  der  leichtere,  sandige  Boden,  wie 
er  gerade  in  Deutschland,  über  weite  Strecken  verbreitet,  sich  vorfindet. 

Besonders  mit  Hilfe  der  gelben  Lupine  ist  man  nunmehr  auf 
trockenem  Sande,  welcher  bisher  einer  extensiveren  Kultur  kaum 
für  wert  erachtet  wurde,  tatsächlich  in  den  Stand  gesetzt  worden, 
relativ  große  Pflanzenmassen  zu  produzieren;  und  auf  sandigem  Boden 
mit  etwas  mehr  Feuchtigkeit,  als  für  Lupinen  gerade  noch  ausreichend 
ist  —  insbesondere  auf  sandigem  Lehm  — ,  hat  sich  die  Serradella 
bald  einen  guten  Platz    neben    der  Lupine    errungen.     Ebenso    wie    die 


ij  Sie  wird  auch  Krallenklee  oder  Vogelfuß,  auch  großer  Krallen- 
klee, Saatvogelfuß,  Sandklee,  „Klee  des  Sandes"  und  Klauenschote  genannt. 
Ihr  Name  ist  jedoch  nach  Blomeyer  (cf.  Die  Kultur  der  landw.  Nutzpflanzen, 
Leipzig  1889,  Bd.  I,  S.  576)  keineswegs  von  Serra  da  Estrella,  wie  v.  König 
glaubt  (cf.  Die  Serradella,  der  Klee  des  Sandes,  3  Aufl.,  p.  5),  abzuleiten, 
ferner  auch  nicht  von  dem  französischen  Serre,  Klaue  oder  Kralle,  sondern 
von  dem  spanischen  serrar.  sägen,  serrado  gesägt,  gezähnt.  Auch  gibt  es 
den  spanischen  Namen  Serradilla,  Sägekraut.  Dies  ist  nach  Blomeyer 
unsere  Pflanze.  Vielleicht  gibt  es  aber,  wie  die  Pflanze,  so  auch  das  Wort 
im  Portugiesischen,  w-o  es  dann  freilich  Serradela  oder  Serradilho  heißen 
müßte.  Im  übrigen  ist  sie  bei  uns  neuerdings  zuerst  wohl  von  ßimpau  oder 
von  Neuhauß  wieder  kultiviert  worden. 

2)  Diese  wird  bekanntlich  auch  Feigbohne  oder  Wolfsbohne  genannt. 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angew.andte  Botanik    V.  11 


IQ2  ß-  Heinze. 

Lupine  ist  Serradella  als  Gründüngungspflanze  hoch  zu  bewerten, 
sie  ist  aber  mehr  als  die  Lupine  zugleich  auch  eine  ganz  ausge- 
zeichnete Futterpflanze.  Bezüglich  ihres  Nährwertes  steht  sie  dem 
Rotklee  annähernd  gleich  und  liefert  ein  gutes,  besonders  vom  Milch- 
vieh gern  genommenes  Futter.  Vor  allem  aber  werden  durch  dasselbe 
kaum  irgendwelche  Blähungen  hervorgerufen. 

Auf  besseren,  schwereren  Böden  hat  man  nun  früher  Serradella 
und  Lupinen  wohl  schwerlich  jemals  zu  einer  auch  nur  einigermaßen 
freudigen  Entwickelung  bringen  können,  die  speziellen  Versuche  in- 
dessen wohl  auch  immer  leider  zu  bald  wieder  aufgegeben.  Nur  ganz 
vereinzelt  hat  man  späterhin  auf  solchen  Böden  eine  leidlich  gute  Ent- 
wickelung beobachtet,  und  erst  neuerdings  mehren  sich  solche  Beob- 
achtungen über  besonders  günstige  Entwickelung  der  genannten 
Leguminosen'),  nachdem  uns  die  bekannten,  im  allgemeinen  auch  immer 
außerordentlich  wirksamen  Hiltnerschen  Kulturen  spezifischer 
Knöllchenorganismen    zur  Verfügung    stehen. 

I.  Einige  weitere  Beobachtungen    beim  Serradella-    und   Lupinenbau. 

In  den  letzten  10  Jahren  sind  nun  auch  in  Halle,  bzw.  in 
Lauchstedt  auf  humosem  Lößlehmboden 2)  einige  nicht  unwichtige 
Beobachtungen  in  dieser  Hinsicht  gemacht  worden. 


1)  Vgl.  u.  a.  hierzu  A.  Koch,  Jahresberichte  über  die  Fortschritte  Inder 
Lehre  von  den  Gärungsorganismen,  L.  Hiltner,  Berichte  der  Agrikultur- 
botanischen Anstalt  zu  München,  Lafar,  Handbuch  der  technischen  Mykologie, 
und  Arbeiten  d.  Biolog.  Abtlg.  d.  Kaiserl.  Ges. -Amtes  1903. 

2)  Der  hier  in  Betracht  kommende  Boden  ist  ein  humoser  Lößlehm 
(diluvialen  Ursprungs)  bester  Beschaffenheit:  er  ist  in  der  Ackerkrume  an  und 
für  sich  schon  nicht  kalkarm;  sein  Kalkgehalt  wird  aber  im  Untergrunde 
recht  beträchtlich  und  nimmt  niit  größerer  Tiefe  immer  weiter  zu,  so  daß  unter 
dem  Lößlehmboden,  von  1  m  Tiefe  ab,  ein  Lößmergel  mit  ca.  15 — 18%  CaCOj 
steht.  Die  mechanische  Beschaffenheit,  wie  auch  der  ursprüngliche  Gehalt  an 
Nährstoffen  ist  mit  Ausnahme  der  P2O5  ein  recht  günstiger  zu  nennen,  wie 
aus  folgenden  analytischen  Daten  (für  Schlag  I)  ohne  weiteres  hervorgeht: 


Nährstoff 

■gehalt 

Mechanisch 

e  Zusammense 

31,5  cm 

63,0  cm 

31,.T  cm 

63,0  cm 

Tiefe 

Tiefe 

Sieb- 

Tiefe 

Tiefe 

% 

% 

nummer 

0/0 

«/o 

Stickstoff     .     . 

0,136 

0,091 

3      mm 

— 

— 

Phosphorsäure 

0,098 

0,043 

2 

0,1 

— 

Kali.     .     ,     .     . 

0,320 

0,260 

1 

0,1 

— 

Kalk      .... 

0,(330 

1,240 

0,5     „ 

0,2 

0,1 

Magnesia      .     . 

0,510 

0.530 

0,2     „ 

0,9 

1,1 

F 

einsand      .     . 

19,2 

25,6 

Staubsand  .     . 

64,2 

61,7 

Abschlämm- 

bare  Teile    . 

1.5,2 

11,4 

Beobachtungen  beim  Anbau  von  vSerradella  und  Lupinen  usw.         163 

Maercker')  schreibt  im  1.  Lauchstedter  Bericlite  (1898)  von 
einem  Achtungserfolg  zugunsten  einer  Nitraginimpfung  bei  (blauen) 
Lupinen  im  Gemenge  mit  Erbsen,  Wicken,  Bohnen  {Vicia  faba)  als 
Stoppelgründüngung,  ohne  leider  damals  weitere  Versuche  über  den 
etwaigen  Anbauwert  der  Lupinen  anzustellen  (1896).  Die  Länge  der 
Lupinen  betrug  übrigens  30 -45  cm  ohne  Impfung,  bzw.  40 — 55  cm 
mit  Impfung. 

1903  war  alsdann  von  Herrn  Prof.  W.  Krüger  im  sog.  bakterio- 
logischen Garten  der  Versuchswirtschaft  Lauchstedt  im  Anschluß  an 
besondere  Gründüngungsversuche  in  Verbindung  mit  Brache  eine  Serra- 
dellaparzelle mehr  außer  Versuch  angelegt  worden,  und  zwar  ohne 
jedwede  Impfung.  Diese  Serradella,  als  Hauptfrucht  angebaut, 
hatte  einen  äußerst  kümmerlichen  Stand.  Auf  eine  etwaige  KnöUchen- 
bildung  ist  nun  allerdings  damals  gar  nicht  weiter  geachtet  worden; 
soweit  ich  mich  jedoch  selbst  auf  ihren  Stand  noch  besinnen  kann, 
war  dieser  wohl  ein  fast  noch  schlechterer,  als  die  verschiedenen 
späteren  Anbaue  (ohne  Impfung,  bzw.  mit  Impfung  ohne  Impferfolg)  in 
den  Jahren  1905,  1906  und  1907;  eine  Knöllchenbildung  dürfte 
als  ausgeschlossen  gelten.  Auch  die  Farbe  der  einzelnen  Pflanzen 
—  ein  helles,  stark  ins  Gelbe  spielendes  Grün  —  war  derartig  charakte- 
ristisch, daß  eine  Knöllchenbildung  bei  dieser  Serradella  auch  ohne 
besondere  augenscheinliche  Feststellung  tatsächlich  als  ausgeschlossen 
gelten  kann.  Auch  Herr  Prof.  Krüger  hält  auf  besondere  diesbezüg- 
liche Rücksprache  hin  die  Bildung  von  Knöllchen  bei  der  von  ihm  1903 
angebauten  Serradella  für  ausgeschlossen.  Ein  weiterer  Anbau  im 
bakteriologischen  Garten  erfolgte  zunächst  nicht. 

Im  Jahre  1905  ist  alsdann  von  Schneidewind  und  Meyer  mit 
Serradella  als  Gründüngung  (und  zwar  als  Gersteneinsaat)  ein 
recht  guter  Impferfolg  erzielt  worden.  Die  mit  Hiltnerschem  Kultur- 
materiale  geimpfte  Serradellaparzelle  entwickelte  sich  im  Laufe  des 
Spätsommers  noch  recht  gut,  und  gab  gegenüber  der  ungeimpft 
gebliebenen  Parzelle    einen    bedeutenden  Mehrertrag    und    zwar  fas    die 


Eine  ähnliche  Zusammensetzung  zeigen  auch  die  verschiedenen  anderen 
Schläge  des  Lauchstedter  (über  200  Morgen  großen)  Versuchsfeldes;  und  das 
ganze  Terrain  weist  zu  Versuchszwecken  eine  vollauf  befriedigende  Gleich- 
mäßigkeit und  Beschaffenheit  auf  (cf.  hierzu  I.  Lauchstedter  Bericht  1898, 
S.  22—24). 

1)  M.  Maercker.  Erster  Bericht  über  die  Versuchswirtschaft  Lauch- 
stedt der  Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Sachsen.  Unter  Mitwirkung 
von  F.  Albert,  W.  Schneidewind  und  C.  Spallek.  Berlin  (P.  Parey) 
1898,   S.  161. 

11* 


164 


B.  Heiuze. 


auf  1  ha 

auf  1  ha 

D-Ztr. 

in  O/o 

in  kg 

10,50  „ 

1,79  „ 

18,80  „ 

22,76  „ 

2,54  „ 

57,81   „ 

dreifache    Menge    Frischsubstanz     und    ungefähr    die    doppelte    Menge 
Trockensubstanz,  wie  aus  den  folgenden  Zahlen  hervorgeht: 

Erntemasse       Stickstoffernte  (Gesamt  =  N^ 
frisch  trocken 

auf  1  ha 
D-Ztr. 
Ungeimpfte  Serradella  .     .    27,0  ,. 
Geimpfte  Serradella  (Kultur 

Hiltner) 72,5  „ 

Weiterhin  war  also  nach  den  vorstehenden  Zahlen  der  N-Ge- 
winn  durch  die  Impfung  von  18,8  kg  auf  57,8  kg  gestiegen.  Im 
übrigen  hatte  die  ungeimpft  gebliebene  Serradella  (nach  einer 
größeren  Anzahl  von  Stichproben  zu  urteilen)  keinerlei  Knolle hen 
angesetzt  und  zeigte  die  typische  helle,  gelblichgrüne  Farbe;  die 
geimpfte  Serradella  hingegen  hatte  durchweg  reichlich  Knöllchen 
gebildet  und  wies  eine  schöne,  dunkelgrüne  Farbe  auf. 

Der  1906  angebaute  Gründüngungshafer  entwickelte  sich  sehr 
üppig  und  zeigte  auch  immerhin  auffallende  Unterschiede  zugunsten  der 
Impfung;  infolge  heftigen  Unwetters  lagerte  er  sich  aber  derartig,  daß 
das  Ernteergebnis  kein  genaues  Bild  über  den  Wert  der  Grün- 
düngung gab. 

Die  nach  der  Gründüngung  gebauten  Zuckerrüben  zeigten  keine 
besonders  auffallenden  Unterschiede,  wie  aus  folgenden  Zahlen  her- 
vorgeht: 


Zuckerriihen 

Kartoffeln 

Auf  1  ha 

Zucker  auf 

Auf  1   ha 

Stärke  auf 

nach 

D.-Ztr. 

1  ha;  D.-Ztr. 

D.-Ztr. 

% 

1ha;  D.-Ztr. 

Mehr- 
ertrag 

bß 

Mehr- 
ertrag 

bß 

bß 

S-i 

Mehr- 
ertrag 

Ohne  Grün- 

düngung  . 

352,9 

— 

17,1 

60,35 

— 

137,5 

— 

16,2 

22,28 

— 

Serradella 

nicht     ge- 

impft    .     . 

;340,:{ 

-  12,6 

17,1 

58,19  —2,16 

146,1 

+  8,6 

16.6 

24,25 

+  1,97 

Serradella 

geimpft     . 
(Kultur  Hilt- 
ner) .     .     . 

363,0 

+  10,1 

17,4 

63,16 

+  2,81 

168,2 

+  30,7 

16,9 

28,43 

+  6,15 

Die  Differenz  im  Ertrage  zugunsten  der  Impfung  beträgt  ca.  7 — 8"/^. 
Größer  war  indessen  der  Unterschied    der  Kartoffeln    in    geimpfter 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Sen-adella  und  Lupinen  usw.         ^65 

und  ungeimpfter  Serradella;  er  betrug  16  —  17  ^/g  zugunsten 
der  Impfung  (vgl.  hierzu  VI.  Bericht  über  die  Versuchswirtschaft  Lauch- 
stedt  der  Landwirtschaftskammer  für  die  Provinz  Sachsen  1907,  von 
Prof.  W.  Schneidewind,  S.  27  und  36). 

Bei  einem  größeren  Impfversuche  wurde  alsdann  im  Jahre  1906 
u.  a.  Serradella  als  Hauptfrucht  angebaut,  aber  ohne  Erfolg;  auch 
konnte  (nach  einer  wiederholt  vorgenommenen  größeren  Anzahl  von 
Stichproben  zu  urteilen)  weder  auf  den  ungeimpften,  noch  auf  den  ge- 
impften Serradellaparzellen  irgendeine  KnöUchenbildung  beobachtet 
werden.  Alle  Parzellen  wiesen  die  typische  helle,  gelbgrüne  Farbe  auf 
und  lieferten  obendrein  auch  nur  einen  recht  mäßigen  Ertrag.  Eine 
Erklärung  für  das  Ausbleiben  des  Impferfolges  läßt  sich  nicht  ohne 
weiteres  geben 'j;  auf  alle  Fälle  war  das  Hiltnersche  Kulturmaterial 
selbst  ausgezeichnet,  wie  aus  der  ganzen  Entwickelung  und  dem  Ernte- 
ergebnis der  entsprechenden  Topfkulturen  mit  demselben  Material  zu 
ersehen  war.     Es  betrug  die  Ernte  von  je  3  Gefäßen: 

(unter  sich  in  den  Erntezahlen  gut  übereinstimmend) 
g  g  Bemerkungen 

frisch     trocken 
Boden    nicht    sterili-  hellgrüne,  gelblicheFarbe, 

siert,  ungeimpft.     .         142,9  30,3  keine  Knöllchen. 

Boden    nicht     sterili-  dunkelgrüne   Farbe,    sehr 

siert,  geimpft(Kultur  reichlicher     Knöllchenan- 

Hiltner)      .     .     .     .     .        329,9  65,7  satz. 

Im  Anschluß  bzw.  in  direktem  Zusammenhange  mit  sog.  Boden- 
müdigkeitsversuchen wurde  alsdann  von  mir  im  vorigen  Jahre 
(1906)  im  sog,  bakteriologischen  Garten  auf  der  oben  erwähnten  alten 
Serradellaparzelle  des  Jahres  1903  zum  zweiten  Male  Serra- 
della als  Hauptfrucht  angebaut  und  auf  einer  direkt  daneben 
gelegenen,  gleich  großen  Parzelle  zum  ersten  Male  und  zwar  in 
beiden  Fällen  ohne  jedwede  Impfung.  Für  beide  Parzellen  kommt 
übrigens  für  die  Jahre  1904  und  1905  dieselbe  Vorfrucht,  nämlich 
Roggen  bzw.  Hafer,  in  Betracht.  Im  Jahre  1902  trugen  beide  Par- 
zellen ebenfalls  dieselbe  Vorfrucht  (Kartoffeln);  1903  trug  die  eine  Par- 
zelle, wie  oben  schon  hervorgehoben  wurde,  zum  1.  Male  Serradella, 
die  andere  Parzelle  ein  Gründüngungsgemisch  in  Form  von  Bohnen 
{Vicia  faba),  Erbsen  und  Wicken. 2) 


1)  Es  läßt  sich  zunächst  nur  vermuten,  daß  Düngungszustand  und 
Art  der  Bearbeitung,  ferner  Zeitpunkt  der  Bestellung  und  vielleicht  auch 
Witterung  und  Vorfrucht  hierbei  einen  zuweilen  maßgebenden  Einfluß 
ausüben. 

2)  Anmerkung  hierzu  s.  S.  166  unter  ')•      •      ' 


jgg  B.  Heinze. 

In  beträchtlicher  Entfernung  (ca.  100  m)  wurden  alsdann  (ebenfalls 
im  bakteriologischen  Garten)  im  Anschluß  an  ältere  Bodenmüdig- 
keitsversuche^)  u.  a.  noch  2  bzw.  4  Serradellaparzellen  (doppelte 
Parzelle  und  zwar  mit  teilweiser,  später  vorzunehmender  Behandlung 
mit  CSg  als  Vorbeugungsmittel  bei  etwa  auftretenden  Erscheinungen 
der  Bodenmüdigkeit)  angelegt;  diese  erhielten  sämtlich  bei  der  Bestellung 
eine  gleichmäßige  Bodenimpfung. 

Trotz  der  Impfung  des  Bodens^)  mit  Hiltnerschem,  (nach 
verschiedenen  Topfversuchen  zu  urteilen)  an  und  für  sich  vollauf  wirk- 
samen Kulturmateriale,  konnte  nun  auf  diesen  letzteren  Par- 
zellen —  nach  einer  großen  Anzahl  von  Stichproben  zu  schließen  — 
nirgends  eine  Knöllchenbildung  festgestellt  werden.  Bei  dem  im 
allgemeinen  recht  schlechten  Stande  der  Serradella  (mit  typisch  gelb- 
grüner Farbe)  war  allerdings  ein  anderer  Befund  auch  gar  nicht  zu  er- 
warten. 

Was  nun  die  beiden  vorher  erwähnten,  ungeimpften  Serra- 
dellaparzellen anbelangt,  so  konnte  auf  der  nördhchen  Parzelle  mit 
erstmaligem  Serradellaanbau,  gegen  die  Nachbarparzelle  scharf 
abschneidend,  ebenfalls  nirgends  eine  Knöllchenbildung  beobachtet 
werden,  eine  Tatsache,  auf  welche  auch  hier  bereits  das  ganze  Aus- 
sehen und  der  Stand  der  Serradella  hindeutete. 

Ganz  anders  (im  Vergleich  zur  Nachbarparzelle  geradezu  üppig) 
warjedochderStand  der  Serradellaparzelle  mit  zweitem  Anbau. 
Sämtliche  Pflanzen  zeigten  ein  frisches,  dunkles  Grün  und 
ihre  Wurzeln  waren  durchweg  dicht  mit  KnöUchen  besetzt.  Die 
Ernte  betrug  ungefähr  das  Doppelte  wie  diejenige  auf  der  nördlichen 
Parzelle  mit  erstmaligem  Serradellaanbau.     Es  wurde  nämlich  geerntet: 


1)  Für  diesen  Vorversuch  im  Jahre  1906  ergibt  sich  also  von  1902  ab 
folgende  Fruchtfolge: 

I.  n. 

Nördliche  Parzelle  Südliche  Parzelle 

1902  Kartoffeln  Kartoffeln  1902 

1903  abgeerntete  Gründüngung         Serradella  (1.  Anbau)         1903 
(Bohnen,  Erbsen,  Wicken) 

1904  Roggen  Roggen  1904 

1905  Hafer  Hafer  1905 

1906  Serradella  (1.  Anbau)  Serradella  (2.  Anbau)         1906 

2)  Vgl.  hierzu:  W.  Krüger,  Zweck  und  Einrichtung  des  Versuchs- 
feldes für  bakteriolog.  Untersuchungen.  (Landwirtsch.  Jahrbücher  1907, 
Bd.  36,  S.  377  u.  381:     Versuche  über  die  Ursache  der  Bodenmüdigkeit.) 

3)  Eine  ausschließliche  bzw.  gleichzeitige  Samenimpfung  mit  Hiltnerschen 
Kulturen  wurde  bei  diesem  Versuche  absichtlich  nicht  vorgenommen. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         \Q'J 

an  Frischsubstanz  an   Trockensubstanz 

(abgeerntete   oberirdische  p^o  jqO  qm            (oberirdische  Masse) 

Masse)  ohne  Stoppeln 
auf  der  nördlichen  Parzelle 

{\.  Anbau) 196,3  kg                  48,4  kg,  hingegen 

auf  der  südlichen  Parzelle 

(2.  Anbau) 406,0    „                   94,4    „ 

Der  N-Gehalt  der  abgeernteten  oberirdischen  Masse  betrug 
bei  Serradella  1.  Anbau  (ohne  Knöllchen)       I,20°/o, 
„    Serradella  2.  Anbau  (mit  Knöllchen)         2,26 °/n 
und  demnach  die  Gesamt-N-Brnte  pro    100  qm    bzw.    pro  ha 
bei  Serradella  1.  Anbau  (ohne  Knöllchen)      0,571  kg  57,0  kg') 

„     Serradella  2.  Anbau  (mit  Knöllchen)        2,133    „  213,0    „ ') 

Hierbei  ist  allerdings  der  N-Gehalt  der  Wurzeln  und  der  Stoppeln  ^) 
noch  unberücksichtigt  gelassen.  Auf  alle  Fälle  dürfte  dieser  Ertrag  an 
organischer  Masse  und  besonders  an  N  bei  Serradella  auf  schwerem 
Boden  (wenn  sie  auch  hier  zunächst  allerdings  als  Hauptfrucht  und 
nicht  als  Einbau-  oder  als  Stoppelfrucht  angebaut  ist)  doch  wohl 
zweifellos  schon  ein  recht  bedeutender  zu  nennen  sein. 

Dieser  Versuch  wurde  nun  im  Jahre  1907  in  verschiedener  Hin- 
sicht erweitert  fortgeführt  und  gleichzeitig  kontroUiert. 

Zunächst  möge  indessen  bezüglich  des  oben  erwähnten  CSg-Ver- 
suches  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  hier  1907  merkwürdigerweise 
sämtliche  4  Parzellen  mit  2.  Serradellaanbau  keine  großen  Unterschiede 
im  Ertrage  aufwiesen,  obschon  der  CSg  bereits  im  Herbst  gegeben 
deutlich  ungünstig  auf  die  KnöUchenbildung  eingewirkt  und  der  CSg 
im  Frühjahr  einige  Wochen  vor  der  Bestellung  gegeben,  die  KnöUchen- 
bildung sogar  fast  ganz  verhindert  hatte.  Die  Erträge  selbst  hielten 
sich  weiterhin  auffallend  niedrig.  Auf  alle  Fälle  konnte  bisher  in 
Lauchstedt  im  Gegensatz  zu  anderweitigen  diesbezüglichen  Beobach- 
tungen nicht  die  geringste  ertragsteigernde  Wirkung  des  CS2 
auf  die  verschiedensten  Leguminosen  festgestellt  werden, 
wohl  aber  bei  anderen  Früchten.'')     Nach  den  näheren  Mitteilungen 


1)  Diese  N-Mengen  entsprechen  ungefähr  3,7  D.-Ztr.  bzw.  13,3  D.-Ztr.  Ei- 
weiß oder  einer  eventuell  ebensogroßen  Zufuhr  an  Salpeter  pro  ha;  d.  i. 
also  eine  Steigerung  über  300%. 

2)  1906  ist  es  leider  verabsäumt  worden,  auch  das  Wurzelwerk  auf  seinen 
N-Gehalt  hin  zu  untersuchen.  Nach  späteren  Beobachtungen  und  Unter- 
suchungen würde  sich  hier  alsdann  die  Gesamt-N-Ernte  noch  um  ca.  6  bis 
8  kg  bzw.  22 — 24  kg  (beim  1.  Anbau  bzw.  2.  Anbau)  erhöhen. 

3)  Einiges  mag  jedoch  in  Kürze  auch  in  diesem  Berichte  über  die  Be- 
deutung des  CSg    für  Bodenorganismen    und  Pflanzen  Wachstum  er- 


■[QQ  B.  Heinze. 

über  die  Ursachen  dieser  Erscheinung  durcli  Herrn  Dr.  Stornier') 
und  nach  meinen  früheren  speziellen  Mitteilungen^)  braucht  hier  nicht 
weiter  darauf  eingegangen  zu  werden. 

Die  weiteren  Leguminosenversuche^)  wurden  nun  in  diesem  Jahre 
derart  angestellt,  daß  Serradella  einmal  zum  3.  Male,  dann  aber  auch 

wähnt  werden,  zumal  es  nach  all  den  bisherigen  Versuchen,  welche  von  ver- 
schiedener Seite  über  die  Wirkung  des  CSg  auf  das  Pflanzenwachstum 
angestellt  worden  sind,  schon  jetzt  kaum  noch  einem  Zweifel  unterliegen 
dürfte,  daß  dieser  Stoff  (wofern  man  nicht  späterhin  vielleicht  überhaupt  vor- 
teilhafter CSa-Derivate  oder  billige  andere,  in  ähnlicher  Weise  wirkende  Stoffe 
wird  anwenden  können)  allmählich  auch  mehr  und  mehr  praktische  Bedeutung 
für  die  Landwirtschaft  gewinnen  wird.  Nach  mannigfachen  Versuchen  wird 
nämlich  durch  eine  CSg-Behandlung  vielfach  eine  recht  bedeutende  Ertrags- 
steigerung bei  Getreide,  ganz  besonders  aber  auch  bei  Hackfrüchten  hervor- 
gerufen, und  zwar  nicht  nur  auf  schwerem  Boden,  sondern  in  hervorragendem 
Maße  auch  auf  leichten,  sandigen  Böden. 

Nach  unseren  gegenwärtigen  Kenntnissen  in  der  CS^- Frage  und  auch 
nach  meinen  speziellen,  in  Gemeinschaft  mit  den  Herren  Dr.  Dr.  Huf  läge, 
Rahn  und  John  angestellten  Versuchen  und  Beobachtungen  bei  einer  CS.^- 
Behandlung  des  Bodecs  kommen  nun  hauptsächlich  folgende  zwei  Punkte 
zur  Erklärung  der  CS^-Wirkung  in  Betracht,  nämlich  einmal  eine  bald  mehr,, 
bald  weniger  weitgehende  Aufschließung  von  Mineralstoffen  (infolge 
der  Bildung  von  organischen  Säuren  wie  auch  von  etwas  H2SO4  durch  Oxydation 
von  CSjj)  dann  aber  vor  allem  eine  N- Wirkung.  Es  erfolgt  zunächst  zwar 
eine  zeitweise,  auffallende  Unterdrückung  der  Salpeterbildung,  nicht 
aber  der  Ammoniakbildung;  letztere  wird  vielleicht  sogar  im  allgemeinen 
immer  gleich  kurz  nach  der  Behandlung  eine  gewisse  Steigerung  erfahren. 
Auch  eine  zeitweise  Begünstigung  der  N-Assimilatio  nsvorgänge 
durch  Organismen,  besonders  durch  Azotobakter,  kommt  zweifellos  in 
Betracht.  Vor  allem  aber  muß  schließlich  auch  noch  eine  vermehrte  Auf- 
schließung von  Bodenstickstoff  zum  großen  Teile  in  Form  von 
niederen  Pflanzen-  und  Organismenzellen  durch  größere  CS^-Mengen 
berücksichtigt  werden:  N-haltige  Substanzen  wie  auch  mineralische 
Stoffe  können  aus  den  durch  CS.^  abgetöteten  Organismen  und  niederen 
Pflanzenzellen  leichter  und  in  beträchtlicheren  Mengen  austreten;  die  aus 
den  Zellen  in  die  Umgebung  (ins  Bodenwasser)  diffundierten  N- Verbindungen 
können  relativ  leicht  nitrifiziert  werden  und  infolgedessen  überhaupt  zu  einex* 
später  in  verstärktem  Maße  einsetzenden  Nitrifikation  beitragen. 
Vgl.  hierzu  die  ersten  diesbez.  Mitteilungen  von  W.  Krüger  und  ß.  Heinze 
in  den  Landw.  Jahrbüchern:  „Über  das  Wesen  der  Brache,  I",  ferner  die 
Mitteilungen  von  B.  Heinze  in  Zentralbl.  f.  Bakt.,  Abt.  II,  1906  u.  1907,  von 
K.  Störmer  in  diesem  Jahresberichte  sowie  von  Loew  u.  Aso  (Zentralbl. f. Bakt., 
Abt.  II,  1908,  Bd.  20,  S.  47,  bzw.  Bulletin  of  the  College  of  Agriculture,  Tokyo 
Imperial  University  Vol.  VII,  Nr.  3,  1907). 

')  Vgl.  diesen  Jahresbericht  S.  113. 

2)  Centralbl.  für  Bakteriologie  u.  Parasitenk.,  Abt.  11,  Bd.  XVI  und 
XVIII,  1906  und  1907. 

3)  Siehe  S.  169  u.  170. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw. 


169 


Plan  I. 
Anbauversuche  ohne  jede  Iiiipfuii^  1906—1907  von  Serradella  und 


o— }— w  Lupinen  ohne  und  mit  Leguminosenvorfrucht 

^  im  sogenannten  bakteriolog.  Garten  der  Versuchswirtschaft  Lauchstedt. 


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NB.  1908  Fortsetzung  dieser  Versuche  unter  besonderer  Berücksichtigung,  dass 
auf  Lupinen  wieder  Lupinen,  z.  T.  aber  auch  Serradella  und  umgekehrt  nach  Serra- 
della wieder  Serradella,  z.  T.  aber  auch  nach  Serradella  wieder  Lupinen  —  wie  1907  — 
folgen  (cf.  auch  Plan  IIj. 


170 


ß.  Heinze. 


Mittelweg 


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Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         l']  [ 

verschiedentlich  zum  2.  Male  und  zum  1.  Male  ohne  Leguminosenvorfrucht 
und  zwar  nach  Senf,  nach  Hafer  und  nach  Kartoffeln  bzw.  mit  Legu- 
minosenvorfrucht  und  zwar  nach  Erbsen,  nach  Bohnen  und  nach  Luzerne 
angebaut  wurde.  Ferner  wurden  blaue  Lupinen  und  zwar  zum  1.  Male 
angebaut  nach  Senf,  nach  Kartotfeln,  bzw.  ebenfalls  wie  oben  nach  Erbsen, 
nach  Bohnen,  nach  Luzerne,  sowie  vor  allem  auch  nach  Serradella. 
Diese  Serradelia-  und  Lupinenkulturen  wurden  zunächst  sämtlich 
ohne  jedwede  Impfung  angelegt.  Neben  den  ungeimpft  gebliebenen 
Parzellen  wurden  jedoch  an  anderer  Stelle  auch  einige  neue  Parzellen 
mit  Hiltnerschem  Kulturmateriale  (Serradella  und  Lupinen)  sowie 
auch  mit  Boden  Impfung  (Lauchstedter  Serradellaerde  und  Sandboden- 
Serradellaerde)  angelegt.  Im  nächsten  Jahre  (1908)  sollen  die  Ver- 
suche dahin  erweitert  werden,  daß  neben  blauen  Lupinen  auch  gelbe 
und  weiße  in  Reinkultur  angebaut  werden,  und  daß  vor  allem  auch 
bei  verschiedener  Vorfrucht  (1906  und  1907)  Lupinen  nach  Lupinen  zu 
stehen  kommen  bzw.  Serradella  auch  nach  Lupinen  angebaut  wird. 
Außerdem  soll  neben  Serradellaerde  auch  Lupinenerde  als  Impfstoff 
für  neue  Lupinen-  und  Serradellaparzellen  verwandt  werden. 

Das  Nähere  über  die  ausgeführten  und  noch  auszuführenden  Ver- 
suche ist  aus  den  beigegebenen  Plänen  I  und  II  (S.  169  u.  170)  zu 
ersehen. 

Auch  wurde  in  diesem  Jahre  wiederum  ein  Impfversuch  mit  Lauch- 
stedter Boden  in  Töpfen  angesetzt,  dessen  Ergebnis  ich  hier  gleich  vorweg- 
nehmen möchte.  Durch  die  beigegebene  Figur  1  und  durch  Tabelle  I  u.  II 
wird  das  Ergebnis  bezüglich  des  Impferfolges,  der  Knöllchenbildung  und 
schließlichen  Ernte  auch  leidlich  gut  demonstriert.  Im  übrigen  hatte  dieser 
aus  besonderen  Gründen  vorläufig  nur  in  beschränkter  Ausdehnung  vorge- 
nommene Versuch  folgende  Anordnung: 

3  sterilisierte  Töpfe  blieben  ungeimpft, 
3  „  „       wurden  geimpft  mit  Kultur  Hiltner, 

3  „  „  „  „  „     Boden    Lauchstedt     (Serra- 

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3  „  „  „  „  „    Sandboden  Elsterwerda  (Ser- 

radellaerde) 
3  nicht  sterilisierte  Töpfe  blieben  ungeimpft, 
3        „  „  „        wurden  geimpft  mit  Kultur  Hiltner, 

3        „  „  „  „  „  „      Boden     Lauchstedt 

(Serradellaerde,  II.  Anbau). 
Wie  aus  der  vorstehenden  Tabelle  I  und  der  beigegebenen  Figur  1  ohne 
weiteres  hervorgeht,  hat  das  Hiltn  ersehe  Kulturmaterial  sowohl  in 
sterilisierten,  als  auch  in  nicht  sterilisierten  Gefäßen  ganz  vorzüglich  ge- 
wirkt; aber  auch  durch  Impfung  mit  Lauchstedter  Serradellaerde 
(2.  S. -Anbau  ohne  jede  Impfung)  und  mit  Sandbodenserradellaerde  ist  in 
sterilisierten  Töpfen  leidlich  gute  Knöllchenbüdung,  allerdings  ohne  eine 
(Fortsetzung  des  Textes  auf  S.  174.) 


172 


B.  Heinze. 


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Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Ijupinen  usw.         173 


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174 


ß.  Heinze. 


nennenswerte  Mehrernte,  bis  zu  dem  etwas  frühzeitigen  Erntetermine  (28/8) 
erzielt  worden ;  immerhin  hatten  die  meisten  Pflanzen  schon  eine  dunkelgrüne 
Farbe  als  Zeichen  der  eingetretenen  Infektion.  In  den  nicht  sterilisierten 
Töpfen,  welche  mit  Lauchstedter  Serradellaerde  (2.  Anbau)  geimpft  waren, 
kam  es  auch  zu  einer  auffallend  beträchtlichen  Mehrernte  gegenüber  den  un- 
geimpft  gebliebenen.  Wenn  erst  -i — 6  Wochen  später  geerntet  und  die  warme 
Herbstwitterung  noch  genügend  ausgenützt  worden  wäre,  so  würden  diese 
Töpfe  den  mit  Kultur  Hiltn er  geimpften  Töpfen  im  Ertrage  (gesarate  Pflanzen- 
masse und  Gesamt-N-Ernte)  wahrscheinlich  wenig  nachgestanden  haben.  Eine 
schwache  Infektion  (wenige  große  Knöllchen)  wurde  auch  in  den  nicht 
sterilisierten,  ungeimpftenTöpfen  beobachtet, während  die  ungeimpften 
sterilisierten  Töpfe  sämtlich  keinerlei  KnöllchenbiJdung  aufwiesen. 
Die  Pflanzen  standen  durchweg  sehr  kümmerlich  und  zeigten  sämtlich  die 
typische,  gelblichgrüne  Farbe  als  Zeichen  der  nicht  eingetretenen  oder  einer 
nicht  genügend  starken  Infektion.  Bei  allen  anderen  Töpfen  mit  reichlicher 
Knöllchenbildung  war  die  Farbe  der  Pflanzen  durchweg  schön  dunkelgrün 
und  ihr  Stand  ein  geradezu  üppiger  zu  nennen.  Zur  besseien  Übersicht  sind 
in  einer  besonderen  Tabelle  (Nr.  2)  zu  den  direkt  gefundenen  Zahlenreihen 
(Erntezahlen,  N-O/ß-Zahlen  usw.)  auch  noch  weitere  „relative  Zahlen"  hinzu- 
gefügt, welche  angeben,  wie  groß  die  geernteten  Trockensiibstanzmassen  und 
die  Gesamtstickstoflernten  sind,  wenn  die 'entsprechenden  Zahlen  für  die  un- 
geimpft  gebliebenen,  sterilisierten  Töpfe  ^=  100  gesetzt  wird.  Danach  erhält 
man  in  den  günstigsten  Fällen  die  41/2  bis  ca.  Sfache  Ernte  an 
Pflanzenmasse  und  die  ca.  1'^ '/a  bis  22^/2fache  Ernte  an  Gesamt-N 
(bei  Verwendung  von  Lauchstedter  Serradellaerde  bzw.  von 
H  i  1 1  n  e  r  s  c  h  e  m  K  u  1 1  u  r  m  a  t  e  r  i  a  1). 

Tabelle  IL 
Serradellakiiltnreii  (Gesamternte    1907    an  Trockensubstanz   und   an  N, 

und  relative  Zahlen). 
(Impfversuch  in  Töpfen;  cf.  Tabelle  I.) 


Art  der  Impfung 


(Nummer) 

(91—93);  (85—87) 
nicht  geimpft 

(94-96);  (88—90) 
mit  Knltnr  Hiltner 

geimpft 

(um— IU8);  (  — ) 

mit  Sandboden  iSer- 

radellaerdc) 

geimpft 

(97— yy):  (loO— lUüj 
mit  Boden  Laacli- 
stcdt  (Löfslehm,  Ser- 
radellaerde) gelmitft 


Gesamte  Pflanzenmasse 


von  3  sterilisiert 
Töpfen 


14.1 


99,7 


14,4 


23,3 


O-    CD     73 


100 


70"i 


102 


l().5 


von  3  nicht  steri- 
lisiert. Töpfen 

*j  *j  _a 


g    er    qj 

Cß   '-"    '3t' 


22 


1(50 


109,2 


()1.8 


438 


Gesamte  Stickstoffmenge 


von  3  sterilisiert 
Töpfen 


0,144 


0,316 


0,r)92 


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100 


2,986    ;    2074 


219 


411 


von  3  nicht  steri- 
lisierten Töpfen 


0,404 


3,255 


1 ,928 


S^2  ^ 

3     X      II 


280 


2260 


1339 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         ^75 

Auf  alle  Fälle  tritt  bei  dem  hier  erörterten  Topfversuche 
(und  zwar  in  auffallendem  Gegensatze  zu  den  noch  zu  besprechenden  und 
mit  demselben  Kulturmateriale  angestellten  Feldversuchen)  die  Überlegen- 
heit der  Hiltnerschen  Kulturen  gegenüber  der  Anwendung  von 
Lauchstedter  Serradellaboden  als  Impfstoff  sehr  deutlich  hervor. 
Bei  später  vorgenommener  Ernte  würde  allerdings  bei  der  äußerst  günstigen 
Witterung  des  Jahres  1907  sehr  wahrscheinlich  ein  ziemlich  weitgehender 
Ausgleich  zu  beobachten  gewesen  sein.  Weitere  Versuche  sollen  u.  a.  auch 
unter  Verwendung  von  Erbsen-,  Bohnen-,  Kleeboden,  besonders  aber  von 
Lupinenerde  und  zwar  nicht  nur  mit  schwerem  Boden,  sondern  auch  mit 
leichtem,  sandigen  Boden  als  Impfstoff  gemacht  werden,  und  diesen  sollen 
sich  schließlich  noch  Impfversuche  bei  Lupinenkulturen  u.  a.  mit  verschiedenen 
Leguminosenerden,  besonders  aber  mit  Serradellaerden  (mit  schwerem  Boden 
und  mit  Sandboden)  anschließen.  Erst  dann  wird  man  aach  hier  mehr  Klar- 
heit über  die  geeignetsten  Bedingungen  für  eine  reichliche  Knöllchen- 
bildung  und  für  die  Knöllchenbildung  überhaupt  gewinnen  können. 

Über  die  Ergebnisse  der  oben  erwähnten  Freilandversuche  möge 
folgendes  berichtet  werden:  Bei  den  Versuchen  ohne  Impfung  (im  sog.  hakt. 
Garten,  cf.  Plan  I,  Paiz.  ca.  20  qm  groß)  wurde  beim  erstmaligen  Serradella- 
anbau weder  nach  Senf  noch  nach  Bohnen  (als  Vorfrucht)  eine  Knöllchen- 
bildung beobachtet,  ebensowenig  bei  den  entsprechenden  Lupinenkulturen. 

Eine  reichliche  Knöllchenbildung  war  jedoch  durchweg  bei 
den  Serradellapflanzen  derjenigen  Parzellen  eingetreten,  welche  Serra- 
della zum  zweiten  und  dritten  Male  trugen;  ebenso  waren  überall  viel 
KnöUchen  bei  denjenigen  Lupinen  vorhanden,  welche  nach  1.  und  2.  Serra- 
dellaanbau standen,  mit  dem  immerhin  auffallenden  Unterschiede,  daß 
die  Knöllchenbildung  bei  den  Lupinen  auf  der  Parzelle  mit  2.  Serradella- 
bau besonders  schön  und  fast  regelmäßig  auch  an  den  Pfahlwurzeln  der 
einzelnen  Pflanzen  und  zwar  als  mantelförmige  Umlagerung  zu  beob- 
achten war.  Auf  Tafel  L  kann  man  diese  Knöllchenbildung  gut  verfolgen. 
Die  Serradella-  und  Lupinenpflanzen  ohne  KnöUchen  hatten  durchweg  die 
typische  gelblich-grüne  Farbe,  während  die  Pflanzen  mit  KnöUchen  in 
reichlicher  Zahl  immer  schön  dunkelgrün  waren.  (Vgl.  Taf.  IIu.III.)  In- 
folge der  günstigen  warmen  Herbstwitterung  entwickelten  sich  die  stehen- 
gelassenen Serradellapflanzen  mit  KnöUchen  noch  um  ein  beträchtliches 
Stück  weiter,  waren  teilweise  im  bakteriologischen  Garten  außerordentlich 
buschig  und  wurden  durchschnittlich  bis  zu  1  m  hoch,  so  daß  der  Unter- 
schied gegenüber  den  sich  nur  wenig  weiter  entwickelnden  Pflanzen  ohne 
KnöUchen  ein  sehr  großer  wurde.  (An  der  Obstplantage  wurde  die 
Serradella  sogar  125 — 135  cm  hoch,  allerdings  weniger  buschig.)  Die 
Aufnahme  der  Serradellapflanzen  (Tafel  II:  1.  Anbau  und  3.  Anbau)  ist 
schon  ziemlich  zeitig  gemacht  worden  (Anfang  Juli),  so  daß  leider  in  ihr 
die  späteren  auffallenden  Größenunterschiede  nicht  hervortreten. 


176 


B.  Heinze. 


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Abgeerntete 
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Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         177 

Die   speziellen  Ernte-  und  Stickstoffzahlen  finden  sich  ausführlicher 
in    den  Anhangtabellen  IV  und  V  zusammengestellt;    über    die    hier    in 
Betracht  kommenden    wichtigsten    Daten,    insbesondere    auch    über    die 
N-Bilanz  für  die  extremen  Fälle,  gibt  jedoch  schon  die  Tabelle  III  nähere 
Auskunft.     Es  wurde  nämlich  beim  3.  Serradellaanbau  ungefähr  die  drei- 
fache Menge  Grünmasse    und    die   ca.   2 '/2 fache  Menge  Trockensubstanz 
(461  DZ.    bzw.  71  DZ.)    geerntet    wie    beim    erstmaligen    Anbau    nach 
Senf  bzw.  nach  Bohnen  (1.52  DZ.  bzw.  29  DZ.  pro  ha). 

Etwas  weniger  groß  sind  die  Differenzen  bei    den  entsprechenden 
Lupinenkulturen,     nämlich    im    Minimum    335  DZ.    und    56,9  DZ.,     im 
Maximum  542  DZ.  und  95,2  DZ.  (cf.  auch  Plan  I  S.   169). 

Der  X-Ertrag  ist  bei  Serradella  von  52  kg  pro  ha  (im  1.  Jahr 
nach    Senf    bzw.  Bohnen),    davon   6  kg  Wurzel-N,    auf    217  kg  pro  ha 
(im   3.  Jahr),    davon  22  kg  Wurzel-N,    gestiegen;  weniger    stark    stieg 
derselbe  bei  Lupinen,  nämlich  von 

112  kg  pro  ha  (nach  Senf  bzw,  Bohnen),   davon  8  kg   Wurzel-N, 
auf  226    „       „      „    (nach  Serradella,  2.  Anbau),      „     28    „  „ 

Wie  ein  BUck  auf  die  zusammenfassende  Tabelle  3  ohne  weiteres 
zeigt,  dilTeriert  der  N  Gehalt  der  Serradella  und  Lupinen    mit  und  ohne 
Knöllchen   nicht    nur  in  bezug  auf  die  Wurzeln,  sondern  auch  in  bezug 
auf  das  Kraut  ziemlich  bedeutend;  aber  auch  die  Stoppeln  (wenn  Wurzeln 
und  Stoppeln  getrennt  bestimmt    und   untersacht  werden)    weisen    noch 
nennenswerte  Unterschiede  auf..     .  ..    .         -       -     , ...  . 

Es   betragt  der  N-Gehalt        der  Wurzeln;       derStoppeln;        des  Krautes 
bei  Serradella  1.  Anbau 

(ohne  Knöllchen)  .     .     .  1,32"  o  l^Oß^/o  l,860/o 

bei  Serradella  3.  Anbau 

(mit  Knöllchen)    .     .     .  3,44%  lJ3"/o  3,030  q 

bei    Lupinen    1.    Anbau 

(ohne  Knöllchen,    nach 

Senf  usw.)    .....  L030/o  0,86%  2,040/o 

bei    Lupinen    1.    Anbau 

(mit     Knöllchen,     nach  .     .   ..   ■         r    : 

Serradella) 2,03  o/q  1,22  "/o  2,43  o/o 

Im  übrigen  enthielten 

Serradellawurzeln  (nach  Abnahme  der  Knöllchen)  1,52 "|o  N'  d.  i. 
ca.  10°/o  Eiweiß;  Serradellaknöllchen  selbst  (abgelöst)  7,12''/o  N,  d.  i. 
fast  50°/o  Eiweiß;  Lupinenwurzeln  (nach  Abnahme  der  Knöllchen) 
0,99 °/o  N,  d.  i.  ca.  6— 8°/o  Eiweiß;  Lupinenknöllchen  selbst  (abgelöst) 
6,18°/o  N,  d.  i.  ca.  40^/0  Eiweiß  in  der  Trockensubstanz. 

Durch  diesen  Versuch  wird  nun  vor  allem  die  neuere  Miltner  sehe 
Auffassung   gestützt,    nach   welcher  Serradellaorganismen   und 

.Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  12 


178  ■^'  Heinze. 

Lupinenorganismen  sich  seiir  nahe  stehen  bzw.  identisch  sind.') 
Weiterhin  spricht  dieser  Versuch  allem  Anscheine  nach  auch  für  die 
von  Hiltner  neuerdings  vorgenommene  Trennung  der  Leguminosen- 
organismen in  vorläufig  zwei  Arten. 

Ganz  ähnliche  Resultate  wurden  alsdann  bei  einem  größeren  Frei- 
landversuche (Parz.  100  qm  groß  cf.  Plan  II)  gewonnen;  durch  diesen 
wurden  die  vorstehenden  Resultate  und  Beobachtungen  zugleich  kon- 
trolliert und  im  allgemeinen  bestätigt. 

Es  wurde  nämlich  keine  Knöllchenbildung  beobachtet  bei  Serra- 
della ohne  Impfung  nach  Kartoffeln,  Hafer,  Erbsen  und  Bohnen, 
wohl  aber  vereinzelte,  und  vor  allem  eine  nur  geringe  Knöllchenbildung 
bei  Serradella  ohne  Impfung  nach  Luzerne.  Außerordentlich  reichliche 
Knöllchenbildung  war  indessen  zu  beobachten  bei  Serradella  ohne 
Impfung  1907  nach  Serradella  (1906:  ungeimpft  und  geimpft  ohne 
Erfolg).  Hiermit  war  auch  wieder  eine  beträchtliche  Mehrernte  verbunden, 
nämlich  (wie  die  ausführliche  Tabelle  VI  und  die  zusammenfassende 
Tabelle  III  zeigen)  pro  Parzelle  (100  qm): 

490,0  k/s^  frische  Pflanzenmasse  (72     kg  Trockenmasse)  gegenüber 
285,0    „         „  ,,  (44      „  „  )  nach  Hafer, 

284,8    „         „  „  (42,7   „  „  )       „     Kartoff., 

268,0    „         „  „  (—      „  „  )      „     Erbsen, 

226,0    „         „  „  (37,0  „  „  )      „      Bohnen. 

Auch  Serradella  nach  Luzerne  lieferte  auffallend  hohe  Erträge. 
Dies  erklärt  sich  jedoch  zum  Teil  dadurch,  daß  die  Luzerne  nach  dem 
Abernten  stark  nachgewachsen  und  dieselbe  vor  dem  Pflügen  nicht 
erst  nochmals  geschnitten,  sondern  mit  untergebracht  worden  war. 

Auch  der  N-Ertrag  differiert  gewaltig  und  beträgt 
im  Minimum  pro  ha  74  kg  (nach  Bohnen), 
„  Maximum    „      „229    „    (    ,,     Serradella  [2.  Anbau]):    cf.    Tab.  IIL 

Auf  den  Parzellen  19,  36  und  37  mit  1.  Serradellaanbau  unter  An- 
wendung des  Hiltnerschen  Kulturmateriales  ist  schließlich  im  Berichts- 
jahre zwar  noch  reichliche  Knöllchenbildung  zu  beobachten  gewesen,  aber 
die  Infektion  ist,  wie  Tabelle  VI  des  Näheren  zeigt,  erst  ziemlich  spät 
erfolgt;  infolgedessen  ist  es  auch  bis  zu  dem  allerdings  etwas  früh- 
zeitigen Erntetermine  zu  keiner  nennenswerten  Mehrernte  gekommen. 

Schwach  gewirkt  hatte  alsdann  bei  erstmaligem  Serradellaanbau 
ohne  nennenswerten  Mehrertrag  eine  Bodenimpfung  mit  Serradella- 
erde und  zwar  mit  Sandboden;  auffallend  stark  hingegen  hatte 
eine  ebensolche  Impfung    gewirkt,    bei    welcher  Lauchstedter  Serra- 

')  Vgl.  hierzu  Hiltner  und  Stornier  (Arbeiten  der  Biologischen  Ab- 
teilung d.  Kaiserl.  Gesundheitsamtes.     Berlin   1:]08). 


BeobachtuDgen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         179 

dellaerde     (2.    Anbau    ans    dem    bakteriologischen    Garten)    verwandt 
wurde.     Es  wurde  nämlich  an  Serradella  geerntet  pro  Parzelle  (100  qm) 

an  Frischmasse;  an  Trockensubstanz 
bei  Serradella  1.  Anbau  ungeimpft  285  kg  44  kg  (nach  Hafer) 

bei  Serradella  1.  Anbau  ungeimpft  284    „  43    „    (    „    Kartoffeln) 

bei  Serradella  1.  Anbau  ungeimpft  226    „  37  „    (    „    Bohnen) 

bei  Serradella     1.    Anbau     geimpft 

mit    Serradellaerde    (Lauchstedt)  446    „  69  „    (    „  Kartoffeln) 

Weniger  gut  war  der  Erfolg  bei  Verwendung  von  Lauchstedter 
Boden  als  Impferde,  auf  welchem  Serradella  erst  einmal  stand.  Der 
ganze  Stand  und  das  Aussehen  der  Pflanzen  war  jedoch  ein  ähnlicher 
wie  bei  den  oben  erörterten  Serradellakulturen  des  bakteriologischen 
Gartens.     (Vgl.  auch  die  heigegebene  Tafel  II.) 

Im  Gegensatz  zu  dem  oben  erörterten  Topfversuche  zeigten  nun 
diese  Versuche  für  Lauchstedter  Boden  merkwürdigerweise  eine  voll- 
ständige Überlegenheit  der  Impferde  gegenüber  dem  an  sich 
vollauf  wirksamen  Hiltnerschen  Kulturmateriale. 

Im  übrigen  geht  wohl  unzweideutig  schon  aus  den  bisherigon 
Versuchen  eine  allmähliche  Anpassung  der  im  Boden  vorhandenen 
KnöUchenorganismen,  der  sogenannten  Bodenformen,  an  Serra- 
della, wie  auch  weiterhin  an  Lupinen  hervor. 

Die  Lupinenkulturen  (blaue  Lupinen)  ohne  Impf  an  g  standen 
im  allgemeinen  ähnlich  wie  die  entsprechenden  Serradellakulturen.  Nach 
vielfach  vorgenommenen  Stichproben  war  in  allen  Fällen  bei  Lupinen 
nach  Erbsen,  Bohnen  und  Kartoffeln  keine  Knöllchenbildung 
zu  beobachten;  der  Stand  war  ziemlich  kümmerlich,  die  Lupinen  er- 
reichten im  allgemeinen  nur  eine  Höhe  von  80-- 95  cm;  nach  Kar- 
toffeln standen  sie  durchweg  ein  wenig  besser;  die  Farbe  war  typisch 
gelblichgrün. 

Ausgezeichnet  standen  jedoch  die  Lupinen  mit  schön  dunkel- 
grüner Farbe  und  durchweg  sehr  reichlicher  Knöllchenbildung 
nach  Serradella  als  Vorfrucht  da  (cf.  Plan  II,  Parzelle  17,  18  sowie 
die  Tabellen  III,  VI  und  VII  und  die  Tafeln  III  und  IV).  Ihre  Höhe  betrug 
im  Maximum  120 — 122  cm.  Fast  gleich  gut  standen  auffallenderweise 
die  Lupinen  nach  Luzerne  [ebenso  wie  oben  Serradella')  nach 
Luzerne]    ohne  jedoch  viel  und  regelmäßig  Knöllchen  angesetzt  zu  haben. 


1)  Übrigens  besteht  nach  verschiedenen,  anderweitigen  Beobachtungen 
bekanntlich  eine  weitgehende  Unverträglichkeit  der  Serradella  mit  Klee  (Rot- 
klee). Für  Lauchstedter  und  ähnliche  Bodenverhältnisse  konnten  allerdings 
noch  keine  besonderen  Beobachtungen  darüber  gemacht  werden,  ob  Serradella 
und  Rotklee  tatsächlich  zwei  miteinander  sehr  unverträgliche  Pflanzen 
sind.     Ebenso  hegen  noch  keine  Beobachtungen  darüber  vor,  in  welcher  Weise 

12* 


180  B.  Heinze. 

Die  mit  Kultur  Miltner  geimpften  Lupinen  hatten  zwar  ziemlich 
reichlich  und  fast  regelmäßig  KnöUchen  angesetzt;  indessen  ist  auch 
hier  (wie  oben  bei  der  Serradella)  die  Infektion  erst  relativ  spät  erfolgt, 
und  infolgedessen  ist  es  auch  zu  keinem  nennenswerten  Mehrertrage 
gekommen.  Die  Erträge  an  Grünmasse  usw.  und  vor  allem  an  N  zeigen 
bei  Lupinen  nicht  die  großen  Unterschiede  ■  wie  bei  Serradella,  was  wohl 
zum  Teil  darin  seinen  Grund  haben  mag,  daß  Lupinen  tiefer  wurzeln  und 
sich  so  u.  a.  auch  etwas  mehr  Bodenstickstoff   zunutze  machen  können. 

Der  Ertrag  war  pro  ha  an  Frischmasse,     an  Trockensubstanz 
im  Minimum  322  kg  49,4  kg  (nach  Erbsen) 

im  Maximum  508    „  76,0    ,,    (  ,,  Serradella 

Der  N-Ertrag  ist  von  75  kg  (nach  Erbsen)  auf  202  kg  pro  ha  (nach  Serradella) 
gestiegen.  Näheres  über  die  Ernte,  Knöllchenbildung  und  den  N-Gehalt ') 
des  Krautes  und  der  Wurzeln  findet  sich  in  der  zusammenfassenden 
Tabelle  III  sowie  in  den  anhangsweise  beigegebenen,  ausführlicheren 
Tabellen  VI  und  VII. 

Im  übrigen  mag  hier  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  die  in  den  1907 
angebauten  blauen  Lupinen  in  größerer  Anzahl  vorhandenen  weißen 
Lupinen  auf  den  einzelnen  Parzellen  ebenso  gut  standen,  wie  die  blauen 
und  vor  allem  auch  ganz  die  gleichen  Unterschiede  bei  verschiedener 
Vorfrucht  aufwiesen.  Auch  vereinzelt  vorhandene  gelbe  Lupinen  (ca.  20 
Stück  pro  Parzelle)  waren  auf  den  Serradellaparzellen  trotz  des  relativ 
hohen  CaCOg-Gehaltes  des  Bodens  recht  gut  entwickelt  und  bei  reichlicher 
Knöllchenbildung  im  allgemeinen  bis  zu  85,  ausnahmsweise  sogar  bis 
zu  90  cm  hoch  geworden,  während  dieselben  nach  Erbsen,  Bohnen, 
Kartoffeln,  Senf  keine  Knöll che n  angesetzt  hatten  und  im  allgemeinen 


sich  Lupinen  nach  Rotklee  entwickeln,  vor  allem  auch,  wenn  dieselben  bald 
zum  zweiten  Male  angebaut  werden,  ferner,  wie  umgekehrt  einige  Jahre  oder 
gleich  nach  Lupinen  der  Rotklee  gedeiht.  Beim  erstmaligen  Anbau  von 
Lupinen  und  Serradella  nach  Rotklee  dürfte  wohl  auf  Lauchstedter  Boden  die 
Entwickelung  zunächst  ebenso  kümmerlich  werden,  wie  bisher  nach  Erbsen 
oder  Bohnen  als  Vorfrucht. 

')  Aus  besonderen  Gründen,  vor  allem,  um  das  Tabellenmaterial  für  den 
vorliegenden  Bericht  nicht  zu  umfangreich  zu  gestalten,  wurden  die  ausführ- 
licheren N-Zahlen  über  Kraut,  Stoppeln  und  Wurzeln  (Zahlen  über  N-Gehalt 
und  über  die  N-Bilanz;,  ebenso  die  Erntezahlen  über  Wurzeln  und  Stoppeln 
hier  fortgelassen.  Im  allgemeinen  sind  die  N-Zahlen  bei  Serradella  und  Lu- 
pinen nach  Kartoffeln,  Hafer  und  auch  nach  Leguminosen  (wie  Erbsen,  Bohnen, 
ausgenommen  Luzerne)  annähernd  gleich  hoch  und  bedeutend  niedriger,  als  nach 
derselben  Vorfrucht  oder  wenn  Lupinen  nach  Serradella  standen.  Es  wurden 
ähnliche  Zahlen  gefunden,  wie  sie  in  Tabelle  III,  IV  und  V  und  für  die  einzelnen 
Vorfrüchte  zusammengestellt  sind.  Die  Zahlen  werden  erst  später  anderweitig- 
bekannt  gegeben. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         181 

aach  nur  wenig  mehr  als  50  cm  hoch  geworden  waren  (cf.  hierzu  die  entspr. 
Tafeln  III  und  IV).  Durch  die  vorstehenden  weiteren  Versuche  wird  also 
selbst  für  schwerere  Böden  wieder  bestätigt,  daß  nach  Hiltner(s.  oben) 
Serradella-  und  Lupinenorganismen  sich  sehr  leicht  vertreten 
können.  Freilich  sind  auf  Lauchstedter  Boden  noch  keine  Versuche 
gemacht  worden,  bei  denen  nach  erstmaUgem  Lupinenbau  Serradella 
angebaut  wurde.  Diese  wird  sicli  jedoch  —  nach  anderweitigen  Erfah- 
rungen auf  Sandböden  —  im  nächsten  Jahre  zweifellos  auch  hier  nach 
Lupinen   bei  reichlicher  Knöilchenbildung  recht  gut  entwickeln. 

Zur  näheren  Orientierung  über  die  Ernte,  wie  vor  allem  auch 
über  die  äußerst  wichtige  N-Frage  bei  den  soeben  erörterten  Serradella- 
und  Lupinenkulturen,  können  nur  ausführhchere  Tabellen  dienen,  welche 
deshalb  hier  zum  Teil  noch  anhangweise')  beigefügt  worden  sind.  Über 
den  Gesamt-N-Gehalt  der  besprochenen  Leguminosenböden,  also  über 
eine  ev.  kleinere  oder  größere  Zunabme  an  Gesamt-N,  sowie  vor  allem 
u.  a.  auch  über  die  Aufschließung  von  Bodenstickstoff,  also  über  den 
Abbau  N-haltiger  Substanzen,  insbesondere  über  Ammoniak-  und  Salpeter- 
bildung haben  bisher  erst  einige  wenige  A'^orversuche  angestellt  werden 
können.  Die  Versuche  werden  fortgesetzt  und  die  Ergebnisse  später 
bekannt  gegeben  werden.  In  den  Knöllchen  der  Serradella,  seltener  bei 
Lupinen,  wurden  übrigens  neben  den  spezifischen  Knöllchenorganismen 
fast  regelmäßig  auch  Clostridien-  und  Plektridienorganismen  angetroffen.^) 
Über  diese  Organismen,  wie  auch  besonders  über  die  spezifischen 
Knöllchenorganismen,  wird  jedoch  erst  später  etwas  näheres  berichtet 
werden. 


1)  S.  Tab.  IV— VII  auf  S.  182—185. 

2)  Solche  Organismen  sind  nämlich  niuerdings  schon  von  Rodella 
regelmäßig  in  den  Knöllchen  von  Leguminosen  aufgefunden  worden  und  zwar 
Olostridium-ähnliche  Organismen,  welche  er  mit  Clostridium  Pastori- 
antim  von  Winogradsky  indentifizieren  zu  können  glaubt.  (Vgl.  hierzu: 
Antonio  Rodella,  „Die  Knöllchenorganismen  der  Leguminosen", 
Uentralbl.  f.  Bakt.,  Abt.  II,  1907,  Bd.  XVI II,  S.  455—461,  und  dessen  ausführ- 
lichere Abhandlung:  „I  bacteri  radicicoli  delle  leguminose"  mit  6  Text- 
figuren und  Tafeln.  Padua  [Protherion]).  Derartige  Organismen  traf  alsdann 
Ref.  neben  sog.  Plektridienformen  besonders  häufig  und  fast  regelmäßig  in  den 
Wurzelknöllchen  der  Serradella,  auffallend  weniger  zahlreich  und  regelmäßig 
jedoch  in  denen  der  Lupinen  an.  Auch  Rodella  konnte  in  den  an  ihn  ein- 
gesandten Wurzel-Materialien  das  Vorhandensein  von  Clostridium-artigen  Or- 
ganismen feststellen.  Für  die  weitere  Klärung  der  ganzen  N-Frage  beim  An- 
bau von  Leguminosen  dürften  diese  Beobachtungen  möglicherweise  von  großer 
Bedeutung  werden. 


182 


B.  Heinze. 


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Bemerkungen : 

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Haaptfrnclit 

Serradella 

Serradella 

Serradella 

Serradella 

Serradella 

1907 

1907 

(1.  Anbau) 

(1.  Anbau) 

(1.  Anbau) 

(2.  Anbau) 

(S.  Anbau) 

1 

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1905 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

1905 

1904 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

1904 

1903 

Kartoffeln 

Gründüng. 

Senf 
abgeerntet 

Gründüng. 

abgeerntet 

Serradella 

(1.  Anbau) 

1903 

1902 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

1902 

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Lft 

Parz. 

Parzelle 

Nr. 

i 

Nr. 

Beobachtuno-en  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw 


183 


Bemerkungen : 

Knöllchenbildung  und 

Entwickelung  (Farbe) 

der  Pflanzen 

KeineKnöllchenbildg., 
ziemlich  kümmerliche 
Entwickelung  derPfl. 
und      gelblich  -  grüne 
Farbe 

2   ^ 

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Im    allgemeinen    ganz 
dasselbe  Bild  wie   bei 
Parzelle  1.  u.  2.  Stand 
der      Lupinen     etwas 
besser 

Sehrreichl.  Knöllchen- 
bildung ;      sehr     gute 
Entwickelung  der  Lu- 
pinen,      dunkelgrüne 
Farbe. 

Sehr  reichl.  Knöllchen- 
bild.;  im  Gegensatz  zu 
Parz.  2  auffallend   all- 

fem.  mantelf.Umlag.  d. 

fahlwurz.  m.  KnöUch. 

sonst  wiebeiParz.  Nr. 4 

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gehalt 
der     Wurzeln 
(mit  Stoppeln) 
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Hauptfruclit 

1907 

Lupinen 

(1.  Anbau) 

Lupinen 

(1.  Anbau) 

Lupinen 
1.  Anbau 

Lupinen 

1.  Anbau 

nach  einmal. 

S-Anbau 

Lnpinen 

1.  Anbau 

nach  zweimal 

S-Anbau 

1907 

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1905 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

Hafer 

1905 

1904 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

Roggen 

1904 

1903 

Kartoffeln 

Gründüng. 

Senf 
(abgeerntet) 

Gründüng, 
(abgeerntet) 

Serradella 

(1.  Anbau) 

1903 

1902 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

Kartoffeln 

1902 

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Parzelle 

Nr. 

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Parz, 

Nr. 

184 


E.  Heinze. 


Tabelle  VI. 
Serradellakultureii:  Ernte  1907. 

(An  der  Obstplantage;  cfr.  Plan  II  ) 


II) 

Abgeen 
oberird. 

liefe 
Masse 

Beiiierkniigeii: 

w 

liMMJ  Voifriuht: 

pro  Parzelle 

Farbe 

der  K 

ulturen  und 

(100  q 

m) 

K 

nöllchenbildung 

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Serradella  nach 

kg 

kg 

25./Vt. 

29./VTI. 

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Nr.     1 

Bohnen 

230,0 

35,4 

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Bohnen 

200,0 

30,4 

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Bohnen 

200,0 

32,4 

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Bohnen 

228,0 

38,2 

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Nr.     7 

Erbsen 

248,0 

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„       8 

Erbsen 

268,0 

— 

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..       9 

Erbsen 

242,0 

— 

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..       4 

Erbsen 

— 

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1 

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Luzerne 

380,0 

— 

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Luzerne 

393,0 

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Luzerne 

381,0 

— 

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+  ■? 

+ 

4- 

22 

Luzerne 

— 

— 

+  ? 

+ 

+ 

Nr.    18 

Hafer,  (S.  1.  Anbau) 
1907  ohne  Impfung) 

255,0 

36,4  , 

.3    :ö 

0 

0 

(1 

,.      1 9 

Hafer,  (S.  1.  Anbau) 
(1907  Kultur  Hiltiier) 

255,0 

35,2  \ 

1   äo 

61 

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+ 

++ 

..     2(1 

Serradella  (2.  Anbau) 

436,0 

64,4 

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++ 

+++ 

++-r 

„     21 

Serradella  (2.  Aiiban) 

450,5 

■63,1  i 

++ 

++++++ 

Nr.-  25 

Sandboden           i 
fj      (Serradellaerde)        o 

235,0 

35,0 

ö 

+ 

+ 

„     26 

«SerradellaerdeLauch-l  g 
o    stedt,  1.  Anbaues    (  =■ 

346,0 

50,5  \ 

+ 

++ 

++ 

.,     27 

J3SerradellaerdeLauch-J'5 
^     stedt,  2.  Anbaues      g 

412.0 

60,2 
49,5  1 

■3    Ö 
11 

++ 

++++++ 

„     28 

Kultur  Halle         =" 

380,0 

■a 

+ 

++ 

++ 

Nr.  35 

ungeinipft .  .  .    B 

263,0 

— 

G 

0 

0 

0 

„     36 

fl                Kultur     .  .   .   a? 
1              Hiltner     .  .  .    e 

298,0 

— 

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++ 

.,     37 

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ui               Hiltner  j  .  .  .    ^ 

242,0 

— 

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ungeimpft .  .  .    S 

244,0 

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0 

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(1 

Nr.  39 

SerradellaerdeLauch- 
stedt,  2.  Anbau      ^o 

370,0 

— 

1      ■     G 

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++ 

,.     40 

-2           Sandboden           &- 
S       (Serradellaerde)       g. 

227,0 

-  / 

0? 

+ 

+ 

,.     45 

'S           Sandboden          >| 
tij       (Serradellaerde)       g 

248,5 

37,3  \ 

0? 

+ 

+ 

..     46 

SerradellaerdeLauch-^' 
stedt,  2.  Anbau 

375,0 

56,0 

1     1    a 

ö  'S   :ö 

^^   Sc 

+ 

+4- 

+++ 

+ 


NB.  Zeichenerklärung: 
bedeutet  keine  KnöUchenbildung 

„  wenig  reichliche  bzw.  vereinz 


++,++  + 


Knöllchenb. 
sehr  reichl.  allgemeine  KnöUchenbildung 


bei   mannigfach 

vorgenommenen 

Stichproben. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         185 


Tabelle  VII. 
Liipineiikultureu:  Ernte  1907. 

(An  der  Obstplantage;  cfr.  Plan  II. 


1  J 
an    ._• 

1906  Vorfrucht: 

Lii|>ilieil  (1.  Anbau)  nach 

Abgeerntete 

oberird.  Masse 

pro  Parzelle 

(100  qm) 

frisch       trocken 
kg              kg 

Farbe 
K 

Bemerkungen: 

der  Kulturen  und 
nöllchenbildung 

1                  Länge 
28./VI.   lO./VIII.  pJi^^^;,^, 
cm 

Nr.     .1 

Erbsen 
(Lup    ungeimpft   1907) 

297,0 

36,2 

II 
il 

]    oß 

0' 

0 

84 
bis 
95 

Nr.     (i 

Erbseil 

(Lup.  ungeimpft  1907) 

284,7 

37,10 

0 

0 

85 
bis 
93 

Nr.   11 

Bohnen 
(Lup.  ungeimpft  1907) 

351,0 

43,20 

II 

0 

0 

85 
bis 
105 

Nr.   12 

Bohnen 
(Lup.   ungeimpft  1907) 

344,0 

44,72 

0 

0 

78 
bis 
103 

Nr.    17 

Serradella 

(Lup.  ungeimpft  1907) 

410,2 

58,})0 

dunkelgrün 

+++ 

+++ 

116 
bis 
122 

Nr,   18 

Serradella 

(Lup.  ungeimpft  1907) 

453,1 

57,50 

+++ 

+++ 

115 
bis 
120 

Nr.   23 

Luzerne 
(Lup.  ungeimpft  1907) 

422,0 

48,00 

ziemlich  dunkelgrün 
mit  Stich  ins  Gelbe 

+ 

+ 

105 
bis 
115 

Nr.  24 

Luzerne 
(Lup.  ungeimpft  1907) 

40(5,0 

47,50 

+ 

+ 

104 

bis. 
117 

_  Na-.  29 

Kartoffeln 

(Lup.  ohne  Impfung  1907) 

352,0 

43,30 

mehr  gelblichgrün 
etwas             etwas 
dunkler         heller 

0 

0 

92 
bis 
102 

Nr.  30 

Kartoffeln 

(Lup.  mit  Kultur  Hiltner 

geimpft  1907) 

368,0 

45,60 

+ 

++ 

90 
bis 
104 

+  +  : 


NB.  Zeichenerklärung: 

0  bedeutet  keine  KnöUchenbildung  i  bei  mannigfach 

-|-         „  wenig  reichliche,  vereinz.  KnöUchenbildung  »vorgenommenen 

-| — I — \-  „  sehr  reichl.,  allgemeine  KnöUchenbildung)     Stichproben. 


Igß  ß.  Heinze. 

II. 

ZusanniKMifassiiii^-    der    wichtigsten     bisherigen    Versnchsergebuisse. 

Serradella  und  Lupine,  zwei  typische  Sandbodenpflanzen, 
entwickeln  sich  auch  auf  schwerem  Boden  unter  gewissen 
Bedingungen  so  gut,  daß  ihre  Erträge  denen  auf  Sandböden 
kaum  nachstehen,  und  selbst  der  relativ  h  ohe  Kalkgehalt  des 
Lauchstedter  Lößlehms  wirkt  keineswegs  schädlich. 

Beide  Pflanzen  gediehen  kümmerlich  ohne  Leguminosen- 
vorfrucht mach  Kartoffeln,  Hafer,  Senf),  ebenso  schlecht  nach 
Erbsen,  Bohnen  und  hatten  (nach  zahlreichen  Stichproben  zu 
urteilen)  keine  Knöllchen  gebildet. 

Sehr  gut  entwickelten  sich  Lupinen  nach  Serradella  und 
Serradella  nach  Serradella  (2.  und  3.  Anbau)  bei  sehr  reich- 
licher Knöllchenbildung  und  zwar  ohne  jede  Impfung  des 
Samens  oder  Bodens. 

Das  Hiltnersche  Kulturmaterial  erwies  sich  sehr  wirksam 
bei  Serradella  in  Töpfen  mit  Lauchstedter  Boden  und  zeigte 
sich  im  Gegensatze  zu  Freilandversuchen  einer  Impfung  mit 
Lauchstedter  Serradellaerde  (2.  Anbau)  auffallend  überlegen. 
Im  Preilande  hatte  zwar  die  mit  Kultur  Miltner  geimpfte  Serra- 
della nach  spät  erfolgter  Infektion  auch  noch  ziemlich  reichlich 
Knöllchen  angesetzt,  jedoch  keine  Mehrernte  gegenüber  un- 
geimpfter  Serradella  gebracht.  Auch  bei  Lupinen  ohne  Legu- 
minosenvorfrucht hatte  Kultur  Hiltner  späteren  Knöllchen- 
ansatz,  aber  keine  nennenswerte  Mehrernte  bewirkt. 

Im  Preilande  wurde  durch  e i n e  I m p fu n g  d e r  z u m  erstenmal 
ohne  Leguminosenvorfrucht  angebauten  Serradella  mit  Lauch- 
stedter Serradellaerde  eine  zeitige  und  außerordentlich  reich- 
liche Knöllchenbildung  und  weiterhin  sogar  eine  auffallend 
hohe  Ernte  erzielt. 

Eine  Impfung  mit  Sandboden-Serradellaerde  blieb  ohne 
nennenswerten  Erfolg,  wenn  auch  schließlich  noch  eine  ziem- 
lich reichliche   Knüllchenbildung    beobachtet    werden     konnte. 

Durch  die  Versuche  erhält  allerdings  die  neuere  Hiltner- 
sche Auffassung  allem  Anscheine  nach  eine  Stütze,  nach 
welcher  wenigstens  zwei  Arten  Knöllchenorganismen  unter- 
schieden werden  müssen,  und  zwar  gehören  nach  ihm  zu  der 
einen  Art  bzw.  Gruppe  die  Organismen  von  Serradella,  Lupine 
und  Soja.  Richtiger  wird  man  aber  später  zunächst  wohl  nur 
zwei  Rassen  von  Leguminosenorganismen,  ähnlich  wie  bei  den 
Hefen,  unterscheiden  können  (s.  unten). 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         IQ'J 

Aul"  alle  Fälle  dürften  sich  auch  nach  den  oben  erörterten 
Versuchen  gerade  die  Organismen  von  Serradella  und  Lupine 
sehr  leicht  vertreten  können;  sicherlich  stehen  sich  dieselben 
sehr  nahe,  wofern  sie  nicht  überhaupt  identisch  sind. 

Alsdann  geht  aus  den  verschiedenen  Versuchen  wohl  un- 
zweideutig hervor,  daß  auch  die  spezif.  Serradella-  bzw.  Lu- 
pinenorganismen im  Lauchstedter  Boden  bereits  aligemein 
vorhanden  sind,  und  zwar  als  sog.  Bodenformen  (wahrschein- 
lich als  Erbsen-,  Bohnenorganismen  usw.)  und  daß  in  geeig- 
neter Weise  nur  eine  allmähliche  Anpassung  derselben  an  Ser- 
radella- und  Lupinenpflanzen  zu  erfolgen  braucht  und  tatsäch- 
lich auch  erfolgt. 

Schließlich  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  für  die  bei  den  Ver- 
suclien  genossene  Unterstützung  noch  meinen  besten  Dank  zum  Aus- 
druck bringen,  und  zwar  den  Herren  Dr.  Graff  und  Dr.  Dorsch  für  die 
Untersuchung  von  Ernteprodukten,  sowie  besonders  Herrn  Dr.  Huflage, 
welcher  mich  bei  der  Durchführung  der  Versuche  tatkräftigst  unterstützt 
hat.  Besonderer  Dank  gebührt  auch  noch  Herrn  Prof,  Dr.  Schneidewind 
dafür,  daß  er  der  bakteriologischen  Abteilung  der  Versuchsstation  weiteres 
Terrain  für  die  diesbezüghchen,  etwas  ausgedehnteren  Versuche  zur  Ver- 
fügung gestellt  hat. 

HI. 

In  welcher  Weise  läfst  sich    nun  bei    unseren    beiden  Pflanzen    eine 
reichliche  Knöllchenbildunj»;  ohne  jede  Impfung  näher  erklären? 

Wir  haben  zunächst  gesehen  und  bei  den  in  den  letzten  Jahren 
angestellten  Versuchen  wiederholt  beobachten  können,  daß  Serradella 
beim  erstmaligen  Anbau  auf  Lauchstedter  Boden  ohne  Impfung 
keine  Knöllchen  bildet,  mögen  nun  auf  den  betreffenden  Parzellen 
längere  Zeit  (zum  Teil  nachweislich  wenigstens  10  Jahre  lang) 
vorher  keine  Leguminosen  gestanden  haben,  oder  mögen  diese  einige 
Jahre  vorher  oder  erst  im  direkt  voraufgegangenen  Jahre  als  Vorfrucht 
angebaut  gewesen  sein.  Auch  die  Lupinen  hatten,  wie  oben  schon 
hervorgehoben  wurde,  weder  nach  Kartoffeln  und  Senf,  noch  nach 
Erbsen,  Bohnen  als  direkter  Vorfrucht  Knöllchen  gebildet. 

Regelmäßig  und  auffallend  reichlich  hatten  jedoch  Lupinen 
nach  Serradella,  und  Serradellapflanzen  nach  Serradella 
Knöllchen  angesetzt,  und  zwar  ohne  daß  hier  zunächst  irgend  eine 
Impfung  vorgenommen  worden  wäre.  Diese  Erscheinung  läßt  sich  für 
Lauchstedter  Boden  auch  unter  Berücksichtigung  aller  bisherigen  Ver- 
suche nicht  ohne  weiteres  erklären. 


j^gg  B.  Heinze. 

Etwas  schwierig  ist  vor  allem  die  Frage  über  das  „Woher"  der 
spezifischen  Serradellaorganismen  zu  beantworten.  Dieselben  können 
natürlich  auf  das  spezielle,  ohne  jede  Impfung  gebliebene  Feldstück  im 
sogenannten  bakteriologischen  Garten  (1906  mit  1.  und  2.  Serradella- 
anbau, 1907  mit  1.,  2.  und  3.  Serradellaanbau  und  1.  Lupinenanbau) 
von  weiterher  „angeflogen"  sein,  d.  h.  also  mit  dem  Erdstaube  durch 
Wind  und  Regen  auf  die  genannten  Parzellen  übertragen  worden  sein, 
und  zwar  in  Form  von  Hiltnerschem  Kulturmateriale.  Solche  Organismen 
können  zunächst  von  einem  ca.  100  m  entfernt  liegenden  Feldstücke 
im  bakteriologischen  Garten  herrühren,  wo  Kultur  Miltner  zur  Boden- 
impfung ohne  Erfolg  verwandt  wurde  (1906),  ferner  von  einem  sehr 
weit  entfernt  liegenden  Stücke,  auf  Schlag  I,  wo  1905  mit  Kultur 
Hiltner  eine  erfolgreiche  Impfung  der  Serradella  als  Gründüngung 
(Einsaat,  s.  oben)  vorgenommen  war,  ferner  von  einem  fast  gleich  weit 
entfernten  Feldstücke  an  der  Obstplantage,  wo  Serradella  als  Hauptfrucht 
mit  an  und  für  sich  vollauf  wirksamem  Hiltnerschen  Kulturmateriale 
geimpft  (s.  den  oben  erwähnten  Topfversuch),  indessen  ohne  jeden  Erfolg 
angebaut  worden  war;  wenn  es  auch  (u.  a.  wegen  der  langen  Zeit)  sehr 
unwahrscheinlich  ist,  so  können  unsere  Organismen  schließlich  aber  auch 
von  dem  1896  auf  einem  anderen,  ebenfalls  weit  entfernten  Feldstücke 
angewandten  Lupinennitragin  herrühren. 

Zur  Erklärung  der  oben  hervorgehobenen  Wirkung  müßte  man  nun 
annehmen,  daß  die  wenigen,  auf  solche  Weise  zu  den  genannten  Par- 
zellen gelangten  spezifischen  Serradella-(oder  Lupinen-)Organismen  mög- 
licherweise gerade  in  der  Erde  derjenigen  Parzelle,  welche  schon  einmal 
Serradella  (ohne  Knöllchen)  trug,  besonders  günstige  Bedingungen  zu 
einer  massenhaften  Vermehrung  und  zur  Erlangung  einer  hohen  Wirk- 
samkeit,  gefunden  haben;  sie  hätten  nämlich  in  dem  verrottenden  Serra- 
dellawurzelwerke einen  besonders  vorteilhaften  Nährboden  zur  Ent- 
wickelung  vorgefunden,  welcher    ihnen  auf    der  Nachbarparzelle    fehlte. 

Nach  verschiedenen  Versuchen  wurde  jedoch  selbst  auf  den- 
jenigen Parzellen  keine  Knöllchenbildung  beobachtet,  welche  direkt  neben 
den  Parzellen  mit  zahlreichen  spezifischen  Organismen  und  reichlicher 
allgemeiner  Knöllchenbildung  lagen,  es  dürfte  daher  in  der  Tat  der 
Einfluß  einer  solchen  Infektion  wenigstens  ohne  viel  praktischen  Wert 
sein.  Eine  Übertragung  ist  zwar  nach  dem  oben  Gesagten  immerhin 
auch  noch  auf  weitere  Strecken  hin  möglich;  sie  muß  aber  naturgemäß, 
noch  geringeren  Wert  haben,  als  in  dem  soeben  angeführten  Falle, 
praktisch  also  überhaupt  kaum  noch  in  Betracht  kommen.  Neben  der 
sehr  geringen  Zahl  von  so  übertragenen  Organismen  muß  man  übrigens 
auch   berücksichtigen,   daß  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  solche  Orga- 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Seiradella  und  Lupinen  usw.         189 

nlsmen  im  allgemeinen  durch  Austroclinen')  asw.  in  ilirer  Wirksamkeit  ziem- 
lich stark  leiden.  Bei  alledem  ist  schließlich  noch  besonders  zu  beachten,  daß 
die  wenigen  so  übertragenen  Serradelia-(oder  Lupinen-)Organismen  im 
Konkurrenzkampfe  mit  anderen  ßodenorganismen,  insbesondere  auch 
mit  im  Boden  bereits  massenhaft  vorhandenen  anderen  Leguminosen- 
organismen (nämlich  von  Erbsen,  Bohnen,  Klee,  Luzerne,  Wicken), 
selbst  bei  Vorhandensein  von  Serradellawurzelwerk  im  Verrottungs- 
zustande,  sich  schwerlich  hinreichend  stark  werden  vermehren  können, 
um  beim  2.  Anbau  von  Serradella  eine  ausreichende  zeitige  Infektion 
und  reichliche  Knöllchenbildung  mit  auffallender  Mehrernte  hervorzurufen 
bzw.   zu  erklären. 

Die  Möglichkeit  einer  so  zustande  kommenden  Infektion  und  einer 
weiterhin  auf  diesem  Wege  zu  erzielenden,  eventuell  reichlichen  Ver- 
mehrung und  hohen  Wirksamkeit  ist  also  auf  alle  Fälle  vorhanden; 
die  Wahrscheinlichkeit  einer  solchen  ausreichenden  Infektion  ist  jedoch 
nach  den  vorstehenden  Erörterungen  äußerst  gering. 

Man  muß  daher  eine  andere  Erklärung  über  die  Herkunft  und 
Wirkung  spezifischer  Serradellaorganismen  im  Lauchstedter  Boden 
suchen,  welche  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 

Hierbei  mag  es  zunächst  noch  eine  offene  Frage  bleiben,  ob  es 
nicht  auch  noch  andere  Bodenorganismen  gibt,  denen  die  Fähigkeit  zu- 
kommt, in  die  Wurzeln  von  Leguminosen,  insbesondere  auch  von  Serra- 
della, einzuwandern  und  Knöllchen  zu  erzeugen. 

Im  Lauchstedter  Boden  sind  nun  bereits  äußerst  zahlreich  und 
wirksam  die  spezifischen  Knöllchen  Organismen  für  Bohnen, 
Erbsen  usw.  vorhanden,  wie  dies  oben  auch  schon  betont  wurde,  und 
man  wird  natürlich  bei  diesen  Leguminosen  in  solchem  oder  ähnlichem 
Boden  durch  eine  Impfung  mit  Hiltnerschem  Kulturmateriale  einen 
nennenswerten  Erfolg  zugunsten  einer  Impfung  überhaupt  nicht  erwarten 
dürfen  und  auch  niemals  erhalten  Wenn  man  unter  solchen  Verhält- 
nissen gleichwohl  Impfversuche  anstellt  und  die  Ergebnisse  unrichtig 
deutet,  so  werden  die  wertvollen  Hiltnerschen  Kulturen  nur  diskredi- 
tiert,   was  leider  schon  vielfach  vorgekommen  ist.  ■     '.. 


1)  In  einem  gewissen  Gegensatze  stehen  hierzu  allerdings  Untersuchungs- 
ergebnisse  mit  anderen  Organismen.  Aus  denselben  geht  immer  wieder  hervor, 
daß  die  betreffenden  Gelatine-,  Agarkulturen  u.  a.  selbst  durch  vollständiges 
Austrocknen  keineswegs  derartig  leiden,  daß  sie  sich  überhaupt  nicht  weiter 
entwickeln  können.  Auf  demselben  Nährboden  erfolgt  freüich  in  den  weit- 
aus meisten  Fällen  überhaupt  keine  augenscheinliche  Entwickelung  mehr;  man 
braucht  indessen  nur  möglichst  abweichend  zusammengesetzte  Nährböden  zum 
Überimpfen  zu  verwenden  und  wird  dann  meist  eine  recht  üppige  Weiter- 
entwickelung beobachten  können. 


X90  ^-  Heinze. 

Bezüglich  der  spezifischen  Serradellaorganismen  ist  es  alsdann 
schon  nach  den  bisherig(>n  Erfahrungen  für  mich  nicht  mehr  zweifel- 
haft, daß  die  im  Lauchstedter  Boden  zahlreich  vorhandenen  anderen 
Leguminosenorganismen,  besonders  die  spezifischen  Bohnen-  und  Erbsen- 
organismen, sich  allmählich  an  das  Serradellawurzelwerk  anpassen  und 
zwar  beim  Verrotten  desselben,  wenn  genügende  Mengen  Kalk  vorhanden 
sind.  Da  Serradella-  und  Lupinenwurzeln  mehr  oder  weniger  stark  in 
ihrer  Zusammensetzung  von  Erbsen-  und  Bohnenwurzeln  abweichen,  so 
sind  die  spezifischen  Organismen  der  letzteren  allerdings  nicht  ohne 
weiteres  imstande,  in  Serradellawurzeln  einzuwandern,  sich  reichlich 
weiterzuentwickeln  und  Knöllchen  zu  erzeugen;  sie  können  auf  diesem 
anderen  Nährboden  zunächst  nicht  gedeihen. 

Anderweitige  Beobachtungen  haben  alsdann  immer  wieder  ergeben, 
daß  gewisse  Organismen ' )  bei  weiteren  Kulturversuchen  zunächst  über- 
haupt nicht  auf  schwach  sauren  oder  gar  stark  sauren  Nährmedien  wachsen; 
bei  Zusatz  von  kohlensaurem  Kalk  tritt  jedoch  fast  regelmäßig  eine  auf- 
fallend gute  Entwickelung  ein.  Nimmt  man  aber  von  den  CaCOj-Kulturen 
Impfmaterial  und  überträgt  es  auf  den  entsprechenden  ursprünglichen 
CaCOg-freien,  selbst  stark  sauren  Nährboden,  so.  entwickeln  sich  die  be- 
treffenden Organismen  auch  auf  stärker  sauren  Nährboden  nunmehr 
leidhch  gut,  zuweilen  sogar  ebenso  üppig  oder  noch  üppiger  als  auf 
dem  sonst  verwandten,  ganz  anders  zusammengesetzten,  vor  allem  aber 
nicht  sauren  Nährboden. 

Ein  ähnliches  Verhältnis  liegt  meiner  Ansicht  nach  hier  bei  der 
Frage  vor,  warum  Erbsen-  oder  Bohnenorganismen,  welche  doch  auch  in 
sauren  Wurzeln  vegetieren,  nicht  ohne  weiteres  in  Serradella-  oder  Lu- 
pinenwurzeln einwandern  und  sich  vermehren  können.  Möglicherweise 
spielen  auch  andere  Ursachen,  z.B.  gewisse  N- Verbindungen,  hierbei  mit 
eine  Rolle;  in  erster  Linie  aber  dürften  wohl  die  genannten  Organismen 
den  höheren  Säuregehalt  der  Serradella-  und  Lupinenwurzeln  nicht  sofort 
vertragen;  sie  müssen  sich  erst  in  der  soeben  erörterten  Weise  an- 
passen. Die  Beobachtung,  daß  gerade  Serradella-  und  Lupinenwurzeln 
im  allgemeinen  weit  mehr  organische  Säuren  enthalten  als  andere 
Leguminosen,  ist  von  mir  schon  wiederholt  gemacht  worden;  genaue  quan- 
titative Bestimmungen  haben  indessen  hier  noch  nicht  vorgenommen  werden 
können.  Nach  neueren  Untersuchungen  von  Lemmermann^)  haben 
Serradella  und  Lupinen  zunächst  tatsächlich  einen  ähnlich  hohen  Säure- 


•)  Wie  z.  B.  Azotobacter  auf  sauren  Agar-  oder  Galatinenährböden. 

2)  O.  Lemmermann,  Ernährungsunterschiede  der  Leguminosen  und 
Gramineen  und  ihre  wahrscheinliche  Ursache.  (Landw.  Versuchsstationen 
1907,  S.  227.) 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         191 

gehalt  ihrer  Wurzeln  aulzuweisen;  vor  allem  aber  ist  ihr  Säuregehalt 
auffallend  höher  als  bei  Erbsen-  und  Bohnenwurzeln  und  beträgt  fast 
das  Doppelte  von  dem   der  letztgenannten  Leguminosen. 

Bei  den  Lupinen  würde  sich  schließlich  die  reichliche  Knöllchen- 
bildung  nach  Serradella  zwanglos  aus  der  ähnUchen  Zusammensetzung 
der  Wurzeln  hinsichtlich  ihres  Säuregehaltes  erklären,  nachdem  durch 
mannigfache  anderweitige  Beobachtungen  weiterhin  schon  festgestellt 
ist,  daß  Serradella-  und  Lupinenorganismen  sich  sehr  nahe  stehen  oder 
identisch  sind. 

Der  einwandfreie  Beweis  für  die  Erklärung,  daß  Erbsen-,  Bohnen- 
organismen usw.  sich  leicht  an  Serradella  bzw.  an  Lupinen  anpassen 
und  schließlich  auch  bei  diesen  Leguminosen  knöllchenbildend  wii-ken, 
steht  allerdings  noch  aus  und  kann  nur  durch  besondere  Versuche  mit 
sterilisierten  Töpfen  erbracht  werden,  welche  mit  Reinkulturen  von 
Erbsen-  oder  Bohnenorganismen  geimpft  werden,  nachdem  man  diese 
Reinkulturen  auf  geeigneten  Serradella-  oder  Lupinennährböden  weiter- 
gezüchtet hat.  Freilich  wird  man  sich  hiernach  der  neueren  Ansicht 
Miltners,  nach  welcher,  wie  oben  schon  betont  wurde,  vorläufig  wenigstens 
zwei  besondere  —  im  botanischen  Sinne  streng  zu  trennende —  Arten 
von  Leguminosenorganismen')  zu  unterscheiden  sind,  nicht  völlig 
anschUeßen  können:  man  wird  vielmehr  nur  zwei,  allerdings  weit  diffe- 
renzierte Rassen  ein  und  derselben  Organismenart  annehmen 
müssen,  wie  ja  früher  auch  Miltner  selbst  die  verschiedensten 
Leguminosenorganismen  ledigüch  als  Anpassungsformen  ein  und  der- 
selben Organismenart  an  die  einzelnen  Leguminosen  ansprach  und  erst 
durch  weitere  Untersuchungen  zu  einer  etwas  abweichenden  Auffassung 
gekommen  ist. 

IV. 

Einiges  über  die  Impfung-  von  Serradella  und  Lupinen 

mit  Reinkulturen  bzw.  mit  Impferde. 

Selbst  viele  praktische  Landwirte  waren  sich  schon  längst  nicht 
mehr  über  die  Wirkung  der  sogenannten  Knöllchenorganismen  und 
ihren  Wert  für  das  Gedeihen  der  einzelnen  Leguminot-en    im    unklaren; 


1)  Pur  die  weitere  wissenschaftliche  Klärung  der  ganzen  Leguminosen- 
frage ist  natürlich  die  Frage  der  Arteinheit  oder  Artverschiedenheit 
der  sog.  Knöllchenorganismen  nach  wie  vor  sehr  interessant  und  äußerst 
wichtig  zugleich;  inbezug  auf  die  praktische  Bedeutung  der  ganzen  Frage  spielt 
jedoch  die  letztere  Fiage,  ob  wir  nur  mit  verschiedenen  Rassen  von  Knöllchen- 
organismen oder  tatsächlich  mit  verschiedenen  Arten  rechnen  müssen,  eine 
inehr  untergeordnete  Rolle. 


192  B-  Heinze. 

die  hohe  Bedeutung  derselben  ist  nunmehr  last  allgemein  erkannt,  und 
man  sucht  durch  geeignete  Maßnahmen  die  Leguminosenkultur  zu 
sichern  und  möglichst  zu  fördern.  Freilich  ist  es  noch  weniger  be- 
kannt oder  wird  wenigstens  noch  nicht  genug  berücksichtigt,  daß  diese 
niederen  Organismen  einmal  keineswegs  allgemein  in  genügend  großer 
Zahl  und  dann  vielfach  auch  nicht  in  der  geeignetsten  physiologischen 
Form,  d.  h.  in  der  vollauf  wirksamen  Form,  in  all  unseren  Ackerböden 
vorkommen').  Schon  vor  längerer  Zeit  hat  man  aus  dem  ziemlich 
häufigen  Mißlingen  von  Leguminosenkulturen  —  und  zwar  selbst  bei 
relativ  günstigen  Witterungs-  und  Düngungsverhältnissen  —  gerade 
auf  diese  letztgenannte,  wichtige  Tatsache  geschlossen,  welche  späterhin 
durch  sorgfältige  wissenschaftliche  Untersuchungen  ihre  Bestätigung 
finden  konnte.  Infolge  dieser  Tatsache  suchte  man  nun  schon 
damals  durch  eine  Übertragung  von  rohem  Ackerboden  von  Feldern, 
welche  die  anderweitig  anzubauende  Hülsenfrucht  bereits  mit  Erfolg  ge- 
tragen hatten,  vor  allem  auf  Neuland,  diesem  die  spezifischen  Boden- 
organismen in  besonders  wirksamer  Form  und  in  genügender  Zahl  zu- 
zuführen. Durch  eine  größere  Anzahl  sehr  wertvoller  diesbezüglicher  Ver- 
suche ist  von  Salfeld  u.  a.  die  hohe  Bedeutung  einer  solchen  Boden- 
übertragung, also  einer  Impfung  mit  Erde,  für  Hochmoor  und  Sand- 
böden, besonders  für  neukultiviertes  Land,  nachgewiesen  worden. 

So  wertvoll  aber  diese  Methode  auch  an  und  für  sich  ist,  so  ist 
ihre  Anwendung  in  der  landwirtschaftlichen  Praxis  zunächst  doch  mit 
einigen  Schwierigkeiten  verbunden,  zumal  wenn  es  gilt,  die  notwendige 
Impferde  aus  entfernterer  Gegend  zu  beschaffen.  Man  sieht  sich  ge- 
nötigt, öfters  beträchtlich  viel  Zeit  und  Mühe  anzuwenden,  und  hat  keines- 
wegs nach  Lage  der  Dinge  immer  einen  sicheren  Erfolg  zu  erwarten, 
ganz  abgesehen  davon,  daß  der  ganzen  Methode  auch  noch  manche 
sonstigen,  schwerwiegenden  Mängel  anhaften.  Wenn  ich  auch  einer 
etwaigen,  ziemlich  weitgehenden  Austrocknung  der  Impf  erde  während 
des  Transportes  und  einer  dadurch  hervorgerufenen,  mehr  oder  weniger 
großen  Schädigung  der  spezifischen  Organismen  keinen  allzu  großen 
Wert  beilege,  so  ist  es  meiner  Ansicht  nach  meist  recht  fraghch,  ob 
die  spezifischen  Organismen  irgend  eines  Bodens,  z.  B.  eines  Lupinen- 
"oder  Serradellafoldes.  in  Form  von  Irapferde,  in  einen  vöUig  anders  ge- 
arteten Boden  gebracht,   hier  nunmehr   auch  ohne  weiteres    beim  ersten 


1)  Daß  sie  manchen  Böden  ganz  fehlen  sollten,  erscheint  wenig  wahrschein- 
lich, wenn  nicht  überhaupt  ausgeschlossen.  In  geringer  Zahl,  eventuell  aller- 
dings in  wenig  wirksamer  oder  völlig  unwirksamer  Form,  sind  dieselben  wohl  in 
allen  Böden  vorhanden.  Wenn  man  sie  bei  einigen  speziellen  Kulturversuchen  in 
irgend  einem  Boden  nicht  findet,  so  beweist  dies  ja  noch  keineswegs  ihr  Felden. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         193 

Anbau  von  Lupinen  oder  Serradella  reichliche  KnöUchenbildung  hervor- 
rufen, oder  ob  sich  vielmehr  diese  Organismen  alsdann  nicht  auch 
erst  an  die  neuen  Bodenverhältnisse  mehr  anpassen  müssen,  bevor  sie 
ihre  volle  Wirksamkeit  auszuüben  vermögen.  So  konnte  wenigstens  im 
Lauchstedter  Boden  mit  einer  Sandbodenerde  als  Impf  erde  bei  Serradella 
zwar  eine  noch  leidlich  gute  KnöUchenbildung  beim  erstmaligen  Anbau 
erzielt  werden,   aber  keine  Mehrernte. 

Auch  Zeit,  Art  und  Weise  der  Impfung,  also  die  ganze  Art  der 
Unterbringung  der  Impferde,  dürfte  zuweilen  nicht  ohne  größeren  Ein- 
fluß auf  den  etwaigen  Impferfolg  und  den  Ertrag  sein.  Auch  die  Vor- 
frucht wird  in  manchen  Fällen  eine  gewisse  Rolle  spielen  (z.  B.  ev. 
Unverträglichkeit  der  Serradella  mit  Klee?). 

Dadurch,  daß  alsdann  im  Jahre  1896  Nobbe  und  Miltner  die 
Samen-  bzw.  Bodenimpfung  mit  Reinkulturen  von  Leguminosen- 
knöllchenorganismen  in  die  Praxis  einführten,  haben  sie  sich  zweifellos 
ein  großes  Verdienst  erworben,  wenn  auch  die  Versuche,  welche  zunächst 
in  der  Praxis  mit  dem  neuen  Impfstoff,  dem  sogenannten  „Nitragin", 
angestellt  wurden,  die  gehegten  und  vielfach  auch  übermäßig  hoch- 
gespannten Erwartungen  naturgemäß  gar  nicht  erfüllen  konnten.  Auch 
ist  vor  allem  erst  durch  die  weiteren,  jahrelangen  Studien  und  Versuche 
von  Hiltner  die  Gewinnung  und  weitere  Kultur  hochwirksamer  Orga- 
nismen in  derartig  erhöhtem  Maße  gesichert  worden,  daß  man  unter 
Beobachtung  besserer  Impfmethoden  mit  den  neuerdings  in  den  Handel 
gebrachten  Kulturen  innerhalb  der  durch  Witterungsverhältnisse  usw. 
gezogenen  Grenzen  nunmehr  auch  fast  regelmäßig  gute,  zuverlässige 
Ergebnisse  erzielt. 

Deshalb  wird  man  nach  all  den  bisherigen,  zum  Teil  äußerst 
günstigen  Erfahrungen  in  der  ganzen  Frage  beim  Anbau  von  Legu- 
minosen, insbesondere  auch  beim  Anbau  von  Lupinen  und  Serradella 
auf  schwereren  Böden,  eine  sachgemäße  Organismenimpfung  als  eine 
sehr  wertvolle,  kulturelle  Maßnahme  bezeichnen  müssen,  deren  allge- 
meine Anwendung  sehr  zu  empfehlen  ist,  um  einen  erfolgreichen  Anbau 
möglichst  zu  sichern,  zumal  Mühe  und  Kosten  relativ  gering  sind.  Auf 
einem  sogenannten  erbsen-,  höhnen-  oder  kloesicheren  Felde,  wo  also 
die  betreff'enden  Leguminosen  bereits  mit  gutem  Erfolge  angebaut  waren, 
ist  natürlich  irgend  eine  künstliche  Impfung  fast  ausnahmslos  überflüssig. 
In  allen  denjenigen  Fällen  aber,  wo  eine  Hülsenfrucht  zum  ersten  Male 
angebaut  wird,  wie  die  bei  uns  seltenere  Lupine  und  Serradella,  oder 
wo  es  sich  um  Feldstücke  handelt,  welche  überhaupt  zum  ersten  Male 
zu  Gründüngungszwecken  in  Bearbeitung  genommen  werden,  kann  eine 
Impfung  nicht  dringend  genug  angeraten  werden.     Aus  noch  nicht  näher 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik    V  13 


194 


B.  Heinze. 


bekannten  Gründen  mißlingen  aber  zuweilen  Leguminosen kulturen  auch 
dort,  wo  sie  bereits  früher  und  zwar  mit  Erfolg  gebaut  wurden.  In 
solchen  Fällen  dürfte  man  mit  einer  Impfung  meist  gute  Erfolge  erzielen. 

Beim  erstmaligen  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  wird 
man  nun  im  allgemeinen  wohl  immer  besser  tun,  keine  Impferde  zu 
verwenden,  besonders  wenn  man  sie  eventuell  erst  aus  weit  entlegenen 
Gegenden  beziehen  muß,  sondern  die  neuerdings  außerordentlich  wirk- 
samen Hiltnerschen  Kulturen,  zumal  es  ohne  weiteres  einleuchtet,  daß 
mit  Reinkulturen  von  hochwirksamen  spezifischen  Organismen  —  in  ähn- 
licher Weise  wie  in  den  Gärungsgewerben  oder  anderen  technischen  Be- 
trieben, z.  B.  in  milchwirtschaftlichen  Betrieben  —  im  allgemeinen  viel  vor- 
teilhafter gearbeitet  werden  kann  als  mit  Rohkulturen.  Theoretisch  ist 
wenigstens  die  Verwendung  eines  Impfstoffes,  w^elcher  z.  B.die  für  Serradella 
bzw.  Lupinen  in  Betracht  kommenden  spezifischen  Knöllchenorganismen 
hochwirksam  in  Reinkultur  enthält,  den  Rohkulturen  zweifellos  überlegen, 
aber  auch  praktisch  wird  die  Reinkultur  in  den  meisten  Fällen  den  Roh- 
kulturen, in  unserem  speziellen  Falle  also  der  Impf  erde,  überlegen  sein. 

Beim  weiteren  Anbau  der  genannten  Hülsenfrüchte')  auf 
anderen  Feldstücken  derselben  Wirtschaft  oder  in  der  Nähe  unter  ähn- 
lichen Bodenverhältnissen  wird  man  alsdann  im  allgemeinen  freilich 
wohl  immer  ebenso  vorteilhaft  und  vielleicht  sogar  bequemer  Impf  erde 
an  Stelle  vun  Reinkulturen  verwenden  können.  In  solchen  Fällen 
ist  die  Impfung  eine  einfache,  leicht  durchzuführende  Maßregel,  welche 
früher  nur  dort  größere  Kosten  verursachte,  wo  bei  Neueinführung  einer 
Hülsenfruchtpflanze  die  Erde  von  entfernten  Orten  bezogen  werden 
mußte.  10—20  Zentner  Impferde  dürften  im  allgemeinen  vollkommen 
ausreichend    sein    für    einen  Morgen   Land.     Dabei    entnimmt    man    die 


1)  Wer  freilich  beim  allerersten  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  in 
größerem  Maßstabe  in  seiner  Wirtschaft  auf  schwereren  oder  leichteren 
Böden  absolut  keine  Hiltnerschen  oder  nach  Hiltner  gewonnenen  Kulturen 
zu  einer  Impfung  verwenden  will  —  sei  es  aus  bloßer  Bequemlichkeit  oder 
aus  Ängstlichkeit,  daß  die  Impfung  trotz  genauer  beigegebener  Gebrauchs- 
anweisung schließlich  doch  nicht  richtig  ausgeführt  werden  und  der  Erfolg  aus- 
bleiben könnte,  oder  sei  es  aus  immer  noch  vorhandenem,  nunmehr  unberechtigtem 
Mißtrauen  gegen  diese  Impfmethode  überhaupt  — ,  der  mag  seinen  geplanten, 
umfangreicheren  Serradella-  oder  Lupinenbau  noch  1  oder  2  Jahre  hinaus- 
schieben und  zunächst  ein  kleines  Stück  Feld  mit  einer  der  genannten  Legu- 
minosen oder  auch  mit  beiden  bestellen  und  von  diesem  Felde  für  die  Ver- 
suche in  den  folgenden  Jahren  Impf  erde  entnehmen;  dabei  wird  es  eventuell 
vorteilhafter  und  sicherer  sein,  vorher  erst  zweimal  Serradella  oder  Lupinen 
auf  demselben  Stück  in  kleinem  Maßstäbe  anzubauen  und  dann  erst  die  Erde 
zum  Impfen  zu  verwenden.  Die  ganze  Methode  ist  jedoch  mit  kleineren  oder 
größeren  Zeitverlusten  verbunden. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         195 

Erde  nicht  nur  von  der  obersten  Krume,  sondern  auch  von  den  etwas 
tieferen  Schichten  dos  betreffenden  anderen  Feldes,  mischt  sie  am  besten 
erst  noch  etwas,  streut  sie  mit  dem  Düngerstreuer  oder  mit  der  Hand 
vor  der  Saat  aus  und  eggt  ein.  Will  man  ein  übriges  tun,  so  kann 
man  auch  schon  vor  der  Herrichtung  des  Saatbettes  einen  Teil  Impferde 
beim  Pflügen  mit  unterbringen.  Bei  Eintritt  ungünstiger  Witterung  kann 
die  Impferde  auch  ruhig  einige  Zeit  im  gedeckten  Räume  aufbewahrt 
werden,  ohne  dal3  sie  an  Wirksamkeit  viel  einbüßt.  (Vergl.  hierzu  u.  a. 
auch  die  Mitteilungen  von  Herrn  Dr.  Simon  in  diesem  Jahresberichte.) 

VI. 

Über  die  etwaige  Bedeutung*    des  Serradella-    und  Lupiuenbaues    auf 

schwerem  Boden  für  die  praktische  liandwirtschaft. 

Nach  den  überaus  bedeutsamen  Erfolgen,  welche  man  mit  dem 
Anbau  von  Zwischenfrüchten,  und  zwar  neben  Pütterungs-  besonders 
auch  zu  Gründüngungszwecken,  auf  den  verschiedensten  leichteren 
Böden  erzielt  hatte,  war  natürlich  der  Wunsch  gar  bald  in  den  Vorder- 
grund getreten,  die  Ergebnisse  auch  auf  die  besseren,  schwereren  Böden 
zu  übertragen;  dabei  glaubte  man  sich  allerdings  von  vornherein  darüber 
klar  sein  zu  müssen,  daß  auf  schweren  Böden  sich  schwerlich  eine  so 
große  Ausdehnung  des  Zwischenfruchtbaues  würde  durchführen  lassen 
wie  auf  sandigen  Böden'),  Denn  im  letzteren  Palle  ist  Roggen  die  auf 
weite  Plächen  angebaute  Frucht,  welcher  ja  bekanntlich  insofern  die 
Hauptbedingung  eines  erfolgreichen  Zwischenfruchtbaues  erfüllt,  als  er 
frühzeitig  das  Feld  räumt.  Auf  schwereren  Böden  tritt  an  Stelle  des 
Roggens  der  Weizen  mit  auffallend  längerer  Vegetationszeit.  Nach 
Weizen  kommen  im  allgemeinen  Zwischenfrüchte  nicht  in  Betracht. 
Immerhin  räumen  verschiedene  Früchte,  wie  z.  B.  Frühkartoffeln,  zeitig 
genug  das  Feld,  um  Zwischenfruchtbau  zu  ermöglichen;  auch  früh- 
reifende Wintergerste,  4  — Özeilige  Sommergerste,  in  wärmeren  Lagen  auch 
2zeiUeg  Sommergerste  und  auch  in  mäßiger  Ausdehnung  Roggen  kommen 
in  Betracht.  Aber  auch  als  Einbaufrüchte  müssen  verschiedene  Legu- 
minosen berücksichtigt,  und  auf  ihren  Anbauwert  hin  noch  viel  genauer, 
als  es  bisher  geschehen  ist    oder  geschehen   konnte,    geprüft  werden'^). 

Als  besondere  Vorteile  der  Zwischenkulturen  müssen  bekannthch 
folgende  Punkte  angesehen  werden : 

1.  wird  das  Unkraut  unterdrückt, 

2.  wird  der  mechanische  Zustand  des  Bodens  ein  besserer. 


1)  Vgl.  hierzu  auch  den  1.  Bericht  der  Lauchstedter  Versuchs  Wirtschaft. 

2)  In  Lauchstedt    z.B.  neuerdings  Gelbklee    und  Serradella;  s.  5.  und  6. 
Bericht. 

13* 


19t)  ^-  Heinze. 

3.  wird  die  Zersetzung   der  Mineralstotfe    des  Bodens    begünstigt, 

4.  werden  N-Verluste  durch  Auswaschung  sehr  eingeschränkt, 

5.  kommt    auch    mehr    (für    mikrobiologische    Prozesse    äußerst 
wichtige  und  wertvolle)  organische  Substanz  in  den  Boden. 

Mit  Bohnen  {Vicia  faba),  Erbsen  und  Wicken,  meist  im  Gemenge 
angebaut,  hat  man  ja  schon  längere  Zeit  auf  schwereren  Böden,  z.  B. 
auch  in  Lauchstedt,  meist  gute  Erfolge  zu  verzeichnen,  und  sicherlich 
wird  auf  solchen  Böden  der  Anbau  von  Leguminosen  als  Zwischen- 
oder Einbaufrucht  zur  Gründüngung  noch  eine  weit  größere,  allgemeinere 
Ausdehnung  gewinnen,  wofern  man  erst  u.  a.  auch  gerade  die  mikro- 
biologischen Prozesse  der  Verrottung  der  Grünsubstanz  besser  als  bisher 
beurteilen  gelernt  hat,  um  sie  schließlich  mehr  und  mehr  beherrschen 
zu  können  und  in  die  gerade  erwünschte,  vorteilhafteste  Bahn  zu  leiten. 

Nach  vieler  Ansicht  ist  es  sogar  mehr  als  wahrscheinlich,  daß  die 
Gründüngung^)  besonders  wegen  der  Zufuhr  großer  Mengen  organischer 
Substanzen  in  Zukunft  auf  schwererem  Boden  eine  größere  Rolle  spielen 
wird  als  auf  leichteren  sandigen  Böden,  ihrer  bisherigen  Domäne.  Man 
wird  auf  diese  Weise  imstande  sein,  auch  den  schweren  Boden  noch 
an  humusbildender  Substanz  anzureichern,  ihn  physikalisch  zu  ver- 
bessern, ihm  vor  allem  aber  auf  relativ  sehr  billige  Weise  reichlich  N, 
den  teuersten  Dünger,  zuzuführen,')  wenngleich  die  erzielten  Erfolge 
natürlich  nicht  immer  so  auffallend  günstige  sein  werden  wie  bei  neuerdings 
verschiedentlich  angestellten  Versuchen,  bei  welchen  im  Vergleiche 
zu  dem  Salpeter-N  die  Kosten  des  N  in  Form  von  Stallmist 
immerhin  noch  etwas  mehr  als  die  Hälfte,  die  Kosten  des  N  in 
Form  von  Gründüngung  in  günstigen  Fällen  jedoch  kaum  den 
zwanzigsten  Teil  von  jenem  betragen. 

Gerade  die  typischen  Sandbodenpflanzen,  Serradella  und  Lupinen, 
wird  man  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  allmählich  wohl  auch 
auf  schwerem  Boden  recht  gut  allgemeiner  mit  Erfolg  anbauen  können 
und  zwar  selbst  auf  relativ  kalkreichen  Böden,  wie  es  der  Lauchstedter 
Lößlehm  ist.  Übrigens  ist  der  Hauptgrund,  warum  z.  B.  Serradella  in 
verschiedenen  Gegenden  nach  mannigfachen  Mißerfolgen  auf  schwereren 
Böden  bald  wieder  verschwunden  ist,  ganz  zweifellos  darin  zu  suchen,  daß 
man  diese  Pflanze  niemals  auf  demselben  Feldstück  zum  zweiten  oder 
dritten  Male  angebaut  hat,    sondern    immer    auf    einem    anderen  Stück. 


')  Inbezug  auf  eine  größere  Ausdehnung  des  Anbaues  von  Leguminosen 
zur  Gründüngung  werden  freilich  auch  hier,  wie  auch  in  Wirtschaften  mit 
leichterem  Boden  vielfach  noch  mancherlei  Schwierigkeiten  bestehen  bleiben, 
und  zwar  ii.  a.  besonders  in  einer  rechtzeitigen  Unterbringung  der  Grünmasse 
und  sorgfältigen  Herrichtung  des  Ackers  zur  Aufnahme  der  Saaten. 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         197 

Vor  allem  werden  so  Serradella  und  Lupinen  sicherlich  hier  noch  eine 
größere  Rolle  spielen,  zumal  man  mit  denselben  bisweilen  schon  jetzt 
Erträge  erzielt  hat,  welche  denen  auf  Sandboden  kaum  nachstehen.  In 
Lauchstedt  sind  sogar  die  Erträge,  besonders  an  N,  der  Serradella  und 
Lupinen  (allerdings  als  Hauptfrucht)  schon  auffallend  höhere  geworden 
als  bei  den  entsprechenden,  gut  geratenen  Erbsen  oder  Bohnen.  Aller- 
dings wird  man  vor  allem  zunächst  die  Entwickelung  der  beiden 
Pflanzen  als  Stoppel-  oder  Zwischenfrucht  bzw.  als  Einbaufrucht,  z.  B. 
Serradella  in  Hafer  oder  Gerste,  Lupinen  als  Zwischenreihenfrucht 
bei  Kartoffeln,  mehr  berücksichtigen  und  erst  noch  genauer  verfolgen 
müssen,  ehe"man  beim  sachgemäßen  Anbau  dieser  wertvollen  Kulturen  auf 
schwerem  Boden  allgemeiner  größere  praktische  Erfolge  wird  erhoffen  dürfen. 
Bei  Serradella  mag  nicht  unberücksichtigt  bleiben,  daß  bei  ihrem  Anbau  als 
Hauptfrucht,  —  eventuell  vorteilhaft  gemengt  mit  wenig  Lupinen  oder  mit 
wenig  Roggen  oder  Hafer,  um  dem  Lagern  vorzubeugen  und  um  besser 
mähen  zu  können  —  der  erste  Schnitt  grün  oder  als  Heu  gut  und  vor- 
teilhaft verfüttert  werden  kann  und  bei  einigermaßen  günstiger  Witterung 
der  zweite  Schnitt  zu  Gründüngungszwecken  noch  vollständig  ausreicht. 
Beim  Anbau  von  Lupinen  ist  schließlich  noch  von  besonderer  Wichtigkeit, 
daß  gerade  diese  Pflanzen  sehr  tief  wurzeln  und  so  natürlich  weit  mehr 
Mineralstoffe  aufzuschließen  vermögen,  als  andere  Leguminosen.  Das 
auffallendste  bleibt  jedoch  bei  beiden  Pflanzen  die  hohe  N-Ernte  auf 
Lauchstedter  Boden.  Im  übrigen  sind  ihre  Ansprüche  an  Boden  und 
Klima  wohl  bei  weitem  nicht  so  hohe,  wie  es  in  der  Literatur  vielfach 
noch  immer  hingestellt  wird.  Über  den  eventuell  großen  Anbauwert  der 
beiden  Leguminosen  auf  schwerem  Boden  können  natürlich  erst  weitere 
Versuche  mehr  Klarheit  bringen. 


Erläuterungen  zu  der  Textfigur  1  und  zu  den  Tafeln  I— IV. 

Figur  I:  Serradella-Wurzelpräparate  (in  Formaldehydgelatine  ein- 
(S.  172)  gebettet),  von  einem  vergleichenden  Impfversuche  [als 
Topfversuch  mit  gewöhnlichem,  noch  nicht  mit  Serradella  (oder 
Lupinen)  bestellt  gewesenem  Lauchstedter  Ackerboden].  Prü- 
fung von  Hiltnerschem  Kulturmateriale  und  Serra- 
dellaerden als  Impfstoff  für  sterilisierte  und  nicht  steri- 
lisierte Töpfe  (cfr.  hierzu  auch  Tabelle  I  u.  II). 

a)  Sterilisierte  Töpfe,  ungeimpft: 

In  allen  Töpfen  keinerlei  Knöllchenbildung.  (Entwickelung  der 
Pflanzen  sehr  kümmerlich;  charakteristisch:  helle,  gelbgrüneFarbe.) 

b)  Sterilisierte  Töpfe,  geimpft  mit  Kultur  Hiltner: 

Überall    sehr    viel    Knöllchen.     (Sehr    guter    Stand    sämtlicher 
Pflanzen;  charakteristisch:  schöne  dunkelgrüne  Farbe  allgemein.) 


198  ß-  Heinze. 

c)  Sterilisierte  Töpfe,  geimpft  mit  Serradellaerde  Lauchstedt: 

In  allen  Töpfen  ziemlich  reichliche  Knöllchenbildung.  (Mäßig 
guter  Stand  der  Pflanzen;  Farbe  fast  bei  allen  Pflanzen  schön 
dunkelgrün.) 

d)  Sterilisierte  Töpfe,  geimpft  mit  Serradellaerde  (Sandboden): 

In  allen  Töpfen  auffallend  weniger  reichliche  Knöllchenbildung. 
(Stand  der  Pflanzen  noch  auffallend  schlecht;  einzelne  Pflanzen 
etwas  dunkelgrün;  Farbe  meist  noch  hellgelblichgrün.) 

e)  Nicht  sterilisierte  Töpfe,  ungeimpft: 

An  einzelnen  Pflanzen  einige  wenige  Knöllchen.  (Sehr  kümmer- 
liche Ent Wickelung  der  Pflanzen  mit  hellgelbgrüner  Farbe.) 

f)  Nicht  sterilisierte  Töpfe,  geimpft  mit  Serradellaerde  Lauchstedt: 

Allgemein  sehr  reichlich  Knöllchen  vorhanden.  (Pflanzen  recht 
gut  entwickelt;  Farbe  durchweg  schön  dunkelgrün.) 

g)  Nicht  sterilisierte  Töpfe,  geimpft  mit  Kultur  Hiltner: 

Überall  sehr  viele  Knöllchen.  (Ausgezeichnete  Entwickelung 
der  Pflanzen;  Farbe  allgemein  schön  dunkelgrün.) 

NB.  Mit  Sandboden  geimpfte  Töpfe  (nicht  sterilisierte  Gefäße)  fehlen 
leider;  bei  einem  Freilandversuche  wurde  leidlich  gute,  allerdings  späte  In- 
fektion beobachtet  ohne  auffallend  dunkelgrüne  Farbe  der  Pflanzen  und  ohne 
Mehrernte  (cfr.  Tabelle  VI). 

Tafel  I:  Wurzelpräparate  (in  Formaldehydgelatine)  von  einem 
Freilandversuche  ohne  jede  Impfung.  Serradella  und 
blaue  Lupinen  nach  verschiedener  Vorfrucht.  Serradella 
1 — 3 maliger  Anbau;  Lupinen  erstmaliger  Anbau. 

Fig.  1.     Serradella,    1.  Anbau  (nach    Senf,    Hafer,    Kartoffeln    bzw. 
Erbsen,  Bohuen  usw.):  nach  mannigfachen  Stichproben. 
Keine    Knöllchen    (schlechter    Pflanzenstand;   helle,    gelbgrüne 
Farbe;  cfr.  Tabelle  IV  u.  Tafel  II,  1). 

Fig.  2.     Serradella,  2.  Anbau: 

Allgemein  sehr  viel  Knöllchen  (guter  Stand  der  Pflanzen  und 
schöne,  dunkelgrüne  Farbe;  cfr.  Tabelle  IV  u.  Tafel  II,  2). 

Fig.  8.     Serradella,  3.  Anbau: 

Allgemein  sehr  viel  Knöllchen  (Entw.  und  Farbe  der  Pflanzen 
wie  bei  Fig.  2;  cfr.  Tabelle  IV  u.  Tafel  II,  2). 

Fig.  4.     Lupinen,    1.    Anbau     (nach    Kartoffeln,    Senf    bzw.    Erbsen, 
Bohnen  usw.):   nach  mannigfachen  Stichproben. 
Keine  Knöllchen  (ziemlich  schlechter  Stand  und  helle,  gelblich- 
grüne Farbe;  cfr.  Tabelle  HI  u.  V  u.  Tafel  III,  1). 

Fig.  .5.     Lupinen,  1.  Anbau,  nach  Serradella,    1.  Anbau: 

Sehr  viel  Knöllchen  (guter  Pflanzenstand,  schöne  dunkelgrüne 
Farbe;   cfr.  Tabelle  lll  u.  V,  Tafel  III,  2). 

Fig.  li.     Lupinen,  1.  Anbau,  nach  Serradella,  2.  Anbau: 

Sehr  viel  Knöllchen  (sehr  guter  Stand  der  Pflanzen;  dunkel- 
grüne Farbe;  besonders  charakteristisch:  die  fast  allgemein 
vorhandene,  mantelförmige  Umlagerung  der  Pfahlwurzeln  mit 
Knöllchen,  was  allerdings  auf  der  Tafel  selbst  weniger  gut  zu 
sehen  ist). 

Tafel  II:  Serradella.  1.  und  3.  Anbau  ohne  jede  Impfung;  cfr. 
Tafel  I,  1  und  3.  Die  Aufnahme  ist  leider  sehr  zeitig  gemacht 
worden ;  daher  auch  nur  relativ  geringe  Unterschiede  in  der  Ent- 
wickelung der  Pflanzen  zu  sehen.  (Freilandversuche  hakt.  Garten.) 


Beobachtungen  beim  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen  usw.         199 

Fig.  1.    Serradella,  1.  Anbau,  cfr.  Tafel  I,  1: 

Keine  KnöUchen  (helle,  gelblichgriine  Farbe  der  Pflanzen  sehr 
charakteristisch;  schlechter  Stand.) 

Fig.  2.     Serradella,  3.  Anbau,  cfr.  Taf.  I,  3. 

Allgemein  sehr  viel  Knöllchen;  Farbe  der  Pflanzen  sehr  cha- 
rakteristisch: schön  dunkelgrün;  sehr  gute  Entwickelung  bis  zu 
1  m  und  1,30  m  hoch  (cfr.  Tabelle  IV  und  VI). 

NB.    Ganz  ähnlich  war  Aussehen  und  Stand    der  Serradella  2.  Anbaues. 

Auch  nach  Luzerne  v^^ar  Aussehen  nnd  Stand  der  Serradella  fast  gleich 
gut;  Knöllchen  w^aren  auffallenderweise  auch  hier  angesetzt,  wenn  auch  wenig 
regelmäßig  und  reichlich.     (Grund  der  guten  Entwickelung  siehe  oben.) 

Tafel  III:  Blaue  Lupinen,  erstmaliger  Anbau  ohne  jede  Imp- 
fung.    (Freilandversuche,  Obstplantage.) 

Fig.  1.  Lupinen,  1.  Anbau,  cfr.  Taf.  I,  4  ohne  Serradellavorfrucht. 
Keine  Knöllchen;  helle,  gelblichgrüne  Farbe  sehr  charakteristisch; 
relativ  schlechte  Entwickelung  der  Pflanzen,  cfr.  Tabelle  III,  V 
und  VII. 

Fig.  2.     Lupinen,  1.  Anbau  nach  Serradella  =  1.  Anbau: 

Allgemein  sehr  viel  Knöllchen ;  gute,  üppige  Entwickelung  der 
Pflanzen;  schöne,  dunkelgrüne  Farbe  sehr  charakteristisch;  cfr. 
Tabelle  III,  V  und  VII  und  Tafel  I,  5. 

Tafel  IV:  Blaue  Lupinen,  Parzellenaufnahme  zu  den  auf  Tafel  III 
wiedergegebenen  Einzelpflanzen  (spätere  Aufnahme  als  die  der 
Einzelpflanzen).     (Versuche  a.  d.  Obstplantage.) 

Fig.  1.     cfr.  Tafel  III,  Fig.  1  ohne  Serradellavorfrucht: 
Keine  Knöllchen  usw. 

Fig.  2,     cfr.  Tafel  III,  Fig.  2  nach  Serradella  als  Vorfrucht: 
Allgemein  sehr  viel  Knöllchen  usw. 

NB.  In  ähnlicher  Weise,  wie  auf  Tafel  III  und  IV  wiedergegeben  worden 
ist,  standen  auf  den  verschiedenen  Parzellen  auch  die  vereinzelt  vorkommenden 
weißen  Lupinen;  ebenso  gut  und  schlecht  standen  trotz  des  relativ 
hohen  CaCOs-Gehalts  des  Bodens  die  gelben  Lupinen.  Weiße  und 
gelbe  Lupinen  zeigten  auch  genau  dasselbe  Verhalten  bezüglich  der  Knöllchen- 
bildung,  wie  die  vorher  besprochenen  blauen  Lupinen.  Fast  gleich  gut  wie 
nach  Serradella  standen  auffallenderweise  die  Lupinen  auch  nach  Luzerne, 
obgleich  dieselben  hier  wenig  legelmäßig  und  reichlich  Knöllchen  angesetzt 
hatten  (Grund  siehe  oben). 


200  L.  Hiltner. 


Über  neuere  Ergebnisse   und  Probleme  auf  dem  Ge- 
biete der  landwirtschaftlichen  Bakteriologie. 

Von 
Dr.  L.  Hiltuer,  Direktor  der  Kgl.  Agrikulturbotanischen  Anstalt  München. 

Seit  meiner  Übersiedlung  von  Berlin  nach  München  vor  nunmehr 
5  Jahren  wurde  von  uns  auf  dem  Gebiete  der  landwirtschaftlichen 
Bakteriologie  nur  wenig  mehr  veröffentlicht.  Der  Hauptzweck  meiner 
heutigen  Ausführungen  soll  daher  sein,  zu  zeigen,  daß  wir  doch  un- 
ausgesetzt auch  auf  diesem  Arbeitsgebiete  tätig  waren,  wenn  wir  auch 
naturgemäß  mit  jenen  Herren  und  Instituten,  die  sich  ausschließUch 
mit  landwirtschaftlicher  Bakteriologie  beschäftigen,  bei  der  außerordent- 
lichen Vielseitigkeit  unserer  Anstalt  bei  weitem  nicht  mehr  konkurrieren 
können. 

Ich  möchte  meine  Ausführungen  beginnen  mit  der  Erörterung  des 
sogenannten  Schwefelkohlenstof f problems.  Mit  Dr.  Störmer  ge- 
meinsam habe  ich  an  der  Kaiserl.  Biologischen  Anstalt  zu  Dahlem  bei  Berlin 
eingehend  an  der  Schwefelkohlenstofffrage  gearbeitet,  und  wir  sind 
dabei,  wie  aus  den  diesbezüglichen  Veröffentlichungen  bekannt  sein  wird, 
schließlich  zu  ungefähr  folgenden  Ergebnissen  gekommen: 

„Der  Schwefelkohlenstoff  wirkt  störend  auf  das  Gleichgewichts- 
verhältnis der  Mikroorganismen  des  Bodens,  indem  die  verschiedenen 
Arten  durch  den  giftigen  Schwefelkohlenstoff  verschieden  stark  beein- 
flußt werden.  Manche  Arten  erfahren  eine  lange  Zeit  andauernde 
Zurückdrängung  zugunsten  anderer,  die  sich  nun  weit  mehr  als  es 
vorher  der  Fall  war,  entwickeln  können,  und  die  Folge  davon  ist,  daß 
nach  einem  nur  kurze  Zeit  anhaltendem  Abfall  der  Gesamtzahl  der 
Organismen  ein  außerordenthcher  Aufschwung  erfolgt.  Dieser  aber  dürfte 
in  ursächlichem  Zusammenhange  stehen  mit  der  von  allen  Seiten  be- 
stätigten Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  durch  eine  Behandlung 
desselben  mit  Schwefelkohlenstoff." 

Alle  speziellen  Versuche,  die  wir  ausführten,  um  die  Beeinflussung  der 
einzelnen  durch  die  Schwefelkohlenstoffbehandlung  im  Boden  sich  ab- 
spielendQU  Vorgänge  zu  studieren,  führten  uns  zu  der  Anschauung, 
daß  es  sich  im  wesentlichen   bei    der  Erhöhung    der  Fruchtbarkeit    des 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        201 

Bodens  durch  Schwefelkohlenstoff  um  eine  Sticksloffwirkung  handle. 
Diese  Anschauung  haben  wir  in  unserer  Hauptarbeit,  die  im  Jahre  1904 
erschienen  ist,  so  gut  es  uns  damals  möglich  war,  zu  begründen  ge- 
sucht, indem  wir  auf  alle  bis  dahin  in  dieser  Richtung  gemachten  Be- 
obachtungen hinwiesen  und  namentUch  auf  die  bereits  hauptsächlich 
durch  französische  Forscher  bekannt  gewordene  Tatsache  aufmerksam 
machten,  daß  durch  eine  Schwefelkohlenstoffbehandlung  die  Nitrifikation 
im  Boden  eine  starke  Zurückdrängung  erfahre;  wir  selbst  konnten  das 
gleiche  für  die  Denitrifikationsbakterien  nachweisen.  Wenn  wir  zum 
Schlüsse  unserer  gegen  10  Seiten  langen  diesbezüglichen  Auseinander- 
setzungen noch  bemerkten,  es  sei  übrigens  für  jeden,  der  seinen  Blick 
für  derartige  Dinge  geschärft  habe,  schon  aus  der  dunkelgrünen  Farbe 
der  auf  einem  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Boden  wachsenden 
Pflanzen  zu  ersehen,  daß  hier  eine  Stickstoffwirkung  in  Betracht  käme, 
so  waren  wir  uns  natürlich  dessen  bewußt,  daß  diese  Angabe  kaum 
ein  neues  Beweisglied,  sondern  nur  ein  weiteres  Indizium  darstellen 
könne.  Es  muß  dies,  so  selbstverständlich  es  erscheint,  doch  ganz  be- 
sonders hervorgehoben  werden,  weil  in  einer  Kritik,  die  unsere  Arbeit 
durch  Her-^n  Professor  Behrens  in  den  Mitteilungen  der  Deutschen 
Landwirtschafts-Gesellschaft  erfuhr,  die  Sache  so  hingestellt  wurde,  als 
hätten  wir  es  gar  nicht  einmal  versucht,  neben  diesem  Indizium  auch 
einen  wirklichen  Beweis  für  die  Richtigkeit  unserer  Behauptungen  zu 
erbringen. 

Die  Hauptsache  ist  aber  jedenfalls  wohl,  daß  wir  Recht  behalten 
haben.  Durch  die  inzwischen  auch  von  anderer  Seite  ausgeführten  Versuche 
ist  sowohl  das  Ansteigen  der  Bakterienzahl  im  Boden  nach  einer 
Schwefelkohlenstoffbehandlung  desselben  bestätigt  worden,  als  auch 
unsere  Annahme,  daß  die  Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  auf  solchen 
Böden  hauptsächlich  als  eine  Folge  vermehrter  Stickstoffzufuhr  anzu- 
sehen sei.  Insbesondere  haben  Krüger  und  Heinze  für  die  auffällige 
Tatsache,  daß  in  einem  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Boden  die 
Nitrifikation  sehr  lange  zurückgehalten  werde,  neue  und  zwingende 
Beweise  erbracht. 

Im  übrigen  will  ich  hier  nicht  auf  eine  Besprechung  aller  jener 
in  den  letzten  Jahren  von  anderer  Seite  über  die  Schwefelkohlenstoff- 
frage erfolgten  Veröffentlichungen  eingehen.  Im  allgemeinen  kann  über 
sie  nur  ausgesagt  w^erden,  daß  sie  zwar  vielfach  noch  recht  interessante 
Einzelheiten  brachten,  eine  wirklich  befriedigende,  für  alle  bekannten  Tat- 
sachen genügende  Erklärung  aber  nicht  geliefert  haben.  Es  muß  dies 
jedenfalls  um  so  mehr  hervorgehoben  werden,  als  die  umfangreichen 
Ausführungen    Heinz  es    im  Zentralblatt    für  Bakteriologie    über    dieses 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  14 


2Q2  L    Hiltner. 

Thema,  die  ganz  so  gehalten  sind  wie  in  einer  abschUeßenden  Arbeit, 
weit  entfernt  davon  sind,  einen  wirkhchen  Abschluß  zu  bringen. 
Wohin  soll  es  übrigens  schheßlich  kommen,  wenn  jeder,  der  an  sich 
begrüßenswerte  Beiträge  zu  einer  Frage  liefert,  immer  wieder  diese 
ganze  Frage  von  A  bis  Z  unter  Beibringung  oft  seitenlanger  Zitate  und 
unter  Abschweifung  auf  zahllose  andere,  mit  dem  Thema  kaum  mehr 
in  Beziehung  stehende  Dinge  bespricht! 

Wir  selbst  waren  uns  wohl  im  klaren  darüber,  daß  unsere  Pest- 
stellungen zwar  neue  Wege  gezeigt  hatten  tür  die  Erforschung  des 
Schwefelkohlenstoffproblems,  daß  sie  aber  noch  lange  nicht  genügten, 
dieses  Problem  als  gelöst  anzusehen. 

Ich  habe  daher  mit  meinen  Münchener  Mitarbeitern  M,  soweit  uns 
noch  Zeit  dafür  übrig  blieb,  die  Untersuchungen  fortgesetzt,  und  zwar 
hauptsächlich  zur  Beantwortung  folgender  Fragen: 

1.  Ist  die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  eine  spezifische  oder 
können  auch  andere  Stoffe  eine  ähnliche  Wirkung  ausüben? 

2.  Wie  läßt  sich  die  Wirkung    des  Schwefelkohlenstoffs  erklären? 

3.  Welche  Folgerungen  ergeben  sich  aus  der  Schwefelkohlen- 
stoffwirkung direkt  oder  indirekt  für  die  landwirtschaftliche 
Praxis? 

Was  die  erste  Frage  anbelangt,  so  hatte  ich  schon  von  Anfang 
an  die  Vermutung,  daß  der  Schwefelkohlenstoft  hauptsächlich  durch 
seine  giftigen  Eigenschaften  wirke  und  daß  infolgedessen  auch  andere 
giftige  Stoffe  unter  gewissen  Bedingungen  ähnliche  Wirkungen  hervor- 
bringen könnten.  Diese  Vermutung  gründete  sich  u.  a.  auf  die  schon 
in  Tharand  im  Jahre  1895  von  mir  gemachte  Beobachtung,  daß  unter 
bestimmten  Umständen  auch  die  Behandlung  des  Bodens  mit  arsenig- 
sauren  Salzen  eine  günstige  Wirkung  auf  das  Pflanzenwachstum  aus- 
übt. Im  Jahre  1903  haben  wir  daher  mit  ausführlichen  Topf-  und 
Freilandversuchen  begonnen,  bei  welchen  teils  arsenigsaures,  teils 
arsensaures  Kali  in  steigenden  Mengen  dem  Boden  zugesetzt  und 
die  Wirkung  auf  verschiedene  Pllanzenarten,  die  mehr  oder  minder 
lange  Zeit   nach    der  Behandlung    des    Bodens    zur    Einsaat    gelangten. 


1)  An  einigen  der  in  München  ausgeführten  bodenbakteriologischeii 
Untersuchungen  hat  noch  Herr  Dr.  Stornier  teilgenommen.  Die  Hauptmit- 
arbeiter aber  waren: 

H.  Eckardt,  vom  April  1903  bis  Dezember  1904; 
Dr.  A.  Kühn,  vom  Januar  1905  bis  Januar  1908  als  Bakteriologe; 
Dr.  Gr.  Stiehr,  vom  Oktober  1905  an  als  Chemiker. 
Den  wesentlichsten  Anteil  an  den  Arbeiten  hat,    wie    aus    den   ausführ- 
licheren Veröfientlichungen  hervorgehen  wird,  Herr  Dr.  Kühn  genommen. 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        203 

verfolgt  wurde.  Es  trat  nun  wirklich  ein,  was  ich  erwartet  hatte, 
mindestens  bei  den  Topf  versuchen.  Bei  den  Freilandversuchen  waren 
von  Anfang  an  zu  große  Mengen  der  Gifte  gegeben  worden,  so  daß 
mehrere  Jahre  hindurch  nur  schädliche  Wirkungen  verzeichnet  werden 
konnten.  Äußerst  interessant  aber  gestaltete  sich  die  Nachwirkung  im 
Jahre  1906,  über  die  wir  in  einer  austührlichen  Veröffentlichung  noch 
berichten  werden. 

Von    dem    Topfversuch,    der    in    verschiedenster    Weise    variiert 
wurde,    sei  hier  nur  vorläufig    angegeben,   daß    im   Mittel    je    mehrerer 
Versuchsreihen  pro  Topf  bei  einem  Versuch  mit  Hafer  geerntet  wurden: 
wasserfreie  Trockensubstanz  darin  Rohprotei'n 

1.  ohne  AS2O3  10,86  .  1,09 

2.  mit  0,05  g  AS2O3      12,67  1,25 

3.  „     0,1     „       „         11,05  •   ■  1,19 
Noch  größere  Mengen  von  arseniger  Säure  wirkten  schädlich. 
Mehr  noch  als  diese  Zahlen  es  dartun,  trat  die  günstige  Wirkung 

geringerer  Mengen  von  arseniger  Säure  im  ganzen  Verhalten  der 
Pflanzen  hervor;  namentlich  wies  auch  hier  wieder  die  dunkelgrüne 
Farbe  der  Blätter  von  vornherein  auf  eine  Stickstoffwirkung,  was 
schließlich  auch  durch  die  Analyse  bestätigt  wurde.  Die  bakteriologische 
Untersuchung  des  Bodens  ergab  in  den  Fällen,  wo  günstige  Wirkungen 
die  Folge  der  Behandlung  waren,  auch  eine  Erhöhung  der  Bakterien- 
zahl, wenn  auch  nicht  in  dem  starken  Maße,  wie  bei  Schwefelkohlen- 
stoffbehandlung. 

Für  die  auffallend  starke  Wirkung  der  arsenigen  Säure  auf  die 
tierischen  Organismen  und  die  Unkrautsamen  des  Bodens  werden  wir 
später  ausführlichere,  zahlenmäßige  Belege  bringen. 

Zahlreiche,  mehrere  Jahre  zunächst  auf  Freiland,  dann  auch 
in  Vegetationsgefäßen  und  im  Laboratorium  durchgeführte  Ver- 
suche wurden  ferner  unternommen  mit  Kresol,  bzw.  Kresolseifen- 
lösungen.  Die  erste  Veranlassung  zu  diesen  Versuchen  gab  eine 
Entschheßung  des  Kgl.  Ba\^r.  Staatsministeriums  des  Innern,  durch  die 
unsere  Anstalt  beauftragt  wurde,  festzustellen,  ob  die  für  die  Behand- 
lung reblausverseuchter  Böden  von  Moritz  vorgeschlagene  Kresolseifen- 
lösung  die  Ertragsfähigkeit  des  Bodens  vielleicht  dauernd  oder  doch 
auf  sehr  lange  Zeit  hinaus  beeinträchtige.  Wie  ich  gegenüber  dem 
Kgl.  Staatsministerium  in  einem  vor  Erlaß  der  Entschließung  ab- 
gegebenen Gutachten  ausführte,  daß  das  Kresol  voraussichtlich  eher 
nützUch  als  schädlich  auf  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  einwirken  werde, 
mindestens  nach  einer  mehr  oder  minder  langen  Inkubationsdauer,  so 
ist  es   auch  tatsächlich    eingetroffen.     Zunächst    wirkten    die  Kresolprä- 

14* 


204  ^-  Hiltner. 

parate  ungemein  schädlich;  getötete  Regenwürmer  und  andere  größere 
Tiere  bedeckten  den  Boden,  die  Unkrautsamen  waren  meist  vernichtet; 
aber  schon  nach  wenigen  Wochen  hatte  sich  die  Zahl  der  Boden- 
bakterien ungeheuer  vermehrt,  die  ausgesäten  Samen  von  Kulturpflanzen 
liefen  normal  auf  und  gaben  eine  höhere  Ernte  als  auf  unbehandelt 
gebliebenen  Flächen,  Die  Topf-  und  Laboratoriums  versuche  lassen  keinen 
Zweifel,  daß  auch  hier  die  Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  im  wesent- 
lichen als  die  Folge  einer  erhöhten  Stickstoffwirkung  anzusehen  ist. 

Schließlich  haben  wir  bereits  im  Jahre  1905  auf  Freiland  auf 
größeren  Parzellen  und  neuerdings  wieder  auf  anderen  Böden  und 
nach  etwas  anderen  Gesichtspunkten  Versuche  durchgeführt,  bei  denen 
überaus  zahlreiche  Stoffe,  vor  allem  giftig  wirkende  und  solche,  die  als 
Abfallprodukte  gewonnen  werden,  bezüglich  ihrer  Wirkung  auf  die 
Bodenorganismen  und  die  Unkrautsamen  einerseits,  auf  die  Fruchtbar- 
keit des  Bodens  anderseits  geprüft  wurden.  Bei  den  größeren  Freiland- 
versuchen kamen  außerdem  auch  Stoffe  zur  Verwendung,  die  zwar 
nicht  als  direkte  Nährstoffe  der  Pflanzen  in  Betracht  kommen  konnten, 
von  denen  aber  vorauszusetzen  war,  daß  sie  durch  ihren  Kohlenstoff- 
gehalt das  Organismenleben  begünstigen  und  dadurch  indirekt  die 
Fruchtbarkeit  beeinflussen  würden.  U.  a.  wurden  geprüft:  Eisen-  und 
Kupfervitriol,  Arsenik,  Kaliumchlorat,  Kaliumperchlorat,  Kaliumpermanganat, 
Schwefelkohlensioft,  Kresol,  Karbolineum,  Karbolin eumemulsion,  For- 
malin,  Äther,  Chloroform,  Alkohol,  Pikrinsäure,  Kalkstickstoff,  Rohr- 
zucker, verschiedene  Fette  u.  dgl.  Es  ist  natürlich  nicht  möglich,  auf 
die  sämtlichen  Resultate  im  einzelnen  hier  näher  einzugehen;  ich  muß 
mich  vielmehr  darauf  beschränken,  die  allgemeinen  Ergebnisse  hervorzu- 
heben.    Es  sind  dies  folgende: 

1,  Alle  giftigen  Stoffe,  sofern  sie  nur  als  solche  schließ- 
lich aus  dem  Boden  wieder  verschwinden,  sei  es  durch 
Verflüchtigung,  Zersetzung  oder  Umsetzung,  beein- 
flussen die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  nach  einer 
mehr  oder  minder  lang  währenden  Periode,  innerhalb 
welcher  die  Giftwirkung  sich  äußert,  günstig. 

2.  Auch  durch  Stoffe,  die  nur  als  Nährstoffe  für  Boden- 
organismen in  Betracht  kommen,  seien  dieselben 
giftig  oder  ungiftig,  können  in  reicheren  Bodenarten 
günstige  Wirkungen  erzielt  werden,  die  unter  Um- 
ständen den  durch  direkte  Düngung  mit  Pflanzen- 
nährstoffen eintretenden  Wirkungen  gleich  sein  können. 

Schließlich  sei  darauf   hingewiesen,    daß    wir    uns    auch    mit    der 
Frage  beschäftigen,  ob  ähnliche  Wirkungen    wie    durch  Giftstoffe    nicht 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        205 

auch  durch  elektrische  Ströme  ausgelöst  werden  können,  und  daß 
wir  dabei  Antworten  im  bejahenden  Sinne  erhielten. 

Auf  alle  Fälle  scheint  mir  die  Möglichkeit  vorzuliegen,  daß  die 
Ergebnisse  aller  jener  Versuche,  die  in  den  letzten  Jahren,  namentUch 
in  Japan  und  England,  über  die  Reizwirkung  von  Mangan-  und  Uran- 
salzen, von  Kaliumjodid,  Cyanverbindungen  u.  dgl.  ausgeführt  worden 
sind,  nicht  so  sehr  durch  eine  direkte  Reizwirkung  dieser  Stoffe  auf 
die  Pflanzen,  als  vielmehr  in  indirekter  Weise,  d.  h.  durch  eine  Wirkung 
auf  die  Bodenorganismen  und  den  Boden,  sich  erklären  lassen.  Daß  in  dem 
■einen  oder  anderen  Fall  auch  direkte  Wirkungen  solcher  Stoffe  auf  die 
Pflanzen    eintreten    können,    soll  damit  nicht  in  Abrede  gestellt  werden. 

Ich  darf  wohl  bemerken,  daß  ich  die  oben  aufgestellten  Sätze  in  der- 
selben Formulierung  bereits  in  der  Februarsitzung  1906  des  Sonderaus- 
schusses für  Bodenbakteriologie  der  Deutschen  Landwirtschafts-Gesellschaft 
und  ebenso  in  einem  im  Klub  der  Landwirte  zu  Frankfurt  a.  M.  am 
31.  März  1906  gehaltenen  Vortrag  zu  begründen  suchte  und  demnach  die 
Priorität  für  sie,  soweit  sie  überhaupt  neu  sind,  beanspruchen  darf. 

Auf  die  zweite  Frage:  Wie  ist  die  Schwefelkohlenstoff- 
wirkung zu  erklären?,  die  ja  eigentlich  nunmehr  nach  den  bisherigen 
Feststellungen  besser  dahin  lauten  würde,  wie  die  Wirkung  giftiger 
Stoffe  im  allgemeinen  auf  den  Boden  zu  erklären  sei,  scheint  ein  Teil 
der  Antwort  von  vornherein  gegeben;  denn  zweifellos  muß  durch  diese 
Stofte  etwas  im  Boden  vergiftet  werden,  was  vorher  als  eine  Hemmung 
sich  geltend  machte. 

Worin  aber  besteht  diese  Hemmung?  Ist  die  eingangs  erwähnte, 
für  die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  von  uns  aufgestellte  Er- 
klärung, die  auf  der  Störung  des  Gleichgewichtes  zwischen  den  Boden- 
organismen fußt,  auch  heute  noch  als  richtig  und  als  ausreichend  an- 
zusehenfür dasVerständnis  der  im  Boden  nach  Schwefelkohlenstoffbehandlung 
erfolgenden  Erhöhung  der  Organismenzahl?     Und  ferner: 

Steht  diese  Erhöhung  mit  jener  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens 
tatsächlich  in  einem  ursächlichen  Zusammenhang? 

Lassen  wir  zunächst,  um  Antworten  auf  diese  Fragen  zu  finden, 
wieder  die  Ergebnisse  von  diesbezüglichen  Versuchen  sprechen: 

Zuvor  sei  aber  hervorgehoben,  daß  wir  niemals  angegeben  haben, 
es  handle  sich  bei  der  durch  Schwefelkohlenstoff  ausgelösten  Stickstoff- 
wirkung um  eine  Stickstoffsammlung,  wie  dies  allem  Anschein 
nach  von  manchen  Seiten  angenommen  wird.  Alle  unsere  Beobach- 
tungen mußten  vielmehr  zu  der  Auffassung  führen,  daß  durch  Schwefel- 
kohlenstoff lediglich  eine  den  Pflanzen    vorher  unzugängliche  Stickstoff- 


206  L.  Hiltner. 

quelle  erschlossen  werde,  oder  mit  anderen  Worten,  daß  eine  mittelbare- 
oder  unmittelbare  Folge  der  Sohwefelkohlenstoffwirkung  die  Umwand- 
lung von  festgelegtem  Stickstoff  in  eine  von  der  Pflanze  auf- 
nehmbare Form  sei;  daß  dieser  Umwandlung  in  späteren  Stadien 
unter  gewissen  Bedingungen  auch  Vorgänge  folgen  können,  die  zur 
StickstofTsammlung  führen,  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  ja  sogar 
ziemlich  wahrscheinlich. 

Da  frühere,  noch  in  Dahlem  ausgeführte  Versuche  ergeben  hatten, 
daß  durch  Strohdüngung  eine  Festlegung  des  Stickstoffs  erfolgt,  die  bei 
Vegetationsversuchen  im  Gegensatz  zu  Freilandversuchen  bei  Pflanzen, 
mit  großem  StickstofTbedürfnis  eine  ungemein  starke  Ernteerniedrigung 
zur  Folge  hat,  so  haben  wir  zunächst  einen  Versuch  ausgeführt,  durch 
den  erprobt  werden  sollte,  ob  diese  P^estlegung  des  ßodenstickstoffs- 
durch  Stroh  bei  gleichzeitiger  oder  späterer  Schwefelkohlenstoffgabe 
wieder  aufgehoben  werde.  Das  Ergebnis  dieses  Versuches  bestätigte- 
die  Voraussetzungen,  die  zu  ihm  geführt  hatten;  denn  sowohl  bei  gleich- 
zeitiger, als  nachfolgender  Schwefelkohlenstoffgabe  unterblieb  die  schäd- 
liche Wirkung  des  Strohes  vollständig. 

Bei  der  durch  Strohdüngung  bewirkten  Festlegung  des  Bodenstick- 
stofts  spielen  allem  Anschein  nach  Streptothrix-  und  andere,  höhere- 
Pilzarten  die  Hauptrolle.  Da  aber  bereits  früher  von  uns  der  Nachweis 
erbracht  worden  ist,  daß  durch  Schwefelkohle nstoffbehandlung  im 
Boden  die  Streptothrix- Arten  eine  besonders  starke  Zurückdrängung  er- 
fahren, so  schien  durch  das  Ergebnis  dieses  Strohdüngungsversuches 
in  der  Erkenntnis  des  Schwefelkohlenstoffproblems  ein  nicht  unwichtiger 
Schritt  vorwärts  getan.  Hätten  wir  uns  mit  diesem  einen  Versuch  be- 
gnügt, so  würden  wir  jedenfalls  gefolgert  haben,  daß  die  Schwefel- 
kohlenstoffwirkung hauptsächlich  in  der  Abtötung  jener  Organismen 
begründet  sei,  die  denBodenstickstoff  festlegen.  Die  alte,  anscheinend  etwas- 
naive Anschauung,  der  man  gelegentlich  in  Erörterung  über  die  Ursachen 
und  Beseitigung  der  Rebenmüdigkeit  begegnet,  daß  nämlich  der  Schwefel- 
kohlenstoff die  für  die  Pflanzen  schädlichen  Organismen  beseitige  und 
dadurch  die  nützlichen  fördere,  hätte  wieder  ausschheßlich Geltung  erlangt,, 
wenn  auch  vielleicht  in  etwas  anderem  Sinne,  insofern,  als  es  sich  nicht, 
um  die  Beseitigung  von  den  Pflanzen  direkt  schädlichen  Organismen 
handelte,  sondern  lediglich  von  solchen,  die  mehr  durch  ihre  Kon- 
kurrenz und  vielleicht  durch  ein  gewisses  passives  Verhalten,, 
nämlich  durch  lange  Zeit  andauernde  Zurückhaltung  des 
Bodenstickstoffs,  die  Kulturpflanzen  benachteiligen. 

Es  ist  wohl  zweifellos,  daß  tatsächlich  zum  Teil  die  Wirkung  des 
Schwefelkohlenstoffs   und  anderer  Gifte    in    dieser  Richtung  liegt;    aber 


N^euere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        207 

es  wäre  doch  recht  voreilig,  wollte  man  behaupten,    hiermit    wäre    das 
ganze  Problem  gelöst.  ".  .        •   •    '  ..■.  ■       . .,  : 

Um  zu  entscheiden,  ob  es  sich  bei  der  Wirkung  des  Schwefel- 
tohienstoffs  auf  festgelegten  Stickstoff  lediglich  um  Abtötung  von  Orga- 
nismen handle,  die  diesen  Stickstoff  dem  allgemeinen  Kreislauf  entziehen, 
haben  wir  bereits  im  Jahre  1906  Versuche  begonnen,  die  zugleich 
darüber  Klarheit  schaffen  sollten,  ob  etwa  der  Schwefelkohlenstoff  auf 
gewisse  Stickstoffverbindungen  einen  direkten  Einfluß  auszuüben  im- 
stande sei.  Um  von  vornherein  alles  auszuschließen,  was  die  Deutung 
des  Ergebnisses  erschweren  konnte,  benutzten  wir  zu  den  entsprechenden 
Topfversuchen  nicht  Erde,  sondern  Ziegelmehl,  also  ein  nur  aus  mine- 
ralischen Stoffen  bestehendes  Medium.  Außer  der  üblichen  stickstoff- 
freien Nährlösung  wurde  dann  das  Ziegelmehl  mit  verschiedenen  stick- 
stoffhaltigen Verbindungen,  wie  salpetersaures  Kali,  schwefelsaures 
Ammon,  salpetersaures  Ammon,  Asparagin,  Harnstoff,  Amidophenol,  Ei- 
weiß, Humus,  meist  in  äquivalenten  Stickstoffmengen,  zum  Teil  mit,  zum 
Teil  ohne  Beigabe  von  Zucker  als  Kohlenstoffquelle,  versetzt.  Ich  lasse 
hier  nur  das  Resultat  eines  solchen  Versuchs  durch  die  Gegenüber- 
stellung von  je  zwei  der  gewählten  Stoffe  folgen.  Schwefelkohlenstoff 
wurde  teils  gleichzeitig  mit  der  Stickstoffdüngung,  teils  4  Wochen 
später  zugegeben,  und  zwar,  nachdem  vorher  eine  Impfung  mit  Erd- 
■extrakt  stattgefunden  hatte. 

Es  wurden  geerntet  an  Trockensubstanz  bei  Hafer,  der  mehrere 
Wochen  nach  Beginn  des  ganzen  Versuches    zur  Aussaat    gelangt  war: 


Düngung  mit  Asparagin     Amidophenol 
ohne  CS2  6,00  4,46 

mit        „  5,74  1,92  ■ . 


Harnstoff  Eiweiß 
5,78  7,60 

9,87  16,52 


Namentlich  bei  Verwendung  von  Eiweiß,  das  in  Form  von  ge- 
trocknetem Hühnereiweiß  benutzt  w^urde,  als  Stickstoffquelle  war,  wie  aus 
diesen  Zahlen  hervorgeht,  die  Wirkung  des  Schwefelkohlenstoffs  eine 
ganz  außerordentliche.  Hier  konnte  es  sich  aher  nicht  um  Erschließung 
von  Stickstoff  handeln,  der  erst  durch  Abtötung  lebender  Organismen 
wieder  in  den  Kreislauf  eingezogen  wurde,  ja  es  handelte  sich  nicht 
•einmal  um  Stickstofformen,  die  nicht  auch  an  sich  der  Zersetzung  zu- 
gängUch  gewesen  wären;  denn  wie  sich  auch  aus  dem  Vergleich  mit 
den  ohne  Stickstoff  gebliebenen  Reihen  deutlich  ergab,  hat  das  Eiweiß 
auch  in  den  nicht  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelten  Töpfen  schon 
eine  besonders  gute  Wirkung  auf  den  Hafer  ausgeübt,  was  natürlich 
nur  durch  den  hier  vor  sich  gegangenen  Abbau  der  Eiweißkörper  er- 
klärt werden  kann. 


208  ^-  Hiltner. 

Wir  haben  ähnliche  Versuche  auch  im  laufenden  Jahre  unter  ent- 
sprechender Variation  der  Versuchsbedingungen  durchgeführt  und  außer 
Schwefelkohlenstoff  noch  die  Wirkung  von  Kresol  geprüft.  Dabei  haben 
sich  die  vorjährigen  Ergebnisse,  namentlich  was  die  Wirkung  des  Ei- 
weißes anbelangt,  durchaus  bestätigt. 

Einige  speziellere  Laboratoriumsversucho  lassen  es  sehr  unwahr- 
scheinlich erscheinen,  daß  diese  Ergebnisse  zurückgeführt  werden  können 
auf  eine  direkte  Wirkung  des  .Schwefelkohlenstoffs  auf  Eiweißstoffe. 
Es  bleibt  vielmehr  kaum  eine  andere  Möglichkeit,  als  anzunehmen,  daft 
der  Schwefelkohlenstoff  das  gegenseitige  Kräfteverhältnis  der  durch 
Impfung  zugeführten  Organismen  störte,  wodurch  das  Eiweiß  in  ganz, 
anderer  Richtung  zersetzt  wurde  wie  in  den  Vergleichstöpfen.') 

Wie  sehr  die  Art  und  die  Schnelligkeit  der  Zersetzung  oder  Um- 
setzung gewisser  Stoffe  abhängig  ist  von  der  gegenseitigen  Gruppierung- 
der  im  Boden  enthaltenen  Organismen  und  natürlich  auch  von  ihrer 
Zahl  usw.,  lehren  ja  in  überraschender  W^eise  die  Ergebnisse,  zu  denen 
Remy  und  nach  ihm  Löhnis  gelangt  sind  bei  den  Versuchen,  die 
Denitrifikationskraft,  das  Fäulnisvermögen  und  andere  ähnliche  Eigen- 
schaften der  Böden  festzustellen  durch  Übertragung  kleiner  Mengen  der 
zu  prüfenden  Erde  in  entsprechend  zusammengesetzte  Nährlösungen. 
Derselbe  Boden  verhält  sich,  wie  Löhnis  gezeigt  hat,  dabei  ganz  ver- 
schieden, je  nachdem  er  vorher  bearbeitet  worden  ist  oder  nicht,  je 
nach  dem  Grade  also,  in  dem  sich,  wie  wir  wohl  sagen  dürfen,  seine 
Organismenflora  durch  irgend  eine  Beeinflussung  des  Bodens  in  bezug 
auf  die  Gruppierung  der  Arten  verändert  hat. 

Wir  haben  auch  nicht  versäumt,  bei  unseren  Versuchen  in  den 
mit  Eiweiß  und  anderen  Stickstoft'körpern  beschickten  Töpfen  den  Gang 
und  die  Schnelligkeit  der  Zersetzung  durch  regelmäßig  wiederkehrende 
Ammoniak-  und  Salpetersäurebestimmungen  zu  verfolgen.  Es  ist  dies 
auch  geschehen  in  Fällen,  wo  wir  statt  Eiweiß  getrocknetes  Pilzpulver 
und  ähnliches  Material  verwendeten.  Stets  hat  sich  dabei  bestätigt, 
daß  in  Gefäßen  ohne  Schwefelkohlenstoff  die  Ammoniakbildung  etwas 
rascher  einsetzte,  der  dann  jene  von  Salpeter  sehr  bald  folgte,  während 
sich  in  den  Schwefelkohlen stolftöpfen  auf  lange  Zeit  hinaus  nur  Am- 
moniak nachweisen  Heß.  W'odurch  diese  Unterdrückung  der  Nitrifikation 
durch  Schwefelkohlenstoffbehandlung  des  Bodens  eigentlich    bedingt  ist,. 


1)  Eine  dritte  Möglichkeit,  daß  nämlich  nach  Beginn  der  Zersetzung 
entstehende  Abbauprodukte  mit  noch  vorhandenem  Schwefelkohlenstoff  Ver- 
bindungen eingehen  und  durch  diese  dann  der  Verlauf  der  weiteren  biologischen 
Vorgänge  wesentlich  beeinflußt  wird,  haben  wir  erst  in  jüngster  Zeit  näher 
ins  Auge  gefaßt. 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.       209 

ist  wieder  eine  Frage  für  sich,  mit  der  wir  uns  ihrer  Wichtigkeit  wegen 
zurzeit  besonders  beschäftigen;  wahrscheinlich  ist  es,  daß  bei  dem 
in  anderer  Richtung  als  gewöhnlich  erfolgenden  Abbau  des  Eiweißes 
organische  Stoffe  entstehen,  die  eine  Tätigkeit  der  Nitriflkationserreger 
nicht  aufkommen  lassen.  Vorläufig  müssen  wir  uns  jedenfalls  mit  den 
festgestellten  Tatsachen  begnügen.  '  '  '  ' 

Nach  wie  vor  muß  ich  aber  auf  Grund  dieser  Tatsachen  be- 
haupten, daß  die  Hauptursache  für  die  Wirkung  des  Schweiel- 
kohlenstoffs  und  anderer  Gifte  gegeben  ist  in  der  durch  sie 
bedingten  Gleichgewichtsstörung  der  Bodenorganismen,  und 
ich  freue  mich,  damit  einen  Satz  aufs  neue  bestätigen  zu  können,  der, 
Avie  ich  wohl  offen  sagen  darf,  nicht  nur  durch  zahlreiche  direkte  Be- 
obachtungen, sondern  auch  durch  ernstes  Nachdenken  entstanden  ist. 

Hieran  reiht  sich  aber  noch  eine  andere,  meines  Erachtens  nicht 
minder  wichtige  Tatsache,  nämlich,  daß  sich  Salpeter  bei  unseren  Ver- 
suchen, in  Übereinstimmung  mit  den  Erfahrungen,  zu  denen  schon 
Deherain  und  andere  Forscher  gelangt  sind,  nicht  in  allzu  großen 
Mengen  im  Boden  anhäufte:  er  wird,  abgesehen  von  der  Auswaschungs- 
möglichkeit, die  bei  unseren  Topfversuchen  natürlich  keine  Rolle  spielte, 
sehr  bald  wieder  zum  größten  Teil  von  anderen  Organismen  in  Beschlag 
gelegt.  Wir  haben  dies  bei  unseren  Versuchen  besonders  eingehend 
verfolgt  und  erblicken  in  dem  Umstand,  daß  bei  unterbleibender 
.Salpeterbildung  den  angebauten  Pflanzen  eine  erheblichere 
Menge  des  aufgeschlossenen  Stickstoffs  zugute  kommt  als 
dort,  wo  infolge  der  rasch  einsetzenden  Nitrifikation  gewisse 
Bodenorganismen  mit  den  höheren  Pflanzen  in  erfolgreiche 
Konkurrenz  treten,  indem  sie  einen  beträchtlichen  Teil  des 
aufgeschlossenen  und  als  Salpeter  dargebotenen  Stickstoffs 
für  sich  in  Beschlag  nehmen,  eine  besonders  wichtige  Folge 
der  Schwefelkohlenstoffwirkung.  ■       -• 

Nur  nebenbei  sei  bemerkt,  daß  meines  Erachtens  das  bessere  Ge- 
deihen der  Pflanzen  in  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelter  Erde  einen 
zwingenden  Beweis  für  die  Fähigkeit  der  höheren  Pflanzen  liefert,  ihren 
Stickstoffbedarf  auch  aus  Ammoniak  zu  decken. 

Nachdem  wir  festgestellt  haben,  daß  Schwefelkohlenstoff  durch  seine 
das  gegenseitige  Verhältnis  der  Organismenarten  verändernde  Wirkung  die 
Zersetzung  von  Eiweiß-  und  anderen  Stickstoffkörpern  in  andere  Bahnen  lenkt, 
haben  wir  uns  mit  der  wichtigen  Frage  zu  beschäftigen,  ob  denn  diese 
Feststellung  praktische  Bedeutung  besitze,  d.  h.  ob  ähnliche  Körper 
auch  außerhalb  der  Leibessubstanz  lebender  Organismen  im  Boden  ent- 
halten seien,  eine  Wirkung    auf    solche    durch  Behandlung    des  Bodens 

Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V.  15 


210  L.  Miltner. 

mit  Schwelelkohlenstoff  demnach  überhaupt  in  Betracht  kommen  könne. 
Die  Antwort  darauf  dürfte  nicht  allzu  schwer  fallen.  Aus  den  nicht 
sehr  zahlreichen  Versuchen,  die  sich  mit  den  Formen  beschäftigen,  in 
denen  der  Stickstoff"  in  den  Boden  enthalten  ist,  ist  zu  ersehen,  daß 
er,  abgesehen  von  seinem  Auftreten  in  Ammoniak-  und  Salpetersäureform,^ 
hauptsächlich  in  Form  von  Amiden  und  Aminen,  vor  allem  auch  von 
Aminosäuren,  ferner  von  hochkomplizierten  eiweißartigen  Körpern,. 
Nukleinen  und  dergleichen,  sich  vorfindet.  Namentlich  der  Moorboden 
ist  in  dieserBeziehungetwasnäheruntersuchtworden,  dessen  „matierenoire" 
ja  bekanntlich  unter  Umständen  einen  höheren  Stickstoflgehalt  aufweisen 
kann  als  die  Protein körper.  Wer  jemals  ein  Hochmoor  zu  Zeiten  gesehen 
hat,  wo  der  ganze  Boden  von  Pilzfäden  durchwuchert  erscheint,  wird 
kaum  im  Zweifel  sein,  daß  mindestens  ein  Teil  dieser  Stickstoffkörper 
in  diesen  Pilzen  abgelagert  ist;  wer  aber  die  Vergänglichkeit  der  My- 
zelien mindestens  der  meisten  solcher  Pilzarten,  namentlich  ihrer  als- 
Schwämme  über  den  Boden  tretenden  Fruchtorgane,  sich  vergegen- 
wärtigt, wird  sich  weiter  sagen,  daß  sehr  bald  der  größte  Teil  ihres- 
StickstolTs  in  nicht  an  Organismen  gebundener  Form  im  Boden  enthalten 
sein  wird.  Nicht  zu  vergessen  ist  auch,  daß  in  gewöhnlichen  Acker- 
böden zahlreiche  Bakterienarten  und  andere  Organismen  hoch  zusammen- 
gesetzte Stickstoffkörper  bilden,  daß  sich  ferner  im  Boden  Enzyme  ver- 
schiedener Art  vorfinden.  Werden  auch  alle  diese  Stoffe  mindestens  in 
einem  tätigen  Boden  wieder  angegriffen  und  zerstört,  so  verbleibt  doch 
ein  mehr  oder  minder  großer  Teil  schheßlich  unzersetzt,  sobald  sich 
die  Organismen,  wenn  zwischen  ihnen  ein  Gleichgewichtszustand  ein- 
getreten ist,  in  ihrer  Entwickelung  gegenseitig  hindern. 

Aus  stickstoffhaltigen  Stoffwechsel-  bzw.  Zersetzungsprodukten, 
sowie  aus  Enzymen  u.  dgl.,  die  sich  allmählich  auf  diese  Weise  im 
Boden  anhäufen,  werden  in  der  Hauptsache  die  Hemmungsstoffe  be- 
stehen, und  erst  durch  eine  tiefgreifende  Einwirkung,  etwa  durch  Er- 
höhung der  Luftzufuhr,  durch  gewisse  Düngungen,  namentlich  durch 
Kalkdüngungen,  und  vor  allem  auch  durch  Einbringung  von  Giften  in 
den  Boden,  wird  eine  andere  Gruppierung  der  Organismen  erfolgen  und 
dadurch  für  diese  wieder  die  Möglichkeit  gegeben  sein,  die  Hemmungs- 
stoffe anzugreifen  und  zu  beseitigen. 

Wenn  sich  dies  so  verhält,  so  muß  gerade  auf  kultiviertem  Hoch- 
moorboden Schwefelkohlenstoff  besonders  starke  Wirkungen  hervor- 
bringen, und  in  der  Tat  hat  sich  dies  bei  unseren  Versuchen  mit  Böden 
aller  Art  auch  bestätigt  gefunden. 

Es  ist  bekannt,  daß  das  Schwefelkohlenstoffproblem  zwei  Seiten 
hat.     Nicht  minder  interessant  und  wichtig,  als  die   durch    diesen  Stoff 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        211 

bedingte  Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens,  ist  die  von  Oberlin 
aufgefundene  Tatsache,  daß  er  auch  die  Rebenmüdigkeit  zu  be- 
seitigen imstande  ist.  Ich  selbst  habe  dies  erst  Ende  Juli  dieses 
Jahres  bei  Versuchen,  die  auf  unsere  Veranlassung  in  der  Nähe  von 
Landau  in  der  Pfalz  angestellt  worden  sind,  wieder  in  überraschender 
Weise  bestätigt  gefunden.  Nicht  so  allgemein  bekannt  dürfte  die  Tat- 
sache sein,  daß  gerade  in  der  Rheinpfalz  Schwefelkohlenstoff  schon  seit 
mehreren  Jahren  in  großer  Menge  von  den  Winzern  verwendet  wird 
und  zwar,  wie  sie  sagen,  zum  „Vergiften  des  Bodens".  Während  aus- 
gehauene Weinberge  erst  einer  mindestens  4—  5  jährigen  Ruheperiode 
bedürfen,  bevor  sie  wieder  gesunde  Reben  zu  tragen  imstande  sind, 
verkürzt  sich  diese  Periode  auf  wenige  Wochen,  wenn  man  den  Boden 
nach  dem  Aushauen  der  Stöcke  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelt.  Von 
besonders  großer  praktischer  Bedeutung  ist  diese  eigentümliche  Wirkung 
des  Schwefelkohlenstoffs,  wenn  es  gilt,  in  einem  Weinborg  von  sonst 
noch  befriedigendem  Stande  vereinzelte  schlechte  Stöcke  durch  neue 
junge  Reben  zu  ersetzen. 

Man  könnte  nun  wohl  annehmen,  die  Wirkung  des  Schwefelkohlen- 
stoffs erkläre  sich  in  diesen  Fällen  dadurch,  daß  er  die  Tendenz  der 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Bodenorganismen,  den  Stickstoff  festzu- 
legen, beseitige,  aus  Gründen,  wie  wir  sie  schon  kennen  lernten.  Zum 
Teil  dürfte  diese  Erklärung  auch  zutreffend  sein;  aber  sie  scheint  mir 
doch  nicht  vollauf  zu  genügen.  Es  scheint  vielmehr,  daß  durch  den 
Schwefelkohlenstoff  auch  direkt  schädliche  Stoffe,  also  eben- 
falls Hemmungsstoffe,  beseitigt  werden.') 

Für  diese  Auffassung  sprechen  jedenfalls  die  Ergebnisse  von  Ver- 
suchen über  die  Bodenmüdigkeit  der  Erbsen  und  anderer  Leguminosen, 
über  die  wir  zum  Teil,  da  sie  bereits  in  Dahlem  begonnen  wurden-, 
schon  kurz  berichtet  haben.  Bei  diesen  Versuchen  stellte  sich  die  auf- 
fallende Tatsache  heraus,  daß  bei  wiederholtem  Anbau  von  Erbsen  im 
Dahlemer  Boden  zunächst  deutlich  die  Erscheinungen  der  ßodenmüdig- 
keit  auftraten.  Dieselben  äußerten  sich  hauptsächlich  in  einem  sehr 
starken  Befall  der  Wurzeln  durch  Bodenorganismen  aller  Art,  der  nicht 
nur  eine  schwammartige  Beschaffenheit  der  einzelnen  Wurzelfasern, 
sondern  dadurch  auch  eine  minder  gesunde  Entwickelung  der  oberirdischen 


')  Vielfach  wird  auch  angenommen,  der  Schwefelkohlenstoff  wirke  nur 
dadurch  günstig,  daß  er  die  konkurrierenden  Wurzeln  benachbarter  Pflanzen 
abtöte;  dies  könnte  aber  nur  jene  Fälle  erklären,  bei  denen  es  sich  um  Er- 
satz einzelner  Stöcke  in  Weinbergen  handelt,  keineswegs  aber  die  Tatsache, 
daß  bei  Neuanlage  ganzer  Weinberge  eine  mehrjährige  Ruheperiode  unnötig 
wird,  sobald  der  Boden  eine  Behandlung  mit  Schwefelkohlenstoff  erfährt. 


212  L.  Hiltner. 

Organe  und  vor  allem  eine  entsprechende  f]rtragsverminderung  zur 
Folge  hatte.  Besonders  deutlich  waren  diese  Bodenmüdigkeitserschei- 
nungen bei  der  2.  und  3.  Erbsengeneration;  eine  4.,  5.  und  6.  Gene- 
ration aber  ließen  merkwürdigerweise  diese  Müdigkeitserscheinungen 
durchaus  vermissen,  ja  die  Pflanzen  entwickelten  sich  sogar  nunmehr 
von  einer  Generation  zur  andern  besser  als  je  zuvor.  Wir  haben  be- 
kannthch  seinerzeit  diese  Überwindung  der  Bodenmüdigkeit  zurückgeführt 
auf  die  Wirkung  von  Schutzorganismen,  die  allmählich  immer  mehr  in 
den  Vordergrund  gelangen  und  die  Veranlassung  dazu  geben,  daß  die 
Wurzeln  der  Erbsenpflanzen  eine  braune  bis  schwarze  Farbe  annehmen. 

Eine  Erde,  die  unmittelbar  aufeinanderfolgend  sechs  Generationen 
von  Erbsen  getragen  hatte,  wurde  nun  teils  mit  Schwefelkohlenstoff, 
teils  mit  Ätzkalk  behandelt.  Die  Folge  war,  daß  bei  der  nächsten 
Erbsengeneration  die  schwarze  Färbung  der  Wurzeln  vollständig  ver- 
schwunden war  und  an  Wurzeln  und  oberirdischen  Organen  die  Er- 
scheinungen der  Bodenmüdigkeit  aufs  neue  in  heftiger  Weise  sich 
zeigten.  Durch  den  Schwefelkohlenstoff  und  auch  durch  den  Kalk 
waren  demnach  entweder  die  hypothetischen  Schutzorganismen  vernichtet 
oder  doch  außer  Tätigkeit  gesetzt,  oder  es  waren  auf  irgend  eine  sonstige 
Weise  die  für  die  Erbse  so  günstig  gewordenen  Verhältnisse  wieder 
zerstört  worden. 

Wir  haben  damals  in  derartig  mit  Schwefelkohlenstoff  behandelter 
Erde  außer  Erbsen  in  anderen  Töpfen  Buchweizen  gebaut,  wobei  sich 
ergab,  daß  die  SchwefelkohlenstofTbehandlung  eines  solchen  Bodens,  die 
also  zur  Folge  hatte,  daß  die  Erbsen  wieder  mißrieten,  auf  den  Buch- 
weizen ungemein  günstig  einwirkte.  Die  Umkehrung  der  Wirkung  des 
Schwefelkohlenstoffs  war  also  eine  für  die  Erbsenpflanze  spezifische  Er- 
scheinung. Man  könnte  geradezu  daran  denken,  daß  sich  im  Dahlemer 
Boden  bei  wiederholtem  Anbau  von  Erbsen  zunächst  auf  diese  Pflanzen- 
art toxisch  wirkende  Stoffe  anhäufen,  die  die  Bodenmüdigkeit  be- 
wirken und  daß  bei  fortgesetztem  Anbau  Antitoxine  entstehen,  die 
eben  durch  den  Schwefelkohlenstoff  wieder  zerstört  werden,  so  daß  sich 
hierdurch  die  merkwürdige  Umkehrung  seiner  Wirkung  erklärt.  Übrigens 
kann  auch  die  durch  den  Schwefelkohlenstoff"  bedingte  vermehrte  Am- 
moniakbildung die  Erbse  vielleicht  ungünstig  beeinflussen.  Sollte  sich 
die  erstgenannte  Vermutung  bei  den  weiter  durchzuführenden  Versuchen 
als  zutreffend  erweisen,  so  hätten  wir  die  interessante,  aber  an  sich  ja 
keineswegs  überraschende  Tatsache  vor  uns,  daß  sich  im  Boden  durch 
gewisse  Stoffe  nicht  nur  Hemmungen  zwischen  den  Mikroorganismen- 
arten ergeben,  sondern  auch  für  höhere  Pflanzenarten,  falls  diese  mehr- 
mals rasch  hintereinander  gebaut  werden. 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        213 

Unsere  in  München  fortgesetzten  Bemühungen,  in  diese  Fragen 
mehr  Klarheit  zu  bringen,  sind  leider  bis  vor  kurzem  erfolglos  geblieben 
und  zwar,  wie  wir  erst  später  einsahen,  deshalb,  weil  wir  in  München 
zu  den  Versuchen  eine  Erde  von  hohem  Kalkgehalt  verwendeten. 
Trotzdem  jedes  Jahr  mindestens  zwei  Generationen  von  Erbsen  gezogen 
wurden,  haben  wir  vergeblich  auf  das  Eintreten  von  Bodenmüdigkeits- 
erscheinungen gewartet;  dagegen  hat  sich  im  Jahre  1906  und  noch 
mehr  im  laufenden  Jahre  jene  eigentümliche  Schwarzfärbung  der  Erbsen- 
wurzeln, wenn  auch  nicht  in  so  hohem  Grade  wie  in  der  fast  kalkfreien 
Dahlemer  Erde,  wieder  eingestellt.  Es  wird  demnach  möglich  sein,  den 
hier  gegebenen,  nach  meinem  Dafürhalten  ungemein  wichtigen  Fragen 
wieder  experimentell  näher  zu  treten. 

So  viel  steht  jetzt  schon  fest,  daß  der  schwarze  Überzug  der 
Wurzeln  aus  einem  humusartigen  Stoff  besteht,  der  durch  Schwefel- 
kohlenstoff direkt  in  keiner  Weise  beeinflußt  wird.  In  Dahlem  konnten 
wir  außerdem  bereits  feststellen,  daß  durch  die  Impfung  mit  einem 
Extrakt  aus  Boden,  in  dem  die  Erbse  nach  wiederholtem  Anbau  schwarze 
Wurzeln  bildete,  die  Bodenmüdigkeit  der  Erbse  in  anderen  Gefäßen 
beseitigt  wurde  und  zwar  unter  vorsichgehender  Schwärzung  der 
W^urzeln. 

Auf  alle  Fälle  haben  uns  hier  die  Schwefelkohlenstoffversuche  mit 
Vorgängen  im  Boden  bekannt  gemacht,  die  wohl  die  größte  Beachtung 
verdienen;  denn  sie  werfen  einerseits  ein  neues  Licht  auf  die  Wirkung 
des  Schwefelkohlenstoffs,  anderseits  lassen  sie  uns  mit  der  Möglichkeit 
rechnen,  daß  es  gelingen  werde,  aus  Böden,  in  denen  bestimmte  Pflanzen- 
arten durch  fortgesetzten  Anbau  die  Bodenmüdigkeit  vollständig  über- 
wunden haben,  gewisse  Impfstoffe  herzustellen,  die  vielleicht  zur  prak- 
tischen Verwendung  fähig  sein  werden.  Jedenfalls  sind  wir  in  der 
Lage,  schon  im  kommenden  Jahre  nicht  nur  bei  der  Erbse,  sondern 
auch  bei  Klee  und  anderen  Leguminosenarten  mit  derartigen  Versuchen 
beginnen  zu  können. 

Ausdrücklich  sei  schließlich  noch  hervorgehoben,  daß  bei  der  durch 
giftige  Stoffe  bewirkten  Autschheßung  natürlich  außer  dem  Stickstoff 
auch  andere  Stoffe  wieder  in  den  Kreislauf  eingezogen  und  dadurch 
den  Pflanzen  wieder  zugänglich  gemacht  werden  können  und  daß  ferner 
selbstverständlich  die  verschiedenen  Giftstoffe,  je  nach  ihrer  chemischen 
Natur,  außer  ihrer  eigentlichen  Giftwirkung  auch  noch  spezifische  Pro- 
zesse auslösen  können. 

Gehen  wir  endlich  zur  3.  Frage  über,  die  lautet:  Welche  Fol- 
gerungen ergeben  sich  aus  der  Wirkung  des  Schwefelkohlen- 
stoffs und  anderer  Gifte  für  die  landwirtschaftliche  Praxis? 


214  L.  Hiltner. 

Was  zunächst  die  Möglichkeit  anbelangt,  den  Schwefelkohlenstoff 
direkt  bei  der  Pflanzenkultur  zu  verwenden,  so  will  ich  auf  die  große 
Bedeutung,  die  der  Schwefelkohlenstoff  bereits  im  Weinbau  gewonnen 
hat,  nur  hinweisen  und  meiner  Überzeugung  Ausdruck  geben,  daß 
dieser  Stoff  in  dem  Maße,  als  er  billiger  herzustellen  ist,  auch  in  der 
gärtnerischen  und  landwirtschaftlichen  Praxis  noch  ausgedehntere  Ver- 
wendung finden  kann.  Wir  selbst  haben  schon  seit  mehreren  Jahren 
Versuche  im  Gange,  bei  denen  der  Schwefelkohlenstoff  angewendet  wird 
zur  Behebung  der  Baummüdigkeit,  ferner  der  Hopfenmüdigkeit,  der 
Meerrettichschwärze  und  zur  Beseitigung  der  Kohlhernie  und  dergl. 
Auch  seine  kaum  übertreflbare  Fähigkeit,  das  Gleichgewichtsverhältnis 
der  Organismen  im  Boden  zu  zerstören  und  dadurch  ganz  andere  Be- 
dingungen hervorzurufen,  namentlich  den  Eintritt  der  Nitrifikation  auf  voraus 
zu  berechnende  Zeit  zu  verschieben,  scheint  der  praktischen  Verwertung 
zugänglich.  Inwieweit  es  sich  dabei  empfiehlt,  den  Schwefelkohlenstoff 
unverdünnt  in  seiner  flüssigen  Form  wie  bisher  zu  verwenden  oder  ihn 
zu  emulsionieren,  bzw.  mit  pulver-  oder  erdförmigen  Mitteln,  wie  Kalk 
und  dergl.  zu  vermischen,    bleibt  weiteren  Versuchen  vorbehalten. 

Unter  den  andern  von  uns  geprüften  Giften  verdienen  sicher  ver- 
schiedene auch  weiterhin  auf  ihre  praktische  Verwendbarkeit  erprobt  zu 
werden,  sei  es  als  Ersatz  für  Schwefelkohlenstoff  oder  zu  bestimmten 
Zwecken,  wo  das  eine  oder  andere  vielleicht  noch  eher  in  Betracht 
kommt.  Jedenfalls  behalten  wir  uns  vor,  in  dieser  Richtung  die  bereits 
seit  mehreren  Jahren  laufenden  Versuche  noch  weiter  zu  führen.  Schon 
jetzt  aber  kann  ich  darauf  hinweisen,  daß  voraussichtlich  das  Kar- 
bolineum  berufen  sein  wird,  auch  in  dieser  Richtung  in  der  Zukunft 
eine  große  Rolle  zu  spielen.  Es  hat  bei  unseren  Versuchen  die  Wirkung 
des  Schwefelkohlenstoffs  in  verschiedenen  Fällen  übertrofifen  und  zwar 
nicht  nur  was  die  Erhöhung  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  anbelangt, 
sondern  vor  allem  durch  die  große  Kraft,  Bodenschädlinge,  insbesondere 
Unkrautsamen  aller  Art,  zu  zerstören.  Schon  im  Jahre  1905  haben 
wir  verschiedene  Karbolineumsorten  zu  derartigen  Versuchen  mit  heran- 
gezogen und  stets  mit  ihnen  die  bei  weitem  besten  Resultate  im  Ver- 
gleich zu  anderen  Stoffen  erhalten. 

Der  wirklich  praktischen  Verwendung  des  Karbolineums  zur  Be- 
handlung des  Bodens  standen  bisher  aber  zwei  wesentliche  Schwierig- 
keiten entgegen,  nämlich: 

1.  die  schwierige  Verteilbarkeit  des  Stoffes, 

2.  die  verhältnismäßig  immerhin  lange  Zeit,  die  verstreichen  muß, 
bis  sich  das  Karbolineum  im  Boden  unter  der  Einwirkung  von 
Organismen  zersetzt. 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        215 

Diese  Schwierigkeiten  lassen  sich  kaum  beseitigen  durch  Anwen- 
dung der  bekannten  Karbolineumemulsionen,  denn  die  die  Emulsion  be- 
wirkenden Stoffe,  namentlich  Seifenlösungen  und  dergl.,  vermindern  die 
gerade  hier  in  Betracht  kommenden  Eigenschaften  des  Karbolineums  in 
ziemlichem  Grade.  Was  die  Zersetzung  des  Karbolineums  im  Boden  an- 
belangt, so  haben  wir  bereits  feststellen  können,  daß  dieselbe  im  Sommer, 
selbst  wenn  man  sehr  große  Mengen  dem  Boden  einverleibt,  ungemein 
rasch  vor  sich  geht.  Für  die  Praxis  aber  käme  natürhch  mehr  die  An- 
wendung im  Herbst  und  im  zeitigen  Frühjahr  in  Betracht.  Gerade  zu 
diesen  Jahreszeiten  nimmt  aber  die  Zersetzung  eine  so  lange  Zeit  in 
Anspruch,  daß  die  Saat  nicht  mehr  zur  normalen  Frist  vollzogen  werden 
kann.  Wir  haben  daher  schon  in  diesem  Frühjahr  Studien  über 
die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Zersetzung  des  Karbolineums  vor 
sich  geht,  begonnen.  In  diese  Versuche  wurden  auch  zahlreiche  andere 
•organische  Stoffe,  namentlich  Kresolpräparate,  ferner  Kalziumsaccharat, 
Tannin,  Gallussäure,  Anilin,  Naphtylamin,  Kaliumferrocyanid,  Cyankali, 
GlykokoU,  Amidophenol  usw.  eingezogen,  namentlich  auch  zur  Entscheidung 
der  Frage,  inwieweit  dieselben  als  Kohlenstoffquellen  für  Bodenorganismen 
in  Betracht  kommen  können.  Mit  allen  diesen  Stoffen  sind  bisher  die 
Versuche  im  positiven  Sinne  ausgefallen;  bei  jenen,  die  zugleich  stick- 
stoffhaltig sind,  kommt  auch  der  Stickstoff  für  die  Ernährung  der  Orga- 
nismen in  Betracht. 

Bezüglich  des  Karbolineums  haben  uns  diese  Versuche  zu  einem 
Resultat  geführt,  das  es  möglich  erscheinen  läßt,  die  beiden  genannten, 
seiner  Verwendung  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  in  höchst  ein- 
facher Weise  zu  beseitigen  und  damit  die  Anwendung  des  Karbolineums 
zugleich  handlicher  zu  gestalten.  Sobald  die  zahlreichen  Versuche,  die 
wir  in  dieser  Richtung  schon  angesetzt  oder  zum  Teil  für  diesen  Herbst 
Torgesehen  haben,  zum  Abschluß  gelangt  sein  werden,  werden  wir 
liierüber  an  anderer  Stelle  ausführlich  berichten. 

In  indirekter  Beziehung  erscheint  mir  die  Aufdeckung  der  eigen- 
tümUchen  Giftwirkungen  und  ihrer  Ursachen  nicht  minder  bedeutungs- 
voll, indem  durch  sie  für  manche  längst  bekannte  Tatsachen  bessere 
Erklärungen  als  die  bis  jetzt  gebräuchlichen  gefunden  und  damit  zu- 
gleich Fingerzeige  gegeben  werden  für  eine  rationellere  Verwendung 
gewisser  Düngemittel. 

In  erster  Linie  dürfte  die  ganze  Kalkdüngungsfrage  in  ein 
anderes  Licht  gerückt  werden;  denn  es  ist  zweifellos,  daß  die  indirekten 
Wirkungen  der  Kalkdüngung  zum  großen  Teil  ebenfalls  auf  eine  durch 
sie  bewirkte  Störung  des  Gleichgewichtszustandes  der  Bodenorganismen 
zurückzuführen    sind.     Die  Tatsache,    daß  Böden   mit  stärkerem   Gehalt 


216  L.  Hiltner. 

an  kohlensaurem  Kalk  zu  den  tätigen  gehören,  daß  auf  ihnen  gewisse 
Müdigkeitserscheinungen  nicht  auftreten  u.  dgl.  wird  dem  Verständnis 
noch  näher  gerückt,  als  es  bisher  möglich  war. 

Nicht  minder  dürfte  dies  der  Fall  sein  bei  den  mit  der  Stallmist- 
wirkung  in  Zusammenhang  stehenden  Fragen.  IJaß  es  nichts  Absurderes 
geben  kann,  als  den  Stallmist  und  andere  organische  Düngemittel  aus- 
schließlich nach  ilirem  Gehalt  an  direkten  Pflanzennährstoffen  zu  be- 
werten, darüber  dürfte  wohl  jetzt  volle  Übereinstimmung  herrschen; 
wodurch  aber  die  bedeutsamen,  vielfach  durch  keine  andere  Düngung 
ersetzbaren  Wirkungen  gerade  des  Stallmistes  veranlaßt  werden,  darauf 
war  bisher  keine  befriedigende  Antwort  zu  geben.  Wohl  darf  als  sicher 
angenommen  werden,  daß  die  organischen  Stoffe  des  Stallmistes  an. 
sich,  dadurch,  daß  sie  den  Bodenbakterien  Nahrung  bieten,  eine  recht 
wichtige  Rolle  spielen;  haben  wir  doch  auch  durch  Zusatz  von  Zucker,, 
von  Fett  u.  dgl.  zum  Boden  eigentümliche  Wirkungen  feststellen  können. 
Auch  die  im  Stallmist  in  überaus  großen  Mengen  auftretenden,  ver- 
schiedenartigen Organismen  werden  sicherlich  im  Boden  noch  z.  T. 
weiter  tätig  sein,  und  nicht  minder  die  verschiedenen  Enzyme,  die 
nachgewiesenermaßen  im  Stallmist  enthalten  sind.  Aber  ein  rechtes 
Bild  von  der  Art  und  Weise,  in  welcher  etwa  die  Organismen  und 
Enzyme  des  Stallmistes  im  Boden  zur  Funktion  gelangen,  konnte  man 
sich  bisher  nicht  machen.  Vergegenwärtigen  wir  uns  aber  die  von 
uns  festgestellte  Wirkung  von  Giftstoffen,  wobei  wir  ganz  davon  ab- 
sehen wollen,  daß  sich  auch  im  Stallmist  Kresole  u.  dgl.  in  nicht  un- 
beträchtlichen Mengen  vorfinden,  so  wird  uns  manches  erklärlicher. 
Kein  anderes  Medium  wird  derartig  wie  der  Stallmist  imstande  sein,  im 
Boden  enthaltene  Hemmungsstoffe  zu  beseitigen  und  dadurch  und  durch 
seinen  eigenen  Gehalt  an  Organismen  und  an  Nährstoffen  bezüglich  der 
im  Boden  befindlichen  Organismen  eine  vollständige  Umwälzung  im 
gegenseitigen  Stärkeverhältnis  zu  bewirken. 

Ich  muß,  um  diese  Verhältnisse  noch  näher  beleuchten  zu  können, 
hier  auf  eine  Reihe  von  Versuchen  verweisen,  die  ein  sehr  merkwürdiges 
Ergebnis  geliefert  haben.  Zu  bestimmten,  hier  nicht  in  Frage  kommenden 
Zwecken  haben  wir  schon  vor  einigen  Jahren  Mischungen  von  ver- 
schiedenen Erden  vorgenommen,  die  vorher  bakteriologisch  ziemlich 
genau  untersucht  worden  waren.  Es  stellte  sich  dabei  heraus,  daß  die 
Mischungen  schon  nach  wenigen  Wochen  eine  ganz  auffallende  Er- 
höhung der  Bakterienzahl  in  der  Gewichtseinheit  aufwiesen,  wenn  man 
ausging  von  der  gefundenen  Zahl  der  Organismen  in  den  beiden 
Komponenten  der  Mischung.  Es  wurden  fünf-,  und  selbst  zehnmal  sa 
viel  Organismen  gefunden,  als  man  hätte  erwarten  sollen;  ja  in  Fällen,. 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.       217 

wo  wir  Gartenerde  zu  gleichen  Teilen  mit  einem  etwas  faulig  riechenden 
Sand  mit  etwa  5  Millionen  Bakterien  vermischten,  erreichte  die  Zahl 
der  nach  4 — 6  Wochen  in  1  g  der  Mischung  enthaltenen  Organismen 
eine  Höhe,  die  über  eine  Milliarde  hinausging.  Hier  konnte  es  sich 
kaum  mehr  darum  handeln,  daß  etwa  durch  Vermischung  der  ver- 
schiedenen Medien  ein  Ausgleich  von  Nährstoffen  für  die  Organismen 
eintrat,  sondern  es  erscheint  uns  sicher,  auch  nach  Einzelfeststellungen, 
auf  die  ich  hier  nicht  näher  eingehen  kann,  daß  die  auffallende  Er- 
höhung der  Bakterienzahl  in  den  Mischungen  ha  iptsächlich  zurückzu- 
führen ist  auf  die  durch  das  Zusammentreffen  zweier  voneinander  recht 
verschieden  zusammengesetzter  Organismenhorden  besonders  weitgehende 
Beseitigung  der  gegenseitigen  Hemmungsstoffe.  Übertragen  wir  diese 
Auffassung  auf  den  Stallmist,  so  müssen  wir  zu  der  Anschauung  ge- 
langen, daß  seine  Wirkung  durchaus  abhängig  sein  wird  von  dem  Grade 
der  Verschiedenheit  seiner  Organismenflora  und  deren  mannigfaltiger 
Stoff'wechselprodukte  von  jener  des  damit  zu  düngenden  Bodens.  Ein 
und  derselbe  Stallmist  wird,  unabhängig  von  seinem  Gehalt  an  Pflanzen- 
nährstoff'en,  namentlich  an  Stickstoff,  recht  verschieden  auf  verschiedene 
Bodenarten  einwirken,  und  es  steht  zu  erwarten,  daß  wir,  sobald  einmal 
diese  Verhältnisse  näher  erforscht  sind,  in  den  Stand  gesetzt  sein  werden, 
die  biologische  Zusammensetzung  des  Stallmistes  je  nach  den  besonderen 
Zwecken,  für  die  er  dienen  soll,  besonders  auch  nach  der  Bodenart,  in 
bestimmte  Richtungen  zu  lenken. 

Beiläufig  möchte  ich  erwähnen,  daß  uns  diese  Studien  zur  Er- 
probung eines  neuen,  von  uns  konstruierten  Vegetationsgefäßes 
geführt  haben,  durch  dessen  Verwendung  es  möglich  werden  dürfte, 
die  Ergebnisse  von  Topfversuchen,  namentlich  von  Düngungsversuchen, 
mit  denen  auf  Freiland  mehr  in  Einklang  zu  bringen,  als  es  bisher 
vielfach  geschehen  kann. 

Auch  die  Bedeutung  des  Humus  und  der  Mycorrhiza,  namentlich 
der  ectotrophen  Mycorrhiza,  erfährt  nach  meinem  Dafürhalten  manche 
Aufklärung, 

Neben  den  bisher  geschilderten  Versuchen,  die  alle  in  mehr  oder 
minder  näherem  Zusammenhange  mit  dem  Schwefelkohlenstoffproblem 
stehen,  haben  wir  uns  in  München  unausgesetzt  auch  mit  den  KnöUchen- 
bakterien  und  ihren  Beziehungen  zuden  Leguminosen  beschäftigt. 
In  erster  Linie  möchte  ich  hier  darauf  verweisen,  daß  wir  Veranlassung 
genommen  haben,  die  interessante  Mitteilung  des  Herrn  Direktors 
Guthke- Bergen  bei  Celle,  wonach  Serradella  und  Rotklee  miteinander 
unverträglich  seien,  zum  Gegenstand  von  Untersuchungen  zu  machen, 
die    sowohl    auf  Freiland    als    in  Töpfen    angestellt  werden.     Einen  be- 


21g  L.  Hiltner. 

sonders  guten  Einblick  in  die  hier  maßgegenden  Verhältnisse  gewährte 
ein  Topfversuch,  bei  welchem  einerseits  Serradella,  anderseits  Rotklee 
in  sterilisierter  Erde  gezogen  wurde.  In  je  mehreren  Reihen  blieben  die 
Töpfe  ungeimpft ;  in  den  andern  wurden,  und  zwar  sofort  nach  der  Aus- 
saat, Impfungen  vorgenommen  mit  Reinkulturen  von  Rotklee-  bzw.  von 
SerradellaknöUchenbakterien.  Nach  Verlauf  von  3  Wochen  wurden 
mehrere  bis  dahin  ungeimpft  gebliebene  Töpfe  ebenfalls  mit  den  zur 
angebauten  Pflanze  passenden  Bakterien  geimpft,  und  dasselbe  geschah 
bei  einem  Teil  der  schon  vorher  geimpften  Gefäße.  Die  Anordnung 
geht  am  besten  aus  folgender  Tabelle  hervor,  die  zugleich  die  Ergebnisse 
an  Trockensubstanz  pro  Topf  beim  Serradellaversuch  wiedergibt. 

Es  wurden  geerntet: 

1.  Ungeimpft 135,5  g 

2.  Sofort    bei    der   Saat  und   nochmals   3  Wochen 

später  geimpft  mit  Serradellabakterien      .     .     .     176,0  g 

3.  Geimpft  3  Wochen  nach  der  Aussaat  mit  Serra- 
dellabakterien        174,5  g 

4.  Geimpft  bei  der  Saat  mit  Rotkleebakterien,  nach 

3  Wochen  mit  Serradellabakterien 118,5  g 

Man  ersieht  aus  diesen  Zahlen  zunächst  wieder  die  günstige  Wirkung 
der  Impfung  von  Serradella  mit  den  zugehörigen  KnöUchenbakterien; 
sie  hatte  fast  gleichen  Erfolg,  ob  sie  nur  einmal  oder  zweimal  aus- 
geführt wurde.  Das  uns  hier  am  meisten  interessierende  Resultat  ist 
aber  jenes  der  Reihe  4;  denn  es  zeigt  uns  mit  überraschender  Schärfe, 
wie  durch  die  vorausgegangene  Impfung  der  Serradella  mit  Rotklee- 
bakterien die  nachfolgende,  für  sich  allein  (in  Reihe  3)  so  wirksame 
Impfung  mit  Serradellabakterien  vollständig  wirkungslos  blieb;  die  betr. 
Töpfe  gaben  sogar  einen  Minderertrag  gegenüber  ungeimpft.  Dies 
dürfte  eine  Erklärung  der  Unverträglichkeit  von  Rotklee  und  Serradella 
bieten.  Gelangen  die  Serradellawurzeln  in  einen  Boden,  der  von  Rot- 
kleebakterien durchsetzt  ist,  so  werden  diese  Bakterien  zwar  durch  die 
Wurzelausscheidungen  der  Serradella  angelockt,  sie  werden,  wie  wir 
dies  tatsächlich  nachweisen  konnten,  sich  an  der  Oberfläche  der  Wurzel 
anhäufen,  aber  nun  auch  jene  Stoffe,  durch  die  sie  angelockt  wurden, 
so  in  Beschlag  nehmen,  daß  die  nur  spärlich  vorhandenen,  oder  gar  die  erst 
später  hinzutretenden,  echten  Serradellabakterien  gegenüber  den  in 
diesem  Falle  für  die  Pflanze  recht  nutzlosen,  ja  sogar  schädlichen 
Konkurrenten  nicht  aufkommen  können. 

Auf  alle  Fälle  zeigt  dieser  Versuch,  daß  die  Leguminosenpflanzen 
auch    beeinflußt    werden    durch    KnöUchenbakterien,    die    nicht    in    ihre 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.        219 

Wurzeln  eindringen,  und  daß  ebenso,  wie  ich  dies  schon  in  einem 
Vortrag  in  Eisenach  auf  Grund  vieler  anderer  Beobachtungen  behauptete, 
auch  jene  im  Boden  enthaltenen  Knöllchenbakterien,  die  außerhalb  der 
Wurzel  verbleiben,  von  dieser  eine  starke  Beeinflussung  erfahren.  In 
dem  erwähnten  Vortrag  habe  ich  sogar  die  Behauptung  aufgestellt,  es 
wäre  für  die  Leguminosen  in  vielen  Böden  unerläßlich,  daß  die 
Pflanzen  auch  mit  den  innerhalb  ihrer  Rhizosphäre  im  Boden 
verbleibenden  Knöllchenbakterien  und  anderen,  den  löslichen  Stickstoff 
festlegenden  Organismen  in  eine  Art  Symbiose  treten  müßten,  weil 
anders  es  sonst  nicht  möglich  sei,  daß  sie  im  Zusammenwirken  mit  den 
KnöUchenorganismen  Stickstoff  sammeln  könnten.  Ich  erwähne  dies 
nur,  um  darauf  hinweisen  zu  können,  daß  wir  es  uns  angelegen  sein 
ließen,  in  der  Zwischenzeit  für  diese  Behauptung  neue  Beweise  zu  finden, 
und  daß  dies  tatsächlich  gelungen  ist.  Im  übrigen  muß  ich  es  mir 
versagen,  im  einzelnen  auf  die  sonstigen  verschiedenen  Versuche  ein- 
zugehen, die  wir  mit  Knöllchenbakterien  im  Laufe  der  Jahre  angestellt 
haben,  teils,  weil  diese  Versuche  noch  nicht  abgeschlossen  sind,  teils, 
weil  es  sich  um  Fragen  handelt,  deren  Verfolgung  zwar  sehr  aus- 
sichtsreich erscheint,  über  die  aber  im  jetzigen  Stadium  noch  wenig 
gesagt  werden  kann. 

Daß  unsere  Anstalt  alljährUch  viele  Tausende  von  Reinkulturen 
von  Knöllchenbakterien  liefert  und  daß  mit  denselben  in  recht  vielen 
Fällen  in  der  Praxis  gute,  oft  selbst  ausgezeichnete  Erfolge  erzielt  werden, 
ist  bekannt.  Leider  reicht  meine  Zeit  und  auch  jene  meiner  iMitarbeiter 
nicht  aus,  um  die  oft  recht  interessanten  und  wichtigen  Beobachtungen 
der  einzelnen  Versuchsansteller  einmal  zu  einer  zusammenfassenden 
Darstellung  zu  bringen;  denn  es  würde  sich  hier  um  die  Verarbeitung 
von  vielen  Hunderten  von  Einzelberichten  handeln.  Nur  einen  dieser 
Berichte  möchte  ich  herausgreifen,  weil  er  eine  neue,  überraschende 
Tatsache  enthält:  Herr  Rittergutsbesitzer  Pflug-Brody  führte  i.  J.  1902 
mit  von  uns  gelieferten  Kulturen  von  ErbsenknöUchenbakterien  auf  einem 
großen  Schlag  Impfungen  zu  Erbsen  aus,  berichtete  aber  damals,  daß 
er  von  einem  Erfolg  nichts  habe  wahrnehmen  können.  Im  J.  1906 
dagegen  teilte  er  mit,  er  habe  auf  jenem  Schlag  abermals  Erbsen  ge- 
baut, und  es  hätten  sich  im  Laufe  der  Entwickelung  auf  den  zwei  Hälften 
des  Schlags  so  auffallende  Unterschiede  gezeigt,  daß  er,  da  der  Schlag 
in  bezug  auf  Düngung,  Bearbeitung  u.  dgl.  stets  gleich  behandelt 
worden  sei,  wie  vor  einem  Rätsel  gestanden  sei.  Um  dasselbe  zu  lösen, 
hätte  ^er  auf  den  Wirtschaftsplänen  genau  nachgeforscht,  ob  nicht  doch 
früher  eine  Verschiedenheit  in  der  Behandlung  stattgefunden  habe, 
und   dabei   habe   er  feststellen  können,  daß  gerade  dort,  wo  die  Erbsen 


220  ^-  Hiltner. 

i.  J.  1906  ganz  wesentlich  besser  standen,  4  Jahre  zuvor  die  damals 
erfolglos  gebliebene  Impfung  ausgeführt  worden  sei.  Es  würde  jeden- 
falls von  großer  Wichtigkeit  sein,  wenn  es  gelänge,  für  diese  Beobachtung 
eine  Erklärung  zu  finden,  was  vielleicht  eher  möglich  sein  wird,  wenn 
noch  mehr  derartige  eigentümliche  Nachwirkungen  der  Impfung  bekannt 
werden  sollten.  Auf  alle  Fälle  bitte  ich  jene  Herren,  die  Impfungs- 
versuche ausführen,  hierauf  achten  zu  wollen. 

Unablässig  waren  wir  bestrebt,  soweit  als  möglich  die  praktische 
Verwendbarkeit  der  Kulturen  zu  erhöhen;  teils  durch  Verbesserung  der 
Kulturen  selbst,  namentlich  ihrer  Nährböden,  teils  durch  weitere  Aus- 
gestaltung des  Impf  Verfahrens.  In  letzterer  Beziehung  möchte  ich 
mindestens  verweisen  auf  Versuche,  die  nunmehr  schon  seit  3  Jahren 
auf  verschiedenen  Bodenarten  unternommen  werden  zur  Prüfung  der 
Frage,  ob  bei  Ausführung  der  Samenimpfung  besondere  Nährstoffe  der 
Bakterienflüssigkeit  zugeführt  werden  sollen,  und  ob  die  von  uns  ein- 
geführten und  bisher  gebrauchten  Nährstoffe,  Pepton  und  Traubenzucker, 
unter  allen  Umständen  den  Vorzug  verdienen.  Schon  an  anderer  Stelle 
habe  ich  kurz  darauf  hingewiesen,  daß  sich  in  dieser  Richtung  eine 
große  Mannigfaltigkeit  gezeigt  hat.  Auf  manchen  Bodenarten  hat  sich 
die  Beigabe  von  Nährstoffen,  die  auf  den  Diluvialböden  Norddeutsch- 
laiids  unerläßlich  erschienen,  nicht  nur  als  zwecklos,  sondern  sogar 
als  schädlich  erwiesen;  auf  anderen  wurden  die  besten  Erfolge  mit  ganz 
anderen  Stoffen  erzielt.  Wir  werden  schon  im  kommenden  Frühjahre 
in  der  Lage  sein,  diesen  Verhältnissen  Rechnung  zu  tragen  in  allen 
Fällen,  wo  uns  über  die  Bodenbeschaffenheit  der  zu  impfenden  Flächen 
genauere  Angaben  gemacht  werden.  Ebenso  sollen  die  Ergebnisse  von 
Versuchen  Berücksichtigung  finden,  die  vermuten  lassen,  daß  die  Wirkung 
der  Reinkulturen  von  Knöllchenbakterien  in  vielen  Fällen  gesteigert 
werden  kann  durch  Beigabe  einer  anderen  Organismenart. 

Für  die  Artfrage  der  Knöllchenbakterien  haben  wir  neues 
ßelegmaterial  zu  gewinnen  gesucht,  indem  wir  etwa  12  verschiedene 
Lupinenarten  auf  den  verschiedensten  Bodenarten  alljährlich  bauten  und 
die  Knöllchenverhältnisse  eingehender  studierten.  Aus  den  bisherigen 
Ergebnissen  ist  jedenfalls  die  Folgerung  abzuleiten,  daß  die  Frage,  in- 
wieweit bei  den  verschiedenen  Knöllchenbakterien  echte  Artunterschiede 
oder  nur  Varietäten,  bzw.  spezialisierte  und  Anpassungsformen  vor- 
liegen, eine  recht  komplizierte  ist. 

Anlaß  zu  Versuchen  hat  auch  die  auffallende  Tatsache  gegeben, 
daß  auf  den  süddeutschen  Hochmooren,  im  Gegensatz  zu  den  nord- 
deutschen, die  Impfung  meist  völlig  zwecklos  ist,  da  auf  ihnen  alle 
bisher    geprüften  Leguminosenarten,    mit  Ausnahme  von  Soja,    reichlich 


Neuere  Ergebnisse  usw.  a.  d.  G-ebiete  d.  landwirtschaftl.  Bakteriologie.       221 

und  sehr  wirksame  Knöilchen  ohne  Impfung  bilden.  Nicht  minder 
wichtig  und  allem  Anscheine  nach  in  Zusammenhang  hiermit  stehend, 
ist  die  weitere,  schon  von  der  Moorkulturanstalt  Bernau  a.  Chiemsee 
gemachte  und  von  uns  ebenfalls  bestätigte  Beobachtung,  daß  auf  den 
süddeutschen  Mooren,  ebenfalls  im  Gegensatze  zu  den  norddeutschen, 
die  Gründüngung  fast  bedeutungslos  ist.  Aus  den  bisherigen  Ergeb- 
nissen unserer  diesbezüglichen  Versuche  kann  ich  bis  jetzt  nur  an- 
geben, daß  der  Boden  der  süddeutschen  Moore  von  Leguminosen- 
knöllchenbakterien,  mindestens  in  den  oberen  Schichten,  vollständig 
durchsetzt  ist.  Die  Fragen,  um  deren  Entscheidung  wir  uns  bemühen, 
sind  daher:  "Wie  sind  diese  Bakterien  in  den  Boden  gelangt,  und  haben 
sie  in  ihm,  wo  doch  sicher  seit  Jahrtausenden  Leguminosen  nicht  ge- 
wachsen sind,  irgend  eine  Funktion? 

Gestatten  Sie  mir  zum  Schluß  noch  mit  wenigen  Worten  auf  ein 
neues  Gebiet  zu  verweisen,  das  sich  uns  erst  in  letzter  Zeit  erschlossen 
hat.  Sie  wissen,  daß  neben  der  Frage  der  Stickstoffsammlung  durch 
Leguminosen  hauptsächlich  die  Brachefrage  mit  dazu  geführt  hat,  daß 
man  der  landwirtschafthchen  Bakteriologie  seit  etwa  10  Jahren  besonderes 
Interesse  entgegenbringt.  Die  Deutsche  Land wirtschafts- Gesellschaft  ins- 
besondere bekundet  dieses  Interesse,  indem  sie  an  verschiedenen 
deutschen  Versuchsanstalten  Brachefeldversuche  finanziell  unterstützt. 

Ich  will  nun  nicht  auf  diese  Brachefrage  an  sich  eingehen,  denn 
sie  würde  ein  Vortragsthema  für  sich  bilden  können,  sondern  ich  möchte 
nur  darauf  verweisen,  daß  wir  bei  unseren  Studien  über  die  im  Brache- 
boden sich  abspielenden  Vorgänge  auf  die  Tatsache  gestoßen  sind,  daß 
im  Boden  neben  Bakterien,  Pilzen  und  Algen  aller  Art,  d.  h.  also  neben 
pflanzlichen  auch  tierische  Organismen  eine  sicherlich  nicht  un- 
wichtige Rolle  spielen.  Insbesondere  finden  sich  in  den  Böden  Amöben, 
Flagellaten  und  Inf  usorien,  und  zwar  oft  in  einer  ganz  außerordent- 
lichen Menge,  vor.  Mehrere  Zoologen,  die  wir  befragten,  ob  derartige 
tierische  Organismen  im  Boden  eine  Rolle  spielen  könnten,  gaben  zwar 
die  Erklärung  ab,  daß  dies,  abgesehen  vielleicht  von  direkt  nassen 
Böden,  vollständig  ausgeschlossen  sei;  denn  im  gewöhnlichen  Ackerboden 
fehle  es  an  der  für  die  Entwickelung  solcher  Tiere  unbedingt  nötigen 
Feuchtigkeit.  Die  betreffenden  Zoologen  nahmen  an,  das  Vorkommen 
tierischer  Organismen  im  Boden  sei  ein  rein  zufälliges,  sie  seien  durch 
den  Wind  oder  auf  sonstige  Weise  dorthin  gelangt  und  jedenfalls  nur 
in  Dauerformen,  als  Zysten  usw.,  vorhanden.  Wir  sind  jedoch  auf 
Grund  unserer  Beobachtungen  zu  ganz  anderen  Resultaten  gekommen. 
Wie  anders  als  durch  die  Annahme,  daß  die  von  uns  aufgefundenen 
tierischen    Organismen    in    den     betreffenden    Böden    selbst    ihre    Ent- 


222     ^-  Hiltner.     Ergebnisse  a.  d.  Gebiete  d.  landwirtschai'tl.  Bakteriologie. 

Wickelung  durchlaufen  haben,  soll  es  sonst  erklärt  werden  können,  daß 
wir  in  gewissen  Böden  bestimmte  Arten  von  Amöben  und  Flagellaten 
zu  Millionen  in  1  g  Erde  fanden,  daß  ferner  sicherlich  die  Art  der 
Bodenfauna  durchaus  abhängig  ist  von  der  Beschaffenheit  des  Bodens. 
Und  könnte  schließlich  nicht  mit  demselben  Recht  angenommen  werden, 
die  Algen  und  selbst  die  Bakterien  wären  nicht  imstande,  im  Acker- 
boden sich  zu  entwickeln,  da  sie  ja  doch  ebenso  wie  die  tierischen 
Organismen  auf  eine  höhere  Feuchtigkeit  angewiesen  sind? 

Wir  hegen  jedenfalls  nicht  mehr  den  geringsten  Zweifel  darüber, 
daß  auch  die  tierischen  niederen  Organismen  im  Boden  in  den  Kreislauf 
der  sich  dort  abspielenden  Prozesse  mit  eingreifen,  und  haben  dafür 
schon  verschiedene  Anhaltspunkte.  Es  ist  uns  nicht  nur  gelungen» 
schon  zahlreiche  Arten  aufzufinden  und  zu  bestimmen,  sondern  einige 
von  ihnen  auch  künstlich  in  flüssigen  und  auf  festen  Nährböden  zu 
züchten.  Dabei  haben  sich  recht  interessante  Beziehungen  dieser  Orga- 
nismen zu  bestimmten  Bakterienarten  ergeben,  die  allein  schon  die 
Hoffnung  rechtfertigen,  daß  das  Studium  der  Organismenfauna  des 
Bodens  wichtige  Aufschlüsse  mit  sich  bringen  wird. 

Auch  hier  scheint  übrigens  der  Schwefelkohlenstoff  durch  seine 
Giftwirkung  berufen,  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  und  unter  welchen 
Umständen  tierische  Organismen  im  Boden  tätig  sind.  Jedenfalls  haben 
wir  schon  im  Frühjahr  genaue  Zählungen  aller  tierischen  Lebewesen 
von  den  Regenwürmern,  Nematoden  bis  zu  den  Amöben  von  mit  Schwefel- 
kohlenstoff behandelt  gewesenen  und  unbehandelt  gebliebenen  Boden- 
parzellen vorgenommen.  Besonders  haben  wir  den  Schwefelkohlenstoff 
auch  benutzt  zu  der  Entscheidung  der  Frage,  ob  und  zu  welchen 
Zeiten  im  Bracheboden  die  tierischen  Mikroorganismen  wirklich  sich 
betätigen,  ausgehend  von  der  Anschauung,  daß  deren  Dauerzustände 
bei  vorsichtiger  Versuchsanstellung  vom  Schwefelkohlenstoff  bei  weitem 
nicht  so  leicht  abgetötet  werden  können,  als  die  aktiven  Lebensformen. 
Auch  hierüber  werden  wir  in  unseren  ausführlichen  Veröffentlichungen 
nähere  Angaben   bringen. 


E.  Zacharias.     Über  sterile  Johannisbeeren.  223 


Über  sterile  Johannisbeeren. 

Von  ■ 

E.  Zacharias,  Hamburg. 

Unter  den  im  Hamburger  Marschgebiet  angebauten  Johannisbeeren 
zeichnet  sich  eine  Sorte,  die  als  „Lübecker  Johannisbeere"  bezeichnet 
wird,  dadurch  aus,  daß  in  größeren  Kulturen  derselben  immer  hier  und 
da  Stöcke  auftreten,  welche  gar  keine  oder  nur  sehr  wenige  Früchte 
bringen. 

Von  den  in  Kultur  befindlichen  roten  Johannisbeeren  steht  nach 
Maurer^)  eine  größere  Zahl  Rihes  rubrum,  einige  R.  petraeum  nahe, 
und  eine  dritte  Reihe  besitzt  Eigenschaften  beider  in  Übergängen  und 
mannigfaltigen  Kombinationen.  Die  von  mir  untersuchten  Lübecker 
Johannisbeeren  (Fig.  1 — 4;  Fig.  5 — 7  Blüten  einer  R.  rubrum  nahe- 
stehenden Rasse)  hatten  glockenförmige  Kelche  mit  bewimperten,  innen 
rotgefleckten  Zipfeln,  relativ  lange  Griffel  (2,25  mm)  und  weichhaarige 
Infloreszenzstiele,  wie  es  für  R.  petraeum  angegeben  wird. 

Die  LInfruchtbarkeit  der  Lübecker  ist  nach  Angabe  eines  tüchtigen 
Züchters  nicht  etwa  eine  Erscheinung,  die  sich  in  höherem  Alter  der 
Sträucher  oder  unter  besonderen  äußeren  Bedingungen  einstellt.  Sie 
findet  sich  vielmehr  als  konstante  Eigentümlichkeit  bestimmter  Stöcke 
in  Kulturen,  die  im  übrigen  gut  tragen^).  Auch  an  Sträuchern,  die  in  den 
Hamburger  botanischen  Garten  verpflanzt  worden  waren,  wurde  die  Er- 
scheinung in  sukzessiven  Jahren  beobachtet:  Bestimmte  Sträucher  tragen 
sehr  wenig,  andere  gar  nicht.  Die  Sträucher  blühen  reichlich,  die 
Beeren  beginnen  anzuschwellen,  während  die  jungen  Fruchtstiele  sich 
hakenförmig  aufwärts  krümmen  (Fig.  4),  werden  dann  aber  früher 
oder  später  bei  bestimmten  Sträuchern  alle,  bei  anderen  zum  größten 
Teil  abgeworfen.  Die  Vierländer  Züchter  nennen  solche  Stöcke  „Af- 
smiters".  In  den  auf  verschiedenen  Stufen  der  Ausbildung  abfallenden 
Beeren   findet  man  immer  nur  einzelne  angeschwollenene  Samenknospen. 


ij  Maurer.  Die  Beerensträucher,  ihre  Anzucht  und  ihr  Anbau.  (Udo 
Dammers  Gartenbaubibliothek  1900.)  Vgl.  indessen:  Janczewski.  Bastarde 
der  Johannisbeeren.  (Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau, 
Mathem.  naturw.  Klasse,  Nr.  6,  Juli  1901.) 

2)  Ein  anderer  Züchter  behauptet,  daß  anfänglich  fruchtbare  Sträucher 
in  späteren  Jahren  keine  Früchte  mehr  ansetzen  trotz  reichlichen  Blühens. 


224  ^-  Zacharias. 

Die  wenigen  Beeren,  die  reif  werden,  sind  meist  klein  und  enthalten 
zum  Teil  nur  einen  reifen  Samen. 

Auch  bei  schwarzen  Johannisbeeren  ist  schon  ähnliches  beobachtet 
w^orden.  Infolge  einer  Anfrage  teilt  A.  Rothe')  mit:  „300  Stück 
wurden  angepflanzt.  Diese  blühten  bald,  setzten  aber  fast  nichts  an, 
nur  zwei  Sträucher  trugen  jährlich,  meist  übervoll.  Diese  zwei  ver- 
mehrte ich  stark,  hackte  1899  bis  1900  die  298  anderen  Sträucher 
heraus,   und  bin  nun  endlich  soweit,  jährhch  gute  Ernten  zu  haben." 

Johannes  Schroeder  bemerkt  hierzu  am  selben  Ort:  „Wir 
pflanzten  auch  schwarze  Johannisbeeren,  die  an  feuchten  Stellen  wild 
wuchsen,  in  unseren  Garten.  Dabei  machte  ich  nun  die  Beobachtung, 
daß  es  trotz  sehr  reichlicher  Blüte  tragende  und  nicht  tragende  gab. 
Von  sämtlichen  Büschen,  die  wild  wuchsen,  war  uns  nur  einer  bekannt, 
der  Früchte  ansetzte,  alle  anderen  waren  taub." 

Die  kultivierten,  roten  und  schwarzen  Johannisbeeren  scheinen  sich 
demnach  ähnlich  verhalten  zu  können  wie  Ribes  alpinum.  Hier  kommen 
bekanntlich^)  männliche,  weibUche  und  Zwitterblüten  vor.  In  den 
männlichen  Blüten  sind  funktionslose  Pistille,  in  den  weibhchen  funktions- 
lose Staubgefäße  vorhanden.  Männliche  Sträucher  werden  in  der 
gärtnerischen  Literatur  als  B.  alpinum  sterile,  weibliche  als  R.  alpinum 
bacciferum  bezeichnet.  Die  Pflanze  kommt  aber  auch  „unvollkommen 
zweihäusig"  vor,  und  dementsprechend  fand  Dybowski')  auf  einigen 
Sträuchern  Beeren  in  großer  Menge,  auf  anderen  sehr  selten  und  auf 
wieder  anderen  gar  nicht.  Dies  würde  dem  Verhalten  der  mehr  oder 
weniger  sterilen  Sträucher  der  roten  Johannisbeeren  entsprechen;  und 
man  kann  annehmen,  daß  hier  mehr  oder  weniger  männliche  Sträucher 
vorliegen.  Tatsächlich  ist  hier  guter  Pollen  vorhanden,  wenn  auch 
ziemlich  viel  verschrumpfte  Pollenkörner  vorkommen."*) 

In  einer  mir  vor  kurzem  zugekommenen  Arbeit  berichtet  Ewert*) 
über    unfruchtbare  Johannisbeeren,    welche  „sich   höchst  wahrscheinlich 


^)  A.  Rothe.  Wenn  schwarze  Johannisbeeren  unfruchtbar  sind.  (Prak- 
tischer Ratgeber  1904,  Nr.  10.) 

2)  Vgl.  u.  a.  Kochs  Synopsis.  3.  Aufl.  Herausgeg.  von  Hallier  und 
Wohlfarth.     1892.     1.  Bd.,  p.  961. 

Hermann  Müller.     Die  Befruchtung  der  Blüten.     Leipzig  1873,   p.  94. 
Lauche.     Dendrologie,  p.  537. 

3)  Dybowski.  Über  Ribes  alpinum.  (Weltall.  Warschau  1904,  Nr.  11.) 
Referat  der  polnischen  Arbeit  im  Botan.  Centralblatt  XOIX  (1905),  p.  117. 

*)  Bailey  (Survival  of  the  unlike  p.  351)  weist  darauf  hin,  daß  schlechter 
PoUen  bei  Kulturpflanzen  häufiger  sei  als  schlechte  Pistille,  vgl.  ferner  Jan- 
czewski  1.  c. 

5)  Ewert.     Eine    unfruchtbare  Johannisbeere.     (Gartenflora  1907.) 


über  sterile  Johannisbeeren.  225 

von  Rihes  rubrum  ableiten",  aus  einem  Garten  bei  Görlitz,  woselbst 
sie  wie  im  Hamburger  Marschgebiet  neben  fruchtbaren  vorkamen. 
Ewert  führt  noch  einen  weiteren  derartigen  Fall  aus  Glasgow  an. 

Ewert  stellt  fest,  daß  die  Nektarproduktion  in  den  Blüten  seiner 
unfruchtbaren  Stöcke,  nicht  hinter  derjenigen  der  fruchtbaren  zurück- 
stand, und  daß  ferner  der  Pollen  der  unfruchtbaren  sowohl  auf  der 
eigenen  Narbe,  als  auch  in  Zuekerlösung  keimte. 

Bei  dem  Vergleich  der  Narbeii  verschiedener  Johannisbeersorten 
fiel  es  Ewert  sodann  auf,  daß  die  Narbenbreite  (d.  h.  die  „seitliche 
Streckung  der  Narbenflügel",  nicht  der  Umfang  der  funktionierenden 
Narbenfläche)  bei  seiner  unfruchtbaren  und  bei  der  „kernlosen"  geringer 
ist  als  bei  anderen  Sorten.  Sie  betrug  bei  der  unfruchtbaren  0,71  mm. 
Etwa  dieselbe  Narbenbreite  (0,75)  fand  ich  bei  der  Hamburger  un- 
fruchtbaren. Ewert  meint  nun,  daß  die  geringe  Narbenbreite  als  „ein  An- 
zeichen der  Unfruchtbarkeit  anzusehen  sei".  Sorgfältige  Untersuchung 
der  in  der  Umgebung  der  unfruchtbaren  Sträucher  stehenden  frucht- 
baren kann  indessen  erst  zeigen,  ob  diese  Meinung  zutreffend  ist. 

Zu  untersuchen  bleibt  ferner,  wie  die  unfruchibaren  Sträucher  in 
die  Kulturen  hineingelangen.  Die  Vierländer  Züchter  pflegen  ihre 
Kulturen  nicht  durch  Sämlinge  zu  vermehren.  Bei  der  Sorgfalt  und 
scharfen  Beobachtungsgabe,  die  ihnen  eigen  ist,  kann  kaum  angenommen 
werden,  daß  sie  zur  Vermehrung  unfruchtbare  Sträucher  heranziehen. 
Es  ist  vielmehr  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  an  fruchtbaren 
Sträuchern  unfruchtbare  (männliche)  Sprosse  auftreten,  die  dann  ge- 
legenthch  als  Stecklinge  in  die  Kulturen  hineingeraten  können.  Für 
die  Praxis  würde  sich  daraus  die  Notwendigkeit  einer  sorgfältigen 
Prüfung  der  einzelnen  Teile  der  Sträucher,  welchen  man  Stecklinge 
entnehmen  will,  ergeben. 

Figurenerklärung  zur  Tafel  V. 

Fig.   I — 4.  Lübecker  Johannisbeeren. 

Fig.  5—7.   Blüten    einer    im    Hamburger    botanischen    Garten 
kultivierten,    Rihes    rubrum    nahestehenden    Easse. 


Jahvesbeiichf  der  Vereinigung  für  angewandte   Hntanik  V.  \Q 


226  Paul  Graebner. 


Über  einige  nichtparasitäre  Pflanzenkrankheiten 
des  Sommers  1907. 

Von 

Paul  (liraebner,  Groß-Lichterfeldo  bei  Berlin. 

Im  letzten  Jahresbericht  unserer  Vereinigung  gab  ich  eine  kurze 
Übersicht  über  die  wirtschaftsfoindlichen  Paktoren  der  Heide  und  die 
sich  daraus  ergebenden  Pflanzonkrankheiten.  Es  ging  aus  dieser  Arbeit 
hervor,  daß  die  Mehrzahl  der  Hemmungserscheinungen  bei  Kultur- 
pflanzen des  Heidegebietes  auf  klimatische  Einflüsse  zurückzuführen 
ist  und  zwar  auf  direkt  und  indirekt  wirkende  Paktoren.  Zu  den 
letzteren  sind  die  durch  die  reichliche  Peuchtigkeit,  durch  die  stärkeren 
Niederschläge  imd  die  oft  lange  Zeit  nassen  lauen  Winter  hervorge- 
rufenen starken  Humus-  und  Moosbildungen  zu  rechnen,  die  ihrerseits 
wieder  die  Veränderung  oder  Verschlechterung  der  oberen  Bodenschichten 
bewirken.  Zu  den  direkt  wirkenden  Einflüssen  sind  neben  den 
wechselnden  Trocken-  und  Peuchtigkeitsperioden,  die  gerade  in  den  hu- 
mosen  Böden  doppelt  wirksam  sind,  besonders  die  unzeitigen  Proste  im 
Frühjahr  und  Sommer  zu  rechnen,  die  häufig  Schaden  anrichten.  Der 
Sommer  1907  war  nun  besonders  deswegen  bemerkenswert,  weil  ein 
Teil  dieser  direkt  wirkenden  Paktoren  sich  auch  auf  Gebiete  ausdehnte, 
die  sonst  zumeist  von  ihnen  verschont  bleiben  und  in  denen  sich  da- 
durch der  Einfluß  studieren  ließ. 

Zunächst  war  ein  größerer  Teil  des  Sommers  bekanntlich  sehr 
niederschlagreich  und  neben  Nachtfrösten  im  Mai  resp.  Juni  traten 
bereits  verhältnismäßig  frühzeitig  im  November  stärkere  Fröste  auf,  so 
daß  an  zwei  Nächten  das  Thermometer  in  unseren  Freilandkulturen  in 
Dahlem  auf  —  1^  sank.  Alle  drei  Erscheinungen  ließen  sich  in  ihren 
Polgen  an  den  Kulturpflanzen  verfolgen  und  mfigen  hier  kurz  geschildert 
werden. 

Was  zunächst  die  Erhöhung  der  Niederschläge  betrifft,  so  war 
jhr  Einfluß  namentlich  bei  den  Steppenpflanzen  zu  konstatieren  und 
zwar  sowohl  an  den  krautarligen  als  an  den  holzigen  Vertretern  trockenerer 
Florengebiete.  Eine  Reihe  von  einjährigen  Gewächsen  ging  ganz 
oder  zum  großen  Teile  zugrunde  oder  verkümmerte.  Bei  allen  ließ 
sich    typische   Wurzelfäule    konstatieren.     Besonders    auffällig    war    die 


über  einige  nichtparasitäre  Pt'lanzenkrankheiten  des  Sommers  1907.      227 

P^rscheinung  bei  einigen  (7/eow?^'- Arten  und  verwandten  Gapparidaceen, 
die  ja  als  beliebte  Sommerblumon  jetzt  häufiger  kultiviert  werden. 
Scheinbar  ganz  üppig  gedeihende  Pflanzen  trockneten  plötzlich  ein  und 
zeigten  dann  einen  abgestorbenen  Stengelgrund  und  tote  Wurzeln.  Unter 
den  Glasplatten  brach  aus  den  toten  Stongelteilen  ein  üppig  wucherndes 
Pilzmyzel  hervor,  welches  aber,  da  es  ohne  Pruchtkörper  blieb,  un- 
bestimmbar war.  Das  Mycel  dieses  Pilzes  spann  sich  über  den  Erd- 
boden hinweg  und  griff  so  von  Pflanze  zu  Pflanze  über.  In  den  An- 
fangsstadien der  Krankheit  sah  man,  dali  der  Pilz  zunächst  die  am 
Stengelgrunde  durch  den  Regen  angespülten  Boden teilchen  durchzog 
und  dadurch  schließlich  zu  einer  fast  filzigen  Masse  vereinigte  und 
dann  den  Stengelgrund  selbst  an  einer  Seite  angriff  und  ihn  schädigte. 
Genaue  Untersuchung  ergab  aber,  dali  auch  hier  der  Pilz  ganz  augen- 
scheinlich nur  sekundär  auftrat,  denn  erstens  war  stets  ein  großer 
Teil  der  Wurzelspitzen  und  zum  Teil  sogar  einige  größere  namentlich 
tiefergehende  Wurzeln  tot  und  in  Fäulnis  übergegangen,  eh(>  der  Pilz 
seines  Scharfrichteramtes  walten  konnte,  und  zweitens  blieben  am 
Kande  der  Kulturen,  auf  kleinen  Erhöhungen  stehende  Exemplare,  die 
auch  meist  kräftiger  entwickelt  waren,  verschont,  trotzdem  das  Pilz- 
myzel in  den  Oberflächenschichten  des  Bodens  nachweisbar  war.  Zuerst 
erlagen  stets  die  Pflanzen  in  kleinen  Senkungen,  in  denen  das  Regen- 
wasser stärker  zusammenlief.  Sobald  der  Pilz  den  Stengelgrund  etwas 
stärker  angegriffen  hatte,  erfolgte  außerordentlich  schnell  das  Absterben 
und  die  Verjauchung  des  ganzen  Wurzelkörpers,  die  ebenso  schnell 
vor  sich  ging,  wenn  man  an  den  noch  pilzfreien  Stellen  durch  Ab- 
ringelung  eines  Teils  des  Rindengewebes  die  Saftzirkulation,  namentlich 
die  Ableitung  dos  plastischen  Materials  in  die  Wurzeln,  störte,  also  durch 
eine  mechanische  Verletzung  die  Pflanze  weiter  schädigte.  Ganz 
ähnliche  Bilder,  nur  ohne  die  Einwirkung  eines  Pilzes  sondern  durch 
einfache  Wurzelfäule  hervorgebracht,  konnten  bei  einer  ganzen  Reihe 
mediterraner  und  orientalischer  Arten  namentlich  aus  den  Familien  der 
Compositen,  Umbelliferen  und  Cruciferen  beobachtet  werden. 

Auch  eine  Reihe  von  ausdauernden  Kräutern  erlagen  der  über- 
großen Sommerfeuchtigkeit,  besonders  solche,  welche  die  Eigentümlichkeit 
haben,  während  des  Hochsommers  ihr  Laub  zu  verlieren  und  die 
sommerliche  Trockenperiode  ihrer  Steppenheimat  nur  in  unterirdischen 
Organen  zu  überdauern.  Viele  von  diesen  —  eine  der  bekanntesten  dürfte 
außer  den  Zwiebel-  und  Knollengewächsen  die  übelriechende  Ferula 
asa  foetida  sein  —  behalten  die  abgestorbenen  Reste  der  Blätter  oder 
deren  unteren  Teile,  um  die  Fortsetzungsknospe  in  sie  einzuhüllen.  Die 
mechanischen   Elemente    dieser    toten  Blatteile    bleiben    in    festem    Ver- 

16* 


228  Paul  Graebner. 

bände  mit  der  Grundachso  und  sollen  als  „Tunica"  dienen.  In  so 
feuchten  Zeiten  werden  sie  aber  nicht  trocken  und  beginnen  zu  faulen: 
die  Fäulnis  macht  nun  nicht  am  lebenden  Gewebe  halt,  sondern  setzt 
sich,  den  Gefäßbündeln  folgend,  sehr  bald  mehr  oder  weniger  tief  in 
das  Innere  der  Grundachse  fort.  Von  den  Leitungselementen  aus,  die 
nach  dem  Abstorben  der  Blätter,  für  deren  Bündel  sie  als  Zuleitungs- 
wege dienten,  aus  der  Saftbahn  ausgeschaltet  sind  und  dadurch  eine 
geringe  Widerstandsfähigkeit  zu  besitzen  scheinen,  dringt  die  Fäuhiis 
sehr  bald  in  die  umgebenden  Gewebe,  namentlich  die  parenchymatischen 
ein,  dadurch  gröHere  Herde  erzeugend,  die  sehr  bald  bis  zu  den  Ge- 
fäJibündelteilen  der  Grundachse  selbst  vordringen.  Wird  eine  Grundachse 
in  diesem  Stadium  trocken  gelegt,  so  heilt  die  Wunde  meist  durch  Ein- 
trocknen der  fauligen  Teile  und  Bildung  von  Wundparenchym  aus;  ist 
die  tote  Stelle  aber  bei-eits  zu  grol5,  so  daß  sie  den  größten  Teil  des 
Querschnitts  der  Grundachse  einnimmt,  so  geht  das  Absterben  meist  weiter 
vor  sich,  und  hat  sich  die  faulige  Flüssigkeit  bereits  in  den  Gefäßen 
nach  der  Richtung  der  Hauptknospe  zu  verbreitet,  so  hilft  meist  selbst 
ein  Ausschneiden  des  toten  und  kranken  Gewebes  nicht  mehr,  die  ganze 
Pflanze  fällt  der  Fäulnis  anheim. 

Für  diese  Form  des  Absterbens  üeH  sich  eine  große  Menge  von 
Beispielen  beibringen,  es  waren  namentlich  südeuropäische  und  asiatische, 
aber  auch  nordamerikanische  Arten:  unter  den  letzteren  wui'de  besonders 
die  bekannte  Zierpflanze  Liatris  spicata  untersucht,  die  fast  gänzlich 
abstarb.  Bei  dieser  Pflanze  ging  die  Fäulnis  von  den  Wurzelspitzen 
aus.  Die  Wurzeln  starben  nach  und  nach  ganz  ab  und  von  ihnen 
aus  drang  die  faulige  Substanz  in  die  Grundachse  ein,  dort  Herde  er- 
zeugend. Zu  gleicher  Zeit  —  die  oberirdischen  Teile  begannen  da  bereits 
zu  welken  —  faulten  auch  die  Blattreste  in  die  Grundachse  ein.  Die 
Blüte  der  herbstblühenden  Knollen-  und  Zwiebelgewächse  war  gleichfalls 
meist  sehr  dürftig,  viele  von  ihnen  waren  abgestorben  und  verschwunden, 
und  wahrscheinlich  wird  das  nächste  Jahr  noch  grö(5ere  Verluste  er- 
kennen lassen,  die  erst  durch  die  fortschreitende  Fäulnis  während  des 
Winters  in  die  Erscheinung  treten ;  wenigstens  fand  ich  jetzt  im  Herbst 
bei  einer  ganzen  Reihe  aufgenommener  Zwiebeln,  besonders  aus  den 
Gattungen  Hyacmtlms,  Narcissus,  FritiUaria,  aber  auch  an  den  Rhizom- 
knoUen  von  Iris  usw.  große  Fäulnisherde,  bei  einigen  Hyacinfhus-  war 
beispielsweise  der  ganze  Zwiebelboden  faul,  während  die  Zwiebelschuppen 
noch  erhalten  waren,  sich  aber  alle  einzeln  herauslösen  lieOen. 

Interessant  war  das  Verhalten  von  Rlwdodendron  ponticum- 
Gartenformen,  deren  eine  ganze  Anzahl  abstarb.  Namentlich  in  einem 
jungen  mehrjährigen  Anzuchtsbeete  3  bis  5  dm    hoher  Pflanzen  zeigten 


über  einige  nichtparasitäre  Pflanzenkrankheiten  des  Souiniers  1907.      229 

sich    im    Spätsommer    viele    tote    oder    eintrocknende    Exemplare.     Die 
Untersuchung  ergab  folgendes: 

Bei  einer  Anzahl  scheinbar  noch  völlig  gesunder  Exemplare  zeigten 
sich  die  Wurzelspitzen  oder  schon  ein  erheblicher  Teil  der  älteren 
Wurzehi  abgestorben.  Es  waren  dies  alles  Pflanzen,  die  in  normaler 
Höhe  in  den  Boden  gebracht  waren  oder  deren  Stengelgrund  doch  nur 
mit  einer  dünnen  Schicht  der  Erde  bedeckt  war.  Diese  bestand  im 
wesentlichen  aus  zerkleinertem,  an  der  Oberflächonschicht  noch  ziemlich 
locker  gelagerten  Übergangstorf  (Grunewald-Erde),  der  in  etwa  4  l)is 
5  cm  Tiefe  schon  deutlich  dicht  geworden  war  und  die  Struktur  ziemhch 
verloren  hatte.  Einige  von  den  richtig  gopflanzten  Exemplaren  gingen 
auch  zugrunde,  nachdem  sie,  wie  alle  übrigen,  im  Sommer  eine  normale 
EntwickeUmg  gezeigt  hatten  und  reichlich  mit  Blütenknospen  besetzt 
waren.  Die  Mehrzahl  der  abgestorbenen  Pflanzen  war  aber  zu  tief  in 
den  Boden  gekommen;  bis  zu  5  cm,  also  einer  doch  verhältnismällig 
sehr  geringen  Dicke,  lag  die  humose  Erde  um  den  Stammgrund  an- 
gehäuft. Schon  mit  bloßem  Auge  bemerkte  man  am  eingedeckten  Teile 
der  Stämme  knotige,  bis  ca.  1,5  mm  dicke  Auftreibungen,  die  nament- 
lich am  Wurzelhalse  oft  in  gröiSerer  Zahl  auftraten.  Auf  dem  ana- 
tomischen Bilde  erwiesen  sich  diese  Gebilde  als  krankhaft  vergrößerte 
Ersatzlentizellen,  deren  Mitte  aus  stark  radial  gestreckten,  an  den  Enden 
abgerundeten,  an  einem  Ende  oft  fast  sackförmig  ausgeweiteten,  parenehy- 
matischen  Zellen  bestanden,  die  weite  Lufträume  zwischen  sich  ließen. 
An  schon  abgestorbenen  größeren  Lentizellen  war  die  ganze  Mitte  durch 
Zusammenfallen  des  Gewebes  bis  tief  in  die  lebende  Rinde  hinein  röhren- 
förmig hohl.  Die  ganze  innere  Umgebung  der  Ersatzlentizellen  war 
später  stark  gebräunt. 

Außer  diesen  krankhaft  vergr()ßerten  Almungsorganen,  die  analog 
denen  gestaltet  sind,  wie  sie  v.  Tubeuf  in  der  Forstl.  Naturw,  Zeitschr. 
1906  bei  Pinus  strobus  beschreibt  und  abbildet,  und  wie  sie  auch, 
wenn  auch  anders  gebaut,  sich  bei  Pinus  süvesfris  in  Moospolstern 
finden '),  war  irgend  eine  erheblichere  Deformation  der  Gewebe,  nament- 
lich der  Leitungsgewebe  des  Stammes,  nicht  nachzuweisen.  Nur  war, 
ebenso  wie  in  den  älteren  Wurzeln,  am  Grunde  des  Stammes  der  ganze 
Holzkörper  und  die  Rinde  gebräunt.  r)ie  Bräunung  der  Rinde  hörte 
aber  schon  nach  wenigen  (meist  3—5)  Zentimetern  über  dem  Wurzel- 
hals auf,  indem  sie  sich  stellenweise  unregelmäßig  nach  oben  zungen- 
förmig,  sich  hin  und  wieder  etwas  verbreiternd,  vorschob.  Die  Bräunung 
des  Holzkörpers,   die  besonders  in    den  Gefäßen  stark  war    und  dort  oft 

')  Vgl.  (Jraebaer  in  Zeitschr.  f.  Foi'st-   und  -lagdwesen,  ]H()(>,  S.  7u.")ff. 


230  Paul  Graebuer.  ; 

durch  einon  (Icutlichen  braunen  (meist  einseitigen)  RanQl)elag  autfällig 
wurde,  nahm  im  Innern  des  Stammes  sehr  schnell  ab,  nur  in  einzelnen 
Gefäßen  weiter  nach  obeii  dringend.  Der  ganze  Querschnitt  war  bis 
höchstens  8  cm  über  dem  Wurzelhals  gebräunt.  Im  äußersten  Holzteile, 
also  in  den  Gefäßen  des  Jahres  1907,  aber  hatte  sich  die  jauchige  Flüssig- 
keit aus  den  unteren  Teilen  meist  bis  etwa  15  cm  im  ganzen  Stamm- 
umfang emporgesogen,  dort  unter  dem  Cambium  einen  braunen  Ring 
hervorbringend.  Die  parenchymatischen  Zellen  um  die  Geläße  waren 
meist  mit  abgetötet.  Zuletzt  Wciren  im  obersten  Teile  nur  noch  3  bis 
8  Lagen  toter  brauner  Zellen  zu  sehen.  Kinzelne  tote  Streifen  ließen 
sich  bis  in  die  Zweige  hinein  verfolgen. 

Eine  weitere  sehr  auffällige  Erscheinung  war  der  frühzeitige  Laub- 
fall an  einer  Anzahl  ausländischer  Gehölze.  Von  Straßenbäumen  waren 
es  namentlich  die  Roßkastanien,  die  bereits  während  der  ersten  Hälfte 
des  Oktober  an  vielen  Orten  die  Blätter  fallen  ließen  und  zwar,  soviel 
man  hier  in  der  Umgebung  konstatieren  konnte,  an  den  feuchteren 
Stellen,  während  an  den  hochgelegenen  Teilen  der  Straßen  die  Blätter 
bis  zu  den  ersten  Frösten  sitzen  blieben.  Auch  in  den  Pflanzungen  des 
botanischen  Gartens  und  in  Gärten  der  Umgebung  Berlins  war  dies  an 
einer  Reihe  strauch-  und  baumartiger  Gewächse  zu  beobachten,  und 
zwar  waren  es  ausnahmslos  solche  Gewächse,  die  an  natürlichen  Stand- 
orten trockene  Gelände  bewohnen.  So  verloren  beispielsweise  eine 
ganze  Anzahl  von  Leguminosen,  besonders  Caragana-AHen,  Rohinia, 
in  sehr  charakteristischer  Weise  einen  großen  Teil  ihrer  Blättchen  vor- 
zeitig. Ähnlich  wurde  der  frühzeitige  Laubfall  notiert  bei  einer  Reihe 
von  Prunus  (Kirschen-  und  Pflaumenarten),  Pirus,  namentlich  Birnen, 
Crataegus,  Cotinus  coggijgria  usw.  Bei  diesen  strauchartigen  Ge- 
hölzen war  die  Erscheinung  besonders  deutlich  gegen  Ende  des  Sep- 
tember und  Anfang  Oktober  im  Arboretum  des  botanischen  Gartens,  wo 
die  Arten  nach  ihrer  systematischen  Verwandtschaft  in  Gruppen  zu- 
sammengepflanzt sind.  Dort  waren  iramei'  bestimmte  Pflanzenarten  der 
genannten  Gattungen,  die  ganz  zerstreut  zwischen  den  übrigen  standen, 
am  Grunde  von  einem  dichten  Kranze  gelben  Laubes  bedeckt,  und 
hatten  nur  noch  wenige  Blätter,  meist  an  den  Zweigspitzen,  zu  einer 
Zeit,  als  die  übrigen  noch  vollbelaubt  dastanden.  Soweit  ich  die  Pflanzen 
zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  fanden  sich  sehr  zahlreiche  abge- 
storbene Wurzelspitzen  an  ihnen.  Als  im  Spätherbst  eine  Anzahl  von 
ihnen  im  botanischen  Garten  verpflanzt  wurde,  hatte  (Ende  Oktober, 
November)  bereits  die  Bildung  neuer  Wurzelspitzen  begonnen,  die  alten 
toten  waren  aber  in  allen  Fällen  noch  zu  konstatieren.  Es  scheint 
mir  sicher,    daß    dieses    frühzeitige    Absterben    des    Laubes    an    diesen 


über  einige  nichtparasitäre  Pflanzenkrankheiten  des  Sommers  1697.      231 

Pflanzen,  die  sonst  keineswegs  zu  den  friihreifenden  gehören,  auf  die 
große  Feuchtigkeit  des  Sommers  zurückzuführen  war;  außer  den  ab- 
gestorbenen Wurzelspitzen  konnte  keine  sichtbare  Krankheitserscheinung 
gefunden  werden.  Alle  gehörten,  wie  bemerkt,  zu  den  Bewohnern 
trockener  Orte. 

Weiter  war  der  Herbst  des  Jahres  1907  ausgezeichnet  durch  die  sehr 
schlechte  Herbstfärbung  derjenigen  Gehölze,  die  durch  Ihre  sonst 
prachtvollen  Farben  zu  den  Lieblingen  der  Gärtner  geworden  sind. 
Wenigstens  in  der  Umgebung  Berlins  war  das  Fehlen  des  Herbstlaiibes  an 
den  meisten  Orten  außerordentlich  deutlich.  Selbst  bei  den  amerikanischen 
Eichen  {Quercus  coccinea^  Qu.  palustris  etc.),  die  bei  uns  in  großen  Mengen 
angepflanzt  sind,  ging  bei  den  meisten  die  Färbung  von  Grün  durch 
ein  stumpfes  Rotbraun  in  das  Braun  des  Winters  über.  Ausnahmen  mit 
lebhafterer  Färbung  sah  ich  nur  z.  B.  in  einigen  sandigen  Gärten  der 
Kolonie  Grunewald.  Unter  den  sonst  prachtvoll  gefärbten,  ganz  frei  der 
Sonne  ausgesetzten  Gehölzen  des  botanischen  Gartens  fehlte  die  Herbst- 
färbung mehr  oder  weniger  bei  Monis  (sonst  lebhaft  gelb),  Liriodend)on 
(gleichfalls  gelb),  Berheris  (nur  einige  Formen  des  B.  vulgaris  und  Ver- 
wandte zeigten  schwache  Färbung,  B.  Thuubergii  z.  B.  blieb  fast  ganz 
grün),  Evonymus  (viele  sonst  prachtvoll  gefärbte  Pflanzen  blieben 
ganz  grün,  einige  waren  schwach  gefärbt),  Bhus  Cmeist  nur  an  einem 
Teil  der  schon  im  Welken  begriffenen  Blätter  rot).  Hex  glahra  (ziemlich 
gut  gefärbt),  Cotinus  coggygria  (schlecht  gefärbt),  Acer  rubrum  (ohne 
Färbung),  A.  ginnala  (fast  ohne  Färbung,  schnell  sich  entlaubend),  A. 
negundo  (Gelbfärbung  fast  fehlend),  A.  campestre  (leidlich  gefärbt), 
Aesculus  (alle  ohne  Färbung),  Parti lenocissus  (gefärbte  Blätter,  alle 
schnell  abfallend),  Liquidamhcr  styraciflua  (nur  untere  Teile  der 
Zweige  einigermaßen  gefärbt),  Parrotia  Persica  (schlecht  gefärbt), 
Spiraea  Tliunbergii  und  8.  prunifolia  (schlecht  gefärbt),  lioa  virginicti 
(ohne  Färbung). 

Die  Frostwirkungen  während  der  Vegetation  speriode  waren 
gleichfalls  recht  erheblich.  Zunächst  trat  in  einigen  Teilen  des  norddeutschen 
Flachlandes  Ende  Mai  in  zwei  xMächten  ein  ziemlich  starker  Prost  auf, 
der  neben  vielen  empfindlichen  Kulturpflanzen,  wie  Bohnen  usw..  auch 
einige  einheimische  Holzgewächse,  wie  Eiche,  Fichte,  Tanne  usw.,  erheb- 
lich schädigte.  Selbst  im  Juni  traten  noch  Streiffröste  auf.  Die  Wir- 
kungen der  stärkeren  Fröste  des  25.  Mai  auf  die  forstlichen  Holz- 
gewächse habe  ich  in  der  Zeitschrift  für  Forst-  und  Jagdwesen  (1908) 
eingehender  geschildert.  Besonders  geschädigt  wurden  die  Eichon- 
kulturen;  die  Fröste  töteten  z.  T.  sogar  Teile  der  2— 3jährigen 
Zweige    ab.      Zahlreich    waren    die    Wirkungen    an    den    Knospen-  und 


232  ^^"1  Graebner. 

Zweigansatzstellen,  wo  namentlich  die  saftroichen  parenchymatisehen 
Teile  erfroren  waren.  Bei  der  Vernarbung  der  Prostwunden,  die  im 
Spätsommer  des  Jahres  wieder  untersucht  wurden,  ergaben  sich  neben 
mehr  oder  weniger  starken  Gewebewucherungen,  die  knotige  Anschwel- 
lungen hervorbrachten,  besonders  Risse  und  Spalten  in  dem  toten  Ge- 
webe, wodurch  vorzeitig  eine  rauhe  Oberfläche  der  Zweige  geschaffen 
wurde.  In  den  Rissen  und  Spalten  siedeln  sich,  wie  an  iilteren  ähn- 
lichen Stellen  nachgewiesen  werden  konnte,  die  Flechten  in  großer 
Zahl  an,  so  daß  gerade  die  den  Frühfrösten  am  meisten  ausgesetzten 
Pflanzen  resp.  Bestände  den  auffälligen  Flechtenbehang  zeigten. 

Die  in  den  Nächten  vom  6.  und  7.  November')  plötzlich  ein- 
setzende, bis  zu  —  7°  C  betragende  Kälteperiode  machte  sich  nament- 
lich dadurch  bemerkbar,  daß  an  zahlreichen  Gehölzen  das  noch  grüne 
Laub  erfror  und  im  erfrorenen  Zustande  hängen  blieb.  Als 
dann  Ende  des  Monats  und  Anfang  Dezember  wieder  Tauwetter  eintrat, 
z.  T.  auch  mit  einer  ungewöhnlich  hohen  Temperatur,  die  das  Wachs- 
tum vieler  Pflanzen  stark  anregte,  wurde  bei  der  Mehrzahl  der  Gehölze 
die  Abtrennungsschicht  der  Blätter  nachträglich  ausgebildet  und  bei  ganz 
ruhigem  Wetter  fiel  das  Laub  in  großer  Menge  herab.  Eine  große 
Zahl  von  Gehölzen  behielt  indessen  ihr  Laub  auch  nach  der  Zeit  der 
Wärme  und  noch  jetzt,  zur  Zeit  der  Jahreswende,  konnten  eine  ganze 
Reihe  von  Arten  notiert  werden,  deren  Blätter  in  trocknem,  z.  T.  schon 
halb  verwesten  Zustande  an  den  Zweigen  hing  und  nur  mit  Anwendung 
von  Kraft  losgelöst  werden  konnten. 

Als  solche  noch  jetzt  mit  trockenem  Laube  behangenen,  sonst  es 
abwerfenden  Arten  wurden  aufgezeichnet  Larrx  sihirica,  Salix  dapli- 
noides,  acutifolia  und  einige  S.  daphnoides-Bastarde,  Alnus  alnohetula 
A.  viridis  (einige  Sträucher  dicht  belaubt,  andere  fast  kahl),  Castanea 
sativa  (verschiedene  dicht  belaubt),  Deutzia  gracilis  (namentlich  Garten- 
formen), mehrere  /S^/)?r(7ea- Arten,  Exochorda  grandiflora,  Rosa  cinna- 
momea,  B.  Carolina,  Cydonia  Japonica,  Ruhiis  odoraius,  Mespilus 
Germanica  (teils  mit,  teils  ohne  Blätter),  Laburnum  vulgare^  Acer 
rvhrum  (teilweise  mit  Plättern),  Cotinus  coggygria,  Lindera  Benzoin, 
Lepargyrea  Canadensis,  Corwins  alba,  Samhucus  glauca,  mehrere 
Loiiicera- Arten,  besonders    L.  coerulea  in  einigen  Exemplaren. 

Die  anatomische  Untersuchung  ergab,  daß  bei  der  Mehrzahl  der 
genannten  Gehölze  die  Trennungsschicht  zwischen  Blattstiel  und  Stengel 
nicht  ausgebildet  war,  da  sie  während  der  Zeit  der  Ausbildung  ganz  oder 
teilweise  erfroren  war.     L>as  abgetötete  Gewebe  reichte  oft  in  die  Blatt- 


1)  Nach  freiiudlicber  Mitteilung-  von  Prof.  Dr.  Kaßner-Berlin. 


über  einige  nichtparabitäre  Pflanzeiikranklieiteu  dos  Soiumers  1!)07.     233 

kissen  hinein  und  war  mitunter  stark  zerrissen.  Bei  den  meisten  waren 
naturgemäß  die  oberen  Teile  der  Zweige  stärker  mit  trockenem  Laube 
behängt,  die  unteren  zum  Teil  oder  auch  ganz  kahl,  bei  manchen  Exem- 
plaren jedoch,  so  z.  B.  bei  einigen  zu  Salix  daphnoides,  Cccstcmea. 
Ci/donia,  Mespüus,  Laburnum,  Lepargijrea,  Cornus  alba  gehörigen, 
waren  oft  ganze  Zweige  beblättert.  Bei  diesen  waren  in  den  oberen 
Teilen  der  Zweige  die  Frostwirkungen  ganz  erheblich  stärker;  so  war 
beispielsweise  bei  Coiimis  cocjgygria  und  bei  Cijdonia  Japonica  der 
größte  Teil  der  Blattkissen  mit  abgetötet  und  eingetrocknet,  die  Blatt- 
ansatzstelle saß  daher  in  einer  kleinen  Vertiefung  des  Zweiges.  Cotirms 
coggygria  bot,  wie  aus  dem  vorhergehenden  hervorgeht,  im  letzten 
Sommer  ganz  besonderes  Interesse.  Zunächst  machte  sich  bei  dem 
Perückenstrauch  ein  frühzeitiger  Laubfall  bemerkbar,  ein  großer  Teil 
der  Exemplare  verlor  die  Blätter  vorzeitig  in  großer  Zahl.  Die  sitzen- 
bleibenden Blätter  zeigten  fast  keine  nennenswerte  Herbstfärbung  und 
erfroren  schließlich  noch  am  Zweige  sitzend.  Augenscheinlich  war 
Cotinus,  ebenso  wie  auch  Cgdonia  Japonica  während  des  warmen  und 
langen  Spätsommers  zu  neuer  Wurzelbildung  und  neuer  Vegetation  an- 
geregt worden  und  dann  vor  Abschluß  derselben  vom  Proste  überrascht. 
Daß  eine  solche  Anreizung  zu  erneuter  Vegetation  im  Herbste  vielfach 
erfolgte,  zeigten  die  im  Herbst  blühenden  Frühjahrsblüher,  wie  Spiraea 
Thimbergi/,  Forsgthia  suspensa,  Jasminum  mtd/ßorum,  Lonicera  fra- 
grantissima  u.  a. 


Verbesserungen. 


S.  14  Zeile   1   v.  o.    und  S.  17    Zeile  6  v.  o.    imiß    es    heiUen:     Kabiikini;enienr 

statt  ßetriebsingenieur. 
S.  107  Zeile  3  v.  o.  Polarisationsstrom  statt  Tetanisieriingsstrom. 
S.  111  Zeile  10  v.  u.  ist  einzufügen:  (00  o/o). 


Jahresbericht  der  Vereinigung  für  angewandte  Botanik  V. 


Tafel  1. 


Ph 


(X)   ö 
03 


EH     S     ^ 


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0) 
03 


Heiuze,  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen. 


Jahresbericht  der  Vereinigfuiig  für  aiigowandtp  Botanik  V. 


Tafel  11. 


Tafel  II 

Anbau  versu  che   ohne  jede   Impfung   1907 
—  im   Freilande  — 


erstmaliger  dritter  (bzw.  zweiter) 

Serradella-Anbau 

nach   Senf  (bzw.  Hafer,  Kartoffeln)  

bzw.   nach   Bohnen  (bzw.  Erbsen  usw.) 

öesamtstiekstoflF-Ernte  j  52  kg  N.  (i.  Min.),   (d.  i.  ca.  22iJ  kg  N.  (i.  Max.);  (d.  i.  ca. 

pro  1  lia  1907  330  kg    N-haltige    Substanz  1500  kg  N-haltige  Substanz 

(Kraut  und  Wurzeln))  oder  Salpeter)  oder  Salpeter). 

Hei  uze,  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen. 


Jahresbericht  der  Vereinig;ung  für  angewandie  Botanik  V. 

A 11  bau  versuche  ohne  jede  Impfung  1907 
1  —  blaue  Lupinen  im  Freilande  — 


Tafel  III 

1 

I 

i 


J 


erstmaliger   Anbau 


nach  Kartoffeln  (Senf  usw.) 
bzw    Bohnen    (Erbsen  usw.) 
öesamtstickstolt^Enite  |    75  ^     ^_   ^-    ^^-^^ 

pro  1  lia  1907  ;  i7n  t„  m_v         - 

(Kraut  und  Wurzeln) 

Heinze,  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen 


^  ,  ,  ,     d.    entspr.   ca. 

470  kg  N-halt.  Substanz  od.  Salpeter. 


nach  Serradella,  1.  Anbau, 
bzw.  Serradella,  2.  Anbau, 


226  kg    N.    (i.  Max.);    d.   entspr.   ca. 
l.öOO  kg  N-halt.  Substanz  od.  Salpeter. 


Jahresbericht  der  Vereinigiiug  für  angewandte  Botanik  V. 


Tafel  IV. 


Tafel  IV 

Anbauversuche  ohne  jede  Impfung  1907 


H^Wk  .A.^^K'1 


Heinze,  Anbau  von  Serradella  und  Lupinen. 


JakresberiiJit  drr  l^iTPudgimif  Hanc/tuvamÜe  Botanik  V. 


Taf.V. 


Fuj.l. 


r  Fig.  5. 


Hemh-  Stichr  del. 


ZacliariaS;  Sterile  Jo liannisbeereTi 


F  Lazie,Zii?i.j7ist.3epiz7i 


Verlag  von  Gebrüder  Borntraeger  in  Berlin 
SW  11  Grossbeeren  Strasse  9 


Jahresbericht  der  Vereinigung  für  an 
gewandte  Botanik. 


Ersterfahrgang   1903.  Geheftet  4  Mk. 

Zweiter  Jahrgang  1903/4.  Geh.  5  Mk.  20  Pfg. 

Dritter  Jahrgang  1904/5.  Geheftet  10  Mk. 

Vierter  Jahrgang  1906.  Geheftet  14  Mk. 


Der  Jahresbericht  verfolgt  die  Aufgabe  der  Förderung  und 
Vertiefung  der  tcissenschaftlichen  Erkenntnis  im  Dienste  von  Land- 
und  Forstwirtschaft,  Handel  und  Gewerbe  durch  botanische  Forschung. 
Gerade  die  landiüirtschaftUch-praktische  Botanik  ist  in  kurzer  Zeit 
zu  einem  Wissenszweig  herangewachsen,  der  bei  vollständiger  Selbst- 
ständigkeit in  seilten  Errungenschaften  bereits  hervorragend  maass- 
gebend  geworden  ist  für  den  weiteren  Fortschritt  auf  den  bezeich- 
neten Gebieten.  Der  Jahresbericht  dient  daher  als  Sammelpunkt 
für  die  auf  landwirtschaftlichen  und  verwandten  Gebieten  ausgeführten 
botanischen  Forderungen. 


Ausführliche  Verlagsverzeichnisse  gratis  und  franko. 


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